Aufdämmert der Tag, der Hahn kräht hell,
Blaß ſchimmert des Mondes Horn,
Und im Morgenrothe der Tropfen Thau
Glitzert am Hagedorn.
König Edward aber nicht Hahnenſchrei
Rief ihn vom Schlummer wach;
Drei Raben weckten ihn mit Gekreiſch
Oben am Wetterdach.
71
Und der König fuhr auf: „ beim ewigen Gott,
Ich verſteh’ euer Mahnen und Schrein;
Charles Bawdin, der ſoll ſterben heut
Und eure Speiſe ſein! “
Der König rief’s; eine Kanne Wein
Leert’ er bis auf den Grund;
Ritter Canning ſtand zu Seiten ihm, —
Dem war das Herze wund.
Und Canning ſprach: „ mein König und Herr
Vergieße nicht Bawdin’s Blut,
Was immer er dir Böſes that,
Ihm galt es brav und gut.
„ Dem Lankaſterkönig hat er gedient
Offen und ſonder Scheu,
O Herr, an Deinem Feinde auch
Ehre Muth und Treu. “
72
Er ſprach’s. Noch ſchwieg der Ritter kaum,
Da zürnet der König und ſchnaubt:
„ Eh Sternenſchein auf die Erde fällt,
Fällt heut Charles Bawdin’s Haupt.
„ Er war ein Verräther, er hat ſeine Hand
In’s Blut der Yorks getaucht,
Nicht eher hab’ ich Raſt noch Ruh
Bis ſeines gen Himmel raucht! “
Drauf Canning ernſt: „ nur Gnade Herr
Machet des Siegs Dich werth;
Den Oelzweig und die Palme nimm
Nicht aber das Racheſchwert.
„ Gedenk, wir Menſchen allzumal
Sind nur an Sünde groß,
Ein Einziger auf Sankt Petri Stuhl
Iſt ſchuld - und fleckenlos.
73
„ Vergieb! das feſtiget Dir auf’s Haupt
Die kaum gewonnene Kron’,
Und trägt Dein Scepter fort und fort
Auf Enkel und Enkelſohn;
„ Doch willſt in Haß, mit blutigem Thau
Beſpritzen Du Dein Kleid,
So reißen finſtre Mächte Dir
Vom Haupte das Goldgeſchmeid. “
Der König hört’s. „ Fort, Canning, fort!
So lange Charles Bawdin lebt
Will dürſten ich, und ob am Gaum
Mir auch die Zunge klebt.
Die Sonne, die da drüben ſteigt
Soll ſeine letzte ſein! “
Der König ſchwieg, in Cannings Bart
Rann eine Thrän’ hinein.
474
Und durch die Gaſſen, trüben Sinn’s,
Alsbald der Ritter ſchlich;
In Bawdin’s Kerker trat er ein,
Und weinte bitterlich.
Der ſah des Alten Herzeleid;
Er trat an ihn heran:
„ Zu ſterben, Freund, iſt Menſchenloos,
Was thut es „ wie “und „ wann “!
„ Mir war das Schickſal dieſes Tags
Von Anbeginn beſtimmt;
Demüthig trägt ein Chriſtenherz
Was Gott ihm ſchickt und nimmt.
„ Mir iſt der Tod Erlöſung nur
Von Allem, was ich litt; —
Was haſt Du, daß in’s Auge Dir
Die Mannesthräne tritt?! “
75
Sprach Canning: „ wohl um Deinen Tod
Hab ich der Thränen viel,
Doch denk ich an Dein Weib und Kind
Find ich nicht Maaß nicht Ziel. “
„ Dann trockne Dir die Thränen ſchnell “, —
Klang Bawdin’s Stimme da —
„ Der Wittwen und der Waiſen Gott
Iſt auch den meinen nah.
„ Mich mag er meucheln der Tyrann,
Der frech ſich König nennt;
Doch weiß ich, daß ihn Gottes Hand
Von meinen Kindern trennt.
„ Und, Canning, ohne Bangen traun
Thu’ ich den letzten Gang;
Hab ja dem Tod in’s Aug’ geſehn
Ein halbes Leben lang.
4*76
„ Wie oft, wenn guten Schwertes Hieb
Hell durch die Lüfte pfiff,
Und blindlings in die Schlacht hinein
Der Tod nach Beute griff, —
„ Wie oft dann ſah er wild mich an!
