Wenn die Lehre von der Behandlung geſunder und krankhafter Zuſtaͤnde des weiblichen Koͤrpers uͤberhaupt, und beſonders waͤhrend des hoͤchſtwichtigen Zeitpunktes der Geburt, in neuer Zeit, verglichen mit dem Zuſtan - de in welchem ſie ſich noch vor ungefaͤhr hundert Jah - ren befunden, ſo große Fortſchritte gemacht hat, ſo ver - danken wir dieſes unfehlbar außer dem Einfluße des Fortſchreitens geſammter aͤrztlicher Wiſſenſchaft, doch ins - beſondere der auch in dieſem Zweige nach und nach im - mer mehr verloͤſchenden widernatuͤrlichen Trennung zwi -IV ſchen Chirurgie und Medicin. Man darf ſicher behaup - ten daß vorzuͤglich die Behandlung des Geburtsgeſchaͤfts wenig erſprießliche Folgen haben konnte, ſo lange ſie als bloßes Conglomerat gewiſſer mechaniſcher Fertigkei - ten erſchien, die Beobachtung eigentlicher lebendiger Wirkſamkeit des Organismus aber faſt ausgeſchloſſen blieb, und man darf ſogar uͤberhaupt annehmen daß Krankheiten des weiblichen Koͤrpers, ſo lange dem Arzte nicht eine klare Einſicht in die eigenthuͤmliche Natur dieſes Geſchlechts vorſchwebte, nur wenig natur - gemaͤß behandelt werden konnten. Die Erkenntniß dieſer Wahrheiten hat nun allmaͤhlig immer mehr auf Vernichtung der engen Grenzen, worin die Entbindungskunſt ſich eingezwaͤngt ſah, hingewieſen, und darauf gedrungen, die Lehre von der Huͤlfsleiſtung bei der Geburt nur als eine beſondere Disciplin der Lehre von der Natur und Behandlung des weiblichen Koͤrpers uͤberhaupt anzuer - kennen. Maͤnner wie Boër, mein trefflicher ehemaliger Lehrer Profeſſor Joͤrg, Schmidmuͤller, Nolde, Schmitt, Fauſt, haben in dieſem Sinne gelehrt und geſchrieben, und wie ich mich ſelbſt praktiſch mehr mit dieſem Zweige der Heilkunde befaßte, vorzuͤglich aberV ſeit ich 1814 die Direktion einer bedeutenden Entbin - dungsanſtalt uͤberkam, wurde mir dieſes ſo zur feſten Ueberzeugung, daß ich nicht nur nach dieſen Grund - ſaͤtzen meine Vortraͤge ordnete, ſondern fortwaͤhrend darauf bedacht war, Materialien zu ſammeln, um eine Darſtellung der geſammten Gynaͤkologie, welche als Ganzes bisher noch nirgens abgehandelt iſt, einſt daraus zu geſtalten.
Nachdem ich endlich mit der Ausarbeitung meiner naturwiſſenſchaftlichen Studien zu einem Ganzen, durch die Herausgabe meiner Zootomie, nicht ſowohl abgeſchloſ - ſen, ſondern mich nur durch Ordnung des Erworbenen zu weitern Forſchungen vorbereitet und erleichtert hatte, ſchritt ich zur Ausfuͤhrung dieſes Plans, welche Arbeit jetzt dem Publikum zu uͤbergeben ich mich im Begriff ſehe. Ich lege dieſe Schrift fortwaͤhrend meinen Vor - traͤgen zum Grunde, und wuͤrde mich freuen wenn auch andere Lehrer dieſelbe fuͤr gleichen Zweck zu benutzen angemeſſen faͤnden, habe denn auch deßhalb durchgaͤngig einer Praͤciſion nachgeſtrebt, wodurch die Betrachtung der vielfachen hierher gehoͤrigen Gegenſtaͤnde, welche in anderen Werken (z. B. dem in 4 Baͤnden noch nichtVI geſchloſſenen ſchaͤtzbaren Lehr - und Handbuche uͤber Ent - bindungskunſt und Frauenzimmerkrankheiten des H. v. Siebold) in einem groͤßern Umfange abgehandelt worden ſind, in dem Raum zweier Baͤnde zu beendigen moͤglich wurde. Demungeachtet hat mich indeß dieſe Ruͤckſicht auch nicht abhalten koͤnnen, bey moͤglicher Kuͤrze doch den einzelnen Gegenſtaͤnden diejenige Aus - fuͤhrung zu geben, wodurch dieſes Buch zugleich Hand - buch fuͤr angehende Aerzte, und uͤberhaupt zum Nach - ſchlagen fuͤr beſondere Faͤlle im praktiſchen Leben brauchbar werden konnte; denn was den muͤndlichen Vortrag be - trifft, ſo glaube ich nicht, daß er etwa nur dadurch indem er dem Zuhoͤrer einige Kenntniſſe welche in dem abſichtlich gewaͤhlten duͤrftigen Compendium fehlen, mit - theilt (obwohl man ſie in jedem andern Handbuche leicht nachleſen kann), ſondern dadurch ſeine wahre Bedeutung erfuͤllt, daß er durch lebendiges Wort und Wechſelrede den Sinn fuͤr das ſelbſtthaͤtige Eindringen in irgend eine Wiſſenſchaft erwecke. —
Mit Beifuͤgung literariſcher Notitzen glaubte ich nur ſparſam verfahren zu muͤſſen, da ich es hier fuͤrVII die Hauptaufgabe hielt, zunaͤchſt die Sache ſelbſt, und zwar das Gepruͤfte und durch Erfahrung Bewaͤhrte, klar und beſtimmt darzuſtellen. — Daß die zweckmaͤßige Benutzung des von Andern Geleiſteten hierbei nicht uͤbergangen iſt, wird man hoffentlich bemerken, jedoch auch ſich uͤberzeugen daß ich, wo die Natur mir einen andern Weg zeigte, durchaus keiner bloßen Auto - ritaͤt gefolgt bin. Außer den literariſchen Huͤlfsmitteln und in manchen ſchwierigen Punkten dem Rath gelehrter Freunde, unter denen ich insbeſondre meine verehrten Collegen Hofrath Seiler und Kreyſig zu nennen mich verpflichtet fuͤhle, habe ich ſo viel als moͤglich durchgaͤn - gig auf Naturbeobachtung mich geſtuͤtzt, wozu mir ins - beſondre die ſeit 1814 in den Annalen der Entbindungs - antalt genau aufgezeichneten mehr als tauſend Geburts - faͤle Materialien liefern konnten, und ſo unterwerfe ich nit dem Bewußtſeyn uͤberall das Beſte treu beabſichtigt zu haben, dieſe Arbeit dem Urtheile ſachkundiger Richter.
Der Druck dieſes erſten Theils war uͤbrigens bereits im vorigen Jahre beendigt, und wenn er ſelbſt erſt jetzt erſcheint, ſo iſt es nur um den zweiten Theil,VIII welcher die phyſiologiſchen und pathologiſchen Zuſtaͤnde der Schwangern, Gebaͤrenden, Woͤchnerinnen und Neu - geborenen umfaſſen wird, dieſem erſteren in kurzer Zeit nachfolgen zu laſſen.
Dresden, d. 1. Mai 1820.
Dr. C. G. Carus.
Viel des Eigenthuͤmlichen und Beachtungswerthen’ ſowohl ſeiner Bildung, als ſeinem Leben nach, bietet der weibliche Koͤrper jeder aufmerkſamen phyſiologiſchen und aͤrztlichen For - ſchung dar. Abgeſehen ſogar von den eigentlichen Werkzeu - gen des Geſchlechts, finden wir ſo viel Ausgezeichnetes im Weſen und in der Art weiblicher Organiſation, ſehen dieß Al - les auf ſo regelmaͤßige und merkwuͤrdige Weiſe ſich entfalten, nehmen wahr ſo mannigfaltiger Aeußerungen eines beſondern Lebens, vom Erſcheinen der Geſchlechtsreife an, durch die hoͤchſte Entwicklung des Fortpflanzungsvermoͤgens bis zum Erloͤſchen dieſer Thaͤtigkeit hin, und bemerken endlich in alle dieſen Perioden ſo eigenthuͤmliche, nur in dieſem Koͤrper moͤg - liche Krankheitszuſtaͤnde, daß dieß uns wohl berechtigen darf, auch dieſen Kreis in ſich ſtreng verbundener Naturerſcheinun - gen, gleich ſo manchem andern, als ein geſchloſſenes Ganze, als einen abgeſonderten, fuͤr ſich beſtehenden Zweig der Na - tur - und namentlich der Heilwiſſenſchaft zu betrachten.
Indem es nun in vorliegender Arbeit unſer Zweck iſt, eine Ueberſicht ſaͤmmtlicher hierher gehoͤriger Gegenſtaͤnde, in ſo weit ſie den aͤrztlichen Wirkungskreis beruͤhren, zuſammen -4 zuſtellen; ſo glauben wir dieſelben unter dem Namen der Gynaͤkologie*)Von γυνη, γυναικος Weib und λογος Wort, Lehre. ſchicklich vereinigen zu duͤrfen. Ohne dem - nach das Wort Gynaͤkologie in ſeiner weiteſten Bedeutung zu nehmen (ſo wenig als wir dieß bey andern aͤhnlichen Wor - ten z. B. Phyſiologie zu thun gewohnt ſind) definiren wir es als: die Lehre von der Eigenthuͤmlichkeit des weiblichen Koͤrpers, ſeinem Bau, ſeinem Le - ben, ſeinen Krankheiten und der ihm angemeſſe - nen ſo diaͤtetiſchen als aͤrztlichen Behandlung nach.
So gewiß aber im Allgemeinen der volle Begriff eines Theiles nur erlangt wird aus der wohlaufgefaßten Idee des Ganzen, ſo unmoͤglich es z. B. ſeyn wuͤrde eine treue Vor - ſtellung vom Leben eines beſondern Organs zu erhalten, ohne deutliche Anſicht des geſammten organiſchen Koͤrpers, ſo un - zweckmaͤßig ſcheint es auch zu ſeyn, wenn die Geſchichte ei - niger beſondern Vorgaͤnge des weiblichen Lebens aus dem Ganzen der Gynaͤkologie herausgeriſſen und als eine in ſich beſchloſſene Lehre dargeſtellt werden ſoll. Demohnerachtet hat ein ſolches Verfahren ruͤckſichtlich der Geburtshuͤlfe bisher faſt allgemein Statt gefunden, und wir werden leicht hierin den Grund davon erkennen koͤnnen, daß eben die Geburtshuͤlfe bisher einer ſtrengern wiſſenſchaftlichen Ordnung ſo ſehr er - mangelte, ja ſogar ihr Begriff von Verſchiedenen auf ſo ver - ſchiedene Weiſe erfaßt wurde.
Streng genommen iſt aber Entbindungskunde oder Ge - burtshuͤlfe nur die Lehre von den Huͤlfsleiſtungen bey der Geburt, und doch, wer wird zu jeder dieſer Huͤlfsleiſtungen geſchickt ſeyn, wenn er nicht zugleich die Kenntniß der Schwan - gerſchaft, des weiblichen Beckens und dergl. mit ſich5 bringt? — welcher Geburtshelfer wird den an ihn gemachten Anforderungen entſprechen koͤnnen, dafern er nicht vom nor - malen und abnormen Verlauf des Wochenbetts eine naturge - maͤße Anſicht ſich erworben hat? — und wie endlich, koͤn - nen alle dieſe merkwuͤrdigen Vorgaͤnge des weiblichen Lebens begriffen werden ohne Erlangung einer klaren Idee vom We - ſen und Charakter des weiblichen Koͤrpers uͤberhaupt?
Dieſe Beduͤrfniſſe fuͤhlend wurde nun das Syſtem der Geburtshuͤlfe oft ein Aggregat der heterogenſten Beſtandtheile. Von einem Verfaſſer wurden ausfuͤhrlichere anatomiſche Be - ſchreibungen mit aufgenommen, von einem Andern die Krank - heiten der Woͤchnerinnen zugleich mit abgehandelt, von einem Dritten blos die Geſchichte normaler und abnormer Geburten mit den noͤthigen Vorkenntniſſen aus der Schwangerſchafts - lehre durchgegangen und die Beſchreibung der geburtshuͤlflichen Operationen beigefuͤgt, wieder andere wollten ſie blos auf Kenntniß mechaniſcher Huͤlfsleiſtungen beſchraͤnken u. ſ. w., kurz man ließ weg, ſetzte zu, richtete ein, alles nach Will - kuͤhr, und wenn auch bey ſo verſchiedenen Richtungen die Kunſt im Ganzen bedeutend gefoͤrdert wurde und das Fort - ſchreiten der Phyſiologie auch auf manche Punkte dieſer Dis - ciplin ein helleres Licht warf, ſo aͤußerte ſich doch noch im Innern der Mangel wahrer wiſſenſchaftlicher Geſetzmaͤtzigkeit, ein Mangel welcher ſo lange gefuͤhlt werden wird, als man etwas, das, gleich der Geburtshuͤlfe, nur Fragment eines groͤßern Ganzen iſt, als ein fuͤr ſich Beſtehendes aufſtellen will.
Bereits haben zwar mehrere ſcharfſinnige Gelehrte in dieſem Fach das Unvollſtaͤndige der Geburtshuͤlfe durch Aus - arbeitung eigener Schriften uͤber die Krankheiten des weibli - chen Geſchlechts zu ergaͤnzen, und ſo aus dieſen beiden Thei - len ein geordnetes Ganze zu ſchaffen geſucht; allein ſelbſt dieſe Trennung ſcheint noch zu gewaltſam, da in der Natur6 das Geburtsgeſchaͤft mitten zwiſchen die Vorgaͤnge der Schwan - gerſchaft und Wochenzeit eingefuͤgt iſt, da Krankheiten ſo oft aus einer in die andere Periode hinuͤberwirken, und da ge - burtshuͤlfliche Unterſuchungen, ja ſogar Operationen, auch bey krankhaften Zuſtaͤnden der Schwangern und Woͤchnerinnen, ja auch ſonſt, vorkommen koͤnnen.
Indem wir nun aber eben dieſe Trennungen zu vermei - den, und die geſammte Maſſe hierhin einſchlagender Kennt - niſſe zu einem Ganzen zu verbinden wuͤnſchten, wird es noͤ - thig ſeyn theils von dem Endzweck und der Eintheilung der Gynaͤkologie, theils von der Art des Studiums und den Ei - genthuͤmlichkeiten in der praktiſchen Anwendung derſelben noch einige naͤhere Schilderungen zu geben.
Endzweck der Gynaͤkologie kann aber kein ande - rer ſeyn, als den naturgemaͤßen Gang der Entwicklung des weiblichen Koͤrpers, ſo wie ſeiner mannigfaltigen eigenthuͤm - lichen Verrichtungen zu erhalten, oder dann wenn Stoͤrungen eintraten, die Entwicklung gehindert iſt, die Funktionen un - terbrochen werden, den naturgemaͤßen Gang wiederherzuſtellen oder jene krankhaften Zuſtaͤnde ſo unſchaͤdlich als moͤglich zu machen. Dieſer Zweck iſt zugleich fuͤr alle Perioden und Zu - ſtaͤnde des weiblichen Lebens derſelbe, und als Endzweck der Geburtshuͤlfe z. B. duͤrfte man daher keinesweges etwa blos das Beendigen der Geburt betrachten, vielmehr bleibt auch hier, Sorge fuͤr die Erhaltung naturgemaͤßen Geburtsver - laufs, und Sorge fuͤr deſſen Wiederherſtellung bey abnormen Verhaͤltniſſen (zuweilen alſo auch Verzoͤgerung der Geburt) oder zum Mindeſten moͤglichſtes Beſeitigen und Unſchaͤdlich - machen vorhandener Abnormitaͤten Hauptaugenmerk des Ge - burtshelfers.
