PRIMS Full-text transcription (HTML)
Unterricht vom Blitz und den Blitz - oder Wetter Ableitern zur Belehrung und Beruhigung ſonderlich der Ungelehrten und des gemeinen Mannes.
Mit einer Kupfertafel
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Frankfurt und Leipzig,beyWeigel und Schneider1784.

Dem Durchlauchtigſten Fuͤrſten und HERRN, HERRN Chriſtian Friederich Carl Alexander, Marggrafen zu Brandenburg in Preußen, zu Schleſien, Magdeburg, Cleve, Juͤlich, Berg, Stettin, Pommern, der Caſſuben und Wenden, zu Mecklenburg und zu Croßen Herzoge; Burggra - fen zu Nuͤrnberg, ober - und unterhalb Gebuͤrgs; Fuͤrſten zu Halberſtadt, Minden, Camin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg und Moͤrs; Grafen zu Glatz, Hohenzollern, der Mark, Ravensberg und Schwe - rin; Herrn zu Ravenſtein, der Lande Roſtock und Stargard; Grafen zu Sayn und Wittgenſtein; Herrn zu Limburg ꝛc. ꝛc. Des loͤblichen Fraͤnki - ſchen Craißes Craiß. Oberſten und General Feld - Marſchall; Ihro Roͤmiſch Kaiſerl. Koͤnigl. Majeſtaͤt General-Major; Ihro Koͤnigl. Preußiſchen Maje - ſtaͤt General-Lieutenant und Obriſten uͤber drey Cavallerie Regimenter Meinem gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn.

Durchlauchtigſter Marggraf, Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr!

Unter die vielen preißwuͤrdigen Veranſtal - tungen, durch die Euer Hochfuͤrſtlich Durchlaucht Hoͤchſt Dero Lande zu be - gluͤcken eifrigſt und Landesvaͤterlich bemuͤhet ſind; iſt mit allem Recht auch die Einfuͤhrung der Wetterableiter zu zaͤhlen.

Euer Hochfuͤrſtlich Durchlaucht haben um Hoͤchſt Dero Unterthanen hierinnen mit guten Beyſpiel vorzuleuchten, an Hoͤchſt Dero eigenen Schloͤſſern den Anfang machen laſſen. Noch nicht allzuviele Laͤnder Deutſch - lands genießen dieſe Wohlthat. Um ſo ruhm - wuͤrdiger iſt es, und ein unwiderſprechlicher Be - weis von Euer Hochfuͤrſtlich Durch -lauchtlaucht gruͤndlichen Einſichten in die Natur - lehre, daß Hoͤchſt Dieſelben Sich nicht durch die Widerſpruͤche der Unwiſſenheit, und des Aberglaubens, von dieſem guten Werk ha - ben abhalten laſſen.

Da das Beyſpiel eines von ſeinen Unter - thanen verehrten und geliebten Regentens, je - desmahl bey Unterthanen mehr wuͤrkt, als die uͤberzeugenſten Lehren oder geſchaͤrfteſten Be - fehle; ſo machen Sich Euer Hochfuͤrſt - lich Durchlaucht hierdurch zugleich um Hoͤchſt Dero Lande ruͤhmlichſt verdient. Denn ſchon beeifern ſich hie und da verſchiedene wuͤrdige Maͤnner, nach Hoͤchſt Dero Bey -ſpielſpiel Wetterableiter anrichten zu laſſen; und bald hoffe ich, wird dieſes Geſchaͤft allgemein werden.

Doch! wie es mit einer jeden neuen Sa - che gehet! Sie ſeye noch ſo gut; es wird ihr von Leuten die ſie nicht verſtehen oder beurthei - len koͤnnen widerſprochen: Und dieſes Schickſaal haben auch die Wetterableiter. Da aber dieſes der allgemeinen Einfuͤhrung derſelben die groͤſte Hindernuß machet; ſo habe in gegenwaͤrtiger Schrift einen Verſuch gewagt, ob nicht die in Anſehung des Blitzes und der Wetterableiter, bey einem groſen Haufen der Menſchen herr - ſchende Vorurtheile großentheils ausgerottet werden koͤnnten.

Ich

Ich erkenne zwar wohl: Es iſt in gewiſſer Betrachtung ein gefaͤhrliches Unternehmen ſich dem Geſchrey welches von der Unwiſſenheit und dem Aberglauben wider die Wetterableiter erho - ben wird, zu widerſetzen, und ich wuͤrde es daher auch nie gewagt haben, dieſe Abhandlung, mit welcher ich ſchon geraume Zeit in meinen Ge - danken umgieng, dem Publicum zu uͤbergeben: wenn nicht der guͤnſtige Zeitpunkt erſchienen waͤre; da ich hoffen kann, daß ſie ſich des gnaͤ - digſten Schutzes Euer Hochfuͤrſtlichen Durchlaucht werde zu erfreuen haben in - dem ſie ſich mit Hoͤchſt Dero eigenen Sache beſchaͤftiget.

Da

Da nun von demjenigen Gegenſtand, wel - chen dieſe Abhandlung enthaͤlt, Euer Hoch - fuͤrſtlich Durchlaucht der preißwuͤrdige Stifter in unſerem Vaterland ſind; Da ich ferner mich nie erkuͤhnet haͤtte, dieſe Sa - che, welcher von dem großen Haufen, als einer ſchaͤdlichen und ſuͤndlichen widerſprochen wird, zu empfehlen, wenn nicht Hoͤchſt Dieſelbe ſie unternommen haͤtten und unterſtuͤtzten: ſo halte es fuͤr ſchuldige Pflicht, Euer Hoch - fuͤrſtlich Durchlaucht Hoͤchſten Nah - men dieſer Schrift vorzuſetzen, zugleich aber mich Hoͤchſt Dero Huld[und] Gnade unter -thaͤ -thaͤnigſt zu empfehlen, und unter unaufhoͤrlich bruͤnſtigſtem Gebet zu Gott um Verlaͤngerung und Begluͤckung Hoͤchſt Dero theuerſten Le - bens, mit tiefſter Ehrfurcht zu erſterben

Euer Hochfuͤrſtlich Durchlaucht. Meines Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herrnunterthaͤnigſter Diener
Johann Friederich Luz.
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Geſchichte.

Es iſt erſt dreyſig Jahre, daß ſelbſt die Gelehr - ten richtigere Begriffe vom Blitz und Donner bekommen haben. Zuvor dachte man beym Blitz und Donner, immer an eine loßgebrannte Canone. Man glaubte in der Luft ſeyen viele ſchweflichte und ſalpetrich - te Duͤnſte, dieſe wuͤrden durch einen Zufall, den man ſich ſelbſt nicht erklaͤren konnte, entzuͤndet; und dieſe verurſachten die Blitzen und Donnern. Der gemeine Mann, der ſich noch weniger als der Gelehrte vorſtel - len konnte, daß durch ein bloſes Feuer, Gebaͤude und Baͤume zerſchmettert, und Menſchen ſollten erſchlagen werden koͤnnen, nahm ſeine Zuflucht zu feurigen Ku - geln und Donnerkeilen, die ſich in der Geſellſchaft der Blizen befinden muͤßten.

Seit 1752. oder vielmehr, ſeit 1746. hat man angefangen andere Begriffe vom Donner und Blitz zu bekommen.

Man hatte ſchon lange zuvor einen phyſicaliſchen Verſuch von dem man nicht wuſte was man daraus ma - chen ſollte. Wenn man nehmlich bey Nacht, einer Ka - ze uͤber dem Ruͤcken mit der Hand etliche mahl hinweg faͤhrt, ſo entſtehen feurige Funken. Die Alten wu - ſten ſchon, daß wenn man ein Stuͤck Bernſtein an einem wollenen Tuch, oder an der Hand rieb, dann aberA 2gegen4gegen einen andern Koͤrper hinhielt, er leichte Koͤrper an ſich zog, kniſterte und in der Dunkelheit, kleine Fuͤnkchen ſehen ließ. Weil der Bernſtein, electrum heiſt, ſo nannte man dieſes Feuer, electriſches Feuer. Man bemerkte hernach auch, daß Glas, Pech, Schwe - fel, Siegellac*)Gilbert ein Engellaͤnder im 16. Jahrhundert, zeigte dieſes zu erſt in ſeinem Tractat vom Magnat. u. d. g. das nehmliche Feuer von ſich geben, wenn man ſie entweder mit der Hand, oder mit einem ledernen Kuͤſſen reibt.

Daher machte man Maſchienen in welche man Ku - geln von Glas, oder Schwefel**)Otto von Guerike ein Burgermeiſter in Magdeburg im vorigen Jahrhundert, erfand die Kugeln von Schwefel zu electriſchen Gebrauch. einſezte, und durch ein Rad herum trieb; an die Kugel aber ein Kuͤſſen anhielt. Um aber das Feuer, welches man durch das Reiben dieſer Glas und Schwefelkugeln erhielt, zu ſammeln, machte man folgende Einrichtung. Man bemerkte daß dieſes Feuer von einer geriebenen Glas - kugel, gerne auf alle Arten von Metallen loß gehet und daran fort lauft. Daß aber das Glas, Pech, Sigellac, alle Arten von Harzen, und die Seide, dieſes Feuer nicht weiter laufen laſſen. ***)Man nennet daher die Metalle, das Waſſer den thieri - ſchen und menſchlichen Koͤrper u. d. g. leitende Koͤrper des electriſchen Feuers. Hingegen Glas, Pech, alle Harzen, Schwefel, Sigellac, Seide, gedoͤrrt Holz u. d. g. nicht leitende Koͤrper des electriſchen Feuers.Daher ſtell - te man eine blecherne Roͤhre entweder auf einen Fuß von Glas oder Pech; oder hieng ſie an ſeidenen Schnuͤ - ren auf, und richtete ſie gegen eine Glaskugel, die in der erſt bemelden Maſchiene, die man Electriſirmaſchie -ne5ne nannte, gerieben wurde. Das Feuer nun welches an der geriebenen Glaskugel entſtund, lief an die ble - cherne Roͤhre. Weil aber dieſe auf glaͤſernen Fuͤſen ſtund, ſo konnte das Feuer nicht weiter gehen, und muſte an dem Metall bleiben. Beruͤhrte man dieſe metallerne Roͤhre, ſo ſprang ein kleiner Feuerfunke her - aus, der in den Koͤrper einige Empfindungen verurſa - chet ohne jedoch Heiß zu ſeyn, oder zu brennen.

Mit dieſen Maſchienen trieb man Anfangs gleich - ſam nur ein gelehrtes Spielwerk. Denn man wuſte da - mahls noch nicht dieſes Feuer zu benuzen; und man konnte nichts thun als nur dieſe Wuͤrkung der Natur zu bewundern.

Van Muͤſchenbroͤck ein Profeſſor zu Leiden in Hol - land machte darauf an dieſem electriſchen Feuer eine andere Entdeckung. Er fuͤllte eine glaͤſerne Flaſche halb mit Waſſer an, ſtellte ſie in ein metallenes Gefaͤß mit Waſſer, damit das Waſſer auſſer der Flaſche ſo hoch ſtund, als das Waſſer in der Flaſche; und ließ von der blechernen Roͤhre der Electriſirmaſchiene einen Drath gehen, um zu ſehen ob auch das Waſſer, daß electri - ſche Feuer annehmen wuͤrde. Als er darauf den Drath der in das Waſſer gieng mit der einen Hand beruͤhrte, und mit der andern Hand das mit Waſſer angefuͤllte metallene Gefaͤß hielt, in welchem die Glasflaſche ſtund; ſo bekam er eine ſehr heftige Erſchuͤtterung, die jener aͤhnlich iſt, welche ein Menſch der vom Donner geruͤhrt wird empfinden kan.

Winkler ein ſehr geſchickter Profeſſor der Natur - lehre zu Leipzig, kam durch dieſen Verſuch zu erſt auf den Gedanken; das electriſche Feuer ſeye das nehm - liche welches ſich beym Blitz befindet.

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Der beruͤhmte Franklin, dem die americaniſchen Staaten groſentheils die Erlangung ihrer Freyheit zu verdanken haben, verfiel etliche Jahre darauf auf die nehmliche Meynung. Um ſich aber zu uͤberzeugen ob ſeine Vermuthung gegruͤndet ſeye oder nicht, erdachte er ein ſehr ſonderbahres Mittel.

Es iſt bekannt daß die Knaben an manchen Orten, zu ihrem Spiel einen ſogenannten Drachen in die Luft ſteigen laſſen. Dieſer iſt nichts anders als ein oval geformter Reif den ſie mit Papier uͤberziehen, in deſſen Mitte aber eine lange Schnur beveſtigen. Wenn man bey einigem Wind dieſen Drachen mit Vortheil ſchwin - get, ſo wird er von der Luft in die Hoͤhe gefuͤhrt. Mit der an ihm befindlichen Schnur aber kan man ihn nach - Wohlgefallen regieren.

Einen ſolchen Drachen nahm Franklin, flochte aber in die Schnur, mit dem er ihn in die Wolken ſteigen ließ, einen feinen metallenen Drath die ganze Laͤnge hindurch, ein; An das untere Ende der Schnur, knuͤpfte er eine ſeidene Schnur, und ließ ihn alſo zur Zeit eines herannahenden Donnerwetters in die Hoͤhe ſteigen. Franklin ſchloß: wenn das Feuer des Bli - tzes eben dasjenige Feuer ſeyn wuͤrde, welches man von der electriſchen Maſchiene erhaͤlt; ſo muͤſte es aus den Wolken, in den Drath der in die Schnur einge - flochten war, und an dieſem die ganze Laͤnge herab, biß auf die Erde gehen. Weil aber an das untere Ende der Schnur, ein Stuͤck ſeidener Schnur ange - bracht war, ſo muͤſſe das Feuer dadurch aufgehalten werden, und an der metallenen Schnur bleiben.

Es geſchahe auch was Franklin vermuthete. Denn als er die metallene Schnur mit dem Finger beruͤhrte, ſo fuhren Funken heraus, die jenen Funcken vollkommenaͤhn -7lich waren die man durch die Electriſirmaſchiene be - kommt. Je naͤher aber die Wetterwolken heran ruͤck - ten deſto heftiger wurden die Funken; Endlich ver - ſtaͤrkten ſie ſich ſo ſehr, daß man ſie ohne Lebensgefahr nicht mehr aushalten konnte.

Kaum war Franklin uͤberzeugt, daß das Feuer des Blitzes und das ſogenannte electriſche Feuer einer - ley ſeye; ſo dachte er daran, wie man der Gewalt die - ſes Himmelsfeuers Einhalt thun, und von den Gebaͤu - den moͤgte ableiten koͤnnen. Die electriſir Maſchiene muſte nun hierinnen den beſten Unterricht geben. Die - ſe belehrte ihn, daß das electriſche Feuer dem Metall nachgehe; Daß es ferner ſeinen Gang im ſtillen fort - ſetze, wenn das Metall auf dem es fortwandert, zu - ſammenhaͤngend iſt; und endlich, daß das electriſche Feuer ſich in der Erde, beſonders im Waſſer verliere.

Die Erfahrung die man zuvor ſchon bey unzaͤhli - gen Wetterſchlaͤgen hatte, beſtaͤttigte dieſes alles. Man weiß zur Genuͤge, daß wenn der Blitz in ein Ge - baͤude einſchlaͤgt, er von einem Metall auf das an - dere gehet; ferner daß er keinen Schaden oder Verwuͤ - ſtung anſtellet, ſo lange er unabgeſetzt, an einem Me - tall Z. B. an einen Drath fortlaufen kan, und end - lich das ein jeder Blitz den Erdboden ſuchet, in wel - chem er ſeine Gewalt endiget und ſich verliert.

Franklin machte aus dieſem den Schluß daß wenn man von dem oberſten Gipfel eines Gebaͤudes, einen dicken Drath ununterbrochen biß in den Erdboden fuͤh - ren wuͤrde; der Blitz, wenn er auf das Gebaͤude ſchla - gen ſollte, an dem Drath biß in die Erde laufen muͤ - ße, ohne an dem Gebaͤude Schaden anzurichten. Die - ſes war der erſte Entwurf zu den Wetterableitern.

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Er fand aber bald noch einen andern guͤnſtigen Um - ſtand hiezu. Er entdeckte nehmlich daß wenn er an eine geladene electriſche Maſchiene, ſchon in einer wei - ten Entfernung, eine metallene Spitze brachte, die Spitze bey Nachtzeiten feurig erſchien: ferner, daß dieſe in der Entfernung ſchon feurige Spize, das Feuer aus der geladenen Maſchiene ſtillſchweigend abfuͤhrte, ſo daß wenn man mit der Spitze langſam immer naͤher gegen die Maſchiene ruͤckte, ihr ſchon alles Feuer ge - raubt wurde, ehe die Spitze der Maſchiene ſo nahe kam, daß noch ein Funke darauf ſchlagen koͤnnte. Dann auch: daß wenn man gleich ſehr ſchnell mit der Spitze an die geladene Maſchiene fuhr, der Funke den man durch ſie auslockte, ſehr ſchwach wurde, weil ſich ſchon, auch waͤhrend dem ſchnellen hinfahren an die Maſchie - ne, ſehr viel Feuer ſtillſchweigend durch die Spitze hinweggezogen hatte, und folglich dadurch der Schlag geſchwaͤchet werden muſte. Und endlich, daß die Spi - tze weit naͤher an eine geladene Maſchiene kommen muͤ - ße, als eine Kugel, wenn ein Schlag oder Funke er - folgen ſollte.

Durch dieſe Erfahrungen bewogen, ſchlug Frank - lin vor, auf die Gebaͤude ſpitzige Stangen zu ſetzen, und von dieſen einen Drath biß in die Erde zu fuͤhren. Denn er ſchloß mit Recht aus obigen Verſuchen. Erſtlich, daß eine Spitze eine annaͤherende Wetter - wolke ſchon in der Entfernung und zwar ſtillſchweigend anfange auszuladen. Anderns, wenn gleich eine Wetterwolke ſehr ſchnell gegen das Gebaͤude getrieben werden ſollte, ſo daß die Spitze in der Geſchwindig - keit nicht alles Feuer der Wolcke ſollte abfuͤhren koͤn - nen; der Schlag doch wenigſtens ſehr gemindert wer - de, indem durch die Spitze, vor der Erfolgung desSchlags,9Schlags, wenigſtens ein ſehr groſer Theil des Feuers abgeleitet werde. Endlich, daß wenn ein Schlag auf den ſpitzigen Ableiter erfolgen ſollte, die Wolke dem Gebaͤude naͤher kommen muͤße, als ſie um in ein Gebaͤude ohne ſpitzigen Wetterableiter einſchlagen zu koͤnnen, noͤthig gehabt haͤtte; daß daher alle jene Wol - ken die ſchon in einer weitern Entfernung von einem Gebaͤude ohne Ableiter, in daſſelbe wuͤrden eingeſchla - gen haben, nun nicht mehr einſchlagen koͤnnen wenn das Gebaͤude mit einem ſpitzigen Wetterableiter ver - ſehen iſt.

Voll Vertrauens auf dieſe Grundſaͤtze uͤberredete Franklin die Einwohner von Philadelphia, an ihre Haͤuſer Wetterableiter nach ſeinen Grundſaͤtzen anzule - gen. Was er vielleicht in keiner Stadt Europens wuͤr - de haben ins Werk richten koͤnnen, bewuͤrkte er bey die - ſen ſeinen Landesleuten. In kurzer Zeit war die ganze Stadt mit Wetterableitern verſehen. Die regelmaͤſi - ge Anlage der Stadt, erleichterte dieſes Geſchaͤft. Denn oͤffters konnte durch einen oder zwey Ableiter, die ganze eine Helfte einer Straße, geſichert werden. Der Erfolg hievon war auch erwuͤnſcht, und der Nu - tzen augenſcheinlich. Philadelphia war ſonſten dem Ein - ſchlagen des Blitzes auſſerordentlich ausgeſezt. Kein Jahr vergieng wo nicht der Blitz in dieſer Stadt etli - che zwanzigmahl Zerſtoͤrung anrichtete. Seit dem ſie aber mit Wetterableitern verſehen iſt, ſoll, wie verſi - chert wird, der Bliz nicht ein einzigesmahl mehr ein - geſchlagen haben. Ohnmoͤglich kan ich zwar dieſes mir alſo erklaͤren, als ob gar kein Blitz mehr auf die Stadt geſchlagen haͤtte, ſondern ich glaube es habe nur dieſen Verſtand; daß das Wetter theils lange nicht mehr ſo oft eingeſchlagen habe, theils daß wenn esA 5geſche -10geſchehen, die Schlaͤge durch die Wetterableiter gluͤck - lich von den Gebaͤuden ab und in die Erde geleitet wor - den ſeyen.

In Europa fieng man zwar auch bald an, dieſe herrliche Frankliniſche Erfindung zu benutzen. Aber das Werk wollte doch in dieſem Lande, ob es gleich das Land der Wiſſenſchaften genannt zu werden verdient, keinen rechten Fortgang bekommen. Nicht nur der Poͤbel, ſondern auch Halbgelehrte widerſetzten ſich ei - nem ſo heilſamen Unternehmen, und ſahen es entweder als eine gefaͤhrliche Sache, oder als einen Eingrif in die goͤttliche Vorſehung und Strafgerechtigkeit an. Haͤt - ten nicht Koͤnige und Fuͤrſten den Anfang mit Anle - gung der Wetterableiter gemacht, und durch ihr Anſehen und Gewalt dieſes gute Werk befoͤrdert; ſo wuͤrden wir ohne Zweifel in Europa noch keinen oͤffentlich auf - gerichteten Wetterableiter aufweiſen koͤnnen. Es wuͤr - de fuͤr ein Staatsverbrechen und fuͤr eine Verſuchung Gottes angeſehen worden ſeyn, wenn eine Privatperſon den Anfang mit Anlegung eines Wetterableiters haͤtte machen wollen. Die Nachbarn wuͤrden ſchwere Klagen erhoben, und der Poͤbel mit Tumult gedrohet haben. Die Gerichte, in denen nicht allezeit Naturforſcher praͤſidiren, wuͤrden entweder aus Unwiſſenheit ein der - gleichen Unternehmen als gefaͤhrlich verdammt und un - terdruͤckt haben; oder ſie wuͤrden wenigſtens der Raſe - rey eines aufgebrachten blinden Poͤbels haben nachge - ben muͤſſen.

Ich erdichte hier nichts zur Schande unſers Va - terlandes. Es ſind That Sachen und es waͤre mir ein leichtes, dergleichen wuͤrkliche Auftritte anzufuͤhren. Bloß die Bewegungen, die in der Chur-Pfalz und in Chur-Baiern uͤber die Anlegung der Wetterableiter entſtanden ſind, darf ich hier oͤffentlich melden, da ſiein11in den Ephemeridibus ſocietatis Meteorologicae palatinae 1781. umſtaͤndlich erzaͤhlet werden. Maxi - milian Theodor, der Pfaͤlzer und Baiern Churfuͤrſt, ein eben ſo groſer und gruͤndlich gelehrter Naturfor - ſcher, als weiſer und guter Regent beſchloß zuerſt unter den Fuͤrſten Deutſchlands die Wetterableiter in ſeinen Landen einzufuͤhren. Auf ſeinem Luſtſchloß Schwet - zingen ließ er den erſten Wetterableiter anlegen. Kaum war es geſchehen, ſo wurde er mit Bitten ſeiner Unter - thanen uͤberhaͤuft, es entweder zu unterlaſſen, oder wenigſtens ſich nicht an einem ſo gefaͤhrlichen Ort auf - zuhalten. Allein er mußte, um die Vorurtheile zu widerlegen, dieſe Bitte ſeiner Unterthanen verſagen. Er wohnte dem naͤchſten Sommer auf ſeinem mit Wetterableitern verſehenen Luſtſchloß ruhig, waͤhrend dem ſein Volk bey jedem Wetter aͤngſtlich um ſein Le - ben beſorgt war. Das folgende Jahr ließ er auch an ſeinem Schloß zu Mannheim einen Wetterableiter an - richten; zwar nicht ganz ohne Beaͤngſtigung, aber ſchon mit mehrerer Beruhigung der Einwohner; da ſie wuſten, daß ihr Churfuͤrſt bereits einen Sommer un - ter einem Wetterableiter ſicher zugebracht hatte. Im dritten Jahr fiengen ſchon viele Privatperſonen an, die Wetterſtangen aufrichten zu laſſen, und bald wur - den ſie allgemein.

Nun fiel dieſem groſem Reichsfuͤrſten auch Chur - Baiern durch Erbſchaft zu. Daher dachte er gleich darauf, auch ſein Muͤncher Schloß und das Sommer - Schloß zu Nymphenburg, durch Wetterableiter vor dem Blitz zu verwahren. Aber hier geſchahe, was man kaum denken ſollte. Der Poͤbel wurde von der Geiſtlichkeit an - geſtiftet, ſich dieſem Unternehmen zu widerſetzen. Es entſtund alſo ein Tumult, und die Wetterableiter mu - ſten unter dem Schutz der Waffen aufgerichtet werden. Kaum12Kaum aber hatte ſich die erſte Furcht etwas verlohren, ſo waren die Geiſtlichen, die ſich am meiſten wider die Wetterableiter ſetzten, die erſten, die ſie an ihren Cloͤ - ſtern aufrichteten.

Durch die weiſe Vorſorge unſers Durchlauchtig - ſten Herrn Marggrafens iſt es dahin kommen, daß jetzt auch in unſerm Lande Wetterableiter angelegt werden. Da dieſes Werk unter Landesherrſchaftlicher Autoritaͤt geſchiehet, ſo wagt es zwar niemand, ſich darwieder zu ſetzen. Allein die Welt iſt ſich doch uͤberall gleich. Es fehlt daher auch hier nicht an Leuten, die unver - ſtaͤndig genug ſind um theils in der Stille, theils oͤffent - lich wider ein ſo gutes Werk zu murren, und es theils als ein ſuͤndliches, theils ſchaͤdliches Unternehmen zu verlaͤſtern. Da ich aber uͤberzeugt bin, daß derglei - chen Leuten, ſo bald ſie von der Sache gruͤndlich unter - richtet ſind, nicht nur der Mund geſtopfet werden kan, ſondern daß ſie dann vielleicht die erſten ſeyn werden, welche ſich, die Ihrigen, und ihre Guͤtter, vor den ſchaͤdlichen Wuͤrkungen des Blitzes durch Ableiter ver - wahren werden; ſo habe ich mich entſchloſſen, dieſer Claſſe Menſchen zu gut, gegenwaͤrtige kleine Abhand - lung drucken zu laſſen.

Ich finde daß wider die Wetterableiter ſonderlich zwey Einwuͤrfe gemacht werden. Der erſte iſt; Es ſeye eine gefaͤhrliche Sache in einem Hauße oder auch ſogar nur neben einem Hauße zu wohnen, welches mit Wetterableitern verſehen iſt. Der andere aber; es ſey ein Eingriff in die[goͤttliche] Regierung und Vorſe - hung, wenn man ſich und die Seinigen wider Don - ner und Blitzen, welche Gort zu Werkzeugen erſchaffen, um ſeine Rache und Straffen damit uͤber die Welt auszuuͤben, verwahren wollte. Ich gehe nun an die Widerlegung dieſer zwey Einwuͤrfe.

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Erſter Einwurf.

Man haͤlt demnach die Wetterableiter fuͤr gefaͤhr - lich, und zwar aus dem Grunde; weil ſelbige die Wettermaterie oder das Blitzfeuer an ſich ziehen, und man folglich bey jedem Wetter in Gefahr ſtehe, daß ein Blitz nach dem andern, der ſonſten lange nicht an das Gebaͤude wuͤrde gekommen ſeyn, an dem Ab - leiter hinfahre, das Haus erſchuͤttere, die Einwohner erſchroͤcke, oder wohl bey dem geringſten Zufall, oder bey dem geringſten Fehler den der Ableiter haben oder bekommen koͤnnte, oder auch bey einer, durch einen heftigen Schlag erfolgten Zerreiſung des Ableiters, in das Hauß fahren, und ſeine gewoͤhnlichen ſchroͤckli - chen Verwuͤſtungen anrichten koͤnnte.

Wenn der Einwurf alſo lautete: die Wetterableiter ſeyen nicht im Stande zu verhindern, daß nicht doch auf ſie ein Bliz losſchlagen koͤnnte; oder auch: ſie ſtel - leten ein Gebaͤude nicht ganz ſicher, ſo muͤßte man ihn zugeben. Es iſt nur allzu gewiß, daß auch auf einen Ableiter der Blitz noch ſchlagen kan. Zwar geſchiehet dieſes ſehr ſelten, und man kann nur wenige Beyſpie - le hievon anfuͤhren. Allein es geſchiehet doch. Zu Nierſtein, 9 Stunden von Mannheim wurde erſt kuͤrz - lich an den Thurm, in welchen das Wetter ſchon oft einſchlug, ein Ableiter angebracht. Etliche Wochen darauf ſchlug das Wetter auf den Ableiter, der Blitz fuhr aber nicht mehr in den Thurm, ſondern an dem Ableiter in die Erde. Das nehmliche geſchahe den 30 Junii an dem graͤfl. Arkoiſchen Schloß Ober-Koͤllen - bach zu Au in Baiern an einer Wetterſtange, die 39. Spizen hatte. Ferner zu Duͤſſeldorf den 27. Juni aneiner14einer Wetterſtange des Pulvermagazins. An dem St. Marcusthurm zu Venedig den 10. Jul. und den 18. Aug. 1783. zu Nymphenburg wo der Blitz die Wetter - ſtange krum gebogen. Man denke alſo von den Wetterab - leitern nicht, als ob ſie den Blitz ganz abwendeten. Wenn eine Wolke von einem heftigen Sturm ſo ſchnell gegen den Ableiter hingetrieben wird, daß ſie ihn erreicht, ehe die Spitze des Ableiters im Stande war, alle electriſche Materie aus der Wolke zu rauben, und in die Erde zu fuͤhren; ſo kan des Ableiters ohngeachtet ein Schlag er - folgen. Der Schlag trift aber nur den Ableiter, und lauft ohne Schaden des Gebaͤudes, an der Kette ruhig in die Erde.

Anderns. Wenn ein Gebaͤude oder Thurm ſo hoch ſtuͤnde, daß eine gegen ihn anziehende Wetterwol - ke, tiefer gehen ſollte als die Spize des Ableiters iſt; ſo koͤnnte der Blitz entweder auf den untern Theil des Ableiters, oder wenn die Wolke vor und der Ableiter hinter dem Gebaͤude ſtehen ſollte, ſelbſt in das Ge - baͤude einſchlagen. Allein ein ſolcher Fall laͤßt ſich bey - nahe gar nicht gedenken. Bloß ein Thurm von jener Hoͤhe, wie der St. Stephans Thurm in Wien iſt, deſſen Hoͤhe nemlich 434½ Wiener Schuhe betraͤgt, koͤnnte vielleicht das erſt bemeldete Schickſaal haben.

Drittens. Man hat ſchon verſchiedentlich und mit hinlaͤnglicher Gewißheit wahrgenommen, daß man - che Blitze aus dem Erdboden entſtehen und in die hoͤhe fahren. Sollte nun der Bliz in einem Gebaͤude ſelbſt entſtehen und von der Erde in die Wolken fah - ren, ſo koͤnnte es freylich geſchehen, daß da der Ablei - ter auſer dem Gebaͤude iſt, er zur Ableitung des Blitzes nichts nuͤzte, und der Blitz auch in einem, mit einemAblei -15Ableiter verſehenen Gebaͤude Verheerung anſtellete. Aber zum Gluͤck iſt auch dieſer Fall der allerſeltenſte.

Viertens. Wenn ein Gebaͤude alſo eingerichtet waͤre, daß von ſeiner oberſten Spitze biß auf den Erd - boden, in demſelben eine fortgeſezte und beynahe zu - ſammenhaͤngende Reihe von Metallen gienge; Z. E. wenn die Ecken des Dachs anſtatt der gewoͤhnlichen hohl Ziegel mit Blech bedeckt waͤren! Wenn ferner rings um das Dach eine kupferne Rinne gienge; Wenn end - lich von dem unterſten Stockwerk an, biß zu oberſt unter das Dach und zwar ſehr nahe an die Dachrinne hin, Draͤthe liefen mit welchen die gewoͤhnlichen Hauß - glocken gezogen werden; ſo koͤnnte, wenn eine von einem heftigen Sturm getriebene Wolke, ſchnell auf den Ableiter ſchlagen ſollte, der Blitz eben ſowohl ſeinen Gang an den Metallen, durch das Gebaͤude, als auſſer demſelben an der Ableitungskette in den Erdbo - den nehmen. Allein dieſer Umſtand, ob er gleich aus Unachtſamkeit uͤberſehen werden koͤnnte, kan doch von einem klugen Bauverſtaͤndigen bey Anlegung eines Ab - leiters, groͤſtentheils vermieden werden. Auch muß ich noch bemerken daß ſowohl in dieſem als in dem an - gefuͤhrten zweyten Fall, der Schlag kaum um ein zehn - theil ſo ſtark ſeyn koͤnnte als er ſeyn wuͤrde, wenn kein Ableiter an dem Gebaͤude waͤre; da die Atmos - phaͤre der Wetterwolken ſich ſehr weit erſtrecket, und daher der Ableiter im Stande iſt, vor dem erfolgten Schlag den groͤſten Theil des Feuers ſtillſchweigend abzuleiten.

Aus allemdem bisher angefuͤhrten erhellet zur Genuͤge, daß man von den Wetterableitern keineswegs behaup - ten koͤnne, als ob ſie das Loßſchlagen des Blitzes auf den Ableiter gaͤnzlich verhinderten; ingleichen auchnicht16nicht; daß ſie das Einſchlagen des Blitzes in das Ge - baͤude ſelbſt ganz unmoͤglich machten. Beydes kan ge - ſchehen, und iſt auch ſchon geſchehen.

Alles was ſich zum Vortheil der Wetter Ableiter ſagen laͤßt, kan daher in folgende Saͤtze gebracht wer - den. 1. Die Wetterableiter laden ſchon von Ferne die Wetterwolken ſtillſchweigend aus, und verhindern vielfaͤltig und meiſtentheils den wuͤrklichen Ausbruch des Blitzes oder deſſen Loßſchlagen. Aus dieſem Grund waͤren ſie ſchon ſchaͤtzbar. 2. Wenn ein wuͤrklicher Schlag erfolgen ſollte ſo iſt er wenigſtens geſchwaͤcht, weil die Spitze des Ableiters, ſchon vor Ausbruch des Schlags, einen groſen Theil des Feuers abgefuͤhrt hat. 3. Wenn ein wuͤrklicher Schlag geſchehen ſollte, ſo gehet der Blitz gewoͤhnlich an der Ableitungskette biß in den Erdboden, ohne dem Gebaͤude Schaden zu thun. 4. Nur in den aller ſeltenſten Faͤllen, die ſich aber kaum gedenken laſſen, koͤnnte des Ableiters ohn - geachtet der Blitz in das Gebaͤude ſchlagen. Unter dieſe ſeltene Faͤlle iſt zu rechnen, wenn ein Blitz im Ge - baͤude ſelbſt entſtehet und von der Erde in die Wolken ſchlaͤgt. Oder wenn die Wolken tiefer gehen ſollten als der Ableiter ſtehet. Oder wenn ein Gebaͤude vom Dach an biß auf den Erdboden, eine fortgehende Reihe Metalle Z. B. Draͤthe, Rinnen, Stangen u. d. g. in ſich enthalten ſollte. [Oder] endlich auch wenn der Ableiter ſelbſt ſehr fehlerhaft angelegt waͤre.

Es iſt demnach ein Wetterableiter wenigſtens beſ - ſer und ſicherer fuͤr ein Gebaͤude, als wenn es keinen hat, da der Ableiter viele Blitze die auf das Ge - baͤude ſchlagen wuͤrden, ſtillſchweigend ableitet, und nicht ausbrechen laͤßt; andre aber die unvermeidlich ſind, an der Ableitungskette, ohne Schaden des Ge -baͤudes,17baͤudes, in die Erde leitet. Sollten die Ableiter auch nicht im Stande ſeyn, in den erſt angefuͤhrten auſſer - ordentlichen Faͤllen, alle Schlaͤge von den Gebaͤuden abzuhalten, ſo iſt es doch gewiß kluͤger, geſetzt auch man ſollte nicht alle abwenden koͤnnen, wenn man die Gebaͤude wenigſtens von dem groͤſten Theil der Blitze verwahrt, als wenn man ſie ganz ohne Schutz laſſen wollte; zumahl da der Ableiter doch wenigſtens auch in dem ungluͤcklichſten Fall, die Heftigkeit des Schlags mindert, indem er vor dem erfolgten Schlag, den groͤ - ſten Theil des Feuers ſtillſchweigend abgefuͤhret hat. Der Kluge waͤhlt ſchon unter zwey Ubeln das geringſte; und in zweifelhaften Faͤllen gehet er wenigſtens denje - nigen Weg, auf welchem er nach aller Wahrſchein - lichkeit, die meiſte Sicherheit findet.

Ich komme nun der Aufloͤſung des oben angefuͤhrten erſten Einwurfs naͤher, und beweiſe aus Gruͤnden und Erfahrungen die mit der Electriſirmaſchine gemacht werden koͤnnen; daß die Wetterableiter wuͤrklich das elec - triſche Feuer aus den Wetterwolken abfuͤhren, dabey aber keineswegs die Wetterwolken herfuͤhren, oder ein haͤufigeres Schlagen des Blitzes auf den Ableiter verur - ſachen[.]Ich habe oft ſchon bemerkt, daß auch Leute die einige, aber nicht vollkommene Erkentnuͤß von der Electricitaͤt haben, in dem Wahn ſtehen, als ob die Wetterableiter die Wetterwolken, Blitze und Schlaͤ - ge, die ſonſt nie an das Gebaͤude wuͤrden gekommen ſeyn, erſt herfuͤhren. Es kommt dieſer Gedanke, ohne Zweifel von dem Ausdruck, Wetterableiter her; und man ſchließt daraus; weil die Wetterableiter die Blitze in die Erde leiten; ſo muͤſſen alle Blitze eines ganzen Wetters auf dieſelben zugehen. Ich geſtehe, daß vie - leicht ſelbſt einige Gelehrte, die allzu vortheilhaft vonBWetter -18Wetterableitern gedacht, und geglaubt haben, man wuͤrde durch viele Wetterableiter, ein ganzes[ Wetter-] ableiten und entkraͤften koͤnnen, nicht wenig zu dieſer Meynung beygetragen haben. Allein die Wetterab - leiter, leiten nur aus denjenigen Wetterwolken, die nahe ober ihnen vorbey ziehen, die electriſche Materie ab. Sie ziehen aber keine Wolken an ſich, und wenn eine Wolke nicht ohnehin ober dem Wetterableiter weg - ziehen wuͤrde, ſo wuͤrde der Wetterableiter keineswegs im Stande ſeyn ſie erſt herzufuͤhren. Ja! der Wet - terableiter iſt ſogar hinderlich, das die Wetterwolke nicht ſo tief auf die Erde ſincken kan, als ſie ohne Ab - leiter thun wuͤrde.

