Seinem von Almendingen und seinem Grolman.
Schon vor einigen Iahren war dieſes Lehr - buch entworfen und in ſeinen Haupttheilen ausgeführt. Allein je weiter der Verfaſſer fortſchritt, deſto mehr Schwierigkeiten ent - deckte er, deſto verwickelter wurden die Haupt - und Nebenunterſuchungen, in die er beynahe wider ſeinen Willen fortgezogen wurde: und doch wollten es ihm die[Pflich -]tenVIVorrede.ten gegen ſeine Wiſſenſchaft nicht erlauben, dem Bedürfniſſe eines Leitfadens für Vorle - ſungen (ſo dringend dieſes auch bey dem Ver - faſſer war) die höhern Anfoderungen der Wiſſenſchaft und des Publicums aufzuopfern. Er wünſchte gern ſeinen Leſern etwas Vollen - detes liefern zu können. Er wollte hier das peinliche Recht — gereinigt in allen ſeinen Theilen, ſowohl von poſitiven, als philoſo - phiſchen Irrthümern — in dem ſtrengſten wiſſenſchaftlichen Zuſammenhange, in ſeiner höchſten Conſequenz, nach allen Foderungen der ſyſtematiſchen Einheit, darſtellen. Das wollte und wünſchte er. Er kannte nur zu wohl das geringe Maas ſeiner Kräfte im Ver - hältniſs zu dieſem Ideal; aber, ſich ſelbſt ver - geſſend, glaubte er ſo arbeiten zu müſſen, als wenn es möglich wäre, zu erreichen, was überhaupt oder doch ihm unerreichbar iſt.
FührtVIIVorrede.Führt Zweifel zur Wahrheit, ſo war der Verfaſſer auf rechtem Weg. Als er ſich zur Bearbeitung des peinlichen Rechts entſchloſ - ſen hatte, war er recht eigentlich befliſſen, einſtweilen alles zu bezweifeln, was vor ihm vorhanden war und auch das zu vergeſſen, was er ſelbſt bisher zu wiſſen glaubte. Er hielt ſich nun allein bey den Quellen auf; er laas und ſtudirte, beſonders das römiſche Recht und die deutſchen Criminalgeſetze, und philoſophirte über die Principien der Wiſſenſchaft und ihre Behandlung; denn hier iſt es weder allein mit hiſtoriſchen Kenntniſ - ſen, noch allein mit Philoſophiren gethan. So baute er ſich ſelbſt mühſam das Gebäude ſeiner Wiſſenſchaft; aber ſeine Mühe wurde ihm reichlich belohnt. Er gieng zu den Bear - beitern der Wiſſenſchaft zurück, als er ſchon genug eingeſammelt hatte, um von ihnen ler - nen zu können, ohne ihre Verirrungen mitihnenVIIIVorrede.ihnen theilen zu müſſen. Sie waren der Pro - bierſtein ſeines eignen Syſtems, ſie ſchliffen die ſcharfen Ecken ſeines Gebäudes ab, ſie füll - ten manche Lücken aus, die ihm, ſich ſelbſt überlaſſen, verborgen geblieben waren. Er erkennt dankbar an, was ſie ihm waren; möchte er daſſelbe auch ihnen ſeyn!
Dies ſind die Maximen, nach denen der Verfaſſer gearbeitet hat und über welche er ſeinen Leſern Rechenſchaft ſchuldig war. Was er wirklich geleiſtet hat, darüber wird jeder Kenner leicht entſcheiden können. Nur bittet er, die Belege für ſein wiſſenſchaft - liches Beſtreben nicht blos in dem philoſophi - ſchen Theil zu ſuchen, und auch dieſen nicht blos für einen Auszug aus der Reviſion des Ver - faſſers zu halten. Die Wiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange war der Gegenſtand ſeiner Unterſuchung und ſo wie er fremde Meynun -genIXVorrede.gen revidirte, ſo hat er auch ſeine eignen, ſchon dem Publicum vorgelegten, Ueberzeu - gungen der Reviſion unterworfen. Ueber die Methode der Bearbeitung, über die An - ordnung des Ganzen und der einzelnen Theile, ſo wie auch über die Grenzen, die der Ver - faſſer zwiſchen der Philoſophie und dem Po - ſitiven gezogen hat, darüber wird er vielleicht in einem beſondern Schriftchen: Theorie der wiſſenſchaftlichen Ausbildung des poſitiven pein - lichen Rechts, die Gründe vorlegen können.
Der Verfaſſer glaubt recht gethan zu ha - ben, daſs er die Praxis (ſo ſehr er auch dieſes Polſter der literariſchen Trägheit, dieſe Stütze blinder Willkühr haſst) nicht ganz übergan - gen hat. Er wieſs ihr aber gröſstentheils ihre Stelle in den Noten an. Hier hat er es ſich auch zuweilen erlaubt, wichtige Streitpunkte kurz zu erörtern und bedeutende, entwederdieXVorrede.die ganze Behandlung oder einzelne Lehren der Wiſſenſchaft afficirende, Irrthümer, zu widerlegen. Eine Hauptrückſicht war dabey immer die Wiſſenſchaft: die Nebenabſicht war Zeiterſparniſs für den mündlichen Unter - richt. Geſetze und Literatur anzuführen, hielt der Verfaſſer für ſehr weſentlich bey ei - nem Lehrbuch, ſo ſehr dieſes auch jetzt aus der Mode kommen will. Er hat aber nur die Schriften angeführt, die er aus eigner Anſicht kennt; blos einige wenige hat er auf Treue und Glauben der Literatoren angenom - men.
Nun noch ein kleines Wort an die Geg - ner des Verfaſſers. Er hat nach der Erſchei - nung ſeiner Reviſion eine Erfahrung gemacht, die ihn gar nicht befremdete, weil er ſie er - wartete und weil ein jeder ſie erwarten muſs, der ſich nicht in dem Strome der Gewohnheitfort -XIVorrede.forttreiben läſst. Man hat alle Arten von Waffen gegen ihn gebraucht: man hat ihn in Abhandlungen und von Kathedern herab — ſelten auch nur mit Scheingründen, öfters durch Schimpfworte oder Spott, beſtritten. Der ermunternde Beyfall des beſſern Theils ſeiner Zeitgenoſſen und noch mehr die libera - len Unterſuchungen, zu denen er die Veran - laſſung war, konnten ihn leicht über jene Be - gegnung tröſten, wenn er hierüber noch des Troſtes bedurft hätte. Mit dieſen Grundſätzen ſieht er der Zukunft kalt entgegen und er wird ſich niemals wieder zu einer Ant - wort auf ähnliche Argumente erniedrigen. — Seinen Streit mit Hrn. Klein hält der Verfaſſer von ſeiner Seite für geendigt. Er findet keine Gründe, den neueſten ihm entgegengeſetzten Abhandlungen dieſes Gelehrten zu antworten. Einmal ſich auf dem literariſchen Kampfplatz tummeln, iſt verzeihlich, vielleicht auch gut:aufXIIVorrede.auf ihm lange verweilen und immer um die - ſelbe Sache kämpfen, iſt ermüdend und lang - weilig für die Streiter, und für die Zuſchauer, wenigſtens lächerlich. Wäre Ueberzeugung und Wahrheit der Preis, dann wär es wohl noch der Mühe werth; aber das nimium alter - cando veritas amittitur, iſt ja bekanntlich nur allzuwahr. Herr Klein gehe ſeinen Weg, der Verfaſſer wird den ſeinigen gehen. Was wir denken, wollen wir ſagen und, was wir kön - nen, thun. Die Zeit und das gerechte Gericht der Welt mag einſt entſcheiden, wer das meiſte und das beſte that.
Der Verfaſſer.
Ueber den Begriff, die Quellen, Hülfswiſſen - ſchaften und Literatur des peinlichen Rechts.
Civilgeſetze beſtimmen Rechte der Bürger; durch Strafgeſetze werden Rechte geſichert. Den Inhalt jener darzuſtellen, iſt Gegenſtand des Civilrechts, den Inhalt dieſer, des Criminal - rechts (peinlichen Rechts) der Strafrechtswiſſen - ſchaft)*)Man hat neuerlich bemerkt, daſs unſer Criminal - recht, wie es bis jetzt war, keinen beſtimmten Um - fang habe, indem man weder von Verbrechen (im engern Sinn) auſschlieſsend, noch auch vollſtändig von Verbrechen und Policeyvergehen handle. (C. A. Tittmann Verſuch über die wiſſenſchaftliche Behandlung des peinlichen Rechts, Leipzig 1798. §. 3. 6 und 7.) Allerdings, das Criminalrecht muſs das, was durch Strafgeſetze überhaupt begründet wird (mag es nun aus eigentlichen Criminalgeſetzen, oder aus Policeyſtrafgeſetzen entſpringen) vollſtändig dar - ſtellen. Deswegen iſt aber eine Vertauſchung derrecipir -. Jenes iſt daher die Wiſſenſchaft derRechteA2Prolegomena. Rechte des Bürgers als einer Privatperſon; dieſes, die Wiſſenſchaft der Rechte des Staats aus Strafgeſetzen gegen Unterthanen, als Ueber - treter derſelben.
Aus der Uebertretung der Strafgeſetze können ſowohl Privatrechte, als öffentliche Rechte (Rechte des Staats) entſpringen. Aber blos die öffentlichen Rechte aus Strafgeſetzen machen den Gegenſtand des Criminalrechts aus. Dieſes iſt daher nicht ein Zweig des Pri - vatrechts, ſondern ein Theil des öffentlichen Rechts.
Das allgemeine peinliche Recht (Philoſophie des p. R.) iſt die Wiſſenſchaft von den mög - lichen Rechten des Staats aus Strafgeſetzen: das poſitive peinliche Recht die Wiſſenſchaft von den wirklichen Rechten eines beſtimmten Staats (Deutſchlands) aus gegebenen Straf - geſetzen.
Die in Deutſchland gültigen gemeinen Strafgeſetze (leges communes) beſtimmen den Begriff des gemeinen poſitiven peinlichen Rechts; ſo wie die für einzelne Theile Deutſch - lands gegebenen und gültigen Strafgeſetze,den*)recipirten Benennung: Criminalrecht mit einem an - dern Namen nicht nothwendig. Wenn man nur weiſs, was man ſich alles unter dieſem Namen denkt!3Prolegomena. den Begriff des particulären poſitiven pein - lichen Rechts beſtimmen.
Lauter Ein - theilungen ohne Werth und ohne Wahrheit.
Das gemeine poſ. p. R. muſs I. die Rechte ſelbſt lehren, welche der Staat aus Strafge - ſetzen hat. — Rein theoretiſcher Theil. Die - ſer muſs darſtellen 1) die allgemeinen Grund - ſätze und Grundbegriffe von Beſtrafung rechts - widriger Handlungen überhaupt, Philoſophi - ſcher (allgemeiner) Theil d. peinl. R. 2) Die einzelnen Rechte des Staats in Hinſicht auf Beſtrafung einzelner Arten rechtswidriger Handlungen. — Poſitiver (beſonderer) Theil des p. R. Es muſs II. darſtellen, die Lehre von der Art, wie der Staat ſeine Rechte aus Strafgeſetzen verfolgt. — Theoretiſch-prag - matiſcher Theil. — Criminalproceſs*)Es iſt ſehr ſonderbar, wenn man dieſen Theil den prakti - ſchen nennt, da er doch, wahre Theorie iſt und indem er die geſetzliche Form der gerichtlichen Unterſuchung aufſtellt, zugleich Rechte lehrt, in wie fern ([um] nur einen Punkt anzuführen) der Verbrecher auf das ge - hörige geſetzmäſige Verfahren, welches in dem Proceſs dargeſtellt wird, ein vollkommnes Recht hat. Auch ſtellt der Proceſs keineswegs Regeln einer Kunſt auf. Blos der Theil einer Wiſſenſchaft kann aber ein praktiſcher heiſsen, welcher Kunſtregeln aufſtellt. Der praktiſche Theil des Criminalrechts kann daher nur beſtehen I. aus der Wiſſenſchaft der Klugheitsregelndes.