Die Eintheilung der Gynaͤkologie wird ſich aus einer Erwaͤgung der verſchiedenen Lebenszuſtaͤnde des weiblichen Koͤrpers leicht ergeben, und vollkommen wiſſenſchaftlich d. i. ſtreng logiſch ſeyn koͤnnen, was bisher in der geſonderten Be - handlung ihrer Theile nirgends moͤglich war. — Sie zerfaͤllt aber zuvoͤrderſt in einen allgemeinen und ſpeciellen Theil, von welchen der erſtere a) den beſondern Bau des weiblichen Koͤrpers und ſeine allgemeinern Lebensverhaͤltniſſe b) den gemeinſamen Charakter ſeiner Krankheiten c) die allge - meinen Grundſaͤtze der Behandlung dieſer Krankheiten und der weiblichen Natur im Allgemeinen umfaſſen muß. — Die ſpe - cielle Gynaͤkologie hingegen betrachtet den weiblichen Koͤr - per als begriffen in ſeinen beſondern Verrichtungen und zwar er - ſtens den Verlauf ſeiner Lebenserſcheinungen im geſunden und kranken Zuſtande blos an und fuͤr ſich, ohne Ruͤckſicht auf die Zuſtaͤnde erhoͤhter Geſchlechtsthaͤtigkeit bey Schwangerſchaft, Ge - burt u. ſ. w., indem der ganze Kreis des weiblichen Lebens al - lerdings beſchloſſen werden kann, ohne daß dieſe Zuſtaͤnde ein - traten. Es wuͤrden aber drei Perioden in dieſem Leben zu un - terſcheiden ſeyn: a) die der Entwicklung, oder der Kindheit b) die der Geſchlechtsreife und c) die des Abſterbens der Ge - ſchlechtsfunktion oder des Alters.
Zweitens aber wird es Gegenſtand der Gynaͤkologie, das weibliche Leben in dem ihm eigenthuͤmlichſten Zuſtande er - hoͤhter Geſchlechtsthaͤtigkeit, d. i. in dem Verhaͤltniſſe zu einem Erzeugten, und zwar gleichfalls im normalen und abnormen Gange zu betrachten. Es gehoͤrt folglich hierher die Geſchichte der Schwangerſchaft, Geburt und des Wochenbetts; dreier Pe - rioden des weiblichen Lebens, welche auf das Beſtimmteſte jenen allgemeinen Lebenskreis wiederholen, und einen nicht minder be - ſchloſſenen Ring darſtellen, in welchem die Schwangerſchaft der allgemeinen Koͤrperentwicklung, die Geburt der Geſchlechtsreife, ſo wie das Wochenbett und die Stillungsperiode, als Uebergang und8 Ruͤckkehr zu einem fruͤhern Zuſtande, der Periode der Decrepidi - taͤt entſprechen wird. In allen dieſen drei Perioden iſt ſonach nicht mehr das Weib an und fuͤr ſich, ſondern im Verhaͤlt - niß und in Wechſelwirkung, mit einem zweiten in ihm Ent - ſtandenen, Gegenſtand der Unterſuchung, und ſo wie man daher laͤngſt ſich genoͤthigt ſah, den Koͤrper und das Leben des Kindes bey der Geſchichte der Geburt ausfuͤhrlicher zu beruͤckſichtigen, ſo wird es nun’, bei einer umfaſſendern Be - handlung nothwendig, das Erzeugte, gleichſam als einen Theil, als ein vom Mutterkoͤrper aus ernaͤhrtes Gebild, ſei - ner mannigfaltigen normalen ſowohl als abnormen Beſchaf - fenheit nach in allen jenen drei Perioden zu betrachten.
Es wird ſich auf dieſe Weiſe der Plan fuͤr die ganze Gynaͤkologie in folgendem Schema darlegen laſſen:9
Anmerkung. Es zeigt ſich in dieſem Schema, daß man die Abtheilung II der beſondern Gynaͤkologie auch mit dem gemeinſamen Namen der Entbindungskunde (im weitern Sinne des Worts, denn im engern begriffe es nur die Phy - ſiologie, Diaͤtetik, Pathologie und Therapie der Geburt), ſo wie die phyſiologiſche, diaͤtetiſche und pathologiſche Seite die - ſer Abtheilung als Bereich der Hebammenkunſt anſehen kann. Daß wir uͤbrigens die Phyſiologie, Pathologie und Therapie des Erzeugten waͤhrend der Schwangerſchaft und Geburt ſo wie des Neugeborenen ſelbſt, hier mit aufnehmen, wird außer den §. 10. erwaͤhnten Gruͤnden, auch dadurch nothwendig, daß wir bedenken, wie ſelbſt krankhafte Zuſtaͤnde des Erzeug - ten ſo vielfach auf den muͤtterlichen Koͤrper uͤberwirken. Was endlich die Art und Folge der Abhandlung dieſer Gegenſtaͤnde betrifft, ſo wird es am zweckmaͤßigſten ſeyn ſowohl im erſten als zweiten ſpeciellen Theile, erſt das Phyſiologiſche und Diaͤ - tetiſche durchzugehen und dann das Pathologiſche und Thera - peutiſche deſſelben folgen zu laſſen.
Die Art des Studiums der Gynaͤkologie iſt, gleich dem der uͤbrigen Zweige der Heilkunde, um nicht zu ſagen der Naturwiſſenſchaft uͤberhaupt, eine dreifache. Gy - naͤkologiſche Kenntniſſe naͤmlich werden erworben durch muͤnd - lichen Unterricht, durch Benutzung der vorhandenen Schriften und durch Beobachtung der Natur ſelbſt. Kein Weg von die - ſen dreien allein leitet indeß zum rechten Ziel, denn auf dem letzten verſinken wir leicht in rohe Empirie, auf dem zweiten wird eine praktiſch unhaltbare Gelehrſamkeit erwor - ben, und der erſtere kann das jurare in verba magistri wohl veranlaſſen. Wuͤnſchenswerth bleibt es daher ſtets, alle drei Verfahren zu einigen, obwohl fuͤr die vollkommenere Aus - bildung, das Beobachten der uͤberall unerſchoͤpflichen Natur, in welcher erſt viele Erfahrung uns recht einheimiſch machen kann, das Weſentlichſte bleiben wird. — Daß uͤbrigens dem Studium der Gynaͤkologie immer viele und mannigfal - tige Vorkenntniſſe vorhergehen muͤſſen, liegt wohl am Tage,11 und als die wichtigſten hierher gehoͤrigen erwaͤhnen wir 1) die allgemeinen Lehren der Mathematik und beſonders der Me - chanik, 2) menſchliche und vergleichende Anatomie und Phy - ſiologie, 3) Pathologie, Materia medica und Therapie, 4) Chirurgie.
Von der Eigenthuͤmlichkeit in der prakti - ſchen[Anwendung] der Gynaͤkologie wird zum Theil noch ausfuͤhrlicher bei Beruͤckſichtigung derjenigen Eigenſchaf - ten die Rede ſeyn, welche den Frauenarzt und Geburtshelfer auszeichnen muͤſſen, hier nur von der angenehmen, und von der Kehrſeite dieſes Zweiges der Heilkunde einige Worte. — Theilt naͤmlich auch die Behandlung des weiblichen und kind - lichen Koͤrpers mit Ausſchluß der Geburtsperiode ziemlich die Vortheile und Nachtheile aͤrztlicher Praxis uͤberhaupt, ſo iſt doch die eigentliche Geburtshuͤlfe um ſo mehr von letzterer unterſchieden. — Als angenehme Seite geburtshuͤlflicher Kunſtuͤbungen duͤrfen wir aber namentlich zaͤhlen: eine mehr geſicherte, auf feſtern zum Theil mathematiſchen Grundſaͤtzen beruhende Phyſiologie, Pathologie und Therapie, ſo wie die ſo oft ſich darbietende Moͤglichkeit ſchnelle und entſcheidende, daher auch dankbarer anerkannte Huͤlfe zu leiſten. Als Nach - theile hingegen ſind die vielfachen, mit dieſer Praxis unzer - trennlich verbundenen geiſtigen und namentlich koͤrperlichen Anſtrengungen, die Widerwaͤrtigkeit, um nicht zu ſagen Ekel - haftigkeit mancher Unterſuchungen und Operationen, ja ſelbſt die nicht geringe von Anſteckungen u. ſ. w. zu befuͤrchtende Gefahr zu erwaͤhnen. — Ob man uͤbrigens bey Behand - lung von Frauen und Kindern im Allgemeinen fuͤr die dem Arzte durch Unfolgſamkeit, Nachlaͤſſigkeit, Redſeligkeit, uͤber - maͤßige Reizbarkeit u. ſ. w. veranlaßten Beſchwerden, die Beob - achtung und Behandlung einer zaͤrtern und feinern Organiſa - tion als einigen Erſatz gelten laſſen will, wird der Neigung und Eigenthuͤmlichkeit des Arztes uͤberlaſſen bleiben.
So waͤre es denn am Schluſſe dieſer Einleitung viel - leicht nur noch uͤbrig von den Schickſalen der Gynaͤkologie12 bei der Entwicklung der Wiſſenſchaften uͤberhaupt das Wich - tigere zu erwaͤhnen, zugleich aber auf die einzelnen Maͤnner und ihre Werke hinzuweiſen, welchen dieſe Disciplinen ins - beſondre eine weitere Bildung und Bereicherung verdanken; allein die Maſſe hierhergehoͤriger Nachrichten und Angaben iſt groß und weitlaͤuftig; eine ausfuͤhrliche Bearbeitung derſelben kann daher in einem Werke deſſen Beſtimmung es iſt die gepruͤfteſten und moͤglichſt erſprießlichen Grund - ſaͤtze der Wiſſenſchaft ſelbſt aufzuſtellen, keinen Platz finden, und einen fluͤchtigen Abriß davon zu geben (wie es in einigen Handbuͤchern geſchehen iſt) verſchmaͤhen wir um ſo mehr, da durch eine halbe Kenntniß uͤberall wenig gewonnen iſt, und beſondere, das Ganze umfaſſende Schriften hieruͤber nicht fehlen*)Unter den Werken welche die Geſchichte der Gynaͤkologie von den aͤlteſten bis auf die neueſten Zeiten darlegen, verdient unſtreitig ne - ben der auch dieſen Zweig beruͤckſichtigenden Geſchichte der Medicin von C. Sprengel, Fr. B. Oſiander’s Lehrbuch der Entbindungskunſt. 1r Thl. Literariſche und pragmatiſche Geſchichte dieſer Kunſt. Goͤttingen, 1799. 8. den erſten Platz, denn obwohl hierin eigentlich nur ein Theil der Gynaͤkologie ins Auge gefaßt wird, ſind doch auch die Fortſchritte der Wiſſenſchaft in den uͤbrigen Theilen keineswegs unbeachtet ge - blieben. Ferner gehoͤren hierher: theils eine Literarhiſtorie der Ent - bindungskunſt von Le Roi, uͤberſ. 1779, theils die noch beſſere Schrift: Le Sue gelehrte und kritiſche Verſuche einer Geſchichte der Ge - burtshuͤlfe a. d. Fr. Altenburg 1786. 2 Thle. 8. (das Original erſchien 1779.) Ferner geben eine tabellariſche Geſchichtsuͤberſicht der Gynaͤkologie: J. F. Schweighäuser tablettes chronologiques de l’histoire de la médecine puerpérale. Strasb. 1806. 8. — ſo wie die (obwohl zunaͤchſt fuͤr Entbindungskunſt berechneten) Zeittafeln im theoretiſchpraktiſchen Handbuche der Geburtshuͤlfe von Lud. Friedr. v. Froriep. 6te Aufl. Weimar 1818. Und endlich ſind auch noch einigen andern Lehrbuͤchern der Geburts - huͤlfe Geſchichtserzaͤhlungen angehangen: ſo unter den aͤltern den Werken von Smellie und Aſtruc, unter den neuern außer dem von Froriep auch dem Verſuche eines vollſtaͤndigen Syſtems d. Geburts - huͤlfe von Fr. Heinr. Martens. (Leipzig 1802.). Indem wir ſonach auf dieſe ſowohl, als13 hinſichtlich der Menge beſonderer Abhandlungen uͤber einzelne gynaͤkologiſche Gegenſtaͤnde auf die Werke uͤber Literatur der Medicin im Allgemeinen verweiſen*)Was die Aufzaͤhlung einzelner uͤber gynaͤkologiſche Gegenſtaͤnde er - ſchienener Schriften betrifft, ſo verweiſen wir vorzuͤglich auf Guil. God. Ploucquet Literatura medica digesta s. Reper - torium medicinac practicae, chirurgiae atque artis obstetriciae T. I — IV. Tub. 1808. 4. u. Supplem. Tub. 1813. 4. (Haupt - werk.) K. Fr. Burdach Literatur der Heilwiſſenſchaft. 2 Bde. 1810. 8. J. S. Erſch, Literatur der Medicin ſeit der Mitte des acht - zehnten Jahrhunderts bis auf die neueſte Zeit. Leipz. 1812. (Als kurzes, freilich auch fuͤr dieſen Zeitraum nicht vollſtaͤndiges Hand - buch, zu empfehlen.) Auch erſchienen mehrere literariſche Sammlungen fuͤr Gynaͤkologie insbeſondre, welche indeß meiſt nur kurze Zeit fortgeſetzt worden ſind. Dahin gehoͤren: D. H. Roͤmer Annalen d. Geburtshuͤlfe, Frauenzimmer - u. Kin - derkrankheiten fuͤr 1790 — 91. Winterthur 1793 — 94. F. H. Martens kritiſches Jahrbuch der Geburtshuͤlfe 1802. und ein aͤhnliches von J. A. Schmidtmuͤller 1807. So wie denn zum Theil auch die allgem. gelehrten Zeitſchriften und noch mehr die Journale f. Chirurgie u. Geburtshuͤlfe, z. B. die Stein’ſchen Annalen, Murſinna’s Journal f. Chirurgie, Stark’s Archiv, v. Siebold’s Lucina u. deren Fortſetzung als Journal f. Geb. hlf. u. ſ. w., die Salzburger Zeitungen und die Allgemeinen medicin. Annalen hier aufzufuͤhren ſind. Endlich aber iſt zu bemerken daß auch in einzelnen Handbuͤchern, z. B. in v. Sie - bold’s theoret. prakt. Lehrbuche der Entbindungsk. ſo wie in deſſen Handbuche zur Erkenntniß u. Heilung d. Frauenzimmerkrankheiten, und im theoret. prakt. Handbuch d. Geburtshuͤlfe v. Lud. Fr. v. Froriep die Literatur uͤber die meiſten Gegenſtaͤnde der Gynaͤkolo - gie ziemlich vollſtaͤndig aufgefuͤhrt iſt. iſt nur noch zu bemer - ken, daß am Schluſſe oder auch im Texte der einzelnen Ab - ſchnitte ſtets eine Auswahl von den gepruͤfteſten, auch dem angehenden Frauenarzt nothwendigen Wer - ken, wo moͤglich mit einigen den Inhalt kurz andeutenden Worten aufgefuͤhrt werden ſollen. — So viel indeß ſcheint hier zu erwaͤhnen unerlaͤßlich, daß, wenn es hier unternom - men wird, die Gynaͤkologie unter den Neuern zuerſt in ih - rer Geſammtheit als mediciniſche Wiſſenſchaft aufzuſtellen,14 doch deshalb dieſes Unternehmen nicht uͤberhaupt als fruͤher gaͤnzlich unverſucht betrachtet werden duͤrfe, indem vielmehr gerade die aͤlteſten Schriften uͤber dieſe Gegenſtaͤnde keine Trennung zwiſchen Geburtshuͤlfe und Frauenkrankheitslehre an - erkannten, wovon theils die dem Hippokrates zugeſchrie - benen Buͤcher, theils Moſchions, theils des Octavii Ho - ratiani Gynäcia, theils des Albertus magnus, und Ande - rer Schriften Zeugniß geben, welche man der Mehrzahl nach in einzelnen Sammlungen*)Eine ſolche Sammlung wurde z. B. von Conrad Gesner be - gonnen, von Caſp. Wolf weiter gefuͤhrt, von Caſp. Bauhin u. ſpaͤter von Iſrael Spach erneut und zwar unter dem Titel: Gynaeciorum sive de mulierum tum communibus, tum gravida - rum parientium, et puerperarum affectibus et morbis, Libri Graecorum, Arabum, Latinorum veterum et recentium quotquot extant etc. Argentin. 1597. Fol. abgedruckt finden kann. — Doch iſt es ja wohl das Schickſal der meiſten Wiſſenſchaften, daß zwar ſchon der erſte Blick in ihr Feld den Geſammtkreis derſelben ahnen laͤßt, ſpaͤterhin aber die groͤßere Ausbildung einzelner Zweige mannigfaltige Spaltungen noͤthig macht, bis denn endlich die Vereinigung der getrennten Theile zu einem Ganzen unumgaͤnglich nothwendig wird.