Es liegt mir nun ob dieſes zu beweiſen. Da ich aber bereits gezeiget habe, daß man durch die Electriſir - maſchine das nehmliche Feuer hervorbringen koͤnne, welches beym Blitz iſt; und da man mit der Maſchine alle die Erſcheinung die man beym Blitz wahrnimmt, im kleinen nach machen kan; ſo laͤßt ſich die Eigen - ſchafft des Blitzfeuers, durch die Electricitaͤt ſehr gut[und] uͤberzeugend erkennen.

Ich bitte nur meine Leſer, die mit der Electricitaͤt noch nicht bekannt ſeyn ſollten, meine nun folgende Er - klaͤrung mit Aufmerkſamkeit zu durchleſen, und die auf der Kupfertafel angebrachte Zeichnungen dabey zu Rath zu ziehen.

1. Erfahrung. Das electriſche Feuer entſtehet an der Maſchine, wenn man die Glaskugel drehet, und ein Kuͤſſen von Leder daran anhaͤlt. Folglich iſt das Reiben dieſer zwey Koͤrper Urſache daß das electri - ſche Feuer hervorkommt. Ich entſcheide nicht ob das in der Luft befindliche Feuer durch das Reiben erſt ent - zuͤndet wird, oder ſich nur aus der Luft an den gerie -benen19benen Koͤrper hinziehet. Das leztere ſcheint mir wahr - ſcheinlicher.

Fragt man, wie kommt das electriſche Feuer in die Wolken? ſo kann mans aus obigem erklaͤren Die Luft gehoͤrt zu denjenigen Koͤrpern, welche das electri - ſche Feuer an ſich nicht fortlaufen laſſen, an denen aber, wenn ſie mit einem anderen Koͤrper gerieben werden, das electriſche Feuer zum Vorſchein kommt. Wenn daher die Luft von einem andern Koͤrper gerie - ben wird; ſo entſtehet dadurch ſogut als durch das Rei - ben einer Glaskugel, das electriſche Feuer. Nun reibt ſich die Luft durch ihre beſtaͤndige Bewegung nicht nur an ſich ſelbſt, ſondern auch an den verſchiedenen Duͤn - ſten, die in der Luft ſchweben. Daher kan durch das Reiben der Luft, das electriſche Feuer in der Atmos - phaͤre entſtehen.

Vielleicht hat man um das Entſtehen des electri - ſchen Feuers in den Wetterwolken zu erklaͤren, nicht einmahl noͤthig zu dem Reiben der Luft, ſeine Zu - flucht zu nehmen. Das electriſche Feuer befindet ſich beſtaͤndig im Erdboden, und auf deſſen Oberflaͤche; weil man es zu allen Zeiten und an allen Orten der Welt, durch die Electriſirmaſchine hervorbringen kan. Ohnezweifel iſt dieſes Feuer, welches allenthalben aus - gebreitet iſt, ſchon von derjenigen Eigenſchaft, wie man es durch die electriſche Maſchine bekommt, und im Blitz ſiehet, das heiſt: Es wird nicht erſt durch das Reiben der Glaskugel von einer andern Beſchaffenheit, als es von Natur iſt, nehmlich nicht erſt entzuͤn - det, ſondern durch dieſes Verfahren nur an einem gewiſſen Koͤrper, dahin man es leitet, angehaͤuft, und nach ſeiner Anſammlung, wenn es in Geſtalt ei - nes Funkens aus dem Koͤrper wieder ſpringet, ſicht -B 2bahr.20bahr. Da nun das electriſche Feuer nicht nur den Metallen, ſondern auch dem Waſſer nachgehet; ſo kan es mit den Duͤnſten, die von der Erde in die Hoͤhe ſteigen gleichfals in die Hoͤhe gehen. Sammeln ſich dieſe Duͤn - ſte in Wolken, ſo wird auch zugleich das electriſche Feuer in der Wolke angehaͤuft. Zur Beſtaͤttigung dieſer Hypo - theſe fuͤhre ich eine Erfahrung des Hr. Geiſtlichen Rath Hemmers im Mannheim an. *)Siehe Ephemerides ſocietatis meteorologicae Palatinae 1781.Dieſer Gelehrte hat von dem Thurm des Churfuͤrſtlichen Schloßes, einem Wet - terobleiter alſo herabgefuͤhrt, daß alles electriſche Feuer, am Ende an einer duͤnnen Stange, durch das Zimmer laufen muß, ehe es in den Erdboden gehet. Die Stange aber kan unterbrochen werden, und hat allda groſe metallene Kugeln. Stellet man dieſe in einiger Entfernung von einander; ſo ſiehet man bey Herannaͤ - herung eines Wetters, von einer Kugel auf die ande - re, ſtarke Funken ſpringen. Weil aber dieſes bey wuͤrk - lich angekommenen Wetter gefaͤhrlich werden koͤnnte; ſo ruͤckt man alsdenn die Kugeln beynahe zuſammen, damit Hoͤchſtens nur ganz kleine Funken ſpringen koͤn - nen. Man leitet aber das vom Wetterableiter herab - laufende Feuer zugleich noch durch eine Maſchine, die aus zwey von einander abſtehenden metallenen Platten beſtehet. An eine jede Platte iſt eine metallene Spitze angebracht, die gegen die andere Platte hinſiehet. Die metallenen Spitzen nun ſtroͤmen in Geſtalt feuri - ger Ruthen das electriſche Feuer von ſich, wenn es aus ihnen heraus gehet, ſehen aber nur als feurige Punkte oder Sternchen aus, wenn ſie das Feuer von einem andern electriſchen Koͤrper annehmen oder in ſich ziehen. Durch Huͤlfe dieſer Spitzen hat HerrHem -21Hemmer nun gefunden daß waͤhrend eines Donnerwet - lers das electriſche Feuer, an dem Ableiter, von den Wolken bald auf die Erde laufe, bald aber von der Erde an dem Ableiter wieder in die Hoͤhe gehe.

Lauft nun das electriſche Feuer an dem Ableiter von der Erde in die Wolken, ſo kan und wird es auch an den Duͤnſten, und vielleicht auch Regentropfen das nehmliche thun.

2te Erfahrung. Fig. 1. iſt a ein groſer Cylin - der. Man kan ihn von weiſem Blech machen laſſen, ingleichen auch von Holz oder Pappendeckel, in wel - chem Fall aber man ihn mit Stanniol oder Spiegelfo - lie uͤberziehet. Er iſt mit ſeidenen Schnuͤren b b. an die Decke eines Zimmers aufgehaͤngt. An dieſen Cylin - der leitet man das electriſche Feuer von der Electriſier - maſchine, und ladet ihn damit. Es giebt hiebey fol - gende Erſcheinungen.

Erſtlich, naͤhert man ihm einen andern Koͤrper Z. B. eine metallene Kugel c. die von einem Menſchen gehal - ten wird, oder von welcher eine Kette biß auf den Erd - boden gehet; ſo ſpringt alles im Cylinder enthaltene Feuer auf einmahl in Geſtalt eines Feuerfunkens auf die Kugel e. und zwar ehe noch die Kugel den Cylinder ganz beruͤhrt.

Zweytens. Bringt man gegen den Cylinder a. ei - nen andern gleich groſen Cylinder, der auch an ſeide - nen Schnuͤren aufgehaͤngt iſt; ſo bekommt der zweyte Cylinder nur die Haͤlfte von dem Feuer das im Cylin - der a. war, und die andere Haͤlfte bleibt in dem er - ſtern Cylinder. In dieſem Fall iſt der Funke auch nur halb ſo groß.

B 3Drit -22

Drittens. Je groͤſer der Cylinder a. iſt, deſto groͤſer und ſtaͤrker wird der Funke der an die gegen ihn gehaltene Kugel e. ſpringt.

Viertens. Je groͤſer der Cylinder a. und folglich auch ſein Funke iſt, einen deſto weitern Sprung macht der Funke, wenn man eine Kugel e. an den Cylinder a. haͤlt. Herr Nairne in Engelland hat einen Cylin - der, der 10. Schuh lang und 1. Schuh dick war, mit electriſchen Feuer geladen, und dadurch. Funken be - kommen, die 17. Zoll weite Spruͤnge machten.

3te Erfahrung. Der Sprung den ein electri - ſcher Funke, aus dem Cylinder a. Fig. 1. gegen einen andern Koͤrper Z. B. gegen die Kugel e. macht, kan nach Verſchiedenheit der Umſtaͤnde bald laͤnger bald kuͤr - zer werden.

Erſtlich. Wenn man an den Cylinder a. ein Stuͤck Metall c. welches ſich in einen ſtumpfen Kegel, oder ſtumpfen Spitze endiget anbringt, und mit der Hand die Kugel e. dagegen haͤlt; ſo macht der Funke einen ſehr groſen Sprung. Ich habe durch einen Cylinder welcher 6 biß 7. Quadratfuß Oberflaͤche hat, durch dieſes Mittel Funken bekommen, die Zoll weit ſpran - gen. Sie machen hiebey einen vollkommen ſo geſchlaͤn - gelten Gang, wie man an dem Blitz wahrnimmt.

Zweytens. Setzt man auf den Kegel c. eine Me - tallene Kugel d. und haͤlt die Kugel e. dagegen; ſo wird der Funke mehr als um die Haͤlfte biß zwey drit - theil kuͤrzer.

Drittens. Haͤlt man gegen die Kugel d. einen ſtumpfen metallenen Kegel, wie etwan der Kegel e. iſt, ſo ſpringt der Funke wiederum nicht ſo weit, als wenn man die Kugel e. angehalten haͤtte.

Vier -23

Viertens. Lockt man, anſtatt der Kugel e. ſich zu bedienen, den Funken mit einer metallenen Spitze aus; ſo bekommt man wenn man mit der Spitze lang - ſam gegen den geladenen Cylinder faͤhrt, gar keinen Funken, und man hoͤrt nur ein Ziſchen. Stoͤſt man aber die Spitze ſehr ſchnell gegen den Cylinder; ſo erfolgt zwar ein Funcke, aber er iſt ſo ſchwach daß man ihn kaum merkt, und ſein Sprung iſt ſo kurz, daß man mit der Spitze beynahe ganz an den Cylinder kommen muß.

4te Erfahrung. Fig. 2. iſt ein Staͤbchen tro - ckenes Holz. Oben daran befeſtigt man eine metallene Kugel a. Auf das Staͤbchen aber leimt man die gan - ze Laͤnge herab, ein Striefchen Stanniol b. c. Den Stanniol aber unterbricht man an verſchiedenen Orten d d d d d indem man kleine Stuͤckchen davon heraus ſchneidet. Nimmt man nun das Staͤbchen bey c. in die Hand, und beruͤhrt mit der Kugel a. den gelade - nen Cylinder Fig. 1. ſo ſiehet man in der Dunkelheit bey d d d d d. Funken. Es erhellet daraus daß der electriſche Funke wenn er aus dem Cylinder in die Er - de ſpringt, ſo lange er an einem Metall ununterbro - chen fortlaufen kan, unſichtbahrbleibt; daß er aber wenn die Metalle unterbrochen ſind, Spruͤnge macht, und dann ſichtbahr wird. Dabey aber iſt noch zu merken: daß alle dieſe Spruͤnge zuſammen genommen, in Anſe - hung der Laͤnge zwar etwas, aber nur etwas weniges mehr betragen, als wenn der Funke vom Cylinder a. Fig. 1. an die Kugel e. nur einen einzigen Sprung ge - macht haͤtte. Z. B. der Funke waͤre wenn er nur ein einzigesmahl ſpringen darf Zoll lang; ſo kan er wenn er an ſtatt des einzigen groſen Sprungs, meh - rere kleine macht, zuſammen genommen etwan einenB 4Sprung24Sprung von 2. Zollen machen. Wollte man daher mit dem Staab Fig. 2. den Funken auslocken; ſo duͤrfen die leeren Zwiſchenraͤume d d d d d. wo das Metall unterbrochen iſt, (es moͤgen deren viele oder wenige gemacht werden,) zuſammen genommen nicht viel mehr als ohngefaͤhr 1 Zoll betragen; weil fuͤr den Sprung, den der Funke vom Cylinder auf den Knopf a. macht, auch ohngefehr 1 Zoll gerechnet werden muß. Sind die leeren Zwiſchenraͤume d d d d d. ent - weder zu weit, oder deren zu viel, ſo kan gar kein Fun - ken aus dem Cylinder gezogen werden.

5te Erfahrung. Fig. 3. iſt bey a. eine metalle - ne Kugel, an welche eine metallene Kette, die bey b. durch ein Gelenk zuſammen gehaͤngt worden, befeſtigt iſt. Laͤſſet man nun an die Kugel a. einen ſtarken elec - triſchen Funken, Z. B. von einer geladenen Leidner Flaſche ſpringen; ſo lauft der Funke unſichtbahr bis an das Gelenk b. Hier aber gehet er nicht mehr dem Me - tall nach, neben um die Biegung herum, ſondern er erwaͤhlt den graden und kuͤrzſten Weg, und macht von c. biß d. zwey Spruͤnge.

Man ſiehet hieraus, daß der electriſche Funke, einen kuͤrzern Weg in die Erde, einem weitern vorzie - het, wenn er gleich im erſten Fall einen kleinen Sprung machen muͤſte, und im zweyten Fall, ohne Sprung fortlaufen koͤnnte.

6te Erfahrung. Fig. 4. iſt a. eine Kugel vom Metall, an welche zwey metallene Draͤthe c. d. befe - ſtiget ſind. Der Drath c. gehet ununterbrochen bis in den Erdboden, der Drath d. aber beruͤhrt zwar den Erdboden, iſt aber bey b. unterbrochen, und des - wegen nur mit einem ſeidenen Faden zuſammen ge - haͤngt. Nimmt man den Drath e. weg, und laͤſt aufdie25die Kugel a. von einer Leidner Flaſche einen Funken ſchlagen; ſo ſiehet man ihm auch bey b. einen Sprung machen. Sind aber die zwey Draͤthe c. und d. mit der aͤuſern Seite der Flaſche verbunden, ſo lauft der Funke dem Drath c. nach, und vermeidet den Sprung bey b. an dem Drath d.

Hieraus fließt nun ein Erfahrungsſaz, daß nehm - lich der electriſche Funke, in dem Fall wenn ſein Weg zur Erde an zwey Draͤthen von gleicher Laͤnge ſeyn koͤnnte; er den Weg an einem ununterbrochen fortlau - fenden Drath, einem Sprung den er an einem abge - ſezten Drath machen muͤſte, vorziehe.

7te Erfahrung. Ein Cylinder der ſtark geladen iſt, hat um ſich einen Dunſtkreiß oder Atmosphaͤre. Das heiſt, ſein Feuer ſtroͤmt unſichtbar um ihm herum. Je groͤſer der Cylinder und je ſtaͤrker er geladen, deſto weiter erſtreckt ſich ſein Dunſtkreiß. Man darf um ſich von dieſer Atmosphaͤre eines mit electriſchen Feuer ge - ladenen Coͤrpers zu uͤberzeugen, nur ſein Geſicht auf 8 10. Zolle ihme naͤhern, ſo wird man einen Wind fuͤhlen, oder vielmehr etwas, welches dem aͤhnlich iſt, wenn uns Spinnengewebe in das Geſicht kommen. Die Haare des Hauptes werden gegen den electriſchen Coͤrper angezogen. Eine Nadelſpitze die man dagegen haͤlt, wird in einer Entfernung von 1 biß Schuh auch noch weiter, feurig. Streuet man Goldblaͤttchen auf einen metallenen Teller, und haͤlt ſie in einiger Entfernung unter dem electriſchen Koͤrper, ſo fliegen ſie in die Hoͤhe. Kleine ausgeſchnittene Figuren fan - gen an zu tanzen, und der Streuſand ſteigt im Geſtalt einer ſtuͤrmiſchen Staubwolke in die Hoͤhe.

Auch von Wetterwolken ſtroͤmt eine electriſche At - mosphaͤre aus; und weil Wetterwolken die groͤſten,B 5mit26mit electriſcher Materie geladene Koͤrper ſind; ſo kan man ſich leicht gedenken, daß ihre Atmosphaͤre ſehr weit reichen muͤſſe. Herr Hemmer hat an ſeinem oben angefuͤhrten Wetterableiter gefunden, daß er ſchon Feuer zeigte, wenn eine Wetterwolke auch noch gegen 2000. Schritte entfernet war. Daß Herr Hemmer dieſe Entfernung mit moͤglichſter geometriſcher Genauig - keit werde angegeben haben, laͤßt ſich nicht zweifeln. Daß ſich die Atmosphaͤre einer Wetterwolke biß auf den Erdboden erſtrecke, kan auch ohne dieſes bewieſen werden. Es iſt nehmlich bekannt genug daß zuweilen der Staub von der Erde, in Geſtalt groſer Wolken, biß an die Wolken gezogen wird. Der gemeine Mann nennet dieſe Erſcheinung Windsbraut. Dieſes ge - ſchiehet ſowohl wenn ein ganzes groſes Wetter heran ziehet; als auch wenn oͤfters nur eine einzige Wolke uͤber der aufſteigenden Staubwolke ſtehet. Das dieſe Erſcheinung aber von nichts anders, als von der At - mosphaͤre der Wetterwolken herkomme, iſt daraus ſicht - bahr; weil dieſe Erſcheinung niemahls, wenigſtens nicht mit genugſamer Staͤrke entſtehet, als wenn Wet - terwolken am Himmel ſind; ferner weil ſie oͤfters ſchon bey vollkommener Windſtille ſich ereignet, und kein anderer Wind ſich gezeiget hat, als nur derjenige der die Staubwolke in die Hoͤhe hob; und endlich weil man ſchon oͤfters bemerkte, daß wenn dieſe aufſteigen - de Staubwolke ſehr hoch und nahe an die uͤber ihr ſte - hende Wetterwolke gekommen war, ein Blitz entſtan - den iſt.

Dieſes alles beweißt nun daß eine Wetterwolke ſehr weit ausſtroͤme, oder eine groſe Atmospaͤhre habe. Ich komme jetzt auf die

Ver -27

Verſuche mit dem electriſchen Thurm.

Den electriſchen Thurm welcher Fig. 5. abgebildet worden, habe ich aus Pappendeckel zuſammen ge - ſezt. Seine Laterne aber und Kuppel beſtehet aus Dre - her Arbeit. Von ſeiner Spitze a. an, gehet außen ein Drath herab, welcher einen Wetterableiter vor - ſtellet. Auch inwendig habe ich vom ganzen Thurm herab, Draͤthe gefuͤhrt. Sie haͤngen aber nicht ganz zuſam - men, ſondern ſind hie und da ein wenig unterbrochen. c. iſt ein hoͤlzerner Staab, welcher der Laͤnge nach durchbohrt worden. d. iſt ein andres Stuͤck Holz wel - ches in dem Staab c. auf und abgeſchoben, und mit der Schraube i. feſt geſtellt werden kan. In das Holz d. iſt eine Glasroͤhre e. eingekuͤttet, und in dieſe iſt ein Meßinger ſtumpfer Stift befeſtigt. Auf dieſem Stift f. dreher ſich ein dicker meßinger 3 biß 4. Schuh langer Drath g. l. in einer Pfanne k. herum, und vertritt die Stelle eines Wagbalkens. Bey g. und l. ſind glaͤſerne Kugeln angebracht, damit der Waagbal - ken, wenn er mit electriſchem Feuer geladen iſt, nicht ausſtroͤme, und man ihn auch im erforderlichen Fall anfaſſen koͤnne, ohne ihm ſein Feuer zu rauben. Die Kugel g. iſt etwas groß und ſchwer, damit ſie das noͤ - thige Gleichgewicht gebe. h. iſt eine metallene Kugel, die an einen Drath geloͤthet worden, und an den Wag - balken gehaͤnget wird. Dieſe Kugel h. ſoll eine Gewit - terwolke vorſtellen. Wenn man ſie aber ſo groß ma - chen wollte, daß man aus ihr einen betraͤchtlichen Fun - ken ſollte locken koͤnnen, ſo wuͤrde ſie ſchwer und die Wage dadurch ſehr unempfindlich werden. Ich machte ſie demnach nur klein, verband aber mit dem Stift f. durch Haͤlfte des Draths m. einen groſen metallenenCylin -28Cylindet Fig. 1. Iſt dieſer mit electriſchem Feuer angefuͤllt; ſo iſt es eben ſo viel, als ob die Wolke h. von der Groͤſe des Cylinders waͤre, da das electriſche Feuer, wegen der Verbindung mit dem Draͤthen, an der Wolke h. eben ſo ſtark und kraͤftig iſt, als am Cylinder Fig. 1.

Es iſt dieſes eine Erfindung des Herrn Franklin,*)Siehe deſſen Briefe. nur daß dieſer anſtatt meines Waagbalkens den ich vom Langenbucher**)Siehe deſſen Beſchreibung einer Electriſirmaſchine Sei - te 138. entlehnt habe, einen gewoͤhnli - chen Waagbalken gebrauchte. Ich weiß daher nicht, warum dieſe Anrichtung erſt neuerlich, als eine neue Erfindung des Herrn Kirchhofs ausgegeben wurde.

8te Erfahrung. Ich nahm den Ableiter b. ab; ſteckte auf die Thurmſpitze a. eine metallene Kugel, und fieng an den Cylinder Fig. 1. zu electriſiren. Die Wolke h. zog ſich augenblicklich herab, und gab einen Funken auf die Kugel die ich auf die Thurmſpitze ge - ſteckt hatte.

Wenn ich anſtatt des Cylinders Fig. 1. eine groſe Leidner Flaſche nahm, und dem Wagbalken etwas tiefer ſtellte, ſo zog ſich die Wolke, ſo bald die Flaſche voll - kommen geladen war, auch auf den Thurm herab, ſchlug ein, zuͤndete, oder ſchlug einen Laden heraus, oder zerſplitterte Holz je nachdem ich die Einrichtung machte. Der Electricitaͤtkundige weiß wie dieſe Ein - richtungen gemacht werden, ingleichen auch, daß der Boden des Thurms mit der aͤuſern Seite der Flaſche in Verbindung ſtehen muͤſſe.

9te Erfahrung. Ich machte den vorigen Ver - ſuch, nur blos mit der Abaͤnderung daß ich die Ablei -tungs29tungskette b b b b b. an den Thurm anbrachte. Die Wolke zog ſich wieder herab und der Schlag er - folgte, gieng aber nicht mehr in den Thurm, ſondern verfolgte die Ableitungskette.

10te Erfahrung. Von der Spitze a. nahm ich die metallene Kugel wieder ab, und fieng abermahl an zu electriſiren. Die Ableitungskette war angebracht. Die Wolke h. ſchwebte zwar uͤber der Spitze a. beſtaͤn - dig herum, zog ſich aber nicht herab. Ich ſtellte die Wolke h. ganz niedrig, und nur ein paar Zolle uͤber die Spitze a. Deſſen ohngeachtet erfolgte kein Funke oder Schlag, und die Wolke leerte ſich an der Spitze ſtill - ſchweigend aus. Man bemerkt dieſes an dem beſtaͤn - digen Ziſchen, und bey Nacht ſiehet die Spitze feurig aus.

11te Erfahrung. Nachdem alles blieb wie zu - vor, ſtieß ich die glaͤſerne Kugel g. in die Hoͤhe, da - mit die Wolke h. mit groſer Geſchwindigkeit an die Thurmſpitze fahren moͤgte. Es erfolgte nunmehr zwar ein Funke, aber dieſer war ſo ſchwach, daß er kaum den Zehntentheil von der Staͤrke desjenigen Fun - kens hatte, der bey der 8ten und 9ten Erfahrung er - folgte.

12ter Verſuch. Ich richtete neben dem Thurm eine Stange auf; pflanzte allernaͤchſt neben der Thurm - ſpitze, und zwar in gleicher Hoͤhe mit ihr, eine metal - lene Kugel hin, und ließ von ihr eine Kette auf den Boden gehen. Ich gedenke mir hierunter ein neben einem Blitzableiter ſtehendes Gebaͤude. Die Wolke ſtellte ich ſo hoch als ſie beym 8ten und 9ten Verſuch war, als wobey ſie ſich auf die Kugel herab gezogen und einen Funken gegeben hatte. Ich fieng an zu electriſiren, konnte es aber nicht dahin bringen, daß ſichdie30die Kugel herab zog. Die Spitze des Thurms raubte alles Feuer aus der Wolke, und verwahrte dadurch auch die neben ihr ſtehende metallene Kugel, unter der man ſich ein benachtbahrtes Gebaͤude gedenken kan, vor dem electriſchen Funken.

13ter[Verſuch]. Ich ſtieß hierauf die Glaskugel g. in die Hoͤhe, damit die Wolke h. in groͤſter Ge - ſchwindigkeit auf die Thurmſpitze und auf die neben ihr ſtehende metallene Kugel fahren moͤgte. Es erfolgte dadurch ein Funke und Schlag, nicht auf die Spitze, ſondern auf die neben ihr ſtehende metallene Kugel. Al - lein der Schlag war geſchwaͤcht, und kaum den vierten Theil ſo ſtark, als er wuͤrde geweſen ſeyn, wenn keine Spitze neben der Kugel geſtanden haͤtte.

14ter Verſuch. Ich ließ die vorige Einrichtung, ſtellte aber die Wolke ſo tief, daß ſie nur um ein paar Zoll uͤber der Thurmſpitze und der daneben ſtehenden Kugel ſtund. Sobald ich anfieng zu electriſiren ſtellte ſich die Wolke zwiſchendie Thurmſpitze und die metal - lene Kugel, und ließ ganz ſchwache Funken auf die me - tallene Kugel ſpringen, die Spitze aber blieb verſchont.

Dieſe Erfahrungen und Verſuche werde ich nun - mehr auf den Blitz und die Wetterableiter anwenden.

Vom Blitz.

Erſtlich fragt ſich, wie entſtehet und entzuͤndet ſich der Blitz in den Wolken die doch mit Waſſer gefuͤllt ſind?

Seit dem man die oben angefuͤhrten merkwuͤrdigen Entdeckungen in der Electricitaͤt gemacht hat, iſt die Aufloͤſung dieſer Frage keiner Schwuͤrigkeit mehr un - terworfen. Man weiß nehmlich nach der erſten Er - fahrung die ich angefuͤhrt; daß ſich das electriſche Feuerim31im Waſſer ſowohl als an den Metallen anhaͤufet. Daß es aber nach der zweyten Erfahrung auf einmahl gaͤnz - lich in ſichtbahrer Geſtalt als ein Funke, aus dem Koͤr - per an dem es ſich angeſetzet hatte herausfuͤhrt, ſobald ein anderer nicht electriſcher Koͤrper in einiger Entfer - nung ihm nahe kommt. Geſezt nun eine mit electri - ſchem Feuer angefuͤllte Wolke gehe ſo tief, daß das in ihr befindliche Feuer wenn es herausſpringt die Erde mit ſeinem Sprung erreichen kan; ſo ſchlaͤgt es in die Erde. Es braucht alſo keiner beſondern Entzuͤndung.

Anderns, fragt man: Wie kan das Feuer das aus einer Wolke auf die Erde ſpringt, einen ſo groſen Sprung machen, daß es die Erde er - reichet, da der Sprung eines electriſchen Funkens an der beſten Maſchine, kaum einige Zolle be - traͤgt?

Ich habe bey der zweyten Erfahrung angefuͤhrt, daß der Funke der aus einem geladenen groſen Cylinder ausgelocket wird, weiter ſpringt als der Funke aus ei - nem kleinen Cylinder. Nun bedenke man, daß man - che Wetterwolke einen Raum von mehrern tauſend qua - drat Ruthen enthaͤlt. Kan nun ein Cylinder des Herrn Nairne von ohngefehr 30. quadrat Schuhen Flaͤche, ſchon einen Funken von Schuh Laͤnge geben; welch einen Sprung muß erſt ein Funken machen koͤnnen, der aus einer mit electriſchen Feuer geladenen viele tauſend quadrat Ruthen groſen Wolke kommt! *)Gelehrte, fuͤr welche ich dieſe Anmerkung beyſetze, wer - den ohne daß ich es ſage, aus obigem, meine Gedanken uͤber die Eigenſchaft des electriſchen Blitz Funkens erken - nen. Es iſt nur unmoͤglich ihn mit dem Funcken einer Leidnerflaſche zu vergleichen, ſo ſehr ſich auch die Gelehr -ten

Fer -32

Ferner habe ich bey der dritten Erfahrung gezeigt daß ein Funke mehr als noch ſo lang werde, wenn er aus einer ſtumpfen Spitze ſpringt. Nun ſind aber dieWol -*)ten bemuͤhet haben, von Hrn. Franklin an, biß zum Hrn. Cavallo, auf eine ſinnliche Art, die Aehulichkeit des Blitz - funkens mit dem electriſchen Funken einer Leidnerflaſche, darzuthun. Man vergliche die geladene Wolke mit dem in - nern Beleg der Flaſche. Eine andere nicht geladene Wolke oder die Erde, mußte die Stelle des aͤuſern Belegs der Fla - ſche vorſtellen. Und endlich die zwiſchen den zwey Wolken, oder der geladenen Woicke und der Erde befindliche Luft, mußte die Stelle des Glaſes bey der Leidnerflaſche erſetzen. Um nun durch einen electriſchen Verſuch zu beweiſen, daß die Sache auf dieſe Art angehe, hieng man eine groſe hoͤlzerne mit Zinnfolie uͤberzogene Scheibe, an ſeidenen Schnuͤren auf. In einiger Entfernung unter ihr ſtellte man eine gleich groſe aͤhnliche Scheibe, die mit dem Erd - boden Communication hatte. Dieſe zwey Scheiben ſahe man als das aͤuſere und innere Beleg einer Leidnerflaſche, und die dazwiſchen befindliche Luft, als das Glas der Flaſche an. Man electriſirte nun die obere Scheibe und lockte durch einen Drath, der an die untere Scheibe befeſtigt war, aus der obern einen Funken, der mit dem Funken einer Leid - nerflaſche alle Aehnlichkeit hatte nur daß er nicht ſo ſtark war. Siehe Cavallo theoretiſche und practiſche Electri - citaͤt Seite 183. Ich habe wieder dieſen Verſuch zwar nichts einzuwenden. Ob er aber das beweiſt was er beweiſen ſoll, iſt noch ſehr ungewiß. Man weiß daß der Funke der aus einer Leid - nerflaſche ſpringt, ſehr kurz iſt; und daß dieſer immer kuͤr - zer wird, oder weniger weit ſpringt, je groͤſer die Fla - ſche iſt, oder je mehrere Flaſchen zuſammen geſtellet ſind. Daher iſt der groͤſte Funke, den man durch Leidner - Flaſchen erhalten kan, kaum ¾ Zoll lang. Nun macht aberder33Wolcken keine runde glatte Koͤrper, wie eine metallene Kugel; ſondern, der Funke mag aus ihr ſpringen von welchem Ort er will, ſo iſt die Wolke zu betrachtenals*)der Funke der aus einer Wolke ſpringt, und den man fuͤr den groͤſtmoͤglichſten anſehen kan, einen Sprung von vie - len Ruthen. Wie ſchickt ſich dieſes zum Funken einer Leid - nerflaſche? Nimmt man hingegen an: der Funke des Blitzes ſeye einem electriſchen Funken aͤhnlich den man durch die einfache Elec - tricitaͤt, aus einem bloſen Leiter bekommt; ſo iſt alles leicht zu erklaͤren. Denn je groͤſer der Leiter iſt, deſto groͤſer wird der Funke. Und je groͤſer der Funke, deſto weiter ſpringt er. Eine Wolke iſt der groͤſte Leiter den man ſich denken kan. Daher kan ſie auch, bloß nach der einfachen Electricitaͤt behandelt, einen Funken abgeben, der alle die Wuͤrkung, die man beym Blitz antrift, hervorbringen kan. Dieſer groſe Funke iſt dann im Stande den groſen Sprung zu bewuͤrken, den man am Blitz ſiehet. Man hat bey dieſer Erklaͤrung nicht noͤthig, ſeine Zuflucht zu der bekannten Frankliniſchen Hypotheſe, von der poſi - tiven und negativen Seite der Leidnerflaſche zu nehmen, welche ob wir gleich noch keine beſſere Theorie von der Electricitaͤt haben, doch immer Hypotheſe bleibt. Das heiſt die immer noch nicht unlaͤugbar erwieſen, die vielmehr mit genug Zweifeln und Schwuͤrigkeiten ver - knuͤpft iſt. Ich glaube Herr Nairne in Engelland und die Herren der Koͤniglichen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften, denken vom Blitzfunken auch nicht anderſt als ich. Denn als erſterer durch electriſche Verſuche entſcheiden wollte, ob die ſtum - pfen oder ſpitzigen Wetterableiter vorzuͤglicher ſeyen; ſo bediente er ſich nicht der Leidnerflaſchen, ſondern eines ſehr groſſen Cylinders, und die Gelehrten der Grosbrit - tanniſchen Societaͤt waren damit zufrieden.34als ein Koͤrper der aus unzaͤhligen ſtumpfen Spitzen beſtehet. Daher kan der aus ihr ſpringende Funke, einen mehr als noch ſo weiten Sprung machen, als er wuͤrde gemacht haben, wenn er von einer glatten me - tallenen Kugel abgeſprungen waͤre.

Drittens fragt man. Warum trift der Blitz gemeiniglich die hoͤchſten Gebaͤude, oder Baͤume, ingleichen Menſchen und Thiere.

Hiebey iſt zu merken daß dieſes nicht allgemein richtig ſeye, als ob der Blitz nur in die hoͤchſten Ge - baͤude einſchlage. Man hat Beyſpiele auch vom Ge - gentheil. Die Sache verhaͤlt ſich alſo. Wenn eine Wetterwolke gegen mehrere Gebaͤude oder einen Wald anziehet, und die Wolke gehet ſo tief daß der Funke der aus ihr ſpringet, mit ſeinem Sprung die Erde erreichen kan, ſo ſchlaͤgt die Wolke loß, oͤfters ſogar in die Erde, oͤfters aber auch an den ihr am naͤchſten ſtehenden Gegen - ſtand, wenn gleich hinter demſelben hoͤhere ſtehen ſollten. Denn da die Wolke der Erde nahe genug iſt, daß ſie in die Erde ſchlagen kan, ohne daß durch das Auf - ſpringen auf einen Gegenſtand ihr Funke erſt einer Ver - laͤngerung noͤthig haͤtte; ſo braucht ſie nicht erſt weiter fortzuziehen, und ein hoͤheres Gebaͤude oder Baum zu ſuchen. Sollte aber unter mehreren zu aͤußerſt ge - gen eine tief heranziehende Wetterwolke ſtehenden Baͤumen oder Gebaͤuden, ein beſonders hohes ſeyn; ſo gehet der Blitz auf dieſes vorzuͤglich zu, weil er durch daſſelbige am leichteſten ſeinen Weg in den Erdboden nehmen kann.

Sollte die Wetterwolke noch nicht ſo tief gehen, daß ihr Funke den ſie abgeben kan, lang genug waͤre, um durch ein niedriges Gebaͤude oder Baum in die Er - de ſchlagen zu koͤnnen; ſo ziehet ſie uͤber die niedrigenGe -35Gebaͤude weg, und ſchlaͤgt erſt ein, wenn ſie an ein hoͤheres ſtoͤßt.

Ueberhaupt erwaͤhlt der Blitz unter mehreren Ge - baͤuden dasjenige zum Einſchlagen, worinnen die Me - talle von oben biß unten, am beſten zuſammen haͤn - gen; damit er nicht noͤthig habe viele Springe zu machen.

Daß aber der Blitz lieber durch Gebaͤude und Baͤu - me einen Weg in den Erdboden ſuchet, als daß er gerade zu in den Erdboden ſchlaͤge, kommt daher; weil nach der oben angefuͤhrten dritten Erfahrung, der electriſche Funke einen etwas weitern Sprung machen kan, wenn er zuvor ehe er die Erde erreicht, erſt noch auf einen andern Gegenſtand ſpringen kan.

Was die Menſchen und Thiere betrift, als welche ebenfals ſehr gerne vom Blitz getroffen werden; ſo muß man bemerken.

Erſtlich. Den Grund oder die Urſache warum dieſes geſchiehet. Man weiß aus electriſchen Verſu - chen, daß das electriſche Feuer beynahe eben ſo gerne auf den menſchlichen und thieriſchen Koͤrper, als auf die Metalle loß gehe. Warum dieſes geſchehe laͤßt ſich wohl zum Theil, aber nicht ganz erklaͤren. Der menſch - liche und thieriſche Koͤrper beſtehet nehmlich meiſten - theils aus waͤſſerichten Theilen. Nun iſt aber das Waßer ein Leiter der electriſchen Materie. Allein der thieriſche Koͤrper iſt ein beſſerer Leiter als das Waſ - ſer: daher muß in dem thieriſchen Koͤrper noch etwas anderes ſeyn, welches das electriſche Feuer gerne an - nimmt. Dieſes Etwas befindet ſich aber nur in dem lebendigen, nicht aber toden thieriſchen Coͤrper Ein Funke von einer Leidnerflaſthe der z. E. durch den Kopf einer lebendigen Mauß ſpringt und ſie toͤdet, gehetC 2wenn36wenn das Thier tod iſt: nicht mehr durch den Kopf, ſondern macht uͤber demſelben einen Sprung. Ich vermuthe mit vieler Wahrſcheinlichkeit, daß die natuͤr - liche Waͤrme des thieriſchen Leibs, die Urſache hievon ſeye. Man weiß ja daß Koͤrper, die gar keine leiten - de Koͤrper der electriſchen Materie ſind, z. B. Glas und Pech, das electriſche Feuer an ſich fortlaufen laſ - ſen, ſobald man ſie ſtark erwaͤrmet. Man weiß fer - ner, daß ein Licht, welches man nahe an eine Elec - triſirmaſchine ſtellet, alles Feuer aus der Maſchine raubt, und verhindert daß man einen Cylinder oder Flaſche nicht laden kan. Dieſes denke ich, beweiſe zur Genuͤge, daß die natuͤrliche Leibes Waͤrme eine Haupturſache ſeye, warum der Blitz und uͤberhaupt das electriſche Feuer, ſo gerne auf den thieriſchen Koͤr - per loß gehe. In einem weit hoͤhern Grad muß die - ſes noch geſchehen wenn der Leib ſehr erhizt iſt, und ſtark ausduͤnſtet. Ich habe auch wuͤrklich ſchon oft be - merkt, daß ein ſehr ſtark erhizter oder von Natur feue - riger Menſch aus einem geladenen Cylinder allezeit ſtaͤr - kere Funken loken konnte, als ein anderer ſchwaͤchlicher phlegmatiſcher, oder ſtark abgekuͤhlter Menſch.

Anderns muß man auch die Art und Weiſe, oder die Umſtaͤnde erwaͤgen, unter welchen Thiere und Men - ſchen, vom Blitz getroffen werden.

Wenn der Blitz in ein Gebaͤude ſchlaͤgt, ſo nimmt er ſeinen Weg durch alle die Metalle, die vom obern Theil des Gebaͤudes biß auf den Erdboden, am beſten zuſammen haͤngen, damit er nicht noͤthig habe allzu viele oder allzugroſe Spruͤnge zu machen. Kommt nun ein Menſch in dieſe Richtung, oder macht er durch ſeine Stellung die Kette von Metallen, an welchen der Blitz gehen kan, erſt noch vollſtaͤndiger; ſo muß ernoth -37nothwendig vom Blitz getroffen werden; da hingegen ein anderer der gleichwohl nicht weit davon entfernet iſt, aber auſſer dieſen Verbindungskreiß oder Kette von Metallen ſtehet, verſchonet bleibt.

