Heiß, heiß der Sonnenbrand
Drückt vom Zenith herunter,
Weit, weit der gelbe Sand
Zieht ſein Geſtäube drunter;
Nur wie ein grüner Strich
Am Horizont die Föhren;
Mich dünkt, man müßt 'es hören,
Wenn nur ein Kranker ſchlich.
Der blaſſe Aether ſiecht,
Ein Ruhen rings, ein Schweigen,
Dem matt das Ohr erliegt;
Nur an der Düne ſteigen
Zwei Fichten, dürr, ergraut —
Wie Trauernde am Grabe —
Wo einſam ſich ein Rabe
Die rupp'gen Federn kraut.
Da zieht's in Weſten ſchwer
Wie eine Wetterwolke,
Kreiſ't um die Föhren her
Und fällt am Haidekolke;
Und wieder ſteigt es dann,
Es flattert und es ächzet,
Und immer näher krächzet
Das Galgenvolk heran.
65Recht, wo der Sand ſich dämmt,
Da lagert es am Hügel;
Es badet ſich und ſchwemmt,
Stäubt Aſche durch die Flügel
Bis jede Feder grau;
Dann raſten ſie im Bade,
Und horchen der Suade
Der alten Krähenfrau,
Die ſich im Sande reckt,
Das Bein lang ausgeſchoſſen,
Ihr eines Aug 'gefleckt,
Das andre iſt geſchloſſen;
Zweihundert Jahr und mehr
Gehetzt mit allen Hunden,
Schnarrt ſie nun ihre Kunden
Dem jungen Volke her:
„ Ja, ritterlich und kühn all ſein Gebahr!
Wenn er ſo herſtolzirte vor der Schaar,
Und ließ ſein bäumend Roß ſo drehn und ſchwenken,
Da mußt ich immer an Sanct Görgen denken,
Den Wettermann, der — als am Schlot ich ſaß,
Ließ mir die Sonne auf den Rücken brennen —
Vom Wind getrillt mich ſchlug ſo hart, daß baß
Ich es dem alten Raben möchte gönnen,
Der dort von ſeiner Hopfenſtange ſchaut,
Als ſey ein Baum er und wir andern Kraut! —
„ Kühn war der Halberſtadt, das iſt gewiß!
Wenn er die Braue zog, die Lippe biß,
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 566Dann ſtanden ſeine Landsknecht 'auf den Füßen
Wie Speere, ſolche Blicke konnt er ſchießen.
Einſt brach ſein Schwert; er riß die Kuppel los,
Stieß mit der Scheide einen Mann vom Pferde.
Ich war nur immer froh, daß flügellos,
Ganz ſonder Witz der Menſch geboren werde:
Denn nie hab' ich geſehn, daß aus der Schlacht
Er eine Leber nur bei Seit 'gebracht.
„ An einem Sommertag, — heut ſind es grad
Zweihundert fünfzehn Jahr, es lief die Schnat
Am Damme drüben damals bei den Föhren —
Da konnte man ein friſch Drometen hören,
Ein Schwerterklirren und ein Feldgeſchrei,
Radſchlagen ſah man Reuter von den Roſſen,
Und die Kanone fuhr ihr Hirn zu Brei;
Entlang die Gleiſe iſt das Blut gefloſſen,
Granat 'und Wachtel liefen kunterbunt
Wie junge Kibitze am ſand'gen Grund.
„ Ich ſaß auf einem Galgen, wo das Bruch
Man überſchauen konnte recht mit Fug;
Dort an der Schnat hat Halberſtadt geſtanden,
Mit ſeinem Sehrohr ſtreifend durch die Banden,
Hat ſeinen Stab geſchwungen ſo und ſo;
Und wie er ſchwenkte, zogen die Soldaten —
Da plötzlich aus den Mörſern fuhr die Loh ',
Es knallte, daß ich bin zu Fall gerathen,
Und als Kopfüber ich vom Galgen ſchoß,
Da pfiff der Halberſtadt davon zu Roß.
67„ Mir ſtieg der Rauch in Ohr und Kehl ', ich ſchwang
Mich auf, und nach der Qualm in Strömen drang;
Entlang die Haide fuhr ich mit Gekrächze.
Am Grunde, welch' Geſchrei, Geſchnaub ', Geächze!
Die Roſſe wälzten ſich und zappelten,
Todtwunde zuckten auf, Landsknecht' und Reuter
Knirſchten den Sand, da näher trappelten
Schwadronen, manche krochen winſelnd weiter,
Und mancher hat noch einen Stich verſucht,
Als über ihn der Baier weggeflucht.
„ Noch lange haben ſie getobt, geknallt,
Ich hatte mich geflüchtet in den Wald;
Doch als die Sonne färbt 'der Föhren Spalten,
Ha welch ein köſtlich Mahl ward da gehalten!