Quellen einer Wiſſenſchaft ſind die Gründe der Erkenntniſs derſelben. Die Quellen des gemeinen poſ. CR. ſind I. die Natur der Strafe und des Strafgeſetzes, ſo weit dieſe nicht in ihren Folgen ausdrücklichen Verordnungen widerſpricht. II. Die ausdrücklichen Verordnun - gen der gemeinen Strafgeſetze Deutſchlands. Dahin gehören A. fremde in Deutſchland reci - pirte Geſetze, und zwar 1) des Römiſchen*)Chr. Fr. Ge. Meiſter Diſſ. de juris Romani crimi - nalis in Germaniae foris maxime hodiernis auctoritate. Goett. 1766. Auch in deſſen Opusc. ad jur. civ. et crim. pertin. Syllog. II. No. 1. 2) des Canoniſchen Rechts**)C. A. Tittmann Diſſit. 2. de cauſis auctoritatis juris canonici in jure criminali Germanico. Lipſ. 1789. B Einheimiſche und zwar 1) die peinliche Gerichtsordnung Carl V. ***)Die beſte Handausgabe iſt J. Chr. Kochs Hals - oder peinliche Gerichts - Ordnung Kaiſer Carl V. Gieſsen. 5te Aufl. 1800. Mündlich 1) von der Veranlaſſung und Entſtehung der P. G. O. Chr. Thomaſius Diſſ. de occaſione, conceptione ac intentione C. C. C. Hal. 1711. — J. Horix. Wahre Veranlaſſung der P. G. O. etc. Maynz 1757. (Beygedruckt zu Kochs Ausg. der P. G. O.) Jul. Fr. Malblank Geſchichte der peinl. G. O. Kaiſer Carl V. von ihrer Entſtehung und weitern Schickſalen bis auf unſre Zeit Nürnberg. 1783. 2 ) Von dem Verfaſſer und ihre Grundlage der Bam - bergiſchen P. G. O. 3) Von ihren übrigen Quellen. Ueberund*)des Richters bey Criminalunterſuchungen, II. aus der Theorie der Kunſtregeln für den Gebrauch ſchon verhandelter Criminalakten, wohin 1) Referir - und Decretirkunft, 2) Regiſtraturwiſſenſchaft gehören.5Prolegomena. und 2) andere Reichsgeſetze*)Gerſtlachers Handbuch der deutſch. Reichsgeſ. IX Thl. 2. Abthl. S. 2943. ſq..
Hülfskenntniſſe einer Wiſſenſchaft ſind Kenntniſſe, die zwar nicht das Object dieſer Wiſſenſchaft ausmachen, aber doch Bedingun - gen der Vollſtändigkeit, Deutlichkeit und Klarheit der Erkenntniſſe in derſelben ſind. Die Hülfskenntniſſe des gemeinen CR. ſind, auſſer den übrigen Theilen der poſitiven[Rechtsgelehrtheit], A. Sachkenntniſſe — Wiſſenſchaften im eigentlichen Sinn. Von die - ſen I. die Philoſophie und zwar 1) die Pſycho - logie**)Feder Unterſuchungen über den menſchlichen Willen. III Thle. 2te Ausg Gött. u. Lemgo 1785 — 1792. — Schmids empiriſche Pſychologie. I. Thl. Jena. 17912te. 2) die praktiſche Philoſophie über -haupt***)Ueber Tenngler. Vergl. Schorch über Ulrich Tenn - glers Layenſpiegel. Erf. 1796. Feuerbach Ueber Ulrich Tennglers Layenſpiegel. In der Bibliothek d. p. R. II. Bd. 1 St. Nr. III. 4) Von ihrem Zweck, ihrem Geiſt und ihren Mängeln. Semlers Etwas über den innern Werth der P. G. O. In Hagemanns und Günthers Archiv I. Thl. Nr. 13. 5 ) Von der authentiſchen Ausgabe der P. G. O. — C. F. Walch pr. de C. C. C. editione authentica. Jen. 1785 u. Kochs Vorrede zu ſ. Ausgabe. — 6) Von den Ueber - ſetzungen der P. G O. Juſtini. Gobleri Caroli V. de capitalibus judiciis conſtitutio, germanice primum evul - gata, nunc in latinum verſa et aequo commentario aucta. Baſ. 1543. f. — Georg. Remi Nemeſis Karulina paraphraſt expoſita et ſeboliis aucta. Herborn. 1594. und hierauf mehrmals herausgegeben.6Prolegomena. haupt und insbeſondere das Naturrecht*)Die Kenntniſs der vorzüglichſten Literatur des N. R. wird aus den Vorleſungen über dieſe Wiſſen - ſchaft vorausgeſetzt. 3) das allgemeine peinliche Recht**)Regn. Engelhard Verſuch eines allg. p. Rechts. Frkf. u. Leipzig. 1756. 8. P. Raurici poſitionum ad rem crimin, philoſophico-practicarum liber unus. Berol. et Lipſ. 1787. 8. Beyde dürftig. Die beſten Materialien ſind in den Schriften über die Criminal - politik verwebt. 4) die Criminalpolitik***)Beccaria dei delitti et delle pene. Neapol 1764. Deutſch überſetzt. Hamburg 1766. — Ulm 1767. — Von Hommel mit Anm. u. Zuſätzen. Breslau. 1788. II Thle. — Mit Anmerkungen, Noten und Abhand - lungen etc. von J. A. Bergk. Leipz. 1798. II Thle. Cajetan Filangieri Syſtem der Geſetzgebung. Aus d[.]Ital. überſ. Anſp. IIter u. IIIter Band. 1787. — Servin de la legislation criminelle. Basle. 1782. — v. Globig u. Huſter Abhandlung von der Criminal - geſetzgebung. Zürich 1783. Dieſelben: Vier Zu - gaben zu der gekrönten Preiſsſchrift von der Criminal - geſetzgebung. Altenb. 1785. — Gmelin Grundſätze der Geſetzg. über Verbr. u. Strafen. Tübingen 1785. — E. C. Wieland über den Geiſt der peinl. Geſetze. II Thle. Leipz. 1783. 84. 8. II. Hiſtoriſche Wiſſenſchaf - ten, insbeſondere 1) Geſchichte der Staaten, in welchen die jetzt geltenden Geſetze ent - ſtanden ſind, 2) Geſchichte der in Deutſch -land**)2te A. 1797. — Jacobs Grundriſs der Erfahrungs - ſeelenlehre. 2te A. Halle. 1795. — Kants Anthropo - logie in pragmatiſcher Hinſicht. Königsb. 1798. — 2te A. 1800. — Mündlich von Schaumanns Ideen zu einer Criminalpſychologie. Halle 1792.7Prolegomena. land gültigen Criminalgeſetze und des Crimi - nalrechts als Wiſſenſchaft ſelbſt*)Abgeſondert noch nicht bearbeitet. Materialien liefern die gewöhnlichen Compendien der Rechtsge - ſchichte, die §. 6. Anm. ****) angeführten Schriften von Thomaſius, Horix u. Malblank. Chr. G. Hoffmanni praenotiones de Origine, progreſſu et natura jurispr. crim. Germ. Lipſ. 1722. ſind blos Skizze.. 3) Kennt - niſs der Criminalgeſetzgebung fremder Völ - ker**)Kleinſchrod über ′die Strafgeſetzgebung für Weſtgalizien. In dem Archiv. 1 Bd. 2tes Stck. Nr. 12. Derſelbe über die Theorie von Mord und Todſchlag nach den Geſetzen des Staats Connecticut. Im Archiv I Bd. 4tes St. Nr. 2. — Derſelbe über die Ameri - caniſche Criminalverfaſſung. Archiv II Bd. 1ſtes. Stück. Nr. 2. — Bemerkungen eines ungenannten Staats - mannes über die engliſche Gerichtsverfaſſung. Im Archiv. II Bd. 2tes u. 3tes Stück. — Kleins Aufſätze über die neufränkiſche Criminalgeſetzgebung, in verſchiedenen Abhandlungen des Archivs, haben viele Irrthümer. Mit Geiſt und Sachkenntniſs iſt geſchrieben: Ver - ſuch einer philoſophiſch-juridiſchen Darſtellung der Crimi - nalgeſetzgebung des republicaniſchen Frankreichs. Von v. Almendingen. In der Bibliothek des p R. II[Bd. ]1ſtes Stück. Nr. 1. (wird fortgeſetzt). — Feuer - bach Verſuch einer Criminaljurisprudenz des Korans. In der Bibl. des peinl. R. II Bd. 1 St. Nr. IV.. III. Arzneygelahrtheit, beſonders die gerichtliche Arzneywiſſenſchaft***)J. D. Metzgers Syſtem der gerichtl. Arzneyw. Königsberg u. Leipzig. 2te Ausg. 1798. — G. G. Ploucquet Commentarius medicus in proceſſus cri - minales etc. Argent. 1787. Derſelbe Abhandlung über die natürlichen Todesarten, Tüb. 1788.. — B. Sprachkentniſſe und zwar I. Sprach -kennt -8Prolegomena. kenntniſſe im engern Sinn, beſonders Kenntniſs der lateiniſchen und altdeutſchen Sprache*)Auſſer den bekannten Gloſſarien von Wachter, Haltaus und Scherz beſonders C. F. Walch Gloſſarium germanicum interpretationi C. C. C. inſer - viens. Jen. 1790. II. Kenntniſs der altdeutſchen rechtlichen Sprüchwörter**)J. Fr. Eiſenhart’s Grundſ. des deutſchen Rechts in Sprüchwörtern etc. Herausg. von Ernſt. L. A. Eiſenhart, Leipz. 1792. Abthl. V. S. 441 — 505..
Die zum peinlichen Recht ſelbſt ge - hörenden Schriften theilen ſich in folgen - de Hauptrubriken: I. Literariſche Hülfs - mittel***)Entwurf einer Literatur des Criminalrechts in ſyſtema - tiſcher Ordnung (von Heinr. Blümner) Leipz. 1794. — Kleinſchrod von den italiäniſchen Schrift - ſtellern über das peinliche Recht und die Criminalpolitik. In Kleins und Kleinſchrods Archiv. I B. 1 St. Nr. 8., II. Commentarien über die Quellen****)Anton Matthaei de criminibus ad Libr. XLVII. et XLVIII. Dig. Commentarius. ed. 3tia Veſaliae 1732. — D. Claſenii Commentarius in C. C. C. etc. Lipſ. 1718. 4. — J. P. Kreſs Commentatio ſuccincta in C. C. C. etc. ed. nov. Hanov. 1786. 4. — J. S. Fr. Boehmer meditationes in C. C. C. Hal. 1774. 4., III. Syſteme*****)B. Carpzov. Practica nova rerum criminalium cum obſerv. J. S. Fr. Boehmeri. Tom. III. Frcf. 1759. fol. — Böhmers Obſerv. ſind beſon -ders, IV. Compen -dien9Prolegomena. dien*)Chr. Fr. G. Meiſter princ. jur. crim. germ. comm. ed. 6ta Gött. 1781. 8. — G. J. Fr. Meiſter princ. jur. crim. Germ. comm. ed. 3tia 1798. 8. — J. Chr. Koch inſtitutiones iur. crim. ed. 9a. Jen. 1791. — E. Ferd. Klein, Grundſätze des gemei - nen deutſchen peinlichen Rechts. 2te A. Halle 1799. — C. Grolman Grundſätze der Criminalrechtswiſſen - ſchaft. Gieſsen 1798. 8., V. Vermiſchte Abhandlungen verſchie - dener Verfaſſer**)J. Fr. Plitt Repertorium für das peinliche Recht. I Bd. Frankf. 1786. II Bd. 1790. 8. — Deſſelben Analecta juris criminalis. Hanov. 1786. 8. — Dahin gehören auch die criminaliſtiſchen Zeitſchriften Kleins u. Kleinſchrods Archiv des peinlichen Rechts. I Bd. Halle 1799. II Bd. Ebend. 1800. — Bibliothek des peinlichen Rechts. (Herausg. v. C. Grol - man) I Band Herborn u. Hadamar. 1799. — Bibliothek etc. berausgegeben von Almendingen, Grolman u. Feuerbach. II Bd. 1ſtes Stück. Göttingen 1800. (Beyde gehören auch zu den lite - rariſchen Hülfsmitteln.), VI. Vermiſchte Abhand - lungen deſſelben Verfaſſers***)J. L. Püttmann Opuscula juris criminalis. Lipſ. 1799. 8. G. A. Kleinſchrod Abhandlungen ausdem VII. Caſui -ſtiſche*****)ders daſelbſt in demſelben Jahre in fol. abgedruckt. — Phil. Mar. Renazzi elementa juris criminalis. Rom. Tom. IV. 1773 — 86. — Aloys. Cremani de jure criminali libri III. Tic. 1791 — 93. — J. Chr. Edlen von Quiſtorp, Grundſätze des deut - ſchen peinlichen Rechts, II Thle. 5te Aufl. Roſt. u. Leipz. 1794. 8. — Chr. L. Stelzers Grundſ. des p. R. I Thl. Erf. 1790. 8. — Chr. C. Stübel Syſtem des allgemeinen peinlichen Rechts, mit Anwendung auf die in Churſachſen geltenden Geſetze. II Thle. Leipz. 1795. 8.10Prolegomena. ſtiſche Schriften*)F. Chr. Harpprecht Reſponſa criminalia juridica. Tom. III. Tub. 1701. fol. Deſſelben Conſulta - tiones criminales et civiles. Pars I — III. Tüb. 1712. f. — Jo. Tob. Carrach rechtliche Urtheile und Gutachten, in peinlichen Sachen. Halle 1775. 4. — Chr. Fr. G. Meiſters rechtliche Erkenntniſſe und Gut - achten in peinlichen Fällen. I und II Thl. Gött. 1771. 72. III. IV. und V. Thl. herausgegeben von G. Jac. Fried. Meiſter ebendaſ. 1783 — 99. f. — Auch in den merkwürdigen Rechtsſprüchen der Iuriſtenfacul - tät zu Halle, herausg. von E. F. Klein, kommen mehrere Criminalurtheile vor, welche ſich aber gröſtentheils nur durch ihre Form vortheilhaft aus - zeichnen. Abſolute Willkührlichkeit, ſelbſt gegen die unläugbarſten Thatſachen und die unzweyfel - hafteſten Geſetze iſt, wie man jetzt allgemein ge - ſteht, der Charakter ihres Inhalts.. Schriften über einzelne Theile oder Gegenſtände an ihrem Ort.