Befindet ſich ein Menſch oder Thier auf dem freyen Feld, und es kommt eine Wetterwolke die ſo niedrig geht, daß ſie in den Erdboden ſchlagen kan; ſo faͤhra[t]der Blitz auf den Menſchen oder das Thier; weil der thieriſche Koͤrper die electriſche Materie am leichteſten annimmt, und durch ſich am leichteſten weiter in die Erde fuͤhrt. Wenn das Thier oder der Menſch ſtehet, ſo iſt er noch uͤberdiß der hoͤchſte Gegenſtand, und kan daher der Blitz am leichteſten auf ihn fahren.

Schlaͤgt ein Blitz in einem Baum, und es befin - den ſich unter demſelben Menſchen oder Thiere, ſo muͤſſen dieſe nothwendig getroffen werden. Denn der thieriſche Koͤrper iſt ein beſſerer Leiter der electriſchen Materie als ein Baum. Es ſpringt daher der Blitz vom Baum ab, und gehet auf die Thiere oder Men - ſchen, weil dieſe ihn lieber annehmen, und weil er von dieſen leichter gar in den Erdboden gehen kan. Ein Baum der vielleicht vom Blitz verſchont geblieben waͤ - re, wird getroffen, wenn ſich, Menſchen oder Thiere unter ihm befinden; weil nun mehr auf dieſe der Blitz lieber zugeht, und von dieſen leichter als durch den blo - ſen Baum in den Erdboden geleitet werden kan.

Sollten ſich an einem Ort wo ein Blitz einſchlaͤgt, mehrere Thiere oder Menſchen in Geſellſchaft beyſammen befinden, es ſeye in einem Gebaͤude oder unter freyen Him - mel, oder unter einem Baum; ſo koͤnnen nach Beſchaf - fenheit der Umſtaͤnde entweder alle, oder nur einige ge - troffen werden. Z. E. Es ſtuͤnden unter einem Baum Menſchen oder Thiere in einer fortlaufenden Linie naheC 3an38an einander, die Linie mag gerade oder krum ſeyn. Ei - ner oder der andere aber waͤre auſſer dieſer Linie; den andern zur Seite, ſo werden, wenn der Blitz auf den Baum faͤhrt, alle diejenigen die in der Linie ſtehen ge - troffen, die andern aber entweder gaͤnzlich verſchont, oder wenigſtens nur erſchuͤttert.

Sollten unter einem Baum, in welchen der Blitz trift, viele Menſchen oder Thiere, ſehr nahe beyſam - men ſtehen oder liegen, wie etwan eine Heerde Schafe; ſo koͤnnten ſie alle getroffen, und wenn der Blitz ſehr ſtark iſt, auch alle getoͤdet werden. Die Urſache hie - von iſt, weil der Blitz, nachdem er in Geſtallt eines Funkens aus einer Wolke geſprungen iſt, ſich wieder an einem andern Ort, es ſeye ein Waſſer oder Erde, oder thieriſche Koͤrper oder Steine, auszubreiten trach - tet. Er lauft an dieſen Koͤrpern fort, biß er nach und nach immer mehr von ſeiner Maße verliert, und end - lich gaͤnzlich zertheilet wird. Diejenigen Koͤrper aber die gute Leiter der electriſchen Materie ſind, nehmen natuͤrlicher Weiſe mehr electriſches Feuer von dem Funken des Blitzes in ſich, als ſchlechte Leiter. Es verliert ſich daher der Blitz leichter in den Metallen, als in den thieriſchen Koͤrpern: In dieſen leichter als im Waſſer und marmor Steinen. In harten Stei - nen leichter als in weichen. In Steinen uͤberhaupt leich - ter als im Erdboden, und in einem feuchten Erdboden leichter als in einem trockenen. Wenn daher der Blitz unter einen Haufen nahe an einander ſtehender Menſchen oder Thiere kommt; ſo ſucht er ſich in dieſen, die beſ - ſere Leiter ſind, als die Erde, lieber auszubreiten und zu verlieren, als im Erdboden, und trift entweder ei - nen großen Theil oder alle dieſelben. Doch verliert eram39am Ende immer mehr von ſeiner Kraft; und die letz - ten empfinden ihn am ſchwaͤchſten.

Viertens. Begehrt man zu wiſſen, warum der Blitz wenn er in ein Gebaͤude ſchlaͤgt, hier und da herum ſpringet; ſo wird man bey genauer Unterſuchung allezeit finden, daß er die Metalle auf - ſuche; daß er ruhig fortlaufe ſo lange er auf einem un - unterbrochen fortgehenden Metall z. E. an Draͤthen, gehen kan; daß er aber einen Sprung mache, wenn ſich das Metall endigt, und er wieder ein anderes auf - ſuchen muß. Alles dieſes wird durch die Eigenſchaft des electriſchen Funkens, welcher ebenfalls dem Metall nachgehet, nach der 4ten Erfahrung deutlich und er - klaͤrbar.

Fuͤnftens. Man fragt, warum der Blitz, wenn er in einen Baum ſchlaͤgt, ihn gemeiniglich ſpalte.

Es iſt offenbahr, daß wenn der Blitz einen Baum ſpaltet, er nicht an ihm ruhig fortlaufen koͤnne, ſon - dern daß er von den obern Theil des Baums wo er aufgeſprungen iſt, einen neuen Sprung gar biß in den Erdboden muͤſſe gemacht haben. Man hat Beyſpiele, daß der Blitz, Baͤume nicht geſpaltet, ſondern nur ihren Stamm herab, an der Rinde eine ganz kleine Spur ſeines Gangs zuruͤck gelaſſen hat. Vermuthlich waren dieſes nur ſchwache Schlaͤge, die nicht mehr im Stande waren, einen zweyten Sprung vorzu - nehmen, und die ſich begnuͤgen mußten, an den Baum, als einen ſchlechten leidenden Koͤrper des electriſchen Feuers, nur ſtillſchweigend gar in die Erde zu kommen. Man bemerkt etwas aͤhnliches bey derC 4oben40oben angefuͤhrten 4ten Erfahrung. Iſt nehmlich der Funke, den man auf die Kugel a Fig. 2. ſpringen laͤßt, nicht ſtark und raſch genug, ſo erfolgt zwar ein Fun - ke an der Kugel: In den Zwiſchenraͤumen d d d d d aber, wo der Funke noch mahl ſpringen ſollte; ſiehet man nur ein leuchtendes Feuer, welches beweiſt; daß weil der Funke zu ſchwach war, das electriſche Feuer keinen Funken mehr habe formiren koͤnnen, ſondern daß es an dem Holz, ſo ein ſchlechter Leiter es auch iſt, ſtillſchweigend abgelaufen ſey.

Iſt aber der electriſche Schlag, der auf einen Baum gehet, ſtark, ſo macht der Funke nochmahl einen Sprung Waͤre der Baum Metall ſo wuͤrde der Fun - ke ohne Sprung an ihm biß zur Erde gegangen ſeyn. Weil aber das Holz, wenn es gleich naß iſt, das ele - ctriſche Feuer doch nicht ſo gut, als das Metall weiter leitet, ſo ziehet der Blitz einen Sprung vor. Allein weil ein naſſes Holz die electriſche Materie doch einiger - maſſen ableitet, ſo nimmt der Blitz ſeinen Sprung durch den Baum ſelbſt, und zerreißt ihn dadurch.

Sechtens. Warum ſchlaͤgt es nicht bey je - dem Blitz und Donner in die Erde?

Der Blitz ſchlaͤgt nicht jedesmahl auf die Erde, ſondern meiſtentheils nur von einer Wolke in die ande - re. Wo er Raum findet ſich auszubreiten da gehet er hin; es ſey Erde oder Waſſer. Stoͤßt nun eine leere, oder nicht mit electriſchem Feuer geladene Wolke, an eine geladene, ſo erfolgt ein Blitz und Donner. Das Feuer ſpringt aus der geladenen in die nicht geladene hinuͤber, weil ſich das Feuer in dem Waſſer der nicht geladenen Wolke ausbreiten kan. Iſt aber die Wolkein41in welche das Feuer hinuͤber ſpringt, nicht weit groͤſer als diejenige, aus welcher es ſprang; ſo kan kein allzu ſtarker Funke entſtehen. Man lade einen Cylinder Fig. 1. und halte einen gleich großen, ebenfalls an ſei - denen Schnuͤren aufgehaͤngten Cylinder dagegen. Das Feuer wird zwar aus dem geladenen in den nicht geladenen Cylinder hinuͤberſpringen; der Funke aber wird nicht ſo ſtark ſeyn, als wenn man mit einer Kugel, die man in der Hand hielt, den Funken ausgelocket haͤtte. Die Urſache hievon iſt, weil im letztern Fall alles im Cylinder befindliche Feuer heraus, und durch den Menſchen in die Erde gehen kan; im erſtern Fall aber, in dem frey haͤngenden (iſolirten) Cylin - der bleiben muß. Daher findet man, nachdem der Funke erfolgt, in beyden Cylindern gleich viel Feu - er. Die Helfte blieb in dem geladenen, und die an - dere Helfte gieng in den leeren uͤber. Es gruͤndet ſich dieſes auf das Geſetz des Gleichgewichtes, und wird durch die Erfahrung beſtaͤttiget. Daher konnte der Funke nur halb ſo ſtark ſeyn. Eben ſo gehet es, wenn der Blitz von einer Wolke in die andere ſchlaͤgt. Haͤngt die Wolke in welche der Blitz ſchlaͤgt, frey in der Luft, und regnet ſie noch nicht, daß durch den Regen das Feuer auf die Erde ausfließen kann; ſo laͤßt die Luft als ein nicht leitender Koͤrper, das Feuer nicht weiter gehen. Das Feuer theilt ſich daher in zwey Wolken, und dadurch wird der Schlag nur halb ſo ſtark.

Diejenigen Wolken alſo, die ſo hoch gehen, daß der Funke, der aus ihnen faͤhrt, die Erde nicht errei - chen kan, ſchlagen nur in andere leere Wolken. Der Schlag der dabey entſtehet, iſt allezeit ſchwaͤcher, als wenn der Blitz in die Erde gehet. Deſſen ohnge -C 5achtet42achtet hoͤret man ein heftiges Rollen des Donners in den Wolken. Allein die weite Entfernung vermehret den Schall. Ich habe ſchon von verſchiedenen Per - ſonen, die in einem Zimmer waren, wo der Blitz ein - ſchlug, verſichern hoͤren; daß der Knall, den ſie da - bey gehoͤrt, gar nichts bedeutet habe, und hoͤchſtens bloß dem Knallen etlicher angezuͤndeter Schwaͤrmer gleich gekommen ſey; da man doch außer dem Hauſe nur in einiger Entfernung von dieſem Blitz, ein entſetz - liches Knallen und Raſſeln hoͤrte.

Begegnen ſich zwey gleich ſtark geladene Wetter - wolken, ſo erfolgt gar kein Slag. *)Man weiß daß zwey gleich ſtark geladene Cylinder einan - der wegſtoſen und gar keinen Funken geben.Sie ſtoßen einan - der von ſich, wenn ſie alle beyde, entweder mit poſiti - ven oder negativen Feuer geladen ſind; hingegen verei - nigen ſie ſich ſtillſchweigend, wenn die eine Wolke mit poſitiven und die andere mit negativen Feuer geladen iſt. Nach der Bereinigung bekommt die Wolke jene Art von Electricitaͤt, welche in der groͤſten und am ſtaͤrkſten geladenen Wolke geweſen war. Waren aber beyde Wolken gleich ſtark, die eine mit negativen, die andere mit poſitiven Feuer geladen; ſo werden ſie nach ihrer Vereinigung ihrer Electricitaͤt gaͤnzlich beraubt. Zur Beſtaͤttigung dieſes Satzes berufe ich mich auf viele Erfahrungen in der Electricitaͤt. Man weiß nehmlich, daß das poſitive Feuer das negative, und das negative das poſitive verſchlucket. Man lade z. B. eine Leidnerflaſche mit poſitiven Feuer ſo ſtark, daß das Quadranten Electrameter auf 90. und mehrere Gra - de zeige. Man ſtelle darauf die geladene Flaſche an eine Maſchine mit der man das negative Feuer hervor -brin -43bringen kan, und fange an zu electriſiren. Der Fa - den an dem Electrameter wird augenblicklich ſinken, und die Flaſche wird gar bald ausgeladen ſeyn. Nach - her erſt, wird ſie wieder anfangen, ſich mit negativen Feuer zu laden. Eben dieſes geſchiehet, wenn man eine Flaſche mit negativen Feuer anfuͤllet; ſie dann an eine Maſchine, die poſitives Feuer gibt ſtellet, und zu electriſiren anfaͤngt.

Ich machte den Verſuch noch auf eine andere Art. Ich nahm zwey Flaſchen von gleicher Groͤſe und fuͤllte jede gleich ſtark, die eine mit poſitiven, die andere mit negativen Feuer; dann beruͤhrte ich die eine Fla - ſche mit den Knopf der andern. Es erfolgte nur ein kleines ziſchen, und alle beyde waren beynahe gaͤnz - lich ausgeladen. Hierauf fuͤllte ich die eine Flaſche mit negativen Feuer halb, und die andere aber mit poſi - tiven, ſehr ſtark an; und beruͤhrte die eine Flaſche mit dem Knopf der andern. Es entſtund ein kleiner bey - nahe unmerklicher Funke. Nachher unterſuchte ich die Electricitaͤt die in beyden Flaſchen war, und fand ſie in allen beyden poſitiv.

Dieſe Verſuche ſind freylich nur denjenigen ver - ſtaͤndlich, die in der Electricitaͤt wohl erfahren ſind. Ich konnte ſie aber doch aus dieſer Abhandlung, die Hauptſaͤchlich fuͤr Ungelehrte beſtimmt iſt, nicht weg - laſſen, damit es nicht das Anſehen haben moͤgte als ob ich etwas ſezte, welches ich nicht beweiſen koͤnnte.

Siebendes. Warum blitzt und donnert es nicht bey jedem Regen der im Sommer oͤfters nach groſer Hitze entſtehet, und an deſſen ſtattman44man ſich ein ſchweres Gewitter vermuthet haͤtte?

Wann ein Blitz entſtehen ſoll, ſo muͤſſen die Wol - ken nicht nur zertrennt, oder von einander abgeſon - dert, ſondern auch gleichſam ſchoͤn rund geformet und abgeſchnitten ſeyn. Daß die Wetterwolken alſo geſtal - tet ſind, kan man mit Augen ſehen. Sie flieſen an ihrem aͤuſern Ende nicht wie etwan ein Rauch oder Nebel auseinander ſondern ſind gleichſam ſcharf abgeſchniten. Sie haͤngen nicht zuſammen; Es folgt vielmehr eine auf die andere, und ſtehet immer eine hoͤher als die an - dere.

Dieſes iſt auch noͤthig wenn ein Blitz entſtehen ſoll. Denn ein Blitz entſtehet, wenn das Feuer der einen Wolke ſchnell in eine andere, oder auf die Erde faͤhrt. Waͤren nun die Wolken nicht ſchoͤn abgerundet, ſon - dern auseinander flieſend und zerzerret, ſo waͤren ſie zu betrachten als ein Koͤrper, der viele Millionen Spi - tzen haͤtte. Nun weiß man aber daß das electriſche Feuer durch die Spitzen gegen andere Koͤrper, die noch ſehr weit von ihnen entfernet ſind, ſtillſchweigend ausſtroͤme, und keinen Funken gebe. Man weiß, daß alsdann nur ein Funke entſtehe, wenn das Feuer ſchnell von einem runden und glatten Koͤrper abſpringt. Da - her kan eine Wolke die nicht wohl abgerundet, ſondern auseinander gefloſſen iſt, keinen Blitz geben.

Haͤngt gar alles Gewoͤlke ſo zuſammen, daß es gleich - ſam nur eine einzige Wolke auszumachen ſcheint, ſo iſt es gar nicht moͤglich daß ein Blitz erfolge; da keiner entſtehen kan, wenn nicht zwey von einander abgeſon - derte Wolken, ſchnell an einander ſtoſen, und das Feuer der einen, ploͤtzlich in die andere faͤhrt.

Da45

Da es ſich nun oͤfters ereignet, daß auch nach gro - ſer Sommerhitze, Wolken aufziehen, die entweder ſehr auseinander flieſen oder wohl gar zuſammen haͤn - gen; ſo kan man ſich leicht erklaͤren, warum es in die - ſen Faͤllen nicht blitze und donnere.

Achtens. Warum ſind die Schlaͤge nicht mehr ſo gefaͤhrlich, wenn es ſtark regnet, als wenn es nicht regnet?

Das Waſſer iſt ein Leiter des electriſchen Feuers. Regnet es nun, ſo lauft das electriſche Feuer an den Waſſertropfen ſtillſchweigend auf die Erde; Hr. Tibe - rius Cavallo beſchreibt in ſeiner Abhandlung der theore - tiſchen und practiſchen Electricitaͤt Seite 255. ein Werk - zeug, mit dem er das waͤhrend einem ſtarken Platzre - gen gefallene Waſſer, dergeſtalt auffangen kan; daß er das im Regenwaſſer befindliche electriſche Feuer zu - gleich damit an einem Drath anſammelt. Nach meh - reren Verſuchen fand er, daß bey ſtarken Gewitterre - gen ſehr viel electriſches Feuer auf die Erde falle. Weil nun durch den Regen das Feuer ſtillſchweigend auf die Erde koͤmmt, ſo iſt leicht zu begreifen, war - um die Schlaͤge nicht mehr ſo gefaͤhrlich und ſtark ſind, wenn es regnet, als wenn es nicht regnet. Der Re - gen iſt nehmlich ein natuͤrlicher Wetterableiter. Ja dleſes iſt der gewoͤhnliche Weg, auf welchen das electri - ſche Feuer ohne Schaden aus den Wolken auf die Er - de kommt. Wenn der Blitz aus einer Wolke in die andere faͤhrt, ſo denke man nicht, daß dieſes Feuer nunmehr verzehrt ſeye, wie ſich etwann das Schieß - pulver nach erfolgter Entzuͤndung verzehret, und nicht mehr iſt. Beym Blitz iſt es ganz anders. Er kan von einer Wolke in die andere, und von dieſer wieder in eine andere, ja zehn und zwanzig mahl von einerWol -46Wolke in die andere ſchlagen ohne das etwas von ihm verzehrt wird. Man kan dieſes durch die electri - ſche Maſchine beweiſen, wo man einen Funken zehn und mehr mahl kan ſchlagen laſſen, ohne daß er ſich verzehrt. *)Anmerk. der Verſuch wird alſo angeſtellet. Man ſtellet eine Leidnerflaſche, von dem erſten Leiter einer Electriſier - maſchine ſo weit entfernet, daß ein Funke ſpringen muß. Dieſer Funke iſt nicht verlohren oder gleichſam ausge - brant; ſondern mit mehreren ſolcher Funken kan man die ganze Flaſche laden. Nachdem dieſes geſchehen hoͤre man auf zu electriſiren, halte den Knopf der geladenen Flaſche an den erſten Leiter, entferne die Flaſche wiederum, und fahre mit einem ſtumpfen Koͤrper an den Leiter; ſo wird man einen Funken bekommen. Man halte die Flaſche wie - derum an den Letter, und verfahre weiter wie das erſte - mahl; ſo bekommt man abermahl einen Funken. Durch Fortſetzung dieſes Verfahrens kan man wenn die Flaſche groß iſt, Hundert und mehrere Funken auf den Leiter wie - der zuruͤck bringen. Dieſes deweißt zur Genuͤge, daß ein electriſcher Funke nicht verzehret werde, oder gleichſam ausbrenne.Was hier im kleinen geſchiehet, ereignet ſich an den Weterwolken im großen.

Wo ſoll aber endlich dieſes Feuer hinkommen? Es ſchlaͤgt ſo lange von einer Wolke in die andere, biß ſich die Wolken endlich durch die Wuͤrkung des Win - des vereinigen, und es dann entweder gleichſam aus einer gemeinſchaftlichen Wolke, oder aus jeder einzel - nen Wolke, durch den Regen ſtillſchweigend auf und in die Erde geleitet wird.

Der Regen iſt aber auch noch in einem andern Verſtand ein Ableiter des electriſchen Feuers. Es gibt ſehr viele Gebaͤude die mit vielen metallenen Spitzen verſehen ſind. Ich rechne hierunter hauptſaͤchlich diemit47mit vielen Spitzen verſehene Sterne der Dach und Thurmfahnen. Dieſe nehmen von ferne ſchon das Feuer aus den Wetterwolken auf, koͤnnen es aber nur ſehr ſchlecht durch das Gebaͤude abfuͤhren, ſo lange es nicht regnet, und dadurch das Dach nebſt dem Gebaͤude naß wird. In dieſem Fall aber gehet das Ableiten des electri - ſchen Feuers nach Wunſch von ſtatten; und wird da - durch manches Gebaͤude ein natuͤrlicher Wetterablei - ter, aber freylich nur in dem Fall, wenn das ganze Gebaͤude naß iſt.

Neuntens. Warum pflegt es oͤfters zu bli - tzen oder Wetter zu leuchten ohne daß es donnert. Der gemeine Mann ſagt in dieſen Fall der Himmel kuͤhlt ſich ab.

Oefters ſiehet man bey Nacht auf dem Horizont Blitzen, ohne Donner zu hoͤren. Dieſes Blitzen kommt gemeiniglich von entfernten Donnerwettern, von denen man zwar die Blitzen ſehen, den Donner aber nicht hoͤren kan.

Allein es blitzet oͤfters auch bey einen wuͤrklich ge - genwaͤrtigen Wetter, ohne daß man donnern hoͤrt. Ich habe bemerkt daß dieſes ſonderlich bey ſehr ſtarken Hagel geſchiehet; wobey der Erdbaden gleichſam mit einem Feuerregen bedeckt zu ſeyn ſcheint, ohne daß man einen ordentlichen Schlangenfoͤrmigen Blitz ſiehet, oder einen merklichen Donner hoͤrt. Zwar brauſet es un - aufhoͤrlich fuͤrchterlich in der Luft, als wenn man un - unterbrochen fort, viele Donner hoͤrte. Allein es iſt dieſes nur eine Wuͤrkung des Hagels.

Bemeldes Blitzen ohne Donner kan keinen andern Grund haben, als daß die Wolken nicht genug abge - ſchnitten und rund geformet, ſondern zerzert und etwas auseinander flieſend ſind. Denn hiedurch entſtehet, daß das Feuer nicht auf einmahl und durch einen ra -ſchen48ſchen Funken, ſondern nur ſtark ausſtroͤmend, von einer Wolke in die andere gehet; wobey man dann frey - lich ein fortdaurendes Blitzen ſehen, aber keinen Don - ner hoͤren kan.

Zehntens. Warum macht der Blitz einen Schlangenfoͤrmigen Gung?

Ehe man im Stande war durch Huͤlfe groſer Cylin - der und guter Electriſirmaſchinen, ſtarke und weit ſprin - gende[Electriſchefunken] hervorzubringen; verfiel man wegen dem Schlangenfoͤrmigen Gang des Blitzes auf al - lerley Gedanken. Man glaubte der Blitz fahre jedes mahl durch mehrere Wolken zugleich; und weil dieſe nicht in gleicher Linie ſtuͤnden; ſo zeige ſich der Blitz in Geſtalt eines Ziczacks. Man ſuchte auch durch die Kunſt die Geſtalt des Blitzes nach zu machen. Man leimte nemlich auf ein Holz, Glas, oder Pappendeckel, ein Striefchen Stanniol im Geſtalt eines Ziczacks oder einer Schlange, durchſchnitte es hier und da, wie etwan Fig. 2. bey d d d d geſchehen, und ließ dann auf die Kugel a einen ſtarken Funken ſpringen. Weil der Funke nun an jedem Ort wo der Stanniol durch - ſchnitten war, einen neuen Sprung machte und ſicht - bar wurde, ſo zeigte er ſich bald in Geſtalt eines Zic - zacks oder einer Schlange, je nachdem die Einrichtung gemacht war.

Daß man aber dadurch den rechten Punkt nicht ge - troffen habe, iſt offenbar. Jeder Blitz zeigt ſichin ei - ner Schlangenfoͤrmigen Geſtalt. Es iſt aber unmoͤglich, daß jeder Blitz allezeit zugleich durch mehrere Wolken ſchlage. Ueber dieß; wenn der Blitz auf die Erde in ei - nen Baum oder Gebaͤude ſchlaͤgt, wo er offenbar nicht erſt durch mehrere Wolken gehet; ſo zeigt er ſich auch da biß auf den Erdboden herab, in ſeiner Schlangen -foͤr -49formigen Geſtallt. Es bringt es daher die Natur des electriſchen Funkens mit ſich, daß er keinen graden, ſondern einen geſchlaͤngelten Gang oder Sprung mache. Ladet man nun einen großen blechernen Cylinder Fig. 1. mit einer guten Maſchine, und laͤßt aus dem ſtumpfen Kegel c gegen die Kugel e Funken ſpringen, ſo wer - den ſie alle, wenn ſie auch nur zwey Zoll lang ſeyn ſoll - ten, einen geſchlaͤngelten Gang machen. Folglich liegt dieſer geſchlaͤngelte Gang des electriſchen Fun - kens ſchon in ſeiner Natur.

Eilftens. Warum zuͤnden nicht alle Blitz die in ein Gebaͤude einſchlagen?

Dieſe Frage habe ich mir ſelbſt noch nicht mit gaͤnzlicher Zufriedenheit beantworten koͤnnen. Als den 28 Junius dieſes Jahrs der Blitz in den hieſigen Kir - chenthurm ſchlug, ſchmelzte er den Drath, der von dem Hammer der Glocke in die Uhr gehet. Als die - ſer ein Ende war, zerſchmetterte er eine Schuhe lange tannene Stange, indem er ſie der Laͤnge nach in kleine Stuͤcke ſpaltete. Man bemerkte aber nicht die ge - ringſte Spur, daß er das Helz nur ein wenig ge - ſchwaͤrzet haͤtte. Hingegen in der Kirche zu Weiden - bach, in welche der Blitz vergangenen Dec. eingeſchla - gen, und im Dach gezuͤndet hatte, bemerkte ich, daß alle die Orte, wo er ſprang, geſengt waren. Das Holz war ſchwarz, und die weiſe Mauer rothbraun ge - faͤrbt.

Der gemeine Mann nennet einen Blitz, der nicht angezuͤndet, einen kalten oder auch Waſſerſtrahl. Oef - ters bildet er ſich ein; es folge auf den erſten feurigen Strahl erſt ein zweyter oder Waſſer Strahl. Allein dieſe Meinung iſt gaͤnzlich ungegruͤndet.

DIch50

Ich laͤugne nicht, daß mit manchem Blitz ein Stromwaſſer auf die Erde geriſſen werden koͤnne; da man Erfahrungen genug hat, daß eine Wolke gemei - niglich zu regnen anfaͤngt, ſo bald ein ſtarker Blitz und Donner in ihr entſtehet. Die Bewegung die durch den Blitz in der Wolke verurſachet wird, macht; daß die Duͤnſte zuſammen ſtoſen, ſchwerer werden und in Regentropfen herabfallen. Ein Freund erzaͤhlte mir auch, daß er nicht mehr als etliche 20. [Schritte] von ihm entfernet, einen Blitz in einen Fluß habe ſchlagen ſehen, welcher das voͤllige Anſehen gehabt, als ob er in einer dicken Waſſerſaͤule herabgefahren ſey. Doch dieſes ſey wie ihm wolle. Auf gegenwaͤrtigen Fall laͤßt ſichs nicht anwenden. Ein Blitz der durch eine ſo enge Oefnung, die man oͤfters kaum bemerken kan, in ein Gebaͤude ſchlaͤgt, und darinnen kreuz und queer herumfaͤhrt; kan ohnmoͤglich einen Waſſerſtrom an alle die Orte wo er hingehet, mit ſich fuͤhren. Beym hieſigen Wetterſchlag regnete es nicht einmahl. Daß es ein kalter Schlag geweſen ſeye, wird auch niemand der geſunde Sinnen hat, glauben koͤnnen; da der geſchmolzene Drath das Gegentheil zur Genuͤge be - weißt.

Einige Erlaͤuterungen hieruͤber koͤnnen bloß electri - ſche Verſuche geben. Dieſe lehren, daß jeder electri - ſche Funke, wenn er ſtark genug iſt, und die Neben - umſtaͤnde, die zum Anzuͤnden eines Koͤrpers erfordert werden, guͤnſtig ſind, wirklich zuͤnde, oder wenig - ſtens ſenge. Wenn man etwas Vaumwolle an das Ende eines dicken Draths wickelt, die Baumwolle mit zerſtoßenen Geigenharz beſtreuet, und einen Funken ans einer Leidnerflaſche darauf ſpringen laͤßt, ſo wird die Baumwolle entzuͤndet. Bloße Baumwolle ohneGei -51Geigenharz entzuͤndet ſich nicht. Es muß daher eine Materie, die durch den Blitz angezuͤndet werden ſoll, ſo beſchaffen ſeyn; daß ſie ſich ſehr leicht entzuͤn - det. Ein Koͤrper, der nicht allzuleicht brennet, erfor - bert einen ſehr ſtarken electriſchen Schlag, wenn er nur geſenget werden ſoll. Die brennbare Luft hinge - gen kann durch den allergeringſten electriſchen Funken in Brand geſetzt werden. Ferner wenn man zwiſchen zwey duͤnnen Brettchen Holz, ein Streifchen von einem Goldblaͤttchen legte, es an etlichen Orten unterbricht, die Brettchen dann feſt zuſammenbindet, und einen ſtarken electriſchen Funken aus einer Leidenerflaſche durch dieſelbe ſchlagen laͤßt, ſo werden die Goldblaͤtt - chen geſchmolzen, die Brettchen aber, wenn das Gold ſehr feſt auf ihnen lag, geſprengt. Hingegen bleibt das Holz ohne Flecken, wenn das Gold nur gelind auf ihnen lag. Aus dieſen Erfahrungen laͤßt ſich, wie ich glaube, einiger maſſen deutlich machen, warum der Blitz oͤfters zuͤndet, und oͤfters nicht zuͤndet.

Er zuͤndet leichter, wenn es ein ſtarker, als wenn es ein ſchwacher Schlag iſt. Es ſind aber nicht alle Blitze von gleicher Staͤrke. Eine groſſe Wolke giebt natuͤrlich einen groͤßern Funken als eine kleine.

Er zuͤndet ferner; wenn er Materien antrift, die ſich leicht entzuͤnden. Daher gerathen gewoͤhnlich die Scheunen in Brand, wenn ein Blitz in ſie faͤhrt. Denn Stroh und Heu brennen leicht Ueberdieß be - findet ſich in Scheunen, in welche neues Getraid, Heu oder Grummet eingelegt iſt, viel brennbare Luft. Die Vegatabilien, ſonderlich wenn ſie etwas feucht zuſammen kommen, fangen an zu gaͤhren, und geben Duͤnſte, die man, weil ſie ſich leicht, und ſonderlich durch die Electricitaͤt entzuͤnden, brennbare Luft nennet,D 2Kommt52Kommt nun ein Blitz an einen ſolchen Ort; ſo ſtehet alles in einem Augenblick im vollen Brand.

Endlich zuͤnden die Blitze, wenn ſie auf ein ſchwa - ches Metall fahren, und dieſes entweder ſchmelzen oder wenigſtens gluͤend machen. Denn wenn das Me - tall mit einem Holz verbunden iſt; ſo wird das Holz durch das gluͤende Metall angezuͤndet. Ein Blitz der nicht im Stande iſt ein Holz anzubrennen, kan es ent - weder anzuͤnden oder wenigſtens ſengen, wenn er ein Metall, welches mit dem Holz verbunden iſt, ſchmel - zet oder gluͤend macht.

Zwoͤlftens. Iſt ein Brand der durch den Blitz entſtehet ſchwerer zu loͤſchen als ein ande - rer?

Dieſes iſt ein altes eingewurzeltes Vorurtheil, als ob ein Feuer welches durch den Blitz entzuͤndet wor - den ſehr ſchwer, und nicht anders als mit Milch zu loͤſchen ſey. Ich weiß aber zuverlaͤßig, daß es ſchon ſehr oft, mit etlichen Maaſen Waſſer geloͤſchet worden. Schwer aber iſt es allerdings zu loͤſchen, wenn der Blitz, wie es oͤfters geſchiehet, in einem Gebaͤude an zehn und mehr Orten zugleich zuͤndet, und dadurch das ganze Gebaͤude in kurzer Zeit in volle Flammen ſezet.

Dreyzehntens. Was iſt der Donner bey dem Blitz?

Nichts anders als was der Knall bey einer Kano - ne iſt, nehmlich eine bloſe Erſchuͤtterung der Luft. Der Donner ſchadet daher ſo wenig als der Knall von einer Kanone. Wer den Blitz noch ſehen kan, ohne von ihm getroffen zu ſeyn, der hat ſich vor dem darauf folgenden Donner nicht mehr zu fuͤrchten. Wo der Blitz einſchlaͤgt, iſt Blitz und Schlag beyſammen.

Weil53

Weil der Schall ſich in der Luft nach und nach fort - pflanzet, und nach genauer Berechnung der Gelehrten, in einer Secunde (oder dem ſechzigſten Theil einer Mi - nute,) 1137. rheiniſche Schuhe; folglich da man 20000. Schuhe auf eine deutſche Meile rechnet, in ohngefehr 17. Secunden eine Meile fortgehet; ſo kan man leicht berechnen, wie weit der Blitz von uns ent - fernet war, wenn man bemerkt, wie viele Secunden zwiſchen dem Blitz und dem darauf folgenden Don - ner, verflieſen. Kan man 2. Secunden zaͤhlen, ehe auf dem Blitz der Donner folgt, ſo iſt der Schlag in einer Entfernung von ¼ Stund geſchehen. *)Man rechnet oͤfters einen Pulsſchlag fuͤr eine Secunde. Ob nun gleich der Puls in einer Minute nicht 60. ſon - dern 70. biß 80mal ſchlaͤgt, folglich ein Pulsſchlag weni - ger als eine Secunde iſt; ſo koͤnnte man doch zuerſt be - melder Abſicht ſich des Pulsſchlags bedienen, wenn man nur anſtatt 5. Pulsſchlaͤge 4. Secunden rechnen will.

Vierzehntens. Bey Erklaͤrung der Eigenſchaft des Blitzes, kan ich noch zwey Eigenſchaften deſſelben nicht unberuͤhrt laſſen.

Die erſte iſt der ſtarke Geruch den man jedesmahl bemerkt, wenn ein Blitz in ein Gebaͤude einſchlaͤgt. Er hat viele Aehnlichkeit mit einem angezuͤndeten Schwe - fel; noch mehr aber mit dem Phosphorus. Dieſer Geruch mag ohne Zweifel die Alten in ihrer Meynung, daß der Blitz aus ſchweflichten Duͤnſten beſtehe, be - ſtaͤrkt haben.

Man findet aber dieſen nehmlichen Geruch auch bey dem electriſchen Feuer, das man durch die Maſchine hervorbringt. Man befeſtige an den Cylinder Fig. 1. eine ſtumpfe Spitze, laſſe den Cylinder electriſiren,D 3und54und halte in einer Entfernung von ohngefehr 2. Zollen, die Naſe gegen die ſtumpfe Spitze; ſo wird das Feuer in Geſtalt einer feurigen Ruthe gegen die Naſe ſtroͤ - men, und einen Geruch geben, welcher jenem aͤhnlich iſt, den man beym Blitz bemerkt. Nur iſt letzterer, wie ſichs leicht gedencken laͤßt, ſtaͤrker, und erſterer iſt feiner.

Noch auf eine andere Art kan man einen mit dem Blitz Geruch vollkommen aͤhnlichen hervorbringen, wenn man einen ſtarken Funken von einer Leidnerflaſche, durch etliche Kartenblaͤtter ſchlagen laͤßt. Man legt 8. bis 10. Kartenblaͤtter aufeinander, und haͤlt ſie mit der linken Hand an dem einen Ende zuſammen. Mit der rechten Hand legt man eine kleine metallene Kugel, an welche ein Drath befeſtigt iſt, und der mit dem aͤu - ſern Beleg der geladenen Leidnerflaſche, in Verbindung ſtehet, an das andere Ende der Karten an. In dieſer Anrichtung faͤhrt man mit den Karten, und dem hinter ihnen befindlichen metallenen Knopf, ſchnell an den Knopf der Leidnerflaſche ſo faͤhrt der Funke durch die Kartenblaͤtter. Wenn man darauf geſchwind an die Kar - ten Blaͤtter riecht; ſo wird man vollkommen den nehmli - chen Geruch finden, den man beym Blitz wahrnimmt. Dieſer Verſuch erklaͤrt aber noch

Eine andere Eigenſchaft des Blitzes. Die Kar - ten, durch welche auf erſt beſchriebene Weiſe, der electriſche Funke gefahren, ſind durchloͤchert. Das Loch iſt aber, obgleich der Funke ſehr groß ſcheint, nur ſehr klein. Oefters ſind mehrere kleine Loͤcher ne - ben einander. Sind die Kartenblaͤtter zuvor naß ge - macht worden, ſo wird das Loch etwas groͤſer. Ein Funke von mehrern Flaſchen oder von einer Batterie, macht auch ein etwas groͤſeres Loch. Herr Cavallo be -zeugt,55zeugt, daß man mit einer ſtarken Batterie, ſogar durch ein duͤnnes Blech ſchlagen, oder vielmehr es durchſchmel - zen koͤnne. Allezeit aber iſt, nach Verhaͤltniß des ſchein - bahren Funkens, das Loch ſehr klein. Z. B. das Loch, welches der Funke von einer einzigen, obwohl groſen Leidnerflaſche, durch die Kartenblaͤtter ſchlaͤgt; iſt nicht groͤſer als wenn es mit einer kleinen Nadel ge - macht worden waͤre.

Hieraus laͤſt ſich nun erklaͤren; warum der Blitz, der doch von zimmlicher Dicke, wenigſtens Arms dick zu ſeyn ſcheint; durch Mauern und oͤfters auch duͤnne Metalle, z. B. in die metallenen Thurmknoͤpfe, nur gar kleine Loͤcher macht. In der hieſigen Kirche ſprang er an die Sanduhr, die auf der Canzel ſteht. Das Eiſenblech war kaum von der Dicke eines ſchwachen Meſſerruckens. Er konnte es aber doch nicht mehr durchſchlagen, ſondern ſchmelzte nur ein flaches klei - nes Luͤckchen, in der Groͤſe eines ſchwachen Stecknadel - knopfs ein. In die Mauer machte er ein Loͤchgen, in welches man kaum eine Stricknadel bringen konnte. Hingegen machte er in die Mauer der Weidenbacher Kirche, Loͤcher, von der Dicke eines Federkiels. An dieſem letztern Ort ſengte er aber auch hier und da; allein in hieſiger Kirche nicht. Dieſes, glaube ich, beſtaͤrtiget meine Vermuthung die ich Seite 51. von dem Anzuͤnden der Koͤrper durch den Blitz ge - geben, daß nehmlich ein ſehr ſtarker Blitz erfordert werde wenn Holz angezuͤndet werden ſoll.