Bevor wir den weiblichen Koͤrper in den einzelnen Stadien ſeines Lebens betrachten und verfolgen koͤnnen, iſt es noͤthig theils ein allgemeines Bild der Eigenthuͤmlichkeit ſeiner Orga - niſation wie ſeines Lebens darzulegen, theils gewiſſe Organe, deren Bildung und Verrichtung fuͤr das weibliche Leben vor - zuͤglich wichtig ſind, einer genauern Betrachtung zu unter - werfen.
Stellen wir einen wohlausgebildeten maͤnnlichen und ei - nen aͤhnlichen weiblichen Koͤrper einander gegenuͤber, ſo erge - ben ſich alsbald die betraͤchtlichſten und bedeutungsvollſten Verſchiedenheiten, deren Weſentliches, um es ſogleich im Gan - zen anzudeuten, auf Vorwalten der fuͤr Aſſimilation16 und Reproduktion beſtimmten Gebilde, oder (was eben hierdurch begruͤndet wird) auf ein Hinneigen zum Typus des nicht vollkommen ausgebildeten, des kindlichen Koͤrpers zuruͤckgefuͤhrt werden kann.
Wichtig iſt zuvoͤrderſt in dieſer Hinſicht die allgemeine Koͤrpergroͤße. Das Weib iſt der Regel nach kleiner als der Mann, es iſt dieß das Reſultat der fruͤher beendigten, beſchraͤnkten individuellen Entwicklung, deren Urſache wiederum aus der mehr hervorgehobenen geſchlechtlichen Productivitaͤt ſich ergeben wird. Eben aber weil die geringere Koͤrpergroͤße die Folge einer fruͤhzeitiger beſchraͤnkten Entwicklung iſt, zei - gen auch Kopf, Rumpf und Glieder andere Verhaͤlt - niſſe als im maͤnnlichen, laͤnger fortwachſenden, zu groͤße - rer Reife gelangenden Koͤrper, und eben dieſe Eigenthuͤmlich - keit der Verhaͤltniſſe iſt es, welche vorzuͤglich die Annaͤherung an die kindlichen Formen zeigt und jetzt noch eine naͤhere Beſtimmung fordert.
Zunaͤchſt aber das Verhaͤltniß des Rumpfs zu den Glie - dern angehend, ſo ſind die letztern durch die Zartheit und ge - ringere Laͤnge ihrer Knochen, wie durch die weniger ausge - wirkten Muskeln (eine Eigenthuͤmlichkeit des weiblichen Koͤr - pers uͤberhaupt) beſonders ausgezeichnet. Der zartere Bau iſt es, welcher ſich in den obern Gliedmaaßen vornehmlich, und zwar an der ſchlankern Form des Ober - und Vorderarms ſo wie in der ſchmaͤlern Hand zu erkennen giebt; die gerin - gere Laͤnge der untern Gliedmaaßen iſt dagegen namentliche Urſache der verringerten Laͤnge des ganzen Koͤrpers, als wel - che aus dem Baue des Rumpfes allein keinesweges ſich er - geben wuͤrde. Alſo wie bey dem Kinde der Rumpf zu den Gliedern verhaͤltnißmaͤßig groͤßer iſt als bey den Erwachſenen, ſo auch, obwohl in geringerem Verhaͤltniſſe, im weiblichen Koͤrper.
Am Rumpfe ſelbſt faͤllt ſogleich der groͤßere Umfang des Unterleibes im Verhaͤltniß der Bruſt (wieder wie beym Kinde) in die Augen, der ganze Rumpf, welcher bey dem Manne eine mit der Baſis nach oben gerichtete Pyramide darſtellt, zeigt hier das umgekehrte Verhaͤltniß und wird auf - waͤrts nach der Schultergegend zarter und ſchmaͤler, die Bauchflaͤche ſelbſt tritt gewoͤlbter hervor, die Darmbeine wei - chen mehr auswaͤrts, die Schambeine ſchließen ſich in einem ſtaͤrker gewoͤlbten Bogen und aus dieſer breitern Baſis des Rumpfes ſind ferner die ſtaͤrkern Schenkelmuskeln und breitern Huͤften erklaͤrlich. Junen unterſucht, zeigt die weibliche Bauchhoͤhle ebenfalls, theils groͤßere Laͤnge (von der laͤngern Saͤule der Lendenwirbel abhaͤngig), theils, und zwar beſonders abwaͤrts, groͤßere Weite (oberwaͤrts, wo ſie vom Thorax mit umſchloßen wird, iſt ſie etwas enger als beym Manne). Eben ſo iſt daher der Darmkanal verhaͤlt - nißmaͤßig laͤnger, die Leber (als lungenartiges, als Abſon - derungsorgan, und im oberſten Theile der Bauchhoͤhle lie - gend), kleiner.
Die Bruſthoͤhle betreffend, ſo iſt ſie von ſchlankern, gebogenern Rippen, mit verhaͤltnißmaͤßig laͤngern Rippen - knorpeln und ſchwaͤchern geradern Schluͤßelbeinen umgeben, ihr Raum, der aͤußern Form entſprechend, beſchraͤnkter, und die darin befindlichen Organe, namentlich Herz und Lungen, kleiner. Mit letzterm Umſtande zeigt ſich ferner die Eigen - ſchaft der Stimmwerkzeuge in nothwendiger Verbindung und wir beobachten deßhalb eine engere 5 — 6 Knorpelringe mehr haltende Luftroͤhre, und einen engern, etwas hoͤhern, elaſti - ſchern, an der Vorderflaͤche mehr abgerundetern Kehlkopf.
Dieſe Verſchiedenheiten ſind nun in Beziehung auf die oben (§. 16.) erwaͤhnten allgemeinen Bildungsmomente von beſonderer Wichtigkeit. 1) Der Koͤrper, ſeinem StoffwechſelI. Theil. 218nach betrachtet, zeigt uns naͤmlich in der Athmungs - und Abſonderungs-Funktion ein ſtaͤtes Verfluͤchtigen und Abſchei - den organiſchen Stoffes, welches eben ſo ſtaͤtig dann durch Aſſimilation eingenommener Stoffe compenſirt wird. Eben deßhalb ſehen wir dann das Verhaͤltniß uͤberwiegender Pro - duktivitaͤt im Weibe durch das Ueberwiegen der, namentlich der Aſſimilation beſtimmten Bauchhoͤhle uͤber die der Athmung beſtimmten Bruſthoͤhle ausgeſprochen, ja in der doch im Ganzen groͤßern Bauchhoͤhle wieder die Leber verhaͤltnißmaͤßig kleiner. 2) Wie die niedern Thiergattungen, z. B. Fiſche, einen Rumpf beſitzen, welcher noch faſt nichts als Bauch - hoͤhle iſt, wie die Bauchhoͤhle auch im Rumpfe des menſch - lichen Foͤtus die Bruſthoͤhle außerordentlich und je fruͤher um ſo mehr uͤberwiegt, ſo erſcheint auch im Weibe dieſes Ver - haͤltniß als eine zum Typus niederer oder unvollendeter Or - ganiſation ſich hinneigende Eigenthuͤmlichkeit. 3) Wie in den niedriger ſtehenden Thiergattungen, z. B. Fiſchen, oder in den noch unvollkommen entwickelten Foͤtus die Knochen und Muskeln, kurz die Bewegungsorgane verhaͤltnißmaͤßig weniger ausgearbeitet ſind, wie uͤberhaupt groͤßere Muskelthaͤtigkeit und ſtaͤrkere ſo wie ausgedehntere Reſpiration gewoͤhnlich (z. B. bey dem Vogel) ſich verbunden finden, ſo haͤngt mit dieſer Beſchraͤnkung der Reſpiration und uͤberwiegenden Pro - duktivitaͤt, der ſchlankere, zartere Knochen*)Am Weibe haben die Knochen nur ungefaͤhr 3 / 100, im Manne 10 / 100 der geſammten Koͤrperſchwere. - und Muskelbau des Weibes zuſammen. 4) Die groͤßere Bauchhoͤhle ferner, ſo wie der laͤngere Darmkanal, entſpricht eben ſo der ſtaͤr - kern Aſſimilation, als 5) die geringere Entwicklung der Bruſteingeweide, die Neigung zu Bruſtkrankheiten und der zartern (kindlichern) Stimme.
Die Verhaͤltniße am Kopfe des Weibes endlich, zeigen abermals ein deutliches Hinneigen zur kindlichen Form, und zwar theils in dem feinern Knochenbau deſſelben, theils in den weniger entwickelten Zuͤgen des Geſichtes, der kleinern19 Naſe, den nicht ſo hervorgehobenen Wangenbeinen, vorzuͤg - lich aber in dem, dem Kinde ſo eigenthuͤmlichen Ueberge - wichte des Schaͤdels gegen das Antlitz, welches Verhaͤltniß, obwohl in geringerem Grade, auch am Weibe bemerklich iſt. Es ſteht ferner wieder mit dem Bau des Schaͤdels in ge - nauſtem Zuſammenhange, wenn das Gehirn im Weibe ver - haͤltnißmaͤßig groͤßer und ſchwerer als im Manne gefunden wird, ſo daß, obwohl das Ruͤckemnark in beiden ziemlich gleich iſt*)Ich fand es bey einigen Waͤgungen ganz gleich., doch im Weibe das Gehirn, auch im Ver - haͤltniß zum Ruͤckenmark, mehr als im Manne praͤdomi - nirt, wobey wir wieder an das im Manne groͤßere, im Weibe ſchwaͤchere Vermoͤgen willkuͤhrlicher Bewegung denken muͤßen.
Was die Nerven und Gefaͤße des Weibes betrifft, ſo finden die erſtern ſich im Allgemeinen, und ihrem Verhaͤlt - niße zum Gehirn nach, ſo wie das Ruͤckenmark ſelbſt, fei - ner, mit Ausnahme der Riechnerven, welche durch ihre groͤ - ßere Staͤrke wieder an die ſtarken Riechnerven des Kindes erinnern. Eben ſo ſcheinen dann endlich auch die Arterien im Verhaͤltniße des kleinern Herzens von geringerer Weite (die zu den Geſchlechtsorganen gerichteten Staͤmme ausge - nommen); wenn hingegen die Venen offenbar ein Erweite - rungsvermoͤgen beſitzen, welches im maͤnnlichen Koͤrper nur ſelten beobachtet wird, und wodurch dieſe Gefaͤße an den wichtigſten Funktionen des weiblichen Koͤrpers auf das Ent - ſchiedenſte Theil nehmen. Eine aͤhnliche Bewandtniß ſcheint es mit den Saugadern zu haben, deren hier groͤßere Ent - wicklung und Thaͤtigkeit mit dem ſchnellern organiſchen Stoff - wechſel des weiblichen Koͤrpers in genauer Verbindung ſteht.
Endlich, nachdem wir allgemeine Koͤrpergroͤße, ſo wie die Verhaͤltniße der einzelnen Koͤrpergegenden und der wich - tigern innern Organe betrachtet haben, bleibt uns noch die20 Eigenthuͤmlichkeit der Koͤrperoberflaͤche zu beruͤckſichtigen uͤbrig. Auch dieſe aber deutet durch ihre Beſchaffenheit wie - der beſtimmt auf die oben (§. 16. u. 21.) angegebenen Hauptmomente. — Die Hautflaͤche naͤhmlich iſt weicher, wellenfoͤrmiger, weniger Umriſſe von Knochen und Muskeln zeigend, theils wegen geringerer Entwicklung der letztern, theils wegen ſtaͤrkerer Unterlage von Fett und Zellgewebe in Folge der vermehrten Produktivitaͤt, zugleich aber wieder ſelbſt im zartern Baue des Hautorgans, die Annaͤherung an den Typus eines kindlichen Koͤrpers darſtellend. Daſſelbe gilt endlich auch von den Produktionen der Haut; das Haar iſt weicher, feiner, laͤnger, uͤppiger hervorkeimend, allein wie im Kinde auf kleinere Flaͤchen beſchraͤnkt, ſo daß Mund, Kinn und After unbedeckt von Haaren bleiben, ja auch am uͤbrigen Koͤrper auf Bruſt, Ober - und Unterſchenkel eine ſparſamere Entwicklung beobachtet wird.
Ohne die ausfuͤhrlichere anatomiſche Beſchreibung hier zu beruͤckſichtigen, haben wir fuͤr jetzt nur auf diejenigen Momente in der Entwicklungs-Geſchichte und in der vollen - deten Form dieſer Theile zu achten, welche fuͤr die Phyſio - logie des weiblichen Koͤrpers uͤberhaupt und namentlich fuͤr die Geſchichte der Schwangerſchaft und Geburt von Wich - tigkeit ſeyn koͤnuen.
Die Geſchlechtstheile betreffend, ſo nehmen wir hier zuerſt auf die Bildung der innern Geſchlechtstheile, und zwar insbeſondere auf die des Fruchtbehaͤlters und ſeiner Fortſe - tzungen Ruͤckſicht, indem von den Eyerſtoͤcken nur eben die Einfachheit und Gleichfoͤrmigkeit ihrer Struktur Erwaͤh - nung verdient. — Unterſuchen wir naͤmlich die Eyerſtoͤcke21 anderer Thierklaſſen, z. B. der Voͤgel, der Amphibien u. ſ. w. ſo nehmen wir wahr, daß ſie bey dieſen als aus wirklichen Eykeimen zuſammengeſetzt erſcheinen, welche, indem ſie nach, oder auch vor der Befruchtung ſich abſondern, das deutlich ſichtbare Material zur Bildung des Foͤtus abgeben. Selbſt bey mehreren Saͤugethieren iſt eine ſolche Zuſammenhaͤufung von Eyblaͤschen am Eyerſtocke noch ſichtbar; z. B. bey meh - reren Nagethieren, den Haſen, Kaninchen u. ſ. w., da hin - gegen in den menſchlichen Ovarien bekanntlich die Eyblaͤschen ſo undeutlich werden, daß mehrere Phyſiologen (neuerlich Wilbrand) die Bildung des Embryo aus einem von den Ovarien kommenden Keime gelaͤugnet haben, womit wir in - deß um ſo weniger uͤbereinſtimmen koͤnnen, da auch an den menſchlichen Ovarien die Narben abgeloͤster Eykeime deutlich zu ſehen ſind. Von der Bedeutung dieſer Eigenthuͤmlichkeit der Ovarien und namentlich des menſchlichen Weibes kann indeß erſt ſpaͤterhin bey der Geſchichte der Empfaͤngniß und Schwangerſchaft die Rede ſeyn.
Was ferner die Bildung der Fallopiſchen Roͤh - ren, des Fruchthaͤlters und der Scheide betrifft, ſo iſt es zuvoͤrderſt nothwendig, um eine naturgemaͤße Vor - ſtellung von Entſtehung ihrer Form, und der Eigenthuͤmlich - keit ihres Lebens zu erhalten, alle drei Theile, als ein Continuum, als einen aufwaͤrts getheilten Y foͤrmigen Gang zu betrachten, wie wir im Embryo, und in tiefern Thierklaſſen dann dieſe Form wirklich, naͤmlich als bloßen Eyergang (Oviductus), und zwar entweder einfach (wie bey den Voͤgeln), oder doppelt (wie bey den Amphibien und Fiſchen) antreffen. *)S. mein Lehrbuch der Zootomie S. 611 u. f.In dieſer Geſtalt erſcheint ein ſolcher Kanal vollkommen darmartig, muͤndet noch oft (wie bey den Amphibien und Voͤgeln) in den untern Theil des Darmkanals, erſcheint dadurch gleichſam als Anhang deſſel - ben und erinnert dadurch eines Theils an die Fortpflanzung der niedrigſten Thiergattungen, wo, wie bey vielen Pflanzen -22 thieren, der Darmkanal ſelbſt Geſchlechtshoͤhle iſt, ſo wie andern Theils dadurch der in der Thaͤtigkeit von Geſchlechts - und Verdauungswerkzeugen, als urſpruͤnglich gleichartigen Theilen, ſo deutlich bemerkbare Consensus erklaͤrt wird.
