PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Die galvanische Kette, mathematisch bearbeitet
Mit einem Figurenblatte.
Berlin,1827. Bei T. H. Riemann.
[II][III]

Vorwort.

Ich übergebe hiermit dem Publikum eine Theorie der galvanischen Elektrizität, als einen speziellen Theil der allgemeinen Elektrizitätslehre, und werde nach und nach, so wie gerade Zeit und Lust und Boden es gestatten, mehr solcher Stücke zu einem Ganzen an einander reihen, vorausgesetzt, dass der Werth dieser er - sten Ausbeute einigermassen den Opfern, die sie mir kostet, die Wage hält. Die Verhältnisse, in welchen ich bis jetzt gelebt habe, waren nicht geeignet, we - der meinen Muth, wenn ihn die Tages - kälte zu zerstören drohte, aufs NeueIV anzufeuern, noch, was doch unumgäng - lich nöthig ist, mich mit der auf ähnliche Arbeiten Bezug habenden Literatur in ihrem ganzen Umfange vertraut zu ma - chen; daher habe ich zu meiner Pro - berolle ein Stück gewählt, wobei ich Konkurrenz am wenigsten zu scheuen brauchte. Möge der geneigte Zuschauer meine Leistung mit derselben Liebe zur Sache aufnehmen, aus der sie hervor - gegangen ist!

Berlin, den 1. Mai 1827.

Der Verfasser.

[1]

Einleitung.

Das Streben dieser Abhandlung geht dahin, aus einigen wenigen, gröſstentheils durch die Er - fahrung gegebenen Prinzipien den Inbegriff derje - nigen elektrischen Erscheinungen in geschlossenem Zusammenhange abzuleiten, welche durch die Be - rührung zweier oder mehrerer Körper unter ein - ander hervorgebracht und unter dem Namen der galvanischen begriffen werden; ihre Absicht ist er - reicht, wenn auf solche Weise die Mannigfaltigkeit der Thatsachen unter die Einheit des Gedankens gestellt wird. Um mit den einfachsten Untersu - chungen den Anfang zu machen, habe ich mich fürs erste darauf beschränkt, diejenigen Fälle vor - zunehmen, wo die erregte Elektrizität nur in einer Dimension sich fortbewegt. Sie bilden gleichsam das Gerüste zu einem gröſseren Baue, und ent - halten gerade den Theil, dessen genauere Kennt - niſs aus den Anfangsgründen der Naturlehre zuA2schöpfen ist, und auch seiner Zugänglichkeit hal - ber darin in strenger Form gegeben werden kann. Zu Gunsten dieses besonderen Zweckes und zugleich als Einleitung in die Sache selbst schicke ich der gedrängten mathematischen Bear - beitung eine freiere, aber darum nicht weniger zu - sammenhängende, Uebersicht ihres Ganges und ihrer Resultate voraus.

Drei Gesetze, wovon das eine die Art der Elektrizitätsverbreitung innerhalb eines und des - selben Körpers, das zweite die Art der Elektrizi - tätszerstreuung in die umgebende Luft, und das dritte die Art des Hervortretens der Elektrizität an der Berührungsstelle zweier heterogener Kör - per ausspricht, bilden die Grundlage der ganzen Abhandlung und enthalten zugleich Alles, was nicht auf eine vollständige Begründung Anspruch macht. Die beiden letztern sind reine Erfah - rungsgesetze, das erstere aber ist seiner Natur nach wenigstens zum Theile theoretisch.

Was dieses erste Gesetz betrifft, so bin ich von der Annahme ausgegangen, daſs die Mitthei - lung der Elektrizität von einem Körperelemente nur zu dem ihm zunächst liegenden auf eine un -3 mittelbare Weise erfolge, so daſs von jenem Elemente zu jedem andern entfernter liegenden kein unmittelbarer Uebergang Statt findet. Die Gröſse des Ueberganges zwischen zwei zunächst beisammen liegenden Elementen habe ich unter übrigens gleichen Umständen dem Unterschiede der in beiden Elementen befindlichen elektrischen Kräfte proportional gesetzt, gleichwie in der Wärmelehre der Wärmeübergang zwischen zwei Körperelementen dem Unterschiede ihrer Tempe - raturen proportional genommen wird. Man sieht hieraus, daſs ich von dem bisher üblichen, durch Laplace eingeführten Verfahren bei Molekular - wirkungen abgewichen bin, und ich hoffe, daſs sich der von mir eingeschlagene Weg durch seine Allgemeinheit, Einfachheit und Klarheit so - wohl, als durch das Licht, welches er auf den Sinn der früheren Methoden wirft, von selbst em - pfehlen werde.

In Ansehung der Elektrizitätszerstreuung in die Luft habe ich das von Coulomb durch Ver - suche ausgemittelte Gesetz beibehalten, dem ge - mäſs der Verlust an Elektrizität eines von Luft umgebenen Körpers in einem Zeittheilchen vonA 24konstanter Länge der Stärke der Elektrizität und einem von der Natur der Luft abhängigen Ko - effizienten proportional ist. Ein einfaches Zusam - menhalten der Umstände, unter welchen Coulomb seine Versuche angestellt hat, mit den bei der Elektrizitätsbewegung vorhandenen zeigte jedoch, daſs bei den galvanischen Erscheinungen der Einfluſs der Luft fast immer auſser Acht gelassen werden kann. Bei Coulombs Versuchen war nämlich die nach der Oberfläche der Körper hin - gedrängte Elektrizität ihrer ganzen Ausdehnung nach im Prozesse der Zerstreuung in die Luft begriffen, während in der galvanischen Kette die Elektrizität fast immer das Innere der Körper durchzieht und deswegen nur zum kleinsten Theile mit der Luft in Wechselwirkung kommt, so daſs hier die Zerstreuung in die Luft in Ver - gleich zu jener nur äuſserst unbeträchtlich ausfal - len kann. Diese aus der Natur der Umstände abgeleitete Folgerung wird durch die Erfahrung bestätigt; in ihr liegt der Grund, warum das zweite Gesetz nur sehr selten zur Sprache kommt.

Die Art und Weise, wie die Elektrizität an5 der Berührungsstelle zweier differenter Körper hervortritt, oder die elektrische Spannung dieser Körper habe ich so ausgesprochen: Wenn ver - schiedenartige Körper sich einander berühren, so behaupten sie fortwährend an der Stelle der Be - rührung einen und denselben Unterschied ihrer elektroskopischen Kräfte.

Mit Zuziehung dieser drei Fundamentalsätze lassen sich die Bedingungen angeben, welchen die Elektrizitätsbewegung in Körpern von beliebiger Gestalt und Art unterworfen ist. Die Form und Behandlung der so erhaltenen Differenzialglei - chungen ist denen für die Wärmebewegung durch Fourier und Poisson uns gegebenen so ähnlich, daſs sich schon hieraus, wenn auch wei - ter keine andern Gründe vorhanden wären, der Schluſs auf einen innern Zusammenhang zwischen beiden Naturerscheinungen mit allem Rechte ma - chen lieſse, und dieses Identitätsverhältniſs nimmt zu, je weiter man es verfolgt. Diese Untersu - chungen gehören zu den schwierigsten in der Ma - thematik, und können schon deſshalb nur allmäh - lich einen allgemeinen Eingang sich verschaffen, darum ist es ein glücklicher Wurf, daſs bei ei -6 nem nicht unwichtigen Theile der Elektrizitätsbe - wegung in Folge seiner besondern Natur jene Schwierigkeiten fast gänzlich wegfallen. Diesen Theil dem Publikum zunächst vorzulegen, hat ge - genwärtige Schrift sich zum Ziele gesetzt und da - her nur so viel von zusammengesetzten Fällen in sich aufgenommen, als zur Sichtbarmachung des Ueberganges nöthig schien.

Die Natur und Gestalt, welche man den gal - vanischen Apparaten insgemein zu geben pflegt, begünstigt die Elektrizitätsbewegung nur nach ei - ner Dimension, und die Schnelligkeit der Elektri - zitätsverbreitung in Verbindung mit der nie ver - siegenden Quelle der galvanischen Elektrizität wird Ursache, daſs die galvanischen Erscheinun - gen gröſstentheils einen mit der Zeit sich nicht ändernden Charakter annehmen. Diese beiden den galvanischen Erscheinungen meistens zur Seite stehenden Bedingungen, nämlich Aenderung der elektrischen Beschaffenheit in einer einzigen Di - mension und Unabhängigkeit derselben von der Zeit, sind es aber gerade, wodurch die Behand - lung zu einem Grade der Einfachheit gebracht wird, der in keinem Theile der Naturlehre gröſser7 angetroffen wird und ganz dazu geeignet ist, der Mathematik die Besitzergreifung eines neuen Fel - des der Physik, von dem sie bisher fast gänzlich ausgeschlossen blieb, ohne allen Widerspruch zu sichern. So geht diese Wissenschaft, der Natur getreu, gleich ihr, in anspruchsloser Würde ih - ren unerschütterlichen Gang, kaum achtend der aus dem Zwiespalte der Zeit gegen sie gerichte - ten Verunglimpfungen, die schon bei ihrer Geburt alle Merkmahle eines hinfälligen, nur der Kunst angehörigen, Lebens an sich tragen.

Die chemischen Veränderungen, welche so häufig in einzelnen, meistentheils flüssigen, Theilen einer galvanischen Kette vor sich gehen, beneh - men der Wirkung ihre natürliche Reinheit und verbergen durch die Verwickelungen, welche sie herbeiführen, den eigentlichen Hergang der Sache ungemein; in ihnen liegt der Grund eines bei - spiellosen Wechsels der Erscheinung, der zu so vielen scheinbaren Ausnahmen von der Regel, manchmal wohl gar zu Widersprüchen, in so - weit der Sinn dieses Wortes nicht selbst mit der Natur im Widerspruche stehet, Anlaſs giebt. Aus dieser Ursache habe ich die Betrachtung sol -8 cher galvanischer Ketten, in welchen kein Theil eine chemische Veränderung erleidet, von jenen, deren Thätigkeit durch eine chemische Wirkung getrübt wird, strenge geschieden und letztere im Anhange besonders betrachtet. Diese gänzliche Trennung beider zu einem Ganzen gehörenden Theile und, wie es scheinen möchte, Geringerstel - lung des letztern findet in folgendem Umstande ihren hinreichenden Erklärungsgrund. Eine Theorie, die auf den Namen einer unvergängli - chen und fruchtbringenden Anspruch machen will, darf, däucht mir, ihre edle Herkunft nicht durch ein eitles Wortgepränge zu erkennen ge - ben, sondern dadurch, daſs sie überall ihre Ver - wandtschaft zu dem Geiste, der die Natur be - seelt, durch einen Parallelismus ihrer Aeuſserungen einfach und vollständig, ohne alles Hebezeug der Sprache, den Herold eines Kampfes der mensch - lichen mit einer höhern Kraft, in der Wirklich - keit nachweise. Diese Nachweisung ist für den ersten der genannten Theile, wie ich glaube, hin - reichend vorhanden, theils durch die vorangegan - genen Versuche Anderer, theils durch eigene, die anfänglich mich mit der hier entwickelten Theo -9 rie befreundeten und später mich ihrer ganz ver - sicherten. Nicht so verhält es sich in Ansehung des zweiten Theils. Ihm fehlt fast durchaus eine genauere Prüfung an der Erfahrung, welche vor - zunehmen mir sowohl die nöthige Zeit als die erforderlichen Mittel fehlten, darum habe ich ihn bloſs in den Winkel gestellt, aus welchem er, wenn er es werth ist, zu seiner Zeit doch wohl hervor - gezogen und dann bei besserer Pflege auch wei - ter ausgebildet werden wird. Ich kann in meiner Lage nichts weiter für ihn thun, als ihn guther - zigen Menschen mit der Wärme eines Vaters zu empfehlen, der, von blinder Affenliebe nicht be - thört, sich daran begnügt, auf das freie, offene Auge, womit sein Kind arglos die arge Welt an - guckt, hinzudeuten.

Mittelst des ersten und dritten Fundamental - satzes gelangt man zu einer deutlichen Einsicht in die oberste galvanische Erscheinung auf folgende Weise. Denkt man sich nämlich einen, überall gleich dicken und homogenen Ring, an dessen ei - ner Stelle, seiner[ganzen] Dicke nach, eine und die - selbe elektrische Spannung, d. h. Ungleichheit in dem elektrischen Zustande zweier unmittelbar ne -10 ben einander liegender Flächen, aus welchen Ur - sachen immer, eingetreten und demnach das elektrische Gleichgewicht gestört worden ist, so wird die Elektrizität in ihrem Streben, es wieder herzustellen, wenn ihre Beweglichkeit lediglich auf die Ausdehnung des Ringes beschränkt ist, nach beiden Seiten desselben abflieſsen. Wenn jene Spannung bloſs ein Werk des Augenblicks war so wird auch in Kurzem das Gleichgewicht wie - der hergestellt sein, wenn hingegen die Spannung bleibend ist, so kann das Gleichgewicht nie wie - der zurückkehren; aber die Elektrizität vermöge ihrer nicht fühlbar gehemmten expansiven Kraft führt in einem Zeitraume, dessen Dauer fast im - mer unsern Sinnen entgehet, einen Zustand her - bei, der dem des Gleichgewichts am nächsten kommt, und darin besteht, daſs durch die fort - dauernde Bewegung der Elektrizität nirgends eine wahrnehmbare Aenderung in der elektrischen Be - schaffenheit der Körpertheile, durch welche der Strom geht, hervorgebracht wird. Die Besonder - heit dieses auch bei der Bewegung der Wärme und des Lichtes häufig sich bildenden Zustandes hat darin ihren Grund, daſs jedes in dem Wir -11 kungskreise liegende Körpertheilchen in jedem Augenblicke von der einen Seite her genau so viel von der bewegten Elektrizität in sich auf - nimmt, als es nach der andern Seite hin abgiebt und darum selber immer gleich viel behält. Da nun kraft des ersten Fundamentalsatzes der elek - trische Uebergang unmittelbar nur von dem einen Körperelemente zum nächsten Statt findet und seiner Stärke nach, unter übrigens gleichen Um - ständen, durch den elektrischen Unterschied der beiden Elemente bestimmt wird, so muſs offenbar an dem seiner ganzen Dicke nach gleichförmig angeregten, an allen Orten gleich beschaffenen, Ringe jener Zustand durch eine stetige von der Erregungsstelle ausgehende, durch den ganzen Ring gleichförmig fortschreitende, und zuletzt wieder in die Erregungsstelle zurückkehrende Aenderung des elektrischen Zustandes sich ankün - digen, während an der Erregungsstelle selbst ein plötzlicher, die Spannung ausmachender, Sprung in der elektrischen Beschaffenheit, wie vorausge - setzt worden ist, bleibend wahrgenommen wird. In dieser einfachen Elektrizitätsvertheilung liegt12 der Schlüssel zu den mannigfaltigsten Erschei - nungen.

