PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Lehrbuch des gemeinen in Deutſchland geltenden Peinlichen Rechts
Gieſsen,beyGeorg Friedrich Heyer1801.
[II][III]

Seinem von Almendingen und seinem Grolman.

Ἀγαϑή ἔϱις, quum invicem ſe mutuis exhortationibus amici ad amorem veritatis exacuunt.
[IV][V]

Vorrede.

Schon vor einigen Iahren war dieſes Lehr - buch entworfen und in ſeinen Haupttheilen ausgeführt. Allein je weiter der Verfaſſer fortſchritt, deſto mehr Schwierigkeiten ent - deckte er, deſto verwickelter wurden die Haupt - und Nebenunterſuchungen, in die er beynahe wider ſeinen Willen fortgezogen wurde: und doch wollten es ihm die[Pflich -]tenVIVorrede.ten gegen ſeine Wiſſenſchaft nicht erlauben, dem Bedürfniſſe eines Leitfadens für Vorle - ſungen (ſo dringend dieſes auch bey dem Ver - faſſer war) die höhern Anfoderungen der Wiſſenſchaft und des Publicums aufzuopfern. Er wünſchte gern ſeinen Leſern etwas Vollen - detes liefern zu können. Er wollte hier das peinliche Recht gereinigt in allen ſeinen Theilen, ſowohl von poſitiven, als philoſo - phiſchen Irrthümern in dem ſtrengſten wiſſenſchaftlichen Zuſammenhange, in ſeiner höchſten Conſequenz, nach allen Foderungen der ſyſtematiſchen Einheit, darſtellen. Das wollte und wünſchte er. Er kannte nur zu wohl das geringe Maas ſeiner Kräfte im Ver - hältniſs zu dieſem Ideal; aber, ſich ſelbſt ver - geſſend, glaubte er ſo arbeiten zu müſſen, als wenn es möglich wäre, zu erreichen, was überhaupt oder doch ihm unerreichbar iſt.

FührtVIIVorrede.

Führt Zweifel zur Wahrheit, ſo war der Verfaſſer auf rechtem Weg. Als er ſich zur Bearbeitung des peinlichen Rechts entſchloſ - ſen hatte, war er recht eigentlich befliſſen, einſtweilen alles zu bezweifeln, was vor ihm vorhanden war und auch das zu vergeſſen, was er ſelbſt bisher zu wiſſen glaubte. Er hielt ſich nun allein bey den Quellen auf; er laas und ſtudirte, beſonders das römiſche Recht und die deutſchen Criminalgeſetze, und philoſophirte über die Principien der Wiſſenſchaft und ihre Behandlung; denn hier iſt es weder allein mit hiſtoriſchen Kenntniſ - ſen, noch allein mit Philoſophiren gethan. So baute er ſich ſelbſt mühſam das Gebäude ſeiner Wiſſenſchaft; aber ſeine Mühe wurde ihm reichlich belohnt. Er gieng zu den Bear - beitern der Wiſſenſchaft zurück, als er ſchon genug eingeſammelt hatte, um von ihnen ler - nen zu können, ohne ihre Verirrungen mitihnenVIIIVorrede.ihnen theilen zu müſſen. Sie waren der Pro - bierſtein ſeines eignen Syſtems, ſie ſchliffen die ſcharfen Ecken ſeines Gebäudes ab, ſie füll - ten manche Lücken aus, die ihm, ſich ſelbſt überlaſſen, verborgen geblieben waren. Er erkennt dankbar an, was ſie ihm waren; möchte er daſſelbe auch ihnen ſeyn!

Dies ſind die Maximen, nach denen der Verfaſſer gearbeitet hat und über welche er ſeinen Leſern Rechenſchaft ſchuldig war. Was er wirklich geleiſtet hat, darüber wird jeder Kenner leicht entſcheiden können. Nur bittet er, die Belege für ſein wiſſenſchaft - liches Beſtreben nicht blos in dem philoſophi - ſchen Theil zu ſuchen, und auch dieſen nicht blos für einen Auszug aus der Reviſion des Ver - faſſers zu halten. Die Wiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange war der Gegenſtand ſeiner Unterſuchung und ſo wie er fremde Meynun -genIXVorrede.gen revidirte, ſo hat er auch ſeine eignen, ſchon dem Publicum vorgelegten, Ueberzeu - gungen der Reviſion unterworfen. Ueber die Methode der Bearbeitung, über die An - ordnung des Ganzen und der einzelnen Theile, ſo wie auch über die Grenzen, die der Ver - faſſer zwiſchen der Philoſophie und dem Po - ſitiven gezogen hat, darüber wird er vielleicht in einem beſondern Schriftchen: Theorie der wiſſenſchaftlichen Ausbildung des poſitiven pein - lichen Rechts, die Gründe vorlegen können.

Der Verfaſſer glaubt recht gethan zu ha - ben, daſs er die Praxis (ſo ſehr er auch dieſes Polſter der literariſchen Trägheit, dieſe Stütze blinder Willkühr haſst) nicht ganz übergan - gen hat. Er wieſs ihr aber gröſstentheils ihre Stelle in den Noten an. Hier hat er es ſich auch zuweilen erlaubt, wichtige Streitpunkte kurz zu erörtern und bedeutende, entwederdieXVorrede.die ganze Behandlung oder einzelne Lehren der Wiſſenſchaft afficirende, Irrthümer, zu widerlegen. Eine Hauptrückſicht war dabey immer die Wiſſenſchaft: die Nebenabſicht war Zeiterſparniſs für den mündlichen Unter - richt. Geſetze und Literatur anzuführen, hielt der Verfaſſer für ſehr weſentlich bey ei - nem Lehrbuch, ſo ſehr dieſes auch jetzt aus der Mode kommen will. Er hat aber nur die Schriften angeführt, die er aus eigner Anſicht kennt; blos einige wenige hat er auf Treue und Glauben der Literatoren angenom - men.

Nun noch ein kleines Wort an die Geg - ner des Verfaſſers. Er hat nach der Erſchei - nung ſeiner Reviſion eine Erfahrung gemacht, die ihn gar nicht befremdete, weil er ſie er - wartete und weil ein jeder ſie erwarten muſs, der ſich nicht in dem Strome der Gewohnheitfort -XIVorrede.forttreiben läſst. Man hat alle Arten von Waffen gegen ihn gebraucht: man hat ihn in Abhandlungen und von Kathedern herab ſelten auch nur mit Scheingründen, öfters durch Schimpfworte oder Spott, beſtritten. Der ermunternde Beyfall des beſſern Theils ſeiner Zeitgenoſſen und noch mehr die libera - len Unterſuchungen, zu denen er die Veran - laſſung war, konnten ihn leicht über jene Be - gegnung tröſten, wenn er hierüber noch des Troſtes bedurft hätte. Mit dieſen Grundſätzen ſieht er der Zukunft kalt entgegen und er wird ſich niemals wieder zu einer Ant - wort auf ähnliche Argumente erniedrigen. Seinen Streit mit Hrn. Klein hält der Verfaſſer von ſeiner Seite für geendigt. Er findet keine Gründe, den neueſten ihm entgegengeſetzten Abhandlungen dieſes Gelehrten zu antworten. Einmal ſich auf dem literariſchen Kampfplatz tummeln, iſt verzeihlich, vielleicht auch gut:aufXIIVorrede.auf ihm lange verweilen und immer um die - ſelbe Sache kämpfen, iſt ermüdend und lang - weilig für die Streiter, und für die Zuſchauer, wenigſtens lächerlich. Wäre Ueberzeugung und Wahrheit der Preis, dann wär es wohl noch der Mühe werth; aber das nimium alter - cando veritas amittitur, iſt ja bekanntlich nur allzuwahr. Herr Klein gehe ſeinen Weg, der Verfaſſer wird den ſeinigen gehen. Was wir denken, wollen wir ſagen und, was wir kön - nen, thun. Die Zeit und das gerechte Gericht der Welt mag einſt entſcheiden, wer das meiſte und das beſte that.

Der Verfaſſer.

Kurze[XIII]

Kurze Ueberſicht des Syſtems.

  • A. Prolegomena. Begriff, Quellen, Hülfswiſſenſchaften und Literatur des peinl. R.
  • B. Wiſſenſchaftliche Darſtellung des peinl. R. ſelbſt.
  • Erſtes Buch. philoſophiſcher Theil d. p. R.
  • Erſter Theil. Darſtellung der oberſten Principien, §. 1 24.
  • Zweyter Theil. Darſtellung der abgeleiteten Rechts - ſätze d. phil. Theils.
  • Erſter Titel. V. d. Natur d. Verbrechen.
  • Erſter Abſchnitt. Begriff u. Eintheilung d. Ver - brechens, 26 32.
ZweyterXIV
  • Zweyter Abſchnitt. V. d. möglichen Subjecten ei - nes Verbrechens, 33 36.
  • Dritter Abſchnitt. V. d. möglichen u. nothw. Ob - jecten eines Verb. 37 45.
  • Vierter Abſchnitt. Nothwendige Bedingungen d. Verbr. in Anſehung des Aktes der Uebertretung ſelbſt, 46 49.
  • Fünfter Abſchnitt. Verſchiedene mögliche Arten d. Uebertretung eines Strafgeſetzes, 50 68.
  • Sechſter Abſchnitt. Rechtliche Dauer eines Ver - brechens, 69 78.
  • Siebenter Abſchnitt. Allgemeine rechtliche Folgen eines Verbrechens, 79 80.
  • Zweyter Titel Natur des Strafgeſetzes und deſſen Anwendung.
  • Erſter Abſchnitt. Von d. Strafgeſ. u. deſſen An - wendung überhaupt. §. 81 86.
  • Zweyter Abſchnitt. Von d. Bedingungen u. d. Art der Anw. der Strafgeſ. insbeſondere.
  • Erſte Abtheilung. Bedingg. d. Anw. d. Strafgel. überh. Gründe der abſol. Strafbarkeit, §. 87 98.
  • Zweyte Abtheil. Gründe d. relativen Straf - barkeit.
  • Erſte Unterabth. Gründe der relativen Strafbarkeit bey einzelnen Geſetzen.
  • Erſtes Kapitel. Bey Anwendung be - ſtimmter Strafgeſetze, §. 99 112.
  • Zweytes Kapitel. Bey Anwendung unbe - ſtimmter Strafgeſetze, §, 113 150.
  • Zweyte Unterabth. Gründe d. rel. Strafbark - bey concurrirenden Geſetzen, §. 151 156.
DritterXV
  • Dritter Titel. Von der Natur der Strafe u. ihren Arten.
  • Erſter Abſchn. Von der Strafe überhaupt u. ih - rer Eintheilung, §. 157 160.
  • Zweyter Abſchn. Regeln für die Anwendung der Strafen, §. 161 166.
  • Dritter Abſchn. V. d. einzelnen in Deutſchland üblichen Strafen, §. 167 180.
  • Vierter Abſchn. Von dem Verhältniſs d. Strafen zu einander, §. 181 138.
  • Zweytes Buch. Poſitiver oder beſondrer Theil.
  • Einleitung. §. 193 194.
  • Erſt. Theil. Von determinirten gemeinen Verbrechen.
  • Erſter Titel. Oeffentliche Verbrechen.
  • Erſter Abſchn. Verbrechen an der moraliſchen Perſönlichkeit des Staats ſelbſt oder an d. Regenten als ſolchem. Staatsverbrechen im engern Sinn.
  • Erſte Abtheil. Von d. Hochverrath, §. 195 204.
  • Zweyte Abtheil. Verbrechen bel. Majeſtät, §. 205 210.
  • Zweyter Abſchn. Verbrechen gegen einzelne Gewalten d. Staats, Regierungsverbrechen.
  • Erſte Abtheil. Verbrechen gegen d. aufſe - hende Gewalt. Münzverbrechen, §. 211 215.
  • Zweyte Abtheil. Verbrechen wider die an - ordnende Gewalt. Ambitus, §. 216 219.
  • Dritte Abtheil. Verbr. wider d. richterl. Gewalt.
  • Erſte Unterabtheil. Rechtswidrige Selbſt - hülfe, §. 220 227.
A.XVI
  • A. Einfache Selbſthülfe, §. 221 223.
  • B. Qu lificirte.
  • I. Duell, §. 223 226.
  • II. Fehde, §. 227.
  • Zweyte Unterabth. Befreyung d. Gefangenen, §. 228 231.
  • Dritte Unterabtheil. Verletzung d. Urphede, §. 232 234.
  • Vierte Abth. Verbrechen wider die executive Gewalt. Aufruhr u. Tumult, §. 235 238.
  • Zweyter Titel. Privatverbrechen.
  • Erſter Abſchn. Verbr. geg. urſprüngliche R. des Bürgers.
  • Erſte Abth. Verletzung d. Rechts auf das Leben.
  • Erſte Unterabth. Verbr. d. Tödung überhaupt, §. 239 247.
  • Zweyte Unterabth. V. d. beſondern Ar - ten des Verbr. d. Tödung.
  • Erſtes Kapitel. V. d. Todſchlag u. einfachen Mord, §. 248 264.
  • Zweytes Kapitel. V. d. qualificirten Mord. Parricidium, §. 265 275.
  • A. Verwandtenmord, §. 266 270.
  • B. Kindermord, §. 271 275. (Anhang, v. Selbſtmord, 276 279.)
  • Zweyte Abth. Verletzung d. Integrität der menſchlichen Kräfte. Körperverletzung, §. 280 286.
  • A. Einfache Körperverletzung, §. 281 282.
B.XVII
  • B. Qualificirte Verletzung durch Gift, §. 283 286.
  • Dritte Abth. Verbrechen an dem Recht des Bürgers auf freye Dispoſition über ſei - nen Körper, §. 287. ff.
  • Erſte Unterabtheil. Menſchenraub, §. 288 291.
  • Zweyte Unterabtheil. Entführung, §. 292 299.
  • Dritte Unterabtheil. Unfreywillige Schwächung, § 300 307.
  • Vierte Abth. Verletzung des Rechts auf Ehre.
  • Erſte Unterabth. Von Injurien u. Ver - läumdungen überhaupt, §. 308 326.
  • Zweyte Unterabth. Von beſondern Ar - ten der Injurie.
  • Erſtes Kap. Von einfachen Inju - rien u. deren Straf. §. 327 338.
  • Zweytes Kap. Von den qualificirten jurien.
  • A. V. d. Pasquill u. der Schmäh - ſchrift. §. 339 343.
  • B. V. d. Blasph. u. andern Inj - rien an der kirchlichen Geſell - ſchaft, §. 344 351.
  • Zweyter Abſchn. Verbrechen gegen erworbene Rechte.
  • Erſter Unterabſch. Individuellgefährliche Verletzung des Rechts auf Sachen.
  • Erſte Abth. Verletz. des Rechts an Sachen d. bloſse Beſchädigung damnum inj. da - tum, 352 353.
ZweyteXVIII
  • Zweyte Abth. Verletzung d. Eigenthums durch Entwendung.
  • Erſte Unterabth. Von d. Entwendung überhaupt, §. 354 363.
  • Zweyte Unterabth. Gemeiner Diebſtahl, §. 364 371.
  • Dritte Unterabth. Geſetzlich ausgezeich - nete Diebſtähle.
  • Erſtes Kap. Qualificirte Diebſtähle, §. 372 388.
  • Zweytes Kap. Geſetzl ausgezeichnete, nicht qualific Diebſt., §. 389 400.
  • Zweyter Unterabſch. Gemeingefährliche Verle - tzung des Rechts an Sachen.
  • Erſte Abth. Brandſtiftung, §. 401 408.
  • Zweyte Abth. Verurſachte Ueberſch wem - mung, §. 409.
  • Dritter Unterabſch. Individuellgefährliche Ver - letzung d. Rechts aus Verträgen.
  • Erſte Abth. Verletzung d. Verträge auf Treu und Glauben, §. 410 412.
  • Zweyte Abth. Verletzung des ehelichen Ver - trags.
  • Erſte Unterabth. Vom Ehebruch, §. 413 422.
  • Zweyte Unterabth. Von vielfacher Ehe, §. 423 426.
  • Zweyter Theil. Von vagen gemeinen Verbre - chen.
  • Erſter Titel. Materielle vage Verbrechen.
  • Erſter Abſch. Kinderausſetzung, §. 428 429.
ZweyterXIX
  • Zweyter Abſch. Abtreibung der Leibesfrucht, §. 430 434.
  • Dritter Abſch. Sträfliche Unfruchtbarmachung, §. 435 436.
  • Zweyter Titel. Formelle vage Verbrechen.
  • Erſter Abſch. Verbrechen, welche durch Gewalt begangen werden.
  • Erſte Abth. Crimen vis, §. 437 439.
  • Zweyte Abth. Landfriedensbru h, §. 440 444.
  • Zweyter Abſch. Verbrechen durch Täuſchung anderer.
  • Erſte Abth. Fälſchung und Betrug über - haupt, §. 445 451.
  • Zweyte Abth. Qualificirte Fälſchungen, §. 452 465.
  • Dritter Theil. Von gemeinen determinirten Poli - zeyvergehen.
  • Erſter Titel. Vergeh. geg. Geſetze der Criminalpo - lizey. Landzwang, §. 467 469.
  • Zweyter Titel. V. geg. Geſ. der Güterpolizey.
  • Erſter Abſch. Wucher, §. 470 473.
  • Zweyter Abſch. Vom Dardanariat, Hazardſpie - len und Wetten, §. 474 477.
  • Dritter Titel. Vergeh. gegen Geſetze der Sittenpo - lizey Schwören, Fluchen, Zutrinken, Betteley, § 478 480.
  • Vierter Titel. Vergeh theils gegen Geſetze d. Sit - ten -, theils geg. Geſ. der Bevölkerungpolizey. Fleiſche verbrechen.
  • Erſter Abſch. Fleiſchesverbrechen überhaupt, §. 481 483.
  • Zweyter Abſch. V. d. einzelnen Vergeh. in An - ſehung der Befriedigung des Geſchlechts - triebs.
ErſteXX
  • Erſte Abth. V. d. einzelnen Fleiſchesverbr. ſelbſt.
  • Erſte Unterabth. Schwächung u. Hu - rerey, §. 484 489.
  • Zweyte Unterabth. Concubinat, §. 490 493.
  • Dritte Unterabth. Inceſt, §. 494 498.
  • Vierte Unterabth. Sodomie, §. 499 502.
  • Zweyte Abth. Beyhülfe zu Fleiſchesverbr. Kuppeley, §. 503 508.
  • Vierter Theil. Von beſondern Verbrechen.
  • Erſter Titel. Verbrechen der Staatsbeamten, §. 509 ff.
  • Erſter Abſch. Beſtechung, §. 510 513.
  • Zweyter Abſch. Unterſchlagung öffent - licher Gelder, §. 514 517.
  • Zweyter Titel. Von Militärverbr., §. 518 526.
  • Drittes Buch. Pragmatiſcher Theil des peinlichen Rechts.
  • I. Einleitung. Von dem Recht d. Anwendung d. Strafgeſetze überhaupt.
  • Erſter Titel. Von der Criminaljurisdiction überhaupt. §. 527 534.
  • Zweyter Titel. V. d. äuſſern Form eines Crimina gerichts, §. 535 539.
  • Dritter Titel. V. d. Competenz d. peinl. Gerichts, §. 540 547.
  • Vierter Titel. V. d verſchiednen Formen des gerichtlichen Verfahrens, §. 548 553.
II.XXI
  • II. Darſtellung des Criminalproceſſes ſelbſt.
  • Erſter Titel. Theile des Criminalproceſſes überhaupt.
  • Erſter Abſch. Bedingungen der Ausübung der Criminaljuſtiz.
  • Erſte Abth. Mittel d. Angeſch. dem Gericht zu unterwerfen, §. 554 570.
  • Zweyte Abth. Von d. richterlichen Erkenntniſsgründen, §. 571. ff.
  • Erſte Unterabth. Gründe d. Ver - muth. oder Indicien, §. 572 593.
  • Zweyte Unterabth. Gründe d. Ge - wiſsheit u. Beweismittel.
  • Erſtes Kap. Beweis und Beweis - mittel über haupt, §. 594 597.
  • Zweytes Kap. Einzelne Beweis - mittel insbeſ., §. 598 610.
  • Drittes Kap. Mittel, ein Ge - ſtändniſs d. Angeſchuldigten zu bewirken, §. 611 622.
  • Zweyter Abſch. V. d. zum eigentlich. Inhalt des Criminalproceſſes nothwendig gehö - renden Handlungen ſelbſt, §. 623. ff.
  • Erſte Abth. V. d. Unterſuchung, §. 624 631.
  • Zweyte Abth. V. d. Beweisführung, §. 632.
  • Dritte Abth. V. d. Defenſion, §. 634 636.
  • Vierte Abth. Von der Sentenz.
  • Erſte Unterabth. V. d. Sentenz und ihren Arten, §. 637 641.
  • Zweyte Unterabth. V. d. Public. d. Sen - tenz, den Rechtsmitt. gegen dieſelbe und ihrer Execution, §. 642 645.
ZweyterXXII
  • Zweyter Titel. Von dem inquiſitoriſchen u. accuſa - tor Proc. insbeſondere.
  • Erſter Abſch. Von dem Inquiſitionsproceſs, §. 646 668.
  • Zweyter Abſch. Von dem Accuſationsproceſs, §. 669 674.
  • Anhang. Von d. Criminalkoſten, §. 675 678.
Pro -
[1]

Prolegomena.

Ueber den Begriff, die Quellen, Hülfswiſſen - ſchaften und Literatur des peinlichen Rechts.

§. 1.

Civilgeſetze beſtimmen Rechte der Bürger; durch Strafgeſetze werden Rechte geſichert. Den Inhalt jener darzuſtellen, iſt Gegenſtand des Civilrechts, den Inhalt dieſer, des Criminal - rechts (peinlichen Rechts) der Strafrechtswiſſen - ſchaft)*)Man hat neuerlich bemerkt, daſs unſer Criminal - recht, wie es bis jetzt war, keinen beſtimmten Um - fang habe, indem man weder von Verbrechen (im engern Sinn) auſschlieſsend, noch auch vollſtändig von Verbrechen und Policeyvergehen handle. (C. A. Tittmann Verſuch über die wiſſenſchaftliche Behandlung des peinlichen Rechts, Leipzig 1798. §. 3. 6 und 7.) Allerdings, das Criminalrecht muſs das, was durch Strafgeſetze überhaupt begründet wird (mag es nun aus eigentlichen Criminalgeſetzen, oder aus Policeyſtrafgeſetzen entſpringen) vollſtändig dar - ſtellen. Deswegen iſt aber eine Vertauſchung derrecipir -. Jenes iſt daher die Wiſſenſchaft derRechteA2Prolegomena. Rechte des Bürgers als einer Privatperſon; dieſes, die Wiſſenſchaft der Rechte des Staats aus Strafgeſetzen gegen Unterthanen, als Ueber - treter derſelben.

§. 2.

Aus der Uebertretung der Strafgeſetze können ſowohl Privatrechte, als öffentliche Rechte (Rechte des Staats) entſpringen. Aber blos die öffentlichen Rechte aus Strafgeſetzen machen den Gegenſtand des Criminalrechts aus. Dieſes iſt daher nicht ein Zweig des Pri - vatrechts, ſondern ein Theil des öffentlichen Rechts.

§. 3.

Das allgemeine peinliche Recht (Philoſophie des p. R.) iſt die Wiſſenſchaft von den mög - lichen Rechten des Staats aus Strafgeſetzen: das poſitive peinliche Recht die Wiſſenſchaft von den wirklichen Rechten eines beſtimmten Staats (Deutſchlands) aus gegebenen Straf - geſetzen.

§. 4.

Die in Deutſchland gültigen gemeinen Strafgeſetze (leges communes) beſtimmen den Begriff des gemeinen poſitiven peinlichen Rechts; ſo wie die für einzelne Theile Deutſch - lands gegebenen und gültigen Strafgeſetze,den*)recipirten Benennung: Criminalrecht mit einem an - dern Namen nicht nothwendig. Wenn man nur weiſs, was man ſich alles unter dieſem Namen denkt!3Prolegomena. den Begriff des particulären poſitiven pein - lichen Rechts beſtimmen.

  • 1) Ius criminale ſcriptum non ſcriptum.
  • 2) Ius criminale antiquum medium novum.
  • 3) Ius criminale publicum privatum.

Lauter Ein - theilungen ohne Werth und ohne Wahrheit.

§. 5.

Das gemeine poſ. p. R. muſs I. die Rechte ſelbſt lehren, welche der Staat aus Strafge - ſetzen hat. Rein theoretiſcher Theil. Die - ſer muſs darſtellen 1) die allgemeinen Grund - ſätze und Grundbegriffe von Beſtrafung rechts - widriger Handlungen überhaupt, Philoſophi - ſcher (allgemeiner) Theil d. peinl. R. 2) Die einzelnen Rechte des Staats in Hinſicht auf Beſtrafung einzelner Arten rechtswidriger Handlungen. Poſitiver (beſonderer) Theil des p. R. Es muſs II. darſtellen, die Lehre von der Art, wie der Staat ſeine Rechte aus Strafgeſetzen verfolgt. Theoretiſch-prag - matiſcher Theil. Criminalproceſs*)Es iſt ſehr ſonderbar, wenn man dieſen Theil den prakti - ſchen nennt, da er doch, wahre Theorie iſt und indem er die geſetzliche Form der gerichtlichen Unterſuchung aufſtellt, zugleich Rechte lehrt, in wie fern ([um] nur einen Punkt anzuführen) der Verbrecher auf das ge - hörige geſetzmäſige Verfahren, welches in dem Proceſs dargeſtellt wird, ein vollkommnes Recht hat. Auch ſtellt der Proceſs keineswegs Regeln einer Kunſt auf. Blos der Theil einer Wiſſenſchaft kann aber ein praktiſcher heiſsen, welcher Kunſtregeln aufſtellt. Der praktiſche Theil des Criminalrechts kann daher nur beſtehen I. aus der Wiſſenſchaft der Klugheitsregelndes.

A 2§. 6.4Prolegomena.

§. 6.

Quellen einer Wiſſenſchaft ſind die Gründe der Erkenntniſs derſelben. Die Quellen des gemeinen poſ. CR. ſind I. die Natur der Strafe und des Strafgeſetzes, ſo weit dieſe nicht in ihren Folgen ausdrücklichen Verordnungen widerſpricht. II. Die ausdrücklichen Verordnun - gen der gemeinen Strafgeſetze Deutſchlands. Dahin gehören A. fremde in Deutſchland reci - pirte Geſetze, und zwar 1) des Römiſchen*)Chr. Fr. Ge. Meiſter Diſſ. de juris Romani crimi - nalis in Germaniae foris maxime hodiernis auctoritate. Goett. 1766. Auch in deſſen Opusc. ad jur. civ. et crim. pertin. Syllog. II. No. 1. 2) des Canoniſchen Rechts**)C. A. Tittmann Diſſit. 2. de cauſis auctoritatis juris canonici in jure criminali Germanico. Lipſ. 1789. B Einheimiſche und zwar 1) die peinliche Gerichtsordnung Carl V. ***)Die beſte Handausgabe iſt J. Chr. Kochs Hals - oder peinliche Gerichts - Ordnung Kaiſer Carl V. Gieſsen. 5te Aufl. 1800. Mündlich 1) von der Veranlaſſung und Entſtehung der P. G. O. Chr. Thomaſius Diſſ. de occaſione, conceptione ac intentione C. C. C. Hal. 1711. J. Horix. Wahre Veranlaſſung der P. G. O. etc. Maynz 1757. (Beygedruckt zu Kochs Ausg. der P. G. O.) Jul. Fr. Malblank Geſchichte der peinl. G. O. Kaiſer Carl V. von ihrer Entſtehung und weitern Schickſalen bis auf unſre Zeit Nürnberg. 1783. 2 ) Von dem Verfaſſer und ihre Grundlage der Bam - bergiſchen P. G. O. 3) Von ihren übrigen Quellen. Ueberund*)des Richters bey Criminalunterſuchungen, II. aus der Theorie der Kunſtregeln für den Gebrauch ſchon verhandelter Criminalakten, wohin 1) Referir - und Decretirkunft, 2) Regiſtraturwiſſenſchaft gehören.5Prolegomena. und 2) andere Reichsgeſetze*)Gerſtlachers Handbuch der deutſch. Reichsgeſ. IX Thl. 2. Abthl. S. 2943. ſq..

§. 7.

Hülfskenntniſſe einer Wiſſenſchaft ſind Kenntniſſe, die zwar nicht das Object dieſer Wiſſenſchaft ausmachen, aber doch Bedingun - gen der Vollſtändigkeit, Deutlichkeit und Klarheit der Erkenntniſſe in derſelben ſind. Die Hülfskenntniſſe des gemeinen CR. ſind, auſſer den übrigen Theilen der poſitiven[Rechtsgelehrtheit], A. Sachkenntniſſe Wiſſenſchaften im eigentlichen Sinn. Von die - ſen I. die Philoſophie und zwar 1) die Pſycho - logie**)Feder Unterſuchungen über den menſchlichen Willen. III Thle. 2te Ausg Gött. u. Lemgo 1785 1792. Schmids empiriſche Pſychologie. I. Thl. Jena. 17912te. 2) die praktiſche Philoſophie über -haupt***)Ueber Tenngler. Vergl. Schorch über Ulrich Tenn - glers Layenſpiegel. Erf. 1796. Feuerbach Ueber Ulrich Tennglers Layenſpiegel. In der Bibliothek d. p. R. II. Bd. 1 St. Nr. III. 4) Von ihrem Zweck, ihrem Geiſt und ihren Mängeln. Semlers Etwas über den innern Werth der P. G. O. In Hagemanns und Günthers Archiv I. Thl. Nr. 13. 5 ) Von der authentiſchen Ausgabe der P. G. O. C. F. Walch pr. de C. C. C. editione authentica. Jen. 1785 u. Kochs Vorrede zu ſ. Ausgabe. 6) Von den Ueber - ſetzungen der P. G O. Juſtini. Gobleri Caroli V. de capitalibus judiciis conſtitutio, germanice primum evul - gata, nunc in latinum verſa et aequo commentario aucta. Baſ. 1543. f. Georg. Remi Nemeſis Karulina paraphraſt expoſita et ſeboliis aucta. Herborn. 1594. und hierauf mehrmals herausgegeben.6Prolegomena. haupt und insbeſondere das Naturrecht*)Die Kenntniſs der vorzüglichſten Literatur des N. R. wird aus den Vorleſungen über dieſe Wiſſen - ſchaft vorausgeſetzt. 3) das allgemeine peinliche Recht**)Regn. Engelhard Verſuch eines allg. p. Rechts. Frkf. u. Leipzig. 1756. 8. P. Raurici poſitionum ad rem crimin, philoſophico-practicarum liber unus. Berol. et Lipſ. 1787. 8. Beyde dürftig. Die beſten Materialien ſind in den Schriften über die Criminal - politik verwebt. 4) die Criminalpolitik***)Beccaria dei delitti et delle pene. Neapol 1764. Deutſch überſetzt. Hamburg 1766. Ulm 1767. Von Hommel mit Anm. u. Zuſätzen. Breslau. 1788. II Thle. Mit Anmerkungen, Noten und Abhand - lungen etc. von J. A. Bergk. Leipz. 1798. II Thle. Cajetan Filangieri Syſtem der Geſetzgebung. Aus d[.]Ital. überſ. Anſp. IIter u. IIIter Band. 1787. Servin de la legislation criminelle. Basle. 1782. v. Globig u. Huſter Abhandlung von der Criminal - geſetzgebung. Zürich 1783. Dieſelben: Vier Zu - gaben zu der gekrönten Preiſsſchrift von der Criminal - geſetzgebung. Altenb. 1785. Gmelin Grundſätze der Geſetzg. über Verbr. u. Strafen. Tübingen 1785. E. C. Wieland über den Geiſt der peinl. Geſetze. II Thle. Leipz. 1783. 84. 8. II. Hiſtoriſche Wiſſenſchaf - ten, insbeſondere 1) Geſchichte der Staaten, in welchen die jetzt geltenden Geſetze ent - ſtanden ſind, 2) Geſchichte der in Deutſch -land**)2te A. 1797. Jacobs Grundriſs der Erfahrungs - ſeelenlehre. 2te A. Halle. 1795. Kants Anthropo - logie in pragmatiſcher Hinſicht. Königsb. 1798. 2te A. 1800. Mündlich von Schaumanns Ideen zu einer Criminalpſychologie. Halle 1792.7Prolegomena. land gültigen Criminalgeſetze und des Crimi - nalrechts als Wiſſenſchaft ſelbſt*)Abgeſondert noch nicht bearbeitet. Materialien liefern die gewöhnlichen Compendien der Rechtsge - ſchichte, die §. 6. Anm. ****) angeführten Schriften von Thomaſius, Horix u. Malblank. Chr. G. Hoffmanni praenotiones de Origine, progreſſu et natura jurispr. crim. Germ. Lipſ. 1722. ſind blos Skizze.. 3) Kennt - niſs der Criminalgeſetzgebung fremder Völ - ker**)Kleinſchrod über ′die Strafgeſetzgebung für Weſtgalizien. In dem Archiv. 1 Bd. 2tes Stck. Nr. 12. Derſelbe über die Theorie von Mord und Todſchlag nach den Geſetzen des Staats Connecticut. Im Archiv I Bd. 4tes St. Nr. 2. Derſelbe über die Ameri - caniſche Criminalverfaſſung. Archiv II Bd. 1ſtes. Stück. Nr. 2. Bemerkungen eines ungenannten Staats - mannes über die engliſche Gerichtsverfaſſung. Im Archiv. II Bd. 2tes u. 3tes Stück. Kleins Aufſätze über die neufränkiſche Criminalgeſetzgebung, in verſchiedenen Abhandlungen des Archivs, haben viele Irrthümer. Mit Geiſt und Sachkenntniſs iſt geſchrieben: Ver - ſuch einer philoſophiſch-juridiſchen Darſtellung der Crimi - nalgeſetzgebung des republicaniſchen Frankreichs. Von v. Almendingen. In der Bibliothek des p R. II[Bd. ]1ſtes Stück. Nr. 1. (wird fortgeſetzt). Feuer - bach Verſuch einer Criminaljurisprudenz des Korans. In der Bibl. des peinl. R. II Bd. 1 St. Nr. IV.. III. Arzneygelahrtheit, beſonders die gerichtliche Arzneywiſſenſchaft***)J. D. Metzgers Syſtem der gerichtl. Arzneyw. Königsberg u. Leipzig. 2te Ausg. 1798. G. G. Ploucquet Commentarius medicus in proceſſus cri - minales etc. Argent. 1787. Derſelbe Abhandlung über die natürlichen Todesarten, Tüb. 1788.. B. Sprachkentniſſe und zwar I. Sprach -kennt -8Prolegomena. kenntniſſe im engern Sinn, beſonders Kenntniſs der lateiniſchen und altdeutſchen Sprache*)Auſſer den bekannten Gloſſarien von Wachter, Haltaus und Scherz beſonders C. F. Walch Gloſſarium germanicum interpretationi C. C. C. inſer - viens. Jen. 1790. II. Kenntniſs der altdeutſchen rechtlichen Sprüchwörter**)J. Fr. Eiſenhart’s Grundſ. des deutſchen Rechts in Sprüchwörtern etc. Herausg. von Ernſt. L. A. Eiſenhart, Leipz. 1792. Abthl. V. S. 441 505..

§. 8.

Die zum peinlichen Recht ſelbſt ge - hörenden Schriften theilen ſich in folgen - de Hauptrubriken: I. Literariſche Hülfs - mittel***)Entwurf einer Literatur des Criminalrechts in ſyſtema - tiſcher Ordnung (von Heinr. Blümner) Leipz. 1794. Kleinſchrod von den italiäniſchen Schrift - ſtellern über das peinliche Recht und die Criminalpolitik. In Kleins und Kleinſchrods Archiv. I B. 1 St. Nr. 8., II. Commentarien über die Quellen****)Anton Matthaei de criminibus ad Libr. XLVII. et XLVIII. Dig. Commentarius. ed. 3tia Veſaliae 1732. D. Claſenii Commentarius in C. C. C. etc. Lipſ. 1718. 4. J. P. Kreſs Commentatio ſuccincta in C. C. C. etc. ed. nov. Hanov. 1786. 4. J. S. Fr. Boehmer meditationes in C. C. C. Hal. 1774. 4., III. Syſteme*****)B. Carpzov. Practica nova rerum criminalium cum obſerv. J. S. Fr. Boehmeri. Tom. III. Frcf. 1759. fol. Böhmers Obſerv. ſind beſon -ders, IV. Compen -dien9Prolegomena. dien*)Chr. Fr. G. Meiſter princ. jur. crim. germ. comm. ed. 6ta Gött. 1781. 8. G. J. Fr. Meiſter princ. jur. crim. Germ. comm. ed. 3tia 1798. 8. J. Chr. Koch inſtitutiones iur. crim. ed. 9a. Jen. 1791. E. Ferd. Klein, Grundſätze des gemei - nen deutſchen peinlichen Rechts. 2te A. Halle 1799. C. Grolman Grundſätze der Criminalrechtswiſſen - ſchaft. Gieſsen 1798. 8., V. Vermiſchte Abhandlungen verſchie - dener Verfaſſer**)J. Fr. Plitt Repertorium für das peinliche Recht. I Bd. Frankf. 1786. II Bd. 1790. 8. Deſſelben Analecta juris criminalis. Hanov. 1786. 8. Dahin gehören auch die criminaliſtiſchen Zeitſchriften Kleins u. Kleinſchrods Archiv des peinlichen Rechts. I Bd. Halle 1799. II Bd. Ebend. 1800. Bibliothek des peinlichen Rechts. (Herausg. v. C. Grol - man) I Band Herborn u. Hadamar. 1799. Bibliothek etc. berausgegeben von Almendingen, Grolman u. Feuerbach. II Bd. 1ſtes Stück. Göttingen 1800. (Beyde gehören auch zu den lite - rariſchen Hülfsmitteln.), VI. Vermiſchte Abhand - lungen deſſelben Verfaſſers***)J. L. Püttmann Opuscula juris criminalis. Lipſ. 1799. 8. G. A. Kleinſchrod Abhandlungen ausdem VII. Caſui -ſtiſche*****)ders daſelbſt in demſelben Jahre in fol. abgedruckt. Phil. Mar. Renazzi elementa juris criminalis. Rom. Tom. IV. 1773 86. Aloys. Cremani de jure criminali libri III. Tic. 1791 93. J. Chr. Edlen von Quiſtorp, Grundſätze des deut - ſchen peinlichen Rechts, II Thle. 5te Aufl. Roſt. u. Leipz. 1794. 8. Chr. L. Stelzers Grundſ. des p. R. I Thl. Erf. 1790. 8. Chr. C. Stübel Syſtem des allgemeinen peinlichen Rechts, mit Anwendung auf die in Churſachſen geltenden Geſetze. II Thle. Leipz. 1795. 8.10Prolegomena. ſtiſche Schriften*)F. Chr. Harpprecht Reſponſa criminalia juridica. Tom. III. Tub. 1701. fol. Deſſelben Conſulta - tiones criminales et civiles. Pars I III. Tüb. 1712. f. Jo. Tob. Carrach rechtliche Urtheile und Gutachten, in peinlichen Sachen. Halle 1775. 4. Chr. Fr. G. Meiſters rechtliche Erkenntniſſe und Gut - achten in peinlichen Fällen. I und II Thl. Gött. 1771. 72. III. IV. und V. Thl. herausgegeben von G. Jac. Fried. Meiſter ebendaſ. 1783 99. f. Auch in den merkwürdigen Rechtsſprüchen der Iuriſtenfacul - tät zu Halle, herausg. von E. F. Klein, kommen mehrere Criminalurtheile vor, welche ſich aber gröſtentheils nur durch ihre Form vortheilhaft aus - zeichnen. Abſolute Willkührlichkeit, ſelbſt gegen die unläugbarſten Thatſachen und die unzweyfel - hafteſten Geſetze iſt, wie man jetzt allgemein ge - ſteht, der Charakter ihres Inhalts.. Schriften über einzelne Theile oder Gegenſtände an ihrem Ort.

***)dem peinlichen Recht und peinlichen Proceſſe. Erlangen I Thl. 1797. II Thl. 1798.
***)
Wiſſen -[11]

Wiſſenſchaftliche Darſtellung des peinlichen Rechts ſelbſt.

Erſtes Buch. Philoſophiſcher oder allgemeiner Theil des pein - lichen Rechts.

Gallus Aloys Kleinſchrod ſyſtematiſche Entwicke - lung der Grundbegriffe und Grundwahrheiten des peinlichen Rechts. III Theile. Erlangen. 1794. 1796. 8. zweyte Ausg. 1799.

P. J. A. Feuerbach Reviſion der Grundſätze und Grund - begriffe des poſitiven peinlichen Rechts. I Bd. Erfurt. 1799. II Band. Chemnitz 1800. 8.

Erſter Theil. Darſtellung der oberſten Grundſätze des Criminalrechts.

Carl H. Gros Diſſ. de notione poenarum forenſium. Erl. 1798.

L. H. v. Almendingen Verſuch über das Princip des Strafrechts. (Bibl. des peinl. Rechts. I Bd. 3tes Stück. Nr. 1.)

Feuer -12I. Buch. I. Theil.

Feuerbach Iſt Sicherung vor dem Verbrecher Zweck der Strafe und iſt Strafrecht Präventionsrecht? (Bibliothek d. peinl. R. I Bd. 2tes Stck. Nr. 1.)

Deſſelben Reviſion etc. I Bd. 1 Kap.

Deſſelben Ueber die Strafe als Sicherungsmittel vor künf - tigen Beleidigungen des Verbrechers. Nebſt einer nähern Prüfung der Klein’ſchen Strafrechtstheorie. Als Anhang zu der Reviſion. Chemnitz 1800.

Gegen die in den genannten Schriften dargeſtellte Theorie:

Karl Grolman über die Begründung des Strafrechts und der Strafgeſetzgebung etc. Gieſsen 1799.

I. Deduction der Nothwendigkeit eines pſychologiſchen Zwangs im Staate.

§. 9.

Der Menſch muſs im ungeſtörten Genuſs ſeiner Rechte ſeyn, wenn er als vernünftiges Weſen exiſtiren ſoll. Er muſs daher in einen Stand treten, wo ihm ſeine Rechte geſichert ſind. Und ein ſolcher Stand iſt der Stand der bürgerlichen Geſellſchaft, welche in der Vereinigung der Kräfte und des Willens Ein - zelner zur Erhaltung des rechtlichen Zuſtan - des unter Allen beſteht. Staat iſt weiter nichts, als eine organiſirte bürgerliche Geſellſchaft. Der Zweck deſſelben iſt die Errichtung eines rechtlichen Zuſtandes, der Schutz der wechſel - ſeitigen Freyheit Aller.

§. 10.

Da der rechtliche Zuſtand Zweck des Staats iſt (§. 9.), ſo widerſprechen Rechtsver -letzun -13Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. letzungen jeder Art dem Staatszweck, mithin iſt es ſchlechthin nothwendig, daſs im Staate gar keine Rechtsverletzungen geſchehen. Durch eine Beleidigung (der Staat ſelbſt, oder ein Glied deſſelben ſey der Gegenſtand der Belei - digung) wird immer der Staat ſelbſt, wenig - ſtens mittelbar beleidigt.

§. 11.

Widerſprechen Rechtsverletzungen dem rechtlichen Zuſtand und dem Staatszweck (§. 10.); ſo iſt der Staat berechtigt und verbun - den, Anſtalten zu treffen, durch welche Rechts - verletzungen überhaupt unmöglich gemacht wer - den. Und nun iſt das Problem: wie dieſes möglich ſey?

§. 12.

Die gefoderten Anſtalten des Staats müſ - ſen nothwendig Zwangsanſtalten ſeyn. Es läſst ſich aber ein doppelter Zwang zur Ver - hinderung von Rechtsverletzungen denken: 1) phyſiſcher Zwang, wenn die äuſſern Kräfte des Geſetzwidrigen nach mechaniſchen Ge - ſetzen zur Geſetzmäſsigkeit genöthigt werden, 2) pſychologiſcher Zwang, wenn durch bloſse Vorſtellungen das Begehrungsvermögen[(]der Wille) zur Unterlaſſung der geſetzwidrigen Handlungen beſtimmt wird.

§. 13.

Wer die Leiſtung nicht erfüllt, auf welche ein anderer ein vollkommnes Recht hat, be - geht eine negative Rechtsverletzung. Und Rechtsverletzungen dieſer Art können durchphyſi -14I. Buch. I. Theil. I. Abſchnitt. phyſiſchen Zwang verhindert werden, indem der Staat durch ſeine öffentliche Macht den Säumigen zur Erfüllung nöthigt. Denn vor der Vollendung einer neg. Rechtsv. muſs im - mer die (ausdrückliche oder ſtillſchweigende) Erklärung, nicht leiſten zu wollen vorhergehen, welches vollkommen die rechtliche Möglich - keit zum Zwange gegen den Widerſpenſti - gen begründet.

§. 14.

Eine Handlung, auf deren Unterlaſſung ein Andrer Rechte hatte, heiſst eine poſitive Rechtsverletzung. Iſt das durch dieſelbe ver - letzte Recht von der Art, daſs die Verletzung deſſelben ein Aequivalent zuläſst, ſo reicht phyſiſcher Zwang wenigſtens in ſo ferne zur Vereitlung der Rechtsverletzung zu, als es möglich iſt, nach der vollendeten Beleidigung durch öffentliche Macht, den Beleidiger zum Schadenserſatz zu zwingen und dadurch die vollendete Verletzung wieder ungeſchehen zu machen.

§. 15.

Es giebt aber Rechte, deren Gegenſtand ſchlechthin keine Vergleichung zuläſst, bey deren Verletzung alſo Schadenserſatz undenk - bar iſt. Poſitive Verletzungen an ſolchen Rech - ten können daher weder durch einen nachfol - genden, noch durch einen vorhergehenden phy - ſiſchen Zwang verhindert werden. Nicht durch nachfolgenden, weil Schadenserſatz un - denkbar iſt; nicht durch vorhergehenden, weil hier der Staat von der Rechtsverletzung nichteher15Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. eher Kenntniſs erhält, als bis ſie ſchon ge - ſchehen iſt. Sollen daher ſolche Rechtsver - letzungen im Staate verhindert werden; ſo iſt dieſes nicht anders, als durch Anwendung eines pſychologiſchen Zwanges möglich, welcher der Vollendung einer Läſion vorhergeht, und den Willen Aller nöthigt ſich zu keiner Rechts - verletzung zu beſtimmen.

§. 16.

Unſre Deduction begründet das Reſul - tat: pſychologiſcher Zwang iſt ſchlechthin noth - wendig gegen poſitive Verletzung ſolcher Rechte, für welche kein Aequivalent möglich iſt. Dieſes ſchlieſst aber nicht das Recht des Staats aus, auch gegen Rechtsverletzungen andrer Art pſy - chologiſchen Zwang zu gebrauchen. Die De - duction beſtimmt blos die Vorauſſetzung, unter welcher der Staat die vollkommne Verbindlich - keit zum pſychologiſchen Zwange hat und zeigt, daſs ohne den Gebrauch eines ſolchen kein Staat denkbar iſt. Zweckmäſsig und rechtlich iſt es, auch gegen andere Arten von Verletzun - gen, pſychologiſchen Zwang anzuwenden, wie in unſrer poſitiven Geſetzgebung wirklich ge - ſchehen iſt*)z. B. Strafe des Diebſtahls etc..

II. Deduction der Möglichkeit eines ſolchen pſychologiſchen Zwangs.

§. 17.

Alle Uebertretungen haben einen pſycho - logiſchen Entſtehungsgrund, in der Sinnlich -keit,16I. Buch. I. Theil. keit, in wiefern das Begehrungsvermögen des Menſchen durch die Luſt an der Handlung zur Begehung derſelben angetrieben wird. Dieſer ſinnliche Antrieb muſs, wenn die That unterbleiben ſoll, durch einen entgegenge - ſetzten ſinnlichen Antrieb aufgehoben wer - den. Solch ein entgegengeſetzter ſinnlicher Antrieb iſt Unluſt (Schmerz, Uebel), als Folge der begangenen That. Der Wille der Bürger wird daher durch pſychologiſchen Zwang zur Unterlaſſung von Rechtsver - letzungen beſtimmt, wenn jeder weiſs, daſs auf ſeine That ein Uebel folgen werde, welches gröſser iſt, als die Unluſt, die aus dem nichtbe - friedigten Antrieb zur That entſpringt.

§. 18.

Da der Staat durch pſychologiſchen Zwang Geſetzmäſsigkeit bewirken ſoll; ſo muſs er dieſe Ueberzeugung in ſeinen Bür - gern erwecken. Er muſs alſo I. auf Rechts - verletzungen durch ein Geſetz ein ſolches Uebel als nothwendige Folge der That androhen, mithin Rechtsverletzung durch ſinnliche Uebel bedingen (Drohung). Da aber eine Drohung in ſich ſelbſt widerſprechend iſt, wenn ſie, ſobald ihre Vorausſetzung exiſtirt, nicht wirklich ausgeübt wird; ſo muſs auch, damit die Bürger durch das Geſetz wirklich zur Unterlaſſung der beſtimmten Rechtsver - letzungen angetrieben werden können, II. die geſetzliche Drohung zugefügt werden, ſo - bald die Uebertretung geſchehen iſt, an die das Geſetz jenes Uebel geknüpft hat. Eine Drohung, die nicht exequirt wird, iſt eineleere17Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. leere Drohung, die Niemanden ſchrecken kann.

§. 19.

Ein von dem Staate wegen einer began - genen Rechtsverletzung zugefügtes und durch ein Geſetz vorher angedrohtes Uebel, iſt die bürgerliche Strafe. (poena forenſis). Der allgemeine Grund der Nothwendigkeit und des Daſeyns derſelben (ſowohl in dem Ge - ſetz, als in der Ausübung deſſelben) iſt die Nothwendigkeit der Erhaltung der wechſel - ſeitigen Freyheit Aller, durch Aufhebung des ſinnlichen Antriebs zu Rechtsverletzungen.

Anmerk. Mündlich von dem Unterſchied der Strafe von Rache Schadenserſatz Züchtigung Pri - vatſtrafe.

Anm. Ob es ein natürliches Strafrecht gebe? iſt eine Frage, die wir, wenn von Begründung des poſitiven peinlichen Rechts die Rede iſt, gar gut dahin geſtellt laſſen kön - nen. Wenn es auch ein ſolches Strafrecht des Menſchen auſſer dem Staate giebt, (wie es ein ſolches wirklich giebt) ſo iſt es doch ganz unzweckmäſsig, wenigſtens zwecklos, die Begründung des poſitiven peinlichen Rechts per ambages mit einer Deduction des Straf - rechts im Naturſtande anzufangen. Diejenigen freylich, denen das Strafrecht Vertheidigungsrecht iſt, können dieſen Umweg nicht vermeiden.

§. 20.

Unter Zweck der Strafe wird die Wirkung verſtanden, deren Hervorbringung als Urſache des Daſeyns einer Strafe gedacht werden muſs, wenn der Begriff von Strafe vorhanden ſeynBſoll18I. Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. ſoll*)Der Zweck der Strafe iſt ja nicht zu verwechſeln mit der Abſicht des Strafenden, wie es Hr. Grolman thut. Begründung des Strafrechts etc. S. 70. Vergl. Feuerbachs über Strafe als Sicherungsmittel. S. 43. ff.. I. Der Zweck der Androhung der Strafe im Geſetz iſt Abſchreckung aller Bürger als mög - licher Beleidiger, von Rechtsverletzungen. II. Der Zweck der Zufügung derſelben, die Be - gründung der Wirkſamkeit der geſetzlichen Drohung, in wiefern ohne ſie dieſe Drohung eine leere (wirkungloſe) Drohung ſeyn würde. Da das Geſetz alle Bürger abſchrecken, die Execution aber dem Geſetz Wirkung ge - ben ſoll, ſo iſt der mittelbare Zweck (Endzweck) der Zufügung ebenfalls bloſse Abſchreckung der Bürger durch das Geſetz**)Ueber den Zweck der Strafe ſind noch beſonders nachzuleſen Michaelis Vorrede zum VIten Theil des Moſaiſchen Rechts. Cäſar Denkwürdigkeiten aus der philoſophiſchen Welt. Bd. IV. Abh. VI. und deſſen Abhandlung: von dem Zwecke der Strafen. (der 2te Zuſatz zu ſeiner Ueberſetzung von Va - laze über die Strafgeſetze). Püttmann de poe - nis exemplaribus. In Opusc. J. Cr. Nr. IX. Leisler Verſuch über das Strafrecht. Frankf. 1796. Der Unterhaltung wegen: Leyſer. Sp. 649. M. I..

§. 21.

Der Rechtsgrund der Strafe iſt ein Grund, von welchem die rechtliche Möglichkeit der Strafe abhängt. Der Rechtsgrund I. der An - drohung der Strafe, iſt die Nothwendigkeit die Rechte Aller zu ſichern. II. Der Rechtsgrundder19Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. der Zufügung iſt die vorhergegangene Dro - hung des Geſetzes*)Die ausführliche Darſtellung dieſes Rechtsgrun - des mündlich. Man vergl. hierüber Feuer - bach Ueber die Strafe als Sicherungsmittel etc. S. 92 118..

§. 22.

Die bürgerliche Strafe hat daher nicht zum Zweck und Rechtsgrund 1) Prävention gegen die künftigen Uebertretungen eines Ein - zelnen Beleidigers**)Wie Stübel Diſſ. de juſtitia poenarum capitalium praeſertim in Saxonia. Witenb. 1795. Derſelbe in d. Syſtem des peinlichen Rechts. I Thl. §. 13 15. Malblanc Comment. de poenis ab effectibus defenſionis naturalis etiam in ſtatu civili probe diſtinguendis (in Plitt Annal. Nr. II. p. 44.) Grolman Grundſätze der Criminalrechtswiſſenſchaft §. 17. und in der oben angeführten Begründung etc. auſſer vielen andern, vor dieſen Schriftſtellern behaupten.; denn dieſe iſt gar nicht Strafe und es zeigt ſich kein Rechtsgrund zu einem ſolchen Zuvorkommen; 2) nicht mora - liſche Vergeltung***)Dieſs glaubt, nebſt andern, beſonders Jacob philoſophiſche Rechtslehre. §. 415. u. §. 419 26. be - haupten zu können., denn dieſe gehört in eine ſittliche, nicht in eine rechtliche Ordnung und iſt phyſiſch unmöglich; 3) nicht unmittelbare Abſchreckung durch die Schmerzen des, dem Miſſethäter zugefügten Uebels****)Klein über die Natur und den Zweck der Strafe. In dem Archiv. II Bd. 1ſtes Stück. Nr. IV., denn hiezu giebt es kein Recht; 4) nicht moraliſche Beſſe -B 2rung20I. Buch. I. Theil. rung, dieſes iſt Zweck der Züchtigung aber nicht der Strafe.

III. Höchſte Principien des peinlichen Rechts.

§. 23.

Aus unſrer Deduction ergiebt ſich folgen - des höchſte Princip des peinlichen Rechts: Jede rechtliche Strafe im Staat iſt die rechtliche Folge eines, durch die Nothwendigkeit der Erhaltung äuſſe - rer Rechte begrünndeten, und eine Rechtsverletzung mit einem ſinnli - chen Uebel bedrohenden, Geſetzes.

§. 24.

Hieraus flieſsen folgende, keiner Ausnahme unterworfenen, untergeordneten Grundſätze:

  • I. Jede Zufügung einer Strafe ſetzt ein Strafge - ſetz voraus. (Nulla poena ſine lege). Denn le - diglich die Androhung des Uebels durch das Geſetz begründet den Begriff und die recht - liche Möglichkeit einer Strafe.
  • II. Die Zufügung einer Strafe iſt bedingt durch die Exiſtenz der bedrohten Handlung. (Nulla poena ſine crimine). Denn durch das Ge - ſetz iſt die gedrohte Strafe an das Factum als eine rechtlich nothwendige Vorauſ - ſetzung geknüpft.
  • III. Das geſetzlich bedrohte Factum (die geſetz - liche Vorauſſetzung) iſt bedingt durch die ge - ſetzliche Strafe. (Nullum crimen ſine poena legali). Denn durch das Geſetz wird an die be - ſtimmte Rechtsverletzung das Uebel als eine nothwendige rechtliche Folge geknüpft.
Zweyte[21]

Zweyter Theil. Darſtellung der abgeleiteten Rechtsſätze des allgemeinen Theils.

§. 25.

Bey der Anordnung der allgemeinen Grund - ſätze, kommen drey Hauptgegenſtände in Be - trachtung, nach welchen dieſe Disciplin abge - handelt werden muſs I. das die That bedro - hende Geſetz, II. die durch das Geſetz be - drohte Handlung, III. die durch das Geſetz gedrohte Strafe. Dieſe Disciplin zerfällt da - her in die Lehre von der Natur des Ver - brechens, in die Lehre von der Natur des Straf - geſetzes und in die Lehre von der Strafe.

Erſter Titel. Von der Natur des Verbrechens.

Erſter Abſchnitt. Begriff und Eintheilung des Verbrechens.

Jo. Ge. Claus de natura delictorum. Jenae 1794.

§. 26.

Auſſer dem Staat giebt es nur Beleidigun - gen, Rechtsverletzungen, Läſionen. Der Begriffdes22I. Buch. II. Theil. I. Titel I. Abſchnitt. des Verbrechens wird erſt möglich im Staat, wo der Bürger, durch eine einem Strafgeſetz un - terworfene Rechtsverletzung, den Wechſel - vertrag zwiſchen ihm und dem Staate bricht*)Denn die Strafe iſt nothwendige Folge des übertre - tenen Strafgeſetzes. Wer daher ein Strafgeſetz übertritt, kommt in Beziehung auf die verwirkte Strafe aus dem Schutze des Staats, in wie ferne er die Rechte verliert, deren Verluſt eine nothwendi - ge Folge des vom Geſetz gedrohten und zuzufügen - den Uebels iſt. Der Staat ſoll ihm alle Rechte ſchützen; er übertritt das Geſetz und nun ent - zieht ihm der Staat dieſe Rechte. Er bricht daher durch ſeine Uebertretung das rechtliche Verhältniſs das zwiſchen ihm als Bürger und dem Staat als Beſchützer aller Rechte iſt.. Im weiteſten Sinne, (wo Verbrechen und Ver - gehen, crimen und delictum gleichbedeutend find) bezeichnet daher Verbrechen eine durch ein Strafgeſetz bedrohte, dem vollkommenen Recht widerſprechende, Handlung. Ein jedes Straf - geſetz aber ſetzt nothwendig einen Oberherrn, mithin Staat voraus.

Immoralität Sünde Laſter.

§. 27.

Verbrechen im weiteſten Sinne zerfällt I. in das Verbrechen im engern Verſtande (crimen, Verbrechen κχτ̕ εξοχην) II. in das Vergehen (Polizeyverbrechen, delictum). Durch dieſes werden vollkommne, aber erſt durch Polizey - geſetze begründete Verbindlichkeiten gegen den Staat verletzt; durch jenes hingegen die unmittelbar durch den Gefellſchaftvertrag be - gründeten Verbindlichkeiten des Bürgers. Durch23Begriff u. Eintheilung des Verbrechens. Durch Verbrechen werden die urſprünglichen Rechte des Staats oder des Bürgers; durch Vergehen wird nur das Recht des Staats, für ein beſtimmtes gegebenes Polizeygeſetz Ge - horſam zu fodern, verletzt. Jene ſind noth - wendig, dieſe zufällig, weil ſie zufällige Ein - richtungen des Staats[vorausſetzen]. Unter Verbrechen im engſten Sinne iſt eine durch ein Strafgeſetz bedrohte Verletzung unerſetzlicher Rechte zu verſtehen.

§. 28.

Alle Verbrechen beleidigen den Staat: aber einige mittelbar, andere unmittelbar. Dieſe heiſsen Staatsverbrechen (delicta publica), weil ſie zunächſt Rechte des Staats ſelbſt zum Gegenſtande ihrer Verletzung haben; jene Pri - vatverbrechen (delicta privata), weil ſie zu - nächſt Rechte von Privatperſonen, und erſt hiedurch den Staat ſelbſt beleidigen.

Anmerk. Delicta extraordinaria delicta publica del. pri - vata im Sinne des römiſchen Rechts. Koch Inſtitut - jur. crim. §. 27. C. Th. Graun Diſſ. de ſuper - vacua delictorum diviſione in publica et privata moribus noſtris. Jenae 1756.

§. 29.

Ein Strafgeſetz kann eine poſitive Hand - lung, eine wirkliche Aeuſſerung der Thätig - keit des Menſchen; es kann aber auch eine negative Handlung, eine beſtimmte Nichtäuſ - ſerung der Thätigkeit, mit Strafe bedrohen. Jene poſitiven Handlungen heiſsen dann Be - gehungsverbrechen (del. commiſſionis); dieſenega -24I. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. negativen, Unterlaſſungsverbrechen (del. omiſ - ſionis).

J. G. Winkler. Diſſ. de crimine omiſſionis. Lipſ. 1776.

§, 30.

Es giebt Verbindlichkeiten, welche noth - wendig dem Bürger, als ſolchem obliegen und Rechte, welche für den Staat gegen alle Bürger begründet ſind: es giebt aber auch ſolche Ver - bindlichkeiten des Bürgers und Rechte des Staats, welche nur durch den Eintritt in einen beſondern Stand entſtehen. Daraus erklärt ſich die Unterſcheidung in gemeine (del. com - munia), und beſondere Verbrechen (del. propria), von welchen jene, vollkommene Verbindlich - keiten des Bürgers, als ſolchen, dieſe durch einen beſondern Stand begründete Verbind - lichkeiten verletzen.

§. 31.

Wenn ein Verbrechen vermöge der vor - handenen Strafgeſetze, nicht nach den be - ſtimmten Grundſätzen ſeiner Gattung beur - theilt werden darf, ſo iſt es ein geſetzlich aus - gezeichnetes Verbrechen, welches mit den quali - ficirten Verbrechen nicht verwechſelt werden darf. Ein Verbrechen iſt qualificirt, wenn ihm die Geſetze eine härtere Strafe, als der Gat - tung drohen, deſſen Art er iſt. Es giebt ge - ſetzlich ausgezeichnete Verbrechen, welche nicht qualificirt ſind.

Anmerk Die Beſtimmung der Begriffe von vollendeten, verſuchten, conçurrirenden Verbrechen etc. gehören in eine andere Region des peinlichen Rechts. Hier aber müſſen mündlich noch folgende Benennungen er -klärt25Begriff u. Eintheilung des Verbrechens. klärt werden: 1) Delicta excepta non excepta. Brehm de delictis exceptis. Lipſ. 1788. Henr. Fr. Ferd. Hampe Diſſ. de del. except. Halae. 1800. 2) Delicta atrociſſima, atrocia, levia. J. F. Kees Diſſ. de diſcrimine inter delicta atrocia et levia rite ſtatuendo. Lipſ. 1791 3) Del. capitalia non capitalia Verbr. an Hals und Hand an Haut und Haar. 4) Del. ordinaria arbitraria (ſ. extraordinaria). 5) Del criminalia civilia Criminal - und Civil - verbrechen. C. G. Robert Diſſ. de diverſo poe - narum genere ex mente C. C. C. indeque oriente diſcrimine inter delicta civilia et criminalia. Marb. 1779. (Wieder abgedruckt mit Kochs Bemerkungen, unter dem Titel: Ueber Civil und Criminal Strafen und Ver - brechen von Robert und Koch. Gieſſen 1785. 6) Del. eccleſiaſtica ſecularia mixta. 7) Del. facti permanentis facti tranſeuntis. 8) Del. notoria occulta. etc. Manche dieſer Unterſcheidungen ſind veraltet, manche unwahr, manche unnöthig.

Zweyter Abſchnitt. Von den möglichen Subjecten eines Verbrechens*)Unter dem Titel: de bis, qui del. comittere poſſunt. wird hier gewöhnlich von Wahnſinnigen, Raſen - den, Kindern etc. gehandelt. Warum bedenkt man denn aber nicht, daſs bey dieſen Gegenſtänden, die Hauptfrage die iſt: welches ſind die Vorausſetzun - gen, unter welchen überhaupt ein Strafgeſetz abge - wendet werden kann? Dieſe Lehre gehört daher ganz und gar nicht hieher..
§. 32.

Da ein Verbrechen nothwendig ein Strafge - ſetz vorausſetzt; ſo kann es nur von einemMenſchen26I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Menſchen begangen werden, der einer höhern geſetzgebenden und richtenden Gewalt unter - worfen iſt. Auf eine oberherrliche Perſon, die in keiner Rückſicht als Unterthan einer höhern Staatsgewalt unterworfen iſt (Souverain im eigentlichen Sinne), kann der Begriff eines Verbrechens nicht angewendet werden. Denn 1) ihren eignen Criminalgeſetzen iſt ſie nicht unterworfen, weil kein Regent ſeinen eignen Geſetzen unterworfen iſt*)Dagegen Schnaubert Diſſ. de principe legibus ſuis obligato. Jen. 1793. Deutſch mit Anmerk. von Hage - meiſter.; 2) wenn ſie den Staat oder das ihr unterworfene Volk beleidigt, ſo können ihr zwar, unter gewiſſen Voraus - ſetzungen, die Bürger auf den Fall der Wie - derholung zur Sicherung ihrer vollkommnen Rechte gegen den Oberherrn Uebel drohen; aber nicht in der Form eines Geſetzes, weil dieſes die geſetzgebende Gewalt vorausſetzt, die nur dem Oberherrn ſelbſt übertragen iſt**)Feuerbach Anti-Hobbes, 1 Bd. Erf. 1798.. Eine ſouveraine oberherrliche Perſon begeht nur Beleidigungen und Läſionen, aber kein Verbrechen.

Ueber dieſe allgemeine Frage: Chr. Fr. Ge. Meiſter de jure quod in delictis perſonarum illuſtrium obtinet. Goett. 1748. Beleidigung und Verbrechen, Strafe und bloſse Vertheidigung ſind aber hier durchaus vermengt, daher dieſe Schrift nirgends befriedigt.

§. 33.

In Deutſchland iſt daher der Kaiſer keines Verbrechens fähig. Verbrechen können nurbegan -27Von d. möglichen Subjecten e. Verbrechens. begangen werden A. von unmittelbaren Reichs - unterthanen, ſie mögen Reichsſtände ſeyn oder nicht. Die einzelnen deutſchen Landesherrn ſind zwar Oberherrn in Beziehung auf ihre Territorien; aber Unterthanen*)Die Fürſtenerier läugnen dieſes und behaupten nur eine lehnrechtliche Unterwerfung unter den Kaiſer. Die Jurisdiction vom Kaiſer und Reich erklären ſie blos aus einer ausdrücklichen Conven - tion zwiſchen den Reichsſtänden unter ſich und dem Kaiſer. J. G. Cramer de delictis et poenis ſta - tuum imperii R. G. Lipſ. 1738. §. 4. 5. u. 9. in Beziehung auf ihr Verhältniſs zu Kaiſer und Reich und daher den deutſchen gemeinen Criminalge - ſetzen unterworfen.

§. 34.

Reichsſtände können drey Gattungen von Verbrechen begehen I. Staatsverbrechen, Ver - brechen gegen Kaiſer und Reich. II. Regierungs - verbrechen, Verbrechen gegen den ganzen Staat, deſſen Regenten ſie ſind**)Andre meynen, daſs Reichsſtände deswegen nicht beſtraft werden könnten. S. Cramer l. c. §. 7.. III. Privatver - brechen, Verbrechen gegen Einzelne, dieſe mögen nun ihre eignen Unterthanen, oder Unterthanen fremder Territorien ſeyn. Nur diejenigen Privatverbrechen aber können ſie begehen, welche ſchon ein deutſches Reichs - geſetz für Verbrechen erklärt; Strafgeſetze, die blos in ihrem Territorium gelten, können ſie nicht übertreten. Uebrigens ſind ſie Reichs - Criminal-Geſetzen eben ſo gut, wie mittelbare Reichsunterthanen unterworfen, da weder einGeſetz28I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Geſetz, noch die Natur der Sache für ſie eine Ausnahme begründet*)Leibes - und Lebensſtrafen können alſo gegen ſie angewendet werden, ſobald ſie ein Reichsgeſetz übertreten, das dieſelben droht.[Ich] weiſs wohl, daſs man das Gegentheil behauptet, daſs man weder die C. C C. noch andere Reichsgeſetze in Anſehung dieſer Privatverbrechen auf ſie anwendbar hält, daſs man ſogar alle Privatverbrechen der Reichs - ſtände für ſtraflos erklärt und überhaupt blos von der Reichsacht, von Geldſtrafen und der Beraubung einzelner Rechte, als Strafen der Reichsſtände ſpricht (Cramer l. c. §. 11 et 12. Treuer Progr. de iure publico criminali cautiſsime dijudicando. Goett. 1740. §. 4) Aber ich weiſs auch, daſs man noch nicht einen einzigen Grund angeführt hat, der das zu Beweiſen - de auch nur zum Schein bewieſen hätte. Daſs ſolche Strafen nicht exequirt werden, davon ſuche man den Grund nicht in dem Recht, ſondern in der Schwäche unſrer executiven Macht und in den vermoderten Fugen des deutſchen Reichsverbandes..

Anmerk. Die gewöhnliche Eintheilung in delicta publica und delicta privata principum reicht nicht zu. Aeltere, wie Titius Jus Publ. L. VI. c. II. §. 57. theilen ſie ein in Verbrechen gegen Kaiſer und Reich, Ver - brechen gegen Mitſtände und Verbrechen gegen ihre Unterthanen. Aber auch dieſe Eintheilung iſt in vieler Rückſicht falſch. Zu der zweyten Klaſſe rechnet z. B. Titius den Landsfriedensbruch; dieſer iſt aber ein wirkliches Verbrechen gegen das Reich ſelbſt.

§. 35.

Verbrechen können B. von mittelbaren Reichsunterthanen begangen werden, welche nicht nur den Reichsgeſetzen, ſondern auch den Particular-Criminalgeſetzen ihres Teri - torii unterworfen ſind.

§. 36.29Von d. möglichen Subjecten e. Verbrechens.
§. 36.

Jedes Subject, welches als Subject eines Verbrechens betrachtet werden ſoll, muſs noth - wendig ein Individuum ſeyn. Eine moraliſche (myſtiſche) Perſon und insbeſondere eine Univerſitas, als Inbegriff mehrerer zu einem nichttranſitoriſchen Zweck*)Ulrich init. phil. juſti. pag. 59. vereinigter Sub - jecte, iſt keines Verbrechens fähig**)Nettelbladt ſyſtema elem. jurispr. poſ. L. II. S. II. tit. 3. §. 877. Vor allen aber die treffliche Ab - handlung von Malblanc obſervationes quaedam ad delicta univerſitatum. Erl. 1792. auch in den Opuſc. jur. crim. Erl. 1793. Nr. 1. Ueber die entgegengeſetzte Meynung vergleiche beſonders. H. Gundling Diſſ. de univerſitate delinquente. Hal. 1730.. Denn jede Strafe ſetzt als nothwendige Bedingung eine Uebertretung voraus (§. 24. II. ); könnte nun eine Univerſitas als ſolche ein Verbrechen begehen, ſo müſte ſich die Strafe nicht blos auf die gegenwärtigen, ſondern auch auf alle zu - künftigen Glieder (die wegen des nichttranſi - toriſchen Zwecks ſuccediren) erſtrecken, wel - ches der Vorauſſetzung widerſpricht. Wenn daher Alle oder die Majorität einer Univerſitas ein Verbrechen begehen, ſo delinquiren ſie blos als Einzelne, nicht als Glieder der Gemein - heit.

Drit30I. Buch. II. Theil. I. Titel. III. Abſchnitt.
Dritter Abſchnitt. Von den möglichen und nothwendigen Objecten eines Verbrechens.
§. 37.

Unter Object eines Verbrechens wird der Ge - genſtand verſtanden, durch deſſen Verletzung ein Strafgeſetz übertreten wird. Der unmit - telbare, nächſte Gegenſtand eines jeden Ver - brechens iſt das Recht eines Andern, und die dem Recht correſpondirende Verbindlichkeit: der mittelbare, entfernte Gegenſtand, iſt eine Perſon.

I. Grundſätze über den nächſten Gegenſtand eines Verbrechens.
§. 38.

Der nächſte Gegenſtand eines Verbrechens kann entweder ein perſönliches Recht, ein Recht des Andern auf freye Dispoſition über ſeine Naturkräfte (perſönliche Verbrechen) oder ein Sachenrecht, ein Recht des Andern auf freye Dispoſition über das erworbene Eigenthum (dingliche Verbrechen) ſeyn. Die dinglichen Verbrechen werden durch eine auf das Object des Sachenrechts (die Sache ſelbſt) gerichtete Handlung begangen. Die Sache an ſich iſt aber kein Object des Verbrechens; daher kann durch Verletzung einer Sache nur dann und in ſo fern ein Verbrechen begangen werden, als einem andern Rechte auf dieſelbe zukom -men.31V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. men. Verletzung herrenloſer oder derelinquir - ter Sachen kann nie Verbrechen ſeyn.

§. 39.

Ein jedes Recht ſteht einer Perſon nur ſo lange zu, als ſie es nicht ſelbſt aufgegeben hat, oder nicht durch den Staat deſſen verluſtig er - klärt worden iſt. Eine, einem beſtimmten Recht widerſprechende Handlung, iſt alſo nur dann[v]er - brechen, wenn die Perſon, die durch die Hand - lung äuſſerlich verletzt wurde, noch im Beſitz jenes Rechts iſt. Denn Strafgeſetze ſind nur zum Schutz der Rechte (§. 19.) wo alſo keine Rechtsverletzung iſt, da iſt undenkbar eine Uebertretung des Strafgeſetzes.

§. 40.

Es iſt alſo I. kein Verbrechen vorhanden, wenn der Berechtigte die ſeinem Recht wider - ſprechende und durch ein Strafgeſetz, bedrohte Handlung ausdrücklich erlaubt (Volenti non fit injuria*)Ein homicidium in volentem commiſſum iſt als Ver - brechen eben ſo undenkbar, als eine injuria in volentem commiſſa. Ueber die Conſequenz unſrer Criminaliſten! Sie nennen es keinen Diebſtahl. wenn einer dem andern ſeine Sache mit deſſen Einwilligung wegnimmt: aber ein Mord eine Injurie ſoll gleichwohl an dem Einwilligenden be - gangen werden können. Wie mag doch dies mit der Natur eines Strafgeſetzes und mit ihren eignen ſonſtigen Behauptungen beſtehen? Man ſehe übri - gens Th. Chr. Car. Link Diſſ. de homicidio in vo - lentem commiſſo. Alt. 1785.. II. Es iſt kein Verbrechen vorhanden, wenn die Handlung einem Rechte widerſpricht,deſſen32I. Buch. II. Theil. I. Titel. III. Abſchnitt. deſſen die Perſon, gegen welche die Verletzung gerichtet war, durch den Staat verluſtig erklärt worden iſt*)An einem Infamen kann keine Injurie, an einem Menſchen, der zum Tod verdammt iſt, kein Mord begangen werden. Der letzte verdient blos eine Polizeyahndung, weil er die Polizeyeinrichtung des Staats, vermöge welcher ein Verbrecher nur durch öffentliche Perſonen hingerichtet werden kann, verletzt hat..

II. Grundſätze über den entfernten Gegenſtand eines Verbrechens.
§. 41.

Strafgeſetze eines Staats ſind nur gegeben zum Schutz der Rechte (§. 21.); es können da - her Strafgeſetze nur an denjenigen übertreten werden, die ſich in dem Schutze des Staats befinden, der die Strafgeſetze gegeben hat. Könnte auch an denen ein Verbrechen began - gen werden**)d. h. in Beziehung auf den Staat, der die Strafge - ſetze gegeben hat. Dieſer kann eine ſolche äuſſer - liche Uebertretung nicht als Verbrechen betrachten. Davon allein kann auch hier die Rede ſeyn. die auſſer dem Schutze des Staats ſind; ſo müſsten die Strafgeſetze auch zum Schutz dieſer nicht geſchützten Perſonen vor - handen ſeyn, welches ſich ſelbſt widerſpricht.

§. 42.

Blos diejenigen ſtehen in dem Schutz eines Staats, die der höchſten Gewalt in demſelben unterworfen und nicht ausdrücklich von ſei - nem Schutze ausgeſchloſſen worden ſind. Eskann33V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. kann daher für Deutſchland blos ein Ver - brechen begangen werden, I. an deutſchen Reichsbürgern, die Verletzung mag nun inner - halb oder auſſerhalb Deutſchlands, von einem Reichsbürger oder von einem Fremden began - gen worden ſeyn. Denn ein Staat muſs ſeine Bürger ohne Rückſicht auf Ort oder Perſonen ſchützen. II. an Fremden, die ſich in den Grenzen Deutſchlands befinden und an denen innerhalb Deutſchland ein Verbrechen be - gangen wird. Denn nach den Beſtimmungen des Völkerrechts ſind in der Regel alle, die ſich in dem Diſtrikt eines Staats befinden, auch der höchſten Gewalt deſſelben unterworfen; und alle, welche der höchſten Gewalt unterworfen ſind, ſtehen in dem Schutz derſelben.

§. 43.

Es kann alſo für Deutſchland kein Ver - brechen begangen werden I. an denjenigen, die keine Reichsbürger ſind und auſſerhalb Deutſch - lands Grenzen verletzt werden. Gleichviel, ob der Verletzende ein deutſcher Reichsbürger oder ein Fremder iſt, ob die verletzende Hand - lung einem in Deutſchland geltenden Strafge - ſetze oder blos einem Strafgeſetze des Orts der begangenen That entgegen iſt*)Andere, aber nicht zu erweiſende, Behauptungen ſtellt Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 122. ff. und Rudolph de poena delictorum extra territorium admiſſorum. Erl. 1790. §. 10. auf. Sie nehmen an, daſs auch ein Deutſcher, der auſſer Deutſchland eine Miſſethat begeht, beſtraft werden könne. Aber hier liegt ja die Verbindlichkeit zu ſtrafen demStaate.

§. 44.C34I. Buch. II. Theil. I. Titel. III. Abſchnitt.
§. 44.

Da alle einzelnen deutſchen Territorien zuſammen Einen groſsen Staat unter einem gemeinſchaftlichen Oberhaupte, ausmachen; ſo iſt jede unter den (§. 42.) angegebenen Be - dingungen, vollführte Uebertretung eines deutſchen Reichs-Straf-Geſetzes, in allen ein - zelnen deutſchen Territorien Verbrechen, wo das übertretene Reichs-Straf-Geſetz nicht durch Partikulargeſetze aufgehoben iſt. Eine auſſer - halb Deutſchland oder in einem beſtimmten Territorium begangene Uebertretung iſt aber in einem andern Territorium kein Verbrechen 1) wenn die Uebertretung blos gegen Partikular - geſetze (entweder nur des Orts der begangenen That, oder nur des andern Territorii, oder bey - der zugleich) iſt: 2) wenn das Reichsgeſetz, das die begangene Handlung für ein Verbrechen er - klärt, entweder an dem Ort der vollbrachten That, oder in dem andern Territorium, oder in beyden völlig aufgehoben iſt.

§. 45.

Es kann II. kein Verbrechen begangen werden, an ſolchen, die der Staat ausdrücklich auſſer ſeinem Schutze erklärt hat. Dahin ge - hören vorzüglich 1) diejenigen, welche dieReichs -*)Staate ob, deſſen Bürger verletzt worden iſt. Kann man ſich denn wohl denken, daſs Deutſchland Unterthanen fremder Staaten auch auſſer ſeinen Grenzen ſchütze? Und wenn dies nicht iſt, wie kann man denn an einen Schutz durch deutſche Strafgeſetze denken? Dieſes wird[doch] aber vor - ausgeſetzt, wenn man in einem beſtimmten Staate ſagen ſoll, A. hat an B. ein Verbrechen begangen.35V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. Reichsacht getroffen hat. 2) Die Verwieſenen, die vor Ablauf ihrer Strafzeit in das Terri - torium zurückkehren.

Vierter Abſchnitt. Von den nothwendigen Bedingungen eines Ver - brechens in Anſehung des Aktes der Ueber - tretung ſelbſt.
§. 46.

Jede Handlung, die als Uebertretung be - trachtet werden ſoll, ſetzt als nothwendige Be - dingung voraus I. daſs ſie eine äuſſere d. i. äuſſerlich erkennbare Handlung ſey. Innere Handlungen des Menſchen ſind nie Rechts - verletzungen, alſo auch nicht Verbrechen*)Dies beſtimmen ausdrückliche Geſetze L. 53. §. 2. L. 225. D. de V. S. L. 18. D. de poenis. Ueber die ſcheinbar entgegengeſetzte Verordnung der L. 14. D. de ſicariis vergl. Günther u. Otto neues Leip - ziger Magazin für Rechtsgelehrte. Jahrg. 1786. 1 Stk. S. 1 17. Glücks ausführl. Erl. d. Pandekten I Bd, S. 62. Anm. 15. II. Die äuſſere Handlung, welche einen Andern verletzt, darf nicht ſelbſt die Ausübung eines wohlbegründeten Rechtes ſeyn. Die Verletzung eines andern, als bloſſe Folge der Aus - übung meines Rechts, iſt keine eigentliche Rechtsverletzung, ſondern ein bloſses dam - num in conſequentiam veniens, und alſo auch kein Verbrechen.

C 2§. 47.36I. Buch. II Theil. I. Titel. IV. Abſchnitt.
§. 47.

Verletzung eines andern zur Abwendung eines rechtswidrigen Angriffs deſſelben iſt eine Folge des Rechts der Selbſtvertheidi - gung (neceſſariae defenſionis). Allein da ſich der Einzelne im Staat des Rechts der Selbſtver - theidigung begeben hat, ſo ſetzt die erlaubte Selbſtvertheidigung im Staate voraus, daſs es der öffentlichen Macht unmöglich war, das an - gegriffene Recht zu ſchützen. Auf dieſen Fall konnte ſich die Entäuſſerung der Pri - vatgewalt an den Staat nicht erſtrecken. Der Gebrauch eigner Gewalt eines Bürgers zum Schutz ſeiner Rechte gegen eine angefangene Beleidigung, unter einer Vorauſſetzung, wo der Schutz des Staats unmöglich iſt, heiſst Nothwehr (mo - deramen inculpatae tutelae, tutela inculpata). Eine Verletzung des andern aus Nothwehr iſt daher (§. 46. II) kein Verbrechen*)Die P. G. O. Art. 139 144. ſpricht zwar nur von der ſchuldloſen Tödung aus Nothwehr. Aber eine voll - kommen begründete extenſive Erklärung nöthigt uns, das Recht der Nothwehr auch auf andere Ver - letzungen auszudehnen. Was von der gröſsern Verletzung gilt, muſs auch von geringeren gelten. Auch iſt eine Beſtimmung, die nothwendig aus all - gemeinen Gründen d. h. aus der Natur der Sache flieſst, ſo lange gültig, als ſie nicht durch aus - drückliche poſitive Geſetze aufgehoben iſt..

Buder Diſſ. de violenta deſenſione privata. Jen. 1740. Quiſtorp Diſſ. de homicidio permiſſo, ſpec. de mod. inc. tut. Roſt. 1764. F. Knraſius Diſſ. de jure defenſionis neceſſariae. Lugd. Bat. 1785.

§. 48.37V. d. nothw. Bedingg. e. Verbrechens, etc.
§. 8.

Eine Verletzung des andern aus Noth - wehr iſt nur darum rechtlich, weil und wie ferne ſie die Ausübung des eignen Rechts der erlaubten Selbſtvertheidigung im Staate iſt. Es ergiebt ſich daraus, daſs I. die Vertheidi - gung, in welcher der Andere verletzt wurde, alle Erfoderniſse der rechtmäſsigen Vertheidi - gung überhaupt haben muſs, II. daſs ſich der Angegriffene unverſchuldet in einem Zuſtande befinden muſte, wo die Erhaltung ſeines Rechts durch die Staatsgewalt unmöglich war. Eine Vertheidigung, die nicht alle dieſe Erfoder - niſſe hat, iſt eine ſchuldhafte Nothwehr (m. de - culpatae tutelae).

§. 49.

Es wird daher erfodert 1) daſs der abge - wehrte Angriff ungerecht*)P. G. O. Art. 142. u. 143. 2) gegenwärtig (laeſio inchoata), 3) unerwartet**) Ueberlauf. Walch Gloſſarium ſub voc. Ueberlauf. und 4) auf die Verletzung eines Guts gerichtet war, das entweder an ſich unerſetzlich iſt, oder doch unter den individuellen Umſtänden des ge - genwärtigen Angriffs (nach Gründen der Wahr - ſcheinlichkeit) unwiderbringlich verloren gewe - ſen wäre. Denn im entgegengeſetzten Falle kann durch nachfolgende Hülfe des Staats der Zuſtand der Integrität wieder hergeſtellt wer - den. Bloſse Ehrenverletzung begründet daher nie***)Bloſse Ehrenverletzung (nemlich wenn ſie nicht mit der Verletzung eines andern perſönlichenRechts; Angriff auf Güter nur dann dasRecht38I. Buch. II. Theil. I Titel. IV. Abſchnitt. Recht der Nothwehr, wenn Gefahr des unwie - derbringlichen Verluſts mit der Vollendung derſelben verbunden iſt*)J. A. Helfeld Diſſ. de violenta rerum noſtrarum defenſione. Jen. 1768. et in Opusc. N. 21. Auf den Werth des Guts an ſich kommt es nicht an.. Angriff auf die Rechte der Perſönlichkeit berechtigt immer zur Gegenwehr. 5) Die dem Andern zur Erhaltung eigner Rechte zugefügte Verletzung muſte an ſich die einzige Bedingung der eignen Rettung ſeyn, es muſte alſo a) nicht möglich, oder doch nicht ohne Verluſt andrer Güter thunlich ſeyn, ſich dem Angriff entweder durch Hülfe anderer, oder durch Entwaffnung des Angrei -fers***)Rechts verbunden iſt) iſt nie unerſetzlich: der Injuriat kann nach geſchehener Injurie, durch den Staat ſeine Rechte verfolgen und durch die gewöhn - lichen Rechtsmittel die aus der Injurie etwa ent - ſtandenen oder möglichen nachtheiligen Folgen auf - halten. Wenn man ſich auf die P. G. O. Art. 140. in den Worten: und der Benötigte kann füglich ohne Fährlichkeit oder Verletzung ſeines Leibes, Lebens, Ehr und guten Leumund nicht entweichen, beruft, um das Gegentheil zu erweiſen, ſo ver - giſst man, daſs in dieſen Worten die P. G. O. nicht die Rechte beſtimmen will, welche bedroht die Nothwehr begründen. Carl will ja blos den Fall beſtimmen, wo die Flucht nothwendig iſt, oder nicht. Wer unbeſchadet ſeines guten Namens die Flucht nicht ergreifen kann, der darf bleiben und ſeine angegriffenen Rechte ſelbſt mit dem Lebens - verluſt des andern vertheidigen. Die Behauptung Böhmers ad art. 140. §. 3. und ad Carpzov Q. 30. Obſ. 3. als wenn nur Standes - oder Militär - perſonen durch einen Angriff auf Ehre in den Stand der Nothwehr verſetztwerden könnten, bedarf kaum einer Widerlegung.39V. d. nothw. Bedingg. e. Verbrechens, etc. fers oder durch Flucht zu entziehen; b) es muſte keine geringere Verletzung als die zu - gefügte, eine gleiche Sicherheit bewirken können.

Fünfter Abſchnitt. Von den verſchiedenen möglichen Arten, ein Strafgeſetz zu übertreten.
§. 50.

Die Verſchiedenheit in der Art der Ueber - tretung eines Strafgeſetzes iſt theils beſtimmt durch die Verſchiedenheit der äuſſern Wirk - ſamkeit zur Uebertretung, (objectiver Grund der Verſchiedenheit), theils durch die Ver - ſchiedenheit der Willensbeſtimmung, welche der Uebertretung zum Grunde liegt (ſubjectiver G. d. V.)

I. Objectiver Gr. der Verſchiedenheit.
§. 51.

Die Wirkſamkeit zur Uebertretung eines Strafgeſetzes kann direct ſeyn, wenn das Ob - ject, auf deſſen Realiſirung ſie hinwirkt, un - mittelbar die Realiſirung der Rechtsverletzung ſelbſt, indirect, wenn ſie blos auf die Beför - derung der directen Wirkſamkeit eines andern zur Rechtsverletzung gerichtet iſt. Derjenige, bey welchem die Rechtsverletzung das unmit - telbare Object der Wirkſamkeit ſeiner Hand - lung iſt, heiſst, wenn die That wirklich geſcheheniſt,40I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. iſt, Urheber (auctor del. ); derjenige, bey welchem die Beſörderung der auf die Rechtsver - letzung unmittelbar gerichteten Handlung eines andern das unmittelbare Object der Wirkſamkeit ſeiner Handlung iſt, heiſst Ge - hülfe (ſocius.).

Coauctores Complices Conſortes criminis. J. F. Eiſenhardt Diſſ. de vera criminis ſocii notione. Helmſt. 1750. E. C. Weſtphal Diſſ. de conſorti - bus et adjutoribus eriminum corumque poena etc. Hal. 1760. Kleinſchrod ſyſt. Entw 1. Thl. §. 177 206. Feuerbach Reviſion Thl. II. S. 243. ff.

§. 52.

Eine Perſon kann I. dadurch direct auf die Hervorbringung der That gewirkt haben, daſs ſie aus eignem Intereſſe an der That den Wil - len eines andern zur Hervorbringung des rechtswidrigen Effects determinirt hat. Dann iſt ſie intellectueller Urheber (a. intel - lectualis). Es geſchieht dieſe Art der Wirkſam - keit 1) durch Auftrag*)cf. Stryck de mandato rei turpis. Frcf. 1690. in Opp. Vol. VI. Nr. 3. 2) durch Befehl, 3) durch Drohungen 4) durch Rath, (conſilium), ſowohl durch allgemeinen (c. generale) als durch be - ſondern (c. ſpeciale)**)J. U. Cramer Diſſ. de conſilio malo conſultatori peſſimo Marb. 1740. deutſch Frankf. 1741.. Hatte aber der An - dere ſich ſchon vorher zur That beſtimmt, ſo iſt dieſer intellectuale Concurrent in der Regel nur Gehülfe. Sie kann II. unmittelbar durch eigne Kräfte (entweder aus eignem Antrieb,oder41V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. oder durch Anſtiften eines Urhebers) die Hand - lung, die den Begriff der Uebertretung aus - macht, begangen haben. Phyſiſcher Ur - heber (a. phyſice talis a. in ſenſu ſtro.)

§. 53.

Wenn Mehrere, aus unmittelbarem Intereſſe an der That ſelbſt, ſich zur gemeinſchaftlichen Ausführung durch Vertrag verbinden, ſo iſt die - ſes eine Verſchwörung (conjuratio) oder Geſellſchaft zur Uebertretung (ſocie - tas delinquendi)*)P. G. O. Art. 148. Item ſo etliche Perſonen mit fürgeſetztem und vereinigtem Willen und Muth jemand böslich zu ermorden einander Hülfe und Beyſtand thun; dieſelben etc.. Die Perſonen ſelbſt heiſsen coauctores ex conjuratione. Die bloſse Ver - einigung mit Andern zum Verbrechen reicht aber für dieſen Begriff nicht zu; ſondern wer als coauct. e. conj. betrachtet werden ſoll, muſs auch durch Handlungen (gleichviel aber, welche) zur wirklichen Exiſtenz der That mit - gewirkt haben**)Weſtphal de conſortib. et adjut. crim. §. 14. ſq. Zu der Behauptung Kleinſchrods a. O. §. 178. als wenn Mitwirkung bey der Haupthandlung ſelbſt erfordert würde, findet ſich kein Grund.. Sonſt iſt er, wenn er mit in den Vertrag verwickelt iſt, blos des Verſuchs zu einem Verbrechen aus Verſchwörung ſchuldig.

Rädelsführer dux criminis.

§. 54.

Die Beyhülfe (concurſus ad delictum) be - ſteht (§. 51.) aus der Hinwegräumung derHin -42I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. Hinderniſſe, welche der Wirkſamkeit des Ur - hebers entgegen ſtehen. Nach Verſchieden - heit der Art der Beyhülfe ſind auch die Gehül - fen ſelbſt verſchieden. I. In Rückſicht der Gröſse der Hinderniſſe entweder Hauptgehülfe (ſocius principalis), oder Nebengehülfe. (ſ. mi - nus principalis). Jener räumt Hinderniſſe hin - weg, welche die That unmöglich machten, die - ſer ſolche, welche ſie blos erſchwerten*)Daſs mehrere, und unter andern Kleinſchrod a. O. §. 198. den ſoc. principalis für auctor delicti halten, hat blos ſeinen Grund in einem unbeſtimmten Begriff von auctor und ſocius. S. Feuerbach Re - viſion a. O. S. 262.. II. In Rückſicht der Handlung ſelbſt, welche die Beyhülfe bewirkt, entweder poſitiver Gehülfe, wenn er durch wirkliche Aeuſſerung der Thä - tigkeit, (concurſus poſitivus) oder negativer Gehülfe, wenn er durch pflichtwidrige Unter - laſſung die That des andern befördert oder möglich macht (conc. negativus). Das letzte iſt durch unterlaſſene Hinderung oder unter - laſſene Anzeige des bevorſtehenden Ver - brechens möglich, ſetzt aber voraus daſs Ge - ſetz**)L. 9. §. 1. D. ad L. Corn. de Sic. A. B. c. 24. §. 6. Erklärung des Landfriedens v. J. 1522. Tit. 11 RA. v. J. 1548. Tit. 1. §. 4. u. RA. v. J. 1577. Tit. 1. §. 2. F. Cph. L. Crell Diſſ. de poena ſilentii et conſcientiae delicti aliaeni. Vit. 1742. J. H. oder übernommene Amtsverbindlich - keit, Anzeige oder Hinderung zur Pflicht machen. Denn an ſich iſt der Bürger zu dieſen Handlungen nicht vollkommen ver - pflichtet.

§. 55.43V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert.
§. 55.

III. In Hinſicht der Kräfte, welche Bey - hülfe begründen, kann der Gehülfe intellectueller Gehülfe ſeyn, (ſoc. intell. ) wenn er durch Ge - brauch der Gemüthskräfte, oder phyſiſcher Gehülfe (ſ. phyſ. tal. ſ. facultate locomotiva) wenn er durch Gebrauch der körperlichen Kräfte wirkt. Man wird intellectueller Gehülfe, aus denſelben Gründen, aus welchen man in - tellectueller Autor wird (§. 52.), hier wird aber immer vorausgeſetzt, daſs ſich der andere ſchon vorher aus eignem Intereſſe an der That zu dem Verbrechen beſtimmt habe. Wird er erſt durch den andern beſtimmt, ſo iſt dieſer intellectu - eller Urheber.

§. 56.

IV. Wenn die Beyhülfe durch eine Hand - lung geleiſtet wird, welche die Vollendung des Verbrechens unmittelbar d. h. ohne die Dazwiſchenkunft von Mittelurſachen beför - dert, ſo entſteht eine unmittelbare Beyhülfe (conc. proximus). Geſchieht die Beyhülfe durch eine Handlung, die erſt durch Mittelurſachen die Voſſendung des Verbrechens befördert oder möglich macht, ſo iſt eine mittelbare Beyhülfe (conc. remotus) vorhanden*)Wer z. E. den Ermordeten gehalten hat, war in conc. proximo. Wer blos dem Thäter anzeigt, wo er ſich aufhielt, war in c. remoto, weil hier nochmehrere.

§. 57.
**)J. H. Boehmer Diſſ. de obligatione ad relevandum occulta. Hal. 1742. Püttmann Diſſ. de crimine conniventiae Lipſ. 1785. in Opusc. N. 3.
**)
44I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt.
§. 57.

V. In Anſehung der Abſicht bey der Con - currenz iſt der Gehülfe entweder ſpecieller Ge - hülfe (ſ. ſpecialis), oder allgemeiner Gehülfe (ſ. generalis). Jener hat bey ſeiner Mitwirkung dieſelbe Abſicht, welche zum Weſen desjeni - gen Verbrechens gehört, das von dem Urheber begangen wird; dieſer concurrirt aus einer andern Abſicht.

§. 58.

Der Act der Concurrenz kann entweder vor oder zu gleicher Zeit mit der Ausführung der Hauptthat geſchehen (c. antecedens con - comitans.) Eine nachfolgende Beyhülfe iſt un - möglich. Hat jemand dem Urheber ver - ſprochen, nach der Vollendung ihn zu begün - ſtigen, ſo iſt dieſer, wenn das Verſprechen noch vor der Vollendung der That geſchah, in vorhergehender oder begleitender Con - currenz.

§. 59.

Wer nach vollendetem Verbrechen durch äuſſere Handlung ein Intereſſe für das Ver - brechen oder den Verbrecher zeigt, iſt Begün - ſtiger (fautor delicti). Die Begünſtigung kann durch Theilnahme an den Vortheilen der That, durch Billigung und Genehmigung des Ver - brechens, durch Verbergung oder wiſſent - lichen Ankauf der durch das Verbrechen ge -won -*)mehrere andere Handlungen zwiſchen dieſer An - zeige geſchehen muſten, wenn die That zur Exiſtenz kommen ſollte.45V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. wonnenen Sachen*)Püttmann de receptatoribus. In Adverſarr. P. II. und beſonders durch Handlungen geſchehen, durch welche man den Thäter der ſtrafenden Gewalt zu entziehen ſucht.

§. 60.

Die directe Wirkſamkeit (§. 51.) zer - fällt dem Eſſect nach in zwey Hauptarten. Hat ſie ihr Object realiſirt, ſo daſs nun der Begriff der im Geſetz vorausgeſetzen Läſion in concreto vorhanden iſt, ſo iſt das Ver - brechen vollendet (delictum conſummatum). Wenn die Rechtsverletzung, auf welche eine Handlung directe gerichtet war, nicht realiſirt worden iſt, ſo exiſtirt ein bloſs unternom - menes Verbrechen.

§. 61.

Die bloſse Unternehmung des Ver - brechens (Conatus delinquendi im weitern Sinn) hat verſchiedene Stufen. Sie begreift in ſich I. die Endigung des Verbrechens (perfectio criminis) wenn alle zur Hervor - bringung des geſetzwidrigen Effects erfoder - lichen Handlungen geſchehen ſind, ohne je - doch den Effect bewirkt zu haben**)z. E. Ich ſchieſse nach einem Menſchen, verwunde ihn auch wohl, in der Abſicht ihn zu töden, ohne daſs ich gleichwohl meine Abſicht erreiche. Es hätte dieſer Begriff, den Klein peinliches Recht. §. 145. zuerſt abgeſondert hat, mehr Rückſicht verdient, als ihm bis jetzt zu Theil geworden iſt. In der Art der Eintheilung des Verſuchs ſelbſt muſte der Vf. von Klein abweichen.. II. DenVer -46I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. Verſuch zum Verbrechen (con. del. im engern Sinn) wenn alle zur Hervorbringung des ge - ſetzwidrigen Effects erforderlichen Handlungen noch nicht geſchehen ſind. Dieſer Verſuch iſt entweder 1) Anfang des Verbrechens, nächſter Verſuch (inchoatio delicti cona - tus proximus) wenn der Verbrecher ſchon in Begehung derjenigen Handlung begriffen war, deren Endigung den rechtswidrigen Effect hervorbringen muſte; oder 2) Vorberei - tung des Verbrechens entfernter Verſuch (attentatio delicti conatus remotus), wenn er Handlungen begangen hat, durch welche er ſich nur auf den Akt der Vollendung des Verbrechens vorbereitete. Dieſer hat wie - der verſchiedene Stufen, die nur in concreto zu beurtheilen ſind.

II. Subjectiver Grund der Verſchiedenheit.
§. 62.

Die Rechtsverletzung kann von einer Per - ſon nach unvermeidlichen Natururſachen ohne Mitwirkung einer geſetzwidrigen Willensbe - ſtimmung bewirkt worden ſeyn; dann iſt ſie blos zufällige Urſache des Verbrechens und das Verbrechen ſelbſt heiſt zufällig (del. caſuale.) Iſt die Rechtsverletzung verſchuldet durch eine geſetzwidrige Willensbeſtimmung derſelben, ſo kann dieſe Verſchuldung begrün - det ſeyn I. durch Dolus (böſen Vorſatz), die Beſtimmung des Willens (Begehrungsvermö - gens) zu einer Rechtsverletzung als Zweck, mit dem Bewuſtſeyn der Geſetzwidrigkeit des Begeh - rens: oder II. durch Culpa (Verſehen),die47V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. die geſetzwidrige Beſtimmung des Willens zu einer Handlung oder Unterlaſſung aus der nach den Geſetzen der Natur*)Entweder der innern oder der äuſſern Natur. Mündlich von dem Klein’ſchen poſitivböſen und negativböſen Willen. Deſſen p. Recht. §. 120., ohne die Abſicht des Sub - jects, die Rechtsverletzung entſteht**)Ueber Dolus und Culpa überhaupt cf. Stübel Syſtem d. p. R. Thl. II. §. 262 302. Kleinſchrod a. O. Thl. I. Kap. II. Grol - man in der Bibliotbek d. p. R. I Thl. 1 Stck. Nr. 1. 3 Stck. N. 3. Klein vom Unterſchied zwiſchen Dolus und Culpa. Im Archiv. 1 Bd. 2tes Stck. Nr. 10. II Bd. 2tes Stck. S. 216. ff. Feuerbach Reviſion 1 Thl. Kap. VI. Deſſen Betrachtungen über Dolus und Culpa überhaupt und den Dolus indirec - rus insbeſondere. In der Bibliothek II Bd. 1ſtes Stück. N. 5..

§. 63.

Der Culpa liegt nothwendig ein geſetz - widriges Begehren, d. i. eine Willensbeſtim - mung zum Grunde, durch welche eine voll - kommene Verbindlichkeit, verletzt worden iſt. Denn ohne dieſes iſt Verſchuldung undenkbar. Dieſe Verbindlichkeit beſteht in der Noth - wendigkeit, alle Handlungen zu thun oder zu unterlaſſen, aus welchen, nach Geſetzen der Natur, eine Rechtsverletzung entſtehen kann. (Verbindlichkeit zum gehörigen Fleiſse, obl. ad diligentiam). Da nun bey der Culpa das Sub - ject durch ſeinen Willen dieſe Pflicht verletzt haben muſs, ſo ſetzt die Culpa nothwendig voraus 1) das Daſeyn dieſer Verbindlichkeitfür48I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. für jene Perſon überhaupt 2) das Bewuſtſeyn dieſer Verbindlichkeit bey der Willensbeſtim - mung zu der Handlung oder Unterlaſſung, aus welcher der rechtswidrige Effect entſtan - den iſt, 3 die Erkenntniſs, daſs die unternom - mene Handlung oder Unterlaſſung unter der Verbindlichkeit ſtehe, 4) die phyſiſche Möglich - keit, die Handlung zu thun oder unterlaſſen und den geſetzwidrigen Effect zu verhüthen. Wo Eins dieſer Requiſite mangelt, iſt das Ver - brechen unverſchuldet, weil nur unter dieſen Bedingungen eine Geſetzwidrigkeit des Be - gehrens in Rückſicht auf Culpa denkbar iſt. *)Vergl. die Betrachtungen über Dolus und Culpa. Betr. III. IX.

§. 64.

Die Culpa zerfällt in Rückſicht der Hand - lungen oder Unterlaſſungen, welche die Uebertretung ohne Abſicht der Perſon be - gründen können, in vier Arten. Dieſe Hand - lungen können I. innere Handlungen, und zwar unterlaſſener Gebrauch des Erkenntniſsvermö - gens ſeyn. Gebrauchte die Perſon mit Ernſt ihre Erkenntniſskräfte, um die Erkenntniſs zu erlangen, aus derem Nichtdaſeyn die Ue - bertretung entſprang, ſo war ihre Unwiſſen - heit oder ihr Irrthum unverſchuldet (error - ignorantia invincibilis), wenn ſie die Erkennt - niſs überhaupt oder die wahre Erkenntniſs dennoch nicht erlangte. Denn die Culpa ſetzt phyſiſche Möglichkeit voraus (§. 63.). Es war aber der Perſon (ſubjective) unmöglich die wahre Erkenntniſs zu erlangen, wenn ſie ſieerhal -49V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. erhalten wollte, und ihrer Verbindlichkeit ge - mäſs, ſie zu erhalten, ihre Kräfte aufgeboten hat. Der unterlaſſene Gebrauch des Erkenntniſsver - mögens kann beſtehen 1) in der unterlaſſenen Erwerbung der Erkenntniſs des Geſetzes, wel - chem die äuſſere Handlung widerſpricht Cul - pa durch Unwiſſenheit des Geſetzes*)z. E. wenn jemand die Sodomie kennt, aber nicht weiſs, daſs ſie verboten iſt und er in dieſer Unwiſ - ſenheit die That begeht. Die unterlaſſene Erwerbung der Erkenntniſs des Geſetzes bringt ohne ſeine Ab - ſicht die Uebertretung hervor., 2) in der unterlaſſenen Reflexion über die Handlung, um ſie unter das Strafgeſetz zu ſubſumiren Culpa durch Uebereilung**)z. E. jemand kennt das Geſetz gegen die Sodomie, er weiſs aber nicht, daſs die Handlung, welche er vornimmt, die verbotene Handlung ſey, und die - ſes Nichtwiſſen hat in pflichtwidriger Unterlaſſung der gehörigen Reflexion über die Handlung ihren Grund. Dieſe Reflexion hätte ihn gelehrt, daſs ſeine Handlung die im Geſetz verbotene ſey. Die - ſes Unterlaſſen hat ohne ſeine Abſicht die Ueber - tretung begründet. 3) in der unter - laſſenen Reflexion über den möglichen Cauſal - zuſammenhang einer äuſſern Handlung mit einer daraus entſtandenen Rechtsverletzung. Culpa durch Unbedachtſamkeit***)z. E. Ein Menſch ſchieſst auf Gerathewohl, ohne daran zu denken, daſs er einen Menſchen töden könne. Er tödet ihn. Sein Verſchulden liegt hier eigentlich nicht darin, daſs er geſchoſsen; ſondern darin, daſs er, indem er nicht gehörig auf ſeine Hand - lung und ihren möglichen Erfolg reflectirte, die Ver - bindlichkeit zum gehörigen Fleiſs übertreten hat. II. Aeuſſere Handlungen Culpa aus Fahrläſſigkeit; dieſebeſtehtD50I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. beſteht in der Begehung einer äuſſern Hand - lung, mit dem Bewuſtſeyn des Subjects von dem Cauſalzuſammenhang der Handlung mit einem möglichen oder wahrſcheinlichen rechtswidrigen Erfolg*)z. E. Man denke ſich, der culpoſe Todſchläger der vorigen Anmerkung habe die Möglichkeit oder Wahrſcheinlichkeit einer Tödung, als Folge ſeiner Handlung eingeſehen und auf Gerathewohl die Begehung der Handlung gewagt. So wie in den vorhergehenden Fällen, der unterlaſſene Erkennt - niſsakt unmittelbar das Verſchulden begründete, ſo wird das Verſchulden hier unmittelbar durch die äuſſere Handlung ſelbſt begründet. Ausgeführt iſt dieſes alles in den Betrachtungen über Dolus und Culpa Betr. IX..

Anmerk. Von der Klein’ſchen Eintheilung in Hand - lungen, die aus böſem Vorſatz unternommen ſind, in vorſätzlich geſetzwidrige, aber nicht boshafte, in ge - fährliche, in aus Muthwillen unternommene und in culpoſe Handlung. S. Deſſen peinl. R. §. 122.

§. 65.

In Rückſicht der Art des Zuſammenhangs der Handlung oder Unterlaſſung mit dem ge - ſetzwidrigen Erfolg, iſt die Culpa 1) die höchſte (c. lata, wenn die Entſtehung des ge - ſetzwidrigen Erfolgs aus der Handlung oder Unterlaſſung wahrſcheinlicher war, als die Nichtentſtehung deſſelben; 2) die mittlere (c. media ſ. levis), wenn ein gleicher Grad der Wahrſcheinlichkeit für die Entſtehung, wie für die Nichtentſtehung vorhanden war; 3) die geringſte (c. leviſſima ſ minima), wenn die Vermeidung des geſetzwidrigen Erfolgs wahr -ſchein -51V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. ſcheinlicher war, als die Entſtehung deſ - ſelben*)Grolman Grundſ. d. CRW. §. 52. u. 53..

§. 66.

