PRIMS Full-text transcription (HTML)
[figure]
[I]
Goͤtterlehre oder mythologiſche Dichtungen der Alten.
Mit fuͤnf und ſechzig in Kupfer geſtochenen Abbildungen nach antiken geſchnittnen Steinen und andern Denkmälern des Alterthums.
Berlin,bei Johann Friedrich Unger,1791.
[II][III]

Ich habe es verſucht, die mythologiſchen Dichtungen der Alten in dem Sinne darzuſtellen, worin ſie von den vorzuͤg - lichſten Dichtern und bildenden Kuͤnſtlern des Alterthums ſelbſt, als eine Spra - che der Phantaſie, benutzt und ihren Werken eingewebt ſind, deren aufmerk - ſame Betrachtung, mir durch das Laby - rinth dieſer Dichtungen zum Leitfaden gedient hat. Die Abdruͤcke von den* 2[IV]Gemmen aus der Lippertſchen Daktylio - thek und aus der Stoſchiſchen Samm - lung habe ich mit dem Herrn Pro - feſſor Karſtens, der die Zeichnungen zu den Kupfern verfertigt hat, ge[m]ein - ſchaftlich ausgewaͤhlt, um, ſo viel es ſich thun ließ, diejenigen vorzuziehen, deren Werth zugleich mit in ihrer Schoͤn - heit, und der Kunſt, womit die Dar - ſtellung ausgefuͤhrt iſt, beſteht.

V

Inhalt.

  • Seite.
  • Geſichtspunkt fuͤr die mythologiſchen Dichtungen1
  • Die Erzeugung der Goͤtter13
  • Der Goͤtterkrieg20
  • Die Bildung der Menſchen31
  • Die Nacht und das Fatum, das uͤber Goͤtter und Menſchen herrſcht44
  • Die alten Goͤtter53
  • Amor54
  • Die himmliſche Venus56
  • Aurora57
  • Helios58
  • VI
  • Seite.
  • Selene59
  • Hekate60
  • Oceanus61
  • Die Oceaniden63
  • Mnemoſyne66
  • Themis66
  • Pontus69
  • Nereus70
  • Thaumas73
  • Eurybia73
  • Phorkys und die ſchoͤ[n]e Ceto oder die Erzeugung der Ungeheuer74
  • Die Fluͤſſe76
  • Proteus76
  • Chiron77
  • Atlas77
  • Nemeſis78
  • Prometheus78
  • Jupiter, der Vater der Goͤtter79
  • Die Eiferſucht der Ju[n]o82
  • Veſta84
  • Ceres85
  • Jupiter85
  • VII
  • Seite.
  • Die neue Bildung des Menſchenge - ſchlechts89
  • Ogyges92
  • Inachus93
  • Cekrops95
  • Deukalion96
  • Die alten Einwohner von Arkadien97
  • Der Dodoniſche Wald97
  • Die menſchenaͤhnliche Bildung der Goͤtter98
  • Jupiter99
  • Juno105
  • Apollo109
  • Neptun115
  • Minerva121
  • Mars127
  • Venus131
  • Diana135
  • Ceres140
  • Vulkan145
  • Veſta151
  • Merkur155
  • Die Erde163
  • VIII
  • Seite.
  • Cybele164
  • Bachus167
  • Die heiligen Wohnpl[]tze der Goͤtter unter den Menſchen179
  • Kreta180
  • Dodona181
  • Delos183
  • Delphi184
  • Argos188
  • Olympia189
  • Athen191
  • Cypern191
  • Gnidus192
  • Cythere192
  • Lemnos193
  • Epheſus193
  • Thracien194
  • Arkadien196
  • Phrygien197
  • Das goͤtteraͤhnliche Menſchengeſchlecht200
  • Perſeus205
  • Bellerophon212
  • Herkules216
  • IX
  • Seite.
  • Die zwoͤlf Arbeiten des Herkules225
  • Der Nemaͤiſche Loͤwe225
  • Die Lernaͤiſche Schlange226
  • Der Erymanthiſche Eber227
  • Der Hirſch der Diana228
  • Die Stymphaliden229
  • Das Wehrgehenk der Koͤnigin der Amazonen230
  • Der Stall des Augias231
  • Der Kretenſiſche Stier232
  • Die Roſſe des Diomedes233
  • Der dreikoͤpfigte Geryon234
  • Die goldenen Aepfel der Hesperiden235
  • Der Hoͤllenhund Cerberus236
  • Die Thaten des Herkules, welche er nicht auf fremden Befehl vollfuͤhrt hat238
  • Die Befreiung der Heſione239
  • Die Ueberwindung des Antaͤus, Buſiris und Kakus240
  • Die Befreiung der Alceſte aus der Unterwelt242
  • Die Befreiung des Prometheus von ſeinen Qualen244
  • Die Aufrichtung der Saͤulen an der Meer - enge zwiſchen Europa und Afrika244
  • Die Vermaͤhlungen des Herkules und ſeine Vergehungen und Schwaͤchen246
  • Des Herkules letzte Duldung und ſeine Vergoͤtterung251
  • X
  • Seite.
  • Kaſtor und Pollux253
  • Jaſon257
  • Die Fahrt der Argonauten262
  • Meleager276
  • Die Kalydoniſche Jagd276
  • Atalante278
  • Minos279
  • Daͤdalus283
  • Theſeus287
  • Die Weſen, welche das Band zwiſchen Goͤttern und Menſchen knuͤpfen301
  • Genien301
  • Muſen302
  • Liebesgoͤtter309
  • Grazien311
  • Horen313
  • Nymphen314
  • Satyrn315
  • Faunen317
  • Pan319
  • Sylvan321
  • Penaten323
  • Priapus323
  • XI
  • Seite.
  • Komus324
  • Hymen325
  • Orpheus325
  • Chiron325
  • Aeſkulap326
  • Hygea328
  • Die Lieblinge der Goͤtter330
  • Ganymed330
  • Atys333
  • Tithonus334
  • Anchiſes335
  • Adonis336
  • Hyacinthus338
  • Cypariſſus338
  • Leukothoe339
  • Endymion340
  • Acis341
  • Peleus342
  • Die tragiſchen Dichtungen344
  • Theben346
  • Kadmus346
  • Oedipus351
  • Eteokles und Polynices355
  • Der Thebaniſche Krieg356
  • XII
  • Seite.
  • Die Pelopiden362
  • Troja370
  • Niobe382
  • Cephalus und Prokris383
  • Phaeton384
  • Die Schattenwelt386
  • Pluto387
  • Furien392
  • Die Strafen der Verurtheilten im Tartarus392
  • Tantalus393
  • Ixion394
  • Phlegyas395
  • Die Danaiden396
  • Siſyphus396
  • Amor und Pſyche397
[1]

Geſichtspunkt fuͤr die mythologiſchen Dichtungen.

Die mythologiſchen Dichtungen muͤſſen als eine Sprache der Phantaſie betrachtet werden: Als eine ſolche genommen, machen ſie gleich - ſam eine Welt fuͤr ſich aus, und ſind aus dem Zuſammenhange der wirklichen Dinge heraus - gehoben.

Die Phantaſie herrſcht in ihrem eigenen Gebiete nach Wohlgefallen, und ſtoͤßt nirgends an. Ihr Weſen iſt zu formen und zu bilden; wozu ſie ſich einen weiten Spielraum ſchaft, indem ſie ſorgfaͤltig alle abſtrakten und meta - phyſiſchen Begriffe meidet, welche ihre Bildun - gen ſtoͤren koͤnnten.

A2

Sie ſcheuet den Begriff einer metaphyſi - ſchen Unendlichkeit und Unumſchraͤnktheit am allermeiſten, weil ihre zarten Schoͤpfungen, wie in einer oͤden Wuͤſte, ſich ploͤtzlich darin verlieren wuͤrden.

Sie flieht den Begriff eines anfangsloſen Daſeyns; alles iſt bei ihr Entſtehung, Zeugen und Gebaͤhren, bis in die aͤlteſte Goͤtterge - ſchichte.

Keines der hoͤhern Weſen, welche die Phantaſie ſich darſtellt, iſt von Ewigkeit; kei - nes von ganz unumſchraͤnkter Macht. Auch meidet die Phantaſie den Begriff der Allgegen - wart, der das Leben und die Bewegung in ih - rer Goͤtterwelt hemmen wuͤrde.

Sie ſucht vielmehr ſo viel wie moͤglich, ihre Bildungen an Zeit und Ort zu knuͤpfen; ſie ruht und ſchwebt gern uͤber der Wirklich - keit; weil aber die zu große Naͤhe und Deut - lichkeit des Wirklichen ihrem daͤmmernden Lichte ſchaden wuͤrde, ſo ſchmiegt ſie ſich am liebſten an die dunkle Geſchichte der Vorwelt an, wo Zeit und Ort oft ſelber noch ſchwan - kend und unbeſtimmt ſind, und ſie deſto freiern3 Spielraum hat: Jupiter, der Vater der Goͤt - ter und Menſchen wird auf der Inſel Kreta mit der Milch einer Ziege geſaͤugt, und von den Nymphen des Waldes erzogen.

Dadurch nun, daß in den mythologiſchen Dichtungen zugleich eine geheime Spur zu der aͤlteſten verlohren gegangenen Geſchichte ver - borgen liegt, werden ſie ehrwuͤrdiger, weil ſie kein leeres Traumbild oder bloßes Spiel des Witzes ſind, das in die Luft zerflattert, ſon - dern durch ihre innige Verwebung mit den aͤlteſten Begebenheiten, ein Gewicht erhalten, wodurch ihre Aufloͤſung in bloße Allegorie ver - hindert wird.

Die Goͤttergeſchichte der Alten durch aller - lei Ausdeutungen zu bloßen Allegorien umbil - den zu wollen, iſt ein eben ſo thoͤrichtes Unter - nehmen, als wenn man dieſe Dichtungen durch allerlei gezwungene Erklaͤrungen in lauter wahre Geſchichte zu verwandeln ſucht.

Die Hand, welche den Schleier, der dieſe Dichtungen bedeckt, ganz hinwegziehen will, verletzt zugleich das zarte Gewebe der Phanta - ſie, und ſtoͤßt alsdann ſtatt der gehoften Ent -A 24deckungen auf lauter Widerſpruͤche und Unge - reimtheiten.

Um an dieſen ſchoͤnen Dichtungen nichts zu verderben, iſt es noͤthig, ſie zuerſt, ohne Ruͤckſicht auf etwas, das ſie bedeuten ſollen, grade ſo zu nehmen wie ſie ſind, und ſoviel wie moͤglich mit einem Ueberblick das Ganze zu betrachten, um auch den entfernteren Bezie - hungen und Verhaͤltniſſen zwiſchen den einzeln Bruchſtuͤcken, die uns noch uͤbrig ſind, allmaͤ - lich auf die Spur zu kommen.

Denn wenn man z. B. auch ſagt: Jupiter bedeutet die obere Luft; ſo druͤckt man doch dadurch nichts weniger, als den Begriff Jupiter aus, wozu alles das mitgerechnet werden muß, was die Phantaſie einmal hin - eingelegt, und wodurch dieſer Begriff an und fuͤr ſich ſelbſt eine Art von Vollſtaͤndigkeit er - halten hat, ohne erſt außer ſich ſelbſt noch etwas andeuten zu duͤrfen.

Der Begriff Jupiter bedeutet in dem Gebiete der Phantaſie zuerſt ſich ſelbſt, ſo wie der Begriff Caͤſar in der Reihe der wirklichen Dinge den Caͤſar ſelbſt bedeutet. Denn wer5 wuͤrde wohl z. B. bei dem Anblick der Bildſaͤule des Jupiter von Phidias Meiſterhand, zuerſt an die oͤbere Luft gedacht haben, die durch den Jupiter bezeichnet werden ſoll, als wer alles Gefuͤhl fuͤr Erhabenheit und Schoͤnheit ver - laͤugnet haͤtte, und im Stande geweſen waͤre, das hoͤchſte Werk der Kunſt, wie eine Hierogly - phe oder einen todten Buchſtaben zu betrach - ten, der ſeinen ganzen Werth nur dadurch hat, weil er etwas außer ſich bedeutet.

Ein wahres Kunſtwerk, eine ſchoͤne Dich - tung iſt etwas in ſich Fertiges und Vollende - tes, das um ſein ſelbſt willen da iſt, und deſ - ſen Werth in ihm ſelber, und in dem wohlge - ordneten Verhaͤltniß ſeiner Theile liegt; da hingegen die bloßen Hiroglyphen oder Buchſta - ben an ſich ſo ungeſtaltet ſeyn koͤnnen, wie ſie wollen, wenn ſie nur das bezeichnen, was man ſich dabei denken ſoll.

Der muͤßte wenig von den hohen Dichter - ſchoͤnheiten des Homer geruͤhrt ſeyn, der nach Durchleſung deſſelben noch fragen koͤnnte: was bedeutet die Iliade? was bedeutet die Odyſſee?

6

Alles, was eine ſchoͤne Dichtung bedeutet, liegt ja in ihr ſelber; ſie ſpiegelt in ihrem groſ - ſen oder kleinen Umfange, die Verhaͤltniſſe der Dinge, das Leben und die Schickſale der Men - ſchen ab; ſie lehrt auch Lebensweisheit, nach Horazens Ausſpruch, beſſer als Krantor und Chryſipp.

Aber alles dieſes iſt den dichteriſchen Schoͤnheiten untergeordnet, und nicht der Hauptendzweck der Poeſie; denn eben darum lehrt ſie beſſer, weil Lehren nicht ihr Zweck iſt; weil die Lehre ſelbſt ſich dem Schoͤnen unter - ordnet, und dadurch Anmuth und Reitz ge - winnt.

In den mythologiſchen Dichtungen iſt nun die Lehre freilich ſo ſehr untergeordnet, daß ſie ja nicht darin geſucht werden muß, wenn das ganze Gewebe dieſer Dichtungen uns nicht als frevelhaft erſcheinen ſoll.

Denn der Menſch iſt in dieſen poetiſchen Darſtellungen der hoͤhern Weſen ſo etwas Un - tergeordnetes, daß auf ihn uͤberhaupt, und alſo auch auf ſeine moraliſchen Beduͤrfniſſe we - nig Ruͤckſicht genommen wird.

7

Er iſt oft ein Spiel der hoͤhern Maͤchte, die uͤber alle Rechenſchaft erhaben, ihn nach Gefallen erhoͤhen und ſtuͤrzen, und nicht ſowohl die Beleidigungen ſtrafen, welche die Men - ſchen ſich untereinander zufuͤgen, als vielmehr jeden Anſchein von Eingriff in die Vorrechte der Goͤtter auf das ſchrecklichſte ahnden.

Dieſe hoͤhern Maͤchte ſind nichts weniger, als moraliſche Weſen. Die Macht iſt immer bei ihnen der Hauptbegriff, dem alles uͤbrige untergeordnet iſt. Die immerwaͤhrende Ju - gendkraft, welche ſie beſitzen, aͤußert ſich bei ihnen in ihrer ganzen uͤppigen Fuͤlle.

Denn da ein jedes dieſer von der Phanta - ſie gebornen Weſen, in gewiſſer Ruͤckſicht, die ganze Natur mit allen ihren uͤppigen Auswuͤch - ſen, und ihrem ganzen ſchwellenden Ueberfluß in ſich darſtellt, ſo iſt es, als eine ſolche Dar - ſtellung, uͤber alle Begriffe der Moralitaͤt er - haben. Weil man weder von der ganzen Na - tur ſagen kann, daß ſie ausſchweife; noch dem Loͤwen ſeinen Grimm, dem Adler ſeine Raub - ſucht; oder der giftigen Schlange ihre Schaͤd - lichkeit, zum Frevel anrechnen darf.

8

Weil aber die Phantaſie die allgemeinen Begriffe fliehet, und ihre Bildungen, ſo viel wie moͤglich, individuell zu machen ſucht, ſo uͤbertraͤgt ſie den Begriff der hoͤhern obwalten - den Macht auf Weſen, die ſie als wirklich dar - ſtellt, denen ſie Geſchlechtsregiſter, Geburt und Nahmen, und menſchliche Geſtalt bei - legt.

Sie laͤßt ſo viel wie moͤglich die Weſen, die ſie ſchaft, in das Reich der Wirklichkeit ſpielen. Die Goͤtter vermaͤhlen ſich mit den Toͤchtern der Menſchen, und erzeugen mit ih - nen die Helden, welche durch kuͤhne Thaten zur Unſterblichkeit reifen.

Hier iſt es nun, wo das Gebiet der Phan - taſie und der Wirklichkeit am naͤchſten aneinan - der grenzt, und wo es darauf ankommt, das, was Sprache der Phantaſie oder mythologi - ſche Dichtung iſt, auch bloß als ſolche zu be - trachten, und vor allen voreiligen hiſtoriſchen Ausdeutungen ſich zu huͤten.

Denn dieſe Miſchung des Wahren, mit der Dichtung in der aͤlteſten Geſchichte, macht an unſerm Geſichtskreiſe, ſo weit wir in die9 Ferne zuruͤckblicken, gleichſam den daͤmmern - den Horizont aus. Soll uns hier eine neue Morgenroͤthe aufgehen, ſo iſt es noͤthig, die mythologiſchen Dichtungen, als alte Voͤlker - ſagen, ſo viel wie moͤglich von einander zu ſchei - den, um den Faden ihrer allmaͤhligen Verwe - bungen und Uebertragungen wieder aufzufinden. In dieſer Ruͤckſicht die aͤlteſten Voͤlkerſagen, welche auf uns gekommen ſind, nebeneinander zu ſtellen, iſt das Geſchaͤft einer allgemeinen Mythologie, wozu die gegenwaͤrtige, welche auf die Goͤtterlehre der Griechen und Roͤmer be - ſchraͤnkt iſt, nur von fern die Hand bieten kann.

In das Gebiet der Phantaſie, welches wir nun betreten wollen, ſoll uns ein Dich - ter fuͤhren, der ihr Lob am wahrſten geſun - gen hat.

Meine Goͤttin.
Welcher Unſterblichen
Soll der hoͤchſte Preis ſeyn?
Mit niemand ſtreit ich,
Aber ich geb ihn
Der ewig beweglichen,
10
Immer neuen,
Seltſamſten Tochter Jovis,
Seinem Schooßkinde,
Der Phantaſie.
Denn ihr hat er
Alle Launen,
Die er ſonſt nur allein
Sich vorbehaͤlt,
Zugeſtanden,
Und hat ſeine Freude
An der Thoͤrin.
Sie mag roſenbekraͤnzt
Mit dem Lilienſtaͤngel
Blumenthaͤler betreten,
Sommervoͤgeln gebieten,
Und leichtnaͤhrenden Thau
Mit Bienenlippen
Von Bluͤthen ſaugen:
Oder ſie mag
Mit fliegendem Haar
Und duͤſterm Blicke
Im Winde ſauſen
Um Felſenwaͤnde,
Und tauſendfarbig,
Wie Morgen und Abend,
11
Immer wechſelnd,
Wie Mondesblicke,
Den Sterblichen ſcheinen.
Laßt uns alle
Den Vater preiſen!
Den alten, hohen,
Der ſolch eine ſchoͤne,
Unverwelkliche Gattin
Den ſterblichen Menſchen
Geſellen moͤgen!
Denn uns allein
Hat er ſie verbunden
Mit Himmelsband,
Und ihr geboten,
In Freud und Elend,
Als treue Gattin,
Nicht zu entweichen.
Alle die andern
Armen Geſchlechter
Der kinderreichen,
Lebendigen Erde
Wandeln und weiden
Im dunkeln Genuß
Und truͤben Schmerzen
Des augenblicklichen,
12
Beſchraͤnkten Lebens,
Gebeugt vom Joche
Der Nothdurft.
Uns aber hat er
Seine gewandteſte,
Verzaͤrtelte Tochter,
Freut euch! gegoͤnnt!
Begegnet ihr lieblich,
Wie einer Geliebten,
Laßt ihr die Wuͤrde
Der Frauen im Haus.
Und daß die alte
Schwiegermutter Weisheit
Das zarte Seelchen
Ja nicht beleid’ge!
Doch kenn ich ihre Schweſter,
Die aͤltere, geſetztere,
Meine ſtille Freundin:
O daß die erſt
Mit dem Lichte des Lebens
Sich von mir wende,
Die edle Treiberin,
Troͤſterin, Hofnung!

Goͤthe.

13

Die Erzeugung der Goͤtter.

Da wo das Auge der Phantaſie nicht weiter traͤgt iſt Chaos, Nacht, und Finſterniß; und doch trug die ſchoͤne Einbildungskraft der Griechen auch in dieſe Nacht einen ſanften Schimmer, der ſelbſt ihre Furchtbarkeit reitzend macht. Zuerſt iſt das Chaos, dann die weite Erde, der finſtere Tartarus und Amor, der ſchoͤnſte unter den unſterblichen Goͤttern.

Gleich im Anfange dieſer Dichtungen vereini - gen ſich die entgegengeſetzten Enden der Dinge; an das Furchtbarſte und Schrecklichſte grenzt das Liebenswuͤrdigſte. Das Gebildete und Schoͤne entwickelt ſich aus dem Unfoͤrmlichen und Unge - bildeten. Das Licht ſteigt aus der Finſterniß empor. Die Nacht vermaͤhlt ſich mit dem Ere - bus, dem alten Sitze der Finſterniß und gebiert den Aether und den Tag. Die Nacht iſt reich an mannigfaltigen Geburten, denn ſie huͤllt alle die Geſtalten in ſich ein, welche das Licht des Tages vor unſerm Blick entfaltet.

14

Das Finſtere, Irrdiſche und Tiefe iſt die Mutter des Himmliſchen, Hohen, und Leuchten - den. Die Erde erzeugt aus ſich ſelbſt den Uranos oder den Himmel, der ſie umwoͤlbet. Es iſt die dunkele und feſte Koͤrpermaſſe, welche von Licht und Klarheit umgeben den Saamen der Dinge in ſich einſchließt, und aus deren Schoße alle Erzeugungen ſich entwickeln.

Nachdem die Erde auch aus ſich ſelber die Berge und den Pontus oder das Meer erzeugt hat, vermaͤhlt ſie ſich mit dem umwoͤlbenden Ura - nos, und gebiert ihm ſtarke Soͤhne und Toͤchter, die ſelbſt ihrem Erzeuger furchtbar werden.

Hundertaͤrmige Rieſen, den Kottus, Gyges, und Briareus; ungeheure Cyklopen, den Bron - tes, Steropes, und Arges; herrſchſuͤchtige und mit weit um ſich greifender Macht geruͤſtete Tita - nen, den Coͤus, Krius, Hyperion, und Japet; den Oceanus; die maͤchtigen Titaniden, die Thia, die Rhea, die Themis, die Mnemoſyne, die Phoͤbe, die Thethys, und den Saturnus oder Kronos, den juͤngſten unter den Titanen.

Dieſe Kinder der Erde und des Himmels aber erblicken das Licht des Tages nicht; ſondern wer - den von ihrem Erzeuger, der ihre angebohrne Macht ſcheuet, ſobald ſie gebohren ſind, wieder in den Tartarus eingekerkert. Das Chaos be - hauptet noch ſeine Rechte. Die Bildungen ſchwan -15 ken noch zwiſchen Unterdruͤckung und Empoͤrung. Die Erde ſeufzt in ihren innerſten Tiefen uͤber das Schickſal ihrer Kinder, und denkt auf Rache; ſie ſchmiedet die erſte Sichel, und giebt ſie als ein raͤchendes Werkzeug dem Saturnus, ihrem juͤng - ſten Sohne.

Die wilden Erzeugungen muͤſſen aufhoͤren; Uranos, der ſeine eigenen Kinder in naͤchtlichem Dunkel gefangen haͤlt, muß ſeiner Herrſchaft ent - ſetzt werden. Sein juͤngſter Sohn Saturnus uͤberliſtet ihn, da er ſich mit der Erde begattet, und entmannet ſeinen Erzeuger mit der Sichel, die ihm ſeine Mutter gab. Aus den Blutstropfen, welche die Erde auffaͤngt, entſtehen in der Folge der Zeit die raͤcheriſchen Furien, die furchtbaren, den Goͤttern drohenden Giganten, und die Nym - phen Meliaͤ, welche die Berge bewohnen. Die dem Uranos entnommene Zeugungskraft be - fruchtet das Meer, aus deſſen Schaum Aphro - dite, die Goͤttin der Liebe empor ſteigt. Aus Streit und Empoͤrung der urſpruͤnglichen Weſen gegeneinander entwickelt und bildet ſich das Schoͤne.

Nun vermaͤhlen ſich die Kinder des Himmels und der Erde, und pflanzen das Geſchlecht der Ti - tanen fort. Coͤus mit der Phoͤbe, einer Toch - ter des Himmels, zeugt die Latona, welche nach - her die Vermaͤhlte des Jupiter, und die Aſteria,16 welche die Mutter der Hecate ward. Hyperion mit der Thia, einer Tochter des Himmels, zeugt die Aurora, den Helios oder Sonnengott, und die Luna. Oceanus mit der Tethys, einer Tochter des Himmels, erzeugt die Fluͤſſe und Quellen. Japet vermaͤhlt ſich mit der Klymene, einer Toch - ter des Oceanus, und erzeugt mit ihr die Titanen, Atlas, Menoͤtios, den Prometheus, der die Menſchen bildete, und den Epimetheus. Krius mit der Eurybia, einer Tochter des Pontus, er - zeugt die Titanen, Aſtraͤus, Pallas und Perſes.

Saturnus vermaͤhlt ſich mit ſeiner Schweſter der Rhea, und mit ihm hebt eine Reihe von neuen Goͤttererzeugungen an, wodurch die Alten in der Zukunft verdraͤngt werden ſollen. Die bleibenden Geſtalten gewinnen endlich die Ober - hand; aber ſie muͤſſen vorher noch lange mit der alles zerſtoͤrenden Zeit, und dem alles verſchlingen - den Chaos kaͤmpfen. Saturnus iſt zugleich ein Bild dieſer zerſtoͤrenden Zeit. Er, der ſeinen Erzeuger entmannt hat, verſchlingt ſeine eigenen Kinder, ſo wie ſie gebohren werden: denn ihm iſt von ſei - ner Mutter, der Erde, geweißagt worden, daß einer ſeiner Soͤhne ihn ſeiner Herrſchaft berauben werde. So raͤchte ſich der an ſeinem Erzeuger veruͤbte Frevel; Saturnus fuͤrchtet gleich dieſem, die ſich empoͤrende Macht, und waͤhrend er uͤber feine Bruͤder, die Titanen herrſchte, hielt er den -17 noch, gleich dem Uranos, die hundertaͤrmigen Rie - ſen und Cyklopen, in dem Tartarus eingekerkert.

Von ſeinen Kindern fuͤrchtet er Verderben; denn noch lehnet das Neuentſtandene ſich gegen ſeinen Urſprung auf, der es wieder zu vernichten droht. So wie die Erde ſeufzte, daß der umwoͤl - bende Himmel ihre Kinder in ihrem Schooße ge - fangen hielt, ſo ſeufzt nun Rhea uͤber die Grau - ſamkeit der alles zerſtoͤrenden, ihre eigenen Bil - dungen verſchlingenden Macht, mit welcher ſie vermaͤhlt iſt. Und da ſie den Jupiter, den kuͤnf - tigen Beherrſcher der Goͤtter und Menſchen ge - baͤhren ſoll, ſo fleht ſie die Erde und den geſtirn - ten Himmel um die Erhaltung ihres noch unge - bohrnen Kindes an.

Die uralten Gottheiten ſind ihrer Herrſchaft entſetzt, und haben nur noch Einfluß durch Weiſ - ſagung und Rath; ſie rathen ihrer Tochter, wie ſie den Jupiter, ſobald ſie ihn gebohren, in eine fruchtbare Gegend, in Kreta, verbergen ſoll. Die wilde umherſchweifende Phantaſie heftet ſich nun auf einen Fleck der Erde, und findet auf dem Eilande, wo dies Goͤtterkind erzogen werden ſoll, den erſten Ruheplatz.

Auf den Rath ihrer Mutter Erde wickelt die Rhea einen Stein in Windeln, und giebt ihn dem Saturnus, ſtatt des neugebohrnen Goͤtter - kindes, zu verſchlingen. Durch dieſen bedeutungs -B18vollen Stein, deſſen bei den Alten ſo oft Erwaͤh - nung geſchieht, ſind der Zerſtoͤrung ihre Grenzen geſetzt; die zerſtoͤrende Macht hat zum erſtenmale das Lebloſe ſtatt des Lebenden mit ihrer vernichten - den Gewalt ergriffen, und das Lebende und Ge - bildete hat Zeit gewonnen gleichſam verſtohlner Weiſe ſich an das Licht emporzudraͤngen.

Allein es iſt noch vor den Verfolgungen ſeines allverſchlingenden Urſprungs nicht geſichert. Dar - um muͤſſen die Erzieher des Goͤtterkindes auf der Inſel Kreta, die Kureten oder Korybanten, deren Weſen und Urſprung in geheimnißvolles Dunkel gehuͤllt iſt, mit ihren Spießen und Schil - den ein immerwaͤhrendes Getoͤſe machen, damit Saturnus die Stimme des weinenden Kindes nicht vernehme. Denn die zerſtoͤrenden Kraͤfte lauern, das zarte Gebildete, in ſeinem erſten Aufkeimen, wo moͤglich, wieder zu zernichten.

Die Erziehung des Jupiter auf der Inſel Kreta macht eines der reizendſten Bilder[d]er Phan - taſie; ihn ſaͤugt die Ziege Amalthea, welche in der Folge unter die Sterne verſetzt, und ihr Horn zum Horn des Ueberfluſſes erhoͤhet wird. Die Tauben bringen ihm Nahrung, goldgefaͤrbte Bie - nen fuͤhren ihm Honig zu, und Nymphen des Waldes ſind ſeine Pflegerinnen.

Schnell entwickeln ſich nun die Kraͤfte dieſes kuͤnftigen Beherrſchers der Goͤtter und Menſchen. 19Das Ende von dem alten Reiche des Saturnus naͤhert ſich. Denn fuͤnf ſeiner Kinder ſind noch, außer dem Jupiter, von ſeiner zerſtoͤrenden Macht gerettet. Die den Erdkreis mit heiliger Glut be - lebende Veſta, die befruchtende Ceres, Juno, Neptun, und Pluto.

Mit dieſen kuͤndigt Jupiter dem Saturnus, und den Titanen, welche dem Saturnus bei - ſtehen, den Krieg an, nachdem er vorher die Cyklopen aus ihrem Kerker befreiet, und dieſe ihn dafuͤr mit dem Donner und dem leuchtenden Blitze begabt hatten. Und nun ſcheiden ſich die neuern Goͤtter, die vom Saturnus und der Rhea abſtammen, von den alten Gottheiten oder den Titanen, welche Kinder des Himmels und der Erde ſind.

B 220

Der Goͤtterkrieg.

Die Titanen ſind das Empoͤrende, welches ſich gegen jede Oberherrſchaft auflehnt; es ſind die unmittelbaren Kinder des Himmels und der Erde, deren weit um ſich greifende Macht keine Grenzen kennet, und keine Einſchraͤnkung duldet.

Jupiter aber hatte ſich den Weg zu der Al - leinherrſchaft ſchon gebahnet, indem er die hun - dertaͤrmigen Rieſen, Kottus, Gyges, und Briareus, und die Cyklopen, die unter dem Uranos und Saturnus gefangen gehalten wur - den, aus ihrem Kerker befreiet, und dadurch den Donner und Blitz in ſeine Gewalt bekommen hatte.

Die neuern Goͤtter, mit dem Jupiter an ihrer Spitze, verſammleten ſich auf dem Olymp; die Titanen ihnen gegenuͤber auf dem Othrys, und der Goͤtterkrieg hub an. Zehn Jahre dauerte ſchon der Kampf der neuern Goͤtter mit den Tita - nen, als der Sieg noch unentſchieden war, bis Jupiter ſich den Beiſtand der hundertaͤrmigen Rieſen erbat, die ihm die Befreiung aus ihrem Kerker dankten.

Als dieſe nun an dem Treffen Theil nahmen, ſo faßten ſie ungeheure Felſen in ihre hundert21 Haͤnde, um ſie auf die Titanen zu ſchleudern, welche in geſchloſſenen Phalangen in Schlachtord - nung ſtanden. Als nun die Goͤtter auf einander den erſten Angriff thaten, ſo wallte das Meer hoch auf, die Erde ſeufzte, der Himmel aͤchzte, und der hohe Olymp wurde vom Gipfel bis zur Wurzel erſchuͤttert.

Die Blitze flogen ſchaarenweiſe aus Jupi - ters ſtarker Hand, der Donner rollte, der Wald entzuͤndete ſich, das Meer ſiedete, und heißer Dampf und Nebel huͤllte[die] Titanen ein.

Kottus, Gyges, und Briareus ſtanden voran im Goͤttertreffen, und mit jedem Wurf ſchleuderten ſie dreihundert Felſenſtuͤcke auf die Haͤupter der Titanen herab. Da lenkte ſich der Sieg auf die Seite des Donnerers. Die Tita - nen ſtuͤrzten nieder, und wurden ſo weit in den Tartarus hinabgeſchleudert, als hoch der Himmel uͤber der Erde iſt.

Nun theilten die drei ſiegreichen Soͤhne des Saturnus das alte Reich der Titanen unter ſich; Jupiter beherrſchte den Himmel, Neptun das Meer, und Pluto die Unterwelt. Die hundert - aͤrmigen Rieſen aber bewachten den Eingang zu dem furchtbaren Kerker, der die Titanen ge - fangen hielt.

Jupiters Blitz beherrſchte nun zwar die Goͤt - ter, allein ſein Reich ſtand noch nicht feſt. Die22 Erde ſeufzte aufs neue uͤber die Schmach ihrer Kinder, die im dunkeln Kerker ſaßen. Mit den Blutstropfen befruchtet, die ſie bei der Entman - nung des Uranos in ihrem Schooße aufnahm, gebahr ſie in den phlegraͤiſchen Gefilden die him - melanſtuͤrmenden Giganten mit drohender Stirn und Drachenfuͤßen, bereit die Schmach der Tita - nen zu raͤchen.

Zu Boden geworfen, waren ſie nicht be - ſiegt, denn mit jeder Beruͤhrung ihrer Mutter Erde gewannen ſie neue Kraͤfte. Por - phyrion und Alcyoneus, Oromedon und Enceladus, Rhoͤtus und der tapfre Mi - mas huben am ſtolzeſten ihre Haͤupter empor; ſie ſchleuderten Eichen und Felſenſtuͤcke mit ju - gendlicher Kraft gen Himmel, und achteten Jupiters Blitze nicht.

In dem hier beigefuͤgten, nach einem der ſchoͤnſten Werke des Alterthums verfertigten Umriß, heben die maͤchtigen Soͤhne der Erde, unter Jupiters Donnerwagen zu Boden geſtreckt, dennoch gegen ihn ihr drohendes Haupt empor. Macht iſt gegen Macht empoͤrt einer der er - habenſten Gegenſtaͤnde, den je die bildende Kunſt benutzte.

Daraus, daß in den mythologiſchen Dichtun - gen die Giganten den Goͤttern entgegengeſetzt23 werden, ſieht man auch, daß die Alten den Goͤt - tern keine ungeheure Groͤße beilegten. Das Gebildete hatte bei ihnen immer den Vorzug vor der Maſſe; und die ungeheuren Weſen, welche die Phantaſie ſich ſchuf, entſtanden nur um von der in die hohe Menſchenbildung eingehuͤllten Goͤt - terkraft beſiegt zu werden, und unter ihrer eigenen Unfoͤrmlichkeit zu erliegen.

Gerade die Vermeidung des Ungeheuren, das edle Maaß, wodurch allen Bildungen ihre Grenzen vorgeſchrieben wurden, iſt ein Haupt - zug in der ſchoͤnen Kunſt der Alten; und nicht umſonſt drehet ſich ihre Phantaſie in den aͤlte - ſten Dichtungen immer um die Vorſtellung, daß das Unfoͤrmliche, Ungebildete, Unbegrenzte, erſt vertilgt und beſiegt werden muß, ehe der Lauf der Dinge in ſein Gleis koͤmmt.

Die ganze Dichtung des Goͤtterkrieges ſcheint ſich mit auf dieſe Vorſtellung zu gruͤnden. Ura - nos oder die weitausgebreitete Himmelswoͤl - bung ließ ſich noch unter keinem Bilde faſſen; was die Phantaſie ſich dachte, war noch zu weit ausgebreitet, unfoͤrmlich und geſtaltlos; dem Uranos wurden ſeine eigenen Erzeugun - gen furchtbar, ſeine Kinder, die Titanen, em - poͤrten ſich gegen ihn, und ſein Reich entſchwand in Nacht und Dunkel.

24

Der Name der Titanen zeigt ſchon das weit um ſich Greifende, Grenzenloſe, in ihrem Weſen an, wodurch die Bildungen, welche ſich die Phantaſie von ihnen macht, ſchwankend und unbeſtimmt werden. Die Phantaſie flieht vor dem Grenzenloſen und Unbeſchraͤnkten; die neuen Goͤtter ſiegen, das Reich der Titanen hoͤrt auf, und ihre Geſtalten treten gleichſam in Nebel zuruͤck, wodurch ſie nur noch ſchwach hervorſchimmern.

An der Stelle des Titanen Helios oder des Sonnengottes ſteht der ewig junge Apoll mit Pfeil und Bogen. Unbeſtimmt und ſchwankend ſchimmert das Bild vom Helios durch, und die Phantaſie verwechſelt in den Werken der Dicht - kunſt oft beide mit einander. So ſteht an der Stelle des alten Oceanus, Neptun mit ſeinem Dreizack, und beherrſcht die Fluthen des Meers.

Demohngeachtet aber bleiben die alten Gott - heiten noch immer ehrwuͤrdig, denn ſie waren den neuern Goͤttern nicht etwa wie das Ver - derbliche und Haſſenswuͤrdige dem Wohlthaͤtigen und Guten entgegengeſetzt; ſondern Macht em - poͤrte ſich gegen Macht; Macht ſiegte uͤber Macht, und das Beſiegte ſelbſt blieb in ſeinem Sturz noch groß.

So wie man ſich nehmlich unter dem Reiche der Titanen und unter der Herrſchaft des Sa -25 turnus, der ſeine eigenen Kinder verſchlang, noch das Grenzenloſe, Chaotiſche, Ungebildete dachte, worauf die Einbildungskraft nicht haften kann; ſo verknuͤpfte man doch wieder mit dieſer Vorſtel - lung von dem Ungebildeten, Umherſchweifenden, und Grenzenloſen, das keinem Zwange unterwor - fen iſt, den Begriff von Freiheit und Gleichheit, der unter der Alleinherrſchaft des Einzigen, der mit dem Donner bewafnet war, nicht mehr ſtatt finden konnte.

Man verſetzte daher das goldene Zeitalter un - ter die Regierung des Saturnus; welcher, nach - dem er in dem Goͤtterkriege ſeiner zerſtoͤrenden Macht beraubt war, nach einer alten Sage, dem Schickſal der uͤbrigen Titanen, die in den Tarta - rus geſchleudert wurden, entfloh, und ſich in den mit Bergen umſchloſſenen Ebenen von Latium verbarg, wohin er das goldene Zeitalter brachte, indem er in einem Schiffe auf dem Tiberſtrome, beim Janus anlangte, und mit ihm vereint, die Menſchen mit Weisheit und Guͤte beherrſchte.

Dieſe Dichtung iſt vorzuͤglich ſchoͤn, wegen des Ueberganges vom Kriegeriſchen und Zerſtoͤren - den, zum Friedlichen und Sanften. Waͤhrend daß Jupiter noch immer in Gefahr der Herr - ſchaft entſetzt zu werden, ſeine Blitze gegen die Giganten ſchleudert, iſt Saturnus fern von dem verderblichen Goͤtterkriege in Latium ange -26 langt, wo unter ihm ſich die gluͤcklichen Zeiten bil - den, die nachher in den Liedern der Menſchen als ein entflohenes Gut beſungen, und vergeblich zu - ruͤck gewuͤnſcht wurden.

So iſt er auf einer alten Gemme, wovon hier der Umriß beigefuͤgt iſt, mit der Senſe in der Hand, auf einem Schiffe, wovon nur der Schna - bel oder das Vordertheil ſichtbar iſt, abgebildet, neben dem Schiffe ſieht man einen Theil einer Mauer und eines Gebaͤudes hervorragen, wahr - ſcheinlich weil an den Ufern der Tiber vom Sa - turnus, die alte Stadt Saturnia auf den nach - maligen Huͤgeln Roms erbauet wurde.

Auf die Weiſe iſt nun Saturnus bald ein Bild der alleszerſtoͤrenden Zeit, bald ein Koͤnig, der zu einer gewiſſen Zeit in Latium herrſchte. Die Erzaͤhlungen von ihm ſind weder bloße Alle - gorien, noch bloße Geſchichte, ſondern beides zu - ſammengenommen, und nach den Geſetzen der Einbildungskraft verwebt. Dieß iſt auch der Fall bei den Erzaͤhlungen von den uͤbrigen Gott - heiten, die wir durchgaͤngig als ſchoͤne Dichtun - gen nehmen, und durch zu beſtimmte Ausdeu - tungen nicht verderben muͤſſen. Denn da die ganze Religion der Alten eine Religion der Phan - taſie und nicht des Verſtandes war, ſo iſt auch ihre Goͤtterlehre ein ſchoͤner Traum, der zwar27 viel Bedeutung und Zuſammenhang in ſich hat, auch zuweilen erhabene Ausſichten giebt, von dem man aber die Genauigkeit und Beſtimmtheit der Ideen im wachenden Zuſtande nicht fordern muß.

Ob nun Jupiter gleich die Titanen in den Tartarus verbannt, und uͤber die Giganten zuletzt die Inſeln des Meeres mit rauchenden Vulkanen gewaͤlzt hatte, ſo war dennoch ſein Reich noch nicht befeſtigt; denn die Erde zuͤrnte aufs neue uͤber die Gefangenſchaft ihrer Kinder, und gebahr, nach - dem ſie ſich mit dem Tartarus begattet hatte, den Tiphoͤus, ihren juͤngſten Sohn.

Das furchtbarſte Ungeheuer, das je aus der dunkeln Nacht emporſtieg; deſſen hundert Dra - chenhaͤupter mit ſchwarzen Zungen leckten, und mit feurigen Augen blitzten; das bald verſtaͤndli - che Laute von ſich gab, und bald mit hundert verſchiedenen Stimmen der Thiere des Waldes heulte und bruͤllte, daß die Berge davon wieder - hallten.

Nun waͤre es um die Herrſchaft der neuen Goͤtter gethan geweſen, wenn Jupiter nicht ſchleunig ſeinen Blitz ergriffen, und ihn unauf - hoͤrlich auf das Ungeheuer geſchleudert haͤtte, ſo lange bis Erd und Himmel in Flammen ſtand, und der Weltbau erſchuͤttert ward, ſo daß Pluto,28 der Koͤnig der Schatten, und die Titanen im Tartarus uͤber das unaufhoͤrliche Getoͤſe erbebten, das uͤber ihren Haͤuptern rollte.

Der Sieg uͤber dies Ungeheuer wurde dem Jupiter am ſchwerſten unter allen, und drohte ihm ſelber den Untergang. Er freute ſich daher dieſes Sieges nicht, ſondern ſchleuderte den Ti - phoͤus, als er zu Boden geſunken war, trauer - voll in den Tartarus hinab.

Denn dem Herrſcher der Goͤtter, drohte ſtets Gefahr, nicht nur von fremder Macht, ſondern auch von ſeinen eigenen Entſchließungen. So weißagte ihm, als er ſich mit der weisheitbegabten Metis, einer Tochter des Oceanus vermaͤhlt hatte, ein Orakelſpruch, daß ſie ihm einen Sohn gebaͤren, und daß dieſer zugleich mit der Weis - heit ſeiner Mutter, und der Macht ſeines Vaters ausgeruͤſtet, die Goͤtter alle beherrſchen wuͤrde.

Um dem vorzubeugen zog Jupiter die weis - heitbegabte Metis mit ſchmeichelnden Lockungen in ſich hinuͤber, und gebahr nun ſelbſt die Mi - nerva, welche bewafnet aus ſeinem Haupte her - vorſprang. Eine aͤhnliche Gefahr drohte ihm noch einmal, da er ſich mit der Thetis begatten wollte, von der ein Orakelſpruch geweißagt hatte, ſie wuͤrde einen Sohn gebaͤhren, der wuͤrde maͤchtiger als ſein Vater ſeyn.

29

So fuͤrchtet ſich in dieſen Dichtungen das Maͤchtigſte immer vor noch etwas Maͤchtigerm. Bei dem Begriff der ganz unumſchraͤnkten Macht hingegen hoͤrt alle Dichtung auf, und die Phantaſie hat keinen Spielraum mehr. Man muß daher die Verſtandesbegriffe auf keine Weiſe hiemit ver - mengen, da man uͤberdem, eins dem andern un - beſchadet, jedes fuͤr ſich abgeſondert, ſehr wohl betrachten kann.

In der folgenden Zeit wurden ſogar zwei Soͤhne des Neptun, die derſelbe mit der Iphi - media, einer Tochter des Aloeus erzeugte, und welche daher die Aloiden hießen, dem Jupiter furchtbar. Ihre Namen waren, Otus und Ephialtes; ſie ragten im Schmuck der Jugend und Schoͤnheit mit Rieſengroͤße zum Himmel em - por, und drohten den unſterblichen Goͤttern, in - dem ſie Berge auf einander thuͤrmten, auf den Olymp den Oſſa, und auf den Oſſa den Pelion waͤltzten, um ſo den Himmel zu[erſteigen], welches ihnen gelungen waͤre, wenn ſie die Jahre der Mannbarkeit erreicht haͤtten. Aber Apollo er - legte ſie mit ſeinen Pfeilen, ehe noch das weiche Milchhaar ihr Kinn bedeckte.

Selbſt die Sterblichen wagten es alſo ſich ge - gen die Goͤtter aufzulehnen, welche daher auch eiferſuͤchtig, auf jede hoͤhere Entwickelung menſch -30 licher Kraͤfte waren; jede Ueberhebung auf das ſchaͤrfſte ahndeten, und den armen Sterblichen anfaͤnglich ſogar das Feuer mißgoͤnnten. Denn die Menſchen mußten noch den Haß der Goͤtter gegen die Titanen tragen, weil ſie von einem Ab - koͤmmling derſelben, dem Prometheus, gebildet und ins Leben hervorgerufen waren.

31

Die Bildung der Menſchen.

So untergeordnet iſt in dieſen Dichtungen der Urſprung der Menſchen, daß ſie nicht einmal den herrſchenden Goͤttern, ſondern einem Abkoͤmm - linge der Titanen, ihr Daſeyn danken.

Denn Prometheus, welcher die Menſchen aus Thon bildete, war ein Sohn des Japet, der außer ihm noch drei Soͤhne erzeugt hatte, den Atlas, Menoͤtius, und Epimetheus, die alle den Goͤttern verhaßt waren.

Japet, der Stammvater der Menſchen, lag ſchon vom Jupiter mit den uͤbrigen Titanen in den Tartarus hinabgeſchleudert; ſein ſtarker Sohn, Menoͤtius, wurde wegen ſeiner den Goͤt - tern furchtbaren Macht, und uͤbermuͤthigem Stolz, von Jupiters Blitz erſchlagen, in den Erebus hin - abgeſtuͤrzt. Dem Atlas legte Jupiter die ganze Laſt des Himmels auf ſeine Schultern; den Pro - metheus ſelber ließ er zuletzt an einen Felſen ſchmieden, wo ein Geier unaufhoͤrlich an ſeinem Eingeweide nagte; und den Epimetheus ließ er das Ungluͤck uͤber die Menſchen bringen.

32

So verhaßt war den Goͤttern das Geſchlecht des Japet, woraus der Menſch entſprang, auf den in der Folge die unzaͤhligen Leiden ſich zuſam - menhaͤuften, wodurch er die Schuld des ihm mißgoͤnnten Daſeyns vielfach buͤßen mußte.

Prometheus befeuchtete die noch von den himmliſchen Theilchen geſchwaͤngerte Erde mit Waſſer, und machte den Menſchen nach dem Bilde der Goͤtter, ſo daß er allein ſeinen Blick gen Himmel empor hebt, indeß alle andern Thiere ihr Haupt zur Erde neigen.

Den Goͤttern ſelber alſo konnte die Phantaſie keine hoͤhere Bildung als die Menſchenbildung bei - legen, weil nichts mehr uͤber die erhabene auf - rechte Stellung geht, in welcher ſich gleichſam die ganze Natur verjuͤngt, und erſt zum Anſchauen von ſich ſelber koͤmmt.

Denn die Strahlen der Sonne leuchten, aber das Auge des Menſchen ſiehet. Der Donner rollt, und die Stuͤrme des Meeres brauſen, aber die Zunge des Menſchen redet vernehmliche Toͤne. Die Morgenroͤthe ſchimmert in ihrer Pracht, aber die Geſichtszuͤge des Menſchen ſind ſprechend und bedeutend.

Es ſcheint als muͤſſe die unermeßliche Natur ſich erſt in dieſe zarten Umriſſe ſchmiegen, um ſich ſelbſt zu faſſen, und wieder umfaßt zu werden. Um die goͤttliche Geſtalt abzubilden gab es nichts

[figure]

33 Hoͤheres, als Aug und Naſe, und Stirn und Augenbraunen, als Wang und Mund und Kinn; weil wir nur von dem, was lebt und dieſe Geſtalt hat, wiſſen koͤnnen, daß es Vorſtellungen habe wie wir, und daß wir Gedanken und Worte mit ihm wechſeln koͤnnen.

Prometheus iſt daher auf den alten Kunſt - werken ganz wie der bildende Kuͤnſtler darge - ſtellt, ſo wie auch auf dem hier beigefuͤgten Um - riß, nach einem antiken geſchnittenen Steine, wo zu ſeinen Fuͤßen eine Vaſe, und vor ihm ein menſchlicher Torſo ſteht, den er, ſo wie jene, aus Thon gebildet, und deſſen Vollendung er zum einzigen Augenmerk ſeiner ganzen Denkkraft ge - macht zu haben ſcheint.

Als es dem Prometheus gelungen war, die goͤttliche Geſtalt wieder außer ſich darzuſtellen, brannte er vor Begierde, ſein Werk zu vollenden: und er ſtieg hinauf zum Sonnenwagen, und zuͤn - dete da die Fackel an, von deren Gluth er ſeinen Bildungen die aͤtheriſche Flamme in den Buſen hauchte, und ihnen Waͤrme und Leben gab.

So iſt er hier zum zweitenmal abgebildet, ſitzend mit der Fackel in der Hand, uͤber der ein Schmetterling ſchwebt, welcher den beſeelenden Hauch andeutet, wodurch die todte Maſſe belebt wird. Der bildende Kuͤnſtler iſt zum Schoͤpfer geworden; ſeine Bildungen werden ihm gleich.

C34

Daß Prometheus ſelbſt ein Schoͤpfer goͤttli - cher Bildungen wurde, daruͤber zuͤrnte Jupiter, und dachte darauf, wie er die Menſchen verder - ben wollte. Als daher Prometheus einſt einen Stier ſchlachtete, und um den Jupiter zu verſu - chen, das Fleiſch und die Knochen jedes in eine Haut gewickelt beſonders legte, damit Jupiter waͤhlen moͤchte, ſo waͤhlte dieſer mit Fleiß den ſchlechtern Theil, um wegen des Betruges auf den Prometheus zuͤrnen zu koͤnnen, und ſeinen Zorn an den Sterblichen auszulaſſen, die er nun ploͤtzlich des Feuers beraubte.

Denn an dem Prometheus ſelber ſeinen Haß auszuuͤben wagte Jupiter damals noch nicht; er ſuchte ihm nur ſein Werk zu verderben; aber auch dies gelang ihm nicht; denn Prometheus, der den Jammer der Menſchen nicht dulden konnte, ſtieg wiederum zum Sonnenwagen, und entwen - dete aufs neue den aͤtheriſchen Funken, den er in dem Marke der roͤhrichten Pflanze verbarg, und ihn den Sterblichen vom Himmel wiederbrachte.

Als nun Jupiter von fern den Glanz des Feuers unter den Menſchen erblickte, ſo dachte er aufs neue, wie er ſie durch ihre eigene Thorheit ſtrafen wollte; waͤhrend daß Prometheus fortfuhr die Menſchen alle nuͤtzliche Kuͤnſte zu lehren, welche der Gebrauch des Feuers moͤglich macht, und was die groͤßte Wohlthat war, ihnen den Blick in die35 Zukunft benahm, damit ſie unvermeidliche Uebel nicht voraus ſehen moͤchten.

Dem Jupiter alſo gleichſam zum Trotz ſuchte Prometheus ſeine Menſchenſchoͤpfung und Men - ſchenbildung zu vollenden, ob er gleich ſelber wuß - te, daß er dereinſt ſchrecklich wuͤrde dafuͤr buͤßen muͤſſen. Dieß ungleiche Verhaͤltniß der Men - ſchen zu den herrſchenden Goͤttern gab nachher den Stoff zu den tragiſchen Dichtungen, deren Geiſt in den folgenden Zeilen athmet, worin ein Dich - ter unſerer Zeiten den Prometheus, im Nahmen der Menſchen, deren Jammer er in ſeinem Buſen traͤgt, redend einfuͤhrt.

Prometheus.
Bedecke deinen Himmel, Zevs,
Mit Wolkendunſt,
Und uͤbe, dem Knaben gleich,
Der Diſteln koͤpft,
An Eichen dich und[Bergeshoͤhn];
Mußt mir meine Erde
Doch laſſen ſtehn,
Und meine Huͤtte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um deſſen Gluth
Du mich beneideſt.
C 236
Ich kenne nichts aͤrmers
Unter der Sonn als euch Goͤtter!
Ihr naͤhret kuͤmmerlich
Von Opferſteuern
Und Gebetshauch
Eure Majeſtaͤt,
Und darbtet, waͤren
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Thoren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wußte wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn druͤber waͤr
Ein Ohr zu hoͤren meine Klage,
Ein Herz wie mein’s
Sich des Bedraͤngten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Uebermuth?
Wer rettete vom Tode mich
Von Sklaverey?
Haſt du nicht alles ſelbſt vollendet,
Heilig gluͤhend Herz?
Und gluͤhteſt jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
37
Ich dich ehren? Wofuͤr?
Haſt du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Haſt du die Thraͤnen geſtillet
Je des Geaͤngſteten?
Hat nicht mich zum Manne geſchmiedet
Die allmaͤchtige Zeit,
Und das ewige Schickſal
Meine Herrn und deine?
Waͤhnteſt du etwa,
Ich ſollte das Leben haſſen,
In Wuͤſten fliehen,
Weil nicht alle
Bluͤthentraͤume reiften?
Hier ſitz ich, forme Menſchen
Nach meinem Bilde,
Ein Geſchlecht, das mir gleich ſey,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen ſich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

Goͤthe.

Nun ließ aber Jupiter, der uͤber den Raub des Feuers noch immer zuͤrnte, eine weibliche Ge -38 ſtalt von Goͤtterhaͤnden bilden, die er mit allen Ga - ben ausgeſchmuͤckt, Pandora nannte, und ſandte ſie mit allen verfuͤhreriſchen Reitzen, und mit einer Buͤchſe, worin das ganze Heer von Uebeln, das den Menſchen drohte, verſchloſſen war, zum Pro - metheus, der bald den Betrug erkannte, und dieß gefaͤhrliche Geſchenk der Goͤtter ausſchlug.

Da konnte Jupiter ſeinem Zorn nicht laͤnger Einhalt thun, ſondern ließ den Prometheus, fuͤr ſeine Klugheit zu buͤßen, an einen Felſen ſchmieden; und das Ungluͤck kam demohngeachtet uͤber die Menſchen; denn der unvorſichtige Epime - theus, des Prometheus Bruder, ließ ſich, ob - gleich gewarnt, durch die Reitze der Pandora bethoͤren, welche, ſobald er ſich mit ihr vermaͤhlt hatte, die Buͤchſe eroͤfnete, woraus ſich ploͤtzlich alles Unheil uͤber die ganze Erde, und uͤber das Menſchengeſchlecht verbreitete.

Sie machte ſchnell den Deckel wieder zu, ehe noch die Hofnung entſchluͤpfte, welche, nach Ju - piters Rathſchluß, allein zuruͤck blieb, um einſt noch zu rechter Zeit, den Sterblichen Troſt zu ge - waͤhren. Die verfuͤhreriſchen Reitze zu der ſinn - lichen Luſt, brachten alſo auch nach dieſer Dich - tung zuerſt das Ungluͤck uͤber die Menſchen. Der thoͤrichte Epimetheus vereitelte bald die vorſehende Weisheit des Prometheus. Vernunft und Thor -39 heit waren ſogleich bei der Bildung und Entſte - hung des Menſchen miteinander im Kampfe.

Prometheus duldete nun an den Felſen ge - ſchmiedet, in ſeiner Perſon, die Qualen des Menſchengeſchlechts, das ihm ſeine Bildung dank - te; die immerwaͤhrende Unruhe, und die raſtloſe ſtets unbefriedigte Begier der Sterblichen. Es iſt der vom Jupiter geſandte Geier, der dem Pro - metheus an der immer wieder wachſenden Leber, dem Sitz der Begierden, nagt.

So iſt dieſer Dulder fuͤr die Menſchheit abge - bildet, die Haͤnde auf den Ruͤcken gefeſſelt, ſitzend, an den Felſen geſchmiedet mit dem Geier auf dem Knie.

Die vier Abbildungen auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel, geben einen vollſtaͤndigen Ueberblick von dieſer Dichtung der Alten: Prometheus bil - det den Menſchen; er raubt die aͤtheriſche Flam - me; Pandora, ſitzend, eroͤfnet die Buͤchſe, wor - aus das Ungluͤck uͤber die Menſchen koͤmmt; und Prometheus duldet an den Felſen geſchmiedet.

Nachdem aus der Buͤchſe der Pandora ſich das Ungluͤck uͤber die Menſchen verbreitet hatte, ſchickte Jupiter eine Suͤndfluth, welche das Men - ſchengeſchlecht vollends vertilgte, ſo daß niemand uͤbrig blieb, als ein einziges Paar, Deukalion, ein Sohn des Prometheus, und Pyrrha, eine Tochter des Epimetheus, deren ſchwimmender Na -40 chen, ſich auf dem Berge Parnaſſus niederließ, wo ein Orakel der Themis war, das ſie wegen der Zukunft um Rath befragten.

Und das Orakel that den Ausſpruch, ſie ſoll - ten, um die einſame Erde wieder zu bevoͤlkern, mit verhuͤlltem Antlitz, die Gebeine ihrer Mut - ter hinter ſich werfen. Sie deuteten dieſen ge - heimnißvollen Ausſpruch auf die Steine, welche ſie als die harten und feſten Theile ihrer Mutter Erde hinter ſich warfen, und gleichſam von der wunderbaren neuen Bildung ehrfurchtsvoll ihre Blicke wegwandten.

Und als ſie ſich umſahen, war aus den har - ten Kieſelſteinen ein neues Geſchlecht der Men - ſchen entſproſſen, deren harte Herzen keine Ge - fahr und keine Drohung ſcheuen; die kuͤhn das Meer beſchiffen; den wilden Stuͤrmen trotz bie - ten, und in der blutigen Feldſchlacht dem Tod ins Angeſicht ſehen.

Es iſt merkwuͤrdig, daß in dieſen alten Dich - tungen der Urſprung der Menſchen immer ſchon ihre Anlage zum Unbiegſamen, Harten und Kriegeriſchen in ſich faßt. So mußte Kadmus in dem einſamen Boͤotien, auf den Befehl der Goͤtter, die Zaͤhne des von ihm erlegten Drachen in die Erde ſaͤen, um ſeine gefallenen Krieger zu erſetzen.

Und aus dieſer Saat des Kadmus keimten geharniſchte Maͤnner auf, die ihre Schwerdter41 gegen einander kehrten, und eher vom Streit nicht ruhten, bis nur noch fuͤnfe von ihnen uͤbrig waren, die dem Kadmus beiſtanden.

In dieſe Bilder huͤllte die Phantaſie der Al - ten die Entſtehung der Menſchen ein, die im ewi - gen Zwiſte mit ſich ſelber von außen oder von in - nen, die Spitze ihrer inwohnenden Kraft gegen ſich ſelber kehren, und gleichſam mit angeſtammter Grauſamkeit, in ihr eigenes Eingeweide wuͤthen.

Die Qualen des Prometheus dauerten daher ſo lange, bis ein Sterblicher durch Tapferkeit und unuͤberwindlichen Muth ſich den Weg zur Unſterb - lichkeit und zum Sitz der Goͤtter bahnte, und das Menſchengeſchlecht mit dem Jupiter gleichſam wie - der ausſoͤhnte. Es iſt Herkules, Jupiters und Alkmenens Sohn, der endlich mit ſeinen Pfeilen den Geier toͤdtet, und mit Jupiters Einwilligung den Prometheus von ſeiner langen Qual befreiet.

Allein die goldenen Jahre der Sterblichen verſetzte die Phantaſie in jene Zeiten hin, wo noch kein Jupiter mit dem Donner herrſchte, un - ter die Regierung des Saturnus, wohin man ſich alles laͤngſt Vergangene, die graue Vorzeit dach - te, die zwar gleich dem Saturnus, der ſeine Kin - der verſchlang, die voruͤberrollenden Jahre in Ver - geſſenheit begrub, aber auch keine Spur von blu - tigen Kriegen, zerſtoͤrten Staͤdten, und unter -42 jochten Voͤlkern zuruͤckließ, welches den Hauptſtoff der Geſchichte ausmacht, ſeitdem die Menſchen anfingen, ihre Begebenheiten aufzuzeichnen.

Wie die Goͤtter lebten die Menſchen damals, als noch Freiheit und Gleichheit herrſchte, in Si - cherheit, ohne Muͤhe und Sorgen; und von den Beſchwerlichkeiten des Alters unbedruͤckt. Die Erde trug ihnen Fruͤchte, ohne muͤhſam bebaut zu werden; unwiſſend was Krankheit war, ſtarben ſie, wie von ſanftem Schlummer uͤbermannt; und wenn der Schooß der Erde ihren Staub auf - nahm, ſo wurden die Seelen der Abgeſchiedenen, in leichte Luft gehuͤllt, die Schutzgeiſter der Ueber - lebenden.

So ſchildern die Dichter jene goldnen Zeiten, worauf die Phantaſie, von den geraͤuſchvollen Scenen der geſchaͤftigen Welt ermuͤdet, ſo gern verweilt. Nachher aber wurden die Sterbli - chen die Muͤhebeladenſten unter allen Geſchoͤpfen, und die Dichter ſchildern die Arbeit und Beſchwer - den des kummervollen Lebens der Menſchen immer im Gegenſatz gegen den ſorgenfreien Zuſtand der ſeeligen Goͤtter.

Um die Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit des Lebens zu bezeichnen, wurde zum dankbaren An - denken des Prometheus in Athen ein ſchoͤnes Feſt gefeiert; ihm war nemlich in einiger Entfernung43 von der Stadt ein Altar errichtet, von welchem man bis zur Stadt einen Wettlauf mit Fackeln hielt. Wer mit brennender Fackel das Ziel er - reichte, trug den Preis davon. Der erſte, deſſen Fackel unterwegens ausloͤſchte, trat ſeine Stelle dem Zweiten, dieſer die ſeinige dem Dritten ab, und ſo fort; wenn alle Fackeln verloͤſchten, ſo trug keiner den Sieg davon.

Die Alten liebten in ihren Dichtungen vor - zuͤglich den tragiſchen Stoff, wozu das Verhaͤltniß der Menſchen gegen die Goͤtter, ſo wie ſie es ſich dachten, nicht wenig beitrug. Auf die armen Sterblichen wird wenig Ruͤckſicht genommen; ſie ſind den Goͤttern oft ein Spiel: ihnen bleibt nichts uͤbrig, als ſich der eiſernen Nothwendigkeit, und dem unwandelbaren Schickſal zu fuͤgen, deſſen Oberherrſchaft ſich uͤber Goͤtter und Menſchen erſtreckt.

44

Die Nacht und das Fatum, das uͤber Goͤtter und Menſchen herrſcht.

Als Jupiter einſt auf den Gott des Schlafs er - zuͤrnt war, ſo huͤllte dieſen die Nacht in ihren Mantel, und Jupiter hielt ſeinen Zorn zuruͤck, denn er fuͤrchtete ſich, die ſchnelle Nacht zu betruͤben.

Es giebt alſo etwas, wovor die Goͤtter ſelber Scheu tragen. Es iſt das naͤchtliche geheimniß - volle Dunkel, worin ſich noch etwas uͤber Goͤtter und Menſchen Obwaltendes verhuͤllt, das die Be - griffe der Sterblichen uͤberſteigt.

Die Nacht verbirgt, verhuͤllt; darum iſt ſie die Mutter alles Schoͤnen, ſo wie alles Furcht - baren.

Aus ihrem Schooße wird des Tages Glanz gebohren, worin alle Bildungen ſich entfalten.

Und ſie iſt auch die Mutter:

Des in Dunkel gehuͤllten Schickſals;

Der unerbittlichen Parzen Lacheſis, Klotho und Atropos;

45

Der raͤchenden Nemeſis, die verborgene Vergehungen ſtraft;

Der Bruͤder Schlaf und Tod, wovon der eine die Menſchen ſanft und milde beſucht, der andre aber ein eiſernes Herz im Buſen traͤgt.

Sie iſt ferner die Mutter der ganzen Schaar der Traͤume;

Der fabelhaften Hesperiden, welche an den entfernteſten Ufern des Oceans die goldne Frucht bewahren;

  • Des Betruges, der ſich in Dunkel huͤllt;
  • Der haͤmiſchen Tadelſucht;
  • Des nagenden Kummers;
  • Der Muͤhe, welche das Ende wuͤnſcht;
  • Des Hungers;
  • Des verderblichen Krieges;
  • Der Zweideutigkeiten im Reden, und
  • Des Meineides.

Alle dieſe Geburten der Nacht ſind dasjenige, was ſich entweder dem Blick der Sterblichen ent - zieht, oder was die Phantaſie ſelbſt gern in naͤcht - liches Dunkel huͤllt.

Eine hier beigefuͤgte Abbildung der Nacht, wie ſie den Tod und den Schlaf in ihren Mantel huͤllt,46 und aus einer Felſengrotte zu ihren Fuͤßen, die phantaſtiſchen Geſtalten der Traͤume hervorbli - cken, iſt von dem neuern Kuͤnſtler, der die Um - riſſe zu dieſem Werk gezeichnet, nach einer Be - ſchreibung des Pauſanias entworfen.

Pauſanias erzaͤhlt nemlich, daß er auf dem Kaſten des Cypſelus auf der einen Seite deſſelben, die Nacht in weiblicher Geſtalt abgebildet geſehen, wie ſie zwei Knaben mit verſchraͤnkten, oder uͤber einander geſchlagenen Fuͤßen in ihren beiden Armen hielt, wovon der eine weiß, der andre ſchwarz war; der eine ſchlief, der andere zu ſchlafen ſchien.

In der hier beigefuͤgten Abbildung iſt der Tod durch eine umgekehrte Fackel und der Schlaf durch einen Mohnſtengel bezeichnet. Die Nacht ſelbſt iſt, als die fruchtbare Gebaͤhrerin aller Din - ge in jugendlicher Kraft und Schoͤnheit dargeſtellt.

So iſt ſie auch auf einer antiken Gemme, de - ren Umriß ebenfalls hier beigefuͤgt iſt, abgebildet, wie ſie unter dem umſchattenden Wipfel eines Baumes, dem Morpheus und ſeinen Bruͤdern Mohn austheilet. Der bildende Traumgott Mor - pheus, ein Sohn des Schlafs, ſteht in ſchoͤner jugendlicher Geſtalt vor ihr, und empfaͤngt den Mohn aus ihren Haͤnden, indeß die Bruͤder des Morpheus, ebenfals Goͤtter der Traͤume und Kin - der des Schlafes, hinter ihr gebuͤckt gehen, um

[figure]

[figure]

47 die uͤbrigen von ihr ausgeſtreueten Mohnſtengel aufzuleſen.

Man ſieht, wie die Alten das Dunkle und Furchtbare in reitzende Bilder einkleideten; und wie ſie demohngeachtet fuͤr das hoͤchſte Tragiſche empfaͤnglich waren, indem ſie ſich unter dem von der Nacht gebohrnen unvermeidlichen Schickſal oder dem Fatum das Hoͤhere Obwaltende dach - ten, deſſen altes Reich, und deſſen dunkle Plaͤne weit außer dem menſchlichen Geſichtskreiſe liegen;

Deſſen Spuren man in dem vielfaͤltigen Jam - mer laß, der die Menſchheit druͤckt; indem man das Unbekannte ahndete, unter deſſen Macht die untergeordneten Kraͤfte ſich beugen muͤſſen und ein wunderbares Gefallen ſelbſt an der Da - ſtellung ſchrecklicher Ereigniſſe, und verwuͤſten〈…〉〈…〉 Zerſtoͤrung fand, indem die Einbildungskraft n〈…〉〈…〉 Vergnuͤgen ſich in das Gebiet der Nacht und〈…〉〈…〉 oͤden Schattenwelt verirrte.

Demohngeachtet ſtellt ſich uns in den ſchoͤn[en]Dichtungen der Alten kein einziges ganz haſſen[s]und verabſcheuungswuͤrdiges Weſen dar. Die unerbittlichen Parzen, welche die Nacht gebohren hat, und ſelbſt die raͤcheriſchen Furien, ſind im - mer noch ein Gegenſtand der Verehrung der Sterblichen.

Selbſt die Sorgen und der druͤckende Kum - mer gehoͤren in der Vorſtellungsart der Alten mit48 zu dem Gebiet des dunkeln Obwaltenden, daß die ſtolzen Wuͤnſche der Sterblichen hemmt, und dem Endlichen ſeine Grenzen vorſchreibt.

Alle dieſe furchtbaren Dinge treten mit in der Reihe der Goͤttergeſtalten auf, und werden nicht als ausgeſchloſſen gedacht, weil ſie ſich in dem nothwendigen Zuſammenhange der Dinge mit befinden.

Dieſer nothwendige Zuſammenhang der Din - ge oder die Nothwendigkeit ſelber, welche die Griechen Eimarmene nannten, war eben jene in furchtbares Dunkel gehuͤllte Gottheit, welche mit unſichtbarem Scepter alle uͤbrigen beherrſchte und deren Dienerinnen die unerbittlichen Parzen[w]aren.

Klotho haͤlt den Rocken, Lacheſis ſpinnt[d]en Lebensfaden, und Atropos mit der furchtba - en Scheere ſchneidet ihn ab.

Die Parzen bezeichnen die furchtbare, ſchreck -〈…〉〈…〉 che Macht, der ſelbſt die Goͤtter unterworfen ſind, und ſind doch weiblich und ſchoͤn gebildet, ſpinnend, und in den Geſang der Sirenen ſtim - mend.

Alles iſt leicht und zart bei der unbegrenz - ten hoͤchſten Macht. Nichts Beſchwerliches, Un - behuͤlfliches findet hier mehr ſtatt; aller Wider - ſtand des Maͤchtigern erreicht auf dieſem Gipfel ſeine Endſchaft.

49

Es bedarf nur der leichteſten Beruͤhrung mit den Fingerſpitzen, um den Umwaͤlzungen der Din - ge ihre Bahnen, dem Maͤchtigen ſeine Schran - ken vorzuſchreiben. Es iſt die leichteſte Arbeit von weiblichen Haͤnden, wodurch der geheim - nißvolle Umlauf der Dinge gelenkt wird.

Das ſchoͤne Bild von dem zart geſponnenen, mit der leichteſten Muͤhe zerſchnittenen Lebensfa - den iſt durch kein andres zu erſetzen. Der Fa - den reißt nicht, ſondern wird abſichtlich von der Hand der Parze mit dem trennenden Eiſen durch - ſchnitten. Die Urſache des Aufhoͤrens liegt in der Willkuͤr der hoͤhern Maͤchte, bei denen das ſchon feſt beſchloſſen iſt, was Goͤtter und Men - ſchen noch zu bewirken oder zu verhindern ſich be - muͤhen.

Vergeblich wuͤnſcht Jupiter, dem Fatum zuwi - der, ſeinem Sohne Sarpedon im Treffen vor Troja, das Leben zu erhalten. Weh mir, ruft er aus, daß mein Sarpedon jetzt, nach dem Schluß des Schickſals, durch die Hand des Patroklus fallen muß! und ob er nun gleich dem Fatum zuwider ihn gerne retten moͤchte; ſo muß es ſich doch ſo fuͤgen, daß er auf den Rath der Juno, ihn erſt durch die Hand des Patroklus fal - len laͤßt, und ihn dann dem Tode und dem ſuͤßen Schlummer uͤbergiebt, die ihn in ſeine HeimathD50bringen, wo ſeine Freunde und Bruͤder ihn beweinen.

Dem Ulyſſes iſt vom Schickſal beſtimmt, nach der Zerſtoͤrung von Troja zehn Jahre umher zu irren, und ohne ſeine Gefaͤhrten, nach vielen Kum - mer, in ſeine Heimath wieder zuruͤckzukehren. Und gerade da, wo alles am angenehmſten und einladendſten ſcheinet, lauert immer die meiſte Ge - fahr; wie in dem ruhigen Hafen der Laͤſtrigonen; bei dem Geſange der Sirenen, und beim Zauber - trank der Circe.

Ulyſſes mag das Ziel ſeiner Wuͤnſche noch ſo nahe vor ſich ſehen, ſo wird er doch immer wieder weit davon verſchlagen; ſeine Thraͤnen und ſeine heißeſten Wuͤnſche ſind vergebens, bis endlich, da es das Schickſal will, die Phaͤazier, auf ihrem Schiffe, ihn ſchlafend in ſeine Heimath bringen.

An die Vorſtellung von den Parzen ſchloß ſich in der Phantaſie der Alten das Bild von den raͤ - cheriſchen Furien an, und dieſe beiden Dichtungen gehen zuweilen unmerklich ineinander uͤber.

Auch die quaͤlenden Furien ſind furchtbare, ſchreckliche und dennoch verehrte geheimnißvolle Weſen; aus den Blutstropfen, welche bei der erſten Gewaltthaͤtigkeit, bei der Entmannung des Uranos die Erde auffing, erzeugt; mit Schlan - genhaaren, und Dolchen in den Haͤnden; uner -

[figure]

51 bittliche Goͤttinnen, den Frevel und das Unrecht zu ſtrafen.

In aͤhnlicher Geſtalt, wie die erſte Figur, nach einem antiken geſchnittenen Steine aus der Stoſchiſchen Sammlung, auf der hier beigefuͤg - ten Kupfertafel, mit dem Dolch und fliegendem Haar, ſcheint man ſich zuweilen dasjenige gedacht zu haben, was man das feindſeelige Schickſal, oder das ſchwarze Verhaͤngniß nannte, und womit man den erhabenen Begriff der Nothwen - digkeit noch nicht verknuͤpfte, in welchem ſich al - les in Harmonie aufloͤßt, und das Schreckenvolle verſchwindet.

Lacheſis, diejenige von den Parzen, welche den Faden ſpinnt, und irgendwo die ſchoͤne Toch - ter der Nothwendigkeit genannt wird, iſt hier, ebenfalls nach einem geſchnittenen Steine aus der Stoſchiſchen Sammlung, in jugendlicher Schoͤn - heit abgebildet, ſitzend und ſpinnend, einen Ro - cken vor, den andern hinter ſich, und zu ihren Fuͤßen eine komiſche und eine tragiſche Maske.

Da man ſelten Abbildungen von den Parzen findet, ſo hat dieß Denkmal aus dem Alterthum einen deſto groͤßern Werth; und das Bedeutende in dieſer Darſtellung macht daſſelbe doppelt anzie - hend. Die tragiſche und komiſche Maske zu den Fuͤßen der Parze iſt eine der gluͤcklichſten Anſpie -D 252lungen auf das Leben, wenn man einen Blick auf daſſelbe mit allen ſeinen ernſten und komiſchen Scenen wirft, wozu der zarte jung - fraͤuliche Finger der hohen Schickſalsgoͤttin den Faden drehet, indem die einen ihr nicht wichti - ger als die andern ſind.

Auf eine aͤhnliche Weiſe, in ruhiger Stellung, ſich auf eine Saͤule ſtuͤtzend, in der Linken den Rocken ſorglos haltend, und gleichſam mit dem Schickſalsfaden ſpielend, iſt die Parze noch einmal auf einem andern geſchnittenen Steine in der Stoſchiſchen Sammlung abgebildet, wovon der Umriß ebenfalls hier beigefuͤgt iſt.

Dieſe ruhige Stellung der hohen Schickſals - goͤttin, womit ſie auf die weitausſehenden Plane gleichſam laͤchelnd herabſieht, iſt eine vorzuͤglich ſchoͤne Idee des alten Kuͤnſtlers, von dem ſich dieſe Bildung herſchreibt. Waͤhrend daß Goͤtter ihre ganze Macht, und Sterbliche alle ihre Kraͤfte aufbieten, um ihre Endzwecke und Abſichten durch - zuſetzen, haͤlt die hohe Goͤttin, ſpielend den Faden in der Hand, an welchem ſie die Umwaͤlzungen der Dinge, und die ſtolzeſten Entwuͤrfe der Koͤni - ge lenkt.

53

Die alten Goͤtter.

Die Scheidung zwiſchen den alten und neuen Goͤttern giebt den mythologiſchen Dichtungen ei - nen vorzuͤglichen Reitz. Die alten Gottheiten ſind, wie wir ſchon bemerkt haben, gleichſam in Nebel zuruͤck getreten, woraus ſie nur noch ſchwach hervorſchimmern, indeß die neuen Goͤtter in dem Gebiete der Phantaſie ihren Platz behaupten, und durch die bildende Kunſt beſtimmte Formen erhal - ten, in welche ſich die verkoͤrperte Macht und Ho - heit kleidet, und ein Gegenſtand der Verehrung der Sterblichen in Tempeln und heiligen Hainen wird.

Durch die alten Gottheiten aber ſind die neuen gleichſam vorgebildet. Das Erhabene und Goͤttliche, was immer ſchon da war, laͤtzt die Phantaſie in erneuerter und jugendlicher Geſtalt, von unſterblichen oder von ſterblichen Muͤttern, wieder gebohren werden, und giebt ihm Geſchlechtsfolge, Nahmen und Geburtsort, um es naͤher mit den Begriffen der Sterblichen zu vereinen, und mit ihren Schickſalen zu ver - weben.

