Seinem Freunde und Zuhoͤrer Herrn J. Gerhard von Kuͤgelgen beruͤhmten Hiſtorienmahler der Verfaſſer.
Sey denn, wuͤrdiger Meiſter! der geringen Gabe freundlich.
Feldblumen ſind es, geſammlet in der fruͤ - hen Daͤmmerung eines neuen Tages, ehe uns die Morgenroͤthe zu einem ernſteren Tagewerk gerufen. Wir finden unter ihnen nicht die Blumen, welche Du liebſt: nicht die hohe Li - lie oder die gluͤhende Roſe, ſelbſt die Blaͤtter des wildwachſenden Lorbeers werden vermißt; ſey es, daß der Boden dieſen Gewaͤchſen un - guͤnſtig, und daß die Jahreszeit ſolchen Zaͤrt - lingen noch zu rauh war; oder daß wir ſelbſt beym eiligen Aufraffen jene uͤbergangen. Viel -[VI] mehr erblicken wir unter den laͤndlichen Blu - men einige ohne Duft, und leicht verwelklich. Doch laß ſie welken! Das Leben wird noch andre Bluͤthen tragen. Die Liebe aber zu Dir wird beſſer und unvergaͤnglicher ſeyn als dieſe Gabe, beſſer und unvergaͤnglicher als das Leben.
[VII]Bey dem Leſen dieſer Vorleſungen moͤge man nicht vergeſſen: daß ſie zunaͤchſt einem ſehr gemiſchten Krei - ſe, von verſchiedenem Alter, Geſchlecht, Stand und Denkweiſe beſtimmt waren. Wenn daher die Ausfuͤh - rung zuweilen eine andre geworden, als ſie zum Theil noch die erſte Vorleſung verſpricht; ſo hat die Schuld nicht ganz an dem Verfaſſer gelegen. Eine blos zum Druck beſtimmte Schrift darf wohl eher jenes Publi - kum allein vor Augen haben, dem ſich die Seele tief im Innern geneigt fuͤhlt; Arbeiten von der Beſtim - mung der jetzigen, werden, auch gegen unſren Willen, die Farbe der Umgebungen, der Aufnahme und der Zelt an ſich tragen. Moͤgen ſich daher dieſe Vorle - ſungen daſſelbe gemiſchte, vielartige Publicum wie - der ſuchen, dem ſie im kleineren Kreiſe zu gefallen ſtrebten!
Die Thatſachen bey der Geſchichte der Orakel, Vorahndungen u. a. haͤtten ſich freylich um Vieles vermehren laſſen, doch haben mich einige Gruͤnde bewogen, ſelbſt beym Druck maͤßig damit zu ſeyn.
VIIINoch bemerke ich, daß der wiſſenſchaftliche An - hang zur ſechsten Vorleſung auch als ein beſondres Werk, unter dem Titel:
Neue Unterſuchungen uͤber die Ver - haͤltniſſe der Groͤßen und Eccentricitaͤ - ten der Weltkoͤrper, abgedruckt iſt.
Dresden, im July 1808.
der Verfaſſer.
[1]Wenn vielleicht die Forderungen, welche ein Theil meiner Zuhoͤrer an die Naturwiſſenſchaftlichen Vorle - ſungen die ich heute beginne, machen wird, in der Folge unbefriedigt bleiben muͤßten, ſo will ich wenig - ſtens, ſo viel an mir iſt, dieſe Unzufriedenheit nicht unvorbereitet laſſen, und gleich am Anfange unver - hohlen ſagen, was diesmal von mir zu erwarten ſey, und was nicht?
Die Naturwiſſenſchaft bey ihrem jetzigen Umfange, ſelbſt nur in einem duͤrftigen Umriſſe, in einem gerin - gen Auszuge darzuſtellen, wuͤrde mit den aͤußerlichen Graͤnzen ſolcher Vorleſungen, wie die meinigen ſeyn muͤſſen, in voͤlligem Misverhaͤltniſſe ſtehen; auch ſind in neuerer Zeit Werke, welche ſich dieſes Ziel vorge - ſetzet, in ſo hinlaͤnglicher Menge geſchrieben, daß ichA2eine ſolche Arbeit fuͤr ſehr entbehrlich halten wuͤrde. Wenn man ſich daher in meinen Vortraͤgen eine voll - ſtaͤndige Ueberſicht uͤber den Innhalt der geſammten Naturwiſſenſchaft, ſeit den vielfaͤltigen Entdeckungen und Erweiterungen der letzten Jahrzehende verſpro - chen, ſo wird man ſich getaͤuſcht finden. — Nicht minder werden vielleicht ſelbſt die Gegenſtaͤnde von de - nen ein großer Theil dieſer Vorleſungen handeln wird, Einigen unerwartet und ungelegen kommen. Wir werden naͤmlich in dieſen Abendſtunden, jene Nachtſei - te der Naturwiſſenſchaft, welche bisher oͤfters außer Acht gelaſſen worden, mit nicht geringerem Ernſt als andre allgemeiner anerkannte Gegenſtaͤnde betrachten, und von verſchiedenen jener Gegenſtaͤnde die man zu dem Gebiet des ſogenannten Wunderglaubens gezaͤhlt hat, handeln. Nicht in der Abſicht, daß durch dieſe Unterſuchungen vergeſſene oder muͤßig gelegene Thatſa - chen blos einmal hervorgeholt, und der Menge gezeigt wuͤrden, oder daß ich in ihnen eine Vertheidigung und Rechtfertigung derſelben uͤbernaͤhme, deren reine That - ſachen niemals beduͤrfen werden. Vielmehr habe ich meinen Vorleſungen zum Theil dieſen Innhalt ge - waͤhlt, weil es mir ſchien, als ob aus der Zuſammen - ſtellung jener, von Vielen verkannten Erſcheinungen, ein eigenthuͤmliches Licht, auch uͤber alle andren Thei - le der Naturwiſſenſchaft verbreitet wuͤrde, in welchem ſich dieſe leichter und gluͤcklicher zu jenem Ganzen verei - nigen ließen, das ich in dem kurzen Umfang dieſer Unterſuchungen aufzuſtellen bemuͤht ſeyn werde.
3Das aͤlteſte Verhaͤltniß des Menſchen zu der Na - tur, die lebendige Harmonie des Einzelnen mit dem Ganzen, der Zuſammenhang eines jetzigen Daſeyns mit einem zukuͤnftigen hoͤheren, und wie ſich der Keim des neuen zukuͤnftigen Lebens in der Mitte des jetzigen allmaͤlig entfalte, werden demnach die Hauptgegen - ſtaͤnde dieſer meiner Arbeit ſeyn. Damit ich meine Zu - hoͤrer ſo weit als moͤglich in den Stand ſetzen moͤge, gleich Anfangs uͤber den Gang dieſer Unterſuchungen zu urtheilen, will ich jezt den Innhalt derſelben wie in einem Gemaͤhlde der Seele voruͤber fuͤhren, damit zugleich der Sinn des Ganzen, welcher aus dem Geſammtein - druck von der Phantaſie leicht ergriffen wird, hernach auch in den einzelnen Theilen leichter verſtanden wer - de. Und zwar werde ich hierbey vorzuͤglich jene Zuͤge hervorheben, aus welchen der Zweck des Ganzen am leichteſten erkannt wird, und mich deshalb bey dem Innhalt einiger der naͤchſten Vorleſungen, welche von dem aͤlteſten und urſpruͤnglichen Verhaͤltniß des Men - ſchen zur Natur (von ſeinem Naturzuſtand) handeln werden, am laͤngſten verweilen.
Wir werden zuerſt, uͤber den Urſprung unſres Geſchlechts, uͤber das aͤlteſte Verhaͤltniß deſſelben zur Natur, die heilige Sage der aͤlteſten Voͤlker befragen. Einſtimmig werden uns Alle, Egypter und Indier, Chineſen und Mexicaner, ja Islaͤnder und Schweden, die Kunde einer hohen, untergegangenen Naturweisheit, und einer fruͤhen Bluͤthenzeit der Cultur unſres Ge -A 24ſchlechts bringen. Hierauf ſehen wir uns, jenſeit der Kluft vieler Jahrtauſende, nahe am Pol, in dem Wun - derlande Atlantis, wo die Gluth der noch jugendli - chen Erde, einen beſtaͤndigen Fruͤhling, und dort wo jezt das Land von beſtaͤndigem Eiſe ſtarrt, hohe Pal - menwaͤlder erzeugt. Es wohnt hier mit den Thieren des Suͤdens, jenes der Erde geweihte Urvolk, wel - ches, einen Theil des Jahres nur von dem Licht der Geſtirne geſehen, der Sonne vergeblich entgegen harrt. Noch in der erſten heiligen Harmonie mit der Natur, ohne eignen Willen, erfuͤllt von dem goͤttlichen In - ſtinkt der Weiſſagung und Dichtkunſt, ſehen wir unſer noch junges Geſchlecht, unter dem Scepter des Ura - nus froh. Damals hat nicht der Geiſt des Menſchen die Natur, ſondern dieſe den Geiſt des Menſchen lebendig erfaßt, und die Mutter, welche das wunder - bare Weſen gebohren, hat es noch einige Zeit aus der Tiefe ihres Daſeyns ernaͤhrt. Es hat in jenen Tagen nicht der Geiſt des Menſchen den Geſtirnen, ſondern dieſe dem Daſeyn des Menſchen Geſetze gegeben, wie den Bewegungen der Erde, und die Weisheit der alten Welt war: Alles und ganz zu thun, was ihr die Na - tur gelehrt.
Auf einen ſchnellen Blick wird das alte Ideal der Koͤnige in erhabenem Glanz geſehen, wie ſie, ein Vorbild des Goͤttlichen, Vermittler und Erhalter der alten Harmonie mit der Natur geweſen. Das Geſetz der Natur und der hoͤhere Einfiuß, waren die erſten Herrſcher der Menſchen, und als Stellvertreter ſind5 diejenigen gewaͤhlt worden, welchen ſich, als den rein - ſten Organen, der hoͤhere Einfluß am innigſten mitge - theilt. Nicht den Herren ſondern das getreue Organ der hoͤheren Natur, hat jene Zeit in ihren Koͤnigen ver - ehrt, und wir ſehen noch in der aͤlteſten Geſchichte ei - niger Voͤlker, den ehrwuͤrdigen Koͤnig ſelber, als Prieſter dem Dienſte der Natur vorſtehen, ſein graues Haupt auf hoher Sternwarte der Kaͤlte der Nacht Preiß ge - ben, und das geweihte Auge fuͤr ſein ſchlummerndes Volk den alten Bund des Menſchen mit der Natur be - wahren. Von den Arbeiten der alten Koͤnige, un - ſterblich wie dieſe Erde, und wie die ewigen Geſtirne ſelber, wird hierauf ein ernſtes Wort zu reden ver - goͤnnt ſeyn.
Von dem urſpruͤnglichen Verhaͤltniß des Menſchen zur Natur, von welchem wir, damit das eigentliche Weſen der Naturwiſſenſchaft, und das der Natur ſel - ber, in ſeiner ganzen Tiefe ergriffen werde, ausgehen, ſagt uns die aͤlteſte Geſchichte nur dunkle Worte. In den Myſterien und der heiligen Weihe jener Voͤlker, welche dem Urvolk der Welt noch am naͤchſten ver - wandt geweſen, vernimmt die Seele einige halbver - ſtaͤndliche Toͤne, welche tief aus der Natur unſers Weſens gekommen, dieſes tief erſchuͤttern, und wir fuͤhlen bald von den Klagetoͤnen des erſten Menſchen - geſchlechts und der Natur, unſer Herz zerſchnitten, bald den Geiſt von einer hohen Naturandacht bewegt, und von dem Wehen einer ewigen Begeiſterung durch -6 drungen. Aus dem Tempel der Iſis, von den reden - den Saͤulen des Thot, in den Geſaͤngen der egypti - ſchen Prieſter, werden wir jenen dunklen Laut verneh - men. An einſamer Kuͤſte, unter den ſchwarzen Ge - birgen Islands, wird uns die Edda jene Stimme aus den Graͤbern deuten, und die Phantaſie wird noch ein - mal jene Prieſter herauffuͤhren, welche die heilige Kunſt ihres Gottesdienſtes durch ſtrenges Schweigen der kuͤnftigen Zeit verborgen. Ja an den Altaͤren Mexicos, unter jenen Saͤulen, welche das Blut und die Thraͤnen von tauſend Menſchenopfern geſehen, wird das Auge noch die letzten Zuͤge der hohen Vergan - genheit erkennen.
Hierauf moͤge die Seele, auf dem vielbeſungenen Felſen zu Delphi, in einſamen Wald, ſich Stille zu einer neuen Betrachtung ſammlen. Aus der Ferne grauer Jahrtauſende, wird in der Tiefe der Grotte, die Stimme der Orakel, und die Begeiſterung der Pythia vernommen. Dann, nicht ohne Beruf, dringen wir tiefer in den heiligen Hayn zu Dodona, als den Fra - genden vergoͤnnt war. Auf einſamen Berg, von wei - ſen Felſenmaſſen umgeben, ſehen wir bey ſtiller Nacht, noch von der heiligen Quelle berauſcht, den Einge - weihten in die Hoͤhle des Trophonius hinabſteigen, wo ihn, fern von dem letzten Schimmer der Sterne, eine ungeſehene Gewalt in das innre Heiligthum der Viſionen und dumpfen Stimmen hinabreißt. Von aͤhnlicher Natur, als dieſe aͤlteſten Orakel, wird uns7 in den Waͤldern Virginiens, und in der geweihten Verſammlung nordiſcher Barden, prophetiſcher Wahn - ſinn, und eine wilde Weiſſagung begegnen.
So fuͤhren wir die Geſchichte jener Zeit, wo der Menſch noch Eins mit der Natur geweſen, und wo ſich die ewigen Harmonien und Geſetze derſelben, deut - licher als ſonſt je in ſeinem eignen Weſen ausgeſpro - chen, dem Geiſt voruͤber, damit nachher an dieſem großen Beyſpiel auch in der untergeordneten Natur die Einheit aller Einzelnen mit dem Ganzen verſtanden werde.
Wir nennen noch jetzt jene Augenblicke, wo ſich unſer Weſen im innigſten Einklange mit der ganzen aͤußern Natur befindet, die der hoͤchſten Luſt, des hoͤchſtens Wohlſeyns. Auch jene erſte Zeit, welche unſer Geſchlecht in tiefer Harmonie mit der ganzen Natur verlebt, wird uns von allen Voͤlkern der darauf folgenden Vorwelt, als eine Zeit des ſeeligen Friedens, und paradieſiſcher Freuden beſchrieben. Sie iſt es, welche die Griechen und einige noch viel aͤltere Voͤlker, unter dem Nahmen des goldenen Zeitalters preiſen. Eine Zeit der Kindheit iſt es geweſen, hoͤher aber als dieſe huͤlfloſe Kindheit, welche wir jezt kennen. Sterb - liche Muͤtter ſind es, welche jetzt gebaͤhren, jener Kindheit hat eine unſterbliche Mutter gepflegt, und der Menſch iſt von jener unmittelbaren Anſchauung eines ewigen Ideals ausgegangen, iſt unbewußt in der Mit -8 te jener hoͤchſten Erkenntniſſe und Kraͤfte geweſen, wel - che nun das ſpaͤtere Geſchlecht in hohen aber muͤhſeeli - gen Kampfe wieder erringen muß.
Es pflegen die Weſen in der ganzen Natur nur dann eines vollkommenen Vereins faͤhig zu ſeyn, wenn ſich das eine dem andern vollkommen unterordnet. Der Menſch iſt im Anfang ein untergeordnetes Organ der Natur geweſen. Nicht aber jenes Theils derſelben, welcher nur die Baſis der eigentlichen hoͤheren iſt, ſon - dern jenes ewigen und goͤttlichen Geſetzes, nach wel - chem der Menſch ward. Unſer Geſchlecht, aufangs nur ein Theil der Mutter, aus welcher es der hoͤhere Einfluß gezeuget, hat an dem Daſeyn, an dem voll - kommenen Weſen derſelben Theil genommen, und oh - ne ſein Verdienſt, wie alles von außen Geliehene, war an ihm die hohe Vollendung und heilige Harmonie der hoͤchſten Natur ſichtbar. Damals iſt der Fatalis - mus, — das voͤllige Dahingeben alles Willens in ein ewiges Geſetz — an ſeinem Ort geweſen. Noch er - ſchien die Natur dem Menſchen goͤttlich und rein, alſo war es auch der Einklang mit ihr.