Der Dolus (§. 62.) hat zwey Arten, in wie ferne entweder der entſtandene geſetzwidrige Effect der unmittelbare und ausſchlieſsliche Zweck des Begehrens war; oder die Abſicht des Verbrechers auf mehrere Rechtsverletzun - gen einer beſtimmten Art oder Gattung alter - nativiſch gerichtet war. Jener heiſst beſtimm - ter Dolus (d. determinatus); dieſer eventueller, oder unbeſtimmter Dolus (d. indeterminatus ſ. eventualis. Bey dem letzten war die entſtan - dene Rechtsverletzung in dem Entſchluſse des Subjects enthalten, aber in demſelben Ent - ſchluſse war auch noch eine andere Rechts - verletzung enthalten und es war dem Subject gleichviel, welche von dieſen Rechtsverletzun - gen aus ſeiner Handlung wirklich entſtehe***)z. E. Ich will mich an einem Menſchen rächen und ſchieſse nach ihm, nicht gerade um ihn zu töden, auch nicht blos, um ihn zu verwunden; ſondern um meine allgemeine und unbeſtimmte Abſicht, ihm zu ſchaden, zu realiſiren. Welchen Erfolg gerade dieſe Handlung habe, iſt mir gleich - viel; ich will nur, daſs eine von dieſen Verletzun - gen wirklich werde. Dieſer eventuelle Dolusiſt.

D 2§. 67.
**)Mündlich von Stübels Eintheilung in urſprüng - lich wirkenden und in theilnehmenden, in vorbergehen - den und nachfolgenden Dolus (D. antecedens ſ. ex pro - poſito d. conſequens ſ. ex re.) Syſtem des p. R. Thl. II. §. 264.
**)
52I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt.
§. 67.

Es giebt Fälle, wo Dolus und Culpa bey einer und derſelben Handlung concurriren. Es findet dieſes ſtatt, wenn ein Verbrecher einen beſtimmten rechtswidrigen Effect zum Zwecke hat, aus der Handlung aber, die ihn realiſiren ſollte, ein anderer rechtswidriger Effectentſtanden iſt, den er als mögliche Folge ſeiner Handlung entweder vorhergeſehen hat, oder doch vorherſehen konnte. Hier iſt Do - lus, in Anſehung des Zwecks, den er wirklich gewollt hat iſt; Culpa in Anſehung des Ef - fects, der ohne die Abſicht des Subjects, aus der auf einen andern rechtswidrigen Zweck gerichteten Handlung, entſtanden iſt. Da hier die Culpa durch einen doloſen Entſchluſs be - gründet wird; ſo kann man die, einem ſolchen Fall zum Grunde liegende Willensbeſtimmung eine durch Dolus beſtimmte Culpa (culpa dolo determinata) nennen*)Vergl. d. Betrachtungen über Dolus und C. Betr. XIII. und XIV.. Gewöhnlich betrach - tet man ſie als Art des Dolus, nennt ſie dolus indirectus und glaubt, daſs der Verbrecher, indem er die eine Rechtsverletzung directewill,**)iſt daher weſentlich von dem Fall verſchieden, der dem ſo genannten indirecten Dolus zum Grunde liegt. Aber gewöhnlich wird er von unſern Rechts - lehrern auf das unverzeihlichſte in ihren Unter - ſuchungen über den ind. Dolus mit dieſem ver - wechſelt. Ausführlich iſt von dieſem Unter - ſchied gehandelt in d. Betrachtungen über Dolus u. C. Betr. XI.53V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. will, in die entſtandene per indirectum ein - willige*)Der Erfinder des indirecten Dolus iſt Nettelbladt Diſſ. de homicidio ex intentione indirecta commiſſo. Halae 1756. (u. mehrmals aufgelegt.) Für dieſelben iſt Boehmer ad Carpzov. Q. l. obſ. 2. et ad art. 137. C. C. C. Eſchenbach progr. de dolo in - directo homicidarum. Roſt. 1787. (Abgedruckt im niederſächſ. Archiv für Iurispr. und juriſt. Literatur. P. I. S. 2.) A. v. Hoff über Verbrechen aus indirecter Abſicht. Berl. 1791. Klein p. R. §. 123. u. mehrere andere. Dagegen ſind beſonders: Chri - ſtiani die Chimäre des Todſchlags aus indirecter Ab - ſicht. Im Kielſchen Magazin. Hamb. 1784 Bd. I St. 3. Derſelbe ebendaſ. Bd. II. Stck. 3. Pütt - mann Diſſ. de diſtinctione inter animum occidendi di - rectum et indirectum e jurisprud. crim. prorſus eliminanda. Lipſ. 1789. (auch in Miſcellon. Lipſ. 1793. C. 33) Stelzer Sendſchreiben an Chriſtiani über Verbrechen aus indirecter Abſicht. Berl. 1791. Eccard progr. de dolo indirec[to]. Jen. 1794..

§. 68.

Da bey jeder Handlung eines Menſchen Abſicht der nächſte Erklärungsgrund, abſicht - liches Handeln, nach der Natur des menſch - lichen Geiſtes und nach der Erfahrung, die Regel, Hervorbringung einer Wirkung durch eine willkührliche Handlung, ohne daſs jene Wirkung Zweck der Willkühr war, eine be - ſondere, auf ungewöhnlichen Vorauſſetzun - gen beruhende, Ausnahme iſt, ſo muſs auch ein rechtswidriger Effect, welcher durch Hand - lungen einer Perſon bewirkt worden iſt, ſo lange als Zweck des Willens derſelben ange - nommen werden, bis ſich beſtimmte Gründefür54I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abſchnitt. für das Gegentheil zeigen (Facta laeſione prae - ſumitur dolus, donec probetur contrarium*)Zuerſt iſt dieſer Satz mit Recht behauptet von Grolman in d. Abh. wird Dolus bey hegangenen Verbrechen vermuthet? In der Bibliothek d. p. R. Bd. I. Stck. 2. Nr. 3 Vielleicht läſst er ſich aber noch ſtrenger erweiſen, als hier geſchehen iſt..

Sechſter Abſchnitt. Von der rechtlichen Dauer eines begangenen Verbrechens.
§. 69.

Die rechtliche Dauer eines Verbrechens be - ſteht in dem fortdauernden Rechte der ſtra - fenden Gewalt, für den Verbrecher eine recht - liche Folge in Anſehung der begangenen That zu beſtimmen. Ein Verbrechen dauert daher ſo lange rechtlich fort, als nicht ein Grund eingetreten iſt, der jenes Recht der ſtrafenden Gewalt aufhebt. Dieſe Gründe können ſeyn 1) eine phyſiſche 2) eine rechtliche Unmöglich - keit, einen Verbrecher wegen einer begange - nen Uebertretung zu beſtrafen.

§. 70.

Die Rechtsgründe, welche das Verbrechen rechtlich endigen, ſind I. Die erlittene Strafe. Ein ſchon beſtraftes Verbrechen iſtim55Von d. rechtlichen Dauer e. begang. Verb. im äuſſern Forum durch die Beſtrafung getilgt. II. Die Begnadigung, ſie iſt eine durch die höchſte Gewalt im Staat begründete Strafloſig - keit wegen eines begangenen Verbrechens als Ausnahme gegen gültige Strafgeſetze. Ge - ſchieht 1) dieſe Begnadigung vor vollendeter richterlicher Unterſuchung, ſo heiſst ſie Abo - lition*)Brunquell Diſſ. de criminum abolitione. Jen. 1714. Engau Diſſ. de abolitione Jen. 1754. I. Th. Seger Diſſ. de abolitione veteri et hodierna. Lipl. 1778. Püttmann in Adverſariis C. 15., geſchieht ſie 2) nach vollendeter rich erlicher Unterſuchung, ſo heiſst ſie Begna - digung im engern Sinn (aggratiatio in ſſu. ſtro.).

  • 1. Abolitio generalis ratione perſonarum ſ. publica ab. ſpecialis rat. perſ. ſ. privata.
  • 2. Abolitio generalis rar. objecti ſpecialis rat. obj.
  • 3. Abol. plena minus plena.
§. 71.

Giebt es überhaupt ein Begnadigungs - recht; ſo darf es doch nur dann ausgeübt wer - den, wenn die Anwendung des Strafgeſetzes auf den vorliegenden Fall einen unausbleiblichen oder höchſtwahrſcheinlichen Nachtheil für den Staat ſelbſt, in Anſehung ſeines Hauptzwecks haben würde. Rückſichten auf den Verbrecher ſelbſt, auf den Regenten, oder auf Neben - zwecke und zufällige Vortheile für den Staat, dürfen keine Begnadigung begründen, wenn nicht die Gerechtigkeit dem Nutzen aufge - opfert und die Ausübung der Strafgeſetze zum Spiele geſetzloſer Willkühr werden ſoll.

§. 72.56I. Buch. II. Theil. I. Titel VI. Abſchnitt.
§. 72.

III. Verjährung*)Engau jur. Betr. von der Verjährung in peinlichen Fällen. Jena 1749. (6te Aufl. 1772). Hallacher Diſſ. principia juris Rom. de praeſcriptione criminum etc. Erl. 1787. Gründlers ſyſt. Entw. der Lehrs von der Verjährung der peinl. Strafen. Halle 1796. (Aus - führlich, aber ſchlecht). Stübel Diſſ. utrum delictorum poenae praeſcriptione recte tollantur, nec ne. Vit. 1793. Aufhebung der rechtlichen Folge eines begangenen Ver - brechens durch den bloſsen Ablauf einer ge - wiſſen Zeit**)L. 3. D. de requirend reis. L. 12. C. ad L. Corn. de Falſ. L. 28. et 29. ad L. Iul. de adult. L. 13. de div. temp. praeſcr. . Der Grund der bey Verbrechen eingeführten Verjährung iſt wahrſcheinlich, theils der erſchwerte Beweis der Schuld und der Unſchuld***)Nach Thomaſius Diſſ. de praeſcriptione ibga - miae. Hal. 1733. §. 5. theils die vermutlich getilgte Erinnerung an die That****)Klein p. R. §. 184. nimmt dieſen Grund, ver - bunden mit muthmaſslicher Beſſerung des Ver - brechers, an. Stelzer Criminalrecht §. 243. denkt ſich blos die Beſſerung des Verbrechers als Grund Einige, wie Boehmer ad Carpzov Q. 141. Obſ. 1. nehmen die Gründe der Civilver - jährung auch als Gründe der peinlichen an..

§. 73.

Die Präſcription erfordert 1) den Ablauf einer geſetzlich beſtimmten Zeit und zwar, inder57Von d. rechtlichen Dauer e. begang. Verb. der Regel, des Zeitraums von 20 Jahren*)L 3. D. de requir. reis. . Ver - brechen aber, die durch geſetzwidrige Befrie - digung des Geſchlechtstriebes begangen wer - den, verjähren, wenn ſie nicht zugleich eine Verletzung perſönlicher Rechte in ſich enthal - ten, in 5 Jahren**)L. 29. §. 6. D. ad L. Jul. de adult. Hoc quinquen - nium oblervari legislator voluit, ſi reo vel reae ſtu - prum, adulterium, vel lenocinium objiciatur; quid ergo ſi aliud ſit crimen, quod objiciatur, quod ex L. Jul. deſcendit? ut ſunt, qui domum luam ſtupri cauſa praebuerunt, et alii ſimiles? et melius eſt dicere, omnibus admiſſis ex L. Jul. venientibus, quinquennium eſſe praeſtitutum. Uebri - gens iſt es unnütz, noch zu unterſuchen, ob ein Fleiſchesverbrechen ex Lege Julia beſtraft worden ſey, um zu wiſſen ob es in 5 Jahren verjährt werde.. Nothzucht wird daher nur in 20 Jahren verjährt. Die Blutſchande kann zwar in der Regel in 5 Jahren verjährt werden,***)Das Gegentheil glaubt nebſt mehrern andern Heisler von der Verjährung der Bluiſchande und der übrigen fleiſchlichen Vermiſchungen in verbotenen Graden. Halle 1778. §. 5. Deſſen Obſervat. ſel. de inceſtu. Hal. 1780. Gegen dieſe Meynung Leyſer Sp. 515. m. 6. J. S. F. Boehmer Diſſ. de inceſtus quinquennalis praeſcriptione. Fref. 1754. Der - ſelbe ad Carpzov Q. 74. obſ. 4. Q. 141. obſ. 3. allein wenn ſie mit Ehebruch ver - bunden iſt, ſo trit die gewöhnliche Verjährung der Verbrechen ein****)L. 39. §. 5. D. ad L. Jul. de adult. Praeſcriptione quinque annorum crimen inceſti conjunctum adul - terio non committitut..

§. 74.58I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abſchnitt.
§. 74.

Die Verjährungszeit läuft von dem Mo - ment an, wo die Uebertretung geendigt iſt. Die Verjährung fortgeſetzter Verbrechen läuft daher von der Endigung des letzten Aktes, die Verjährung des Verſuchs von der letzten Hand - lung, bey welcher der Verſuch ſtehen geblie - ben iſt, das Verbrechen der Hülfsleiſtung bey einer fremden Uebertretung von der Zeit an, wo die Hülfe wirklich geleiſtet wurde. Die Berechnungsart dieſes Zeitraums iſt übrigens nicht blos in Anſehung ſeines Anfangs, ſon - dern auch in Anſehung der zu zählenden Zeit - theile, blos die natürliche (tempus naturale ra - tione initii-ratione curſus)*)Aeltere behaupten das Gegentheil. Vergl. Hal - lacher l. c. §. 5.. Dabey kommt es nicht darauf an, ob es dem Gericht, während dem Zeitlauf möglich war, die Criminalge - walt gegen den Verbrecher auszuüben, oder nicht**)Das Gegentheil meynt mit andern Engau a. O. §. 116..

§. 75.

2) Die Verjährungszeit darf nicht unter - brochen worden ſeyn. Sie wird unterbrochen durch jede Handlung der richterlichen Crimi - nalgewalt des Staats, welche in der Abſicht geſchieht, das begangene Verbrechen zu un - terſuchen und zu beſtrafen. Sie wird alſo im Unterſuchungsproceſs ſchon durch die Gene -ralin -59Von d. rechtlichen Dauer e begang. Verb. ralinquiſition*)Die Meiſten laſſen nur die Specialinquiſition die Verjährung unterbrechen. Engau a. O. §. 108. Koch inſt. jur. crim. §. 975. Klein p. R. §. 186., oder im Anklagproceſs durch Citation des Verbrechers unterbrochen. Hand - lungen einer Privatperſon, z. B. Ueberreichung der Klaglibells) unterbrechen ſie eben ſo we - nig, als Handlungen des Staats, die nicht auf Beſtrafung des begangenen Verbrechens ab - zwecken. Von der Endigung der letzten ge - richtlichen Handlung an läuft die Verjährung von neuem, ohne Rückſicht, ob der Ueber - treter der wirklichen Beſtrafung durch eine rechtswidrige Handlung oder wegen Mangel der Anzeigen entgangen iſt**)Dagegen Engau a. O. §. 114. u. 115..

§. 76.

Der Verjährung ſind alle Verbrechen un - terworfen ohne Ausnahme, ohne Rückſicht auf die Gröſse ihrer Strafbarkeit oder auf die Beſchaffenheit der Perſon***)Ueber den ſcheinbaren Widerſpruch der L. 10. D. ad L. Pompejam de parricidis: namque eos, qui par - ricidii poena teneri poſſunt, ſemper accuſare permitti - tur eodem Scto. vergl. Matthaei de crimin. L. XLVIII. c. 4. Nr. 2. Meiſter pr. jurispr. crim. Sect. 3. c. 29. §. 873. Overbeks Meditationen über verſchiedthe Rechtsmaterien. IV. Bd. Med. 189..

§. 77.

Alle dieſe Gründe heben das Daſeyn des Verbrechens als eines ſolchen völlig auf. DerVer -60I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abſchnitt. Verbrecher muſs daher in ſeine bürgerlichen Rechte wieder eingeſetzt werden. Keine Zunft hat ein Recht, ihm die Wiederaufnahme zu verſagen und wer ihm das Verbrechen vor - wirft, um ihn dadurch zu beſchimpfen, be - geht eine Ehrenverletzung. Die privatrecht - lichen Folgen werden aber durch keinen dieſer Gründe getilgt. Dieſe ſind nur den Grund - ſätzen von den Veränderungen der Rechte im Privatrechte unterworfen.

§. 78.

Der phyſiſche Grund der Tilgung des Ver - brechens iſt der Tod des Verbrechers. Aber nicht unbedingt. I. Stirbt der Verbrecher vor angefangener Unterſuchung oder vor ge - ſprochener Sentenz; ſo kann nach ſeinem Tod weder die Unterſuchung eröffnet, noch fort - geſetzt werden; ausgenommen iſt beſonders das Verbrechen des Hochverraths*)L. 11. D. ad L. Jul. Maj. Is, qui in reatu decedit, integri ſtatus decedit. Extingnitur enim crimen mortalitate: niſi forte quis Majeſtatis reus fuit. Nam hoc crimen, niſi a ſucceſſoribus purgetur, hereditas fisco vindicatur.. II. Stirbt er nach geſprochener verdammender Sentenz, ſo haftet die Strafe, wenn ſie Geldſtrafe iſt, auf ſeinem Vermögen und geht mit dieſem auf die Erben über. Bey beſonders ſchweren Capi - talverbrechen nimmt auch die Obſervanz eine Beſtrafung im Tode an.

Sieben -61I. Buch. II Theil. I. Titel. VII. Abſchnitt.
Siebenter Abſchnitt. Von der allgemeinen rechtlichen Folge der Ver - brechert.
§. 79.

Der Stand der Ehre und insbeſondere des guten Namens gründet ſich auf die Rechtlich - keit des Menſchen. Er muſs ſo lange in die - ſem Stande geſchützt werden, als er nicht ſeine Unrechtlichkeit bewieſen hat. Durch ein do - loſes Verbrechen zeigt eine Perſon Gering - ſchätzung der Geſetze, Nichtachtung der Rechte anderer und beweiſt alſo durch Hand - lungen ihre Unrechtlichkeit. Die nothwendige allgemeine Folge eines jeden Verbrechens iſt da - her Verluſt des Standes der Ehre, Ehrloſigkeit*)L. 7. D. de publicis judiciis. Infamen non ex omni crimine ſententia facit, ſed ex eo, quod judicii publi - ci cauſam habuit.. Blos bey Privatverbrechen nehmen die Geſetze eine Ausnahme an.

§. 80.

Die gemeine Volksmeynung in Deutſch - land betrachtet die Ehrloſigkeit nicht als Folge eines Verbrechens, ſondern als Wirkung ge - wiſſer Strafen. In der Regel infamiren da - her nach ihr nur ſolche Verbrechen, auf de -nen62I. Buch. II. Theil. I. Titel. VII. Abſchnitt. nen eine von dem Henkerknecht zu exequirende Strafe ſteht*)Kleinſchrod a. O. Thl. III. §. 87. ff.. Der Rechtsgelehrte kann aber nicht nach dieſer Volksmeynung ſprechen, ſondern muſs, nach den Geſetzen und nach der Natur der Sache, den Verluſt des Rechts auf Ehre und guten Namen, mit allen recht - lichen Folgen dieſes Verluſtes bey jedem öf - fentlichen Verbrechen anerkennen, ſo lange nicht entweder beſondere Geſetze, oder ein Richterſpruch eine Ausnahme machen**)Wer dagegen einwenden wollte: beruht nicht Infamie auf der Volksmeynung? wie könnt Ihr alſo, wie kann ſelbſt ein Geſetzgeber über die Meynung des Volks gebieten? der würde nur beweiſen, daſs er das Weſen der Ehrloſigkeit im rechtlichen Sinne gar nicht kenne. Die Ehrloſigkeit beſteht in dem Verluſt des Rechts auf Ehre. Ein Recht aber kann ſeinem Daſeyn und ſeinem Verluſt nach blos von Rechtsgründen; nicht von des Pöbels Meynung an - hängig ſeyn und wenn ſich dieſe Meynung bis in das graneſte Alterthum verlöre. Der Richter kann freylich ſo wenig als ein Geſetzgeber gebieten, wen das Volk als infam verachten oder nicht verachten ſoll; das Recht auf bürgerliche Achtung aber kann er gar wohl gegen dieſe Meynung beſtimmen. Manchem Verbrecher wurde ſchon der Pranger zur Ehren - bühne; wird ihn darum ein Richter für weniger infam halten? Nun? und die Ehrloſigkeit ſoll doch von der Vollksmeynung abhängig ſeyn? Laſst uns alſo immer mit Conſequenz behaupten, daſs die Geſetze, welche für jedes Verbrechen Infa - mie beſtimmen, in Deutſchland nicht aufgehoben ſind.

Vorbehaltung der Ehre.

Zwey -[63]

Zweyter Titel. Von der Natur des Strafgeſetzes und deſſen Anwendung.

Erſter Abſchnitt. Von dem Strafgeſetze und deſſen Anwendung überhaupt.
§. 81.

Strafgeſetz (lex poenalis) im weitern Sinn, heiſst jedes Geſetz, das ſich auf Verbrechen und de - ren Beſtrafung bezieht. Im engern Sinn iſt es ein Geſetz, welches eine Strafdrohung gegen geſetzwidrige Handlungen zu ſeinem Inhalte hat und beſteht in der kategoriſchen Erklärung der Nothwendigkeit eines ſinnlichen Uebels auf den Fall einer beſtimmten Rechtsverletzung. Dieſes Strafgeſetz hat eine doppelte Beziehung 1) auf alle Bürger als mögliche Verbrecher, welche es abzuſchrecken ſucht; 2) auf die Staatsbeam - ten, welche die richterliche Gewalt haben, denen es die Verbindlichkeit zur Anwendung der Drohung auferlegt.

Feuerbach Reviſion. Thl. I. Kap. II.

§. 82.64I. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 82.

Aus der Natur eines Geſetzes überhaupt flieſsen für das Strafgeſetz die Hauptbe - ſtimmungen: 1) das Strafgeſetz iſt gültig durch ſich ſelbſt. Seine Anwendung kann nicht erſt abhängen von einer beſondern Beurtheilung ſeiner Zweckmäſsigkeit oder Rechtmäſsigkeit. 2) Das Strafgeſetz iſt gültig für alle in demſel - ben enthaltenen Fälle. Kein Fall, der unter das Geſetz paſst, iſt ausgeſchloſsen, als wenn er durch einen geſetzlichen Grund ſelbſt ausge - ſchloſsen iſt.

§. 83.

Das Medium der Anwendung des Straf - geſetzes iſt das richterliche Urtheil; die Perſon, die daſſelbe anwendet, heiſst der Richter. Da nun das Geſetz für alle in demſelben enthal - tenen Fälle gültig, der Richter aber nur Diener des Geſetzes iſt, ſo folgt: daſs jedes richter - liche Urtheil nur durch geſetzliche Gründe be - ſtimmt werden darf, und alſo ſelbſt in dem Willen des Geſetzes gegründet ſeyn muſs. Alſo kann 1) die Sentenz einen Angeſchuldigten nur dann losſprechen, wenn das Geſetz ſelbſt ihn losſpricht und dieſes letzte gewiſs iſt*)Daraus läſst ſich über die transactio pro redimenda vexa entſcheiden. Dafür Boehmer ad Carpzov. Q. 148. Obſ. 1. Quiſtorp peinl. R. Thl. I. §. 104. Dagegen mit Recht Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 126.; ſie kann ihm aber auch 2) nur diejenige Strafe zuerkennen, welche geſetzlich nothwendig iſt. Willkührliche Verwandlung oder Milderungund65V. d. Strafgeſetzen u. deſſen Anwendung. und Schärfung der Strafe iſt ungerecht. Zu dieſen allen muſs ein geſetzlicher Grund vor - handen ſeyn, der entweder a) in einem aus - drücklichen Geſetz oder b) in der Natur des Geſetzes überhaupt zu ſuchen iſt*)Ueber das angebliche Recht des Richters die Strafe zu erhöhen, um von der Infamie zu befreyen. L. 13. §. 7. D. de his qui notant. infam. L. 10. §. 2. D. de poenis (L. 4. C. ex quibus cauſ. infam. L. 15. pr. D. ad. municip. ) L. 63. D. de furtis. Vergl. Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 129..

§. 84.

Die verſchiedene Beſchaffenheit des Straf - geſetzes beſtimmt die Verſchiedenheit des Umfangs der richterlichen Gewalt. Das Ge - ſetz kann I. das Strafübel ſpecifiſch beſtimmen, welches auf die That folgen ſoll beſtimmtes Strafgeſetz (lex p. determinata). Es kann aber auch II. ein Uebel drohen, ohne das Uebel ſelbſt ſpecifiſch zu beſtimmen unbeſtimmtes Strafgeſetz (l. p. indeterm.) In dieſem Fall droht es 1) entweder verſchiedene Strafen alter - nativiſch relativ-unbeſtimmtes Strafgeſetz (l. p. relative indet. ) oder 2) es beſtimmt in keiner Rückſicht die Strafe abſolut unbe - ſtimmtes Strafgeſetz (l. p. abſol. indeterminata).

§. 85.

I. Das beſtimmte Strafgeſetz erklärt die Noth - wendigkeit, der Verknüpfung eines beſtimmten Uebels mit einer beſtimmten Uebertretung. (§. 84.) Da nun die Sanktion des Geſetzes für alle unter demſelben enthaltenen Fälle gilt (§. 82.), ſo kann für eine concrete, einem be -ſtimm -E66I. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ſtimmten Strafgeſetz unterworfene Uebertre - tung die Gröſse der Strafe nur aus und nach dem beſtimmten Geſetze ſelbſt determinirt werden.

§. 86.

II. Die Natur des unbeſtimmten Strafge - ſetzes verſtattet der richterlichen Gewalt einen gröſsern Spielraum. Das Geſetz beſtimmt hier nicht ſelbſt vollſtändig das Strafübel; gleich - wohl kann der Geſetzgeber nicht wollen, daſs der Richter nach blinder Willkühr ſtrafe Da nun aber in dem einzelnen Geſetze ſelbſt kein Princip für die Beſtimmung der Gröſse der Strafe enthalten iſt; ſo muſs der Richter ſelbſt nach einem, auſſerhalb des ſpeciellen Geſetzes liegenden Princip die Gröſse der Strafen be - ſtimmen. Bey dem relativunbeſtimmten Strafgeſetz darf er nur zwiſchen den verſchie - denen von dem Geſetz angedrohten Strafen nach jenen Principien wählen: bey dem ab - ſolutunbeſtimmten Strafgeſetz darf er auf jede Strafe erkennen*)Selbſt auf die Todesſtrafe: L. 13. D. de poenis. hodie licet ei, qui extra ordinem cognoſcit, quam vult ſententiam ferre. L. 7. §. 3. ad L. Iul. rep. Hodie ex Lege repetundarum extra ordinem puniuntur. et plerumque vel exilio puniuntur, vel etiam durius, prout admiſerint. Quid enim, ſi ob hominem necandum pecuniam acceperint? Capite plecti debent, vel certe in inſulam de - portari. Dieſen Geſetzen ſteht eben ſo wenig die L. 11. D. de poenis, als die P. G. O. Art. 104. entgegen, of. Boehmer ad Art. 105. §. 2. C. C. C., ſobald ſie nur jenen allgemei - nen Principien der Strafbarkeit angemeſſen iſt.

Zwey -67I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyter Abſchnitt. Von den Bedingungen und der Art der Anwen - dung der Strafgeſetze insbeſondere.
Erſte Abtheilung. Von den Bedingungen der Anwendung des Strafgeſetzes überhaupt, oder von den Gründen der abſoluten Strafbarkeit.

Feuerbach Reviſion Thl. II. Kap. VI. und VII.

§. 87.

Die Gründe, von welchen die rechtliche Möglichkeit der Anwendung eines Strafge - ſetzes überhaupt, alſo der Zufügung einer Strafe abhängt, heiſsen Gründe der abſoluten Strafbarkeit und ſind theils objectiv, theils ſub - jectiv.

I. Objectiver Grund der abſoluten Strafbarkeit.
§. 88.

I. Der objective Grund aller Strafbar - keit iſt die Exiſtenz einer Thatſache, welche un - ter der Drohung eines Strafgeſetzes enthalten iſt. (§. 24. II.) Eine Handlung, die unter keinem Strafgeſetze ſteht, hat vor dem Gerichtshof desE 2äuſ -68I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. äuſſern Rechts keine Strafbarkeit*)Es giebt eine bürgerliche Strafbarkeit der Hand - lungen in der Vorſtellung des Geſetzgebers. Dieſe ſetzt natürlich kein Strafgeſetz voraus, aber von ihr iſt hier nicht die Rede.. Die ob - jective Beurtheilung der Strafbarkeit einer in concreto vorkommenden Handlung hängt da - her von der Vergleichung derſelben mit den Merkmalen der in dem Geſetz vorausgeſetzten rechtswidrigen Handlung ab. Sie iſt nur dann Verbrechen, wenn ſie die Merkmale an ſich trägt, welche in dem Begriffe derjenigen Hand - lung enthalten ſind, an die das Geſetz die Strafe als rechtliche Folge geknüpft hat.

§. 89.

Der Inbegriff der Merkmale einer concre - ten Handlung oder Thatſache, welche in dem geſetzlichen Begriff von einer beſtimmten Art rechtswidriger Handlungen enthalten ſind, heiſst der Thatbeſtand des Verbrechens (corpus delicti)**)Des Worts Thatbeſtand bedient man ſich noch in andern Bedeutungen, in welchen es von den Rechtsgelehrten gar nicht gebraucht werden ſollte. Man verſteht darunter oft 1) das Inſtrument, mit welchem das Verbrechen verübt wurde, 2) diejeni - gen Gegenſtände oder Thatſachen, aus welchen man auf die Exiſtenz eines gewiſſen Verbrechens ſchlieſsen kann, z. E. blutige Kleider, beym Mord; 3) das Object, an welchem die That begangen wurde, 4) den bloſsen Inbegriff derjenigen That - ſachen, welche den rechtswidrigen Effect des Ver - brechens ausmachen. Boehmer ad art. 6. §. 10. C. C. C. Klein Grundſ. d. peinl. R. §. 68.. Die objective Strafbarkeithängt69V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit. hängt daher von der Exiſtenz des Thatbeſtan - des eines Verbrechens überhaupt, die Anwen - dung eines einzelnen Geſetzes auf einen be - ſtimmten Fall von demjenigen Thatbeſtande ab, den das anzuwendende Geſetz als Bedingung ſeiner rechtlichen Folge vorausſetzt.

§. 90.

Der Thatbeſtand der Verbrechen iſt ver - ſchieden nach Verſchiedenheit des geſetzlichen Begriffs der Verbrechen. Gewöhnlich gehört zum Thatbeſtande 1) ein beſtimmter ge - ſetzwidriger Erfolg der Handlung*)Es giebt Uebertretungen, wo dieſes nicht zum That - beſtande des Verbrechens gehört. Das verſuchte Verbrechen z. E. iſt auch ein Verbrechen, weil die Handlung, die auf die Vollendung einer Rechtsver - letzung gerichtet iſt, an und für ſich ſelbſt unter einem Strafgeſetze ſteht. Ein rechtswidriger Effect aber gehört ſo wenig in den Begriff dieſer Ueber - tretung, daſs er dieſem Begriff ſogar widerſpricht.; oft aber auch 2) gewiſſe ſubjective (in dem Gemüth des Verbrechers liegende) Gründe der rechtswidri - gen Handlung, welche entweder a) in einer be - ſtimmten Abſicht**)z. E. beym Diebſtahl animus lucri faciendi etc., oder b) in einer beſtimm - ten Art der Willensbeſtimmung beſtehen***)So hängt z. E. der Begriff des Todſchlags davon ab, daſs die Tödung im Affect geſchehen iſt. Hat ein Geſetz den Dolus ſo nothwendig in den Begriff des Verbrechens aufgenommen, daſs ein culpoſes Verbrechen dieſer Art entweder ſchlechthin, oder doch ohne den Namen ſelbſt zu verlieren, un - möglich iſt, ſo gehört auch Dolus zum Thatbeſtandedes. Immer70I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Immer gehören 3) gewiſſe Merkmale der äuſ - ſern Handlung an und für ſich ſelbſt, zum Thatbeſtande eines Verbrechens.

§. 91.

Die Strafbarkeit einer concreten Handlung hängt davon ab, daſs an ihr der Thatbeſtand eines Verbrechens vorhanden iſt (§. 89.) Ein Strafgeſetz, alſo auch eine Strafe, kann nicht zur Anwendung kommen, wenn nicht die vorkommende Handlung, unter einem Straf - geſetze ſteht oder eine unter dem Strafgeſetz ſtehende Handlung nicht vorhanden iſt. Die juridiſche Exiſtenz einer Handlung hängt aber von dem juridiſchen Beweis derſelben ab. Für den Richter als Richter iſt eine Thatſache, die nicht juridiſch erwieſen iſt, gar nicht vorhan - den. Ein Menſch kann daher ſo wenig be - ſtraft werden, wenn der Beweis der angeb - lich von ihm vollzogenen und unter einem Strafgeſetz ſtehenden Handlung, juridiſch un - vollſtändig iſt, als er beſtraft werden kann, wenn gar kein Grund für die Exiſtenz der bedrohten That vorhanden iſt. Strafe bey unvollkommenem Beweis iſt rechtswidrig, gleichviel ob man die Strafe des Geſetzesoder***)des Verbrechens. Bey Verbrechen aber, die auch culpoſe begangen werden können, kann man den Dolus nicht zum Thatbeſtande rechnen. Er iſt dann, ſo wie die Culpa, blos ein Grund, von welchem der Grad der Strafbarkeit abhängt. Alle ſolche ſubjectiven Gründe aber können nicht zu dem Thatbeſtande, vermöge ſeines Begriffs, ge - rechnet werden.71V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit. oder eine von derſelben abweichende gelindere (auſſerordentliche) Strafe anwendet*)Neuere geben zwar zu, daſs man bey unvollkomm - nem Beweis nicht ſtrafen dürfe; aber ſie erkennen doch als Richter auf Sicherungsmittel, wovon ſich ſehr viele Beyſpiele in den Halliſchen Rechtsſprüchen von Klein finden. Wer macht denn den Richter zum Polizey meiſter? wer gab ihm, der doch nur Cri - minalgeſetze anzuwenden hat, das Recht, Verfügungen zur künftigen Sicherheit des Staats zu treffen? Die Gründe, mit denen man bisher die Einwen - dungen gegen dieſe Anmaſsung erwiedert hat, ſind von der Art, daſs man ſie füglich ihrem eignen Schickſal überlaſſen kann. Daſs bey unvoll - ſtändigem Beweis nicht auf Strafe erkannt werden dürfe, erklären ſelbſt ausdrückliche Geſetze. L. 5. D. de poenis L. 16. C. eod. L. 4. C. ſi ex falſis inſtru - mentis. Wenn man andere dagegen anführt, und glaubt, daſs ſich wenigſtens das R. R. nicht gleich ſey, da es auch Verdammung ex manifeſta ſide et indiciis evidentibus ex indiciis ad probationem indu - bitatis et luce clarioribus zulaſſe, wie L. 34. C. ad L. Iul. de adult und L. 5. C. de probationibus; ſo irrt man ſehr. Dieſe Geſetze erlauben keineswegs einen unvollkommenen Beweis, ſondern ſie verlangen einen vollkommnen Beweis, nemlich einen vollkomm - nen künſtlichen Beweis, welches die Worte ſelbſt hinlänglich beweiſen. Nach dem RR entſteht alſo auch aus dem Zuſammenfluſs von Indicien eine volle juridiſche Gewiſsheit und blos unter Voraus - ſetzung einer ſolchen Gewiſsheit erkennt es ein Recht zu Strafe. Allein unſre deutſche Geſetz - gebung P. G. O. Art. 22. ſchränkt die juridiſche Gewiſsheit in Anſehung der Beſtrafung auf einen nichtkünſtlichen Beweis ein, indem ſie verordnet, daſs niemand auf einigerley Anzeigung, Argwohns Wahrzeichen, oder Verdacht endlich zu peinlicher Strafe ſoll verurtheilt werden. Nach deutſchem Recht kann daher auch dann nicht geſtraft werden, wenn ſelbſtvoller.

II.72I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
II. Subjective Gründe der abſoluten Strafbarkeit.
§. 92.

II. Der ſubjective Grund aller Straf - barkeit, beſteht in der Gemüthseigenſchaft des Uebertreters, vermöge welcher für den vorliegen - den Fall der Uebertretung in ihm die phyſiſche Möglichkeit der Wirkſamkeit des Strafgeſetzes begründet war. Zur Beſtrafung eines äuſſer - lich dem Strafgeſetz widerſprechenden Fac - tums wird alſo ein Gemüthszuſtand voraus - geſetzt, in welchem es möglich war, daſs der Uebertréter von ſeiner That abgeſchreckt wer - den konnte. Denn das Strafgeſetz iſt gege - ben zur Abſchreckung; für den Fall, wo esunmög -*)voller natürlicher Beweis exiſtiren ſollte Wegen der Worte zu peinlicher Strafe etc. glaubt man, daſs in geringern Verbrechen, auf denen eine bür - gerliche Strafe im Sinne des Deutſchen Particu - larrechts ſteht, aus unvollkommnem Beweis geſtraft werden dürfe, wie Kleinſchrod über die Wir - kungen eines unvollkommnen Beweiſes in peinlichen Sachen. In den Abb. aus dem p. Recht I Thl. Nr. 1. §. 7. be - hauptet. Allein die P. G. O. kennt keinen Unter - ſchied zwiſchen bürgerlicher und peinlicher Strafe in dem Sinne des deutſchen Particularrechts, ſondern die bürgerliche und peinliche Strafe, deren ſie zuweilen erwähnt, iſt blos die Römiſche poena pu - blica im Gegengeſetz der poena privata. Dies er - giebt ſich deutlich aus der P. G. O. Art. 138. 157. und 158. Auſſer den angeführten Kleinſchrodi - ſchen Abh. vergl. hierüber Weismantel Diſſ. de condemnatione facinoroſorum ex indiciis. Erf. 1791. Holzſchuher ab Harrlach Diſſ. de poena ex - traordinaria deficiente plena criminis probatione neuti - quam decernenda. Altorf 1799. Die Halliſchen Preis - ſchriften ſind noch zu erwarten.73V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit. unmöglich und undenkbar iſt, daſs es dieſen Zweck erreiche, kann alſo auch das Strafge - ſetz nicht gegeben ſeyn. Nun hängt aber die Möglichkeit der Zufügung einer Strafe davon ab, daſs der Fall von dem Geſetz bedroht worden iſt (§. 24. II. ); alſo kann nur unter Vorausſetzung der Abſchreckungsmöglichkeit ein Rechtsgrund der Zufügung der Strafe vor - handen ſeyn. Die Gemüthseigenſchaft, welche die Strafbarkeit eines Menſchen begründet, heiſst die Imputativität.

§. 93.

Das Strafgeſetz ſoll durch die Vorſtellung des künftigen Uebels auf das Begehrungsvermögen wirken und dieſes abhalten, die That zu wol - len. Die Bedingungen der Imputativität ſind alſo 1) das Bewuſtſeyn der Strafbarkeit der Handlung, welches a) die Vorſtellung des Strafgeſetzes ſelbſt in dem Momente der Wil - lensbeſtimmung, und b) die richtige Subſum - tion der Handlung unter das Geſetz, vorausſetzt. Die andere Bedingung iſt 2) die Möglichkeit des Einfluſses der Vorſtellung von der Strafbar - keit auf die Unterlaſſung der That. Konnte nach Geſetzen der äuſſern oder innern Natur ſelbſt die gegenwärtige Vorſtellung der Strafe die That nicht verhindern, ſo iſt keine Straf - barkeit vorhanden*)Mündlich von der gewöhnlichen Freyheitstheorie und von Kleins heroiſcher Freyheit..

§. 94.

Eine Rechtsverletzung kann begangen werden, ſowohl aus Dolus, als aus Culpa. Die74I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Die culpoſe iſt ſo wie die doloſe Verletzung nur ſtrafbar, weil ſie durch ein Strafgeſetz be - droht worden iſt. Da nun das Strafgeſetz zur Beobachtung des gehörigen Fleiſses, als Straf - geſetz denſelben Zweck der Abſchreckung haben muſs, wie das Strafgeſetz gegen den Dolus, ſo ſind (vermöge des §. 92.) die Be - dingungen der Imputativität überhaupt (§. 93.) ſowohl Bedingungen der Beſtrafung des Dolus, als der Culpa.

Vergleiche Titel I. Abſchn. V. §. 63.

§. 95.

Da eine Rechtsverletzung nicht blos dann ſtrafbar iſt, wenn ſich die Perſon mit dem Bewuſtſeyn der Strafbarkeit zu derſelben ſelbſt beſtimmt hat; ſondern auch dann, wenn ſie ſich, ohne die Rechtsverletzung zum Zweck zu haben, zu andern Handlungen beſtimmt hat, aus denen die Verletzung nach Natururſachen erfolgt (§§. 62 64); ſo iſt diejenige ſtrafbar, die zwar in einem Zuſtand der Nichtzurech - nungsfähigkeit das Verbrechen begeht, ſich aber durch eine zurechnungsfähige Uebertre - tung des Geſetzes gegen die Fahrläſſigkeit in den Zuſtand der Nichtzurechnungsfähigkeit verſetzt hat. Mithin fällt bey einem Verbrechen nur dann alle Strafbarkeit hinweg, wenn die Perſon weder die Rechtsverletzung ſelbſt unter den Bedingungen der Imputativität gewollt, noch auch, unter denſelben Bedingungen der Imputativität, ſich zu andern Handlungen oder Unterlaſſungen beſtimmt hat, durch die ſic in den Zuſtand der Nichtzurechnungsfähigkeit verſetzt worden iſt.

§. 96.75V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit.
§. 96.

Zu den einzelnen Zuſtänden, welche die Imputativität ausſchlieſsen, gehört demnach (vermöge §§. 93 95.) I. jeder unverſchuldete Gemüthszuſtand, der das Bewuſtſeyn der Straf - barkeit der That (die Vorſtellung des Geſetzes oder die Subſumtion unter daſſelbe) unmög - lich macht. Mithin wirkt Strafloſigkeit 1) der natürliche Zuſtand der Kindheit*)L. 5. §. 2. D. ad L. Aquil. L. 23. D. de furtis. L. 12. D. ad L. Corn. de ſicariis. P. G. O. Art. 179. Von den Verbrechen der Unmündigen und Minder - jährigen mündlich. Vergl. Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. I. §. 85. Bibliothek des peinl. Rechts. I Bd. 1 Stck. S. 35 ff. 2) der wider - natürliche Zuſtand der Kindheit (gewöhnlich) bey Taub - und Stummgebohrnen**)Kreſs von dem Recht der Taub - und Stummge - bohrnen. Helmſt. 1736. und völlig kindiſchen Greiſen; 3) Gemüthskrankheit, na - mentlich Raſerey und Wahnſinn***)L. 9. §. 2. ad L. Pomp. de parricidis. L. 27. §. 29. ad L. Aquil. L. 32. et 40. de R. J. L. 12. D. ad L. Corn. de Sic. P. G. O. Art. 179., nicht aber bloſse Einfalt, auch nicht partieller Wahn - ſinn, wenn nicht das Verbrechen in der fixen Idee ſelbſt, aus welcher dieſer Wahnſinn be - ſteht, ſeinen Grund hat****)Vom dilucido und obſcuro intervallo. Rivinus Diſſ. de homicidio, quamvis a furioſo commiſſo, poena ca - pir. puniendo. Lipſ. 1740.; 4) unverſchuldete höchſte Trunkenheit; 5) gerechter und im höch - ſten Grade tobender Aſſect*****)Weſtphal Grundſätze von der rechtlichen Beur - theilung der aus Hitze des Zorns unternommenen Hand - lungen. Halle 1784. 8., 6) ſchuldlo -ſer76I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. ſer Schlaf; 7) unverſchuldeter Irrthum oder Unwiſſenheit in Rückſicht auf das Daſeyn des Strafgeſetzes überhaupt, oder der Subſumtion der That unter daſſelbe (§. 64.)

§. 97.

II. Jeder unverſchuldete Zuſtand der Perſon, in welchem der Einfluſs des Strafgeſetzes zur Verhin - derung der That entweder pſychologiſch oder phy - ſiſch unmöglich iſt. Die Strafbarkeit fällt daher hinweg 1) wenn die Perſon durch ein gewiſſes und gegenwärtiges, dem Strafübel entweder gleiches oder daſſelbe überwiegendes Uebel zur That fortgetrieben wird. Ein ſolches Uebel kann a) durch die Natur bevorſtehen (Noth - fall)*)z. B. Diebſtahl in rechter Hungersnoth Tödung eines andern, um ſelbſt einer augenblicklichen Lebensgefahr zu entgehen u. ſ. w. Man könnte einwenden, die Wirkſamkeit des Strafgeſetzes ſey hier nicht unmöglich Der Menſch habe ja Frey - heit Gar wohl! aber man vergeſſe nicht, daſs wir in dem peinlichen Recht den Menſchen nur als Natur und ſinnliches Weſen betrachten können. Die Pſychologie iſt hier unſre Lehrerin, nicht die Metaphyſik Freyheit hat ihr Gebiet in der Moral. Nach pſychologiſchen Geſetzen, welche ſich auf die in - nere Natur des Menſchen beziehen. iſt in dem vor - ausgeſetzten Fall, wie auch ſchon Filangieri und an - dere bemerkt haben, eine Willensbeſtimmung durch die Vorſtellung des entfernten Strafübels nicht als möglich anzunehmen., oder es kann b) durch Menſchen bewirkt werden, welches ſtatt findet bey der compulſiven Gewalt eines andern, mit wel - cher er zur Begehung eines Verbrechensnöthigt77V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit. nöthigt*)z. E. Nothzucht durch Drohung bewirkt.. Sie fällt 2) hinweg, wenn die That blos durch den Körper bewirkt wurde, ohne daſs ihr ein Begehren zum Grunde lag. Da - hin rechne man den Zwang eines andern durch abſolute Gewalt (vis abſoluta).

§. 98.

Bey einer jeden, dem Geſetz äuſſerlich widerſprechenden That, wird die Imputativi - tät ſo lange präſumirt, bis das Gegentheil er - wieſen iſt. Aus ähnlichen Gründen, aus welchen auch Dolus präſumirt werden muſs (§. 68.)

Zwey -78I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyte Abtheilung. Von den Gründen der relativen Strafbarkeit.
Erſte Unterabtheilung. Von den Gründen der relat. Strafb. bey Anwendung einzelner Geſetze.
Erſtes Haupſtück. Bey Anwendung beſtimmter Strafgeſetze.

Tiraquellus de poenis legum ac conſuetudinum ſtatu - torumque temperandis aut etiam remittendis. Venet. 1560. et in Opp. T. VII.

C. G. Strecker Diſſ. de poteſtate judicis, poenas in delicta ſtatutas[miti]gandi etc. Erf. 1733.

P. J. Heisler. Diſſ. de juſtis poenas mitigandi cauſſis in criminibus. Hal. 1752.

G. B. Hoffmann Diſſ. de poena ordinaria nonnunquam mitiganda. Lipſ. 1762.

§. 99.

Bey beſtimmten Strafgeſetzen (§. 84. 85. ) hat der Geſetzgeber die rechtswidrige Handlung in abſtracto beurtheilt und nach dem Grad der Strafbarkeit, welcher der beſtimmten Art rechtswidriger Handlungen im Allgemeinen zukommt, die Art des Strafübels beſtimmt, welche die nothwendige rechtliche Folge der That ſeyn ſoll. Bey beſtimmten Strafgeſetzenkann79Relative Strafb. Milderungsgründe. kann daher die Gröſse der Strafbarkeit einer von dem Geſetz bedrohten concreten Ueber - tretung nicht nach allgemeinen Principien, ſondern lediglich durch das Geſetz beſtimmt werden Es kann alſo nur eine ſolche Strafe zuerkannt werden, welche aus dem beſtimm - ten poſitiven Geſetze ſelbſt als nothwen - dig erkannt wird.

§. 100.

Da ein Geſetz das, was es erklärt, mit Noth - wendigkeit beſtimmt, da das Urtheil des Rich - ters nicht über dem Urtheil des Geſetzes iſt und die Anwendung eines Geſetzes nicht erſt von der Beurtheilung der Zweckmäſsigkeit oder Rechtmäſsigkeit deſſelben in concreto abhän - gen kann, (§. 82.); ſo zeigt ſich die Nothwen - digkeit: daſs die geſetzlich beſtimmte Strafe an - gewendet werde, ſobald die in dem Geſetz vor - ausgeſetzten Merkmale des Verbrechens an einer concreten Handlung exiſtiren und kein höhe - rer rechtlicher Grund zur Anwendung kommt, welcher die Nothwendigkeit einer Ausnahme be - gründet. Denn das Geſetz hat das beſtimmte Uebel, an die beſtimmten geſetzlichen Merk - male der Handlung als nothwendige Folge ge - knüpft.

§. 101.

Wenn Gründe da ſind, bey einem unter dem beſtimmten Strafgeſetz enthaltenen Fall von der geſetzlichen Strafe abzuweichen, ſo exiſtirt eine Strafänderung. Dieſe iſt Beſtim - mung einer der Qualität (der Gröſse) nach von dem geſetzlichen Strafübel verſchiedenen Strafefür80I. Buch. II. Theil. II. Titel II. Abſchnitt. für einen unter dem beſtimmten Strafgeſetz ent - haltenen Fall*)Die Strafänderung unterſcheidet ſich daher genau von der Strafverwandlung. . Sie begreift 1) die Straf - milderung (mitigatio poenae), die Beſtim - mung eines der Qualität nach geringeren Straf - übels für einen unter dem beſtimmten Geſetz enthaltenen Fall**)Der Begriff von Milderung paſst daher ſo wenig auf Beſtrafung bey Anwendung unbeſtimmter Straf - geſetze, als bey gelindern Strafen für Fälle, die gar nicht unter einem gewiſſen beſtimmten Geſetz enthalten ſind. Vergl. Feuerbach Rev. Thl. I. S. 223. ff. und Heisler Diſſ. de juſtis poenas mitigandi cauſis. §. 1. ſq. Der Unterſchied der Strafmil - derung von Begnadigung, Abolition etc. ergiebt ſich von ſelbſt., 2) die Strafſchärfung, die Beſtimmung eines der Qualität nach gröſsern Strafübels für einen unter dem be - ſtimmten Geſetz enthaltenen Fall.

I. Von der Milderung.
§. 102.

Der Richter kann von der geſetzlichen Strafe für einen unter dem beſtimmten Geſetz enthaltenen Fall nur dann abweichen, wenn ein geſetzlicher Grund dazu vorhanden iſt***)Ein angeblicher Milderungsgrund, der dieſe Eigenſchaft nicht hat, iſt eine cauſa mitigandi ſpuria. Da wir im peinlichen Recht es nur mit rechtlichen Beſtimmungen zu thun haben, ſo iſt die Einthei - lung, in Milderungs und aus Gnade und aus Gerechtigkeit (mit. ex capite gratiae ex cap. juſtitiae) für das peinl. Recht ganz untauglich.. Ein81Relative Strafb. Milderungsgründe. Ein ſolcher rechtlicher Milderungsgrund kann enthalten ſeyn 1) in der Natur des beſtimmten Strafgeſetzes ſelbſt, 2) in der ausdrücklichen Erklärung eines Geſetzes. Ein politiſcher Grund kann kein rechtlicher Grund der Milderung ſeyn.

§. 103.

Geſetzliche Gründe, welche eine Milde - rung bey allen Verbrechen begründen, heiſsen allgemeine Milderungsgründe (c mit. communes); ſolche, die nur bey beſondern Verbrechen Milderung begründen, heiſsen beſondere (c. mit. propriae). Hier nur jene.

Cauſae mit. extrinſecae intrinſecae.

§. 104.

A. Aus der Natur des beſtimmten Strafge - ſetzes, ergiebt ſich als Milderungsgrund der Mangel an den geſetzlich beſtimmten ausdrück - lichen Merkmalen*)Unter den ausdrücklichen Merkmalen der That verſtehe ich 1) ſolche die das Geſetz ſelbſt unmit - telbar angiebt. 2) ſolche, die ſich nach den vor - liegenden Datis, auf dem Wege der hiſtoriſchen In - terpretation, als Vorauſſetzungen der ordentlichen Strafe erweiſen laſſen. z. B. Wenn das Geſetz nur das Verbrechen nennt, ohne die Requiſite beſon - ders anzugeben, uns aber der Sprachgebrauch be - ſtimmt, was ſich der Geſetzgeber gedacht habe. Ein anderes Beyſpiel giebt die P. G. O. Art. 125. Hier nennt zwar nur Carl die Brandſtiftung; aber wir finden bald, daſs er das Röm. Recht im Blicke hatte und hier zeigen ſich die nähern Merkmale und Requiſite zum vollen Begriff der Brandſtiftung. (Requiſiten) der That,anF82I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. an welche das Geſetz die ordentliche Strafe ge - knüpft hat. Denn die Gröſse der Strafe in dem Geſetz wird beſtimmt durch die Gefährlich - keit der That, welche aus den in dem Geſetz benannten Merkmalen erkannt wird. Die volle Strafe correſpondirt alſo nur allen ge - ſetzlichen Requiſiten der That zuſammenge - nommen. Wenn aber gewiſſe geſetzliche Merkmale der That nicht exiſtiren, während andere vorhanden ſind, ſo iſt darum die Hand - lung nicht völlig ſtraflos, weil ſie durch die noch vorhandenen Requiſite unter dem Geſetze ſteht und jedes einzelne vorausgeſetze Requiſit vom Geſetz als ein Grund der Strafbarkeit be - trachtet wird*)Denn das Geſetz nahm jedes einzelne Requiſit der That als Vorauſſetzung bey der von ihm beſtimm - ten Strafe auf; jedes einzelne Requiſit wirkt alſo in der Vorſtellung des Geſetzgebers auf die Beſtim - mung der geſetzlichen Strafe.. Da nun bey einer ſolchen Vorauſſetzung die volle Strafe nicht anwend - bar, auch nicht volle Strafloſigkeit vorhan - den iſt; ſo muſs eine gelindere Strafe angewen - det werden.

§. 105.

Aus dieſem Grund findet Milderung ſtatt 1) wenn die Nichtexiſtenz gewiſſer geſetzlichen Requiſite der That juridiſch gewiſs iſt. Man - gel an dem Thatbeſtande; 2 wenn für die Exi - ſtenz aller geſetzlichen Requiſite der That keine juridiſche Gewiſsheit vorhanden, alſo ein Theil der Requiſite erwieſen, ein anderer juridiſchzwey -83Relative Strafb. Milderungsgründe. zweifelhaft iſt. Ungewiſsheit des Thatbeſtan - des*)Es iſt z. B. gewiſs, daſs an einer Perſon zum Zweck der Wolluſtbefriedigung Gewalt geſchehen iſt, un - gewiſs aber, daſs der Beyſchlaf vollzogen oder juri - dilch gewiſs, daſs er nicht vollzogen worden iſt. Sind alle Requiſite des Thatbeſtandes einer Uebertretung zweyfelhaft, ſo fällt alle Strafe hinweg, aus demſelben Grunde, aus welchem ſie hinwegfallen muſs, wenn die Nichtexiſtenz derſeben erwieſen iſt. Denn der Nichtexiſtenz eines Factums iſt in foro externo die Unerweisbarkeit völlig gleich. Daſs Criminaliſten in Theorie und Praxis das Ge - gentheil annehmen, kann man ihnen nicht ver - denken..

§. 106.

Die Qualität der gemilderten Strafe muſs beſtimmt werden nach dem Geſetze ſelbſt. Nämlich, die ordentliche Strafe iſt ein Inbe - griff gewiſſer Uebel, welcher dem Grad der Gefährlichkeit correſpondirt, der aus allen Requiſiten der That zuſammengenommen ent - ſpringt. Jedes Requiſit einzeln genommen hat aber für ſich einen gewiſſen Grad der Ge - fährlichkeit und Strafbarkeit, ihm alſo corre - ſpondirt nur ein ihm proportionirter Theil der vollen Strafe. Da nun bey einem beſtimmten Strafgeſetz, die Strafbarkeit in concreto nach dem Geſetz ſelbſt beurtheilt werden muſs (§. 99.); ſo kann auch die Gröſse der gemilderten Strafe nur dadurch beſtimmt werden, daſs von der vollen Strafe ſo viel abgezogen wird, als den fehlenden Requiſiten correſpondirte. Sind daher alle einzelnen Requiſite, der Straf -F 2barkeit84I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. barkeit nach, einander gleich, ſo ſinkt die Strafe um ſo viele Grade, als der Zahl nach Requiſite mangeln; ſind ſie ungleich, ſo muſs die Beurtheilung der Gröſse der Strafbarkeit des fehlenden Requiſits den Grad beſtimmen, bis zu welchem die geſetzliche Strafe fällt*)Ausführlichere Beſtimmung und Erläuterung in Feuerbachs Rev. Thl. II. Kap 6..

§. 107.

B. Die poſitive Geſetzgebung beſtimmt nur zwey allgemeine Milderungsgründe. Dieſe ſind: 1) wenn der Verbrecher auſſer der Strafe durch die Staatsgewalt**)Nach Hrn. Klein[Grundſätzen] d. p. R. §. 174. ſoll die Qual welche dem Verbrecher das Verbrechen ſelbſt verurſacht, die Strafe mildern. Alſo die Gewiſſens - biſſe. Stelzer Grundſ. d. p. R. S. 204. glaubt, daſs der Verluſt des Vortheils, den der Verbrecher von der That erwartete, die Strafe mildere. Dage - gen Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 82. ſchon andere unver - ſchuldete Uebel in Beziehung auf ſeine Uebertre - tung erlitten hat***)L. 23. C. de poenis. Omnes. quos damnationis con - ditio diverſis exiliis deſtinatos, metas temporis prae - ſtituti in carceris impleſſe cuſtodia deprehenderit, ſolutos poena, vinculisque laxatos cuſtodia liberari praecipimus, nec formidare miſerias ullius exilii. Sit ſatis immenſorum cruciatuum ſimulluiſſe ſupplicia. L. 25. D. de poenis. Si diutino tempore aliquis in reatu fuerit, aliquatenus poena ejus ſublevanda erit. Sic enim con - ſtitutum eſt; non eo modo puniendos eos, qui longo tempore in reatu agunt, quam eos, qui in recenti ſen - tentiam excipiunt. Daſs hier reatus die Zeit derUnter -. Dahin gehört beſonders langes oder ſehr hartes unverſchuldetes Ge -fäng -85Relative Strafb. Milderungsgründe. fängniſs*)J. Chr. Kaulfuſs Diſſ. de carcere diuturno poe - nam criminalem temperante. Erf. 1742. Todesſtrafe ſoll, nach einiger Rechtslehrer Meynung, dadurch nicht gemildert werden. Weſtphal C. R. Anm. 37. Pufendorf pro. crim. C. 25. §. 37. Dagegen mit Recht Hommel Rhapſ. Obſ. 100. Quiſtorp Thl. I. §. 112. Milderung lebenswieriger Ge - fängniſsſtrafe läſst ſich aber aus dieſem Grunde nicht wohl denken, Klein a. O. §. 174. 2 Wenn der Urheber des Verbrechens noch unmündig war und die That aus jugend - licher Uebereitung begangen hat**)Nicht nach röm. Recht, wie ſich aus L. 1. C. adverſ. del. und L. 14. D. ad ſet. ſilan. ergiebt. Dieſe Beſtimmung flieſst aus der P. G. O. Art. 164., welche, obgleich nur von jungen Dieben redend, dennoch nach richtigen Regeln der Interpretation, auf alle Arten von Verbrechen ausgedehnt werden muſs.. Zeigte ſich bey ſeiner That ein hoher Grad von Ueberle - gung und eingewurzelten rechtswidrigen Triebfedern (erfüllte die Bosheit das Alter), ſo fällt der Grund des Geſetzes hinweg***)P. G. O. Art. cit..

II. Von der Schärfung.
§. 108.

Bey jeder Schärfung werden mit der von dem Geſetz angedrohten Summe von Uebeln, noch andere verknüpft. Die Schärfung ent -hält***)Unterſuchung bedeutet, ergiebt ſich ſchon aus den Schluſsworten des Geſetzes. In dieſem Sinne wird auch reatus in der L. 11. D. ad L. Jul. Maj. ge - nommen. Vergl. auch Kleinſchrodl. c. §. 101. Aus allgemeinen Principien läſst ſich dieſer Grund der Milderung nicht erweiſen, wie ich ehemals glaubte.86I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. hält alſo einen Zuſatz, der im drohenden Geſetze nicht enthalten iſt. Nun ſetzt aber je - des Strafübel voraus, daſs es durch ein Geſetz vorher angedroht ſey. Es iſt daher auch jede Schärfung der Strafe rechtlich unmöglich*)Wenn Verbrechen concurriren, ſo muſs freylich oft mit der ordentlichen Strafe des einen Ver - brechens noch ein ſchärfender Zuſatz verbunden werden, wie ſich weiter unten zeigen wird. Aber dies iſt nicht eigentlich Schärfung der Strafe jenes Verbrechens; ſondern der ſchärfende Zuſatz iſt ein Theil der ordentlichen Strafe eines andern eben - falls zur Anwendung kommenden Strafgeſetzes, oder deſſelben Strafgeſetzes, welches mehrmals übertreten worden iſt. Ein himmelweiter Unter - ſchied. cf. Gros Diſſ. de notione poenarum forenſium §. 18. Feuerbach Reviſion. Thl. I. S. 333. ff..

Anhang: Von falſchen Milderungsgründen und angeblichen Gründen der Schärfung.

Reinharth Diſſ. de cauſis, ob quas judex poteſtatem mitigandi poenas falſo ſibi arrogat. Erf. 1734.

§. 109.

Die Rechtslehrer kennen noch viele andere Milderungsgründe, welche die Noth und halbverſtandene Humanität erfunden hat**)Ich führe dieſe Gründe zur Notiz hiſtoriſch an, weil nichts ſo ſehr als ſie den bisherigen Geiſt der Wiſſenſchaft charakteriſirt und weil ſie dem künfti - gen Defenſor nützlich iſt. der alles mögliche für ſeinen Clienten ſagen muſs. Der verſtändige Rich - ter freylich muſs wiſſen, was er von dieſen Gründen zu halten hat.. Die wichtigſten ſind I. der verringerteGrad87Relative Strafb. Milderungsgründe. Grad der Strafbarkeit in concreto*)Beſonders gut ausgeführt von Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. Kap. V. §. 55 65. und Stü - bel peinl. Recht. Thl. II.. Dieſer wird angenommen 1) wenn der That eine un - gewöhnlich gute oder unſchuldige Abſicht zum Grunde liegt**)Klein p. R. §. 172., 2) wenn die Selbſtthätig - keit des Subjects (die Freyheit) bey der That beſchränkt iſt. (impedita libertas). Daher ſoll a) Schwäche des Verſtandes***)F. A. Hommel Diſſ. de temperandis poenis ob im - becillitatem intellectus. Lipſ. 1755. b) ſchlechte Erziehung, in wie fern von ihr die Bildung des Verſtandes abhängt****)Kleinſchrod a. O. Thl. I. §. 132. Thl. II. §. 61., c) hohes Alter†)Kleinſchrod a. O. Thl. I. §. 89. ſqq. Thl. II. §. 59., d) Schwäche des weiblichen Geſchlechts, wenn die That nicht beſondere Kraft zur Ueberwin - dung weiblicher Schüchternheit erfodert, e) Aſſect, vorausgeſetzt, daſs er nicht den höch - ſten Grad erreicht hat,††)Weſtphal Grundſ. von rechtlicher Beurtheilung der aus Hitze des Zorns unternommenen Handlungen. Halle 1784. f) Trunkenheit unter derſelben Bedingung, g) Verführung, h) heftiger äuſſerer Reitz, beſonders durch zufäl - lige dargebotene groſse Gelegenheit†††)Erxleben, in wiefern Gelegenheit zu Verbrechen die Strafe derſelben mildere. Gött. 1779. Püttmannpr. u. ſ. w. die Strafe mildern.

§. 110.88I. Buch. II. Theil. II. Titel II. Abſchnitt.
§. 110.

Das Hauptargument für dieſen Milde - rungsgrund, liegt in der Behauptung: daſs, da jede Strafe dem Grad der Moralität oder Gefährlichkeit der That in concreto angemeſſen ſeyn müſſe, um gerecht und zweckmäſsig zu ſeyn, die geſetzliche Drohung ſelbſt nur auf den - jenigen ſpeciellen Fall der That angedroht ſeyn könne, mit welchem ſie in Proportion ſteht, und mithin eine ſtillſchweigende Vorausſetzung der ordentlichen Strafe nicht exiſtire, ſobald die geſetzlich benannte Gattung des Ver - brechens in concreto einen Grad der Strafbar - keit zeigt, der mit der ordentlichen Strafe nicht in Verhältniſs ſteht*)Der Vf. glaubt hier den Hauptpunkt, auf welchen ſich die Gegner ſtützen können, ſchärfer und für ſie vortheilhafter dargeſtellt zu haben, als irgend einer von ihnen ſelbſt es gethan hat. Aber auch den ſcheinbar ſtrengſten Argumenten der Gegner kann man mit den Gründen der Reviſion kühn un - ter die Augen treten.. Allein: 1) ein beſtimm - tes Strafgeſetz knüpft, ſeiner ausdrücklichen Erklärung nach, die gedrohte Strafe an die von ihm benannten Merkmale der That, alſo an die ganze Gattung des Verbrechens**)Es wäre doch gar zu ſonderbar, wenn ein Ge - ſetzgeber eines beſtimmten Strafgeſetzes, überall ſeiner Erklärung nach, die Strafe der ganzen Gat - tung des benannten Verbrechens, alſo auch jedem einzelnen Fall, ſobald er die Merkmale der Gattung trägt, androhte; immer aber in ſeinem Sinn nur an eine einzelne Species der benannten Gattungdächte,;2);†††)pr. delinquendi occaſio, an et quatenus delictum ejusque poenam minuat. Lipſ. 1786. in Opuſc. Nr. 4.89Relative Strafb. Milderungsgründe. 2); die ganze Vorausſetzung, daſs die Strafe dem Grad der Strafbarkeit in concreto ange - meſſen ſeyn müſſe, beruht auf irrigen Begrif - fen von Strafe und Strafzweck, nämlich der Präventionstheorie oder der Idee einer mora - liſchen Vergeltung. Jede der Strafbarkeit der Gattung angemeſſene und geſetzlich angedroh - te Strafe, iſt auch immer in concreto gerecht, weil ſie angedroht iſt*)Es iſt daher ſchlechthin unmöglich zu begreifen, wie Rechtslehrer jene Theorien verwerfen und die von uns aufgeſtellte annehmen, gleichwohl aber eine Milderung wegen verringerter Strafbarkeit begün - ſtigen können. Dieſe ganze Milderungstheorie beruht lediglich darauf, daſs man ein Strafrecht(ent -. 3) Dieſe Vorſtellungs -art**)dächte, nämlich an denjenigen (wenn wir conſe - quent ſeyn wollen wunderſeltnen) Fall, wo ſub plena imputatione das Verbrechen begangen wor - den iſt. Noch ſonderbarer iſt, daſs der Geſetz - geber neben unbeſtimmte Geſetze beſtimmte hingeſtellt hat, da doch der Richter über dieſe ſo viel Macht hat, wie über jene, jene daſſelbe ſagen, was dieſe ſagen: nemlich ſtraft nach den allgemeinen Principien der Strafbarkeit! Das allerſonderbarſte aber betrifft die Rechtslehrer, die 1) einen gewiſſen Grad der Selbſtthätigkeit des Subjects bey der That, als conditio ſine qua non der ordentlichen Strafe vorauſſetzen, und ſich doch nicht die Mühe neh - men (es liegt wohl nur daran, daſs es unmöglich iſt) uns dieſe Vorauſſetzung, von der doch ſo viel abhängt, näher kenntlich zu machen; die 2) volle Selbſtthätigkeit (plena libertas) als Bedingung der ordemlichen Strafe nennen, zugleich aber eine Schär - fung annehmen, wenn die [Selbſtthätigkeit] be - ſonders groſs war, ſo daſs alſo (verſuche es nachzu - denken, wer kann!) eine Selbſtthätigkeit angenom - men wird, die noch ſelbſtthätiger iſt als volle (un - beſchränkte) Selbſtthätigkeit.90I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. art iſt nicht nur nicht in den poſitiven Geſetzen gegründet, ſondern ihnen gerade entgegen*)Feuerbach Reviſion Thl. I. Kap. V. Beſonders ſind zu merken L. 1. §. 2. 3. 4. D. ad Sct. Tur - pil. Facti quidem quaeſtio in arbitrio eſt judicantis, poenae vero perſecutio non ejus voluntati mandatur, ſed legis auctoritati reſervatur. L. 3. C. ne ſanctum baptisma L. 8. §. 2 C ad L. Jul. de vi publ. L. 14. D. de Scto. Silan. Man hat beſonders gegen das letzte Geſetz die Einwendung gemacht, daſs es nichts be - weiſe. Gleichwohl iſt alles klar. Ein gewiſſer Unmündiger wird, weil das Sct. Silan. gegen ihn zur Anwendung kam, mit der ordentlichen Strafe belegt. Das Geſetz ſagt, daſs ihm Recht geſchehen ſey und führt als Entſcheidungsgrund an: qui ejus aetatis (quanquam nondum puberis) ut rei in -tel -.

§. 111.

Anmerk. Wa hier nur angedeutet werden konnte, wird ausführlich dargeſtellt und bewieſen in Feuer - bach Diſſ. de cauſis mitigandi ex capite impeditae liber - tatis. Jen. 1799. und in deſſen Reviſion. Thl. I. S. 150 422.

*)(entweder aus dem Princip der Prävention oder der moraliſchen Vergeltung) unabhängig von dem Strafgeſetz annimmt und mithin behauptet, daſs das Strafübel entweder mit der Immoralität des Einzelnen in Proportion ſtehen müſſe (weil ſonſt die Idee von Vergeltung verſchwindet) oder mit dem Grad der Gefährlichkeit des Einzelnen, weil dieſer für die Zukunft abgeſchreckt werden ſoll. Man zeige einen andern denkbaren Grund! Iſt dies, ſo folgt aus einer Theorie, die das Recht den Ein - zelnen zu ſtrafen erſt durch die Drohung eines Straf - geſetzes begründen läſst, in welcher Strafe erſt durch das Strafgeſetz und auſſer dieſem gar nicht vorhanden iſt, gerade das Gegentheil. Unvermerkt werden daher dieſe ihrer Theorie ungetreu und gehen in der Anwendung zu der Parthey über, die ſie beſtreiten.
*)
91Relative Strafb. Milderungsgründe.
§. 111.

Noch werden, jedoch nicht einſtimmig, als Milderungsgründe angenommen II. dergute*)tellectum capere poſſent, his non magis in caede domini, quam in ulla alia cauſa parci oportere. Die Beweis - kraft liegt offen und klar darin: 1) ſoll die impe - dita libertas, oder überhaupt verringerte Strafbar - keit in concreto die Strafe mildern, ſo konnte auch das Urtheil gegen dieſen Mündigen nicht gerecht - fertigt werden, weil doch bey einem Unmündigen (wenn nicht die Bosheit das Alter erfüllt) die Straf - barkeit in concreto geringer iſt, indem hier äuſſere Reitze einen ſtärkern Einfluſs haben und der noch ungebildete Verſtand keine kalte ruhige Ueberlegung verſtattet. Vielleicht aber war in dem vom Geſetz entſchiedenen Fall, volle Ueberlegung und gereifte Bosheit vorhanden? War dieſes und erkannten die Geſetze den Milderungsgrund wegen verringer - ter Strafbarkeit an, ſo muſte ja der Entſcheidungs - grund darin geſetzt werden, daſs hier jene zur Mil - derung nöthige Vorauſſetzung nicht vorhanden, die libertas nicht verringert geweſen ſey. Allein davon kein Wort! ſondern 2) der einzige Entſchei - dungsgrund wird darin geſetzt, weil daſs Unmün - dige fähig geweſen ſey, rei intellectum capere und daſs dieſes überhaupt zur vollen Strafe (quam-cauſ - ſa) hinreiche. Facultas rei imellectum capiendi kann aber doch, ſo wohl der Sprache, als auch dem Zu - ſammenhang des Geſetzes nach, weiter nichts heiſsen, als die Fähigkeit die Beſchaffenheit eines Gegen - ſtandes (hier der rechtswidrigen Handlung) einzuſehen; die Fähigkeit über die Handlung zu reflectiren, um zu wiſſen, was ſie für eine Handlung ſey. Zu der Zuerkennung der ordentlichen Strafe wird alſo hier weiter nichts als Imputativität überhaupt erfodert, in wie fern die Zurechnungsfähigkeit Kenntniſs der Beſchaffenheit der Handlung (um zu wiſſen, ob ſie unter dem Geſetz ſtehe oder nicht) vorauſſetzt. Von92I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. gute Lebenswandel*)B. C. H. Breuning Quaeſt. an vitae bene actae pro - batio ſit inculpati argumentum. Lipſ. 1778. III. Reue**)Kleinſchrod a. O. Thl. I. §. 148 152. IV. Frey - williges Bekenntniſs, V. Gewohnheit***)Püttmann de delietis, quae conſuetudine excuſan - tur in Miscell. Cap. XXVIII. VI. Irr - thum und Unwiſſenheit in Anſehung der Gröſse der auf das Verbrechen geſetzen Strafe****)A. Fr. Schott. Diſſ. de ignorantia populi circa poenas. Lipſ. 1788., VII Glücklicher Erfolg der Handlung†)Kleinſchrod a. O. Thl. II. §. 85 87. VIII. Verwandſchaft des Beleidigers mit dem Belei - digten††)Quiſtorp Beyträge. n. A. Nr. 31. IX. Schadenserſatz,†††)Dieſer, ſo wie die Milderungsgründe IX u. X. könnten blos cauſ. mit. propriae ſeyn. X. Ent - ſagung der Rechte aus der Beleidigung von Seiten des Beleidigten††††)Beſonders Vergleich, Fürbitte etc. Engau Diſſ. de transactione cum laeſo inita poenam criminalem temperante. Jen. XI. Compenſa -tion*)Von einem gewiſſen Grad der Selbftthätigkeit, oder überhaupt der Strafbarkeit als Bedingung der or - dentlichen Strafe nirgends ein Wort! Der Leip - ziger Hr. Rec. (in Hübners und Tittmanns Bibl. kl. jur. Schr. Bd. 1 Stck. 2.) muſs alſo entweder nicht rich - tig überſetzt, oder er muſs nicht bedacht haben, wovon, bey der Frage nach der Gültigkeit dieſer Milderungsgründe, die Rede ſey, wenn er gar meynt, daſs dieſes Geſetz die Rechtmäſsigkeit die - ſer Milderung begründe. 93Relative Strafb. Milderungsgründe. tion*)Kapf de compenſatione circa maleficia. Tüb. 1778. XII. Ablauf der halben Verjährungszeit XIII. Geſchicklichkeit des Thäters**)Püttmann an et quantenus reorum in remp. merita in cauſis levandae poenae numeranda ſint. In Opusc. jur. crim. Nr. XI. u. ſ. w. Keiner dieſer Gründe ſtützt ſich auf Geſetze; faſt jeder widerſpricht der Natur der Sache.

§. 112.

Wegen erhöhter Strafbarkeit in concreto wird auch Schärfung angenommen. Sie ſoll eintreten 1) wenn der Verbrecher eine beſon - dere Bosheit in der Ausführung der That be - weiſt; 2) wenn die Freyheit des Verbrechers in einem auſſerordentlichen Grade erhöht war, wenn er ungewöhnliche äuſſere Hinderniſſe zu überwinden, auſſerordentliche Beweggrün - de zu beſiegen hatte; 3) wenn ein unge - wöhnlich groſser Schade durch die That ent - ſtanden iſt***)Klein p. R. §. 164..

††††)Jen. 1746. Hommel Diſſ. de transactione ſuper omit - tenda criminis capitalis accuſatione actori illicita. Lipſ. 1750. Kleinſchrod a. O. Thl. II. §. 87 92.
††††)
Zwey -94I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweytes Haupſtück. Von den Gründen der relativen Strafbarkeit bey unbeſtimmten Strafgeſetzen.

Feuerbach Reviſion. Thl. II.

Grolman über die Begründung des Strafrechts. Drit - tes Kap. S. 118 187.

Für die entgegengeſetzte Theorie beſonders:

Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. I. Kap. IV. §. 43 206. und Stübel Syſtem des allg. p. R. Thl. II.

§. 113.

Das unbeſtimmte Strafgeſetz gebietet dem Richter ſelbſt die Strafe zu beſtimmen; es ge - bietet ihm aber zugleich die Strafe nach Prin - cipien zu beſtimmen, weil Zufügung eines Uebels nach bloſser Willkühr allem Recht und der Idee eines rechtlichen Zuſtandes im Staate widerſtreitet. (§. 86.) Dieſe Principien ſind. Gründe der Strafbarkeit und zwar dieſelben, nach welchen der Geſetzgeber die Strafbarkeit beurtheilt. Nur in der Art der Anwendung dieſer Principien unterſcheidet ſich der Ge - ſetzgeber von dem Richter, der ein unbeſtimm - tes Strafgeſetz anwendet: jener beurtheilt nach denſelben eine Handlung in abſtracto (eine ganze Art oder Gattung von Handlungen, nachihren95Relative Strafb. Milderungsgründe. ihren allgemeinen Merkmalen), dieſer beur - theilt eine beſtimmte concrete Handlung (nach ihren individuellen Merkmalen). Der Richter ſteht alſo hier auf dem Standpunkte des Geſetz - gebers ſelbſt und beſtimmt der individuellen Handlung diejenigen Strafe, welche ihr der Ge - ſetzgeber, aus den Principien der Strafgeſetzge - bung beſtimmt haben müſte, wenn er ſie einzeln mit einer beſtimmten Strafe bedrohen wollte.

§. 114.

Die Darſtellung der Principien der Straf - barkeit ſelbſt zerfällt in den abſoluten und ange - wandten Theil. Jener ſtellt die höchſten Grün - de der Strafbarkeit ſelbſt auf, dieſer wendet ſie auf beſondere Vorauſſetzungen an.

I. Der abſolute Theil der Gründe der relativen Strafbarkeit.
§. 115.

Der Rechtsgrund des Daſeyns aller bürger - lichen Strafe iſt die Gefahr für den rechtlichen Zuſtand im Staat. Die Strafe muſs daher der Gefährlichkeit der Handlung angemeſſen und weder gröſser noch geringer ſeyn, als noth - wendig iſt, um die durch die Handlung be - gründete Gefahr abzuwenden. Je gröſser alſo die Gefährlichkeit der Handlung für den recht - lichen Zuſtand iſt, deſto gröſser iſt die Straf - barkeit*)Dem möglichen Misverſtändnis, als wenn unſere Theorie hier in die Präventionstheorie überginge, iſt begegnet in der Reviſion Thl. II. S. 440 ff. Der §. 113. angegebene Geſichtspunkt darf niemals überſehen werden..

§. 116.96I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
§. 116.

Die Gröſse der Gefahr wird beſtimmt 1) durch die Wichtigkeit des Rechts, welches gefährdet wird, 2) durch die Mannigfaltig - keit der Rechte, gegen welche die Gefahr ge - richtet iſt, 3) durch die intenſive Stärke der Gefahr, 4) durch die Dauer der Gefahr.

§. 117.

Hieraus folgt: 1) je wichtiger die Ge - fahr, je wichtiger alſo das Recht iſt, gegen welches ſie gerichtet iſt; 2) je extenſiv-gröſser die Gefahr iſt, je mehrere Rechtsverletzungen zu beſorgen ſind; 3) je intenſiv-ſtärker die Gefahr iſt, je mehr Gründe für die Wahrſchein - lichkeit und Wirklichwerdung einer Rechtsver - letzung vorhanden ſind; 4) je permanenter die Gefahr iſt, je fortdauernder der Grund der Gefahr wirkt und je weniger derſelbe durch an - dere Gründe aufgehoben werden kann, deſto gröſser iſt die Strafbarkeit.

§. 118.

Eine Handlung kann betrachtet werden 1) objective, wenn wir auf die derſelben in der äuſſern Sinnenwelt zukommenden Merkmale reflectiren 2) ſubjective wenn wir ſie in Rückſicht der pſychologiſchen Gründe betrachten, die ihr zum Grunde liegen. Jene Eigenſchaften der Handlung machen die Quantität derſelben, diejenige Merkmale, welche durch dieſe pſy - chologiſchen Gründe beſtimmt werden, ihre Qualität aus. Eine Handlung kann daher nach jenen Principien ſowohl in Rückſicht ihrerQuali -97Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. Qualität beurtheilt werden. Diejenigen be - ſondern Gründe der Strafbarkeit, welche durch die Quantität beſtimmt werden, heiſsen objective Gründe der Strafbarkeit (rationes ille - galitatis externae); diejenigen, welche aus der Qualität hervorgehen ſubjective Gr. der Strafb. (rat. illeg. internae ſ. ſubjectivae).

A. Objective Gründe der Strafbarkeit ſelbſt.
§. 119.

Eine Handlung an ſich betrachtet iſt I) um ſo ſtrafbarer, je wichtiger das Recht iſt, das durch ſie verletzt wurde oder auf deſſen Ver - letzung ſie gerichtet war. (Grundſ. 1. §. 117.) Ein Recht iſt aber um ſo wichtiger, je mehr es Bedingung der freyen Exiſtenz des Menſchen iſt, alſo 1) je mehr freye Handlungen durch daſſelbe begründet wurden, je mehr alſo durch die Verletzung deſſelben die Sphäre der recht - lichen Freyheit beſchränkt ward, 2) je uner - ſetzlicher das Recht iſt*)Dieſes iſt der allein wahre Geſichtspunkt, aus wel - chem die Wichtigkeit der Rechte in rechtlicher Hinſicht beſtimmt werden muſs. Der in der Revi - ſion Thl. II. angegebene Maasſtab zur Beſtimmung der Wichtigkeit der Rechte iſt ganz falſch und wider - ſpricht ſich ſelbſt. Sein Rec. in der A L. Z. Febr. 1800. Nr. 50 hat den Vf. zuerſt auf das ὑςτεϱον πϱωτεϱον in jener Darſtellung aufmerkſam gemacht und denſelben zu einer neuen Prüfung ſeiner Ge - danken genöthigt..

§. 120.G98I. Buch. II. Theil. II Titel. II. Abſchnitt.
§. 120.

Die Rechte eines Subjects ſind I. urſprüng - liche Rechte, welche dem Subject zugleich mit ſeinem Daſeyn zukommen. Dieſe beſtehen 1) aus dem Recht auf freyen Gebrauch der Kräfte, welche a) das Recht auf Exiſtenz überhaupt; (Leben) b) das Recht auf Integrität der Kräfte (Geſundheit, 3) das Recht auf ungehinderte Aeuſſerung der Kräfte (phyſiſche Freyheit, in ſich begreift; 2) aus dem Recht auf Ehre*)Es wird hier das Recht auf Ehre unter die urſprüng - lichen Rechte gezählt. nicht als wenn es nach dem Vernunftrecht ein urſprüngliches Recht auf Ehre gäbe, ſondern weil die poſitive Geſetzgebung dieſe Rechte als ein urſprüngliches Recht jedes Bürgers betrachtet, das von ſeiner Seite kein Factum vor - ausſetzt, ſondern ihm mit ſeiner bürgerlichen Exi - ſtenz zugleich (die in der Regel als angeerbt be - trachtet wird) zukommt.. II. Erworbene, welche zu ihrer Exiſtenz ein Fac - tum vorausſetzen, wohin 1) das erworbene Recht auf Sachen (Eigenthumsrecht), 2) das er - worbene Recht auf Leiſtungen (Vertragsrecht) gehört.

§. 121.

Nach demſelben Eintheilungsgrund ſind die Rechte einzutheilen, die dem Staat als einer moraliſchen Perſon zukommen. Der Staat hat I. urſprüngliche Rechte, die unmittelbar durch den Bürgervertrag beſtimmt, ihm alſo mit ſeinem Daſeyn gegeben ſind. Dahin ge - hört: 1) das Recht auf Exiſtenz überhaupt, 2) das Recht auf Integrität der Staatskräfte, 3) dasRecht99Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. Recht auf ungehinderte Aeuſſerung der Kräfte. (Regierungsrechte). 4) das Recht auf vorzüg - liche Ehre vor allen, die ſeiner Gewalt unter - worfen ſind (Recht auf Majeſtät)*)Da der Oberherr den Staat repräſentirt, ſo iſt er als Repräſentant des Staats Subject der Majeſtät.. II. Er - worbene Rechte, welche erſt zu ihrem Daſeyn ein Factum von Seiten des Staats vorausſetzen. Dieſe ſind 1) erworbene öffentliche Rechte, deren Daſeyn durch die Ausübung eines Regierungs - rechts begründet wird und dem Staat als einer öffentlichen Perſon zukommt. Ein ſolches iſt das Recht gegen ein beſtimmtes Policeygeſetz Gehorſam zu fodern**)Es iſt gegründet in dem urſprünglichen Recht des Staats überhaupt, für dasjenige Gehorſam zu fodern, was von Staats wegen für den öffentlichen Zweck beſtimmt worden iſt. Aber das Recht für dieſes oder jenes Policeygeſetz Gehorſam zu fodern, ſetzt die beſon - dere Erklärung des Staats voraus, daſs dieſes oder jenes als Hulfsmittel zur Erreichung des Staatszwecks ge - than oder unterlaſſen werden ſolle. S. Reviſion. Thl. II. S. 226.. 2) Erworbene Pri - vatrechte, deren Daſeyn durch die Ausübung eines Privatrechts begründet iſt und welche dem Staate als einer Privatperſon zuſtehen***)z. B. Rechte auf gewiſſe Güter, Rechte aus gewiſ - ſen Verträgen, welche Privatrechte zum Gegen - ſtand haben..

§. 122.

Die Rangordnung dieſer einzelnen Rechte und Verletzungen wird (nach obigem Maas -G 2ſtab100I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. ſtab (§. 119.) durch folgende Ordnung beſtimmt I. Urſprüngliche Rechte. 1) Eine Handlung, die auf Verletzung des Rechts auf Daſeyn gerich - tet iſt, hat den höchſten Grad der Strafbarkeit. Denn dieſes Recht iſt unerſetzlich und die Be - dingung aller andern Rechte. 2) Durch Ver - letzung der Integrität werden Bedingungen zur Wirkſamkeit für einen beſtimmten Theil der Freyheitsſphäre auf immer, oder doch auf eine gewiſſe Zeit lang, aufgehoben und dieſe Verletzung iſt mit der Gefahr des Verluſts des Daſeyns ſelbſt verbunden, auch iſt ſie an ſich un - erſetzlich*)Für keine perſönliche Verletzung nemlich, iſt ein eigentliches Aequivalent denkbar.; ſie hat daher den zweyten Grad der Strafbarkeit.

§. 123.

3) Bloſse Störung der Thätigkeitsäuſſerung eines Subjects iſt zwar an ſich ebenfalls uner - ſetzlich, beſchränkt aber die Freyheit blos vorübergehend in Rückſicht beſtimmter ein - zelner Handlungen, daher hat ſie den dritten Grad der Strafbarkeit. 4) Ehrenverletzung iſt, weil ſie ein unſchätzbares Object hat, uner - ſezlich, beſchränkt aber unmittelbar die Frey - heit ſelbſt nicht. Weil aber Ehrenverletzung leicht zur Verletzung aller übrigen Rechte führt, ſo ſteht ſie im vierten Grad und geht der Verletzung erworbener Rechte vor. II. Er - worbene Rechte ſind im niedrigſten Grade ſtraf - bar, ihre Verletzung enthält keine unerſetz - liche Rechtsverletzung und die Freyheit wirdblos101Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. blos in Hinſicht beſtimmter Objecte oder ein - zelner Handlungen beſchränkt*)Es wurde hier blos die Rangordnung der einzelnen Rechte an ſich zu einander ſelbſt, ohne alle Rückſicht auf das Subject der verletzten Rechte, beſtimmt. Ob und in wie ferne die Verletzung dieſer Rechte in der Perſon des Staats der Verletzung in der Perſon des Einzelnen vorgehe, iſt eine von der eben be - antworteten ganz verſchiednen Frage, welche jetzt erſt beantwortet werden ſoll..

§. 124.

Die Gröſse der Strafbarkeit wird nächſt dem Princip der Wichtigkeit des Rechts be - ſtimmt durch die Extenſität der Gefahr. Alſo II. iſt eine Handlung (äuſſerlich betrachtet) um ſo ſtrafbarer, auf je mehr Rechtsver - letzungen (der Zahl nach) ſie gerichtet war, oder je mehr ſie wirklich verletzt hat. Um ſo ſtraf - barer iſt demnach eine Verletzung 1) auf je mehr Rechte in einem und demſelben Subject ſie gerichtet war, 2) in je mehr Subjecten ſie Rechte verletzt oder zu verletzen geſucht hat.

§. 125.

Aus dem zweyten Satze folgt, daſs 1) Rechtsverletzungen, welche Rechte des Staates ſelbſt unmittelbar zum Object haben, in dem höchſten, 2) Rechtsverletzungen, welche Rechte einer Gemeinheit im Staat zum Object haben oder doch die Rechte aller in der Gemeinheit gefährden, den mittleren, 3) Rechtsverletzun - gen an dem Einzelnen, den niedrigſten Grad der Strafbarkeit haben.

§. 126.102I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
§. 126.

Eine Rechtsverletzung des Staats iſt dem - nach ſtrafbarer, als eine Verletzung deſſelben Rechts in einer Privatperſon*)z. B. Verletzung des Staatseigenthums iſt ſtrafbarer, als Verletzung des Privateigenthums, Angriff auf das Daſeyn des Staats ſtrafbarer, als auf das Leben einer Privatperſon etc.. Allein die Verletzung eines durch Polizeygeſetze erwor - benen Rechts ſteht jeder eigentlichen Ver - letzung einer Privatperſon nach, weil der Schutz der Rechte des Einzelnen unmittelbar Staatszweck, ein Polizeygeſetz und das daraus entſpringende Recht des Staats nur ein ent - ferntes Mittel zu jenem Zwecke, ein Mittel aber an Wichtigkeit ſeinem Zwecke unterge - ordnet iſt. Privatrechte des Regenten, als Staats - repräſentanten, ſtehen mit den Privatrechten der Unterthanen auf derſelben Stufe und eine Verletzung des Regenten, in ſo ferne er Pri - vatperſon iſt, kann nicht ſtrafbarer ſeyn, als die Verletzung deſſelben Rechts in jedem Un - terthan**)z. B. Diebſtahl an den Schattull Geldern des Lan - desherrn. Bey Privatrechten des Staats ſelbſtwer -.

B. Subjective Gründe der Strafbarkeit.
a) Höchſte Principien dieſer Lehre.
§. 127.

Der ſubjective Grund aller Rechtsver - letzungen liegt in illegalen Triebfedern derSinn -103Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. Sinnlichkeit, welche zu der That beſtimmen. Dieſe ſind alſo Gründe der Gefahr und ſollen durch eine entgegengeſetze Triebfeder des ſinnlichen Begehrens, die Furcht vor der Strafdrohung, aufgehoben werden. Da nun die Gröſse der Gefahr (in der Vorſtellung des Geſetzgebers) die Gröſse der Strafbarkeit in concreto begründet (§. 113.); ſo iſt es auch die Gröſse der Gefährlichkeit, dieſer ſinnlichen einer That zum Grunde Triebfedern, welche die Gröſse der Strafbarkeit beſtimmt*)Mündlich von der gewöhnlichen Freyheislehre und den Gründen gegen dieſelbe. Vergl. Reviſion Thl. II. Kap. IX..

§. 128.

Der Grad der Gefährlichkeit einer ſinn - lichen Triebfeder hängt ab von ihrer Intenſi - tät und Stärke, von ihrer Feſtigkeit und In - corrigibilität und endlich von ihrem Umfange. Es ergeben ſich hieraus (vermöge §. 127.) fol - gende Hauptgrundſätze:

  • 1) Je intenſiv ſtärker die finnliche Triebfeder iſt, die zur That beſtimmt, deſto gröſser iſt die Strafbarkeit, je intenſiv ſchwächer, deſto geringer iſt ſie.
  • 2) Je mehr eingewurzelt und je incorrigib - ler die ſinnliche Triebfeder iſt, deſto gröſser iſt die Strafbarkeit; je corrigibler und je
    **)werden nothwendig Alle beleidigt, weil der Staat Inbegriff der Einzelnen iſt, das Recht aber dem Staate als Subject inhärirt Allein der Regent als bloſse Privatperſon iſt ein für ſich beſtehendes Indi - viduum und Rechtsverletzungen die ihm als ſolchem zugefügt werden, afficiren ihn blos als Einzelnen.
    **)104I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. weniger eingewurzelt ſie iſt, deſto geringer iſt Strafbarkeit.
  • 3) Je umfaſſender die illegale Triebfeder, auf je mehr Rechtsverletzungen ſie ihrer Natur nach gerichtet iſt, deſto gröſser die Strafbar - keit; je weniger, deſto geringer.
§. 129.

Jede Handlung erſcheint in jedem dieſer Momente und muſs nach jedem beurtheilt werden. Die Strafbarkeit kann in dem einen Momente ſteigen, während ſie in dem andern ſinkt. Die Beſtimmung des wirklichen Grades der Strafbarkeit des Subjects hängt daher von der Beurtheilung ſeiner Handlung nach allen drey Momenten ab, und wird durch die Sum - me beſtimmt, welche aus den Graden der Gefähr - lichkeit, nach jenen drey verſchiedenen Mo - menten einzeln genommen, reſultirt*)S. hierüber ausführlich. Reviſion Thl. II. S. 388 93..

b) Einzelne Folgerungen aus dieſen Principien.
aa) Strafbarkeit der Verbrechen nach dem Mo - ment der Intenſität der Triebfeder.
§. 130.

Der Grad der Stärke einer Begierde, welche dem Verbrechen zum Grunde lag, kann nur erkannt werden, aus ihren Wirkungen, näm - lich aus der Stärke der Hinderniſſe, welche der Begehung entgegenſtanden und welche durch die Begierde überwunden worden ſind. Dieſe Hinderniſſe können ſeyn 1) Gemüthskräfte, 2) Wirkungen von Gemüthskräften, Vorſtellungenund105Gründe d. relat. Strafb. b. unbeſt. Strafg. und Gefühle, als Bewegungsgründe zur Un - terlaſſung der rechtswidrigen Handlung.

§. 131.

Eine Begierde welche die Thätigkeit der höhern Gemüthskräfte ſelbſt zu unterdrücken fähig war, muſs ſtärker ſeyn, als eine ſolche, die nur entgegenſtehende Bewegungsgründe aus dem Wege räumte. Daher haben Ver - brechen, die ohne Ueberlegung (durch das thieriſche Begehrungsvermögen) hervorge - bracht wurden, wie Verbrechen aus Affect und aus Gewohnheit, einen höhern Grad der Strafbarkeit*)Es verſteht ſich, daſs durch die Heftigkeit der Be - gierde nicht zugleich das Bewuſtſeyn der Strafbar - keit der Handlung unmöglich geworden iſt., als Verbrechen, die mit Will - kühr (nach vorgängiger Reflexion) begangen worden ſind. Denn nur dann wird der Menſch ohne vorgängige Wahl zu einer That getrieben, wenn die überwiegende Heftigkeit der Begier - de die höhern Gemüthskräfte in ihrer Thätig - keit unterdrückt hat.

§. 132.

Handlungen aus thieriſchem Begehren ſo - wohl, als Handlungen aus Ueberlegung haben in Rückſicht auf Strafbarkeit wieder ihre ver - ſchiedenen Abſtufungen. Dieſe werden be - ſtimmt durch die beſondern Abſtufungen der Stärke einzelner Hinderniſſe (Bewegungsgrün - de) welche der Beſtimmung des Begehrens zur That oder der Ausführung derſelben entge - genſtanden. Dieſe Hinderniſſe ſind entwederNatur -106I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Natururſachen, welche der Ausführung der That entgegenſtehen und (vorgeſtellt) zu Bewe - gungsgründen der Unterlaſſung werden; oder Vorſtellungen anderer Gegenſtände, welche den Willen antreiben, ſich zur That nicht zu beſtimmen. Jenes ſind äuſſere, dieſes innere Hinderniſſe.

§. 133.

Daraus folgt 1) je zahlreicher und wichti - ger die innern Hinderniſſe waren, die den Verbrecher von der That hätten abhalten müſ - ſen, und je klärer und deutlicher er ſich dieſe Bewegungsgründe vorgeſtellt hat, deſto gröſser iſt die Strafbarkeit, 2) je gröſser die äuſſern Schwierigkeiten waren, welche der Ausführung des Verbrechens entgegen ſtanden, deſto gröſser iſt die Strafbarkeit. Denn deſto ſtär - ker muſs die Begierde ſeyn, die den Menſchen, jener Bewegungsgründe ohnerachtet, zur That beſtimmte, ihn alſo antreiben konnte, dieſe Hinderniſſe der Ausführung zu überſteigen.

§. 134.
*)Dieſe Rückſicht auf die beſondere Stärke der ein - zelnen Abhaltungsgründe beſtimmt alſo die beſon - dern Abſtufungen der zwey Hauptgrade der Straf - barkeit, nach der Intenſität. So wie oben beſtimmt wurde, wie ſich Handlungen aus thieriſchem Be - gehren zu Handlungen aus Willkühr verhalten, ſo wird hier beſtimmt, wie ſich Handlungen aus Willkühr und aus thieriſchem Begehren (z. B. ver - ſchiedene Handlungen, die aus Leidenſchaft began - gen wurden) zu einander ſelbſt, verhalten. Es er - gäben ſich demnach eigentlich folgende Hauptſtu - fen der Strafbarkeit nach dieſem erſten Moment: I. Verbrechen aus thieriſchem Begehren, bey welchengroſse
*)
107Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg.
bb) Strafbarkeit der Verbrechen nach dem Mo - ment der Feſtigkeit der ſinnlichen Triebfeder.
§. 134.

Der Grad der Feſtigkeit einer gewiſſen rechtswidrigen Begierde kann ſowenig, als der Grad der Stärke unmittelbar erkannt wer - den. Allein man kann aus der Gröſse vorhan - dener Reitze, auf die Gröſse der Feſtigkeit ſchlieſsen. Je feſter eine gewiſſe ſinnliche Begierde in dem Menſchen gegründet iſt, deſto weniger äuſſerer Veranlaſſungen bedarf es, um ſie in Thätigkeit zu ſetzen; je weniger ſie noch eingewurzelt iſt, deſto gröſser müſſen die Auffoderungen und Reitze ſeyn, durch welche der Menſch zur That beſtimmt werden ſoll.

§. 135.

Es gilt daher die Regel: je geringer und je weniger dringend die äuſſern Auffoderungen und Reitze waren, welche zur Uebertretung be - ſtimmten, deſto mehr muſte der Verbrecher von Natur zu dieſem Verbrechen disponirt, deſto fe - ſter gegründet muſte in ihm die illegale Triebfe - der ſeyn, deſto gröſser iſt alſo ſeine Strafbar - keit; je gröſser die äuſſern Veranlaſſungen, je dringender die zufälligen Reitze, deſto geringeriſt*)groſse innere oder äuſſere Hinderniſſe (Bewegungs - gründe) überwunden worden ſind. II. Verbrechen aus thieriſchem Begehren, bey welchen nur geringe innere oder äuſſere Hinderniſſe überwunden wor - den ſind. III. Verbrechen aus Willkühr, bey welchen groſse innere oder äuſſere Hinderniſſe überwunden worden ſind. IV. Verbrechen aus Willkühr, bey welchen geringe innere oder äuſſere Hinderniſſe überwunden worden ſind.108I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. iſt (aus dem entgegengeſetzen Grunde) die Strafbarkeit*)Aus dieſem Grund begründen Verführung, groſse unverhoffte Gelegenheit, dringende Nothwendigkeit der Befriedigung erlaubter Bedürfniſſe des Lebens, Furcht, Ueberredung etc. geringere Strafbarkeit..

§. 136.

Eine Handlung, die aus innerem Antrieb, ohne Auffoderung heftiger äuſſerer Reitze ge - ſchieht, kann wieder an Strafbarkeit verſchie - dene Stufen haben, welche durch folgende Regeln beſtimmt werden: 1) die Triebfeder muſte um ſo feſter und herrſchender ſeyn, je mehr ſie ihr entgegenwirkende, pſychologiſche Hin - derniſſe fortdauernd unterdrückt hat; 2) die durch die Begehung eines Verbrechens be - wieſene ſinnliche Trieb eder muſste um ſo feſter und herrſchender ſeyn, je mehr Natururſachen die Entſtehung derſelben gewirkt haben, oder die fortdauernde Wirkſamkeit derſelben be - ſtimmen. Bey jener Regel ſchlieſse ich aus der Wirkung auf die Feſtigkeit der Triebfeder ſelbſt als Urſache, hier aus der Urſache auf die Feſtigkeit der Triebfeder.

§. 137.

Da die fortdauernde Unterdrückung pſy - chologiſcher Hinderniſſe auf die Feſtigkeit der Triebfeder ſchlieſsen läſst; ſo haben Hand - lungen aus Gewohnheit den höchſten Grad der Strafbarkeit, weil hier alle der Begehung ent - gegenwirkende Vorſtellungen und Gefühle, in Hinſicht ihrer Wirkſamkeit durch die zurGewohn -109Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. Gewohnheit gewordene Befriedigung der Be - gierde, aufgehoben ſind.

§. 138.

Je mehr Natururſachen auf die Entſtehung und Befeſtigung der Triebfeder gewirkt haben, deſto mehr Feſtigkeit hat auch in der Regel die Triebfeder wirklich (§. 136.) Deswegen ſteigt die Strafbarkeit 1) durch böſe Erziehung, 2) durch böſes, von Jugend auf empfangenes Beyſpiel, welches auf die Erregung und Befe - ſtigung derſelben Begierde gerichtet war, die dem gegenwärtigen Verbrechen zum Grunde liegt*)Das böſe Beyſpiel, das einen Menſchen z. E zum Diebſtahl reitzen konnte, kann daher kein Grund ſeyn, auf die Feſtigkeit der Begierde zu ſchlieſsen, die jetzt einen Mord hervorgebracht hat..

§. 139.

Die noch fortwirkenden Natururſachen, welche das fortdauernde Daſeyn einer gewiſ - ſen illegalen Triebfeder beſtimmen, ſind ent - weder poſitive oder negative. Unter jenen iſt beſonders zu merken die Organiſation des Kör - pers, in wie ferne dieſe auf das Daſeyn der Begierde Einfluſs hat Unter dieſem kommt Schwäche und Stumpfheit der höhern Geiſtes - kräfte vorzüglich in Betrachtung. Denn durch dieſe Kräfte wirkt der Geiſt vorzüglich dem Andringen und dem Wachſen der Begierden entgegen, ſo wie er durch ſie auf gänz - liche Zurückweiſung derſelben in die ge - ſetzlichen Schranken wirkt. Mangel an den höhern Gemüthskräften iſt daher Mangel derKraft110I. Buch. II. Theil. II Titel II. Abſchnitt. Kraft zur Unterdrückung und Beſchränkung illegaler Triebfedern*)Dem bisher vorgetragenen zu Folge giebt es in dieſem Momente folgende Hauptſtufen der Strafbarkeit: I. Verbrechen aus innerem Antriebe oder doch aus ſehr ſchwachen äuſſern Reitzen: 1) Verbrechen aus Ge - wohnheit, 2) Verbrechen bey welchen alle die Fort - dauer der illegalen Triebfeder beſtimmenden poſitiven und negativen Urſachen zuſammen concurriren, 3) Verbrechen, bey welchen die Feſtigkeit der Triebfeder nur durch eine oder die andere dieſer Urſachen be - ſtimmt wird. II. Verbrechen, welche unter hefti - gen äuſſern Reitzen bewirkt worden ſind..

cc) Strafbarkeit der Verbrechen nach dem Um - fange der illegalen Triebfeder.
§. 140.

Da hier die Gröſse der ſubjectiven Straf - barkeit durch die Menge von Rechtsverletzun - gen begründet wird, auf welche die Triebfe - der gerichtet iſt, ſo folgt, daſs ein Verbrechen um ſo ſtrafbarer ſey: I. je mehr Subjecte durch die Triebfeder bedroht werden, welche ihm zum Grunde liegt, II. auf je mehr Rechts - verletzungen, der Art nach, die ihm zum Grunde liegende Triebfeder gerichtet iſt.

§. 141.

Hieraus ergiebt ſich 1) Triebfedern, die ihrer Natur nach auf Hervorbringung geſetz - mäſsiger Handlungen gerichtet ſind, begrün - den den geringſten Grad der Strafbarkeit, da - hin gehören a) Gefühle und Neigungen, welchezu111Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. zu geſetzmäſsigen Handlungen antreiben*)z. E. Mord aus Liebe, aus Mitleid etc.. b) moraliſche Antriebe, welche durch einen Fehlgriff der Urtheilskraft ein Verbrechen her - vorgebracht haben. z. E. Verbrechen aus ver - meintlicher Pflicht.

§. 142.

2) Triebfedern, die ihrer Natur nach zu geſetzwidrigen Handlungen beſtimmen, be - gründen einen erhöhten Grad der Strafbarkeit. Unter den durch ſolche Triebfedern beſtimm - ten Verbrechen kommen folgende beſonders in Betrachtung, bey welchen die Gröſse der Strafbarkeit in folgender Rangordnung ſteht: a) Verbrechen aus poſitivem Menſchenhaſs, b) aus Neid, c) aus Rachſucht, d) aus Eigennutz, e) aus Zorn.

II. Angewandter Theil der Gründe relativer Strafbarkeit.
A. Von den Graden der Strafbarkeit nach Verſchiedenheit der Willensbeſtimmung zur Uebertretung.
§. 143.

Da die Gefährlichkeit der Handlung die Gröſse der Strafbarkeit beſtimmt (§. 115.); die Culpa aber keine poſitive, auf Rechtsverletzun - gen gerichtete Triebfeder beweiſst; ſo ſind Handlungen aus Dolus immer ſtrafbarer, als Handlungen aus Culpa. Dieſe kann an Strafbar - keit niemals dem Dolus gleich ſeyn, Auch diedurch112I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. durch Dolus beſtimmte Culpa iſt in einem ge - ringen Grade ſtrafbar, weil in Rückſicht auf die zu beſtrafende Handlung kein Dolus vor - handen war.

§. 144.

Aus demſelben Hauptgrunde ergeben ſich die Stufen der Strafbarkeit der verſchiedenen Arten der Culpa. Nämlich 1) die höchſte Culpa hat den höchſten, 2) die mittlere einen gerin - geren, 3) die geringſte Culpa den geringſten Grad der Strafbarkeit.

B. Nach Verſchiedenheit der äuſſern Wirkſamkeit zur Ueber - tretung.
§. 145.

I. Das unternommene Verbrechen iſt we - niger ſtrafbar, als das vollendete*)Mehrere, beſonders Filangieri Syſtem der Ge - ſetzgebung Bd. IV. S. 271. und Servin de la legisl. crim. L. I. Ch. Sect. 1. halten, aus Verwechslung des moraliſchen mit dem rechtlichen Stantpunkte den conatus proximus und das delictum perfectum für gleichſtrafbar mit dem Verſuch. Vergl. Traug. Thomaſius Diſſ. an poena delicti perfecti ordinaria puniendus ſit conatus proximus. Lipſ. 1735 Klein - ſchrod tyſt. Entw. Thl. I. §. 39 Oft haben aber ausdrückliche Geſetze den Verſuch dem Verbrechen gleichgeachtet.. Die Ge - ſetze gebieten für den Verſuch willkührliche Strafe**)P. G. O. Art. 178. So ſich jemand einer Miſſe - that (1) mit etlichen ſcheinlichen Werken, die zur Volien -dung; die allgemeinen Principien beſtim -men113Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. men ihm aber immer geringere Strafbarkeit, als der Vollendung. Iſt die Vollendung aus eignem inneren Antrieb des Verbrechers un - terlaſſen worden, ſo fällt alle Strafbarkeit hin - weg*)Wie ſchon Berger el. jur. crim. C. 1. Nr. 1. §. 2. u. Hagemeiſter Diſſ. de cauſis mitigandarum poe - narum th. 65. bemerken und ſich unwiderleglich aus den Worten des Anmerk. **) angeführten Ge - ſetzes ergiebt. Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. 1. §. 42. erklärt die Worte des Art 178. durch andre Mittel würde für verba enunciativa. . II. Der Gehülfe iſt in der Regel weniger ſtrafbar, als der Urheber**)P. G. O. Art. 177., III. der Begünſti - ger weniger ſtrafbar, als der Gehülfe.

§. 146.