54

Weil demohngeachtet aber die Phantaſie ſich an keine beſtimmte Folge ihrer Erſcheinungen bin - det, ſo iſt oft eine und dieſelbe Gottheit, unter verſchiedenen Geſtalten, mehrmal da. Denn die Begriffe vom Goͤttlichen und Erhabenen waren immer; allein ſie huͤllten ſich von Zeit zu Zeit in menſchliche Geſchichten ein, die ſich, ihrer Aehn - lichkeit wegen, ineinander verlohren, und laby - rintiſch verflochten haben; ſo daß in dem Zauber - ſpiegel der dunkeln Vorzeit, faſt alle Goͤtterge - ſtalten, gleichſam im vergroͤßernden Wider - ſcheine, ſich noch einmal darſtellen; welches die Dichter wohl genutzt haben, deren Einbildungs - kraft, durch den Reitz des Fabelhaften in dieſer dunkeln Verwebung mehrerer Geſchichten, einen deſto freiern Spielraum fand.

Amor.

Iſt der aͤlteſte unter den Goͤttern. Er war vor allen Erzeugungen da, und regte zuerſt das unfruchtbare Chaos an, daß es die Finſter - niß gebahr, woraus der Aether und der Tag her - vorging.

Der komiſche Dichter Ariſtophanes fuͤhrt dieſe alte Dichtung ſcherzend an, indem er die Voͤgel redend einfuͤhrt, wie ſie alle den geheimnißvollen urſpruͤnglichen Weſen Fluͤgel beilegen, um ſie55 dadurch ſich aͤhnlich zu bilden, und ihren eigenen erhabenen Urſprung in ihnen wieder zu finden.

Sie laſſen daher den Amor ſelbſt ehe er das Chaos befruchtet, aus einem Ei hervorgehen. Die ſchwarzgefluͤgelte Nacht, heißt es, brachte das erſte Ei in dem weiten Schooße des Erebus hervor, aus dem nach einiger Zeit der reitzende Amor, mit goldenen Fluͤgeln verſehen, hervor - kam, und indem er ſich mit dem gefluͤgelten Chaos vermaͤhlte, zuerſt das Geſchlecht der Voͤgel erzeugte.

Man ſieht alſo, daß dieſe Dichtungen, von den komiſchen Dichtern eben ſowohl ſcherzhaft, als von den tragiſchen Dichtern tragiſch genommen wurden; weil man ſie einmal als eine Sprache der Phantaſie betrachtete, worin ſich Gedanken jeder Art huͤllen ließen, und ſelbſt die gewoͤhnlich - ſten Dinge einen neuen Glanz und eine bluͤhende Farbe erhielten.

Die Dichtung vom Amor bleibt auch ſelber noch in der ſcherzhaften Einkleidung des komiſchen Dichters ſchoͤn. Dieſer aͤlteſte Amor iſt vorzuͤg - lich der erhabene Begriff von der alles erregenden und befruchtenden Liebe ſelber. Unter den neuen Goͤttern wird Amor von der Venus ge - bohren, und Mars iſt ſein Erzeuger. Es iſt der gefluͤgelte Knabe mit Pfeil und Bogen. Die Wirkung von ſeinem Geſchoß ſind die ſchmer -56 zenden Wunden der Liebe und ſeine Macht iſt Goͤttern und Menſchen furchtbar.

Die himmliſche Venus.

Sie iſt das erſte Schoͤne, was ſich aus Streit und Empoͤrung der urſpruͤnglichen Weſen gegen einander entwickelt und gebildet hat. Saturnus entmannet den Uranos. Die dem Uranos entnom - mene Zeugungskraft befruchtet das Meer; und aus dem Schaume der Meereswellen ſteigt Aphrodite, die Goͤttin der Liebe, empor. In ihr bildet ſich die himmliſche Zeugungskraft zu dem vollkommenen Schoͤnen, das alle Weſen beherrſcht, und welchem von Goͤttern und Menſchen gehuldigt wird.

Unter den neuen Goͤttern iſt Venus eine Tochter des Jupiter, die er mit der Dione einer Tochter des Aether erzeugte. Sie traͤgt unter den Goͤttinnen den Preis der Schoͤnheit davon. Sie iſt mit dem Vulkan vermaͤhlt, und pflegt mit dem Mars, dem rauhen Kriegsgott, verſtohlner Liebe.

Die Vorſtellungen von den Goͤttern ſind er - habener, je dunkler und unbeſtimmter ſie ſind, und je weiter ſie in das Alterthum zuruͤcktreten; ſie werden aber immer reitzender und mannichfal - tiger je naͤher das Goͤttliche mit dem Menſchlichen ſich verknuͤpft; und jene erhabenen Vorſtellungen57 ſchimmern dennoch immer durch, weil die Phan - taſie die Zartheit nnd Bildſamkeit des Neuen mit der Hoheit des Alten wieder uͤberkleidet.

Aurora.

Hyperion, ein Sohn des Himmels und der Erde, erzeugte mit der Thia, einer Tochter des Himmels, die Aurora, den Helios, und die Selene. Anſtatt des Helios und der Selene tre - ten unter den neuen Goͤttern Apoll und Diana auf. Aurora aber ſchimmert, ſelbſt unter den neu - en Gottheiten, in urſpruͤnglicher Schoͤnheit und Jugend hervor.

Sie vermaͤhlt ſich mit dem Aſtraͤus aus dem Titanengeſchlechte, einem Sohne des Krius, und gebiehrt die ſtarken Winde, und den Mor - genſtern. Man ſiehet, daß ſie zu den alten Goͤttergeſtalten gehoͤrt, die eigentlich als erhabene Naturerſcheinungen betrachtet wurden, und welche die Einbildungskraft nur gleichſam mit we - nigen großen Umriſſen, als zu Perſonen gebil - dete Weſen darſtellte. Sie erſcheint in der Fruͤhe, aus der dunkeln Luft, mit Roſenfingern den Schleier der Nacht aufhebend, und leuchtet den Sterblichen eine Weile, und verſchwindet wieder vor dem Glanz des Tages.

58

Helios.

Der Lenker des Sonnenwagens iſt ebenfalls eine von den Goͤttergeſtalten, die nur durch we - nige große Umriſſe, als zu Perſonen gebildete Weſen dargeſtellt ſind. Denn es iſt immer die leuchtende Sonne ſelbſt, welche in den Bildern vom Helios durchſchimmert.

Das Haupt des Helios iſt mit Strahlen um - geben. Er leuchtet den ſterblichen Menſchen und den unſterblichen Goͤttern. Er ſiehet und hoͤret alles, und entdeckt das Verborgene. Ihm waren auf der Inſel Sicilien die feiſten Rinder heilig, die ohne Hirten weideten, und an denen er ſich ergoͤtz - te, ſo oft er am Himmel aufging und unterging.

Als die Gefaͤhrten des Ulyſſes einige dieſer Rinder geſchlachtet hatten ſo drohte der Sonnen - gott, daß er in den Orkus hinabſteigen, und unter den Todten leuchten wolle, wenn Jupi - ter den Frevel nicht raͤchte. Und Jupiter zer - ſchmetterte bald das Schiff des Ulyſſes, deſſen Ge - faͤhrten alle ein Raub der Wellen wurden.

Zuweilen fuͤhrt der Sonnengott auch von den Titanen, aus deren Geſchlechte er war, den Nah - men Titan; und von ſeinem Erzeuger, mit dem er in den alten Dichtungen zuweilen verwechſelt wird; den Nahmen Hyperion, der das Hohe und Erhabene bezeichnet.

59

Unter den neuen Goͤttern heißt der Lenker des Sonnenwagens Apollo, und iſt ein Sohn Jupiters, der ihn und die Diana mit der Latona erzeugte, die aus dem Titanengeſchlechte eine Toch - ter des Coͤus und der Phoͤbe war.

Dieſer Apollo iſt eine bis auf die feinſten Zuͤge ausgebildete Goͤttergeſtalt, von der Phantaſie mit dem Reitze ewiger Jugend und Schoͤnheit ge - ſchmuͤckt; der fernhintreffende Gott, den ſilbernen Bogen ſpannend, und der Vater der Dichter, die goldne Zitter ſchlagend.

Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Er - den der Gott der Dichtkunſt und der Tonkunſt ſeyn, die Goͤtter im Olymp mit Saitenſpiel und Geſang ergoͤtzen, und auch den Sonnenwagen len - ken kann; ſo ſcheint es, als habe die Phantaſie der Dichter, den Apollo und Helios ſich zu einem Weſen gebildet, daß ſich gleichſam in ſich ſelbſt verjuͤngt, indem es im Himmel als leuchtende Sonne von Alters her auf und untergeht, und auf Erden in jugendlicher Schoͤnheit, neu ge - bohren, wandelnd, mit goldenen Locken, ein unſterblicher Juͤngling, die Herzen der Goͤtter und Menſchen mit Saitenſpiel und Geſang erfreuet.

Selene.

Das Geſchaͤft der Selene oder der Luna, eben - falls einer Tochter des Hyperion, iſt, mit ihrem60 ſanften Scheine die Nacht zu erleuchten. Un - ter den neuen Gottheiten heißt diejenige, welche den Wagen des Mondes lenkt, Diana, und iſt eine Tochter des Jupiter, die er, ſo wie den Apollo, mit der Latona erzeugte.

Diana iſt gleich dem Apoll mit Koͤcher und Bogen abgebildet; denn ſie iſt zugleich die Goͤttin der Jagd. In ihr hat ſich die Tochter Hype - rions verjuͤngt, mit der ſie, ſo wie Apollo mit dem Helios, gleichſam ein Weſen ausmacht; in - dem ſie am Himmel von Alters her, als Luna, allnaͤchtlich den Wagen des Mondes lenkt, und auf Erden in jugendlicher Schoͤnheit neu geboh - ren, von ihren Nymphen begleitet, mit Koͤcher und Bogen einhergeht, und in den Waͤldern ſich mit der Jagd ergoͤtzt.

So wie Selene und Helios, von dem Titanen Hyperion, ſind Apollo und Diana, vom Jupiter erzeugt, der die Titanen verdraͤngt hat, und von dem ſich nun die Reihe der neuen Goͤttererzeugun - gen herſchreibt, weswegen er der Vater der Goͤtter heißt.

Hekate.

Der Titane Coͤus erzeugte mit der Phoͤbe, einer Tochter des Himmels, außer der Latona auch die Aſteria. Dieſe vermaͤhlte ſich mit dem Per -61 ſes einem Sohne des Titanen Krius, und ge - bahr ihm die Hakate, welche, obgleich aus dem Geſchlecht der Titanen entſproſſen, vom Jupiter vorzuͤglich geehrt wurde.

Denn ſie gehoͤrt zu den naͤchtlichen geheim - nißvollen Weſen, deren Macht ſich weit erſtreckt. Sie iſt zugleich eine Art von Schickſalsgoͤttin, in deren Haͤnden das Loos des Menſchen ſteht; ſie theilt nach Gefallen Sieg und Ruhm aus; ſie herrſcht uͤber Erde, Meer, und Luͤfte; den neu - gebohrnen Kindern giebt ſie Wachsthum und Ge - deihen; und alle verborgenen Zauberkraͤfte ſtehen ihr zu Gebote.

Auch dieſe alte geheimnißvolle Gottheit laͤßt die Phantaſie in der Geſtalt der naͤchtlichleuch - tenden Diana ſich verjuͤngen, und mit dieſer gleichſam neu wieder gebohren werden. Die neue Gottheit, worauf Gedanke und Einbildung einmal haftet, zieht das Aehnliche und Verwand - te in ſich hinuͤber, und uͤberformt es in ſich.

Oceanus.

Ein Sohn des Himmels und der Erde, ver - maͤhlte ſich mit der Tethys, einer Tochter des Him - mels, und erzeugte die Fluͤſſe und Quellen. Er nahm an dem Goͤtterkriege keinen Antheil; dem - ohngeachtet aber iſt er unter die alten Gottheiten62 zuruͤckgewichen, die durch die Verehrung der neuen Goͤtter gleichſam in Schatten geſtellt ſind.

Denn als Jupiter die Titanen beſiegt hatte, ſo theilte er ſich mit ſeinen Bruͤdern, dem Neptun und Pluto, in die Oberherrſchaft, ſo daß Jupiter den Himmel, Neptun das Meer, und Pluto die Unterwelt beherrſchte.

Neptun iſt alſo der Koͤnig uͤber die Gewaͤſſer, und des Oceanus wird ſelten mehr gedacht; ob - gleich die aͤußerſten Grenzen der Erde, da wo nach der alten Vorſtellungsart, die Sonne ins Meer ſank, das eigentliche Gebiet des alten Oceanus ſind, das aber gleichſam zu entfernt liegt, als daß die Phantaſie darauf haͤtte haften koͤnnen.

Neptun hingegen bezeichnet die Meeresflu - then, in ſo fern ſie mit Schiffen befahren werden, und er entweder Stuͤrme erregt, oder mit ſeinem maͤchtigen Dreizack die Meereswogen baͤndigt. Darum wurden ihm allenthalben Tempel erbaut, Altaͤre geweiht, und Opfer dargebracht.

Als Juno einſt, bei dem Kriege vor Troja, um den Jupiter zu uͤberliſten, ſich den Liebeeinfloͤßen - den Guͤrtel der Venus erbat, ſo that ſie es unter dem Vorwande, ſie wolle ſich dieſes Guͤrtels be - dienen, um an den Grenzen der Erde, bei dem Oceanus und der Tethys, von denen ſie zu der Zeit des Saturnus liebevoll gepflegt und erzogen ſey, einen alten Zwiſt, wodurch dies Goͤtterpaar ſchon lange entzweiet waͤre, beizulegen.

63

Dieſe beiden alten Gottheiten werden alſo wie ganz entfernt von der Regierung und den Geſchaͤf - ten der neuen Goͤtter dargeſtellt; und ihrer nur ge - dacht, indem ihre alten Zwiſte der Juno zum Vorwande dienen, den Guͤrtel der Venus zu er - halten, womit ſie den Jupiter uͤberliſten will.

Die Oceaniden.

Die Soͤhne und Toͤchter des Oceanus ſind die Fluͤſſe und Quellen. Die Toͤchter des Oceans werden von dem erſten tragiſchen Dichter der Griechen aufgefuͤhrt, wie ſie den Prometheus, der an den Felſen geſchmiedet iſt, beklagen, und uͤber die Tyrannei des neuen Herrſchers der Goͤt - ter mit ihm ſeufzen.

Metis.

Eine Tochter des Oceans vermaͤhlte ſich mit dem Jupiter; allein ſie ward ihm furchtbar, weil ſie einen Sohn gebaͤhren ſollte, der uͤber alle Goͤt - ter herrſchen wuͤrde. Jupiter zog ſie in ſich hin - uͤber und gebahr ſelbſt von ihr die Minerva aus ſeinem Haupte.

Eurynome.

Eine Tochter des Oceans vermaͤhlte ſich eben - falls mit dem Jupiter, und gebahr ihm die Gra -64 zien Aglaja, Thalia, und Euphroſine, de - ren Augen Liebe einfloͤßen, und die freundlich un - ter den Augenbraunen hervorblicken.

Styx.

Die geehrteſte unter den Toͤchtern des Oce - ans, die mit dem Pallas aus dem Titanenge - ſchlechte, einem Sohne des Krius ſich vermaͤhlte, und ihm die maͤchtigen Soͤhne, Kampf und Sieg, Gewalt und Staͤrke gebahr.

Auf den Rath ihres Erzeugers ging die Styx mit ihren Soͤhnen, in dem Goͤtterkriege, zu dem Jupiter uͤber; und ſeit der Zeit haben ihre Soͤhne beſtaͤndig beim Jupiter ihren Sitz.

Gewalt und Staͤrke mußten auf den Be - fehl des Jupiter den Prometheus zu dem Felſen fuͤhren, woran er geſchmiedet wurde. Jupiter ſiegte mit Liſt uͤber die Titanen, indem er die ſtaͤrkſten von ihnen zu ſeiner Parthei zu ziehen wußte.

Die drei Soͤhne des Titanen Krius, Pallas mit der Styx, Perſes mit der Aſteria der Mut - ter der Hekate, und Aſtraͤus mit der Aurora vermaͤhlt, treten in Dunkel zuruͤck, und die folgenden Dichtungen ſcheinen vorauszuſetzen, daß ſie in dem Goͤtterkriege, gegen den Jupiter65 geſtritten, und mit ihrem Erzeuger und den uͤbri - gen Titanen in den Tartarus geſchleudert ſind.

Bei dieſen Titanen im Tartarus und bei der furchtbaren Styx, dem unterirdiſchen Quell, deſſen Waſſer im naͤchtlichen Dunkel vom hoch ſich woͤl - benden Felſen traͤufelt, und den Fluß bildet, uͤber welchen keine Ruͤckkehr ſtatt findet, ſchwoͤren die Goͤtter den ſchrecklichen unverletzlichen Schwur, von deſſen Banden keine Macht im Himmel und auf Erden befreien kann.

Die hohen Goͤtter koͤnnen nur bei dem Tiefen ſchwoͤren, wo Nacht und Finſterniß herrſcht, wo aber auch zugleich die Grundfeſte der Dinge iſt, auf der die Erhaltung des Daſeyns aller Weſen beruht.

Denn da, wo ſich die ſchwarze Styx ergießt, iſt der finſtre Tartarus mit eherner Mauer um - ſchloſſen, und von dreifacher Nacht umgeben. Hier iſt es, wo die Titanen im dunkeln Kerker ſitzen. Hier ſind aber auch zugleich nach der alten Dichtung die Grundſaͤulen der Erde, des Meeres und des geſtirnten Himmels.

Hier an den entfernten Ufern des Oceans iſt auch die unaufhoͤrlich mit ſchwarzen Wolken bedeckte Wohnung der Nacht; und Atlas der Sohn des Japet ſteht davor, mit unermuͤdetem Haupt und Haͤnden die Laſt des Himmels tragend. Da, wo Tag und Nacht einander ſich ſtets begegnen, und niemals beiſammen wohnen.

E66

Hier war es auch, wo Kottus, Gyges, und Briareus in den Tiefen des Oceans ihre Behau - ſung hatten, und den Eingang zu dem Kerker der Titanen bewachten.

Mnemoſyne.

Auch dieſe ſchoͤne Bildung der Phantaſie ge - hoͤrt zu den alten Gottheiten; denn ſie iſt eine Tochter des Himmels und der Erde. Ihr ſchoͤ - ner Nahme bezeichnet das Denkende, ſich Zuruͤck - erinnernde, welches in ihr aus der Vermaͤhlung des Himmels mit der Erde entſtand. Sie blieb jungfraͤulich unter den Titanen, bis Jupiter ſich mit ihr vermaͤhlte, und die Muſen mit ihr er - zeugte, die den Schatz des Wiſſens unter ſich theilten, den ihre erhabene Mutter vereint beſaß.

Themis.

Auch dieſe war eine Tochter des Himmels und der Erde, welche Prometheus bei dem tragiſchen Dichter, der ihn leidend darſtellt, ſeine Mutter nennt, die ihm, wie auch die Erde, als eine Ge - ſtalt unter vielen Nahmen, die Zukunft weis - ſagte.

Wir haben ſchon bemerkt, daß die alten Goͤt - ter noch durch Rath und Weißagung Einfluß hat -67 ten. Die Erde ſelber war das aͤlteſte Orakel, und an dieſe ſchloß ſich am naͤchſten die Themis an, welche nach der Ueberſchwemmung der Erde, dem Deukalion und der Pyrrha, auf dem Parnaß, den ſchon angefuͤhrten Orakelſpruch ertheilte, ſie ſollten, um das Menſchengeſchlecht wieder herzu - ſtellen, die Gebeine ihrer Mutter mit verhuͤlltem Antlitz hinter ſich werfen.

Die Themis lehrte den Prometheus in die Zukunft blicken, und da die Titanen in dem Goͤt - terkriege ſeinem Rath nicht folgten, ſo ging er mit ihr zum Jupiter uͤber, dem er durch klugen Rath die Titanen beſiegen half, wofuͤr dieſer ihn nach - her mit Schmach und Pein belohnte.

Mit der Themis aber vermaͤhlte ſich Jupiter, und erzeugte mit ihr die Eunomia, Dice, nnd Irene, welche auch Horen genannt wurden; Goͤttinnen der Eintracht befoͤrdernden Gerechtig - keit und Gefaͤhrtinnen der Grazien, welche eben - falls Toͤchter des Jupiter, Hand in Hand ge - ſchlungen, ein ſchoͤnes Sinnbild wohlwollender Freundſchaft ſind.

Themis ſelber behauptet auch unter den neuen Gottheiten, als die Goͤttin der Gerechtigkeit ihren Platz. So wie ſie dem Prometheus die Zukunft enthuͤllte, nahm ſie ſich auch der Men - ſchen an, die ſein Werk waren, und durch die Befolgung ihres Orakelſpruchs nach der Deukalio -E 268niſchen Ueberſchwemmung, aufs neue aus har - ten Steinen wieder gebildet wurden. Auch erwaͤhnen die alten Dichtungen der Aſtraͤa einer Tochter der Themis, die von den Schutzgoͤttinnen der Sterblichen am laͤngſten bei ihnen verweilte, bis ſie zuletzt gen Himmel entfloh, da der Frevel der Menſchen uͤberhand nahm, und weder Ge - rechtigkeit noch Scheu mehr galt.

Weil die Themis dem Jupiter die Zukunft oder den Schluß des Schickſals enthuͤllte, ſo laͤßt eine beſondere Dichtung auch die Parzen Lacheſis, Klotho und Atropos, die Toͤchter der alten Nacht, vom Jupiter wieder erzeugt, und von der Themis gebohren worden. Die Parzen ſind alſo in dieſen Dichtungen eine doppelte Erſcheinung, einmal als Toͤchter der alten Nacht und als Dienerinnen des Schickſals, uͤber den Jupiter weit erhaben; und dann als Toͤchter des Jupiter, die nach dem Willen des Schickſals, ſeine Rathſchluͤſſe voll - ziehen.

Die doppelten Erſcheinungen der Goͤtter - geſtalten, ſind in dieſem traumaͤhnlichen Gewebe der Phantaſie nicht ſelten; was vor dem Jupiter da war, wird, da der Lauf der Zeiten mit ihm aufs neue beginnt, noch einmal wieder von ihm erzeugt, um ſeine Macht zu verherrlichen, und ihn zum Vater der Goͤtter zu erheben. Die Dichter haben von jeher das Schwankende in die -69 ſen Dichtungen zu ihrem Vortheil benutzt, und ſich ihrer als einer hoͤhern Sprache bedient, um das Erhabene anzudeuten, was oft vor den trun - kenen Sinnen ſchwebt, und der Gedanke nicht faſ - ſen kann.

Pontus.

Die Erde erzeugte aus ſich ſelber den Uranos oder den Himmel, der ſie umwoͤlbet; die hohen Berge mit ihren waldigten Gipfeln; und den Pontus oder das unfruchtbare Meer; hierauf gebahr ſie erſt, indem ſie ſich mit dem Himmel vermaͤhlte den entfernten grundloſen Ocean.

Den Pontus oder das mittellaͤndiſche be - kannte befahrne Meer, traͤgt die Erde, ſo wie die Berge, gleichſam in ihrem Schooße, das heißt in dieſer Dichtung, ſie hat dieſe großen Erſcheinungen aus ſich ſelbſt erzeugt; und aus den aufſteigenden Nebelduͤnſten hat ſie den umwoͤlbenden Luftkreis um ſich her gewebt.

Da aber, wo der Himmel ſich gleichſam mit ihr vermaͤhlt, indem ſeine Woͤlbung auf ihr zu ruhen ſcheint, am aͤußerſten weſtlichen Hori - zonte, wo die Sonne ins Meer ſinkt, breitet ſich erſt in weiten Kreiſen der unbekannte unbe - grenzte Ocean um ſie her, der nach der alten Dich - tung, aus der Beruͤhrung oder Begattung des Him - mels und der Erde gebohren ward.

70

Der Pontus oder das Meer, das die Erde in ihrem Schooße traͤgt, vermaͤhlte ſich mit ſeiner Mutter Erde, und erzeugte mit ihr den ſanften Nereus, den Thaumas, die Eurybia, die ein eiſernes Herz im Buſen traͤgt, den Phorkys und die ſchoͤne Ceto.

Nereus.

In dem Nereus gab die Dichtung der ſanf - ten ruhigen Meeresflaͤche Perſoͤnlichkeit und Bil - dung. Er iſt wahrhaft und milde, und vergißt des Rechts und der Billigkeit nie; liebt Maͤßigung und haßt Gewalt. Mit ruhigem Blick ſchaut er in die Zukunft hin, und ſagt die kommenden Schickſale vorher.

Ein Dichter aus dem Alterthum fuͤhrt ihn redend ein, wie er bei Wind und Meeresſtille, dem Paris, welcher die Helena aus Griechenland entfuͤhrt, das Schickſal von Troja vorher verkuͤn - digt.

Er vermaͤhlte ſich mit der Doris, der ſchoͤ - nen Tochter des Ocean; und dieſes Goͤtterpaar, ſich zaͤrtlich umarmend, und auf den Wellen des Meeres ſanft emporgetragen, iſt eines der ſchoͤn - ſten Bilder der Phantaſie aus jenen Zeiten, wo man den großen unuͤberſehbaren Maſſen ſo gern Form und Bildung gab. Nereus, der Gott71 der ruhigen Meeresflaͤche, erzeugte mit der Do - ris, der Tochter des Ocean:

Die Nereiden.

Ihrer iſt eben ſo wie der Toͤchter des Ocean eine große Zahl. Das wuͤſte Meer wurde durch dieſe Bildungen der Phantaſie ein Aufent - halt hoher Weſen, die da, wo Sterbliche ihr Grab finden wuͤrden, ihre glaͤnzende Wohnung hatten, und von Zeit zu Zeit ſich auf der ſtillen Meeresflaͤche zeigten, welches zu reitzenden Dich - tungen Anlaß gab.

So ſtieg einſt Galatea, eine Tochter des Nereus, aus den Wellen empor, welche der Rieſe Polyphem erblickte, der ſich ploͤtzlich vom Pfeil der Liebe verwundet fuͤhlte, und ſo oft ſie nachher ſich zeigte, ihr ſein Leid vergeblich klagte.

Thetis, eine Tochter des Nereus, welche mit der Tethys, einer Tochter des Himmels und Vermaͤhlten des Oceans, nicht zu verwechſeln iſt, wurde, eben ſo wie die Metis, dem Jupiter, der ſich mit ihr vermaͤhlen wollte, furchtbar, als ihn die Prophezeihung ſchreckte: ſie wuͤrde einen Sohn gebaͤhren, der wuͤrde maͤchtiger als ſein Vater ſeyn.

Durch die Veranſtaltung der Goͤtter wurde ſie daher mit dem Koͤnige Peleus vermaͤhlt, der72 den Achill mit ihr erzeugte, welcher maͤchtiger als ſein Vater wurde; denn die Thetis tauchte ihn in den Styx, wodurch er, ausgenommen an der Ferſe, woran ſie ihn hielt, unverwundbar ward, aber auch gerade an dieſer einzigen verwundbaren Stelle, in dem Kriege vor Troja, die toͤdtliche Wunde empfing.

Noch ſagt die Dichtung, daß dieſe Thetis einſt, da die neuen Goͤtter den Jupiter binden wollten, und der wahrſagende Nereus ihr dieß entdeckte, den hundertaͤrmigen Briareus aus der Tiefe des Meers hervorrief, der ſich neben den Donnerer ſetzte, worauf es keiner der Goͤtter wagte, die Hand an den Jupiter zu legen.

Mit der Amphitrite, einer Tochter des Ne - reus, vermaͤhlte ſich Neptun; ſie tritt alſo unter den neuen Gottheiten majeſtaͤtiſch auf, und wird abgebildet, wie ſie gleich dem Gott, dem ſie ver - maͤhlt iſt, den maͤchtigen Dreizack in der Hand haͤlt, und die wilden Fluthen baͤndigt.

Von funfzig Toͤchtern des Nereus ſind die Nahmen aufgezeichnet, allein nur wenige unter ihnen ſind in die fernere Geſchichte der Goͤtter verflochten; die uͤbrigen machen das Gefolge glaͤn - zend, wenn Theris oder Amphitrite aus dem Meer emporſteigt.

73

Thaumas.

Das Staunen und die Verwunderung uͤber die großen Erſcheinungen der Natur, iſt aus dem Meer erzeugt, und wird, obgleich nur mit wenigen Umriſſen, in dem Thaumas, einem Sohne des Pontus als perſoͤnlich dargeſtellt.

Thaumas vermaͤhlt ſich mit der Elektra, ei - ner Tochter des Ocean, und erzeugt mit ihr die bewundernswuͤrdigſte Erſcheinung, den viel - farbigten Regenbogen, der wegen der Schnellig - keit, womit ſeine Fuͤße die Erde beruͤhren, indeß ſein Haupt noch in die Wolken ragt, unter dem Nahmen Iris, als die Botin der Goͤtter dar - geſtellt wird, die in der neuen Goͤttergeſchichte zum oͤftern handelnd wieder auftritt.

Thaumas mit der Elektra erzeugte auch die ſchnellen gefluͤgelten Harpyen, Aello und Ocy - pete, den Sterblichen ein Schrecken, die, gleich den reißenden Wirbelwinden, dem Meer entſtei - gen, und unaufhaltſam ihren Raub mit ſich hin - wegfuͤhren.

Eurybia.

Eine Tochter des Pontus, die ein eiſernes Herz im Buſen traͤgt, und mit dem Titanen Krius ſich vermaͤhlt, dem ſie die ſtarken Soͤhne, Aſtraͤus, Pallas, und Perſes gebiehrt; ſie iſt eine dunkle Erſcheinung, die in Nacht zuruͤcktritt.

74

Phorkys und die ſchoͤne Ceto oder die Erzeugung der Ungeheuer.

Phorkys, ein Sohn des Pontus, erzeugte mit der ſchoͤnen Ceto, einer Tochter des Pontus:

Die Graͤen: Dino, Pephredo, und Enyo; die ewigen alten drei ſchwanenweißen Jungfrauen, die von ihrer Geburt an grau waren, nur einen Zahn und ein Auge hatten, und an den aͤußerſten Grenzen der Erde wohnten, wo die Behauſung der Nacht iſt, und wo ſie nie von der Sonne, noch von dem Lichte des Mondes beſchienen wurden.

Die Gorgonen, Schweſtern der Graͤen, mit furchtbarem Antlitz und Schlangenhaaren, Euryale, Stheno, und Meduſa.

Den Drachen, der an den außerſten Gren - zen der Erde die goldenen Aepfel der Heſperiden bewacht.

Aus dem Blute der Meduſa, da ſie vom Per - ſeus enthauptet wurde, ſprang Chryſaor mit gold - nem Schwerdte, und der gefluͤgelte Pegaſus hervor.

Chryſaor vermaͤhlte ſich mit der Kallirhoe, ei - ner Tochter des Oceans, und erzeugte mit ihr den dreikoͤpfigten Geryon und die Echidna, halb75 Nymphe mit ſchwarzen Augen und bluͤhenden Wan - gen, und halb ein ungeheurer Drache; mit dieſer erzeugte Typhaon, ein heulender Sturmwind:

Den dreikoͤpfigten Hund Cerberus;

Den zweikoͤpfigten Hund Orthrus;

Die Lernaͤiſche Schlange;

Die feuerſpeiende Chimaͤra, mit dem Ant - litz des Loͤwen, dem Leib der Ziege, und dem Schweif des Drachen, und zuletzt gebahr die Echidna, nachdem ſie ſich mit dem Orthrus be - gattet hatte,

Den nemaͤiſchen Loͤwen, und

Die raͤthſelhafte Sphinx mit dem jungfraͤuli - chen Antlitz und den Loͤwenklauen.

Dieß iſt die Nachkommenſchaft des Phorkys und der ſchoͤnen Ceto. Die Erzeugung der Un - geheuer endigt ſich mit der Geburt des Geheim - nißvollen und Raͤthſelhaften, worin die alten Ausſpruͤche und dunkeln Sagen der Vorzeit gehuͤl - let ſind.

Und ſo wie die Nacht die Mutter des Ver - borgenen, Unbekannten iſt, wie z. B. der Heſpe - riden, die an den entfernteſten Ufern des Oceans die goldnen Aepfel bewahren; ſo laͤßt die Phan - taſie die Ungeheuer, wie z. B. den Drachen, der dieſe goldene Frucht bewacht, dem Meer ent - ſtammen.

76

Allein dieſe Ungeheuer entſtehen nur, um in der Folge die Tapferkeit und den Muth zu pruͤfen, und von Goͤtterentſtammten Helden beſiegt zu werden, die durch kuͤhne Thaten ſich den Weg zur Unſterblichkeit bahnen.

Die Fluͤſſe.

Auch den Fluͤſſen gab die Einbildungskraft Perſoͤnlichkeit. Sie gehoͤren als Soͤhne des Oceans zu den alten Gottheiten, und ſind zum Theil in die folgende Goͤttergeſchichte als handeln - de Weſen mit verflochten, wie z. B. Skaman - der, Achelous, Peneus, Alphaͤus, Ina - chus.

Die Bildung der Flußgoͤtter giebt zu ſchoͤnen Dichtungen Anlaß; der Stammvater eines Volks, z. B. deſſen Urſprung nicht weiter zu erforſchen iſt, heißt der Sohn des Fluſſes, an welchem ſeine Nachkommen wohnen. Durch dieſe Dichtungen knuͤpfte die lebloſe Natur ſich naͤher an die Men - ſchen an, und man dachte ſich gleichſam naͤher mit ihr verwandt.

Proteus.

Ein Sohn des Oceans und der Tethys; der Huͤter der Meerkaͤlber; welcher gleich der geheim -77 nißvollen Natur, die unter tauſend abwechſeln - den Geſtalten den forſchenden Blicken der Sterb - lichen entſchluͤpft, ſich in Feuer und Waſſer, Thier und Pflanze verwandeln konnte, und nur denen, die unter jeder Verwandelung ihn mit ſtarken Armen feſt hielten, zuletzt in ſeiner eigenen Geſtalt erſchien, und ihnen das Wahre entdeckte.

Chiron.

Schon Saturnus pflog einer verſtohlnen Liebe mit der Philyra, einer Tochter des Flußgottes Aſopus. Indem er ſich mit ihr begattete, ver - wandelte er ſich, um die eiferſuͤchtigen Blicke der Rhea zu taͤuſchen, in ein Pferd, und erzeugte mit der Philyra den Chiron, der halb Menſch halb Pferd, dennoch Schaͤtze hoher Weisheit in ſich ſchloß, und in der Folge der Erzieher von Koͤ - nigen und Helden ward, die ihm ihre Tugenden und ihre Bildung dankten.

Atlas.

Unter den Nachkommen der Titanen iſt Atlas einer von den großen Goͤttergeſtalten, die in die Folge der fabelhaften Geſchichte zum oͤftern wieder verflochten werden: Jupiter vermaͤhlte ſich mit ſeiner Tochter der Maja, und erzeugte mit ihr den Merkur, welcher daher ein Enkel des Atlas heißt.

78

Nemeſis.

Sie iſt, wie die Parzen, eine Tochter der Nacht; ſie hemmet Stolz und Uebermuth, ſtraft und belohnt nach gerechtem Maaß, und ahndet verborgnen Frevel. Sie gehoͤrt unter den alten Gottheiten zu den hohen geheimnißvollen Weſen, die von Goͤttern und Menſchen mit Ehrfurcht be - trachtet werden. Und unter den neuen Goͤttern behauptet ſie bleibend und herrſchend ihren Platz.

Prometheus.

Der Weiſeſte unter den Titanen, deſſen ſchoͤpferiſcher Genius die Menſchen bildete, hat, wie die meiſten alten Gottheiten, nur noch durch Weißagung und Rath in die Folge der Goͤtterge - ſchichte Einfluß; ſeine große Erſcheinung tritt in Nebel zuruͤck.

79

Jupiter, der Vater der Goͤtter.

In der Darſtellung der alten Goͤtter ſpielt die Phantaſie der Dichter mit lauter großen Bil - dern. Es ſind die großen Erſcheinungen der Natur; der Himmel und die Erde, das Meer, die Morgenroͤthe, die Macht der ſich empoͤrenden Elemente unter dem Bilde der Titanen, die ſtrah - lende Sonne und der leuchtende Mond, welche alle nur mit wenigen Zuͤgen, als perſoͤnliche Weſen dargeſtellt, in Reihe und Glied mit ſtehen, und mehr Stoff fuͤr die Dichtkunſt als fuͤr die bil - dende Kunſt darbieten.

Aus dem Nebel dieſer Erſcheinungen treten die neuen Goͤttergeſtalten in Sonnenglanz her - vor. Der maͤchtige Donnergott mit dem Adler zu ſeinen Fuͤßen; Neptun, der Erderſchuͤtterer, mit dem maͤchtigen Dreizack; die majeſtaͤtiſche Juno; der ewig junge Apoll mit dem ſilbernen Bogen; die blauaͤugigte Minerva mit Helm und Spieß; die goldne Aphrodite; die jungfraͤuliche Diana mit Koͤcher und Bogen; der eherne Kriegs - gott, Mars; Merkur, der ſchnelle Goͤtterbote.

80

Auf den Jupiter ſelber faͤllt der hoͤchſte Glanz zuruͤck; denn er iſt der Erzeuger der ſtrahlenden Geſtalten, die in jugendlicher Schoͤnheit neu hervorgehen. Neptun und Pluto, Juno, Veſta und die befruchtende Ceres ſind unter den neuen Goͤttern mit ihm zugleich vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren; vom Ju - piter ſelber iſt die groͤßre Zahl der neuen Goͤtter entſproſſen.

Unter den alten Gottheiten erzeugte Jupiter ſchon:

Mit der Metis, einer Tochter des Oceans, die Minerva;

Mit der Mnemoſyne, einer Tochter des Himmels, die Muſen;

Mit der Themis, einer Tochter des Himmels, die Goͤttinnen der Eintracht und Gerechtigkeit;

Mit der Eurynome, einer Tochter des Oce - ans, die Grazien;

Mit der Latona, einer Tochter des Coͤus und der Phoͤbe, den Apoll und die Diana;

Mit der Maja, einer Tochter des Atlas, den Merkur.

Allein alle dieſe hohen Goͤttinnen und erhab - nen Muͤtter himmliſcher Weſen, treten dennoch in Schatten zuruͤck, gegen die herrſchende Juno, die vor allen das Recht behauptet, die Vermaͤhlte des Donnergottes zu ſeyn, und deren Eiferſucht dem81 Jupiter, nachdem er ſchon lange die Titanen be - ſiegt, und die Giganten uͤberwunden hat, noch oft den Glanz ſeiner Goͤttermacht verleidet.

In die Goͤtterehe des Jupiter und der Juno trug die Dichtung auch die menſchlichen Verhaͤlt - niſſe hinuͤber, welche nach den Begriffen einer Gottheit des Verſtandes freilich thoͤricht und laͤcherlich waren, aber nicht nach dem Begriff einer Gottheit der Phantaſie, deren nachahmende Bildungskraft ſich eben ſowohl ihre Goͤtter nach dem Bilde der Menſchen, als ihre Menſchen nach dem Bilde der Goͤtter ſchuf, leiſe ahndend, daß die Menſchheit beides in ſich vereinigt.

In dieſem Sinne iſt Juno auch die Goͤttin der Ehe, und gebahr dem Jupiter die Lucina oder Ilithya, welche den Schwangern bei ihrer Entbindung beiſteht. Mit ihr erzeugte Jupiter auch die Hebe, oder die Goͤttin der Jugend, ein Sinnbild der Fortpflanzung, wodurch die Gat - tung immer neu gebohren, in ewiger Jugend ſich erhaͤlt. Dieſe Goͤttin iſt dereinſt dem Herkules, wenn er durch große und ſchoͤne Thaten ſich die Unſterblichkeit erworben, zum Lohn der Tugend und Tapferkeit beſtimmt.

Juno gebahr aber auch dem Jupiter den un - verſoͤhnlichen Mars, den ſchrecklichen Krieges - gott, auf welchen Jupiter oftmals zuͤrnte, undF82ihn vom Himmel zu ſchleudern drohte, aber ſei - ner ſchonte, weil er ſein eigener Sohn war.

Den Vulkan gebahr die Juno ohne Begat - tung, dem Jupiter zum Trotz, weil dieſer die Minerva aus ſeinem Haupte gebohren hatte. Es ſind die beiden bildenden Gottheiten, in deren Hervorbringung Jupiter und Juno wettei - fern. Was nun aber die Entwickelung des Hohen und Goͤttlichen verhindert und erſchwert, das iſt bei den Erzeugungen des Jupiter

Die Eiferſucht der Juno.

Eben ſo wie Jupiter, da er kaum gebohren war, nur mit Muͤhe vor den Nachſtellungen der verfolgenden zerſtoͤrenden Macht gerettet werden konnte, und ſeine Waͤchter um ſeine Lagerſtatt ein wildes Getoͤſe erheben mußten, damit Saturnus die Stimme des weinenden Kindes nicht verneh - men moͤchte;

So ſuchte auch die Tochter des Saturnus, das neugebildete Hohe und Goͤttliche, wo moͤglich, in ſeinem Keime zu zerſtoͤren, und ſeine Geburt mit furchtbarer Macht zu hindern, damit es nie das Licht des Tages erblicken moͤchte.

Als die ſanfte Latona den Apollo und die Diana, dem Jupiter gebaͤhren ſollte, ſo ließ Juno83 ſie durch einen Drachen verfolgen, und beſchwur die Erde, ihr keinen Platz zur Entbindung zu vergoͤnnen. Die Inſel Delos war, als ein ſchwimmendes Eiland, das keine bleibende Staͤtte hatte, nicht mit unter dem Schwur begriffen; hier fand Latona erſt, wo ihr Fuß ruhen konnte. Die - ſes Eiland war es, wo ſie zwiſchen einem Oehl - baum und Palmbaum zuerſt die Diana und dann den Apollo gebahr.

Da Semele, die Tochter des Kadmus in Theben, vom Jupiter den Bachus gebaͤhren ſollte, ſo wußte Juno, unter der Geſtalt ihrer Am - me, ſie mit ſchwarzem Trug zu uͤberreden, ſie ſolle den Jupiter ſchwoͤren laſſen, er wolle ihr eben ſo erſcheinen, als wenn er der Juno Bett beſtiege; Jupiter erſchien ihr in der Geſtalt des Donnergottes, und Semele ward ein Raub der Flammen; den jungen Bachus rettete Jupiter und verbarg ihn in ſeine Huͤfte.

Und als nachher Alkmene vom Herkules, dem Sohne des Jupiter, entbunden werden ſollte, ſo ſetzte ſich Juno vor der Thuͤr des Hauſes auf ei - nem Steine nieder, mit beiden Haͤnden ihre Knie umſchlungen, und machte auf die Weiſe der Mutter des Herkules die Entbindung ſchwer. Den Herkules ſelbſt verfolgte ſie von ſeiner Kindheit an, wodurch ſein Heldenmuth gepruͤft, ſeine Bruſt geſtaͤhlt, undF 284ihm der Weg zur Unſterblichkeit und zum Sitz der Goͤtter gebahnet wurde.

Von der Eiferſucht der Juno iſt, nach einer wohlerfundenen Dichtung, ſelbſt ein Geſtirn am Himmel ein unausloͤſchliches Zeichen. Sie ver - wandelte nemlich die vom Jupiter geliebte Nym - phe Kalliſto in eine Baͤrin, die nachher von ihm unter die Sterne verſetzt ward. Da bat die Juno den Ocean, er moͤchte dieſe neue glaͤnzende Geſtalt am Himmel nicht in ſeinen Schooß aufneh - men und dieß Geſtirn geht niemals unter.

Die Eiferſucht der Juno haucht dieſen Dich - tungen Leben ein, ſo wie die Winde das ſtille Meer aufregen. Auch iſt dieſe Eiferſucht an ſich ſelbſt erhaben, weil ſie nicht ohnmaͤchtig, ſon - dern mit Goͤtterkraft und Hoheit verknuͤpft, den Gott des Donners ſelber auf dem hoͤchſten Gipfel ſeiner Macht beſchraͤnkt.

Veſta,

Die den Erdkreis mit heiliger Gluth belebt, iſt ſelbſt unter den neuen Goͤttern ein geheimniß - volles Weſen; ſie blieb jungfraͤulich unter den Toͤchtern des Saturnus und der Rhea, und der keuſche Schleier huͤllt ihre Bildung ein.

85

Ceres.

Mit ihr, der alles befruchtenden und alles er - naͤhrenden Goͤttin, die vom Saturnus erzeugt, und aus dem Schooß der Rhea gebohren ward, erzeugte Jupiter die jungfraͤuliche Proſerpina, die, vom Pluto entfuͤhrt, in der Unterwelt die Koͤnigin der Schatten ward.

Pluto und Proſerpina ſind alſo unter den neuen Goͤttern die Beherrſcher des Orkus oder der Schattenwelt. Der Tartarus iſt eine der groͤßren Erſcheinungen aus dem Zeitraume der alten Goͤtter; er iſt, tief unter dem Orkus, mit eherner Mauer umgeben, und dreifacher Nacht umgoſſen, der Aufenthalt der Titanen, die ewiges Dunkel gefangen haͤlt.

Dieſe ſind nun beſiegt, und Jupiter, Neptun, und Pluto haben ſich in die Herrſchaft uͤber Erde, Meer, und Luft getheilt. Das Chaos hat ſich gebildet; die Elemente haben ſich geſondert; aber des Himmels Glanz umgiebt den herrſchenden

Jupiter.

Er hat auf dem Olymp den hoͤchſten Sitz; er winket mit den Augenbraunen, und der Olymp erbebt; er iſt das umgebende Ganze ſelber; vor ihm beugt ſich der Erdkreis; er laͤchelt, und der ganze Himmel heitert mit einemmal ſich auf.

86

Mit ſeiner Macht und Hoheit vereint ſich die ganze Fuͤlle der Jugendkraft, welche durch nichts gehemmt iſt. Der Himmel faßt die Fuͤlle ſei - nes Weſens nicht. Um ſeine Goͤtterkraft in manchem Heldenſtamme auf Erden fortzupflan - zen, richtete er auf die Toͤchter der Sterblichen ſeine Blicke; und damit ſie Semelens Schickſal nicht erfuͤhren, huͤllte der Allesdurchwebende in taͤuſchende Geſtalten ſeine Gottheit ein.

Von ſeinem hohen Sitze ſenkte er ſich, in dem goldnen Regen, in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den tapfern Perſeus, der die Ungeheuer mit maͤchtigem Arm beſiegte.

Mit dem majeſtaͤtiſchen Schwanenhalſe ſchmiegte er ſich an Ledas Buſen, und ſie gebahr den edelmuͤthigen Pollux, und die goͤttliche Hele - na, das ſchoͤnſte Weib auf Erden, aus Jupiters Umarmung.

In der Kraft des muthigen Stiers, lud er mit ſanftem Blick, die jungfraͤuliche Europa auf ſeinen Ruͤcken ein, und trug ſie durch die Meeres - fluthen an Kretas Ufer, wo er den Minos mit ihr erzeugte, der den Voͤlkern Geſetze gab, und uͤber ſie mit Macht und Weisheit herrſchte.

Auch die Thiergeſtalten ſind in dieſen Dich - tungen heilig, wo man unter dem Bilde der Gott -87 heit die ganze Natur verehrte, und nichts Un - edles in der Vorſtellung lag, den hoͤchſten unter den Goͤttern in irgend einer der Geſtalten der all - umfaſſenden Natur ſich verhuͤllt zu denken.

Daß nun eine widerſtrebende, eiferſuͤchtige, und doch auch erhabene Macht die hoͤchſte Macht zu beſchraͤnken, und ihre Plane zu verei - teln ſucht; daß Jupiters verſtohlnen Umar - mungen die tapfern Soͤhne entſtammen, iſt ganz in dem Geiſte dieſer Dichtungen, wo alles Schoͤ - ne und Starke, was ſich entwickeln und bilden ſoll, mit Widerſtand und Schwierigkeiten kaͤmpfen, und manche Noth und Gefahr beſtehen muß, bis ſein Werth erprobt iſt.

Von nun iſt die Goͤttergeſchichte in die Ge - ſchichte der Menſchen verflochten und verwebt. Die Goͤtterkriege haben nun aufgehoͤrt, und was die ſeeligen Goͤtter noch beſchaͤftigt, das ſind die Schickſale der Sterblichen, mit denen ihre Macht, den einen hebend und den andern ſtuͤrzend zum oͤftern gern ihr Spiel treibt; zum oͤftern aber auch der hohen Heldentugend und Tapferkeit ſich annimmt; zuerſt am Kampf des Helden ſich er - goͤtzt, und dann mit Unſterblichkeit den Sieger lohnt.

Nun iſt es aber das Verhaͤltniß des Donner - gottes zu der hohen Juno, worin die Verwicke -88 lung dieſer Geſchichten groͤßtentheils ſich gruͤndet. Ihre verfolgende Eiferſucht iſt es, die den Helden ihre ſchwere Laufbahn vorſchreibt. So bildet ſich das Gewebe dieſer Dichtungen aus einem er - habenen Punkte, und knuͤpft ſich immer wieder an die Majeſtaͤt der herrſchenden Gottheit an.

89

Die neue Bildung des Menſchengeſchlechts.

Nachdem das Menſchengeſchlecht nun einmal da war, ſo ſchien es unvertilgbar zu ſeyn. Jupiter ſchickte vergeblich ſeine Suͤndfluth; es wuchs aus Kieſelſteinen, und keimte aus Drachenzaͤhnen wieder auf. Dem Schlamm der feuchten Erde entſproßten Menſchen, und Menſchen entſtamm - ten den Eichen des Waldes, der ihnen Nah - rung gab.

Allein das goldene Zeitalter war entflohen, und noch waren die Kuͤnſte nicht erfunden, die das harte Leben der Menſchen ſanft und ertraͤglich machen. Des Feuers beraubt, war dieß Geſchlecht nun das unſeeligſte unter allen, und mußte durch manche Noth ſein unverſchuldetes Daſeyn buͤßen.

Bis ſelbſt, durch dieſe Noth gedrungen, der langverborgene Goͤtterfunken ſich endlich in den Tiefgeſunkenen wieder regte, und ſie aus eigener90 Kraft nun wurden, wozu kein Gott ſie bilden konnte; indem ſie jedes Gut, mit unverdroſſenem Fleiß, ſich ſelbſt verſchaften, deſſen Beſitz ſie nun der Wohlthat keines Gottes mehr verdankten.

Als Haſſer des Prometheus und der Titanen - feind, ſuchte Jupiter durch die Beraubung des Feuers, die Menſchen zu verderben. Aber als die uͤber ihren eigenen Zorn erhabene, ruhige, mit dem Schickſal einverſtandene Macht, ſahe er aus der Unterdruͤckung, die ſein eigenes Werk war, ein neues Geſchlecht hervorgehen, das durch Aus - harren, Kraft, und Duldung, den Goͤttern aͤhn - lich ward. So ſtellt ein Dichter aus dem Al - terthum in folgenden Zeilen, den Jupiter nicht als den Haſſer, ſondern als den Wohlthaͤter und Vater der Menſchen dar.

Selbſt der Vater beſchied dem Feldbau Muͤh,
und beſtellt ihn
Erſt durch Kunſt, mit Sorgen den Geiſt der Sterb -
lichen ſchaͤrfend;
Daß nicht ſtarrte ſein Reich in des Schlummers
dumpfer Betaͤubung.
Nie vor Jupiter bauten das Fruchtfeld ackern -
de Pfluͤger;
Weder Mal noch Theilung durchſchnitt die gemein -
ſamen Fluren:
91
Alle ſuchten fuͤr alle; ja ſelbſt die Erde, da nie -
mand
Forderte, trug unſklaviſch und gern. Doch Jupiters
Rathſchluß
Gab ihr toͤdtendes Gift der ſchwarz aufſchwellenden
Natter,
Sandte die hungrigen Woͤlfe zum Raub und regte
das Meer auf,
Schuͤttelt ihr Honig den Baͤumen herab, und ent -
ruͤckte das Feuer,
Hieß auch ſtocken den Wein, der in ſchlaͤngelnden Baͤ -
chen umherfloß;
Daß der Gebrauch allmaͤlig die mancherlei Kuͤnſte
mit regen
Sinnen erzwaͤng und den naͤhrenden Halm in Fur -
chen erzeugte,
Auch das verborgene Feuer entſchluͤg aus den Adern
des Kieſels.
Jetzo fuͤhrte zuerſt der Strom die gehoͤhleten Er -
len;
Jetzo gab dem Geſtirne der Steuerer Zahlen und
Nahmen,
Merkend Plejad und die leuchtende Baͤrin Ly -
kaons.
Jetzo laurte die Schling im Geſtraͤuch, und die Rute
voll zaͤhes
Vogelleims; es drohten die Hund um den maͤchti -
gen Bergwald.
92
Dort nun fuhr in die Tiefe des breiten Stromes
das Wurfnetz
Rauſchend hinab, dort ſchwebt in dem Meer das
triefende Zuggarn.
Jetzo ſtarrte das Eiſen, es klang die knarrende
Saͤge;
Denn ſonſt pflegte der Keil den kluͤftigen Stamm
zu zerſpalten;
Jetzo kamen die Kuͤnſt und Erfindungen. Alles
beſieget;
Unverdroſſener Fleiß, und die Noth des dringen -
den Mangels.

Virgil. Von Voß überſetzt.

Da nun Prometheus in Schatten zuruͤckge - wichen iſt, und eine neue Menſchenerzeugung an - hebt, ſo ſind, außer dem Deukalion die Stamm - vaͤter oder neuen Schoͤpfer des Menſchengeſchlechts, mit denen es gleichſam aus der Vergeſſenheit wie - der emporragt: Ogyges, Cekrops und Inachus.

Ogyges.

In die Zeiten des Ogyges faͤllt eine Ueber - ſchwemmung, die noch aͤlter als die Deukalioniſche iſt. Der Geſichtskreis ſchließt ſich mit dieſer Ogygiſchen Fluth, uͤber welche ſelbſt die fabel - hafte Geſchichte nicht weiter hinausgeht.

93

Ogyges, welcher die Gegend beherrſchte, die in der Folge der Zeit Attika und Boͤotien hieß, erzeugte mit der Thebe, einer Tochter des Jupi - ter, den Eleuſinus, der damals ſchon die Stadt Eleuſis erbauete, in welcher nachher die Eleuſini - ſchen Geheimniſſe geſtiftet wurden.

Inachus.

Auf den Inachus, einen Sohn des Oceans, wird ein großer Theil der aͤlteſten Geſchichte zu - ruͤckgefuͤhrt. Dieſer Inachus war ein Strom, der die Fluren von Argolis im Pelopponeß bewaͤſ - ſerte. Die Dichtung gab ihm Perſoͤnlichkeit, und machte ihn ſelber zum Stammvater des Men - ſchengeſchlechts, das an ſeinen Ufern ſich ausge - breitet hatte.

Sein Sohn Phoroneus lehrte die Menſchen den Gebrauch des Feuers wieder, und beredete ſie, ſich gemeinſchaftliche Wohnplaͤtze zu erbauen, da ſie vorher zerſtreut in Waͤldern lebten. Er war einer der aͤlteſten Wohlthaͤter des gleichſam wiedergebohrnen Menſchengeſchlechts.

Jo, eine Tochter des Inachus, wurde vom Jupiter geliebt und von der Juno verfolgt, in die Geſtalt einer Kuh verwandelt, in raſender Wuth auf dem ganzen Erdkreiſe umhergetrieben, bis ſie94 endlich in Aegypten einen Ruheplatz fand, wo ſie goͤttlich verehrt wurde, und Jupiter den Epaphus mit ihr erzeugte. Von dieſem Epaphus ſtammte ein koͤniglich Geſchlecht, das lange nach - her in Griechenland wieder herrſchte, und deſſen Recht zur Oberherrſchaft auf ſeinen Urſprung vom alten Inachus ſich ſtuͤtzte.

Mit der Lybia, einer Tochter des aͤgyptiſchen Koͤniges Epaphus, erzeugte Neptun den Belus und Agenor.

Agenor herrſchte zu Tyrus; Kadmus, wel - cher Theben erbauete, und die erſte Schrift nach Griechenland brachte, war ſein Sohn, und die vom Jupiter entfuͤhrte Europa ſeine Toch - ter. Die Tochter des Kadmus war Semele, die den Bachus gebahr.

Belus, der andere Enkel des Epaphus, erzeugte den Danaus, und Aegyptus. Danaus kam nach Griechenland, und herrſchte uͤber Ar - gos; von ihm ſtammte Akriſius ab, mit deſſen Tochter, der Danae, Jupiter in einem goldnen Regen ſich vermaͤhlte, und den Perſeus mit ihr erzeugte.

Alcaͤus war ein Sohn des Perſeus; und eine Enkelin des Alcaͤus war Alkmene, die Mut - ter des Herkules. Dieß ſind die vornehmſten95 Erzeugungen aus dem von Inachus abgeleiteten Heldenſtamme.

Weil man nun nicht weiter als bis auf den Inachus, den Stamm der aͤlteſten Koͤnige und Helden zuruͤckzufuͤhren vermochte; ſo heißt es nachher in der Dichterſprache: du magſt vom alten Inachus dein Geſchlecht herleiten, ſo bleibſt du doch ein Opfer des unerbittlichen Orkus!

Cekrops.

Mit ihm bildete ſich in der Gegend von Attika ein Geſchlecht von Menſchen, die er lehrte, in Huͤtten zuſammen zu wohnen; und unter de - nen er zuerſt den Eheſtand einfuͤhrte, weswegen man ihn mit doppeltem Antlitz, einem maͤnn - lichen und weiblichen gebildet hat. Aus dem nachmaligen Stamme der athen[i]enſiſchen Koͤnige, welche vom Erechtheus die Erechthiden hießen, war Theſeus der beruͤhmteſte Held.

Athen wurde nachher die gebildetſte unter den Staͤdten Griechenlands, und bis in die aͤlte - ſte fabelhafte Geſchichte derſelben, iſt die Idee von bildender Kunſt die herrſchende. Nep - tun und Minerva, die auch Pallas Athene heißt, wetteiferten, nach weſſen Nahmen die neu ſich bildende Stadt benannt werden ſollte; Mi -96 nerva trug den Sieg davon, und nach ihrem Nahmen wurde die Stadt Athen genannt.

Deukalion.

Obgleich Deukalion als der eigentliche Wie - derherſteller des vertilgten Menſchengeſchlechts be - trachtet wurde; ſo ſehen wir doch, wie aͤltere Sa - gen ſich an dieſe Dichtung anſchließen, und die neue Menſchenſchoͤpfung oder Menſchenbildung des Deukalion nur auf einen Theil von Griechen - land beſchraͤnken.

Amphyktion, ein Sohn des Deukalion, ſtiftete zuerſt eine heilige Verbindung unter meh - reren Voͤlkern, die durch gemeinſchaftliche Be - rathſchlagungen gleichſam zu einem Volke ſich vereinigten. Dieſe heilige Stiftung wurde lan - ge nachher nach ſeinem Nahmen die Verſamm - lung der Amphyktionen genannt.

Hellen, der zweite Sohn des Deukalion, herrſchte in Theſſalien, und erzeugte den Aeolus; den Stammvater vieler Helden. Die beruͤhmte - ſten aus dem Aeoliſchen Heldenſtamme, ſind Me - leager, Jaſon, und Bellerophon. Meleager uͤberwand den Kalydoniſchen Eber; Bellero - phon beſiegte die Chimaͤra; und Jaſon erbeutete das goldne Fließ.

97

Die alten Einwohner von Arkadien.

Unter dieſen dachte man ſich die aͤlteſten Menſchen, die ſchon vor irgend einer Zeitrech - nung da waren; welches man in die Dichtung ein - kleidete, ſie waͤren eher, als der Mond, gewe - ſen. Auch bei dieſem Geſchlechte der Men - ſchen artete die urſpruͤngliche Einfalt und Unſchuld der Sitten dergeſtalt in Laſter und Bosheit aus, daß Jupiter einſt ſo lange ſeine Blitze auf Arka - dien fallen ließ, bis endlich ſelbſt die Erde ihre Arme ausſtreckte und ihn um Erbarmung flehte.

Der Dodoniſche Wald.

In Chaonien, einer Gegend von Epirus, war der Dodoniſche Eichenwald, worin ſich ein Orakel des Jupiter befand, und in welchen man auch den Aufenthalt von dem uralten Geſchlecht der Menſchen verſetzte, die noch keine andere Nah - rung als Eicheln kannten.

G98

Die menſchenaͤhnliche Bildung der Goͤtter.

Wir haben ſchon bemerkt, daß die Phantaſie ſich eben ſowohl ihre Goͤtter nach dem Bilde der Menſchen, als ihre Menſchen nach dem Bilde der Goͤtter ſchuf.

Das Unendliche, Unbegrenzte, ohne Ge - ſtalt und Form, iſt ein untroͤſtlicher Anblick. Das Gebildete ſucht ſich an dem Gebildeten feſt zu halten. Und ſo wie dem Schiffer, der Land erblickt, ſein Muth erhoͤhet, und ſeine Kraft belebt wird; ſo iſt fuͤr die Phantaſie der troͤſtliche Umriß einer Menſchenbildung das ſichere Steuer, woran ſie auf dem Ocean der großen Erſcheinun - gen der Natur ſich feſt haͤlt.

Dieß Gefuͤhl war bei den Alten vorzuͤglich lebhaft. Die unendlichen Maſſen, die den Menſchen umgeben, Himmel, Erd und Meer, erhielten in ihrer heitern Imagination Bildung und Form. Man ſuchte die Zartheit des Ge - bildeten, mit der Staͤrke des Ungebildeten zu vereinen; und gleich wie in dem hohen aufrechten99 Koͤrperbau des Menſchen, die Feſtigkeit des Eichen - ſtammes ſich mit der Biegſamkeit des zarten Halms verknuͤpft; ſo verband ſein ſchoͤpferiſcher Genius auch mit der Staͤrke des tobenden Elements, und mit der Majeſtaͤt des rollenden Donners, die Zuͤge der redenden Menſchenlippe, die winken - den Augenbraunen, und das ſprechende Auge.

Jupiter.

Die Bildung, welcher die ſchaffende Phan - taſie den Donner in die Hand gab, mußte uͤber jede Menſchenbildung erhaben, und doch mit ihr harmoniſch ſeyn; weil eine denkende Macht be - zeichnet werden ſollte, die nur durch Zuͤge des re - denden Antlitzes ausgedruͤckt werden kann; und bis zu dem Gipfel hub die bildende Kunſt der Grie - chen, durch ihren Gegenſtand ſelbſt geheiligt, ſich empor; daß ſie menſchenaͤhnliche, und doch uͤber die Menſchenbildung erhabene Goͤttergeſtalten ſchuf, in welchen alles Zufaͤllige ausgeſchloſſen, und alle weſentlichen Zuͤge von Macht und Hoheit vereinigt ſind.

So wie nun aber der Begriff der Macht in der Vorſtellungsart der Alten von ihren Goͤttern und Helden faſt immer der herrſchende iſt; ſo iſt auch in ihren erhabenſten Goͤtterbildungen der Ausdruck der Macht das Ueberwiegende.

G 2100

Jupiters ſchweres Haupt, aus dem die Weis - heit gebohren ward, ſenkt ſich vorwaͤrts uͤber; es waltet uͤber den Wechſel der Dinge; es waͤgt die Umwaͤlzungen. Doch zieht die ewig heitre Stirn ſich nie in ſinnende Falten.

Am unbeſchraͤnkteſten iſt die Macht des Don - nergottes; es iſt die mindermaͤchtige Juno, die den Jupiter uͤberliſtet; und Merkur der Goͤtterbote, der nur die Befehle der hoͤhern Maͤchte vollzieht, iſt der Liſtigſte unter den Goͤt - tern.

Auch ſtellt die bildende Kunſt der Alten den Jupiter am haͤufigſten dar, wie er gleichſam in ſeiner ganzen Macht ſich fuͤhlt, und dieſer Macht ſich freut. So iſt er auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel, nach dem Abdrucke einer antiken Gemme in der Lippertſchen Daktyliothek, ſitzend abgebildet, den Donner in der Rechten, den Zepter in der Linken, und den Adler zu ſeinen Fuͤßen.

Auf eben dieſer Kupfertafel befindet ſich noch, ebenfalls aus der Lippertſchen Daktyliothek, der Umriß einer Buͤſte des Jupiter, mit dem Mantel bekleidet, und mit der koͤniglichen Binde um das Haupt; daneben ein Jupiterskopf mit Widder - hoͤrnern; und unten zur Gegeneinanderſtellung, ein geſchleierter Saturnuskopf, mit einer Kugel auf

[figure]

101 demſelben, und einem ſichelaͤhnlichen Zepter, der im Nacken hervorragt.

Der Kopf mit Widderhoͤrnern bezeichnet den Jupiter Ammon, der in Lybien, wo er Orakel - ſpruͤche ertheilte, unter dieſer Geſtalt verehrt wurde.

Und in dieſer Bildung tritt ſelbſt Jupiter un - ter die alten Goͤttergeſtalten zuruͤck, wo er, nicht mit dem Donner bewafnet, nur weißa - gend ſeine Gottheit offenbart, obgleich die bilden - de Kunſt der Alten auch in dieſe Darſtellung den Ausdruck der Macht des Donnergottes zum Theil uͤbertragen hat.

In dem geſchleierten Saturnuskopf aber tritt eine alte in Schatten zuruͤckgewichene Goͤtterge - ſtalt im Gegenſatz gegen die neue herrſchende auf. Es iſt der ſeines alten Reichs entſetzte Erzeuger des Jupiter; den aber die Sterblichen noch immer, als den Stifter des goldnen Zeital - ters, unter einer ſanftern und mildern Geſtalt verehrten.

Bart und Haupthaar ſind beim[Jupiter] be - zeichnend in Anſehung der inwohnenden Kraft und jugendlichen Staͤrke, welche in den dichtgekraͤuſel - ten Locken ſich zuſammendraͤngt.

Er winket mit den ſchwarzen Augenbrau - nen; er ſchuͤttelt die ambroſiſchen Locken auf102 ſeinem unſterblichen Haupte, und der Olymp erbebt.

Bei dem aͤlteſten Dichter ſpricht Jupiter ſel - ber, indem er den uͤbrigen Goͤttern drohet, auf folgende Weiſe, die Macht ſeines Weſens aus: Eine goldne Kette will ich aus meiner Hand vom Himmel zur Erde ſenken; verſucht es, all ihr Goͤtter und Goͤttinnen, und haͤngt das Gewicht eurer ganzen vereinten Macht an dieſe Kette; es wird euch nicht gelingen, den hoͤchſten Jupiter vom Himmel zur Erde herabzuziehen; dieſer aber wird die Kette, mit leichter Hand, und mit ihr Erd und Meer gen Himmel heben, und ſie an ſeinem hohen Sitz befeſtigen, daß die Welt an ihr ſchwebend haͤngt.

Hieraus erhellet deutlich, daß man ſich zu dem erhabenſten Begriff vom Jupiter das umge - bende Ganze ſelber als Urbild dachte. Da ſich nun in dem Begriff dieſer Umgebung alles veredelt; was Wunder denn, daß man die Hel - den, deren Erzeuger man nicht wußte, Soͤhne des Jupiter nannte, der in taͤuſchenden Verwand - lungen ſie mit ihren Muͤttern erzeugte.

Denn mit dieſer Gottheit, die das Spielende und Zarte, ſo wie das Majeſtaͤtiſche und Hohe in ſich vereinte, und ſelber ſich in tauſend Geſtalten huͤllte, konnte die Phantaſie noch frei in kuͤhnen Bildern ſcherzen; ſie durfte ſich mit an die goldne Kette103 haͤngen, den Jupiter vom Himmel herab zu ziehen; ſo wurde ſie ſelber zum Himmel empor gezogen.

Und hier iſt es, wo demohngeachtet die Gott - heit uͤber die Menſchheit, ſelbſt in dieſen Dichtun - gen, uͤberſchwenglich ſich emporhebt. In den folgenden Zeilen hat ein neuer Dichter dieſen Ab - ſtand ganz im Geiſte der Alten beſungen:

Graͤnzen der Menſchheit.
Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelaſſener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Ueber die Erde ſaͤ’t,
Kuͤß ich den letzten
Saum ſeines Kleides,
Kindliche Schauer,
Treu in der Bruſt.
Denn mit Goͤttern
Soll ſich nicht meſſen
Irgend ein Menſch.
Hebt er ſich aufwaͤrts,
Und beruͤhrt
Mit dem Scheitel die Sterne,
Nirgends haften dann
104
Die unſichern Sohlen,
Und mit ihm ſpielen
Wolken und Winde.
Steht er mit feſten,
Markigen Knochen
Auf der wohlgegruͤndeten,
Dauernden Erde;
Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche
Oder der Rebe
Sich zu vergleichen.
Was unterſcheidet
Goͤtter von Menſchen?
Daß viele Wellen
Vor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
Verſchlingt die Welle,
Und wir verſinken.
Ein kleiner Ring
Begraͤnzt unſer Leben,
Und viele Geſchlechter
Reihen ſich dauernd
An ihres Daſeyns
Unendliche Kette.

Goͤthe.

105

Nichts Hoͤheres aber konnte man ſich denken, als den umwoͤlbenden Aether, in welchem alle Bildungen und Geſtalten ruhen; dieſer war da - her auch Jupiters hoͤchſtes Urbild. So ſang ein Dichter aus dem Alterthum: Du ſiehſt den er - habenen ungemeſſenen Aether, der mit ſanf - ter Umgebung die Erd umfaßt; den ſollſt du fuͤr die hoͤchſte Gottheit, du ſollſt fuͤr Ju - piter ihn halten!

Juno.

Unter der Juno dachte man ſich das Erhabne mit der Macht vereinte Schoͤne. Der Juno hohes Urbild war der Luftkreis, welcher die Erde umgiebt; dieſer vermaͤhlte ſich mit dem ewigen Aether, der auf ihm ruht.

In der vom Glanz der Sonne durchſchimmer - ten Atmoſphaͤre bildet ſich der vielfarbigte Regen - bogen. Dieſer iſt wiederum das Urbild der ſchnel - len Goͤtterbotin, welche die Befehle der Juno vollzieht. Es iſt die glaͤnzende Iris, eine Toch - ter des Thaumas, welche, wenn ſie in den Wol - ken ſteht, die Gegenwart der hohen Himmels - koͤnigin verkuͤndigt.

Der Regenbogen ſpiegelt den majeſtaͤtiſchen Schweif der Pfauen, die den Wagen der Juno in den Wolken ziehn. Alles iſt uͤbereinſtim -106 mend in dieſer ſchoͤnen Dichtung; die Harmonie des Ganzen wird durch kein einziges Bild geſtoͤrt.

Die erhabene Juno heißt die herrſchende, großaͤugigte, weißarmigte; es iſt nicht ſanfter Reitz der Augen, der ihre Bildung zeich - net; ſondern Ehrfurcht einpraͤgende Groͤße und von dem uͤbrigen Umriß dieſer Goͤttergeſtalt beruͤhrt die Dichtkunſt nur die Schoͤnheit des maͤchtigen Arms.

So wie nun aber gleich den Stuͤrmen, die das Meer aufregen, die Eiferſucht der Juno den Dichtungen Leben einhaucht; ſo ſind ihr Urbild auch die tobenden Elemente, wovon das ganze Spiel der menſchlichen Leidenſchaften im Kleinen ein Abdruck iſt.

Die Elemente ſind im Streit; ſie zuͤrnen in Ungewittern, verdraͤngen und unterdruͤcken ein - ander; berauben und raͤchen ſich. Der Felſen kracht im tobenden Meere, und unter dem Wind - ſtoß heult die Welle. Dieß alles aber beſchraͤnkt ſich nur auf die niedre Atmoſphaͤre.

Ueber dieſer iſt alles bleibend und regelmaͤs - ſig. Alles hat Raum genug; im ſtillen Aether vollenden die Weltkoͤrper ihre Bahnen, und nichts verdraͤngt, nichts hemmt das andre.

Krieg und Empoͤrung ſind erſt da, wo das ungemeſſene Ganze ſich in die kleinern Punkte zu - ſammendraͤngt, wo es ſich aneinanderreibt, ſtoͤßt107 und lebendig wird. Da iſt die immerwaͤhrende Werkſtatt der Bildung und Zerſtoͤrung; aber auch der Sitz der Wehklage, des Zorns, des Jam - mers. Da muß Hektor fallen; Hekuba muß ihr Haar zerraufen, und Troja ein Raub der Flammen werden.

Aber der Gipfel des hohen Olymp ragt uͤber die Wolken in den umwoͤlbenden Aether empor. Dahin verſetzt die Einbildungskraft den Wohnſitz der ſeeligen Goͤtter, die, ſelbſt uͤber Sorgen und Ungemach erhaben, bei frohem Saitenſpiel, den ſuͤßen Nektar ſchluͤrfen, und laͤcheln, daß ſie der muͤhebeladenen Sterblichen wegen ſich ent - zweien konnten.

So knuͤpft die Phantaſie die menſchenaͤhnli - che Geſtalt der Goͤtter beſtaͤndig wieder an ihr himmliſches Urbild an. Der Schwan in Ledas Schooße umwoͤlbt im blauen Aether Erde, Meer, und Luft. Juno, die Koͤnigin, umſtroͤmt den Erdkreis in dem zarten durchſichtigen Nebeldunſte, worin der Regenbogen mit glaͤnzenden Farben ſpielt.

Als Juno ſich einſt empoͤrte, hing Jupiter in dem Luftkreiſe, den ſie ſelbſt beherrſchte, ſchwere Amboße an ihre Fuͤße. Das Hohe und Erha - bene mußte die Schmach des Niederziehens dulden und alle Himmliſche trauerten bei dem Anblick.

108

Da wir nichts Uebermenſchliches kennen, ſo konnte mit den erhabenen aus der Natur genom - menen Bildern auch nur das Menſchliche ſich ver - knuͤpfen. Es iſt daher als ob die Menſchheit ſelber in dieſen Dichtungen ſich naͤher mit der gros - ſen Natur verwebte, und ſich in ſuͤßen Traͤumen an ſie anſchmiegt.

Juno bezeichnet nun in einer hoͤhern Sprache die hohe Gebietende, uͤber den ſanften Liebreitz ſelbſt erhabene Schoͤnheit. Als Juno den Ju - piter mit Liebreitz feſſeln wollte, ſo mußte ſie erſt den Guͤrtel der Venus leihen, deren ſanftere Schoͤnheit ſchon vorher den Preis davon trug, als der Hirt auf Idas Gipfel den kuͤhnen entſcheiden - den Ausſpruch that.

Da nun Juno ſich ſchmuͤckt, dem Jupiter zu gefallen, ſo ordnet ſie, in ihrem Schlafgemach, ihr glaͤnzendes Haar in Locken; ſie ſalbet ſich mit dem Oehle der Goͤtter, wovon der Wohlgeruch, ſobald es nur geregt wird, vom Himmel bis zur Erde ſich verbreitet.

Sie zieht ihr goͤttliches Kleid an, das von der Minerva ſelbſt gewebt iſt, und hakt es auf der Bruſt mit goldenen Haken zu. Sie um - guͤrtet ſich mit ihrem Guͤrtel, und bindet an ihre Fuͤße die glaͤnzenden Schuhe; den Guͤrtel der Ve - nus aber verbirgt ſie in ihrem Buſen.

[figure]
109

So vollendet ſich dieſe ſchoͤne Dichtung, in - dem ſie von ihrem hohen Urbilde allmaͤlig nieder - ſteigt, und bei der Darſtellung der Koͤnigin des Himmels, auch nicht den kleinſten weiblichen Schmuck vergißt. Auf der hier beigefuͤg - ten Kupfertafel befindet ſich im Umriß, nach antiken geſchnittenen Steinen aus der Lippert[-]ſchen Daktyliothek, außer einem Kopf der Juno, noch eine Abbildung von ihr, wo ſie der bilden - de Kuͤnſtler, ſitzend auf Jupiters Adler, den Zepter in der Hand, und einen Schleier uͤber ſich ſchwebend haltend, ihr Haupt mit Sternen um - geben, gleichſam auf dem Gipfel ihrer Hoheit, darſtellt.

Apollo.

Das erſte Urbild des Apollo iſt der Sonnen - ſtrahl in ewigem Jugendglanze. Den huͤllt die Menſchenbildung in ſich ein, und hebt mit ihm zum Ideal der Schoͤnheit ſich empor, wo der Aus - druck der zerſtoͤrenden Macht ſelbſt in die Har - monie der jugendlichen Zuͤge ſich verliert.

Die hohe Bildung des Apollo ſtellt die ewig junge Menſchheit in ſich dar, die gleich den Blaͤt - tern auf den immergruͤnenden Baͤumen; nur durch den allmaͤligen Abfall und Zerſtoͤrung des Verwelkten, ſich in ihrer immerwaͤhrenden Bluͤthe, und friſchen Farbe erhaͤlt.

110

Der Gott der Schoͤnheit und Jugend, den Saitenſpiel und Geſang erfreut, traͤgt auch den Koͤcher auf ſeiner Schulter, ſpannt den ſilber - nen Bogen, und ſendet zuͤrnend ſeine Pfeile, daß ſie verderbliche Seuchen bringen, oder er toͤdtet auch mit ſanftem Geſchoß die Menſchen.

Unter den Dichtungen der Alten iſt dieſe eine der erhabenſten und liebenswuͤrdigſten, weil ſie ſelbſt den Begriff der Zerſtoͤrung, ohne davor zu - ruͤckzubeben, in den Begriff der Jugend und Schoͤnheit wieder aufloͤßt, und auf die Weiſe dem ganz Entgegengeſetzten dennoch einen harmoni - ſchen Einklang giebt.

Daher ſcheint auch die bildende Kunſt der Alten in der ſchoͤnſten Darſtellung vom Apollo, die unſre Zeiten noch beſitzen, ein Ideal von Schoͤnheit erreicht zu haben, die alles Uebrige in ſich faßt, und deren Anblick, wegen des unend - lich Mannichfaltigen, was ſie in ſich begreift, die Seele mit Staunen erfuͤllt.

Apollo und Diana ſind die verſchwiſterten To - desgoͤtter, ſie theilen ſich in die Gattung: Jener nimmt ſich den Mann, und dieſe das Weib zum Ziele; und wen das Alter beſchleicht, den toͤdten ſie mit ſanftem Pfeil; damit die Gattung ſich in ewiger Jugend erhalte, waͤh - rend daß Bildung und Zerſtoͤrung immer gleichen Schritt haͤlt.

111

Gleich den vom Vater der Goͤtter geſandten Tauben, die vor der gefahrvollen Scylla vorbei - fliegend, beſtaͤndig eine aus ihrer Mitte verlieren, die vom Jupiter ſogleich erſetzt wird, damit die Zahl voll bleibe; macht auch ein Menſchenge - ſchlecht unmerklich dem andern Platz, und wer von Alter und Schwachheit uͤbermannt, entſchlum - mert, den hat in der Dichterſprache Diana oder Apollo mit ſanftem Pfeil getoͤdtet.