D 4Von56

Von Wetterableitern.

Erſtlich. Was iſt ein Wetterableiter?

Dieienigen, die noch keine Erkenntniß von Wetter - ableitern haben, pflegen ſich wunderliche Ge - danken davon zu machen. Sie glauben ſie ſeyen von beſonderer Materie, und irgend ein geheimes unerlaub - tes Kunſtſtuͤck darunter verborgen. Aus dieſem Grun - de ſchon halten ſie ſelbtge fuͤr unerlaubt. Sagt man ihnen nun: ihr wiſſet ja, daß wenn der Blitz in ein Gebaͤude ſchlaͤgt, er von einem Metall auf das andere ſpringt, daß er an Draͤthen ruhig fortlauft, und end - lich in die Erde faͤhrt. Sagt man ferner: weil der Blitz dem Metall nachgehet; und man nicht gerne ſie - het, wenn er durch das Gebaͤude ſelbſt gehen ſollte, ſo macht man ihm lieber einen Weg in die Erde, auſ - ſer dem Gebaͤude, und laͤſt von dem oberſten Gipfel eines Gebaͤudes oder eines Thurms, biß in die Erde, außen eine eiſerne Stange herabgehen. Sagt man endlich. Weil das electriſche und das Blitzfeuer einer - ley iſt und man gefunden hat, daß man eine ganze mit electriſchen Feuer geladene Flaſche, in der Entfernung ſchon und zwar ſtillſchweigend ohne daß ein Funken ſpringt, ausladen kan, wenn man eine Spitze dagegen haͤlt; ſo ſezt man zu oberſt auf das Gebaͤude eine ſpi - tzige ſenkrecht ſtehende Stange damit eine heranziehen - de Wetterwolke ſich auslade ehe ſie noch an das Gebaͤude kommt, und man daher den Ausbruch des Blitzes viel - faͤltig gar abwende. Sagt man dieſes auch den Un - verſtaͤndigſten; ſo bekommt man gemeiniglich die Antwort: Wenn der Wetterableiter nichts iſt als die - ſes, ſo laſſe ichs mir gefallen.

Ob57

Ob ich nun gleich dieſe Abhandlung nicht fuͤr Kunſterfahrne, ſondern nur fuͤr ſolche ſchreibe, die entweder noch gar keine oder wenigſtes erſt noch weni - ge Erkenntniß von der Sache haben; ſo muß ich doch von Anlegung der Wetterableiter das noͤthigſte anfuͤh - ren, damit auch Laien in der Kunſt, die Guͤre oder Fehler eines Ableiters beurtheilen koͤnnen. Ich gebe daher gegenwaͤrtig eine kurze Beſchreibung hievon.

Die Spitze des Ableiters (Siehe Fig. 5. a) beſte - het aus einer eiſernen, unten wenigſtens 1 biß Zoll dicken ſenkrecht ſtehenden Stange. Aufwaͤrts muß ſie duͤnner zu laufen, damit ſie nicht allzuſchwer wird. Die Spitze ſelbſt muß von Kupfer ſeyn, welches man an die eiſerne Stange anſchrauben oder anloͤthen laͤſt. Die Spitze macht man drey oder viereckigt, und ſo fein als man kan. Weil viele Spitzen mehr Feuer aufnehmen als nur eine einzige; ſo koͤnnte man auch einen Stern*)Es iſt gut wenn man dieſen Stern alſo einrichtet, daß er an und abgeſchraubt werden kan, damit wenn die Spitzen Noth leiden ſollten, ſie leichtlicher wieder hergeſtellet wer - den koͤnnen. mit vielen Spitzen aufſetzen, oder Kreuzſtaͤbe, die forne ſpitzig ſind durch die Stange gehen laſſen. Iſt das Gebaͤude groß; ſo muß man an beyden Enden deſſelben, eine dergleichen Stan - ge aufrichten. Sie werden aber auf die Spitze zweyer zuſammenſtoſender Dachſparren geſetzt. Um ſie gut zu befeſtigen, werden die eiſernen Stangen unten ge - ſpalten daß man ſie bequem auf die Spitze der zuſam - menſtoſenden Sparren ſetzen kan. Am Ende werden ſie mit Schrauben die durch die Sparren gehen, befeſtiget. Alles dieſes iſt Fig. 6. deutlich abgebil - det.

D 5Die58

Die Ableitung b b b b b Fig. 5. beſtehet aus eiſernen duͤnnen Stangen. Man nahm zwar biswei - len nur einen dicken Drath. Weil aber ein Drath zerriſſen werden konnte, wenn ein ſtarker Blitz darauf fahren ſollte; ſo iſts ſicherer, wenn man halb Zoll, wenigſtens Zoll dicke runde oder Viereckigte eiſerne Stangen nimmt. Damit ſie nicht ſo leicht roſten, beſtreicht man ſie, wenn ſie heiß ſind, mit Pech.

An einem kleinen Gebaͤude iſt eine einzige derglei - chen Ableitung genug. An ein groſes Gebaͤude aber kan man zwey machen. Man fuͤhret ſie entweder an einem Giebel, oder auch auf dem Dach, und an der Mauer des Haußes herab.

Die Zuſammenſetzung der Ableitungsketten oder vielmehr Stangen, muß alſo geſchehen, daß man glaubte die Stange mache nur eine einzige aus. Man darf da - her keine Gelenken machen, wie bey Ketten gewoͤhnlich ſind, oder wie man Fig. 3. b ſehen kann; weil bey dieſer Einrichtung der Blitz an jedem Gelenke einen Sprung macht. Man ſehe die ſechſte Erfahrung Sei - te 24. Die Stangen muͤſſen daher uͤber einander ge - legt und mit Schrauben, wie man Fig. 7. ſiehet, zu - ſammen geſetzt werden.

Muͤſſen dieſe Stangen um Ecke herumgefuͤhret werden; ſo muß man wenigſtens alle ſcharfe Winkel vermeiden, und vielmehr die Stangen in einen etwas weiten Bogen kruͤmmen laſſen. Wenn Schloͤte in der Mitte des Gebaͤudes herausgehen, und man uͤber den Gipfel oder den ſogenannten Firſt des Daches eine Ab - leitungsſtange wegzufuͤhren hat, ſo darf man dieſe nicht uͤber dem Schlot gehen laſſen, wie Fig. 8. durch a c b angezeigt iſt, ſondern man muß in den Schlot zwey einander gegenuͤberſtehende Loͤcher machen, unddurch59durch dieſe die Stange gerade fortlaufen laſſen. Denn der electriſche Funke macht lieber einen kleinen Sprung, als daß er einen Umweg nehmen, und an dem Ecke eines Winkels herumlaufen ſollte. Siehe die ange - fuͤhrte ſechſte Erfahrung.

Die Verbindung der Ableitungsſtangen darf auch nicht vergeßen werden. Wenn nehmlich mehrere Ge - baͤude neben einander ſtehen, ſo muß die Ableitung von einem Gebaͤude auf das andere gehen. Man fuͤhrt ſie ſonderlich auf dem Firſt der Daͤcher fort, und ver - hindet ſie mit den ſenkrechten Stangen Bey einer Kir - che muß man nicht nur vom Thurm herab die Ablei - tungsſtangen fuͤhren, ſondern auch an die beyden En - den des Kirchendachs Stangen mit Spitzen aufrich - ten, von einer Stange zur andern eine Ableitungs - ſtange laufen laſſen, und dieſe mit der Ableitungsſtange des Thurms in Verdindung bringen.

Die Befeſtigung der Ableitungsſtangen geſchie - het durch eiſerne Klammern, wie Fig. 9 eine abgebil - det iſt und man Fig. 5. bey b b b b b ſiehet. Es iſt genug, wenn die Ableitungsſtange ohngefehr 6 Zoll vom Gebaͤude abſtehet. Einige Naturforſcher haben vorgeſchlagen, anſtatt dieſer eiſernen Klammern hoͤlzerne Arme zu machen, damit der Blitz um ſo weniger in das Gebaͤude fahren koͤnne. Allein; auſſer dem, daß die hoͤlzernen Arme ſchwer zu befeſtigen und von keiner guten Dauer ſind; ſo ſchaden auch die eiſernen Klam - mern nichts. Wenn der Blitz zwey Wege in die Er - de hat, und auf dem einen Spruͤnge machen muß, auf den andern aber an einem ununterbrochen fortlau - fenden Metall fort gehen kann, ſo nimmt er den letztern Weg. (Siehe die 6te Erfahrung S. 24. 25.) Da nun der Blitz wenn er von einer Ableitungsſtange in ein Gebaͤude ſchlagen wollte, hie und da Spruͤnge ma -chen60chen mußte; ſo gehet er lieber an der Ableitungsſtange fort. Doch iſt es ſehr zu rathen, an einem Gebaͤude, woran ein Ableiter angelegt wird, ſich wohl umzuſe - hen; ob nicht an dem Ort, wo eine Ableitungsſtange herabgehet, auch innen im Gebaͤude eine ununterbro - chen-fortgehende Reihe von Metallen ſich befinde. In dieſem Fall koͤnnte freylich der Blitz ſich theilen, und zum Theil innen durchs Gebaͤude in die Erde gehen.

Die Klammern dienen nur dazu, daß die Ablei - tungsſtangen nicht von dem Gebaͤude wegfallen. Denn tragen koͤnnen ſie die ſchweren Ableitungsſtangen nicht; es ſey denn, wo dieſelben Horizontal laufen. Die ſenkrecht herabgehende Stangen aber werden, da ſie feſt zuſammengeſchraubt ſind, und gleichſam nur eine ein - zige ausmachen, von dem Erdboden getragen. Allein damit ſie ſich nicht durch ihre Schwere in den Erd - boden eindruͤcken, ſo ſetzt man ſie auf einen Stein, der mit dem Erboden in gleicher Hoͤhe liegt.

Will man hie oder da, wo die Ableitungsſtangen ſchraͤge laufen, z. B. beym Ende eines Thurmsdachs, den Ableiter auf einen eiſernen Traͤger aufruhen laſ - ſen; ſo muß der Traͤger erſtlich ſehr ſtark und wohl be - feſtigt ſeyn: anderns muß er ein weites Loch haben, damit die Stange nicht darinnen gepreßt ſeye, und bey einem erfolgten Schlag keine allzugroße Erſchuͤtterung des Traͤgers entſtehe; daher muß drittens die Ableitungs - ſtange einen an der Seite herausgehenden Stift be - kommen, mit welchem ſie auf dem Traͤger aufruhet.

Die Ableitungsſtangen muͤßen endlich tief in die Erde gefuͤhrt werden. Hat man einen Brunnen oder Fluß, oder ſonſtiges groſſes Waſſerbehaͤltniß; ſo iſt es noch beſſer. Ohne dieſes muß man ſchraͤge vomGe -61Gebaͤude weg, ein 8. biß 12. Schuh tiefes Loch ma - chen*)Man kan dieſes Loch wo keine Felſen ſind, auch boh - ren. und den Ableiter hineingehen laſſen. Un - ten wo er ſich endiget, laͤſſet man ihn nach des Hr. Prof. Lichtenbergs Vorſchlag, in verſchiedene Arme oder wenigſtens Spitzen aus einander gehen, damit ſich das electriſche Feuer leichter in der Erden verlaufe. Weil das Eiſen in der Erde ſtark roſtet, ſo kann man das Ende der Ableitungsſtange, ſoweit ſie in der Erde iſt, aus einer kupfernen Stange oder Platte machen.

Anderns. Die Wetterableiter fuͤhren aus den Wetterwolken die electriſche Materie wuͤrk - lich ſchon ſtillſchweigend ab.

Zur Beſtaͤttigung deſſen berufe ich mich auf die Verſuche mit dem electriſchen Thurm die Seite 29. in der 10ten Erfahrung angefuͤhrt ſind. Nach dieſer raubt ſchon in großer Entfernung die Spitze a Fig. 5. aus der Wolke h ſo viel Feuer, daß ſie ſich nicht auf den Thurm herabziehen und einſchlagen kan. Das Feuer ziſcht, und bey Nacht ſiehet die Spitze feurig. Dieſes beweißt, daß die Spitze das Feuer aus der Wetterwolke ſtillſchweigend abfuͤhre.

Will man einwenden: Es iſt ungewiß, ob das, was hier im Kleinen geſchiehet, auch bey den Wetter - wolken und Wetterableitern im Groſen geſchehen werde; ſo verweiſe ich nur auf die, Seite 35. folg. in der 7ten Erfahrung angefuͤhrte Gruͤnde. Eine Wetterwolke erſtreckt ſich nehmlich mit ihrer Atmosphaͤre, bis auf die Erde, folglich kann die Spitze eines Wetterablei - ters, das aus einer Wetterwolke bis auf die Erde ſtroͤ - mende Feuer, leichtlich auffangen. Daß es auchwuͤrk -62wuͤrklich geſchehe beweißt eine Erfahrung des Hr. Hem - mers, die ſchon Seite 26. angefuͤhrt iſt. Ich glaube aber das nicht nur der inſolirte Wetterableiter des Hr. Hemmers, ſondern auch jeder andere gewoͤhnli - che nicht inſolirte Ableiter, bey Nachtzeiten an ſeinen Spitzen die Gegenwart des electriſchen Feuers beweiſe. Doch da nicht ſowohl in Anſehung dieſes Punkts wie - der die Wetterableiter Einwendungen gemacht werden, als vielmehr wegen des Gegentheils, daß ſie nehmlich die electriſche Materie zu ſtark ausziehen und verurſa - chen, daß mancher Blitz, der nicht auf das Gebaͤude wuͤrde geſchlagen haben, nun um des Ableiters willen darauf fahre; ſo iſts noͤthiger, dieſe Meynung um - ſtaͤndlicher zu widerlegen. Alſo

Drittens. Die Wetterableiter ziehen die Wetterwolken nicht herbey.

Ich glaube, daß dieſes durch die, Seite 29 ange - fuͤhrte zehnte Erfahrung außer allem Streit geſetzt wer - den koͤnne. Denn wenn ein Ableiter im Stand waͤre, die Wetterwolken herzuziehen, ſo muͤßte auch die mit electriſchen Feuer gefuͤllte Wolke h Fig. 5. von der Thurmſpitze a angezogen werden koͤnnen. Weil aber dieſes im Kleinen nicht geſchiehet, ſo kan man es auch im Groſen, bey Wetterwolken und Wetterableitern nicht vermuthen.

Solte man aber doch Zweifel dawider erregen wol - len, ſo will ich nur noch dieſes zu bedenken geben. Wenn man nach der 8ten Erfahrung Seite 28 auf die Spitze des Wetterableiters eine Kugel ſezt, ſo zie - het ſich die Wolke h herab, und ſchlaͤgt darauf, geſezt auch wenn kein Ableiter an dem Gebaͤude ſtuͤnde, und der Funke nothwendig in daß Gebaͤude fahren, und darinnen Spruͤnge machen muͤſte. Es iſt alſo offen -bar;63bar; daß eine Wolke, die von einem ſpitzigen Wet - terableiter nicht mehr angezogen werden kan, doch von einem ſtumpfen Metall noch angezogen werde. Nun ſind aber an jedem Gebaͤude genug ſtumpfe Metalle. Geſezt auch ein Gebaͤude haͤtte keine Wetterfahnen, und keine metallene Dachrinnen; ſo ſind doch die Lat - ten auf welchen die Ziegel liegen, mit eiſernen Naͤgeln angenagelt. Will man ein Gebaͤude nur ein wenig unterſuchen, ſo wird man von dieſen Naͤgeln der Dachlatten, biß auf den Erdboden eine wo nicht gaͤnz - lich zuſammenhaͤngende, doch nicht allzu ſehr unter - brochene Reihe von Metallen fortlaufen ſehen. An dieſen kan der Blitz biß auf die Erde fortgehen. Tau - ſend Wetterſchlaͤge haben bewieſen, daß ihm dieſes moͤglich ſeye.

Nimmt man nun an, daß jedes Gebaͤude mit ge - nugſamen ſtumpfen Metallen, auf denen der Blitz biß in die Erde ſpringen kan, verſehen iſt. Gedenket man ferner, daß eine Wetterwolke von ſtumpfen Metallen ſtaͤrker angezogen werde, als von einer metallenen Spitze; ſo iſt doch dieſes gewiß, daß man von einem ſpitzigen Ableiter ein nicht ſo ſtarkes Anziehen der Wetterwolke zu befuͤrchten habe, als von jedem Ge - baͤude bey ſeiner natuͤrlichen Einrichtung.

Verlangt man den phyſicaliſchen Grund zu wiſſen, warum ein ſpitziger Ableiter eine Wetterwolke, nicht ſo ſtark anzieht, als ein ſtumpfer Coͤrper; ſo iſt es leicht zu zeigen. Es iſt mit der Vernunft zu begrei - fen und beſtaͤttigt ſich durch electriſche Verſuche, daß eine Wetterwolke die mit electriſchem Feuer ſtark an - gefuͤllet iſt, ſich ſtaͤrker gegen die Erde ziehe, als eine andere nicht ſo ſtark geladene Wolke. Nun wird aber eine Wetterwolke von ferne ſchon durch einen ſpitzigenAblei -64Ableiter ausgeleeret. Biß ſie daher ſo nahe kommt daß ſie ſich auf den Ableiter herabſenken koͤnnte, iſt ſie be - reits groſentheils ausgeladen, und das in ihr noch be - ſindliche wenige Feuer hat nicht mehr ſo viel Gewalt die Wolke mit ſich gegen die Erde zu reiſen. Daher gehet ſie uͤber einem ſpitzigen Ableiter hoͤher weg, als uͤber ſtumpfen Metallen.

Iſt aber dieſes nicht ſchon großer Vortheil von Wetterableitern, daß ſie viele Wolken ſtillſchweigend ihres Feuers entladen, und verhindern; daß die Wol - ke uns nicht ſo nahe kommen kann, als ſie ohne ihm wuͤrde gekommen ſein! Ein jedes Gebaͤude ohne Wet - terableiter ziehet, wie ich bewieſen habe, die Wetter - wolken ſtaͤrker an, als ein Gebaͤude mit einem ſpitzigen Wetterableiter! Iſt es denn aber nicht die Pflicht ei - nes Klugen, den ſicherſten Weg zu waͤhlen?

Viertens. Die Wetterableiter ſind auch in dem Fall nicht gefaͤhrlich wenn gleich ein Schlag auf ſie geſchehen ſollte.

Daß auf den Ableiter ein Blitz fahren und ein Schlag erfolgen koͤnne, habe ich Seite 13 folg gerne eingeſtanden. Daß aber auch in dieſem Fall keine Ge - fahr zu befuͤrchten ſey, hat nicht nur eine ſchon ge - nugſame Erfahrung beſtaͤttiget; ſondern kan auch durch Gruͤnde aus electriſchen Verſuchen erwieſen wer - den.

Nach der 9ten Erfahrung Seite 38. habe ich an dem electriſchen Thurm gezeigt, daß der Funke außen an dem Thurm weggehe, ohne daß von ihm etwas in den Thurm kommt, wenn eine ununterbrochene Ablei - tungskette außen an ihm angebracht iſt. Dieſes gruͤn - det ſich auf die 6te Erfahrung Seite 24. 25. Wennnehm -65nehmlich ein electriſcher Funke zwey Wege in die Erde hat, und auf dem einen an einem ununterbrochen fort - gehenden Drath gerade fortlaufen kan, auf dem zwey - ten Weg aber, einen Sprung machen muß; ſo waͤh - let er den erſten Weg. Nun kan der Blitz an der Ab - leitungskette gerade, und ohne Sprung biß in die Er - de gehen. Wenn er aber in das Gebaͤude fahren woll - te, muͤſte er Spruͤnge machen, weil in einem Gebaͤu - de die Metalle nie vollkommen zuſammen haͤngen. Da - her gehet er, lieber an der Ableitungskette fort.

Fragt man: wie gehet es aber, wenn der Blitz die Ableitungskette zerreiſen oder ſchmelzen ſollte? ſo antworte ich. Wenn die Ableitungskette nicht ein duͤn - ner Drath, ſondern wie ich angegeben habe, eine di - cke Stange iſt, und noch uͤberdieß keine ſcharfe Win - kel macht; ſo iſt dieſe Gefahr nie zu befuͤrchten. Soll - te aber die Ableitungskette nur aus einem duͤnnen Drath beſtehen und dieſer vom Blitz zerriſſen oder geſchmol - zen werden: ſo waͤre von dieſem Schlag, der die be - melde Verwuͤſtung anſtellet, ebenfalls nichts zu beſor - gen Denn der Blitz lauft immer dem Schmelzen voran, und der Drath ſchmelzt erſt hinter ihm nach. Daher kan er an dem Drath biß in die Erde fortlau - fen. Bloß von einem ſchnell darauf folgenden zweiten Blitz, waͤre Gefahr zu erwarten, weil kein Ableiter mehr vorhanden waͤre. Man mache daher die Ablei - tungsketten ſtark, und befeſtige ſie wohl, ſo kan man ruhig ſeyn.

Noch fragt man: leidet, wenn ein Blitz an einer Ableitungskette herabfahren ſollte, der The〈…〉〈…〉 des Ge - baͤudes der der Kette nahe iſt, keinen Schaden und keine Erſchuͤtterung?

EZur66

Zur Zeit hat man freylich noch wenige Beyſpiele, daß der Blitz auf Wetterableiter geſchlagen habe. Wo aber dieſes geſchehen, iſt es allezeit ohne Beſchaͤ - digung und ohne Erſchuͤtterung der Gebaͤude abgegan - gen. Man weiß auch zur Genuͤge, daß wenn der Blitz in ein Gebaͤude geſchlagen, und darinnen an ei - nem Drath hat fortlaufen koͤnnen, er die neben dem Drath befindliche Dinge nicht verlezet habe. So weiß man auch aus electriſchen Verſuchen, daß man den Funken von etlichen großen Leidnerflaſchen, der im Stande iſt, ein kleines Thier zu toͤden, dennoch an ei - nem Drath durch die Finger, mit denen man ihn haͤlt, laufen laſſen kan, ohne das geringſte davon zu ſpuͤh - ren. Indeſſen huͤten ſich doch die Naturforſcher ſelbſt, einen Funken von einer großen Batterie (oder ſehr vie - len Leidnerflaſchen) mit welchem man z. E. einen Ochſen toͤden kan, an einem Drath durch ihre Finger laufen zu laſſen; und ſie verſehen ihre Ausladungsdraͤ - the mit glaͤſernen Handhaben. Eben dieſes glaube ich, raͤth die Vorſicht bey Wetterableitern an. Ob es gleich wahrſcheinlich iſt, daß ein Menſch ſo wenig als das Gebaͤude, Schaden leiden werden, wenn nahe bey ihm ein Blitz an einer Ableitungskette herabfahren ſollte; ſo waͤre es doch verwegen, wenn man zur Zeit eines Donnerwetters, ſich nicht wenigſtens auf ein paar Schritte davon entfernet halten wollte. Herr Hem - mer zwar befindet ſich bey jedem Donnerwetter, be - ſtaͤndig in einer ſehr groſen Annaͤherung bey ſeinem Wetterableiter, den er ſo gar durch ſein Zimmer ge - fuͤhrt hat. Dieſes beweiſt wenigſtens ſoviel, daß man ſo lange kein Schlag erfolgt, ganz nahe an dem Wet - terableiter ſtehen koͤnne. Sollte erſt gar einſtmahl ein Schlag auf dieſen Ableiter geſchehen, und alles oh -ne67ne Schaden der Umſtehenden abgehen, ſo waͤre es ein unwiderſprechlicher Beweis, daß man in keinem Fall etwas von dem Wetterableitern zu befuͤrchten habe.

Noch muß ich uͤberhaupt bemerken, daß man ſich vor vielen Schlaͤgen auf den Wetterableiter nicht fuͤrchten doͤrfe. Die Spitze leert ſchon manche Wetterwolken, die auf die Erde geſchlagen haben wuͤrden, ſtillſchweigend wo nicht gaͤnzlich, doch ſo weit aus, daß kein Schlag mehr erfolgen kan. Ferner ſollte eine Wetterwolke von ei - nem[heftigen] Sturm ſchnell an einen Ableiter getrie - ben werden, ſo muͤßte, wenn ein Schlag erfolgte, die Wolke naͤher an den Ableiter kommen, als ſie noͤthig gehabt haͤtte an ein anderes Gebaͤude zu ſtoßen, um in demſelben einzuſchlagen. Man vergleiche hieben die 3te 10te und 11te Erfahrung, woraus erhellet, daß wenn auf eine Spitze ein electriſcher Funke[ſ]chlagen ſoll, die Spitze und der electriſche Koͤrper ſehr ſchnell und nahe zuſammen ſtoſen muͤſſen. Da ſich aber dieſer Fall ſelten ereignen kan, ſo hat man ſich nicht vor vie - len Schlaͤgen zu fuͤrchten. Endlich bemerke noch, nach Angab der 11ten Erfahrung, daß ein Schlag der auf einen Wetterableiter gehet, durch die Spitze des Ab - leiters, welche ſchon vor dem erfolgten Schlag viel Feuer aus der Wolke abgefuͤhret hat, jedesmahl aus - ſerordentlich geſchwaͤchet werde. Von einem ſchwa - chen Schlag aber hat man ohnehin nicht viel zu befuͤrch - ten.

Fuͤnftens. Die Wetterableiter ſind auch fuͤr die nahe ſtehende Gebaͤude nicht ſchaͤdlich ſon - dern ehe nuͤtzlich.

Nach dem 12ten Verſuch Seite 29. kan eine Wet - terwolke, die nicht allzu niedrig, ſondern gerade ſo hoch und nicht hoͤher ſtehet als daß ſie in ein GebaͤudeE 2noch68noch wohl haͤtte einſchlagen koͤnnen, nicht mehr in daſ - ſelbe ſchlagen, wenn ein Wetterableiter neben demſelben ſtehet. Es hat alſo ein Nebengebaͤude wenigſtens eini - gen Schutz von einem ihm zur Seite befindlichen Wet - terableiter.

Wollte man auch dieſes aus dem Grunde wieder - ſprechen, weil mein obiger Verſuch nur im kleinen angeſtellt iſt; ſo bleibt doch dieſes gewiß, daß ein Wetterableiter einem ihme nahe ſtehenden Gebaͤude wenigſtens keinen Schaden bringe. Ich habe nehm - lich bewieſen, daß die Wetterableiter die Wolken nicht herbey ziehen, ſondern vielmehr ausleeren. Da - durch aber wird eine Wolke immer weniger im Stande, auf ein unter ihr ſtehendes Gebaͤude loszuſchlagen. Folglich kann der Wetterableiter einem benachtbarten Gebaͤude keinen Schaden bringen. Ja er nutzt wenig - ſten ſo viel, daß eine hohe Wolke, die zur Noth noch auf das Gebaͤude haͤtte ſchlagen koͤnnen, es nun nicht mehr kan, nachdem ſie von dem nahe ſtehenden Wetterableiter etwas ausgeleeret worden.

Sechſtens Setzt aber ein Wetterableiter ein benachtbartes Gebaͤude außer aller Gefahr, ſo gut als das Gebaͤude ſelbſt, welches den Wet - terableiter hat?

Dieſes getraue mir nicht zu behaupten. Der 13 und 14te Verſuch Seite 30. belehret uns, daß eine ſehr niedrig heranziehende, oder eine vom heftigen Sturm ſehr ſchnell hergetriebene Wolke, ei - nen electriſchen Schlag abgeben koͤnne; und daß der Schlag dann lieber auf einen ſtumpfen Koͤrper, als an die Spitze des Wetterableiters fahre.

Warum dieſes geſchehe, wird aus der 8. 9. und 10ten Erfahrung deutlich. Denn daraus ſiehet man,daß69daß ein ſtumpfer Koͤrper, z. B. eine metallene Kugel die Wetterwolke anziehe, daß aber die Spitze das An - ziehen vermindere. Der phyſicaliſche Grund hievon mag ſeyn, weil ein ſtumpfer Koͤrper einer Wetterwolke mehrere Beruͤhrungspunkte dargiebt, als eine Spitze; und daher von einem ſtumpfen Koͤrper ſtaͤrker angezo - gen werden kann.

Wendet man die 13te Erfahrung auf zwey neben einander ſtehende Gebaͤude, unter denen eines mit ei - nem Wetterableiter verſehen iſt, an; ſo ſcheinet es, daß eine Wolke, die ſo niedrig ſtehet, oder ſo ſchnell getrieben wird, daß ſie nothwendig auf eines von bey - den Gebaͤuden einſchlagen muͤßte, lieber das benacht - barte Gebaͤude, als das mit dem Ableiter treffe.

Nun kan dieſes allerdings geſchehen, wenn das benachtbarte Gebaͤude auf ſeinem Dach viele metallene ſtumpfe Koͤrper haben ſollte. Z. B. wenn Wetterfah - nen oder metallene Rinnen angebracht waͤren. Allein es kommen wieder andere Umſtaͤnde vor, die das Ein - ſchlagen des Blitzes auf ein benachtbartes Gebaͤude er - ſchweren, oder wohl gar unmoͤglich machen.

Erſtlich iſt die Ableitungsſtange des benachtbarten Gebaͤudes nicht eine bloße Spitze, ſondern zugleich auch ein ſtumpfer Koͤrper. Die Spitze iſt nehmlich an dem aͤußerſten oberſten Ende der Stange, der untere Theil derſelben aber iſt ein dicker Koͤrper. (Dieſer Umſtand war bey meinem kleinen electriſchen Thurm nicht, und konnte auch nicht ſeyn, da der Drath, aus welchem die Spitze beſtund, nur duͤnn und kurz war.) Auf den untern dicken Theil der Ableitungs - ſtange kan daher der Blitz ſo leicht ſchlagen, als auf einen andern ſtumpfen metallenen Koͤrper eines Neben - gebaͤudes. Anderns glaube ich, man koͤnne mit moͤg -E 3lich -70lichſter Zuverlaͤßigkeit behaupten, daß der Blitz lieber auf den Ableiter als auf das Nebengebaͤude ſchlage. Denn faͤhrt der Blitz auf ein Gebaͤude, ſo muß er in demſelbigen verſchiedene Spruͤnge machen, weil in keinem Gebaͤude die Metalle ſo gut zuſammen haͤngen, daß der Blitz daran ununterbrochen bis in die Erde laufen koͤnnte. Dieſes aber kann er an dem Ableiter des Nebengebaͤudes. Nun weis man aus der 6ten Erfahrung, Seite 24. daß wenn der Blitz zwey We - ge in die Erde hat, und auf den einen ununterbrochen fortlaufen kan, auf dem andern aber Spruͤnge machen muß, er den erſtern Weg vorziehet.

Fragt ſich nun: wenn der Nachbar uͤber das Anlegen eines Wetterableiters einen Streit und gerichtliche Klage erheben wollte, verdient er ge - hoͤrt zu werden?

Ich habe bisher gezeigt, daß ein Wetterableiter die Wetterwolken nicht herbey ziehe, ſondern vielmehr das Herziehen derſelben verhindere; daß folglich aus dieſem Grunde ſchon das benachtbarte Haus von einem Wetterableiter Schuz habe. Ferner habe ich aus ſehr wahrſcheinlichen Gruͤnden dargethan, daß wenn ein un - vermeidlicher Blitz, der aber auch ohne Wetterableiter, und zwar ohne dieſen nur deſto heftiger wuͤrde er - folgt ſeyn, entſtehen ſollte; er lieber auf den Wetter - ableiter als in das Nebengebaͤude fahren wuͤrde. Es hat daher das Nebengebaͤude in allem Betracht Schutz von dem Wetterableiter.

Sollte auch das Nebengebaͤude durch einen Wet - terableiter nicht gaͤnzlich geſchuͤtzt werden koͤnnen; ſo waͤ - re es ja die groͤßte Unbilligkeit, wenn aus dieſem Grund der Nachbar verhindert werden ſollte, ſein ei - genes Gebaͤude zu ſchuͤtzen. Stehet doch auch dem Nach -barn71barn frey, wenn er ſich vor Gefahr fuͤrchtet, ſein Haus ebenfalls mit einem Wetterableiter zu verſe - hen.

Doch erfordert es auf der andern Seite auch die Billigkeit, weil das furchtbringende Vorurtheil, als ob die Wetterableiter die Wetter herbey zoͤgen, nie gaͤnz - lich wird benommen werden koͤnnen; daß wenn zwey Gebaͤude neben einander ſtehen, und an das niedrige ein Wetterableiter angelegt werden ſollte; man auf das niedrige Gebaͤude einen hoͤlzernen Baum oder Stange aufrichte, und erſt auf dieſe die eiſerne ſpi - tzige Ableitungsſtange ſetze, damit der Ableiter uͤber die Nebengebaͤude wohl erhaben ſeye.

Siebendens. Iſt es vortheilhafter, die Wetterableiter an die Gebaͤude ſelbſt, oder an hohe Baͤume, die neben den Gebaͤuden aufge - richtet werden, anzulegen?

Einige Naturforſcher haben das letztere behaup - tet und geglaubt, wenn um eine Stadt herum mehre - re hohe Baͤume mit Wetterableitern aufgerichtet wuͤr - den; ſo koͤnnte eine ganze Stadt geſichert werden. Ingleichen hielten ſie es fuͤr ſicherer, wenn man neben einem Gebaͤude einen hohen Baum ſtellte, und an die - ſen den Wetterableiter anbraͤchte. Ich habe aber erſt gezeigt, daß ein Gebaͤude von einem benachtbarten Wetterableiter nicht vollkommen geſchuͤtzt werden koͤnne. Daher iſt es allezeit mehr zu rathen, den Ableiter an das Gebaͤude ſelbſt, als an einen aufgerichteten Baum zu ſetzen. Wollte man indeſſen die Koſten nicht ſpa - ren, und doppelte Wetterableiter anlegen, ſo waͤre die groͤſte moͤglichſte Sicherheit zu erwarten, wenn man das Gebaͤude mit einem ſpitzigen, und die neben um das Gebaͤude herum gepflanzte Baͤume mit ſtumpfenE 4Wet -72Wetterableitern verſehen wollte. Denn ſollte ein un - vermeidlicher Schlag erfolgen, ſo wuͤrde er auf den ſtumpfen Ableiter los gehen, da ich dieſes aus der 14. Erfahrung Seite 30 bewieſen habe.

Achtens. Koͤnnte nicht, wenn der Wetter - ableiter zu viele wuͤrden, ein Nachtheil fuͤr den Erdboden daraus entſtehen?

Dieſes iſt ein neuer Einwurf*)Siehe die Nuͤrnbergiſche politiſche Zeitung Nr. 147 1783. wieder die Wet - terableiter. Man wendet ein: wenn durch viele Wet - terableiter zu viel electriſches Feuer aus den Wolken in die Erde gefuͤhrt werden ſollte; ſo koͤnnten die Gewit - ter vermindert werden: die Pflanzen muͤſten das ele - ctriſche Feuer, daß ihnen ſo unentbehrlich iſt, erman - geln: der Erdboden koͤnnte ſeine Waͤrme verlieren, und ſein Clima aͤndern, hingegen koͤnnte das Innere der Erde zu ſehr mit electriſchen Feuer angefuͤllt wer - den; dieſes aber zu Erdbeben Gelegenheit geben.

Dieſe Einwuͤrfe haben indeſſen wenig zu bedeuten. 1) Die Gewitter koͤnnen nicht durch Wetterableiter ver - mindert werden. Denn die Wetterableiter leiten ja nicht das Waſſer und die Wolken, ſondern nur das Feuer aus den Wolken ab. Dann ſind die Ableiter nur im Stande, diejenigen Wetterwolken, die tief gehen, ihres electriſchen Feuers zu entledigen, nicht aber die hohen. Ueberdieß laͤren die Wetterableiter auch die niedern Wolken nicht ganz, ſondern nur auf ein ge - wiſſes Maaß aus. 2) Die Pflanzen ſo wohl als der Erdboden koͤnnen durch die Wetterableiter ebenfals nicht das benoͤthigte electriſche Feuer verlieren, da theils wie Seite 20. 21. gezeigt worden, das electriſcheFeuer73Feuer, an den Wetterableitern ſowohl aus den Wol - ken auf die Erde, als aus der Erde in die Wolken wieder zuruͤck gehet; theils der groͤſte Theil des electri - ſchen Feuers, durch den Regen auf den Erdboden faͤllt, und das was durch Wetterableiter abgefuͤhrt wird, in Vergleichung mit dem was durch den Regen auf den Erdboden kommt, ſehr wenig iſt. 3) Endlich darf man ſich wegen der Wetterableiter nicht vor Erd - beben fuͤrchten, da wie ich erſt angefuͤhrt habe, das electriſche Feuer welches an dem Ableiter aus den Wol - ken in die Erde gelaufen, an dem nehmlichen Ableiter wieder in die Wolken hinauf ſteigt.

Zum Beſchluß dieſes Artikels von Wetterableitern will ich von den ſtumpfen Wetterableltern, uͤber welche vor kurzen unter den Gelehrten geſtritten wur - de, nur etwas weniges anfuͤhren.

Sie ſind eine Erfindung des Hn Wilſon in En - gelland, und beſtehen darinnen, daß man auf die ſenk - rechte Stange Fig. 5. a und Fig. 6. anſtatt der Spitze ei - ne Kugel ſetzt. Hr. Nairne widerſetzte ſich ihnen und zeigte durch richtige und ſorgfaͤltig angeſtellte electriſche Verſuche, den Vorzug der ſpitzigen Wetterableiter. Um - ſtaͤndliche Nachricht hievon hat Hr. Prof. Lichtenberg im deutſchen Muſaͤum 1778. im Monat October, und Hr. D. Ingenhouß in ſeinen vermiſchten Schriften Seite 124. folg. gegeben. Die koͤnigliche Geſellſchaft der Gelehrten zu Londen entſchied mit Recht fuͤr die ſpitzigen Wetterableiter, und verwarf die ſtumfen.

Wenn ich frey hievon urtheilen ſoll; ſo ſind die ſtumpfen Wetterableiter nicht gefaͤhrlicher als die ſpitzi - gen. Denn wenn ein Blitz auf ſie fahren ſollte; ſo leiten ſie ihn eben ſowohl als die ſpitzigen Ableiter außer dem Gebaͤude, an der Stange in die Erde ab.

E 5Das74

Das einzige Bedenkliche hiebey aber iſt; daß nach aller Wahrſcheinlichkeit der Blitz auf einen ſtumpfen Wetterableiter oͤfters ſchlagen moͤchte, als auf einen ſpitzigen. Ja! es iſt nach allen Gruͤnden ſehr wahr - ſcheinlich; daß ein Gebaͤude, welches in ſeinem natuͤr - lichen Zuſtand vom Blitz verſchont geblieben waͤre, ge - troffen wird, ſobald man ihm einen ſtumpfen Ableiter giebt; obgleich der Blitz nicht auf das Gebaͤude ſelbſt, ſondern nur auf den Ableiter faͤhrt. Ich beweiſe dieſes aus folgenden Gruͤnden.