A. Grade der Strafbarkeit des un - ternommenen Verbrechens. Für dieſes gelten die Regeln 1) je gröſser das beabſichtigte Verbrechen war***)Der Verſuch kann qualificirt ſeyn, wenn durch die Handlung, durch welche ſich der Verbrecher den Weg zu einem andern Verbrechen bahnt, ſelbſt, ein unter einem beſtimmten Strafgeſetze ſtehendes Verbrechen begangen wird. Hier muſs dann we - gen der Concurrenz eines vollendeten und eines verſuchten Verbrechens, die ordentliche Strafe jenes mit Schärfung erkannt werden.; 2) je näher die Handlungder**)dung der Miſſethat dientlich ſeyn mögen, unterſteht, und (2) doch an Vollbringung derſelben Miſſethat durch andere Mittel, wider ſeinen Willen verhindert wür - de, ſolcher böſe Wille, daraus etliche Werke folgen, iſt peinlich zu ſtrafen; aber in einem Fall härter, denn in dem andern, angeſehen Gelegenheit und Geſtalt der Sache. H114I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. der Vollendung war, deſto gröſser iſt die Straf - barkeit (wegen §. 117, 3) Hierausfolgt a) das ge - endigte Verbrechen iſt ſtrafbarer, als das ver - ſuchte*)Das geendigte Verbrechen gränzt unmittelbar an das vo lendete, es fehlt nur noch ein Requiſit zum vollen Begriff der That, nemlich der Effect. Es muſs alſo hier die der poena ordinaria am nächſten kommende Strafe gewählt werden. Dies nehmen zwar die Rechtslehrer im Ganzen an, aber ſie deh - nen es zu weit aus, wenn ſie es vom conatus proxi - mus behaupten. Kres ad Art. 178. Quiſtorp p. R. Thl. I. §. 97., b) das angefangene ſtrafbarer, als das blos attentirte (§. 61).

§. 147.

B. Grade der Strafbarkeit des Urhebers. Auſſer den allgemeinen objecti - ven und ſubjectiven Gründen der Strafbarkeit, iſt die Art der Wirkſamkeit des Urhebers an ſich ein Grund, der die Strafbarkeit beſtimmt. Je mehr Gründe für die Exiſtenz der Rechtsver - letzung in der Handlung des Urhebers enthalten waren, deſto gröſser iſt ſeine Strafbarkeit, (nach §. 61, 2).

§. 148.

Daraus folgt: 1) Wer ſich mit andern, gleichviel ob Miturhebern oder Gehülfen, zur Ausführung verbunden hat, iſt ſtrafbarer, als wenn er ohne dieſe das Verbrechen bewirkt, 2) wenn ein intellectueller Urheber bey derſel - ben That mit einem phyſiſchen concurrirt, ſo iſt, wenn nicht beſondere, von der Art derWirk -115Gründe d. rel. Strafb. b. unbeſt. Strafg. Wirkſamkeit ſelbſt verſchiedene Gründe ent - gegenſtehen*)Manchmal kann, wegen beſonderer Gründe der auctor phyſice talis ſtrafbarer ſeyn, als der auctor intell. Der Bandit, der gedungen iſt ſeinen Vater zu ermor - den iſt ſtrafbarer, als derjenige, der ihn gedungen hat. Da tritt aber ein beſonderer Grund ein. In Hinſicht auf die Art der Wirkſamkeit, welche ihm ſeinem Begriffe nach zukommt, (und von dieſer Seite kann er als phyſiſcher Urheber blos und allein betrachtet werden) ſteht er dem intellectuellen nach, weil dieſe die erſte Urſache der That iſt und in ſeiner Handlung alſo mehr Gründe für die Exiſtenz der That enthalten ſind, als in der Handlung des phyſiſchen Urhebers. Hätte jener dieſen nicht be - ſtimmt, ſo wäre die That nicht geſchehen. Vergl. Reviſion. Thl. II. S. 254 259., jene ſtrafbarer, als dieſe. Unter den intellectuellen Urhebern hat der Urheber durch Drohung oder durch Zwang den höchſten Grad der Strafbarkeit, auf dieſen folgt der Urheber durch Befehl, auf dieſen der Urheber durch Noth, und auf der unterſten Stufe ſteht der Urheber durch Auſtrag.

§. 149.

C. Grade der Strafbarkeit der Gehülfen. Für ſie gilt vorzüglich die Regel: je genauer die Beyhülfe mit dem Verbrechen ſelbſt zuſammenhängt, und je mehr ſie zur Exiſtenz der That beyträgt, deſto gröſser iſt die Strafbar - keit. Daher iſt 1) der Hauptgehülfe ſtrafbarer, als der Nebengehülfe §. 54.) 2) der Gehülfe, der ſich durch Vertrag mit dem Urheber verbun - den hat (ſ. ex compacto) ſtrafbarer, als derje -H 2nige,116I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. nige, der ihm blos zufällige Hülfe leiſtet, 3) der unmittelbare Gehülfe ſtrafbarer, als der entfernte, §. 56.) 4) der Gehülfe durch poſitive Handlungen ſtrafbarer, als der Gehülfe durch negative Handlungen.

§. 150.

Ob der allgemeine Gehülfe ſtrafbarer iſt, als der beſondere (§. 57.) hängt von der Beur - theilung der Abſicht ab, mit welcher er bey der That concurrirte. 1) War die Abſicht des Gehülfen gefährlicher als diejenige, die das Geſetz zum Begriff des Verbrechens erfodert, welches von dem Urheber begangen wird, ſo iſt der allgemeine Gehülfe ſtrafbarer, als der ſpecielle*)Wer z. E. bey einem Diebſtahl die Leiter hält, in der Meynung, daſs der zu Beſtehlende ermordet werden ſolle und in der Abſicht, damit er ermordet werde, iſt zwar nicht ſocius ſpecialis aber er iſt bey allem dem ſtrafbarer, als ein andrer, der dieſe Leiter hält, in der Abſicht, damit der andere beſtohlen werde und er ſelbſt davon einen Gewinn bekom - me. Gewöhnlich hält man ohne Unterſchied den ſoc ſpec. für ſtrafbarer, als den generalis; allein ohne allen Grund. 2) War ſie weniger gefährlich, ſo iſt er weniger ſtrafbar, als der ſpecielle.

Anmerk. Ob die Beyhülfe durch einen concurſus antecedins oder durch conc. concomitans geſchieht, ob durch Ge - brauch der Gemüths - oder Körperkräfte, hat an ſich auf die Strafbarkeit keinen Einfluſs.

Zwey -117Von concurrirenden Verbrechen.
Zweyte Unterabtheilung. Von den Gründen der relativen Strafbarkeit bey concurrirenden Geſetzen.

W. A. Schöpf Diſſ. de concurſu delictorum. Tub. 1738.

P. Schultz de concurſu del. Hal. 1748

Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. III. §. 101 110.

§. 151.

Wenn mehrere Uebertretungen derſelben Perſon für eine und dieſelbe Unterſuchung zu - ſammentreffen, ſo iſt dieſes eine Concurrenz der Verbrechen (concurſus delictorum). Es ſind nur drey Hauptarten der Concurrenz nach Verſchiedenheit der übertretenen Strafgeſetze möglich. Sind I. durch eine und dieſelbe Hand - lung oder in Einem ununterbrochenen Akt verſchiedene Strafgeſetze übertreten worden, ſo iſt dieſes ideale Concurrenz (Conc[.]del. ſunulta - neus ſ[.]idealis) II. Sind durch verſchiedene Hand - lungen verſchiedene Strafgeſetze übertreten wor - den, ſo heiſst dieſes objective Concurrenz (C d. objectivus ſ. heterogeneus) III. Wenn durch ver - ſchiedene Handlungen ein und daſſelbe Straf - geſetz übertreten worden iſt, dann exiſtirt eine ſubjective Conc. (C. d. ſubjectivus ſ. homa - geneus).

§. 152.

Geſchieht die ſubjective Concurrenz an Einem und demſelben Object, ſo iſt ein fort -geſetz -118I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. geſetztes Verbrechen (del. continuatum); geſchieht ſie an verſchiedenen Objecten, ſo iſt ein wie - derholtes Verbrechen (del. reiteratum ſ. repeti - tum) vorhanden.

§. 153.

Da die Strafe eines jeden Strafgeſetzes Anwendung findet, ſobald die Vorausſetzun - gen zur geſetzlichen Strafe vorhanden ſind, ſo folgt: 1) wenn mehrere Strafgeſetze über - treten worden ſind, ſo finden die Strafen aller übertretenen Strafgeſetze ſtatt; 2) wenn Ein Strafgeſetz mehrmals übertreten worden iſt, ſo iſt die Anwendung der Strafe deſſelben ſo vielmahl rechtlich begründet, als es übertreten worden iſt*)L. 2. D. de priv. del. Nunquam plura delicta concur - rentia faciunt, ut ullius impunitas detur; neque enim de - lictum ob aliud delictum minuit poenam. .

§. 154.

Iſt es daher 1) der Natur der Strafe nach möglich, ſie zuſammen oder mehrmals anzu - wenden, ſo müſſen ſie auch zuſammen oder mehrmals zugefügt werden. Wenn aber 2) die - ſes unmöglich iſt, ſo kann nur die volle Strafe Einer Uebertretung, jedoch mit einem Zuſatz, angewendet werden, welcher ein Theil der durch andere Uebertretungen verwirkten Stra - fen iſt. Bey der concurrirenden Anwendung mehrerer, dem Grade nach verſchiedener Stra - fen wird daher auf die ſchwerſte, mit Schär - fung verbunden, erkannt.

§. 155.119Von concurrirenden Verbrechen.
§. 155.

Die Geſetze beſtätigen beſonders dieſe Grundſätze bey der objectiven Concurrenz*)L. 32. §. 1. D. ad L. Aquil. L. 2. D. de privatis de - lictis. Die Praktiker ſtellen, den Geſetzen zu - wider, folgende Grundſätze auf. I. Concurriren mehrere Capitalverbretben, ſo wird nur auf die Strafe des härteſten Verbrechens erkannt, ohne alle Rückſicht auf die übrigen Verbrechen. Sie dehnen alſo zur Unge - bühr den Grundſatz: poena major abſorbes minorem, den doch nur die Geſetze von einem Fall der idealen Concurrenz behaupten, auch auf dieſen Fall, wie noch auf mehrere andere, aus. Nur dann, wenn die Strafe eines andern concurrirenden Verbrechens noch einen ſchärfenden Zuſatz hat, ſoll dieſer Zu - ſatz mit der Strafe des ſchwerſten Verbrechens ver - bunden werden. Heil judex et defenſor C VI. § 63. II. Concurrirt Todesſtrafe mit Leibesſtrafe, oder Leibes - ſtrafe mit andern geringern Strafen, denn abſorbirt die gröſsere die geringere Strafe. Carpzov Q. 132. N. 64 III. Concurriren mehrere poenae corporis afflic - tirae, dann wird blos auf die härteſte erkannt, einige Fälle ausgenommen Carpzov l. c. Nr. 72. IV. Steht auf allen Verbrechen Geldſtrafe, dann wird die Strafe eines jeden Verbrechens für ſich bezahlt. und bey wiederholten Verbrechen**)L. 28. §. 3. 10. D. de poenis L. un. C. de ſuperexac - tionibus. L. 8. §. 1. C. ad L. Jul. de vi publ. die Praktiker ſtimmen im Ganzen bey, nur mit dem Unterſchied, daſs ſie bey Verbrechen, auf welchen allen blos Leibesſtrafe ſteht, nur als Eins betrachten und die Regel: poena major etc. anwenden.. Aber bey der idealen Concurrenz und bey fortgeſetzten Verbrechen machen ſie eine Ausnahme, in wie ferne ſie dort, wenn Verbrechen derſelben Gattung idealiter concurriren, die Regel auf - ſtellen: die gröſsere Strafe hebt die geringereauf120I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. auf (poena major minorem)*)Das römiſche Recht bleibt bey den allgemeinen Grundſätzen. L. 9. C. de accuſationibus, ſagt: Si ex eodem facto plurima crimina naſcuntur, et de uno in accuſationem fuerit deductus, de altero non probibe - tur ab altero deferri. Die P. G. O. Art. 163. hebt dieſe Grundſätze auf. Wo bey einem Diebſtahl mehr denn einerley Beſchwerung, ſo in den vorgeſetzten Artikeln unterſchiedlich gemeldet ſind, erfunden würden, iſt die Strafe nach der meiſten Beſchwerung des Diebſtahls zu erkennen. Für andere Arten der Concurrenz ſtellt alſo Carl dieſe Regel nicht auf; ja ſelbſt das iſt gewiſs, daſs dieſe nicht auf alle Arten der idealen Concurrenz auszudehnen, vielmehr blos auf den Fall, von welchem Carl redet, einzuſchrän - ken ſey, nämlich auf verſchiedene idealiter con - currirende Verbrechen derſelben Gattung Das - miſche Recht ſpricht allgemein und ein allgemeines Geſetz wird durch ein ſpecielles, wie bekannt, nicht aufgehoben., hier aber die mehrmalige Uebertretung nur als Eine Ueber - tretung**)L. 67. §. 2. D. de furtis. cf. Engau el. jur. crim. §. 79. Weſtphal Criminalrecht S. 132. §. 3. Qui - ſtorp Thl. I. §. 90. betrachtet wiſſen wollen. Wenn mehrere Verbrechen verſchiedener Art ideali - ter concurriren, ſo bleibt es bey der Regel: es wird auf das Uebel der ſchwerſten Ueber - tretung, mit einem ſchärfenden Zuſatz ver - bunden, erkannt***)Klein peinl. R. §. 159..

§. 156.

Im Fall einer Schärfung kann nur auf eine geſetzlich zur Anwendung kommende Strafemit121Von concurrirenden Verbrechen. mit ſchärfendem Zuſatz, nicht aber auf ein der Art nach verſchiedenes härteres Uebel, er - kannt werden*)Heil judex et defenſor C. VI. §. 63. Koch inſt. jur. crim. §. 156..

Dritter Titel. Von der Natur der Strafe und ihren Arten.

Erſter Abſchnitt. Von den Strafen überhaupt und ihrer Eintheilung.
§. 157.

Jede Strafe hat den nothwendigen (Haupt -) Zweck, durch ihre Androhung Alle von Ver - brechen abzuſchrecken. Ein angedrohtes Straf - übel iſt aber um ſo zweckmäſsiger, je mehr und je wichtigere Nebenzwecke es noch zu er - reichen fähig iſt. Dieſe möglichen Neben - zwecke ſind 1) unmittelbare Abſchreckung durch den Anblick der Zufügung; 2) Siche - rung des Staats vor dem beſtraften Verbrecher; 3) rechtliche Beſſerung des Beſtraften.

§. 158.122I. Buch. II. Theil. III. Titel. I. Abſchnitt.
§. 158.

Die Strafe iſt öffentliche Genugthuung, ſo wie das Recht, ihre Zufügung zu verlangen, ein öffentliches Recht iſt. Durch die Zufü - gung der Strafe werden daher die aus dem Verbrechen entſtandenen Privatrechte nicht aufgehoben. Strafe ſchlieſst Schadenerſatz nicht aus*)G. A. Kleinſchrod Doctrina de reparatione damni delicto dati etc. Spec. I. Wirceb. 1798. Mündlich von der Parömie: Mit dem Halſe bezahlt man alles. Mit dem Tode wettet man dem Richter und büſser dem Kläger. S. Eiſenhart’s deutſches Recht in Sprüch - wörtern. n. Ausg. S. 499..

§. 159.

Die Strafe geht aus dem Strafgeſetz hervor. Die Verſchiedenheit in den Beſtimmungen eines Strafgeſetzes verändert daher auch die Beſtimmungen der Strafe. Eine Strafe heiſst abſolutlegal (poena abſolute legitima ſ. legalis), wenn das Geſetz abſolut beſtimmt; relativ-legal oder relativ-willkührlich (p. ſec. quid. legitima ſ. arbitraria), wenn es ein rela - tiv-beſtimmtes Geſetz iſt; ſchlechthin willkühr - lich (p arbitraria), wenn es ein ſchlechthin un - beſtimmtes Geſetz iſt (§. 84.)

Poena ordinaria extraordinaria. Extraordinaria durior extraordinaria mitior.

§. 160.

Nach gemeinem Recht gehört die Zuerken - nung öffentlicher Strafe blos für die Compe -tenz123V. d. Strafen überhaupt u. ihrer Eintheil. tenz des peinlichen Richters*)Robert, der dieſes läugnet und alles verwirrt, wird von Koch gründlich widerlegt, S. Robert und Koch über Civil - und Criminalſtrafen - und Verbrechen. . Aber nach deutſchem Partikularrecht kann auch der Civil - richter gewiſſe geringere Verbrechen beſtrafen und Strafen von geringerem Präjudiz zuer - kennen. Dieſe Strafen, auf welche auch ein bürgerlicher Richter ſprechen kann, heiſsen[Civil-Strafen] (p. civiles); Strafen hingegen, auf welche blos der Criminalrichter erkennen darf, Criminal-Strafen (p. criminales)**)Von dem Begriff: poena criminalis civilis im Sinne des gemeinen Rechts.. Welche einzelne Strafen jede dieſer Gattungen begreife, kann keine allgemeine Regel beſtimmen***)Ganz vergeblich iſt die Bemühung der Crimi - naliſten, im Allgemeinen mit Genanigkeit zu beſtim - men, welche Strafen und Verbrechen zu den Cri - minalſtrafen und Verbrechen gehören. Die groſse Verſchiedenheit der Particulargeſetze und Gewohn - heiten über dieſen Gegenſtand läſst keine allge - meine Regel zu. Man vergleiche nur einmal mit einander das bekannte Reſponſum der Leipziger Schöppen bey Carpzov Q. 109. Nr. 22. und Malblanc conſpectus rei judiciariac R. G. §. 96. Not. f. mit der Braunſchweig-Lüneburgiſchen Verord - nung und der Coburgiſchen Conſtitution, bey Schot - telius de ſingularibus et antiq. in Germ. jur. Cap. VII. §. 9. u. 10. Kein Wunder alſo, wenn die Rechtslebrer ſelbſt ſo ſehr von einander abweichen und im Grunde doch jeder Recht hat. VergleicheBoeh -.

Poena capitalis non capitalis. Poena commu - nis propria. Poena eccleſioſtica ſaecularis.

Zwey -124I. Buch. II. Theil. III Titel. II. Abſchnitt
Zweyter Abſchnitt. Regeln für die Anwendung der Strafen.
§. 161.

I. Die Strafe muſs in der Zufügung ein wirkliches Uebel für den Uebertreter ſeyn. Eine Strafe, durch deren Zufügung der Uebertre - ter nicht leidet, iſt in ſich ſelbſt und mit dem Strafgeſetze im Widerſpruch. Daraus folgt: 1) ein Uebel, das der Verbrecher ſelbſt als ein Gut begehrt, kann nicht gegen ihn angewen - det werden, ohne einen Widerſpruch gegen die Abſicht des Geſetzes*)J. Melch. Gottl. Beſecke Diſſ. de homicidio ex vitae taedio ad oppetendam mortem commiſſo non mortis poena, ſed perpetuis carceribus puniendo. Hal. 1772. ab - gedruckt in Plitt Analect. Nr. IV.. 2) Die Execution eines Strafübels in einem Zuſtande des Ver - brechers, wo dieſer es nicht empfinden kann, iſt ein Widerſpruch gegen den Begriff der Strafe. Eine Execution am Leichnam oder im Bildniſse**)Klein Diſſ. de executione in cadavere delinquentis. Roſt. 1699. Cocceji Diſſ. de juſtitia poenae inabſen - kann nur als Mittel, die Infamiezuzu -***)Boehmer ad Carpzov Q. 109. obſ. 2. 4. Meiſter Einleitung zur peinl. Rechtsgel. S. 26. Koch. inſt. jur. crim. §. 644. 645. Quiſtorp. Thl. II. 534. und 535.125Regeln für die Anwendung der Strafen. zuzufügen und als ſymboliſche Vorſtellungs - art, daſs dem drohenden Geſetz unter allen Bedingungen Genüge geſchehen müſſe, ge - rechtfertigt werden.

§. 162.

II. Die Strafe darf blos den Uebertreter und keinen Unſchuldigen treffen*)L. 26. D. de poenis. beſonders L. 22. C. eod. (Poena ſuos teneat auctores). Denn Strafe iſt blos an eigne Ueber - tretung geknüpft. Daraus folgt: 1) ein Richter darf bey Anwendung willkührlicher Strafen keinem Unſchuldigen ein Uebel zuerkennen, um durch die Leiden deſſelben, den wirklichen Verbrecher zu beſtrafen**)Wenn das Geſetz, wie L. 5. C. ad L. Jul. Maj. das Gegentheil verordnet, ſo muſs es der Geſetz - geber verantworten und der Richter befolgen. . 2) Keine Strafe kann zugleich dem Schuldigen und einem Unſchuldigen auferlegt werden. Bey einem Verbrechen aller, oder der Majorität der Glie - der einer Gemeinheit (§. 36) kann daher nicht die Gemeinheit ſelbſt beſtraft, ſondern die Strafe muſs blos auf die delinquirenden Glie - der beſchränkt werden***)Der Verluſt der Privilegien einer Gemeinheit zur Strafe kann daher nicht auf ewig erkannt, ſondern muſs an einen Termin gebunden werden, damit die Nachkommen nicht durch die Strafe leiden. Geldſtrafen dürfen nicht aus den Gütern der Ge - meinheit, ſondern müſſen aus den Gütern der Einzelnen genommen werden etc. S. Malblanc obſſ. cit. ad del. univerſitatis. .

§. 163.
**)abſentes vel mortuos ſtatuendae atque in effigie exe - quendae.
**)
126I. Buch. II. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt.
§. 163.

Es folgt daraus 3) eine Strafe, die nicht zugleich als öffentliche Schuld auf dem Eigen - thum des Verbrechers haftet, kann nie auf die Erben übergehen. Nur Vermögensſtrafen gehen auf die Erben über, und zwar, wenn entweder 1) der Verbrecher ſchon bey ſeinen Lebzeiten condemnirt oder 2) das begangene Verbrechen ein ſolches iſt, bey welchem, nach den Geſetzen, mit dem Momente der began - genen That das Vermögen oder ein Theil deſ - ſelben ipſo jure dem Staate zufällt*)L. 20. D. de accuſationibus. .

§. 164.

III. Die Strafe muſs öffentlich exequirt wer - den, weil die Execution die geſetzliche Dro - hung bekräftigen ſoll und mithin in jedem einzelnen Fall der Uebertretung allgemeine Gewiſsheit, daſs das rechtliche Uebel der That gefolgt ſey, vorhanden ſeyn muſs**)Schon hieraus widerlegt ſich die Meynung des Ben - jamin Ruſch in ſ. Unterſuchung der Wirkungen öffentlicher Strafen auf die Verbrechen und die Geſell - ſchaft a. d. engl. überſ. Leipz. 1792. Gegen Ruſch iſt zum Theil Püttmann über die öffent - liche Vollſtreckung der peinlichen Strafen. Ein Send - ſchreiben an Herrn Benj. Ruſch. Leipz. 1792.. Bloſse Züchtigungsübel, welche die Polizey zur Beſ - ſerung verhängt, können, und müſſen zum Theil heimlich ausgeübt werden, weil ſie blos für den Leidenden ſelbſt berechnet ſind und die Publicität dem Zweck der Beſſerung entgegenarbeiten würde.

§. 165.127Regeln für die Anwendung der Strafen.
§. 165.

IV. Die Execution einer jeden Strafe, muſs aus einem beſtimmten Richterſpruch geſchehen, der die Art und den Grad des zuzufügenden Uebels be - ſtimmt. Denn niemand darf mehr Uebel leiden, als er durch ſeine That verdient hat; würde aber die Execution der Privatwillkühr überlaſ - ſen, ſo wäre der Uebertreter der Licenz des Executors hingegeben, welches der öffentliche Spruch verhüthen muſs*)Blos bey der Strafe des Staupbeſens wird dieſe Regel noch nicht beobachtet..

§. 166.

V. Die Strafe muſs unverzüglich exequirt werden, ſobald der Richterſpruch ihre Nothwen - digkeit erklärt hat. Ein Aufſchub iſt blos recht - lich 1) wenn durch die augenblickliche Voll - ziehung der Verbrecher in Gefahr käme, mehr Uebel leiden zu müſſen, als ihm Geſetz und Richterſpruch beſtimmt hat; 2) wenn dadurch Gefahr für einen Unſchuldigen entſtünde**)L. 3. D. de poenis. Briſſon ſel. ant. L. II. c. 20.; 3) wenn ſich bisher noch unbekannte Gründe zeigen, um an der Gerechtigkeit des Urtheils - ſpruchs zu zweifeln; 4) wenn die Execution in dem gegenwärtigen Zuſtande des Ver - brechens auf das Publikum einen Eindruck machen müſte, welcher den durch die Exe - cution (neben bey) beabſichtigten Eindruck der unmittelbaren Abſchreckung, aufheben oder ſchwächen würde. An Wahnſinnigenoder128I. Buch. II. Theìl. III. Titel. III. Abſchnitt. oder Raſenden können daher Strafen nur wäh - rend ihren lichten Zwiſchenräume exequirt werden.

Dritter Abſchnitt. Von den einzelnen in Deutſchland üblichen Strafen.

Jac. Döpler theatrum poenarum, ſuppliciorum et execu - tionum criminalium oder Schauplatz derer Leibes - und Lebensſtrafen. Sondershauſen. 1693. 4. (Wann wird endlich eine neuere Schrift dieſes Machwerk überflüſſig machen?)

Quiſtorp Grundſ. d. peinl. Rechts Thl. I. §. 72. ff.

Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. III. §. 12 100.

§. 167.

Der Richter darf nur auf geſetzlich gebilligte Strafen erkennen und es ſteht nicht in ſeiner Gewalt neue Uebel, als Strafen zu erfinden. Selbſt bey willkührlichen Strafen darf er nur ſolche wählen, die ſonſt in der Geſetzgebung angedroht oder durch gegründete Obſervanz gebilligt worden ſind. Daher die Nothwen - digkeit der gegenwärtigen Lehre.

I. Allgemeine Eintheilung der Strafgattung.
§. 168.

Man kann die Strafen im allgemeinen in benannte und in unbenannte eintheilen. Zu denunbe -129V. d. einzelnen in Deutſchl. übl. Strafen. unbenannten gehört der Verluſt gewiſſer Rechte und Privilegien, das Verbot gewiſſer ſonſt er - laubter Handlungen und Geſchäfte z. B. die Unterſagung eines Gewerbes, Suspenſion von der Advocatur etc.*)L. 9. pr. §. 1 9. D. de poenis. Das Verbot bey den Schauſpielen zu erſcheinen iſt in dem röm Recht eine Strafe L. 28. §. 3. D. eod. und Ulpian wirft ſogar die Frage auf: ob man einem Menſchen zur Strafe gebieten könne, Handlung zu treiben? L. 9. §. 10. D. eod. .

§. 169.

Die benannten Strafen ſind in Rückſicht auf die Art, wie ſie dem Menſchen zu Uebeln werden, A. pſychologiſche Strafen, d. i. ſolche, die vermittelſt bloſser Vorſtellungen das Gefühl der Unluſt erregen: B. mechaniſche, phyſiſche Strafen, ſolche, die vornehmlich durch Ein - wirkung auf den Körper Uebel ſind: C. Mecha - niſch-pſychologiſche Strafen, ſolche, bey welchen das Hauptübel ſowohl aus der Ein - wirkung auf den Körper, als aus der Erre - gung gewiſſer Vorſtellungen entſpringt.

§. 170.

A. Mechaniſche Strafen ſind I. entweder ſolche, die einen blos vorübergehenden kör - perlichen Schmerz verurſachen, Züchtigungen im engern Sinn (poenae corporis afflictivae in ſenſu ſtro)**)Im weiten Sinn verſteht man unter poenis corp. afflict. alle mechaniſche Strafen, die Todesſtrafeaus -, II. ſolche, welche die Wirkſam -keitI130I. Buch. II. Theìl. III. Titel. III. Abſchnitt. keit der phyſiſchen Kräfte des Menſchen auf - heben. Dieſe ſind wieder von zweyerley Art: 1) Sie zerſtören ſie a) entweder dadurch, daſs der Menſch ſelbſt, in ſo ferne er äuſſer - lich erſcheint, zerſtört wird, Lebensſtrafen (poena capitales); oder b) dadurch, daſs ſie nur einzelne Kräfte, oder Theile des Menſchen zerſtören. Verſtümmelnde Strafen. 2) Sie beſchränken blos die Kräfte, (Freyheitsſtrafen im weitern Sinn,) entweder a) ſo, daſs dieſelben blos in Hinſicht einer gewiſſen Sphäre der Wirkſam - keit beſchränkt werden Verweiſung; oder b) ſo, daſs die äuſſere Freyheit des Menſchen ſelbſt aufgehoben wird Freyheitsſtrafen im engern Sinn.

§. 171.

B. Zu den pſychologiſchen Strafen gehören blos die[Ehrenſtrafen], bey welchen ein intellec - tueller Schmerz durch die Vorſtellung des ge - kränkten Ehrtriebes bewirkt werden ſoll. C. Zu den mechaniſch-pſychologiſchen Strafen gehören die Vermögensſtrafen, bey welchen man theils durch Entziehung oder Verringerung der Mittel zum Leben, einen körperlichen, theils durch die Vorſtellung der entzogenen oder verringerten Mittel der Befriedigung ſinnlicher Bedürfniſſe einen intellectuellen Schmerz er - regen will.

§. 172.
**)ausgenommen. Selbſt einige Ehrenſtrafen werden hieher gerechnet.
**)
131V. d. einzelnen in Deutſchl. übl. Strafen.
II. Von den einzelnen Arten dieſer Gattungen.
§. 172.

I. Lebensſtrafen ſind:

  • 1) einfache, bey welchen das Leben ohne beſondere mit dem Lebensverluſt verbun - dene Schmerzen genommen wird. Zu die - ſen gehört das Schwerdt, die Enthauptung (poena gladii ſ. decollationis)
    *)Hier. Pet. Schloſſer de nſu gladii in ſuppliciis apud Romanos. Frf 1769. auch in Plitt Anal Nr. I. Meiners über die Hinrichtung mit dem Schwerdte. (Berl. Monatſchr. I. 1784. Mayſt. S. 408. ff.)
    *) und der Strang, das Hängen (p. ſuſpendii).
  • 2) Qualificirte, wo mit dem Verluſt des Le - bens noch andere Uebel verbunden ſind. Dieſe ſind
    • a) äuſſerlich qualificirte Todesſtrafen, (p. cap. extrinſece qualific. ) wo ein von der Todes - art ſelbſt abgeſondertes Uebel mit der Lebensberaubung verbunden iſt. Es geſchieht dieſes
      • aa) durch ein vorhergehendes Uebel (ex - asperatio antecedens) Schleifen zur Ge - richtsſtätte und Kneipen mit glühenden Zangen, oder
      • bb) durch ein der Tödung nachfolgendes Uebel (exasp. ſubſequens) Flechtung aufs Rad Stecken des Kopfs auf einen Pfahl Verbrennung des Körpers nach geſchehener Enthauptung Abhauung der Hand des Leichnains NiederreiſsenI 2des132I. Buch. II. Theil. II. Titel. III. Abſchnitt. des Hauſes (Zimmerbrechen) und Auf - richtung einer Schandſäule
        *)Man nimmt noch eine äuſſerliche Schärfung per actum concomitantem an und rechnet dahin das Rad von unten. Allein mit Unrecht. Dieſe Schärfung gehört zu den innerlich qualificirten Todesſtrafen.
        *).
    • b) Innerlich qualificirte Todesſtrafen (p. cap. intrinſece qual. ), wenn ſchon in der Art den Tod zu bewirken beſondere Uebel, auſſer dem Lebensverluſt enthalten ſind. Das Rädern von oben herab, oder von unten hinauf, Säcken oder Er - tränken (poena culei)
      **)Die römiſche poena culei darf nicht verwechſelt wer - den mit dem deutſchen Säcken. Ueber das römiſche Säcken Vergl. beſonders Joannes Solorzani de parricidii crimine L. I. (in Everard. Otton. theſ. Tom V. S. 995. ſqq. ) und Arnold Dracken - borch Diſſ. ad L. 9. D. de L. Pompeja de parricidiis. Traj. ad Rhen. rec. Hal. 1724.
      **). Leben - dig Verbrennen (p. ignis). Viertheilen Lebendig begraben.
§. 173.

II. Verſtümmelnde Strafen ſind vorzüglich das Abhauen der Hand, Abſchneiden der Finger oder der Zunge; Ausſtechen der Augen etc. Die Humanität brachte dieſe Strafe auſſer Ge - brauch***)Mündlich über die Gründe der Verwerflichkeit die - ſer Strafen. S. Stelzer Grundſ. des peinl. R. Thl. I. §. 40. Globig und Huſters Vier Zugaben IIte Zug. S. 93. 94. Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. III. §. 15..

§. 174.133V. d. einzelnen in Deutſchl. übl. Strafen.
§. 174.

III. Zu den Züchtigungen im engern Sinne (p. corp. affl. ) gehört 1) Staupbeſen (ſuſtigatio) 2) öffentliche Züchtigung mit Ruthen oder dem Stock durch den bloſsen Gerichtsdiener, 3) Stockſchilling (vingindemia), geheime Züch - tigung durch den bloſsen Gerichtsdiener.

Das Wippen, die tratio di corda war blos ſächſiſches Gewohnheitsrecht.

§. 175.

IV. Die Freyheitsſtrafe und zwar 1) Ver - weiſung im weitern Sinn zerfällt a) in die Ver - ſtrickung (conſinatio), b) in die Verweiſung im engern Sinn (relegatio, exilium). Dieſe iſt wie - der Reichsacht, oder Landesverweiſung oder Stadtverweiſung*)Fernandez de Retes de interdictis et relegatis. In Everard. Otton theſ. T. V. pag. 1189. ff. G. M. Weber de relegatione. Bamb. (ohne Jahr - zahl) Jo. Jac. Cella freymüthige Gedanken über Landesverweiſungen, Arbeitshäuſer und Bettelſchube. Anſp. 1784.. Von der Verweiſung iſt die Landesräumung zu unterſcheiden**)Mündlich von der Akademiſchen Relegation von der Verweiſung vom Hofe etc.. 2) Die Freyheitsſtrafe im engern Sinn, oder Ge - fängniſsſtrafe im weitern Sinn iſt wieder a) gemeine Gefängniſsſtrafe, wo die Frey - heit blos negativ beſchränkt wird (ſo daſs der Verbrecher nicht wider ſeinen Willen zur Anwendung ſeiner Kräfte beſtimmt wird). Sie134I. Buch. II. Theil. III. Titel. III. Abſchnitt. Sie kann bald härter bald gelinder ſeyn*)Howard über Gefängniſſe und Zuchthäuſer. Ueberſ. mit Zuſätzen von Köſter. Leipz. 1780.. b) Zuchthausſtrafe, wenn der ſeiner Freyheit beraubte zu beſtimmten regelmäſsigen Arbei - ten genöthigt wird, zu dem Nebenzweck der rechtlichen Beſſerung**)Wächter über Zuchthäuſer und Zuchthausſtrafen. Stuttg. 1786. Wagnitz über die Verbeſſerung der Zuchtbausgefangenen. Halle 1787. 8. Deſſelben hiſtoriſche Nachrichten und Bemerkungen über die merk - würdigſten Zuchthäuſer in Deutſchland. Halle 1791 94. 2. Thle. c) Oeffentliche Arbei - ten (damnatio ad opus publicum), wenn der Verbrecher unter enger Verwahrung auf öffent - lichen Plätzen zum Beſten des Staats arbeiten muſs. Iſt der Verbrecher in einen Karren geſchloſſen, ſo heiſst ſie Karrenſtrafe***)Klein ſchrod über die Strafen der öffentlichen Arbeiten. Würzb. 1789. Verbeſſert abgedruckt in den: Abhandlungen über das peinl. Recht und den pein - lichen Proceſs. I Thl. Nr. V. Ueber die Strafe des Bergbau’s. S. Knötſchker von der Verdam - mung der Miſſethäter zur Bergarbeit. Leipzig 1795. und Hübner über die Anwendbarkeit der Bergbau - ſtrafe in Deutſchland. Leipz. 1796. Als Antiquität von der damnatio in metal um und ad metalla. S. Heyner Exerc. de damnatione ad metalla. Lipſ. 1794. (Bey dieſer Schrift iſt aber vieles hiſtoriſch zu be - richtigen)..

§. 176.

V. Die Ehrenſtrafen überhaupt bewirken eine Kränkung des Ehrtriebs in dem Menſchen, und ſind entweder ſolche, die blos das Ehr -gefühl135V. d. einzelnen in Deutſchl. übl. Strafen. gefühl kränken, ohne das vollkommne Recht auf Ehre zu nehmen, oder ſolche, welche die Kränkung des Ehrgefühls durch Entziehung des Rechts auf äuſſere Ehre aufheben. Jene heiſsen Ehrenſtrafen im engern Sinn, dieſe entehrende Strafen.

§. 177.

A Ehrenſtrafen im engern Sinn ſind 1) entweder blos beſchämende, welche dehmü - thigen, ohne verächtlich zu machen, wohin Kirchenbuſse*)Chriſtian Wildvogel Diſſ. de deprecatione pu - blica eccleſiaſtica. ed 2. da. 1757. Verweis, Abbitte und Widerruf gehören**)Widerruf und Abbitte können qualificirt werden und dann in eigentliche entehrende Strafen über - gehen. z. B. wenn die Abbitte und der Widerruf knieend, vor gehegtem Halsgericht in Gegenwart des Scharfrichters, abgeleiſtet wird.; oder 2) beſchimpfende, welche wirklich die öffentliche Geringſchätzung zur Folge haben. Gemeines Halseiſen oder Straf - pfahl Laſterſtein Geige Austrommeln Trillhaus Spaniſcher Mantel etc. B. Die entehrenden Strafen nehmen 1) entweder das Recht auf vorzügliche Ehre, welches durch Amtsentſetzung und durch Beraubung der Adels - rechte geſchieht, oder 2) das Recht auf gemeine Ehre und den guten Namen, alſo das Recht auf äuſſere Achtung als Bürger überhaupt und als rechtlicher Menſch. Infamia (poena in - famiae) ***)Thomaſius Diſſ. an poenae viventium cos infaman - tes. ſint abſurdae et abrogandae? Hal. 1723. Calonide

§. 178.136I. Buch. II. Theil. III Titel. III. Abſchnitt
§. 178.

Die rechtliche Entſtehungsart der Infamie iſt verſchieden. Sie iſt I. entweder eine noth - wendige Folge von andern Strafen oder ſie wird II. als Principalſtrafe zuerkannt. Hier wird der Verluſt des Rechts auf Ehre 1) ent - weder begründet durch die bloſse Erklärung des Richters, oder 2) durch andere Handlun - gen des Staats gegen den Verbrecher, welche die Ehrloſigkeit zur Folge haben. Die letzte Entſtehungsart der Infamie iſt vorhanden a) bey der Ausſtellung an den Pranger*)Pufendorf Obſ. jur. univ. Tom. IV. Obſ. 130. Pufendorf de jurisd. Germ. p. 484. Meiſter Einl. in die peinl. Rechtsgel. S. 34 u. 431., b) dem Brandmarken, c) der öffentlichen Zerbrechung des adlichen Wappens durch den Schinder, d) der Anſchlagung des Namens an den Galgen und e) dem unehrlichen Begräbniſse.

Infamia mediata und immediata. Infamia juris und in - fam. facti.

§. 179.

Die rechtlichen Folgen der Infamie ſind 1) der Verluſt des Rechts auf vorzügliche Ehre; denn dieſe ſetzt die gemeine voraus**)L. 3. C. de re mil. L. 8. C. de decurionib. L. 2. C. de dignitat. ; 2) derVer -***)de delinquentium ad publicam ignominiam expoſitione. Abo. 1788. Fr. Car. Lud. Textor Diſſ. de ſup - plicie capitali et poenis infamantibus e civitatum foris proſcribendis. Tüb. 1799.137V. d. einzelnen in Deutſchl. übl. Strafen. Verluſt aller Rechte, deren Ausübung die Ueberzeugung andrer von unſrer Rechtlich - keit vorausſetzt. Ein Infamer kann daher aus Zünften ausgeſtoſsen werden*)Arg. der R. P. O. 1548. tit. 37. 1577. Tit. 38. Rſchl. 1731. §. 4. und verliert das Recht, gültiger Zeuge zu ſeyn**)L. 3. D. de teſtibus. C. 54. X de teſtibus. .

§. 180.

V. Vermögensſtrafen zerfallen 1) in Geld - ſtrafen (mulctae), wenn der Verbrecher einen beſtimmten Theil ſeines baaren Geldes ver - liert***)Fr. Vigil. Barbacovius Diatr. de poenis pe - cuniariis recte adhibendis. Trid. 1796.; 2) Confiscation, wenn der Verluſt von Vermögen, (Eigenthum des Menſchen überhaupt) Inhalt der Strafe iſt****)G. Hier. Bruckner Comment de confiscatione bonorum in delictis. Jen. 1755.. Die Confiscation kann das ganze Vermögen eines Menſchen, oder nur einen Theil deſſelben be - treffen (confiſcatio omnium . quorundam bonor). Uebrigens ſetzt jede Confiscation die ausdrück - liche Androhung eines Geſetzes voraus. Still - ſchweigende Confiſcationen (als bloſse Folge einer Capitalſtrafe) ſind bey uns geſetzwidrig†)P. G. O. Art. 118. in fin. vergl. mit L. 1. §. 3. L. 7. pr. de bonis damnat. L. 10. C. eod. L. 5 et 6. C. ad L. Jul. Maj. und mit Nov. 22. c. 8. Nov. 134. c. 13. S. Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. III. §. 63 72. Koch Vorrede zu ſeiner Ausg. der P. G. O. §. 9..

Vier -138I. Buch. II. Theil. III. Titel IV. Abſchnitt.
Vierter Abſchnitt. Von dem Verhältniſs dieſer Strafen zu einander.

Quiſtorp Verſuch einer richtigen Beſtimmung des Ver - bältniſses der gemeinen in Deutſchland üblichen Strafen zu einander. In deſſen Beyträgen n. A. Nr. XVII. (Noch das erträglichſte in dieſer beynahe noch gar nicht bearbeiteten wichtigen Lehre.)

§. 181.

Die Fragen, die wir hier zu beantworten haben, ſind: 1) Wie ſind die Strafen einander ſubordinirt, oder, welches iſt die Stufenfolge der Strafen? 2) welche Strafen ſind einander coordinirt, oder, welche ſind einander gleich?

I. Von der Subordination der Strafen.
§. 182.

Die allgemeine Regel iſt: eine Strafe iſt um ſo gröſser, je mehr Uebel ſie enthält. Eine Strafe iſt alſo der andern ſubordinirt, wenn ſie weniger Uebel, als die andere enthält. Al - lein die Anwendung dieſes Satzes ſetzt noch andere Grundſätze voraus, welche uns beſtim - men, wodurch denn ein Uebel gröſser als das andere ſeyn könne.

§. 183.139V. d. Verhältniſs dieſ. Straf. zu einand.
§. 183.

Es kann etwas für den Menſchen auf ver - ſchiedene Art ein Uebel ſeyn, nämlich I. da - durch, daſs es das Gefühlvermögen unmittelbar unangenehm afficirt, alſo unmittelbar, ohne Reflexion auf die Folgen deſſelben ein Gegen - ſtand der Verabſcheuung iſt · ſinnliches Uebel im engern Sinn; II. dadurch, daſs es in ſeinen Fol - gen den ſinnlichen Zwecken des Lebens wider - ſpricht Hier wird der Gegenſtand, darum ein Gegenſtand der Verabſcheuung, weil der Ver - ſtand auf die entfernteren unangenehmen Fol - gen reflectirt, die aus ihm herflieſsen. Verſtän - diges Uebel. Das ſinnliche Uebel iſt thieriſches Uebel, wenn das Gefühlvermögen durch Einwir - kung auf den Körper unangenehm afficirt wird, (wenn es körperlichen Schmerz erregt); in - tellectuelles Uebel (Uebel der Einbildung), wenn das unangenehme Gefühl durch bloſse Vor - ſtellung bewirkt wird*)So z. B. wirkt der bloſse Gedanke, ehrlos zu ſeyn. un mittelbar Unluſt, ohne daſs der Menſch erſt auf die Folgen der Infamie zu ſehen braucht..

§. 184.

Daraus folgt: I. eine Strafe iſt um ſo gröſser, je mehr das in ihr enthaltene Uebel entweder unmit - telbar das Gefühlvermögen afficirt, oder je mehr es in ſeinen Folgen den Zwecken des Menſchen wider - ſpricht. II. Eine Strafe iſt um ſo gröſser, je zuſam - mengeſetzer das in ihr enthaltene Uebel iſt. Aus dem zweyten Satze folgt: 1) diejenige Strafe iſt die gröſte, die das gröſte ſinnliche und ver -ſtän -140I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Abſchnitt. ſtändige Uebel in ſich vereinigt; 2) eine Strafe, die mit einer andern in gleichem Grade den ſinnlichen Zwecken widerſpricht, die aber zu - gleich mit einem intellectuellen Uebel ver - bunden iſt, iſt gröſser als dieſe; 3) eine Strafe, die mit einer andern in gleichem Grade ſinn - liches Uebel iſt, iſt gröſser, als dieſe, wenn ſie zugleich in ihren Folgen als Uebel oder gar als gröſseres Uebel, erſcheint.

§. 185.

Todesſtrafe iſt daher die gröſste Strafe. Sie iſt mit thieriſchem Schmerz verbunden, ſie iſt in andrer Rückſicht zugleich Uebel der Einbildung und iſt das gröſte verſtändige Uebel, weil ſie alle Wirkſamkeit des Menſchen und jede Befriedigung irgend eines ſinnlichen Zwecks durch ihre Folgen unmöglich macht*)Feuerbach der Tod iſt das gröſste Uebel und die abſchröckendſte Strafe. Bibliothek des p. R. Bd. II. Stück. I. Nr. IV.. Auf ſie folgen die übrigen Strafen in folgen - der Rangordnung: 1) ewige Gefängniſsſtrafe, 2) verſtümmelnde Strafe, 3) Infamie, 4) Conſisca - tion des ganzen Vermögens, 5) körperliche Züch - tigung, 6) ewige Landesverweiſung, 7) zeitige Gefängniſsſtrafe, 8) Verweiſung auf beſtimmte Zeit, 9) Ehrenſtrafen, 10) Geldſtrafe und par - tielle Conſiscation. Iſt eine Strafe aus ver - ſchiedenen dieſer Strafen zuſammengeſetzt, ſo geht ſie jeder der einfachen Strafen vor, auswelcher141V. d. Verhältniſs dieſ. Straf zu einand. welcher ſie zuſammengeſetzt iſt (nach der 2ten Regel) vor*)z. B. Landesverweiſung mit Staupbeſen verbunden, iſt härter als einfache Infamie und folgt alſo unmit - telbar auf verſtümmelnde Strafen..

§. 186.

Unter mehrern Strafen, die ein gleiches Hauptübel enthalten (alſo zu Einer Art oder Gattung gehören) iſt diejenige die härtere, welche 1) länger dauert oder 2) mit welcher gröſsere Nebenübel verbunden ſind.

II. Von der Coordination der Strafen.
§. 187.

An ſich giebt es wohl keine Strafe, die der andern völlig ſubſtituirt werden könnte, wenigſtens ſind hier für uns die Verhältniſſe zu fein und die Vergleichungspunkte zu ver - ſteckt, als daſs wir zwiſchen verſchiedenen Uebeln eine ſo genaue Parallele ziehen könn - ten. Wenn daher der Richter genöthigt iſt, Strafen einander zu ſubſtituiren; ſo muſs er I. vor allen Dingen ſehen: welche Strafen durch Geſetz oder Obſervanz einander gleich - geachtet werden**)So erkennen z. B. die Geſetze das Rad und das Er - tränken Säcken und Schwerd etc. einander gleich. Man ſehe hierüber beſonders den oben angef. Qui - ſtorp. Auſſerdem auch J. F. Mögling Diſſ. de eo q. j. e. circa proportionem in poenis ſurrogandis. Tüb. 1734.. Entſcheiden dieſe nichts, ſo muſs er nach obigen Principien (§. 183 186.) beſtim -142I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Abſchnitt. beſtimmen, welche Strafe der andern am nächſten komme oder (beyläufig) gleich ſey.

§. 188.

Wenn der Richter für ein gewiſſes Straf - übel ein demſelben coordinirtes, aber der Art nach verſchiedenes Uebel ſubſtituirt: ſo heiſst dieſes Verwandlung der Strafe (permutatio poenae). Um die Befugniſſe des Richters in Anſehung dieſer Verwandlung zu beſtimmen, muſs man zwiſchen einer beſtimmten (geſetz - lichen) und einer willkührlichen Strafe un - terſcheiden.

§. 189.

I. Hat das Geſetz eine Strafe beſtimmt, ſo will es auch, daſs dieſelbe auf den vorkom - menden Fall angewendet werde und es ſteht dem Richter nicht eine willkührliche Verwand - lung frey. Dieſes iſt nur dann rechtlich mög - lich: 1) wenn die Anwendung der gedrohten Strafen ſelbſt phyſiſch unmöglich iſt, 2) wenn ein offenbarer Grund des Geſetzes der Anwen - dung der Strafe auf den vorliegenden Fall widerſpricht*)Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 127..

§. 190.

II. Das unbeſtimmte Strafgeſetz verlangt weiter nichts, als daſs der Richter der Straf - barkeit des Verbrechens gemäſs eine Strafe beſtimme. Der Richter hat daher hier das unſtreitige Recht, zwiſchen verſchiedenen, demGrade143V. d. Verhältniſs dieſ. Straf zu einander. Grade nach einander gleichen, aber insge - ſammt mit dem beſondern Grad der Strafbar - keit übereinkommenden Strafen, zu wählen.

§. 191.

Die Wahl des Richters kann hier beſtimmt werden 1) durch die Vorſtellung der Billig - keit a) in Beziehung auf den Verbrecher ſelbſt, indem er diejenige Strafe wählt, welche ſeinem Fortkommen, nach ausgeſtandener Strafe, am wenigſten hinderlich iſt, oder b) in Beziehung auf andere Perſonen, indem er einer Strafe, die in ihren Folgen für einen dritten Unſchuldigen, für die Kinder oder den Gatten, am wenigſten drückend iſt, vor einer andern den Vorzug giebt. 2) Die Vorſtellung des öffentlichen Wohls (politiſche Rückſicht). Er kann daher unter mehrern, nach Befinden der Umſtände die - jenige wählen, welche a) die gröſte Ab - ſchreckung bewirkt, oder b) auf die rechtliche Beſſerung des Verbrechers am ſicherſten wirkt, oder c) den Staat vor dem Verbrecher am beſten ſichert, oder d) ihm einen nützlichen, viel - leicht unentbehrlichen Bürger für die Zukunft erhält*)Daſs der Richter hier dieſe Rückſichten nehmen darf, widerſpricht unſern bekannten Grundſätzen nicht im geringſten. Er iſt in der Wahl der Inten - ſität nach einander gleicher Uebel bey willkührlichen Strafen durch keine Rechtsgründe beſchränkt; er hat freye Wahl und da iſt es denn doch vernünf - tiger, ſich nach vernünftigen und beſtimmten Gründen in ſeiner Wahl zu determintren, als, (weil Rechtsgründe mangeln) ſich nach gar keinen Grün - den zu beſtimmen..

§. 192.144I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Abſchnitt.
§. 192.

Eine Strafe kann an ſich einer andern der Art nach gleich und gleichwohl in Beziehung auf verſchiedene Subjecte der Qualität nach verſchieden ſeyn*)Ein Adlicher verliert z. B. durch Infamie weit mehr, als ein gemeiner Menſch aus der unterſten Klaſſe. Jener würde daher weit härter, dieſer weit gelinder beſtraft, wenn man jenen und dieſen wegen der - ſelben Uebertretung mit Infamie beſtrafen wollte.. Es iſt daher oft in ſoferne eine Verwandlung nothwendig, als ein, einer gewiſſen Perſon zuerkanntes und durch ihre Qualität der Strafbarkeit derſelben angemeſſe - nes Uebel, bey einer andern Perſon, wegen deſſelben Grades der Strafbarkeit in eine (in abſtracto betrachtet) härtere oder gelindere Strafe verwandelt werden muſs. Die noth - wendige Gleichheit in der Beſtrafung iſt oft nur durch Ungleichheit in der Art der Strafe zu erreichen. Dieſes iſt beſonders bey Ehren - ſtrafen in Beziehung auf vornehme Perſonen, beſonders Adliche**)Jo. Leonh. Tauber Diſſ. de licita in criminali - bus proſopolepſia Alt. 1752. Beſonders G. J. Fr. Mei - ſter über den Einfluſs. welchen der Stand des Ver - brechers auf die Strafen und das Verfahren in Straf - ſachen hat. In Plitts Repertorium Thl. I. Nr. 1. und bey Vermögensſtrafen in Beziehung auf Reiche und Arme der Fall***). Bey beſtimmten Strafgeſetzen kann aber dieſe Rückſicht auf die nothwendige Gleichheit nicht eine rechtmäſsige Verwandlung be - wirken.

Zwey -[145]

Zweytes Buch. Poſitiver oder beſonderer Theil des peinlichen Rechts.

Einleitung.

§. 193.

Dieſer Theil iſt gröſtentheils analytiſch. Er beſtimmt und entwickelt den Begriff der ein - zelnen Verbrechen und determinirt die ihnen zukommenden Strafen. Die von demſelben auf - zuſtellenden Begriffe der Verbrechen, als Vor - ausſetzungen der geſetzlichen Strafen, müſſen aus den poſitiven Geſetzen ſelbſt geſchöpft, entweder unmittelbar aus ihnen hergenom - men, oder durch Exegeſe in denſelben ge - funden ſeyn. Die Philoſophie hat dabey kein anderes Geſchäft, als daſs ſie treu den Ge - ſetzen dient.

K§. 194.146Einleitung.

§. 194.

Die Verbrechen, welche unſre Geſetzege - bung kennt, ſind entweder determinirte oder vage Verbrechen. Jene erfodern zu ihrem Be - griffe eine Uebertretung Einer Art oder doch einen beſtimmten geſetzwidrigen Effect. Bey dieſen gehört eine Uebertretung beſtimmter Art nicht zu ihrem Begriff, ſondern ſie umfaſsen verſchiedenartige Rechtsverletzungen und Ue - bertretungen. Die determinirten Verbrechen theilen ſich in Polizey-Verbrechen und eigent - liche Verbrechen, (§. 27.) von welchen die letz - ten, (einer Hauptabtheilung nach) wieder in gemeine und beſondere (§. 30.), die gemeinen aber wieder in Privat-Verbrechen, und in öf - fentliche Verbrechen, Staatsverbrechen im weitern Sinne (§. 28.) zerfallen.

Erſter[147]

Erſter Theil. Von determinirten gemeinen Verbrechen.

Erſter Titel. Oeffentliche Verbrechen. Staatsverbrechen überhaupt.

Erſter Abſchnitt. Verbrechen an der moraliſchen Perſönlichkeit des Staats ſelbſt oder an dem Regenten als ſolchem. Staatsverbrechen im engern Sinn.
Erſte Abtheilung. Von dem Hochverrath.

N. H. Gundling Singularia ad Legem Majeſtatis item - que de ſilentio in hoc crimine. Hal. 1721. 4.

L. Lud. Menken Diſſ. de crimine perduellionis ejusque poena. Vi〈…〉〈…〉 eb. 1737.

Henr. von Adrichem Diſſ. de poena perduellionis, veroque ſenſu L. quisquis C. ad L. Jul. Maj. Lugd. Bat. 1784.

Kleinſchrod über den Begriff und die Strafbarkeit des Hochverraths, nach allgemeinen Grundſätzen. In Kleins und Kleinſchrods Archiv. Bd. I Stk. 1. Nr. 2.

Feuerbach philoſophiſch · juridiſche Unterſuchung über das Verbrechen des Hochverraths. Erf. 1798.

§. 195.

Der Staat hat auf ſein Daſeyn und auf die Exi - ſtenz derjenigen Einrichtungen, ohne welcheK 2er148II. Buch. I. Theil. I. Titel. 1. Abſchnitt. er aufhören würde, als Staat überhaupt, oder als dieſer beſtimmte Staat zu exiſtiren, ein urſprüng - liches und nothwendiges Recht. Wer es ver - letzt, iſt Feind des Staats; ein Unterthan, welcher es verletzt, iſt der gröſte Verbrecher und wird Hochverräther (perduellis) genannt*)Mündlich von dem crimen Majeſtatis des Röm. Rechts, welches den Hochverrath und die Majeſtätsverletzung als Arten unter ſich begreift. Vergl. §. 3. J. de publ. jud. . Hoch - verrath (perduellio iſt die von einem Staats - unterthan unternommene oder dolos vollendete Aufhebung der dem Daſeyn des Staats, dem er unterworfen iſt, nothwendigen Einrichtungen und Eigenſchaften**)L. 11. D. ad L. Jul. Majeſt. perduellionis reus eſt, boſtili animo adverſus rempublicam velprincipem animatus in Vergleichung mit L. 21. u. 24. D. de captivis et poſtliminio. cf. Feuerbach Hochverrath S. 20 ff. Daſs der Verfaſſer den ehemals angegebenen Be - griff von Hochverrath verändert und vor einigen Misdeutungen geſichert hat, wird der Aufmerkſame wahrnehmen. Im Weſentlichen iſt er mit dem vori - gen derſelbe, aber, wie es ſcheint, klärer und un - abhängiger von Theorien des allgemeinen Staats - rechts. So weicht der Vf. auch in der Darſtellung der einzelnen Arten des Hochverraths von ſich ſelbſt ab.. Der Hochverräther iſt weit gefährlicher und beleidigt mehr, als der äuſſere Feind des Staats. Durch ſeine Beleidi - gung, welche auf Unſicherheit aller Rechte aller Bürger hinwirkt und durch welche er Alle beleidigt, bricht er den Grundvertrag zwiſchen ihm und dem Staat und ſtrebt eine Geſellſchaft zu zernichten, ohne die kein rechtlicher Zu -ſtand149Von dem Hochverrath. ſtand iſt und welcher er ſelbſt bisher ſeine eigne Freyheit verdankte*)Daſs auch nach poſitiven Geſetzen Hochverrath eines der ſchwerſten Verbrechen iſt, erhellet aus L. 7. C. Theod. de indulgent. crim. u. L. 8. C. Theod. de bonis proſcript..

§ 196.

Der Hochverrath ſetzt I. als Object, auf deſſen Verletzung er gerichtet iſt, ſolche Einrichtungen und Eigenſchaften des Staats voraus, von welchen das Daſeyn entweder des Staats überhaupt oder dieſes beſtimmten Staats nothwendig abhängt. Einrichtungen und Beſtimmungen des Staats, welche erſt durch einen Akt der Regierung entſtanden, alſo nicht urſprünglich und nothwendig, ſondern zufällig ſind, ſind kein Object dieſes Ver - brechens**)z. E. einzelne Geſetze, die nicht Fundamentalge - ſetze ſind, oder zufällige Einrichtungen, Stempel - taxen, Zölle, Auflagen etc., ſo wenig als einzelne Regierungs - akte ſelbſt, denen der Unterthan Unterwerfung verſagt***)Daher die Unterſcheidung des Hochv. von In - ſurection, Rebellion, Tumult etc.. II. Die Handlung ſelbſt, durch welche hier die Uebertretung bewirkt wird, muſs auf Vernichtung ſolcher Einrichtungen gerichtet ſeyn, gleichviel aber, ob dieſe Ver - nichtung in der That bewirkt, oder (wenn auch auf die entfernteſte Art) unternommen worden iſt****)§. 3. J. de public. jud. L. 5. pr. C. ad L. Jul. Maj. A. B. c. 24. §. 3.. III. Das Subject muſs ſeyn,ein150II. Buch, I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. ein Unterthan des Staats. Ob die Unterwer - fung als Unterthan blos dinglich (forenſis oder perſönlich iſt, macht keinen Unterſchied*)Boehmer ad art. 124. §. 6. Quiſtorp Thl. I. §. 151. Klein p. R. §. 501. Kleinſchrod a. O. §. 4.. IV. Der nothwendige ſubjective Grund iſt Do - lus. Culpoſe Verletzung des Staats kann zwar beſtraft werden, der Begriff von Hochverrath iſt aber nicht anwendbar**)L. 11. D. ad L. Jul. maj. hoſtili animo. Auch fodern überall die Geſetze dolum malum. .

§. 197.

In Deutſchland kann ein Hochverrath be - gangen werden I von einem unmittelbaren Reichsbürger an Kaiſer und Reich, II. von einem mittelbaren Reichsunterthan an dem Territorium, deſſen Unterthan er iſt. III. von einem mittelbaren Reichsunterthan an Kaiſer und Reich. Dem Kaiſer werden in Anſehung des Hochverraths die Kurfürſten gleich ge - ſetzt***)A. B. c. 24. §. 2.. Ein Hochverrath an ihnen und ihren Landen iſt daher von ſo verſchiedenen Sub - jecten möglich, als er an Kaiſer und Reich ſelbſt möglich iſt.

§. 198.

Die zum Daſeyn eines beſtimmten Staats nothwendigen Bedingungen ſind I. Vereinigung mehrerer zum wechſelſeitigen Schutz der Rechte innerhalb eines beſtimmten Staatsge - biets; II. ein beſtimmtes Oberhaupt, welchesdie151Von dem Hochverrath. die einzelnen Handlungen der Bürger (als Un - terthanen) zum Staatszweck beſtimmt. III. eine beſtimmte Verfaſſung, als Inbegriff derjenigen geſetzlichen Einrichtungen, welche die Art, den Umfang und die Grenzen der Regierung be - ſtimmen. Nach dieſen drey nothwendigen Eigenſchaften zerfällt auch der Hochverrath in drey verſchiedene Arten. Es giebt einen Hochverrath an der Vereinigung, an dem Staats - oberhaupt und an der Staatsverfaſſung*)Mündlich von dem in dem gemeinen Recht unbe - kannten Unterſchied zwiſchen Hochverrath und Lan - desverrath. Vergl. Klein psinl. R. 509..

§. 199.

I. Hochverrath an der Vereinigung der Staatsglieder ſelbſt. Dieſe Hauptart des Hoch - verraths kann, vermöge ihres Gegenſtandes (§. 198. I.) begangen werden 1) durch Aufhe - bung des Zwecks der bürgerlichen Geſellſchaft, welcher allein die Sicherheit der Rechte Aller iſt. Wer den Oberherrn zum Despoten machte oder machen wollte, würde in dieſe Art des Hochverraths fallen**)Vergl. Löwenſtern in den gelehrten Beyträgen zur Schweriniſchen Intelligenz. Jahrg. 1776. Nr. 2 5.. 2) Durch Trennung, der in dem beſtimmten Staat zum Zweck der bürgerlichen Geſellſchaft vereinigten Theile. Wer den Staat in Anarchie zu ſtürzen, ihm unterworfene Perſonen zu entziehen***)L. 3. D. ad L. Jul. maj. qui civem hoſti tradiderit. L. 4. D. eod. cujus dolo malo exercitus P. R. in inſi - dias deductus hoſtibusque proditus erit. Daher auch, wer die Bürger boshaft zum Auswandern verleitet. Pütt -, Län -der152II. Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. der, Feſtungen. etc., die ihm gehören, unab - hängig zu machen*)L. 4. D. eod. cujus dolo malo factum erit, quo Rex ex - ternae nationis Populo Romano minus abtemperet. 〈…〉〈…〉, oder eine Incorporation mit einem andern Staat, oder nur eine Unter - werfung unter denſelben zu bewirken ſucht, oder bewirkt hat**)L. 10. D. ead. cujus. ope, conſilio, dole malo pro - vincia, vel civitas hoſtibus prodita eſt., iſt dieſes Verbrechens ſchuldig. Da ein auswärtiger Feind die Unterwerfung des Ganzen oder doch einzelner Theile des Staats zu ſeinem Zweck hat, ſchon der entfernteſte Verſuch aber Hochverrath iſt; ſo wird durch bloſse Unterſtützung des Fein - des***)L. 1. §. 1. L. 4. pr. D. eod., wie auch durch Aufregung eines Krieges gegen das Vaterland****)L. 4. D. eod. vtue ex amicis hoſtes P. R. fiant. die Perduel - lion begangen.

§. 200.

II. An dem Staatsoberhaupte wird das Ver - brechen begangen, wenn die oberherrliche Perſon als Regent vernichtet wird: dieſes ge - ſchieht 1) durch Entthronung, 2) durch Tödung des Regenten*****)Nur nicht, wenn der Unterthan aus Nothwehr die Tödung vollbringt. Feuerbach vom Hochver - vath S. 55. f. Deſſen Anti-Hobbes. Bd. I. Kap. IX., 3) durch jede Handlung,welche***)Püttmann el. jur. crim. §. 495. Heimliches Wer - ben für auswärtige Staaten. Püttmann idid. §. 493.153Von dem Hochverrath. welche ihm die Ausübung der Regierungs - rechte unmöglich macht. Gefangennehmung, Beraubung des Verſtandes, Entführung*)Die L. 5. C. ad L. Jul. maj. ſpricht zunächſt nur von dem Hochverrath an den Groſsen des Reichs und wie man aus der Geſchichte weiſs an den Eunuchen der orientaliſchen Majeſtät. Ueberall fe[t]zt aber die Verordnung dem Zuſammenhang nach, den Hochverrath an dem Oberhaupte ſelbſt voraus. Auch verſteht es ſich von ſelbſt, wenn es auch der Zuſammenhang nicht lehrte.. Auſ - ſer dem Regenten ſelbſt und der Ehegattin oder dem Thronfolger, in ſo ferne dieſe Mit - regentſchaft haben, kann an niemand andern Hochverrath begangen werden. Miniſter ſind kein Gegenſtand des Hochverraths**)Der L. 5. C. cit. ungeachtet. Vergl. Feuerhach a. O S 61 ff. Ueber das crimen perd. obliquae über - haupt 5. Chriſt Lud. Reu. Diſſ de majeſtate in perſona miniſtri ex odio privaio laeſa. Lipſ. 1785..

Von dem Oberherrn einer Ariſtokratie und Demokratie.

§. 201.

III. Der Hochverrath an der Verfaſſung geſchieht durch jede verſuchte oder vollführte rechtswidrige Vernichtung der Grundgeſetze des Staats. Die Aenderung der beſtehenden Grundgeſetze iſt rechtswidrig und heiſst Revo - lution, wenn dieſelbe entweder gegen den Willen des Regenten, oder gegen den Willen des Volks geſchieht. Eine Aenderung der Grundgeſetze auf rechtliche Art heiſst Reform und begründet keinen Hochverrath. Uebri -gens154II. Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. gens kann der Hochverrath 1) ſowohl dadurch begangen werden, daſs die Regierungsform ſelbſt vollſtändig geändert werden ſoll, als auch 2) dadurch, daſs nur einzelne Beſtim - mungen der Conſtitution rechtswidrig zernich - tet werden ſollen*)z. E. Attentat auf einzelne Rechte des Regenten, welche ihm nach der Conſtitution zukommen, Ver - drängung der regierenden Familie etc. Mündlich von der Theilnahme an den Handlungen eines im Staat revolutionirenden auswärtigen Feindes. Vergl. Kleinſchrod a. O. §. 8..

§. 202.

Die Handlungen ſelbſt, durch welche der Hochverrath begangen wird, können ſeyn I. wirkliche Thathandlungen, wohin Verſchwö - rung, Conſpiration u. ſ. w. gehören: aber auch II. bloſse Worte und Schriften, wenn ſie in hochverrätheriſcher Abſicht erlaſſen wer - den, wie es bey Ertheilung des Auftrags, Be - fehls, Raths, oder bey revolutionären Schrif - ten, Reden u. ſ. w. der Fall iſt. Freymüthiger, aber nicht zu Revolutionen auffodernder und blos auf Reformen abzweckender Tadel der Re - gierung oder der Verfaſſung, macht keinen Hochverrath.

§. 203.

Die Strafe des Hochverraths iſt I. das Viertheilen und bey Weibsperſonen, das Er - tränken**)P. G. O. Art. 124.. II. Das Vermögen des Thätersfällt155Von dem Hochverrath. fällt dem Fiscus zu*)L. 11. D. ad L. Jul. maj. L. 10. C. de bonis proſcript.. III. Seines Namens Gedächtniſs iſt verdammt (damnata memo - ria)**)L. 11 §. 3. D. de his qui not. inf. L. 35. D. de re - ligipſis. L. 24. D. de paenis. A. B. c. 24. §. 10. Vo - lumus inſuper, ut convicto mortuo memoria ejus damnetur .. IV. Auch die Kinder trift das Ver - brechen ihrer Eltern; ſie ſind inſam, können zu keinen Ehrenſtellen gelangen und niemanden beerben***)L. 5. C. ad L. Jul. Maj. A. B. c. 24. Iſt aber blos von ehelichen Kindern des Hochverrä hers, wahr - ſcheinlich auch nur von denen zu verſtehen, die zur Zeit des Hochverraths ſchon gebohren waren Auf Enkel iſt das Geſetz ebenfalls nicht auszudehnen. Vergl. Matthaeus de crim. L. 48. tit. 2. c. 3. Nr. 10. ſq. Finkelthaus Diſſ. de crimine lae - ſae maj. humanae. §. 32. 50.. Blos bey den Töchtern iſt einige Ausnahme****)Kleinſ[c]hrod kann die Lex 5. C. ad L. Jul. maj. als ein allgemeines Geſetz gegen den Hechverrath über - haupt betrachtet werden? In Kleins und Klein - ſchrods Archiv Bd II Stck. 2. Nr. 2. Hier wird behauptet. daſs alle Befonderheiten der L. 5. C. z. E. die Strafe der Kinder, nicht auf den Hochverrath an dem Oberherrn ſelbſt oder dem Staat angewen - det werden könnten. Denn 1) durch einen error Triloniani habe ſich dieſe L. in den Titel von Ma - jeſtätsverbrechen eingeſchlichen, da ſie zur L. Corn. de Sic. gehöre, 2) das Geſetz ſpreche nur von dem Mord der Miniſter, 3) Carl IV. habe in der A. B. c. 24. die L. 5. C. auf Kur ürſten übertragen, ſo daſs ſie jetzt an ſich nicht mehr gelte, und mithin jetzt blos bey dem H[o]chve[r]rath an Kurfürſten jene Singularitäten zur Anwendung kommen müſten. Allein.

§. 204.156II Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt.
§. 204.

Der entfernteſte Verſuch*)L. 5. pr. C. eod. eadem ſeveritate voluntatem ſceleris, qua effectum, puniri jura voluerunt. und §. 3. J. de publ. jud. moliti ſunt. , wie auch die Beyhülfe, zu welcher hier auch Verſchweigung und unterlaſſene Verhinderung des Ver - brechens gehören, ſollen mit der ordentlichen Strafe belegt werden**)L. 5. pr. C. eod. A. B. c. 24. §. 10. Vergl. Lude - wig Erl. der goldn. Bulle. Thl. II. S. 411 ff.. Wer ſich für die - ſen Verbrecher verwendet, iſt infam***)L. 5. §. 2. C. eod. Deswegen die Obſervanz, daſs der Defenſor vorher um Erlaubniſs zur Defenſion bittet.. DerTheil -****)Allein 1) wenn gleich die L. 5. C. im Codex Theod. unter dem Titel ad L. Corn. de Sic. ſteht und Tri - bonian ſie mit Unrecht an den Ort geſtellt hätte, an welchem ſie im Cod. Iuſt. ſteht (obgleich ſich für Tribonian noch gar manches ſagen Feſsſse); ſo müſ - ſen wir doch. als praktiſche Iuriſten, d. h. in ſo ferne wir geltende Rechtsgrundſätze aufſtellen wol - len, die Geſetze unſers Corpus luris nach der Ordnung und nach dem Titel interpretiren, unter welchem ſie jetz ſtehen. Der §. 7. de conc. Dig. iſt ja doch bekannt genug. 2) Implicite ſind jene rechtliche Folgen der L. 5. von jedem Hochverrath, insbe - ſondere vom Verrath an dem Oberhaupt ſelbſt ver - ordnet. Arcadius ſtellt die Miniſter und einige andere ſich ſelbſt in Anſehung dieſes Verbrechens gleich und verordnet dieſes: quia et ipſi pars corpo - ris noſtri ſunt. Was von ihm geſagt iſt, iſt alſo auch vom eigentlichen Hochverrath geſagt. 3) Eben ſo redet Carl IV. in der G. B. Das vorige gilt alſo auch hier. Anderer Gründe zu geſchweigen.157Von dem Hochverrath. Theilnehmer an einer Verſchwörung, der ſie zeitig entdeckt, iſt ſtraflos und kann ſelbſt Belohnung erwarten*)A. B. c. 24. §. 11.. Andere angebliche Singularitäten**)Vergl. Gerſter Diſſ. de perduellione. Cap. IV. §. 26 32. Quiſtorp Thl. I. §. 255. beym Hochverrath ſind theils ungegründet, theils unanwendbar bey unſrer Gerichtsverfaſſung. Im Zuſtand der höchſten Noth kann ſich der Staat, ohne lange Unterſuchung des Verbrechens, von ſeinem Untergange retten***)Leyſer Sp. 573..

Zweyte Abtheilung. Vom Verbrechen beleidigter Majeſtät.
§. 205.

Der Oberherr als ſolcher d. h. in wie ferne er in Beziehung auf Regierungshandlungen ge - dacht wird, hat die höchſte bürgerliche Ehre, in wie ferne durch ihn der Staatszweck reali - ſirt wird und ihm durch die ihm zuſtehen - den Rechte der höchſten Gewalt alle Einzelnen unbedingt unterworfen ſind. Die vorzügliche und ausſchlieſsende Würde des Oberherrn alsſolchen158II. Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. ſolchen, vor allen Bürgern des Staats iſt die Majeſtät des Oberherrn, und die Verletzung des Rechts auf vorzügliche Würde deſſelben vor allen Bürgern des Staats, ohne hochver - rätheriſche Abſicht, macht das Majeſtäts - verbrechen im engern Verſtande, das Ver - brechen beleidigter Majeſtät (cr. laeſae majeſtatis) aus.

§. 206.

Blos die oberherrliche Perſon ſelbſt, nicht diejenigen, welche blos zu ſeiner Familie ge - hören*)Ausgenommen die Gemahlin, oder der Thronfolger, wenn ſie Mitregenten ſind., ſind Gegenſtand des Verbrechens. Auch macht die oberherrliche Perſon ſelbſt, blos in wie ferne ſie als Oberherr und mithin als öffentliche Perſon zu betrachten iſt, das Object des Verbrechens aus. Verletzung der oberherrlichen Perſon, als Privatperſon d. h. in wie ferne ſie nicht in Beziehung auf Re - gierungshandlungen gedacht wird**)S. Feuerbach Anti-Hobbes. C. IX., heiſst blos Verletzung der Ehrfurcht***)Dieſes wichtige, faſt noch gar nicht bearbeitete Verbrechen, hat beynahe keine beſondere Schriften aufzuweiſen. Carl Auguſt Fr. Schotts an ſich ſchlech e Abbandlung über das Verbrechen der be - leidigten Majeſtät überhaupt und deſſen Beſtrafung. - hingen. 1797. handelt faſt durchaus vom Hochver - rath. Stoff zu Betrachtungen und guter Materialien liefern die Schriften in der von Brabeckiſchen Sache. Das Corpus delicti findet ſich in den Neue - ſten Staatsanzeigen VI. Bd. 1ſtes Stck. Nr. 8. S. 644. Beſon -.

§. 207.159Vom Verbrechen beleidigter Majeſtät.
§. 207.

Die Verletzung der Majeſtät des Regenten, als ſolchen geſchient, I. dadurch, daſs ein Un - terthan ſich Rechte anmaſst, welche blos in der Staatsgewalt enthalten ſind*)Nach L. 3. D. ad L. Jul. Maj. qui privatus pro poteſtate, magiſtratuve, quid ſciens dolo malo geſſit.. Denn der ausſchlieſsliche Beſitz der Rechte der höchſten Gewalt beſtimmt die ausſchlieſsliche vorzügliche Würde des Oberherrn. Durch Anmaſsung von Regierungsrechten wird daher die aus - ſchlieſsliche höchſte Würde des Oberherrn beleidigt, in wie ferne der Unterthan durch jene Rechte für ſich ſelbſt einen Theil der Majeſtät begründet und ſich theilweiſe dem Regenten gleich ſtellt**)L. 3. D. ad L. Jul. Maj. L. 2. C. de privatis carceri - bus cohihend. L. 2. C. de falſ. mon. Wer einen ſchul - digen Verbrecher aus dem Gefängniſſe läſst, iſt nach L. 4. pr. D. ad L. Jul. m. Majeſtätsverbrecher, viel - leicht aus der Rückſicht, weil dieſer in das Begna - digungsrecht des Regenten eingreift..

§. 208.

Es wird II. durch Injurien begangen, welche der oberherrlichen Perſon in Beziehung auf ihre Regierungshandlungen zugefügt werden. Diesgeſchieht***)Beſonders merkwürdig ſind: Deux mots au Baron de Brabeck. 1799. Le B. de Brabeck au Public. 1799. Häberlin über das dem Hrn. v. Brab. ange - ſchuldigte Verbrechen der beleidigten Majeſtät. Braun - ſchweig 1800. Auſſer dieſen noch verſchiedene andere.160II. Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. geſchieht 1) wenn man den Regenten während der Ausübung einer Regierungshandlung in - juriirt*)z. B. wenn er auf dem Landtage präſidirt etc., 2) wenn Regierungshandlungen Ge - genſtand der politiven Verachtung ſind, welche die Injurie enthält, es ſey nun a) daſs man ſeine Regierung überhaupt ſchmäht**)Die Römer nannten dieſes maledicta temporum prin - cipis. Ueberhaupt unterſcheiden ſie die maledicta in principem von dem eigentlichen Majeſtätsverbrechen. Jene begreifen blos wörtliche Beleidigungen der Maje - ſtät; Verletzungen derſelben auf eine andere Art waren unter dem crimen Majeſtatis enthalten. Pau - lus Rec. ſent. V. 29. L. 7. §. ult. D. ad L. Jul. M. oder b) gegen einzelne Regierungshandlungen deſ - ſelben eine poſitive Verachtung zu erkennen giebt***)Pasquille auf gewiſſe Geſetze, injuriöſe Handlungen gegen Patente, Reſcripte etc. Verachtung der vom Staat ertheilten Würden. Dahin gehört auch der Fall der 3 C. de crim. ſacril. Das Geſetz bedient ſich zwar des Ausdrucks ſacrilegium, aber ſacrileg. iſt of mit orimen majeſtatis gleichbedeutend. Vergl. L. 1. u. 6. C Th. de indulgentia crim. oder ihm c) fälſchlich Handlungen andichtet, welche ihn als Regenten ent - ehren.

§. 209.

Aus den angegebenen Requiſiten folgt 1) daſs Eigenſchaften und Handlungen der ober - herrlichen Perſon, welche ihr blos als Menſchen zukommen und von ihr als einer Privatperſon begangen werden, kein Gegenſtand der M. V. ſind, ſo wenig als 2) freymüthige aber beſchei -dene161Vom Verbrechen beleidigter Majeſtät. dene Urtheile über den Regenten und ſeine Regentenhandlungen*)S. Grolmans Gr. d. CRW. §. 472..

§. 210.

Die Strafe des Verbrechens iſt willkühr - lich**)L. ult. D. ad L. Jul. Maj L. un. C. de priv. carc. cobib.. Die Gröſse der Strafbarkeit deſſelben hat in der Regel folgende Stufen: 1) Realinjurien an der Perſon des Regenten während der Aus - übung eines Regierungsakts, 2) Anmaſsung von Regierungsrechten, 3) Pasquille und Schmähſchriften gegen Regierungshandlungen 4) einfache ſymboliſche Injurien gegen den Regenten in Beziehung auf Regierungshand - lungen. Eine ſchwere Realinjurie kann mit dem Tode beſtraft werden: Wenn die Maje - ſtätsverletzung durch eine ſymboliſche Injurie begangen wird, ſo kann der Richter vor einer Anfrage bey dem Landesherrn ſelbſt nicht ver - fahren***)L. un. C. ſi quis imperatori maledixerit. Si quis modeſtiae nescius et pudoris ignarus, improbo pertulantique maledicto nomina noſtra crediderit laceſſenda, ac temulentia turbulentus obtrectator temporum noſtrorum fuerit; eum poenae nolumus ſubjugari, neque durum aliquid, nec aſperum vo - lumus ſuſtinere: quoniam ſi id ex levitate proceſ - ſerit, contemnendum eſt: ſi ex infamia, miſera - tione digniſſimum: ſi ab injuria remittendum. Unde integris omnibus, hoc ad noſtram ſcientiam referatur, ut ex perſonis hominum dicta penſemus, et utrum prae - sermitti, an exquiri debeant, cenſeamus. Auf an -dere.

Zwey -L162II. Buch. I. Theil. I Titel. II. Abſchnitt.
Zweyter Abſchnitt. Verbrechen gegen einzelne Gewalten des Staats. Regierungsverbrechen.
Erſte Abtheilung. Verbrechen gegen die aufſehende Gewalt. Münzverbrechen.

J. R. Engau Diſſ. de delictis monetariis. 1750.

Idem Diſſ. de falſo nummario et ſolo et cum uſurpatione juris monetandi conjuncto. Jen. 1750.

§. 211.

Münze iſt ein Stück geprägtes Metall, welches als allgemeines Tauſchmittel gebraucht wird und unterſcheidet ſich ſowohl von dem Gelde überhaupt, als auch von den Zeichen des Geldes und der Münze (Papiergeld) und von bloſsen Schaumünzen oder Medaillen. Das RechtMün -***)dere Arten der Majeſtätsverletzung iſt dies nicht auszudehnen. Das Geſetz ſpricht vielmehr nur von wörtlichen Injurien. Einige ältere Rechtslehrer glaubten, aus dieſem Geſetz wohl gar völlige Unge - ſtraftheit dieſes Verbrechens ableiten zu können. welches durch den Nachſatz des Geſetzes völlig widerlegt wird. Das Ganze iſt ohnedies blos orien - taliſche Grosſprecherey, unter welcher vielleicht auch orientaliſcher Despotismus lauert.163Verbrechen gegen die aufſehende Gewalt. Münzen zu prägen ſteht bey uns als Regal dem Oberherrn, vermöge der aufſehenden Gewalt, zu. Denn zur Lebhaftigkeit des Ver - kehrs wird erfodert, daſs die Ausmittlung des Werths der Dinge, welche als allgemeines Tauſchmittel gelten, keiner langen Unter - ſuchung bedarf. Auf dem Metall, welches als Geld gebraucht wird, muſs daher ſein äuſ - ſerer und innerer Werth bezeichnet ſeyn und dieſe Bezeichnung muſs unbedingten Glauben haben, welches nicht anders möglich iſt, als wenn der Staat in das Mittel tritt und allein die Metalle bezeichnet. Daher die Münz - fälſchung (falſum monetarium) welche in der Verletzung des oberherrlichen Münzregals durch betrügliche Verfertigung neuer oder Ver - fälſchung ſchon vorhandener Münzen beſteht.

P. G. O. Art. 111.

§. 212.

I. Das Object iſt Münze. Verfälſchung des Papiergeldes, oder von Medaillen gehört nicht hieher*)Stelzer Crim. R. §. 345. und 359.. II. Es müſſen neue Münzen zu[r]Verletzung des Münzregals verfertigt oder ſchon vorhandene verdorben worden ſeyn. Wucher blos mit verrufenen Münzen und Einführung oder Verbreitung derſelben iſt aus - geſchloſſen. Ob die Münzen geprägt oder ge - goſſen ſind, iſt gleichviel. III. Dieſe Hand - lung muſs in der Abſicht geſchehen ſeyn, die falſche oder verfälſchte Münze als allgemeinesL 2Tauſch -164II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Tauſchmittel zu gebrauchen*)P. G. O. Art. 111. in den Worten betrüglicher weiſs gefährlich. . Daſs die Münze ſchon ausgegeben und alſo wirklicher Schade geftiftet worden, fodern die Geſetze nicht**)Faſt alle Rechtslehrer ſind dagegen (Meiſter jun. pr. jur. crim §. 329. e.) Quiſtorp Thl 1. §. 161. Allein die Geſetze fodern dieſes nicht. Das Ausgeben der falſchen Münzen macht einen ganz beſondern Fall dieſes Verbrechens aus, der von der Verſertigung ſolcher Münzen ſelbſt genau unterſchieden wird. Art. cit. Welche falſch Münz machen, zeichnen oder dieſelbigen falſchen Münzen aufwechſelt oder ſunſt zu ſich bringt, und wiederum gefährlich und bosbaftiglich dem Nechſten zum Nachtheil wiſſentlich ausgiebt, die ſol - len etc. .

§. 213.

Jede Münzfälſchung ohne Ausnahme ent - hält zugleich einen Betrug an dem Publikum und eine Verletzung des Münzregals***)Die allgemeingangbare Eintheilung in die Münz - fälſchung, welche blos durch Verletzung der Maje - ſtät, welche blos durch Betrug und die, welche durch beydes zugleich begangen wird, iſt falſch, wie mündlich gezeigt wird.. Sie zerfällt in folgende Arten. A.) Münzfälſchung durch Anmaſsung des Münzrechts. Dies kann geſchehen I von einem Landesherrn, der ohne kaiſerliche Conceſſion Münzen prägt****)Wird ſelten vorkommen, kann es aber doch nach Grundſätzen des Staatsrechts. S. Pütter inſt. jur. publ. §. 341.. II. von165Verbrechen gegen die aufſeh. Gewalt. von einem mittelbaren Reichsunterthan und zwar entweder 1) durch Verfertigung guter Münzen, welche den geſetzlich beſtimmten auſſern und innern Werth haben, 2) durch Verfertigung ſchlechter Münzen, bey welchen der geſetzlich beſtimmte Werth nicht beob - achtet iſt. B. Münzfälſchung ohne Anmaſsung des Münzrechts. Dieſe kann begangen wer - den l. durch Miſsbrauch des Münzrechts; wenn eine Perſon, die das Münzrecht hat, die Münz - geſetze übertritt, worunter ſowohl das Sub - ject des Münzregals ſelbſt, (der Oberherr) als auch der, dem die Ausübung deſſelben über - tragen iſt (der Münzwardein) verſtanden wer - den muſs. Sie begehen vorzüglich dieſes Verbrechen: 1) durch Ausprägung ſchlechter Münzen 2) durch Nachahmung des Stempels eines fremden Landesherrn, 3) durch Um - ſchmelzung der Münze eines fremden Landes - herrn*)R. A. v. I. 1551. 1559. et 1571. §. 11. und P. G. O. Art. cit.. II. Durch andere Handlungen, welche das Recht zu münzen nicht vorausſetzen. Da - hin gehört vorzüglich 1) die Deterioration guter Münzen, 2) die Verfälſchung geringerer Münzſorten, ſo daſs ſie den Schein höherer Sorten erhalten, 3) Verbreitung von Metall - ſtücken, welche gar nicht als Tauſchmittel gelten.

§. 214.166II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt.
§. 214.

Strafe*)Die ältern Praktiker ſtatuiren I. Enthauptung nebſt Verbrennung des Leichnams, wenn jemand, dem das Münzrecht nicht zukommt, falſche Reichs oder Land - münze geprägt und verbreitet hat, vorausgeſetzt 1) daſs er die Münze des Landesherrn verfälſcht hat, deſſen Unterthan er iſt (Struben Thl. I. Bd. 131.) und die Fälſchung eine groſse Summe beträgt. II. Schwerdt 1) wenn nicht die Münze ſeines Oberherrn Gegenſtand des Verbrechens iſt. 2) wenn bey der Exiſtenz der übrigen Bedingungen die Münze nicht ausgegeben worden iſt, 3) wenn der Münzwardein das Verbrechen begieng, 4) wenn nur eine geringe Summe falſcher Münzen ausgeprägt iſt. III. Mit willkührlichen Strafen werden belegt 1) die bloſsen Münzgieſter 2) die Verderber vorhandener Munzen, S. Leyſer Sp. 618. m. 1. et 2. Kreſs, ad art. 111. §. 4. Koch l. c. §. 586. Ueber die allerneueſten angeblichen Praxis, deren Früchte man ſieht, vergl. Meiſter jun. princ. jur. crim, §. 332.. I. Wer falſche Münzen prägt, ſoll mit dem Feuer beſtraft werden ohne zu unterſcheiden, ob er das Recht zu münzen hat, oder nicht**)Koch l. c. §. 585. und faſt alle RL. verſtehen die Strafe nicht von dem Münzmeiſter. Atlein die P. G. O. droht ohne Unterſch ed der Perſonen dem Falſchmnnzer die Feuerſtrafe, wie man aus dem Art. ſelbſt ſieht., ob es deutſche oder einheimi - ſche, Reichs - oder Landmünze iſt. Wer die falſche Münze wiſſentlich annimmt und wie - der verbreitet, iſt dem Fälſcher ſelbſt gleich. II. Die übrigen Arten des Verbrechens werden willkührlich, an Leib oder Vermögen be - ſtraft. Reichsunmittelbare, welche ſich einer ſolchen Uebertretung ſchuldig machen, ſollenmit167Verbrechen gegen die auſſehende Gewalt. mit Suspenſion oder Verluſt des Münzrechts, oder mit Suſpenſion a ſeſſione et voto beſtraft werden*)P. G. O. Art. cit in fine. Ord. Mon. 1559. §. 175. R. A. 1570. §. 132. Wablkap. 1711. Art. 9. §. 6..

§. 215.

Nach beſonderer Dispoſition der Geſetze wird man Theilnehmer, wenn man von dem Ver - brechen Wiſſenſchaft hat und es der Obrigkeit nicht anzeigt**)L. 9. §. 1. D. de L. Com. de Falſ. R. A. v. J. 1559. §. 163.. Wer dem Falſchmünzer ſeine Wohnung zur Werkſtätte einräumt, wird derſelben verluſtig***)P. G. O. Art. cit., ſo wie auch die Mün - zen ſelbſt dem Fiscus zufallen.

Zweyte Abtheilung. Verbrechen wider die anordnende Gewalt.
Rechtswidrige Erſchleichung eines Amtes.
§. 216.

Die Erlangung eines Amtes ſoll nur von dem Verdienſt und der Tauglichkeit des Candidatenabhän -168II. Buch. I. Theil. I. Titel II. Abſchnitt. abhängen. Derjenige, dem der Staat die Be - ſetzung eines Amtes anvertraut hat, handelt rechtswidrig, wenn er durch andere Gründe ſich zu der Ertheilung deſſelben beſtimmt; und der Candidat, der es durch andere Mittel als durch ſein Verdienſt zu erlangen ſucht, belei - digt ebenfalls den Staat und zwar die anord - nende Gewalt deſſelben, als welche die Errich - tung und Beſetzung der Aemter zu ihrem Ge - genſtande hat. Daher das Verbrechen des Ambitus, welches in der rechtswidrigen Bewer - bung um ein Amt oder der Zuſicherung deſſel - ben aus eigennütziger Abſicht beſteht*)Der Contractus ſuffragii, über welchen die L. un. C. de ſuffragio nachzuſehen iſt, iſt heut zu Tag ganz un - gültig, in ſo ferne er die Erlangung eines offentlichen Amtes zum Zweck hat. Blos in ſoweit iſt er noch gültig, als er die Empfehlung andrer Angelegen - heiten des Contrahenten bey dem Oberherrn be - zweckt. Daranf iſt der contractus ſuffragii durch die Nov. 8. u 161. beſchränkt. Wer den Contractus ſuffragii zur Erlangung eines Scaatsamts ſchlieſst, iſt des ambitus ſchuldig Es kann aber hier nur der Gebende darunter begriffen ſeyn. Der Empfehlende iſt des Ambitus nicht ſchuldig Denn nur von einem Ertbeiler des Amtes und dem Candidaten kann dieſes Verbrechen begangen werden. Ueber den Con - tractus ſuffragii überhaupt: B. Reiſig Diſſ. de con - tractu ſuffragii ad[L. un]C. de ſuffragio. Gött. 1737. u. Weber von der natürlichen Verbindlichkeit. §. 67. Anm. 6. S. 259 ff.. Es kann begangen werden 1) durch zweyſeitiges Ver - ſchulden von Seiten des Bewerbers und des Er - theilers, welches bey der Beſtechung des Amts - ertheilers von dem Bewerber geſchieht, 2) durch einſeitige Schuld des Bewerbers, wenn er durchZwang169Verbrechen wider d. anordnende Gewalt. Zwang oder Betrügerey in das Amt ſich zu ſchleichen ſucht*)L. un. C. de ambitu.: 3) durch einſeitige Schuld des Ertheilers, wenn er ſich für den Candidaten von einem Dritten beſtechen läſst**)Jo. Wolfg. Textor Diſſ. de crimine ambitus Heidelb. 1690. J. Chr. Wächtler Diſſ. de erimine Simoniae, repetundarum ambitus et de reſiduis. Serveſt. 1726..

§. 217.

Das Verbrechen iſt vollendet, ſobald von Seiten des Bewerbers, oder des Ertheilers die Handlung vollendet iſt, durch welche der letzte zur geſetzwidrigen Ertheilung deſſelben be - ſtimmt werden ſoll. Auf die wirkliche Antre - tung des erſchlichenen Amtes kommt es ſo wenig an, als auf die Tauglichkeit oder Un - tauglichkeit des Ambienten, oder auf die Art der Mittel, durch welche die Rechtswidrig - keit dieſer Uebertretung begangen wird.

§. 218.

Der Ambitus überhaupt zerfällt 1) in den weltlichen (amb. ſaecularis) wenn ein Staats - amt und 2) in den geiſtlichen (amb. eccleſiaſti - cus), wenn ein Kirchenamt Gegenſtand des Verbrechens iſt. Das letzte heiſst nach dem canoniſchen Recht Simonie, dieſes Wort in engerer Bedeutung genommen***)Die Simonie in der weitern Bedeutung enthält nach dem Can. R. neunzehn Hauptverbrechen unterſich.

§. 219.170II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt.
§. 221.

Nach dem R. R. wird I. der weltliche Ambitus mit Confiscation, Exil und körperlicher Züchti - gung beſtraft*)Nov. 8. c. 8. §. 1. Durch dieſe Verordnung iſt die L. un. §. 1. D. h. t und L vn. C. eod. aufge hoben. Die Praxis will blos willkührliche Strafe: gewöhnlich Abſetzung vom Amt., II. der geiſtliche Ambitus, mit Wiederabſetzung vom Amt und Infamie**)L. 31. C. de epiſc. et cler. Der des Amb. ſchul - dige Patron verliert bey Proteſtanten gewöhnlich das Patronatrecht..

Dritte Abtheilung. Verbrechen gegen die richterliche Gewalt.
Erſte Unterabtheilung. Rechtswidrige Selbſthülfe.
§. 220.

Die Rechte des Einzelnen müſſen im Staat durch die richterliche Gewalt mittelſt eines öf - fentlichen Urtheils verfolgt werden. Wer nachſeinem***)ſich von denen der ambitus eccleſiaſticus eine Art iſt. S. Boehmer J. E. P. P. IV. L V. Tit. 3. §. 3. Ejusd. Diſſ. de involucris Simonide detectis Hal. 1736. Fleiſchers Einleitung zum geiſtlichen Recht Buch II. Cap. 28171Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. ſeinem Privaturtheil und durch Gebrauch ſei - ner individuellen Kräfte ſeine Rechte verfolgt, der iſt der Selbſthülfe ſchuldig und beleidigt die richterliche Gewalt, die dem Staat aus - ſchlieſsend übertragen iſt. Nur dann iſt die Selbſthülfe erlaubt 1) wenn ſie zur Erhaltung der Rechte gegen einen offenbar rechtswidrigen Angriff auf die perſönlichen oder dinglichen Rechte geſchehen iſt (§. 47 50). 2) wenn ſie zur Wiedereinſetzung in den rechtswidrig ent - zogenen Beſitz einer Sache geſchehen iſt, vor - ausgeſetzt, daſs die Privatgewalt unmittelbar auf die rechtswidrige Beſitzergreifung des an - dern folgte*)L. 3. §. 9. L. 17. de vi et vi armata..

§. 221.

Die Selbſthülfe iſt A.[einfach], wenn die Pri - vatgewalt zur Verfolgung ſtreitiger Rechte nicht auf Verletzung unerſetzlicher Güter des An - dern gerichtet iſt. B. Qualificirt, wenn ſie auf die Verletzung ſolcher unerſetzlicher Güter gerichtet iſt. Dahin gehört, I. das Duell, II. die Fehde.

§. 222.

A. Die einfache Selbſthülfe iſt vorhanden, wenn ein Bürger dem andern durch bloſse Ueberwindung der phyſiſchen Kräfte deſſelben eine Sache entzieht, auf welche er ein Recht zu haben glaubt. Die Strafe dieſer Handlung iſt 1) der Verluſt des Rechts, wenn der Rechts - anſpruch gegründet, 2) die Bezahlung ihresein -172II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. einfachen Werths, wenn der Rechtsanſpruch ungegründet war*)L. 13. D. quod metus cauſa. L. 7. ad L. Jul. de vi priv. L. 7. C unde vi. Die Anwendbarkeit dieſer Verordnung wird von einigen bezweifelt. Juſt. Claproth Diſſ. de non uſu Decreti Divi Marci et poenae privationis in viam facti ſtatutae. Goett. 1757. Dagegen beſonders: Boehmer Diſſ de poena jus ſibi dicentis ſine judice. In Exerc. ad D. T. II. Ex. 23. idem de poena jus ſibi dicentis hodierna ibid. Ex. 24. E. L. A. Eiſenhardt Diſſ. de poena legibus Romanis adverſus vin - dictam privatam ſancita in foris adhuc recepta Helmſt. 1787. Grolman Grundſ. d. CRW. §. 568. Koch §. 242. ibique allegatos..

§. 223.

B. Qualiſicirte Selbſthülfe. I. Duell**)Von dem veralteten Unterſchied zwiſchen gerichtlichen und auſſergerichtlichen Zweykämpfen. S. Dreyers Anmerkung von den ehemaligen gerichtlichen Duellgeſetzen etc. In deſſen verm. Abbandl. I. Thl. S. 139. und III. Thl. S. 1130.. Es iſt in weiterer Bedeutung ein zwiſchen zweyen Perſonen unter gegenſeitiger Einwilligung ge - führter Kampf mit abſoluttödlichen Waffen zur Privatgenugthuung für eine Beleidigung und zerfällt 1) in das Duell im engern Sinn, wenn der Kampf vorher verabredet worden iſt und 2) in den Rencontre, wenn beyde Perſonen ohne Verabredung, durch gegenſeitige Belei - digungen gereizt, zu gleicher Zeit einander angreifen. Durch das Merkmal gegenſeitige Einwilligung unterſcheidet ſich das Duell von dem Kampf nach einem rechtswidrigen unvermutheten Angriff mit abſoluttödlichen Waffen, der mit der Auffoderung ſich zu ver -theidi -173Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. theidigen verbunden iſt (Attaque). Dieſer Kampf iſt nur ſtrafbar von Seiten des Angrei - fers, wenn der Angegriffene nicht die Grenzen der Nothwehr überſchritten hat*)Samuelis Rachelii tractatus de duellis. Raceb. 1671. Henr. Chr. Thielcken Diſſ. de ducllis. Roſt. 1704. Leyſer Sp. 607..

§. 224.

Das Duell iſt vollendet, ſobald der Kampf begonnen hat, alſo mit dem erſten Gang von beyden Theilen. Wirkliche Tödung oder Verwundung wird nicht erfodert. Wenn aber Tödung erfolgt iſt, ſo iſt die Regel, daſs ſie durch indeterminirten, alternativen Dolus (§. 66) begründet iſt. Dieſer muſs, nach der Natur der Handlung, ſo lange präſumirt werden, bis entweder bewieſen iſt, daſs die Abſicht blos auf Verwundung, oder (wie bey dem Duelle auf Tod und Leben) lediglich auf - dung gerichtet war, wo denn im erſten Fall culpa dolo determinata, im letzten dolus de - terminatus vorhanden iſt**)Mit dieſen Grundſätzen ſcheinen im Ganzen über - einzuſtimmen Klein p. R. §. 328. Meiſter praktiſche Bemerkungen Thl. II. Bem. 25. Chr. Fr. Ge. Meiſter rechtliche Erkenntniſſe und Gutachten in peinlichen Fällen. fortg. v. G. J. Fr. Meiſter. B. V. Reſp. 127. Nr. 19. Ueberall wird zwar hier der dolus indirectus, dolus obliquus als Regel angenommen. Allein man ſieht leicht, daſs ſie den dolus indeter - minatus meynen, und dieſen im Sinn haben, während ſie nur, aus Verwechslung der Begriffe, jenen nen - nen. Dieſe Verwechslung hat aber freylich recht - liche Folgen..

§. 225.174II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt.
§. 225.

Iſt I. in dem Duell Tödung erfolgt, ſo findet in der Regel die Schwerdtſtrafe ſtatt, weil die Entleibung, wenn gleich determinirter oder alternativer Dolus zum Grunde liegen ſollte, dennoch in der Hitze des Gefechts und der Gefahr einer eignen Körperverletzung ge - ſchehen iſt. Der Leichnam des Entleibten erhält kein chriſtliches Begräbniſs*)c. 1. et 2. X. de torneament.. II. Wenn keine Tödung erfolgt iſt, ſo kann es blos will - kührlich beſtraft werden, wo dann die Gröſse der Strafbarkeit davon abhängt 1) wer der erſte Beleidiger 2) ob ein Duell oder bloſser Rencon - tre vorhanden war und 3) ob Verletzung er - folgt iſt, oder nicht**)Dieſe Grundſätze ſtimmen im Ganzen mit dem Reichsgutachten v. J. 1668. überein, das aber, weil keine Publication erfolgt iſt, nicht als Quelle brauch - bar iſt. Blos aus den Principien anderer Verbrechen muſs hier entſchieden werden.?

§. 226.

Die ordentliche Strafe fällt hinweg, wenn die Nachläſſigkeit des Landesherrn oder der Obrigkeit in den Duellanten die Meynung veranlaſst hat, daſs ihnen das Duell erlaubt ſey. Die Abſicht, die Ehre durch das Duell zu erhalten, mindert nichts an der Strafe, da gewöhnlich alle unſre Duelle Ehrenſachen ſind und zur Erhaltung der Ehre ſowohl von Seiten des Provocanten, als Provocaten ein - gegangen werden***)Ohne allen Grund beruft man ſich auf arg. Art. 140. d. P. G. O. Meiſtens iſt man aber bey Sol -daten.

§. 227.175Verbrechen gegen die richterliche Gewalt.
§. 227.

II. Fehde (diffidatio, belium privatum). Sie beſteht in einer die Verletzung der richterlichen Gewalt enthaltenden Gewaltthätigkeit durch Mehrere abſichtlich vereinigte bewaſſnete Men - ſchen, zur Verfolgung wirklicher oder vermeint - licher Rechte*)R A. v. J. 1548. 1555. 1594.. Wenn ein Oberherr durch bewaffnete Macht gegen ſeine Unterthanen Rechte verfolgt, ſo fällt der Begriff dieſes Ver - brechens hinweg, ſelbſt wenn ſeine Anſprüche ungerecht ſeyn ſollten. Denn da der Oberher das Recht hat, ſeine Befehle durch die Geſell - ſchaftsgewalt zu exequiren; ſo iſt hier keine Verletzung der richterlichen Gewalt denkbar. Reichsumnittelbare, dieſes Verbrechens ſchul - dig, ſollen mit der Reichsacht und 2000 Mark löth. Goldes**)R. A. v. J. 1495. und 1548. Dieſer ſpricht zwar von 2000 Mark. R. G. beſtimmt aber ausdrücklich ſo wenig den Fall, bey welchem die Geldſtrafe eintre - ten ſoll, alser angiebt: ob ſie copulative oder alterna - tive mit der Reichsacht ſtatt finden ſoll.: Mittelbare, wenn ſie abweſendſind***)daten gegen die Duelle der Oberoſſiciere ſehr nach - ſichtig und mehrere neuere Partikulargeſetze erlau - ben ſogar dem Officier wegen einer ihm zugefüg - ten Injurie oder nach vorgängiger unverſchuldeter Provocation, das Duell. S. Heſſiſches Reglement ſub tit: Verbot wider das Duelliren unter den Officiers §. 1. und Preuſſiſche Reglement ibid. Gewöhnlich werden nur Duelle der Oſſiciere an dem Beleidiger oder wenn ſie in Spiel - und Trinkgelagen ihre Veran - laſſung haben, beſtraft. Vergl. Joh. Heinr. Beermanns Grundſätze des bentigen deutſchen Kriegs - rechts. Erſten Theils zweyte Abtheilung. §. 738.176II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. ſind mit der Reichsacht, ſind ſie gegenwärtig, mit dem Schwerdt beſtraft werden*)Landfr. v. J. 1495. tit. 3. v. J. 1521. §. 3. u. 7. P. G. O. Art. 128. u. 129..

Zweyte Unterabtheilung. Befreyung eines Gefangenen.
§. 228.

Durch Beraubung der Freyheit eines Menſchen exequirt entweder der Staat ein Geſetz gegen einen Uebertreter, oder er ſichert ſich durch dieſelbe die mögliche Ausübung der Strafge - walt. In beyden Fällen iſt Gefangenſchaft des Menſchen Bedingung der Ausübung der rich - terlichen Gewalt. Da nun der Staat das unbe - dingte Recht auf die Ausübung ſeiner Gewalt hat, ſo hat er auch das Recht auf ungeſtörten Beſitz des Menſchen, dem er, durch einen öffent - lichen Akt, ſeine Freyheit genommen hat. Die Verletzung dieſes Rechts heiſst rechts - widrige Befreyung eines Gefangenen (unſchicklich: crimen effracti carceris) und kann begangen werden 1) von dem Aufſeher der Gefangenen (commentarienſis) und dem Ge -fangen -177Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. fangenwärter*)Beyde Perſonen dürfen wenigſtens nach römiſchen Begriffen nie mit einander verwechſelt werden. S. Godofredus ad L. 5. C. Th. de cuſtodia reor., 2) vom Gefangenen ſelbſt, 3) von andern.

§. 229.

A. Befreyung durch den Gefangenaufſe - her oder Wärter. Hat er durch ſein Verſchul - den den Gefangenen entfliehen laſſen und liegt 1) Dolus ſeiner Handlung zum Grunde, ſo trifft ihn die Strafe des Verbrechens, um deſſen willen der Entflohene gefangen ſaſs**)L. 4. C. de cuſtodia reor. Dieſes Geſetz, welches zwiſchen Dolus und Culpa nicht entſcheidet und den Commentarienſis ſogar dann der Talion unter - wirft, wenn die Warter den Gefangenen entfliehen laſſen, iſt durch die P. G. O. Art. 180. dahin, wie im §. angegeben iſt, modificirt worden. Den Prak - tikern iſt die Strafe willkührlich und ſie wollen ſie nur von dem Falle verſtehn, wenn die That mit be - waffneter Hand und durch Zuſammenrottung von Mehrern geſchehen iſt, S. Koch l. c. §. 616. Carp - zov pract. crim. Q. 111. Nr. 107. hat aus ſeichten Gründen zuerſt dieſe Behauptung angenommen. Die unüberwindliche T[y]ranney der Praxis, von welcher Koch ſpricht, iſt eben nicht ſehr drückend.; iſt aber 2) das Entfliehen aus Fahrläſsigkeit ent - ſtanden, ſo iſt die Strafe willkührlich .***)Weſtphal C. R. Anm. 108..

§. 230.

B. Selbſtbefreyung des Gefangenen****)Faſt alle Rechtsgelehrten glauben hier an gar keine Strafbarkeit der Handlung. Boehmer ad Art. 180. §. 5.. I. Hat ſich der Gefangene aus dem Sicherungsge -fängniſſeM178II. Buch. I. Theil. I Titel. II. Abſchnitt. fängniſſe befreyt, ſo findet 1) die Todesſtrafe ſtatt, wenn er ſich entweder durch Gewalt oder durch ein Complott ſeiner Mitgefangenen; al - lein 2) blos eine willkührliche Strafe, wenn er auf andere Weiſe ſich befreyt hat*)L. 1. D. de effractoribus. L. 13. D. de cuſtodia reor. L. 38. §. 11. D. poenis.. II. Bey der Flucht aus dem Strafgefängniſſe ſoll ent - weder dieſelbe Strafe geſchärft oder in eine härtere Strafe verſchiedener Art verwandelt werden, daſs erſte, wenn der Verbrecher zu zeitiger, das letzte, wenn er zu ewiger Beraubung ſeiner Freyheit verdammt wor - den iſt**)L. 8. §. 6 et 7. D. de poenis. L. 28. §. 14. eod. In cuſtodiis gradum ſervandum eſſe, idem imperator reſcrip - ſit: id eſt, ut qui ad tempus damnati crant, in perpetuum damnarentur: qui in perpe - tuum damnati erant. in metallum damna - remur: qui in metallum damnati id admiſerint, ſummo ſupplicio adſice-rentur..

§. 231.