Gallus Aloys Kleinſchrod ſyſtematiſche Entwicke - lung der Grundbegriffe und Grundwahrheiten des peinlichen Rechts. III Theile. Erlangen. 1794. 1796. 8. zweyte Ausg. 1799.
P. J. A. Feuerbach Reviſion der Grundſätze und Grund - begriffe des poſitiven peinlichen Rechts. I Bd. Erfurt. 1799. II Band. Chemnitz 1800. 8.
Carl H. Gros Diſſ. de notione poenarum forenſium. Erl. 1798.
L. H. v. Almendingen Verſuch über das Princip des Strafrechts. (Bibl. des peinl. Rechts. I Bd. 3tes Stück. Nr. 1.)
Feuer -12I. Buch. I. Theil.Feuerbach Iſt Sicherung vor dem Verbrecher Zweck der Strafe und iſt Strafrecht Präventionsrecht? (Bibliothek d. peinl. R. I Bd. 2tes Stck. Nr. 1.)
Deſſelben Reviſion etc. I Bd. 1 Kap.
Deſſelben Ueber die Strafe als Sicherungsmittel vor künf - tigen Beleidigungen des Verbrechers. Nebſt einer nähern Prüfung der Klein’ſchen Strafrechtstheorie. Als Anhang zu der Reviſion. Chemnitz 1800.
Gegen die in den genannten Schriften dargeſtellte Theorie:
Karl Grolman über die Begründung des Strafrechts und der Strafgeſetzgebung etc. Gieſsen 1799.
Der Menſch muſs im ungeſtörten Genuſs ſeiner Rechte ſeyn, wenn er als vernünftiges Weſen exiſtiren ſoll. Er muſs daher in einen Stand treten, wo ihm ſeine Rechte geſichert ſind. Und ein ſolcher Stand iſt der Stand der bürgerlichen Geſellſchaft, welche in der Vereinigung der Kräfte und des Willens Ein - zelner zur Erhaltung des rechtlichen Zuſtan - des unter Allen beſteht. Staat iſt weiter nichts, als eine organiſirte bürgerliche Geſellſchaft. Der Zweck deſſelben iſt die Errichtung eines rechtlichen Zuſtandes, der Schutz der wechſel - ſeitigen Freyheit Aller.
Da der rechtliche Zuſtand Zweck des Staats iſt (§. 9.), ſo widerſprechen Rechtsver -letzun -13Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. letzungen jeder Art dem Staatszweck, mithin iſt es ſchlechthin nothwendig, daſs im Staate gar keine Rechtsverletzungen geſchehen. Durch eine Beleidigung (der Staat ſelbſt, oder ein Glied deſſelben ſey der Gegenſtand der Belei - digung) wird immer der Staat ſelbſt, wenig - ſtens mittelbar beleidigt.
Widerſprechen Rechtsverletzungen dem rechtlichen Zuſtand und dem Staatszweck (§. 10.); ſo iſt der Staat berechtigt und verbun - den, Anſtalten zu treffen, durch welche Rechts - verletzungen überhaupt unmöglich gemacht wer - den. — Und nun iſt das Problem: wie dieſes möglich ſey?
Die gefoderten Anſtalten des Staats müſ - ſen nothwendig Zwangsanſtalten ſeyn. Es läſst ſich aber ein doppelter Zwang zur Ver - hinderung von Rechtsverletzungen denken: 1) phyſiſcher Zwang, wenn die äuſſern Kräfte des Geſetzwidrigen nach mechaniſchen Ge - ſetzen zur Geſetzmäſsigkeit genöthigt werden, 2) pſychologiſcher Zwang, wenn durch bloſse Vorſtellungen das Begehrungsvermögen[(]der Wille) zur Unterlaſſung der geſetzwidrigen Handlungen beſtimmt wird.
Wer die Leiſtung nicht erfüllt, auf welche ein anderer ein vollkommnes Recht hat, be - geht eine negative Rechtsverletzung. Und Rechtsverletzungen dieſer Art können durchphyſi -14I. Buch. I. Theil. I. Abſchnitt. phyſiſchen Zwang verhindert werden, indem der Staat durch ſeine öffentliche Macht den Säumigen zur Erfüllung nöthigt. Denn vor der Vollendung einer neg. Rechtsv. muſs im - mer die (ausdrückliche oder ſtillſchweigende) Erklärung, nicht leiſten zu wollen vorhergehen, welches vollkommen die rechtliche Möglich - keit zum Zwange gegen den Widerſpenſti - gen begründet.
Eine Handlung, auf deren Unterlaſſung ein Andrer Rechte hatte, heiſst eine poſitive Rechtsverletzung. Iſt das durch dieſelbe ver - letzte Recht von der Art, daſs die Verletzung deſſelben ein Aequivalent zuläſst, ſo reicht phyſiſcher Zwang wenigſtens in ſo ferne zur Vereitlung der Rechtsverletzung zu, als es möglich iſt, nach der vollendeten Beleidigung durch öffentliche Macht, den Beleidiger zum Schadenserſatz zu zwingen und dadurch die vollendete Verletzung wieder ungeſchehen zu machen.
Es giebt aber Rechte, deren Gegenſtand ſchlechthin keine Vergleichung zuläſst, bey deren Verletzung alſo Schadenserſatz undenk - bar iſt. Poſitive Verletzungen an ſolchen Rech - ten können daher weder durch einen nachfol - genden, noch durch einen vorhergehenden phy - ſiſchen Zwang verhindert werden. Nicht durch nachfolgenden, weil Schadenserſatz un - denkbar iſt; nicht durch vorhergehenden, weil hier der Staat von der Rechtsverletzung nichteher15Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. eher Kenntniſs erhält, als bis ſie ſchon ge - ſchehen iſt. Sollen daher ſolche Rechtsver - letzungen im Staate verhindert werden; ſo iſt dieſes nicht anders, als durch Anwendung eines pſychologiſchen Zwanges möglich, welcher der Vollendung einer Läſion vorhergeht, und den Willen Aller nöthigt ſich zu keiner Rechts - verletzung zu beſtimmen.
Unſre Deduction begründet das Reſul - tat: pſychologiſcher Zwang iſt ſchlechthin noth - wendig gegen poſitive Verletzung ſolcher Rechte, für welche kein Aequivalent möglich iſt. Dieſes ſchlieſst aber nicht das Recht des Staats aus, auch gegen Rechtsverletzungen andrer Art pſy - chologiſchen Zwang zu gebrauchen. Die De - duction beſtimmt blos die Vorauſſetzung, unter welcher der Staat die vollkommne Verbindlich - keit zum pſychologiſchen Zwange hat und zeigt, daſs ohne den Gebrauch eines ſolchen kein Staat denkbar iſt. Zweckmäſsig und rechtlich iſt es, auch gegen andere Arten von Verletzun - gen, pſychologiſchen Zwang anzuwenden, wie in unſrer poſitiven Geſetzgebung wirklich ge - ſchehen iſt*)z. B. Strafe des Diebſtahls etc..
Alle Uebertretungen haben einen pſycho - logiſchen Entſtehungsgrund, in der Sinnlich -keit,16I. Buch. I. Theil. keit, in wiefern das Begehrungsvermögen des Menſchen durch die Luſt an der Handlung zur Begehung derſelben angetrieben wird. Dieſer ſinnliche Antrieb muſs, wenn die That unterbleiben ſoll, durch einen entgegenge - ſetzten ſinnlichen Antrieb aufgehoben wer - den. Solch ein entgegengeſetzter ſinnlicher Antrieb iſt Unluſt (Schmerz, Uebel), als Folge der begangenen That. Der Wille der Bürger wird daher durch pſychologiſchen Zwang zur Unterlaſſung von Rechtsver - letzungen beſtimmt, wenn jeder weiſs, daſs auf ſeine That ein Uebel folgen werde, welches gröſser iſt, als die Unluſt, die aus dem nichtbe - friedigten Antrieb zur That entſpringt.
Da der Staat durch pſychologiſchen Zwang Geſetzmäſsigkeit bewirken ſoll; ſo muſs er dieſe Ueberzeugung in ſeinen Bür - gern erwecken. Er muſs alſo I. auf Rechts - verletzungen durch ein Geſetz ein ſolches Uebel als nothwendige Folge der That androhen, mithin Rechtsverletzung durch ſinnliche Uebel bedingen (Drohung). Da aber eine Drohung in ſich ſelbſt widerſprechend iſt, wenn ſie, ſobald ihre Vorausſetzung exiſtirt, nicht wirklich ausgeübt wird; ſo muſs auch, damit die Bürger durch das Geſetz wirklich zur Unterlaſſung der beſtimmten Rechtsver - letzungen angetrieben werden können, II. die geſetzliche Drohung zugefügt werden, ſo - bald die Uebertretung geſchehen iſt, an die das Geſetz jenes Uebel geknüpft hat. Eine Drohung, die nicht exequirt wird, iſt eineleere17Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. leere Drohung, die Niemanden ſchrecken kann.
Ein von dem Staate wegen einer began - genen Rechtsverletzung zugefügtes und durch ein Geſetz vorher angedrohtes Uebel, iſt die bürgerliche Strafe. (poena forenſis). Der allgemeine Grund der Nothwendigkeit und des Daſeyns derſelben (ſowohl in dem Ge - ſetz, als in der Ausübung deſſelben) iſt die Nothwendigkeit der Erhaltung der wechſel - ſeitigen Freyheit Aller, durch Aufhebung des ſinnlichen Antriebs zu Rechtsverletzungen.
Anmerk. Mündlich von dem Unterſchied der Strafe von Rache — Schadenserſatz — Züchtigung — Pri - vatſtrafe.
Anm. Ob es ein natürliches Strafrecht gebe? iſt eine Frage, die wir, wenn von Begründung des poſitiven peinlichen Rechts die Rede iſt, gar gut dahin geſtellt laſſen kön - nen. Wenn es auch ein ſolches Strafrecht des Menſchen auſſer dem Staate giebt, (wie es ein ſolches wirklich giebt) ſo iſt es doch ganz unzweckmäſsig, wenigſtens zwecklos, die Begründung des poſitiven peinlichen Rechts per ambages mit einer Deduction des Straf - rechts im Naturſtande anzufangen. Diejenigen freylich, denen das Strafrecht Vertheidigungsrecht iſt, können dieſen Umweg nicht vermeiden.
