Wie tiefberauſchend iſt dein Odem,
O Phantaſie! was kommt ihm gleich,
Wenn über Mauerzinnen bleich
Du gleiten läßt den Grabesbrodem!
An einem Tage muß es ſeyn,
Wo bläulich ſteigt der Höhenrauch,
Vielleicht auch wenn der Dämmerhauch
Mit grauem Staube füllt die Luft,
Des Meteores falber Schein,
Ein fallend Sternlein, theilt den Duft.
Weß Seele würde nicht bewegt,
Gedenkt er dann der warmen Hand,
Die dieſen kalten Stein gelegt,
Des Geiſtes, der die Formen fand,
Die, Greiſe ſelber, gliedermatt,
Wie von dem Baume Blatt um Blatt,
Langſam nachrollen in die Gruft.
Am Thurme lieb 'ich dann zu ſtehn,
Zu lauſchen Wetterhahnes Drehn,
Mag wandeln um des Städtchens Kreis,
Und aus der Mauerſcharte weiß
Des Graſes Finger winken ſehn,
Die alten Gräben, halb verſchüttet,
Die Warte bröckelnd, grau, zerrüttet,
Und über'm Thor das Fenſterlein,
Draus öfters trat der Fackel Schein
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 34530Bevor das Gitter ſteigend klang.
Mich dünkt, ich höre Geiſterſang:
Wie kurz o Leben, Zeit wie lang!
Siehſt drüben du den ſtolzen Bau? 1
Bald wird an jenes Schloſſes Pforte,
Das kein Jahrhundert noch geſehn,
An meiner Statt ein Andrer ſtehn,
Entziffernd halb verlöſchte Worte,
Wird Biſchofſtab und Mitra nur
Errathen aus entſtellter Spur.
Dann wird er Ahaus Bürger fragen,
Und dieſer weiß nur dunkle Sagen,
Daß in verjährter Zeiten Grau
Ein Baierfürſt geführt den Bau.
Noch kurze Zeit, ſo ſinkt er ein.
Wie heute ſchon kein Mauerſtein
Verkündet wo die Veſte lag,
Darin des Tilly ſtarrer Muth
Sich barg vor Elementes Wuth,
Ingrimmig harrend auf den Tag.
Und nur der Dichter kennt allein
Den Fleck wo einſt die Halle ſtand,
Gebilde ſchauten von der Wand,
Wo des Kamins geſchweiften Bogen
Hinauf die Funken kniſternd zogen,
Und manche kühne blut'ge Hand
Sich friedlich ſtreckte über'n Brand.
Am Heerde, abwärts von der Glut,
Der Feldherr ſteht und ſtreicht den Bart;
531 Das war nun einmal ſeine Art,
Gekannt von Allen, Keinem gut;
Gewaltſam aufgeregtes Blut
So will er dämpfen: dieſen Strich
Sieht der Soldat und richtet ſich.
Sein Auge klar, doch grau wie Blei,
— So durch die Welle blitzt der Hai, —
Geſpannt auf der Tapete ruht,
Wo ſchaumbedeckt, mit Todesmühen,
In's Dickicht ſcheint der Hirſch zu fliehen.
Auf Tilly's Stirn die Ader ſteigt,
Denkt ſeines Wildes er vielleicht,
Und meint, ſchier ſey der Forſt erreicht,
Da Hollands Gränze ſchützen kann
Vor'm Schlage den verfehmten Mann?
O alle Teufel, welch ein Streich! —
Zunächſt ihm, luſt'gem Strauche gleich,
Der über'n Krater ſtreckt den Zweig,
Der junge Albrecht Tilly kniet,
Dreht auch am Zwickelbärtchen fein
Und um das Feuer iſt bemüht;
Sein Antlitz blüht im Widerſchein.
Wär 'nicht dies Auge, ſtolz und kühn,
Man dächte, nicht ſo friſches Grün
Kann ſproſſen aus verbranntem Stein.
Dann Schönberg, wie ein Reutersknecht,
Im Lederkoller ſchlicht und recht,
Die Glatze kahl, behaart die Hand,
Und Holſteins Herzog, ſchlau, gewandt,
Manierlich wie ein Wieſenbach:
532 Die beiden zogen ſchweigend Schach.
Graf Fürſtenberg, bedacht und kalt,
Erwitte's hagere Geſtalt,
Und Obriſt Lindler noch dabei.