C. Die Befreyung eines Gefangenen von einem Dritten, wenn ſie nicht wegen der Art derBefrey -****)§. 5. ad Carpzov Q. 111. obſ. 10. Koch l. c. §. 618. Klein P. R. §. 519.) Daſs ſie deutliche Geſetze für nichts achten, iſt ſchon arg; die Gründe, aus welchen ſie dieſes thun, ſind aber noch ärger. Weil der Menſch hier ſeinem Trieb zur Freyheit folgr, ſo ſoll die Handlung ſtraflos ſeyn. Allein 1) wenn die Obrigkeit zur Incarceration berechtigt iſt, ſo iſt auch der Gefangene dazu verpflichtet, ſich durch die Flucht der Unterſuchung oder der verdienten Strafe nicht zu entziehen. 2) Man generaliſirt die - ſen Grund wie man thun muſs, um conſequent zu ſeyn, und es fällt alle Strafbarkeit, aller Verbrechen dahin. Denn alle geſchehen auf Antrieb der Natur.179Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. Befreyung oder der Perſon des Gefangenen in ein ſchwereres benanntes Verbrechen über - geht, ſoll wenn ſie bey Nacht geſchehen iſt, mit körperlicher Züchtigung und Verdam - mung zu ſchwerer Bergwerksarbeit beſtraft wer - den, hingegen mit Züchtigung und gelinder Bergwerksarbeit auf immer oder auf beſtimmte Zeit, wenn ſie bey Tag geſchehen iſt*)L. 2. D. de effractoribus Die Praktiker nehmen blos willkührliche Strafe an, auſſer wenn die That in ein an - deres benanntes Verbrechen übergeht. Boehmer ad art. 180. §. 4. Koch l. c. §. 619..

Dritte Unterabtheilung. Von Verletzung der Urphede.

Henr. Gottl. Eylenſtein tractatus juris criminalis de jure circa urphedam, Jen. 1754. 4.

§. 232.

Die ehemalige Schwäche der Staaten und der gänzliche Mangel kräftiger Polizey-Anſtalten konnte es entſchuldigen, wenn ſonſt der Rich - ter von dem entlaſſenen Gefangenen eine jura - toriſche Caution, ſich nicht rächen zu wollen, verlangte. Eine ſolche eidliche Verſicherung eines Verbrechers oder Angeſchuldigten, ſich an dem Gericht, wegen der über ihn ausgeübten Cri -M 2minal -180II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. minal-Iuſtitz, nicht zu rächen, hieſs Urphe - de*)Ueber die ſonſtige Bedeutung dieſes Worts und die Etymologie deſſelben. vergl. Walch Gloſſarium S. 525.. Sie iſt noch jetzt in Gebrauch, und das läſst ſich nicht entſchuldigen.

§. 233.

Die Urphede wird von einem aus dem Gefängniſs zu entlaſſenden Verbrecher oder Angeſchuldigten abgeleiſtet. Dies iſt der Fall 1) bey der Entlaſſung aus dem Sicherungsge - fängniſs vermöge einer abſolutoriſchen Sen - tenz, dieſe mag nun ſchlechthin Strafloſigkeit erklären, oder blos die Fortſetzung der Unter - ſuchung ſuspendiren (abſolutio ab inſtantia). Hier wird aber immer vorausgeſetzt, daſs der Angeſchuldigte nach einem ſollennen Inquiſi - tionsproceſs entlaſſen wird**)Boehmer ad Carpzov Q. 47. obſ. 1.. 2) Bey der Entlaſſung aus dem Strafgefängniſs und dem Zuchthaus. 3) Bey der Execution der Strafe des Exils. In dem letzten Fall iſt mit der eid - lichen Verſicherung, ſich nicht zu rächen, die eidliche Verſicherung, vor geendigter Straf - zeit nicht zurückzukehren urpheda de non redeundo) verbunden***)Weigert ſich der Exilirte, die Urphede abzuleiſten, ſo wird er, nach der Praxis, von den Gerichtsdienern an die Grenze geſchleppt oder auf einem Karren fort - geführt; wo denn der Scharfrichter den Eid dem Gefangenen in die Seele ſchwört, welches gerade ſo viel wirken ſoll, als habe er ihn ſelbſt geſchworen. cf. Claſen ad art. 108. pag. 313. Mylius ad Beyerum art. 176. poſ. 9..

§. 234.181Verbrechen gegen die richterliche Gewalt.
§. 234.

Wer der Urphede ungeachtet, ſich an der Obrigkeit rächt, begeht ein Verbrechen und wird beſtraft, nach Verſchiedenheit der Hand - lung, durch welche er Rache nimmt. I. Rächt er ſich durch ein mit einer beſtimmten Strafe bedrohtes Verbrechen, ſo wird er nach den Grundſätzen dieſes Verbrechens beurtheilt und beſtraft, wenn die Strafe deſſelben härter iſt, als die Strafe des Meineids. H. Rächt er ſich auf eine andere Art, ſo ſoll er mit Ab - hauung der Hand oder der Finger beſtraft werden*)P. G. O. art. 108. Bricht einer eine geſchworne Ur - phede mit Sachen und Thaten, darum er unſrer kayſer - lichen Rechten und dieſer Ordnung nach, zum Tod ohne das möchte geſtraft werden, derſelben Todesſtrafe ſoll Folge geſchehen. So aber eine Urphede mit Sachen, darum er das Leben nicht verwirkt hat, fürſetzlich und frevent. lich verbreche, der ſoll als Meineidiger mit Abbauung der Hand, oder Finger geſtraft werden. Was von der Todesſtrafe geſagt iſt, muſs auch von andern, die Strafe des Meyneids übertreffenden Strafen gel - ten. Uebrigens ſpricht der Artikel blos von der urpheda de non vlsciscendo.. Dieſelbe Strafe iſt auch auf den Fall anzuwenden, wenn der Exilirte die Ur - phede de non redeundo verletzt hat**)Vermöge des Art. 107. Die Praktiker wollen aber, nach der Zahl der Wiederholung der Rückkehr, die Strafe beſtimmen. 1) Wer, auf ewig relegiert zum erſtenmal zurückkommt, wird mit dem Staupbefen von neuem des Landes verwieſen. Die Rückkehr bey Zeitiger Relegation ſoll mit Verdoppelung der Strafzeit, nach wiederholter Urphede beſtraft wer - den 2) die Zweyte Rückkehr eines zur zeitigen Re - legation verdammten hat ewige Landesverweiſungund. Obder182II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. der Verbrecher zum Hohn der Obrigkeit oder aus andern Gründen zurückgekehrt iſt, darauf kommt nichts an***)Das Gegentheil will Boehmer ad Art. 108. §. 2. und Meiſter jun. princ jur. crim. §. 461. Sie be - rufen ſich auf die Worte des Art. 108. für ſetzlich und freven lich Dieſer Artikel ſpricht ja aber gar nicht von der Urpheda de non redeundo..

**)und Staupbeſen zur Folge: bey dem auf ewig Re - legierten wi d entweder die erſte Strafe wiederholt oder nach Abhauung der Finger wird er von neuem verwieſen. 3) Kehrt der Verbrecher aus der ewigen Landesverweiſung zum Drittenmal zurück, dann ſoll ihn die Schwerdtſtrafe treffen; dem auf beſtimmte Zeit Verwieſenen aber ſoll man die Finger abhauen, und wenn dieſer 4) von neuem zurückkehrt, dann ſoll man ihn als einen unverbeſserlichen töden. cf. Claſen ad Art. 108. pag. 314 und 315. Ueber die Beſtrafung in Sachſen vergl. Rivinus pr. de poena fractae Urphedae, ex praeſcripto legum Saxonicarum omnino ſtatuenda. Lipſ. 1735.
**)
Dritte183Verbrechen gegen die richterliche Gewalt.
Dritte Abtheilung. Verbrechen wider die executive Gewalt.

Aufruhr und Tumult.

C. Fr. Williſch Diſſ. de tumultu ac ſeditione. Vit. 1791.

G. A. Schlettwein die in den deutſchen Reichsgeſetzen beſtimmte weiſe Ordnung der Gerechtigkeit wider Auf - ruhr und Empörung der Obrigkeit. Leipzig 1791.

Ueber Aufruhr und aufrühriſche Schriften. Braunſchw. 1793.

Jo. Guil. Volkmann Diſſ. de ſeditione. Lipſ. 1797.

§. 235.

Die Unterthanen im Staat haben die Verbind - lichkeit, den Befehlen der Staatsgewalt zu gehor - chen und ſich der executiven Macht, durch welche ſie ausgeführt werden, zu unterwer - fen. Die Verletzung dieſer Verbindlichkeit heiſst Widerſetzlichkeit. Dieſe Verletzung kann geſchehen A. durch bloſse Verweigerung des Gehorſams gegen einzelne Befehle, ohne Thät - lichkeit. Dagegen ſind keine Strafen ſondern bloſse Zwangsmittel begründet B. durch Ge - brauch oder Androhung phyſiſcher Kräfte zur thätigen Behauptung des Ungehorſams Dies geſchieht I. von einem Einzelnen, ohne Bey - wirkung Anderer Widerſetzlichkeit im engern Sinn. Muſs nach den Grundſätzen von derGewalt -184II. Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Gewaltthätigkeit beſtraft werden. II. Von Mehrern zugleich: Tumult, Aufruhr im weitern Sinn Dieſer iſt eine in Thätigkeit ausgebrochene öffentliche Vereinigung Mehrerer zur gewaltthätigen Behauptung ihres rechts - widrigen Ungehorſams gegen einen einzelnen be - ſtimmten Regierungsakt der Staatsgewalt.

§. 236.

Zum Thatbeſtand des Verbrechens gehört I. Vereinigung mehrerer Unterthanen. Ein Ein - zelner und Fremde begehen es nicht. II. Der Zweck der Vereinigung iſt Behauptung in dem Ungehorſam durch gemeinſchaftliche phyſi - ſche Kräfte. Dadurch unterſcheidet ſich die - ſes Verbrechen von dem bloſsen Auflauf, dem lärmenden Zuſammenfluſs mehrerer zu andern Zwecken. Ob der Tumult gegen den Ober - herrn ſelbſt, oder nur gegen die Magiſtrate deſſelben gerichtet war, iſt an ſich gleichviel*)Bochmer ad art. 127. §. 1.. III. Die Vereinigung muſs öffentlich ſeyn. Da - her der Unterſehied des Tumults von der Verſchwörung und Conſpiration IV. Gegen rechtmäſsige Befehle der Staatsgewalt. Wi - derſetzung gegen offenbar ungerechte Befehle heiſst Inſurection**)Feuerbach Anti-Hobbes. Kap. 3.. V. Gegen einzelne, be - ſtimmte Regierungsakte. Gewaltſame Wider - ſetzung gegen den Oberherrn überhaupt, ge - gen alle Befehle deſſelben iſt Hochverrath. VI. Die Vereinigung muſs ſchon in Thätigkeit über -gegan -185Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. gegangen ſeyn. Dies iſt der Fall, wenn die Menge unter öffentlichem Zuſammenlauf ent - weder durch drohendes Geſchrey*)Daſs ſchon mit dem tumultuirenden Geſchrey das Verbrechen vollendet iſt, ergiebt ſich aus L. 3. §. 20. D. de re militari u. L. 2. C. de ſeditioſis., In nullis locis aut civitatibus tumultuoſis clamori - bus cujusquam interpellatio contumelioſa proce - dat, nec ad ſolam cujusque inuidiam petulantia verba jactentur: ſcituris his, qui hujusmodi voces emi - ſerint, moverintque tumultus, ſe quidem fructum ex his, quae poſtulant nullatenus habituros, ſubdendos autem poenis iis, quas de ſeditionis et tumultus auctoribus vetuſtiſſima decreta ſanxerunt. oder durch wirkliche Verletzungen ihre Abſicht, ſich in dem Ungehorſam mit Gewalt gegen die execu - tive Macht zu behaupten, zu erkennen gege - ben hat.

§. 237.

Der Tumult, Aufruhr im weitern Sinn be - zieht ſich entweder blos auf die Behauptung in dem Ungehorſam gegen den beſtimmten Regierungsakt, oder er iſt zugleich darauf gerichtet, den Oberherrn oder die Obrigkeit zu einer beſtimmten Regierungshandlung zu nöthigen. Jenes kann man Tumult im engern Verſtande, dieſes Aufruhr im engern Verſtande nennen.

§. 238.

Bey dem Tumult im allgemeinen müſsen der Urheber, welcher die Zuſammenrottung erſt bewirkt (Aufrührer) und der Anführer,der186II Buch. I. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. der die Ausführung der Abſicht der Zuſammen - rottung leitet (Rädelsführer) von den übrigen Theilnehmern, den Tumultuanten, unterſchie - den werden. Sowohl die Strafe der Aufrührer und Rädelsführer*)P. G. O. Art. 127. Die Beſtimmungen des Röm. R. S. L. 38. §. 2. D. de poenis., als auch der übrigen Tumul - tuanten**)L. 28. §. 3. D. eod., iſt blos willkührlich. Dabey kom - men folgende Momente der Strafbarkeit in Be - trachtung: 1) Aufruhr im engern V. iſt ſtrafbarer als bloſser Tumult, 2) Tumult und Aufruhr ſind ſtrafbarer, wenn durch ſie wirkliche Rechts - verletzungen entſtanden, als wenn ſie blos bey andern Handlungen ſtehen geblieben ſind. Je gröſser die Rechtsverletzung, deſto gröſser die Strafbarkeit. 3) Die Aufrührer und Rädelsführer ſind in der Regel ſtrafbarer, als die Tumultuanten. 4) Unter dieſen beſtimmt die Gröſse des Antheils an dem Tumult über - haupt oder an der wirklich entſtandenen Rechts - verletzung die Gröſse der Strafe***)Meiſter uin. pr. jur. crim. §. 351. Quiſtorp Thl. I. §. 183..

Zwey -187II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.

Zweyter Titel. Privatverbrechen.

Erſter Abſchnitt. Verbrechen gegen urſprüngliche Rechte des Menſchen und Bürgers.
Erſte Abtheilung. Verletzung des Rechts auf das Leben.
Erſte Unterabtheilung. Von dem Verbrechen der Todung überhaupt.

Chriſt. Phil. Richter Commentatio de homicidio. Jen. 1744.

Ern. J. Fr. Mantzel Diſſ. de gradibus homicidiorum. Roſt. 1754.

§. 239.

Die Verletzung des Rechts auf das Leben, in ſo ferne ſie Verbrechen iſt, geſchieht durch Tödung (homicidium). Dieſe iſt eine rechts - widrige Handlung, welche die zureichende Urſache des erfolgten Lebensverluſtes eines Menſchen iſt. Da das Leben Bedingung aller Rechte iſt und durch die Verletzung deſſelben dem Staat einGlied188II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Glied ſeiner Vereinigung völlig entzogen wird, ſo iſt die Tödung das ſchwerſte aller Privat - verbrechen.

§. 240.

Zum Thatbeſtande des Verbrechens gehört I. als Object der Verletzung ein Weſen, welches die Eigenſchaften und Rechte des Menſchen hat. Kein Unterſchied der Religion*)Die Auth. Gazaros C. de baeret. gilt h. zu Tag nicht mehr., der Ab - kunft**)Von der ehemals erlaubten Tödung der Zigeuner: C. G. O. Thl. 11. tit. 9. §. 3. R. A. v. J. 1589. R. P. O. v. J. 1577. tit. 77. iſt da der Grund des Ge - ſe zes hinwegfällt, nicht mehr anwendbar. cf. Boehmer ad art. 150. C. C. C. §. 3. Gegen lie - derliches Geſindel und beſonders die Zigeuner haben wir auch mehrere Partikulargeſetze, welche dieſes Verfahren ausſchlieſsen. Merkwürdig iſt die Ver - ordnung des rheiniſchen Kreiſes. cf. Franc. Juſt. Kortholt. de juſtitia et prudentia poenarum in ſanc - tione poenali noviſſima utriusque circuli Rhenani. Gieſs. 1771. und im Plitt Analect. p. 87. ſqq., des Standes***)Vom Herrn am Leibeigenen, ſelbſt an dem Skla - ven. L. 11. §. 1. et 2. D. ad L. Corn. de Sic., u. ſ. w. kommt in Betrachtung. Auch an einem Embryo, wenn er ſchon Zeichen des Lebens gegeben hat, wird dieſes Verbrechen begangen****)P. G. O. Art. 133.. Al - lein 1) an Toden*****)Mehrere nehmen, ohne Grund, auch hier Tödung an, wenn der Verbrecher alle Handlungen, aus welchen Lebensberaubung hätte erfolgen müſſen, vollendet hat, wie Filangieri. 2) Miſsgeburten (mon -ſtris)189Verbrechen der Tödung überhaupt. ſtris)*)Glück Commentar zu den Pand. Thl. II. S. 64. Man nimmt gleichwohl hier willkührliche Strafe an, wenn die Tödung, ohne Vorwiſſen der Obrigkeit geſchehen iſt. Quiſtorp peinl. R. Thl. I. §. 217. Wir haben aber hierüber kein Geſetz und es läſst ſich nicht einſehen, in welchem Punkt dieſe - dung bey Ermangelung eines Geſetzes ſtrafbar ſeyn könne. 3) an ſolchen, welche gänzlich vom Schutz des Staats ausgeſchloſſen ſind (§. 40.), begeht man kein Verbrechen der Tödung.

§. 241.

II. Der rechtswidrige Effect iſt Berau - bung des Lebens. Erſt mit der Exiſtenz dieſer Folge iſt das Verbrechen vollendet. III. Dieſer Effect muſte in der Handlung der Perſon, als einer zureichenden Urſache gegründet ſeyn. Das Verbrechen exiſtirt daher nicht 1) wenn der auf Tödung gerichteten Handlung eine von derſelben unabhängige Urſache vorher - ging, welche den erfolgten Tod in demſelben Zeitpunkte bewirkt haben würde, in welchem er auf die Handlung der Perſon erfolgt iſt. Unter dieſer Vorausſetzung würde ſelbſt eine abſoluttödliche Verletzung eines Sterbenden oder eines tödlich verwundeten keine vollen - dete Tödung ſeyn. Wenn aber auch eine ſolche Urſache vorherging und in der Handlung einer Perſon die hinreichende Urſache der Beſchleu - nigung des Todes gegründet iſt, ſo iſt ſie der Tödung ſchuldig**)Der Art. 148. d. P. G. O. in dem blos eine Ver - ordnung über einen ſpeciellen Fall der Tödung ent - halten iſt, kann nicht gegen die hier vorgetragenen Grundſätze angeführt werden..

§. 242.190II. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 242.

2) Es darf auf die beygebrachte, an ſich nicht tödliche Verletzung keine von derſelben unabhängige Urſache folgen, welche entweder für ſich allein oder in Verbindung mit jener Verletzung den Tod bewirkte*)Die Aerzte und Rechtslehrer wenden dieſe Ein - theilung mit Unrecht blos auf Wunden an; ſie iſt auch auf andere Verletzungen z. B. auf Vergif - tung anwendbar, obgleich hier die zufällige Töd - lichkeit ſchwer zu erkennen iſt. Ueber die Ein - theilung der Wunden, in Rückſicht auf Tödlich - keit ſ. Metzger gerichtl. Arzneyw. §. 60. ff., beſon - ders aber Ploncquet Diſſ. de unica et vera mortis cauſſa proxima. Tüb. 1786. und derſ. über die ge - waltſamen Todesarten. Tüb. 1777. 8. S. 48 111. Bey den in concreto lethalen Wunden wollen eini - ge Rechtslehrer, daſs dem Verbrecher dieſe be - ſondern Umſtände, von denen die Lethalität der Wunde abhing, bekannt geweſen ſeyn muſste, wenn die ordentliche Strafe ſtatt finden ſoll. Meiſter jun. l. c. §. 132. not. c) Quiſtorp Thl. I. §. 219 infin.. Der einer körperlichen Verletzung folgende Tod be - gründet alſo nur dann das Verbrechen der - dung, wenn die Verletzung abſolut-tödlich (laeſio abſolute lethalis) iſt, ſie mag nun wegen ihrer Natur überhaupt (laeſio in abſtracto letha - lis), oder wegen der individuellen Conſtitution des Verletzten und äuſſerer bey der Verletzung concurrirender, mit derſelben aber zugleich vorhandener Umſtände, (laeſio in concreto leth. ) hinreichende Urſache des erfolgten Todes ſeyn. War die Verletzung blos durch die Dazwiſchen - kunft anderer Urſachen tödlich (zufällig töd - liche Verletzung, laeſ. per accidens leth.*);ſo191Verbrechen der Tödung überhaupt. ſo iſt die That nach den Grundſätzen bloſser Körperverletzungen, und der verſuchten - dung zu beſtrafen*)Iſt der Verbrecher ſelbſt abſichtliche Urſa he je - ner hinzutre enden Umſtände, dann iſt er vollkom - men des Verbrechens ſchuldig..

§. 243.

Für den nothwendigen Cauſalzuſammen - hang der Verletzung mit dem erfolgten Tode, braucht keine mathematiſche, ſelbſt die Mög - lichkeit des Gegentheils ausſchlieſsende, Ge - wiſsheit vothanden zu ſeyn. Eine Verletzung iſt für abſoluttödlich im juridiſchen Sinne zu halten, ſobald nur keine beſtimmten Urſachen ſich zeigen, welche entweder die zufällige Tödlichkeit wirklich beweiſen, oder doch einen gegründeten Zweifel an der abſoluten Tödlich - keit zulaſſen. Im letztern Fall würde zwar der Begriff der Tödung nicht ausgeſchloſsen, aber doch, wegen einer Ungewiſsheit des Thatbeſtandes, keine ordentliche Strafe anzu - wenden ſeyn.

§. 244.
*)fin. Bey doloſer Tödung iſt dies nicht nothwen - dig, es ſind dann alle Requiſite vorhanden. Der rechtswidrige Effect, eine Handlung der Per - ſon, die nothwendige Urſache deſſelben iſt, und eine auf dieſen Effec gerichtete Abſicht. Daſs der Ver - brecher die Mittelurſachen kenne, durch welche ſeine Handlung die geſetzwidrige Wirkung bervor - bringt, fodert weder Geſetz noch Natur der Sache. Aber bey Beſtimmung der Strafe culpoſer Tödungen hängt viel davon ab. Die[ Culpa] kann unter der beſtimmten Vorausſetzung durch dieſe Kenntniſs culpa lata ſeyn, während ſie ohne dieſelbe Art culpa levis ſeyn würde.
*)
192II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 244.

Das Verbrechen der Tödung kann 1) ſowohl unmittelbarer, als mittelbarer Weiſe, durch falſches Zeugniſs, durch ungerechten zum Tod verdammenden Richterſpruch etc*)L. 1. §. 1. et L. 15. D. ad L. Corn. de ſicar. Chriſt. Thomaſius[Diſſ.] de homicidio linguae. Hal. 1699. rec. ib. 1720., 2) ſowohl durch poſitive, als auch durch negative Hand - lungen begangen werden. Das letzte ſetzt aber die Verbindlichkeit zu einer poſitiven Handlung voraus, deren Unterlaſſung zur noth - wendigen Urſache des Todes des andern ge - worden iſt**)L. 4. D. de agnosc. et alend. liberis..

§. 245.

Die Tödung eines Menſchen muſs IV. eine Uebertretung enthalten, wenn ſie als Ver - brechen betrachtet werden ſoll. Das Ver - brechen der Tödung ſetzt daher als Bedingung voraus 1) daſs die Tödung eine wirkliche Rechtsverletzung des Bürgers enthalte. Tödung mit Einwilligung des andern iſt daher kein Verbrechen (§. 40.)***)Th. Chr. Carol. Linck Diſſ. de homicidio in volen - tem commiſſo. Altorf. 1785., 2) daſs ſie nicht noth - wendige Bedingung der Erhaltung eigener Rechte war. Tödung aus Nothwehr wenn alle Bedingungen derſelben exiſtiren (homicidium neceſſarium) iſt völlig ſtraflos (§. 47 49.): 3) Daſs ſie nicht unter den Bedingungen ge - ſchah, unter welchen die Geſetze die Tödungerlau -193Verbrechen der Tödung überhaupt. erlauben (homicidium permiſſum)*)Wie bey der Tödung eines Nachtdiebes des Ehe - brechers oder der ehebrecheriſchen Tochter. P. G. O. Art. 142. u. 150., 4) daſs nicht die Bedingungen der Zurechnung mangelten (homicidium caſuale)**)Beyſpiele zufälliger Tödung enthält P. G. O. Art. 147. Vergl. Ludov. Salomon Diſſ. de homicidio caſuali. Lipſ. 1750..

§. 246.

Die Tödung kann geſchehen aus Dolus, wenn die Beraubung des Lebens des Andern Zweck des Handelnden war; aus Culpa, wenn er ſich durch ſein Verſchulden zu andern Hand - lungen als Zweck determinirte, aus welchen die Tödung nach Naturgeſetzen erfolgt iſt***)L. 6. §. 7. D. de off. Praeſ. L. 40. 42. D. de aedilit. edicto. L. 5. §. 6. D. de bis, qui effuderint, vel dej. L. 8. et 11. D. ad L. Aquil. P. G. O. Art. 134. 136. 146. 218. Mündlich vom Wergeld. Kaeſtner Diſſ. de Werigeldo. Lipſ. 1742. J. Chriſt. Majer hiſtoria juris Germanici antiquiſſimi circa homicidium. Jen. 1770. 4.. Die Begriffe von beſtimmten und unbeſtimmten Dolus, von reiner und durch Dolus determinir - ter Culpa (§. 66.) kommen hier beſonders zur Anwendung.

§. 247.

Die Präſumtion des Dolus kann verſtärkt oder geſchwächt werden durch die Art der Tödungsinſtrumente und der Art ihres Ge -brauchsN194II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. brauchs bey der Tödung*)L 1. §. 3. D. ad L. Corn. de ſicar. Div. Hadrianus reſcripſit, eum, qui hominem occidit. ſi non occi - dendi animo hoc admiſit, abſolvi poſſe: et, qui ho - minem non o cidit, ſed vulneravit, ut occidat, pro homicida damnandum: et ex re conſtituendum hoc. Nam ſi gladium ſtrixerit, et in eo percuſſerit; indubi - tato occidendi animo, id admiſiſſe. Sed ſi clari percuſ - ſit, aut cucuma in rixa: quamvis ferro percuſſerit, ta - men non occidendi animo, lenisndam poenam ejus, qui in rixa caſu magis, quam volumtate homicidium admiſit. c. 18. in fin. X. de homicidio.. I. Iſt die Tödung geſchehen mit einem abſolut tödlichen Inſtru - mente, das auf eine ſeiner Beſtimmung ge - maſse Art gebraucht wurde, ſo iſt dieſes Grund für determinirten Dolus. II. Ein zufällig töd - liches Inſtrument, das eben ſo leicht Tod als Körperverletzung begründen kann, iſt Grund der Vermuthung für den dolus indeterminatus, oder die culpa dolo determinata III. Ein abſo - luttödliches, bey der Tödung nicht auf gewöhn - liche Art gebrauchtes Werkzeug, bey welchem zugleich mehr Wahrſcheinlichkeit, daſs es blos verletze als töde, vorhanden iſt, läſst culpa dolo determinata vermuthen. IV. Ein zufällig tödliches Inſtrument, welches entweder an und für ſich oder wegen der Art ſeines Ge - brauchs eine Tödung wahrſcheinlicher Weiſe nicht bewirken konnte, läſst auf bloſse Culpa ſchlieſsen**)Die Richtigkeit dieſer Regeln, welche aber frey - lich nicht alle möglichen Fälle erſchöpfen können, flieſst aus der Natur der Sache. Vergl. über dieſe Lehre Leyſer Sp. 604. Koch l. c. §. 441. u. 442. Klein peinl. R. §. 273..

Zweyte195V. d. Todſchlag und dem einfachen Mord.
Zweyte Unterabtheilung. Von den beſondern Arten des Verbrechens der Tödung.
Erſtes Kapitel. Von dem Todſchlag und dem einfachen Mord.
§. 248.

Das Verbrechen des Todſchlags theilt ſich in den Todtſchlag im engern Sinn, die im Affect begangene Tödung und in den qualificirten Tod - ſchlag, den Mord, die Tödung aus Ueberlegung und Willkühr*)P. G. O. Art. 137. Aber nach Gewohnheit etlicher Gegend, werden die fürſetzliche Mörder und Todt - ſchläger einander gleich mit dem Rad gericht, darin - nen ſoll Unterſchied gehalten werden, alſo daſs ein fürſätzlicher muthwilliger Mörder mit dem Rad, vnd ein ander der ein Todſchlag aus Iähheit und Zorn gethan u. ſ. w. S. Walch Gloſſ. voc. muthwil - lig p. 386. Ehemals nahm man den Begriff von Mord enger. S. Boehmer ad art. 137. §. 10. Walch l. c. voc. Mord.. Der Mord iſt wieder entwe - der qualiſicirter Mord, wenn der Mörder mit dem Ermordeten durch beſondere Pflichten der Liebe oder der Hochachtung verbunden,N 2oder196II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. oder einfacher Mord, wenn eine andere Perſon Gegenſtand des Verbrechens war*)Die gewöhnliche Eintheilung, nach welcher man den Mord zum homicidium ſimplex rechnet und dieſem ein - fachen Todſchlag den qualificirten entgegenſetzt, (ſ. Koch inſt. jur. crim. §. 437.) welcher das latro - cinium, aſſaſſinium, veneficium, homiciaium prodito - rium etc. begreifen ſoll, iſt ganz falſch. Die Gift - miſchung, in ſo ferne ſie Tödung zur Folge hat, iſt nichts als Mord und hat dieſelbe Strafe. Das Jatro - cinium, aſſaſſ. u. hom. prod. ſind nichts als beſon - dere Arten des Mords, die man aber im gemeinen Leben mit einem eigenen Namen bezeichnet hat. Kein Geſetz nimmt dabey weder härtere noch be - ſondere Grundſätze der Beſtrafung an, ſie ſind da - her auch keine qualificirten Verbrechen, ſondern gehören in die Lehre vom einfachen Mord und ſind nur als Beyſpiele von dieſem anzuführen..

§. 249.

Der Mord ſetzt zu ſeinem Begriff, Thätig - keit der Reflexion und mithin einen Akt der Willkühr als pſychologiſchen Grund der That voraus. Dieſes iſt anzunehmen 1) wenn der Vorſatz mit Ueberlegung gefaſst, obgleich im Affect ausgeführt worden iſt, 2) wenn zuerſt der Vorſatz im Affect entſtanden, nachher aber durch Ueberlegung beſtätigt worden iſt, 3) wenn der Verbrecher über den Entſchluſs ſelbſt gar nicht reflectirt, ſondern ihn bloſs in der Hitze des Affects empfangen, aber mit Ueber - legung die Mittel zur Ausführung der That gewählt hat.

§. 250.

Ein Todſchlag exiſtirt alſo nur dann, wenn 1) der Entſchluſs der Tödung im Affect ent -ſtan -197Verbrechen der Tödung überhaupt. ſtanden und 2) ohne daſs Ueberlegung, weder in Anſehung des Entſchluſses ſelbſt, noch in Anſehung der Mittel zur Ausführung, auf den - ſelben folgte, ausgeführt worden iſt. Fehlt eins oder das andere, ſo iſt die Tödung Mord (§. 249.)

§. 251.

Der Grund des Strafgeſetzes gegen den Todſchlag iſt, die unüberlegten geſetzwidrigen Ausbrüche des Affects zu verhindern und durch die Vorſtellung der Strafe den Menſchen in den Zuſtand der Reflexion über ſeine Hand - lungen zu verſetzen Dennoch wird zum Be - griff des Todſchlags, vermöge der Natur eines jeden Strafgeſetzes, vorausgeſetzet 1) daſs ſich der Handelnde in dem Zuſtande der Zurech - nungsfähigkeit befunden habe. Wer in dem höchſten Grad des gerechten Affects einen andern tödet, iſt kein Verbrecher (§. 96) 2) Der im Affect gefaſste rechtswidrige Entſchluſs muſte, wenn die ordentliche Strafe ſtatt finden ſoll, auf Tödung gerichtet geweſen ſeyn. Doch iſt es gleichviel, ob der Dolus in Beziehung auf Tödung beſtimmt, oder unbeſtimmt und alter - nativ war (§. 66.).

§. 252.

Der Endzweck und die Triebfedern zu dem überlegten Mord haben auf die recht - liche Beurtheilung des Verbrechens keinen Einflaſs. Man kann Mörder aus Liebe, aus Mitleid, ſelbſt aus moraliſchen Gründen ſeyn. Mord aus Lebensüberdruſs oder aus religiöſer Schwärmerey, giebt zwar Urſachen des Ver -dachts198II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. dachts einer zum Grunde liegenden, die Im - putativität ausſchlieſsenden, Gemüthskrank - heit; iſt aber nicht an ſich Beweis derſelben.

§. 253.

Daſs eine erfolgte Tödung in der Will - kühr des Subjects gegründet geweſen ſey, kann nicht mit Gewiſsheit aus der Gröſse des Zeitraums, der zwiſchen dem Reitz zur That und ihrer Ausführung vergangen iſt, ge - ſchloſsen werden. Dieſes kann nur erkannt werden 1) aus dem Geſtändniſs des Verbrechers, 2) aus der Beſchaffenheit der Handlung ſelbſt, aus dem Endzweck der ihr zum Grunde lag oder aus der Art der Ausführung derſelben. Das letzte begründet gewiſſe benannte Arten des Mords.

§. 254.

Ein Mord iſt nämlich vorhanden I. wenn ſich der Verbrecher zur Tödung als einem Mit - tel zur Erreichung ſinnlicher Verſtandeszwecke beſtimmt. Der Gegenſtand eines auf Befriedi - gung der Sinnlichkeit gerichteten, aber nur durch den Verſtand beſtimmten Zwecks heiſst ein Vortheil und eine Tödung um eines ſinn - lichen Vortheils willen, Raubmord (latroci - nium)*)Begriff des latroc. im römiſchen Recht. L. 28. §. 10. et 15. D. de poenis. Dieſer ſetzt daher voraus, daſs ſich der Verbrecher zur Tödung beſtimme; nicht blos um dadurch unmittelbar eine einzelne und momentane ſinnliche Begierde zu befriedigen,ſon -199Von Todſchlag und Mord. ſondern um durch den Tod des andern etwas zu bewirken, was erſt in ſeinen Folgen das Streben der Sinnlichkeit befriedigt*)Nach dieſen Merkmalen muſs man den Begriff der eigennützigen Abſicht beſtimmen, wenn man nicht einen Begriff aufſtellen will, der auf die Abſicht bey allen Verbre hen paſst. Aus dieſer Beſtim - mung ergiebt ſich aber, daſs wer einen Menſchen aus bloſsem Appetit nach ſe nem Fleiſche tödet, nicht, wie Schmidt öffentl. Rechtsſpr. Nr. 111. glaubt, Raubmörder ſey. Ein merkwürdiges Beyſpiel von latroc, ſ. in Kleins Annalen. Bd XIII. Nr. 7.. Da hier die Folgen der Handlung Beſtimmungsgrund des Willens ſind, dieſes aber nothwendig Re - flexion über die That vorauſſetzt; ſo iſt jede Tödung um eines Vortheils willen Mord.

§. 255.

Es findet dieſes Anwendung II. der aufge - tragenen Tödung, welche in der Tödung eines Menſchen vermöge des Auftrags eines An - dern beſteht. Sowohl der Bevollmächtiger, als auch der Bevollmächtigte ſind des Mords ſchul - dig, der letzte, weil der Grund ſeines Ent - ſchluſses; der erſte, weil die Art der Ausfüh - rung ſeines Entſchluſses nothwendig Ueber - legung und Entſchluſs aus innerem Antriebe vorausſetzt. Die aufgetragene Tödung enthält den Banditenmord (aſſaſſinium), die rechts - widrige, um Lohn unternommene Tödung unter ſich. Der Bevollmächtiger heiſst beym Aſſaſ - ſinium Morddinger aſſaſſinator), der Bevoll - mächtigte Bandit (aſſaſſinus)**)Mündlich von d. m unpraktiſchen Unterſchied zwi - ſchen eigentlichem und uneigentlichen Aſſaſſinium (aſſ. pro -.

§. 256.200II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 256.

Dahin gehört III. der Meuchelmord homicidium proditorium) eine unter abſichtlicher Täuſchung des Getödeten vollbrachte Tödung. Dies iſt beſonders der Fall, wenn der Ver - brecher ſeine mörderiſche Abſicht hinter dem Schein des Zutrauens und der Freundſchaft verbirgt*)Eſchenbach progr, de homicidio proditorio. Roſt, 1782.. Der Begriff dieſer Tödung ſetzt immer Nachdenken über die Mittel zur Aus - führung voraus. Meuchelmord iſt daher jeder Zeit prämeditirt**)Nicht jede Verletzung, welche meuchlings geſchieht, ſelbſt wenn ſie den Tod zur Folge hat, iſt Meuchel - mord. Es wird hier, ſo wie überall, auf Tödung gerichtete Abſicht vorausgeſetzt. Ich kann die Ab - ſicht haben einen andern blos zu verwunden und dieſe Abſicht meuchlings ausführen. S. Grolman Grdſ. der CRW. §. 429..

§. 257.

Zu der prämeditirten Tödung gehört IV. der Giftmord, Tödung eines Menſchen durch Mittheilung eines Stoffs, der den Körper nach chemiſchen Geſetzen verletzt***)P. G. O. Art. 130. J. Fr. Ehrmann (Praeſ. Rei - ſeiſſen) Diſſ. de veneficie doloſo. Argent. 1781. Idem. Wer ſich die -ſes**)proprium ſ. verum interpretatiuum ſ. fictum) und der Entſtehung des Verbrechens und ſeines Namens. Hierüber ſ. Boehmer J. E. P. L. V. tit. 12. §. 26. und Marins Geſchichte Saladins. Zelle. 1761. S. 220. ff.201Von Todſchlag und Mord. ſes Mittels zur Ausführung ſeiner geſetzwi - drigen Abſicht bedient, beweiſt Ueberlegung, weil er durch Verſtecktheit die Aufmerkſam - keit zu hintergehen ſucht und der Gebrauch des Mittels Vorbereitungen vorausſetzt.

§. 258.

Unter Giften werden hier 1) ſowohl ſolche Subſtanzen verſtanden, welche nach ihrer Natur und nach der Organiſation des menſch - lichen Körpers überhaupt verborgen nach chemiſchen Geſetzen verletzen*)Mündlich von den verſchiedenen Arten dieſer Gif - te. S. Ploucquet über die gewaltſamen Todesar - ten. §. 75. ff. Metzger gerichtl. Arzneyw. II. Abſchn. Klein Grundſ. d. p. R. §. 308 315., als auch 2) ſolche, welche zwar an ſich unſchädlich ſind, aber nur unter beſondern zufälligen Bedingun - gen Verletzung bewirken. Auf die Art der Mittheilung des Stoffs kommt es nicht an; ſie kann ſowohl mittelbar, durch Vergiftung an - derer Gegenſtände, z. B. Brunnen, Waiden. u. ſ. w. als auch unmittelbar geſchehen**)S. Koch inſt. jur. crim. §. 499..

§. 259.

Die Strafe***)Ueber die Grillen Carpzovs und anderer Praktiker, ſ. Koch l. c. §. 456. des Todſchlags iſt das Schwerd; weil aber die Strafbarkeit des prämedi -tirten***)Idem. de veneficio culpoſo. Argent. 1782. deutſch: in Waitz Sammlung kleiner akademiſcher Schriften über gerichtliche Arzneywiſ. 1. Bd. 1 St. Nr. 1. et 2.202II Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt. tirten Mords, wegen der Feſtigkeit der Trieb - feder erhöht iſt, ſo ſoll der einfache Mord an Mannsperſonen mit dem Rad, an Weibsper - ſonen mit dem Ertränken beſtraft werden*)Art. 1. 130. und 137 C C. C. Carl nennt zwar das Ertränken der Weibsperſonen nur bey der Ver - giftung. Aber die Gleichheit des Falls und des Grun - des erlaubt hier die Allgemeinheit. Carl erwähnt im 137. Art. der Weibsperſonen wahrſcheinlich des - wegen nicht, weil er von der Furchtſamkeit und Schwäche des Weibes keine offenbare Gewaltthätig - keit, ſondern nur heimlichen Mord durch Gift er - wartete, oder doch am häufigſten glaubte.. Dieſe Strafe muſs auch bey dem aufgetrage - nen Mord, insbeſondere bey dem Banditen - mord und zwar ſowohl bey dem Morddinger, als bey dem Banditen eintreten, da jener voll - kommen Auctor des Verbrechens iſt**)S. Boehmer ad Carpzov Q. 19. obſ. 2. Die Praxis nimmt beym Aſſaſſinator nur die Strafe des Schwerds an, ſ. Koch l. c. §. 503.. War der Auftrag blos auf Verwundung gerichtet, ſo begründet die Ueberſchreitung dieſes Auftrags von Seiten des Bevollmächtigten die ordentliche Strafe, nicht aber für den Bevollmächtiger***)S. Püttmann Prol. de exceſſu eins, cui aut ver - beratio aut vulneratio alicujus mandata eſt, mandanti haud imputando. Lipſ. 1777. ſteht in Opusc. jur. crim. Nr. 1..

§. 260.

Wenn mehrere zugleich als Miturheber Theilnehmer an einer beſtimmten Tödung ſind, ſo gelten folgende Grundſatze I. Haben ſichMehrere203Von Todſchſag und Mord. Mehrere als Coauctores durch Vertrag zur - dung verbunden und durch gegenſeitige Hülfe die Tödung vollbracht, ſo werden alle als Mör - der mit dem Rad beſtraft. II. Wenn hingegen Mehrere bey einem zufällig entſtandenen Streit unabhängig von einander, (alſo ohne vorher - gehende Verabredung) bey der Tödung eines Menſchen mit gewirkt haben und 1) nur Einer den Getödeten tödlich verwundet hat. ſo wird dieſer allein als Todſchläger mit dem Schwerd beſtraft. Hat 2) der Getödete von mehrern Wunden empfangen, von welchen jede an und für ſich tödlich iſt, ſo wird a) der, welcher erweiſslich zuerſt verwundet hatte, mit dem Schwerd, und die übrigen werden auſſeror - dentlich beſtraft, b) iſt es ungewiſs, wer die erſte Wunde beygebracht hat, ſo trift alle die Schwerdſtrafe*)Die Praktiker wollen aber gegen das ausdrückliche Geſetz lieber auſserordentliche Strafe. ſ. Kreſs h. a. §. 3. Quiſtorp Thl. I. §. 233.. 3) Sind die von mehrern beygebrachten Wunden blos im Zuſammen - fluſs tödlich, ſo leiden ſie eine auſſerordent - liche Strafe**)Art. 143. Item (I) ſo etliche Perſonen mit fürge - ſetztem und vereinigtem Willen und Muth jemand böslich zu ermorden, einander Hülfe und Beyſtand thun, dieſelben Thäter alle haben das Leben ver - wirkt. (II) So aber etliche Perſonen ungeſchichts in einem Schlagen oder Gefecht bey einander - ren, einander helfen und jemand alſo ohne genug - ſame Urſache erſchlagen würde, ſo man denn (1) den rechten Thäter weiſs, von des Hand die Ent - leibung geſchehen iſt, der ſoll als ein Todſchläger mit dem Schwerd zum Tod geſtraft werden. (2) Wär.

§. 261.204II Buch. I Theil. II. Titel. I Abſchnitt.
§. 261.

Die ordentliche Strafe des Mords und des Todſchlags ſetzt eine auf Tödung gerich - tete Abſicht (Dolus) voraus, gleichviel übrigens, ob die Abſicht beſtimmt oder nur alternativiſch (§. 66.) auf Tödung gerichtet war. Daraus folgt aber, daſs die dem ſogenannten indirecten Dolus zum Grunde liegende Willensbeſtim - mung, welche blos Verwundung zur Abſicht hat, wo aber aus den, auf ihre Realiſirung gerichteten Handlungen Tödung entſpringt, keineswegs die ordentliche Strafe begründen könne. Denn hier iſt blos durch Dolus be - gründete Culpa (§. 67)*)Aus der irrigen Vorausſetzung eines Dolus, der Dolus iſt, ohne daſs der Verbrecher die Rechtsver - letzung zum Zweck hatte, entſtand allein die ge - fährliche und rechtswidrige Behauptung des Gegen - theils. cf. Leyſer Sp. 601. m. 8. u. 9. Boehmer ad Carpzov Q. 1. Obſ. 1. Derſelbe ad Art. 137. §. 6. u. Kreſs ad eund. §. 2..

§. 262.

Die Strafe der gröſsten Culpa iſt, wenn ſonſt keine Milderungsgründe vorhanden ſind,ein**)Wär aber der Entleibte, durch mehr denn einen, die man wüſt tödtlich geſchlagen, geworfen, oder gewundet worden und man könnt nicht beweiſs - lich machen, von welcher ſonderlichen Hand und That er geſtorben wäre, ſo ſind dieſelben, ſo die Verletzung gethan haben, alle als Todtſchläger zum Tod zu ſtrafen. Aber der andere Beiſtänder, Helfer und Urſacher Straf halber, auch ſo einer in einer Aufruhr oder Schlagen entleibt würd, und man möchte keinen wiſſen, daran er verletzt wor - den wäre; ſollen die Urtheiler bey den Rechtsver - ſtändigen Rechts pflegen u. ſ. w. cf. Boehmer ad h. a. und. Koch l. c. §. 463.205Von dem einfachen Todſchlag und Mord. ein der ordentlichen Strafe am nächſten kom - mendes Uebel, lebenswierige Beraubung der Freyheit, oder Staupbeſen, verbunden mit ewi - ger Landesverweiſung. Dieſe Strafe trifft auch die durch Dolus begründete Culpa, weil auch hier die Culpa durch den concurrirenden Do. lus aggravirt wird. Die mittlere Culpa ſinkt bis zur 5 10 jährigen Beraubung der Frey - heit und die geringſte bis zum bloſsen Ver - weis oder zu einem Gefängniſs von etlichen Tagen oder Wochen herab*)Leyſer Sp. 602. m. 1. 2. Meiſters rechtliche Erkenntniſſe. Thl. II. deciſ. 55. Th. III. dec. 72. Nr. 2. u. 39..

§. 263.

Die unternommene Tödung muſs, wenn die That geendigt iſt, beſonders, wenn ſchon wirkliche Verletzungen geſchehen ſind, mit dem der ordentlichen Strafe am nächſten kom - menden Uebel, alſo bey dem Mord mit dem Schwerd, bey dem Todſchlag mit ewiger Be - raubung der Freyheit oder Staupbeſen und ewiger Landesverweiſung beſtraft werden. Die Beſtrafung entfernter Verſuche hängt ledi - glich von der Beurtheilung in concreto ab.

§. 264.

Es treten hier weder beſondere Mil - derungs - noch Schärfungsgründe ein. Die Socii werden nach den allgemeinen, bekann - ten Principien beſtraft.

Zwey -206II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Zweytes Kapitel. Von dem qualificirten Mord oder dem Parricidium.

Ant. Schaaf Diſſ. ad L. Pomp. de parricidii crimine ejusque poena. Gieſſ. 1714.

Abr. de Leeu van Coolwyk Diſſ. ad L. un. C. de his qui parentes vel liberos occiderint. Lugd. Bat. 1754 4.

Jo. Solorzani de parricidii crimine (in Everard Otton. Theſ. Tom. V. pag. 995. ſqq.)

J. G. F. Boehmer Diſſ. de ſupplicio parricidarum. Frcf. 1761.

§. 265.

Ein Mord, durch welchen die beſondern Pflichten der Hochachtung oder der Liebe gegen den Er - mordeten verletzt worden ſind, heiſst Ver - wandtenmord (parricidium)*)Im vagen grammatiſchen Sinn wird bey den - mern jede beſonders ſtrafbare Tödung parricidium genannt. Vergl. Feſtus voc. parricidium. . Er begreift 1) den Verwandtenmord im engern Sinn 2) den Kindermord (infanticidium).

§. 266.207V. d. qualificirten Mord od. d. Parricidium.
I. Verwandtenmord.
§. 266.

Unter dem Verwandtenmord im engern Sinn*)Gewöhnlich wird in den Compendien nicht von dem Verwandtenmord überhaupt, ſondern nur von dem Eltern und Kindermord gehandelt, andere Ar - ten des Verwandtenmords aber werden beyläufig, als Appendix bey der Auseinanderſetzung der Strafe des Art. 137. angeknüpft. Warum das? da nicht nur das römiſche Recht den Verwandtenmord über - haupt kennt, ſondern auch die P. G O. im Art. 137. das römiſche Recht, wenn gleich mit einer Modification, ausdrücklich ſanktionirt. verſtehen die Geſetze den Mord zwiſchen nahen Blutsverwandten oder Schwägern, den Mord zwiſchen Ehegatten und an einer Perſon hohen Standes, welcher der Verbrecher unterworfen iſt**)§. 6. J. de publ. jud. (Lege Pomp. de parricidis) cavetur, ut ſi quis parentis aut filii, aut omnino adfinitatis ejus, quae nuncupa jone parentum con - tinetur, fata praeparaverit, nec non is, cujus dolo malo id factum eſt, vel conſcius criminis ex - iſt t, licet extranens ſit, poena parricidii puniatur. L. 1. D. h. t. L. Pomp. de parr. cavetur: ut ſi quis patrem, matrem, avum, aviam, fratrem, ſorovem, patruelem, matruelem, patruum, avunculum, amitam, conſobrinum, conſobrinam, uxorem, virum, generum, ſocrum, vitricum, privignum, privignam, patronum, patronam, occiderit, cujus vi dolo malo id facium erit: ut poena ea teneatur, quae eſt legis Corneliae de ſicariis. Die P. G. O läſst den Patron und die Pa - tronin aus, und ſubſtituirt dafür Art. 137. hohe tref - liche Perſonen etc. Und man mag im fürgeſetzten Mord, ſo der an hohen treflichen Perſonen, des Thäters eigenen Herrn, zwiſchen Eheleuten oder nahe geſippten Freun -. Sind Aſcendenten im er -ſten208II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ſten Grade Gegenſtand des Verbrechens, ſo iſt es ein Elternmord (parricidium in ſenſu ſtmo. ), welcher entweder Vater - oder Muttermord ſeyn kann.

§. 267.

Die Nähe der Verwandſchaft und Schwä - gerſchaft muſs hier beſtimmt werden nach den Eheverboten in dem römiſchen Recht*)Die Einwendungen Kleins a. a. O. §. 341. laſſen ſich leicht heben,. Denn die Nähe der Sippſchaft, deren die P. G. O. er - wähnt, muſs als ein an ſich relativer Begriff be - ſtimmt werden aus den Geſetzen, dieſe nen - nen aber nur diejenigen Verwandten, nahe, zwiſchen welchen die Ehe verboten iſt; und da Carl überall das römiſche Recht im Blicke hat, ſo kann er unter den nahe geſippten Freun - den nur ſolche, zwiſchen welchen nach Röm. R. die Ehe verboten iſt, verſtanden haben**)Damit ſtimmen auch ausdrücklich die §. 266. Anm. **) angeführten Geſetze überein.. Das Parricidium fände alſo in ſo ferne ſtatt 1) zwiſchen Aſcendenten und Deſcendenten, 2) zwiſchen Collateralen, welche im vierten Grad römiſcher Computation verwandt ſind, oder zwiſchen denen reſpectus parentelae iſt, und 3) zwiſchen Verſchwägerten***)Obgleich Boehmer ad Art. 137. §. 13. ſelbſt eingeſteht, daſs unter Sippſchaft auch verſchwägertePer - welchemit**) Freunden geſchieht, durch etlich Leibſtrafe, als mit Zan - genreiſſen oder Ausſchleiffung vor der endlichen - dung, um groſser Furcht willen die Strafe (des Rads) mehren. 209V. d. qualificirten Mord od. d. Parricidium. mit dem Verbrecher in elterlichem Verhältniſs gedacht werden*)Es iſt ganz gegen alle Regeln einer richtigen Me - thode, wenn man, wie Grolman a a O § 432. annimmt, daſs es auf die in den Geſetzen benann - ten Perſonen nicht mehr ankomme..

§. 268.

Bey dem Elternmord kommt es ſo wenig auf Legitimität oder Illegitimität der Ver - wandſchaft an**)Solorzani l. c. L. II. C. 3. pag. 1155. Boeh - mer ad art. 131. §. 2., als es darauf ankommt, ob die Verwandſchaft blos erdichtet oder na - türlich iſt***)Matthaeus decrim. L. XLVIII. tit. 6. C. 1. Nr. 3.. Auch an Adoptiv-Eltern wird dieſes Verbrechen begangen. Aber der Mord von dem Hurenkind (vulgo quaeſitus) an ſei - nem vermeintlichen Vater iſt kein parrici - dium.

§. 269.

Unter hohen trefflichen Perſonen ſind Mini - ſter des Landesherrn oder Perſonen des hohen Adels, die nicht zugleich Landesherrn ſind,zu***)Perſonen begriffen ſeyen, wie ſich denn ſchon aus P. G. O. Art. 117. ergiebt, und obgleich das röm. R. ausdrücklich auch unter Verſchwägerten ein parri - cidium annimmt, ſo will es doch das Ende des 137 Art. nicht auf dieſe Perſonen gezogen wiſſen. Vergl. Meiſter pr. de caede affinis acerbtus punienda. Gött. 1778.O210II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. zu verſtehen*)Kreſs ad. Art. 137. §. 2. Nr. 6. Boehmer ad eund. §. 13. Walch gloſſar. voc. hohe . Sind dieſe Perſonen Lan - desherrn und iſt der Verbrecher ihnen unter - worfen, ſo iſt die That Majeſtätsverbrechen**)Dem Vf. iſt es wahrſcheinlich, daſs Carl, der hier den Mord an hohen trefflichen Perſonen, blos als eine Art des Mords betrachtet, auf die l. 5. C. ad L. Iul Majeſtatis geſehen und den hier als Majeſtätsver - brechen aufgeſtellten Miniſtermord, abſichtlich an den Ort habe ſtellen wollen, an welchen er wirk - lich gehört und an welchem man ihn auch in den Codex Theodoſianus findet..

§. 270.

Strafe. Dieſe iſt das Rad, verbunden mit äuſſerlicher Schärfung entweder durch Schleifen zur Richtſtätte oder durch Zangen - reiſſen***)P. G. O. ang. Art. Viele glauben, dieſe Verordnung auch auf den bloſsen Todſchlag an ſolchen Perſonen ausdehnen zu können, weil ſich kein Grund den - ken laſſe, der dieſer Ausdehnung widerſpreche, wie Boehmer ad art. 137. §. 13. Grolman C. R. W. §. 432. Allein 1) die P. G. O verordnet dieſes ganz ausdrücklich nur von dem fürgeſetzten Mord 2) läſst ſich ein ſehr treffender Grund denken, warum Carl dieſes blos hier verordnet hat..

II. Kindermord.

J. Henr. Wolfart Comm. de infanticidio doloſo, ejus - que ſpeciebus. Erf. 1750.

J. D. Cappaun Diſſ. de caede infantis a matre commiſſa. Arg. 1766.

J. Casp. Heimburg pr. de poena matris, infantis ſui recens nati ex propoſuo mortem maturantis. Jen. 1766.

§. 271.211V. d qualificirten Mord od. d. Parricidium.
§. 271.

Kindermord (infanticidium) iſt eine nach vorgängiger Verheimlichung der Schwanger - ſchaft von der Mutter ſelbſt begangene Tödung ihres neugebohrnen, lebensfähigen, unehelichen Kindes*)P. G. O. Art. 131. Item, welches Weib ihr Kind, (1) das Leben und Gliedmaſs empfangen hat: (2) heimli - cher (3) hoshaftiger williger Weiſe ertödet, die wer - den etc.. Der Grund der Auszeichnung des Kindermords zum Zweck der gelindern Be - ſtrafung, iſt theils die heftige Furcht vor der Strafe und Schande, wegen des unehelichen Beyſchlafs, theils die Schwächung der höhern Gemüthskräfte durch den Akt der Geburth, theils die noch mangelnde Stärke des Inſtinkts der mütterlichen Liebe, welcher erſt nach Ver - lauf einiger Zeit ſich zur vollen Kraft entwickelt und erſt dann eine mächtige, abhaltende Trieb - feder iſt.

§. 272.

Zum Thatbeſtand des Verbrechens gehört 1) daſs eine Perſon gebohren hat 2) daſs das Kind im auſſerehelichem Beyſchlaf erzeugt und auſſer der Ehe gebohren worden iſt**)Mündlich von den Gründen zu dieſem in dem Ge - ſetz nicht ausdrücklich genannten Requiſit. Vergl. Groſman C. R. W. §. 435., 3) daſs das Kind in der Geburth und vor Voll - endung der rechtswidrigen Handlung gelebt hat, 4) daſs das Kind vermöge ſeiner körper - lichen Beſchaffenheit und der Zeit der Schwan -O 2ger -212II Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. gerſchaft fähig war, auch auſſer der Mutter ſein Leben fortzuſetzen*)Ein Kind, das Leben und Gliedmaſs empfangen hat , ein lebendig gliedmäſsig Kindlein . cf. Boehmer ad art. 131. §. 25. Koch inſt. j. c. §. 466. not. 2. 4) daſs es durch eine, gleichviel, ob poſitive oder negative, Hand - lung, der Mutter ſeines Lebens beraubt wor - den iſt, 6) daſs dieſes kurz nach der Geburth, ehe noch andere Perſonen auſſer den etwanigen Vertrauten, von der Geburth Nachricht er - halten konnten, geſchehen iſt**)Klein peinl. R. §. 345., und endlich 7) daſs die Mutter die Schwangerſchaft ver - heimlicht hat, ſo daſs ein ſchon zur Zeit der Schwangerſchaft gefaſster Vorſatz, das Kind zu töden, anzunehmen iſt***)Wegen des Worts heimlich Gewöhnlich wird dieſes nur ſo erklärt, als habe damit Carl den Um - ſtand angeben wollen, unter welchem gewöhnlich dieſes Verbrechen begangen wird Allein dann iſt der Zuſatz ganz überflüſſig, da, wenige ausgenom - men, alle Verbrechen heimlich geſchehen. Schon dieſer Umſtand, auſser dem aber beſonders, die ſich von ſelbſt darbietende ratio legis rechtfertigen das obige Requiſit. Wird kein dem Akt der Geburt vorausgehender Entſchluſs zur Tödung angenom - men, ſo ſinkt die Strafbarkeit des Kindermords, we - gen der mancherley concurrirenden Umſtände, ſo ſehr, daſs Carl die Todesſtrafe nicht angemeſſen finden muſste. Aber unter dem vorausgeſetzten Re - quiſit, iſt ein in den Zuſtand völliger Beſonnenheit fallender Dolus anzunehmen, der nun wieder die Strafbarkeit erhöht..

§. 273.213V. d. qualificirten Mord od. d. Parricidium.
§. 273.

Ein culpoſer Kindermord wird am häufig - ſten durch fahrläſſiges Unterlaſſen der Unter - bindung der Nabelſchnur, oder durch eine aus Fahrläſſigkeit, beſonders durch Verheim - lichung der Schwangerſchaft, entſtandene hülf - loſe Niederkunft begangen.

§. 274.

Die Strafe des Verbrechens iſt das Er - tränken. Wo aber der Kindermord an einem Orte ſehr überhand nimmt, da ſoll, gröſserer Abſchreckung wegen, auch das Pfählen und Lebendigbegraben, oder Schärfung des Er - tränkens durch Zangenreiſſen angewendet werden dürfen*)P G O. Art. 131. Wo aber ſolche Uebel oft ge - ſchähe, wollen wir die gemeldete Gewohnheit des Vergrabens und Pfählens, um mehrerer Furcht willen, ſolcher boshaftigen Weiber auch zulaſſen, oder aber daſs vor dem Ertränken die Uebelthä - terin mit glühenden Zangen geriſſen werde. Ei - nige verſtehen, ganz den Worten und dem ange - gebenen Grund zuwider, dieſe Dispoſition von dem Fall der Wiederholung, wie Boehmer ad h. a. §. 20. Quiſtorp Thl. l. §. 283.. Die Praxis hat als ordent - liche Strafe das Schwerd**)Boehmer ad art. 131. §. 19. Quiſtorp Thl. I. §. 283..

§. 275.

Dieſe Strafe muſs gemildert werden 1) wenn die Lebensfähigkeit des Kindes mangelt oder zweyfelhaft iſt, 2) wenn die Mutter dieSchwan -214II. Buch. I. Theil. II Titel. I. Abſchnitt. Schwangerſchaft nicht verheimlicht hat, oder es doch gewiſs iſt, daſs ſie die Abſicht, ihr Kind zu ermorden, nicht vorhergefaſst habe. Die gewöhnlich hier aufgehäuften Milderungs - gründe laſſen ſich nicht rechtfertigen*)Koch I. c. §. 476.. Wenn eine Mutter ihr neugebohrnes eheliches Kind oder, nachdem die Geburt ſchon zur Kenntniſs Andrer gekommen, ermordet, ſo iſt die That ein wahres Parricidium. Bey dem Mangel der übrigen Requiſite iſt ein verſuch - ter Kindermord vorhanden**)Einige berufen ſich auf die L. 1. de L. Pomp. de parric. um zu beweiſen, daſs bey uns der conatus proximus infanticidii mit dem Tod beſtraft werden müſſe. Vergl. Boehmer ad Carpzov Q. 17. Obſ. 2. Derſelbe ad h. art. §. 28..

Anhang: Von dem Selbſtmord.

J. Chriſt. Falckner Diſſ. de autochiria. Hal. 1728.

Juſt. J. Chriſtoph Wrisberg Diſſ. de eo q. j. e. circa autochiriam. Gött. 1740.

Car. Got. Winckler tr. de mortis voluntariae prohibi - tione ac poenis. Lipſ. 1775. 8.

§. 276.

Das Recht der freyen Dispoſition ſelbſt über das Leben hört auf mit dem Eintritt in denStaat.215Anhang. Von dem Selbſtmord. Staat. Der Bürger verpflichtet ſeine Kräfte und ſein Leben zur Mitwirkung für den öffent - lichen Zweck. Er darf daher ſo wenig dem Staate durch Selbſtmord ſich entziehen, als er ſonſt einſeitig ſeinen Bürgervertrag aufheben kann*)In Marſeine war es daher jedem erlaubt, den Gift - becher zu nehmen, wenn er vorher ſeine Gründe zum Selbſtmord bey der Obrigkeit angezeigt und dieſe ihm dazu Erlaubniſs gegeben hatte. Vergl. Loiſirs d’un Miniſtre ou eſſais dans le goût de ceux de Montagne par Marq. DArgenſon. (Luttich 1787) Thl. I. S. 55.. Aber Beſtrafung der eignen Lebens - beraubung iſt ſchon darum ungereimt, weil ſich von keinem Uebel erwarten läſst, daſs es einen Menſchen abſchrecken werde, der den Tod ſelber als eine Wohlthat betrachtet**)Andre, zum Theil auch moraliſche Geſichtspunkte über den Selbſtmord liefern Cella freumüthige Auf - ſätze. Bd. II. Nr. 3. Haller über den Selbſtmord. Frkf. 1787. Knüppel üb. d. Selbſtmord Gera. 1790. 8..

§. 277.

Auch giebt es kein allgemeines, anwend - bares Geſetz, welches den Selbſtmord zu den Verbrechen zählte. Der vollendete Selbſtmord iſt nach Röm. R. nie Verbrechen; bey attentirter Selbſttödung unterſcheidet es, ob der Menſch ohne Urfache, oder aus einer beſtimm - ten Urſache, wegen Lebensüberdruſs, Prahl - ſucht, oder Furcht vor Uebeln ſich des Lebens habe berauben wollen. Hier fällt, die Solda - ten ausgenommen***)Ihre Strafe war infamirende Caſſation. L. 6. §. 7. D. de re. milit. L. 38. §. 12. D. de poenis. , alle Strafe hinweg, dortſoll216II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ſoll das Attentat willkührlich beſtraft werden*)L 3. §. 6. D. de bonis eorum, qui etc. quaeritur: an is, qui ſibi manus intulit et non perpetravit, de - beat puniri, quaſi de ſe ſententiam detulit? nam ommno puniendus, niſi taedio vitae, vel impatientia alicujus doloris coactus eſt, hoc facere. Et merito. ſi ſine cauſa ſibi manus intulit, puniendus eſt: qui enim jibi non pepercit, multo minus alii parcet. Vergl. L. 6. §. 7. D. de injuſto, rupto, etc. L. 45. §. 2. D. de jure fisci. L. 6. §. 7. D. de re mil. . Ein Geſetz, deſſen Vorauſſetzung nicht exiſtiren kann, weil nach pſychologiſchen Geſetzen, eine dieſer Urſachen immer zum Selbſtmord beſtimmt. Das Canoniſche Recht verſagt dem Selbſtmörder nur ein feyerliches Begräbniſs**)C. 12. C. XXIII. q. 5. c. 11. X. de ſepult. und die P. G. O. erwähnt dieſe Handlung gar nicht als ein Verbrechen***)P. G. O. Art. 135. Die Ueberſchrift lautet zwar Straffaygrev Tödung ; der Artikel ſelbſt ſpricht aber kein Wort davon..

§. 278.

Die Selbſtentleibung hebt aber die Rechte nicht auf, die für den Staat durch andre Hand - lungen des Selbſtmörders begründet wurden. Das Vermögen eines Selbſtmörders, der ſich aus Furcht vor einer verwirkten, mit Confis - cation verbundenen Lebensſtrafe entleibt, fällt dem Staate zu****)L. 3. pr. §. 1. 2. 3. L. 45. §. 2. D. de jure fisci. L. 1. C. de bonis eorum, qui etc. P. G. O. Art. 135., wenn er auch bey Leb - zeiten nicht überwieſen, oder condemnirtwor -217Anhang. Von dem Selbſtmord. worden iſt*)L. 3. pr. D. de bonis eorum, qui rei poſtulati, vel in Jcelere deprebenſi metu eriminis imminentis, mortem ſibi conſciverunt, heredem non habent. P. G. O. ang. Art. Wenn jemand beklagt und in Recht erfodert oder bracht würde etc.. Nur iſt nothwendig, daſs ſchon bey ſeinen Lebzeiten, die Unterſuchung an - gefangen hat**)Aus L. 45. §. 2. D. de juro fisci; ſcheint es bev - nahe, als wenn wenigſtens Paulus dieſes nicht für nothwendig halte..

§. 279.

Die Praxis ſtraft den attentirten zurech - nungsfähigen Selbſtmord mit geringer Gefäng - niſsſtrafe, Relegation oder Verdammung zu öffentlichen Arbeiten auf kurze Zeit***)Berger el. crim. p. 97. Hommel obſ. 127. Quiſtorp Thl. 1. §. 300.. Den vollendeten Selbſtmord, ſtraft ſie mit dem Eſelsbegräbniſs, wenn die That wegen eines Verbrechens oder ſonſt aus einer ſchimpflichen Urſache begangen iſt. Der Selbſtmörder aus Wahnſinn, Melancholi, ſoll ſtill an der Mauer des Kirchhofs verſcharrt werden****)Vergl. I. Casp. Bocriſius Diſſ. de eo quod j. e. circa ſepulturam propricidarum. Altorf. 1760..

Zwey -218II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Zweyte Abtheilung. Verletzung der Integrität der menſchlichen Kräfte.
§. 280.

Körperverletzung im engern Sinne iſt jede rechtswidrige nicht mit Lebensberaubung verbun - dene Störung des körperlichen Gefundheitszuſtan - des eines andern. Sie kann nur dann als beſon - dere Uebertretung betrachtet werden, wenn ſie nicht in der Abſicht zu töden, nicht in einem Duell und nicht an dem Oberherrn ſelbſt ge - ſchehen iſt. Uebrigens kann ſie ſowohl durch Einwirkung auf das Innere des Körpers, als auch durch Einwirkung auf die äuſſern Theile deſſelben geſchehen*)Hr. Tittmann zu Leipzig nimmt noch als be - ſonderes Verb echen die Gemüthsverletzung an. Un - ſre Geſetzgebung kennt ſie nicht als Verbrechen, auch hat ſie als ſolche nicht einmal Analogie mit irgend einem andern bekannten Verbrechen Vergl. übrigens deſſen Diſſ. de delictis in vires mentis huma - nae commiſſis. Lipſ. 1794..

§. 281.

Die Körperverletzung zerfällt in die ein - fache und qualificirte Körperverletzung. I. die einfache Körperverletzung beſteht in der rechtswidrigen Störung des körperlichen Ge -ſund -219V. d. Verl. d. Integrität des Körpers. ſundheitszuſtandes durch Einwirkung auf die äuſſern Theile des Körpers nach mechaniſchen Geſetzen. Dies geſchieht vorzüglich dadurch 1) daſs der Körper völlig eines Glieds beraubt wird Verſtümmelung 2) daſs der Gebrauch deſſelben unmöglich gemacht wird Läh - mung, 3) daſs die äuſſern Theile des Körpers, ohne Verſtümmelung, getrennt werden Verwundung im eigentlichen Sinn.

§. 282.

Die Strafe dieſer Uebertretung iſt will - kührlich, Gewöhnlich nur Geldſtrafe oder Gefängniſs*)cf. Koch. c. l. §. 425. Grolman C. R. W. §. 397. Mündlich von der Privatſatisfaction. .

§. 283.

II. Die qualificirte Körperverletzung beſteht in der Störung des Geſundheitszuſtandes eines andern durch Mittheilung eines Stoffs, der dieſe Verletzung nach chemiſchen Geſetzen be - wirkt Vergiftung. Es iſt gleichviel, ſowohl in Anſehung des Begriffs, als auch in Anſehung der Strafe, ob die Störung der Geſundheit ge - ring oder groſs, heilbar oder unheilbar iſt**)P. G. O. Art. 130. Wer jemand durch Gift oder Venen, an Leib oder Leben beſchädigt u. ſ. w.. Nur kann eine blos momentane Störung der Geſundheit durch Gift nicht nach der Strenge dieſes Geſetzes beurtheilt werden**)Grolman C. R. W. Anm. 2. Der Grund iſt, weil man einen blos vorübergehenden Schmerz oderUebel -.

§. 284.220II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 284.

Als Strafe droht das Geſetz dem Ver - brecher die Strafe des Rads für Männer, des Ertränkens für Weiber*)P. G. O. ang. Art. Die Praxis nimmt bey bleiben - dem Nachtheil für die Geſundheit das Schwerd; bey einem vorübergehenden und heilbaren Schaden an der Geſundheit, lebenswirige Feſtungs - oder Zucht - hausſtrafe an. Bey eintretenden Milderungsgrün - den ſoll die Strafe bis zum zeitigen Gefängniſs, oder zum Zuchthaus auf 10 oder mehrere Jahre ſin - ken. Eiſenhardt Erzählung beſ. Rechtshändel. Thl. VIII. Nr. 6 Kleins Annalen Bd. IX. Nr. 3. Quiſtorp Thl. I. §. 264. Mit der Praxis ſtimmt ſehr überein das Preuſs. Geſetzb. P. II. T. 20. §. 856. ff.. Der Grund, aus welchem bloſse Verletzung durch Gift dem Morde ſelbſt gleich geachtet wird, iſt wohl theils die Verworfenheit des Subjects, theils die Gröſse des Reitzes, die in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden liegt, theils die Gröſse der objectiven Gefährlichkeit, weil die Ver - ſtecktheit des Mittels die That ſelbſt erleichtert und die Entdeckung des Thäters erſchwert, oder auch weil die Ausführung der Abſicht, durch Gift blos zu verletzen, ſehr nahe an wirk - liche Tödung gränzt.

§. 285.

Eine doloſe Vergiftung iſt vorhanden, ſowohl wenn die Abſicht auf Tödung, als auch wenn ſie blos auf Verletzung gerichtet war**)Denn die bloſse Verletzung durch Gift wird der Tödung durch Gift gleich geſetzt und es wird garnicht,. Nur,**)Uebelkeit nicht einen Schaden an dem Leibe nennen kann, die P. G. O. aber eine Beſchädigung am Leibe fodert.221V. d. Verletzung d. Integrität d. Körpers. Nur, wenn der ſchädliche Stoff gar nicht in der Abſicht zu verletzen mitgetheilt wurde, iſt eine culpoſe Vergiftung anzunehmen*)Wie wenn ein Arzt oder Quackſalber durch ſeine Arzneyen tödet P. G. O. Art 134. Mündlich von den ſogenannten Liebestränken und der An - wendbarkeit der L. 38. §. 5 D. de poenis, der Unter - haltung wegen Vergl Chr. Gothofr. Stentzel Diſſ. de philtrisrite examinandis et dijudicandis. Vit. 1726.. Die letzte muſs dann nach den Grundſätzen der culpoſen Tödung beurtheilt werden.

§. 286.

Die unternommene Vergiftung, ſelbſt wenn ſie blos in der Abſicht zu verletzen geſchah, muſs beurtheilt werden nach den Grundſätzen von dem unternommenen Mord. Das Ver - brechen der Vergiftung iſt geendigt (perfec - tum veneficium) 1) wenn der Perſon ein wirk - liches Gift, jedoch ohne Wirkung, mitgetheilt worden iſt, 2) wenn der Verbrecher, in der Abſicht zu verletzen, ein blos vermeintliches Gift mitgetheilt hat**)Sonderbar, daſs Boehmer ad Art. 130. §. 1. die - ſen Fall ganz für ſtraflos hält..

**)nicht, wie einige glauben, blos die Tödung als con - ſumirtes Verbrechen, die Verletzung nur als Verſuch betrachtet. Das letzte widerlegt ſich aus der flüch - tigſten Ueberſicht des Artikels.
**)
Drit -222II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Dritte Abtheilung. Verbrechen an dem Recht des Bürgers auf freye Dispoſition über ſeinen Körper.
§. 289.

Der Menſch hat mit dem Recht auf ſeinen Körper überhaupt, auch das Recht auf freye Dispoſition über denſelben. Wer dieſes Dis - poſitionsrecht verletzt, indem er ſelbſt es ſich anmaſst, begeht eine Läſion. Unſere Geſetze kennen 3 Arten dieſer Verletzung als Ver - brechen. Sie kann begangen werden 1) durch bloſse Occupation des Körpers zu unbeſtimm - ten Zwecken, Plagium. 2) durch Occupation, verbunden mit Wegführung zum Zweck der Befriedigung des Geſchlechtstriebes Ent - führung 3) durch eigenmächtigen mit Gewalt erzwungenen Gebrauch der Geſchlechtstheile einer Perſon, Nothzucht.

Erſte223Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körper.
Erſte Unterabtheilung. Plagium Menſchenraub.

C. E. Deyling Diſſ. ad L. Fabiam de plagiariis. Lipſ. 1745.

Leyſer Spec. 624.

§. 288.

Nach Begriffen des röm. Rechts iſt derje - nige Plagiarius, der wiſſentlich einen Freyen oder fremden Sklaven in ſeine Herrſchaftsge - walt bringt, oder ihn ſonſt der Gewalt des rechtmäſsigen Herrn entzieht. Es konnte da - her ein Plagium begangen werden 1) wenn man einen Freyen zum Sklaven machte, oder einen Sklaven aus dem Beſitz des Herrn nahm. Aber ohne Gewalt muſste dies geſchehen*)L. 1. C. de L. Fab. de plag.: 2) Wenn man einen Menſchen, ohne ihn ſelbſt geraubt zu haben, mit dem Bewuſtſeyn der Rechtswidrigkeit, als Sklav behandelte. 3) Wenn man ſonſt die rechtmäſsige Gewalt des Herrn über den Sklaven verletzte**)L. 1. 3. 5. 6. §. 2. D. eod..

§. 288.224II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt.
§. 289.

Da bey uns kein Sklavenſtand iſt, ſo än - dert ſich auch der Begriff des Verbrechens. Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen begangen werden und beſteht darin, wenn man einen Menſchen rechtswidrig in ſeinen (phyſiſchen) Beſitz bringt und es ſich dadurch möglich macht, ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan - deln. Man occupirt den Körper deſſelben als eine Sache und macht ſich durch dieſen Beſitz die volle Dispoſition über denſelben möglich. Indem man den Körper occupirt, occupirt man die Perſon ſelbſt.

§. 290.

Dieſes Verbrechen kann ſowohl begangen werden 1) an Perſonen, die unter niemands Gewalt ſtehen, als auch 2) an ſolchen, die der rechtmäſsigen Gewalt eines andern unterwor - fen ſind. Keine beſtimmte Abſicht als noth - wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge - ſetzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung des Geſchlechtstriebs die Abſicht ſeyn. Uebri - gens kann die Beſitzergreifung des Menſchen geſchehen ſowohl 1) um ihn in den Zuſtand der abſoluten Rechtloſigkeit (der Sklaverey) zu verſetzen*)Man denke an die Seelenverkauferey nach America., als auch 2) zu andern Zwecken, ſelbſt wenn ſie an ſich nicht geſetzwidrig ſind. Sobald der Verbrecher den Menſchen ſeiner Gewalt unterworfen hat, ſo iſt das Verbrechen conſumirt.

§. 290.225Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp.
§. 291.

Das neuere römiſche Recht beſtraft das Plagium an einem Freyen, um ihn in den Stand der Sklaverey zu bringen, mit dem Tode*)L. 7. C. de L. Fab. de plag.. Conſtantin ſchärft dieſe Strafe vor - züglich in dem Falle ein, wenn an Kindern bey Lebzeiten ihrer Aeltern dieſes Plagium begangen wird**)L. 16. C. eod. Um dieſes Geſetz richtig zu leſen und zu verſtehen, muſs man es im Codex Theode - ſianus mit Gothofreds Anmerkungen leſen. (L. un. C. Theod. ad L. Fab.). Die Gröſse der Uebertre - tung und ihr Verhältniſs zu andern Verbrechen, die unſre Geſetzgebung mit dem Tode beſtraft, nöthigen uns zur Anwendung dieſer Geſetze, deren Gültigkeit ſelbſt die Praxis aner - kennt***)cf. Quiſtorp Grundſ. des P. R. Thl. I. §. 392. Klein P. R. §. 200.. Geſchieht das Plagium zu einem an - dern Zweck, als um den Menſchen zum Sklaven zu machen, ſo muſs eine der Todesſtrafe am nächſten kommende Strafe ſtatt finden****)Vom ſo genannten plagium militare mündlich. Vergl. S. A. Merclin Comment. de plagio militari. 1728. J. H. Ickſtadt de illicitis militum conquiſi - tionibus in territorio allaeno eurumque poenis. Wirceb. 1738. et in Opusc. T. I. p. 346..

PZweyte226II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Zweyte Unterabtheilung. Verbrechen der Entführung.

Henr. Blümner Diſſ. de raptu. Lipſ. 1788.

Andr. Lundſtröm Diſſ. de crimine raptus. Upſala. 1792.

§. 292.

Das Verbrechen der Entführung (crimen raptus) beſteht in der rechtswidrigen Wegfüh - rung einer Perſon an einen Ort, wo ſie der Ge - walt des Entführenden unterworfen iſt, zur Be - friedigung des Geſchlechtstriebs.

§. 293.

I. Die Perſon muſs von dem Ort, wo ſie ſich befand, an einen Ort weggeführt werden, wo ſie der ausſchlieſslichen Dispoſition des Ent - führers unterworfen iſt. Es kommt nicht auf die Entfernung des Orts an, ſondern nur dar - auf, ob er ſicher, d. h. ſo beſchaffen iſt, daſs der Aufenthalt der Perſon entweder nicht leicht entdeckt, oder ſie nicht leicht aus dem - ſelben zurückgeholt werden kann*)Die Frage: ob die Wegführung von einem Haus in das andere etc. Entführung ſey, läſst ſich imAll -. DasVer -227Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp. Verbrechen iſt vollendet, ſobald die Perſon an den beſtimmten Ort wirklich gebracht worden iſt. II. Die Wegführung muſs rechtswidrig ſeyn, mithin entweder 1) wider Willen der Entführten oder 2) wider den Willen derer ge - ſchehen, deren rechtmäſsigen Gewalt ſie un - terworfen iſt*)Nach canoniſchem Recht wird in volentem keine Entführung begangen. C. 6. X. de raptoribus, in - cendiariis etc. J. H. Boehmer J. E. P. T. V. L. V. 1. 17. §. 114..

§. 294.

Die Entführung geſchieht wider Willen der Entführten 1) wenn ſie durch Betrug von ihrem Aufenthaltsort weggebracht wird, 2) wenn der Entführer Gewalt, und zwar entwe - der phyſiſchen Zwang oder Drohung ſchwe - rer, augenblicklich zu vollziehender, Uebel angewendet hat. Bloſse Ueberredungskünſte, Schmeicheleyen, Verſprechungen u. ſ. w. be - gründen keine Entführung wider Willen der Entführten**)Viele, wie Koch l. c. §. 363. Meiſter jun. pr. jur. crim. 303. Blümner l. c. pag. 6. 7., be - haupten, beſonders aus §. 2. in fin. C. de rapt. virg. das Gegentheil. Si ipſi raptores metu, vel atroci - tate poenae ab hujusmodi facinore ſe temperaverint,nulli.

P 2§. 295.
*)Allgemeinen ſchlechterdings nicht beantworten und verrückt ganz den Geſichtspunkt. Es kommt blos auf die angegebene Beſchaffenheit des Orts an, wo - nach die ganze Frage blos in concreto beantwortet werden muſs.
*)
228II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 295.

Mit Willen der Entführten geſchieht dieſes Verbrechen, wenn die Perſon ohne Einwilligung deſſen entführt wird, deſſen rechtlicher Ge - walt ſie unterworfen iſt. Dies findet ſtatt 1) bey dem Eheweib in Beziehung auf ihren Gatten 2) bey dem Kind in Beziehung auf den - jenigen, der über daſſelbe die väterliche Gewalt hat. Nicht alſo fehlende Einwilligung des Vormunds des Curators*)Boehmer ad Carpz. Q. 40. obſ. 3., der Mutter oder des natürlichen Vaters**) Wider des Ehemanns oder des ehelichen Vaters Willen . Art. 118. C. C. C. cf. Püttmann adv. jur. univ. L. II. C. 20. p. 202. macht Entführung. An einer Perſon, die niemandes rechtlicher Gewalt unterworfen iſt, wird, wenn ſie ein - willigt, keine Entführung begangen***)Einige, wie Matthaens L. XLVIII. T. IV. c. 2. Nr. 18. 19 und Struv in Diſſ. jur. erim. IX. Nr. 18.

§. 296.
**)nulli mulieri, ſive nolenti ſive volenti peccandi lo - cus relinquetur: quia hoc ipſum velle mulierum ab inſidiis nequiſſimi hominis, qui meditatur rapinam, inducitur. Niſi etenim eam ſollicitaverit, niſi odio - ſis artibus circumvenerit, non faciet eam velle in tantum dedecus ſeſe prodere Hier iſt nicht, wie man aus den Worten und aus dem Zuſammenhang mit dem Vorhergehenden und Folgenden ſieht, von einer Entführung wider, ſondern mit Wilden der Perſon gegen den Willen ihrer Vorgeſetzten die Rede. Noch weniger aber kann man ſich, wegen der gänz - lichen Verſchiedenheit des Falls und des Grundes auf L. 3. §. 5. D. de libero homine exhibendo u. L. 1. D. de ſervo corr. berufen.
**)
229Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp.
§. 296.

III. Die geſetzlich nothwendige Abſicht iſt Befriedigung des Geſchlechtstriebes. Ob auſ - ſereheliche Befriedigung deſſelben oder ehe - liche Gemeinſchaft Abſicht ſey, iſt gleich - viel*)Diejenigen Rechtslehr., welche blos auſſereheliche Be - friedigung des Geſchlechtstriebes für nothwendig hal - ten, berufen ſich auf die Worte: unehrlicher Weiſe des Art. 118 C. C. C. u. bedenken nicht, daſs das unehr - licher Weiſe auch auf den anzuwenden iſt, dar auf rechtswidrige Art einen an ſich rechtmäſsigen Zweck zu erreichen ſucht und daſs die L. un. C ausdrück - lich den für Verbrecher erklärt, qui hoſtili more ſibi matrimonium conjungere ſtudet. . Selbſt wer ſeine Braut, um mit ihr die Ehe zu vollziehen, wider ihren Willen, entführt, iſt dieſes Verbrechens ſchuldig**)L. un. C. de rapt. virg. qui ſaltim ſponſam ſuam per vim rapere auſus ſit wo einige, der Theorie zu lieb, ſonſt aber ohne allen Grund, entweder non-ſua le - ſen , oder das ſua ausſtreichen wollen. Juſtinian änderte dadurch das irühere Recht ab, nach wel - chem man an ſeiner Braut keinen Raub beging. L. 1. C. Th. de raptu virginum. Das canoniſche Recht, c. 49. C. 27. q. 2. c. 5. C. 36. q 2. iſt zwar ge - gen Juſtinian, kann aber hier, da ſich die C. C C. ausdrücklich blos auf das röm. R. beruft, nicht zur Anwendung kommen. cf. Schorch (Henne) Diſſ. de raptu ſponſae. Erf. 1776. et in Opuſc. Tom. I. Nr. X.. Blos***)18. wollen das Gegentheil wegen der Worte des §. 2. G. de rapt. virg. huic poenae omnes ſubjaceant, ſive volentibus ſive nolentibus-tale facinus fuerit pa - tratum. Als wenn nicht volentibus ſich auf den Fall bezöge, wenn die Entführte der Gewalt eines andern unterworfen iſt.230II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Blos wider Willen der Vorgeſetzten aber wird an der Braut kein raptus begangen*)Wegen der Worte: per vim.. Wer eine noch nicht mit ihm Verlobte, wider ih - ren, oder ihrer Vorgeſetzten Willen zur Voll - ziehung einer Ehe entführt, ſelbſt wenn die Eltern aus nichtigen Gründen die Ehe ver - weigern, iſt um ſo gewiſſer dieſes Verbrechens ſchuldig, da die Geſetze ſchon die Entfüh - rung einer Braut, auf welche doch der Ver - führer ſchon Rechte hat, für ein Ver - brechen erklären**)Nach andern, ſoll in dieſem Fall blos das Verbre - chen der Selbſthülfe ſtatt finden. cf. Grolman C. R. W. §. 386. Anm. 1).. Ob der Verbrecher ſeine Abſicht erreicht hat, darauf kommt es nicht an***)Boehmer ad b. Art. §. 6..

§. 297.

Die Entführung kann begangen werden I. von einer Mannsperſon an einer Weibsper - ſon und zwar 1) entweder an einer ehrbaren Weibsperſon (perſona honeſta), oder 2) an ei - ner unehrbaren Weibsperſon, d. h. einer ſol - chen, die als Hure lebt, II. von einer Manns - perſon an einer Mannsperſon****)L. 6. D. ad L. Iul. de vi publ. und von einer Weibsperſon an einer Weibsperſon†)Ganz aus demſelben Grund, aus welchem die Ent - führvne einer Mannsperſon von einer Mannsperſon Verbrechen iſt.zur231Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp. zur naturwidrigen Befriedigung des Ge - ſchlechtstriebs. III. Von einer Weibsperſon an einer Mannsperſon*)cf. Voetii Comm. ad D. Lib. XLVIII. tit. 6, §. 4. Matthaeus de crim. L. XLVIII. tit. 4. C. 2. Nr. 2. p. 445-et 46. Kreſs ad Art. 118. § 9. Boehmer ad cund. §. 4. Mit Unrecht nehmen aber dieſe auch hier die ordentliche Strafe an..

§. 298.

Einer Mannsperſon, die eine ehrbare Weibsperſon entführt, droht das römiſche Recht**)L. un. C. de rapt. virg., auf das ſich die P. G. O.***)Art. 118. beruft, das Schwerd und den Verluſt des ganzen Ver - mögens, das, nach Umſtänden, der Entführten, oder deren Eltern und Ehemann, oder dem Kloſter oder dem Fiscus zufällt****)Hat der Entführer Kinder, ſo verliert er nur den Ueberſchuſs deſſen, was den Kindern als Pflicht - theil gebührt. Nov. 123. cap. fin. cf. Matthaeus de crim. l. c. Nr. 15.. Die Vorgeſetzten der Entführten dürfen den auf der That ertappten Verbrecher töden. Weil bey den übrigen Arten der Entführung nicht alle Bedingungen vorhanden ſind, welche das Geſetz bey dem mit dem Schwerd bedrohten Falle vorausſetzt, ſo kann auch dieſelben nicht dieſe ordentliche Strafe treffen. Da aber hier nur Eine Bedingung und zwar von der Art man -gelt,232II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. gelt, welche auf die Gröſse der Strafe faſt gar keinen Einfluſs hat, ſo kann die Strafe nur um Einen Grad bis zur ewigen Geſängniſsſtrafe ſin - ken*)Die Entführung einer perſona non honeſta iſt allein hier auszunehmen. Denn hier fällt eine wichtigere Bedingung hinweg, die Strafe muſs alſo auch mehr ſinken. Die Wegführung einer Perſon mit ih - rem, aber gegen ihres Vormunds oder Curators Wil - len kann gar nicht beſtraft werden, weil hier alle Rechtsverletzung hinwegfällt, jedes Verbrechen aber dieſe vorausſetzt. Bey der Entführung wider Wil - len der Aeltern oder des Ehemannes wird das Recht der Gewalt verletzt und dieſes findet hier nicht ſtaſt..

Anm. Die Praktiker wollen nur willkührliche Strafe. Die Todesſtrafe billigen ſie blos im Fall der Ent - führung wider Willen der Entführten, durch An - wendung groſser Gewaltthätigkeit, ſo daſs mit der Entführung noch andere Verbrechen concurriren. Der Verluſt des Vermögens ſoll wegen des Art. 218. P. G. O. (der von dieſer Art des Vermögensverlu - ſtes gar nicht redet) ganz hinwegfallen. Quiſtorp. Thl. l., §. 514 Klein peinl. R., §. 413. Stru - ben Th. IV. Bed. 79. Das Recht der Tödung läug - nen ſie ebenfalls. Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 305. Not. d.)

§. 299.

Gehülfen ſind**)Wegen der allgen einen Verordnung der P. G. O. Art. 177. nach den allgemeinen Grundſätzen der Strafbarkeit in concreto zu beſtrafen, ob ſie gleich das römiſche Recht, wenn ſie in einem concurſus concomitans begrif - fen ſind, dem Urheber gleich beſtraft wiſſenwill.233Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp. will. Es giebt hier eben ſo wenig beſon - dere Milderungsgründe*)Anders nach der Meynung der Rechtslehr. cf. Kreſs ad h. Art. §. 7. Boehmer ad h. Art. §. 11. Das Anerbieten zur Heirath von Seiten der Entführten ſchlieſst die ordentliche Strafe nicht aus, da das - miſche Recht (L. un. cit. ) ſchlechthin die Heirath mit dem Entführer verbietet, das canon. R. aber, das C. 6. et 7. X. de raptor. das Gegentheil verord - net, (das Conc. Trid. Seſſ. XXIV. de reform. c. 6. ſetzt dieſer Verordnung eine Bedingung), hier keine Anwendung[finden] kann, weil die C. C. C. aus dem R. R. die Grundſätze der Beſtrafung die - ſes Verbrechens geſchöpft wiſſen will. Wenn gleich, wie man hier anführt, das C. R. in Eheſa - chen den Vorzug hat, ſo kann dies doch hier nicht gelten, wo nicht von Ehe-ſondern von Strafſachen die Rede iſt. Man ſehe auch Boehmer I. E. P. T. V. L. V. tit. 17. §. 150. Boehmer ad h. Art. §. 9. et ad Carpz. Q. 40. Obſ. 3., als es beſondere Schärfungsgründe giebt. Der Conat iſt willkührlich zu beſtrafen**)Der Cenat der Entführung einer Kloſterjungfrau. um ſie zu heirathen, iſt ausgenommen. Er ſoll mitdem

Dritte Unterabtheilung. Unfreywillige Schwächung.

Jo. Sam. Fr. Boehmer Diſſ. de rigore juris in ſtu - pratores violentos. Frcf. 1762.

Leyſer Spec. 584.

§. 300.

Die unfreywillige Schwächung (ſtu - prum non voluntarium) iſt Beyſchlaf, ohne freyeEin -234II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Einwilligung des andern Theils und zerfällt 1) in die Nothzucht (ſtuprum violentum) den durch rechtswidrige Gewalt erzwungenen Bey - ſchlaf mit einer unverläumdeten Perſon*)Die Nothzucht begreift unter ſich 1) den gewalt - ſamen Inceſt, 2) den gewaltſamen Fhebruch, 3) das gewaltſame ſtuprum im engern Verſtande., 2) die unfreywillige Schwächung im engern Sinn (ſtuprum nec voluntarium nec violentum) Beyſchlaf mit einer Perſon, ohne ihre freye Ein - willigung, jedoch ohne Gewalt.

§. 301.

Die unfrey willige Schwächung im engern Sinn ſetzt eine Perſon als Gegenſtand vor - aus, die zur Zeit des Beyſchlafs entweder kein Be - wuſstſeyn hat oder über keins ihrer Rechte mit rechtlichem Erfolg disponiren kann. Dieſe Schwächung wird alſo begangen 1) an Schla - fenden, 2) an völlig Betrunkenen, 3) an Wahn - ſinnigen und Raſenden**)Chr. Gottfr. Schmid Diſſ. de ſtupro in mente capt. commiſſ. Lipſ. 1727., 4) an einer Unmündi - gen, deren Gemüthskräfte noch nicht ſo weit entwickelt ſind, daſs ihr der Beyſchlaf zugerech - net werden kann***)Einige nehmen in allen dieſen Fällen Nothzucht an, wie Engau El. j. cr. §. 234. Andere wenig -ſtens. Die Strafe dieſes Ver - brechens iſt willkührlich, doch muſs ſie härter als freywillige Schwächung beſtraft wer - den.

§. 302.
**)dem Schwerd beſtraft werden. L. 5. C. de episc. et cler. Iſt wenigſtens unter Proteſtanten nicht mehr anwendbar.
**)
235Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp.
§. 302.

Die Nothzucht ſetzt voraus, I. als Gegen - ſtand eine unverläumdete*)Art. 119. C. C. C. eyner unverläumdeten chefrawen, witwenn oder Jungkfrawen. Weibsperſon, die noch nicht durch Handlungen erklärt hat, daſs ſie ihren Körper als Werkzeug der Wol - luſt eines jeden betrachte. An einer Hure kann daher keine Nothzucht begangen werden. Denn bey ihr fällt der eigentliche Grund der geſetzlichen Auszeichnung dieſes Verbrechens hinweg. Ihre Perſönlichkeit wird dadurch nicht verletzt, daſs man ſie in Anſehung der Geſchlechtsbefriedigung als Sache behandelt, da ſie ſich ſelbſt zur Sache hingegeben hat. Die Nothzucht kann alſo nur begangen wer - den, entweder an einer Perſon, die noch nie geſetzwidrig den Geſchlechtstrieb befriedigt hat, oder an einer bloſs Geſchwächten, oder an einer Perſon, die ehemals als Hure gelebt, aber nachher völlig und notoriſch ihre Lebens - art geändert hat**)cf. Boehmer ad h. a. §. 1. Kleins Gr. d. p. R. §. 404..

Anm. Kann an einer Mannsperſon von einer Weibsperſon ein ſtuprum viol. begangen werden? cf. Quiſtorps Beyträge Nr. 3.

§. 303.
***)ſtens im Fall des Beyſchlafs an einer Trunkenen oder Schlafenden, vorausgeſetzt, daſs ſie abſichtlich von dem Stuprator in dieſen Zuſtand verſetzt wor - den iſt, wie Boehmer ad Carpzov. Q. 79. obs. 2. et ad Art. 119. §. 4. Quiſtorp Thl. l. §. 490. Weſtphal CR. S. 232. Kochl. c, §. 290. Anm. Die Geſetze geben aber der Noth - zucht das Prädicat, mit Gewalt und wider ihren Willen.
***)
236II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 303.

II. Es muſs der Gebrauch der Geſchlechts - theile dieſer Perſon blos in der Gewalt des Nothzüchtigers gegründet ſeyn, ſo daſs dieſe Gewalt allein, nicht ihr eigner durch Ge - ſchlechtsluſt beſtimmter Wille, Urſache ihrer Hingebung war. Man erkennt dieſes aus der Art und der Dauer des Widerſtandes, der dem Stuprator geleiſtet worden iſt*)cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 3..

§. 304.

Die Gewalt, durch welche die Perſon ge - nöthigt wird, kann ſeyn 1) phyſiſche Gewalt (vis abſoluta) wenn der Verbrecher durch ſeine Körperkraft die Körperkräfte derſelben über - windet**)In wieferne iſt auf ſolche Art ein ſtup. viol. möglich? 2) durch pſychologiſche Gewalt (vis compulſiva) wenn er ihr Begehren durch Vor - ſtellung von Uebeln zur Hingebung beſtimmt. Dieſe Uebel müſſen aber a) mit der Gefahr augen - blicklicher Vollziehung verbunden ſeyn***)cf. Boehmerc. I. Der Grund iſt derſelbe, wie beym Raub. Iſt das Uebel entfernt, ſo kann mannicht, b) ſie müſſen mit dem Uebel der Verletzung jungfräulicher Ehre entweder in gleichem Ver - hältniſſe ſtehen, oder ſie müſſen daſſelbe über - wiegen. Die Drohung darf alſo wohl kein geringeres Uebel, als ſchwere körperliche Ver - letzung oder Verluſt des Lebens enthalten.

Mündlich von den Kennzeichen der Beurtheilung ei - ner angeblich vorgefallenen Nothzucht in concreto cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 7.

§. 305.237Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp.
§. 305.

III. Die angewendete Gewalt zur Unter - werfung unter die Begierde muſs rechtswidrig ſeyn. Wer, wie der Ehemann, auf den Bey - ſchlaf ein vollkommenes Recht hat, begeht durch angewendete Gewalt keine Nothzucht, wenn er gleich wegen des Exceſſes ſtrafbar ſeyn kann. IV Der mit Gewalt erzwungene Bey - ſchlaf muſs vollendet ſeyn. Bloſse Vereinigung der Geſchlechtstheile iſt daher eben ſo wenig hinreichend, als bloſse emiſſio ſeminis*)Bloſse Vereinigung der Geſchlechtstheile macht ſchon vollendete Nothzucht aus, nach Boehmer ad Carpzov Q. 75. obſ. 5. et 8. et ad Art. 119. C. C. C. §. 8. Struben Thl. III. Bd. 24. Weſtphal CR. S. 232. Koch pr. jur. crim. §. 286. Daraus, daſs die P. G. O. ſagt, durch die Nothzucht werde die fräuliche oder jungfräuliche Ehre genommen, folgt nicht das geringſte.. Denn, wenn gleich die Gewalt der Haupt -punkt***)nicht annehmen (und das Gegentheil zu beweiſen, iſt ph ſiſch unmöglich) daſs dieſes entfernte Uebel ſie zur Unterwerfung beſtimmen konnte. Entfernte Uebel machen an ſich einen geringen Eindruck. Auch hat ja hier die Perſon, wenn es ihr mit ih - rer Keuſchheit Ernſt iſt, Zeit genug, den Staat in das Mittel zu rufen und dadurch ſowohl dem einen, als dem andern Uebel zu entgehen. Iſt das ge - dachte Uebel geringer, als der Verluſt der jungfräu - lichen Ehre, ſo läſst es ſich nach pſychologiſchen Geſetzen ebenfalls nicht denken, daſs die Perſon durch das kleinere Uebel ſich zu dem gröſseren be - ſtimmt habe… Immer iſt alſo hier anzunehmen, daſs ſich die Perſon aus eignem Antrieb zur Hin - gebung beſtimmt habe.238II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. punkt dieſes Verbrechens iſt, ſo iſt er doch nicht der einzige. Die Geſetze denken ſich offenbar unter der Nothzucht einen durch Ge - walt erzwungenen Beyſchlaf; da aber der voll - ſtändige Begriff des Beyſchlafs immiſſio ſemi - nis in ſich faſst, ſo müſſen wir auch dieſes zum Begriff der Nothzucht zählen, da die Ge - ſetze nicht ausdrücklich den Begriff beſchrän - ken*)Die Praxis iſt auch für dieſe Meynung. cf. Ley - ſer Sp. 584. m. 13. ſqq. und Sp. 576. m. 15. Quiſtorp Thl. I. §. 589. Meiſter jun. pr. jur. cr. §. 296..

§. 306.

Bey der Nothzucht iſt nicht das Weib**)L. 13. §. 7. D. L. 20. C. ad L. Iul. de adult., ſondern allein der Mann der ſtrafbare Theil, der nach Carls Verordnung***)P. G. O. Art. 119., einem Räu - ber gleich, beſtraft werden ſoll; eine Verord - nung, welche gleichwohl von den Praktikern ganz ungebührlich, und ohne allen Grund, ſelbſt ohne Stütze der Praxis limitirt wird****)cf. Struben Thl. III. Bed. 24. Quiſtorp Thl. I. §. 492..

§. 307.239Verbr. gegen d. freye Diſpoſ. üb. d. Körp.
§. 307.

Es giebt hier, weder nach der Natur der Sache, noch nach poſitiven Geſetzen beſondere Milderungs , oder beſondre Schärfungs - gründe*)Die Rechtslehrer nehmen aber als Schärfungs - gründe an 1) ſanctitas loci. Boehmer ad Art 119. §. 10..

Vierte Abtheilung. Verletzung des Rechts auf Ehre.
Erſte e Unterabtheilung. Von Injurien und Verläumdungen überhaupt.

Ad. Dietr. Weber über Injurien und Schmähſchrif - ten. I. III. Abthl. zweyte Aufl. Schwerin und Wismar. 1797 1800.

Carl Grolman über Ehre und guten Namen. (In dem Magazin für die Phil. d. Rechts, 1. Bd. 1. Hft. N. 1.)

Kleinſchrod Grundzüge der Lehre von Injurien. (In Kleins u. Kleinſchrods Archiv, 1. Bd. 4. St. Nr. 1.)

Chriſt. Gotth. Hübner über Ehre, Ehrloſigkeit, Ehrenſtrafe und Injurien. Ein Beytrag zur Berichtigung der poſitiven Rechtswiſſenſchaft. Leipz. 1800.

§. 308.

Achtung iſt die innere Anerkennung (das Gefühl) des Werths eines Menſchen. Ehre240II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Ehre iſt die äuſſerlich erſcheinende Achtung. Sie beſteht in der äuſſern Anerkennung des Werths eines Menſchen, in ſoferne ſie als das Reſultat der zuſammenſtimmenden Anerkennung Vieler betrachtet wird. Den Verkannten, deſ - ſen Werth nur Wenige anerkennen, wird ſich niemand in dem Stand der Ehre denken*)Von dem Begriff der Ehre und andern noch fol - genden Beſtimmungen muſs jede Theorie von In - jurien ausgehen, wenn ſie haltbar ſeyn ſoll. Aus den poſitiven Geſetzen, (dem Titel der D. de inju - riis) können wir den allgemeinen Begriff von In - jurien nicht ſchöpfen, da Rechtsverletzung über - haupt und Ehrenverletzung unter dem Wort injuria von den Römern begriffen, und offenbar Fälle anderer Rechtsverletzungen mit eigentlichen Injurien untereinander geworfen werden. Man vergleiche §. 1. pr. de injuriis. L. 1. pr. D. L. 13. §. ult. L. 22. 24. 29. D. de injuriis. Da wir nun aus den Geſetzen ſelbſt unmöglich den Begriff der Injurie abſtrahiren können, ſo bleibt weiter nichts übrig, als nach allgemeinen Gründen zu unterſu - chen, worin eine Ehrenverletzung beſtehe und wie weit der Staat eine ſolche beſtrafen könne.

§. 309.
*)§. 10. 2 ) Wenn eine Perſon, der man beſondere Hochachtung oder Treue ſchuldig war, Gegenſtand des Verbrechens iſt. 3) Wenn die Perſon ſub praeſextu pietatis et miſericordiae geſchändet wor - den iſt. Engau El. jur. crim. §. 230. Beſon - dere Milderungsgründe ſollen ſeyn 1) Jugend des Verbrechers, 2) Trunkenheit, 3) wenn die Ge - ſchwä[c]hte ſchon vorher geſetzwidrig den Beyſchlaf vollzogen hat, 4) Erbieten der Geſchwächten zur Ehe. Boehmer l. c. Quiſtorp. Thl. l. §. 493.
*)
241Verletzung des Rechts auf Ehre.
§. 309.

In Rückſicht der Art der Anerkennung des Werths iſt die Ehre entweder poſitive oder negative Ehre. Jene beſteht in der Aner - kennung eines fremden Werths durch wirk - liche Handlungen oder Aeuſſerungen des Ur - theils, welche den Werth der Perſon erklären; dieſe beſteht in der Anerkennung eines fremden Werths durch Unterlaſſung von Handlungen und Urtheilen, welche den Unwerth der Per - ſon erklären.

§. 310.

Der Bürger kann als Menſch und als Bür - ger, und in jenem Fall, als Menſch überhaupt (als bloſses menſchliches Gattungsweſen) oder als Individuum betrachtet werden. Daraus ge - hen verſchiedene Arten der Ehre in Anſehung ih - res Objects hervor. Die Anerkennung desjenigen Werths, der für den Andern durch ſeine Eigen - ſchaften als Menſch begründet wird, nennt man die urſprüngliche Ehre. Dieſe urſprüng - liche Ehre kann beſtehen I) in der äuſſern An - erkennung des Werths, der dem Andern blos wegen ſeiner Menſchennatur überhaupt zu - kommt. Allgemeine Ehre. Aber ein Menſch kann, auſſer dem allgemeinen Menſchencharakter, auch noch beſondere, nicht allen Menſchen gemeinſchaftliche, Ei - genſchaften haben, welche demſelben einen beſondern Werth geben. Daher II) die be - ſondere Ehre, welche in der äuſſern Aner -Qken -242II Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. kennung des durch beſondere Eigenſchaften ei - nes Menſchen begründeten Werths beſteht. Dieſe Ehre kann ſich beziehen 1) auf ſeine theoretiſchen Eigenſchaften, auf Eigenſchaften des Verſtandes, der Vernunft und der Urtheils - kraft*)Ein Menſch z. E., den man nicht gerade für ei - nen Dummkopf erklärt, hat die negative beſondere Ehre in Anſehung ſeiner theoretiſchen Eigenſchaf - ten; ein Menſch, deſſen vorzügliche Talente ge - rühmt werden, iſt in dieſer Rückſicht in poſitiver Ehre. 2) auf die Eigenſchaften ſeines Willens und zwar a) entweder auf ſeinen moraliſchen Werth, oder b) auf ſeinen rechtlichen Werth. Die äuſſere Auerkennung der Rechtlichkeit ei - nes andern, heiſst der gute Name.

§. 311.

Betrachten wir den Werth eines Men - ſchen, welcher durch ſeine bürgerlichen Eigen - ſchaften beſtimmt wird, ſo entſteht B. die bürgerliche Ehre, welche in der Anerken - nung eines Werthes in Andern beſteht, der ihnen, als Bürgern, zukommt. Schon der bloſse Cha - rakter eines Menſchen, daſs er Bürger iſt, giebt ihm einen Werth und einen Anſpruch auf äuſsere Achtung. Dieſe iſt allen Bürgern, blos in ſo ferne ſie Glieder der bürgerlichen Geſellſchaft ſind, gemein. Aber durch Erlan - gung eines beſonderen Standes im Staat, kann er als Glied dieſes Standes einen beſondern bür - gerlichen Werth bekommen, durch welchener243Verletzung des Rechts auf Ehre. er ſich vor andern Bürgern auszeichnet. Da - her begreift die bürgerliche Ehre I. die ge - meine Ehre, welche ſich auf den Werth be - zieht, der dem Bürger, blos in ſo ferne er Bürger iſt, zukommt; II) die vorzügliche bürgerliche Ehre, Standes-Ehre, wel - che ſich auf den vorzüglichen, durch einen beſondern Stand im Staat begründeten Werth bezieht.

§. 312.

Injurie iſt die Verletzung des vollkomm - nen Rechts auf Ehre. Zum Thatbeſtand der Injurie gehört daher A) ein wirkliches Zwangs - recht des Andern auf äuſſere Anerkennung desjenigen Werthes, durch deſſen Nichtaner - kennung die Ehre verletzt wurde: B) eine äuſſere Handlung, welche an ſich eine Ver - letzung der Ehre in ſich enthält: C) die Ab - ſicht, des andern Ehre zu verletzen, oder doch das Bewuſstſeyn, daſs dieſelbe durch die Handlung verletzt werde (animus injurian - di). *)L. 34. pr. D. de O. et A. L. 3. §. 1. 2. L. 44. D. de injuriis. L. 5. C. eod. L. 1. §. 31. D. depoſiti. L. 41. pr. D. ad L. Aquil. L. 1. §. 8. D. de inspiciendo ventre. cf. Weber a. O. Abthl. I. §. 5. ff. Klein p. R. §. 213. ſchränkt dieſe Bedingung auf reine Ehrenverletzungen ein, und hält ſie da nicht nothwendig, wo Verletzung anderer Rechte in derHand.

