PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Boͤrne's Mittheilungen aus dem Gebiete der Laͤnder - und Voͤlkerkunde.
Zweiter Theil.
[II][III]
Mittheilungen aus dem Gebiete der Laͤnder - und Voͤlkerkunde
Zweiter Theil.
Offenbach, BeiL. Brunet. 1833.
[IV][V]
Geſammelte Schriften
Zwölfter Theil.
Offenbach, BeiL. Brunet. 1833.
[VI][VII]

Inhalt.

  • Sechzehnter BriefSeite 1
  • Siebzehnter Brief 12
  • Achtzehnter Brief 22
  • Neunzehnter Brief 45
  • Zwanzigſter Brief 53
  • Ein und zwanzigſter Brief 64
  • Zwei und zwanzigſter Brief 76
  • Drei und zwanzigſter Brief 93
  • Vier und zwanzigſter Brief 97
  • Fünf und zwanzigſter Brief 113
  • VIII
  • Sechs und zwanzigſter BriefSeite 131
  • Sieben und zwanzigſter Brief 210
  • Acht und zwanzigſter Brief 216
  • Neun und zwanzigſter Brief 228
  • Dreißigſter Brief 236
  • Ein und dreißigſter Brief 243
[1]

Sechzehnter Brief.

D r. Rießer in Hamburg hat für mich gegen mei¬ nen Eduard geſchrieben; aber weder in Hamburg noch in Altona wollte die Cenſur den Druck der Schrift erlauben. Sie wird jetzt in Braunſchweig gedruckt. So ſind die deutſchen Regierungen! So ſchaamlos iſt ihre Cenſur! So ſind die freien Städte welche die Monarchen nur darum fort¬ beſtehen ließen, um republikaniſche Regierungs¬ formen lächerlich und verächtlich zu machen, um zu zeigen, daß ein Senat von Bürgern ſo knechtiſcher Geſinnung ſeyn[könne], als ein Staatsrath von Edelleuten. Der nehmliche[Cenſor], der es doch ge¬ ſchehen ließ, daß eine Schrift voll der unerhörteſten Schimpfreden gegen mich erſchien, deren Titel ſchon eine Beleidigung war, verbot die Schrift, die meineIV. 12Vertheidigung übernahm! Und ſolche Regierungen ver¬ langen noch, daß man ſie achte! Campe ſchreibt mir ferner: denken Sie ſich die Tollheit der Menſchen, einige behaupten ſteif und feſt, Sie hätten dieſe Briefe im öſtreichiſchen Solde geſchrieben, damit man der Preſſe beikommen könne. Iſt das erhört? Glauben Sie mir, ſo dumm das iſt, ſo giebt es doch Menſchen, die noch dümmer ſind als das, und es iſt darum gar nicht unmöglich, daß irgend ein Lohnbedienter irgend eines Kommis-Voyageurs der Diplomatie ein ſolches Gerücht vorſätzlich in den Gang gebracht.

Sechszehnmal iſt Campe ſchon verhört worden. Ich habe eine Vorſtellung davon, was ſie ihn alles ausfragen. So oft ſtand Louvel nicht vor Gericht. Es koſtet viele Arbeit, bis man in Deutſchland ge¬ hängt wird. Der Artikel gegen meine Briefe, deſſen ich geſtern erwähnt, ſteht in der Zeitung von Bern, wie ich Ihnen ſchon geſchrieben, einen Trödelmarkt, wo die ariſtokratiſchen Lumpen von ganz Europa auf¬ gehäuft liegen. Er lautet wie folgt: Noch ein Urtheil über Börne's Briefe. Die Mann¬ heimer Zeitung ſchließt eine kurze Kritik dieſer po¬ litiſchen literäriſchen Monſtroſität folgendermaaßen: Was hier mit dürren Worten, von allen hochtra¬ benden Phraſen befreit, geſagt wird, iſt leider die Geſchichte der heutigen Tage. Geld - und Ehrgeiz3 bilden die Grundlage der Börneſchen Ausfälle, und erwecket in ihm den tödtlichen Haß, welcher ſich auf jeder Seite ausſpricht. Weil er nicht Hof¬ rath, Staatsrath, Miniſter iſt, haßt er alle Be¬ amten; weil er ſelbſt kein Geld hat, ſo trifft ſein Haß alle Begüterte, Banquiers oder wohlhabende Bürger, und weil er endlich nie Fürſt werden kann, ſo fällt das größte Gewicht ſeines Haſſes auf die Großen dieſer Erde. Was er auszuſprechen, in ſo furchtbarer Wahrheit laut zu denken wagt, ver¬ zehrt im Stillen Tauſende. Es iſt daher die Wuth ganz begreiflich, mit der alle ſeine Geiſtesverwandten über den Unverſchämten herfallen, welcher in ſo ganz unbegreiflich naiven Geſtändniſſen der Zeit ver¬ gißt, und den Schleier lüftet, welchen bisher ein erkünſtelter Patriotismus ſo fein gewoben hatte. Es war daher nur ein Schrei des Entſetzens unter ſeinen Freunden, als ſie ihr klug bewahrtes Geheim¬ niß ſo leichtſinnig verrathen, und alle die zarten Fäden aufgedeckt ſahen, mit denen ſie ihre Pläne umſponnen. Sie mußten, und wohl nicht mit Un¬ recht, fürchten, daß, iſt einmal die Maske gefallen, ſich die öffentliche Meinung, welche ſie bisher ſchlau für ſich benutzt, ſich gegen ſie richten, und ſo den Nimbus zerſtören würde, der ſie umgiebt. Solche Fingerzeige bleiben für den Triumph der guten Sache nicht verlohren! Es iſt daher Börne's Werk1*4 ein lehrreiches und nützliches Buch! Das merkt euch, Kinder, und ſtellt die Pariſer Briefe neben eure Andachtsſtunden!

Mein Kamin raucht nicht mehr, er iſt ge¬ heilt worden, und gründlich. Ich habe da wieder erfahren, daß man gegen dieſe ſpitzbübiſchen Fran¬ zoſen, will man ſein Recht behaupten oder erlangen, grob ſeyn muß. Iſt man artig, wird man beſiegt, denn ſie verſtehen noch artiger zu ſeyn als wir. Dieſe ihre Waffen wiſſen ſie ſo geſchickt zu gebrau¬ chen; ſie geben uns freundliche Worte, ſüße Ver¬ ſprechungen, um uns einzuſchläfern und unſere An¬ ſprüche zu entwaffnen. Ich aber, der das kannte, ließ mich nie irre führen, und wußte durch periodiſch¬ abgemeſſene, regelmäßig wiederkehrende Grobheit im¬ mer zu erlangen, was mir gebührte. Acht Tage lang ſchickte ich täglich viermal den Conrad zum Hausherrn mit der Ermahnung, für den Kamin zu ſorgen. Da dies nichts half, kündigte ich das Logis auf. Das wirkte.

Herold's Artikel in den Zeitſchwingen hat mir ſehr gut gefallen. Darin iſt jugendlicher Muth und Uebermuth, wie ihn der Kampf dieſer Zeit er¬ fordert. So eine Butter-Seele wie dieſer Alexis, will es ja nicht beſſer, als geſchmiert zu werden freilich mit goldenen Meſſerchen, von zarter Hand, auf zartgeröſtetes Weisbrödchen. Nun kömmt eine5 tüchtige Bürgerfauſt, und ſchmiert ſie mit einem Kochlöffel auf Haberbrod; das wird der Berliner Butter-Seele ihre Schmiegſamkeit etwas verleiden.

Ob ich die Wiener Gedichte kenne? Wie ſollte ich ſie nicht kennen! Sie wohnen ſeit zwei Monaten in meinem Herzen, und ich ſehe und höre ſie täglich. Aber zanken muß ich mit Ihnen, daß Sie durch ſolches unzeitiges Fragen mich in meiner Druckerei ſtören. Ich wollte nächſtens mit Ihnen davon zu ſprechen anfangen, ich wollte Sie fragen: Haben Sie die Spaziergänge eines Wiener Poeten geleſen? und dann, trott, trott, weiter. Jetzt muß ich erſt zu vergeſſen ſuchen, daß ſie Ihnen bekannt ſind. Wenn das noch einmal geſchieht, wenn Sie noch einmal durch ungerufenes Entgegenkommen mir meine ſchüchterne Schriftſtellerei verwirren, laſſe ich künftig Ihre eigenen Briefe ſtatt der meinigen drucken. Da wird ſich auch wohl für Sie ein weib¬ licher Eduard finden, und dann wollen wir ſehen, wie Sie mit dieſer Hamburger Megäre fertig werden.

Der Conſtitutionel, ſeit vielen Jahren das mächtigſte Blatt der Oppoſition, iſt jetzt in Caſimir Perriers Hände gefallen. Er hat ihn für eine halbe Million Aktien gekauft und kann daher mit ihm ver¬ fahren, wie ihm beliebt. Sie müſſen das bekannt machen, und die andern ſollen es auch weiter ver¬6 breiten, damit ſich keiner täuſchen laſſe. Es wird noch einige Zeit dauern, bis der Conſtitutionel ſeine Maske völlig abwirft. Das Blatt hat ſeit vier Wochen ſchon viertauſend Abbonenten ver¬ lohren.

7

So eben verläßt mich ein Beſuch, deſſen Ver¬ anlaſſung mir ſehr erfreulich war, deſſen Erfolg noch erfreulicher werden kann. Es war ein junger freund¬ licher Menſch, aus Hof in Baiern gebürtig, ſeit einigen Jahren in einer hieſigen Handlung als Kom¬ mis angeſtellt. Er ſagte, daß er im Namen ſeiner zahlreichen Freunde käme, die erſt kürzlich aus der Zeitung erfahren, daß ich in Paris ſey, um mir zu danken für den Eifer, den ich in meinen Schriften für die Sache des Vaterlandes an den Tag gelegt und ſo fort. Ich ſuchte das abzukürzen. Dar¬ auf weiter: er ſey beauftragt, mich um Rath zu fragen. Er, ſeine Freunde und Kameraden, wohl zwei bis dreihundert an der Zahl, alle junge Kaufleute, hätten ſich vorgenommen, an die Bairi¬ ſchen und Badiſchen Stände eine Adreſſe zu erlaſſen, um ihnen für den Muth und die Beharrlichkeit, mit welcher ſie für Recht und Freiheit geſtritten, die Ge¬ fühle ihrer Bewunderung und ihrer Erkenntlichkeit auszudrücken. Auf meine Bemerkung, daß eine ſolche Adreſſe zu ſpät käme, weil in wenigen Tagen die Stände in München und Carlsruhe auseinander ge¬ hen würden, erwiederte man mir: daran läge nichts; es wäre ihnen ja blos darum zu thun, auch ihrer¬8 ſeits ihre Geſinnung öffentlich kund zu thun. Der ausdrücklichen Bitte zuvorkommend, erklärte ich, daß ich herzlich gern eine ſolche Adreſſe aufſetzen würde. Ich bemerkte: der Schritt, den ſie zu machen däch¬ ten, würde von den heilſamſten Folgen ſein. Uns Andern, aus dem Stande der Gelehrten und Schrift¬ ſteller, ſo oft wir von verfaſſungsmäßigen Rechten, von Freiheit und Staatsreformen ſprächen, machte man den Vorwurf der Unruheſtiftung und heilloſen Zerſtörungsſucht, und wo man einmal ſo gnädig ſey, uns milder zu betrachten, ſpottete man unſerer lufti¬ gen Schwärmereien, die mit dem wahren Glück des Volkes, das auch für ſolche hohe Ideen nirgends Sinn habe, in gar keiner Verbindung ſtünde. Jetzt aber kämen ſie, alle Kaufleute, die durch Stand, Gewerbe und tägliche Beſchäftigung an das Poſitive gewieſen, ja durch Maas, Gewicht und Zahlen an die Wirklichkeit, wenn ſie ſie je vergeſſen möchten, ſtündlich erinnert würden, und wünſchten und forder¬ ten das Nehmliche. Sie ſprächen es aus, daß die materiellen Intereſſen, wo die Sorge für dieſelbe löblich wäre, innigſt an die moraliſchen Intereſſen gebunden wären, und daß nach Allem das ſinnliche Wohlbefinden und Wohlbehagen der Menſchen nicht ihre höchſte Beſtimmung ſey. Dieſes würde eine große Wirkung machen und die ewigen Feinde der9 Freiheit in Verwirrung bringen, die, deren Freunde um ſo leichter zu beſiegen, den Stand der Handels¬ leute und den der Gelehrten zu entzweien ſuchten ... In dieſem Sinn werde ich nun für die jungen Leute die Adreſſe abfaſſen.

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Dreimal leſe ich Ihren Brief. Aber wie kann ich auf Alles antworten? Ein Frauenzimmer frägt mehr, als hundert Männer beantworten können.

Von Schlegels Epigrammen habe ich einige vor¬ leſen hören, keine gegen Arndt, aber welche gegen Menzel. Ganz erbärmlich. Der Geck iſt jetzt hier. Solche Leute ſchickt ſeit der Revolution die preußiſche Regierung eine Menge hierher. Aber ſtatt zu ſpio¬ niren, welches ihre Sendung iſt, werden ſie ſpionirt. Die franzöſiſche Regierung erſpart dadurch Geld, Spione in Berlin zu beſolden. Bequemer und beſ¬ ſer kann man es nicht haben. Schlegel wohnt, aus alter Freundſchaft von der Staël her, bei deren Schwiegerſohn, dem Herzog von Broglie, und wird dort, wie man mir erzählt, zum Beſten gehabt, und en bas behandelt.

Die Damen hier und eine große Zahl von Künſtlern haben ſich vereinigt, Handarbeiten, kleine Kunſtwerke zu verfertigen, und ſie zum Vortheile der Polen auszuſpielen. Die Gegenſtände der Lotterie werden bis zur Ziehung in einem Saale öffentlich ausgeſtellt. Der Zettel koſtet zwei und einen halben Frank. Wie gewöhnlich bei ſolchen Unternehmungen, ſtehen die Namen der Frauenzimmer in der Zeitung,11 bei welchen die Looſe zu haben ſind. Frau von *** iſt dieſesmal nicht dabei. Es iſt keine legitime Barm¬ herzigkeit, und Revolutionärs verhungern zu ſehen, thut auch einem ſanften weiblichen Herzen wohl. Die ſchöne Dame in ihrem Boudoir denkt, wie es einer zärtlichen Gattin ziemt, an den Mann auf dem Bü¬ reau, und begreift, daß an einer Anleihe für Könige mehr zu verdienen ſey, als an einer für den Himmel.

[12]

Siebzehnter Brief.

Ihre Frage wegen der Simoniſten möchte ich Ihnen gern klar und genau beantworten; aber ich weiß nicht viel davon. Da ich mich nicht ſchämte, unwiſſend hierin zu bleiben, will ich mich auch nicht ſchämen, meine Unwiſſenheit zu geſtehen. Sie iſt um ſo weniger zu entſchuldigen, da mir bekannt, daß der Simonismus eine der wichtigſten Erſcheinungen, ja noch mehr iſt: der Inbegriff von vielen wichtigen Erſcheinungen dieſer Zeit. Das ſchwebte vor mir in der Luft und genauer unterſuchte ich es nicht. Es iſt nicht zu ändern. Hier in Paris braucht man nur einen halben Magen; denn der gefällige Koch¬ topf übernimmt die Hälfte der Verdauung. Hier in Paris braucht man gar kein Herz; denn da alle öffentliche Gedanken in öffentliche Empfindungen über¬ gegangen, iſt das Klima davon warm geworden und13 man braucht die Bruſt nicht einzuheitzen. Aber tau¬ ſend Beine braucht man hier, um nach allen Merk¬ würdigen zu gehen, tauſend Augen und Ohren, alles Merkwürdige zu ſehen und zu hören, und tauſend Köpfe, um alles aufzufaſſen, ſich anzueignen und zu verarbeiten.

Die Simoniſten halten jeden Sonntag öffent¬ liche Vorleſungen, in welchen ſie ihre Lehren zuſam¬ menſtellen und erläutern. Ich habe aber dieſen Pre¬ digten nie beigewohnt. Man muß zwei Stunden vorher da ſeyn, um Platz zu finden, und ſo viele Zeit mochte ich nicht darauf verwenden. Aus gleichem Grunde war ich auch noch nie in einer Kammerſitzung, bei den Verhandlungen der Aſſiſen, noch in einer der öffentlichen Verſammlungen, die hier faſt jede Woche gehalten werden. Das bürgerliche Leben, das in ſeinem ganzen Umfange und in allen ſeine Stockwer¬ ken öffentlich geworden, hat die Architektur hinter ſich gelaſſen, die monarchiſch und ariſtokratiſch geblieben. Es giebt in Paris kein öffentliches Gebäude, das ſelbſt für das beſcheidenſte Bedürfniß einer Volksver¬ ſammlung Raum genug hätte. Es iſt lächerlich, wie wenige öffentliche Sitze in der Deputirtenkammer ſind. Die Regierungen, wenn ſie die Freiheit mit keinen moraliſchen Schranken mehr umziehen dürfen, engen ſie wenigſtens ſo viel und ſo lang als möglich mit Steinmauern ein. Der Saal, den die Simoniſten14 haben, der iſt nun beſonders klein und ich glaube, daß ſie ihn aus Schelmerei ſo gewählt, damit die Zu¬ hörer um ſo begieriger herbeiſtrömen. Wo die Pa¬ riſer keinen Platz finden, da eilen ſie am liebſten hin, beſonders die Frauenzimmer; es iſt ihre Wonne, ge¬ ſtoßen und gedrückt zu werden.

Was mich bis jetzt von einer nähern Bekannt¬ ſchaft, nicht mit den Grundſätzen, ſondern mit den Lehren der Simoniſten, abgehalten, iſt die monarchi¬ ſche Verfaſſung ihrer Kirche. Sie haben einen Papſt; vor ſolchem kreuze ich mich, wie vor dem Satan. Sie haben eine Autorität; die fürchte ich noch mehr, als den Räuber im[finſtern] Walde. Ich laſſe mich von keiner Wahrheit gern einſchränken; ich trinke, wie der goldgelockte Felix im Wilhelm Meiſter, am liebſten aus der Flaſche. Wenn ein Pabſt mir ſagt: zwei mal zwei iſt vier glaube ich es ihm nicht, und habe ich es früher gewußt, fange ich an, daran zu zweifeln. Zwar weiß ich recht gut, daß keine neue Kirche der monarchiſchen Leitung entbehren kann; das Chriſtenthum ſelbſt blieb ſchwach, ward verfolgt und geſchlagen, ſo lange es republikaniſch war, und wurde erſt ſtark, ſiegend und erobernd, als es einen höchſten Biſchof an ſeine Spitze ſtellte. Jedem Staate iſt die monarchiſche Gewalt in ſeiner Kindheit die Laufbank, in ſeinem Greiſenalter eine Krücke; Freiheit gehört dem Jüng¬15 lingsalter und den männlichen Jahren. Aber, ob ich auch das begreife, verabſcheue ich doch die Monar¬ chie für jedes Verhältniß und für jede Zeit. Ein junger Staat ſoll lieber auf allen Vieren kriechen und etwas ſpäter gehen lernen, ſoll lieber, ſobald er das Greiſenalter erreicht, ſich freiwillig den Tod geben, als gemächliche und ſchnellere Entwickelung ſeiner Glieder, als einige Jahre Friſt jämmerlichen Daſeins mit der Freiheit bezahlen. Wie einem die Regierung oft alle bürgerliche Geſellſchaft, das Syſtem die ſchönſte Philoſophie verleiden kann; ſo verleidet ei¬ nem die Kirche jeden Glauben. Muß ich ſelig ſeyn im Paradieſe, dann will ich lieber in der Hölle lei¬ den. Es liegt gar nicht ſo viel daran, daß eine neue Wahrheit ſich ſchnell und weit umher verbreite; ſie wird leicht an Würde verlieren, was ſie an Macht, im Werthe verlieren, was ſie im Preiſe gewinnt.

Sie fragen mich: ob die Simoniſten etwa das reine Chriſtenthum herzuſtellen ſuchen? Ich glaube es. Aber was heißt reines Chriſtenthum? Es giebt nur eine reine Quelle des wahren Glau¬ bens, und aus dieſer fließen die mannigfaltigen Ströme der Religionen, die nach und nach den Schlamm der Ufer abſpülen, und ſich mit Allem be¬ ſudeln, was die ſchmutzigen Menſchen hineingeworfen. Die Simoniſten mögen wohl in Frankreich ſeyn, was die Carbonari in Italien ſind. Was dieſe wol¬16 len, weiß ich zwar auch nicht klar; doch daß ſie einen edlen Zweck haben, daß ſie ſuchen Licht in das dunkle Lügengebäude des Papſtthums zu bringen, und die Zwingburgen der Gewalt niederzureißen: das erfahre ich von der unbeſchreiblichen Wuth, mit welcher die geiſtliche und weltliche Macht in Italien den Carbo¬ narismus verfolgt.

Der hier erſcheinende Globe iſt das Apoſtel - Blatt der Simoniſten; eine Art hauſirende Bibel, die alle Tage den wahren Glauben friſch und warm in die Häuſer bringt. Doch ich kann keine Milch vertragen und leſe darum das Blatt nicht. Von den drei ſtereotypen Lehren, die der Globe als Motto's täglich hinter ſeinem Titel hat, kann ich nur die erſte annehmen; die zweite iſt mir zu trivial; die dritte finde ich falſch, und eine vierte; mir die erſte, mangelt gänzlich. Erſte Grundlehre. Les in¬ stitutions sociales doivent avoir pour but l'amé¬ lioration du sort moral, physique et intellectuel de la classe la plus nombreuse et la plus pauvre. Daß die bürgerliche Geſellſchaft nur für die Mehrzahl, nur für die ärmeren Claſſen zu ſor¬ gen habe, dieſem Grundſatze kann man dann erſt beitreten, nachdem man ſtillſchweigend angenommen, daß die Minderzahl der Geiſt - und Güterbegabten, daß jene Glücklichen, für welche ſchon die Natur ge¬ ſorgt, den Schutz und den Beiſtand der bürgerlichen17 Geſetze entbehren können. Dann aber bleibt in jenem Grundſatze die reinſte, heiligſte und unverletzlichſte Vorſchrift, wie der Sittlichkeit, ſo der Religion übrig. Weil ſie rein iſt, wird ſie von allen beſudelt; weil ſie heilig iſt, wird ſie verſpottet; weil unverletzlich, täglich übertreten. Doch ich mag nicht davon ſprechen. Wer nur etwas gelebt hat und nur einen Tag nicht ſich allein, der konnte wahrnehmen, wie man überall und zu allen Zeiten das niedre Volk als unorgani¬ ſches Produkt betrachtet, als Erde, Steine, Sand, Waſſer von Gott, dem Hofarchitekten der Vor¬ nehmen und Reichen, herbeigeſchafft, dieſen das Le¬ ben wohnlich und angenehm zu machen. Aber der Tag wird kommen, wo der zum Himmel geſtiegene Thränendunſt aller der Millionen Unglücklichen als Sündfluth niederſtürzen, und die Reichen mit allen ihren aufgeſparten Gütern bedrohen wird, und dann werden Schrecken und zu ſpäte Reue die hohle Bruſt der Hartherzigen ausfüllen, und ſie werden das Er¬ barmen, deſſen Rufe ſie nie gefolgt, ſelbſt anrufen. Zweite Grundlehre. Tous les privilèges de la naissauce, sans exception, seront abolis.

Werden hier die alterthümlichen bekannten Privilegien gemeint, wie die des Adels, der Pairs, oder ſonſt eines bevorrechteten Standes, ſo iſt das eine ſo ent¬ ſchiedene Wahrheit, ein ſo feſt gegründetes Recht, das man durch ein ſchadenfrohes Erwähnen derſelbenIV. 218nicht die Anmaßung des Widerſpruchs herausfordern ſollte. Nicht die Vernunft iſt auf der Seite der Gleichheit, ſondern auf der Seite der Ungleichheit iſt der Wahnſinn. Aber der Vernunft ziemt es nicht, dem Wahnſinn entgegen zu treten, ihm den Weg zu verſperren; ſondern ſie ſoll warten bis er herbei kömmt, bis er losbricht. Dann ſoll ſie ihn beſpre¬ chen, heilen, und wenn er ſich unheilbar zeigt, ihn an die Kette legen und unſchädlich machen. Jedes Wort, noch ferner gegen den Adel geſprochen, iſt ein Schwertſtreich dem Schlachtfelde entzogen; die Zeit des Redens iſt vorüber.

Dritte Grundlehre. A chacun selon sa ca¬ pacité, à chaque capacité selon ses oeuvres. Eine heilloſe Irrlehre! Die Wahrheit iſt ganz auf der entge¬ gengeſetzten Seite. Jemehr Verdienſt, je weni¬ ger Lohn; das iſt die Regel der Vernunft. Verdienſt iſt die reine Vorausbezahlung, welche die Natur ſol¬ chen Menſchen leiſtet, denen ſie vertraut, und der, dem ſie geworden, hat keinen weitern Lohn zu for¬ dern. Bezahlung werde dem Verdienſtloſen, der nichts von der Natur geerbt. Jeder Capacität nach ihren Werken, iſt auch falſch. Was der Menſch iſt, beſtimmt ſeinen Werth, und alſo ſeinen Preiß, nicht das, was er thut. Iſt das, was er thut ſei¬ ner Natur gemäß, iſt es blos Lebensäußerung, Selbſt¬ erhaltungstrieb, und er hat dafür keinen Lohn zu for¬19 dern; iſt es ſeiner Natur zuwieder, kann es nichts Gutes ſeyn. Dieſe Irrlehre der Simoniſten ent¬ ſpringt aus einer andern, zu welcher ſie ſich beken¬ nen, der von einer Gütergemeinſchaft, eine Lehre der verderblichſten Art, weil ſie den Menſchen nicht allein in der bürgerlichen Geſellſchaft, ſondern auch in ſeinen reinmenſchlichen Verhältniſſen zu Grunde richtet. Freiheit und Gleichheit beſtehen darin, daß jeder einzelne Menſch in ſeiner Lebens¬ ſphäre, ſey nun dieſer Kreis ſo eng gezogen als man wolle, Despot ſeyn darf; nicht aber darin, daß man alle dieſe Perſönlichkeiten zerſtört, und dar¬ aus einen allgemeinen Menſchenteig knetet, den man Staat, Kirche, Gemeinde, Volk nennt. Wenn die Lebensgüter gemeinſchaftlich ſind, wenn das Recht ſich Alles nehmen darf, was bleibt dann noch dem ſchö¬ nen Vertrauen zu fordern, was der Liebe zu geben übrig? Man wirft den Simoniſten vor ob der Vorwurf gegründet, weiß ich nicht ſie wollten die Ehe aufheben. Es fällt mir ſchwer, das zu glauben. Manche Religionen, mancher politiſche Bund, haben im Verlaufe ſpäterer Entartung ſittenverderbliche Grundſätze angenommen; aber eine neue Religion, eine neue Gemeinde, wurden nie auf Sittenloſigkeit gegründet. Doch einen andern Grundſatz ſprechen die Simoniſten deutlich aus: den der Emancipa¬ tion der Weiber. Wollen ſie damit täuſchen,2*20oder täuſchen ſie ſich ſelbſt ich weiß es nicht. Vielleicht heucheln ſie dieſen Grundſatz, um die Frauen für ihre Sekte zu gewinnen. Iſt es ihnen aber Ernſt, dann ſind ſie in einem Wahne befangen, der nur darum nicht verderblich iſt, weil er nie zur Wirklichkeit werden kann. Bei einer flüchtigen Be¬ trachtung ſcheint es zwar Gewinn, wenn das weib¬ liche Geſchlecht emancipirt würde, wenn es gleiche ſittliche, gleiche politiſche Rechte mit den Männern erhielte; der Kreis der Menſchheit, ſcheint es, würde dadurch erweitert werden. Aber es iſt Täuſchung. Selbſtſtändigkeit des Weibes würde nicht allein die Beſtimmung des weiblichen, ſondern auch die des männlichen Geſchlechts vereiteln. Nicht das Weib, nicht der Mann allein drücken die menſchliche Natur aus; nur Mann und Frau vereinigt bilden den voll¬ kommenen Menſchen. Nur in der Ehe, nur im Fa¬ milienleben wird der Zweck der Menſchheit erreicht.

[21]

Achtzehnter Brief.

Wie können Sie nur glauben, ich wünſchte darum nicht, daß meine Briefe in das Franzöſiſche überſetzt würden, weil ich fürchte, der Regierung zu misfallen? Wie ſollte ich ſimpler Bürgersmann die Anmaßung haben, mich zu fürchten? Das iſt jetzt ein Prärogativ der Krone, ein Regal der Fürſten. Ich wäre eine Art Falſchmünzer, wenn ich mich mit Fürchten beſchäftigte; das könnte mich den Kopf ko¬ ſten. Es wäre mir darum unlieb, hier überſetzt zu werden, weil mir Angſt iſt, die Arbeit, von irgend einem ökonomiſchen Buchhändler aus Gewinnſucht veranſtaltet, möchte in die wohlfeilen Hände eines Taglöhners fallen, und ich verunſtaltet werden. Mein kleiner weicher Geiſt iſt leicht außer Form gebracht. Wenn aber ein Mann, wie der Profeſſor Willms in Straßburg, der Bruchſtücke aus meinen ältern22 Schriften in der Revüe Germanique ſo vortreff¬ lich überſetzt hat, auch die Briefe franzöſiſch heraus geben wollte, würde ich mich ſehr darüber freuen.

Wäre Herr von Raumer darum aus der preußiſchen Cenſurbande getreten, um die Schande, Mitglied derſelben geweſen zu ſeyn, abzuwaſchen auch dann würde ihm das nicht zur Ehre gereichen; denn ſein Ruf ſtünde immer nur auf dem Gefrier¬ punkte der Tadelloſigkeit. Aber nein, nicht aus Buße, nicht um der beleidigten Menſchheit Abbitte zu thun, hat er aufgehört Cenſor zu ſeyn; ſondern aus gereizter Eitelkeit, weil er ſich perſönlich gekränkt fühlte, daß die Cenſur ſein Werk über Polen anzu¬ zeigen verboten, that er den angſtzitternden Schritt. Ich begreife es nicht, ich werde es niemals faſſen, wie ein Mann, der ſich nur ein wenig ſelbſtachtet, der nicht ſchaamlos ſeine ganze Menſchenwürde von ſich geworfen, um nackt wie ein Thier im warmen Stalle zu lagern, dort ſeinen Bauch zu füttern oder bei gutem Wetter auf der Gunſt der großen Glücks¬ pächter herum zu graſen wie ein ſolcher Mann ſich dazu verſtehen kann, ein Cenſor, ein Henker zu werden nein, ſchlimmer als ein Henker, denn dieſer tödtet nur die ſchuldig Gerichteten ein Meuchelmörder der Gedanken, der im Dunkeln lauert und trifft, der das Einzige, was göttlich iſt am Menſchen: die Freiheit des Geiſtes, zerſtört,23 daß nichts an ihm übrig bleibe, als das blöde Vieh, das vor der Peitſche ſeiner Treiber hergeht, und kaut und wiederkaut, was ihm ſeine Herren in die Krippe geworfen! Und auch hier wieder wie immer, empört ſich mein Herz gegen die Dummheit des Volks überall, das gar ſeine Macht und Uebermacht nicht kennt; das gar nicht ahnet, daß es nur zu wollen braucht, um jede verhaßte Tyrannei umzu¬ ſtoßen. Wenn unter den Tauſenden in jeder Stadt, welche die Cenſur als einen ſchändlichen Uebermuth verabſcheuen, als eine erbärmliche Feigheit verachten, ſich nur zwanzig angeſehene Familienhäupter zu dem Bunde vereinigten, jeden Cenſor als einen ehrloſen Menſchen zu betrachten und zu behandeln, unter kei¬ nem Dache mit ihm zu wohnen, an keinem Tiſche mit ihm zu eſſen, ſeine Umgebungen nicht zu berüh¬ ren, ihn zu fliehen wie einen Verpeſteten, ihn immer¬ fort mit Verachtung zu beſtrafen, mit Spott zu necken dann würde ſich bald kein Mann von Ehre mehr finden, der Cenſor würde ſeyn wollen; ja ſelbſt der Gefühlloſe, wenn er nur von einem ge¬ wiſſen Range iſt, würde nicht den Muth haben, der öffentlichen Meinung zu trotzen, und die Regierungen würden genöthigt ſeyn, ihre Cenſur den Schinders¬ knechten anzuvertrauen, und der Anger vor dem Thore würde bedeckt werden mit Pferdeknochen, Schaafſchädeln und confiscirten Büchern. Aber wie24 die Menſchen zum Guten vereinigen? Das iſt der Jammer. In jedem Lande, in jeder Stadt, in jeder Gemeinde, in jeder Regierung und in jeder Amts¬ ſtube giebt es edle Menſchen genug; aber jeder glaubt, er ſey allein gut geſinnt, und ſo fürchtend, Alle ge¬ gen ſich zu haben, wagt es Keiner mit ſeiner Stimme hervorzutreten, und der Sieg bleibt den Schlechten die ſich beſſer errathen, ſich leichter finden. Das iſts, was mir vor vielen Andern den Muth giebt, für Recht und Freiheit ſo laut das Wort zu führen: daß ich weiß, ich ſtehe nicht allein, daß ich weiß, es giebt Tauſende, die ſo gut und beſſer ſind als ich, die meinem Rufe folgen und ſich mir anſchließen. Wüßte ich das nicht, glaubte ich im ſelbſtverliebten Dünkel allein zu ſtehen im Vaterlande, wahrlich, ich wäre nicht der Thor, einer dummen, feigen und un¬ dankbaren Menge meine Ruhe fruchtlos aufzuopfern, und ich ſchwiege und duldete wie die Andern alle.

Gleich nach Empfange Ihres Briefes ſchrieb ich nach Stuttgardt, und beſtellte dort das Hofblatt, das die Donau - und Neckarzeitung gewaſchen hat. Ich behalte mir vor, es zu bläuen und zu bügeln. Erwünſchter konnte mir nichts kommen. Da finde ich den General-Stab und das Genie-Corps der Süddeutſchen Miniſterial-Armee auf einem Flecke beiſammen. In Würtemberg bereitet man ſich auf die ſchrecklich drohende unvermeidliche Landplage der25 Stände mit einer Bedächtigkeit vor, zu der in unſern Tagen die Cholera alle deutſche Regierungen gewöhnt hat. Die beſten Aerzte gegen den Liberalismus, die um ſo beſſer ſind, weil ſie die Krankheit ſelbſt über¬ ſtanden, werden herbei gerufen und Rathe gezo¬ gen. Die Doktoren Münch, Pahl, Lindner, von Wangenheim werden am Ständelazarehte an¬ geſtellt. Da die Regierung den Liberalismus nicht für contagiös hält, ſondern miasmatiſch, wird ſie die Angeſtellten keiner ſtrengen Abſonderung unterwerfen, und ſich darum dem Eintritte in die Kammer von liberalen Männern wie Uhland, Pfizer und Schott nicht allzuängſtlich widerſetzen. Um aber den üblen Folgen einer ſolchen Gemeinſchaft zwiſchen Geſunden und Kranken zu begegnen, will die Regierung in einigen Punkten freiwillige Verbeſſerungen vor¬ ſchlagen, und hofft dadurch, der zweiten Kam¬ mer die Gelegenheit zu benehmen, ſich auf Koſten der leitenden Staatsgewalt eine un¬ ruhige Popularität zu erwerben. Kurz es iſt zum Todtlachen, und alle die komiſchen Präſer¬ vative gegen die Cholera ſind erhaben dagegen. Die allgemeine und die Stuttgardter Zeitung ſind die zwei großen Rauchfäſſer, aus welchen in einem fort Chlor-Wolken ſich erheben. Herr Münch iſt der Lindenblüthen-Thee, deſſen Heilſamkeit gegen Erkältung er im feuchten Holland oft erprobt; Herr Lindner iſt26 die Kupfer-Platte auf dem Magen, ein Minimum von diplomatiſchem Gifte, das homöopatiſch heilt; Herr von Wangenheim wird wohl reiben, und wenn nichts hilft, wird die Bundesverſammlung den wür¬ temberger Ständen das Dampfbad bereiten. Die Cholera-Politik! Ich bekomme Leibſchmerzen, wenn ich nur daran denke.

Die Stuttgardter Hof - und Cholera-Zeitung gehört dem Herrn von Cotta, und das auch kömmt mir ſehr gelegen. Mit dem Vater der allgemeinen Zeitung habe ich ohnedies ein ernſtes Wort zu ſpre¬ chen. Seine unverſchämte Tochter ſprach neulich ein freches Wort gegen mich aus, und hätte ich etwas darauf erwiedern wollen, wäre es vom zärtlichen Vater zurück gewieſen worden, wie vor Kurzem Heine es erfahren. Nun aber werde ich nicht län¬ ger mehr der Thor ſeyn, aus prunkender Großmuth den Vortheil der allgemeinen Sache zu vernachläſſi¬ gen, weil zufällig mein eigner damit verbunden iſt. Dann brauchte ja jeder ſchlechte Schriftſteller, jeder feile Zeitungsſchreiber mich nur zu beleidigen, um vor meinem Urtheile ſicher zu ſeyn! Ich kenne die geheime Lebensgeſchichte der allgemeinen Zeitung ſehr genau, von den Jahren des franzöſiſchen Direktori¬ ums bis zum Untergange Warſchaus; und es hängt blos von mir ab, ihr den Namen der deutſchen Phryne zu verſchaffen. Die allgemeine Zeitung iſt27 freilich ohne Vorliebe die gefällige Allgemeine für Alle, die bezahlen; aber das Recht hat ſelten Geld und das Unrecht immer, und wenn das Recht ja einmal die Gunſt der Allgemeinen bezahlen kann, iſt die Schöne ſo ſchlau, ehe ſie das Recht einläßt, das Unrecht durch die Hinterthüre zu entlaſſen, da¬ mit die beiden Nebenbuhler ſich nie begegnen, ſich meſſen, und die Schöne auffordern können, endlich einmal zwiſchen ihnen zu wählen.

Die Briefe von Cormenin habe ich noch nicht geleſen. Sind ſie aber wirklich ſo herrlich, als Sie ſie gefunden, dann werde ich, Ihrem Rathe folgend, ſie überſetzen und mit deutſchen Bemerkun¬ gen verzieren. Ich begehe jedes Staatsverbrechen, wozu Sie mich anreitzen, mit tauſend Freuden. Kann mir denn etwas erwünſchter ſeyn, als früher oder ſpäter auf der Frankfurter Hauptwache Ihre ſchöne und gute Geſellſchaft zu genießen? Zwar hat dieſe freie Stadt Frankfurt keine Civil-Liſte zu bezahlen, aber unſere Regierung muß ihr Contingent zu jeder Bundes-Tyrannei ſtellen, und der Senat würde meine Gottesläſterungen über die großen Königs-Magen ſo ſtreng beſtrafen, als ob er ſelbſt ein König wäre. Ja wohl iſt die Sache von der größten Wichtigkeit. Nicht darauf kömmt es an, ob man einem Fürſten für ſeine ungemeine Gefällig¬ keit zu regieren einige Millionen mehr oder weniger28 giebt man gebe ihm ſo viel er braucht, ſo viel er wünſcht, daß er zufrieden ſey und uns zufrieden laſſe; denn die üblen Launen eines Fürſten ſind dem Lande verderblich, und zu allen Zeiten mußte das Volk ſein Glück und ſeine Freiheit erkaufen. Son¬ dern das iſt zu bedenken: jeder überflüſſige Sold, den ein Volk ſeinem Fürſten giebt, den dieſer nicht für ſich und ſeine Familie verwenden kann, wird dazu gebraucht, einen Hof zu bilden und zu nähren, der als giftiger Nebel ſich zwiſchen Fürſt und Volk hinzieht, und eine traurige Thronfinſterniß hervor¬ bringt. Vielleicht iſt es wahr, was die Fürſtengläu¬ bigen behaupten: eine Krone ſey etwas himmliſches, eine Art Sonne, die im reinſten Lichte ſtrahle; aber woher wollen wir Bürger das wiſſen? Man zer¬ ſtreue den Hofdunſt, der jede Krone umgiebt, und dann werden wir ſehen, was daran iſt. Dann iſt zu überlegen, daß man ganz falſch rechnet, wenn man blos die Millionen, die man einem Fürſten als Civilliſte bewilligt, zählt. Dieſe Millonen ſind nur das Saatkorn, das dreißigfachen Ertrag giebt; dieſe Civilliſte iſt nur die Waffe, womit ein Fürſt ſich Alles erbeutet von ſeinem Volke, wornach ihm gelü¬ ſtet. Ludwig XVIII. hatte fünf und dreißig Millio¬ nen; aber mit dieſen fünf und dreißig Millionen holte er ſich tauſend andere, womit er ſich und ſeine Creaturen für den durch die Emigration erlittenen29 Verluſt entſchädigte. Hätte er keine fünf und dreißig Millionen gehabt, ſondern nicht mehr als er zu ſei¬ nem Unterhalte bedurfte, hätte er die Kammer nicht beſtechen können, und das heilloſe Geſetz der Emi¬ granten-Entſchädigung wäre nicht angenommen wor¬ den. Louis Philipp, der Pflaſter-König, hat zwölf Millionen jährlicher Einkünfte aus ſeinem Privatver¬ mögen, und doch verlangt er eine Civil-Liſte von achtzehn Millionen. Die Einwohner der Stadt Bourgs haben der Kammer eine Bittſchrift überſendet, worin ſie darauf antragen, man möchte dem Könige nicht mehr als eine halbe Million geben. Das iſt nach meiner Geſinnung eine halbe Million zu viel, ich würde ihm gar nichts geben. Wer die Ehre haben will, ein großes Volk zu regieren, der mag es ſich etwas koſten laſſen. Frankreich konnte unter ſechs Millionen Bürgern einen König wählen; aber König Philipp konnte ſich kein Volk wählen; die Völker ſind ſelten. Die Kommiſſion der Kammer war in ihren Anſichten getheilt. Vier Mitglieder derſelben ſtimmten für vierzehn Millionen, die vier andern für zwölf und eine halbe, und das neunte Glied, eben Ihr verehrter Cormenin, ſtimmte für eine ſo kleine Summe, daß der miniſterielle Bericht - Erſtatter der Commiſſion ſich ſchämte, ſie in der Kammer laut anzugeben. Dem Kronprinzen wurde überdies, daß ihm die Zeit nicht lange werde, bis30 er den Thron beſteigt, eine Million bewilligt. Nichts empört mich mehr, als dieſe unverſchämte Apanagi¬ rung der Erbprinzen überall. Mein Gott, wer giebt denn dem armen Volke Warte-Geld, wenn es auf den Tod eines böſen Fürſten ängſtlich harrt? Aber die Höfe ſorgen dafür, daß die Kronprinzen ſchon in ihrer früheſten Jugend an Verſchwendung gewöhnt werden; ſie fürchten: in den reifern Jahren der Thronbeſteigung möchten ſie vielleicht für das Laſter nicht genug Empfänglichkeit mehr haben.

Der jetzige König wird alſo vierzehn Millionen bekommen, eine Civilliſte, die jedem Deutſchen, der, wenn auch mit ſeinen Füßen, doch nie mit ſeinem Kopfe Deutſchland verlaſſen, ſehr winzig erſcheinen muß. Und nach dieſer Vergleichung iſt ſie es auch. Das Budget von Frankreich beträgt vierzehnhundert Millio¬ nen, die Civilliſte mit vierzehn Millionen würde alſo den hundertſten Theil der Staatsausgaben betragen. Das Budget von Baiern beträgt ſieben und zwanzig Millionen, und die Civilliſte des Königs drei Millio¬ nen, alſo den neunten Theil des ganzen Staats¬ haushalts. Wenn der König von Frankreich im gleichem Verhältniſſe, wie der König von Baiern ausgeſtattet wäre, würde ſeine Civilliſte auf 155 Millionen ſteigen; und wenn der König von Baiern dem Könige von Frankreich gleich geſetzt würde, ſänke ſein Einkommen auf 270,000 Gulden31 herab. Und wäre das nicht genug? Die ungeheu¬ ren Summen, die der König von Baiern verſchwen¬ det, ſeinen Wohnort zum neuen Athen zu machen, könnten erſpart werden: München war die Stadt der Nachteule, ſchon ehe es Statüen und Gemählde beſaß. Iſt es nicht ein herzzerreißender Jammer, daß der arme Häusler im Speſſart, der ſich glück¬ lich ſchätzt, wenn ihm nur drei Tage in der Woche die Kartoffeln mangeln, den Schweiß ſeiner Hände verſilbern muß, damit in einer ſechzig Stunden ent¬ fernten Stadt, die er nie geſehen, wohin er nie kom¬ men wird, eine Klypthothek, eine Pinothek, ein Odeon Dinge, deren Namen er nicht einmal kennt die eitle Ruhmſucht eines Königs befriedige? Und dieſer kunſtliebende König, der Zögling des alten freien Griechenlands, der Nacheiferer eines Perikles, hat den Stellvertretern des baieriſchen Volks ſagen laſſen: Er würde ſie auseinander treiben, wenn ſie ſich unterſtänden, ihm noch ſo wenig von ſeiner Civilliſte zu ſtreichen! Und er hat ſpäter ſeiner Adelskammer kund gethan, er wolle ſich mit drei Millionen begnügen! und die Miniſter dieſes Königs haben in öffentlicher Sitzung der Kammer zu verſtehen gegeben: ihr Herr würde der Kammer manche Forderung bewilligen, wenn ſie ſich gegen die Civilliſte billig zeigten! Sie Königin der Unglücklichen, wenn dieſe ſich je ihren Herrſcher32 wählen dürften haben Sie das auch wohl ver¬ ſtanden? Der König von Baiern ließ ſeinem Volke ſagen, er würde ihm dieſes und jenes Recht gewäh¬ ren, dieſe und jene Freiheit bewilligen, die man doch unmöglich geſchenkt verlangen könnte, wenn man ſie ihm bezahlte bezahlte! Und was hat die Kammer geantwortet? und was hat die badiſche[ge¬ than]? und .... doch davon ſpäter. Ich will war¬ ten, bis die von Caſſel auch dazu kommt, noch eine kurze Zeit warten. Und dann? Nun dann werde ich trauern, daß ich Recht behalten. Ich werde nicht Triumph! Triumph! rufen, wie es der feurige Wel¬ ker ſchon vor dem Siege, ja ſchon vor dem Kampfe gethan! Nicht für meine Eitelkeit, für mein Vater¬ land habe ich die Stimme erhoben, und darum weh¬ klagt mein Herz über den Sieg, den mein Geiſt er¬ rungen .....