Am Tiſche ſtanden dieſe drei
Und ſahen mit geſpannten Blicken
Der Karte längs die Feder rücken,
Die, flüchtig deutend Moor und Wall,
Graf Anholt führt, der Feldmarſchall.
Im Saale war es ſtill genug:
Man hörte wie der Regen ſchlug,
Wie Ströme von den Dächern rinnen,
Die Fahnen kreiſchen auf den Zinnen,
Und — Schach dem König! à la Reine!
Spricht Tilly plötzlich: „ Wenn er doch
„ Entwiſcht. Fürwahr, es kann geſcheh'n!
„ Allein bis Prag bleibt immer noch
„ Ein Stückchen Weg, und Gabor2 mag
„ Sein harren bis zum jüngſten Tag. “
Nach einer kleinen Pauſe ſchnell:
„ Verdammt hartnäckiger Geſell! “
Drauf Albrecht: „ Daß er heute gar
„ Vor ſeiner abgehetzten Schaar
„ Das Feldſpiel ließ ſo luſtig rühren,
„ Als gelt' es ſie zum Tanz zu führen:
„ Ein furchtlos übermüth'ger Gaſt,
„ Und mir gefallen könnt 'er faſt.
„ Bei Höchſt3, als er im Kahne floh,
„ Und an der Brücke Groß und Klein
„ Wie Lachſe zappelten im Rhein,
533 „ Ich ſag' es frei: wir waren froh.
„ Faſt übel ward es unſern Leuten:
„ So gegen einen Mann zu ſtreiten,
„ Der die Kanonenkugeln mehr
„ Nicht achtet als ein Nudelheer. “
Er blickt umher: „ Ihr Herren ſeyd
„ Nicht ungehalten; jederzeit
„ Hab 'ich gehört, mehr als der Freund
„ Den Braven ziert ein tapfrer Feind. “
Des Tilly Auge gleitet, ſchier
Mit Huld, auf ſeinen jungen Geier,
Doch immer unwirſch, doppelt heuer:
„ Ein Renegat, ein räud'ger Hund! “
Er murmelt, fährt hinab den Mund,
Und tritt in die Tapetenthür,
Wo tiefgebückt bei'm Lampenſchein
Man emſig ſieht das Schreiberlein;
Der Riegel klingt. „ Mein junger Graf! “
Erwitte ſpricht: „ Ich bin kein Schaf,
„ Mag gern an keckem Feind mich üben;
„ Doch ſprech' ich frei mich, ihn zu lieben. “
Er ſchweigt, bewußt daß Wittich's4 Au
Ihm Braunſchweigs Rücken gab zur Schau,
Wo er den Erben ließ im Feld,
Seitdem auf Sühne nur geſtellt,
Und mehr nun Rächer, minder Held.
Um Albrechts Lippe zuckt es auf,
Das Zwickelbärtchen ſteigt hinauf.
Doch Anholt ſpricht: „ Ihr Kameraden,
„ Wollt nicht ſo ſcharf die Zunge laden;
534 „ So leicht entglitten iſt ein Hauch,
„ So ſchwer geſühnt. Doch mein 'ich auch,
„ Frei anerkennen Feindes Muth
„ Steht immer dem Soldaten gut,
„ Und zeigt zum Grolle keine Spur. “
Drauf Fürſtenberg: „ Das iſt gewiß,
„ Mein General! doch ſag' ich dies:
„ Wer ſo die menſchliche Natur
„ Im eignen Bruder kann zerſtören,
„ Daß der, mit Knittel, Senſ 'und Beil
„ Den Bauern waffnend, ſchmählich Theil!