Daß dieß die Vorſtellungsart der Alten war, erhellet aus ihrer Sprache. Das kleine gluͤck - liche Eiland, wo ich gebohren bin, erzaͤhlt der Hirt Eumaͤus dem Ulyſſes, liegt unter einem ge - ſunden wohlthaͤtigen Himmelsſtrich; keine ver - haßte Krankheit raft da die Menſchen hin; ſon - dern wenn nun das Alter da iſt, ſo kommen Diana und Apoll mit ihrem ſilbernen Bogen, und toͤdten die Menſchen mit ihrem ſanften Pfeil.

Wenn Ulyſſes in der Unterwelt den Schatten ſeiner Mutter fraͤgt, wie ſie geſtorben ſey; ſo giebt ſie ihm zur Antwort: mich hat nicht Dianens ſanfter Pfeil getoͤdtet, auch hat mich keine Krankheit dahin geraft; ſondern mein Verlan - gen nach dir, und mein Kummer um dich, mein Sohn, haben mich des ſuͤſſen Lebens beraubt.

Wenn aber der Gott mit dem ſilbernen Bo - gen auf das Heer der Griechen zuͤrnend, eine Peſt112 in ihr Lager ſchickt, die ploͤtzlich Mann auf Mann dahin raft, das unaufhoͤrlich die Scheiterhaufen der Verſtorbenen lodern; ſo ſchreitet er wie die Nacht einher, ſpannt den ſilbernen Bogen, und ſendet die verderblichen Pfeile in das Lager der Griechen.

Allein der jugendliche Gott des Todes zuͤrnt nicht immer; der, deſſen Pfeil verwundet, heilt auch wieder; er ſelbſt wird unter dem Nah - men der Heilende mit einer Hand voll Kraͤuter abgebildet; auch zeugte er den ſanften Aeſku - lap, der Mittel fuͤr jeden Schmerz und jede Krankheit wußte; und ſelbſt durch ſeine Kunſt vom Tod erretten konnte.

Gleichwie nun in den wohlthaͤtigen und ver - derblichen Sonnenſtrahlen, und in der befruchten - den und Verweſung bruͤtenden Sonnenwaͤrme, das Bildende mit dem Zerſtoͤrenden ſich vereint, ſo war auch hier das Furchtbare mit dem Sanften in der Goͤttergeſtalt verknuͤpft, die jene Strahlen und jene Waͤrme, als ihr erhabnes Urbild in ſich faßte.

Daher giebt dieſen Troſt ein Dichter aus dem Alterthum, indem er das Gemuͤth zu ſanfter Freud aufheitert: wenn du jetzt trauern mußt, ſo wird es nicht ſtets ſo ſeyn! Nicht immer ſpannt Apollo den Bogen, zuweilen weckt er auch aufs neue wieder zum Saitenſpiel die ſchwei - gende Muſe!

113

Bei allen dieſen Dichtungen ſchimmert das Bild vom Helios durch; es iſt der erfreuende Sonnenſtrahl, welcher das Herz zu Saitenſpiel und Geſang belebt. So ehrte Aurora den Memmon, ihren fruͤh verſtorbenen Sohn, indem ſeine metallene Gedaͤchtnißſaͤule in Aegypten, ſo oft die Strahlen der aufgehenden Sonne ſie be - ruͤhrten, mit ſanftem Klang ertoͤnte.

Aber es iſt auch der alles entdeckende, alles enthuͤllende Strahl, der in dem wahrſagenden Apollo ſich verjuͤngt. Eben eine ſolche verjuͤngte Erſcheinung iſt Apollo der Hirt; denn nach der alten Dichtung wurden ſchon die Heerden, die ohne Hirten weiden, von der allſehenden Son - ne gehuͤtet.

Alle dieſe großen Bilder aber fuͤgen ſich in zartere Umriſſe, da Apollo vom Jupiter erzeugt, und von der ſanften Latona gebohren wird. er weidet die Heerden des Admet; begeiſtert die wahrſagende Pythia; und fuͤhrt die Choͤre der Muſen an. Nach ſeiner Geburt entwickelt ſich ſchnell die in ihm wohnende Goͤtterkraft.

Auf Delos entwindet er ſich dem Schooß der Mutter. Die hohen Goͤttinnen Themis, Rhea, Dione und Amphitrite, ſind bei ſeiner Geburt zugegen; ſie wickelten ihn in zarte Windeln; allein er ſog die Bruſt der Mutter nicht; ihm reichte Themis Nektar und Ambroſia dar.

H114

Und als ihn nun zum erſtenmal die Goͤtter - koſt genaͤhrt, da hielten ſeine Bande ihn nicht mehr; auf ſeinen Fuͤßen ſtand der bluͤhende Goͤt - terknabe, und auch das Band der Zunge war ge - loͤſt: Die goldne Zitter, ſprach er, ſoll meine Freude ſeyn, der gekruͤmmte Bogen meine Luſt, und in Orakelſpruͤchen will ich die dunkle Zukunft prophezeihen.

Und als er dieß geſagt, ſo ſchritt er ſchon als ewig bluͤhender Juͤngling majeſtaͤtiſch uͤber die Berge und Inſeln einher; er kam zur felſigten Pytho, und ſtieg von da zum Olymp hinauf, ſchnell wie ein Gedanke, in die Verſammlung der uͤbrigen Goͤtter. Da herrſchte auf einmal Geſang und Saitenſpiel; die Grazien und die Horen tanzten, und die Muſen ſangen mit wech - ſelnden Stimmen, die Freuden der ſeeligen Goͤt - ter, und den Kummer der Menſchen, die kein Mittel finden, dem Tode und dem Alter zu entgehen.

Als er nun vom Olymp herabſtieg, ſo toͤdtete er den Drachen Python, auf dem Fleck, wo kuͤnftig ſeine Orakelſpruͤche ſich uͤber den Erdkreis verbreiten ſollten.

Den getoͤdteten Drachen ließ die Sonne in Verweſung uͤbergehen; von dieſer Verweſung ward er Python, und Apollo ſelbſt von dieſer That der Pythiſche benannt. Hier ſtand auf

[figure]

115 einem hohen Felſen der Tempel des Apollo; und uͤber der Oefnung einer Hoͤhle ſtand der Dreifuß, auf welchem die Prieſterin ſaß, die auch den Nah - men Pythia fuͤhrte, und durch deren Mund der Gott die Zukunft offenbarte.

So iſt er auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel nach einem antiken geſchnittenen Steine, der als ein Meiſterwerk der griechiſchen Kunſt beruͤhmt iſt, abgebildet, wie er auf dem Haupte der Pythia, welche die Opferſchaale in der Hand haͤlt, ſeine Leyer ſtimmt. Er floͤßte der Prieſterin, die ſeine Goͤtterſpruͤche verkuͤndigen ſollte, ſelber die himmliſchen Harmonien ein, die ihr den Blick in die Zukunft gaben.

Die andre Abbildung des Apollo, ebenfalls nach einer antiken Gemme, ſtellt ihn dar, auf einen attiſchen Pfeiler gelehnt; in der Linken den Bogen; die Leyer zu ſeinen Fuͤßen. Man ſieht in ihm den Gott, den, nach des Dichters Ausdruck, der blitzende Bogen ſchmuͤckt, der aber auch den Choͤren der Muſen ſich zugeſellt, und der die zerſchellten Glieder durch heilende Kunſt erquickt.

Neptun.

So wie die hohen Goͤttergeſtalten Pontus, Oceanus, und Nereus in Schatten zuruͤckge - wichen ſind, ſteigt nun in herrſchender MajeſtaͤtH 2116Neptun empor, den maͤchtigen Dreizack in der Hand, womit er die empoͤrten Wogen ebnet, daß auf der ſtillen Meeresflaͤche ſich ſanfte Furchen bilden.

Was ſchnell ſich fort bewegt, ergoͤtzt den Herrſcher der Waſſerwogen; zu Lande lenkt er Roß und Wagen; und auf dem Meere ſind die ſchnellen Schiffe ſeine Luſt. Er ſchlug die Erde mit ſeinem Dreizack, da ſprang das Roß her - vor.

Mit der Meduſa erzeugte er den gefluͤgelten Pegaſus, der noch aus ihrem Blute hervorſprang, als ſie vom Perſeus enthauptet ward. Ceres verwandelte ſich in ein Pferd, um ſeiner Umar - mung zu entfliehen, allein er verfolgte ſie in aͤhn - licher Geſtalt, und zeugte mit ihr den Arion das edelſte, mit der Schnelligkeit des Windes begabte Roß, das Koͤnige und Helden trug, und bei den Kampfſpielen in Griechenland ſeinen Reiter ab - warf, und ſelbſt fuͤr ſich den Preis davon trug.

Wir ſehen in dieſen Dichtungen die Thierwelt mit der Goͤtterwelt immer nahe verknuͤpft. Das Thier wird als ein hohes Sinnbild der Na - tur betrachtet, worin die Gottheit ſelbſt ſich wie - der darſtellt. In der aͤgyptiſchen Goͤtterlehre huͤll - te die Gottheit ſich in lauter Thiergeſtalten, wel - ches in einer ſinnreichen Dichtung heißt, die Goͤt - ter waͤren aus Furcht vor den Giganten nach117 Aegypten geflohen, und haͤtten dort ſich alle in Thiere verwandelt.

Obgleich mit dem Donnergott von einem Va - ter erzeugt, iſt dennoch Neptun, gleich dem Element, das er beherrſcht, die untergeordnete Macht. Da Iris in dem Kriege vor Troja dem Neptun die Drohung des Jupiter uͤberbringt; er moͤge ſich ja mit des Donnerers Macht nicht meſſen, und ablaſ - ſen den Griechen beizuſtehen; ſo antwortet ihr der Erderſchuͤttrer: Jupiter ſey ſo maͤchtig er wolle, ſo hat er doch ſehr ſtolz geredet! ſind wir nicht alle drei vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren? iſt nicht unter uns das Reich getheilt? Er mag ſeine Soͤhne und Toͤchter, aber nicht mich mit ſolchen Worten ſchrecken! Iris ſtellt ihm vor: den aͤltern Bruder ſchuͤtzt die Macht der Erynnen! Und Neptun giebt dem Donn - rer nach, und ſagt die ſanften Worte: Du haſt ſehr wohl geſprochen, o Goͤttin, und es iſt gut, wenn auch ein Bote das Nuͤtzliche weiß.

Das Urbild des Neptun iſt die ungeheure Waſſerflaͤche, die gleichſam auf das Erhabene zuͤrnt, und es ſich gleich zu machen ſtrebt. Als die Griechen in der Belagerung von Troja nahe am Ufer des Meeres um ihre Schiffe eine Mauer, zu einem Bollwerk gegen die Feinde er - richtet hatten; ſo zuͤrnte Neptun daruͤber und be - klagte ſich beim Jupiter: Der Ruhm dieſer118[Mauer], ſagte er, wird ſich verbreiten, ſo weit ſich das Licht erſtreckt; der meinigen aber, die ich einſt dem Lamedon um Troja erbaute, wird man vergeſſen!

Da antwortete ihm Jupiter: o du großer Erderſchuͤttrer; mich ſollt es nicht wundern, wenn ein andrer, nicht ſo maͤchtiger Gott, ein ſolches Werk ſich anfechten ließe; aber dein Ruhm verbreitet ſich ja ſchon ſo weit ſich das Licht er - ſtreckt, und du wirſt ja, ſo bald die Griechen hinweg ſind, die Mauer ins Meer verſenken, und die Ufer mit Sand bedecken, daß keine Spur von ihr uͤbrig bleibt. Mit dieſen Worten verwieß Jupiter dem Neptun dieſe Art von kindiſcher Miß - gunſt gegen ein Werk der ſterblichen Menſchen.

Allein es iſt das zuͤrnende Element, und ſeine gleichſam kindiſche gedankenloſe Macht, die durch den Mund der Goͤtter ſpricht; wenn nun die Dich - tung dem tobenden Elemente Bildung und Sprache giebt, ſo druͤcken ſeine Worte auch die Natur ſeines Weſens aus; das Wort bezeichnet ſelbſt die unbe - huͤlfliche Macht, und ſinkt wieder unter die Menſchenrede herab, in welcher der leichte Ge - danke herrſcht.

Auch die Erzeugungen des Neptun ſind groͤß - tentheils ungeheuer. Die Aloiden, ſeine Soͤhne, welche auf den Olymp den Oſſa waͤlzten, wurden ſelbſt dem Jupiter furchtbar. Den

[figure]

119 ungeheuren Polyphem, einen Sohn des Neptun, hatte der klugheitbegabte Ulyſſes ſeines Auges beraubt; von der Zeit an verfolgte Neptun den Ulyſſes mit unverſoͤhnlichem Haß.

Er vereitelte ihm ſo lang er konnte die Ruͤck - kehr in ſein Vaterland; und da dieſe nach dem Schluß des Schickſals dennoch zuletzt erfolgen mußte, ſo nahm er an dem unſchuldigen Schiffe der gaſtfreien Phaͤacier, die den Ulyſſes nach Ithaka gebracht hatten, ſeine Rache, indem er es auf der Ruͤckkehr in einen Fels verwandelte.

So gefahrvoll war es, ſelbſt fuͤr den Guͤnſt - ling der Minerva, die ungeheure Macht des ſtarken Elementes, und was mit ihr verwandt war, zum Zorn gereitzt zu haben.

Als einſt die Muſen auf dem Helikon Geſang und Seitenſpiel ſo maͤchtig ertoͤnen ließen, daß alles rund umher belebt ward, und ſelbſt der Berg zu ihren Fuͤßen huͤpfte. Da zuͤrnte Neptun und ſandte den Pegaſus hinauf, daß er dem zu kuͤhn gen Himmel ſich Erhebenden Grenzen ſetzen ſollte; als dieſer nun auf dem Gipfel des Helikon mit dem Fuße ſtampfte, war alles wieder in dem ruhigern, ſanftern Gleiſe, und unter ſeinem ſtampfenden Fuße brach der Dichterquell hervor, der von des Roſſes Tritt die Hippokrene heißt.

Im Kriege vor Troja ſaß Neptun auf der Spitze des waldigten Samos, und ſahe dem Tref -120 fen zu. Er zuͤrnte heftig auf den Jupiter, daß er den Trojanern Sieg gab. Er ſtieg vom Berge hinunter; der Berg erbebte unter ſeinem Fußtritt. Drei Schritte that er vorwaͤrts, und mit dem vierten war er in Aege, wo tief im Meere ſein Pallaſt iſt.

Er beſtieg ſeinen Wagen, und fuhr auf den Wellen daher. Die Heere der Waſſerwelt ſtie - gen empor, und erkannten ihren Koͤnig. Das Meer wich ehrfurchtsvoll zu beiden Seiten, und ſchnell flog der Wagen des Gottes, daß die eherne Axe unbenetzt blieb.

In dem zornigen Blick des Neptun mahlt ſich das tobende Element; ſo iſt er auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel, nach einem antiken ge - ſchnittenen Steine aus der Lippertſchen Daktylio - thek im Umriß abgebildet; in der Rechten den Dreizack haltend, und mit der erhobenen Linken die Zuͤgel zuſammenfaſſend, woran er die ſtolzen Roſſe vor ſeinem Wagen lenkt, waͤhrend daß ſein Gewand im Sturmwinde flattert.

Auf eben dieſer Kupfertafel iſt Neptun, nach einer andern Gemme aus Lipperts Daktyliothek, noch einmal abgebildet, wie er mit dem ganzen Gewicht ſeiner Macht, den Dreizack auf der Schulter, die Hand auf den Ruͤcken haltend, aus dem Meere auf einen Felſen ſteigt.

121

Die Dichtkunſt ſowohl als die bildende Kunſt ſtellt zwar den Koͤnig der Gewaͤſſer in aͤhnlicher Majeſtaͤt, wie den Jupiter dar; nur bleibt der Ausdruck von Macht und Hoheit immer unterge - ordnet.

Es iſt nicht die ruhige, erhabene, mit dem Wink der Augenbraunen gebietende Macht, mit deren Laͤcheln ſich der ganze Himmel aufheitert, und welche nur ſelten zuͤrnen darf, weil ſie am wenigſten beſchraͤnkt iſt. Vielmehr iſt beim Neptun der Ausdruck des Zorns der herrſchen - de. Er ſchilt die Winde, die auf die Veran - laſſung der Juno ohne ſeinen Wink die Wellen des Meeres aufthuͤrmten; und ſein quos ego! wo - mit er ſie bedrohet, iſt dasjenige, deſſen Ausdruck die bildende Kunſt, auch in neuern Zeiten, am oͤfterſten verſucht hat.

Minerva.

Als die blauaͤugigte Goͤttin aus Jupiters un - ſterblichem Haupte mit glaͤnzenden Waffen hervor - ſprang, ſo bebte der Olymp; die Erd und das Meer erzitterte; und der Lenker des Sonnenwa - gens hielt ſeine ſchnaubenden Roſſe an, bis ſie die goͤttlichen Waffen von ihrer Schulter nahm.

Aus keiner Mutter Schooß gebohren, war ihre Bruſt ſo kalt, wie der Stahl, der ſie122 bedeckte. Sie naͤherte ſich dem maͤnnlich Großen, und weiblicher Zaͤrtlichkeit war ihr Bu - ſen ganz verſchloſſen.

Der Mangel an weiblicher Zaͤrtlichkeit aber iſt mit Zerſtoͤrungsſucht verknuͤpft, welche ſtets mit jenem in gleichem Grade zunimmt. Es iſt die ſanfte Venus, die nur aus Liebe zum Adonis mit ihm die Rehe verfolgt; die kaͤltere Diana findet an der Jagd und an der Zerſtoͤrung ſelbſt ſchon ihre Luſt, indeß ſie doch zuweilen noch mit ver - ſtohlner Zaͤrtlichkeit ſich an Endymions Schoͤnheit weidet.

Der kalten jungfraͤulichen Minerva aber iſt jedes Gefuͤhl von Zaͤrtlichkeit und ſchmachtender Sehnſucht fremd; ſie findet daher auch gleich dem Kriegesgott am Schlachtgetuͤmmel und an zer - ſtoͤrten Staͤdten ihr Ergoͤtzen, nur daß ſie nicht von jenem die rauhe Wildheit hat, weil ſie zugleich die friedlichen Kuͤnſte ſchuͤtzt.

Zuruͤckſchreckende Kaͤlte macht den Haupt - zug in dem Weſen dieſer erhabenen Goͤtterbildung aus, wodurch ſie zur grauſamen Zerſtoͤrung, und zur muͤhſamen Arbeit des Webens, zur Erfindung nuͤtzlicher Kuͤnſte, und zur Lenkung der aufgebrachten Gemuͤther der Helden, gleich faͤhig iſt.

Als Achill im Begriff war gegen den Aga - memnon ſein Schwerdt zu ziehen, ſo ſtand ploͤtz -123 lich, ihm allein nur ſichtbar, die blauaͤugigte Goͤt - tin hinter ihm, mit ſchrecklichem Blick bei ſeinem gelben Haar ihn faſſend und hielt mit weiſem Rath den jungen Held zuruͤck, daß er am ſilbernen Griff ſein Schwerdt wieder in die Scheide druͤckte.

So iſt die himmliſche Pallas mitten im Krie - ge ſelbſt noch Friedensſtifterin. Die wilde Bel - lona hingegen, welche mit fliegendem Haar, die Geißel in der einen, die Waffen in der andern Hand, den Wagen des Kriegesgottes lenkt, iſt eine untergeordnete Goͤttergeſtalt. In ihr iſt nicht die erhabene Friedensſtifterin, die Erfinderin der Kuͤnſte noch mitten im wuͤthenden Treffen ſicht - bar; ſondern nur die raſende Wuth; die Grau - ſamkeit; die Mordluſt; und die Zerſtoͤrung fuͤr ſich allein.

Daß in Minervens hoher Goͤtterbildung, ſo wie beim Apollo, das ganz Entgegengeſetzte ſich zuſammenfindet, macht eben dieſe Dichtung ſchoͤn, welche hier gleichſam zu einer hoͤhern Sprache wird, die eine ganze Anzahl harmoniſch ineinan - der toͤnender Begriffe, die ſonſt zerſtreut und ein - zeln ſind, in einem Ausdruck zuſammenfaßt.

So iſt Minerva die verwundende und die hei - lende; die zerſtoͤrende und die bildende; eben die Goͤttin, welche am Waffengetuͤmmel und an der tobenden Feldſchlacht ſich ergoͤtzt, lehrt auch die124 Menſchen die Kunſt zu weben, und aus den Oli - ven das Oehl zu preſſen.

Die furchtbare Zerſtoͤrerin der Staͤdte, wett - eifert mit dem Neptun nach weſſen Nahmen die gebildetſte Stadt, die je den Erdkreis zierte, ge - nannt werden ſollte; und als der Koͤnig der Ge - waͤſſer mit ſeinem Dreizack das kriegeriſche Roß hervorrief, ſo ließ ſie den friedlichen Oehlbaum aus der Erde ſproſſen, und gab der Stadt, worin die Kuͤnſte bluͤhen ſollten, ihren ſanftern Nahmen.

Die Wildheit des Kriegeriſchen war bei dieſer Goͤttergeſtalt durch ihre Weiblichkeit gemildert, und die Weichheit und Sanftheit des Friedens und der bildenden Kuͤnſte, lag unter der kriegeriſchen Geſtalt verdeckt. Was man ſich ſelten zuſam - mendenkt, und was in dieſem ſchoͤnen Ganzen der Natur doch eingehuͤllt noch ſchlummert, das rief die hohe Dichtung in eine einzige vielumfaſ - ſende Goͤttergeſtalt herauf, und hauchte dem neu ſich bildenden Begriffe Leben ein.

Ohngeachtet des Entgegengeſetzten ſtoͤrt doch keins der Bilder, welche dieſe Dichtung in ſich vereinigt, die Harmonie des Ganzen. Alles deutet auf kalte uͤberlegende Weisheit, welche nie die Stimme der Leidenſchaft hoͤrt, und zugleich in das Zuruͤckſchreckende der gaͤnzlichen Unzaͤrtlichkeit ſich einhuͤllt.

125

Das verſteinernde Haupt der Meduſa drohet auf dem Schilde, welcher Minervens Bruſt be - deckt; es iſt der duͤſtre freudenloſe Nachtvo - gel, der uͤber ihrem Haupte ſchwebt. Sie ſel - ber iſt es, die den duldenden, ſtandhaften, kal - ten, und verſchlagenen Ulyſſes in Schutz nimmt, und die aufgebrachten Helden zur Kaltbluͤtigkeit zuruͤckruft.

Auch wird in dieſen Dichtungen die ſanftre kriegeriſche Macht der ungeſtuͤmern als uͤberlegen dargeſtellt. Da nemlich in dem Kriege vor Troja zuletzt die Goͤtter ſelber, nachdem ſie die Parthei der Griechen oder Trojaner nahmen, ſich zum Streit auffordern; ſo tritt der wilde Kriegsgott Mars gegen die ſanftre und erhabnere Pallas auf, und rennt mit ſeiner Lanze wuͤthend gegen ihren Schild an, wogegen ſelbſt Jupiters Blitze nichts vermoͤgen.

Sie aber tritt ein wenig zuruͤck, und hebt mit ſtarker Hand vom Felde einen ungeheuren Grenz - ſtein auf, den ſchleudert ſie gegen die Stirne des Kriegesgottes, daß er darnieder faͤllt, und ſieben Joch Landes deckt.

Demohngeachtet aber laͤßt die Dichtung auch die Zuͤge dieſer maͤnnlichſtarken erhabnen Goͤttin ganz leiſe wieder ins Weibliche uͤbergehen. Denn da ſie die Floͤte erfunden hatte, und in der kla - ren Fluth ſich ſpiegelnd, ſahe, daß durch das Blaſen126 ſich ihr Geſicht entſtellte, ſo warf ſie die Floͤte weg, die Marſyas nachher zu ſeinem Ungluͤck fand.

Auch war ſie, gleich der Juno, eiferſuͤchtig, daß Venus den goldnen Apfel, als den Preis der Schoͤnheit, aus Paris Hand erhielt. Sie ruhte gleich der Juno nicht eher, bis Troja in Flam - men ſtand, des Priamus Geſchlecht vertilgt, und ihre Rache befriedigt war. Die Goͤtterbildung wird menſchenaͤhnlich, und ſtellt die Rachſucht ſelbſt, wegen der Macht, mit der ſie ausgeuͤbt wird, in hoher dichteriſcher Schoͤnheit dar.

Eine einfache und ſchoͤne Darſtellung der Mi - nerva im Bruſtbilde, nach einem antiken geſchnitt - nen Steine aus der Lippertſchen Daktyliothek, befin - det ſich auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel; und darunter das Haupt der Meduſa, wie es die Alten gebildet haben, ſo daß es groß in ſeinen Zuͤgen und ſchrecklich, dennoch ſchoͤn iſt.

Dieß Haupt, vom Koͤrper abgeſondert, macht in ſeinen großen Zuͤgen gleichſam fuͤr ſich ein Gan - zes aus, und ſtellt ſich wie eine furchtbare Erſchei - nung dar; ſo fuͤrchtet Ulyſſes in der Unterwelt als ſich die Schatten ſchaarenweiſe zu ihm draͤn - gen, daß Proſerpina endlich das Haupt der Gorgo ihm entgegen ſenden moͤchte, und eilet, dem toͤdtlichen Anblick zu entfliehen.

[figure]
127

Mars.

Auch dem Furchtbaren und Schrecklichen, dem verderblichen Kriege ſelber, gab die Einbil - dungskraft der Alten Perſoͤnlichkeit und Bildung, und milderte ſelbſt dadurch den Begriff des Wil - den und Ungeſtuͤmen, das durch die Heere wie ein Wetter hinfaͤhrt; Wagen zertruͤmmert; Hel - me zerſchellt; den Tapfern wie den Feigen, im wirbelnden Sturme zu Boden wirft; und uͤber der grauenvollen Verwuͤſtung triumphiert.

Die menſchenaͤhnliche Bildung, worin die Dichtung dieſe furchtbare Erſcheinung huͤllte, und ſie dem Chor der ſeeligen Goͤtter zugeſellte; gab nun dem Krieger auch ein hohes Urbild, das uͤber ihm in Majeſtaͤt gehuͤllt war, und das er durch Kuͤhnheit und Tapferkeit nachahmend in ſich uͤber - trug.

Demohngeachtet verliert ſich zuweilen in den Dichtungen die menſchenaͤhnliche Bildung des Mars wieder in den Begriff des ſtreitenden Heers. Als er ſelbſt im Treffen vor Troja, mit Huͤlfe der Minerva, von dem tapfern Dio - medes verwundet wurde, ſo bruͤllte er wie zehn - tauſend Mann im Schlachtgetuͤmmel, und Furcht und Entſetzen kam die Trojaner und Griechen an, als ſie den ehernen Kriegsgott bruͤllen hoͤrten. Dieſer aber erſchien dem128 Diomed wie naͤchtliches Dunkel, das vor dem Sturme hergeht, als er in Wolken gehuͤllt zum Himmel aufſtieg.

Und als er nun hier beim Jupiter ſich beklagte, ſo ſchalt ihn dieſer mit zuͤrnenden Worten: be - laͤſtige mich nicht mit deinen Klagen, Unbeſtaͤn - diger, der du mir der verhaßteſte unter allen Goͤt - tern biſt, die den Olymp bewohnen. Denn du haſt nur Gefallen an Krieg und Streit in dir wohnet ganz die Gemuͤthsart deiner Mut - ter, und waͤrſt du der Sohn eines andern Gottes und nicht mein Sohn, ſo laͤgſt du laͤngſt ſchon tiefer, als Uranos Soͤhne liegen.

Die Unbeſtaͤndigkeit des Mars, welche ihm auch Minerva vorwirft, die ihn einen Ueber - laͤufer ſchilt, der es bald mit dem einem Heer, bald mit dem andern haͤlt, iſt wiederum der Be - griff des Krieges ſelber, den die Dichtkunſt hier als ein Weſen darſtellt, das gleichſam um ſein ſelbſt willen da iſt, unbekuͤmmert, wer uͤberwun - den wird oder ſiegt; wenn nur das Schlachtge - tuͤmmel fortwaͤhrt.

So zuͤrnen die erhabenern und eben deswe - gen auch ſanftern Gottheiten, Minerva und Jupi - ter auf den ungeſtuͤmen und unbeſtaͤndigen Mars, der aber demohngeachtet als ein hohes Weſen ſei - nen Sitz unter den himmliſchen Goͤttern hat, und dem auf Erden Tempel und Altaͤre geweiht ſind.

129

Auch wußte der wilde Mars mit ſeinem ju - gendlichen Ungeſtuͤm die ſanfte Venus ſelbſt zu feſ - ſeln, die ihrem Gatten dem kunſtreichen bildenden Vulkan, den zerſtoͤrenden Kriegsgott vorzog, mit dem ſie ein verſtohlnes Liebesbuͤndniß knuͤpfte.

Aus dieſem verſtohlnen Buͤndniß des Sanf - ten mit dem Ungeſtuͤmen, entſtand Harmonia, der Venus ſchoͤne Tochter, die mit Kadmus, dem Stifter und Erbauer von Theben, ſich ver - maͤhlte.

Auf der Untreue der Venus verweilt die bil - dende Kunſt der Alten und ihre Dichtkunſt gern. Vulkanus zuͤrnt vergeblich; die Schoͤnheit bindet ſich an kein Geſetz; ſie iſt uͤber allen Zwang erha - ben; und das verderbliche Jugendliche, iſt, was ihr wohl gefaͤllt.

So wie nun Venus mit Zaͤrtlichkeit den Krie - gesgott feſſelt; ſo haͤlt Minerva ihn mit Weis - heit von ſeinem Ungeſtuͤm zuruͤck. Denn als einſt Jupiters drohendes Verbot den Goͤttern un - terſagt hatte, in den Krieg der Trojaner und Griechen ſich zu miſchen, und Mars vernahm, ſein Sohn Askalaphus ſey erſchlagen; ſo ließ er ſeine Diener, das Schrecken und das Entſetzen die Pferde vor ſeinen Wagen ſpannen, und legte ſeine leuchtenden Waffen an.

Zuͤrnt nicht, ihr Goͤtter, ſprach er, daß ich den Tod meines Sohnes raͤche, wenn JupiterJ130ſelbſt auch ſeine Blitze auf mich ſchleudert. Da ſprang Minerva zu, riß ihm den ehernen Spieß aus ſeiner ſtarken Hand, den Helm vom Haupte, den Schild von ſeiner Schulter. Raſender, ſprach ſie, willſt du uns alle ins Verderben ſtuͤr - zen, wenn aufs hoͤchſte Jupiters Zorn gereitzt iſt! Laß ab zu zuͤrnen, denn mancher iſt er - ſchlagen, der ſtaͤrker war als dein Sohn, und mancher Staͤrkere wird noch fallen; wer kann die Sterblichen vom Tode befreien! ſo ſprach ſie, und brachte den Mars zu ſeinem Sitz zuruͤck.

Wer ſieht nicht, durch alle dieſe menſchenaͤhn - lichen Darſtellungen der Goͤtter, die großen Bilder und Gedanken durchſchimmern, welche dieſen Dich - tungen Hoheit und Wuͤrde geben; es ſind im - mer die Begriffe von wilder Zerſtoͤrung, Sanft - heit des Erhabenen, hohem Reitz des Schoͤnen, und von lenkender Weisheit, die auf mannichfal - tige Weiſe ineinander ſpielen, und unter der Decke des Menſchenaͤhnlichen ſich verhuͤllen.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt nach einem antiken geſchnittenen Steine aus der Lippert - ſchen Daktyliothek, der Kriegesgott abgebildet, wie er, ſich mit der Rechten ſtuͤtzend, und Spieß und Schild in der Linken tragend, vom Gipfel des umwoͤlkten Olymps herniederſteigt. Auf eben dieſer Tafel iſt Venus mit dem Liebesgott,

[figure]

131 ebenfalls nach einem antiken geſchnittenen Steine, im Umriß abgebildet.

Venus.

Man verehrte in dieſer reitzenden Goͤtterge - ſtalt, den heiligen Trieb der alle Weſen fort - pflanzt. Die Fuͤlle der Lebenskraft, die in die nachkommenden Geſchlechter ſich ergießt. Den Reitz der Schoͤnheit, der zur Vermaͤhlung an - lockt; ſie war es, welche den Blick der Goͤtter ſelbſt auf Jugend und Schoͤnheit in ſterblichen Huͤllen lenkte, und triumphirend ihrer Macht ſich freute, bis auch ſie erlag, dem bluͤhenden Anchi - ſes ſich in die Arme werfend; von welchem ſie Aeneas, den goͤttergleichen Held gebahr.

So wie nun aber jener ſanfte wohlthaͤtige Trieb, auch oft verderblich wird, und uͤber ganze Nationen Krieg und Unheil bringt, ſo ſtellt die ſanfteſte unter den Goͤttinnen, ſich in den Dich - tungen der Alten, auch als ein furchtbares We - ſen dar.

Sie hatte den Paris, der ihr vor allen Goͤt - tinnen den Preis der Schoͤnheit zuerkannte, das ſchoͤnſte Weib verſprochen; nun ſtiftete ſie ſelbſt ihn an, dem griechiſchen Menelaus ſeine Gattin, die Helena, zu entfuͤhren, und floͤßte dieſer ſelbſt zuerſt den Wankelmuth und die Treuloſigkeit in den Buſen ein.

J 2132

So hielt ſie dem Paris ihr Wort, ganz unbe - kuͤmmert, was fuͤr Zerſtoͤrung und Jammer dar - aus entſtehen wuͤrde. Im Kriege vor Troja huͤllte ſie den Paris, als Menelaus im Zweikampf ihn toͤdten wollte, in naͤchtliches Dunkel ein, und fuͤhrte ihn in ſein duftendes Schlafgemach, wo ſie ſelber die Helena zu ihm rief.

Und als dieſe, ihre Schuld bereuend, ſich wei - gerte, der Liebesgoͤttiu Ruf zu folgen, ſo ſprach Venus mit zuͤrnenden Worten: Elende! reitze mich nicht, damit ich nicht eben ſo ſehr dich haſſe, als ich bis jetzt dich liebte. Unter den Troja - nern und Griechen ſtifte ich dennoch verderblichen Hader an, dich aber ſoll ein unſeeliges Schickſal treffen!

Und nun laͤßt die gebietende Venus, dem rechtmaͤßigen erzuͤrnten Gatten gleichſam zum Trotz, den wolluͤſtigen Paris die Freuden der Liebe genießen. Wenn nun dieſe Goͤttergeſtalt zugleich die kalte Weisheit der Minerva, oder den Ernſt der Themis, in ſich vereinte, ſo wuͤrde ſie freilich nicht ſo ungerecht, um die verderbliche Luſt eines einzigen Lieblings zu beguͤnſtigen, der alles verwuͤſtenden Zerſtoͤrung, die ſie dadurch ver - anlaßt, ruhig zuſehn.

Dann waͤre ſie aber auch nicht mehr aus - ſchließend die Goͤttin der Liebe; ſie bliebe kein Gegenſtand der Phantaſie; und waͤre nicht mehr133 die hohe dichteriſche Darſtellung desjenigen, was in der ganzen Natur mit unwiderſtehlichem Reitze unaufhoͤrlich fortwirkt, unbekuͤmmert, ob es Spu - ren blutiger Kriege oder gluͤcklich durchlebter Men - ſchenalter hinter ſich zuruͤck laͤßt.

Ueberhaupt iſt es das Mangelhafte, oder die gleichſam fehlenden Zuͤge, in den Erſcheinungen der Goͤttergeſtalten, was denſelben den hoͤchſten Reitz giebt, und wodurch eben dieſe Dichtungen ineinander verflochten werden.

Der hohen Juno mangelt es an ſanftem Lieb - reitz; ſie muß den Guͤrtel der Venus borgen. Die uͤberlegende Weisheit fehlt dem maͤchtigen Krieges - gotte; Minerva lenkt ſeinen Ungeſtuͤm.

Venus beſitzt den hoͤchſten Liebreitz; aber Mi - nerva, der es ganz an weiblicher Zaͤrtlichkeit man - gelt, iſt ihr an Macht weit uͤberlegen. Im Tref - fen vor Troja, wo zuletzt die Goͤtter ſelber ſich zum Streit auffordern, und Venus den Trojanern, Minerva den Griechen beiſteht, giebt Minerva der Venus, die dem Mars zu Huͤlfe eilt, mit ſtarker Hand einen Schlag auf die Bruſt, daß ihre Knie ſinken; und Minerva ſagt triumphie - rend: moͤgen doch alle, die den Trojanern beiſte - hen, der Venus an Tapferkeit und Kuͤhnheit glei - chen!

Als Venus vom Diomed in die Hand ver - wundet gen Himmel ſtieg, und bei ihrer Mutter134 Dione uͤber die verwegene Kuͤhnheit der Sterbli - chen ſich beklagte; ſo ſpottete Minerva ihrer mit den Worten: gewiß hat Venus irgend eine ſchoͤne geſchmuͤckte Griechin uͤberreden wollen, daß ſie ih - ren geliebten Trojanern folgen moͤchte, und beim Liebkoſen hat ſie ſich in die goldene Schnalle die zarte Hand geritzt.

Da laͤchelte der Vater der Goͤtter und Men - ſchen, rief die Venus zu ſich, und ſprach zu ihr mit ſanften Worten: Die kriegeriſchen Geſchaͤfte, mein Kind, ſind nicht dein Werk; die Freuden der Hochzeit zu bereiten, iſt dein ſuͤß Geſchaͤft; laß du nur fuͤr das wilde Kriegsgetuͤmmel Mars und Minerva ſorgen!

So ſcherzte in dieſen Dichtungen der Alten die Phantaſie in kuͤhnen Bildern, mit der Gott - heit, die ſie ſich in den kleinſten Zuͤgen nach dem Bilde der Menſchen ſchuf, und dennoch die groͤß - ten und erhabenſten Erſcheinungen der alles um - faſſenden Natur beſtaͤndig zu ihrem hohen Urbilde nahm.

Die Horen empfangen die Venus, wenn ſie, nach der alten Dichtung, dem Meer ent - ſteigt; ſie ziehen ihr goͤttliche Kleider an, ſetzen ihr aufs unſterbliche Haupt die goldene Krone; ſchmuͤcken ihr mit goldenem Geſchmeide Hals und Arme; und haͤngen blitzende Ohrgehaͤnge in ihre durchloͤcherten Ohren; ſo mahlt ſich135 bis auf den kleinſten weiblichen Schmuck das Bild der hohen Goͤttin aus.

Der Venus waren vom Jupiter die Gra - zien zugeſellt in ihrem Gefolge waren die Lie - besgoͤtter, vor ihren Wagen waren Tauben geſpannt. Alles iſt ſanft und weich in dieſem Bilde; doch iſt der Liebesgott mit Bogen und Pfeil bewafnet, und ſtellt die furchtbare Macht ſeiner himmliſchen Mutter, der alles beſiegenden Goͤttin, in ſich dar.

Diana.

Drei himmliſche Goͤttinnen ſind uͤber die Macht der Venus erhaben. Minerva, welche dem Kriege vorſteht, und nuͤtzliche Kuͤnſte die Menſchen lehrt. Die jungfraͤuliche Veſta, welche bei Jupiters Haupte ſchwur, ſich nie einem Manne zu vermaͤhlen und Diana, mit dem goldenen Bogen, die ſich der Pfeile freut, an ſchattigten Waͤldern ihre Luſt hat, und an der Verfolgung der ſchnellen Hirſche ſich ergoͤtzt.

Als Jupiter, den ſie ſchmeichelnd bat, ihr den jungfraͤulichen Stand vergoͤnnte, ſo nahm ſie Pfeil und Bogen, zuͤndete ihre Fackel bei Jupi - ters Blitzen an, und ging, von ihren Nymphen begleitet, hoch in den Waͤldern einher, und auf den ſtuͤrmiſchen Gipfeln.

136

Sie ſpannt den goldenen Bogen, und ſendet die toͤdtlichen Pfeile ab; die Spitzen der Berge zittern. Vom Aechzen des Wildes ertoͤnt der Wald, hoch uͤber alle ihre Nymphen ragt die Goͤttin mit Stirn und Haupt empor, und wen - det ihr Geſchoß nach allen Seiten.

Doch vergißt die hohe Goͤttin auch im Ge - tuͤmmel der Jagd des himmliſchen Bruders nicht. Und wenn ſie gnug mit Jagen ſich ergoͤtzt hat, ſo ſpannt ſie den goldnen Bogen ab, und eilet nach Delphi, zu dem Sitze des leuchtenden Apollo, da haͤngt ſie ihren Bogen auf, und fuͤhrt die Choͤre der Muſen und Grazien an, welche das Lob der himmliſchen Latona ſingen, die ſolche Kin - der gebahr.

Als die Schweſter des Apollo ſchimmert Dia - na am hellſten hervor, weil dieſer ſeinen Glanz mit auf ſie wirft ſo wie ſie mit ihm vereint, die Kinder der Niobe mit ſchrecklichen Pfeilen toͤd - tet; ſo richtet ſie auch mit ihm vereint ihr ſanftes Geſchoß auf die Geſchlechter der Menſchen, die gleich den welkenden Blaͤttern, der bluͤhenden Nachkommenſchaft allmaͤlig weichen.

Nach einer ſchoͤnen Dichtung uͤbte ſich Diana zu dieſem Geſchaͤft zuerſt an Baͤumen, dann an Thieren, und zuletzt an einer ungerechten Stadt, wo ſie die Menſchen mit verderblichen, Krankheit und Seuchen bringenden Pfeilen erlegte.

137

Das Urbild der Diana iſt der leuchtende Mond, der kalt und keuſch in naͤchtlicher Stille uͤber die Waͤlder ſeinen Glanz ausſireuet. Dieſe Keuſchheit der Diana ſelber aber iſt ein furchtbarer Zug in ihrem Weſen. Den Jaͤger Aktaͤon, der ſie im Bade erblickte, ließ ſie, in einen Hirſch verwan - delt, von ſeinen eigenen Hunden zerriſſen, ihrer jungfraͤulichen Schamhaftigkeit ein ſchreckliches Opfer werden.

Und als eine Prieſterin der Diana ihren Tem - pel durch die Annahme der Beſuche ihres gelieb - ten Juͤnglings in demſelben entweihte, beſtrafte die Goͤttin das ganze Land mit Peſt und Seu - chen, bis man das ſchuldige Paar ihr ſelber zum Opfer brachte. Ihr widmeten ſich die Jung - frauen, die das Geluͤbde der Keuſchheit thaten, deſ - ſen Verletzung ſie mit grauſamen Strafen raͤchte.

Wenn Jungfrauen, die dieß Geluͤbde thaten, ſich dennoch, ihren Entſchluß bereuend, vermaͤhlen wollten, ſo zitterten ſie vor Dianens Rache, und ſuch - ten die zuͤrnende Goͤttin mit Opfern zu verſoͤhnen.

Diana und Venus waren die allerentgegen - geſetzteſten unter den himmliſchen Goͤttergeſtal - ten. Demohngeachtet wurden beide verehrt. Die ausſchweifende Luſt der einen, und die Keuſch - heit der andern war uͤber Lob und Tadel der Sterb - lichen weit erhaben, die eine wie die andre, gleich wohlthaͤtig und gleich furchtbar.

138

Als aber die maͤchtige Diana in dem Treffen vor Troja, die maͤchtigere Juno zum Streit aufforderte, ſo fuͤhlte ſie die ſtarken Arme der Ver - maͤhlten des Donnergottes. Das Wild auf den Bergen, ſprach Juno, kannſt du toͤdten, aber nicht mit Maͤchtigern ſtreiten!

Darauf faßte ſie die beiden Haͤnde der Diana an dem Gelenke in ihre Linke zuſammen, nahm mit der Rechten den Koͤcher von Dianens Schulter, und ſchlug ſie damit auf beide Wangen, daß die Pfeile zur Erden fielen und gleich der furchtſamen Taube vor dem Habicht, floh die ſonſt ſo maͤchtige Goͤttin weinend davon, und ließ ihren Koͤcher zuruͤck, wel - chen Latona wieder aufhob, und die zerſtreueten Pfeile wieder auflaß.

So menſchenaͤhnlich auch dieſe hohen Goͤtter - geſtalten handeln, iſt dennoch dieſe Dichtung groß und ſchoͤn, ſobald man ſie nicht einzeln, ſondern im Sinn des Ganzen dieſer Dichtung nimmt.

Derſelbe furchtbare Koͤcher, aus welchem die toͤdtlichen Pfeile ſich uͤber das Geſchlecht der Sterblichen verbreiten, iſt ein leichtes Spielwerk in den Haͤnden der erhabenen Juno, die ihn als ein Werkzeug braucht, den Uebermuth der Min - dermaͤchtigen zu beſtrafen, deren erroͤthende Wan - ge, von einer ſtaͤrkern Hand die Schlaͤge des raſ - ſelnden Koͤchers fuͤhlt, mit welchem ſie ſonſt furcht -

[figure]

139 bar einhergeht. Es giebt kein treffenderes Bild der tief gedemuͤthigten weiblichen Macht als dieß.

Der weiſere Apoll antwortet dem Neptun, der ihn zum Streit auffordert: warum ſollte ich mit dir der elenden Sterblichen wegen fechten, die gleich den Blaͤttern auf den Baͤumen, nur eine Zeitlang dauern, und bald verwelken! Laß uns vom Kampf abſtehen; ſie moͤgen unter einan - der ſich ſelbſt bekriegen!

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befindet ſich eine Abbildung der Diana nach einem antiken geſchnittenen Steine, wo ſie, im aufgeſchuͤrzten Kleide, auf einen attiſchen Pfeiler gelehnt, in ruhiger Stellung ſteht, den Koͤcher und Bogen auf der Schulter, und als die Erleuchterin der Nacht mit einer Fackel in der Hand, welche ſie auszuloͤſchen im Begriff iſt.

Hinter ihr ragt ein Berg hervor, welcher ſie als die Goͤttin bezeichnet, die auf den waldigten Gip - feln einhergehend, die Spur des Wildes verfolgt.

Auf eben dieſer Kupfertafel befindet ſich auch eine Abbildung der Ceres nach einem antiken ge - ſchnittenen Steine. In der Rechten haͤlt ſie eine Sichel, in der Linken eine Fackel, die ſie auf dem Aetna anzuͤndete, um ihre geraubte Tochter in den verborgenſten Winkeln der Erde zu ſuchen. Zu ihren Fuͤßen ſchmiegen ſich die Drachen, die ihren Wagen zogen.

140

Ceres.

Unter den drei hohen Goͤttinnen, die vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren ſind, iſt Juno allein die Koͤnigin des Himmels. Ceres und Veſta ſind auf Erden wohlthaͤtige Weſen, wovon die eine den naͤhrenden Halm her - vorruft; die andre ſelbſt jungfraͤulich, dennoch den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachen - der Waͤrme durchgluͤht.

Mit der Ceres erzeugte der Vater der Goͤtter die jungfraͤuliche Proſerpina, welcher des Lichtes ſuͤßer Anblick nur kurze Zeit gewaͤhrt war denn nur zu bald wurde Jugend und Schoͤnheit ein Opfer des unerbittlichen Orkus.

Da ſie in ſorgenfreier Unſchuld mit ihren Ge - ſpielinnen auf der Wieſe Blumen ſammlet, ſchlingt ſchon der Koͤnig der Schrecken die ſtarken Arme um ſie her, und hebt die umſonſt ſich ſtraͤubende auf ſeinen mit ſchwarzen Roſſen beſpannten Wa - gen.

Zuͤrnend und mitleidsvoll verſucht die Nymphe Cyane die ſchnaubenden Roſſe aufzuhalten. Pluto aber ſtampft mit ſeinem zweizackigten Zepter von Ebenholz den Boden, und oͤfnet ſich mitten durch die Kluͤfte der Erde zu ſeinem unterirdiſchen Pallaſt einen Weg.

141

Ceres aber, da ſie den Raub ihrer Tochter vernimmt, unwiſſend wer ſie entfuͤhrte, zuͤndet auf dem flammenden Aetna ihre Fackel an, ſetzt ſich auf ihren mit Drachen beſpannten Wagen, und ſucht ihre Tochter in den verborgenſten Win - keln der Erde, wohin kein Strahl der Sonne drang. Sie ſucht die Nacht zu erleuchten; das Verborgene aufzudecken; um das Verlohrne und Entſchwundene, was ihr ſo nah ver - wandt iſt, wieder ans Licht zu bringen.

Nachdem ſie ihre Tochter nun vergebens auf der ganzen Erde geſucht hatte, ſo kam ſie endlich in Eleuſis, einem Flecken in Attika, ermuͤ - det an.

Mit der Macht der Gottheit verknuͤpft die ſchoͤne Dichtung menſchliches Leiden. Die erhabene Goͤttin war jammervoll ſie ſetzte ſich betruͤbt auf einem Steine nieder bis der gaſt - freie Celeus ſie in ſeine Wohnung einlud, ohnge - achtet ſein Haus voll Trauer war, weil ſein ge - liebter Sohn in letzten Zuͤgen lag.

Die Goͤttin nahm an dieſer Trauer Theil, weil ſie den Schmerz uͤber den Verluſt eines Kin - des in ſeiner ganzen Groͤße ſelber kannte. Nun aber that ſie, was als Goͤttin ihr ein Leichtes war; ſie machte des Celeus Sohn geſund.

Auch wollte ſie die Unſterblichkeit dem bluͤ - henden Knaben ſchenken, indem ſie ihn alle Nacht142 auf ihrem Schooße in Flammen huͤllte, um alles Sterbliche an ihm zu tilgen; bis durch den unge - ſtuͤmen Schrei, und durch die unzeitige Furcht der Mutter, welche die Ceres einſt bei dieſem Geſchaͤft belauſchte, auch dieſer Wunſch der Goͤttin verei - telt ward.

Dennoch ſetzte ſie ihrer Wohlthaͤtigkeit keine Schranken; ſie gab dem Triptolemus des Ce - leus aͤlterm Sohne, einen Wagen mit fliegenden Drachen beſpannt, und ſchenkte ihm den edlen Waizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vol - len Haͤnden ausſtreuen, und Seegen allenthalben ſeine Spur begleiten ſollte.

Endlich entdeckte nun auch der Ceres die all - ſehende Sonne den Aufenthalt ihrer Tochter, da forderte ſie die gewaltſam Geraubte zuͤrnend vom Orkus wieder, und Jupiter ſelber bewil - ligte Proſerpinens Ruͤckkehr, unter der Bedin - gung, daß von der Koſt in Plutos Reiche ihre Lippe noch unberuͤhrt ſey.

Proſerpina aber hatte dem Reitz nicht wider - ſtanden, aus einem Granatapfel einige Koͤrner zu verzehren, nun war ſie dem Orkus eigen, und konnte keine Ruͤckkehr hoffen.

Dennoch bewirkte ihre maͤchtige Mutter, daß ſie nur einen Theil des Jahres beim Pluto ver - weilen durfte, den andern aber wieder auf der Oberwelt des himmliſchen Lichts genoͤſſe, damit143 die liebende Mutter ſich alljaͤhrlich der wiederge - fundenen Tochter freue.

Durch alle dieſe Dichtungen ſchimmern die Begriffe von der geheimnißvollen Entwickelung des Keims im Schooß der Erde, von dem innern verborgenen Leben der Natur hervor. Es giebt keine Erſcheinung in der Natur, wo Leben und Tod, dem Anſehen nach, naͤher aneinander grenzen, als da, wo das Saamenkorn, dem Auge ganz verdeckt, im Schooß der Erde vergraben, und gaͤnzlich verſchwunden iſt; und dennoch grade auf dem Punkte, wo das Leben ganz ſeine Endſchaft zu erreichen ſcheint, ein neues Leben anhebt.

Durch den ſanften Schooß der Ceres pflanzen ſich bis in das dunkle Reich des Pluto die himmli - ſchen Einfluͤſſe fort. Pluto heißt auch der ſty - giſche oder unterirdiſche Jupiter; und mit ihm vermaͤhlt ſich des himmliſchen Jupiters reitzende Tochter, in welcher die Dichtung die entgegen - geſetzten Begriffe von Leben und Tod zuſammen - faßt, und durch welche ſich zwiſchen dem Hohen und Tiefen ein zartes geheimnißvolles Band knuͤpft.

Auf den Marmorſaͤrgen der Alten findet man oft den Raub der Proſerpina abgebildet, und bei den geheimnißvollen Feſten, welche der Ceres und der Proſerpina gefeiert wurden, ſcheint es, als habe man grade dieß Aneinandergrenzen144 des Furchtbaren und Schoͤnen, zum Augenmerk genommen, um die Gemuͤther der Eingeweihten mit einem ſanften Staunen zu erfuͤllen, wenn das ganz Entgegengeſetzte ſich am Ende in Harmonie aufloͤßte.

An die Vorſtellung vom Ackerbau, welche den Menſchen nachher ſo gewoͤhnlich und alltaͤglich geworden iſt, knuͤpften ſich in jenen Zeiten, wo man noch die Gaben der Natur gleichſam unmit - telbar aus ihrer Hand empfing, erhabne und ſchoͤne Begriffe an; es war die Menſchheit und ihre hoͤhere Bildung ſelber, die man in dieſer einfachen Vorſtellung wiederfand, unter welcher man ſich auch die ganze Natur mit ihren wunderbarſten abwechſelnden Erſcheinungen dach - te, und ſich an dieſelbe unter allen ihren Ge - ſtalten, ſo nahe wie moͤglich anſchloß.

Unter den hohen Goͤttergeſtalten iſt Ceres eine der ſanfteſten und mildeſten; demohngeachtet ließ ſie auch den Eryſichthon, welcher an einem ihr geweihten heiligen Haine Frevel veruͤbte, ihre furchtbare Macht empfinden. Sie ſelber warnte ihn zuvor, da er im Begriff war die heilige Pap - pel umzuhauen; als er aber dennoch den grauſa - men Hieb vollfuͤhrte, ſo mußte er fuͤr ſein Ver - gehen gegen die alles ernaͤhrende Goͤttin, mit ewig nicht zu ſtillendem Hunger, buͤßen.

145

Und als ſie ihre verlohrne Tochter auf dem ganzen Erdkreis ſuchend, einſt lechzend und ermat - tet in eine Huͤtte einkehrte, wo ſie begierig trin - kend, von einem Knaben verſpottet ward, ſo duldete ſie die Schmach nicht, ſondern beſprengte den kindiſchen Frevler mit Waſſertropfen, der ploͤtzlich in eine Eidexe verwandelt, von der furcht - baren Macht der Goͤttin ein Zeuge ward.

Vulkan.

Das Muͤhſame und Beſchwerliche der Arbeit in der mit Rauch und Dampf erfuͤllten Werkſtatt, zuſammengedacht mit der erhabnen Kunſt, die unermuͤdet hier mit ſchaffendem Geiſte wirkt, huͤllte die Phantaſie der Alten in eine eigene hohe Goͤtterbildung ein, bei welcher alle Kraft ſich in den maͤchtigen Arm vereint, der den gewaltigen Hammer auf dem Ambos fuͤhrt, indeß die gelaͤhm - ten Fuͤße hinken.

Wetteifernd mit dem Jupiter hatte Juno den Vulkan, wie dieſer die Minerva, aus ſich ſelbſt gebohren und erzeugt. Jupiter aber ſchleuderte ihn vom Himmel hinab; er ſollte in den glaͤnzen - den Reihen des hohen Goͤtterchors nicht aufge - nommen ſeyn.

Der Rauch, der ſchwarze Dampf, die halb - erſtickte Flamme, vereinte ſich mit dem reinenK146Aether nicht, und widerſtrebte dem Begriff von Klarheit, Schoͤnheit, und hoher Goͤtterwuͤrde. Die Haͤßlichkeit Vulkans iſt ihm ein bittrer Vor - wurf.

Und dennoch nahm die Phantaſie auch dieſe Goͤtterbildung unter den Glanz des Hohen und Himmliſchen, durch den Weg des Komiſchen wieder auf. Die ſeeligen Goͤtter gerathen in ein unendliches Lachen, wenn der hinkende Vul - kan das Amt des Ganymed verwaltend, und ſelbſt uͤber ſein Gebrechen ſcherzend, den mit Nektar gefuͤllten Becher in der Verſammlung der Goͤtter umherreicht.

Die kuͤhne Einbildungskraft der Alten aber wußte das Komiſche ſelber wieder mit Goͤtter - macht und Hoheit, und einer uͤber alles Menſch - liche erhabnen Wuͤrde zu umkleiden, wodurch ſie eine Schattirung mehr erhielten, die ihren Dich - tungen einen unnachahmlichen Reitz giebt.

Der Hinkende, wegen ſeiner Haͤßlichkeit vom Himmel geſchleuderte Sohn der Juno, welcher unbehuͤlflich das Amt des zarten Ganymed verrich - tet, iſt in der mechaniſchen Kunſt vortreflich; bei dieſer ſchaden ihm die gelaͤhmten Fuͤße nicht; auch ſchmaͤlert ſein Sturtz vom Himmel die Macht und Hoheit nicht, wodurch er ein Gegenſtand der Ver - ehrung der Voͤlker wird.

147

In ſeiner Schmiede fuͤhrt er auf dem Ambos mit maͤchtigen Schlaͤgen ſelbſt den Hammer; aber Luft und Feuer ſtehen ihm zu Gebote. Die Blaſebaͤlge athmen auf ſeinen Wink, und hauchen die Flamme ſchwaͤcher oder ſtaͤrker an; jeder ſeiner Gedanken fuͤhrt ſchnell mit Goͤtterkraft ſich aus, und unter ſeinen bildenden Haͤnden tritt ma - jeſtaͤtiſch das Werk hervor.

Ihm iſt es ein Leichtes ſeinen Bildungen Le - ben einzuhauchen; er ſchmiedet zwanzig Drei - fuͤße auf goldenen Raͤdern rollend, welche auf ſeinen Wink in die Verſammlung der Goͤtter ge - hen und wiederkehren. Auch hat er ſich goldne Maͤgde gebildet, die Leben und Bewegung haben, und ihn im Gehen ſtuͤtzen.

Wenn er aus ſeiner Schmiede tritt, ſo traͤgt er ein koͤniglich Gewand und Scepter; auch iſt in ihm die hohe bildende Kunſt, obgleich in un - anſehnliche Geſtalt verhuͤllt, doch mit der Schoͤn - heit ſelbſt vermaͤhlt; durch dieſe Vermaͤhlung mit der Venus aber, erhaͤlt das Komiſche in den Zuͤgen der Goͤtterbildung des Vulkan den hoͤch - ſten Reitz, weil auch die Eiferſucht ſich dazu ge - ſellt.

Das kuͤnſtliche Netz, welches der eiferſuͤchtige Gatte um den Mars und die Venus ſchmiedet, und alle Goͤtter herbeiruft, um uͤber ſein Ungluͤck ſich zu beklagen, iſt in den Dichtungen der AltenK 2148unter Goͤttern und Menſchen zu einer beluſtigen - den Fabel geworden, wodurch der finſtre Ernſt ge - mildert, und das Gemuͤth zu frohem Laͤcheln auf - geheitert wird.

In der Goͤtterbildung des Vulkan aber findet ſich das ganz Entgegengeſetzte zuſammen, was die Alten vorzuͤglich in ihren Dichtungen liebten; in ihm vermaͤhlt ſich die Haͤßlichkeit mit der Schoͤn - heit ſelber; das Komiſche iſt in ihm mit Wuͤrde; die Schwachheit mit der Staͤrke, die Laͤhmung des Fußes mit der Kraft des maͤchtigen Arms ver - eint. Es iſt, wie wir ſchon bemerkt haben, gleichſam das Mangelhafte, oder die fehlenden Zuͤge, wodurch auch dieſe Goͤttergeſtalt ſich an die uͤbrigen anſchließt.

Wie hoch aber die Kunſt das Eiſen zu ſchmie - den von den Alten geſchaͤtzt wurde, erhellet auch aus dieſer Dichtung, wo ſie unter allen Kuͤnſten allein das ausſchließende Geſchaͤft eines Gottes iſt, der ſelber mit in dem Rathe der hohen Goͤt - ter ſitzt.

Ob nun gleich Vulkan erſt unter den neuen Goͤttern auftritt, ſo ſchimmert dennoch auch ſein Urbild unter den alten Goͤttergeſtalten dunkel her - vor; die Kureten oder Korybanten, welche den Jupiter auf der Inſel Kreta bewachten, wa - ren nach einer alten Sage, ſeine Abkoͤmmlinge;

[figure]

149 auch war er einer der aͤlteſten oder die aͤlteſte unter den Aegyptiſchen Gottheiten.

Die Kureten machten ſchon ein Getoͤſe mit Waffen, die von Eiſen geſchmiedet waren. Die Cyklopen hatten ſchon vorher, ehe Jupiters Reich begann, in den Hoͤhlen der Erde den Blitz und den Donner bereitet, und die Erde ſelber hatte ſchon eine Sichel geſchmiedet, womit Saturnus ſeinen Erzeuger entmannte.

Auch waren eine Art geheimnißvoller Goͤtter - bildungen aus dem hoͤchſten Alterthum, welche unter dem Nahmen der Kabiren in Aegypten und Samothracien verehrt wurden, nach einer alten Sage, Soͤhne oder Abkoͤmmlinge des Vulkan, deſſen Erſcheinung hiedurch auf einmal weit zuruͤck - tritt, und in den Nebel der grauen Vorzeit ſich verhuͤllt.

Schoͤn und bedeutend iſt es in dieſen Dich - tungen, daß die bildenden Goͤtter einander huͤlf - reich ſind. Als Prometheus die Menſchen bil - dete, ſo ſtanden Minerva und Vulkan ihm bei. Vulkan aber mußte nachher ſelber auf Jupiters Befehl den Prometheus an den Felſen ſchmieden, welches er nach der Darſtellung des tragiſchen Dichters, da er dem Donnerer nicht widerſtreben durfte, mit lautem Jammer that.

Auch wuͤnſchte Vulkan, obgleich vergeblich, ſich mit der Minerva zu vermaͤhlen. Und als150 er gewaltſam ſich ihrer zu bemaͤchtigen ſuchte, wurde, waͤhrend daß er mit der Goͤttin kaͤmpfte, die Erde von ſeiner Zeugungskraft befruchtet, und gebahr den Erichthonius mit Drachenfuͤßen, den Minerva ſelbſt in Schutz nahm, und ihn den Einwohnern ihrer geliebten Stadt Athen zum Koͤnige ſetzte, wo er, um ſeine ungeſtalten Fuͤße zu verbergen, den vierraͤdrigen bedeckten Wagen erfand.

Die Drachengeſtalt und Drachenfuͤße bezeich - nen in dieſen Dichtungen faſt immer das der Erde entſproſſene, mit der Erde nah verwandte, ſo bildet die Phantaſie die himmelanſtuͤrmenden Gi - ganten, als Kinder der Erde mit Drachenfuͤßen; und auch der Wagen der Ceres, die die Erde be - fruchtet, iſt mit Drachen beſpannt.

Ganz menſchenaͤhnlich ſtellt die Dichtung den Gott der Flammen dar, wie er, um die The - tis zu empfangen, die zu ihm koͤmmt, um fuͤr ihren geliebten Sohn Achilles einen neuen Schild und Ruͤſtung zu erbitten, ſich mit dem naſſen Schwamme, erſt Bruſt und Nacken, Geſicht und Haͤnde waͤſcht, um mit dem Schmutz der Arbeit nicht vor der beſuchenden Goͤttin zu erſcheinen.

Als er aber in dem Treffen vor Troja auf den Befehl ſeiner Mutter ſich mit ſeinen Flammen dem Flußgott Skamander widerſetzte, der mit ſeinen anſchwellenden Fluthen den Achill verfolgte; ſo be -151 gann ein furchtbarer Kampf zwiſchen den beiden entgegengeſetzten Elementen. Zuerſt verbrannte Vulkan das Feld mit allen Todten; dann richte - te er die leuchtende Flamme gegen den hochaufſchwel - lenden Strom, daß das Schilf an ſeinen Ufern verbrannte, das Waſſer ſiedete, und die Fiſche ge - aͤngſtiget wurden. Da flehte der Flußgott die Juno um Erbarmung an, und Vulkan ließ ab ihn zu aͤngſtigen, da ſeine Mutter es ihm be - fahl, und zu ihm ſprach: hoͤre auf, es iſt nicht billig, daß ein unſterblicher Gott der ſterbli - chen Menſchen wegen ſo gequaͤlt werde!

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befindet ſich im Umriß nach antiken geſchnittnen Steinen aus der Lippertſchen Daktyliothek, außer einem Kopf des Vulkan, noch eine Abbildung deſſelben, wie er einen Pfeil ſchmiedet, und ihm zur Seite Venus mit dem Kupido ſteht, der nach den Pfei - len greift, die Venus in der Hand haͤlt.

Veſta.

So wie Vulkan die zerſtoͤrende, und auch die bildende Flamme, das verzehrende Feuer, und die alles zerſchmelzende Gluth bezeichnet; ſo iſt der Veſta hoͤheres Urbild das heilige gluͤhende Leben der Natur, das unſichtbar mit ſanfter Waͤrme, durch alle Weſen ſich verbreitet.

152

Es iſt die reine Flamme in dem keuſchen Bu - ſen der hohen Himmelsgoͤttin, welche als ein er - habnes Sinnbild auf dem Altar der Veſta loderte, und wenn ſie verloſchen war, nur durch den elek - triſchen, durch Reibung hervorgelockten Funken, ſich wieder entzuͤnden durfte.

Unter dieſem hohen Sinnbilde wurde das um - gebende Ganze ſelber in ſeinem geheimſten Mittel - punkte verehrt, wo Geſtalt und Bildung aufhoͤrte, und der runde, umwoͤlbende Tempel, mit dem Altar und der darauf lodernden Flamme, ſelbſt das Bild der inwohnenden Gottheit war.

Dieſer uralte Gottesdienſt verflochte ſich auch in das ſchoͤne haͤusliche Leben der Alten: Man dankte der Veſta jede wohlthaͤtige Wirkung des Feuers, die auf Erhaltung und Ernaͤhrung ab - zweckt. Sie war es, welche die Menſchen lehrte, ſich auf dem heiligen Heerde die naͤhrende Koſt zu bereiten.

Auch das Haͤuſerbauen lehrte Veſta die Men - ſchen, und ſo wie das umgebende Ganze ſelber ihr Tempel war, ſo war auch die ſchuͤtzende Umgebung des Menſchen ihr wohlthaͤtiges Werk, das ihr die Sterblichen dankten; denn der Ein - tritt zu jeglichem Hauſe und der Vorhof waren ihr heilig.

Es war ein reines dankbares Gefuͤhl bei den Alten, wodurch ſie jede einzelne Wohlthat der153 Natur, unter irgend einem bezeichnenden Sinn - bilde beſonders anerkannten; es war eine ſchoͤne Idee, der heiligen Flamme, welche wohlthaͤtig den Menſchen dient, gleichſam wieder zu pflegen, und unbefleckte Jung - frauen, als die heiligſten Prieſterinnen, ih - rem immerwaͤhrenden Dienſte zu weihen.

Fuͤr das Feuer, welches allenthalben den Menſchen nuͤtzt, gab es auch einen Fleck, wo es nie durch den Gebrauch zu menſchlichem Beduͤrfniß herabgezogen, ſtets um ſein ſelbſt willen loderte, und die Ehrfurcht der Sterblichen auf ſich zog.

Wenn die Kunſt der Alten es wagte, die Veſta abzubilden, ſo trug die geheimnißvolle Goͤt - tin eine Fackel in der Hand, aber der keuſche Schleyer huͤllte dennoch ihre Bildung ein. Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befindet ſich eine Abbildung der Veſta, nach einem antiken geſchnit - tenen Steine aus der Lippertſchen Daktyliothek, die aber ſo zuſammengeſetzt, und raͤthſelhaft iſt, daß man leicht ſieht, der Kuͤnſtler habe vorzuͤglich nur das Geheimnißvolle in dem Begriff von die - ſer Gottheit ſelbſt bezeichnen wollen.

Pluto oder der ſtygiſche Jupiter, der auch Jupiter Serapis heißt, ſitzt auf einem Throne, und legt, in der Linken den Scepter haltend, ſeine Rechte auf eine gefluͤgelte Thiergeſtalt. Zu ſei - ner Linken ſteht Harpokrates, der Gott des Still -154 ſchweigens, mit dem Finger auf dem Munde, und zur Rechten die geſchleierte Veſta mit der Fackel in der Hand. Auch haͤlt Harpokrates ein Horn des Ueberfluſſes. Lauter Sinnbilder des Tiefen, Verborgenen, Geheimnißvollen, im Innerſten der Natur, woraus ſich unaufhoͤr - lich Leben und Fuͤlle ergießt.

Unter der Abbildung der Veſta mit der Fackel, denkt man ſich eine aͤltere Veſta, welche mit der Erde einerlei iſt, die unter mannichfaltigen Nah - men auch dieſen traͤgt. Allein die aͤhnlichen alten und neuen Goͤttergeſtalten verlieren ſich in den Dichtungen der Alten ineinander; und da die Erde, als eine der alten Gottheiten unter den neuen herrſchenden Goͤttern nicht mit auftritt, ſo ſcheint ſie in der Veſta, wie Helios im Apollo, ſich gleichſam verjuͤngt zu haben, und wohnt in ihr dem Rath der himmliſchen Goͤtter bei.

Auf eben dieſer Kupfertafel befindet ſich auch, nach einem ſchoͤnen antiken geſchnittenen Steine, eine Abbildung des Merkur, der als der Gott der Wege den Altar, worauf ein antiker Mei - lenzeiger ſteht, mit ſeinem Stabe beruͤhrt. Auf dem Altare liegt ein Stab, zum Zeichen, daß die Reiſenden dem Merkur, wenn ſie die Reiſe voll - bracht, ihre Wanderſtaͤbe weihten. Zum Zei - chen der Sicherheit der Wege, windet ſich der friedliche Oehlzweig um die Meilenſaͤule. Merkur

[figure]

155 traͤgt auf dem Haupte den gefluͤgelten Hut, und iſt mit einem kurzen Mantel bekleidet.

Merkur und Veſta waren beide die Menſchen lehrende wohlthaͤtige Weſen, und der Geſang ver - eint ihr Lob. In allen Haͤuſern und Pallaͤſten der Goͤtter und der Menſchen hat Veſta ihren eignen Sitz, und ihre alte Ehre; der erſten und der letzten Veſta wird bei jedem Gaſtmahle ſuͤßer Wein mit Ehrfurcht ausgegoſſen.

Der Sohn des Jupiter und der Maja, der Bote der Goͤtter mit dem goldenen Stabe, der Geber vieles Guten, bewohnet mit der Veſta die Haͤuſer der Sterblichen, und beide ſind einander lieb, weil beide, in ſchoͤner Uebereinſtimmung, nuͤtzliche Kuͤnſte lehren.

Merkur.

In dieſe leichte Goͤtterbildung huͤllte die Phan - taſie der Alten die Begriffe von ſchneller Erfin - dungskraft, Liſt, und Gewandtheit ein, die ſich ſowohl in der taͤuſchenden Ueberredung, als in dem leicht vollfuͤhrten ſcherzenden Dieb - ſtahl zeigte, woruͤber ſelbſt der Beraubte, wenn er die kuͤhne Schalkheit wahrnahm, laͤcheln mußte.

Schalkheit und Liſt iſt hier mit der Macht der Gottheit und mit Unſterblichkeit gepaart, denn nichts war unheilig in der Vorſtellungsart der156 Alten, was aus dem mannichfaltigen Bildungs - triebe der Natur hervorging, und, wenn gleich durch ſich ſelber ſchadend, dennoch den Stoff des Schoͤnen und Nuͤtzlichen in ſich enthielt.

Die Phantaſie ſetzt ihren Goͤttergeſtalten kei - ne Schranken, ſie laͤßt bei jeglicher den herr - ſchenden inwohnenden Trieb in ſeinem weiteſten Umfange ſpielen, und fuͤhrt ihn gern bis auf den Punkt des Schaͤdlichen hin; eben weil in dieſen Dichtungen die großen Maſſen von Licht und Schatten, und die furchtbaren Gegenſaͤtze in der Natur ſich zuſammendraͤngen, die ſonſt das Auge nur zerſtreut und einzeln wahrnimmt; und weil gewiſſermaßen jede Goͤttergeſtalt, das We - ſen der Dinge ſelbſt, aus irgend einem erhabe - nen Geſichtspunkt betrachtet, in ſich zuſammen - faßt.

In dieſer Ruͤckſicht iſt die Dichtung vom Mer - kur eine der ſchoͤnſten und vielumfaſſendſten. Er iſt der behende Goͤtterbote der Gott der Rede der Gott der Wege in ihm ver - juͤngt ſich das ſchnelle gefluͤgelte Wort, und wiederholt ſich auf ſeinen Lippen, wenn er die Befehle der Goͤtter uͤberbringt.

Darum iſt auch ſein erhabenſtes Urbild die Rede ſelber, welche als der zarteſte Hauch der Luft ſich in den maͤchtigen Zuſammenhang der Dinge gleichſam ſtehlen muß, um durch den Ge -157 danken und die Klugheit zu erſetzen, was ihrer Wirkſamkeit an Macht abgeht.

Auch lieh die Phantaſie der Alten gern dem Worte Fluͤgel, weil es vom ſchnellen Hauch be - gleitet erſt hoͤrbar wird; und wenn der Laut nicht uͤber die Lippen kam, ſo war ihr ſchoͤner Aus - druck: dem Worte fehlten die Fluͤgel.

Die Zunge der Opferthiere war dem Merkur geweiht; Milch und Honig brachte man dem Gott der ſanft hinſtroͤmenden Unterredung dar. Aus ſeinem Munde ſenkte ſich, nach einer dichteriſchen Darſtellung, vom Himmel eine goldne Kette nie - der, bis zu dem lauſchenden Ohre der Sterblichen, die der ſuͤße Wohllaut von ſeinen Lippen mit maͤchtigem Zauber lenkte.

Unwiderſtehlich iſt ſeine Macht, den Zwiſt zu ſchlichten, das Streitende zu verſoͤhnen, und das Mißtoͤnende harmoniſch zu verbinden. Dem Schooß der Mutter noch nicht lange entwunden, ſchlug er mit ſeinem goldnen Stabe zwiſchen zwei erzuͤrnte miteinander ſtreitende Schlangen, und dieſe vergaßen ploͤtzlich ihrer Wuth, und wik - kelten ſich vereint, in ſanften Kruͤmmungen um den Stab, bis an die Spitze, wo ihre Haͤupter in ewiger Eintracht ſich begegnen.

Es giebt kein ſchoͤneres Sinnbild, um die Verſoͤhnung und den Frieden, ſo wie die harmo - niſche Verbindung des Widerſtreitenden und Ent -158 gegengeſetzten zu bezeichnen, als dieſen Schlangen - umwundenen Stab, der, in der Hand des Goͤt - terboten, der Herold ſeiner Macht iſt.

Nichts iſt reizender als die dichteriſchen Schil - derungen der Alten von der ſchnell ſich entwickeln - den Goͤtterkraft, die gleichſam lange vorher ſchon war, und nun in verjuͤngter Geſtalt aus dem Schooß der Mutter neu gebohren, die Fuͤlle ihres Weſens, welche ſie in ſich ſpuͤrt, nicht lange durch Windeln und durch die Wiege beſchraͤnken laͤßt.

Waͤhrend daß Juno ſchlief, hatte Jupiter in verſtohlner Umarmung mit der holden Maja den Merkur in einer ſchattigten Hoͤhle erzeugt. Und als die Zeit der Entbindung da war, ſo wurde am fruͤhen Morgen der Goͤtterknabe gebohren, am Mittag ſchlug er ſchon die von ihm ſelbſt er - fundene Laute, und am Abend entwandte er die Rinder des Apollo.

Die Laute erfand er, da er am erſten Mit - tage ſich aus der Wiege ſtahl, und indem er uͤber die Schwelle trat, eine Schildkroͤte ihm entgegen kam, deren umwoͤlbende Schaale ihm ſogleich ein ſchickliches Werkzeug ſchien, um von dem Klange darauf geſpannter Saiten wiederzutoͤ - nen.

Wenn du todt biſt, ſprach er zu der Schild - kroͤte, dann wird erſt dein Geſang anheben. Und als er ihr nun das Leben geraubt hatte, und159 die Umwoͤlbung leer war, ſpannte er ſieben aus Sehnen geflochtene miteinander toͤnende Saiten daruͤber, und ſchlug ſie mit dem klangentlockenden Staͤbchen, jeden einzelnen Ton verſuchend, der tief im Bauch der Woͤlbung wiederhallte.

Nun konnte er auch der Luſt zu ſingen nicht widerſtehen, und beſang, die Laute ſchlagend, was nur ſein Auge erblickte; die Dreifuͤße und Gefaͤße in ſeiner Mutter Hauſe; aber er ſang auch ſchon mit hoͤherm Schwunge, Jupiters Lie - besbuͤndniß mit der holden Maja, als ſeiner eige - nen Gottheit Urſprung.

Als nun am Abend die Sonne ſich in den Ocean tauchte, war er ſchon auf den Piraͤiſchen Gebirgen, wo die Heerden der unſterblichen Goͤt - ter weiden. Funfzig entwandte er von Apollos Rindern, und trieb ſie mit manchem liſtigen Kunſtgriff uͤber Berg und Thal, daß niemand die Spur des Raubes entdecken konnte, wenn nicht ein Greis, der auf dem Felde grub, den Knaben mit den Rindern vor ſich her bemerkt, und ihn dem Apollo verrathen haͤtte.

Als er nun am Alpheusſtrome zwei von den Rindern geſchlachtet, und ſie ſich ſelber geop - fert hatte, ſo loͤſchte er wieder das Feuer aus, verſcharrte die Aſche in den Sand, und warf die Schuh von gruͤnern Reiſern, womit er die Fuß - ſtapfen unkenntlich zu machen geſucht, in den160 voruͤberſtroͤmenden Alpheus, damit auch hier ſich keine Spur mehr zeige.

Dieß alles that er bei Nacht und hellem Mondenſchein.

Als nun der Tag anbrach, da ſchlich er ſich leiſe wieder in die Wohnung ſeiner Mutter, und legte ſich in die Wiege, die Windeln um ſich her, die Laute, als ſein liebſtes Spielwerk, mit der Linken haltend.

Und als nun Apollo wegen der geraubten Rinder zuͤrnend kam, ſo ſtellte ſich der Raͤuber, als ob er in der Wiege in ſuͤßem Schlummer laͤge, die Laute unterm Arme. Apollo drohte, ihn in den Tartarus zu ſchleudern, wenn er nicht ſchnell den Ort anzeigte, wo die entwandten Rinder waͤren.