Kein Geier ſchmaußt, kein Weihe je ſo reich!
In achtzehn Schwärmen fuhren wir herunter,
Das gab ein Hacken, Picken, Leich' auf Leich —
Allein der Halberſtadt war nicht darunter:
Nicht kam er heut ', noch ſonſt mir zu Geſicht,
Wer ihn gefreſſen hat, ich weiß es nicht. “
Sie zuckt die Klaue, krau't den Schopf,
Und ſtreckt behaglich ſich im Bade;
Da ſtreckt ein grauer Herr den Kopf,
Weit älter, als die Scheh'razade.
„ Ha, “krächzt er, „ das war wüſte Zeit, —
Da gab's nicht Frauen, wie vor Jahren,
Als Ritter mit dem Kreuz gefahren,
Und man die Münſter hat geweiht! “
68Er huſtet, ſpeit ein wenig Sand und Thon,
Dann hebt er an, ein grauer Seladon:
„ Und wenn er kühn, ſo war ſie ſchön,
Die heil'ge Frau im Ordenskleide!
Ihr möcht 'der Weihel ſüßer ſtehn,
Als andern Güldenſtück und Seide.
Kaum war ſie holder an dem Tag,
Da ihr jungfräulich Haar man fällte,
Als ich an's Kirchenfenſter ſchnellte,
Und ſchier Tobias Hündlein brach.
„ Da ſtand die alte Gräfin, ſtand
Der alte Graf, geduldig harrend;
Er auf's Baretlein in der Hand,
Sie feſt aufs Paternoſter ſtarrend;
Ehrbar, wie bronzen ſein Geſicht —
Und aus der Mutter Wimpern glitten
Zwei Thränen auf der Schaube Mitten,
Doch ihre Lippe zuckte nicht.
„ Und ſie in ihrem Sammetkleid,
Von Perlen und Juwel 'umfunkelt,
Bleich war ſie, aber nicht von Leid,
Ihr Blick doch nicht von Gram umdunkelt.
So mild hat ſie das Haupt gebeugt,
Als woll' auf den Altar ſie legen
Des Haares königlichen Segen,
Vom Antlitz ging ein ſüß Geleucht.
„ Doch als nun, wie am Blutgerüſt,
Ein Mann die Seidenſtränge packte,
69 Da faßte mich ein wild Gelüſt,
Ich ſchlug die Scheiben, daß es knackte,
Und flattert 'fort, als ob der Stahl
Nach meinem Nacken wolle zücken.
Ja wahrlich, über Kopf und Rücken
Fühlt' ich den ganzen Tag mich kahl!
„ Und ſpäter ſah ich manche Stund
Sie betend durch den Kreuzgang ſchreiten,
Ihr ſüßes Auge über'n Grund
Entlang die Todtenlager gleiten;
In's Quadrum flog ich dann hinab,
Spazierte auf dem Leichenſteine,
Sang, oder ſuchte auch zum Scheine
Nach einem Regenwurm am Grab.
„ Wie ſie geſtorben, weiß ich nicht;
Die Fenſter hatte man verhangen,
Ich ſah am Vorhang nur das Licht
Und hörte, wie die Schweſtern ſangen;
Auch hat man keinen Stein geſchafft
In's Quadrum, doch ich hörte ſagen,
Daß manchem Kranken Heil getragen
Der ſel'gen Frauen Wunderkraft.
„ Ein Loch gibt es am Kirchenend ',
Da kann man in's Gewölbe ſchauen,
Wo matt die ew'ge Lampe brennt,
Steinſärge ragen, fein gehauen;
70 Da ſtreck ich oft im Dämmergrau
Den Kopf durch's Gitter, klage, klage
Die Schlafende im Sarkophage,
So hold, wie keine Krähenfrau! “
Er ſchließt die Augen, ſtößt ein lang „ Krahah! “
Geſtreckt die Zunge und den Schnabel offen;
Matt, flügelhängend, ein zertrümmert Hoffen,
Ein Bild gebroch'nen Herzens ſitzt er da. —
Da ſchnarrt es über ihm: „ ihren Narren all! “
Und nieder von der Fichte plumpt der Rabe:
Iſt einer hier, der hörte von Walhall,
Von Teut und Thor, und von dem Hünengrabe?
Saht 'ihr den Opferſtein “— da mit Gekrächz
Hebt ſich die Schaar und klatſcht entlang den Hügel.
Der Rabe blinzt, er ſtößt ein kurz Geächz,
Die Federn ſträubend wie ein zorn'ger Igel;
Dann duckt er nieder, kraut das kahle Ohr,
Noch immer ſchnarrend fort von Teut und Thor. —