„ Sich gen das eigne Blut muß kehren,5
„ Um den in hundert Kirchen heut
„ Beängſtet ſteht die Chriſtenheit:
„ Erlöſ' uns, Herr! vom Halberſtadt! 6
„ Gewiß, der iſt im Marke matt;
„ Und mehr noch jener, ſchlangenglatt,
„ Der Winterkönig7, den man noch
„ Bei Zabern8 ſah, nachdem er doch
„ Die Fürſten bat mit frommen Mienen
„ Des Kaiſers Majeſtät zu ſühnen,
„ Der ſo viel Märtyrer in Prag,
„ Als gleich der Peſt er drüber lag,
„ Ließ bluten, daß ſo edle Spur
„ Es trägt als Cöln, der Chriſten Ruhm,
„ Und ſeine Oefen heizte nur
„ Mit Kruzifix und Heiligthum: 9
„ Fürwahr, ein Stern der Braunſchweig iſt,
„ Sofern man ihn mit Jenem mißt;
„ Der kommt doch ſeinem Worte nach,
535 „ Ein treuer Diener ſchlechtem Herrn. “
„ Hier murmelt Schönberg über'm Schach:
„ Heißt Lucifer nicht auch ein Stern? “
„ Au roi! “verſetzt der Holſtein drauf.
Das Spiel iſt aus, ſie ſtehen auf.
Doch Schönborn noch bedächtig ſprach:
„ Ihr Herr'n, es naht der jüngſte Tag! “
Auf Schemel, Polſter, wie ſich's traf,
Die Führer hatten ſich geſtreckt;
So leicht und wachſam war ihr Schlaf,
Ein Riſpeln hätte ſie geweckt.
Noch hielt Graf Fürſtenberg das Schwert,
Die Flaſche Lindler feſt genug,
Und Holſtein zierlich lag am Heerd,
Um ſeine Stirn ein ſeidnes Tuch.
An Beten dachte Keiner heut;
Sie ritten ſcharf und ritten weit
Durch Regenguß und Sonnenglut:
Ein Kreuz ſie ſchlugen, damit gut.
Nur Anholt mochte nie ſich legen
Ohn 'Roſenkranz und Abendſegen;
So eine Weile kniet' er jetzt;
Und wie das Wort auch war geſetzt,
Die Seele, die hinein er trug,
That ihrem Schöpfer wohl genug.
Nicht Viele gab's zu jener Zeit,
So mochten ohne Bitterkeit
In ihr Gebet die Feinde ſchließen,
Die Formel müßte ſie verdrießen.
536Doch als ein wahrhaft frommer Mann
Der Anholt ſtets ſie zweimal ſprach,
Und einen Vers um Frieden dann
Aufricht'gen Herzens ſandte nach.
Dann „ Amen “und ſein Augenlied
Sich ſchloß. Doch Albrecht Tilly mied
Den Schlaf, er mochte viel vertragen
An Stürmen, Traben, Tanz und Jagen.
Wenn todesmatt, nach heißen Tagen,
Auf ſeine Streu der Reiter fiel:
Trieb er noch Neckerei und Spiel.
Klar iſt die Nacht, von Sturmesbraus
Die Sterne ruhen friedlich aus
Im Aether, wolkenlos und rein,
Und alſo fällt ihm eben ein,
Recognosciren möcht 'er reiten!
Was ihm geſtellt Fortunens Hand,
Das Ziel, beſchau'n von allen Seiten.
Und ſieh, dort trabt er über Land!
Vom Glockenthurme dröhnte juſt
Die Mitternacht, und jede Luſt,
So Schauer nur gewähren mag,
Schwerhauchend auf der Landſchaft lag.
Die Sterne ſtanden kalt und klar,
Kein Lüftchen hob des Mooſes Haar,
Das Thaugeperl 'am Flechtenring
Wie Feilſtaub am Magneten hing.
Weit, weit das Feld, ein graues Tuch,
Johanniswürmchen hier und dort
537Das matte Silberfunken trug,
Wie Schlangenauge über'm Hort;
Ein Kniſtern durch die Haide fort,
Ein leiſes Brodeln unterm Moos,
Ein Quitſchern in der Kräuter Schooß;
Mit Hügelchen der Grund belegt,
Wo's d'runter gährt und Dämpfe regt,
Wie Elfenkirchhof, Geiſterheerd;
Und d'rüber her das ſchwarze Pferd
Mit grauem Reiter, deſſen Schritt
Treibt Brodem auf bei jedem Tritt:
So durch die Haide zieht der Tod.
Doch Albrecht dachte nicht daran,
Er ſchien ſich wie ein andrer Mann;
Ihm war die Stunde ganz genehm,
Da noch ſo fern das Morgenroth,
Das Dunkel recht, der Weg bequem,
Und nicht im kleinſten ſchauerlich.