Allmaͤlig hat in ſolcher unmittelbarer Mittheilung, der Menſch das hoͤhere Weſen der Natur ſelbſtſtaͤn - dig in ſein eignes aufgenommen. Der goͤttliche Keim, deſſen zartes Beginnen die Mutter gepflegt, wird im Gemuͤth des Menſchen ſtark, und ſiehe! der Bruſt und des Beduͤrfniſſes der Mutter entwachſen, fragt9 der junge Knabe nach ſeinem Vater, und nach jenem goͤttlicheren Ideal, durch welches dieſe Natur, und aus ihr der Menſch geworden. Hierauf ſehen wir in der Geſchichte der Naturwiſſenſchaft, welche mit der Urgeſchichte unſres Geſchlechts Eins iſt, den alten Bund des Menſchen mit der Natur uͤbertreten. Wie die Nacht mit ihren hohen Geſtirnen, verbleicht in der Morgendaͤmmerung eines neuen, hoͤheren Beduͤrfniſ - ſes, die alte Abhaͤngigkeit und Harmonie mit der Natur.
Aber vor der Morgendaͤmmerung geht das kalte Wehen der letzten Nachtwache vorher, und verlaſſen von der muͤtterlichen Schwinge, erſtarrt auf einige Momente das noch zarte Geſchlecht. Unter dem Scepter der ehernen Zeit, als das kuͤhne Volk die Stimme in ſeinem Buſen verſtehen gelernt, und der eigne Wille ſich der Stimme der Mutter widerſetzet, ſieht die Natur mit traurigem Unwillen den Geiſt des Menſchen ſich ihren Armen entwinden, und ein an - dres Geſetz, eine andre Heimath als die Erde ſelber ſuchen. Da ſchweigt die Stimme der kuͤhnen Begei - ſterung, der Menſch verſteht die Natur nicht mehr, und durch ſein eignes Streben, verſtoßen aus der Mit - te der ſeeligen Anſchauung, iſt die alte Weisheit, nur noch in der Aſche glimmend, ihrem Untergange nahe. Es verlaͤugnen nun die Herrſcher die alte Beſtimmung, und, vorhin ein Vorbild der Ergebung und heiligen Anſchauung, wird der Koͤnig als Eroberer, ein Vor -10 bild des eignen Willens. Es gefaͤllt dem Menſchen, die Erde, welche vorhin anzubauen heiliges Geſetz war, zu zerſtoͤren, der Fruchtbarkeit ſeines Ge - ſchlechts, vorhin als ein Symbol des Goͤttlichen ver - ehrt, durch blutige Kriege Einhalt zu thun, und wie in der alten Zeit das Einzelne vollkommen dem Bun - de mit dem Ganzen ſich ergeben, ſo kaͤmpft dieſe nach - folgende, daß die Natur, daß das ganze Geſchlecht dem Einzelnen untergeordnet ſey.
In jenem dumpfen Kampfe, noch ohne Bewußt - ſeyn, iſt die hohe Kultur, welche der urſpruͤngliche Zuſtand des Menſchen war, bey ganzen Voͤlkern un - tergegangen, und in entarteter Rohheit, harren dieſe noch jezt des neuen Morgens. Andre ſind in gewalti - gem Ungluͤck fruͤher gereift, und wir ſehen den harten Kampf und die wuͤſte Zerſtoͤrung jener Zeit, nir - gends ſo maͤchtig wuͤthen, als im weſtlichſten Aſien und im ſuͤdlichen Europa. Da wird ploͤtzlich, aus den Truͤmmern der alten Zeit, wie die Stimme eines Traͤumenden, die Sehnſucht des Menſchen nach dem hoͤheren und goͤttlicheren Ideal vernommen, und die zerſtoͤrte Welt von dem erſten matten Schimmer des neuen Morgens erhellt. Einzelne Weiſe, welche wie Waͤchter auf der Zinne, die Stunden der Nacht bewah - ren, verkuͤnden die Naͤhe des Morgenroths. Hierauf werden von einem bangen Sehnen nach etwas Hoͤhe - rem, ganze damalige Voͤlker ergriffen, und unter der eiſernen Laſt des Roͤmerreichs, unter dem blutigen11 Stachel der kleineren Fuͤrſten, wird, noch ohne Klar - heit, in dem Buſen der Welt die Gluth einer ewigen Liebe wach. Da iſt der Blick der ſterbenden alten Zeit nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel - ne Stimmen verkuͤndigten, das neue Heil aufgehen wird. Endlich, ſtehe! iſt die Stunde der Erfuͤllung gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung, unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem Jubel die Vermaͤhlung des menſchlichen Gemuͤths mit dem goͤttlichen Ideal gefeyert. Hierauf ſchweigen ge - gen Chriſti Geburt die Orakel alle, und die geheime Gewalt der Natur uͤber den Menſchen wird zerſtoͤrt. Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz, erhebt ſich das Heydenthum auf der weſtlichen Erde, und zuletzt iſt in der neugebildeten Naturwiſſenſchaft, aus der alten Zeit nur noch ein verſtuͤmmelter und ver - kannter Schatten der alten Anſtrologie und Alchymie, im Mittelalter zuruͤck.
Nur bis dahin, wo der Menſch nun aufhoͤrte, Eins mit der Natur zu ſeyn, und wo dieſe als etwas Aeußeres, als Gegenſtand vor ihn hintrat, ſehen wir die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft mit der Urge - ſchichte unſres Geſchlechts unzertrennlich vereint. Von hier an begegnen wir dieſer nicht weiter, und was vor - hin als Naturcultus mit dem beſſeren Daſeyn des Menſchen, ja mit jedem Augenblick ſeines Lebens in - nigſt verſchmolzen war, tritt nun als Naturwiſſen - ſchaft auf, ohne ſichtlichen Zuſammenhang mit12 den weiteren Schickſalen des Menſchen, in ſeinen neuen, kuͤnſtlicheren Verhaͤltniſſen.
Wir folgen derſelben nun nur noch in einigen Zuͤ - gen, bis zu jener Zeit, wo wieder deutlicher wird, daß jenes, wovon die Naturwiſſenſchaft ausgegangen — die Harmonie des Einzelnen mit dem Ganzen — das eigenthuͤmliche Weſen und letzte Streben derſelben ſey, und wie ſich in ihrer Mitte, aus jenen Materialien, welche auch der Innhalt dieſer Unterſuchungen ſind, eine neue hoͤhere Zeit derſelben bereitet. Doch wird dieſes eigenthumliche Streben erſt ſpaͤt deutlich ſichtbar.
Fuͤr das Ganze iſt der Anfang der neueren Zeit, wo der Wille des Menſchen gleichſam muͤndig gewor - den, der Eintritt des Chriſtenthums; einzelne Voͤlker aber ſind einſeitig und in einigen Beſtrebungen, jener neuen Zeit fruͤher entgegengereift, und ſind wie in den Kuͤnſten, ſo in der eigentlich ſogenannten Naturwiſſen - ſchaft, unſre Vorgaͤnger geweſen. Von jenen einzel - nen Beſtrebungen aus, wird der Geiſt ſogleich in die Zeiten des Mittelalters gefuͤhrt, wo der bis dahin ver - borgene Keim ſich in der erſten Hoffnung zeigt. — Es pflegen jederzeit große und kuͤhne Ideen, wenn ſie ſich, kaum im Gemuͤth empfangen, nur noch als Ahndungen regen, fuͤr den Mund unausſprechlich zu ſeyn, und den Geiſt wie formloſe Weſen, wie eine Gluth ohne Licht zu umſchweben. So haben auch das13 goͤttliche Ideal der neuen Zeit, faſt anderthalb Jahrtau - ſende mit tiefer Innigkeit in ihrem Schooß ernaͤhrt, ohne daß es gelungen waͤre, weder in den Kuͤnſten noch in den Wiſſenſchaften, es auszuſprechen. Als hierauf die erſten Verſuche gemacht worden, das bis dahin blos Empfundene zu geſtalten, geſchahen dieſe in tiefer Einfalt. Wir nennen naͤmlich einfaͤltig, wo die noch kindliche und unvollendete Form einem zu großen, zu erhabenem Innhalt unterliegt, wo das unerreichte Ideal unmittelbar zu uns ſpricht, und der Geiſt des Kuͤnſtlers oder des Weiſen in frommer Erge - bung ſchweigend, und faſt blos paſſiv erſcheint. Al - les Große erſcheint zuerſt in dem Gewand der Einfalt, und nur ein geringer Innhalt iſt es, deſſen ſich der Geiſt des Menſchen ſogleich bemeiſtein, den er ſogleich in vollendete Form zu zwingen vermag.
Zu jener Zeit, als in Italien der Lehrer des Ra - phael und ſeine Zeitgenoſſen in frommer Einfalt die neue Kunſt hervorgerufen, hat ſich in Deutſchland der Geiſt der neuen Naturkunde zuerſt geregt. Hierauf wurde zugleich in den Kuͤnſten und in der Naturkunde das hohe Ideal der neuern Zeit ausgeſprochen. Ein Zeitgenoſſe des Raphael und Michel Angelo, wagt es der unſterbliche Kopernikus die erſtorbene Naturweis - heit mit dem hohen Geiſt und Sinn der neuen Zeit wie - der zu beleben. Der alte Wahn, daß die Sonne und alle ewigen Gewalten des Himmels ſich um unſre klei - ne Erde bewegten, welcher in der alten Zeit, wo der14 Menſch ſelber noch ganz von der Erde abhaͤngig war, geherrſcht hatte, wird von ihm zerſtoͤrt. Nicht mehr die Erde, ſondern des Univerſum, nicht mehr die ein - zelne Erſcheinung, ſondern das Ideal, fuͤhren als Genien die Herrſchaft der neuen Zeit.
Endlich wird von dem groͤßten Aſtronomen aller Zeiten, von Kepler, das ewige Geſetz des Him - mels, und mit ihm der Eingang in das innerſte Hei - ligthum der Naturwiſſenſchaft gefunden. Der Vor - hang oͤffnet ſich ein wenig, um hernach, vielleicht auf Jahrhunderte, das innre Licht wieder deſto dichter zu verhuͤllen. Wie der Menſch in der neueren Zeit als etwas Beſonderes aus der Harmonie mit dem Ganzen hervorgetreten, hat ſein Verſtand alle andre Weſen in dieſen Abfall mit verſtrickt, und ſehr vielfaͤltig abge - riſſene, blos durch einigen mechaniſchen Zuſammen - hang verbundene Dinge in die lebendige Natur hinein - gedichtet. Deshalb iſt jener Rieſenſchritt Keplers, iſt das Licht, welches der deutſche Sinn fuͤr alle Zeiten angezuͤndet, Anfangs dem Anſchein nach ohne Einfluß geblieben, und neben Keplers erhabenen Anſichten, hat ſich noch zu derſelben Zeit, in Frankreich, eine mecha - niſche und handwerksmaͤßige Anſicht einer todten Na - tur gebildet, in welcher ſich wie Wuͤrmer, welche ein moderndes Gebein benagen nur noch die mechaniſchen Kraͤfte bewegen. Wir ſehen die Geſchichte der Wiſ - ſenſchaft, nicht ohne Zuſammenhang mit der Bildungs - geſchichte unſres Geſchlechts auf einen ſcheinbaren Ab -15 weg gerathen, damit erſt im Kleinen und Einzelnen jene Materialien ausgearbeitet wuͤrden, welche der Genius einer kuͤnftige Zeit zum hohen Bund zuſammen - fuͤgen wird. Nicht die Entdeckung des Geſetzes der Schwere, nicht die der Electricitaͤt und verwandter Naturerſcheinungen, die man ſaͤmmtlich mechaniſch zu deuten gewußt, konnten jenem allgemeinen Gange der Meinungen Einhalt thun, bis endlich in der letz - ten Zeit, bey einer Hoͤhe der einzelnen Erkenntniſſe wie ſie vorhin noch nie erreichte, die rechte Naturanſicht, zum Theil noch einzeln und in zerſtreuten Funken wie - der hervorbricht, und ſich dem Geiſt, in Thatſachen, welche die andre Parthey nur vergeblich zu laͤugnen be - muͤht iſt, aufdringt.
Dieſen bedeutungsvollen Zuſtand der jetzigen Na - turwiſſenſchaft, das vielſeitige Hervorblicken einer neuen Zeit aus ihrer Mitte, werde ich dann, ſo viel es der Umfang und die Beſtimmung dieſer Arbeit er - lauben, bemuͤht ſeyn, meinen Zuhoͤrern darzuſtellen, und ich werde ſchon in der fuͤnften Vorleſung mit dem was aus der heutigen Aſtronomie hieher gehoͤrt, be - ginnen.
Wir ſehen in unermeßlichen Fernen jene tauſende der Milchſtraßen, welche nach dunklen Geſetz und in unbekannten Bahnen ſich bewegen. Die Geſchichte un - ſers Planetenſyſtems beginnt mit der der Sonne. Dann ſieht das Auge, von der Ferne ungehindert, die jetzi -16 ge Natur und Ausbildung der Planeten, und es fuͤh - ren uns Spuren einer dunklen Analogie in das nur zum Theil erforſchte Reich der Kometen. Hierauf ſchließt ſich unmittelbar an die Aſtronomie die Phyſik im Großen an, es begegnet uns hier zuerſt das Geſetz der Schwere, und wie die große magnetiſche Periode aus andern Naturverhaͤltniſſen der Erde, als Plane - ten, hergeleitet zu werden vermag, zeigt ſich der Magnetismus uͤberhaupt als das erſte Kosmiſche, das heißt auf die Verbindung aller einzelnen Weltkoͤrper zu Einem Ganzen hindeutende Phaͤnomen. Wir vertrauen uns ſeiner Fuͤhrung an, und ſiehe auf einfachem Wege, fuͤhrt uns derſelbe zu der erhabenen Quelle des Lichts und der Waͤrme. Wenn hierauf in einem etwas groͤßeren Zuſammenhang, dem innern Sinn Vieles klar geworden, was einzeln ſtehend ſchwerer zu faſſen ſcheint, wenden wir uns von dem unermeßlichen Gan - zen zu dem Einzelnen, und der Blick, welchen ein graͤnzenloſer Umfang nur zu leicht zerſtreut, ſammlet ſich wieder auf unſrer kleinen Erde.
Wir ſehen dieſe, in den Tagen der Urzeit noch fluͤſſig, und wenn wir uͤber Einiges, das noch dunkel ſchien, die jetzige Beſchaffenheit einiger andern Plane - ten befragt haben, wird der Seele jene Zeit, wo aus der alten Fluth die Gebirge ſich gebildet, klar und lebendig. Noch findet das Auge kein organiſches Leben uͤber der graͤnzenloſen Fluth, und dieſe wird nur nach chemiſchen Geſetz bewegt. So tritt uns, in der17 Geſchichte jener dunklen Zeit, die Chemie als Lehrerin und Fuͤhrerin auf, und wenn wir ihr Gebiet, wie es ſeit den letzten Jahren ſich ungemein bedeutend erwei - tert darſtellt, uͤberblicken, bringt es der Standpunkt, welcher hierzu noͤthig iſt, von ſelber mit ſich, von dem Geſetz der Bildung und der Geſtalten einige Zuͤge zu entwerfen.
Wir ſehen uns von neuem auf dem muͤtterlichen Planeten. Die Gewaͤſſer haben unter dem Einfluß der Zeiten ſich vermindert, und ſchon bewegt das erſte Vorbild unſrer jetzigen Atmosphaͤre ſeine muͤtterliche Schwinge. Siehe da regt ſich das Gewaͤſſer von tau - ſend Lebendigen, deren wunderbare Formen jetzt nicht mehr auf Erden geſehen werden, und in denen die Na - tur, an der Graͤnze zwiſchen Thier - und Pflanzenwelt, unentſchieden zwiſchen zweyen Richtungen ſchwebt. Jene Geſtalten und den Boden welcher ſie gezeugt, begraͤbt ein neuer Kampf der Elemente, und unver - ſtaͤndlich, mit wunderbaren Zuͤgen, ſpricht der Geiſt einer grauen Vergangenheit nur noch aus ſeinen Fel - ſenhoͤhlen herauf. Das friedliche Leben, das ſchon einheimiſch auf der Erde geweſen, ſcheint von neuem von dem Streben der todten Maſſe verdraͤngt. Da waͤchſt, eben durch die Zunahme der tiefen Empfaͤng - lichkeit, die Macht des Lichts, und in einem neuen Kreißlauf der entgegengeſetzten Kraͤfte, wird das Anor - giſche zum zweytenmal beſiegt.