Unter Zweck der Strafe wird die Wirkung verſtanden, deren Hervorbringung als Urſache des Daſeyns einer Strafe gedacht werden muſs, wenn der Begriff von Strafe vorhanden ſeynBſoll18I. Buch. I. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. ſoll*)Der Zweck der Strafe iſt ja nicht zu verwechſeln mit der Abſicht des Strafenden, wie es Hr. Grolman thut. Begründung des Strafrechts etc. S. 70. Vergl. Feuerbachs über Strafe als Sicherungsmittel. S. 43. ff.. I. Der Zweck der Androhung der Strafe im Geſetz iſt Abſchreckung aller Bürger als mög - licher Beleidiger, von Rechtsverletzungen. II. Der Zweck der Zufügung derſelben, die Be - gründung der Wirkſamkeit der geſetzlichen Drohung, in wiefern ohne ſie dieſe Drohung eine leere (wirkungloſe) Drohung ſeyn würde. Da das Geſetz alle Bürger abſchrecken, die Execution aber dem Geſetz Wirkung ge - ben ſoll, ſo iſt der mittelbare Zweck (Endzweck) der Zufügung ebenfalls bloſse Abſchreckung der Bürger durch das Geſetz**)Ueber den Zweck der Strafe ſind noch beſonders nachzuleſen Michaelis Vorrede zum VIten Theil des Moſaiſchen Rechts. — Cäſar Denkwürdigkeiten aus der philoſophiſchen Welt. Bd. IV. Abh. VI. und deſſen Abhandlung: von dem Zwecke der Strafen. (der 2te Zuſatz zu ſeiner Ueberſetzung von Va - laze über die Strafgeſetze). Püttmann de poe - nis exemplaribus. In Opusc. J. Cr. Nr. IX. — Leisler Verſuch über das Strafrecht. Frankf. 1796. — Der Unterhaltung wegen: Leyſer. Sp. 649. M. I..
Der Rechtsgrund der Strafe iſt ein Grund, von welchem die rechtliche Möglichkeit der Strafe abhängt. Der Rechtsgrund I. der An - drohung der Strafe, iſt die Nothwendigkeit die Rechte Aller zu ſichern. II. Der Rechtsgrundder19Darſtel. d. oberſten Grundſ. d. Criminalr. der Zufügung iſt die vorhergegangene Dro - hung des Geſetzes*)Die ausführliche Darſtellung dieſes Rechtsgrun - des mündlich. Man vergl. hierüber Feuer - bach Ueber die Strafe als Sicherungsmittel etc. S. 92 — 118..
Die bürgerliche Strafe hat daher nicht zum Zweck und Rechtsgrund 1) Prävention gegen die künftigen Uebertretungen eines Ein - zelnen Beleidigers**)Wie Stübel Diſſ. de juſtitia poenarum capitalium praeſertim in Saxonia. Witenb. 1795. Derſelbe in d. Syſtem des peinlichen Rechts. I Thl. §. 13 — 15. Malblanc Comment. de poenis ab effectibus defenſionis naturalis etiam in ſtatu civili probe diſtinguendis — (in Plitt Annal. Nr. II. p. 44.) Grolman Grundſätze der Criminalrechtswiſſenſchaft §. 17. und in der oben angeführten Begründung etc. auſſer vielen andern, vor dieſen Schriftſtellern behaupten.; denn dieſe iſt gar nicht Strafe und es zeigt ſich kein Rechtsgrund zu einem ſolchen Zuvorkommen; 2) nicht mora - liſche Vergeltung***)Dieſs glaubt, nebſt andern, beſonders Jacob philoſophiſche Rechtslehre. §. 415. u. §. 419 — 26. be - haupten zu können., denn dieſe gehört in eine ſittliche, nicht in eine rechtliche Ordnung und iſt phyſiſch unmöglich; 3) nicht unmittelbare Abſchreckung durch die Schmerzen des, dem Miſſethäter zugefügten Uebels****)Klein über die Natur und den Zweck der Strafe. In dem Archiv. II Bd. 1ſtes Stück. Nr. IV., denn hiezu giebt es kein Recht; 4) nicht moraliſche Beſſe -B 2rung20I. Buch. I. Theil. rung, dieſes iſt Zweck der Züchtigung aber nicht der Strafe.
Aus unſrer Deduction ergiebt ſich folgen - des höchſte Princip des peinlichen Rechts: Jede rechtliche Strafe im Staat iſt die rechtliche Folge eines, durch die Nothwendigkeit der Erhaltung äuſſe - rer Rechte begrünndeten, und eine Rechtsverletzung mit einem ſinnli - chen Uebel bedrohenden, Geſetzes.
Hieraus flieſsen folgende, keiner Ausnahme unterworfenen, untergeordneten Grundſätze:
Bey der Anordnung der allgemeinen Grund - ſätze, kommen drey Hauptgegenſtände in Be - trachtung, nach welchen dieſe Disciplin abge - handelt werden muſs I. das die That bedro - hende Geſetz, II. die durch das Geſetz be - drohte Handlung, III. die durch das Geſetz gedrohte Strafe. Dieſe Disciplin zerfällt da - her in die Lehre von der Natur des Ver - brechens, in die Lehre von der Natur des Straf - geſetzes und in die Lehre von der Strafe.
Jo. Ge. Claus de natura delictorum. Jenae 1794.
Auſſer dem Staat giebt es nur Beleidigun - gen, Rechtsverletzungen, Läſionen. Der Begriffdes22I. Buch. II. Theil. I. Titel I. Abſchnitt. des Verbrechens wird erſt möglich im Staat, wo der Bürger, durch eine einem Strafgeſetz un - terworfene Rechtsverletzung, den Wechſel - vertrag zwiſchen ihm und dem Staate bricht*)Denn die Strafe iſt nothwendige Folge des übertre - tenen Strafgeſetzes. Wer daher ein Strafgeſetz übertritt, kommt in Beziehung auf die verwirkte Strafe aus dem Schutze des Staats, in wie ferne er die Rechte verliert, deren Verluſt eine nothwendi - ge Folge des vom Geſetz gedrohten und zuzufügen - den Uebels iſt. Der Staat ſoll ihm alle Rechte ſchützen; er übertritt das Geſetz — und nun ent - zieht ihm der Staat dieſe Rechte. Er bricht daher durch ſeine Uebertretung das rechtliche Verhältniſs das zwiſchen ihm als Bürger und dem Staat als Beſchützer aller Rechte iſt.. Im weiteſten Sinne, (wo Verbrechen und Ver - gehen, crimen und delictum gleichbedeutend find) bezeichnet daher Verbrechen eine durch ein Strafgeſetz bedrohte, dem vollkommenen Recht widerſprechende, Handlung. Ein jedes Straf - geſetz aber ſetzt nothwendig einen Oberherrn, mithin Staat voraus.
Immoralität — Sünde — Laſter.
Verbrechen im weiteſten Sinne zerfällt I. in das Verbrechen im engern Verſtande (crimen, Verbrechen κχτ̕ εξοχην) II. in das Vergehen (Polizeyverbrechen, delictum). Durch dieſes werden vollkommne, aber erſt durch Polizey - geſetze begründete Verbindlichkeiten gegen den Staat verletzt; durch jenes hingegen die unmittelbar durch den Gefellſchaftvertrag be - gründeten Verbindlichkeiten des Bürgers. Durch23Begriff u. Eintheilung des Verbrechens. Durch Verbrechen werden die urſprünglichen Rechte des Staats oder des Bürgers; durch Vergehen wird nur das Recht des Staats, für ein beſtimmtes gegebenes Polizeygeſetz Ge - horſam zu fodern, verletzt. Jene ſind noth - wendig, dieſe zufällig, weil ſie zufällige Ein - richtungen des Staats[vorausſetzen]. — Unter Verbrechen im engſten Sinne iſt eine durch ein Strafgeſetz bedrohte Verletzung unerſetzlicher Rechte zu verſtehen.
Alle Verbrechen beleidigen den Staat: aber einige mittelbar, andere unmittelbar. Dieſe heiſsen Staatsverbrechen (delicta publica), weil ſie zunächſt Rechte des Staats ſelbſt zum Gegenſtande ihrer Verletzung haben; jene Pri - vatverbrechen (delicta privata), weil ſie zu - nächſt Rechte von Privatperſonen, und erſt hiedurch den Staat ſelbſt beleidigen.
Anmerk. Delicta extraordinaria — delicta publica — del. pri - vata im Sinne des römiſchen Rechts. Koch Inſtitut - jur. crim. §. 27. — C. Th. Graun Diſſ. de ſuper - vacua delictorum diviſione in publica et privata moribus noſtris. Jenae 1756.
Ein Strafgeſetz kann eine poſitive Hand - lung, eine wirkliche Aeuſſerung der Thätig - keit des Menſchen; es kann aber auch eine negative Handlung, eine beſtimmte Nichtäuſ - ſerung der Thätigkeit, mit Strafe bedrohen. Jene poſitiven Handlungen heiſsen dann Be - gehungsverbrechen (del. commiſſionis); dieſenega -24I. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. negativen, Unterlaſſungsverbrechen (del. omiſ - ſionis).
J. G. Winkler. Diſſ. de crimine omiſſionis. Lipſ. 1776.
Es giebt Verbindlichkeiten, welche noth - wendig dem Bürger, als ſolchem obliegen und Rechte, welche für den Staat gegen alle Bürger begründet ſind: es giebt aber auch ſolche Ver - bindlichkeiten des Bürgers und Rechte des Staats, welche nur durch den Eintritt in einen beſondern Stand entſtehen. Daraus erklärt ſich die Unterſcheidung in gemeine (del. com - munia), und beſondere Verbrechen (del. propria), von welchen jene, vollkommene Verbindlich - keiten des Bürgers, als ſolchen, dieſe durch einen beſondern Stand begründete Verbind - lichkeiten verletzen.
Wenn ein Verbrechen vermöge der vor - handenen Strafgeſetze, nicht nach den be - ſtimmten Grundſätzen ſeiner Gattung beur - theilt werden darf, ſo iſt es ein geſetzlich aus - gezeichnetes Verbrechen, welches mit den quali - ficirten Verbrechen nicht verwechſelt werden darf. Ein Verbrechen iſt qualificirt, wenn ihm die Geſetze eine härtere Strafe, als der Gat - tung drohen, deſſen Art er iſt. Es giebt ge - ſetzlich ausgezeichnete Verbrechen, welche nicht qualificirt ſind.
Anmerk Die Beſtimmung der Begriffe von vollendeten, verſuchten, conçurrirenden Verbrechen etc. gehören in eine andere Region des peinlichen Rechts. Hier aber müſſen mündlich noch folgende Benennungen er -klärt25Begriff u. Eintheilung des Verbrechens. klärt werden: 1) Delicta excepta — non excepta. — Brehm de delictis exceptis. Lipſ. 1788. Henr. Fr. Ferd. Hampe Diſſ. de del. except. Halae. 1800. — 2) Delicta atrociſſima, atrocia, levia. J. F. Kees Diſſ. de diſcrimine inter delicta atrocia et levia rite ſtatuendo. Lipſ. 1791 — 3) Del. capitalia — non capitalia — Verbr. an Hals und Hand — an Haut und Haar. 4) Del. ordinaria — arbitraria (ſ. extraordinaria). — 5) Del criminalia — civilia — Criminal - und Civil - verbrechen. C. G. Robert Diſſ. de diverſo poe - narum genere ex mente C. C. C. indeque oriente diſcrimine inter delicta civilia et criminalia. Marb. 1779. (Wieder abgedruckt mit Kochs Bemerkungen, unter dem Titel: Ueber Civil und Criminal ‒ Strafen ‒ und Ver - brechen von Robert und Koch. Gieſſen 1785. — 6) Del. eccleſiaſtica — ſecularia — mixta. — — 7) Del. facti permanentis — facti tranſeuntis. — 8) Del. notoria — occulta. etc. Manche dieſer Unterſcheidungen ſind veraltet, manche unwahr, manche unnöthig.