Da antwortete der liſtige Knabe mit den Au - gen blinzelnd: wie grauſam redeſt du, Latonens Sohn, einen kleinen Knaben an, der geſtern gebohren iſt, und dem ganz andre Dinge lieb ſind, als Rinder hinwegzutreiben; der ſich nach ſuͤßem Schlummer, und nach der Bruſt der Mutter ſehnt; und deſſen Fuͤße viel zu weich und zart ſind, als daß ſie rauhe Pfade betreten koͤnnten. Doch will ich bei meines Vaters Jupiters Haupte ſchwoͤren, daß ich die Rinder weder ſelber entwandt habe, noch den Thaͤter weiß.

161

Und als ſie nun beide, um ihren Streit zu ſchlichten, vor dem Vater der Goͤtter auf dem Olymp erſcheinen, ſo bringt zuerſt Apollo wegen der entwandten Rinder ſeine Klage vor. Merkur aber ſtand in Windeln da, um durch ſein zartes Alter ſelbſt die Klage zu widerlegen.

Seh ich denn wohl, ſo ſprach er zum Jupiter, einem ſtarken Manne gleich, der Rinder hinweg - zutreiben vermag? Gewiß ſollſt du, mein Erzeuger ſelbſt, die Wahrheit von mir hoͤren: ich lag in ſuͤßem Schlummer, und habe die Schwelle unſrer Wohnung nicht uͤberſchritten; du weißt auch ſelber wohl, daß ich nicht ſchuldig bin; doch will ichs auch durch den groͤßten Schwur betheu - ern; und jenem einſt ſein grauſames Wort ver - gelten; du aber ſtehe dem juͤngern bei!

So ſprach Merkur mit den Augen blinzelnd, und Jupiter laͤchelte uͤber den Knaben, daß er ſo ſchoͤn und klug den Diebſtahl zu leugnen wußte.

Zugleich befahl er dem Merkur, den Ort zu zeigen, wo die Rinder verborgen waͤren. Als dieſer nun Jupiters Befehl gehorchte, ward auch Apollo wieder mit ihm verſoͤhnet; und die vom Merkur erfundene Laute war der Verſoͤhnung Unterpfand.

Denn als der Gott der Harmonien ganz ent - zuͤckt den lieblichen Ton vernahm, der faͤhig iſt,L162Liebe und Freude und Schlummer zu bewirken, gewann er auch den klugen Erfinder lieb, und ſprach: die Erfindung ſey der funfzig geraubten Rinder werth! Da ſchenkte ihm Merkur die Laute, und Apollo war uͤber den Beſitz des koſt - baren Schatzes hocherfreut; damit ihm dieſer aber vollkommen geſichert ſey, ſo bat er den Mer - kur, ihm noch bei dem Styx zu ſchwoͤren, daß er die ſanft ertoͤnende Laute ihrem nunmehrigen Beſitzer nie wieder entwenden wolle.

Apollo ſchenkte nachher dem Merkur den gol - denen Stab, der alle Zwiſte ſchlichtet; jetzt aber kehrten die beiden Nahverwandten Hand in Hand geſchlungen zum Olymp zuruͤck; es war die Kunſt, die ein ſchoͤnes Band zwiſchen ihnen knuͤpfte, und Jupiter freute ſich ihrer Eintracht.

Merkur wird nun der Goͤtterbote; er iſt die behende Macht das ſchnell ſich Bewe - gende unter den hohen Goͤttergeſtalten, die gleich - ſam feſt gegruͤndet in ihrer Majeſtaͤt, den ſchnellen erfindungsreichen Gedanken vom Himmel zur Erde ſenden, und wenn er wiederkehrt, ihn in ihrem hohen Rath aufnehmen.

Auch die Kunſt zu ringen, und durch Be - hendigkeit der Staͤrke uͤberlegen zu ſeyn, lehrte Merkur die Menſchen. Alles, wodurch der zarte Gedanke, ſich in der Dinge geheimſte Fugen

[figure]

163 ſtehlend, des maͤchtigen Zuſammenhangs Meiſter wird, iſt das Werk des leichten Goͤtterboten.

Er ſtieg vom hohen Olymp ins Reich des Pluto nieder. Die Seelen der Verſtorbenen fuͤhrt er mit ſeinem Stabe der oͤden Schattenwelt, der dunkeln Behauſung der Todten zu; er ſelber ſteigt wieder zum Olymp empor, wo ewiger Glanz und Klarheit herrſcht.

Die Erde.

Obgleich die Erde, die den umwoͤlbenden Uranos aus ſich gebahr, und ſich mit ihm ver - maͤhlte, unter die uralten uͤber Bildung und Form erhabenen Erſcheinungen, worauf die Phantaſie noch nicht haften kann, zuruͤcktritt; ſo hat den - noch die bildende Kunſt verſucht, auch dieſe Goͤt - tergeſtalt durch allegoriſche Darſtellung zu be - zeichnen.

So iſt auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel, nach einem antiken geſchnittenen Steine, die alles ernaͤhrende Erde gebildet, in ruhiger Stellung am Boden ſitzend, und mit ihrer Rechten den Stamm eines Baums umfaſſend, deſſen Zweige ſich uͤber ihrem Haupte ausbreiten. Neben ihr liegt ein Horn des Ueberfluſſes; mit der Linken beruͤhrt ſie die neben ihr ruhende Himmelskugel; vor ihr ſteht die Siegesgoͤttin; und unter demL 2164Bilde zweier kleinen weiblichen Figuren, welche Gefaͤße in den Haͤnden tragen, bringen die wech - ſelnden Jahreszeiten der ſeegnenden Mutter ihre Gaben dar.

Von der Goͤttin Cybele, unter welchem Nahmen Rhea, eine Tochter der Erde, und des Saturnus Vermaͤhlte, als die große Mutter oder die Mutter aller Goͤtter verehrt ward, be - findet ſich auf eben dieſer Tafel eine Abbildung nach einem antiken geſchnittenen Steine aus der Stoſchiſchen Sammlung; wo die maͤchtige Goͤttin dargeſtellt iſt, auf einem Loͤwen reitend, das leuchtende Geſtirn zu ihrer Rechten; zu ihrer Lin - ken den gehoͤrnten Mond; die Handpauke nah am Haupte haltend, und gleichſam auf das Ge - toͤſe lauſchend.

Cybele.

In dieſer fremden Goͤttergeſtalt, die Phry - giſchen Urſprungs war, verjuͤngte ſich die Dich - tung von der Rhea, welche, da ſie den Jupiter gebohren, ſtatt ſeiner einen eingewickelten Stein dem Saturnus zu verſchlingen gab, und heimlich auf der Inſel Kreta das Goͤtterkind erziehen ließ, um welches die Korybanten mit ihren Waffen ein wildes Getoͤſe machten, damit Saturnus nicht die Stimme des weinenden Kindes hoͤrte.

165

An dieſe alte Sage knuͤpften ſich die Begriffe von Entſtehung und Erzeugung des Gebildeten an. Es war die Mutter aller Dinge, wel - che die zerſtoͤrende Obermacht zu taͤuſchen, das zarte Gebildete vom Untergange zu retten, und es heimlich und ſorgſam zu pflegen wußte; ſo wie die allbefruchtende Natur es mit dem zarten Keime macht, den ſie im Schooß der Erde vor Wind und Stuͤrmen ſchuͤtzt.

So war das Urbild der Cybele die große Erzeugungskraft, die alle Naturen baͤndigt; den Loͤwen zaͤhmt; den Schooß der Erde befruchtet. Man dachte ſie ſich, als die Beherrſcherin der Ele - mente; den Anfang aller Zeiten; die hoͤchſte Him - melsgoͤttin; die Koͤnigin der Unterwelt; und ſel - ber als das Urbild jeder Gottheit, die wegen der immer herrſchenden, erzeugenden und gebaͤhren - den Kraft, in ihr ſich weiblich darſtellt.

Ob aber gleich dieſe Goͤttin auf einem mit Loͤwen beſpannten Wagen, und mit einer Mauer - oder Thurmkrone auf dem Haupte abgebildet wur - de, wodurch ihre alles baͤndigende Macht, und zugleich ihre Herrſchaft uͤber den mit Staͤdten beſaͤeten Erdkreis dargeſtellt werden ſollte; ſo war doch dieſe Abbildung gleichſam nur eine aͤußere Ueberkleidung ihres unbegreiflichen geſtaltloſen Weſens, welches man ſich grade unter dem Un - foͤrmlichen am ehrwuͤrdigſten dachte.

166

Im Tempel der großen Mutter in Peſſinunt war es ein kleiner ſchwarzgrauer, unebener, ſpitziger Stein, an welchem die Idee von Geſtalt und Form am wenigſten haften konnte, der die verehrte Mutter der Dinge bezeichnete.

Es war derſelbe Begriff von dieſem hohen Weſen, das ſich auch in die Geſtalt der aͤgypti - ſchen Iſis huͤllte, auf deren Tempel geſchrieben ſtand: ich bin alles, was da iſt, was da war, was da ſeyn wird, und meinen Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt.

So verehrt nun dieſe große Goͤttin ſelber war, ſo veraͤchtlich waren groͤßtentheils ihre Prie - ſter, an welchen ſie dafuͤr, daß ſie ſich ihr gleich - ſam zu ſehr naͤhern wollten, eine furchtbare Rache nahm.

Die Prieſter der Cybele entmannten in ihrer fanatiſchen Wuth ſich ſelber, und geißelten und zerfleiſchten ſich. Sie liefen in wilder Begei - ſterung mit fliegendem Haar umher, das Haupt in den Nacken und von einer Seite zur andern werfend. Die hohe Goͤttin ſahe den Trupp entmannter Weichlinge gleichſam triumphierend in ihrem Gefolge.

Es war die uͤppigſte, ausſchweifendſte, ſich ſelbſt uͤberſtroͤmende und in zerfleiſchende Wuth ausartende Lebensfuͤlle, welche den Zug der167 großen Erzeugerin, der maͤchtigen Loͤwen - baͤndigerin allenthalben begleitete.

Die große Mutter ſelber aber blieb ſtets ver - ehrt. Der Gottheit ſchadete die Raſerei ihrer Prieſter nicht, und der Begriff von ihr be - hielt unter allem Mißbrauch ihrer Hoheit, ſeine urſpruͤngliche Erhabenheit, indem man in ihr, unter jeder Benennung, nichts anders als die allerzeugende, allbefruchtende und allbelebende Mutter Natur, ſelbſt verehrte.

Bachus.

Obgleich von ſterblichen Muͤttern gebohren, ſind Bachus und Herkules dennoch dem Chore der himmliſchen Goͤtter zugeſellt. Bachus aber iſt demohngeachtet die hoͤhere Goͤttergeſtalt in ihm offenbart ſich gleich die ganze Fuͤlle ſeines Weſens, und er hat unmittelbar unter den himmliſchen Goͤt - tern ſeinen Sitz, wozu ſich Herkules durch un - uͤberwindlichen Heldenmuth den Weg erſt bahnen muß.

Dieſer tritt daher auch in den Dichtungen der Alten erſt unter den goͤtteraͤhnlichen Helden auf, indeß ſich Bachus gleich dem Chor der Goͤtter an - ſchließt.

Des Bachus hohes Urbild war die innre ſchwellende Lebensfuͤlle der Natur, womit ſie dem168 Geweihten begeiſternden Genuß und ſuͤßen Tau - mel aus ihrem ſchaͤumenden Becher ſchenkt. Der Dienſt des Bachus war daher, ſo wie der Dienſt der Ceres, geheimnißvoll; denn beide Gottheiten ſind ein Sinnbild der ganzen wohlthaͤ - tigen Natur, die keines Sterblichen Blick um - faßt, und deren Heiligthum keiner ungeſtraft ent - weiht.

Die Dichtung von der Geburt des Bachus ſelber enthaͤlt einen hohen Sinn. Die eifer - ſuͤchtige Juno verleitet Semelen zu dem thoͤrich - ten Wunſche, in Jupiters Umarmung auch ſeine Gottheit zu umfaſſen, ſie fordert vom Ju - piter erſt den unverletzlichen Schwur, ihre Bitte zu erfuͤllen, und nun verlangt ſie, daß er in ſei - ner wahren Goͤttergeſtalt bei ihr erſcheinen ſolle Jupiter naͤhert ſich ihr mit ſeinem Donner, ſie aber wird, vom Blitz erſchlagen, ein Opfer ihres vermeſſenen Wunſches.

Den jungen Bachus reißt der Donnergott aus der Mutter Schooße, und verbirgt ihn, bis zur Zeit der Geburt in ſeine eigene Huͤfte. Das Sterbliche wird zerſtoͤrt, ehe das Unſterbliche hervorgeht. Die Menſchheit kann den Glanz der Gottheit nicht ertragen, und wird vor ihrer furchtbaren Majeſtaͤt vernichtet.

Merkur trug nun den jungen Bachus zu den Nymphen, die ihn erziehen ſollten, und die In -169 ſeln und Laͤnder ſtreiten ſich um den Vorzug, die wohlthaͤtige Gottheit, welche die Menſchen den Weinbau lehrte, in ihrem Schooße gepflegt zu haben.

Als Knaben ſtellen die Dichtungen den Bachus dar, wie er gleichſam halb in ſuͤßem Schlummer taumelnd, noch nicht die ganze Fuͤlle ſeines We - ſens faßt, und vor den Beleidigungen der Men - ſchen furchtſam ſcheint, bis ſich auf einmal durch wunderbare Ereigniſſe ſeine furchtbare Macht entdeckt.

Lykurgus, ein Koͤnig in Thracien, verfolgte die Pflegerinnen des Bachus auf dem Berge Nyſa und verwundete ſie mit ſeinem Beile. Bachus ſelber warf ſich vor Schrecken ins Meer, wo ihn die Thetis in ihre Arme aufnahm, die ehemals auch den Vulkan bei ſich verbarg, als Jupiter ihn vom Himmel geſchleudert hatte. Lykurgus aber wurde fuͤr ſeinen Frevel von den Goͤttern mit Blindheit beſtraft, und lebte nicht lange mehr, denn er war den unſterblichen Goͤttern ver - haßt.

Als Seeraͤuber einſt den Bachus, den ſie fuͤr den Sohn eines Koͤnigs hielten, in Hofnung eines koſtbaren Loͤſegelds, entfuͤhren und binden woll - ten, ſo fielen dem laͤchelnden Knaben die Banden von ſelber ab; und da ſie dennoch ſeine Gottheit nicht erkannten, ſo ergoß ſich erſt ein duftender170 Strom von Weine durch das Schiff; dann breitete ſich ploͤtzlich bis zum hoͤchſten Segel ein Weinſtock aus, an welchem ſchwere Trauben hingen; um den Maſtbaum wand ſich dunkler Epheu; und mit Weinlaub waren alle Ruder bekraͤnzt.

Auf dem Verdeck des Schiffes aber zeigte ſich ein Loͤwe und warf die grimmigen drohenden Blicke umher. Da ergriff die Frevler Angſt und grauenvolles Entſetzen; zur Flucht ſtand ih - nen kein Weg mehr offen; ſie ſprangen vom Schiffe ins Meer, wo ſie ſich ploͤtzlich als Delphi - nen kruͤmmend, Zeugen von der Macht der alles beſiegenden Gottheit wurden.

Pentheus, ein Koͤnig in Theben, der gleich dem Bachus ein Enkel des Kadmus war, und der Verehrung der neuen Gottheit, welcher alles Volk Altaͤre weihte, ſich ſpottend widerſetzte, mußte, gleich den Frevlern auf dem Schiffe, des Weingottes furchtbare Macht empfinden.

Unter der Geſtalt eines Juͤnglings aus dem Gefolge des Bachus erſchien der Gott ihm ſelber, und warnte ihn durch die Erzaͤhlung von dem Schickſal, das die frevelnden Maͤnner traf, die den maͤchtigen Pflanzer der Reben, auf ihrem Schiffe gebunden entfuͤhren wollten.

Pentheus, noch mehr vom Zorn entbrannt, ließ den vermeinten Juͤngling ins Gefaͤngniß wer -171 fen, und zu ſeiner Marter und Hinrichtung die grauſamen Werkzeuge bringen.

Ploͤtzlich ſtuͤrzte das Gefaͤngniß ein, der Gott ſchuͤttelte ſeine Banden ab; und Pentheus, der voll raſender Wuth, auf dem Berge Cythaͤron, die Prieſterinnen des Bachus verfolgte, ward von ſeiner eigenen Mutter und ihren Schweſtern, die in der wilden Begeiſterung, ihn fuͤr einen Loͤwen anſahen, in Stuͤcken zerriſſen, und ſein Haupt im Triumph emporgetragen.

Der Zug des Bachus in Indien iſt eine ſchoͤ - ne und erhabne Dichtung. Mit einem Krie - gesheer von Maͤnnern und Weibern, das mit freudigem Getuͤmmel einherzog, breitete er ſeine wohlthaͤtigen Eroberungen bis an den Ganges aus. Er lehrte die beſiegten Voͤlker hoͤhern Lebensgenuß, den Weinbau, und Geſetze.

In ſeiner Goͤtterbildung verehrten die Sterb - lichen das Hohe, Freudenreiche des Genuſſes, was in die menſchliche Natur verwebt iſt, als ein fuͤr ſich beſtehendes hohes Weſen, das in der Geſtalt des ewig bluͤhenden Knaben, Loͤwen und Tyger baͤndigt, die ſeinen Wagen ziehen, und im goͤttlich ſuͤßen Taumel, unter dem Schall der Floͤten und Trommeln, vom Aufgange bis zum Niedergange durch die Laͤnder aller Nationen tri - umphierend ſeinen Einzug haͤlt.

172

In drei Jahren vollendete Bachus ſeinen ſiegreichen, die Voͤlker der Erde begluͤckenden Zug, zu deſſen Andenken ſtets nachher, ſo oft drei Jahre verfloſſen waren, die Feſte gefeiert wurden, an denen das freudige Getuͤmmel, womit der Zug des Bachus begleitet war, aufs neue von den Bergen widerhallte.

Die Prieſterinnen des Bachus mit zerſtreu - tem Haar, auf den Bergen umher ſchweifend, erfuͤllten die Luft mit dem Getoͤſe ihrer Trommeln, und mit ihrem wilden Geſchrei: Evohe Ba - chus!

Der drohende Thyrſusſtab in ihrer Hand, an dem die farbigten Baͤnder wehten, waͤhrend daß unter dem Fichtenapfel ſich oben die verwundende Spitze barg, bezeichnete den ſchoͤnen Feldzug, wo das Furchtbare und Kriegeriſche, unter Geſang und Floͤtenſpiel verborgen lauſchte.

Dieſe begeiſterten Prieſterinnen des Bachus, welche auch Bachantinnen hießen, ſind ein erhab - ner Gegenſtand der Poeſie. Eine Bachantin iſt gleichſam uͤber die Menſchheit erhaben. Von der Macht der Gottheit erfuͤllt, ſind die Grenzen der Menſchheit ihr zu enge.

So ſchildert ein Dichter aus dem Alterthum die Begeiſterte, wie ſie auf dem Gipfel des Ge - birges, den ſie bewußtlos erſtiegen hat, auf ein - mal vom Schlummer erwacht, und nun den173 Hebrus und das ganze mit Schnee bedeckte Thra - zien vor ſich liegen ſieht. Die Gefahr iſt ſuͤß, ruft der Dichter aus, dem Gott zu folgen, der mit gruͤnendem Laube die Schlaͤfe umkraͤnzt hat.

Eben dieſe Anſtrengung aller Kraͤfte, dieß Emporſtreben in der wilden furchtbaren Begeiſte - rung iſt es, wodurch dieß Bild ſo ſchoͤn wird.

Auch das Alter wird in dem Gefolge des Ba - chus berauſcht vom Lebensgenuß und taumelnd mit aufgefuͤhrt. Auf ſeinem Eſel reitet der alte Silen mit ſchwerem Haupte, von Satyrn und Faunen geſtuͤtzt, und macht in dem jugendlichen Gemaͤhlde den reitzendſten Kontraſt.

Ohngeachtet dieſes Laͤcherlichen wurde Silen in den Dichtungen der Alten, als ein hohes We - ſen dargeſtellt. Ihm wird eine hohe Kenntniß goͤttlicher Dinge zugeſchrieben, und ſeine Trun - kenheit ſelber wurde ſinnbildlich auf den hohen Taumel, worin ſein Nachdenken uͤber die erha - benſten Dinge ihn verſetzte, gedeutet. Auch war er nebſt dem weisheitbegabten Chiron, der Erzieher des jungen Bachus.

Zwei Hirtenknaben binden einſt den trunke - nen, ſchlummernden Silen, weil ſich ein Gott, den Sterbliche im Schlummer binden koͤn - nen, durch die Gewaͤhrung einer Bitte loͤſen muß; ſchalkhaft mahlt die Nymphe mit dem174 Saft der Beeren des Trunknen Schlaͤfe roth, und da nun Silen erwacht, ſo fordern die Hirten nichts weiter als ein Lied von ihm zum Loͤſegelde.

Und nun ertoͤnet hohe Weisheit von den Lip - pen, die der Nektartrank der ſuͤßen Trauben netzte. Er ſingt der Dinge Entſtehung, und ihren wunderbaren Wechſel. Die Hirten lau - ſchen entzuͤckt auf den Geſang, und halten dieſes Lied ihrer hoͤchſten Wuͤnſche werth.

Auch dieſe ſchoͤne Dichtung zeigt, wie die Alten das Komiſche ſelber wieder mit Wuͤrde zu uͤberkleiden wußten, und einen Vereinigungspunkt fuͤr lachenden Scherz und himmliſche Hoheit fan - den, der uns entſchwunden ſcheint. In Elis in Griechenland hatte Silen einen eigenen Tempel, wo man ihm goͤttliche Ehre erzeigte.

Der ſchalkhaft laͤchelnde Faun, der boshaft ſpottende Satyr gehoͤrten mit in das Gefolge des Bachus, worin ſich alles vereinigte, was bei jugendlicher Schalkhaftigkeit und frohem Leicht - ſinn durch eine hoͤhere Natur, uͤber die Sorgen und Pflichten der Sterblichen erhaben, und durch menſchliche Beduͤrfniſſe auf keinen Grad der Maͤßigung beſchraͤnkt war.

Denn in dem hohen Sinnbilde, welches den froͤlichen Genuß des Lebens ſelbſt bezeichnet, der uͤber den ganzen Erdkreis ſich mittheilend und ver - breitend, keine Grenzen kennt, mußte auch die175 Darſtellung des hoͤchſten Genuſſes unbeſchraͤnkt ſeyn, und alles das ſich in der Dichtung zuſam - menfinden, was, wenn es wirklich waͤre, die Menſchheit zerſtoͤren wuͤrde.

Denn freilich iſt es die Allgewalt des Genuſ - ſes, die furchtbar uͤber den Menſchen wandelt, und eben ſo wohlthaͤtig wie ſie iſt, auch wieder Verderben drohet.

Eben der Dichter aus dem Alterthum, wel - cher mit hoher Begeiſterung das Lob des Bachus ſingt, ermahnt daher die Trinker, des blutigen Zanks ſich zu enthalten, und fuͤhrt zum war - nenden Beiſpiel das Gefecht der Centauren und Lapithen an, welche vom Wein erhitzt des gaſt - freundſchaftlichen Mahls vergaßen, und von wil - der Mordluſt hingeriſſen, im raſenden Getuͤmmel gegeneinander ſtuͤrmten, bis die Leichname der Er - ſchlagnen den Boden deckten.

Ohngeachtet dieſer drohenden Gefahr war aber dennoch hoher Lebensgenuß, und ſelbſt die wilde Freude, bei den Alten in der Reihe der Dinge mitgezaͤhlt, und von den Feſten der Goͤtter nicht ausgeſchloſſen. Das Leben war ein ſaft - voller Baum, der ungehindert in Aeſte und Zweige emporſchoß, und den auch ſeine uͤppigen Auswuͤchſe nicht entſtellten.

Bis zu der hellſten Flamme wurden die Lei - denſchaften angefacht, und hielten dennoch alle176 gleich maͤchtig, ſich die mehrſte Zeit einander im ſchoͤ - nen Gleichgewicht. Heldenruhm, Triumphe, frohlockende Geſaͤnge, und hohe Lebensfreuden, wa - ren im immerwaͤhrenden Gefolge: durch dieſen ſuͤßen Wechſel wurde das Gemuͤth ſtets offen und frei er - halten; geheime Wuͤnſche und Gedanken durften noch unter keiner Larve von falſcher Beſcheidenheit und Demuth ſich verſtecken.

Sobald man ein Bachanal ſich ohne Ueppig - keit denken wollte, wuͤrde es aufhoͤren, ein Ge - genſtand der Kunſt zu ſeyn; denn gerade die Wildheit, das Taumeln, das Schwingen des Thyrſusſtabes, die Ausgelaſſenheit, der Muth - wille, macht das Schoͤne bei dieſen frohen Weſen aus, die nur in der Einbildungskraft ihr Daſeyn hatten, und bei den Feſten der Alten in einer Art von Schauſpiel dargeſtellt, den duͤſtern Ernſt verſcheuchten.

Auf den Marmorſaͤrgen der Alten findet man haͤufig Bachanale abgebildet. Um ſelbſt noch hier den Ernſt mit frohem Laͤcheln, die Trauer mit der Froͤhlichkeit zu vermaͤhlen, iſt gerade der Punkt gewaͤhlt, wo Tod und Leben auf dem Gip - fel der Luſt am naͤchſten aneinander grenzen. Denn der hoͤchſte Genuß grenzt an das Tragi - ſche, er droht Verderben und Untergang, das - ſelbe, was die Menſchengattung, mit jugendlichem Feuer beſeelet, untergraͤbt und zerſtoͤrt ſie auch.

177

Da nun durch das frohe Getuͤmmel des Ba - chus die hoͤchſte Fuͤlle der Luſt bezeichnet werden ſoll, ſo iſt ein gemaͤßigtes Bachanal kein Bacha - nal; eben ſo wie eine ſanfte Juno keine Juno; ein ehrlicher Merkur kein Merkur; ein enthaltſamer kalter Jupiter kein Jupiter; und eine dem Vulkan getreue Venus keine Venus iſt.

In der Goͤttergeſtalt des ewig jungen Bachus verjuͤngten ſich nun auch, ſo wie bei den uͤbrigen Goͤttern, die aͤhnlichen Erſcheinungen, welche die Vorwelt in dunkle Sagen huͤllte.

Demohngeachtet gab es noch einen Indiſchen oder Aegyptiſchen Bachus, welcher baͤrtig darge - ſtellt wurde, und deſſen Abbildung man nicht ſel - ten unter den alten Denkmaͤlern findet. Die goldnen Hoͤrner auf dem Haupte des Bachus, welche die bildende Kunſt der Griechen verſteckte, oder ſie nur ein wenig hervorſcheinen ließ, geben dieſer Dichtung ebenfalls ein Gepraͤge des hohen Alterthums, wo das Horn auf die erhabenſten Begriffe von inwohnender wohlthaͤtiger Goͤtter - kraft, und unbeſiegter[Staͤrke] deutet.

Unter den Thieren iſt der gefleckte Panther dem Bachus geweiht; es iſt die Wuth, die Grauſamkeit ſelber, welche durch ihn gezaͤhmt wird, und ſich zu ſeinen Fuͤßen ſchmiegt.

Der immergruͤnende Epheu, die Schlange, die ſich verjuͤngt, indem ſie ihr Fell abſtreift, ſindM178ſchoͤne Sinnbilder der nie verwelkenden Jugend, worin die Goͤttergeſtalt des Bachus dem Apollo gleicht, nur das die bildende Kunſt der Alten den Bachus weicher und weiblicher, mit ſtaͤrkern Huͤf - ten, darſtellt.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befindet ſich eine Abbildung des Bachus nach einem ſchoͤ - nen antiken geſchnittenen Steine aus der Lippert - ſchen Daktyliothek: Bachus ſitzt auf einem Wa - gen, der von zwei Panthern gezogen wird; auf den Panthern ſitzen Liebesgoͤtter, von denen der eine die Floͤte ſpielt. Das Grauſame und Wilde ſchmiegt ſich unter die Herrſchaft des Sanften und Froͤlichen.

Auf eben dieſer Tafel iſt auch Silen nach einem antiken geſchnittenen Steine abgebildet, in ſeiner Rechten eine Hippe, und mit der Linken ſich auf eine Leyer ſtuͤtzend. Ein ſchoͤnes Sinn - bild des hohen Taumels, der in harmoniſche Ge - ſaͤnge uͤberſtroͤmt.

[figure]
179

Die heiligen Wohnplaͤtze der Goͤt - ter unter den Menſchen.

Die Phantaſie der Alten ließ ihre Dichtungen, uͤber der Wirklichkeit ſchwebend, allmaͤlig ſich vom Himmel zur Erde niederſenken. Sie heiligte die Plaͤtze, wo, nach der Sage der Vorwelt, die junge Gottheit neugebohren, zuerſt in jugendlichem Glanz hervortrat; oder wo ein Land oder eine Inſel ſo gluͤcklich war, in ihrem Schooße ein Goͤtterkind zu pflegen.

Sie weihte auch die Oerter, wo in Orakel - ſpruͤchen die Gottheit ihre Gegenwart offenbarte; und jeder Platz, den irgend eine Gottheit, nach der alten Sage, zu ihrem Lieblingsaufenthalte ſich waͤhlte, ward in der Dichterſprache zu einem ſchoͤnen Nahmen, an welchen ſich der Begriff der Gottheit ſelber knuͤpfte, die unter irgend einer be - ſondern bedeutenden Geſtalt auf dieſem Fleck ver - ehrt ward.

Nun fand die Einbildungskraft ſo viele Ruhe - punkte, worauf ſie ſich heften konnte, als Tempel waren, welche die Menſchen den uͤber den WolkenM 2180thronenden Goͤttern weihten, die oft zu ihnen herniederſtiegen, und in ihre geringſten Angele - genheiten ſich mit zaͤrtlicher Sorgfalt miſchten.

Kreta.

Auf dieſem Eilande ſenkte ſich, durch irgend eine in Dunkel gehuͤllte Veranlaſſung, zuerſt die kuͤhne Dichtung nieder, welche den hoͤchſten Ju - piter auf dem Ida mit der Stimme des neuge - bohrnen Kindes weinen, und nach der ſuͤßen Nahrung und Pflege ſich ſehnen ließ.

In der Diktaͤiſchen Grotte wurde das Goͤtter - kind erzogen, und durch das Getoͤſe, welches die Korybanten machten, wurden, nach einer arti - gen Dichtung, die Bienen herbeigelockt, die den Jupiter mit ihrem Honig naͤhrten, dem auch die Tauben in ihrem Schnabel uͤbers Meer Ambroſia zufuͤhrten, indeß die Ziege Amalthea mit ihrer Milch ihn ſaͤugte.

Auch legte man dem Jupiter von dem Berge, wo ſeine Kindheit gepflegt war, den Zunahmen des Idaͤiſchen bei. Bei Troja war ein Berg, der auch den Nahmen Ida fuͤhrte, der Gar - garus war dieſes Berges hoͤchſter Gipfel; hier uͤberſah Jupiter das Schlachtfeld der Griechen und Trojaner, und wog mit der furchtbaren Waage wechſelsweiſe Sieg und Tod den ſtreitenden Hee - ren zu.

181

Dodona.

In dem Dodoniſchen Walde, in Epirus, welches vormals Chaonien hieß, und wo die aͤlte - ſten Bewohner der Erde, nach der Sage der Vor - zeit, von Eicheln lebten, war ein Orakel des Jupiter.

Dieß Orakel war das aͤlteſte in Griechenland. Aus Theben in Aegypten, entflohen, nach der uralten Dichtung, zwei Tauben des Jupiter, wo - von die eine ſich nach Lybien, die andre nach Dodona wandte, um Jupiters Rathſchluͤſſe den Menſchen kund zu thun.

Unter dem ſchoͤnen Bilde der redenden Taube ſtellt die alte Dichtung die wahrſagende Prieſterin dar, welche zuerſt in den Wald von Epirus kam, und die unaufmerkſamen Menſchen auf das ſanfte Gemurmel eines Quelles lauſchen lehrte, der den Fuß einer Eiche netzte, und deſſen wechſelnden Toͤnen ſie eine geheime Deutung auf die Zu - kunft gab.

Nachher wurden auf dieſem Fleck zwei Saͤu - len errichtet; auf der einen ſtand ein ehernes Bek - ken; auf der andern die Bildſaͤule eines Knaben, mit einer metallenen Ruthe, die der Wind bewe - gen konnte, und welche, ſo oft ſich nur ein Luͤft - chen regte, an das helltoͤnende Becken ſchlug.

182

Aus dem Getoͤne des Erztes wurde nun, wie vorher aus dem Murmeln des Quelles, die dunkle Zukunft prophezeit. Es war der wechſelnde Hauch der alles umſtroͤmenden Luft, deren gehei - me Sprache man durch das ſanftberuͤhrte Metall zu vernehmen lauſchte. Es war die umgebende ſprachloſe Natur, womit der Menſch ſich gleich - ſam in vertraute Geſpraͤche einzulaſſen, und kuͤnf - tige Ereigniſſe, die ſich in ihr bilden, von ihr zu erforſchen wuͤnſchte.

Die Deutung aus einem zufaͤlligen Getoͤne iſt der natuͤrlichſte Anfang der Orakelſpruͤche, weil das Gemuͤth ohnedem geneigt iſt, dem Klange, den das Ohr vernimmt, die Wuͤnſche des Herzens unterzulegen, die gern aus jedem Geraͤuſche wi - derhallen. Auch war es kein Wunder, daß die Sehnſucht, irgend einen Wunſch ſo gut als er - fuͤllt zu wiſſen, ſich willig taͤuſchen ließ.

Selbſt aus den Hoͤhlungen der Baͤume in dem dodoniſchen Walde ließen die Prieſter ihre Orakel - ſpruͤche hoͤren, welches die Dichtung in die Fa - bel kleidet, daß die dem Jupiter geweihten Eichen ſelbſt geredet, und die Zukunft enthuͤllet haben. Die immer thaͤtige Phantaſie ſuchte auch hier das Lebloſe zu beleben. Die gegenwaͤrtige Gottheit erfuͤllte den ganzen ihr geweihten Hain, und jedes Rauſchen des Blattes war bedeutend.

183

Delos.

Die Laͤnder und Inſeln zittern, auf denen La - tona den fernhintreffenden Apoll gebaͤhren will; kein hervorragendes Eiland wagt es, den Gott in ſeinem Schooße zu tragen. Bis Latona end - lich das rauhe unfruchtbare Delos beſteigt, und ihm verſpricht, daß ein Tempel auf ſeinem felſig - ten Boden erbauet werden ſoll, zu welchem alle Voͤlker Geſchenke und Hekatomben bringen wer - den, wenn es den fernhintreffenden Gott in ſeinen Schooß aufnimmt.

Da ſchwebte Delos zwiſchen Freude und Furcht, daß, wenn ſein Nahme gleich zu ewigen Zeiten glaͤnzte, der Gott, ſobald er das Licht er - blickte, es wegen ſeines rauhen Bodens verach - ten, und in den Abgrund des Meeres zuͤrnend verſenken moͤchte. Latona mußte mit dem unver - letzlichen Schwur der Goͤtter dem beſorgten Eilande ſchwoͤren, daß auf ihm der erſte Tempel dem Apollo erbaut werden, und auf ſeinem Altar be - ſtaͤndig die Opferflamme lodern ſolle.

Und nun war Delos hocherfreut, daß der fernhintreffende Gott es zu ſeiner Wiege waͤhlte. Denn Reichthuͤmer ſtroͤmten nun von allen Seiten dem unfruchtbaren Eilande zu, und die Jung - frauen von Delos ſangen einen Lobgeſang, worin alle Voͤlker ihre eigenen Worte und ihre eige -184 nen Toͤne wieder zu hoͤren glaubten; ſo har - moniſch war des Liedes Klang.

Auch fuͤgte das gluͤckliche Delos ſeinen Nahmen dem Nahmen des Gottes bei. Von dem felſigten Berge Cynthus auf Delos, den der Gott mit dem ſilbernen Bogen oft beſtieg, hieß er der Cynthi - ſche, von Delos ſelber, der Deliſche Apoll.

Delphi.

Am Abhange des Parnaſſes war ſchon in den aͤlteſten Zeiten eine Hoͤhlung in der Erde, woraus ein betaͤubender Dampf aufſtieg, der diejenigen, welche ſich der Oefnung naͤherten, in eine Art von Wahnwitz verſetzte, worin ſie zuweilen wie im begeiſternden Taumel, ſich ſelber unbewußt, von hohen Dingen ſprachen, entfernte Begriffe anein - ander knuͤpften, und eine Art von dunkler Dich - terſprache redeten, die eben ſo wie das Murmeln des Baches, oder wie der Klang des Dodoniſchen Erztes, auf mannichfaltige Weiſe gedeutet werden konnte.

In den aͤlteſten Zeiten war es die Erde ſel - ber, welche hier unmittelbar ihre Orakelſpruͤche ertheilte. Zu den Zeiten des Deukalion war es Themis, eine Tochter des Himmels und der Erde, welche hier die dunkle Zukunft und den Schluß des Schickſals den Sterblichen offen - barte.

185

Apollo toͤdtete den Drachen Python, der dieß Heiligthum bewachte, und bemaͤchtigte ſich ſelber des Platzes, wo er von nun an durch die begei - ſterte Prieſterin, die von dem getoͤdteten Drachen Pythia hieß, in Orakelſpruͤchen ſeine Gottheit offenbarte.

Als Apollo nun hier ſein Heiligthum gruͤnden wollte, erblickte er von fern ein ſegelndes Han - delsſchiff aus Kreta, ploͤtzlich ſprang er ins Meer und warf ſich in der Geſtalt eines ungeheu - ren Delphins in das Schiff der Kretenſiſchen Maͤnner, und zwang es, vor allen Kuͤſten und vor Pylos, wohin es ſegeln ſollte, vorbei, in den Hafen von Kriſſa einzulaufen, wo er den Maͤnnern ploͤtzlich in ſeiner majeſtaͤtiſchen Juͤng - lingsgeſtalt erſchien, und ihnen verkuͤndigte, daß ſie nie in ihr Vaterland wiederkehren, ſondern in ſeinem Tempel als Prieſter ihm dienen wuͤrden.

Und die Kretenſer folgten mit Lobgeſaͤngen dem anfuͤhrenden Gotte zu ſeinem Heiligthum, an dem felſigten Abhange des Parnaſſes. Als ſie aber die unfruchtbare Gegend erblickten, fleh - ten ſie zum Apoll um Huͤlfe gegen Armuth und Mangel; dieſer blickte ſie laͤchelnd an, und ſagte: o ihr thoͤrichten Menſchen, die ihr euch ſel - ber Sorgen macht, und muͤhſame Arbeit aus - ſinnt, vernehmt ein leichtes Wort: hier halte ein jeder das Opfermeſſer in ſeiner rechten Hand, und186 ſchlachte unaufhoͤrlich Opfer, die hier von allen Sei - ten aus allen Laͤndern zuſtroͤmen werden.

Nun wurde Delphi nahe am Tempel des Apollo erbauet, und ſeine Einwohner wurden reich und gluͤcklich, wie der untruͤgliche Gott ge - weißagt hatte.

Ueber der dampfenden Hoͤhle ſtand der gol - dene Dreyfuß, auf welchen ſich die Pythia ſetzte, wenn ſie drei Tage gefaſtet, den Saft aus den Blaͤttern des Lorbeerbaums geſogen, und im Ka - ſtaliſchen Quell ſich gebadet hatte.

Dann wurde ſie von den Prieſtern mit Ge - walt ins Heiligthum gefuͤhrt. Sobald ſie auf dem Dreifuße ſaß, und der aufſteigende begeiſtern - de Dampf auf ſie zu wirken anhub, ſtraͤubte ſich ihr Haar empor; ihr Blick wurde wild; der Mund fing an zu ſchaͤumen; Zittern ergriff ihren ganzen Koͤrper.

Sie arbeitete mit Gewalt ſich loszureißen, und ihr Geheul erſcholl im ganzen Tempel. Bis nach und nach einzelne abgebrochene Laute der Sprache uͤber ihre Lippen kamen, die jeder Deutung faͤhig, von den Prieſtern aufgezeich - net, und zu Orakelſpruͤchen im abgemeſſenen Sil - benfall gebildet wurden. Indeß man die ohn - maͤchtige Pythia in ihre Zelle fuͤhrte, wo ſie nur langſam von der Ermattung ſich erhohlte.

187

Es war gleichſam die Gegenwart des Gottes, welcher die Pythia ſelbſt erfuͤllte, deſſen Joch ſie kaͤmpfend und ſich ſtraͤubend von ſich abzuſchuͤtteln, und ſeiner uͤberwaͤltigenden Macht, ſo lange ſie konnte, zu widerſtehen ſuchte, bis ſie endlich be - ſiegt die eingehauchten Goͤtterworte ausſprach und kraftloß niederſank.

Wenn die Pythia auf dem Dreifuße ſaß, ſo war ſie von den Prieſtern des Heiligthums ganz umgeben. Zwei Prieſterinnen hielten die Un - geweihten ab, ſich ihr zu naͤhern. Das Hei - ligthum ſelber war mit Lorberzweigen ganz ver - deckt; und ſelbſt der angezuͤndete Weihrauch huͤllte alles in eine Wolke, wie in geheimnißvolles Dun - kel ein, das keine frevelnde Neugier zu erforſchen wagte.

Auch wuͤrde ſich die Sehnſucht der Sterbli - chen, daß es wirklich einen Blick fuͤr ſie in die Zukunft geben moͤchte, dieſe Taͤuſchung ungern haben nehmen laſſen, wenn einer auch den Vor - hang haͤtte hinwegziehen wollen; denn das, woruͤber man das Orakel fragte, waren groͤßten - theils ſehnſuchtsvolle Wuͤnſche fuͤr die Zukunft, wozu man die Uebereinſtimmung der Gottheit erflehte. Und die Taͤuſchung der ganzen Scene ſelber, worin ſich der zweideutige Ausſpruch huͤllte, war doch dichteriſch ſchoͤn.

188

Argos.

Juno nennt unter ihren geliebten Staͤdten Argos ſelbſt zuerſt. Da ſie den Jupiter an - liegt, die Zerſtoͤrung des ihr verhaßten Troja ihr endlich zu gewaͤhren, ſo ſucht ſie gleichſam mit ihm einen Tauſch zu treffen.

Drei Staͤdte, ſagt ſie, ſind mir unter allen die liebſten: Argos, Sparta, und Mycen; dennoch geb ich ſie gern, ſo bald du willſt, dir Preis, wenn nur die Mauern von Troja endlich ſtuͤrzen!

Das Fatum, das uͤber alles waltet, laͤßt die Zerſtoͤrung ihren ungehemmten Schritt gehen. Der hohe Goͤtterwille ſelber fuͤgt ſich ſeinen Pla - nen, und den Goͤttern ſelber iſt nichts ſo theuer und koſtbar, das nicht ein Opfer wird, ſobald ſein Ziel herannaht.

In Argos wurden der Juno die Heraͤen ge - feiert, die von ihrer griechiſchen Benennung Hera den Nahmen fuͤhrten, wobei die Prieſterin der Juno, wie im Triumph, auf einem Wagen zum Tempel der Goͤtter fuhr, und eine Heka - tombe von weißen Rindern ihr zum Opfer brachte.

Die Goͤttin wurde hier vorzuͤglich in ihrer oberſten Prieſterin verehrt, an welche Ver - ehrung ſich die ſchoͤne Erzaͤhlung vom Kleobis und Biton knuͤpft, deren kindliche Ehrfurcht gegen ihre189 Mutter, eine Prieſterin zu Argos, ſich ſo weit erſtreckte, daß ſie den Wagen ihrer Mutter, deſſen Geſpann von weißen Rindern nicht ſchnell genug herbeizuſchaffen war, ſelber fuͤnf und vierzig Sta - dien weit, bis zum Tempel der Juno zogen; wo ſie auf das Gebet ihrer Mutter, daß die Goͤttin ihnen das wuͤnſchenswertheſte Gluͤck ertheilen moͤchte, nach einer frohen Mahlzeit ſanft ent - ſchlummerten, und aus dem Schlummer nicht erwachten.

Olympia.

Hier ſenkte ſich die erhabene Idee von dem Olympiſchen Jupiter durch die bildende Kunſt des Phidias vom Himmel zur Erde nieder.

Jeder Ausdruck von Majeſtaͤt und Wuͤrde vereinigte ſich in dieſem Meiſterwerck der Kunſt, man ſahe den Gott, mit deſſen Laͤcheln ſich der Himmel aufheitert und der mit dem Wink ſei - ner Augenbraunen, und mit dem Nicken ſeines Hauptes den großen Olymp erſchuͤttert.

Die Bildſaͤule war in koloſſaliſcher Groͤße aus Gold und Elfenbein verfertigt; in der Rech - ten hielt der Gott eine Viktoria, in der Linken den kuͤnſtlich gearbeiteten Zepter, auf deſſen Spitze ein Adler ſaß. Auf dem goldenen Mantel waren190 die mannichfaltigen Gattungen der Thiere und Blumen in ſchimmernder Pracht gebildet.

Der Thron des Gottes glaͤnzte von Gold und Edelſteinen zu Jupiters Haupt und Fuͤßen, und an den Waͤnden des Tempels waren faſt alle my - thologiſchen Dichtungen der Alten in erhabener Ar - beit dargeſtellt. Die Majeſtaͤt der ganzen Goͤt - terwelt umgab den Thron und die Bildſaͤule des Jupiter, die von dem Fußboden bis zum Gewoͤlbe des Tempels reichte.

Bei Olympia wurden auch dem Jupiter zu Ehren alle vier Jahre die Olympiſchen Spiele gefeiert. Der Zwiſchenraum von einer Feier die - ſer Spiele bis zur andern hieß eine Olympiade, und in ganz Griechenland bediente man ſich dieſer Zeitrechnung nach Olympiaden, weil die Olympi - ſchen Spiele die allgemeinſte Aufmerkſamkeit auf ſich zogen, und unter allem, woran ſich die Ein - bildungskraft bei der Ruͤckerinnerung feſthalten konnte, das Glaͤnzendſte waren.

Den Tempel des Olympiſchen Jupiters umgab ein heiliger Hain, worin die Bildſaͤulen der Ueber - winder in den Olympiſchen Spielen, von den beruͤhmteſten Meiſtern verfertigt, errichtet wa - ren. Die Menſchheit ſchloß ſich in der Vereh - rung ihrer eigenen Wuͤrde vertraulich an die Gott - heit an.

191

Athen.

In dieſer Lieblingsſtadt der Goͤttin der bilden - den Kuͤnſte erhob ſich der Geiſt bis zu dem hoͤch - ſten Schwunge der Gedanken, wo die Menſch - heit, in den darſtellenden Werken der Kunſt ſich ſpiegelnd, gleichſam erſt ſich ſelbſt bewußt wurde, da ſonſt ein Geſchlecht nach dem andern in einer Art von dumpfer Betaͤubung die kurze Spanne des Lebens durchtraͤumte, und keine Spur von ſich zuruͤckließ.

Die Panathenaͤen, welche hier der Minerva zu Ehren gefeiert wurden, waren ein ſchoͤnes Feſt, worin die ganze Stadt, durch Wetteifern in den Kuͤnſten, ſich gleichſam von neuem der Goͤttin hei - ligte.

Auch war die Bildſaͤule der Goͤttin in ihrem Tempel zu Athen, gleich der des Olympiſchen Ju - piters, aus Gold und Elfenbein verfertigt, ein Werk des Phidias, in welches ſich auch hier die Majeſtaͤt der Gottheit vom Himmel zur Erde nie - derſenkte.

Cypern.

Hier trugen die Wellen die Goͤttin der Liebe, als ſie aus dem Schaume des Meers emporſtieg, ſanft ans Ufer. Auf dieſer anmuthigen Inſel waren ihr ganze Staͤdte, Haine, Tempel, und Altaͤre geweiht.

192

Ihr Lieblingsſitz war Paphos, wo man in ihrem Tempel von allen Seiten Geſchenke dar - brachte, und Geluͤbde that. Von der Vereh - rung, womit hier alle Voͤlker der Goͤttin der Schoͤnheit huldigten, hieß ſie die Koͤnigin von Paphos. Von Amathunt und Idalium in Cypern fuͤhrte ſie die dichteriſchen Nahmen Idalia und Amathuſia.

Gnidus.

Nach Gnidus wallfahrtete man aus den ent - fernteſten Laͤndern, um in der Venus des Praxi - teles die in alle Weſen Liebe einhauchende Gott - heit zu verehren, welche durch die bildende Kunſt, in menſchlicher Geſtalt dem Auge ſichtbar gemacht, in einem offenen Tempel, dem Blick der Sterbli - chen enthuͤllet, da ſtand, und die Bewunderung aller Voͤlker auf ſich zog.

Cythere.

Auf dieſem Eilande war der aͤlteſte Tempel der Venus in Griechenland. Der Begriff von der Goͤttin ſelber war mit ihrem Aufenthalt auf Cythere ſo oft zuſammengedacht, daß beide Nah - men zu einem wurden, und in der Dichterſprache die Goͤttin der Liebe Cythere heißt.

193

Lemnos.

Auf der Inſel Lemnos, wo es haͤufige Erd - beben und feuerſpeiende Berge gab, und in dem dampfenden Aetna in Sicilien, wo von dem Feuer, das ſich vergebens einen Ausweg ſuchte, zum oͤftern ein unterirdiſcher Donner erſcholl, ließ die Dichtung in den Hoͤhlen der Erde die maͤchtigen Hammerſchlaͤge der Cyklopen in der Werkſtaͤtte des Vulkan ertoͤnen.

Auch nahm die Inſel Lemnos den Gott der Flammen in ihrem Schooße auf, da Jupiter, wie einen Blitzſtrahl ihn vom Himmel ſchleuderte. Lemnos blieb dem Vulkan geweiht, indem der Begriff von ſeiner Goͤtterbildung vorzuͤglich auf dieſem Fleck ſich an die Erde knuͤpfte.

Epheſus.

Ganz Aſien wetteiferte, um den Tempel der Diana von Epheſus zu ſchmuͤcken, in welchem die Bildſaͤule der Goͤttin mit vielen Bruͤſten ſtand, um die alles ernaͤhrende Natur anzudeuten, die man ſich hier unter dem Bilde der Diana dachte; ſo wie man zum oͤftern in einer Goͤttergeſtalt, deren Nahme einmal herrſchend geworden war, die Verehrung der uͤbrigen aufnahm, und ſie ſich zu einer Art von Pantheon ſchuf.

N194

Aus den entfernteſten Laͤndern wurden Wall - fahrten zu dem Tempel der Diana von Epheſus angeſtellt, welcher als einer der erhabenſten Goͤt - terſitze zugleich durch ſeine aͤußere Pracht, die das Werk vieler Koͤnige war, die Sterblichen zur Verehrung der inwohnenden Gottheit einlud.

Thracien.

Der Hauptſitz der Verehrung des Kriegesgot - tes iſt Thracien, wohin die Dichtkunſt uͤberhaupt das Wilde, Grauſame und Ungeſtuͤme verſetzt. So warf Diomedes, ein Thracier und ein Sohn des Mars die Fremden, deren er ſich bemaͤchtigen konnte, ſeinen Pferden vor, von denen ſie zer - fleiſcht und verzehrt wurden. Er uͤbte dieſe Grau - ſamkeit ſo lange, bis Herkules ihn erſchlug.

Ein Sohn des Mars und ein Thracier war auch Tereus, welcher die Philomele ihrer Zunge beraubte, damit ſie die Frevelthat, die er an ihr veruͤbte, nicht entdecken moͤchte.

Der ſtuͤrmende Boreas hatte nach den Dich - tungen der Alten ſeine Wohnung in Thracien, weswegen die Menſchen, die jenſeit wohnten, die Hyperboreer hießen; die Bachantinnen, unter dem Nahmen der Biſtoniden, mit Schlangenkno - ten in ihr Haar geſchlungen, ſchweiften auf dem Thraciſchen Gebirge umher.

195

Demohngeachtet war Thracien auch das Va - terland des Orpheus, der durch ſeinen Geſang und durch die Toͤne ſeiner Leyer die Wildheit der Thiere des Waldes zaͤhmte, und Baͤume und Felſen ſich bewegen ließ.

Durch ſein maͤchtiges Saitenſpiel ließ ſelbſt der Orkus ſich bewegen, ihm ſeine Gattin Eury - dice zuruͤckzugeben, nur ſollte er nicht eher nach ihr ſich umſehen, als bis er ſie wieder auf die Oberwelt zum Anblick des Tages und des himmli - ſchen Lichts gebracht.

Da ſie nun bald der oͤden Schattenwelt ent - ſtiegen waren; ſo zog die zaͤrtliche Beſorgniß, und der zweifelnde Gedanke, ob ſein geliebtes Weib ihm wirklich folge, den Blick des Gatten, ihm ſelbſt faſt unbewußt, ein einzigesmal zuruͤck, und nun war Eurydice auf immer fuͤr ihn verlohren, ihr Bild verſchwand in Nacht und Dunkel, und ſeine ganze ſuͤße Hofnung war ein Traum.

Die Freude ſeines Lebens war nun entflo - hen; die Leyer ſchwieg; das wuͤtende Ge - ſchrei der Bachantinnen erſcholl auf dem thraci - ſchen Gebirge; ſie zuͤrnten auf den Dichter, dem nach Eurydicens Verluſt das ganze weibliche Geſchlecht verhaßt war; von den ſchrecklichbe - geiſterten Maͤnaden zerfleiſcht und in Stuͤcken ge - riſſen ward der Goͤtterſohn ein Opfer ihrer raſen - den Wuth.

N 2196

Arkadien.

In den mythologiſchen Dichtungen der Alten erſcheint Arkadien nicht ganz in dem reitzenden Lichte des ſuͤßen Schaͤferlebens, deſſen Scenen die neuere Dichtkunſt faſt immer in dies Land ver - ſetzt, und mit deſſen Nahmen ſich ſchon etwas Sanftes und Einladendes in dieſer dichteriſchen Vorſtellungsart verknuͤpft.

Bei den Alten hingegen war mit der Idee von der Einfachheit der Sitten bei den Arkadiern zugleich der Begriff von einer gewiſſen Rohheit und Traͤgheit verbunden, die man den Bewoh - nern dieſes Hirtenlandes zuſchrieb. Auch war es nicht das ſanfteſte Klima, was in Arkadien herrſchte, vielmehr war es wegen ſeiner gebirgig - ten Lage rauher, als die umliegenden Gegenden.

Daß aber die Hirtengoͤtter, nach der Sage der Vorzeit, hier vorzuͤglich ihre Gegenwart offenbarten, und hier ſogar ihren Urſprung hatten; daß die alten Dichtungen auf dem Berge Cyllene in Arkadien ſelbſt die neugebohrne Goͤt - tergeſtalt des Merkur zuerſt hervortreten ließen. Dieß gab der gebirgigten Gegend, wo die Nacht des Waldes uͤberdem die Goͤttergeſtalten, welche die Einbildungskraft ſich ſchuf, gleichſam in Dun - kel huͤllte, eine vorzuͤgliche Heiligkeit. Der Nahme des Landes und die Nahmen der einzelnen197 Berge, die es in ſich faßt, wurden in der Dichter - ſprache der Alten bedeutungsvoll, indem ſie den Aufenthalt hoͤherer Weſen unter den ſterblichen Menſchen bezeichneten.

Phrygien.

In einer Gegend von Phrygien war es, wo nach der ſchoͤnen alten Dichtung Jupiter und Merkur unerkannt unter den Menſchen umher - wandelten und ihre Thaten pruͤften.

Als ſie eines Abends, wie ermuͤdete Reiſende, eine Herberge ſuchten, blieben die Thuͤren der Reichen und Beguͤterten ihnen verſchloſſen. Philemon und Baucis, ein paar bejahrte Ehe - leute, nahmen die Wandrer gaſtfreundlich in ihre arme Huͤtte auf.

Die alte Baucis war beſchaͤftigt, ihre ein - zige Gans zu greifen und zu ſchlachten, um die willkommenen Gaͤſte, ſo gut es in ihrem Vermoͤ - gen ſtand, zu bewirthen. Die Gans aber ent - floh, und ſuchte Schutz unter Jupiters Fuͤßen, der ihr das Leben rettete; worauf die Goͤtter ſich zu erkennen gaben, und das fromme Ehepaar auf einen benachbarten Huͤgel fuͤhrten, von welchem ſie die Verwuͤſtung uͤberſehen konnten, womit die Goͤtter die Hartherzigkeit der Bewohner dieſer Gegend ſtraften.

198

Die Haͤuſer und Pallaͤſte der Reichen wur - den ein Raub der Ueberſchwemmung, indeß die arme gaſtfreundliche Huͤtte noch immer aus den Fluthen hervorragte, und zum Erſtaunen ihrer alten Bewohner ſich in einen praͤchtigen Tempel verwandelte.

Als nun Jupiter den gaſtfreundlichen Alten befahl, ſich eine Gabe von ihm zu erbitten, ſo war Philemons und Baucis hoͤchſter Wunſch: in jenem neuentſtandenen Tempel, dem Jupiter, dem Beſchuͤtzer des Gaſtrechts, und dem Belohner der Gaſtfreundſchaftlichkeit, zu opfern, und ſein Prieſterthum zu verwalten.

Dieſe Bitte ward ihnen gewaͤhrt, und noch ein Wunſch verſtattet; allein dem gluͤcklichen Paar blieb nichts mehr zu wuͤnſchen uͤbrig, als: beide zu gleicher Zeit zu ſterben. Auch dieß geſchah. Zwei Baͤume, eine Eiche und eine Linde, die den Tempel beſchatteten, wurden noch lange nachher zum Andenken des frommen Paars Philemon und Baucis genannt.

In dieſen und aͤhnlichen Sagen der Vorwelt erkannte und verehrte man die furchtbare und wohlthaͤtige Macht der Gottheit. Dem gaſt - freundſchaftlichen Jupiter wurden allenthalben Altaͤre errichtet. Die ankommenden Fremden ſtanden unter ſeinem Schutze; einen Gaſt -199 freund betrachtete man als heilig und unverletz - lich; man verehrte unter den Gaͤſten und Fremdlingen die Goͤtter, welche ſelber zum oͤftern vom Himmel herabgeſtiegen waren, und unter dieſer Geſtalt den Menſchen ſich offenbart hatten.

200

Das Goͤtteraͤhnliche Menſchen - geſchlecht.

Als Neſtor, welcher zwei Menſchenalter durch - lebt hatte, und nun ſchon im dritten uͤber Pylos herrſchte, in der Belagerung von Troja den Streit des Achilles und Agamemnon zu ſchlichten ſuchte; ſo leitete er ſeine Rede mit der Erinne - rung ein, daß er mit ſtaͤrkern Maͤnnern gelebt habe, als das jetzige Zeitalter ſie hervorbringe; mit einem Caͤneus, Dryas, Pirithous und Theſeus, mit denen niemand von den jetzigen Menſchen es wagen wuͤrde, ſich in einen Wett - kampf einzulaſſen, und daß dieſe dennoch ihn gehoͤrt, und ſeinen Rath befolgt haͤtten. Achilles und Agamemnon moͤchten dieſerwegen ein Gleiches thun.

So ſchildert Neſtor die Helden vor dem Tro - janiſchen Kriege; und der Dichter der Iliade ſel - ber ſchildert wiederum die Helden im Trojaniſchen Kriege, wie ſie die Menſchen ſeiner Zeit an Staͤrke uͤbertrafen.

201

Hektor, ſagt er, ergriff einen Stein, den zwei der ſtaͤrkſten Maͤnner zu unſern Zeiten nur mit Muͤhe vom Boden auf den Wagen zu heben vermoͤchten, den ſchleuderte Hektor mit leichter Muͤhe gegen das Thor der griechiſchen Mauer, daß mit einemmale die Thuͤren aus ihren Angeln ſprangen.

Die Menſchen, welche zuerſt vom Prome - theus aus Thon gebildet, den herrſchenden Goͤt - tern verhaßt, des Feuers beraubt, durch mehrere Ueberſchwemmungen bis auf wenige vertilgt wur - den, und da ſich dennoch ihr Geſchlecht fort - pflanzte, Jahrhunderte hindurch in dumpfer Be - taͤubung gleich den Thieren des Feldes lebten, arbeiteten ſich allmaͤlig aus dieſem dumpfen Zu - ſtande durch eigne Anſtrengung heraus, und wurden durch edles Selbſtbewußtſeyn und durch die Anwendung ihrer inwohnenden Kraͤfte den unſterblichen Goͤttern aͤhnlich.

Die Menſchheit lernte in den Goͤtteraͤhnlichen Helden, die aus ihr entſtammten, ſich ſelber ſchaͤtzen, und ihren eigenen Werth verehren. Auch wurde nun die Gottheit gleichſam den Men - ſchen wieder verſoͤhnt. Die Goͤtter nahmen an den Begebenheiten und Schickſalen der Menſchen immer naͤhern Antheil. Das Goͤttliche und Menſchliche ruͤckte in der Einbildungskraft immer naͤher zuſammen, bis endlich in dem Kriege vor202 Troja ſich die Goͤtter ſogar in das Treffen der Menſchen mit einließen, und von Sterblichen verwundet wurden.

Keine Benennung koͤmmt daher auch haͤufiger in der Dichterſprache der Alten vor, als die des Goͤtteraͤhnlichen oder des Goͤttergleichen, wo - mit die Helden der Vorzeit geruͤhmt und der Adel der Menſchheit geprieſen wird.

Perſeus, Kadmus, Herkules, Theſeus, Jaſon ſind die beruͤhmteſten Heldennahmen. Die Geſchichte des Perſeus huͤllt ſich am meiſten in dunkle Fabeln ein, und tritt am weiteſten in das entfernte Alterthum der Heldenzeit zuruͤck.

Um des Perſeus irdiſche Abſtammung zu ver - folgen, ſteigen wir wieder bis zum alten Ina - chus hinauf, mit deſſen Tochter Jo Jupiter in Aegypten den Epaphus erzeugte. Die koͤnig - liche Tochter des Epaphus, Lybia, gebahr von Neptuns Umarmung den Belus und Agenor. Belus erzeugte den Danaus und Aegyptus.

Danaus ſchifte nach Griechenland, um ſeine Anſpruͤche auf das von ſeinem Ahnherrn Inachus ihm angeſtammte Koͤnigreich Argos gegen den Gelanor, der damals dieſe Gegend beherrſchte, zu behaupten.

Das Volk ſollte den Ausſpruch thun, und waͤhrend es noch unſchluͤſſig war, fiel ein Wolf in203 eine Heerde von Kuͤhen und beſiegte den Stier, der ſie vertheidigte.

Dieſe unvermuthete Erſcheinung nahm man von den Goͤttern als ein Zeichen an, daß der Fremde und nicht der Einheimiſche herrſchen ſolle; man ſchrieb dieß Zeichen dem wahrſagen - den Apollo zu, welchem Danaus wegen der Sen - dung des Wolfes, unter dem Nahmen des Lyci - ſchen Apollo, einen Tempel erbaute.

Danaus lehrte die Argiver Brunnen graben, und groͤßere und bequemere Schiffe bauen. Nach der alten Sage hatte er funfzig Toͤchter, ſo wie ſein Bruder Aegyptus funfzig Soͤhne.

Die funfzig Soͤhne des Aegyptus kamen nach Griechenland, um mit den Toͤchtern des Danaus ſich zu vermaͤhlen. Dem Danaus aber war geweißagt worden, daß einer ſeiner Tochtermaͤn - ner ihn der Herrſchaft entſetzen wuͤrde.

Die alten Koͤnige fuͤrchteten, wie die alten Goͤtter, ihre eigenen Kinder und Nachkommen. Danaus befahl ſeinen Toͤchtern, die ſich mit den Soͤhnen des Aegyptus vermaͤhlten, ihre Maͤnner in der erſten Nacht zu ermorden, welches ſie tha - ten, bis auf die Hypermneſtra, die, mit ihrer eigenen Gefahr, den Lynceus, ihren geliebten Gatten, entfliehen ließ.

Eine, ſagt ein Dichter aus dem Alterthum, eine unter vielen, ihres geliebten Juͤnglings werth,204 hinterging mit glorreicher Liſt des Vaters Grau - ſamkeit, und ewig glaͤnzt ihr Ruhm.

Steh auf, rief ſie dem ſchlummernden Gat - ten zu, damit nicht, ehe du es vermutheſt, ewi - ger Schlaf dich druͤcke! fliehe meinen Vater, und meine blutduͤrſtigen Schweſtern, die ihre Maͤn - ner, wie junge Loͤwenbrut, zerreißen.

Mein Herz iſt aus weichern Stoff. Dich toͤdten kann ich nicht, und werde dich nicht in die - ſen Mauern gefangen halten. Mag mein Vater mich mit ſchweren Ketten belaſten, weil ich mit - leidsvoll des Gatten ſchonte, oder mag er mich in die oͤdeſte Wuͤſte verjagen!

Geh, wohin dich Fuͤße und Winde tragen, ſo lange Venus und die Nacht dich ſchuͤtzt; geh unter gluͤcklichen Zeichen! und aͤtze, meiner einge - denk, dereinſt auf meinen Grabſtein deine Klag[ ']um mich!

Lynceus entfloh, aber er kehrte wieder; denn Danaus wurde mit ſeiner Tochter ausgeſoͤhnt, und von dem treuen Paare Lynceus und Hyper - mneſtra ſtammten Perſeus und Herkules, die goͤttergleichen Helden ab. Die grauſame That der uͤbrigen Toͤchter des Danaus blieb nicht unbe - ſtraft; ſie mußten noch in der Unterwelt fuͤr ihren Frevel buͤßen.

Abas, ein Sohn des Lynceus, herrſchte nach ſeines Vaters Tode uͤber Argos, und hinter -205 ließ zwei Soͤhne, den Proͤtus und Akriſius, die ſich zu verſchiedenen Zeiten einander die Ober - herrſchaft ſtreitig machten. Perſeus war des Akriſius Enkel.

Perſeus.

Akriſius befuͤrchtete wieder Verderben von ſeinen Nachkommen. Ihm war geweißagt worden, daß einer ſeiner Enkel ihn toͤdten wuͤr - de; er verſchloß daher ſeine einzige Tochter, die Danae, in einen ehernen Thurm, um die Weißagung zu vereiteln.

Allein durch eine Oefnung in dem Dache ſenkte ſich Jupiter in einem goldenen Regen in Danaens Schooß hernieder, und erzeugte mit ihr den Perſeus, welchen Akriſius, ſobald er geboh - ren war, nebſt der Mutter, in einem zerbrechlichen Nachen, den Wellen uͤbergab.

Die wohlthaͤtigen Meergoͤttinnen nahmen den Goͤtterſohn mit ſeiner Mutter ſanft in den Schooß der Waſſerwogen auf, und ließen den Nachen an dem Strande der kleinen Inſel Seriphus auf dem griechiſchen Meere landen, wo Polydektes, der Beherrſcher der Inſel, Mutter und Kind auf - nahm, und fuͤr die Erziehung des jungen Perſeus ſorgte.

206

Und nun nahete die Zeit heran, wo die Un - geheuer, welche die Nacht oder das ungeſtuͤme Element aus ſeinem Schooße gebohren hatte, von den aufkeimenden Helden beſiegt, und der Erd - kreis von ſeinen Plagen befreiet werden ſollte.

Die erſte und kuͤhnſte That, welche Perſeus, ſobald er die angeſtammte Goͤtterkraft in ſich fuͤhl - te, unternahm, war, das Verderben bringende, verſteinernde Haupt der Meduſa von ihrem Koͤr - per zu trennen, und dieſer Schreckengeſtalt ſich ſelber zu bemaͤchtigen.

Mit dem unſichtbarmachenden Helm des Orkus; den Fluͤgeln des Merkur; und dem Schil - de der Minerva, von den Goͤttern ſelber ausgeruͤ - ſtet, unternahm er die kuͤhne That mit wegge - wandtem Blick, indem er das Bild der ſchlum - mernden Meduſa erſt in dem Spiegel ſeines Schildes ſahe, und Minerva unſichtbar den Arm ihm lenkte, damit er nicht ſeines Ziels verfehlte.

Als nun Perſeus den toͤdlichen Hieb vollfuͤhrt hatte, ſo ſeufzten und aͤchzten Stheno und Eury - ane, die beiden unſterblichen Schweſtern der Meduſa, ſo laut uͤber dieſen Anblick, und das Ziſchen der Schlangen auf ihren Haͤuptern toͤnte ſo klaͤglich in ihr Aechzen, daß Minerva, dadurch geruͤhrt, eine Floͤte erfand, wodurch ſie die Vor - ſtellung dieſer traurigen Toͤne, durch verſchiedene Arten des Schalls ſie nachahmend, wieder207 zu erwecken ſuchte. Mitten im furchtbaren blutigen Werke ſchimmert die Goͤttin der Kuͤnſte hervor.

Mit dem Neptun hatte Meduſa das Heilig - thum der Minerva entweiht; darum hatte dieſe ihren Tod beſchloſſen. Demohngeachtet ſprang, vom Neptun erzeugt, der gefluͤgelte Pegaſus aus ihrem Blute hervor, der, auf den Befehl der Goͤt - ter, die Ueberwinder der Ungeheuer, den Perſeus, und nach ihm den Bellerophon trug.

Mit dem verſteinernden Haupte, in der Hand, ſchwebte nun Perſeus uͤber Meer und Laͤndern. Den Atlas, der ihm den Zugang zu den Gaͤrten der Hesperiden verſagte, verwandelte er durch den Anblick des Meduſenhauptes in ein Gebirge, das nachher ſtets den Nahmen dieſes Sohnes des Japet fuͤhrte.

Nach dieſer erſten Ausuͤbung ſeiner Macht, die ihm der Beſitz des Hauptes der Meduſa ver - lieh, ſahe Perſeus auf die Phoͤniziſche Kuͤſte hin - unterblickend ein Maͤdchen, an einen Felſen ge - ſchmiedet, und ein Ungeheuer, ſie zu verſchlingen, aus dem Meer aufſteigend, indeß ihre Eltern ver - zweiflungsvoll die Haͤnde ringend am Ufer ſtan - den.

Perſeus ſtuͤrzte ſich auf das Ungeheuer nieder, das gerade ſeinen Raub zu verſchlingen im Be - griff war, und befreiete die ſchoͤne Andromeda,208 welche den Zorn der beleidigten Gottheit, uͤber die Vermeſſenheit ihrer Mutter zu verſoͤhnen, als ein ſchuldloſes Opfer, da ſtand.

Denn Kaſſiopeja, die Mutter der Andromeda und Gemahlin des Cepheus, hatte es gewagt, den maͤchtigen Nereiden an Schoͤnheit ſich gleich zu ſchaͤtzen, und nun verheerten Plagen das Land, die nach dem Orakelſpruch des Jupiter Ammon nicht eher aufhoͤren ſollten, bis Andro - meda, von einem Seeungeheuer verſchlungen, den Frevel der Mutter gebuͤßt haͤtte.

Die Eltern der Andromeda, welche ſelber Zeugen ihrer Rettung waren, vermaͤhlten mit Freuden dem edlen Perſeus ihre Tochter. Phi - neus aber, des Cepheus Bruder, dem Andromeda vorher verſprochen war, trat bei dem Vermaͤh - lungsfeſte mit bewafneten Maͤnnern in den Hoch - zeitſaal, und drang wuͤthend auf den Perſeus ein, den nur das Haupt der Meduſa retten konnte, indem er ſeinen Freunden zurief, ihr Antlitz hin - wegzuwenden, und den Phineus mit ſeinem Ge - folge verſteinerte.

Nach dieſen Thaten fuͤhrte Perſeus ſeine Vermaͤhlte nach Seriphus, wo er den Poly - dektes und ſeine Mutter wieder ſahe. Ge - gen den Polydektes ſelber, der ihm aus Furcht nach dem Leben ſtand, mußte er das ver - ſteinernde Haupt der Meduſa kehren, und209 dieſer mußte in Fels verwandelt fuͤr ſeinen feigen Argwohn buͤßen.

Da nun Perſeus erfuhr, daß ſein Ahnherr Akriſius vom Proͤtus ſeines Koͤnigreichs beraubt ſey, ſo eilte er großmuͤthig, ſtatt ſich zu raͤchen, mit ſeiner Mutter und ſeiner Vermaͤhlten nach Griechenland, um den Akriſius in ſein Reich wie - der einzuſetzen.

Er uͤberwand und toͤdtete den Proͤtus, und uͤbergab dem Akriſius wieder die koͤnigliche Wuͤrde, der nun in ſeinem gefuͤrchteten Enkel, ſeinen Freund und Wohlthaͤter, voll Dank und Freude umarmte.

Allein der tragiſche Ausgang lauerte dennoch im Hinterhalte; das Schickſal, welches mit den Hofnungen der Menſchen ſpielt, hatte bei dieſem verfuͤhreriſchen Anſchein, die alte Drohung noch nicht zuruͤckgenommen.

Perſeus, welcher wußte, wie ſehr Akriſius an der Geſchicklichkeit ſeines Enkels in jeder Leibes - uͤbung ſich ergoͤtzte, wollte ihm eines Tages von ſeiner Fertigkeit eine Probe ablegen. Die un - gluͤckſeelige Wurfſcheibe fuhr aus der ſtarken Hand, und flog, wie vom boͤſen Daͤmon gelenkt, dem Akriſius an das Haupt, der todt darnieder ſank.

Hieruͤber brachte Perſeus ſeine uͤbrigen Tage in Schwermuth zu, indem er unverſchuldet ſichO210dennoch einen Vatermoͤrder ſchalt. Der Aufent - halt in Argos ward ihm unertraͤglich.

Er bewog den Sohn des Proͤtus zu einem Tauſche ſeiner Laͤnder, und als er Argos verlaſſen hatte, ſo fand er auch in Tyrinth, der Haupt - ſtadt des andern Reiches, noch keine Ruhe, ſon - dern baute, um des Vergangnen ſo wenig wie moͤglich ſich zu erinnern, die neue Stadt My - cene.

Das Haupt der Meduſa wurde vom Perſeus der Minerva geweiht, die es in die maͤchtige Aegide, ihren leuchtenden Schild, verſetzte, wo es ein bedeutendes Symbol ihrer furchtbaren Macht, und der zuruͤckſchreckenden Kaͤlte, als des Hauptzugs in ihrem Weſen, wurde.

Perſeus ſelber und die Hauptperſonen aus ſeiner Geſchichte, Andromeda, Kaſſiopeja, u. ſ. w., ſind in den Dichtungen der Alten unter die Geſtirne verſetzt, welche noch itzt dieſen Nahmen fuͤhren.

Auf die Weiſe wurden im eigentlichen Sinne die Helden des Alterthums bis an den Himmel erhoben, und ihren Nahmen das daurendſte und glaͤnzendſte Denkmal geſtiftet.

Unter den Kindern, welche Perſeus mit der Andromeda erzeugte, war Alcaͤus, der Vater des Amphitryo, der mit der Mutter des Her - kules vermaͤhlt war; Elektryo war der Va -211 ter der Alkmene, die mit dem Amphitryo ver - maͤhlt war, und vom Jupiter den Herkules ge - bahr. Ein dritter Sohn, Nahmens Sthe - nelus, war der Vater des Euryſtheus, der Mycene beherrſchte, und welchem Herkules die - nen mußte.

Obgleich dem Perſeus auch an einigen Orten Tempel und Altaͤre errichtet waren, und er der aͤlteſte unter den beruͤhmten Helden der Vorzeit iſt, ſo war dennoch der glaͤnzendſte Ruhm dem Herku - les aufgeſpart, der die groͤßten Muͤhſeeligkeiten des Lebens trug, und vom Haß der Juno von Kind - heit an verfolgt ſich endlich durch ausharrende Geduld den Weg zur Unſterblichkeit und zum Sitz der Goͤtter bahnte.

Des Perſeus Ruhm und Thaten wurden durch Alkmenens Sohn verdunkelt, dem man allenthal - ben Tempel und Altaͤre erbaute, und ihn, nachdem er ſeine Laufbahn auf Erden, mit Ruhm gekroͤnt, vollendet hatte, den Goͤttern des Himmels zugeſellte.

Die Heldenrolle des Perſeus aber iſt liebens - wuͤrdiger, und hat bei ihrem grauen Alterthume viel Aehnliches mit dem Rittermaͤßigen der neuern Zeiten.

Eine ſchoͤne und bedeutende Abbildung des Perſeus, nach einem antiken geſchnittenen Steine, befindet ſich auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel,O 2212wo er ſtehend dargeſtellt iſt, das Schwerdt in der rechten Hand, das Haupt der Meduſa mit der Linken auf den Ruͤcken haltend. Dieſe Dar - ſtellung faßt gleichſam die ganze Dichtung von dem Haupte der Meduſa in ſich, weil ſie am deutlich - ſten die furchtbare Kraft deſſelben bezeichnet, wo - durch der Held, der deſſen Anblick ſelbſt vermied, und es nur gegen ſeine Feinde kehrte, unuͤberwind - lich war.

Auf eben dieſer Tafel iſt Bellerophon ab - gebildet, mit Helm und Spieß bewafnet, auf dem gefluͤgelten Pegaſus in den Luͤften reitend, mit der Chimaͤra den Kampf beginnend, welche die bildende Kunſt nicht ganz in der ungeheu - ren Geſtalt, womit ſie die Dichtung ſchildert, darſtellt.

Bellerophon.

Eben der Proͤtus, der ſeinen Bruder Akri - ſius des Reichs entſetzt hatte, und der zuletzt vom Proͤtus, dem Enkel des Akriſins, uͤberwunden und getoͤdtet ward, gab auch dem Bellerophon, durch einen falſchen Verdacht gereitzt, den erſten Anlaß zu ſeinen Heldenthaten.

Bellerophon war nemlich ein Enkel des Siſy - phus, welcher Korinth erbaute, und ſelbſt ein Urenkel des Deukalion und ein Sohn des Aeo - lus war, von dem der Aeoliſche Heldenſtamm in

[figure]

213 manchen Zweigen der fuͤrſtlichen Geſchlechter Grie - chenlands ſich ausbreitete.

Wegen einer Mordthat mußte Bellerophon aus Korinth entfliehen, und nahm zum Proͤtus ſeine Zuflucht, der damals uͤber Argos herrſchte, und ſein Verbrechen ausſoͤhnte.

Des Proͤtus Vermaͤhlte war Antea, eine Tochter des Koͤnigs Jobates in Lycien. Eine zaͤrt - liche Leidenſchaft, die ſie gegen den Juͤngling faßte, und welche dieſer ſtandhaft von ſich wieß, ver - wandelte ſich in Haß. Sie forderte ſelbſt den Proͤtus zur Rache gegen den Bellerophon auf, den ſie mit ſchwarzem Trug beſchuldigte, daß er ſie zur Untreue habe verleiten wollen.