Q 2§. 313.244II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 313.

A.) Da die Injurie ein wirkliches Zwangs - recht des Andern auf Ehre vorausſetzt, ſo - kann die Injurie blos umfaſſen I. die Verletzung des Rechts auf den guten Namen und II. die Ver - letzung der bürgerlichen Ehre, ſowohl der ge - meinen, als der vorzüglichen. Eine Verle - tzung der bürgerlichen Ehre heiſst Injurie im engern Sinne; eine Verletzung des Rechts auf guten Namen, Verläumdung (Calumnie).

§. 314.

Auf die Anerkennung des theoretiſchen und moraliſchen Werths, als eines ſolchen, kann der Staat kein vollkommnes Recht ertheilen. Eine Handlung, welche blos eine Nichtaner - kennung dieſes Werths enthält, kann daher keine Injurie ſeyn. Nur dann und in ſo ferne iſt ſie es, wenn und in wie ferne ſie zugleich eine Verletzung der bürgerlichen Ehre in ſich enthält (§. 311). Die Anerkennung des Werths, welche der allgemeinen Ehre zum Grunde liegt (§. 310) beſteht blos in der Un - terlaſſung von Läſionen, von wirklichen Be -ſckrän -*)Handlung enthalten ſind. Dies iſt aber ganz den deut - lichen Worten obiger Geſetze und der Natur der Sache entgegen. Grolman C. R. W. §. 341. läug - net die ganze Bedingung ſchlechthin, ob er gleich ſelbſt behauptet, daſs culpoſe Injurien nicht be - ſtraft würden, auch nach den Geſetzen nicht ein - mal der Begriff und Name vorhanden ſey. Was bleibt denn einer culpoſen Injurie übrig?245Verletzung des Rechts auf Ehre. ſchränkungen der Freyheit. Ich ehre den Menſchen als ſolchen nur, wenn ich deſſen Rechte achte. Die Verletzung dieſer Ehre ge - hört daher zu andern Verbrechen*)Daraus folgt nicht, daſs keine Realinjurien möglich ſeyen. Verletzung andrer Rechte iſt allerdings In - jurie; aber nur dann, wenn ſie zugleich Verletzung bürgerlicher Ehre iſt, wie wir nachher zeigen werden. Die allgemeine Ehre wird durch einen Läſion immer verletzt; eine Verletzung der bür - gerlichen Ehre iſt nicht immer darin enthalten. Eine Rückſicht, welche genau die Grenze zwiſchen Injurien und andern Verbrechen zieht..

§. 315.

B. Die Handlung muſs an und für ſich ſelbſt die Ehre wirklich verletzen. Eine Handlung muſs alſo, äuſſerlich betrachtet, entweder ver - möge ihrer Natur, oder nach der Volksmeynung oder der allgemeinen Vorſtellungsart des Stan - des des Beleidigten, eine Ehrenverletzung ent - halten. Es exiſtirt alſo keine Injurie 1) wenn ſie blos der Gekränkte, nach ſeiner individuellen Vorſtellung, als eine Ehrenverletzung betrach - tet, 2) wenn eine an ſich nicht injuriöſe Hand - lung, in der Meynung und Abſicht, des an - dern Ehre zu verletzen, oder ihm unangeneh - me Empfindungen zu erwecken, geſchehen iſt**)Dagegen Klein p. R. §. 214..

§. 316.246II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 316.

Die Ehre einer Perſon kann überhaupt auf zweyerley Art verletzt werden: wenn nämlich 1) der Beleidiger eine an ſich injuriöſe Handlung (§. 315.) vornimmt, wodurch er blos für ſeine Perſon die Nichtanerkennung des Werths erklärt, auf deſſen äuſſere Anerken - nung jener ein Recht hat*)z. E. Unter vier Augen nenne ich jemanden einen Schurken, gebe ihm, ohne daſs es jemand ſieht, ei - nen Naſenſtieber etc.. Privatinjurie. Die Ehre iſt das Reſultat der Anerkennung Vieler (§. 308.); der Einzelne, welcher das Recht des andern für ſich nicht anerkennt, entzieht ihm einen Theil der Ehre, weil auch ſeine Aner - kennung ein Theil ſeiner Ehre iſt. 2) Wenn der Beleidiger Handlungen unternimmt, durch welche Andre determinirt werden, ebenfalls den Werth des Beleidigten nicht anzuerken - nen Beſchimpfung.

§. 317.

Dieſe Beſchimpfung geſchieht theils da - durch, daſs in Andern unmittelbar die Vor - ſtellung erweckt wird, dem Beleidigten kom - me der Werth nicht zu, den er doch noch wirklich hat**)Man denke an eine üble Nachrede, welche dem andern ein Verbrechen vorwirft., theils dadurch, daſs in Andern Vorſtellungen und Gefühle erregt werden, welche, nach pſychologiſchen Geſetzen, Ver -ach -247Verletzung des Rechts auf Ehre. achtung der Perſon, und dadurch auch äuſſere Bezeugung dieſer Verachtung zur Folge haben, wie wenn ich einen andern als Bürger dem Geſpötte und öffentlichen Gelächter. Preis gebe.

§. 318.

Die (§. 316. 317. ) genannten Arten können bey jeder Injurie vorkommen: die beſondern Arten bürgerlich anerkannter Ehre haben noch eigenthümliche Verletzungsarten. I. Der gute Name wird verletzt durch Verläumdung, d. i. durch Andichtung von rechtswidrigen Hand - lungen. Es iſt gleichviel, ob eine ſolche Hand - lung an ſich, oder nur unter Vorausſetzung der Geſetze des Staats rechtswidrig iſt, ob ich ſie dem andern ausdrücklich beylege, oder ob in einer Aeuſſerung oder Handlung die falſche Beſchuldigung einer Rechtswidrigkeit deſſel - ben implicite enthalten iſt. Auch kommt es nicht darauf an, ob eine ſolche Andichtung verbreitet wird, oder nicht. *)Dieſe Art zu injuriiren begreifen die Geſetze unter dem Ausdruck infamare. L. 5. §. 9. L. 15. §. 25. 27. 29. de injuriis.

§. 319.

II. Die gemeine bürgerliche Ehre wird ver - letzt durch jede Aeuſſerung (in Worten oder Handlungen) welche die Erklärung einer poſi -tiven248II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt. tiven Verachtung in ſich enthalten*)Welche Handlung als Zeichen der abſoluten Ver - achtung betrachtet werden müſſe, muſs lediglich aus ihrer Natur, am meiſten aber, aus der Volksmeynung beurtheilt werden. Es hat nicht wenig zur Verwirrung der Lehre von Injurien bey - getragen, daſs man faſt immer dieſe quaeſtio facti mit der allgemeinen quaeſtio juris verwechſelt hat. Die Subſumtion einzelner Handlungen unter die allgemeine Regel wird hier, wegen der ſchwan - kenden Volksmeynung, immer Schwierigkeit be - halten, wenn gleich die Theorie ganz vollendet ſeyn ſollte.; es ſey nun, daſs er dadurch vor andern beſchimpft wird, oder daſs der Beleidiger nur für ſeine Perſon denſelben unter ſich herabſetzt und deſſen abſoluten Unwerth erklärt**)z. E. Die Schimpfwörter: Ochſe, Eſel, Pfaffe, Vieh u. ſ. w.. Eine Aeuſſerung kann daher ihrem Inhalte nach ganz ſchuldlos, ihrer Form nach aber Injurie ſeyn***)Ich injuriire den Gebrechlichen nicht, wenn ich ſeine Körpergebrechen ihm oder andern trocken aufzähle, aber nicht, wenn ich ihn Krüppel ſchelte, oder ihn etwa in effigie, vielleicht noch ins Ideali - ſche gezogen, öffentlich zur Schau ſtelle..

§. 320.

III. Die vorzügliche bürgerliche Ehre kann verletzt werden 1) durch Unterlaſſung derje - nigen Handlungen, welche der Andere als Zei - chen ſeiner vorzüglichen Ehre zu fodern be -rech -249Verletzung des Rechts auf Ehre. rechtigt iſt*)Kleinſchrod a. O. §. 3. ſchlieſst dieſe Fälle, aus ganz unzureichenden Gründen, von der Injurie aus, wie er denn überhaupt die Injurien blos auf Ver - läumdungen beſchränkt. 2) durch Andichtung ſolcher Thatſachen, welche nothwendig die Erklä - rung der Untauglichkeit des andern als Mit - glied ſeines Standes, in ſich enthalten**)Wenn ich z. E. von einem Geiſtlichen Laſter aus - ſage, wenn ich ſage, daſs er ein Trunkenbold ſey u. ſ. w. Nicht deswegen iſt dieſes Injurie, weil die Moralität deſſelben dadurch nicht anerkannt wird, ſondern weil ſeine Standesehre leidet..

§. 321.

C. In Anſehung des animus injuriandi iſt es im Allgemeinen gleichviel, ob die Ehrenver - letzung Zweck der Perſon war, oder ob ſie die injuriöſe Handlung mit dem Bewuſstſeyn die - ſer Eigenſchaft, blos als Bedingung zur Errei - chung eines andern Zwecks unternahm. Al - lein bey Privatinjurien (§. 316.), welche blos als Ehrenverletzung unerlaubt ſind, und in keiner andern Rückſicht eine Läſion enthalten, wird nicht blos das Bewuſstſeyn der injuriöſen Ei - genſchaft, ſondern auch die wirkliche Abſicht, die Ehre zu kränken, erfordert***)Immer wird dieſe Rückſicht überſehen. Injuriire ich, wenn ich einen andern unter vier Augen imScherz. Hier hebt alſo Scherz die Injurie auf; bey andern Arten der Injurie nicht.

§. 322.250II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 322.

Da jede Injurie eine an ſich die Ehre ver - letzende Handlung vorausſetzt, bey einer rechtswidrigen Handlung aber Dolus zu prä - ſumiren iſt (§. 68., ſo iſt auch bey einer bewieſenen äuſſerlich injuriöſen Handlung der animus injuriandi ſo lange als vorhanden anzu - nehmen, bis der Beleidiger das Gegentheil bewieſen hat*)Weber a. a. O. 1. Abthl. S. 69. ff. Ueber die alte und von Klein p. R. §. 219. wieder aufgenomme - ne Rückſicht auf an ſich beleidigende Handlungen und ſolche, die es nicht ſind, mündlich.

§. 323.

Die Injurie ſteht unter den Bedingungen eines Verbrechens überhaupt. Eine Handlung iſt daher nicht Injurie I, wenn ſie dem Subjekt nicht zugerechnet werden kann**)L. 3. §. 1. D. de injuriis. L. 111. pr. D. de R. I. ; II, wenn die Perſon zu der Handlung berechtigt war, entweder 1) weil ihr die Handlung von dem - jenigen, gegen den ſie gerichtet iſt, ausdrück -lich***)Scherz einen Schurken nenne? Aber wenn ich dies öffentlich (alſo durch eine Beſchimpfung) thue oder wenn ich z. E. privatim ein Frauenzimmer wider ihren Willen küſſe, dann injuriire ich. Denn dieſe Handlung iſt zugleich, ohne Rückſicht auf Ehren - kränkung, unerlaubt. Das Bewuſstſeyn iſt hinrei - chend, daſs die Handlung des andern Ehre wider - ſpreche; der Endzweck dabey iſt gleichgültig.251Verletzung des Rechts auf Ehre. lich erlaubt wurde (§. 40.)*)L. 1. §. 5. L. 15. §. 49. L. 17. pr. D. de injuriis. In Rückſicht eines Dritten, der mittelbar durch die Injurie beleidigt wird, gilt dieſes nicht. L. 1. §. 5. D. de injuriis. Vergl. Weber 1. Abthl. §. 3., oder 2) weil ſie aus einem beſonderen, durch ihre Amts - pflicht und ihr Verhältniſs zu dem Andern, beſtimmten Rechtsgrunde dazu berechtigt war. Nur wird dabey immer vorausgeſetzt, daſs ſie die Grenzen ihres Rechts nicht überſchrit - ten hat**)§. 3. I. L. 13. §. 1. 2. 6. L. 15. §. 13. D. de injuriis..

§. 324.

Wenn der Inhalt einer Auſſage allein ehrenkränkend iſt, ſo hebt die Wahrheit des Inhalts die Injurie auf. Denn ich habe ein Recht unter allen Bedingungen Wahrheit zu ſagen***)L. 18. pr. D. L. 10. C. de injuriis. Verſchiedene Meynungen der Schriftſteller hierüber, ſ. bey We - ber a. a. O. 1. Abthl. S. 175. ff. Mit Unrecht nimmt Kleinſchrod a. a. O. S. 25. keine Rückſicht auf obige Unterſcheidung.. Wenn aber die Form der Erklärung die Ehre verletzt, ſo iſt es Injurie, mag nun der Inhalt wahr ſeyn oder nicht†)Wenn ich jemanden z. E. einen Krüppel geſcholten habe, ſo befreyt mich die Einrede nicht, daſs er es wirklich ſey..

§. 325.252II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 325.

Iſt der Injurie eine Bedingung hinzugefügt, und ſteht die Bedingung mit der Auſſage in dem Zuſammenhang, daſs ich berechtigt bin, die kränkende Auſſage zu thun, ſobald die Be - dingung wahr iſt, ſo fällt, unter Vorausſetzung der Wahrheit der Bedingung, die Injurie hin - weg*)Z. E. Wenn du dieſen Menſchen hintergangen haſt, ſo biſt du ein Betrüger.. Iſt aber die Bedingung nicht wahr, oder darf ich die Auſſage nicht thun, die Be - dingung mag wahr ſeyn oder nicht, ſo iſt eine Injurie vorhanden**)Kleinſchrod a. a. O. S. 20. ff. Weber Abthl. 1. S. 169. ff..

  • 1. Injurie mit Proteſtation verbunden.
  • 2. Nominatio auctoris.
§. 326.

Von einem jeden, der Rechte zu verletzen fähig iſt, kann Injurie begangen werden. Auch diejenigen machen ſich derſelben ſchul - dig, die ſonſt über den Beleidigten Gewalt oder ein Recht zu der Handlung hatten, ſo - bald ſie die Grenzen ihres Rechts überſchrei - ten. Die Obrigkeit, ſelbſt die oberherrliche Perſon, wenn ſie in Privatverhältniſſen Un - terthanen injuriirt, kann dieſes Vergehens ſchuldig ſeyn. An allen, welche ein Recht auf Ehre haben, an Gemeinheiten und an In - dividuen, auch an ſolchen, welche nicht - hig ſind, die Kränkung einer Injurie zu em -pfin -253Eintheilung d. einſachen Inj. u. deren Strafe. pfinden*)L. 3. §. 1. 2. 3. D. de injur. kann Injurie begangen werden. An Menſchen, die gar nicht im Schutze des Staats ſtehen, kann in keiner Rückſicht, an blos Ehrloſen aber nur in ſo fern keine Injurie be - gangen werden, als nicht die Ehrenverletzung mit andern Rechtsverletzungen verbunden iſt. Denn dieſe haben zwar kein Recht auf Ehre; aber andre Rechte ſind ihnen nicht genom - men**)Dagegen Weber a. a. O. 1. Abthl. S. 27. f..

Zweyte Unterabtheilung. Von beſondern Arten der Injurie.
Erſtes Kapitel. Eintheilung der einfachen Injurien und deren Strafe.
§. 327.

Die Injurie kann begangen werden I. durch Verletzung anderer Rechte des Bürgers, dieſe mögen nun perſönliche Rechte oder Rechte an Sachen ſeyn Realinjurien. II. Durch ſolche Handlungen, welche blos die Ehre,aber254II. Buch. I. Theil. II Titel. I. Abſchnitt. aber zugleich kein anderes Recht verletzten Symboliſche Injurien. Dieſe können begangen werden, 1) ſowohl durch Worte, ſchriftlich oder mündlich Wortinjurien (injuriae verbales), oder durch andere Zeichen der Gedanken ſymboliſche Injurien im engern Sinne*)L. 1. §. 1. 2. D. de injuriis. Weber a. a. O. Abthl. 1. S. 17. f..

§. 328.

Die Realinjurien ſetzen nothwendig vor - aus, daſs die ein andres Recht verletzende Handlung an und für ſich eine Ehrenverletzung ſey, alſo entweder eine Verläumdung in ſich enthalte**)z. E. Betaſtung eines Frauenzimmers wider ihren Willen. oder den Andern beſchimpfe, oder doch, nach der gemeinen Vorſtellungsart, als Zeichen einer poſitiven Verachtung betrachtet werde***)z. E. Ohrfeigen, Naſenſtüber, Anſpeyen etc. L. 1. §. 1, D. de extraord. crim.. Eine Rechtsverletzung, die dieſe Eigenſchaften nicht hat, wird nicht dadurch zur Injurie, daſs ſie in der Abſicht, die Ehre zu kränken, zugefügt worden iſt****)Dagegen ſcheinen zwar Geſetze zu ſeyn, wie L. 3. §. 1. 2. L. 13. §. 7. D. de injur. L. 1. §. 38. D. de - poſiti. L. 53. pr. D. de furcis. L. 41. pr. D. ad L. Aquil. Allein 1) was bey den Römern beſchim - pfende Rechtsverletzung war, iſt es darum nichtbey.

§. 329.255Eintheilung d. einfachen Inj. u. deren Strafe.
§. 329.

Die Ehrenverletzung durch wörtliche In - jurie kann begründet werden, a) durch die Form (die Art) der Aeuſſerung, formelle wörtliche Injurie, b) durch den Inhalt derſelben, ma - terielle wörtliche Injurie. c) durch beydes zu - gleich, relative formelle wörtliche Injurie.

§. 330.

In Rückſicht des beleidigten Subjects iſt die Injurie I) unmittelbare Injurie (inju - ria immediata) wenn das beleidigte Subject ſelbſt der unmittelbare Gegenſtand der Inju - rie iſt, II. mittelbare (injuria mediata), wenn die Ehre eines Subjekts durch die Inju - rie an einem andern Subjecte verletzt wird*)L. 1. §. 3. D. de injur. Item autem per ſemet ip - ſum alicui fit injuria, aut per alias perſonas. Per ſe - met, cum directo ipſi cui patrifamilias, vel matrifa - milias fit injuria: per alias, cum per conſequentias fit; cum fit liberis meis, vel ſervis meis, vel uxori, nuruiue: ſpectat enim ad nos injuria, quae in his fit, qui poteſtati noſtrae, vel affectui ſubjecti ſunt..

§. 331.
****)bey uns und von dieſer Vorausſetzung hängt über - all die Anwendbarkeit der römiſchen Geſetze über die Injurien ab; 2) an mehrern Stellen iſt injuria in dem weiten römiſchen Sinn genommen, wo es überhaupt Beſchädigung bedeutet. Daraus wider - legt ſich Webers Theorie von Realinjurien am a. O. 1. Abthl. S. 100. ff.
****)
256II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 331.

Eine mittelbare Injurie iſt vorhanden, 1) wenn die Injurie an einer Perſon, durch ih - ren Inhalt zugleich die Ehrenverletzung eines Dritten in ſich faſst; 2) wenn ein Dritter mit dem Injuriirten in einem ſolchen Rechtsver - hältniſſe ſteht, daſs er denſelben zu vertreten, oder doch deſſen Ehre zu vertheidigen, ver - pflichtet oder doch berechtigt iſt. Dies iſt die mittelbare Injurie im eigentlichen Sinne. In der letzten Rückſicht injuriirt man a) die Eltern durch ihre Kinder*)§. 2. I, de injur. L. 1. §. 3. 5. L. 30. §. 1. D. eod., b) den Ehemann durch ſeine Frau**)L. 1. §. 8. L. 18. §. 2. D. eod. c) den Bräutigam durch ſeine Braut***)L. 15. §. 24. D. eod., d) den Erben durch den Erblaſ - ſer****)L. 1. §. 4. 6. L. 27. D. de injur. e) den Herrn durch ſeinen Sklaven†)Was obige Geſetze auch von den Herrn in Anſe - hung ihrer Sklaven verordnen, läſst ſich nicht ge - radezu auf unſre Herrn anwenden.. Auf andere Perſonen gilt keine Ausdeh - nung††)Weber a. O. Abthl. 1. S. 200. ff..

§. 332.

In Anſehung der Strafbarkeit zerfällt die Injurie in ſchwere (inj. atroces) und in leichte (inj. leues). Jenes ſind ſolche, bey welchen der Grad der Strafbarkeit beſonders erhöhet iſt,wel -257Eintheilung d. einfachen Inj. u. deren Strafe. welches vorzüglich beſtimmt werden muſs, 1) nach dem Verhältniſs des Injurianten gegen den Injuriirten, wenn jener dieſem beſondre Achtung ſchuldig war, 2) nach dem Ort und der Zeit der Beleidigung, 3) nach der Beſchaf - fenheit der Injurie ſelbſt*)L. 7. §. 2. 3. 7. 8. L. 8. 9. pr. §. 1. L. 17. §. 3. D. de injur. L. 4. C. eod. . Vermöge des letz - ten Geſichtspunktes müſſen Realinjurien, wel - che durch Verletzung perſönlicher Rechte be - gangen werden, Beſchimpfungen, und Ca - lumnien, welche den Vorwurf entehrender Verbrechen enthalten, zu den ſchweren In - jurien gerechnet werden.

§. 333.

Die Strafen der Injurien ſind von zwey - erley Art, I. relativ-öffentliche Strafen, welche, indem ſie dem Beleidigten Genugthuung ge - ben, zugleich den Beleidiger demüthigen und dadurch eine öffentliche Genugthuung enthal - ten; II. blos öffentliche Strafen, welche nur auf öffentliche Genugthuung abzwecken.

§. 334.

I. Die relativ-öffentlichen Strafen**)Weber a. a. O. Abthl. II. §. 14. ſieht in den fol - genden Rechtsmitteln bloſse Privatſatisfaction. Das Gegentheil hat Grolman C. R. W. §. 358. richtig bemerkt. ſind A) Widerruf (recantatio, palinodia) Erklärung desBe -R258II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Beleidigers gegen den Beleidigten, daſs er die Unwahrheit geſprochen habe: B) Abbitte (de - precatio) Erklärung der Reue und Bitte um Vergebung von dem Beleidigten. G) Ehren - erklärung (declaratio honoris), ausdrückliche Er - klärung des Beleidigers, daſs er den Werth des Beleidigten anerkenne. *)Der Grund der rechtlichen Gültigkeit dieſer Stra - fen iſt freylich ſehr ſchwankend. Die K. G. O. v. I. 1555 II. 28. 4. erwähnt, und zwar nur wie im Vor - beygehen, des Widerrufs, und der Reichsſchluſs v. I. 1668. kam nicht zur Publication. Mündlich von dem hiſtoriſchen Urſprung dieſer Strafen.

§. 335.

Die Anwendung dieſer Strafen wird durch folgende Regeln beſtimmt: 1) Widerruf findet Statt, wenn die Ehrenverletzung durch Andich - tung unwahrer Thatſachen begründet worden iſt, 2) Abbitte, bey andern, ganz unzweyfelhaften Injurien. 3) Ehrenerklärung bey einer in An - ſehung der äuſſern Handlung unzweyfelhaf - ten, aber in Anſehung des animus injuriandi noch etwas zweyfelhaften Injurie. **)Weber a. O. II. Abthl. S. 30. ff. Unter der oben angegebenen Bedingung iſt die Ehrenerklärung nicht blos Privatſatisfaction, wie Grolman von der Ehrenerklärung im Allgemeinen behauptet. Aber ſie kann als bloſse Privatſatisfaction gebraucht wer - den, wenn nämlich die Thatſache an ſich noch als Injurie zweifelhaft iſt, wenn ohne wirklichen ani - mus injuriandi aus Unvorſichtigkeit eine Handlunggeſchah

Anm. Mündlich von der Grundloſigkeit der gewöhnlichen nach dem Stand der Perſon beſtimmten Regeln.

§. 336.259Eintheilung d. einſachen Inj. u. deren Strafe.
§. 336.

Dieſe Strafen können nach verſchiedenen Abſtufungen verfügt werden. Sie können ver - fügt werden vor Gericht oder auſſergerichtlich, ſowohl ſchriftlich als auch mündlich. Wegen erhöhter Strafbarkeit der Injurie können Wi - derruf und Abbitte (nur nicht Ehrenerklärung) auf eine beſonders feyerliche Art abgelegt wer - den, wie wenn ſie vor offnen Thüren des Ge - richts, oder knieend geſchehen. Beſonders wird der Widerruf durch Hegung des hoch - nothpeinlichen Halsgerichts in Gegenwart des Scharfrichters, qualificirt, in welchem Falle er denn für infamirend zu halten iſt.

  • 1. Von dem Verfahren gegen den Ungehorſamen.
  • 2. Von der actio injuriarum aeſtimatoria, als bloſsem Mittel der Privatgenugthuung.
§. 337.

Mit dieſer[ Strafe] concurrirt elective*)§. 10. I. de injuriis. L. 6. D. eod. Plane ſi actum ſit publico judicio denegandum eſt privatum, ſimiliter ex adverſo. II. ei - ne willkührliche blos öffentliche Strafe, welche in Relegation, Gefängniſs - Zuchthaus - oderR 2kör -**)geſchah, die von andern leicht als Beſchimpfung aufgenommen, und dadurch dem andern ſchädlich werden könnte, oder wenn es noch zweyfelhaft iſt, gegen wen die Injurie gerichtet war.260II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. körperlicher Strafe beſtehen kann. Sowohl ſchwere als geringe Injurien können derſelben unterworfen werden*)L. 45. D. de injur. De injuria nunc extra ordinem ex cauſa et perſona ſtatui ſolet. Et ſervi quidem flagel - lis caeſi, dominis reſtituuntur; liberi vero humilio - ris quidem loci fuſtibus ſubjiciuntur; caeteri vero vel exilio temporali vel interdictione certae rei coer - centur. Vergl. mit L. 9. §. 3. L. 35. L. 38. D. de injur. L. 4. C eod. L. 1. §. 1. D. de extraord. crim. L. 10. C. de episc. et cler. Nov. 123. c. 31.

§. 338.

Auf keine dieſer Strafen kann der Richter anders, als nach vorhergehender Auffoderung von Seiten des Beleidigten erkennen, Nicht auf eine der relativ-öffentlichen Strafen; weil niemanden Genugthuung aufgedrungen wer - den kann, und es in der Willkühr eines jeden ſteht, ob er ſeine Privatrechte aus einer Belei - digung verfolgen will, oder nicht: nicht auf eine rein öffentliche Strafe, weil die Geſetze es gebieten. **)§. 10. I. de injur. Eine Ausnahmehiervon giebt L. 10. C. de episc. et cler. Vergl. Weber a. O. Abth. II. S. 80. ff.

Anm. Mündlich von dem angeblichen Recht der Re - torſion.

Zwey -261Von den qualiſicirten Injurien.
Zweytes Kapitel. Von den qualificirten Injurien.
I. Von der durch die Art der Begehung qualificirten Injurie. Vom Pasquill und der Schmähſchrift.

A. Conr. Stockmann Diſſ. famoſis libellis. Lipſ. 1799.

Deſſelben Diſſ. famoſi libelli, utrum in civitate fe - rendi ſint. Lipſ. 1800.

§. 339.

Pasquill im weitern Sinn iſt eine durch blei - bende Zeichen erklärte und in dem Publikum verbreitete ſymboliſche Injurie. Jede Injurie, der Urheber mag ſich genannt haben, oder nicht, wenn ſie nur die übrigen angegebenen Requiſite hat, wird von jenem Begriff umfaſst. Es iſt eine Art der ſchweren Injurien, da hier ſowohl die Dauer, als auch der Umfang des Einfluſſes der Beſchimpfung die Strafarkeit erhöht.

§. 340.262II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 340.

Das Pasquill hat als Unterarten*)Während die älteren Criminaliſten über der Schmähſchrift das eigen liche Pasquill vergeſſen und inſoferne beyde mit einander confundiren, ver - drängen gewöhnlich die neuern, wie Weber Abthl. I. S. 213. ff. den Begriff von Schmähſchrift durch das Pasquill und verwiſchen ganz die cha - rakteriſtiſchen, durch Geſetze beſtimmten, Merkmale des erſten. Laſst uns doch bey den Geſetzen blei - ben, ſo lange wir noch Geſetze haben. I, das Pasquill im engern Sinn, die in einer Er - klärung durch bleibende Zeichen, enthaltene und verbreitete Verletzung des Rechts auf bürgerliche Ehre**)L. 5. §. 9. 10. D. de injur. . II. Schmähſchrift (libellus famo - ſus) ein durch bleibende Zeichen erklärter, ano - nymer und verbreiteter Vorwurf eines begangenen Verbrechens. ***)L. un. C. de famoſis libellis (L. 1. 4. 7. 9. C. Th. de injuriis) P. G. O. Art. 110.

§. 341.

Das Pasquill verletzt nicht den guten Namen, ſondern die bürgerliche Ehre und kann durh Schriften, Gedichte, Gemählde u. ſ. w. begangen werden. Auf unterlaſſene Na - mensunterſchrift kommt es ſchlechthin nicht an. Es iſt den gewöhnlichen aber geſchärften Strafen der Injurien unterworfen; auſſerdem aber ſoll der Pasquillant des Rechts, ein Teſta -ment263Von den qualiſicirten Injurien. ment zu machen und zum Erben eingeſetzt zu werden, verluſtig ſeyn. *)L. 5. §. 9. 10. D. de injur. inteſtabilis ex lege eſſe jubetur.

§. 342.

Die Schmähſchrift muſs nothwendig den Vorwurf eines öffentlichen Verbrechens in ſich enthalten. **)Die P. G. O. ang. Art. erfodert den Vorwurf eines Verbrechens, auf welchem eine Strafe an Leib, Leben oder Ehre ſteht. Alle öffentliche Verbre - chen ſind darin eingeſchloſſen, denn auf allen öf - fentlichen Verbrechen ſteht der Verluſt der Ehre nach gemeinem Recht.Auch wird weſentlich die Anonymität des Verfaſſers erfordert. Der Mangel dieſes Requiſits begründet einen Man - gel an dem Thatbeſtand. ***)Sowohl römiſche als deutſche Geſetze ſtimmen da - mit überein. Daſs die occaſio legis bey jenen indivi - duell war. (cf. Gothofredus ad L. 7. C. Th. de injur. ) hebt nicht die Anwendbarkeit des Geſe - tzes auf. Eben ſo wenig läſst ſich aus den Wor - ten der R. P. O. v. I. 1677. tit. 35. §. 3. das Gegen - theil beweiſen. Sie ſagt zwar: Noch auch keine Famosbücher oder Schriften, es habe der Autor ſeinen Namen darunter geſetzt oder nicht u, ſ. w. Allein hier redet das Geſetz nicht blos von der eigentlichen Schmähſchrift, ſondern auch von andern Arten der injuria ſcripta und des Pasquills, wo freylich Na - mensunterſchrift nicht nothwendig iſt.

§. 343.

Strafe der Schmähſchrift. ****)P. G. O. ang. Ort.Iſt der Vorwurf des Verbrechens gegründet, ſo iſt dieStra -264II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Strafe willkührlich; iſt ſie falſch, ſo iſt Talion angedroht. Die Praktiker erkennen jene Ver - ordnung nicht an, ſondern wollen unbedingt willkührliche Strafen. *)Quiſtorp Thl. I. §. 315. Koch I. c. §. 391.Geſetz und Praxis kommen aber in der Confiscation gedruckter Schmähſcriften oder Pasquille mit einander überein. **)R. A. v. I. 1530. §. 2. R. A. v. I. 1577. tit. 35.

  • 1. Erſonnene Milderungsgründe.
  • 2. Verbrennung der Schmäbſchriften und Pasquille.
  • 3. Socii.
II.265Von den qualiſicirten Injurien.
II. Von der durch das Objekt der Verletzung qualiſicirten Injurie. Beſonders von der Blasphemie.

Ern. Tenzel Diſſ. de eo q. j. e. circa blasphemiam. Erf. 1727.

I. Rud. Engau pr. de blasphemia illiusque poena. Ien. 1736.

C. C. Stübel Diſſ. quatenus actiones religioni non con - venientes ex principiis juris publici univerſalis poenis criminalibus coerceri poſſint. Vitenb. 1791.

§. 344.

Daſs die Gottheit injuriirt werde, iſt unmög - lich, daſs ſie wegen Injurien ſich an Menſchen räche, iſt undenkbar, daſs man ſie durch Strafe ihrer Beleidiger verſöhnen müſſe, iſt Thorheit. *)Daſs Iuſtinian in der Nov. 77. und Maximilian in dem R. A. v. I. 1495. dieſen Grund der Blasphemie an - geben, kann uns nicht hindern, auf den Stand - punkt zu treten, aus welchem allein ein Verbre - chen der Blasphemie gedacht werden kann. Wir kön - nen zwar nichts von dem hinwegraiſonniren, was als Blasphemie angegeben wird, aber ein Geſetzge - ber kann uns nicht nöthigen, einen undenkbaren und ungereimten Grund des Geſetzes zu denken.Aber die Kirche hat, als mo - raliſche Perſon, ein Recht auf Ehre. Sie exi -ſtirt266II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ſtirt als Geſellſchaft durch ihren Zweck. Wer dieſen entwürdigt, der entwürdigt die Geſell - ſchaft ſelbſt; wer die Religion ſchmäht, die ihrer Vereinigung zum Grunde liegt, ſchmäht ſie ſelbſt. Und dieſes macht die Blasphemie aus. Sie iſt eine an der kirchlichen Geſellſchaft begangene Injurie durch eine dem Gegenſtand ih - rer Verehrung äuſſerlich bewieſene poſitive Ver - achtung.

Anm. Etymologie des Worts Blasphemie, welche man nicht mit Gottesläſterung ſynonym nehmen darf.

§. 345.

Jeder Gegenſtand der Verehrung von einer im deutſchen Reich privilegirten Religions - parthey, kann Objekt dieſes Verbrechens ſeyn; je heiliger der Kirche der Gegenſtand iſt, deſto ſtrafbarer iſt die Verletzung. Am ſchwerſten ſind daher Schmähungen gegen die Gottheit ſelbſt, (Gottesläſterung) wenn man ſie durch Entziehung der ihr zukommenden Prädicate, oder durch Beylegung ihr nicht zukommender Merkmale entwürdigt*)P. G. O. Art. 106. So einer Gott zumiſst, das Gott nicht bequem iſt, oder mit ſeinen Worten Gott, das ihm zuſteht, abſchneidet, der Allmäch - tigkeit Gottes, ſeine heilige Mutter die Iungfrau Maria ſchändet u. ſ. w. , oder aber ſonſt durch Worte oder Handlungen ihr äuſſerlich Verach - tung beweiſst. Weniger ſtrafbar iſt Schmä - hung oder Beſchimpfung anderer, der Kirche heiliger Gegenſtände, z. B. der Bibel, der Sa -cra -267Von den qualiſicirten Injurien. cramente, der Heiligen, der Engel, der Ma - ria u. ſ. w.

  • 1. Blasphemia attributiva-derogativa
  • 2. Blasphemia mediata - immediata
  • 3. Von der Möglichkeit einer blasphemia realis. (S. §. 327.)
§. 346.

Die Blasphemie iſt eine Art der Injurie. Sie muſs alſo in einer, auf den Gegenſtand der kirchlichen Verehrung gerichteten inju - riöſen Abſicht geſchehen ſeyn. Wer daher aus bloſser Ueberzeugung von Gegenſtänden der Religion anders, als die Kirche ſpricht, iſt kein Blasphemant, er ſey nun Glied dieſer Kirche, oder nicht. Unter Vorausſetzung die - ſer Abſicht aber können auch Glieder einer fremden Religionsparthey an der chriſtlichen Kirche Blasphemie begehen, vorausgeſetzt, daſs nur die Handlung an ſich als injuriös be - trachtet werden kann*)Einige, wie Koch l. c. §. 398. und Quiſtorp Thl. 1. §. 121. nehmen fremde Religionsverwandte unbedingt von der Blasphemie aus. Andere, wie Carpzov Q. 45. behaupten eben ſo unbedingt ge - rade das Gegentheil. Beyde irrig..

§. 347.

Strafe. **)Das römiſche Recht droht Nov. 77. c. 1. §. 2. eine Capitalſtrafe und zwar nicht, wie Püttmann el. jur. Nach dem R. A. v. I. 1530. auf den ſich zunächſt die P. G. O. Art. 106. be -ruft,268II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ruft, ſtraft die Blasphemie, welche die Gottheit ſelbſt zum Object hat, mit dem Leben oder mit Verſtümmelung einiger Glieder, wenn der Ver - brecher, nach vorhergehender zwiefachen Be - ſtrafung, zum drittenmal das Verbrechen be - gangen hat. Andre Arten der Blasphemie ſol - len an Leib oder Gut mit Rückſicht auf die be - ſondern bey der That concurrirenden Umſtän - de beſtraft werden. Neuere Reichsgeſetze enthalten einige Modificationen*)R. A. vom I. 1548. und 1577.. Die neu - ern Praktiker erkennen keine verſtümmelnden und keine Lebensſtrafen an, und wollen blos willkührlich ſtrafen**)Sie nehmen blos Geldſtrafe, Gefängniſs, Zuchthaus oder höchſtens Staupbeſen an. Püttmann l. c. §. 107. Hommel obſ. 246. Nr. 5. 19. Mei - ſter jun. l. c. §. 315..

§. 348.

Die Geſetze verweiſen hier ſelbſt auf die be - ſondern Umſtände der That***)P. G. O. nach Gelegenheit und Geſtalt der Per - ſon und Läſterung. . Es ſinkt daher die Strafbarkeit 1) wegen der objektiven Beſchaf - fenheit der Blasphemie ſelbſt 2) wegen der ſub - jektiven Urſachen welche die Strafbarkeit her - abſetzen, in welcher Hinſicht Trunkenheit****)R. A. 1495, §. 1. R. A. 1500.,Lei -**)jur. crim. §. 105. behauptet, auf den Fall der bloſsen Wiederholung. Vor der P. G. O. und dem R. A. vom 1530. ſind als Reichsgeſetze zu merken der R. A. v. l. 1495. 1500. 1512.269Von den qualiſicirten Injurien. Leidenſchaft,*)R. A. 1495. §. cit. u. ſ. w. die Strafbarkeit min - dern. Auf den Stand der Perſon iſt blos in Anſehung der Wahl der Strafen, nicht in An - ſehung der Gröſse derſelben Rückſicht zu neh - men**)Boehmer ad art. 106. §. 9., und Reue hat nur in ſo fern Einfluſs, als man aus derſelben auf Uebereilung ſchlie - ſsen kann***)Boehmer l. c..

§. 349.

Auſſer den gewöhnlichen Arten der Bey - hülfe iſt hier auch Concurrenz durch unter - laſſene Denunciation des Verbrechens mög - lich****)R. A. 1548. tit. 1. §. 4. G. P. O. 1577. tit. 1. §. 4. 5. Von der Meynung Blumblachers l. c. S. 235. der dieſe Verbindlichkeit zum Anzeigen blos auf gültige Zeugen beſchränkt und von der An - wendbarkeit dieſer geſetzlichen Beſtimmung, wel - che Stelzer Criminalrecht §. 325. läugnet, münd - lich.. Obrigkeiten und Landesherrnn, wel - che nicht ernſtlich die Blasphemie beſtrafen†)R. A. 1530. tit. 1. §. 3. 4. 1548. tit. 1. §. 5., wie auch ſolche, die nach begangener That den Verbrecher wiſſentlich begünſtigen, ihn in Dienſt nehmen, oder ſonſt durch Handlun - gen ihre Nachſicht gegen den Uebertreter be - weiſen, ſollen ebenfalls willkührlich beſtraft werden. ††)R. A. 1530. tit. 1. §. 6. 1548. §. 8.

§. 350.270II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 350.

Auſſer den Injurien, welche an der Kirche durch Blasphemie begangen werden, kann ſie noch auf andre Art Objekt einer Ehrenver - letzung ſeyn. Dies iſt möglich 1) da - durch, daſs der Inbegriff der zu einer be - ſtimmten Religionsgeſellſchaft gehörenden Glieder, in ſo ferne ſie eine gewiſſe Kirchen - Geſellſchaft ausmachen, injuriirt wird*)Wenn z. E. jemand gegen eine gewiſſe Religions - parthey im Allgemeinen Schmähungen ausſtöſst, oder eine Religionsgeſellſchaft während ihrer Ver - ſammlung lächerlich zu machen ſucht.. 2) Dadurch, das Kirchendiener, in ſo ferne ſie in der Ausübung ihres Kirchenamtes begriffen ſind, injuriirt werden. Eine Injurie der letz - ten Art ſoll mit körperlicher Züchtigung und Landesverweiſung beſtraft werden**)Nov. 123. c. 31. wodurch die L 10. C. de epis - copis et cler. modificirt wird, welche eine Kapital - ſtrafe auf eine ſolche Injurie ſetzt.. Injurien der erſten Art, wenn ſie nicht ſelbſt den Got - tesdienſt ſtören, können blos mit den gewöhn - lichen, gleichwohl geſchärften, Strafen der Injurien geahndet werden.

§. 351.

Von dieſen Injurien iſt die Störung des Gottesdienſtes (turbatio ſacrorum) zu un - terſcheiden, welche durch jede rechtswidrige gewaltthätige Handlung begangen wird, durch welche man abſichtlich den Gottesdienſt hindert, unterbricht oder aufhebt. Die Ge - ſetze drohen ihr Capitalſtrafe***)L. 10. C. de episc. et cler. Nov. 123. c. 31..

Zwey -271Verl. d. R. an Sachen durch Beſchädigung.
Zweyter Abſchnitt. Verbrechen gegen erworbene Rechte.
Erſter Unterabſchnitt. Individuellgefährliche Verletzung des Rechts auf Sachen.
Erſte Abtheilung. Verletzung des Rechts an Sachen durch bloſse Beſchädigung.
§. 352.

Ein rechtswidriger Schade (damnum injuria datum) iſt die verſchuldete Verletzung einer in dem Eigenthume eines Andern[befindlichen] Sache. Dies iſt theils dadurch möglich, daſs ich ſie durch Vernichtung derſelben ganz aus dem Beſitze des Eigenthümers bringe, theils dadurch, daſs ich blos ihre Tauglichkeit zu den Zwecken deſſelben verringere (bloſse Be - ſchädigung) Von welcher Beſchaffenheit die verletzende Handlung ſey, iſt gleichviel, wenn ſie nur nicht gewaltthätig iſt. Dolus oder Culpa muſs ihr immer zum Grunde liegen, weil ſonſt keine Verſchuldung denkbar iſt; eine beſtimmte Abſicht aber gehört zu dem Begriff des Verbrechens nicht, nur darf dieAb -272II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Abſicht bey der Eigenthumsverletzung nicht auf Realiſirung eines beſondern, ſchwereren Verbrechens gerichtet ſeyn. *)Ueber das damnum injuria datum überhaupt vergl. Matthaeus de criminibus. L. XLVII. tit. 3. c. 1. Nr. 1. u. c. 2. Meiſter jun. princ. jur. crim. §. 201. Grolman Grundſ. d. C. R. W. §. 319.Sonſt iſt die Handlung als Verſuch zu dieſem Verbrechen zu beurtheilen.

§. 353.

Geht die Stiftung eines rechtswidrigen Schadens nicht in ein beſonderes benanntes Verbrechen über, ſo iſt die Strafe willkühr - lich**)L. 3. §. 1. D. de off. praef. vig. L. 2. D. arbor. furt. caeſ. L. 6. §. 9. D. de poenis. L. 1. pr. §. 1. D. de poenis. Es kömmt in Anſehung der Gröſse der Strafbarkeit beſonders auf die Gröſse und die Erſetzlichkeit oder Unerſetzlichkeit des Scha - dens, auf das Alter der Perſon und (bey dem Dolus) auf die Abſicht derſelben an. Ver - letzung aus Rache iſt härter zu beſtrafen, als aus bloſsem Muthwillen. Verletzung durch Privatgewalt wegen eines wirklichen oder ge - glaubten Rechtsanſpruchs verdient die gelin - deſte Strafe.

Zwey -273Verletzung d. Eigenthums durch Entwend.
Zweyte Abtheilung. Verletzung des Eigenthums durch Entwendung.
Erſte Unterabtheilung. Von dem Verbrechen der Entwendung überhaupt.

Tob. Jac. Reinharth Diſſ. de diverſa furti ſecunduns jus civile et germanicum idea. Erf. 1729.

Kleinſchrod Diſſ. de furtivere talis notis characteriſti - cis, conſummatione atque ſupplicio. Wirceb. 1792. Ue - berſetzt und verbeſſert, unter dem Titel: über den Begriff, das Weſen und die Beſtrafung des Diebſtahls. In Deſſen Abhandlungen aus dem peinl. R. und peinl. Proceſs, Thl. II. Nr. 8. (Vergl. Feuerbachs Re - cenſion in der A. L. Z. 1800. Nr. 43.)

§. 354.

Das Verbrechen der Entwendung beſteht in einer ſolchen widerrechtlichen Zueignung fremder Sachen, wegen eines Vortheils in Anſe - hung des Vermögens. *)§. 1. I. de obl. quae ex del. Furtum eſt contrectatio frauduloſa lucri faciendi cauſſa, vel ipſius rei, vel etiamuſus

§. 355.S274II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 355.

I. Der Gegenſtand der Entwendung iſt eine fremde Sache. An einer gemeinſchaftli - chen Sache, in Anſehung des fremden An - theils iſt ebenfalls Entwendung möglich*)L. 45. D. de furtis. Die meiſten Rechtslehrer, und unter dieſen auch Franciscus de Amaya Obſ. jur. L. 2. c. 9. nehmen aus dieſem Geſetz und aus den Stellen über das furtum poſſeſſionis an, daſs den Römern auch ein furtum in rem propriam nicht un - bekannt geweſen ſey: dies widerlegt ſich aus der Anſicht, die in dieſem §. gegeben iſt. Die WorteTri -. Die fremde Sache ſelbſt kann ſeyn 1) eine un - körperliche Sache und zwar insbeſondere ein Recht. Entziehe ich a) dem Andern das Beſitz - recht an meiner eignen Sache, ſo begehe ich eine Beſitz Entwendung (furtum poſſeſſionis) wenn ſich nur das Recht zum Beſitz auf einding -*)uſus poſſeſſionis, quod lege naturali prohibitum eſt, admit - tere. L. 52. §. 19. D. de furtis. Wenn das, was die Geſetze von furtum ſagen, hier auf Entwendung überhaupt gezogen wird; ſo iſt dies der Theorie wegen nothwendig, und au h den Geſetzen nicht zuwider. Unter furtum verſteht man jede Ent - wendung mit Ausſchluſs des Raubes; dieſer iſt aber gle chwohl eine Art der Entwendung und muſs alſo auſſer ſeinen beſondern Merkmahlen, auch alle Gat - tungsmerkmale der Entwendung überhaupt haben. Die Geſetze ſelbſt begreifen unter dem Diebſtahl den Raub und nennen den Räuber blos furem im - probiorem. L 14. §. 12 D. quod met. cauſ. Es iſt alſo gar nicht geſe zwidrig, zum Behuf einer all - gemeinen (die Theorie aller einzelnen Arten erleich - ternden) Theorie der Entwendung überhaupt, ſich auf Geſetze von dem furtum zu berufen.275Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. dingliches Recht gründet*)Dahin gehört der Schuldner, der dem Gläubiger das Pfand entzieht, er mag es nun aus der Ge - wahrſam des Gläubigers nehmen oder nicht, §. 10. I. de obl. quae ex delicto. L. 36. D. de pignoratit. act. L. 15. pr. L. 19. §. 6. D. de furtis. Aber auch der commodans der dem commodatar, deſſen Retentions - recht zuwider (L. 59. D. eod.), ja ſelbſt der Eigen - thümer, der dem Nutznieſser, oder dem redlichen Be - ſitzer die Sache entzieht, iſt das furti poſſeſſionis ſchuldig. L. 20. §. 1. D. eod. An dem Beſitz aus einem perſönlichen Recht wird keine Beſitz-Entwen - dung begangen, wie ſich aus den angegebenen Ar - ten und aus L. 59. D. h. t. ergiebt. Uebrigens kennen die bisherigen Rechtslehrer dieſen Unter - ſchied nicht, kennen auch gewöhnlich nur die Be - ſitzentwendung in Anſehung des Pfandgläubigers, wie Koch inſt. jur. crim. §. 172.; eigne ich mir b) widerrechtlich ein Gebrauchsrecht an einer Sa - che zu, die ich entweder zu keinem oder zu einem andern rechtmäſsigen Gebrauch beſitze, ſo bin ich der Gebrauchs-Entwendung (furtum uſus) ſchuldig**)§. 10. I. de obl. quae ex del. L. 52. §. 19. D. L. 40. 54. pr. L. 76. D. de furt. vergl. Schott Diſſ. de furto uſus: Lipſ. 1776.. Vornemlich aber iſt 2) eine körperliche Sache Gegenſtand der Entwendung, (furt. rei ipſius) welche dann immer beweglich ſeyn muſs. An einer unbeweglichen wird keine Entwendung begangen***)§. 7. I. de uſucap. L. 25. pr. D. de furt. Gellii N. A. L. IX. c. 18..

S 2§. 356.
*)Tribonians §. 10. I. de obl. ex del. aliqando et ſuae rei furtum quis committit dürfen uns nicht ſtö - ren.
*)
276II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 356.

Unſre deutſchen Strafgeſetze ſetzen zum Begriff der Entwendung überall die Beſitzer - greifung einer körperlichen Sache zum Nachtheil der Rechte eines Andern voraus. Es kann da - her bey uns nur die Entwendung der Sache ſelbſt (furtum rei ipſius) und die Beſitzentwen - dung, in wie ferne ſie durch wirkliche Ergrei - fung einer körperlichen Sache geſchieht, als Verbrechen den öffentlichen Strafen der Ent - wendung unterworfen werden. *)Der Pfandſchuldner, der dem Gläubiger das Pfand entwendet, müſte daher immer auch noch bey uns als Dieb betrachtet werden, wie Klein peinl. R. §. 427. Anm. richtig bemerkt,Die Ent - wendung des Gebrauchs kann daher blos die Klage auf die römiſchen Privatſtrafen bewir - ken, wenn man anders noch die Gültigkeit dieſer Privatſtrafen annehmen kann.

§. 357.

II. Der Akt, durch welchen das Verbre - chen begangen wird, iſt Zueignung im wei - tern Sinn, worunter Beſitzergreifung, ver - bunden mit der Abſicht, an der Sache ein Recht auszuüben, verſtanden wird. Es wird daher erfodert 1) eine äuſſere Handlung, durch welche die Sache der Macht (Dispoſition) des Subjects unterworfen wird (Apprehenſion)**)L. 1. §. 1. u. 2. D. de furtis Sola cogitatio furti fa - ciendi non facit furem. Sic is, qui depoſitum abnegat, non ſtatim etiam furti tenetur: ſed ita, li inter - cipiendi cauſa occultaverit. L. 3. §. 18. D.;2) eine277Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. 2) eine Willensbeſtimmung, welche auf An - maſsung eines Rechts an der Sache gerichtet iſt*)L. 22. D. eod.. Weder das eine, noch das andre al - lein genügt zur Entwendung. Die Abſicht kann übrigens gerichtet ſeyn 1) auf Ausübung des Eigenthumsrechts (animus rem ſibi habendi), oder auch 2) auf Ausübung eines andern Rechts an der Sache, wie bey der Beſitzent - wendung**)Man darf daher nicht, wie gewöhnlich, blos animum rem ſibi habendi zur Entwendung fodern auch darf man nicht, wie Klein a. a. O. §. 429, den animus rem ſibi habendi mit dem animus lucri faciendi verwech - ſeln.. Mit Endigung des Aktes der Zueignung iſt das Verbrechen vollendet. Bloſse Berührung***)Aus Misverſtand des Wortes contrectatio wird von Vielen das Gegentheil behauptet. Franc. de Amaya Obſ. L. II. c. 9. Claſen ad Art. 157. C. C. C. p 511. 12. Das Gegentheil ergiebt ſich beſonders aus L. 1. §. 2. D. b. t. L. 15. D. ad exhi - bendum. L. 3. §. 18. D. de acquir. vel amittenda poſſ. vergl. Kleinſchrods Abh. S. 67. 68. der Sache iſt daher ſo wenig hin - reichend, als die Wegbringung von einem Orte zum andern zur Vollendung nothwendig iſt†)Dies ergiebt ſich ſchon aus dem Begriff von fur - tum manifeſtum L. 3. 4. 5. 21. D. h. t. P. G. O. Art. 158. Kleinſchrod a. a. O. S. 68. ff. Da - gegen Carpzov. Q. 88. Nr. 5. Hommel Rhapf. quaeſt. 88. Nr. 5. Püttmann el. jur. crim. §. 431..

§. 358.
**)D. de acquir vel. om. poſſ. vergl. Averanius inter - pr. jur. L. 1. c. 28.
**)
278II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 358.

III. Die Zueignung muſs eine Störung der Rechte des Andern durch den Verluſt ſei - nes Beſitzes bewirken. Es muſs alſo 1) einem andern der Beſitz des Gegenſtandes entzogen werden*)An dem Käufer wird daher vor Tradition der Sache keine Entwendung begangen, ſondern blos an dem Verkäufer. L. 14. pr. D. de furt. Daher kann ſelbſt der Käufer an der gekauften Sache, ehe der Kauf - ſchilling bezahlt und die Sache tradirt iſt, Entwen - dung begehen. L. 14. §. 1. eod. Er entzieht ja dem andern zum Nachtheil der Rechte deſſelben den Beſitz. Daher auch das crimen expilatae heredi - tatis. L. 1. §. 15. ſi quis teſt. liber eſſe juſſ. eſt. L. 6. expil. hered. L. 68. D. h. t. Wenn Kleinſchrod a. a. O. S. 78. einige Ausnahmen hievon zu fin - den glaubt und ſich deswegen auf das furtum uſus beruft, ſo ſcheint er dem Vf. zu irren. Es giebt eine quaſi poſſeſſio nach den Geſetzen. L. 10. C. de acquir. et retin. poſſ. vergl. Cuper obſ. ſel. Part. I. c. 4. und dieſe wird bey dem furto uſus interver - tirt. Die L. 14. C. de furtis ſpricht an ſich nur von einem fautor delicti, den ſie dem Diebe ſelbſt gleich ſetzt.. Dieſer Beſitz kann ſeyn a) der bloſse Civil - und Mentalbeſitz, welches beſon - ders geſchieht, wenn ich an einer in meinem phyſiſchen und natürlichen Beſitz befindlichen Sache eigenmächtig den Grund des Beſitzescau -†)431. Dieſe ſollen die Praxis für ſich haben. Strub. Thl. 1. Bed. 15. Quiſtorp Thl. I. §. 342 Münd - lich von der Vereinigung der L. 21. pr. §. 5. mit §. 8. u. L. 22. D. h. t. vergl. Matthaeus de crim. L. XLVII. tit. 1. c. 1. nr. 3.279Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. (cauſam poſſeſſionis) verändere*)L. 47. D. de acquir. vel am. poſſ. L. 3. §. 5. et 13. end. L. 5. §. ult. D. commod. L. 19. D. de precario. Bloſse Unterſchlagung anvertrauter Güter iſt daher wahrer Diebſtahl. L. 33. D. h. t. L. 3. §. 18. D. de acquir. poſſ. L. 29. pr. depoſiti. L. 1. §. 22. L. 2. §. 1. D. de tutel. ex ration. diſtrab. L. 5. §. 8. D. commodati. P. G. O. Art. 170. vergl. Klein - ſchrod a. a. O. Betr. IV. die Einwendung. daſs die P. G. O. nur ſage dem Diebſtahl gleich be - weiſt gar nichts; man leſe doch die vorigen Arti - kel! Von Entwendung einer gefundenen Sache L. 43. §. 4. D. h. t. Warum dies nicht mehr gel - ten ſoll, wie Kleinſchrod a. a. O. Betr. III. §. 1. will, iſt ſchwer zu begreifen.. b) Der phy - ſiſche Beſitz des andern, dieſer mag nun blos ein natürlicher**)L. 12. §. 2. L. 14. §. 2. h. t. Doch auch Aus - nahmen, welche dann eintreten, wenn der poſſeſſor naturalis durch den Verluſt des Beſitzers nicht ge - fährdet wird (ſi ejus non intereſt contrectari) L. 14. §. 3. D. h. t. oder Civilbeſitz***)Eigenthümer und bonae fidei poſſeſſor. L. 12. §. 1. D. h. t. ſeyn, der Verluſt des Beſitzes mag durch Beywir - kung von Handlungen des Beſitzers geſche - hen ſeyn, oder nicht†)Wiſſentliche Annahme einer Nichtſchuld, L. 17. D. de condictione furtiva. L. 38. §. 1. D. de ſolut. L. 44. §. 1. D. h. t. Falſcher Gläubiger oder Manda - tar. L. 43. pr. §. 1. D. h. t. Ganz unbefriedi - gend wird von Kleinſchrod a. a. O. Betr. III. §. 2. 3. die Anwendbarkeit dieſer Geſetze geläug - net.; ſelbſt die nuda deten - tio, wenn nur durch den Verluſt derſelben an - dere Rechte der Perſon gefährdet werden††)L. 12. pr. D. h. t.. 2) Der280II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. 2) Der Beſitz des andern muſs rechtmäſsig ſeyn, durch Entziehung deſſelben müſſen ihm alſo Rechte entzogen werden*)Dies iſt der Sinn der Regel: cujus interfuit non ſur - ripi, is actionem furti habet. L. 10. 11. D. h. t. Da - her am malae fidei poſſ. keine Entwendung. L. 12. §. 1. D. h. t. vergl. die Anm. **) angeführte Geſetze.. Die Beſitz - nehmung muſs wider den Willen des Beſitzers geſchehen ſeyn; ob heimlich oder öffentlich, in ſeiner Gegenwart, oder Abweſenheit, iſt gleichviel**)Koch inſt. jur. crim. §. 179. Klein peinl. R. §. 428..

§. 359.

IV. Zum Weſen der Entwendung gehört Dolus, alſo das Bewuſstſeyn der Rechtswidrig - keit (§. 62.) der Beſitzergreifung. Eine culpoſe Entwendung iſt zwar nach allgemei - nen Principien***)Kleinſchrod a. a. O. Betr. II. §. 2. verwickelt ſich in petitiones principii, wenn er aus der Natur der Sache die Unmöglichkeit der culpoſen Entwen - dung zeigen will, und Grolman (in der Bibl. d. peinl Rechts. 1. Bd. 1. Stck. S. 200) fehlt gegen die Geſetze, wenn er auch nach dieſen eine culpoſe Entwendung zuläſst., aber nicht nach unſern Geſetzen möglich†)§. 1. I. de vi bonor. raptor. L. 46. §. 3. D. h. t.. Uebrigens braucht Do - lus nach einer geſchehenen Entwendung nicht erwieſen zu werden; der Entwender muſs den Beweis der Culpa führen (§. 68.)††)Anders Kleinſchrod a. a. O. §. 3..

§. 360.281Verletzung d. Eigenthums durch Entwend.
§. 360.

V. Der Thatbeſtand fodert die Abſicht, durch die Zueignung einen Vortheil in Anſe - hung des Vermögens zu erhalten (animus lucri faciendi)*)§. 1. I. de obl. ex del. L. 1. §. 3. L. 54. §. 1. D. de furt. Grolman Grundſ. d. C. R. W. §. 290.. Alſo nicht jedes ſinnliche Inter - eſſe und nicht jeder Vortheil begründet den Begriff der Entwendung**)L. 39. u. 53. pr. D. h. t. L. 41. §. ult. D. ad L. Aquil. L. 16. §. 2. D. de L. Corn. de Falſ. L. 1. §. 4. D. de abigeis.. Sey übrigens der Vortheil poſitiv oder negativ, direct oder indi - rect, der Vortheil ſey wirklich gezogen, oder nicht, der Endzweck und der Gebrauch***)L. 54. §. 1. D. h. t. Species lucri eſt, ex aliaeno lar - giri et bemeficii debitorem ſibi acquirere. Unde et is furti tenetur, qui ideo rem amovet, ut eam alteri do - net. ſey welcher er wolle; dies iſt indifferent.

§. 361.

Der Zuſtand der höchſten Noth (§. 97.) ſchlieſst hier nach ausdrücklichen Geſetzen die Strafbarkeit aus†)A. L. Schott Diſſ. de furto ex neceſſitate commiſſo. Tub. 1772. C. F. Walch Diſſ. de furto fame do - minante facto, Ien. 1788.. Dieſer Nothſtand iſt vor - handen, wenn die Entwendung fremden Eigen - thums unverſchuldet die einzige Bedingung zur Erhaltung des Lebens des Entwenders oder ſeines Weibes und ſeiner Kinder war. ††)Nicht auszudehnen auf andere Verwandte, Boch - mer ad Art. 166. §. 3.Es wird alſovor -282II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt. vorausgeſetzt 1) die höchſte Noth (rechte Hun - gersnoth), nicht bloſse Armuth, 2) der Ent - wender muſste keine andern rechtlichen Mit - tel zur Rettung haben*)Boehmer ad h. a. §. 2. Quiſtorp Thl. I. §. 375., 3) die Noth muſste unverſchuldet**)Das Gegentheil meynt Koch inſt. jur. crim. §. 174. Anm., 4) der Gegenſtand der Entwendung muſsten Eſswaaren ſeyn***)Das Geſetz ſagt es. Der Grund iſt hier, die beſon - dere Gröſse des Reitzes, und die unmittelbare Ge - wiſsheit der Hungersnoth als Grund der That. Walch l. c. §. 7. Dagegen Kreſs ad h. a. Boehmer ad Carpz. Q. 83. obſ. 3. Struben Thl. III. Bed. 137. Quiſtotp Thl. I. §. 376., 5) Er muſste nicht mehr genommen haben, als zur Abwendung der Noth erforderlich war, 6) er muſste nicht härtere Mittel angewendet ha - ben, als nöthig war, um die Entwendung zu vollenden. Jede Art der Entwendung, ſelbſt gewaltſame, wirkt unter dieſen Bedingungen Strafloſigkeit. Den Beweis der Noth führt der Entwender. †)Kreſs ad h. a. §. 2. * 2. Boehmer ad eund. §. 4.

P. G. O. Art. 166.

§. 362.

Für den Beſitzer iſt gegen den Dieb das Recht der Nothwehr begründet. Wen ich aber des Nachts in diebiſcher Abſicht in mei - nem Hauſe[finde], den zu töden, habe ich unbe -dingt283Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. dingt das Recht. Bey einer unter einer ſolchen Bedingung entſtandenen Tödung brauche ich nicht die Requiſite der Nothwehr, ſondern nur den nächtlichen Aufenthalt des andern in meiner Wohnung aus diebiſcher Abſicht zu erweiſen*)Das neuere röm. Recht beſchränkt die Tödung des nächtlichen Diebes auf den Fall der Nothwehr. L. 9. D. ad L. Corn. de Sicariis Furem nocturnum, ſi quis occiderit, ita demum impune feret, ſi parcere ei ſine periculo ſuo non potuit. Die P. G. O. Art. 150. hin - gegen ſagt unbedingt: ſo jemand einen bey nacht - licher Weil gefährlicher Weiſe in ſeinem Hauſe findet und erſchlägt, der iſt ſtraflos. Sonderbar, daſs unſre Criminaliſten es gerade um - kehren. Grolman Grundſ. d. C. R. W. §. 292. Anm. 1. ſagt ſogar Carl habe Art. 150. gegen den Satz des römiſchen Rechts, daſs man den nächtli - chen Dieb unbedingt töden könne, ernſtlich und nachdrücklich geeifert. Wo mag er dieſes wohl gethan haben?.

§. 363.

Die Entwendung kann durch Verletzung angebohrner Rechte (Raub) oder ohne dieſelbe geſchehen (Diebſtahl im engern Sinn). Dieſer iſt entweder geſetzlich ausgezeichnet, oder nicht (gemeiner Diebſtahl). Zu dem gemeinen Dieb - ſtahl gehört jede Art des Diebſtahls, auf wel - che von den Geſetzen eine willkührliche Strafe oder doch nicht die Todesſtrafe durch ein be - ſtimmtes Strafgeſetz angedroht iſt. Die ge - ſetzliche Auszeichnung hängt ab 1) von der Gelindigkeit der Beſtrafung, welche als Aus - nahme durch die Geſetze beſtimmt iſt: privile -gir -284II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. girter Diebſtahl, 2) von der Härte der Beſtra - fung, welche wegen erhöhter Strafbarkeit von den Geſetzen beſtimmt iſt (qualificirter Diebſtahl) Der Diebſtahl iſt qualificirt a) we - gen der ſubjectiven Concurrenz. Dritter Diebſtahl; b) wegen der Art der Ausführung gefährlicher Diebſtahl; c) wegen des durch den - ſelben verletzten Subjects Kirchendiebſtahl oder Kirchenraub.

Anm. Furtum manifeſtum nec manifeſtum.

Zweyte Unterabtheilung. Gemeiner Diebſtahl.
§. 364.

Der gemeine Diebſtahl iſt eine Entwen - dung, welche nicht durch Gewalt an der Perſon, nicht an einem heiligen Ort und an einer heiligen Sache, nicht zum drittenmahl und nicht auf gefährliche Art begangen worden iſt.

§. 365.

Der gemeine Diebſtahl heiſst groſser Dieb - ſtahl furtum magnum) wenn der Werth der geſtohlnen Sache fünf Gülden (ſolidos) oder noch mehr beträgt. *)Engau Diſſ. de furto magno, Ien. 1745. F. A. Hommel Diſſ. de furto magno ejusque poena. Lipſ. 1747.Unter Gülden verſtehtdie285Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. die Praxis einen ungriſchen Ducaten, nebſt dem Agio zur Zeit und an dem Ort des be - gangenen Verbrechens*)Carpz. Q. 78. Nr. 26. ſq. Engau l. c. §. 7. Hommel l. c. §. 4 7.. Daſs der Werth des Objects fünf Gülden überſteigen müſſe, iſt nicht nothwendig**)P. G. O. h. Art. So aber der Diebſtahl groſs und fünf Gülden oder drüber Die Praktiker ſind dagegen. Carpz. c. l. Boehmer ad Art. 160. §. 1.. Auch iſt es gleichviel, ob in Einer Uebertretung ein Object dieſes Werths geſtohlen wird, oder ob das Object zweyer Diebſtähle, welches einzeln gering iſt, mit dem andern zuſammengenommen, die Summe des groſsen Diebſtahls erreicht***)P. G. O. Art. 161. in ſine. Hommel c. l. §. 11. erklärt die letzten Worte dieſes Artikels von dem Fall, wenn die zwey Diebſtähle einzeln einen gro - ſsen Diabſtahl ausmachen. Dann hätte aber Carl nichts Ueberflüſſigeres ſagen können. Vergl. Boehmer ad Art. 161. §. 2.. Wird nicht Geld, ſondern eine andre Sache geſtohlen, ſo muſs ihr Werth nach dem wah - ren, gemeinen Werth der Sache zur Zeit des begangenen Verbrechens beſtimmt werden. Weder der Affectionspreis, noch der ſonſtige Schaden des Beſtohlnen, noch die Summe, die er dafür gegeben oder der Dieb dafür empfan - gen hat, können zum Maasſtab genommen werden†)Boehm. ad 161. §. 4..

II. F. 27. §. 8. P. G. O. Art. 160.

§. 366.286II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 366.

Iſt die geſtohlne Sache noch gegenwär - tig, auch noch mit Gewiſsheit in dem Zu - ſtand zur Zeit des begangenen Verbrechens, ſo wird durch vereidete Kunſtverſtändige der Werth der Sache beſtimmt. Im entgegen geſetzten Fall muſs der Eigenthümer, oder wenn dieſer nicht ſchwören könnte, ein an - drer, der die Sache kannte, den Werth der Sache eidlich erhärten*)Kreſs ad Art. 160. §. 2. Not. 1. Boehmer ad eund. §. 6.. Der Eigenthümer, welcher den Schwur verweigert, kann vom Richter dazu genöthigt werden. **)Mit Unrecht ſtützen ſich die Vertheidiger des Ge - gentheils auf P. G. O. Art. 214. wo blos von dem Ankläger die Rede iſt. Der Beleidigte iſt hier als Zeuge zu betrachten. Vergl. Hommel l. c. §. 8. pag. 11.Im Zwei - fel wird für kleinen Diebſtahl präſumirt***)v. Eckardt progr. exhibens cautiones circa perfi - ciendam certitudinem corporis delicti in furto magno. len. 1789..

§. 367.

Wer das Strafgeſetz gegen den Diebſtahl zum erſtenmahl übertritt, begeht den erſten Diebſtahl (furtum primum), wer es zum zwey - tenmahl übertritt, begeht den zweyten Diebſtahl (furtum ſecundum). Es iſt gleichviel ob die zweyte Uebertretung Fortſetzung (furtum con -tinua -287Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. tinuatum) oder Wiederholung iſt (f. repetit.). *)Die Criminaliſten nehmen das Gegentheil an, weil ſie ein fortgeſetztes Verbrechen für Eins nehmen.Auf Ort und Zeit kommt es ebenfalls nicht an, wenn nur nicht der zweyte Diebſtahl aus ei - nem und demſelben Antrieb in einem unun - terbrochenen Akt begangen wurde.

P. G. O. Art. 157. 158. 161.

§. 368.

I. Iſt der erſte kleine Dieb nicht ertappt worden, ſo wird er mit der Privatſtrafe des dop - pelten, oder, wenn er dieſe nicht erlegen kann, mit Gefängniſs bedroht**)P. G. O. Art. 157.. Der auf der That er - tappte erſte kleine Dieb ſoll mit Pranger, Staup - beſen und Landesverweiſung beſtraft werden. Ein vornehmer Dieb aber, der zur Beſſerung Hoffnung giebt, zahlt den vierfachen Werth***)P. G. O. Art. 158. Die Praktiker verwerfen die Privatſtrafe und den Unterſchied in furtum ma - nif. und in nec manif. und wollen überall arbiträre[Strafe] Gefängniſs auf wenige Tage, körperliche Züchtigung vor Gericht. Ausſtellung an das ge - meine Halseiſen etc. Kreſs ad Art. 157. u. 158. C. C. C. Quiſtorp Thl. I. §. 361. Für das Geſetz iſt Graſs collat. jur. Rom. cum rec. imp. p. 682. Leyſer Sp. m. 3.. II. Der kleine zweyte Diebſtahl, ſoll ohne Rück - ſicht auf Handhaftigkeit oder Nichthandhaf - tigkeit deſſelben, mit Stellung an den Prangerund288II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. und Landesverweiſung oder lebenswieriger Verſtrickung beſtraft werden. *)P. G. O. Art. 161.

§. 369.

III. Der groſse Diebſtahl ſoll an Leib oder Leben geſtraft werden. **)Die Todesſtrafe iſt alſo hier nicht ſimpliciter feſtge - ſetzt, wie Carpz. Q. 78. obſ. 2. et 8. und andre glauben.Der Richter ſoll Rückſicht nehmen 1) auf den Unterſchied zwi - ſchen handhaftem und nichthandhaftem Dieb - ſtahl, 2) wie ſchädlich dem Beſchädigten der Diebſtahl, 3) wes Standes der Verbrecher ſey. Die Todesſtrafe kann alſo nach den Geſetzen wohl nur dann Statt finden, wenn der Ver - brecher auf der That ertappt, der Diebſtahl dem Beſtohlnen ein groſser Verluſt und der Verbrecher entweder geringern Standes und unverbeſſerlich oder zwar vornehm aber doch unverbeſſerlich iſt***)Die Worte der Stand und das Weſen der Perſon ſind zum Theil aus Art. 158. zu erläutern..

P. G. O. Art. 160.

§. 370.

Bey dem erſten kleinen nicht handhaften Diebſtahl können nach der Natur der Strafe keine Milderungsgründe in Betracht kom - men†)Nimmt man die mit der Praxis hier blos will - kührliche öffentliche Strafe an, ſo gilt von dieſemFall. Bey dem handhaften erſten kleinenDieb -289Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. Diebſtahl verweiſt das Geſetz den Richter auf die Beurtheilung der Verbeſſerlichkeit des Die - bes*)Zwar ſpricht das Geſetz P. G. O. Art. 158. un - mittelbar nur von der Verbeſſerlichkeit einer vor - nehmen Perſon; aber nicht, als wenn die Verbeſ - ſerlichkeit nicht auch bey den Geringen eintreten könnte und darauf keine Rückſicht genommen wer - den ſollte; ſondern weil Carl nur a potiori ſprechen will und weil er (dem Geiſt ſeiner Zeiten ganz ge - mäſs) vorausſetzt, daſs öfter bey dem Vornehmen von beſſerer Erziehung, als von einer rohen Perſon geringern Standes, Beſſerung zu erwarten ſey. Alle Gründe, welche ihn verbeſſerlich zeigen, wohin alle Urſachen einer verringer - ten Strafbarkeit gehören, mildern daher die Strafe. Bey dem zweyten kleinen Diebſtahl er - wähnt das Geſetz keiner beſondern Milde - rungsgründe; blos die gemeinen können da - her hier zur Anwendung kommen**)Der Grund der Rechtfertigung dieſes Satzes liegt in unſrer Theorie von dem Milderungsrecht. Hier machen wir nur darauf aufmerkſam, wie genau Carl die Stufenfolge dieſer und der noch folgenden Arten des Diebſtahls beobachtet hat. Nach der ge - wöhnlichen Darſtellung von unſern Rechtslehrern iſt alles ein confuſes Chaos, das uns nicht, eiomal ahnden läſst, wie der Geſetzgeber, der ſich doch verſchiedene Grade der Strafbarkeit in dieſen ver -ſchie -.

§. 371.

Bey dem groſsen Diebſtahl ſinkt die Straf - barkeit (vermöge §. 369.) 1) wenn die ent -wen -†)Fall beynah daſſelbe, was von dem zweyten geſagt iſt.T290II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. wendete Summe für das Vermögen des Be - ſtohlnen geringfügig iſt, er alſo die Summe entbehren kann, ohne drum in ſeinen Zwe - cken ſehr beſchränkt zu werden*)Der Grund, warum Carl hierauf Rückſicht nimmt, iſt nicht ſowohl die Gröſse des Schadens an ſich, als vielmehr die Gröſse der Bosheit und Gefähr - lichkeit, welche bey demjenigen anzunehmen iſt, der durch Entziehung der Nothdurft eines andern Befriedigung ſeines Eigennutzes ſucht. Es gehört weit weniger Bosheit dazu, einem Millionär 1000 Thlr. als einem Armen 5 Gülden zu nehmen. Dieſe Rückſicht kommt überall bey dem groſsen Diebſtahl in Betrachtung. So dachte auch ſchon Remus, wenn er ſagt: Inſpici omnino aeſtimatio rei furto ab[l]atae debet: non quidem quaſi rei magnitudo ſola delictum augeat, ſed argumentum ſit certiſſimum ex - quiſue doloſi conſilii et atrocioris fraudis. 2) wenn Beſſerung von dem Diebe zu erwarten iſt, welches bey allen die Strafbarkeit herabſetzen - den Gründen angenommen werden muſs; end - lich 3) nach Carls Beſtimmung, wenn der Dieb nicht auf der That ertappt worden iſt. Die Erſetzung des Schadens oder die Wieder - erſtattung mildert die Strafe nur dann, wenn ſie ein Beweis der geringen Bosheit und alſo der Verbeſſerlichkeit des Diebes iſt. Dies iſt nur dann der Fall, wenn der Dieb noch vor angefangener Unterſuchung freywillig dieSache**)ſchiedenen Arten des Diebſtahls dachte, ſie durch Verſchiedenheit in der Beſtrafung auch wirklich beobachtet habe.291Verletzung d. Eigenthums durch Entwend. Sache wieder erſtattet oder ihren Werth er - ſetzt*)Allgemein wird hier Schadenserſatz als unbeding - ter Milderungsgrund angenommen, wegen der Worte des Art. 160. wie ſchädlich dem Beſchädigten der Diebſtahl ſeyn mag. Man nimmt ihn daher auch dann an, wenn ein Dritter den Schaden erſetzt, wenn der Eigenthümer von dem Dritten ſein Gut vindicirt u. ſ. w. vergl. Tob. Jac. Reinharth Diſſ. de fure paenitente ejusque poena. Erf. 1733. Casp. Ach. Beck Diſſ. de eo q. j. e. circa re - ſtitut. rer. furtivarum. Ien. 1726. F. A. Hommel Diſſ. de mitiganda furti poena ob reſtit. rei ablatae Lipſ. 1737. Allein 1) das römiſche Recht kennt dieſen Grund nicht. L. 65. D. de furtis. D. 54. §. 3. eod. 2) Die angeführten Worte ſprechen blos von dem Verhältniſs der geſtohlnen Summe an ſich zu dem Vermögen des Beſtohlnen. Daſs dieſes ſo ſey, er - giebt ſi h gleich aus einer unbefangenen Anſicht der Worte, wenigſtens nöthigt uns nicht das Ge - ringſte, ſie auf die herkömmliche Art zu verſtehen. Der angegebene Sinn iſt der Natur und den römi - ſchen Geſetzen weit gemäſser und von beyden kann man nur dann abweichen, wenn uns hiezu deut - liche Geſetze nöthigen. Hiezu kommt der Grund des ganzen Geſetzes gegen den groſsen Diebſtahl. (S. Anm. *) Die Erſtattung des Schadens nach be - gangener That hat an ſich auf die Strafbarkeit nicht den geringſten Einfluſs. Die Gröſse der Bosheit aber beſtimmt den ganzen Inhalt des Artikels..

T 2Drit -292II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Dritte Unterabtheilung. Geſetzlich ausgezeichnete Diebſtäble.
Erſtes Kapitel. Qualifioirte Diebſtähle.
A. Dritter Diebſtahl.
§. 372.

Zu den qualificirten Diebſtählen gehört A. der dritte Diebſtahl, (f. tertium) die zum drittenmahl begangene Uebertretung eines Strafgeſetzes gegen den Diebſtahl. Den Ge - ſetzen iſt es gleichviel, ob dieſe Entwendun - gen fortgeſetzt oder wiederhohlt ſind*)Anders nach der Praxis, S. §. 367. Anm. *), jedoch unter den Bedingungen des zweyten Dieb - ſtahls (§. 367). Daſs die Entwendungen in demſelben Gerichtsſprengel begangen ſind**)Boehmer ad Art. 162. §. 2., oder zuſammengenommen die Summe des gro - ſsen Diebſtahls ausmachen müſſen,***)Viele wollen das Gegentheil, weil die Bamb. und das Project von 1521 den Zuſatz haben: der Dieb - ſtahl wäre groſs oder klein, dieſer aber in der P. G. O. weggeſtrichen iſt, cf. Kreſs ad Art. 161. u. 126Boeh. iſt ebenſo293Qualificirte Diebſtähle. ſo wenig nothwendig, als daſs wenigſtens ein Diebſtahl vorher müſſe beſtraft worden ſeyn*)Die Berufung auf Damhouder pr. crim. c. 110. Nr. 28 30. welche das Gegentheil beweiſen ſoll, (Koch inſt. jur. crim. §. 200. Anm. 5.) iſt ſehr ſchwach.. Der dreymahlige Dieb wird von den Geſetzen für unverbeſſerlich gehalten (ein mehrer ver - läumbdter Dieb) und ſoll daher mit dem Tod,das***)Boehmer el. jur. crim. L. 2. §. 171. Quiſtorp. Thl. I. §. 361. 362. Grolman C. R. W. §. 304. Allein, woher weiſs man denn, daſs dieſe Worte darum weggeſtrichen worden ſind, um das Gegen - theil anzunehmen? Sie ſind wohl deswegen weg - geblieben, weil man ſie für unnöthig hielt. Von dem groſsen Diebſtahl als beſonderem Verbrechen war ſchon gehandelt; der dritte Diebſtahl iſt eben - falls als ein für ſich beſtehendes beſonderes Verbre - chen aufgeſtellt; es muſte alſo jener Zuſatz ſehr un - nöthig ſcheinen. Wer, dachte wohl Carl, wird ſo ſonderbar ſeyn, hier noch einen groſsen Dieb - ſtahl zu verlangen, da ich doch deutlich genug, den Grund der beſondern Strafbarkeit des dritten Diebſtahls in die dreymalige Wiederholung und in die hieraus erkannte Unverbeſſerlichkeit deutlich ge - ſetzt habe. Wer dreymal ſtiehlt, zeigt eine Ge - wohnheit zu ſtehlen, er mag wenig oder viel ge - ſtohlen haben. Die letzten Gründe des Carolini - ſchen Monologs bittet man zu erwägen. Sie ſind Gründe gegen die gewöhnliche Meynung. Auch möchte wohl zu erwägen ſeyn, daſs unter andern auch in dem Project ſteht, es möchte auch denſelbigen dies nicht entſchuldigen, ob er die Diebſtähle nicht alle an einem Ort gethan hätte etc. Warum iſt denn auch dieſer Zuſatz weggeſtrichen? Etwa, weil Carl das Gegentheil will? Für unſre Meynung, allein ohne eigentliche Gründe ſind Claſen ad h. a. p. 530. Blumblacher ad eund. p. 369. Struben Thl. II. Bd. 107. §. 5. 6. u. Andere.294II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. das Weib mit dem Waſſer, der Mann mit dem Strang beſtraft werden. *)Kleinſchrod in d. Abh. vom Diehſtahl. Bet. VII. §. 3. meint, daſs die Anwendung der Todesſtrafe von der Verbeſſerlichkeit oder Unverbeſſerlichkeit des Diebes in concreto abhänge, weil Carl die Un - verbeſſerlichkeit als Grund der Beſtrafung des drit - ten Diebſtahl, angebe. Ohne allen Grund. Das Geſetz bedroht im Allgemeinen den dritten Dieb - ſtahl ſchlechthin mit der Todesſtrafe und es giebt die Unverbeſſerlichkeit welche die dreymalige Wiederholung in abſtracto be rachtet voransſetzt, als Grund dieſer unbedingten Verordnung an. Wenn ein Geſetz der Ehegattin die interceſſio pro marito verbietet und den möglichen Zwang, verbun - den mit der Schwäche des Geſchlechts, als Grund angiebt, iſt darum die Schenkung einer virago, von der es gewiſs iſt, daſs ſie nicht gezwungen worden, gültig?

P. G. O. Art. 162.

B. Der gefährliche Diebſtahl.
§. 373.

In Anſehung der Art der Handlung iſt qualificirt B. der gefährliche Diebſtahl (f. periculoſum)**)Unſchicklich wird gewöhnlich das, was hier ge - fährlicher Diebſtahl genannt wird, ausſchlieſs ich qualifieirter Diebſtahl genannt, wie der Vf. ſelbſt ehe - mals gethan hat. Als wenn es nicht mehrere Ar - ten des qualiſicirten Diebſtahls gäbe. Die übrigenKetze. Er iſt ein Diebſtahl, beywel -295Qualificirte Diebſtähle. welchem die Art der Entwendung ſelbſt entweder einen beſonders gefährlichen geſetzwidrigen Wil - len beweiſst, oder die Gefahr der körperlichen Ver - letzung einer Perſon begründet. Dieſer zerfällt I. in den objectiv gefährlichen, wenn die Art der Entwendung die körperliche Verletzung einer Perſon befürchten läſst; II. in den ſub - jectiv-gefährlichen (den gefliſſenen, gefährlichen Diebſtahl), wenn die Art der Entwendung ei - nen beſonders gefährlichen, rechtswidrigen Willen zu erkennen giebt*)I. Iuſt. Schierſchmidt Diſſ. de furto qualifi - cato. Erl. 1751. F. A. Hommel Diſſ. de furto qua - lificato. Lipſ. 1759..

P. G. O. Art. 159.

§. 374.

I. Ein objectiv gefährlicher Diebſtahl iſt vorhanden, wenn der Diebſtahl bewaffnet ge - ſchehen iſt Daher heiſst er auch bewaffneter Diebſtahl (furtum armatum)**)I. Casp. Heimburg Diſſ. de furto armato. Ien. 1761. (Zu Paul Riſi Obſ. ed. Fiſcher. Ien. 1790, beygedruckt). C. L. l. Stelzer Diſſ. de furibus[ar]matis. Hal. 1792.. II. Der ſubjec - tivgefährliche Diebſtahl wird begangen 1) durch Einbruch, wenn die Entwendung durch Aufbrechung eines Hauſes oder eines Behält - niſſes geſchehen iſt, 2) durch Einſteigen, wenn durch Einſteigen in ein Haus oder ein Behält -niſs**)Ketzereyen in der Terminologie wird man wohl verzeihen; ſie iſt, wie jeder leicht beurtheilen kann, durchaus nothwendig.296II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. niſs die Entwendung begangen worden iſt*)P. G. O. Art. 159. So aber ein Dieb jemand in ſeine Behauſung oder Behaltung bricht oder ſteigt, oder mit Waffen, damit er jemand, der ihm Widerſtand thun wollte, verletzen möchte, zum Stehlen eingeht ſo iſt der Diebſtahl darzu, als obſteht, gehrochen oder geſtiegen wird, ein gefliſ - ſener gefährlicher Diebſtahl. So iſt in dem Diebſtahl, der mit Waffen geſchiebt, eine Vergewal - tigung und Verletzung zu beſorgen u. ſ. w.. Der Grund der geſetzlichen Auszeichnung der beyden letzten Arten iſt blos die Gröſse der Bosheit und der Feſtigkeit des böſen Willens, welche aus der Gefliſſenheit, die der Dieb bey Ueberwindung ſolcher Hinderniſſe bewoiſst, erkannt wird**)Faſt alle nehmen an, daſs auch beym Einſteigen und Einbrechen Gefahr für die Perſon Grund des Geſetzes ſey; bey jenem, weil ſich der Dieb die Flucht ſchwer mache und dadurch zum Wider - ſtand genöthigt ſey. hier, weil er mit den Aufbruch - inſtrumenten verletzen könne. Hellfeld Diſſ. de juſtitia poenarum capitalium praeſertim in crimine furti periculofe ex tertii. (Ien. 1772) §. 12. Boehmer ad Art. 159. C. C. C. §. 5. Weſtphal Crimi - nalrecht. Anm. 55. Struben Thl. II. Bd. 107. §. 1. Grolman C. R. W. §. 299. Deſſel - ben über den Grund der härtern Strafe des gefährli - chen Diebſtahls. In der Bibliothek d. peinl. R. Thl. I. Stck. 2. Nr. 2. Einige wollen wegen dieſer vor - ausgeſetzten Gefahr ſogar Waffen bey allen drey Arten des gefährlichen Diebſtahls, wie, nebſt meh - rern andern, Kleinſchrod über den Diebſtahl Betr. VI. §. 1. Carl giebt aber blos die Gefahr für die Perſon bey dem bewaffneten Diebſtahl als Grund an, und ſetzt gerade hierdurch (vergl. Anm. *) dieſe.

§. 375.297Qualificirte Diebſtähle.
§. 375.

I. Der Diebſtahl durch Einbruch ſetzt voraus 1) eine gewaltſame Trennung der Theile eines Hauſes oder eines Behältniſſes. Unter Behältniſſen ſind nur Gebäude, nicht aber andre zur Aufbewahrung von Sachen be - ſtimmte Behältniſſe zu verſtehen*)Unwiderleglich bewieſen von Grolman in der Biblioth. d. p. R. 1. Bd. 2. Stck. S. 57 63.. Auf den Grad der Gewalt kömmt es beym Begriff des Verbrechens nicht an**)Man hat, ſonderbar genug, die Frage aufgeworfen: ob auch das Durchbrechen leimener Wände gefähr - licher Diebſtahl ſey? Carpz. Q. 79. Nr. 34. Stru - ben Thl. II. Bed. 107. §. 4. Pufendorf Obſ. jur. Tom. II. obſ. 186., ſo wenig, als es aufdie**)dieſe Art des Diebſtahls den beyden übrigen Arten entgegen, ohne der übrigen Widerſprüche und Son - derbarkei en, die aus dieſem Geſetzgrunde flieſsen, zu erwähnen. Eben ſo grundlos iſt die Meynung Kleins p. R. §. 442. u. einiger andern, welche Gefahr für das Eigenthum als Grund annehmen. Der wahre Grund liegt ſo klar in den Geſetzen ſelbſt und in der Natur der Sache vor Augen, daſs man kaum begreifen kann, wie es möglich war, ihn ſo ganz zu überſehen. Während Carl bey dem be - waffneten Diebſtahl und zwar blos bey dieſem, ſelbſt im Gegenſatz von den beyden übrigen Arten Gefahr einer Vergewaltigung der Perſon, als Grund angiebt, nennt er den Diebſtahl durch Einſteigen und Einbruch einen gefliſſenen gefährlichen Diebſtahl und giebt dadurch offenbar zu erkennen, daſs er die Gefliſſenheit des Diebes und die hieraus erkennbare gröſsere Gefährlichkeit deſſelben für den Staat als Grund annehme. Den ausführlichen Be - weis hiervon S. bey Feuerbach Betrachtungen über den 159. Art. d. P. G. O. In der Bibliothek des peinl. R. II. Bd. 1. Stck. Nr. 2.298II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. die Mittel ankommt, durch welche das Auf - brechen bewirkt wurde. Gleichviel alſo, ob der Verbrecher durch Pulver die Sache auf - ſprengte, oder ob er ſich eines tödlichen Gewehrs dabey bedient hat*)Dagegen Boehmer ad Art. 159. §. 3.. Auch der Ort ſelbſt iſt gleichgültig**)Man verlangt gewöhnlich einen frequenten Ort, oder doch ein bewohntes Haus, weil ſonſt keine Gefahr für Perſonen vorhanden ſey. Dies widerlegt ſich aus §. 374. Anm. **).. Das Aufbrechen muſs dem Akt der Entwendung vorhergehen: folgt es auf ihn, ſo fällt der Begriff des Ver - brechens hinweg***)Boehmer ad Carpz. Q. 79. obſ. 3..

§. 376.

II. Der Diebſtahl durch Einſteigen beſteht in jeder Entwendung, welche durch Einſtei - gen in eine Behauſung oder in ein Behältniſs begangen wird. Bloſses Hinaufſteigen ge - nügt noch nicht. Gleichgültig iſt es, da das Geſetz unbedingt redet, ob die Behauſung bewohnt oder unbewohnt, der Ort frequent oder infrequent war†)Dagegen Boehmer ad Art. 159. S. 748., ob der Dieb ins obere oder ins untere Stockwerk††)Boehmer c. l. §. 5. Idem ad Carpz. Q. 79. Obſ. 5. Struben Thl. III. Bed. 15. Grolman a. a. O. §. 298. u. Andre wollen das Gegentheil, we - gen der falſch angenommenen Gefahr für die Per - ſon, welche auch die folgenden wunderlichen Di - ſtinktionen erzeugte. Gewöhnlich wird zwar hierdie auf einer Leiteroder299Qualificirte Diebſtähle. oder auf einem andern Wege*)Faſt alle ſind dagegen Boehmer ad Carpz c. l. Struben c. l. Koch c. l. §. 193. Klein a. a. O. §. 444. eingeſtiegen, ob er hinab oder hinauf geſtiegen, ob er, als er über der That ertappt wurde, Gewalt ge - braucht hat, oder nicht**)Das Gegentheil Boehmer ad h. a. §. 5..

§. 377.

III. Der bewaffnete Diebſtahl ſetzt voraus 1) daſs der Dieb mit Inſtrumenten verſehen war, mit welchen er eine körperliche Ver - letzung bewirken konnte (Waffen). Auf die Art des Inſtruments kömmt es nicht an***)L. 3. §. 2. D. de vi et vi arm. L. 9. D. ad L. Iul. de vi puhl. L. 54. §. 2. D. de furtis. vergl. Boehmer ad Carpz. Q. 79. obſ. 1. ad Art. 159. C. C. C. §. 6. Hommel c. l. §. 13. Heimburg c. l. §. 14. ff., auch darauf nicht, ob er die Waffen in der Abſicht zu verletzen bey ſich hatte oder nicht†)Alle wollen das Gegentheil wegen der Worte des Art. 159. Damit er jemand, der ihm Widerſtand thun wollt, verletzen möchte Allein 1) die ratio le - gis, nämlich die Gefahr der Verletzung, iſt in dem einen Fall vorhanden, wie in dem andern, blos dringender iſt ſie in dem andern, als in dem einen, 2) das mögen bedeutet faſt immer in dem Altdeut - ſchen ſo viel, wie können. Feuerbach über den 159. Art. a. a. O. S. 116. ff.. 2) Die††)die ordentliche Strafe nicht ſtatt finden, aus den Gründen des §. 378. Auf den Begriff hat es aber keinen Einfluſs.300II. Buch. I. Theil II. Titel. I. Abſchnitt. Die Entwendung ſelbſt muſs mit Waffen ge - ſchehen. Bewaffnung nach vollendeter Ent - wendung iſt ausgeſchloſſen. Gleichviel iſt es aber, ob ſich der Dieb vorher mit Waffen ver - ſehen hat, oder ob die Bewaffnung erſt an dem Ort der That geſchah. *)Kreſs ad h. a. §. 2. Boehmer ad Carpzov Q. 71. obſ. 1. Koch inſt. jur. crim. §. 194. Dagegen Leyſer Sp. 536. m. 13. Homm. c. l. §. 16.

§. 378.

Strafe. Das Geſetz droht dem gefähr - lichen Diebſtahl überhaupt als ordentliche Strafe den Tod, dem Manne den Strang, dem Weib das Ertränken**)Art. 159. Darum in dieſem Fall der Mann mit dem Strang, und das Weib mit dem Waſſer oder ſonſt nach Gelegenheit der Perſonen und Ermeſſung des Richters in ander Weg mit Ausſtechung der Augen etc. oder einer andern dergleichen ſchwe - ren Leibſtrafe geſtraft werden ſoll. Art. 160. ſchlieſst, nachdem von dem groſsen Diebſtahl ge - ſprochen wurde: Wo aber der Dieb zum Dieb - ſtabl geſtiegen oder gebrochen, oder mit Waffen, als obſteht, geſtohlen hätte, ſo hätte er damit, wie obgemeldet, das Leben verwirkt. , ohne Rückſicht, ob der Diebſtahl groſs oder klein iſt***)Gewöhnlich wird angenommen, daſs auf den gro - ſsen gefährlichen Diebſtahl die Todesſtrafe unbe - dingt geſetzt, die Strafe des kleinen gefährlichen Diebſtahls aber nur willkührlich ſey, jedoch ſo, daſs ſie bis zur Todesſtrafe ſteigen könne. Hellfeld Diſſ. cit. §. 13. Grolman C. R. W. §. 307. Die - ſes ſoll der Art. 160. beweiſen. Dazu findet ſich aber nicht der geringſte Grund; wenn man nur beyde Artikel mit Aufmerkſamkeit lieſst.. Gleich -wohl301Qualificirte Diebſtähle. wohl erlaubt es auch nach Befinden der Um - ſtände eine auſſerordentliche Strafe, welche nur in dem Fall Statt findet, wenn zwar der Begriff des Verbrechens, aber nicht der Grund deſſelben in concreto vorhanden iſt*)Einige beziehen die Todesſtrafe blos auf den be - waffneten Diebſtahl. Hommel l. c. §. 11. Einige beziehen die Ausnahme blos auf die Weibsperſon. Graſſ. coll. jur. civ. Rom. cum C. C. C. Lect. XVI. p. 647. Berger el. jur. crim. C. II. §. 1. Dage - gen Heimburg c. l. 79. Zieritz ad Art. 159. träumt vorzüglich von dem Stande der Perſon und Heimburg c. l. §. 78. glaubt, daſs der Richter wegen der auſſerordentlichen Strafe unbedingt auf die Principien der Imputation verwieſen werde. Das von uns dargeſtellte Princip ergiebt ſich aus dem Geſetz ſelbſt; nur wird immer vorausgeſetzt, daſs die äuſsern Requiſite der gefährlichen Dieb - ſtähle vorhanden ſind; denn wo nicht, ſo fällt die ordentliche Strafe von ſelbſt weg, und dann wäre es ja ganz unnöthig, wenn Carl es noch beſonders hätte erinnern wollen..

§. 379.

I. Da der Grund der geſetzlichen Aus - zeichnung des bewaffneten Diebſtahls Gefahr der Verletzung oder Vergewaltigung einer Perſon iſt, ſo iſt die Todesſtrafe ausgeſchloſ - ſen 1) wenn wegen der perſönlichen Eigen - ſchaft des Diebes, oder wegen der Beſchaffen - heit des Ortes kein Gebrauch der Waffen zur Verletzung zu beſorgen, oder doch ganz un - wahrſcheinlich war. Dies iſt anzunehmen a) wenn ein an an ſich äuſſerſt furchtſamer, oder bey Begehung des Verbrechens als ſolcherſich302II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ſich zeigender Dieb*)Wenn er z. E. gleich die Flucht ergreift. ſobald ſich Menſchen zeigen oder ihn hindern wollen., ohne Abſicht der Ver - letzung, Waffen bey ſich hatte; b) wenn an ei - nem unbewohnten, von Menſchen entfernten Ort der Diebſtahl vollzogen worden iſt.

§. 380.

II. Der Grund der Auszeichnung der ſub - jectiv gefährlichen Diebſtähle iſt ein, aus dem Einbruch oder Einſteigen erkannter, ſo hoher Grad der Gefliſſenheit und Feſtigkeit der rechts - widrigen Geſinnung, daſs mit demſelben die Todesſtrafe im Verhältniſſe ſteht. Mithin fin - det dieſe nicht Statt, ſobald, ungeachtet der Exiſtenz des geſetzlichen Begriffs, ein geringerer Grad der Gefliſſenheit und Feſtigkeit des böſen Willens vorhanden, als zur Erkennung der To - desſtrafe nothwendig iſt. Dieſes iſt anzuneh - men 1) wenn ein zufällig entſtandener hefti - ger äuſſerer Reiz den Verbrecher zur That be - ſtimmte**)z. E. Verführung, Armuth u. ſ. w., 2) wenn die durch Einſteigen oder Einbrechen überwundenen Hinderniſſe ſo ge - ring waren daſs man nicht auf jenen hohen Grad der Gefliſſenheit ſchlieſsen kann, wie es beym Einſteigen blos in das unterſte Stock - werk, beym Aufbrechen blos mit der Hand etc. der Fall iſt.

§. 381.

Da der gefährliche Diebſtahl eine Art der Entwendung überhaupt iſt, ſo werden auch alleRequi -303Qualificirte Diebſtähle. Requiſite der Entwendung bey ihm vorausge - ſetzt. Erſt mit der Endigung des Aktes der Zueignung iſt er mithin vollendet und auſſer - dem iſt ein bloſser Verſuch zu einem gefährli - chen Diebſtahl vorhanden. Der nächſte Ver - ſuch iſt vorhanden, wenn der Dieb in dem Akt der Bemächtigung ſelbſt, ohne jedoch denſelben zu vollenden, begriffen war. Er kann aber nie mit der ordentlichen, ſondern nur mit einer dem Tod am nächſten kommen - den Strafe belegt werden, vorausgeſetzt, daſs im Fall der Vollendung die ordentliche Strafe begründet geweſen wäre*)Die beyden Hommel (Ferd. Aug. in der angef. Diſſ. §. 18. und Carl. Ferd. Rhapſ. quaeſt. Obſ. 101.) wollen beym conatus proximus die Todesſtrafe. Vergl. Aug. Ern. Rom. Hemmann Diſſ. an poena capitalis in attentato ſurto qualificato locum habeat. Erf. 1775..

C. Vom Peculat, insbeſondere vom Kirchenraub.
§. 382.

Der letzte qualificirte Diebſtahl iſt C) der Peculat im weitern Sinn, nemlich die[Ent - wendung] des öffentlichen Eigenthums (im Ge - genſatz des Eigenthums der Privatperſo - nen)**)L. 1. D. ad L. Iul. per. vergl. Matthaeus de crim. L. XLVIII. tit. 10, c. 1. ſq.. Der Peculat umfaſst 1) den Kirchen -raub304II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. raub (crimen ſacrilegii) 2) den Peculat im engern Sinn, die Verletzung oder Entwendung des Staatseigenthums von einer Perſon, die es nicht zu verwalten hat, und 3) das crimen de reſiduis, die Verwendung des anvertrauten öffentlichen Eigenthums zu Privatzwecken. Das crimen de reſ. gehört zu den beſondern Ver - brechen der Staatsbeamten; das Peculat im engern Sinn kann bey uns nicht mehr beſon - deres Verbrechen ſeyn und iſt unter dem Dieb - ſtahl überhaupt enthalten. *)Stryck U. mod. L. 48. t. 13. §. 1. Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 233.

§. 383.

Kirchenraub (ſacrilegium)**)I. S. F. Boehmer Diſſ. de variis ſacvilegii ſpeciebus ex mente juris civilis. Hal. 1724. Deſſelben Diſſ. II. de variis ſacril. ſpeciebus ex mente juris canonici. Hal. 1726. 1727. C. G. Robert ſuccincta explicatio diſtinctionis inter ſacrilegium ſimplex et qualiſicatum. Unbeſtimmte Bedeutung des Worts ſacrilegium. L. L. 3. C. de crim. ſacril. L. 10. C. de episc. et cler. L. 4. C. de baereticis. L. 3. 4. C. de apoſtat. in Verbin - dung mit Nov. 123. c. 29. u. 31. iſt eine Ent - wendung, durch welche eine von den drey im deut - ſchen Reich recipirten Religionsgeſellſchaften verletzt wird. Eine ſolche Verletzung ge - ſchieht 1) durch Entwendung einer zum Got - tesdienſt beſtimmten Sache aus einem zum Gottesdienſt beſtimmten Ort, 2) einer profa - nen Sache aus einem zum Gottesdienſt beſtimm -ten305Qualificirte Diebſtähle. ten Ort, 3) einer zum Gottesdienſt beſtimm - ten Sache aus einem profanen Ort*)c. 21. C. 17. q. 4. P. G. O. Art. 171. Entwen - dung einer profanen Sache aus einem heiligen Ort iſt, nach römiſchen Recht, der Etymologie des Worts nach, nicht Sacrilegium. L. 5. D. ad L. Iul. peculatus. In Churſachſen iſt blos Entwendung ei - ner heiligen Sache aus heiligem Ort ein Kirchen - raub. cf. Püttmann el. jur. crim. §. 474..

P. G. O. Art. 171.

§. 384.

Der Grund der geſetzlichen Auszeichnung iſt bey den Katholiken, die den geweihten Sachen inwohnende göttliche Kraft (ſanctitas interna)**)Boehmer I. E. P. L. III. tit. 49. §. 5., deren Verletzung als Beleidigung der Gottheit ſelbſt betrachtet wird. Nach pro - teſtantiſchen Grundſätzen haben kirchliche Sa - chen eine äuſſere Heiligkeit (ſanct. externa) in wie ferne die Kirche ſelbſt, als Stütze des Staats, in dem unmittelbaren vorzüglichen Schutze deſſelben ſteht, und die ehrwürdige Beſtimmung dieſer Sachen auf ſie ſelbſt einen Schein von Heiligkeit ergieſst. Dieſs macht den Kirchenraub vorzüglich ſtrafbar, woraus denn folgt, daſs an den Sachen oder Orten ei - ner nicht im Reiche recipirten Religionsge - ſellſchaft kein Kirchenraub, ſondern blos ge - meiner Diebſtahl begangen wird.

§. 385.U306II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
§. 385.

Strafe. I. Auf die Entwendung der Monſtranz mit der geweihten Hoſtie folgt die Feuerſtrafe. II. Ein gefährlicher Kirchendieb - ſtahl, gleichviel ob die Entwendung aus einem heiligen oder profanen Ort*)Die P. G. O. Art. 172. redet zwar nicht von dem letzten Fall. Aber die ratio legis nöthigt, ihn hier aufzunehmen., an einer Sache von gröſserem oder von geringerem Werth**)Sehr gut dargethan von Koch inſt. jur. crim. §. 228. Anm. geſchehen iſt, wird unbedingt mit dem Tode bedroht, die Wahl der Todesart dem Richter überlaſſen***) Dieſer Dieb ſey zum Tod, nach Gelegenheit der Sache und Rath den Rechtsverſtändigen zu ſtra - fen. Art. 172. Nach andern (z. E. Meiſter jun. l. c. §. 235. c.) ſollen dieſe Worte erlauben, auf die Strafbarkeit in concreto Rückſicht zu neh - men gegen die deutliche Wortfügung des Ar - tikels, gegen die Vergleichung mit der Bamb. 198. und gegen die ausdrückliche Erklärung Carls, daſs Kirchenraub härter als Diebſtahl ſey.. Auch kann der qualificirte Kirchendiebſtahl ſo gut durch Einſteigen und mit Waffen als durch Einbruch geſchehen****)Dagegen, allein ohne hinreichenden Grund Ro - bert l. c. und Grolman C. R. W. §. 306. Anm. 1..

P. G. O. Art. 172. 173. u. 174.

§. 386.

III. Bey dem einfachen Kirchendiebſtahl an heiligen Sachen, die wenigſtens den Werth eines groſsen Diebſtahls betragen, finden die -ſel -307Qualificirte Diebſtähle. ſelben Grundſätze ſtatt*) Tapfere geweihte Stücke. Ueber Heislers ſon - derbare Meynung hierüber (in Schotts juriſt. Wo - chenbl. l. Iahrg. S. 134.) vergl. Kochl. c. §. 229. Anm.. IV. Einfache Ent - wendung profaner oder auch heiliger Sachen, die den Werth eines kleinen Diebſtahls ausmachen, ſollen nach Grundſätzen des gemeinen Diebſtahls beſtraft werden; doch mit der Einſchränkung, daſs dieſe Ver - brecher die beſondern Vergünſtigungen nicht erhalten, welche ſonſt den Angeſchuldigten im Criminalproceſs verſtattet werden**)Art. 174. Doch ſoll in ſolchen Kirchenräuben und Diebſtählen weniger Barmherzigkeit bewieſen werden, denn in weltlichen Diebſtählen. Einige glauben, nach Carl ſolle die Strafe dieſer gemeinen Diebſtähle geſchärft werden. Grolmann C. R. W. §. 304. Alſo wurde die Strafe des gemeinen Dieb - ſtahls barmherzig genannt. Andere, der Scha - denserſatz ſolle nicht die Strafe mildern, wie Koch c. l. §. 230. Aber, um dies anzunehmen, redet Carl zu allgemein. Andre: es ſollen Mil - derungsgründe nicht zu leicht zugelaſſen und dann die Strafe nicht zu ſehr herabgeſetzt werden. Meiſter jun. c. l. §. 235. Not. c. Als wenn daſ - ſelbe nicht nothwendige Regel bey allen Verbre - chen wäre! Die obige Meynung iſt alſo wohl die wahrſcheinlichſte. Der Artikel verordnete dem - nach, daſs Suggeſtionen zum Vortheil des Verbre - chers nicht zu oft angewendet, mehrmalige Defenſio - nen ſeltner verſtattet werden ſollen u. ſ. w. Ob ſich dieſe Dispoſition ſelbſt vertheidigen läſst, iſt eine andere Frage.. Be -U 2ſteh -308II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. ſtehlung des Almoſenkaſtens wird nach den Grundſätzen des Kirchenraubs beſtraft*)P. G. O. Art. 173, welche die Feuerſtrafe in der Bamberg. Art. 201. ſtillſchweigend aufhebt..

§. 387.

Die Gründe, welche den Kirchenraub als ein beſonderes Verbrechen auszeichnen (§. 384.) begründen die Gültigkeit der Grund - ſätze über dieſes Verbrechen nach der heuti - gen Praxis. Nur die Entwendung einer Mon - ſtranz kann von keinem proteſtantiſchen Ge - richtshof als ausgezeichnete Art des Kirchen - raubs mit der Feuerſtrafe belegt werden, weil die Proteſtanten nach ihren Religionsgrund - ſätzen die ratio legis nicht anerkennen**)Die Praktiker wollen jeden Kirchenraub nur wie gemeinen Diebſtahl, obgleich mit geſchärfter Strafe, ahnden. vergl. Meiſter jun. pr. jur. cr. §. 236..

§. 388.