Ich habe es vergeſſen: wir glücklichen Deut¬ ſchen haben einige und dreißig Fürſten, einige und dreißig Civilliſten. Rechnen Sie, was das koſtet, und athmen Sie dabei, wenn Sie können. Und Tau¬ ſende wandern jährlich nach Amerika aus, wandern ge¬ dankenlos vorüber an einigen und dreißig duftenden Küchen, und ſchiffen ſich ein, um in einem fremden Welttheile ihren Hunger zu ſtillen! .... Ich will noch einmal zur Civilliſte des Königs von Frankreich zurückkehren, um Ihnen zu zeigen, wie Unrecht Sie33 hatten, als Sie mich ſo oft einen Verſchwender ge¬ nannt Vergleichen Sie meinen Haushalt mit dem Louis Philipps, und Sie werden erfahren, wer von uns ökonomiſcher iſt. Die Verſchiedenheit der Ver¬ hältniſſe mögen Sie immer dabei berückſichtigen. Freilich iſt Louis Philipp König und ich bin keiner, und habe auch, wie die Mannheimer Zeitung meynt, wenig Hoffnung einer zu werden. Freilich hat König Philipp eine Frau und ſieben Kinder, und ich bin, Gott ſey Dank unverheirathet. Aber auf der an¬ dern Seite hat König Louis Philipp freie Woh¬ nung, und ich muß die meinige bezahlen; er hat freies Holz aus ſeinen Wäldern; er hat eine Frau, die ihm die Wirthſchaft führt, und ich muß Alles ſelbſt beſorgen und werde geprellt. Alſo das gleicht ſich aus. jetzt ſtellen Sie unſere Bedürfniſſe nebeneinander. Die meinigen ſind Ihnen bekannt, ich brauche Ihnen alſo blos die des Königs mitzu¬ theilen, wie ſie vor einiger Zeit bekannt gemacht wurden. Für Doktor und Apotheker jährlich 80,000 Fr. Ich bin viel krank das Jahr durch und weiß, was es koſtet nicht geheilt zu werden. Der Hofſtaat des Königs ſoll aus tauſend Perſonen beſtehen (doch das iſt viel zu viel). Nun wird ange¬ nommen, daß unter tauſend Menſchen einer das ganze Jahr durch krank iſt. Ich will zugeben, daß die Hofkrankheiten immer von der gefährlichſten ArtIV. 334ſeyen, die täglich zwei ärztliche Viſiten erfordern. Jede Viſite zu 10 Fr. gerechnet, alſo[täglich] 20 Fr., macht das jährlich 7,900 Fr. Arztlohn. Täglich für 2 Fr. Medizin, beträgt jährlich 730 Fr., alſo Arzt und Apotheker zuſammen koſten jährlich 8,630 Fr., woher nun 80,000? Das iſt Verſchwendung. Livrée-Bediente, 200,000 Fr., zu viel. Be¬ ſoldete Tagediebe von Rang, 650,000 Fr., unerhört! Küche 780,000 Fr., davon werde ich in meinem künftigen Werke: von den Königs-Ma¬ gen weitläufiger ſprechen. Keller 180,000: die Flaſche zu 5 Fr. gerechnet, käme auf das Jahr 36,000 Flaſchen, und auf den Tag 100. Können Mann und Frau und Schweſter und ſieben Kinder, meiſtens Frauenzimmer, täglich 100 Flaſchen Wein trinken? Und denken Sie nicht etwa, daß darunter der Gebrauch für fremde Tiſchgäſte mitbegriffen ſey, denn die Ausgabe für dieſe werden unter dem Arti¬ kel Feten beſonders mit 400,000 Fr. berechnet. Für 300 Pferde jährlich 900,000 Fr.; alſo jedes Pferd 3,000 Fr. Ein Pariſer Blatt bemerkte: Tauſende in Paris würden ſich glücklich ſchätzen, wenn ſie zu ihrem Lager das Stroh jener Pferde hätten. Und erinnern Sie ſich noch des herrlichen Marſtalles in Hannover, des dortigen Muſeums, das alle Reiſende, alle neugierigen Damen beſuchen? Einige hundert Pferde zum Gebrauche eines Königs,35 der ſeit hundert Jahren nicht in Hannover reſidirte, werden dort gefüttert mit dem Brode, getränkt mit dem Schweiße der unglücklichen Unterthanen, damit die Majeſtät des Thrones auch in Abweſenheit des Königs ſichtbar werde. Und wenn es kalt iſt in Hannover, aber recht kalt, ſo daß die Thränen der Unglücklichen zu Eis werden, dann wird in der Nacht Stroh geſtreut auf dem Steinboden des Mar¬ ſtalles, quer über die durchlaufende trübe Goſſe ge¬ legt, und die armen Leute, die kein Holz haben und kein Bett und keine Suppe haben, ihre erfrornen Glieder zu wärmen, dürfen dahin kommen und dort ſchlafen zwiſchen den königlichen Pferden bis der Tag graut. Es iſt keine Verſchwendung, wie man ſie oft den Höfen vorwirft; o nein. Das Stroh kann man den andern Tag für die Pferde gebrauchen, und den Stellvertretern der königlichen Majeſtät iſt der warme Dunſt ſo vieler Menſchen ohnedies gedeihlich. Gott, Gott! nein, Teufel! Teufel! Da wir doch keine Heiden mehr ſeyn dürfen, welche die menſch¬ lichen Götter anriefen!

Weiter. Für Heitzung 250,000 Fr. Da¬ mit könnte man ganz Sibirien wärmen, und das Holz wäre dort beſſer verwendet, damit unſere armen Polen nicht erfrieren. Uebrigens ſteht die ganze Ausgabe betrügeriſch da, da der König ſein Holz aus ſeinen Domainen-Waldungen zieht, und es alſo nicht3 *36zu bezahlen braucht. Beleuchtung 370,000 Fr., und trotz den vielen Kerzen lebt König Philipp wie jeder König, immer im Dunkeln! Wäſche 160,000 Fr. Rechnen Sie mir aus, wie das möglich iſt. Mu¬ ſik, Theater, 300,000 Fr. Reiſen eine Mil¬ lion; Geſchenke, 160,000 Fr. Ein Fürſt hat gut ſchenken! Und alle dieſe Ausgaben zuſammen nennt man an den Höfen: die kleinen Vergnü¬ gungen der Fürſten, les menus plaisirs. Was koſten ihnen nicht erſt ihre großen Freuden, Kriege, Eroberungen, Mätreſſen, Leibgarden, Günſt¬ linge, Beſtechungen, geheime Polizei! Und fragen Sie vielleicht, aber im Ernſte, wie ſind ſolche große unmögliche Bedürfniſſe nachzuweiſen? iſt die Ant¬ wort: höchſtens der vierte Theil dieſer Summe wird zu angegebnem Gebrauche verwendet; drei Viertheile werden geſtohlen, kommen in die Hände einiger be¬ günſtigten Lieferanten, die den Vortheil mit dem Hof¬ miniſter theilen. Aber nicht der König, das Volk wird betrogen, welches die Civilliſte bezahlen muß.

Neulich las ich einige merkwürdige Beiſpiele von Hof-Gaunereien. Die Kaiſerin Katharina von Rußland, welche ihren Haushalt ſelbſt überſah, fand einmal in der Rechnung 28,000 Fr. für Talglichter angeſetzt. Dieſe große Summe fiel ihr um ſo mehr auf, da ſie den ſtrengſten Befehl gegeben hatte, daß an ihrem Hofe kein Talglicht gebrannt werden ſollte. 37Sie ſtellte Unterſuchungen an, und da fand ſich, daß der junge Prinz, nachmaliger Kaiſer Alexander, ſich ein Talglicht hatte kommen laſſen, um damit ſeine aufgeſprungene Lippe zu beſtreichen. Der Lakai, der das Licht kaufte, ſtellte vier Pfund in Rechnung, der Vorgeſetzte über ihn machte eine Summe von 300 Fr. daraus, und ſo von Diener zu Diener hinaufſteigend, ſchwoll die Summe immer höher an, bis endlich der Oberhof-Intendant die runde Summe von 28,000 Fr. zu Papier brachte. Ludwig XVIII. hat berechnet, daß ihm jedes friſche Ei, das er verzehre, auf 30 Fr. zu ſtehen komme Es iſt wahr, die Hof¬ diebe treiben ihr Handwerk mit großer Genialität, und ich ſelbſt, wenn ich Richter wäre, würde mich bedenken, ſolche große Künſtler an den Galgen zu bringen. Solche Geſchichten wären ſehr ſpashaft, ſehr unterhaltend, wenn nur das Volk den theuern Spaß nicht bezahlen müßte.

38

Geſtern war in dieſem Winter der erſte Abend bei ***. Das ganze Perpetuum Mobile der Kammer war da; Odillon-Barrot, Pagès, Clauzel, Lamarque, Mauguin, und wie ſie ſonſt alle heißen. Auch die Generale Romarino und Langermann, Lele¬ well und noch viel andere confiscirte Polen. Wenn man denn Lelewell ſieht und hört, ſollte man es ihm nicht zutrauen, daß er den Geiſt und Muth hätte, vor einer Revolution herzugehen. Er ſieht ſo zer¬ quetſcht aus, ſpricht ſo matt und gebrochen, hat ein ſo furchtbares Organ, daß man ihn für einen deut¬ ſchen Stubengelehrten halten ſollte. Doch vielleicht hat ihn das Unglück ſeines Vaterlandes niedergewor¬ fen; vielleicht auch (und das iſt das Wahrſcheinlichſte, iſt er bedenklich, an öffentlichen Orten frei zu ſpre¬ chen. Denn ein anderer Pole klagte mir, es wäre ein Jammer und eine Schande, wie viele Spione es unter ihnen in Paris gäbe. Unter den anweſen¬ den Deutſchen war auch Börne, der Verfaſſer der berüchtigten Briefe aus Paris, wie ſie die berühmte allgemeine Zeitung nur allzugelinde nennt. Er mußte mich wohl für einen Franzoſen gehalten haben; denn er unterhielt ſich mit einem Deutſchen über Dinge, die gewiß keiner hören ſollte, und es hinderte ihn39 gar nicht, daß ich ganz nah dabei ſtand. Und ſo habe ich denn gehört, wie dieſer Freiheitsheld, dieſer Demagog, dieſer Fürſtenknacker, zu dem andern ſagte: er verſpräche, wenn er ihm ein Pfund Rauch¬ tabak und ein halbes Pfund Schnupftabak aus Deutſch¬ land verſchaffte, dafür ſeinen Fürſten, ſo viel und ſo lange er wolle, öffentlich zu loben. Und für einen ſo heilloſen Menſchen, der für anderthalb Pfund Ta¬ bak ſein Gewiſſen verkauft, können Sie eingenom¬ men ſeyn? Der Deutſche, dem er dieſes Anerbieten machte, war Herr von *** aus ***.

Es herrſchte eine beſonders große Bewegung in der Geſellſchaft. Die Herren waren noch ganz heiß von der Kammerſitzung, in der an dieſem Tage ein heftiger Aufruhr ſtatt fand, weil Montalivet die Franzoſen Unterthanen des Königs genannt. Sie werden das in der Zeitung geleſen haben. *** ließ die ſeitdem bekannt gewordene Proteſtation in der Geſellſchaft circuliren, welche die anweſenden Depu¬ tirten unterſchrieben. Um Mitternacht rief mich *** in ein abgelegenes Cabinet, wo ich ***, den Gene¬ ral *** und *** an einem Tiſche mit Schreiben beſchäftigt fand. Die deutſchen Angelegenheiten kamen da zur Sprache. Was dort verhandelt worden, wage ich nicht dem Papiere anzuvertrauen, und es in un¬ ſere Sprache zu überſetzen, habe ich heute keine Zeit. Doch eine wichtige Aeußerung des Generals ***40 muß ich Ihnen mittheilen. (P. 414. T. 4. Mo¬ nat 18.) Soli Branz, Resseo pariam vorum catibis, press ar littotas massica plissos, voris¬ silo caruss ab itanis. Os? pervens politan. Ciro! navira canti babus sirneos romarinos; vertel. Cassus iran poplita poplites, varina faessionibus. Venamos pur? valemi naro inoi¬ tamentamus. Pasti? marmorum quesitan. Cass ab, papiron gash. Ich fragte ***, welche Garantie man den Deutſchen gäbe? Darauf brach er in ein lautes und boshaftes Lachen aus, und ſprach: Ihr ſeyd ein Volk und verlangt Garantie? Ich ſchämte mich meiner Uebereilung und um meine Ver¬ legenheit zu verbergen, erzählte ich ihm eine bekannte deutſche Anekdote. Kaiſer Joſeph errichtete zwei Regimenter von lauter Juden. Als dieſe einmal in Friedenszeiten Nachts durch einen Wald marſchiren ſollten, baten ſie den General, er möchte ihnen Be¬ deckung mitgeben, weil, wie das Gerücht ging, Räu¬ ber den Wald unſicher machten. Praxas kuhu, praxas kuhu ſagte ich noch. Mündlich das Nähere.

Heute ſchickte mir der hieſigen Geſandte der freien Städte ein Protokoll der frankfurter Poli¬ zei mit, das ihm für mich zugeſchickt worden war. Ich habe es aber auch gar zu gut und bequem in dieſer Welt, über die alle Menſchen klagen, und41 mein Hotel des menus-plaisirs iſt viel reicher ver¬ ſorgt, wie das des Königs. Wie glücklich war ich, als ich den guten alten Kanzlei-Styl wieder ſah! Ich drückte ihn an mein Herz, ich küßte ihn. Ein Ruf zu einem Staatsamte in Form eines Steckbrie¬ fes abgefaßt! Das Protokoll iſt geſchrieben in Gegenwart Sr. Hochwohlgeboren des wohlregierenden jüngern Herrn Bürgermeiſters Herrn Senatoris Dris Miltenberg; S. T. Herrn Senatoris Dris Beh¬ rends; S. T. Hofs. des Raths, und meiner des Actuarii Münch. Herr, wird meinem Namen niemals vorgeſetzt, ſondern ich heiße immer der Dr. Ludwig Baruch modo Boerne. Das Herr, das ſie mir geſtohlen, ſchenkten ſie dem jüngern Bür¬ germeiſter, ſo daß dieſer zweimal Herr vor ſeinem Namen hat. Er hätte es nicht annehmen ſollen. Heißt das wohl regieren? Ich mußte in Gegen¬ wart meiner, des Dris Ludwig Baruch modo Boerne, herzlich lachen über das Polizei-Protokoll. Es hat 57 Zeilen und nur ein einziges Punktum. Es fängt an: als vorkam, daß des zufolge, und endet: zu ſiſtiren habe. Hat man je eine Schrift geleſen, die anfängt: als vorkam, daß des zu¬ folge? Konnte da je etwas Gutes daraus werden? In der Mitte des Protokolls heißt es: Nach dem Reichs-Deputations-Schluß von 1803, müſſe ich als Penſionir ein Amt annehmen, und nach meiner42 Vorſtellung an den Senat von 19. Juli 1815, wollte ich eines annehmen. Da ich nun zugleich müßte und wollte, ſollte ich mich ſiſtiren, um der frankfurter Polizei in ihrer großen Verlegenheit auszuhelfen; denn ſie könnte ohne mich länger nicht mehr fertig werden. Ich ſchicke morgen dem Dr. Reinganum das Protokoll, und bei dem können Sie es leſen. Bringen Sie aber einige Punkte hin¬ ein, es könnte ſonſt ihrer Bruſt ſchaden. Sieben und funfzig Zeilen und ein Punktum! Es iſt gräulich, wie Eduard Meier in Hamburg ſagt; und, was zu arg iſt, iſt zu arg, wie er ebenfalls ſagt; und, da muß einem die Geduld reißen, wie er nicht minder ſagt. Sieben und funfzig Zeilen und ein Punktum! Das iſt ja noch ärger wie Falſtaffs Wirthshaus-Rechnung. Ein Penny für Brod, und dreißig Schilling für Sekt. O Herr Aktuarius Münch, warum haben Sie nichts von mir profitirt? Ich war drei Jahre Ihr College, und Sie hätten von mir lernen können, wie man Punkte ſetzt, Fallen ſtellt, Schlingen legt.

Dem *** werde ich nicht ſchreiben, das habe ich mir ſchon früher vorgenommen. Glauben Sie doch ja nicht, daß mir ſolche Dinge Gemüthsbewe¬ gung machen. Unangenehme Berührungen von Men¬ ſchen weiß ich leicht zu heilen. So oft mir ein Narr oder ein Böſewicht vorkömmt, erhebe ich ihn43 zu einem Narrenkönig, oder zu einem Könige der Böſewichter. Dann ſehe ich ſein ganzes Volk hinter ihm, und mit der Menſchheit darf man nicht rechten. Gott hat ſie geſchaffen, wie ſie iſt, und hat allein alles zu verantworten. *** iſt mir ein ſolcher Narrenkönig. Ich kann dich nur beklagen kömmt das nicht in einer Oper, ich glaube in der Zauberflöte vor? Nun, ich ſage dem ***: Ich kann dich nur beklagen, eitler Narrenkönig!

Den Cormenin, und was Sie ſonſt wünſchen, werde ich Ihnen durch die erſte Gelegenheit ſchicken, Drei Briefe ſind erſchienen, und jetzt in einer Bro¬ chüre vereinigt herausgekommen. Den dritten Brief habe ich geleſen. Es iſt die Weisheit in Zahlen und iſt die Thorheit in Zahlen. So, und nur ſo allein muß man die Menſchen belehren; denn ſie ſind ſo dumm, daß ſie nichts begreifen, was ſie nicht zählen können. Sie ſind gar zu dumm, die Menſchen! Wenn ſie nur einen einzigen Tag wollten, oder nur einen einzigen Tag nicht wollten, dann wäre wenig¬ ſtens allen Leiden ein Ende gemacht, die von den Menſchen kommen, und blieben dann nur noch Ueber¬ ſchwemmungen, Erdbeben, Krankheiten übrig, welche Plagen nicht viel bedeuten. Aber wollen! Das iſts. Nicht wollen; das iſts noch mehr. Kaiſer Maximilian hatte einen Hofnarren, der ſagte ihm einmal: Wenn wir nun Alle einmal nicht44 mehr wollen, was willſt du dann thun? Ich weiß nicht, was der Kaiſer darauf geantwortet; aber der Narr, der ſchon vor länger als drei Jahrhun¬ derten einen ſolchen großen Gedanken haben konnte, mußte ein erhab'ner Geiſt geweſen ſeyn.

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Neunzehnter Brief.

Geſtern war ein ſchönes Concert im italieniſchen Theater, wobei mir, wie gewöhnlich, das letzte Muſik¬ ſtück am beſten gefiel; denn ich bin immer froh, wenn ein Concert zu Ende iſt. Es iſt mit dem Kunſtgenuſſe, wie mit dem ſinnlichen: Ohr, Auge, die Seele habe einen Punkt der Sättigung, den, er¬ reicht, alles weitere nicht mehr mundet, noch gut be¬ kömmt. Die vielen und beſonders verſchiedenartigen muſikaliſchen Gerichte, eines nach dem andern vorge¬ ſetzt, ſtumpfen die Empfänglichkeit ab, und richten das Urtheil ganz zu Grunde. Es iſt eine abſcheu¬ liche Ueppigkeit, die den Menſchen endlich empfin¬ dungsarm macht. Dieſes im Vorbeigehen; denn man ſoll jede Gelegenheit benutzen, einer Freundin etwas Philoſophie in Verwahrung zu geben. Die46 Zeit kann kommen, daß man ſie bei ihr braucht, und dann iſt der überraſchende Vorrath ſehr angenehm.

Meine Malibran hatte einen ſtarken Huſten und ſang ſchlecht. Das verzieh ich ihr auf der Stelle. Aber ſie trug ein Kleid von rothem Sam¬ met, das einen reifrockartigen Umfang hatte, und das konnte ich ihr anfänglich nicht verzeihen. Als aber darauf Herr von Berriot erſchien, verzieh ich ihr das auch. Es iſt das liebenswürdigſte Geſicht, das mir je an einem Manne vorgekommen, Er iſt beſcheiden, ſinnig, voll Geiſt und Gemüth. So iſt auch ſein körperlicher Anſtand und ſo ſein Spiel. Paganini's Humor hat er nicht, vielleicht auch nicht ſeine Tiefe; aber ſeine Höhe und eine Harmonie, die Paganini nicht hat. Grazie möchte ich in ſeinem Spiel nicht nennen, was ein beſſeres Wort verdiente; denn mit Grazie verbindet man doch immer die Vorſtellung einer weiblichen Kraftloſigkeit; doch weiß ich nicht, wie ich es nennen ſoll. Was mir an Berriot am meiſten gefiel, war ſeine Anſpruchloſigkeit ſowohl in ſeinem Vortrage, als in ſeiner Kompoſition. Ich habe an andern großen Komponiſten und Virtuoſen oft bemerkt, daß ſie ihrer gelungenſten Stellen ſich ſelbſt bewußt ſind, und wenn ſie an dieſe kommen, gleichſam zur Bewunderung herausfordern. Berriot bleibt ſich immer gleich, giebt keinem Theile ſeines Spieles und ſeiner Kompoſition einen Vorzug vor47 dem andern, und fordert keinen für ihn. Kurz, Berriot iſt ein Nebenbuhler, der meiner würdig iſt, und da Madame Malibran das Unglück hat, mich gar nicht zu kennen, konnte ſie keine beſſere Wahl[treffen].

Schon ſeit zehn Jahren komme ich nach Paris, und erſt vor vierzehn Tagen habe ich die berühmte Mars zum erſtenmal ſpielen ſehen. Aber das Sie ja meine Ungeſchicklichkeiten keinem verrathen! Ich hätte Ihnen früher über jenen Abend geſchrieben, aber ich wußte nicht, was ich Ihnen ſagen ſollte, und ich weiß es heute noch nicht was ich davon den¬ ken ſoll. Die Sache iſt: ich habe alle Uebung im Kunſturtheile verloren. In frühern Jahren war ich, wie mich mehrere dramatiſche Dichter und Schau¬ ſpieler, deren Stücke und deren Spiel ich gelobt, verſichert haben, ein ſehr guter Theaterkritiker; aber ſeitdem hat das unverſchämt proſaiſche Europa mich aus aller Aeſthetik geworfen. Ich glaube, daß die Mars die größte Künſtlerin iſt, als welche ſie den Ruhm hat; aber ich weiß es noch nicht. Doch weiß ich auch nichts im geringſten, was dieſen Glau¬ ben ſchwankend machen könnte. So viel merkte ich wohl, daß ſie in den gewöhnlichen Momenten des Spiels ſehr ökonomiſch iſt mit ihren Mitteln, und man darum, den Reichthum ihrer Kunſt zu beurthei¬ len, erſt jene Feierlichkeiten des Herzens abwarten48 ſoll, in welchem ſich Glanz und Aufwand zeigen muß. Zu ſolchen Feierlichkeiten boten aber die beide Stücke, in welchen ſie auftrat, keinen Anlaß. Es waren: l'Ecole des Vieillards von Delavigne, und les faus¬ ses confidences von Marivaux. Mir behagen die neuen Luſtſpiele nicht, auch nicht die Beſſern. Die alten guten Komödien gaben uns Federzeichnungen, geiſtreiche Umriſſe von Charakteren, die Leſer, Zu¬ hörer, und Schauſpieler ausmalten Das beſchäftigte den Geiſt, und gab der Kunſt Beſchäftigung. Die neuen Komödiendichter aber, ohne Geiſt und ohne Erfindung wie ſie ſind, zeigen ihre Kunſt nur in den Farben, und darum bleibt dem Schauſpieler nichts weiter übrig, als ein Stück, das ihm nichts zu er¬ gänzen gelaſſen, zu kopiren. Das Drama Delavig¬ nes iſt ſolcher modernen Art, und ſelbſt eine Mars konnte die Feinheit ihrer Rolle nicht noch feiner aus¬ ſpinnen, und wer daher, wie ich das Stück geleſen und gut verſtanden, erfuhr nichts Neues von ihr. In dem alten Luſtſpiele les fausses confidences, fand ich die Mars zu modern. Was allen männli¬ chen Rollen in dem Stücke gelang, ihren Empfindun¬ gen etwas Perückenartiges zu geben, mußte einem ſchönthuenden Frauenzimmer mislingen. Thut denn die Mars ſchön? werden Sie mich vielleicht mit Verwunderung fragen? Doch vergeſſen Sie nicht, daß es zehn Jahre ſind, daß Sie ſie geſehen, und49 zehn Jahre ſind ein Jahrhundert im Leben eines Frauenzimmers. Ich will es bekennen, daß die Mars mir nicht gefiel, weil ſie alt iſt. Zu meinem Unglücke ſaß ich ihr ganz nahe, und glaubte über¬ dies meinem boshaften Vergrößerungs-Glaſe, das ſelbſt eine Hebe verläumdet. O die Runzeln, dieſe Särge ohne Deckel! Und das graudämmernde Lä¬ cheln, das mit dem letzten Strahle der untergegan¬ genen Schönheit gemiſcht iſt! Lächeln aber iſt die ganze Kunſt einer Schauſpielerin in dieſen[modernen] Komödien, wo Tugend und Laſter, Treue und Ver¬ rath, Liebe und Haß, Kraft und Mattigkeit, zu dem bequemen und leicht verdaulichen Ragout, das man geſellſchaftliches Leben nennt, zuſammengelächelt ſind. Die Schauſpielerin, die nicht mehr gut lächeln kann, ſoll die Medea ſpielen, die Clytemneſtra oder die Antigone, aber nicht die junge Frau eines alten Mannes, in dieſem reconvalescirenden noch ſchwachen Jahrhunderte. Ach die Weiber, welchen höchſtens der Spiegel ſagt, daß ſie alt geworden, aber nie das Herz! Und wenn nun die müden alten Züge des Geſichts der Empfindung nicht mehr nachkommen können es iſt gar zu traurig. Ich hätte der alten Mars gern die Jugend und Schönheit meiner acht¬ zehnjährigen Geliebten auf den Abend geliehen, und hätte mit einer zahnloſen Braut den ganzen Abend gekoſ't; ſo gerührt war ich. Die abſcheulichen Run¬IV. 450zeln! Ich könnte darüber weinen, wenn ich nicht lachen müßte, daß ich ein Mann geworden. Und wenn ich den Spiegel küßte, ich ſehe keine Runzeln in meinem Geſichte. Und doch ſind ſie da; aber wir Männer haben keine Augen dafür. Ja die Weiber haben keinen beſſern Freund als mich, und einen der ſeltenſten Art; einen Freund in der Noth und nur in der Noth, nicht im Glücke. An euern Freuden will ich nicht Theil haben, ich habe keinen Sinn da¬ für; aber euere Leiden von verrathener Liebe bis zum Schmerze eines beſiegten Hutes: ſie ſind mir alle heilig.

Die Mars hatte wegen Krankheit ſeit einem Jahre nicht ſpielen können, und da ſie nun zum Erſtenmale wieder auftrat, wurde ſie mit lebhaftem, aber doch nicht mit jenem ſtürmiſchen Beifalle emp¬ fangen, welcher im Anfange des Winters der Mali¬ bran zu Theil ward, als ſie von einer Kunſtreiſe von einigen Monaten, die ſie in Geſellſchaft des Herrn von Berriot gemacht, zurückkehrte. Jugend und Schönheit haben Kredit, die alte Mars mußte den Beifall mit ihrem Spiele baar vorauszahlen. Nicht wegen, aber trotz der Mars hätte ich mich dieſen Komödien-Abend ſehr gelangweilt, hätte nicht Monroſe mitgeſpielt in Marivauxs Stücke. Mon¬51 roſe iſt ein unvergleichlicher Schauſpieler für alle ſpitzbübiſche Bedienten, welche in neuerer Zeit, durch die Konkurrenz ihrer Herren, ganz zu Grunde gerich¬ tet worden. Die Schelmerei iſt ſo wenig ſchändlich mehr, daß man die vertrauten Bedienten nicht mehr braucht; denn man thut alles ſelbſt, und öffentlich. Auch dadurch hat die neue Komödie viel verloren. Monroſe iſt ein herrliches antikes Kunſtwerk. Der König war auch im Theater. Den vorigen Winter ſah ich ihn in den Fourberies de Scapin nicht den König, ſondern Monroſe und erſtaunte über ſein Talent. Er wurde mit Beifalls-Aeußerungen empfangen nicht Monroſe, ſondern der König der Zorn über meine dicke Dinte hat mich ganz ver¬ wirrt gemacht, und ich weiß gar nicht, was ich ſchreibe aber es waren einſtudirte Choriſten, das merkte man gleich.

Von den Briefen eines Verſtorbenen im Morgenblatte habe ich die, welche mich betreffen, aber nur flüchtig geleſen; die andern noch gar nicht. Ich werde ſie mir zu verſchaffen ſuchen, und dann auch darüber ſprechen. Ich glaube, daß ſie Ro¬ bert geſchrieben. Der unglückliche Robert, der an den Ufern der Oos trauert, daß in den Stürmen der Julirevolution ſeine nicht aſſekurirten4 *52Vaudevilles untergegangen! Dort ſinnt und ſinnt er, wie zu machen, daß von ihm geſprochen werde. Dem Manne kann geholfen wer¬ den, ſage ich, wie Karl Moor in den Räubern.

[53]

Zwanzigſter Brief.

Geſtern war ich wieder bei dem monatlichen encyclopädiſchen Diner. Die Geſellſchaft war gut, das Eſſen ſchlecht. Es compenſirt ſich alles; bei den Ariſtokraten ſpeißt man beſſer. Ich habe mich viel mit Polen unterhalten, mit den Generalen Lan¬ german und Uminski. Letzterer war erfreut, mich kennen zu lernen; er hatte in Strasburg meine Briefe geleſen. Mehreren Anweſenden wurde ich vorgeſtellt als ein Allemand très destingué. Bei Tiſche wieder die gewöhnlichen Toaſts auf alle Völ¬ ker des Erdenrundes und die Deutſchen zuletzt, wie immer. Jullien hat eine halbe Stunde ſehr ſchön geſprochen. Der Trink-Refrain à l'union des peuples kettete Volk an Volk, und nahm ſich in der Wiederholung recht muſikaliſch aus. Und wäre es auch blos eine Komödie iſt nicht die Bühne eine54 Beglaubigung des Lebens? Von den Mitgliedern der letzten polniſchen Revolutions-Regierung waren auch zwei[anweſend], der Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, und der der Finanzen. Der Letz¬ tere war ſehr freundlich gegen mich, und wird mich beſuchen. *** war poetiſch und hat ihm erzählt: jedes Wort in meinen Briefen wäre ein Thräne, den Polen geweint. Und das geſchah vor dem Eſſen, da er noch nicht getrunken! Die Thränen machten Eindruck auf einen Finanz-Miniſter; iſt das nicht merkwürdig? Bei dem Toaſte auf die Deutſchen, wurde des Herrn Bo-erne des Allemand distingué und ſeiner Lettres de Paris gedacht. Zum Glücke für uns Deutſche haben auch mehrere andere Natio¬ nen auf die Geſundheit nicht geantwortet, und man bemerkte unſere Blödigkeit nicht. Nach dem Toaſte auf die Spanier wurde ein Gedicht l'Espagne et Torrijos, à Ferdinand VII. von Barthelemy geleſen. Barthelemy und Mery geben ſeit einem Jahre eine politiſche Wochenſchrift in Verſen unter dem Namen Némésis heraus. Der ſchändliche Mord des Torrijos und fünfzig ſeiner Unglücksgefähr¬ ten, die kürzlich in Malaga erſchoſſen wurden, gab Stoff zu erwähntem Gedichte. Da Sie es in Frankfurt ſicher nicht haben, will ich Ihnen diejeni¬ gen Stellen mittheilen, die von der Verſammlung mit ſtürmiſchem Beifalle aufgenommen wurden.

55
Voilà ce roi chrétien, que sa mère appellait
Ferdinand coeur de tigre et tête de Mulet:
C'est le type incarné de l'absolu pouvoir.
D'un clergé despote[orgueilleux] mannequin,
Je pare le gibet d'un cordon Franciscain,
L'Espagne est pour l'Europe une place de Grève.
Chose horrible! on dirait que depuis neuf années,
Comme sur des gradins, assise aux Pyrenées,
L'Europe, par plaisir, contemple avec effroi
La liberté qui meurt sous les griffes d'un roi.
Et nous, pour admirer ce long[martyrologe],
Nous nous sommes placés dans la première loge
Et nous, nous peuple fier qui, sous le grand drapeau,
Chassons les rois mauvais comme un lâche troupeau,
Nous qui pouvons si bien leur tendre une main forte,
Nous souffrons qu'on les pende au seuil de notre porte,
Et les pieds convulsifs de ceux qui sont mourir
Sont comme les marteaux qui nous disent d'ouvrir!
Et quel est donc le Dieu, le Baal espagnol,
Pour qui fume ce sang repandu sur le sol?
Quel est l'homme assez fort pour que dans ses domaines
On recrute pour lui des victimes humaines?
Eh bien! connaissez donc le monarque puissant
Qui reçoit en tribut l'holocauste de sang.
C'est un Bourbon qui suit de ses aeux la trace
Imbécille héritier d'une stupide race;
Un roi caputchonné qui dans une oraison
Mêle un verset d'église avec la pendaison;
56
Comme Charles son père, en hurlant il dévore
Les boeufs amoncelés qui palpitent encore.
*)Les Bourbons sont des rois mangeurs. On sait quelle énorme consommation de viandes, faisait en Angléterre Louis-le-désiré. Charles IV. a surpassé par sa voracité tous les rois de sa race. Nous l'avons vu à Marseille et nous avons même assisté à ses repas; au moment l'on apportait les filets de boeuf saignant, il s'agitait avec con¬ vulsion sur son fauteuil et poussait des rugisse¬ mens ranques comme ceux du tigre. Son fils Ferdinand n'a pas dégénéré; il conserve encore ce royal appétit.
*)
Signe de son instinct, il a sous un front chauve
Le cerveau déprimé, comme une bête fauve.
Roi fangeux, que le ciel pétrit dans sa colère
Voilà pourtant celui que l'Europe tolère!
Triste peuple, cadavre empoisonné d'ulcères
La vermine du cloître a rongé ses viscères.
Dans les jours solennels, courbé sur son chemin
L'ambassadeur Français va lui baiser la main;
Tr!!! par son envoyé, quand cet affront la touche,
La France avec horreur doit essuyer la bouche;
La main de l’Egorgeur! la main de Ferdinand!
II n'est rien de plus vil dans tout le continent!
Oh! des peuples souffrans la justice est tardive
Elle a le pied boiteux, mais enfin elle arrive;
Le peuple est patient car il est éternel,
Nos pleures ont coulé sur le sang fraternel!
57
Je ne peux pas juger le roi par contumace,
La France contre Lui doit se lever en masse;
Cette fois nous avons le droit d'intervenir,
Oui, quand un criminel si grand est à punir;
Quand son nom fait bouillir la haine universelle,
Il faut le reclamer du sol qui le recèle;
Si cet infame roi, fuyant de son palais,
Court chercher un asile au Gibraltar anglais,
II faudra, par pudeur, qu'on nous le restitue,
Car il faut voir la fin d'un règne de forfaits;
Les peuples de l'Espagne, une fois satisfaits
Epouvantant les rois d'un juste régicide
Suspendront son cadavre aux colonnes d'Alcide.
58

Wie war ich mit Ihrem geſtrigen Briefe über¬ raſcht, ehe ich ihn geöffnet! Aber als ich ihn las, mußte ich heulen wie ein Kind, das ſich ein Loch in den Kopf gefallen. Schreiben Sie mir keine ſolchen Briefe mehr; man kann nicht Mann genug ſeyn in dieſer kriegeriſchen Zeit ... Wollen Sie ſich denn Ihre Aengſtlichkeit niemals abgewöhnen? Habe ich Ihnen nicht erſt kürzlich erklärt, wie es jetzt ein Majeſtäts-Verbrechen geworden, ſich zu fürchten, weil es ein Eingriff in die Rechte der Krone iſt? Die engliſchen Blätter leſe ich nicht; ich kann alſo nicht ſagen, ob Ueberſetzungen meiner Briefe darin angekündigt, oder überhaupt davon geſprochen worden. Aber hier in Paris erſcheinen zwei Ueberſetzungen. Die eine iſt im Courrier von geſtern angezeigt. Le¬ ſen Sie ſelbſt was dabei geſagt iſt. Welcher Buch¬ händler die andere herausgiebt weiß ich nicht. Im Literaturblatte, (der Beilage zum Morgenblatte vom 19. Dezember 1831) ſagt Menzel bei Gele¬ genheit einer Beurtheilung über Wilhelm Müllers Schriften etwas über mich, das Sie erfreuen wird. Leſen Sie es ja. Er vergleicht die Verfolgungen,59 die ich jetzt von den Philiſtern zu ertragen habe, mit denen, welchen Lord Byron ausgeſetzt war, und wie wir beide aus gleichem Grunde verkannt werden. Ich bin dem Menzel für ſeinen guten Willen und ſeine ſchmeichelhafte Zuſammenſtellung ſehr großen Dank ſchuldig; aber die Vergleichung muß ich zu¬ rückweiſen, ich habe ſie weder verdient noch verſchul¬ det. So zerriſſenen Herzens bin ich nicht wie By¬ ron. So wie er habe ich nie an der Menſchheit verzweifelt. Sie iſt mir klar und darum iſt ſie mir ſchuldlos. Gott iſt in ihr, der Teufel nur in ihren Quälern. Und gegen dieſen ſich nicht blos zu be¬ kreuzigen, ſondern ihm mit Wort und Schwert ent¬ gegen zu treten; denn er hat ein Ohr, das man ſchrecken, Fleiſch und Bein, das man treffen kann dazu muntere ich die Schläfrigen auf, dazu mache ich die Abergläubigen beherzt. Auch an Deutſchland verzweifle ich nicht, wie Menzel glaubt. Man ſchilt keinen Bettler wegen ſeines Geizes, den Reichen ſchilt man. Ein Volk iſt ein einziges Kind. Auch mit Liebe im Herzen muß man es ſchelten; ſchelten über jeden Fehler, und wenn der Fehler auch der Dorn einer Tugend wäre. Es iſt nicht meine Schuld, es iſt mein Verdienſt, wenn ich ein beſſerer Pädagog bin, als es mancher Andere iſt. Es giebt nachtwan¬ delnde Völker: aber die Nacht eines Volkes iſt lang, ſehr lang, ſie zählt Tage und Jahre und Jahrhun¬60 derte und beſſer, daß man ſolch ein nachtwandelndes Volk anrufe, und könnte auch geſchehen, daß es den Hals darüber bräche, als es ſo fort dämmern zu laſ¬ ſen, in ſchwankender Mitte zwiſchen Thier und Pflanze, in ſchwankender Mitte zwiſchen Schlaf und Tod.

61

Nachfolgendes Gedicht von Berenger zirkulirt in der Handſchrift. Dem guten Manne mag es in St. Pelagie nicht gefallen haben, und darum läßt er es wohl nicht drucken.

La Paix.
J'aime la paix, je hais la guerre,
La guerre ne va qu'aux héros;
Et moi par goût, par caractère
Je cherche avant tout le repos.
Les seuls conseils de la prudence
Doivent me régler désormais.
Pour moi d'abord et pour la France
Je veux la paix.
Grace a mes flatteurs, je l'avoue,
J'ai de la gloire à bon marché
Et de maint exploit on me loue
Ou mon courage a trébuche
Aussi de Valmy, de Jemapes
Pour ne point gâter les hauts faits
Gardons bien qu'on re m'y rattrape,
Je veux la paix
De l'empire on veut les frontières,
On veut l'agrandir, et pourquoi?
Mon dieu! la France de nos pères
Est déja trop grand pour moi.
62
Si quelque voisin le propose
De grand coeur ici je permets
Qu'on en rogne encore quelque chose;
Je veux la paix.
Un conquérant dans sa manie
Fit une France exprès pour lui,
Aussi vaste que son génie.
Il en faut une autre aujourd'hui.
Formons loin des champs de bataille
Sans jaloux, sans peine, sans frais,
Un petit royaume à ma taille.
Je veux la paix.
D'un oeil sec j'ai vu la Belgique
Briser le sceptre de Nassau,
Je vois la Pologne héroique
Lutter au bord de son tombeau;
L'Italie en vain nous appelle,
Tranquille au fond de mon palais
Qu'autour de moi le sang ruisselle;
Je veux la paix.
Oui je redoute les alarmes,
J'abhorre le bruit du canon,
Et je vous ai donné pour armes
Non pas un coq, mais un chapon.
Ma couronne est mieux affermie
Et même ...........
Je veux la paix.

Viele Verſe im heutigen Briefe. C'est pour former le coeur et l'esprit aux jeunes Alle¬63 mands. Der Schatten an der Oos ſchrieb in das Morgenblatt: ich hätte die Briefe eines Verſtorbe¬ nen (das Buch) benutzt. Sollte er wohl damit meinen, daß ich den leichten Briefſtyl nachzuahmen geſucht? Nun, iſt es nicht geſchehen, ſo kann ich es noch thun. Adieu, ma bonne amie, je dévore un oeuf. Sur ce, n'ayant plus rien à dire Salut, fraternite, ou la mort. Ach! ich plumper Bürgersmann kann die Freiheit keine zwei Zeilen lang ertragen. Gott zum Gruß, und wann kömmt mein Kanaſter?

[64]

Ein und zwanzigſter Brief.

O, es iſt himmliſch! Ich hatte vermicelle, cotelettes de veau aigre-doux, épinards nein, in allen Dingen die Wahrheit; ich hatte keine épi¬ nards, ſondern choucroûte garnie; mögen mich die Diplomaten immerhin verachten und poulet au cresson. Ich war in reiner kalter Luft lange ſpa¬ zieren gegangen und hatte einen herrlichen Hunger mit nach Hauſe gebracht. Und als ich mit dem Eſ¬ ſen fertig war, blieb noch ein kleiner Hunger übrig, und es that mir leid, daß ich nicht auch omelette ſoufflée beſtellt hatte. Da ſchickte Freund D. ... ein Zeitungsblatt mit Empfehlung, die allgemeine Zeitung von Stuttgart und darin fand ich: Rap¬ ſodien, veranlaßt durch Herr Börne's Briefe, von Pittſchaft. Da hatte ich meine omelette soufflée! Es iſt nicht der Philoſoph Pitt¬65 ſchaft, der im Tollhauſe ſitzt; denn er ſitzt nicht mehr im Tollhauſe, weil er ſich erhängt hat. Es iſt deſ¬ ſen Bruder, der Medizinalrath Pittſchaft in Baden an der Oos. Hätte ich nur meinen Himmel mit Ihnen theilen können; die andere Hälfte iſt noch groß genug. Mein Tiſchchen ſchwankte unter der Laſt des aufgehäuften Deſerts; mein Salzfaß ward ſüß davon. Zuerſt: Während der Jahre, die ich in Halle bei Reil wohnte, erſchien das bekannte Buch dieſes großen Arztes: Rapſodien über die pſy¬ chiſche Behandlung der Wahnſinnigen. Lange vor und nach Erſcheinung dieſes Werkes, das ſeinem Verfaſſer beſonders lieb war, hörte ich alle Tage von Rapſodien ſprechen, ſo daß ſeitdem und bis heute, ſo oft ich das Wort Rapſodien leſe oder höre, ich gleich an verrückte Menſchen denke. Ferner: Ich dachte, wie viel zweckmäßiger es wäre, wenn ſtatt meiner Herr Pittſchaft ſich am Frankfurter Polizeiamte anſtellen ließe, weil dann Polizei-Amt und Medizi¬ nalrath ſich wechſelſeitig ihren Styl verbeſſern könn¬ ten. Von dem Polizei-Protokoll neulich habe ich, wie Sie aus meinem Briefe mit Kummer erſehen haben werden, das Aſthma bekommen, wegen gänz¬ lichen Mangels an Punkten, und an den Rapſodien des Herrn Pittſchaft wäre ich beinahe erſtickt, wegen des Ueberfluſſes an Punkten. Nein, ſo ein pünkt¬ licher Mann iſt mir noch gar nicht vorgekommen.

IV. 566

Nur folgende kurze Stelle: Es kann dem Kenner¬ auge nicht entgehen, daß der Teufel ſich nur durch ſeine Klugheit hält. Der Teufel ſelbſt verſtellt ſich in einen Engel des Lichts. So ſagt der Apoſtel. Dem Schlechten ſtehen viel mehr Waffen zu Gebote, als dem Edlen. Dieſer muß zur Erreichung ſeines Zweckes ſich ſelbſt einſetzen. Jener ſetzt Andere ein. Jede Geburt hat ihre Wochen. Wenn nur das Kind beim Leben bleibt und zu einem großen kräf¬ tigen Manne heranwächſt. Unſere Zeit leidet an einem ungebührlichen Heishunger. Macht ſie es doch wie Saturn und verzehrt die eignen Kinder. Wenn ſie nicht mäßiger wird, wird ſie ſich den Magen überladen, Sancho Panſa hat nicht mehr Sprichwörter und nicht mehr Punkte; und ſo geht es in einem fort. Dann fand ich ſo ſchön, daß Pitt¬ ſchaft und der Schatten Robert Beide in Baden woh¬ nen, und ich konnte mir ſo herrlich ausmalen, wie der Medizinalrath, der im Winter keine Kranke hat, und Robert der in keiner Jahreszeit Leſer hat, ſich gegenſeitig in dieſen langen Ferien mit einem Kran¬ ken und einem Leſer ausgeholfen, und wie ſie beide auf dem Berge und auf dem Sopha einander gegen¬ über ſaßen, und Robert dem Medizinalrathe ſeine verſtorbenen Briefe vorgeleſen, und dabei vor und nach jedem Komma einen prüfenden Blick auf ihn ge¬ worfen, um zu unterſuchen, ob er nicht außer ſich67 gekommen; und wie der Medizinalrath wirklich außer ſich gekommen vor Ungeduld, und nach Hauſe ge¬ gangen, ſeine Rapſodien gegen mich geſchrieben, den andern Tag wiedergekommen, und ſie aus Rache dem Robert auch vorgeleſen iſt das nicht Alles ſchön vom Anfange bis zum Ende, mit Ausnahme der Punktarmuth im langen Satze, welcher erſt die Hälfte ſeines Wegs zurückgelegt, die ich aber vor¬ ſetzlich mildthätig aufgenommen, um mich auf das Polizei-Amt würdig vorzubereiten, und dann den Medizinalrath, ſeine Vollpünktlichkeit nämlich, damit homöopatiſch zu heilen, und ihn dabei an das zu er¬ innern, was Horaz ſagt in ſeiner Poeten-Kunſt: omne tulit punctum qui miscuit utile dulci, welches auf Deutſch heißt für Frauenzimmer: Punkte ſind nützlich und angenehm, doch nicht zu viel und nicht zu wenig? Und fragen Sie mich nicht, was das Fragezeichen bedeute am Ende des Satzes, ich habe es vergeſſen; und fragen Sie mich gar nichts, bis ich mich ausgeruht, .... Jetzt fragen Sie, aber nicht was Herr Pittſchaft eigentlich will? denn ich weiß es nicht. Er ſagt: Ich wäre eine Leuchte, und ein Prophet, und ein brennender Buſch, und ein Repräſentant der ſieben fetten Kühe, (Ach, hätten alle Volksvertreter nur ſolche fette Committenten, dann brauchte man gar keine reprä¬ ſentative Verfaſſungen!) und ein Dornbuſch. Und5*68ich wäre darum ein Dornbuſch, weil ich haben wollte daß etwas von den Andern daran hängen bliebe. Freilich bin ich ein Dornbuſch, und von den Flocken, die an mir hängen geblieben, könnte ich mir einen weiten Schaafpelz machen laſſen. Aber wer hieß den Medizinalrath mir ſo nahe kommen? Und wenn etwas von ihm hängen geblieben, iſt das meine Schuld? Der Dornbuſch ſteht, die Heerde geht; ſie kann ausweichen. Ferner wäre ich der Engel mit dem Schwerte und ein Würgeengel. Dann ſpricht er von Schuhen und vom Schuhputzen. Er¬ ſtens ſagt er: ich verlangte, die Deutſchen ſollten ihre Schuhe vor mir ausziehen, und zweitens ſagt er: Ich ſähe Deutſchland für eine Kratzbürſte an, und putzte meine Schuhe daran ab. Jedermann weiß, daß ich nie Schuhe trage. Sie ſehen, Pitt¬ ſchaft iſt ein Demagog, er will das Volk aufklären, er ſchreibt für Stiefelputzer. Wie oft habe ich Ih¬ nen zu Baden geſagt: dieſer Ort iſt ein wahres Carbonaro-Neſt; aber Sie wollten mir es nicht glau¬ ben. Was macht Robert dort? Warum kehrt er nicht zum Königſtädtiſchen Theater zurück? Warum iſt er kein unſchuldiger Waldfrevler geblieben? Warum iſt er der Macht der Verhältniſſe untreu geworden; und liebäugelt jetzt mit allen deutſchen Mächten? Warum hat er ſeine ſchmerzſtillenden Didaskalien unterbrochen? Zehen aufrühreriſche Völker hätte69 man dabei beruhigen können. Diebitſch hätte ſie ins Polniſche überſetzen laſſen, und hätte dann Warſchau im Schlafe überrumpelt. Noch einmal: was hat Robert in Baden zu thun? Thöricht, das zu fragen. Wer hat die Badener Bürger aufgehetzt, bei der Ständeverſammlung eine Bittſchrift um Preßfreiheit einzureichen? Wer hat dieſe Bittſchrift verfaßt? Das hat der Nehmliche gethan, der auch die Ber¬ liner Briefe in den Meſſager geſchickt. O, ich habe das gleich verſtanden! Ich durchſchaute Den und Jenen und Manchen und gar Viele. Ich ließ mich nicht von ihren ehrlichen Geſichtern irre führen; es täuſchte mich nicht, daß ſie ſich für Polizei-Spione ausgaben; ich erkannte ſie auf der Stelle als geheime Carbo¬ nari. Und jetzt ſchreibt Robert gegen mich; aber ich bedanke mich dafür; ich will nicht ſeine Maske ſein, ich mag nicht ſein Geſicht berühren. Und Pitt¬ ſchaft geſellt ſich ihm bei; der undankbare Medizi¬ nalrath! Undank! Undank! Wenn er den Deutſchen ſagt: Ihr habt immer den Saft zu dem Punſche hergeben müſſen, womit ſich An¬ dere gütlich gethan von wem hat er das gelernt? Er rede! Wer gab ihm den Muth, Deutſchland zu warnen für Rußlands Joche? Er rede! Wer gab ihm den Muth, ſchon im Sommer für die Contagioſität der Cholera zu ſchreiben, und der preußiſchen Regierung zu trotzen? Er rede. 70Und was nützt ihm die Heuchelei. Seine ruſſiſche Praxis iſt ihm auf immer verlohren, denn er hat Rußland geläſtert. Seine franzöſiſche Praxis iſt ihm auch verlohren, denn er hat Frankreich ge¬ läſtert. Seine preußiſche Praxis iſt ihm auch verlohren, denn er hat Preußen für anſteckend erklärt; und was ihm von deutſchen Bundeskrankhei¬ ten noch übrig bleibt, wird ihm zur Strafe entzogen werden, weil er, ein badiſcher Unterthan, ein Staats¬ diener, ein Medizinalrath, ſich erlaubt hat, von Po¬ litik zu ſprechen, ehe er zweitauſend Gulden Cau¬ tion geleiſtet hat. Darum werfe er ſich ganz in meine Arme; er hat ſich mir verſchrieben, mein iſt er und mir gehört er zu. Es wäre nicht dazu ge¬ kommen, wenn ihn Robert nicht verführt.