B18Vielartiger und maͤchtiger, bey einem ſchon freyer und groͤßer gewordnen Spielraum, erhebt ſich jetzt die anorgiſche Welt von neuem. An den Polen wie es ſcheint, zuerſt, weil auf eine Weiſe die wir noch jetzt bey Jupiter und Saturn finden, durch den taͤglichen Umſchwung die allgemeine Waſſermaſſe nach dem Aequator hin noch uͤber den hoͤchſten Gebirgen geſtan - den, waͤhrend das Land der Pole ſchon frey aus der Fluth hervortrat. Schon ſehen wir den Geiſt der Natur, durch zum Theil jetzt untergegangene Formen, nach dem hoͤchſten Punkt der irdiſchen Bildung einen hohen Anlauf nehmen, und wo nicht ſchon der Menſch ſelber, wie aus Verſchiedenem nicht unwahrſcheinlich iſt, aufgetreten war, ſo ſchien doch bis zu ſeinem Erſcheinen nur noch ein Schritt zu ſeyn. Da ſinkt die Welt noch einmal, wie von langer Anſtrengung er - muͤdet, in die Tiefe des muͤtterlichen Elements, und die vielſtrebenden Kraͤfte, umfaͤngt noch einmal der alte chaotiſche Schlummer. Bis endlich, geſtaͤrkt zu dem letzten hoͤchſten Werk, die wieder erwachende Natur den Menſchen, und das Angeſicht der jetzigen organiſchen Welt erzeugt. Von dieſer, von dem Rei - che der Pflanzen, ſeinen mannigfaltigen Geſtalten und Geſetz der Bildungen, hierauf von der Thierwelt und dem Geſetz ihrer Entwicklung von dem Wurm bis hin - auf zum Menſchen, wird ein großer Theil dieſer Vor - leſungen handeln. Endlich, wenn in einigen Zuͤgen die allgemeine Geſchichte des Lebens, ſo weit ſie uns klar zu werden vermag, voruͤbergefuͤhrt iſt, wird die19 Unterſuchung uͤber die Beſtimmung des Menſchen und uͤber die Bedeutung einiger ſeiner Anlagen, uͤber ſeine Vergangenheit und Zukunft, ſich ſchuͤchtern, in dem Bewußtſeyn ihrer Mangelhaftigkeit, dieſem anſchließen.
Wir wuͤrden bey der großen Mannigfaltigkeit der Gegenſtaͤnde, bey dem ungeheurem Umfange des Ge - biets der Wiſſenſchaft, nicht im Stande ſeyn, mit der gewoͤhnlichen Weiſe der Darſtellung etwas Ganzes und lebendig Anſchauliches zu geben, wohl aber hoffen wir von jenem Geſichtspunkt aus, den wir gleich Anfangs bezeichneten, dieſen Bemuͤhungen einigen Zuſammenhalt und feſten Mittelpunkt zu geben. Eben jene oft verſaͤumten Thatſachen des Wunderglaubens, und was ihnen gleicht, (denn wenn man einmal einige Thatſa - chen hieher rechnet, moͤge man auch erlauben daß wir alle andre ihnen nahe verwandte mit ihnen zuſammen - ſtellen) werden uns jenen lichten Punkt gewaͤhren.
So, um wieder mit der erhabenſten Naturwiſſen - ſchaft zu beginnen, laſſen es in der Aſtronomie das Geſetz der Schwere, und zum Theil ſelbſt die Keple - riſchen Geſetze, wenn man bey der gewoͤhnlichen Er - klaͤrung derſelben ſtehen bleibt, noch unentſchieden, ob das Syſtem der Weltkoͤrper ein nach nothwendigen Geſetz verbundenes Ganze bildet, wo ein Glied das andre vorausſetzt, oder ob blos die Anziehung der Ma - terie, die durch hoͤheren Zufall einzeln entſtandenen Maſſen, mechaniſch zuſammenhaͤlt. Unmittelbar ausB 220der gewoͤhnlichen Theorie, laͤßt ſich wenigſtens gegen die mechaniſche Hypotheſe, wenn ſie nur etwas vor - ſichtiger iſt als die von Buͤffon aufgeſtellte, nichts Gruͤndliches einwenden. Nimmt man aber ſelbſt nur das ſchoͤne von Bode aufgeſtellte Verhaͤltniß der Ent - fernungen, von welchem es neuerdings erweisbar iſt, daß ſelbſt die Differenzen an die man ſich bisher ge - ſtoßen, aus einem nothwendigen Geſetz entſtehn; nimmt man einige andre, neuerlich zur Sprache gekom - mene Verhaͤltniſſe der Groͤßen, Sonnenfernen, Ec - centricitaͤten und Tageslaͤngen der einzelnen Planeten hinzu; ſo zeigt ſich auf einmal das Planetenſyſtem als ein organiſch verbundenes Ganze, wo jedes Einzelne in der innigſten und nothwendigſten Beziehung auf die uͤbrigen Glieder, und auf das Ganze ſteht. — In der Phyſik werden die Phaͤnomene des Magnetismus, der Elektricitaͤt, der Waͤrme und des Lichts, warrlich nicht aus der Annahme eigenthuͤmlicher, halbkoͤrperli - cher Stoffe, ſondern einzig aus der Beziehung des Ein - zelnen auf das All deutlich.
So ſind auch in der Meteorologie die Lehre von den Perioden, dann das Phaͤnomen der Vorempfindung kuͤnftiger Wetterveraͤnderungen, das bey einer Menge von Thieren und Pflanzen, und an kranken organiſchen Theilen wahrgenommen wird, in der Geognoſie unter andern die bekannte Beziehung, in welcher alle Vul - kane und Erdbraͤnde auf unſern ganzen Planeten mit - einander zu ſtehen ſcheinen, obgleich dabey durchaus21 an keine unterirdiſche Communication zu denken iſt, blos aus einer innigen Harmonie des Einzeinen mit dem Ganzen zu erklaͤren.
Es laſſen uns in der Chemie jene oft beobachteten Phaͤnomene, welche dem der ſogenannten Abſtum - pfung gleichen, auf Ein allgemeines Geſetz, auf Einen Grund der Wechſelwirkung, ſo wie viele andre That - ſachen auf Eine allen Irdiſchen gemeinſchaftliche Grund - form ſchließen, von welcher die Dinge bey ihrem Ent - ſtehen ausgehen, und zu welcher ſie bey dem Ueber - gang in ein neues hoͤheres Daſeyn, zuruͤckkehren. Je - ne Grundform aber iſt nichts anders als derjenige Zu - ſtand des Einzelnen, wo daſſelbe auf dem hoͤchſten Gipfel der Negativitaͤt, der Empfaͤnglichkeit fuͤr hoͤhere Ein - fluͤſſe, mit dem Ganzen wieder am innigſten ver - eint iſt.
Wem hat nicht in der ſchoͤnen Zeit des Fruͤhlings der ſogenannte Pflanzenſchlaf, und das zarte Geheim - niß der Blumenliebe, welches die weit getrennten Ge - ſchlechter bald durch Inſekten, bald durch andre noch wunderbarer ſcheinende Mittel zu vereinen weiß, von tiefen Sinn geſchienen, oder wem waͤren jene Sym - pathien des Pflanzenreichs, worunter die des ſchon lange aufbewahrten Weins mit der Rebe von welcher er genommen iſt, in der Zeit ihrer Bluͤthe gehoͤrt, un - bekannt? Nicht minder ſind auch die Sympathien des Thierreichs mit der aͤußern Natur, wo z. B. das Be -22 duͤrfniß und ſeine aͤußre Befriedigung zugleich aufwa - chen, bekannt. Wir werden von dieſen Erſcheinungen einige der Bedeutendſten herausheben, und ſo auch in der Botanik eine hohe Beſtaͤtigung der Harmonie des Einzelnen mit dem Ganzen finden.
Die Geſchichte jener Reihen, in denen die Natur im Pflanzen-wie im Thierreich von den unterſten zu den hoͤchſten Formen aufſteigt, wird uns hierauf die innige Beziehung der verſchiednen Geſchlechter der Dinge auf einander deutlich machen. Endlich werden wir in mannigfaltigen Erſcheinungen, das Eingreifen eines kuͤnftigen hoͤheren Daſeyns, in das jetzige minder vollkommene anerkennen, und wie der tief im Innern unſers Weſens ſchlummernde Keim eines neuen Lebens, in gewißen Momenten, wo die Kraͤfte des jetzigen ruhen, deutlich hervorblickt. Hier iſt es vorzuͤglich, wo alle die Erſcheinungen, welche jenen Thatſachen eigentlich ihren Nahmen gegeben haben, die des thieriſchen Magnetismus, der Vorahndungen, Traͤume, Sym - pathien und dergleichen, zuſammen eintreten werden.
So geſchieht es, daß indem wir uns gerade an den bisher in den einzelnen Naturwiſſenſchaften am mei - ſten verſaͤumten, oder dunkel gebliebenen Phaͤnomenen feſthalten, die Natur, von welcher ſonſt nur zerſtreu - te Theile, welche wiederum das Gemuͤth nur zerſtreuen, nicht lebendig anſprechen koͤnnen, ſichtbar wuͤrden, unſre Seele als ein lebendiges harmoniſch verbundnes23 Ganze anſpricht, Ein Grund, Ein Geſetz, und Ei - ne allgemeine Geſchichte alles Lebens und Daſeyns klar hervortritt.
Ich will den Sinn meiner heutigen Vorleſung und zugleich den Plan meiner ganzen Arbeit, noch ein - mal in wenig Worte zuſammenfaßen. Zuerſt ſoll in der Urgeſchichte des Menſchen erkannt werden: daß die innigſte Harmonie ſeines Weſens mit der ganzen aͤußern Natur, der urſpruͤngliche Zuſtand deſſelben war. Hierauf ſoll in aller Naturwiſſenſchaft derſelbe ewige Bund, dieſelbe Beziehung des Einzelnen auf das Gan - ze wiedergefunden werden, und wenn ſich hierdurch auf einen Moment der allgemeine Sinn und Geiſt der Natur vor der Seele verklaͤrt, moͤge das Gemuͤth ler - nen, daß die Kraͤfte des Einzelnen nur fuͤr das Gan - ze, nur in Harmonie mit dieſem ſind, und daß es das hoͤchſte Ziel, der hoͤchſte Beruf des Lebens ſey, daß das Einzelne ſich ſelber und ſein ganzes Streben, dem allgemeinen, heiligen Werk des Guten und Wahren zum Opfer bringe.
Unter jenen Thatſachen, welche der jetzt noch herr - ſchenden Anſicht am meiſten widerſtreben, und welche bis - her noch am wenigſten aus der Theorie zu erklaͤren wa - ren, gehoͤren die aus der aͤlteſten Geſchichte unſres Geſchlechts, welche ich zum Theil in meiner heutigen Vorleſung auffuͤhren werde. Denn noch immer ſcheint zu unſrer Zeit die Frage, ob der Menſch bey ſeinem Eintritt in dieſe Natur von dem Zuſtand der Wildheit und Rohheit ausgegangen, oder von dem Genuß jezt verlohren gegangner Kraͤfte und Erkenntniſſe? bey den Meiſten unentſchieden, und es hat ſogar jene Parthey, welche das Erſtere behauptet, ſeit einem Jahrhundert die meiſten Anhaͤnger gefunden.
25Man gab hierbey vor, der Erfahrung gefolgt zu ſeyn, welche uns den Urzuſtand des Menſchen in je - nen ſogenannten wilden Voͤlkern vorbildete, die abge - ſondert von andern gebildeteren, wie Kinder, noch zu den Fuͤßen der Cultur ſaͤßen. Der Mangel und ein taͤgliches Beduͤrfniß; die Furcht, welche einem von der Natur unbewaffnet und unbekleidet gelaſſenen We - ſen vor andern eigenthuͤmlich geweſen ſey, das freund - liche oder feindliche Zuſammentreffen der verſchiedenen Individuen und Familien, haͤtten zuletzt Gewerbe, Religion, Cultus, Sitten und andre hoͤchſte Vorrech - te unſrer Natur erzeugt. Aber eben dieſer Meynung, die ſich ſo ſehr auf Erfahrung beruft, wird von aller Erfahrung am meiſten widerſprochen, und ſchon der erſte Blick auf die heilige Sage aller beſſeren Voͤlker, welche warrlich auf etwas Tieferen und Unvergaͤngli - cheren beruht, als daß ſie die Schluͤſſe eines ausſchwei - fenden Verſtandes erreichen moͤchten; auf die Werke der Dichter, deren Begeiſtrung nicht ohne Grund die Offenbarung des Wahren, und die Gabe des Sehens genannt wird, und aller ins Tiefe gehenden Geſchichts - forſcher der aͤlteren Zeit, ſo wie auf eine Menge hiſto - riſcher Denkmaͤhler, widerlegt ſie.
Wenn Religion, ein Erzeugniß der Furcht, aus rohem Anfange entſtanden, wie kommt es denn, daß die Religionen, je aͤlter ſie ſind, deſto reinere und er - habnere Anſichten enthalten? wie man z. B. von der Re - ligion der Indier ſeit einiger Zeit zugeſtehen muͤſſen, ſie26 ſey bisher faſt durchaus verkannt worden, und erſt bey den vielſeitigeren Anſichten der letzten Jahrzehende er - oͤffne ſich das Innre ihres tiefen, weiſen Sinnes. Wenn die Sprache durch Mittheilung der von ver - ſchiednen Individuen verſchieden aufgefaßten Natur - laute (thieriſcher Stimmen z. B.) entſtanden, als die Menſchen von der aͤußren Noth zur Geſellſchaft ge - zwungen worden, und ſich von den unvollkommenſten Anfaͤngen allmaͤhlig entwickelt hat, wie kommt es, daß, wie ſich beweiſen laͤßt, die vollkommnere Spra - che — die metriſche, fruͤher geweſen als die Proſa? Denn nicht etwa Griechenland allein erwaͤhnt des er - ſten Gebrauchs der ungebundnen Rede als einer neuen Erfindung, ſondern es iſt die Mythologie, dieſe aͤlte - ſte hiſtoriſche Urkunde der alten Welt, von den Ufern des Ganges bis zu der Kuͤſte des Eismeers, in Verſen enthalten, und auch die aͤlteſten aſtronomiſchen Beob - achtungen und Naturtheorien der aſiatiſchen Voͤlker, ſind in Gedichten bewahrt.
Wenn Mangel und Duͤrftigkeit dem Menſchen die Wiſſenſchaften gelehrt, warum hat ſich die alte Welt gerade mit ſolchen Unterſuchungen am meiſten und an - gelegentlichſten beſchaͤftigt, welche, wie zum Theil mei - ne heutige Vorleſung zeigen wird, mit der Nothdurft des Lebens in gar keinem unmittelbaren Zuſammenhang ſtunden?
Selbſt jene ſogenannten wilden Voͤlker, die zu der gewoͤhnlichen Vorſtellung von dem Naturzuſtand des27 Menſchen Veranlaſſung gegeben, deuten durch Mythen die ſie aus alter Zeit bewahren, durch hiſtoriſche Denk - maͤhler, oder durch einige Zuͤge ihrer Sprache, auf ei - nen fruͤhen Zuſammenhang mit Voͤlkern, bey de - nen ein viel hoͤherer Grad von Bildung nicht zu ver - kennen iſt, ſo daß ſie uns vielmehr als ausgeartete, von einer viel hoͤheren Bildung ihrer Uraͤltern herabge - ſunkne Staͤmme, denn als Naturmenſchen erſcheinen muͤſſen. So muͤſſen wir mithin mehr der andern Par - they Recht geben, welche den Menſchen von dem Ge - nuß hoͤherer Erkenntniſſe und Kraͤfte ausgehen laͤſſet. Und fuͤr dieſe ſehen wir die ganze Natur ſelber Zeugniß geben.
Es begegnet uns naͤmlich uͤberall zuerſt die natuͤr - liche Nothwendigkeit, und im Thierreich der Inſtinkt, ehe ſich die Weſen zu einiger Selbſtſtaͤndigkeit erheben. So wird auf den niedrigſten Stufen der Natur, im Steinreich, ein ſtrenges und klares Geſetz der Formen, die Kriſtalliſation gefunden, waͤhrend die freyeren Ge - ſtalten des Pflanzenreichs jenen natuͤrlichen Zwang ſchon in etwas uͤberwinden. Das nothwendige Geſetz der Wechſelwirkung mit der aͤußeren Natur, wird im Thierreich Inſtinkt genannt, und dieſer tritt anfangs in ſeiner ganzen Strenge und Haͤrte als Kunſttrieb auf, bis er hernach in den hoͤheren Organiſationen als eigentlich ſogenannter Inſtinkt erkannt wird. Endlich wacht der Wille, und die Selbſtſtaͤndigkeit des natuͤrli - chen Strebens erſt ganz zuletzt — im Menſchen auf. 28Und in der Geſchichte des Menſchen ſelber, ſehen wir das neugebohrne Kind zuerſt durch den Inſtinkt in ſei - ne neue Heymath eingefuͤhrt, und dieſer fruͤheſte Be - gleiter pflegt ſpaͤter, wo der Wille ſich entwicklet, blos ohnmaͤchtiger zu werden, nie ſich ganz zu entfernen.