Das römiſche Recht kennt noch verſchie - dene qualificirte Diebſtähle, welche aber bey uns entweder nur als gemeine Diebſtähle be - urtheilt, oder zu einer andern Claſſe von Ver - brechen gezählt werden müſſen. Dahin gehört 1) der Abigeat, Diebſtahl an einer beſtimmten Anzahl und Gattung von Thieren***) Abigeatus eſt crimen extraordinarium, quod quis, pe - cudes, et quidem minimum unum elephantum, camelum, equum, equam, bovem, vaccam, mulum, duos vel tres uſin[o]s, porcos quatuor vel quinque, decem capras autaves; 2) derDieb -309Qualificirte Diebſtähle. Diebſtahl aus Bädern (f. balnearium)*)I. C. Wildvogel Diſſ. de balncis et balneatoribus. Jen. 1703. Matthaeus de crim. L. XLVII. tit. 11. c. 1.; 3) der Pe - culat**)Vergl. §. 382., 4) die Beraubung einer Erbſchaft, welche von einer Perſon, die nicht Miterbe iſt, begangen wird (crimen expilatae heredita - bis)***)Eigentlich zählt das Röm. Recht das crim. exp. her. nicht zu den Diebſtählen. L. 6. D. expil. her. L. 68. D. de furtis. Es wurde aber mit auſſerordentlicher öffentlicher Strafe belegt. Kleinſchrod ang. Abhandl. Betr. V. §. 1., 5) die Verletzung der Gräber (ſepulcri violatio) welche aber noch weit mehr, als Dieb - ſtahl an Grabmählern in ſich faſste†)Matthaeus de crim. L. XLVII. tit. 5. c. 1. und 2. Boehmer ad Carpzov Q. 83. obſ. 4.; 6) das cri - men de reſiduis. Nach Particulargeſetzen iſt gewöhnlich ausgezeichnet der Pferdedieb - ſtahl und der uneigentlich ſogenannte Wild - diebſtahl††)Io. Petr. de Ludewig Diſſ. de ferarum furto. Hal. 1730. E. Gottfr. Chr. Klügel Diſſ. de furto ferarum ejusque poena, praeſertim in terris Saxo - nicis. Wittenb. 1782. Kleinſchrod Abhand - lung vom Wilddiebſtahle, deſſen Geſchichte, Strafe und Gerichtsſtande. Erl. 1790. Deſſelben Noch etwas über das Verbrechen des Wilddiebſtahls. In den Abhandl. aus dem peinl. R. u. peinl. Proc. Thl. II. Nr. 12..

§. 389.
***)oves, ſive uno actu, ſive pluribus ſtudio et induſtria de pascuis vel armentis furando, committit. cf. Chriſt. Thomaſius Diſſ. de abigeatu (ed. 3tia. Hal. 1739.) §. 64. G. L. Boehmer Diſſ. de abigeatu et furto equorum. Gött. 1742.
***)
310II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweytes Kapitel. Geſetzlich ausgezeichnete, nicht qualificirte Diebſtähle.
§. 389.

Die Geſetze nehmen von den gewöhnlichen Grundſätzen der Beſtrafung des Diebſtahls aus I. die von einem Miterben begangene Ent - wendung aus der Erbſchaft. Dieſer ſoll nicht als Dieb beſtraft werden: die Handlung hat nur privatrechtliche Folgen*)L. 3. C. fam. herciscundae. Expilatae hereditatis crimen fruſtra coheredi intenditur, cum judicio fa - miliae erciscundae indemnitati ejus proſpiciatur. Matthaeus de crim. L. XLVII. tit. 12. c. 1. nr. 4. ſucht den Grund, wiewohl unrichtig, in der Ge - meinſchaft unter den Miterben. Auch an einer ge - meinſchaftlichen Sache kann ja Entwendung be - gangen werden. L. 45. D. de furtis. .

§. 390.

Es gehört dahin II. Familiendiebſtahl (f. do - meſticum proprium) welcher von Ehegatten an Ehegatten, oder an nahen Verwandten began -gen311Geſetzl. ausgezeichnete, nicht qual. Diebſtgen wird*)P. G. O. Art. 165. So einer aus Leichtfertigkeit oder Unverſtand etwas heimlich nähme von - tern, der er ſonſt ein nächſter Erbe iſt, oder ſo ſich dergleichen zwiſchen Mann und Weib begeben, und ein Theil den andern derhalben anklagen würde, ſollen Richter und Urtheiler mit Entdek - kung aller Umſtände bey den Rechtsverſtändigen Rathspflegen, auch erfahren, (1) was in ſol - [chen] Fällen das gemeine Recht ſey und ſich darnach [halten]. (2) Doch ſoll die Obrigkeit oder Richter in dieſen Fällen von Amts wegen nicht klagen, noch ſtrafen. Die Rechtslehrer ſehen, wie ge - wöhnlich, den Wald vor lauter Bäumen nicht. Einige ſehen hier geradezu das crimen expilatae he - reditatis, wie Claſen ad h. art. Andere, wie Boehmer ad Carpzov Q. 82. obſ. 2. u. ad h. art. §. 2. beziehen ihn auf den Diebſtahl an einer angefallenen oder gehoften Erbſchaft. Blumbla - cher ad h. a. pag. 385. Kreſs ad art. §. 2. und Kleinſchrod vom Diebſtahl Betr. V. §. 3. den - ken an einen Diebſtahl unter Miterben, ſo lange die Erbſchaft noch nicht getheilt iſt. Aber der ganze Context lehrt, daſs in keiner Rückſicht hier vom Diebſtahl an einer Erbſchaft, ſondern vom Dieb - ſtahl unter Ehegatten und zwiſchen nahen Verwandten die Rede ſey. Das Wort: ſonſt, die unmittelbare Ver - bindung mit den Worten oder ſo ſich dergleichen begebe, die Vergleichung des Diebſtahls zwi - ſchen Ehegatten mit dem vorhergehenden Fall, durch das Wort dergleichen dieſes beweiſst offen - bar unſern Satz. Carl ſucht durch die Beſchrei - bung: der Erbe iſt die Verwandten, von de - nen er ſpricht, genau zu bezeichnen.. Unter dieſen Verwandten ſind nur Blutsverwandte begriffen und zwar ſolche, welche die nächſten Erben des Beſtohlnen ſind. Dem Familiendiebſtahl ſteht der Haus - diebſtahl (f. domeſt. improprium) entgegen. Dieſer wird von bloſsen Familiengenoſſen anPer -312II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Perſonen der Familie, beſonders von Dienern an dem Herrn begangen*)Ge. Henr. Ayrer Diſſ. de furti domeſtici poena in terris Brunſuicenſibus. Gött. 1788. C. Aug. Günther Diſſ. de furto domeſtico. Lipſ. 1785. Quiſtorp ob und in wie ferne die Anverwandſchaft die Strafe eines Verbrechens mildere? In deſſen Beyträgen. n. Ausg. Nr. 31..

§. 391.

Die[deutſchen] Geſetze**)P. G. O. Art. 165. beſtimmen, 1) daſs der Richter bey dem Familiendiebſtahl nicht von Amtswegen verfahren, und 2) wenn des - wegen Klage erhoben wird, nach dem gemei - nen Recht entſcheiden ſoll. Dieſes gemeine (nämlich römiſche) Recht ſetzt auf den Fami - liendiebſtahl nicht nur keine Strafe, ſondern ſchlieſst ſogar bey demſelben die gerichtliche Diebsklage (actio furti) aus, und läſst bloſsen Schadenerſatz zu***)L. 1. 3. pr. L. 17. u. 25. D. de Act. rer. amotarum, L. 2 C. rerum amotarum. Alle Rechtslehrer neh - men jedoch gelindere öffentliche Strafe an, welche ſie in Geldbuſse oder kurze Gefängniſsſtrafe ſetzen. Carpzov pract. rer. crim. Q. 82. Nr. 42. Boeh - mer ad Carpzov Q. 82. obl. 2. ad Art. 165. §. 5 Quiſtorp a. a. O. S. 481. In keinem Ge - ſetz des römiſ[c]hen Rechts. das noch dazu Carl hier ausdrücklich beſtätigt, findet ſich ein Grund für dieſe Meynung.. Nimmt eine nicht zur Familie gehörende Perſon an dem Familien - diebſtahl Antheil, ſo iſt ſie nach den gemeinenGrund -313Geſetzl. ausgezeichnete, nicht qual. Diebſt. Grundſätzen des Concurſes zu einem Diebſtahl zu beſtrafen*)L. 36. §. 1. D. de furtis. L. 53. eod..

§. 392.

Bey dem Diebſtahl des Geſindes an ihren Herren iſt verordnet, daſs geringfügige Dieb - ſtähle von dem Herrn der Familie ſelbſt, und nur wichtige Diebſtähle von den Gerichten des Staats beſtraft werden ſollen. Die Art der Beſtrafung iſt nicht angegeben**)L. 11. §. 1. D. de poenis.. Dieſe Be - ſtimmung iſt noch anzunehmen. In Anſehung der öffentlichen Beſtrafung iſt zu unterſchei - den, ob der Hausdieb eine unter einem be - ſtimmten, oder eine unter einem unbeſtimmten Strafgeſetz ſtehende Entwendung begangen hat. Im erſten Fall bleibt es bey der Strafe des Geſetzes; im letzten iſt das Verhältniſs des Diebes zu dem Beſtohlnen, vermöge der ver - letzten Treue, ein Grund der Erhöhung der Strafe.

§. 393.

Noch iſt geſetzlich ausgezeichnet III. die Entwendung an Früchten auf dem Feld. Iſt der Schade nicht beträchtlich, der dem Beſtohlnen dadurch geſtiftet worden iſt, ſo ſoll eine bloſse Privatſtrafe angewendet werden***)P. G. O. Art. 168..

§. 394.314II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Vierte Unterabtheilung. Entwendung durch Verletzung der Perſönlichkeit. Raub.

M. Gottl. Pauli Diſſ. de vera rapinae indole. Vit. 1777.

Leyſer Sp. 539.

§. 394.

Wenn die Verletzung des Rechts an Sachen durch Verletzung der perſönlichen Rechte be - gründet wird, ſo entſteht das Verbrechen des Raubes*)Der Raub wird in die Lehre von der Entwendung gezogen, weil die Entwendung von den Geſetzen als Hauptſache, die Gewalt nur als beſchwerender Nebenpunkt betrachtet wird. Raub (rapina, depraedatio, graſſatio, robbaria) iſt Entwendung durch Gewaltthätigkeit an der Perſon des Beſitzers der Sache, jedoch ohne Verletzung ſeines Lebens**)Ueber den Begriff nach röm. Recht. Vergl. Mat - thaeus de crim. L. XLVII. t. 2. c. 1. §. 1. p. 108. Boehmer ad Art. 126. §. 4.. Sonſt iſt es Raubmord (latrocinium)***)Unterſchied zwiſchen Raub und Straſsenraub. Grundfalſche Begriffe von Raub liefern Carpzov Q. 90. Nr. 3. und Engau el. jur. crim. §. 139..

P. G. O. Art. 126.

§. 395.315Geſetzl. ausgezeichnete, nicht qual. Diebſt.
§. 395.

Der Raub iſt I. eine Art der Entwendung. Es wird alſo vorausgeſetzt 1) diebiſche Abſicht, 2) eine fremde Sache. Wer ſeine eigene Sache, ohne zu wiſſen, daſs ſie ſein iſt, nimmt, iſt eben ſo wenig Räuber, als derjenige, der mit der Ueberzeugung eines Rechtsanſpruchs ei - ner fremden oder eignen Sache mit Gewalt ſich bemächtigt. Dort iſt Conat zum Raube, hier eigenmächtige Selbſthülfe vorhanden*)§. 1. I. de vi bon. rapt. L. 13. D. quod metus cauſa. L. 7. C. unde vi.. 3) Gehört zum Raub eine bewegliche Sache. An einer unbeweglichen Sache wird das Ver - brechen der Gewaltthätigkeit begangen, wenn die Bemächtigung ohne wirklichen oder ver - meintlichen Rechtsanſpruch an die Sache ge - ſchehen iſt**)L. 3. §. 6. ad L. Iul. de vi publica. L. 5. D. ad L. Iul. de vi priv.. 4) Der Akt der Bemächtigung der Sache muſs vollendet ſeyn. Sonſt iſt der Raub blos verſucht.

§. 396.

II. Die Zueignung muſs durch Gewalt an der Perſon des Beſitzers geſchehen ſeyn. Es wird daher erfordert 1) daſs es der Räuber dem Be - ſitzer entweder mechaniſch oder pſychologiſch unmöglich gemacht habe, die Entziehung des Seinen zu vereitlen. Raub kann alſo ge - ſchehen durch Ueberwindung der körperlichen Kräfte des Beſitzers (vis ablativa ſ. abſoluta) oder durch Ueberwindung ſeines Willens durch er -weckte316II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. weckte Furcht vor Uebeln (vis compulſiva)*)Kreſs ad Art. 126. §. 4. Boehmer ad eund. §. 4., Die Drohung muſste aber mit der Gefahr der augenblicklichen Vollziehung derſelben ver - bunden ſeyn**)Weil die Gewaltthätigkeit ſchlechthin zureichen - der Grund der möglichen Beſitzergreifung ſeyn muſs, bey der Drohung entfernter Uebel ſich aber nicht annehmen läſst, daſs der Bedrohte, wenn er ſein Eigenthum hingab, blos durch ſolche entfernte Drohungen, die noch der Hülfe des Staats Raum lieſsen. zur Uebergabe des Seinen bewogen worden ſey. Man muſs hier vielmehr mit allem Grund vermuthen, daſs die Drohung blos Veranlaſſung der Veräuſserung geweſen ſey und noch andere Beweg - gründe den Willen des Beſitzers beſtimmten. Das Gegentheil iſt wohl möglich, daſs es aber exiſtire, kann gar nicht juridiſch erwieſen werden.. Auch dürfen die Drohungen nicht minae juris ſeyn, weil ſonſt die Handlung in ein anderes Verbrechen übergeht***)Kreſs ad h. a. §. 4. * 1..

§. 397.

2) Der Akt der Entwendung ſelbſt muſste erſt durch Gewalt bewirkt und möglich ge - worden ſeyn. Der wirklichen Entwendung muſs alſo die Verletzung des Rechts der Per - ſönlichkeit vorhergehen. Wenn nach vollen - deter Entwendung der Verbrecher ſeine Per - ſon oder die geſtohlne Sache vertheidigt, ſo iſt ein bewaffneter Diebſtahl vorhanden, wenn derVer -317Geſetzl. ausgezeichnete, nicht qual. Diebſt. Verbrecher während der Entwendung ſelbſt ſchon die Waffen führte*)Dadurch beſtimmt ſich der Unterſchied zwiſchen Raub und bewaffnetem Diebſtahl. Vergl hieruber Kreſs ad h. a. §. 4. * 3. Boehmer ad eund. §. 5. Koch l. c. §. 244. Not. 1..

§. 398.

Wer gewaltſam ſeine Sache mit der Sa - che eines andern vertauſcht, iſt vollkommner Räuber, ſobald die Abſicht zu gewinnen vor - handen war**)Boehmer ad Carpzov Q. 91. Obſ. 1. ad Art. 126. §. 12. Koch l. c. §. 243. Ueber das Sprüch - wort: Tauſch iſt kein Raub. vergl. Eiſenhard deutſches Recht in Sprüchwörtern. n. A. S. 464. Hert. paroem. L. 1. par. 97.. Uebrigens kömmt es bey die - ſem Verbrechen weder auf die Perſon an, die es begeht, noch auf den Ort, oder die Art oder den Grad der Gewalt***)Boehmer ad Carpzov Q. 90. obſ. 4..

§. 399.

Strafe. ****)C. G. G. Glave Diſſ. de poena rapinae. Hal. 1771. Beſonders Grolman über die Strafe des Raubes. In d. Biblioth. d. peinl. R. 1. Bd. 1. Stck. Nr. 4.Das römiſche Recht unter - ſcheidet den Räuber ſchlechthin von demjeni - gen Räuber, der auf Landſtraſsen den Raub als Gewerbe treibt (graſſator)†)L. 28. §. 10. D. de poenis. Graſſatores, qui praedae cauſa id faciunt, proximi latronibus haben - tur, et ſi cum ferro aggredi et ſpoliare inſtituerunt,capite Nur dieſerwur -318II Buch. I. Theil. II. Titel II. Abſchnitt. wurde mit dem Tod; jener nach dem Iuliſchen Geſetz gegen die Gewaltthätigkeit beſtraft. Das deutſche Recht des Mittelalters unter - ſchied zwiſchen geſetzmäſsigem und geſetzwi - drigem Raub (depraedatio-rapina) ein Unter - ſchied den der allgemeine Landfriede von 1495 aufgehoben hat. Die Carolina ſanktio - nirt dieſes Reichsgeſetz von neuem und be - ſtraft jeden Räuber (ohne Unterſchied zwi - ſchen rapina und depraedatio) mit dem Schwerd. *)Art. 126. I em ein jeder boshafter überwunde - ner Räuber, ſoll nach vermöge unſrer Vorfahren und unſrer gemeinen kaiſerlichen Rechte mit dem Schwerd oder, wie an jedem Ort in dieſen mit gu - ter Gewohnheit Herkommen iſt, doch am Leben geſtraft werden. Einige nehmen an, Carl habe hier die römiſche Unterſcheidung gebilligt und das Schwerd nur dem graſſator angedroht, wie Struben Thl. I. Bd. 158. Meiſter jun. pr. jur. cr. §. 240. Not. c.) Klein Grundſ. d. p. R. §. 457. Deſſen Annalen Thl. VII. S. 165. ff. Allein die Worte ein jeder, die Vergleichung mit dem Art. 119. der P. G. O. und dem Art. 151. der Bamberg., nebſt anderem beweiſen das Gegentheil. Nach andern berief ſich Carl, blos um der Schwerd - ſtrafe Autorität zu geben. auf das römiſche Recht. vergl. Boehmer ad Carpzov Q. 90. Nr. 12. ad Art. 126. §. 8. Quiſtorp Thl. I. §. 104. Koch l. c. §. 248. ſchol. Aber wozu dieſes Berufen? DadieſeIn dieſer Rückſicht beruft ſie ſich auf die Sa - gen der Vorfahren (Maximilians Landfrie - den) und auf das römiſche Recht.

§. 400.
†)capite puniuntur, utique ſi ſaepius atque in itineri - bus hoc admiſerint, caeteri in metallum dantur, vel in inſulas relegantur.
†)
319Geſetzl. ausgezeichnete, nicht qual. Diebſt.
§. 400.

Es giebt hier ſo wenig beſondere Milde - rungsgründe*)C. F. Hommel Diſſ. de cauſis poenam rapinae capi - talem haud mitigantibus. Lipſ. 1776., als es beſondere Schärfungs - gründe giebt. Die gewöhnliche Art der Schär - fung iſt Schleifung zum Richtplatz oder Flech - ten des Körpers auf das Rad**)An vielen Orten iſt Schwerd mit Flechtung des Körpers auf das Rad poena ordinaria..

Zweyter Unterabſchnitt. Gemeinſchaftliche Verletzung des Rechts an Sachen.
Erſte Abtheilung. Von der Brandſtiftung.

L. Andr. Hamberger Diſſ. II. de incendiis. Ien. 1712. (In deſſen Opusc. Frcf. et Lipſ. 1745. Diſſ. 1.)

Conr. Wilh. Strecker Diſſ. de incendiis. Erf. 1733.

§. 401.

Brandſtiftung (crimen incendii) beſteht in der Anzündung einer Sache, wodurch für vieleLe -*)dieſe Strafe ſchon lange in Deutſchland im Ge - brauch war. Die oben angegebene, von Grol - man zuerſt vorgetragene Meynung, der ſich der Vf. dieſes ſelbſt ehemals widerſetzt hat, iſt die leich - teſte und natürlichſte.320II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Lebensgefahr und Gefahr des Verluſtes ihrer ganzen Habe begründet wird. Das Verbrechen wird daher begangen, wenn eine Sache ange - zündet wird, welche einem Inbegriff menſchlicher Wohnungen das Feuer mittheilen kann.

§. 402.

I. Der unmittelbare Gegenſtand des Ver - brechens iſt eine Sache, gleichviel ob ſie dem Verbrecher ſelbſt oder einem andern gehört*)Klein p. R. §. 490., ob ſie beweglich oder unbeweglich iſt, ob die unbewegliche Sache zur menſchlichen Woh - nung oder zu anderm Gebrauche dient**)Qui aedes acervumve frumenti juxta domum poſitum combuſſerit, vinctus verberatus igni necari jube - tur. Appellatione autem aedium omnes ſpecies aedi - ficii continentur. L. 9. D. de incendio etc.. II. Dieſe Sache muſs mit einem Inbegriffe menſchlicher Wohnungen in einem ſolchen räumlichen Verhältniſſe ſtehen, daſs ſie das an ihr entſtandene Feuer dieſem mittheilen, und dadurch Gefahr für Leben und alles Ei - genthum begründen kann. Wenn eine beweg - liche oder unbewegliche Sache, dieſe ſey nun Wohnung oder nicht, von dem Inbegriff menſchlicher Wohnungen abgeſondert iſt, ſo iſt der volle Begriff der Brandſtiftung nicht vorhanden. Steht ſie aber in dieſem Verhält - niſſe, ſo kömmt es auf die beſondere Beſchaf -fen -321Von der Brandſtiſtung. fenheit der angezündeten Sache nicht an. Wälder, Scheunen, bewegliche Sachen*)Klein p. R. §. 488. ſetzt mit Mehreren den Punkt der Strafbarkeit dieſes Verbrechens blos in die Le - bensgefährlichkeit der That und nimmt darauf keine Rückſicht, ob die Sache einen Inbegriff von Woh - nungen bedroht oder nicht, daher er denn auch auf die bloſse Anzündung eines Schiffs, Poſtwagens etc. weil dieſes menſchliche Auffenthaltsörter ſind, den vollen Begriff der Brandſtiftung für anwendbar hält. Dieſes widerſpricht aber den Geſetzen. Dieſe ſehen auf die Contiguität der angezündeten Sache mit einem Inbegriff menſchlicher Wohnun - gen, ſo, daſs nicht einmal die Anzündung eines bewohnten aber iſolirten Gebäudes den vollen Begriff des Verbrechens ausmacht. Die Worte der L. 9. D. de incendiis. Appeliatione aedium continen - tur ſcheinen zwar das Gegentheil zu erweiſen; aber dieſe Worte ſind aus der L. 28. §. 12. D. de poenis zu erklären, wo man deutlich ſieht, daſs nur die Anzündung eines an mehrere Wohnungen gränzenden menſchlichen Auffenthaltsorts zum Totalbegriff des Verbrechens gehört. Incendiarii capite puniuntur. qui incenderint intra oppidum. Qui vere caſam aut villam aliquo levius. Dadurch wird unſer Begriff des Verbrechens (§. 401.) mit ſeinen Folgerungen in allen Theilen gerechtfertigt..

§. 403.

III. Anzündung der Sache, welche dem Inbegriff von Wohnungen das Feuer mitthei - len kann. In dem Moment, in welchem dieſe Sache Flamme gegeben hat, iſt auch die That vollendet. Daſs ſchon die Flamme eine Woh - nung ſelbſt ergriffen habe, iſt ſo wenig noth - wendig, als daſs die Wohnung oder ein Theilder -X322II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. derſelben niedergebrannt iſt*)L. 9. D. de incendio in den Worten: Qui acer - vum frumemi juxta aedes poſitum. vergl. Boehmer ad Art. 125. §. 1. Klein p. R. §. 490. Deſſen An - nalen Bd XIV. S. 27. Gegen die Geſetze und ge - geh die Natur des Verbrechens iſt es, wenn Grol - man Gr. d. C. R. W. §. 451. Anm. 2. dieſes läug - net.. Wenn aber blos das Materiale gebrannt hat, durch wel - ches das Feuer mitgetheilt werden ſollte, ſo iſt die That noch nicht vollendet, wenn es gleich ſchon mit der Sache vereinigt wor - den iſt.

§. 404.

Die Brandſtiftung iſt entweder dolos oder culpos, jenes wenn die Anzündung der Sache in der Abſicht geſchieht, mit gemeiner Gefahr die Rechte anderer zu verletzen. Wer ſein Eigenthum anzündet, iſt der doloſen Brand - ſtiftung nicht ſchuldig, wenn er nicht zu - gleich die Abſicht hat, daſs ſich das Feuer fremden Wohnungen mittheile**)Io. God. Bauer de ſingulari incendii culpoſi ſpecie. in Opusc. acad. (Lipſ. 1787.) T. I. Nr. 31. pag. 339. Klein a. a. O. §. 490..

§. 405.

Die Strafe der doloſen Brandſtiftung, iſt das Feuer, ohne Unterſchied zwiſchen Brand und Mordbrand***)P. G. O. Art. 125. Die boshaftigen überwun - denen Brenner ſollen mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet werden. . Denn wenn gleich dieſeUnter -323Von der Brandſtiftung. Unterſcheidung ſelbſt vor Carl herkömmlich und geſetzlich war und man hieraus ſchlieſsen könnte, Carl würde beſtimmter geſprochen haben, wenn er dieſen Unterſchied hätte auf - heben wollen, ſo kann dieſes doch darum nicht in Betracht kommen, weil 1) die P. G. O. wie ſich aus der feſtgeſetzten Strafe ergiebt, das R. R. im Blicke gehabt hat*)Die Strafe des Mordbrandes war nemlich im Mit - telalter gewöhnlich das Rad, des Brandes das Schwerd. Sachſenſpiegel. B. II. art. 13. Schwabenſp. C. 114. Carl adoptirt aber das R. R. welches die Feuerſtrafe droht. L. 9. D. de incendio etc. und 2) die Begriffe, welche man mit jener Unterſchei - dung verband, immer von einander abweichen und ſich widerſprechen**)Einige Geſetze verſtehen unter Mordbrand eine Brandſtiftung mittelſt eines Complotts und unter Tumult, andere beſtimmen dieſen Begriff nach der Zeit, wo er geſchehen iſt, andere nach den Gegen - ſtand des Verbrechens, andere nach der Triebfeder deſſelben u. ſ. w. S. Walch Gloſsarium voc. Bren - ner. p. 242 247. Boehmer h. a §. 5. Theo - dorici crim. C. VII. aph. 8. lit. c. Die Prakti - ker wollen nur bey dem Mordbrand das Feuer, bey der einfachen Brandſtiftung Schwerd. Quiſtorp Thl. I. §. 198. Andere ſind mit Recht dagegen. Berger El. jur. crim. C. II. membr. 3. §. 14. Ley - ſer Sp. 541. m. 11. 13..

§. 406.

Ein conatus proximus der Brandſtiftung iſt vorhanden, wenn die Materie, welche den Brand erregen ſollte, ſchon an Ort und Stelle gebracht, aber durch äuſſere UrſacheX 2die324II. Buch. I. Theil. II Titel. II. Abſchnitt. die wirkliche Anzündung der Sache verhindert worden iſt. Er muſs mit dem Schwerd, als einem mit der Strafe der Vollendung im nächſten Grad ſtehenden Uebel belegt werden*)Unterſcheidet man, mit der Praxis, zwiſchen Brand und Mordbrand, ſo würde der conatus proximus des Mordbrands mit dem Schwerd, der conatus proximus der Brandſtiftung mit ewigem Gefängniſs beſtraft werden müſſen. Den ent - fernteren Verſuch muſs, nach Verſchiedenheit der Nähe oder Entfernung deſſelben von der Hauptthat, Gefängniſs, Staupbeſen etc. tref - fen.

§. 407.

Nicht jede culpoſe Brandſtiftung wird be - ſtraft. Nur culpa lata, wenn durch ſie wirk - lich fremdes Eigenthum verletzt worden iſt, kann einer öffentlichen Strafe unterworfen werden**)L. 11. D. h. t. Si fortuito incendium factum ſit, venia indiget: niſi tam lata culpa fuit, ut luxuria et dolo ſit proxima.. Die culpa lata wird, wenn ein groſser Schade daraus entſtanden iſt, mit Ru - thenzüchtigung im Gefängniſs oder vor Ge - richt***)Nicht wohl Staupbeſen. Unſer Staupbeſen iſt viel härter, als die fuſtigatio der Römer, deren die Ge - ſetze hier erwähnen. oder auch mit Gefängniſs und öffent - lichen Arbeiten auf beſtimmte Zeit†)Meiſter praktiſche Bemerkungen Thl. II. B. 23. beſtraft. Auf325Von der Brandſtiftung. Auf einen durch culpa lata geſtifteten gerin - gern Schaden folgt gerichtlicher Verweis*)L. 3. §. 1. D. de off. praef. vigilum. Quia ple - rumque incendia culpa fiunt inhabitantium, Prae - fectus vigilum aut fuſtibus caſtigat eos, aut ſevera interlocutione comminatus, fuſtium caſtigationem remittit. L. 28. §. 12. D. de poenis. L. 9. D. de in - cendio..

§. 408.

Die Strafe muſs gemildert werden, wenn der Grund des Geſetzes entweder gar nicht, oder doch nicht vollkommen exiſtirt. Dies iſt der Fall, wenn entweder gar keine oder doch nur eine ganz entfernte Gefahr für einen Inbegriff menſchlicher Wohnungen vorhanden iſt**)L. 28. §. 12. D. de poenis.. Der aus dem Verbrechen entſtandene wirkliche Schade hat ſo wenig, als thätige Reue nach vollendetem Verbrechen auf die Strafbarkeit Einfluſs***)Die gewöhnlich angenommenen Milderungsgrün - de S. bey Kreſs u. Boehmer ad h. Art..

Zweyte326II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyte Abtheilung. Von verurſachter Ueberſchwemmung.
§. 409.

Eine vorſätzlich bewirkte Ueberſchwemmung[mittelſt] Durchſtechung von Dämmen hat mit der Brandſtiftung ſelbſt in Anſehung der Ge - fährlichkeit und des Gegenſtandes Aehnlichkeit. Sowohl das Vermögen, als das Leben von Men - ſchen kömmt dadurch in Gefahr. Nach Particu - largeſetzen wird daher dieſe Handlung als be - ſonderes Verbrechen betrachtet*)z. E. Preuſs. Geſetzb. Thl. II. tit. 20. Abſchn. 16. §. 1571 1577. Aber nach gemeinem Recht kann dieſe Handlung, weil uns beſondre für uns anwendbare Geſetze mangeln**)Gewöhnlich führt man L. 10. D. de extraordinariis criminib. u. die L. un. C. de Nili aggeribus non rumpen - dis. an. Dieſe Geſetze ſind aber ganz local und blos eingeſchränkt auf die Nilüberſchwemmungen. Es ſollen, nach der L. un. C. cit. die Nildämme nicht durchſtochen werden, ehe das Waſſer 12 Ellen an dem Nilmeſſer geſtiegen iſt und wer praeter jus praeterque morem antiquitatis dagegen handelt, ſoll mit dem Feuer beſtraft werden. Man ſieht aus dem Ganzen, daſs nicht die Gefahr für Eigenthum undLeben, nur nach den Grundſätzen vondem327Verletzung des Rechts aus Verträgen. dem damnum injuria datum oder dem Verbre - chen der Tödung beurtheilt werden*)Klein peinl. Recht. §. 496..

Dritter Unterabſchnitt. Individuellgefährliche Verletzung des Rechts aus Verträgen.
Erſte Abtheilung. Verletzung der Verträge auf Treue und Glauben.
§. 410.

Da Rechte aus Verträgen hauptſächlich durch Entziehung der verſprochenen Leiſtung ver - letzt werden, wo phyſiſcher Zwang der Rechtsverletzung zuvorkommen, oder, wenn ein wirklicher Schade entſtanden iſt, durch Zwang zum Erſatz den vorigen Zuſtand wie - der herſtellen kann (§. 13.); ſo iſt eine Vertrag brechende Handlung in der Regel nicht mit Strafen bedroht. Aber theils wegen der Wich - tigkeit des Gegenſtandes, theils wegen der Leichtigkeit eine Verletzung zu begehen, oderder**)Leben der Menſchen, ſondern die Rückſicht auf die Befruchtung des Landes, welche durch früheres Durchſtechen gefährdet wird, das Daſeyn jenes Ge - ſetzes begründete.328II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. der Schwierigkeit, ſie zu entdecken und der Gefahr eines unerſetzlichen Verluſtes, theils aber auch wegen der Gröſse des zum Grunde liegenden böſen Willens, die durch Täuſchung eines beſondern Zutrauens bewieſen wird, ſind vier Verträge von dieſer Regel ausgenom - men.

§. 411.

Dieſe Verträge ſind 1) der Bevollmächti - gungsvertrag, 2) der Niederlegungsvertrag, 3) der Quaficontract der Vormundſchaft, und 4) der Geſellſchaftsvertrag. Die Perſon, wel - che durch dieſe Verträge zunächſt und unmit - telbar verpflichtet iſt, (gegen welche die actio directa Statt findet) wird wegen einer dolo - ſen Verletzung dieſer Verbindlichkeit ehrlos*)L. 1. L. 6. §. 5. u. 6. D. de bis qui not. infam.. Bey dem Geſellſchaftsvertrag iſt gegenſeitige Verbindlichkeit vom Anfange an vorhanden: die vorige Beſtimmung gilt daher von den Ge - ſellſchaftsgliedern gegenſeitig**)Mündlich von der Frage; ob auch den mandans die Ehrloſigkeit treffe. Vereinigung der L. 6. §. 5. mit §. 7. ae bis qui not, inf.. Die Ehrlo - ſigkeit iſt nothwendige Folge der durch ein richterliches Urtheil erklärten Unredlichkeit.

§. 412.

Iſt die Treuloſigkeit der Perſon von der Art, daſs ſie eignen Strafgeſetzen unterworfen iſt, wie bey der Unterſchlagung des anvertrau -ten329Verletzung des ehel. Vertrags. Ehebruch. ten Gutes (§. 358.) und der Entwendung einer gemeinſchaftlichen Sache (§. 355.) ſo iſt ſie nicht als bloſse Verletzung eines Vertrags auf Treu und Glauben zu betrachten, ſondern nach dem Begriff und den Grundſätzen des ſchwereren Verbrechens zu beurtheilen.

Zweyte Abtheilung. Verletzung des ehelichen Vertrags.
Erſte Unterabtheilung. Vom Ehebruch.

G. A. Kleinſchrod obſervationes ad L. Iul. de adul - teriis coercendis. Wirceb. 1795.

Deſſen Beyträge zur Lehre vom Ehebruch. In den Ab - handl. aus dem peinl. Recht und peinl. Proceſs. II. Bd. Nr. X. (Iſt die Ueberſetzung von der angeführten Diſſertation.)

§. 413.

Durch den Ehevertrag, der ein zweyſeitiger, eine gleiche Geſellſchaft begründender Vertrag iſt, erwerben ſich beyde Theile das Recht auf den ausſchlieſslichen naturgemäſsen Gebrauch der Geſchlechtstheile. Dieſes Recht heiſst das Recht auf eheliche Treue, und die Verletzung deſſelben durch Beyſchlaf Ehebruch (adul -ter -330II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. tertium)*)Adulterium (non adulterare, corrumpere) bedeutet im Röm. Recht nicht blos Ehebruch, ſondern wird in ſo weitem Sinne gebraucht, daſs es ſowohl das ſtu - prum als den Ehebruch in ſich begreift. Dies be - merken ſelbſt die Geſetze L. 6. §. 1. D. ad L. Iul. de adulteriis. L. 101. pr. D. de V. S. Inter ſtuprum et adulterium hoc intereſſe quidam putant, quod adulterium in nuptam, ſtuprum in viduam com - mittitur. Sed lex Iulia de adulteriis hoc verbo indiffe - renter utitur.. Dieſer wird daher begangen durch fleiſchliche Vermiſchung einer verheiratheten Perſon mit einer andern, mit der ſie nicht verhei - rathet iſt.

L. XLVIII. tit. 5 Dig. L. IX. tit. 9. Cod. L. V. tit. 16. Decretal. Greg. IX. P. G. O. Art. 120.

§. 414.

Des Ehebruchs iſt daher ſchuldig I. die un - verheirathete Perſon, die mit der verheirathe - ten concumbirt, ſie mag nun eine Mannsper - ſon oder eine Weibsperſon ſeyn**)Das Gegentheil behaupten Engelhard allg. peinl. R. §. 355. u. Kleinſchrod a. a. O. §. 14.; II. die ver - heirathete Perſon ſelbſt, die mit der dritten con - cumbirt, und zwar 1) ſowohl der Ehemann***)Nach römiſchem Rechte nicht, wenn die Weibs - perſon ledig war. Nur der Mann hatte das jue thori. L. 6. §. 1. L. 34. D. ad L. Iul. de adult. L. 18. C. cod. L. 225. de V. S. Dieſelbe Vorſtellungsart haben alle Völker, bey denen das Weib entweder Sklavin iſt oder ſich doch in einem an Sklavereygrän -, als auch 2) die Ehefrau, denn beyde Theileſind331Verletzung des ehel. Vertrags. Ehebruch. ſind nach heutigem Recht zur ehelichen Treue gegenſeitig verpflichtet .*)Nach dem Canoniſchen Recht. c. 3. C. 32. q. 4. c. 15. C. 32. q. 5. Non moechaberis, id eſt, ne quisquam praeter matrimonii ſui foedera aliis faeminis mis - ceatur ad explendam libidinem. Nam ſpecialiter adulterium facit, qui praeter ſuam ad alteram accedit. cf. Bochmer I. E. P. Tom. V. Lib. V. tit. 10. §. 16. ſqq. So auch die P. G. O. Art. ′120. cf. 10. God. Bauer pr. de adulterio cum ſoluta commiſſo ejusque poena. Lipſ. 1762. In ejusd. Opusc. Acad. T. I. Nr. 32. p. 343..

§. 415.

Zum Thatbeſtand des Ehebruchs gehört I. ein ſchon wirklich abgeſchloſſener Ehever - trag. Bloſse Sponſalien begründen noch keine Verbindlichkeit zur ehelichen Treue. Von Braut oder Bräutigam und mit ihnen wird kein Ehebruch begangen**)Das quaſiadulterium hat keinen Grund in den Ge - ſetzen. L. 11. §. 7. ſagt: Quaerebatur: an jure ma - riti poſſit accuſare vir eam faeminam, quae cum ei deſponſa fuiſſet, alii in matrimonium a patre fuiſſet iradita? Reſpondit: novam rem inſtituere hujusmodi ac - cuſatorem exiſtimo, qui adulterii crimen objicere deſide - rat propter hoc tantum, quod priori ſibi deſponſa puella a patre in matrimonium alii fuiſſet tradita. Das quaſta - dulterium gründet ſich auf ein Miſsverſtändniſs der L. 13. §. 3. D. h. t. in welcher aber vom adulterium in weitem Sinn des Iuliſchen Geſetzes geredetwird.. II. Die Ehe muſs recht -lich***)gränzenden Zuſtande befindet. Vergl. Michaelis moſaiſches Recht. Thl. V. §. 259. Feuerbachs Criminaljurispradenz des Corans. In der Bibl. des peinl. R. S. 184 ff.332II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. lich gültig ſeyn. Bey einer nichtigen Ehe iſt dieſes Verbrechens unmöglich*)Das Gegentheil meynt Matthacus de crim. L. XLVIII. lit. 3. C. 1. Nr. 7. aus einer irrigen Erklä - rung der Worte uxor injuſta in L. 13. §. 1. D. h. t. Unter uxor injuſta verſtehen einige eine Concubine. cf. Ramos del Manzano ſchediasma de concubi - nis. c. 1. Nr. 12. (in Meermann theſ. T. V. pag. 554.) vergl. auch Kleinſchrod a. a. O. §. 7..

§. 416.

III. Zur Zeit des begangenen Beyſchlafs muſste noch die eheliche Vereinigung fort - dauern. Bey einer durch Scheidung getrenn - ten Ehe läſst ſich kein Ehebruch denken**)Anders bey der Scheidung von Tiſch und Bett. cf. Fr. Leb. Stolz Diſſ. de poena concubitus a per - ſonts per divortium ſolutis commiſſi. Lipſ. 1736.. Ue - brigens iſt es für den Begriff des Verbrechens gleichviel, ob die Ehefrau als Hure lebt, oder nicht***)L. 13. §. 2. D. h. t. Mündlich über die Ausglei - chung derſelben mit der ſcheinbar widerſprechen - den L. 22. C. eod. Den Stoff zur Vereinigung dieſer Geſetze liefert L. 10. D. h. t. Tacitus Annal. L. II. c. 83. Sueton Tiber. C. XXXV. Vergl. Matthaeus de crim. l. c. Nr. 5. et 6. Kleinſchrod a. a. O §. o. und die angeführte Recenſion der A. L. Z. a. a. O. S. 353. f., ob der Gatte in den auſserehelichenBey -**)wird. Eine andre, aber unhaltbare Interpretation giebt Kleinſchrod a. a O. §. 10 11. vergl. des Verf Recenſion des Bd. II. der Kleinſchrodi - ſchen Abhandl. in der A. L. Z. 1800. Nr. 45. S. 354. f.333Verletzung des ehel. Vertrags. Ehebruch. Beyſchlaf willige, oder nicht*)Die Regel des §. 40. kann hier nicht zur Anwen - dung kommen, weil der Ehegatte durch eine ſolche Erlaubniſs das lenocinium begeht (L. 2 §. 4. 5 h t.); eine ſolche, eine Uebertretung enthaltende Erlaub - niſs aber keine rechtlichen Folgen haben kann. Conſumirt wird der Ehebruch erſt mit Einlaſſung des Saa - mens**)cf. Bochmer ad Carpzov Q 61. obſ. 1. Struben Thl. III Bed. 24. Bauer progr, de ve - ritate criminis perpetrati corpus delicti vocart ſolita in adulterio. Lipſ. 1739. In Opusc. T. I. Nr. 30. Zur Anwendung der privatre[c]htlichen Folgen des Ehebruchs iſt die immiſſio ſeminis nicht nothwen - dig. cf. Rivinus pr. de adulterio. p. 1. ſq..

§. 417.

Der Ehebruch iſt in Rückſicht der durch die Handlung begründeten Rechtsverletzung entweder doppelter Ehebruch (adulterium duplica - tum, Oberhurer[e]y) wenn beyde concumbirende Theile das Recht auf eheliche Treue zweyer ver - ſchiedener Subjecte verletzen; oder einfacher Ehe - bruch, wenn in der Handlung beyder blos die Verletzung dieſes Rechts in Einer Perſon ent - halten iſt. Bey jenem müſſen[daher] beyde Concumbenten, bey dieſem darf nur Einer verheyrathet ſeyn.

§. 418.

Der Ehebruch kann ſo gut aus Culpa, als aus Dolus begangen werden***)L. 12. et 43. D. h. t. Nov. 117. C. 11.. Der doloſe Ehebruch ſetzt, vermöge des Begriffs von Do -lus,334II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. lus, das Bewuſstſeyn der Perſon voraus 1) daſs ſie mit der andern Perſon, mit welcher ſie concumbirt, nicht in der ehelichen Geſell - ſchaft lebe, 2) das Bewuſstſeyn, daſs ſie ſelbſt oder der andere Theil in einer gültigen und noch fortdauernden Ehe lebe. Zum culpoſen Ehebruch wird 1) der Mangel eines der vorher - gehenden Requiſite, 2) das Verſchulden dieſer Unwiſſenheit, (alſo error oder ignorantia vinci - bilis) erfodert. Unverſchuldeter Irrthum be - gründet ein caſuelles Verbrechen und hebt alle Strafbarkeit auf*)L. 12. pr. D. h. t.. Beyde Theile können im Dolus oder in Culpa ſeyn: es iſt aber auch Culpa von der einen, und Dolus blos von der andern Seite; oder keins von beyden auf der einen und Verſchulden durch Dolus oder Culpa auf der andern möglich.

§. 419.

Strafe**)I. P. Ludewig (resp. Lengnich) Diſſ. de ori - gine et progreſſu poenae adulterorum apud Romanos. Hal. 1740. Chr. God. Hoffmann Diſſ. de diſſenſu jurium in puniendo adulterii crimine. Francf. ad Viad. 1727. recuſ. 1740.. Das römiſche Recht***)Nov. 134. C. 10. Von der Strafe des Ehebruchs nach der Lex Iulia. Paulus R. L. L. II. tit. 26. §. 14. (Bey Schulting jurispr. antej. pag. 231.) cf. E. Fr. Haupt Diſſ. de poena adulterii ex Lege Iulia de coercendis adulteriis. Lipſ. 1798. droht dem Ehebrecher die Strafe des Schwerds, der Ehebrecherin Verſtoſsung in das Kloſter nach vorgängiger Ruthenzüchtigung, doch ſo daſs ſie der Ehegatte innerhalb zwey Jahren zurück -fodern335Verletzung des ehel. Vertrags. Ehebruch. fodern kann*)Von dem Verluſt des Heirathsguts und der Wi - derlage. c. 4 X. de donat. inter virum et ux. Nov. 117. c. 9. Iſt dieſe durch die Nov. 134. aufgeho - ben? dies glaubt Kleinſchrod a. a. O. §. 17. Dagegen die angef. Recenſion der A. L. Z. S. 356. u. 357.. Die Carolina**)Art. 120. (1.) So ein Ehemann einen andern um des Ehebruchs willen, den er mit ſeinem Ehe - weib vollbracht hat, peinlich beklagt und das überwindet, derſelbige Ehebrecher ſammt der Ehebrecherin ſollen nach Sage unſrer Vorfahren und unſern kaiſerlichen Rechten geſtraft werden. (2.) Item daſs es auch gleicherweiſs in dem Fall, ſo ein Ebeweih ihren Mann, oder die Perſon, damit er Ehe - bruch vollbracht hätte, beklagen will, gehalten wer - den ſoll. beſtätigt durch ihr Berufen auf das röm. Recht***)Nach Andern ſoll ſich Carl auf das deutſche Recht berufen. cf. Koch inſt. jur. crim. §. 310. Not. 3. dieſe Ver - ordnung ſowohl bey dem Ehebruch der Gattin, als auch des Ehemanns†)Die Meynung älterer Praktiker iſt, daſs Beyſchlaf des Ehemannes mit einer Ledigen, blos als ſtuprum. an dem Manne mit dem Staupbeſen, doppelter Ehebruch an beyden Theilen mit dem Schwerd, ein - facher Ehebruch eines ledigen Mannes mit einer Ehefrau an jenem mit dem Schwerd, an dieſer mit Staupbeſen beſtraft werden ſoll. Kreſs ad h. a. §. 3. Nach andern (z E. Meiſter jun. pr. jur. cr. §. 276. ſoll, den deutlichen Worten des Artikels zuwider, der Beyſchlaf des Ehemannes mit einer Ledigen willkührlich beſtraft werden Ueber die Meynung Böhmers (ad Carpzov Q. 53. obſ. 1.) nach welcher Carl den von Iuſtinian be - ſtimmten Unterſchied in Beſtrafung der Manns - u. Weibsperſonen aufgehoben haben ſoll, vergl. Koch l. c.. An die Stelle derVer -336II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Verſtoſsung in das Kloſter müſste heut zu Tage Zuchthaus treten, ſo daſs wir, nach den Geſetzen, folgendermaſsen ſtra - fen müſsten: I. Schwerd bey der Mannsper - ſon, ſie ſey ledig und concumbire mit einer Ehegattin, oder ſey Ehegatte und concumbire mit einer ledigen Perſon. II. Zuchthaus mit Willkomm ſowohl dem Eheweib als der ledi - gen Weibsperſon, die mit einem Ehemanne concumbirt.

§. 420.

Häuliches Glück iſt die Stütze des Staats, Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der bürgerlichen Geſellſchaft. Darum ſcheint Todesſtrafe in zweckmäſsigem Verhältniſs mit dem Ehebruch zu ſtehen. Aber Ehebruch ſetzt ſchon Störung der häuslichen Ordnung voraus, und nicht die Unterlaſſung der äuſſern Handlung des Ehebruchs, ſondern häuslicher Sinn und gegenſeitige Hingebung der Gemü - ther, welche durch keine Strafe erzwungen werden kann, iſt jene Grundſäule des Staats. Todesſtrafe iſt daher hier zwecklos. Nur kann die Unklugheit der Geſetzgeber nicht die zahl - loſen Milderungsgründe rechtfertigen*)Beſonders auf Leyſers Anſehen Sp. 576. werden hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen: I. Erhöhte Schwäche der menſchlichen Natur. Daher ſoll die Strafe mildern 1) lange Abweſenheit des Ehegatten 2) das Alter deſſelben 3) Haſs gegen ihn, 4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung dereheli -, dieman337Verletzung des ehel. Vertrags. Ehebruch. man zur Umgehung des Geſetzes, und zu Be - gründung einer blos willkührlichen Beſtrafung, welche die Praktiker behaupten*)Auf die R. P. O. v. I. 1548. tit. 25. §. 2. und 1577. tit. 26. §. 2. kann man ſich nicht, wie gewöhnlich, berufen, um dieſer Praxis Sanktion zu geben. wenn ſie gleich ſagen, daſs, Ehebrüche ernſtlich an Leib und Gut nach Gelegenheit der Perſonen ge - ſtraft werden ſollen. Unter Leib iſt auch Todes - ſtrafe begriffen; Gut bezieht ſich auf den Ver - luſt des Heirathsguts u. ſ. w. und nach Gelegen -heit, erfunden hat.

§. 421.
*)ehelichen Pflicht, (Troppaneger Diſſ. de miti - ganda adulterii poena ob deneg. deb. conjug. Lipſ. 1745.) 6) Bösliche Deſertion des beleidigten Ehe - gatten. 7) eine während der Ehe entſtandene Im - potenz des Beleidigten (Püttmann adverſ jur. L. II. c. 22.) Il. Begünſtigung der Ehe überhaupt und des beleidigten Ehegatten insbeſondere. Dahin ge - hört 1) wenn der ehebrecheriſche Theil nun in ei - ner zweyten Ehe lebt, 2) Einwilligung des Ehegat - ten in den Ehebruch, 3) Verzeihung des beleidig - ten Theils, angeblich wegen Nov. 134. c. 10. ſelbſt wenn der eheb echeriſche Gatte ſie nicht annehmen will (Ludovici de interceſſione innocent. §. 13. Mich. Henr. Gribner Diſſ. de interceſſione con - jugum in delictis carnis inprimis. Viteb. 1711. Wern - her Diſſ. de crimine adulterii non tranſigibili. Lipſ. 1706.) Man nimmt hier ſowohl eine ausdrückliche, als auch eine ſtillſchweigende und eine höchſtlä - cherliche präſumirte Einwilligung an. Zu die - ſen Gründen kommt noch Compenſation (Weſt - phal Criminalrecht Anm. 74.) Vergl Pütt - mann de cauſſis nonnullis adult. poenam mitig. ſpuriis. Lipſ. 1776. Koch inſt. jur. crim. §. 317 319.
*)
Y338II. Buch. I. Theil. II. Titel II. Abſchnitt.
§. 421.

Damit nicht die Auſſöhnung wegen eines begangenen Ehebruchs verhindert und nicht der häusliche Friede, vielleicht auf bloſsen Verdacht eines Fremden geſtört werde, ſo er - lauben die Geſetze nur dann einen Criminal - proceſs wegen begangenen Ehebruchs, wenn der beleidigte Theil oder einer der nächſten Anverwandten deswegen Anklage erhoben hat*)L. 30. C. ad L. Iul. de adulteriis. vergl. mit L. 11. §. 10. L. 26. D. ad L. Iul. de adulteriis.. Dies beſtätigt auch die P. G. O.**)P. G. O. Art. 120. Daſs die Worte ſo ein Ehe - mann beklagt Eheweib beklagt blos enunciativ zu nehmen ſeyen, wie Boehmer ad Art. 120. §. 8. glaubt, hat keinen Grund. vergl. Klein - ſchrod a. Abhandl. §. 22., ob - gleich die ältere Praxis dieſes nicht anerken - nen will***)Leyſer Sp 575. m. 11. Boehmer ad Carp - zov Q. 51. obſ. 1..

§. 422.

Dem Ehemann giebt das römiſche R. die Gewalt, den in ſeinem Hauſe auf der That ertappten Ehebrecher zu tödten. Der Vater der Ehebrecherin, wenn dieſe noch in ſei -ner*)heit der Perſonen bezieht ſich auf den Unterſchied zwiſchen Manns und Weibsperſonen. Ueber die Praxis überhaupt. vergl. Leyſer Sp. 576. m. 1. Carrach rechtl. Urtheile u. Gutachten. Nr. 83. 85. u. 88. Cramer obſ. jur. T. III. obſ. 894. T. IV. Obſ. 1164. Weſtphal a. a. O. Anm. 70. Quiſtorp Thl. I. §. 459.339Verletzung des ehel. Vertrags. Ehebruch. ner väterlichen Gewalt ſich befindet, hat das Recht, ſeine Tochter und mit ihr den Ehebre - cher zu tödten, ſowohl wenn er ihn in ſei - nem, als auch wenn er ihn in ſeines Schwie - gerſohns Hauſe ertappt. An dem Verbrecher allein kann er ſich durch den Tod nicht rächen, aber wohl allein an ſeiner Tochter*)L. 20. 21. 22. 23. 24. 32. D. h. t. G. Tob. Schwendendörfer Diſſ de jure occidendi prehen - ſum in adulteriio filiae et uxoris quatenus patri et marito competit. Lipſ. 1712.. Dieſel - ben Grundſätze beſtätigt die P. G O., ohne die Strafloſigkeit der Tödung des Ehebrechers auf den höchſten Grad des Affects einzuſchrän - ken**)Art. 142. zählt zu den Fällen der ſtrafloſen - dung: So einer einen unkeuſchen Werk halben bey ſeinem ehelichen Weib, Tochter oder andern böſen ſträflichen Uebelthaten fände, und darum gegen denſelben Uebelthäter tödlich Handlung, Zwang oder Gefängniſs, wie die Rechte zulaſſen, fürnähme. Wie leicht ſich doch offenbare Irr - thümer in eine Wiſſenſchaft einſchleichen können! Alle Rechtslehrer behaupten jetzt, das im röm. R. ertheilte Recht der Tödung ſey durch die P G. O. aufgehoben und Carl rede blos von dem Fall der Tödung in der höchſten Hitze des Zorns. cf. Weſtphal Grundſ. der Beurtheilung der aus Hitze des Zorns unternommenen Handlungen. C. 2. §. 5. ff. Der Grund ſoll darin liegen, weil nur die Bamberg. Art. 145. von einer ſolchen Tödung des Ehebre - chers ſpricht. Allein 1) die Worte der P. G. O. reden unbedingt und erwähnen nirgends, auch nur mit einer Sylbe des Affects, als Entſchuldigungs - grundes; 2) da in der Bamb. und den Projecten blosdie.

Y 2§. 423.340II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyte Unterabtheilung. Vielfache Ehe.

Chr. Thomaſius Diſſ de crimine bigamiae et de bi - gamiae praeſcriptione. Lipſ. 1685. rec. 1749.

A. Fr. Schott Diſſ. de poena bigamiae ordinaria. Lipſ. 1771.

I. E. Eſchenbach Diſſ. de poena bigamiae. Roſt. 1787.

I. G. Gonne von dem Unterſchied der Caroliniſchen und Bamberg. P. G. O. in Beſtrafung der zwiefachen Ehe. In Schotts juriſt. Wochenbl. I. B. S. 513. ff.

Grolman über die Strafe der Bigamte. In d. Bibl. d. peinl. R. I. Bd. 1. Stck.

§. 423.

Die vielfache Ehe beſteht in einer Ver - letzung des Rechts auf eheliche Treue durch Voll -ziehung**)die Tödung des Ehebrechers oder der Ehebreche - rin im Affect für ſtrafbar erklärt, dieſes aber in der Carolina geändert worden iſt, ſo iſt dieſes hier ein deutlicher Beweis, daſs Carl die Grundſätze der Bamb. nicht anerkennen wollte. Es konnte die Worte der Bamb. nicht etwa ausſtreichen weil ſie ſich von ſelbſt verſtünden (denn das iſt wegen der Verordnung des röm. Rechts gar nicht der Fall), er ſtrich ſie allo aus und redete unbedingt, weil er das Gegentheil wollte. Ueber unſre Criminaliſten! Die -341Verletzung des ehel. Vertrags. Bigamie. ziehung einer neuen Ehe. Sie heiſst Bigamie, wenn der Uebertreter zu gleicher Zeit in zwey verſchiedenen Ehen lebt. Es enthält dieſes Verbrechen eine dreyfache Uebertretung, nämlich: die Verletzung des Privatrechts auf eheliche Treue, eine Verletzung der Ehegeſetze des Staats, weil die Form der Ehe zu einem geſetzwidrigen Zweck miſsbraucht wird, und endlich einen Betrug, weil der Ehebruch un - ter dem täuſchenden Schein einer rechtlichen Verbindung verborgen wird*)Dies beſtimmt den Sinn der Worte betrüglicher Weiſe in dem angef. Artikel der P. G. O. vergl. Grolman Grundſ. d. C. R. W. §. 546. Entgegen - geſetzte Meynungen ſ. b. Koch l. c. §. 243. Schol..

P. G. O. Art. 121.

§. 424.
**)Dieſelben Rechtslehrer nehmen an andern Orten an: wo etwas von der Bamberg. in der Carolina aus - gelaſſen iſt, da will Carl die Bamberg. nicht gel - ten laſſen; hier ſollen die Grundſätze der Bamber - genſis gelten. weil ihre Verordnung in der Caro - lina ausgeſtrichen iſt; 3) Carl beruft ſich ausdrück - lich auf das gemeine Recht in den Worten: wie die Recht zulaſſen. Unter dieſen Rechten konnte er doch wahrlich nicht die Bambergenſis verſtehen. Wie ungereimt! ein Reichsgeſetz beruft ſich, um ſeiner Verordnung Sanktion zu geben, auf eine in einem Winkel von Deutſchland geltende Gerichts - ordnung. Das Carl ſich auf das Röm. R. bezieht, ſieht man daraus, daſs er hier auch von der - dung der Tochter, von der Gefangennehmung des Ehebrechers etc. ſpricht. Davon findet ſich keine Sylbe in der Bambergenſis, auf die ſich hier die P. G. O. beziehen ſoll: aber wohl das römiſche Recht redet davon überall ausführlich.
**)
342II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
§. 424.

Das Verbrechen ſetzt voraus I. eine noch fortdauernde rechtlich gültige Ehe. Wer nur erſt verlobt iſt*)Crimen binorum ſponſaliorum., wer in einer rechtlich ungülti - gen Ehe lebt, weſſen Ehe durch Scheidung oder durch den Tod wieder getrennt iſt**)Bigamia ſucceſſiva., wird durch Eingehung einer zweyten Ehe nicht dieſes Verbrechens ſchuldig. Ob der frühere Ehegatte einwillige oder nicht, ändert hier eben ſo wenig, als bey dem Ehebruch***)Dagegen Klein peinl. R. §. 388.. II. Die Handlung, durch welche das Verbre - chen begangen wird, beſteht in der Vollzie - hung einer neuen Ehe. Es müſſen alſo 1) die zur Gültigkeit des Ehecontrakts erfoderlichen Sollennitäten beobachtet****)Vom Pellicat., 2) die Ehe muſs durch Beyſchlaf, und zwar mit Einlaſſung des Saamens, wirklich conſummirt worden ſeyn†)Weil die Bigamie eine Art des Ehebruchs iſt. §. 416..

§. 425.

Auch hier ſind, wie beym Ehebruch, ſo - wohl die verheirathete, als unverheirathete Perſon des Verbrechens ſchuldig††)Dagegen Klein p. R. §. 386., und die Beſtimmungen in Anſehung des Dolus und der Culpa beym Ehebruch (§. 420.) finden auch hier vollkommen Anwendung. Da der Staatnur343Verletzung des ehel. Vertrags. Bigamie. nur die einfache Ehe als rechtlich anerkennt, ſo iſt jeder im Staat den Geſetzen der Bigamie unterworfen, ſelbſt wenn die Grundſätze ſei - ner Religion ihm die Polygamie erlaubten*)Auch hiergegen Klein a. a. O. §. 385..

§. 426.

Strafe**)Art. 121. Item ſo ein Ehemann ein ander Weib. oder ein Eheweib einen andern Mann in Geſtalt der heiligen Ehe bey Leben des erſten Ehegeſellen nimmt, welche Uebelthat denn auch ein Ehebruch und gröſser denn daſſelbige Laſter iſt, und wiewohl die kaiſerlichen Rechte auf ſolche Uebeltbat keine Strafe am Leben ſetzen; ſo wollen wir doch, welcher ſol - ches Laſters betrüglicher Weiſs, mit Wiſſen und Willen Urſache giebt und vollbracht, daſs die nicht weniger denn die Ehebrüchigen peinlich geſtraft werden ſollen. vergl. Bamb. Art. 146. Man ſieht. die Perioden ſind hier verworren; der obige Sinn aber liegt klar vor Augen.. Das römiſche Recht betrach - tet die Bigamie wie Ehebruch***)L. 11. §. 12. D. ad L. Iul. de adulteriis. L. 18. C. cod., weil aber Carl, nach einem damals allgemeinen Irr - thum, glaubte, daſs das römiſche Recht hier gelinder ſey, ſo bemerkt er die Unſchicklich - keit dieſer vermeintlichen Dispoſition, erklärt, daſs genau genommen Bigamie ſogar noch ſtrafbarer ſey, als Ehebruch, und ſetzt daher dieſes Verbrechen in der Beſtrafung dem Ehe - bruche gleich****)Die Praktiker nehmen eine willkührliche Strafe an (Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 283. Qui - ſtorp Thl. I. §. 471.) ſo wie ſie auch dieſelbenMil -. Er erklärt es für ſtrafba -rer,344II. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. rer, nur um die groſse Inconſequenz des röm. Rechts zu zeigen; er ſtraft es aber nicht här - ter, weil es ihm das Anſehen des römiſchen Rechts nur erlaubte, aus Principien dieſes Ge - ſetzbuchs ſelbſt einen offenbaren Irrthum deſ - ſelben zu verbeſſern, vielleicht auch, weil er die Strafe des Ehebruchs ſchon für hart genug hielt, als daſs er dieſelbe noch hätte überſtei - gen können*)Ieder Geſetzgeber, welcher geringere Verbrechen mit der höchſten Strafe bedroht, ſetzt ſich auſser Stand, bey gröſsern Verbrechen die gehörige Pro - portion zu beobachten..

Anm. Vergl. die angeführte Grolmaniſche Abhand - lung.

Zweyter Theil. Von vagen gemeinen Verbrechen.

§. 427.

Die vagen Verbrechen theilen ſich in formelle und materielle. Jene fodern zum Thatbeſtande weder ein beſtimmtes Object, noch einen be - ſtimmten geſetzwidrigen Effect, noch einen geſeztlich beſtimmten Zweck der Perſon, und werden blos durch die Form der Handlungſelbſt****)Milderungsgründe, wie beym Ehebruch, anneh - men. cf. Koch l. c. §. 331. Nach andern ſoll hier Manns - und Weibsperſon mit dem Schwerd beſtraft werden.345Materielle vage Verbrechen. Kinderausſ. ſelbſt zur Uebertretung; dieſe fodern zwar ei - nen beſtimmten Gegenſtand, aber die Ver - letzung ſelbſt iſt nicht beſtimmt, indem die Uebertreibung in denſelben bald eine wirkliche Rechtsverletzung iſt, bald nicht, und in jenem Falle die Verletzung verſchiedener Rechte in dem Begriff des Verbrechens enthalten iſt.

Erſter Titel. Materielle vage Verbrechen.

Erſter Abſchnitt. Kinderausſetzung.

Ier. Zange Diſſ. de expoſitione infantum ejusque poen[a]veteri. Gieſſ. 1713.

Rud. Chriſt. Henne Diſſ. de expoſitione infantum. Erf. 1756.

§. 428.

Kinderausſetzung (expoſitio infantum) iſt die durch Aeltern, auf eine nicht unmittelbar töd - liche Art begangene Weglegung unerwachſener Kinder an einen nicht nothwendig tödlichen Ort, wo ſie der Hülfe der Eltern entzogen ſind. *)P. G. O. Art. 132.Er - wachſene Kinder, die ohne älterliche Hülfe ihre Exiſtenz behaupten können, ſind keinGe -346II. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. Gegenſtand dieſes Verbrechens. Das Leben des Kindes wird zwar durch Ausſetzung im - mer gefährdet und das Verbrechen bleibt in ſeinem Begriff, wenn auch das Kind durch Auſſetzung in eine dringende Lebensgefahr gerathen ſollte. Wenn aber entweder die Art der Weglegung ſelbſt eine an ſich tödliche Handlung iſt, oder wenn das Kind nach der Natur des Orts (falls nicht zufällige auſſeror - dentliche Umſtände dieſes hindern) das Leben verlieren muſste, ſo ſteht die Handlung unter dem Begriff von Tödung. *)Die Facultät zu Halle nannte es Kinderauſſetzung, als eine Mutter ihr neugebohrnes Kind in einen vier - zehn Schuh tiefen Abtritt geworfen hatte. Man leſe dieſes in Kleins Rechtsſprüchen der Halliſchen Iuriſtenfacultät. Bd. IV.

§. 429.

War die Auſſetzung Urſache von dem Tode des Kindes, ſo geht ſie in das Verbre - chen der Tödung über, und muſs, wenn die Abſicht auf Tödung gerichtet war, wie Mord, wenn eine andere Abſicht zum Grunde lag, wie eine aus culpa dolo determinata begangene Tödung beſtraft werden. Blieb das Kind beym Leben und geſchah die Auſſetzung nicht um das Kind zu tödten, ſo iſt die Strafe blos will - kührlich; bey entgegengeſetzter Abſicht ſind die Grundſätze von unternommener Tödung anzuwenden. **)P. G. O. Art. 132. nebſt Boehmer ad h. a.

  • 1. Von den Gründen der Vermuthung für oder gegen den animus occidenti.
  • 2. Von der Verbindlichkeit der Ernährung eines Find - lings.
§. 430.347Materielle vage Verbr. Abtreib. d. Foetus.
Zweyter Abſchnitt. Abtreibung der Leibesfrucht.

I. H. Boehmer Diſſ. de caede infantum in utero. Hal. 1732. rec. 1740. (et in Exerc. ad D. Tom. VI. Ex. 99.)

Chr. L. Lieberkühn Diſſ. de erimine procurati abortus. Hal. 1772.

§. 430.

Das Verbrechen des Abtreibens (abortus procuratio) beſteht in der verſchuldeten zu früh - zeitigen Abſonderung eines nicht lebensfähigen Embryo. *)P. G. O. Art. 133.Zum Thatbeſtande des Verbre - chens gehört alſo 1) eine Handlung, welche die zureichende Urſache von der Abſonderung eines Embryo war, 2) daſs dieſe Abſonderung vor der Zeit geſchah, welche die Natur zur Geburt eines reifen Kindes beſtimmt hat und endlich 3) daſs der Embryo auſſer der Mutter ſein Leben nicht fortſetzen konnte.

§. 431.

Dieſes Verbrechen kann begangen wer - den I. als bloſse Läſion des werdenden Men - ſchen, wenn nämlich die Mutter ſelbſt oder eine andre mit ihrem Willen die Frucht ab -treibt.348II. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. treibt; II. als Läſion der Perſönlichkeit der Mutter und des werdenden Menſchen zugleich, wenn die Abtreibung von einer andern Perſon wider Willen der Mutter geſchehen iſt. Das Abtreiben ſelbſt kann ſowohl durch äuſ - ſere Einwirkung auf den Fötus nach mechani - ſchen, als auch durch innerliche Einwirkung auf denſelben nach chemiſchen Geſetzen er - folgen*)Vergl. Ploucquet über d. gewaltſamen Todesar - ten. S. 387. ff. Metzger gerichtl. Arzneyw. n. A. S. 255. ff..

§. 432.

Auch der Embryo iſt ein Menſch**)Nicht nach Röm. R. L. 9. D. ad L. Falc. L. 2. D. de mort. infer. L. 1. §. 1. D. de inſpic. ventre. Nur dann wurde daher die Abtreibung beſtraft, wenn dadurch der Ehemann der Hofnung, Vater zu wer - den, beraubt wurde. L. 4. D. de extraord. crimin. L. 39. D. de poenis. L. 8. D. ad L. Corn. de Sicar. und wenn gleich der Staat nicht verpflichtet iſt, ihn zu ſchützen, ſo iſt er doch berechtigt, ſich in ihm einen künftigen Bürger zu erhal - ten. Die Geſetze ſtrafen daher ſeine Ver - letzung und unterſcheiden zwiſchen der Ab - treibung eines ſchon belebten und eines noch unbelebten Fötus (f. animatus ſ. ſormatus non - dum animatus ſ. non formatus). In jenem Falle ſoll doloſe Abtreibung mit dem Schwerd an einem Manne, mit dem Ertränken an einer Weibsperſon; im letzten Falle aber willkünr - lich beſtraft werden***)P. G. O. Art. 133..

§. 433.349Materielle vage Verbrechen. Abtreib. d. Foetus.
§. 433.

Unter einem belebten Fötus können wir uns nicht mit Carl einen Fötus denken, in dem ſchon eine menſchliche Seele iſt; noch können wir den von den Gloſſatoren als Zeitpunkt der eigentlichen Beſeelung erträumten Zeitraum von 40 Tagen nach der Empfängniſs aufnehmen, weil die letzte Vorſtellungsart, welche die erſte näher beſtimmen müſste, ſo ungereimt iſt, als dieſe*)Die Geſchichte dieſer Ungereimtheiten, die zuletzt in der falſchen Ueberſetzung von Exod XXI, 22. durch die Septuaginta ihre Quelle haben, wird er - zählt von Boehmer Diſſ. cit. §. 24. ſqq. und C. F. Walch Diſſ. de genuino fonte diſtinctionis inter foetum animatum et inanimatum in Nemeſi Carolina. Art. 131. adbibitae. Ien. 1768. (abgedruckt in deſſen Opusc. T. III.) Beyde ſind excerpirt von Koch inſt. jur. crim. §. 481 83., ſondern wir können uns unter einem belebten Fötus nur einen ſolchen denken, der ſchon durch Muskularbewegung äuſſere Zeichen des thieriſchen Lebens gegeben hat**)Klein peinl. R. §. 359. Auf die Hälfte der Schwangerſchaft iſt dieſes aber nicht gerade mit dem Sachſenrechte einzuſchränken. Grolman C. R. W. §. 443..

§. 434.

Wegen der Schwierigkeit, den Thatbe - ſtand zur Gewiſsheit zu bringen, kann die ordentliche Strafe wohl nie ausgeübt werden. In dem Geſetz, welches das Verbrechen des Abtreibens begründet, iſt zugleich die Tödung lebensfähiger Kinder im Mutterleib für Ver -bre -350II. Buch. II. Theil. I. Titel. III. Abſchnitt. brechen erklärt*)Die Worte der P. G. O. gehen auf beydes. Die Tödung nichtlebensfähiger Kinder rechnet der Vf., vermöge des Begriffs von Kinderabtreibung, zu dieſem Verbrechen.. Hier hat der Thatbeſtand, beſonders wenn das Kind in der Geburt ge - tödtet worden iſt, geringere Schwierigkeiten und da muſs ohne Zweifel die ordentliche Strafe eintreten.

Dritter Abſchnitt. Sträfliche Unfruchtbarmachung.
§. 435.

Die Zerſtörung des Fortpflanzungsvermö - gens eines Menſchen (ſterilitatis procuratio) wird nach einer Fiction der Geſetze als eine wirk - liche Tödung der künftig zu erzeugenden Menſchen betrachtet**)c. 9. C. 32. q. 2. c. 5. X. de homicid. . Sie kann geſchehen an Männern und ſoll auch geſchehen können an Perſonen weiblichen Geſchlechts***)P. G. O. Art. 133..

§. 436.

Das Geſetz****)P. G. O. ang. Art. vergl. L. 4. §. 2. D. ad L. Corn. de Sic. L. 1. C. de eunuch. Nov. 142. droht in beyden Fällen die Todesſtrafe und wenn gleich der wahrſchein -liche351Formelle vage Verbrechen. Crimen vis. liche Grund deſſelben ungereimt iſt, ſo kann doch die Verordnung ſelbſt durch willkührli - ches Berufen*)Kreſs ad h. a. §. 4. Boehmer ad Carpzov Q. 11. obſ. 9. Grolman C. R. W. §. 444. auf einen angeblichen unbe - zweifelten Gerichtsbrauch nicht ausgelöſcht werden. Die Ausmittelung des Thatbeſtandes in Rückſicht auf Perſonen männlichen Ge - ſchlechts iſt leicht und die That, wenn ſie an andern Perſonen verübt wird, bleibt immer ein höchſt ſtrafbares Verbrechen.

Zweyter Titel. Formelle vage Verbrechen.

Erſter Abſchnitt. Verbrechen, welche durch Gewalt begangen werden.
Erſte Abtheilung. Von dem eigentlichen Verbrechen der Gewaltthätigkeit (crimen vis.)
§. 437.

Das Verbrechen der Gewaltthätigkeit (cri - men vis) bedeutet im röm. R. jede rechtswi - drige Anwendung körperlicher Kräfte zur Ueberwindung eines Hinderniſſes in einerPer -352II. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Perſon oder Sache*)L. 1. et 2. D. quod metus cauſa. und begreift ſelbſt alle benannten Verbrechen, welche durch Anwen - dung phyſiſcher Gewalt geſchehen**)Raub, Nothzucht, Tumult, Entführung, zum Theil auch Brandſtiftung etc. ſind darunter begrif - fen. S. L. 3. 5. 6. 7. 8. 10. D. ad L. Iul. de vi publ. et priv. . Allein dieſe letzten wurden durch ſpätere Geſetzge - bungen beſonders ausgezeichnet und müſſen dadurch aufhören, blos als ſpecies von dem crimen vis behandelt zu werden. Unter dem Verbrechen der Gewaltthätigkeit kann daher heut zu Tage nur diejenige rechts - widrige Anwendung phyſiſcher Kräfte verſtanden werden, welche nicht in ein beſonderes, benann - tes Verbrechen übergeht. Uebrigens kann die - ſes Verbrechen ſowohl 1) an Perſonen, als auch 2) an Sachen begangen werden,

§. 438.

Die Römer unterſcheiden zwiſchen öffent - lichen Gewaltth. (vis publica) und zwiſchen Privatgewaltthätigkeiten (vis privata) und be - ſtraften jene mit dem Exil***)L. 10. §. 2. D. de vi publ. , dieſe mit der Confiscation des dritten Theils des Vermögens und der Unfähigkeit zu Staats - und Ehrenäm - tern****)L. 1. pr. D. ad L. Iul. de vi privata. . Da aber die Grenzen zwiſchen der öffentlichen und Privatgewaltthätigkeit unbe - ſtimmt ſind, mithin die geſetzliche Voraus - ſetzung zu dieſen beſtimmten Strafen unbe -kannt353Unbeſtimmte Verbrechen. Gewaltthätigkeit. kannt iſt*)S. Matthaeus de crim. L. XLVIII. tit. 4. c. 1. Voet. Comm. h. t. Boehmer ad Carpzov Q. 40. obſ. 1., ſo ſind dieſe Verordnungen als nnbeſtimmte Srafgeſetze zu betrachten. Die Strafe iſt demnach willkührlich.

§. 439.

Die Strafe der Gewaltth. kann eine kurze Gefängniſs - oder Geldſtrafe nicht überſteigen, wenn nicht wegen beſonderer Gründe die Strafbarkeit erhöht iſt. Zu dieſen Gründen der Straferhöhung gehört 1) die Eigenſchaft der Perſon, welche die Gewaltth. ausübte. Oeffentliche Perlonen find ſtrafbarer, als an - dere**)L. 7. D. de vi P., 2) die Art, wie die Gewaltth. began - gen wurde***)L. 1. 3. u. 9. D. eod.. 3) Der Gegenſtand, an wel - chem ſie begangen wurde, wenn öffentliche Perſonen, die unmittelbar im Dienſte des Staats ſind, den Gegenſtand des Verbrechens ausmachen****)L. 7. in ſin. L. 10. pr. eod.. Dahin gehören obrigkeitliche Perſonen und Miniſter des Regenten, vorzüg - lich während der Ausübung ihres Amtes b) Diener obrigkeitlicher Perſonen, in ſo fern ſie zur Vollſtreckung ihrer öffentlichen Befehle beſtimmt ſind. c) Soldaten, wenn ſie auf ih - ren Poſten ſind, beſonders in Kriegszeiten. 4) Die beſondere Beſchaffenheit des Orts, an welchem und in welchem die Gewaltth. began -genZ354II. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. gen wird. Dahin gehören alle Orte, welche in dem beſonderen Schutze des Staats ſte - hen, nämlich a) die Wohnung eines jeden Bürgers (Hausfriede) b) jeder Ort, in wel - chem öffentliche, auf den Staat ſich beziehende Handlungen vorgenommen werden. c) Die Wohnung des Oberherrn (Burgfriede)*)D. Winkler pr. de violatae domus dominicae Jecu - ritate. In Opusc. min. Vol. I. P. 1. p. 184. ſqq.. d) Der Verſammlungsort einer im Staate herr - ſchenden Religionsparthey.

Zweyte Abtheilung. Von dem Landfriedensbruch.
§. 440.

Landfriedensbruch (crim. fractae pacis publicae) iſt eine vorſätzliche Störung der allge - meinen Rechtsſicherheit in Deutſchland durch eine, von zuſammengerotteter, bewaffneter Mann - ſchaft begangene Gewaltthätigkeit, an einer Per - ſon, die dem zwingenden nicht unterworfen iſt**)Die hierher gehörenden Geſetze ſind der Landfr. Max. I. von I. 1495. Lanafr. von 1521. Landfr. von 1548. u. R. A. v. I. 1594..

Anm. Von der Verletzung des Religionsfriedens.

§. 340.355Unbeſtimmte Verbrechen. Landfriedensbruch.
§. 441.

Zum Thatbeſtande gehört 1) wirkliche Ge - waltthätigkeit. Durch Drohungen wird kein Landfriedensbruch vollendet. Welchen Ef - fect aber die Gewalt hatte, und ob ſie zunächſt am Eigenthum oder an den Perſonen verübt wurde, ob an einzelnen oder an einer Gemein - heit*)Dagegen Boehmer ad Art. 129. C. C. §. 4. Quiſtorp Thl. I. §. 170., iſt gleichviel. An Perſonen derſelben Gemeinheit und in dem Gebiete derſelben kann aber dieſes Verbrechen nicht begangen wer - den, ſondern die Gewalt geht hier in andre Verbrechen über. **)Dagegen Boehmer l. c.2) Rechtswidrige Gewalt - that. Ausgeſchloſſen iſt daher Gewalt zur Selbſtvertheidigung gegen einen gegenwärti - gen Angriff oder eine das Recht ſonſt gefähr - dende Handlung.

§. 442.

3) Die Gewalt muſs durch eine zuſam - mengerottete Menge begangen ſeyn. Wie viele? dazu gehören, kann keine allgemeine Regel entſcheiden. ***)R. A. 1594. §. 69.Einer allein begeht das Verbrechen nicht. 4) Dieſe Mehreren müſſen ſich abſichtlich und mit Ueberlegung zur Ge - waltthat vereinigt haben oder von einem Drit - ten vereinigt worden ſeyn. Dadurch iſt Ge -Z 2walt -356II. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. waltthätigkeit bey einem plötzlich entſtande - nen Streite ausgeſchloſſen*) freventlich gefährlich wiſſentlich R. A. 1495. tit. 1. §. 1..

§. 443.

Es wird 5) bewaffnete Mannſchaft erfo - dert**) Mit gewehrter Hand und gewaltiger That fre - ventlich R. A. 1548. princ. . Alle Inſtrumente, welche eine Kör - perverletzung bewirken können, ſind unter Waffen begriffen. 6) Der Gezwungene darf nicht mit dem Zwingenden im Verhältniſſe ei - nes Unterthans ſtehen. Gegen den Oberherrn, der rechtswidrige Anſprüche gegen Untertha - nen unterſtützt, giebt es nur mandata cum und ſine clauſula.

§. 444.

Die Strafe der Reichsunmittelbaren iſt die Reichsacht, und wer Friedbrecher begün - ſtigt, ſoll mit 2000 Mark feinen Goldes ge - ſtraft werden***)Landfr. 1548. tit. 2. 3. Herr Klein ſagt im peinl. R. §. 482. Die Strafe für unmittelbare Reichsſtände iſt nach dem R. A. von 1548. eine Geldbuſse von 2000. Mark, und gegen andre das Schwerdt. Beynahe ſo viel offenbare Fehler als Worte, wie jeder weiſs, der dieſen R. A. geleſen hat.. Mittelbare Friedbrecher werden mit dem Schwerd geſtraft†)P. G O. Art. 128. u. 129. Nach dem Landfrieden von 1521. iſt auch bey dieſen die Strafe der Acht anerkannt..

Anm. Von dem angeblichen beſondern Verbrechen der Wegelagerung. Der Landzwang gehort zu den Polizeyverbrechen.

§. 445.357Verbr. durch Täuſchung eines andern.
Zweyter Abſchnitt. Verbrechen durch Täuſchung eines andern.
Erſte Abtheilung. Fälſchung und Betrug überhaupt.

Leyſer Sp. 615.

Kleinſchrod über den Begriff und die Erforderniſſe des Verhrechens der Verfälſchung. In Klein’s und Kleinſchrods Archiv. II. Bd. 1ſtes Stck. Nr. 6.

Io. Chriſt. Francke Diſſ. de judicio falſi ejusque in vindicatione limitibus. Viteb. 1799.

§. 445.

Das Verbrechen der Fälſchung überhaupt beſteht in einer abſichtlich bewirkten rechtswidri - gen Täuſchung Anderer*)Es iſt dieſes im Weſentlichen der Begriff des Paullus Rec. Sent. L. V. tit 25. §. 3. Falſum eſt, quidquid in veritate non eſt, ſed pro vero ad - ſeveratur. Die gewöhnliche Definition der Rechtslehrer, die auch nach Kleinſchrod l. c. angenommen hat, iſt viel zu dunkel und unbe - ſtimmt..

§. 446.

Zum Thatbeſtand des Verbrechens gehört I. eine in andern bewirkte objectiv falſche Vor -ſtel -358II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. ſtellung. Dieſes geſchieht ſowohl 1) negativ, wenn man einem Andern ein mögliches Object der Erkenntniſs zum Nachtheil ſeiner Rechte entzieht (die Wahrheit unterdrückt), hiermit alſo die Vorſtellung, als wenn jenes Object nicht exiſtire, in ihm erhält: als auch 2) po - ſitiv, wenn man irrige Vorſtellungen, welche er noch nicht hat, in ihm erweckt (die Wahr - heit verändert). *)L. 16. §. 2. D. de L. Corn. de falſis. Sed et cae - teros, qui in rationibus, tabulis, litteris publicis, aliave qua re, ſine conſignatione falſum fecerunt; vel, ut verum non appareat, quid celaverunt, ſubripue - runt, ſubjecerunt, reſignaverunt: eadem poena af - fici ſolere, dubium non eſt.

§. 447.

II. Der Irrthum muſste zum Nachtheil der Rechte eines Andern geſchehen ſeyn; es muſste alſo die Täuſchung entweder 1) eine wirkliche Verletzung der Güter, welche den Gegenſtand ſeiner Rechte ausmachen, (alſo einen wirkli - chen Schaden) bewirkt haben, oder 2) es muſste jemand ſonſt ein vollkommnes Recht haben, die Unterlaſſung der Handlung zu fo - dern, welche die falſche Vorſtellung bewirkt**)Das röm. R. fodert zum Falſum weiter nichts, als daſs dadurch den Rechten eines andern entgegen gehandelt werde, der Effect des Falſi mag nun ein wirklicher Schade ſeyn, oder nicht. Dies beweiſst L. 6. u. L. 27. §. 2. D. ad L. Corn. de Ealſ. und mehrere andere Geſetze, in welchen Falſa vorkom - men, die zwar Rechten anderer widerſprechen, aber doch niemanden eigentlich ſchaden. Wer ſichfälſch -. Eine359Verbr. durch Täuſchung eines andern. Eine bloſse Lüge iſt daher kein Verbrechen, wenn nicht der Andere (wie die Obrigkeit bey - ausdrücklicher Aufforderung der Auſſage eines Bürgers) aus beſondern Gründen ein Recht auf die Wahrhaftigkeit des Auſſagenden hat, oder kein Nachtheil an den Gütern einer Per - ſon entſtanden iſt. Daher auch die Unterdrü - ckung eines falſchen Documents kein Falſum ſeyn kann, weil aus einem ſolchen niemand Rechte abzuleiten vermag. *)L. 38. §. 6. D. de poenis. Aus demſelben Grund flieſst auch die Entſcheidung der L. 1. C. de ſtellio - natu. Bezahlt der Schuldner den Pfandgläubiger. ſo hört ſein Recht auf die verpfändete Sache auf und iſt alſo durch neue Verpfändung derſelben nicht lädirt.

§. 448.

III. Dolus: die täuſchende Handlung muſste mit dem Bewuſstſeyn dieſer Eigen - ſchaft und mit dem Bewuſstſeyn der Strafbar - keit begangen worden ſeyn. Ein culpoſes Fal - ſum, obgleich an ſich denkbar, widerſpricht den Geſetzen**)L. 1. pr. L. 2. 3. D. und L. 20. C. h. t. L. 3. pr - D. ſtellionatus. P. G. O. Art. 113. u. 114. in denWor. Es mangelt alſo der Begriffdes**)fälſchlich für einen Adlichen ausgiebt. ſchadet nie - manden, aber er verletzt das Recht des Staats, ver - möge welches er fodert, daſs niemand ſich die Rechte eines höhern Standes beylege, als wem ſie wirklich nach den Geſetzen des Staats zukommen. Die Rechtslehrer, welche durchaus einen geſtifteten Schaden erfodern, wie Kleinſchrod l. c. §. 9. und viele ältere Criminaliſten ſcheinen mir im Grund daſſelbe anzunehmen und nur in dem Aus - druck zu irren.360II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. des Verbrechens 1) wenn der Handelnde nicht weiſs, daſs er in andern eine ſolche Vorſtel - lung bewirke und alſo das, was er für wahr ausgiebt, ſelbſt für Wahrheit hält: 2) wenn er zwar die betrügeriſche Handlung mit dem Bewuſstſeyn der Betrügerey unternimmt, aber ihm das Bewuſstſeyn der poſitiven Straf - barkeit derſelben mangelt*)Eine Ausnahme hiervon enthält L. 15. pr. D. h. t. u. L. 3. C. de bis, qui ſibi adſcribunt. . Auf die Trieb - feder zur Handlung, mag dieſe Eigennutz, oder was ſonſt ſeyn, kömmt es nicht an.

§. 449.

Das Falſum iſt vollendet, ſobald die Rechtsverletzung, welche zum Effect des Falſi gehört, wirklich exiſtirt. Dies iſt der Fall 1) bey negativen Fälſchungen, ſobald als das Object der möglichen Erkenntniſs dem andern wirklich entzogen worden iſt, dieſe Unter - drückung mag nun fortdauern oder gehoben werden. 2) Bey poſitiven Fälſchungen, ſobald die Handlung, welche die Täuſchung bewir - ken muſste, mit dem Effect der Rechtsver - letzung geſchehen iſt.

§. 450.

Die Fälſchung überhaupt enthält als Arten I. die Fälſchung im engern Verſtande, Täu - ſchung durch Veränderung der Merkmale einerSache**)Worten: Item welcher böslicher und betrüglicher Weiſe etc. 361Verbr. durch Täuſchung eines andern. Sache| zum Nachtheil der |Güter eines andern*)Klein p. R. §. 468. unterſcheidet zwar dieſen Begriff vom Betrug, nimmt ihn aber zu weit und beſtimmt ihn zu vag., Dahin gehört vorzüglich 1) Verfälſchung der Waaren, 2) der zum wechſelſeitigen Verkehr geſetzlich beſtimmten Maaſse**)L. 32. §. 1. D. h. t. P. G. O. Art. 113. R. P. O. v. I. 1548. u. 1577. tit. 16.. 3) Die Verfäl - ſchung an ſich gültiger Documente, durch Hinzuſetzen, Ausſtreichen u. ſ. w. ***)L. 2. D. h. t. Qui teſtamentum deleverit, in - terleverit. L. Corn. poena damnatur, L. 16. §. 2. eod. L. 16. pr. eod. Verfälſchung der Edicte.II. Der Betrug, wenn die Täuſchung auf eine andere Art, als durch Verfälſchung einer Sache geſche - hen iſt. Dies geſchieht vornehmlich 1) durch täuſchende Veränderung der wahren Merk - male einer Perſon****)Unterſchiebung eines Kindes. L. 13. §. 1. L. 20. §. 1. D. h. t. Beylegung eines falſchen Namens. L. 13. pr. D. eod. Wer ſich einen falſchen Stand beylegt. L. 27. §. 2. D. eod. L. un. C. ad L. Viſel - liam. L. 1. C. Si ſervus aut libert. ad decur. , 2) durch den Gebrauch†)L. 2. D. eod. qui teſtamentum falſum recitaverit dolo malo. L. 27. §. 2. eod. L. 4. C. ſireus vel accu - ſator. oder die[Verfertigung] einer Sache††)Verfertigung falſcher Teſtamente. L. 1. pr. L. 2. L. 29. h. t. Verfertigung falſcher Siegel. L. 30. pr. D. eod. P. G. O. Art. 112. Verfert. anderer falſcher Documente durch Nachahmung der Hand - ſchrift des andern. L. 23. D. eod., welche den Schein einer andern an ſich trägt, 3) durch unwahre Auſſagen oder täuſchende Handlun -gen,362II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. gen, welche zwar nicht eine falſche Verände - rung des perſönlichen Zuſtandes enthalten, aber doch den Rechten eines andern wider - ſprechen*)Richter, die gegen die Geſetze ſprechen. L. 1. §. 3 h. t. Wer eine Sache mehrmals verkauft, weil er hier jeden glanben macht, daſs die Sache in ſein Eigenthum übergehe. L. 21. D. eod. Betrügeriſche Verletzung des Pfandrechts eines andern. L. 1. C. de ſtellionat. Wer fälſchlich von einer Sache etwas ausſagt und dadurch Recht verletzt. L. 1. §. 2. D. de pignorat. act. Wer ein ihm in depoſitum gege - benes Document einem Gegner verräth. L. 1 §. 6. D. h. t. weil durch ſeine Handlung die Ueberzeu - gung des Doponenten, daſs jener die Sache treulich bewahre, zur Unwahrheit wird; wer ein falſches Zeugniſs ablegt u. ſ. w. Viele andere ſpecielle Handlungen müſſen aus dem allgemeinen Begriff abgeleitet werden..

  • 1. Von dem falſum improprium oder quaſi - falſum.
  • 2. Ueber den Unterſchied zwiſchen falſum und ſtel - lionatus. S. Leyſer Sp. 557. Diſſ. de crimine ſtellionatus. Lipſ. 1770. Koch l. c. §. 532.
§. 451.

Nach gemeinem Recht iſt jede Fälſchung im weitern Sinne ein Verbrechen**)L. 3. §. 1. ſtellionatus. Stellionatum autem objici poſſe his, qui dolo quid fecerunt, ſciendum eſt: ſci - licet ſi alind crimen non ſit, quod objiciatur. Quod enim in privatis judiciis eſt de dolo actio, hoc in crimi - nibus ſtellionatus perſecutio., wenn gleich die P. G. O.***)Art. 112. u. 113. nur von einigen der gefähr -lich -363Verbr. durch Täuſchung eines andern. lichſten Arten dieſes Verbrechens handelt. Die Strafe iſt willkührlich, doch ſo, daſs auch die Todesſtrafe ausdrücklich gebilligt worden iſt, wenn 1) das Verbrechen wiederholt, 2) die objective Verletzung beſonders groſs iſt und 3) ein beſonders hoher Grad ſubjectiver Ille - galität des Verbrechens entweder aus der Art der Handlung ſelbſt oder aus andern Grün - den erkannt wird*)Verbis Art. 113. und es möchte ſolcher falſch, als oft, gröſslich und boshaftig geſchehen, daſs der Thäter zum Tod geſtraft werden ſoll. Remus paraphraſirt nicht ganz recht: Nam ſi diu ſatis, et in magni pretii mercimoniis falſum dolo malo commiſerit, non injuſtum neque legibus contra. rium erit, talem falſarium capitis damnari. Beyſpiele von Fälſchern, die mit dem Tode beſtraft wurden, ſ. bey Berger El. crim. P. II. obſ. 58. u. 59.. Dieſe Vorausſetzung iſt da, wenn der Verbrecher aus innerem An - trieb, ſey es um eigennütziger oder anderer Zwecke willen, durch ſein Falſum entweder den öffentlichen Glauben, oder wirkliche Güter der Privatperſonen, ſie mögen nun äuſ - ſere oder innere Güter ſeyn, auf unerſetzliche Art mehrmals verletzt hat. Fälſchungen, wel - che keine eigentlichen Güter verletzen, ſon - dern nur ſonſt den Rechten anderer widerſpre - chen, ſteigen nie bis zur Todesſtrafe**)Meynungen anderer Rechtslehrer, ſ. bey Koch l. c. §. 539..

Zweyte364II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyte Abtheilung. Von den qualificirten Fälſchungen.
§. 452.

Unter der Fälſchung |überhaupt ſind einige Arten begriffen, welche die Geſetze ausge - zeichnet und qualificirt haben. Dahin gehört 1) der Meineid, 2) die Grenzverrückung, 3) die Prävarication, 4) die Calumnie, 5) die Concuſ - ſion, 6) zum Theil des Falſchmünzen. Von dem letzten muſste unter den Staatsverbrechen gehandelt werden, weil der Hauptpunkt bey dieſem Verbrechen die Verletzung der Staats - gewalt iſt. Die Requiſite der Fälſchung über - haupt ſind auch Requiſite der benannten Fäl - ſchung.

§. 453.

A. Meineid. Imweitern Sinn beſteht die - ſes Verbrechen in der Verletzung einer Verbind - lichkeit, welche erfüllen zu wollen oder erfüllt zu haben, eine Perſon durch einen Eid verſichert hat. *)Ueber den Begriff und die Natur des Eides. S. Schmidt Phiſeldeck über den Eid. Helmſtädt. 1798 §. 2. u. 3. Beſonders Ioh. Ernſt. Chr. Schmidt Gedanken über den Eid. In GrolmansMaga. Es zerfällt I. in den Meineid im en -gern365Verbr. durch Täuſchung eines andern. gern Verſtande (pejeratio), die Verletzung der durch einen Eidſchwur beſtärkten Verbindlich - keit, die Wahrheit von einem vergangenen Factum auszuſagen. Dieſe Verletzung des aſſertori - ſchen Eides ſetzt voraus 1) eine objectiv falſche Auſſage, verbunden 2) mit dem Bewuſstſeyn der Unwahrheit derſelben ſubjective Falſch - heit der Auſſage). II. In den Eides - bruch (perjurium in ſpecie) die Verletzung einer durch Eidſchwur beſtärkten Verbindlichkeit zu einer künftigen Leiſtung. Dieſe Verletzung des pro - miſſoriſchen Eides geſchieht 1) durch Nichtlei - ſtung der verſprochenen Handlung, voraus - geſetzt, 2) daſs ſie wiſſentlich und abſichtlich nicht erfüllt wurde.

P. G. O. Art. 107.

§. 454.

Jeder Meyneid im weitern Sinne ſetzt voraus I. einen feyerlichen, unter Autorität der Staatsgewalt abgelegten Eid. Das Verbrechen iſt daher nicht begründet, 1) durch bloſse feyerliche Privatverſicherungen (Verwün - ſchungen, Schwüre etc.)*)Boehmer ad Art. 107. §. 5.; 2) durch feyerliche unter Autorität der Staatsgewalt abgelegte Ver - ſicherungen an Eides Statt**)1) Handſchlag an Eidesſtatt. 2) Verſicherung bey Adlichen Ehren und Treuen. Boehmer l. c. §. 1. Aus -, 3) durch Eide,die*)Magazin für die Philoſophie des Rechts. Nr. 3. und Grolman noch ein paar Worte über den Eid. Eben - daſelbſt Nr. 4.366II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. die nicht nach den Religionsbegriffen des Schwörenden abgelegt worden ſind, weil hier eigentlich gar kein Eid vorhanden iſt*)Vom Iudeneid. S. Carl Antons Einleitung in die jüdiſchen Rechte, dabey vom Iudeneid gehandelt wird, wie ſolchen eine chriſtliche Obrigkeit abnehmen kann. Braunſchweig. 1756.. 3) Bey Eidſchwüren ſolcher Perſonen, die ent - weder überhaupt**)Kinder, Unmündige, Gemüthskranke u. ſ. w. oder zur Zeit des Eid - ſchwurs keine Einſicht in die Grundſätze ihrer Religion oder in die Wichtigkeit des Eides haben.

§. 455.

II. Eine vollkommne Verbindlichkeit, wel - che durch Handlungen des Schwörenden ver - letzt worden iſt. Wenn alſo 1) vom Anfang an keine Verbindlichkeit vorhanden iſt, und die Bedingungen nicht exiſtiren, unter wel - chen der Eid eine urſprünglich nicht vorhan - dene Verbindlichkeit begründet***)Nach dem Grundſatz des canoniſchen Rechts: omne jus jurandum ſervandum eſt, quod ſalva ſa -lute oder 2) dieanfangs**)Ausgenommen iſt die Verſicherung der Mennoniten bey Mannen Wahrheit, deren Verletzung wie Mein - eid zu beſtrafen iſt, vermöge des Viſitationsſchluſ - ſes vom 13. Oct. 1768. Wann bey dem kayſer - lichen R. C. G. Mennoniſten Recht nehmen oder ſuchen, derſelben Angelobung bey Mannenwahr - heit als ein Eid anzunehmen auch bey ſich ergebendem Falle als ein Meineid zu beſtrafen. S. Viſitationsſchlüſſe die Verbeſſerung des Kaiſerl. R. C. Gerichtl. Iuſtiz - weſens betr. Lemgo 1779. p. 86.367Verbr. durch Täuſchung eines andern. anfangs exiſtirende Verbindlichkeit aufgelöſt worden iſt*)Koch inſt. jur. crim. §. 446. ſo iſt kein Meyneid möglich.

§. 456.

Strafe. Die P. G. O.**)Art. 107. Item (I.) welcher vor Richter oder Ge - richt einen gelehrten Meineid ſchwört, (1) ſo derſelbe Eid zeitlich Gut anbetrift, das in des, der alſo fälſch - lich geſchworen Nutzen kommen, der iſt zuför - derſt ſchuldig, wo er das vermag, ſolch fälſchlich abgeſchworen Gut dem Verletzten wieder zukeh -ren, welche römiſcheVer -***)lute aeterna ſervari poteſt. Es begründet daher keinen Meineid die Verletzung eines Eides gegen abſolut prohibitive Geſetze oder gegen die Geſetze der Religion. c. 19. C. 22. q. 4. c. 1 23. C. 22. q. 4. c. 18. X. de jurej. C. 23. X. eod. Hingegen erzwungene, durch Betrug abgelockte, oder ſolche Eide, welche auf die Beſtätigung gewiſſer, nach bür - gerlichen Geſetzen nicht vorhandenen Verbindlich - keiten gerichtet ſind, ſind allerdings nach canon. R., wider die Grundſätze des Römiſchen, gültig, und machen einen Meineid mögli[c]h. c. 3. 15. 29. X. de jurej. C. 28. X. eod. S Malblanc doctrina de jurejurando. L. V. §. 117 120. Dieſer nimmt §. 120 an, daſs das canoniſche Recht hier dem römi - ſchen nicht vorgehe, ſondern der Grundſatz: jeder Eid ſetz eine vollkommene Verbindlichkeit vor - aus, begründet aber keine, ſtreng behauptet wer - den müſſe. Allein ſeine Gründe beweiſen nur die Unvernünftigkeit, aber nicht die poſitive Ungültigkeit jener Regel des canoniſchen Rechts. So viel iſt nur gewiſs, daſs man die willkührliche Ausdehnung jener Regel durch die Interpreten verwerfen und ſich an die Fälle halten muſs, welche das canoniſche Recht ausdrücklich nennt. 368II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Verordnungen*)L. 41. C. de transact. L. 13. C. de teſtib. L. 17. C. de dignit. und deutſche Obſervan - zen**)Spec. Sax. Lib. I. Art. 65. Sp. Suev. C. 163. hier verſchmolzen hat, beſtimmt fol - gende Grundſätze in der Beſtrafung. I. Wenn jemand gegen einen peinlich Beklagten fälſch - lich als Zeuge geſchworen hat, Talion. II. Hat der gebrochene Eid einen andern Gegenſtand und iſt derſelbe 1) in Perſon vor Gericht nach vorgängiger Warnung vor dem Meyneid abge - legt worden, ſo iſt Infamie nebſt ihren Folgen und Abhauung der Finger, mit welchen der Verbrecher geſchworen hat, die Strafe. Dieſe Strafe trifft alſo a) die Verletzung aller Eide, wel - che zur Förmlichkeit des Proceſſes oder zur Ent - ſcheidung deſſelben gehören, b) aller promiſſo - riſchen Eide, welche von einem Richter abge - nommen worden ſind. Perception, oder Inten - tirung eines Vortheils wird ſo wenig erfo - dert***)Leyſer Sp. 567. m. 22. Boehmer ad Art. 107. §. 4., als ein durch den Meineid geſtifte -ter**) ren, (2) ſoll auch dazu verläumdet und aller Ehren entſetzt ſeyn. Und nachdem (3) in heiligen Reich ein gemeiner Gebrauch iſt, ſolchen Falſchſchwö - rern die zwey Finger, damit ſie geſchworen haben, abzuhauen, dieſelbige gemeine gewöhnliche Leib - ſtrafe wollen wir auch nicht ändern. (II.) Wo aber (1) einer durch ſeinen falſchen Eid jemand zu peinlicher Strafe ſchwüre, derſelbige ſoll mit der Pön, die er fälſchlich auf einen andern ſchwüre, geſtraft wer - den. (cf. Art. 68. C. C.) (2) Wer ſolch Falſchſchwö - ren mit Wiſſen, fürſätzlich und argliſtig dazu an - richtet, der leidet gleiche Pön. 369Verbr. durch Täuſchung eines andern. ter Schade vorausgeſetzt wird*)Dagegen Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 455 Quiſtorp Thl. I. §. 130.. 2) Die Strafe der Verletzung eines nicht im Gericht abgelegten, oder nicht ſolennen, oder nicht in Perſon geleiſteten Eides iſt willkührlich.

Anm. Die Praxis will blos den Talion, wenn der Meineid die wirkliche Verdammung des Ange - ſchuldigten zur Strafe oder zur Tortur bewirkt hat. (Boehmer ad Art 68. §. 1.) In dem zweyten Hauptfall verwirft ſie das Fingerabhauen (Hom - mel Khapſ. Quaeſt Call. 4. Struben Thl. IV. Bed. 87.) und will, ſtatt deſſen, auſſer der Infamie, Geldſtrafe, Gefängniſs, Landesverweiſung, Staup - beſen, oder Zuchthaus und Feſtungsbau, mit vorhergehendem Ausſtellen an den Pranger. ſ. Quiſtorp Thl. I. §. 133. u. 134. Malblanc de jurej. p. 406.

§. 457.

B. Grenzverrückung (crimen ter - mini moti) beſteht in der ſchädlichen Verände - rung eines durch öffentliche Autorität beſtimmten Zeichens der Grenzen eines Grundſtücks. Die Gefährlichkeit dieſes Verbrechens bezieht ſich auf die Unſicherheit des Eigenthums, welche dadurch ſteigt, daſs durch die Handlung zu - gleich die öffentliche Autorität verletzt wird. Sind die veränderten Grenzzeichen blos durch Convention unter Privatleuten geſetzt wor - den, ſo iſt der volle Begriff des Verbrechens nicht vorhanden. **)Boehmer ad Art. 114. §. 1.Ob aber dieſe ZeichendieA a370II. Buch. II. Theil. II Titel. II. Abſchnitt. die Grenzen des öffentlichen oder des Privat - eigenthums bezeichnen, aſſicirt den allgemei - nen Begriff keineswegs.

§. 458.

Die Strafe des Verbrechens iſt eine Leibesſtrafe,*)P. O. O. Art. 114. worunter auch die Todesſtrafe begriffen iſt. Da bey der gemeinen Fälſchung die Strafe abſolutarbiträr iſt, ſo iſt die Strafe der Grenzverrückung härter, weil dort der Richter auch geringere Uebel, als Leibesſtra - fen, anwenden darf, hier aber ausdrücklich nur auf eine beſtimmte Gattung von Strafen beſchränkt iſt. Die Verrückung der Staats - grenzen kann in Hochverrath übergehen, und dann finden die Grundſätze dieſes Verbrechens ſtatt.

Anm. Die Praktiker behaupten abſolute Willkühr - lichkeit der Strafe. cf. Boehmer ad Carpzov Q. 83. obſ. 3. Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 249. Quiſtorp Thl. I. §. 212. Koch l. c. §. 553.

§. 459.

C. Prävarication. Dieſes Verbrechen wird I) im urſprünglichen und eigentli - chen Sinne von dem Ankläger begangen, wenn er den eines öffentlichen Verbrechens ange - ſchuldigten Beklagten durch Uebertretung der Pflichten des Anklägers begünſtigt. **)L. 1. §. 1. D. de praev. Is autem proprie praevaricator dicitur, qui publico judicio accuſaverit. L. 212. D. deIn die -ſer371Verbr. durch Täuſchung eines andern. ſer Bedeutung wird heut zu Tage Prävarica - tion begangen 1) von öffentlichen Anklägern, Fiscalen, 2 von Privatanklägern. *)Dieſer Fall wird ſelten vorkommen. wegen der Allgemeinheit des Inquiſitionsproceſſes: er kann es aber doch, weil der acculatoriſche nicht aufgehoben iſt.II. Im ab - geleiteten Sinn iſt derjenige der Prävarication ſchuldig, der, während er die ſtreitigen Rechte einer Perſon zu ſchützen hat, vorſätzlich die Gegen - parthey zum Nachtheil ſeiner Parthey begünſtigt. Zu dieſen gehören 1) gerichtliche Procuratoren (procuratores judiciales),**)P. G. O. Art. 115. ſie mögen nun öf - fentliche oder Privatprocuratoren ſeyn, 2) Advocaten***)L. 1. §. 1. L. 3. §. 2. h. t. Auch Advocati fisci. L. 3. C. de advocatis fisci. Unter dem Ausdruck Pro

P. G. O. Art. 115.

A a 2§. 460.
**)de V. S. L. 1. §. 6. D. ad ad Scrum Turpilianum. Matthaeus de crim. L. XLVII. tit 9. c. 1. §. 4. und Boehmer ad h. a. §. [1]. nehmen an, daſs auch der Ankläger in delictis p[r]ivatis die Prävari - cation begehen könne. Erſter beruft ſi[c]h darauf, daſs auch der Advocat nach L. 1. § 1 D. h. t. ſo wohl in öffentlichen als Privatverbrechen prävarici - ren könne. Allein 1) dieſe L. 1. ſetzt darin gerade den Advocaten dem Ankläger entgegen; 2) läſst ſich hier von dem Advocaten nicht auf den Anklä - ger in Privatverbrechen ſchlieſsen, da ſich jener ſeiner Parthei zur Treue ausdrücklich verpflichtet (L. 14. §. 1. C. de judiciis), welches hier nicht der Fall iſt, wo der Ankläger hauptſächlich ſein eignes Hauptintereſſe verfolgt.
**)
372II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
§. 460.

Die Prävarication im abgeleiteten Sinn ſetzt voraus, 1) daſs man die Verbindlichkeit, die Rechte einer Perſon zu ſchützen, übernom - men habe. Wenn dieſe Verbindlichkeit noch nicht übernommen, oder wieder aufgelöſst iſt, ſo fällt das Verbrechen hinweg. Daraus folgt, daſs dieſes Verbrechen nicht begangen wird 1) von dem Defenſor im civiliſtiſchen Sinne, 2) dem Advocaten, der in einer andern Sache dem Gegner ſeines Clienten dient, oder 3) der vor der Erklärung, die Sache zu übernehmen, zum Gegentheil übergeht,*)Leyſer Sp. 554. m. 16. meynt, daſs in dieſem Fall der Advocat von den Geheimniſſen nicht Ge - brauch machen dürfe, die ihm derjenige, welcher ſich ihm als Client antrug, während der Erzählung der Sache mitgetheilt hat. Aber warum denn? Er hat ja noch nicht die Verbindlichkeit mit über - nommen, dieſe Geheimniſſe zu verſchweigen. oder 4) nach übernommener Sache, aus Ueberzeugung ihrer Ungerechtigkeit ſeine erſte Parthey verläſst**)Dazu iſt der Advocat berechtigt und verpflichtet. L. 14. §. 1. C. de judiciis. und die Gegenparthey ergreift. ***)Leyſer Sp. 554. m. 14. behauptet, daſs der Ad - vocat zwar aufkündigen, aber nicht zur andern Parthey übergehen dürfe. Auch dies ohne Grund. Iſt die Aufkündigung geſchehen ſo iſt die Verbind - lichkeit aufgehoben. Ueberall wird aber voraus - geſetzt, daſs dieſe Aufkündigung nicht in fraudem legis geſchehe.Auch kön -nen***) Procurator in der P. G. O. ſind wohl auch zu - gleich Advocaten begriffen. ſ. Boehmer h. a. §. 2. Kreſs h. a. §. 1. * 2.373Verbr. durch Täuſchung eines andern. nen 5) Richter und Facultäten, als ſolche, die - ſes Verbrechen nicht begehen. *)Koch l. c. §. 558.

§. 461.