Die Art der Elektrizitätsvertheilung in dem Ringe ist durch die vorangegangene Betrachtung völlig bestimmt worden, aber die absolute Stärke der Elektrizität an den verschiedenen Stellen des Ringes bleibt noch ungewiſs. Man kann sich diese Eigenheit am besten dadurch versinnlichen, daſs man sich den Ring, ohne seine Natur zu ändern, an der Erregungsstelle geöffnet und in eine gerade Linie ausgestreckt denkt und die Stärke der Elektrizität an jeder Stelle durch die Länge einer da errichteten senkrechten Linie, Ordinate, versinnlicht, wobei die nach oben ge - richteten einen positiv elektrischen, die nach un - ten gestellten aber einen negativ elektrischen Zu - stand der Stelle bezeichnen mögen. Die Linie AB (Fig. 1.) stelle sonach den in eine gerade Linie ausgestreckten Ring vor, und die auf AB senkrechten Linien AF und BG mögen durch ihre Längen die Stärke der an den Enden A und B befindlichen positiven Elektrizitäten bezeichnen. Zieht man nun von F nach G die gerade Linie FG, ferner FH parallel mit AB, so giebt die13 Lage von FG die Art der Elektrizitätsvertheilung und die Gröſse BG AF oder GH die an den Enden des Ringes hervortretende Spannung zu erkennen, und die Stärke der Elektrizität an ir - gend einer andern Stelle C läſst sich an der Länge der durch C auf AB senkrecht gezoge - nen CD leicht abnehmen. Durch die Natur der galvanischen Erregung wird aber bloſs die Gröſse der Spannung oder die Länge der Linie GH, also zwar die Differenz der Linien AF und BG be - stimmt, die absolute Gröſse der Linien AF und BG ist jedoch dadurch keineswegs gegeben; da - her läſst sich die Art der Vertheilung eben so gut durch jede andere der vorigen parallele Li - nie z. B. IK darstellen, für welche die Spannung noch immer denselben Werth behält und KN ist, weil die jetzt unterhalb AB liegenden Ordi - naten eine der vorigen entgegengesetzte Beziehung annehmen. Welche von den unendlich vielen der FG parallelen Linien den wirklichen Zustand des Ringes ausdrücken werde, läſst sich im All - gemeinen nicht angeben, sondern muſs in jedem Falle aus den dabei Statt findenden Umständen besonders entschieden werden. Uebrigens ist14 leicht einzusehen, daſs, da die gesuchte Linie der Lage nach gegeben ist, sie durch die Feststel - lung eines einzigen ihrer Punkte, oder mit andern Worten durch die Kenntniſs der elektrischen Kraft, an einer einzigen Stelle des Ringes gänzlich bestimmt sein wird. Wenn z. B. der Ring an der Stelle C durch Ableitung alle Elektrizität ver - löre, so würde die mit FG parallel durch C ge - zogene Linie LM in diesem Falle den elektri - schen Zustand des Ringes mit voller Bestimmtheit ausdrücken. In der hier ausgesprochenen Verän - derlichkeit der Elektrizitätsvertheilung liegt der Grund einer den galvanischen Ketten eigenthüm - lichen Wandelbarkeit der Erscheinung. Noch füge ich bei, daſs es offenbar ganz gleichgültig ist, ob man die Stellung der Linie FG zu der AB bestimmt, oder ob man die Lage der Linie FG immer dieselbe bleiben läſst und dagegen die Stellung der Linie AB gegen sie verändert, welches letztere Verfahren eine viel gröſsere Ein - fachheit gestattet in solchen Fällen, wo die Elek - trizitätsvertheilung eine mehr zusammengesetzte Gestalt annimmt.

Die eben vorgebrachte und für einen seiner15 ganzen Ausdehnung nach homogenen Ring gül - tige Schluſsweise läſst sich leicht auf einen aus noch so vielen heterogenen Theilen zusammenge - setzten Ring ausdehnen, wenn nur jeder Theil an sich homogen und überall von gleicher Dicke ist. Als Beispiel dieser Erweiterung mag ein aus zwei heterogenen Theilen zusammengesetzter Ring hier noch behandelt werden. Man stelle sich diesen Ring wieder wie vorhin an einer seiner Erre - gungsstellen geöffnet und in die gerade Linie ABC (Fig. 2.) ausgestreckt vor, so daſs AB und BC die beiden heterogenen Theile des Ringes bezeichnen. Die Senkrechten AF, BG sollen durch ihre Längen die an den Enden des Thei - les AB, dagegen BH und CI die an den Enden des Theiles BC vorhandenen elektrischen Kräfte, demnach AF+CI oder FK die Spannung an der geöffneten Erregungsstelle, und GH die bei der Berührungsstelle in B eingetretene Spannung vor - stellen. Hat man nun bloſs den bleibenden Zu - stand der Kette vor Augen, so werden aus der vorhin angezogenen Ursache die geraden Linien FG und HI durch ihre Lage die Art der Elek - trizitätsvertheilung in dem Ringe zu erkennen ge -16 ben; ob aber die Linie AC an ihrer Stelle blei - ben werde, oder ob sie weiter hinauf oder weiter herab gerückt werden müsse, bleibt ungewiſs und kann nur in jedem besondern Falle durch ander - weitige Betrachtungen ausgemacht werden. Wenn z. B. die Stelle O der Kette ableitend berührt und dadurch aller Elektrizität beraubt würde, so müſste die ON verschwinden und daher würde die durch N mit AC parallel gezogene Linie LM die in diesem Falle erforderliche Stellung von AC zu erkennen geben. Man sieht hieraus, wie bald diese, bald eine andere Stellung der Linie AC zu der die Elektrizitätsvertheilung darstellen - den Figur FGHI die den Umständen angemessene werden kann, und erkennt darin die Quelle der schon erwähnten Wandelbarkeit galvanischer Er - scheinungen.

Es ist jedoch zu einer gründlichen Beurthei - lung des vorliegenden Falles noch die Beachtung eines Umstandes wesentlich erforderlich, dessen Erwähnung bisher absichtlich, um die verschiede - nen Momente so scharf wie möglich von einan - der abzusondern, unterblieben ist. Die Entfer - nungen FK und GH sind zwar allerdings durch17 die an den beiden Erregungsstellen vorhandenen Spannungen gegeben, aber dadurch allein wird die Figur FGHI noch nicht gänzlich bestimmt. Es könnten z. B. die Punkte G und H nach G′ und H′ herab, rücken, so daſs G′H′ = GH wäre, dann würde die Figur FG′H′I entstehen, durch welche eine ganz andere Art der Elektrizitätsver - theilung angezeigt würde, obgleich in ihr die ein - zelnen Spannungen noch ihre vorige Gröſse be - halten haben. Soll mithin das für die zweigliede - rige Kette Vorgebrachte einen Sinn erhalten, der keiner willkührlichen Deutung mehr unterworfen ist, so muſs diese Unbestimmtheit sich aus dem Wege räumen lassen. Dieses Geschäft übernimmt der erste Fundamentalsatz in folgender Art. Da nämlich nur der von der Zeit unabhängige Zu - stand des Ringes berücksichtiget wird, so muſs, wie schon erwähnt worden ist, jeder Querschnitt in jedem Augenblicke von der einen Seite her dieselbe Elektrizitätsmenge empfangen, welche er nach der andern Seite hin abgibt. Diese Be - dingung zieht auf Strecken des Ringes, die an ihren verschiedenen Stellen völlig einerlei Beschaf - fenheit haben, die stetig und gleichförmig sichB18ändernde Vertheilung nach sich, welche in der ersten Figur durch die gerade Linie FG und in der zweiten Figur durch die geraden Linien FG und HI vorgestellt worden ist; wenn aber die räumliche oder die physische Natur des Ringes von einem Theile zum andern, aus denen er be - stehet, sich ändert, so fällt der Grund dieser Ste - tigkeit und Gleichförmigkeit weg, daher muſs die Art der Verbindung der einzelnen geraden Linien unter sich zur vollständigen Figur aus andern Betrachtungen erst abgeleitet werden. Um die Sache zu erleichtern, will ich die räumliche und physische Verschiedenheit der einzelnen Theile, jede für sich, einer besondern Betrachtung unter - werfen.

Nimmt man zuvörderst an, daſs jeder Quer - schnitt des Theiles BC m mal kleiner, als in dem Theile AB sei, während beide Theile aus ei - nerlei Stoff gebildet sind, so kann der von der Zeit unabhängige elektrische Zustand des Ringes, welcher fordert, daſs überall im ganzen Ringe von der einen Seite her eben so viel Elektrizität zuflieſse, als nach der andern Seite hin abflieſst, offenbar nur unter der Bedingung Statt finden,19 daſs in derselben Zeit von einem Elemente zum andern innerhalb des Theiles BC der elektrische Uebergang m mal gröſser sei, als in dem Theile AB, weil nur auf solche Weise die Wirkung in beiden Theilen sich das Gleichgewicht halten kann. Um aber diesen m mal gröſsern Ueber - gang der Elektrizität von Element zu Element hervorzurufen, muſs in Folge des ersten Funda - mentalsatzes innerhalb des Theiles BC die elek - trische Differenz von Element zu Element m mal gröſser sein, als in dem Theile AB, oder, wenn diese Bestimmung in die Figur übergetragen wird, es muſs die Linie HI auf gleiche Strecken sich m mal mehr senken, oder ein m mal gröſseres Gefälle haben, als die Linie FG, wo man unter dem Ausdrucke » Gefälle « die Differenz solcher Ordinaten zu verstehen hat, die zu zwei um die Längeneinheit von einander entfernten Stellen ge - hören. Es ergiebt sich aus dieser Betrachtung folgende Regel: Die Gefälle der Linien FG und HI müssen sich in den aus einerlei Stoff gebildeten Theilen AB und BC zu einander verhalten, wie die Querschnitte dieser TheileB 220in umgekehrter Ordnung. Dadurch nun wird die Figur FGHI völlig bestimmt.

Wenn die Theile AB und BC des Ringes zwar einerlei Querschnitt besitzen, aber aus ver - schiedenem Stoffe bestehen, so wird der Elektrizi - tätsübergang jetzt nicht mehr blos von der in je - dem Theile von Element zu Element fortrücken - den Elektrizitätsänderung, sondern zugleich auch von der besondern Natur eines jeden Stoffes ab - hängig sein. Diese lediglich durch die materielle Besonderheit der Körper bedingte Verschieden - heit in der Elektrizitätsverbreitung, sie mag in dem besonderen Gefüge eines jeden Körpers, oder in irgend einem andern eigenthümlichen Verhalten der Körper zur Elektrizität ihren Grund haben, begründet eine Unterscheidung in dem elektrischen Leitungsvermögen der verschiedenen Körper, und vorliegender Fall selbst kann über die wirkliche Existenz eines solchen Unterschiedes Auskunft und zu seiner näheren Bestimmung An - laſs geben. In der That da der aus den beiden Theilen AB und BC zusammengesetzte Ring von dem homogenen sich nur dadurch unterscheidet, daſs beide Theile aus zweierlei Stoff gebildet sind,21 so wird eine Verschiedenheit in dem Gefälle der beiden Linien FG und HI eine Verschiedenheit in dem Leitungsvermögen der beiden Stoffe zu erkennen geben, und die eine zur Bestimmung der andern dienen können. Auf solche Weise gelangt man zu folgendem die Stelle einer Defi - nition vertretenden Satze: In einem aus 2 Theilen AB und BC von gleichem Quer - schnitte und verschiedenem Stoffe gebildeten Ringe verhalten sich die Gefälle der Linien FG und HI wie die zu beiden Theilen gehö - rigen Leitungsvermögen in umgekehrter Ord - nung. Hat man die Leitungsfähigkeiten der ver - schiedenen Stoffe einmal aufgefunden, so können diese in jedem vorkommenden Falle zur Bestim - mung der Gefälle der Linien FG und HI ge - braucht werden. Dadurch aber wird die Figur FGHI gänzlich bestimmt. Die Bestimmung des Leitungsvermögens aus der Elektrizitätsvertheilung wird durch die geringe Intensität der galvanischen Elektrizität und die Unvollkommenheit der dazu erforderlichen Werkzeuge sehr erschwert; spä - ter wird sich hierzu ein bequemeres Mittel dar - bieten.

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Von diesen beiden besondern Fällen kann man sich nun auf die gewohnte Weise zu dem allgemeinen erheben, wo die beiden prismatischen Theile des Ringes weder einerlei Querschnitt be - sitzen, noch aus demselben Stoffe gebildet sind. In diesem Falle müssen sich die in beiden Theilen herrschenden Gefälle umgekehrt wie die Produkte aus den entsprechenden Quer - schnitten und Leitungsvermögen verhalten. Dadurch wird man in den Stand gesetzt, in je - dem Falle die Figur FGHI gänzlich zu bestim - men, sonach die Art der Elektrizitätsvertheilung in dem Ringe vollständig zu erkennen. Man kann alle bisher einzeln aufgefaſsten Eigenthüm - lichkeiten des aus zwei heterogenen Theilen zu - sammengesetzten Ringes in folgender Art zusam - menfassen: In einer aus zwei heterogenen, prismatischen Theilen zusammengesetzten gal - vanischen Kette findet in Ansehung ihrer elektrischen Beschaffenheit an jeder Erre - gungsstelle von dem einen Theile zum an - dern ein plötzlicher, die daselbst befindliche Spannung bildender Sprung, und von dem ei - nen Ende eines jeden Theils zum andern ein23 allmähliger und gleichförmiger Uebergang Statt, und die Gefälle dieser beiden Ueber - gänge sind den Produkten aus dem Leitungs - vermögen und dem Querschnitte eines jeden Theils umgekehrt proportional.

Auf diesem Wege fortschreitend wird man ohne groſse Mühe die elektrische Beschaffenheit eines aus drei oder mehr heterogenen Theilen zusammengesetzten Ringes zu erforschen im Stande sein, und so zu nachstehendem allgemei - nen Gesetze gelangen: In einer aus beliebig vielen prismatischen Theilen zusammengesetz - ten galvanischen Kette findet in Ansehung ihrer elektrischen Beschaffenheit an jeder Erre - gungsstelle von dem einen Theile zum andern ein plötzlicher, die daselbst herrschende Span - nung bildender Sprung und innerhalb eines jeden Theils von dem einen Ende zum an - dern ein allmähliger und gleichförmiger Ue - bergang Statt, und die Gefälle der verschiede - nen Uebergänge sind den Produkten aus dem Leitungsvermögen und dem Querschnitte ei - nes jeden Theils umgekehrt proportional. Aus diesem Gesetze läſst sich in jedem besondern24 Falle die ganze Vertheilungsfigur leicht herleiten, wie ich nun an einem Beispiele zeigen werde.

Es sei ABCD (Fig. 3.) ein aus 3 heteroge - nen Theilen AB, BC, CD zusammengesetzter, an einer seiner Erregungsstellen geöffneter und in eine gerade Linie ausgestreckter Ring. Die ge - raden Linien FG, HI, KL sollen durch ihre Lage die Art der Elektrizitätsvertheilung in jedem ein - zelnen Theile des Ringes und die durch A, B, C und D auf AD senkrecht gezogenen Linien AF, BG, BH, CI, CK und DE solche Gröſsen vorstellen daſs GH, KI und LM oder DL AF durch ihre Länge die Gröſse der an den einzelnen Erregungs - stellen befindlichen Spannungen zu erkennen geben. Man soll aus der bekannten Gröſse dieser Spannun - gen und aus der gegebenen Natur der einzelnen Theile AB, BC und CD die Figur der elektri - schen Vertheilung FGHIKL gänzlich bestimmen.