Es pflegt das, was unmittelbar nach einem noth - wendigen Naturgeſetz geſchieht, jene eigenthuͤmliche Vollendung, Selbſtſtaͤndigkeit und Zweckmaͤßigkeit in ſich zu vereinen, welche der Natur ſelber in allen ih - ren Wirkungen eigenthuͤmlich iſt. Wir finden ſelten, daß der natuͤrliche Trieb Taͤuſchungen oder Misgriffen ausgeſetzt ſey, wohl aber iſt dieſes in gewiſſer Hinſicht der Wille. Es muͤſſen die Dinge, welche einen ſol - chen Kunſttrieb oder Inſtinkt ausuͤben, als unmittel - bare Organe der Natur betrachtet werden, welche ſich die Einzelnen um ſo mehr unterordnet, je unvollkomm - ner ſie ſind. Wenn es die eigenthuͤmliche Beſtim - mung und das Weſen unſrer Natur iſt, wodurch ſie ſich von der Natur andrer Weſen unterſcheidet, daß ſie zur Selbſtſtaͤndigkeit, zu einer freyen harmoniſchen Ausuͤbung eines guten und harmoniſchen Willens zu gelangen ſtrebt, wenn hierinn unſre hoͤchſte Vollen - dung, unſer hoͤchſtes Ziel beſteht, ſo muß, wie in der Natur Alles von einem geringeren Anfang ausgeht, die Ausuͤbung des freyen Willens bey dem erſten Ein - tritt des Menſchengeſchlechts, eben ſo wie bey dem des Kindes, unvollkommener geweſen ſeyn als ſie es nun iſt, in demſelben Verhaͤltniß aber iſt der Menſch mehr der29 natuͤrlichen Nothwendigkeit und der Abhaͤngigkeit von der Natur unterlegen.
Wenn damals der Menſch ein Organ der Natur geweſen, ſo war er dieſes auf ſeine Weiſe, — menſch - lich. Es hat ſich daher die natuͤrliche Nothwendigkeit und der Kunſttrieb des Menſchen viel erhabener ge - aͤußert als der des Thieres, und nach der Meynung eines meiner Freunde, (Carl v. Raumer) welcher zu beweiſen pflegt was er behauptet, war Aſtronomie das Aelteſte was der Menſch als Organ des Planeten aus welchem er erzeugt worden, ausgeſprochen (of - fenbarte).
Schon die aͤlteſte Geſchichte der Aſtronomie, wie uns dieſelbe Bailly, Montucla und andre beruͤhmte Schriftſteller gegeben haben, vermag dieſe Anſicht zu bezeugen.
Moͤge man immer jene Angaben von dem Alter der aſtronomiſchen Beobachtungen, welches die Chal - daͤer bis auf 473 ja auf 493*)Nach Epigenes. und 720**)Nach Beroſus bey Bailly. Jahr - tauſende vor Alexander hinaufſetzen, und welches an - dre alte Voͤlker nicht viel geringer angeben (die Egypter, Chineſen u. a.) weil wie es ſcheint in einigen alten Sprachen das Wort Jahr von ſchwankender Bedeutung30 iſt, fuͤr unzuverlaͤſſig halten;*)Verſchiedene, ſonſt ziemlich uͤbereinſtimmende Schrift - ſteller, die z. B. von der egyptiſchen Geſchichte handeln, ſetzen dieſelben Zeitraͤume, einige auf 48863, andre auf 23000 Jahre. M. ſ. Bailly. moͤge ſelbſt die et - was beſcheidnere Erzaͤhlung der epytiſchen Prieſter, welche, da ſie, auf die Wandelbarkeit ihrer bewegli - chen Jahre deutend, dem Herodot berichtet, daß die Sonne ſchon viermal den gewoͤhnlichen Lauf ver - aͤndert habe, ſich hierbey auf eine mehr als eilftau - ſendjaͤhrige Erfahrung beriefen, unglaublich gefunden werden; ſo wird man wenigſtens eine Menge von Thatſachen, welche Bailly, der ja ſelbſt die Zahlen der Jahre in der alten Geſchichte ſo ſehr als moͤglich her - unter zu ſetzen ſuchte, aufgeſtellt hat, und welche ſaͤmmtlich das Alter der Aſtronomie auf 7000 Jahre ſetzen, nicht laͤugnen moͤgen. So wenn man ſelbſt jene drey und zwanzig und ein halb Jahrtauſend alte Beobachtung der Indier, nach welcher alle fuͤnf aͤlte - ren Planeten an einem Punkt des Himmels vereinigt waren, kuͤhn genug erſt aus ſpaͤteren Rechnungen auf - geſtellt glaubte, blieben doch wenigſtens jene Tafeln von der Zunahme der Tage, welche die Braminen noch jetzt haben, in ihrem 7600jaͤhrigen Alter unbeſtrit - ten,**)Dieſe Tafeln ſetzen naͤmlich die Schiefe der Ecliptik uͤber 25 Grad, mithin anderthalb Grad mehr als ſie jezt be - traͤgt. Da ſie nun in 1900 Jahren (von Hipparch bis zu uns) um 23 Minuten abgenommen hat, haͤtte ſie, wenn und eben ſo alt ſcheint eine aͤhnliche Beobach -31 tung auf die ſich Theon Smyrneus bezieht. *)Er ſcheint naͤmlich auch auf eine Schiefe der Ecliptik von 25 Grad zu deuten.Auch jene beſtaͤndige Correktion, welche die Indier an der Bewegung der Sonne anbringen, und welche durch die Vermindrung der Dauer des Sonnenjahres hervor - gebracht ſcheint, deutet auf ein gleiches Alter der aſtro - nomiſchen Beobachtungen, da jene Verminderung ſich erſt nach vier Jahrtauſenden beſtimmen ließ. Eine andre Correktion, welche in den aſtronomiſchen Tafeln der Indier, fuͤr den wahren Ort der Sonne unſrer Mittelpunktsgleichung entſpricht, und welche auch in andrer Hinſicht ſehr merkwuͤrdig iſt, ſcheint ſich auf eine gegen ſechstauſend Jahre alte Beobachtung zu gruͤn - den. (6029) **)Das Apogaeum der Sonne ſcheint darin in den 200 der Fiſche geſetzt, was, wenn man auf ein Jahrhundert 10 49′ 10″ Bewegung der Sonnenferne rechnet, jene Beobachtung in das 4221ſte Jahr vor Chriſto zuruͤcke ſetzt. (S. Bailly.)
Obgleich die Zeit der Erfindung des Thierkreißes in Egypten, die von Einigen auf 15 Jahrtauſende geſchaͤtzt wird, (ſo von Dupuis) von Andern um Vie - les vermindert iſt, obgleich auch das eigentliche Zeit - alter des Uranus und Atlas, denen die Sage verſchiede -**)ſie — wie man voraus zu ſetzen pflegt — gleichfoͤrmig ab - naͤhme, 7600 Jahre gebraucht, um von ihrem damaligen Werth auf den jezigen herunter zu fallen.32 ne Erfindungen in der Aſtronomie, und eine ſehr voll - kommene Ausuͤbung derſelben zuſchreibt, ſo wie dieſe Zueignung jener Entdeckungen etwas ungewiß iſt, ge - hen doch die Beobachtungen von dem Aufgang des Si - rius, und die Erfindung des großen Egyptiſchen Jah - res (von 1460 Jahren) in das fuͤnfte Jahrtauſend vor unſrer Zeit hinauf, und dieſes Volk rechnete einem Bruchſtuͤck des Beroſus nach zu ſchließen, ſeit jener Zeit ſchon nach Sonnenjahren. Auch die Beobachtun - gen, welche Calliſthenes dem Ariſtoteles ſendete, fien - gen ſich von dem 4042 ſten Jahre vor unſrer Zeit an. Ueber fuͤnf Jahrtauſende alt wird die Intercalations - periode der Perſer geſchaͤtzt, und eine Angabe ihrer aſtronomiſchen Schriften, welche vier Sterne der er - ſten Groͤße in die vier Cardinalpunkte des Thierkreißes ſetzt, iſt faſt von demſelben Alter. An dieſe Zeit rei - chen auch faſt die aͤlteſten Beobachtungen der Chineſen hinan,*)Die neuerlich fuͤr wahr anerkannte Beobachtung der merkwuͤrdigen Conjunktion am Tage des Neumonds iſt 4257 Jahr alt, die aͤlteſte von Gaubil als richtig bewieſene Sonnenfinſterniß Beobachtung. 3962 Jahre. und das Zeitalter des Fohi, welchen die alte Sage als einen großen Aſtronomen und den Erfin - der der Sphaͤre ruͤhmt, faͤllt noch um einige Jahrhunderte weiter hinaus (auf 4731 Jahre) und ſchon in dem fuͤnften Jahrtauſend vor unſrer Zeit lebten die wegen ihrer tiefen aſtronomiſchen Kenntniſſe am meiſten ge - prieſenen Koͤnige dieſes Volkes. Ja ſelbſt bey den33 alten Scandinaviern war die Einfuͤhrung ihres bretter - nen Calenders wenigſtens drei und ein halb Jahrtau - ſende alt, wie ſich aus dem kleinen Unterſchied ihres vorausgeſetzten und des wahren Jahres, welcher in ei - nem Jahre nur Minuten betraͤgt, und erſt in vielen Jahrhunderten zu Tagen anwaͤchſt, erkennen laͤßt. Endlich erſcheint auch in der Geſchichte von Mexico die Aſtronomie ſehr fruͤhe.
Keine der hier angefuͤhrten Thatſachen beweißt, daß die Aſtronomie in jenen fernen Zeiten erſt im Be - ginnen, im Begriff ſich auszubilden geweſen ſey, viel - mehr ſcheinen einige der wichtigſten unter ihnen zu be - zeugen: daß dieſe Wiſſenſchaft damals ſchon auf dem hoͤchſten Gipfel ihrer Vollendung geſtanden, ja daß ſie ſelbſt von dort an ſchon im Abnehmen geweſen ſey. Jene aſtronomiſchen Tafeln der Indier, die ſich auf die Schiefe der Ecliptik beziehen, waren blos vor 7000 Jahren genau, und die ſpaͤteren Zeiten haben die Abweichung derſelben von der Wahrheit nicht mehr zu berichtigen vermocht. Eben ſo iſt jene, wahrſchein - lich ſehr alte Weiſe, die Finſterniſſe zu berechnen, von der ich nachher reden werde, von den ſpaͤteren Men - ſchenaltern mechaniſch nachgeſprochen worden, ohne daß dieſe ihren Sinn verſtanden, oder ihre Abweichung von der Beobachtung zu berichtigen vermocht haͤtten. *)Auch die eine Mittelpunktsgleichung, deren ſich die Indiex bey Berechnung des wahren Orts der Sonne bedienen.C34Und doch bluͤheten in Indien die Aſtronomie und die ketzten Ueberreſte des alten Naturcultus ſpaͤt noch ein - mal auf, als Salivaganan, der faſt zu Chriſti Zei - ten lebte,*)Er ſtarb 78 p. Ch. die untergehende Herrlichleit der alten Welt durch ſeine Reformation noch einmal zuruckzufuͤh - ren geſucht.
Auch die Calender der alten Scandinavier, deren ich eben erwaͤhnte, beweiſen ſo wie andre Thatſachen der Art blos daß ſeit vier Jahrtauſenden die Beobach - tung unterlaſſen und ſo die feſtgeſetzte Zeitrechnung zu berichtigen verſaͤumt ſey, nicht aber daß ſie erſt ſeit jener Zeit Aſtronomie zu uͤben angefangen.
Ja was noch mehr iſt, die noch uͤbergebliebenen Arbeiten der Aſtronomie jener fernen Jahrtauſende, laſſen mit Sicherheit auf eine Vollendung derſelben ſchließen, die in gewiſſer Hinſicht die der jetzigen Aſtro - nomie, wo nicht uͤbertraf, doch mit ihr wetteifern konnte. Merkwuͤrdig iſt in dieſer Hinſicht die Weiſe wie die Indier noch jezt die Finſterniſſe berechnen, wel - che mit nicht geringer Klarheit fuͤr die Hoͤhe der fruͤhen Aſtronomie dieſes Volks zu ſprechen vermag. Wir danken die erſte aͤußerliche Kenntniß dieſer Berech - nungsweiſe vorzuͤglich dem gelehrten Le Gentil, der ſei -*)ſcheint erſt ſpaͤter zu einer ſchon vor 6000 Jahren vollen - deten Theorie hinzugekommen.35 ner Gelehrſamkeit und ſeiner europaͤiſchen Cultur nichts zu vergeben glaubte, indem er bey einem Tamuler im indiſchen aſtronomiſchen Calcul Unterricht nahm. Auf Le Gentils Bericht gruͤndet ſich auch die hiervon han - delnde Stelle in Baillys ſchon oft angefuͤhrtem Werke, die ich ihrer Wichtigkeit halber ganz herſetzen werde:
„ Was der Aſtronomie der Indier zur groͤßten Ehre gereicht, ſind ihre Methoden die Finſterniſſe zu berech - nen. Sie calculiren mit einer großen Geſchwindig - keit, und dabey mit vieler Genauigkeit. Die Brahmi - nen ſcheinen aufgezogene Uhrwerke zur Berechnung der Finſterniſſe zu ſeyn. Ihre Regeln ſind in Verſen, die ſie bey der Operation recitiren. Ihre Verfahrungs - arten ſcheinen von außerordentlicher Einfachheit zu ſeyn. Die Theorie des Mondes, die verwickeltſte un - ſrer neuen Theorien, verlangt bey ihnen keine ſchwie - rigen und muͤhſamen Berechnungen. Man kann nicht umhin zu glauben, daß dieſe Tafeln und Regeln der Brahminen von einer gelehrten Theorie herruͤhren. Die Principien derſelben ſind heut zu Tage unter einer blinden Fertigkeit verſteckt, welche die große Kunſt der fruͤheren Zeit einfach und ſicher gemacht hat. Herr Le Gentil hat nicht mehr als 22 bis 24 Minuten Un - terſchied zwiſchen ihrem Calcul und der Beobachtung zweyer von ihm hiermit verglichenen Mondfinſterniſſe gefunden. Es iſt bemerkenswerth, daß die Brahmi - nen bey dieſen beyden Finſterniſſen mit groͤßerer Ge - nauigkeit die Zeit der Dauer angegeben haben, als dieC 236Tafeln von Maier, die genaueſten, welche wir be - ſitzen. “
„ Aber ungeachtet dieſes hohen Alters einer Theo - rie, die fuͤr uns noch unter der mechaniſch gewordnen, von einem Zeitalter an das andre (zuletzt ſelbſt ohne den eigentlichen Sinn zu verſtehen) uͤberlieferten Ausuͤbung verborgen iſt, haben dennoch die Verfahrungsarten, deren ſie ſich jezt zur Berechnung der Finſterniſſe be - dienen, einen Nahmen, welcher in ihrer Sprache neu bedeutet. Zu Benares in Bengalen beſitzen die Brahminen andre, welche man alte nennt. “
Wir werden anderwaͤrts belehrt *) daß die Brah - minen bey dieſen Berechnungen vorzuͤglich Zahlen zu Grunde legen, welche die Dauer der verſchiednen Zeit - alter der Erdgeſchichte bezeichnen ſollen. Die Haupt - zahl hierbey iſt 432, und es betraͤgt das erſte und laͤngſte Zeitalter viermal, das 2te drey, das 3te zwey, das 4te einmal 432000 Jahre (1728 -- 1296 -- 864 und 432000) ſo daß die ganze Dauer der Welt wie - derum 4320000 Jahre begreift. Wir leben nach der Meynung der Indier jetzt in dem vierten Weltalter, (dem des Elends) von welchem jetzt (1808) viertau - tauſend neunhundert und neun Jahre verſtrichen ſind. Es beruht die Zahl dieſes letzten Zeitalters, welches auf das 3101ſte Jahr vor Chriſto hinaufgeht, nach der Meynung der Aſtronomen auf einer wahrhaften hiſtoriſchen Epoche, und iſt nach wirklichen Sonnen -37 jahren gerechnet. Die Zahlen der uͤbrigen Zeitalter hat man aber bald halbe Tage (ſo die erſte von 1728000 Jahren, welche man mit den Angaben der von Erſchaffung der Welt bis zur Suͤndfluth verſtri - chenen Zeit bey andern Voͤlkern zuſammen zu ſtimmen ſuchte) bald Achttheile eines Tages bedeuten laſſen. Es ſcheint nicht ſchwer zu beweiſen, daß dieſe Zahlen nichts Willkuͤhrliches, ſondern unmittelbar wenigſtens aus der Natur des Planeten genommen ſind.