So vorwärts längs der Haide Strich
Durch manche Lache ſprengt 'er friſch,
Daß d'rin das Sternenlicht erloſch,
Behend zum Grunde fuhr der Fiſch,
Und plätſchernd der erſchreckte Froſch
Kopfüber in den Ginſter ſchnellt.
Ein wenig fluchte unſer Held,
Da immer länger ſchien das Feld;
Und endlich zeigte doch ein Pfad
Des Waldes rechten Eingang grad.
Als in den Liesner10 kam der Graf,
Die Zügel zog er ſtraffer an.
538Ringsum die Aeſte wie im Schlaf
Streckt ſchwarz und wüſt der weite Tann,
Ein Rieſenheer in Zaubermacht
Für tauſend Jahr und Eine Nacht.
Schwer war ihr Traum, da überall
Wie Schweiß ſich aus den Poren ſtiehlt,
Man rauſchen hört der Tropfen Fall,
Wenn nur ein Lüftchen, kaum gefühlt,
Um die beladnen Nadeln ſpielt.
Stickdunkel rings; war nicht ſo breit
Der Weg, mein Fant kam nimmer weit.
Doch nun er luſtig trabt voran;
Zuweilen einer Lichtung Rund
Die kargen Schimmer läßt heran,
Vom goldbeſtreuten Himmelsgrund
Ein Stamm auch, nadellos und hohl,
Durchblitzen läßt ein Sternlein wohl.
Viel nutzt es nicht, und manchen Streich
Vorlieb muß unſer Ritter nehmen
Von manchem derben Tannenzweig,
Und brauchte deß ſich nicht zu ſchämen;
Die Ehre blieb, nur Waſſer floß,
Daß es entlang den Koller goß;
Und ohne manchen guten Fluch,
Der ächt und kräftig mußte ſeyn,
Mein Tilly kam nicht aus dem Hain,
Er war erhitzt und grimm genug.
Denn ſah er einmal einen Schein,
So war es wohl der Funke blos,
Der öfters ihm vom Auge ſchoß
539 Wenn drein die Fichtennadel ſchlug.
Doch auch die ſchlimmſte Stunde rennt,
Und lange Schnur hat auch ein End '.
Als ſich des Waldes Ausgang zeigt,
Von ſeinem Roſſe Albrecht ſteigt,
Zieht es ins Dickicht, und in Haſt
Die Zügel ſchlingt am Tannenaſt;
Dann leiſe, wie die Welle ſchreitet,
— So zu dem Liebchen loſ 'und leicht
Ein lockrer Vogelſteller ſchleicht, —
Er über Moos und Nadeln gleitet,
Tritt aus dem Forſt und ſtutzt beinah,
Als auf Karthaunenweite nah
Vor ihm ſich Feindes Lager breitet.
Er faßt ſein Sehrohr, tritt zurück,
Und lauſcht nun mit geſpanntem Blick,
Wie über'n Aſt der Falke neigt,
Bevor, ein Pfeil, er pfeifend ſteigt.
So viele Feuer ſind gezündet,
Da Thau dem Regenguß verbündet,
Daß ſich dem Lauſcher ganz genau
Die volle Maſſe gibt zur Schau.
Nicht manches Zelt war aufgeſpannt,
Zumeiſt der Reiter bei dem Roß
Im Mantel ruhte, Schwert zur Hand,
Wo Funken ſprüht der Fichtenſchoß.
Tief tiefer Schlaf die Krieger deckt,
Am Boden rückſichtlos geſtreckt,
Man meint, es ſey ein Feld voll Leichen;
540 Und wie ſie hin und wieder geht,
Die Wache, noch Nachzügler ſpät
Auf Beute laurend, ſcheint zu ſchleichen.
So deutlich Alles zeigt das Rohr,
Daß wenn ein Schläfer rückt das Haupt,
Ein Roß, die Mähne ſchüttelnd, ſchnaubt,
Am Glaſe ſteigt es dicht empor.
Und ſehr vermindert war die Zahl
Der Männer ſeit dem letzten Tag;
Man ſah, daß in des Dunkels Haag
Feldein ſich mancher Reiter ſtahl;
Die Fahnen trennt nur ſchwacher Raum.
Allein zur Rechten, wo der Leu
Ergrimmt am ſturmgebeugten Baum,
„ Ventus Altissimi! “ſich frei
Von Zeichen eine Fläche zeigt;
Mit tauſend Mann und mehr vielleicht,
Wilhelm von Weimar führt die Schaar,
Im Felde ſtreng und kraus von Haar.