Daß Beide mich getadelt, kann ich ihnen ver¬ zeihen; aber daß ſie mich gelobt, das verzeihe ich ihnen nie. Sie rühmen meine Unbeſtechlichkeit. Pitt¬ ſchaft ſagt: Er wolle nicht glauben, daß die Heraus¬ gabe der Briefe eine Geldſpekulation geweſen, und Robert verbürgt ſich, daß ich nicht feil bin. Wer wird eine ſolche Bürgſchaft verſchmähen? Auch danke ich ſchön für die gute Meinung. Aber das Lob der Unbeſtechlichkeit muß man keinem Freunde öffentlich geben; das iſt ein Tadel für Tauſende, erweckt den Neid und ruft nur den Widerſpruch her¬ vor. Nun werden meine Gegner ſagen: Er iſt71 wohl feil; (ich thue es, um zu zeigen, daß ich ſelbſt einen Affen nachäffen kann,) aber wohlfeil iſt er nicht. Er würde ſich nie ſo geringe ſchätzen, in den Hundstagen jedes Jahres um zwanzig Friedrichsd'or ſeine Ehre zu vermiethen .... Der unglückſelige Robert! Eine Welt hätte er ſetzen ſollen zwiſchen ſich und mir, und jetzt, das Glück verſchmähend, daß ich ihn vergeſſe, ſucht er mich auf, und zwingt mich, ſeiner zu gedenken. Was gab ihm den kecken Muth, mich herauszufordern? Iſt es etwa, daß ich ein Herz habe, und ſeine eigne Bruſt nichts zu durch¬ bohren darbietet? Iſt es, daß er ſeine Brieftaſche, ſeine polniſchen Looſe gut verſchloſſen weiß, und daß ich ſie nicht durchlöchern kann und ſeine Seele nicht berühren? Das der Unglückſelige es wagt, den tief¬ begrabnen Schmerz aus meiner Bruſt heraufzuwüh¬ len; daß jener Würmer einer, die von Polens Leiche ſchmaußen, über meinen Weg zu kriechen wagt! Wenn ich der Polen gedenke, und des Sommers und Badens, und wie oft ich dort aus dem Leſezimmer in das nahe Gebüſch wankte, meinen Schmerz oder mein[Entzücken] auszuweinen; und wie ich mit krampf¬ bewegtem Herzen der Stunde entgegenſah, welche die Zeitung brachte; und wenn ich nun endlich das Blatt in meiner zitternden Hand hielt und es nicht zu leſen wagte; nicht zu erfahren wagte das Ur¬ theil jener furchtbaren, namenloſen Macht, die größer72 als das All, höher als der Himmel, älter als die Ewigkeit; den Richterſpruch: ob es einen Gott giebt oder nicht und kam dann jener Robert, riß mir das Blatt aus der Hand, bat, um Got¬ teswillen nur eine Minute, wendete das Blatt herum, ſah unten nach dem Courszettel; War¬ ſchau war gefallen, und die polniſchen Looſe waren geſtiegen, und ein Höllenſchein verklärte ſein ſilber¬ graues Geſicht wenn Wünſche Dolche wären, er lebte nicht mehr! Und jetzt wagt es ſolch ein vermaledeiter Goldanbeter, der die Blätter der Ge¬ ſchichte ungeleſen und verächtlich überſchlägt, um am Ende vor dem Courszettel niederzufallen und ihn an¬ zubeten; der ſeinen Blick von dem ſchönen Geſichte der Zeit, ſo voll erhabnen Lächlens, ſchöner Trauer und blinkender Thränen, abwendet, um ſie herum¬ gehet und ihren ...... küßt ein ſolcher Menſch wagt es, ungerufen vor mir zu erſcheinen und zu ſagen: Da bin ich!

73

In der nämlichen Stuttgarter Zeitung, in wel¬ cher Herr Pittſchaft ſein Herz erleichtert, ſtanden auch kurz vorher zwei Briefe, welche Herr Wurm, der Redakteur der Börſenhalle, einer der verlornen Vorpoſten der feindlichen Armee, und Herr Mebold, Redakteur der Stuttgarter Zeitung, wegen meiner gewechſelt. Herr Mebold hatte früher etwas zu meiner Vertheidigung gegen Herrn Wurm, ſeinen al¬ ten Freund und Dutzbruder, in ſeinem Blatte ge¬ ſchrieben. Herr Wurm beklagt ſich darüber und frägt ſeinen alten Freund: wie er ihn nur verkennen möge, ihn einen freiſinnigen Mann, einen Patrioten, der gegenwärtig an einem Kommentar über Preßgeſetzgebung nach engliſchen und ame¬ rikaniſchen Grundſätzen arbeitet? Iſt das nicht wieder recht ſchön deutſch; während die Frei¬ heit ſich auf dem Schlachtfelde verblutet, ſtatt ſie zu verbinden und zu rächen, an einer Chirurgie nach engliſchen und amerikaniſchen Grundſätzen zu ſchrei¬ ben? Auch Herr Dr. Schott in Stuttgart, ein ſehr achtungswürdiger freiſinniger Mann, Chef der dortigen liberalen Parthei, ſchrieb ſeinem Freunde Wurm einen Brief, den ich Ihnen mittheilen will. Mein lieber Freund! da Sie in dem Schreiben an74 unſern Freund Mebold meiner mit Namen und zu¬ gleich des Umſtands erwähnen, daß Sie mir die Kritik über Börne zugeſendet, ſo glaube ich, Börne, den ich perſönlich kenne und deſſen Talent ich be¬ wundere, die Erklärung ſchuldig zu ſeyn, daß ich, für meine Perſon, Ihre Kritik ſeiner Briefe nicht billigen kann. Wie iſt denn Ariſtophanes mit den Athenienſern und mit Sokrates, dem edelſten aller Menſchen umgegangen? Und was hat Swift dem engliſchen Volk und ſeinen Machthabern nicht geboten? Deſſenungeachtet ſind und werden ſie die Bewunderung aller Zeiten bleiben. Beide, wenn ſie lebten, würden Börne als ebenbürtig anerkennen. Sein ausgezeichnetes Talent darf da nicht mit der moraliſchen, und noch weniger mit der politiſchen Elle gemeſſen werden. Das deutſche Vaterland ſollte es ſich vielmehr zur Ehre rechnen, daß an ſeinem literariſchen Himmel ein ſolcher Stern der Satyre und des Humors aufgegangen iſt. Bei dieſer Ueberzeugung konnte ich für meine Perſon dieſes Blatt Ihrer Zeitſchrift nicht als Probeblatt auf dem Muſeum auflegen.

Es kömmt mir ſpaßhaft vor, daß man in Deutſch¬ land ſchon einige Monate lang von meinen Briefen ſpricht und ſchreibt; daß ich faſt ſo berühmt ge¬ worden, wie die Sontag. Und dabei gebrauchen alle[meine] Gegner den Polizeipfiff, zu ſagen: es ver¬75 lohne ſich gar nicht der Mühe, des Buches zu er¬ wähnen. Auch Robert gebraucht ihn. Er ſagt: die Briefe wären zu platt, für Deutſchland verführeriſch zu ſeyn; das Buch wäre gar nicht der Rede werth. Aber warum ſpricht er davon? Warum reden die Andern davon? Das iſt leicht zu erklären. Bei ſtürmiſchem Wetter ſetzen ſich die Mücken auf den Rücken des Wanderers, um wärmer, ſchneller, und ſicherer fortzukommen. Ich mag deren Tauſende auf dem Rücken haben, aber ich ſpüre es gar nicht.

[76]

Zwei und zwanzigſter Brief.

Laſſen Sie die Leute immerhin ſprechen von meiner Heftigkeit, die nicht nütze, die nur ſchade; das ſind alles Worte ohne Sinn, wären ſie auch noch ſo gut gemeint. Wer nützt? Wer ſchadet? Die See geht hoch, der Wind iſt gut und Gott ſitzt am Steuer. Ich armer Schiffsjunge ſchwanke oben im Maſtkorbe und rufe: Klippe und Sandbank und feindliche Segel und Land herab. Als wenn ich mit dem Rücken gelehnt ſtünde an der Mauer der Welt, und nur ſo vor mir mich zu bewegen brauchte, wie und wohin ich wollte! Ich habe keine Freiheit hinter mir, und darum keine vor mir. Ich treibe, weil ich werde getrieben, ich reize, weil ich werde gereizt. Der Wind iſt heftig, der mich ſchüttelt; iſt das meine Heftigkeit? Habe ich den Wind ge¬ macht? Kann ich ihn ſchweigen heißen? Giebt es77 Menſchen ohne Bruſt, die nicht zu athmen brauchen gut für ſie; aber ſie mögen nicht rechten mit mir; ich brauche die Lebensluft der Freiheit, um fortzudauern. Und wenn ſie wieder einmal von ei¬ nem meiner guten Freunde ſagen hören: er dauert mich, er darf es gar nicht wieder wagen, nach Deutſch¬ land zu kommen, er würde in jeder Geſellſchaft, an jedem öffentlichen Orte beſchimpft werden ſo mis¬ trauen Sie dem Herzen oder dem Kopfe dieſes gu¬ ten Freundes. Er iſt entweder Einer jener Goſſen, welche die Verläumdungen der Polizei weiter ſchwem¬ men, oder iſt ein matſcher Schwamm, der jedes, worin man ihn getaucht, gedankenlos aufnimmt und es bei der Berührung behaglich wieder abtröpfelt. Wir haben das gleich vom Anfange bemerkt und ver¬ ſtanden, wie jene, die ich in das Herz getroffen, das Volk gegen mich aufzuwiegeln ſuchen. Alle Hunde, die ihren Hof bewachen, haben ſie von der Kette los¬ gelaſſen; alle hungrigen Zeitungſchreiber mußten ein Geſchrei erheben, ehe man ihnen die Schüſſel füllte, und dieſes Gebell und dieſes Geſchrei ſollen das Conzert der öffentlichen Meinung bilden! Seyen Sie nur ruhig, wie ich es auch bin; ich bin ganz der Mann, ſolche Gauklerkünſte zu vereiteln. Die Ari¬ ſtokraten möchten den Streit aus ihrem Gebiete ent¬ fernen, denn ſie wiſſen recht gut, daß er ſie gilt und nicht das Volk; aber wir kennen das und ſpotten78 ihrer vergebenen Liſt. Das Vaterland herabwürdi¬ gen! Deutſches Volk beſchimpfen! Hätte ich wirk¬ lich gethan, was ſie durch ihre Ausrufer mich be¬ ſchuldigen laſſen die Hände küßten ſie mir dafür! Vaterland, Volk, Ehre, Schande, das ſind den Ari¬ ſtokraten nur mythologiſche Geſchöpfe, und ſie hätten mich glücklichen Jäger bewundert, dem ſolche Fabel¬ thiere einmal wirklich in den Schuß gekommen, und der ſie getroffen und dann abgethan. Ihr Vater¬ land iſt der Hof; ihre Ehre iſt in der Unterwürfig¬ keit des Volks; ihre Schande in deſſen Freiheit, und das Volk iſt nichts, ein Stuhl, ein Tiſch, ein Ofen, das man weder ſchänden noch ehren kann. Vor ſolchen Menſchen ſoll ich mich fürchten? Sie, ohne Herz und ohne Gott, was vermögen ſie mir gegenüber, der ich liebe und glaube? Mit einem einzigen Worte durchbreche ich den Nebel ihrer Ver¬ läumdungen; mit einer einzigen Zeile zünde ich ihre Lügenbände an, und verbrenne ſie zu Aſche. Ich erwarte ſie, wenn ich nach Deutſchland komme.

Geſtern las ich wieder in hieſigen Blättern von Mauthzerſtörungen im Heſſiſchen, ich weiß aber nicht, ob das die alten oder neuen Geſchichten ſind. Indeſſen wahrſcheinlich das Erſtere, da Sie mir in Ihren letzten Briefen von keinen ſpätern Vorfällen ſchreiben. Das ſind recht traurige Verhältniſſe, und am traurigſten iſt, daß ſich die Regierungen nicht zu79 helfen wiſſen. Immer Gewalt, immer Blutver¬ gießen! Warum ſuchen ſie das Volk über die wahre Beſchaffenheit der Mauth, ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit nicht aufzuklären? Warum ſuchen ſie es nicht durch Sanftmuth zu beruhigen, durch Ueberre¬ dung zu gewinnen? Warum tragen ſie den Geiſt¬ lichen nicht auf, von der Kanzel herab ihre Gemein¬ den im Zollweſen zu unterrichten? Wäre ich Pfar¬ rer von Fechenheim, Bergen oder Bockenheim, hätte ich am erſten Sonntage nach dem monarchiſchen Ge¬ metzel an der Mainkur ohngefähr folgende Predigt gehalten, und dadurch gewiß zur Erhaltung der Ruhe mehr beigetragen, als zehn Schwadronen Huſaren im Stande ſind.

Liebe Gemeinde!

Am Freitag wart Ihr wieder rechte Eſel ge¬ weſen, und habt Euch todſchießen laſſen. Wißt Ihr warum? Ich will die ganze Woche keinen Tropfen Wein trinken, wenn Ihr es wißt. Dummköpfe ſeyd Ihr und Schwerenöther! Ihr jammert über die Mauth, Ihr wollt keine Mauth bezahlen! Wißt Ihr denn, was die Mauth iſt heut zu Tage? Wißt Ihr, was ſie ſonſt geweſen? Begreift Ihr denn gar nicht, wie viel beſſer Ihr es jetzt habt, als in frü¬ hern Zeiten? Nun, ſo gebt Acht; ich will Euch eine Laterne in den Kopf hängen.

80

Viele von Euch ſind doch ſchon einmal den Rhein hinabgefahren; der Hans dort, das weiß ich, iſt oft als Floßknecht nach Holland gekommen, ehe er ſich ein Frau genommen ein kreuzbraves Weib, ſie hat mir geſtern eine fette Gans geſchickt. Und wer von Euch nicht am Rhein war, der iſt doch ein¬ mal in Königſtein geweſen und am Falkenſtein vor¬ beigekommen. Nun, das iſt alle eins. Oben auf den Bergen an beiden Seiten des Rheins, da ſehet Ihr viele verfallene alte Schlöſſer, die man Burgen nennt. Sie waren aber nicht immer ſo öde und verfallen, wie ſie jetzt ſind. Ehemals waren es prächtige Schlöſſer, worin die Ritter wohnten, und es ging luſtig daher. Liebe Kinder! Die Ritter, das waren prächtige Leute! An denen hatte doch der liebe Herrgott noch ſeine Freude. Wenn ſie ſich recht wild herumtummelten in ihres Vaters Garten, und er lag am Sonnenfenſter und ſah zu, wie ſie ſpielten, lachte er und ſagte: Jugend hat keine Tu¬ gend, das will ſich austoben; aber es iſt mein Herz und mein Blut. Wenn aber der liebe Herrgott uns jämmerliche Wichte ſiehet, ſeine jüngſten Kinder, die den ganzen Tag hinter den Büchern hocken und heu¬ len, wenn ſie der geſtrenge Herr Schulmeiſter mit ſeinem Lineal anrührt, dann ſchämt er ſich, unſer Vater zu ſein, ſchlägt das Fenſter zu und brummt: Ja, ja, ich bin alt geworden! So ein Ritter war81 kerngeſund, ſtark wie ein Stier, und wenn er ſein Kreuz gegen den Teufel geſchlagen hatte, fürchtete er ſich vor nichts in der Welt. So ein Kerl hat Euch den Tag zehn Pfund Roth - und Schwarz¬ wildpret gegeſſen, ſechs Pfund Hammelfleiſch, ein ſchön Stück Schinken, einen großen Roſinenkuchen, aber wenig Brod. Dazu hat er getrunken zwei Eimer Bacharacher oder Rüdesheimer, und Abends vor dem Schlafengehen ein paar Maas warmen Gewürzwein. Ich ſage Euch Kinder, es iſt nichts geſünder als warmer Wein mit Zucker, Nelken und Zimmt angemacht. Geſtern hatte ich einen ſtarken Schnupfen, und ich legte mich früh zu Bette. Wie ich nun das Licht auslöſchen wollte, wer kömmt herein? Meine Haushälterin. Sie hatte mir kein Wort davon geſagt, war in die Küche gegangen und hatte mir eine Kumpe Glühwein gemacht. Den ſetzt ſie vor mein Bett und ſagt: Herr Paſtor, das wird Euch gut thun. Ich habe den Glühwein getrunken, habe tüchtig geſchwitzt, und heute morgen war der Schnupfen weg. Merkt Ihr noch was davon? Seht Ihr, ſolch ein luſtig Leben haben die alten Ritter geführt: gut gegeſſen, gut getrunken und gut geſchlafen. Und die übrige Zeit haben ſie gejagt und ſich untereinander herumgebalgt. Das war aber kein Kriegführen wie heute, es war ein wahrer Spaß. Man ſchlug ſich einander auf Helm und Schild,IV. 682und war einer tüchtig getroffen, ſo ging er zum Schmidt und den andern Tag war alles wieder gut. Das hundsföttiſche Pulver war noch nicht erfunden.

Nun hört weiter. Die Ritter hatten zwar große Schlöſſer, ſchöne Pferde, viele Jagdhunde und Knechte; aber ſie hatten kein Geld. Woher wollten ſie Geld haben? Sie arbeiteten niemals und ver¬ dienten alſo nichts. Aber alle Menſchen ſind Got¬ tes Kinder, und wenn es einen Menſchen giebt, der nichts arbeitet, iſt es Chriſtenpflicht, daß der Andere, welcher arbeitet, ihn ernährt. Die frommen Ritter, welche Gottes Gebot kannten und ehrten, richteten ſich auch darnach, und ſo oft ſie Geld brauchten, nahmen ſie es von den Arbeitsleuten, die welches hat¬ ten; und das machten ſie ſo. Auf die hohen Thürme ihrer Burgen ſtellten ſie einen armen Knecht mit ei¬ nem Horn, der mußte Tag und Nacht Acht geben, und umher ſchauen, und ſobald ein Schiff mit Waa¬ ren den Rhein hinauffuhr, oder ein Wagen auf der Chauſſee kam, um ihre Ladung auf die Frankfurter Meſſe zu bringen, ſtieß der Knecht ins Horn. Die Ritter, die das Zeichen verſtanden, ſprangen darauf vom Tiſche oder aus dem Bette auf, ergriffen ihr Schwert und eilten die Burg hinab. Schiff und Wagen wurde angehalten, Schiffer, Fuhrleute und Kaufherren wacker durchgebläut, Kiſten und Kaſten83 aufgeſchlagen, und Alles herausgenommen. Darauf ſagten die Ritter: Viel Glück zur Frankfurter Meſſe, Ihr Herren; und kehrten mit ihrem Fange jubelnd zur Burg zurück. Und weil ſie auf dieſe Art ihr Brod verdienten, nannte man ſie Raubritter. Die Waaren verkauften ſie dann um einen Spottpreis an Juden, und ſo hatten ſie Geld. Die Juden ver¬ kauften den geplünderten Kaufleuten ihre eigenen Waaren wieder und darauf zogen ſie zur Frankfur¬ ter Meſſe, und alles war gut. So iſt die Mauth entſtanden, und was damals die Raubrit¬ ter waren, das ſind heute die Zöllner.

Jetzt gebt weiter Acht. Die Kaufherren über¬ legten endlich bei ſich: Wäre es nicht geſcheidter, wir gäben den Rittern lieber gleich ſo viel baar Geld, als ſie für unſere Waaren von den Juden bekommen? Dieſe Spitzbuben laſſen ſich von uns zweimal ſo viel bezahlen, als ſie ſelbſt bezahlten. So wäre die Hälfte Profit und die Prügel wären auch geſpart. Sie ſchickten alſo dem Ritter Kunz eine Deputation, die trug ihm vor: Herr Ritter, Ihr ſeyd ein ehrlicher Mann, Ihr habt uns nie etwas zu leid gethan; aber Euer Nachbar, der Ritter Ruprecht, iſt ein Spitzbube und ein Räuber, der, ſo oft wir vor bei¬ kommen, uns mishandelt und beraubt. Wir kommen alſo, Euch einen Vorſchlag zu machen. So oft wir an Eure Burg kommen, begleitet uns mit einem6 *84Fähnlein bis vor der Burg Eures böſen Nachbarn vorüber, beſchützt uns und duldet nicht, daß er uns beraube und zu Grunde richte. Für Euern guten Willen geben wir Euch jedesmal hundert Goldgulden. Ritter Kunz erwiederte: Ihr ſeyd kluge Leute und ich will es bedenken, heute Abend gebe ich meinen Nachbarn einen Schmaus: Habt Ihr nicht vielleicht ein Fäßchen Bacharacher auf Euerem Schiff? Die Kaufleute holten das Fäßchen, gingen darauf zu Rit¬ ter Ruprecht und ſagten ihm: Herr Ritter, Ihr ſeyd ein ehrlicher Mann, Ihr habt uns nie etwas zu Leid gethan; aber Euer Nachbar der Ritter Kunz, iſt ein Spitzbube und ein Räuber, der, ſo oft wir vorbeikommen, uns mishandelt und beraubt. Wir kommen alſo Euch einen Vorſchlag zu machen. So oft wir an Eure Burg kommen, begleitet uns mit einem Fähnlein bis vor der Burg Eures böſen Nach¬ barn vorüber, beſchützt uns und duldet nicht, daß er uns beraube und zu Grunde richte. Für Euern guten Willen geben wir Euch jedesmal hundert Gold¬ gulden. Ritter Ruprecht erwiederte: Ihr ſeyd kluge Leute und ich will es bedenken; morgen Mittag gebe ich meinen Nachbarn einen Schmaus, habt Ihr nicht vielleicht einige gute Schinken auf Euerm Wagen? Die Kaufherren holten die Schinken und gingen dar¬ auf zum Ritter Eberſtein, und ſo gingen ſie von einem Ritter zum andern von Rüdesheim bis nach85 Bonn und ſprachen mit allen auf die nehmliche Weiſe. Und wie Abends viele Ritter zum Ritter Kunz zum Schmauſen kamen, und jeder ſeinem Nachbarn er¬ zählte, wie die Kaufherren ihn ins Geſicht einen ehr¬ lichen Mann geſcholten, und ſeinen Nachbarn als Spitzbuben gelobt, lachten ſie Alle ganz unbändig und zechten bis der Morgen graute. Die Handels¬ leute hatten es aber jetzt viel beſſer als früher.

So währte das einige Jahrhunderte lang. Endlich merkten die Kaiſer, Könige, Herzöge, Für¬ ſten, Landgrafen, die Vorfahren unſerer gnädigſten Landesherren, daß ſie lang dumm geweſen. Sie dach¬ ten: Ei, die Ritter verdienen ein ſchön Stück Geld an den Bürgers - und Landleuten, ſind wir nicht rechte Narren, daß wir es nicht ſelbſt verdienen? Wer iſt Herr im Lande, wir oder die Ritter? Das muß anders werden. Sie ſagten alſo den Kaufleu¬ ten: Ihr unterſteht Euch nicht mehr, Euch von den Rittern loszukaufen; das Geld, das Ihr ihnen ge¬ geben, gebt Ihr künftig uns ſelbſt, und dagegen be¬ ſchützen wir Euch gegen jede Gewalt. Die Kauf¬ leute mußten das zufrieden ſeyn, und den Rittern wurde von den Landesherren unterſagt, ſie zu beun¬ ruhigen. Dieſe ließen ſich aber nicht wehren, und wenn die Kaufleute vorüber kamen und nicht bezahl¬ ten, wurden ſie wie früher geplündert und todtgeſchla¬ gen. Sie mußten alſo, wollten ſie Ruhe haben, die86 Ritter auch bezahlen. Unſere gnädigſten Landesherren erfuhren dies und dachten bei ſich: Unſere Kaufleute geben für jede Ladung Waare den Rittern hundert Goldgulden, und uns hundert Goldgulden, wäre es nicht klüger, ſie geben uns zweihundert Goldgulden und den Rittern gar nichts? Sie ließen alſo die Kaufleute rufen und ſagten ihnen: Ihr gebt uns künftig zweihundert Goldgulden für jede Fuhre und den Rittern gar nichts; und dieſe wollen wir ſchon das Handwerk legen. Auch hielten ſie Wort, zerſtör¬ ten alle Raubburgen, nahmen die Ritter gefangen und führten ſie an ihren Hof, wo ſie durch gutes Futter bald zahm gemacht wurden. Den Kaufleuten aber gaben ſie das Geleit, ſo oft ſie auf die Meſſe zogen. Als es nun keine Ritter und keine Räube¬ reien mehr gab, und die Kaufherren keine Furcht mehr hatten, gingen ſie zu ihren Landesherren und ſagten ihnen: wir danken unterthänigſt für den bis jetzt ge¬ leiſteten Schutz; aber wir brauchen ihn nicht mehr, denn die Straßen ſind ſicher. Die Fürſten erwie¬ derten darauf: es freut uns, daß Ihr uns nicht mehr braucht, wir brauchen aber Euer Geld, und den Ge¬ leit müßt Ihr bezahlen nach wie vor, und das iſt jetzt altes Herkommen. Nach einiger Zeit bedachten die Fürſten: iſt es nicht ganz überflüſſig, daß wir den Kaufleuten Huſaren zur Begleitung mitgeben, da doch die Wege ſicher ſind? Die Koſten des Geleits87 könnten wir ja ſparen. Sie hoben alſo das Geleit auf, und ließen ſich ſtatt Geleitsgeld Zoll be¬ zahlen. An allen Ein - und Ausgängen des Landes wurden Zollhäuſer errichtet, und ſo oft da Waa¬ ren vorüberkamen, mußten ſie den alten Raub und das alte Geleit abkaufen, welche Abgabe man Zoll nannte. Beklagte ſich nun ein benachbarter Fürſt, daß man ſeine Untherthanen drücke, antwortete der dieſſeitige: Herr Bruder, macht es mit meinen Unter¬ thanen, wie ich es mit den Eurigen mache; laßt Euch auch Mauth von ihnen bezahlen; Schaafe wollen ge¬ ſchoren ſeyn, ſonſt gedeihen ſie nicht.

Jetzt werdet Ihr deutlich einſehen, daß Ihr Ochſen ſeyd, wenn Ihr Euch über die Mauth be¬ klagt. Habt Ihr es nicht ehemals noch viel ſchlim¬ mer gehabt? Sonſt wurdet Ihr beraubt und gemis¬ handelt; jetzt werden Euere Kiſten mit Ordnung ge¬ öffnet, man nimmt Euch mit Höflichkeit Euer Geld ab, und Ihr bekommt keine Schläge mehr. Zwar werdet Ihr noch jetzt, wie zu den Zeiten der Raub¬ ritter, todt gemacht, wenn Ihr die Mauth nicht be¬ zahlen wollt und Euch zur Wehre ſetzt; Ihr werdet aber nicht mehr wie damals todt gehauen, welches grob war, ſondern todt geſchoſſen, welches viel höf¬ licher iſt, und gar nicht wehe thut; und da Ihr auf Befehl Eueres gnädigen Landesherrn todtgeſchoſſen werdet, ſo iſt das noch eine Ehre für Euch. Wenn88 Ihr aber fragt: warum nimmt unſer gnädigſter Landesherr, der doch ſo reich iſt, uns armen Teufeln ihre paar Pfennige weg; warum müſſen wir das Pfund Zucker mit dreißig Kreuzer bezahlen, das uns noch vor acht Tagen nur achtzehn gekoſtet? So zeigt Ihr wieder, daß Ihr Ochſenköpfe ſeyd. Be¬ hält denn unſer gnädigſter Landesvater Euer Geld für ſich? Ei bewahre! Das braucht er nicht, er hat mehr als genug. Aber mit Euerm Gelde er¬ nährt er die Nachkommen jener Raubritter, die wie ihre Vorfahren nicht arbeiten und nichts erwerben, als Müßiggänger an ſeinem Hofe leben, und für die Ihr, da ſie Euch nicht mehr berauben dürfen, wie billig, ſorgen müßt. Und nicht blos für dieſe Räu¬ berbrut braucht unſer gnädigſter Landesfürſt Euer Geld, ſondern auch ſeine vielen Soldaten zu bezahlen. Und jetzt ſeyd mir keine Eſel und fragt: wozu braucht er ſo viele Soldaten? Das habt Ihr ja am Freitag ſelbſt geſehen, wozu er ſie braucht! Hätte er keine Soldaten gehabt, hätte er ja mit Euch nicht fertig werden können, als Ihr die Mauth geſtürmt. Nun ſagt Ihr aber vielleicht: aber wäre keine Mauth da, wären wir ruhig geblieben; ſind wir ruhig, braucht man keine Soldaten; hat man keine Soldaten, braucht man unſer Geld nicht; braucht man unſer Geld nicht, iſt die Mauth unnöthig. In dem, was Ihr da ſagt, iſt etwas Verſtand, und ich ſehe, Ihr ſeyd gar nicht89 ſo dumm, wie Ihr ausſehet. Aber, liebe Kinder, Ihr müßt noch etwas bedenken. Unſer gnädigſter Landes¬ vater braucht nicht blos ſeine Soldaten gegen Euch, ſeine Kinder, ſondern er braucht ſie auch gegen Fremde, gegen den äußern Feind. Fragt Ihr nun: wer iſt ſein Feind, wer will ihm etwas zu Leide thun? muß ich Euch aufrichtig antworten: es denkt keiner daran. Aber unſer gnädigſter[Landesherr] hat eine große Fa¬ milie, für die er auch ſorgen muß. Alle Kaiſer, Kö¬ nige, Großherzoge, Herzoge und Fürſten ſind ſeine nahen Verwandte, denen er in der Noth beiſteht; das iſt Chriſtenpflicht. Macht Ihr es nicht auch ſo? Der Kaiſer von Rußland iſt ſein Bruder, der Kai¬ ſer von Oeſterreich iſt auch ſein Bruder, der König von Preußen iſt ſein Schwager. Nun ſehet: der Kaiſer Nikolas will Polen haben, der Kaiſer Franz will Italien haben, der König Friedrich Wilhelm weiß ſelbſt nicht, was er haben will; denn er will Alles haben. Nun iſt aber das mächtige Frankreich drü¬ ben; dort iſt der König nicht Herr über Alles, er iſt nicht mehr als jeder Andere, er iſt nur der erſte Bauer im Lande. Das Volk iſt dort Alles, und für das Volk geſchieht Alles. Nun ſagen die Fran¬ zoſen: alle Völker ſind mit uns verwandt, wir ſind Alle von einer Familie. Die Polen ſind unſere Brüder, die Italiener ſind unſere Vettern, die Deut¬ ſchen ſind unſere guten Nachbarn. Und wir wollen90 nicht leiden, daß ihnen Jemand etwas zu Leide thue, ſondern ihnen helfen. Darum leiht unſer gnädigſter Landesfürſt den Kaiſern und Königen ſeine Soldaten, damit ſie mit den Franzoſen fertig werden, und darum müßt Ihr Mauth bezahlen. Und die Solda¬ ten, die man gegen die Franzoſen ſchickt, das ſind Euere eigenen Söhne und Brüder, und damit ſie gern maſchiren denn wer könnte ſie zwingen, wenn ſie nicht wollten lügt man ihnen vor, die Franzoſen wären Feinde der Deutſchen, und wollten unſer Land erobern. Glaubt es nicht. Die Fran¬ zoſen ſind Euere beſten Freunde, und wenn ſie kom¬ men, kommen ſie blos den Polen und Euch beizuſte¬ hen, und Ihr müßt ſie mit Jubel empfangen und gleich in die Schenke führen. Aber ſchließt Eure Mädchen ein, bis ſie wieder fort ſind.

Jetzt habe ich Euch erklärt, was die Mauth iſt; nun geht und beſſert Euch. Wie wollt Ihr es denn vor Gott und Euerem Gewiſſen verantworten, wenn Ihr widerſpenſtig ſeyd gegen Euren gnädigſten Landesherrn, und ihn zwingt, Soldaten gegen Euch zu ſchicken, die ja Alle Euere Brüder und Söhne ſind, und die, wenn ſie Euch erſchießen, Vater - und Brudermörder werden? Gehet und bezahlt die Mauth. Und wollt Ihr ja einmal wieder kommen und die Mauth zerſtören, ſo ſeyd keine Ochſen, und91 bleibt weit von den Soldaten ſtehen, was ihnen Herz macht auf Euch zu ſchießen, ſondern geht ihnen ganz nahe auf den Leib, damit ſie Euch erkennen. Bringt Euere Töchter mit. Die Liſe dort wird un¬ ter den Jägern gewiß mehr als einen Schatz finden brauchſt nicht roth zu werden, Liſe, wir waren Alle einmal jung und wenn ſie nun zu ihnen tritt und ſagt: aber Peter, aber Hans, ſeyd Ihr denn ſtockblind? Sehet Ihr denn nicht, daß ich es bin? Haben wir nicht auf der vorigen Kirchweih mit einander getanzt? Peter, da iſt ja mein Va¬ ter, der Dir manchen Apfel von ſeinem Baume ge¬ holt? Hans, da iſt ja mein Bruder, dem Du erſt neulich den Bierkrug an den Kopf geworfen? Lie¬ ber Peter, kennſt Du Deine Liſe nicht mehr? Willſt Du um ein Stück Kommisbrod ein Mörder werden? Biſt Du nicht ſelbſt ein Bauerkind! Was gehen Dich die Fürſten, was geht Dich die Mauth an? Komm zu uns lieber Hans! Du ſagſt nichts? Nun, da ſteh ich, ſchieß mich armes Mädchen todt, wenn Du das Herz haſt. Aber ich ſage Euch, meine geliebten Kinder, Hans und Peter werden nicht das Herz haben zu ſchießen, ſondern das Gewehr wird ihnen aus der Hand fallen, und ſie werden anfangen zu weinen. Und alle ihre Kameraden werden das Gewehr wegwerfen, Euch in die Arme ſtürzen und92 heiße Thränen vergießen, daß ſie ſo gottlos ver¬ blendet geweſen. Dann braucht Ihr keine Mauth mehr zu bezahlen. Jetzt geht nach Hauſe und beſſert Euch. Wer mich nicht verſtanden, iſt ein Eſel. Amen!

[93]

Drei und zwanzigſter Brief.

Es widerfährt mir ſeit einigen Tagen das Sonderbare, daß ich an zwei Briefen für Sie zu gleicher Zeit ſchreibe. Der eine gegenwärtige liegt auf dem Pulte, vor dem ich ſtehe, und der andere liegt auf dem Schreibtiſche, an dem ich ſitze. Die Abwechſelung iſt artig und unterhält mich. Nach einigen Sätzen gehe ich vom Stehbriefe zum Sitz¬ briefe, oder zurück und ſetze bald den einen bald den[andern] fort. Die Sache verhält ſich ſo. Der Tiſch¬ brief behandelt einen Gegenſtand, der zwar kurzwei¬ lig aber langwierig iſt, und ſich ſehr ausdehnt, den ich aber aus Gründen der Kochkunſt nicht unterbre¬ chen darf. Darum habe ich ihn vom Pultbriefe ge¬ trennt, und Sie werden ihn einige Tage ſpäter er¬ halten als dieſen. Es giebt nehmlich einen Härings - Salat. Den Häring habe ich aus Berlin bekom¬94 men und den will ich zwiebeln und zurecht machen. Einen Artikel im literariſchen Unterhaltungsblatt, den der Referendar Häring unter dem Schäfernamen Wil¬ libald Alexis gegen mich geſchrieben, und von dem ich früher ſchon gehört, habe ich jetzt erhalten und ihn geleſen. Nun weiß ich wahrhaftig ſelbſt nicht, wie mir in den Sinn gekommen, dieſem Männchen zu antworten; aber eine innere Stimme rieth mir dazu. Dabei machen mir meine ungeſchickten Ver¬ ſuche, die Sprache ſolcher Gegner nachzuahmen, tau¬ ſend Spaß. Ich bin an gar keine grobe Arbeit ge¬ wöhnt, und meine rechte Hand iſt mir wund von dem wenigen Schimpfen. Ich bin dabei eigentlich in einer wunderlichen Lage. Warum ich mich mit ſolchen[unbedeutenden] Menſchen und auf ſolche Weiſe einlaſſe, darf ich nicht deutlich machen, denn ſonſt würde ich meine beabſichtigte Wirkung verfehlen. Und doch möchte ich aus Eigenliebe durchſchaut und er¬ rathen ſeyn. Das ſetzt mich in Verlegenheit. Hä¬ rings-Salat, Zwiebeln, Zurechtmachen, Schäfer, Männchen, unbedeutender Menſch Sie werden ſehen, daß mein Wörterbuch von Schimpfwörtern viel reicher werden wird, als das von Meyer, von Wurm, von Robert und von Alexis.

95

Geſtern, Sonntag, hat Caſimir Perrier wieder einen Bubenſtreich begangen. An dem Tage, wo die Kirche ſeines Glaubens geſchloſſen iſt, wo die Börſe keinen Gottesdienſt hält, vergißt er am leich¬ teſten Gott und ſein Gebot, und folgt ſeinen böſen Neigungen. An Börſentagen bedenkt er ſich doch noch etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬ ſchöpf, durch allzurauhes Weſen zu ſchrecken. Ich kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit in der Geſchichte, wo ein Volk unter ſo ſchmach¬ voller Herrſchaft geſtanden, als jetzt das Franzöſiſche. Tauſendmal, ja zehntauſendmal lieber, möchte ich einen Thron unter dem Galgen errichtet ſehen, von Henkersknechten bedient und von Raben umſchmeichelt, als ſehen, wie ein König auf dem Drehſtuhle trohnt und wie ſein erſter Miniſter Glück, Ruhm und Ehre eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll und Haben bringt. Ich habe mich nie ſo ſehr er¬ niedriget, vor einem Könige: Vivat! zu ſchreien; nicht, da ich als gedankenloſes Kind Kaiſer Franz im Krönungszuge geſehen, wo alles ſchrie; nicht als Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬ ben eines Jünglings wie einen Gott anſtaunte; aber kehrte morgen Karl X. nach Paris zurück mit ſeinem96 alten Herzen und ſeinem neuen Haſſe, mit dem gan¬ zen Gefolge aller ſeiner Laſter, aller ſeiner Thor¬ heiten, umgeben von den Trabanten ſeiner Rache, ich, jetzt ein alter Mann, kletterte auf einen Baum und würde, wie ein betrunkener armer Teufel, den die Polizei bezahlt, Vivat ſchreien, bis ich die Stimme verlöhre. Was iſt's mit der Tyrannei? Sie macht unglücklich und das iſt Alles. Wie der Winter drängt ſie Blut und Leben zurück; aber das ſtille Herz iſt dann der Kerker, nicht der Sarg der Frei¬ heit. Aber dieſe giftige Geldwirthſchaft hier trocknet wie der Sirokko alle Adern aus, und könnte ſie zehn Jahre fortdauern, würde dann kein Tyrann es der Mühe werth halten, ſolch ein Volk von Mumien zu unterjochen?

Ich wollte von den Simoniſten ſprechen, über die man geſtern wie über eine Diebsbande hergefal¬ len, aber Sie können das in den Zeitungen leſen, und Sie wiſſen ſo gut als ich, was dabei zu denken und zu fühlen iſt.

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Vier und zwanzigſter Brief.

Rothſchild hat dem Papſte die Hand geküßt und beim Abſchiede ſeine hohe Zufriedenheit mit dem Nachfolger Petri unter allergnädigſten Ausdrücken zu erkennen gegeben. Jetzt kömmt doch endlich einmal alles in die Ordnung, die Gott beim Erſchaffen der Welt eigentlich hat haben wollen. Ein armer Chriſt küßt dem Papſte die Füße und ein reicher Jude küßt ihm die Hand. Hätte Rothſchild ſein römiſches An¬ leihen, ſtatt zu 65 p. c. zu 60 erhalten und ſo dem Kardinal-Kämmerling zehn Tauſend Ducaten mehr ſpendiren können, hätte er dem heiligen Vater um den Hals fallen dürfen. Wie viel edler ſind doch die Rothſchild, als deren Ahnherr Judas Iſchariot! Dieſer verkaufte Chriſtus für dreißig kleine Thaler, die Rothſchild würden ihn heute kaufen, wenn er für Geld zu haben wäre. Ich finde das alles ſehr ſchön. lV. 798Louis Philipp, wenn er in einem Jahre noch König iſt, wird ſich krönen laſſen; aber nicht zu Rheims in St. Remi, ſondern zu Paris in Notre-Dame de la bourse und Rotſchild wird dabei als Erzbiſchof fungiren. Nach der Krönung wird man, wie üblich, Tauben auffliegen laſſen, und eine unter ihnen, eine luſtige Lachtaube, wird nach St. Helena hinüberfliegen, ſich auf das Grab Napoleons ſetzen und ſeinen Ge¬ beinen lachend erzählen, ſie habe geſtern ſeinen Nach¬ folger ſalben ſehen, aber nicht vom Papſte, ſondern von einem Juden, und der jetzige Beherrſcher Frank¬ reichs habe den Titel angenommen: Empereur des cinq pour Cent, Roi des trois pour Cent, pro¬ tecteur des banquiers et médiatiseur des agens de change. Ich weiß aber wahrhaftig nicht, was die dumme Taube dabei zu lachen findet. Wäre es nicht das größte Glück für die Welt, wenn man alle Könige wegjagte und die[Familie] Rothſchild auf deren Throne ſetzte? Man bedenke die Vortheile. Die neue Dynaſtie würde keine Anleihen machen, denn ſie wüßte am beſten, wie theuer ihnen das zu ſtehen käme, und ſchon dadurch allein würde die Abgaben¬ laſt der Unterthanen jährlich um viele Millionen er¬ leichtert werden. Die Beſtechungen der Miniſter müßten aufhören, die activen wie die paſſiven; denn womit ſollten ſie, wofür ſollte man ſie beſtechen? Das wird dann alte Regel. Dadurch würde die99 Moral ſehr in Flor kommen. Alle Civilliſten wür¬ den aufhören, bis auf die der Rothſchilde, welche aber für die Völker keine neue Laſt wäre, denn die Rothſchilde hatten ſie als Privatleute auch ſchon be¬ zogen, und zwar eine ſtärkere, als die irgend eines andern Fürſten.

Wenn das Haus Rothſchild auf dem franzöſi¬ ſchen Throne ſäße, wäre die Welt von der großen Furcht des Kriegs befreit, der zwiſchen dieſem mäch¬ tigen Hauſe und dem Hauſe Habsburg auszubrechen droht. Oeſterreich und Rothſchild ſollen, wie die engliſchen Blätter aus guten Quellen berichten, ſeit einiger Zeit ſehr gereitzt gegen einander ſein. Oe¬ ſterreich hat nehmlich die Entdeckung gemacht, daß die Freundſchaft, mit welcher die Brüder Rothſchild es beehren, ihm theuer zu ſtehen komme. Das letzte vierprocentige Anleihen ſchloß jenes Haus zu 85 oder 86 ab. Aber gleich nach Abſchluß des Vertrags gewann es 6 bis 7 p. c. Ein ſo außerordentlicher Umſtand, mußte die Aufmerkſamkeit des öſterreichi¬ ſchen Kabinets erwecken. Es beſchloß daher, für ſeine Finanzen künftig wohlfeilere Agenten zu wählen, oder ſeinen Geldunternehmungen eine Concurrenz zu eröffnen. Das Haus Rothſchild, um ſolche Schritte zu vereiteln und der öſterreichiſchen Regierung zu zeigen, daß man ſeine Allianz nicht ungeſtraft brechen dürfte, wußte darauf durch ſeine Verbindungen und7 *100Speculationen das baare Geld in Wien, Frankfurt und andern Städten ſo ſelten zu machen, daß kein anderes Haus im Stande war, eine Staats-Anleihe zu unternehmen. Oeſterreich mußte um[Verzeihung] bitten.

Schon früher fand eine Spannung zwiſchen beiden Häuſern ſtatt. Oeſterreich hatte nehmlich dem Hauſe Rothſchild die Summen überlaſſen, die ihm aus den franzöſiſchen Contributionsgeldern für ſeinen Antheil zugefallen. Dieſe Summen ſollten in fran¬ zöſiſchen Renten, die damals niedrig waren, angelegt und ſolche verkauft werden, ſobald ſie einen hohen Stand erreicht hätten. Nach einigen Jahren ver¬ kaufte das Haus Rothſchild jene Renten und verrech¬ nete ſie zu 95. Oeſterreich aber entdeckte, daß zur Zeit des Verkaufs die Renten Al Pari geſtanden. Es war eine kleine Differenz von acht Millionen Gulden. Oeſterreich war darüber empfindlich und ſchmollte; Rothſchild aber wußte durch Vermittlung beiderſeitiger Freunde alles wieder auszugleichen.

Das franzöſiſche Blatt, welches dieſe Friedens - und Kriegsgeſchichten nach engliſchen Blätter um¬ ſtändlich erzählte, bemerkt darauf folgendes: Durch welche Mittel wiſſen jene Banquiers die öſterreichi¬ ſche Regierung zu zwingen, ſich nach ihren An¬ maßungen zu bequemen? Es ſind dieſelben Mittel, welche ſie unter dem Miniſter Villele angewendet,101 mit welchem die Herren Rothſchild ungeheuren Ge¬ winnſt getheilt haben, wie wir es in der Folge be¬ weiſen werden; ſind die nehmlichen Mittel, die ſie neulich beim Anleihen des Miniſteriums Perrier in Bewegung geſetzt. Hat man nicht durch fort dauernde Verkäufe, von jenen bewirkt, welche die Anleihe zu einem unbilligen Satze haben wollten, die franzöſiſchen Fonds erdrücken ſehen? Dieſe Darleiher haben unter unſern Augen das Nehmliche gethan, worüber die öſterreichiſche Regierung ſich beklagte, als ſie mit ihnen brechen wollte. Unſere fünf-procentigen wurden unter 80 Fr. hinabgedrückt, um das Anleihen zu dieſem Preiſe zu haben, und ſo¬ bald die Anleihe zu 84 zugeſchlagen war, ſtiegen die Fonds bis über 88 Fr. Es iſt immer das nehmliche Spiel, welches dieſe Rothſchild treiben, um ſich auf Koſten des Landes, das ſie ausbeuten, zu bereichern ..... Wir haben es ſchon frü¬ her gezeigt, daß die Geldleute die gefähr¬ lichſten Feinde der Völker ſind. Sie haben am meiſten dazu beigetragen, den Grund¬ bau der Freiheit zu untergraben, und ohne Zweifel wäre der größte Theil der euro¬ päiſchen Völker ſchon in vollem Beſitze der Freiheit, wenn die Rothſchild, die Ouvrad, die Aguado, die Caſimir Perrier und an¬102 dere, mit ihrem Gelde nicht die abſolute Gewalt unterſtützt hätten.