Auf eine tiefe Bedeutung derſelben ließ ſchon die Uebereinſtimmung ſchließen, vermoͤge welcher wir die Zahl 432 bey mehreren Voͤlkern verehrt finden. Nicht blos wurde in Griechenland von einem Nachfolger des Cleoſtratus, von Meton, welcher ſich außer dieſem durch die Einfuͤhrung des 19jaͤhrigen Mondcyclus be - ruͤhmt gemacht, die Zahl 432 in dem ſogenannten goldnen Cyclus verherrlicht; ſondern wir finden die Zahl 432000 auch in der babyloniſchen Geſchichte, in der Zahl der erſten Periode, und noch mehr ſchei - nen die Zahlen der Jahre der alten egyptiſchen Chronik aus der Zahl 432 zuſammengeſetzt. Dieſe Chronik zaͤhlt uͤberhaupt 36525 Jahre,*)365,25 bekanntlich die Zahl eines Jahrs in Tagen. hiervon erfuͤllte 30000 die Regierung der Sonne, 3984 die der 12 großen Goͤtter, 217 die der 8 Halbgoͤtter, und es blieb dann 2324 fuͤr die uͤbrige bis auf Nectanebus38 verfloßne Zeit. Nun iſt aber die Zahl 432, oder aus Gruͤnden die ich ſpaͤter anfuͤhren werde 432,8 in 3984 = 9,20464 mal enthalten. Das Quadrat hier - von iſt 84,725 waͤhrend 432,8 in 36525 = 84,3875 mal enthalten iſt. Daß dies wirklich der Sinn dieſer Zahlen ſey, erkennen wir aus der gleich darauf fol - genden 217. Nehmen wir naͤmlich 2 mal 217 oder 434 (genauer 434,56) ſo iſt die Zahl wie oft 434,56 in 36525 enthalten iſt, genau das Quadrat von der, wie oft jene Summe in 3984 enthalten war. Ande - rer, wahrſcheinlich aus 432 zuſammengeſetzten Zahlen*)Z. B. der jener perſiſchen Sage die den Berg Albordi 800 Jahre (wahrſcheinlich 864 was zweymal 432 oder der magnetiſchen Periode gleich iſt) bis zu ſeiner jetzigen Hoͤhe anwachſen laͤſſet. nicht zu gedenken.
Es iſt jene Zahl 432 aus den Naturverhaͤltniſſen unſers Planeten zu andern Weltkoͤrpern, beſonders zu Sonne und Mond entlehnt, und ich habe anderwaͤrts gezeigt,**)In meinen Ahndungen einer allg. Geſch. d. Lcb. II. daß die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne 216 Sonnen, die des Mondes von der Erde wenn man dabey der Einen dort gebrauchten An - gabe folgt, 216 Mondenhalbmeſſer betraͤgt, daß man mithin, wenn man von der elliptiſchen Form der Bahnen abſieht, dieſe als Kreiſe betrachten kann, von denen jener 432 Sonnen, dieſer 432 Mondenhalbmeſ - ſer im Durchmeſſer hat. Die Zahlen der Zeit und39 Raumverhaͤltniſſe der einzelnen Planeten, ſind ſich, wie ich an dem angefuͤhrten Ort gezeigt habe, haͤufig ver - wandt. So betraͤgt unter andern auch die von Burk - hard berechnete große magnetiſche Periode, 864, oder zweymal 432 Jahre. (gewoͤhnlich nimmt man nur 860) Es wird hieraus erkannt, wie ſehr die Zahlen 216 und 217*)Die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne be - traͤgt, wenn wir, wie in einer der nachfolgenden Vorle - ſungen geſchehen iſt, den Halbmeſſer des feſten Kerns der Sonne nach Abzug der leuchtenden Atmosphere 96376 Meilen ſetzen, 216,41 ſolcher Sonnenhalbmeſſer. Die Egypter ſcheinen dieſe Entfernung, oder irgend ein andres mit ihr in Beziehung ſtehendes Verhaͤltniß unſers Plane - ten, das ihrer Angabe zu Grunde lag, zu 217, oder den oben erwaͤhnten Zahlen zu Folge genauer 217,78 angenommen zu haben. Vielleicht daß dies mit einer andern Sage die - ſes Volks, welche die beſtaͤndige Abnahme der Jahreslaͤn - ge, und mithin auch der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne lehrte, in einigen Zuſammenhang ſtund. 432 und andre aus ihnen zuſam - mengeſetzte Zahlen genau nach der Natur, nicht will - kuͤhrlich aufgeſtellt waren, und daß ſchon die Indier auf Verhaͤltniſſe Ruͤckſicht genommen haben, auf wel - che wir kaum ſeit einem Jahrzehend wieder aufmerkſam geworden ſind.
So wird uns erſt noch die Zukunft die Gruͤnde je - ner einfachen Berechnung des wahren Durchmeſſers des Mondes und der Sonne, wovon es auch zwey verſchiedene Arten (wahrſcheinlich eine aͤltere und eine neuere) giebt, lehren, und die Erkenntniß dieſer Gruͤnde wuͤrde von40 nicht geringerer Wichtigkeit ſeyn, als es allem Anſchein nach die der Berechnung der Finſterniſſe ſeyn muß.
Wenn in einiger Hinſicht jene aͤlteſten Aſtronomen der Erde, allem Anſchein nach Kenntniſſe beſeſſen ha - ben, die uns jezt noch erſt zu erringen ſind, ſcheinen ſie in andrer wenigſtens nicht hinter der jetzigen Theo - rie zuruͤck geweſen zu ſeyn. Das Kopernicaniſche Syſtem iſt nach Bailly bey den Indiern urſpruͤnglich einheimiſch, obgleich ein Theil der Brahminen die Erde fuͤr unbeweglich haͤlt. Die jaͤhrliche Bewegung der Fixſterne und das Vorruͤcken der Nachtgleichen, iſt nicht minder bey mehreren jener alten aſtronomiſchen Voͤlker, vorzuͤglich bey den Indiern, ziemlich genau be - kannt geweſen, nicht minder wurde, wie ſchon fruͤher erwaͤhnt iſt, auf die Neigung der Erdaxe genau Ruͤck - ſicht genommen. Selbſt die Geſtalt und der Umfang der Erdkugel muͤſſen, nach Einigen zu ſchließen, je - nen Zeiten nicht unbekannt geweſen ſeyn, jenes laͤßt ſich aus der Lehre der von den egyptiſchen Prieſtern un - terrichteten griechiſchen Aſtronomen, welche die Ausdeh - nung der Erde von Oſt nach Weſt fuͤr groͤßer hielten, als die von Nord nach Suͤd, dieſes aus einer in mehr als einer Hinſicht merkwuͤrdigen Angabe der Chaldaͤer ſchließen. Die Aſtronomen dieſes Volks pflegten naͤm - lich den Umfang der Erdkugel beylaͤufig ſo zu beſtim - men, daß ein Menſch, wenn er einen maͤßig guten Schritt hielte, ſie in einem Jahr (von 365¼ Tag) umgehen koͤnnte. Rechnen wir aber den Umfang der41 Erde zu 9000 Lieues, eine Lieue auf eine Stunde, ſo kommt jene Angabe der Wahrheit wirklich bis auf den 38ſten Theil nahe, indem 24mal 365¼ Lieues 8766 iſt, und der geringe Unterſchied gruͤndet ſich vielleicht darin, daß die Menſchen jener Zeit beſſer zu Fuße waren als die jetzigen es ſind, oder daß es der vollkommen geſun - de Menſch, deſſen natuͤrliche Groͤße und Geſchwindigkeit demnach ſogar mit der Groͤße des Planeten den er be - wohnt, in einem merkwuͤrdigen Verhaͤltniß ſtehen, uͤber - haupt iſt. *)Es kommen nach jener chaldaͤiſchen Rechnung 24,64 jetzi - ge Lieues auf den Tag, oder rechnet man nur 24, ſo be - traͤgt ein ſolcher Stundenweg 14088 alte Pariſer Fuß, mithin 366 mehr als eine Lieue. (der Unterſchied betraͤgt nur 〈…〉 ,49.)
Viele jener Kenntniſſe finden ſich gemeinſchaftlich bey mehreren von einander ſehr entfernten Voͤlker, andre ſcheinen, einige an dieſes, andre an jenes Volk vertheilt. Zu jenen gehoͤrt unter andern die Bezeich - nung der Wochentage durch die verſchiednen Planeten, und die bey allen, ſelbſt den entfernteſten Voͤlkern glei - che Aufeinanderfolge der zur Bezeichnung gebrauchten Weltkoͤrper. **)Sonne — Mond — Mars — Mereur — Jupiter — Venus — Saturn.So willkuͤhrlich dieſe Anordnung ſcheint, da ſie ſich weder auf die Verſchiedenheit der Entfernungen, noch auf ſonſt etwas, worauf man ge - woͤhnlich Ruͤckſicht zu nehmen pflegt, gruͤndet, iſt ſie42 dies doch nicht, wie vielleicht ſchon aus dem erhellen wird, was ich in meiner angefuͤhrten Schrift uͤber die ſehr natuͤrliche Beziehung, in welcher Sonne und Mond, Jupiter und Merkur, Saturn und Venus ſte - hen, erwieſen habe. *)Man hat bekanntlich noch einen andern Grund dieſer An - einanderſtellung der Planeten in der Eintheilung der Stun - den gefunden.
Gemeinſchaftlich war auch uͤberdies allen Voͤlkern der alten Welt der Gebrauch der Zahlen 7 — 9 — 60 und andrer aus ihnen zuſammengeſetzten Zahlen, und auch von dieſen ſcheint es, als ob ſie aus tiefen Na - turverhaͤltniſſen entlehnt waͤren. **)Die 60jaͤhrige Periode wird von Einigen von dem Jupi - ter hergeleitet, der ſich dann jedesmal in Beziehung auf die Erde wieder an derſelben Stelle des Himmels befindet. Doch hat die Zahl 60 wahrſcheinlich noch eine bey weitem vielſeitigere Bedeutung gehabt.Dagegen bedien - ten ſich die aſtronomiſchen Voͤlker der neuen Welt, wie wir wenigſtens von den Mexikanern wiſſen, vorzuͤg - lich der ſonderbaren Zahl 13, und pflegten ſtatt den ſiebentaͤgigen der oͤſtlichen Voͤlkerſtaͤmme, dreyzehntaͤ - gige Wochen u. ſ. w. anzunehmen. Man koͤnnte ver - ſucht werden, dieſe Zahlen fuͤr eben ſo willkuͤhrlich zu halten, als die der decadiſchen Eintheilung, die man vor einiger Zeit in Frankreich gebraucht, wenn nicht die Ausuͤbung bewieſen haͤtte, wie bedeutend die Zahl 13 in den Zahlenverhaͤltniſſen des Planeten iſt, indem43 die Mexikaner mit Huͤlfe dieſer Zahl nicht nur eine eben ſo genaue Zeiteintheilung als die Voͤlker der oͤſtli - chen Welt erlangt haben, ſondern ſich derſelben auch bey Berechnung der Finſterniſſe mit einem aͤhnlichen Gluͤck bedienten, als andre Voͤlker der ihrigen. Es iſt naͤmlich nicht blos die Zahl der Umlaͤufe des Mon - des, oder der Rotationen der Sonne (von der Erde aus geſehen) waͤhrend eines Erdenjahres, eine Annaͤhe - rung an 13, ſondern auch eine Menge andrer Verhaͤlt - niſſe des Planeten, von denen ich einige anderwaͤrts (a. a. O.) aufgeſtellt habe, ſind von der Natur durch die Zahl 13 ausgedruͤckt.
Gewiſſe Kenntniſſe, welche nicht minder mehreren Boͤlkern gemeinſchaftlich waren, ſind von Etlichen als ein Beweis angeſehen, daß man ſich in der aͤlteſten Zeit der Teleſcope bediente. So die Annahme von Ge - buͤrgen im Monde*)M. ſ. Bailly. und die Kenntniß der eigentlichen Beſchaffenheit der Milchſtraße, die man als aus lauter kleinen Sternen zuſammengeſetzt betrachtete. Beſon - ders in den Sternverzeichniſſen der Indier finden ſich eine Menge Sterne angegeben, die jezt blos Teleſco - piſch ſind. Doch ſcheint das eigentliche Fernrohr dem ganzen Orient unbekannt geweſen, und jene tibetani - ſchen Aſtronomen, deren ich ſchon anderwaͤrts erwaͤhnt habe, kannten die 4 Jupitersmonde blos aus alter Ueberlieferung, und erſtaunten nicht wenig, als ſie die44 Eigenſchaft eines Teleſcops, die Gegenſtaͤnde naͤher zu bringen, bemerkten. Ich habe in meiner ſchon angefuͤhrten Schrift dieſe gluͤckliche Scharfſichtigkeit der Vorwelt aus der damaligen Beſchaffenheit der At - mosphaͤre hergeleitet.
Andre Kenntniſſe ſcheinen an verſchiedene Voͤlker vertheilt, und nach Baillys Meynung erſcheinen dieſe wie Bruchſtuͤcke aus dem großen Ganzen einer fruͤhen Theorie, welche Einem Urvolk eigenthuͤmlich war, deſſen nach verſchiedenen Gegenden auswandernden Staͤmme, einige dieſe, andre jene Reſultate oder Re - geln einer vollenderen Theorie mit ſich fuͤhrten. Wie von einer Verſchiedenheit der innern Naturanlage ge - trieben, finden wir die einen Voͤlker blos Sonnen-an - dre blos Mondfinſterniſſe beobachten (jene die Chineſer, dieſe die Chaldaͤer, in Indien u. a. beyde) ſo wie eini - ge Voͤlker ſich vorzuͤglich Einen Planeten waͤhlten, deſ - ſen Lauf und uͤbrige Verhaͤltniſſe ſie beſtaͤndig beobach - teten. (die Chaldaͤer den Saturn.)
Gewiß iſt es, daß ſelbſt da, wo jene Ueberreſte einer alten Aſtronomie noch am vielſeitigſten und vol - lendetſten vorhanden ſind, ihre wahre Bedeutung fuͤr unſre jetzigen Kenntniſſe nur erſt ſehr dunkel aus den Irrthuͤmern der ſpaͤteren Zeit hervortritt. Wenn man lieſt, daß die Egypter den Mond fuͤr den 72ſten Theil der Erde hielten, da ſeine Maſſe nach Bernoulli wirk - lich der 71ſte Theil der Erdmaſſe iſt, koͤmmt man in45 Verſuchung, bey den Alten Kenntniſſe der wahren Groͤße und Dichtigkeit dieſes Weltkoͤrpers vorauszuſetzen, und nicht minder laſſen, wie ſchon erwaͤhnt, die ſo oft gebrauchten Zahlen 216 und 432 auf eine Kenntniß des Halbmeſſers der Sonne und des Mondes ſchließen, ob - gleich dieſe Vermuthung auf der andern Seite wieder entkraͤftet wird, wenn man findet, daß dieſelben Egypter und Indier (freylich wohl immer die ſpaͤteren) jene den Mond nur 49 Meilen von der Erde entfernt, dieſe den Mond ferner glaubten als die Sonne. Es iſt aber auch leicht moͤglich, daß dieſe Zahlen aus and - ren noch unbeſtimmten Verhaͤltniſſen der Erde zu jenen Weltkoͤrpern entlehnt ſind, in denen ſie ſich (wie ſchon die magnetiſche Periode vermuthen laͤßt) wieder - finden, und vielleicht wird uns ihre Erforſchung in der Folge noch von der groͤßten Wichtigkeit ſeyn.
Wenn auch die Aſtronomie im engern Sinne, und zwar in einer Vollendung wie ſie bey uns nach einigen Seiten hin kaum jetzt noch erreichte, am deutlichſten aus der Kulturgeſchichte des fruͤheſten Alterthums her - vorblickt, und das hoͤchſte Lebenswerk des damaligen Menſchengeſchlechts geweſen ſcheint, ſind doch naͤchſt ihr auch Spuren in der Geſchichte jener Vorzeit ent - halten, welche auf eine aͤhnliche fleißige Ausuͤbung und Kenntniß auch andrer Naturwiſſenſchaften ſchließen laſſen. Naͤchſt den Verhaͤltniſſen ſeines Planeten zu andern Weltkoͤrpern, hat ſich der menſchliche Geiſt von Anfang auf die Geſchichte der Erde ſelber gewen -46 det. Die alten Sagen der von einander entfernteſten Voͤlker, der Indier wie der Islaͤnder, der Chineſen wie der Mexikaner, ſprechen bald dunkler bald dentli - cher von großen Naturrevolutionen. Auch dieſe Sa - gen gehoͤren zu jenen „ Wundern der Geſchichte, Naͤthſeln des Alterthums, die Unwiſſenheit verwarf, und welche die Natur uns aufſchließen wird. “*)Schelling.