Sein Rohr der Albrecht ſchiebt zurück,
Wirft noch umher den Falkenblick;
Dann leiſe, leiſe ſchleicht er fort,
Bald tief gebückt und bald geſtreckt,
Wie ſich die Fläche breitet dort,
Und hier ein Baum den Lauſcher deckt,
So nah und frei oft, daß ein Schuß
Ihn unvermeidlich treffen muß,
Wenn Schwerteskuppel Blitzen nur
Dem Wächter gab die kleinſte Spur.
Doch keine Kugel ward geſandt,
541 Kein Wacheruf den Späher ſchreckt;
Oft rückt das Schwert in ſeiner Hand,
Wenn der Soldat ſich gähnend ſtreckt;
Wenn Funken ſprühend knackt der Brand.
Der Graf wie eine Säule ſtand,
Dann leiſe, leiſe fürder ſchreitet —
So um den Teich der Weihe gleitet,
So Wölfe um der Hürde Reif, —
Ein Dunſtgebild, ein Nebelſtreif!
Dort, wo nicht fern im Haidegrund
Der Linden Dunkel ſich verzweigt,
Dort, meint er, gebe Lagers Rund
Die rechte Schau. Sie ſind erreicht,
Und Albrecht ſteht, und athmet leicht.
Was war das? Räuſpern, und ſo nah?
Huſch duckt der Lauſcher in das Kraut,
Wie eine Boa lag er da. —
Nun Huſten — naher Stimmen Laut! —
Und — weh! vom Baum nicht Spannen lang,
Ein Poſten juſt beginnt den Gang.
Unglaublich daß er ihn nicht ſah!
Sein Tritt, ſo nah an Albrechts Ohr,
Lockt Schweißestropfen kalt hervor.
Geſchieden durch die Stämme blos,
Der Landsknecht ſchreitet über's Moos,
Nach ſchwerem Tage feuchte Nacht
Blutſauer ihm das Stehen macht.
Nun, tauchend aus der Zweige Schoos,
Des Hutes Feder ſchwankt hinauf,
Am Karabiner blitzt es auf,
542 Er hebt ihn auf, er legt ihn an; —
Nein, eine Lunte ſteckt er an.
Dann wieder wandelnd auf und ab,
Geſang verſüßt den ſauern Trab:
„ Unſer Feldherr das vernahm,
„ Der Grave von Mansfelde,
„ Sprach zu dem Kriegsvolk lobeſan:
„ Ihr lieben Auserwählte!
„ Nun ſeyd ganz friſch und wohlgemuth,
„ Ritterlich wollen wir fechten,
„ Gewinnen wollen wir Ehr 'und Gut,
„ Gott wird helfen dem Rechten. “
Ein wenig beugend um das Rund
Dicht der Soldat am Tilly ſtund,
Gleichlinig mit der Linde Stamm;
Doch ſchauend nach der Zelte Kamm,
Zieht Brod, ein Würſtchen er hervor,
Gar ſtreng verboten auf der Wacht,
Doch Niemand ſieht ihn, es iſt Nacht,
So kecklich ſpeiſend unter'm Thor.
Ein Bröſelchen den Tilly traf:
O, wie ſo ruhig lag mein Graf!
Er fühlt' wie über ſein Geſicht
Die Schnecke zog den zähen Schlamm:
Still lag er, wie ein Haidedamm,
Und fürchtete ſich wahrlich nicht,
Doch war zum Aeußerſten gefaßt.
Da vorwärts tritt der Linde Gaſt,
Und neu erfriſcht den Rain entlang
Mit hellerm Laut der Landsknecht ſang:
543 „ Die Reiter die ſeynd lobenswerth,
„ Ob ſie die beſten wären.
„ Der Graf von Mansfeld wird geehrt,
„ Sein Lob das thut ſich mehren;
„ Im Felde er der Beſte war,
„ Adelich thät ſich ſtellen,
„ Die Landesknecht 'auch ganz und gar
„ Ihre Spieß' thäten fällen. “
Was hält ihn auf? Er hebt die Hand
An's Auge, ſtarrend über Land,
Dann wieder längs der Blätterwand.