Ich ſtarrt ihm in’s Geſicht;
Er hob die Hand zum Speereswurf, —
Galt mir’s? ich wußt es nicht.
„ Und nun, wegwerfen ſollt’ ich ſelbſt
Des Mannes beſte Zier?
Im Leben Muth, im Tode Muth
Das, Canning, ſchuld ich mir.
„ Und ſchuld es meinem Vater auch; —
Der war ein Ritter gut:
Rein war ſein altes Wappenſchild,
Und rein ſein altes Blut.
77
„ Geſetz und Recht, die hielt er feſt
Im Wirrſal der Parthein;
Die ſchwere Kunſt war ſeine Kunſt:
Gerecht und mild zu ſein.
„ So war ſein Haus: ein offnes Thor,
Und offner Tiſch dazu;
Dem Bettler bot er Speiſ’ und Trank,
Dem Pilger Raſt und Ruh.
„ An ſeines Namens blanker Ehr’
Hat Schande nie geklebt,
Und ſeiner fleckenloſen Treu
Der hab ich nachgeſtrebt.
„ Mir lebt ein Weib, ich hab ihr Bett
Treubrüchig nie entehrt, —
Nie auch von Heinrich’s heil’gem Recht
Mich treulos abgekehrt.
78
„ Drum geh in Ruh ich dieſen Gang,
Und, Canning, ſterbe gern;
Mein Auge wird den Tod nicht ſehn
Des Königs meines Herrn. “
Charles Bawdin ſchwieg; — da klang’s herauf
Wie Roſſesſtampfen ſchon,
Die roſt’gen Angeln drehten ſich
Und gaben ſchrillen Ton.
Hell in des Kerkers offne Thür
Drang jungen Tages Schein,
Und mit dem Licht des Morgens trat
Ein weinend Weib herein.
Charles Bawdin’s Weib. Der Ritter ſprach:
„ Laß ſterben mich in Ruh,
Und wende nicht die Seele mein
Dem Irdſchen wieder zu.
79
„ Laß ab! Die Thrän’ in Deinem Aug’
Macht mir das Herze weich,
Und wäſcht dem friſchen Muth in mir
Die Wange wieder bleich. “
Er ſprach’s und ſchwieg. Das blaſſe Weib
Sah ſtarr ihm in’s Geſicht,
Ihr Ohr vernahm die Worte wohl
Und hörte doch ſie nicht.
Dann rief ſie, daß ihr Schmerzensſchrei
Ihm in die Seele ſchnitt:
„ Das Beil, das Deinen Nacken trifft,
O träf es doch mich mit! “
Hin ſank ſie; Bawdin küſſte leis
Auf Stirne ſie und Wang;
Dann ſprach er: „ Schließer, nimm mich hin
Auf meinem letzten Gang! “
80
Er trat hinaus; da ſtand der Karrn
Der ſonſt nur Schächer trug,
Und alſobald zum Richtplatz hin
Bewegte ſich der Zug.
Der Zug war ſo: der Richter vorn
In ſeines Amts Geſchmeid,
Hell glitzerte das Quaſtengold
An ſeinem Scharlachkleid.
Zwölf Auguſtiner kamen dann
In härenem Gewand,
Mit Roſenkranz und Geißelſtrick
In recht - und linker Hand.
Bußpſalme ſangen finſter ſie
In mächtgen Melodien,
Und nieder ſchrillte Glöcklein Klang
Vom Thurme Sankt Marien.
81
Den Mönchen folgte, feſten Schritts
Ein Bogenſchützen-Hauf:
Die Sennen waren all geſpannt,
Die Pfeile lagen auf.
Wohl mocht ein Reſt lankaſtriſch Volk
Den Ritter noch befrein,
Es durfte Bawdin’s letzter Gang
Der ſeiner Feinde ſein.
Dann kam er ſelbſt: zwei Rappen vorn
In weißer Decken Putz,
Auf ihren Köpfen wiegte ſich
Ein ſchwarzer Federſtutz.
Und wieder dann kam feſten Schritts
Ein Bogenſchützen-Hauf:
Die Sennen waren all geſpannt,
Die Pfeile lagen auf.