Wir wollen hier nur Einer ſolchen Sage gedenken, welche ſich in der Islaͤndiſchen Edda befindet. Gang - ler, ein alter nordiſcher Koͤnig, fragt daſelbſt die drey ſymboliſchen Geſtalten der Gottheit, in dem Pallaſt zu Asgarten, uͤber den Anfang der Dinge. Jene antworten: Im Anfang, ehe noch irgend ein Ding war, gab es eine leuchtende feurige Materie. **)Dieſe findet ſich bey den meiſten Voͤlkern in den religioͤ - ſen Sagen uͤber den Urſprung der Welt. Wir werden ſie hernach auch in der Natur wiederfinden.Hernach als die Stroͤme der Fluthen ſich ausbreiteten von ihrem Urſprung, ward das geheimnißvolle***)Gift. Weſen, das ſie enthielten, zu einer feſten Maſſe, welche anfieng ſtille zu ſtehn, und nicht weiter floß. Es vermiſchte ſich mit ihnen (ein Gift) der geheimniß - volle Einfluß, daß ſich das Feſte vollends nach allen Seiten gebildet, wie Eis. Da entſtunden, heißt es ferner, in dem weiten leeren Abgrund verſchiedene La -47 ger der feſt gewordnen Maſſe, eins uͤber dem andern. Es war ein Theil der neuentſtandenen Materie nach jenem feurigen Quell des gemeinſchaftlichen Urſprungs gewendet, ein andrer entbehrte dieſes Einfluſſes, und es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach jenem hin. Was zwiſchen beyden lag war ruhig wie ein ſtilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Urſprung ein Hauch von Waͤrme aus, uͤber die feſt gewordnen Maſſen, daß die erkalteten Duͤnſte derſelben in Tro - pfen zerronnen, aus welchen ſich ein Menſch bildete, durch die Kraft Deſſen, welcher jenen Hauch der Waͤr - me geſendet. Der erſte Menſch hieß Ymer.
Freylich iſt an dieſer alten Sage nur Einiges ganz begreiflich, was mit unſern jetzigen Anſichten von der Entſtehung und Bildung des Planeten wohl uͤberein - ftimmt. Vor wenig Jahren wuͤrde auch dieſer Theil der alten Sage noch wenig verſtaͤndlich geweſen ſeyn, denn laͤnger iſt es kaum, ſeitdem die eigentliche Geo - gnoſie bey uns entſtanden. Wir koͤnnen deshalb kuͤhn hoffen, daß auch der uͤbrige fuͤr uns noch dunkle Theil, der Zukunft klaͤrer ſeyn werde. Viel verſtaͤndlicher und ausfuͤhrlicher ſollen von der erſten Entſtehung der feſten Erdmaſſe aus den Fluthen, die Sagen der In - dier reden.
Auch einige andre Naturwiſſenſchaften ſind von nicht geringerem Alter als die ſchon erwaͤhnten. Ein uraltes indiſches Gedicht enthaͤlt ſchon eine Art von48 Botanik, wo, wie aus andren aͤhnlichen Arbeiten der Vorwelt ſcheint, von den Naturkraͤften der Pflanzen, und von der Bedeutung ihrer Geſtalten und Farben ge - redet iſt. Einen wenigſtens eben ſo alten Urſprung, in der tiefſten Vorzeit, hat die Geſchichte des Stein - reichs, beſonders der Edelſteine und Metalle, von de - nen jene wiederum eine ſymboliſche Bedeutung beka - men. Auch einige Grundlehren der Chemie und Phy - ſik, die von dem Urſprung und dem Weſen des Lichts, und von jenem Urſtoff, welcher als derſelbe allen ver - ſchiedenen Koͤrpern zu Grunde liegt, handeln, finden ſich klar in den religioͤſen Sagen der Vorzeit, wobey ich nur an die vorhin erwaͤhnte Stelle der Edda, und an jenen bekannten indiſchen Mythos von der Entſte - hung des Mondes und anderer Sterne aus einem fluͤſſi - gen Element, und von jener wunderthaͤtigen Subſtanz welche die Genien aus der Tiefe deſſelben her - vorziehen, erinnere. *)In Bhogovotgita finden ſich mehrere merkwuͤrdige Anſich - ten uͤber das Licht, den Aether u. ſ. w.Die Geſchichte der Thier - welt iſt in den Naturcultus der Vorzeit ſo innig ver - webt, daß wir auch dieſe Naturwiſſenſchaft, und zwar in einem tiefen, uͤber die Eigenſchaften und in - nern Anlagen der einzelnen Geſchlechter ein klares Licht verbreitenden Sinne, im hoͤchſten Alterthume wieder - finden.
Der gemeinſchaftliche Beſitz dieſer Erkenntniſſe, der ſich bey vielen der weit entlegenſten Voͤlker findet,49 die Bemerkung: daß, wie durch eine zufaͤllige Ver - theilung, einzelne Voͤlker dieſes, andre jenes Fragment einer fruͤhen Naturtheorie bewahrt haben, davon im - mer Eins das Andre zu ergaͤnzen vermag, fuͤhrten ſchon laͤngſt auf die Vermuthung, daß jene tiefen Na - turkenntniſſe von Einem, hoͤchſtgebildeten Urvolk her - ſtammen. Verſchiedene Thatſachen, die ich ſpaͤter anfuͤhren werde, verſetzen den Wohnort dieſes Volks, und wie es ſcheint, den Ausgangspunkt unſres Ge - ſchlechts, weit hinauf nach Norden, und das im Al - terthum viel geprieſene Land Atlantis, (es ſcheint daſ - ſelbe was auch bey vielen andern orientaliſchen Voͤl - kern unter andern Nahmen in der alten Sage vor - koͤmmt,) war vielleicht unter einem Grade der Breite gelegen, der jezt der Bevoͤlkerung wenig guͤnſtig ſeyn wuͤrde.
So reicht, wie es ſcheint, der Beſitz jener Kennt - niſſe ſelbſt noch uͤber die aͤlteſte Geſchichte der einzelnen (von dem Urvolk ſchon getrennten) Voͤlkerſtaͤmme hin - aus: und es waren jene (wenn wir ſie ſo nennen wol - len) Wiſſenſchaften, der fernſten Vorzeit eigenthuͤm - lich. Von der Aſtronomie beſonders ſcheint es gewiß, daß ſie ſo alt ſey als unſer Geſchlecht ſelber. Denn wenn wir der einen oder andern Angabe von dem Al - ter der Welt, oder vielmehr von dem Eintritt des Men - ſchen in dieſelbe folgen, begleiten uns immer die erſten und zwar oͤfters gerade die wichtigſten aſtrono - miſchen Arbeiten, bis an den aͤußerſten Anfang dieſerD50Zeit hinauf. So, wenn wir nun mit Bailly den An - fang der Geſchichte bis auf das 7te oder 8te Jahrtau - ſend herunterſetzen, finden ſich gleich aus jener Zeit die indiſche Beobachtung von der Schiefe der Ecliptik und die dazu gehoͤrigen Tafeln der Tageslaͤnge, und andre Arbeiten denen ſchon Zahlenverhaͤltniſſe zu Grunde lie - gen, die wir erſt jezt zu verſtehen anfangen. Weiter herunter, von Geſchlecht zu Geſchlecht, ſehen wir die eigentliche tiefe Wiſſenſchaft ſtatt zunehmen immer ab - nehmen, und die Voͤlker, welche ſowohl in Hinſicht ihres Alters als Charakters der neuen Weltperiode am naͤchſten verwandt ſind, waren wie ich in der naͤchſten Vorleſung zeigen werde, am unwiſſendſten darinnen. So erſcheint das, was bey uns Wiſſenſchaft iſt, in jener aͤlteſten Zeit mehr als Offenbarung eines hoͤheren Geiſtes an den des Menſchen. Denn was waͤre das fuͤr eine Wiſſenſchaft die gleich oder nahe bey ih - rem Entſtehen am vollkommenſten, ſpaͤter immer un - vollkommner gefunden wuͤrde?
Eine gewoͤhnliche Anſicht laͤßt jene alte Ausuͤbung der Aſtronomie aus ihrem Beduͤrfniß beym Ackerbau entſtehen. Obgleich eine vollſtaͤndige Widerlegung derſelben nicht hieher gehoͤrt, ſey es doch erlaubt nur Einiges hieruͤber zu ſagen.
Gerade der Ackerbau, zu deſſen Gunſten die Aſtro - nomie erfunden ſeyn ſoll, iſt offenbar ſpaͤteren Ur - ſprunges, und ſcheint ſo wie der Bau des Weines und51 uͤberhaupt jede Kunſt der Cultur des Landes, erſt zu der Zeit der Entſtehung und Verbreitung der Myſterien unter den Voͤlkern entſtanden und verbreitet. Von dieſen aber werden wir ſpaͤter ſehen, daß ſie ſich erſt aus den Zeiten des Verfalls und Untergangs der ei - gentlichen alten Zeit, und jenes Naturcultus von deſ - ſen letzten Ueberreſten wir vorhin ſprachen, erhoben ha - ben.
Wenn, nach einer allgemeinen Sage, die Erde im Anfang in der hoͤchſten Fuͤlle und Ueppigkeit die Le - bensbeduͤrfniſſe hervorbrachte, und jener kraͤftige Trieb der erſten Zeit allmaͤhlig abnahm, ſo kam ſich die Natur durch den Menſchen, den ſie den Ackerbau ge - lehrt, erſt dann zu Huͤlfe, als die Zeit des erſten Ueberfluſſes ſchon voruͤber war.
Wir haben in den aͤlteſten Sagen der meiſten oder aller Voͤlker, Beweiſe, daß die erſte Vorwelt von freywachſenden Fruͤchten, und naͤchſt dem von der Milch der Kuͤhe gelebt habe. Doch gehoͤrt hierher nicht die Verehrung der Kuh, welche dem ganzen aͤl - teren Orient ein Symbol der ernaͤhrenden muͤtterlichen Erde iſt, vielmehr hat dieſe eine viel tiefere Bedeutung in der Geſchichte des Planeten und der Thierwelt, und uͤberhaupt ſcheint aus ſpaͤter anzufuͤhrenden Gruͤnden der Gebrauch der Milch als Nahrung ſchon viel ſpaͤter als der urſpruͤngliche der Fruͤchte, doch ſind gewiß bey - de in der Geſchichte des Ganzen aͤlter als der Ackerbau.
D 252In dem neulich bekannt gewordnen, aber wie man ſagt vielleicht nicht durchaus aͤchtindiſchem*)Es iſt wahrſcheinlich etwas moderni - und angliſirt. Gedicht Chartah Bhade, ſtellt der Gott Parabrahma, als er nach einer vieltauſendjaͤhrigen Anſchauung ſeiner ſelbſt den Entſchluß gefaßt, den abgefallenen Geiſtern eine Staͤtte der Laͤuterung und Wiedergeburt zur erſten Reinheit, — das Weltall und die 87 Wege der See - lenwanderung zu erſchaffen, den Stier unmittelbar neben den Menſchen, als Gefaͤhrten und Ernaͤhrer. Es war, wie wir aus demſelben Gedicht ſehen, dem aͤl - teren Orient geboten, von den freywachſenden Fruͤchten und naͤchſt dem von der Milch der Kuͤhe zu leben, und in einigen Laͤndern hat ſich erſt, wie es ſcheint in einer viel ſpaͤteren Zeit, der Stamm der Ackersleute (von[auswaͤrts] her?) angeſchloſſen. Auch in der alten perſiſchen Sage, die uͤbrigens noch von andrer Bedeu - tung iſt, fieng der Menſch erſt im dritten Weltal - ter (jedes zu dreytauſend Jahren) an das Land zu bauen, nachdem er, mit dem Stier zugleich an einem erhabenen Ort[geſchaffen], daſelbſt in ſeeligen Frieden 3000 Jahre, und andre 3000 Jahre mit demſelben auf der Erde, ohne Leid und Anfechtung gelebt hatte. Nach der Edda war mit dem erſten Menſchen Ymer zugleich als Gefaͤhrtin die heilige Kuh Oedumla aus je - ner fruchtbaren Fluͤſſigkeit gebildet, und ernaͤhrte den Ymer, und des Ackerbaues geſchieht erſt bey ſpaͤteren Generationen Erwaͤhnung.
53So wuͤrde ohnfehlbar auch der Vorwand wegfal - len, daß die Noth, die man ja zu unſrer Zeit fuͤr die Lehrerin alles moͤglichen Guten haͤlt, den erſten Men - ſchen die Aſtronomie zum Behufe ihrer Feldarbeit ge - lehrt habe. Man hat bey dieſen und andern aͤhnlichen Anſichten zu wenig auch auf den damaligen Charakter jener ſogenannten Wiſſenſchaften Ruckſicht genommen. So gieng das was wir jezt Aſtronomie nennen, im Al - terthum wie es ſcheint, von einer beſſeren Art der Aſt - rologie aus, das heißt: von dem Zuſammenhang der Geſchichte alles Einzelnen, mit den Bewegungen der Geſtirne — mit der Geſchichte des Ganzen. *)Wenn dieſe Art von Aſtrologie (die man ja nicht mit ih - rem ſpaͤteren, ausgearteten Schatten verwechſeln moͤge) nicht fruͤher war als die Aſtronomie im engeren Sinne, ſo war ſie wenigſtens mit ihr von gleichem Alter.Selbſt der Menſch erkannte ſich als einen Theil der in der ewi - gen Nothwendigkeit der Zeiten wandelnden Weltkraͤfte, und das Geſetz dieſer Nothwendigkeit, an jenen er - kannt, wurde ihm der Maasſtab ſeines eignen Schick - ſals. **)Aehnliche Anſichten die noch Kepler, den man deshalb oͤfters der Schwaͤrmerey beſchuldigt, die Seele und das Leben der Aſtronomie nannte, herrſchten damals allge - mein.Auch von den uͤbrigen Naturwiſſenſchaften iſt es ſchon erwaͤhnt, wie ſie Anfangs von der An - ſchauung der innern Naturkraͤfte und der hoͤhern Be - deutung der einzelnen Dinge fuͤr das Ganze aus - giengen.
54Auf der andern Seite unterſcheidet ſich jener aͤlteſte Anfang der Naturwiſſenſchaft von dem jetzigen Zuſtand derſelben darinnen, daß jener eigentlich zunaͤchſt nicht Wiſſenſchaft, ſondern vielmehr Naturcultus, Reli - gionslehre der Voͤlker war. Viele religioͤſe Sagen der Indier, handeln von der Geſchichte des Pla - neten und ſeiner Ausbildung, die Aſtronomie und alle jene Lehren derſelben, von denen wir hier gehandelt haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und bey andern alten Voͤlkern ein Eigenthum der Prieſter, und in den Religionsbuͤchern der Voͤlker aufbewahrt, ſondern faſt alle Feſte und Religionsuͤbungen waren, wo nicht aſtronomiſchen Urſprungs, doch in Bezie - hung auf die Geſchichte des Planeten und ſein Verhaͤlt - niß zur Sonne.