II. Die zu beſchützende Rechte müſſen ſtreitige Rechte ſeyn. **)Dagegen fehlt Stelzer Criminalrecht §. 679.III) Eine Handlung zum Vortheil des Gegners und zum Nachtheil der Rechte der eignen Parthey. Iede Treuloſig - keit an der anvertrauten Sache, ſie geſchehe nun durch poſitive oder durch negative Hand - lungen, iſt darunter begriffen. Mittheilung ſolcher Einſichten, welche die[unzweiſelhaften] Rechte und Verbindlichkeiten des Gegners be - treffen, ohne daſs durch Mittheilung derſel - ben für die rechtliche Behauptung der Befug - niſſe der eignen Parthey Gefahr begründet wird, machen keine Prävarication, ſelbſt wenn dadurch ein Nachtheil von dem Gegner abge - wendet würde. ***)z. B. Mittheilung oder Anzeige eines Geſetzes, welches die Rechte der Gegenparthey begründet u. ſ. w. S Boehmer ad art. 115. §. 4, idem ad Carpzov Q. 93. Obſ. 4. der zwar paſſende Bey - ſpiele anführt, aber den Satz ſelbſt etwas ſchief und unrichtig faſst.Denn hier iſt weder ein poſitiver Vortheil für den Gegner, noch eine Handlung, welche auf eigentlichen Schaden für die Rechte der eignen Parthey gerichtet iſt. †)Eben ſo wenig iſt es Präv, wenn der Advocat die von ſeinem Clienten ihm entdeckten VerbrechenderDaſs durch die Präv. ſchon ein wirkli -cher374II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. cher Schade entſtanden ſey, wird zum Thatbe - ſtande nicht erfodert. *)Dagegen Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 251. Quiſtorp Thl. I. §. 429. Die Worte des Art. 115. So ein Procurator ſeiner Pavthey zu Nachtheil, und dem Widertheil zu gut handelte ſagen weiter nichts aus, als daſs die Handlung des Procurators auf den Nachtheil ſeiner und den Vortheil der Gegenpar - they gerichter ſeyn müſſe.

Anm. Mündlich von der quaſipraevaricatio.

§. 462.

Die Strafe der eigentlichen, urſprüngli - chen Präv. iſt willkührlich:**)L. 2. D. h. t. Sciendum eſt, quod hodie iis, qui praevaricati ſunt, poena injungitur extraordinaria. die Strafe der Präv. in abgeleiteter Bedeutung der Pranger, verbunden mit Staupenſchlag und Landesver - weiſung, doch ſo, daſs andere der Qualität nach gleiche Strafen nicht ausgeſchloſſen ſind***)P. G. O. Art. cit.

Anm. Die ältere Praxis blieb bey den Geſetzen. Leyſer Sp. 554. m. 1. ſq. Die neuere will, (wenn anders die Praxis etwas wollen kann) Sus - penſion von der Advocatur, Gefängniſs - oder Geld - ſtrafe. Quiſtorp Thl. I. §. 433.

§. 463.
†)der Obrigkeit anzeigt, wovon Leyſer Sp. 554. m. 10. und Koch l. c §. 557. das Gegentheil be - haupten. Das Ver[ſ]prechen des Advocaten kann auf die Verheimlichung eigentlicher Uebertretungen ſich nicht ausdehnen; auch fällt hier der Gegentheil (a verſarius) hinweg, zu deſſen Vortheil dieſe Ent - deckung geſchähe. Weder die Vergleichung der Advocatenpflicht mit dem ſigillo confeſſionis des Geiſtlichen, noch das Berufen auf die L. ult. D. de teſtibus beweiſen das allergeringſte.
†)
375Verbr. durch Täuſchung eines andern.
§. 463.

C. Calumnie. Sie wird zunächſt von demjenigen begangen, der einen andern fälſchlich eines Verbrechens anklagt,*)L. 1. §. 1. D. ad Sct. Turp. und kann ſowohl von einem öffentlichen Ankläger (ei - nem Fiscal) als auch von einem Privatanklä - ger begangen werden. Eine fälſchliche De - nuntiation iſt blos ein gemeines Falſum. Das Verbrechen ſetzt voraus: 1) daſs der Ange - klagte des Verbrechens nicht überwieſen und 2) die Anklage mit dem Bewuſstſeyn, daſs der Beklagte unſchuldig ſey, unternommen wor - den iſt. **)L. 1. §. 3. D eod. Non utique, qui non probat, quod intendit, protinus calumniari videtur: nam ejus rei inquiſitio arbitrio cognoscentis committitur, qui, reo abſoluto, de accuſatoris incipit conſilio quaerere, qua mente ductus ad accuſationem proceſſit: et ſi qui - dem juſtum ejus errorem reperit, abſolvit eum; ſi vero in evidenti calumnia eum deprehenderit, legitimam poenam ei irrogat.Die Strafe der Cal. iſt, wenn die Strafe des angeſchuldigten Verbrechens be - ſtimmt iſt, die Talion;***)L. 1. §. 2. D. ad Sct. Turp. Es ſcheint, als habe Carl P. G. O. Art. 12. blos bürgerliche Kla - gen gegen den Calumnianten eingeführt und das römiſche Recht aufgehoben, oder doch dem Ca - lumniaten kein Recht der Anklage auf eine öffent - liche Strafe geſtattet. Durch die Worte: alles nach bür - gerlicher rechtlicher Erkenntniſs Allein die P. G. O. ſpricht hier blos von der Privatſatisfaction gegen den Ankläger, in ſo ferne er überhaupt durch ſeine Anklage(es iſt die Strafe desVer -376II. Buch. II. Theil II. Titel. II. Abſchnitt. Verbrechens unbeſtimmt, ſo iſt auch die Strafe der Cal. willkührlich. *)L. 3. D eod.Dem falſchen Ankläger iſt derjenige gleich, der ihn ange - ſtellt hat,**)L. 1. §. 13. D eod. denn dieſer iſt auctor intellectua - lis.

Anm. Mündlich von der Tergiverſation.

§. 464.

D. Concuſſion***)Daſs die Concuſſion eine Art des Falſi ſey, iſt kei - nem Zweifel unterworfen. 1) Alle Haupt erkmale des Falſi überhaupt ſind hier vorhanden. Wer fälſchlich ein Recht zum Nachtheil der Befugniſſedes beſteht in der Er - preſſung eines Vortheils von einem andern durch den Vorwand oder den Misbrauch eines Rechts. Unter dem Vortheil iſt nicht blos ein Geldvor - theil zu verſtehen: ſogar die Erpreſſung eines Kaufs oder Verkaufs gehört hieher. Sie kann begangen werden ſowohl von Privatperſo -nen,***)(es ſey doloſe oder culpoſe) Schmach (Injurie) oder Schaden zugefugt hat. Da ſtehen denn jene Worte ganz an ihrer rechten Stelle und ſchlie - ſsen die öffentliche Strafe, (die Carl aus dem ge - meinen Recht vorausſetzt) ganz und gar nicht aus. Die Strafe der Talion beym falſchen Ankläger iſt ganz dem Art. 48. u 107. gemäſs, wo auch den falſchen Zeugen in Criminalſac[h]en dieſe Strafe an - gedroht iſt. Derſelbe Grund, der hier dem Geſetz zum Grunde liegt, tritt auch dort ein, jener iſt ſo - gar noch ſtrafbarer cf Boehmer ad Carpzov Q. 106. obſ. 3. idem ad Art. 12. §. 5. und 6.377Verbr. durch Täuſchung eines andern. nen,*)L. 8. D. de calumniat. L. 2. D. h. t. als auch von Staatsbeamten. Uebri - gens iſt das Verbrechen erſt dann vollendet, wenn der Vortheil ſchon wirklich percipirt worden iſt. **)L 6. §. 3. 5. D. de offic. praeſ. L. 1. pr. §. 3. D. de calumniat. L. 1. D. de concuſſione. L 3 C de condictione ab turp. cauſ. L. 4. et 5. C. ad L. Iul. repet.

§. 465.

Die Strafe des Verbrechens iſt willkühr - lich. ***)L. 1. D. h. t.Bey Beamten wird es ſchicklich mit der Abſetzung vom Amt,†)Struben Thl. IV. Bd. 151. Quiſtorp Thl. I. §. 195. auſſerdem mit Fe - ſtung oder Zuchthaus beſtraft.

***)des andern vorwendet. iſt doch wohl Falſarius. Eben ſo derjenige, der ſeine Macht oder ſein Recht miſsbraucht, weil er ein Recht über die Grenzen deſſelben hinaus ſimulirt. 2) Dieſes ergiebt ſich auch zum Theil aus L. 2. D. h. t.
***)
Drit -378II. Buch. III. Theil. I. Titel.

Dritter Theil. Von gemeinen determinirten Polizey-Vergehen.

§. 466.

Die Polizey hat zum Gegenſtand die Realiſi - rung der entfernteren Mittel zum Staatszweck. Sie zerfällt 1) in die Criminal-Polizey, deren wichtigſtes Geſchäft Verhüthung der Verbre - chen, durch Aufhebung ihrer entfernteren Gründe iſt; 2) die Güter-Polizey, welche die Erhaltung und Vermehrung des Eigenthums der Bürger zum Gegenſtande hat; 3) die Be - völkerungs-Polizey, welche auf Vermehrung und Erhaltung der Volksmenge im Staate hin - wirkt; 4) die Sitten-Polizey, welche Sittlich - keit, ſo weit auf ſie durch Anſtalten gewirkt werden kann, zu bewirken ſucht.

Erſter379Verbr. geg. d. Criminal-Polizey. Landz.

Erſter Titel. Vergehen gegen die Geſetze der Criminal-Polizey. Landzwang.

§. 467.

Landzwang beſteht in der Drohung künf - tiger Verbrechen, verbunden mit ſolchen Hand - lungen, aus denen man auf die Ernſtlichkeit der Drohung ſchlieſsen kann. *)P. G. O. Art. 128.

§. 468.

Zum Thatbeſtand gehören 1) Drohungen, auf welches Verbrechen ſie übrigens gerichtet ſeyn mögen (Fehdebriefe Brandbriefe), ohne Rückſicht auf das bedrohte Subject, ob es ein einzelner oder eine Gemeinde iſt. **)Dagegen Engau el. jur. crim. §. 500. Qui - ſtorp Thl. I. §. 176. Meiſter jun. l. c. §. 355.2) Hand - lungen, welche für die Vollziehung der Dro - hung bürgen. Das Geſetz erfodert deswegen a) daſs die Drohenden austreten und ſich an verdächtige Orte begeben***)Eiſenhardts Erzählung beſond. Rechtsf. Thl. IV. Nr. 14. und ſich b) mitVer -380II. Buch. III. Theil. I. Titel. Verdächtigen oder anerkannten Verbrechern vereinigen. Die Strafe der Landzwinger iſt das Schwerd,*)P. G. O. ang. Art. welche Strafe nach den Rechtslehrern dann gemildert werden ſoll, wenn der Verbrecher vor der Entdeckung und Ausführung der That thätige Reue bewieſen hat.

§. 469.

Gegen den Drohenden, deſſen Handlung wegen Mangel der übrigen Requiſite zur or - dentlichen Strafe nicht berechtigt, geſtattet das Geſetz in Anſehung der bedrohten Perſo - nen Sicherungsmittel anzuwenden. Der Ge - fährliche muſs entweder Caution leiſten, oder, wenn er dieſe zu leiſten unfähig iſt, ſo ſoll er im Gefängniſſe verwahrt werden, bis der Be - drohte völlig vor der Ausführung des gedroh - ten Verbrechens geſichert iſt. **)P. G. O. Art. 176.

Zwey -381Verbr. geg. die Güter-Polizey. Wucher.

Zweyter Titel. Verbrechen gegen Geſetze der Güter-Polizey.

Erſter Abſchnitt. Vom Wucher.

Io. Tob. Reinharth Diſſ. de uſuraria pravitate, tem vera et palliata, quam putativa ſive imaginaria. Erf. 1727.

von Quiſtorp von den Strafen der Wucherer nach äl - teren und neueren Geſetzen, wie auch von den Zinſen - zahlungen nach älteren Geſetzen und dem heutigen Ge - richtsbrauch überhaupt. In deſſen Beyträgen Nr. XXV.

§. 470.

Das Verbrechen des Zinswuchers (cr. uſurariae pravitatis) beſteht in der Ueber - ſchreitung der in Anſehung der Quantität geſetzlich beſtimmten Grenzen des Zinſenneh - mens. *)R. A. v. I. 1500. tit. 32. R. P. O. 1530. tit. 26. 1548. tit. 17. 1577. tit. 17.Andere Arten des unerlaubten Zin - ſennehmens haben zwar rechtliche Folgen, ſind aber keinen Strafgeſetzen unterworfen**)Weſtphal Criminalr. S. 6[0]4. Meiſter prakt. Bemerkungen. Thl. I. Bem. 2. Deſſelben pr. jur. crim. §. 261.Erſt382II. Buch. III. Theil. II. Titel I. Abſchnitt. Erſt mit der Entrichtung der Zinſen, nicht durch den bloſsen Contrakt wird das Verbre - chen vollendet. *)R. P. O. 1577. tit. 17. §. 1. 8.

§. 471.

Nach den Geſetzen ſind in der Regel nur 6 pr. C., bey dem Rentenkauf nur 5 pr. C. er - laubt. **)Hufelands Beyträge zur Berichtigung und Erwei - terung der poſitiven Rechtswiſſenſchaft. 1. Stck. Nr. 2. Selbſt diejenigen, welche nur 5 pr. C. für erlaubt halten, nehmen doch an, daſs erſt mit dem 7ten Zinſsthaler das eigentliche Verbrechen des Wuchers angehe. Quiſtorp a. a. O. S. 401.An dieſe Grenzen ſind aber alle die - jenigen Contrakte nicht gebunden, bey wel - chem die Perſon eine groſse Gefahr in Anſe - hung des Capitals übernimmt Wie der Wucher geſchehe, ob unter dem Schein eines rechtlichen Contrakts verborgen, oder nicht, iſt gleichviel. ***)C. F. Walch Diſſ. de uſuraria provitate ſub pal - liata transactione. len. 1773. Leyſer Sp. 247.

§. 472.

Das Canon. R. ſtraft den Zinswucher mit der Excommunication, dem Verluſt der Te - ſtamentsfähigkeit und der Verſagung eines chriſtlichen Begräbniſſes. †)c. 3. X. de uſuris. c. 1. X. de ſepult. c. 2. de uſuris in 6 o.Die deutſchen Reichsgeſetze drohen den Verluſt des viertenTheils383Verbr. gegen die Güter-Polizey. Wucher. Theils des Kapitals, in welchen ſich die Obrig - keit des Creditors und des Debitors theilt. *)R. P. O. 1577. tit. 17. §. 8.Eine andere öffentliche Strafe kennen die Ge - ſetze nicht. **)Andre laſſen ſie noch cumulative zu. Carpzov Q. 92. Nr 29. Lauterbach Coll. th. pract. L. 22. tit. 1. §. 30. u. andre. Dagegen Meiſter jun. pr. jur. crim. §. 260. Koch l. c. § 623.

§. 473.

Dem Verbrechen des Zinswuchers iſt gleich der Kauf von Früchten auf dem Halm, wenn der Kaufpreiſs nicht nach dem Markt - preiſs zur Zeit des geſchloſſenen Contrakts, oder dem Marktpreiſs 14 Tage nach der Erndte beſtimmt iſt. Der Käufer verliert, wenn der Beſchädigte klagt, das ganze Capital und wenn er nicht klagt, ſo ſoll die Obrigkeit will - kührlich eine Strafe an Leib oder Gut verhän - gen. ***)R. P. O. 1577. tit. 19. I. G. Heineccins Diſſ. de venditione illicita fructuum in herbis. Hal. 1738.

Zwey -384II. Buch. III. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyter Abſchnitt. Vom Dardanariat Von Hazardſpielen und Wetten.
§. 474.

Dardanariat iſt unerlaubte Vertheue - rung der Waaren in eigennütziger Abſicht. *)tot. tit. Dig. de L. Iul. de annon. R. P. O. 1548. tit. 18. R. P. O. 1577. tit. 18.Alle Waaren ſind Gegenſtand dieſes Verbre - chens. Wenn es aber an Waaren, die zur Ernährung des Körpers beſtimmt ſind, began - gen wird, ſo heiſst es crimen[fraudatae] anno - nae. **)Matthaens de crim. L. XLVIII. tit. 9. c. 1. 2.

§. 475.

Die Vertheurung kann geſchehen I) durch bewirkte Seltenheit der Waaren, indem man die Zufuhr derſelben verhindert,***)L. 1. D. de L. Iul. de annona. die Waaren aufkauft und ſich ein Monopolium beylegt,†)R. P. O. 1577. tit. 18. §. 1. oder ſelbſt eigne Früchte zurück behält, um zur Zeit der Theuerung damit wu -chern385Verbr. geg. d. Güter-Poliz. Dardanariat etc. chern zu können. *)L. 6. pr. D. de extraord. crim. Soll nicht mehr in Praxi ſeyn. Quiſtorp Thl. I. §. 208. Anm. c.Durch wirklichen Ver - kauf der Waaren nach einem falſchen Maas, ſo, daſs die Waare betrüglich theurer verkauft wird. **)L. 6. §. 1. et 2. D. de extraord. crim. L. 37. D. de poenis. Ob man dies nicht nach neuern Grundſätzen zu dem Falſum zählen müſſe, iſt dem Vf. zweifelhaft.

§. 476.

Strafe. ***)Ueber die Strafe nach Röm. R. cf. L. 2. D. de L. Iul. de annon. L. 6. D. de extraord, crim. L. un. C. de monopol. Dieſe iſt, wo die Natur des Verbrechens es verſtattet, Verluſt der Waa - ren, und überdies Landesverweiſung und an - dere willkührliche Strafen. Die Obrigkeit, die ſich gegen dieſe Uebertretung nachſichtig beweiſst, ſoll mit 200 Mark löth. Goldes geſtraft werden. †)R. P. O. 1548. tit. 18. §. 2. 5. R. P. O. 1577. tit 18. §. 1. 2. 8.

§. 477.

Zu den Polizeyverbrechen werden noch von einigen Rechtslehrern††)Klein p. R. §. 465. Grolman C. R. W. §. 523. die Hazard - ſpiele und Wetten gerechnet. Die Ge -ſetzeB b386II. Buch. III. Theil. III. Titel. ſetze*)L. 1. 2. 3. D. de aleatorib. L. 3. C. eod. Nov. 123. c. 10. kennen aber dieſe Handlungen nicht als eigentliche bürgerliche Uebertretungen: ſie beſtimmen in Anſehung derſelben blos pri - vatrechtliche Folgen, ſtrafen blos dann, wenn ſie mit wirklichen Läſionen concurriren und beſtimmen blos gegen Geiſtliche, zur Auf - rechthaltung der Kirchenzucht eine kirchliche Strafe. **)Schon Matthaeus de crim. L. XLVII. tit. 16. c. 6. nr. 3.

Dritter Titel. Vergehen gegen Geſetze der Sittenpolizey.

Schwören und Fluchen Zutrinken Betteley.

§. 478.

Als Handlung der Unſittlichkeit, welche theils als Quelle von andern Laſtern und wirk - lichen Läſionen, theils aus andern politiſchen Rückſichten Hinderniſs der ſichern Errei - chung des Staatszweckes iſt, wird von den Geſetzen verboten I. das Zutrinken und das übermäſsige Trinken. Unter dem über -mäſsigen387Verg. geg. Geſetzed. Sittenpoliz. Schwör. etc. mäſsigen Trinken muſs der Gebrauch berau - ſchender Getränke, welcher den höchſten Grad der Berauſchung zur Folge hatte, ver - ſtanden werden. Ihm iſt eine willkührliche, aber doch ſtrenge Beſtrafung angedroht. *)R. P. O. 1530. tit. 8. R. P. O. 1577. tit. 8.

§. 479.

II. Fluchen und Schwören beſteht in einer Betheurung durch Miſsbrauch der Vor - ſtellung heiliger Gegenſtände. Im engern Sinn heiſst Fluchen, einem andern von der Gottheit Uebel anwünſchen. Auſſer der Herabwürdi - gung ehrwürdiger Gegenſtände, iſt Rohheit und Verwilderung des Charakters, welche aus der Duldung dieſer Handlungen flieſst, Grund der Geſetze, welche ſie unter Strafe verbieten. Der Uebertreter ſoll mit Gefängniſs oder Geld - buſse beſtraft werden. **)R. P. O. 1577. tit. 2.

§. 480.

III. Muthwillige Bettler, worunter ſolche zu verſtehen ſind, die aus Müſſiggang die Betteley als Handwerk treiben, ſollen will - kührlich beſtraft werden. ***)R. P. O. 1548. tit. 8. R. P. O. 1577. tit. 8. Daſs dieſe Geſetze, nach Klein p. R. §. 466. die Bettler zu öffentlicher Arbeit verurtheilten, iſt unwahr.

B b 2Vier -388II. Buch. III. Theil. IV. Titel. I. Abſchnitt.

Vierter Titel. Von den Vergehen, durch welche theils Geſetze der Sittenpolizey, theils Geſetze der Bevölke - rungspolizey übertreten werden. Fleiſchesverbrechen.

Erſter Abſchnitt. Von Fleiſchesverbrechen überhaupt.

I. Iac. Cella von Verbrechen und Strafen in Unzachts - fällen. Leipz. 1785. 8.

§. 481.

Fleiſchesverbrechen (delicta carnis) überhaupt ſind Verbrechen, welche durch ge - ſetzwidrige Befriedigung des Geſchlechtstriebes begangen werden. Im engern und eigentli - chen Sinn ſind alle diejenigen geſetzwidrigen Befriedigungen des Geſchlechtstriebes ausge - ſchloſſen, welche ſchon in ihrem Begriff die Verletzung wirklicher Rechte einer Perſon ent - halten.

§. 482389Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Fleiſchesv.
§. 482.

Die Geſetzwidrigkeit der Befriedigung des Begattungstriebes, in wie ferne daraus ein Polizeyverbrechen entſteht, wird begründet I. durch naturwidrigen Gebrauch der Ge - ſchlechtstheile Sodomie; II. durch die Nähe der Verwandſchaft oder Schwägerſchaft zwiſchen den concumbirenden Perſonen bey - derley Geſchlechts Inceſt, Blutſchande; III. durch den bloſsen Mangel der ehelichen Verbindung. Geſchieht A) die Befriedigung auſſer der Ehe, jedoch in einer durch Vertrag errichteten Beyſchlafsgeſellſchaft, ſo iſt es Concubinat; geſchieht ſie B) auſſer der Ehe, und auſſer einer Beyſchlafsgeſellſchaft, ſo iſt es Hurerey im weitern Sinn. Dieſe iſt entwe - der 1) Hurerey (fornicatio) wenn die concum - birende Weibsperſon ohne beſtimmte Zunei - gung ſich einem jeden hingiebt, oder 2) Schwächung, Schändung (ſtuprum), wenn die Weibsperſon aus Neigung und beſtimmter Wahl in den Beyſchlaf willigt. Die Bey - hülfe zu einem Fleiſchesverbrechen in weiterer Bedeutung iſt ein beſonderes Verbrechen (lenocinium).

§. 433.

Der Punkt der Conſummation dieſer Ver - brechen wird durch zwey Regeln beſtimmt: I: bey einem Fleiſchesverbrechen, deſſen Strafbar - keit nicht durch naturwidrigen Gebrauch der Ge - ſchlechtstheile beſtimmt wird, gehört alles, was zum Begriff eines naturgemäſsen Beyſchlafs gehört,zum390II. Buch. III. Theil. IV. Titel. 1. Abſchnitt. zum Begriff des Verbrechens, mithin wird es erſt conſummirt durch Einlaſſung des Saamens (immiſſio ſeminis II. Ein jedes Fleiſchesverbrechen, deſſen Strofbarkeit aus ſei - ner Naturwidrigkeit hervorgeht, wird durch bloſse Auslaſſung des Saamens (emiſſio ſeminis) conſummirt. *)Nach einigen ſoll ſchon Einlaſſung des Gliedes zur Vollendung hinreichend ſeyn. Boehmer ad. Carpzov Q. 76 obſ. 8. ad art. 116. §. 3. Andere machen einen Unterſchied, wie Koch inſt. j. crim. §. 343 und Meiſterjun. pr. j. crim, § 291 welche Meynung in der Praxis angenommen ſeyn ſoll. Quiſtorp Thl. 1. §. 498.Denn die zweckloſe, der Erzeugung eines Menſchen widerſpre - chende Art der Ausſchüttung des Saamens, iſt die Urſache aller nachtheiligen Folgen, welche aus dieſer Handlung für den Staat ent - ſtehen und der Grund des Geſetzes gegen dieſe Verbrechen.

Zwey -391Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Schwäch. etc.
Zweiter Abſchnitt. Von den einzelnen Vergehungen in Anſehung der Befriedigung des Geſchlechtstriebes.
Erſte Abtheilung. Von den einzelnen Fleiſchesverbrechen ſelbſt.
Erſte Unterabtheilung. Von Schwächung und Hurerey.

Io. Iod. Beck diſſ. de co q. j. e. circa ſtuprum. Norimb. 1743.

Theod. Kretſchmann Comment. de ſtupro volun - tario. Stuttgard. 1791.

§. 484.

Schwächung (ſtuprumin ſenſuſtricto) iſt ein auſſerehelicher naturgemäſser Beyſchlaf zwiſchen einer ledigen Mannsperſon und einer ehrbaren, nicht in verbotenem Grad mit dem Concumbenten verwandten, Weibsperſon. Unter einer ehrba - ren Weibsperſon, ſie ſey Iungfrau oder Witwe, iſt nur eine ſolche zu verſtehen, die ſich nicht ohne Wahl einem jeden Preis giebt, ſelbſt wenn ſie ſchon mit Verſchiedenen den Bey -ſchlaf392II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt. ſchlaf geſetzwidrig befriedigt hat. Eine Weibsperſon, welche die entgegengeſetzten Eigenſchaften hat, heiſst Hure (meretrix), gleichviel, ob ſie um Geld*)Einige machen den Lohn zum Hauptmerkmal. L. 43 §. 3. D. de R. N. ſagt aber: octavenus rectiſſime ait, etiam eam, quae ſine quaeſtu palam ſe proſti - tuerit, debuiſſe meretricibus annumerari. oder aus bloſser Wolluſt ſich Preiſs giebt. Der Beyſchlaf mit ihr, unter den Merkmalen der Schwächung, iſt Hurerey (fornicatio).

§. 485.

Von Seiten des Mannes ſind in der Regel nach allgemeinen Principien beyde Vergehen einander gleich. Nicht ſo von Seiten des Weibes. Das Vergehen der Stuprirten ent - ſpringt aus Schwäche, das Vergehen der Hure aus Niederträchtigkeit; jene iſt gewöhnlich die Verführte, dieſe iſt Verführerin und verbrei - tet das verheerende Gift ihres Laſters.

§. 486.

Strafe Nach röm. R. wird Hurerey an dem Manne nie, an dem Weibe nur dann beſtraft, wenn ſie von der Polizey (dem Aedi - lis) nicht zum Hurenhandwerk privilegirt wor - den iſt. Wer eine Freygebohrne ſchwäch - te, wurde mit der Hälfte ſeines Vermögens, oder, wenn er perſona humilior war, mit Lei -besſtrafe393Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Schwäch. etc. besſtrafe und Relegation beſtraft. *)§. 4. I. de publ. jud. Ueber den ſcheinbaren Wider - ſpruch mit L. 1. §. 2. D. de extraord. crimin. ff. Matthaeus de crimin. L. XLVIII. tit. 3. c. 5. nr. 8.Auch die Weibsperſon war der Strafe unterwor - fen. **)L. 10. §. 1. L. 12. D. ad. L. Iul. de adult. L. 18. C. eod. Das Canon. R. verfügt bey der Schwä - chung Kirchenbuſse. ***)c. 2. x. de adult. c. 3. x. de poenis. Ueber den Grund und die Entſtehung der Kirchenbuſse ſ. Verſuch einer Geſchichte der Entſtehung und Ausbildung der Kirchenbuſse von einem Katholiken. In Flügge’s Beyträgen zur Geſchichte der Religion und Theologie. Thl. II. S. 1 248. Ueber ihren Werth. Hen - ke’s Archiv für die neueſte Kirchengeſchichte. 1794. 2tes Quartal. Deſſen Euſebia Bd. III. St. 3. nr. 15.

§. 487.

Die Beſtimmungen des Röm. R. ſind nicht mehr anwendbar, weil ſie ſich lediglich auf römiſche Polizey-Einrichtungen und Standes - unterſcheidungen gründen. Die Strafe iſt jetzt nach gemeinem Recht arbiträr†)Die Kirchenbuſse iſt zwar in jedem einzelnen Territorium noch gültig, ſo lange ſie nicht durch Geſetze aufgehoben iſt; ſie kommt aber, als blos kirchliche Strafe eigentlich hier nicht in Betrachtung. Die deutſchen Reichsgeſesze wollen Betrafung,ſie394II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt. ſie beſtimmen aber das Strafübel nicht. *)R. P. O. 1533. Tit. 33. 1548. Tit. 25. 1577. Tit. 26.Ein kurzes Gefängniſs oder eine mäſsige Geld - buſse**)Von Hurenbrüchen ſ. Puffendorf obſ. jur. un. T. I. obſ. 46. G. L. Boehmer Diſſ. de mulctis ſtupro - rum vulgo: von Send - und Hurenbrüchen. Gött. 1748. darf die Ahndung nicht überſteigen. Gegen unverbeſſerliche Huren kann aber wohl ewige Landesverweiſung oder beſſer Zucht - haus angewendet werden.

§. 488.

Zur Beſtimmung der Momente der Be - ſtrafung dienen folgende Regeln: 1) Die Hure iſt ſtrafbarer, als die Geſchwächte, 2) bey der Schwächung iſt die Mannsperſon ſtrafbarer als die Geſchwächte,***)Warum doch wohl in der Praxis das umgekehrte Verhältniſs beobachtet wird? 3) bey der Hurerey iſt die Hure ſtrafbarer, als die mit ihr concumbi - rende Mannsperſon. Den Beyſchlaf zwi - ſchen Verlobten für ſtrafbar zu halten, giebt es keinen Grund. †)Die Praxis beſtraft den anticipatus concubitus; jedoch nur dann. wenn die Braut entweder vor, oder doch kurz nach der Hochzeit niederkommt.

§. 489.

Die Strafbarkeit dieſer Handlungen wird beſonders erhöht: 1) von Seiten derjenigenPerſon,395Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Schwäch, etc. Perſon, welche die andere durch Betrug und Hinterliſt zum Beyſchlaf beſtimmt hat,*)Matthaeus de crim. L. XLVIII. Tit. 3. c. 5. nr. 8. Hier ſoll ſogar, nach Leyſer ſp. 580. m. 7. u. 9. die Todesſtrafe eintreten können.. 2) wegen des beſondern Verhältniſſes des Stupra - tors zu der Geſchwächten,**)L. un. C. ſi. quis eam, cujus tutor. 3) wegen der durch den Beyſchlaf verletzten Rechte eines Dritten,***)L. 13. §. 3. D. ad L. Iul. de adult. oder wegen der Furcht einer ſol - chen Verletzung, wie bey dem Beyſchlaf der Witwe während der Trauerzeit,†)ſ. Beyer Diſſ. de concubitu intra tempus luctus c. 3. Matthäus l. c. p. 412. 413. 4) wegen der Gefahr eines hohen Nachtheils für die Sittlich - keit und die Geſundheit der Geſchwächten, wie bey der Schwächung eines unreifen Mädchens††)L. 38. §. 3. D. de poenis. 5) wegen einer, mit dem Beyſchlaf verbun - denen wirklichen Körperverletzung, wie wenn eine Hure, ihrer Anſteckung ſich bewuſst, con - cumbirt und das Gift verbreitet. †††)cf. Carpzov Q. 75. nr. 53.

  • 1. Von andern angeblichen Gründen der Straferhöhung.
  • 2. Infamirt das Stuprum?
Zweyte396II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt.
Zweyte Unterabtheilung. Vom Concubinat.

Chriſt Thomaſius Diſſ. de concubinatu. Hal. 1713. rec. Ienae 1748.

G. Zach. Winckler Diſſ. de genuino concubinatus ex mente legum romanarum conceptu. Lipſ. 1744.

Leyſer Spec. 585.

§. 490.

An ſich iſt Ehe (matrimonium, nuptiae) eine zwiſchen Perſonen verſchiedenen Geſchlechts auf lebenslang eingegangene Geſellſchaft zum aus - ſchlieſslichen naturgemäſsen Gebrauch der Ge - ſchlechtstheile. Im Staat verengert ſich der Be - griff von Ehe. Der Ehevertrag, als einer der wichtigſten und folgenreichſten Verträge im Staat, muſs an äuſsere, öffentliche Formalien gebunden werden, welche die Abſchlieſsung deſſelben zu allgemeiner Kenntniſs bringen und allen Zweifel über die Wirklichkeit des geſchloſſenen Ehevertrags unmöglich machen. So entſteht nun der Unterſchied zwiſchen rechtlich-gültiger Ehe, Ehe ſchlechthin, und Con - cubinat. Dieſer iſt eine zur Befriedigung des Geſchlechtstriebs eingegangene Geſellſchaft zwiſchen Perſonen verſchiedenen Geſchlechts,ohne397Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Concubin. ohne die für den Ehevertrag geſetzlich beſtimm - ten Formalitäten. *)Unterſchied vom Pellicat, von der Ehe zur linken Hand (M. ad morganaticam). Gewiſſensehe u. ſ. w.

§. 491.

Der Concubinat kann fortdauernd ſeyn (conc. perpetuus ſ. individuus) wenn die Geſell - ſchaft auf lebenslang eingegangen iſt;**)Die Gewiſſensehe (matr. conſcientiae) iſt nichts als Concubinat (natürliche Ehe) mit der Wirkung einer rechtlich gültigen Ehe. Daher können nur ſolche Perſonen in einer Gewiſſensehe leben, welche den Privatgeſetzen des Staats nicht unterworfen ſind, nämlich oberherrliche Perſonen. ſ. Schotts Einl. in das Eherecht. §. 173. oder temporell (conc. tempor. ſ. individuus), wenn ſie auf längere Zeit, aber nicht auf lebenslang ein - gegangen iſt. Iener iſt eine wirkliche, aber blos natürliche, und daher (wegen §. 490) in Beziehung auf den Staat, eine rechtlich und kirchlich ungültige Ehe. ***)Daſs der concub. perpet. nicht vor dem XVI. Saec. der Ehe gleich geachtet worden ſey, wie Leyſer c. l. annimmt, zeigt ſehr gut Koch l. c. §. 301. Schol.

§. 492.

Da bey Katholiken die Erklärung des Eheconſenſes (verba de praeſenti) vor zwey Zeugen und dem competenten Prieſter,†)Conc. Trid. Seſſ. XXIV. de ref. matrim. c. 1. bey den Proteſtanten aber prieſterliche Einſegnungzur398II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt. zur Gültigeit des Ehevertrags gehört;*)Schotts Einl. in d. Eberecht §. 162. Schnau - bert Kirchenr. d. Proteſt. §. 248, 249. und 251. ſo iſt es ein Concubinat I. wenn ſich ein Proteſtant in Deutſchland ohne alle Trauung, ein Katho - lik ohne jene feyerliche Erklärung des Ehe - conſenſes mit einer Perſon, in eine Beyſchlaf - geſellſchaft begiebt. II. Wenn dieſe Solenni - täten nicht vollſtändig oder nicht ſo vollzogen worden, wie ſie geſetzlich vorgeſchrieben ſind**)Leyſer l. c. m. 16. 17. 18.. Durch wirklichen Beyſchlaf und Einlaſſung des Saamens wird er erſt vollendet.

§. 493.

Nach dem Röm. R.***)L. 3. §. 1. D. de concubin L. 1. C. eod. L. 3. 5. C. de nat. lib. L. 4. C. ad Sct. Orphit. Nov. 18. c. 5. war der Concu - binat eine erlaubte Geſellſchaft, wenn ſie gleich nicht alle rechtlichen Folgen der Ehe hatte. †)Böhmer I. E. P. Tom. III. L. III. tit. 2. §. 9. Ramos del Manzano Sch[e]diasma de concubinis (in Meermann theſ. T. V. p. 553) c. 3. Alle ſowohl Antiquare als Criminaliſten umgehen insge - ſammt den eigentlichen Begriff vom röm Concu - binat. Statt uns zu ſagen, wodurch eigentlich Concubinat begründet werde, geben ſie uns die Perſonen an, mit welchen man denſelben eingehen durfte, oder die rechtlichen Folgen, die aus ihm entſtanden, oder ſie behelfen ſich mit der affectie maritalis. Bey uns iſt jede auſſereheliche Befriedigung un - erlaubt, und jede Beyſchlafsgeſellſchaft ohnedie399Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Inceſt. die geſetzlichen Formalitäten, nicht nur als Ehe nichtig, ſondern auch als auſſerehelicher Bey - ſchlaf ſtrafbar. Die Geſetze drohen aber blos eine willkührliche Strafe. *)R. P. O. 1530. Tit. 33. 1548. Tit. 25. 1577. Tit. 26.

Dritte Unterabtheilung. Von dem Inceſt.

Ph. Iac. Heiſsler Diſſ. de inceſtu. Hal. 1780.

Car. Chr. Hofacker Diſſ. ſiſtens hiſtoriam et ratio - nem juris inceſtum probibentis. Tub. 1787.

§. 494.

Um der Gelegenheit zu geſetzwidrigem Bey - ſchlaf zwiſchen verwandten, durch vertrau - ten und zurückhaltungsloſen Umgang, nahen Perſonen entgegen zu wirken, und um die natürlichen Gefühle der Ehrerbietung und der Verwandtenliebe, welche durch die Befriedi - gung der Geſchlechtsluſt an dieſen Perſonen geſchwächt und zernichtet werden, in ihrer Kraft aufrecht zu erhalten, haben die Geſetze nicht nur auſſerehelichen Beyſchlaf unter die - ſen Perſonen mit erhöhter Strenge verboten, ſondern ſelbſt die Ehe unter denſelben für eineſtraf -400II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt. ſtrafbare Verbindung erklärt. *)Ueber den Grund der Beſtrafung des Inceſts und der wegen naher Verwandſchaft verbotenen Ehen ſ. auch Michaelis Abhandlung von d. Ebegeſetzen Moſis. Gött 1755. u. deſſen Moſaiſches Recht Th. II. §. 103 109.Daher das Polizeyverbrechen des Inceſts, der Blut - ſchande im weitern Sinn, welche in dem Bey - ſchlaf mit einer Perſon beſteht, mit welcher die Ehe wegen der Nähe des Grades der Verwand - ſchaft oder Schwägerſchaft verboten iſt.

§. 495.

Der Inceſt kann begangen werden I. un - ter der Form einer an ſich rechtmäſsigen Ehe einfacher Inceſs (inc. ſimplex) II. durch eine an ſich geſetzwidrige Handlung qua - liſicirter Inceſt. (inc. qualiſicatus ſ. conjunctus. Dahin gehört 1) der inceſtuoſe Ehebruch, 2) die inceſtuoſe Bigamie, 3) der inceſt. Concu - binat, 4) die inceſt. Schwächung, 5) die inceſt. Hurerey.

§. 496.

Das Röm. R. unterſcheidet zwiſchen ince - ſtus juris gentium und inc. juris civilis.**)Man will gewöhnlich in Compendien nichts mehr von dieſem unpraktiſchen Unterſchied, wie man ſagt, hören. Aber nur ein flüchtiger Blick, und man ſieht, daſs weder das geringſte Geſetz des Röm. R. über den Inceſt ohne genaue Kenntniſs dieſes Unterſchieds verſtanden, noch auch einegründ - IenerBe -401Verg. geg. d Sitten u. Bevölkerungsp. Inceſt. begriff die Arten des Inceſts, welche, nach ih - rer Vorſtellungsart, bey allen Völkern als In - ceſt anerkannt waren und deſſen Verbot im römiſchen Staat durch unabänderliche Sitten begründet war: dieſer gründete ſich auf zu - fällige Einrichtungen und Geſetze des römi - ſchen Staats. *)L. 6. 8. D. de R. N. L. 38. §. 2. D. ad L. Iul. de adult. Zum inc. jur. civ. rechnete man daher blos den Beyſchlaf zwiſchen Perſo - nen, unter denen eine fingirte Verwandſchaft oder Schwägerſchaft exiſtirte;**)Dahin gehören die Fälle: §. 1. 2. I. de nupt. L. 12. §. 1. 2. L. 14. §. ult. L. 15. D. de R. N. L. 15. C. de inceſt. nupt. (L. 2. 4. C. Th. eod). der inc. jur. gent. hatte wirkliche verwandte oder ver - ſchwägerte Perſonen zum Gegenſtand und wurde vornämlich begangen 1) zwiſchen Aſ - cendenten und Deſcendenten***)Nach Weſtenberg ad D. L. XLVIII. tit. 5. §. 22. und Andern ſoll aber dieſer Fall inc. jur. gent. ſeyn. 2) zwiſchen Blutsverwandten oder Verſchwägerten, von welchen der eine zu dem andern im älterli -chen**)gründliche Theorie von dieſem Verbrechen ausge - geſtellt werden kann. Der Vf. wird dieſen noch ſo dunkeln Unterſchied in einer beſondern Abhand - lung nach den Geſetzen entwickeln.C c402II. Buch. III. Theil. IV. Titel. II. Abſchnitt. chen Verhältniſſe ſteht*)L. 68. D. de R. N. L. 38. §. 1. 2. D. ad L. Iul. de adult. L. 39. D. de R. N. L. 5. §. 1. D. de condict. ſine cauſa. Daſs die Ehe mit der Schweſterto hter zum inc. jur. gent. gehöre, beweiſst unwiderſprech - lich das lezte Geſetz, welches ſagt, daſs hier die Weibsperſon mit der Mannsperſon in pari delicto ſey, welches nach L. 38 §. 2. D. ad L. Iul. de ad den unterſcheidenden Charakter des inc. j. gent ausmacht. Eben dies ſagt die L. 38. pr. von der Ehe zwi - ſchen Stiefeltern und Stiefkindern, und zwiſchen Schwiegereltern und Schwiegerkindern. 3) zwiſchen Ge - ſchwiſtern. **)L. 8. L. 14. §. 2. D. de R. N.

§. 497.

Strafe. Die P. G. O.***)Art. 117. beruft ſich auf das Röm. R. Allein nach den Pandekten iſt die Strafe unbeſtimmt, vieldeutig und dun - kel†)L. 5. D. de quaeſt. L. 38, §. 1. 3. D. ad L. Iul. de adult. und Juſtinians Verordnung††)Nov. 12. die Leyſer l. c. mit Unrecht legem cla - riſſimam nennt. iſt zwar beſtimmt in Anſehung der Strafe, aber unbe - ſtimmt in Anſehung der damit bedrohten Fälle und Perſonen. Alle dieſe Geſetze enthalten daher keine Norm für uns und müſſen als unbeſtimmte Strafgeſetze betrachtet werden. Nach allgemeinen Principien würde daher der qualificirte Inceſt mit der erhöhten Strafe desjenigen Verbrechens, mit welchem er con -cur -403Verg. geg. d. Bevölk. und Sittenp. Inceſt. currirt: der einfache Inceſt in einem indis - penſibeln Grade höchſtens mit 10jährigem Zuchthaus, in andern Graden mit noch gerin - gern Strafen belegt werden müſſen. *)Die ältern Praktiker nehmen durch Carpzov veranlaſst. die Verordnung des ſuchſiſchen Rechts (Conſt. P. IV. conſt. 22 24.) für gemeines Recht. nach welcher Aſcendenten und Deſcendenten mit dem Schwerd, andere nach Unterſchied der Per - ſonen, mit S aupbeſen, Relegation, Gefängniſs oder Zuchthaus beſtraft werden. Leyſer Sp. 586. m. 7. Die neuere Praxis ſoll Aſcendenten und Deſcendenten mit lebenswierigem Zuchthaus an - dere hingegen mit 10 2jährigem Zuchthaus be - ſtrafen. Meiſter jun. l. c. §. 288. Quiſtorp Thl. I. §. 506. a.

§. 498.

Die Culpa kann bey dieſem Verbrechen begründet werden 1) durch verſchuldete Un - wiſſenheit über die Thatſache, daſs der con - cumbirende Theil in dem beſtimmten verbo - tenen Grad mit ihm verwandt ſey, 2) durch verſchuldete Unwiſſenheit des Geſetzes, welches den Beyſchlaf mit einer, in einem gewiſſen Grad verwandten Perſon, unter Strafe ver - bietet.

C c 2Vierte404II. Buch. III. Theil. IV. Titel. II. Abſchnitt.
Vierte Unterabtheilung. Von der Sedomie.

Ern. Tentzel pr de Sodomia Erf. 1723.

Ant. van Goud. Oever Diſſ. de nefanda lihidine. Ultraj. 1731.

1. Chr. Eſchenbach pr. dubia in applicatione art. 116. C. C. C. obvenientia. Roſt. 1787.

§. 499.

Die Sodomie im weitern Sinn*)Im Röm. R. nefanda libido, monſtroſa Venus etc. beſteht in der naturwidrigen Befriedigung des Geſchlechts - triebs. Der hohe Grad von Verworfenheit, den dieſes Lafter begründet und vorausſetzt, die aus ihm entſpringende Verachtung der Ehe, welche Entvölkerung und Schwächung und zuletzt Auflöſung der Macht des Staats er - zeugt,**)Michaelis moſaiſches Recht Thl. V. §. 258. der aber zu ſehr blos auf die Zwecke der Bevölke - rungspolizey ſieht. endlich die körperliche Entnervung der Bürger, welche ſie zur Beywirkung zum Zweck des Staats unfähig macht: dies find die Gründe, wodurch die Polizey zum Verbotdieſer405Verg. geg. d. Bevölk. u. Sittenp. Sodomie. dieſer Handlungen und zur Beſtrafung derſel - ben aufgefodert wird.

§. 500.

Die gemeinen Rechte*)Art. 116. P. G. O. Das römiſche Recht kennt als Verbrechen blos die erſte Art der ſodomia rat. ſexus. begreifen unter der Sodomie I) den Beyſchlaf eines Menſchen mit einem andern lebenden Menſchen deſſel - ben Geſchlechts (ſodomia ratione ſexus), wel - cher 1) den Beyſchlaf des Mannes mit einem Manne und 2) den Beyſchlaf eines Weibes mit einem Weibe**)Falſch iſt es, wenn Cella über Verbr. und Stra - fen in Unzuchtsfällen §. 43 behauptet, daſs ſich Carl hierunter nichts beſtimmtes gedacht, ſon - dern dieſes beynahe nur des Gegenſatzes wegen angenommen habe. Er dachte wohl an die Weibs - perſonen, welche bey den Römern tribades, frictrices genannt wurden unter ſich enthält II. ) den Beyſchlaf des Menſchen mit einem Weſen verſchiedener Gattung (ſod. ratione generis, Beſtialität). ***)Dem gemeinen Recht iſt unbekannt 1) die un - eigentliche Sodomie (ſod. impropria Befriedigung der Geſchlechtsluſt, ohne daſs ein lebendiges Weſen Object derſelben iſt. Onanie, maſtupration, Coitus mit einem Leichnam, 2) den naturwidrigen Beyſchlaf mit einer Perſon des andern Geſchlechts (ſodomia rat. ordinis natura).

§. 501.

Die Strafe des gemeinen Rechts iſt das Feuer, ohne zwiſchen den verſchiedenen Ar -ten406II. Buch. III. Theil. IV. Titel. II. Abſchnitt. ten der Sodomie zu unterſcheiden. *)So grauſam auch hier das Miſsverhältniſs zwi - ſchen Strafe und Verbrechen iſt, ſo ſpricht doch hier ein Geſetz und es iſt ſehr ſonderbar, geradezu die Gültigkeit dieſes Geſetzes zu leugnen, weil es auf einer anerkannt unrichtigen Vorſtellung der Sache beruhe, wie ſich Grolman C. R. W. §. 559. ausdrückt. Man kann weiter nichts ſagen, als daſs der Geſetzgeber hier anerkannt irrig berechnet habe. Und wenn dies einem Geſetz ſeine Gültig - kei[t]benimmt, dann iſt es Zeit, daſs der Staat ſich nicht mehr mit einer Geſetzgebung beläſtigt, über welche der Unterthan richten darf. Uebrigens nimmt die Praxis bey der ſod. rat. ſexus nur das Schwerd an. Bey der ſedomia rat. generis erkennt ſie nur denn auf das Feuer, wenn der Verbrecher den höchſten Grad des Verderbniſſes zeigt und die That mehrmals wiede holt worden iſt. Böhmer ad art. 116. §. 6. Quiſterp Thl. I. §. 500.Da das gemeine Recht die uneigentliche Sodomie und die Sodomie gegen die Ordnung der Natur nicht als Verbrechen kennt, ſo kann auch von einer Strafe derſelben nach gemeinem Recht nicht geredet werden. Partikulargeſetze müſ - ſen entſcheiden. **)Die ſod. rat. ord, nat. wollen ältere Rl. den geſetzli - chen Arten gleich beſtrafen, andere nehmen will - kührliche Strafe an. Kreſs. h. a. §. 2. * 2. Daſ - ſelbe gilt von der ſodomia impropria. cf. Meiſter jun. l. c. §. 293. Quiſtorp Thl. l. §. 500. Koch l. c. §. 346.

§. 502.

Auſſer den übrigen gemeinen Milderungs - gründen, begründet theilweiſe Ungewiſsheitdes407Von d. Beyhülfe zu Fleiſchesverbr. Kuppeley. des Thatbeſtandes, beſonders Ungewiſsheit der enuſſio ſeminis Milderung der Strafe. *)Als beſondere Milderungsgründe behaupten die Rl. 1) Iugend, wenn der Verbrecher noch nicht 18 Iahr alt iſt 2) Trunkenheit und Leidenſchaft, 3) Dummheit und Unwiſſenheit in religiöſen und moraliſchen Gegenſtänden.Das Bekenntniſs des Verbrechers von der ge - ſchehenen Auslaſſung des Saamens begründet keinen vollen Beweis; ſondern das Bekennt - niſs muſs noch durch andre Gründe der Wahrſcheinlichkeit unterſtützt werden. **)Leyſer Sp. 5[8]9. m. 4 9.

Zweyte Abtheilung. Von der Beyhülfe zu Fleiſchesverbrechen. Kuppeley.

Chr. Gottf. Sulzberger Diſſ. de lenocinio conju - gum. Erf. 1693.

Ephr. Gerhard Diſſ. de lenocinio. Ien. 1711.

§. 503.

Die abſichtliche Beförderung der geſetzwidrigen Befriedigung des Geſchlechtstriebs Anderer, be -gründet408II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt. gründet das Vergehen der Kuppeley (leno - cinii). Der Kuppler iſt, an ſich, blos Gehülfe; ſeine Handlung geht aber hier in ein beſonde - res Verbrechen über, das oft härter, als die Handlung des Autors ſelbſt beſtraft wird. Der Kuppler iſt gewöhnlich Verführer und Anlo - cker zum Verbrechen, er breitet das Laſter aus, während die Wolluſtbefriedigung gewöhnlich nur bey den Uebertretern ſelbſt ſtehen bleibt, die, durch Leidenſchaft gefallen, blos die Be - friedigung ihrer Begierde wollen.

§. 504.

Zum Thatbeſtand des Verbrechens gehört I. eine Handlung, durch welche die Wolluſt - befriedigung anderer befördert oder möglich gemacht wird. Durch eine, dem geſetzwidri - gen Beyſchlaf anderer, nachfolgende Hand - lung, kann daher keine Kuppeley begangen werden; ausgenommen, wenn ein Ehe - gatte, um eines Vortheils willen, ſeiner Gat - tin einen Ehebruch verzeiht. *)L. 29. §. 2. D. et L. 10. C. ad L. Iul. de adult. Das röm. R. kennt noch andere Arten des nach - folgenden lenocinii, die aber heut zu Tag nicht mehr anwendbar ſind. L. 29. §. 1. D. ad L. Iul de adult. L. 9. C. eod. L. 1. §. 1. D. de concub. L. 18. C. de Transact. L. 2. et 10. C. ad L. Iul. de adult. Uebrigens kann die Kuppeley ſowohl durch poſitive,**)L. 8. 9. 10. §. 1. L. 12. 14. D. ad L. Iul. de adult. als durch negative Handlungen (Unterlaſſun -gen409Von d. Beyhülfe zu Fleiſchesverbr. Kuppeley. gen) begangen werden. Das letzte ſetzt die Verbindlichkeit voraus, über die Tugend des Andern zu wachen. *)z. B. Eltern in Beziehung auf die Wolluſtbefriedi - gung ihrer Kinder, der Ehemann in Beziehung auf die Ehefrau. Das röm. R. erfodert aber, daſs der Ehemann, um eines Vortheils Willen, den Ehebruch ſeiner Frau d[u]lde. L. 2. §. 3. D. ad L. Iul. de adult. II. Die Wolluſtbefrie - digung des Dritten muſs vollendet ſeyn ſonſt iſt das Verbrechen nur attentirt**)Dies ſieht man deutlich aus der Sprache der Ge - ſetze, z. B. art. 122. de P. G. O. So jemand ſein Eheweib zu ſchändlichen Werken gebrauchen läſst. Dies ſieht man auch aus dem art. 123. P. G. O. und aus einzelnen Beſtimmungen in dem römi - ſchen Recht. Dagegen Koch pr. jur. crim. §. 353. III. Do - luſ. Ein culpoſes lenocinium iſt geſetzlich un - möglich. ***)Denn die Geſetze fodern ausdrücklich, daſs das lenocinium williglich (art. 122. P. G. O.) daſs es böſer betrüglicher Weis (art. 123. P. G. O.) ge - ſchehen ſey. Die L. 29. §. 4. ad L. Iul. de ad. ſagt ausdrücklich: Quod ſi patiatur vxorem delinquere ob negligentiam, vel culpam, vel quandam patientiam. vel nimiam credulitatem (lauter Fälle des culpoſen lenocinii) extra legem poſitus eſt. c.

§. 505.

Die Kuppeley im weitern Sinne iſt ent - weder Hurenwirthſchaft (lenocinium vul - gare) wenn jemand die Wolluſtbefriedigung An - derer als Gewerbe treibt,†)Lenocinium publicum privatam. L. 4. §. 4. D. de bis qui nat. Kleins peinl. Recht. §. 417. 418. oder Kuppeley imen -410II. Buch. III. Theil. III. Titel. II. Abſchnitt. engern Sinne, wenn dieſes nicht der Fall iſt. Beyde zerfallen wieder in die qualiſi - cirte Kuppeley, wenn jemand aus eigennützi - ger Abſicht entweder ſein Eheweib oder ſeine Kinder verkuppelt*)Beyde Requiſite ſind geſetzlich nothwendig: art. 122. P. G. O. Item ſo jemand (1) ſein Eheweib oder Kinder (2) um einigerley genieſs willen, wie der Namen hätte, williglich zu unehrlichen, unkeu - ſchen und ſchendlichen Werken gebrauchen läſst, der iſt ehrloſs und ſoll nach vermöge gemeiner Rech - ten geſtraft werden. Die Rl. ſondern gewöhn - lich das erſte Requiſit von dem len. qual. ab, machen daraus ein beſonderes lenocinium quaeſtu - arium und beſtimmen den Begriff ſowohl der qua - lificirten als der einfachen Kuppeley nach dem Ge - genſtand des Verbrechens. cf. Boehmer ad Carp - zov. Q. 71. Obſ. 1. et ad h. a. §. 3. und in die einfache Kup - peley, wenn entweder eine andere Perſon Ge - genſtand des Verbrechens iſt, oder eine andere Abſicht zum Grunde liegt.

§. 506.

Die qualiſicirte Kupp. kann auf keine an - dere Perſon, als die genannten ausgedehnt werden. **)cf. Koch pr. jur. crim. § 355. Der Grund des Ver - brechens iſt die beſondere Verbindlichkeit, über die Sittlichkeit gewiſſer Perſonen zu wachen. Daher kann man das len. qual. nicht auf alle Aſcendenten ausdehnen wie alle RLehrer mit Ungrund behaupten. Denn Groſseltern haben wenigſtens in der Regel dieſe Verbindlichkeit nicht. Auch von dem Weib andemUnter Kindern ſind aber ſowohlSöhne411Von d. Beyhülfe zu Fleiſchesverbr. Kuppeley. Söhne als Töchter*)Boehmer ad h. a. §. 2., ſowohlleibliche als Adop - tiv-Kinder,**)Boehmer l. c. ſowohl legitime, als illegitime Kinder zu verſtehen, die letzten aber blos in Beziehung auf die Mutter. Die eigennützige Abſicht braucht ſich nicht blos auf einen Vor - theil in Anſehung des Vermögens, ſie kann ſich auch auf was immer für einen andern ſinnlichen Zweck, beziehen. ***)cf. Leyſer Sp. 588. m. 9. et 15. Kreſſ ad art. 122. §. 2 u. 3.

§. 507.

Die Strafe der einfachen Kuppeley iſt willkührlich, jedoch mit Ausſchluſs der To - desſtrafe. †)P. G. O. Art. 123.Der qualificirten Kuppeley iſt, auſſer der Infamie, die Todesſtrafe angedroht. Denn, wenn es gleich ſehr zweifelhaft iſt, ob das Röm. R.,††)Nov. 14. welche dem leno〈…〉〈…〉 omnia noviſſima ſupplicia (oder vielmehr omnium noviſſima ſupplicia, τας π[α]σων ἐσχατας ποινας) androht. Vergl. Ern. Fr. Haupt Diſſ. de poena adulterii. Accedit. de ſuppliciis lenonum commentatio. Lipſ. 1797. auf das ſich Carl beruft, die Todesſtrafe enthalte, ſo iſt es doch gewiſs,daſs**)dem Manne kann dieſes len. nicht begangen wer - den. Der Mann ward zu allen, alſo auch zu Carls Zeiten als Hüter und Aufſeher der Sittlich - keit des Weibes betrachtet, nicht aber umgekehrt. Die L. 33. §. 2. D. ad L. Iul. de adult. widerſpricht hier keineswegs.412II. Buch. III. Theil. III. Titel II. Abſchnitt. daſs man allgemein zu Carls Zeiten in dem Röm. R. die Todesſtrafe fand,*)Iul. Clarus Practica crim. Q. 68. Nr. 23. Prosper Farinacius pr. crim. Q. 144. Nr. 9. Damhou - der pr. rer. crim. C. 91. Nr. 8. und mithin auch Carl dieſe Strafe vor Augen hatte. **)Die Rechtslehrer und Praktiker wollen nur will - kührliche Strafe. Kleins p. R. §. 419. Quiſtorp Thl. I. §. 521. Meiſter jun. l. c. §. 310.

§. 508.

Bey Beſtimmung der willkührlichen Strafe der einfachen Kuppeley kommt es auf folgende Regeln an I. Huremvirthſchaft iſt ſtrafbarer, als Kuppeley. II. Um die einzelnen Grade der Strafbarkeit dieſer beyden Arten zu beſtimmen, kommt es an: 1) auf die Beſchaf - fenheit der verkuppelten Perſon, 2) auf die Art, wie die Kuppeley geſchieht, welches nach den Regeln von der Beſtrafung der Gehülfen über - haupt zu beurtheilen iſt, und endlich 3) auf die Beſchaffenheit des Verbrechens, zu wel - chem die Beyhülfe geleiſtet wird. ***)Wer z. E. durch Kuppeley Sodomie oder Inceſt befördert, iſt ſtrafbarer, als wer blos bey einfacher Hurerey concurrirt.

Vier -413Von beſondern Verbrechen.

Vierter Theil. Von beſondern Verbrechen.

Erſter Titel. Von den Verbrechen der Staatsbeamten.

§. 509.

Als beſondere Verbrechen der Staatsbeamten ſind nur zwey in den Geſetzen des gemeinen Rechts gegründet I. das erimen repetundarum II. das crimen de reſiduis. Die zahlloſen unge - nannten Verbrechen der Staatsbeamten, welche von den Rechtslehrern aufgeführt werden*)Leyſer Sp. 570. 571. Excerpirt von Koch inſtit. jur. crim. §. 631., ſind zwar unerlaubte Handlungen, aber nicht Verbrechen.

Erſter414II. Buch. IV. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt.
Erſter Abſchnitt. Von der Beſtechung.

Henr. Bodinus Diſſ. de barattaria Marp. 1639. rec. Viteb. 1743.

God. Lud. Menken Diſſ. de crimine barattariae ſen repetundarum. Viteb. 1729.

§. 510.

Das Verbrechen der Beſtechung (cr. repe - tundarum ſ. barattariae) wird begangen, wenn Staatsbeamte einen Vortheil annehmen oder, ſich verſprechen laſſen, in Beziehung auf ihre Amts - verbindlichkeit. *)L. 1. pr. L. 4. 9. D. de L. Iul. rep.

§. 511.

Das Verbrechen wird begangen I. von ei - nem Staatsbeamten, nicht aber von dem Offi - cianten einer Privatperſon,**)Meiſter rechtliche Erkenntniſſe Thl. V. Dec. 133. Nr. 13. Vormünder und Curatoren werden dieſes Verbrechens nicht ſchuldig, wie Bodin. l. c. §. 17. irrig glaubt. ſelbſt nicht von demjenigen, dem von einem Staatsbeamten die Verwaltung ſeiner Amtsverbindlichkeiten übertragen worden iſt. Der Begriff erſtrecktſich415Von beſondern Verbrechen Beſtechung. ſich aber auf Staatsbeamten jeder Art, ſelbſt auf Miniſter und Geſandte. *)R. H. O. Ferd. III. tit. 1. §. 19.Es ſetzt vor - aus II. irgend einen Vortheil, den der Beamte entweder erhalten, oder den er in einem Ver - ſprechen acceptirt hat. Ob er den Vortheil mittelbar oder unmittelbar gezogen hat, ob dieſer groſs oder gering, oder von welcher Art er war, hat auf das Verbrechen keinen rechtlichen Einfluſs. **)Ueber die L. 18. D. de off. praeſ. L. 6. §. 3. D. de off. proc. Vergl. Püttmann ad v. jur. L. I. c. 4. p. 76. ſq.Auch die Zeit des empfangenen oder acceptirten Vortheils iſt völlig indifferent. ***)L. ult. C. ad L. Iul. rep. Rec. Viſ. de a. 1713. §. 46. mit den Worten: es ſey vor oder nach ergangener Urthel.

§. 512.

III. Die Vortheile müſſen in Beziehung auf die Erfüllung der Amtsverbindlichkeit gege - ben oder verſprochen worden ſeyn; das Ver - brechen iſt daher ſowohl 1) begründet, wenn das Geſchenk die Nichterfüllung der Amtsver - bindlichkeit zum Zweck hat,†)L. 6. §. 2. L. 7. pr. D. de L. Iul. rep. als auch 2) wenn es angenommen worden iſt, als Beſtim - mungsgrund, die Amtsverbindlichkeit wirk - lich zu erfüllen. ††)L. 4. D. de L. Iul. rep. L. 7. pr. eod. L. 2. § 2. D. de cond. ob turpem cauſ. Wer einen Vortheil an -nimmt,416II. Buch. IV. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. nimt, um eine in ſeiner Amtsverbindlichkeit nicht enthaltene Handlung zu thun, iſt dieſes Verbrechens nicht ſchuldig.

§. 513.

Die Strafe iſt im allgemeinen nach röm. R. willkührlich. *)L. 7. §. 3. D. ad L. Iul. rep. L. 38. §. 10. D de poenis L. 1. et ult. C. ad L. Iul. erp. Nov. 8. c. 8. §. 1.Hingegen einen, in einer Civilſache beſtochenen Richter bedrohen die Geſetze mit der Strafe des dreyfachen; in ei - ner Criminalſache aber mit Amtsentſetzung, Exil und Confiscation des Vermögens. **)Nov. 124. Rec. Viſ. 1713. §. 46.Die Praktiker wollen überall blos eine willkühr - liche Strafe, Amtsentſetzung, Leibesſtrafe, Verweiſung nach Befinden der Umſtände. ***)Struben Thl. IV. Bd. 151. Quiſtorp Thl. I. §. 424. Meiſter jun. l. c. §. 338.

Zwey -417Von beſondern Verbrechen Crimen reſidui.
Zweyter Abſchnitt. Von der Unterſchlagung öffentlicher Gelder.
§. 514.

Das Verbrechen der Unterſchlagung öf - fentlicher Gelder (crimen reſidui ſ. de re - ſiduis) beſteht in der rechtswidrigen Verwendung des Staatsvermögens zu Privatzwecken von einer Perſon, der die Verwaltung derſelben vom Staat anvertraut iſt. *)L. 2. 4. §. 3. D. ad L. Iul. peculatut.

§. 515.

I. Das Object des Verbrechens iſt das Ver - mögen, und kann nicht auf die Privatkaſſe des Landesherrn oder auf das Vermögen anderer Gemeinheiten im Staate ausgedehnt wer - den. **)Was in der L. 4. §. 7. D. ad L. Iul. pec. verordnet iſt, läſst ſich nicht geradezu auch auf dieſes Ver - brechen ausdehnen, wie Meiſter jun. l. c. §. 340. mit Andern will.II. Das nothwendige Subject iſt ein Staatsbeamter. Ein anderer, ſelbſt der Ge - hülfe oder Subſtitut des Beamten, wenn die -ſerD d418II. Buch. IV. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. ſer nicht von dem Staat ſelbſt verpflichtet iſt, iſt durch Veruntreuung nur des Peculats ſchuldig.

§. 516.

III. Das Vermögen muſs rechtswidrig zu den Privatzwecken des Verwalters verwendet werden. Daher exiſtirt das Verbrechen nicht 1) wenn der Verbrecher das Geld zu andern öffentlichen Zwecken verwendet, als zu wel - chen es beſtimmt iſt, obgleich dieſer auſſeror - dentlich geſtraft werden kann,*)L. 1. et 4. C. de adminiſtr. rer. ad civ. pert. Die - ſem widerſpricht nicht L. un. C. de expenſ. lud. publ. 2) wenn er ein gegründetes Recht zu jener Handlung hat, wie, wenn er als Gläubiger des Staats ſich ſelbſt zu rechter Zeit und in der gehörigen Summe aus der öffentlichen Kaſſe bezahlt und hierauf vom Staate ausdrücklich angewieſen iſt. Wenn nur eins dieſer Requiſite mangelt, ſo exiſtirt das Verbrechen. Weder die Abſicht und die Fähigkeit wieder zu reſtituiren, noch der Mangel der eidlichen Verpflichtung modi - ficiren den Begriff des Verbrechens

§. 517.

Strafe. Das Röm. R.**)L. un C. de crimine pec. Anders die Pandek: en L. 4. §. 5. D. ad L. Iul. pec. ſetzt auf das Verbrechen eine Capitalſtrafe, wobey es jedoch ungewiſs iſt, ob damit die Todesſtrafeoder419Vonbeſond. Verbrechen. Militärverbrechen. oder nur überhaupt eine poena capitalis im - miſchen Sinne gemeynt ſey. Die Praktiker wollen eine ſchlechthin willkührliche Strafe. *)Koch l. c. §. 639. Meiſterjun. I. c. §. 341, Quiſtorp Thl. I. §. 417.

Anm. Von den hier erſonnenen Milderungsgründen.

Zweyter Titel. Von Militärverbrechen.

Ioh. Heinr. Beermanns Grundſätze des heutigen deutſchen Kriegsrechts. Erſten Teils zweyte Abtheilung. (handelt ausführlich von den Militarverbrechen).

§. 518.

Militärverbrechen überhaupt ſind Ver - brechen, welche von den Soldaten, als ſolchen, begangen werden. **)L. 2. pr. D. de re mil. Alle diejenigen Ueber - tretungen, welche auch von andern Untertha - nen geſchehen können, ſelbſt wenn ſie vorzüg - lich von Soldaten begangen würden, ſind aus - geſchloſſen. Iede Uebertretung der Dienſt - pflicht aber iſt bey dieſem Stande Verbrechen,D d 2und420II. Buch. IV. Theil. II. Titel. und wird mit härtern oder geringern Strafen geahndet. *)L. 6. pr. D. eod.

§. 519.

Die in dem gemeinen Recht**)Ich[verſtehe] darunter vorzüglich das röm. R. Die Reichsgeſetze, z. E. die Reuterbeſtellung u. ſ. w. beziehen ſich blos auf die Reichsarmee und enthal - ten mehr Polizeyverordnungen, als Strafen. beſonders begründeten Militärverbrechen können in ge - meingefährliche und in individuellgefährliche getheilt werden, von welchen jene, vermöge ihres Begriffs, ein ganzes Heer, oder einen be - trächtlichen Theil deſſelben den Zwecken des Kriegsherrn entziehen können.

§. 520.

I. Zu den gemeingefährlichen Verbrechen gehört 1) die Meuterey, welche in allen Handlungen beſteht, durch welche ein Aufruhr der Soldaten vorbereitet oder veranlaſst wird. ***)Darf nicht mit Aufruhr verwechſelt werden. ſ. Beermann a. a. O. S. 861. ff.Schon durch lauten Tadel der Befehle, am meiſten aber durch wirkliche Auffoderung zum Ungehorſam und Widerſtand gegen das Commando wird das Verbrechen begangen. Es ſoll mit dem Tode beſtraft werden, wennes421Von beſond. Verbrechen. Militärverbrechen. es einen groſsen Aufruhr der Soldaten zur Folge hatte;*)L. 3. §. 19 D. de R. M. ſonſt iſt die Strafe willkühr - lich. **)Nach Partikulargeſetzen in der Regel immer Arquebuſade.

§. 521.

2) Soldatenaufruhr beſteht in dem Aufſtande des Heers oder eines beſtimmten Theils deſſelben gegen ſeinen Anführer und Vorgeſetz - te. Schon durch bloſse Anfoderungen mit Geſchrey, vorzüglich aber durch ausdrückli - che Verweigerung des Gehorſams oder thätliche Widerſetzung iſt die That vollendet. Die Strafe iſt in den letzten Fällen die Todes - ſtrafe,***)Arg. L. 3. §. 19. D. de R. M. welche aber nicht an allen exequirt wird†)Dreſſel Diſſ. de decimatione delinquentium., und in dem erſten willkührlich††)L. 3. §. 20. 21. D. de R. M. .

§. 522.

II. Individuellgefährliche Verbrechen ſind 1) Inſubordination, welche durch jede Handlung begangen wird, die der Pflicht der vorzüglichen Achtung und dem unbedingten Ge - horſam gegen die Befehle der militäriſchen Vor - geſetzten widerſpricht. Durch bloſses Klügeln und Raiſonniren über die gegebene Ordre,durch422II. Buch. IV. Theil. II. Titel. durch Reſpectwidriges Betragen,*)L. 13. §. 4. D. de R. M. am mei - ſten aber durch jede Art des geringſten Unge - horſams gegen die Ordre des Vorgeſetzten, wird der Soldat der Inſubordination ſchuldig. Die letzte Art wird, gleich den Realinjurien, mit dem Tode beſtraft. **)L. 3. §. 15. L. 6. §. 1. 2. D. eod.

§. 523.

2) Verlaſſung des Poſtens wird in der Regel willkührlich beſtraft;***)L. 3 §. 5. 6. D. de R. M. wer aber ſeinen Poſten vor dem Palatium oder vor der Wohnung eines Vorgeſetzten verllieſs, ſollte mit dem Tode beſtraft werden. †)L. 3 §. 6. L. 10. pr. eod. Beermann a. a. O. S. 942 §. 812.Dieſem Verbrechen iſt es gleich zu achten wenn der Soldat ſeinen Poſten ſo verſieht, daſs dadurch die bezweckte Sicherheit nicht erreicht wer - den kann, wie wenn er ſchläft u. ſ. w.

§. 524.

3) Treuloſigkeit mit den Fahnen (Verletzung der Fahnen) wird began - gen durch Verlaſſung des Gliedes ohne rechtmä - ſsige Urſache während des Anmarſches gegen den Feind oder während der Aktion.††)Beermann a. a. O. S. 1258. §. 939. ff. Wernur423Von beſond. Verbrechen. Militärverbrechen. nur aus dem Gliede heraustritt, ſoll mit kör - perlicher Züchtigung oder Degradation*)L. 3. §. 16. D. de R. M. und wer im Angeſicht des Heers zuerſt die Flucht ergreift, mit dem Tode beſtraft werden. **)L. 6. §. 3. D. eod.

§. 525.

4) Deſertion iſt rechtswidrige Verlaſſung des Regiments, in der Abſicht, ſich dem Dienſte deſſelben zu entziehen, ſelbſt wenn der Soldat ſich bey einem andern Regiment deſſelben Kriegsherrn anwerben laſſen wollte. Die an - gegebene Abſicht muſs nothwendig vorhanden ſeyn; wenn daher der gefangene Soldat aus dem Gefängniſſe entflieht, ſo iſt er nicht De - ſerteur. ***)L. 13. §. 5. D. de R. M. Ob er ſchon zu den Fahnen ge - ſchworen hat, iſt gleichviel: wenn er nur nicht rechtswidrig zum Soldatendienſt ge - zwungen ward, oder die Zeit der Verpflich - tung verfloſſen iſt. Die Strafe der Deſer - tion iſt unter einigen Vorausſetzungen der Tod .†)L. 5. pr. §. 1. 2. D. eod. . Ueberläufer, (transfugae) als qua - liſicirte Deſerteurs ſollen, nach vorgängiger Beraubung des Soldatenſtandes (exauctorati) gefoltert und mit dem Kreuz oder damnatio ad beſtias beſtraft werden. ††)L. 3. §. 10. L. 7. D. eod.

§. 526.424II. Buch. IV. Theil. II. Titel.
§. 526.

5) Wer ſich rechtswidrig von der Fahne ent - fernt hält, jedoch in der Abſicht zurück zu keh - ren, iſt emanſor. *)L. 3. §. 2. 7. D. de R. M. Er wird nur willkührlich beſtraft. **)L. 4. §. 15. L. 14. pr. D. eod. 6) Das Verkaufen oder der Verluſt der Waffen wird mit dem Tode beſtraft; doch iſt das Verkaufen geringerer Waffenſtücke nur körperlicher Züchtigung unterworfen. ***)L. 3. §. 13. L. 14. §. 1. D. eod.

Anm. Von andern heut zu Tage nicht mehr anwend - baren Verbrechen, z. E. der Ueberſteigung von Wall und Graben, dem Ankauf von Grundſtücken u. ſ. w.

Drit -425Von d. Recht d. Anwend. d. Strafg. überh.

Drittes Buch. Pragmatiſcher Theil des peinli - chen Rechts.

I. Einleitung. Von dem Recht der Anwendung der Strafgeſetze überhaupt.

Erſter Titel. Von der Criminaljurisdiction überhaupt.

I. P. Kreſſ. Diſſ. de variis jurisdictionis criminalis in Germania generibus. Helmſt. 1730.

Fr. Eſ. de Pufendorf de jurisdictione germanica Lemg. 1740.

§. 527.

Die Criminalgerichtsbarkeit (jurisdictio criminalis) in weiterer Bedeu -tung426III. Buch. Einl. I. Titel. tung und zwar im Sinne des gemeinen Rechts, beſteht in der Gewalt des Staats, gegebene Hand - lungen nach Strafgeſetzen rechtsgültig zu beur - theilen. Die Criminalgerichtsbarkeit umfaſst daher in dieſem Sinne alle mit öffentlichen Strafen bedrohte Handlungen. *)§. 10. I. de injur. L. 92. D. de furtis. L. un. C. quando civilis actio.Da aber nach Partikulargeſetzen und Gewohnheiten geringere Verbrechen und Strafen als Objecte des Civilgerichts betrachtet werden, ſo iſt die Criminalgerichtsbarkeit nach deutſchem Partiku - larrecht von geringerem Umfang und beſteht als beſondere Iurisdiction in der Gewalt, nach Geſetzen, welche mit peinlichen Strafen drohen, gegebene Handlungen zu beurtheilen. **)

Anm. Von den Benennungen hohe Gerichtsbarkeit. Fraiſs, laut, Blutbann, Malefizgericht u. ſ. w. und deren verſchiedenen Bedeutungen.

§. 528.

Vor die deutſche Criminalgerichtsbarkeit gehören daher blos peinliche Sachen im engern Sinn, d. i. Gegenſtände der Beurthei - lung, welche entweder in abſtracto (in theſi) oder doch nach den beſondern Umſtänden (in hypotheſi) eine beſonders ſchwere Strafe zur Folge haben. Handlungen, welche Leibes - ſtrafen, verſtümmelnde Strafen, Confiscation des ganzen Vermögens und ewiges Gefängniſs oder lebenswierige Verweiſung begründen, gehören wohl überall zu den peinlichen Sa -chen.427Von der Criminaljurisdiction überhaupt. chen. Nähere Beſtimmungen aber müſſen Partikulargeſetze und Gewohnheiten geben. *)L. 2. D. de jurisd.Im Zweifel gehören alle Straffälle zur peinli - chen Gerichtsbarkeit, weil Ausübung der Cri - minalgewalt von einem Civilgericht eine Aus - nahme von dem gemeinen Recht und von der Natur der Sache iſt.

§. 529.

In der Natur der Criminalgerichtsbarkeit iſt enthalten 1) das Recht, an dem vorkommen - den Fall die Merkmale der geſetzlichen Vor - ausſetzung aufzuſuchen Recht der Unterſu - chung, 2) das Recht, die Nothwendigkeit der Anwendung oder Nichtanwendung der recht - lichen Folge rechtsgültig zu erklären Recht der Entſcheidung. Das Recht der Execution iſt zwar mit der Criminalgerichtsbarkeit ge - wöhnlich verbunden, aber nicht in ihrer Na - tur enthalten und iſt öfters davon auch wirklich getrennt.

§. 530.

Aus dem Beſitz der Criminaljurisdiction flieſsen I. abgeleitete Rechte, nämlich 1) das Recht zu allen Handlungen, welche die Aus - übung der Gerichtsbarkeit möglich machen, in ſo ferne dadurch nicht Rechte eines andern verletzt werden,**)S. §. und die daſelbſt angeführten Schrift - ſteller. 2) das Recht zur Ernen -nung428III. Buch. Einl. I. Titel. nung der Perſonen und zum Beſitz der Sachen, welche die Bedingung der Ausübung dieſer Handlungen ſind,*)Zur Errichtung der Zuchthäuſer aber gehört die Polizeygewalt des Staats, Meiſter jun. Diſſ. de jure ergaſtula inſtituendi, ex jurisdictione criminali haud fluente. Gött. 1784. Deſſen prakt. Bemerkungen. Thl. 1. S. 34. 3) das Recht auf die Ein - künfte, welche aus der Beſtrafung entſprin - gen. **)Meiſter Einleitung. S. 518.

Anm. Von den zufälligen Rechten der Criminaljuris - diction ſ. Malblanc conſpectus rei jud. R. G. §. 102.

§. 531.

II. Die Verbindlichkeiten, die aus der Cri - minalgerichtsbarkeit flieſsen, ſind vorzüglich 1) die Beſoldung der Gerichtsperſonen, und die Errichtung und Ausbeſſerung der nöthigen Sachen auf eigene Koſten, 2) die Ueberneh - mung der Prozeſskoſten, wenn der Angeſchul - digte, oder andere Perſonen, die dazu ver - pflichtet ſind, ſie nicht tragen können. ***)P. G. O. Art. 47.

§. 532.

Da in Deutſchland eine doppelte Staatsge - walt, die Reichsſtaatsgewalt und die Territorial - ſtaatsgewalt. (Landeshoheit) gegründet iſt, ſo giebt es auch eine doppelte Criminalgerichts - barkeit, nämlich I. die Criminaljurisdiction vonKaiſer429Von der Criminaljurisdiction überhaupt. Kaiſer und Reich, welche ſich aber blos 1) über Reichsunmittelbare 2) über ſolche Verbrechen der Mittelbaren erſtreckt, welche an dem gan - zen Reich begangen werden. *)Meiſter Einl. S. 343. ff.II. Die Cri - minalgerichtsbarkeit der einzelnen Territorien, welche in der Landeshoheit nothwendig ent - halten iſt.

§. 533.

Die Criminaljurisdiction der einzelnen Territorien erſcheint unter verſchiedenen Mo - dificationen, welche verſchiedene Eintheilun - gen begründen. A. In Anſehung des Um - fangs kann ſie ſeyn I. vollſtändig (jur. illimitata), wenn ſie blos an die nothwendigen, durch die Natur der Criminaljurisdiction beſtimmten Schranken gebunden iſt, II. unvollſtändig, be - ſchränkt (j. limitata), wenn ſie auſſerdem noch an zufällige Schranken gebunden iſt. Sie kann aber limitirt ſeyn 1) in Rückſicht der Art der Verbrechen 2) des Orts, 3) der Perſonen, von welchen ſie begangen werden, 4) in Anſe - hung der Theile der criminalrichterlichen Gewalt ſelbſt**)Koch inſt. j. cr. §. 657. Malblanc l. c. §. 104. Meiſter Einl. S. 5[8]9 ff. 5) in Anſehung ihrer Ausübung, welches eintritt bey einer gemeinſchaftlichen oder concurrenten Gerichtsbarkeit. ***)Meiſter Einl. S. 595. ff.

Anm. Iurisdictio ſolitaria ſimultanea communis und ſeparata.

§. 534.430III. Buch. Einl. I. Titel.
§. 534.

B Nach der Art des Beſitzes theilt ſie ſich I. in die urſprüngliche Cj (jur. ſublimis ſ. pro - pria), welche einer Perſon vermöge der ober - herrlichen Gewalt zuſteht, II. in die abgelei - tete (j. delegata, welche für eine Perſon durch Verleihung des Landesherrn begründet iſt. Dieſe iſt 1) adminiſtratoriſch, perſönlich (jur. perſonalis ſ. adminiſtratoria), wenn ſie als öf - fentliches Recht beſeſſen und im Namen der Staatsgewalt ausgeübt wird, 2 reell (j. realis), wenn ſie als Privatrecht beſeſsen und von ei - nem Unterthan in eignem Namen ausgeübt wird. Dies findet beſonders ſtatt a) wenn ſie an eine Familie b) an eine Gemeinde auf un - beſtimmte Zeit verliehen, oder c) an ein ge - wiſſes Grundſtück gebunden iſt. (jur. praedia - lis). *)Meiſter Einl. S. 402. ff.

  • 1. Beſitz der Criminaljurisdiction als Staatsrechtsſer - vitut.
  • 2. Von Commisſionen und delegirten Richtern.
Zwey -431Von der äuſſern Form eines Criminalgerichts.

Zweyter Titel. Von der äuſſern Form eines Criminalgerichts.

§. 535.

Der Inbegriff der zur Ausübung der Crimi - naljurisdiction vereinigten Perſonen, heiſst das Criminalgericht (judicium criminale). Zur rechtlichen Gültigkeit der von ihm aus - zuübenden öffentlichen Handlungen iſt die geſetzlich beſtimmte äuſsere Form deſſelben nothwendig, welche darin beſteht, daſs es aus den Perſonen zuſammengeſetzt iſt, deren Gegenwart die Ueberzeugung der Geſetz - mäſsigkeit der gerichtlichen Handlungen be - gründet. Die Geſetze fodern daher zu dieſer äuſsern Form 1) einen Richter, 2) einen Aktu - arius und 3) Schöppen.

§. 536.

I. Der Richter iſt die Hauptperſon des Gerichts, in wie ferne er die gerichtli - chen Handlungen leitet und zum Zweck die Anwendung der Strafgeſetze beſtimmt. Die rechtliche Gültigkeit ſeiner Handlungen hängt von ſeiner Vereydung vor Antretung ſeines Amtes ab*)P. G. O. Art. 3.. Auſſerdem muſs er diephyſi -432III. Buch. Einl. II. Titel. phyſiſchen Eigenſchaften beſitzen, welche die Geſetze zur Führung des Richteramts fodern*)P. G. O. Art. 2. und es darf weder ſein Verſtand, noch ſein Wille die gerechte Furcht der ge - ſetzwidrigen Iuſtizverwaltung begründen**)P. G. O. Art. 1.. Kein Angeſchuldigter braucht einen Richter anzuerkennen, dem eine dieſer Eigenſchaften mangelt***)Exceptio judicis ſuſpecti judicis inhabilis jur. perhorreſcentiae 1. M. Seuffert von dem Rechte des peinlich angeklagten, ſeinen Richter auszuſchlieſsen, aus dem Geſichtspunkt der geſetzgebriſchen Klugheit. Nürnb. 1787..

§. 537.

Die Schöppen (Urtheiler, Faide, ſca - bini)*)Fr. Brummer de ſcabinis medii aevi et recemioribus. Im Brummerian. edit. Ge Beyer. Nr. II. beſonders Ern. Blümner Diſſ. ſcahini judiciorum criminaltum ad Legem Carolinam poenalem deſcripti Lipſ. 1799. 4. haben nach den Geſetzen wirkli - chen Antheil an der richterlichen Gewalt. Ihr wichtigſtes Geſchäft iſt, in Gemeinſchaft mit dem Richter die rechtliche Folge der Handlung zu beſtimmen**)P. G. O. Art. 81.. Nach Ver - ſchiedenheit der gerichtlichen Handlungen ſind bald mehr, bald weniger Schöppen noth - wendig: die geringſte Zahl ſind zwey***)P. G. O. Art. 46. 47. 56. 91. 181. 149. 206.. Heut zu Tag wird ihre Gegenwart blos desBewei -433Von der äuſſern Form eines Criminalgerichts. Beweiſes und der Sollennität wegen erfodert und dürfen daher mit den Beyſitzern höherer Gerichtsſtellen nicht verwechſelt werden. Der Eid macht ſie erſt zu öffentlichen Per - ſonen*)P. G. O. Art. 4..

§. 538.

III. Der Aktuarius (Gerichtsſchreiber) welcher alles, was im Gericht vorgeht, aufzu - zeichnen, die Verpflichtung hat**)P. G. O. Art. 181 190.. Er muſs vor Antretung ſeines Amtes vereidet ſeyn***)P. G. O. Art. 5. Meiſter Einl. S. 95., und daſs er in der Perſon des Richters verei - nigt ſeyn könne, widerſpricht den Ge - ſetzen****)Nov. 73. c. 5. Nov. 82. pr. c. 11. X. de probat. c. 28. X. de teſt. C. G. O. P. I. tit. 26 29. 59. 79. R. A. v. I. 1570. §. 68. Einige wollen dieſes aber bey Patrimonialgerichten zulaſſen, wie Boehmer ad art. 5. C. C. C. Andere laſſen es allgemein zu, wenn der Richter ad utrumque vereidet iſt, wie Struben Thl. II. Bd. 79. Meiſter Einl. verwirft dieſe Lehré nach den Geſetzen, vertheidigt ſie aber nach der Praxis.. Der Mangel eines dieſer Requi - ſite raubt dem Protokoll den öffentlichen Glauben.

§. 539.

Als Diener des Gerichts kommen vor 1) der Gerichtsdiener, Pedell (apparitor). 2) DerE e434III. Buch. Einleit. III. Titel. 2) Der Geſangenwärter und Aufſeher der Ge - fangenen, 3) der Büttel oder Gerichtsknecht (lictor), 4) der Scharfrichter*)I. H. Boehmer Diſſ. de executionis poendrum capi - talium honeſtate. Hal. 1738. rec. 1745. Quiſtorp Beyträge Nr. 50.. 5) Der Hen - ker, mit welchem der Schinder und Abdecker nicht zu verwechſeln iſt**)Meiſter Einleitung. S. 121. ff. . Verſchiedene dieſer Perſonen ſind oft in einem Subjekt vereinigt.

Dritter Titel. Von der Competenz des peinlichen Gerichts.

§. 540.

Nicht jedes Gericht darf über jeden die Ge - richtsbarkeit ausüben. Es müſſen Gründe vorhanden ſeyn, welche für ein beſtimmtes Gericht die Befugniſs, über eine gewiſſe Per - ſon wegen eines beſtimmten Verbrechens, die criminalrichterliche Gewalt auszuüben, begründen. Das durch dieſe Befugniſs be - gründete Verhältniſs zwiſchen einem Gericht und einer Privatperſon heiſst der Gerichts - ſtand (forum). Die, dieſes Verhältniſs be -ſtim -435Von der Competenz des peinlichen Gerichtsſtimmende Befugniſs des Gerichts ſelbſt, heiſst die Competenz deſſelben (fori compe - tentia).

§. 541.

Der Gerichtsſtand, welcher durch Vor - auſſetzungen begründet wird, die bey allen eintreten können, welche ein Verbrechen begehen, heiſst der gemeine Gerichts - ſtand (forum commune): derjenige, welcher als Ausnahme, nur für Einzelne, wegen ſpecieller Vorauſſetzungen begründet iſt, heiſst ein privilegirter Gerichtsſtand (for. privilegiatum).

§. 542.

A. Das gemeine Forum in Anſehung eines begangenen Verbrechens wird durch drey Vorauſſetzungen begründet, durch die Uebertretung des Strafgeſetzes, durch den Wohnort des Verbrechers und durch den Aufenthalt deſſelben*)In dem Röm. R. iſt eigentlich nur das forum del. gültig L. 7. §. 4. 5. D. de accuſ. et inſcript. L. 22. eod. L. 28. §. 15. D. de poenis L. 7. D. de cuſt. reor. Obgleich wenigſtens in Anſehung der Unterſuchung auch forum deprebenſionis angenommen iſt. L. 3. 13. D. de off. praeſ. L. 1. C. ubi de crimin. Ueber die Einführung der drey Gerichtsſtände in Deutſch - land ſ. Boehmer de delictis extra territorium ad - miſſis. §. 7 10.. Es giebt daher 1) einen Gerichtsſtand des begangenen Verbre - chens (f. del. commiſſi). Dieſer iſt vor dem Gericht, in deſſen Sprengel der Akt der Ueber -E e 2tre -436III. Buch. Einl. III. Titel. tretung begangen worden iſt, welcher zu - nächſt den Gegenſtand der Unterſuchung aus - macht. Auf den Ort, wo erſt die rechtliche Folge zur Wirklichkeit kam, oder wo die vorbereitenden Handlungen geſchahen, iſt nicht zu ſehen. Bey einem unternommenen Verbrechen beſtimmt der letzte Akt den Ge - richtsſtand.

§. 543.

Es giebt 2) einen Gerichtsſtand des Wohn - orts (for. domicilii). Dieſer iſt an dem Gericht des Orts, wo der Verbrecher, in der Abſicht eines beſtändigen Aufenthalts, ſich nieder - gelaſſen hat. 3) Der Gerichtsſtand der Depre - henſion, iſt vor dem Gericht, in deſſen Spren - gel ſich der Verbrecher nach der begangenen That aufhält. Nicht erſt durch Ergreifung und Incarceration wird alſo dieſer Gerichts - ſtand begründet*)Meiſter Einl. S. 645. Meiſter jun. pr. j. cr. §. 19. Was Kleinſchrod in d. Abh. von dem Gerichtsſtande der Deprehenſion in peinl. Fällen, im Archiv Bd. II. Stck. 3. Nr. 3. dagegen erinnert, iſt gegen die Natur der Sache und ſelbſt gegen deutliche Ausdrücke der Reichsgeſetze. R. A. 1559. §. 161. 162. R. P. O. 1577. tit. 23. §. 2. Kayſerl. Cam. Decr. v. I. 1664. Das Recht, den Verbrecher wirklich anzugreifen, ſetzt ſchon ein begründetes forum voraus..

§. 544.

Da in Deutſchland viele einzelne Ge - richte vorhanden ſind, ſo können dieſe inAnſe -437Von der Competenz des peinlichen Gerichts. Anſehung eines begangenen Verbrechens colli - diren. Eine Colliſion der Gerichtsſtände überhaupt exiſtirt, wenn bey verſchiedenen Gerichtsſprengeln die Bedingungen, welche den gemeinen Gerichtsſtand begründen, vorhanden ſind. Die Colliſion muſs getheilt werden 1) in die ſubjective Colliſion, wenn dieſelbe Vorauſſetzung bey verſchiedenen Gerichts - ſprengeln eingetreten iſt*)z. E. bey einem auf der Grenze begangenen Ver - brechen., 2) die objective Colliſion, wenn verſchiedene Vorauſſetzungen bey verſchiedenen Gerichtsſprengeln exiſtent geworden ſind**)Man denke am Ort A. iſt der Wohnort, an dem Ort B. wird das Verbrechen begangen u. ſ. w..

§. 545.

Im Fall einer ſolchen Colliſion werden, auſſer den allgemeinen Gründen, welche den Gerichtsſtand überhaupt beſtimmen, noch beſondere Bedingungen vorausgeſetzt, wel - che dem einen Gericht einen Vorzug vor dem andern geben, oder ſonſt den Widerſtreit aufheben.

§. 546.

Es gelten zur Aufhebung dieſes Wider - ſtreits ſowohl für die ſubjective, als ob - jective Colliſion, folgende allgemeine Regeln: I. Wenn Vertrag, Geſetz oder Obſervanz entſcheidet, ſo geht das forum, für welches entſchieden iſt, unbedingt dem andern vor. II.438III. Buch. Einleit. III. Titel. II. Wenn hierin kein Entſcheidungsgrund liegt, ſo hat das prävenirende Gericht den Vor - zug*)Dies wird von mehrern nur bey der Concurrenz verſchiedener Gerichte deſſelben Landesherrn zuge - laſſen, und die Wirkung der Prävention bey colli - direnden Gerichten verſchiedener Landesherrn ge - läugnet. Warum?. Die Prävention geſchieht durch rich - terliche Handlungen, welche die Rechtshän - gigkeit der Sache bewirken und dieſe wird im peinlichen Recht bewirkt durch Citation**)L. 7. D. de judiciis c. 20. X. de off. jud. del. c. 10. X. de off leg. und durch diejenigen Handlungen, welche die Gegenwart des Verbrechers vor Gericht zum Zweck haben, alſo die Stelle der Citation ver - treten***)Wie Steckbriefe, Nacheile u. ſ. w. Meiſter Einl. S. 655. beſchränkt alles mit Unrecht auf die Ci - tation III. Collidiren die Präventionen ſelbſt, ſo muſs ein gemeinſchaftliches Ge - richt niedergeſetzt oder ſonſt, durch Ver - gleich u. ſ. w. der Streit entſchieden wer - den****)Die meiſten andern Rechtslehrer z. B. Koch l. c. §. 673. ff. Grolman a. O. §. 590. ff. nehmen an 1) bey einem auf der Grenze begangenen Verbrechen (welches eine einzelne Art der ſubje tiven Colliſion iſt ſey unbedingt das Gericht gemeinſchaftlich, ſo daſs Pravention nicht entſcheide: 2) Im Fall der Colliſion zwiſchen dem foro delicti. deprehenſionis und domicilii wenn alle zuſammen Einem Landes - herrn unterworfen ſind, gehe unbedingt, das foroum delicti vor, weil hier der Anwendung des Röm. Rechts gar nichts im Wege ſtehe. Allein das Röm. R. kennt.

§. 547.439Von der Competenz des peinlichen Gerichts.
§. 547.

B. Ein privilegirter Gerichtsſtand hängt nach dem gemeinen Rechte blos von dem beſondern Stand der Perſon ab*)Das forum priv. rat. loci (ſ. Bochmer ad Carpzov Q. 110. Obſ. 5.) iſt blos particularrecht - lich und das angebliche for. priv. rat. cauſae, wel - ches man über die Majeſtätsverlezung annimmt, hat obenfalls in dem gemeinen Recht keinen Grund. S. §. 210. Not. ***).. Ei - nen ſolchen Gerichtsſtand haben 1) alle, denen Landeshoheit zukommt, alſo auch die Reichsritter**)Meiſter Einl. S. 689. ff. vor den Reichsgerichten***)ſ. Moſer von der deutſchen Iuſtizverfaſſung. Bd. II. Cap. 2. §. 16., 2) Geſandte vor den Gerichten ihres Princi - pals, 3) Soldaten vor den militäriſchen Ge - richten in Anſehung ihrer Dienſtverbre - chen****)L. 2. 3. pr. D. de re mil. L. 9. D. de cuſt. et. exhib. reor. Nov. 8. c. 12., 4) Geiſtliche vor den geiſtlichenGerich -****)R. kennt auch in Etwas das forum deprehenſionis; und wie denn, wenn nur das forum domicilii und das forum deprehenſionis, nach der oben §. 544. ange - gebenen Beſtimmung mit einander concurriren? 3) Stehen die collidirenden drey Gerichte unter ver - ſchiedenen Landesherrn, dann ſoll die Ergreifung, Vor - zug bewirken. Richtig: aber wieder nicht erſchö - fpend. Wie wenn das forum domicilii und delicti con - curriren? Wir müſſen uns an die allgemeine Regeln, und zwar an die obigen halten. Daſs Partikularge - ſetze anders entſcheiden können, ändert nichts.440III. Buch. Einl. IV. Titel. Gerichten*)c. 4. 8. 10. X. de judiciis c. 2. 12. 14. X. de fori comp., welches jedoch bey proteſtan - tiſchen Geiſtlichen in Rückſicht der ganzen Unterſuchung bey peinlichen Verbrechen nicht anzunehmen iſt**)Meiſter Einl. S. 696., 5) Cammergerichts - beyſitzer vor dem Cammergericht***)C. G. O. v. 1555. P. I. tit. 26. §. 5. tit. 49. §. 1. R. A. v. I. 1654. §. 141..

Vierter Titel. Von den verſchiedenen Formen des gerichtlichen Verfahrens.

§. 548.

Der Inbegriff der geſetzlich beſtimmten Hand - lungen, durch welche der Staat ſeine Rechte aus Strafgeſetzen gegen Uebertreter verfolgt, iſt der Criminal-Proceſs. Dieſe Hand - lungen haben die Entdeckung der Schuld und der Unſchuld eines Angeſchuldigten gleich - mäſsig zum Zweck und ſind theils Handlun - gen des Gerichts, theils Handlungen des An - geſchuldigten ſelbſt. Sie ſind geſetzlich be - ſtimmt, damit nicht Privatwillkühr, demInte -441Von d. verſch. Formen d. gerichtl. Verfahr. Intereſſe des Staats das Intereſſe des Ange - ſchuldigten, oder dieſes jenem aufopfere.

Quellen des Criminalproceſſes.

§. 549.

Es ſind zwey Hauptformen des gerichtli - chen Verfahrens durch das gemeine Recht eingeführt*)Das Röm. R. kennt nur den accuſatoriſchen Proc. Thomaſius de orig. proc. inquiſ. §. 35. ff. Boeh - mer ſ. E. P. T. IV. L. V. tit. 1. §. 81. ff. Eſchen - bach Abth. von der Generalinquiſition. S. 29. ſſ. der In - quiſit. Proceſs gründet ſich auf das canon. R. c. 24. X. de accuſat. und beſonders die P. G. O. Art. 6. 11. 12. 13. 14. vorzüglich 214 und 219. Ueber den Urſprung des Inquiſit. Pr. ſ. Eſchenbach a. a. O. Kap. 11. §. 1 3. Malblank Geſch. der P. G. O. S. 61. ff.. I. Ein Bürger (der Beleidigte oder ein anderer) verfolgt vor Gericht im Namen des Staats die Rechte deſſelben Anklage-Prozeſs. II. Der Richter ſelbſt verfolgt als Richter die Rechte des Staats ge - gen den Uebertreter Inquiſitions-Pro - ceſs. Beyde Formen beſtehen ſo neben ein - ander, daſs, wenn ein Ankläger mangelt, der Richter ſelbſt, durch den Inq. Pr. an deſſen Stelle tritt**)Kleinſchrod über den Werth des Anklage - und Unterſuchungsprozeſſes gegen einander u. ſ. w. Im Archiv Bd. II. Stck. 4. Nr. 1..

  • 1. Von dem fiscaliſchen Proceſs und deſſen verſchiedenen Arten.
  • 2. Von den falſchen Eintheilungen in den Proceſs gegen Anweſende und Abweſende, in ordentlichen und auſser - ordentlichen Proceſs u. ſ. w.
§. 550.442III. Buch. Einleit. IV. Titel.
§. 550.

Seinem Inhalte nach theilt ſich der Inq. Pr. in den ſollennen und ſummariſchen. I. Der ſollenne begreift ſowohl diejenigen Hand - lungen, von denen die rechtliche Möglich - keit eines Straferkenntniſſes überhaupt ab - hängt, als auch ſolche, die blos darum ein - geführt ſind, um aller Uebereilung auf das entfernteſte vorzubeugen. II. Der ſumma - riſche Cr. Pr. begreift nur diejenigen Hand - lungen, ohne welche ein Straferkenntniſs rechtlich unmöglich ſeyn würde. Handlun - gen der letzten Art ſind hey jeder Proceſsart weſentlich. Wegen der Gröſse der Gefahr für den Angeſchuldigten wird der ſoll. Cr. Pr. bey Criminalverbrechen, der ſummariſche bey Civil - und Polizey-Verbrechen ange - wendet.

§. 551.

Die Rückſicht auf den Gegenſtand des Verfahrens beſtimmt den Unterſchied der Cr. Pr. in den reinen und gemiſchten, Ad - häſions - (oder Denunciations -) Proceſs. Er iſt jenes, wenn blos die durch eine Uebertre - tung begründeten Rechte des Staats der Ge - genſtand des Verfahrens ſind; er iſt dieſes, wenn nächſt den öffentlichen Rechten, zu - gleich die Privatrechte der durch das Ver -brechen,443Von d. verſch. Formen d. gerichtl. Verfahr. brechen beleidigten Privatperſon, in einem und demſelben Verfahren verfolgt werden*)P. G. O. Art. 198. 201. 207. Herm. Beſecke Diſſ. de tertia ſpecie proceſſus, mixti ſcilicet ſeu[de]- nunciatorii etc. Roſt. 1760. Kleinſchrod theoria proceſſus denunciatorii ſeu potius adhaeſionis. Wirceb. 1797..

§. 552.

Die geſetzlich beſtimmten Handlungen müſſen, um ein Straferkenntniſs zu begrün - den, nicht nur wirklich, ſondern auch auf die geſetzlich beſtimmte Art geſchehen. Dazu gehört: 1) daſs ſie an ſich die Eigenſchaften haben, welche die Geſetze von ihnen fo - dern**)z. B. keine Suggeſtivfragen., 2) daſs ſie von den geſetzlich be - ſtimmten Perſonen geſchehen, daſs alſo a) kei - ne dieſer Perſonen mangelt, b) daſs dieſe Perſonen die geſetzlichen Eigenſchaften, von welchen die Glaubwürdigkeit ihrer Handlun - gen abhängt, an ſich tragen.

§. 553.

Ein Fehler, in dem Verfahren, der aus einem dieſer Gründe hervorgeht, macht die gerichtlichen Handlungen nichtig, in Anſe - hung welcher derſelbe vorhanden iſt. Per - ſönliche Eigenſchaften der richterlichen Per - ſonen, welche nur die Gefahr der geſetzwi - drigen Verwaltung der Iuſtiz beſtimmen,machen444III. Buch. Einl. IV. Titel. machen das Verfahren an ſich nicht ungül - tig*)Das wahrſcheinliche[Intereſſe] des Richters an der That, dient als Beyſpiel. Ein nicht gehörig be - ſetztes Gericht, Mangel der Vereidung der Perſonen macht unbedingt das Verfahren nichtig, wenn auch keine beſondere Gründe für die Rechtswidrig - keit des Verfahrens vorhanden ſind.. Erſt wenn ſich beſondere Gründe für die Rechtswidrigkeit des Verfahrens zeigen, hat ein ſolcher Mangel rechtliche Folgen.

II.445Von d. Theilen d. Criminalproz. überhaupt.

II. Darſtellung des Criminalproceſſes ſelbſt.

Iac. Fr. Ludovici Einleitung zum peinlichen Prozeſs. Mit Anmerk. von Ioh. Gerh. Schlitten. Halle 1750. 4.

I. Ern. Piſtorii tract. de proceſſu criminali, tam in - quiſeitorio, quam accuſatorio etc. Tub. 1764. 8.

Chr. Fr. Georg. Meiſter ausführliche Abhandlung des peinlichen Prozeſſes in Deutſchland 1 5. Thl. Unter dem allgemeinen Titel: Vollſtändige Einleitung zur peinl. Rechtsgel. in Deutſchland I. Bd. Gött. 1764. neue Ausg. 1776. 4. Meiſters auführl. Abhandl. u. ſ. w. Nach einem veränderten Plane fortgeſetzt von I Chr. Eſchenbach 6 Thl. Schwerin und Wismar 1795. (Auch unter dem Titel: Ausführl. Abhandl. der Generalinquiſition. 1. Thl).

Erſter446III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. I. Abtheil.

Erſter Titel. Von den Theilen des Criminalproceſſes überhaupt.

Erſter Abſchnitt. Von den Bedingungen der Ausübung der Criminaljuſtiz.
Erſte Abtheilung. Von den Mitteln des Richters, den Angeſchuldigten ſeiner Gewalt zu unterwerfen.
§. 554.

Die Ausübung der Criminaljurisdiction ſetzt die Gegenwart des Angeſchuldigten vor Gericht voraus. Der Criminalrichter hat daher nothwendig das Recht zu ſolchen Hand - lungen, durch welche er die Gegenwart deſſelben vor Gericht bewirken kann*)Mündlich von der Zuläſsigkeit des Procurators in peinlichen Sachen I. H. Boehmer de poteſtare pro - curatoris in criminalibus. In Exerc. ad D. 33. T. II. Meiſter Einleit. Abſchn. 1. Kap. 9.. Iede dieſer Handlungen ſetzt als nothwendige allge -meine447Von d. Theilen d. Criminalproc. überhaupt. meine Bedingung voraus: 1) daſs entweder Gewiſsheit oder doch hohe Wahrſcheinlich - keit des begangenen Verbrechens an ſich 2) daſs zureichender Verdacht vorhanden iſt, daſs die Perſon des Verbrechens ſchuldig ſey. Ein Richter, der ohne dieſe Vorauſſetzungen, irgend eine dieſer Handlungen gegen eine beſtimmte Perſon vornimmt, verletzt ihren guten Namen und wird der Injurie ſchuldig.

§. 555.

Dieſe Handlungen des Richters ſind noth - wendig verſchieden, je nachdem der Ange - ſchuldigte in dem Gerichtsſprengel gegen - wärtig oder abweſend, und in dieſem Falle der Flucht verdächtig iſt, oder nicht. Ueberall gilt aber die allgemeine Regel: Der Richter hat zu einer, auf die Unterwerfung unter die Gerichtsgewalt gerichteten, Handlung nur in ſo weit ein Recht, als ſie ein nothwendiges Mittel der Ausübung der Criminalgerichtsbarkeit iſt.

§. 556.

A. Handlungen gegen den anweſenden Verbre - cher. I. Wenn Gründe vorhanden ſind, daſs ſich der Angeſchuldigte der Iuſtiz freywillig unterwerfe, ſo iſt der Richter zur bloſsen ordentlichen Citation d. i. dem Befehl des Rich - ters in dem Gericht zu erſcheinen, berechtigt. Iedes andere härtere Mittel enthält eine Läſion des Angeſchuldigten.

§. 557.448III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. I. Abth.
§. 557.

II. Sind Gründe der Vermuthung vor - handen, daſs ſich der Angeſchuldigte der richterlichen Gewalt entziehen werde, ſo iſt der Richter berechtigt und verpflichtet, ſich durch Anſtalten der fortdauernden Gegen - wart des Angeſch. zu verſichern. Der Ver - dacht zur Flucht wird begründet 1) durch die Eigenſchaft der Perſon, wenn dieſe durch kein beſonderes bleibendes Intereſſe an den Ort des Gerichts gebunden iſt. Dieſes iſt vor - züglich der Fall, wenn ſie von geringerem Stand und zugleich nicht mit liegenden Grün - den im Gerichtsſprengel angeſeſsen iſt. 2) Die Eigenſchaft des Verbrechens, wenn die dem - ſelben gedrohte Strafe ſo ſchwer iſt, daſs ſie jedes Intereſſe, welches etwa die Perſon an den Gerichtsſprengel knüpft, zu überwinden fähig iſt.

§. 558.

Hieraus folgt: gegen einen Menſchen, bey welchem weder die Gröſse der ihm be - vorſtehenden Strafe, noch deſſen perſönliche Eigenſchaft die Gefahr einer Flucht begrün - det, iſt keine Art von Sicherungsmittel er - laubt. Dieſe iſt aber rechtlich 1) wenn beyde Gründe eine Flucht befürchten laſſen, 2) wenn zwar nicht die Eigenſchaft der Perſon, aber doch die Gröſse der bevorſtehenden Strafe und 3) wenn zwar nicht die Gröſse der Strafe, aber doch die perſönliche Eigenſchaft die Gefahr einer Flucht begründet.

§. 559.449Mittel d. Angeſch. d. Gericht z. unterwerf.
§. 559.