Da ein Verbrechen nothwendig ein Strafge - ſetz vorausſetzt; ſo kann es nur von einemMenſchen26I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Menſchen begangen werden, der einer höhern geſetzgebenden und richtenden Gewalt unter - worfen iſt. Auf eine oberherrliche Perſon, die in keiner Rückſicht als Unterthan einer höhern Staatsgewalt unterworfen iſt (Souverain im eigentlichen Sinne), kann der Begriff eines Verbrechens nicht angewendet werden. Denn 1) ihren eignen Criminalgeſetzen iſt ſie nicht unterworfen, weil kein Regent ſeinen eignen Geſetzen unterworfen iſt*)Dagegen Schnaubert Diſſ. de principe legibus ſuis obligato. Jen. 1793. Deutſch mit Anmerk. von Hage - meiſter.; 2) wenn ſie den Staat oder das ihr unterworfene Volk beleidigt, ſo können ihr zwar, unter gewiſſen Voraus - ſetzungen, die Bürger auf den Fall der Wie - derholung zur Sicherung ihrer vollkommnen Rechte gegen den Oberherrn Uebel drohen; aber nicht in der Form eines Geſetzes, weil dieſes die geſetzgebende Gewalt vorausſetzt, die nur dem Oberherrn ſelbſt übertragen iſt**)Feuerbach Anti-Hobbes, 1 Bd. Erf. 1798.. Eine ſouveraine oberherrliche Perſon begeht nur Beleidigungen und Läſionen, aber kein Verbrechen.
Ueber dieſe allgemeine Frage: Chr. Fr. Ge. Meiſter de jure quod in delictis perſonarum illuſtrium obtinet. Goett. 1748. Beleidigung und Verbrechen, Strafe und bloſse Vertheidigung ſind aber hier durchaus vermengt, daher dieſe Schrift nirgends befriedigt.
In Deutſchland iſt daher der Kaiſer keines Verbrechens fähig. Verbrechen können nurbegan -27Von d. möglichen Subjecten e. Verbrechens. begangen werden A. von unmittelbaren Reichs - unterthanen, ſie mögen Reichsſtände ſeyn oder nicht. Die einzelnen deutſchen Landesherrn ſind zwar Oberherrn in Beziehung auf ihre Territorien; aber Unterthanen*)Die Fürſtenerier läugnen dieſes und behaupten nur eine lehnrechtliche Unterwerfung unter den Kaiſer. Die Jurisdiction vom Kaiſer und Reich erklären ſie blos aus einer ausdrücklichen Conven - tion zwiſchen den Reichsſtänden unter ſich und dem Kaiſer. J. G. Cramer de delictis et poenis ſta - tuum imperii R. G. Lipſ. 1738. §. 4. 5. u. 9. in Beziehung auf ihr Verhältniſs zu Kaiſer und Reich und daher den deutſchen gemeinen Criminalge - ſetzen unterworfen.
Reichsſtände können drey Gattungen von Verbrechen begehen I. Staatsverbrechen, Ver - brechen gegen Kaiſer und Reich. II. Regierungs - verbrechen, Verbrechen gegen den ganzen Staat, deſſen Regenten ſie ſind**)Andre meynen, daſs Reichsſtände deswegen nicht beſtraft werden könnten. S. Cramer l. c. §. 7.. III. Privatver - brechen, Verbrechen gegen Einzelne, dieſe mögen nun ihre eignen Unterthanen, oder Unterthanen fremder Territorien ſeyn. Nur diejenigen Privatverbrechen aber können ſie begehen, welche ſchon ein deutſches Reichs - geſetz für Verbrechen erklärt; Strafgeſetze, die blos in ihrem Territorium gelten, können ſie nicht übertreten. Uebrigens ſind ſie Reichs - Criminal-Geſetzen eben ſo gut, wie mittelbare Reichsunterthanen unterworfen, da weder einGeſetz28I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Geſetz, noch die Natur der Sache für ſie eine Ausnahme begründet*)Leibes - und Lebensſtrafen können alſo gegen ſie angewendet werden, ſobald ſie ein Reichsgeſetz übertreten, das dieſelben droht.[Ich] weiſs wohl, daſs man das Gegentheil behauptet, daſs man weder die C. C C. noch andere Reichsgeſetze in Anſehung dieſer Privatverbrechen auf ſie anwendbar hält, daſs man ſogar alle Privatverbrechen der Reichs - ſtände für ſtraflos erklärt und überhaupt blos von der Reichsacht, von Geldſtrafen und der Beraubung einzelner Rechte, als Strafen der Reichsſtände ſpricht (Cramer l. c. §. 11 et 12. Treuer Progr. de iure publico criminali cautiſsime dijudicando. Goett. 1740. §. 4) Aber ich weiſs auch, daſs man noch nicht einen einzigen Grund angeführt hat, der das zu Beweiſen - de auch nur zum Schein bewieſen hätte. Daſs ſolche Strafen nicht exequirt werden, davon ſuche man den Grund nicht in dem Recht, ſondern in der Schwäche unſrer executiven Macht und in den vermoderten Fugen des deutſchen Reichsverbandes..
Anmerk. Die gewöhnliche Eintheilung in delicta publica und delicta privata principum reicht nicht zu. Aeltere, wie Titius Jus Publ. L. VI. c. II. §. 57. theilen ſie ein in Verbrechen gegen Kaiſer und Reich, Ver - brechen gegen Mitſtände und Verbrechen gegen ihre Unterthanen. Aber auch dieſe Eintheilung iſt in vieler Rückſicht falſch. Zu der zweyten Klaſſe rechnet z. B. Titius den Landsfriedensbruch; dieſer iſt aber ein wirkliches Verbrechen gegen das Reich ſelbſt.
Verbrechen können B. von mittelbaren Reichsunterthanen begangen werden, welche nicht nur den Reichsgeſetzen, ſondern auch den Particular-Criminalgeſetzen ihres Teri - torii unterworfen ſind.
Jedes Subject, welches als Subject eines Verbrechens betrachtet werden ſoll, muſs noth - wendig ein Individuum ſeyn. Eine moraliſche (myſtiſche) Perſon und insbeſondere eine Univerſitas, als Inbegriff mehrerer zu einem nichttranſitoriſchen Zweck*)Ulrich init. phil. juſti. pag. 59. vereinigter Sub - jecte, iſt keines Verbrechens fähig**)Nettelbladt ſyſtema elem. jurispr. poſ. L. II. S. II. tit. 3. §. 877. Vor allen aber die treffliche Ab - handlung von Malblanc obſervationes quaedam ad delicta univerſitatum. Erl. 1792. auch in den Opuſc. jur. crim. Erl. 1793. Nr. 1. — Ueber die entgegengeſetzte Meynung vergleiche beſonders. H. Gundling Diſſ. de univerſitate delinquente. Hal. 1730.. Denn jede Strafe ſetzt als nothwendige Bedingung eine Uebertretung voraus (§. 24. II. ); könnte nun eine Univerſitas als ſolche ein Verbrechen begehen, ſo müſte ſich die Strafe nicht blos auf die gegenwärtigen, ſondern auch auf alle zu - künftigen Glieder (die wegen des nichttranſi - toriſchen Zwecks ſuccediren) erſtrecken, wel - ches der Vorauſſetzung widerſpricht. Wenn daher Alle oder die Majorität einer Univerſitas ein Verbrechen begehen, ſo delinquiren ſie blos als Einzelne, nicht als Glieder der Gemein - heit.
Unter Object eines Verbrechens wird der Ge - genſtand verſtanden, durch deſſen Verletzung ein Strafgeſetz übertreten wird. — Der unmit - telbare, nächſte Gegenſtand eines jeden Ver - brechens iſt das Recht eines Andern, und die dem Recht correſpondirende Verbindlichkeit: der mittelbare, entfernte Gegenſtand, iſt eine Perſon.
Der nächſte Gegenſtand eines Verbrechens kann entweder ein perſönliches Recht, ein Recht des Andern auf freye Dispoſition über ſeine Naturkräfte (perſönliche Verbrechen) oder ein Sachenrecht, ein Recht des Andern auf freye Dispoſition über das erworbene Eigenthum (dingliche Verbrechen) ſeyn. Die dinglichen Verbrechen werden durch eine auf das Object des Sachenrechts (die Sache ſelbſt) gerichtete Handlung begangen. Die Sache an ſich iſt aber kein Object des Verbrechens; daher kann durch Verletzung einer Sache nur dann und in ſo fern ein Verbrechen begangen werden, als einem andern Rechte auf dieſelbe zukom -men.31V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. men. Verletzung herrenloſer oder derelinquir - ter Sachen kann nie Verbrechen ſeyn.
Ein jedes Recht ſteht einer Perſon nur ſo lange zu, als ſie es nicht ſelbſt aufgegeben hat, oder nicht durch den Staat deſſen verluſtig er - klärt worden iſt. Eine, einem beſtimmten Recht widerſprechende Handlung, iſt alſo nur dann[v]er - brechen, wenn die Perſon, die durch die Hand - lung äuſſerlich verletzt wurde, noch im Beſitz jenes Rechts iſt. Denn Strafgeſetze ſind nur zum Schutz der Rechte (§. 19.) wo alſo keine Rechtsverletzung iſt, da iſt undenkbar eine Uebertretung des Strafgeſetzes.
Es iſt alſo I. kein Verbrechen vorhanden, wenn der Berechtigte die ſeinem Recht wider - ſprechende und durch ein Strafgeſetz, bedrohte Handlung ausdrücklich erlaubt (Volenti non fit injuria*)Ein homicidium in volentem commiſſum iſt als Ver - brechen eben ſo undenkbar, als eine injuria in volentem commiſſa. Ueber die Conſequenz unſrer Criminaliſten! Sie nennen es keinen Diebſtahl. wenn einer dem andern ſeine Sache mit deſſen Einwilligung wegnimmt: aber ein Mord — eine Injurie ſoll gleichwohl an dem Einwilligenden be - gangen werden können. Wie mag doch dies mit der Natur eines Strafgeſetzes und mit ihren eignen ſonſtigen Behauptungen beſtehen? Man ſehe übri - gens Th. Chr. Car. Link Diſſ. de homicidio in vo - lentem commiſſo. Alt. 1785.. II. Es iſt kein Verbrechen vorhanden, wenn die Handlung einem Rechte widerſpricht,deſſen32I. Buch. II. Theil. I. Titel. III. Abſchnitt. deſſen die Perſon, gegen welche die Verletzung gerichtet war, durch den Staat verluſtig erklärt worden iſt*)An einem Infamen kann keine Injurie, an einem Menſchen, der zum Tod verdammt iſt, kein Mord begangen werden. Der letzte verdient blos eine Polizeyahndung, weil er die Polizeyeinrichtung des Staats, vermöge welcher ein Verbrecher nur durch öffentliche Perſonen hingerichtet werden kann, verletzt hat..
Strafgeſetze eines Staats ſind nur gegeben zum Schutz der Rechte (§. 21.); es können da - her Strafgeſetze nur an denjenigen übertreten werden, die ſich in dem Schutze des Staats befinden, der die Strafgeſetze gegeben hat. Könnte auch an denen ein Verbrechen began - gen werden**)d. h. in Beziehung auf den Staat, der die Strafge - ſetze gegeben hat. Dieſer kann eine ſolche äuſſer - liche Uebertretung nicht als Verbrechen betrachten. Davon allein kann auch hier die Rede ſeyn. die auſſer dem Schutze des Staats ſind; ſo müſsten die Strafgeſetze auch zum Schutz dieſer nicht geſchützten Perſonen vor - handen ſeyn, welches ſich ſelbſt widerſpricht.
Blos diejenigen ſtehen in dem Schutz eines Staats, die der höchſten Gewalt in demſelben unterworfen und nicht ausdrücklich von ſei - nem Schutze ausgeſchloſſen worden ſind. Eskann33V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. kann daher für Deutſchland blos ein Ver - brechen begangen werden, I. an deutſchen Reichsbürgern, die Verletzung mag nun inner - halb oder auſſerhalb Deutſchlands, von einem Reichsbürger oder von einem Fremden began - gen worden ſeyn. Denn ein Staat muſs ſeine Bürger ohne Rückſicht auf Ort oder Perſonen ſchützen. II. an Fremden, die ſich in den Grenzen Deutſchlands befinden und an denen innerhalb Deutſchland ein Verbrechen be - gangen wird. Denn nach den Beſtimmungen des Völkerrechts ſind in der Regel alle, die ſich in dem Diſtrikt eines Staats befinden, auch der höchſten Gewalt deſſelben unterworfen; und alle, welche der höchſten Gewalt unterworfen ſind, ſtehen in dem Schutz derſelben.