Düpin hat dieſe Woche in der Kammer die Banquiers loup-cerviers, Luchſe genannt! Das ſind Raubthiere, die zum Katzengeſchlechte gehören. Caſimir Perrier hat ihm über ſeine unzeitige Natur¬ geſchichte die bitterſten Vorwürfe gemacht. Das führt mich auf die Rothſchilde zurück. Noch einmal wäre es nicht ein Glück für die Welt, wenn alle Kronen auf deren Häuptern ſäßen, ſtatt daß ſie jetzt zu ihren Füßen liegen? Es kommt auch noch dahin. Sitzen die Rothſchild noch auf keinen Thronen, ſo werden ſie[wenigſtens], ſobald ein Thron frei wird, um Rath gefragt, wen man darauf ſetzen ſolle. Herr von Gagern hat dieſes neulich öffentlich in der allgemeinen Zeitung erzählt. Es iſt eine ſchöne Geſchichte. Herr von Gagern war früher Geſand¬ ter beim Bundestage. Dieſer große Staatsmann, der den Ariſtokratismus ganz allerliebſt romantiſch zu machen weiß und zwiſchen den Gräbern alter Ritter mit ſeinem Adelſtolze im Mondſcheine ſpazie¬ ren geht, hat ſich auf einer ſolchen nächtlichen Wan¬ derung ſchon vor vielen Jahren erkältet. Seit der Zeit leidet er an einem politiſchen Mundfluſſe, einer Krankheit, die unter den Diplomaten eben ſo ſelten gefunden wird, als die Mundſperre häufig unter ih¬ nen vorkömmt. Dieſe ſeltene Krankheit des Herrn103 von Gagern giebt uns aber über die verborgene Phy¬ ſiologie der Diplomaten und Ariſtokraten lehrreiche und nützliche Aufſchlüſſe. Der große Staatsmann ſchreibt der kleinen allgemeinen Zeitung über Grie¬ chenland aus Hornau einen Brief. Hornau liegt aber nicht in Griechenland, ſondern im Taunus, und ich glaube, daß wir vor zwei Jahren, als wir den Sommer in Soden zugebracht, eines Abends in der Schenke von Hornau Eierkuchen gegeſſen. Herr von Gagern ſchreibt: er, Herr von Stein und Ca¬ podiſtrias, hätten ſich in Naſſau und Ems oft von Griechenland unterhalten. Ich kann das bezeu¬ gen. In Ems habe ich zwei nach einander folgende Sommer dieſe Herren ſehr oft eifrig mit einan¬ der ſprechen hören. Ich hätte aber, ob ich zwar viel gehorcht, nie gedacht, daß von Griechenland die Rede ſey. Es ſchien mir als ſprächen ſie von ihren eignen Angelegenheiten und denen ihrer[Familie]. Sie gehörten zu den wärmſten, und eifrigſten Verthei¬ digern Griechenlands, oder der griechiſchen Frage. Warum Herr von Gagern das allgemein bekannte Wort Griechenland ganz ohne Noth mit griechiſche Frage überſetzt, will ich Ihnen erklä¬ ren. Es giebt nichts weichherzigeres, warmblütige¬ res, nervenzarteres, thränenreicheres, kurz gefühlvol¬ leres als ein Diplomat, und ein ſolcher hat ſich ſehr in Acht zu nehmen, bei ſeinen ſtarken und häufigen104 Gemüthsbewegungen ſeine zarte Geſundheit nicht ganz zu Grunde zu richten. Strenge Diät iſt ihm un¬ entbehrlich. Wenn daher Tauſende der edelſten Por¬ tugieſen vom Fleiſcher Miguel geſchlachtet und zer¬ fetzt werden; wenn die Italiener, von der Treibjagd der Liſt und Gewalt in ihr Todesnetz gejagt, von feigen und bequemen Jägern erlegt werden; wenn Belgien wie ein Käſe zerſchnitten, zugewogen und, in Protokoll-Papier gewickelt, den hungrigen Käufern ſtückweiſe eingehändigt wird; wenn Polen den Keu¬ lenſchlägen des Tyrannen unterliegt, und ſterbend den Helfers-Helfern flucht wie wollen die Diplomaten es ertragen, täglich ſolche Gräuel und Schändlichkei¬ ten zu ſehen und zu hören? und doch iſt ihnen das Schickſal der Völker anvertraut; wie erleichtern ſie ſich den Schmerz? Durch eine einfache Veränderung der Worte. Sie ſtellen ſich an, als gäbe es kein Land und kein Volk in der Welt; ſie ſuchen das zu vergeſſen und es gelingt ihnen durch Uebung. Sie ſagen darum nie: Portugal und Portugieſen, Italien und Italiener, Belgien und Belgier, Polen und pol¬ niſches Land; ſondern ſie ſagen: die portugieſi¬ ſche Frage, die italieniſche Frage, die bel¬ giſche Frage, die polniſche Frage. Es iſt eine Art Salpeter-Säure, welche das Blut abkühlt, und das Herz ruhiger macht. Aus dieſem diäteti¬105 ſchen Grunde ſpricht Herr von Gagern von der griechiſchen Frage; aber ſein Herz iſt gut.

Jetzt weiter; und verlaſſe mich nicht, lieber Scherz! denn mir graut vor dieſen Seelenverkäufern. Monarchiſche Verfaſſung, deutſche Leib¬ wache, hinreichender Kredit, waren die großen Grundſätze, worüber wir einver¬ ſtanden waren. Hört! Hört! vernehmet doch die großen Grundſätze dieſer großen Männer! Ein edles Volk, Erbe des ſchönſten Jahrtauſendes der Zeit, Nachkommen von den Lieblingen der Götter, noch immer verklärt von der Abendröthe einer vor zwanzig Jahrhunderten untergegangenen Sonne, noch immer duftend von den Wohlgerüchen eines verbliche¬ nen Paradieſes. Dieſes edle Volk, verarmt, ver¬ ſchmäht, vergeſſen, zu Boden gedrückt, erinnert ſich, was es geweſen und ſchüttelt ſeine Ketten; will wie¬ der werden, was es war und wirft ſeine Ketten ab. Es ergreift ſein roſtiges Schwert und kämpft. Män¬ ner, Weiber, Kinder, Greiſe ſtürzen und füllen den[Abgrund] aus, der die Knechtſchaft von der Freiheit trennt. Die übriggebliebenen ziehen darüber weg, treten ihr eignes Herz mit Füßen, ſuchen den Feind und ſiegen. Einer kämpft gegen hundert. Die chriſtlichen Könige Europens erfahren, ein kleines Chriſten-Völkchen habe ſich gegen Mohamet empört ſie lachen. Das Völkchen ſiegt ſie werden106 aufmerkſam. Der Sieg wird entſcheidender ſie werden bedenklich. Ein Volk ſoll die Freiheit erwer¬ ben, ohne ſie und trotz ihnen? Nein! Sie laſſen den Griechen ſagen: Ihr ſeyd zu ſchwach, wir wollen euch helfen. Sie ſchicken ihre Flotten ab, die Grie¬ chen von ihren Feinden zu trennen, damit ſie nicht den letzten Sieg erringen. Ein edelmüthiger Staats¬ mann läßt ſich von ſeinem Herzen hinreißen und giebt den Befehl, daß man die Flotte der Türken zerſtöre. Codrington ſiegt und die chriſtlichen Mächte trauern und zürnen. Der Admiral wird zurückgeru¬ fen und wie ein Schulbube ausgeſcholten. Die Griechen ſind frei! Dieſer Angſtruf ſchallt von Hof zu Hof. Wie iſt dem Verderben Einhalt zu thun? Darauf ſinnen jetzt die Räthe der Fürſten. Es giebt viele magere Fürſtenſöhne in Europa, die kann man mäſten mit dem Fleiſche und Blute der Griechen alſo monarchiſche Verfaſſung. Die Griechen ſind begeiſtert, ſie leiden an der ge¬ fährlichſten Bruſtentzündung; ſchnell, nur ja recht ſchnell das ſtärkſte freiheittreibende Mittel alſo deutſche Leibwache. Aber kein Königſohn wird der Narr ſeyn, ſein eignes Geld nach Griechenland zu bringen, die Griechen müſſen ihn aus ihrem Beu¬ tel bezahlen, wenn er ſie glücklich machen ſoll; aber die Griechen ſind arm, ſie müſſen alſo borgen; ihr König thut es in ihrem Namen alſo hinrei¬107 chender Kredit. Viele Fürſtenſöhne meldeten ſich, die Griechen glücklich zu machen. Wen unter ihnen wählen? das iſt die griechiſche Frage. Den Edelſten, den Tapferſten, den Geiſtreichſten, den Muthigſten? Nein! Den, der am meiſten Kre¬ dit hat; den, der ſeine Miniſter, Oberſtallmeiſter, Geſandte, Hofmarſchälle, Oberkammerherren, und ad¬ ligen Garde-Offiziere am beſten bezahlen kann. Herr von Gagern erkundigt ſich alſo ſorgfältig bei dem erſten europäiſchen Wechſel-Hauſe (alſo bei Herrn von Rothſchild), welcher Fürſt den mei¬ ſten Kredit habe? Herr von Rothſchild ſchlägt in ſeinem Kreditbuche nach, es ſtanden alle Fürſten Eu¬ ropas darin, nur der einzige Prinz Friedrich der Niederlande nicht. Herr von Rothſchild ſchließt mit Recht daraus, daß ein Fürſt, der nie Kredit bei ihm geſucht, des Kredits am allerwürdigſten ſey. Er giebt alſo dem Herrn von Gagern den Beſcheid: Prinz Friedrich der Niederlande hat den größten Kredit. Alſo iſt Prinz Friedrich der Niederlande am würdigſten, König der Griechen ich will ſagen König der griechiſchen Frage zu werden, ruft Herr von Gagern aus. Er eilt, dieſen großen Grundſatz dem Grafen Capodiſtrias mitzutheilen. Dieſer aber iſt auf Reiſen, angeblich einen griechi¬ ſchen König zu ſuchen, eigentlich aber, um zu erlau¬ ſchen, gegen welche künftigen Anſprüche er das mos¬108 cowitiſche Intereſſe werde zu vertheidigen haben. Herr von Gagern reiſt dem Compagnon ſeiner gro¬ ßen Grundſätze nach. In Paris verfehlt er ihn, in Brüſſel erwiſcht er ihn, und erzählt ihm athemlos: Herr von Rothſchild habe erklärt, Prinz Friedrich der Niederlande habe am meiſten Kredit, und er ſolle daher gleich zu deſſen Vater, dem Könige, gehen und die griechiſche Frage mit ihm in Ordnung bringen. Capodiſtrias gehörte aber unglücklicherweiſe zu den¬ jenigen Diplomaten, welche die Mundſperre im höch¬ ſten Grade haben, und Herr von Gagern konnte nichts von ihm herausbringen. Er bekam zur Antwort: ich kann nicht zum Könige gehen, ich habe kein Kleid. Nun bei den Göttern! ich habe Cornelius Nepos und Plutarch geleſen, und habe darin nicht einen einzigen großen Mann des Alterthums gefun¬ den, der ſo arm geweſen, daß er kein Kleid gehabt, wo es darauf ankam, für das Glück eines großen Volks zu reden und zu handeln! Warum hat Herr von Gagern, einer der wärmſten und frühſten Vertheidiger der griechiſchen Frage, nicht dem Grafen Capodiſtrias ein paar hundert Franken vorgeſchoſſen, daß er ſich ein Kleid machen laſſe? Jeder geſchickte Schneider verfertigt in einem halben Tage einen vollſtändigen Anzug. Capodiſtrias erbot ſich jedoch, zum niederländiſchen Miniſter zu gehen, aber nicht als Staatsmann, ſondern Mann zu109 Mann. Er geht. Herr von Gagern ſtirbt vor Ungeduld, bis der Mann vom Manne zurückkömmt, was hat er geſagt? ... j'ai trouvé la fibre un peu molle, erwiederte Capodiſtrias ... was ich mit der Pflicht des wirklichen Staats¬ mannes explicirte, bemerkt Herr von Gagern. Er aber dürfe ſeinen Mundfluß haben, weil er nur in der Rolle des Dilettanten erſchien. Aber in meinem Leben hätte ich nicht errathen, daß eine lockere Fiber das Weſen eines wahren Staatsmannes bilde, und daher der vierwöchentliche Gebrauch des Schwalbacher Brunnens, da die Fiber ſpannt, einen Talleyrand zum Eſel machen würde! Kurz, die einzige Sorge des Herrn von Stein, des Grafen Capodiſtrias und des Herrn von Gagern war: einen Prinzen mit Griechenland zu apanagiren, Rothſchild zu einem neuen Anleihen zu verhelfen, und den Prinzen und die Curſe der griechiſchen Papiere durch deutſche Leibwachen zu ſchützen. Kürzer und kräftiger hat noch keiner das ſeelenloſe, mechaniſche, ſelbſtſüchtige, ſchacherhafte Treiben der neuern euro¬ päiſchen Staatskunſt, des Monarchenthums und der Hofſchwänzelei dargethan, als dieſer Herr von Ga¬ gern in Hornau, wo wir vor zwei Jahren Eier¬ kuchen gegeſſen.

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Laſſen Sie den *** tauſend, ja zehntauſend male von mir grüßen und danken für die herrliche Geſundheit, die er ausgebracht: Allen Völkern ohne König! hier ſagen ſie: Les Rois s'en vont. Dieſe Taugenichtſe von Franzoſen finden doch gleich das rechte Wort für jede Sache, ſobald wir guten Deutſchen die rechte Sache gefunden. Wir wollen unſere Töchter mit ihren Söhnen, unſere Ideen mit ihren Worten vermählen, dann haben wir eine mächtige Verwandtſchaft und wehe dann jedem, der uns zu nahe kömmt mit feindlichen Gedanken. Was Sie mir von den Polen geſchrieben, und wie herrlich ſie in Frankfurt aufgenommen worden, hat mich bis zu Thränen gerührt. Dem Manne, der auf der Brücke einem Polen ſeinen Mantel umge¬ hängt und ſtillſchweigend fortging, dem ſollte man auf dieſer Stelle ein Denkmal errichten; keinen ſchö¬ nern Zug des Herzens weiß die alte Geſchichte zu erzählen. So mögen ſie meine Briefe widerlegen! Ich will unter Männern der Wahrheit gern der ein¬ zige Lügner, in einem Lande des Glaubens gern der einzige Spötter, unter einem ſtarken Volke der ein¬ zige Schwächling ſeyn, und bin ich erſt der Schlech¬ teſte aller Deutſchen geworden, dann iſt keiner ſeli¬111 ger als ich. Guter Gott, was iſt an einem einzel¬ nen Menſchen, was an mir gelegen? Beſſere als ich ſind verkannt worden. Das Leben iſt kurz und der Tod noch kürzer. Aber der Tag der Wahrheit kömmt einmal, und keinem wird Gerechtigkeit zu ſpät aus¬ gezahlt, der, wie ich, als er ſeinem Vaterlande diente, nicht einmal Gerechtigkeit als Lohn verlangte.

Von den herrlichen Reden Raspails und der übrigen jungen Republikaner, die neulich vor Gericht ſtanden, aber richteten ſtatt gerichtet zu werden, habe ich einiges überſetzt, daß ich Ihnen ſpäter mittheilen werde. Der und jener Ball, bei dem und jenem Bankier dieſen Winter, hat Sie doch vielleicht etwas glacirt. Eine kleine republikaniſche Vorleſung zum Erwärmen kann immer gut ſeyn.

Noch einmal was Sie mir von Frankfurt geſchrieben, hat mich bis tief in das Herz gefreuet. Möge es fortgehen auf dieſem Wege; möge es ſich emſig auf ſeine große Beſtimmung vorbereiten und ſich deren würdig zu machen ſuchen. Denn Frank¬ furt iſt beſtimmt, einſt die Hauptſtadt des deutſchen Reichs und der Sitz der deutſchen National-Verſamm¬ lung zu werden. Dort, wo jetzt die Tyrannei auf dreißig Stühlen thront, wird in wenigen Jahren die Freiheit gekrönt werden. Den Taxiſchen Pallaſt,112 die deutſche Baſtille, wird man niederreißen und nach¬ dem der Boden von allen Trümmern der Zwingburg geſäubert, wird auf dem Platze eine hohe Säule ſich erheben, welche die Inſchrift trägt: Hier liegt Deutſchlands Schande!

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Fünf und zwanzigſter Brief.

In dem letzten Hefte der Revüe de Paris (vom 29. Januar) ſtehen Proben aus der bald er¬ ſcheinenden Ueberſetzung meiner Briefe. Es iſt das Krönungsgemälde von David und ein Stück von Lord Byron. Ich finde das alle ſehr matt; zum Glücke habe ich eine gute Natur. Der kleine Aer¬ ger macht mir eine Gänſehaut, aber nach innen dringt die Erkältung nicht.

Ich habe ſchon in einer andern Recenſion geleſen, daß man mich gereizt und nervenſchwach genannt. Das wunderte mich nicht. Die Gemeinen im Volke haben ſogar keine Vorſtellung davon, wie man anders als ſie ſelbſt denken und fühlen könne, daß, finden ſie es einmal, ſie die wundervolle Er¬ ſcheinung einer Krankheit zuſchreiben. Sie kennen ſo wenig die Macht und Wirkſamkeit des Geiſtes,IV. 8114daß ſie es lächerlich finden, wenn ein körperſchwacher Menſch die hohe und dicke Mauer der Gewohnheit zu erſchüttern ſucht. Ich erinnere mich, daß, als vor mehreren Jahren eine Verſchwörung gegen die ruſſiſche Regierung entdeckt wurde und die Haupt¬ verſchwornen hingerichtet wurden, man von einem derſelben nichts verächtlicheres glaubte ſagen zu kön¬ nen, als er ſey nervenſchwach und habe doch geſucht ein Reich umzuſtürzen! Auch Robert hat mich einen nervenſchwachen Athleten genannt. Ueber die Spötter! weil ſie, wie jener Crotoneſer, von Kind¬ heit an gewöhnt, ein Kälbchen mit ſich herumzuſchlep¬ pen, in ihrem Alter es dahin gebracht, einen ganz lebendigen Ochſen zu tragen, halten ſie ſich für ſtark, weil ſie dumm ſind. Dieſe Menſchen, die, weil ſie ſich nie der Außenwelt widerſetzt, auch niemals Wi¬ derſtand gefunden, ſehen nicht die nächſte Grenze ihrer Kraft und halten ſich für mächtig, weil ſie zur allgemeinen Materie gehören. Der Johanniter Meyer in Hamburg kennt mich beſſer. Er nennt mich ſo ein Kerl, was doch auf eine ſechs Fuß hohe Seele hindeutet. Ach! wäre ich nur ſo ein Kerl! nicht wie jetzt, ein jämmerlich überſetzter Kerl, ſondern ein unterſetzter Kerl, mit breiten Schul¬ tern, breiter Bruſt, breiten Zähnen, breiten Fäuſten und breiten Gedanken Hei! wie wollte ich ſie zurichten! Denn wahrlich, ſtünden mir alle Waffen115 der olympiſchen Götter frei, ich wählte nicht Jupi¬ ters königliche Blitze, nicht Dianens ferntreffenden Pfeil, nicht Merkurs Rednerliſt, nicht Apollo's Leier, nicht das Lächeln der Grazien, nicht Aphroditens Zauberblick, nicht Amors Schelmerei ich wählte mir nur die Keule des Herkules und Sylens groben Spaß. Sie ſchrieben mir neulich, es ſey meiner un¬ würdig, wie ich mich gegen Robert und Pittſchaft ausgeſprochen. Freilich iſt es meiner unwürdig: aber es iſt ganz meiner würdig, in ſolcher Zeit nicht an meine Würde zu denken. Sind es Worte, die man braucht in dieſen Tagen der Entſcheidung? Soll ich daran denken, wie Leute von Geſchmack über meine Schreibart urtheilen, was Weiber von meiner Aeſthetik halten? Wenn ich Ruhe, Blut und Leben an die Sache des Vaterlandes wage, ſoll ich ängſtlich beſorgt ſein, mir meine Kleider nicht zu verunreinigen? Wenn die Feinde der Freiheit im Kothe lagern, ſoll ich fern bleiben und ſie nicht an¬ greifen, um meine Stiefel nicht zu beſchmutzen? Wenn es darauf ankömmt, von den feinſten Worten ein Filigran zu flechten, ein Drathnetz für Mücken¬ ſeelen ich verſtehe das ſo gut als einer. Wenn es darauf ankömmt, eine Satire zu ſpitzen, ſo ſpitz, das ſie durch die Pore eines Glaſes dringt ich verſtehe das ſo gut als einer. Wenn es darauf an¬ kömmt, ein Gift zu miſchen, klar, hell, rein, durch¬8*116ſichtig, ohne Farbe, Geruch und Geſchmack, unſchul¬ dig wie friſches Quellwaſſer, ein Verläumdungsgift, eine aqua tofana ich verſtehe das ſo gut als einer. Aber nein, ich will die Kerls todt ſchlagen, am hellen Tage und vor Aller Augen; denn Alle ſol¬ len es wiſſen, und ſie ſelbſt, daß ſie von meiner Hand gefallen. Wie? wenn ein dummer Bauerlüm¬ mel mir in der Schlacht gegenüber ſteht, der gar nicht weiß, wo er ſich befindet, nicht weiß, woher er gekommen, wohin er geht, für was, für wen er ſtreitet ſoll ich ihn ſchonen, weil er dumm iſt? Er gilt ſeinen Mann und ſeine Kugel trifft ſo gut, als kenne er ihr Ziel. Darum ſchlage ich ihn zu Boden. Soll ich ihm verächtlich den Rücken wenden, daß er mich von hinten treffe? Fein thun mit ſol¬ chen plumpen Thieren, unter Scherz und Lachen Kirſchkerne ſchnellen gegen ſolche Elephanten es iſt lächerlich. Sie ſpüren es gar nicht. Oder glauben Sie vielleicht, daß Alle die Plumpheit, die Roheit, die Gemeinheit meiner Gegner fühl¬ ten? Glauben ſie das nicht. Nicht einmal die beſſern Alle. Ich habe das erfahren. Ein wohl¬ meinender Freund brachte mir das Blatt aus Stutt¬ gart; ich las es in ſeiner Gegenwart und ergötzte mich unter lautem Lachen an dem Fiſchweiberwitze einer deutſchen[Hofzeitung]. Aber der Freund be¬ merkte mit bedenklichem Geſichte: ja es bleibt doch117 immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬ ſtet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber ſpä¬ ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine leere Floskel gebraucht, um etwas zu ſagen, und daß der Freund Recht gehabt. Selbſt Heine, der doch ſo fein iſt in ſeinen Ausdrücken, und ein plumpes Wort gar nicht verſtehen ſollte, bemerkte, als er ſah, wie ich mich luſtig machte, über ein anderes jener rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und hätte ich mich blind geleſen, ich hätte die Perfidie nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die entweder ſelbſt zur rohen Menge gehören, oder aus Erfahrung beſſer wiſſen als ich, wie man auf ſie wirkt.

Die miniſteriellen Blätter, die Hofzeitungen, warum ſchreiben ſie denn ſo plump, warum ſchimp¬ fen ſie ſo pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬ heit? Glauben Sie, weil ſie nicht fein zu ſeyn ver¬ ſtehen? O nein! Sie verſtehen es nur zu gut. Wenn ſie einen Streit unter ſich haben, Hof gegen Hof, Fürſt gegen Fürſt, Macht gegen Macht, dann kocht ſelbſt ihr heftigſter Zorn nie ſo ſtark über, daß der trübe Schaum der Wuth zum Vorſchein käme. Haß im Herzen, haben ſie die liebevollſten Worte auf den Lippen und mit der ausgeſuchteſten Höflich¬ keit ſtoßen ſie dem Feinde ein ſchönes Schwert in die Bruſt. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬118 heit nieder zu reden, da wo die öffentliche Meinung die Menge entſcheidet, ſind ſie grob und plump, um auf die grobe, plumpe und gedankenloſe Menge zu wirken, die in allen Ständen, vom Hofmanne bis zum Bauer, die Mehrzahl bildet. Was ſie gegen uns, ſollten wir gegen ſie thun. Seit fünfzehn Jah¬ ren hat die Freiheit den Sieg, den ſie ſiebenmal er¬ rungen, ſiebenmal wieder verlohren, weil ſie zu mä¬ ßig war, wie in ihren Handlungen, ſo in ihren Re¬ den. Die Völker glauben noch nicht feſt genug an ihr eigenes Recht, und daß ſie allein alles Recht be¬ ſitzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene Macht und daß Keiner Macht hat neben ihnen. Sie wiſſen noch nicht genug, daß die Welt ihnen allein gehört und Königen nicht der kleinſte Theil davon der ſich weiter erſtreckte, als ihr väterliches Erbe, und daß ſie darum von allem was ſie wollen und was ſie thun, keinem Rechenſchaft zu geben haben, als Gott allein. Darum, weil ſie das nicht wiſſen, ihr Recht und ihre Macht nicht kennen, wollen die Völker in den Augen ihrer Fürſten gut und billig er¬ ſcheinen, rechtfertigen ſich, ſtatt Rechtfertigung zu be¬ gehren, fordern, wo ſie nehmen ſollten, fordern nicht alles, was ihnen gebührt und fordern es mit ſo lei¬ ſen höflichen Worten, daß man ſich anſtellt, die Hälfte nicht verſtanden zu haben, und die verſtandene Hälfte abzuſchlagen den Muth bekömmt; das muß119 anders werden. Keine Schonung mehr, nicht im Handeln, nicht im Reden. Liegt die Freiheit hinter einem Meere von Blut wir holen ſie; liegt ſie tief im Kothe verſenkt, wir holen ſie auch. Darum ſiegt die Bosheit überall, darum wiſſen Dummheit und Gemeinheit immer den Vorſprung zu gewinnen, weil ſie den kürzeſten Weg zum Ziele nehmen, un¬ bekümmert, ob er rein ſei oder ſchmutzig. Sie hält die Reinlichkeit nicht ab, ſie gebrauchen ſelbſt edle Mittel, wenn etwas Schlechtes dadurch zu erreichen, und wir ſollten den Koth meiden, auch wenn er zum Guten führt? Wir ſuchen reinliche Umwege, ver¬ lieren die Zeit und alles; denn wo wir auch den Feind einholen, wo und wenn wir auch zu ihm ſtoßen, wir finden ihn immer im Schlamme, den wir früher oder ſpäter durchwaten müſſen, wollen wir ſiegen für das Recht. Was andere thun für die Tyrannei, warum ſollen wir es nicht für die Frei¬ heit thun? Schwert gegen Schwert, Liſt gegen Liſt, Koth gegen Koth, Hundegebell gegen Hundegebell. Heine ſagt: auch die Freiheit müſſe ihre Jeſuiten haben; ich ſage das auch. Aber nicht das allein, die Freiheit muß alles haben, was im Lager der Tyrannei zu finden: Stück-Knechte, Rothmäntel, Baſchkiren, Marodeurs, Paukenſchläger und Tro߬ buben. Lernen wir begreifen, daß die Tyrannen nur ſolche Waffen fürchten, die ſie ſelbſt gebrauchen; denn120 nur dieſe kennen ſie. Darum der Liſt ja keine Of¬ fenheit, dem Laſter keine Tugend, der Frechheit keine Milde, der Plumpheit keinen Anſtand gegenüber.

Iſt es wie in den großen Kämpfen dieſer Zeit, wo Macht gegen Macht ſtreitet, nicht auch in den kleinen Kämpfen aller Zeiten, wo jeder Menſch für ſein beſonderes Leben gegen das andere beſondere Leben kämpft? Siegt nicht immer der Dumme über den Weiſen, der Böſewicht über den edlen Mann? Das geſchieht, weil die edlen Menſchen den Sieg mit dem Kampfe, die Beute mit der Waffe verwech¬ ſeln, und mit Recht für das Recht ſtreiten. Nur mit Unrecht gewinnt man das Recht; denn man kann ſelbſt im Kampfe für die Wahrheit die Söldlinge nicht entbehren, und dieſe bezahlt man mit Tugend nicht. Sehen Sie Rouſſeau. Es gab keinen Men¬ ſchen, der das Gute mehr geliebt, das Schlechte mehr gehaßt, als er. Er kämpfte ſein ganzes Leben für Freiheit und Recht, und warum wurde er ſo ver¬ kannt? Warum wurde er ſo verſpottet? Warum war ſein Leben ſo voll Schmach und Noth? Er verſpottete die Gemeinheit und war gutmüthig gegen die Gemeinen; er bekämpfte den Trug und lebte in Frieden mit allen Betrügern; er verfolgte alles Schlechte, und ſchonte die Schlechten. Ueber die Sache verſchwand ihm der Menſch; er liebte das Gute, und verſtand die Guten nicht zu lieben;121 aber man muß Feinde haben, um Freunde zu finden, man muß haſſen, um lieben zu können. Rouſſeau haßte und liebte Keinen, darum ſtand er allein; er verſchonte Jeden, darum wurde er nicht verſchont; er verfolgte Keinen, darum wurde er von Allen ver¬ folgt. Gott und Welt, Himmel und Erde verthei¬ digte er, aber ſich ſelbſt wußte er nicht zu vertheidi¬ gen. Das ſchien ihm ſchnöder Lohn für freien Liebes¬ dienſt, und den verſchmähte er. Darum ging er zu Grunde. Alle Blitze ſeiner Beredtſamkeit gebrauchte er für Andere; für ſich ſelbſt war er wehrlos und ſtumm. Einmal ſagt er in ſeinen Bekenntniſſen: Hätte ich meine Kraft gebrauchen wollen gegen meine Feinde, ich hätte gewiß die Lacher auf meine Seite gehabt.

Ich habe mir das gemerkt. Die Lacher will ich auf meiner Seite ziehen; die Lacher, die gutes Herz und gute Fäuſte haben, und nicht die feinen Lächler, die, ob ſie zwar tauſendmal mir recht gäben, doch tauſendmale mich todtſchlagen ließen, ohne die Hand für mich aufzuheben; aber mir immerfort recht gäben und immerfort lächeln würden. Göttliche Grobheit! vor dir falle ich nieder.

Abends. So eben habe ich die Abendzeitung, den Meſſager, geleſen. Geſtern war ſie noch mini¬ ſteriell, heute hat ſie die gewechſelt. Die Actionairs haben ſich nicht gut geſtanden bei dem bisherigen Miniſterialismus der Zeitung, und haben122 darum die Redaktion geändert. Es iſt merkwürdig! Läſe ich keine andere Zeitung, als nur den Meſſager, hätte ich denken müſſen, daß ſeit geſtern ſich die ganze Welt geändert, daß ein Comet an die Erde geſtoßen und ſie in eine neue Bahn getrieben. Dar¬ aus ſah ich wieder, wie weit die Meinung der Re¬ gierenden von der des Volkes abſteht. Und wer von beiden auch irre, gleichviel. Der Abſtand bleibt im¬ mer der nehmliche. Und ſo iſt es überall. Wie kann das gut enden?

Verfloſſene Nacht hat man eine Verſchwörung entdeckt. Aber keine von den neuen dummen Gaſ¬ ſenverſchwörungen beim hellen Sonnenſcheine, ſondern eine von der guten alten Art, ſchauerlich, mitter¬ nächtlich, blutdürſtig, wie ſie in den Melodramen vorkommen. Einige hundert Menſchen, mit Dolchen und Piſtolen bewaffnet, wurden um Mitternacht in einem Hauſe überfallen. Sie ſetzten ſich zur Wehre. Der erſte eindringende Soldat wurde erſchoſſen. Einige hundert ſind arretirt. Die Verſchwornen ſollen ſtarke bewaffnete Trupps in verſchiedenen Stadttheilen aufgeſtellt haben. Man wollte in die Tuillerien dringen; General Bour¬ mont ſoll in Paris ſeyn. Doch iſt alles noch ſchwankendes Gerücht. Waren es Republikaner? Waren es Carliſten? Man ſagt das Letztere. Wäre das der König hatte am nehmlichen Abend einen123 Ball dann muß in der Geſellſchaft doch mehr als Einer geweſen ſeyn, der von der Verſchwörung wußte. Es iſt eine intereſſante Situation! Heuer gedeiht aber nichts. Warum ſind ſie nicht ſo klug wie Joſeph von Egypten geweſen, und haben in den Jahren der Fruchtbarkeit beſſer für die Hungerjahre geſorgt? Jetzt kömmt die Beſcherung.

Habe ich Ihnen vor einiger Zeit nicht ein¬ mal geſchrieben: in Oeſterreich würden ſie erſchrecken über die furchtbaren Fortſchritte des Liberalismus, wenn ſie erfahren, daß ſogar in Conſtantinopel eine Zeitung erſcheint? Nun das war damals freilich geſcherzt; aber es war ein Scherz im Geiſte des Ernſtes. Und jetzt iſt es wirklicher Ernſt geworden. Der Oeſterreichiſche Geſandte in Conſtantinopel hat der hohen Pforte eine ſehr eindringliche Note über¬ reicht, worin er im Namen ſeines Hofes vorſtellt, welch eine ſchrecklich gefährliche Sache es um eine Zeitung wäre, ſelbſt wenn ſie im Sinne der Regie¬ rung geſchrieben. Gäbe man dem Teufel einen Fin¬ ger, bekomme er bald die ganze Hand. Was ſagen Sie dazu? Und wenn ich mich auf den Kopf ſtelle, ich kann nicht mehr lügen, kann nicht mehr ſatyriſch ſeyn. Alle Phantaſie geht dabei zu Grunde. Bei dieſer Gelegenheit will ich Ihnen eine artige Ge¬ ſchichte von der ruſſiſchen Cenſur erzählen. Hängt Euch deutſche Cenſoren! das da hättet Ihr nie er¬124 funden. Im Jahre 1813 wollte ein Ruſſe die Be¬ ſchreibung einer Reiſe drucken laſſen, die er im Jahre 1812 durch Frankreich gemacht. Die Cenſur fand auch an dem Buche nichts auszuſetzen, außer dem Titel; denn es war nicht ſchicklich, daß ein Ruſſe 1812 in Frankreich reiſe, zu einer Zeit, wo Ru߬ land und Frankreich Krieg führten. Um dieſem Mis¬ ſtande abzuhelfen, ſtrich die Cenſur den Titel Reiſe durch Frankreich aus und ſchrieb dafür Reiſe durch England, und wo im Buche das Wort Frankreich vorkam, ſetzte ſie England an deſſen Stelle.

Jetzt noch zwei chineſiſche Anekdoten zum Einſchlafen, denn ich will zu Bette gehen. Der Kaiſer von Rußland ließ dem Kaiſer von China ſa¬ gen: er möchte doch an der Grenze ſeines Reichs einen Cordon gegen die Cholera ziehen laſſen. Dar¬ auf ließ der Kaiſer von China erwiedern: er werde das bleiben laſſen; denn er habe gehört, daß die Krankheit nur Müſſiggänger, Trunkenbolde und un¬ reinliche Menſchen befalle, und es wäre ihm ganz lieb, wenn er fünf Millionen ſolcher Unterthanen verlöhre. Auch an einer andern Grenze des chineſi¬ ſchen Reichs wollte der Regierungsbeamte von Maas¬ regeln gegen das Eindringen der Cholera nichts hö¬ ren, weil er ſie als fruchtlos und den Müſſigang be¬ günſtigend anſah. Um ſeine Meinung zu unterſtützen, erzählte er folgende Anekdote:

125

Im Jahre 1070 brach in Peking eine ſonder¬ bare Krankheit aus, deren Wirkung ſich an den Haaren derjenigen zeigte, die in freier Luft lebten. In kurzer Zeit verlohr der Kranke die Hälfte ſei¬ ner Haare und darauf ſtarb er. Als der damalige Kaiſer Tſchanglug dieſes erfuhr, ſagte er mit be¬ ſtimmten Worten, er wolle von dieſer Krank¬ heit nichts hören. Dieſer höchſte Wille, mit Feſtigkeit ausgedrückt, machte die Seuche verſchwin¬ den. Gute Nacht.

Iſt denn das Alles wahr, was ich in einer Stuttgarter Zeitung geleſen, wie neulich die Frank¬ furter beim Durchzuge der Polen durch manches ſchöne Wort eine noch ſchönere Geſinnung offenbart? Einer, der vor dem Wagen der Polen zog, ſagte: Dir helf ich ziehen, Philipp, was geht mich Kaiſer und König an? Das hier ſind brave Kerle, das weiß ich. Ein Anderer, den man abwendig ma¬ chen wollte, antwortete: Ei, Ihr habt die Sontag ziehen wollen; die haben den Ruſſen noch etwas ganz Anderes vorgeſungen. Ein dritter äußerte: wir müſſen den jungen Leuten zeigen, daß wir keine Preußen ſind. Der Berichterſtat¬ ter in der Stuttgarter Zeitung bemerkte hierbei, daß die Frankfurter, die ſich ſo geäußert, aus den nie¬126 drigen Ständen geweſen. Dieſe Bemerkung war ganz überflüſſig. Man weiß recht gut, daß bei uns, wie überall, die höheren Stände weder ſo viel Ver¬ ſtand, noch ſo viel Herz haben. Der Polenzug durch Deutſchland wird die ſchönſten Früchte tragen. O, die klugen Leute! O, die ſchlauen Staatsmänner! Vor dem großen Freiheitsmagazin im fernen War¬ ſchau war ihnen bange; ſie zerſtreuten es, und jetzt geht die Freiheit hauſiren im ganzen Lande, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf! Von der Schmach und Tücke, die Oeſterreich und Preußen den edlen Polen angethan, mußten die öffentlichen Blätter ſchweigen; und jetzt ſchicken ſie zwanzigtau¬ ſend Prediger im Lande herum, die erzählen, was ſie geduldet und lehren, wie man zu dulden aufhöre. Kommen jetzt die Ruſſen, dann wird man lange rei¬ ſen müſſen, um von Frankreich aus ihre Gräber zu beſuchen.

Was ſich aber Preußen für Mühe giebt, ſich verhaßt zu machen! So viel Beſcheidenheit hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Große Genies brau¬ chen nicht zu ſtudiren. Daß aber meine guten Deut¬ ſchen ihren Preußenhaß auch gut verwenden! Es iſt in ihrer ſchönen Art, über ihr Herz doppelte Buchhalterei zu führen: was ſie dem Haſſe geliehen (und ſie leihen ihm nur und nehmen ſpäter zurück) ſetzen ſie gleich der Liebe in die Einnahme. Thut127 das nicht. Ihr möget Preußen haſſen, aber liebt darum Oeſterreich nicht mehr. Preußen klappert und warnt; Oeſterreich ziſcht nicht eher, bis es gebiſſen. Preußen watſchelt, wie ein Bär, auf die Freiheit los; Oeſterreich wartet, bis ſie an dem Dickicht vor¬ bei kömmt, wo es verborgen lauert. Haſſet Preußen, aber fürchtet Oeſterreich. Oeſterreich kann, was Preußen nur will. Preußen iſt nur Oeſter¬ reichs Mund; rechtet mit dem Herzen, und nicht mit den Lippen. Oeſterreich findet die Weichſel roth genug, es iſt ganz zufrieden, und jetzt will es den Reſt der Polen dazu benutzen, im Deutſchen Volke Haß gegen Preußen zu erregen, das es fürchtet, mehr als Rußland. Dieſes iſt doch ein Körper, aber Preußen iſt ein ſchauerlicher Geiſt. Hätte Oeſter¬ reich nicht dieſen Zweck, wäre es nicht damit einver¬ ſtanden, hätte die Begeiſterung des deutſchen Volks für die edlen Polen in gar manchem deutſchen Lande, in gar mancher Stadt, ſich ſo ungeſtört nicht zeigen dürfen; hätte man nicht geſehen, daß ſelbſt die feig¬ ſten aller Regierungen an dieſer Begeiſterung Theil genommen. Gar manche von den edlen Männern, die im milden Wirken für die Polen ſich ausgezeich¬ net, ſind der öſterreichiſchen Regierung mit ganz be¬ ſonderer Liebe zugethan, durch ganz beſondere Bande an ſie geknüpft. Haſſet eure offnen Feinde, aber128 fürchtet die Danaer, auch wenn ſie Ge¬ ſchenke bringen!

Heine wurde neulich von Jemand gefragt: worin er ſich in ſeinen politiſchen Anſichten von mir unterſcheide? Er antwortete: ich bin eine gewöhn¬ liche Guillotine und Börne iſt eine Dampfguillotine.

Mehr als zweihundert Perſonen ſind wegen der letzten Verſchwörung arretirt worden, und dar¬ unter Leute von Namen, wie der General Düfour. Das iſt der nehmliche General Düfour, welcher in den Juli-Tagen, als der Herzog von Orleans vor dem Rathhauſe um die Gunſt des Volkes bettelte, zu ihm ſagte: Sie ſehen, gnädiger Herr, welch ein ſchlechtes Ende ſchlechte Könige nehmen, und das diene Ihnen zur Lehre. Worauf der Herzog von Orleans ganz prächtig die Hand auf ſein Herz legte, und nachdem er eine der ſchönſten Stellungen Tal¬ ma's ausgewählt, zu Düfour ſagte: es bedarf Ih¬ rer Ermahnungen nicht; ich bin ein guter Franzoſe, habe die Freiheit immer geliebt, immer für ſie ge¬ kämpft. Faſt geweint hat der gute Herzog vor ed¬ lem Zorne. Jetzt ſitzt er auf dem Throne und Düfour im Kerker.

Auf Perriers Ball hätte ich leicht kommen kön¬ nen, wie jeder Andere auch. Man konnte ſich ein129 Billet dazu verſchaffen, wie zum Theater; aber ich wollte nicht. Ich will nicht wandeln, wo Sünder gehen, und mich nicht ſetzen, wo Spötter ſitzen.

Bei dem Anlaſſe neulich, wo die Simoni¬ ſten in die rauhen Fäuſte der Gewalt gefallen, haben ſich die Franzoſen hier wieder auf eine ſehr liebens¬ würdige Art gezeigt. Die öffentliche Meynung war zum großen Theile gegen die Simoniſten; faſt alle Blätter, am meiſten aber die Liberalen, waren ihnen entgegen. Der Figaro beſonders, dieſes reiche Na¬ delkiſſen, ſtach ſie täglich auf das grauſamſte. Aber ſeit dem Tage, daß die Regierung ſich plump, wie jede, in ein zartes Verhältniß des Geiſtes gemiſcht, hat ſich alles geändert. Alle bisher feindlichen Blät¬ ter nehmen ſich der Simoniſten auf das freundlichſte an. Der Figaro erklärt auf eine edle und rüh¬ rende Weiſe, er werde von nun an kein Wort mehr gegen ſie ſchreiben, ſondern all ſeinen Spott der rohen Gewalt zuwenden. Ein Blatt für die prote¬ ſtantiſchen Intereſſen, das die religiöſe Lehre der Simoniſten ſtets mit Kraft und Ernſt bekämpft, machte gleich am andern Morgen bekannt, es ent¬ ſage von nun an ſeinem Kriege, und werde die Waffe nun gegen die gemeinſchaftlichen Feinde füh¬ ren. Ein Mann, der eine Schrift gegen die Simo¬ niſten zum Drucke fertig hatte, erklärte öffentlich, er werde ſie unter ſolchen Verhältniſſen nicht bekanntIV. 9130machen. Iſt das nicht alles, wie bei uns? Auch dort, ſobald die Regierung einen Menſchen, ein Buch, eine Lehre verfolgt, erheben ſich gleich die lieben, guten, hochherzigen Deutſchen zum Schutze und zum Beiſtande der Schwachen.

Das Gedicht auf den Preußen-Galgen iſt wun¬ derſchön. Ich werde es dem General Uminski mit¬ theilen.

Schrieb ich Ihnen nicht ſchon im Anfange die¬ ſes Winters, es würde noch dahin kommen, daß die franzöſiſche Regierung, von der man früher erwartet, ſie würde andern Völkern beiſtehen, ihre Freiheit zu erkämpfen, ſich mit allen despotiſchen Mächten ver¬ bindet, die Freiheit überall zu unterdrücken? Nun heute erzählt man, Schiffe mit Menſchen wären aus einem franzöſiſchen Hafen ausgelaufen, um Ankona zu beſetzen, und gemeinſchaftlich mit Oeſterreich und dem Papſte die Italiener unter das alte ſchmähliche Joch zu bringen! Wahrhaftig ich ſchäme mich. Mein Argwohn hinkt lächerlich hinter der Tyrannei her, die, Hand in Hand mit der Thorheit, ſchneller als der Wind ſeinen Blicken enteilt.

[131]

Sechs und zwanzigſter Brief.

Vor einigen Tagen wurden hier, zum Erſten¬ male ſeit der Revolution, zwei Menſchen hingerichtet. Da verloſch der letzte Strahl eines ſchönen Tages. Als damals das Volk über das Leben aller ſeiner Feinde gebot und es ſchonte, dachten einige edle Männer daran, dieſe Tugend des Volkes, ſo lange ſie noch regierte zum künftigen Geſetze zu erheben, damit, wenn die Macht wieder an Jene käme, die nie geſchont, ſie ihren Rachedienſt doch wenigſtens nicht mit Blut ſollen ſtillen dürfen. Sie trugen da¬ her in der Kammer auf die Abſchaffung der Todes¬ ſtrafe an. Doch jene Andern, die es genau berech¬ neten, wie viel in dieſer betrübten Zeit, da ihr Ge¬ werbe ganz darnieder lag, ihnen an Kapital und Zinſen verlohren ginge, und daß ſie das ſpäter alle wieder[herbeiſchaffen] müßten, es zum alten Schatze9 *132zu legen, erſchracken über die Abſchaffung der Todes¬ ſtrafe. All ihr Glück liegt in der Hoffnungsloſig¬ keit des Unglücks wie kann man regieren ohne Tod? Doch ſchwiegen ſie. Denn damals ſtanden ihre unglücklichen Freunde vor Gericht, die Miniſter Karls X., die ganz in ihrem Geiſte und nach ihrem Herzen gehandelt, denen es aber mislungen war. Man wollte ſie vom Tode retten und ließ darum die Wünſche des Volks für die Abſchaffung der Todesſtrafe nicht kalt werden. Sobald aber die Miniſter zur Gefangenſchaft verurtheilt waren, be¬ freite man ſich von der ſchweren Heuchelei und führte für die Beibehaltung der Todesſtrafe alle die Gründe an, welche die Mächtigen, Vornehmen und Reichen ſeit jeher geltend gemacht, weil ihnen der Schutz ihrer Macht und die unbeſtrittene Herrſchaft ihrer Leidenſchaften und eine mathematiſche Sicherheit ihrer Reichthümer höher gelten, als Chriſtus Lehre und als das Gebot der Menſchlichkeit. Ihr eignes Herz zum Maasſtabe nehmend, hatten ſie ausgemeſſen, nach ei¬ nem Jahre würde das Herz des Volks ſo klein ge¬ worden ſeyn, daß die große Idee von der Abſchaf¬ fung der Todesſtrafe nicht mehr Platz darin findet. Aber ſie täuſchten ſich.