Wie nun uͤberhaupt die fortſchreitende organiſche Aus - bildung weſentlich in immer groͤßerer Theilung nach verſchie - denen Richtungen begruͤndet iſt, ſo zeigt ſich nun auch bey der Entwicklung des Thierkoͤrpers das Trennen dieſes einfa - chen oder doppelten Eyerganges in mehrere Theile. Bey der Mehrzahl der Saͤugethiere naͤmlich bildet ſich die untere Abtheilung beider Ovidukten (Fallopiſchen Roͤhren) in einen Fruchthaͤlter aus, welcher ebendeßhalb als zweihoͤrnig (Uterus bicornis), d. i. Vfoͤrmig erſcheint. Dieſe Hoͤrner werden dann bey der aufſteigenden Thierreihe immer kuͤrzer, bis im menſchlichen Uterus (obwohl auch dieſer jene Bildungsſtadien durchlaͤuft) nur die Stelle des Zuſammentreffens beyder Eyer - gaͤnge ſich beſtimmter als Fruchthaͤlter entwickelt, weßhalb dann auch die Bildung deſſelben am unterſten Ende, naͤmlich am eigentlichen Punkte der Vereinigung beyder Gaͤnge, d. i. am Muttermunde fruͤher als an den obern Theilen vervoll - ſtaͤndigt wird. Unterſucht man daher den Uterus eines neu - gebornen Maͤdchens, ſo findet man den Grund deſſelben noch ſehr klein, die Hoͤhle wenig, d. i. nicht mehr als den Kanal des Mutterhalſes entwickelt, den aͤußern Muttermund hinge - gen ſehr groß, die Waͤnde des Mutterhalſes ſtaͤrker, als die des Gebaͤrmutterkoͤrpers, kurz man darf ſagen, daß in dieſer Periode die Region des Scheidentheils des Uterus, die Re - gion der Fruchthoͤhle, eben ſo beſtimmt uͤberwiegt, als bey vollendeter Entwicklung der Fruchthaͤlterkoͤrper und Grund den Scheidentheil uͤberwiegt; ja es wird dieß noch auffallen - der, wenn man an die Entwicklung des Uterus in der Schwangerſchaft denkt, wo die Hoͤhle eine ſo außerordentliche Ausbildung erlangt und die Vaginalportion zuletzt voͤllig ver - ſchwindet (vergl. Tab. I. Fig. I. u. II.).
Weit entfernt indeß, daß der Uterus, als mehr ent - wickelter Theil des geſammten Fruchtganges (Fallopiſche Roͤh - ren, Uterus und Scheide), von der darmartigen Struktur dieſes urſpruͤnglichen Gebildes gaͤnzlich abweichen ſollte, ſo zeigt ſich vielmehr in dieſem Organe die Urbildung des ge - meinſamen Ganzen in ihrer vollſten Ausbildung, ohngefaͤhr auf gleiche Weiſe, wie das Herz die ausgezeichnetſt entwi - ckelte Stelle des Gefaͤßſyſtems genannt werden kann. Gerade ſo naͤmlich wie der Ovidukt eyerlegender Thiere gleich dem Darmkanale 1) aus einer aͤußern, vom Bauchfelle herruͤh - renden Haut, 2) aus einer Muskelhaut, 3) aus einer Ge - faͤß - und Nervenhaut, und 4) aus einer innerſten Flocken - haut beſteht, ſo auch der geſammte Fruchtgang des menſch - lichen Weibes, und namentlich der aus ihm entwickelte Ute - rus, an welchem man den untern Theil, die Vaginalpor - tion, gleichſam als eine Einſchiebung in die Mutterſcheide (Intussusceptio) betrachten kann; ſo wie die bedeutende Lage der (namentlich venoͤſen) Gefaͤßgeflechte als Gefaͤßhaut, und die, vorzuͤglich zur Zeit der Schwangerſchaft ſo aͤußerſt be - ſtimmt entwickelte Faſerlage, als Muskelhaut betrachtet wer - den muß.
Im Uterus finden wir ſonach alle die Gebilde, welche der ihm eigenthuͤmlichen Thaͤtigkeitsform entſprechen, mir vollkommenſter Beſtimmtheit vor: naͤmlich 1) Gefaͤße, als der bildenden Thaͤtigkeit entſprechend (wobey vorzuͤglich das am allerſtaͤrkſten waͤhrend der Schwangerſchaft bemerkbare Ueber - gewicht der Venen phyſiologiſch wichtig iſt, indem die Venen uͤberhaupt als die fruͤhern und verhaͤltnißmaͤßig weniger ent - wickelten Gefaͤße des weiblichen Organismus vorherrſchend ſind (§. 13.), und an ſeiner ſtaͤrkern Produktivitaͤt mehr, als man wohl bisher gemeynt hat, Antheil nehmen); 2) Ner - ven, obwohl in minderer Anzahl, und verhaͤltnißmaͤßig zum Uterus (namentlich denſelben in ſchwangerm Zuſtande ge - dacht) keineswegs bedeutend. Auch dieſer Punkt ſeiner Or -24 ganiſation iſt aber in ſo ferne wichtig, als damit gerade das außerordentlich thaͤtige Bildungsvermoͤgen des Organs zuſammenhaͤngt. Im ganzen Thierreiche ſehen wir naͤmlich die Thaͤtigkeit der Reproduktion, und die Entwicklung des Nervenſyſtems im umgekehrten Verhaͤltniße; Thiere, bey welchen gar kein, oder nur ein ſehr unvollkommenes Nerven - ſyſtem nachzuweiſen iſt, zeigen das groͤßte Reproduktionsver - moͤgen (man denke z. B. an die ungeheuere Regenerations - kraft der Polypen, der Krebſe, Schnecken, Salamander u. ſ. w.), ja ſelbſt im Menſchen ſehen wir die nervenloſen Ge - bilde der groͤßten Regeneration faͤhig, z. B. der Haare, Naͤ - gel u. ſ. w. Es iſt alſo hiermit vollkommen im Einklange, wenn der Uterus uͤberhaupt, und namentlich in der Gegend des Koͤrpers und Grundes, nervenaͤrmer gefunden wird, die Gegend des Muttermundes aber empfindlicher und nerven - reicher ſich zeigt, indem das letztere eben ſowohl mit der zur Empfaͤngniß noͤthigen Reitzung, als das erſtere mit der außerordentlichen Entwicklung des obern Gebaͤrmuttertheils in der Schwangerſchaft zuſammenhaͤngt.
Die Muskelfaſern endlich ſind als integrirende Theile des Uterus bekanntlich von mehreren Anatomen und Phy - ſiologen (noch neuerlich von Wenzel) gelaͤugnet worden, wir haben daher die Gruͤnde anzufuͤhren, welche uns zu de - ren Annahme berechtigen. Naͤmlich 1) die Bildungsgeſchichte des Uterus als eines vollkommen darmartigen Gebildes, 2) die Analogie, indem bey dem darmartigen Uterus der groͤßern Saͤugethiere, ſelbſt im ungeſchwaͤngerten Zuſtande, die Muskelfaſern deutlichſt erſcheinen; 3) die unlaͤugbare Anwe - ſenheit von ſtarken Faſerlagen am ſchwangern menſchlichen Uterus, welche ihrer Farbe, Geſtalt, und ihrem Verlaufe nach ganz mit den Faſerlagen der Harnblaſe u. ſ. w. uͤberein - ſtimmen, und welchen man nicht etwa aus dem Grunde die muskuloͤſe Beſchaffenheit abſprechen darf, weil ſie außer der Schwangerſchaft beynahe unmerklich ſind, indem a) der Ute - rus in der Schwangerſchaft erſt als in ſeiner wahrhaften und vollkómmenen Ausbildung begriffen anzuſehen iſt, und25 es folglich damit ſehr uͤbereinſtimmt, wenn wir außer dieſer Periode nicht alle ſeine Gebilde beſtimmt entwickelt finden, eben ſo, wie z. B. niemand im Stande ſeyn wird, an dem noch nicht vollkommen entwickelten Darmkanal des Embryo, die Muskelfaſern ſichtlich darzuſtellen; b) ferner kann aber auch das Ausbilden der Muskelfaſern in der Schwanger - ſchaft, und ſpaͤterhin das wieder Verwiſchtwerden derſelben, ſo wie ihre Reproduktion in einer kuͤnftigen Schwangerſchaft keineswegs als etwas der Natur ſo widerſprechendes ange - ſehen werden, indem in einem Gebilde deſſen Produktivitaͤt im Allgemeinen ſo ſehr uͤberwiegt, auch Erſcheinungen dieſer Art, ſo wenig als das Wiedererzeugen von Gliedern mit allen Muskeln bey Krebſen und Salamandern, unmoͤglich bleiben. 4) Die Thaͤtigkeitsaͤußerungen des Uterus, in welchen wir das Wirken einer außerordentlich ſtarken Bewegkraft nicht ver - kennen duͤrfen, als eine Kraft, deren Organ im ganzen thieriſchen Organismus eben die Muskelfaſer iſt. 5) Das Aufregen dieſer Thaͤtigkeit durch Reitze, welche uͤberhaupt Muskularthaͤtigkeit zu erwecken pflegen, wohin theils mecha - niſche Reitzung gehoͤrt (ſo z. B. erwecken Friktionen des Un - terleibes Wehen), theils aber inbeſondere der galvaniſche Reitz als das eigentlichſte Reagens fuͤr Muskelfaſer zu rechnen iſt (bekanntlich ſah Reil ſchon das Zuſammenziehen des darm - artigen traͤchtigen Uterus in friſch getoͤdteten Kaninchen unter Anwendung des Galvanismus; Verſuche, welche ich mit glei - chem Erfolge wiederholte).
Ruͤckſichtlich der Fallopiſchen Roͤhren und der Scheide, ſo ergiebt ſich nun ferner ſchon aus dem Vorigen, daß dieſe als weniger entwickelte Theile des allgemeinen Fruchtganges (§. 27. 28. ) angeſehen werden muͤſſen, folglich das Weſent - liche ihrer Organiſation noch mit der des Fruchthaͤlters uͤber - einſtimmen wird, beiden daher auch dieſelben Lagen von Mem - branen eigen ſind, mit Ausnahme der Scheide, welcher der Ueberzug des Bauchfelles abgeht. Unſtreitig iſt es hingegen, daß beiden, gleich dem Uterus, Gefaͤße und Muskelfaſern zukommen, von welchen letztern, daß ſie in den Fallopiſchen26 Roͤhren vorhanden ſind, die bey Saͤugethieren beſtimmt nach - zuweiſende periſtaltiſche Fortbewegung des Eyes, Zeugniß ab - giebt, ſo wie von der muskuloͤſen Struktur der Scheide an - dern Theils, die am Eingange derſelben verdichteten Faſer - lagen (Constrictor cunni), ferner die Querfaltung der in - nern Haut (gerade dieſelbe Erſcheinung zeigt ſich auch am entleerten Darme), und endlich mehrere, z. B. bey der Ge - burt, der Nachgeburt, wahrnehmbare Thaͤtigkeitsaͤußerungen derſelben Beweiſe liefern.
Der Bruͤſte endlich gedenken wir hier unter den Ge - ſchlechtstheilen noch insbeſondere, um theils auf die Gruͤnde ihres fuͤr die praktiſche Anwendung der Gynaͤkologie ſo wich - tigen Consensus mit dem Uterus hin zu weiſen, theils ge - wiſſe Eigenthuͤmlichkeiten ihrer Struktur bemerklich zu ma - chen. — Wenn naͤmlich uͤberhaupt das Geſchlechtsſyſtem gleichſam nur als ein dem lebendigen Koͤrper eingepflanzter Theil anzuſehen iſt, ſo daß auch ohne daſſelbe die indi - viduelle organiſche Exiſtenz allerdings moͤglich bliebe (ob - wohl nicht die Exiſtenz der Gattung), ſo gilt dieß vorzuͤg - lich auch von den Ernaͤhrungsorganen des Foͤtus im menſch - lichen Weibe, und namentlich von den Bruͤſten. Auf ſehr merkwuͤrdige Weiſe naͤmlich iſt die Bruſtdruͤſe gleichſam wie der Mutterkuchen an den Uterus, ſo auf die aͤußere Flaͤche des Thorax geheftet (die Placenta wurde daher ſchon von alten Phyſiologen als Mamma uterina bezeichnet); dort empfaͤngt ſie die Saͤfte, welche noch nach der Geburt zur Ernaͤhrung des Kindes erfordert werden, und welche in niedern Klaſſen dem Jungen ſogleich vom Eyerſtocke aus als Dotterſack, als gemeinſamer Chylusbehaͤlter mitgetheilt zu werden pflegen, hier aber, nachdem ſie zuvor im Fruchthaͤl - ter ſelbſt dem Foͤtus zugefuͤhrt worden, zu den Bruͤſten ſich wenden. — Fruchthaͤlter und Bruͤſte ſind alſo in dieſer Hin - ſicht von gleicher Bedeutung, und daher der im Leben derſelben deutlich bemerkbare Zuſammenhang; denn nicht ſo - wohl in Verbindung von einzelnen Nervenfaͤdchen und Ge - faͤßen (z. B. wollten Einige den Consensus zwiſchen Uterus27 und Bruͤſten aus der Anaſtomoſe der epigaſtriſchen Gefaͤße und der Art. mammaria interna erklaͤren) iſt die Begruͤn - dung ſolcher Mitleidenſchaft zu ſuchen, ſondern eben in der organiſchen Bedeutung und urſpruͤnglichen Gleichartigkeit oder Entgegenſetzung verſchiedener Theile, weßhalb dann auch manche durch Nerven und Gefaͤße nahe verbundene Theile keinen Consensus zeigen, da hingegen bey andern, wo dieſe Verbindung als ſehr unerheblich erſcheint, die Mit - leidenſchaft bedeutend iſt.
Bey der Bildung der Groͤße insbeſondere iſt ferner theils auf ihre, dem Uterus voͤllig gleichmaͤßige Entwicklung uͤber - haupt Ruͤckſicht zu nehmen, theils die Gleichmaͤßigkeit des Verlaufes der Milchadern nach der Warze, und der Blut - adern nach dem Nabelſtrange an der Placanta zu bemerken; in welcher letztern Hinſicht auch erwaͤhnt zu werden verdient, daß ſelbſt bey Thieren eine Uebereinſtimmung der Placenta und Bruͤſte in ſo weit ſtatt findet, ſo daß demnach bey Thieren, wo das Chorion am Eye die Stelle der Placenta vertritt, auch die Bruͤſte ſehr platt ſind (z. B. beym Pferde), da hingegen, wo am Eye viele Placenten ſich finden, auch die Zahl der Zitzen ſich vervielfacht (z. B. bey der Kuh mit 4 Zitzen fuͤr ein Junges), und endlich bey mehrfach werfen - den Thieren die Zahl der Jungen (folglich auch die Zahl der Placenten) mit der der Zitzen uͤbereinſtimmt (Z. B. bey Hunden). — Es wird hierdurch erklaͤrlich, daß und warum auch bey verſchiedenen menſchlichen Individuen die Eigen - thuͤmlichkeit der Bruͤſte in der Regel mit der der Placenten uͤbereinſtimmen werde, ſo wie umgekehrt die Placenta fuͤr die Prognoſe des Stillungsgeſchaͤftes wichtig wird, wovon weiter unten das Naͤhere.
Wir kommen nun zur Betrachtung des Beckens, als eines knoͤchernen Kanals, durch welchen das Kind bey der Geburt hindurchgetrieben wird, und in welchem die innern Geſchlechtsorgane enthalten ſind. In erſterer Hinſicht werden28 uns ſonach die Dimenſionen und verſchiedenen Richtungen der einzelnen Beckengegenden intereſſiren, in letzterer phyſio - logiſcher Hinſicht muß uns die der Entwicklung der Ge - ſchlechtstheile gleichmaͤßige Entwicklung der geſammten Be - ckenform merkwuͤrdig ſeyn. Wir beginnen, mit Uebergehung der Zuſammenſetzung deſſelben aus Knochen und Baͤndern, bey der Eintheilung und Ausmeſſung deſſelben.