Zieht man durch die Punkte F, H und K mit AD parallel gerade Linien, welche die durch B, C und D senkrecht auf AD gezogenen in den Punkten F′ H′ und K′ schneiden, so sind nach dem, was bisher gezeigt worden ist, die Linien GF′, IH′ und LK′ den Längen der Theile AB,25 BC und CD direkt und den Produkten aus dem Leitungsvermögen und dem Querschnitte dersel - ben Theile umgekehrt proportional, mithin ist das Verhältniſs der Linien GF′, IH′ und LK′ zu einander gegeben. Ferner ist GF′+IH′+LK′ = GH KI+ (DL AF = LM) also bekannt, weil die durch GH, KI und DL AF vorgestellten Spannungen gegeben sind. Aus dem gegebenen Verhältnisse der Linien GF′, IH′, LK′ und ihrer bekannten Summe lassen sich nun diese Linien einzeln finden, dann ist aber offenbar die Figur FGHIKL gänzlich bestimmt. Die Stellung dieser Figur zu der Linie AD bleibt der Natur der Sache nach noch unentschieden.

Wenn man erwägt, daſs bei einem Fort - schreiten in derselben Richtung AD die Spannun - gen GH und DL AF oder LM ein plötzliches Sinken der elektrischen Kraft an den betreffen - den Erregungsstellen, die IK dagegen ein plötzli - ches Steigen der Kraft zu erkennen gibt und in Folge dieser Erwägung Spannungen der erstern Art als positive Gröſsen, Spannungen der letztern Art dagegen als negative Gröſsen ansieht und be - handelt, so führt das eben behandelte Beispiel zu26 folgender allgemein gültigen Regel: Theilt man die Summe aller Spannungen des aus meh - rern Theilen zusammengesetzten Ringes in eben so viele Stücke, welche den Längen der Theile direkt und den Produkten aus ihrem Leitungsvermögen und ihrem Querschnitte um - gekehrt proportional sind, so geben diese Stücke der Reihe nach die Gröſse der Ab - dachung zu erkennen, welche den zu den ein - zelnen Theilen gehörigen, die Elektrizitätsver - theilung darstellenden, geraden Linien gegeben werden muſs, und dabei zeigt die positive Summe aller Spannungen eine allgemeine Hebung, dagegen die negative Summe aller Spannungen eine allgemeine Senkung jener Linien an.

Ich gehe nun zur Bestimmung der elektri - schen Kraft einer beliebigen Stelle in jeder gal - vanischen Kette über, wobei ich wieder die dritte Figur zum Grunde legen werde. Zu dem Ende sollen a, a′, a″ die bei B, C und zwischen A und D befindlichen Spannungen bezeichnen, so daſs also in diesem Falle a und a″ additive, a′ dage - gen eine subtraktive Linie vorstellt und λ, λ′, λ″27 sollen irgend Linien andeuten, die sich direkt wie die Längen der Theile AB, BC, CD und um - gekehrt wie die Produkte aus dem Leitungsver - mögen und dem Querschnitte derselben Theile verhalten, ferner soll 〈…〉 und 〈…〉 gesetzt werden, so ist nach dem eben gefundenen Gesetze GF′ die vierte Proportionallinie zu L, A und λ IH′ die vierte Proportionallinie zu L, A und λ′ LK′ die vierte Proportionallinie zu L, A und λ″. Zieht man nun durch F parallel mit AD die Linie FM, betrachtet diese Linie als Achse der Abscissen und errichtet an beliebigen Punkten X, X′, X″ die Ordinaten XY, X′Y′, X″Y″, so erhält man diese einzeln so:

Erstlich hat man, weil AB = FF′ ist, 〈…〉 woraus folgt: 〈…〉 oder wenn man für GF′ seinen Werth 〈…〉 setzt28 〈…〉 bezeichnet nun x eine Linie von der Beschaffen - heit, daſs 〈…〉 so wird 〈…〉 Zweitens hat man, weil BC und F′X′ gleich den durch I und Y′ mit AD parallel bis an GH ge - zogenen Linien sind, 〈…〉 woraus folgt: 〈…〉 oder, weil F′H = GH GF′ ist, 〈…〉 Setzt man nun statt IH′ und GF′ ihre Werthe 〈…〉 und 〈…〉 , so erhält man 〈…〉 und wenn man durch x′ eine Linie von der Be - schaffenheit bezeichnet, daſs29 〈…〉 so wird 〈…〉 Drittens hat man, weil CD = KK′ und F″X″ gleich dem Theile von KK′ ist, der von K bis an die Linie X″Y″ geht, 〈…〉 woraus folgt 〈…〉 oder, weil KF″ = KI + IH′ F′ H und wie - der F′H = GH GF′ ist, 〈…〉 Setzt man nun statt LK′, IH′, GF′ ihre Werthe 〈…〉 so erhält man 〈…〉 und wenn man durch x″ eine Linie von der Be - schaffenheit bezeichnet, daſs 〈…〉 so wird 〈…〉

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Diese zu den dreierlei Theilen der Kette ge - hörigen der Form nach von einander verschie - denen Werthe der Ordinaten lassen sich, wie folgt, auf einen allgemeinen Ausdruck bringen. Es ist nämlich, wenn F als Anfangspunkt der Abscissen angenommen wird, FX′ die der Ordi - nate XY entsprechende Abscisse, welche zu dem homogenen Stücke AB des Ringes gehört und x stellt die dieser Abscisse entsprechende, in dem Verhältnisse von AB: λ reduzirte, Länge vor. Eben so ist FX′ die der Ordinate X′Y′ entspre - chende Abscisse, welche aus den zu homogenen Stücken des Ringes gehörigen Theilen FF′ und F′X′ zusammengesetzt ist und λ, x′ sind die die - sen Theilen entsprechenden, in den Verhältnissen von AB: λ und BC: λ′ reduzirten Längen. End - lich ist FX″ die der Ordinate X″Y″ entsprechende Abscisse, welche aus den zu homogenen Stücken des Ringes gehörigen Theilen FF′, F′F″, F″X″ zusammengesetzt ist und λ, λ′ x″ sind die diesen Theilen entsprechenden, in den Verhältnissen von AB: λ, BC: λ′, CD: λ″ reduzirten Längen. Nennt man in Folge dieser Betrachtung die Werthe x,31 λ + x′, λ + λ′ + x″ reduzirte Abscissen und bezeichnet sie allgemein durch y, so wird 〈…〉 〈…〉 〈…〉 und es fällt in die Augen, daſs L in Bezug auf die ganze Länge AD oder FM dasselbe ist, was y in Bezug auf die Längen FX, FX′, FX″, weſs - halb auch L die reduzirte ganze Länge der Kette genannt wird. Betrachtet man nun noch, daſs von der zur Ordinate XY gehörigen Abscisse keine Spannung, die Spannung a aber von der zur Ordinate X′Y′ gehörigen Abscisse, und die Spannungen a und a′ von der zur Ordinate X″ Y″ gehörigen Abscisse übersprungen werden, und bezeichnet allgemein durch O die Summe aller von der zu y gehörigen Abscisse übersprungenen Spannungen, so sind alle für die verschiedenen Ordinaten gefundenen Werthe in folgendem Ausdrucke: 〈…〉 32enthalten. Es drücken aber diese Ordinaten, wenn man sie um eine konstante, übrigens unbe - stimmte Gröſse, die der Länge AF entspricht, abändert, die an den verschiedenen Stellen des Ringes befindlichen elektrischen Kräfte aus. Be - zeichnet man daher die elektrische Kraft an ir - gend einer Stelle allgemein durch u, so erhält man zu deren Bestimmung nachstehende Glei - chung: 〈…〉 in welcher c eine willkührliche Konstante vor - stellt. Diese Gleichung ist allgemein gültig und lautet in Worten so: Die Stärke der Elektri - zität an irgend einer Stelle der aus mehreren Theilen zusammengesetzten galvanischen Kette wird gefunden, wenn man zur reduzirten Länge der ganzen Kette, zur reduzirten Länge des zur Abscisse gehörigen Theils derselben und zur Summe aller Spannungen die vierte Proportionallinie sucht und die Differenz aus ihr und der Summe aller von der Ab - scisse übersprungenen Spannungen um eine33 noch unbestimmte, für alle Stellen der Kette gleiche Gröſse vermehrt oder vermindert.

Nachdem so die Bestimmung der elektrischen Kraft an jeder Stelle der Kette geschehen ist, bleibt nur noch die Gröſse der elektrischen Strö - mung zu bestimmen übrig. Nun ist zwar in ei - ner galvanischen Kette von der bisher abgehan - delten Art die durch einen Schnitt derselben in einer bestimmten Zeit strömende Elektrizitätsmenge überall dieselbe, weil an allen Orten und in je - dem Augenblicke von der einen Seite her dieselbe Menge in den Schnitt eingeht, welche ihn nach der andern Seite hin verläſst, aber in verschiede - nen Ketten kann diese Elektrizitätsmenge sehr verschieden ausfallen; daher wird zur Verglei - chung der Wirkungen mehrerer galvanischer Ketten unter einander eine genaue Bestimmung dieser Menge, durch welche die Gröſse des Stro - mes in der Kette gemessen wird, erfordert. Die gedachte Bestimmung läſst sich aus der dritten Figur in folgender Art entnehmen. Es ist näm - lich schon vorhin gezeigt worden, daſs in jedem Augenblicke die Stärke des Elektrizitätsüberganges von einem Körperelemente zum nächsten durchC34die zu derselben Zeit vorhandene elektrische Ver - schiedenheit beider und durch eine von der Art und dem Gefüge der Körpertheilchen abhängige Gröſse, das Leitungsvermögen des Körpers, ge - geben werde. Nun wird aber die auf eine un - veränderliche Einheit der Entfernung zurückge - führte elektrische Verschiedenheit der Körperele - mente, z. B. in dem Theile BC, durch das Ge - fälle der Linie HI, oder durch den Quotienten 〈…〉 ausgedrückt; versteht man daher unter κ die Gröſse des zu dem Theile BC gehörigen Lei - tungsvermögens, so giebt 〈…〉 die Stärke des Ueberganges von Element zu Ele - ment oder die Intensität des Stromes in dem Theile BC zu erkennen, mithin wird, wenn ω die Gröſse des Querschnittes im Theile BC bezeich - net, die Menge der in jedem Augenblicke von ei - nem Durchschnitte zum nächsten übergehenden Elektrizität, oder die Gröſse des Stromes ausge - drückt durch 〈…〉 35stellt also S diese Gröſse des Stromes vor, so hat man 〈…〉 oder wenn man für IH′ seinen Werth 〈…〉 setzt 〈…〉

Bisher sind durch die Buchstaben λ, λ′, λ″ Linien bezeichnet worden, welche den Quotien - ten, gebildet aus den Längen der Theile AB, BC, CD und den Produkten der zugehörigen Leitungs - vermögen und Querschnitte, proportional sind. Schränkt man diese die absolute Gröſse der Li - nie λ, λ′, λ″ noch unbestimmt lassende Feststel - lung jetzt dahin ein, daſs die Gröſsen λ, λ′, λ″ den genannten Quotienten nicht blos proportional, sondern auch gleich sein sollen, und ändert dieser Beschränkung gemäſs den Sinn des Ausdruckes » reduzirte Länge « von hier an ab, so verwandelt sich die erste der beiden vorstehenden Gleichun - gen in diese 〈…〉 C 236durch welche folgende allgemein gültige Regel ausgesprochen wird: Die Gröſse des Stromes in irgend einem homogenen Theile der Kette wird durch den Quotienten bestimmt, den man aus dem Unterschiede der an den Enden die - ses Theils vorhandenen elektrischen Kräfte und aus seiner reduzirten Länge bildet. Die - ser Ausdruck für die Gröſse des Stromes wird später noch benutzt werden. Die zweite der vo - rigen Gleichungen geht durch die getroffene Ab - änderung über in 〈…〉 welche allgemein gültig ist und die Gleichheit der Gröſse des Stromes an allen Stellen der Kette schon durch ihre Form zu erkennen gibt; sie lautet in Worten so: Die Gröſse des Stro - mes in einer galvanischen Kette ist der Sum - me aller Spannungen direkt, und der ganzen reduzirten Länge der Kette umgekehrt pro - portional, wobei man sich erinnern muſs, daſs jetzt unter reduzirter Länge die Summe aller Quotienten verstanden wird, die aus den zu ho - mogenen Theilen gehörigen wirklichen Längen37 und dem Produkte der entsprechenden Leitungs vermögen und Querschnitte gebildet werden.

Aus der die Gröſse des Stromes in einer galvanischen Kette bestimmenden Gleichung im Vereine mit der vorhin gefundenen, wodurch die elektrische Kraft an jeder Stelle der Kette ange - geben wird, lassen sich alle dahin gehörigen Er - scheinungen der galvanischen Kette einfach und sicher ableiten. Jene hatte ich schon vordem aus vielfach abgeänderten Versuchen entnommen*)Schweiggers Jahrbuch 1826. H. 2., an einem Apparate, der eine in diesem Felde nicht geahnete Genauigkeit und Bestimmtheit der Messungen gestattet; diese drückt alle ihr ange - hörigen, in groſser Menge schon vorhandenen, Beobachtungen mit einer Treue aus, die auch da sich bewährt, wo die Gleichung zu Resultaten führt, die nicht mehr in dem Kreise der früher schon gemachten Versuche liegen. Beide gehen ununterbrochen Hand in Hand mit der Natur, wie ich nun durch eine kurze Darlegung ihres Inhaltes zu beweisen hoffe, wobei ich anzumerken für nöthig halte, daſs beide Gleichungen auf alle38 möglichen galvanischen Ketten, deren Zustand bleibend ist, sich beziehen, folglich auch die vol - taische Zusammensetzung als einen besondern Fall umfassen, so daſs die Theorie der Säule nicht noch besonders hervorgehoben zu werden braucht. Um der Anschaulichkeit nicht zu scha - den, werde ich dabei stets statt der Gleichung 〈…〉 nur die dritte Figur zur Hülfe nehmen, und deſshalb hier nur noch ein für allemal bemerken, daſs alle aus ihr gezo - genen Folgerungen allgemeine Gültigkeit haben.