Vor einigen Monaten wollte man auf dem Grève-Platze einen Verbrecher hinrichten, als aber das Volk die Vorbereitungen ſah, zeigte es ſich ſo133 aufgeregt und widerſetzlich, daß man die Hinrichtung nicht vorzunehmen wagte. Jetzt haben ſie den Richt¬ platz an das Ende der Vorſtadt St. Jaques verlegt, außerhalb des Geſichtskreiſes des Volkes, eine Stunde vom Mittelpunkte der Stadt entfernt. Die letzte Hinrichtung haben ſie ganz im Stillen voll¬ zogen; erſt zwei Tage ſpäter erfuhr Paris davon. Die Zeitungen der Miniſter haben es im Triumphe erzählt, wie ſchön Alles gelungen, und wie der Schleier des Geheimniſſes alles dicht bedeckte. Das Schaffot wurde in der Nacht aufgerichtet und die Verbrecher morgens acht Uhr auf den Richtplatz ge¬ führt. Dieſe waren ſchon ſeit vielen Monaten ver¬ urtheilt, auf die Begnadigung hofften ſie nicht mehr, ſie war ihnen Gewißheit. Noch am Nachmit¬ tage gingen ſie im Hofe der Conciergerie ruhig und rettungsfroh ſpatzieren, und als ſie ſich Abends zu Bette legen wollten, kündigte man ihnen für den andern Morgen den Tod an. Der eine Verurtheilte ſagte am Fuße der Guillotine zum Henker: eilt Euch! eilt Euch! Aber ſie haben ihn nicht ver¬ ſtanden, dieſen Donner des Himmels. Eilt Euch! Eilt Euch! ruft es ihnen von oben herab; kurz iſt Eure Zeit! Die heillos verblendeten Thoren! Als der edle Tracy in der Kammer auf die Abſchaffung der Todesſtrafe angetragen, da hätten ſie nicht ruhen und raſten, ſie hätten ihre Kinder nicht wiederſehn,134 nicht eher eſſen, trinken und ſchlafen ſollen, bis das rettende Geſetz angenommen und verkündigt worden. Die Unglückſeligen! Für wen denn haben ſie das Schaffot aufgerichtet, für wen haben ſie das ver¬ roſtete Beil des Henkers wieder blank geſchliffen? Für ſich[ſelbſt]. Nicht zum Zweitenmale wird das Volk ſeine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht zum zweitenmale wird es ſeinen Feinden das Leben ſchenken.

Wenn Pfeilſchifters Blätter für den deutſchen Adelſtand nicht eben ſo unſichtbar ſind, als es noch alle ſeine frühern Schriften waren, wenn man ſie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir einige davon hieher zu ſchicken. Es iſt ein Werk der Menſchlichkeit und ich wäre im Stande ſelbſt daran zu arbeiten. Charpie für den deutſchen Adel¬ ſtand er wird ſie bald nöthig haben. Zupft! Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen gethan: doch wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum Menſchen, ſobald er krank und unglücklich geworden. Ach, wie ſchön ordnet ſich das jetzt alles; wir dum¬ men Demokraten hätten das nie gefunden. In den früheſten Zeiten war das Volk nichts, der Fürſt we¬ nig, der Adel Alles. Aber die Fürſten wollten mehr werden, und verbanden ſich mit dem Volke, den Adel zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahr¬ hunderten. Die Fürſten wurden viel, der Adel ſank135 zu wenig herab, das Volk erhob ſich zu etwas. Nun aber wollten die Fürſten Alles werden, und verban¬ den ſich wieder mit dem Adel, um das Volk in ſein altes Nichts zurück zu ſtürzen. Das gelang nicht; ja, das Volk wurde immer mächtiger und gelangte endlich zu der ſpäten Einſicht, daß ihm allein Alles gebühre, und den Fürſten und Edelleuten, ſo lange ſie außer dem Volke ſtehn, nicht das Geringſte. Jetzt in unſern Tagen iſt die Noth und Gefahr für die Fürſten ſo groß geworden, daß ſie, wie immer in Gefahren, ſich hinter die Fronte der Streiter bege¬ ben. Den Adel, an deſſen Spitze ſie ſonſt ſtanden, ſtellen ſie vor ſich hin, und das ändert die Lage des Kampfes auf das Allervortheilhafteſte für uns. Den Völkern war eine Art religiöſer Scheu vor ihren Fürſten anerzogen, und darum, ob ſie zwar immer wußten, daß der Adel ihr eigentlicher Feind ſey, tru¬ gen ſie doch Bedenken, denſelben mit aller Macht zu treffen, aus Furcht, die Fürſten zu verletzen, die vor ihm ſtanden. Jetzt aber, da die Fürſten zurücktreten, wird die Völker nichts mehr abhalten, ihren ewigen Feind mit aller Kraft zu bekämpfen, und ihr Sieg iſt ſicher. Nach dem polniſchen Kriege hat ſich der mächtige Kaiſer Nikolas ganz erſchöpft in die Arme ſeines Adels geworfen; der abſolute König von Preu¬ ßen organiſirt die Ariſtokratie der Schweiz, und dient als gemeiner Ritter in ihren Reihen. Der engliſche136 Adel drängt ſeinen König zurück, und der franzöſiſche rüſtet ſich mit dem Gelde der dummen Banquiers. Darum ſchreibt, Ihr Pfeilſchifter! Zupft, Ihr gnä¬ digen Fräulein von Neuſchatel! Zupft; das iſt Wei¬ berarbeit, das kömmt Euch zu! Aber erröthet, daß Ihr die alten Fiſchweiber von Paris übertroffen, und furienartiger, als jene einſt die Ariſtokraten mishan¬ delt, mit Euern zarten adlichen Händen den Demo¬ kraten das Geſicht zerkratzt, die der galante Herr von Pfuel, einſt der Bayard des Tugendbundes, ge¬ feſſelt vor Euer Sopha geſchleppt. Zupft, während wir die Schwerter wetzen!

In der allgemeinen Zeitung nicht in der des Herrn von Cotta, ſondern in der deutſchen allgemeinen Zeitung ſtehet: noch ein Wort über Börne; ein ſehr verdienſtvoller Artikel, der wegen der vielen Wunden, die er empfangen, mit dem Cenſur-Orden geſchmückt worden iſt. Das iſt nun einer der Wohlwollenden, der froh und emſig Alles herbeigeholt, was er zu meiner Vertheidigung für nöthig hielt, und der es herzlich bedauert, daß er mich nicht in Allem vertheidigen kann. Nun wohl, er hat mich beſſer verſtanden, als die Andern; aber auch nur beſſer verſtanden was ich geſagt, was gedruckt zu leſen war. Doch was ich nicht geſagt, was nicht gedruckt worden, das entging ihm, wie es den Uebrigen entgangen. Haben Euch denn die137 täglichen Gedankenſtriche Euerer Cenſur nicht wenig¬ ſtens im Errathen einige Uebung gegeben? Ach, das iſt eben der Jammer mit den Deutſchen. Weil ſie immer ſo gründlich, ſo vollſtändig ſind; weil ſie Alles, was ſie thun, mit dem Anfange anfangen, und mit dem Ende aller Dinge endigen; weil, ſo oft ſie leh¬ ren, ſie Alles lehren, was ſie wiſſen über Alles; weil ſie, wäre auch nur zu reden von der Angelegenheit dieſer Stunde, von den Verhältniſſen eines beſchränk¬ ten Raumes, ſie die ganze Ewigkeit, die ganze Un¬ endlichkeit durchſprechen; weil ſie hinausſchiffen in den großen Ocean, ſo oft ſie ſich die Hände waſchen wollen - urtheilen ſie, findet ſich einmal ein Mann, der ſagt, was zu wiſſen nur eben Noth thut, es ſey ein oberflächlicher, einſeitiger Menſch, der luftige Worte ſpräche und nichts gründliches ſage. Was iſt da zu thun? Ach, geſtehet es nur, wenn wir uns wechſelſeitig unerträglich ſind, ſo iſt doch meine Laſt viel größer, als die Euere. Meine kleine Bür e unter dreißig Millionen Menſchen vertheilt: das gibt jedem von Euch gar wenig zu tragen. Aber mir hocken dreißig Millionen Deutſche auf dem Rücken, und die ſind ſehr ſchwer, ſehr ſchwer! Geſteht es nur, ich brauche mehr Geduld mit Euch, als Ihr Geduld mit mir braucht.

Mein wohlmeinender Freund in der deutſchen allgemeinen Zeitung ſagt: man möge nicht vergeſſen,138 daß ich ein Jude bin. Aber das ſpricht er nicht als Vorwurf wie die Andern aus; nein, er gedenkt deſſen zu meiner Entſchuldigung, ja, zu meinem Lobe. Er ſagt: mit Recht wäre ich gegen die Deutſchen erbittert, die mein Volk ſo gedrückt und geſchändet; nicht der Haß, die Liebe habe mich verblendet. Fer¬ ner: Der Ironie Börne's iſt das Franzoſenthum der Rieſenmaasſtab geworden, mit welchem gemeſ¬ ſen die deutſche Nationalität in ihrer ganzen Zwerghaftigkeit und Verkrüppelung erſcheinen ſoll. Ferner: Auch die Ironie bedarf eines Gegenſatzes, wie Alles in dieſer Welt voll Licht und Schatten, und ſie muß daher, um ihren Gegenſtand in ſeiner ganzen Kleinheit darzuſtellen, ein wirklich oder ſchein¬ bar Großes ihm entgegenſetzen. Ferner: Die ernſten ſchlagenden Worte eines Rotteck und Wel¬ ker, aber wahrlich nicht die fliegenden Witze eines Heine und Börne, ſtreuen den Saamen künfti¬ ger Thaten über unſer Vaterland aus .... Hat man Börne's Briefe zu Ende geleſen, ſo iſt auch der Eindruck vorüber und es iſt uns nicht anders zu Muthe, als hätten wir einem glänzenden Feuer¬ werke zugeſehen .... Allein alle dieſe einzelnen Winke können doch nimmer die Bahn bezeichnen, auf welcher die Nationen vorwärts zu ſchreiten ha¬ ben; das vermögen keine blendenden, zuckenden Ge¬ dankenblitze, ſondern nur das Licht der klaren un¬139 wandelbaren Sonne. Und noch mehrere Dinge ſolcher Art ſpricht der Freund, auf welche ich Dinge meiner Art erwiedern will.

Es iſt wie ein Wunder! Tauſendmale habe ich es erfahren, und doch bleibt es mir ewig neu. Die Einen werfen mir vor, daß ich ein Jude ſey; die Andern verzeihen mir es; der Dritte lobt mich gar darfür; aber Alle denken daran. Sie ſind wie gebannt in dieſem magiſchen Judenkreiſe, es kann keiner hinaus. Auch weiß ich recht gut, woher der böſe Zauber kömmt. Die armen Deutſchen! Im unterſten Geſchoſſe wohnend, gedrückt von den ſieben Stockwerken der höhern Stände, erleichtert es ihr ängſtliches Gefühl von Menſchen zu ſprechen, die noch tiefer als ſie ſelbſt, die im Keller wohnen. Keine Juden zu ſeyn, tröſtet ſie dafür, daß ſie nicht einmal Hofräthe ſind. Nein, daß ich ein Jude ge¬ boren, das hat mich nie erbittert gegen die Deut¬ ſchen, das hat mich nie verblendet. Ich wäre ja nicht werth, das Licht der Sonne zu genießen, wenn ich die große Gnade, die mir Gott erzeigt, mich zu¬ gleich ein Deutſcher und ein Jude werden zu laſſen, mit ſchnödem Murren bezahlte wegen eines Spot¬ tes, den ich immer verachtet, wegen Leiden, die ich längſt verſchmerzt. Nein, ich weiß das unverdiente Glück zu ſchätzen, zugleich ein Deutſcher und ein Jude zu ſeyn, nach allen Tugenden der Deutſchen140 ſtreben zu können, und doch keinen ihrer Fehler zu theilen. Ja, weil ich als Knecht geboren, darum liebe ich die Freiheit mehr als Ihr. Ja, weil ich die Sclaverei gelernt, darum verſtehe ich die Freiheit beſſer als Ihr. Ja, weil ich keinem Vaterlande ge¬ boren, darum wünſche ich ein Vaterland heißer als Ihr, und weil mein Geburtsort nicht größer war, als die Judengaſſe, und hinter dem verſchloſſenen Thore das Ausland für mich begann, genügt mir auch die Stadt nicht mehr zum Vaterlande, nicht mehr ein Landgebiet, nicht mehr eine Provinz;[nur] das ganze große Vaterland genügt mir, ſo weit ſeine Sprache reicht. Und hätte ich die Macht, ich dul¬ dete nicht, daß Landgebiet von Landgebiet, daß deut¬ ſcher Stamm von deutſchem Stamm auch nur eine Goſſe trennte, nicht breiter als meine Hand; und hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß nur ein einziges deutſches Wort aus deutſchem Munde jen¬ ſeits der Grenzen zu mir herüberſchallte. Und weil ich einmal aufgehört, ein Knecht von Bürgern zu ſeyn, will ich auch nicht länger der Knecht eines Fürſten bleiben; ganz frei will ich werden. Ich habe mir das Haus meiner Freiheit von Grunde auf gebaut; macht es wie ich und begnügt Euch nicht, das Dach eines baufälligen Staatsgebäudes mit neuen Ziegeln zu decken. Ich bitte Euch, verachtet mir meinen Juden nicht. Wäret Ihr nur wie ſie, dann141 wäret Ihr beſſer; wären ihrer nur ſo viele als Ihr ſeyd, dann wären ſie beſſer als Ihr. Ihr ſeyd dreißig Millionen Deutſche, und zählet nur für drei¬ ßig in der Welt; gebet uns dreißig Millionen Juden, und die Welt zählte nicht neben ihnen. Ihr habt den Juden die Luft genommen; aber das hat ſie vor Fäulniß bewahrt. Ihr habt ihnen das Salz des Haſſes in ihr Herz geſtreut; aber das hat ihr Herz friſch erhalten. Ihr habt ſie den ganzen lan¬ gen Winter in einen tiefen Keller geſperrt, und das Kellerloch mit Miſt verſtopft; aber Ihr, frei dem Froſte blosgeſtellt, ſeyd halb erfroren. Wenn der Frühling kömmt, wollen wir ſehen, wer früher grünt, der Jude oder der Chriſt.

Sie ſagen: Die Franzoſen erſchienen mir als Rieſen, und die Deutſchen ſtellte ich als Zwerge ne¬ ben ſie. Soll man da lachen oder trauern? Wem ſoll man begegnen? Was ſoll man beantworten? Unverſtand und Misverſtand ſind Zwillingsbrüder, und es iſt ſchwer, ſie von einander zu unterſcheiden, für jeden, der nicht ihr Vater iſt. Wo habt Ihr klugen Leute denn das herausgeleſen, daß ich die Franzoſen als Rieſen anſtaune, und die Deutſchen als Zwerge verachte? Wenn ich den Reichthum jenes ſchlechten Banquiers, die Geſundheit jenes dummen Bauers, die Gelehrſamkeit jenes Göttinger Profeſſors preiſe, und mich glücklich ſchätze, ſolche142 Güter zu beſitzen bekenne ich denn damit, daß jene glücklicher ſind als ich, und daß ich mit ihnen tauſchen möchte? Ich, mit ihnen tauſchen? Der Teufel mag ſie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge wünſche ich mir, weil mir dieſe Güter fehlen. Mir würden ſie zum Guten gereichen; aber jenen, die ſie beſitzen, gedeihen ſie nicht, weil es die einzigen Gü¬ ter ſind, die ihnen nicht fehlen. Wenn ich den Deutſchen ſage: Macht, daß Euer Herz ſtark genug werde für Euern Geiſt; daß Euere Zunge feurig genug werde für Euer Herz; daß Euer Arm ſchnell genug werde für Euere Zunge; eignet Euch die Vorzüge der Franzoſen an; und Ihr werdet das erſte Volk der Welt habe ich denn damit erklärt, daß die Deutſchen Zwerge ſind, und die Franzoſen Rieſen? Austauſchen, nicht tauſchen ſollen wir mit Frankreich. Käme ein Gott zu mir und ſpräche: Ich will dich in einen Franzoſen umwandeln mit allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen dei¬ nen Erinnerungen und Hoffnungen ich würde ihm antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein Deutſcher bleiben mit allen ſeinen Mängeln und Auswüchſen; ein Deutſcher mit ſeinen ſechs und dreißig Fürſten, mit ſeinen heimlichen Gerichten, mit ſeiner Cenſur, mit ſeiner unfruchtbaren Gelehrſam¬ keit, mit ſeinem Demuthe, ſeinem Hochmuthe, ſeinen Hofräthen, ſeinen Philiſtern auch mit ſeinen143 Philiſtern? Nun ja, auch mit ſeinen Philiſtern. Aber ich ſage Euch, es iſt ſchwer, ein gerechter Rich¬ ter ſeyn!

Ihr ſagt: Die Ironie bedürfe eines Gegen¬ ſatzes, die der meinigen fehle. Wie! Merket Ihr, was ihr fehlet, dann fehlt ihr ja nichts mehr, und merkt Ihr nichts, dann fehlt ihr wieder nichts. Ihr ja ſeyd ſelbſt der Gegenſatz! Soll ich Euch, breit wie Ihr ſeid, auf das ſchmale Papier hinſtellen, das ja kaum für meine kleine Ironie groß genug iſt? Man malet den Schatten, man malet nie das Licht. Soll ich Euch etwa loben, ein Volk loben? Seid Ihr denn mehr als Sonne und Mond? Nun, wenn die Sternkundigen von Mond und Sonne lehren, dann reden ſie nicht lange und breit davon, daß Mond und Sonne leuchten das ſiehet jeder dumme Hanns von ihrem Schatten, ihren Flecken reden ſie. Das iſt, was gelernt werden muß, darin iſt die Wiſſenſchaft. Von den Tugenden der Franzoſen konnte ich ſprechen, denn das ſind Lichtflecken. Ihr ſeyd ein Ganzes mit meinem Buche. Beur¬ theilt es, aber beurtheilt Euch mit, daß Ihr es nicht falſch beurtheilet. Ihr ſagt: mit ſolchen fliegenden144 Witzen ſtreue man nicht den Saamen künftiger Thaten über unſer Vaterland aus! O ſchonet nicht! Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von Saamen ausſtreuen reden hören. Jetzt reden ſie noch von ſäen, da doch ihr Korn ſchon längſt geſchnitten iſt, und es nur an Dreſchern fehlt, die es ausſchla¬ gen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die Euch gedroſchen; dankt es mir! Saamen aus¬ ſtreuen! Man verliert alle Geduld. So macht Euch auch eine neue Erde für Euern Saamen, das wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht meinet Ihr. Wenn man meine Briefe geleſen, bliebe nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk! Bin ich ein Gott? Kann ich Euch den Tag geben? Ich kann Euch nur zeigen, daß Ihr im Dunkeln lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine Briefe geleſen, bleibt noch die ganze Göttinger Bib¬ liothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir, daß ich ihnen Waſſer ſtatt Wein einſchenkte, und können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf ſtammeln. Was nennt Ihr wirken? Was nennt Ihr die Menſchen bewegen? Heißt Ihr das, ſie bewegen, wenn es Euch gelingt, ſie zu Eueren Ge¬ ſinnungen hinüber zu ziehen? Wenn ſo, dann bin ich beſcheidener als Ihr. Ich nenne es auch die145 Menſchen bewegen, wenn es mir gelingt, ſie fortzu¬ treiben, entfernten ſie ſich auch von meiner Geſinnung. Sie gingen doch, ſie blieben nicht länger ſtehen. Und das iſt mir gelungen. Welche Begebenheit der Welt hat denn ſeit der großen Sontag das deutſche Volk ſo in Bewegung geſetzt als mein Buch? Nun freilich, der Sängerin haben ſie den Wagen gezogen, und nach mir, der gepfiffen, haben ſie mit faulen Aepfeln geworfen; aber ſie haben ſich bewegt für mich, wie für ſie, und die Bewegung war ihnen gut. Freilich haben ſie die Sängerin mit Flötenliedern in den Schlaf gelullt, und mich haben ſie mit einer gräu¬ lichen Katzenmuſik aus dem Schlafe geweckt; aber bis vor Mitternacht haben ſie vor meinem Hauſe gekeſſelt und geklappert, ſie ſind ſpäter zu Bette ge¬ gangen, ſie haben drei Stunden weniger ge¬ ſchlafen. Iſt das nicht Gewinn? Habe ich nicht die Röthe des Zorns in tauſend blutleere Wangen gejagt, und ſeyd Ihr denn ſo ganz gewiß, daß nicht manche ſchüchterne Schaamröthe das benutzt, ſich leiſe, ſachte auch darüber hinzuſchleichen? Habe ich nicht manches kalte Herz entflammt? Mag nun die Flamme meinen Scheiterhaufen anzünden, oder den Weihrauch, den man auf meinen Altar geſtreut was geht das Euch an? Das iſt meine Sache. Ge¬ nug, es flammt. Seyd nicht undankbar gegen einen Euerer treuſten Diener, der mit den Andern gehol¬lV. 10146fen, Euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der große Friedrich in ſeinen hohen Jahren ſchlafbegierig geworden, da, ſeiner Fürſtenpflicht eingedenk, befahl er ſeinem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer über die Gewalt; aber war er einmal munter ge¬ worden, dann lobte er ſeinen Diener. Trinkt nur erſt Eueren Kaffee, und dann werdet Ihr es mir danken, daß ich Euch die Bettdecke vom Leibe weg¬ gezogen. Die Zeit wird kommen, wo Ihr alle meine Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet Ihr die Erſten ſeyn, es zu geſtehn, daß ſie einſt gerecht geweſen.

Sie verlangen, ich ſolle ihnen die Bahn be¬ zeichnen, auf welcher ſie vorwärts zu ſchreiten haben. Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft nicht: ſpottet Ihr über Euch ſelbſt, oder wollt Ihr mich zum Beſten haben? Wie? Soll ich Euch Bücher ſchreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit und Cenſur, ja nicht zu vergeſſen die Caution; von öffentlichen Gerichten; von Geſchwornen; von Ab¬ ſchaffung des Neubruchszehenten, des Blutzehenten, und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der Frohnden und Zünften; von Aufhebung der Univer¬ ſitäts-Gilden; von perſönlicher Freiheit; von einem gemeinſchaftlichen deutſchen Geſetzbuche; von gleichem147 Maaße und Gewicht und gleichem Münzfuße; von Freiheit des Handels; von wahrer freier Volksver¬ tretung; von ſtarker Wehrverfaſſung gegen das Aus¬ land? Von dem Allen ſollte ich Euch ſprechen? Hat es denn noch Keiner vor mir gethan? Habt Ihr geſchlafen die letzen funfzig Jahre? Dankt es mir doch, daß ich Euch den Buchbinder-Lohn erſpare. Poſitives wollen ſie haben! Wahrhaftig, ſie haben es mir vorgeworfen, es ſey gar nichts Poſitives in meinen Briefen. Poſitives! Und ihr Poſtament iſt die ganze Erde! Iſt es Euch noch nicht hoch, noch nicht breit genug? Traut Ihr ſeiner Dauerhaftigkeit nicht, und bittet mich, noch eine Lage Poſitives aufzuſetzen? Ich verbürge mich für ſeine Dauerhaftigkeit. Wagt es, wagt es endlich einmal, die Bildſäule der[Freiheit] darauf zu ſetzen. Olden¬ burger! Doch nein, ich will mich nicht ärgern und Euch auch nicht. Doch könnt Ihrs nicht mit Freundſchaft anhören, was ich Euch mit Freundſchaft ſage, daß Ihr Alle wie die Oldenburger Herren ſeyd? Dieſe arbeiten jetzt an guten Communalſchuhen, und ſind dieſe fertig nach hundert Jahren, ſtecken ſie die Füße hinein; und nach hundert Jahren ſtellen ſie den Leib auf die Füße; und nach hundert Jahren ſtellen ſie den Hals auf den Leib; und nach hundert Jahren ſetzen ſie den Kopf auf den Hals; und nach hundert Jahren ſetzen ſie den Freiheitshut auf den10*148Kopf; und dann hat Oldenburg eine Conſtitution, ſo gut und ſo ſchön wie eine. O Oldenburger! Oldenburger!

Neue Ideen wollen ſie auch von mir haben! Ein anderer Narr hat erzählt, er habe in meinem Buche nicht eine, nicht eine einzige neue Idee ge¬ funden. Spannet alle Euere Profeſſoren auf die Folter, und wenn ſie Euch beim dritten Grade eine neue Idee bekennen, dann hat ihnen der Schmerz die Lüge abgepreßt, die ſie widerrufen, ſobald Ihr ſie von ihrer Qual befreit. Schweigt! Ihr wißt nicht, wie man Völker erzieht. Ich verſtehe es beſ¬ ſer. Ein Volk iſt ein Kind! Habt Ihr einen hoff¬ nungsvollen Knaben, geſchmückt mit allen Vorzügen des Körpers, ausgeſtattet mit allen Gaben des Her¬ zens und des Geiſtes; aber eine unheilbare Schwäche, eine ſchlimme Angewohnheit verunziert des Knaben gute Natur, oder für einen gemeinen Fehler hat er Strafe verdient werdet Ihr, wie folgt, mit ihm reden? Komm her Junge, küſſe mich. Du biſt ein herrliches Kind, meine Freude und mein Stolz; deine Mutter lobt dich, deine Lehrer rühmen dich, deine Kameraden bewundern dich. Und jetzt haſt du eine Ohrfeige, denn du warſt unartig geweſen. Und jetzt küſſe mich wieder, theures Kind! Nein, ſo han¬ delt Ihr, ſo redet Ihr nicht, ſo thöricht ſeyd Ihr nicht. Ihr gebt dem Knaben eine Ohrfeige und von149 dem Uebrigen ſchweigt Ihr. Darüber gehen ſeine ſchönen Eigenſchaften nicht zu Grunde. War aber ein reifer und verſtändiger Mann bei der Züchtigung des Knaben, dann vernahm er wohl etwas in der ſchwankenden Stimme des Vaters, das wie eine frohe Rührung klang; dann ſah er wohl etwas in ſeinem Auge, das wie eine Hoffnungs-Thräne ſchim¬ merte. Dann küßte vielleicht der fremde Mann den weinenden Knaben, doch ganz gewiß tadelte er den Vater nicht.

Es erzählte mir Jemand aus der Zeitung, die Juden in Frankfurt würden mehrere Freiheiten be¬ kommen; ſtatt funfzehen Paare jährlich, ſollen künf¬ tig achtzehn Paare heyrathen dürfen. O Zeitgeiſt! Zeitgeiſt! Wer kann dir widerſtehen?

Wenn **** zu Ihnen kömmt, binden Sie ſich einen dicken Schawl um den Hals, denn er haut Einem den Kopf ab, ehe man ſich's verſieht. Das iſt ein Jacobiner!

In Preußen hat man den Juden das deut¬ ſche Predigen verboten. Ach ja, ich will es wohl glauben. Wie glücklich wären ſie, wenn ſie auch in den Kirchen, den Gerichten, auf dem Markte, in den Zeitungen und ſonſt überall, wo man mit der Menge ſpricht, die deutſche Sprache verbieten und dafür die hebräiſche einführen könnten, die Keiner verſtehet! 150Hebräiſch regieren das wäre etwas himm¬ liſches! Ein Punkt kann den ehrlichſten Mann an den Galgen bringen; ein Punkt, ein Strich mehr oder weniger, da oder dort, giebt dem Geſetze einen ganz andern Sinn; man kann das Recht kneten wie Butter und eine grobe Conſtitution ſo fein machen, daß ſie durch ein Nadelöhr geht. Denkt daran, Ihr chriſtlichen Miniſter! werdet Rabbiner und ich habe das erfunden! Auch will man jetzt in Preußen al¬ len Civilbeamten Uniformen geben. Das iſt die rechte Höhe der Tyrannei, der Superlativ, der deut¬ ſche Superlativ des Monarchismus; es iſt eine aller¬ höchſte Spitzbüberei. Dadurch will man die Regie¬ rung ganz vom Volke trennen, die Beamten unter den Corporalſtock der Disciplin bringen, Vaterlands¬ liebe in blinden Gehorſam verwandeln, und aus dem ſitzenden Heere der Schreiber ein ſtehendes Heer machen; aus Richtern und Hofräthen Soldaten, welche die Feder ſtatt der Flinte ſchultern, ſtatt Patron¬ taſchen Wappen tragen und Verordnungen und Stra¬ fen wie Patronen gebrauchen. Die Kammergerichts - Aſſeſſoren werden Schildwache ſtehen müſſen und die Referendaire des Nachts patrouilleren. Das Mini¬ ſterium wird das Hauptquartier und jedes Amt eine Wachtſtube. So verknechtet man das Volk, ſo verknechtet man ſeine Hüter, ſo verknechtet man Alles von der Hütte bis zum Throne, vom151 Bettler bis zum Oberknechte. Ach! ſo viele Um¬ ſtände wären gar nicht nöthig. Die Preußen ſind gute Menſchen und leitſam wie die Hämmel. Der Kühnſte unter ihnen, der Herr Profeſſor von Raumer, iſt noch furchtſam wie ein Spatz. Er hatte einmal den Muth, von der Galeerenbank der Cenſur weg¬ zulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cho¬ lera, wo Jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn frei¬ lich nicht gehabt, wäre nicht Sr. Excellenz, der Ge¬ heimerath von Raumer, Galeerenhauptmann und ſein Onkel geweſen, auf deſſen Schutz er rechnen durfte, wenn man ihn wieder erwiſchte. Indeſſen er hatte ihn. Gleich ließ er ſeine Heldenthaten, als ſein eig¬ ner Homer, in die allgemeine Zeitung ſetzen. Das war zu viel. Dagegen konnte ihn auch ſein gnädi¬ ger Onkel nicht ſchützen, das griff die preußiſche Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Pro¬ feſſor Raumer, ſeinen kühnen Schritt zu leugnen, und er hatte die Feigheit, es zu thun und öffentlich be¬ kannt zu machen, er habe die Nachricht nicht in die allgemeine Zeitung geſchickt, er wiſſe nichts davon. Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uni¬ formen gegen oder für ſolche Menſchen? Herr von Raumer kam wieder zu Gnade und zu größerer als vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener will man haben, Menſchen, die mit Herz und Glau¬152 ben dem Abſolutismus dienen; nein, Herz und Glau¬ ben ſind der Tyrannei verhaßt, auch wenn ſie ihr dienen. Man will freigeſinnte, aber gottvergeſſene Menſchen, die ein Gewiſſen zu verkaufen, die eine urſprünglich gute Geſinnung dem Teufel zu verſchrei¬ ben haben. Die ſucht man, die belohnt man am be¬ ſten. Die kann man dem Volke zur Verführung aufſtellen, als hohnlächelnde Beweiſe vorzeigen, daß Tugend nichts iſt und Ehre eine Waare. So ver¬ knechtet, ſo entadelt man die Menſchheit, daß ſie Gott ſelbſt nicht mehr erkennt und ſie der Gewalt der Tyrannei überläßt.

Heute bin ich ganz vergnügt, daß ich geſtern keinen Brief bekommen. Dafür bekomme ich ihn heute, oder jeder Funke der Menſchlichkeit müßte in Ihnen erloſchen ſeyn. Haben Sie meine erſchüttern¬ den Ermahnungen vom Neujahrstage ſchon vergeſſen? Warten Sie nur, dann[ſchreibe] ich Ihnen wieder einen Brief, der Ihnen das Herz in tauſend kleine Stücke brechen ſoll.

Den geſtrigen Abend brachte ich in einer Soi¬ rée St. Simonienne zu, bis gegen Mitternacht. Es iſt eine wöchentliche Zuſammenkunft, die, wie jede Andere, der geſelligen Unterhaltung gewidmet iſt, und keine beſondere religiöſe oder doctrinaire Beſtim¬153 mung hat. Ich kann Ihnen nicht beſchreiben, wel¬ chen wohlthuenden Eindruck das Ganze auf mich ge¬ macht. Es war mir, als wäre ich aus der Winter¬ kälte einer beſchneiten nordiſchen Stadt in ein Glas¬ haus gekommen, wo laue Frühlingslüfte und Blumen¬ düfte mich empfingen. Es[] war etwas aus einer fremden Zone und aus einer ſchönern Jahreszeit. Und doch war ich mit keinem vorbereitet günſtigem Gefühle, ſondern ganz anders, mit unfreundlichen Gedanken dahin gekommen. Ich hatte mir feſt ver¬ ſprochen: dort findeſt du Menſchen, die einem Jahr¬ hunderte und einer Welt vorausgeeilt, oder die Jahr¬ tauſende zurückgegangen, um das Kinderparadies der Menſchheit aufzuſuchen; und du findeſt ſie mit den neueſten Geſichtern vom 9. Februar 1832, mit den Meinungen, Reden, Geſinnungen, Witzworten, Fra¬ gen und Antworten und dem ganzen ewigen Kalen¬ der aller Franzoſen und Pariſer. Ich fand ſie nicht ſo. Es ſchwebte ein Geiſt heitern Friedens über dieſen Menſchen, ein Band der Verſchwiſterung um¬ ſchlang ſie Alle und ich fühlte mich mit umſchlungen. Eine Art Wehmuth überſchlich mich, ich ſetzte mich nieder, und unbekannte Gefühle lullten mich in eine Vergeſſenheit, die mich dem Schlummer nahe brachte. War es der magnetiſche Geiſt des Glaubens, der auch den Ungläubigen ergreift wider ſeinen Willen? Ich weiß nicht. Aber ſchweigende Begeiſterung muß154 wohl mehr wirken als redende; denn die Reden der Simoniſten haben mich nie gerührt. Dabei war Alles Luſt und Freude, nur ſtiller. Es wurde ge¬ tanzt, Muſik gemacht, geſungen; man ſpielte Quar¬ tetts von Haydn. Es waren wohl hundert Men¬ ſchen, ein Dritttheil Frauenzimmer. Die Männer waren mit ihren Weibern gekommen! Das ſieht man freilich in andern Pariſer Geſellſchaften auch; aber dort kommen und gehen die Männer mit ihren Weibern, während ſie aber beiſammen ſind, findet eine Art Eheſcheidung zwiſchen ihnen ſtatt. Hier aber konnte ich erkennen, welcher Mann zu welcher Frau gehörte. Im Vorzimmer ſaß eine ganze Reihe Kammer - und Dienſtmädchen. Sie kamen oft in das eine Geſell¬ ſchaftszimmer, um durch die offne Thüre des Salons ihre Herrſchaften tanzen zu ſehen und ſingen zu hören. Dieſe Gleichheit gefiel mir ſehr. Noch beim Nach¬ hauſegehen auf den Boulevards fühlte ich mich ſeelen¬ warm und ich ging zu Tartonie und ein Glas Plombieres, wobei ich Ihrer gedachte, beſonders als ich an die Vanille kam.

Es geht dem *** wie vielen Deutſchen, welche die Nebenſache zur Hauptſache gemacht. Die fran¬ zöſiſche Leichtigkeit iſt bei ihnen zum Leichtſinn, das ſo nothwendige und darum verzeihliche ſich Hervor¬ ſtellen zur Zudringlichkeit geworden, und wenn ſie155 ſich als die gemeinſten Charlatane betragen, glauben ſie Leute von Welt, feine Pariſer zu ſeyn.

An der deutſchen Tribune zu arbeiten, dazu habe ich keine Zeit jetzt. Aber ich thue es, ſobald ich frei werde. Das iſt ein Schlachtfeld, auf dem kein Mann, der ſein Vaterland liebt, fehlen ſoll. Aber die Zeitung, wird ſie noch lange beſtehen? Sie hat bis jetzt der Cenſur getrotzt, wofür der Redac¬ teur zu ſechs-monatlicher Gefängnißſtrafe verurtheilt worden.

Ich ſchicke Ihnen heute den Herings-Salat. Es iſt eine große Schüſſel und Sie werden Durſt darauf bekommen.

Herings-Salat.

Beim Thor, beim hohen Odin, und beim höchſten Bör, meinem erhabenen Ahn, dieſer Knabe Alexis kämpft mit einer Berſerker-Wuth, für die ihm einſt in Walhalla ein Zwiebelkuchen duften wird! Aber noch bedenke ich mich. Soll ich, oder ſoll ich nicht? Kennten mich nur die Menſchen alle, fühlten es nur alle mit, welch einen Stolz ich aufzuopfern habe, wenn ich ſolchen niedrigen Troßbuben das Ge¬156 ſicht zuwende. Aber auch dieſen Stolz lege ich auf den Altar des Vaterlandes, und wahrlich, hätte ich ihm alles zu verdanken, was ich ihm zu verzeihen habe ich wäre ihm jetzt nichts mehr ſchuldig. Oder glaubt Ihr, es wäre nichts, mit einem Philiſterchen zu rechten, daß es geworden, wie es die Natur in einer langweiligen Stunde aus dem Kern einer Ha¬ ſelnuß geſchnitzelt? Wenig für einen Mann von Ehre und Gefühl, ſich vor ein Nürnberger Schäch¬ telchen hinzuſtellen, wie es beſchaffen, wenn eben der letzte Nachtlichtdocht herausgenommen: offen und leer und es ernſthaft zu fragen, warum es nichts enthalte, und wo ſeine Seele hingekommen? Es iſt viel. Und doch dauert mich der arme Schelm! Sie haben ihm heimlich Branntwein in ſeine Bierkalt¬ ſchale gegoſſen, und der blaſſe blöde Junge, der frü¬ her nicht den Muth hatte, eine rothwangige Bauern¬ dirne zum Tanze aufzufordern, ſtürzt hervor, wird ein Held, fliegt die Sturmleiter hinauf, und erwacht nicht eher aus ſeinem Taumel, bis eine ſtarke Fauſt dort oben ihn mit einer Ohrfeige lachend in den Graben hinunter ſtürzt. Dann jammert er: Ach, Papa Schleſſinger! Ach, lieber Papa Schleſſinger! Ach, wäre ich doch freimüthig und zu Hauſe geblie¬ ben! Ach, hätte ich doch kein Handgeld genommen! Ach, wäre ich nur fort von hier, man erwiſchte mich kein zweitesmal! Thörigter Knabe! Trinke Milch157 und gehe nicht hin wo Werber zechen. Sie haben dir wohl verſprochen, du ſollteſt Hauptmann werden; aber du bliebeſt Trommelſchläger dein ganzes Leben. Du dauerſt mich.

Ich habe des großen Bör, meines göttlichen Ahns, gedacht. Das war er, und darum nenne ich mich Börne (Sohn des Bör). Mütterlicher Seite ſtamme ich von Belſta ab, des Rieſen Bergthor Tochter, und Gattin des Bör. Keiner, der mich kennt, wird mich des Ahnenſtolzes fähig halten; ich erwähne nur meine Abſtammung, um jenen thörigten Menſchen, welche glauben, daß eine hohe Geburt ein niederes Leben gut mache, und eine niedrige Geburt ein hohes Leben verderben könne, mir vorwerfen, ich ſei als Jude geboren, und darum weniger als ſie um ihnen zu zeigen, das ich mehr bin, als ſie, wie durch mein Leben, ſo auch durch meine Geburt. Der Urſprung meiner Familie geht hoch über das Chriſtenthum hinaus, und iſt noch älter als das Judenthum. Wir ſtammen aus der Lichtwelt, Mu߬ pellheim war unſer Wiegenland; Ihr aber ſtammt aus der Nebelwelt, von Nilfheim ſeyd Ihr her¬ gekommen, ſeyd Imer's böſe Kinder, und die ver¬ zwergten Enkel der langweiligen, aber einſt gewalti¬ gen Eisrieſen. Einſt heyrathete ein Mann aus meiner Familie eine Frau aus der Eurigen, die Kuh158 Andumbia, und dieſe Verwandſchaft ſpüre ich bei naßkaltem Wetter in allen meinen Gliedern.

Zwei tauſend Jahre vor Chriſtus zog der mäch¬ tige Heimball, Nachkomme Bör's und einer mei¬ ner glorreichen Vorfahren, mit einem zahlloſen Heere dem Mittage zu, um dort die Teutonen, die Nach¬ kömmlinge Imers, aufzuſuchen, und mit dieſen ſeinen tückiſche Vettern einen alten Rechtsſtreit auszukämpfen. Nach langem und beſchwerdevollen Zuge kam Heim¬ ball mit ſeinem Heere an der Grenze des feindlichen Landes an. Die Nacht war angebrochen, aus allen Städten und Dörfern ſchallten die Sturmglocken, und zahlloſe Wachtfeuer brannten rings umher. Heim¬ balls kampfbegierige Streiter jauchzten dem kommen¬ den Morgen entgegen. Als der Held eben ſein letz¬ tes Horn ausgeleert, und ſich unter einer Eiche zur Ruhe legen wollte, wurde ihm eine Botſchaft gemel¬ det. Es erſchienen fünf und zwanzig Zwerge in ſeidnen Kleidern und mit hundert Bändern und Gold¬ blechen behangen. Der Kleinſte derſelben trat her¬ vor, warf ſich Heimball zu Füßen, küßte ſie, ſtand dann wieder auf und ſprach: Allerdurchlauchtigſter Fürſt und Herr, Allergnädigſte Geiſel Gottes! Mein Herr, der König der Hofräthe, ſendet mich zu Allerhöchſtderen allerhöchſter Perſon, und flehet Allerhöchſtdieſelben, ihn in dieſen kritiſchen Zeiten mit keinem Kriege zu überziehen, weil deren159 heilige Perſon gerade beſchäftigt iſt, mit ihren ge¬ treuen Unterthanen die Stumme von Portici einzu¬ ſtudiren. Allerhöchſtdieſelben mögen geruhen zu be¬ denken, oder wollen geruhen zu bedenken, wie es meiner ſchuldigſten Ehrfurcht am angemeſſenſten lau¬ tet, daß von dieſer neuen Oper das Glück des gan¬ zen Volkes der Hofräthe abhängt, und darum ge¬ ruhen gefälligſt umzukehren, und Allerhöchſtderen Königreich, das geſegnete Mußpellheim, wieder mit Allerhöchſtderen Gegenwart zu beglücken. Mein Herr und König überſendet Ew. glorreichen Maje¬ ſtät durch meine unwürdigen Hände dieſes blaue Band der ſchönen Sängerin, deren Hausorden, als ein Zeichen ſeiner Freundſchaft und unwandelbaren Geſinnung, und bittet Allerhöchſtdieſelben mit Aller¬ höchſtdenſelben einen Allerhöchſten Zollvertrag abzu¬ ſchließen, zu wechſelſeitigem Vortheile der beider¬ ſeitigen Höfe. Als darauf der Zwerg dem großen Heimball das kleine Ordensband umhängen wollte, aber kaum ſeine Knie erreichen konnte, brach darüber Heimballs Heer in ſolch ein donnerndes Gelächter aus, daß achtzehn von den Zwergen vor Schrecken umfielen und ſtarben. Deren Anführer und Vor¬ mund riß ſich die Haare aus dem Kopfe, warf ſich Heimball abermals zu Füßen und ſprach mit thränen¬ den Augen: Allerdurchlauchtigſtes göttliches Weſen! Mächtiger Beherrſcher von Mußpellheim! Mögen160 Allerhöchſtdieſelben in Allerhöchſtderen gerechtem Zorne, wenn ich mich allerunterthänigſt ſo aus¬ drücken darf, es unſerm unglücklichen Lande nicht anrechnen, daß einige ſchlechte Hofräthe ſich erkühnt, in Gegenwart Allerhöſtderen geheiligter Perſon um¬ zufallen und zu ſterben. Es ſind junge Leute, die erſt vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen, wo ihnen die Burſchenſchaft heilloſe demagogiſche Schwärmereien in den Kopf geſetzt. Wollen Aller¬ höchſtdieſelben Gnade für Recht ergehen laſſen, und ſich damit begnügen, daß wir zu Allerhöchſtderen Satisfaction gleich morgen früh unſern Cenſor auf¬ knüpfen, weil er, wie dieſes Beiſpiel der frechſten majeſtätsſchändenden Todesart lehrt, den revolutio¬ nairen Grundſätzen nicht ſtreng genug Einhalt ge¬ than. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme von Portici hier, daß ſie ſelbſt für uns reden könnte! Heimball gerieth in den heftigſten Zorn und ſprach. Ihr feigen Hunde habt nicht den Muth mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderiſch in den Rücken fallen! Ihr ſprecht von Frieden, und im ganzen Lande erſchallen die Sturmglocken! Ihr ſprecht von Ergebenheit, und rings umher ver¬ rathen zahlloſe Wachtfeuer ein zahlloſes Heer! Der Zwerg ſchlug ſich vor die Stirn und erwiederte: O jammervolles, o allerhöchſtbetrübtes Misverſtänd¬ niß! Allerhöchſtdieſelben geruhen nichts zu wiſſen,161 was Sie ſprechen! Allerhöchſtdieſelben geruhen falſch zu hören und falſch zu ſehen! Was Sere¬ niſſimus für Sturmglocken gehalten, iſt nichts als das feſtliche Geläute, womit wir Allerhöchſtderen er¬ freuliche Ankunft feiern, und was Allerhöchſtdieſelben geruhten für Wachtfeuer anzuſehen, waren die Illu¬ minationen, die im ganzen Lande der Hofräthe von der Polizei anbefohlen worden. O Gnade! O Barmherzigkeit! Heimball gab dem Zwerge einen Fußtritt und ſprach: Fort, Hunde, mit Tagesan¬ bruch ſeht Ihr mich wieder!

Nach Aufgang der Sonne ſtand Heimball mit ſeinem ganzen Heere im Gebiet der Hofräthe. Der Zwerg vom vorigen Tage trat abermals hervor und ſprach: Allerdurchlauchtigſter, ich wünſche wohl geruht zu haben. Allerhöchſtderen heiterer Blick verkündet uns Ruhe und Frieden. Der Cenſor iſt gehenkt, und die Güter der achtzehn Demagogen, die geſtern Abend eines revolutionairen Todes geſtorben, ſind confiszirt worden. Ich bin von meinem Könige und Herrn bevollmächtigt, dem durchlauchtigſten Be¬ herrſcher von Mußpellheim eine Oper-Allianz anzu¬ bieten. Die beiderſeitigen reſpectiven Höfe ſollen auf ewige Zeiten ihre Sängerinnen und Tänzerinnen mit einander austauſchen, zum größten Vortheile des Handels, der Induſtrie, der Moral, Geſund¬ heitspolizei und Bevölkerung der beiden Staaten. IV. 11162 Um Allerhochſtdenſelben die Koſten der Kriegsrüſtung zu erſetzen, will mein König und Herr die Hälfte ſeiner Staaten an Ew. Majeſtät abtreten. Höchſt¬ deren allerunterthänigſter Zwerg hat ſeinem Herrn dazu gerathen. Wir ſind unſerer Hofräthe, Domai¬ nenverwalter, Gardeoffiziere, Miniſter, Kammer¬ herren, Oberſtallmeiſter, Ober-Cermonienmeiſter, Hof¬ damen, Maitreſſen, General-Intendanten, und Hof¬ banquiers in allem nur 814. Für dieſe bleibt die Hälfte des Landes groß genug und wenn die uns bleibenden Unterthanen zweimal ſo viel Steuer be¬ zahlen, als früher, verlieren wir nichts an den An¬ dern. Geruhen jetzt Ew. Majeſtät ein ganz unter¬ thäniges Frühſtück einzunehmen, und dann der General-Probe der Stummen von Portici huldreichſt beizuwohnen.