Das ganze Becken alſo theilen wir in das große und kleine Becken (Cavitas pelvis major s. superior et minor s. inferior), ſo zwar, daß die uͤber den Vorberg (Pro - montorium) und den obern Rand des Schambogens ver - laufende ungenannte Linie (Linea innominata) die Graͤnze beyder abgiebt. — Die Hoͤhle des großen Beckens nun insbeſondere betrachtet, welche von hinten durch die Lenden - wirbelſaͤule, von der Seite durch die ſchieflaufenden Darm - beinflaͤchen, und von vorne durch die weichen Bauch - waͤnde begraͤnzt wird, zeichnet ſich aus durch eine, oben breite und weite, abwaͤrts verengerte, alſo beynahe trichter - foͤrmige Hoͤhle, deren Querdurchmeſſer im wohlgebauten weib - lichen Koͤrper, von der Mitte eines Huͤftbeinkammes bis zum andern, 9 bis 10 Pariſer Zoll betraͤgt, wo dagegen ihre Breite am Eingange ins kleine Becken bis auf 5 Zoll ver - ringert erſcheint. — Fuͤr den Verlauf des Geburtsgeſchaͤftes nun, ſo wie fuͤr den Zuſtand der Schwangerſchaft, iſt dieſe Trichterform in mehrerer Hinſicht wichtig; einmal naͤmlich, indem dadurch der ſchwangere Uterus die ſicherſte und ange - meſſenſte Unterſtuͤtzung erhaͤlt, andern Theils, indem durch dieſe ſchiefen Flaͤchen, namentlich das Einrichten der Laͤngen - achſe des Kindes in die Fuͤhrungslinie des Beckens, und das Eintreten des Kindeskopfes in das kleine Becken vorbereitet und erleichtert, ja ſogar bedingt wird.
Mannigfacher begraͤnzt, und deßhalb ſchwerer auszu - meſſen, iſt der Raum des kleinen Beckens, an welchem folgende drei Gegenden daher beſonders betrachtet und ausge -29 meſſen werden: — 1) der Eingang (Apertura pelvis supe - rior), eine von der ungenannten Linie begraͤnzte Flaͤche; 2) die Hoͤhle (Cavitas pelvis minoris), eine Flaͤche, deren Umfang durch eine in die Verbindung des zweiten und dritten falſchen Kreuzwirbels und in die Mitte des Schambogens gelegte Kreis - linie beſtimmt wird; 3) der Ausgang (Apertura pelvis infe - rior), welcher von den untern Raͤndern des Ossis sacri und coccygis, ſo wie den Ligamentis sacrotuberosis und sacro - spinosis, und endlich von den ossibus ischii, pubis und der symphysis ossium pubis beſtimmt wird.
Die Dimenſionen dieſer Gegenden ſind beym wohlge - bauten weiblichen Koͤrper, und zwar nach dem hierbey uͤbli - chen Pariſer Maaß, folgende: 1. im Eingange a) der geraden Durchmeſſer Diameter recta s. conjugata) vom obern Rande der Schamfuge bis zum Vorberge = 4 Zoll, b) der Querdurchmeſſer (Diameter transversa) von den aus - geſchweifteſten Stellen zu beiden Seiten der ungenannten Linie = 5 Zoll, c) die ſchraͤgen oder Deventer’ſchen Durch - meſſer (Diametri obliquae), deren erſter von der rechten Krenz - und Darmbeinverbindung (Symphysis sacro-iliaca) bis zur linken Scham - und Darmbeinverbindung (Synostosis pubo-iliaca), deren zweiter von der linken Kreuz - und Darmbeinverbindung bis zur rechten Scham - und Darmbein - verbindung reicht = 4½ Zoll. 2.) In der Beckenhoͤhle a) der gerade Durchmeſſer, von der Verbindung des zweiten und dritten falſchen Kreuzwirbels bis zur Mitte der Scham - fuge = 4½ Zoll, b) der Querdurchmeſſer, von einem Sitz - beinſtachel (spina ossis ischii) zum andern = 4 Zoll. (Auch zieht man wohl noch eine Diagonalconjugata, Behufs der Anwendung innerer Beckenmeſſer, von der Mitte der Schamfuge bis zum Vorberge, eine Linie, welche dann der Conjugata der Beckenhoͤhle gleich, alſo 4½ Zoll, gefunden wird, und folglich aus ihrer Groͤße auch einen Schluß auf die Conjugata des Beckeneinganges erlaubt. ) — 3. Im Be - ckenausgange: a) der gerade[Durchmeſſer], vom untern Rande der Schamfuge bis zur Spitze des Schwanzbeines30 = 3½ Zoll (beym Zuruͤckweichen des Schwanzbeines jedoch auf 4 bis 4¼, ja 4½ Zoll vergroͤßert); b) der Querdurch - meſſer, von einem Sitzhoͤcker (Tuberositas ossis ischii) zum andern = 4 Zoll (vergl. Tab. I. Fig. III. IV. V.).
Man findet ſonach bey dieſen Ausmeſſungen, daß Be - ckeneingang und Hoͤhle, als Ellipſen, der Beckenausgang hin - gegen (bey zuruͤckgebogenem Schwanzbein) mehr als Kreis - form ſich darſtelle, daß jedoch ferner der groͤßte Durchmeſſer dieſer Elipſen nicht die gleiche Richtung habe, ſondern im Eingange quer, in der Beckenhoͤhle gerade geſtellt ſey, eine fuͤr die Bewegung des Kindes durch das Becken aͤußerſt wich - tige Bemerkung. Endlich aber hat man auch zu beachten, daß der Eingang des kleinen Beckens in der Natur nicht als regelmaͤßige Ellipſe ſich darſtelle, ſondern durch das Hervor - ragen des Vorberges mehr die Geſtalt eines im Ausſchnitte ſowohl, als an der Spitze abgeſtumpften Kartenherzens er - halte, ſo daß man eine etwas kleinere Ellipſe von 4½ Zoll Laͤnge, und 4 Zoll Breite, am angemeſſenſten auf zweyerley Weiſe, naͤmlich nach der Richtung der zwei ſchiefen Durch - meſſer, und folglich in die zu beyden Seiten des Vorberges befindlichen Ausbiegungen auf den Kreuz - und Darmbeinver - bindungen legen koͤnne.
Ferner haben wir die Hoͤhe des Beckens, den Scham - bogenwinkel, ſo wie Abſtand und Richtung der Schenkelkoͤpfe, und endlich auch Neigung und Kruͤmmung des Beckens ge - nauer zu beſtimmen. — 1. Die Hoͤhe des geſammten Be - ckens betreffend, ſo mißt ſie 7 Zoll, wovon dem kleinen Be - cken an der Ruͤckwaͤnd 4½ Zoll, an der Seitenwand 3½ Zoll, an der Vorderwand 1½ Zoll zukommen. 2. Der Winkel, welcher unter der Schamfuge durch Scham - und Sitzbeine gebildet wird, iſt ein Winkel von 90° d. i. ein rechter Win - kel (er unterſcheidet insbeſondere nebſt der groͤßern Woͤlbung des Schambogens und der auswaͤrts gedruͤckten Raͤnder der aufſteigenden Sitzbeinaͤſte, das weibliche vom maͤnnlichen Be -31 cken, und iſt namentlich fuͤr die Entwicklung des Kindeskopfes aus der untern Beckenoͤffnung von Wichtigkeit.)
3. Ruͤckſichtlich der Verbindung der Schenkel - knochen mit dem Becken achtet man theils auf den Winkel, welchen der Schenkelknochen und deſſen Hals bildet; er betraͤgt 120°; theils auf den Winkel, welchen die Fort - ſetzung der Direktionslinie der Schenkelhaͤlſe vor dem Vor - berge bildet; er betraͤgt 100°. Eine Linie vom aͤußern Umfange des großen Rollhuͤgels am Schenkelknochen (Tro - chanter major) bis zu dem gleichen gegenuͤberliegenden Punkte betraͤgt 13 Zoll.
4. Die Neigung (Inclinatio) des Beckens wird durch die Verbindung deſſelben mit der Wirbelſaͤule und ſein Verhaͤltniß zur Laͤngenachſe des Koͤrpers beſtimmt. Es fin - den ſich naͤmlich die Seitenwandknochen des Beckens (Ossa innominata) unter ziemlich rechtem Winkel an das Kreuzbein geheftet; allein, da letzteres ſelbſt ruͤckwaͤrts gebogen iſt, ſo kann auch die Richtung jener Knochen nicht horizontal, ſie muß vorwaͤrts geneigt ſeyn, welches ſo viel betraͤgt, daß der obere Rand der Schambeinverbindung bey aufrechter Stellung gegen 3 Zoll tiefer als der Vorberg gefunden wird. Die Flaͤche des Beckeneinganges iſt ſonach ſtark nach vorwaͤrts abhaͤngig (geneigt), und will man dieſe Neigung nun noch genauer beſtimmen, ſo muß man den Winkel meſſen, welchen die verlaͤngerte Conjugata des Beckeneinganges mit der Hori - zontalebene bildet (vergl. uͤber Neigung und Kruͤmmung Tab. I. Fig. VI.). Dieſen Winkel nun erklaͤren die meiſten Lehrbuͤcher der Geburtshuͤlfe, alle Levret*)Man darf nur das ganz verzeichnete Becken bey Levret (l’art des accouchemens. Paris 1766. Tab. 4.) anſehen, um das Unrichtige dieſer Augabe zu fuͤhlen. folgend, fuͤr 35° betragend, H. Froriep ſetzt ihn dagegen auf 40 — 43°; indeß uͤberzeugen mich meine Beobachtungen, daß auch dieß noch viel zu gering iſt, wie man leicht ſehen wird, wenn32 man genau nach dieſer Annahme einen Beckendurchſchnitt aufzeichnet, oder an Skeletten dieſen Winkel mißt, wo man ihn bey uͤbrigens ganz regelmaͤßiger Koͤrperform wohl bis zu 60 — 65° vergroͤßert ſieht. Ich glaube daher der Regel am naͤchſten zu kommen, wenn ich denſelben, als die Mittelzahl aus mehreren Meſſungen, auf 55° feſtſetze. Was dagegen die Flaͤche des Beckenausganges betrifft, ſo findet man auch dieſe ſchief gegen den Horizont geſtellt, und zwar wieder ſo, daß die vordere Seite tiefer als die hintere ſteht, und folg - lich in gleicher Richtung ein Winkel mit dem Horizont ge - bildet wird, welcher 18° zu betragen pflegt. Subtrahirt man nun von dem Winkel des Beckeneinganges mit dem Horizont, den Winkel des Beckenausganges, ſo erhaͤlt man den Winkel, unter welchem die verlaͤngerten Conjugaten des Beckeneinganges und Ausganges zuſammenſtoßen, naͤmlich ei - nen Winkel = 55° — 18° = 37°.
Anmerkung. Faſt in ſaͤmmtlichen Saͤugethieren iſt die Neigung des Beckens ſo ſtark, daß die ganze Schamfuge bloß dem Schwanzbeine, und gar nicht mehr dem Kreuz - beine gegenuͤberſteht, woher dann eben die ſtark ruͤckwaͤrts gerichteten Geſchlechtstheile und die veraͤnderte Begattungs - weiſe (Coitus a posteriori) ſich erklaͤren.
5. Endlich die Beckenkruͤmmung betreffend, ſo iſt es ſowohl zur Verſtaͤndniß des Geburtsmechanismus, als auch fuͤr zweckmaͤßiges Vollfuͤhren aller im und durch das Becken vorzunehmender Operationen und Unterſuchungen wichtig, die Richtung derſelben, welche man in Form einer durch das Becken gefuͤhrten Linie ſich vorſtellt, auf das genaueſte zu beſtimmen. Fruͤher nannte man nun dieſe Linie Achſe des Beckens, und Levret beſtimmte ſie als eine ſenkrechte, auf die Mitte der Eingangsflaͤche fallende Linie, welche ſich folglich zur ſenkrechten Laͤngenachſe des weiblichen Koͤrpers genau eben ſo verhalten muß, als die verlaͤngerte Conjugata zur Horizontalebene, d. i. welche mit derſelben einen Winkel von 55° bilden, und deren Verlaͤngerung vom Beckenein - gange aufwaͤrts ohngefaͤhr den Nabel treffen wuͤrde. Offenbar33 verdient nun aber dieſe Linie den Namen der Beckenachſe keineswegs, indem fuͤr einen durchaus gekruͤmmten Gang keine gerade Linie als eigentliche Achſe dienen kann. Um da - her die Hoͤhle des Beckens genauer zu beſtimmen, zog Roͤ - derer eine zweite Linie ſenkrecht auf die Mitte der untern Beckenoͤffnung, welche um 18° von der Laͤngenachſe des weiblichen Koͤrpers ruͤckwaͤrts abweicht, und folglich in der Beckenhoͤhle mit der Levret’ſchen Achſe unter einem Winkel von 143° ſich kreuzt. Allein auch dieſe beyden Achſen zu - ſammen genommen beſtimmen die Beckenhoͤhle, ſo wie die Bewegung des Kindes und die Fuͤhrung der Inſtrumente noch nicht genau, ja zum Theil ganz falſch (denn das Kind tritt nicht nach Roͤderers Achſe nach hinten, ſondern vielmehr nach vorwaͤrts aus dem Becken), und man ſah ſich daher genoͤthigt, die Idee einer oder mehrerer Beckenachſen ganz zu verlaſſen, dagegen aber eine gekruͤmmte Linie (Fuͤhrungs - linie) anzunehmen.
Um nun dieſe Fuͤhrungslinie wahrhaft geometriſch, und alſo vollkommen genau zu beſtimmen, finde ich folgendes Ver - fahren am augemeſſenſten: — Man nimmt die Mitte der Schambeinverbindung, da, wo die Conjugata der Becken - hoͤhle ausgeht, braucht von dieſer Conjugata die Haͤlfte (alſo eine Linie von 2¼ Zoll) als Radius, und beſchreibt nun mit dieſem Halbmeſſer einen Kreis um die Synchondroſe herum, wo ſich dann ergeben wird, daß der in die Becken - hoͤhle fallende Abſchnitt dieſes Kreiſes ſowohl die Mitte des Einganges als Ausganges durchſchneidet, als uͤberhaupt durch - gaͤngig in der Mitte der Beckenhoͤhle verlaufend, die wahre Fuͤhrungslinie auf das Beſtimmteſte angiebt, woraus ſich dann zugleich ergiebt, daß die Ruͤckwand des Beckens, alſo die innere Flaͤche des Kreuzbeines und des im zuruͤckge - bogenen Zuſtande betrachteten Schwanzbeines, einen Kreis - abſchnitt darſtellen muͤſſe, deſſen Radius die ganze Conjugata der Beckenhoͤhle iſt; was dann beym vollkommen regelmaͤßi - gen Becken auch wirklich der Fall ſeyn wird.
I. Theil. 334Anmerkung. Weit ſeltner, als man gewoͤhnlich zu glauben ſcheint, iſt es, daß ein weibliches Becken in aller Hinſicht als normal gebildet ſich zeigt, und insbeſondere habe ich dieß von der Kruͤmmung der Beckenhoͤhle beſtaͤtigt gefun - den, wo man oft unter einer betraͤchtlichen Reihe, uͤbrigens ziemlich wohlgebauter Becken, kaum eines vorfindet, deſſen Kruͤmmung ganz der wahren Norm entſpraͤche.