Dem Proͤtus waren die Rechte der Gaſt - freundſchaft zu heilig, als daß er ſelbſt den Bellero - phon haͤtte toͤdten ſollen; er ſchickte ihn nach Lycien zum Jobates, dem Vater der Antea, mit ei - nem Briefe, welcher den Auftrag enthielt, an dem Uebringer das ihm angeſchuldigte Vergehen durch deſſen Tod zu raͤchen.

Allein Jobates las erſt dieſen Brief, nachdem er den Bellerophon ſchon gaſtfreundlich bewirthet hatte, und ſcheute ſich ebenfalls in ihm das hei - lige Gaſtrecht zu verletzen; er ſtellte daher den Tod des Fremden dem Zufall heim, indem er ihn zu den gefahrvollſten Unternehmungen ſandte, wobei ſein Untergang unvermeidlich ſchien.

214

Unter den Ungeheuern, die von dem Phor - kys und der ſchoͤnen Ceto abſtammen, und wovon die ſchrekliche Gorgo ſchon vom Perſeus uͤberwun - den iſt, tritt nun die feuerſpeiende Chimaͤra, mit dem Kopfe des Loͤwen, dem Leib der Ziege, und Schweif des Drachen in dieſer Dichtung auf, um Bellerophons Heldenmuth zu pruͤfen, und von des Siſyphus tapfern Enkel beſiegt zu werden, zu welcher That die Goͤtter den Pegaſus, der den Perſeus trug, auch ihm gewaͤhrten.

Aus den Luͤften kaͤmpfte er nun mit dem Un - geheuer, daß er, nach einem fuͤrchterlichen Streite, endlich uͤberwand.

Es ſind lauter unnatuͤrliche Erzeugungen, wel - che von den Goͤttern und Helden nach und nach aus der Reihe der Dinge hinweggetilgt werden; es ſcheint faſt als ſollten dieſe Dichtungen anſpie - len, daß Traum und Wahrheit, Wirklichkeit und Blendwerk gleichſam lange vorher miteinander im Kampfe lagen, ehe die Dinge ſich in der Vorſtel - lung ordnen konnten, und ihre feſte und bleibende Geſtalt erhielten. Das Werk der Helden war es, die unnatuͤrlichen Erſcheinungen und Blend - werke zu verſcheuchen, und Ordnung, Licht und Wahrheit um ſich her zu ſchaffen. Die Sphynx ſtuͤrzte einen jeden von dem Felſen, der ihr Raͤth - ſel nicht loͤſen konnte; kaum hatte Oedipus es auf - geloͤßt, ſo ſtuͤrzte ſie ſich ſelbſt herab.

215

Nicht genug, daß Bellerophon die Chimaͤra; die Peſt des Landes, uͤberwunden hatte, mußte er auch noch die Feinde des Jobates, die tapfern Solymer und die Amazonen bekriegen; und als er auch von dieſer Unternehmung ſiegreich zuruͤck - kehrte, lauerte noch im Hinterhalt ein Trupp von Lyciern auf ihn, die ihn ermorden ſollten.

Als er auch dieſe ſchlug und der drohenden Ge - fahr aufs neue entging; ſo erkannte Jobates end - lich, daß der Held aus goͤttlichem Geſchlechte ſey, vermaͤhlte ihm ſeine Tochter, und theilte ſein Koͤnigreich mit ihm.

Allein auch dieſes Heldengluͤck war nicht von Dauer. Als Bellerophon, ſeiner Siege froh, ſich einſt mit dem gefluͤgelten Pegaſus in die Luͤfte ſchwang, und ſich dem Sitz der Goͤtter naͤhern wollte, ſo ſtuͤrzten ihn dieſe ſo tief herab, als hoch er geſtiegen war; ſie ſchickten eine Bremſe, deren Stich den Pegaſus raſend machte, der hoch in der Luft ſich baͤumend ſeinen Reiter abwarf.

Der, welcher vorher ein Liebling der Goͤtter war, ſchien ihnen von nun an verhaßt zu ſeyn. Sein niederbeugender Fall und Kummer uͤber haͤusliches Ungluͤck kuͤrzte ſeine Tage, einſam, vor den Menſchen verborgen, uͤberließ er ſich ganz der finſtern Schwermuth, bis ihn ſein Gram verzehrte.

216

Herkules.

Der erſte tragiſche Dichter der Griechen laͤßt den Prometheus, der an den Felſen geſchmiedet der ungluͤcklichen Jo ſeine Leiden klagt, die Ge - burt ſeines Befreiers, des Herkules, vorher ver - kuͤndigen.

Jo, welche in eine Kuh verwandelt, durch Junos Eiferſucht auf dem ganzen Erdkreiſe in raſender Wuth umhergetrieben wurde, kam nehm - lich auch in die einſame Gegend, wo Prometheus duldete, der alle ihre Schickſale ihr enthuͤllte, und ihr kund that, einer ihrer Nachkommen, der dreizehnte von ihr, werde ſein Erretter ſeyn. Die dreizehn in ununterbrochener Geſchlechts - folge aber ſind Jo, Epaphus, Lybia, Be - lus, Danaus, Lynceus, Abas, Akriſius, Danae, Perſeus, Alcaͤus, Alkmene, Her - kules.

Zwei der furchtbarſten Erzeugungen des Phor - kys und der ſchoͤnen Ceto ſind ſchon vom Perſeus und Bellerophon uͤberwunden; allein die groͤß - ten Thaten ſind dem Herkules aufgeſpart, der Un - geheuer beſiegen, Tyrannen beugen, und ſelbſt der Ungerechtigkeit des Donnergottes ein Ziel ſetzen muß, indem er den Prometheus, der fuͤr ſeine den Menſchen erwieſenen Wohlthaten noch immer buͤßen mußte, endlich von ſeiner Qual befreit.

217

In die irdiſche Abſtammung des Herkules hatten die Parzen ſein kuͤnftiges Schickſal ſchon verwebt, zum Herrſchen gebohren, wurd er durch die Macht der Fuͤgung gezwungen, zu ge - horchen, und ſeine glorreichſten Thaten auf den Befehl eines Schwaͤcheren, der ihn fuͤrchtete, zu vollfuͤhren.

Elyktrio, Sthenelus, Alcaͤus, Meſtor, wa - ren die Soͤhne des Perſeus. Elyktrio folgte dem Perſeus in der Regierung zu Mycene. Die Kin - der des Alcaͤus waren Anaxo und Amphitryo. Mit der Anaxo vermaͤhlte ſich Elyktrio, der zu Mycene herrſchte, und erzeugte mit ihr Alkme - nen, die Mutter des Herkules.

Amphitryo, der Sohn des Alcaͤus, welcher wegen ſeiner Schweſter Anaxo dem Elyktrio nun doppelt verwandt war, lebte an deſſen Hofe, und hatte die ſicherſte Hofnung, in der Regierung ihm zu folgen; weil Elyktrio ſeine Tochter Alkmene, die naͤchſte Erbin ſeines Reiches, mit dem Am - phitryo zu vermaͤhlen ſchon feſt beſchloſſen hatte.

Allein ſchon ſchwebte der ungluͤckliche Zufall naͤher, der dem Amphitryo ſeine Ausſichten ver - eitelte, und in der Folge auf das Schickſal des Herkules einen daurenden Einfluß hatte. Ta - phius nemlich, ein Enkel des Meſtor, eines Sohns des Perſeus, errichtete auf der Inſel Taphos eine Pflanzſtadt, deren Bewohner ſich218 wegen der weiten Entfernung von ihrem Vater - lande auch Teleboer nannten.

Nach dem Tode des Taphius machte deſſen Sohn und Nachfolger Pterelaus, wegen ſeiner Abſtammung vom Meſtor, einem Sohne des Per - ſeus, Anſpruͤche auf ſeinen Antheil an der Erb - ſchaft von Mycene, und ſchickte ſeine Kinder da - hin, um ſeine Forderung geltend zu machen.

Als Elyktrio ſich weigerte etwas herauszuge - ben, ſo verwuͤſteten die Soͤhne des Pterelaus mit ihrem Volke das Land, und fuͤhrten des Koͤnigs Heerden hinweg. Die Soͤhne des Elyktrio ver - ſammelten nun auch ein Heer, und ließen ſich mit den Soͤhnen des Pterelaus in ein Treffen ein, worin die Anfuͤhrer von beiden Theilen umkamen, ſo daß von den Soͤhnen des Elyktrio nur der ein - zige Lycimnus, und von den Soͤhnen des Ptere - laus nur der einzige Everes uͤbrig blieb.

Elyktrio, um den Tod ſeiner Kinder zu raͤ - chen, uͤberließ ſeiner Tochter Alkmene und dem Amphitryo die Regierung, mit dem Verſprechen, dem Amphitryo ſeine Tochter zu vermaͤhlen, ſo - bald er von den Teleboern ſiegreich zuruͤckkehren wuͤrde.

Er kehrte ſiegreich zuruͤck, und brachte auch die Heerden wieder, welche die Feinde ihm geraubt hatten. Amphitryo, nun ſeines Gluͤcks gewiß, eilte ihm freudenvoll entgegen, und als von der219 wiedereroberten Heerde eine Kuh entſpringen woll - te, warf Amphitryo mit einer Keule nach ihr und traf den Elyktrio, welcher todt darnieder fiel.

Dieſer ungluͤckliche Zufall war es, der den Amphitryo des Koͤnigreichs Mycene beraubte, und zugleich zu dem kuͤnftigen Schickſal des Her - kules den erſten Grund enthielt. Denn obgleich die That des Amphitryo unvorſetzlich war, ſo lud ſie doch den Haß des Volks auf ihn.

Sthenelus, der Bruder des erſchlagenen Elyk - trio, bemaͤchtigte ſich daher mit leichter Muͤhe der Oberherrſchaft uͤber Mycene; und Amphitryo fluͤch - tete nach Theben, wohin ihm Alkmene folgte. Kreon, der zu Theben herrſchte, nahm beide in Schutz. Alkmene aber wollte ſich mit dem Am - phitryo nicht eher vermaͤhlen, bis er, um den Tod ihrer Bruͤder zu raͤchen, die Teleboer aufs neue bekriegt und den Pterelaus uͤberwunden haͤtte.

Amphitryo trat mit dem Cephalus, Eleus, und einigen andern benachbarten Fuͤrſten in ein Buͤndniß, um die Inſeln der Taphier oder Tele - boer zu bekriegen. Pterelaus wurde beſiegt, und Amphitryo ſchenkte die eroberten Inſeln ſei - nen Bundesgenoſſen, wovon die eine, welche noch itzt Cefalonia heißt, von dem Cephalus ihren Nah - men Cephalene erhielt.

220

Alkmenens Reitze hatten indeß den Donner - gott von ſeinem hohen Sitze herabgezogen. In der Geſtalt des Amphitryo, der nun ſiegreich zu - ruͤckkehrte, genoß er ihrer Umarmung, und ver - laͤngerte zu einer dreifachen Dauer die Nacht, worin er den Herkules mit ihr erzeugte.

Unbeſchadet der Ehrfurcht gegen das Goͤttliche und Erhabene, benutzten die komiſchen Dichter der Alten dieſen Stoff, indem ſie das laͤcherliche Verhaͤltniß des wahren Amphitryo gegen den Ju - piter in der Geſtalt deſſelben auf der Schaubuͤhne darſtellten, und beide darauf erſcheinen ließen. Die komiſche Muſe der Alten durfte es ſich erlau - ben, in dergleichen kuͤhnen Darſtellungen ſelbſt mit dem Donnergott zu ſcherzen, der zu den Toͤch - tern der Sterblichen ſich herabließ.

Dem Amphitryo, der auf Alkmenen zuͤrnte, gab Jupiter endlich ſelber, um ihn zu beſaͤnftigen, ſeine Gottheit zu erkennen; und indeß Alkmene nun zugleich mit dem Herkules und mit einem Sohne des wirklichen Amphitryo ſchwanger war; und dem Sthenelus, der zu Mycene herrſchte, ebenfalls ein Sohn gebohren werden ſollte, gieng Folgendes im Rathe der Goͤtter vor:

An dem Tage nehmlich, an welchem Herkules gebohren werden ſollte, ſprach Jupiter ruͤhmend in der Verſammlung der Goͤtter: Heute, alle ihr Goͤtter und Goͤttinnen, verkuͤndige ich euch,221 wird aus dem Geſchlechte der Menſchen, das von mir abſtammt, ein Held gebohren werden, der uͤber alle ſeine Nachbaren herrſchen wird!

Liſten erſinnend ſprach die hohe Juno: ich zweifele dennoch an der Erfuͤllung deiner Worte, wenn du nicht mit dem unverletzlichen Schwur der Goͤtter ſchwoͤrſt, daß derjenige, welcher heute aus dem Geſchlechte der Menſchen, das von dir abſtammt, gebohren wird, uͤber alle ſeine Nach - baren herrſchen ſoll.

Kaum hatte Jupiter den unverletzlichen Schwur gethan, als Juno den Olymp verließ, und ſchon in Argos war, wo die Vermaͤhlte des Sthenelus erſt im ſiebenten Monathe mit dem Euryſtheus ſchwanger gieng, deſſen Geburt die maͤchtige Juno ſchnell befoͤrderte, obgleich die Zahl der Monden noch nicht voll war. Alkmenens Niederkunft aber hielt ſie auf, und kehrte nun triumphirend zum Olymp zuruͤck.

Nun iſt ſchon der Held gebohren, ſprach ſie zum Jupiter, der die Argiver beherrſchen wird. Er iſt aus dem Geſchlechte der Menſchen, das von dir abſtammt; denn es iſt Euryſtheus, ein Sohn des Sthenelus, deſſen Vater Perſeus dein Erzeugter war. Keinem Unwuͤrdigen iſt alſo das verheißne Koͤnigreich beſchieden.

Da nun Jupiter ſeinen Schwur nicht zuruͤck - nehmen, und ſich an der Juno nicht raͤchen konnte,222 ſo ergriff er die Ate, oder die Schaden ſtiftende Macht, welche eine Tochter Jupiters, und ſel - ber mit in der Reihe der Goͤtter war, bei ihrem glaͤnzenden Haar, und ſchleuderte ſie vom Himmel zur Erde herunter, mit dem unverbruͤch - lichen Schwur, daß ſie nie zum Olymp zuruͤck - kehren ſolle, ſeitdem wandelt ſie uͤber den Haͤup - tern der Menſchen einher, und ſaͤet, wo ſie kann, Verderben und Zwietracht aus; wenn daher Streitende ſich verſoͤhnten, ſo ſchoben ſie auf die Ate den Anfang ihres Zwiſtes.

Das Schickſal ſelber hatte dem Herkules die haͤrteſten Pruͤfungen zugedacht, welche Goͤtter und Menſchen nicht hintertreiben konnten. Euryſtheus war nun durch den Schwur des Jupiter zum Herrſcher gebohren; und durch eben dieſen Schwur gebunden, konnte Jupiter ſeinen geliebten Sohn von der harten Dienſtbarkeit nicht befreien.

Alkmene gebahr zwei Soͤhne, den Herkules vom Jupiter, und den Iphikles von ihrem Gemahl Amphitryo. Wer von beiden der Sohn des Donnergottes ſey, offenbarte ſich ſchon, da noch ein hohler Schild, den Am - phitryo vom Pterelaus erbeutet hatte, die Wiege der Kinder war, und Juno zwei Schlangen ſchick - te, die den Herkules toͤdten ſollten, der ſie mit ſeiner zarten Hand in der Wiege erdruͤckte.

223

Nun legte Jupiter, da er einſt die Juno ſchlum - mernd fand, den Herkules ihr an die Bruſt, und die - ſer ſog ihr unbewußt die Goͤttermilch. Als aber Juno erwachte, ſo ſchleuderte ſie den kuͤhnen Saͤug - ling weit von ſich hinweg, und verſchuͤttete auf des Himmels Woͤlbung die Tropfen Milch, die ihrer Bruſt entfielen, und deren Spur die Milchſtraße bildete, auf welcher die Goͤtter wandeln.

Die Dichtung wird hier koloſſal; der Luft - kreis ſelber, durch welchen die Sterne ſchimmern, tritt als der Juno erſtes Urbild auf, und faͤrbt ſich von der Milch, welche den Bruͤſten der hohen Himmelskoͤnigin entſtroͤmte; jenes Urbild wur - de vorausgeſetzt, wenn die Dichtung den weißlich - ten Streif am Himmel die Milch der Juno nennt.

Auf Jupites Befehl mußte Merkur nun den Herkules ſeinen Erziehern uͤbergeben, die ihn in den kriegeriſchen ſowohl als in den ſanften Kuͤnſten unterwieſen. Unter den Lehrern und Erziehern des Herkules waren ſelbſt Goͤtterſoͤhne; in der Muſik unterwieß ihn Linus, ein Sohn des Apollo; Chiron, der weiſe Centaur, in der Arznei - und Kraͤuterkunde. In den kriegeriſchen Kuͤnſten waren die beruͤhmteſten Helden der damaligen Zeit, in jedem beſondern Fache, ſeine Lehrer.

Da nun Herkules unter dieſen Beſchaͤftigun - gen zu den Juͤnglingsjahren gekommen war, be - gab er ſich einſt, uͤber ſein kuͤnftiges Schickſal nach -224 denkend in die Einſamkeit, und ſetzte ſich in Be - trachtungen vertieft auf einem Scheidewege nie - der. Hier war es, wo die Wolluſt und die Tugend ihm erſchienen, wovon die erſtre ihm jeg - lichen Genuß einer frohen ſorgenfreien Jugend an - bot, wenn er ihr folgen wollte, die letztre ihm zwar muͤhevolle Tage verkuͤndigte, aber in der Zukunft Ruhm und Unſterblichkeit verhieß, wenn er ſie zur Fuͤhrerin waͤhlte.

Die Tugend ſiegte in dieſem Wettſtreit; der Juͤngling folgte ihr mit ſicherm Schritte, feſt entſchloſſen, jedes Schickſal, das ihm bevorſtehe, mit Muth und Standhaftigkeit zu tragen, ſich keiner Laſt zu weigern, und keine Arbeit, ſey ſie noch ſo ſchwer, zu ſcheuen.

Die Eiferſucht der Juno, die nicht ruhte, hatte ſchon dem Amphitryo ſelber Furcht und Arg - wohn eingehaucht, der den jungen Herkules an den Hof des Euryſtheus nach Mycene ſchickte, wo ihm von Zeit zu Zeit die gefaͤhrlichſten Unter - nehmungen und die ungeheuerſten Arbeiten aufge - tragen wurden, die ſeinen Muth und ſeine Stand - haftigkeit auf die hoͤchſte Probe ſetzten.

Als nun Herkules auf ſeiner Reiſe das Orakel zu Delphi wegen ſeines kuͤnftigen Schickſals frag - te; ſo gab die Pythia ihm zur Antwort: zwoͤlf Arbeiten muͤſſe er auf des Euryſtheus Befehl voll -225 enden, und wenn er dieſe vollendet habe, ſey ihm die Unſterblichkeit beſtimmt.

Die zwoͤlf Arbeiten des Herkules.

Der Nemaͤiſche Loͤwe.

Als Herkules, noch im Juͤnglingsalter, bei dem Walde von Nemea die Heerden des Euryſtheus huͤtete, verwuͤſtete ein Loͤwe, deſſen Haut kein Pfeil durchdringen konnte, die Gegend rund umher, und drohte den Heerden Ungluͤck.

Die erſte der zwoͤlf Arbeiten, welche Eurys - theus dem Herkules anbefahl, war, dieſes Raub - thier zu erlegen. Der junge Herkules ſaͤumte nicht, die Spur des Loͤwen zu verfolgen, mit dem er ſich, als er ihn traf, in Kampf einließ, und ihn mit eigner Hand erwuͤrgte, weil kein Eiſen ihn verwunden konnte.

Zum Andenken dieſer erſten That, die allein ſchon fuͤr die Vollfuͤhrung der uͤbrigen buͤrgte, trug Herkules nachher beſtaͤndig die Haut des Loͤwen um ſeine Schultern; und dieſe wurde nun nebſt der Keule, die er von dem Aſte eines wilden Oehlbaums ſich ſelber ſchnitt, das aͤußere Merkmal ſeiner unuͤberwindlichen Staͤrke, und ſeines unbe - ſiegbaren Heldenmuths.

Herkules brachte den Loͤwen nach Mycene; der verzagte Euryſtheus aber befahl ihm, vonP226nun an nicht mehr in die Stadt zu kommen, ſon - dern vor den Thoren von ſeinen vollfuͤhrten Tha - ten Rechenſchaft abzulegen.

Die Lernaͤiſche Schlange.

In dem Sumpfe von Lerna bei Argos, hielt ſich die vielkoͤpfigte Hydra auf, deren in der Stammtafel der Ungeheuer, die vom Phorkys und der ſchoͤnen Ceto ſproßten, ſchon gedacht iſt.

Die Zeit der Helden war der Tod der Unge - heuer, die der Arm der Goͤtterſoͤhne, eins nach dem andern von der Erde tilgte; und Herkules ließ nun, ſo wie Perſeus mit der Gorgo, und Bellerophon mit der feuerſpeienden Chimaͤra, auf den Befehl des Euryſtheus, mit der vielkoͤpfigten Hydra in den furchtbaren Kampf ſich ein.

So wie er einen Kopf des Ungeheuers mit ſeinem ſichelfoͤrmigen Schwerdt vom Rumpfe trennte, wuchs aus dem Blut ein neuer wieder, bis in der aͤußerſten Gefahr, welche dem Helden drohte, ſein Gefaͤhrte Jolaus, des Iphikles Sohn, mit Feuerbraͤnden, die er aus dem nahgelegenen Walde hohlte, nach jedem Hieb des Herkules, ſogleich die Wunde zubrannte, ehe noch aus dem Blute ein neuer Kopf emporſchoß.

Nun aber erſchwerte Juno dem Herkules ſei - nen Sieg, indem ſie einen Seekrebs ſchickte, der dem Held, ſo wie er kaͤmpſte, an den Ferſen227 nagte, und ihn ſich umzuwenden zwang. Auch dieſen Angriff beſtand der Sohn des Donnergot - tes; und grub nach langem Kampf das letzte Haupt der Hydra, das unverletzlich war, tief in die Erde, und waͤlzte einen ungeheuren Stein daruͤber.

Zum Lohn fuͤr ſeine Arbeit tauchte er in das vergoßne Blut der Hydra ſeine Pfeile, die durch das toͤdtliche Gift nun doppelt furchtbar waren, und uͤber ihren Beſitzer, ſelbſt durch ſeines Fein - des Tod, dereinſt noch Qual und Verderben brin - gen ſollten.

Wenn unuͤberwindlicher Muth und Stand - haftigkeit, bei der Ueberwindung unzaͤhliger Hinder - niſſe und immer erneuerter Gefahren, irgend durch ein treffendes Sinnbild bezeichnet wird, ſo iſt es in dieſer Dichtung von dem Siege des Herkules uͤber das vielkoͤpfigte Ungeheuer. Alte und neuere Dichter haben daher dieß Bild auch ſtets genuͤtzt, weil es ſich durch kein bedeutenderes erſetzen laͤßt.

Der Erymanthiſche Eber.

Ein ungeheurer Eber aus dem Erymanthi - ſchen Gebuͤrge verwuͤſtete die Fluren von Arka - dien. Dem Euryſtheus war dieß erwuͤnſcht, um den Herkules zu einer neuen gefaͤhrlichen Un - ternehmung auszuſchicken. Dem UeberwinderP 2228des Nemaͤiſchen Loͤwen, und der vielkoͤpfigten Hydra, war es ein Leichtes, den Eber zu fangen, welchen er gebunden dem Euryſtheus brachte, der vor Schrecken uͤber den Anblick des Ungeheu - ers ſich in ein ehernes Faß verkroch.

In dieſer laͤcherlichen Stellung iſt Euryſtheus auf einem antiken geſchnittenen Steine abgebil - det. Der auffallende Kontraſt zwiſchen der Staͤrke und dem Heldenmuth des Gehorchen - den, und der Schwaͤche und Verzagtheit des Be - fehlenden, welcher durch dieſe ganze Dichtung herrſcht, giebt ihr ein deſto lebhafteres Intereſſe. Dadurch, daß der Held ſich uͤberwindet, nach dem Schluß des Schickſals dem Schwaͤchern zu gehorchen, erhalten ſeine kuͤhnſten Thaten einen doppelten Werth, weil er erſt ſich ſelber zum Ge - horſam, und dann die Ungeheuer zum Weichen zwingt.

Der Hirſch der Diana.

Um nicht nur die Staͤrke, ſondern auch die Geſchwindigkeit und Behendigkeit des Herkules zu pruͤfen, mußte eine neue wunderbare Erſcheinung ſich ereignen. Auf dem Berge Maͤnelus ließ nem - lich ein Hirſch mit goldenem Geweih ſich ſehen, welcher, obgleich der Diana geheiligt, den Wunſch eines jeden, ihn zu beſitzen, auf ſich zog.

229

Euryſtheus, der nur befehlen durfte, befahl dem Herkules dieſen koſtbaren Hirſch lebendig zu fangen, und ihn nach Mycene zu bringen. Herkules, ohne ſich zu weigern, verfolgte ein Jahrlang unermuͤdet die Spur des ſchnellen Hir - ſches, bis er ihn endlich in einem Dickicht fing, und ihn auf ſeinen Schultern dem Euryſtheus lebendig brachte.

Die Stymphaliden.

Eine Art graͤßlicher Voͤgel hielt ſich an dem Stymphaliſchen See in Arkadien auf. Die Ein - bildungskraft der Dichter mahlt ihr Bild auf das fuͤrchterlichſte aus; ſie hatten eherne Klauen und Schnaͤbel, mit denen ſie verwunden und toͤdten, und jede Waffenruͤſtung durchbohren konnten; auch waren ſie nach einigen Dichtungen mit Spießen bewafnet, die ſie auf die Angreifenden warfen.

Der Ort, wo dieſe Voͤgel im Sumpf und Gebuͤſch ihre Wohnung hatten, war unzugaͤng - lich. Euryſtheus befahl dem Herkules dieſe Ungeheuer zu bekaͤmpfen, und Minerva, die dem Helden wohl wollte, ſchenkte ihm eine eherne Pauke, durch deren Geraͤuſch er die Voͤgel aus ih - rem Sumpfe ſchreckte, und ſo bald er ſie in der Luft erblickte, ſeinen Bogen ſpannte, und mit ſei - nen Pfeilen ſie erſchoß.

230

Es ſchien als ob der Held an jeder Gattung von Ungeheuern ſich verſuchen ſollte; daher ließ ihn die Dichtung, nachdem er den Loͤwen beſiegt, die Hydra getoͤdtet, und den Eber gebaͤndigt hat - te, auch mit den Voͤgeln unter dem Himmel kaͤmpfen.

Das Wehrgehenk der Koͤnigin der Amazonen.

Schon Bellerophon mußte gegen die Amazo - nen fechten, und auch Euryſtheus verſaͤumte nicht, dem Herkules dieſe gefahrvolle Unterneh - mung aufzutragen. Die Idee von den Ama - zonen, die ihre neugebohrnen Soͤhne von ſich ſchickten, und ihre Toͤchter zu Waffenuͤbungen und zum Kriege erzogen, iſt an ſich ſchon dichteriſch ſchoͤn, und wir finden ſie haͤufig in die Dichtungen der Alten eingewebt.

Auch die bildende Kunſt der Alten verweilte gern auf dieſem Gegenſtande, und man findet auf Marmorſaͤrgen zum oͤftern Amazonenſchlachten dargeſtellt, wo die maͤnnliche Tapferkeit mit der weiblichen Bildung verknuͤpft, im Angriff und im Sinken, den reitzendſten Kontraſt darbietet.

Vom Kriegsgott ſelber beſaß die Koͤnigin der Amazonen das koſtbare Wehrgehenk, das Herkules erbeuten ſollte, und das von der Tapferkeit ſelbſt231 vertheidigt ohne unuͤberwindlichen Heldenmuth nicht zu erſtreiten war.

Theſeus begleitete den Herkules auf dieſem Zuge, und am Fluſſe Thermodon begann die Schlacht, wo Herkules uͤber die Bundesgenoſſen der Amazonen ſiegte, die Koͤnigin ſelbſt gefangen nahm, und, nachdem er auf dieſem Wege noch manche andre große That vollfuͤhrt, das koſtbare Wehrgehenk dem Euryſtheus brachte.

Der Stall des Augias.

Augias, der in Elis herrſchte, und ein Sohn der Sonne hieß, war wegen der vielen Heerden, die er beſaß, einer der reichſten Fuͤrſten ſeiner Zeit.

Und weil man damals den Reichthum nach dem Beſitz von vielen Heerden ſchaͤtzte, ſo waren auch die Beſchaͤftigungen, welche hierauf Be - zug hatten, noch nicht erniedrigend; und einen Stall zu reinigen, war damals noch keine ſo un - wuͤrdige Beſchaͤftigung, wie wir ſie uns jetzt nach unſern Begriffen denken.

Augias hatte nemlich nach der Dichtung, die den Helden die Arbeiten gern ſo ſchwer wie moͤg - lich macht, dreitauſend Rinder in ſeinen Staͤllen ſtehen, und dieſe Staͤlle waren ſeit dreißig Jahren nicht gereinigt.

232

Herkules uͤbernahm auf den Befehl des Eu - ryſtheus die Reinigung der Staͤlle, mit dem Be - ding in wenigen Tagen die ungeheure Arbeit zu vollenden, wofuͤr ihm Augias, der an der Moͤg - lichkeit der Ausfuͤhrung zweifelte, den zehnten Theil ſeiner Heerden zum Lohn verſprach.

Herkules aber leitete den Alpheus durch die Staͤlle, und verrichtete nun die Arbeit, die jeder - mann fuͤr unmoͤglich hielt, an einem Tage mit leichter Muͤhe. Augias aber verweigerte ihm den Lohn, worauf ihn Herkules bekriegte und toͤdtete, und den Phyleus des Augias Sohn, der edler wie ſein Vater dachte, zum Nachfolger im Reiche ernannte. Von den erbeuteten Schaͤ - tzen aber bauete Herkules dem Olympiſchen Jupi - ter einen Tempel, und erneuerte die Olympiſchen Spiele. So kroͤnte er ſeine Arbeit in den Staͤl - len des Augias.

Der Kretenſiſche Stier.

Neptun, der auf die Einwohner von Kreta zuͤrnte, weil ſie ſeine Gottheit nicht genug verehr - ten, ſchickte einen wuͤthenden Stier auf ihre In - ſel, welcher Feuer aus der Naſe blies, und weil ihn niemand anzugreifen wagte, das Land umher verwuͤſtete.

Kaum hatte Euryſtheus dies vernommen, ſo befahl er dem Herkules, dieſen Stier lebendig zu233 fahen. Es iſt die Koͤrperkraft des Helden, welche ſich gleichſam gegen die ganze Thier - welt mißt, indem ſich Herkules auch dieſes vom Neptun geſandten Stiers bemaͤchtigt, und ihn auf ſeiner Schulter nach Mycene bringt.

Die mannichfaltigen Abbildungen des Herku - les, worunter ſich auch dieſe befindet, wie er den Stier auf der Schulter traͤgt, machen daher ein ſchoͤnes Ganzes aus, weil der Ausdruck von koͤr - perlicher Staͤrke in jeder Darſtellung herrſchend iſt, und die bildende Kunſt keinen reichern Stoff als dieſen finden konnte, um das, was den Loͤ - wen beſiegt, und die ganze Thierwelt ſich unter - jocht, in jeder Muſkel zu bezeichnen.

Die Roſſe des Diomedes.

Diomedes, ein Koͤnig in Thracien, und ein Sohn des Mars, beſaß vier feuerſpeiende Roſſe, die er mit Menſchenfleiſch ſaͤttigte, und denen er die Fremdlinge, die er auffing, ſelbſt zur Speiſe vorwarf.

Da das Geruͤcht von dieſer Grauſamkeit allenthalben erſcholl, ſo befahl Euryſtheus dem Herkules, ihm die feuerſpeienden Roſſe zu brin - gen, und Herkules, der dieſe That vollfuͤhrte, ließ auch den Diomedes fuͤr ſeine Tyrannei die gerechte Strafe erdulden, indem er ihn ſeinen234 eigenen Roſſen vorwarf, und auf die Weiſe den an den Fremdlingen veruͤbten Frevel raͤchte.

Die Grauſamkeit gegen die Fremden iſt in den Dichtungen der Alten, welche das Gaſtrecht uͤber alles heilig hielten, das hoͤchſte Merkmal von boshafter Tyrannei und Ungerechtigkeit; man betrachtete dieſe Tyrannen, welche die Fremden quaͤlten und toͤdteten, wie Ungeheuer; und es war das Geſchaͤft der Helden, ſie von der Erde zu vertilgen.

Man findet auf alten Denkmalen die Roſſe des Diomedes abgebildet, wie ſie vor einer Krippe ſtehen, in welcher ein Menſch ausgeſtreckt liegt, und Diomedes aufrecht darneben ſteht. Auch findet man den Herkules im Kampf mit den flam - menathmenden Roſſen dargeſtellt.

Der dreikoͤpfigte Geryon.

In der Stammtafel der Ungeheuer iſt des dreikoͤpfigten Geryon ſchon gedacht. Chryſaor, der aus dem Blute der Meduſa entſprang, ver - maͤhlte ſich mit der Kallirohe, einer Tochter des Oceans, und erzeugte mit ihr den dreikoͤpfigten Rieſen Geryon, und die Echidna, die halb Nymphe halb Drache, den dreikoͤpfigten Hund Cerberus, den zweikoͤpfigten Hund Orthrus, die Lernaͤiſche Schlange, die feuerſpeiende Chimaͤra, und die Sphinx, gebahr.

235

Der zweikoͤpfigte Hund Orthrus nebſt dem Hirten Eurytion bewachten die Heerden des Ge - ryon, deſſen Wohnſitz die Dichtungen an die ent - fernteſten Ufer des Oceans hin verſetzen.

Das Koſtbarſte, worin man damals den groͤßten Reichthum ſetzte, hatte ein Ungeheuer im Beſitz, und der Ruf von den ſchoͤnen Heerden des Geryon erſcholl ſo weit, daß Euryſtheus dem Herkules befahl, dieſe Heerden hinwegzufuͤhren, und ſie als einen koſtbaren Schatz, von jenen aͤußerſten Enden der Erde, nach Mycene zu bringen.

Herkules bahnte ſich ſeinen Weg uͤber Berge und Felſen, und fuͤhrte auf dieſem weiten Zuge noch viele andre große Thaten aus. Den zwei - koͤpfigten Hund Orthrus und den Eurytion erſchlug er, und bemaͤchtigte ſich der Ochſen des Geryon, die er vor ſich hertrieb. Als nun der dreikoͤp - figte Geryon ſelber auf ihn zuſtuͤrzend ſich ihm widerſetzen wollte, erſchlug er auch dieſen mit ſei - ner Keule, und befreiete die Erde aufs neue von einem ihrer furchtbarſten Ungeheuer.

Die goldenen Aepfel der Heſperiden.

Das Allerkoſtbarſte, was man ſich in der weiteſten Entfernung, und am unmoͤglichſten zu erreichen dachte, waren die goldenen Aepfel in den236 Gaͤrten der Heſperiden, an den Geſtaden des Atlantiſchen Meers. Der Drache, welcher dieſe Aepfel bewachte, war eine Erzeugung des Phor - kys und der ſchoͤnen Ceto, und in der Reihe der Ungeheuer iſt ſeiner ſchon gedacht.

Die Heſperiden ſelber waren Toͤchter der Nacht. Ihr Daſeyn und ihr Urſprung waren in Dunkel gehuͤllt. Ihre Nahmen waren Aegle, Erythia und Arethuſa. Dem Eurys - theus die goldene Frucht nach Griechenland zu bringen, war nun die eilfte von den Arbeiten, welche Herkules, gehorchend dem fremden Befehl, vollbringen mußte.

Er toͤdtete den Drachen, nachdem er vorher durch einen Trank ihn eingeſchlaͤfert hatte, und pfluͤckte, nah am Ziele ſeiner Laufbahn, die goldene Frucht. In den Abbildungen vom Herkules ſieht man auch den Baum mit der gol - denen Frucht, um den ſich ein Drache windet, vor welchem Herkules mit der Schaale ſteht, die den einſchlaͤfernden Trank enthielt. Die Hes - periden ſtehen traurend uͤber den Verluſt des Scha - tzes, den ſie bewahrten.

Der Hoͤllenhund Cerberus.

Nun mußte Herkules noch die letzte Probe ſeines Heldenmuths beſtehen. Nicht genug,237 daß er auf der Oberwelt die Ungeheuer beſiegt hatte, hieß Euryſtheus ihn hinab zu den Schatten ſteigen, und den dreikoͤpfigten Hund Cerberus, den Waͤchter an Plutos Thor, hinauf ans Licht zu ziehen.

Die Dichtung von den zwoͤlf Arbeiten des Herkules ſchließt ſich mit der gefahrvollſten Unter - nehmung unter allen. Dem Tode ſelbſt in ſei - nem Gebiete zu trotzen; in ſeinen offenen Schlund freiwillig hinabzuſteigen, und mit dem Koͤnig der Schrecken im Kampf es aufzu - nehmen.

Ehe Herkules ſeine ihm aufgegebene Reiſe in die Unterwelt begann, ließ er vorher in die Eleuſiniſchen Myſterien ſich einweihen, gleich - ſam um auf Tod und Leben bei dieſer Unterneh - mung gefaßt zu ſeyn; dann ſtieg er bei dem Vorgebirge Taͤnarum in die weite Hoͤhle hinab, die zu der Behauſung der Schatten fuͤhrt.

Er zwang den Charon, ihn uͤber den Styx zu fahren. Da erblickte er den Cerberus, und die ihm wohlbekannten Helden, den Theſeus und Pirithous an Felſen geſchmiedet, ſie hatten die vermeſſene That begonnen, zu den Schatten hinabzuſteigen, um Proſerpinen, die Koͤnigin der Todten ſelber, dem Pluto zu entfuͤhren, und nun war ihnen die Ruͤckkehr auf ewig unterſagt.

238

Demohngeachtet gelang es dem Herkules, den Theſeus zu befreien, nachdem er den Cerberus ge - baͤndigt hatte, der bis zum Pallaſt des Pluto vor ihm floh. Und ſo wie Herkules ihn verfolgend ſich dem duͤſtern Pallaſt naͤherte, faͤrbte ſich der Kranz von Pappeln auf ſeinem Haupte ſchwarz.

Hier kaͤmpfte er mit dem Pluto ſelber und loͤßte Theſeus Bande; vergebens aber verſuchte er es, den Pirithous zu befrein, den Plutos ganze Macht zuruͤckhielt. Siegreich brachte nun Her - kules den Cerberus auf die Oberwelt, wo von ſei - nem Geifer eine giftige Wurzel ſich erzeugte.

Der erſchrockne Euryſtheus ertrug den furcht - baren Anblick nicht, und Herkules entließ den ſchwarzen Huͤter des Hoͤllenthors, den er zwiſchen ſeinen Knien gebaͤndigt hielt, nun auch der Quaal, das Licht zu ſchauen. Die Schreckengeſtalt ſank wieder zur Unterwelt herab. Des Her - kules Arbeiten waren nun vollbracht.

Die Thaten des Herkules, welche er nicht auf fremden Befehl voll - fuͤhrt hat.

Von den Arbeiten des Herkules kann man ſeine Thaten unterſcheiden, welche er aus eige - nem Antriebe, gleichſam in der Zwiſchenzeit voll - fuͤhrte, die ihm von den aufgegebenen Arbeiten239 uͤbrig blieb, und worin ſeine unerſchoͤpfliche Kraft und Heldenſtaͤrke ſich doppelt offenbarte.

Die Befreiung der Heſione.

Herkules begleitete die Argonauten auf ihrem Zuge nach Kolchis; entfernte ſich aber von den uͤbrigen, indem er in der Gegend von Troja ans Land ſtieg, um den Hylas, ſeinen Liebling zu ſuchen, der Waſſer zu ſchoͤpfen ausgieng und nicht wieder kam. Die Najaden hatten den ſchoͤnen Knaben geraubt, und in den Brunnen herabgezo - gen; Herkules ließ vergeblich von dem Nahmen Hylas das ganze Ufer wiedertoͤnen.

Er ſetzte nun ſeine Reiſe mit den Argonauten nicht weiter fort, ſondern gieng nach Troja, wo Laomedon herrſchte, der die Goͤtter Neptun und Apollo ſelber, welche, in menſchenaͤhnlicher Ge - ſtalt, die Mauern um ſeine Stadt zu bauen ſich hernieder ließen, um ihren Lohn betrog.

Der Frevel des Laomedon blieb nicht lange unbeſtraft. Der Koͤnig der Waſſerfluthen drohte mit einer Ueberſchwemmung Troja den Unter - gang, und war, nach dem Ausſpruch des Ora - kels, nur durch die Aufopferung der Heſione, des Laomedons Tochter zu verſoͤhnen; die nun, gleich der Andromeda, an einen Felſen geſchmiedet, von einem Meerungeheuer verſchlungen werden ſollte,240 gerade als Herkules ankam, und dies Schauſpiel ſich ſeinen Augen darbot.

Nicht ſo zaͤrtlich wie Perſeus, uͤbernahm Herkules erſt gegen einen Zug von koͤſtlichen Pfer - den, die ihm Laomedon zum Lohn verſprach, die Heſione zu befreien. Laomedon aber, der ſchon die Goͤtter betrogen hatte, betrog auch den Herku - les, und wagte es, ihm die Roſſe zu verweigern, ſobald er ſeine Tochter wieder in Freiheit ſahe.

Da griff Herkules Troja an, eroberte ſie mit ſtuͤrmender Hand, und erſchlug den falſchen wort - bruͤchigen Koͤnig Laomedon. Seinem Begleiter den Telamon, der zuerſt die Mauer erſtieg, ver - maͤhlte er die gerettete Heſione, und verſtattete ihr, fuͤr einen der Gefangenen von Laomedons Hauſe das Leben zu erbitten. Heſione waͤhlte ihren Bruder Podarcis, welcher nachher ſich Priamus nannte, und zu kuͤnftigem Jammer aufgeſpart, uͤber Troja herrſchte, deſſen zweite Eroberung und ſchreck - liche Zerſtoͤrung vom Schickſal ſchon beſchloſſen war.

Die Ueberwindung des Antaͤus, Buſiris und Kakus.

Als Herkules auf ſeinem weſtlichen Zuge nach Lybien kam, ſo ſtieß er auf den Rieſen Antaͤus, deſſen Grauſamkeit gegen die Fremden, ihn zum Ungeheuer machte, das ein maͤchtiger Arm vertil - gen mußte.

241

Antaͤus zwang nehmlich die ankommenden Fremden mit ihm zu ringen, und wenn er ſie uͤberwunden hatte, erwuͤrgte er ſie, und pflanzte die Schaͤdel um ſeine Wohnung auf. Was ihn im Kampf unuͤberwindlich machte, war die Be - ruͤhrung ſeiner Mutter Erde, wodurch ſich, wenn er niedergeworfen wurde, ſeine Kraft nur verdoppelte.

Herkules Arme aber faßten ihn um den Leib, und hielten ihn in den Luͤften ſchwebend, bis er von des Helden Kraft erdruͤckt, ſeinen Geiſt aushauchte. In dieſer Stellung, wie er den Rieſen Antaͤus erdruͤckt, findet man auf den Denkmaͤlern der Alten den Herkules zum oͤftern dargeſtellt.

Buſiris war ein grauſamer Koͤnig in Aegyp - ten, der nebſt ſeinen beiden Soͤhnen alle Gewalt - thaͤtigkeit an Fremden veruͤbte, denen er auf - lauern ließ, und wenn er ſie fing, ermordete. Dem Herkules, der dieſes Weges zog, war ein aͤhnliches Schickſal zugedacht, allein er erſchlug den Buſiris mit ſeinen Soͤhnen, und machte auch dieſe Straße fuͤr den Wanderer ſicher.

Als Herkules mit den Rindern des Geryon, die er von den entfernten Ufern des Oceans nach Griechenland brachte, bis in die Gegend des nach - maligen Roms, beim Tiberfluß am Aventiniſchen Berge gekommen war, ſchlummerte er bei ſeinenQ242Heerden ein; und aus ſeiner Hoͤhle am Aventi - niſchen Berge kam der ungeheure flammenſpeiende Kakus, deſſen beſtaͤndiges Geſchaͤft es war, die Fremden zu berauben.

Dieſer zog von den Ochſen einen nach dem andern bei den Schwaͤnzen in ſeine Hoͤhle, um durch die entgegengeſetzte Spur den Suchenden zu taͤuſchen. Als Herkules nun erwachte, und die geraubten Ochſen vermißte, verleitete ihn, da er ſie ſuchen wollte, die falſche Spur, und ſchon wollte er weiter ziehen, als er das Gebruͤll ſeiner Ochſen, aus des Kakus Hoͤhle vernahm, mit dem er ſich nun in Kampf einließ, ihm bald ſeinen Raub abjagte, und mit ſeiner Keule ihn zu Bo - den ſchlug.

Hier war es, wo Karmenta, die Mutter des Evander, der damals dieſe Gegend beherrſch - te, dem Herkules ſeine Gottheit prophezeihte, und wo noch bei ſeinem Leben der erſte Altar ihm errichtet ward. Auf antiken geſchnittenen Stei - nen findet man mehrmals den Herkules abgebil - det, wie er bei ſeinen Heerden ſchlummert, indeß Kakus die Ochſen ruͤckwaͤrts in ſeine Hoͤhle zieht.

Die Befreiung der Alceſte aus der Unterwelt.

Herkules, welcher die Tyrannen vertilgte, die gegen die Fremden grauſam waren, belohnte243 auch auf eine edle Weiſe die gaſtfreundliche Auf - nahme, die er beim Koͤnig Admetus fand.

Dieſer Admet war mit der Alceſte, einer Tochter des Pelias vermaͤhlt. Er wurde krank, und konnte, nach dem Ausſpruch des Orakels, nicht anders ſein Leben friſten, als wenn jemand freiwillig fuͤr ihn ſich dem Tode weihte.

Alceſte weihte ſich heimlich den Goͤttern zum Todesopfer fuͤr ihren Gemahl; ſie wurde krank, und die Geneſung des Admet hielt nun mit ihrer zunehmenden Krankheit gleichen Schritt. Sie war verſchieden, da Herkules beim Admet als Gaſt einkehrte.

Das Gaſtrecht war dem Admet ſo heilig, daß er dem Herkules anfaͤnglich ſeine Trauer ver - ſchwieg. Als dieſer aber den Tod der Alceſte vernahm, verſprach er ſeinem Gaſtfreunde, das ge - liebte Weib, es koſte auch was es wolle, ihm aus dem Orkus zuruͤckzufuͤhren.

Und nun umfaßte Herkules den Tod mit ſtarken Armen, und hielt ihn feſt, bis er die Gattin ſeines Freundes ihm wiedergab, und ſich die Trauer nun in neue hochzeitliche Freude und ſuͤße Geſpraͤche verwandelte.

Q 2244

Die Befreiung des Prometheus von ſeinen Qualen.

In dem Herkules war die Menſchheit gleich - ſam bis zu dem Gipfel ihrer Groͤße emporgeſtiegen. Und auch der Duldung des Prometheus, an deſ - ſen Leber noch immer der Geier nagte, war nun ihr Ziel geſetzt.

Jupiter willigte ſelber in die Befreiung des Prometheus ein, nachdem ihm dieſer zum Loͤſe - gelde die lange verborgene Weißagung offenbart hatte: Thetis wuͤrde einen Sohn gebaͤhren, der wuͤrde maͤchtiger, als ſein Vater ſeyn.

Da nun Jupiter ſchon entſchloſſen war, die Thetis zu umarmen, ſo drohte ihm, ohne die War - nung des Prometheus, das Ende ſeiner Macht, deren Beſitz er nun aufs neue, dem von ihm ſo hart gequaͤlten Bilder der Menſchen dankte. Nun ſpannte der Sohn des Donnergottes den Bogen, und erſchoß den Geier, der dem Pro - metheus die Leber nagte. Die Bande des an den Felſen Geſchmiedeten fielen ab.

Die Aufrichtung der Saͤulen an der Meerenge zwiſchen Europa und Afrika.

Die Dichtungen von den Thaten des Herku - les werden am Ende ganz koloſſal, und verlieren245 ſich in dem Begriff einer Kraft, der Goͤtter und Menſchen nicht widerſtehen koͤnnen, und die das Unmoͤgliche moͤglich macht.

Als Apollo einſt ſich weigerte, dem Herkules wahr zu ſagen, ſo nahm er den goldnen Dreifuß weg, bis jener ſein Verlangen erfuͤllte. Die Goͤtter im Olymp beklagen ſich uͤber ihn, daß er einſt ſelbſt die Juno verwundet, und den Pluto mit ſeinen Pfeilen nicht verſchont habe.

Als auf ſeiner Fahrt nach Weſten die Sonne ihm zu heiß ſchien, ſo ſpannte er ſeinen Bogen, und ſchoß nach dem Lenker des Sonnenwagens, der durch ein großes goldnes Trinkgefaͤß ihn zu verſoͤhnen ſuchte. Auch mit dem Neptun, da dieſer einen Sturm ſchickte, nahm es Herkules auf, und ſchoß ſeine Pfeile auf ihn ab. Dieſer, um ihn zu beſaͤnftigen, ließ ſchnell die Sturmwinde ſchweigen, und ließ die Wellen das goldne Trink - gefaͤß emportragen, deſſen ſich Herkules wegen ſei - ner Groͤße zugleich ſtatt eines Fahrzeuges auf dem Meere bediente, ohne zu fuͤrchten, daß es unter - ſaͤnke, da ſelbſt der Koͤnig der Gewaͤſſer und die Waſſerwogen ihm unterthaͤnig waren.

Da er nun auf ſeinem Zuge nach Weſten an das aͤußerſte Ende der Erde kam, durchbrach er die Erdenge zwiſchen Europa und Afrika, und ver - einte das Weltmeer mit dem mittellaͤndiſchen Meere.

246

Da richtete er an der Meerenge, zum Anden - ken ſeiner vollbrachten Thaten, und um das Ziel ſei - ner Reiſen zu bezeichnen, auf den gegen einander uͤber liegenden Bergen Kalpe und Abyla zwei Saͤulen auf; zu deren Andenken die Nachwelt jene beiden Berge ſelber die Saͤulen des Her - kules nannte.

Die Einbildungskraft konnte in dieſer Dich - tung ſich nicht hoͤher ſchwingen; denn erſt da, wo nach der Vorſtellungsart der Alten, der Erdkreis ſelbſt ſich endigt, und die Sonne ins Meer ſinkt, war das Ziel der maͤchtigen Heldenlaufbahn. Nur noch ein Zug wurde hinzugeſetzt: Der, wel - cher den Prometheus befreiete, half auch auf eine Weile, dem Atlas den Himmel tragen, und nahm die ewig druͤckende Laſt von Japets Sohn auf ſeine Schultern, um jenem eine kleine Zeit Er - leichterung zu verſchaffen. So findet man auch auf alten Denkmaͤlern den Herkules abgebildet, den Himmelsglobus auf den Schultern tragend.

Die Vermaͤhlungen des Herkules und ſeine Vergehungen und Schwaͤchen.

Dieß ſind nun außer den zwoͤlf Arbeiten des Herkules ſeine vorzuͤglichſten Thaten. Die Dich - tungen ſchreiben ihm noch viel mehrere zu, weil alles, wozu Standhaftigkeit, Heldenmuth und247 Staͤrke gehoͤrte, ſich gerne an dieſen Nahmen knuͤpfte, der einmal alles Goͤttliche in ſich faßte, was durch die Koͤrperkraft ſich offenbart.

Wenn aber bei irgend einer Goͤtter - oder Heldengeſtalt der Begriff der Macht und Staͤrke uͤber alles andre uͤberwiegend iſt, ſo iſt dies beim Herkules der Fall, der gleichſam die aus ihrem er - ſten Schlummer erwachte Menſchheit, im Gefuͤhl ihrer ganzen Kraft, ohne muͤßiges Denken, in ſich abbildet; immer raſtloß irgend ein Ziel verfol - gend, unbekuͤmmert, was um ihn her ſteht oder faͤllt.

Der Begriff von einem Helden, war in der Vorſtellungsart der Alten, mit dem Begriff von einem Weiſen, gemeiniglich nicht verknuͤpft. Selbſt beim Ulyſſes geht die Weisheit in Verſchla - genheit uͤber, und bei dem weiſen Neſtor iſt durch das Alter die Heldenkraft ſchon gelaͤhmt. Bei den Helden findet ſich immer viel Licht und Schat - ten, und Herkules ſelbſt muß noch mit manchen Schwaͤchen fuͤr ſeine Heldenſtaͤrke buͤßen.

In ſeinen Vermaͤhlungen, und in ſeinen Aus - ſchweifungen in der Liebe fand Herkules ſein Un - gluͤck, und zuletzt einen qualenvollen Tod, welcher demohngeachtet der Uebergang zur Unſterblichkeit fuͤr ihn war.

Zuerſt vermaͤhlte Kreon, Thebens Fuͤrſt, ihm ſeine Tochter Megara, zur Dankbarkeit fuͤr einen248 wichtigen Dienſt, den Herkules ihm geleiſtet, wel - cher durch ſeine Tapferkeit die Stadt von einem laͤſtigen Tribut befreite, den ſie den Orchomeni - ern zahlen mußten.

Nachdem er nun acht Kinder mit der Megara erzeugt hatte, verſetzte Juno ihn in eine raſende Wuth, worin er Mutter und Kinder erſchlug, deren abgeſchiedenen Seelen man nachher in The - ben jaͤhrlich Todtenopfer brachte.

Um dieſe ſchreckliche, obgleich unverſchuldete That, zu buͤßen, unterzog ſich Herkules deſto frei - williger den Arbeiten, die ihm Euryſtheus anbe - fahl, bis, nahe an der Vollendung ſeiner Tha - ten, eine neue Liebe ihn feſſelte, und er ſich, ohn - geachtet des tragiſchen Ausganges ſeiner erſten Ehe, zum zweitenmal vermaͤhlte.

Er kam nehmlich auf einem ſeiner Zuͤge nach Kalydon zum Koͤnig Oeneus, und ſahe deſſen ſchoͤne Tochter Dejanira, welche dem Flußgott Achelous ſchon verlobt war. Mit dieſem ließ ſich Herkules in einen Zweikampf ein, und da er ihn uͤberwunden hatte, war Dejanira der Preis des Sieges.

Als nun Herkules auf ſeiner Reiſe mit der Dejanira an den Fluß Evenus kam, an deſſen Geſtade der Centaur Neſſus ſeine Wohnung hat - te, ſo trug er dieſem auf, die Dejantra auf ſeinem Ruͤcken durch den Strom zu tragen.

249

Neſſus wollte dieſe Gelegenheit nutzen, um die Vermaͤhlte des Herkules zu entfuͤhren; als dieſe aber um Huͤlfe ſchrie, ſpannte Herkules ſchnell den Bogen, und durchſchoß den Centaur mit einem in das Blut der Lernaͤiſchen Schlange ge - tauchten Pfeil. Neſſus gab ſterbend der Dejanira eine Hand voll von ſeinem Blute, als ein koſtba - res Geſchenk, in eine Flaſche, und verhieß ihr, daß ſie durch dies Mittel auf immer des Herkules Zuneigung ſich verſichern, und jede fremde Liebe aus ſeiner Bruſt verſcheuchen koͤnne, wenn ſie der - einſt ein dicht am Leibe anliegendes Gewand mit dieſem Blute beſtriche, und es dem Herkules, um es anzulegen, ſchickte.

Herkules, der nun wieder auf Thaten aus - gieng, entfernte ſich von Zeit zu Zeit von der Dejanira. Einſt blieb er lange, ohne daß Deja - nira etwas von ihm vernahm. Ihn feſſelte eine neue Liebe, die ihn mehr als alle ſeine uͤberſtan - denen Gefahren darniederbeugte, weil ſie ihn zu einer ungerechten That verleitete.

Als Herkules nehmlich auf einem ſeiner letz - ten Zuͤge nach Euboaͤ kam, erblickte er Jolen, die Tochter des Eurytus, der uͤber Oechalien herrſchte. Er ward von Jolens Reitzen ſchnell beſiegt, und warb um ſie bei ihrem Vater. Als dieſer ſein Verlangen abſchlug, verließ er zuͤrnend und auf Rache denkend die Wohnung ſei - nes Gaſtfreundes.

250

Und als bald darauf Iphitus, des Eury - tus Sohn, beim Herkules ſeine entlaufenen Stut - ten ſuchte, fuͤhrte ihn dieſer, der ſelber die Stut - ten bei ſich verbarg, auf einen Huͤgel, und ſtuͤrzte den Sohn ſeines Gaſtfreundes, ehe dieſer ſichs verſahe, vom jaͤhen Felſen herab.

Durch dieſe That befleckte Herkules ſeinen Ruhm, und mußte auch auf den Befehl der Goͤt - ter auf eine ſchaͤndliche Weiſe dafuͤr buͤßen. Er mußte ſich der wolluͤſtigen Koͤnigin Omphale in Lydien zum Sklaven verkaufen laſſen, und weib - liche Geſchaͤfte auf ihren Befehl verrichten.

Hier ſtellt die bildende Kunſt Omphalen mit der Loͤwenhaut umgeben, und mit der Keule in der Hand, den Herkules aber in Weiberkleidern am Rocken ſpinnend dar. Der Held, der ſeine Laufbahn nun vollendet hatte, mußte vor ſeiner Vergoͤtterung noch das Loos der Sterblichkeit em - pfinden, und ſo tief von ſeiner Groͤße ſinken, als hoch er geſtiegen war.

Allein die beſtimmte Zeit dieſer Dienſtbarkeit verfloß; und nun ruͤſtete Herkules ſich gegen den Eurytus, der ſeine Tochter Jole ihm verſagt hatte. Mit ſtuͤrmender Hand eroberte er die Stadt Oechelia und zerſtoͤrte ſie; erſchlug den Eu - rytus ſelber; nahm Jolen gefangen, und ſchickte ſie als eine Sklavin ſeiner eigenen Gemahlin De - janira zu.

251

Dejanira nahm die Jole guͤtig auf. Als ſie aber durch das Geruͤcht vernahm, daß eben dieſe Gefangene ihre Nebenbuhlerin ſey; da glaub - te ſie, daß es Zeit waͤre, von dem Geſchenk des Neſſus Gebrauch zu machen, wodurch die Liebe des Herkules ihr verſichert, und jede fremde Zu - neigung aus ſeiner Bruſt verſcheucht wuͤrde.

Sie nahm des todten Neſſus langverwahrtes Blut, und faͤrbte damit ein koͤſtliches Unterkleid, das ſie dem Herkules durch den Lichas verſiegelt entgegenſchickte, mit der Bitte, es nicht eher zu tragen, als bis er ſich an einem Opfer - tage ſchoͤn geſchmuͤckt, den Goͤttern damit gezeigt habe.

Des Herkules letzte Duldung und ſeine Vergoͤtterung.

Schon lange hatte ein Orakelſpruch dem Her - kules geweißagt, daß er den Tod von keinem Lebenden, ſondern nur von einem Todten befuͤrch - ten duͤrfe. Dieſe Prophezeihung war nun ihrer Erfuͤllung nahe.

Auf dem Vorgebirge Cenaͤum von Euboaͤ, errichtete Herkules, nach dem Siege uͤber den Eurytus, dem Jupiter Altaͤre, und war die Opferthiere zu ſchlachten im Begriff, als Lichas ihm das Geſchenk der Dejanira uͤberbrachte.

252

Herkules freute ſich des Geſchenks, und zog ſogleich das Kleid als einen feſtlichen Schmuck zum Opfer an; brachte nun eine Hekatombe den Goͤttern dar, und ließ die Flamme von den Altaͤ - ren gen Himmel lodern; als ploͤtzlich das Gewand wie angeleimt an ſeinem Koͤrper klebte, und Zu - ckungen durch alle ſeine Glieder fuhren. Es war das Gift der Hydra, die er ſelbſt erlegt hatte, das nun ſein Innerſtes verzehrte.

Er rief dem ungluͤcklichen Lichas, der ihm das Kleid gebracht, und ſchleuderte ihn, da der Schmerz in ſeinem Eingeweide wuͤthete an einen Felſen, an welchem ſein Schaͤdel zerſchmettert ward. Mitten in ſeinen Qualen ließ Herkules ſich nach Trachina bringen. Kaum aber hatte Dejanira die Wuͤrkung ihres Geſchenks vernom - men, ſo gab ſie verzweiflungsvoll ſich ſelbſt den Tod.

Hyllus, ein Sohn des Herkules, den er mit der Dejanira erzeugte, ſtand ihm in ſeinen Qualen bei, und brachte auf ſeinen Befehl ihn auf den Berg Oeta, wo Herkules auf dem lodern - den Scheiterhaufen ſeine Leiden durch einen frei - willigen Tod zu enden beſchloſſen hatte, indem er zugleich dem Hyllus ſeine geliebte Jole empfahl, und Pfeile und Bogen ſeinem treuen Gefaͤhrten, dem Philoktet, des Paͤas Sohn, zum Erbtheil hinterließ.

[figure]
253

Als Herkules nun den Scheiterhaufen beſtie - gen hatte, und die lodernde Flamme ihn umgab, da heiterte ſich ſein Antlitz auf; Er hatte die Leiden der Menſchheit ausgeduldet, und ihre Schwaͤchen abgebuͤßt; die ſterbliche, den Schmerzen unterworfene Huͤlle fiel von ihm ab; ſein Schattenbild ſank nur zum Orkus nieder; ſein eigenes Selbſt ſtieg in die Ver - ſammlung der Goͤtter zum Olymp empor. Juno war verſoͤhnt, und Hebe, die Goͤttin der ewigen Jugend, ward nach des Schickſals Schluß, dem neuen Gott vermaͤhlt.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befinden ſich nur zwei Abbildungen vom Herkules. Die erſte, nach einem antiken geſchnittenen Steine, ſtellt ihn als Juͤngling dar, wie er den Nemaͤi - ſchen Loͤwen erdruͤckt; die andre, ebenfalls nach einer antiken Gemme, wie er nach vollendeter Laufbahn, von ſeiner vollbrachten Arbeit ausruht.

Kaſtor und Pollux.

Oebalus, ein Koͤnig in Lacedemon, aus einem Zweige vom alten Stamme des Inachus entſproſſen, erzeugte den Tyndareus, der ihm in der Regierung folgte, und mit der Leda, einer Tochter des Theſtius ſich vermaͤhlte.

254

Die Schoͤnheit der Leda zog den Jupiter von ſeinem Sitz herab; er ſenkte ſich an den Ufern des Eurotas in der Geſtalt eines Schwans zu ihr hernieder, oder nahm vielmehr ſeine Zuflucht in ihrem Schooße, indem die Venus in der Geſtalt eines Adlers ihn verfolgte.

Leda, die zugleich vom Jupiter und vom Tyndareus ſchwanger war, gebahr zwei Eier, wo - von das eine den Kaſtor und Pollux, das andre die Klytemneſtra und Helena in ſich einſchloß.

Von den Kindern der Leda, die aus den Eiern hervorgingen, waren Pollux und Helena aus Jupiters Umarmung, Kaſtor und Klytem - neſtra aber vom Tyndareus erzeugt. Unſterblich waren Pollux und Helena, Kaſtor und Klytem - neſtra aber ſterblich.

Ohngeachtet der Verſchiedenheit ihrer Abſtam - mung waren Kaſtor und Pollux unzertrennlich. Beide waren tapfer und heldenmuͤthig; und beide waren in edler Leibesuͤbung geſchickt; Kaſtor vor - zuͤglich in der Kunſt zu reiten und Pferde zu baͤn - digen; Pollux in der Kunſt zu ringen.

Kaſtor und Pollux waren auch die Zeitgenoſ - ſen der beruͤhmteſten Helden, und begleiteten die Argonauten auf ihrer Fahrt nach Colchis, wo Pollux unterwegens den Amykus, einen Sohn Neptuns, der jeden Fremden zum Gefecht mit255 Streitkolben hohnſprechend aufzufordern pflegte, im Zweikampf ſchlug.

Auch ſahe man einſt auf dieſer Fahrt, bei ei - nem ſchrecklichen Sturme, zwei Flammen uͤber den Haͤuptern des Kaſtor und Pollux lodern, als der Sturm ſich legte; worauf man dieſe beiden Feuer, ſo oft ſie nachher den Schiffern auf dem Meere im Sturm erſchienen, Kaſtor und Pollux nannte, und von ihnen Rettung und Huͤlfe ſich verſprach.

Ueberhaupt richtete man in den groͤßten Ge - fahren, ſowohl zu Waſſer als zu Lande, an den Kaſtor und Pollux ſein Gebet, welche man beide unter dem Nahmen der Dioskuren oder der Soͤhne des Jupiters, als den Nothleidenden zu jeder Zeit gewaͤrtige, huͤlfleiſtende Weſen, vor allen andern ehrte.

Da ſie von dem Argonautenzuge wiederkehr - ten, hatte Theſeus ihre Schweſter die Helena, welche nachher dem Paris folgte, entfuͤhrt, und ſie ſeiner Mutter Aethra in Aphidnaͤ zur Aufſicht uͤbergeben. Kaſtor und Pollux eroberten die Stadt, befreieten ihre Schweſter, und nahmen die Mutter des Theſeus als Gefangene mit; ver - uͤbten aber nicht die mindeſte Gewaltthaͤtigkeit in der Stadt noch in dem Attiſchen Gebiete. Dieſe ſchonende Großmuth war es, weswegen die Athenienſer ſie vorzuͤglich ehrten. Die ſcho -256 nende Guͤte, welche die Heldenthaten des Kaſtor und Pollux begleitete, floͤßte den Sterblichen das vorzuͤgliche Zutrauen ein, womit man ſie nachher als Rettung und Huͤlfe gewaͤhrende Goͤtter ehrte.

Aber auch die Treue, womit dieß unzertrenn - liche Paar ſich ſelber einander in Gefahren bei - ſtand, machte die goͤttergleichen Helden den Menſchen zum Gegenſtande der Lieb und des Ver - trauens, und iſt zugleich einer der ſchoͤnſten Zuͤge, welche die Dichtung in das glaͤnzende Zeitalter der Helden eingewebt hat.

Als nehmlich Kaſtor und Pollux um die Toͤch - ter des Leucippus, Phoͤbe und Ilaira, ſich be - warben, und erſt mit ihren Nebenbuhlern, den Soͤhnen des Aphareus, Idas und Lynceus, jeder um ſeine Geliebte kaͤmpfen mußten, wurde Lynceus zwar vom Kaſtor getoͤdtet, Kaſtor ſelber aber, der nicht unſterblich war, vom Idas uͤberwunden und erſchlagen.

Ob nun Pollux gleich den Tod ſeines Bruders an dem Idas raͤchte, ſo konnte er dennoch den Todten nicht wieder aufwecken; und flehte dem Jupiter, ihm ſelber das Leben zu nehmen, oder zu vergoͤnnen, daß er mit ſeinem Bruder ſeine Unſterblichkeit theilen duͤrfe.

Jupiter gewaͤhrte die Bitte, und Pollux ſtieg nun wechſelnd den einen Tag mit ſeinem Bru - der ins Schattenreich hinab, um ſich des andern

[figure]

257 Tages unter dem Antlitz des Himmels wieder mit ihm des Lebens zu erfreuen.

Dem Kaſtor und Pollux waren haͤufig Tem - pel und Altaͤre geweiht. Die Einbildungskraft ließ ſie zuweilen in großen Gefahren den Sterbli - chen erſcheinen. Dann waren es zwei Juͤng - linge auf weißen Pferden, in glaͤnzender Waffen - ruͤſtung, mit Flaͤmmchen oder Sternchen uͤber ihren Haͤuptern.

So wurden ſie gemeiniglich abgebildet, ent - weder nebeneinander reitend, oder nebeneinander ſtehend, und jeder ein Pferd am Zuͤgel haltend, mit geſenkten Lanzen, und Sternchen auf den Haͤuptern.

Auf dieſe letztre Art ſind ſie auch auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel nach einem antiken ge - ſchnittenen Steine abgebildet. Auf dieſer Kup - fertafel befinden ſich, ebenfalls im Umriß, nach einer antiken Gemme, die bloßen Koͤpfe des Ka - ſtor und Pollux mit den Sternchen daruͤber.

Jaſon.

Jaſon war aus dem Aeoliſchen Heldenſtamme entſproſſen, aber kein Goͤtterſohn; und Juno ſel - ber, welche die Soͤhne des Jupiter mit ihrem Haß verfolgte, nahm ihn in ihren Schutz.

R258

Aeolus, Deukalions Enkel, der in Theſ - ſalien herrſchte, erzeugte den Salmoneus, Si - ſyphus, Athamas, und Kretheus. Sal - monens wurde von Jupiters Blitz erſchlagen; Siſyphus mußte in der Unterwelt fuͤr ſeine Macht auf Erden buͤßen, und Athamas ſtarb in Raſerei.

Tyro, eine Tochter des Salmoneus, gebahr, ehe ſie vermaͤhlt wurde, von Neptuns Umar - mung den Pelias, und Neleus. Und da ſie mit ihres Vaters Bruder, dem Kretheus ſich ver - maͤhlte, gebahr ſie ihm den Aeſon, der ſeinem Vater in der Regierung folgte, und welcher Jaſon, den goͤttergleichen Helden, mit der Alcimede erzeugte.

Pelias aber, des Aeſons Bruder von muͤtter - licher Seite, beraubte dieſen ſeines Throns, ohne ihn demohngeachtet aus Jolkos zu verjagen, welches der Sitz der Koͤnige von Theſſalien war. Den Jaſon aber, da er kaum gebohren war, ſuchte Pelias als einen ihm gefaͤhrlichen Sproͤßling von Aeſons Hauſe, aus dem Wege zu raͤumen.

Aeſon und Alcimede, welche die Abſicht des Tyrannen merkten, ſtreuten aus, daß Jaſon krank, und bald darauf, daß er geſtorben ſey, indeß daß ſeine Mutter ihn auf den Berg Pelion zu dem weiſen Chiron brachte, welcher, obgleich in ungeheurer Geſtalt, halb Menſch halb Pferd, in jeder Wiſſenſchaft erfahren, ſich in ſeiner ein - ſamen Grotte der Erziehung der jungen Helden259 annahm; und unter deſſen Leitung auch Herkules ſeine edle Laufbahn antrat.

Als Jaſon zu den Juͤnglingsjahren gekommen war, und ſchon der maͤnnliche Muth in ſeiner Bruſt erwachte, gieng er, nach dem Ausſpruch des Orakels, mit der Haut des Leoparden uͤber ſeinen Schultern, und mit zwei Lanzen bewafnet, nach Jolkos an des Pelias Hof.

Dem Pelias aber war geweißagt, er ſolle vor dem ſich huͤten, der einſt mit einem Schuh, und mit dem andern Fuß entbloͤßt vor ihm erſcheinen wuͤrde. Als nun Jaſon auf dem Wege nach Jolkos uͤber den Fluß Anaurus zu gehen im Be - griff war, erſchien ihm Juno in der Geſtalt einer alten Frau, und bat, ſie uͤber den Fluß zu tra - gen. Als Jaſon ſie hinuͤbertrug, blieb ihm der eine Schuh im Schlamme ſtecken, und nun erſchien er alſo mit dem einen Fuße entbloͤßt in Jolkos vor dem Pallaſte des Pelias, der bei ſeinem An - blick mit Schrecken und Beſtuͤrzung an den Aus - ſpruch des Orakels dachte.

Auf die Frage, wer er ſey, forderte Jaſon nun vor allem Volke vom Peltas die Krone wie - der, die dieſer dem Aeſon, Jaſons Vater, un - rechtmaͤßiger Weiſe entriſſen hatte. Die Ein - kuͤnfte des Reichs ſollten dem Pelias dennoch blei - ben, nur der Oberherrſchaft ſolle er ſich begeben!

R 2260

Pelias, welcher bei dieſem Antrage in die Seele des jungen Helden blickte, zweifelte nicht, ihn durch den anſpornenden Reitz zu irgend einer ruhmvollen That fuͤr jetzt noch zu entfernen. Er ſtellte ſich, als ſey er bereit, die Krone nieder - zulegen, wenn nur die Manen des Phryxus, der auch vom Aeolus ſtammte, und in dem ent - fernten Kolchis ſeinen Tod fand, erſt verſoͤhnt, und das goldne Fließ, was jener dorthin ge - bracht, erſt wieder erbeutet waͤre.

Dieſer Phryxus, welcher in Kolchis ſtarb, war nehmlich ein Sohn des Athamas, und des Aeolus Enkel. Athamas, der in Boͤotien herrſchte, hatte mit der Nephele den Phryxus und die Helle erzeugt, nachher aber mit der Ino, des Kadmus Tochter, ſich vermaͤhlt, die jene bei - den Kinder des Athamas mit ſtiefmuͤtterlichem Haß verfolgte, und ihren Tod beſchloß.

Nephele erſchien ihren Kindern, und ent - deckte ihnen die Gefahr, worin ſie ſchwebten, Schlachtopfer von Inos Haß zu werden, wenn ſie nicht ſchnell die Flucht ergriffen, zu deren Be - foͤrderung ſchon ein Widder mit goldnem Fell bereit ſtand, der auf den Wink der Goͤtter den Phryxus und die Helle uͤber Laͤnder und Meere auf ſeinem Ruͤcken trug.

Die Fahrt ging gegen Morgen nach dem ent - fernten Kolchis, wo Aeetes, ein Sohn der Sonne261 herrſchte. Helle, die Schweſter des Phryxus aber ſank unterwegens in die Fluthen, und das Meer, wo ſie unterſank, wurde nach ihrem Nah - men der Helleſpont genannt.

Phryxus langte in Kolchis beim Aeetes an, wo er den Widder, der ihn trug, den Goͤttern zum Opfer brachte, und das goldne Fell des Wid - ders, oder goldne Fließ, als ein koſtbares Hei - ligthum, in einem geweihten Haine aufhing; er ſelber vermaͤhlte ſich mit der Tochter des Koͤnigs und ſtarb im fremden Lande.

Das goldne Fließ in Kolchis, wovon das Geruͤcht erſcholl, erweckte ſchon lange die Sehn - ſucht aller, die etwas Koͤſtliches zu erſtreben wuͤnſchten. Es war im fernen Oſten das, was in Weſten die goldnen Aepfel der Heſperiden wa - ren; man dachte ſich darunter etwas, das der groͤßten Muͤhe, Anſtrengung und Gefahren werth ſey. So wie denn uͤberhaupt bei den Alten das Bild vom Widder und vom hochwolligten Wid - derfell vorzuͤglich den Begriff des Reichthums in ſich faßte, wodurch denn auch die Dichtung von dem goldnen Fließ, in ſo fern man ſich darunter Reichthum und Schaͤtze dachte, natuͤrlich veran - laßt wurde.

Das Wunderbare aber, und die weite Ent - fernung lockte am meiſten den Muth der Helden an; und Jaſon hatte kaum des Pelias Wort ver -262 nommen, ſo war auch ſchon ſein Muth zur ruͤhm - lichen That entflammt, er verpflichtete ſich das goldne Fließ zu hohlen, und zu Gefaͤhrten der kuͤhnen Unternehmung lud er Griechenlands be - ruͤhmteſte Helden ein.

Die Fahrt der Argonauten.

Zu der Fahrt nach Kolchis wurde aus Fichten vom Berge Pelion ein Schiff erbaut, das groͤßer als alle bisherigen, und dennoch leicht zum Segeln war; weswegen man es Argo, die Schnellſegelnde, nannte, und diejenigen, welche darauf nach Kol - chis ſchifften, die Argonauten hießen.

Aus dem Walde zu Dodona, wo die Eichen wahrſagten, war der Maſt genommen; und man betrachtete nun die Argo gleichſam als ein beſeel - tes, mit dem Schickſal einverſtandenes Weſen, dem man ſich deſto ſicherer anvertrauete. Die folgenden Nahmen glaͤnzten vorzuͤglich unter der Zahl der Helden, die den Jaſon begleiteten:

  • Herkules;
  • Kaſtor und Pollux;
  • Kalais und Zetes, die Soͤhne des Boreas;
  • Peleus, der Vater des Achilles;
  • Admet, der Gemahl der Alceſte;
  • Neleus, der Vater des Neſtor;
263
  • Meleager;
  • Oroheus;
  • Telamon, der Vater des Ajax;
  • Menoͤtius, der Vater des Patroklus;
  • Lynceus, der Sohn des Aphareus;
  • Theſeus;
  • Pirithous.

Die Vaͤter der beruͤhmteſten Helden, die im Trojaniſchen Kriege glaͤnzten, ſind auf der Fahrt nach Kolchis zum Theil noch ſelbſt in bluͤhender Jugend. Ein Heldengeſchlecht geht hier voran, um mit vereinten Kraͤften einen koſtbaren Schatz den Haͤnden der Barbaren zu entreißen; ſo wie nachher das zweite Heldengeſchlecht vereint durch Trojas Zerſtoͤrung den Raub der Schoͤnheit raͤchte.

Bei guͤnſtigem Winde ſegelt nun die Argo aus dem Hafen von Jolkos in Theſſalien ab. Orpheus ſchlug die Harfe, und ſein Geſang be - lebte den Muth bei drohenden Gefahren; des Lynceus ſcharfer Blick durchdrang die fernſte Ge - gend, und der ſchiffahrtskundige Tiphys lenkte mit weiſer Hand das Steuerruder.

Die Fahrt der Argonauten war eine zeitlang gluͤcklich von ſtatten gegangen, als ſich ploͤtzlich ein Sturm erhub, der ſie noͤthigte, in den Hafen von Lemnos einzulaufen. Merkwuͤrdig iſt es,264 daß einige der Helden bei dieſem Sturm gelobten, ſich in die Samothraciſchen Geheimniſſe einwei - hen zu laſſen; eben ſo wie Herkules, da er zu der gefahrvollſten Unternehmung in die Unterwelt hinabſtieg, ſich erſt in die Eleuſiniſchen Geheimniſſe einweihen ließ.

In Lemnos drohte den Argonauten eine groͤßre Gefahr, als ſelbſt der Sturm war, der ſie dort - hin verſchlug. Die Schoͤnheit und die Liebkoſun - gen der Lemnierinnen feſſelten die Helden, und verweilten ihre Fahrt nach Kolchis auf eine gerau - me Zeit.