Nur ein fluͤchtiger Blick auf die aͤlteſte Geſchichte der Voͤlker, nur einzelne Zuͤge aus derſelben, koͤnnen uns belehren, wie die Aſtronomie und uͤberhaupt Na - turcultus, nicht Mittel zu irgend einem aͤußerlichen Zweck, ſondern hoͤchſtes, heiligſtes Werk des Lebens, der erhabenſte Beruf des damaligen Menſchen war. Bey vielen Voͤlkern wo die Claſſe der Prieſter nicht die - ſen hoͤchſten Beruf uͤbernommen, waren die Koͤnige zugleich Oberprieſter, und als ſolche uͤbten ſie vor allem Volke den aſtronomiſchen Cultus. So werden die Nahmen der alten Koͤnige Uranus, Saturn und Atlas, welche ſich in der Naturweisheit vor andern Sterblichen hervorgethan, ſo unſterblich ſeyn als die55 Aſtronomie und das Menſchengeſchlecht ſelber. Ja als ſchon etwas ſpaͤter die Cultur des Landes, auch als neuer Religionscultus, den Voͤlkern gegeben wurde, zeigten ſich abermals die Koͤnige als wohlthaͤtige Ver - breiter und Oberprieſter deſſelben. In dieſer Hinſicht iſt die Wallfahrt der Iſis, welche bey andern Voͤlkern als Ceres verehrt worden, von dem Alterthum geprie - ſen. Aus der Nacht der Vergangenheit ſpricht von jenen Saͤulen, die uns Diodor von Sicilien beſchreibt, der Mund jener mit Recht vergoͤtterten Gatten (Iſis und Oſiris), welche nach der alten Sage den Thron der Egypter beſeſſen. „ Unſre Geſetze, rufen ſie uns zu, ſind ewig. Wir ſind es, welche den Menſchen erhabene Naturweisheit, und den Anbau des Landes gelehrt haben. Von dem Eiſe des Pols bis zu den Wuͤſten Indiens, von der Quelle der Donau bis zu dem einſamen Geſtade ſuͤdlicher Meere, haben wir die Welt, nicht als Eroberer, ſondern als wohlthaͤtige Genien durchwandelt. “
Ja ſelbſt in der Geſchichte Chinas wird einer der aͤlteſten Koͤnige, Hoangti, welcher in dem 5ten Jahr - tauſend vor unſrer Zeit gelebt, als Urheber mehrerer aſtronomiſchen Entdeckungen geprieſen. Mit ihm zu - gleich wird ſein Miniſter Yuchi, welcher der alten Sage nach den Polarſtern beſtimmt, und die Sphere erfunden hat, in der Geſchichte der Wiſſenſchaft ſtets beruͤhmt bleiben. In dieſer hat ſich auch der Koͤnig Chueni, welchen einige Jahrhunderte ſpaͤter das chine -56 ſiſche Volk um ſeiner tiefen aſtronomiſchen Kenntniſſe willen auf den Thron erhoben, als Urheber der erſten aſtronomiſchen Tafeln welche die Chineſen kennen, und als Beobachter der ſchon erwaͤhnten Conjunction der 5 Planeten hervorgethan. Nicht minder groß in der Aſtronomie war der Koͤnig Yao. Ueberhaupt waren, wie bey einigen andern Voͤlkern des Orients (Chal - daͤern, Babyloniern, und zum Theil auch Perſern,*)Evechous und Belus bey den Chaldaͤern, bey den Per - ſen Dſiemſchied u. ſ. w. ſo auch in China die Aſtronomie und der Naturcultus eine Hauptangelegenheit des Regenten, und noch im zten Jahrtauſend vor unſrer Zeit, wallfahrtete der Koͤnig mit ſeinem ganzen Hof an jedem erſten Tage des Neumonds in das Haus der Vorfahren, wo bey dem Schlachten eines Lammes von dem erſten Miniſter die Zeit und der Tag des Jahrs feyerlich, wie ein Ge - heimniß, verkuͤndigt wurde. Hierauf ſtieg der Koͤnig ſelber mit den Miniſtern auf die Sternwarte, und was nach allen vier Gegenden des Himmels beobachtet, oder Neues geſehen war, verzeichnete man in einem hierzu beſtimmten Buche. Nicht minder beruͤhmt ſind die Nahmen der Chaldaͤiſchen und Perſiſchen Koͤnige, in der Geſchichte der Aſtronomie, und Belus ſo wie Dſiemſchied ſind unſterblich geworden wie Sterne. Auf dieſe Weiſe haben die alten Koͤnige ihr eignes Daſeyn mit der Geſchichte des Himmels und der irdiſchen Na - tur verwebt, und indem ſie, wohlthaͤtig wie die ſchaf -57 fende Natur, deren Organe und Symbole ſie gewor - den, ganzen Voͤlkern und kunftigen Jahrtauſenden die hohe Gabe der Cultur und der heiligen Gebraͤuche ver - liehen, waren ſie ein wahrhaftes Abbild des Goͤttlichen und ſind unſterblich geworden wie die Natur. Es hat hierin das Alterthum eine viel wahrhaftere Anſicht von der Beſtimmung der Koͤnige (Stellvertreter des Goͤttli - chen auf Erden zu ſeyn) gezeigt, als die neuere Zeit — — — ja wenn in der Klarheit der kuͤnftigen Jahr - tauſende der Ruhm einer ſolchen neueren Groͤße zer - rinnen wird wie Rauch, ſtehen jene glaͤnzend wie ho - he Eisgebirge.
So war, was jezt nur Einzelne beſchaͤftigt, in der aͤltern Zeit die hoͤchſte Angelegenheit ganzer Voͤlker, der erhabenſte Beruf ihrer Koͤnige, und was jezt als Wiſſenſchaft mehr aͤußerlich iſt, war aufs innigſte mit dem Weſen und ganzem Daſeyn des Menſchen verwebt. Es fuͤhrt uns dieſes auf den tiefen Urſprung jenes aͤl - teſten Naturcultus, von welchem wir in der naͤchſten Vorleſung handeln werden.
Nach dem Ausdruck einiger Weltweiſen, wird ſich die Natur im Menſchen ihrer ſelber erſt bewußt, dieſes iſt der Sinn, durch welchen ſie nach Vollendung ihres eignen Weſeus endlich ſich ſelber betrachtet. Dieſe er - ſte Beſtimmung des Menſchen, Organ zu ſeyn, durch welches die Natur ſich ſelber anſchauet, hat im An - fange ſein ganzes Weſen, ſein ganzes Daſeyn erfuͤllt, und er hat uͤber der Natur ſich ſelber vergeſſen, waͤh - rend ſich das Streben der ſpaͤteren Zeit in einer An - ſchauung dieſer Anſchauung verlohren.
Schon eine der aͤlteſten Weiſſagungen, die Ge - ſaͤnge der Whole (Voluspa), welche in der fruͤheren Edda, wie es ſcheint das Aelteſte ſind, ſagen daſſel -59 be. „ Vor Anbruch der Zeit, heißt es, war weder Sand noch Meer, weder Sturm noch Wind; noch war keine Erde und kein Himmel, ſondern nur ein empfaͤngliches Chaos. Da erſchien die Sonne vom Mittag her, und es keimte das erſte Gruͤn. Als nun die Sonne zuerſt mit ihren Strahlen den links ſtehen - den Mond, nach der Rechten die Heere des Himmels erleuchtete, da wußte die Sonne ihren Saal noch nicht noch der Mond ſeine Veſte, die Sterne kannten ihre Staͤtte noch nicht. Bis die Soͤhne der Goͤtter zu dem Thron des hoͤchſten Gottes giengen, welcher fuͤr das Dunkel den Nahmen der Nacht offenbarte, und den Morgen, Mittag und Abend, die Zeiten und den Wandel der Geſtirne mit ihrem Nahmen benannte. “
So ſcheint dieſe alte Sage zu verkuͤnden, wie die Natur durch das lebendige Wort, durch den Geiſt des Menſchen erſt ihr eignes Weſen erkannt habe, ſich ih - rer gleichſam erſt ſelber bewußt worden ſey. Das Wort aber, die Rede, erſcheint als hoͤhere Offenba - rung. — Eine aͤhnliche Anſicht von dem goͤttlichen Urſprung und der Heiligkeit der menſchlichen Rede, findet ſich bey vielen alten Voͤlkern. Wir wiſſen daß bey den Perſern dem lebendigen Wort eine ſchaffende Kraft, und die hoͤchſte Gewalt uͤber den Geiſt und das Weſen der Dinge zugeſchrieben worden. Das Sprechen geſchahe durch hoͤhere Begeiſterung, wie die des Dichters oder Sehers; dem Sprecher des leben - digen Worts waren die Zukunft und Vergangenheit pf -60 fenbart, weil der ewige Geiſt, in welchem das Kuͤnf - tige iſt, wie das Vergangene, durch ihn ſprach. Es wurde von der ganzen aͤlteren Zeit der Rede ein unmit - telbarer Urſprung aus dem hoͤheren Einfluß gegeben, und fuͤrwahr die Meynung; es habe die geſellſchaftli - che Noth dieſelbe, aus einzeln aufgefaßten und ge - ſtammleten Naturlauten erfunden, konnte nur in neue - rer Zeit erdichtet werden. Hierin glich die Sprache der Vorwelt dem Dichten, daß, wie es ſcheint, alle Rede metriſch, in Verſen ausgeſprochen war, und die aͤlteſte Sprache die wir kennen, die Sanſcrit, iſt nicht etwa die unvollkommenſte, wie nach der gemeinen An - ſicht zu vermuthen waͤre, ſondern gerade die vollkom - menſte, reichſte, und doch einfaͤltigſte, die wohlklin - gendſte und rythmiſchſte. *)M. ſ. Jones Werke.
Es wird dieſe Anſicht der alten Zeit, welche die erſte Sprache aus unmittelbarer Offenbarung herleitet, nur aus der aͤlteſten Naturphiloſophie verſtanden. Nach dieſer ſind und beſtehen alle Weſen in jedem Augenblick ihres Daſeyns nur in und durch den hoͤheren Einfluß, welcher nur Einer, allen gemeinſchaftlich iſt. In den Augenblicken wo ſich das Daſeyn der Dinge am hoͤch - ſten entfaltet, iſt es der Geiſt dieſes hoͤheren Einfluſſes, welcher an ihnen offenbar wird, dieſer iſt das Licht in der Flamme, in der Rede der Geiſt, in der Vermaͤh - lung die Liebe. Es leuchtet dieſe Anſicht des Einen61 Geiſtes in Allen, aus den Religionslehren der Perſer und Indier, ja vielleicht aus denen der Egpter hervor.
Aus dieſen Lehren des Alterthums wurde begreif - lich, wie dem Menſchen in den Augenblicken der Begeiſt - rung und Weiſſagung das Geheimniß der Natur, der Zukunft und Vergangenheit offenbar wuͤrde, und dem Blick das Entfernteſte in nahe Anſchauung traͤte. Je - ner hoͤhere, Allen gemeinſchaftliche Geiſt, in welchem das Geſetz alles Wandels der Zeiten iſt, der Grund des Kuͤnftigen wie des Gegenwaͤrtigen, wird das ver - einigende Mittel, durch welches die Seelen der von Zeit und Raum getrennten Dinge ſich nahe treten, und das Gemuͤth, wenn es in den Augenblicken der Begei - ſterung in die Tiefe jenes Naturgeiſtes verſunken, tritt wie dieſer ſelber mit den einzelnen Dingen in einen geiſtigen Zuſammenhang, und empfaͤngt die Gabe gleich ihm in das Weſen derſelben zu wirken.
Dieſes iſt die Meynung uͤber den Urſprung der Sprache und des Naturcultus, welche anderen Anſich - ten des Alterthums am meiſten angemeſſen iſt, oder aus dieſen ſelber hervorgeht, und es iſt billig, daß wir dieſe zuerſt vernehmen, wie in der Geſchichte eines einzelnen Menſchen, das was er uͤber ſich ſelber gedacht und geſprochen, zunaͤchſt beruͤckſichtigt wird.
Wir ſehen uns durch verſchiedene dunkle Spuren in der Geſchichte der Natur, und vielleicht auch der des62 Alterthums, noch auf eine andre Meynung von dem Ur - ſprung der Sprache und zugleich jener Naturweisheit, welche das erſte war was der Menſch ausgeſprochen, hingefuͤhrt. Dieſe Meynung ſcheint der gewoͤhnlichen, welche die Sprache aus Naturtoͤnen herleitet, etwas naͤher verwandt, aber zugleich beſtaͤtigt ſie auch, viel - mehr als auf den erſten Blick ſcheinen koͤnnte, die An - ſichten des Alterthums. Es wird angenommen, daß die Atmosphaͤre das Mittelglied einer beſtaͤndigen Wechſelwirkung zwiſchen unſrem Planeten und denen andern Weltkoͤrpern ſey. Wie der Mond und die Sonne noch jezt einen ſichtbaren und merklichen Ein - fluß auf die Veraͤnderungen des Luftkreißes haben, wie nach Einigen noch jezt verſchiedene Stellungen und wechſelſeitige Beziehungen der entfernteren Planeten auf einander durch verſchiedene neue Bewegungen in der Atmosphaͤre ausgezeichnet ſind; ſo muͤſſe dieſer Einfluß fruͤher, bey einem, wie ſich beweiſen ließe, viel empfaͤnglicherem Zuſtand des Luftkreißes, viel merk - licher geweſen ſeyn. Man faͤnde noch jezt in der Bildungsgeſchichte des Planeten Spuren der heftigſten Bewegungen in der fluͤſſigen Atmosphaͤre, einige Pla - neten unſres Syſtems, deren Beſchaffenheit dem Urzu - ſtande des Unſrigen noch nahe ſcheint, gaͤben noch jezt faſt taͤglich ein Beyſpiel von ſolchen heftigen Bewegun - gen in ihre Atmosphaͤre, welche die mittlere Geſchwin - digkeit des Schalles bey uns ſieben, ja elfmal uͤber - traͤfe, waͤhrend die heftigſten Bewegungen in unſern jezigen Luftkreiſe 12 ja 13 mal langſamer waͤren als63 der Schall. Wenn es[wahrſcheinlich] ſey, daß jene aͤußern Einfluͤſſe, welche Veraͤnderungen in der At - mosphaͤre zu bewirken pflegen, in jenem Zuſtand der Erde, welcher dem jetzigen des Jupiter naͤher ſtund, Bewegungen der Luft erzeugten, die an Geſchwindig - keit dem Schalle wenigſtens gleich kamen, ſo ſey die Frage nicht ungereimt: ob nicht das, was jezt als Sturm mit einem rohen und anorgiſchen Laut erſcheint, damals als wirklicher Ton vernommen ſey, ob nicht die alten Sagen von der Harmonie der Weltkoͤrper, von den Toͤnen des Univerſums, wirklich einige Wah - heit enthielten? Hieraus wuͤrde dann begreiflich, war - um Aſtronomie unter den Wiſſenſchaften, Muſik unter den Kuͤnſten das Aelteſte ſey. *)Das muſicaliſche Syſtem der Chineſen faͤngt nach Rouſ - ſier eben da an, wo das der Griechen aufhoͤret.Den Rythmus der Bewegungen der Welten, wie er ſich in der Atmos - phaͤre abſpiegelt, habe der Menſch zuerſt nachgeſpro - chen, und hierdurch eingeweihet in das harmoniſche Geſetz des Ganzen, habe ſein Gemuͤth den Zuſammen - hang der Naturereigniſſe, und die Beziehung der ein - zelnen Dinge auf das Ganze erkannt. Auf dieſe Wei - ſe ſey die aͤlteſte Naturweisheit und die Sprache ſel - ber, durch unmittelbare Offenbarung der Natur an den Menſchen entſtanden.
Es laſſen ſich freylich zur Beſtaͤtigung dieſer Mey - nung keine direkten Beweiſe fuͤhren. Doch wird zu64 unſrer Zeit von allen Seiten anerkannt, daß, wenn der Natur bey dem erſten Entſtehen der organiſchen und lebendigen Koͤrper aus ihr, einige Mitwirkung zuge - ſchrieben werde, wie dies nicht anders moͤglich iſt, hierbey die Atmosphaͤre vorzuͤglich thaͤtig geweſen ſeyn muͤſſe, aus deren Wechſelwirkung mit etwas Fluͤſſigem wir noch jezt die erſten Anfaͤnge des Thier und Pflan - zenreichs hervorgehen, und das Leben in dem beſtaͤn - digen Beduͤrfniß des Athmens erhalten ſehen. Dieſes laͤßt allerdings eine viel vollkommnere und wirkſamere Natur der Atmosphaͤre in jener fruͤheren Zeit voraus - ſetzen. Auf der andern Seite kennen wir noch jezt ei - nige merkwuͤrdige Naturereigniſſe, bey denen die Bewe - gungen der Luft noch von einem wirklichen, gleichſam articulirten Ton begleitet ſind. Von dieſer Art iſt vornehmlich jenes merkwurdige Phaͤnomen, welches unter dem Nahmen Luftmuſic, oder Teufelsſtim - me auf Ceylon und in den benachbarten Laͤndern wahrgenommen iſt. Es iſt dieſes, den Eingebohr - nen wohlbekannte Phaͤnomen, noch bis in die neue - ſte Zeit von ſo vielen glaubwuͤrdigen Reiſenden beob - achtet, daß ſich an ihm ſchon laͤngſt nicht mehr zwei - feln laͤßt. Wir wollen es nach dem Bericht eines Augenzeugen, welcher der Erzaͤhlung der Eingebohr - nen und aller fruͤheren Reiſenden nicht glauben moͤgen bis er es ſelber beobachtet, beſchreiben:
Es laͤßt ſich dieſe Naturſtimme vorzuͤglich in ſtil - len heitren Naͤchten, doch, wie aus andren aͤhnlichen65 Naturerſcheinungen wahrſcheinlich iſt, vor nahen Wit - terungswechſeln hoͤren. Sie hat es mit elektriſchen Lufterſcheinungen gemein, daß ſie mit Blitzesſchnelle bald wie aus ungeheurer Ferne, bald ganz in der Naͤhe vernommen wird. Am meiſten Aehnlichkeit hat ſie mit einer tiefen klagenden Menſchenſtimme,*)Klagend, wie alle Toͤne der jetzigen planetariſchen Na - tur. Zuweilen ſpielt jene Stimme wie in den Toͤnen ei - ner raſchen Menuet, wobey ſie eine eben ſo graͤßliche Wirkung auf die Sinnen der Zuhoͤrer aͤußert. (S. Wolf.) hierbey aber pflegt ſie, wie alle Naturtoͤne, eine ſo tiefe Wirkung auf das menſchliche Gemuͤth zu aͤußern, daß ſelbſt die ru - higſten und verſtaͤndigſten Beobachter, welche die na - tuͤrliche Eutſtehung dieſer Naturbegebenheit wohl ein - ſehen, ſich eines tiefen Entſetzens, und gleichſam ei - nes zerſchneidenden Mitleids mit jenen, den menſchli - chen Jammer ſo entſetzlich nachahmenden Naturtoͤnen nicht erwehren koͤnnen. Wir kennen auch in unſern Himmelsſtrichen, wo die Atmosphaͤre doch zu allen elektriſchen und aͤhnlichen Erſcheinungen weit weniger geeignet iſt, einige jenem verwandte Phaͤnomene, die wirklich atmosphaͤriſchen Urſprungs ſind, mit de - nen man aber viele andre, die von Thieren herruͤhren, und die doch eigentlich (durch ihre Langſamkeit und ganz andern Ton) von jenen leicht zu unterſcheiden waͤren, oͤfters verwechſelt hat. Auch die meiſten an -E66erkannt elektriſchen Meteore ſind bekanntlich von einem eigenthuͤmlichen Ton begleitet. *)Vor Zeiten muß die Atmosphaͤre viel mehr Anlage zu ſol - chen toͤnenden Lufterſcheinungen gehabt haben. Man fin - det davon viele Berichte bey den Alten (z. B. bey roͤmi - ſchen Schriftſtellern) denen man nicht immer den Glauben verſagen kann.