So weit denn die mathematiſche Betrachtung des Be - ckens; was das in phyſiologiſcher Hinſicht noch Bemerkungs - werthe betrifft, ſo muß theils die Art ſeiner Knochenverbin - dungen, theils die Entwicklung deſſelben beruͤckſichtigt wer - den. Die Art der Beckenverbindungen angehend, ſo ſind von den vier Knochenverbindungen drei (naͤmlich zwei Darm - und Kreuzbeinfugen und die Schamfuge) im normalen Zu - ſtande keiner Bewegung, keines Auseinanderweichens (worauf man ſonſt wohl bey der Theorie der natuͤrlichen Geburt Ruͤck - ſicht nahm) faͤhig, dahingegen bey einigen Saͤugethieren (ſo nach Le Gallois beym Meerſchweinchen) die Schamfuge ſich wirklich oͤffnet, folglich die Seitenwandbeine ſich allerdings bewegen, worin wir eine Aehnlichkeit mit dem beweglichen Becken niederer Thiergattungen, z. B. der Schildkroͤten, be - merken. Daß jedoch die Verbindung des Schwanz - und Kreuzknochens hinlaͤngliche Bewegung zulaſſen muͤſſe, um eine normale Weite der untern Beckenoͤffnung zuzulaſſen, ergiebt ſich ſchon aus §. 38. Ruͤckſichtlich der Entwicklung der gan - zen Beckenform endlich bemerken wir, daß diejenige Geſtalt, welche wir im Vorhergehenden als die eigentlich normale fuͤr den ausgebildeten weiblichen Koͤrper beſchrieben, nicht gleich im Kinde etwa nur im verjuͤngten Maaßſtabe vorhanden ſey, ſondern ihre Eigenthuͤmlichkeit erſt ſpaͤterhin erhalte. Unter - ſucht man naͤmlich das Becken des neugebornen Maͤdchens, ſo iſt allerdings wegen aͤußerſt geringer Hervorragung des Vorberges und Schmalheit der Huͤftgegend auch die obere Beckenoͤffnung mehr ein der Laͤnge, als der Breite nach liegendes Oval; ſpaͤterhin wird dann der ganze Beckenraum mehr kreisrund, bis erſt waͤhrend des Eintrittes der Ge -35 ſchlechtsreiſe das Becken (die Knochenhoͤhle fuͤr Geſchlechts - organe, wie es der Thorax fuͤr Reſpirationsorgane iſt) ſeine querovale Geſtalt erhaͤlt, ja ſeine volle Ausbildung erſt waͤh - rend der erſten Schwangerſchaft erreicht, woher wir es leiten muͤſſen, daß die Taille des weiblichen Koͤrpers eine andere iſt im jungfraͤulichen Zuſtande und eine andere nach der erſten Geburt, ein Unterſchied, welchen ſchon die alten plaſtiſchen Kuͤnſtler in der verſchiedenen Bildung der Venus anadyomene (die dem Meere entſtiegene) und der Venus genetrix (der Er - zeugerin) ſehr wohl ausgedruͤckt haben.
Es iſt jetzt, bevor wir zur Betrachtung der Eigenthuͤm - lichkeiten des weiblichen Lebens uͤbergehen, nothwendig, zuvor noch die Kennzeichen zu beruͤckſichtigen, aus denen am leben - den Koͤrper das wahrhaft normale Befinden und der verſchie - dene Zuſtand der einzelnen, vorher betrachteten Theile zu er - kennen iſt, als welches dann das Geſchaͤft einer beſondern Zeichenlehre der weiblichen Geſchlechtstheile und des weiblichen Beckens ſeyn wird.
1. Zeichen der normalen, zu Zeugung, Er - naͤhrung des Kindes und Geburt uͤberhaupt ge - ſchickten weiblichen Geſchlechtstheile. — Hierher gehoͤren a) hinſichtlich der aͤußern Schamtheile: an - einanderſchließende, doch nirgends verwachſene oder ſonſt ver - unſtaltete, innerlich geroͤthete und glatte, aͤußerlich mit Haar bewachſene, große Schamlefzen; hinlaͤnglich weite, weder zu ſehr ruͤckwaͤrts noch vorwaͤrts gerichtete Schamſpalte (Rima genitalium); nicht zu weit vorragender und breiter, noch auch allzuſchmaler oder zerriſſener Damm (Perinaeum), und kein allzubreites Schambaͤndchen (Frenulum vulvae). Ferner re - gelmaͤßig gebildete, weder zu ſtarke und vorragende, noch zu kleine oder unempfindliche, lebhaft geroͤthete, maͤßig feuchte,36 nicht mit dickem Schleim uͤberzogene, oder ſonſtigen Krank - heitszuſtand verrathende kleine oder Waſſerlefzen, empfindliche ohngefaͤhr ¼ Zoll lange Klitoris, welche wenig vor dem Prae - putio Clitoridis vorragt, und unter dieſer, ohngefaͤhr in der Tiefe von ¾ Zoll, der weder zu ſehr erſchlaffte und erwei - terte, noch allzuſehr verengerte Eingang in die Harnroͤhre (Orificium urethrae).
b) Hinſichtlich der Scheide und Gebaͤrmutter: eine am Eingange 1 bis 1½ Zoll weite, weder durch ein zu feſtes, noch allzugroßes Hymen verſchloßene Scheide, welche da, wo das Hymen mangelt, die myrthenfoͤrmigen Karun - keln erkennen laͤßt, und ein maͤßig weiter, gegen 4 Zoll lan - ger, nach der Richtung des untern Theiles der Beckenfuͤh - rungslinie ſanft gebogener, maͤßig durch Schleim befeuchteter, weder zu ſehr, noch zu wenig erwaͤrmter, weder mit zu ſtar - ken oder gar herabgeſunkenen Querfalten verſehener, noch ganz glatter Scheidenkanal. Ferner eine verhaͤltnißmaͤßig ge - bildete, hinter Schamfuge und Harublaſe, und vor dem Maſtdarme, zwiſchen Eingang und Hoͤhle des kleinen Beckens liegende Gebaͤrmutter, deren Laͤngenachſe der Levret’ſchen Be - ckenachſe entſpricht, und deren unteres Segment mittelſt des 1 Zoll langen Mutterhalſes (Cervix uteri) in die Scheide (welche dieſe Vaginalportion ſelbſt aͤußerlich bekleidet) herab - ragt, woſelbſt der aͤußere Muttermund von gleicher elaſtiſcher Textur, ohne Verhaͤrtungen und Auswuͤchſe, etwas ruͤckwaͤrts gerichtet, mit etwas verlaͤngerter vorderer Lippe, und zwar als Querſpalte, oder zur Zeit der Menſtruation als runde Oeffnung bemerkt wird.
c) Hinſichtlich der Bruͤſte: weder allzugroße, mit zu vielem Fette uͤberkleidete Bruſtdruͤſen; gleichfoͤrmige Halb - kugelgeſtalt beyder Bruͤſte, welche weder platt aufliegend, noch zitzenartig herabhaͤngend, weder innerlich Verhaͤrtungen zeigend, noch allzuſehr erſchlafft, dagegen elaſtiſch, mit einer zarten reinen Haut uͤberzogen gefunden werden. Ferner re -37 gelmaͤßig geſtaltete, hinlaͤnglich große, nicht geſpaltene, mit roͤthlicher oder brauner Haut uͤberdeckte, empfindliche, leicht turgescirende Warzen, und ein gegen ¾ Zoll breiter glatter, gleichmaͤßig mit den Warzen gefaͤrbter Hof um dieſelben.
2. Zeichen des jungfraͤulichen Zuſtandes die - ſer Theile insbeſondere. Obwohl es unlaͤugbar iſt, daß der wahrhaft jungfraͤuliche Zuſtand des weiblichen Koͤr - pers ſchon in ſeiner allgemeinen Bildung dem ſchaͤrfern Beob - achter ſich mit ziemlicher Beſtimmtheit darſtellt, ſo kann doch von dieſem Geſammtuͤberblick namentlich fuͤr gerichtliche Faͤlle wenig Anwendung gemacht werden, indem die Entſcheidung hierbey zu ſehr der Individualitaͤt des Beobachters uͤberlaſſen bliebe, es waͤre denn, daß in dieſer Hinſicht noch beſtimm - tere Merkmale aufgefunden wuͤrden, etwa gleich dem, welches nach Winkelmann bereits den Alten bekannt geweſen: daß naͤmlich die Schlankheit des Halſes als Zeichen jungfraͤulichen Zuſtandes gelten kann, und, ſobald ein um den Hals gemeſſener Faden, leicht uͤber den Kopf weggefuͤhrt werden koͤnne, dieß als Andeutung verlorener Jungfrauſchaft zu betrachten ſey. Sicherer als dieſe Merkmale bleibt daher zur Beſtimmung des jungfraͤulichen Zuſtandes noch der Zuſtand der Genitalien, obwohl auch hier im Voraus bemerkt werden muß: erſtens, daß wenn man, wie Einige thun, zwiſchen phyſiſcher und moraliſcher Jungfrauſchaft unterſcheiden will, die zu erwaͤh - nenden Kennzeichen natuͤrlich blos fuͤr die erſtere guͤltig ſind; zweitens, daß ungewoͤhnliche urſpruͤngliche Bildungen der Ge - nitolien, Krankheiten derſelben, z. B. Leucorrhoe, Verletzun - gen, Entzuͤndungen, Eiterungen u. ſ. w. ſehr leicht einen Zuſtand herbeyfuͤhren koͤnnen, welcher, indem er die Zeichen der Jungfrauſchaft auch ohne ſtatt gehabten Coitus zerſtoͤrt, ſehr leicht zu irrigen Urtheilen verleiten kann, weßhalb dann, indem auch viele der zu nennenden Kennzeichen, ſelbſt das unverletzte Hymen auch nach gepflogenem Coitus bemerkt worden iſt, in jeder Hinſicht bey den uͤber dieſen Gegenſtand zu ziehenden Reſultaten mit moͤglichſter Umſicht und Benutzung aller Anhaltungspunkte zu verfahren iſt.
Als Zeugen jungfraͤulichen Zuſtandes an den Geſchlechts - theilen betrachten wir aber: unverletztes, auch nicht allzuſehr erſchlafftes Hymen; wulſtige, dicht an einander ſchließende, elaſtiſche, innerlich glatte und lebhaft geroͤthete große Scham - lefzen, welche die kleinen nicht allzuſchlaffen oder verhaͤrteten und gleichfalls lebhaft geroͤtheten Scham - oder Waſſerlefzen bedecken. Ferner eine kleine, groͤßtentheils von der Vorhaut bedeckte und zwiſchen den Schamlefzen verborgene Klitoris; ein enger, etwas wulſtiger Rand der Harnroͤhrenoͤffnung, und ein uͤberhaupt zuſammen gezogener, kaum 1 Zoll weiter Ein - gang der Scheide. — Ferner der engere, ſtark quergefaltete Scheidenkanal, der ſchlankere 1 Zoll lange Fruchthaͤlterhals von feſter Subſtanz und glatter Oberflaͤche, nebſt dem mit dichtſchließenden Lippen (einer hintern kuͤrzern und einer vordern laͤngern) verſehenen, eine Querſpalte (zur Zeit der Men - ſtruation jedoch bey wulſtigern Lippen wehr gerundete Oeff - nung) zeigenden, etwas ruͤckwaͤrts gekehrten Muttermunde; wobey durch das Scheidengewoͤlbe ſo wie durch den Maſt - darm der Gebaͤrmutter-Koͤrper und Grund, obwohl nur un - deutlich, ebenfalls klein und von ſtarker Subſtanz wahrge - nommen werden. Endlich der glatte, gewoͤlbte, weder be - ſondere Hautfalten noch Flecken zeigende Unterleib und die kleinern elaſtiſchen, halbkuglichen Bruͤſte mit hellrothen War - zen und Hoͤfen um dieſelben verſehen.
3. Kennzeichen des ſtatt gehabten Beyſchlafs. Es gilt von ihnen, ruͤckſichtlich ihrer Unſicherheit, bey - nahe daſſelbe, was uͤber die Zeichen des jungfraͤulichen Zu - ſtandes bemerkt wurde, und man darf annehmen, daß, wenn die zu erwaͤhnenden Kennzeichen beſtimmt vorhanden ſeyn ſollen, theils mehrere Male wiederholter Coitus ſtatt gehabt haben, theils derſelbe vollſtaͤndig (nicht etwa sine immissione penis) geweſen ſeyn muͤſſe. Die Veraͤnderungen, welche in dieſem Falle an den Geſchlechtstheilen wahrgenommen werden, ſind aber folgende: — Schlaffes, zerriſſenes oder ganz ver -39 ſchwundenes Hymen, ſchlaffere innerlich braͤunlich gefaͤrbte mehr mit Schleim uͤberzogene große Schamlefzen, laͤngere oder haͤrtere ebenfalls braͤunliche mehr hervorragende Nymphen, empfindlichere weniger bedeckte Klitoris, weitere Harnroͤhren - muͤndung, ſchlaffere weniger dicht gefaltete Scheide, tiefer ſtehender, oft auch mehr angeſchwollener Muttermund und Mutterhals, etwas ſchlaffere Bruͤſte, dunklere Warzen und etwas vermehrtes Volumen der Schilddruͤſe.
4. Kennzeichen vorausgegangener Geburten. Auch ruͤckſichtlich dieſer muß bemerkt werden, daß wir eigent - lich kein einziges haben, welches einzig und allein vollkom - mene Sicherheit der Unterſcheidung gewaͤhrte, und daß durch vorausgegangene krankhafte Zuſtaͤnde der Genitalien, Polypen, Eiterungen, Syphilis, Waſſerſucht des Uterus u. ſ. w. meh - rere Zeichen herbeygefuͤhrt werden koͤnnen, welche ganz den Zuſtand vorhergegangener Geburten nachbilden, obwohl im Ganzen genommen, zumal da aͤhnliche Krankheitszuſtaͤnde doch ſeltner ſind, ſich auch ſonſt zu erkennen geben, dieſe Kennzeichen doch noch mehr Zuverlaͤßigkeit als die vorherge - henden gewaͤhren. Es ſind folgende: — Mehr von einander klaffende große und kleine Schamlefzen und erweitertere Schei - denmuͤndung bey ſtark ausgedehntem oder verletztem Scham - baͤndchen, oder eingeriſſenem Damme; ſchlaffere, weitere, glat - tere, oft mit theilweiſem Vorfalle behaftete Mutterſcheide; wulſtigere, ſchwammigere Vaginalportion des Fruchthaͤlters; groͤßerer, durch das Scheidengewoͤlbe leichter fuͤhlbarer Gebaͤr - mutterkoͤrper und dickerer Muttermund, an deſſen weniger genau ſchließenden Lippen die Spuren fruͤherer Einriſſe als Narben ſich darſtellen. Endlich ſchlaffere Bauchbedeckungen mit Querfalten oder veraͤnderter Hautfarbe bezeichnet, Spuren waͤhrend der Schwangerſchaft vorhanden geweſener Venenge - ſchwuͤlſte der Schenkel; ſchlaffere, zuweilen mit fuͤhlbaren vom Stillungsgeſchaͤft zuruͤckgebliebenen Milchknoten verſehene Bruͤſte mit dunkelfarbigen mehr hervorragenden Warzen.
Als hierher gehoͤrige Kennzeichen ſind zunaͤchſt die all - gemeine regelmaͤßige Bildung des Koͤrpers und insbeſondre des Skeletts nach aͤcht weiblichem Typus zu bemerken, in - dem Verbiegungen der Wirbelſaͤule, gekruͤmmte Gliederkno - chen oder gehinderte Bewegungen der Glieder, wie beym Hinken, ſehr haͤufig mit fehlerhafter Beckenbildung ſich ver - binden. Ferner hinlaͤngliche Breite der Huͤften - (9 — 10 Zoll) und Rollhuͤgelgegend (13 Zoll), regelmaͤßige Woͤlbung des Schambogens und Kreuzbeines, regelmaͤßige Tiefe des gan - zen Beckens (7 Zoll), normale Vorwaͤrtsneigung der Darm - beinkaͤmme, und weder zu weit vorwaͤrts noch zu weit ruͤck - waͤrts gerichtete aͤußere Schamtheile (Genitalia quoad situm media). Außerdem giebt vorzuͤglich die Geſchichte vorher - gegangener Geburten (namentlich kurz vorhergegangener) uͤber die Beſchaffenheit des Beckens Aufſchluß, indem die normale Geburt eines ausgetragenen normal gebauten Kindes undenkbar iſt ohne ein regelmaͤßig gebildetes Becken, obwohl auch ein ſolches ſpaͤterhin ſich veraͤndern und vom Normal - baue betraͤchtlich abweichen kann. Das ſicherſte Merkmal bleibt daher immer die Anſtellung einer genauen innern ge - burtshuͤlflichen Unterſuchung (von welcher ſpaͤterhin die Rede ſeyn wird), auch wegen moͤglicher Weiſe vorhandener innerer Geſchwuͤlſte und Knochenauswuͤchſe, welche in der aͤußern Form ſich nicht andeuten.