Es kann alſo für Deutſchland kein Ver - brechen begangen werden I. an denjenigen, die keine Reichsbürger ſind und auſſerhalb Deutſch - lands Grenzen verletzt werden. Gleichviel, ob der Verletzende ein deutſcher Reichsbürger oder ein Fremder iſt, ob die verletzende Hand - lung einem in Deutſchland geltenden Strafge - ſetze oder blos einem Strafgeſetze des Orts der begangenen That entgegen iſt*)Andere, aber nicht zu erweiſende, Behauptungen ſtellt Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 122. ff. und Rudolph de poena delictorum extra territorium admiſſorum. Erl. 1790. §. 10. auf. Sie nehmen an, daſs auch ein Deutſcher, der auſſer Deutſchland eine Miſſethat begeht, beſtraft werden könne. Aber hier liegt ja die Verbindlichkeit zu ſtrafen demStaate.
Da alle einzelnen deutſchen Territorien zuſammen Einen groſsen Staat unter einem gemeinſchaftlichen Oberhaupte, ausmachen; ſo iſt jede unter den (§. 42.) angegebenen Be - dingungen, vollführte Uebertretung eines deutſchen Reichs-Straf-Geſetzes, in allen ein - zelnen deutſchen Territorien Verbrechen, wo das übertretene Reichs-Straf-Geſetz nicht durch Partikulargeſetze aufgehoben iſt. Eine auſſer - halb Deutſchland oder in einem beſtimmten Territorium begangene Uebertretung iſt aber in einem andern Territorium kein Verbrechen 1) wenn die Uebertretung blos gegen Partikular - geſetze (entweder nur des Orts der begangenen That, oder nur des andern Territorii, oder bey - der zugleich) iſt: 2) wenn das Reichsgeſetz, das die begangene Handlung für ein Verbrechen er - klärt, entweder an dem Ort der vollbrachten That, oder in dem andern Territorium, oder in beyden völlig aufgehoben iſt.
Es kann II. kein Verbrechen begangen werden, an ſolchen, die der Staat ausdrücklich auſſer ſeinem Schutze erklärt hat. Dahin ge - hören vorzüglich 1) diejenigen, welche dieReichs -*)Staate ob, deſſen Bürger verletzt worden iſt. Kann man ſich denn wohl denken, daſs Deutſchland Unterthanen fremder Staaten auch auſſer ſeinen Grenzen ſchütze? Und wenn dies nicht iſt, wie kann man denn an einen Schutz durch deutſche Strafgeſetze denken? Dieſes wird[doch] aber vor - ausgeſetzt, wenn man in einem beſtimmten Staate ſagen ſoll, A. hat an B. ein Verbrechen begangen.35V. d. möglichen u. nothwend. Obj. e. Verb. Reichsacht getroffen hat. 2) Die Verwieſenen, die vor Ablauf ihrer Strafzeit in das Terri - torium zurückkehren.
Jede Handlung, die als Uebertretung be - trachtet werden ſoll, ſetzt als nothwendige Be - dingung voraus I. daſs ſie eine äuſſere d. i. äuſſerlich erkennbare Handlung ſey. Innere Handlungen des Menſchen ſind nie Rechts - verletzungen, alſo auch nicht Verbrechen*)Dies beſtimmen ausdrückliche Geſetze L. 53. §. 2. L. 225. D. de V. S. L. 18. D. de poenis. Ueber die ſcheinbar entgegengeſetzte Verordnung der L. 14. D. de ſicariis vergl. Günther u. Otto neues Leip - ziger Magazin für Rechtsgelehrte. Jahrg. 1786. 1 Stk. S. 1 — 17. Glücks ausführl. Erl. d. Pandekten I Bd, S. 62. Anm. 15. II. Die äuſſere Handlung, welche einen Andern verletzt, darf nicht ſelbſt die Ausübung eines wohlbegründeten Rechtes ſeyn. Die Verletzung eines andern, als bloſſe Folge der Aus - übung meines Rechts, iſt keine eigentliche Rechtsverletzung, ſondern ein bloſses dam - num in conſequentiam veniens, und alſo auch kein Verbrechen.
Verletzung eines andern zur Abwendung eines rechtswidrigen Angriffs deſſelben iſt eine Folge des Rechts der Selbſtvertheidi - gung (neceſſariae defenſionis). Allein da ſich der Einzelne im Staat des Rechts der Selbſtver - theidigung begeben hat, ſo ſetzt die erlaubte Selbſtvertheidigung im Staate voraus, daſs es der öffentlichen Macht unmöglich war, das an - gegriffene Recht zu ſchützen. Auf dieſen Fall konnte ſich die Entäuſſerung der Pri - vatgewalt an den Staat nicht erſtrecken. Der Gebrauch eigner Gewalt eines Bürgers zum Schutz ſeiner Rechte gegen eine angefangene Beleidigung, unter einer Vorauſſetzung, wo der Schutz des Staats unmöglich iſt, heiſst Nothwehr (mo - deramen inculpatae tutelae, tutela inculpata). Eine Verletzung des andern aus Nothwehr iſt daher (§. 46. II) kein Verbrechen*)Die P. G. O. Art. 139 — 144. ſpricht zwar nur von der ſchuldloſen Tödung aus Nothwehr. Aber eine voll - kommen begründete extenſive Erklärung nöthigt uns, das Recht der Nothwehr auch auf andere Ver - letzungen auszudehnen. Was von der gröſsern Verletzung gilt, muſs auch von geringeren gelten. Auch iſt eine Beſtimmung, die nothwendig aus all - gemeinen Gründen d. h. aus der Natur der Sache flieſst, ſo lange gültig, als ſie nicht durch aus - drückliche poſitive Geſetze aufgehoben iſt..
Buder Diſſ. de violenta deſenſione privata. Jen. 1740. — Quiſtorp Diſſ. de homicidio permiſſo, ſpec. de mod. inc. tut. Roſt. 1764. — F. Knraſius Diſſ. de jure defenſionis neceſſariae. Lugd. Bat. 1785.
Eine Verletzung des andern aus Noth - wehr iſt nur darum rechtlich, weil und wie ferne ſie die Ausübung des eignen Rechts der erlaubten Selbſtvertheidigung im Staate iſt. Es ergiebt ſich daraus, daſs I. die Vertheidi - gung, in welcher der Andere verletzt wurde, alle Erfoderniſse der rechtmäſsigen Vertheidi - gung überhaupt haben muſs, II. daſs ſich der Angegriffene unverſchuldet in einem Zuſtande befinden muſte, wo die Erhaltung ſeines Rechts durch die Staatsgewalt unmöglich war. Eine Vertheidigung, die nicht alle dieſe Erfoder - niſſe hat, iſt eine ſchuldhafte Nothwehr (m. de - culpatae tutelae).
Es wird daher erfodert 1) daſs der abge - wehrte Angriff ungerecht*)P. G. O. Art. 142. u. 143. 2) gegenwärtig (laeſio inchoata), 3) unerwartet**)„ Ueberlauf. “— Walch Gloſſarium ſub voc. „ Ueberlauf. “und 4) auf die Verletzung eines Guts gerichtet war, das entweder an ſich unerſetzlich iſt, oder doch unter den individuellen Umſtänden des ge - genwärtigen Angriffs (nach Gründen der Wahr - ſcheinlichkeit) unwiderbringlich verloren gewe - ſen wäre. Denn im entgegengeſetzten Falle kann durch nachfolgende Hülfe des Staats der Zuſtand der Integrität wieder hergeſtellt wer - den. Bloſse Ehrenverletzung begründet daher nie***)Bloſse Ehrenverletzung (nemlich wenn ſie nicht mit der Verletzung eines andern perſönlichenRechts; Angriff auf Güter nur dann dasRecht38I. Buch. II. Theil. I Titel. IV. Abſchnitt. Recht der Nothwehr, wenn Gefahr des unwie - derbringlichen Verluſts mit der Vollendung derſelben verbunden iſt*)J. A. Helfeld Diſſ. de violenta rerum noſtrarum defenſione. Jen. 1768. et in Opusc. N. 21. Auf den Werth des Guts an ſich kommt es nicht an.. Angriff auf die Rechte der Perſönlichkeit berechtigt immer zur Gegenwehr. 5) Die dem Andern zur Erhaltung eigner Rechte zugefügte Verletzung muſte an ſich die einzige Bedingung der eignen Rettung ſeyn, es muſte alſo a) nicht möglich, oder doch nicht ohne Verluſt andrer Güter thunlich ſeyn, ſich dem Angriff entweder durch Hülfe anderer, oder durch Entwaffnung des Angrei -fers***)Rechts verbunden iſt) iſt nie unerſetzlich: der Injuriat kann nach geſchehener Injurie, durch den Staat ſeine Rechte verfolgen und durch die gewöhn - lichen Rechtsmittel die aus der Injurie etwa ent - ſtandenen oder möglichen nachtheiligen Folgen auf - halten. Wenn man ſich auf die P. G. O. Art. 140. in den Worten: „ und der Benötigte kann füglich ohne Fährlichkeit oder Verletzung ſeines Leibes, Lebens, Ehr und guten Leumund nicht entweichen, beruft, um das Gegentheil zu erweiſen, ſo ver - giſst man, daſs in dieſen Worten die P. G. O. nicht die Rechte beſtimmen will, welche bedroht die Nothwehr begründen. Carl will ja blos den Fall beſtimmen, wo die Flucht nothwendig iſt, oder nicht. Wer unbeſchadet ſeines guten Namens die Flucht nicht ergreifen kann, der darf bleiben und ſeine angegriffenen Rechte ſelbſt mit dem Lebens - verluſt des andern vertheidigen. Die Behauptung Böhmers ad art. 140. §. 3. und ad Carpzov Q. 30. Obſ. 3. als wenn nur Standes - oder Militär - perſonen durch einen Angriff auf Ehre in den Stand der Nothwehr verſetztwerden könnten, bedarf kaum einer Widerlegung.39V. d. nothw. Bedingg. e. Verbrechens, etc. fers oder durch Flucht zu entziehen; b) es muſte keine geringere Verletzung als die zu - gefügte, eine gleiche Sicherheit bewirken können.
Die Verſchiedenheit in der Art der Ueber - tretung eines Strafgeſetzes iſt theils beſtimmt durch die Verſchiedenheit der äuſſern Wirk - ſamkeit zur Uebertretung, (objectiver Grund der Verſchiedenheit), theils durch die Ver - ſchiedenheit der Willensbeſtimmung, welche der Uebertretung zum Grunde liegt (ſubjectiver G. d. V.)
Die Wirkſamkeit zur Uebertretung eines Strafgeſetzes kann direct ſeyn, wenn das Ob - ject, auf deſſen Realiſirung ſie hinwirkt, un - mittelbar die Realiſirung der Rechtsverletzung ſelbſt, indirect, wenn ſie blos auf die Beför - derung der directen Wirkſamkeit eines andern zur Rechtsverletzung gerichtet iſt. Derjenige, bey welchem die Rechtsverletzung das unmit - telbare Object der Wirkſamkeit ſeiner Hand - lung iſt, heiſst, wenn die That wirklich geſcheheniſt,40I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. iſt, Urheber (auctor del. ); derjenige, bey welchem die Beſörderung der auf die Rechtsver - letzung unmittelbar gerichteten Handlung eines andern das unmittelbare Object der Wirkſamkeit ſeiner Handlung iſt, heiſst Ge - hülfe (ſocius.).
Coauctores — Complices — Conſortes criminis. J. F. Eiſenhardt Diſſ. de vera criminis ſocii notione. Helmſt. 1750. — E. C. Weſtphal Diſſ. de conſorti - bus et adjutoribus eriminum corumque poena etc. Hal. 1760. — Kleinſchrod ſyſt. Entw 1. Thl. §. 177 — 206. — Feuerbach Reviſion Thl. II. S. 243. ff.
Eine Perſon kann I. dadurch direct auf die Hervorbringung der That gewirkt haben, daſs ſie aus eignem Intereſſe an der That den Wil - len eines andern zur Hervorbringung des rechtswidrigen Effects determinirt hat. Dann iſt ſie intellectueller Urheber (a. intel - lectualis). Es geſchieht dieſe Art der Wirkſam - keit 1) durch Auftrag*)cf. Stryck de mandato rei turpis. Frcf. 1690. in Opp. Vol. VI. Nr. 3. 2) durch Befehl, 3) durch Drohungen 4) durch Rath, (conſilium), ſowohl durch allgemeinen (c. generale) als durch be - ſondern (c. ſpeciale)**)J. U. Cramer Diſſ. de conſilio malo conſultatori peſſimo Marb. 1740. deutſch Frankf. 1741.. Hatte aber der An - dere ſich ſchon vorher zur That beſtimmt, ſo iſt dieſer intellectuale Concurrent in der Regel nur Gehülfe. Sie kann II. unmittelbar durch eigne Kräfte (entweder aus eignem Antrieb,oder41V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. oder durch Anſtiften eines Urhebers) die Hand - lung, die den Begriff der Uebertretung aus - macht, begangen haben. Phyſiſcher Ur - heber (a. phyſice talis — a. in ſenſu ſtro.)