Ein drittes Zeugniß, welches fuͤr jene Meynung zu ſprechen ſcheint, empfangen wir aus der Geſchichte der alten Orakel. Bey einem der aͤlteſten, dem zu Dodona, war es der Klang der vom Wind bewegten Metallbecken, und das Rauſchen der Luft in den Zwei - gen der hohen Eichbaͤume, aus welchen von den Prie - ſtern das Zukuͤnftige geweiſſagt wurde. Dieſe Art der Weiſſagung aus den Naturtoͤnen der Atmosphaͤre, ſcheint unter allen die aͤlteſte. — Auch die Wahrſager des aͤlteſten Nordens haben aus dem Rauſchen der ho - hen Baͤume das Zukuͤnftige verkuͤndigt. Darum heißt es noch in einer der fruͤheſten Weiſſagungen — in der viele Jahrtauſende alten Voluspa —:
„ Siehe ich kenne einen Eſchenbaum, ſein Nahme heiſſet Gottlich, Hocherhaben. Er ſtehet ewig gruͤne an wohlverwahrten Brunnen,**)Urdarbrunne, von Einigen wird Urdar durch Neceſſi - tas uͤberſetzt. — Dieſer Brunnen und jener Eſchenbaum mit ſeinen drey myſtiſchen Wurzeln ſcheinen uͤberyaupt in der nordiſchen Mythologie eine ſehr tiefe Bedeutung zu haben. in Gottes Haus,67 hoch in dem weiten Himmel, und von ihm gehet der Regen aus uͤber alle Thaͤler. Von ihm ſtammen drey weiſſagende Jungfrauen her, entſprun - gen aus jenem See, der uͤber dem Stamme des Bau - mes fluthet, die eine die heiſſet Vergangen, die andre Jetzt, die dritte heiſſet Fernkuͤnftig. “
Vielleicht ſpricht dieſe alte Weiſſagung noch viel mehr fuͤr jene Meynung, als auf den erſten Anblick ſcheint. Doch die Erklaͤrung ſey welche ſie wolle, jene Thatſachen, welche einen tieferen Blick des Men - ſchen in die Natur bey der erſten Vorwelt vorausſetzen, bleiben unlaͤugbar und dieſelben. Jene Guͤter des Wiſſens, welche bey uns jetzt eine lange und muͤhſam fortgeſetzte Beobachtung, einzeln wieder hervorgezo - gen, und noch mehr als dieſe, hat das Alterthum in einem lebendigeren Zuſammenhange als wir beſeſſen.
Sey es aber, daß der Geiſt des erſten Menſchen, wie der der Kinder, empfaͤnglicher und abhaͤngiger von der Gewalt der Natur, ein Inſtrument geworden, auf welchem der Geiſt derſelben ſeine ewigen Harmo - nien ausgeſprochen, oder ſey es daß die Natur noch in der Kraft der eben vollendeten Schoͤpfung, einer tie - feren Einwirkung auf ihr letztes Werk faͤhig war und daß ſo die Gewalt der noch jugendlichen Mutter uͤber das neugebohrne, noch zarte Kind groͤßer, der Zu - ſammenhang zwiſchen beyden inniger war: ſo muß - te entweder der ſelbſtſtaͤndiger und vollendeter werden -E 268de Menſch ſich jener Obergewalt mehr entziehen, oder der Menſch wurde allmaͤhlig, waͤhrend die Gewalt jenes hoͤheren Einfluſſes der (veraltenden) Natur abnahm, auf ſeine eigne Kraft zuruͤckgewieſen, und zur Selbſt - ſtaͤndigkeit genoͤthigt. Sey es nun, daß eins oder das andre, oder was wahrſcheinlicher iſt, beydes zu - gleich ſtatt gefunden, ſo mußte, je eigenthuͤmlicher ſich die Natur des Menſchen im Verlauf der Zeiten entwickelte, deſto mehr jene urſpruͤngliche Vollkom - menheit deſſelben, die nicht ſein ſelbſtſtaͤndiges Eigen - thum war, abnehmen. Der eigne Wille iſt es gewe - ſen, der den Fall des Menſchen aus ſeiner damaligen Hoͤhe bewirkt hat, und eine eigenthuͤmlichere Vollen - dung ſeines Weſens hat ihn gegen den hoͤheren Einfluß der Natur unempfaͤnglicher und unabhaͤngiger ge - macht.
So hat die Geſchichte des Menſchen, als das ho - he Gluͤck der alten Zeit von dem hoͤheren Streben der neueren, welches den Menſchen zur Selbſtſtaͤndigkeit erhebt, verdraͤngt war, durch vielfaͤltiges Ungluͤck und den Untergang ganzer Voͤlker, zu der hoͤchſten Bluͤthe der neuen Welt, dem Chriſtenthum, den Uebergang ge - funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthuͤmli - chere und ſelbſtſtaͤndigere Weiſe dem Menſchen zuruͤck, was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage, was der Grund geweſen ſey, daß jene hohe Natur - weisheit, einmal erſchienen, wieder untergieng? daß das hohe Gluͤck der Urzeit ſich unſrem Geſchlecht nur69 zeigte, ſo daß der Verluſt nur um ſo ſchmerzlicher ge - worden? laͤßt ſich demnach beantworten: daß auch hier, wie dies ein allgemeines Naturgeſetz iſt, ein ſchon vorhandnes hohes Streben, durch ein neues hoͤ - heres verdraͤngt ſey.
Obgleich ich von dieſem Verhaͤltniß der neuen Zeit zur alten noch in der naͤchſten Vorleſung handeln werde, ſcheint mir es doch hier am rechten Orte, zu zeigen: daß auch ſchon in der fruͤheren Welt dieſe An - ſicht uͤber den Untergang des hohen Gluͤckes der alten Zeit, und uͤber Untergang und Tod uͤberhaupt ge - herrſcht habe. Fuͤr mich liegt ſie in den Myſterien, welche die ſcheidende alte Zeit, wie eine ſcheidende Mutter, den traurenden ungluͤckſeeligen Geſchlecht der ſpaͤteren Weltalter zum Troſt zuruͤckgelaſſen.
Es iſt ein ewiges Naturgeſetz, das ſo klar da liegt, daß es ſich dem Geiſt des Menſchen zuerſt aufdringen muͤſſen, daß die vergaͤngliche Form der Dinge unter - geht, wenn ein neues, hoͤheres Streben in ihnen er - wacht, und daß nicht die Zeit, nicht die Außenwelt, ſondern die Pſyche ſelber ihre Huͤlle zerſtoͤrt, wenn die Schwingen eines neuen, freyeren Daſeyns ſich in ihr entfalten. Ich habe in dem erſten Theil meiner ſchon angefuͤhrten Schrift, da wo ich von einem ſcheinbaren Streben der Dinge nach ihrer eignen Vernichtung ge - handelt, in vielen Veyſpielen gezeigt, daß gerade in der Gluth der ſeeligſten und am meiſten erſtrebten Au -70 genblicke des Daſeyns, dieſes ſich ſelber aufloͤſet und zerſtoͤrt. Es welkt die Blume ſogleich, wenn der hoͤchſte Augenblick des Bluͤhens voruͤber iſt, und das bunte Inſekt ſucht in der einen Stunde der Liebe zu - gleich die ſeines Todes, und empfaͤngt in dem Tempel der Hochzeit ſelber ſein Grab. Ja es ſind bey dem Menſchen gerade die ſeeligſten und geiſtigſten Augen - blicke des Lebens, fuͤr dieſes ſelber die zerſtoͤrendſten, und wir finden oͤfters in dem hoͤchſten und heiligſten Streben unſres Weſens, einen ſeeligen Untergang. Die erhabenſten und goͤttlichſten Bluͤthen in der Ge - ſchichte unſres Geſchlechts, ſind am ſchnellſten ver - gangen, am ſchnellſten von dem Andrange ihrer Zeit, oder vielmehr von ihrem eignen Streben zerſtoͤrt wor - den, obwohl das Werk ſelber das ſie gethan, fuͤr alle Zeiten gethan iſt. So wird, wenn die Weſen mit al - len Kraͤften gerungen, daß ſie den Geiſt einer hoͤheren Vollendung ergreifen moͤchten, der Genuß ſelber der Tod, und nur das Streben nach jenem hoͤchſten Mo - ment hat das Leben aufrecht erhalten. Jedoch iſt je - nes Streben nicht vergeblich geweſen, und eben die Gluth jener zerſtoͤrenden Augenblicke, fuͤr die bisheri - ge Form des Daſeyns zu erhaben, erzeugt den Keim eines neuen hoͤheren Lebens in der Aſche des unterge - gangenen vorigen, und das Vergaͤngliche wird, (be - ruͤhrt und verzehrt von dem Ewigen) aus dieſem von neuem wieder verjuͤngt. Auf dieſe Weiſe wird uns ei - ne der kuͤnftigen Vorleſungen in vielen Thatſachen die aus der Natur ſelber geſchoͤpft ſind, zeigen, wie ge -71 rade in den hoͤchſten Augenblicken des jetzigen Daſeyns der Dinge, die Anlagen zu einem kuͤnftigen hoͤheren erzeugt werden, und oft in dieſen ſelber, oder bald nach - her ſichtbar werden. Aus dieſem Grunde ſind jene hoͤchſten Augenblicke zerſtoͤrend, weil ein neuaufgehen - des hoͤheres Streben das alte verdraͤngt, weil von nun an die Empfaͤnglichkeit fuͤr die Einfluͤſſe des jetzigen Daſeyns ſich vermindert.
Es hat auch die Vorwelt in dieſem Geſetz, welches die hoͤchſten Momente des Lebens unmittelbar mit dem Tode verknuͤpft, das Geheimniß der Liebe und des Todes, die Hoffnung einer unſterblichen Fortdauer unſres Weſens, und den Troſt uͤber den Untergang der hohen alten Vergangenheit gefunden. Es wurde des - halb in den Myſterien der Egypter und zu Eleuſis, auf die Geſchichte der alten Zeit gedeutet,*)Plutarch. Iſis et Oſiris und den Eingeweiheten die Zuverſicht einer ſeeligen Fortdauer nach dem Tode gegeben. Das Bild, unter welchem in den Myſterien der Tod erſchien, ſtellte dieſen dem Gemuͤth vielmehr lieblich und ſuͤß, als ſchrecklich dar, und die Einweihung wurde deshalb als ein Mittel gegen die Furcht vor dem Tode geprieſen. **)Heyne ad Apollodor. Ja es ward noch den Sterbenden, und nach einem frommen Glau -72 ben ſelbſt den Todten der Hinuͤbertritt in ein neues Da - ſeyn durch die heilige Weihe erleichtert. *)Beſonders wurde dieſes von dem Samothraciſchen gehei - men Gottesdienſt geglaubt. — M. vergl. Saint-Croix.
Doch ich will jetzt Einiges hieher gehoͤrige aus den Myſterien ſelber erzaͤhlen. In einem traurigen Spie - le, ſtellten die egyptiſchen Prieſter in ſtillen Fruͤhlings - naͤchten die Leiden und den Tod des Oſiris vor. Ein ſchoͤner See an dem Tempel bey Sais war der Schau - platz, und es erſchienen in dieſen Myſterien Saͤrge und Graͤber. Zugleich bedeutete Oſiris die zeugende, hervorbringende Kraft. **)Ueberhaupt war der Phallusdienſt, der ſich in allen My - ſterien fand, uͤberall mit Symbolen des Unterganges und Todes verbunden.Nach der gewoͤhnlichen Sage war dieſer Gatte der Iſis von dem Typhon zer - riſſen, und dieſes erhabene Goͤtterpaar erſchien dem Alterthum zugleich als Vorbild der hoͤchſten Vollendung und der tiefſten Leiden. Den Leichnam des Oſiris trie - ben die Wellen an die phoͤniciſche Kuͤſte bey Biblos, wo eine junge Staude den Sarg und den Leichnam in ſich empfaͤngt und voll Mitleid in ihrem Stamm be - graͤbt. Als den heiligen Stamm der Koͤnig des Lan - des umzuhauen befohlen, da erſcheint ploͤtzlich die einſame, in Schmerzen verſunkene Goͤttin, erſt in Ge - ſtalt eines Weibes, ſchweigend, nur durch himmli - ſchen Duft ſich verrathend, auf dem Brunnen ſitzend,73 hierauf als Schwalbe, ſeufzend auf dem geliebten Baume. Der offenbar gewordnen Gottheit wird der theure Leichnam zuruͤckgegeben.
Dieſe Wanderungen der Iſis ſind in die Elenſinien uͤbergegangen, wo die Iſis als Ceres, Oſiris als Proſerpina erſcheint. *)S. Saint Croix. Die Beerdigung des Oſiris und die Entfuͤhrung der Proſerpina in die Unterwelt, hatten die - ſelbe Bedeutung.Es war die Proſerpina eine Goͤttin des Todes und der ewig neuentſtehenden Keime, ihr Nahme von Phosphorus hergeleitet, welcher ſchon im Alterthum als eine Fackel des Todes und der Liebe verehrt war. Nach einer egyptiſchen Sage war auch, um die Leiden der ewigen Goͤttin zu vermehren, der junge Sohn der Iſis, Horus, von dem Typhon getoͤdtet. In den Eleuſinien war er durch den jungen Jachus dargeſtellt. Dieſer, bald ein Sohn der Ce - res, bald der Proſerpina genannt, wird als Saͤug - ling abgebildet. Jener Tag, wo man den Tod des jungen Jachus beweinte, war in den Myſterien der Heiligſte. Zugleich wurde an ihm, in Koͤrben ver - wahrt, das Symbol der ewigen Wiederverjuͤngung der Natur und des Schaffenden verehrt (der Lingam). Die Blumen der Liebe — Myrten und Roſen, deute - ten in den Myſterien auf den Tod. So erſchienen Liebe und Tod, das ſeeligſte Streben des Gemuͤths und der Untergang des Individuums vereint.
74Auch in den Feſten des Adonis, wurden die ſuͤße Liebe und der Tod zugleich verherrlicht, und in den Myſterien der Cureten wurde Jaſion, welcher in der Liebe der großen Goͤttin ſeinen Untergang gefunden, beweint. Waͤhrend die Klagen um die Liebe und den Tod des Adonis, von den phoͤniciſchen Frauen in freyer Natur, die an dieſen Klagen Theil genommen, gefuͤhrt wurden, geſchahen die Myſterien der Coryban - ten, in denen der junge Cadmillus an die Stelle des Adonis trat, bey ſtiller Nacht, in einſamer Hoͤhle