82
Zwölf Auguſtiner wieder dann
Mit Pſalmesmelodien, —
Und immer noch ſcholl Glöcklein Klang
Vom Thurme Sankt Marien.
Den Schluß, den machte ſtraßenbreit
Des Volkes dicht Gedräng:
Von Dach und Fenſter folgte man
Dem traurigen Gepräng.
Und jetzt an Chriſti Kreuz vorbei
Bewegte ſich der Zug,
Hernieder ſchaute ſtill das Lamm,
Das unſre Sünden trug.
Und Bawdin betete und ſprach:
„ Erbarm, o Herr, Dich mein,
Und waſch auch meine Seele heut
Von ihren Flecken rein! “
83
Er ſprach’s. Der König aber ſtund
An Schloſſes Fenſter ſchon,
In ſeinem Antlitz paarte ſich
Die Rache und der Hohn.
Charles Bawdin ſah’s; in ſeinem Karrn
Hob er ſich ſtolz empor,
Und donnerte mit feſter Stimm
An König Edwards Ohr:
„ Verräther, der Du bleibſt und biſt,
Schau nur in Hohn mir zu,
Wie klein mich Deine Rache macht
Bin größer doch als Du.
„ Durch Mord und jede faule That
Trägſt Du die Krone Dein,
Doch klebteſt Du mit Blut ſie feſt
Wird doch nie Deine ſein.
84
„ Vernimm: es reift die Frucht heran
Vergangner Miſſethat,
Und wie Verrath Dich groß gemacht
Wird ſtürzen Dich Verrath. “
Er rief’s; das klang ſo feſt und klar
Zu Edwards Ohr hinauf:
Der murmelte, hochroth vor Scham,
Zum Richard Gloſter drauf:
„ Traun Bruder, dieſes Bawdin’s Wort
Ging mir in Herz und Blut;
Der Könige König dieſer Welt
Das iſt doch Mannesmuth! “
Er ſprach’s; doch Richard Gloſter rief
Mit tückiſch rauhem Ton:
„ Laß ſterben ihn, laß ſterben ihn,
Die Raben warten ſchon! “
85
Hin zog der Zug, dem Schloß vorbei,
Sie waren bald zur Stell:
Das blanke Beil im Sonnenſchein
Wie blinkte das ſo hell.
Behangen ſchwarz war das Schaffott;
Charles Bawdin ſtieg hinauf:
Ihm war das Sterben wie Triumph
Und ſtolzer Siegeslauf.
Rings ſtand das Volk; da ſprach er laut:
„ Blutacker bleibt dies Land,
So lange Schwert und Scepter bleibt
In dieſes Edwards Hand.
„ Vergehn vor Gram wird manches Weib,
Und manche junge Braut,
Eh’ dieſes Land den erſten Strahl
Des Friedens wiederſchaut. “
86
Er rief’s; an Prieſters Seite dann
Hinkniet’ er aufs Schaffott,
Und betend, ſtill die Seele ſein
Empfahl er ſeinem Gott;
Dann aber preſſend an den Block
Sein Haupt in ſtolzer Eil,
Abſchlug ihm das auf einen Hieb
Das blanke Henkerbeil.
Hinfloß ſein Blut; ſtillweinend ſtand
Das Volk im Kreis umher;
Wie viel auch rothen Blutes floß
Der Thränen floſſen mehr.
Der Henker dann, mit ſcharfer Axt,
Viertheilte Bawdin’s Rumpf,
Und jeder Theil ward aufgeſteckt
Auf einen Lanzenſtumpf.
87
Der Eine thät als Wetterfahn’
Hoch auf dem Thurm ſich drehn;
Ein zweiter war als Gitterſchmuck
Vor Edward’s Schloß zu ſehn.
Der dritt’ und vierte ſammt dem Haupt,
Bei Tages erſtem Schein,
Von dreien Thoren blickten die
Weit in das Land hinein.
Da wurden ſie, bei Tag und Nacht,
Umkrächzet und umkreiſt,
Das Raben - und das Krähenvolk
Hat alles aufgeſpeiſt.
Das war das End’ von Bawdin’s Treu,
Und ſeiner Ehren Ziel; — —
Gott ſchenk dem König unſrem Herrn
So treuer Diener viel.