Erſtlich. Weil ein Wetterableiter vorhanden iſt, ſo braucht der Blitz um in den Erdboden zu kommen, keinen ſo großen Sprung zu machen, als er nothwen - dig haͤtte vornehmen muͤßen, wenn kein Wetterablei - ter da geweſen waͤre. Da der Wetterableiter mit dem Erdboden zuſammen haͤngt, und doch weit uͤber dem Erdboden empor ſtehet: ſo hat der Blitz um in den Erd - boden zu ſchlagen, an dem Ableiter keinen ſo großen Sprung zu machen, als wenn der Ableiter nicht da waͤre. Es kann daher durch den Ableiter ſchon eine hohe Wolke auf den Erdboden ſchlagen. Der Blitz kan aber an dem Ableiter auch leichter als durch ein bloßes Gebaͤude in den Erdboden gehen. Denn in keinem Gebaͤude haͤngen die Metallen ſo gut zuſam - men, als an dem Ableiter. Es muͤßte daher der Blitz, wenn er in das Gebaͤude einſchlagen wollte, Spruͤnge machen; und dieſes erſchweret das Einſchlagen deſſelben. Die Wolke muͤßte, wenn dieſes geſchehen ſollte, tiefer ſinken. Hingegen kan eine Wolke, die noch ſo hoch gehet, daß ihr Funke, den ſie in ſich traͤgt, mit ſei - nen verſchiedenen durch das Gebaͤude zu machenden Spruͤngen den Erdboden nicht wuͤrde haben erreichen koͤnnen; auf den Wetterabltiter ſchlagen, weil derBlitz75Blitz an dieſem keine Spruͤnge zu machen noͤthig hat. Je hoͤher das Gebaͤude und folglich auch der Wetterab - leiter iſt, deſto leichter und oͤfters kan dieſes geſche - hen.

Man wird zwar einwenden: alles dieſes befindet ſich auch bey dem ſpitzigen Ableitern: und kan daher bey dieſen eben ſowohl geſchehen, daß der Blitz um des Weterableiter willen, oͤfters an einen Ort faͤhrt, als wenn kein Ableiter da geweſen waͤre. Allein man muß

Anderns bedenken; daß ein ſtumpfer Wetterablei - ter eine Wertterwolke ſtaͤrker anziehet, als ein ſpitziger Ableiter. Man ſehe die 8 te und 9 te Erfahrung Sei - te 28. Man bedenke ferner daß ein ſtumpfer Wetter - ableiter nicht wie ein ſpitziger, die Wetterwolke von ferne ſchon ihres Feuers beraubt: ſo wird man aus dieſem doppelten Umſtand leicht den Schluß machen koͤn - nen, daß eine Wetterwolke die bey einem ſtumpfen Wet - terableiter ihre ganze Gewalt behaͤlt, und bey einem ſpitzigen Ableiter geſchwaͤchet wird; leichter und oͤfters auf einen ſtumpfen Wetterableiter ſchlagen koͤnne nnd muͤße, als auf einen ſpitzigen.

Um einem Zweifel der hiebey entſtehen moͤgte vor - zukommen; muß ich zur Erklaͤrung des erſt geſagten, noch etwas bemerken. Es ſcheint ein Widerſpruch zu ſeyn wenn man behauptet, daß die ſtumpfen Wetter - ableiter die Wetterwolken ſtaͤrker anziehen, als die ſpi - tzigen: Und doch im Gegentheil vorgibt, daß die ſpitzi - gen Wetterableiter von ferne ſchon das electriſche Feuer aus den Wolken aufnehmen und abfuͤhren. Allein man muß nur einen Unterſchied machen zwiſchen dem Anziehen oder Annehmen des electriſchen Feuers, und dem Anziehen der Wetterwolke ſelbſt. Ein ſtumpferWet -76Wettetableiter ziehet das electriſche Feuer von ferne nicht an ſich; wohl aber ein ſpitziger. Hingegen wird die Wetterwolke von dem ſtumpfen Ableiter ſtaͤrker an - gezogen als von einem ſpitzigen. Dieſes bringt die Natur der Sache mit ſich. Ich habe ſchon Seite 63. und 64. die Gruͤnde hievon angegeben, und will ſie nun nochmahl kuͤrzlich wiederhohlen. Weil der ſpitzige Wetterableiter des electriſche Feuer von ferne ſchon aus der Wetterwolke raubt, annimmt, und abfuͤhret: ſo wird die Wolke entkraͤftet, kan daher nicht ſo ſtark auf den Wetterableiter wuͤrken, kan folglich nicht mehr ſo ſtark vom ſpitzigen Wetterableiter angezogen werden, und deswegen nicht ſo oft auf ihn ſchlagen. Der ſtum - pfe Ableiter aber, raubt von ferne kein Feuer aus der Wolke. Sie behaͤlt daher ihre ganze Kraft: wuͤrkt folglich ſtaͤrker auf den ſtumpfen Ableiter als auf den ſpitzigen; wird deßwegen von dem ſtumpfen Ableiter auch ſtaͤrker angezogen, und ſchlaͤgt nothwendig viel oͤfters auf den ſtumpfen Ableiter als auf dem ſpitzigen, da ſie ſich ihres Feuers nicht wie bey dem ſpitzigen Ab - leiter ſtillſcheweigend, ſondern bloß durch einen Fun - ken oder Schlag entledigen kan.

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Zweyter Einwurf.

Es iſt ein Eingriff in die goͤttliche Regierung und Vorſehung; wenn man ſich und die Seinigen, wieder Donner und Blitzen, welche Gott zu Werkzeugen erſchaffen hat, um ſeine Rache und Strafe damit uͤber die Welt auszu - uͤben, verwahren wollte.

Ob gleich dieſer Einwurf nur von ſolchen Leuten gemacht wird, die gar keine Erkaͤntniß von der Na - tur und dem Nutzen des Blitzes haben; ſo halte ich es doch fuͤr noͤthig, auch dieſen Leuten zu begegnen. Erſtlich iſt es Pflicht, auch den gemeinen Haufen des Volks aufzuklaͤren, und ihme beſſere Begriffe von der Natur beyzubringen; weil durch genauere Erkenntniß derſelben, Gottes Allmacht, Weißheit und Guͤte beſ - ſer erkannt, und eben dadurch der groſe Schoͤpfer mehr verehret wird. Anderns muß der Naturforſcher den Gemeinen Mann das erſt bemeldete Vorurtheil, um ſein ſelbſt willen benehmen. So lange der gemei - ne Mann glaubt, Wetterableiter ſeyen ein Eingriff in die goͤttliche Regierung: ſo lange ſiehet er den Na - turforſcher fuͤr einen Gotteslaͤſterer, und fuͤr einen Menſchen an, der Gottes Arm binden und ſich wieder den Allmaͤchtigen auflehnen will. Aus dieſem Grund aber entſtehet dann; daß der Naturforſcher, wenn er in ſeinen heilſamen Bemuͤhungen, auch durch obrig - keitliche Gewalt geſchuͤzt wird, und von dem Poͤbel darinnen nicht gehindert werden kan; er doch die em - pfindlichſten Urtheile und Laͤſterungen uͤber ſich muß er - gehen laſſen.

Der78

Der Grund nun dieſes Vorurtheils, als ob Wet - terableiter ein Eingriff in die goͤttliche Regierung ſeyen, liegt in dem irrigen Wahn; als ob Gott Donner und Blitze, bloß zur Rache und Strafe erſchaffen ha - be. Man beruft ſich auf Stellen heil. Schrift, aus denen man dieſes beweiſen will. Ich werde einige der wichtigſten, und die Beweiſe die man daraus wieder die Wetterableiter hernimmt, anfuͤhren. Es ſind mir wuͤrklich die meiſten derſelben von gemeinen Leuten, die fleiſige Biebelleſer, aber keine Naturforſcher ſind, gemacht worden.

Erſtlich ſagen ſie hat Gott in verſchiedenen Faͤllen, offenbahr ſich des Donners Blitzes und Hagels als eines Werkzeugs bedient, um die Menſchen damit zu ſtrafen. Dieſes that Gott 2. Moſ. 9 bey der ſiebenden Egypti - ſchen Landplage. Ferner Joſua 10. V. 11. bey dem Streit Joſua mit den Amoritern, welche Gott durch einen hef - tigen Hagel erlegte, und dadurch den Iſraeliten Sieg gab. Ingleichen auch 1. Sam. 7. V. 10. wo die Phi - ſter durch einen groſſen Donner erſchroͤckt wurden.

Anderns ſagen ſie: hat ſich Gott 1. Samuel. 12. V. 18. des Donners bedient, um dadurch ſeinen Un - willen wider Iſrael, welches einen Koͤnig verlangte, an den Tag zu legen.

Drittens werfen ſie ein: findet man in der heil. Schrift viele Zeugnuͤſſe, daß Gott durch den Donner, den Menſchen ſeine Groͤſe, und Allmacht zu Gemuͤthe fuͤhren, und gleichſam vor Augen mahlen, hingegen den Menſchen ihr Unvermoͤgen und Nichtigkeit zeigen wolle. Dieſes that Gott, als er auf dem Berg Si - nai unter Donner und Blitzen das Geſetz gab. Fer -ner79ner lehrt uns die heilige Schrift annoch vielen andern Orten die Groͤſe und Allmacht Gottes aus dem Don - ner z. B. Hiob. 26. V. 14. Wer will dem Donner ſeiner Macht widerſtehen? Hiob 37. V. 2. Lieber hoͤre doch, wie ſein Donner zuͤrnet, und was fuͤr Geſpraͤch aus ſeinem Munde geht. Hiob 38. V. 34. 35. Kannſt du deinen Donner in den Wolken hoch herfuͤhren. Kannſt du die Blitze auslaſſen, daß ſie hinfahren und ſpre - chen, hie ſind wir? Hiob 40. V. 4. Haſt du einen Arm wie Gott und kannſt mit gleicher Stimme donnern, wie er thut? Pſ. 104. V. 7. Von deinem Donner fliehen ſie, von deinem Schelten fahren ſie dahin. Jer. 25. V. 30. Der Herr wird bruͤllen aus der Hoͤhe, und ſeinen Donner hoͤren laſſen aus ſeiner heiligen Wohnung.

Viertens, wenden ſie noch ein: die heilige Schrift ſage deutlich, daß Gott Donner und Blitze zu Werkzeugen gebrauche, um die Gottloſen damit zu ſtrafen. Pſalm 148. V. 8. bezeuget David, daß Feuer Hagel, Schnee und Dampf und Sturmwinde Got - tes Wort ausrichten; und Pſam 18. V. 8 16. Die Erde bebete und war beweget, und die Grundveſte der Berge regten ſich und bebeten, da er zornig war. Dampf gieng auf von ſeiner Naſe und verzehrend Feuer von ſeinem Munde, daß es davon blitzte. Er neigte den Himmel und fuhr herab, und dunkel war unter ſeinen Fuͤßen. Und er fuhr auf dem Cherub und flog daher: Er ſchwebete auf den Fittigen des Windes. Sein Gezelt um ihn her war finſter, und ſchwarze dicke Wolken darinn er verborgen war. Vom Glanz vor ihm trenneten ſich die Wolken mit Hagel und Bli - tzen, und der Herr donnerte im Himmel, und derHoͤch80Hoͤchſte ließ ſeinen Donner aus mit Hagel und Blitzen. Er ſchoß ſeine Strahlen und zerſtreuete ſie. Er ließ ſehr blitzen und ſchreckte ſie. Da ſahe man Waſ - ſerguͤſſe und des Erdhodengrund war aufgedecket. Herr von deinem Schelten. Von dem Odem und Schnau - ben deiner Naſen.

Man kan ſich nun leicht gedencken, welche Einwuͤr - fe aus dem bereits angefuͤhrten gemacht werden. Man ſchlieſt nehmlich alſo. Da Gott durch den Blitz die Egyptier geſtraft hat. Da er den Menſchen ſeinen Zorn dadurch an den Tag legen will, wie den Iſraeli - ten, die einen Koͤnig verlangten. Da er den Menſchen dadurch ſeine Groͤſe und Allmacht vorſtellet, nach dem dritten Einwurf. Und da ausdruͤcklich geſagt wird nach dem vierten Einwurf daß Gott den Blitz zur Rache erſchaffen habe: ſo folge daraus; daß derjenige ſich wie - der Gottesallmacht ſetze, der ſich durch Wetterableiter dawieder beſchuͤtzen will.

Allein bey dieſem Einwurf kommt es nun darauf an, daß man beweiſe: Gott habe den Blitz bloß al - lein, und aus keiner andern Urſache erſchaffen, als um die Menſchen damit zu ſtrafen und zu erſchroͤcken. Dieſes aber ſtehet in den obigen vier[Einwuͤrfen] nicht, und kein Menſch wird es beweiſen koͤnnen, daß Gott den Blitz bloß in dieſer Abſicht erſchaffen habe. Daß Gott bey Erſchaffung des Blitzes dieſe Nebenabſicht ge - habt, durch denſelben den Menſchen ſeine Groͤſe zu zei - gen, und ſie zuweilen auch damit zu ſtrafen, laͤugnet niemand. Allein es iſt nichts in der Welt, es mag ſo nuͤtzlich ſeyn als es immer will, das nicht Gott zu einem Werkzeug ſeiner Strafe ſollte gebrauchen koͤnnen, und wirklich gebrauche; oder welches, ich will nicht ſagen,zu -81zufaͤlliger Weiſe, aber doch nach einer weiſen Zulaſ - ſung Gottes, ſchaͤdlich werden koͤnnte. Ich will eini - ge der nuͤtzlichſten Dinge, die in dieſe Claſſe gehoͤren, anfuͤhren. Wie unentbehrlich der Welt, Feuer, Waſ - ſer und Luft ſey, brauche ich nicht zu beweiſen; da aus dieſen drey Elementen nebſt der Erde, alle Dinge beſtehen. Und doch gebraucht Gott nach dem Zeug - nuß Davids Pſ. 148. V. 8. dieſe Dinge ſowohl als den Bliz zu Werkzeugen, die ſein Wort ausrichten, oder zu Werkzeugen ſeiner Strafe. Ein jeder weiß dieſes auch aus der Erfahrung. Hat nicht das Feuer, ohne welches alle lebendige Weſen ſtarr und tod waͤ - ren, und welches man zu tauſendfachen Nutzen anwen - den kan, hat es nicht ſchon tauſend mahl die graͤu - lichſten Verheerungen angerichtet? Hat es nicht ſchon unzaͤhlige Menſchen und die ſchoͤnſten Staͤdte verzehrt? Die Luft, ohne welche weder der Menſch, noch ein an - deres lebendiges Weſen einen Augenblick leben kan; hat, wenn ſie erregt wird und ſich in Sturm verwandelt, Haͤuſer umgekehrt und unter ihrem Schutt die Men - ſchen begraben; ſo auch Schiffe zerſcheitert, und mit den Menſchen in den Abgrund verſenkt. Das Waſ - ſer aus welchem der groͤſte Theil des menſchlichen und thieriſchen Koͤrpers, ſo wie aller Pflanzen, beſtehet, nach welchem die Menſchen, wenn ſie es eine Zeitlang entbehren muͤſſen, ſo ſehr als nach Brod ſchreien; hat, wenn es ſich in Fluthen anhaͤuft, ſchon oͤfters ganze Laͤnder und Staͤdte uͤberſchwemmt, zerriſſen, und in ein graͤuliches Schauſpiel verwandelt. Wie viele tauſend Menſchen haben ſchon im Waſſer ihren Tod gefunden?

FSo82

So koͤnnen die nuͤtzlichſten Dinge ſchaͤdlich wer - den! Ja diejenigen Dinge die Gott zum groͤſten Nutzen der Welt erſchaffen hat, kan er zu Werkzeugen ſeiner Strafe anwenden. Wer wird aber ſo unſinnig ſeyn und behaupten, Gott habe z. E. Feuer Waſſer und Luft zur Strafe der Menſchen erſchaffen, wenn er ſie - het daß Gott dieſe Dinge bißweilen zur Strafe der Menſchen gebraucht?

Die nehmliche Bewandnuͤß hat es mit dem Blitz. Gott erſchuf das Feuer woraus der Blitz beſtehet, zum wahren Nutzen der Welt. Es iſt allen Geſchoͤpfen im Pflanzen und Thierreich unentbehrlich. Aber Gott kan es auch, ſo wie das Feuer, Waſſer und Luft, zum Werkzeug ſeiner Strafe, machen. Oder es kan durch einen Zufall, den Gott nicht anderſt als durch ein Wunderwerk abwenden koͤnnte, welches aber ſeiner Weißheit nicht gemaͤß ware, ſchaͤdlich werden, ohne daß man es ein Strafgericht Gottes nennen kan.

Jederman ſiehet nunmehr, daß um den obigen Einwurf. Gott habe den Blitz zur Strafe der Menſchen erſchaffen, und es ſeye ein Eingriff in die goͤttliche Regierung wenn man ſich wieder dieſe Waf - fen Gottes durch Wetterableiter beſchuͤtzen wollte, daß ſage ich um dieſen Einwurf zu wiederlegen, vor allem jezt bewieſen werden muͤſſe, es ſeye dieſes Feuer von Gott zum Nutzen der Welt beſtimmt. Es fol - gen daher jezt.

Be -83

Beweiſe daß das Feuer des Blitzes nicht zur Strafe beſtimmt, ſondern der Welt unend - behrlich ſeye und zum groͤſten Nutzen diene.

Erſter Beweiß.

Von der Weißheit und Guͤte Gottes laͤſt ſichs nicht ohne Gotteslaͤſterung gedenken, daß Gott ein Eiement, oder auch nur ein einzelnes Geſchoͤpf, bloß allein zum Schaden der Welt, und zur Strafe er - ſchaffen habe. Der Schoͤpfer ſelbſt bezeugt von allen ſeinen Werken daß ſie gut ſeyen. Der ſchwache menſchliche Verſtand kan zwar nicht an allen Werken Gottes, ſeine Guͤte entdecken. Daraus folgt aber noch nicht, daß gar nichts Gutes an ihnen ſeye. Seit dem die Naturkunde zur groͤßern Vollkommenheit ge - kommen iſt; hat man ſchon viele Entdeckungen ge - macht, daß viele Geſchoͤpfe Gottes, die man zuvor aus Unwiſſenheit fuͤr ſchaͤdlich hielt, großen Nutzen brin - gen. Sollte man nicht zur Ehre Gottes auch von jenen Geſchoͤpfen, deren Nutzen man noch nicht hat entdecken koͤnnen, das nehmliche denken? Wahrlich! Ich ſage es noch einmahl: es iſt nicht nur ein Wie - derſpruch, ſondern eine wirkliche Gotteslaͤſterung; von Gott, dem man nach ſeiner Vollkommenheit die Guͤte nicht abſprechen kan, zu ſagen: er habe etwas blos zum Verderben erſchaffen. Es iſt eine Gotteslaͤſte - rung, wenn man Gott, der von ſeinen Werken ruͤhmt, daß ſie gut ſeyen, widerſprechen und behaup - ten will, daß ſie nicht nur nicht gut, ſondern noch uͤberdiß ſchaͤdlich und zum Verderben der Welt ſeyen.

F 2Fer -84

Ferner: man ſpricht Gott nicht nur ſeine Guͤte ab, wenn man behauptet: er habe den Blitz bloß zur Rache erſchaffen; ſondern man verſuͤndiget ſich auch an ſeiner Weisheit. Der Weiſe erwaͤhlt, ſeine Abſicht zu er - reichen, allezeit die einfachſten und nur wenige Mittel, und es iſt gewiß ein Beweiß von einem Mangel der Klugheit, wenn man zu dem was man durch wenige, einfache und geringe Mittel bewuͤrken kan; gro - ſe, weitlaͤufige und unnoͤthige Vorkehrungen machet. Gott kan nun, wenn er will, die Welt, wie wir ge - ſehen haben, auch durch Dinge ſtrafen, die er auf der andern Seite zu einem ſehr heilſamen Endzweck ange - wendet. Z. E. durch Feuer, Luft, Waſſer u. d. g. Braucht er alſo ein beſonderes Element zu ſchaffen, daß er bloß zur Strafe beſtimmt, und welches ſonſt keinen Nutzen bringt? Iſt es nicht weit mehr Weiß - heit, wenn Gott durch ein und eben daſſelbige Element die Welt ſtraft und ſeegnet? Und hieſe dieſes nicht die Weſen ohne Noth vervielfaͤltigen, wenn Gott nicht dieſe Ordnung befolgte?

Zweyter Beweiß. Ein hartnaͤckiger Gegner wird einwenden. Gottes Guͤte bleibe unangetaſtet, wenn man gleich annehme; daß Gott dieſes Element nur zur Strafe der Menſchen erſchaffen habe, da die Strafen Gottes allezeit die Beſſerung der Menſchen zum Grund haben. Daher muß ich dem erſten Be - weiß einen Zweyten beyfuͤgen, der auch dieſe Einwen - dung zugleich mit entkraͤftet. Er lautet alſo:

Durch den Blitz wird im Ganzen ſehr wenig Schaden auf der Welt angerichtet; aber es werden auch die Menſchen wenig dadurch gebeſſert.

Daß der Schade den der Blitz anrichtet nicht groß ſeye, beweiſt die Erfahrung. Daß der Blitzgroſſen85groſſen Schaden anrichten koͤnne, hat er ſchon viel - faͤltig bewieſen. Durch einen einzigen Blitz iſt ſchon mancher ganze Ort in Aſche gelegt worden. Daß er aber im ganzen wenig Schaden bringe iſt unlaͤug - bahr, Unter hundert Blitzen, ſchlaͤgt kaum einer in die Erde. Und unter zehn Blitzen die auf den Erdbo - den fahren, trift kaum einer einen Menſchen oder ein Gebaͤude. Die meiſten gehen in Baͤume oder gerade zu in das Waſſer und den Erdboden. Wenigſtens die Helfte von Blitzen die auf Gebaͤude fahren, zuͤn - den nicht. Ich kenne Orte wo bey Menſchen Geden - ken der Blitz nicht eingeſchlagen hat.

Wendet man ein: wenn gleich der Blitz nicht alle - zeit Schaden bringt; ſo erſchreckt er doch, haͤlt die Menſchen in Schranken, bewegt auch wohl manchen zur Beſſerung ſeines Herzens. Ich geſtehe daß auch an den Orten wo der Blitz bey Menſchen Gedenken nicht eingeſchlagen hat, die Menſchen doch durch denſelben erſchreckt werden. Indeſſen wird mir jederman zu - geben muͤſſen; daß der Nutze der daraus entſpringt ſehr gering ſeye. Gute Seelen brauchen nicht erſt durch Donnerwetter gebeſſert zu werden. Diejenigen aber die einer Beſſerung noͤthig haͤtten, laſſen ſich nicht beſſern. Man ſiehet, wenn ſie nicht ganz ver - haͤrtet ſind, ſie zwar bey heftigen Donnerwettern zit - tern und hoͤrt ſie aͤngſtlich beten. Aber die ganze Beſ - ſerung vergehet mit dem Wetter; und kaum eine Stun - de nachher ſind ſie ſo ſchlimm als zuvor.

Weil alſo der Blitz im Ganzen wenig Schaden, und aber eben ſo wenig moraliſche Beſſerung der Men - ſchen bringt; ſo kan er von Gott nicht bloß zur Strafe der Welt erſchaffen ſeyn.

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Dritter Beweiß. Die Schlaͤge der Blizen ſind auf dem Erdboden nicht alſo ausgetheilt, daß man ſie fuͤr goͤttliche Strafgerichte halten koͤnnte.

Der Bliz ſchlaͤgt gewoͤhnlich in hohe Baͤume, in hohe Gebaͤude und Thuͤrme, in Waſſer und unter Heerden Vieh auf dem Feld. Kan man, da der Bliz groͤſtentheils ſo regelmaͤſig einſchlaͤgt, ihn noch ein bloſes Werkzeug der Strafe Gottes nennen? Verdie - nen hohe Baͤume, hohe Gebaͤude, Kirchen, Thuͤr - me, Waſſer, und die Heerden Viehe mit ihrem Hir - ten, vor allem die goͤttliche Strafe? Sind bloß dieſe Dinge und ſonſt keine andere, ein Jahr wie das andere der Gegenſtand der goͤttlichen Rache? der Unverſtaͤdigſte wird dieſes nicht behaupten koͤnnen. Es muß alſo mit dem Bliz eine andere Beſchaffenheit haben. Traͤfe er bloß die Ruchloſeſten Menſchen und verſchonte er die Frommen, ſo moͤgte man ihn eher fuͤr ein bloſſes Werkzeug der goͤttlichen Rache anſehen. Aber der beſte unter den Menſchen kan ſo leicht als der groͤſte Miſſethaͤter, oder alsein Eichenbaum vom Bliz zerſchmettert werden.

Vierter Beweis. Wenn Blize und Donner - wetter bloße Werkzeuge der goͤttlichen Rache waͤren; ſo iſt kein Grund einzuſehen, warum dieſelben ſich nur im Sommer, nicht aber im Winter (wenigſtens in die - ſem nicht gewoͤhnlich) zeigen. Sind denn aber die Menſchen im Winter froͤmmer, als im Sommer? Verdienten ſie nicht im Winter eben ſowohl als im Sommer Zuͤchtigungen? Gewiß wenn Gott ein be - ſonderes Element, dergleichen das Blizfeuer iſt, blos zur Strafe der Welt erſchaffen haͤtte, und dieſes nur im Sommer ſich kraͤftig ſollte erzeigen koͤnnen, ſo wuͤr -de87de es ſehr unvollkommen ſeyn, und ſeines Endzwecks verfehlen.

Fuͤnfter Beweis. Wenn Gott den Bliz bloß zu außerordentlichen Strafen der Welt beſtimmet haͤt - te; ſo muͤßte er den Gang und die Wirkung deſſelben uͤbernatuͤrlich regieren. Die Erfahrung beſtaͤttigt aber daß dieſes nicht geſchehe; ſondern daß vielmehr der Bliz nach feſtgeſezten Natur Geſezen entſtehe und ein - ſchlage. Dieſes kan leicht erwieſen werden.

Erſtlich entſtehen Wetter und folglich auch die da - mit verknuͤpften Blitze, nur bey warmen und ſchwuͤllen Wetter. Zwar findet man das Feuer des Blitzes das ganze Jahr hindurch, in der Tiefe der Erde, auf ihrer Oberflaͤche, und in den Wolken. Die Electriſier Maſchine, welche das nehmliche Feuer hervorbringt; gibt es an allen Orten der Erde, und zu allen Zeiten, im Winter wie im Sommer ab. Ferner mag man den electriſchen Drachen der Seite 6. und 7. beſchrie - ben worden, mitten im Winter, bey heranziehenden ſchweren Wolken ſteigen laſſen; ſo wird man an ihm genug electriſches Feuer entdecken. Aber nur im Som - mer bey warmer Witterung, bildet ſich dieſes beſtaͤn - dig in der Natur vorhandene Feuer, zu Blitzen. Dieſes beweiſt daß der Blitz nach feſt geſezten Na - turgeſeſezen entſtehe; folglich von Gott nicht uͤberna - tuͤrlich erzeuget werde; ſonſt koͤnnte Gott das nehmli - che auch im Winter thun.

Anderns verfolgt er auch ſeinen Gang einmahl wie das andere, und folglich wiederum nach feſt ge - ſezten Naturgeſezen. Er kan nur von niedrig gehen - den Wolken auf die Erde ſchlagen, nicht aber aus den Hohen, ſonſt wuͤrden alle Blitze auf die Erde fahren. Ferner richtet er ſeinen Gang jederzeit auf Metalle,F 4thie -88thieriſche und menſchliche Koͤrper, auf Waſſer, Baͤu - me und den Erdboden, nie aber auf Glas, Pech und andere nicht leitende Koͤrper. Endlich lauft er an den zuſammenhangenden Metallen ruhig fort, ſpringt aber von einem Metall auf das andere, wenn dieſelben un - terbrochen oder abgeſezt ſind. Dieſes alles geſchiehet bey jedem Blitz, folglich iſt es Naturgeſez.

Eine Sache aber die der Schoͤpfer bloß zur Stra - fe, und nicht noch zu andern heilſamen Abſichten be - ſtimmet haͤtte; wuͤrde er nach menſchlichen Anſehen nie an feſtgeſezte Naturgeſetze haben binden duͤrfen, wenn ſie nicht ein ſehr unvollkommenes Werkzeug in den Haͤnden des Allmaͤchtigen werden ſollte. Denn in dieſem Fall wuͤrde der Schoͤpfer wenn er ſtrafen wollte, allezeit erſt erwarten muͤſſen, biß die Umſtaͤnde ſo guͤn - ſtig werden, daß ſein Rachewerkzeug nach dem ihm beygelegten Naturgeſezen anſchlagen, und das was der Schoͤpfer verlangt, ausfuͤhren kan. Waͤre aber dieſes nicht die hoͤchſte Unvollkommenheit?

Nachdem ich glaube bewieſen zu haben, daß der Blitz nicht bloß zur Strafe beſtimmt ſeye; ſo muß ich nun durch unlaͤugbahre Beweiſe darthun, daß das Feuer des Blitzes der Welt unentbehrlich ſeye, und den groͤſten Nutzen bringe.

Sechſter Beweiß. Das Feuer des Blitzes die - net zum Wachsthum der Pflanzen.

Dieſes ſcheinet beynahe keines Beweiſes zu beduͤr - fen. Man weis ſchon laͤngſt, daß die Wetterregen die fruchtbarſten ſind. Der gemeine Mann ſchreibt die Urſache hievon der Erſchuͤtterung des Erdbodens zu, welche durch den Donner bewirket wird. Es geſtehet alſo auch dieſer dadurch, daß der Blitz eine nuͤtzliche Sache ſey. Nur irrer man ſich in der, Art der Wuͤr -kung89kung. Die Erſchuͤtterung des Erdbodens kan unmoͤg - lich dieſe Fruchtbarkeit hervorbringen, ſonſt muͤßte ei - ne ſtaͤrkere Erſchuͤtterung, die der Pflug und das Grab - ſcheid macht, und durch welche der Erboden gar umge - kehrt wird, eine groͤſere Fruchtbarkeit geben. Die Fruchtbarkeit des Erdbodens entſtehet durch das elecri - ſche oder Blitzfeuer, welches bey Donnerwettern mit dem Regen auf den Erdboden faͤllt. Zum Beweiß deſſen haben Naturforſcher zwey Blumentoͤpfe mit ei - nerley Erde angefuͤllt; beyde mit einerley Saamen be - ſaͤet; beyde an einerley Ort gehalten; beyde auf einer - ley Art behandelt; den einen aber beſtaͤndig electriſirt, und den andern nicht. Der Saame in dem Topf welcher electriſirt wurde, gieng weit ehender auf, wuchs geſchwinder fort, und die Pflanzen waren weit lebhafter und vollkommener.

Bey Donnerwettern bekommt der Erdboden auſ - ſerordentlich viel electriſches Feuer. Schon der Wind der von einer Wetterwolke kommt, bringt viel electri - ſches Feuer; welches man ſehen kan, wenn man einen blechernen Cylinder Fig. 1. der an ſeidenen Schnuͤren aufgehaͤngt iſt, oder auf glaͤſernen Fuͤßen ſteht; an einen erhabenen Ort gegen ein heranziehendes Wetter ſtellet. Er wird mit electriſchem Feuer geladen, und giebt Funken. Richmann, ein Petersburger Ge - lehrter wurde durch den Funken eines ſolchen Cylin - ders gar getoͤdet. *)Dieſe ſonderbare und ungluͤckliche Begebenheit, haͤtte bey - nahe den Wetterableitern einen toͤdlichen Soß gegeben; wenn man nicht bald den Fehler eingeſehen haͤtte, den der ſeel. Richmann machte. Er haͤufte nehmlich das aus der Wetterwolke ſtroͤmende Feuer, an ſeinem Cylinderan;

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Auch mit dem Regen faͤllt bey Wettern viel electri - ſches Feuer auf den Erdboden. Man ſehe Seite 45. 46. dieſer Abhandlung.

End -

*)an; anſtatt daß er es haͤtte in den Erdboden leiten ſollen. Als er nun dem Cylinder nahe kam, ſprang das Feuer in Geſtallt eines Funkens auf ihn, und raubte ihm das Leben. Indeſſen iſt es doch immer wunderbahr, daß durch das Feuer, welches ſich an einem Cylinder, er ſeye auch noch ſo groß, anhaͤufen kan; ein Menſch getoͤdet werden ſoll. Wenigſtens kan dieſes nicht zu ſtande gebracht wer - den, wenn man auch den groͤſten Cylinder, mit der be - ſten Electriſiermaſchiene laden wuͤrde. Woher mag es alſo gekommen ſeyn, daß der Richmaͤnniſche Cylinder, der von der Wetterwolke geladen wurde, ſolche Kraft aͤuſerte? In den Cylinder ſelbſt, konnte durch die Wol - ke nicht mehr Feuer gebracht werden, als man ihm mit jeder Maſchine geben kan. Da er aber doch mehr Feuer abgab, als er wuͤrklich zu faſſen im Stande war: ſo war kein anderer moͤglicher Fall der dieſes hervorbringen konnte; als daß das Feuer in der Wetterwolke mit dem Feuer im Cylinder zuſammenhieng, und ein einziges Gan - zes ausmachte. So viel mir bekannt iſt, hatte der Reichmaͤnniſche Cylinder Spitzen, die gegen die Wolke gerichtet waren. Durch dieſe konnte das Feuer aus der Wolke in den Cylinder fließen; und das Feuer in der Wolke, ob ſie gleich weit entfernet war, konnte mit dem Feuer in dem Cylinder in Verbindung ſtehen. Als nun Reichmann ſich dem Cylinder naͤherte, ſprang nicht nur das Feuer das im Cylinder war auf ihn; ſondern auch das Feuer aus der Wolke, folgte durch die Spitzen mit nach, und entſtund dadurch der groſſe ſtarke Funke der ihn toͤdete. Der nehmliche Fall wurde heuer zweymal bey einem Wetter - ſchlag beobachtet. Von Landshut in Bayern meldetendie

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Endlich iſt dieſes electriſche Feuer zu allen Zeiten, aber freylich lange nicht ſo haͤufig als bey Wetter - regen, in der Luft gegenwaͤrtig; welches daraus er - hellet, weil es durch die Electriſiermaſchine zu allen Zeiten hervorgebracht werden kan. Daher ermangeln die Pflanzen, die mit der Luft beſtaͤndig umgeben ſind,die -*)die Zeitungen, daß bey einem heftigen Donnerwetter der Knopf des Kirchenthurms lange Zeit ganz feurig erſchien, und daß darauf ein Knall erfolgte, durch den es in die Kirche einſchlug, ohne daß ein ſichtbarer Blitz aus der Wolke fuhr. Der andere Fall war hier den 28ten Junius als es in den Kirchenthurm einſchlug. Ehe der Schlag erfolgte, war die Thurmfahne in ſtarker Bewegung. Darauf wurde der Stern auf der Fahnenſtange feurig. Und kurz nach dem fiehl ein Klumpen Feuer vom Stern auf den Knopf herab, ohne daß ein ſichtbarer Blitz aus den Wolken fuhr. Ohne Zweifel hatte der Landshuter Thurm auch Spitzen wie der hieſige. Durch die Spitzen floß das Feuer auf dem obern Theil des Thurms. Als nun die - ſer das Feuer nicht mehr genug ſtillſchweigend abfuͤhren konnte, muſte ein Funke entſtehen. Dieſer aber beſtund nicht bloß aus dem Feuer, welches ſich im obern Theil des Thurms angehaͤufet hatte; ſondern es gieng wie bey dem Richmaͤnniſchen ungluͤcklichen Verſuch: das Feuer in der Wolke, welches mit dem Feuer am Stern zuſam - menhieng, folgte durch die Spitzen unſichtbar dem ſchon an dem Spitzen angehaͤuften Feuer nach. Ich behaupte dieſes, was ich gleich Anfangs beym erfolgten Wetter - ſchlag, aus Gruͤnden der Electricitaͤt vermuthete, jezt um ſo mehr; da ich ſeit dem nicht nur den Thurmknopf genau beſichtigen ließ, ſondern auch den Stern, die Fahne und Stange ſelbſt ſorgfaͤltig unterſuchte,[ohne] auf dem einen oder dem andern, eine Spuhr zu finden, daß der Blitz durch einen Schlag oder Sprung von den Worten aus, darauf gefahren ſeye.92dieſes zu ihrem Wachsthum ſo noͤthigen Feuers, zu keiner Zeit gaͤnzlich.

Siebender Beweiß. Wann das Feuer uͤber - haupt, wie ein jeder gerne zugibt, fuͤr die Welt unent - behrlich iſt; ſo gilt das nehmliche auch vom electriſchen oder Blitzfeuer. Denn die Naturforſcher haben es ſchon biß zum hoͤchſten Grad der Wahrſcheinlichkeit erwie - ſen, daß es auf der Welt nur ein einziges Feuer, nehmlich das electriſche oder Blitzfeuer gebe. Ich kan dieſe wichtige Materie, welche allein eine groſe Abhandlung erforderte, hier um ſo weniger nach allen Gruͤnden, die man hievon angeben koͤnnte, erweiſen, da ich nur fuͤr Leſer ſchreibe die nicht Naturforſcher von Profeſſion ſind. Ich will daher nur das allernoͤ - thigſte und einleuchtenſte davon beruͤhren.

Erſtlich entdecket man in der ganzen Natur be - ſtaͤndig eine Waͤrme die in einem Koͤrper groͤſer iſt als in dem andern. Die Erde hat, auch mitten im Winter, in einer ſchon maͤßigen Tiefe, eine immer gleiche Waͤrme. Der menſchliche und thieriſche Koͤrper, iſt einmahl ſo warm als das anderemahl, in der groͤſten Sommerwaͤrme wie im ſtrengſten Winter. Nun kan aber keine Waͤrme ohne Feuer entſtehen. Wenn man im Winter ein Zimmer erwaͤrmen will, ſo muß ein Feuer angezuͤndet werden. Die Feuertheilchen dringen durch den Ofen, und breiten ſich unſichtbahr im Zim - mer aus. Man ſiehet hieraus, daß auch ein unſicht - bahres Feuer, Waͤrme gebe; daß aber ohne Feuer - theilgen keine Waͤrme entſtehen koͤnne. Hat nun die Erde, ſo wie der Koͤrper der Thiere und Menſchen, eine beſtaͤndige Waͤrme; ſo muͤſſen ſie auch beſtaͤndig ein unſichtbahres Feuer genieſen, und es muß daherin93in der Natur ein beſtaͤndig unſichtbahres Feuer ge - ben.

Anderns. Wenn wir Feuer anzuͤnden wollen, ſo brauchen wir zu einer brennbaren Materie, z. B. dem Holz[nur] einen einzigen Funken lebendiges Feuer zu bringen. Aber aus welchem Grund geraͤth nun Holz u. d. g. in Brand? Muͤßen nicht ſchon im Holz die Feuertheilchen verborgen liegen? Gewiß, und ſie werden nur durch einen lebendigen Funken Feuers in Bewegung gebracht oder entzuͤndet; da ſie zuvor in dem Holz gleichſam in Ruhe verborgen lagen. Man kan hieraus auch erklaͤren, warum ein hartes Holz mehr, ſtaͤrkeres und anhaltenderes Feuer giebt, als ein weiches und leichtes; da nehmlich ein feſter Koͤrper meh - rere Beſtandtheilchen hat: mehrere Theile Holz aber auch mehr unſichtbares Feuer enthalten koͤnnen, als nur wenige Theile.