Kurz vor der Ankunft der Argonauten hatten nehmlich die Einwohnerinnen von Lemnos alle Maͤnner auf ihrer Inſel ermordet; nur Hypſi - pyle hatte ihrem Vater, dem Koͤnige Thoas, das Leben erhalten. Der Zorn der Venus gegen die Lemnierinnen, welche die maͤchtige Goͤttin nicht gnug verehrten, veranlaßte dieſe ſchreckliche That.

Die zuͤrnende Goͤttin floͤßte den Maͤnnern von Lemnos, welche mit den Thraciern Krieg fuͤhrten, eine unuͤberwindliche Abneigung gegen ihre Weiber ein, ſtatt deren ſie ſich Thraciſche Sklavinnen zu Beiſchlaͤferinnen waͤhlten; welche Schmach die Weiber von Lemnos nicht ertrugen, ſondern alle ihre Maͤnner, die nicht in Thracien zuruͤckgeblie - ben waren, in einer Nacht im Schlafe ermor - deten.

265

Als nun die Argonauten in Lemnos landen wollten, ſo widerſetzten ſich ihnen zuerſt die Wei - ber, weil ſie glaubten, es waͤren ihre aus Thra - cien ruͤckkehrende Maͤnner, welche den Tod der Ermordeten raͤchen wollten. Sobald ſie aber ihren Irrthum einſahen, nahmen ſie die Fremden mit offnen Armen auf, welche nun zwei Jahr auf dieſer Inſel blieben, wo Jaſon mit der Hypſipyle zwei Soͤhne, den Thoas und den Euneus er - zeugte.

Von Lemnos ſegelten die Argonauten nach Samothracien, wo die Einweihung in die Ge - heimniſſe den Helden zu ihrer gefahrvollen Unter - nehmung neuen Muth gab. Als ſie bei Troas landeten, wurden ſie von dem Herkules, der den Hylas ſuchte, und von dem Telamon, dem Ge - faͤhrten des Herkules, verlaſſen.

Am Fuße des Dindymus lag die Stadt Zyzikus, in welcher ein Koͤnig gleiches Nahmens herrſchte, der die Argonauten, als ſie hier lande - ten, guͤtig aufnahm, und mit Geſchenken ſie ent - ließ. Da nun in der Nacht ein Sturm das Schiff wieder in den Hafen trieb, hielt Cycikus aus Irr - thum die Landenden fuͤr Feinde, und wurde, da er ſie angriff, von Jaſon im Gefecht erſchlagen, der zur Ausſoͤhnung dieſer, obgleich unvorſetzlichen That, der Mutter der Goͤtter auf dem Berge Dindy - mus Opfer brachte, und ihr einen Tempel baute.

266

Die Argonauten, welche immer nach Oſten zu ihren Lauf richteten, landeten nun in Bebry - cien an, wo Amykus herrſchte, der zum Gefecht mit Streitkolben jeden Fremden aufforderte, und welchen Pollux im Zweikampf uͤberwand.

Auf ihrer weitern Fahrt von hier wurden die kuͤhnen Schiffer durch einen Sturm an die Kuͤſte von Thracien verſchlagen, und landeten zu Sal - mydeſſa, wo der von den Goͤttern beſtrafte wahr - ſagende und blinde Phineus herrſchte, den un - aufhoͤrlich die Harpyen, die Toͤchter des Thau - mas quaͤlten, deren unter den Erzeugungen der alten Goͤtter ſchon gedacht iſt.

Phineus war mit einer Tochter des Boreas vermaͤhlt, mit welcher er zwei Soͤhne erzeugte, die er dem ſtiefmuͤtterlichen Haß ſeiner zweiten Gemahlin Idea Preis gab, auf deren Anſtiften und Verlaͤumdung er ſie des Augenlichts beraubte, und nun durch ſeine eigene Blindheit fuͤr dieß Ver - brechen buͤßte, indeß die wahrſagenden Harpyen, Celaͤno, Aello, und Ocypete, welche ein jung - fraͤuliches Autlitz hatten, und uͤbrigens graͤßlichen Raubvoͤgeln gleich geſtaltet waren, dem Phineus alle Speiſe, die er genießen wollte, entriſſen oder beſudelten.

Phineus, der in die Zukunft blickte, gab den Argonauten weiſe Rathſchlaͤge zur Fortſetzung ihrer Reiſe, und einen Wegweiſer durch die Cyanei -267 ſchen Felſen, oder Symplegaden, deren Durch - fahrt den Argonauten nun bevorſtand.

Kalais und Zetes, die Soͤhne des Boreas, welche befluͤgelt waren, verjagten zur Dankbar - keit die Harpyen von des Phineus Tiſche, und verfolgten ſie bis an die Strophadiſchen Inſeln, wo ſie auf den Befehl der Goͤtter von ihrer Ver - folgung abließen, und zu den Argonauten wieder zuruͤckkehrten; von welcher Ruͤckkehr auch jene Inſeln bei den Alten ihren Nahmen fuͤhrten.

Die Cyaneen oder Symplegaden, durch welche die Argonauten nun ſchiffen mußten, wa - ren zwei Felſen, die am Eingange des ſchwarzen Meeres einander gegenuͤber lagen, und nach den verſchiedenen Richtungen, worin man ſich ihnen naͤherte, durch einen optiſchen Betrug, ſich bald zu oͤfnen, und bald zu ſchließen ſchienen, wo - her die alte Dichtung entſtand, daß dieſe Felſen beweglich waͤren, und ſich wirklich ſo wie Schee - ren auf und zuthaͤten, welches den Durchgang der Schiffe durch dieſelben aͤußerſt gefahrvoll machte. Sehr natuͤrlich iſt daher auch die Dichtung, daß, ſeitdem die Argonauten die Durchfahrt einmal ge - wagt hatten, und alſo der optiſche Betrug ent - deckt war, Neptun dieſe Felſen befeſtigt habe.

Nach gluͤcklich vollendeter Durchfahrt durch die Symplegaden, ward nun in dem Gebiet des Lykus angelandet, welcher, von Geburt ein268 Grieche, die Fremdlinge aus ſeinem Vaterlande mit offnem Arm aufnahm. Hier ſtarb Tiphys, der Steuermann der Argo, an deſſen Stelle An - caͤus trat; worauf die weitere Fahrt nach Kolchis vor ſich gieng, wo endlich die geweihte Argo, nachdem ſie lange das Meer durchſchnitten, und manchen Sturm erlitten hatte, an das gewuͤnſchte Ufer ſtieß.

Allein hier war es, wo die groͤßte Gefahr dem Jaſon drohte, wogegen ihn aber auch ſchon im Voraus die Gunſt der Goͤtter ſchuͤtzte.

Aeetes nahm die Argonauten nicht unfreund - lich auf; ſchrieb aber dem Jaſon, der das goldne Fließ begehrte, ſolche Bedingungen vor, deren Erfuͤllung er ſelbſt fuͤr unmoͤglich hielt; weil unter den Gefahren, die er ausgedacht, der kuͤhnſte Held nothwendig erliegen mußte!

Zuerſt ſollte Jaſon, um den Beſitz des gold - nen Fließes ſich zu erwerben, zwei flammenath - mende, dem Vulkan geweihte Stiere an einen diamantnen Pflugſchaar ſpannen, und reißen da - mit vier Morgen eines noch nie gepfluͤgten, dem Mars geweihten Feldes auf.

Dann ſollte er den Reſt der Drachenzaͤhne des Kadmus, welche Aeetes beſaß, in die ge - pfluͤgten Furchen ſaͤen, und die geharniſchten Maͤn - ner, die aus der furchtbaren Saat erwachſen wuͤr - den, alle bis auf einen toͤdten; und wenn er das269 gethan, den Drachen, der das goldne Fließ be - wachte, bekaͤmpfen und erlegen.

Medea, eine Tochter des Aeetes, maͤchtig in Zauberkuͤnſten, hatte kaum den Jaſon erblickt, als durch den Einfluß und die Veranſtaltung der Goͤtter, die den Helden ſchuͤtzten, eine zaͤrtliche Neigung gegen ihn, ſich in ihrem Buſen regte, die bald bis zur heftigſten Flamme der Leidenſchaft emporſchoß.

Beim Tempel der Hekate, die maͤchtige Goͤt - tin anzuflehen, begegneten ſich Jaſon und Medea. Medea entdeckte dem Jaſon ihre Liebe, und wenn er ihr Treue ſchwuͤre, verſprach ſie, in den Gefah - ren, die ihm drohten, ihm maͤchtig beizuſtehen, und ihm zu helfen, ſein glorreiches Unternehmen ſicher zu vollfuͤhren.

Jaſon ſchwur ihr Treue; Medea erwiederte den Schwur, und machte durch ihre Zauberkraft den Helden unuͤberwindlich, ſie gab ihm einen Stein, um ihn unter die aufkeimende Saat der geharniſchten Maͤnner hinzuſchleudern, und gab ihm Kraͤuter und einen Trank, den Drachen ein - zuſchlaͤfern.

Als Jaſon mit ſeinen Gefaͤhrten nun am an - dern Tage, in Gegenwart des Koͤnigs und des Volks auf dem Felde des Mars erſchien, und man nun im Begriff war, zuerſt die flammenathmen -270 den Stiere loßzulaſſen, ſtand alles ſtumm und ſchweigend auf den Ausgang harrend.

Wild und ſchnaubend ſtuͤrzten die Stiere auf den Helden loß, allein die Zauberkraft, womit Medea ihn begabt hatte, machte ſie ploͤtzlich zahm; ſie beugten willig ihren Nacken unter das Joch, indem ſie Jaſon an den Pflug ſpannte, und auf dem Felde des Mars die Furchen zog, worin er die Zaͤhne des Drachen ſaͤte.

Als nun ploͤtzlich die Saat der geharniſchten Maͤnner aus dem Boden keimte, die alle ihre Schwerdter gegen den Jaſon kehrten, ſo warf dieſer in ihre Mitte den bezaubernden Kieſelſtein, der ihre Herzen verhaͤrtete, daß ſie mit wechſelſei - tiger Wuth ſich ſelbſt aufrieben, und mit ihren todten Koͤrpern den Boden deckten, woraus ſie kaum erſt entſproſſen waren.

Ehe noch der Koͤnig und das Volk von ſeinem Erſtaunen ſich erhohlte, eilte Jaſon ſchon, den Drachen einzuſchlaͤfern; er toͤdtete das Ungeheuer, und triumphirend hielt ſeine Rechte das goldne Fließ empor. Siegreich kehrte er nun mit ſeinen Gefaͤhrten in ſein Schiff zuruͤck. Heimlich in naͤchtlicher Stille ihres Vaters Haus verlaſſend, um ihrem Geliebten nachzufolgen, begab ſich Medea auf das Schiff, das in der Nacht noch unter Segel ging.

271

Aeetes, welcher bald die Flucht ſeiner Tochter inne ward, verfolgte die ſchnellſegelnde Argo mit ſeinen Schiffen; als nun beim Ausfluß der Do - nau, Medea die nahen Segel ihres Vaters er - blickte, griff ſie zu einem verzweifelten und grau - ſamen Mittel, um ſich und ihren Geliebten aus der Gefahr zu retten.

Sie hatte ihren kleinen Bruder Abſyrtus, gleichſam als Geißel mitgenommen, und da ſie kein andres Rettungsmittel ſahe, toͤdtete und zerſtuͤckte ſie ihn; ſtellte Haupt und Haͤnde auf einem hohen Felſen aus, und ſtreuete die uͤbri - gen Glieder an dem Ufer hier und da umher, da - mit durch dieſen jammervollen Anblick, und bei dem Sammlen der Glieder ſeines Sohnes, der Vater ſich verweilte, und die Fliehenden zu ver - folgen abließe. Um dieſe Frevelthat zu bezeich - nen, wurden einige kleine Inſeln in dieſer Gegend nachher die Abſyrtiſchen genannt.

Die Argonauten, denen Phineus gerathen hatte, ſie ſollten durch einen andern Weg, als den, welchen ſie gekommen waͤren, in ihr Vater - land zuruͤckkehren, ſchifften nun die Donau hin - auf, und da ſie auf dieſem Fluſſe nicht weiter kommen konnten, laͤßt die Dichtung ſie das leicht - gebaute Schiff eine Strecke von vielen Meilen uͤber Berg und Thal, bis an den adriatiſchen Meerbuſen auf ihren Schultern tragen.

272

Als ſie ſich hier nun wieder einſchiften, ließ die Argo aus der Eiche des Dodoniſchen Waldes fol - genden Orakelſpruch ertoͤnen: daß ihnen die Ruͤck - kehr in ihr Vaterland nicht eher beſtimmt ſey, bis Jaſon und Medea erſt von dem Mord des Abſyr - tus loßgeſprochen, und durch die auferlegte Buͤßung ihr Verbrechen ausgeſoͤhnt ſey.

Um dieſer Ausſoͤhnung willen liefen ſie in den Hafen von Aeea, dem Aufenthalt der Circe, einer Tochter der Sonne, und Schweſter des Aeetes ein, die ſich aber weigerte, auf die Bitte des Jaſon und der Medea, den Mord des Abſyr - tus durch die gebraͤuchlichen Opfer auszuſoͤhnen, und ihnen verkuͤndigte, daß ſie nicht eher als auf dem Vorgebuͤrge Malea ihre Schuld wuͤrden til -〈…〉〈…〉 n koͤnnen.

Von hier ſchiften nun die Argonauten, un -[ter]dem Schutz der Juno, gluͤcklich durch die Scylla und Charybdis. Durch des Orpheus Ueberredung vermieden ſie die Gefahr, die ihnen von den Sirenen drohte, und kamen nun auf der Inſel der Phaͤacier an, wo ſie auf die Flotte der Kolchier trafen, die hier auf einem andern Wege den Fiehenden gerade entgegen kam, und die Medea, wenn ſie dem Jaſon noch nicht ver - maͤhlt waͤre, wieder zuruͤckverlangten.

Alcinous, der Koͤnig der Phaͤacier, ließ noch in derſelben Nacht den Jaſon und die Medea die273 Gebraͤuche der Vermaͤhlung feiern, und verkuͤn - digte dieſe Verbindung am andern Morgen den Abgeordneten von Kolchis, die nun mit ihrer Flotte wieder den Ruͤckweg nahmen.

Die Argonauten gingen nun wieder unter Segel, und ſuchten dem Vorgebuͤrge Malea ſich zu naͤhern, als ploͤtzlich ein Sturm ſie an die Lybi - ſchen Sandbaͤnke warf, wo ſie in einem der Seen ſich verwickelt ſahen, als ihnen ein Triton erſchien, der gegen das Geſchenk eines koͤſtlichen Dreifußes, den Jaſon im Schiffe mit ſich fuͤhrte, ihnen einen Weg zu zeigen verſprach, wo ſie der Gefahr entrinnen koͤnnten.

Jaſon ſchenkte den Dreifuß dem Triton, der ſich daran ergoͤtzte, und dem Euphemus, eine[r]von den Argonauten, deſſen Nachkommen uͤb〈…〉〈…〉 Lybien herrſchten, als ein bedeutendes Geſche〈…〉〈…〉 eine Erdſcholle gab; als dieſe Erdſcholle in der Folge ins Meer fiel, weißagte Medea dem Eu - phemus, daß ſeine Nachkommen nun noch nicht ſobald in Lybien herrſchen wuͤrden.

Endlich langte nun die Argo bei dem Vorge - buͤrge Malea an, wo nach der Circe Verheißung, Jaſon und Medea von dem Mord des Abſyrtus ausgeſoͤhnt, ſich nun das nahe Ende der langen Reiſe verſprechen durften. Ohne irgend einen neuen Unfall liefen die Argonauten gluͤcklich in den Hafen von Jolkos ein. Die Argo weihteS274Jaſon auf dem Corinthiſchen Iſthmus dem Neptun, und die folgenden Dichtungen laſſen ſie als ein leuchtendes Geſtirn am Himmel glaͤnzen.

Das goldne Fließ war nun erbeutet, allein die Abſicht, weswegen Jaſon ſich allen dieſen Ge - fahren unterzogen hatte, war vereitelt, weil ſein Vater Aeſon, eben ſo wie Pelias, nun ſchon ein abgelebter kindiſcher Greiß, der glorreichen Thaten ſeines Sohnes ſich nicht mehr freuen konnte.

Und nun war Jaſons erſte Bitte an Medeen, durch die Gewalt der magiſchen Kraͤfte, wo moͤg - lich ſeinen Vater zu verjuͤngen. Medea ließ dem Aeſon aus verborgenen Kraͤutern den neuen Lebensſaft durch alle Adern ſtroͤmen, und dieſer fuͤhlte ploͤtzlich die Ruͤckkehr ſeiner muntern Jugend und neue Lebenskraft; indeß die Toͤchter des Pelias, den Verſuch der Medea thoͤricht nachahmend, ihren Vater, den ſie auch verjuͤngen wollten, das Leben raubten, ſo daß dem Aeſon nun allein die Herrſchaft blieb.

Jaſon begab ſich mit der Medea nach Korinth, das vormals Ephyra hieß, und vom Aeetes, dem Vater der Medea, ehe er nach dem fruchtbarern Kolchis gieng, beherrſcht ward. Medea bemaͤch - tigte ſich der Regierung fuͤr den Jaſon, welchem, nachdem er hier zehn Jahr mit ihr verlebt, ſo wie dem Herkules, Perſeus, und Bellerophon, ein tragiſches Schickſal noch zuletzt bevorſtand.

[figure]
275

Medeens uͤberdruͤſſig, war Jaſon im Begriff ſich mit der fuͤrſtlichen Tochter Kreons zu ver - maͤhlen, uneingedenk der Rache, verachteter Ei - ferſucht und verſchmaͤhter Treue. Medea ſtellte ſich ſanft und duldend; ſie ſchickte ſelber der Braut ein Hochzeitkleid. Kaum hatte dieſe es angelegt, ſo fuͤhlte ſie ſchon die Flamme ihr Innerſtes ver - zehren und ſtarb einen qualenvollen Tod.

Nun ließ Medea ihrer Rache freien Lauf; auf Kreons Pallaſt ließ ſie Feuer regnen; den Kreon ſelbſt einen Raub der Flammen werden; ermordete ihre beiden Kinder, die Jaſon mit ihr erzeugt hatte, und eilte darauf in ihren mit Dra - chen beſpannten Wagen durch die Luͤfte, indem ſie den Jaſon ſeinem Gram und der Verzweiflung uͤberließ, die ſeine Tage kuͤrzte, und ihm den Reſt ſeines Lebens verbitterte.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel ſind Jaſon und Medea, ſich einander die Haͤnde gebend, nebſt Jaſons Waffentraͤger, nach einem antiken Basrelief aus Winkelmanns Monumenten, abgebildet, indeß der mit dem Drachen umwundne Lorbeerbaum den Sieg des Jaſon ſchon im Voraus andeutet, der mit Medeens Zauberkraͤften ausgeruͤſtet, ſeiner Waf - fen, die an der Wand haͤngen, nicht mehr bedarf, und leichtbekleidet ohne Harniſch daſteht. Auf eben dieſer Tafel iſt, nach einer antiken Gemme, auch Meleager und der Kopf des Kalydoniſchen Ebers vor ihm, dargeſtellt.

S 2276

Meleager.

Oeneus, der in Kalydon herrſchte, war ein Vater beruͤhmter Kinder; der Dejanira, die dem Herkules vermaͤhlt war; des Meleager, und des Tydeus, deſſen tapferer Sohn Diomedes im Trojaniſchen Kriege es mit den Goͤttern ſelbſt im Streit aufnahm. Dieſer Oeneus hatte das Ungluͤck, den Zorn der Diana auf ſich und ſein Land zu laden, weil er beim Opfer ſie vergaß, da er den uͤbrigen Goͤttern fuͤr den Wachsthum der Fruͤchte des Feldes dankte.

Diana ſchickte einen ungeheuren Eber in das Kalydoniſche Gebiet, der die aufkeimende Saat zernichtete, die Aecker verwuͤſtete, und den Ein - wohnern des Landes rund umher Tod und Ver - derben drohte. Oeneus erbat ſich den Beiſtand der Helden, dies Ungeheuer zu erlegen; und dies war wiederum eine Unternehmung, welche, ſo wie die Fahrt der Argonauten, die gleichzeitigen beruͤhmteſten Helden Griechenlands vereinte.

Die Kalydoniſche Jagd.

Bei der Jagd des Kalydoniſchen Ebers ver - ſammleten ſich zum Theil die Helden wieder, die auf der Fahrt nach Kolchis manche Gefahr zuſam - men uͤberſtanden hatten. Die beruͤhmteſten von den Argonauten, welche mit dem Meleager, dem277 Sohn des Oeneus, gegen das Ungeheuer kaͤmpf - ten, waren

  • Jaſon;
  • Kaſtor und Pollux;
  • Idas und Lynceus;
  • Peleus;
  • Telamon;
  • Admetus;
  • Pirithous und Theſeus.

Zu dieſem glaͤnzenden Haufen geſellten ſich die Bruͤder der Althea, der Vermaͤhlten des Oeneus, einer Tochter des Theſtius, der in Pleuron herrſchte; und Atalante, die Tochter des Schoͤ - neus, eines arkadiſchen Fuͤrſten, die gleich der Diana ſelber die Jagd liebte, und ſich dem jung - fraͤulichen Stande gewidmet hatte.

Atalante verwundete zuerſt mit ihrem Pfeil den Eber; und nun erlegte Meleager das Unge - heuer, hieb ihm den Kopf ab, und uͤberreichte ihn der Atalante, als der Siegerin, die den Preis in dieſem Kampfe davon getragen hatte. Die Soͤhne des Theſtius, Bruͤder der Althaͤa, der Mutter des Meleager, machten den Preis der Atalante ſtreitig; und nun erregte Diana, die ihrem Zorn noch keine Grenzen ſetzte, zwiſchen dem Meleager und den Soͤhnen des Theſtius ei - nen Streit, der zu einem blutigen Kriege wurde,278 und dieſer Begebenheit einen tragiſchen Aus - gang gab.

Meleager toͤdtete im Gefecht ſeiner Mutter Bruͤder. Als dieſe nun die Leichname der Er - ſchlagenen erblickte, ſchwur ſie, den Tod der Bruͤ - der an ihrem eigenen Sohne zu raͤchen. Die Parzen hatten nehmlich bei der Geburt des Melea - ger ein Scheit Holz nah an die Flamme auf den Heerd gelegt, mit dem Bedeuten, daß der Al - thaͤa Sohn ſo lange leben wuͤrde, als die Flamme nicht dies Holz verzehrte.

Althaͤa hatte, wie ein koͤſtliches Kleinod, bis jetzt dies Scheit Holz aufbewahrt; nun warf ſie es in die lichte Flamme, mit lauten Verwuͤnſchun - gen gegen ihren Sohn, der ploͤtzlich von verzeh - render Gluth ſein Inneres ausgetrocknet, ſeine Gebeine zermalmet fuͤhlte, und unter zuckender Qual verſchied. Kaum aber vernahm Althaͤa die ſchreckliche Wirkung, von dem, was ſie ge - than, ſo gab ſie aus Reue und Verzweiflung ſich ſelbſt den Tod.

Atalante.

Auch Atalante freute ſich ihres Sieges nicht lange; ſie vermied ſo lange ſie konnte, ſich zu ver - maͤhlen, weil unvermeidliches Ungluͤck in der Ehe, nach einer Weißagung, ihr bevorſtand. Um nun die Freier abzuſchrecken, trug ſie jedem, der um279 ſie warb, einen Wettlauf an. Dem, welcher ſie beſiegen wuͤrde, verſprach ſie ſich zu ergeben; dem Beſiegten aber war der Tod beſtimmt.

Hippomenes, der dieſem gefaͤhrlichen Wett - lauf ſich unterzog, flehte die Venus um Beiſtand an, die ihm drei goldne Aepfel ſchenkte, welche er einen nach dem andern im Laufen fallen ließ, und als Atalante dieſe Aepfel, ſie bewundernd, auf - hub, vor ihr das Ziel erreichte.

Allein Hippomenes vergaß des Dankes, den er der Venus ſchuldig war, und Atalante mußte, da ſie mit ihm vermaͤhlt war, zugleich auch ſein Vergehen gegen die Goͤttin buͤßen, auf deren An - ſtiften beide ein Heiligthum der Cybele entweih - ten, welche mit furchtbarer Gewalt das frevelnde, durch das Band der Ehe verknuͤpfte Paar, in Loͤwen verwandelte, die unter einem Joch ihren Wagen zogen.

Minos.

In der Geſtalt des muthigen Stiers, worin die Alten gern, als ein Sinnbild der Staͤrke, die Gottheit huͤllten, entfuͤhrte Jupiter die Europa, des Agenors Tochter, nach Kreta, wo er den Mi - nos mit ihr erzeugte, der, ſeines erhabenen Ur - ſprungs wuͤrdig, den Voͤlkern Geſetze gab, und ſie zuerſt zu einem Staate durch weiſe Einrichtung bildete.

280

Die Dichtung laͤßt den Minos in einer Grotte auf dem Ida von Zeit zu Zeit mit dem Jupiter geheime Unterredungen pflegen, deren Inhalt er, als die Grundlage ſeiner Geſetzgebung, dem hor - chenden Volke bekannt macht. Wegen ſeiner wei - ſen Regierung eignete die Dichtung dem Minos, nebſt ſeinem Bruder und Rathgeber Radaman - thus, als den gerechteſten Menſchen, das Rich - teramt uͤber die Todten zu; zu dieſen beiden ge - ſellte ſie den Aeakus, des Peleus Vater, und, nach einer andern Sage, auch den Triptolemus, der ein Wohlthaͤter der Menſchen war.

Minos, des Geſetzgebers Enkel, war ein tapfrer und kriegriſcher Fuͤrſt, der das mittellaͤn - diſche Meer von Seeraͤubern befreite, und die Fahrt auf demſelben wieder ſicher machte. Al - lein ihn betrafen Ungluͤcksfaͤlle, wodurch ſeine glor - reichſten Siege ihm vergaͤllt, ſein Leben verbittert wurde.

Die Vermaͤhlte des Minos war Paſiphae, eine Tochter der Sonne und Schweſter des Aee - tes. Venus warf auf dieß Geſchlecht einen alten Haß, weil Helios oder die Sonne einſt ihr Liebesverſtaͤndniß mit dem Mars entdeckt und ver - rathen hatte.

Sie floͤßte der Paſiphae zu einem Stier, den Neptun aus dem Meere ſteigen ließ, eine ſchaͤnd - liche Liebe ein. Waͤhrend der Abweſenheit des281 Minos beging Paſiphae das unnatuͤrliche Verbre - chen, und gebahr ein Ungeheuer, halb Menſch halb Stier, das unter dem Nahmen des Mino - taurus zum oͤftern in dieſen Dichtungen auftritt.

Daͤdalus, der kunſtverſtaͤndigſte Bildner und Baumeiſter, welcher damals lebte, hatte ſich wegen eines Verbrechens aus Athen nach Kreta gefluͤchtet; und Minos, um die Schande ſeines Hauſes den Blicken der Menſchen und dem Antlitz des Tages zu verbergen, trug dem Daͤdalus auf, ein unterirdiſches Gewoͤlbe, mit unzaͤhligen irre - fuͤhrenden Gaͤngen, ihm zu erbauen.

Dieß war das beruͤhmte Labyrinth in deſſen Mitte der Minotaurus eingeſchloſſen, nur von de - nen erblickt wurde, die ihm zur Strafe als Opfer vorgeworfen wurden, und um ihren Tod zu fin - den, das Labyrinth betraten.

Androgeus, ein Sohn des Minos, war waͤhrend der Zeit nach Athen gereiſt, um dort, mit vielen andern Fremden, den Athenienſiſchen Spielen beizuwohnen, wo er bei allen Kaͤmpfen den Preis davon trug, und durch den Beifall des ganzen Volks, den er ſich erwarb, die Eiferſucht und den Verdacht des kinderloſen Aegeus rege machte, der damals Athen beherrſchte, und den hofnungsvollen Sohn des Minos meuchelmoͤrderi - ſcher Weiſe ermorden ließ.

282

Kaum hatte Minos dieß neue Ungluͤck ſeines Hauſes vernommen, ſo kam er mit ſeiner ganzen Macht, den grauſamen und ſchaͤndlichen Mord zu raͤchen. Zuerſt belagerte er Niſa, wo Ni - ſus, ein Bruder des Aegeus herrſchte. Den Niſus verrieht ſeine eigne Tochter Scylla, indem ſie eine gelbe Haarlocke, wodurch er unuͤberwind - lich war, von ſeinem Haupte ſchnitt, und ſie dem Minos brachte, gegen den ſie von Liebe entbrannt, der Pflicht und kindlichen Zaͤrtlichkeit vergaß, und nach Verdienſt beſtraft wurde, indem ſich Minos zwar ihres Geſchenks bediente, die Verraͤtherin aber mit Zorn und Verachtung von ſich ſtieß.

Als Minos die Stadt Niſa, welche nachher Megara hieß, erobert hatte, ruͤckte er gerade auf Athen, das ſchon vorher von Duͤrre und Hun - gersnoth gedruͤckt, der Goͤtter Zorn empfand, und unter ſeinem traurigen Schickſal ſeufzte.

Als zu dem allen noch das Orakel den Aus - ſpruch that: die Goͤtter wuͤrden nicht aufhoͤren, Ungluͤck uͤber die Stadt zu ſchicken, bis dieſelbe dem Minos fuͤr den Mord ſeines Sohnes, erſt voͤllige Genugthuung geleiſtet; ſo ſchickten ſie Abgeordnete an den Koͤnig von Kreta, die ihn in flehender Ge - ſtalt um Frieden baten.

Die harte Bedingung des Friedens war, daß die Athenienſer dem Minos jaͤhrlich ſieben der ſchoͤnſten Knaben, und ſieben der ſchoͤnſten Maͤd -283 chen nach Kreta ſchicken mußten, wo ſie um den Mord des Androgeus abzubuͤßen, als Schlacht - opfer fuͤr ihr Vaterland, dem Minotaurus zur Beute wurden.

Als Theſeus endlich den Minotaurus erlegte, und mit der Ariadne, des Minos Tochter ent - flohe, ſchloß Minos, da er ſich weiter nicht raͤchen konnte, den Athenienſer Daͤdalus, nebſt ſeinem Sohn Ikarus, in das von dem Kuͤnſtler ſelbſt erbaute Labyrinth. Dem Daͤdalus aber bot die Kunſt ein Mittel dar, mit ſeinem Sohn dem Kerker zu entfliehn.

Kokalus, ein Fuͤrſt in Sicilien, nahm den Daͤdalus auf; und lud den Minos, welcher kam, und die Ausliefrung des Daͤdalus verlangte, ſelbſt zu einer Unterredung ein, ſtellte ſich freundlich gegen ihn, und bewirthete ihn in ſeinem Hauſe, wo er hinterliſtiger Weiſe ihn zuletzt im Bade er - ſtickte. So fand Minos, der tapfre Krieger, da er den Kuͤnſtler verfolgte, den die Goͤtter ſchuͤtzten, in einem fremden Lande ſeinen Tod.

Daͤdalus.

In dem der Minerva geweihten Athen ent - wickelten ſich zuerſt die bildenden Kuͤnſte, und hatten unter den Beſchaͤftigungen der Menſchen einen ho - hen Rang. Daͤdalus, der aus dem koͤniglichen284 Geſchlecht der Erechthiden ſtammte, gab, nach der Dichtung, den Bildſaͤulen, die er verfertigte, Leben und Bewegung.

Er war es, der zuerſt die dicht aneinander geſchloßnen Fuͤße, ſo wie man ſie noch an den aͤgyptiſchen Bildſaͤulen ſieht, voneinander trennte, die dicht anliegenden Aerme vom Rumpfe loͤßte, und ſeinen Bildſaͤulen eine fortſchreitende Stel - lung gab. Was Wunder, daß dieſer ganz neue Anblick jeden in Erſtaunen ſetzte, und die Sage veranlaßte, daß die Bildſaͤulen des Daͤda - lus ſich bewegten.

In dieſem erſten Schritt des Daͤdalus in der Kunſt, lag etwas Hohes und Goͤttliches, das die Verehrung und Bewundrung der Nachwelt auf ſich zog, und den Nahmen des Kuͤnſtlers unſterb - lich machte, der dennoch ſeinen Ruhm durch eine grauſame und ſchwarze That befleckte.

Unter ſeiner Anfuͤhrung bildete ſich ein Juͤng - ling, Nahmens Talus, ein Sohn der Schweſter des Daͤdalus. Als dieſer einſt mit dem Kinn - backen einer Schlange ein Stuͤck Holz voneinan - derſchnitt, kam er auf den Gedanken, die Schaͤrfe der Zaͤhne im Eiſen nachzuahmen, und ſo erfand er die Saͤge, eines der nuͤtzlichſten Werkzeuge, deſſen die Menſchen ſich bedienen. Auch die Er - findung der Toͤpferſcheibe war das Werk des Talus.

285

Daͤdalus, uͤber die Fortſchritte ſeines Lehr - lings eiferſuͤchtig, warf einen toͤdtlichen Haß auf ihn. Der grauſamſte Kuͤnſtlerneid war ſchon mit der erſten Entſtehung der Kunſt verwebt. Daͤdalus fuͤhrte den Juͤngling auf eine ſteile An - hoͤhe, wovon er, ehe jener es ſich verſahe, ihn hinunterſtuͤrzte, und ſo den Talus durch ſeinen Fall fuͤr die Erfindungen buͤßen ließ, womit er ſei - nen Meiſter uͤberfliegen wollte.

Als die grauſame That des Daͤdalus kund wurde, ward er zum Tode verdammt, und mußte aus Athen entfliehen, worauf er erſt eine Zeitlang fluͤchtig umher irrte, bis er in Kreta bei dem Koͤ - nige Minos, dem er das Labyrinth erbaute, eine Zuflucht fand.

Als Minos aber nachher den Daͤdalus mit ſeinem Sohn Ikarus in dem von dem Kuͤnſtler ſelbſt erbauten Labyrinthe gefangen hielt; ſo ſtrebte die eingehemmte Kunſt, ſelbſt das Unmoͤg - liche zu verſuchen, und weil nur ein Ausgang nach oben war, mit angeſetzten kuͤnſtlichen Fluͤ - geln ſich in die Luͤfte emporzuheben. Daͤdalus ſuchte mit klebenden Wachs die Fugen der Fluͤgel zu verbinden, und legte ſie ſich und ſeinem Sohn an, den er vorher ſich uͤben ließ, allmaͤlig ſich emporzuſchwingen.

Als ſie nun die Reiſe durch die Luft antraten, warnte Daͤdalus ſeinen Sohn, ja nicht zu hoch286 im Fluge ſich zu erheben! Dieſer aber vergaß der Warnung, da ſchmolzen ihm die Fluͤgel im Sonnenſtrahl, und er fand in dem Meere ſeinen Tod, das man nach ſeinen Nahmen das Ikari - ſche nannte. Daͤdalus, der den Talus ſtuͤrzte, ſah nun zu ſeiner Qual den Fall ſeines eignen Sohnes, den er nicht retten konnte.

Er ſelber ließ ſich in Sicilien nieder, wo Kokalus ihn gaſtfreundlich aufnahm, und ihn vor der Verfolgung des Minos ſchuͤtzte, dem er bei einem Beſuch ſogar das Leben raubte, und auf die Weiſe den Daͤdalus ſicher ſtellte, welcher zur Dankbarkeit verſchiedne große Werke in dem Gebiete des Kokalus unternahm; Kanaͤle und Teiche grub; ein Schloß auf einem Felſen erbaute; den Gipfel des Berges Eryx ebnete; und zuletzt eine goldne Kuh, von ihm ſelbſt verfertigt, der Eryciniſchen Venus weihte.

Geraume Zeit nachher fand man noch Spu - ren von ſeinen Werken; ſein Nahme ward zum Sprichwort, worunter man alles ſinnreich Erfundne und Kuͤnſtliche mit einemmal begriff.

Auf einer antiken Gemme, deren Umriß auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel ſich befindet, iſt Daͤdalus dargeſtellt, wie er ſitzend und ſinnend an dem vor ihm ſtehenden kuͤnſtlichen Fluͤgel noch mit bildender Hand arbeitet. Auf eben dieſer Tafel befindet ſich auch, nach einem antiken

[figure]

287 geſchnittnen Steine, eine Abbildung des Theſeus, der einen großen Stein aufhebt, worunter Schuh und Schwerdt ſeines Vaters verborgen lagen.

Theſeus.

Aegeus, ein Sohn des Athenienſiſchen Koͤ - nigs Pandion, welchem er in der Regierung folgte, that, weil er ohne Kinder blieb, eine Reiſe nach Delphi, um das Orakel des Apollo um Rath zu fragen. Die Pythia befahl ihm, er ſolle, bis nach ſeiner Zuruͤckkunft in Athen, alles Umgangs mit Weibern ſich enthalten; und gerade dieß Ver - bot bewirkte, daß er zum Gegentheil ſich verlei - ten ließ.

Er kehrte auf ſeinem Ruͤckwege in Troͤzene, beim Pittheus, einem Sohn des Pelops ein, und vermaͤhlte ſich heimlich mit deſſen Tochter Aethra. Als Aegeus von Troͤzene abreiſte, verbarg er unter einem großen Steine ſein Schwerdt und ſeine Schuhe, und befahl der Aethra, wenn ſie einen Sohn gebaͤhren ſollte, denſelben nicht eher zu ihm nach Athen zu ſchicken, als bis er ſtark genug waͤre, den Stein hinweg - zuwaͤlzen, worunter ſeines Vaters Schwerdt und Schuhe verborgen lagen.

Aethra gebahr den Theſeus, der unter des weiſen Pittheus Aufſicht vom Chonidas erzogen288 ward; die Athenienſer verehrten in der Folge, ſo oft ſie das Feſt des Theſeus feierten, auch das Andenken von dieſem Chonidas dem Erzieher des Helden.

Als Theſeus erwachſen war, fuͤhrte ihn ſeine Mutter zu dem Steine, woran ſeine Staͤrke ſich pruͤfen ſollte, und welchen er aufhob und darunter das Schwerdt und die Schuh ſeines Vaters fand, ſo wie die obige Abbildung ihn darſtellt. Das Steinaufheben iſt bedeutend in den Dichtungen von der Heldenzeit, und wird beſtaͤndig als ein Merkmahl von der Staͤrke angefuͤhrt, wodurch das damalige Geſchlecht der Menſchen ſich von den folgenden ſchwaͤchern Erzeugungen unterſchied.

Als Theſeus nun ſeine Reiſe nach Athen an - trat, ſo waͤhlte er, durch das Beiſpiel des Her - kules angefeuert, den gefaͤhrlichſten Weg zu Lan - de, wo er mit Raͤubern kaͤmpfen mußte, die die Straßen unſicher machten, und auf eine grauſame Weiſe die Fremden behandelten, die ſie in ihre Gewalt bekamen.

Ob nun Theſeus gleich den Herkules ſich zum Muſter nahm, ſo unterſcheidet er ſich dennoch durch eine gewiſſe Feinheit der Zuͤge in ſeinem We - ſen, von jenem rohen Thebaniſchen Helden, der als ein koloſſaliſches Sinnbild von Koͤrperkraft und unuͤberwindlicher Staͤrke, uͤberall in den Dichtungen auftritt, und in dem Ausdruck dieſer Kraft auch durch die bildende Kunſt ſich darſtellt,289 welche dem Theſeus einen ſchlankern Wuchs und feinere Zuͤge giebt.

Als Theſeus, mit ſeines Vaters Schwerdt bewafnet, von Troͤzen auf den Iſthmus zuwan - dernd, durch die Laͤnder von Epidaurus kam, ſtieß er zuerſt auf den wegen ſeiner Grauſamkeit beruͤchtigten Periphetes, der bei[ſeiner] Rieſen - ſtaͤrke bloß mit einer Keule bewafnet, den Reiſen - den furchtbar war; als er es wagte, den Theſeus anzugreifen, ſchlug dieſer ihn zu Boden und toͤd - tete ihn, und trug nachher beſtaͤndig, zum An - denken ſeines erſten Sieges, die Keule des Peri - phetes.

Da er nun auf dem Iſthmus von Korinth anlangte, mußte er mit einem noch grauſamern Moͤrder, dem Sinnis kaͤmpfen, den man den Fichtenbeuger nannte, weil er die Fremden zwi - ſchen zwei zur Erde gebeugten und ſchnell wieder in die Hoͤhe fahrenden Fichten feſtgebunden, zu ſeiner Luſt zu zerreißen pflegte. Als Theſeus ihn uͤberwunden hatte, ließ er mit der von dem Moͤr - der ſelbſt erfundnen Todesart, ihn fuͤr ſeine Grau - ſamkeit und ſeinen Frevel buͤßen.

Auch befreite Theſeus die Laͤnder, durch wel - che er reiſte, von Ungeheuern, und toͤdtete unter andern die Krommyoniſche Sau, welche dem ganzen Lande furchtbar, uͤberall Schaden ſtiftete und die Aecker verwuͤſtete. Als er hierauf anT290die Graͤnzen von Megara kam, uͤberwand er den Skiron, und ſtuͤrzte ihn von demſelbigen ſteilen Fels ins Meer, von welchem dieſer Tyrann die Reiſenden, die vorbeikamen, hinunter zu ſtuͤr - zen pflegte.

In Eleuſis mußte Theſeus mit dem Kerkyon kaͤmpfen, den er uͤberwand und toͤdtete; und als er nicht weit davon in Hermione anlangte, be - ſiegte er den Damaſtes, den man wegen der beſondern Art von Grauſamkeit, womit er die Fremden mißhandelte, den Ausdehner oder Prokruſtes nannte.

Dieſer Prokruſtes hatte nehmlich zwei eiſerne Betten von verſchiedner Laͤnge, worinn er die Fremden legte. Die kurzen Perſonen legte er in das lange, und dehnte ihre Koͤrper mit Gewalt bis zu der Laͤnge des Bettes aus; die langen Per - ſonen legte er in das kurze, und was uͤber die Laͤnge des Bettes reichte, hieb er von ihren Fuͤßen ab.

Es ſcheint, als wolle dieſe Dichtung die Ver - letzung des Gaſtrechtes in ihrem haſſenswuͤrdigſten Lichte darſtellen; denn man kann ſich nichts Grau - ſamers denken, als daß ſelbſt die Lagerſtaͤtte, die den muͤden Wandrer erquicken ſollte, von dem Ty - rannen zur Folterbank gemacht wurde.

Die Heiligkeit des Gaſtrechts war es, unter deſſen Schutz die Menſchen zuerſt einander ſich mit - theilen, und wechſelſeitig ſich bilden konnten. Die291 Stoͤrer dieſes heiligen Gaſtrechts zu vertilgen, iſt das Werk der Helden, welche Wohlthaͤter der Menſchen ſind, wie Theſeus war, der den Pro - kruſtes erſt die von ihm ſelbſt erfundne Marter dulden ließ, und dann von dieſem Ungeheuer die Erde befreite.

Als Theſeus nun in Athen anlangte, erkannte ihn Aegeus an dem Schwerdt und Schuhen fuͤr ſeinen Sohn, woruͤber die Soͤhne des Pallas eines Bruders des Aegeus, die ſchon mit der Hoffnung dem kinderloſen Aegeus in der Regie - rung zu folgen ſich geſchmeichelt hatten, einen Auf - ruhr erregten, den aber Theſeus in ſeiner Entſte - hung daͤmpfte.

Nun war es gerade das dritte Jahr, in wel - chem die Athenienſer dem Minos, wegen der Er - mordung ſeines Sohns Androgeus, den traurigen Tribut bezahlen mußten, der darin beſtand, ſie - ben der ſchoͤnſten Juͤnglinge oder Knaben, und ſieben der ſchoͤnſten Maͤdchen, aus edlem Blut entſproſſen, nach Kreta uͤberzuſchiffen, wo ſie im Labyrinth dem Minotaurus zur Beute wurden. So lange dieß Ungeheuer nicht erlegt war, hatten die Athenienſer keine Befreiung von dem traurigen Tribut zu hoffen.

Als nun die Juͤnglinge und Maͤdchen ſchon das Todes-Looß gezogen hatten, und zu Schlacht - opfern fuͤr dieß Jahr beſtimmt, eingeſchifft wer -T 2292den ſollten, bot ſich Theſeus freiwillig zum Opfer fuͤr ſein Vaterland in die Zahl der uͤbrigen[Juͤng - linge] dar, weil er, in Ahndung ſeiner Helden - kraft, den Minotaurus zu erlegen hoffte.

Vor der Abreiſe that Theſeus dem Apollo ein Geluͤbde, jaͤhrlich zu ſeinem Tempel ein Schiff mit Opfern und Geſchenken nach der Inſel Delos zu ſchicken, wenn ihm ſein Unternehmen gluͤckte. Als er nun auch noch das Orakel befragte, gab dieſes ihm zur Antwort, er werde dann gluͤcklich ſeyn, wenn er die Liebe zur Fuͤhrerin waͤhlte.

Mit ſeinem Vater traf Theſeus noch vorher die Abrede, daß, bei der Ruͤckkehr des Schiffes, ſtatt des ſchwarzen ein weißes Seegel den gluͤckli - chen Ausgang des Unternehmens ihm verkuͤndigen ſollte.

Bald langte nun das Schiff mit guͤnſtigem Winde in Kreta an, und kaum waren die uͤber - ſandten Opfer dem Minos vorgeſtellt, als Ariad - ne, des Minos Tochter, ihre Blicke auf den Theſeus warf, deſſen Heldenwuchs und Schoͤn - heit auf die Koͤnigstochter einen unausloͤſchlichen Eindruck machte.

Nun waͤhlte auch Theſeus, nach dem Aus - ſpruch des Orakels, die Liebe zur Fuͤhrerin, in - dem er aus den Haͤnden der Ariadne den Knaͤul empfing, der ihm einen ſichern Ausgang aus dem Labyrinth verſchafte. Mit dem Faden der Ariadne293 in der Hand, ſtieg er nun muthig mit ſeinen Ge - faͤhrten in die unterirrdiſche Woͤlbung nieder, bis er ſelbſt an den Aufenthalt des Minotaurus kam, mit dem er ſich in Kampf einließ, und ihn mit Huͤlfe der Rathſchlaͤge Ariadnens uͤberwand.

Da nun dieß Ungeheuer erlegt war, ſo wa - ren die Athenienſer auch von dem Tribut befreit, und ihre zum Tode beſtimmten Soͤhne und Toͤch - ter dankten dem Theſeus nun ihr Leben. So ſtellt ein Gemaͤhlde im Herkulanum den Helden dar, wie zarte Knaben, die dem Tode geweiht waren, die Haͤnd ihm kuͤſſen, und zaͤrtlich ſeine Knie umſchlingen.

Ariadne entfloh mit ihrem geliebten The - ſeus; ſie landeten auf Naxos, wo Theſeus auf den Befehl der Goͤtter ſie verließ, weil Ariad - nens Reitze den Bachus ſelber gefeſſelt hatten, der hier die einſame verlaßne Schoͤne unter naͤchtli - chem Himmel ſchlummernd fand, und da ſie er - wachte, zum Zeichen ſeiner Gottheit die Krone von ihrem Haupte gen Himmel warf, wo ſie als ein leuchtendes Sternbild glaͤnzte, und Zeuge der Vermaͤhlung der Ariadne und des Bachus war.

Ehe nun Theſeus nach Athen zuruͤckkehrte, ſeegelte er, um dem Apollo ſein Geluͤbde zu bezah - len, naͤch der Inſel Delos, wo er zugleich der Venus, wegen des Beiſtandes, den ſie ihm ge - leiſtet, eine vom Daͤdalus verfertigte Bildſaͤule294 weihte. Und um das Andenken ſeines Sieges uͤber den Minotaurus zu erhalten, ſtiftete Theſeus auf dieſer Inſel einen Tanz, worinn man die Kruͤmmungen des Labyrinths nachahmte.

Mit der groͤßten Sorgfalt beobachteten die Athenienſer ſtets nachher dieß heilige Geluͤbde. Mit demſelbigen Schiffe, auf welchem Theſeus aus Kreta wiederkehrte, ſchickten ſie jaͤhrlich Abgeordnete, mit Oehlzweigen bekraͤnzt, nach der Inſel Delos. Auch ſuchten ſie das hei - lige Schiff gleichſam unvergaͤnglich zu erhalten, indem ſie es nie mit einem neuen vertauſchten, ſondern durch immer neuen Zuſatz, was die Zeit davon zerſtoͤrte, zu ergaͤnzen ſuchten, um ſich die Vorſtellung zu erhalten, daß dieſes daſſelbe Schiff ſey, welches den Theſeus trug.

Auch war es nicht erlaubt, ſo lange dieß Schiff auf ſeiner Fahrt nach der Inſel Delos un - terwegens blieb, in Athen die Verurtheilten hin - zurichten. Denn da durch dieß Geluͤbde die Ret - tung der Athenienſiſchen Jugend gefeiert wurde, ſo durfte man waͤhrend der Zeit dem Tode kein Opfer bringen.

Von Delos ſegelte Theſeus nun gerade auf Athen, die Bothſchaft der frohen Begebenheit zu bringen, welche dennoch nicht ohne einen tragi - ſchen Ausgang blieb. Da nehmlich Aegeus von einem Felſen mit aͤngſtlicher Beſorgniß dem295 kommenden Schiffe entgegen ſahe, und das ſchwarze Segel erblickte, welches der Steuer - mann mit dem weißen zu vertauſchen aus der Acht gelaſſen, ſtuͤrzte er ſich voll Verzweiflung, weil er nun alles fuͤr verlohren hielt, vom Felſen in das Meer herab, welches nachher nach ſeinem Nah - men das Aegeiſche hieß.

Den Theſeus empfingen die Athenienſer mit lautem Jubel, als ihren Schutzgott, dem ſie allein ihre Rettung dankten. Als Theſeus nun in der Regierung dem Aegeus folgte, nutzte er die Liebe des Volks dazu, um einer weiſen Ge - ſetzgebung Eingang zu verſchaffen.

Er ſchuf zuerſt den Staat, indem er das zer - ſtreute Volk, ſo viel wie moͤglich, in eine einzige Stadt zu verſammlen ſuchte, und es in Klaſſen theilte. Auch ſetzte er, im Einverſtaͤndniß mit den benachbarten Voͤlkern, dem Attiſchen Gebiete ſeine feſten Grenzen. Und weil es ihm gelungen war, nach ſeiner Einſicht das Volk zu lenken, ſo fuͤhrte er zuerſt den Dienſt der Pitho, der Goͤt - tin der Ueberredung, ein.

Großmuͤthig begab er darauf ſich ſelbſt des groͤßten Theils ſeiner Gewalt, weil er ſchon da - mals, nach einem Orakelſpruch, Athen zu einem Freiſtaat zu bilden ſuchte. Zu Ehren des Neptun, den das Geruͤcht fuͤr ſeinen Vater aus - gab, erneuerte er auch die Iſthmiſchen Spiele,296 zu welchen man aus ganz Griechenland ſich ver - ſammlete, und wodurch die Mittheilung und wechſelſeitige Bildung der Voͤlker vorzuͤglich mit befoͤrdert ward.

Demohngeachtet ruhte Theſeus auch von den kriegriſchen Geſchaͤften nicht. Als er den Herkules begleitete, und ihm beim Fluſſe Thermodon die Amazonen beſiegen half, vermaͤhlte dieſer ihm zur Dankbarkeit die gefangne Koͤnigin Antiope, mit welcher Theſeus den Hippolyt erzeugte. Die Amazonen fielen hierauf ins Attiſche Gebiet, wo Theſeus ſie zum zweitenmal beſiegte.

Einen liebenswuͤrdigen Zug in der Geſchichte des Theſeus, macht noch die unzertrennliche Freundſchaft aus, die zwiſchen ihm, und dem Pirithous herrſchte. Dieſer Pirithous war ein Theſſaliſcher Fuͤrſt, und herrſchte uͤber die Lapi - then. Seine Freundſchaft mit dem Theſeus war entſtanden, da ſie einſtmals, ein jeder eiferſuͤchtig auf des andern Ruhm, im Zweikampf ihre Staͤrke und Tapferkeit verſuchten, und auf einmal von wechſelſeitiger Achtung und Zuneigung angezogen, dem Streit ein Ende machten, und Hand in Hand ein unzertrennliches Buͤndniß knuͤpften.

Keine Gefahr war nun ſo groß, worin die Helden ſich nicht einander zur Seite ſtanden. Pirithous war in einen Krieg mit den Centau - ren, einem Theſſaliſchen Volke, verwickelt, welche297 die Dichtung, weil ſie zuerſt beſtaͤndig zu Pferde ſtritten, gleichſam wie an das Roß gewachſen, halb als Menſchen, halb als Pferde, darſtellt.

Als Pirithous nun mit der Hippodamia ſich vermaͤhlte, lud er außer dem Herkules, Theſeus, und mehrern beruͤhmten Helden, bei einem Waf - fenſtillſtande, auch die Centauren zu ſeinem Hoch - zeitmahle, welche zuletzt vom Wein erhitzt, noch waͤhrend dem Gaſtmahl einen Streit anhuben, und die Hippodamia ſelber zu entfuͤhren drohten, wenn Herkules und Theſeus nicht dem Pirithous tapfer beigeſtanden, und der Centauren Ueber - muth beſtraft haͤtten, die von dieſer Zeit an in jedem Treffen die Flucht ergriffen, bis ſie zuletzt vom Herkules, Pirithous und Theſeus gaͤnzlich beſiegt und geſchlagen wurden. Dieß iſt der beruͤhmte Streit der Centauren und Lapithen, worauf die Dichtkunſt und die bildende Kunſt der Alten oft verweilt.

Auch die Gegenſtaͤnde ihrer zaͤrtlichen Wuͤnſche, halfen ſie ſich einer fuͤr den andern mit erſtreiten. Pirithous half dem Theſeus die Helena entfuͤhren, welche dieſer ſeiner Mutter Aethra in Aphidnaͤ zur Aufſicht uͤbergab, um wieder dem Pirithous beizuſtehen, der nach dem Tode der Hippodamia, um gleichſam an dem Pluto ſich zu raͤchen, ent - ſchloſſen war, die Proſerpina ſelber aus der Un - terwelt zu entfuͤhren. Eine Dichtung, die ſehr298 bedeutend ein Unternehmen bezeichnet, mit welchem unvermeidliche Todesgefahr verknuͤpft iſt.

Theſeus, ſeinem Freunde bis in den Tod ge - treu, ſtieg mit ihm in das Reich der Schatten; wo Pluto, als die vermeßne That mißlang, die beiden an Ketten gefangen hielt; bis Herkules in der Folge den Cerberus baͤndigte, und zugleich die Bande des Theſeus loͤßte; den Pirithous aber zu befreien, vergebens ſeine Macht anwandte, ſo daß nun doch der Tod das treuſte Freundſchafts - buͤndniß trennte.

Von nun an huben auch die Ungluͤcksfaͤlle des Theſeus an, die den Reſt ſeiner Tage ihm verbit - terten. Ihn traf das Schickſal der groͤßten Hel - den, deren ruhmvolles Leben ein tragiſcher Aus - gang ſchloß. Als er nach Athen zuruͤckkam, fand er das undankbare und unbeſtaͤndige Volk durch ſeine Feinde gegen ſich aufgewiegelt.

Hierzu kam noch haͤusliches Ungluͤck. Nach dem Tode der Antiope hatte Theſeus mit der Phaͤdra, einer Tochter des Minos, und Schwe - ſter der Ariadne ſich vermaͤhlt. Der Haß der Venus gegen die Paſiphae verfolgte auch ihre Toch - ter, der ſie eine ſtrafbare Liebe zum Hippolytus, dem mit der Antiope erzeugten Sohn des Theſeus einfloͤßte.

Als aber der Juͤngling ihrem Antrage kein Gehoͤr gab, verwandelte ſich ihre verſchmaͤhte Liebe299 in Haß; und ſie verlaͤumdete den Hippolyt beim Theſeus, als habe er ſelber ſie zur Untreue ver - leiten wollen.

Theſeus, von ſchnellem Zorn entbrannt, er - innerte ſich, daß ihm Neptun verheißen, den naͤchſten Wunſch, den er thun wuͤrde, zu gewaͤh - ren; und nun verwuͤnſchte Theſeus ſeinen Sohn, der grade um dieſe Zeit am Ufer des Meers mit ſeinen Roſſen den Wagen lenkte.

Kaum war der Fluch uͤber Theſeus Lippen ge - kommen, ſo ſtieg ein Meerungeheuer aus der Tiefe empor, vor deſſen Anblick des Hippolytus Pferde ſcheuten, und den Ungluͤcklichen ſchleiften und zerriſ - ſen. Als Phaͤdra dieß vernahm, gab ſie ſich ſelbſt den Tod, und Theſeus, der zu ſpaͤt die Unſchuld ſeines Sohns erfuhr, war der Verzweiflung nahe.

Die Unzufriedenheit des Volks war waͤhrend der Zeit noch hoͤher geſtiegen, und Theſeus end - lich des Undanks muͤde, verbannte ſich ſelber aus Athen, und ſprach, ehe er ſich zur Abreiſe ein - ſchifte, an einem Orte, der nachher der Ort der Verwuͤnſchungen hieß, gegen die Athenienſer die bitterſten Fluͤche aus.

Er glaubte nun auf der Inſel Scyrus ſeine uͤbrigen Tage in Ruhe zu verleben; allein der verraͤthriſche Lykomedes, welcher in Scyrus herrſchte, verletzte aus Furcht vor des Theſeus Feinden, das heilige Gaſtrecht. Unter dem300 falſchen Vorwande, ihm die Inſel zu zeigen, fuͤhrte Lykomedes den Theſeus auf eine ſteile An - hoͤhe, und ſtuͤrzte, ehe dieſer es ſich verſahe, ihn von dem ſteilen Felſen herab. So fiel der Held, dem Griechenland Ruhe und Sicherheit, ſein Va - terland ſeine Rettung dankte.

Nach ſeinem Tode bauten die Athenienſer dem Theſeus Tempel und Altaͤre, verehrten ihn wie einen Halbgott, brachten ihm Opfer dar, und ſtifteten Feſte ihm zu Ehren. Man fand in der Folge in Scyrus des Theſeus Sarg, der durch ſeine Groͤße die damals Lebenden in Erſtaunen ſetzte. Ein Tempel des vergoͤtterten Theſeus in Athen, hieß das Theſeum, worin die Thaten des Helden geſchildert waren. So ehrte die ſpaͤtere Nachwelt das Andenken jenes goͤtteraͤhnli - chen Geſchlechts der Menſchen, bei denen der Prometheiſche Funken, der in ihrem Buſen gluͤhte, zur hellen Flamme emporſchlug.

301

Die Weſen, welche das Band zwiſchen Goͤttern und Men - ſchen knuͤpfen.

So wie die Dichtung vom Himmel zur Erde nieder ſteigt, vervielfaͤltigen ſich die Goͤttergeſtalten. Die Einbildungskraft belebt die Quellen, Haine, und Berge. Unter dem Bilde der Gottheit wird zuletzt die ganze lebloſe Natur geweiht, in welche der Menſch ſo innig ſich verwebt fuͤhlt, und ſich ſo nahe an ſie ſchließt, daß durch dieß Band die Goͤtter - und Menſchenwelt, ein ſchoͤnes Ganze wird.

Genien.

Die Genien, oder Schutzgoͤtter der Menſchen waren es vorzuͤglich, wodurch, in der Vorſtellung der Alten, die Menſchheit ſich am naͤchſten an die Gottheit anſchloß. Die hoͤchſte Gottheit ſelber vervielfaͤltigte ſich gleichſam durch dieſe Weſen, in ſo fern ſie uͤber jeden einzelnen Sterblichen wach -302 te, und ihn, von ſeiner Geburt an bis zum Tode, an ihrer Hand durchs Leben fuͤhrte. In dieſem ſchoͤnen Sinne war es, daß die Maͤnner bei ihrem Jupiter, und die Frauen bei ihrer Juno ſchwu - ren, indem ſie unter dieſer Benennung ſich ihren eigenen Genius, oder ihre beſondre ſchuͤtzende Gottheit dachten.

An ihren Geburtstagen brachten die Alten ih - rem Genius Opfer, der unter der Geſtalt eines ſchoͤnen Juͤnglings abgebildet war, deſſen Haupt ſie mit Blumen umkraͤnzten.

Ein jeder verehrte auf die Weiſe, durch ein zartes Gefuͤhl gedrungen, in ſich etwas Goͤttli - ches und Hoͤheres, als er, in ſeiner Beſchraͤnkt - heit und Einzelnheit, ſelber war; und dem er nun, wie einer Gottheit, Opfer brachte, und gleichſam durch Verehrung das zu erſetzen ſuchte, was ihm an deutlicher Erkenntniß ſeines eigenen Weſens und ſeines goͤttlichen Urſprungs abging.

Nach einer andern Dichtung, ſind die See - len der Verſtorbnen, aus dem goldnen Zeitalter der Menſchen, als untadliche in die Gottheit uͤber - gegangne Weſen, die Schutzgoͤtter der Lebenden.

Muſen.

Die Dichtung laͤßt dieſe himmliſchen Weſen vom Jupiter und der Mnemoſyne abſtammen. 303 Mnemoſyne, deren in der Reihe der alten Gott - heiten ſchon gedacht iſt, war eine Tochter des Himmels und der Erde, und eine Schweſter des Saturnus. Durch die himmliſchen Ein - fluͤſſe, welche bei ihrer Bildung mit den irdiſchen ſich vermaͤhlten, ward zuerſt die Erinnrungs - kraft, die Mutter alles Wiſſens und Denkens, in ihr gebohren. Neun Naͤchte lang umarmte Jupiter die Mnemoſyne, als er die Muſen mit ihr erzeugte.

Einer der aͤlteſten Dichter ſingt das Lob der Muſen: ſie gießen auf die Lippen des Menſchen, welchem ſie guͤnſtig ſind, den Thau der ſanften Ueberredung aus; ſie geben ihm Weisheit, Recht zu ſprechen, Zwiſte zu ſchlichten, und machen ihn unter ſeinem Volke beruͤhmt. Den Dichter aber lehren ſie ſelbſt auf Bergeshoͤhen, und im einſamen Thale, die goͤttlichen Geſaͤnge, welche jedem, der ſie vernimmt, die Sorgen und den Kummer aus der Bruſt verſcheuchen.

Die Nahmen der neun Schweſtern bezeichnen Tonkunſt, Freude, Tanz, Geſang, und Liebe; ſie heißen:

  • Klio;
  • Melpomene;
  • Thalia;
  • Kalliope;
304
  • Terpſichore;
  • Euterpe;
  • Erato;
  • Urania;
  • Polyhymnia.

Muſik, Geſang und Tanz ſind eigentlich das Geſchaͤft der Muſen; in der Folge hat die ſpie - lende Dichtung einer jeden irgend eine beſondre Beſchaͤftigung zugetheilt: ſo iſt nun Klio die Muſe der Geſchichte; Kalliope des Heldenge - dichts; Melpomene die tragiſche, Thalia die komiſche Muſe; auf Polyhymniens Lippen wohnt die Beredtſamkeit; Uraniens Blick gen Himmel mißt und umfaßt den Lauf der Sterne. Die uͤbrigen drei, Euterpe, Terpſichore und Erato, theilen ſich in Muſik, Geſang und Tanz. Euterpe ſpielt die Floͤte; Terp - ſichore tanzt; Erato ſingt der Liebe ſuͤße Lie - der. Doch werden die beſondern Beſchaͤftigun - gen der Muſen in den Dichtungen oft verwechſelt.

So wie die Alten uͤberhaupt die Goͤtter des Himmels gern nach ihren Wohnplaͤtzen unter den Menſchen zu benennen pflegten, ſo erhielten auch die Muſen von den Bergen, die ſie bewohnten, und von den Quellen, die dieſen Bergen entſtroͤm - ten, wohltoͤnende Nahmen, womit die Dichter ihren Beiſtand ſich erflehten.

305

Der vorzuͤglichſte Aufenthalt der Muſen wa - ren die beruͤhmten Berge: Parnaſſus, Pindus, Helikon. Auf dem Gipfel des Helikon entſprang vom Fußtritt des Pegaſus die begeiſternde Hip - pokrene und Aganippe. Am Fuße des Par - naſſus ſtroͤmte der Kaſtaliſche Quell; auch die mit immerwaͤhrender Fuͤlle ſich ergießende Pimplea, auf einem Berge, gleiches Nahmens, war den Muſen heilig, auf deren Lippen nie der Strom des ruͤhmenden Geſanges und der ſuͤßen Rede verſiegte.

Pierinnen hießen die Muſen von Pierien, wo die Dichtung ihren Geburtsort hin verſetzte. Apollo ſchließt ſich unter den himmliſchen Goͤttern dem Chor der Muſen am naͤchſten an. Unter ſeinem Vorſitz auf dem Gipfel des Parnaß ertoͤnt ihr Saitenſpiel. Die bildende Kunſt der Alten ſtellt ſogar zuweilen den Apollo unter den Muſen in reitzender Schoͤnheit weiblich gekleidet dar. Apollo, der unter dem Nahmen Muſagetes, den Chor der Muſen anfuͤhrt, iſt eine der ſchoͤn - ſten Dichtungen des Alterthums, woran auch die bildende Kunſt der neuern ſich verſucht hat.

Merkwuͤrdig iſt es, daß auch Herkules un - ter dem Nahmen Muſagetes, als der Anfuͤhrer der Muſen, bei den Alten verehrt wurde, und man auf die Weiſe der Koͤrperkraft, und den Leibesuͤbun - gen die geiſtigen Vorzuͤge zugeſellte, und beide ſich unter einem Sinnbilde dachte.

U306

Einſt wurden die Muſen von den Sirenen zum Wettſtreit im Singen aufgefordert, und als ſie jene mit leichter Muͤhe beſiegten, ſo war die Strafe der Vermeßnen, daß die Muſen ihnen die Federn aus den Fluͤgeln rupften, und ſolche nach - her zum Zeichen ihres Sieges auf den Koͤpfen tru - gen. Man findet daher die Muſen zum oͤftern mit dieſem Hauptſchmuck gebildet.

Auf einem alten Denkmale iſt eine Sirene dargeſtellt, bis auf die Mitte des Leibes wie eine Jungfrau, nach unten zu wie ein Vogel geſtaltet, mit großen Fluͤgeln auf dem Ruͤcken, zwei Floͤten in den Haͤnden, und ſich betruͤbt nach der Muſe umſehend, welche ſtolz auf ihren Sieg, mit der einen Hand den Fluͤgel der Sirene haͤlt, indeß ſie mit der andern ihr die Federn ausrupft.

Der Geſang der Muſen war treu und wahr; falſch und verfuͤhreriſch aber die ſchmeichelnden Lie - der der Sirenen, womit ſie die Vorbeiſchiffenden an ihr Ufer in Tod und Verderben lockten; ſo wie auch ihre jungfraͤuliche Geſtalt in das Unge - heure ſich verlohr. Die Dichtung von dem Siege der Muſen uͤber die Sirenen iſt daher ſchoͤn und bedeutend!

Ueberhaupt laſſen die alten Dichtungen gegen angemaßte Kunſttalente immer ein ſehr ſtrenges Urtheil ergehen. Der Satyr Marſyas wurde307 vom Apollo geſchunden, weil er auf ein zu hohes Kunſttalent Anſpruch machte, und es wagte, mit dem Gott der Tonkunſt ſelber in einem Wettſtreit auf der Floͤte es aufzunehmen. Dieſe Dichtun - gen ſelber ſcheinen bei den Alten eine Art von Er - bitterung gegen alles Mittelmaͤßige und Schlechte in der Kunſt vorauszuſetzen. Auch Thamyris, ein Koͤnig in Thracien mußte fuͤr ſeine Eitelkeit buͤßen, da er ſich ruͤhmend und ſeiner Talente in der Muſik und Dichtkunſt ſich uͤberhebend, die Mu - ſen ſelber zum Wettſtreit aufzufordern wagte, die ihn mit Blindheit ſtraften, und der Gabe zu dich - ten ihn ganz beraubten.

Was nun die Abbildungen der Muſen anbe - trift, ſo findet man ſie am oͤfterſten dargeſtellt mit einem Volumen, mit zwei Floͤten, oder mit einer Leyer in der Hand. Das Volumen oder die Pergamentrolle bezeichnet entweder die Klio als die Muſe der Geſchichte, oder die Polyhymnia als die Muſe der Beredtſamkeit. Bei den Floͤ - ten denkt man ſich die Euterpe als die Muſe der Tonkunſt; und bei der Leyer die Erato, als die Muſe der Liebe einfloͤßenden Geſaͤnge. Melpo - mene, die tragiſche Muſe, wird an der tragiſchen, Thalia die komiſche Muſe, an der komiſchen Larve erkannt. Kalliope, als die Muſe des Helden - gedichts, ſoll ſich durch die Tuba, Terpſichore, die Muſe der Tanzkunſt, durch eine tanzende Stel -U 2308lung unterſcheiden. Urania zeichnet durch ihren gen Himmel erhobnen Blick ſich aus.

Indeß ſind alle dieſe Darſtellungen bei den Alten mehr willkuͤrlich geweſen. Die vielfache Zahl der Muſen bezeichnete die Harmonie der ſchoͤ - nen Kuͤnſte, welche verſchwiſtert Hand in Hand gehen, und nie zu ſcharf eine von der andern ab - geſondert werden muͤſſen. So ſtellt auch in den Abbildungen der Alten eine jede einzelne Muſe gleichſam die uͤbrigen in ſich dar; und erſt in neu - ern Zeiten hat man mit pedantiſcher Genauigkeit einer jeden Muſe ihr eignes beſtimmtes Geſchaͤft anzuweiſen geſucht.

Die Einbildungskraft der Alten ließ ſich hier - bei freien Spielraum. Man ſieht auf alten Marmorſaͤrgen die verſammleten Muſen auf mehr als einerlei Art, und in abwechſelnden Stellungen abgebildet. Ein Gemaͤhlde in den Herkulani - ſchen Alterthuͤmern, iſt das einzige, welches die neun Muſen ganz genau voneinander unterſchieden dar - ſtellt, weil unter der Abbildung einer jeden auch ihr Nahme befindlich iſt. Es ſcheint aber, als habe dieſer Kuͤnſtler eben deswegen zu der Unter - ſchrift der Nahmen ſeine Zuflucht nehmen muͤſſen, weil er ſelbſt die aͤußern Merkmale ſeiner Muſen, auch nach den damaligen Begriffen, nicht genug unterſcheidend und bezeichnend fand.

[figure]
309

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt nach einer ſchoͤnen antiken Gemme, die Muſe ſtehend abgebildet, wie ſie die Leyer ſtimmt. Eine Darſtellung, wodurch nicht eine einzelne Muſe ausſchließend, ſondern die Muſe uͤberhaupt be - zeichnet wird, in ſo fern die Tonkunſt, nach den aͤlteſten Begriffen, ihr Hauptgeſchaͤft iſt. Denn mit der Tonkunſt entwickelten ſich zuerſt die ſchlum - mernden Kraͤfte fuͤr die uͤbrigen Kuͤnſte. Muſik, Geſang und Tanz war, wie wir ſchon bemerkt ha - ben, das Hauptgeſchaͤft der Muſen, und es giebt keine eigne Muſe fuͤr die bildenden Kuͤnſte.

Auf eben dieſer Kupfertafel iſt auch nach einer antiken Gemme, ein Liebesgott abgebildet, wel - cher den Loͤwen, auf dem er reitet, mit den har - moniſchen Toͤnen ſeiner Leyer zaͤhmt, wodurch der Kuͤnſtler in einem ſchoͤnen Sinnbilde die ver - einte Macht der Liebe und Tonkunſt ausdruͤckt.

Liebesgoͤtter.

Auch die Goͤttergeſtalt des Amor vervielfaͤltigte ſich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebes - goͤtter, welche allenthalben in den Dichtungen unter reitzenden Geſtalten erſcheinen, ſind gleich - ſam Funken ſeines Weſens; und die Dichtkunſt iſt unerſchoͤpflich in ſchoͤnen ſinnbildlichen Darſtellun - gen dieſer alles beſiegenden Gottheit.

310

So findet man den Liebesgott dargeſtellt, wie er Jupiters Donnerkeil zerbricht; wie er mit des Herkules Loͤwenhaut umgeben, und mit ſeiner Keule bewafnet iſt; oder wie er auf den Helm des Mars tritt, deſſen Schild und Wurfſpieß vor ihm liegen.

Unter dem griechiſchen Nahmen Eros und Anteros, Liebe und Gegenliebe, ſtellt die bil - dende Kunſt der Alten zwei Liebesgoͤtter dar, die um einen Palmzweig ſtreiten, gleichſam um den Wetteifer in der wechſelſeitigen Liebe zu bezeichnen.

In allerlei Arten von Beſchaͤftigungen ſtellte man die Liebesgoͤtter dar. So ſieht man auf einem alten Denkmale, wo ein Weinſtock ſich um einen Ulmbaum ſchlingt, oben auf dem Baume ſitzend einen Liebesgott, der Trauben pfluͤckt, in - deß zwei andre Liebesgoͤtter unter dem Baume ſtehend warten.

Jagend, fiſchend, zu Waſſer das Ruder, zu Lande den Wagen lenkend, und ſogar die me - chaniſchen Arbeiten der Handwerker emſig betrei - bend findet man die Liebesgoͤtter auf alten Gem - men und Gemaͤhlden. Weil aber in der Vorſtel - lungsart der Alten auch jedes Geſchaͤft ſeinen Genius hatte, ſo geht hier die Dichtung von den Liebesgoͤttern wieder in den Begriff von den Ge - nien uͤber, und dieſe zarten Weſen der Einbil - dungskraft verlieren ſich ineinander.

311

Grazien.

Die hohen blendenden Reitze der maͤchtigen Liebesgoͤttin, vervielfaͤltigen ſich in den Grazien oder Charitinnen, und wurden wohlthaͤtig, ſanft und milde. Vom Himmel ſenkten die drei Huld - goͤttinnen zu den Sterblichen ſich hernieder, um die ſchoͤnen Empfindungen der Dankbarkeit und des wechſelſeitigen Wohlwollens in jeden Bu - ſen einzufloͤßen. Auch waren ſie es, welche vor allen andern Goͤttern, den Menſchen die ſuͤße Gabe zu gefallen ertheilten.

Sie hießen mit ihren beſondern Nahmen Aglaia, Thalia, und Euphroſyne, und waren vom Jupiter mit der Eurynome, der ſchoͤnen Tochter des Oceans, erzeugt, die unter den alten Gottheiten in den Dichtungen ſchon mit aufge - treten iſt.

Den Grazien waren allenthalben Tempel und Altaͤre errichtet; um ihre Gunſt flehte jedes Alter und jeder Stand; ihnen huldigten Kuͤn - ſte und Wiſſenſchaften; auf ihren Altaͤren zuͤn - dete man taͤglich Weihrauch an; bei jedem fro - hen Gaſtmahl waren ſie die Loſung, und man nannte mit Ehrfurcht ihre Nahmen.

Dem Amor und den Muſen wurden die Gra - zien zugeſellt; oft hatten ſie mit dem Amor, oͤfter noch mit den Muſen, gemeinſchaftlich einen Tem -312 pel; ſie umgaben ſelbſt Jupiters Thron; im Himmel und auf Erden erkannte man ihre Herr - ſchaft, und huldigte ihrem Einfluß, ohne welchen die Schoͤnheit ſelber zum todten Gemaͤhlde wird.

Denn durch die Grazien, in tanzender Stel - lung abgebildet, wird vorzuͤglich der Reitz der Bewegung im Gang, Gebehrden und Mienen ausgedruͤckt, wodurch die Schoͤnheit am meiſten die Seele feſſelt. Hand in Hand geſchlungen wandelnd bezeichneten ſie wieder jede ſanfte Em - pfindung des Herzens, die in Zuneigung, Freund - ſchaft, und Wohlthun ſich ergießt. Gewiß mußte die religioͤſe Verehrung dieſer ſchoͤnen We - ſen auf das Leben und die Denkart der Alten einen unverkennbaren Einfluß haben.

Um gleichſam zu bezeichnen, daß bei den aus - ſchweifendſten Bildungen der Phantaſie, die Grazie dennoch verſteckt ſeyn, und die Grenze bezeichnen muͤſſe, machte man hohle Bildſaͤulen von Satyrn, worin man, wenn ſie eroͤfnet wurden, kleine Bilder der Grazien fand.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befindet ſich außer den Grazien, nach einer antiken Gem - me, noch eine der Horen oder Jahrszeiten, vor einer Art von Altar ſtehend, mit Palmblaͤttern auf dem Haupte, und tanzend Fruͤchte in den Haͤnden tragend, nach einem antiken Marmor - werk aus Winkelmanns Monumenten.

[figure]
313

Die andern beiden Figuren auf eben dieſem Denkmale ſind auf aͤhnliche Weiſe ſich zum Tanz bewegend dargeſtellt, nur mit dem Unterſchiede, daß zu den Fuͤßen der einen, welche den Fruͤhling bezeichnet, eine Blume aufſproſſet; und zu den Fuͤßen der andern, die den Winter andeutet, auf der Altar aͤhnlichen Erhoͤhung von aufeinan - der gelegten Steinen, ein kleines Feuer lodert.

Da nun die erſte Figur, mit den Fruͤchten, den Herbſt abbildet, ſo finden in dieſer ſinnbild - lichen Darſtellung nur drei Jahrszeiten ſtatt, weil man unter dem Merkmale der reifen Fruͤchte, in jenem waͤrmern Himmelsſtrich, ſowohl den Som - mer als Herbſt begriff. In einigen aͤltern Dich - tungen iſt die Zahl der Horen nur zwei, weil man das ganze Jahr in Sommer und Winter theilte.

Horen.

Unter dem Nahmen der Horen wurden in den Dichtungen der Alten ſowohl die Goͤttinnen der Gerechtigkeit, welche Jupiter mit der The - mis erzeugte, als auch die Jahrszeiten begrif - fen, welche gleichſam mit gerechter Theilung ihrer Wohlthaten, durch ihren immerwaͤhrenden Wechſel, das ſchoͤne Gleichgewicht in der Natur erhalten, und mit abgemeßnen Schritten tanzend und einander folgend, ihren beſtimmten Lauf voll - enden.

314

Es giebt kein ſchoͤnres Bild, um ſich darunter die Flucht der Zeit zu denken, als die tanzenden Horen, welche daher auch in den Dichtungen zu den Grazien ſich geſellen, und gemeinſchaftlich mit ihnen Taͤnze auffuͤhren.

Auch die Horen ſtehen um Jupiters Thron, und ihr Geſchaͤft iſt die Thuͤren des Himmels zu oͤfnen und zu ſchließen, indem ſie ihn bald in finſtre Wolken huͤllen, und bald mit neuem Glanz ihn wieder aufheitern. Auch ſpannten die Ho - ren jeden Morgen die Roſſe an den Sonnenwa - gen, und waren zugleich Dienerinnen der Juno, die uͤber den Luftkreis herrſcht.

Nymphen.