Zunächst verdient der Umstand eine nähere Berücksichtigung, daſs die über die galvanische Kette sich ergieſsende Elektrizitätsvertheilung an den verschiedenen Stellen eine bleibende und un - veränderliche Abstufung behauptet, obgleich die Stärke der Elektrizität an einer und derselben Stelle veränderlich ist. Es liegt darin der Grund jener magischen Wandelbarkeit der Erscheinun - gen, die es gestattet, die Einwirkung einer be - stimmten Stelle der galvanischen Kette auf das Elektrometer, auf eine zauberische Weise nach Gefallen voraus zu bestimmen und auf den Wink39 hervorzubringen. Um diese Eigenheit zu erläu - tern, gehe ich zu Fig. 3 zurück. Da nämlich durch die Natur einer jeden Kette die Verthei - lungsfigur FGHIKL jedesmal gänzlich bestimmt wird, ihre Stellung aber zu der Kette AD, wie es sich gezeigt hat, durch keine innere Veranlassung festgesetzt wird, sondern jede Veränderung anneh - men kann, die durch eine allen ihren Punkten ge - meinsame in der Richtung der Ordinaten erfolgende Bewegung hervorgebracht wird, so läſst sich die elektrische Beschaffenheit einer jeden Stelle der Kette, welche gerade durch diese gegenseitige Stellung beider Linien ausgesprochen wird, fort - während und nach Belieben durch äuſsere Ein - flüsse abändern. Wenn z. B. AD zu irgend ei - ner Zeit die den wirklichen Zustand der Kette bezeichnende Stellung ist, so daſs also die Ordi - nate SY″ durch ihre Länge die Stärke der Elek - trizität an der Stelle S der Kette zu welcher jene Ordinate gehört, ausspricht, so wird zu derselben Zeit die dem Punkte A entsprechende elektrische Kraft durch die Linie AF vorgestellt. Wird nun der Punkt A ableitend berührt und dadurch die in ihm befindliche Kraft vernichtet, so wird da -40 durch die Linie AD in die Stellung FM gewiesen, und so die dem vorigen Punkte S inwohnende Kraft durch die Länge X″Y″ ausgedrückt; diese Kraft hat also plötzlich eine der Länge SX″ ent - sprechende Veränderung erlitten. Dieselbe Aen - derung wäre eingetreten, wenn die Kette in dem Punkte Z ableitend berührt worden wäre, weil die Ordinate ZW der AF gleich ist. Würde die Kette an der Stelle berührt, wo die beiden Theile AB und BC an einander stoſsen, jedoch so, daſs die Berührung innerhalb des Theiles BC Statt fände, so müſste man sich AD an die Stelle NO gerückt denken, die elektrische Kraft des Punktes S wäre also in diesem Falle bis zu der durch TY″ angezeigten Stärke angewachsen. Ge - schähe aber die Berührung zwar noch an der Stelle, wo die Theile AB und BC an einander stoſsen, aber innerhalb des Theiles AB, so würde dadurch die Linie AD an die Stelle PQ geführt und die dem Punkte S angehörige Kraft sänke bis auf die durch UY″ ausgedrückte negative Stärke herab. Hätte man endlich die Kette an der Stelle D ableitend berührt, so hätte man da - durch der Linie AD die Lage RL vorgeschrieben,41 und die elektrische Kraft des Punktes S hätte die durch VY″ bezeichnete negative Stärke ange - nommen. Das Gesetz dieser Aenderungen läſst sich leicht übersehen und allgemein so ausspre - chen: Jede Stelle einer galvanischen Kette erleidet in Ansehung ihrer nach auſsen wir - kenden elektrischen Kraft dieselbe Aenderung mittelbar, zu welcher irgend eine andere Stelle der Kette durch äuſsere Einflüsse unmittel - bar veranlaſst wird.

Da jede Stelle einer galvanischen Kette die - selbe Aenderung von selbst erleidet, zu welcher eine einzige Stelle gezwungen wird, so ist die auf die ganze Kette ausgedehnte Aenderung der Elek - trizitätsmenge einerseits der Summe aller Stellen, das heiſst, dem Raume, über welchen die Elek - trizität an der Kette vertheilt ist, und auſserdem noch der an einer dieser Stellen erfolgten Aende - rung der elektrischen Kraft proportional. Aus diesem einfachen Gesetze ergeben sich folgende besondere Erscheinungen. Nennt man nämlich r den Raum, über welchen die Elektrizität in einer galvanischen Kette verbreitet ist, und stellt sich diese Kette an irgend einer Stelle durch einen42 nicht leitenden Körper berührt vor, und bezeich - net durch u, die elektrische Kraft dieser Stelle vor der Berührung, durch u die nach der Be - rührung, so ist die an dieser Stelle erfolgte Aen - derung der Kraft u, u, mithin die Aenderung der ganzen in der Kette befindlichen Elektrizitäts - menge ( u) r. Nimmt man nun an, daſs die Elektrizität in dem berührenden Körper auf den Raum R und an allen Orten von gleicher Stärke verbreitet werde, und zugleich, daſs an der Berührungsstelle selber die Kette und der Körper einerlei elektrische Kraft, nämlich u besit - zen, so ist offenbar uR die in den Körper ein - gegangene Elektrizitätsmenge, und es muſs sein 〈…〉 woraus man erhält 〈…〉

Die Intensität der von dem Körper aufge - nommenen Elektrizität wird also um so mehr der gleich sein, welche die Kette an der be - rührten Stelle vor der Berührung besaſs, je - mehr R gegen r verschwindet; sie wird die Hälfte davon betragen, wenn r = R ist, und43 in dem Maaſse noch schwächer werden, als R in Vergleich zu r gröſser wird. Weil die Art dieser Aenderungen blos von der relativen Gröſse der Räume r und R und ganz und gar nicht von der qualitativen Beschaffenheit der Kette abhängig ist, so werden sie blos durch die räumlichen Dimensionen der Kette, ja sogar schon durch fremde mit der Kette in leitenden Zusammenhang gebrachte Massen bedingt. Bringt man mit dieser Erkenntniſs die Theorie des Kon - densators in Verbindung, so gelangt man zu der Erklärung aller von Jäger*)Gilberts Annalen B. XIII. in bewundernswür - diger Vollständigkeit wahrgenommenen Beziehun - gen der galvanischen Kette zu dem Kondensator. Ich begnüge mich, in Betreff dieses Punktes auf die Abhandlung selbst hinzuweisen, um für neue Eigenthümlichkeiten der galvanischen Kette hier Platz zu gewinnen.

Die Art der Elektrizitätsvertheilung innerhalb eines homogenen Theils der Kette wird durch die Stärke der Gefälle der Linien FG, HI, KL (Fig. 3.) und diese Stärke wieder durch die44 Gröſse der Verhältnisse 〈…〉 bestimmt. Es ist aber, wie bereits dargethan worden ist, 〈…〉 hieraus läſst sich nun ohne Mühe einsehen, daſs man die Gröſse des Gefälles der zu irgend einem Theile der Kette gehörigen, die Elektrizitätsver - theilung darstellenden Linie erhalte, wenn man den Werth 〈…〉 mit dem Verhältnisse der reduzirten zur wirklichen Länge desselben Theils multipli - zirt. Stellt also (λ) die reduzirte Länge irgend eines homogenen Theiles der Kette und (l) seine wirkliche Länge vor, so ist die Gröſse des Gefäl - les der zu diesem Theile gehörigen, die Elektri - zitätsvertheilung darstellenden geraden Linie 〈…〉 welcher Ausdruck, wenn man dureh (κ) das Lei - tungsvermögen und durch (ω) den Querschnitt desselben Theiles bezeichnet, auch so geschrieben werden kann: 〈…〉

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Dieser Ausdruck führt zu einer mehr ins Einzelne gehenden Kenntniſs der Elektrizitätsver - theilung in einer galvanischen Kette. Da näm - lich A und L Werthe bezeichnen, die für jeden Theil einer und derselben Kette unveränderlich dieselben bleiben, so fällt in die Augen, daſs die Gefälle in den einzelnen homogenen Theilen einer Kette sich zu einander verhalten, wie die Produkte aus dem Leitungsvermögen und dem Querschnitte derselben Theile in umge - kehrter Ordnung Wenn mithin ein Theil der Kette sich vor den übrigen dadurch auszeichnet, daſs das Produkt aus seinem Leitungsvermögen und seinem Querschnitte bei ihm weit kleiner ist als bei den andern, so wird er durch die Gröſse seines Gefälles unter allen am geeignetsten sein, an seinen verschiedenen Stellen Unterschiede der elektrischen Kraft zu erkennen zu geben. Steht dabei auch seine wirkliche Länge denen der übri - gen Theile nicht nach, so wird seine reduzirte Länge die der übrigen Theile bei weitem über - treffen, und man sieht leicht ein, daſs ein solches Verhältniſs zwischen den verschiedenen Theilen getroffen werden kann, wobei seine reduzirte46 Länge selbst in Vergleich zur Summe der redu - zirten Länge aller übrigen Theile noch sehr groſs bleibt. In diesem Falle ist aber die reduzirte Länge dieses einen Theiles der reduzirten Länge der ganzen Kette nahe hin gleich, so daſs man ohne groſsen Fehler 〈…〉 statt L setzen kann, wenn (l) die wirkliche Länge des in Rede stehen - den Theils, (κ) sein Leitungsvermögen und (ω) seinen Querschnitt bezeichnet; dann aber verwan - delt sich das Gefälle dieses Theils nahe hin in 〈…〉 woraus folgt, daſs die Differenz der an den Enden dieses Theils hervortretenden elektri - schen Kräfte der Summe aller in der Kette vorhandenen Spannungen nahe hin gleich wird. Es ziehen sich so gleichsam alle Spannungen auf diesen einen Theil hin, wodurch an ihm die Elek - trizitätsvertheilung in einer sonst ungewöhnlichen Stärke hervortritt, wenn die Spannungen alle, oder doch wenigstens ein der Zahl und Gröſse nach sehr beträchtlicher Theil derselben von einerlei Art sind. Auf diese Weise läſst sich die auſser -47 dem ohne Kondensator, wegen der so geringen Intensität der galvanischen Kräfte, in der ge - schlossenen Kette kaum merkliche Abstufung der Elektrizitätsvertheilung recht fühlbar machen. Diese merkwürdige Eigenthümlichkeit galvanischer Ketten, worin sich gleichsam ihre ganze Natur ausspricht, hatte man schon längst an einzelnen schlecht leitenden Körpern wahrgenommen und ihren Grund in der besondern Beschaffenheit die - ser Körper gesucht*)Gilberts Annalen B. VIII. Seite 205, 207 und 456. B. X. Seite 11.; in einem Schreiben an den Herausgeber der Annalen der Physik**)Jahrgang 1826. St. 5. Seite 117. habe ich aber die Bedingungen angegeben, unter welchen sich diese Eigenthümlichkeit der galvani - schen Kette auch an den besten Leitern, an den Metallen, wahrnehmen läſst, und die dort durch die Erfahrung angegebenen Kautelen, durch wel - che das Gelingen des Versuches gesichert wird, stehen mit vorliegenden Betrachtungen in vollem Einklange.

Der das Gefälle irgend eines Theils der48 Kette hergebende Ausdruck 〈…〉 wird null, wenn L unendlich groſs ist, während A und 〈…〉 endliche Werthe behalten. Wenn mithin L einen unendlich groſsen Werth annimmt, wäh - rend A endlich bleibt, so ist das Gefälle der die Elektrizitätsvertheilung darstellenden geraden Li - nien an allen solchen Theilen der Kette, deren reduzirte Länge zur wirklichen ein endliches Ver - hältniſs hat, null, oder, was dasselbe sagt, die Elektrizität ist an allen Stellen eines jeden sol - chen Theils von gleicher Stärke. Da nun L die Summe der reduzirten Längen aller Theile der Kette vorstellt und diese reduzirten Längen of - fenbar nur positive Werthe annehmen können, so wird L unendlich, sobald eine von den redu - zirten Längen einen unendlichen Werth annimmt. Da ferner die reduzirte Länge irgend eines Theils den Quotienten aus der wirklichen Länge, dividirt durch das Produkt des Leitungsvermögens und des Querschnittes desselben Theils, vorstellt, so erhält sie einen unendlichen Werth, wenn das Leitungsvermögen dieses Theils null wird, d. h.49 wenn dieser Theil ein Nichtleiter der Elektrizität ist. Wenn also ein Theil der Kette ein Nichtleiter der Elektrizität ist, so verbreitet sich die Elektrizität über jeden der übrigen Theile gleichförmig und ändert sich blos von einem Theile zum andern um die ganze da - selbst befindliche Spannung. Diese auf die of - fene Kette sich beziehende Elektrizitätsvertheilung ist weit einfacher, als die der geschlossenen Kette, welche bisher betrachtet worden ist, und gibt sich bildlich dadurch zu erkennen, daſs die Li - nien FG, HI, KL (Fig. 3.) eine mit der AD pa - rallele Lage annehmen. Sie läſst sogleich wahr - nehmen, daſs der Unterschied der zwischen zwei beliebigen Stellen der Kette herrschenden elektrischen Kräfte der Summe aller zwischen den beiden Stellen liegenden Spannungen gleich ist, und also genau in demselben Ver - hältnisse als diese Summe zu - oder abnimmt. Wenn also die eine dieser Stellen ableitend berührt wird, so tritt an der andern Stelle die Summe aller zwischen beiden liegenden Spannungen hervor, wobei inzwischen der Sinn der Spannungen jedesmal durch ein FortschreitenD50von der letztern Stelle aus bestimmt werden muſs. In diesem letztern Gesetze sprechen sich die mit Hülfe des Elektroskops an der offenen Säule gemachten Erfahrungen aus, wie sie von Ritter, Erman und Jäger sehr ausführlich an - gestellt und in Gilbert’s Annalen*)Band VIII., XII. und XIII. beschrieben sind.

In dem bisherigen sind alle elektroskopischen Wirkungen einer galvanischen Kette von der gleich Anfangs bestimmten Art rein ausgesprochen, ich gehe daher jetzt zur Betrachtung des in der Kette sich bildenden Stromes über, dessen Natur, wie oben aus einander gesetzt worden ist, an jeder Stelle der Kette durch die Gleichung 〈…〉 ausgesprochen wird. Die Form dieser Gleichung sowohl, als auch die Art, wie man zu ihr gelangt ist, geben sogleich zu erkennen, daſs die Gröſse des Stromes in einer solchen galvanischen Kette an allen Stellen überall dieselbe bleibt und blos von der Art der Elektrizitätsverthei -51 lung abhängig ist, so daſs sie sich nicht än - dert, wenn gleich die elektrische Kraft an ir - gend einer Stelle der Kette durch ableitende Berührung oder sonst wie geändert wird. Diese Gleichheit des Stromes an allen Stellen der Kette ist durch die Versuche Becquerels*)Bulletin universel. Physique. Mai 1825. und seine Unabhängigkeit von der elektrischen Kraft an einer bestimmten Stelle der Kette ist durch die Versuche G. Bischofs**)Kastners Archiv. Band IV. H. 1. als in der Erfahrung gegründet nachgewiesen worden. Eine Ableitung oder Zuleitung ändert den Strom der galvanischen Kette nicht, so lange jene Ableitung oder Zuleitung nur auf eine einzige Stelle der Kette unmittelbar einwirkt; würden aber zwei ver - schiedene Stellen der Kette zu gleicher Zeit da - von ergriffen, so würde dadurch ein zweiter Strom gebildet, der den ersten nothwendigerweise, nach Umständen mehr oder weniger, abändern müſste.