Die Feuertheile, die beym Stand ihrer Ruhe im Holz verborgen liegen, haben urſpruͤnglich noch kei - ne Waͤrme; da das Holz ſo kalt iſt als ein anderer Koͤrper. Siehet man nicht hier eine große Aehnlich - keit zwiſchen dem electriſchen Feuer, wie man es im Stande der Ruhe, nehmlich an der Electriſirma - ſchine antrift; und dem in dem Holz unſichtbar ver - borgen liegenden Feuer? Auch das electriſche Feuer iſt in dieſem Zuſtand kalt. Sobald aber das im Holz verborgen liegende Feuer, durch die Entzuͤndung in Bewegung kommt, ſo bald gibt es Waͤrme. Das nehmliche thut das electriſche Feuer, denn wenn es in Geſtallt eines Funkens aus der Maſchine ſpringt, und folglich in Bewegung kommt, ſo bekommt es eine Waͤrme. Es entzuͤndet ja Weingeiſt, Geigenharz, u. d. g.

Drit -94

Drittens. Im Sommer vermehret ſich die Waͤrme auf den Erdboden. Man ſchreibt es der Sonne zu, und man muͤſte nicht nur alle Empfindung, ſondern auch alle Vernunft verlaͤugnen, wenn man die Urſache von der Sommerwaͤrme der Sonne ab - ſprechen wollte. Man kan ja mit den Sonnenſtrah - len, durch Huͤlfe der Brennglaͤſer ein Feuer anzuͤn - den. Daß aber die Sonnenſtrahlen nicht an und vor ſich, dieſe Waͤrme beſitzen, iſt eben ſo unlaͤug - bahr, und man kan mit Recht ſagen; daß die in der Luft ſowohl als im Holz befindlichen unſichtbahren, und beym Stand ihrer Ruhe kalten Feuertheilchen, durch die Sonnenſtrahlen nur in Bewegung gebracht oder entzuͤndet, und dadurch geſchickt werden Waͤrme hervorzubringen. Zum Beweiß deſſen will ich nur einige Umſtaͤnde anfuͤhren.

Sollten die Sonnenſtrahlen an und vor ſich die Waͤrme, die man von ihnen empfindet, hervorbrin - gen; ſo koͤnnte es nur ſo lange auf dem Erdboden warm bleiben, als die Sonne ſcheinet. Die Waͤr - me dauert aber noch fort, wenn gleich die Sonne von einer Wolke bedeckt wird, oder gar unter den Hori - zont gehet. Daß die Waͤrme hiebey etwas abnimmt, iſt noch keine Wiederlegung meines Syſtems. Denn da die Sonnenſtrahlen nicht fortfahren koͤnnen, die in der Luft befindlichen von Natur kalten Feuertheilchen in Bewegung zn bringen und zu entzuͤnden; ſo muß freylich die Waͤrme etwas nach laſſen. Es bleibt aber noch Waͤrme genug, und dieſes beweißt: daß die Son - nenſtrahlen nicht an und vor ſich die Waͤrme geben.

Ferner. Waͤren die Sonnenſtrahlen an und vor ſich von Waͤrme, ſo muͤßte ſo oft die Sonne gleich hoch ſtehet, und der Himmel gleich rein iſt, allezeiteiner -95einerley Waͤrme auf dem Erdboden ſeyn. Ja! die Sonne muͤſte auf den hoͤchſten Bergen eine ſo groſe Waͤrme geben, als in den tiefſten Thaͤlern. Man weiß aber daß die hoͤchſten Berge mit ewigen Eiß be - deckt ſind. Der Einwurf gilt hier nicht, daß es an tiefen Orten der Erde deswegen waͤrmer ſeye als auf hohen Bergen; weil die Sonnenſtrahlen hier auffal - len, und ſich gleichſam feſt ſetzen. Denn koͤnnten ſie das nehmliche nicht auch auf den hohen Bergen thun? Viel wahrſcheinlicher iſt es daher, daß in den tiefen Lagen der Erde die meiſten unſichtbaren Feuertheile be - findlich ſeyen, welche durch die Sonnenſtrahlen in Be - wegung gebracht werden, und die dann die groͤſere Waͤr - me verurſachen. Das Meer ſcheint dieſe Hypotheſe zu beſtaͤttigen. Man weis, daß das Waßer die meiſten Sonnenſtrahlen in ſich fallen laͤßt, und nicht wie die Erde zuruͤck wirft. Es iſt alſo das Meer in einerley Verhaͤltniß mit hohen Bergen, oder vielmehr mit der hohen Luft. Und doch iſt es auf dem Meer auſeror - dentlich viel Waͤrmer als in der hohen Luft. Wo kan dieſes anders herkommen, als daß auf der Oberflaͤche des Meers ſowohl, als auf der Oberflaͤche der Erde, die meiſten unſichtbahren Feuertheilchen befindlich ſeyn muͤßen, welche durch die Sonnenſtrahlen in Bewegung geſezet werden, und durch welche die Waͤrme hervor - gebracht wird.

Man koͤnnte zwar noch wieder dieſes Syſtem; daß die Sonnenſtrahlen an und vor ſich nicht warm ſeyen, ſondern nur die im Ruhe befindlichen Feuertheile des Erdbodens in Bewegung ſezen, einwenden: die Son - nenſtrahlen ſeyen feurige Ausfluͤße der Sonne die folg - lich, wenn ſich auch die Sonne entfernet habe, ihre Wuͤrkung noch eine Zeitlang fortſezen koͤnnen, Al -lein96lein dieſer Einwurf iſt leicht zu wiederlegen. Waͤren die Sonnenſtrahlen Ausfluͤße der Sonne; ſo muͤſte ihre Waͤrme auf hohen Bergen und in der obern Luft ſo groß ſeyn als auf der Oberflaͤche der Erde, wenig - ſtens des Meers. Ferner es muͤſte an jedem Tag, wo die Sonne gleich hoch ſtehet, und der Himmel gleich rein iſt, auch gleich warm ſeyn. Dann muͤſte die Erde Jahr fuͤr Jahr mehr mit Feuer angefuͤllt, hingegen die Sonne erſchoͤpfet werden. Man merkt aber weder eine Zunahm der Waͤrme des Erd - bodens, noch eine Abnahm der Sonne in ihrer Wuͤrkung. Endlich iſt die Sonne zu weit von der Erde entfernet, als daß in dem kurzen Zeitraum von einem Tag, Feuertheile von ihr auf die Erde ſollten kommen koͤnnen. Wer auch nicht Naturforſcher iſt, der weiß; daß zwar die Lichtſtrahlen in unbegreiflicher Geſchwindigkeit von der Sonne auf die Erde kommen koͤnnen; daß aber die Waͤrme ſich ſehr langſam fort - pflanze. Wenn aber auch die Waͤrme zehntauſend - mahl geſchwinder liefe als eine Kanonenkugel, ſo waͤre ſie doch nicht im Stande in eines Tagesraum, von der Sonne auf die Erde zu kommen.

Alles dieſes beweiſt nun: daß ein unſichtbahres Feuer, welches von Natur, und in ſeinem Stand der Ruhe kalt iſt, in der Natur, und vorzuͤglich in dem Schoß und auf der Oberflaͤche der Erde ſeyn muͤſſe. Daß aber dieſes die Waͤrme hervorbringe, wenn es durch die Sonnenſtrahlen, oder durch einen Feuerfunken, oder durch eine andere Wuͤrkung, in Bewegung ge[ſ]ezt und entzuͤndet wird.

Viertens. Fragt ſich nun; iſt das electriſche Feuer dieſes nehmliche unſichtbahre Feuer, weiches wenn es durch irgend eine Wuͤrkung in Bewegunggeſezt97geſezt wird, entweder zu einem ſichtbahren Feuer entbrennet, oder doch wenigſtens unſichtbar der Welt Waͤrme gibt?

Zur Zeit hat man in der Natur noch kein anderes Weſen, welches man fuͤr dieſes Feuer annehmen koͤnnte, entdeckt; als da electriſche Feuer und die brenn - bare Luft, welche letztere ſich beynahe in allen Koͤr - pern befindet, die in den Moraͤſten, wenn man mit einem Stock hineinſtoͤſt, in groſen Luftblaſen aufſteigt, die auch aus Eiſen Feilſpaͤhnen Vitrioloͤl und Waſ - ſer bereitet werden kann; und die ſich leicht zu einer Flamme entzuͤndet. bißweilen freywillig, daß man ſie unter dem Namen feuriger Maͤnner herumflattern ſiehet, oder wenigſtens, wenn ein Licht oder ein electri - ſcher Funke ihr nahe kommt.

D〈…〉〈…〉 Priſtley behauptet, das electriſche Feuer und die brennbare Luft ſey von einerley Weſen und Natur. Seine Gruͤnde fuͤr dieſe Meynung ſind mir noch nicht bekannt So viel iſt aber gewiß; daß ſo lange keine beßern Entdeckungen uͤber das unſichtbare Naturfeuer gemacht werden, man das electriſche Feuer dafuͤr anneh - men muͤſſe. Alles beſtaͤttiget dieſe Hypotheſe 1. Es iſt noch kein anderes unſichtbares Naturfeuer entdecket worden. 2. Das electriſche Feuer befindet ſich in al - len Koͤrpern. Insbeſondere iſt der Schooß und die Oberflaͤche der Erde, ſo wie das Meer damit angefuͤllt. Man kan daher erklaͤren, warum die Sonnenſtrahlen auf der Oberflaͤche der Erde und auf dem Meer, Waͤrme hervorbringen, nicht aber in der obern Luft. 3. Die Wolken enthalten auch im Winter electriſches Feuer; und daraus erſiehet man die Urſache, warum es im Winter waͤrmer wird, wenn der Himmel mit Wolken uͤberzogen iſt; warum aber die groͤſte Kaͤlte bey demGhei -98heiterſten Wetter entſtehet. Bey hellem Wetter fehlt nehmlich der obern Luft das electriſche Feuer: die Wolken aber ſind damit angefuͤllt. 4. Hat das electri - ſche Feuer alle Eigenſchaften des uns bekannten irdi - ſchen und Sonnenſtrahlen Feuers, bloß die Waͤrme ausgenommen. Es gibt Licht. Dieſes pflanzt ſich eben ſo geſchwind fort, als das Licht von einem andern Feuer. Es gibt auch durch das Priſma die gewoͤhn - lichen Farben. Es hat die geſchwinde Bewegung des andern Feuers. Man empfindet von einfachen electri - ſchen nicht allzuſtarken Funken, wenn ſonderlich deren mehrere nacheinander ſchnell auf einen Theil unſers Koͤr - pers fahren, das Stechende, welches man vom ge - woͤhnlichen Feuer empfindet; und endlich pflegen wir unſer ſichtbares Feuer auf eben die Art als das electri - ſche hervorzubringen. Die Indianer reiben zwey Hoͤl - zer ſolange aneinander, bis ſie ſich entzuͤnden; und wir ſchlagen mit einem gehaͤrteten Stahl an einen ſo - genanten Feuerſtein. In beyden Faͤllen entſtehet das Feuer durch ein Reiben, ſo wie auch das electriſche Feuer durch das Reiben zweyer Koͤrper hervorgebracht wird. Inſonderheit iſt offenbar; daß durch den Feuerſtahl und Feuerſtein, ein clectriſcher Funke erreget wird, welcher den vom Stahl abgeriſſenen kleinen, und nur unter dem Vergroͤſerungs Glas ſichtbaren Theil Stahl ſchmelzt, welcher ſchmelzende Stahl aber uns zu wei - terer Anzuͤndung unſers Feuers behuͤlflich iſt. Wenn alſo auch das electriſche Feuer nicht wuͤrklich das allge - meine unſichtbare Naturfeuer waͤre, ſo haͤtten wir doch in ſo ferne ſchon Nutzen genug von ihm, daß es unſer Feuer anzuͤndet, und daß wir ohne daſſelbe alles Feuers beraubt ſeyn muͤſten.

Ich muß aber hiebey noch etlichen Einwuͤrfen be - gegnen. Erſtlich ſagt man: wenn wir ein Feuer er -regen99regen wollen, ſo muͤſſen wir zwey Koͤrper ſo ſtark an einander reiben, daß ſie heiß werden; das electriſche Feuer aber kan man nicht mehr hervorbringen, ſobald ſich die geriebenen Koͤrper erhitzen. Iſt ganz richtig, aber noch nicht wider die bemeldete Theorie! Wenn man auch beym erhitzten Reiben der Koͤrper, noch im - mer das electriſche Feuer, wie es im Stand der Ruhe iſt, erhielte; ſo koͤnnte es nicht das allgemeine Natur - feuer ſeyn. Durch zweyerley Reiben bekommt man zweyerley Feuer Nehmlich durch ein kaltes Reiben der Koͤrper, wird das gewoͤhnliche electriſche Feuer oder das Naturfeuer wie es im Stande der Ruhe iſt, hervorgebracht. Durch ein erhiztes Reiben kommt das electriſche Feuer in Bewegung und wird entzundet. Man ſiehet hier offenbar, den Uebergang des electri - ſchen Feuers aus ſeinem Stand der Ruhe, in den Zu - ſtand ſeiner Bewegung. Durch ein gelindes Reiben kommt das electriſche Feuer zum Vorſchein. Sezt man das Reiben ſtark fort, ſo muß dieſes Feuer in Bewegung kommen, und die geriebenen Koͤrper wer - den, welches wohl zu merken, nicht durch das Reiben ſelbſt, ſondern durch das in Bewegung geſezte electri - Feuer erwaͤrmet Bey heftigem fortſetzen des Reibens, muß daß electriſche Feuer immer mehr in Bewegung kommen, und endlich ſich der Koͤrper entzuͤnden oder in eine Flamme ausbrechen. *)Wenn ich das gelinde Reiben, wodurch das electriſche Feuer entſtehet, ein kaltes Reiben, und das electriſche Feuer ein kaltes Feuer nennet; ſo ſiehet man leicht ein, daß ich dieſes nur Verhaͤltnißmaͤſig verſtehe. Auch durch das gelindeſte Reiben muß eine Waͤrme entſteben, die aber kaum merklich ſeyn kan, da das Reiben ſehr ge -lindAnderns wirft manG 2ein100ein: das electriſche Feuer kan nicht das allgemeine Na - turfeuer ſeyn, weil letzteres auch durch das Glas drin - get, das electriſche Feuer aber nicht. Hierauf ant - worte ich. Wir muͤſſen das electriſche Feuer in zweyer - ley Verhaͤltniß betrachten: einmahl in Stande der Ru - he, und das anderemahl im Stande ſeiner Bewegung. Im letztern Fall dringet es offenbar durch das Glas. Wenn es aber auch im erſtern Fall dieſes nicht thaͤte; ſo waͤre dieſes noch kein Beweiß, daß es ein ganz an - deres Feuer ſeye. Es iſt ja allerdings ein groſer Un - terſchied zwiſchen einem Koͤrper, wenn er in Ruhe, und wenn er in Bewegung iſt, ob er gleich im Grund immer einerley Koͤrper bleibet. Allein ich denke man koͤnne bey genauerer Betrachtung dieſes Gegenſtands, zwiſchen dem entzuͤndeten und dem electriſchen Feuer, eine ſehr genaue Uebereinſtimmung finden. Auf dem Glas lauft das electriſche Feuer nicht fort, wie aufden*)lind iſt. Ingleichen hat auch das electriſche Feuer im Stande ſeiner Ruhe, wo es Kalt zu ſeyn ſcheinet, doch eine Waͤrme. Denn wir koͤnnen uns kaum einen Koͤrper gedenken, der aller Waͤrme beraubt waͤre. Es iſt alſo beym kalten Reiben, durch welches das electriſche Feuer hervorkommt; und in dem electriſchen Feuer, ſo lange man es als im Stande der Ruhe betrachten kan, ſchon ein ge - wiſſer Grad der Waͤrme. Sobald dieſer uͤberſchritten wird, iſt das electriſche Feuer nicht mehr dasjenige was es im Stande ſeiner Rube war. Dieſer Grad der Waͤr - me laͤſt ſich zwar noch nicht beſtimmen. Niemand aber wird ihn mit Grund laͤugnen koͤnnen. Hat nun das electriſche Feuer ſchon eine Waͤrme; ſo iſt nichts einleuchtenderes, als daß dieſe Waͤrme auf einen ſehr ho - hen Grad vermehret werden koͤnne, wenn durch gewiſſe Wuͤrkungen, die uns freylich auch noch nicht bekannt ge - nug ſind, dieſes Feuer in ſtarke Bewegung kommt.101den Metallen. Das entzuͤndete Feuer thut das nehm - liche. Wenn man einen metallenen Stab uͤber einem Kohlfeuer, an einem Ende gluͤhend macht; ſo lauft die Hitze noch einen guten Theil, auch an dem Theil der Stange, die nicht im Feuer lag, fort. Koͤrper alſo, die gute Leiter der electriſchen Materie ſind, laſſen auch das entzuͤndete Feuer an ſich gerne fortlaufen. Hingegen gehet das entzuͤndete Feuer an den nicht lei - tenden Koͤrpern, auch nicht weiter fort. Man mache an einer Lampe das Ende einer Glasroͤhre gluͤend. Die Hitze wird an der Glasroͤhre hinter dem geſchmol - zenen Theil, nicht mehr als ohngefehr einen Zoll weiter gehen, und man wird die Glasroͤhre nahe hinter dem gluͤenden Theil mit der Hand halten koͤnnen. Was den Punkt betrift, daß das electriſche Feuer nicht durch das Glas dringe, wie das entzuͤndete Feuer; ſo bin ich der Meynung derjenigen Naturforſcher, welche das Gegentheil behaupten. Zum Beweis meiner Mei - nung will ich zwey Verſuche anfuͤhren. Man ſtelle ei - ne Leidnerflaſche auf einen Pechkuchen und electriſire ihre innere Seite; ſo wird man auch ihre aͤuſere Seite mit Feuer angefuͤllt finden. Nach der Frankliniſchen Theorie, iſt zwar dieſes aͤuſere Feuer kein anderes, als welches urſpruͤnglich und von Natur auf der aͤuſern Seite der Flaſche befindlich iſt, und welches durch das innere Feuer nur weggeſtoſen wird. Allein dieſes aͤuſ - ſere Feuer der Flaſche iſt allezeit poſitiv wenn das inne - re Feuer poſitiv iſt; hingegen negativ, wenn die in - nere Seite der Flaſche mit negativen Feuer geladet wird. Daher iſt nicht einzuſehen, wie die Frank - liniſche Hypotheſe hiebey beſtehen koͤnne; und es iſt viel wahrſcheinlicher daß das Feuer durch das Glas der Flaſche gedrungen ſeye. Ein anderer Verſuch ſcheintG 3noch102noch einleuchtender zu ſeyn. Man lade, wie gewoͤhn - lich, eine Leidnerflaſche. Dann nehme man eine ungela - dene Flaſche, und verbinde durch eine Kette, die zwey aͤuſern Seiten der geladenen und ungeladenen Flaſche. Mit den Knopf der ungeladenen, fahre man an den Knopf der geladenen Flaſche; ſo wird der gewoͤhn - liche Funke entſtehen. Nun iſt aber der Funke nicht in der ungeladenen Flaſche geblieben; ſondern durch die ungeladene Flaſche, an der aͤuſern Verbindungs - kette, in das aͤuſere Beleg der geladenen Flaſche zu - ruͤck gegangen. Dieſes, glaube ich, beweiſe augen - ſcheinlich, daß ein electriſcher Funke durch das Glas gehen koͤnne, ohne daß er noͤthig hat daſſelbe zu zer - ſchlagen. Iſt nun dieſes, wie ich nicht zweifle, ſo hat das electriſche Feuer mit dem entzuͤndeten Feuer auch dieſes gemein, daß es durch das Glas drin - get.

Wenn nun ſowohl das electriſche, als auch das ſichtbare entzuͤndete Erdenfeuer, ein und eben daſſel - be Principium und Element iſt, wie es auf den hoͤch - ſten Grad der Wahrſcheinlichkeit erwieſen worden: ſo bleibt kein Zweifel uͤbrig, daß nicht das electriſche oder Blitz Feuer zum wahren Nutzen der Welt ſollte erſchaf - fen worden ſeyn. Der Erdboden, die Pflanzen, alle Thiere und der Menſch haben dieſes Feuer noͤthig, um die ihnen unentbehrliche Waͤrme zu bekommen. Brau - chen wir nicht auch das Feuer zum Sehen, zur Be - reitung unſerer Speiſe, zu unzaͤhligen Handthierungen und Kunſtwerken? Zu allem dieſem Feuer iſt das elec - triſche oder Blitzfeuer der Urſtoff. Es iſt deswegen die groͤſte Wohlthat fuͤr die Welt.

Achtens. Das electriſche oder Blitzfeuer iſt dem menſchlichen und thieriſchen Koͤrper unentbehrlich.

Der103

Der thieriſche und menſchliche Koͤrper hat beſtaͤn - dig eine große Menge von dieſem Feuer. Von Ka - tzen iſt es bekannt genug, daß ſie eine Menge electri - ſcher Funken geben, wenn man ſie mit der Hand reibt, welches bey Nachtszeiten ſehr ſichtbar wird. Der Hr. Abt Bertholon hat in ſeiner vortreflichen Abhandlung, die Electricitaͤt aus mediciniſchen Geſichtspunkten be - trachtet, Seite 55. folg. verſchiedene Beyſpiele von Menſchen angefuͤhrt, die vorzuͤglich viel electriſches Feuer hatten. Ihre Hembden die ſie einige Zeit am Leibe trugen, wurden wenn ſie ein wenig bewegt oder gerie - ben wurden, leuchtend. Ja ſelbſt auf ihrer Haut ſahe man in der Dunkelheit electriſches Feuer, wenn ſie ſich ein wenig rieben. Es iſt, auch ohne weitere unmit - telbahre Erfahrungen zu haben, hieraus der ſichere Schluß zu machen; daß da einige Thiere und Men - ſchen das electriſche Feuer in ſo hohen Grad beſitzen, alle andere Menſchen und Thiere wenigſtens eine hin - laͤngliche Portion von dieſem Feuer haben muͤſſen. Es kan auch nicht anders ſeyn, da die ganze Luft mit dieſem Feuer angefuͤllet iſt, der Menſch aber, der in der Luft lebt, ein guter Leiter des electriſchen Feuers iſt, folglich eine reichliche Menge davon annimmt.

Da Gott nichts ohne Abſicht oder umſonſt geſchaf - fen und angeordnet hat; ſo kan man aus dieſem allge - meinen Grund ſchon ſchlieſen; daß das electriſche Feuer, welches der menſchliche Leib anzunehmen faͤhig iſt, und wuͤrklich beſtaͤndig beſizt, ihm unentbehrlich ſeyn muͤſſe. Weil das electriſche Feuer, wie ich al - lererſt bewieſen habe, das allgemeine Naturfeuer iſt; ſo gibt es ohne Zweifel dem Menſchen, die zur Be - wegung ſeines Bluts und ſeiner Saͤfte, noͤthige Waͤr - me. Vor allem ſtaͤrkt es die Nerven, als eine derG 4haupt -104hauptſaͤchlichſten Lebenskraͤfte des Menſchen und der Thiere. Man kan dieſes unwiederſprechlich daraus be - weiſen, weil man in Nervenkrankheiten auſerordentlich dienlich befunden hat, wenn man den Menſchen electri - ſirt, und ihm dadurch eine reichlichere Portion von dieſem Feuer gibt. Schon vor langen Zeiten verordneten die Aerzte, bey Stockungen des Gebluͤts, in Spannun - gen, Nerven Umſtaͤnden, wenn Menſchen ertrunken oder erfrohren ſind u. d. g. daß man den Menſchen mit wollenen Tuͤchern ſtark reibe. Was wird aber durch das Reiben bewuͤrkt, als daß man electriſches Feuer hervorbringt? Es iſt alſo ſchon durch langwuͤh - rige Erfahrungen der Nutzen des electriſchen Feuers am menſchlichen Koͤrper erprobt worden.

Zu noch mehrerer Beſtaͤttigung deſſen will ich ei - nige electriſche Verſuche anfuhren.

Man kan dem Menſchen ſein natuͤrlich beſitzendes electriſches Feuer nehmen, wenn man ihn noch dem gelehrten Ausdruck, negativ electriſirt. Am bequemſten geſchiehet dieſes, wenn man nach des Hr. Nairne Er - findung, den Menſchen auf Glas oder Pech ſtellet; das Kuͤßen mit der Hand des Menſchen an die Kugel der Electriſirmaſchine halten laͤſt; und von dem erſten Leiter der Maſchine, eine Kette auf den Erdboden fuͤhrt. Dadurch lauft wenn man electriſirt, daß Feuer aus dem Menſchen an die Glaskugel; von dieſer aber in den Leiter, und dann weiter in die Erde. Weil nun der Menſch[auf] dem Pech ſtehet; ſo bekommt er von der Erde kein anderes electriſches Feuer, wenn ihm ſein natuͤrliches genommen wird. Allein wer nicht eine groſe Menge natuͤrliches electriſches Feuer beſi - ſitzet, kan dieſes Verfahren nicht lange aushalten. Ich habe eigene Erfahrung hievon, und koͤnnte michauch105auch auf verſchiedene Gelehrte beruffen. Folglich kan der Menſch das electriſche Feuer nicht entbehren.

Wenn man einem Menſchen poſitiv electriſirt, das heiſt; wenn man ihm zu ſeinem natuͤrlichen electriſchen Feuer, durch die Maſchine noch mehr gibt; ſo befindet er ſich gemeiniglich wohl dabey. Ich habe ſelbſt viele Perſonen mehrere Monate lang taͤglich ein biß zwey - mahl electriſiret; Sie waren munter, lebhaft, hatten guten Apetit, und war ihnen, wie man ſich aus - druckt, um und um wohl. Dieſes beweiſt wenigſtens ſo viel, daß das electriſche Feuer dem menſchlichen Koͤrper convenabel angemeſſen oder anſtaͤndig ſeye. Indeſſen wollte doch nicht rathen, daß man ſich an das Electriſiren gewoͤhne Es moͤgte ſonſten gehen wie mit ſtaͤrkenden Getraͤnken oder Arzeneyen, die man taͤglich zu ſich nimmt. Das heiſt: die Natur kan am Ende ohne dieſe Staͤrkung nicht mehr vor ſich beſte - hen. Wenn ich ſagte, daß das poſitive Electriſiren den meiſten Menſchen wohl bekomme, ſo iſt indeſſen keine Regel ohne Ausnahm Perſohnen die von Na - tur viel electriſches Feuer beſizen, koͤnnen es nicht wohl ausſtehen. Sie bekommen Wallungen im Gebluͤt, es wird ihnen ſehr warm, und es faͤngt in ihren Glie - dern an zu laufen, als wenn Ameiſen darinnen waͤren. Allein da dieſes nur bey Perſohnen geſchiehet, die ohnehin ſchon genug electriſches Feuer haben; ſo iſt ihr Exempel noch kein Beweiß, daß das electriſche Feuer dem menſchlichen Leib unanſtaͤndig oder nachtheilig feye. Man weiß ja, daß aller Ueberfluß ſchaͤdlich wird.

Noch muß ich zur Beſtaͤttigung des Satzes: das electriſche Feuer ſeye dem menſchlichen Koͤrper unent - behrlich; eine allgemeine Erfahrung anfuͤhren. Es gibt im Sommer oͤfters eine Witterung die man ſchwuͤlle Waͤrme nennet. Die gewoͤhnlichen FolgenG 5davon106davon ſind Donnerwetter. Dieſe ſchwuͤlle Waͤrme iſt oͤfters bey truͤben Himmel; und das Thermometer be - weißt, daß bey dieſer Witterung die Hitze nicht ſo groß ſeye, als ſie nach ihrer Empfindung ſcheint. Dieſe ſchwuͤlle Witterung hat auf den menſchlichen Koͤrper einen ſehr ſtarken Einfluß. Der Menſch wird matt, traͤg, es liegt ihm, wie man ſich ausdruͤckt, in allen Gliedern, und ein jeder prophezeihet hieraus ein baldi - ges Gewitter. Ich habe oͤfters bemerkt, daß wenn zu anderer Zeit das Thermometer gleich eine weit groͤße - re Waͤrme, und das Hygrometer eine viel groͤßere Trockne der Luft anzeigten, der Menſch dennoch nicht die bey der ſchwuͤllen Witterung gewoͤhnlichen Empfin - dungen hatte. Wo kommt nun dieſes her? Ehe ein Wetter entſtehet, muß nothwendig mit dem auf der Oberflaͤche des Erdbodens befindlichen electriſchen Feuer, eine große Veraͤnderung vorgehen. Denn ein ſehr großer Theil deſſelben gehet von der Erde in die obere Luft, oder vielmehr in die in der obern Luft be - findliche Duͤnſte uͤber. Der Erdboden wird alſo ſeines electriſchen Feuers zu ſehr beraubt; und dieſer Man - gel des electriſchen Feuers, welchen der thieriſche und menſchliche Koͤrper empfindet, iſt die Urſache von ſei - ner Traͤgheit und Ermattung. Dieſe Erfahrung alſo, die ein jeder Menſch an ſeinem eigenen Koͤrper oft ge - nug hat, beweiſt genugſam; wie unentbehrlich das elec - triſche Feuer dem menſchlichen Koͤrper ſey.

Sollte die ſchwuͤlle Waͤrme, wie es beynahe wahr - ſcheinlich iſt, nicht bloß einen Mangel des electriſchen Feuers zum Grunde haben, ſondern auch groͤſten - theils mit daher ruͤhren; daß das electriſche Feuer aus ſeinem Stand der Ruhe, in den Stand der Be - wegung kommt und ſich entzuͤndet: ſo erhellet dochauch107auch hieraus ſo viel, daß der menſchliche Koͤrper un - angenehme und nachtheilige Empfindungen bekomme, wenn das electriſche Feuer nicht in ſeinem natuͤrlichen Zuſtand bleibt.

Neuntens. Mit dem electriſchen Feuer hat man an dem menſchlichen Koͤrper ſchon die herrlichſten Cu - ren verrichtet.

Ich gedenke nicht, um dieſes zu beweiſen eine gan - ze Reihe von Curen die durch die Electricitaͤt gluͤcklich zuſtande gebracht worden, her zu erzaͤhlen. Wem darum zu thun iſt, dieſe zu wiſſen, kan des Hr. Ca - vallo mediciniſche Electricitaͤt, ferner des Hr. Abt Bertholon Electricitaͤt aus mediciniſchen Geſichts - puncten betrachtet, und endlich des Hr. Abt Sans Anweiſung wie die von einem Schlagfluß gelaͤhmte, durch die Electricitaͤt zu heilen ſeyen, nachleſen.

Bloß will ich einige Curen anfuͤhren, welche ich ſelbſt durch die Electricitaͤt gluͤcklich zuſtande gebracht habe.

In Zahnſchmerzen, er mogte von hohlen Zaͤhnen oder von Fluͤſſen herkommen, koͤnnte ich mehr als 30. Perſohnen anfuͤhren, denen ich augenblickliche Huͤlfe verſchaft habe. Ich ließ jedesmahl ſchnell hinterein - ander, zwey Funken von einer zimlich groſen und voll - geladenen Leidnerfllaſche, durch den ſchmerzhaften Zahn ſchlagen, und bediente mich um den Funken ſicher an den verlangten Ort hinzufuͤhren, eines Werkzeugs welches jenem aͤhnlich iſt das Hr. Cavallo beſchrieben hat. Nach dem erſten Funken wird der Schmerzen allezeit ſtaͤrker. Bey dem zweyten aber hoͤrt bißweilen das Zahnwehe augenblicklich auf, gemeiniglich aber reißt es noch etliche Minuten lang in dem Kiefer, unddann108dann laͤßt aller Schmerzen nach. Das Zahnwehe wird dadurch gruͤndlich geheilt. Mir hat dieſes Mittel noch kein einzigesmahl fehlgeſchlagen. Man muß aber ſtarke Funken geben: obgleich nicht mehr als zwey.

In Catharren fand ich die Electricitaͤt an meiner eigenen Perſohn ſehr vortheilhaft. Ehehin war ich beſtaͤndig zu heftigen Catharren geneigt. Seit zwey Jahren aber, da ich mich wegen verſchiedener Pa - tienten taͤglich etliche mahl mit der Electricitaͤt beſchaͤf -[t]igen muß, bin ich gaͤnzlich davon verſchont geblieben. Als ich ein einzigesmahl, nach einer ſtarken Erkaͤltung, einen kleinen Anfall davon verſpuͤhrte; ließ ich mich electriſiren, und in einem Tag war alles wieder gut. Selbſt von der Nordiſchen Seuche oder Influenza, die im vorigen Jahr bey nahe niemand verſchonte, und die auch in meinem Hauſe alles durchſuchte, hatte ich nicht einmahl eine Ahndung.

Hingegen konnte ich in einigen Krankheiten, bey welchen verſchiedene Gelehrte die Wuͤrkung der Elec - tricitaͤt hoch ruͤhmten, nichts ausrichten. Vorzuͤglich begegnete mir dieſes bey tauben Perſohnen. Ich elec - triſirte manche davon ſehr lange Zeit, und verſuchte alles moͤgliche, ohne jedoch das geringſte auszurichten. Indeſſen hatte eine dergleichen Perſohn, die anfaͤng - lich von mir, und dann in ihrem Hauſe lange Zeit electriſiret wurde, einen andern Nutzen von der Elec - tricitaͤt. Sie hatte bey einer ſchon 20. jaͤhrigen Taubheit, Schwindel, Verſtopfung im Kopf und in der Naſe, und einen Fluß der im ganzen Lelb herum zog. Dieſe Zufaͤlle vergiengen gaͤnzlich, ob ſich gleich das Gehoͤr nicht wieder einfand.

Meine109

Meine Haupt Curen verrichtete ich mit der Electri - citaͤt in der Blindheit.

Eine Bauern Tochter von einem hier eingepfarr - ten Weyler, 24. Jahr alt, verlohr in einer Zeit von 6. Monaten alles Geſicht, und ihre zwey Augen waren mit dicken ins blaulichte fallenden Fellen ganz uͤber - zogen. Sie mußte zu mir gefuͤhrt werden. Aber nach 3. Tagen konnte ſie ſchon allein zu mir gehen. Nach 4. Monaten waren ihre Augen vollkommen wie - der hergeſtellt. Sie waren ſo klar als zuvor, und ſie ſahe wieder ſo ſcharf als ehehin. Jetzt iſt es ſchon uͤber ein Jahr, daß die Cur geendigt iſt, und ſie hat kei - nen weitern Anfall bekommen. Selbſt unter der Cur verrichtete ſie ihre Feldarbeiten dabey, und machte taͤg - lich zweymal einen Gang zu mir von ¾ Stunden Wegs.

Ein Junge von 9. Jahren, der als ein Wochen - kind ein Fell auf dem einen Auge bekam, und ſein Geſicht gaͤnzlich an dieſem Aug verloren hatte, wurde in ſoweit wieder hergeſtellt, daß er mit dem verdorbe - nen Aug nahe Gegenſtaͤnde vollkommen erkennen konn - te. Ich hatte ihn aber nicht laͤnger als 6. Wochen in der Cur, und dann kam er von mir weg.

Ein hieſiger Burger, der vor 43. Jahren eines ſeiner Augen verloren hatte, wurde im vorigen Win - ter auch auf dem andern blind. Er hatte ein Fell, oder vielmehr ein ſogenanntes Bluͤmchen auf dieſem Auge bekommen. Fuͤnf Wochen lang electriſirte ich ihn, ohne daß man Beſſerung ſpuͤhrte. Dann aber war er in drey Wochen gaͤnzlich hergeſtellt.

Gegenwaͤrtig habe ich noch einen Mann in der Cur der auf zwey Augen den ſchwarzen Staar bekam. Er110Er hatte noch ſoviel Schein, daß er ohne Wegweiſer zu mir gehen konnte. Ich electriſire ihn ſchon ein halb Jahr lang. An dem einem Aug hat er noch gar keine Beſſerung verſpuͤhrt Auch an dem andern ſtund es uͤber 3. Monat an, ehe er beſſer ſehen konnte. Aber nunmehr iſt es ſo weit gekommen, daß er einen gro - ben Druck wohl leſen kan.

Ich electriſirte dieſe Perſohnen auf folgende Art, und zwar meiſtens taͤglich zweymahl. Sie wurden auf ein Stuͤhlchen mit glaͤſernen Fuͤſen geſtellt. Auf dieſem Stuͤhlchen ſtund ein anderes, auf welches ſie ſich ſetzen konnten. Ich leitete dann von der Electriſir - maſchine das Feuer in ſie, und ließ vor einer andern Perſohn, eine Zoll dicke metallene Kugel gegen ihr Aug halten. Dadurch ſprangen Funken aus dem Au - gendeckel, meiſtens in der Laͤnge von 1. Zoll. Dieſes Verfahren ſeze ich taͤglich zweymahl, jeder-zeit etwas uͤber ¾ Stunde lang fort. Nachgehens laſſe ich gegen das eroͤfnete Aug eine ſtumpfe metallene Spitze halten, damit das Feuer ſtillſchweigend ausſtroͤme. Hiemit aber muß man jedesmahl aufhoͤren, ſobald das Aug anfaͤngt trocken und etwas ſtarr zu werden. Damit man nicht noͤthig habe, durch eine beſondere Perſon, die metallene Kugel, und die ſtumpfe Spitze gegen das Aug des Patienten halten zu laſſen; ſo laſſe ich durch eine Glasroͤhre einen Drath biß auf den Erdboden ge - hen; gebe dem Patienten die Glasroͤhre in die Hand, und ſtecke forne auf den durch die Glasroͤhre hervorſe - henden Drath, die metallenene Kugel. Dadurch kan der Patient ſich ſelbſt die Funken auslocken, oder wenn die Kugel abgenommen wird, die ſtumpfe Spitze vor ſein Aug halten.

Dieſe111

Dieſe angefuͤhrte neun Gruͤnde werden, wie ich glaube, unlaͤugbar beweiſen, daß das electriſche oder Blitzfeuer, nicht zum Schaden, ſondern zum Nutzen der Welt erſchaffen worden: und daß es nicht ein bloſes Werkzeug der goͤttlichen Rache, ſondern die groͤſte Wohlthat fuͤr die Welt ſeye.

Aber! Schon hoͤre ich einen neuen Einwurf: Warum ſagt man, richtet denn das Blitzfeuer ſolche graͤuliche Verwuͤſtung, und ſolch groß Un - gluͤck an, wenn es Gott zur Wohlthat der Welt er - ſchaffen hat?