„ Und der geſungen dieſes Lied
„ Wohl auf der grünen Haide,
„ Dabei iſt er geweſen mit;
„ In dem Kampf und Streite
„ Ward 'ihm geſchlagen manche Wund';
„ Der Püffe that er warten,
„ Als er uff der Mauern ſtund
„ Hinter der Münche Garten.
„ Wer da! “— Und Todtenſtille drauf.
„ Wer da! “— Am Zweige ſteigt der Lauf.
Noch einmal „ Wer da! “und es knallt,
Tiefdröhnend Antwort gibt der Wald.
Ha, Wächterruf! Und den Soldaten
Gedehnten Halſes Tilly ſieht
Hinſtarren in das Haideblüth;
Dann ruhig die Muskete laden,
Und langſam wieder ſchreiten an.
Der Rauch verfliegt, im Haidekraut
Man formlos eine Maſſe ſchaut.
544Bald ſtanden Krieger um den Wunden;
Die Fackel, tiefgeſenkt zur Schau,
Sich flimmernd brach im blut'gen Thau.
Was nicht geſucht, das ward gefunden,
Denn deutlich ſah man ein, es war
Ein Mann vom Regimente Spar,
Der zuckend lag im gelben Sand,
Die Lederflaſche in der Hand.
„ Wer kennt ihn? “ Eine Stimme ſprach.
Die Antwort drauf: „ Ich ſah ihn oft
„ Im Kugelregen, wenn es galt
„ Die Schanze nehmen mit Gewalt,
„ Und wie ein Sturmbock drängt 'er nach.
„ Hm, Zufall! ſeltſam, unverhofft! “
Ein Dritter dann: „ Bei meiner Treu!
„ Soldatenherz vom ächten Schrot,
„ Das nach dem Teufel nichts gefragt,
„ Doch öfters trunken, wie man ſagt;
„ Sein Name war Johannes May. “
Allein der Landsknecht war nicht todt;
Ob nahe an der Scheidewand
Des Jenſeits, furchtbar, ungekannt.
Den Arm beginnt er matt zu regen,
Das ſtiere Auge zu bewegen,
Ein Athemzug, gehemmt im Lauf,
„ Wo iſt der Herzog? “röchelt's auf.
„ Hier Kamerad! “ Und tief geneigt
Sich Reiherbuſch und Handſchuh zeigt.
Ein Wort heißt die Begleiter geh'n,
Und wie der Mond das klare Rad
545 Läßt ſteigen über'm Liesner grad',
Den tollen Herzog kann man ſeh'n
Im Mooſe knieen, — wahrlich nie
That er ſo fromm, als nur vielleicht
Den Sporn zu ſchnallen Morgens früh; —
Um ſeinen Arm der Mantel bauſcht.
So ruhig wie ein Felſenriff,
An dem ſich ächzend reibt das Schiff,
Dem Wort des Sterbenden er lauſcht.
Matt war der Hauch, die Stimme wund,
Verſchwiegen blieb der Lüfte Mund,
Was er vernahm, es ward nicht kund.
Nur einmal als die kalte Hand
Der Wunde hob, des Mondes Schein
Drang durch die blaſſen Finger ein,
Es heller ächzt: „ An Grabes Rand
„ Ich warne dich, o Halberſtadt!
„ Laß ab, laß ab; auch Petrus hat
„ Dreimal verläugnet ſeinen Herrn
„ Bevor der Hahn gekräht. “ Und fern
So lang und klagend durch die Nacht
Hebt juſt den hellen Schrei der Hahn;
Der Wunde zuckt dann: „ Chriſtian
„ Von Halberſtadt! gedenk der Stunde,
„ Wenn ſo du liegen wirſt am Grunde,
„ Dann denken nicht an Sieg und Feind,
„ Ein Fetzen dir die Fahne ſcheint,
„ Doch deine Eltern aus der Gruft,
„ Zerhau'ne Rümpfe ohne Haupt,
„ Und hier und dort “— Er ſchnappt nach Luft,
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 35546Dann ſtill — „ Wer hätte das geglaubt! “
Die Worte ſprach der Herzog blos,
Als er ſich langſam hob vom Moos.
Nicht mehr am Baume Tilly lag;
Bevor der Pulverdampf verflog,
Feldein er wie ein Reiher zog,
Geborgen von des Qualmes Haag.