Die Gleichung 〈…〉 D 252gibt zu erkennen, daſs der Strom einer galvani schen Kette durch jede sich bildende Verschie - denheit in der Gröſse einer Spannung oder redu - zirten Länge eines Theiles, welche letztere selbst wieder sowohl durch die wirkliche Länge des Theiles, als durch sein Leitungsvermögen und durch seinen Querschnitt bestimmt wird, einer Aenderung unterworfen sei. Diese Mannigfaltig - keit der Umgestaltung läſst sich dadurch be - schränken, daſs man nur eines der aufgezählten Elemente veränderlich, alle übrigen aber bestän - dig annimmt. Dadurch gelangt man zu beson - dern, der jedesmaligen Annahme entsprechenden, Formen der allgemeinen Gleichung, die immer einer theilweisen Verfolgung der allgemeinen Aen - derungsfähigkeit einer Kette angehören. Um den Sinn dieser Rede durch ein Beispiel zu veran - schaulichen, will ich annehmen, daſs in der Kette nur die wirkliche Länge eines einzigen Theiles ei - ner fortgesetzten Aenderung unterworfen werde, alle übrigen die Gröſse des Stromes bestimmen - den Werthe aber in ihr und also auch in der zu ihr gehörigen Gleichung stets dieselben bleiben. Bezeichnet man diese veränderliche Länge mit x53 und das demselben Theile entsprechende Leitungs - vermögen mit κ, seinen Durchschnitt mit ω, und die Summe der reduzirten Längen aller übrigen mit Λ, so daſs also 〈…〉 , so verwandelt sich die den Strom ausdrückende allgemeine Gleichung in folgende 〈…〉 oder wenn man Zähler und Nenner mit κω mul - tiplizirt und a statt κωA, so wie b statt κω Λ setzt, in diese 〈…〉 wo a und b zwei konstante Gröſsen, x aber die veränderliche Länge eines in Hinsicht seines Stof - fes und seines Querschnittes völlig bestimmten Theiles der Kette vorstellt. Diese Form der all - gemeinen Gleichung, wobei alle unveränderlichen Elemente auf die geringste Anzahl von Konstan - ten zurückgeführt worden sind, ist dieselbe, wel - che ich aus der Erfahrung durch Versuche, de - nen die hier entwickelte Theorie ihre Entstehung54 verdankt, hergeleitet habe*)Vergl. Schweiggers Jahrb. 1826. H. 2.. Das Gesetz, wel - ches sie in Bezug auf die Länge der Leiter aus - spricht, ist wesentlich verschieden von dem, wel - ches schon früher Davy und in neuern Zeiten Becquerel durch Versuche aufgefunden haben; auch weicht es von dem, welches Barlow aufge - stellt hat, so wie von dem, welches ich vordem aus anderen Vezsuchen abgeleitet hatte, noch be - trächtlich ab, obgleich die beiden letztereren dem eigentlichen Ziele schon näher rücken. Das er - stere ist im Grunde nichts weiter als eine Inter - polationsformel, die blos für einen relativ sehr kurzen veränderlichen Theil der ganzen Kette gültig und dann bei ganz verschiedenen möglichen Leitungsarten doch noch anwendbar ist, welches schon daraus hervorgeht, daſs es blos den ver - änderlichen Theil der Kette in sich aufnimmt und den ganzen übrigen Theil auſser Acht läſst; alle aber theilen mit einander den Uebelstand, daſs sie eine fremdartige, durch die chemische Veränderung des flüssigen Theils der Kette her - beigeführte Quelle der Veränderlichkeit in sich55 aufgenommen haben, von der weiter unten aus - führlicher die Rede sein wird. Umständlicher habe ich a. a. O. über das Verhalten der ver - schiedenen Gesetzesformen zu einander gesprochen.

Von den vielen aus der allgemeinen Glei chung 〈…〉 sich ergebenden besondern Eigenthümlichkeiten der galvanischen Kette will ich hier nur einige wenige anführen. Man sieht sogleich, daſs eine Aenderung in der Anordnung der Theile keinen Einfluſs auf die Gröſse des Stromes hat, wenn dadurch die Summe der Spannungen nicht geän - dert wird. Eben so wenig wird die Gröſse des Stromes geändert, wenn die Summe der Span - nungen und die ganze reduzirte Länge der Kette in demselben Verhältnisse sich ändern; daher kann eine Kette, deren Summe der Spannungen in Vergleich zu der einer andern Kette sehr ge - ring ist, doch einen Strom hervor bringen, der an Stärke dem in der andern Kette das Gleich - gewicht hält, wenn nur, was ihr an Stärke der Spannungen abgeht, durch eine Verkürzung ihrer56 reduzirten Länge ersetzt wird. In diesem Um - stande hat die eigenthümliche Verschiedenheit der Thermo - und Hydroketten ihren Grund. In jener kommen nur Metalle, in dieser aber auch noch auſserdem wässerige Flüssigkeiten als Theile der Kette vor, deren Leitungsvermögen in Vergleich zu dem der Metalle auſserordentlich gering ist, weshalb die reduzirten Längen der flüssigen die der metallenen Theile bei übrigens gleichen Dimensionen unverhältniſsmäſsig über - steigen, und selbst dann noch beträchtlich gröſser bleiben, wenn gleich sie dadurch verkleinert wer - den, daſs man ihre wirklichen Längen abkürzt und ihre Querschnitte vergröſsert, so lange we - nigstens die Verkleinerung nicht in auſsergewöhn - lichem Verhältnisse geschieht. Daher kommt es daſs die reduzirte Länge der Thermokette in den gewöhnlichen Fällen bei weitem geringer als die der Hydrokette ist, woraus auf eine in demselben Verhältnisse kleinere Spannung in jener sich schlieſsen läſst, wenn gleich die Gröſse des Stro - mes in der Thermokette der in der Hydrokette nichts nachgibt. Der groſse Unterschied zwi - schen einer Thermo - und Hydrokette, die57 beide einen Strom von derselben Stärke her - vorrufen, zeigt sich erst, wenn mit beiden eine und dieselbe Abänderung vorgenommen wird, wie nachstehende Betrachtung lehrt. Gesetzt nämlich die reduzirte Länge einer Thermokette ist L und die Summe ihrer Spannungen A, wäh - rend die reduzirte Länge einer Hydrokette mL und die Summe ihrer Spannungen mA ist, so wird die Gröſse des Stromes in jener durch 〈…〉 , in dieser durch 〈…〉 ausgedrückt und ist also in beiden Ketten dieselbe. Diese Gleichheit des Stromes wird aber aufgehoben, wenn in beide ein und derselbe neue Theil von der reduzirten Länge λ eingeführt wird, denn dann ist die Gröſse des Stromes in jener 〈…〉 in dieser 〈…〉 Bringt man mit dieser Bestimmung eine, wenn auch nur oberflächliche Schätzung der Werthe m, L und λ in Verbindung, so wird man sich58 leicht überzeugen, daſs in Fällen, wo die einfache Hydrokette in dem Theile λ noch Glühwirkun - gen oder chemische Zerlegungen hervorbringen kann, die einfache Thermokette nicht den hun - dertsten, ja kaum den tausendsten Theil der da - zu erforderlichen Kraft in sich trägt, woraus das Unterbleiben solcher Wirkungen bei ihr sehr be - greiflich wird. Auch wird man so gewahr, daſs eine Verkürzung der reduzirten Länge der Ther - mokette (indem man etwa den Querschnitt der sie bildenden Metalle vergröſsert) die Hervorru - fung jener Wirkungen nicht erzielen kann, ob - gleich dadurch die Gröſse des Stromes in ihr weit beträchtlicher werden kann, als in der solche Wirkungen hervorbringenden Hydrokette. Der eben erwähnte Unterschied in dem Leitungsver - mögen metallener Körper und wässeriger Flüssig - keiten ist Ursache einer an den Hydroketten be - merkten Eigenthümlichkeit, zu deren Erwähnung hier der schickliche Ort ist. Unter den gewöhn - lichen Umständen ist nämlich die reduzirte Länge des flüssigen Theils so groſs in Vergleich zu der des metallenen Theils, daſs letztere vernachläſsigt und erstere allein statt der reduzirten Länge der59 ganzen Kette genommen werden kann; dann aber steht die Gröſse des Stromes in Ketten, die einer - lei Spannung besitzen im umgekehrten Verhältniſs zur reduzirten Länge der flüssigen Theile. Wer - den mithin blos solche Ketten mit einander ver - glichen, in welchen die flüssigen Theile einerlei wirkliche Längen und dasselbe Leitungsvermögen haben, so ist in diesen Ketten die Gröſse des Stromes dem Querschnitte des flüssigen Theils direkt proportional. Indessen ist leicht zu über - sehen, daſs an die Stelle dieser einfachen Be - stimmung eine mehr zusammengesetzte treten muſs, sobald die reduzirte Länge des metallenen Theils nicht mehr als verschwindend gegen die des flüs - sigen angenommen werden darf, welcher Fall ein - tritt, so oft der metallene Theil sehr lang und dünn, oder der flüssige Theil gutleitend und mit ungewöhnlich groſsen Grundflächen genommen wird.

Aus der Gleichung 〈…〉 läſst sich leicht entnehmen, daſs wenn ein Theil aus der galvanischen Kette weggenommen und60 durch einen andern, von auſsen kommenden, er - setzt wird, und es bleibt nach dieser Verwechse - lung sowohl die Summe der Spannungen als auch die Stärke des Stromes noch völlig dieselbe, so haben diese beiden Theile einerlei reduzirte Länge es verhalten sich also ihre wirklichen Längen wie ihre Produkte aus dem Leitungsvermögen und Querschnitte. Es verhalten sich mithin die wirklichen Längen solcher Theile bei glei - chen Querschnitten wie ihre Leitungsvermögen und bei gleichem Leitungsvermögen wie ihre Querschnitte. Durch die erste dieser beiden Relationen wird man in den Stand gesetzt, das Leitungsvermögen der verschiedenen Körper auf eine weit vortheilhaftere Weise als durch das oben angegebene Verfahren zu bestimmen, wie bereits von Becquerel und mir mit vielen Me - tallen geschehen ist*)Bulletin universel. Physique. Mai 1825. und Schweig - ger’s Jahrb. 1826. H. 2.. Die zweite Relation kann dazu dienen, die Unabhängigkeit der Wirkung von der Gestalt des Querschnittes in der Erfah -61 rung nachzuweisen, wie schon früher von Davy und noch vor Kurzem von mir geschehen ist*)Gilbert’s Annalen nn. Folge. B. XI. Seite 253, und Schweigger’s Jahrb. 1827..

An der voltaischen Säule wiederholt sich die Summe der Spannungen und die reduzirte Länge der einfachen Kette so oft, als die Anzahl der Elemente, woraus sie besteht, ausspricht. Bezeich - net man daher durch A die Summe aller Span - nungen in der einfachen Kette, durch L ihre re - duzirte Länge und durch n die Anzahl der in der Säule befindlichen Elemente, so ist die Gröſse des Stromes in der geschlossenen Säule offenbar 〈…〉 während sie in der einfachen geschlossenen Kette 〈…〉 ist. Führt man in die einfache Kette sowohl als in die Säule einen und denselben neuen Theil von der reduzirten Länge Λ ein, auf welchen man den Strom wirken lassen will, so wird die Gröſse des dadurch abgeänderten Stromes in der einfachen Kette62 〈…〉 und in der voltaischen Säule 〈…〉 oder 〈…〉 .

Man sieht hieraus, daſs der Strom in der voltaischen Säule stets gröſser ausfällt, als in der einfachen Kette, aber er ist nur unmerk - lich gröſser, so lange Λ in Vergleich zu L sehr klein ist, dagegen nähert sich diese Ver - gröſserung der nfachen desto mehr, je gröſser Λ in Vergleich zu nL und um so mehr im Vergleich zu L wird. Auſser dieser Art, die Gröſse des galvanischen Stromes zu vermehren, gibt es aber noch eine zweite, die darin besteht, daſs man die reduzirte Länge der einfachen Kette verkürzt, welches dadurch geschehen kann, daſs man den Querschnitt derselben vergröſsert, indem man mehrere einfache Ketten neben einander legt und dergestalt mit einander verbindet, daſs sie wieder nur eine einzige einfache Kette ausma - chen. Läſst man die vorigen Bezeichnungen auch hier wieder gelten, so daſs also wieder63 〈…〉 die Gröſse des Stromes in dem einen Elemente ausdrückt, so wird in der eben beschriebenen Zusammensetzung von n Elementen zu einer ein - fachen Kette die Gröſse des Stromes offenbar 〈…〉 oder 〈…〉 wodurch eine schwache Verstärkung der Wirkung in der neuen Zusammensetzung an - gezeigt wird, wenn Λ sehr groſs ist in Ver - gleich zu L, dagegen eine starke, wenn Λ in Vergleich zu 〈…〉 und also um so mehr in Vergleich zu L sehr klein ist. Es folgt hier - aus, daſs die eine Zusammensetzung gerade in den Fällen am wirksamsten ist, in welchen die andere aufhört es zu sein, und umgekehrt. Ist man daher im Besitze einer gewissen Anzahl von einfachen Ketten, die man insgesammt auf den Theil, dessen reduzirte Länge Λ ist, einwirken lassen will; so ist es zur Hervorbringung des gröſsten Stromeffektes nicht gleichgültig in wel - cher Art man sie zusammen setze, ob alle neben64 einander, ob alle hinter einander, oder ob zum Theile neben einander und zum Theile hinter einander. Die Rechnung lehrt, daſs es am vor - theilhaftesten ist, aus ihnen eine voltaische Zu - sammensetzung aus so viel gleichen Theilen zu bilden, daſs das Quadrat dieser Zahl dem Quo - tienten 〈…〉 gleich wird. Wenn 〈…〉 gleich oder kleiner als Λ ist, so werden sie am besten alle neben einander gestellt, und am besten alle hin - ter einander, wenn 〈…〉 gleich oder gröſser als das Quadrat der Anzahl aller Elemente ist. Man gewahrt in dieser Bestimmung den Grund, warum in den meisten Fällen zur Hervorbrin - gung des gröſsten Effektes eine einfache Kette oder wenigstens eine voltaische Zusam - mensetzung von nur wenigen einfachen Ket - ten erfordert wird. Erwägt man, daſs, da die Quantität des Stromes an allen Stellen der Kette dieselbe ist, seine Intensität sich an den verschiedenen Orten nach der Gröſse der da - selbst befindlichen Querschnitte im umgekehrten Verhältnisse richten müsse, und nimmt man an,65 daſs die magnetischen und chemischen Wirkun - gen sowohl, als die Wärme - und Lichterschei - nungen an der Kette unmittelbare Aeuſserungen des elektrischen Stromes sind, deren Stärke durch die des Stromes selbst gegeben ist, so wird eine umständliche Zergliederung der hier nur in Um - rissen angedeuteten Natur des Stromes zur voll - kommenen Erklärung der vielen an der galvani - schen Kette beobachteten, zum Theile sehr räth - selhaften Anomalien führen, insofern man dabei die physische Beschaffenheit der Kette als unver - änderlich anzusehen berechtigt ist*)Vergl. Schweigger’s Jahrb. 1826. H. 2., wo ich eine etwas ausführlichere Beleuchtung der einzelnen Punkte gegeben habe.. Die gro - ſsen Abweichungen, welche oft in den Angaben verschiedener Beobachter liegen, und nicht Folgen der Dimensionen ihres dabei gebrauchten, beson - dern Apparates sind, haben ohne Zweifel ihren Grund in der doppelten Aenderungsfähigkeit der Hydroketten, und werden daher aufhören, wenn man bei einer Wiederholung der Versuche auf diesen Umstand Rücksicht nimmt.