Dieſen Einwurf koͤnnte ich leicht bloß dadurch wi - derlegen, wenn ich ſagte; Es ſeye nichts in der Welt, ſo nuͤzlich es auch immer heiſen moͤge, welches nicht entweder zufaͤlliger Weiſe, oder nach dem Verhaͤgnuͤß Gottes, Schaden anzurichten im ſtande waͤre. Luft und Waſſer; ſo nuͤzlich und unentbehrlich ſie der Welt ſind, haben doch ſchon unzaͤhligen Schaden gebracht. Stuͤrme und Waſſerfluthen, haben ſchon oft genug Haͤuſer umgekehrt, Staͤdte und Laͤnder verwuͤſtet, und Menſchen getoͤdet. Kan man nun vom Blitzfeuer ver - langen, daß es das was Luft und Waſſer thut, nicht auch thun ſollte? Wir muͤßten eine ganz andere Welt verlangen, wenn wir in der Natur ein Element oder irgend ein Geſchoͤpf begehrten, welches bloß gut bloß nuͤtzlich, und dabey nicht zufaͤlliger Weiſe, oder durch ein Verhaͤltnuͤß Gottes, ſollte ſchaͤdlich ſeyn koͤn - nen.

Jedoch es kan auch noch aus der Natur des Blitz - feuers, und aus dem Endzweck, zu dem er vom Schoͤpfer beſtimmt worden, gezeigt werden; daß die ſchaͤdlichen Wuͤrkungen die es hervorbringt, von ihmnicht112nicht getrennet werden koͤnnen, wenn es anders ſeine nuͤtzlichen Wuͤrkungen leiſten ſoll. Vielleicht denkt freylich mancher: wenn es Gott bey Schaffung dieſes Feuers mit der Welt ſo gut gemeint hat: ſo haͤtte er ihm ſeinen Aufenthalt nur auf der Oberflaͤche der Erde anweiſen, hingegen es aus den Wolken verbannen duͤr - fen. Allein daß dieſes nicht angienge, iſt leicht zu beweiſen.

Ich habe bisher gezeigt; daß das Blitzfeuer allen Gewaͤchſen, ſo wie dem thieriſchen und menſchlichen Koͤrper unentbehrlich ſeye, und daß uͤberhaupt alle Waͤrme der Erde von demſelben herkomme. Soll nun dieſes Element alles durchdringen, umgeben, beleben und erwaͤrmen, ſo muſte es. 1. Ein ſehr feiner, fluͤchtiger und folglich leichter Koͤrper ſeyn. Es iſt da - her nach den mechaniſchen Geſetzen nicht anders moͤg - lich, als daß es als ein leichter Koͤrper, in der Luft und den Duͤnſten, welche ſchwerere Koͤrper ſind, in die Hoͤhe ſteige. Man bemerket auch bey dem entzuͤn - deten Feuer dieſes Naturgeſetz. Es gehet immer in die Hoͤhe, und in einem eingeheitzten Zimmer iſt der obere Theil deſſelben am waͤrmſten.

2. Wenn es der Erde und ihren Geſchoͤpfen die noͤthige Waͤrme geben ſollte; ſo muſte dieſes Feuer alſo beſchaffen ſeyn, daß es in die Wolken hinaufſteigen konn - te. Denn haͤtten die Wolken keine Waͤrme oder Feuer, ſo wuͤrden wir mitten im Sommer nie einen Regen; ſondern anſtatt der Regentropfen allezeit Schnee oder Hagel bekommen. Wuͤrde aber uns etwas damit gedient ſeyn, wenn wir in den Wolken nie einen Blitz ſehen oder Donner hoͤren ſollten, hingegen anſtatt des Regens jedesmahl Schnee oder Hagel bekaͤmen? 3. Sollte das Blitzfeuer beſtaͤndig in die Koͤrper derThiere113Thiere und der Menſchen wuͤrken; ſo muͤſte es ſeiner Natur nach ſo beſchaffen ſeyn, daß es ſich am liebſten mit denjenigen Koͤrpern vereinigte, welche die haupt - ſaͤchlichſten Beſtandtheile und Nahrung der Pflanzen und des thieriſchen Koͤrpers ausmachen. Geſetzt, das Blitzfeuer waͤre ſeiner Natur nach alſo beſchaffen, daß es ſich mit dem Waſſer gar nicht vereinigen koͤnnte; ſo waͤre unmoͤglich, daß es in die Pflanzen und in den thieriſchen Koͤrper wuͤrke. Die Pflanzen ſo wie die thieriſchen Koͤrper beſtehen, ihrem Weſen nach, groͤ - ſtentheils aus waͤßerichten Theilen und bekommen auch ihre meiſte Nahrung aus waͤßerichten Theilen. Koͤnnte nun das Blitzfeuer nicht in die waͤßerichten Weſen wuͤr - ken; ſo muͤßten die Pflanzen und der thieriſche Koͤrper, deſſelben entbehren. Aber nun wollen wir im Gegen - theit die Sache nehmen, wie ſie wirklich iſt. Wir wollen feſt ſetzen, daß ſich das electriſche oder Blitzfeuer ſehr gerne mit den waͤßerichten Theilen oder Koͤrpern vermenge;*)Anmerk. Leuten die keine Naturforſcher ſind, moͤgte es widerſprechend vorkommen; daß Waſſer und Feuer ſich gerne mit einander vereinigen ſollen Gemeiniglich glaubt man, dieſe zwey Elemente ſeyen gerade am meiſten einan - der zuwider. Ich muß daher eine herrliche Bemerkung eines groſſen Naturforſcher, des Herrn de Luͤc hieher ſetzen. Er ſagt: Nichts vereiniget ſich lieber als Feuer und Waſſer. (Er redete von dem entzuͤndeten Feuer.) Um die - ſes zu beweiſen darf man nur Acht geben, auf das was man thut, wenn man einen Brand loͤſchen will. Man gießt Waſſer zu. Was geſchiehet aber dadurch anders, als daß das Waſſer das Feuer in ſich ſchlucket? Folglich muͤſſen ſich bieſe zwey Elemente ſehr gerne mit einander vereinigen. ſo wird man einſehen, wie leichtlichdasH112[114]das electriſche Feuer, den Pflanzen und dem thieriſchen Koͤrper beygebracht werden kan. Denn da die Pflan - zen und thieriſchen Koͤrper groͤſtentheils aus waͤſſerich - ten Theilen beſtehen, und daraus ihre Nahrung be - kommen; ſo kan das electriſche Feuer in ihren waͤſ - ſerichten Theilen beſtaͤndig herumlaufen. Die Pflan - zen bekommen es von auſen durch den Thau und dem Regen, mit welchen es vereinigt iſt. Menſchen und Thiere werden deſſen, durch ihre waͤſſerichten Speiſen, Getraͤnke, und durch die feuchte Luft, in welchen Din - gen allen das electriſche Feuer beſtaͤndig befindlich iſt, theilhaftig. Konnte alſo das Pflanzen und Thierreich dieſes Feuer in noͤthiger Menge bekommen; wenn es nicht an den Duͤnſten von der Erde in die Wolken hin - aufſtiege, und durch die Regentropfen auf dieſelben wieder herabfiele? Aber ſagt man vielleicht. 4. Die - ſes iſt alles gut; Allein warum muß ſich denn dieſes Feuer in den Wolken zu Blitzen und Donner bilden? Warum muß es Schaden anrichten? Warum faͤllt es nicht vielmehr ſtillſchweigend auf die Erde herab?

Ich antworte hierauf erſtlich: daß Gott auſer den andern Urſachen den Menſchen auch ſeine Groͤſe durch den Blitz und Donner vorſtelle, habe ich oben ſchon zugeſtanden. Es mag daher dieſes eine Urſache mit geweſen ſeyn, warum der Schoͤpfer die Einrichtung gemacht, daß das electriſche Feuer aus den Wolken nicht immer ſtillſchweigend herabfaͤllt; ſondern bißwei - len auch in Blitzen und Donner ſich ſehen und hoͤren laͤßt.

Anderns aber liegt hievon ohne Zweifel noch eine natuͤrliche Urſache zum Grunde. Damit das Blitz -feuer115feuer in hinlaͤnglicher Menge aus den Wolken auf die Erde falle, und das Pflanzen - und Thierreich belebe; ſo muß es ſich in den Wolken ſtark anhaͤufen. Ferner, damit dieſes Feuer alle Koͤrper leichtlich durchdringen koͤnne; ſo mußte es Gott von einer ſehr fluͤchtigen Na - tur und Weſen machen. Und endlich, damit es denjenigen Koͤrpern, in welche es vorzuͤglich wuͤrken ſoll, niemals ermangle; ſo mußte der Schoͤpfer ihm eine ſolche Natur geben; daß es gerne und ſchnell auf eben dieſe Koͤrper los gehe. Fließt nun nicht aus dieſen Saͤtzen ein natuͤrlicher Grund, warum ſich die - ſes Feuer zuweilen in Blitze bilden muß? Ohne Zwei - fel dieſer:

Eine Wetterwolke iſt mit electriſchen Feuer ange - haͤuft: Sie wird getrieben, und ſtoͤßt an eine andere nicht electriſche Wolke: oder ſie gehet ſo niedrig daß ſie an einen Gegenſtand auf dem Erdboden anſtoſen kan; ſo muß aus natuͤrlichen Gruͤnden ein Blitz entſtehen. Wenn die Wolke keinen Blitz abgeben ſollte, ſo muͤßte ſie nicht mit electriſchen Feuer angefuͤllt ſeyn. Es iſt aber dieſes Feuer fuͤr die Welt unentbehrlich! Oder ſie muͤßte nicht vom Wind getrieben werden. Dieſes iſt ebenfals unmoͤglich, weil ſonſt der Regen nicht aller Orten wuͤrde gleich ausgetheilt werden! Oder ſie muͤſte nie ſo niedrig gehen, daß ihr Feuer auf einmahl durch einen ſchnellen Sprung auf die Erde fahren koͤnnte. Allein da muͤßte Gott Wunder thun, wenn alle Wol - ken in gleicher Hoͤhe gehen ſollten! Oder endlich, wenn eine Wetterwolke unter dieſen Umſtaͤnden ſich nicht durch einen ſchnellen Blitz entladen ſollte; ſo muͤßte Gott das electriſche Feuer entweder von einer traͤgen Natur ge - macht, oder ihm eine Abneigung auf irrdiſche KoͤrperH 2los116loß zu gehen, beygelegt haben. Dieſes aber hieſe des rechten Zwecks verfehlen, da dieſes Feuer beſtimmt iſt in den irdiſchen Koͤrpern eine beſtaͤndige und ſchnelle Wuͤrkung zu unterhalten!

Es bringt daher die Natur dieſes electriſchen Feuers, die wenn es den erwuͤnſchten Endzweck hervorbringen ſoll, nicht anders ſeyn koͤnnte, es ſchon mit ſich; daß es unter gewiſſen Umſtaͤnden ſich zu Blitzen bildet. Da aber bey einem Blitz die ganze Menge des in einer Wolke befindlichen Feuers auf einmal in einen irdiſchen Koͤrper, es ſey ein Baum oder Gebaͤude, oder Menſch, uͤbergehet: ſo muß er nothwendig Schaden bringen. Aller Ueberfluß iſt ſchaͤdlich. Die koͤſtlichſte Arzney wird ein Gift, wenn ſie im Uebermaaß genommen wird. Ein Regen, ſo erquickend und belebend er fuͤr das Land, Menſchen nnd Vieh iſt, verwuͤſtet alles, wenn er ſich in Fluthen einherſtuͤrzt.

Unmittelbare Beweiſe, daß es erlaubt und kein Eingriff in die goͤttliche Vorſehung ſeye, ſich durch Wetterableiter wider die Gefahr des Blitzes zu beſchuͤtzen.

Wuͤrklich ergreife ich mit innerlichem Wider - willen die Feder, um folgende Beweiſe uͤber die Zulaͤßichkeit der Wetterableiter, nieder zuſchreiben. Ich muß beſorgen, daß luſtige Koͤpfe uͤber mich ſpo - ten, wenn ich eine Sache beweiſe, an welcher kein ver - nuͤnftiger Menſch mit Grund je zweifeln kan. An - dere aber die ernſthafter denken, werden wie ich hoffe,einen117einen Naturforſcher bedauern, der ſeine Zeit mit Wi - derlegung dergleichen ſchwachen Vorurtheile verſchwen - den muß. Doch man muß ſich in die Zeit ſchicken! nach etlichen Jahren werden hoffentlich auch bey uns derglei - chen Beweiſe uͤberfluͤßig ſeyn, ſo wie ſie es ſchon in manchen Laͤndern ſind.

Erſter Beweiß. Ich habe allererſt bewieſen, daß das Blitzfeuer kein beſonderes, von Gott bloß zur Strafe beſtimmtes Element, ſondern das allgemeine wohlthaͤtige Naturfeuer ſeye. Sollte man aber bey dieſem Element nicht das nehmliche thun duͤrfen, was wir bey den andern thun? Wir verwahren unſere Haͤuſer und Guͤter beſtmoͤglich vor aller Feuersgefahr. Schon bey Aufbauung derſelben traͤgt man alle Vorſor - ge, daß die Gebaͤude ſoviel als moͤglich Feuerfeſt wer - den. Damit nicht ein heftiger Sturm, oder eine an ſie ſtoſende Waſſerfluth ſie umſtuͤrze, ſo verſehen wir ſie mit einem dauerhaften Grund, mit tuͤchtigen Mauern u. d. g. Vor einem heftigen oder auch ſchon geringen Regen ſuchen wir uns zu beſchuͤtzen. Einem vom Dache herabfallenden Stein, ſo wie einer herrol - lenden Waſſerfluth weichen wir aus, damit wir unſer Leben retten. In Krankheiten ſehen wir uns nach Huͤlfsmitteln um. Niemand iſt der dieſes tadel - te, oder vor einen Eingrif in die goͤttliche Regierung auszugeben wagte. Vielmehr wuͤrde man einen Men - ſchen der eines oder das andere von dieſen Dingen unterlieſe, fuͤr einen Thoren erklaͤren. Der Menſch iſt von Natur unter allen lebendigen Weſen das aller - ſchutzloſeſte. Dieſen Mangel hat der Schoͤpfer dem Menſchen durch die Vernunft erſetzt. Durch dieſe muß er Mittel ausdenken, ſich wider allen Schaden,H 3der118der ihm durch die Elemente oder andere Dinge zuſtoſ - ſen koͤnnte, in Sicherheit zu ſetzen. Es iſt dieſes der Wille des Schoͤpfers, welcher uns deßwegen außer der Vernunft einen unwiderſtehlichen Trieb zur Erhal - tung unſers Lebens eingepflanzet hat. Der Menſch hat auch von jeher, ſich die Seinigen, und ſeine Guͤter wider die Gewalt der Elemente und anderer Unfaͤlle ver - wahret. Es iſt dieſes nicht fuͤr unrecht erklaͤret wor - den. Wider den Blitz wußte er bisher nicht ſich zu ſchuͤtzen. Jezt hat ers gelernet. Er weiß auch nun - mehr, daß Gott das Blitzfeuer nicht zur Rache, ſon - dern zur Wohlfart der Welt erſchaffen hat. Warum ſollte er ſich nun nicht ebenſowohl wider den Schaden, den ihm der Blitz zufuͤgen koͤnnte, ſchuͤtzen doͤrfen, als wider den Schaden, welchen die andern Elemente ihm zu bringen faͤhig ſind? Etwan deßwegen weil man dieſe Kunſt ſeit Erſchaffung der Menſchen nicht gewußt hat? Welcher Vernuͤnftige kan ſo ſchlieſen?

Zweyter Beweiß. Der Chriſt iſt ſogar ver - bunden alle die Mittel, die er zu ſeiner und der Sei - nigen Erhaltung, oder die er zur Befoͤrderung ſeines Gluͤcks fuͤr dienlich erkennet, anzuwenden. Er ſoll zwar der goͤttlichen Vorſehung vertrauen. Aber ſoll er ſich blindlings dieſer gnaͤdigen Vorſicht uͤberlaſſen? Soll er nichts, und Gott alles Soll Gott um ſeinet willen Wunder thun, er aber die Haͤnde in den Schooß legen? Wo hat die Vernunft oder das Chriſtenthum je eine ſolche Moral gelehret? Warum hat Gott dem Menſchen Vernunft und Wiſſenſchaften. Warum hat er ihm auch Leibes Kraͤfte gegeben? Lehren ihm nicht dieſe; daß er ſie eben ſowohl zu ſeiner eigenen Er - haltung und Gluͤck, als zum Dienſt ſeines Schoͤpfersanwen -119anwenden ſoll? Gewiß! Gott wuͤrde durch ein blindes Vertrauen auf ſeine Vorſehung, wenig geehrt werden. So groß man ſich auch damit macht, wenn man ſpricht. Ich laſſe Gott wallten, er mag es machen wie er will! ſo iſt dieſes, wenn man nicht auch das Seinige dabey thut, allezeit entweder ein Beweiß einer groſen Traͤg - heit, oder eines unverzeihlichen Unverſtands, und durch beydes wird Gott nicht geehret.

Man braucht wenig Erkentniß von der natuͤrli - chen und chriſtlichen Moral zu haben, um zu wiſſen; daß die Erhaltung unſers und der unſerigen Leben, ſo wie die Erhaltung unſerer Guͤter, eine der erſten Pflichten iſt, die wir uns ſelbſt ſchuldig ſind. Ja wir muͤſſen dieſe Pflicht ſogar Gott, den Unſerigen und dem Staat leiſten. Da nun der Blitz uns das Leben und unſere Guͤter rauben kan; da uns Gott die Er - kenntniß gegeben hat, dieſe Gefahr von uns abzuwen - den; ſo ſind wir verbunden dieſelben anzuwenden. Wer es unterlaͤßt der kan ohnmoͤglich ſich ſelbſt wahr - haftig lieben, oder er muß ſehr ſorgenloß Vieleiche ſogar tollkuͤhn ſeyn, oder er muß in der Sonder - barkeit, oder hartnaͤckigen Widerſprechen ſein Ver - gnuͤgen finden.

Dritter Beweiß. Ehe noch die Wetterableiter erfunden wurden, hat es viele Gebaͤude gegeben wel - che natuͤrliche Wetterableiter waren. Man findet ja genug Gebaͤude, deren Hohlkehlen, oder Ecken des Dachs, mit Blech beſchlagen ſind; die ferner kuͤpferne Dachrinnen haben; von denen dann, in einer kupfernen weiten Roͤhre, das Waſſer gar biß auf den Erdboden geleitet wird. Haben ſolche GebaͤudeH 4noch120noch uͤberdiß, wie es gemeiniglich iſt, Dachfahnen, die mit Sternen oder andern Spitzen genugſam Ver - ſehen ſind; ſo iſt der Wetterableiter vollſtaͤndig. Vor kurzem wuſte man dieſes noch nicht. Jezt aber iſt es bekannt. Allein niemand wird es fuͤr eine Suͤnde oder Verſuchung Gottes halten, in einem ſolchen Gebaͤude ferner fort zu wohnen, nach dem er gelernet hat, daß ſein Hauß ein Wetterableiter ſeye. Wollte jemand ſo gewiſſenhaft ſeyn, und ſein Hauß, nachdem er weiß daß es ein Wetterableiter iſt, umaͤndern laſſen. Woll - te er die zuvor zuſammenhaͤngenden Metalle wegreiſen, und ſein Hauß alſo einrichten, daß der Blitz hinein - fahren koͤnne, um dadurch zu beweiſen daß er kein Miß - trauen in die goͤttliche Vorſehung ſeze: ſo wuͤrden Klu - ge ihn verlachen, eben ſo gut als einen Menſchen, der um kein Mißtrauen in die goͤttliche Vorſehung zu verrathen, ſein Hauß ſo gebrechlich aufbauen wollte, daß Sturm und Waſſerfluthen es leicht umſtuͤrzen koͤnnen.

Da man nun mit gutem Gewiſſen in einem Hauſe leben kan, welches ein natuͤrlicher Wetterableiter iſt; ſo muß es auch erlaubt ſeyn ein Gebaͤude durch die Kunſt alſo zuzurichten, daß ihm der Blitz keinen Schaden zu - fuͤgen kan.

Vierter Beweiß. Wenn Gott ein Mißfallen an Wetterableitern haͤtte; ſo wuͤrde er die erſten Er - finder und Anſtifter derſelben, troz ihrer Wetterablei - ter, vor allem heimgeſuchet haben. An Mitteln haͤtte es ihm nicht gefehlt, ſeine Strafe an ihnen auf eine oder die andere ſichtbare Weiſe auszuuͤben. Allein es iſt kein Beyſpiel hievon vorhanden.

Fuͤnf -121

Fuͤnfter Beweis. Ich ſehe gar nicht ein, war - um man ſo ſehr viel Aufſehen uͤber die Wetterableiter macht, da doch die Menſchen von aͤlteſten Zeiten her alle moͤgliche Sorgfalt angewendet haben, ſich wider den Blitz zu verwahren. Hatte das Laͤuten mit Glo - cken und das Abfeuern der Canonen gegen heranziehen - de Wetter, eine andere Abſicht, als das Wetter zu vertreiben? Warnete man nicht jedermann, waͤhrend eines Donnerwetters alle hohe Baͤume zu vermeiden? Verbot man nicht die Zugluft, als eine gefaͤhrliche Sache? Zuͤndeten nicht viele Perſonen bey Donner - wettern Feuer auf dem Kuͤchenheerd an, um das Ein - ſchlagen des Blitzes abzuwenden? Alles dieſes iſt nie fuͤr Suͤnde erklaͤret worden. Warum wehrt man ſich dann ſo ſehr wider die Wetterableiter? Ich hoͤre noch einige, weniger bedeutende Einwendung wider die Wet - terableiter machen. Um alle Ausfluͤchte zu benehmen; ſo will ich auch noch dieſe kuͤrzlich widerlegen.

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H 5Drit -122

Dritter Einwurf.

Da der Blitz nur gar ſelten einſchlaͤgt; ſo ſind die Wetterableiter ſehr entbehrlich. Die Welt hat bisher ohne Wetterableiter beſtanden, ſo wird ſie es auch noch ferner koͤnnen.

Es iſt freylich wahr, daß der Blitz der Welt ihren Untergang nicht bringen wird. Aber doch hat er ſchon genug Menſchen getoͤdet, Haͤußer und Staͤdte ange - zuͤndet und verheeret. So ſelten im uͤbrigen dieſes geſchiehet, ſo hat doch keiner vor dem Blitz ein Pri - vilegium. Keiner kan wiſſen ob ſein Hauß nicht un - ter der wenigen Zahl, die vom Blitz getroffen werden koͤnne, ſich befinde. Vor allem ſollte man erhabene Orte durch Wetterableiter ſichern. Da aber der Blitz ſchon oͤfters hohe Orte verſchont und niedrige Gegen - ſtaͤnde getroffen hat; ſo wird der Kluge, der den ſicher - ſten Weg gehen will, auch ſein niedriges Hauß nicht ohne Schuz laſſen. Ferner ſollte man freylich vor al - lem diejenigen Orte, wo der Blitz ſchon oͤfters einge - ſchlagen hat, mit Wetterableitern verſehen. Allein da man viele Beyſpiele weiß; daß der Blitz Gebaͤude getroffen, die er zuvor Jahrhunderte verſchonte: ſo iſt es gar kein Ueberfluß, ſondern ein kluges und Lo - benswuͤrdiges Unternehmen, auch an dergleichen Ge - baͤude Wetterableiter anzubringen.

Vier -123

Vierter Einwurf.

Durch Wetterableiter koͤnnten die Menſchen vermeſſen werden.

Es gab zu allen Zeiten Ruchloſe, die vermeſſen waren und nichts nach Gott fragten. Dieſe werden freylich ihr Weſen fortſetzen; ſie wuͤrden es aber auch thun, wenn ſie gleich durch keinen Wetterableiter ge - ſchuͤzt wuͤrden.

Der Redliche hingegen wird nicht weniger tugend - haft ſeyn, und nicht weniger Gott verehren; Er mag unter einem Wetterableiter, oder unter freyem Him - mel leben. Denn er weiß daß niemand dem Arm des Allmaͤchtigen entgehen kan; und daß wenn der Menſch gleich von der einen Seite ſicher iſt, Gott noch Mit - tel und Wege genug hat, ihn zu finden. Er thut nur das Seinige, wie in tauſend andern Faͤllen, und be - dient ſich zu ſeiner Sicherheit die Mittel, die ihm die Vernunft an die Hand gibt. Er haͤlt dieſes fuͤr eine Pflicht, die er Gott, ſich ſelbſt, den Seinigen, und dem Staat ſchuldig iſt. Im uͤbrigen weiß er wohl, daß er bloß nur unter dem Gnadenſchutz Gottes ſicher ſeye, und daß er daher ſein groͤſtes Vertrauen auf die goͤttliche Vorſehung ſetzen muͤſſe.

Hieraus aber wird, wie man leicht einſiehet, ein neuer Einwurf erregt.

Fuͤnf -124

Fuͤnfter Einwurf.

Was helfen die Wetterableiter wenn uns Gott doch auf andere Art finden kan?

Ich antworte hierauf. Wenn dieſer Saz in die - ſem ſpecielen Fall gelten ſollte; ſo muͤßte er auch im Allgemeinen richtig ſeyn, und muͤßte alſo umgeaͤndert werden koͤnnen: Was hilfts daß ich mich fuͤr einer Ge - fahr beſchuͤtze, da mir Gott gleich eine andere zuſenden kan. Daraus aber wuͤrde flieſen, daß man in der Welt alles muͤſte gehen laſſen, und daß es uͤberfluͤßig ſeye, ſich fuͤr irgend einer Gefahr zu ſichern. Aber welcher Vernuͤnftige wird ſich eine ſolche Moral machen, oder billigen koͤnnen?

Allein zur Erleuterung obigen Einwurfs kann noch ein anderer Umſtand beygefuͤgt werden. Ich ha - be in dieſer Abhandlung zur Genuͤge bewieſen, daß der Blitz nach feſtgeſetzten Naturgeſetzen einſchlaͤgt. Stehet ein Gebaͤude an einem Ort, wo eine Wetter - wolke an daſſelbe ſtoſſen kann. Enthaͤlt das Gebaͤude in ſich eine Reihe von Metallen, an denen der Blitz ſeinen Gang biß in die Erde findet; ſo faͤhrt er dahin, und Gott muͤßte, wenn dieſes nicht ge - ſchehen ſollte, entweder ein Wunder thun, das heiſt die Geſetze der Natur umkehren; oder er muͤſte in ſeinem ewigen Plan die Einrichtung gemacht haben, daß die des Einſchlagens faͤhige Wolke, nie an dieſen Ort haͤtte ziehen koͤnnen. Letzteres war ohne Zweifel deswegen nicht moͤglich, weil durch eben dieſe Einrich - tung kein ſo groſer Nutze fuͤr das Ganze erfolgt waͤre. Wir finden ja in der ganzen Einrichtung der Welt,daß125daß Gott zur Erreichung eines allgemeinen und groſen Nutzens, kleine dabey unvermeidliche Uebel geſchehen laͤßt. Ich glaube daher daß man mit Recht ſagen koͤn - ne: der Blitz ſchlage ſehr oft und vieleicht meiſtentheils ein, ohne daß er ein Strafgericht Gottes ſeye; ſondern bloß deßwegen weil die Naturgeſetze, die Richtung des Wetters die Lage des Standorts, und die Einrichtung des Gebaͤudes es alſo mit ſich bringen; wel - che Verhaͤltnuͤſſe aber Gott entweder aus andern wich - tigern Urſachen, oder weil er Wunder thun und wider ſeine Natur Geſeze handeln muͤſte, nicht abaͤndern koͤnne. Tauſend Wetterſchlaͤge die bloß in unſchuldige Baͤume gehen oder unſchuldige Kinder treffen, bewei - ſen meiner Meinung nach, dieſes klar.

Schlaͤgt nun der Blitz tauſendmahl aus natuͤrli - chen Urſachen ein, ohne daß er ein Strafgericht Got - tes iſt; ſo koͤnnten wir, wenn wir uns an einem ſol - chen Ort befinden, getroffen und getoͤdet werden, oh - ne daß es Gottes Wille geweſen, uns zu ſchaden. Er haͤtte um dieſes zu verhindern Wunder thun muͤßen. Da aber dieſes ſeiner Weisheit nicht gemaͤß waͤre, ſo wuͤr - de er, wenn wir uns nicht dagegen verwahren, es zulaſſen; eben ſo als wie er es nicht gewaltſam hindert, daß wir von einem einfallenden Gebaͤude, dem wir uns entwe - der aus Verwegenheit oder Unverſtand naͤhern, erſchla - gen werden. Die Abſichten unſers Gottes ſind frey - lich in dergleichen Faͤllen weis und wunderſam in ein - ander verwebt. Es geſchehen auch dieſe zufaͤllig ſchei - nende Ungluͤcksfaͤlle nicht ohne ſeinen Willen: nicht ohne daß er ſie wieder zu einem heilſamen Endzweck, und zum Beſten lenken ſollte. Aber daraus fließt noch nicht, daß Gott ſie gerade ſo und nicht anders gewollthabe,76[126]habe, ſonſt muͤßte man annehmen, daß Gott auch alles das moraliſche Boͤſe, das auf der Welt geſchie - het, verlange.

Kan uns nun ein Blitz treffen, aus der Urſache, weil die natuͤrliche Einrichtung der Dinge es alſo mit ſich bringt, weil Gott es nicht gewaltſam und wun - derbarer Weiſe verhindern will, weil es Gott zur Vermeidung einer groͤſern Unvollkommenheit zu laͤßt, den aber Gott nicht uͤber uns als eine Strafe wuͤrde verhaͤnget haben; ſo gilt der Einwurf nicht mehr: was helfen Wetterableiter, da uns Gott doch auf an - dere Weiſe finden kan. Es haͤtte Gott vielleicht nicht begehrt uns heimzuſuchen, wenn wir auf unſere Er - haltung weniger unachtſam geweſen waͤren, und die Mittel die uns die Vernunft zu unſerer Errettung an - gibt, ſorgfaͤltiger angewendet haͤtten.

So richtig dieſes iſt; ſo gibt es doch zu noch einem Einwurf, der nicht nur wider dieſes Fach der Natur - lehre, nehmlich wider die Wetterableiter; ſondern uͤberhaupt wider die ganze Naturlehre, von den Nicht Phyſikern gemacht zu werden pflegt, Gelegenheit. Ich will mit dieſem den Beſchluß machen.

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Sechs -127

Sechſter Einwurf.

Wenn man alles in der Welt aus natuͤrlichen Urſachen erklaͤren will, ſo faͤllt endlich die goͤttliche Vorſehung gar weg.

Von den meiſten Dingen, die in der Welt geſche - hen, ſehen wir offenbar, daß ſie ſich nach feſt geſetz - ten Regeln oder Naturgeſetzen einmal wie das andere ereignen. Die Himmelskoͤrper haben ihren ordentli - chen Lauf, der ſich auf viele Zeiten hinaus berechnen laͤßt, und mit der Rechnung genau zutrift. Die vier Jahreszeiten ſtellen ſich alle Jahre richtig, und auf eine im Ganzen ſehr regelmaͤßige und gleichfoͤrmi - ge Art ein. Alle Pflanzen, wie ſie Namen haben moͤ - gen, kommen nicht auf eine uͤbernatuͤrliche Weiſe hervor, ſondern erhalten und pflanzen ſich fort durch ihren Saamen. Das nehmliche geſchiehet bey den Men - ſchen und Thieren. Ihre Zeugung geſchiehet nach fe - ſten Naturgeſetzen. Die Abwechslungen der Witte - rung, des Regens und heitern Wetters, der Waͤrme und Kaͤlte ſind allezeit natuͤrlichen Urſachen zuzuſchreiben. Ich will nicht weitlaͤufig zeigen, nach welchen Geſe - tzen die waͤßerichten Duͤnſte aus der Erde in die Luft ſtei - gen, wie ſie ſich da zu Wolken und endlich Regentropfen bilden. Ich will nicht unterſuchen, durch welche na - tuͤrliche Urſachen bald groͤßere Kaͤlte, bald groͤßere Waͤrme auf dem Erdboden herrſchet. Genug, wir wiſſen, daß alle dieſe Dinge durch natuͤrliche und zwar gewoͤhnliche Urſachen entſtehen. Sogar der gemeine Mann hat von den bevorſtehenden naſſen oder trockenenWit -128Witterungen mehrere Anzeigen, die im Ganzen ge - nommen ſo ziemlich zutreffen. Dieſes beweißt, daß eine jede Veraͤnderung in der Witterung jedesmal durch einerley Wirkungen der Natur hervorgebracht werden muͤße. Selbſt die Geſundheit oder Tod des Menſchen haͤngt meiſtentheils von offenbar natuͤrlichen Urſachen ab. Durch eine regelmaͤßige Lebensart kann der Menſch ſein Leben verlaͤngern. Durch angemeßene Arzneyen kann er ſeine verlorne Geſundheit vielfaͤltig wieder herſtellen. Hingegen liegt der Grund zu vielen Krankheiten und dem Tod des Menſchen auch in natuͤr - lichen Urſachen. Seuchen, die oͤfters uͤber große Laͤn - der ergehen, werden von ſorgfaͤltigen Naturforſchern ſehr oft als Folgen einer gewißen Witterung, wo nicht vorher geſagt, doch wenn ſie ſich eingeſtellet ha - ben, daraus ſehr einleuchtend erklaͤret. Es muß auch wohl der Grund hiezu, wenn man ihn gleich nicht ſoll - te ſagen koͤnnen, in der Witterung oder andern allge - meinen natuͤrlichen Urſachen liegen, weil dieſe Seu - chen allgemein werden. Endlich der Tod des Men - ſchen, auch ſogar, wenn er gewaltſam iſt, wird durch natuͤrliche Urſachen bewuͤrkt; indem, wenn der Tod eines Menſchen erfolgen ſoll, zuvor eine Zerſtoͤrung des Baus ſeines Koͤrpers vorgehen muß, dieſe aber ebenfalls nicht anders als nach mechaniſchen Geſetzen geſchiehet. Mit einem Wort, wir ſehen nicht daß Gott jezt mehr auf dieſer Welt etwas Auſernatuͤrliches, oder etwas das nicht nach den Naturgeſetzen waͤre, wuͤrkte. Auch alle diejenige Huͤlfe oder Errettung die wir von Gott zu genleſen haben, und wobey wir eine ſonderbare Vorſehung Gottes erkennen muͤſſen, geſchiehet dadurch, daß Gott nur die natuͤrlichen Din - ge und ihre Wuͤrkungen, zu unſerm Beſten anwendet.

Ich129

Ich glaube die Weißheit des Schoͤpfets werde hier - aus vorzuͤglich ſichtbar: daß er durch einige wenige unabaͤnderliche Naturgeſetze, das Ganze, vom Anfang her biß dieſe Stunde, gluͤcklich regieret hat. Es iſt gewiß ein unwiderſprechlicher Beweiß einer groſen Unvollkommenheit und geringen Uberlegung; wenn ein Regent in ſeinem Lande, oder ein Haußvater in ſeinem Haußweſen, ſeine Geſetze, Einrichtungen, und Ver - ordnungen, nicht uͤber etliche Tage, Wochen oder hoͤchſtens Jahre, erhalten kann; ſondern ſie von Zeit zu Zeit wieder abſchaffen, und durch neue erſetzen muß. Hingegen je wenigere Geſetze und Verordnun - gen ein Land hat, je beſſer ſie ſich auf alle Faͤlle anwen - den laſſen, und je laͤnger ſie mit dem Wohl des Staats beſtehen koͤnnen, deſto vollkommener ſind ſie.

Aus dieſem Grunde ſchließe ich, daß es der Ehre Gottes nicht nachtheilig, ſondern vertraͤglich ſey, wenn man behauptet, Gott regiere die ganze Welt nach Na - turgeſetzen. Wunderwerke nennet man Dinge, die nicht nach dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur, oder nicht nach den gewoͤhnlichen Naturgeſetzen, ſondern durch eine uͤber - und widernatuͤrliche Wirkung Gottes geſchehen. Wenn dergleichen Dinge ſehr ſelten kom - men, ſo machen ſie großes Aufſehen, und dienen zur Befoͤrderung der Ehre Gottes. Sollten aber die Wunderwerke ſo allgemein werden, daß Gott dieſelben zur allgemeinen Regierung der Welt anwendete; ſo waͤre dieſes allerdings die groͤſte Unvollkommenheit, indem es bewieſe, daß die allgemeinen Naturgeſetze, die Gott bey der Schoͤpfung der Welt gemacht hat, zu unvollſtaͤndig und ungeſchickt ſeyen, um damit die Welt regieren zu koͤnnen; und daß daher der Schoͤp -Jfer130fer zu auſſerordentlichen Dingen ſeine Zuflucht nehmen muͤße, um ſeinen Endzweck zu erreichen.

Da nun auf der einen Seite richtig und erwieſen iſt, daß auf der Welt alles nach feſtgeſetzten Naturge - ſetzen gehet, dieſes aber auf der andern Seite die goͤttli - che Regierung aufzuheben ſcheint, ſo fragt ſich: wie ſind dieſe beyden Dinge mit einander zu vereinigen? Die Lehre von der Regierung Gottes uͤber die Welt iſt nicht nur der groͤſte Troſt eines Menſchen; ſon - dern ſie macht uns Gott eben ſo ehrwuͤrdig, als er uns durch das Werk der Schoͤpfung wird. Daher will ich die Schwierigkeiten, die hiebey vorkommen, ſo viel als moͤglich zu heben ſuchen. Man kann, den - ke ich, wohl behaupten, daß in der Welt alles nach Naturgeſetzen gehe, und daß nichts deſto weniger Gott doch die Welt regiere.

Erſtlich. Gott muß, wenn die Welt beſtehen ſoll, die Naturgeſetze, durch welche alles zu Stande gebracht wird, in ihrem Weſen, Einrichtung und Wuͤrkung, wie ſie ſelbige bey der Schoͤpfung bekom - men haben, erhalten. Denn da die Welt maſchinen - artig iſt, ſo wuͤrde ſie, wie eine jede andere Maſchine, bald Schaden leiden, wenn ſie nicht von ihrem Werk - meiſter erhalten wuͤrde.