Wenn wir uͤberhaupt an dem wichtigen phyſiologiſchen Satze feſthalten, daß der Organismus nur eins ſey und folglich ſeine Thaͤtigkeit nicht etwas vom Organe weſent - lich verſchiedenes, ſondern beydes nur verſchiedene Seiten eines Einzigen, ſo werden auch die §. 16 — 24 betrachteten41 Individualitaͤten der weiblichen Form uns im Voraus die wichtigern Eigenthuͤmlichkeiten dieſes Lebens andeuten koͤnnen, unter welchen letztern wir uͤbrigens die allgemeinern Momente wieder zuerſt einer naͤhern Betrachtung unterwer - fen. — So wie aber in der Natur uͤberhaupt eine zwey - fache Richtung allgemeiner Thaͤtigkeit bemerkbar iſt, eine naͤm - lich, welche auf die Geſtaltung des Einzelnen, auf Individua - litaͤt abzweckt, und eine zweite, welche auf das Allgemeine und Geſetzmaͤßige ſich bezieht, als Beſtreben nach Einheit, nach Totalitaͤt erſcheint, ſo wiederholt ſich auch ein ſolcher Gegenſatz von Kraͤften in den beſondern Naturweſen auf die mannigfaltigſte Weiſe. So naͤmlich ſehen wir das Reich der Pflanzen und Thiere ſich entgegengeſetzt, wo im erſtern die Exiſtenz ſelbſt der Hauptzweck der Lebensverrichtungen iſt, und daher alle einzelnen Thaͤtigkeiten der Pflanzen nur auf Naͤhren und Ausſondern, Wachſen, Fortpflanzen und Ab - nehmen gerichtet ſind, wenn hingegen der Zweck des thieriſchen Organismus mehr das Beſtimmen der Exiſtenz in Em - pfindung und Bewegung, die Willkuͤhr iſt. Eben ſo wieder - holt ſich dieſer Gegenſatz in der phyſiſchen und pſychiſchen Natur des Menſchen ſelbſt, indem die erſtere auf Bildung, Erhaltung und Wechſel des Stoffes gerichtet, die zweite aber auf Einheit und Freyheit gegruͤndet iſt, und will man dieſe Unterſcheidung endlich noch mehr auf das koͤrperliche des Or - ganismus beziehen, ſo beruht auch darin der Gegenſatz der vegetativen oder produktiven, und der animalen Sphaͤre, wo wir zur erſtern die gleichſam aus der Pflanzenwelt entlehn - ten Organe der Aſſimilation, Cirkulation, Reſpiration und Secretion ſo wie der geſchlechtlichen Reproduktion rechnen, wenn wir unter der zweiten die Gebilde der Sinneswerk - zeuge, Bewegungswerkzeuge und des Nervenſyſtems begreifen.
Endlich aber wiederholt ſich dieſer Gegenſatz auch auf das Beſtimmteſte in dem Verhaͤltniße der beiden Geſchlechter. Wie naͤmlich das Univerſum eben nur durch die wechſelſeitige Durchdringung von geſetzmaͤßiger Einheit und Mannigfaltig - keit, von Ewigkeit zu Ewigkeit beſteht, und in einer ſtaͤten42 Umwandlung, d. i. in einem ſtaͤten Hervortreten, Erzeugen, und Aufloͤſen, Sterben begriffen iſt (welches ausfuͤhrlicher nachzuweiſen, Sache der hoͤheren Philoſophie der Natur iſt), ſo muͤſſen auch, wo ein Individuelles neu hervortreten, d. i. erzeugt werden ſoll, Entgegengeſetzte ſich verbinden, um in ihrer Durchdringung eine neue Verwendung der ewigen Subſtanz (keine eigentlich neue Erſchaffung, als welche undenkbar iſt) zu bewirken, und wir ſehen daher denn ſchon in der Pflanzenwelt das Hervortreten verſchiedenartiger Gebilde, von denen einige die materielle Anlage zur kuͤnftigen Frucht in ſich tragen (Staubwege, Pistilla), wenn andere die befruchtende, d. i. begeiſtigende Thaͤtigkeit, die Idee der Geſetzmaͤßigkeit, der Beſtimmung einer regelmaͤßigen Entwicklung, enthalten (Staubfaͤden, Stamina).
Wenn indeß dieſes Verhaͤltniß in der Pflanze, welche der Erde eingewurzelt gleichſam noch weniger in ſich beſchloſ - ſen iſt, mit minderer Klarheit erſcheint, ſo tritt es dagegen in der Sexualverſchiedenheit der hoͤheren Thiere, und am ſchoͤnſten im Menſchen mit vollkommenſter Freiheit hervor; und wie wir in der Fortpflanzung das Weib als rein em - pfangend, das Koͤrperliche geſtaltend, den Mann aber als befruchtend, als begeiſtigend finden, ſo iſt auch in ihrem ge - ſammten Leben ein ſolcher Gegenſatz ausgeſprochen, welcher, obwohl der Gattungscharakter in Thaͤtigkeit und Geſtalt bey - den gemeinſam iſt, doch in dem Weibe das phyſiſche, das auf vegetatives oder produktives Leben ſich Beziehende eben ſo beſtimmt uͤberwiegen laͤßt, als im Manne das pſychiſche, das animale Leben vorherrſchend erſcheint. — Es wird ſich dieß bey der nun erforderlichen Betrachtung der beſondern Aeußerungen weiblichen Lebens am ſicherſten und deutlichſten ergeben.
Beruͤckſichtigen wir aber das weibliche Leben, in wie fern es ſich durch Aſſimilation, Cirkulation und Reſpiration, Se - und Excretion, ſo wie durch Geſchlechtsfunktion aus -43 zeichnet, ſo finden wir 1) die Aſſimilation, die Stoffauf - nahme betreffend, daß dem Weibe eine ſtaͤrkere aſſimilative Kraft der Verdauungswerkzeuge eigenthuͤmlich ſey, welches erwieſen wird durch das geringere aber oͤfter wiederkehrende Beduͤrfniß an Nahrungsmitteln bey nichts deſto weniger ſehr reichlicher Chylusbereitung und raſcher Erſetzung verlorener Stoffe. Zugleich muß indeß auch bemerkt werden, daß die Senſibilitaͤt der weiblichen Verdauungsorgane ſtaͤrker ſey, als die der maͤnnlichen, weßhalb oͤftere Stoͤrungen der Verdauung und groͤßere Wirkung aufgenommener, reitzender, erregender Stoffe auf das allgemeine Befinden. Endlich pflegen ſelbſt die Stuhlausleerungen, wegen der groͤßern Thaͤtigkeit der Aufſaugung, feſter und ſeltner zu ſeyn. — Was 2) die den organiſchen Stoffwechſel unterhaltende Gefaͤßthaͤtigkeit betrifft, ſo haͤngt es eben von der raſchen Aſſimilation ab, daß ſich die Blutmaſſe im Weibe ſchneller als im Manne wieder erzeugt; ja uͤberhaupt iſt der Umtrieb der Saͤfte ge - ſchwinder, der Pulsſchlag daher frequenter, obwohl gemeinig - lich etwas kleiner, auch die Neigung zu Wallungen und leichtern Fieberbewegungen in dieſem Geſchlechte groͤßer, und die Thaͤtigkeit und Wichtigkeit des Nervenſyſtems bedeutender als im Manne.
3) Die Athmung und Ausſcheidung betreffend, ſo iſt die Aushauchung der Lungen im weiblichen Geſchlechte ſchwaͤcher, dagegen die Ausduͤnſtung und druͤſige Abſonderung der zartern Haut verhaͤltnißmaͤßig allerdings bedeutender*)Wenn man nicht ſelten bemerkt, daß maͤnnliche Fruͤchte leichter als weibliche unter der Geburt aſphyktiſch werden und ſchwerer zu er - wecken ſind, ſo ſcheint dieß allerdings mit dem groͤßern Athmungs - beduͤrfniße im maͤnnlichen Koͤrper in Verbindung zu ſtehen., ferner wird auch in den groͤßern innern Abſonderungsorganen gleichwie in den Lungen geringere Excretion wahrgenommen, die kleinere Leber laͤßt auf ſchwaͤchere Gallabſonderung ſchlie - ßen, und von den Nieren finden wir die Ausſonderung einer geringern Quantitaͤt eines dunkler gefaͤrbten, ſtaͤrker riechen -44 den Harnes bewerkſtelligt. 4) Was endlich die Geſchlechts - funktion angeht, ſo werden die folgenden Abſchnitte dieſer Schrift die einzelnen hierher gehoͤrigen Erſcheinungen ſo aus - fuͤhrlich durchzugehen haben, daß eine beſondere Eroͤrterung derſelben ſchon deßhalb hier uͤberfluͤßig wird, und ſo begnuͤgen wir uns daher jetzt nur im Allgemeinen zu bemerken, daß auch in der Reproduktion der Gattung, eben ſo wie in der individuellen Reproduktion, die uͤberhaupt vorherrſchende Thaͤ - tigkeit der Stoffbildung ſich deutlichſt zeige, ja wie es phy - ſiologiſch hoͤchſt merkwuͤrdig ſey, daß der Bildungsſtoff, durch welchen das Weib bey der Fortpflanzung thaͤtig iſt, nicht ſowohl wie beym Manne als ein abgeſonderter Stoff, wie das Sperma, erſcheint, ſondern vielmehr durch das Blut ſelbſt dargeſtellt wird, wie die Ausſonderung des Blutes in der Periode nicht reger Geſchlechtsthaͤtigkeit (als Menſtrua - tion), und die hoͤchſt bedeutende Anhaͤufung des Blutes im ſchwangern Uterus, Behufs der Foͤtusernaͤhrung beweiſet.
Wir kommen nun zu den charakteriſtiſchen Erſcheinun - gen des weiblichen Lebens, welche auf ſenſibele und Be - wegungsſunktion, ſo wie auf hoͤheres Nervenleben d. i. pſy - chiſche Eigenthuͤmlichkeit ſich beziehen. — Was hier aber zu - voͤrderſt die ſinnliche Wahrnehmung betrifft, ſo iſt dieſe im Allgemeinen allerdings feiner zu nennen als im maͤnnlichen Koͤrper, jedoch nicht ſo, daß die Reitzbarkeit und die Schaͤrfe und Genauigkeit der Wahrnehmung in gleichem Maaße ſich entwickelt zeigten. Gewiß naͤmlich iſt das Auge des Weibes gegen helles Licht, ſcharf entgegengeſetzte Far - ben u. ſ. w. empfindlicher, aber es iſt weniger fuͤr unmit - telbare Auffaſſung richtiger Verhaͤltniſſe, großer Geſammtein - druͤcke u. ſ. w. geeignet; eben ſo wird das Ohr des Weibes gegen irgend einen heftigen Schall empfindlicher, fuͤr gewiſſe einzelne Klaͤnge reitzbarer gefunden, dagegen ihm das ſcharf unterſcheidende muſikaliſche Gehoͤr doch ſeltner zukommt, und es ſtimmt mit jener groͤßern Reitzbarkeit (ſo wie ſelbſt mit dem durch engern Gehoͤrgang ausgezeichneten Baue des weib - lichen Ohres) allerdings uͤberein, daß in dieſem Geſchlechte45 haͤufigere Abſtumpfung dieſes Sinnes und oͤftere Schwerhoͤ - rigkeit bemerkt wird. Endlich was die Sinnesarten des Ge - taſtes, Geruchs und Geſchmacks beym Weibe anbelangt, ſo iſt auch in dieſen eine groͤßere Erregbarkeit und leichter moͤg - liche Ueberreitzung deutlich wahrnehmbar. Die groͤßere Recep - tivitaͤt ſenſibeler Organe iſt uͤbrigens auch in aller andern Hinſicht, z. B. der Wirkung der Arzneymittel, der Einfluͤſſe aͤußerer Temperatur und Witterungsveraͤnderungen, der groͤ - ßern Neigung zu exaltirten Zuſtaͤnden des Nervenſyſtems, der groͤßern Empfaͤnglichkeit gegen thieriſchen Magnetismus u. ſ. w. ſo unverkennbar und folgt aus der mehr hervorgehobenen ve - getativen Natur, und ſomit weniger ausgeſprochenen indivi - duellen Selbſtſtaͤndigkeit ſo beſtimmt, daß wir noch weitere Erlaͤuterungen hieruͤber fuͤr uͤberfluͤßig halten.
Die Bewegkraft angehend, ſo iſt aus denſelben Gruͤn - den, welche die erhoͤhte Senſibilitaͤt dieſes Geſchlechts erklaͤ - ren, auch die zwar ſchwaͤchere, dafuͤr aber auch dem Ner - venſyſteme mehr unterworfene Muskelkraft zu folgern, und wir finden demnach in Uebereinſtimmung mit der fruͤher be - merkten geringern Entwicklung des Muskel - und Knochenſy - ſtems, daß die Bewegungen des weiblichen Koͤrpers, obwohl mit geringerer Energie, doch mit groͤßerer Zierlichkeit und Leich - tigkeit ausgeuͤbt werden; wobey uͤbrigens ſelbſt der parallele Stand der verminderten Reſpiration und der ſchwaͤchern Mus - kelkraft in ſo fern merkwuͤrdig iſt, als ſchon in der Thier - reihe eine ſolche Gleichſtellung nachgewieſen werden kann, und ſchwaͤchere Reſpiration auch insgemein mit geringerer Mus - kelkraft verbunden iſt. — Als Erzeugniß endlich von Bewe - gung und Athmung, von Sinneswahrnehmung und Reflexion zugleich, gehoͤrt noch hierher der Ton, die Sprache, als welche wir dann in Folge verminderter Athmung (§. 20.) und Bewegung auch ſchwaͤcher und hoͤher (kindlicher), zu - gleich aber auch gemuͤthvoller als die maͤnnliche finden.
Endlich ruͤckſichtlich des hoͤhern Nervenlebens, auf welches wir die Eigenthuͤmlichkeit weiblicher Gemuͤthsſtimmung,46 weiblicher Temperamente und Leidenſchaften beziehen, ſo iſt auch hier das Pſychiſche ein wahrer Spiegel des Koͤrperli - chen, ja vielmehr die ideale Seite des Organismus ſelbſt. Wenn daher uͤberhaupt im Reiche des geiſtigen Lebens (ganz gemaͤß den drei Richtungen oder Syſtemen im Organiſchen der animalen Sphaͤre) unterſchieden werden kann zwiſchen Gemuͤth (Empfindungs -, Gefuͤhlsvermoͤgen), Geiſt (Re - flexions -, Erkenntnißvermoͤgen) und Willen (Thatkraft, Vermoͤgen zur freien Beſtimmung), ſo wird ſich nun bereits aus dem Vorhergegangenen abnehmen laſſen, welche Seiten im Weibe hervorgehoben, welche weniger ausgebildet ſeyn muͤſſen. Wenn naͤmlich im Weibe uͤberhaupt Animalitaͤt, und folglich ſchaͤrfere Individualitaͤt ſo wie Selbſtſtaͤndigkeit weniger vorherrſcht, ſo wird ſich dieß auch im Pſychiſchen aͤu - ßern, und wir finden daher die Energie der Geiſteskraft im Weibe nicht, welche dem Manne moͤglich iſt. Das eigent - liche Feld der Wiſſenſchaft und Spekulation, die Schaͤrfe des Urtheils, die Tiefe der maͤnnlichen Vernunft, ſind der weib - lichen Seele unzugaͤnglich; dahingegen iſt der Geiſt des Wei - bes feiner, ſchneller in der Auffaſſung, zur richtigen Erkennt - niß der einzelnen und naͤheren Verhaͤltniſſe des menſchlichen Lebens mehr geeignet, und ein gewiſſer Scharfſinn, Neigung zur Liſt, ſo wie Fertigkeit im Uebergehen aus einer Vorſtel - lungsreihe in die andere, iſt ihm natuͤrlich.
Im Gemuͤth hinwiederum iſt die groͤßere Reitzbar - keit, die Weichheit, Lebendigkeit des Gefuͤhls, die Regſam - keit der Phantaſie allerdings dieſem Geſchlechte charakteriſtiſch, allein eben dieſe zu große Beweglichkeit laͤßt die Tiefe des Gefuͤhls, die ſchoͤpferiſche Kraft der Phantaſie, welche die Seele faͤhig macht zur Hervorbringung großer und hoher Werke der Dichtung und bildenden Kunſt, vermiſſen. Ueber - dieß iſt hierin die vorherrſchende Neigung zum Anmuthigen, Zierlichen und Kleinen begruͤndet, da große und erhabene Ge - genſtaͤnde zu gewaltſam die Seele des Weibes erſchuͤttern, als daß ein reines Wohlgefallen hieran ihm wenigſtens ganz natuͤrlich ſeyn koͤnnte. — Vorzuͤglich endlich werden die Aeu -47 ßerungen weiblichen Gemuͤths durch die Geſchlechtsverhaͤlt - niſſe des Weibes ſelbſt beſtimmt. Die Beſtimmung, ſich an einen Gatten anzuſchließen, die Beſtimmung, Mutter zu werden, iſt ſchon in den Puppenſpielen des Maͤdchens ſicht - bar, und aͤußert ſich ſpaͤter, wenn der Kampf des Selbſt - gefuͤhls und der Neigung gegen das andere Geſchlecht ſich im Buſen regt, als das Gefuͤhl holder jungfraͤulicher Scham, ja oft als ein gewiſſer edler jungfraͤulicher Trotz, bis endlich, wenn der Mann des Verlangens gefunden iſt, alles dieſes in anmuthige und ſeelenvollſte Hingebung ſich aufloͤſt. Noch gewaltiger indeß als die Gattenliebe herrſcht im Buſen des Weibes die Mutterliebe, und hunderte von Beyſpielen laſſen uns die ungemeinen Aufopferungen bewundern, deren Muͤtter fuͤr ihre Kinder faͤhig waren.