Nachdem der Zwerg-Hofrath ſo geſprochen, er¬ hob ſich im Hintergrunde ein wildes Geſchrei: Zu den Waffen, zu den Waffen! Keinen ſchmachvollen Frieden! Auf Brüder! Es lebe Teutonia! Es lebe die Freiheit! Heimball ſchob die Hofräthe, welche die Ausſicht hemmten, weg, um zu ſehen, was hinter ihnen vor¬ ging. Da gewahrte er eine Schaar edler Jünglinge, welchen der Muth in den Augen blitzte, welchen Kampfbegierde die Wangen röthete, und, den Ruf zur Schlacht erwartend, freudig mit den Schwertern163 auf den Schild ſchlugen. Heimball mit ſeiner Hel¬ denſchaar, ſtreckten froh bewegt ihre Arme den Hel¬ denbrüdern entgegen und riefen: Gruß, Liebe und Dank euch Brüdern! Wir kommen, Ihr ſeyd es werth mit uns zu ſtreiten, und Sieger oder beſiegt, in Walhalla trinken wir aus einem Horn! Da erbleichte der Zwerg, ſprang auf einen Stuhl, ſah die tapfern Jünglinge zornig an und ſprach: Ruhe iſt die erſte Bürgerpflicht! Heimballs Kriegern bot ſich darauf ein Schauſpiel dar, worüber ſie zu Bildſäulen erſtarrten, und ihnen Schwert und Schild mit donnerndem Getöſe aus den lebloſen Händen fiel. Sobald die teutoniſchen Jünglinge gehört: Ruhe iſt die erſte Bürgerpflicht! legten ſie ihre Rüſtung ab, zogen Schlafröcke an, ſtopften ihre Pfeifen und fingen an zu leſen und zu ſchreiben. Heimball ſprach darauf zu ſeiner Schaar: Auf, tapfere Genoſſen, flieht, fort von hier. Wir ſind gekommen mit Männern zu kämpfen, nicht mit Schulmeiſtern und ihren Knaben. Fort von jener bedauernswürdigen Jugend, fort von dieſen verächtlichen Alten! Flieht und ſchaut nicht rückwärts, bis wir nach Mußpell¬ heim gekommen. So verließ Heimball mit ſei¬ nem Heere Teutonia, ließ aber zur Bewachung der Hofräthe ſechs Mann und einen Unteroffizier zurück.

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Dieſer Unteroffizier war Heimballs jüngſter Sohn, der aber trotz ſeiner königlichen Abſtammung nicht beſſer gehalten wurde, als der gemeinſte Krie¬ ger. Nachdem aber ſein Vater fortgezogen war, und der junge Menſch ſich ſelbſt überlaſſen blieb, konnte er den Schmeicheleien und Kriechereien der Hofräthe nicht lange wiederſtehen. Er verweichlichte, ſein reines ſkandinaviſches Blut artete aus, und von dem vielen Eſſen und Trinken, daß man ihm alle Tage vorſetzte, bekam er die Gicht, welche Krank¬ heit ſich durch länger als zweitauſend Jahre in ſei¬ ner Familie fortgeerbt. Vier und zwanzig hundert Jahre nach Heimball reiſte ein Nachkömmling jenes Unteroffiziers, Namens Widar, wegen ſeines Po¬ dagra's nach Baden bei Raſtadt. Auf dem Wege dahin, im würtembergiſchen Städtchen Mergentheim, lernte er ein ſchönes Mädchen kennen, Namens Goldchen, Tochter des Juden Baruch. Er ver¬ liebte ſich in ſie, und verlangte ſie zur Gattin. Er erhielt ſie unter der Bedingung, ein Jude zu werden und den Namen Baruch anzunehmen. Widar lernte in Baden den berühmten Dichter Robert kennen, der ihn Tag und Nacht um Stoff zu einem Drama quälte. Widar erzählte ihm ſeine eigene Lebens¬ geſchichte und daraus entſtand Roberts Europäiſches Schauſpiel: die Macht der Verhältniſſe. Dar¬ auf zog Widar oder Baruch an den Main, da, wo165 ſpäter Frankfurt erbaut wurde. Die Gegend gefiel ihm und er ließ ſich da nieder. Sein Haus ſtand an der Stelle, wo jetzt in Sachſenhaußen die untere Mühle liegt. Nach und nach ſiedelten ſich viele Hei¬ den und Juden dort an, und es entſtand eine Stadt, die Widar nach ſeinem Namen nannte. Dieſes zeigt auch das Wort Frankfurt ganz deutlich; denn Frank heißt im ſkandinaviſchen Wi, und furt heißt dar. Alſo waren es Juden, die Frankfurt gegründet, und S. T. der Herr Senator Dr. Schmitt Wohlgeboren, waren daher im größten Irrthum, als ſie gegen mich, der die Rechte der Juden vertheidigte, vor einigen Jahren im Gelehrtenvereine bemerkten: die Juden könnten keine Bürger ſeyn in Frankfurt, weil es vor 1500 Jahren Chriſten geweſen, welche Frankfurt erbaut. Gerade im Gegentheile. Wenn hier die Religion ein Recht geben oder nehmen könnte, wären die Frankfurter Juden die einzigen Bürger, und die Chriſten wären blos Schutzchriſten, welche die Juden in eine Chriſtengaſſe einſperren und ihnen verbieten dürften, mehr als zwölf Ehen jährlich zu ſchließen, damit ſie nach und nach ausſterben, und den Handel der Juden nicht ganz zu Grunde richten.

Auf dieſe Weiſe iſt meine früher heidniſche Fa¬ milie eine jüdiſche geworden, und iſt es geblieben bis auf den heutigen Tag. Ich aber, als im Jahre 1818 die jüdiſche Familie Rothſchild ſo übermächtig wurde,166 beſchloß zum Chriſtenthume[überzugehen]; denn es war immer meine Neigung, es mit der ſchwächern und unterdrückten Parthei zu halten. Der Pfarrer wollte mich aber unter dem Namen Baruch nicht taufen, und darum nahm ich den Namen Börne an, um hiedurch das zerriſſene Band mit meinem Ahn¬ herrn, dem göttlichen Bör, wieder feſt zu knüpfen. Seitdem heiße ich alſo Börne und nicht Baruch modo Börne, wie das Frankfurter Polizei-Proto¬ koll ohne Punkte vom 5. Dez. ſagt. Ich habe den Namen mit Wiſſen und gnädigſter Erlaubniß meiner hohen Obrigkeit angenommen. Wenn ich von mir ſelbſt ſpreche, heiße ich kurzweg Börne; wenn aber andere von mir ſprechen, heiße ich Herr Börne. Und ich heiße mit viel größerem Rechte Herr, als irgend ein Frankfurter Senator der drei Bänke, den ältern und jüngern Bürgermeiſter nicht ausgenommen. Denn ich bin wahrer Herr, ich diene keinem, ich bin keiner Macht Unterthan. Ich diene nur der Wahr¬ heit und dem Rechte, ob es mich zwar nur ſo weit angeht, daß ich ſelbſt es nicht zu verletzen habe. Wäre ich aber eine obrigkeitliche Perſon, ein Richter, ein Senator, ein Bürgermeiſter; wäre das Recht meiner Mitbürger meinem Schutze anvertraut und irgend eine zahnſtochernde Excellenz, dem etwa einer meiner Schutzbefohlenen wegen der Form ſeiner Naſe mißfallen, lächelte mir beim Derſert den Befehl167 zu, deſſen Recht zu kränken, ließ ich lieber meinen armen Leib in tauſend Stücke hauen und ihn als Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine unſterbliche Seele um das Spottgeld eines ſolchen Lächelns verkaufte. Alſo Herr Börne heiße ich und werde jedem zu begegnen wiſſen, der mir mein Herr anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute von der Geſellſchaft der Volksfreunde, wegen Vergehen, die mit fünfjähriger Einſperrung beſtraft werden können, vor ihren Richtern ſtanden, und an¬ geſchuldigt auf dieſe Weiſe, ihre Vertheidigung auf eine, wenn auch nicht ſtrafwürdige doch höchſt ſtraf¬ fällige Weiſe führten; Recht und[Ordnung] ihre eige¬ nen Richter, den König und die Verfaſſung verhöhn¬ ten und bei dem Verhör der Gerichts-Präſident die Angeklagten beim Namen rief, ohne Herr vorzuſetzen; da ſprach Raspail, einer derſelben, zum Präſiden¬ ten: Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich Sie Herr Präſident; wenn Sie mit uns ſprechen, ſagen Sie blos Raspail, Hubert, Thauret. Doch ſind wir gleich vor dem Geſetze; geben Sie uns die Eigenſchaft, die wir Ihnen ſelbſt ertheilen. Die Achtung, die Sie von uns ſelbſt zu fordern das Recht haben, ſind Sie auch uns ſchuldig. Lautes Bravorufen der Zuhörer folgte auf dieſe Anrede. Der Präſident aber nahm keine Rückſicht darauf und fuhr fort, Raspail zu ſagen, ohne Herr. Darauf168 ſprach Raspail: Herr Präſident, nennen Sie mich Herr Raspail, ich verlange es; nicht für mich (man weiß, wie wenig wir auf ſo nichtige Dinge halten), aber ich fordere es im Namen der Würde der Vertheidigung und der Achtung, die man den Angeklagten ſchuldig iſt. Die Beklagten, die man alle Tage auf dieſe Bänke ſchleppt, ſind gewohnt vor Ihnen zu zittern. Nun wohl! Sie mögen ſich ſelbſt achten lernen, es iſt ein gutes Beiſpiel, das wir ihnen geben. So wie Raspail vor den Aſ¬ ſiſen, ſtehe ich jetzt vor der Frankfurter Polizei. Mein Verbrechen iſt mir unbekannt; aber die mir drohende Strafe iſt fürchterlich. Wenn ich verurtheilt werde, muß ich den Galeeren-Dienſt bei dieſem Amte verſehen. Darum ſage ich im Gefühle meiner Würde dieſer Polizei: Madame! Wenn ich Sie anrede, nenne ich Sie Madame; nennen Sie mich Herr. Die[Achtung], die ich Ihnen bezeuge, ſind Sie auch mir ſchuldig. Den Doktor erlaſſe ich Ihnen, auch meine übrigen Titel, deren ich viele habe, brauchen Sie mir nicht zu ſalviren, auch dem Wohlge¬ bornen entſage ich. [Aber] nennen Sie mich Herr Börne, ich beſtehe darauf.

Auf dieſes Tutti laſſe ich ein Solo folgen; denn ich ſpiele ein unpartheiiſches Doppel-Conzert, indem ich zwar als Komponiſt und Conzertgeber mir die erſte Stimme vorbehalte, doch zur gehörigen Zeit169 mit der zweiten abwechsle. Jetzt kömmt die Reihe zu geigen an den Meiſter Alexis. Noch nie habe ich ein Buch mit ſo ſteigendem Widerwillen, bis es zuletzt völliger Ekel wurde, durchgeleſen. Börne iſt ein deutſcher Ultraliberaler, ſagen Sie. Mein Gott, reicht denn das Wort aus, dieſen Inbegriff von knabenhafter Wuth, pöbelhafter Ungezogenheit, dieſen bodenloſen Revolutionsgeiſt, dieſe hohle, ans alberne ſtreifende Begeiſterung für negirende Be¬ griffe auszudrücken, ja nur zu bezeichnen? Thut man nicht unſern Liberalen Unrecht, Börne als ei¬ nen ihres Gleichen zu nennen? Mich dünkt, ſo etwas von erſchütternd Nichtigem, in einer ab¬ ſchreckenden Geſtalt, iſt noch nicht da geweſen, we¬ nigſtens nicht in der deutſchen Literatur .... Es wälzt ſich ein Gemeinplätzen, in einem bachantiſchen Taumel, oder wie jener iriſche Häuptling, der ſich vor der Fronte in den Koth warf, um ſich abzu¬ kühlen, wenn ihn das Fieber brannte. Es juckt ihn und er kratzt ſich, daß es eine Luſt iſt. Noch einmal, mich dauert der arme Schelm! Vor vierzig Jahren hatte irgend ein pfuſchender Naturgeſell von Lappen, die er ſeiner Meiſterin geſtohlen, dem klei¬ nen hagern Seelchen Röckchen und Höschen zuſam¬ mengeſchneidert. Zur Ruhe, zum Sitzenbleiben und zum Referiren gebohren, war dem Seelchen das enge Kleidchen weit genug und die Nähte hielten. Aber170 da ſchlägt ein Blitz in ſeiner Nähe nieder, das Seelchen erſchrickt, ſpringt auf, zum erſtenmale be¬ wegen ſich die Glieder, die knappe Sprache platzt, Lumpenworte hängen herum, und dem armen nackten Seelchen kann man alle Rippchen zählen. Edler! Warum biſt du erſchrocken? Nicht dir galt der Blitz; Lorbeeren verſchont er. Uebrigens nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich mehreremale Du zu Ihnen ſage. Zuweilen rede ich in Streckverſen, und dann dutze ich jeden ohne Unterſchied des Ran¬ ges, der mir in den Weg kömmt. Aber eines bitte ich Sie mir zu erklären. Ich erinnere mich ganz genau: es war im Jahre 1819, nach dem Karlsba¬ der Congreſſe, da nahm ich Aſſafötida ein, und zwar in Mixtur; denn ich verabſcheue die feigen Pillen. Es war ein einziger Löffel voll, es war der Ekel einer Minute und der Schauer von fünf Minuten. Aber hinge mein Leben davon ab, ich nähme keinen zweiten Löffel Aſſafötida. Sie aber, mein Beſter, haben mehrere Stunden an meinem Buche mit im¬ mer ſteigendem Ekel geleſen! Wie ertrugen Sie das? Wer hieß Sie das? Wer bezahlte Ihnen das? Oder finden Sie ſolche Freude am Ekel, daß Sie ihn gutwillig ſuchen, warum erbrechen Sie ſich vor den Augen aller Welt? Iſt das artig? Thut das ein wohlerzogener Menſch? Zwar haben es die al¬ ten Römer auch gethan, aber Sie ſind kein alter171 Römer, ſondern im Gegentheil ein Referendair. Zweitens, beantworten Sie mir die Frage: iſt das literariſche Unterhaltungs-Blatt ein Nachtgeſchirr? Endlich möchte ich wiſſen, wo Sie geleſen, daß ein iriſcher Häuptling ſich durch ein Schlammbad vom Fieber geheilt? Ich habe eben das Fieber, aber es nützt mir nichts.

Alexis: Von dieſem in ihm kochenden Grimme merkte man wenig, als er vor einigen Jahren eine Reiſe durch Nord-Deutſchland machte. Man wußte bis dahin nicht viel mehr von ihm, als daß er um Frankfurt herum berühmt ſey. ... Die Meiſten hörten zum Erſtenmale von ihm, weil er ins Mor¬ genblatt eine Kritik über die Sontag einrücken laſ¬ ſen, und ſo wurde er in Berlin präſentirt. Es iſt der Mann, der über die Sontag ge¬ ſchrieben. Theurer Freund! Du gleichſt dem Geiſte, den du begreifſt. Du ſaubergewaſchenes, kuchenlächlendes, bimmbammelndes Sonntagskind, er¬ kenneſt nur den müßigen, ſchöngeputzen, luſtigen Sonn¬ tag in mir; aber die Wochentage voll ſchwerer Sor¬ gen, ſaurer Arbeit und lohngeiziger Bezahlung, die haſt du nicht erkannt. Ja, es kochte damals, wie ſpäter der Grimm in mir, nur heißer noch; denn als in den Juli-Tagen der Vulkan ſich in einem Feuerſtrome Luft gemacht, da wurde mit Millionen Herzen auch das meinige friedlicher und ſtiller. Da¬172 mals aber, da die Freiheit nur erſt rauchte und kna¬ benhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da, zu ſtolz zum Kinderſpiele, verſchloß ich meine Bruſt, und ließ den Grimm darin kochen zum ſpäterm Ge¬ richte. Hätteſt du meine Glut geahndet, ſchwammi¬ ger Alexis, du wäreſt entſetzt von mir weggelaufen, und hätteſt dich vor Angſt in ein Waſſerfaß geſtürzt. Vielleicht hörteſt du zuweilen,[wie] es ſiedete in mir; aber du dachteſt wohl, ich ſumme ein Sonntags-Lied¬ chen und liebteſt mich darum. Doch über den Nar¬ ren! daß er noch ſelbſt herbeiſchleppt, was er ver¬ ſtecken ſollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja freilich, ſo iſt es, man wußte in Berlin nichts von mir, als daß ich über die Sontag geſchrieben, und ſo wurde ich jedem vorgeſtellt: es iſt der Mann der über die Sontag geſchrieben! Wenn ich jener Tage gedenke doch ich will erſt das Feuer ſchüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme her, Muſe, ſetze dich zu mir beim Kamin und er¬ zähle mir von jenen Tagen. Aber ſei vernünftig und kichere nicht.

Ich wohnte in der Stadt Rom und doch war es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner Ankunft, Morgens zwiſchen zehn und zwölf Uhr und 22 bis 24 Grade, kamen Robert und Hering zu mir, ſchwarz gekleidet, in ſeidenen Strümpfen und173 überhaupt ſehr feſtlich zubereitet. Ich ſaß gerade beim Kaffee. Börne! ſagte Robert, trinken denn die Geiſter Kaffee? Darauf ſah er Hering an und wartete auf eine günſtige Rezenſion ſeines Einfalls. Hering aber, der ſeinen Beifall für ſich ſelbſt auf¬ ſparen wollte, ſprach: Warum nicht? Im Kaffee iſt Geiſt, ſchöne Geiſter begegnen ſich, darum trinkt Börne Kaffee. Darauf ſagte er: O Börne! Sontag! Göttlich! und fiel mir laut ſchluchzend um den Hals. Robert aber ſprach, mit bewegter doch feſter Stimme: ermannen Sie ſich, Referendär; wir wollen gehen, das Volk hart Ihrer, Börne. Wir gingen. Vor dem Hauſe begegnete uns ein Mann, wir blieben ſtehen. Hering ſprach: Hofrath! Börne! Der Hofrath war erſtarrt und rief: Börne? Son¬ tag göttlich! dann ging er. Nach zehn Schrit¬ ten kam wieder ein Mann. Robert ſprach: Hof¬ rath! Börne! Der Hofrath war erſtarrt und rief: Börne? Sontag göttlich! Etwas weiter begeg¬ nete uns wieder einer. Hering ſprach: Hofrath! Börne! Der Hofrath war erſtarrt und rief: Börne? Sontag göttlich! So wurde ich unter den Lin¬ den vier und dreißig Perſonen vorgeſtellt, die alle Hofräthe waren. Endlich erreichten wir den Pariſer Platz. Ich hoffte, meine Leiden würden jetzt geendigt ſeyn; aber nein. Man ſchleppte mich den Thier¬ garten zu. Unter dem Brandenburger Thore mach¬174 ten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich nicht entwiſchte; Robert aber ſtellte ſich mir gegen¬ über, zog ein dickes Manuſkript aus der Taſche, es waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein Espenblatt, und er fing zu leſen an. Heil dir im Siegeskranz, Vater des Vaterlands! Da ſchlug ſich Robert vor die Stirn und rief: ich Eſel! da habe ich den Waldfrevel ſtatt der Rede eingeſteckt! Schadet aber nichts, ich weiß ſie auswendig. Edler Börne. Hier unter dieſen Pferden, die einſt die Franzoſen ſchmachvoll nach Paris geführt, die wir aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter die¬ ſen Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke? der Junge geantwortet: er denke gar nichts, wor¬ auf Jahn geſagt: er ſolle daran denken, wie man die Pferde wieder ſchaffe; hier unter dieſen Pferden denke ich .... Lieber Robert, fiel ich ins Wort, ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein den¬ kendes Weſen ſind, aber ... doch Robert ließ ſich nicht einhalten und fuhr fort: Hier unter dieſen heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen in Athen, welche eben ſo viele Talente zu erbauen gekoſtet, als Sie beſitzen, nehmlich tauſend und zwölf; hier unter dieſen ſchönen Talenten ich wollte ſagen Propyläen wo einſt die verdienten Männer des Alterthums auf Koſten unſers gelieb¬175 ten Königs verpflegt worden, freie Koſt, Wohnung, Heizung und Wäſche hatten, täglich eine Flaſche Champagner, und monatlich hundert Thaler Taſchen¬ geld .... Der Referendär fiel hier dem Robert ins Wort, und ſagte: lieber Robert, Sie faſeln. Sie verwechſeln Propyläen mit Prytanäen. Robert aber erwiederte ärgerlich: Prytanäen oder Propyläen, das iſt mir alles eins. Er wollte fortfahren; ich aber halb todt vor Hunger und Durſt, raffte alle meine Kraft zuſammen und ſprach: lieber Robert! In den Prytanäen oder Propyläen, denn weil es Ihnen alle eins iſt, iſt es mir auch alle eins, bekamen die verdienten Männer des Vaterlandes, wenn ſie Hun¬ ger hatten, ein Gebackenes zu eſſen, das man Madſa nannte. Sind Sie der Meinung, daß das Wort Mazza, womit Ihre Glaubensgenoſſen das ungeſäuerte Brod bezeichnen, das ſie an ihrem Paſcha eſſen, mit jenem griechiſchen Madſa ver¬ wandt ſey? Ich bin nicht der Meynung, ſondern ich ſtimme mit der des berühmten ſeeligen Wolf überein, der in ſeinen Prolegomenen zum Homer gezeigt, daß das griechiſche Madſa, nichts anders geweſen, als ein Berliner Pfannkuchen. Ach, lieber Robert! Ach, theurer Alexis! wie glücklich wäre ich, wenn ich jetzt ein Dutzend Pfannkuchen hätte! Aber wohlverſtanden, von den Guten in der Jägerſtraße, mit einer Zuckerglaſur und mit Aprikoſen gefüllt. 176Robert, an den Reſt ſeiner Rede denkend, ſagte ſchmerz¬ lich lächlend: Herr, dein Wille geſchehe! Sie führ¬ ten mich zurück. Bald kam ein Mann, wir blie¬ ben ſtehen, und Hering ſagte:[Juſtizrath]! Börne! Der[Juſtizrath] erſtarrte und ſagte: Börne? Sontag göttlich! Das wiederholte ſich alle zehn Schritte, bis unter die Stechbahn. Dieſesmal aber waren es lauter Juſtizräthe. Endlich traten wir bei Juſti ein, und dort wurde ich im Namen der preußiſchen Mon¬ archie von deren Stellvertretern mit Pfannkuchen, Chocolade und Madera bewirthet. Hering überreichte mir den erſten Pfannkuchen auf ſilbernem Teller, und ſprach: Börne! Dieſer Pfannkuchen iſt ein Bild Ih¬ rer ſchönen Seele! Darüber mußte ich aber in ein ſo unbändiges Lachen ausbrechen, daß ich die Choco¬ lade umſtieß, die herabfloß und mir ein ganz neues ſchwarzes Kleid zu Grunde richtete, das mir am nehmlichen Morgen erſt der Schneider gebracht hatte. Denn am Tage vorher, den zweiten meiner Ankunft in Berlin, waren mir meine Kleider aus dem Zim¬ mer geſtohlen worden, woraus ich erkannte, daß Preußen wirklich eine von republikaniſchen Inſtitu¬ tionen umgebene Monarchie ſei; denn je freier ein Volk, je ſchlechter iſt ſeine Polizei. In Paris wurde mir nie etwas geſtohlen.

Und dieſe Menſchen, die mir einen Purpur¬ mantel umgeworfen, mich unter den Linden im[177] Triumpfe herumgeführt, vor mir hergingen wie Ha¬ man vor dem Mardochai, und ausriefen: ſo ehrt Ahasverus den Mann, der über die Son¬ tag geſchrieben! dieſe Menſchen, die mir tau¬ ſend und zwölf Talente angeſchmeichelt und meine Seele mit einem Pfannkuchen verglichen machen mir jetzt die größten Grobheiten, aus Todesfurcht, Herr von Arnim, der Polizei-Präſident möchte es er¬ fahren, daß ſie bei einem Eſſen, das ſie mir im Kaffe Fran ç ais unter den Linden gegeben, allen Königen den Tod zugetrunken!

Alexis: Ihm zitterte das Herz unter ſei¬ ner Bruſt, und die Brücke unter ſeinem Geſäß beim Gedanken, daß auf derſelben Brücke der erſte Freiheits-Kämpfer des July gefallen. .... Ach, die Naſe! Die Königsnaſe darauf ſitzen jetzt ſchon dreihundert Mücken! .... Meinen Jammer, daß deutſche Genies hungern mußten, den lobt und billigt der Philiſter; doch das iſt ſeine einzige Unpartheilichkeit .... Man kann ihm keine größere Freude machen, als wenn man ihm deutſche Dumm¬ heiten mittheilt. Danke, lieber Herr! Der Patriot fingirt, daß ihm jemand aus Oeſterreich folgendes ſchreibt. Das haben die andern Philiſter auch geſagt: ich hätte den Brief erdichtet, denn ich hätte den Muth nicht gehabt, in meinem eigenen Namen gegen Göthe zu ſchreiben; ſie wollen michlV. 12178nur allein ſtellen, alle Schuld auf mich allein häufen; das iſt ein Pfiff, den ſie von irgend einem abgeſetz¬ ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen ſie auch auf dieſe Weiſe, mir den Namen des braven Man¬ nes abzulocken, der den Brief geſchrieben. O! geht, geht. Ich bin ein gerader ſchlichter Mann, aber für euch bin ich noch zehntauſendmal zu ſchlau.

Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwiſſender Menſch! Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittſchaft, oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬ lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der ihm in ſeine Hand gefallen. Er zwang ſie alle, ihre ſchmutzigen Stiefel auszuziehen; dieſe warf er untereinander und befahl ihnen, ſie jetzt wieder anzu¬ ziehen. Nun hätte man das Geſchrei und Zanken der Juden hören müſſen, wie ſie einander in die Haare fielen und ſich die Stiefel aus den Händen riſſen. Schinderhannes ſtand dabei und hielt ſich die Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner von euch Schinderhannes genannt? Ihr ſeyd doch im S eures Schimpfwörterbuchs und ſchon über die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt iſt es zu ſpät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der iſt179 nichts als ein ſchlechter Nachdrucker. Ich verwahre feierlich meine Rechte auf den Schinderhannes, und der hohe deutſche Bund wird es gewiß nicht zugeben, daß man den 18. Artikel der Bundesakte übertrete, und meine Schriften ganz, oder zum Theile nach¬ drucke.

Alſo Einer von meinen Gegnern ſagte, ich wäre ein unwiſſender Menſch. Ich? Wie viele Ge¬ lehrte giebt es denn in Deutſchland außer mir, die einem armen Scribenten zu rathen wiſſen, wie er es zu machen hat, mit ſeinem Einkommen auszukommen, daß er nicht nöthig habe, für Tagelohn zu ſchimpfen? Er muß es machen wie der Thrazier Paräbius, der Freund des Königs Phinous. Er muß der Nymphe Thynis einen Altar errichten, dann wird es ihm nie mehr an Lebensmitteln fehlen. Ich weiß freilich nicht, wer der Apollonius iſt, der die Geſchichte des Paräbius erzählt ob Apollonius Liminus, des Creſſus Freigelaſſener, der korrekteſte Schriftſteller aller Zeiten, denn er hat nie etwas herausgegeben; oder Apollonius der Rhodier, von dem man ein berühmtes Heldengedicht vom Ar¬ gonautenzuge beſitzt; oder Apollonius Cronus, der Philoſoph aus der Megariſchen Schule; oder Apollonius Parga, der berühmte Mathematiker, welcher ein Meiſterwerk von den Kegelſcheiben her¬ ausgegeben; oder Apollonius von Tyana, der12*180Pythagoräer, von dem man die unglaublichſten und lächerlichſten Wunder erzählt, (ſo ſoll er in der kur¬ zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des Freimüthigen zweimal durchgeleſen haben) aber ein einzelner Menſch kann nicht alles wiſſen. Da¬ gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬ jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in ſeinem mythologiſchen Lexicon, behaupten, die Carme wäre eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors geweſen, craſſe Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬ fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen ſind, welchem Geſindel man einmal auf die Finger klopfen muß, daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß man ſich ſehr hüten müſſe, die Δειπνα απο σϰυ¬ ριδος der Griechen mit den Sportulis der Römer zu verwechſeln, daß man ungebetene Gäſte σϰιας nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht weniger iſt mir aus meinen Studien bekannt, daß man bei den Römern diejenigen Causarii nannte, welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienſte befreit werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬ reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege ſtrenge Unterſuchungen angeſtellt wurden, weßwegen der hohe Frankfurter Senat, als er den Beſchluß gefaßt, mich bei der Polizei anzuſtellen, welches ein Kriegsdienſt181 iſt, ein Platz im Genie-Korps, und da Einer der Sena¬ toren die Einwendung gemacht: meine Kränklichkeit ver¬ ſtatte mir nicht, dieſen Dienſt zu verſehen, erklärte: nun, ſo ſolle ich im Dezember von Paris nach Frankfurt reiſen, um mich von dem dortigen Stadt¬ phyſikus unterſuchen zu laſſen? Und weiß ich nicht, daß, thät 'ich dies auch, es mir nichts nützen würde, weil, wenn auch der Frankfurter Stadtphyſikus mich aus alter Freundſchaft krank machte, ich doch dienen müßte, da, ſo oft ein Tumult entſteht, oder die Stadt in höchſte Noth geräth, gar keine Entſchuldigung an¬ genommen wird? War aber nicht neulich in Frank¬ furt ein Tumult wegen der Thorſperre, und iſt nicht die Stadt durch die preußiſche Mauth in die höchſte Noth gerathen? Das Alles weiß ich, und ich wüßte noch tauſendmal mehr, wenn ich aus Funkes Real - Schullexicon, worin ich das Zeug geſtern Abend ge¬ leſen, noch einige andere klaſſiſche Werke von zu Hauſe mitgenommen hätte, wie: Eſchenburgs Hand¬ buch der klaſſiſchen Literatur, Heliodore die Lauten¬ ſpielerin aus Griechenland, Thibaults Pandekten und Roberts Waldfrevel. Und jetzt kommen ſolche Mord¬ brenner, ſolche Mauerbrecher, Dornbüſche, lächerliche Thoren, heilloſe Geſellen und jämmerliche Wichte, und erfrechen ſich zu ſagen, ich hätte nichts gelernt! Aber ich werde dem ſeichten Geſchwätze dieſer elenden Schmeisfliegen bald ein Ende machen. Ich beſchwöre182 Sie, laſſen Sie auf der Stelle aus meinem Hauſe den großen Koffer holen, der in der Dachkammer ſteht. Nicht den engliſchen Koffer; denn darin lie¬ gen bloß meine Novellen, Romane, Tragödien, Vaude¬ ville's, Romanzen, Xenien, und eine deutſche Ueber¬ ſetzung von Willibald Alexis Schriften welche mir alle zu meinem ernſten Zweck nicht dienen können. Sondern den größern deutſchen Koffer, welcher mit einem Felle überzogen iſt, den drei Latten feſthalten. Darin liegen meine gelehrten Manuſkripte. Ferner ein großes gelbes Felleiſen, worin die zu meinen Werken gehörigen Citate gepackt ſind. Ganz oben im Koffer liegt ein Verzeichniß ſämmtlicher Manu¬ ſkripte, wovon ich eine Abſchrift mit nach Paris ge¬ nommen. Ich bitte Sie nun inſtändig, aus dem Koffer diejenigen Manuſkripte zu nehmen, die ich Ih¬ nen mit den Nummern bezeichnen werde, und ſie mir durch die Poſt hieher zu ſchicken. Nur vier oder fünf will ich drucken laſſen: das wird ganz hinrei¬ chen, der Welt zu zeigen, wer ich bin. Aber, um des Himmelswillen, laſſen Sie den Koffer und das Felleiſen in Ihrer alleinigen Gegenwart öffnen und unterſuchen, aber ja keinen Ihrer gelehrten Freunde dabei ſeyn. Es könnte mir Einer ein Manuſkript, oder gar einen Gedanken, oder gar ein Citat ſtehlen; denn die Gelehrten haben in ſolchen Dingen weder Schaam noch Gewiſſen. Ich wünſche alſo zu haben:183 No. 189. De Confectione tractarum Berolinensium. Auctore L. Boerne 1826. No. 214. De captura harengorum 1831. No. 215. Deutſche Uberſetzung des nehmlichen Werkes: Von dem Heringsfange. Mit Zeich¬ nungen. No. 333. Kommentar über die Ge¬ ſetzgebung der geheimen Polizei, nach eng¬ liſchen und nordamerikaniſchen Grundſätzen bearbeitet. Mit Anmerkungen von Wurm. End¬ lich mein Hauptwerk: No. 709. Vollſtändiges Verzeichniß aller Trauerſpiele, Luſtſpiele, bürgerlichen Schauſpiele, Liederſpiele, Me¬ lodramen und Opern, welche auf ſämmtli¬ chen deutſchen Bühnen vom Jahre 1774 bis zum Jahre 1827 aufgeführt worden ſind, nebſt Angabe der darin aufgetretenen Schau¬ ſpieler und Schauſpielerinnen, Sänger und Sängerinnen, und Nachweiſungen al¬ ler über die theatraliſchen Leiſtungen Deut¬ lands erſchienenen Kritiken. Nach den Quel¬ len bearbeitet von Ludwig Börne, und mit einer Vorrede von Ludwig Robert, zwölf Theile. Ich wollte dieß Werk ſchon verfloſſenen Sommer in Ba¬ den drucken laſſen, ließ mich aber durch Robert da¬ von abwendig machen. Er widerrieth mir wegen der ſtürmiſchen Zeit, in welcher alle Talente untergingen. Ich hätte mich aber von Robert nicht ſollen abwen¬184 dig machen laſſen. Grobe und ſchwere Talente, wie die Seinigen, gehen freilich leicht unter; aber meine, leicht wie Nußſchaalen, ſchwimmen oben und haben keinen Sturm zu fürchten. Ich werde das Manu¬ ſkript dem Hrn. Brockhaus anbieten, der es gewiß gern verlegt, da es ein deutſches Nationalwerk iſt, und gleichſam eine Fortſetzung von Ludens Geſchichte der Deutſchen. Es iſt nur ein Jammer, daß er ſo ſchlecht bezahlt.

Der Referendär Hering oder Willibald Alexis, wie er mit ſeinem Süßwaſſer-Namen heißt, baut ein Pantheon für die großen deutſchen Männer und ſtellt die Büſten von Menzel, Puſtkuchen, Heine und Börne hinein .... Wie kömmt Puſtkuchen hie¬ her? Puſtkuchen hat gegen Göthe geſchrieben, und wer gegen Göthe ſchreibt, den hohen Prieſter von Karlsbad, iſt ein Revolutionair. Hering macht die Inſchrift für genannte Büſten. Als er aber an die von Heine kömmt, zupft ihm Einer am Rock. Ich weiß nicht, wie er heißt, es iſt aber Jemand von der hohen Polizei. Der ſagt ihm etwas ins Ohr, wor¬ auf der Referendär ein pfiffiges Geſicht macht, und lispelt: ich verſtehe! Der Wesbinder, der deutſche Pantheos, ſchreibt nun, ſtatt der Inſchrift zu Hei¬ ne's Büſte, folgendes von ihm. Heine hat doch halt! ich denke lieber an das, was Heine noch thun wird. Heine hat, ſo lang es eine kitzliche185 Oppoſition war, als Liberaler gefochten; jetzt iſt er es nur noch aus jugendlichem Muthwillen. Sein Talent will Beſchäftigung haben. Ich hoffe, die Zeit zu erleben, wo er denſelben Kitzel darein ſetzt, gegen den jetzt bequemen Liberalismus ſich in Ungelegenheit zu ſetzen. Ich laſſe den Schleier über ſeiner Büſte im Pantheon der deutſchen Republik ruhen, und denke an ſeine Büſte in der deutſchen Literatur. Iſt das nicht merk¬ würdig? Eine ähnliche Aeußerung über Heine, einem andern Artikel entnommen, den man auch aus Ber¬ lin eingeſchickt, und auf den ich zurückkommen werde, lautet wie folgt: Ein Schriftſteller (Heine), nicht ohne Geiſt und auch nicht ganz ohne Poeſie (ob¬ wohl der Funke ſchon zu erlöſchen beginnt) und den man früher gern mit Börne oder Lord Byron zuſammenſtellte, wandelt eine ähnlich gefährliche Bahn, und wir wünſchen es aufrichtig zu ſeinem Beſten, daß er zeitig umkehre. Schon das Streben, der Mode und der Tagesneigung beſtän¬ dig zu huldigen, iſt äußerſt bedenklich. Ueberſchrei¬ tet er auch einſt nur um ein Haarbreit die Grenze, ſo ſtürzt er (wie jetzt Börne) erbarmungslos von ſeiner Höhe herab, und hinter ihm erſchallen Ver¬ achtung und Hohngelächter.

Dieſe Zwerge fühlen ſelbſt, daß ſie dem Kampfe der Zeit nicht gewachſen ſind, und darum möchten186 ſie Heine anwerben. Nun, was gewönnen ſie dabei? Wäre ein kleiner Vortheil der guten Sache mit der Schande eines verdienſtvollen Mannes nicht zu theuer bezahlt, ſo wünſchte ich, Heine ließe ſich von den Polizei-Werbern verlocken. Nicht ihnen, uns würde das nützen. Die Wahrheit würde ihn treffen, wie die Andern auch, nur tödtlicher, weil er ſtark iſt und Widerſtand leiſtet; während der Kleiſter der Andern ſich um die Schärfe der Schwerts legt, ſie einwickelt, und manchen guten Streich abhält.

Wie konnte gegen alle Naturgeſchichte unter den literariſchen Haſen, die gar keine Stimme haben, ſich ein ſolches Geheul erheben? Ein anderer Artikel in dem nehmlichen Blatte, ein Brief aus Berlin, wahrſcheinlich von dem nehmlichen Hering, erklärt die wunderbare Erſcheinung, und giebt die beſten Auf¬ ſchlüſſe. Mir brauchte er ſie nicht erſt zu geben; die Naturgeſchichte der deutſchen Haſen im geſunden und im kranken Zuſtande war mir zu genau bekannt, als daß mir jene Erſcheinung hätte unerklärlich blei¬ ben können. Aber Andern, die weniger belehrt als ich, werden die Aufſchlüſſe nützlich und willkommen ſeyn. Der zweite Alexis ſchreibt von mir: Der Verfaſſer genoß hier früher eines außerordentlich guten Rufes, der viel über ſeine Verdienſte hinaus¬ ragte ... Der Mann wurde hier verehrt und vergöttert ..... Und jetzt auf einmal dieſer un¬187 geheure Abfall! Man ſpricht nur mit Abſcheu und Widerwillen von ihm. Jeder möchte ſeine Hand in Unſchuld waſchen und nie bekannt mit ihm geweſen ſeyn. Gewiß ſind die in je¬ nen Briefen niedergelegten Anſichten durchaus ver¬ werflich, aber eben ſo gewiß iſt es, daß die jetzt hier vorherrſchende perſönliche Erbitte¬ rung nicht allein aus dieſer Quelle fließt. Theils tritt bei vielen gekränkte Eitelkeit ins Spiel, theils bei Andern, die Furcht, man möchte nun auch ſie nach einem neuen Maasſtabe zu beurtheilen verſucht werden .... Die Juli¬ revolution hatte ihn völlig berauſcht, und in dieſem Rauſche zeigte er ſich auf einmal wie er war. Daß ihn dieß gereut, bezweifle ich gar nicht. O der große Menſchenkenner! .. Doch ich will das wichtigere beſprechen. Ja freilich, das iſt es. Sie haben mich verehrt und vergöttert in Berlin. Als ich aber anfing gegen die Gewaltigen im Lande zu reden, da ward ihnen todesangſt. Sie dachten an die Hausvogtei, an Magdeburg, Köpenick, den Galgen und Pilatus-Kamptz. Sie verläug¬ neten mich und werden mich noch hundert mal ver¬ läugen, ehe der Hahn kräht. Kräht aber einmal der deutſche Hahn, werden ſie ſich wie die Wür¬ mer zu meinen Füßen winden, und von denen mit188 Haß und Abſcheu ſprechen, welche ſie jetzt verehren und vergöttern.

O Berliner! O Haſenpaſteten! O Kuchen¬ freſſer! O Ihr dreizehn Bühnendichter, welchen erſt die Knochen wieder hart geworden, und die Ihr, ſeit die Katze nicht zu Hauſe iſt, ganz luſtig auf den Tiſchen herumſpringt! wenn ich jetzt unter Euch erſchiene, mit meinem alten Herzen zu Eurem alten Herzen träte, würdet Ihr nicht entſetzt vor mir flie¬ hen, wie vor dem Dämon der Cholera, und mit thränenden Augen vor Eurem Pilatus wimmern: O wir Unglücklichen! Wir kennen den Mann gar nicht? Ich komme! Wenn Ihr nicht artig ſeyd, komme ich. Wahrhaftig, ich muß nach Berlin; das Herz hüpft mir vor Freude, wenn ich daran denke. Ich muß dieſe Menſchen in Angſtſchweiß verwandeln, daß ihr ganzes Daſeyn in den Goſſen abfließe. Den Einen ſuchte ich in dem Buchladen auf, wo nichts geheim bleibt, fiele ihm um den Hals und ſpräche: Du ſiehſt, theurer Freund, ich habe Wort gehalten und kam, ſobald mich Preußens Söhne riefen! An den Andern drängte ich mich in der Oper, zeigte ihm den Meſſager und ſagte ganz laut: Du biſt ein Schelm, dein Styl iſt gar nicht zu verkennen. Dem Dritten ſchrie ich bei Rehäly zu: Deine geſtrige Nachricht, daß der König abdanke, beſtätigt ſich; um deſto beſſer. Meinem vertrauteſten Freunde189 aber, dem Referendär Hering, ſchriebe ich folgenden Brief: Theurer Brutus! Himmliſch warſt du wieder geſtern Abend. Warum mußteſt du uns wegen deiner Diarrhö ſobald verlaſſen? Als du fort warſt, tranken wir auf die Geſundheit des preußiſchen Marats. Deine Epigramme auf Hrn. von Witzleben und den Prinzen von Meklenburg wurden zum zweitenmale vorgeleſen und mit jauch¬ zendem Beifall aufgenommen. Der öſterreichiſche Geſandte läßt dich erinnern, daß du ihm eine Ab¬ ſchrift davon verſprochen. Ich habe heute Briefe vom General Uminsky bekommen. Tauſend Grüße für dich. Nie wird er es vergeſſen, daß du ihn drei Tage in deinem Hauſe verſteckt gehalten, und er ſeine Flucht von hier nur deiner Anſtrengungen zu verdanken hat. Morgen verſammeln wir uns wieder zum Abendeſſen. Wir feiern den 31. Ja¬ nuar, den ſchönen Tag, an dem das Haupt eines [Tyrannen] gefallen. Du wirſt doch kommen? Noch eine andere, noch eine ſchönere Begebenheit feiern wir. Aber du erfährſt das erſt morgen. Doch nein, du lieber ungeduldiger Menſch, noch heute, du ſollſt es gleich erfahren. Rathe! Wie, dein Herz ſagt dir, du ahndeſt nicht? Du haſt gewiß wieder Leibſchmerzen. Die Sontag iſt in die Wochen gekommen und die hohe Kindbetterin und das neugeborne Kind befinden ſich ſehr wohl. 190 Und jetzt? Biſt du heute im Stande ein vernünf¬ tiges Wort in den Freimüthigen zu ſchreiben, dann will ich zwölf Dutzend Auſternſchaalen ohne ihren Inhalt hinunterſchlingen. Dein Spartakus. N. S. Die Kiſten mit den Dolchen werden heute Abend bei dir abgeholt werden. Dieſes Billet würde ich an den Referendär Hering adreſſiren, ver¬ ſiegeln, wieder aufbrechen, und damit auf die Polizei gehen, meinen Permiſſionsſchein gegen acht Groſchen erneuern zu laſſen. Da ließ ich das Billet unbe¬ merkt aus der Taſche fallen. Ein Polizeibeamter würde es aufheben, und es ganz natürlich finden, das es der Referendär dort verlohren. Und jetzt die Unterſuchung, die Herings-Angſt! Das alle müßte köſtlich ſeyn.

Gott ſtehe mir bei! Ich wollte das Brock - Narren-Haus verlaſſen, in dem ich mich einige Stun¬ den aufgehalten, da ſtürzte mir auf dem Korridor ein verrückter Philolog entgegen, und hielt mich feſt, und drehte mir alle Knöpfe vom Rocke. Ich weiß nicht, wie der Narr heißt; es muß aber ein ausgezeichne¬ ter deutſcher Philolog ſeyn, denn er verſteht kein deutſch. Der Narr hat No. 97 im Hauſe. Der läßt ſich, wie folgt, vernehmen. Börne (der Phi¬ loſoph, wie er ſich ſelbſt nennt) hat in den Briefen aus Paris einen Beitrag zur forcirten Juden¬ literatur geliefert, zu welcher auch Heine, ſein191 Freund und Idol, ſchon manches ſteuerte, und damit ein ſehr widerliches Buch geliefert, welches einer ſcharfen Geiſel wird Stand halten müſſen. Dieſe Briefe ganz zu durchleſen, iſt ein Opfer, zu dem man ſich nur in gerechter Indignation und mit gro¬ ßem Unwillen entſchließen kann. Wenn ſich glück¬ liche Anlagen und Scharfſinn ſo mit Frechheit und Anmaßung paaren, vergißt man darüber das Haſ¬ ſenswürdige und Verworfene, was jedem Abtrünni¬ gen, jedem Renegaten, und jedem an ſeinem ange¬ ſtammten Glauben ſeiner Väter zum Verräther ge¬ wordenen anklebt. Daß ein ſolcher auch ſein Va¬ terland und was ſeinen Landsleuten heilig und ver¬ ehrungswürdig erſcheint, zu beſchimpfen verſucht, iſt darum kein Wunder, und wird ſich dieſe Untreue ge¬ wiß empfindlich ſtrafen. Ein Herr Dr. Meyer hat in einer kleinen Schrift, betitelt ...... ſchlagend und tiefgreifend, doch faſt zu flüchtig den erſten Streich dagegen geführt. Wie kann auf ſo weni¬ gen Seiten mit zwei Bänden Auswurf gekämpft werden? Doch vielleicht findet ein tüchtiger Mann Ruhe und Reſignation, um für Deutſchland gegen Börne in die Schranken zu treten. Darum ſey auch hier ein einzelner Fleck, der uns anzuhangen zuge¬ dacht wird, beleuchtet. Sehen wir jetzt, was dieſe Flecklaterne beleuchtet. Ich hätte die deutſche Sprache geſchmäht und verächtlich herab¬192 geſetzt, und die franzöſiſche über ſie erho¬ ben, dieſe fände ich ſublim! Und das müſſe eine Verachtung bei jedem Freunde ſeiner Mutterſprache unter uns hervorbringen, die höher ſteigen muß, als irgend eine Scala auszudrücken vermag. Wo der Narr in mei¬ nen Schriften das geleſen, möchte ich wiſſen. O Schulmeiſter!

Mascula sunt panis, piscis, civis, crinis, ignis,
funis, glis, vectis, ſollis, fascis, lapis, amnis,
Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis,
Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis.
Mugulis et mensis, pollis cum caule, canalis;
Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque,
Anguis, item cuspis, torris, cum cassibus orbis.

So wollen wir künftig mit einander korreſpondiren; aber nur ja nicht deutſch. Sie verſtehen mich nicht und ich verſtehe Sie nicht. Habe ich außer den Schimpfwörtern, worin ich ſeit einigen Mona¬ ten bei dem erſten deutſchen Schullehrer fleißi¬ gen Unterricht genommen, ſonſt ein Wort in Ihrem Artikel verſtanden, will ich kein ehrlicher Mann ſeyn. Schreiben wir uns lateiniſch.