Wenn Mehrere, aus unmittelbarem Intereſſe an der That ſelbſt, ſich zur gemeinſchaftlichen Ausführung durch Vertrag verbinden, ſo iſt die - ſes eine Verſchwörung (conjuratio) oder Geſellſchaft zur Uebertretung (ſocie - tas delinquendi)*)P. G. O. Art. 148. „ Item ſo etliche Perſonen mit fürgeſetztem und vereinigtem Willen und Muth jemand böslich zu ermorden einander Hülfe und Beyſtand thun; dieſelben etc.. Die Perſonen ſelbſt heiſsen coauctores ex conjuratione. Die bloſse Ver - einigung mit Andern zum Verbrechen reicht aber für dieſen Begriff nicht zu; ſondern wer als coauct. e. conj. betrachtet werden ſoll, muſs auch durch Handlungen (gleichviel aber, welche) zur wirklichen Exiſtenz der That mit - gewirkt haben**)Weſtphal de conſortib. et adjut. crim. §. 14. ſq. Zu der Behauptung Kleinſchrods a. O. §. 178. als wenn Mitwirkung bey der Haupthandlung ſelbſt erfordert würde, findet ſich kein Grund.. Sonſt iſt er, wenn er mit in den Vertrag verwickelt iſt, blos des Verſuchs zu einem Verbrechen aus Verſchwörung ſchuldig.
Rädelsführer — dux criminis.
Die Beyhülfe (concurſus ad delictum) be - ſteht (§. 51.) aus der Hinwegräumung derHin -42I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. Hinderniſſe, welche der Wirkſamkeit des Ur - hebers entgegen ſtehen. Nach Verſchieden - heit der Art der Beyhülfe ſind auch die Gehül - fen ſelbſt verſchieden. I. In Rückſicht der Gröſse der Hinderniſſe entweder Hauptgehülfe (ſocius principalis), oder Nebengehülfe. (ſ. mi - nus principalis). Jener räumt Hinderniſſe hin - weg, welche die That unmöglich machten, die - ſer ſolche, welche ſie blos erſchwerten*)Daſs mehrere, und unter andern Kleinſchrod a. O. §. 198. den ſoc. principalis für auctor delicti halten, hat blos ſeinen Grund in einem unbeſtimmten Begriff von auctor und ſocius. S. Feuerbach Re - viſion a. O. S. 262.. II. In Rückſicht der Handlung ſelbſt, welche die Beyhülfe bewirkt, entweder poſitiver Gehülfe, wenn er durch wirkliche Aeuſſerung der Thä - tigkeit, (concurſus poſitivus) oder negativer Gehülfe, wenn er durch pflichtwidrige Unter - laſſung die That des andern befördert oder möglich macht (conc. negativus). Das letzte iſt durch unterlaſſene Hinderung oder unter - laſſene Anzeige des bevorſtehenden Ver - brechens möglich, ſetzt aber voraus daſs Ge - ſetz**)L. 9. §. 1. D. ad L. Corn. de Sic. A. B. c. 24. §. 6. — Erklärung des Landfriedens v. J. 1522. Tit. 11 — RA. v. J. 1548. Tit. 1. §. 4. u. RA. v. J. 1577. Tit. 1. §. 2. — F. Cph. L. Crell Diſſ. de poena ſilentii et conſcientiae delicti aliaeni. Vit. 1742. —J. H. oder übernommene Amtsverbindlich - keit, Anzeige oder Hinderung zur Pflicht machen. Denn an ſich iſt der Bürger zu dieſen Handlungen nicht vollkommen ver - pflichtet.
III. In Hinſicht der Kräfte, welche Bey - hülfe begründen, kann der Gehülfe intellectueller Gehülfe ſeyn, (ſoc. intell. ) wenn er durch Ge - brauch der Gemüthskräfte, oder phyſiſcher Gehülfe (ſ. phyſ. tal. ſ. facultate locomotiva) wenn er durch Gebrauch der körperlichen Kräfte wirkt. Man wird intellectueller Gehülfe, aus denſelben Gründen, aus welchen man in - tellectueller Autor wird (§. 52.), hier wird aber immer vorausgeſetzt, daſs ſich der andere ſchon vorher aus eignem Intereſſe an der That zu dem Verbrechen beſtimmt habe. Wird er erſt durch den andern beſtimmt, ſo iſt dieſer intellectu - eller Urheber.
IV. Wenn die Beyhülfe durch eine Hand - lung geleiſtet wird, welche die Vollendung des Verbrechens unmittelbar d. h. ohne die Dazwiſchenkunft von Mittelurſachen beför - dert, ſo entſteht eine unmittelbare Beyhülfe (conc. proximus). Geſchieht die Beyhülfe durch eine Handlung, die erſt durch Mittelurſachen die Voſſendung des Verbrechens befördert oder möglich macht, ſo iſt eine mittelbare Beyhülfe (conc. remotus) vorhanden*)Wer z. E. den Ermordeten gehalten hat, war in conc. proximo. Wer blos dem Thäter anzeigt, wo er ſich aufhielt, war in c. remoto, weil hier nochmehrere.
§. 57.V. In Anſehung der Abſicht bey der Con - currenz iſt der Gehülfe entweder ſpecieller Ge - hülfe (ſ. ſpecialis), oder allgemeiner Gehülfe (ſ. generalis). Jener hat bey ſeiner Mitwirkung dieſelbe Abſicht, welche zum Weſen desjeni - gen Verbrechens gehört, das von dem Urheber begangen wird; dieſer concurrirt aus einer andern Abſicht.
Der Act der Concurrenz kann entweder vor oder zu gleicher Zeit mit der Ausführung der Hauptthat geſchehen (c. antecedens — con - comitans.) Eine nachfolgende Beyhülfe iſt un - möglich. Hat jemand dem Urheber ver - ſprochen, nach der Vollendung ihn zu begün - ſtigen, ſo iſt dieſer, wenn das Verſprechen noch vor der Vollendung der That geſchah, in vorhergehender oder begleitender Con - currenz.
Wer nach vollendetem Verbrechen durch äuſſere Handlung ein Intereſſe für das Ver - brechen oder den Verbrecher zeigt, iſt Begün - ſtiger (fautor delicti). Die Begünſtigung kann durch Theilnahme an den Vortheilen der That, durch Billigung und Genehmigung des Ver - brechens, durch Verbergung oder wiſſent - lichen Ankauf der durch das Verbrechen ge -won -*)mehrere andere Handlungen zwiſchen dieſer An - zeige geſchehen muſten, wenn die That zur Exiſtenz kommen ſollte.45V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. wonnenen Sachen*)Püttmann de receptatoribus. In Adverſarr. P. II. und beſonders durch Handlungen geſchehen, durch welche man den Thäter der ſtrafenden Gewalt zu entziehen ſucht.
Die directe Wirkſamkeit (§. 51.) zer - fällt dem Eſſect nach in zwey Hauptarten. Hat ſie ihr Object realiſirt, ſo daſs nun der Begriff der im Geſetz vorausgeſetzen Läſion in concreto vorhanden iſt, ſo iſt das Ver - brechen vollendet (delictum conſummatum). Wenn die Rechtsverletzung, auf welche eine Handlung directe gerichtet war, nicht realiſirt worden iſt, ſo exiſtirt ein bloſs unternom - menes Verbrechen.
Die bloſse Unternehmung des Ver - brechens (Conatus delinquendi im weitern Sinn) hat verſchiedene Stufen. Sie begreift in ſich I. die Endigung des Verbrechens (perfectio criminis) wenn alle zur Hervor - bringung des geſetzwidrigen Effects erfoder - lichen Handlungen geſchehen ſind, ohne je - doch den Effect bewirkt zu haben**)z. E. Ich ſchieſse nach einem Menſchen, verwunde ihn auch wohl, in der Abſicht ihn zu töden, ohne daſs ich gleichwohl meine Abſicht erreiche. — Es hätte dieſer Begriff, den Klein peinliches Recht. §. 145. zuerſt abgeſondert hat, mehr Rückſicht verdient, als ihm bis jetzt zu Theil geworden iſt. In der Art der Eintheilung des Verſuchs ſelbſt muſte der Vf. von Klein abweichen.. II. DenVer -46I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. Verſuch zum Verbrechen (con. del. im engern Sinn) wenn alle zur Hervorbringung des ge - ſetzwidrigen Effects erforderlichen Handlungen noch nicht geſchehen ſind. Dieſer Verſuch iſt entweder 1) Anfang des Verbrechens, nächſter Verſuch (inchoatio delicti — cona - tus proximus) wenn der Verbrecher ſchon in Begehung derjenigen Handlung begriffen war, deren Endigung den rechtswidrigen Effect hervorbringen muſte; oder 2) Vorberei - tung des Verbrechens — entfernter Verſuch (attentatio delicti — conatus remotus), wenn er Handlungen begangen hat, durch welche er ſich nur auf den Akt der Vollendung des Verbrechens vorbereitete. Dieſer hat wie - der verſchiedene Stufen, die nur in concreto zu beurtheilen ſind.
Die Rechtsverletzung kann von einer Per - ſon nach unvermeidlichen Natururſachen ohne Mitwirkung einer geſetzwidrigen Willensbe - ſtimmung bewirkt worden ſeyn; dann iſt ſie blos zufällige Urſache des Verbrechens und das Verbrechen ſelbſt heiſt zufällig (del. caſuale.) Iſt die Rechtsverletzung verſchuldet durch eine geſetzwidrige Willensbeſtimmung derſelben, ſo kann dieſe Verſchuldung begrün - det ſeyn I. durch Dolus (böſen Vorſatz), die Beſtimmung des Willens (Begehrungsvermö - gens) zu einer Rechtsverletzung als Zweck, mit dem Bewuſtſeyn der Geſetzwidrigkeit des Begeh - rens: — oder II. durch Culpa (Verſehen),die47V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. die geſetzwidrige Beſtimmung des Willens zu einer Handlung oder Unterlaſſung aus der nach den Geſetzen der Natur*)Entweder der innern oder der äuſſern Natur. — Mündlich von dem Klein’ſchen poſitivböſen und negativböſen Willen. Deſſen p. Recht. §. 120., ohne die Abſicht des Sub - jects, die Rechtsverletzung entſteht**)Ueber Dolus und Culpa überhaupt cf. Stübel Syſtem d. p. R. Thl. II. §. 262 — 302. — Kleinſchrod a. O. Thl. I. Kap. II. — Grol - man in der Bibliotbek d. p. R. I Thl. 1 Stck. Nr. 1. 3 Stck. N. 3. — Klein vom Unterſchied zwiſchen Dolus und Culpa. Im Archiv. 1 Bd. 2tes Stck. Nr. 10. II Bd. 2tes Stck. S. 216. ff. — Feuerbach Reviſion 1 Thl. Kap. VI. Deſſen Betrachtungen über Dolus und Culpa überhaupt und den Dolus indirec - rus insbeſondere. In der Bibliothek II Bd. 1ſtes Stück. N. 5..
Der Culpa liegt nothwendig ein geſetz - widriges Begehren, d. i. eine Willensbeſtim - mung zum Grunde, durch welche eine voll - kommene Verbindlichkeit, verletzt worden iſt. Denn ohne dieſes iſt Verſchuldung undenkbar. Dieſe Verbindlichkeit beſteht in der Noth - wendigkeit, alle Handlungen zu thun oder zu unterlaſſen, aus welchen, nach Geſetzen der Natur, eine Rechtsverletzung entſtehen kann. (Verbindlichkeit zum gehörigen Fleiſse, obl. ad diligentiam). Da nun bey der Culpa das Sub - ject durch ſeinen Willen dieſe Pflicht verletzt haben muſs, ſo ſetzt die Culpa nothwendig voraus 1) das Daſeyn dieſer Verbindlichkeitfür48I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. für jene Perſon überhaupt 2) das Bewuſtſeyn dieſer Verbindlichkeit bey der Willensbeſtim - mung zu der Handlung oder Unterlaſſung, aus welcher der rechtswidrige Effect entſtan - den iſt, 3 die Erkenntniſs, daſs die unternom - mene Handlung oder Unterlaſſung unter der Verbindlichkeit ſtehe, 4) die phyſiſche Möglich - keit, die Handlung zu thun oder unterlaſſen und den geſetzwidrigen Effect zu verhüthen. Wo Eins dieſer Requiſite mangelt, iſt das Ver - brechen unverſchuldet, weil nur unter dieſen Bedingungen eine Geſetzwidrigkeit des Be - gehrens in Rückſicht auf Culpa denkbar iſt. *)Vergl. die Betrachtungen über Dolus und Culpa. Betr. III. — IX.