An dieſe Grund-Regung und Richtung des weiblichen Gemuͤths ſchließen ſich dann viele andere weibliche Neigungen und Leidenſchaften an. Wir zaͤhlen dahin die aus dem Be - duͤrfniße an einen Staͤrkern ſich anzuſchließen, und aus dem Gefuͤhle der eigenen Schwaͤche hervorgehende Weichheit und Sanftmuth, die aus reger Phantaſie und geringerer Energie des Geiſtes hervorgehende Neugier, die aus Haug zu gefallen und lebhafter Phantaſie ſich erzeugende Eitelkeit und Putzſucht, ſo wie die aus Neigung und Sorgfalt fuͤr Gatten und Kinder entſtehende ſchoͤne Tugend der Haͤuslich - keit; dagegen aber liegt auch in ihnen Faͤhigkeit zu den hef - tigſten Ausbruͤchen des Haſſes und der Rache, wenn jener feurigen Liebe gegen Gatten oder Kind ſich Hinderniſſe in den Weg draͤngen, oder dieſe Liebe ſelbſt ſich unerwiedert, ja betrogen ſieht.
Die Kraft des Willens endlich zeigt in der weib - lichen Seele ohngefaͤhr dieſelben Eigenthuͤmlichkeiten, welche die Kraft der Bewegung im weiblichen Koͤrper wahrnehmen ließ. Im Ganzen wird namentlich die Feſtigkeit und Be - harrlichkeit des Entſchlußes, ſo wie das Vermoͤgen, ſchnell48 nach Willkuͤhr uͤber alle Kraͤfte des Geiſtes und Koͤrpers zu be - ſtimmen (Gegenwart des Geiſtes) vermißt; obwohl dagegen nicht zu laͤugnen iſt, daß das weibliche Geſchlecht bey Ausdauer in klei - nen Dingen, zu deren Ertragung oder Beſiegung nicht ſowohl Muth und Kraft, als Geduld und Ruhe erforderlich ſind, haͤufig den Vorrang vor dem maͤnnlichen behauptet; worin wir (um dieß beylaͤufig zu erinnern) gewiß den Hauptgrund dafuͤr finden koͤnnen, daß das Weib weit mehr als der Mann zum ſtaͤtigen Beyſtande, zur ruhigen Verpflegung und Beſorgung Kranker, Gebaͤrender, der Woͤchnerinnen, ſo wie der Neugebornen ſich eignet.
Noch haben wir nun, bevor wir die allgemeinen phy - ſiologiſchen Betrachtungen der weiblichen Individualitaͤt be - ſchließen, die Entwicklung deſſelben nach ſeinen ein - zelnen Lebensperioden in einer Hauptuͤberſicht zuſam - men zu ſtellen, wobey wir zuerſt die Frage beleuchten muͤſ - ſen, ob wohl uͤberhaupt bereits im erſten Keime ein Unter - ſchied der Geſchlechter anzunehmen ſey, oder ob voͤllige Gleich - heit derſelben uranfaͤnglich vorhanden und vielleicht (wie einige Phyſiologen wollen) zuerſt alle Embryonen des weiblichen Geſchlechts ſeyn moͤchten? — Wofern es aber gewiß iſt, daß die organiſche Bildung nur ein Hervortreten, ein Aus - einanderweichen, ein Trennen eines urſpruͤnglich Einfachen in die verſchiedenen Werkzeuge des Lebens ſey, daß folglich in dieſem Einen und Zuerſtgegebenen der Idee nach bereits der ganze Organismus liege, und nur erſt in der Zeit aus dieſem Einfachen wirklich werde (und dieſen Satz ſtellen Vernunft und Erfahrung gleichmaͤßig feſt), ſo kann auch aus dieſem Keime nicht ein qualitativ Anderes hervorge - hen, als der Idee nach darin gegeben war, obwohl quan - titative Abaͤnderungen (z. B. durch unzureichende oder uͤbermaͤßig angefachte Bildungskraft, Hemmungen oder ab - norme Vergroͤßerungen) ſehr leicht moͤglich ſind; und es iſt folglich erwieſen, daß die erſten Keime geſchlechtlich verſchie - dener Individuen keineswegs alleſamt weiblich, oder uͤberhaupt einander ganz gleich ſeyn koͤnnten, wenn nicht alſobald die49 Nothwendigkeit, daß ſie auch ſpaͤterhin ſich gleich ſeyn muͤß - ten, alſo (was doch nicht der Fall) zu lauter weiblichen Koͤrpern anwuͤchſen, gefolgert werden ſollte.
Erſte Lebensperiode. Der Unterſchied des Geſchlechts muß daher als eine Verſchiedenheit des ganzen Keimes noth - wendig zugleich als urſpruͤnglich angenommen werden, und eben wiefern das Ganze verſchieden iſt, wird dieſe Verſchiedenheit auch in den groͤßern organiſchen Verhaͤltniſſen des Leibes uͤberhaupt, fruͤher noch als in den eigentlichen Geſchlechts - organen angedeutet ſeyn. — Vergleicht man nun, um die Wahrheit dieſes Vernunftſatzes auch durch die Erfahrung nachzuweiſen, eine Reihe von Embryonen unter einander, ſo ergiebt ſich allerdings, daß ſchon in zwei - und dreimonathli - chen regelmaͤßig gebildeten menſchlichen Fruͤchten, der weibliche Typus an der groͤßern Bauchhoͤhle, dem engern Thorax und den zartern obern Gliedmaaßen kenntlich ſey, wenn dagegen im maͤnnlichen das umgekehrte Verhaͤltniß Statt findet*)Unterſchiede, welche in Soͤmmerings Iconibus embryonum. T. I. ſehr ſchoͤn wiedergegeben ſind.. — Obwohl nun alſo bereits in dieſer Periode das Charakteri - ſtiſche der weiblichen Form ausgeſprochen iſt, ſo erſcheint dieſe Bezeichnung doch nur ſehr ſchwach in den Geſchlechts - organen, und aller Geſchlechtsunterſchied in der Lebens - thaͤtigkeit ruht mit den wichtigſten uͤbrigen Funktionen noch vollkommen. Selbſt im Neugeborenen, bis zum beſtimmten Erwachen der ſenſibeln Lebenserſcheinungen, findet die groͤßte Aehnlichkeit zwiſchen beiden Geſchlechtern Statt, und das Geſchlechtsſyſtem liegt als Keim zu neuen Entwicklungen gleichſam noch ſchlafend im Koͤrper des weiblichen Kindes.
Wie indeß die Ausbildung des Koͤrpers im Allgemeinen vorſchreitet, tritt auch der Typus des Geſchlechts allmaͤhlig ſchaͤrfer hervor; der zartere Gliederbau, die Laͤnge des Un - terleibes, die Zierlichkeit und Geſchicklichkeit der BewegungenI. Theil. 450unterſcheiden das Maͤdchen ſchon bedeutend vom Knaben, und eben ſo geben fruͤhere geiſtige Entwicklung, groͤßere Fertigkeit im Auffaſſen und Behalten, bald ſichtbar werdende Neugier (vorzuͤglich wie Pockels bemerkt auch auf Geſchlechtsgeheim - niſſe gerichtet), ferner eigene Spiele, in denen das Muͤtter - liche und die haͤusliche Sorgfalt immer vorherrſchend ſind, bezeichnende Merkmale dieſes Geſchlechts ab. — Raſcher ent - wickelt ſich nun bey uͤberwiegender produktiver Kraft der Koͤr - per, einer Pflanze vergleichbar, welche auf beſſerm Boden ſchneller zum Bluͤhen gelangt, und nach und nach, ſo wie Erzeugung plaſtiſcher Stoffe ſich haͤuft, bildet ſich nun auch das Geſchlechtsſyſtem, deſſen ſtufenweiſe Entfaltung wir noch im Speciellen weiter unten zu verfolgen haben, vollkomm - ner aus.
Zweite Lebensperiode. Um vier bis ſechs Jahre zeitiger als der maͤnnliche Koͤrper erreicht nun der weibliche die Zeit ſeiner Reife. Die individuelle Fortbildung wird ge - hemmt und es tritt nun die Fortbildung der Gattung, die Fortpflanzungsthaͤtigkeit hervor. Erſt jetzt iſt nun das Weib ſeinem Koͤrperlichen und Geiſtigen nach, ſo wie wir es im Obigen beſchrieben haben, vom Manne unterſchieden und aus - gebildet. Der groͤßere Reichthum erzeugten Blutes draͤngt ſich periodiſch gegen das Geſchlechtsſyſtem, deutend auf ſeine Beſtimmung zur Ausbildung eines neuen Organismus ver - wendet zu werden, und erzeugt hier einen Zuſtand von Ueber - fuͤllung, welcher, in ſo fern nicht Schwangerſchaft eintritt, gleichſam durch einen kritiſchen Blutfluß, d. i. durch die ih - ren beſondern Erſcheinungen nach weiter unten zu betrachtende Monathsreinigung oder Menſtruation gehoben wird.
In wiefern nun ſchon aus dem Vorhergegangenen ſich ergiebt, daß jene periodiſchen Congeſtionen nach dem Ge - ſchlechtsſyſtem, welche die Menſtruation erzeugen, auf die Fort - pflanzung ſich beziehen, koͤnnte man (mit Cuvier) dieſen Zu - ſtand ohngefaͤhr der Brunſt in den Thieren vergleichen, und51 es knuͤpft ſich ſomit an die Betrachtung dieſer Eigenthuͤmlich - keit des weiblichen Lebens zugleich die eines neuen Cyelus, welcher, indem er auf Reproduktion der Gattung abzweckt, nothwendig die Geſchichte der individuellen Reproduktion mit ihren drei Stadien (Kindheit, Reife und Alter) wiederholt, und die Geſchichte der durch die Empfaͤngniß veranlaßten Veraͤnderungen des weiblichen Koͤrpers, d. i. der Schwan - gerſchaft, der Geburt, ſo wie der Wochen - und Stil - lungsperiode, in ſich faßt, von welchen denn gleichfalls noch die wichtigſten phyſiologiſchen Momente (im Einzelnen werden ſie im zweiten Theile eroͤrtert) hier durchzugehen ſind.
Schwangerſchaft. Von dem Zeitpunkte an naͤmlich, wo durch den Akt fruchtbarer Begattung, die Franſen der Fallopiſchen Roͤhren, von Blut ſtrotzend, die Ovarien krampf - haft umfaßren, um den Urſtoff einer ſpaͤterhin im Uterus auszubildenden Frucht zu empfangen, tritt eine Umaͤnderung im weiblichen Leben ein, in welcher das Ueberwiegen pro - duktiver Thaͤtigkeit (an ſich ſchon dieſem Organismus charak - teriſtiſch) bis zum hoͤchſten Grade ſich entwickelt. Das Ge - ſchlechtsſyſtem und insbeſondere der Uterus wird hierbey der Heerd dieſer neuangeregten Bildung und es erfolgt daher ein Zuſtand von Congeſtion nach dieſen Theilen, welcher ohnge - faͤhr dem der Menſtruation vorausgehenden analog iſt, weß - halb denn ſo viele[Symptome] angehender Schwangerſchaft mit denen angehender Menſtruation uͤbereinſtimmen. Was indeß bey der letztern als Blutfluß ſich entſcheidet, geht hier in einen entzuͤndungsartigen Zuſtand uͤber, welcher ſogar auf den uͤbrigen Koͤrper, gleich einer wahren beginnenden Ent - zuͤndung wirkt, Fieberbewegungen, Nervenleiden, Temperatur - wechſel, Verdauungsſtoͤrungen veranlaßt*)Wie ſehr Entzuͤndungs - und Bildungsprozeß im Weſen verwandt ſind, laͤßt ſich auf vielfache Art nachweiſen; man vergleiche nur z. B. die Gefaͤßbildung im bebruͤteten Ey und die Gefaͤßbildung an der gereitzten ſich entzuͤndenden Hautflaͤche, die Heilung von Wun - den durch Entzuͤndung, die vielen durch Entzuͤndung entſtehenden. Endlich in einem52 Zeitraume, welcher den monathlichen Typus gerade zehn - mal wiederholt, erlangt bey gleichmaͤßiger Entwicklung des muͤtterlichen Bildungsorgans, des Fruchthaͤlters, auch die Frucht ſelbſt ihre Reife, d. i. das Kind erreicht einen ge - wiſſen Grad von Selbſtſtaͤndigkeit, wobey es auch außer dem muͤtterlichen Koͤrper ſein Leben fortzuſetzen faͤhig wird, und dieß iſt der Grund, welcher die Trennung beider Koͤrper herbeyfuͤhrt.
Geburt. Wie naͤmlich etwa zwei Koͤrper von gleich - namiger Elektricitaͤt, wie die gleichnamigen Pole der Mag - netnadel ſich abſtoßen, ſo ſondern ſich am Ende der Schwan - gerſchaft, ſobald der Foͤtus der Moͤglichkeit individueller Exi - ſtenz nach dem muͤtterlichen Koͤrper gleich geworden, beyde Koͤrper von einander ab, und es erwacht ſomit im weiblichen Koͤrper das Beſtreben, wieder in den Zuſtand, in welchem er vor der Empfaͤngniß war, zuruͤckzukehren und ſo dieſen Cyclus zu beſchließen. Vorzuͤglich deutlich tritt dieß im Fruchthaͤlter ſelbſt hervor, und er aͤußert ſich daher bey der Geburt durch Zuſammenziehungen, Contractionen d. i. Wehen, deren Zweck aber zum Theil die Austreibung der Frucht, allein eben ſo ſehr auch die eigene Verkleinerung iſt, weßhalb ſie auch nach der Geburt fortdauern. — Die Geburtsthaͤtig - keit ſelbſt, als einen großen Theil mechaniſcher Kraft in Anſpruch nehmend, als den Wendepunkt darſtellend, von welchem aus die in der Schwangerſchaft ſo bedeutend geſteigerte Bildungs - thaͤtigkeit wieder herabſinkt, ergreift und erſchuͤttert faſt alle organiſchen Syſteme des Koͤrpers gewaltſam, iſt daher in vieler Hinſicht Veranlaſſung zu krankhaften Erſcheinungen, und uͤberhaupt eine der merkwuͤrdigſten Revolutionen, welche im Leben des Weibes, und zwar mehrere Male, Statt fin - den kann.
Wochenbett und Saͤugungsperiode betreffend, ſo ſind dieß nur Fortſetzungen und Abſchließungen der vorigen Perioden. Im Wochenbett naͤmlich vollendet der Uterus ſeine Zuſammenziehung und Wiederherſtellung in den vorigen Stand, ſowohl ruͤckſichtlich ſeines Parenchyma’s und ſeiner Form, als ruͤckſichtlich ſeiner innern Flaͤchen. Die beſondere Geſaͤßthaͤ - tigkeit im Innern deſſelben verliert ſich, die in Bezug auf geſchlechtliche Functionen uͤberſchuͤßig erzeugten Koͤrperſaͤfte nehmen andere Richtungen, bewirken theils eine vermehrte Thaͤtigkeit in der Haut, theils und hauptſaͤchlich Hervortreten einer zum Behuf fernerer Ernaͤhrung des Kindes geſchehenden Abſonderung in den Bruͤſten, theils endlich bey krankhaften Zuſtaͤnden wohl auch heftige Congeſtionen noch andern Or - ganen, Entzuͤndungen, Fieber u. ſ. w. —