E66

Die merkwürdige Veränderlichkeit in der Wirkungsweise eines und desselben Multiplikators an verschiedenen Ketten und verschiedener Mul - tiplikatoren an einer und derselben Kette erhält aus den vorangegangenen Betrachtungen eine voll - ständige Erklärung. Bezeichnet nämlich A die Summe der Spannungen und L die reduzirte Länge irgend einer galvanischen Kette, so drückt 〈…〉 die Gröſse ihres Stromes aus. Denkt man sich nun einer Multiplikator aus n gleichen Windun - gen, jede von der reduzirten Länge λ, so gibt 〈…〉 die Gröſse des Stromes zu erkennen, wenn der Multiplikator als integrirender Bestandtheil in die Kette gebracht wird. Setzt man überdieſs der Einfachheit halber voraus, daſs jede von den n Windungen des Multiplikators auf die Magnetna - del dieselbe Wirkung äuſsert, so ist augenschein - lich die Wirkung des Multiplikators auf die Mag - netnadel 〈…〉 67wenn die Wirkung einer ganz gleichen Windung der Kette ohne Multiplikator auf die Nadel 〈…〉 gesetzt wird. Hieraus folgt nun sogleich, daſs die Wirkung auf die Magnetnadel durch den Multiplikator verstärkt oder geschwächt wird, je nachdem nL gröſser oder kleiner als L + , d. h. je nachdem die n fache reduzirte Länge der Kette ohne Multiplikator gröſser oder kleiner als die reduzirte Länge der Kette mit dem Multiplikator ist. Ferner gibt die bloſse Ansicht des Ausdruckes, wodurch die Wir - kung des Multiplikators auf die Nadel bestimmt worden ist, zu erkennen, daſs die gröſste oder kleinste Wirkung eintritt, sobald L gegen ver - nachläſsigt werden kann, und ausgedrückt wird durch 〈…〉 Vergleicht man diese Grenzwirkung des Multipli - kators mit der, welche eine völlig gleich beschaf - fene Windung der Kette ohne Multiplikator her - vorbringt, so nimmt man wahr, daſs sich beideE 268zu einander verhalten wie die reduzirten Längen L und λ, welche Relation zur Bestimmung einer dieser Werthe aus den übrigen dienen kann. Der für die Grenzwirkung des Multiplikators gefundene Ausdruck zeigt, daſs sie der Span - nung der Kette proportional und unabhängig von der reduzirten Länge der Kette ist; es kann mithin die Grenzwirkung eines und dessel - ben Multiplikators nicht blos zur Bestimmung der in verschiedenen Ketten befindlichen Spannungen dienen, sondern er zeigt auch, daſs sich die Grenzwirkung in dem Maaſse verstärken läſst, als man die Summe der Spannungen erhöhet, wel - ches dadurch geschehen kann, daſs man aus meh - reren einfachen Ketten eine voltaische Zusammen - setzung bildet. Bezeichnet man die wirkliche Länge einer Windung des Multiplikators durch l, sein Leitungsvermögen durch κ und seinen Quer - schnitt durch ω so daſs 〈…〉 wird, so ver - wandelt sich der Ausdruck für die Grenzwirkung des Multiplikators in folgenden 〈…〉 woraus man ersehen kann, daſs die Grenzwir -69 kungen zweier aus gleich starkem Drahte ver - fertigten Multiplikatoren von verschiedenem Metalle sich zu einander verhalten, wie die Leitungsfähigkeiten dieser Metalle, und daſs die Grenzwirkungen zweier aus Drähten von einerlei Metall gebildeten Multiplikatoren sich zu einander verhalten, wie die Querschnitte dieser Drähte. Alle diese mannigfaltigen Eigen - thümlichkeiten des Multiplikators habe ich, als in der Erfahrung gegründet, theils an fremden theils an eigenen Versuchen nachgewiesen*)Schweigger’s Jahrbuch 1826. H. 2. und 1827.. Die letz - ten an der Thermokette hierüber gemachten Ver - suche haben die schon oben aus einer Verglei - chung der reduzirten Längen sich ergebende Fol - gerung, daſs die Spannungssumme in einer Ther - mokette bei weitem geringer sei als in den ge - bräuchlichen Hydroketten noch auf einem andern, dem vorigen gewissermaſsen entgegen gesetzten Wege dargethan, und eine beiläufige Vergleichung hat mich zu der Ueberzeugung geführt, daſs zu Glühwirkungen, wenn sie mit Sicherheit vorausge - sagt werden sollen, eine voltaische Zusammenset -70 zung von einigen hundert, zweckmäſsig gewähl - ten einfachen Thermoketten, zu chemischen Wir - kungen von einiger Stärke aber ein noch weit gröſserer Apparat erfordert werde. Versuche, welche diese Vorherbestimmung auſser Zweifel setzen, werden der hier vorgetragenen Theorie eine neue, nicht unwichtige Bestätigung geben.

Die bisherigen Betrachtungen reichen auch hin, den Hergang zu entscheiden, der statt findet, wenn sich die galvanische Kette irgendwo in zwei oder mehrere Zweige spaltet. Zu dem Ende mache ich darauf aufmerksam, daſs schon oben, zugleich mit der Gleichung 〈…〉 , die Regel aufgefunden worden ist, daſs die Gröſse des Stro - mes in irgend einem homogenen Theile der gal - vanischen Kette durch den Quotienten aus dem Unterschiede der an den Enden des Theiles vor - handenen elektrischen Kräfte und seiner reduzir - ten Länge gegeben wird. Zwar ist diese Regel dort nur für den Fall aufgestellt worden, wenn die Kette sich nirgends in mehrere Zweige spal - tet, aber eine ganz einfache, aus der Gleichheit der ab - und zuströmenden Elektrizitätsmenge in71 allen Querschnitten eines jeden prismatischen Theiles hergenommene und der dortigen ähnliche Betrachtung gibt die Ueberzeugung, daſs dieselbe Regel auch für jeden einzelnen Zweig im Falle einer Spaltung der Kette noch gültig bleibt. Nimmt man nun an, daſs die Kette sich z. B. in drei Arme spaltet, deren reduzirte Längen λ, λ′, λ″ sein mögen, setzt man zudem voraus, daſs an jeder von diesen Stellen die ungespaltene Kette und die einzelnen Zweige einerlei elektrische Kraft besitzen und sonach keine Spannung da - selbst eintritt, und bezeichnet man den Unter - schied der an diesen beiden Stellen befindlichen elektrischen Kräfte durch α, so ist in Folge der angeführten Regel die Gröſse des Stromes in den drei Zweigen beziehlich 〈…〉 woraus zunächst folgt, daſs sich die Ströme in den drei Zweigen umgekehrt wie deren redu - zirte Längen verhalten, so daſs also jeder ein - zeln sich finden läſst, sobald man die Summe al - ler drei zusammen kennt. Die Summe aller drei zusammen ist aber offenbar der Gröſse des Stro -72 mes an jeder andern Stelle des nicht gespaltenen Theils der Kette gleich, weil auſserdem, was hier noch immer vorausgesetzt wird, der bleibende Zustand der Kette nicht eingetreten wäre. Bringt man damit die aus den obigen Betrachtungen sich ergebende Schluſsfolge in Verbindung, daſs nämlich durch die Gröſse des Stromes und die Natur eines jeden homogenen Theiles der Kette das Gefälle der ihm entsprechenden, die Elektri - zitätsvertheilung darstellenden, geraden Linie ge - geben ist, so erhält man die Gewiſsheit, daſs die zu dem nicht gespaltenen Theile der Kette gehö - rige Vertheilungsfigur so lange dieselbe bleiben muſs, als der Strom in ihr dieselbe Gröſse behält, und umgekehrt; woraus folgt, daſs die Unverän - derlichkeit des Stromes in dem nicht gespaltenen Theile der Kette nothwendigerweise eine Unver - änderlichkeit des Unterschiedes der an den Enden dieses Theils hervortretenden elektrischen Kräfte voraussetzt. Denkt man sich nun statt der ein - zelnen Zweige einen einzigen Leiter von der re - duzirten Länge Λ in die Kette gesetzt, der die Gröſse ihres Stromes und ihre Spannungen in nichts ändert, so muſs in Folge des eben Gesag -73 ten der Unterschied der an seinen Enden befind - lichen elektrischen Kräfte noch immer α und daher 〈…〉 oder 〈…〉 sein, welche Gleichung zur Bestimmung des Werthes Λ dient. Ist aber dieser Werth bekannt und nennt man A die Summe aller in der Kette befindlichen Spannungen und L die reduzirte Länge des nicht gespaltenen Theils der Kette, so ergibt sich, wie man weiſs, für die Gröſse des Stromes in der zuletzt gedachten Kette 〈…〉 welche der Summe der in den drei einzelnen Zweigen auftretenden Ströme gleich ist. Da nun schon vorhin gezeigt worden ist, daſs sich die Ströme in den einzelnen Zweigen zu einander umgekehrt wie die reduzirten Längen dieser Zweige verhalten, so erhält man für die Gröſse des Stromes in dem Zweige, dessen reduzirte Länge λ ist,74 〈…〉 in dem Zweige, dessen reduzirte Länge λ′ ist, 〈…〉 und in dem Zweige, dessen reduzirte Länge λ″ ist, 〈…〉 Auch diese entlegenere und bisher wenig beach - tete Eigenthümlichkeit der galvanischen Kette habe ich in der Erfahrung auf eine völlig ent - scheidende Weise bestätigt gefunden*)Schweigger’s Jahrb. 1827..

Hiermit schlieſst sich die Betrachtung solcher galvanischer Ketten, in welchen der bleibende Zustand bereits eingetreten ist, und die weder durch den Einfluſs der umgebenden Luft noch durch eine allmählige Abänderung ihrer chemi - schen Beschaffenheit besondere Modifikationen erleiden. Von da nimmt aber auch die Einfach - heit des Gegenstandes immer mehr und mehr ab, so daſs die bisher statt gefundene elementare Be - handlung bald ganz verloren geht. Was solche Ketten anbelangt, auf welche die Luft Einfluſs75 hat und deren Zustand mit der Zeit sich ändert, ohne daſs diese Aenderung in einer fortschreiten - den chemischen Umbildung der Kette ihren Grund hat, und die sich dadurch vor den übri - gen auszeichnen, daſs die Gröſse ihres Stromes an verschiedenen Orten verschieden ist, so habe ich mich begnügt, in jeder von diesen Beziehun - gen immer nur den einfachsten Fall abzuhandeln, da sie in der Natur nur in seltenen Fällen zum Vorschein kommen, und im Allgemeinen von ge - ringerem Interesse erscheinen dürften. Ich that dieſs um so lieber, da ich zu einer andern Zeit auf diesen Gegenstand zurück zu kommen ge - denke. Was hingegen jene Modifikation galva - nischer Ketten betrifft, die durch eine von dem Strome zunächst ausgehende und sodann auf ihn selbst wieder zurück wirkende chemische Um - wandlung der Kette veranlaſst wird, so habe ich ihr in dem Anhange eine besondere Aufmerksam - keit gewidmet. Der darin eingehaltene Gang stützt sich auf eine sehr groſse Menge über den Gegenstand angestellter Versuche, deren Mitthei - lung ich aber darum unterlasse, weil sie einer weit gröſsern Bestimmtheit fähig zu sein scheinen,76 als damals die Nichtberücksichtigung mancher da - bei einwirkenden Elemente mir gestattete, deren Erwähnung ich aber hier für nöthig erachte, da - mit die sich selber stets bewachende Weise, wo - mit ich in dem Anhange vorwärts schreite, und die ich der Wahrheit schuldig zu sein glaubte, nicht etwa die Theilnahme, mehr als billig ist, dadurch von sich abziehe.

Den Grund der durch den Strom veranlaſs - ten chemischen Veränderungen in den dazu ge - eigneten Theilen einer galvanischen Kette habe ich in der oben beschriebenen dieser Kette ei - genthümlichen Elektrizitätsvertheilung gesucht und, wie ich kaum zweifeln darf, wenigstens der Hauptsache nach gefunden. Es fällt nämlich so - gleich in die Augen, daſs jede zu einem Quer - schnitte gehörige Scheibe einer galvanischen Kette, die den elektrischen Anziehungen und Ab - stoſsungen gehorcht und deren Bewegung nichts im Wege steht, in der geschlossenen Kette einsei - tig getrieben werden müsse, weil diese Anziehun - gen oder Abstoſsungen in Folge der stetig sich ändernden elektrischen Kraft auf ihren beiden Seiten verschieden sind, und die Rechnung zeigt,77 daſs die Kraft, womit sie nach einer Seite hin getrieben wird, in einem aus der Gröſse des elektrischen Stromes und aus der in der Scheibe befindlichen elektrischen Kraft zusam - mengesetzten Verhältnisse stehe. Dadurch wird nun zwar zunächst blos eine räumliche Ortsveränderung der Scheibe bedingt. Wenn aber diese Scheibe als ein zusammen gesetzter Körper angesehen wird, dessen Bestandtheile den elektrochemischen Ansichten gemäſs, sich durch eine Verschiedenheit in ihrem elektrischen Ver - halten von einander unterscheiden, so ergibt sich sogleich, daſs jener einseitige Druck auf die ver - schiedenen Bestandtheile mit ungleicher Stärke und in den meisten Fällen auch wohl in entge - gengesetzter Richtung wirken und so ein Bestre - ben in ihnen sich von einander zu entfernen rege machen müsse. Aus dieser Betrachtung geht eine besondere auf eine chemische Verände - rung aller Theile hinarbeitende Thätigkeit der galvanischen Kette hervor, die ich ihre zersetzende Kraft genannt und in jedem einzelnen Falle der Gröſse nach zu bestimmen versucht habe. Diese Bestimmung ist von der Art abhängig, wie man78 sich die Elektrizität mit den Körpertheilchen in Ver - bindung vorstellt*)Ueber die eigentliche Deutung dieser Bemerkung werde ich bei einer nächsten Gelegenheit reden, wo ich die von Ampère entdeckten Aeusserungen der Theile einer galvanischen Kette auf einander auf gewöhnliche elektrische[Anziehungen] und Abstossungen zurückzufüh - ren versuche.. Nimmt man an, was am natür - lichsten zu sein scheint, daſs die Elektrizität sich im Verhältnisse der Masse über den Raum ergiese, den die Körper einnehmen, so zeigt eine voll - ständige Zergliederung, daſs die zersetzende Kraft der Kette der Stärke des Stromes di - rekt proportional sei, und auſserdem noch durch einen aus der Natur der Bestandtheile und ihrem Mischungsverhältnisse herzuholen - den Koeffizienten gegeben werde Aus der Na - tur dieser zersetzenden Kraft der Kette, welche an allen Stellen eines homogenen Theiles von gleicher Stärke ist, geht nun sogleich hervor, daſs wenn sie fähig ist, den gegenseitigen Zusammen - hang der Bestandtheile unter allen Umständen zu überwältigen, so wird die Trennung und Fort - führung der Bestandtheile nach den beiden Seiten79 der Kette hin nur in mechanischen Hindernissen ihre Grenzen finden; überwiegt aber der Zusam - menhang der Bestandtheile unter sich entweder gleich anfänglich überall, oder im Verlaufe der Wirkung irgendwo die zersetzende Kraft der Kette, so wird von da an keine weitere Bewe - gung der Elemente mehr Statt finden. Diese all - gemeine Beschreibung der zersetzenden Kraft schlieſst sich an die von Davy und Andern ge - machten Durchführungsversuche an.