Jetzt will ich der Stuttgarter Hofzei¬ tung einen Beſuch machen. Ich habe mich über und über mit Kölniſchem Waſſer gewaſchen, meine Klei¬ der gewechſelt, und bin herzlich froh, daß ich von193 der Bürger-Canaille einmal loskomme. So eine Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Löſch¬ papier iſt ſie reizender, als eine bürgerliche Abend¬ zeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn iſt zarter champagner Schaum; ihr Spott, Prickeln auf der Zunge, das mehr ſchmeichelt als wehe thut; und ihr Unmuth, ein trübes Wölkchen über der Sonne, an ſeinem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie ſtraft durch Vergebung und ſchweigt wenn ſie verach¬ tet. Und alle, die einer ſo lieben, gnädigen Hof¬ zeitung nahe kommen, werden übergoſſen von ihrem Roſenſchimmer, verzuckert, waren ſie vorher noch ſo bitter; und fein, artig und gewandt, waren ſie frü¬ her die plumpſten Grobiane und die ſchwerfälligſten Tölpel geweſen. Seht den ehrlichen Münch und den ehrlichen Lindner. Es ſind, wie allgemein be¬ kannt, ehrliche und brave Männer; es ſind aber eben Bürgersleute, gerade aber knorrig, treu aber knurrig. Doch wie hat ſie die Hofzeitung umgewan¬ delt! Wie fein ſind ſie geworden, ſeitdem ſie daran arbeiten! In dieſe Schule müßt Ihr gehen, Ihr Meyer, Ihr Würmer, Ihr Heringe, Ihr Roberts, Ihr Pittſchaft, und wie Ihr ſonſt alle heißen möget. Dieſer Stuttgarter Hofzeitung haben meine Briefe aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein giebt ſie das zu verſtehen! Und wendet nicht ein: ja dieIV. 13194Herren, welche die Stuttgarter Hofzeitung ſchreiben, bekommen einen jährlichen Gehalt von dreitauſend Gulden und für dreitauſend Gulden kann man ſchon fein ſeyn, aber wir armen Schlucker, womit ſollen wir die Artigkeit beſtreiten? Das ſind leere Ent¬ ſchuldigungen. Stehen nicht in dem nehmlichen Wörterbuche die feinen Worte und Redensarten, wie die groben? Was hält Euch ab ſie zu wählen? Schlingels ſeyd Ihr. Bedenkt nur, welche gemeine Schimpfreden Ihr gegen mich geführt, und vergleicht damit die zarten Ausdrücke, deren ſich die Stuttgar¬ ter Hofzeitung bedient. Frivoler Jude, herz¬ loſer Spötter, elender Schwätzer, toller Schwätzer, erbärmliche Judenſeele, ehrlos, ſchaamlos, ſeichtes Geſchwätz, inhaltloſes Geſchwätz, leichtfertiges Geſchwätz, armer Revolutions-Jäger, ſchaamloſe Frechheit, ſeichte Frivolität, ungeheure Anmaßung, jüdiſche Anmaßung, ſchmutziges Buch, ekel¬ haftes Buch, niederträchtiges Buch, elende Schmeisfliege. Stand Euch das nicht alles auch zu Gebote? Schämt Euch! Und jetzt erſt die un¬ vergleichliche Syntax, mit welcher die artigen Worte zuſammengeſetzt ſind! Ueberall zeigt ſich der fri¬ vole Jude, dem nichts heilig iſt, der herzloſe Spöt¬ ter auf Geiſt und Charaktere der deutſchen Na¬ tion, der elende Schwätzer ins Blaue hinein, der195 der Menge gefallen will und der Erbärmlich¬ keit der Leidenſchaften des Tages, und im Grunde doch ſelbſt nicht weiß, was er eigentlich will. Wohl kann man ſagen, daß ſich Börne durch dieſes Buch in jeder Rückſicht ſelbſt gebrandmarkt hat; kein Deutſcher, dem die Ehre ſeines Landes heilig iſt, wird ihn fortan mehr in ſeiner Geſellſchaft dulden können. Lieber alter Freund! Sie ſind alt geworden und wiſſen nicht, was Sie ſprechen. Um der Menge zu gefallen, hätte ich die deutſche Nation verſpottet? Das wäre doch ein ſonderbares Mittel! Was iſt denn die Nation anders als die Menge? Verſpottet man Einen, wenn man ihm gefallen will? Sie freilich und Ihre Bande, Sie verſtehen unter Nation nicht die Menge, ſondern nur die dreißigtauſend unter dreißig Millionen Menſchen, welche die Blutſauger des Volks ſind, die ohne Vaterland und ſelbſt ohne Fürſten nur den Hof kennen, an den ſie feſtgeſchloſ¬ ſen, und keinen andern Gott haben, als den Hof¬ knecht, der ihnen ihr Futter vorwirft. Dieſe Nation würde ich wohl verſpottet haben, wenn ſie eine Ehre hätte, die man verwunden könnte, und wenn ſie nicht, ſobald ſie ſatt iſt, jedes Spottes ſpottete. Ach beſter Freund, es wäre recht ſchön, wenn mich künf¬ tig kein Deutſcher in ſeiner Geſellſchaft duldete; aber ich fürchte, man duldet mich nach wie vor. Wie oft13 *196waren wir nicht in frühern Zeiten in der Geſellſchaft manches braven Mannes, dem die Ehre ſeines Lan¬ des heilig iſt, und doch wurden wir nicht zur Thüre hinaus geworfen! Man wußte, daß wir betrügeri¬ ſche Schuldenmacher, unverſchämte Bettler, lauſige Schmarozer, ehrloſe Kuppler, feile Lohnſchreiber, und die niederträchtigſten Spione aller Europäiſchen Höfe wären, und daß wir unſer deutſches Vaterland für tauſend Silberrubel zehntauſendmal verrathen und doch warf man uns nicht zur Thür hinaus! Es iſt aber ein geduldiges Volk, das Deutſche! Wie gerne ließe ich mich zur Thüre hinauswerfen, wenn nur das zur heilſamen Uebung unter den Deutſchen würde, daß ſie nicht länger niederträchtige Schurken, die ſie im Grunde ihrer Seele verachten, aus weibiſcher Aengſtlichkeit wie ehrliche Leute, und Menſchen, die ſie haſſen, aus dummer Höflichkeit mit Achtung be¬ handeln! Bevor Ref. dieſes im Vergleich zu der Niederträchtigkeit des Buches noch ſehr gelinde Urtheil nur durch einige Belege, wie ſie ihm gerade in die Augen fallen, motivirt, hat er ſich dagegen zu verwahren, als ob er zu den Juden-Feinden[ge¬ höre], zu welchen man ſeine Landsleute ſo gerne rechnet .... Er ſchätzt den braven aufgeklärten redlichen Mann, weſſen Religion er auch ſeyn möge. Wenn er aber alle die Verworfenheit, welche man gewöhnlich dem jüdiſchen Volke Schuld giebt, ſo197 ſchaamlos ausgeſprochen ſieht, wie in dieſem Buche des Herrn Baruch Börne .... dann kann er auch, tief empört über ſolche Schändlichkeit, gegen den Juden auftreten. Auch er muß am Ende überzeugt werden, daß ſolcher ſchaamloſen Frechheit und ſeich¬ ten[Frivolität] nur der Jude fähig iſt. Seht Ihr, Ihr gemeinen bürgerlichen Rezenſenten! Ihr habt Euch gegen mich, den Juden, ereifert; aber Ihr habt es mit Eurer gewöhnlichen tölpelhaften Art ge¬ than. Lernet von dieſem Hofzeitungs-Schreiber, wie man mit Hofmanier grob ſey. Als er gegen den Baruch in Börne losziehen wollte, durch welche Theilung er nichts gewann, als was Göthe's Zau¬ berlehrling durch Spaltung des Beſenſtiels gewonnen: daß er von zweien bedient wird, ſtatt früher von ei¬ nem bedachte er: Halt! Dem Herrn von Moſes bin ich Geld ſchuldig; von Herrn von Aa¬ ron will ich Geld borgen; bei Herrn von Jakob werde ich oft zu Tiſche geladen, Herr von Abraham zahlt mir meine ruſſiſchen Gelder aus; Herr von Iſaak hinterbringt mir, was am Münchner Hof vor¬ geht; Herr von Joſeph beſorgt mir meine Wiener Korreſpondenz ich muß dieſe koſtbaren Leute ſcho¬ nen, und nun ſagen, die Juden wären brave ſchar¬ mante Leute, und der Baruch Börne mache eine Ausnahme. Von dem lernt, Ihr Flegel. Und fragt Ihr mich, wie viele Dukaten und Flaſchen Cham¬198 pagner es mich gekoſtet haben würde, den Stuttgar¬ ter Hofzeitungsſchreiber zu meinem Lobredner zu ma¬ chen? ſo ſage ich Euch: ich bin ein Lump, wie Ihr alle ſeyd; aber dieſe kleine Ausgabe hätte mich nicht beläſtiget.

Der arme Teufel fühlt es manchmal ſelbſt, daß zum Schreiben die Finger allein nicht hinreichen, wie auch ein Geiſt dazu gehöre, und dann im Gefühle ſeiner Armſeligkeit, ruft er den Geiſt Mendelſohns aus dem Grabe hervor, daß er ihm beiſtehe in ſei¬ ner Noth. O edler Moſes Mendelſohn, im Grabe mußt du dich umwenden, daß länger als ein halbes Jahrhundert nach dir einer deines Volkes alſo ſchwatzen kann. Und da der edle Moſes Mendel¬ ſohn auf die Beſchwörung eines Taugenichts natürlich nicht erſchien, wurde er zum zweitenmal hervorgeru¬ fen. Nochmals rufe ich den Schatten des edlen Mendelſohns an. Zürnend erſcheine deinem entar¬ teten Enkel und beſſere ihn, wenn es möglich iſt. Vielleicht wundert man ſich darüber, daß ein Hofzei¬ tungs-Schreiber ſo romantiſch iſt; aber was kann man nicht alles ſeyn für dreitauſend Gulden jährlich? Gebet dem Manne Sechstauſend Gulden, und er wäre im Stande und würde ein ehrlicher Mann dafür.

Der Stuttgar[t]er Hofzeitungs-Schreiber wie die ganze Schaafheerde, die gegen mich geblöckt, fürchtet mich mehr, als den böſen Wolf, und ſähe daher gar199 zu gern, daß ich keine Gelegenheit verſäumte, mich todtſchießen zu laſſen. So ein Schuß iſt freilich eine Kritik, die keine Antikritik zu fürchten hat. Darum ſucht der Narr auch meinen Ehrgeiz rege zu machen und ſagt: Bald will Hr. B. nur Revolutionen und zappelt krampfhaft darnach, bald fürchtet ſeine erbärmliche Judenſeele ſie ängſtlich, wie im 19ten Brief. So oft Spektakel und Auflauf war in Paris, hatte er Zahnweh oder dicke Ba¬ cken und jammert dann hinterdrein wahrhaft kin¬ diſch-komiſch, nicht dabei geweſen zu ſeyn. Mein guter alter Freund, wo haben Sie denn im 19ten Brief Furcht gefunden? Unſer Muth und unſere Bangigkeit ſind freilich ſehr verſchieden von einander. Sie fürchten alles, nur die Polizei nicht, weil Sie unter deren beſonderm Schutz ſtehen; ich aber fürchte nichts als den Meuchelmord der Polizei, eine offene Kugel fürchte ich nicht. Wenn ich ſie früher oder ſpäter einmal in Stuttgart beſuche, werde ich Ihnen beweiſen, daß eine dicke Backe einem wirklich am Ausgehen hindern kann, und daß, wenn man in Paris zu Hauſe bleibt, und man als Ober-Spion keine andern Spione unter ſich hat, man nicht er¬ fährt, was ſich in der Stadt ereignet.

Es gab noch mehrere ſolcher Narren, die, um mich los zu werden, einen kindiſchen Ehrgeiz in mir aufzuregen ſuchten. Als ſie erröthen mußten, daß200 ich, ich allein unter all den Stummen und Ver¬ ſchnittenen, es gewagt, den Unterdrückten des Volks die Wahrheit zu ſagen, da meinten ſie: Welch ein großer Muth, ſich in Paris hinzuſetzen, und dort gegen deutſche Regierungen zu ſchreiben. Und jetzt hoffen ſie, ich würde hurtig wie ein thörigter Knabe in die Höhle des Tigers laufen. Und was iſt die Höhle des Tigers gegen das dunkle und heimliche Gericht, worin deutſche Re¬ gierungen die Beleidigung ihrer himmliſchen Allmacht rügen? In dunkler Nacht aus dem Bette gezerrt werden von Räubern, die ſich Gerichtsdiener nennen; dummen, tückiſchen, abergläubiſchen Staatspfaffen, die, ihren Gott im Bauche, der ſie füttert, verehrend, die kleinſte Beleidigung ihres Gottes grauſam ſtrafen ihnen Rede ſtehen während ſie ſitzen und ver¬ dauen; und dann aus der Welt zu verſchwinden, wie eine Seifenblaſe, nicht Luft, nicht Erde zeigt unſre Spur; ausgelöſcht im Gedächtniſſe ſeiner ſehr deut¬ ſchen Mitbürger, welchen der kleinſte Schreck den Kopf trifft, welchen Polizeifurcht wie ein Sirocco das Herz ausdörrt; und dann zu ſchmachten in einem feuchten Gewölbe, ohne Licht, ohne Luft, ohne Buch, ohne Freundestroſt, erfrierend von dem kalten Blicke der Kerkerwärter den Muth verlangt Ihr von mir? Gebet mir offenes Gericht, gebet mir den Schutz, den in Frankreich noch der Mörder hat, ge¬201 bet Preßfreiheit, daß meine Freunde aus den Zei¬ tungen erſehen können, wo ich hingekommen, und dann will ich Euch zu Rede ſtehen. Aber Ihr wer¬ det Euch wohl hüten, das zu thun; denn ich ſtünde dann Euch nicht Rede, Ihr müßtet mir und dem Volke Rede ſtehen. Fragt Maſſenbach, fragt Ypſi¬ lanti, fragt die andern Schlachtopfer alle, wie ſie im Kerker gelebt, warum ſie geſtorben? Gehet hin, fragt ſie, ſie ſtehen jetzt vor Gott und brauchen nicht mehr zu ſchweigen. Fragt Jahn, der endlich frei¬ gekommen, was ſeine Richter ihn gefragt? Er ſchweigt, er darf nicht reden. An einer langen Kette hält man ihn feſt das iſt ſeine Freiheit. Fragt Murhardt in Kaſſel, der ſchuldlos erklärt worden, warum er im Kerker geſchmachtet? Er iſt ſtumm. Er hat ſchwören müſſen, die Geheimniſſe der Tyrannei nicht zu verrathen. Die thörigten Menſchen! Solch einen Eid halten, den man ihnen, den Dolch auf der Bruſt, abgezwungen? Der lä¬ ſtert Gott, und verräth die Liebe, der lebendig aus der Höhle der Tyrannei kömmt und ſeinen Brüdern nicht erzählt, was im Dunkeln die Bosheit übt und die Unſchuld leidet. Ich hielte ſolchen Schwur nicht; es iſt Sünde, ihn zu halten.

Ich habe in meinen Briefen geſagt: im nächſten Jahre würde das Dutzend Eier theurer ſeyn, als das Dutzend Fürſten und jetzt, lieber alter Freund,202 machen Sie ſich luſtig über mich, weil von dieſer Prophe¬ zeihung gerade das Gegentheil eingetroffen. O ich möchte mich aufknüpfen! Das da habe ich nicht erfunden! Ich räume Ihnen ganz beſchämt den er¬ ſten Platz ein, Sie ſind ein viel feinerer Spasvogel als ich. Warum ſind Sie nicht immer ſo fein? Warum Sie, ein Hofzeitungs-Schreiber, ein Dietrich zu den größten wie zu den kleinſten Kabi¬ netskaſten aller Fürſten Europa's, ein Meiſter-Schelm, der die Polizei ſelbſt betrügt warum ſind Sie zu¬ weilen ſo grob, daß Sie in Verdacht gerathen, ein ehrlicher Mann zu ſeyn, und Ihren wohlerworbenen Ruf gefährden? Wie konnten Sie ſich nur vergeſſen, Ei, ei, zu rufen. Ei, ei iſt das nicht die Eſſenz der Dummheit? Riecht das nicht den Phi¬ liſter eine Meile im Umkreiſe? Ich ließe mich lie¬ ber todtſchlagen, ehe ich ei, ei ſagte oder ſchriebe. [Und] Sie haben, ei, ei drucken laſſen läugnen Sie es nicht. Um mich über die Eleuſinien der deut¬ ſchen Höfe luſtig zu machen, erzählte ich, daß der parſamste aller Sterblichen, ein deutſcher ungeadelter jüdiſcher Jüngling, in gemeiner Reitertracht auf einem Hofballe des Allerchriſtlichen Königs getanzt. Und Sie bemerkten darauf: Ei, ei, Hr. Baruch Börne, man ſollte faſt glauben, daß Ihnen doch die Zeit ein wenig lange wird, bis Sie ſich herablaſſen kön¬ nen, einer Prinzeſſin oder Herzogin die Hand zum203 Tanze zu reichen!! Ich bitte Sie, zeigen Sie mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem führt; ich kann ſonſt nicht hinüber kommen. Und ei, ei! Ehe ich Ihr Ei, ei geleſen, war es mir eine Beluſtigung, mich mit Ihnen zu necken, aber dieſes Ei, ei hat mich ganz verſtimmt, und[unwil¬ lig] rufe ich aus: es iſt eine Schmach! Mit ſolchem Ei-ei-Geſindel muß ich mich herumſchlagen!

Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber, als er den höchſten Gipfel der Begeiſterung erreicht dort oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmeiſter wohnt; in jener ſeligen Stunde, wo er ſein Quar¬ tal empfangen, ſagt er, ſchreibt er als heiße, gefühl¬ ausſtrömende Quittung: O du elende Schmeis¬ fliege! Nein das iſt zu arg, und was zu arg iſt, iſt zu arg, ſagt Eduard Meyer in Hamburg. Erſt jetzt verſtehe ich das große Wort. Und du mit einem kleinen d ſo alles Herkommen und deutſche Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenigſtens geſagt: Ach, du elende Schmeisfliege! Eine Grob¬ heit, die mit Ach anfängt, kann ein vernünftiger Menſch eigentlich gar nicht übel nehmen. Ach iſt ein Ausathmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß die Grobheit in dem Menſchen geſteckt, und daß er, blos ſich Luft zu machen, ſie ausgeſprochen. O aber iſt ein Einathmen, und verräth, daß eine Grob¬ heit, die damit beginnt, außer dem Menſchen gewe¬204 ſen, daß er ſie vorſätzlich aufgenommen, und daß, wenn der Grobian das Maul gehalten, er nicht grob geweſen wäre. Man wird daher finden, daß alle Grobheiten in meinen geſammelten Schriften mit ach anfangen, in einigen wenigen Fällen ausgenommen, wo ich aus Ironie o gebrauchte.

Der Freund, der mir aus Stuttgart das Hof¬ blättchen mit dem Stall-Artikel ſchickte, ſchrieb: er wäre von Lindner, und er erkenne ſeine Art in der Schmeisfliege. Aber das beweiſ't nichts; es giebt oft täuſchende Aehnlichkeiten und ich glaube es nicht. Doch wer ihn auch verfaßt! O du elende Schmeisfliege! iſt zu arg und das laſſe ich mir nicht gefallen. Glaubt Ihr denn, weil ich ſo lange geſchwiegen, ich würde das fort geduldig anhören? Warum glaubt Ihr das? Etwa weil ich ein Deut¬ ſcher bin? Aber höret, was Eduard Meyer ſagt: Der Deutſche iſt geduldig, ſchweigſam und bedenklich, aber doch nur bis zu einem ge¬ wiſſen Grade. Wenn ihm die Geduld reißt, wenn er das Schweigen bricht und einen Entſchluß gefaßt hat, ſo wird ſich man¬ cher wundern über die ſcheinbare Umwand¬ lung ſeiner Natur. Und ich fühle es, daß auch ich ein Deutſcher bin .... Man muß dem Geſindel einmal auf die Finger klop¬ fen, daß etwas Furcht hineinfährt. Ja,205 ich fühle es, daß auch ich ein Deutſcher bin! Wehe euch, wenn mir die Geduld reißt! Wehe dem Ge¬ ſindel, wenn ich ihm auf die Finger klopfe, daß Furcht hineinfährt! Ich gebe euch mein Wort: ſie fährt nicht wieder heraus. Ja, ich bin ein Deutſcher! Ja, mir reißt die Geduld! Ja, ich klopfe! Ihr Schlingels, Ihr Flegels, Ihr Ochſen, Ihr Eſel, Ihr Schweine, Ihr Schaafe, Ihr Mordbrenner, Ihr Spitzbuben, Ihr jämmerlichen Wichte, Ihr Sch doch ohne Leidenſchaft! Alles mit Ordnung. Ihr!

A.

Aalquappen, Aasfliegen, Abdecker, Abendländer, Aberwitzige, Achſelträger, Affen, Alltagsgeſichter, Ameiſenfreſſer, Anfänger, Angeber, Anſchwärzer, Ariſtokraten, Auerochſen, Aufpaſſer, Aufſchneider, Aufwiſchlumpen, Auskundſchafter, Ausreißer, Aus¬ rufungszeichen, Auſterſchaalen, Auswurf, Autoren;

B.

Bagage, Bandwürmer, Bängel, Bärenhäuter, Bauchdiener, Bauchredner, Bedienten, Beſtien, Beu¬ telſchneider, Blattläuſe, Blutigel, Böſewichter, Brech¬ eiſen, Brechpulver, Broddiebe, Brudermörder, Brumm¬ bären, Brunnenſchwängel, Büffel, Buſchklepper, Butterfäſſer;

206

C.

Cabalenmacher, Cenſoren, Charletane, Chineſen, Correkturbogen;

D.

Dachshunde, Delinquenten, Demokraten, Des¬ poten, Dichterlinge, Diebe, Diebslaternen, Dienſt¬ boten, Diplomatiker, Doggen, Dompfaffen, Dorn¬ büſche, Dreckkäfer, Druckfehler, Dubletten, Duck¬ mäuſer, Dummköpfe, Düten;

E.

Eintagsfliegen, Eisſchollen, Elendthiere, Eſel, Eſelsköpfe, Eulen;

F.

Falſchmünzer, Ferkel, Filzläuſe, Fiſchweiber, Fladen, Fledermäuſe, Flegel, Fratzengeſichter, Froſt¬ beulen, Fußſchemmel;

G.

Galgenvögel, Gaudiebe, Gecken, Gegenfüßler, Geheimſchreiber, Geifermäuler, Gelehrte, Gemein¬ ſchreiber, Giftmiſcher, Gimpel, Gliedermänner, Glocken¬ ſchwängel, Grobiane, Grundeln, Grundſuppen;

H.

Halunken, Haſenfüße, Heringe, Hofhunde, Hof¬ narren, Hunde[,]Hundsvötter, Hungerleider;

207

I.

Janitſchaaren, Insgeſammt, Johanniswürm¬ chen, Irrwiſche;

K.

Kammerdiener, Käſemaden, Kellerwürmer, Kerls, Kellerhunde, Kipper und Wipper, Kleckſe, Kleinſtädter, Klöſe, Klötze, Knechte, Koſtgänger, Kothkäfer, Krähen, Krautköpfe, Krebſe, Krüppel, Kundſchafter, Kürbiſſe;

L.

Laffen, Läſtermäuler, Laxirmittel, Lebkuchen, Lehrjungen, Leibeigene, Lichtſtumpen, Lieferanten, Lohnbedienten, Lotterbuben, Luder, Luftpumpen, Lüm¬ mel, Lumpen, Lumpenhunde;

Makulatur, Maden, Mameluken, Maſtvieh, Maultrommeln, Maulwürfe, Mispeln, Milchbröd¬ chen, Miſtkäfer, Mordbrenner, Murmelthiere;

N.

Nachtgeſchirre, Nachtmützen, Nachtwandler, Nar¬ ren, Nudeln;

O.

Ochſen;

P.

Papagayen, Pedanten, Phariſäer, Philiſter, Pinſel;

208

Q.

Quantitäten, Quappen, Quarke, Quintaner, Quitten;

R.

Rapunzeln, Räucherkerzchen, Recenſenten, Re¬ kruten, Referendaren, Renegaten, Reſonanzböden, Rohrdommeln, Rotznaſen;

S.

Schaafe, Schaafsköpfe, Schandbuben, Scheuer¬ lappen, Schinderknechte, Schindmähren, Schlaraffen¬ geſichter, Schlingel, Schlucker, Schmarotzer, Schmeis¬ fliegen, Schnitzel, Schufte, Schulfüchſe, Schurken, Schweine, Scribler, Siebenſchläfer, So ſo, Söldner, Spanferkel, Speichellecker, Spione, Spürhunde, Stie¬ felknechte, Stimmgabeln, Stockfiſche, Stöpſel, Sudler;

T.

Tagediebe, Tagelöhner, Taugenichtſe, Theekeſſel, Tintenklekſe, Tölpel, Trampelthiere, Tremulanten, Trommelſchläger, Trompeter, Troßjungen, Trüffel¬ hunde, Tuckmäuſer;

U.

Unleſerliche, Unterthanen, Unverſchämte:

209

V.

Verſchnittene, Verjagte, Vielſchreiber, Vorhäng¬ ſchlöſſer;

W.

Wachsbilder, Waldfrevler, Wandläuſe, Wanzen, Waſſergeiſter, Waſſerköpfe, Weihrauchfäſſer, Wespen, Wetterhähne, Wichte, Windmühlen, Wiſche, Wohl¬ edelgebohrne, Wohlgebohrne, Würmer, Wurſtmäuler;

Z.

Zahnſtocher, Zeitungs-Schreiber, Zeloten, Zeug¬ drucker, Zitteraale, Zwerge; Ihr ſollt ſehen, daß ich mit euch fertig werden kann.

Jetzt aber bitte ich den erſten Kunſtkenner ſei¬ ner Zeit, den Herrn Geheimen Kabinets-Sekretair Saphir in München, öffentlich zu entſcheiden, wer von uns gröber geweſen. Nicht der Herr Saphir oder ich ſo anmaßend bin ich nicht; ſondern Hr. Meyer, Hr. Wurm, Hr. Hering, Hr. Robert, Hr. Pittſchaft, die Münchner Hofzeitung, die Stutt¬ garter Hofzeitung, die Mannheimer Zeitung, die Berner Zeitung, und alle die andern Menſchen und Blätter, die ich nicht geleſen, ſie alle für Einen ge¬ zählt oder ich, jenen Allen der einzelne gegenüber.

Ende des Herings-Salats.

lV. 14
[210]

Sieben und zwanzigſter Brief.

Ich las kürzlich in einem engliſchen Journale eine gute Kritik von meinem Buche, mit ſehr vielen Auszügen. Ich mußte im Leſekabinet laut auflachen, als ich den Konrad mit ſeinen Abendteuern überſetzt fand. Was der Menſch Schickſale haben kann! Wurde es denn Konrad bei ſeiner Wiege vorgeſun¬ gen, daß einſt in einem Londoner kritiſchen Journale von ihm die Rede ſeyn würde? Die Ueberſetzungen leſen ſich ſehr ſchön und viel ſchöner, als das Ori¬ ginal. Die engliſche Sprache eignet ſich ſehr für dieſe Art zu ſchreiben. Sie hat etwas kräftiges, ſchwer treffendes, braun und blau ſchlagendes. Jedes Wort iſt ein Knotenſtück, jede Rede eine Prügelei.

Der Mädchen-Verein für die Polen in Mainz hat an das hieſige polniſche Komité (nehmlich das aus Polen ſelbſt zuſammengeſetzte, an deſſen Spitze211 Lelewell als Präſident ſteht) ein Schreiben erlaſ¬ ſen, das dieſe hochgeprüften unerſchütterlichen Män¬ ner mit thränenden Augen geleſen. Ganz deutſch und fromm im ſchönſten Sinne des Wortes, ganz unterwürfig und mädchenhaft, und wie Mondesblick, freundlich aber wehmüthig auf die deutſchen Männer herabſehend, welche ſchlafen. Der Brief wird von hier in die deutſchen Blätter geſchickt werden, und Sie werden ihn darin leſen. Dieſen Mädchen-Brief haben die jungen deutſchen Patrioten hier an ſämmt¬ liche Univerſitäten, mit folgendem Rundſchreiben be¬ gleitet, geſchickt: Nachſtehendes Schreiben deutſcher Jungfrauen haben uns mit thränenden Augen die Polen gegeben, damit wir es unſerm Volke bekannt machen, und in Sonderheit euch akademiſchen Brü¬ dern, in deren höhern Bildung und veredelten Ge¬ fühlen das Vaterland zweier Nationen den Keim ſeiner großen Hoffnungen niederlegte. Mit Stolz und Schaamgefühl erfüllen wir den Wunſch der Männer. Er wird einen gewaltigen und folge¬ reichen Wiederhall finden, denn es ſind Worte der Wahrheit, aus deutſcher Jungfrauen Munde hinüberſtrömend in deutſcher Jünglinge Bruſt. Als wir ſie laſen, dieſe deutſchen Worte, da ſchwu¬ ren wir bei unſerer Ehre und bei unſerm Vater¬ lande, uns würdig zu machen der Jungfrauen, welche ſie dachten. Dieſen Schwur, Brüder, wir14 *212 ſenden ihn euch! Polen, Deutſche, Männer dieſe Worte wird hinfort keine Verſchiedenheit der Bedeutung trennen! Ich kenne die Jünglinge, die das geſchrieben. Kennte ich ſie nicht und hätte ich ſie nicht erkannt, würde ich ſpotten, wie ich es oft gethan, über die hohlen Reden, die wie Seifen¬ blaſen glänzen und zerfließen. Aber ich kenne ſie. Sie haben in Deutſchland und in Belgien für die Freiheit muthig gekämpft, und ob ſie zwar unglücklich waren und kein beredtſamer Sieg für ſie ſprach, ſind ſie doch beſcheiden und fromm geblieben und ha¬ ben nur Worte für ihre künftigen Thaten, keine für ihre vergangenen. Wenn das deutſche Volk viele ſolcher zählt, nun, dann kann es wohl fallen im Kampfe gegen Tyrannei, aber in die alte Gefangen¬ ſchaft geräth es nimmermehr.

Der Doktor Gartenhof ſollte mir eigentlich zur Warnung dienen. Der hat lange nicht ſo heftig geſchrieben, als ich, und doch haben ſie ihn eingeſperrt. Dabei hat er noch das Glück, daß der conſtitutionelle Geiſt in Heſſen ihn gegen geſetzwidrige Gewaltthätig¬ keiten ſchützt. Wie würde es mir ergehen, wenn ich mich in Frankfurt der ſchnödeſten Willkühr preiß gäbe? Ich werde mich ſehr bedenken, nach Deutſchland zu kommen.

Leſen Sie denn die deutſche Tribune nicht? Sind Sie nicht erſtaunt, was der kleine Herkules,213 den Sie noch in der Wiege geſehen, für ein prächti¬ ger Mann geworden? Ich war der kleine Herku¬ les in der Wiege, der einige Schlangen zerdrückt, aber der Wirth, der ſchwingt die eiſerne Keule und ſchlägt Ochſen und Löwen todt. Ach! wie bald wer¬ den ſie kommen, und werden mich wegen meines ſanften Weſens, wegen meiner mäßigen und beſchei¬ denen Schreibart loben. Wie bald wird der Meyer drucken laſſen: was zu arg iſt, iſt zu arg. Die Börneſchen Briefe hatten meinen Unwillen in hohem Grade erregt, aber die Reden von Wirth übertreffen doch noch die dort aufgetiſchten Frechhei¬ ten. Man muß dem Geſindel einmal auf die Finger klopfen, daß etwas Furcht hinein¬ fährt.

Das iſt ein braver Wirth, der giebt ſeinen Gäſten reinen Wein, und ſie werden ſich geſunden Muth daran trinken. Endlich, endlich findet ſich doch einmal Einer, der einen deutſchen Mann ſteckt in das hohle deutſche Wort, und jetzt hat es eine Art. Das Wort hinter der That, der Diener hinter ſeinem Herrn, das iſt feine Sitte. Die große Idee einer deutſchen National-Aſſociation zur Vertheidigung der Preſſe, hat Wirth zugleich ausgeführt und beſprochen. Man unterzeichnet monatliche Beiträge, die kleinſte Summe wird angenommen, ſogar ein Kreuzer monat¬ lich. Mit dieſem Gelde werden die liberalen Bü¬214 cher und Zeitungen befördert, die Geldſtrafen für Preßvergehen bezahlt, und nöthigenfalls für die Fa¬ milie derjenigen Schriftſteller geſorgt, die wegen Preßvergehen eingekerkert werden. Das Eigenthum der Blätter gehört der Geſellſchaft. Der Redakteur eines liberalen Journals wird aus der Kaſſe bezahlt. Die Journaliſten werden als Beamte des Volks angeſehn, und können, wenn ſie ſich unfähig oder des Vertrauens unwürdig zeigen, abgeſetzt werden. Dieſe Idee, die öffentliche Meynung förmlich zu organi¬ ſiren, um ſie der Standesmeynung der Regierung entgegen zu ſetzen, und die Organe derſelben, die Journaliſten, als die Beamten des Volks zu betrach¬ ten, ſchwebte mir ſchon längſt vor. Wenn dieſer Plan, deſſen Ausführung in Rheinbaiern ſchon be¬ gonnen, ſich über ganz Deutſchland verbreitet und Wurzel faßt, kann noch alles gerettet werden, ſogar auf friedlichem Wege.

Ich gehe heute Abend in Geſellſchaft und habe mich noch gar nicht entſchieden, wie ich meine Hals¬ ſchleife binden ſoll. Man knüpft ſie jetzt: en porte¬ manteau, en bec-de lièvre und en chauve¬ souris. Mantelſack iſt ſehr bequem und ſo trage ich ſie gewöhnlich. Fledermaus iſt eine uralte Mode. Ich erinnere mich, daß ich an dem Tage, wo ich215 confirmirt worden, eine Fledermaus-Schleife getragen. Aber was Haſen-Maul iſt, weiß ich nicht. Ich will *** fragen, der alles, was ſich auf Haſen be¬ zieht, ſehr genau kennt.

..... Man muß jetzt mit den Schuften per¬ ſönlich Krieg führen, ich thue es auch, ob es zwar ſonſt meine Art nicht war. Es iſt nothwendig. Im kleinen Kriege iſt ein Mann ein Mann und einer weniger, iſt auch ſchon ein Sieg.

Es iſt ſchön von den Frankfurtern, daß ſie Bockenheim in Bann gethan. Das iſt ganz in mei¬ nem Geiſte gehandelt. Dadurch wird Bockenheim gegen ſeine Mauth und Regierung aufgeregt und das kann gute Folgen haben. Sie werden ſehen, die Leute lernen etwas aus meinen Briefen.

Sehen Sie, welch eine traurige und zugleich lächerliche Sache es mit der Cenſur iſt. Frankfurt iſt nur vier Stunden von Hanau entfernt, und man weiß nicht genau, was dort vorgeht, und Sie ſchrei¬ ben mir, vorgeſtern ſollen dort Unruhen ſtatt gefunden haben!

[216]

Acht und zwanzigſter Brief.

Alle Deutſche hier warnen mich auf's Drin¬ gendſte, ja nicht nach Deutſchland zu reiſen, weil man ganz ohne Zweifel mich einkerkern würde. Mir ſchaudert vor dem Gedanken, unter die Bärentatzen einer aufgebrachten deutſchen Regierung zu fallen.

Die Frankfurter Jahrbücher haben mir ſehr gefallen und überhaupt macht mir die Sache große Freude. Es iſt doch wenigſtens ein Dämmer¬ licht, und da es in Frankfurt bis jetzt Nacht gewe¬ ſen, kann es keine Abenddämmerung, es muß eine Morgendämmerung ſeyn. Die Artikel ſind alle gut geſchrieben, und bei der nöthigen Mäßigung fehlt es doch auch nicht an der erforderlichen Kraft. Dieſes Lüftchen von Freiheit, wäre es denn je zu uns ge¬ kommen, hätten die Franzoſen keinen Sturm gehabt? Hätten die deutſchen Regierungen je etwas gehört von217 der Stimme des Himmels, hätte Frankreich nicht ge¬ donnert? Schlimm genug für das deutſche Volk, daß die Furcht der Könige ſeine einzige Hoffnung, ihr Schrecken ſein einziger Troſt iſt.

Friede! Friede! Friede! Nicht Caſimir Per¬ rier ſeufzet ſo nach Frieden, wie ich ſeufze! Doch mein Friede iſt wohl ein anderer. Wie bin ich die¬ ſes Kampfes müde! Wie ängſtigen mich die Blut¬ flecken, die mir vor den Augen flimmern! Ich möchte ſpielen und ſollte ich darüber zum Kinde wer¬ den. Ich möchte in einem Kolleg bei meinem Schop¬ pen ſitzen, das Wochenblättchen leſen und Anekdoten erzählen, bis ich darüber zum Philiſter würde. Die Zunge iſt mir trocken; ich bin ſo durſtig, daß ein Morgenblatt, ein Abendblatt, mir Labſal wäre. Ich bin nicht dumm und faul geworden, wie ich neulich meynte; ich bin der Politik überdrüßig geworden. Beſtellen Sie ſich etwas Luſtiges bei mir, ſchlechte Witze, wohlfeile Späße; es wird mir alles gut thun. Soll ich Ihnen kleine Geſchichten erzählen? Kürz¬ lich vertheidigte ein Advokat einen Angeſchuldigten vor Gericht. Es war ein Preßvergehen und die Sache von keiner großen Bedeutung. Der Advokat hatte ſchon zwei Stunden geſprochen, und war noch ſo ferne vom Ziele als zwei Stunden früher. Da218 erhob ſich einer der Geſchwornen und ſagte: Müßte ich auch fünf hundert Franken Strafe bezahlen, ich halte das nicht länger aus. Ich bekomme Krämpfe, ich falle in Ohnmacht, wenn der Advokat noch län¬ ger ſpricht; meine Langeweile iſt unerträglich! Der Advokat lächelte und ſchwieg. Der Präſident und die Richter lächelten; alle Zuhörer lächelten, und waren des Scherzes froh, der Allen wohlthat. Aber den folgenden Tag erfuhr man, daß der gute Ge¬ ſchworne, als er nach Hauſe gekommen, einen An¬ fall von Schlag gehabt, und daß man ihm zu Ader laſſen mußte. Das vermag die Langeweile!

In ein Kaffehaus in Mailand traten vor eini¬ ger Zeit zwei öſterreichiſche Offiziere in bürgerlicher Kleidung. Der Eine fragte den Andern, ob er Cho¬ colade trinken wolle? Dieſer antwortete: er möge lieber Thee. Gleich darauf wurden die Offiziere vor die Polizei geladen, und ihnen vorgehalten, ſie wären Revolutionaire, Carbonari, Liberale und ſie ſollten nur alles geſtehen, dann würde man ihnen vielleicht das Leben ſchenken. Die Offiziere ſahen ſich einander verwundert an, und betheuerten ihre Unſchuld. Unſchuldig? donnerte der Polizei-Direktor. Herbei, Zeuge! Da kam ein italieniſcher Spion, und ſagte den Offizieren ins Geſicht, ſie hätten im Kaffehauſe von Freiheit geſprochen. Der gute Spion hatte lieber Thee gehört und das für Liberté219 verſtanden. Die Offiziere wurden mit einem ernſten Verweiſe wegen ihrer Unvorſichtigkeit entlaſſen. Den andern Morgen wurde bei der Parade dem Offiziers - Korps die Parole gegeben: Es ſolle bei Strafe der Degradation künftig keiner mehr in einem Kaffehaus ſagen: ich trinke lieber Thee, ſondern: ich trinke Thee lieber. Der Spion bekam eine Extra-Gra¬ tification von zehn Dukaten.

Im preußiſchen Lande Poſen haben zwei Brü¬ der der heiligen Hermandad Rottecks Weltge¬ ſchichte verbrannt. Sie ſind dafür zu Hofräthen ernannt worden. Geſtern iſt hier ein Roman in zwei Bänden erſchienen, mit dem Titel: Crac! Pchet! Bavunhd! Wie fordert man das Buch in der Leihbibliothek? In Hannover er¬ ſcheint ein Journal, worin dem hannöveriſchen Volke periodiſch bewieſen wird, daß es durch ſeine unver¬ gleichliche Regierung das glücklichſte Volk der Welt ſey. Das Journal wird von drei Hofräthen redigirt. Sie heißen: Hüpeden, Wedemier, Ubbehohde. Wer ſolchen Namen nicht glaubt, der iſt ſchwer zu befriedigen. Der Rektor der Berliner Univerſität (ich glaube er heißt Marheineke) hat an alle deutſche Univerſitäten geſchrieben, ſie möchten doch ſubſcribiren auf die Werke des Königlich Preußi¬ ſchen Hofphiloſophen Hegel, die in einer ſtyl¬ verbeſſerten Ausgabe erſcheinen werden.

220

So eben verläßt mich Einer, der im Na¬ men des Verlegers der angekündigten Ueberſetzung meiner Briefe zu mir kam, und mich um biographi¬ ſche Notizen bat, die man dem Buche vordrucken wolle. Ich muſterte in Gedanken alle Merkwürdig¬ keiten und Erinnerungen meines Lebens, um einige davon hinauszuſchicken. Aber da erging es mir, wie der Viertelsmeiſterin Wolf in den Huſſiten vor Naum¬ burg. Ich fand, daß es alle meine lieben Kinder ſind und ich konnte nicht wählen. Ich ließ den Mann wieder gehen, und ſagte ihm, daß ich gar nichts von meinem Leben wiſſe, und er ſolle ſich an Andere wenden, die beſſer unterrichtet wären, als ich in dieſer Sache. Im Ernſte, ich begreife gar nicht, wie Einer ſo unverſchämt ſeyn kann, von ſich ſelbſt zu reden, außer er müßte ſich über ſich luſtig machen. Das wollte ich aber auch nicht. Darin ſind meine Franzoſen ganz andere Leute. Dr. **** hat vom Buchhändler Brockhaus den Auftrag, für ein biogra¬ phiſches Lexicon das Leben der hier wohnenden be¬ rühmten Männer zu ſchreiben. *** wendete ſich ſchriftlich an dieſe ſelbſt, und gleich den andern Tag hatte er von Allen die vollſtändigſten Selbſtbiogra¬ phien, worin ſie ohne alle Satyre ſich auf das Schönſte lobten. Mancher beſuchte außerdem ***, und firnißte noch mündlich ſein ſchriftliches Lebensge¬ mälde. In dem Namens-Verzeichniſſe der Perſonen,221 deren Biographien geliefert werden ſollen, welches Brockhaus dem *** geſchickt, wählte dieſer auch meinen Namen aus. Aber Brockhaus entzog ihm die¬ ſen Artikel. Gewiß aus Furcht, er möchte als mein guter Bekannter Gutes von mir ſagen. Jetzt läßt er ſich ohne Zweifel meine Biographie von einem Hering oder einem andern ſolchen Vieh ſchreiben. Ich lache jetzt ſchon darüber. Solche Narren mey¬ nen, ſie könnten einen jeden beliebigen Ruf machen. Von der ſiegenden Macht der Wahrheit haben ſie gar keine Vorſtellung.

Ich freue mich ſehr auf Ihren nächſten Brief, worin Sie mir ganz gewiß von dem Aufruhr in Wisbaden erzählen werden, und von den Gefahren, welchen dort unſer Geld ausgeſetzt iſt. Nun was mich angeht, ſo kann ich es gar nicht erwarten, bis ſie mir den letzten Kreuzer genommen. Habe ich erſt nichts, dann bin ich alles was ich habe, und das gäbe mir friſche Lebenskraft und machte mich ganz wieder jung. Man fühlt die Leiden des armen Volks doch nicht ganz, ſo lange man ſie errathen muß. Und Sie gar, ein Frauenzimmer, wie können Sie fürchten für Ihr Geld? Möchten Sie nicht jung bleiben bis zum Grabe? Ach! der Reichthum macht einem alt, ſehr alt. Wiſſen Sie, warum man den Deputirten in Wisbaden arretirt hat, oder arre¬ tiren wollte? (Ich weiß nicht, wie weit es gekom¬222 men.) Weil man ihn in Verdacht hatte, Artikel[ge¬ gen] die Naſſauer Regierung in die Hanauer Zei¬ tung geſchrieben zu haben. Sehen Sie, die ſind klug! Sobald ſie eine Henne gackern hören, ſuchen ſie die Revolution in der Dotter des friſchen Ei's auf; ſie warten nicht, bis ſie herauskriecht. Und das iſt das Geheimniß: die kleinen deutſchen Fürſten alle ſind von ihrem Adel an Oeſter¬ reich und Preußen verkauft. Die Miniſter dieſer kleinen Fürſten drücken das Volk noch über ihre eigne Neigung hinaus, damit es ſich empöre, und Oeſterreich und Preußen Anlaß bekämen, die Staa¬ ten mit ihren Truppen zu beſetzen. Dann jagt man die kleinen Fürſten fort, und die Judaſſe von Mini¬ ſter werden gut beſoldet. Sind aber die kleinen Fürſten ſo dumm, daß ſie das nicht einſehen? O nein, ſie ſind gar nicht ſo dumm, ſie ſehen das recht gut ein. Wenn ſie aber ihre Bürger nicht wie Hunde regieren können, wollen ſie lieber gar nicht regieren, und treten darum ihre Herrſchaft gern an Mächtigere ab, denen es mit der Unterdrückung des Volks beſſer gelingt als ihnen. Ich kann es nicht verantworten, bis mein lieber Graf Bellinghauſen von Wien zurückkömmt, und ſeine Pandora-Büchſe öffnet. Es möchten wohl Uebel herauskommen, von denen er ſich gar nicht erinnerte, ſie eingeſchloſſen zu haben.

223

Höchſt merkwürdig iſt ein Artikel in den neue¬ ſten Blättern der deutſchen Tribüne: Der Kampf des deutſchen Bundes mit der deutſchen Tribüne. Der Verfaſſer ſagt: ohne Zweifel werde die deutſche Bundesverſammlung ihren neuen Feldzug gegen die deutſche Freiheit damit beginnen, daß ſie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬ auf erfolgen? Die Tribüne wird ſich nicht wehren laſſen und fort erſcheinen. Die Baieriſche Regierung wird dann durch Soldatengewalt die Preſſe zerſtören wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern ſich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer Freiheit gegen die Königsſoldaten kämpfen. Gelingt es ihnen nicht und ſind ſie zu ſchwach, dann wird man die benachbarten Franzoſen zu Hilfe rufen, die trotz und entgegen ihrer verächtlichen Regie¬ rung, den Deutſchen beiſtehen werden. Und dann allgemeiner Krieg. ... Dieſer offene Trotz muß einen ganz beſondern Grund haben. Und hätte er keinen, wäre er blos aus der ſehr edlen Leidenſchaft¬ lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann wäre er von den beſten Folgen. In der jetzigen Lage der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts vernünftigeres thun; unſere ganze Hoffnung beruht auf der Unvernunft der Tyrannei. Dieſe herauszu¬ fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen Schriftſtellers ſeyn, der von der Sache etwas ver¬224 ſteht. Oeſterreich und Preußen müſſen die Revolution machen. Und man kann ihnen ge¬ rade herausſagen, was man von ihnen erwartet; denn ſie werden uns zum Trotze und um unſere Er¬ wartung zu täuſchen, gewiß nicht vernünftig werden.

Von dem erſten März an erſcheinen im Badi¬ ſchen zwei neue liberale Blätter, ohne Cenſur. Das Eine in Heidelberg vom Deputirten von Itzſtein re¬ digirt, das Andere in Freiburg von den Deputirten Duttlinger, von Rotteck und Welker. Das iſt nun zum erſtenmal in Deutſchland, daß bedeutende und angeſehene Männer ein politiſches Blatt ſchreiben. Das wird glückliche Folgen haben. Was aber wird die hohe Bundesverſammlung thun? Die Art, wie ich geſchrieben und die Tribüne, war den Herrn für einige Zeit wenigſtens gewiß willkommen. Das gab ihnen Vorwand, gegen die Preßfreiheit mit Strenge zu verfahren, und Tauſende von deutſchen liberalen Philiſtern, die früher in der Abenddämmerung ein leiſes Wort mitgeſprochen, ſind von unſerm lauten Worte am hellen Tage ſo in Schrecken verſetzt wor¬ den, daß ſie ſeitdem ſchweigen. Das war jenen in Frankfurt auch Gewinn. Wenn aber Männer, wie die genannten, mit Feſtigkeit doch mit Mäßigung, auf eine dem ängſtlichen und frommen Gemüthe der Deutſchen entſprechende Weiſe und ſie wirken doch, nur langſamer die conſtitutionelle Geſin¬225 nung zu verbreiten ſuchen, dann werden Oeſterreich und Preußen, deren bisheriger Einfluß auf die klei¬ nen deutſchen Mächte hierdurch bedroht wird, alles anwenden, dem, was ſie als ihr Verderben anſehen, Einhalt zu thun. Und was dann? Geduld. Wir werden ſehen, wer am nächſten erſte April den An¬ dern in den April ſchickt.