Anderns. Gott als der Schoͤpfer der Naturge - ſetze, kannte auch ihre Wirkungen, ehe er ſie ſchuf. Er wußte nach ſeiner Allwiſſenheit, was ſie in Verbin - dung unter einander, bis an das Ende der Welt hervor - bringen wuͤrden. Da es in ſeinem Willen ſtund, Naturgeſetze zu machen, wie es ihm beliebte; ſo hatohne131ohne Zweifel Gott gleich bey der Schoͤpfung eine ſol - che Einrichtung gemacht; daß die Naturgeſetze bis an das Ende der Welt, im Groſen wie im Kleinen, eine ſolche Wirkung hervorbringen, und von Zeit zu Zeit fortſetzen mußten, wie es ſeiner Weisheit, Willen, und dem allgemeinen Beſten gemaͤß war. Koͤnnen doch geſchickte Aſtronomen den Lauf der himmliſchen Koͤrper auf Jahrhunderte, und wo es noͤthig waͤre, auf Jahrtauſende hinaus berechnen; und beſtimmen, in welchem Standort ſie ſich an einem verlangten Tag befinden werden. Wer wird dieſes, was eingeſchrenk - te Menſchen leiſten koͤnnen, Gott dem Allwiſſenden abzuſprechen wagen? Wer wird nicht vielmehr mit der Schrift bekennen muͤſſen, daß Gott alle ſeine Wer - ke bekannt ſeyen; und daß er gleich bey der Schoͤpfung derſelben gewußt habe, welche Wirkung ſie unter ein - ander, im Großen wie im Kleinen, bis ans Ende der Erde hervorbringen werden? Da aber die Weisheit Gottes es erfordert, daß ſeine Werke ſogleich bey ih - rer erſten Anlage alſo beſchaffen ſeyen, damit ſie jedes - mal die beſten, und ſeiner Weisheit angemeſſenen Wuͤr - kungen hervorbringen, und er nicht noͤthig habe, in der Folge etwas daran zu aͤndern oder zu beſſern; ſo kann man ſchon in dieſem Betracht ſagen: Gott regie - re die Welt dadurch, daß er gleich im Anfang eine ſolche Einrichtung gemacht, und die Wuͤrkungen der natuͤrlichen Dinge unter ſich alſo geordnet habe, daß alles durch dieſen natuͤrlichen Lauf der Dinge, biß an das Ende der Welt ſeinem weiſen Willen gemaͤß ge - hen mußte, und die beſten Entzwecke dadurch erhalten werden.

J 2Drit -132

Drittens. Da aber bey den Schickſalen nicht nur ganzer Laͤnder, ſondern auch einzelner Menſchen, Faͤlle vorkommen, die zwar durch die ordentlichen Wuͤrkungen der Natur entſtehen; die aber nicht ge - woͤhnlich oder alltaͤglich, ſondern ſelten ſind; bey denen man eine ſonderbare Abſicht Gottes bemerken kann, und die auch am Ende, wenn ſie ſich auf - klaͤren, vielfaͤltig eine weiſe und guͤtige Regierung Gottes verrathen: ſo muß bey der goͤttlichen Regie - rung uͤber die Welt allerdings noch etwas mehr ſeyn, als daß Gott nur gleich im Anfang eine ſolche Einrich - tung gemacht, und die Wuͤrkungen der natuͤrlichen Dinge unter ſich alſo geordnet habe, daß nach dieſen alles biß ans Ende der Welt, der Abſicht Gottes ge - maͤß gehen muͤße.

Allein auch hier haben wir nicht noͤthig zu etwas uͤbernatuͤrlichen unſere Zuflucht zu nehmen. Gott iſt der Herr der Natur. So wie ein Kuͤnſtler einerley Werkzeug zu verſchiedener Entzweck gebraucht; ſo kann auch Gott die Dinge der Natur zu verſchiedenen Ab - ſichten anwenden. Oder, ſo wie durch die geringſte Verruͤckung, die man an dem einen oder andern klei - nen Glied einer Maſchine vornimmt, durch die nehm - liche Maſchine eine ganz andere Wirkung hervorge - bracht wird; ſo darf auch Gott die Dinge in der Natur nur ein wenig verruͤcken, oder in eine andere Lage und Ordnung bringen, um dadurch etwas ganz anderes zu bewuͤrken. Die Dinge bleiben wie ſie ſind; ſie bringen noch immer ihre gewoͤhnliche natuͤrliche Wuͤr - kung hervor, aber ſie werden[nur] in eine andere Lage gebracht und auf andere Gegenſtaͤnde gelenket. Strenge Naturforſcher werden hierinnen mit mirfrey -133freylich nicht uͤbereinſtimmen, und ich muß ſelbſt ge - ſtehen, daß Gott dieſes im Großen nicht thut. So - lange die Welt ſtehet, hat Gott z. B. in dem Lauf der Himmelskoͤrper; in der Abwechslung der Jahreszei - ten; und in der Einrichtung, nach welcher die Pflan - zen, Thiere und Menſchen fortgeflanzet werden, u. d. g. noch nicht die geringſte Aenderung gemacht. Man kann auch wohl annehmrn, daß Gott allwiſſend und allmaͤchtig genug ſeye; daß er gleich bey der Schoͤpfung auf den Lauf der Dinge in der Welt auch der allerge - ringſten, wie ſie nehmlich nach ſeiner Abſicht bis ans Ende der Welt gehen ſollten, Ruͤckſicht nehmen, und ſeinen Plan darnach habe machen koͤnnen. Von der Allwiſſenheit Gottes laͤßt ſich ohnehin nichts anderes gedenken, und die Schrift ſcheint damit uͤbereinzuſtim - men, da ſie uns lehret, daß Gott nach ſeinem ewi - gen Rathſchluß alles zuvor geordnet habe. Indeſſen glaube ich, wird doch nicht gelaͤugnet werden koͤnnen; daß Gott ohne Wunder zu thun, und ohne Kraͤnkung ſei - ner Allmacht und Vorherwiſſenheit, erſt in der Folge der Zeit den Naturwuͤrkungen eine andere Lenkung ſollte geben koͤnnen, als ſie gewoͤhnlich haben. Denn wann Gott gleich von Ewigkeit ſchon beſchloſſen hat, wie alles auch das geringſte in der Welt gehen ſoll; ſo kan doch in der Folge der Zeit zur Ausfuͤhrung ſeines groſſen Plans hie und da noͤthig ſeyn; daß die Natur - wuͤrkungen auf etwas anderes, als ſonſt gewoͤhnlich war, gelenket und angewendet werden.

Das bißherige betrift nur die mechaniſchen Wuͤr - kungen der Elemente und der ſinnloſen Geſchoͤpfe, de - ren ſich Gott zur Regierung der Welt bedienet, z. E. der Winde, des Regens, Sonnenſcheins, Frucht -J 3bar -134barkeit des Erdbodens, und allerley anderer zufaͤllig ſcheinender Begebenheiten wodurch bald gluͤckliche bald ungluͤckliche Schickſaale fuͤr Laͤnder oder wenigſtens Fa - milien und einzelne Perſohnen, entſtehen. Aber

Viertens. Eben ſo viele Veraͤnderungen auf der Welt, bey welchen der Schoͤpfer ſein Oberregi - ment beweißt, haͤngen von den Handlungen der leben - digen Weſen ab. Der eine Theil derſelben ſind die unvernuͤnftigen Thiere. Dieſe regirt der Schoͤpfer durch Naturtriebe, nach welchen ſie in einer unabaͤn - derlichen Ordnung ihr Geſchlecht fortpflanzen, ihre Nahrung ſuchen und finden, ihre Wohnung bereiten, ſich Zufluchtsorte ausſuchen, und in den beſtimmten Jahrszeiten von einem Land ins andere wandern. Hier iſt durchgaͤngig nichts uͤbernatuͤrliches; ſondern alles gehet in der gemachten Ordnung nach den in ſie ge - legten Trieben fort.

Ganz anders verhaͤlt es ſich mit den Menſchen. Dieſe handeln nach einer freyen Wahl; und von dieſer haͤngen tauſend Veraͤnderungen ab, die auf das Wohl oder Ungluͤck ganzer Laͤnder, Familien, oder einzelner Menſchen den groͤſten Einfluß haben. Z. B. Ein gu - ter oder boͤſer Regent, ein guter oder boͤſer Hauß - vater, kan durch ſein Betragen viele andere Menſchen gluͤcklich oder ungluͤcklich machen. Was thut nun hier die goͤttliche Vorſehung, um alles nach ihrem Plan und Entzweck zu regieren? Gott laͤßt manches, ob es ihm gleich an und vor ſich nicht wohlgefaͤllig iſt, zu, und verhindert es nicht gewaltſam, weil er es zu ei - nem andern vorgeſetzten Endzweck hinleiten kan. Viel - faͤltig aber regiert und lenket er die Gedanken der Men -ſchen135ſchen alſo, und auf ſolche Unternehmungen, wie es ſeiner Abſicht gemaͤß iſt. Es iſt dieſes nicht eine bloſe Meynung, ſondern in der That gegruͤndet. Die goͤttliche Offenbahrung lehrt uns, daß Gott den Men - ſchen das Herz lenke; und tauſend Erfahrung beſtaͤt - tigen es taͤglich. Wer nur ein wenig auf die goͤttli - che Regierung in der Welt achten will, wird finden; daß der Menſch oͤfters einen heftigen Trieb, Luſt und Zuneigung in ſich findet, eines oder das andere zu un - ternehmen; oder daß er zu einer andern Sache, die ihm ſogar bisweilen zuvor angenehm war, oder wozu er durch verſchiedene Beweggruͤnde aufgemundert zu werden ſcheint, traͤg, nachlaͤßig und verdroſſen iſt, und ſie unterlaͤßt. Bisweilen kann der Menſch ſelbſt, bald oder ſpaͤt einſehen, welche Vortheile es ihm ge - bracht hat, daß er eine Sache muthig unternommen, hingegen eine andere vernachlaͤßiget oder unterlaſſen hat. Da er nun in ſich ſelbſt keinen hinlaͤnglichen Grund findet, warum er alſo gehandelt hat; ſo kann nichts anders geſchloſſen werden, als daß er durch die goͤttliche Regierung auf dergleichen Geſinnungen ge - leitet worden. Man koͤnnte dieſes noch durch mehre - re Beyſpiele zeigen; und zwar wie mancher Menſch oͤfters etwas als eine ihm gleichguͤltig ſcheinende Sache unterlaͤßt oder thut, welches dann andern zu großem Vortheil gereicht. Oder wie ein Menſch auf eine zu - faͤllig ſcheinende Weiſe mit dem andern bekannt wird, und durch dieſen ſein Gluͤck findet: oder auch, wie durch allerley Ereigniſſe, Menſchen, die zuvor einan - der gehaͤßig wenigſtens gleichguͤltig waren, einander guͤnſtig werden, und dann einer des andern Gluͤck be - foͤrdert u. d. g.

J 4Will136

Will Gott das Gegentheil thun, und einen Men - ſchen ſtrafen, ſo darf er nur ſein und anderer Herz nicht regieren, und ihm die zu ſeinem Gluͤck guͤnſtigen Ge - legenheiten ermangeln laſſen.

Dieſes, glaube ich, ſind die gewoͤhnlichſten Mit - tel, deren ſich die goͤttliche Vorſehung bedient, um die vernuͤnftigen Weſen zu regieren. Schon durch dieſe kan ſie groſe, ſowohl gluͤckliche als ungluͤckliche Revo - lutionen, nach ihrer Abſicht, in der Welt ausfuͤhren, ohne die Elemente dazu zugebrauchen, oder den natuͤr - lichen Lauf der Dinge abzuaͤndern. Doch ich breche dieſen Gegenſtand ab, da er nicht eigentlich zu mei - nem Plan gehoͤrt.

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Ver -137

Verhalten bey Donnerwettern.

Auſer den Wetterableitern gibt es bisher kein ande - res zuverlaͤßiges Mittel, ſich vor dem Blitz in Si - cherhit zu ſetzen. Seitdem die Electricitaͤt zu groͤſe - rer Vollkommenheit gekommen, haben zwar einige Na - turforſcher, noch auf einige andere Mittel gedacht, durch die man ſich moͤgte vor dem Blitz beſchuͤzen koͤn - nen. Bey einiger Unterſuchung aber hat ſichs ge - zeigt; daß dieſe Mittel das jenige keineswegs leiſten, was man von ihnen hofte. Weil Seide, Glas und Pech, das electriſche Feuer nicht an ſich fortlaufen laſſen; ſo kamen einige auf den Gedanken, man ſolle ſich in einem Zimmer, entweder auf dergleichen Koͤrper ſetzen, oder ſich damit bedecken. Allein wenn der Blitz gleich auf dergleichen Koͤrpern nicht fortlau - fen kan; ſo iſt er doch im Stande einen Sprung da - hin zu machen, da der Blitzfunke einen ſehr weiten Sprung machet. Man hat auch wuͤrkliche Erfahrun - gen, daß er durch ſeidene Zeuge, und ſogar durch Pech und Glas geſchlagen, und letztere entweder zer - ſplittert oder geſchmolzen habe. Ein Menſch iſt daher keineswegs ſicher, wenn er gleich auf Glas oder Pech ſtehet, oder mit Seidenzeug bedeckt iſt. Denn ſpringt der Blitz von einem Metall auf das andere, und ein Menſch befaͤnde ſich dazwiſchen; ſo wuͤrde doch der Blitz durch ihn ſeinen Weg nehmen, wenn er gleich auf Glas ſte - hen oder mit Seidenzeugen bedeckt ſeyn ſollte. Denn der Menſch iſt ein Leiter der electriſchen Materie. Das Seidenzeug iſt nicht dick genug, daß der Blitz nicht ſollte durch ſchlagen koͤnnen. Und daß der MenſchJ 5auf138auf Glas oder Pech ſtehet, hilft auch nichts, da der Blitz nicht noͤthig hat ſtillſchweigend von dem Men - ſchen in die Erde zu laufen, ſondern durch einen Sprung, von ihm auf andere Gegenſtaͤnde fortgehen kan.

Dasjenige was ich jetzt noch von dem Verhalten bey Donnerwettern zu erinnern habe, enthaͤlt bloß Warnungen vor Gefahren.

1. Weil der Blitz vorzuͤglich gerne in hohe Orte einſchlaͤgt; ſo vermeide man moͤglichſt, die hoͤchſten Gebaͤude und vorzuͤglich Thuͤrme, wenn anderſt dieſe nicht mit Wetterableitern verſehen ſind. Das Laͤu - ten der Glocken bey Wettern ſollte daher ſchon aus dieſem Grunde unterbleiben; weil man die Perſoh - nen die es verrichten muͤſſen, der Gefahr ausſezt vom Blitz getroffen zu werden. Daß das Laͤuten mit Glo - cken nicht im Stande ſeye das Wetter zu vertreiben iſt daraus ſichtbar, weil das Wetter ſchon oft genug in Thuͤrme, in denen gelaͤutet wurde, eingeſchlagen hat; ferner, weil die Bewegung, welche das Laͤuten der Glocke in der Luft machen koͤnnte gar nichts bedeu - tet, da eine Pflaumfeder, welche unter das Schallloch gehaͤnget wird, gar keine Empfindung bey dem Laͤuten der Glocken aͤuſert. Geſezt alſo es ſollte das Wetter - laͤuten, auch den Blitz nicht herbey ziehen, welches gleichwohl verſchiedene Naturforſcher aus wahrſchein - lichen Gruͤnden behaupten; ſo beweiſen doch die ange - fuͤhrten Erfahrungen wenigſtens dieſes, daß es nichts nutze. Warum ſoll man aber ohne Noth Menſchen ei - ner Lebensgefahr ausſetzen? In vielen Laͤndern iſt es daher ſchon ſeit geraumer Zeit abgekommen. Ich ken - ne ſelbſt verſchiedene kleine Bauerndorfſchaften, dieſo139ſo menſchenfreundlich dachten, und es denjenigen Per - ſonen, die dazu verbunden waren, erließen, weil das Wetter etlichemal in den Thurm einſchlug. Hoffent - lich wird dieſes unſchickliche Verfahren, welches aus den Zeiten des Aberglaubens herſtammt, wo man den geweyhten Glocken viele Kraft zuſchrieb, bald allge - mein aufgehoben werden.

2. Wenn der Blitz in ein Gebaͤude faͤhrt, ſo lauft er gemeiniglich da eine Strecke fort, wo die Me - talle in einer Reihe von oben biß unten fortgehen. Kommt ein Drath in den Weg, der von oben ein Stuͤck herabgehet, ſo findet er ſich gemeiniglich daran ein. Hat man nun keinen Wetterableiter; ſo vermeide man zur Zeit eines Donnerwetters diejenigen[Orte], wo in einem Hauſe von oben biß unten, Draͤthe oder eiſerne Stiegengelaͤnder u. d. g. herabgehen. Auch die Fen - ſter ſind wegen des daran befindlichen Blitz und Eiſenwerks gefaͤhrlich, wenn nahe bey ihnen eine Reihe von Metallen uͤberwaͤrts in das Dach, und unterwaͤrts in den Boden fortlauft.

3. Gemeiniglich verſammeln ſich bey einem ent - ſtandenen Wetter, die Perſohnen die zu einer Familie gehoͤren, in einem Zimmer. Da es in jeder Familie vie - le Furchtſame gibt, ſo iſt dieſes nicht wohl zu aͤndern. Man muß aber hiebey Vorſicht tragen; daß dieſes An - haͤufen der Perſohnen in einem Zimmer, nicht gefaͤhr - lich werde. Ohnſtreitig gehet der Blitz an diejenige[Orte] vorzuͤglich gerne hin, wo viele Menſchen oder Thiere verſammelt ſind, weil ſich der Blitz in dieſen, die gute Leiter ſind, leicht ausbreiten, und von ihnen bequem in die Erde laufen kann. Man entferne alſo von ſolchen Verſammlungsorten, wenigſtens alle Thie -re.140re. Ueberhaupt halte man ſich waͤhrend eines Don - nerwetters, weder auf dem Felde, noch in dem Hau - ſe in der Geſellſchaft der Thiere auf. In einem Zim - mer, wo ſich mehrere Perſonen verſammelt haben, halte man wenigſtens die Thuͤr immer offen. Es iſt dieſes von dopelten Nutzen. Wuͤrde ein Blitz in ein verſchloſſenes Zimmer fahren; ſo wuͤrden die darinnen befindlichen Perſonen von dem ſtarken Dampf, der mit dem Blitz begleitet iſt, erſtickt werden. Dann entſtehet in einem verſchloſſenen Zimmer, von mehre - ren Perſonen eine allzuſtarke Ausduͤnſtung. Don - nerwetter ſind gemeiniglich bey heiſer Witterung, wo ohnehin der Koͤrper ſtark ausduͤnſtet. Schließt man ſich noch obendrein in ein Zimmer ein, ſo wird die Aus - duͤnſtung noch mehr befoͤrdert. Ich habe aber S. 36. 36. erwieſen, daß der Blitz oder das electriſche Feuer, auf einen erhitzten Koͤrper ſeinen Zug lieber nehme, als auf einen abgekuͤhlten. Dann iſt es auch ſehr wahr - ſcheinlich, daß auf die Duͤnſte ſelbſt, welche durch den[thieriſchen] und menſchlichen Koͤrper entſtehen, und die man brennbare Luft nennet, der Blitz lieber zugehe, als auf eine reine Luft.

4. Man verbietet bey Donnerwettern in einem Zimmer alle Zugluft; und glaubt, der Blitz gehe ger - ne darauf zu. Fuͤr die Geſundheit moͤgte ſie aller - dings nachtheilig ſeyn, weil die Luft bey einem Wetter kuͤhl wird, der Koͤrper aber zuvor erhitzt war. Ob aber durch eine kleine Zugluft der Blitz in ein Zimmer geleitet werden koͤnne, zweifle ich ſehr. Dieſe Bewe - gung in der Luft, iſt zu gering, als daß ſie eine Wuͤr - kung auf eine heranziehende Wetterwolke haben ſollte. Gemeiniglich ſtehen noch uͤberdiß die Wohnzimmer tief,und141und wenn eine Zugluft das Einſchlagen des Blitzes be - foͤrderte: ſo waͤre kein Gebaͤude davor ſicher, da in dem Dach eines jeden Haußes, Oeffnungen genug ſind, durch welche die Luft ziehen kan, dieſe Zugluft aber in der Hoͤhe der Gebaͤude vorgehet, und folglich weit mehr Wuͤrkung auf eine Wetterwolke haben muͤß - te, als eine geringe Zugluft die in einem niedern Wohn - zimmer entſtehen kan. Ich laße daher immer lieber etwas Zugluft in mein Zimmer, als daß ich eine zuſtar - ke Ausduͤnſtung darinnen ſollte aufkommen laſſen.

5. Viele Leute zuͤnden zur Zeit eines Donnerwet - ters auf dem Kuͤchenheerd Feuer an. Das Feuer iſt nun ein vortreflicher Leiter des electriſchen oder Blitz - feuers. Daher kan man ſich leicht gedenken, was das Anzuͤnden des Feuers unter einem Camin nuͤzet. Da die Feuertheilchen in dem ganzen Schlot hinaufge - hen; ſo kan die Atmosphaͤre einer Wetterwolke, die ober dem Gebaͤude wegziehet, an den Feuertheilen durch dem Schlot, als an einem Wetterableiter ſtillſchwei - gend biß auf den Heerd herabgefuͤhret werden.

Weil nicht nur der Heerd aus Steinen beſtehet, ſondern auch noch an ſteinerne Mauern gemeiniglich anſtoͤßt; ſo kan an dieſen, das abgeleitete Feuer gar in den Erdboden kommen. Vieleicht wird das Blitz - feuer in dem entzuͤndeten Kuchenfeuer gar aufgeloͤßt, und auſer ſeinem Weſen, wie es im Stande der Ruhe iſt, verſezt. Allein weil die Feuertheilchen, biß ſie an die obere[Oefnung] des Schlots kommen, wenig Kraft mehr befizen; ſo iſt von dieſem Wetterableiter ſo wenig Nutzen zu erwarten, als Gefahr zu befuͤrch - ten.

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Ich komme nun noch auf das Verhalten bey Don - nerwettern unter freyem Himmel.

6. Man vermeide, auf dem freyen Felde bey Donnerwettern alle hohe Baͤume; ſonderlich die er - ſten und groͤßten, die einem heranziehenden Wet - ter entgegen ſtehen. Will und muß man ſich unter einen Baum ſtellen; ſo richte man es al - ſo ein, daß andere Baͤume gegen das Wetter zu, noch vorſtehen. Man erwaͤhle lieber einen niedrigen, als einen hohen; lieber einen Fichten - oder Tannen, als einen Eichen, Buchen - Birn oder Apfelbaum.

7. Weil der Blitz auf Waſſer vorzuͤglich ger - ne zugehet, ſo waͤre man in groͤßerer Gefahr, wenn man unter einem Baum ſich aufhielte, der neben einem Waſſer oder Sumpf ſtuͤnde. Doch iſt die Gefahr weniger groß, wenn das Wetter erſt uͤber dem Waſſer vorbey ziehen muß, und man hinter dem Waſſer ſtehet. In dieſer Richtung haben ſchon viele den Blitz vor ſich in das Waſſer fahren ſehen; da er ſie vermuthlich wuͤrde getroffen haben, wenn ſie vor dem Waſſer, und zwar nahe an demſelben ſich wuͤrden aufgehalten haben.

8. Wird man auf dem flachen Felde von ei - nem Wetter uͤberfallen; ſo huͤte man ſich vor allem, daß man nicht ſchnell laufe, fahre oder reite; beſon - ders, wenn man einmal ſiehet, daß man dem Wetter nicht mehr entgehen kann. Nicht ſowohl der Zug, den man dadurch in den Wolken macht, iſt gefaͤhrlich, weil dieſer wenig betraͤgt; als vielmehr die Erhitzung, wie ich ſchon bey der dritten Vorſichtsregel angefuͤhrt habe.

Fer -143

Ferner; entferne man ſich auf dem Felde, wo moͤglich von der Geſellſchaft der Thiere. Da man aber dieſes nicht allezeit vermeiden kan; ſo

Sehe man endlich nur hauptſaͤchlich darauf, daß man nicht auf der Plaͤne, auf welcher das Wetter her - ziehet, der hoͤchſte Gegenſtand werde, an welchen das Wetter leicht anſtoſen koͤnnte. Da man doch einmal naß wird, ſo iſt es rathſamer, wenn man ſich auf den Erdboden leget, oder hinter einem Rein oder Hohl - weg, der aber kein Waſſer hat, verbirg. Uberhaupt iſt der Menſch auf dem Felde bey entſtandenen Don - nerwetter allezeit groͤſerer Gefahr ausgeſezt, als in den Haͤuſern. In dieſen kan der Blitz wenn er auch ein - ſchlaͤgt, oͤfters an den Metallen, ohne Schaden der Menſchen in den Erdboden gehen. Aber auf dem Felde iſt der Menſch nebſt den Thieren der Hauptge - genſtand, durch welchem der Blitz am leichteſten in die Erde kommen kan.

9. Man warnet auch noch; daß wenn der Blitz in ein Gebaͤude geſchlagen, man nicht alſobald an den Ort, wohin er ſeinen Gang genommen hat, gehe; weil oͤfters noch ein zweyter Blitz nachfolge. Die Warnung iſt gut. Ob ſie aber werde befolgt werden koͤnnen, zweifle ich. Entweder erinnert man ſich im erſten Schrecken nicht hieran: oder man fuͤhlt in ſich eine hoͤhere Pflicht, den Seinigen die man fuͤr verun - gluͤckt glaubt, zu Huͤlfe zu kommen; oder man be - ſorgt, der Blitz moͤgte gezuͤndet haben, und haͤlt eine ſchleunige Huͤlfe mit Recht fuͤr nothwendig.

10. Es hat ſich ſchon oͤfters zugetragen, daß kurz vor dem Einſchlagen eines Blitzes in ein Gebaͤu - de oder in einem Baum, die Meuſchen die ſich nahedabey144dabey befanden, eine ungewoͤhnliche Beaͤngſtigung und Beklaͤmmung; um ſich herum aber Etwas, das einem warmen Windchen oder vielmehr Dunſt aͤhnlich war, verſpuͤrten. Ohne Zweifel wuͤrde dieſes Phaͤno - men oͤfters ſchon wahrgenommen worden ſeyn, wenn die Menſchen denen es begegnete, aufmerkſamer gewe - ſen waͤren. Vieleicht iſt auch eine Perſohn empfind - ſamer als die andere. Genug! es geſchahe ſchon oͤfters, und daß dieſe Erſcheinung nicht bloſe Wuͤr - kung der Furcht geweſen, erhellet daraus; weil wuͤrk - lich ein Blitz ſchnell darauf erfolgte. Man weiß ſchon viele Beyſpiele, daß Perſohnen die zur Zeit eines Wetters unter einem Baum ſtunden, auf einmahl eine groſe Bangigkeit empfanden, nicht mehr unter dem Baum bleiben konnten, kaum aber ſich davon entfer - neten als der Blitz ſogleich hinter ihnen herabfuhr. Das nehmliche geſchahe auch erſt vor wenigen Tagen, nehmlich den 24. Auguſt, da vier Stunden von hier, der Blitz in den Kirchenthurm und die Kirche zu Hech - lingen, waͤhrend dem Gottesdienſt einſchlug. Einige Perſohnen die theils von dem Blitz getroffen wurden, theils wenigſtens nahe an dem Ort waren, wo der Blitz hinfuhr; hatten kurz zuvor ehe der Blitz erfolg - te, eine heftige Beaͤngſtigung. Man haͤlt eine der - gleichen Ereignuͤß, fuͤr eine goͤttliche Ahndung. Sie hat aber einen natuͤrlichen Grunde. Wenn eine Wet - terwolke an einen Ort einſchlagen ſoll; ſo muß ſie ſo nahe kommen, daß der Blitz mit ſeinem Sprung den Erdboden, oder den Baum, oder das Gebaͤude errei - chen kann. Ehe aber die Wolke ſo nahe kommt, ſtroͤmt ſie ſchon von Ferne unſichtbar und ſtillſcheigend Feuer an den Ort hin, an welchen hernach der Blitz ſchlaͤgt. Folglich kann ein Menſch zuvor ſchon, eheder145der Blitz erfolgt, hiedurch einige Empfindungen ha - ben. Die wilden Thiere, deren Empfindung in der - gleichen Faͤllen gemeiniglich feiner ſind, als die Em - pfindungen der Menſchen; werden ohne Zweifel auf dem Felde deswegen nicht ſo oft getroffen, als die Men - ſchen, oder als die zahmen Thiere, welche unter dem Zwang der Menſchen ſtehen, weil dieſe beſſer noch als der Menſch empfinden, wo und wann ein Blitz loßſchie - ſen wird, und dann einen ſolchen Ort fliehen, da alle Thiere vor jeder auch der geringſten electriſchen Em - pfindung die groͤſte Furcht und Abneigung haben. Empfindet nun der Menſch waͤhrend eines Donnerwet - ters eine Beklemmung, Beaͤngſtigung, oder etwas das einem warmen Wind oder Dunſt aͤhnlich iſt, und iſt er uͤberzeugt daß dieſes nicht vom bloſer Einbil - dung oder Furcht herkomme; ſo bleibt ihm auch kein beſſerer Rath uͤbrig, als daß er ſchnell den Ort ver - laſſe.

Ohne Zweifel wendet man wieder dieſe Vorem - pfindung eines Blitzes ein: Wie iſt es moͤglich daß man in einem Gebaͤude, in welches das aus der Wet - terwolke ſtroͤmende Feuer nicht dringen kan, etwas ſchon vor dem erfolgten Blitz empfinde? Ich laͤugne es nicht. die Sache hat viel Wahrſcheinlichkeit. Allein ich will durch einen electriſchen Verſuch, welcher aber frey - lich die Nollet’ſche Hypotheſe mehr als die Franklin’ſche beguͤnſtiget, eine Erlaͤuterung hieruͤber geben. Nol - let behauptete: daß bey jedem electriſchen Funken zwey gegeneinander wuͤrkende Stroͤme Feuer befindlich ſeyen. Ich will jetzt nicht entſcheiden ob Nollet, wie man groͤſtentheils glaubt, unrecht habe. Es geſchiehet wenigſtens ſicher etwas das der Nolletſchen Behaup -Jtung146tung ſehr nahe kommt. Ich werde es aus folgendem Verſuch beweiſen. Der[ſtumpfe] Kegel c. Fig. 1. mit der gegen ihr ſtehenden Kugel e. iſt Fig. 10. be. ſonders abgebildet. Wenn man nun den Cylinder an welchen die ſtumpfe Spitze c. Fig. 1. befeſtiget iſt, electriſiret: dann die metallene Kugel a. Fig. 10. nahe genug an den Kegel c. haͤlt, ſo entſtehet ein elec - triſcher Funke. Entfernet man aber die Kugel a. ſo weit von der ſtumpfen Spitze c. daß kein Funcke mehr ſpringen kan; ſo gehet aus der ſtumpfen Spitze c. eine feurige Ruthe, die dem Schweif eines Cometen gleich ſiehet. Aus der Kugel a. aber wuͤrket ein anderes Feuer, welches die Geſtalt eines haarigten Cometen hat, gegen die Ruthe, die aus der ſtumpfen Spitze c. kommt. Man kan genau unterſcheiden, wo dieſe zwey Feuer zuſammenſtoſſen, oder einander beruͤhren, wie man aus der Zeichnung deutlich ſehen kann, wo d. die Ruthe, und b. das aus der Kugel kommende Feuer vorſtellet. Daß dieſer Verſuch bey Nacht angeſtellet werden muͤſſe, erſiehet man leicht ohne mein Errinnern. Nollet nennet dieſes Feuer die zwey gegeneinander wuͤrkenden[Stroͤme]. Franklin aber heißt das Feuer bey d. poſitiv, und das bey b. negativ. Es ſeye aber nun dieſe Erſcheinung was ſie wolle, ſo iſt doch die - ſes gewiß: daß wenn der electriſirte Koͤrper c. von a. ſo weit entfernet iſt, daß noch kein Funke ſprin - gen kann, das Feuer aus c. und a. gegen einander ſtroͤme. Es ſey nun aber c. die Wetterwolke. Dieſe ſeye von dem Erdboden, den man ſich unter der Ku - gel a. vorſtellen muß, ſo weit entfernet; daß noch kein Blitzfunke aus ihr auf den Erdboden ſpringen kan; ſo ſtroͤmt aus der Wolke e. das Feuer d. und gegen daſ - ſelbe ſtroͤmt von dem Erdboden a. das Feuer b. Be -findet147findet ſich nun jemand auf dem Erdboden aus welchem das Feuer b. ſtroͤmt, ſo muß nothwendig ſein Koͤr - per, wenn er nicht allzu unempfindlich iſt, Empfin - dungen davon haben. Ruͤckt die Wolke c. dann nur ein wenig naͤher gegen a, ſo erfolgt der Schlag, und der Menſch der zuvor von dem Feuer b. bloß Beaͤng - ſtigung empfand, wird nunmehr da es ſich in einen Funken verwandelt, getroffen.

Da das electriſche Feuer alles durchdringet, ſo kan auch ein Gebaͤude nicht hindern, weder daß das electriſche Feuer aus der Wolke in das Gebaͤude, und gegen die Erde; noch das aus der Erde gegen die Wol - ke hinwuͤrkende Feuer, durch das Gebaͤude gegen die Wolke ſtroͤme. Daher koͤnnen die Menſchen auch in einem Gebaͤude, dieſe electriſchen Wuͤrkungen wohl empfinden.

Ich will nun mit einer allgemeinen Anmerkung uͤber die Weterableiter, dieſe Abhandlung beſchließen.

Es iſt ſehr zu wuͤnſchen, daß die Blitz oder Wet - terableiter allgemeiner werden. Ich habe in dieſer Abhandlung gezeigt, daß etliche wenige Ableiter noch nicht im Stande ſeyen, einen ganzen Ort zu ſchuͤtzen. Was nutzt aber viel, wenn etliche Gebaͤude eines Orts vor dem Blitz geſichert ſind; es wird aber ein anderes getroffen? Kan nicht doch immer noch, wenn ein ein - ziges Gebaͤude durch den Blitz angezuͤndet wird, ein ganzer Ort im Brand gerathen?

Eine Haupt hinderniß, die der allgemeinen Ein - fuͤhrung der Wetterableiter im Wege ſtehet; und wel - che, wenn auch die andern Einwendungen wider dieK 2Wet -148Wetterableiter alle gehoben ſeyn ſollten, unter gegen - waͤrtigen Umſtaͤnden bleiben wird, iſt dieſe: daß die Anlage der Wetterableiter viele Koſten und Weitlaͤuf - tigkeit macht. Ich kenne verſchiedene Perſonen, die geneigt waͤren, Wetterableiter an ihre Haͤuſer anbrin - gen zu laſſen, die aber bloß die Koſten ſcheuen. Viel - leicht lieſe ſich indeſſen dieſe Hinderniß doch zum Theil heben. Ich will einen Verſuch wagen!

Die Wetterableiter machen zur Zeit deßwegen noch groͤßere Koſten, weil ſie von Gelehrten angelegt werden muͤßen, dieſe aber Koſten verurſachen, weil ſie theils an den verlangten Ort hinreißen muͤſſen, theils man auch ihnen ihre Bemuͤhungen honetter be - lohnen muß als einem Zimmermann oder Mauerer. Ein Burger oder Bauer wird daher wohl ſchwerlich ſich von einem Gelehrten einen Wetterableiter verfertigen laſſen. Vieleicht aber waͤre er dazu geneigt, wenn es ihm ein Handwerksmann verrichten koͤnnte. Und ſoll - te es nicht moͤglich ſeyn, daß ein Mauerer dieſe Kunſt lernete? Ich glaube es erfordere weniger Ge - ſchicklichket, einen Wetterableiter anzulegen, als nur das geringſte Gebaͤude aufzufuͤhren. Man darf nur einen einzigen geſehen haben, und nur einige wenige Hauptgrundſaͤtze wiſſen; ſo kan mon an ein jedes Ge - baͤude einen Wetterableiter gut anlegen. Wenn man daher in jeder Stadt, einem geſchickten Mauerer die Kunſt Wetterableiter zu bauen lernete; -- wenn dann die Herrſchaftliche Bau-Deputation, welche jaͤhr - lich die herrſchaftlichen Gebaͤude im Lande beaugen - ſcheiniget, die von Zeit zu Zeit angelegten Wetterab - leiter beſichtigte und unterſuchte: ſo koͤnnte dem Pub - licum die Anlegung der Wetterableiter erleichtert, und deſſen ohngeachtet doch gute Arbeit geliefert werden.

Die149

Die uͤbrigen Unkoſten bey Anlegung eines Wet - terableiters koͤnnen ebenfals geſchmeidig zuſammen ge - zogen werden. Die ſenkrechten Stangen Fig. 6. ſind auf Privat Gebaͤuden hoch genug, wenn man ſie 4. biß 5. Schuhe hoch macht. Die 8. biß 10. Schuh lange Stange die in den Erdboden kommt, kan anſtatt von Kupfer, aus einer Zoll dicken eiſernen Stange ge - macht werden. Verſchiedene Naturforſcher haben uͤberhaupt nur zu dieſen Stangen, Eiſen vorgeſchla - gen; und es iſt gewiß, daß eine ſolche Stange, wenn ſie auch roſtet, doch wenigſtens hundert Jahr lang gut bleibt. Das Ausgraben eines 10. Schuh tiefen Lochs in den Erdboden, koͤnnte wegfallen, wenn man bey den Herrſchaftlichen Bauaͤmtern Erdenboh - rer, wie ſie in den Salz - und Bergwerken gewoͤhn - lich ſind, zu allgemeinen Gebrauch, gegen eine gerin - ge Abgabe, anſchafte. In Ermanglung dieſer koͤnnte man auch die eiſernen Stangen einſchlagen, auf eine aͤhnliche Art wie die Pfaͤhle in die Gruͤnde eingeſchla - gen werden.

Die Kupfernen Spitzen endlich, die an die ſenk - rechten Stangen angeſchraubt werden, ſind groß ge - nug, wenn man ſie zwey Zoll lang, und da wo ſie an - geſchraubt werden, ½ Zoll dick macht. Hiezu aber braucht man wenig Kupfer.

Dieſes iſt das hauptſaͤchlichſte, was ich vom Blitz und den Wetterableitern zu erinnern fuͤr noͤthig erachtete. Moͤgte doch dieſe kleine Schrift im Stan - de ſeyn, einige ſchaͤdliche Vorurtheile, die bisher bey dem groͤßten Haufen der Menſchen, in Anſehung des Blitzes und der Donnerwetter geherrſchet haben, zuK 3ver -150verdraͤngen! Moͤgte ſie doch im Stande ſeyn, viele zu uͤberzeugen, daß Gott auch im Donner nicht nur groß, ſondern zugleich unendlich weiſe und guͤtig ſey! Ihre Ehrfurcht gegen ihn wuͤrde dadurch unter dem Wetter vergroͤßert, ſo wie ihr Vertrauen auf den guͤ - tigen Schoͤpfer vermehret werden. Erreiche ich auch nur bey wenigen dieſe Abſicht, welche der Hauptbewe - gungsgrund bey Entwerfung dieſer Abhandlung war, ſo halte ich mich reichlich belohnet.

Verbeſſerung der hauptſaͤchlichſten Fehler.

Seite 11. Zeile 2. 3. iſt aus Verſehen anſtatt Carl Theodor, Maximilian Theodor geſetzet wor - den. Seite 72. Zeile 6. von unten, ließ leeren anſtatt laͤren. Seite 89. Zeile 2. in der Anmerkung ließ Stoß, an - ſtatt Soß.

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About this transcription

TextUnterricht vom Blitz und den Blitz- oder Wetter-Ableitern
Author Johann Friedrich Luz
Extent169 images; 36890 tokens; 5287 types; 252741 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationUnterricht vom Blitz und den Blitz- oder Wetter-Ableitern zur Belehrung und Beruhigung sonderlich der Ungelehrten und des gemeinen Mannes Johann Friedrich Luz. . [5] Bl., 150 S. : 1 Kupfertaf. Weigel und SchneiderFrankfurtLeipzig1784.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, My 17725http://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=645177016

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Technik; Wissenschaft; Technik; core; ready; china

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