Die Culpa zerfällt in Rückſicht der Hand - lungen oder Unterlaſſungen, welche die Uebertretung ohne Abſicht der Perſon be - gründen können, in vier Arten. Dieſe Hand - lungen können I. innere Handlungen, und zwar unterlaſſener Gebrauch des Erkenntniſsvermö - gens ſeyn. Gebrauchte die Perſon mit Ernſt ihre Erkenntniſskräfte, um die Erkenntniſs zu erlangen, aus derem Nichtdaſeyn die Ue - bertretung entſprang, ſo war ihre Unwiſſen - heit oder ihr Irrthum unverſchuldet (error - ignorantia invincibilis), wenn ſie die Erkennt - niſs überhaupt oder die wahre Erkenntniſs dennoch nicht erlangte. Denn die Culpa ſetzt phyſiſche Möglichkeit voraus (§. 63.). Es war aber der Perſon (ſubjective) unmöglich die wahre Erkenntniſs zu erlangen, wenn ſie ſieerhal -49V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. erhalten wollte, und ihrer Verbindlichkeit ge - mäſs, ſie zu erhalten, ihre Kräfte aufgeboten hat. Der unterlaſſene Gebrauch des Erkenntniſsver - mögens kann beſtehen 1) in der unterlaſſenen Erwerbung der Erkenntniſs des Geſetzes, wel - chem die äuſſere Handlung widerſpricht — Cul - pa durch Unwiſſenheit des Geſetzes*)z. E. wenn jemand die Sodomie kennt, aber nicht weiſs, daſs ſie verboten iſt und er in dieſer Unwiſ - ſenheit die That begeht. Die unterlaſſene Erwerbung der Erkenntniſs des Geſetzes bringt ohne ſeine Ab - ſicht die Uebertretung hervor., 2) in der unterlaſſenen Reflexion über die Handlung, um ſie unter das Strafgeſetz zu ſubſumiren — Culpa durch Uebereilung**)z. E. jemand kennt das Geſetz gegen die Sodomie, er weiſs aber nicht, daſs die Handlung, welche er vornimmt, die verbotene Handlung ſey, und die - ſes Nichtwiſſen hat in pflichtwidriger Unterlaſſung der gehörigen Reflexion über die Handlung ihren Grund. Dieſe Reflexion hätte ihn gelehrt, daſs ſeine Handlung die im Geſetz verbotene ſey. Die - ſes Unterlaſſen hat ohne ſeine Abſicht die Ueber - tretung begründet. 3) in der unter - laſſenen Reflexion über den möglichen Cauſal - zuſammenhang einer äuſſern Handlung mit einer daraus entſtandenen Rechtsverletzung. ‒ ‒ Culpa durch Unbedachtſamkeit***)z. E. Ein Menſch ſchieſst auf Gerathewohl, ohne daran zu denken, daſs er einen Menſchen töden könne. Er tödet ihn. Sein Verſchulden liegt hier eigentlich nicht darin, daſs er geſchoſsen; ſondern darin, daſs er, indem er nicht gehörig auf ſeine Hand - lung und ihren möglichen Erfolg reflectirte, die Ver - bindlichkeit zum gehörigen Fleiſs übertreten hat. II. Aeuſſere Handlungen — Culpa aus Fahrläſſigkeit; dieſebeſtehtD50I. Buch. II. Theil. I. Titel. V. Abſchnitt. beſteht in der Begehung einer äuſſern Hand - lung, mit dem Bewuſtſeyn des Subjects von dem Cauſalzuſammenhang der Handlung mit einem möglichen oder wahrſcheinlichen rechtswidrigen Erfolg*)z. E. Man denke ſich, der culpoſe Todſchläger der vorigen Anmerkung habe die Möglichkeit oder Wahrſcheinlichkeit einer Tödung, als Folge ſeiner Handlung eingeſehen und auf Gerathewohl die Begehung der Handlung gewagt. — So wie in den vorhergehenden Fällen, der unterlaſſene Erkennt - niſsakt unmittelbar das Verſchulden begründete, ſo wird das Verſchulden hier unmittelbar durch die äuſſere Handlung ſelbſt begründet. Ausgeführt iſt dieſes alles in den Betrachtungen über Dolus und Culpa Betr. IX..
Anmerk. Von der Klein’ſchen Eintheilung in Hand - lungen, die aus böſem Vorſatz unternommen ſind, in vorſätzlich geſetzwidrige, aber nicht boshafte, in ge - fährliche, in aus Muthwillen unternommene und in culpoſe Handlung. S. Deſſen peinl. R. §. 122.
In Rückſicht der Art des Zuſammenhangs der Handlung oder Unterlaſſung mit dem ge - ſetzwidrigen Erfolg, iſt die Culpa 1) die höchſte (c. lata, wenn die Entſtehung des ge - ſetzwidrigen Erfolgs aus der Handlung oder Unterlaſſung wahrſcheinlicher war, als die Nichtentſtehung deſſelben; 2) die mittlere (c. media ſ. levis), wenn ein gleicher Grad der Wahrſcheinlichkeit für die Entſtehung, wie für die Nichtentſtehung vorhanden war; 3) die geringſte (c. leviſſima ſ minima), wenn die Vermeidung des geſetzwidrigen Erfolgs wahr -ſchein -51V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. ſcheinlicher war, als die Entſtehung deſ - ſelben*)Grolman Grundſ. d. CRW. §. 52. u. 53..
Der Dolus (§. 62.) hat zwey Arten, in wie ferne entweder der entſtandene geſetzwidrige Effect der unmittelbare und ausſchlieſsliche Zweck des Begehrens war; oder die Abſicht des Verbrechers auf mehrere Rechtsverletzun - gen einer beſtimmten Art oder Gattung alter - nativiſch gerichtet war. Jener heiſst beſtimm - ter Dolus (d. determinatus); dieſer eventueller, oder unbeſtimmter Dolus (d. indeterminatus ſ. eventualis. Bey dem letzten war die entſtan - dene Rechtsverletzung in dem Entſchluſse des Subjects enthalten, aber in demſelben Ent - ſchluſse war auch noch eine andere Rechts - verletzung enthalten und es war dem Subject gleichviel, welche von dieſen Rechtsverletzun - gen aus ſeiner Handlung wirklich entſtehe***)z. E. Ich will mich an einem Menſchen rächen und ſchieſse nach ihm, nicht gerade um ihn zu töden, auch nicht blos, um ihn zu verwunden; ſondern um meine allgemeine und unbeſtimmte Abſicht, ihm zu ſchaden, zu realiſiren. Welchen Erfolg gerade dieſe Handlung habe, iſt mir gleich - viel; ich will nur, daſs eine von dieſen Verletzun - gen wirklich werde. — Dieſer eventuelle Dolusiſt.
D 2§. 67.Es giebt Fälle, wo Dolus und Culpa bey einer und derſelben Handlung concurriren. Es findet dieſes ſtatt, wenn ein Verbrecher einen beſtimmten rechtswidrigen Effect zum Zwecke hat, aus der Handlung aber, die ihn realiſiren ſollte, ein anderer rechtswidriger Effectentſtanden iſt, den er als mögliche Folge ſeiner Handlung entweder vorhergeſehen hat, oder doch vorherſehen konnte. Hier iſt Do - lus, in Anſehung des Zwecks, den er wirklich gewollt hat iſt; Culpa in Anſehung des Ef - fects, der ohne die Abſicht des Subjects, aus der auf einen andern rechtswidrigen Zweck gerichteten Handlung, entſtanden iſt. Da hier die Culpa durch einen doloſen Entſchluſs be - gründet wird; ſo kann man die, einem ſolchen Fall zum Grunde liegende Willensbeſtimmung eine durch Dolus beſtimmte Culpa (culpa dolo determinata) nennen*)Vergl. d. Betrachtungen über Dolus und C. Betr. XIII. und XIV.. Gewöhnlich betrach - tet man ſie als Art des Dolus, nennt ſie dolus indirectus und glaubt, daſs der Verbrecher, indem er die eine Rechtsverletzung directewill,**)iſt daher weſentlich von dem Fall verſchieden, der dem ſo genannten indirecten Dolus zum Grunde liegt. Aber gewöhnlich wird er von unſern Rechts - lehrern auf das unverzeihlichſte in ihren Unter - ſuchungen über den ind. Dolus mit dieſem ver - wechſelt. — Ausführlich iſt von dieſem Unter - ſchied gehandelt in d. Betrachtungen über Dolus u. C. Betr. XI.53V. d. verſchied. mögl. Arten e. Strafg. z. übert. will, in die entſtandene per indirectum ein - willige*)Der Erfinder des indirecten Dolus iſt Nettelbladt Diſſ. de homicidio ex intentione indirecta commiſſo. Halae 1756. (u. mehrmals aufgelegt.) Für dieſelben iſt Boehmer ad Carpzov. Q. l. obſ. 2. — et ad art. 137. C. C. C. — Eſchenbach progr. de dolo in - directo homicidarum. Roſt. 1787. (Abgedruckt im niederſächſ. Archiv für Iurispr. und juriſt. Literatur. P. I. S. 2.) — A. v. Hoff über Verbrechen aus indirecter Abſicht. Berl. 1791. — Klein p. R. §. 123. — u. mehrere andere. Dagegen ſind beſonders: Chri - ſtiani die Chimäre des Todſchlags aus indirecter Ab - ſicht. Im Kielſchen Magazin. Hamb. 1784 Bd. I St. 3. — Derſelbe ebendaſ. Bd. II. Stck. 3. — Pütt - mann Diſſ. de diſtinctione inter animum occidendi di - rectum et indirectum e jurisprud. crim. prorſus eliminanda. Lipſ. 1789. (auch in Miſcellon. Lipſ. 1793. C. 33) — Stelzer Sendſchreiben an Chriſtiani über Verbrechen aus indirecter Abſicht. Berl. 1791. — Eccard progr. de dolo indirec[to]. Jen. 1794..
Da bey jeder Handlung eines Menſchen Abſicht der nächſte Erklärungsgrund, abſicht - liches Handeln, nach der Natur des menſch - lichen Geiſtes und nach der Erfahrung, die Regel, Hervorbringung einer Wirkung durch eine willkührliche Handlung, ohne daſs jene Wirkung Zweck der Willkühr war, eine be - ſondere, auf ungewöhnlichen Vorauſſetzun - gen beruhende, Ausnahme iſt, ſo muſs auch ein rechtswidriger Effect, welcher durch Hand - lungen einer Perſon bewirkt worden iſt, ſo lange als Zweck des Willens derſelben ange - nommen werden, bis ſich beſtimmte Gründefür54I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abſchnitt. für das Gegentheil zeigen (Facta laeſione prae - ſumitur dolus, donec probetur contrarium*)Zuerſt iſt dieſer Satz mit Recht behauptet von Grolman in d. Abh. wird Dolus bey hegangenen Verbrechen vermuthet? In der Bibliothek d. p. R. Bd. I. Stck. 2. Nr. 3 Vielleicht läſst er ſich aber noch ſtrenger erweiſen, als hier geſchehen iſt..
Die rechtliche Dauer eines Verbrechens be - ſteht in dem fortdauernden Rechte der ſtra - fenden Gewalt, für den Verbrecher eine recht - liche Folge in Anſehung der begangenen That zu beſtimmen. Ein Verbrechen dauert daher ſo lange rechtlich fort, als nicht ein Grund eingetreten iſt, der jenes Recht der ſtrafenden Gewalt aufhebt. Dieſe Gründe können ſeyn 1) eine phyſiſche 2) eine rechtliche Unmöglich - keit, einen Verbrecher wegen einer begange - nen Uebertretung zu beſtrafen.