Der Beachtung besonders werth ist ein, wie es scheint in den meisten Fällen sich bilden - der, eigener Zustand der Vertheilung beider Be - standtheile in einer chemisch zusammengesetzten Flüssigkeit, die in folgender Veranlaſsung ihren Ursprung hat. Wenn nämlich die Zersetzung nur auf einen begrenzten Theil der Kette sich zu beschränken angewiesen ist und nun die Bestand - theile der einen Art nach der einen Seite dieses Theiles und die Bestandtheile der andern Art nach seiner andern Seite hingedrängt werden, so wird eben dadurch der Wirkung eine natürliche Grenze gesetzt; denn der im Uebergewichte auf der einen Seite irgend einer Scheibe innerhalb80 der in der Zersetzung begriffenen Strecke auftre - tende Bestandtheil wird sich der Bewegung des gleichen Bestandtheiles nach derselben Seite hin, vermöge der in ihm liegenden repulsiven Kraft, fortwährend widersetzen, so daſs die zersetzende Kraft der Kette nicht blos den jedesmaligen Zu - sammenhang der beiden Bestandtheile unter ein - ander, sondern auch diese Reaction eines jeden Bestandtheiles auf sich selber zu überwältigen hat. Es erhellet hieraus, daſs ein Stillstand in der chemischen Veränderung dann eintreten müsse, wenn zu irgend einer Zeit ein Gleichgewicht zwi - schen den dabei obwaltenden Kräften eintritt. Der so herbei geführte, in einer eigenen chemi - schen Vertheilung der Bestandtheile beruhende und bleibende Zustand des in der Zersetzung be - griffenen Theils der Kette ist der, von dem ich eben ausging, und dessen Natur scharf zu bestim - men ich in dem Anhange versucht habe. Schon die bloſse Beschreibung der Entstehungsweise dieser höchst merkwürdigen Erscheinung gibt zu erkennen, daſs an den äuſsersten Enden der ver - theilten Strecke kein natürliches Gleichgewicht statt finden könne, weſshalb an diesen Orten die81 beiden Bestandtheile durch eine mechanische Ge - walt zurückgehalten werden müssen, auſserdem in die nächsten Theile der Kette übergehen, oder, wo die übrigen Umstände es bedingen, von der Kette sich gänzlich absondern werden. Wer wollte in dieser prunklosen Auseinandersetzung nicht alle bei chemischen Zerlegungen durch die Kette bis jetzt beobachteten Hauptmomente der äuſseren Erscheinung wieder erkennen!

Wenn der Strom und mit ihm die zerset - zende Kraft plötzlich unterbrochen wird, so wer - den die vertheilten Bestandtheile allmählig wieder in ihr natürliches Gleichgewicht zurücktreten, aber den verlassenen Zustand sogleich wieder anzuneh - men streben, wenn der Strom neuerdings herge - stellt wird. Während dieses Hergangs ändert sich begreifllicherweise mit der chemischen Natur zugleich fortwährend die Leitungsfähigkeit sowohl als die Erregungsweise zwischen den Elementen der in der Zersetzung begriffenen Strecke; da - durch aber wird eine fortgesetzte Aenderung in der elektrischen Vertheilung und in der davon abhängigen Gröſse des Stromes an der galvani - schen Kette nothwendig bedingt, welche nur inF82dem bleibenden Zustande der chemischen Ver - theilung ihre natürlichen Grenzen findet. Zur genauen Bestimmung dieser letzten Stufe des elek - trischen Stromes wird die Kenntniſs des Gesetzes erfordert, nach welchem sich die Leitungsfähig - keit und die Erregungsstärke der aus zwei ver - schiedenen Flüssigkeiten gebildeten veränderlichen Mischungen richtet. Was die Erfahrung zu die - sem Zwecke bis jetzt noch an die Hand gegeben hat, schien mir nicht genügend, daher zog ich ihr eine theoretische Bestimmung vor, die so lange, bis das wahre Gesetz aufgefunden ist, seine Stelle einnehmen soll. Mit Hülfe des nicht ganz erdichteten Gesetzes gelange ich nun zu den Gleichungen, welche in jedem Falle alle einzelnen Umstände zu erkennen geben, die den bleibenden Zustand der chemischen Vertheilung in der gal - vanischen Kette ausmachen, deren weitere Benüt - zung ich jedoch vernachläſsigt habe, da der jet - zige Umfang unserer Erfahrungskenntnisse in dieser Hinsicht mir die dazu erforderliche Mühe noch nicht zu lohnen schien. Um jedoch die Resultate dieser Untersuchung mit dem, was Ver - suche hierüber gegeben haben, in ihren allgemein -83 sten Zügen vergleichen zu können, habe ich ei - nen besondern Fall bis ans Ende geführt, und an ihm ersehen, daſs die Formel die Art des Wogens der Kraft, wie ich es vordem beschrie - ben habe*)Schweigger’s Jahrb. 1826. H. 2., recht genügend darstellt.

Nachdem ich so den Inhalt dieser Schrift in einem leichten Umrisse angegeben habe, gehe ich nun zu einer gründlichern Bearbeitung der ein - zelnen Stellen über.

F 2[84][85]

Die galvanische Kette.

[86][87]

A) Allgemeine Untersuchungen über die Verbreitung der Elektrizität.

1) Eine unter gewissen Umständen hervor - tretende Eigenschaft der Körper, die wir Elek - trizität nennen, gibt sich räumlich dadurch zu erkennen, daſs Körper, welche sie besitzen, und die deshalb elektrische Körper heiſsen, sich ein - ander entweder abstoſsen oder anziehen.

Um die Veränderungen, welche in der elek - trischen Beschaffenheit eines Körpers A vorfallen, auf eine völlig bestimmte Weise verfolgen zu können, bringen wir diesen Körper jedesmal un - ter einerlei Umständen mit einem zweiten beweg - lichen Körper von unveränderlicher elektrischer Beschaffenheit, das Elektroskop genannt, in Ver - bindung, und bestimmen die Kraft, womit das Elektroskop von dem Körper abgestoſsen oder angezogen wird. Diese Kraft nennen wir die elektroskopische Kraft des Körpers A, und um88 unterscheiden zu können, ob sie eine abstoſsende oder anziehende ist, setzen wir in dem einen Falle das Zeichen +, und in dem andern Falle das Zeichen vor die Angabe ihres Maaſses.

Es kann derselbe Körper A auch zur Be - stimmung der elektroskopischen Kraft in verschie - denen Theilen eines und desselben Körpers die - nen. Zu diesem Zwecke nehmen wir den Kör - per A von sehr geringen Dimensionen, damit, wenn wir ihn mit der zu prüfenden Stelle irgend eines dritten Körpers in innige Berührung brin - gen, er seiner Kleinheit halber als Vertreter die - ser Stelle angesehen werden kann; dann wird seine auf die eben beschriebene Art zu messende elektroskopische Kraft, wenn sie an verschiedenen Stellen verschieden ausfällt, die relative Verschie - denheit dieser Stellen in Bezug auf Elektrizität zu erkennen geben.

Die Absicht vorstehender Erklärungen ist, dem Ausdrucke » elektroskopische Kraft « eine ein - fach bestimmte Bedeutung zu geben; eine Be - rücksichtigung der gröſsern oder geringern Aus - führbarkeit des Verfahrens sowohl, als eine Ver - gleichung der verschiedenen möglichen Verfah -89 rungsarten unter einander zur Bestimmung der elektroskopischen Kraft liegen nicht in unserm Zwecke.

2) Wir nehmen wahr, daſs sich die elektros - kopische Kraft von einer Stelle zur andern und von einem Körper zum andern fortbewegt, so daſs sie nicht blos an verschiedenen Stellen zu derselben Zeit, sondern auch an derselben Stelle zu verschiedenen Zeiten sich ändert. Um die Art und Weise, wie die elektroskopische Kraft von der Zeit, worin sie wahrgenommen wird, und dem Orte, an welchem sie sich äuſsert, abhängig ist, bestimmen zu können, müssen wir von Grund - gesetzen ausgehen, denen der zwischen den Ele - menten eines Körpers statt findende Austausch ihrer elektroskopischen Kraft unterworfen ist.

Diese Grundgesetze sind von zweierlei Art, entweder von der Erfahrung entlehnte, oder, da wo diese schweigt, hypothetisch angenommene. Die Zulässigkeit der erstern kann keinem Zweifel unterworfen sein, und die Rechtmäſsigkeit der letztern gibt sich durch die Uebereinstimmung der aus ihnen abgeleiteten Resultate der Rechnung mit dem, was in der Wirklichkeit vorfällt, unfehl -90 bar zu erkennen; denn da durch die Rechnung die Erscheinung mit allen ihren Modifikationen auf das Bestimmteste ausgesprochen wird, so muſs, weil in ihrem Fortgange zu den früheren nicht immer wieder neue Unsicherheiten stoſsen, eine im gleichen Maaſse vollständige Beobachtung der Natur ihre Annahmen auf eine entscheidende Weise entweder rechtfertigen oder widerlegen. Darin liegt eben das hauptsächlichste Verdienst der Rechnung, daſs sie durch ihre nirgends schwankende Aussagen eine Allgemeinheit der Vorstellungen hervorruft, die jedesmal zu erneuer - ten Versuchen auffordert und so zu einer immer mehr in die Tiefe gehenden Kenntniſs der Natur führt. Jede auf Thatsachen gebaute Theorie ei - ner Klasse von Naturerscheinungen, die in der Form ihrer Darstellung nicht die mathematische Ausführlichkeit erträgt, ist unvollkommen, und jede in einer noch so strengen Form entwickelte Theorie, die nicht in dem erforderlichen Maaſse von der Erfahrung gebilligt wird, ist unsicher. So lange daher nicht wenigstens ein Theil der Wirkungen einer Naturkraft mit groſser Schärfe in allen ihren Abstufungen beobachtet worden ist,91 geht die mit ihr sich befassende Rechnung nur auf unsichern Boden, weil kein Prüſstein für ihre Hypothesen vorhanden ist, und thut im Grunde besser, auf gelegenere Zeit zu warten; wenn sie aber mit der gehörigen Befugniſs an die Arbeit geht, bereichert sie das Gebiet, worin sie weilt, mit neuen Naturerscheinungen, zum Mindesten auf indirekte Weise, wie die Erfahrung aller Zei - ten lehrt. Ich glaubte diese allgemeinen Bemer - kungen vorausschicken zu müssen, nicht nur weil durch sie auf das Folgende mehr Licht geworfen wird, sondern auch deshalb, weil sie den Grund in sich zu tragen scheinen, warum die Rechnung nicht längst schon an die galvanischen Erschei - nungen mit mehr Erfolg sich gemacht habe, ob - gleich sie, wie sich später finden wird, den hier - zu erforderlichen Gang schon früher in einem andern, scheinbar weniger dazu vorbereiteten, Felde der Physik genommen hat.

Nach diesen Vorerinnerungen gehen wir nun zur Aufstellung der Grundgesetze selber über.

3) Wenn zwei gleich groſse, gleich gestaltete und gegen einander gleich gestellte aber ungleich stark elektrische Körperelemente E und E′ in der92 schicklichen Entfernung von einander stehen, so äuſsern sie ein wechselseitiges Bestreben, sich ins elektrische Gleichgewicht zu setzen, welches sich dadurch zu erkennen gibt, daſs beide dem Mittel ihres elektrischen Zustandes fortwährend und im - mer um gleich viel näher rücken, so lange, bis sie dasselbe wirklich erreicht haben. Beide Ele - mente ändern nämlich ihren elektrischen Zustand gegenseitig so lange, als noch ein Unterschied ih - rer elektroskopischen Kraft statt findet; diese Aen - derung aber hört auf, so wie beide einerlei elek - troskopische Kraft erlangt haben. Es ist mithin diese Aenderung von der elektrischen Differenz der Elemente dergestalt abhängig, daſs jene mit dieser zugleich verschwindet. Wir nehmen nun an, daſs die in einem äuſserst kleinen Zeittheilchen erfolgte Aenderung in beiden Elementen der Dif - ferenz ihrer zu derselben Zeit vorhandenen elektros - kopischen Kraft und der Gröſse des Zeittheilchens proportional sei, und ohne uns noch auf irgend einen materiellen Unterschied der Elektrizität ein - zulassen, stellen wir fest, daſs dabei die mit + und bezeichneten Kräfte gerade so wie entge - gengesetzte Gröſsen überhaupt zu behandeln93 seien. Daſs die Aenderung sich genau nach der Differenz der Kräfte richte, ist eine Unterstel - lung der Rechnung, die natürlichste, weil sie die einfachste ist; das Uebrige ist durch die Erfahrung gegeben. Die Bewegung der Elektrizität innerhalb der meisten Körper geht so rasch von Statten, daſs wir ihre Aenderungen an den verschiedenen Stellen nur selten festzuhalten vermögen,[und] des - halb das Gesetz, nach welchem sie sich richten, durch die Erfahrung auszumitteln wohl nicht im Stande sind. Die galvanischen Erscheinungen, in welchen solche Aenderungen unter einer bleiben - den Form auftreten, sind daher für die Prüfung jener Annahme von besonders hohem Interesse. Werden nämlich die aus der Annahme gezoge - nen Folgerungen durch jene Erscheinungen durch - aus bestätigt, so ist sie zulässig und kann ohne Bedenken in allen verwandten Untersuchungen, wenigstens innerhalb derselben Grenzen der Kraft, ihre Anwendung finden.

Wir haben in Uebereinstimmung mit den bisher gemachten Erfahrungen angenommen, daſs, wenn durch irgend zwei äuſserlich gleich beschaf - fene Elemente, sie mögen aus einerlei oder aus94 verschiedener Materie bestehen, eine gegenseitige Aenderung ihres elektrischen Zustandes hervorge - rufen wird, das eine ehen so viel an Kraft ver - liere, als das andere gewinnt. Sollte sich viel - leicht in der Folge durch Versuche noch erge - ben, daſs die Körper in Bezug auf Elektrizität ein ähnliches Verhalten zeigen, als dasjenige ist, was wir bei der Wärme Kapazität der Körper nennen, so müſste das von uns aufgestellte Gesetz eine leichte Abänderung erleiden, die wir am pas - senden Orte anzeigen werden.