Die unerſchoͤpfliche Dichtungskraft der Alten ſchuf ſich Weſen, wodurch die Phantaſie die leb - loſe Natur beſeelte. Die Quellen, die Berge, die Waͤlder, die einzelnen Baͤume, hatten ihre Nymphen. Man knuͤpfte gern die Idee von etwas Goͤttlichem an das Feſte und Bleibende, was die einzelnen Menſchengeſchlechter uͤberlebt; an den feſtgegruͤndeten Berg, den immerſtroͤmenden Quell, und die tauſendjaͤhrige Eiche.

Alle dieſe Dichtungen aber waren gleichſam nur der Wiederſchein vom Gefuͤhl erhoͤhter Menſch - heit, der ſich aus dem Spiegel der ganzen Natur315 zuruͤckwarf, und wie ein reitzendes Blendwerk uͤber der Wirklichkeit gaukelnd ſchwebte.

So ſchweifte die Oreade auf den Bergen umher, um mit ihren Schweſtern, im Gefolge der Diana, die Spur des Wildes zu verfolgen; jeder zaͤrtlichen Neigung ihr Herz verſchließend, ſo wie die ſtrenge Goͤttin, die ſie begleitete.

Mit ihrem Waſſerkruge ſaß, in der einſamen Mittagsſtunde, die Najade am Quell, und ließ mit ſanften Murmeln, des Baches klare Fluth hinſtroͤmen. Gefaͤhrlich aber waren die Liebko - ſungen der Najaden; ſie umarmten den ſchoͤnen Hylas, des Herkules Liebling, als er Waſſer ſchoͤpfte, und zogen ihn zu ſich in den Brunnen herab. Vergebens rief Herkules ſeinen Nah - men, nie ward ſein Liebling mehr geſehen.

Im heiligen Dunkel des Waldes wohnten die Dryaden; und die Hamadryade bewohnte ihren einzigen Baum, mit dem ſie gebohren ward und ſtarb. Wer einen ſolchen Baum erhielt, dem dankte die Nymphe ihr Leben. ſo ward ſelbſt die lebloſe Natur ein Gegenſtand des theil - nehmenden Wohlwollens der Sterblichen.

Satyrn.

In das Dunkel des Waldes verſetzt die Dich - tung auch die Satyrn mit Hoͤrnern und Ziegen -316 fuͤßen. Dieſe Weſen machen gleichſam einen Schlußpunkt fuͤr die Thierwelt und die Menſchen - welt, worin ſich das Getrennte in einer neuen Erſcheinung ſpielend wieder zuſammen findet.

Es iſt der leichte Ziegenfuß, welcher ſich in dieſer Dichtung ſcherzend der Menſchenbildung anſchmiegt. Jugendliche Schalkhaftigkeit, und unbeſorgter Leichtſinn zeichnen die Bildung dieſer Weſen aus, welche, obgleich ſterblich, dennoch durch eine hoͤhere Natur, uͤber die Sorgen und den Kummer der Menſchen erhaben ſind.

Die bildende Kunſt ſtellte erſt dieſe Weſen der Phantaſie dem Auge dar; und der Glaube an ihre Wuͤrklichkeit mußte ſich deſto laͤnger erhalten, weil, nach den Volksbegriffen, keiner ungeſtraft eine Nymphe oder einen Waldgott ſehen durfte.

Statt alſo dem wirklichen Daſeyn dieſer We - ſen nachzuforſchen, ſuchte vielmehr ein jeder vor ih - rer unvermutheten Erſcheinung in einſamen Gegen - den ſich zu huͤten; und nur der begeiſterte Dichter ſahe im Gefolge des Bachus, auf dem einſamen Felſen, Nymphen, die auf des Gottes Lehren horchten, und Bockfuͤßige Satyrn, die mit ſpitzen Ohren lauſchten.

In den Satyrn hat die bildende Kunſt die menſchliche Geſtalt ſo nahe wie moͤglich an die thieriſche grenzend, darzuſtellen geſucht. Ein Satyr, auf einer antiken Gemme, der mit einem317 Bock ſich ſtoͤßt, iſt von dieſem kaum durch etwas mehr, als den Leib und die Arme unterſchieden, weil die Bocksgeſtalt ſogar bis auf die Geſichts - zuͤge ſich erſtreckt, die obgleich menſchenaͤhnlich, dennoch eine thieriſche Natur ausdruͤcken. Sehr komiſch iſt die Stellung des Satyrs, der beim Anlauf mit den Hoͤrnern die Haͤnde auf den Ruͤ - cken haͤlt, um gleichſam jedes Vortheils uͤber den Bock ſich zu begeben.

Dieſe komiſchen Geſtalten machen in dem Gefolge des Bachus unter den Nymphen, Ge - nien, und Liebesgoͤttern den reitzendſten Kon - traſt, ſo daß es ſcheinet, als wenn ſie in die - ſen Gruppen, und uͤberhaupt unter den Goͤtter - geſtalten nicht fehlen duͤrften, weil in dieſen halb goͤttlichen und halb thieriſchen Weſen, in deren Miene ſich Lachen und Spott vereint, die Dich - tung gleichſam erſt ihre Vollſtaͤndigkeit erhaͤlt, und mit ihnen den Zug beſchließt.

Faunen.

Die Faunen ſind von den Satyrn, wenig - ſtens in den Werken der bildenden Kunſt verſchie - den. Sie werden voͤllig in menſchlicher Geſtalt nur mit Ziegenohren und einem Ziegenſchwanze ab - gebildet. Aber auch ohne dieſe Merkmale iſt die Bildung eines Faunen leicht zu kennen, weil ihre318 Geſichtszuͤge, weder zart noch edel, nur thieriſche oder ſinnliche Begierden und ſinnlichen Genuß ausdruͤcken. Demohngeachtet findet man unter den alten Denkmaͤlern Faunen von bewunderns - wuͤrdiger Schoͤnheit, wo dennoch die Geſichts - zuͤge immer noch jene halbthieriſche, ſinnliche Natur bezeichnen.

Man ſiehet die Faunen auf den alten Denk - maͤlern tanzend, ſitzend, Kraͤnze flechtend, mit Ziegen ſpielend, junge Faunen auf dem Knie wie - gend, und in viel mehrern reitzenden Stellungen abgebildet, wo die Phantaſie mit dieſer Idee auf die mannigfaltigſte Weiſe ſpielt.

So laͤßt ein alter Faun ein junges Maͤdchen auf ſeinem Fuße tanzen; ein andrer Faun dreht das Rad an einem Brunnen, um einer Nymphe Waſſer zu ſchoͤpfen, die waͤhrend der Zeit ſeinen Thyrſus haͤlt. Zwei Faunen ſitzen einander gegenuͤber, und der eine iſt im Begriff dem andern einen Dorn aus dem Fuße zu zie - hen. Ein andrer traͤnkt einen jungen Faun aus einem großen Weingefaͤß. So wechſeln die reitzenden Darſtellungen ab.

Man ſieht, daß Die Sorgloſigkeit bei die - ſen Weſen ein Hauptzug iſt, wodurch ſie den Goͤt - tern aͤhnlich ſind, und von den Menſchen ſich unterſcheiden, nach den Worten des alten Dich - ters:

319
Den Menſchen gaben die Goͤtter vielen Kum -
mer zu tragen;
Sie ſelber aber ſind ſorglos.

Pan.

Das ganze Geſchlecht der Satyrn und Fau - nen wurde gleichſam auf einmal unter der Goͤtter - geſtalt des Pan begriffen, in welcher ſich dieſe Dichtung wieder vereinzelte; denn die Bildung des Pan iſt uͤbrigens von der Bildung der Sa - tyrn nicht verſchieden, ausgenommen, daß Pan einen Mantel oder eine Bockshaut um die Schul - tern, und einen gekruͤmmten Schaͤferſtab oder eine ſiebenroͤhrige Floͤte in den Haͤnden traͤgt. Die uͤbrigen Waldgoͤtter mit den Ziegenfuͤßen hießen von ihm auch Aegipanen.

Der ſiebenroͤhrigen Floͤte ſchreibt die Dichtung folgenden Urſprung zu: als Pan die Nymphe Syrinx, von Lieb entbrannt, verfolgte, und dieſe bis an den Fluß Ladon vor ihm flohe, wo ihr Lauf gehemmt war, ward ſie ploͤtzlich in ein Schilfrohr verwandelt, welches Pan umarmte.

Der Wind, der in das Rohr blies, brachte klagende Toͤne hervor; und Pan ſuchte dieſe Toͤne wieder zu erwecken, indem er ſieben Rohre, das folgende immer um ein beſtimmtes Maaß kuͤrzer als das vorhergehende, zuſammenfuͤgte, und ſo320 die Hirtenfloͤte erfand, welche nach dem Nahmen der verwandelten Nymphe Syrinx hieß.

Nach einigen Dichtungen iſt Pan ein Sohn Merkurs, und ſo wie dieſer, auch in Arkadien gebohren, wo ſein vorzuͤglichſter Aufenthalt auf dem Berge Lycaͤus war. Andre Sagen laſſen ihn unter den aͤlteſten Gottheiten ſchon mit auf - treten, wo er auf eine geheimnißvolle Weiſe, das Ganze, und die Natur der Dinge bezeich - net. Auch den gekruͤmmten Hirtenſtab ließ man nicht ohne Bedeutung ſeyn, ſondern auf die Wie - derkehr der Jahreszeiten, und den Kreislauf der Dinge durch ſeine Geſtalt hinweiſen.

Man dachte ſich unter dem Pan ein Weſen, halb wohlthaͤtig und halb furchtbar; und eben weil dieſer Begriff ſo ſchwankend war, ſchuf ſich die Einbildungskraft unter demſelben allerlei Schreckbilder. Irgend ein Getoͤſe oder furcht - bare Stimmen, die man in naͤchtlicher Stille, oder vom einſamen Ufer her zu vernehmen glaubte, ſchrieb man dem Pan zu; weswegen man nachher auch ein jedes Entſetzen, wovon man ſelbſt die Urſache nicht wußte, oder wovon der Grund bloß in der Einbildung lag, ein paniſches Schre - cken nannte.

Die Hirten, welche vorzuͤglich den Pan ver - ehrten, fuͤrchteten dennoch ſeinen Anblick; ſie flehten ihn aber um den Schutz ihrer Heerden an,

[figure]

321 und brachten ihm haͤufig Opfer dar. Denn an dieſe Gottheit, welche ſelber wie ſie die Hirtenfloͤte blies, und den krummen Schaͤferſtab in der Hand trug, durften die Hirten und die Bewohner der Fluren ſich am naͤchſten anſchließen, und theilneh - mende Vorſorge und Beiſtand von ihr erwarten.

Sylvan.

Der eigentliche Gott der Waͤlder, den einige Dichtungen den uͤbrigen noch hinzufuͤgen, wird vom Pan nur wenig verſchieden abgebildet, außer daß er, um gleichſam die Nacht des Waldes zu bezeichnen, einen Cypreſſenzweig in der Hand traͤgt, der zugleich das Freudenloſe und Melan - choliſche ſeines einſamen Aufenthalts mit bedeuten ſollte, weswegen er auch den Landleuten furcht - bar war.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel befindet ſich unten, nach einem antiken geſchnittenen Stei - ne, ein tanzender Faun; und oben eine ſehr getreue Darſtellung im Umriß von einem der ſchoͤn - ſten Werke des Alterthums, das unter dem Nah - men, der Siegelring des Michel Angelo, all - gemein beruͤhmt iſt.

Man ſieht hier Nymphen, Satyrn, Faunen, Liebesgoͤtter, in eine einzige ſchoͤne Gruppe verei - nigt, in deren Mitte eine edle Mannsgeſtalt, mit einem Roß an der Hand, emporragt.

X322

Die Weinranken, welche an zwei Ulmbaͤumen ſich hinaufwinden, bilden eine Laube, woruͤber zwei kleine Liebesgoͤtter eine Decke ausbreiten. Einige von den weiblichen Figuren tragen Koͤrbe mit Weintrauben angefuͤllt auf den Koͤpfen; andre am Boden ſitzend, ſind vorzuͤglich mit einem Kinde beſchaͤftigt, das ſich der einen an den Buſen ſchmiegt, und auf die Erziehung des jungen Ba - chus von den Nymphen, dieß Kunſtwerk deu - ten laͤßt.

Zu der Gruppe der ſitzenden Figuren geſellt ſich ein Faun, der knieend neuen Wein in eine Schale gießt. Hinter ihm ſteht ein Satyr und blaͤſt auf einem Horn. Am Ende traͤgt ein Knabe noch ein Gefaͤß mit Wein herzu. Vor - zuͤglich ſchoͤn iſt die Stellung der beiden weiblichen Figuren auf der andern Seite, wovon ſich die eine mit dem Korbe auf dem Haupte, zu ihrer Gefaͤhr - tin niederbuͤckt. Neben dieſen beiden Figuren haͤlt eine dritte ihren Arm in die Hoͤhe, um dem einen Liebesgott eine Schale zu reichen. Und nichts kann reitzender ſeyn, als, wie die beiden Lie - besgoͤtter, um auch am Genuß mit Theil zu nehmen, von oben ihre Haͤnde ausſtrecken, der eine nach der emporgehaltnen Schale, der andre nach dem Korbe voll Trauben, den eine von den Nymphen auf dem Haupte traͤgt.

323

Penaten.

Eine Art von Genien oder Schutzgoͤttern bei den Alten, waren die Penaten, welche auch La - ren hießen. Jede Stadt hatte ihre beſondre Schutzgoͤtter, und jede Familie, und jedes Haus die ſeinigen. In dieſen Weſen, die den Men - ſchen ſo nahe waren, vervielfaͤltigten die hohen Gottheiten, aus denen man ſich ſeine Schutzgoͤt - ter waͤhlte, gleichſam ihre Gegenwart.

Der Hausgoͤtter oder Laren waren gemeinig - lich zwei, die auf dem heiligen Heerde ihren Wohnplatz hatten, und wie Juͤnglinge mit einem Hut und Reiſeſtabe, und einem Hunde neben ſich abgebildet waren. Man bekraͤnzte ſie mit Blu - men, und von den Speiſen, die auf dem Heerde zubereitet wurden, brachte man ihnen Opfer dar. Sie waren Zeugen vom Genuß des haͤuslichen Gluͤcks. Das Alltaͤgliche und Gewoͤhnliche wurde durch ihre Gegenwart geheiligt, und jedes Haus gewiſſermaßen zu einem Tempel geweiht.

Priapus.

Da bei den Alten noch nichts[unheilig] war, was die Natur gebeut, und das Geheimniß der Erzeugung und Fortpflanzung von ihnen als etwas Goͤttliches betrachtet wurde, wodurch die Gat - tung bei dem immerwaͤhrenden Abfall durch AlterX 2324und Krankheit, ſich in ewiger Jugend erhaͤlt; ſo hatte auch die ſonderbare Goͤtterbildung des Pria - pus, mit einem ausgeſtreckten großen maͤnnlichen Zeugungsgliede, fuͤr ſie nichts Anſtoͤßiges.

Zuweilen aus Stein, zuweilen nur aus Holz gearbeitet, und von den Huͤften bis zum Fuß wie ein ſpitzzulaufender Pfeiler geſtaltet, mit einem krummen Gartenmeſſer in der Hand, war Pria - pus der Huͤter der Gaͤrten und Weinberge. Man brachte ihm Milch, Honig und Wein zum Opfer dar, damit er den Fruͤchten Gedeihen gebe, und die Diebe verjage. Unbeſchadet ſeiner Ver - ehrung aber verknuͤpfte man dennoch den Begriff von Haͤßlichkeit mit ſeiner Geſtalt, welche zugleich dazu dienen mußte, die Voͤgel zu ver - ſcheuchen.

Komus.

Mit einer geſenkten Fackel in der Hand, und mit herabgeſunknem Haupte, ſchlaftrunken an eine Thuͤr ſich lehnend, wurde Komus, der Vor - ſteher naͤchtlicher Schmaͤuſe, frohen Lebensgenuſ - ſes, muntrer Laune, heitrer Scherze, und geſel - liger Freuden, von den Alten gebildet, und ſie hielten den Genius des frohen Lebensgenuſſes nicht fuͤr unwuͤrdig in der Reihe der Goͤttergeſtalten mit aufzutreten.

[figure]
325

Hymen.

Ein ſchoͤner Juͤngling mit der hochzeitlichen Fackel in der Hand, war der Genius oder der Gott der Ehen. Ihm zu Ehren wurden Lob - lieder bei jeder Vermaͤhlungsfeier geſungen; die Gegenwart dieſer Gottheit kroͤnte den heiligen Bund, und weihte die Freuden des Hochzeit - mals.

Orpheus.

Wie ein vom Himmel geſandtes Weſen lehrte Orpheus zuerſt die Sterblichen auf die harmoni - ſchen Toͤne lauſchen, indem er das Lob der Gott - heit ſang. Er iſt auf der hier beigefuͤgten Kup - fertafel nach einer antiken Gemme abgebildet, mit der Leyer in der Hand, die Thiere des Wal - des um ihn her verſammlet; ein bedeutendes Sinnbild, wie er durch die Macht der Tonkunſt die wilden Naturen zaͤhmte, und aus dem dum - pfen thieriſchen Schlummer das Geſchlecht der Menſchen weckte. Auf eben dieſer Tafel iſt, nach einem antiken geſchnittnen Steine, der weiſe Chiron, den jungen Achilles in der Tonkunſt un - terrichtend, dargeſtellt.

Chiron.

Obgleich des Chiron, wegen ſeiner unmittel - baren Abſtammung vom Saturnus, in der Reihe326 der alten Goͤttergeſtalten ſchon gedacht iſt; ſo tritt er doch auch vorzuͤglich unter den Weſen mit auf, welche das Band zwiſchen Goͤttern und Menſchen knuͤpfen. Denn ſeiner Fuͤhrung und ſeinem goͤttlichen Unterricht dankten die Helden, welche ſelbſt nachher die Zahl der Goͤtter vermehrten, in ihrer fruͤheſten Jugend ihre Bildung.

Nichts iſt ruͤhrender, als die Worte, womit er, nach einem Dichter des Alterthums, den jun - gen Achill entließ:

O Sohn der Thetis, dich erwartet das Land des Aſſarakus, das der kalte Skamander, und der ſchlammigte Simois durchſchneidet. Von da haben dir die Parzen die Ruͤckkehr abgeſchnit - ten, und auf dem blauen Ruͤcken des Meeres fuͤhrt deine Mutter dich nicht zuruͤck! darum vergiß der Sorgen beim Wein und Saitenſpiel, und ver - ſcheuche den Kummer durch ſuͤße Geſpraͤche!

Aeſkulap.

Auch der erſte Anfang der Heilkunde wurde von den Alten als etwas Goͤttliches betrachtet. Man dachte ſich denjenigen, welcher zuerſt dieſe Kunſt im Leben uͤbte, und ſelbſt ihr Opfer wurde, auch noch nach ſeinem Tode als ein wohlthaͤtiges, menſchenfreundliches Weſen, zu dem die Kranken nicht unerhoͤrt um Huͤlfe flehen durften.

327

Apollo erzeugte nehmlich den Aeſkulap mit der Koronis, der Tochter eines Theſſaliſchen Koͤnigs. Als Koronis mit dem Iſchys einer heimlichen Liebe pflog, beſtrafte Apollo ihre Untreue mit dem Tode; den Aeſkulap aber, mit dem ſie ſchwanger war, rettete er noch, da ſie ſchon auf dem Schei - terhaufen lag.

Nun wurde der Goͤtterſohn in der Hoͤhle des weiſen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wiſ - ſenſchaft, und vorzuͤglich in der Kraͤuterkunde unterwieß, welche Wiſſenſchaft Aeſkulap zu einer Wohlthaͤterin der Menſchheit machte, indem er die Kraͤfte der Pflanzen erforſchend, die mannich - faltigſten Heilmittel fuͤr die mannichfaltigen Krank - heiten des Koͤrpers daraus erfand.

Er trieb dieſe Kunſt ſo weit, daß die Dich - tung von ihm ſagt, es ſey ihm mehrere Male ge - lungen, den Todten ſelbſt wieder Leben einzuhau - chen. Daruͤber zuͤrnte die immerzerſtoͤrende Macht, das immerverſchlingende Grab, und die Gewalt des ſchrecklichen Pluto, die den Erwecker der Todten, als einen kuͤhnen und vermeßnen Frevler beim Donnerer verklagte. Dieſer ließ den Aeſkulap, ſo wie den Prometheus, fuͤr ſeine Wohlthat an den Menſchen buͤßen und ſchleu - derte ſeine Blitze auf das ſchuldloſe Haupt. Der die Schmerzen der Menſchen linderte und ihre328 Krankheiten heilte, ward auf die Weiſe ſelbſt ein Opfer ſeiner wohlthaͤtigen Kunſt.

Nach ſeinem Tode wurden ihm Haine, Tem - pel und Altaͤre geweiht; vorzuͤglich wurde er zu Epidaurus in Griechenland verehrt. Sei - ne Soͤhne Machaon und Podalirius, waren im Trojaniſchen Kriege als Anfuͤhrer und Helden, und zugleich wegen ihrer großen Wiſſenſchaft in der Heilkunde, beruͤhmt.

Dem Aeſkulap war die Schlange, als ein Bild der Geneſung und Geſundheit, heilig; ver - muthlich in ſo fern man ſich unter ihr ein ſich ſelbſt verjuͤngendes, und durch die Abſtreifung der Haut ſich gleichſam wieder erneuerndes Weſen dachte.

Neben dem Aeſkulap findet man zuweilen ei - nen kleinen Knaben abgebildet, mit einer Muͤtze auf dem Kopfe, und in einen Mantel ganz ein - gehuͤllt. Sein Nahme iſt Telesphorus, und ſeine Kindergeſtalt, und ſonderbare Umhuͤllung, ſcheinet auf irgend eine Weiſe auf den Zuſtand der Wiedergeneſenden anzuſpielen. Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel ſind Aeſkulap und Hy - gea, beide nach antiken geſchnittnen Steinen, im Umriß abgebildet.

Hygea.

Hygea, eine Tochter des Aeſkulap, wurde ſogar als die Goͤttin der Geſundheit ſelbſt ver -

[figure]

329 ehrt. Auch zu ihr geſellt ſich die wohlthaͤtige heilbringende Schlange, und wird aus einer fla - chen Schale von ihr geſpeiſt. Die Erhaltung der Geſundheit iſt ihr Geſchaͤft; und ſie bringt als eine milde Gabe dieſe Wohlthat von den Goͤttern zu den Sterblichen hernieder.

330

Die Lieblinge der Goͤtter.

Die Dichtungen von den Lieblingen der Goͤtter erhalten einen vorzuͤglichen Reitz durch eine Art von ſchwermuͤthigen truͤben Daͤmmerſchein, der ſie umhuͤllt. Wenn Jugend und Schoͤnheit ein Raub des Todes wurden, ſo hieß es, irgend eine Gottheit habe ihren Liebling von der Erd ent - fuͤhrt. Auf die Weiſe ward die Trauer mit Freude vermiſcht; und die Klage um den Todten gemildert. Man findet daher auch dieſe Dich - tungen auf den Marmorſaͤrgen der Alten am haͤu - figſten dargeſtellt.

Ganymed.

Vom Ganymedes, einem Sohn des Tros und Urenkel des Dardanus, des erſten Stifters von Troja, ſagt der Dichter: Er war der ſchoͤnſte unter den ſterblichen Menſchen. Die Goͤtter ſelbſt entfuͤhrten ihn, ſeiner Schoͤnheit we - gen damit er dem Jupiter den Becher reichte, und in der Geſellſchaft der Unſterblichen waͤre.

331

In der Geſtalt des Adlers, welcher den Don - ner trug, entfuͤhrte Jupiter ſeinen Liebling, von dem Gipfel des Ida, und trug ihn ſanft in den gekruͤmmten Klauen, ſchwebend, von der Erd empor.

In dieſe ſchoͤne Dichtung huͤllte die troͤſtende Phantaſie den fruͤhen Verluſt des Juͤnglings ein, deſſen Jugend und Schoͤnheit man ſich unmoͤglich als ſterblich denken konnte, und daher ſein Ver - ſchwinden, als eine Hinwegruͤckung von der Erde zum Sitz der unſterblichen Goͤtter ſich erklaͤrte.

In dieſe Sehnſucht nach dem Genuß eines hoͤhern Daſeyns, loͤßt, nach der erhabnen Dar - ſtellung eines neuern Dichters, die ſchoͤne Fabel vom Ganymed ſich auf:

Ganymed.
Wie im Morgenglanze
Du rings mich angluͤhſt,
Fruͤhling, Geliebter!
Mit tauſendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz draͤngt
Deiner ewigen Waͤrme
Heilig Gefuͤhl,
Unendliche Schoͤne!
Daß ich dich faſſen moͤcht
In dieſen Arm!
332
Ach, an deinem Buſen
Lieg ich, ſchmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Draͤngen ſich an mein Herz.
Du kuͤhlſt den brennenden
Durſt meines Buſens,
Lieblicher Morgenwind,
Ruft drein die Nachtigal
Liebend nach mir aus dem Nebelthal.
Ich komm! Ich komm!
Wohin? Ach, wohin?
Hinauf! Hinauf ſtrebt’s!
Es ſchweben die Wolken
Abwaͤrts, die Wolken
Neigen ſich der ſehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schooße
Aufwaͤrts!
Umfangend umfangen!
Aufwaͤrts an deinem Buſen,
Allliebender Vater!

Goͤthe.

An der Goͤttertafel den Nektar einzuſchenken, war nun das Geſchaͤft des Ganymedes. Vor ihm verwaltete Hebe, die Tochter der Juno, die - ſes Amt, bis ſie durch einen Fehltritt deſſelben verluſtig wurde, indem ſie einſt im Fallen, durch eine unanſtaͤndige Stellung, die Grazie entweihte,333 welche bei dieſem hohen Goͤtteramte jede Bewe - gung begleiten mußte.

Atys.

Auch Cybele, die ernſthafte Mutter der Goͤtter, waͤhlte ſich den ſchoͤnen Knaben Atys zu ihrem Lieblinge. Er verließ ſeine vaͤterlichen Fluren, und eilte in die phrygiſchen Waͤlder, um dem Dinſte der ſtrengen und keuſchen Goͤttin ſich ganz zu widmen.

Als er aber einſt ihres Verbots vergaß, der Liebe nie zu pflegen, und von den Reitzen der ſchoͤ - nen Nymphe Sangaris hingeriſſen, mit dieſer der Liebe pflog; brach uͤber ihn und den Gegen - ſtand ſeiner Liebe der Zorn der Goͤttin aus. Er ſelber beſtrafte ſich durch Entmannung fuͤr ſein Vergehen, und mußte durch immerwiederkehrende Anfaͤlle von Raſerei fuͤr ſeinen zu nahen Umgang mit der zu hoch erhabnen, geheimnißvollen Gott - heit buͤßen.

Eine ſchoͤne Dichtung aus dem Alterthum ſtellt ihn dar, am Ufer des Meeres ſtehend, und eine kleine Weile ſeines Bewußtſeyns maͤchtig, ſehnſuchtsvoll nach dem entfernten Ufer hinuͤber - blickend, wo er im Schooße ſeiner Eltern, und mit ſeinen Geſpielen, der Kindheit ſuͤßen Traum verlebte.

334

Aber ihm naͤhert ſich die Goͤttin auf ihrem mit Loͤwen beſpannten Wagen, und ploͤtzlich er - greift den Atys wieder raſende Wuth; er eilt des Berges waldigten Gipfel hinauf, um alle Tage ſeines Lebens in weibiſcher Weichlichkeit der maͤchti - gen Goͤttin zu dienen.

Tithonus.

Dieſer ſchoͤne Juͤngling war ein Sohn des trojaniſchen Koͤnigs Laomedon und Bruder des Priamus. Die Dichtung huͤllte ſeinen Verluſt in die Fabel ein, daß Aurora ihn einſt bei ſeinen Heerden erblickt, und wegen ſeiner Schoͤnheit ihn entfuͤhrt habe.

Sie erbat vom Jupiter fuͤr ihn die Unſterb - lichkeit, und ihre Bitte ward ihr gewaͤhrt. Nun hieß es in der Dichterſprache, daß Aurora jeden Morgen aus dem Bette des Tithonus em - porſtiege, um am Himmel zu glaͤnzen. Aurora erzeugte mit ihm den Mnemon, deſſen ſchon ge - dacht iſt, wie die metallne Seule, die nach ſei - nem Tode ihm errichtet wurde, einen hellen Klang von ſich gab, ſo oft die erſten Strahlen der auf - gehenden Sonne ſie beſchienen.

Das Gluͤck des Tithonus aber, in Aurorens Arm zu ruhen, blieb dennoch unvollkommen. Aurora hatte aus der Acht gelaſſen, mit der Un -335 ſterblichkeit zugleich die Befreiung vom Alter fuͤr ihn vom Jupiter zu erbitten. Und nun welkte ihr Liebling von Alter und Schwachheit aufgezehrt dahin, daß kaum noch die Stimme von ihm uͤbrig blieb, und er zuletzt ſelber die Goͤttin bat, ſein Weſen aufzuloͤſen.

Kein Gluͤck, ſagt daher ein Dichter des Alter - thums, kein Gluͤck iſt durchaus vollkommen! Den jungen Achilles rafte ein ſchneller Tod da - hin; den Tithonus zehrte ein langſames Alter auf; ſeine Unſterblichkeit ſelbſt ward ihm zur Buͤrde.

Anchiſes.

Merkwuͤrdig iſt die Anrede der Venus an ihren Liebling Anchiſes, deſſen ſchon gedacht iſt, daß er den Held Aeneas mit ihr erzeugte. Sie ſpricht zu ihm, da ſie als Goͤttin ſich ihm zu er - kennen giebt: ſey ohne Furcht! du wirſt nichts Schlimmes wegen meiner Liebe erdulden. Ich werde nicht, wie Aurora fuͤr ihren Tithonus, die Unſterblichkeit fuͤr dich erbitten; ſondern dich wird das ſchnelle Alter, ſo wie die andern Sterb - lichen uͤberſchleichen. Die Nymphen des Wal - des aber ſollen den Sohn, den ich gebaͤhre, erzie - hen. Wenn er mannbar iſt, ſollſt du an ſei - ner goͤttergleichen Geſtalt dich weiden. Und336 wenn dich jemand fraͤgt, wer dieſen Sohn geboh - ren, ſo ſollſt du ſagen: eine der Nymphen, die dieſe Berge bewohnen; ruͤhmſt du dich aber thoͤricht, daß du in Cytherens Arm geruht, ſo wird dich Jupiters Blitz zerſchmettern! Dieß praͤge tief dir ein, und fuͤrchte den Zorn der Goͤtter!

Adonis.

Die Liebe der Venus zu dem ſchoͤnen Juͤng - ling Adonis ging bald in die Klage um ſeinen Tod hinuͤber. Adonis war ein Sohn der Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem ſie im naͤchtlichen Dunkel, ihm ſelber unbewußt, eine Zeitlang blutſchaͤndriſcher Liebe pflog, bis einſt zu - faͤllig die graͤßliche Scene erleuchtet wurde, und der Vater unter tauſend Verwuͤnſchungen und Fluͤchen, mit dem toͤdtenden Eiſen ſeine Tochter verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo ſie ihr Vergehen bereuend, ſo lange Thraͤnen weinte, bis ſie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das Bewußtſeyn von ihrer That verlohr.

Noch waͤhrend ihrer Verwandlung ward Ado - nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal - des erzogen, und welchen Venus, da er ein Juͤng - ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge waͤhlte, und weil ſie keinen Augenblick ihn verlaſſen wollte, ſogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und auf der Jagd der Hirſche und Rehe ihn begleitete.

337

So oft er aber allein die Spur der reißenden und gefaͤhrlichen Thiere verfolgte, warnete ſie ihn jedesmal, wenn er von ihr ging, ſein ihr ſo theu - res Leben nicht in Gefahr zu ſetzen. Allein bei dem jungen Adonis uͤberwand ſein kuͤhner Muth die Zaͤrtlichkeit, er folgte der Warnung der Goͤttin nicht.

Schon ſchwebte ſein ſchwarzes Verhaͤngniß uͤber ihm; er ſtieß auf einen ergrimmten Eber; ſchoß vergebens ſeinen Jagdſpieß ab; ſchon ſenkte des Ebers weißer Zahn ſich in des Juͤnglings Huͤfte. Haͤufiges Blut ent - ſtroͤmte der Wunde, und Venus, welche ſchon mit Angſt und Zagen ahndungsvoll ihren Liebling ſuchte, fand ihn erblaßt in ſeinem Blute liegend.

Vergebens ſuchte ſie ihn ins Leben zuruͤckzu - rufen, und klagte zuͤrnend das Schickſal an. Allmaͤlig verwandelte ihre Verzweiflung ſich in ſanftre Traurigkeit; ſie ließ aus ihres Lieblings Aſche die Anemone entſprießen, und gab ihm dadurch eine Art von Unſterblichkeit.

Dem Adonis wurde ein Feſt gefeiert, wo die Weiber ſeinen Tod beklagten, und indem ſie Koͤrbe mit Blumen ins Waſſer ſtuͤrzten, des Le - bens kurze Bluͤthe beweinten. Es ſcheint, als ob die Klage um den Adonis, welche im Orient allgemein war, ſich auf noch eine weit aͤltere Dich - tung gruͤnde, die in dieſe Einkleidung der neuern griechiſchen Fabel ſich gehuͤllt hat.

Y338

Hyacinthus.

Ein Liebling des Apollo war der ſchoͤne Hya - cinthus, ein Sohn des Oebalus, eines Lacede - moniſchen Fuͤrſten. Apollo und ſein Liebling wetteiferten einſt im Scheibenwerfen; aus der Hand des Gottes flog die Wurfſcheibe, und Boreas auf den Apollo eiferſuͤchtig, lenkte ſie in der Luft, und trieb ſie an des Juͤnglings Haupt, welcher todt darniederſank. Apollo ließ aus ſeines Lieblings Aſche die Hyacinthe her - vorgehen; und die Lacedaͤmonier feierten jaͤhrlich ein Feſt bei dem Grabe des ſchoͤnen Juͤnglings, der in des Lebens Bluͤthe ein Raub des Todes ward.

Cypariſſus.

Auch dieſem Liebling des Apollo war nur ein kurzes Alter beſtimmt. Der ſchoͤne Knabe beſaß einen zahmen Hirſch, der ihm vorzuͤglich lieb war, und von ſeiner Kindheit an ihm Freude machte. Dieſen erſchoß er unverſehens im Dunkel des Waldes; und ſein zu weiches Herz ließ ihn dieſe That ſo ſehr bereuen, daß er unauf - hoͤrlich traurend die einſamſten Schatten ſuchte, und ſich in Kurzem zu Tode haͤrmte. Als er geſtorben war, ſo ließ Apollo aus ſeinem Grabe die dunkle Cypreſſe emporſteigen, die den Nahmen339 des Entſchlummerten verewigte, und immer ein Sinnbild der Trauer blieb. Man ſiehet aus die - ſer, ſo wie aus den vorhergehenden Dichtungen, was Jugend und Schoͤnheit, vom Tode dahinge - raſt, auf jene ſanften Gemuͤther fuͤr einen unaus - loͤſchlichen Eindruck machten.

Leukothoe.

Ohngeachtet Apollo ſelber der Gott der Ju - gend und Schoͤnheit war, ſo war er doch ſelten in der Liebe gluͤcklich. Leukothoe, des Orcha - mus Tochter, pflog mit dem Apollo einer ver - ſtohlnen Liebe. Klytie, eine andre Geliebte des Apollo hieruͤber eiferſuͤchtig, verrieth dem ſtrengen Orchamus das Liebesverſtaͤndniß ſeiner Tochter. Dieſer vergrub ſie lebendig in die Erde, und Apollo, der ſie nicht retten konnte, ließ zum bleibenden Andenken ihrer Zaͤrtlichkeit und ihres Schickſals, die Weihrauchſtaude aus ihrem Grabe emporwachſen.

Klytie hatte nun durch ihren Verrath des Gottes Liebe auf immer verſcherzt; untroͤſtlich daruͤber kehrte ſie neun Tage lang, ohne Speiſe und Trank zu nehmen, ihr Antlitz nach der Sonne, dem glaͤnzenden Urbilde des Gottes mit dem ſilbernen Bogen. Zuletzt ward ſie, von Gram und Kummer aufgezehrt, in eine BlumeY 2340verwandelt, in welcher Geſtalt ſie immer noch wie ehmals, ſich nach der Sonne wendet.

Auch Daphne entſchluͤpfte der Umarmung des Apollo. Als ſie von ihm verfolgt nicht weiter fliehen konnte, flehte ſie ihren Vater, den Flußgott Peneus um Rettung an, und dieſer verwandelte ſie in einen Lorbeerbaum, der nach - her dem Apollo beſtaͤndig heilig war, und mit deſſen Zweigen er ſeine Schlaͤfe umkraͤnzte. So taͤuſchen den Gott der Dichter in dieſen Fa - beln ſeine Wuͤnſche. Lorbeer, der ſein Haar umkraͤnzt, Weihrauch, der ihm duftet, ſind ſein Erſatz fuͤr den Genuß verſagter Liebe.

Endymion.

Unter allen Lieblingen der Goͤtter hat die Dichtung den ſchoͤnen Jaͤger Endymion des groͤß - ten Vorzugs gewuͤrdigt, weil Diana, die ſtrenge Goͤttin der Keuſchheit ſelber, von ſeinen Reitzen gefeſſelt, die Macht der Liebe empfindet.

Auf dem einſamen Gebirge Latmus in Ka - rien war Endymions Aufenthalt. Er jagte beim naͤchtlichen Schein des Mondes in den Waͤl - dern, bis er ermuͤdet entſchlummerte. Schlum - mernd erblickte ihn einſt Diana, als ſie mit ihrer Fackel die Nacht erleuchtend am Himmel auf - ſtieg, alles war einſam und ſtill; ſie hielt341 die Roſſe vor ihrem Wagen an, und ſenkte ſich langſam aus der Hoͤhe bis zu der Lippe des Schlummrers nieder, die ſie zum erſtenmal mit heißer Liebe kuͤßte.

Oft ſenkte ſie nun nachher den Schlummer auf Endymions Augenlieder, der ſchlafend des Gluͤcks genoß, das Goͤttern und Menſchen noch nie zu Theil ward.

Unter dem ſchoͤnen Sinnbilde vom ſchlum - mernden Endymion ließ ein zartes Gefuͤhl die Al - ten den Tod darſtellen; und man ſieht auf ihren Marmorſaͤrgen, welche die Aſche fruͤh verbluͤhter Juͤnglinge umſchloſſen, den gluͤcklichen Schlaͤfer abgebildet, wie Diana auf ihrem Wagen zu ſei - nen Kuß ſich herniederſenkt.

Acis.

Den ſchoͤnen Schaͤfer Acis in Sicilien liebte Galatea, eine der Nereiden. Vergebens warb der ungeheure Polyphem um ihre Gunſt. Als er aber einſt am Fuß des Aetna die Nymphe den ſchoͤnen Acis umarmend erblickte, riß er voll wuͤthender Eiferſucht einen Felſen los, und ſchleu - derte ihn, die Liebenden zu zerſchmettern. Die Nymphe entfloh ins Meer, den Acis traf der Stein, und ploͤtzlich loͤßte ſein Weſen in einen Bach ſich auf, der nachher ſeinen Nahmen fuͤhrte.

342

Peleus.

Einer der gluͤcklichſten Sterblichen war Pe - leus, der Sohn des gerechteſten Fuͤrſten, der Vater des tapferſten Helden, und der Gemahl einer Goͤttin, die vom Jupiter ſelbſt geliebt war.

Eben die Thetis, des Nereus Tochter, vor deren Umarmung Prometheus den Jupiter warn - te, war es, welche mit dem Peleus, des Aeakus Sohn, obgleich ſich eine Zeitlang ſtraͤubend, auf aller Goͤtter Zureden ſich vermaͤhlte, und von dem Peleus den Achill gebahr, der maͤchtiger als ſein Vater, den glaͤnzendſten Heldenruhm er - warb.

Bei der Hochzeit des Peleus waren alle Goͤt - ter verſammlet, nur war Eris, die Goͤttin der Zwietracht ausgeſchloſſen. Und dieſe warf in das glaͤnzende Gemach den goldnen Apfel mit der ungluͤckbringenden Inſchrift, die ihn der Schoͤn - ſten unter den Goͤttinnen weihte.

Dieſe glaͤnzende Hochzeitfeier enthielt den er - ſten Keim zu dem verderblichen Kriege, der Troja verwuͤſtete, und Griechenland ſeiner tapfern Soͤhne beraubte. Auch des Peleus Gluͤck war nicht von Dauer; ihn uͤberſchlich das druͤckende Al - ter; er uͤberlebte ſeinen tapfern Sohn. Vom Gram gebeugt, und kummervoll beſchloß er ſeine Tage.

[figure]
343

Von den Lieblingen der Goͤtter iſt auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel, nach einem antiken ge - ſchnittnen Steine Ganymedes dargeſtellt, wie Jupiter in der Geſtalt des Adlers ihn entfuͤhrt. Auch iſt auf eben dieſer Tafel, nach einer andern antiken Gemme, der Sturz des Phaeton abge - bildet.

344

Die tragiſchen Dichtungen.

D die Alten uͤberhaupt in ihren Dichtungen das Tragiſche liebten, ſiehet man aus der ganzen Folge ihrer Goͤtter, und Heldengeſchichte. Das ungleiche Verhaͤltniß der Menſchen zu den Goͤttern, welches ſchon von ihrer Entſte - hung an ſich offenbarte, iſt faſt in jeder Dichtung auf irgend eine Weiſe in ein auffallendes Licht ge - ſtellt.

Die Goͤtter erhoͤhen und ſtuͤrzen nach Gefal - len. Jeder Verſuch eines Sterblichen mit ihrer Macht und Hoheit ſich zu meſſen, wird auf das ſchrecklichſte geahndet. Ihr zu naher Umgang bringt oft ihren Lieblingen ſelbſt den Tod. Ihre wohlthaͤtige Macht wird von der furchtbaren uͤber - wogen.

Allein es gab ein Fatum, das uͤber Goͤtter und Menſchen herrſchte. Durch dieß Fatum fuͤhlten die Sterblichen ſich den Goͤttern gleich ge - ſetzt, wenn in den hohen tragiſchen Dichtungen gegen den Druck der Obermacht die langverhaltne Erbittrung endlich ausbrach.

345

Folgender Geſang eines neuern Dichters hallt jene furchtbaren Toͤne wieder, und reißt den Horcher an die tragiſche Schaubuͤhne der Alten hin:

Es fuͤrchte die Goͤtter
Das Menſchengeſchlecht!
Sie halten die Herrſchaft
In ewigen Haͤnden,
Und koͤnnen ſie brauchen,
Wie’s ihnen gefaͤllt.
Der fuͤrchte ſie doppelt,
Den je ſie erheben!
Auf Klippen und Wolken
Sind Stuͤhle bereitet
Um goldene Tiſche.
Erhebet ein Zwiſt ſich:
So ſtuͤrzen die Gaͤſte,
Geſchmaͤht und geſchaͤndet,
In naͤchtliche Tiefen,
Und harren vergebens,
Im Finſtern gebunden,
Gerechten Gerichtes.
Sie aber, ſie bleiben
In ewigen Feſten
An goldenen Tiſchen.
Sie ſchreiten von Bergen
Zu Bergen hinuͤber;
346
Aus Schluͤnden der Tiefe
Dampft ihnen der Athem
Erſtickter Titanen,
Gleich Opfergeruͤchen,
Ein leichtes Gewoͤlke.
Es wenden die Herrſcher
Ihr ſegnendes Auge
Von ganzen Geſchlechtern,
Und meiden, im Enkel
Die eh’mals geliebten,
Still redenden Zuͤge
Des Ahnherrn zu ſehn.

Goͤthens Iphigenie

Theben.

Vorzuͤglich war Theben in Griechenland de[r]Schauplatz der tragiſchen Begebenheiten, welche auf der Buͤhne dargeſtellt, die ſchmerzlichſuͤße Theilnehmung an dem Jammer der Vorwelt in jedem Buſen weckten, und ein ganzes mitempfin - dendes Volk zur hoͤhern Bildung veredelten.

Kadmus.

Agenor, deſſen Tochter Europa vom Ju - piter entfuͤhrt ward, war auch der Vater des Kadmus, dem er befahl, die entfuͤhrte Tochter in allen Laͤndern aufzuſuchen, und ohne ſie vor ihm nicht wieder zu erſcheinen.

347

So raͤchte die zuͤrnende Eiferſucht der Juno ſich an Agenors Hauſe. Wie ein Fluͤcht - ling mußte Kadmus umherirren, und durfte, da er ſeine Schweſter nirgends fand, in ſeine vaͤter - liche Heimath nicht wiederkehren, ſondern mußte im fremden Lande ſich einen Wohnſitz ſuchen.

Er kam nach Boͤotien in Griechenland, und waͤhlte es, einem Orakelſpruch zu Folge, zu ſei - nem Aufenthalt. Als er nun ſeine Gefaͤhrten, um Waſſer zu einem Opfer zu ſchoͤpfen, in ein dem Mars geweihtes Gehoͤlze ſchickte, wurden ſie von einem ungeheuren Drachen, dem Huͤter dieſes heiligen Hains, getoͤdtet.

Kadmus erlegte dieß Ungeheuer, und mußte, auf den Befehl der Minerva, die Zaͤhne des Dra - chen in die Erde ſaͤen. Aus dieſer Saat keim - ten geharniſchte Maͤnner auf, die ſogleich ihre Schwerdter gegeneinander zuͤckten, und ſich ein - ander erſchlugen, bis auf fuͤnf, die dem Kadmus Theben erbauen halfen.

Dieſe Dichtung von den Kriegern, die aus der Saat der Drachenzaͤhne entſproſſen, ſich ſelbſt einander aufreiben, iſt ſchon ein dunkles Vorbild von alle dem Jammer und der Zwietracht, welche die Nachkommen des Kadmus einſt ihre Schwerd - ter gegen ſich ſelber kehren, und ſie in ihr Einge - weide wuͤthen laͤßt.

348

Kadmus, der Stifter von Theben, vermaͤhlte ſich nun mit der Harmonia, einer Tochter des Mars und der Venus, und bildete das Volk, das er um ſich her verſammelte, und dem er zuerſt die Schriftzeichen mittheilte, die er aus Phoͤni - zien mit ſich hieher gebracht. Er lebte mit der Harmonia bis in ſein ſpaͤteſtes Alter. Um dieſem Paar eine Art von Unſterblichkeit zu geben, ſagt die Dichtung, daß beide zuletzt in Schlangen verwandelt wurden.

Die Kinder des Kadmus, welche er mit der Harmonia oder Hermione erzeugte, waren Ino, Agave, Autonoe, Semele, und ein Sohn Nahmens Polydorus. Semele, die Mutter des Bachus, deren ſchon oͤfter gedacht iſt, kam in Flammen um, weil ſie auf Anſtiften der Juno, den thoͤrichten unwiderruflichen Wunſch gethan hatte, ihren Liebhaber, den Donnergott, in ſeiner ganzen Majeſtaͤt zu ſehen.

Agave vermaͤhlte ſich mit dem Echion, ei - nem der uͤbriggebliebnen von denen, die aus der Saat der Drachenzaͤhne entſproſſen waren, wel - cher den Pentheus mit ihr erzeugte. Dieſer Pentheus, welcher ſich ſpottend der Verehrung des Bachus widerſetzte, und deſſen Prieſterinnen verfolgte, wurde, wie ſchon gedacht iſt, von ſeiner eignen Mutter und den uͤbrigen Bachantinnen, die ihn fuͤr ein reißendes Thier anſahen, zerfleiſcht.

349

Die Ino verfolgte der Zorn der Juno, weil ſie den jungen Bachus ſaͤugte. Sie war mit dem Athamas vermaͤhlt. Dieſen ergriff eine raſende Wuth, in welcher er ihren erſten Sohn Learchus an einem Felſen zerſchmetterte; und da ſie mit ihrem juͤngſten Sohn Melicertes vor ihm flohe, bis an eine Felſenſpitze am Meere ſie verfolgte. Hier ſtuͤrzte Ino ſich mit ihrem Sohn herab, und ward ſammt ihm von den Wellen emporgetra - gen. Beide wurden unter die Meergoͤtter auf - genommen, und Ino ward unter dem Nah - men Leukothea verehrt.

Autonoe, die vierte Tochter des Kadmus, vermaͤhlte ſich mit dem Ariſtaͤus, der den Aktaͤon mit ihr erzeugte, deſſen ſchon gedacht iſt, wie ihn ſeine eignen Hunde zerriſſen, als Diana, die er im Bade erblickte, um ſeinen Frevel zu ſtrafen, ihn in einen Hirſch verwandelt hatte.

Dieß ſind die Schickſale der Toͤchter des Kad - mus, welche ein feindſeliges Verhaͤngniß und den Haß der Juno, der auf ihres Vaters Hauſe ruhte, mehr oder weniger tragen mußten.

Kadmus ſelber begab ſich in ſeinem Alter nach Illyrien, wo, nach der Fabel, ſeine Verwand - lung vorging. Die Herrſchaft uͤber Theben uͤberließ er ſeinem Sohn, dem Polydor, welcher den Labdakus erzeugte, der ihm wieder in der Regierung folgte. Labdakus vermaͤhlte ſich mit350 der Nykteis, einer Tochter des Nykteus, und erzeugte mit ihr den Lajus, der noch minderjaͤhrig war, als ſein Vater ſtarb, und an deſſen Stelle Lykus, ein Bruder des Nykteus, uͤber Theben herrſchte.

Antiope, eine Tochter des Nykteus, ward vom Jupiter geliebt, von ihrem Vater aber ver - ſtoßen; ſie rettete ſich zum Epopeus, dem Koͤnige von Sicyon, der ſich mit ihr vermaͤhlte. Lykus aber, der dem ſterbenden Nykteus verſprochen hatte, ihn an ſeiner Tochter zu raͤchen, erſchlug den Epopeus, und fuͤhrte die Antiope gefangen nach Theben, wo er ſie ſeiner Gemahlin Dirce uͤbergab, von der ſie auf das grauſamſte mißhan - delt wurde.

Antiope hatte vom Jupiter den Amphion und Zethus gebohren, die heimlich erzogen wurden. Sobald ſie ein Mittel fand, zu entrinnen, eilte ſie zu ihren Soͤhnen, und for - derte ſie auf, die Schmach ihrer Mutter zu raͤ - chen. Amphion und Zethus drangen in The - ben ein, erſchlugen den Lykus, verjagten den La - jus, und banden die Dirce, welche ihre Mutter ſo grauſam mißhandelt hatte, an die Hoͤrner eines wilden Stiers, von dem ſie zerriſſen ward.

Amphion erbaute nun die Mauern von The - ben, und ſchloß die Stadt mit ſieben Thoren ein. Die Ueberredungskunſt, womit Amphion351 zu dieſem Werke die rohen Einwohner zu ermun - tern wußte, huͤllt die Dichtung in die ſchoͤne Fabel ein, daß er durch die Toͤne ſeiner Leyer die Stei - ne ſelbſt bewegt habe, ſich zuſammenzufuͤgen, und zu Mauern und Thuͤrmen ſich zu bilden.

Nach dem Tode des Amphion und Zethus riefen die Thebaner den verjagten Lajus, des Lab - dakus Sohn zuruͤck, und gaben ihm die Herrſchaft wieder, worauf er mit der Jokaſte, der Schweſter des Kreon, eines Thebaniſchen Fuͤrſten, ſich ver - maͤhlte.

Oedipus.

Dem Lajus war geweißagt worden, daß ſein Sohn ihn erſchlagen wuͤrde. Als ihm daher Jokaſte den Oedipus gebahr, ſo ließ er ihn in einer wuͤſten Gegend ausſetzen. Der vertraute Bediente, der dieß Geſchaͤft verrichtete, band das Kind mit den Fuͤßen an einen Baum.

In dieſem Zuſtande fand es Phorbas, der Aufſeher der Heerden des Koͤnigs Polybius, der Korinth beherrſchte. Dieſer nahm das Kind, als es ihm Phorbas brachte, ſelbſt an Kindes ſtatt an, und man gab ihm von ſeinen geſchwollnen Fuͤßen, den Nahmen Oedipus.

Die Pflegeaͤltern des Oedipus verhehlten ſorg - faͤltig vor ihm die Ungewißheit ſeiner Abkunft, ſo daß er von Kindheit an, ſie fuͤr ſeine wahren El -352 tern hielt, bis in ſeinen Juͤnglingsjahren einige beunruhigende Zweifel ihn bewogen, das Orakel des Apollo um Rath zu fragen.

Das Orakel beruͤhrte den eigentlichen Punkt ſeiner Abkunft nicht, ſondern warnte ihn nur, vor der Ruͤckkehr in ſein Vaterland, weil er daſelbſt ſeinen Vater toͤdten, und ſeine eigne Mutter zum Weibe nehmen wuͤrde.

Oedipus ſuchte ſeinem Schickſal zu entgehen, indem er ſich freiwillig von Korinth verbannte, das er noch immer fuͤr ſein Vaterland hielt. In dieſer Ruͤckſicht begab er ſich auf den Weg nach Theben, und ging unwiſſend ſeinem Schickſal ent - gegen.

Denn ſchon auf der Reiſe ſtieß er in einem engen Wege auf den Lajus, dem er nicht auswei - chen wollte, und daruͤber mit ihm und ſeinem Ge - folge in einen Streit gerieth, wovon das Ende war, daß Oedipus unwiſſend ſeinen eignen Vater erſchlug, und auf die Weiſe ein Theil des Orakels in Erfuͤllung ging.

Als Oedipus nach Theben kam, fand er die Sphinx, ein von der Echidna gebohrnes, und von der Juno geſandtes gefluͤgeltes Ungeheuer in Loͤwengeſtalt und mit jungfraͤulichem Antlitz, die Einwohner aͤngſtigend.

Auf einem Felſen nicht weit von Theben ſaß die Sphinx, und gab den Vorbeigehenden ein353 Raͤthſel auf: was fuͤr ein Thier am Morgen auf vier, am Tage auf zwei, am Abend auf drei Fuͤßen gehe? Wer dieß Raͤthſel nicht errieth, den ſtuͤrzte ſie von dem Felſen herab.

Oedipus kam und deutete das Raͤthſel: der Menſch als Kind am fruͤheſten Morgen ſeines Le - bens, waͤlze ſich auf Haͤnden und Fuͤßen fort; am langen Tage des Lebens, wo noch die Kraft in ſeinen Gliedern wohnt, wandle er aufrecht auf zwei Fuͤßen; am Abend, wenn das Alter ihn uͤberſchleicht, gehe er gebuͤckt am Stabe, und ſetze auf die Weiſe den dritten Fuß ſich an.

Nun toͤdtete Oedipus die Sphinx, oder, nach einer andern bedeutendern Sage, ſtuͤrzte ſie ſich vom Felſen herab, ſobald er das Raͤthſel errathen hatte.

Da nun Lajus todt war, ohne daß man ſei - nen Moͤrder wußte; ſo hatte man demjenigen, der das Raͤthſel der Sphinx aufloͤſen, und von dieſem Ungeheuer das Land befreien wuͤrde, ver - heißen, daß die Koͤnigin ſich mit ihm vermaͤhlen, und ihm die Herrſchaft uͤber Theben zum Braut - ſchatz bringen ſolle.

Dem Oedipus ward nun dieß von vielen Tau - ſenden beneidete anſcheinende Gluͤck zu Theil, wo - mit der ſchreckliche Orakelſpruch ganz und ohne Schonung in Erfuͤllung ging; indem er ſich mit Jokaſten, der Koͤnigin, vermaͤhlte, nahm erZ354unwiſſend ſeine eigne Mutter zum Weibe, nachdem er ſeinen Vater erſchlagen hatte.

Eine Weile Lebensgenuß verſtattete ihm noch ſein feindſeliges Geſchick, indem es vor alle dieſe Graͤuel einen Vorhang zog. Oedipus erzeugte mit der Jokaſte zwei Soͤhne, Eteokles und Polynices; und zwei Toͤchter Antigone und Ismene eben ſo unwiſſend uͤber ſein eignes Schickſal, als uͤber das kuͤnftige Schickſal ſeiner Kinder.

Die Tage dieſer gluͤcklichen Unwiſſenheit ſoll - ten nicht lange mehr dauern. Ueber Theben kam eine verwuͤſtende Peſt. Oedipus ſelber that den Vorſchlag, das Orakel zu befragen, ob etwa irgend ein einzelner Mann den Zorn der Goͤtter auf ſich geladen? und ob das ganze Land vielleicht die Schuld eines Einzelnen buͤßen muͤſſe?

Man folgte ſeinem Rath, und der furchtbare Ausſpruch traf ihn ſelber. Er ruhte nicht nachzuforſchen, bis er die Wahrheit ans Licht bringen, oder die Verlaͤumdung zu Schanden ma - chen wuͤrde; und mit jeder Nachforſchung entwi - ckelte ſich immer klaͤrer die graͤßliche Geſchichte.

Als endlich nun kein Zweifel mehr uͤbrig war, und Oedipus mit ſchrecklicher Gewißheit, der Blutſchande und des Vatermords ſich ſchuldig fand, ſo vermochte er nicht laͤnger des Tages Glanz zu tragen, und blendete ſich ſelber. Die un -355 gluͤckliche Jokaſte gab ſich mit dem Strange den Tod. Und Oedipus irrte, des Augenlichts be - raubt, von ſeiner Tochter Antigone gefuͤhrt, beladen mit dem Haß der Goͤtter, bis an ſeinen Tod im fremden Land umher.

Dem Oedipus folgten in der Regierung ſeine beiden Soͤhne, Eteokles und Polynices, der - geſtalt, daß beide abwechſelnd, ein Jahr um das andre, die Herrſchaft fuͤhren ſollten. Aber auch dieſe traf das feindſelige Verhaͤngniß, das auf Theben und den Nachkommen des Kadmus ruhte.

Eteokles und Polynices.

Dieſe beiden wurden ein Opfer ihres Zwiſtes, der aus Neid und Herrſchſucht ſich entſpann. Eteokles trat die Regierung an. Das erſte Jahr verfloß, und Eteokles, der einmal im Beſitz war, weigerte ſich, dem Polynices auf das andre Jahr die Herrſchaft abzutreten.

Polynices ging aus Theben und begab ſich zum Adraſtus, der uͤber Argos herrſchte. Die - ſer nahm ihn guͤtig auf, verſprach ihm ſeinen Bei - ſtand, und vermaͤhlte ihm ſeine Tochter. Auch Tydeus, des Oeneus Sohn, und Bruder des Meleager, begab ſich um eben dieſe Zeit zum Koͤnige Adraſtus, weil er aus Kalydon fluͤchten mußte, und dieſem vermaͤhlte Adraſtus ſeine andre Tochter.

Z 2356

Um nun dem Polynices ſeinen Antheil an der Herrſchaft uͤber Theben wieder zu verſchaffen, ſchickte Adraſtus erſt den Tydeus zum Eteokles, um Unterhandlung mit ihm zu pflegen. Da aber die - ſer, noch ehe er nach Theben kam, von einem Hin - terhalt, den Eteokles ihm gelegt, verraͤthriſch uͤber - fallen wurde, und nachdem er mit Muͤhe ſich geret - tet hatte, mit der Nachricht von dieſer Verraͤtherei nach Argos zuruͤckkehrte; ſo ruͤſtete Adraſtus ſich ſchleunig zum Kriege gegen den Eteokles.

Der Thebaniſche Krieg.

Zu der Unternehmung gegen Theben vereinigte ſich Adraſtus mit ſeinen beiden Tochtermaͤnnern, dem Tydeus, und dem Polynices, um deſſent - willen er den Krieg anhub. Zu ihnen geſellte ſich der tapfre Kapaneus aus Meſſene; Hippo - medon, ein Sohn der Schweſter des Adraſtus; und Parthenopaͤus, ein ſchoͤner und tapfrer Juͤngling aus Arkadien, deſſen Mutter Atalanta war.

Mit der Eriphyle, einer Schweſter des Adraſtus, war Amphiaraus vermaͤhlt, den man an dieſem Zuge Theil zu nehmen lange vergebens zu uͤberreden ſich bemuͤhte, weil ſein Geiſt in die Zu - kunft blickte, und nicht nur das Ungluͤck, das die Belagrer von Theben treffen wuͤrde, vorausſahe,357 ſondern auch ſicher wußte, daß in dieſem Kriege ihm ſein Tod bevorſtand.

Er verbarg daher den Ort ſeines Aufenthalts vor dem Adraſt und Polynices, bis ſeine eigne Gemahlin Eriphyle, durch ein koſtbares Halsge - ſchmeide, das ihr Polynices ſchenkte, gewonnen, den Ort ſeines Aufenthalts entdeckte, und Am - phiaraus nun wider Willen an dieſem Kriege Theil zu nehmen, genoͤthigt wurde. Nun waren alſo der Anfuͤhrer ſieben:

  • Adraſtus;
  • Polynices;
  • Tydeus;
  • Amphiaraus;
  • Kapaneus;
  • Parthenopaͤus;
  • Hippomedon.

Allein ſchon unterwegens auf ihrem Zuge, ereignete ſich ein tragiſcher Zufall. Hypſipyle, deren in der Geſchichte der Argonauten ſchon ge - dacht iſt, hatte nach der Abreiſe des Jaſon, von dem ſie einen Sohn gebahr, vor den uͤbrigen Wei - bern aus Lemnos fluͤchten muͤſſen, weil ſie ihrem Vater Thoas das Leben gerettet. Sie ward am Ufer des Meers, wohin ſie ſich zu retten ſuchte, von Seeraͤubern gefangen, die ſie dem Lykurgus358 verkauften, welcher ſie zur Saͤugamme ſeines Soh - nes Archemorus machte.

Da nun das vereinte Heer durch das Gebiet des Lykurgus zog; ſo fanden ſie des Thoas koͤnig - liche Tochter allein in einem Gehoͤlze, dem Kna - ben Archemorus die Bruſt darreichend. Sie eilte, den vor Durſt verſchmachtenden Griechen, die ſie um Beiſtand flehten, eine Quelle zu zeigen, und ließ den Knaben Archemorus allein im Graſe liegen.

Als nun Hypſipyle an den Ort, wo ſie ihren Saͤugling ließ, zuruͤckkehrte, hatte dieſen waͤhrend der Zeit eine Schlange getoͤdtet. Die Griechen, uͤber dieſe Begebenheit beſtuͤrzt und niedergeſchla - gen, hielten dem Kinde ein praͤchtiges Leichenbe - gaͤngniß, und ſtifteten ihm zu Ehren Spiele, wel - che nachher zu beſtimmten Zeiten wiederhohle wurden.

Nach dieſer vollbrachten Todtenfeier, ſetzte das Kriegsheer ſeinen Zug fort, und kam vor Theben an. Die ſieben Heerfuͤhrer theilten ſich, um die ſieben Thore von Theben mit ihren Haufen zu beſetzen, und durch eine Belagrung die Stadt zu zwingen.

Eteokles ſtellte einem jeden der Anfuͤhrer in dem Heere des Adraſtus ſeinen Mann entgegen. Dem Tydeus den Menalippus; dem Kapaneus den Polyphontes; dem Hippomedon den Hy -359 perbius; dem Parthenopaͤus den Aktor; dem Amphiaraus den Laſthenes; er ſelber ſtellte ſich gegen den Polynices, ſeinen Bruder.

Und nun begann, indem die Belagerten einen Ausfall thaten, das fuͤr Sieger und Beſiegte gleich ungluͤckſeelige Treffen.

Hippomedon und Parthenopaͤus fielen; Kapaneus, der die Mauer erſtieg, wurde vom Blitz getoͤdtet; Tydeus vom Menalippus erſchla - gen; und Eteokles und Polynices kamen beide im Zweikampf um; den Amphiaraus verſchlang die Erde; nur Adraſtus entfloh auf ſeinem ſchnel - len Roß Arion, deſſen ſchon bei den Erzeugungen des Neptun gedacht iſt.

Die Regentſchaft in Theben fiel dem Kreon, dem Bruder der Jokaſte zu. Dieſer befahl, den Leichnam des Eteokles mit allen Ehrenbezeu - gungen zu begraben. Den Koͤrper des Poly - nices aber verbot er, bei Todesſtrafe, mit Erde zu bedecken, und ließ ihn, ſo wie die uͤbrigen Leichname der Gebliebnen von Adraſtus Heer, unter freiem Himmel, den Voͤgeln zum Raube liegen.

Antigone, des Oedipus Tochter, und Schwe - ſter des Polynices achtete Kreons Verbot, und die Gefahr des Todes nicht, ſondern ſtahl ſich bei ei - ner mondhellen Nacht vor die Stadt hinaus, wo ihre Haͤnde ihres Bruders Leichnam mit Sand bedeckten. Als ſie fuͤr dieſe That lebendig ein360 Raub des Grabes werden ſollte, kam ſie dem Ur - theil ſchnell zuvor, und gab mit dem Strange ſich ſelbſt den Tod.

Haͤmon, Kreons Sohn, welcher ſie zaͤrtlich liebte, ſtieß verzweiflungsvoll ſein Schwerdt ſich in die Bruſt, da er Antigonen, als ein Opfer von ſeines Vaters Grauſamkeit, in ihrem Kerker todt fand.

Haͤmons Mutter uͤberlebte den Verluſt ihres Sohnes nicht; und verwaißt ſtand nun Kreon da, und klagte verzweiflungsvoll ſich ſelber und ſein Verhaͤngniß an.

Adraſtus hatte indeß den Theſeus um Bei - ſtand angefleht, und dieſer kam vor Theben, ſchlug die Thebaner, und zwang ſie, die Leichname der Ge - bliebnen von des Adraſtus Heere zum Begraͤbniß auszuliefern.

Alle die Ungluͤcksfaͤlle, womit dieſer Krieg begleitet war, hatten dennoch nicht die Erbittrung ausgeloͤſcht, welche zehn Jahre nachher bei den Soͤhnen der Erſchlagnen zu einem zweiten Kriege ausbrach, der, weil ihn die Nachkommen der vorigen Feldherren fuͤhrten, der Krieg der Epi - gonen hieß.

Ein Sohn des Eteokles war Laodamas, der nach dem Kreon uͤber Theben herrſchte. Ther - ſander, des Polynices Sohn, unterſtuͤtzt von den Soͤhnen der erſchlagnen Feldherren, und dem361 Aegialeus, des Adraſtus Sohn, ruͤckte aufs neue vor Theben, beſiegte den Laodamas und bemaͤchtigte ſich nun der Herrſchaft wieder, die ſeinem Vater Polynices unrechtmaͤßig entriſſen war. Laoda - mas aber entflohe nach Illyrien, dem alten Zu - fluchtsorte des Kadmus, als er Theben verließ. In dieſem Kriege blieb von den Anfuͤhrern nur Aegialeus, deſſen Vater Adraſtus in dem erſten Thebaniſchen Kriege nur allein ſich rettete, da alle uͤbrigen Feldherren fielen.

Nach einem antiken geſchnittnen Stein aus der Stoſchiſchen Sammlung, einem der ſeltenſten und ſchaͤtzbarſten Denkmaͤler aus dem ganzen Alter - thum, befindet ſich auf der hier beigefuͤgten Kup - fertafel eine Abbildung der Helden, welche in dem erſten Thebaniſchen Kriege, vom Adraſtus ange - fuͤhrt, Theben belagerten.

Von den ſieben Helden ſind nur fuͤnfe darge - ſtellt, deren Namen auf dem alten Denkmale ſelbſt mit eingegraben ſind, wo ſowohl die Schrift als die Zeichnung der Figuren das hohe Alterthum des Werks beweißt. Die Helden ſind:

  • Adraſtus;
  • Tydeus;
  • Polynices;
  • Amphiaraus;
  • Parthenopaͤus.
362

Sie ſcheinen nach einem erlittnen Verluſt aufs neue ſich zu berathſchlagen. In der Mitte ſitzt Amphiaraus, ſeinen Tod, und den Tod der uͤbrigen vorausſehend, mit niedergeſchlagnem Blick. Ihm gegenuͤber Polynices in Nach - denken und Traurigkeit verſenkt, den Kopf auf die Hand geſtuͤtzt. Neben dem Amphiaraus ſitzt Parthenopaͤus, und ſchlaͤgt in ruhiger uͤber - legender Stellung die Haͤnde um das Knie zuſam - men.

Adraſtus iſt aufgeſtanden und ſcheint, mit Schild und Lanze bewafnet, entſchloſſen wieder ins Treffen zu eilen. Tydeus folgt ihm, ebenfalls bewafnet, allein mit weniger Muth und niedergeſchlagnem Blick. Vom Polynices mit dem Kopf auf die Hand geſtuͤtzt, bis zum Adra - ſtus, der entſchloſſen ins Treffen eilt, iſt gleich - ſam eine Stuffenfolge der innern Gemuͤthsbewe - gungen auf dieſem alten Kunſtwerke ausgedruͤckt. Auf eben dieſer Tafel iſt nach einer antiken Gem - me Oedipus dargeſtellt, wie er im Begriff iſt, die Sphinx zu toͤdten.

Die Pelopiden.

Pelops, ein Sohn des Tantalus, der von den Goͤttern erhoͤhet und geſtuͤrzt ward, kam nach Griechenland zum Koͤnige von Piſa, Oeno -

[figure]

363 maus, der ihn gaſtfreundlich aufnahm. Pe - lops warb um die ſchoͤne Hippodamia, des Koͤ - nigs Tochter. Allein dem Oenomaus war ge - weißagt worden, daß ſein Eidam ihn toͤdten wuͤr - de. Ein jeder, der um Hippodamien warb, mußte daher mit ihm zu Wagen einen Wettlauf halten, und wen er, ehe ſie ans Ziel kamen er - reichen konnte, der ward von ihm mit dem Schwerdt getoͤdtet.

Pelops wußte den Myrtilus, des Oeno - maus edlen Wagenlenker durch lockende Verſpre - chungen zu bewegen, den Wagen des Oenomaus dergeſtalt einzurichten, daß er mitten im Lauf nothwendig zertruͤmmern mußte. Der Koͤnig ſtuͤrzte, und verlohr ſein Leben. Pelops ver - maͤhlte ſich mit Hippodamien, und weil er dem Myrtilus ſein Verſprechen nicht halten wollte, ſo ſtuͤrzte er auch dieſen, ehe er es ſich verſahe, von einem Fels ins Meer, welches nachher von ihm das Myrtoiſche hieß.

Allein nach dieſer That, traf ſchnell ein Un - gluͤck nach dem andern des Pelops Haus; obgleich ſeine Macht ſich ſtets vergroͤßerte, und man die ganze Halbinſel von Griechenland, worin er ſo viel beherrſchte, nach ſeinem Nahmen Pelopo - neſus nannte.

Mit der Hippodamia erzeugte Pelops den Atreus und Thyeſt. Dieſe brachten ihren Bru -364 der Chryſippus, welchen Pelops mit der Aſtyo - che erzeugte, ums Leben, weil ſie des Vaters Liebe zu ihm nicht dulden konnten. Hippodamia, welche Pelops fuͤr die Stifterin dieſes Mordes hielt, gab ſich ſelber den Tod. Thyeſt und Atreus fluͤchteten.

Atreus begab ſich nach Mycene zum Eurys - theus, der ſeine Tochter Aerope mit ihm ver - maͤhlte, und nach deſſen Tode er uͤber Mycene herrſchte. Thyeſt war ihm dahin gefolgt, und nahm am Gluͤck des Atreus Theil; allein er ent - ehrte bald ſeines Bruders Bette, indem er mit der Aerope, des Atreus Gattin, zwei Soͤhne erzeugte.

Als Atreus die Frevelthat erfuhr, verjagte er den Thyeſt mit den von ihm erzeugten Soͤhnen aus dem Reiche. Thyeſt auf Rache ſinnend, hatte ſeinem Bruder einen Sohn entwandt, welchen er als den ſeinigen auferzog, und nachdem er mit Haß und Wuth gegen den Atreus ſeine Seele er - fuͤllt hatte, ihn abſchickte, um den ſchrecklichſten Mord unwiſſend zu begehen.

Unter den grauſamſten Martern ließ Atreus den Juͤngling hinrichten, deſſen Verſuch man ent - deckt hatte, und erfuhr zu ſpaͤt, daß er ſtatt ſeines Bruders Sohn den eignen getoͤdtet habe. Ver - ſtellt, und auf noch hoͤhere Rache ſinnend, verſoͤhnte ſich Atreus zum Schein mit ſeinem Bruder; ſchlach - tete deſſen beide Soͤhne, und tiſchte das Fleiſch dem365 Thyeſtes auf, welchem er nach genoßnem Mahle Haupt und Haͤnde entgegen warf. Die Sonne, ſagt die Dichtung, wandte ſchnell ihren Lauf zuruͤck, um dieſe Scene nicht zu beleuchten.

Ein neuer Dichter laͤßt Iphigenien, die auch aus des Pelops Hauſe und Dianens Prieſterin war, dem Koͤnige Thoas in Tauris, dieſe Graͤuel erzaͤhlen:

Schon Pelops, der gewaltig wollende,
Des Tantalus geliebter Sohn, erwarb
Sich durch Verrath und Mord das ſchoͤnſte Weib,
Des Oenomaus Tochter, Hippodamien.
Sie bringt den Wuͤnſchen des Gemahls zwei Soͤhne,
Thyeſt und Atreus. Neidiſch ſehen ſie
Des Vaters Liebe zu dem erſten Sohn
Aus einem andern Bette, wachſend an.
Der Haß verbindet ſie, und heimlich wagt
Das Paar im Brudermord die erſte That.
Der Vater waͤhnet Hippodamien,
Die Moͤrderin, und grimmig fordert er
Von ihr den Sohn zuruͤck, und ſie entleibt
Sich ſelbſt
Nach ihres Vaters Tode,
Gebieten Atreus und Thyeſt der Stadt
Gemeinſam herrſchend. Lange konnte nicht
Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyeſt
Des Bruders Bette. Raͤchend treibet Atreus
366
Ihn aus dem Reiche. Moͤrdriſch hatte ſchon
Thyeſt auf ſchwere Thaten ſinnend, lange
Dem Bruder einen Sohn entwandt, und heimlich
Ihn als den ſeinen ſchmeichelnd auferzogen.
Dem fuͤllet er die Bruſt mit Wuth und Rache,
Und ſendet ihn zur Koͤnigsſtadt, daß er
Im Oheim ſeinen eignen Vater morde.
Des Juͤnglings Vorſatz wird entdeckt; der Koͤnig
Straft grauſam den geſandten Moͤrder, waͤhnend,
Er toͤdte ſeines Bruders Sohn. Zu ſpaͤt
Erfaͤhrt er, wer vor ſeinen[trunknen] Augen
Gemartert ſtirbt; und die Begier der Rache
Aus ſeiner Bruſt zu tilgen, ſinnt er ſtill
Auf unerhoͤrte That. Er ſcheint gelaſſen,
Gleichguͤltig und verſoͤhnt, und lockt den Bruder
Mit ſeinen beiden Soͤhnen in das Reich
Zuruͤck, ergreift die Knaben, ſchlachtet ſie,
Und ſetzt die eckle ſchaudervolle Speiſe
Dem Vater bei dem erſten Mahle vor.
Und da Thyeſt von ſeinem Fleiſche ſich
Geſaͤttigt, eine Wehmuth ihn ergreift,
Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme
Der Knaben an des Saales Thuͤre ſchon
Zu hoͤren glaubt, wirft Atreus grinſend,
Ihm Haupt und Fuͤße der Erſchlagnen hin.
Es wendete die Sonn ihr Antlitz weg,
Und ihren Wagen aus dem ewgen Gleiſe

Goͤthens Iphigenie

367

Thyeſtes erzeugte in Blutſchande mit ſeiner eignen Tochter Pelopia den Aegiſthus, der, als er erwachſen war, den Atreus toͤdtete, und deſſen Soͤhne Agamemnon und Menelaus verjagte, worauf Thyeſtes den Thron beſtieg.

Die vertriebnen Soͤhne des Atreus vermaͤhlten ſich mit den Toͤchtern des Tyndarus; Agamem - non mit der Klytemneſtra, und mit der Helena Menelaus. Sie raͤchten des Atreus Tod; ver - jagten den Thyeſtes; und Agamemnon erhielt ſei - nes Vaters Reich, und herrſchte zu Mycene, wo er mit der Klytemneſtra die Iphigenie, Elektra, und den Oreſt erzeugte; Menelaus folgte dem Tyndarus in der Herrſchaft uͤber Sparta.

Als Agamemnon nun das Heer der Griechen gegen die Trojaner anfuͤhrte, verſoͤhnte er ſich mit dem Aegiſthus; verzieh ihm ſeines Vaters Tod, und vertraute ſogar die Sorge fuͤr Klytem - neſtra, und fuͤr ſein Haus ihm an. Aegiſthus aber mißbrauchte dieß Vertrauen; verleitete die Klytemneſtra zur Untreue gegen den Agamemnon; und als dieſer nach der Eroberung von Troja wie - der in ſeine Heimath kehrte, ward er vom Aegis - thus und ſeinem eignen Weibe mitten unter dem Gaſtmahl ermordet, das man bei ſeiner Ankunft, dem Scheine nach, ihm zu Ehren mit erdichteter Freude anſtellte.

368

Von den Kindern des Agamemnon war Iphi - genie ſchon bei der Fahrt nach Troja, wo ſie fuͤr Griechenlands Wohl geopfert werden ſollte, von Dianen nach Tauris entruͤckt. Oreſtes wurde von ſeiner Schweſter Elektra erhalten, die ihn heimlich zu dem mit der Schweſter des Agamem - non vermaͤhlten Koͤnige Strophius ſchickte, wel - cher zu Phocis herrſchte, und mit deſſen Sohn Pylades Oreſtes ein unzertrennliches Freund - ſchaftsbuͤndniß knuͤpfte. Nur Elektra blieb zu Hauſe den Mißhandlungen ihrer entarteten Mutter ausgeſetzt.

Klytemneſtra vermaͤhlte ſich nun ohne Scheu mit dem Aegiſthus, und ſetzte ihm ſelber die Krone auf, die er behauptete, bis Oreſtes in Be - gleitung des Pylades kam, um ſeines Vaters Tod zu raͤchen. Sie ſtreuten ein falſches Geruͤcht vom Tode des Oreſtes aus, woruͤber Aegiſthus und Klytemneſtra vor Freude außer ſich, ihr ſchwarzes Verhaͤngniß nicht ahndeten.