Dieſen Morgen beſuchte mich Jemand aus Wis¬ baden und der von dort kömmt. Der erzählte mir, man habe nicht einen Deputirten, ſondern einen Be¬ amten arretirt, den man in Verdacht hatte, Artikel gegen die Naſſauer Regierung in die Hanauer Zei¬ tung geſchrieben zu haben. Der eigentliche Verfaſſer jener Artikel ſey der Papierhändler Schulz in Wis¬ baden, und als dieſer von der Arretirung jenes Beamten erfahren, ſey er vor Schrecken geſtor¬ ben. Wir Deutſche empfinden jetzt die üblen Fol¬ gen, daß man Polignac und ſeine Geſellen nicht auf¬ geknüpft hat. Ein ſolches Beiſpiel hätte die deut¬ ſchen Miniſterchen doch etwas ſtutzig gemacht. Wie bequem es aber unſere Regierungen haben! Wie wohlfeil die Tyrannei bei uns iſt! Die Regierun¬ gen können ein Schreckensſyſtem ohne Guillotine einführen. Sie brauchen ihre unterthänigen Philiſter nur mit Gefängniß zu bedrohen, und da ſterben ſieIV. 15226gleich vor Schrecken. So kriecht, kriecht, Ihr Regen¬ würmer, die Ihr nach dem Gewitter in Frankreich Euch aus der Erde hervorgewagt kriecht, bis Euch der Fuß der Tyrannei zerquetſcht! Welker hat in der Ankündigung ſeiner neuen Zeitung, die der Frei¬ ſinnige heißen wird,[geſagt]: das neue Blatt wird zeigen, daß Baden werth iſt, das un¬ ſchätzbare Gut der Preßfreiheit zu ge¬ nießen. Zeigen werth iſt wem zeigen? Der Regierung? Der Bundesverſammlung? Die¬ ſer zeigen, daß ein deutſches Volk der Freiheit wür¬ dig ſey? Um den Beifall der Regierungen buhlen? Großer Gott! Wie kann man nur ſo wenig die Würde des Bürgers, ſo wenig die Würde eines Volks fühlen, in deſſen Namen man ſpricht, daß man ſagt, man wolle zeigen, daß das Volk des Bei¬ falls ſeiner Regierung würdig ſey? Die Regierun¬ gen müſſen um den Beifall ihrer Völker buhlen; ſie, aus dem Volke hervorgegangen, von ihm erhoben, von ihm theuer bezahlt ſie müſſen zeigen, daß ſie des Vertrauens würdig ſind, das man in ſie ge¬ ſetzt, daß ſie die Macht verdienen, die man ihnen geliehen zum Beſten aller. Das Volk braucht nicht zu bitten, das Volk braucht nicht zu ſchmeicheln, ihm iſt alle Macht, ſein iſt alle Herrſchaft, und die Re¬ gierung iſt ſein Unterthan.

In einem deutſchen Blatte las ich: in Preußen227 wäre ein junger Patriot wegen ſeines Patriotismus (welches man in der Schinderſprache demagogiſche Umtriebe nennt) zu lebenslänglicher Unter¬ ſuchung verurtheilt worden. Man kann nicht wah¬ rer und geiſtreicher die himmelſchreiende Grauſamkeit der deutſchen Gerichte bezeichnen, die überlegend, ob ſie einen armen gefangenen Vogel fliegen laſſen oder braten ſollen, ihn rupfen ſein ganzes Leben lang. In dem nehmlichen Blatte ſtehen einige Strophen eines Ring - oder Doſen-Gedichts, welches der Hof¬ rath Rouſſeau in Frankfurt an den Kaiſer Franz gemacht hat. Er ſagt darin: die Welt habe den Schwindel, und wenn ſie Kaiſer Franz nicht am Arme feſt hielte, wäre ſie ſchon längſt umgefallen. Dann ſagt er: Jakob hätte ſieben Söhne gehabt, ſo viel mir bekannt, hat er zwölf Söhne gehabt; aber weil zwölf nur eine Sylbe hat und ſieben zwei Sylben, hat der zarte Lyriker fünf Menſchen todtge¬ ſchlagen. Alſo Jakob habe ſieben Kinder gehabt und nur einen Benjamin. Aber Kaiſer Franz mache keinen Unterſchied zwiſchen ſeinen Kindern, und Un¬ garn, Böhmen, Italia ſtünden ihm in gleicher Liebe nah! Ich habe die größte Luſt, das Gedicht ganz zu leſen. Bringen Sie mir es mit. Nicht ſchicken es wäre ſchade um das Kreuz.

15 *
[228]

Neun und zwanzigſter Brief.

Der deutſche Bund zur Vertheidigung der Pre߬ freiheit hat hier die größte Theilnahme gefunden; mit ſteigender Wärme wird dieſe Angelegenheit behandelt, und der Kreis der Mitglieder erweitert ſich täglich. Die hier befindlichen deutſchen Handlungs-Kommis, von deren Geſinnung und Streben ich Ihnen ſchon früher geſchrieben, haben ſich vereinigt und ihre Liſte mit Unterſchriften iſt ſchon bedeutend angewachſen. Die deutſchen Handwerksgeſellen haben ſchon, ehe dieſe Veranlaſſung kam, ihren Patriotismus an den Tag gelegt. In dem Speiſehauſe, das ſie gewöhn¬ lich beſuchen, wo der Wirth ein Deutſcher iſt, wird der Weſtbote (ein in Rheinbaiern erſcheinendes, im Geiſte der Tribüne geſchriebenes Blatt) ſchon längſt gehalten, und mit einem Eifer geleſen, und mit einer Wärme und einem Verſtande erklärt, daß es zum229 Bewundern iſt. Dieſe tragen auch ihren Sou mo¬ natlich zur Aſſociation bei. Der Advokat Sa¬ voie aus Zweibrücken, einer der Gründer des Ver¬ eins, iſt ſeit einigen Tagen hier und ſetzt für die gute Sache alles in Bewegung. Die Polen haben begriffen, daß dieſe Angelegenheit nicht blos eine deut¬ ſche, ſondern eine europäiſche, und mehr als alles, eine polniſche ſey. Sie bedachten, daß der Rückweg nach Polen über Deutſchland gehe, und daß nur ein freies Deutſchland den Durchzug gewähre. Darum werden auch ſie ſich der Aſſociation anſchließen, und im Namen des hieſigen polniſchen Komités eine Be¬ kanntmachung erlaſſen. Die italieniſchen Flüchtlinge werden dieſem Beiſpiele folgen; denn noch mehr als die Deutſchen ſelbſt, drückt ſie die deutſche Tyrannei. Die ſpaniſchen Patrioten werden es auch thun. Alle begreifen, daß Deutſchland der Wall iſt, der die Freiheit des weſtlichen Europa's gegen die Angriffe des öſtlichen ſchützt. Wenn wir nur drei Monate Zeit hätten! Jeder Tag iſt ein Sieg. Denn nichts zu ſchaffen iſt in Deutſchland, es iſt nur wegzu¬ ſchaffen: das kleine Hinderniß, das die größte Be¬ wegung aufhält. Es iſt Mittag, das Volk ſieht hell; doch ein Fenſterladen macht Tag zu Nacht und macht das Volk blind. Ein ſchlechtes Stück Holz zerſchla¬ gen und alles iſt gewonnen. Aber wir werden keine drei Monate Zeit haben! Das Gewitter in Frank¬230 furt ſteigt ſchwarz empor und wird die Frucht auf dem Halme zerſchlagen. Eins wird immer gewon¬ nen und das eine rettet die Zukunft. Durch die Be¬ wegungen der deutſchen Patrioten, die trotz ihrer Heftigkeit und ſcheinbaren Unregelmäßigkeit, doch kalt und ſehr gut berechnet ſind, werden die in Frankfurt völlig den Schwindel bekommen, die letzte Haltung verlieren und ganz ohne Kopf thun, was ſie bis jetzt mit wenig Kopf gethan. Völker ſind, wie die Oli¬ ven. Dem leichten Drucke geben ſie ſüßes Oehl, dem ſtarken bitteres. Die Herren Diplomaten in Frankfurt preſſen ſie nun um einen Grad ſtärker, als ſie es bis jetzt gethan, bereiten ſich einen bittern Salat und ſie werden den Mund verziehen.

Haben denn nicht auch Frauenzimmer, und be¬ ſonders Jüdiſche in Frankfurt für den Verein unter¬ ſchrieben? Letzteren muß man vorſtellen, das ſey das einzige Mittel, die Heiraths-Freiheit (wor¬ an ihnen wohl mehr, als an der Preßfreiheit liegt) zu gewinnen. Thun Sie das.

231

Geſtern Abend hatten wir ein patriotiſches Eſ¬ ſen, etwa ſechszig Deutſche, meiſtens Handlungs-Kom¬ mis. Der Zweck der deutſchen Aſſociation für die Preßfreiheit wurde beſprochen, und da zeigte ſich denn wieder, was ſich in jeder Geſellſchaft zeigt. Einige ſind begeiſtert; die Andern, der Wärme froh, die ihnen fehlt, ſonnen ſich gern; die meiſten ſind kalt, bleiben es gern und müſſen mit Gewalt ins Feuer geworfen werden. Deutſche Bedenklichkeiten ohne Ende. Von den Juli-Tagen wollte der Eine nicht geſprochen haben: das könne uns verdächtig machen. Andere unterſchrieben, aber nur mit Buchſtaben, und erklärten alle Theilnahme zu verweigern, wenn ſie ihre Namen nennen müßten. Es war zum Lachen. Sie ſtürzten nach dem Eſſen, als ſie warm gewor¬ den, wie blind nach dem Tiſche zu, worauf der Sub¬ ſcribtions-Zettel lag, gleich Einem, der in Gefahr, vor der er zittert, die er aber nicht fliehen kann, mit geſchloſſenen Augen ſtürzt. Deutſche Art trat in dem Antrage mächtig hervor: ſie müſſen doch eine Regierung haben, ein Komité, Präſidenten, Sekre¬ tair. Sie wollten für eine Freiheit kämpfen, die ih¬232 nen fehlt, und wurden gleich anfänglich ihrer eigenen Freiheit müde, und ſuchten ſich unter dem Namen ei¬ nes Komités eine Herrſchaft. Ich ſtellte ihnen das Gefährliche einer Kommiſſion vor; wie dann alle Bewegungen, alle Geheimniſſe und Papiere in die Hände weniger kämen, wie dann leicht die Polizei Einfluß erhalte, durch wenige gewonnene Mitglieder alles leiten, alles verhindern könne; wie ſie dann wiſſe, wo ſämmtliche Papiere zu finden. Wie viel Eindruck meine Vorſtellung gemacht, muß ich abwar¬ ten. Savoie hielt eine ſchöne Rede, die mit größerm Enthuſiasmus hätte aufgenommen werden ſollen. Auf Vaterland, Freiheit wurden mit mäßiger Wärme Toaſts ausgebracht. Als aber kann ich es doch ohne Lachen kaum ſchreiben veranlaßt durch einige anweſende Polen, die Geſundheit der Polen ausge¬ bracht wurde, folgte ſtürmiſcher lauter Beifall. So ſind ſie! Für fremde Freiheit hellflammend, für eigne muß man ſie erſt einheitzen. Die hieſigen deut¬ ſchen Handwerker ſollen ſich aber vortrefflich beneh¬ men. Geſtern wurde an einem ihrer Verſammlungs¬ orte eine Liſte aufgelegt, und gleich in den erſten Stunden waren dreißig unterſchrieben. Ob man ih¬ nen zwar geſagt, der monatliche Beitrag von einem Sou ſei willkommen, wollte doch keiner weniger als einen Frank[unterzeichnen], und ſagten dabei: gingen die Geſchäfte beſſer, würden ſie mehr geben.

233

Nachmittags, ſagte ich zu Konrad: Geben Sie Acht. In der Rüe Tirechappe No. 7. am Ende der Rüe St. Honor é, es iſt eine kleine finſtere Gaſſe, iſt ein Speiſehaus. Der Wirth iſt ein Deutſcher. Dort gehen Sie heute hin eſſen. Fordern Sie von dem Wirth die Liſte für die Deutſchen. Viele Handwerker und Andere haben unterſchrieben. Wir machen Geld zuſammen, und wollen die Fürſten wegjagen. Sie unterzeich¬ nen auch mit einem Franken monatlich, und ich will das Geld für Sie bezahlen. Konrad lachte, und war ſehr vergnügt über die Revolution und ſagte: ich brauche ihm das Geld nicht wieder zu bezahlen, er gebe das ſelbſt gern. Sein Freund, der Schrei¬ nergeſell aus Kaſſel habe ſchon geſtern mit ihm von der Sache geſprochen. Und er möchte gern wiſſen, wenn der Spektakel losgeht, damit er gleich fort nach Deutſchland eile. Alſo Konrad hat da ge¬ geſſen, es waren ſchon 69 Unterſchriften und meiſtens mit einem Frank. Das ſind arme Leute. Die Komis, die doch alle guten Gehalt haben, und oft Söhne reicher Eltern ſind, haben auch nur einen Frank gegeben! Konrad ein Verſchworner! O Zeitgeiſt!

Es intereſſirt mich ſehr zu wiſſen, wer im Ge¬ lehrten-Verein ja, und beſonders wer nicht unter¬234 ſchrieben. Daß es *** gethan, iſt ein gutes Zei¬ chen; denn es[beweiſ't], daß die Sache Mode iſt.

Das Pereat: der deutſche Bund, der todte Hund, hat mir ſehr gut gefallen. Vivat Pereat!

O, prächtig, da haben wir ſie ſchon! Sie heu¬ len mit den Wölfen, damit ſie ſelbſt für Wölfe ge¬ halten und nicht gefreſſen werden. Den einzelnen deutſchen Regierungen wird bange vor der allgemei¬ nen deutſchen Aſſociation, die von Rheinbaiern aus¬ geht; ſie wollen dieſer fürchterlichen Einigung aller Deutſchen zuvorkommen, und was thun ſie jetzt in ihrer Schlauheit? Sie erfinden eine Badiſche, eine Würtembergiſche, eine Darmſtädter Freiheit, daß nur keine Deutſche ſich bilde. Herr von Fahnenberg, Ober-Poſt-Direktor in Karlsruhe, ſonſt ein achtungs¬ werther Mann, aber ein Mitglied der Regie¬ rung, alſo in ihrem Geiſte, auf ihren Befehl, und zu ihrem Vortheile handelnd, ſtellt ſie an die Spitze einer Grosherzoglich Badiſchen Preßfreiheits-Aſſo¬ ciation. Im Falle alſo, der Abſolutismus in ſeinem Kampfe unterläge berechnen unſere vorſichtigen Regierungen haben wir doch im ſchlimmſten Falle nur einen Grosherzoglich Badiſchen, einen Königlich Baieriſchen, einen Herzoglich Naſſauiſchen Liberalis¬ mus und mit dieſen kleinen Freiheitchen werden wir235 in einer günſtigeren Zeit ſchon fertig werden. Unter¬ deſſen genießt die Badiſche Regierung einen Finanz¬ vortheil bei dieſer Sache. Die Bundeskaſſe der Preßfreiheits-Aſſociation vermehrt die Kaution der Journaliſten, und ſichert ihre Beſtrafung. Alles ſchön, alles gut; es kömmt nun darauf an, wie weit die Dummheit des Deutſchen Volkes geht. Und geht ſie ſo weit, daß ſie ihren Patriotismus provinzialiſi¬ ren und mit 39 dividiren laſſen, dann wären ja alle dieſe ſchlauen Mittelchen ganz unnöthig. Sind wir denn wirklich ſo dumm, als die Regierungen glau¬ ben?

Geſtern ſteht in der allgemeinen Zeitung, daß in Berlin wegen Heine's, zwiſchen einem Anhänger und einem Gegner deſſelben, ein Duell vorgefallen. Die politiſchen Duells ſind ſeit einiger Zeit ſehr häufig, auch hier zwiſchen den Polen. Das iſt ein gutes Zeichen. Je größer die Erbitterung zwiſchen den Partheien, je näher der Kampf; je näher der Kampf, je näher der Sieg.

[236]

Dreißigſter Brief.

Da iſt die Adreſſe nach Zweibrücken. Sie hat mir den ganzen Vormittag verzehrt und ich muß darum über alles übrige heute ſchweigen. Sie ſollen ſich in alphabetiſcher Ordnung unterſchreiben. Wenn nur nicht unglücklicher Weiſe der wahrſcheinliche Abraham in der Geſellſchaft ein furchtſames Herz hat, und ſich bedenkt, den Anfang zu machen! Vor¬ wärts, Israel! Die Mauern Jericho's ſind von Trompeten eingefallen aber es iſt kein wahres Wort daran. Unter Trompete verſtand die heilige Schrift die Preßfreiheit. Vor ihr werden auch die Mauern der Tyrannei fallen. Und leſet das Kapitel von Samuel und Saul zweimal, zehn Mal, hundert Mal. Adieu.

237

An die Herren Vorſteher des Deutſchen Preßvereins in Zweibrücken.

Wir haben die Ehre, Ihnen eine Liſte von Einwohnern Frankfurts, die dem ſchönen Bunde für das freie deutſche Wort beigetreten, zugleich mit dem Betrage der Sammlung des erſten Monats zu überſenden. Alle die Unterzeichneten ſind jüdiſchen Glaubens. Wenn dieſes Verhältniß unſerer Theil¬ nahme eine beſondere Bedeutung giebt, die ſie ohne dies nicht hätte: ſo iſt das weder unſere Schuld noch unſer Verdienſt, es iſt nur unſer Mißgeſchick.

Wir hätten vorauseilen ſollen in einem Kampfe, der uns mehr verſpricht, als den übrigen Deutſchen, weil uns alles fehlet; doch wir ſind die Minderzahl, und es ziemte uns daher die Beſchlüſſe der Mehr¬ heit abzuwarten, und ihrer Leitung zu folgen. Ihr dürft unſerem Mitgefühle vertrauen; den Schmerz, kein Vaterland zu haben, kennen wir ſeit länger als Ihr.

In dem Kriege, den ſie den Befreiungs¬ krieg genannt, der aber nichts befreit, als unſere Fürſten von den Banden, in welche die große, mäch¬ tige und erhabene Leidenſchaft eines Helden ihre klei¬ nen ſchwachen und verächtlichen Leidenſchaften ge¬ ſchmiedet, haben auch wir die Waffen geführt. Ehe238 der Kampf begann, genoſſen wir in Frankfurt, wie überall in Deutſchland, wo franzöſiſche Geſetzgebung herrſchte, gleiche Rechte mit unſern chriſtlichen Brü¬ dern. Und nicht etwa dem Murren des Volkes wurde dieſe neue Gleichheit[aufgedrungen]. Sie überraſchte, wie alles Fremde, doch ſie ward willkommen, wie alles was die Liebe bringt. Die nehmlichen Bürger tranken herzlich aus einem Glaſe mit uns, die noch den Tag vorher uns mit Verachtung angeſehen, oder mit Haß den Blick von uns gewendet. Denn das iſt der Segen des Rechts, wenn es mit Macht gepaart, daß es wie durch einen Zauber die Neigungen der Menſchen umwandelt: Mistrauen in Vertrauen, Thorheit in Vernunft, Haß in Liebe. Dem Waſſer gleichet Gerechtigkeit; ſie fällt ſchnell herab und ſtei¬ get nie hinauf. Jede Regierung vermag in allem, was gut und ſchön iſt, die Meinungen und Geſin¬ nungen, das Herz und den Willen der Völker um¬ zuwandeln; aber Völker brauchen Jahrhunderte, ihre Regierungen zu veredlen, und nie der friedlichen Mahnung, nur der Gewalt gelingt es endlich, ihre Wildheit zu bezähmen.

Als wir aber aus dem Kampfe zurückkehrten, fanden wir unſere Väter und Brüder, die wir als freie Bürger verlaſſen, als Knechte wieder, und das ſind wir geblieben bis auf heute. Nicht blos die Rechte des Staatsbürgers, nicht blos die des Orts¬239 bürgers hat man uns geraubt, wir genießen nicht ein¬ mal die Menſchenrechte, die, weil ſie älter als die bürgerliche Geſellſchaft, kein Recht unterdrücken noch modeln darf. Man hat ſich uns gegenüber das Recht der Peſt angemaaßt, das Recht, unſere Bevölkerung zu vermindern, und um dieſes fluchwürdige Ziel zu erreichen, verſtattet man uns, die wir in Frankfurt fünftauſend an der Zahl ſind, jährlich nur funfzehn Ehen zu ſchließen. Höre es, deutſches Volk! Und wenn Freiheit, Recht, Menſchlichkeit in Deinem Wörterbuche ſtehen, erröthe, daß Du ohne Erröthen dieſe Schmach, die das ganze Vaterland ſchändet, ſo lange ertragen konnteſt.

So wurde uns gelohnt. Wir waren nicht die einzigen, aber wir waren die am meiſt Betrogenen; und wahrlich, nicht die einzigen zu ſeyn, hat uns mehr geſchmerzt, als die am meiſt Betrogenen zu ſeyn.

Verdienten wir unſer Schickſal? So wenig als Ihr es verdientet. Doch hat es je der Tyran¬ nei an Unverſchämtheit gefehlt, wenn ſie aus Spott eine Rechtfertigung ſucht, über die ſie ihre Gewalt erhob? Dich, chriſtlich deutſches Volk, haben Deine Fürſten und Edelleute als ein beſiegtes Volk, Dein Land als ein erobertes Land behandelt. Und uns, jüdiſch deutſchem Volke ſagte man, wir wären aus240 dem Orient gekommen, hätten zur angenehmen Ab¬ wechslung die Babyloniſche Gefangenſchaft mit der Deutſchen vertauſcht, wir wären fremd im Lande und wir betrachteten ja ſelbſt unſere Mitbürger als Fremdlinge. Doch das iſt unſer Glauben, was auch die Verläumdung gelogen, das iſt die Lehre unſerer Väter; was auch die Schriftgelehrten herausgedeutet! Als Gott die Welt erſchuf, da ſchuf er den Mann und das Weib, nicht Herrn und Knecht, nicht Juden und Chriſten, nicht Reiche und Arme. Darum lieben wir den Menſchen, er ſei Herr oder Knecht, arm oder reich, Jude oder Chriſt. Wenn unſere chriſt¬ lichen Brüder dieſes oft vergeſſen, dann kömmt es uns zu, ſie mit Liebe an das Gebot der Liebe zu ermahnen uns, die wir älter ſind als ſie, die wir ihre Lehrer waren, die wir den einen und wah¬ ren Gott früher erkannt, und der reinen Quelle der Menſchheit näher ſtehen als ſie.

Viele unſerer Glaubensgenoſſen, und wie hier ſo gewiß auch überall, zögern noch dem Vereine bei¬ zutreten. Sie theilen unſere Geſinnungen, ihr Herz ſchlägt ſo warm als das unſere für die Freiheit des Vaterlandes; aber ſie ſind bedenklich, ſie, die Rei¬ chen unter uns, weil ſie, den Räthen der Gewalt¬ herrſcher näher ſtehend, ſich einflüſtern ließen: wenn das Volk zur Macht käme, werde es die Ketten der Juden noch enger ſchließen.

241

Schenkt dieſen Einflüſterungen kein Gehör, ge¬ liebte Glaubensgenoſſen! So ſprechen jene nur, um Bürger von Bürger zu trennen, damit ſie das ſo getrennte, ſich wechſelſeitig mistrauende Volk leichter nach ihrer Willkühr beherrſchen können. Tretet dem Bunde bei. Die Freiheit der Preſſe gründet die Herrſchaft der Vernunft, und unter dieſer Herrſchaft ſind Alle gleich, giebt es keine Knechte.

Sie aber, würdige und muthige Männer, die für das deutſche Volk das Wort genommen, ſprechen Sie es aus, was unſere Glaubensgenoſſen zu er¬ warten haben von der Freiheit des Vaterlandes. Reden Sie klar und offen, nicht für uns, nur für die Andern, die ängſtlich noch zurückgeblieben.

Doch wie auch Ihre Antwort günſtig oder nicht, wir treten nicht zurück. Als die Polen ihren Kampf begannen, ſo erhaben er auch war, lud man dort die Juden nur zum Kampfe ein, aber nicht einmal zur Hoffnung der Siegesbeute. Polen unterlag! Be¬ ginnt jetzt Euren Kampf, wir theilen ihn und ver¬ trauen auf Gott. Wir wiſſen: das Schuldbuch des Himmels hat nur noch wenige leere Blätter, die Thorheiten und Sünden der Menſchen in Rechnung zu bringen. Dem Undanke, dem verrathenen Ver¬ trauen folgt bald die Strafe nach. Ihr werdet frei mit uns, oder Ihr werdet nicht frei.

Euch aber, geliebte Glaubensgenoſſen, ſey eslV. 16242geſagt: wenn einſt unſere chriſtlichen Brüder die Freiheit ſich gewonnen, und wir theilen, wie den Kampf, ſo die Beute des Sieges mit ihnen, dann nichts vergeſſen, nichts vergeben, keine Verſöh¬ nung, die nur die Grenze des Haſſes iſt. All un¬ ſer Gedächtniß liege bei den Gebeinen unſerer Vä¬ ter; nur in der Zukunft wollen wir leben, nur für die Zukunft wollen wir ſterben.

[243]

Ein und dreißigſter Brief.

Der Lindner iſt zum Legations-Rath in Mün¬ chen ernannt worden, und hat die allergnädigſte Erlaubniß, die Uniform des königlichen Hauſes tragen zu dürfen, taxfrei bekommen. Ich möchte ihn ſehen in ſeiner Livree. Dieſer Lind¬ ner iſt die vollendetſte Laquaien-Seele, die ich je kennen gelernt; er iſt mit gelben Aufſchlägen und geprägten Knöpfen auf die Welt gekommen. Er und Hormayer ſchreiben die neue baieriſche Staatszeitung, und der Letztere hat das Feld der Literatur zu be¬ bauen übernommen. Das wird eine ſchöne Landwirth¬ ſchaft werden!

Ach, was habe ich für einen ſchönen neuen Ueberrock! Haſelnußfarbe, bequem über den Frack zu tragen, wattirt, lang, ein Meiſterſtück. Sie hät¬ ten Ihre Freude daran. Auch hat ihn der berühmte16*244Staub gemacht, der Rothſchild der Schneider. Als ich ihm ſagte: Noch nie hätte mir ein pariſer Schnei¬ der einen Ueberrock nach Wunſch gemacht und ich bäte ihn darum, die Sache mit Ernſt zu bedenken, lächelte er ganz mitleidig und ſagte: une maison comme la nôtre! Und der Mann hat Recht, ſtolz zu ſeyn. Was die Natur an mir verdorben, hat er wieder gut gemacht. Meine Taille ſollten Sie ſehen!

Mit dieſem ſchönen Ueberrock ausgeſchmückt (und in dieſer Abſicht ſchone ich ihn und ziehe ihn ſel¬ ten an), werde ich künftigen Sommer den Redakteur der Mannheimer Zeitung in Heidelberg beſuchen, und werde ihm ſagen: Ich bin der Verfaſſer der Briefe aus Paris, zu dem die Stuttgarter Hof-Zeitung ge¬ ſagt hat: O, du elende Schmeisfliege! Die zwei Haupt-Redakteurs an dieſer Zeitung ſind der ehrliche Lindner, und geheime Hofrath Münch, von denen jeder dreitauſend Gulden Gehalt bekömmt. Dafür müſſen ſie grob ſeyn. Sie aber werden weit ſchlechter bezahlt, und ſind daher auch weit weniger grob. Indeſſen haben Sie von mir geſagt: Ich haſſe die Fürſten, weil ich keine Hoffnung hätte, ſelbſt ein Fürſt zu werden, und haßte die Reichen, weil ich kein Geld hätte. Das eine iſt dumm, und darum verzeihe ich es Ihnen; aber das andere iſt gelogen. Betrachten Sie mich in dieſem Rocke; ſehe ich aus,245 wie ein Mann der arm iſt? Der Rock hat eine Haſelnußfarbe, einen Sammtkragen, und iſt mit Seide gefüttert und wattirt von oben bis unten. Er hat fünf Taſchen und eine ſechſte geheime für Ver¬ ſchwörungsliſten, und kann bis am Halſe zugeknöpft werden. Fühlen Sie einmal dieſes Tuch an; fra¬ gen Sie Herrn Zimmern daneben, wieviel die Elle von ſolchem Tuche koſtet und Sie werden erſtaunen. Und Sie nennen mich arm? Wenn Ihre ganze Garderobe ſo viel wehrt iſt, als mein einziger Rock, ſollen Sie mich zum Fenſter hinaus in den Neckar ſtürzen. Hundert und dreißig Franken hat er geko¬ ſtet. Ueberhaupt, für wie reich halten Sie mich? .. Der Redakteur, dem mein grimmiges Geſicht ganz angſt gemacht, möchte gern höflich ſeyn und mich für ſehr reich erklären; aber ſo ein armer Teufel von Peſcheräh hat nicht weit zählen gelernt, und er ant¬ wortet: O, Herr von Börne, Sie ſind gewiß drei bis vierhundert Gulden reich ... Vierhundert Gul¬ den! Sie[ſind] ein Narr. Eine Million bin ich reich, ſowohl an baarem Gelde, als an Manuſcrip¬ ten und guten Eigenſchaften. Sie aber, wie viel ſind Sie werth? .. O! ich bin wenig werth .... Wenig werth? Gar nichts ſind Sie werth. Sie ſind nicht werth, daß Sie der Teufel holt! Dann ginge ich fort und lachte mich todt. Nur eines iſt mir unerklärlich: Warum der Redakteur der Mann¬246 heimer Zeitung von den Heidelberger Studenten noch niemals Prügel bekommen.

Soviel ich das undeutlich geſchriebene Motto aus dem Tacitus leſen kann, heißt es in deutſcher Ueberſetzung ohngefähr wie folgt: Nicht blos gegen die Schriftſteller, ſondern auch gegen deren Werke, wurde auf Befehl der Triumviren mit Erbitterung verfahren, und die Denkmäler der erhabenſten Geiſter wurden auf dem Forum verbrannt als könnten durch Feuer die Klagen des römiſchen Volks, die Frei¬ heit des Senats und das Gefühl des ganzen Men¬ ſchengeſchlechts vernichtet werden!

Nicht auf Myrons Kuh wurden zu ihrer Zeit ſo viele Epigramme gemacht, als in Deutſchland ſeit eini¬ gen Monaten auf mich gemacht wurden! Und es ſind nicht blos kleine Schaumuſter von Witz, von Fingers¬ länge, wie jene griechiſchen waren; ſondern es ſind ganze lange, breite, ſchwere Witzſtücke, woran drei Blei hängen, das bekannte Fabrikzeichen der deutſchen Satyre. Es iſt aber merkwürdig, was ich bei den Fabrikanten Kredit habe! Sie ſchicken mir ihre Waare unbeſtellt, unverlangt, und ſcheinen ganz unbekümmert, ob ich ſie einmal bezahlen werde oder nicht. Aber ich bezahle ſie ehrlich währt am längſten.

Ein ſolches Witzſtück erhielt ich geſtern in meinem247 Briefe, der das Poſtzeichen: Hamburg. 15. Nov. trug. Der Menſch denkt's, Gott lenkt's. Ich wollte darauf ſchwören, daß der Briefſteller acht Tage nach dem 15. November ſich Morgens vergnügt die Hände rieb und jubelte: heute kommt mein Brief nach Paris, heute wird er braun, roth, gelb und weiß vor Aerger, und zerbricht ſich den Kopf, wer das Sonett gemacht haben mag. Goethe oder Platen, oder Uhland, oder Heine, oder Chamiſſo und kann es nicht errathen. Aber es kam ganz anders. Den Brief erhielt ich erſt geſtern, alſo vier Monate ſpäter, weil die Adreſſe falſch war. Die Straße Rue de Provence war zwar richtig angegeben, aber die Hausnummer war falſch. Ich wohne Nr. 24, und die Adreſſe hatte Nr. 21. Vier Monate ſuchte mich der Briefträger, bis er mich endlich fand! Und ich wohne doch der Nr. 21 ge¬ rade gegenüber! Und ich erhielt den Brief zugleich mit dem erſten Veilchen, zu einer Zeit, wo mich nichts ärgern kann, weil ich dann meinem Oſt entgegen¬ dämmere, weil ich dann des baldigen Wiederſehens froh bin. So weiſe hat mein Schutzgeiſt alles gelenkt, um die Bosheit des Hamburger Sonnettiers zu vereiteln.

Aber ſo iſt der Deutſche! Dieſer unbekannte Hamburger ein Menſch, der ſo gar keine Schul¬ kenntniſſe hat, der ſo wenig von Geographie, Stati¬ ſtik, Hiſtorie, Topographie, Biographie gelernt hat, daß er nicht einmal weiß, daß ich in der Rüe de248 Provence No. 24 wohne und nicht No. 21 nimmt ſich heraus, ein Dichter ſeyn zu wollen, nimmt ſich heraus, ein Sonett auf mich zu werfen! Und mit welcher Bosheit ging er dabei zu Werke! Daß ich ja nichts ahnden möchte; daß ich ja in der Er¬ wartung ſchwelgte, das Innere des Briefes werde ſo rückſichtsvoll und artig ſeyn als ſein Aeußeres, und die Ueberraſchung, der Schrecken mich ſo fürchterlicher darnieder werfe ſchrieb er auf die Adreſſe: à Mon¬ sieur L. Boerne, savant Allemand und fran¬ kirte den Brief. Wie man Einem Grobheiten fran¬ kirt ſchicken mag, begreife ich nicht; nie hätte ich das Herz dazu.

Hier folgt die Abſchrift des Sonett's. Das Entwichner Wechſelbalg wird Ihnen gefallen. Ich bitte, ſehen Sie in meinem Schimpfwörterbuche nach, ob in W. Wechſelbalg ſteht; wenn nicht, tragen Sie es nach.

An L. Börne den Briefſteller aus Paris.

Iſt der ein Deutſcher, der mit frechem Hohne,
Den deutſchen Namen ſchändet, ihn entehrt,
Was Deutſchen heilig iſt, giftig zerſtört,
Es richtend nicht, hinrichtend gleich dem Frohne!
Schütz Himmel uns vor dem verworfenen Sohne
Des Vaterlands, der Jud 'und Chriſt empört,
Der Lug und Trug zu lehren nur begehrt,
Sich flechtend ſelbſt der ew'gen Schande Krone!
Du wähnſt Dich ſicher im Aſyl der Franken,
Und nicht zu Deutſchen, nicht in Deutſche Schranken,
249

Entwichner Wechſelbalg, kehrſt Du zurück! Doch wohin Dich die flücht'gen Sohlen tragen, So lang 'im Buſen Deutſche Herzen ſchlagen, Iſt auch Verachtung Dein gerecht Geſchick!

Als ich geſtern den Wechſelbalg ſuchte, war er nicht zu finden. Erſt einen Tag in meinem Zim¬ mer und ſchon verſchwunden! Darum heißt er auch mit Recht ein flüchtiger Wechſelbalg. Endlich fand ich ihn unter meinen Papieren verſteckt und niedergekauert. Und als ich ſo Nachſuchung hielt, fiel mir noch ein anderes Blatt in die Hände, ein köſtliches Blatt, eine wahre papierene Krone, und ich kann darum wie Saul ſagen: ich war hingegangen, einen Eſel zu ſuchen und habe eine Krone gefunden. Doch nein! O Gott nein! Jetzt nicht ſcherzen, nicht lachen! Leſen Sie, leſen Sie. Dieſes ſchwefelfar¬ bige Aktenſtück aus dem Archive der Hölle, wurde mir im Winter vor unſerem Aufenthalte in Soden von *** vertraulich mitgetheilt. Ich ſollte es zum Drucke befördern. Nun hatte mich wohl damals meine ſchwere Krankheit unempfindlich, ſpäter die fran¬ zöſiſche Revolution hoffnungstrunken gemacht. Es war mir ganz aus dem Sinne gekommen. Jetzt, ge¬ ſund genug und nur zu nüchtern, fand ich das Pa¬ pier wieder. Jetzt will ich es drucken laſſen. Schrei¬ ben Sie mir es ab, und verbrennen Sie ſogleich das Original. Die Handſchrift möchte vielen in250 Frankfurt wohl bekannt ſeyn. O! es kocht, es kocht in mir! Aber meine bevorſtehende Reiſe läßt mir nicht Zeit zu warten, bis meine Zorn Suppe gar geworden. Unglückliches Volk! Unglückliches Vater¬ land! Kein Wahnſinniger wird ſo bevormundet und gepeinigt. Es iſt mir, als ſähe ich das ganze Deut¬ ſche Volk im Drillhäuschen. Doch genug, genug!

Bericht des Oeſterreichiſchen Generals von Langenau an den Fürſten von Metternich.

(Frankfurt, 1823.

In die Majorität der Bundes-Geſandten iſt ein Geiſt des Widerſpruchs gefahren, der ſich in zwei¬ facher Beziehung in der Form des Liberalismus ma¬ nifeſtirt, obwohl er durch und durch politiſcher Natur iſt.

Die erſte Form iſt die Geſetzlichkeit. Kein Antrag darf ohne ſtrenge Prüfung zur Abſtimmung gebracht werden. An jeden wird der Buchſtabe des Geſetzes als Maasſtab gelegt; jede Discuſſion wird auf Grundſätze zurückgeführt. Alles wird unter die[Lupe] der Bundes-Verſammlung gebracht; kein Geſetz wird für oder wider angeführt, ohne durch künſt¬ liche Exegeſe den Sinn deſſelben auf ſo folgenreiche Weiſe auszudehnen, daß der Convenienz bald gar kein Spielraum mehr übrig bleiben wird. Aber nicht die Geſetzlichkeit, die Verfaſſungsmäßigkeit iſt der251 letzte Zweck dieſer Sophiſten. Dieſer liegt vielmehr darin, den großen Bundesmächten die formale Rechts¬ gleichheit aller Bundesglieder ſo unerträglich zu ma¬ chen, daß ſie, um ſich in ihren Intereſſen nicht bin¬ den zu laſſen, ſich genöthigt ſehen, im Bunde nur eine paſſive Rolle zu ſpielen, und nur durch dieſe Paſſivität gegen die Action der Mindermächtigen zu reagiren. Allein dies gerade fördert ihren Zweck, in dem die kleinern Staaten, eben durch dieſe Thätigkeit, die öffentliche Meinung in dem Grade für ſich gewin¬ nen, in welchem die größern durch ihre Unthätigkeit, die als hemmendes Prinzip erſcheint, dieſelbe verlieren.

Die zweite Form iſt die der Nationalität. In dieſer Form ſuchen ſie die verſchiedenen, oft ſich widerſtrebenden Intereſſen der einzelnen kleinen Staa¬ ten in Separathandlungen auszugleichen und zur Er¬ haltung der ſo errungenen gemeinſamen Intereſſen förmliche Bünde im Bunde zu ſtiften. Warum wird mit ſo großem Eifer, mit ſo vieler Umſicht an der Organiſation der gemiſchten Armee-Corps gearbeitet? Warum der Vereinigung darüber alle Rangverhältniſſe ſo leicht geopfert? Warum ſtehen die Theilhaber dieſer Corps, ſo bald ſie die Selbſtſtändigkeit der¬ ſelben nur von weitem gefährdet glauben, gleich für einen Mann? Warum hat man in den Staaten, welche von Proteſtanten regiert werden, mit ſo un¬ wandelbarer Hartnäckigkeit allen Schwierigkeiten, die ſich der Gründung eines gemeinſamen Syſtems für252 die Katholiſchen Kirchenangelegenheiten in den Weg ſtellten, Trotz geboten? Hat nicht, um nur das Syſtem zu Stande zu bringen, Würtemberg ſeinen Landesbiſchof einem Badiſchen Erzbiſchof unterge¬ ordnet, Darmſtadt der Metropolitanwürde, welche Mainz ſo lange zierte, entſagt, Kurheſſen dem Großherzogthum Heſſen den Vorrang eingeräumt? Hat man nicht ſelbſt die kleinen Staaten Norddeutſch¬ lands in den ſüddeutſchen Verein zu locken gewußt? Warum wird auf einmal jede Finanz-Rückſicht und jedes Provinzial-Intereſſe für nichts geachtet, um nur den ſüddeutſchen Handelsbund, an welchem in Deutſchland ſo eifrig gearbeitet wird, zu Stande zu bringen? Die öffentliche Meinung ſoll da¬ mit gewonnen werden, die Völklein ſollen an die Möglichkeit glauben, daß ſie ein Volk werden könnten; ſie ſollen in ſolchen Ver¬ einen ihr Wohl gegründet finden, ſie ſollen Parthei nehmen gegen die, welche, weil ſie andere Intereſſen haben, den gleichen Weg nicht nehmen können, und in dieſer neuen Liebelei mit den Völkern und der öffentli¬ chen Meinung, wollen jene Liberalen dem Einfluſſe ein Ziel ſtecken, den, zu ihrem großen Verdruſſe, die großen Mächte noch immer auf die innern Angelegenheiten der einzelnen deutſchen Staaten ausüben und aus¬ zuübenberufen ſind. Dieſe Menſchen die oft weniger253 liberal ſind, als ſie, um zu ihrem Zwecke zu ge¬ langen, ſich darſtellen, theilen ſich zwar wieder in zwei verſchiedene Klaſſen, in die Idealiſten und Realiſten; allein, wenn auch von verſchiedenen Geſichtspunkten ausgehend, ſtreben ſie doch beide nach dem einen Ziele, gegen die beiden großen Mächte einen Antagonismus zu organiſiren.

An der Spitze der Idealiſten ſteht der Frei¬ herr von Wangenheim. Ihm ſchließen ſich mehr oder weniger an die Herren von Carlowitz und Harnier. Realiſten ſind der Freiherr von Are¬ tin und der Herr von Lepel. Jener läßt die Idea¬ liſten ſprechen und zieht, indem er ſie zu bekämpfen ſcheint, die Concluſa, wie ſie es wollen, gegen Oeſterreich; dieſer ſtimmt offen und unverholen für Alles, was gegen die großen Mächte iſt. Ihm folgt, wenn irgend möglich, der Herr von Roth. Auf Graf Eyben, Graf Grüne, Graf Beuſt und Baron Penz iſt nicht zu rechnen; ſie ſind den Idealiſten und Realiſten perſönlich befreundet, und, wenn ſie auch gegen die großen Mächte nichts unternehmen, ſind ſie doch auch nicht für ſie zu gebrauchen. Macht man Anſprüche auf ſie, ſo ſchützt der eine die Forderungen der Ehre, der andere gar die des Pandektenrechtes vor im Grunde liebäugeln auch ſie mehr oder minder mit der Popularität. Aus Freiherrn von Blittersdorf iſt nicht klug zu werden, er lebt in allen Elementen mit gleicher Leichtigkeit.

254

Was bleibt uns? Ein Präſident, der zwar ſa¬ gen muß, was wir wollen, es auch gern und mit Heftigkeit ſagt, aber es nicht vertheidigen kann, ſo daß er mit dem beſten Willen oft das Gegentheil von dem ſelbſt mit beſchließen hilft, was er durch¬ ſetzen ſollte; ein Graf Goltz, der das, was Graf Buel bejaht, zwar nie verneint, aber zur[Verthei¬ digung] der Sache nie auch nur das mindeſte beizutragen vermag; der Herr von Hammerſtein, der uns nur bei ſeinem erſten Auftritte liberal und alſo gefährlich erſchien, jetzt aber ſich täglich beſſer zeigt. Er hat Kenntniſſe, Verſtand und einen gewiſſen Geiſt der Intrigue, und den Stolz, der über die Kleinen hinwegſieht; er wird uns, wenn Sie ihn mit dem Bande, das er uns ſelbſt darreicht, vollends feſſeln, wichtige Dienſte leiſten können. Der Miniſter Mar¬ ſchall, auf den unter allen Umſtänden und für jeden Zweck zu bauen iſt; der Freiherr Leonhardi, der nicht muckſen darf, und die Geſandten der ſo¬ genannten freien Städte, obwohl auch dieſe, der Mehrzahl nach, die Fauſt in der Taſche machen.

Hieraus folgt, daß, ſo gute Elemente wir auch haben, dennoch an der Begründung des Stabilitäts - Syſtems, und mithin an Herſtellung der Ruhe, nicht zu denken iſt, wenn man nicht die Idealiſten zuſammt den Realiſten bannen kann. Die Bundes-Ver¬ ſammlung muß epurirt werden. Darauf müſſen Oeſterreich und Preußen vor allen Dingen wirken. 255Die auf dieſen Zweck berechneten Schritte müſſen zwar gemeinſchaftlich verabredet, aber nur abwechſelnd von Einem dieſer beiden Staaten allein und ſehr nach und nach gemacht werden, damit nicht andere als die angegriffenen ſich in ihrer Würde gefährdet glauben mögen. Deshalb darf man die Epuration auch nicht beim Freiherrn von Aretin anfangen, obwohl ſeine Entfernung, weil er vor allen Andern der Verſtockteſte und daher der Gefährlichſte iſt, am wünſchenswertheſten wäre. Bayern hält am meiſten auf ſeine Unabhängigkeit, würde alſo am erſten Lärm blaſen, und nicht ohne großen Anhang bleiben. Da¬ her muß das bayeriſche Gouvernement nicht gereizt, ſondern ins Intereſſe gezogen und für die Epuration gewonnen werden. Dies iſt zum Glück gar nicht ſo ſchwer, da der Miniſter Rechberg das bayeriſche anti-öſterreichiſche Syſtem vergißt, ſobald man ihn in irgend einen magiſchen Spiegel die Revolution und den Fürſten Metternich als deren Bändiger zeigt.

Nicht ohne Erfolg hat Preußen in ſeinen Cir¬ kular-Bemerkungen über die Köthenſche Streit-An¬ gelegenheit den Freiherrn von Aretin nicht nur ge¬ ſchont, ſondern ſogar gelobt. Rechberg findet dieſe Bemerkungen vortrefflich, das Benehmen der Mehr¬ zahl der Bundesgeſandten abſcheulich. Gelingt es, das bayeriſche Gouvernement in dieſer Stimmung zu erhalten, ſo wird der Epuration kein großes Hinder¬256 niß im Wege ſtehen. Es kommt dann nur darauf an, immer nur Einen Geſandten auf Einmal und zuerſt einen ſolchen zu attaquiren, deſſen Hof von den übrigen aus irgend einem Grunde am leichteſten zu iſoliren iſt. Es iſt ziemlich gleichgültig, wer dieſer erſte ſey. Alles iſt gewonnen, wenn um ſeines Benehmens gegen die großen Mächte willen nur Einer rappellirt wird. Zeigt man dann nur den feſten Entſchluß, daß, wenn es ſeyn muß, der nehm¬ liche Prozeß ſofort werde von vorn angefangen werden; ſo darf man mit Sicherheit darauf rechnen, daß der böſe Geiſt, der jetzt in der Bundes-Ver¬ ſammlung ſein Unweſen treibt, bald gebannt ſeyn wird. Keinem Geſandten wird es alsdann ſo leicht wieder einfallen, in ſeinen Berichten, die wir ja meiſtens perluſtriren können, den Geiſt der Oppoſition, der allerdings in den deutſchen Fürſten zu leicht nur geweckt werden kann, zu nähern, vielmehr werden ſie, um ſich in ihren einträglichen und zugleich ru¬ higen Poſten zu befeſtigen, ſelbſt dazu mitwirken, ihre Höfe dem öſterreichiſchen, alſo auch dem preußi¬ ſchen An - und Abſichten, aus treuer Anhänglichkeit an das alte Kaiſerhaus entgegen zu führen.

Dies iſt der einzige Weg, auf welchem meines Dafürhaltens wir das wieder erobern können, was wir uns in unbegreiflicher Sorgloſigkeit haben ent¬ reißen laſſen.

About this transcription

TextBriefe aus Paris
Author Ludwig Börne
Extent273 images; 47599 tokens; 10297 types; 326503 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationBriefe aus Paris Mittheilungen aus dem Gebiete der Länder- und Völkerkunde Ludwig Börne. . VIII, 372 S. BrunetOffenbach1833.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, 50 MA 26864-11/12http://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=504697609

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ClassificationBelletristik; Prosa; Belletristik; Briefe; core; ready; ocr

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