4) Wenn die beiden Elemente E und E′ nicht von gleicher Gröſse sind, so ist es doch immer gestattet, sie als Summen von gleichen Theilen anzusehen. Gesetzt das eine Element E bestände aus m unter sich völlig gleichen Thei - len und das andere E′ aus m′ eben solchen Theilen, so wird, wenn man sich die Elemente E und E′ äuſserst klein in Vergleich zu ihrer ge - genseitigen Entfernung vorstellt, so daſs die Ent - fernungen von jedem Theile des einen zu jedem Theile des andern Elementes gleich sind, die Summe der Einwirkungen aller m′ Theile des Elementes E′ auf einen Theil des Elementes E95 die m′fache von der sein, die ein Theil allein ausübt, und die Summe aller Einwirkungen des Elementes E′ auf alle m Theile des Elementes E wird die mm′fache von der sein, die ein Theil von E′ auf einen Theil von E äuſsert. Man sieht hieraus, daſs, um die gegenseitigen Wirkun - gen ungleicher Elemente auf einander beziehen zu können, man sie nicht blos dem Unterschiede ihrer elektroskopischen Kräfte und ihrer Zeitdauer, sondern auch dem Produkte ihrer relativen Aus - dehnungsgröſsen proportional nehmen müsse. Wir werden in der Folge die auf die Gröſse der Elemente bezogene Summe der elektroskopischen Aeusserungen worunter wir also das Produkt aus der Kraft in die Gröſse des Raumes, wor - über sie verbreitet ist, zu verstehen haben, im Falle daſs an allen Stellen dieses Raumes einerlei Kraft sich befindet Elektrizitätsmenge nen - nen, ohne daſs wir dadurch irgend etwas über die materielle Beschaffenheit der Elektrizität fest - zusetzen beabsichtigen. Dieselbe Bemerkung gilt von allen eingeführten bildlichen Ausdrücken, ohne die nun einmal unsere Sprache, vielleicht aus gutem Grunde, nicht bestehen kann.

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Im Falle die Elemente nicht als verschwin - dend in Vergleich zu ihrer gegenseitigen Entfer - nung angesehen werden dürfen, wird statt des Produktes aus den Ausdehnungsgröſsen der bei - den Elemente eine für jeden gegebenen Fall be - sonders zu bestimmende Funktion ihrer Dimen - sionen und ihrer mittlern Entfernung gesetzt wer - den müssen, die wir, wo wir sie brauchen, durch F bezeichnen wollen.

5) Bisher haben wir den Einfluſs der gegen - seitigen Entfernung der Elemente, zwischen wel - chen eine Ausgleichung ihres elektrischen Zustan - des vor sich geht, unberücksichtigt gelassen, weil wir es jedesmal nur mit solchen Elementen zu thun hatten, die immer dieselbe Entfernung zu einander behielten. Nun aber wirft sich die Frage auf, ob jener Austausch unmittelbar nur zwischen zunächst an einander liegenden Elemen - ten statt finde, oder ob er sich auch auf entfern - ter liegende erstrecke, und wie in der einen oder der andern Annahme seine Gröſse durch die Ent - fernung modifizirt werde. Nach dem Vorbilde Laplace pflegt man in solchen Fällen, wo Mole - kularwirkungen aus kleinster Ferne ins Spiel kom -97 men, einer besondern Vorstellungsweise sich zu bedienen, zufolge welcher zwar noch in endlicher Entfernung eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen zwei durch andere getrennten Elementen Statt findet, welche Wirkung jedoch so schnell abnimmt, daſs sie schon bei jeder merklichen auch noch so kleinen Entfernung als völlig ver - schwunden anzusehen ist. Laplace wurde zu dieser Hypothese bewogen, weil die Voraussetzung, daſs die unmittelbare Wirkung nur auf nächste Elemente sich erstrecke, Gleichungen lieferte, de - ren einzelne Glieder nicht von derselben Dimen - sion in Bezug auf die Differenzialien der verän - derlichen Gröſsen waren*)Poiſson in seinem Mémoire sur la Distribution de la Chaleur, Journ. de l’école Polytech. Cah. XIX drückt sich hierüber so aus: Si l’on partage une barre, par des sections perpendi - culaires à l’axe, en une infinité d’élémens infiniment pe - tits, et que l’on considère l’action mutuelle de trois élé - mens consécutifs, c’est à dire, la quantité de chaleur que l’élément intermédiaire communique et enlève à chaque instant aux deux autres, en raison de l’excès positif ou negatif de sa température sur celle de chacun d’eux, on en conclura facilement l’augmentation de température de cet élément pendant un instant infiniment petit; égalant, eine Ungleichförmig -G98keit, die dem Geiste der Differenzialrechnung ge - rade zu entgegen ist. Dieses scheinbar unvermeid - liche Miſsverhältniſs zwischen den Gliedern einer Differenzialgleichung, die doch nothwendigerweise zu einander gehören, ist zu auffallend, um nicht die Aufmerksamkeit derer, für die solche Unter - suchungen Werth haben, auf sich zu ziehen; da - her wird ein Versuch, zur Aufklärung dieses Räthsels etwas beizutragen, um so weniger hier am unrechten Orte sein, weil wir den Vortheil erlangen, daſs die folgenden Betrachtungen da - durch einfacher und kürzer ausfallen. Wir wer -*)donc cette quantité à la differentielle de sa température prise par rapport au temps on formerait l’équation du mouvement de la chaleur suivant la longueur de la bar - re; mais en examinant plus attentivement la question, on réconnait sans peine, que cette équation serait fondée sur la comparaison de deux quantités infiniment petites non homogénes, ou de differens ordres, ce qui serait contraire aux premiers principes du calcul differentiel. On ne peut faire disparaitre cette difficulté qu’en suppo - sant, ainsi que M. Laplace l’a remarqué le premier ( - moires de la 1re classe de l’Institut année 1809.), que l’action de chaque élément de la barre s’étend au delà du contact, et qu’elle s’exerce sur tous les élémens com - pris dans une étendue finie, aussi petite qu’on voudra.99 den dabei lediglich die Bewegung der Elektrizi - tät zum Grunde legen, weil es nicht schwer hält, die gewonnenen Resultate auf jeden andern ähn - lichen Gegenstand überzutragen, wie wir später, an einem andern Beispiele zu zeigen, die Gele - genheit erhalten werden.

6) Vor allem wird erfordert, daſs wir den Begriff der Leitungsgüte genau festsetzen. Wir drücken aber die Stärke der Leitung zwischen zwei Orten durch eine Gröſse aus, welche unter übrigens gleichen Umständen dem Produkte aus der Menge dessen, was in einer bestimmten Zeit von dem einen Orte zum andern übergeführt wird, in die Entfernung der beiden Orte von einander proportional ist. Sind die beiden Orte ausgedehnt, so ist unter ihrer Entfernung die ge - rade Linie, welche die Mittelpunkte der Ausdeh - nung der beiden Orte mit einander verbindet, zu verstehen. Tragen wir diesen Begriff auf zwei elektrische Körperelemente E und E′ über und nennen s die gegenseitige Entfernung ihrer Mit - telpunkte, q die Elektrizitätsmenge, welche unter völlig bestimmten und unveränderlichen Umstän - den von einem Elemente zum andern überge -G 2100führt wird, und κ das zwischen ihnen Statt fin - dende Leitungsvermögen, so ist also 〈…〉

Die durch q bezeichnete Elektrizitätsmenge werden wir nun näher zu bestimmen suchen. Nach No. 4. ist die Elektrizitätsmenge, welche in einer äuſserst kurzen Zeit vom einen Elemente zum andern übergeführt wird, bei unveränderli - cher Entfernung im allgemeinen dem Unterschiede ihrer elektroskopischen Kraft, der Zeitdauer und der Gröſse eines jeden der beiden Elemente pro - portional; bezeichnen wir daher die elektroskopi - schen Kräfte der beiden Elemente E und E be - ziehlich durch u und u und ihrem Rauminhalt durch m und m, so erhalten wir für die in dem Zeitelemente dt von E nach E übergeführte Elektrizitätsmenge folgenden Ausdruck: 〈…〉 wo α einen irgend wie von der Entfernung s ab - hängigen Koeffizienten vorstellt. Diese Menge ändert sich in jedem Augenblicke, wenn u u veränderlich ist; nehmen wir aber an, daſs die Kräfte u und u zu jeder Zeit dieselben bleiben,101 so hängt sie blos von der Gröſse des Zeittheil - chens dt ab, wir können sie daher auf die Zeit - einheit ausdehnen, dann wird sie, wenn wir die jetzt konstante Differenz der Kräfte u u der Krafteinheit gleich setzen, folgende 〈…〉 Diese Elektrizitätsmenge ist für die beiden der Lage nach unveränderlichen Elemente E und E stets eine, unter einerlei Umständen entstandene Menge, weswegen wir sie zu der eben gegebenen Bestimmung des Leitungsvermögens gebrauchen können. Verstehen wir nämlich unter q die in der Zeiteinheit bei einer konstanten und der Krafteinheit gleichen Differenz der elektroskopi - schen Kräfte von dem Elemente E zu dem Ele - mente E übergeführte Elektrizitätsmenge, so wird 〈…〉 und nun 〈…〉 Nehmen wir aus dieser letzten Gleichung den Werth von αmm und substituiren ihn in den Ausdruck 〈…〉 so erhalten wir für die veränderliche Elektrizi -102 tätsmenge, welche in dem Zeittheilchen dt von E nach E überströmt, folgenden 〈…〉 () welcher Ausdruck das oben erwähnte Miſsverhält - niſs zwischen den Gliedern der Differenzialglei - chung nicht in seinem Gefolge hat, wie wir bald wahrnehmen werden.

7) Es lag dem bisherigen Gange die Vor - aussetzung zum Grunde, daſs die von einem Ele - mente zu einem andern ausgeübte Wirkung dem Produkte aus dem Rauminhalte der beiden Ele - mente proportional sei, eine Voraussetzung, die, wie schon in No. 4. angemerkt worden ist, in Fällen, wo es sich um die gegenseitige Wirkung unendlich nahe bei einander liegender Elemente handelt, nicht mehr gestattet werden darf, weil sie entweder eine Relation zwischen der Gröſse der Körperelemente und ihren gegenseitigen Ent - fernungen feststellt, oder diesen Elementen eine bestimmte Gestalt vorschreibt. Es ist daher kein geringer Vorzug des vorhin für die veränderliche, von einem Elemente zum andern strömende Elek - trizitätsmenge gefundenen Ausdruckes (), daſs103 er von jener Voraussetzung ganz unabhängig ist; denn was auch in einem besondern Falle statt des Produktes mm gesetzt werden müsse, so bleibt der Ausdruck () doch stets derselbe, weil diese Besonderheit sich lediglich in das Lei - tungsvermögen κ wirft. Stellt nämlich F, wie in No. 4. angekündigt worden ist, die einem solchen Falle entsprechende Funktion der Dimensionen und der mittleren Entfernung beider Elemente vor, so verwandelt sich augenscheinlich nicht blos der Ausdruck 〈…〉 in den 〈…〉 sondern auch die Gleichung 〈…〉 in die andere 〈…〉 () so daſs, wenn man den Werth von F aus die - ser Gleichung nimmt und in jenen Ausdruck setzt, immer wieder derselbe Ausdruck 〈…〉 hervorgeht. Auch der Umstand ist von Bedeu -104 tung, daſs der Ausdruck () für solche Körper - theile noch gültig bleibt, deren Dimensionen nicht mehr unendlich klein sind, wenn nur in allen Punkten eines jeden solchen Theils dieselbe elek - troskopische Kraft befindlich ist. Man sieht hier - aus, wie innig sich unsere Betrachtungen an den Geist der Differenzialrechnung anschlieſsen; denn Gleichartigkeit aller seiner Punkte in Bezug auf die in Rechnung kommende Eigenschaft ist ge - rade das entscheidende Merkmal, welches die Dif - ferenzialrechnung an dem verlangt, was sie als Element in sich aufnehmen soll.

Stellt man eine etwas gründlichere Verglei - chung des von Laplace herrührenden Verfahrens mit dem von uns vorgeschlagenen an, so wird man zu nicht uninteressanten Vergleichungspunk - ten gelangen. Wenn man nämlich bedenkt, daſs für unendlich kleine Massen in unendlich kleinen Entfernungen alle besondern Beziehungen noth - wendig dasselbe Gewicht haben müssen, als für endliche Massen in endlicher Entfernung, so läſst sich nicht sogleich einsehen, wie die Methode des unsterblichen Laplace, der wir schon so viele wichtige Aufschlüsse über die Natur der Moleku -105 larwirkungen verdanken, nach welcher die Ele - mente stets so behandelt werden, als wären sie in endliche Entfernungen zu einander gestellt, doch richtige Resultate liefern konnte; allein man wird bei näherer Prüfung finden, daſs sie im Grunde was anderes thut, als sie ausspricht. In der That da Laplace, wenn er die Aenderungen eines Elementes durch alle es umgebenden be - stimmt, höhere Potenzen der Entfernung gegen niedrigere verschwinden läſst, so setzt er dadurch ganz im Sinne der Differenzialrechnung die Wir - kungsweite selbst unendlich klein, nennt sie aber endlich und behandelt sie auch als solche, wor - aus man sogleich ersieht, daſs er allerdings das unendlich Kleine in unendlich kleiner Entfernung gleich einem Endlichen behandelt. Wenn man daher von der gröſsern Bestimmtheit und An - schaulichkeit, die unsere Darstellungsweise beglei - ten, absehen will, so lieſse sich nur in der Hin - sicht, vielleicht mit einigem Grunde, etwas gegen die Behandlung von Laplace zu Gunsten der unsrigen erinnern, daſs sie nämlich auf die mög - liche Besonderheit der gegebenen Körperelemente durchaus keine Rücksicht nimmt, sondern nur mit106 gedachten Raumelementen sich beschäftigt, wo - durch die physische Natur der Körper fast ganz verloren geht. So lassen sich wohl, um den Sinn unserer Behauptung durch ein Beispiel zu erläu - tern, Körper in der Natur denken, die aus lauter gleichen Elementen bestehen, deren Stellung zu einander aber, in einer Richtung genommen, eine andere sein könnte, als in einer andern Richtung; solche Körper könnten dann, wie unsere Darstel - lungsweise sogleich zu erkennen gibt, nach der einen Richtung die Elektrizität auf eine andere Weise leiten, als nach der andern, während sie demungeachtet gleichartig und gleich dicht er - scheinen könnten. In einem solchen Falle, wenn er vorkäme, müſste man nach Laplace zu Be - trachtungen, die dem allgemeinen Gange fremd geblieben sind, seine Zuflucht nehmen. Umge - kehrt gibt die Art, wie die Körper leiten, ein Mittel an die Hand, durch das wir befugt wer - den, auf ihren innern Bau zu schlieſsen, was wir, bei der fast gänzlichen Unbekanntschaft mit dem - selben, nicht von der Hand weisen wollen. Schlieſslich fügen wir noch hinzu, daſs diese un - sere bisher entwickelte Ansicht der Molekularwir -107 kungen die beiden von Laplace und von Fou - rier, in dessen Theorie der Wärme, aufgestellten in sich vereinigt und dadurch gleichsam beide mit einander aussöhnt.

8) Wir tragen nun kein Bedenken mehr, die elektrische Wirkung eines Körperelements nicht über die es zunächst umgebenden Elemente hinausreichen