Die Sicherungsmittel vor der Gefahr der Flucht ſind: I) Caution II) Gefängniſs, Incar - ceration des Angeſchuldigten. Welches von beyden Sicherungsmitteln ſtatt finden müſſe, iſt aus der Regel §. 555 zu beſtimmen. Aus dieſer folgt 1) Caution findet als Sicherungs - mittel ſtatt, a) wenn jemand eines geringeren Verbrechens angeſchuldigt iſt und ihn blos ſeine perſönliche Eigenſchaft der Flucht ver - dächtig macht*)Heil judex et defenſor. C. 2. §. 5. Ludovici Criminalproceſs Kap. II. §, 11., b) wenn Gründe der Ver - muthung vorhanden ſind, daſs die ſchwere, dem Verbrechen an ſich gedrohte Strafe, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kom - men werde. 2) Es muſs Gefängniſs ange - wendet werden, a) wenn zwar an ſich nur Gründe zur Caution exiſtiren, dieſe aber von dem Angeſchuldigten nicht geleiſtet werden kann, b) wenn die Gröſse des Verbrechens (auf dem entweder eine Capital - oder ſchwere Leibesſtrafe ſteht) entweder allein, oder ver - bunden mit den perſönlichen Eigenſchaften, Gefahr einer Flucht begründet. Denn die Gröſse des bevorſtehenden Uebels iſt hier fähig, jeden Vortheil zu verdrängen, der mit dem Bleiben etwa verbunden iſt**)Dieſe Theorie wird begründet durch die Geſetze L. 1. 3. D. de cuſtodia reor..

§. 560.F f450III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. I. Abth.
§. 560.

Das Gefängniſs darf keine Eigenſchaft eines Strafgefängniſſes haben. Mit dem Ge - fangniſs dürfen daher nicht mehr Uebel für den Gefangenen verbunden ſeyn, als nöthig iſt, um ihm die Flucht zu vereiteln*)Sehr humane, jetzt ſo häufig vernachläſsigte Verord - nungen hierüber enthält L. 1. L 5. C. de cuſtodia reor. (cf. Gothofredus ad L. 1. und L. 6. C. Th. de cuſt. reor).. Daſs das Gefängniſs verſchärft wird, wenn die Anzeigen ſteigen, iſt eine vernunft - und ge - ſetzwidrige Praxis.

§. 561.

Iuratoriſche Caution kann nie den Richter ſichern, weil der verdächtige Verbrecher auch nothwendig der Nichtachtung ſeines Eides verdächtig iſt. Blos 1) Caution durch Pfänder, 2) durch Bürgen leiſten dem Staate Sicherheit. Die Bürgen verpflichten ſich, den Angeſchuldigten auf Verlangen des Richters jederzeit zu ſtellen, um, im Fall er ſich dem Gericht entzöge, eine gewiſſe Geldſumme zu bezahlen. Dieſe Summe iſt blos cautio de judicio ſiſii und muſs, wenn ſie nicht durch Geſetz oder Obſervanz oder durch den Bürg - ſchaftsvertrag ſelbſt beſtimmt iſt, durch den Richter beſtimmt werden**)L. 4. D. de Cuſtodia reor. Aus dieſem Geſetz ergiebt ſich auch deutlich, daſs die Caution der Bürgen nicht zu - gleich cautio judicatum ſolvi iſt, wie es Kleinſchrod bey dem ſicheren Geleit behauptet und wie auch ich ehe -mals. Sie iſt verfallen,wenn451Mittel d. Angeſch. d. Gericht z. unterwerf. wenn die Bürgen durch ihr Verſchulden Urſache ſind, daſs der Verdächtige ſich dem Gericht entzieht. Wenn ſie ihm doloſe zur Flucht behülflich waren, ſo können ſie auſſerdem willkührlich beſtraft werden. *)L. 4. cit. puto tamen, ſi dolo non exhibeat, etiam extra ordinem eſſe damnandum.

§. 562.

B. Handlungen gegen den flüchtigen Ver - brecher. Der Richter iſt unter dieſer Voraus - ſetzung zu allen an ſich rechtmäſsigen Hand - lungen berechtigt, durch welche er den Flüchtigen ſeiner Gewalt unterwerfen kann. Die Mittel ſind entweder 1) ſolche, welche nothwendig die Bedingungen zur Incarcera - tion (§. 557.) vorausſetzen, oder ſolche, wel - che dieſelbe nicht nothwendig vorausſetzen. Zu der letzten Art gehört allein die Edictalcita - tion, alle übrigen gehören blos zur erſten Claſſe: der Richter kann ſie daher nicht eher anwenden, als wenn dieſe Requiſite zur Incar - ceration vorhanden ſind.

§. 563.

Dieſe Mittel ſind in Rückſicht ihrer Zweck - mäſsigkeit I. primäre Mittel, (media primaria) F f 2welche**)mals (S. die Rec. von dem II. Thl. der Kleinſchrodiſchen Abhandlungen in der A. L Z. 1800. Nr. 43 45.) irrig geglaubt habe. Die Erlegung der Geldſumme ſoll, wie das Geſetz deutlich ſagt, nur ein Mittel ſeyn, den Bürgen zur Stellung des Angeſchuldig - ten anzuhalten.452III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. I. Abth. welche der Richter zunächſt anwenden muſs, weil er durch ſie ſeinen Zweck am ſicherſten erreicht II. ſubſidiariſche, ſecundäre (med. ſub - ſidiaria), welche er erſt dann anwenden darf, wenn er durch die Mittel der erſten Art ſeinen Zweck nicht erreichen kann.

§. 564.

I. Die primären Mittel ſind 1) Hausſu - chung, wenn Vermuthung vorhanden iſt, daſs der Verbrecher noch innerhalb des Ge - richtsſprengels verborgen ſey. Iedes Haus, auf welches Verdacht fällt, iſt dieſer Unterſu - chung unterworfen. Iſt der Verdacht nicht auf ein beſtimmtes Haus gerichtet, ſo kann das Gericht in verſchiedenen, oder in allen ei - nes gewiſſen Orts die Nachſuchung anſtellen. Auch noch zu andern Zwecken der richterli - chen Gewalt kann die Hausſuchung gebraucht werden, ſobald nur Gründe da ſind, daſs ſie in dem gegebenen Fall ein Mittel ſeyn werde. *)Kleinſchrod über die Hausſuchung, als ein Mittel, den Beweis in peinlichen Fällen zu befördern. Im Ar - chiv Bd. II. Stck. 3. Nr. 4.

§. 565.

2) Die Nacheile, Amtsfolge (ſeque - la praefectoria). Sie beſteht in der Verfolgung des flüchtigen Verbrechers durch die Diener des Gerichts. Das Recht der Nacheile erſtreckt ſich nicht weiter, als bis zur Grenze deſſen, der die Criminaljurisdiction beſitzt, welcher ſich derAn -453Mittel d. Angeſch. d. Gericht z. unterwerf. Angeſchuldigte durch die Flucht entzogen hat. In das Gebiet einer fremden Gerichtsbarkeit den Flüchtigen verfolgen, iſt widerrechtlich*)Dies flieſst ſchon aus der Natur der deutſchen Staatsverfaſſung. Aus L. 20. de jurisdict. und L. 3. de offic. Praeſ. dürfte ſich dieſes nicht ableiten laſſen., wenn nicht Verträge oder Geſetze**)R. A. v. I. 1559. §. 22. 26. es erlau - ben. Kann die Nacheile nicht angewendet werden und iſt der Aufenthaltsort des Ver - dächtigen unbekannt, ſo werden 3) Steck - briefe erlaſſen. Dieſes ſind öffentliche und offene Urkunden, worin ein Richter von andern Obrigkeiten Ergreifung und Auslieferung des Flüchtigen verlangt. ***)Kleinſchrod über die Natur und Erfoderniſſe der Steckbriefe. In deſſen Abhandl. Th. II. Nr. 11.

§. 566.

Wenn der Auffenthaltsort des Flüchtigen bekannt iſt, ſo bedient man ſich 4) der Re - quiſitorialien. Dieſes ſind Schreiben, welche von dem Richter an ein anderes beſtimmtes Gericht erlaſſen werden und in welchen die Er - greifung und Gefangennehmung des Flüchtigen (befehls - oder bittweiſe) verlangt wird. Die Req. kommen in Anſehung der innern Erfor - derniſſe mit den Steckbriefen überein, nur daſs die Gründe zur Incarceration ſpeciell an - gegeben werden müſſen. †)C. I. de Zwierlein Diſſ. II. de litteris requiſitori - alibus. Gött. 1758.

§. 567.454III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. I. Abth.
§. 567.

Mit den übrigen Mitteln kann 5) der Be - ſchlag der Güter (annotatio bonorum) verbun - den werden. Dieſer Güterbeſchlag iſt eine richterliche Handlung, mittelſt welcher das Vermögen des Angeſchuldigten inventirt und demſelben das Dispoſitionsrecht darüber ent - zogen wird. Der Hauptzweck iſt, dem Flüch - tigen den Lebensunterhalt zu entziehen und ihn dadurch zur Rückkehr zu nöthigen. *)P. G. O. Art. 206. Kleinſchrod Diſſ. de adnotatione bonorum delinquentis. Wirceb. 1791. Deutſch in deſſen Abhandlungen II. Thl. Nr. 7.Die Aufzeichnung muſs in Gegenwart des Rich - ters, zweyer Schöppen und derjenigen Perſo - nen geſchehen, welche die nächſten Erben des Flüchtigen ſind. Die inventirten Sachen werden entweder im Gericht niedergelegt, oder einem Verwalter übergeben, der, auſſer den gewöhnlichen Pflichten des Verwalters, beſonders die Verbindlichkeit übernimmt, den Flüchtigen nicht aus dem Vermögen zu unterſtützen.

§. 568.

II. Die ſubſidiariſchen Mittel ſind 1) die Edictalcitation 2) das ſichere Geleit (ſal - vus conductus), das richterliche Verſprechen der Befreyung vom Gefängniſſe unter der Bedin - gung, daſs ſich der Angeſchuldigte geſetzlich verhalte und perſönlich im Gericht erſcheine. **)Kleinſchrod Verſuch einer vollſtändigen Theorie der Lebre vom ſichern Geleit. In deſſen Abhandlun - gen, Thl. II. Nr. 9.Das455Mittel der Angeſch. d. Gericht z. unterwerf. Das ſ. G. kann vollkommen ſeyn, wenn ſich die Befreyung vom Gefängniſſe auf die ganze Zeit der Unterſuchung erſtreckt, oder unvoll - kommen, wenn, die Zeit der Befreyung kürzer iſt.

  • 1. Unter welchen Bedingungen kann ein ſ. Gel. ertheilt werden?
  • 2. Von wem kann es ertheilt werden?
§. 569.

Das Verſprechen des Richters iſt bedingt durch das Verſprechen des Angeſchuldigten ſich vor Gericht zu ſtellen. Mit dem S. G. iſt daher nothwendig Caution verbunden, wel - che dem Richter die Erfüllung dieſes Ver - ſprechens guarantirt. Dieſe C. kann geleiſtet werden 1) durch Pfänder, am ſicherſten aber 2) durch Bürgen. Was §. 561. von Bürgen ge - ſagt wurde, gilt auch hier.

§. 570.

Das S. G. wirkt Freyheit vom Gefängniſs, innerhalb der Zeit, für welche und während der Exiſtenz der Bedingungen, unter welchen es verſprochen wurde. Es erliſcht alſo 1) mit dem Verlauf der Zeit, innerhalb welcher es ertheilt wurde, 2) mit dem Geſtändniſs oder der Ueberführung des Verbrechers*)L. 5. D. de cuſtodia reor., 3) mit der Eröffnung eines peinlichen Urtheils, 4) mit der Uebertretung was immer für eines Strafgeſe - tzes, 5) mit dem Ungehorſam gegen die rich -terliche456III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. terliche Ladung. Das S. G. iſt ganz nichtig, wenn es durch Betrug erſchlichen worden iſt. *)Kleinſchrod a. O. §. 69.

Zweyte Abtheilung. Von den richterlichen Erkenntniſsgründen.
§. 571.

Die richterlichen Handlungen hängen von Thatſachen ab, aber dieſe Thatſachen ſind für den Richter nur in ſo ferne vorhanden, als er ſie erkennt. Die Gründe des richterlichen Erkennens machen daher die zweyte Bedin - gung der Ausübung der Criminaljuſtiz aus. Es ſind dieſe Gründe von zweyerley Art: 1) Gründe der Vermuthung Indicien, 2) Grün - de der juridiſchen Gewiſsheit Beweismittel.

Erſte457Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien.
Erſte Unterabtheilung. Von den Gründen der Vermuthung oder von Indicien.

Thomae Nani Valtellinenſis de indiciis, eorumque uſu in cognoscendis criminibus liber ſingula[ris]. Ticini Regii. 1781, 8.

I. L. E. Püttmann Diſſ. de lubrico indiciorum. Lipſ. 1785. (in Opuſc. jur. crim. p. 221).

Woltaer Diſſ. quae ſemiologiac criminalis quaedam capita tractat. Hal. 1790.

§. 572.

Es laſſen ſich in unſerm Erkenntniſsvermö - gen in Anſehung der Objecte der Erfahrung drey Beſtimmungen unterſcheiden. I. Die Unwiſſenheit, Unkenntniſs (ignoran - tia), wenn uns für das Daſeyn einer Thatſache gar keine Gründe gegeben ſind, II. die Unge - wiſsheit, wenn uns die Gründe für ihr wirkliches Daſeyn nicht vollſtändig gegeben ſind. III. Die Gewiſsheit, wenn uns alle Gründe gegeben ſind, welche in unſrer Vor - ſtellung die Wirklichkeit und Wahrheit der Thatſache beſtimmen.

§. 573.

Die ungewiſſe Erkenntniſs hat drey Grade 1) die Wahrſcheinlichkeit, wenn mehr Gründe für die Wahrheit einer Thatſache, als gegen dieſelbe gegeben ſind, 2) die Zweifel -haftigkeit458III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. haftigkeit, wenn die Gründe für die Thatſache den Gründen gegen dieſelbe gleich ſind, 3) die Unwahrſcheinlichkeit, wenn wir weni - ger Gründe für die Thatſache, als gegen die - ſelbe haben. Der Zuſtand des Gemüths bey der Wahrſcheinlichkeit und Zweifelhaftigkeit heiſst Vermuthung, welche mit der Muth - maſsung nicht verwechſelt werden darf. Man muthmaſst eine Thatſache, wenn man die Möglichkeit oder Wahrſcheinlichkeit der - ſelben annimmt, ohne ſich der Gründe dafür bewuſst zu ſeyn. Der Muthmaſsung geht das Rathen (Conjecturiren) vorher.

§. 574.

Eine Thatſache, welche die Vermuthung für eine andere Thatſache begründet, von der die Anwendung eines Strafgeſetzes abhängt, heiſst Anzeigung, Indicium. Dieſes beſteht daher in einer Thatſache, welche den Grund für die Wahrheit einer andern, die Anwen - dung eines Strafgeſetzes beſtimmenden That - ſache enthält, ohne daſs in derſelben alle Gründe zur vollſtändigen Gewiſsheit gegeben ſind. Aus Indicien kann Gewiſsheit hervor - gehen, ein Indicium ſelbſt aber beſtimmt die - ſelbe nicht.

Indicia auctoris indicia delicti.

§. 575.

Ein Indicium muſs eine ſolche Thatſache ſeyn, von welcher man auf das Verbrechen oder deſſen Urheber ſchlieſsen kann. Dieſesiſt459Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien. iſt nicht anders möglich, als wenn die be - kannte Thatſache mit der unbekannten, auf die wir ſchlieſsen, in einem urſachlichen Zuſam - menhange ſteht. Dieſem nach zerfallen die Indicien in vier Claſſen: 1) in ſolche Thatſa - chen, welche nach der Erfahrung Urſachen von Verbrechen ſind, von welchen man alſo auf das Verbrechen als Wirkung oder auf ein beſtimmtes Subject dieſer Wirkung ſchlieſst, 2) Thatſachen, welche die Wirkungen und Folgen eines begangenen Verbrechens ſeyn können, von denen man alſo auf das Verbre - chen, als Urſache ſchlieſst, 3) Thatſachen, welche die Bedingung (nothwendige Voraus - ſetzung) des begangenen Verbrechens ſind, 4) Thatſachen, welche ein Verbrechen als Be - dingung vorausſetzen, von denen man alſo auf das Verbrechen als das Bedingende den Schluſs macht. *)Dieſe fruchtbare Eintheilung ſetzt der Vf. an die Stellen der gewöhnlichen unnutzen und falſchen Eintheilungen. Der Vf. verwirft I die Einthei - lung in gemeine und beſondere Indicien (ind. communia und propria), weil ſich zwiſchen dieſen Arien gar keine Grenze zeigt. Alle beſondere Anzeigen ſind in allgemeinen enthalten und laſſen ſich auf dieſelbe reduciren, ſo wie ſich wieder die allge - meinen, durch Anwendung, in beſondere auflöſen laſſen. Er verwirft II. die Eintheilung in indicia proxima und remota, in ſo fern, daſs man nicht im Allgemeinen nach dieſer Abtheilung die ein - zel en Iudicien claſſificiren kann. Von keinem indicium läſst ſich im allgemeinen ſagen, daſs es indicium remo[t]um oder proximum ſey. Der Grad d[e]r Vermuthung, den ein Indicium giebt, muſs lediglichin

§. 576.460III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth.
§. 576.

Eine Thatſache, die nur auf ein Indicium ſchlieſsen läſst, heiſst ein mittelbares Indic. (ind. indicii) und ſteht dem unmittelbaren, ei - gentlichen Indicium entgegen, welches ohne Zwiſchenthatſachen auf den Urheber oder den Verbrecher führt.

§. 577.

Die einzelnen Indicien können nicht erſchöpft werden; aber alle Arten laſſen ſich erſchöpfen, ſo daſs kein ſpecielles Indicium möglich iſt, das nicht unter einer dieſer Gattungen enthalten wäre. Sie laſſen ſich nach zwey Hauptgattungen, auf welche man die allgemeine Eintheilung (§. 575) reduciren kann, claſſificiren.

§. 578.

A. Indicien, welche eine beſtimmte Bedin - gung oder Urſache des Verbrechens in ſich ent - halten, wo man alſo von einer Thatſache als Urſache oder Bedingung eines Verbrechens auf das Verbrechen oder den Thäter ſchlieſst. *)Die P. G. O der die ſonſt ſo unfolgſamen Rechts - lehrer, hier getreulich nachfolgen, ſetzt immer nach beſondere Merkmale zu den einzelnen In -dicienDieſe*)in concreto, aber, wohlverſtanden, nach allgemeinen und beſtimmten Regeln berechnet werden. Carl der überall hier nur Beyſpiele giebt, wie man auch ſo ziemlich eingeſteht, ſagt dies ſelbſt Art. 24. deutlich genug.461Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien. Dieſe ſind: I. ein beſtimmtes ſinnliches Intereſſe an dem einzelnen gegenwärtig vorgefallenen Verbrechen. Dahin gehört 1) ein Affect, der zu dem gegenwärtigen Verbrechen de - terminiren konnte, wie Feindſchaft gegen den Verletzten,*)P. G. O. Art. 37. Liebe gegen das genoth - züchtigte oder entführte Mädchen. 2) Wenn für eine Perſon aus dem begangenen Ver - brechen ein Vortheil entſprang, der ſo bedeutend war, um die Furcht vor der Strafe überwinden zu können**)P. G. O. Art. 25. §. 5. Als Beyſpiel führt die P. G. O. Art. 26. an, wenn eine Perſon mit dem heimlich Ermordeten einen groſsen Proceſs hatte. Es gehören noch viele andere Fälle hierher, z. E. wenn die Ehefrau des Ermordeten mit einem Andern, den ſie zu heurathen wünſchte, im Ehebruch lebt u. ſ. w..

§. 579.

II. Eine Neigung zu Verbrechen derſel - ben Art, welches gegenwärtig begangen worden iſt. Dieſe Neigung iſt anzunehmen 1) wenn eine Perſon ſchon ehemals Verbre - chen derſelben Art begangen oder unternom -men*)dicien hinzu, welche den Grad der Vermuthung der Indicien beſtimmen. Dieſes iſt bey Beyſpielen nothwendig; aber in einer Theorie fehlerhaft. Hier müſſen die Thatſachen rein und nackt, ohne alle Beymiſchung aufgeſtellt werden. Die Stärke oder Schwäche derſelben hängt von der Beurthei - lung derſelben nach den folgenden Regeln ab. Eben ſo müſſen auch allgemeine Regeln beſtimmen, wann die Indicien ganz wegfallen.462III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. men hat, oder doch durch den Ruf deſſelben bezüchtigt wird*)P. G. O. Art. 25. §. I.. Nur muſs der Ruf be - ſtimmt und die Quelle deſſelben nicht grund - los ſeyn. 2) Wenn eine Perſon Verbrechen der beſtimmten Art, oder das ſpecielle, jetzt entſtandene Verbrechen, als Verbrechen, ge - billigt hat. Man billigt nur die Handlung, die man ſelbſt zu unternehmen fähig iſt. Ein mittelbares**)Mittelbar iſt dies ludicium, weil man von dem Intereſſe gegen den Verbrecher erſt auf die Neigung zu dem Verbrechen und erſt von dieſer auf das Verbrechen ſelbſt ſchlieſst. Indicium iſt hier das gegen Verbrecher bewieſene Intereſſe: wenn man ihnen Beyſtand leiſtet, und für ſie nicht auf dem Wege des Rechts (z. E. durch Beſtechung) intercedirt oder mit ihnen im vertrauten Um - gange iſt***)P. G. O. Art. 25. §. 4.. Handlungen, durch welche man nach der That einen Verbrecher in dem Genuſs des Verbrechens ſelbſt unterſtützt.†)z. E. Verkaufung der geſtohlenen, geraubten oder von dem Ermordeten genommenen Sachen, giebt, wenn der Thäter gewiſs iſt, ein Indicium für den Concurs bey dem gegenwärtigen Verbrechen, und bey künftigen Verbrechen derſelben Art iſt es Indi - cium, daſs man es ſelbſt begangen oder dabey concurrirt habe. P. G. O. Art. 50. ſind als Erklärungen der Billigung des Ver - brechens ſelbſt zu betrachten.

§. 580.

III. Handlungen aus welchen auf den Willen, das entſtandene Verbrechen begehenzu463Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien. zu wollen, geſchloſſen werden kann. Dahin gehört 1) die Erklärung, das entſtandene Ver - brechen begehen zu wollen, welche entwe - der a) in der ernſtlichen Androhung einer Perſon*)P. G. O. Art. 32. oder b) in der einfachen Erklärung der zukünftigen Uebertretung enthalten iſt.

§. 581.

Es ſind 2) Handlungen darunter enthal - ten, welche zu dem erfolgten Verbrechen die Vorbereitungen ſind. Beyſpiele ſind das Bereiten oder Kaufen von Giften, bey einer vorgefallenen Vergiftung**)P. G. O. Art. 37., das Kaufen und Zubereiten von Waffen bey offenbarem Mord, die Verhehlung der Schwangerſchaft, als In - dicium des Kindermords, Gebrauch unge - wöhnlicher Kleider vor der That, Vermum - mung u. ſ. w. Aus demſelben Grund iſt es 3) ein Indicium, wenn eine Perſon vor einem Verbrechen ein Benehmen zeigte, welches auf das Bewuſstſeyn eines böſen Vorſatzes ſchlieſsen läſst***)z. E. ungewöhnliche Verwirrung in dem Betragen, Erkundigung nach der Strafe des Verbrechens, oder nach den Mitteln, der Strafgerechtigkeit zu entgehen u. ſ. w. Oder, man ſah den Verbrecher vor der That nach dem Ort zu gehen, wo die That nachher geſchah; da ihm Menſchen begegne - ten, kehrte er voll Verwirrung um u. ſ. w..

§. 582.

IV. Wenn bey einer Perſon die Bedin - gungen vorhanden ſind, welche zu dem vor -ge -464III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil. gefallenen Verbrechen vorausgeſetzt werden, ſo iſt auch dieſes gegen ſie ein Indicium. Dahin gehört 1) Gegenwart an dem Ort und zur Zeit des begangenen Verbrechens*)P. G. O. Art. 25. §. 2.. Aus der ungewöhnlichen Abweſenheit von dem gewöhnlichen Aufenthaltsort der Perſon zur Zeit der That, und aus dem Finden, der, einer Perſon zugehörenden Sache, an dem Ort der That**)P. G. O. Art. 29., kann auf die Anweſenheit an dem Ort der That geſchloſſen werden. 2) Beſitz der Werkzeuge, die zur Ausführung erfodert wurden, wenn entweder die Werkzeuge an ſich, oder in Beziehung auf die beſitzende Perſon oder den Ort und die Zeit des Ge - brauchs ungewöhnlich ſind.

§. 583.

B. Indicien, welche das Verbrechen als Be - dingung oder Urſache vorausſetzen, wo man alſo eine gegebene Thatſache aus einem Verbre - chen als Urſache oder Bedingung der Thatſa - chen erklärt. Dieſe ſind I. ſolche Thatſachen, die als Folgen eines Verbrechens mit demſel - ben in einem phyſiſchen Zuſammenhange ſtehen.

§. 584.

Es iſt daher 1) ein Indicium, wenn ſich an einer Perſon oder an einer mit der Perſon im Verhältniſs ſtehenden Sache, Veränderun -gen465V. d. Gründ. d. Vermuth. oder von Indicien. gen zeigen, welche die Wirkungen eines be - ſtimmten Verbrechens ſeyn können. Blutige Kleider oder Waffen können Anzeigungen der Tödtung ſeyn*)P. G. O. Art. 33.. 2) Wenn eine Perſon Sachen beſitzt oder beſeſſen hat, deren Beſitz entweder an ſich**)Wie wenn dem Beleidigten, z. E. dem Ermor - deten, oder Beſtohlnen, die Sachen gehörten. P. G. O. Art. 38. oder wegen der Art des Beſitzes***)Wenn z. B. eine Perſon Sachen an ungewöhnliche Orte verſteckt hat., oder der Lage des Beſitzers****)Dahin gehört ſchnelles Reichwerden, oder groſser Aufwand ohne daſs ein rechtlicher Titel des Er - werbs bekannt iſt. P. G. O. Art. 39. aus einem beſtimmten Verbrechen erklärbar iſt.

§. 585.

Unter den Indicien der zweyten Claſſe (§. 583.) ſind II. ſolche Thatſachen enthalten, die als Folgen eines Verbrechens mit dem - ſelben in einem pſychologiſchen Zuſammen - hange ſtehen. Es finden ſich keine andere Indicien dieſer Art, als ſolche, die auf das Bewuſtſeyn der begangenen That ſelbſt ſchlie - ſsen laſſen. Sie theilen ſich in Indicien, wel - che das Bewuſtſeyn des Urhebers ſelbſt, und in ſolche, welche das Bewuſtſeyn eines dritten von der That, erkennen laſſen.

§. 586.

1) Die Anzeigungen, welche auf das Be - wuſtſeyn eines Subjects als Selbſt-Urhebers der That, ſchlieſsen laſſen, ſind a) das Ge -ſtänd -G g466III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. ſtändniſs einer Perſon, daſs ſie ein Verbrechen begangen habe, vorausgeſetzt, daſs daſſelbe nicht die Eigenſchaften hat, welche juridi - ſche Gewiſsheit begründen*)P. G. O. Art. 32.. b) Unabſicht - liche Handlungen oder Unterlaſſungen, welche Zeichen eines böſen Bewuſtſeyns ſind. Ver - wirrungsvolles Betragen, Erblaſſen, ſtottern - de Antworten, ſelbſt bloſses Stillſchweigen und ungewöhnliche äuſsere Unthätigkeit bey Verbrechen, die den Verdächtigen beſonders in - tereſſiren müſsten. c) Abſichtliche Handlungen, die zur Abwendung der Folgen dienen, welche durch die Geſetze an Uebertretungen geknüpft ſind, Flucht**)P. G. O. Art. 25. §. 7., verſuchte Verhinderung der öffentlichen auf Verfolgung des Verbrechens gerichteten Handlungen, durch Beſtechung, Gewalt u. ſ. w.

§. 587.

2) Als Anzeigung, welche das Bewuſt - ſeyn eines dritten von der That erkennen läſst, kommt beſonders die Auſſage von Zeugen in Betrachtung, vorausgeſetzt, daſs dieſelbe nicht die Eigenſchaften eines vollen Beweiſes hat***)P. G O Art. 30.. Die Auſſage eines Mitſchuldigen als Zeugniſs, iſt zwar von geringerem Gewicht, gilt aber an ſich als Grund der Vermu - thung****)P. G. O. Art 31.. Eben ſo die Ausſage des Belei - digten†)P. G. O. Art. 32..

§. 588.467Von d. Gründ. d. Vermuth. oder von Indicien.
§. 588.

Die Stärke oder Schwäche der Indicien hängt ab: A) von dem Verhältniſs derſelben zu den entgegenſtehenden Gegenindicien. Es gilt demnach die Regel: je mehr Gründe dem Indicium entgegenſtehen, deſto mehr wird es ge - ſchwächt; je weniger ihm entgegenſtehen, deſto gröſser iſt die Vermuthung*)Die P. G. O. Art. 28. giebt ſelbſt dieſe, in der Natur der Sache legende, aber noch nirgends für die Theorie benutzte Regel an.. Dieſe Grund - regel beſtimmt ſowohl die Beurtheilung ein - zelner Indicien als auch die Beurtheilung concurrirender Indicien.

§. 589.

Die Gegenindicien können doppelter Art ſeyn: 1) directe Gründe der Vermuthung des Gegentheils von demjenigen, was aus den Anzeigungen geſchloſſen worden iſt Con - tradictoriſche Gegenindicien. Dieſe beſtehen in erwieſenen oder wahrſcheinlichen Thatſachen, welche auf das Gegentheil ſchlieſsen laſſen**)Wenn z. E. der durch Indicien gravirte, als be - ſonders rechtlicher Menſch bekannt iſt, wenn gar kein Grund denkbar iſt, aus welchem er das Verbrechen hätte begehen können, wenn wohl gar das Verbrechen ſeinem bekannten ſinnlichen Intereſſe widerſpricht, wenn etwa der Ermordete der Wohlthäter des Gravirten war, und dieſer durch den Tod in ihm alle Unterſtützung verliert.. 2) Indirecte Gründe, d. i. ſolche, welche die Möglichkeit des entgegengeſetzten Schluſſes begründen, es alſo unmöglich machen, aus - ſchlieſsend und nothwendig von der gegebenenG gThat -468III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil. Thatſache auf das Verbrechen oder den Urheber zu ſchlieſsen Conträre Gegenin - dicien*)So können z. E. die mit Blut befleckten Kleider eine and e Urſache als den Mord haben, ſo läſst ſich der Beſitz geſt hlner Sachen auch aus dem Ankauf und andern Gründen erklären, ſo kann die Entfernung von dem Ort des Verbrechens aus Geſchaften, aus Furcht vor ſchuldloſem Gefängniſs u. ſ. w. entſpringen..

§. 590.

Das Verhältniſs der Indicien zu den Ge - genindicien begründet nach der Regel des (§. 588.) zwey Hauptſtufen des Verdachts: I. der gröſste Verdacht iſt vorhanden, wenn in den Indicien mehr Grund für die aus ihnen abge - leitete Thatſache enthalten iſt, als in den Gegen - indicien, für das Gegentheil, dieſe alſo geringer ſind, als jene. In dieſem Falle machen In - dicien einen halben Beweis, der alſo mit der Wahrſcheinlichkeit (§. 573) eintritt. Es iſt dies der Fall: 1) wenn die Contradictoriſ[c]hen Ge - genindicien, geringer ſind**)Man denke ſich: der Freund und Wohlthäter von B. wird ermordet. B. war um die Zeit des Mordes bey ihm, gleich nach der That entfernt er ſich, man weiſs nicht wohin, und Waffen, die man findet, ſind mit Blu[t]befleckt. Hier verhält ſich das directe Gegenindicum zu den Indicien, wie 1 zu 3., 2) bey conträren Indicien, wenn ſich die gegebene Thatſache auch aus andern Urſachen, als aus dem Ver - brechen, oder das Verbrechen aus andern Gründen, als aus den gegebenen gravirendenThat -469V. d. Gründ. d. Vermuth. oder von d. Indicien. Thatſachen erklären läſst, allein mehr Gründe vorhanden ſind zum Schluſs auf das Verbre - chen oder die beſtimmte Perſon, als Urhebe - rin deſſelben*)Nach begangenem Mord entfernt ſich eine Perſon aus dem Gerichtsſprengel. Dies kann auſſer dem Bewuſtſeyn der That, auch in andern Urſachen gegründet ſeyn. Allein man ſetze hierzu 1) ſie entfernt ſich zur Nachtzeit, 2) auf ungewöhnliche Art, indem ſie etwa über Dächer flieht, 3) zu einer Zeit, wo das Verbrechen noch nicht ruchtbar geworden war. Hier werden die entgegenſtehen - den Erklärungsgründe der Entfernung durch 3 Gründe diluirt und wir haben ein Indicium, das ſich ebenfalls zu den entgegenſtehenden ver - hält, wie 3 zu 1..

§. 591.

II. Ein Indicium bewirkt nur entfernten Ver - dacht, wenn die in demſelben enthaltenen Gründe den Gegengründen gleich ſind, wenn alſo dem Indicium ein gleiches contradictori - ſches Gegenindicium entgegenſteht**)Eine Perſon war an dem Ort und zur Zeit der That gegenwärtig; allein nach Ihrem bekannten rechtlichen Charakter läſst ſichein ſolches Verbrechen gar nicht erwarten. Eins iſt gegen Eins., oder nicht mehr Gründe da ſind, um aus der gege - benen Thatſache auf das Verbrechen, als auf das Gegentheil zu ſchlieſsen***)Man weiſs z. E. weiter nichts, als eine Perſon hat ſich nach der That entfernt: dies kann aber ſowohl geſchehen ſeyn wegen Geſchäften, als auch wegen der Furcht vor einer Criminalunterſuchung bey aller Unſchuld. Man hat nicht mehr Grundauf.

§. 592.470III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil.
§. 592.

B. Hängt die Stärke der Indicien von dem Beweis derſelben ab. Nämlich I. ein Indicium kann den, aus ihm an ſich hervorgehenden Grad des Verdachts, nur dann begründen, wenn es ſelbſt vollſtändig erwieſen iſt. II. Iſt das Indi - cium nicht vollſtändig erwieſen, ſo ſinkt der, aus demſelben an ſich hervorgehende Verdacht, um ſo viel, als an dem vollen Beweis der Anzei - gung mangelt, Indicien, die, wenn ſie voll - ſtändig erwieſen wären, einen nahen Verdacht begründen würden, wirken nur entfernten Verdacht, wenn ſie halb oder noch weniger bewieſen ſind. Die Regeln von den Indi - cien gelten auch für die mittelbaren Indi - cien.

§. 593.

Ein Indicium verliert alle Kraft: 1) wenn eine Thatſache erwieſen iſt, aus welcher die Unmöglichkeit der Begehung des Verbrechens durch die gravirte Perſon erkannt wird, wo - hin bey gewiſſen Verbrechen der Beweis der Abweſenheit (la preuve de l’alibi) gehört; 2) wenn durch eine Thatſache der ganze Grund der Anzeigung aufgehoben wird*)Eine Perſon z. E. entfernt ſich nach begangener That; aber man er[]hrt, daſs ſie wegen beſtimmte[r]Geſchäfte ſich entfernt hat, u. ſ. w.; 3) wenndie***)auf das eine als auf das andere zu ſchlieſsen. Gleichwohl iſt die Entfernung ihrer Natur nach ein Grund der Vermuthung, weil auch da[s]Ver - brechen zu den Erklärungsgründen dieſer That - ſache gehört.471Von d. Beweis u. d. Beweismitteln überh. die Gegengründe das Indicium vollkommen überwiegen, die Wahrſcheinlichkeit alſo auf die Seite des Gegentheiſs tritt; 4 wenn die Unwahrheit der gravirenden Thatſache ſelbſt erwieſen iſt.

Zweyte Unterabtheilung. Von den Gründen der vollen Gewiſsheit und von den Beweismitteln.
Erſtes Kapitel. Von dem Beweis und den Beweismitteln überhaupt.
§. 594.

Beweis im weitern Sinn iſt der Inbegriff der Gründe für die Wahrheit einer Thatſache. Im engern Sinn, verſteht man den Inbegriff der Gründe für die Wahrheit einer Thatſache, in ſo ferne durch dieſelben eine volle Gewiſsheit begründet wird. Es muſs dann in dem Inbe - griff jener Gründe kein Grund mehr mangeln, der die Wahrheit der Thatſache beſtimmt (§. 572). Der Begriff Beweis, im weitern Sinn genommen, macht eine Unterſchei - dung in vollſtändigen und unvollſtändigen Beweis (probatio plena minus plena) mög - lich. Der vollſtändige Beweis iſt durch denBe -472III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil. Begriff von Beweis im engern Sinn beſtimmt; der unvollſtändige ſetzt voraus, daſs nicht alle Gründe für die Wahrheit der That - ſache exiſtiren.

  • 1. Probatio ſemiplena maior minor.
  • 2. Künſtlicher natürlicher Beweis.
§. 595.

In Anſehung des Beweiſes in peinlichen Sachen überhaupt gelten folgende Grundſätze: I. ein vollſtändiger Beweis allein kann eine verdammende oder vollkommen abſolvirende Sen - tenz begründen. Dort muſs voller Beweis der Schuld, hier voller Beweis der Unſchuld vor - handen ſeyn*)Daſs auch bloſse Vermuthungen für den Ange - ſchuldigten zur Entkräftung eines juridiſchen Be - weiſes der Schuld und zur Ausſchlieſsung der ordentlichen Strafe hinreichen ſollten, behaupten die Praktiker. Klein p. R §. 101. Einige ſtü[t]zen ſich auf P. G. O. Art. 28. die von etwas ganz ande - rem ſpricht.. II. Die volle juridiſche Ge - wiſsheit der Schuld kann nur durch einen nicht - künſtlichen Beweis begründet werden**)P. G. O. Art. 22. Es iſt zu merken, daſs nie - mand auf einigerley Anzeigung, Argwohns Wahr - zeichen, oder Verdacht, endlich zu peinlicher Strafe ſoll verurtheilt werden, ſondern allein peinlich mag man darauf fragen, ſo die Anzei - gung genugſam iſt. Denn ſoll jemand endlich zu peinlicher Strafe verurtheilt werden, daſs muſs aus eigen Bekennen oder Beweiſung (wie an andern Enden dieſer Ordnung klärlich funden wird) geſcheben, und nicht auf Vermuthung oder Anzeigung. c. Grol - man, ohneRück -473Von d. Beweis u. d. Beweismitteln überh. Rückſicht auf die Gröſse des Verbrechens*)Bey geringern Verbrechen ſoll dieſe Regel keine Anwendung finden. Boehmer ad Carpzov Q. 114. obſ. 1. ad art. 22. §. 6. Der Ausdruck des Art: peinliche Strafe kann nichts beweiſen, da in der Carolina, peinliche Strafe, mit öffentlicher Strafe gleichbedeutend iſt., oder die Art der zuzuerkennenden Strafe**)Man ſoll nach den Praktikern, auf eine auſſeror - dentliche Strafe bey künſtlichem Beweis erkennen dürfen, cf Meiſter jun. pr. jur. cr. §. 425 Die P. G. O ſagt aber allgemein, es ſolle auf keine peinl. d. i. öffentliche Strafe erkannt werden.. III. Die Unſchuld kann auch durch einen vollſtändigen künſtlichen Beweis erwie - ſen werden***)Weil die P. G. O. Art. 22. nur von dem Beweis zur Verdammung ſpricht., ſowohl wenn gar kein nicht - künſtlicher Beweis der Schuld vorhanden iſt, als auch, wenn ein nichtkünſtlicher, unvoll - ſtändiger oder vollſtändiger Beweis, dem Be - weis der Unſchuld entgegenſteht. Der Be - weis der Schuld wird dann durch den Beweis der Unſchuld aufgehoben.

§. 596.

Ein vollkommner künſtlicher Beweis ent - ſteht aus einzelnen Gründen der Vermuthung. Es wird hier eine Concurrenz mehrerer Ver - muthungsgründe vorausgeſetzt, welche, nach der Erfahrung, alle Gründe zur Wahrheit derThat -**)man will hier blos die Behauptung finden, es ſolle nicht auf bloſsen Verdacht geſtraft werden. S. Bibliothek I. Bd. 1. Stück. S. 169. ff.474III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abheil. Thatſache in ſich enthalten. Dieſes iſt der Fall, wenn 1) gar kein directer Grund gegen die angenommene Thatſache und auch 2) kein beſtimmter (auch nur hypothetiſch anzuneh - mender) Grund vorhanden iſt, der eine an - dere zuſammenhängende Erklärungsart der concurrirenden Thatſachen (Indicien oder Ge - genindicien) möglich machte. *)Die Möglichkeit der entgegengeſetzten Erklärung iſt alſo nur ausgeſchloſſen; die Denkbarkeit und Möglichkeit des Gegentheils ſelbſt aber wird durch keinen Erfahrungsbeweis, auch nich durch den nichtkünſtlichen aufgehoben.

§. 597.

Die Beweismittel, aus welchen ein unkünſt - licher Beweis hervorgeht, ſind 1) Ocularinſpec - tion, 2) Zeugen, 3) Documente, 4) Ausſage des Angeſchuldigten.

Zweytes Kapitel. Von den einzelnen Beweismitteln insbeſondere.
§. 598.

Ocularinſpection, Augenſchein iſt die eigne Sinnenerkenntniſs des Richters von einer die Ausübung der Strafgewalt beſtimmenden Thatſache. Bey einer ſinnlicherkennbarenThat -475Von d. einzelnen Beweismitteln insbeſondere. Thatſache die um vollſtändig erkannt zu wer - den, die Anwendung von Kunſtregeln vor - ausſetzt, muſs der Richter unter Mitwirkung beeidigter Kunſtverſtändigen, die Beſichtigung vornehmen, wenn daraus juridiſche Gewiſsheit entſtehen ſoll.

§. 599.

Eine Perſon, die ihre Erkenntniſs von einer, eine andere Perſon betreffenden Thatſache ge - richtlich erklärt, heiſst ein Zeuge. Die Grund - ſätze von der Zuläſſigkeit und Gültigkeit der Zeugen überhaupt, ſind auch hier vollkom - men anwendbar*)Ueber die Zuläſsigkeit des Denuncianten Klein - ſchrod Diſſ. de delatorum in cauſa criminali[t]eſtimo - nio. Wirceb. 1789. Dentſch. in d. Abbandl. aus dem peinl. R. und Proc. Thl. I, Nr. 6., nur mit dem Unterſchied, daſs auch ungültige Zeugen abgehört werden können, um dem Richter Stoff zum weitern Nachforſchen zu geben, und daſs die Eides - mündigkeit auf zwanzig Iahre feſtgeſetzt iſt**)L. 20. D. de teſtibus. .

§. 600.

Zwey vereidete, über alle Einwendung erhobene, Zeugen geben vollen Beweis für eine jede Thatſache, die der Gegenſtand ihrer einſtimmigen, durch eigne Sinnenerkenntniſs begründeten, Ausſage iſt. Die Ausſage von vier oder mehrern verdächtigen Zeugen kann nie gegen einen Angeſchuldigten als voller Beweis gelten, weil ein ſolcher Beweis einkünſt -476III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. künſtlicher Beweis aus Indicien ſeyn würde (§. 595).

§. 601.

Durch Zeugen kann, auſſer andern That - ſachen, vollſtändig bewieſen werden 1) der Thatbeſtand des Verbrechens, wenn er mög - licher und wirklicher Gegenſtand der Sinnen - erkenntniſs der Zeugen war*)Auch, unter Umſtänden, der Thatbeſtand der Tödung Wenn Zeugen auſſagen, daſs A. dem B. den Kopf heruntergehauen habe und ſich gegen die Zeugen nichts erinnern laſst, wo iſt dann der Rechtsgrund, der uns hier nöthigte den Thatbe - ſtand der Tödung als unvollſtändig erwieſen, zu betrachten?, 2) das Subject des Verbrechens, wenn er von den Zeugen, durch eigne Sinnenerkenntniſs, als Thäter er - kannt wurde.

§. 602.

Document (Inſtrument) iſt im weitern Sinn jede Sache, welche durch Anſchauung un - mittelbar die Exiſtenz eines Factums beweiſst. Im engern Sinn verſteht man darunter das Werk einer Perſon, in ſo ferne daraus unmittelbar eine Thatſache erkannt werden kann**)Den weiteſten Sinn verknüpft damit das Röm. R. L. 1. D. de fide inſtrumenterum Tob. Iac. Rein - borth Diſſ. de eo, quod circa probationem delicti per documenta i. e. Erf. 1732.. Es giebt ſchriftliche und nichtſchriftliche Documente.

§. 603.477Von d. einzelnen Beweismitteln insbeſondere.
§. 603.

Durch ein Document kann bewieſen wer - den 1) der Thatbeſtand des Verbrechens, wenn durch das Document die That ſelbſt begangen wurde, 2) das Subject des Verbrechens mit dem Verbrechen ſelbſt, wenn das Document Thatbeſtand des Verbrechens und der Urheber deſſelben gewiſs iſt, endlich 3) ein Indicium, wenn die Anzeige eines Verbrechens den In - halt deſſelben ausmacht.

Von dem Beweis der veritas documenti.

§. 604.

Iſt I. die Urkunde das corpus delicti ſelbſt, und iſt die Wahrheit des Documents voll - ſtändig erwieſen, ſo iſt das Verbrechen ſelbſt und, daſs die beſtimmte Perſon Urhebe - rin deſſelben ſey, vollſtändig bewieſen. II. Iſt der Inhalt des Documents ein Indicium, ſo hat es, wenn ſeine Wahrheit vollſtändig er - wieſen iſt, zum Beweis des Verbrechens und ſeines Urhebers, ſo viel Kraft, als das Indi - cium, das ſeinen Gegenſtand ausmacht. Denn nun iſt das Indicium vollſtändig erwieſen III. Iſt die Wahrheit der Urkunde nicht vollſtändig erwieſen, ſo kann ſie für das zu erweiſende Verbrechen nie mehr als höchſtens einen hal - ben Beweis begründen.

§. 605.

Unter Ausſage (noch nicht Bekenntniſs) des Angeſchuldigten, iſt jede Erklärung ſeiner Gedanken über eine, auf die Uebertretung ſich beziehende Thatſache zu verſtehen. Sie zer -fällt478III. Buch. I. Titel. I. Abſchnitt. II. Abth. fällt, nach Verſchiedenheit ihres Gegenſtandes 1) in das Bekenntniſs, Geſtändniſs (conſeſſio), die eigne Erklärung des Verbrechers, daſs er die ſtrafbare That begangen habe*)S. Fr. Willenberg Diſſ. de inefficaci criminis confeſſione. Gedan. 1721. Heineccius Opuſc. Ex. 17. und 2) in die Ausſage ſchlechthin, wenn er ſich über einen andern Umſtand erklärt.

§. 606.

Das Geſtändniſs iſt qualificirt, wenn es durch einen Umſtand beſchränkt wird, der alle, oder die ordentliche Strafe ausſchlieſst**)Fr. de Graffen Diſſ. de confeſſione qualificata. Gött. 1769.. Ihm ſteht das reine, unumwundene Geſtändniſs entgegen

Confeſſio judicialis extrajudicialis.

§. 607.

Die Ausſage eines Angeſchuldigten, wel - che eine ihm vortheilhafte Thatſache zum Ge - genſtande hat, kann als ſolche gar keine juridi - ſche Glaubwürdigkeit haben. Wenn ſie aber einen dem Angeſchuldigten nachtheiligen Um - ſtand erklärt, dann kann ſie vollen Beweis be - gründen Nur müſſen Gründe da ſeyn, an - zunehmen: 1) daſs der Ausſage nicht eine Täuſchung der Sinne oder ein Miſsgriff der Urtheilskraft zum Grunde liege, 2) daſs der Angeſchuldigte nicht, um die Strafe zu leiden,oder479Von d. einzelnen Beweismitteln insbeſondere. oder aus andern Urſachen, wiſſentlich eine ihm nachtheilige Ausſage thue.

§. 608.

Durch die Ausſage des Angeſchuldigten kann erwieſen werden I. der Thatbeſtand des Verbrechens, und zwar eines jeden Verbre - chens*)Nach der Meynung der Praktiker ſoll die Auſſage nie eine ſolche Gewiſsheit des Thatbeſtandes be - gründen, welche zur Zuerkennung der Todesſtrafe hinreicht. cf. Quiſtorp Thl. I. §. 681.. Zur vollen Beweiskraft deſſelben wird aber, (nach §. 607.) erfodert: 1) daſs ſich eine vollſtändig befriedigende und erwieſene Urſache zeigt, warum der Thatbeſtand des ge - genwärtigen Verbrechens auf keine andere Weiſe erkennbar iſt, 2) daſs ſonſt noch Gründe vorhanden ſind, welche die Glaubwürdigkeit der Ausſage beſtimmen. Dahin gehört: a) es muſs der Angeſchuldigte die beſtimmten Gründe der Erkenntniſs der ausgeſagten That - ſachen und die einzelnen Merkmale derſelben angeben, b) es muſs die Ausſage nicht mit ſich ſelbſt und nicht c) mit andern erwieſenen Thatſachen im Widerſpruche ſtehen**)Dahin gehört, unter andern, ein Fall bey Stru - ben Thl. IV. Bd. 171..

§. 609.

Der vorzüglichſte Gegenſtand der Ausſage iſt II. das Subject der That〈…〉〈…〉 Die Ausſage, die dann Bekenntniſs heiſst (§ 605.) ſetzt ebenfallsgewiſſe480III. Buch. I. Titel. I. Abſchnitt. II. Abth. gewiſſe rechtliche Bedingungen voraus, wenn ſie einen vollen Beweis begründen ſoll und heiſst dann, wenn ſie alle dieſe Bedingungen erfüllt, ein rechtsgültiges Bekenntniſs, (confeſ - ſio legitima).

§. 610.

Ein rechtsgültiges Bekenntniſs (§. 609.) erfo - dert 1) Gewiſsheit des Thatbeſtandes, dieſe Ge - wiſsheit mag nun durch die Ausſagen (§. 608.) oder durch andere Beweismittel beſtimmt ſeyn. Es muſs 2) vor gehörigbeſetztem und compe - tentem Gericht, 3) mit Bewuſstſeyn, frey und ernſtlich, dabey auch 4) umſtändlich und 5) ohne eine wahrſcheinliche Einſchränkung ab - gelegt ſeyn, endlich aber 6) mit ſich ſelbſt und andern erwieſenen Thatſachen zuſammenſtim - men. Ein Bekenntniſs wirkt unter dieſen Be - dingungen einen vollkommnen Beweis, auf welchen jede Strafe erkannt werden kann. Ein nicht rechtsgültiges Bekenntniſs kann nie vollen Beweis wirken und zu keiner Art von Strafe berechtigen.

  • 1. Von dem auſſergerichtlichen qualificirten und reinen Bekenntniſs.
  • 2. Von dem Widerruf des Geſtändniſſes.
Drit -481Von d. Mitt. ein Geſtändn. d. Verbr. zu bewirk.
Drittes Kapitel. Von den Mitteln ein Geſtändniſs des Verbrechers zu bewirken.
I. Von den mediis eruendae veritatis überhaupt.
§. 611.

Wenn der, durch Indicien gravirte Ange - ſchuldigte, weder überführt, noch geſtändig iſt, ſo tritt die Nothwendigkeit eines Mittels, des Angeſchuldigten Geſtändniſs zu bewirken, (medium eruendae veritatis ein. Das Geſtänd - niſs kann bewirkt werden I. durch körperliche Uebel Tortur II. durch bloſse Vorſtellung und intellectuelle Gefühle, 1) durch Ueberra - ſchung Confrontation, 2) durch Furcht vor Uebeln und zwar a) durch die Furcht vor gegenwärtigen körperlichen Schmerzen Territion, b) durch die Furcht vor göttli - cher Strafe Reinigungseid.

§. 612.

Es kann, wie aus der Natur der Sache flieſst, auf kein medium eruendae veritatis er - kannt werden, wenn nicht 1) die Exiſtenz des Verbrechens an ſich gewiſs oder doch wahr - ſcheinlich, und 2) die Perſon nicht durch zu -H hrei -482III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. reichende Indicien verdächtig iſt. Das Ver - hältniſs der einzelnen Mittel die Wahrheit zu erforſchen, hängt von der Regel ab: je ſchwe - rer das Verbrechen iſt und je ſtärker die Indicien gegen den Angeſchuldigten ſind, deſto härter darf das medium eruendae veritatis ſeyn. Das Mittel der Wahrheitserforſchung muſs immer ein geringeres Uebel in ſich enthalten, als die Strafe, die den Verbrecher nach vollkomm - nem Beweiſe treffen würde.

Anm. Anwendung dieſer Regel auf die einzelnen media er. veritat.

II. Von den einzelnen Wahrheitserforſchungsmitteln.
§. 613.

Erregung körperlicher Schmerzen kann als Mittel, den Ungehorſam eines Angeſchul - digten zu beugen, angewendet werden. Dies iſt nicht eigentliche Tortur. Tortur, Mar - ter, peinliche Frage, beſteht in der Er - regung körperlicher Schmerzen, um eine beſtimm - te Ausſage des Angeſchuldigten zu erpreſſen. Die Vernunft verwirft ſie*)Ziemlich vollſtändig iſt die Literatur, über die Gerechtigkeit der Marter bey Gmelin Grundſ. der Geſetzg. über Verbr. und Strafen. S. 397., Geſetze haben ſie ſanktionirt**)Ueber den Urſprung der Tortur cf. Io. Fr. Rei - temeier Diſſ. de origine et ratione quaeſtionis per tormenta apud Graecos et Romanos. Gött. 1783. E. C. Weſtphal die Tortur der Griechen, Römer und Teutſchen, eine zuſammenhängende Erklärung der davon redenden Geſetze. Leipz. 1785., und der Gebrauch oder Parti -kular -483Von d. Mitt. ein Geſtändn. d. Verbr. zu bewirk. kulargeſetze haben ſie entweder aufgehoben oder gemildert.

§. 614.

Die Obſervanz nimmt drey Grade der Tortur an. Die Beſtimmung derſelben iſt aber verſchieden, nach den verſchiedenen Territorien. Eben ſo wenig hat das gemeine Recht die bey der Marter anzuwendenden In - ſtrumente beſtimmt. Eine Stunde iſt nach der Praxis die längſte Dauer der Tortur*)Boehmer ad Art. 58. C. C. C. §. 2..

  • 1. Mündlich von den in Deutſchland gebräuch - lichen Torturinſtrumenten Heil judex et defenſor. C. 5. §. 50. S. 253 C. U. Grupen Obſervatio jur. crim de applicatione tormemorum. Hannov. 1754.
  • 2. Von der Procedur bey Anwendung der Marter.
§. 615.

Wenn der Angeſchuldigte, ohne zu be - kennen, die Marter überſteht, ſo werden alle Indicien getilgt und er iſt juridiſch für unſchul - dig zu halten**)P. G. O. Art. 61.. Geſteht er nachher dennoch, ſo kann er geſtraft werden***)I. F. Rivinus Diſſ. de effectu confeſſionis ſuperatis tormentis ſponte factae. Lipſ. 1739..

§. 616.

Die während des Folterns gethane Ausſage iſt ohne alles Gewicht. Der Angeſchuldigte darf daher in dieſer Zeit nicht ſpeciell gefragt,H h 2und484III. Buch. I. Titel. I. Abſchnitt. II. Abth. und ſeine Ausſage darf nicht zu Protocoll ge - nommen werden*)P. G. O. Art. 58. cf. F. A. Hommel Diſſ. de reo ſub tormentis ſpecialiter non interrogando. Lipſ. 1754.. Erſt diejenige Ausſage gilt, die er thut, wenn die Marter nachgelaſ - ſen worden iſt. Doch wird zur juridiſchen Glaubwürdigkeit dieſer erpreſsten Ausſage erfodert: 1) daſs ſie umſtändlich iſt und ſolche Thatſachen enthält, die nicht leicht ein Un - ſchuldiger wiſſen kann**)P. G. O. Art. 53. 54. 60., 2) daſs ſich die Wahr - heit der angegebenen einzelnen Umſtände ent - weder aus andern Gründen beſtätigt, oder doch keine ihr entgegenſtehenden Gründe vorhan - den ſind***)P. G. O. Art. 54. 60., 3) daſs der Verbrecher frey von der Marter und von der Furcht derſelben ſeine Ausſage ratificirt.

§. 617.

Die Ratification des gleich nach der Mar - ter abgelegten Geſtändniſſes, heiſst die Ur - gicht†)cf. Walch Gloſſar. voc. Urgichr. F. A. Hom - mel Diſſ. de ratificatione confeſſionis per tormenta extor - tae. Lipſ. 1738.. Sie muſs zwey oder drey Tage nach der Tortur, vor einem gehörig beſetzten Criminalgericht, in Abweſenheit des Peini - gers und an einem von der Marterkammer ver - ſchiedenen Ort geſchehen††)P. G. O. Art. 56.. Das ratificirteGe -485Von d. Mitt. ein Geſtändn. d. Verbr. zu bewirk. Geſtändniſs kann nicht widerrufen werden, ſondern ihm folgt die verdiente Strafe*)Berger el. jur. crim. P. l. p. 243. ſq. Einige diſſentiren. cf. Quiſtorp Thl. II. §. 747..

Anm. Gründe zur Wiederholung der Tortur. P. G. O. Art. 55. 57.

§. 618.

Die Territion, eine Erfindung der Pra - xis, beſteht in der lebhaft erregten Furcht vor der Tortur und wird in die reelle und wörtliche Territion eingetheilt. Dort wird der Be - ſchuldigte angegriffen und die Marterinſtru - mente werden ihm, jedoch ohne Schmerzen, angelegt; hier ſoll ihm blos durch Vorzei - gung der Inſtrumente, nebſt wörtlicher Dro - hung, Furcht erweckt werden.

§. 619.

Die Confrontation überhaupt iſt die gerichtliche Handlung, wodurch zwey, in ihren Ausſagen von einander abweichende Perſonen, einander unter die Augen geſtellt werden, damit ſie über den ſtreitigen Satz ſich bereden**)I. O Tabor de confrontatione Diſputationes quinque. Gieſſae. 1663. 4. (in Tractat. ed. Mylii Vol. II.). Kleinſchrod über die Nothwendigkeit, den Ge - brauch der Confrontation im peinl. Proc. einzuſchränken. In deſſen Abhandl. I. Bd. Nr. 3.. Die Confrontation in dieſer weitern Bedeutung kann angeſtellt werden 1) zwiſchen Mitſchul -digen,486III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abth. digen, 2) zwiſchen Zeugen und 3) zwiſchen Zeugen und Angeſchuldigten.

Canfrontant Confrontat.

§. 620.

Der Zweck der Confrontation kann ſeyn, 1) einen bloſsen Zweifel des Richters, der aus dem Widerſpruch verſchiedener Ausſagen entſtanden iſt, dadurch aufzuheben, daſs lich die Diſſentirenden gegenſeitig verſtändigen. 2) Der Hauptzweck derſelben iſt, einen Läug - nenden dadurch, daſs ein anderer ihm die Wahrheit unter die Augen ſagt, zu überra - ſchen, in ihm das lebhafte Gefühl der Schuld zu erregen und ihn dadurch zum Geſtändniſs zu nöthigen. Die Gegenſtellung zu dieſem Zweck iſt die Confrontation im engern Sinn, welche eigentliches medium eruendae ve - ritatis iſt. Es kann dieſe, ihrer Natur nach blos zwiſchen Mitſchuldigen, und zwiſchen Zeugen und dem Angeſchuldigten, eintreten.

  • 1. Von der Form der Confromation mündlich.
  • 2. In wie fern iſt ſie der Ehre nachtheilig?
§. 621.

Der Reinigungseid (jur. purg. tor - tura ſpiritualis, purgatio canonica) iſt die von dem Verdächtigen abgelegte eidliche Verſiche - rung ſeiner Unſchuld*)C 8. 9. 10. 11. X. de purgat. canon. R. A. v. I. 1512. Tit. 4. §. 6. Landfr. v. 1548. c. 14. §. 1. C. G. O. Thl.. Die Auferlegungdeſſelben487Von d. Mitt. ein Geſtändn. d. Verbr. zu bewirk. deſſelben hat Erpreſſung des Bekenntniſſes durch die Furcht vor den göttlichen Strafen des Meineids zum Zweck. Auf die von den Geſetzen beſtimmte Art iſt er nicht mehr im Gebrauch. Die Sollennitäten, welche ſchick - lich mit demſelben verbunden werden, und beſonders auf lebhafte Erweckung des Gewiſ - ſens und der Phantaſie abzwecken, muſs die Gewohnheit eines jeden Orts beſtimmen.

  • 1. Von der Eidesformel.
  • 2. Von den Cautelen des Defenſors.
§. 622.

Die Abſchwörung des Reinigungseides tilgt die Indicien, die dem Angeſchuldigten entge - genſtanden. Verweigert er den Eid bey einem geringeren Verbrechen, ſo wird er für über - wieſen gehalten*)c. 7. X. de purg. canon[.]; die Verweigerung des Ei - des bey Capitalverbrechen erhöht die vorhan - denen Indicien, ſo daſs nun auf Tortur erkannt werden kann. Daſs eine auſſerordentliche Strafe in dieſem Falle angewendet werden dürfe, kann nicht erwieſen werden.

*)Thl. II. tit. 10. §. 1. I. H. Boehmer Diſſ. de uſu inramenti purgatorii in cauſis criminal. (in Ex. ad D. Tom. III. Ex. 48).
*)
Zwey488III. Buch. I. Titel I. Abſchn. II. Abth.
Zweyter Abſchnitt. Von den zum eigentlichen Inhalt des Cri - minalproceſſes nothwendig gehörenden Handlungen ſelbſt.
§. 623.

In jedem Criminalproceſs kommen noth - wendig vier verſchiedene Arten von Handlun - gen, als Theile des Proceſſes vor. Dieſe ſind: I. die Unterſuchung; II. die Beweisführung; III. die Defenſion; IV. die Sentenz.

Erſte Abtheilung. Von der Unterſuchung.
§. 624.

Die Unterſuchung beſteht in dem In - begriff von Handlungen, durch welche der R[ichter]die Thatſachen aufſucht, von welchen die Anwendung oder Nichtanwendung von Straf - geſetzen abhängt Die Unterſuchung iſt ſo - wohl auf die Schuld, als auf die Unſchuld gerichtet.

§. 625.489Von der Unterſuchung.
§. 625.

Es giebt nothwendig zwey Hauptobjecte einer jeden Criminalunterſuchung: I. Die Exiſtenz einer Uebertretung an ſich Berich - tigung des Thatbeſtandes. Dieſe Un - terſuchung beantwortet drey Fragen: 1) iſt ein Verbrechen begangen worden? 2) welches Verbrechen iſt begangen worden? 3) welches ſind die beſondern Umſtände, unter welchen es begangen worden iſt? II. Das Subject der Uebertretung. Hier beantwortet ſie die Fragen: 1) wer iſt der Urheber des Verbrechens? 2) Con - curriren Gehülfen und welches ſind dieſe?

§. 626.

Nach Verſchiedenheit der Verbrechen iſt entweder I. die Unterſuchung des Thatbeſtan - des von der Unterſuchung des Subjects ge - trennt, oder II. beyde ſind in einer und der - ſelben Handlung nothwendig verbunden. Dieſes iſt der Fall, wenn die Wahrſcheinlich - keit oder Gewiſsheit des Verbrechens durch dieſelben Gründe beſtimmt wird, welche die Wahrſcheinlichkeit oder Gewiſsheit der Per - ſon des Uebertreters begründen*)z. E. Ehebruch, Sodomie u. ſ. w.; jenes, unter der entgegengeſetzten Bedingung, wel - che nur eintreten kann 1) bey ſolchen Ver - brechen, zu deren Thatbeſtand ein beſtimm - ter äuſſerlich erkennbarer Effect gehört, der auch jetzt noch wirklich exiſtirt**)z. E. Tödung., 2) beyſol -490III. Buch. I. Titel. II. Abſchn. I. Abth. ſolchen, die zwar an ſich keine ſinnlich er - kennbare Wirkung zu ihrem Begriff erfodern, aber doch zufällig eine Thatſache zurückge - laſſen haben, aus der man auf die, den That - beſtand ausmachende, vorübergegangene Handlung ſchlieſsen kann*)Wenn z. E. ein Diebſtahl durch Einſteigen oder Einbruch geſchehen iſt, und noch die Spu[r]en des Einſteigens oder des Einbruchs vorhanden ſind..

§. 627.

A. Die Unterſuchung des Thatbe - ſtandes kann, nach Verſchiedenheit der Fälle, verſchieden ſeyn. Sie kann geſchehen I. durch ſinnliche Erkenntniſs (Ocularinſpection) welche vorausſetzt, daſs entweder eine ſinn - lich erkennbare bleibende Thatſache, welche zum Thatbeſtande gehört, oder doch auf den - ſelben ſchlieſsen läſst, objectiv erkennbar**)Ich ſage, objectiv erkennbar, und dies iſt weſentlich. Es kann ein Verbrechen ſinnliche Spuren zurück - laſſen, ohne daſs eine Ocularinſpection möglich iſt. Der Diebſtahl läſst in dem leeren Kaſten den rechts - widrigen Effect zurück, gleichwohl kann hier kein Richter durch Ocularinſpection den Thatbeſtand unterſuchen. vorhanden iſt.

§. 628.

Am nothwendigſten iſt die Berichtigung des Thatbeſtandes durch ſinnliche Erkenntniſs bey der Tödung. Hier heiſst die Ocularin - ſpection Leichenſchau und, weil nichtblos491Von der Unterſuchung. blos äuſſere Beſichtigung hinreichend, ſon - dern auch Unterſuchung der innern Theile nothwendig iſt, Legal-Section*)I. S. F. Boehmer Diſſ. de legitima cadaveris occiſi ſectione. Hal. 1747. F. A. Hommel Diſſ de lethali - tate vulnerum et inſpectione cadueris poſt occiſum homi - nem. Lipſ. 1749.. Sie muſs geſchehen von einem oder mehrern beei - digten Aerzten oder Wundärzten in Gegen - wart des Richters, des Actuars und zweyer Schöppen.

P. G. O. Art. 147. 149.

  • 1. Von der dabey zu beobachtenden Procedur im allgemei - nen und bey den einzelnen Arten der Tödung, mündlich.
  • 2. Van dem Befundſchein (viſum repertum).
§. 629.

Noch iſt ſinnliche Erforſchung des That - beſtandes möglich: 1) bey der Brandſtiftung, 2) bey dem Diebſtahl und zwar a) bey dem nicht gefährlichen Diebſtahl, wenn die Sache ſelbſt gefunden wird, und ſich aus ſinnlich erkennbaren Thatſachen ergiebt, daſs ſie rechtswidrig aus dem Beſitz gekommen ſey; b) bey dem gefährlichen, wenn ſolche Spuren ſich zeigen, welche entweder die Handlung des Einbrechens, oder des Einſteigens oder des Gebrauchs der Waffen zu erkennen geben; 3) bey der Fälſchung, wenn die verfälſchte Sache exiſtirt, welches auch auf die Münzfäl - ſchung anzuwenden iſt; 4) bey Fleiſchesver - brechen, wenn Schwangerſchaft erfolgt iſt; 5) bey492III. Buch. I. Titel. II. Abſchn. I. Abth. 5) bey der Nothzucht, wenn Zeichen angewen - deter Gewalt vorhanden ſind, beſonders an den Geſchlechtstheilen der Perſon.

§. 630.

II. Auf rationelle Art wird der Thatbe - ſtand in dem Falle ausgemittelt, wenn die Kenntniſs deſſelben durch keine von dem Ver - brechen ſelbſt bewirkte Thatſache begründet wird. Es geſchieht dann dieſe Unterſuchung, wenn der Richter durch Zeugen, durch die Ausſage des Thäters oder durch Urkunden die Kenntniſs von dem Verbrechen ſelbſt oder von Anzeigungen deſſelben zu erhalten ſucht. Die ſinnliche Erforſchung des Thatbeſtandes geht der rationellen Erforſchung vor und darf nicht verſäumt werden.

§. 631.

B. Unterſuchung des Subjects der That. Sie kann geſchehen I) durch ſinnliche Erkenntniſs, beſonders in wie ferne der Richter durch ſie zur Kenntniſs von Indi - cien des Urhebers zu gelangen ſucht, wie es bey der Hausſuchung geſchehen kann. II) Auf rationelle Art durch Aufſuchung und Befragung von Zeugen, durch Aufſuchung und Einſicht von Urkunden, beſonders aber durch Befragung des ſchon verdächtigen Ur - hebers ſelbſt*)Die nähern Beſtimmungen hievon gehören für den Inquiſitionsproceſs insbeſondere..

Zweyte493Von der Beweisführung.
Zweyte Abtheilung. Von der Beweisführung.
§. 632.

Die Beweisführung iſt die förmliche Darſtellung der Gründe für die Wahrheit gewiſ - ſer Thatſache, vor Gericht. Es unterſcheidet ſich die Beweisführung im peinlichen Proceſſe vorzüglich dadurch, daſs hier die im Civil - proceſſe geſetzlichen Förmlichkeiten und Fa - talien nicht anwendbar ſind. Nur das muſs beobachtet werden, was auf die Gewiſsheit ſelbſt, unmittelbaren oder entfernten Einfluſs hat*)Tob. lac. Reinharth Diſſ. de probationis civilis ac criminalis con et disconuementia. Erford. 1732..

§. 633.

Die Beweisführung durch Zeugen ge - ſchieht durch Befragung derſelben über Arti - kel, welche aber nicht ſuggeſtiv ſeyn dürfen und ſich nicht, wie im Civilproceſs, mit: wahr anfangen. Der Beklagte hat das Recht den Zeugen Interrogatorien vorzulegen, welches von allen Arten des peinlichen Proceſſes gilt, aber doch nur im Accuſationsproceſs abſolut -noth -494III. Buch. I. Titel. II. Abſchn. III. Abth. nothwendig iſt*)Kreſſ ad Art. 170. C. C. C. Boehmer ad eund. §. 2. Nach andern ſollen Interrogatorien im Inqui - ſitionsproceſs nicht erlaubt ſeyn. of. Quiſtorp Thl. II. §. 698.. Bey Widerſprüchen der Zeugen unter ſich oder mit dem Angeſculdig - ten tritt die Confrontation zur Ausgleichung dieſer Widerſprüche ein.

Dritte Abtheilung. Von der Defenſion.

Io. Dav. Thönnicker advocatus prudeus in foro criminali etc. Chemn. et Lipſ. 1720. 4.

I. C. Koch Anleitung zu Defenſionsſchriften. ate Aufl. Gieſſen 1779.

Alex. Ockhart Anweiſung zu Vertheidigungsſchriften Leipz. 1780.

§. 634.

Die Defenſion überhaupt beſteht in der Darſtellung von Rechtsgründen zur Abwen - dung einer dem Angeſchuldigten nachtheiligen gerichtlichen Handlung. Sie iſt in allen Pro - ceſsarten, bey allen Verbrechen nothwendig und zwar ſo, daſs der Richter ſelbſt zur Aufſu - chung der Gründe der Verantwortung ver - pflichtet iſt, wenn der Angeſchuldigte ſich nicht vertheidigen wollte, oder nicht könnte aus Geiſtesſchwäche**)P. G. O. Art. 47..

§. 635.495Von der Defenſion.
§. 635.

Die Defenſion im engern Sinn, (förm - liche Defenſion) beſteht in der Darſtellung und Ausführung dieſer Rechtsgründe durch einen Rechtsverſtändigen Advokaten (Defenſor). Dieſe iſt nach den Geſetzen nie nothwendig, ſondern es iſt der Angeſchuldigte nur berech - tigt, eine ſolche Vertheidigung zur Abwen - dung oder Milderung der Strafe zu verlangen*)P. G. O. Art. 88.. Die Praxis aber nimmt an: 1) daſs bey Ver - brechen, auf denen eine Leibes - oder Lebens - ſtrafe ſteht, gegen alle Arten präjudicirlicher gerichtlicher Handlungen ein Defenſor zu verſtatten, und 2) eine förmliche Defenſion zur Abwendung oder Milderung der Strafe und zur Abwendung oder Milderung der Tortur, nothwendig ſey**)Meiſter vollſt. Einl. S. 223. ff..

  • 1. Haupt - und Nebendefenſion.
  • 2. Fauor defenſionis und deſſen Grenzen.
  • 3. Von der Form und Einrichtung einer Defenſion.
§. 636.

Den Stoff zur Defenſionsſchrift liefern 1) die Akten, die daher dem Defenſor und zwar im Original mitgetheilt werden müſſen. Dazu dient 2) die Unterredung mit dem In - quiſiten, die, wenn nicht beſondere Gründe des Verdachts zu Colluſionen vorhanden ſind, ohne Beyſeyn von Gerichtsperſonen verſtattetwer -496III. Buch. I. Titel. II. Abſchn. IV. Abth. werden muſs*)Meiſter vollſt. Einl. S. 253. ff. Kleinſchrod über die Nothwendigkeit, den Defenſor zu einer Unterre - dung mit dem Inquiſiten anzuhalten. Im Archiv. II. Bd. 2. Stück. Nr. 9. Ueber denſelben Gegen - ſtand, von Biedermann im Archiv. 3. Stück. Nr. 7.: 3) die Abhörung von Defenſi - onalzeugen und die Aufſuchung andrer Be - weismittel für die, dem Angeſchuldigten vortheilhaften Thatſachen.

Vierte Abtheilung. Von der Sentenz.
Erſte Unterabtheilung. Von der Sentenz und ihren Arten.
§. 637.

Criminalurtheil iſt jede Entſcheidung des competenten Richters in einer Criminalſache. Es zerfällt 1) in das Endurtheil (ſent defini - tiua) welches die Nothwendigkeit der An - wendung oder Nichtanwendung des Strafge - ſetzes erklärt, 2) in das Interlocut (ſent. interloc. ), durch welches nur das Endurtheil vorbereitet werden ſoll.

  • 1. Sententia interlocutoria mera mixta.
  • 2. Bedingtes und unbedingtes Urtheil. Zwickelurtheil.
§. 638.497Von der Sentenz.
§. 638.

Wenn das Endurtheil 1) die Nothwen - digkeit der Anwendung eines Strafgeſetzes erklärt, ſo heiſst es verdammendes Urtheil (ſent. condemn), wenn es aber 2) die Noth - wendigkeit der Nichtanwendung deſſelben erklärt, ſo iſt es losſprechendes Urtheil (ſent. abſol). Dieſes kann a) den Angeſchuldigten ſchlechthin für unſchuldig erklären (ſentent. abſolut. ſtr. ſ. d. ſeu a tota cauſa), oder es kann b) nur die Nothwendigkeit erklären, für jetzt gegen den Angeſchuldigten kein Verdammungsurtheil zu fällen (ſent. ſec. quid abſol. ſ. abſol. ab inſtantia)*)Kleinſchrod über die Losſprechung von der Inſtanz im peinlichen Proceſse. In den Abhandlung Bd. I. Nr. 7. Von der ſtillſchweigenden Abſolution von der Inſtanz..

§. 639.

Die condemnatoriſche Sentenz ſetzt vollen juridiſchen Beweis der Schuld; die ſchlechthin abſolutoriſche Sentenz volle juridiſche Gewiſs - heit der Unſchuld; die Abſolution von der in - ſtanz, Ungewiſsheit der Schuld und der Un - ſchuld voraus. Das letzte findet daher ſtatt, 1) wenn Indicien da ſind, aber kein Beweis der Schuld vorhanden und auch 2) gegen - wärtig nicht zu hoffen iſt. Sie vertritt mit Recht öfters die Stelle eines Mittels die Wahrheit zu erforſchen, beſonders aber des Reinigungs - eides.

§. 640.I i498III. Buch. I. Titel. II. Abſchn. IV. Abth.
§. 640.

Die ſchlechthin abſolutoriſche Sentenz, wenn ſie nicht mit abſoluter Nichtigkeit be - haftet iſt, tilgt für immer die bisher vorhande - nen Indicien und nur, wenn neue Indicien ſich zeigen, kann ein neuer Proceſs, jedoch ganz getrennt von dem vorhergehenden, wie - der angefangen werden. Die Abſolution von der Inſtanz ſuspendirt nur den Proceſs, der, wenn ſich mit den alten Indicien neue ver - binden und nun Hoffnung eines vollen Be - weiſes eintritt, wieder aufgenommen werden kann.

Anm. Mündlich von der Rechtskraft peinlicher Ur - theile. C. C. Stübel pr. de opinione vulgari, ſen - tentias abſolutorias in proceſſu inquiſitorio, ſimulac cum reo communicatae ſint, in rem judicatam tranſire, e ju - risprudentia criminali eliminanda. Wittenb. 1798. Beſonders Kleinſchrod über die Rechtsſtrafe pein - licher Urtheile. Im Archiv, II. Bd. 3. Stück Nr. 2.

§. 641.

Da in der richterlichen Gewalt das Recht der Entſcheidung enthalten iſt; ſo hat auch jedes peinliche Gericht das Recht, alle Arten von Criminalurtheilen zu fällen, vorausge - ſetzt, daſs daſſelbe mit der gehörigen Anzahl rechtsverſtändiger Beyſitzer beſetzt iſt. Nur in zweifelhaften Fällen oder wenn der Ange - ſchuldigte es verlangt und kein Verdacht der Chikane eintritt, ſoll es bey ſeinem Oberhof, oder einem höchſten Landescollegium, odereiner499Von der Sentenz. einer Univerſität ein Urtheil verlangen*)P. G. O. Art. 7. 147. 219.. Nach der Praxis muſs jedes niedere Gericht bey ſchweren Verbrechen und in Anſehung beſonders präjudicirlicher gerichtlicher Hand - lungen, entweder bey einem höhern Colle - gium oder von einer Univerſität ein Urtheil einholen**)Pufendorf T. II. obſ. 69. Struben Thl. II. Bd. 112..

Anm. Von der Art der Verſchickung und den dabey vorkommenden Rech[t]sſ[ä]tzen.

Zweyte Unterabtheilung. Von der Publication der Sentenz, den Rechtsmitteln gegen dieſelbe und ihrer Execution.
§. 642.

Das gefällte oder eingegangene Urtheil muſs dem Delinquenten publicirt werden***)F. A. Hommel Diſſ. de cauta publicatione ſontentiae criminalis. Lipſ. 1741.. Be[y]verdammenden Urtheilen geſchieht die Publication in Gegenwart des Defenſors, in Fällen, wo eine förmliche Defenſion ſtatt gefunden hat. Nie darf der Richter eine ein - gegangene Sentenz aus eignem Gutdünken unterdrücken†)C. Thomaſius Diſſ. de judice ſententiam in cauſis criminalihus latam ab actis removente. Hal. 1709. ed. 2 da 1740..

Intimatio ſententiae.

I i 2§. 643.500III. Buch. I. Titel. II. Abſchn. IV. Abth.
§. 643.

Gegen eine Sentenz hat der Angeſchul - digte folgende Rechtsmittel I. die Appellation, ſowohl im Accuſations als Inquiſitions - proceſs*)Darüber wurde ein heftiger Streit zwiſchen Carp - zov und Oldekop geführt, und man nimmt nun allgemein die verneinende Meinung in Anſehung des Inquiſitionsproceſſes an. Man ſtützt ſich auf eine allgemeine Gewohnheit; als wenn eine ſolche mög - lich ſey und als wenn nicht viele Territorien dieſe Gewohnheit widerlegten. cf. Ludovici Einl. zum peinlieben Proceſs. Kap. XI., aber nur an die höhern Landes - collegien, nie, in eigentlich peinlichen Sachen, an die höchſten Reichsgerichte**)R. A. v. I. 1530. §. 95. C. G. O. P. II. tit. 28. §. 5.. II. Die Nichtigkeitsbeſchwerde (rem. nullitatis), die bey den höhern Landes - und bey den höchſten Reichsgerichten angebracht werden kann. III. Die weitere Vertheidigung, welche an vielen Orten die Stelle der Appellation ver - tritt und in Capital-Sachen ſelbſt bis zum viertenmal verſtattet wird.

Supplication an dem Landesberrn.

§. 644.

Der Publication der Sentenz folgt die Execution. Die Execution der abſolutoriſchen Sentenz, wie auch geringerer Strafen, ge - ſchieht gleich nach der Publication, wenn ſich nicht, beſonders in Anſehung der letzten, rechtliche Gründe des Aufſchubs zeigen(§. 166.501Von der Sentenz. (§. 166). Eine Capitalſtrafe aber muſs wenig - ſtens drey Tage vor der Execution dem Miſſe - thäter bekannt gemacht werden*)P. G. O. Art. 79..

§. 645.

Der wirklichen Hinrichtung geht das Hochnothpeinliche Halsgericht vorher, wo dem Verbrecher, unter langweiligen Sollemni - täten, das Urtheil feyerlich publicirt und der Staab gebrochen wird**)C. F. Walch pr. de ritibus judiciorum crim. in C. C. C. Art. 100. abrogatis. Ien. 1784. C. A. Beck Diſſ. de ſollenni fractionis baculi ritu in exequenda ſup - plicii capitalis ſententia. Ien. 1751.. Widerruft der Verbrecher ſein Bekenntniſs vor dem hoch - nothpeinlichen Halsgericht oder auf dem Richtplatz, ſo muſs er, wenn er auch keine Gründe anführt, zurückgebracht und ihm eine weitere Defenſion verſtattet werden***)P. G. O. Art. 91. C. F. Walch Diſſ. de revocatione confelſionis capite damnati in die ejus ſupplicio deſtinato. Ien. 1783. Wie wenn er hernach von neuem widerruft?.

  • 1. Erzählung der Hinrichtungs Ceremonien.
  • 2. Wie werden am zweckmäſsigſten Hinrichtungen ver - anſtaltet?
  • 3. Von dem Leichnam des Hingerichteten.
Zwey -502III. Buch. II. Titel. I. Abſchn.

Zweyter Titel. Von dem inquiſitoriſchen und accuſatoriſchen Proceſs insbeſondere.

Erſter Abſchnitt Von dem Inquiſitionsproceſs.

Ioh. Brunnemann tractatus de inquiſitionis proceſſu ed. emendata Frcf. et Lipſ. 1732. (damit ſind zu ver - binden: Annotationes ad Brunnemanni tracta - tum etc. Frcf. et Lipſ. 1747.) 4.

Chr. Iac. Heil judex et defenſor in proceſſu inquiſi - tionis. Lipſ. 1717. 4.

Chr. Gotth. Hübner principia proceſſus inquiſitorii etc. Lipſ. 1799. 8.

§. 646.

Der Richter iſt hier als dreyfache Perſon zu betrachten, als Repräſentant des beleidigten Staats, indem er an deſſen Statt die Rechte aus Strafgeſetzen verfolgen muſs; als Reprä - ſentant des Angeſchuldigten, indem er alles, was die Schuldloſigkeit oder die geringere Strafbarkeit deſſelben begründen kann, auf - ſuchen und darſtellen muſs, und endlich als Richter, in wie ferne er das Gegebene zu beurtheilen und zu entſcheiden hat.

§. 647.503Von dem inquiſitoriſchen Proceſs.
§. 647.

Ehe ein Menſch als wirklicher Verbrecher behandelt werden kann, wird er als Verdäch - tiger behandelt, weil der Verdammung noth - wendig die Unterſuchung gegen eine be - ſtimmte (alſo verdächtige Perſon vorangehen muſs. Ehe aber ein Menſch als verdächtig behandelt werden kann, müſſen Gründe des Verdachts und Gründe für die Exiſtenz des Verbrechens überhaupt vorhanden ſeyn: das letzte, weil ſonſt aller Grund zum Criminal - proceſs hinwegfällt, das erſte, weil ſonſt das richterliche Verfahren eine Läſion enthalten würde. Der Inquiſitionsproceſs wird daher durch die Generalinquiſition eröffnet, worin der Richter die Gründe für die Exiſtenz des Verbrechens überhaupt und des Verdachts gegen ein beſtimmtes Subject der That aufſucht. Sie bereitet die Specialinquiſition vor, in welcher der Richter gegen den als verdächtig be - handelten einen vollen Beweis der Schuld oder der Unſchuld zu begründen ſucht*)Ein Hauptgrund der Verwirrung in dieſen Be - griffen liegt darin, daſs man ſo oft das articulirte Verhör mit der Specialinquiſition überhaupt ver - wechſelt hat. Man vergleiche übrigens: Nettel -bladt.

I. Generalunterſuchung.
§. 648.

Zur Generalunterſuchung muſs der Rich - ter erſt veranlaſst werden. Dieſe Veranlaſ -ſung504III. Buch. II. Titel. I. Abſchn. ſung heiſst das Fundament der Unter - ſuchung und beſteht aus den Datis, aus welchen der Richter die Nothwendigkeit erkennt, eine Unterſuchung anzufangen. Dieſe Nothwendigkeit erkennt der Richter 1) wenn er unmittelbar von dem Verbrechen ſelbſt oder deſſen Urheber Kenntniſs erhält, 2) wenn er Indicia eines Verbrechens oder des Urhebers erfährt. Dieſe Objecte der Erkennt - niſs kann man das unmittelbare Fundament der Unterſ. nennen. Zur Erkenntniſs jener Ob - jecte kann der Richter geiangen, 1) durch eigne Erfahrung, 2) durch die Angabe des Thäters ſelbſt, 3) durch Denunciation eines Dritten und endlich 4) durch das öffentliche Gerücht und die Notorietät*)Eſchenbach ausführliche Abhandlung der General - unterſuchung. Kap. III.. Dieſe Mittel zur Erkenntniſs des unmittelbaren Funda - ments kann man das mittelbare Fundament nennen.

Mündlich von dem Denuncianten deſſen Pflichten u. ſ. w.

§. 649.

Wenn eine ſolche Veranlaſſungsurſache eingetreten iſt, ſo beſteht das erſte Geſchäft des Richters darin, daſs er dieſe Urſache ſelbſt und ihr Gewicht unterſucht. Giebt ſich derThä -*)bladt Diſſ. de ſententia condemnatoria ſine praevia inquiſitione ſpeciali. Hal. 1774. Klein über den weſentlichen Unterſchied der General - und Specialinqui - ſition. Im Archiv. I. Bd. 1. Stck. Nr. 3.505Von dem inquiſitoriſchen Proceſs. Thäter ſelbſt an, ſo muſs er unterſuchen, ob ſein Angeben Wahrſcheinlichkeit habe, ob er mit Bewuſstſeyn und mit geſundem Verſtand ſich ſelber denuncire. Die Glaubwürdigkeit des Denuncianten muſs er erforſchen, ſo wie den Grund ſeiner Wiſſenſchaft. Bey dem öf - fentlichen Gerücht muſs er ſich beſonders nach der Quelle deſſelben erkundigen Findet er nun dieſe Urſachen nichtig, ſo iſt alles wei - tere Inquiriren ausgeſchloſſen. Im entgegen - geſetzten Fall geht die Unterſuchung fort. Das Fundament d. Unt. muſs zu Protocoll ge - nommen werden.

§. 650.

Hat nun das Verbrechen Spuren zurück - gelaſſen, ſo muſs dieſe, ſobald wie möglich, der Richter aufſuchen und durch ſinnliche Erkenntniſs den Thatbeſtand des Verbrechens an ſich, zu berichtigen ſuchen (§. 625. ff). Die Erforſchung des Urhebers (§. 631.) und der zum Anfang der Specialinquiſition hinreichen - den Indicien gegen denſelben iſt das zweyte Geſchäft. Er muſs daher beſonders nach Zeu - gen forſchen und dieſe Zeugen abhören, wel - che aber hier nicht über Artikel vernommen, gewöhnlich auch nicht vereidet werden*)Sollte aber nicht ſeyn. Klein p. R. §. 532.. Hat er Muthmaſsung oder ſchon entfernten Verdacht gegen eine Perſon, ſo darf er ſie dar - um nicht den Zeugen nennen; aber erlaubt iſt es ihm, ſie als Zeuge mit zu vernehmen, damit ſie ſich vielleicht durch ihre Ausſagennoch506III. Buch. II. Titel. I. Abſchn. noch mehr verdächtig mache. Auch iſt er verpflichtet, ſie im Stillen beobachten zu laſ - ſen, damit ſie ſich der künftigen Specialunter - ſuchung nicht entziehen können Wenn ſich die Zeugen in weſentlichen Punkten, von de - nen der Anfang der Specialinquiſition ab - hängt, widerſprechen, ſo müſſen ſie jetzt ſchon confrontirt werden.

§. 651.

Es kann oft mit der bloſsen Unterſuchung der Glaubwürdigkeit des Fundaments die Ge - neralunterſuchung beendigt ſeyn, wenn näm - lich in dem Fundament der Unterſuchung ſelbſt ſchon hinreichende Gründe für die Exi - ſtenz der That und des Verdachts gegen eine Perſon enthalten ſind*)Es denuncirt ſich jemand ſelbſt, daſs er die Sodo - mie begangen habe.. Wo dieſes nicht iſt, da iſt die Aufſuchung und Erforſchung dieſer Gründe das Hauptgeſchäft der Generalinqui - ſition.

II. Specialinquiſition überhaupt.
§. 652.

Wenn hinreichende Verdachtsgründe ge - gen eine Perſon vorhanden ſind, ſo folgt die Specialinquiſition, deren An - fang ſogleich anzunehmen iſt, als der Richter durch eine wirkliche Handlung eine beſtimmte Perſon für verdächtig erklärt. Wenn daherder507Von dem inquiſitoriſchen Proceſs. der Richter eine Perſon, als des Verbrechens verdächtig, öffentlich ſeiner richterlichen Ge - walt zu unterwerfen ſucht, wenn er ſie citirt, Steckbriefe erläſst, incarcerirt etc. §. 554 ff) ſo iſt hiemit die Specialinquiſition eröffnet.

§. 653.

Der eigentliche Zweck der Specialinqui - ſition iſt, vollkommner Beweis der Schuld oder der Unſchuld (§. 647.). Das Hauptge - ſchäft derſelben iſt daher: I) das Verhör des Angeſchuldigten, II) die Aufſuchung und Darſtellung ſolcher Beweismittel, welche ent - weder an ſich vollen Beweis der Schuld be - gründen, oder dazu dienen, durch Vorhal - tung den Verdächtigen zum Geſtändniſſe zu bringen oder auch ihn zu vertheidi - gen.

§. 654.

Der Zweck eines jeden peinlichen Ver - hörs iſt: 1) durch Befragung des Verdächtigen das Geſtändniſs ſeiner Schuld zu bewirken, 2) durch ſeine Antworten andere Beweismittel gegen ihn zu entdecken und endlich 3) die Thatſachen zu erfahren, auf welche er ſeine Verantwortung ſtützen kann*)Kleinſchrod über die Rechte. Pflichten und Klug - heits egeln des Richters bey peinlichen Verhören u. ſ. w. Archiv Bd. I. Stck. 1. u. 2..

§. 655.508III. Buch. II. Titel. I. Abſchn.
§. 655.

Die Fragen des Richters dürfen daher: 1) nicht captiös d. h. von der Art ſeyn, daſs der Angeſchuldigte durch ſeine Antwort auch ohne ſeine Abſicht und ſeinen Willen, einen ihn gravirenden Umſtand eingeſtehen kann. 2) Sie dürfen keine ſchädlichen Suggeſtio - nen enthalten. Eine Suggeſtivfrage überhaupt iſt eine Frage, in welcher ſchon die Antwort auf dieſelbe beſtimmt enthalten iſt*)Kleinſchrod über Suggeſtionen im peinlichen Pro - ceſſe. In den Abhandlungen I. Th. Nr. 2.. Sie iſt ſchädlich und unerlaubt**)L. 1. §. 21. D. de Quaeſt. P. G. O. Art. 56., wenn die Antwort auf ſie, unmittelbar ſelbſt eine nach - theilige Folge für den Angeſchuldigten oder einen Dritten begründen ſoll. Der Name ei - nes Gehülfen oder ein ſpecieller Umſtand des Verbrechens, der noch nicht vollſtändig er - wieſen iſt, darf daher nicht ſuggerirt werden. Ein durch ſolche Suggeſtionen bewirktes Ge - ſtändniſs iſt null.

  • 1. Gründe, warum Suggeſtionen verboten ſind.
  • 2. Suggeſtionen zum Vortheil des Angeſchuldigten. P. G. O. Art. 37.
III. Summariſche Unterſuchung.
§. 656.

In dem ſollennen Inquiſitionsproceſs zer - fällt die Specialinquiſition in zwey Theile I. die ſummariſche Unterſuchung, in welcher der Richter die Beweiſe für und gegenden509Von dem inquiſitoriſchen Proceſs. den Angeſchuldigten aufſucht und ſammelt*)Es iſt zwar möglich, daſs der Richter ſchon in der Generalioquiſition, nach unſerm Begriff, alle Beweismittel findet; aber dieſes iſt doch nicht der eigentliche Zweck derſelben. Eine Perſon ſoll nur verdächtig werden; auf gegenwärtigen Beweis, iſt es noch gar nicht abgeſehen. Daſs der Vf. nicht von ſummariſchem Verhör, ſondern von ſ. Unterſ. ſpricht, hat in der Natur ſeiner Eintheilung Grund. Der Richter verhört ja hier nicht allein den Incul - paten.. II. Die articulirte Unterſuchung, die Specialinquiſition im engern Sinn, wo die Beweiſe förmlich dargeſtellt, und alle, auf die Beſtrafung Einfluſs habende Punkte, ein - zeln bewieſen werden ſollen.

§. 657.

Das erſte Geſchäft der ſummariſchen Unterſuchung iſt das ſummariſche Ver - hör**)C. Traug. Fiſchers Abh. von der ſummariſchen Vernehmung im peinliche[n]Proceſs. Leipz. 1789. des Angeſchuldigten, das ſogleich vorgenommen werden muſs, als der Richter des Angeſchuldigten habhaft iſt. Der Ange - ſchuldigte, der hier Inculpat, Comparent, Con - ſtitut, Arreſtat heiſst, wird hier im allgemei - nen über das Verbrechen befragt, damit er ſelbſt zuſammenhängend die Geſchichte ſeiner Ueber - tretung erzähle. Zweckmäſsig eröffnet der Richter dieſes Verhör, mit Fragen nach dem Lebenslauf des Angeſchuldigten, damit er ihn kennen lerne. Im Allgemeinen hält er ihm den Verdacht gegen ihn vor, ohne ihmjedoch510III. Buch. II. Titel. I. Abſchn. jedoch die einzelnen Indicien vollſtändig zu nennen. Bey Dunkelheiten muſs er Aufklä - rung, bey Widerſprüchen Vereinigung der - ſelben fodern, offenbare Unwahrheiten muſs er ihm vorhalten und, daſs ſie es ſind, ihm zeigen.

§. 658.

Ueber die Wahrheit der Thatſachen, die Inculpat angiebt, muſs der Richter nachfor - ſchen, theils indem er ſie an lich, nach ihrem innern Zuſammenhange und nach ihrem Verhältniſſe zu andern erwieſenen That - ſachen prüft, theils indem er von Zeugen oder auf andre Art, die Wahrheit oder Un - wahrheit derſelben zu erfahren ſucht. Wenn er es für nothwendig findet, kann er alle Arten der Confrontation ſchon hier vor - nehmen.

§. 659.

Die ſummariſche Unterſuchung iſt ge - ſchloſſen, wenn der Richter Gründe hat, an - zunehmen, daſs er keine neuen Beweiſe mehr auffinden werde. Wenn der Proceſs ein Civilverbrechen betrifft, ſo wird er durch die ſummariſche Unterſuchung geendigt. Bey vollem Beweis der Schuld erfolgt die Verdammung, ſo wie die Losſprechung bey vollem Beweis der Unſchuld, oder der Rei - nigungseid, bey unvollſtandigem Beweis der Schuld. Wenn bey Criminalverbrechen ſchon in der ſummariſchen Unterſuchung die Indi - cien getilgt werden, ſo muſs ebenfalls eine abſolutoriſche Sentenz unmittelbar der ſ. Unterſuchung folgen.

IV. 511Von dem inqueſitoriſchen Proceſs.
IV. Articulirte Unterſuchung.
§. 660.

Iſt das Verbrechen 1) ein Criminal be - ſonders ein Capital - Verbrechen und ſind 2) Indicia vorhanden, welche wenigſtens einem halben Beweiſe gleich ſind*)P. G. O. Art. 11. 12. verbunden mit Art. 30. cf. Heil judex et def. C. III. §. 5., ſo folgt die articulirte Unterſuchung auf die ſum - mariſche, ohne daſs volle Gewiſsheit des Thatbeſtandes nothwendig vorausgeſetzt wird**)P. G. O. Art. 6.. Sie iſt in ſolchen Fällen auch dann nothwendig, wenn der Angeſchuldigte ſchon überführt oder geſtändig iſt. Der Richter ſelbſt beurtheilt die Gründe zur articulirten Unterſuchung und beſchlieſst dieſelbe. Iſt er zweifelhaft, ſo muſs er von einem höhern Gericht oder einer Academie ſprechen laſſen.

§. 661.

Die Theile der articul. Unterſuchung ſind I. das articulirte Verhör des Angeſchul - digten, in welchem derſelbe punktweiſe über die einzelnen Umſtände der That befragt wird. Dieſe Fragen heiſsen Inquiſitionalartikel und werden von dem Richter ſelbſt vorher ent - entworfen, wozu ihm die Generalinquiſi - tion und die ſummariſche Unterſuchung den Stoff darbieten. Während des Verhörs ſelbſt kann er, ſobald es die Zweckmäſsigkeit er - fodert, davon abweichen und die Artikel, welche er zuſetzt, heiſsen dann Additional - artikel.

§. 662.512III. Buch. II. Titel. I. Abſchn.
§. 662.

Die Artikel betreffen 1) die perſönlichen Eigenſchaften des Angeſchuldigten General - artikel (art. generales) 2) das Verbrechen ſelbſt und die Umſtände deſſelben Specialartikel (art. Ipec.). Dieſe dürfen immer nur auf Einen Umſtand gerichtet ſeyn und daher nicht mehr, als Eine Propoſition enthalten, dabey müſſen ſie zuſammengenommen alle Umſtände umfaſſen, die auf die Beſtrafung Einfluſs haben können, ſowohl die gravirenden, als die vortheilhaften. Suggeſtive und cap - tiöſe Artikel ſind ſchlechthin verwerflich (§. 655.).

§. 663.

Das Verhör ſelbſt muſs vor gehörig be - ſetztem Criminalgericht geſchehen. Der An - geſchuldigte muſs in Perſon und zwar münd - lich, dabey beſtimmt und categoriſch antwor - ten, ohne daſs es ihm erlaubt iſt, ſich blos auf ſeine Auſſagen im ſummariſchen Verhör zu berufen. Zuerſt wird er über die General - dann über die Specialartikel vernommen. Das Benehmen des Richters iſt im Ganzen daſſelbe, wie bey dem ſummariſchen Verhör (§. 657.). Der Aktuar muſs alle Antworten, mit des Angeſchuldigten eignen Worten auf - zeichnen.

Fragen am Schluſs des Verhört.

§. 664.513Von dem inquiſitoriſchen Proceſs.
§. 664.

Der Angeſchuldigte, über den das arti - culirte Verhör verhängt iſt, und der nun Inquiſit heiſst wird nach dem gemeinen Vor - urtheil ſchon als wirklicher Verbrecher ange - ſehen, ſo daſs das artic. Verhör eigentliche Folgen der Infamie begründet*)Koch inſt. j. c. §. 781.. Die Praxis verſtattet daher eine beſondere Defenſion zur Abwendung des articulirten Verhörs (def. pro avertenda inq. ſpeciali), welche aber nur dann von dem Richter zuzulaſſen iſt, wenn wenig - ſtens ſcheinbare Gründe zur Abwendung des articul. Verh. vorhanden ſind.

  • 1. Von den übrigen angeblichen Mitteln zur Abwendung des Art. Verh.
  • 2. Von dem Nothbehelf, durch welchen man die Folgen des art. Verbörs abzuwenden Jucht.
§. 665.

Auf das articulirte Verhör des Inquiſiten folgt II. das förmliche Zeugenverhör. Die Zeugen werden hier vereidet und über Artikel vernommen, zu denen ebenfalls die General - unterſuchung und die ſummariſche Unter - ſuchung die Materialien liefern. Der Richter verfertigt ſie, communicirt ſie aber vorher dem Defenſor, damit dieſer Fragſtücke (§. 633.) entwerfen kann. Die Erfoderniſſe der In - quiſitionalartikel (§. 655.) ſind auch auf die Zeugenartikel auszudehnen.

§. 666.K k514III. Buch. II. Titel. I. Abſchn.
§. 666.

Sind III. Gründe zu mediis eruendae verita - tis vorhanden §. 611. ff. ), ſo machen dieſe die dritte Haupthandlung in der art. Unterſ. aus, nachdem gewöhnlich vorher der Inquiſit eine Vertheidigung zur Abwendung derſelben ge - führt hat. Die Defenſionen, die hier vor - kommen können, ſind 1) Defenſion zur Ab - wendung oder Milderung der Tortur, 2) zur Abwendung des Reinigungseides 3 zur Ab - wendung der Confrontation. Iſt der Richter über die Zuerkennung eines medii er. ver. zweifelhaft, ſo verſendet er die Akten an eine Univerſität oder wendet ſich an ein höheres Gericht.

§. 667.

Ehe in einem förmlichen Unterſuchungs - proceſs die Sentenz gefällt werden kann, muſs nach der Praxis IV. der Inquiſit ſeine Hauptdefenſion geführt haben (§. 635. Erſt nach ihrer Ablieferung iſt die artic. Unterſ. für geſchloſſen zu halten.

§. 668.

Alle vorhergehenden Handlungen haben den Endzweck, ein Endurtheil (§. 637.) vor - zubereiten. Iſt dieſes verdammend, ſo ſteht es dem Inquiſiten frey, ſich dagegen gehö - riger Rechtsmittel (§. 643.) zu bedienen. Hat er dieſe eingewendet und ausgeführt, ſo muſs eine neue Sentenz entſcheiden, welche entweder das vorige Urtheil verwirft, oder beſtätigt. Das Ende des Proceſſes iſt die Execution (§. 644.).

Zweyter515III. Buch. II. Titel. I. Abſchnitt.
Zweiter Abſchnitt. Von dem Accuſationsproceſs.
§. 669.

In dem Accuſationsproceſs tritt eine von dem Richter verſchiedene Perſon auf, welche die Rechte des Staats gegen einen Uebertreter verfolgt, und der Ankläger heiſst. Dieſer und der Angeklagte ſind die Partheien, wel - che ihre Streitſache vor dem Richter verhan - deln. Ieder, den nicht die Geſetze von der Anklage ausſchlieſsen*)L. 5. 8. 9. 10. D. de accuſ. et inſcript. L. 13. 18. C. eod. , iſt zu der Anklage berechtigt, der Beleidigte, wie ein anderer; Oeffentliche Ankläger (Fiscale) kennt das ge - meine Recht nicht. Niemand kann zur An - klage gezwungen werden; wo kein Ankläger iſt, da inquirirt der Richter**)P. G. O. Art. 214..

§. 670.

Dieſer Proceſs wird eröffnet mit der Anklage, worin der Richter zur UnterſuchungK k 2und516III. Buch. II. Titel. II. Abſchn. und Beſtrafung aufgefodert wird. Sie kann mündlich geſchehen, geſchieht aber in der Regel durch ein articulirtes Klaglibell.

§. 671.

Da die Anklage gegen eine beſtimmte Perſon gerichtet und dieſe öffentlich für ſtraf - fällig oder doch eines Verbrechens verdächtig erklärt wird, ſo ſetzt die Anklage alle Gründe zur Specialinquiſition voraus welche in dem Libell angeführt werden müſſen, um das Pe - titum zu begründen. Der Anklage muſs daher eine Art von Generalinquiſition vorher - gehen, welche aber der Ankläger führt, um ſeine Anklage vorzubereiten und möglich zu machen. Der Richter muſs das Fundament der Anklage prüfen und die Anklage, wenn ſie unhaltbar iſt, verwerfen.

§. 672.

Der Ankläger muſs nach angebrachter Klage Caution leiſten Dieſe Caution geht auf die Fortſetzung und die Koſten des Pro - ceſſes, auf den Schaden und die in der Anklage enthaltene Injurie des Angeklagten, im Fall der Ankläger das Fundament ſeiner Klage nicht beweiſen kann. Kann er keine Caution leiſten, ſo ſoll er gefangen gehalten werden, bis er wenigſtens die Indicien gegen den An - geklagten vollſtändig erwieſen hat*)P. G. O. Art. 12. 13. 14. 15. 181..

Inſcriptio in crimen.

§. 673.517Von dem Accuſationsproceſs.
§. 673.

Auf die Anklage antwortet der Angeklagte mündlich vor Gericht. Er conteſtirt litem und ſchützt ſeine Einreden vor, welche dieſelben Eintheilungen zulaſſen, wie im Civilproceſs.

§. 674.

Auf das erſte Verfahren folgt der Beweis, den der Ankläger in Anſehung derjenigen Thatſachen führt, die der Angeklagte abgeläug - net hat. Wenn Gründe zu mediis eruendae verita - tis vorhanden ſind, ſo ſtellt dieſe der Ankläger dar, und trägt auf Erkennung derſelben bey dem Richter an. Der Beklagte führt den Ge - genbeweis, indem er entweder ſeine Exceptio - nen beweiſst, oder direct den Beweis des An - klägers zu zerſtören ſucht. Alles übrige hat der Accuſationsproceſs entweder mit dem bür - gerlichen, oder dem Inquiſitionsproceſs gemein.

  • 1. Von dem Eid, als Beweismittel.
  • 2. Von den verſchiedenen Formen des fiscaliſchen Proceſſes.
Anhang.518III. Buch Anhang.

Anhang. Von den Criminalkoſten.

I. H. Boehmer Diſſ. de expenſis criminatibus. Hal. 1716.

F. I. Heisler Diſſ. de expenſis crimin. in proceſſu inq. Hal. 1769.

Ioh. Tob Carrach von der Schuldigkeit, die Koſten einer Inquiſition zu tragen. (In Plitts Repertorium. I. Thl. S. 128 153).

I. Chr. Eſchenbach pr. de expenſis criminalibus ſtricte ſie dictis. Roſt. 1781.

§. 675.

Criminalkoſten, im weiteſten Sinn, ſind alle Unkoſten, welche durch einen Criminalpro - ceſs veranlaſst worden ſind. Sie ſind I Cri - minalkoſten im engern Sinn, welche durch Ausübung der Criminaljuſtiz ſelbſt entſtanden ſind. II. Criminalkoſten im uneigentlichen Sinn, welche von dem Gericht zur Ernährung, Kleidung oder Heilung des Angeſchuldigten aus - gelegt worden ſind.

§. 676.

Die Criminalkoſten im engern Sinn (§. 675.) zerfallen 1) in peinliche Pro - ceſskoſten exp. proc. criminalis) und 2 in peinliche Koſten. Ienes ſind die Koſtender519Von den Criminalkoſten. der Unterſuchwig und Entſcheidung, dieſes die Koſten der Vollziehung des Urtheils.

Expenſae proc. crim judtciales extrajudicia es.

§. 677.

Wer die Criminalkoſten trage, wird durch folgende Regeln beſtimmt: I. dem - jenigen, der die Koſten durch Dolus oder Culpa veranlaſst hat, fallen ſie auch zur Laſt, II. derjenige, zu deſſen Vortheil die Koſten gemacht worden, hat die Verbindlichkeit, ſie zu tragen.

§. 678.

Daraus folgt: 1) die Criminalkoſten im uneigentlichen Sinn liegen in der Regel dem Angeſchuldigten ob. 2) Peinliche Koſten (§. 676.) die zum bleibenden Vortheil des Gerichts gemacht worden ſind, fallen dem Gericht zur Laſt. 3) Was die Criminalproceſskoſten und diejenigen peinlichen Koſten betrift, die nicht dem Gericht zum bleibenden Vortheil gerei - chen, ſo muſs unterſchieden werden: a) iſt eine condemnatoriſche Sentenz erfolgt, ſo verfällt der Verbrecher in alle Koſten, b) iſt er losgeſprochen und hat zu gegründetem Verdacht gegen ſich die Veranlaſſung gegeben, ſo trägt er die Koſten; wenn aber c) das letzte nicht der Fall iſt, ſo iſt derjenige zu den Koſten verpflichtet, der den Proceſs aus Dolus oder Fahrläſsigkeit erregt hat der Anklä - ger, Denunciant oder Richter. In ſubſidium iſt immer das Gericht zu den Koſten verpflichtet.

Anm Von er Verbindlichkeit der Gerichtsuntertha - nen zu den Criminalkoſten beyzutragen.

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Regiſter.[521][522][523][524][525][526][527]

About this transcription

TextLehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts
Author Paul Johann Anselm von Feuerbach
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationLehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts Paul Johann Anselm von Feuerbach. . XXII, 527 S. HeyerGiessen1801.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
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ShelfmarkSBB-PK, Fu 12392<a> R
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