Oreſt erſchlug mit eigner Hand ſeine Mut - ter und den Aegiſth, die Moͤrder ſeines Vaters. Weil er aber ſeine Mutter getoͤdtet hatte, ward er von den Furien verfolgt umhergetrieben, und keine Ausſoͤhnung vermochte, das Andenken dieſer That bei ihm auszuloͤſchen, bis ein Orakelſpruch des Apollo ihm Befreiung von ſeiner Qual ver - hieß, wenn er nach Tauris gehen, und die Bild -369 faͤule der Diana von dort nach Griechenland ent - fuͤhren wuͤrde.

Oreſt begab ſich mit ſeinem getreuen Pylades auf die Reiſe, und als ſie in Tauris anlangten, ſollten ſie beide oder einer von ihnen nach dem al - ten barbariſchen Gebrauch, der alle Fremden traf, der Goͤttin geopfert werden. Hier war es, wo jeder der beiden Freunde großmuͤthig ſein Leben fuͤr den andern darbot.

Oreſtes aber gab ſich ſeiner Schweſter Iphi - genie, der Prieſterin Dianens zu erkennen, und dieſe fand ein Mittel, die Bildſaͤule der Diana auf ihres Bruders Schiff zu bringen, und mit ihm und ſeinem treuen Freunde nach Griechenland zu entfliehen. Der Orakelſpruch des Apollo wurde erfuͤllt; Oreſtes ward von den quaͤlenden Furien befreit, und herrſchte ruhig zu Mycene; der Zorn der Goͤtter uͤber Pelops Haus ſchien endlich zu er - muͤden.

Der neue Dichter der Iphigenie auf Tauris gibt der alten Dichtung eine feine Wendung. Er laͤßt den Orakelſpruch des Apollo, dem Oreſtes Ruhe verheißen, wenn er die Schweſter, die wider Willen im Heiligthum zu Tauris bliebe, nach Griechenland bringen wuͤrde. Dieß mußte Oreſt nothwendig auf Dianen, die Schwe - ſter des Apollo deuten, weil er von dem Aufent - halt ſeiner eignen Schweſter in Tauris noch nichtsA a370wußte. Nach dieſem Ausſpruch durfte Iphigenie die Bildſaͤule der Diana nicht entwenden, und keinen Verrath an ihrem Wohlthaͤter dem Koͤnige Thoas begehen, von dem ſie großmuͤthig entlaſ - ſen wird.

Troja.

Außerhalb Griechenland war Troja der vorzuͤg - lichſte Schauplatz der tragiſchen Begebenheiten, welche in Geſaͤngen der Nachwelt uͤberliefert, und auf der Schaubuͤhne dargeſtellt, in immerwaͤhren - dem Andenken ſich erhielten. Vom unerbittli - chen Fatum ſelber war die Zerſtoͤrung von Troja einmal beſchloſſen; zu ihrem Untergang mußte ſich alles fuͤgen; und Goͤtter und Menſchen vermoch - ten nichts gegen den Schluß des Schickſals.

Als Eris, bei der Vermaͤhlung des Peleus mit der Thetis, in das hochzeitliche Gemach, wo alle Goͤtter und Goͤttinnen verſamlet waren, den goldnen Apfel mit der Inſchrift warf, die ihn der Schoͤnſten zutheilte, ſo wurden Juno, Venus, und Minerva, unter allen Goͤttinnen, um den Preis der Schoͤnheit zu wetteifern, einſtimmig am wuͤrdigſten erkannt.

Ein unbefangner Hirt, der auf dem Ida weidete, ſollte den Ausſpruch thun. Dieſer Hirt war Paris, ein Sohn des Priamus, der uͤber Troja herrſchte. Als die Goͤttinnen vor ihm er -371 ſchienen, und den entſcheidenden Ausſpruch von ihm verlangten, mußten ſie ſich entkleiden; eine jede von ihnen verſprach ihm heimlich eine Belohnung, wenn er den Apfel ihr zutheilte; Juno verſprach ihm Macht und Reichthuͤmer, Minerva Weisheit, Venus das ſchoͤnſte Weib auf Er - den, und Paris theilte den goldnen Apfel der Venus zu.

Von dieſer Zeit an hegten Juno und Minerva nicht nur gegen den Paris, ſondern gegen das ganze Haus des Priamus einen tiefen Groll im Buſen; waͤhrend daß Venus darauf dachte, ihr Verſprechen dem Paris zu erfuͤllen.

Das ſchoͤnſte Weib auf Erden war Helena, welche Jupiter in der Geſtalt des Schwans mit der Leda erzeugte; die vom Theſeus in ihrer Kind - heit ſchon einmal entfuͤhrt, von ihren Bruͤdern Kaſtor und Pollux aber wieder nach Sparta zu - ruͤckgebracht ward, wo ſie mit dem Menelaus des Agamemnons Bruder ſich vermaͤhlte.

Paris ſchifte nach Griechenland, und ward vom Menelaus gaſtfreundlich aufgenommen; waͤh - rend deſſen Abweſenheit es durch die Veranſtal - tung der Venus ihm gelang, die Helena zu entfuͤh - ren. Als er nach Troja zuruͤckſegelte, und die Win - de ſchwiegen, prophezeihte der wahrſagende Meer - gott Nereus ihm alles Ungluͤck, was fuͤr TrojaA a 2372aus dieſer Entfuͤhrung erwachſen wuͤrde; und nicht lange blieb die Erfuͤllung aus.

Ganz Griechenland nahm an dem Schickſal des Menelaus Theil. Gegen den Paris waren alle Gemuͤther wegen der Verletzung des heiligen Gaſtrechts aufgebracht; auch hielt man die Schoͤn - heit ſelber fuͤr wichtig genug, um ihren Raub als den Raub von etwas Koſtbarem zu betrachten, das man der Muͤhe wohl werth achtete, um es den Haͤnden der Barbaren mit Kriegesmacht wieder zu entreißen.

Als eine Geſandſchaft an den Priamus, die Helena vergeblich zuruͤckgefordert hatte, verbanden ſich die Fuͤrſten Griechenlands mit einem Schwur zum Kriege gegen Troja, und theilten dem Aga - memnon, welcher der maͤchtigſte unter ihnen war, den Oberbefehl im Heere zu. Ein jeder ruͤſtete Schiffe aus, und in dem Hafen von Aulis ver - ſammlete ſich die griechiſche Flotte. Die vornehm - ſten Anfuͤhrer in dieſem Kriege, deren faſt aller ſchon gedacht iſt, waren:

  • Agamemnon;
  • Menelaus;
  • Neſtor;
  • Diomedes, des Tydeus Sohn:
  • Ajax, der Sohn des Telamon;
  • Ulyſſes;
373
  • Achilles, Peleus Sohn;
  • Patroklus, des Menoͤtius Sohn;
    • Podalirius,
    • Machaon,
    Soͤhne des Aeſkulap;
  • Philoktet, der letzte Gefaͤhrte des Herkules.
  • Sthenelus, des Kapaneus Sohn;
  • Therſander, des Polynices Sohn;
  • Idomeneus, des Minos Enkel.

Als nun das ganze Heer in Aulis verſammlet war, zuͤrnte Diana auf den Agamemnon, weil er einen ihr geweihten Hirſch getoͤdtet hatte. Man harrte lange vergebens, und es erhub ſich kein guͤnſtiger Wind, mit dem die Flotte auslau - fen konnte. Diana forderte durch den Mund des Prieſters die Tochter des Agamemnon ſelbſt zum Verſoͤhnungsopfer. Iphigenie wurde, beglei - tet von ihrer Mutter, zum Altar gefuͤhrt; und ſchon war der Opferſtahl gezuͤckt, als Diana in einer Wolke Iphigenien nach Tauris in ihr Heiligthum entruͤckte; ſtatt der verſchwundnen Iphigenie aber ſtand ein Reh zum Opfer am Altar.

Diana war nun verſoͤhnt; die Flotte ſegelte nach Troja ab; und Ilium die eigentliche Stadt oder Burg des Koͤnigreichs Troja ward belagert. Neun Jahr lang hatte, nach der Vorausſagung des wahrſagenden Prieſters Kalchas, die Belag -374 rung ſchon gewaͤhrt, als erſt im zehnten das Ver - haͤngniß von Troja naͤher ruͤckte.

Die hohen himmliſchen Goͤtter alle nahmen an dieſem Kriege Theil: Jupiter hielt des Schick - ſals Wage. Auf der Seite der Griechen ſtanden Juno, Minerva, Neptun, Vulkan, Merkur; auf der Trojaner Seite, Venus, Apoll, Diana, und Latona. Mars, als der Gott des Krieges ſelber, ging von einem Heere zum andern, von den Griechen zu den Trojanern uͤber.

Wie nun die Goͤtter an dieſem Kriege Theil nehmen; von Sterblichen verwundet werden; ſich ſelber in dem Treffen der Griechen und Trojaner einander zum Streit auffordern; und wie die Goͤt - tergeſtalten in ihren Zuͤgen ſich unterſcheiden; dieß alles iſt in dem Abſchnitt: die menſchenaͤhnli - che Bildung der Goͤtter, ſchon erwaͤhnt, und auf die Weiſe ein großer Theil der Geſchichte des Trojaniſchen Krieges in jene Schilderung ſchon vorlaͤufig eingewebt.

Was nun im zehnten Jahr der Belagrung die Erobrung von Troja verzoͤgerte, war der Zorn des Achilles, der mit dem Agamemnon ſich ent - zweite, und eine Zeitlang am Kriege keinen Theil nahm. Als nehmlich Agamemnon ſich weigerte, die gefangne zur Beute ihm zugefallne Chryſeis, ihrem Vater, einem Prieſter des Apollo, gegen ein Loͤſegeld, auf ſein Bitten, zuruͤckzugeben; ſo hoͤrte375 Apollo das Flehen des verwaißten Vaters, und ſandte zuͤrnend ſeine Pfeile in das Lager der Grie - chen, daß eine Peſt entſtand, welche verheerend um ſich greifend, zahlloſes Volk hinrafte.

Durch den Mund des Prieſters Kalchas ward es offenbar, durch weſſen Schuld die Grie - chen leiden mußten. Als Agamemnon nun die Chryſeis zuruͤckzuſenden ſich laͤnger nicht weigern konnte, verlangte er, daß die Griechen ihn fuͤr den Verluſt ſeiner Beute ſchadlos hielten. Da ſchalt Achill ihn ſeines Solzes, und ſeines Eigen - nutzes wegen; und als ihm Agamemnon drohte, war er ſchon im Begriff gegen ihn das Schwerdt zu zuͤcken, haͤtte nicht an den gelben Locken Mi - nerva ſelbſt ihn zuruͤckgehalten.

Agamemnon aber, der auf die Schadloßhal - tung um deſto mehr beſtand, ließ, um ſich zu raͤchen, die ſchoͤne Briſeis aus dem Zelte des Achilles in das ſeinige hohlen. Da flehte Achill am einſamen Ufer des Meeres ſeine Mutter Thetis an, ſie moͤchte den Jupiter bewegen, von nun an den Trojanern beizuſtehn, damit die Griechen ihn vermiſſen, und ſeinen Zorn empfinden moͤchten.

Jupiter gewaͤhrte der Thetis Bitte, und gab den Trojanern Sieg, an deren Spitze Hektor, der Sohn des Priamus fochte, und ſich unſterbli - chen Ruhm erwarb. Vergebens ſuchten nun die Griechen den Achill wieder zu verſoͤhnen. Sein376 Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Troja - ner ſoweit vordrangen, daß ſie Feuer in die grie - chiſchen Schiffe warfen; da gab Achilles ſeinem Buſenfreunde, dem Patroklus, ſeine Ruͤſtung, und ſchickte ihn ſtatt ſeiner mit einem Haufen, den Griechen beizuſtehn.

Des Patroklus Fall war ſchon beſchloſſen; al - lein vorher erwarb er ſich noch glaͤnzenden Ruhm; Sarpedon, Jupiters Erzeugter, und viel andre tapfre Helden fielen vor ſeinem Schwerdte. Als aber ſein Verhaͤngniß nahte, ſo ſtand in Nacht gehuͤllt, Apollo dicht hinter ihm. Auf Nacken und Schultern ſchlug er ihn mit der flachen Hand, daß ſich ſein Auge verdunkelte; er warf ſeinen Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Fuͤßen der Pferde rollte; in ſeiner Hand zerbrach er den ſchweren ehernen Spieß, und loͤßte ihm ſelber den Panzer auf. Patroklus ſtand betaͤubt mit wan - kendem Knie; Hektor gab ihm den toͤdtlichen Stoß. Die Seele des Patroklus ſtieg zum Orkus, und trauerte uͤber ihr Schickſal, weil ſie die jugendliche Kraft zuruͤckließ.

Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm, ſo ſchwand auf einmal ſein Zorn dahin. Jam - mernd und wehklagend um den Todten, fand ihn ſeine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres em - porſtieg. Ob dieſe ihm gleich verkuͤndigte, daß nach des Hektors Tode ſein Fall beſchloſſen ſey,377 ſo ſchwur er dennoch des Freundes Tod zu raͤchen, gleichviel, was ihn fuͤr ein Schickſal treffen moͤge! Als Thetis ihn feſt entſchloſſen ſahe, ſuchte ſie ihn die uͤbrigen kurzen Tage zu troͤſten und aufzuhei - tern; verſprach und brachte ihm eine koſtbare Waffenruͤſtung vom Vulkan geſchmiedet, womit Achill ins Treffen ging, nachdem ſich Agamemnon wieder mit ihm verſoͤhnt, und ihm die Briſeis unberuͤhrt zuruͤckgegeben hatte.

Nun eilte auch der Zeitpunkt heran, wo Hektor fallen, ſein alter Vater Priamus und ſeine Mut - ter Hekuba um ihn jammern, und ſeine Gattin Andromache mit lauter Wehklage ihn betrauren ſollte. Das Heer der Trojaner fluͤchtete in die Stadt; Hektor blieb allein zuruͤck, um mit dem Achill den Kampf im Felde zu beſtehen; als dieſer ihm aber nahe kam, und die goͤttliche Waffenruͤ - ſtung dem Hektor in die Augen blitzte, ergriff ihn ploͤtzliches Schrecken; er nahm die Flucht, und dreimal jagte Achill ihn um die Mauern von Troja; ſo lange hatte Apoll dem Hektor ſein Knie geſtaͤrkt; als zum viertenmale der Lauf begann, nahm Ju - piter die Wagſchale in die Hand, und legte zwei todbringende Looſe darauf, das eine des Hektors, das andre des Achilles, und Hektors Schale ſank bis zum Orkus nieder. Da verließ ihn Apollo.

Die beiden Helden fochten; Hektor fiel; und Achilles band ihn mit den Fuͤßen an ſeinen Wagen,378 und ſchleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte, und der alte Priamus flehend ſeine Haͤnde aus - ſtreckte.

Das Leichenbegaͤngniß des Patroklus wurde nun mit oͤffentlichen Kampfſpielen im Lager der Griechen gefeiert, waͤhrend daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in naͤchtlicher Stille vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus ſelber in des Achilles Zelt, umfaßte deſſen Knie, und flehte ihn um den Leichnam ſeines Sohnes. Die Goͤtter hatten ſchon des Achilles Herz er - weicht; er dachte an ſeinen alten Vater Peleus, der auch nun bald den Tod ſeines Sohnes betrau - ern wuͤrde, und gewaͤhrte dem Priamus ſeiner Bitte, der mit dem Leichnam Hektors ſchnell nach Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten - feier hielt.

Auch war das Verhaͤngniß des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo gelenkt, des Paris toͤdtlicher Pfeil ihm in die Ferſe, wo er allein verwundbar war. Um ſeine Waffen entſtand ein trauriger Streit; die Grie - chen ſprachen ſie dem Ulyſſes zu; woruͤber Ajax, welcher nach dem Achill der tapferſte unter den Griechen war, aus Mißmuth ſich ſelbſt ent - leibte.

379

Paris ward bald nachher vom Philoktet mit einem der Pfeile getoͤdtet, die in das Blut der Lernaͤiſchen Schlange getaucht, vom Herkules ihm hinterlaſſen waren. Auch war der Fall von Troja nun beſchloſſen, das nach ſo viel Blutver - gießen, dennoch am Ende nicht mit Macht, ſon - dern mit Liſt erobert werden mußte.

Auf den Rath des Ulyſſes wurde nehmlich ein ungeheuer großes hoͤlzernes Pferd gebaut, in deſſen Bauch die Helden ſich verſteckten, waͤh - rend daß das Heer der Griechen ſich auf die Schiffe begab, und die Kuͤſte von Troja zum Schein verließ. Nur Sinon blieb zuruͤck, und ſtellte ſich als ein Fluͤchtling, der von den Grie - chen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und Huͤlfe flehte, und gleichſam wie ein Geheimniß ihnen entdeckte, daß das hoͤlzerne Pferd erbaut ſey, um die Minerva zu verſoͤhnen, weil die Griechen das Palladium, eine Bildſaͤule dieſer Goͤttin, welche das Unterpfand des Reichs war, aus Troja entwendet hatten. Hierzu kam noch, daß der Prieſter Laokoon, der vor dem Pferde warnte, und mit dem Spieß in deſſen Seite fuhr, von zwei großen Schlangen, die uͤbers Meer ka - men, mit ſeinen Soͤhnen umwunden, und ge - toͤdtet ward.

Nach dieſer ſchrecklichen Begebenheit blieb an Sinons Ausſage kein Zweifel uͤbrig; man eilte380 in vollem Jubel dieß neue Unterpfand der Wohl - fahrt des Reichs in die Stadt zu bringen; Kna - ben und junge Maͤdchen freuten ſich, mit an das Seil zu faſſen; man riß einen Theil der Mauern nieder; das Pferd ſtand mitten in Ilium.

Man frohlockte bis tief in die Nacht, und alles war zuletzt vom Taumel der Freude berauſcht, entſchlummert; als Sinon an des hoͤlzernen Pfer - des Bauch die Leiter ſetzte, die Thuͤr ſich oͤfnete, und die Helden leiſe hinunterſtiegen.

In der Naͤhe ſtand ſchon das griechiſche Heer; das Zeichen mit der angezuͤndeten Fackel ward ge - geben; durch die niedergerißne Mauer drang man in die Stadt; und waͤhrend noch der Schlummer die Augenlieder ſeiner Einwohner deckte, war Troja ſchon ein Raub der Flammen. An ſeinem Haus - altare ward der Greis Priamus vom Pyrrhus getoͤdtet; Hekuba und Andromache, und die Toͤch - ter des Priamus wurden gefangen hinwegge - fuͤhrt. Die Herrlichkeit von Troja war in Schutt und Aſche verſunken.

Doch mußten die Griechen auch bei ihrer Ruͤckkehr noch fuͤr ihren theuer erkauften Sieg mit mancherlei Ungluͤcksfaͤllen buͤßen. Am mei - ſten unter allen Ulyſſes, der zehn Jahre umher - irrte, ehe er ſeine geliebte Heimath wieder erblickte. Mit Gefahr und Liſt entkam er dem Cyklopen Polyphem, der, nach ſeinen Gefaͤhrten, auch381 ihn zu verſchlingen drohte. Aus dem ſtillen truͤ - geriſchen Hafen der menſchenfreſſenden Laͤſtrygo - nen, eines Rieſenvolkes, entrann er nur mit einem einzigen Schiffe, womit er auf der Inſel der maͤchtigen Circe landete, und ohne von ihrem Zaubertranke beſiegt zu werden, ein Jahr bei ihr verweilte. Dann ſtieg er ins Reich der Schatten; ſchiffte, an den Maſtbaum gebunden, nachdem er die Ohren ſeiner Gefaͤhrten mit Wachs verklebt, vor den Sirenen voruͤber, und hoͤrte ohne Gefahr ih - ren verfuͤhreriſchen Geſang; zwiſchen dem Strudel Charybdis, und der felſigten Scylla, ſchifte er die ſchmale gefaͤhrliche Straße hindurch, und landete an einer Inſel, wo ſeine Gefaͤhrten, wider ſein Verbot, der Sonne geweihte Rinder ſchlachteten und verzehrten. Sobald das Schiff aufs Meer kam, ward es von Jupiters Blitz zerſchmettert; des Ulyſſes Gefaͤhrten kamen um; er rettete ſich allein, und ſchwamm an die Inſel der Kalypſo, die ihm Unſterblichkeit verſprach, wenn er mit ihr ſich vermaͤhlen wolle, und ihn, ſo ſehr er ſich auch nach ſeiner Heimath ſehnte, geraume Zeit zuruͤckhielt, bis ſie, auf den Befehl der Goͤtter, auf einem von ihm ſelbſt gebauten Floß mit guͤn - ſtigem Winde, ihn entließ. Als er nah an Ithaka war, erblickte ihn Neptun, der wegen ſeines Sohns, des Polyphem noch auf ihn zuͤrnte, dem Ulyſſes, um ihm zu entfliehen, ſein einziges382 Auge ausbrannte. Ploͤtzlich wurde das Meer vom Sturmwind aufgeregt. Von ſeinem Floß herabgeworfen, ein Raub der ungeſtuͤmen Wellen, verzagte Ulyß, am Felſen angeklammert, im wil - den Sturme nicht; ſchwimmend rettete er ſich mit Gefahr und Noth auf die Inſel der Phaͤacier, die ihn gaſtfreundlich aufnahmen, und mit Ge - ſchenken uͤberhaͤuft in ſeine Heimath ſandten, wo er ſeine treue Gattinn Penelope, ſeinen Vater Laertes, und ſeinen Sohn Telemach wieder fand. Er toͤdtete zuerſt die ungerechten und uͤbermuͤthigen Freier Penelopens, die ſchon ſeit Langem ſeine Habe aufzehrten, und des jungen Telemachs Tod einmuͤthig beſchloſſen hatten. Nun herrſchte er wieder in ſeinem Reiche; die Seelen der getoͤdte - ten Freier fuͤhrte Merkur in die Unterwelt.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt, nach antiken geſchnittnen Steinen, Paris, wie er den goldnen Apfel Aphroditen zutheilt, und Achill am Grabe des Patroklus opfernd, abgebildet.

Niobe.

Mit dem Koͤnige Amphion, der uͤber The - ben herrſchte, war Niobe, die Tochter des Tan - talus vermaͤhlt; ſie gebahr dem Amphion ſie - ben Soͤhne und ſieben Toͤchter, und ſpottete einſt uͤbermuͤthig der Verehrung der Latona, welche nur einen Sohn, und eine Tochter gebohren.

[figure]
383

Kaum waren die frevelnden Worte uͤber ihre Lippen, ſo flogen ſchon die unſichtbaren Pfeile des Apollo und der Diana in der Luft. Mit dem nie verfehlenden Bogen toͤdtete Apollo ihre ſieben Soͤh - ne; und Diana mit furchtbarem Geſchoß toͤdtete ihre ſieben Toͤchter. Auf einmal aller ihrer Kin - der beraubt, ward Niobe in Thraͤnen aufgeloͤßt, in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge Stpylon noch immer von Thraͤnen traͤufelnd, ein Zeuge ihres ewigen Kummers ward.

Cephalus und Prokris.

Cephalus, ein Sohn des Dejoneus, war mit der Prokris des Erechtheus Tochter erſt kurze Zeit vermaͤhlt, als er einſt am fruͤhen Morgen auf dem Hymettiſchen Gebuͤrge jagte, wo Au - rora ihn entfuͤhrte. Da er zu ſeiner inniggelieb - ten Prokris wiederzukehren wuͤnſchte, entließ ihn Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit ſeiner Vermaͤhlten ihm nicht nach Wunſch ergehen. Dieſe Worte fachten die Eiferſucht in ſeinem Buſen an; unter einer Verkleidung ſuchte er die Liebe der Prokris zu gewinnen; und als ſie ihm kaum einen Schein der Hoffnung blicken ließ, ſo gab er ſich zu erkennen, und klagte ſie der Untreue an, wor - auf ſie unwillig ihn verließ.

384

Als Cephalus nun nach einiger Zeit ſich wieder mit ihr verſoͤhnte, ward Prokris von Eiferſucht gequaͤlt, weil ſie vernahm, daß ihr Gemahl die Nymphe Aura liebte, mit der er auf der Jagd verſtohlnen Umgangs pflege. Einſt verſteckte Pro - kris ſich im Gebuͤſch, um ihren Gatten zu belau - ſchen. Dieſer ſeufzte, erhitzt vom Jagen, unter dem Nahmen Aura, nach nichts als nach der kuͤhlen Luft. Prokris aber, welche den Nah - men ihrer Nebenbuhlerin von ſeinen Lippen zu hoͤ - ren glaubte, regte ſich im Gebuͤſch. Cephalus meinte das Rauſchen von einem verſteckten Wild zu hoͤren, wornach er ſeinen Jagdſpieß warf, der ſeine ungluͤckliche Gattin traf, welche ſterbend ihren Irrthum erſt erkannte.

Phaeton.

In Aegypten, wo Jupiter mit der Jo den Epaphus erzeugte, hatte auch Klymene dem He - lios oder dem Sonnengotte den Phaeton geboh - ren. Dieſem warf einſt Epaphus vor, daß er kein Sohn der Sonne ſey, ſondern daß ſeine Mutter ſich deſſen nur faͤlſchlich ruͤhme. Um auf die glaͤn - zendſte Weiſe dieſen bittern Vorwurf zu widerlegen, begab ſich Phaeton, auf Anſtiften ſeiner Mutter, ſelber zum Pallaſt des Sonnengottes, und ließ ſich erſt von ihm beim Styx zuſchwoͤren, daß er385 ſeine Bitte gewaͤhren wolle; dann bat er ihn, daß er nur einen Tag den Sonnenwagen lenken duͤrfe.

Helios, der den Schwur nicht widerrufen konnte, mußte die ungluͤckliche Bitte ſeinem Sohn gewaͤhren, der voller Muth den Wagen beſteigend, die Sonnenpferde antrieb, welche bald ihren Fuͤh - rer vermiſſend, aus dem Gleiſe wichen, zuerſt dem Himmel und dann der Erde zu nahe kamen, daß Berg und Wald ſich entzuͤndete, und Quellen und Fluͤſſe verſiegten; da flehte die Erde den Ju - piter um Huͤlfe an, welcher ſeine Blitze auf den Phaeton ſchleuderte, der in den Fluß Eridanus ſtuͤrzte, wo ſeine drei Schweſtern, die Sonnen - toͤchter oder Heliaden, Lampetia, Phaetuſa, und Aegle ihn ſo lange beweinten, bis ſie in Pappelbaͤume verwandelt wurden, und auch als ſolche noch Zaͤhren vergoſſen, die ſich zu dem durchſichtigen Bernſtein in der Fluth verhaͤr - teten. Cygnus, des Juͤnglings Freund, be - trauerte ſeinen Tod ſo lange, bis durch den Schmerz ſein Weſen aufgeloͤßt, in die Geſtalt des Schwans hinuͤberging, der immer auf der Fluth verweilte, welche den Phaeton verſchlang. Mit Freund und Schweſtern, die um ihn klagen, findet man auch auf den antiken Marmorſaͤrgen, den Sturz des Phaeton abgebildet.

B b386

Die Schattenwelt.

Der Tartarus oder Erebus war eigentlich die Wohnung der Nacht, da wo man ſich die Sonne unterſinkend dachte, am aͤußerſten Ende der Erde, wo auch die Behauſung des Pluto war, unter welcher die geſtuͤrzten Titanen, die Soͤhne des Himmels, im dunkeln Gefaͤngniß trauern muß - ten. Da waren aber auch in dem atlantiſchen Ocean, nahe an den Grenzen der Nacht, die Inſeln der Seeligen, auf denen ein ewiger Fruͤh - ling herrſchte. An eben dieſem daͤmmernden Horizonte ruhte der Himmel auf des Atlas Schul - tern. Auch hatte die Einbildungskraft die fabelhaften Gaͤrten der Heſperiden hieher verſetzt, und die Heſperiden ſelber waren Kinder der Nacht. So wie aber irgend ein Land von Griechenland weſtwaͤrts lag, es mochte nun naͤ - her oder entfernter ſeyn, trug die Phantaſie jene ſchwankenden Begriffe darauf uͤber. In Grie - chenland ſelber dachte man ſich bei dem Vorgebirge Taͤnarum einen Eingang in das Reich des Pluto; und in Theſprotien, dem weſtlichſten Theile von387 Griechenland ſtroͤmten die Fluͤſſe Acheron und Kocytus, welche dieſe Nahmen wuͤrklich fuͤhrten; auch war es in dieſer Gegend, wo Theſeus und Pirithous zu den Schatten ſtiegen. Weiter weſtwaͤrts uͤbers Meer an den Kuͤſten Italiens dachte man ſich bei dem Gift aushauchenden See Avernus, uͤber den kein Vogel fliegen konnte, einen Eingang in die Unterwelt; zuletzt ließ man bis an die Wohnung der Nacht, am weſt - lichſten Ufer des Oceans, das weite Reich des Pluto grenzen; gleichſam, als ob man gern an die Vorſtellung vom Sonnenuntergang, auch die Ideen des Aufhoͤrens und Verſchwindens knuͤpfte.

Pluto.

Der Koͤnig der Unterwelt hieß bei den Grie - chen Ades oder Aides, der Unſichtbare, Unbe - kannte; ſelbſt ſein Nahme bezeichnete das Dunkel, in welches noch kein ſterbliches Auge blickte. Er hieß auch der unterirdiſche oder ſtygiſche Jupiter; weil ihn die bildende Kunſt dem Jupiter aͤhnlich, nur mit finſtrerm Blick darſtellte. Er hielt einen zweizackigten Zepter von Ebenholz in der Hand, und trug auf dem Haupte eine eiſerne Krone; ſein Helm machte unſichtbar, wen er bedeckte. Zum oͤftern ward er auch mit einem Getreidemaaß auf dem Haupte, als〈…〉〈…〉B b 2388Sinnbilde der Fruchtbarkeit der auf ihm ruhenden Erdenflaͤche, abgebildet; dann hieß er Jupiter Se - rapis, oder der Aegyptiſche Jupiter. Wie Ju - gend und Schoͤnheit unmittelbar oder durch Alter und Verwelken, der zerſtoͤrenden Macht, dem Gra - be und der Verweſung zum Raube werden, iſt in die ſchoͤne Dichtung, von der Entfuͤhrung Proſer - pinens durch den Pluto, eingehuͤllt.

Dieſe Dichtung iſt ausfuͤhrlich in die den Er - zaͤhlungen von der Unterwelt ſo nah verwandte Goͤttergeſchichte der Ceres eingewebt. Proſer - pina, die Tochter der Ceres ward, nachdem ſie lange vergebens ſich geſtraͤubt, vom Pluto zur Koͤnigin der Schatten auf ſeinen Thron erho - ben. Dieſe Koͤnigin der Unterwelt hieß bei den Griechen Perſephone, welcher Nahme ſelbſt ſchon auf Zerſtoͤrung und Verweſung deutet. In dem unterirdiſchen Pallaſte ſitzen nun, in me - lancholiſcher Eintracht, Pluto und Proſerpina ne - beneinander auf ihrem duͤſtern Throne, und herr - ſchen uͤber das oͤde Reich der Todten. Der dreikoͤpfigte Cerberus wacht am Hoͤllenthore, und auf ſeinem morſchen Kahne faͤhrt Charon die Todten uͤber den Fluß, den keiner je zuruͤckſchifft. Die unterirdiſchen Gewaͤſſer, welche den Erebus umgeben, ſind ſchon durch ihre Nahmen furcht - bar: mit den Seufzern der Sterbenden fließt der Acheron; der ſchwarze Kocytus mit dem Ge -389 heul der Klage um die Todten; Pyriphlegeton waͤlzt ſich mit Flammen fort; des uͤber alles furcht - baren Styx iſt in dem Abſchnitt von den alten Goͤttern ſchon gedacht; nur aus dem wohlthaͤti - gen Lethe trinken die Seelen der Abgeſchiednen Vergeſſenheit der Sorgen und alles Kummers, der ſie im Leben druͤckte.

Auch deutete im Grunde die ganze Dichtung vom Ades oder Pluto auf das Grab, deſſen enge Grenzen die Phantaſie zu einer Schattenwelt ſich erweiterte. Man nannte daher auch in den Dich - tungen das Reich des Pluto ein oͤdes, leeres Reich, und ſeine Behauſung ein enges Haus. Auf Grab und Verweſung zielt der morſche Kahn des Charon, der auf dem ſchwarzen ſumpfigten Fluſſe, welcher kaum nur fortkriecht, des Schlam - mes viel durch ſeine Ritzen ſchoͤpft, ſobald ihn eine ungewohnte Laſt beſchwert.

Auch werden die Todten immer wie in einer Art von Traumwelt dargeſtellt; ſie ſelbſt ſind leere Schattenbilder, die erſcheinen und verſchwin - den, und denen doch die Entbehrung von demje - nigen fuͤhlbar iſt, was ſie beſaßen; die immer noch wie im Leben thaͤtig zu ſeyn ſich fruchtlos an - ſtrengen, wie einer, der im aͤngſtlichen Traume vergebens ſich abarbeitet, indem er zu ſchreien ſich bemuͤht, und kaum einen ſchwachen Laut her - vorbringt.

390

Als Ulyſſes auf den Befehl der Circe zu den Schatten ſtieg, verſammleten ſich um die Grube, in welche er das ſchwarze Blut der Opferthiere fließen ließ, die Seelen der abgeſchiednen Juͤng - linge, Jungfrauen, Maͤnner im Kriege getoͤdtet, und Greiſe, die vieles erlitten hatten. Seine Mutter erſchien ihm, und als er ſie umarmen wollte, wich ihr Schatten zuruͤck; ſie lehrte ihn, daß die Seele, ſobald der Koͤrper zerſtoͤrt iſt, wie ein Traum, davon flieht. Der Schatten des Agamemnon ſtreckte nach dem Ulyß ſeine Arme aus, aber in den Gliedern war keine Kraft mehr. Ulyſſes redete den Schatten des Achilles an, und prieß ihn gluͤcklich, weil er im Leben be - ruͤhmt geweſen, und nun auch geehrt unter den Todten ſey; da antwortete Achill, er wolle, wenn es ihm moͤglich waͤre, ins Leben zuruͤckzu - kehren, lieber kuͤmmerlich einem armen Ta - geloͤhner ſelbſt um Tagelohn dienen, als hier in der Unterwelt uͤber alle Todten herr - ſchen. Auch des Herkules Schattenbild ſah Ulyſſes hier, obgleich er ſelber unter den unſterb - lichen Goͤttern ſeinen Sitz hat.

Aeneas, welcher, um ſeinen Vater Anchi - ſes zu ſehen, zu den Schatten ſtieg, hoͤrte, ſobald er vom Charon uͤber den Fluß geſetzt, am jenſeiti - gen Ufer ausſtieg, das Geſchrei und Weinen der Kinder, die gleich nach ihrer Geburt geſtorben

[figure]

391 waren, ohne des ſuͤßen Lebens genoſſen zu ha - ben; naͤchſt dieſem war der Aufenthalt der unſchuldig zum Tode Verurtheilten und derjeni - gen, welche ſelbſt Hand an ſich gelegt, weil ihnen der Tag und das Licht verhaßt war, und die nun gern die druͤckendſte Armuth und die ſchwerſte Ar - beit erdulden wuͤrden, um zur Oberwelt wieder zuruͤckzukehren, wenn es das unerbittliche Fatum verſtattete. Dann kamen die Trauergefilde, worin diejenigen wandelten, denen ungluͤckliche Liebe das Leben kuͤrzte. Zur Linken war der Tartarus, in wel - chem die Veraͤchter der Goͤtter ihren Frevel buͤßten; zur Rechten war Elyſium, der Aufenthalt der Seeligen, und vorzuͤglich der Seelen der Menſchen aus den beſſern goldnen Zeiten, die noch mit kei - nen Verbrechen ſich befleckt hatten. Hier war es auch, wo Aeneas ſeinen Vater Anchiſes fand, welcher ihn uͤber Geburt und Tod, uͤber Werden und Vergehen geheimnißvolle Dinge lehrte, und die dunkle Zukunft vor ſeinem Blick enthuͤllte.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt, nach antiken geſchnittnen Steinen, Pluto, als Jupi - ter Serapis mit dem Cerberus ihm zur Seite, und Charon abgebildet, in deſſen Kahn ein Ab - geſchiedner ſteigt, dem, vom Merkur herbeigefuͤhrt, der muͤrriſche Charon ſelbſt mit Freundlichkeit die Hand reicht.

392

Furien.

Tiſiphone, die Raͤcherin des Mordes; Me - gaͤra, die drohende; Alekto, die nimmer ruhen - de; ſtrenge und unerbittliche Goͤttinnen, das Unrecht und den Frevel zu ſtrafen, mit Schlan - genhaaren auf dem Haupte, und Dolchen und Fa - ckeln in den Haͤnden. Sie quaͤlten den Ver - brecher mit ſchrecklichen Erſcheinungen; ſie ver - folgten Oreſt, den Muttermoͤrder, und ließen ihm keine Raſt. Die Ehrfurcht gegen ſie ging ſo weit, daß man ſich kaum getraute, ihre Nah - men zu nennen; doch ſuchte man durch Gebet und Opfer ſie zu verſoͤhnen.

Die Strafen der Verurtheilten im Tartarus.

Die Verdammten im Tartarus ſind nicht ſo - wohl zum eigentlichen Leiden, als vielmehr zu einer zweckloſen Thaͤtigkeit, in ſo fern dieſelbe ein Bild des muͤhevollen Lebens iſt, verurtheilt. Ihre Strafe ſcheint zu ſeyn, daß ſelbſt noch in die Behauſung der Todten ihr raſtloſes Leben ſie verfolgt, und ihre grenzenloſen Beſtrebungen nach einem zu hohen Ziele, wodurch ſie den Goͤttern ſich verhaßt machten, die es nicht dulden koͤnnen, wenn Sterbliche, auf irgend eine Weiſe, ihnen zu ſehr ſich naͤhern wollen.

393

Tantalus.

Dieſen weiſen Koͤnig, der in Lydien herrſchte, ſtellt die Dichtung als einen Liebling der Goͤtter dar. Er ſaß mit Jupiter ſelbſt zu Tiſche, der an ſeinen Geſpraͤchen, und an dem hohen Sinn ſei - ner Rede ſich ergoͤtzte; allein

zum Knecht zu groß, und zum Geſellen des großen Donnrers nur ein Menſch,
(Goͤthens Iphigenie. )

verging er ſich einſtens mit zu dreiſten Worten ge - gen den Jupiter, der ihn ſo tief hinunterſtuͤrzte, als hoch er ihn erhoben hatte. Des Tantalus Strafe war, vor Durſt verſchmachtend ſtets die klare Fluth zu ſehen, die bis ans Kinn vor ihm emporſtieg, und ſchnell zuruͤckwich, ſobald er die Lippe benetzen wollte; und uͤber ſich ſtets mit Sehnſucht den niedergeſenkten fruͤchtebeladnen Zweig zu ſehen, der ſchnell in die Hoͤhe wich, ſo - bald er darnach ſeine Hand ausſtreckte.

Dieſe Strafe ſelber war gleichſam nur eine Fortſetzung ſeines Lebens; ein Bild jener nie geſtillten Begier, in das Weſen der Dinge, und in die Geheimniſſe der Goͤtter einzudringen, wel - che Begier ihn verleitete, ſelbſt ſeinen Sohn zu ſchlachten, und ihn mit andern Speiſen den Goͤt - tern vorzuſetzen, um ihre Unterſcheidungskraft zu pruͤfen. Wenn irgend etwas die furchtbare Neu -394 gier der Sterblichen, das Geheimnißvolle zu er - gruͤnden, bezeichnet, ſo iſt es dieſe ſchreckliche Dichtung. Es iſt der Raub, den die Menſch - heit an ſich ſelbſt begeht, um die Grundurſache ihres Daſeyns zu erforſchen. Die Goͤtter belebten des Tantalus Sohn, den Pelops, wieder; und die Dichtung rechtfertigt durch dieſe That des Tanta - lus ſeine Strafe. Alle ſeine uͤbrigen Vergehun - gen waren Eingriffe in die Vorzuͤge der Goͤtter. Er entwandte ihnen die Goͤtterſpeiſe, damit ſie von ſterblichen Lippen ſollte gekoſtet werden. Auch ſtahl er den Hund des Jupiter, der deſſen Heiligthum in Kreta bewachte, an welchem Raube auch Pandarus Theil nahm, den die Goͤtter mit dem Tode ſtraften, und deſſen Toͤchter noch ſeinen Frevel buͤßten. Es war das kuͤhne Ge - ſchlecht des Japet, das ſich empoͤrend, und ſeine Grenzen uͤberſchreitend, den unverſoͤhnlichen Haß der Goͤtter auf ſich lud.

Ixion.

Faſt ein gleiches Schickſal mit dem Tantalus hatte Ixion, der in Theſſalien herrſchte; er wurde auch an die Tafel der Goͤtter aufgenom - men, wo die Reitze der Juno ihn ſeiner Sterblich - keit vergeſſen ließen. Er ruhte nicht eher, als bis er glaubte, das Ziel ſeiner Wuͤnſche erreicht zu395 haben; allein ihn taͤuſchte auf dem Gipfel ſeines eingebildeten Gluͤcks ein Blendwerk: ſtatt der Juno umarmte er eine Wolke; aus dieſer Um - armung entſtand wiederum ein taͤuſchendes Bild, ein bloßes Geſchoͤpf der Phantaſie, die fabelhaften Centauren, wo Mann und Roß ein Koͤrper ſind. Die vermeßnen Anſpruͤche dieſes Sterblichen auf die Umfaſſung des Hohen und Himmliſchen wur - den nicht nur getaͤuſcht, ſondern auch beſtraft. Ixion ward ploͤtzlich von dieſer Hoͤhe in den Tar - tarus hinabgeſchleudert, wo er an ein Rad gefeſ - ſelt, ſich ewig im Kreiſe drehet, und ſo fuͤr ſeine frevelnden Wuͤnſche buͤßet, die ihn die Grenzen der Menſchheit uͤberſteigen ließen. Die immer - waͤhrende Unruhe bleibt, aber ſie iſt zweckloß, gleich dem muͤhevollen Rade menſchlicher Beſtre - bungen, die ſich nur um ſich ſelber drehen.

Phlegyas.

Einer der tapferſten und kriegriſchſten Fuͤrſten Griechenlands war Phlegyas, der eine Stadt er - baute, die er nach ſeinem Nahmen nannte, und ſie mit den ausgeſuchteſten, tapferſten Kriegern bevoͤlkerte. Man nannte ſie die Soͤhne des Mars, und Schrecken ging vor ihnen her, wohin ſie ka - men. Als nun Apollo dem Phlegyas ſeine Toch - ter Koronis entfuͤhrte, ſo ſetzte dieſer ſeinem Zorn396 und ſeiner Rache keine Grenzen, ſondern brach auf, eroberte Delphi, und verbrannte den Tem - pel des Apollo. Dafuͤr ſchwebt nun in der Unter - welt ein drohender Felſen ewig uͤber ſeinem Haupte. Die immerwaͤhrende Gefahr, die er im Treffen aufſuchte, begleitete den wilden Krieger auch in den Tartarus hinab, und iſt ein furchtbares Bild von dem Looſe der Sterblichen, uͤber deren Haupte be - ſtaͤndig das in Dunkel gehuͤllte Schickſal ſchwebt, welches Verderben und Zerſtoͤrung drohet, indeß das beklemmte Gemuͤth von Furcht und Zweifel geaͤngſtigt wird.

Die Danaiden.

Der funfzig Toͤchter des Danaus, Koͤnigs in Argos, iſt ſchon gedacht, wie ſie auf den Be - fehl ihres Vaters, die Hypermneſtra ausge - nommen, alle in einer Nacht ihre Maͤnner er - mordeten. Auch dieſe mußten in der Unterwelt durch zweckloſe Muͤhe fuͤr ihr Verbrechen buͤßen. Sie mußten in loͤchrichte Gefaͤße unaufhoͤrlich Waſ - ſer ſchoͤpfen, und ſo in jedem Augenblick die Frucht ihrer Arbeit zerrinnen ſehn.

Siſyphus.

Siſyphus, welcher Korinth beherrſchte, war einer der thaͤtigſten und weiſeſten Regenten ſeiner Zeit, und dennoch iſt ſeine Strafe in der Unter -

[figure]

397 welt, auf die Spitze eines Berges einen großen Stein zu waͤlzen, der immer durch ſeine Schwere wieder hinunter rollt, ſo daß dem Ungluͤcklichen, der unaufhoͤrlich ſich abarbeitet, kein Augenblick der Ruhe und Erholung geſtattet iſt. Siſyphus erreichte ein hohes Alter, weswegen die Dich - tung von ihm ſagt, er habe die unterirdiſchen Goͤt - ter betrogen, die ihn auf ſein Verſprechen, gleich wieder zuruͤckzukehren, einſt aus dem Orkus ent - laſſen haͤtten, und denen er frevelnd ſein Wort gebrochen. Indem er, nach dieſer Dichtung, ſeine Tage uͤber das beſtimmte Ziel zu verlaͤngern ſuchte, ſo war es gleichſam der immer wieder herabrol - lende Stein, die muͤhſelige Arbeit des Lebens, die er ſich ſelbſt aufs neue waͤhlte, und welche nun, als Schattenbild, im Tode ihn noch verfolgte.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt, nach einer antiken Gemme, Siſyphus den Stein in die Hoͤhe waͤlzend, abgebildet; und nach einem antiken Basrelief ſind Amor und Pſyche ſich um - armend dargeſtellt.

Amor und Pſyche.

Eine der reitzendſten Dichtungen iſt die vom Amor und der Pſyche. Unter der Pſyche mit Schmetterlingsfluͤgeln abgebildet, dachte man ſich gleichſam ein zartes geiſtiges Weſen, das aus398 einer groͤbern Huͤlle ſich emporſchwingend, und verfeinert zu einem hoͤhern Daſeyn, zu ſchoͤn fuͤr dieſe Erde, durch Amors Liebe ſelbſt begluͤckt, zu - letzt mit ihm vermaͤhlt ward, und an der Seelig - keit der himmliſchen Goͤtter Theil nahm. Der Nahme Pſyche ſelbſt bedeutet ſowohl einen Schmet - terling als die Seele. Die zarteſten Begriffe von Tod und Leben ſind dieſer Dichtung eingewebt, welche gleichſam uͤber die Schauer der Schatten - welt einen ſanften Schleier deckt.

Auf Erden war Pſyche die juͤngſte von drei Koͤnigstoͤchtern; und ſie blieb unvermaͤhlt, weil wegen ihrer himmliſchen Schoͤnheit kein Sterbli - cher es wagte, ſich um ſie zu bewerben. Auf den Befehl eines Orakelſpruchs mußten ihre Eltern und Freunde ſie wie zum Tode, im Leichenſchmuck, auf einen hohen Berg begleiten, und an dem Rande eines jaͤhen Abgrundes ſie verlaſſen. Sobald ſich Pſyche allein ſahe, ward ſie von einem Zephir ſanft emporgetragen, und in ein an - muthiges Gefilde, wo ein glaͤnzender Pallaſt ſtand, zu Amors unſichtbaren Umarmungen hinwegge - ruͤckt. Oft warnte Amors Stimme ſie, bei dem Verluſt ſeiner Liebe, niemals, wer ihr Lieb - haber ſey? neugierig nachzuforſchen.

Mitten aber im Genuß eines himmliſchen Gluͤcks, ſehnte Pſyche, zu ihrem Schaden, den -399 noch zu ihren Schweſtern ſich zuruͤck, welche, auf ihren Wunſch vom Zephir hergetragen, in ihrem Aufenthalt ſie beſuchten, und ihr Gluͤck beneidend, ſie auf den Argwohn brachten, ihr unſichtbarer Liebhaber ſey ein furchtbares Ungeheuer, von dem ſie ſich befreien, und es mit ſcharfem Eiſen im Schlafe toͤdten muͤſſe. Die Schweſtern wurden vom Zephir wieder hinweggetragen, und Pſyche befolgte thoͤricht ihren Rath. Kaum war es Nacht und Amor eingeſchlummert, ſo trat ſie mit einer Lampe und mit dem gezuͤckten Dolche vor ihm hin, als ſie ſtatt eines Ungeheuers, den ſchoͤnſten unter den unſterblichen Goͤttern, den himmliſchen Amor ſelbſt erblickte. Zit - ternd hielt ſie die Lampe in der Hand, aus der ein Tropfen heißes Oehl auf Amors Schul - ter fiel, woruͤber er erwachte, und da er Pſy - chen und das toͤdtliche Werkzeug ſahe, zuͤrnend ſie verließ.

Voll Verzweiflung, Amors Liebe verſcherzt zu haben, ſuchte Pſyche ihr Daſeyn zu vernich - ten, und ſtuͤrzte ſich in den naͤchſten Fluß; allein die Wellen trugen ſie an das jenſeitige Ufer ſanft hinuͤber, wo Pan, der Gott der Heerden, ihr den Troſt gab, daß ſie hoffen duͤrfe, fuͤr ihr Vergehen noch einſt Verzeihung zu erhalten. Die Schweſtern der Pſyche aber, welche die Folgen ihres Raths wohl vermutheten,400 wuͤnſchten nun ſelbſt die Stelle der Verſtoßnen ein - zunehmen, und ſtellten ſich eine nach der andern auf die Felſenſpitze, wo ſie glaubten, daß der Zephir ſie nach dem gewuͤnſchten Aufenthalt brin - gen wuͤrde; allein ſie ſtuͤrzten in die Tiefe hinab, und buͤßten ihren Neid, und den Verrath an ihrer Schweſter, mit dem Tode.

Um den Amor aufzuſuchen, ſchweifte Pſyche vergebens auf der ganzen Erd umher; ſie flehte zuletzt die Venus ſelber um Erbarmung an, welche heftig auf ſie zuͤrnend, und auf ihre Schoͤnheit eiferſuͤchtig, ihr die haͤrteſten Pruͤ - fungen, und die ſchwerſten Arbeiten auferlegte, deren Ausfuͤhrung oft unmoͤglich ſchien, und die ſie dennoch mit Huͤlfe wohlthaͤtiger We - ſen vollbrachte, welche Amor, der ſie ſtets noch liebte, ihr zum Beiſtande ſchickte. Pſyche aber mußte lange fuͤr ihre Thorheit buͤßen, und des verſcherzten Gluͤcks erſt wieder wuͤrdig werden. Zuletzt befahl ihr Venus, ſelbſt in die Unterwelt hinabzuſteigen, und von der Pro - ſerpina eine Buͤchſe zu fordern, welche hohe Schoͤnheitsreitze in ſich enthielte. Nun glaubte Pſyche, ſie muͤſſe ſterben, um in die Unter - welt zu kommen. Allein eine Stimme belehrte ſie, von jeder Vorſicht, die ſie nehmen, und warnte ſie vor jeder Gefahr, die ſie vermei - den muͤſſe.

401

Sie durfte Kuchen und Faͤhrgeld nicht ver - geſſen, jenen um den Cerberus zu beſaͤnftigen, dieſes um den Charon zu befriedigen, der ihr, ſo wie den Todten, das Geld aus dem Munde nehmen mußte. Es waren nur die Gebraͤuche des Sterbens, welche von der Pſyche beob - achtet wurden, ſie ſelber kehrte ans Licht empor; auch durfte ſie ſich dem Orkus durch nichts ver - bindlich machen, und an dem Gaſtmahl Pro - ſerpinens keinen Antheil nehmen, ſondern auf der Erde ſitzend nur ſchwarzes Brod verzehren. Vor allem aber mußte ſie die Buͤchſe mit den Schoͤnheitsreitzen uneroͤfnet der Venus uͤberbrin - gen; und Pſyche, welche nun in ſo vielen Pro - ben beſtanden war, erlag in dieſer letztern. Kaum war ſie der Unterwelt entſtiegen, ſo nahm ſie den Deckel von der Buͤchſe, aus wel - cher ein hoͤlliſcher Dampf ihr entgegenſtieg, der ſie in einen tiefen Todesſchlummer ſenkte, von welchem Amor, der ſchon lange unſichtbar uͤber ihr ſchwebte, ſie wieder weckte, und uͤber dieſen zweiten Ruͤckfall in Eitelkeit und Neugier ihr nur ſanfte Vorwuͤrfe machte; denn ſchon war ſein Entſchluß gefaßt, ſich mit der Pſyche zu vermaͤhlen; ſie ward auf ſeine Bitte beim Ju - piter unter die Zahl der Goͤtter aufgenommen; auch Venus ward verſoͤhnt; Geſang und Sai -C c402tenſpiel ertoͤnte, und das ganze Chor der Goͤt - ter nahm an der Hochzeitfeier des himmliſchen Amors Theil, mit welchem Pſyche, wie der Goͤ[t]terfunken mit ſeinem Urſprunge, ſich ver - maͤhlte.

403

Regiſter.

  • Abas204.
  • Abſyrtus271.
  • Abyla246.
  • Achelous76.248.
  • Acheron387.388.
  • Achilles72.325.326.342.373 bis378.390.
  • Aeis341.
  • Ades387.
  • Admetus113.243.262.
  • Adonis336.337.
  • Adraſtus355 bis361.
  • Aeakus280.
  • Aeea272.
  • Aeetes260.261.268 bis
  • 271.
  • Aege120.
  • Aegeus281.282.287.291.292.294.295.
  • Aegialeus361.
  • Aegide210.
  • Aegipanen319.
  • Aegiſthus367.368.
  • Aegle, Hesperide236. He -
  • liade385.
  • Aegyptiſcher Bachus177.
  • Aegyptiſcher Jupiter388.
  • Aegyptus202.203.
  • Aello73.266.
  • Aeneas131.335.390.391.
  • Aeolus96.212.257.258.
  • Aerope364.
  • Aeſkulap326 bis328.
  • Aeſon258.274.
  • Aetna193.
  • Aethra255.287.288.
  • Agamemnon367.368. 372
  • bis375.377.390.
  • Aganippe305.
  • Agave348.
  • Agenor94.346.347.349.
  • Aglaja 64
  • Ajax 372378.
  • Aides387.
  • Akriſius205.209.
  • Aktaͤon137.349.
  • Aktor359.
  • Alcaͤus210.217.
  • Alceſte242.243.
  • Aleimede258.
  • Alcinous272.273.
  • Alcyoneus22.
  • Alekto392.
  • Alkmene217 bis222.
  • C c 2
  • 404Aloeus29.
  • Aloiden29.
  • Alphaͤus76.
  • Alpheus159.160.232.
  • Althea277.278.
  • Amalthea18.
  • Amathunt192.
  • Amathuſia192.
  • Amazonen215.230.231.
  • Ambroſia180.394.
  • Ammon (Jupiter) 101.208.
  • Amphiaraus356.357.359.
  • Amphion350.351.382.
  • Amphitrite72.113.
  • Amphitryo217 bis220.222.224.
  • Amphyktion96.
  • Amphyktionen96.
  • Amor54 bis56.309.311.397 bis402.
  • Amykus254.266.
  • Anaurus259.
  • Anaxo217.
  • Ancaͤus268.
  • Anchiſes131.335.336.390.391.
  • Androgens281.
  • Andromache377.380.
  • Andromeda207.208.210.
  • Antaͤus240.241.
  • Antea213.
  • Anteros310.
  • Antigone354.355.359.360.
  • Antiope, Amazonenkoͤnigin
  • 296.
  • Antiope350.
  • Aphareus256.
  • Aphidnaͤ255.
  • Aphrodite56.79.191.
  • Apollo29.83.109 bis115.139.159 bis162.183 bis
  • 187.203.223.239.245.287.292.305.307.327.338bis340.352.368.369.374 bis378.383.395.396.
  • Archemorus358.
  • Arethuſa236.
  • Arges14.
  • Argo262.272 bis274.
  • Argolis93.
  • Argonauten262 bis275.
  • Argos188.189.203.
  • Ariadne292.293.
  • Arion116.359.
  • Ariſtaͤus349.
  • Arkadien97.196.197.
  • Askalaphus129.
  • Aſopus77.
  • Aſſarakus326.
  • Aſteria60.61.
  • Aſtraͤa68.
  • Aſtraͤus16.57.64.
  • Aſtyoche 364
  • Atalante 356
  • Atalante277 bis279.
  • Ate222.
  • 405Athamas258.260.349.
  • Athen42.43.95.96.150.191.255.281 bis283.287.288.291 bis295.298 bis300.
  • Athene (Pallas) 95.
  • Atlas16.31.65.77.207.246.386.
  • Atreus363 bis367.
  • Atropos44.48.68.
  • Attika93.95.295.296.
  • Atys333.334.
  • Augias231.232.
  • Aulis372.
  • Aura384.
  • Aurora16.57.113.334.335.383.
  • Autonoe348.349.
  • Avernus387.
  • Bachanal176.177.
  • Bachantinnen172.173.195.
  • Bachus167 bis178.293.316.317.349.
  • Baucis197.198.
  • Bebrycien266.
  • Bellerophon212 bis215.
  • Bellona123.
  • Belus202.
  • Biſtoniden194.
  • Biton188.189.
  • Boͤotien40.93.260.347.
  • Boreas194.262.266.338.
  • Briareus14.20.21.66.72.
  • Briſeis375.377.
  • Brontes14.
  • Buſiris241.
  • Caͤneus200.
  • Ceſalonia219.
  • Cekrops92.95.
  • Celaͤno266.
  • Celeus141.142.
  • Cenaͤum251.
  • Centauren223.296.297.395.
  • Cephalene219.
  • Cephatus219.383.384.
  • Cepheus208.
  • Cerberus75.236 bis238.388.391.401.
  • Ceres19.85.116.139 bis
  • 145.168.
  • Ceto70.74 bis76.214.226.
  • Chaonien97.181.
  • Charirinnen311.
  • Charon237.388.389.391.401.
  • Charybdis272.381.
  • Chimaͤra75.96.212.214.
  • Chiron77.173.223.258.325 bis327.
  • Chonidas287.288.
  • Chryſaor74.75.
  • Chryſeis374.375.
  • Chryſippus363.364.
  • Cinyras336.
  • Circe272.381.390.
  • 406Coͤns14.15.
  • Corinthiſcher Iſthmus274.
  • Cyane140.
  • Cyaneen266.267.
  • Cybele164 bis167.279.333.334.
  • Cycikus265.
  • Cygnus385.
  • Cyklopen14.17.19.149.193.
  • Cyllene196.
  • Cynthus184.
  • Cypariſſus338.339.
  • Cypern191.192.
  • Cypſelus46.
  • Cythaͤron171.
  • Cythere192.336.
  • Daͤdalus283 bis286.293.
  • Damaſtes290.
  • Danae205.
  • Danaiden396.
  • Danaus202 bis204.
  • Daphne340.
  • Dardanus330.
  • Dejanira248 bis252.
  • Dejoneus383.
  • Delos83.183.184.292 bis
  • 294.
  • Delphi136.184 bis187.224.287.396.
  • Delphinen170.185.
  • Deukalion39.40.96.
  • Diana60.61.83.110. 135
  • bis139.193.194.228.
  • 276.277.340.341.373.374.383.
  • Dice67.
  • Diktaͤiſche Grotte180.
  • Dindymus265.
  • Dino74.
  • Diomedes, Sohn des Mars
  • 233.234.
  • Diomedes, Tydeus S〈…〉〈…〉 ohn
  • 127.128133.276.372.
  • Dione56.113.134.
  • Dioskuren255.
  • Dirce350.
  • Dodona97.181.182.262.
  • Donau271.
  • Doris70.71.72.
  • Dryaden315.
  • Dryas200.
  • Echidna74.75.
  • Echion348.
  • Eimarmene48.
  • Elektra, Tochter des Ocean
  • 73.
  • Elektra, Agamemnons
  • Tochter367.368.
  • Elektryo210.
  • Eleus219.
  • Elenſinus93.
  • Eleuſis93.141.237.290.
  • Elis174.231.
  • Elyktrio217 bis219.
  • Elyſium391.
  • Euceladus22.
  • Endymion340.341.
  • 407Enyo74.
  • Epaphus94.384.
  • Epheſus193.194.
  • Ephialtes29.
  • Ephyra274.
  • Epidaurus289.328.
  • Epigonen360.
  • Epimetheus16.38.39.
  • Epirus97.181.
  • Epopeus350.
  • Erato304.307.
  • Erebus13.386 bis388.
  • Erechthiden95.284.
  • Erechtheus95.383.
  • Erichthonius150.
  • Evieiniſche Venus286.
  • Eridanus385.
  • Eriphyle356.357.
  • Eris342.
  • Eros310.
  • Erymanthiſcher Eber227.228.
  • Erynnen117.
  • Eryſichthon144.
  • Erythia236.
  • Eryx286.
  • Eteokles354 bis360.
  • Euboaͤ249.251.
  • Eumaͤus111.
  • Euneus265.
  • Eunomia67.
  • Euphemus273.
  • Euphroſine64.
  • Europa279.
  • Eurotas254.
  • Euryale74.206.
  • Eurybia70.73.
  • Eurydice195.
  • Eurynome63.64.
  • Euryſtheus221 bis238.364.
  • Eurytion235.
  • Eurytus249.250.
  • Euterpe304.307.
  • Evander242.
  • Evenus248.
  • Everes218.
  • Fatum44 bis52.
  • Faunen174.317 bis319.
  • Fließ260 bis262.268 bis
  • 270.
  • Furien15.50.392.
  • Galatea71.341.
  • Ganymedes330 bis333.343.
  • Gargarus180.
  • Gelanor202.
  • Genien301.302.310.
  • Geryon234.235.
  • Giganten22.23.27.
  • Gnidus192.
  • Goͤthe9 bis 1235 bis37.103.104.331.332.345.346.365.366.369.370.393.
  • Gorgo126.
  • Gorgonen74.
  • Graͤen74.
  • Grazien311 bis313.
  • 408Gyges14.20.21.66.
  • Haͤmon360.
  • Hamadryade315.
  • Harmonia348.
  • Harpokrates153.154.
  • Harpyen73.266.267.
  • Hebe81.253.332.
  • Hebrus173.
  • Hekate60.61.
  • Hektor201.375 bis378.
  • Hekuba377.378.380.
  • Helena131.132.254.255. 367 371372.
  • Heliaden385.
  • Helikon119.305.
  • Helios57 bis59.113.280.384.385.
  • Helle260.261.
  • Hellen96.
  • Helleſpont261.
  • Hera188.
  • Heraͤen188.
  • Herkules216 bis253.288.296.297.305.315.390.
  • Hermione290.
  • Hermione, Tochter des
  • Mars348.
  • Heſione239.240.
  • Hesperiden45.235.236.386.
  • Hippodamia297.
  • Hippodamia, Oenomaus
  • Tochter363.364.
  • Hippokrene119.305.
  • Hippolytus296.298.299.
  • Hippomedon356 bis359.
  • Hippomenes279.
  • Homer200.201.
  • Horen67.134.312 bis314.
  • Hyacinthus338.
  • Hydra226.227.
  • Hygea328.329.
  • Hylas239.
  • Hyllus252.
  • Hymen325.
  • Hymettiſches Gebuͤrge383.
  • Hyperbius358.359.
  • Hyperhoreer194.
  • Hyperion14.16.58.
  • Hypermneſtra203.204.
  • Hypſipyle264.265.357.358.
  • Janus25.
  • Japet14.16.
  • Jaſon257 bis275.277.357.
  • Ida180.280.331.370.
  • Idaͤiſcher Jupiter180.
  • Idalia192.
  • Idalium192.
  • Idas256.277.
  • Idea266.
  • Idomeneus373.
  • Ikarus283.285.286.
  • Ilaira256.
  • Ilithya81.
  • Ilium373.380.
  • Illyrien349.361.
  • Inachus92 bis95.233.
  • 409Indiſcher Bachus177.
  • Ino260.348.349.
  • Jo93.94.216.
  • Jobates213.215.
  • Jokaſte351.353 bis355.
  • Jolaus226.
  • Jole249 bis252.
  • Jolkos258.259.263.273.
  • Iphigenie365.367 bis370.373.
  • Iphikles222.226.
  • Iphimedia29.
  • Iphitus250.
  • Irene67.
  • Irie73.105.117.
  • Iſchys327.
  • Iſis166.
  • Ismene354.
  • Iſthmiſche Spiele295.
  • Iſthmus274.289.
  • Ithaka119.381.
  • Juno49.79 bis84.93. 105
  • bis109.121.138.151.158.188.189.221 bis
  • 224.226.245.248.253.257.259.272.314.347.349.352.370.371.374.394.395.
  • Jupiter17 bis30.31.34.37 bis39.44.49.56.58.61.63.64.67.68.72. 79
  • bis88.93.94.97.99 bis
  • 105.107.111.117.120.128.129.134.135.142.
  • 145.149.161.162.168.180bis182.189.190.197.198.205.220 bis
  • 223.244.251.254bis
  • 256.279.280.302.303.327.331.343.350.374
  • bis377.385.393.394.401.
  • Ixion394.395.
  • Kabiren149.
  • Kadmus346 bis351.
  • Kakus242.
  • Kalais262.267.
  • Kalchas373.375.
  • Kalliope303.304.307.
  • Kalliryoe74.
  • Kalliſto84.
  • Kalpe246.
  • Kalydon276.
  • Kalydoniſcher Eber275 bis
  • 277.
  • Kalydoniſche Jagd276 bis
  • 278.
  • Kalypſo381.
  • Kapaneus356 bis359.373.
  • Karien340.
  • Karmenta242.
  • Kaſſiopeja208.210.
  • Kaſtaliſcher Quell186.305.
  • Kaſtor253 bis257.262.277.
  • Kerkyon290.
  • Kleobis188.
  • Klio303.304.307.
  • 410Klotho44.48.68.
  • Klymene16.384.
  • Klytemneſtra254.367.368.
  • Klytie339.340.
  • Kocytus387.388.
  • Kokalus283.286.
  • Kolchis260.261.268.
  • Komus324.
  • Korinth212.274.289.351.396.
  • Koronis327.395.
  • Korybanten18.148.149.
  • Kottus14.20.21.66.
  • Kreon219.247.248.275.351.359.360.
  • Kreta180.232.279.281 bis
  • 283.292.394.
  • Kretenſiſche Maͤnner185.
  • Kretenſiſcher Stier232.233.
  • Kretheus258.
  • Kriſſa185.
  • Krius14.16.64.
  • Krommyoniſche Sau289.
  • Kronos14.
  • Kupido151.
  • Kureten18.148.149.
  • Labdakus349.350.
  • Labyrinth281.
  • Lacedaͤmonier338.
  • Lacedemon253.
  • Lacheſis44.48.51.52.68.
  • Ladon319.
  • Laertes382.
  • Laͤſttygonen381.
  • Lajus350 bis354.
  • Lamedon118.
  • Lampetia385.
  • Laodamas360.361.
  • Laokoon379.
  • Laomedon239.240.334.
  • Lapithen296.297.
  • Laren323.
  • Laſthenes359.
  • Latium25.
  • Latmus340.
  • Latona15.80.82.83.136.138.183.374.382.
  • Learchus349.
  • Leda253.254.
  • Lemnierinnen264.
  • Lemnos193.263 bis265.
  • Lerna226.
  • Lernaͤiſche Schlange75.226.227.
  • Lethe389.
  • Leucippus256.
  • Leukothea349.
  • Leukothoe339.340.
  • Lichas251.252.
  • Liebesgoͤtter309.310.
  • Linus223.
  • Lucina81.
  • Luna16.59.60.
  • Lybia202.
  • Lybien101.181.240.273.
  • Lybiſche Sandbaͤnke273.
  • Lycaͤus320.
  • Lycien213.
  • 411Lycier215.
  • Lycimnus218.
  • Lyeiſcher Apollo203.
  • Lydien250.393.
  • Lykomedes299.300.
  • Lykurgus169.357.358.
  • Lykus267.350.
  • Lynceus, Sohn des Aegyp -
  • tus203.204.
  • Lynceus, Sohn des Apha -
  • reus256.263.277.
  • Machaon328.
  • Maͤnaden195.
  • Maͤnalus228.
  • Maja77.
  • Malea272.273.
  • Mars55.81.82.125. 127
  • bis130.133.147.194.268.280.347.348.374.395.
  • Marſyas126.306.307.
  • Medea269 bis275.
  • Meduſa74.126.206 bis
  • 208.210.212.
  • Megaͤra392.
  • Megara, Kreons Tochter
  • 247.248.
  • Megara, die Stadt282.290.
  • Meleager263.275 bis278.
  • Meliaͤ15.
  • Melicertes349.
  • Melpomene303.304.307.
  • Memmon113.334.
  • Menalippus358.359.
  • Menelaus367.371.372.
  • Menoͤtius, Sohn des Ja -
  • pet16.31.
  • Menoͤtius, Vater des Pa -
  • troklus263.
  • Merkur154 bis163.168.196.197.206.223.320.374.378.382.391.
  • Meſſene356.
  • Meſtor217.218.
  • Metis63.
  • Mimas22.
  • Minerva63.95.96.121 bis
  • 130.133.134.149.150.191.206.207.210.229.347.370.371.374.
  • Minos, der Geſetzgeber279.280.
  • Minos, deſſen Enkel280 bis
  • 283.291.292.298.373.
  • Minotaurus281 bis283.293.
  • Mnemoſyne66.302.303.
  • Morpheus46.
  • Muſagetes305.
  • Muſen66.302 bis309.311.
  • Mycene188.210.
  • Myrrha336.
  • Myrtilus363.
  • Myrtoiſches Meer363.
  • Najaden315.
  • Naxos293.
  • 412Nemaͤiſcher Loͤwe75.225.253.
  • Neleus258.262.
  • Nemea225.
  • Nemeſis78.
  • Nephele260.
  • Neptun19.29.62.72.94.115 bis121.124.139.202.232.239. 274280.299.374.381.382.
  • Nereiden71.72.208.
  • Nereus70 bis72.115.371.
  • Neſſus248.249.
  • Neſtor200.247.262.372.
  • Niobe382.383.
  • Niſa282.
  • Niſus282.
  • Nykteis350.
  • Nykteus350.
  • Nymphen314.315.
  • Nyſa169.
  • Oceaniden63 bis66.
  • Oceanus16.61 bis66.70.73.74.76.84.
  • Ocypete73.266.
  • Oebalus253.338.
  • Oechalia250.
  • Oechalien249.
  • Oedipus351 bis355.
  • Oeneus276.277.
  • Oenomaus362.363.
  • Oeta252.
  • Ogyges92.93.
  • Olymp20.21.29.85.163.
  • Olympia189.190.
  • Olympiade190.
  • Olympiſche Spiele190.232.
  • Omphale250.
  • Orakel186.187.208.243.259.282.287.292.295.347.352.354.368.369.
  • Orchamue339.
  • Orchomenier248.
  • Oreade315.
  • Oreſt367 bis369.
  • Orkus58.85.
  • Oromedon22.
  • Orpheus195.263.272.325.
  • Orthrus75.335.
  • Oſſa29.
  • Othrys20.
  • Otus29.
  • Paͤas252.
  • Palladium379.
  • Pallas, der Titane16.64.
  • Pallas, Bruder des Aegeus
  • 291.
  • Pallas Athene95.
  • Pan319 bis321.399.
  • Panathenaͤen191.
  • Pandarus394.
  • Pandion287.
  • Pandora38.39.
  • Paphos192.
  • Paris131.132.370 bis372.378.379.382.
  • Parnaſſus40.184.185.305.
  • Parthenopaͤus356 bis359.
  • 413Parzen44.47 bis51.68.278.
  • Paſiphae280.281.298.
  • Patroklus373.376.378.
  • Pegaſus119.207.212.214.215.305.
  • Peleus262.277.342.
  • Pelias243.258 bis262.274.
  • Pelion29.258.262.
  • Pelopia367.
  • Pelopiden362 bis370.
  • Peloponeſus363.
  • Pelop〈…〉〈…〉287.362 bis364.369.394.
  • Penaten323.
  • Penelope382.
  • Peneus76.340.
  • Pentheus170.171.348.
  • Pephredo74.
  • Periphetes289.
  • Perſephone388.
  • Perſes16.60.61.64.
  • Perſeus202.205 bis212.
  • Peſſinunt166.
  • Phaͤacier119.272.382.
  • Phaͤdra298.299.
  • Phaeton343.384.385.
  • Phaetuſa385.
  • Phidias189.191.
  • Philemon197.198.
  • Philoktetes252.373.379.
  • Philomele194.
  • Philyra77.
  • Phineus208.266.267.271.
  • Phlegraͤiſche Gefilde22.
  • Phlegyas395.396.
  • Phocis368.
  • Phoͤbe, Titanide14.15.
  • Phoͤbe, Tochter des Leu -
  • cippus256.
  • Phoͤnizien348.
  • Phoͤniziſche Kuͤſte207.
  • Phorbas351.
  • Phorkys70.74 bis76.
  • Phoroneus93.
  • Phrygien164.197 bis199.
  • Phryxus260.261.
  • Phyleus232.
  • Pierien305.
  • Pierinnen305.
  • Pimplea305.
  • Pindus305.
  • Piraͤiſche Gebirge159.
  • Pirithous200.263.277.296 bis298.387.
  • Piſa362.
  • Pitho295.
  • Pittheus287.
  • Pleuron277.
  • Pluto19.21.140.142.143.237.238.327.386 bis
  • 391.
  • Podalirius328.373.
  • Podarcis240.
  • Pollux253 bis257.277.
  • Polybius351.
  • Polydektes205.208.209.
  • 414Polydorus348.349.
  • Polyhymnia304.307.
  • Polynices354 bis361.
  • Polyphem71.341.380 bis
  • 382.
  • Polyphontes358.
  • Pontus69.70.
  • Porphyrion22.
  • Praxiteles192.
  • Priamus240.370 bis372.375.378.380.
  • Priapus323.324.
  • Proͤtus205.209.210.212.213.
  • Prokris383.384.
  • Prokruſtes290.291.
  • Prometheus16.30 bis43.63.64.66.67.78.149.216.244.
  • Proſerpina85.140.142.143.297.388.400.401.
  • Proteus76.77.
  • Pſyche397 bis402.
  • Pterelaus218.219.222.
  • Pylades368.369.
  • Pylos185.200.
  • Pyriphlegeton389.
  • Pyrrha39.
  • Pyrrhus380.
  • Pythia115.185 bis187.
  • Pythiſcher Apollo114.
  • Pytho114.
  • Python114.
  • Radamanthus280.
  • Rhen14.16.17.77.113.164.
  • Rhoͤtus22.
  • Salmoneus258.
  • Samos119.
  • Salmydeſſa266.
  • Samothracien149.265.
  • Samothraciſche Geheim -
  • niſſe264.
  • Sangaris333.
  • Sarpedon49.
  • Saturnia26.
  • Saturnus14 bis21.24 bis
  • 26.62.63.77.101.
  • Satyrn173.174.315 bis
  • 317.319.
  • Schoͤneus277.
  • Scylla111.272.381.
  • Scylla, Tochter des Niſus
  • 282.
  • Scyrus299.300.
  • Selene57.59.60.
  • Semele168.348.
  • Serapis (Jupiter) 153.388.391.
  • Seriphus205.208.
  • Sicilien58.193.286.341.
  • Sicyon350.
  • Silen173.174.178.
  • Simois326.
  • Sinnis289.
  • Sinon379.380.
  • Sipylon383.
  • Sirenen306.381.
  • 415Siſyphus212.258.396.397.
  • Skamander76.150.151.326.
  • Skiron290.
  • Solymer215.
  • Sparta188.367.371.
  • Sphinx75.352.353.
  • Steropes14.
  • Sthenelus, Perſeus Sohn
  • 217.219bis221.
  • Sthenelus, Kapaneus
  • Sohn373.
  • Stheno74.206.
  • Strophadiſche Inſeln267.
  • Strophius368.
  • Stygiſcher Jupiter387.
  • Stymphaltden229.230.
  • Stymphaliſcher See387.
  • Styx64 bis66.
  • Sylvan321.322.
  • Symplegaden267.
  • Syrinx, die Nymphe319.
  • Taͤnarum237.386.
  • Talus284.285.
  • Tantalus382.393.394.
  • Taphier219.
  • Taphius217.218.
  • Taphos217.
  • Tartarus65.85.386 bis
  • 396.
  • Tauris365.368.369.373.
  • Telamon240.263.265.277.
  • Teleboer218.219.
  • Telemach382.
  • Telesphorus328.
  • Tereus194.
  • Terpſichore304.307.
  • Tethys14.61.62.
  • Thalia, die Grazie64. Die
  • Muſe303.304.307.
  • Thamyris307.
  • Thaumas70.73.
  • Thebaniſcher Krieg356 bis
  • 362.
  • Thebe93.
  • Theben248.346 bis362.
  • Themis14.40.66 bis69.113.184.
  • Thermodon231.
  • Therſander360.361.373.
  • Theſeum300.
  • Theſeus200. 263277. 287
  • bis300.360.387.
  • Theſprotien386.
  • Theſſalien96.258.263.296.327.394.
  • Theſtius253.277.
  • Thetis (die Tochter des
  • Nereus)71.72.76.150.169.342.375 bis377.
  • Thia14.16.
  • Thoas, Vater der Hypſi -
  • pyle264. Sohn der Hyp -
  • ſipyle265. Koͤnig in
  • Tauris365.
  • Thracien 169194.195.
  • Thraciſches Gebirge195.
  • 416Thyeſt363 bis365.367.
  • Thyphaon75.
  • Thyrſusſtab172.176.
  • Tiphoͤus27.28.
  • Tiphys263.268.
  • Tiſiphone392.
  • Titan58.
  • Titanen14 bis16.19 bis
  • 22.24.30.31.64.65.67.386.
  • Titaniden14.
  • Tithonus334.335.
  • Trachina252.
  • Triptolemus142.280.
  • Troa[e]265.
  • Troͤzene287.289.
  • Troja117 bis120.125. 127
  • bis129.132 bis134.138.139.150.151.180.188.200.239.240.330. 370
  • bis382.
  • Tros330.
  • Tydeus276.355 bis359.
  • Tyndareus253.254.367.
  • Tyrinth210.
  • Tyro258.
  • Tyrus94.
  • Ulyſſes50.58.111.119.125.126.372.378 bis
  • 382.390.
  • Urania304.308.
  • Uranos14.15.17.23.24.
  • Venus55.56.129 bis135.137.147.151.192.254.264.279.280.286.293.298.311.335 bis337.370.371.374.399.401.
  • Veſta84.135.140.151 bis
  • 155.
  • Vulkan145 bis151.169.193.374.377.
  • Zetes262.267.
  • Zethus350.
  • Zyzikus265.
[417][418][419]

About this transcription

TextGötterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten
Author Karl Philipp Moritz
Extent497 images; 72133 tokens; 10771 types; 504081 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGötterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten Karl Philipp Moritz. . XII, 416 S UngerBerlin1791.

Identification

SUB Göttingen Göttingen SUB, 8 ANT II, 354https://opac.sub.uni-goettingen.de/DB=1/CMD?ACT=SRCHM&IKT0=54&TRM0=8%20ANT%20II%2C%20354

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Historiographie; Wissenschaft; Philosophie; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:20Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkGöttingen SUB, 8 ANT II, 354
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.