Doch öfters noch mußt 'er ſich ſtellen,
Wenn grad' der Mond die klaren Wellen
Zog über eine Fläche nah;
Und dicht am Herzog ſtand er da,
Auf dreißig Schritte ſah er ihn
So ſchußgerecht und ruhig knien,
Sah ganz genau die Liebeslocke11
Sich ſtreichen an der Binſenflocke.
Brav war der Albrecht, aber wild,
Schier Blut ihm aus den Augen quillt;
Und war ihm ein Piſtol zur Hand,
Ich fürcht ', er hätt' es abgebrannt,
Obwohl es ewig ihn gereut.
Doch nun die Strecke war zu weit,
Das Schwert zu kurz; er duckt am Strauch:
Und wenn ein wandernd Wölkchen leicht
Sich über Himmelsauge ſtreicht,
Er fürder gleitet wie ein Hauch.
Und war der Herzog in Gefahr,
Weit mehr noch Tilly, offenbar;
Daß keiner ihn der Späher ſah,
Faſt wie ein Wunder ſteht es da.
547Doch in den Liesner glitt er ſchon
So leicht und freudig, als ſein Roß
Ihn wiehernd grüßt vom Fichtenſchoß,
Als ſey er dem Schaffott entflohn.
Das Dunkel wich, des Mondes Schein
Drang flimmernd durch die Zweige ein,
Und, eine weiße Schlange, ſich
Im Walde zog des Weges Strich.
„ Friſch auf, Alerte, tummle dich! “
Und durch den Liesner flog der Graf,
Die Vögel zirpten auf im Schlaf;
So reiten drei und zwanzig Jahr.
Um ſeine Finger ſtrich der Wind,
Er meint es ſey des Roſſes Haar,
Nie flog ein Reuter ſo geſchwind,
Als der ſich ſelber Urlaub nahm.
Und als er an die Veſte kam,
Ein wenig ſchwül ward ihm zu Muth,
Doch Alles ſtill in rechter Hut;
Nur leiſe kniſternd im Kamin
Die Scheite noch zerfallend glühn.
Glück auf, mein ritterliches Blut!
Dem Kühnen iſt Fortuna gut.
Und Braunſchweigs Herzog? Chriſtian?
Ei nun, der ſchlief in ſeinem Zelt.
O hege nicht den frommen Wahn,
Daß ihm Minuten nur vergällt,
Der drüben ſtarr im Mooſe lag!
Nicht einen Deut gab er darum
548 Was irgend eine Lippe ſprach.
Und ſahſt du ihn, geſpannt und ſtumm,
Sein Ohr dem trüben Warner leih'n,
So ſog es andre Kunde ein,
Als die des Herzens Rinde bricht;
Ihm ward ein ungenügend Licht.
„ Armſel'ger Narr! verrückter Wicht! “
Das war die ganze Litanei,
Das Requiem für Johannes May.
Und auf ſein Feldbett ſtreckte ſich
Der Braunſchweig ſo gelaſſen ſchier
Als ging es morgen zum Turnier;
Nur einmal ſeine Rechte ſtrich
Die Locken aufwärts, dies allein
Mocht 'Zeichen tiefrer Regung ſeyn,
Und dann — die Wimpern ſchloſſen ſich.
So groß war ſeine Willenskraft,
Daß ſie dem Schlummer ſelbſt gebot,
Die Sinne hielt in ſteter Haft;
Er konnte, wie es eben Noth,
Die Ruhe ſcheuchen Wochen lang,
Und ſchlafen unter Schwertes Hang.
Jetzt, wo Geſchick die Würfel hält
Zum letzten Satz um Land und Ehr',
Sähſt du ihn ſchlummern unter'm Zelt:
Du dächteſt, nur von Sehnen ſchwer
Verträum 'ein achtzehnjährig Kind
In ſüßem Wahn die Nächte lind.
Wie edel ſeine Formen ſind!
Die Stirne, hochgewölbt und rein,
549 Die Farbe klar, die Lippe fein;
Ja, ja! ſo war er, eh der Wurm
Am Marke nagte, eh der Sturm
Die Blätter ſchüttelte vom Aſt,
Ein zärtlich ſtolzer Page faſt:
So hätt' er ſeiner Königin
Gedient, ſchien Anmuth ihr Gewinn,
Und drum nicht minder ruhmeswerth
Gezückt ſein tadelfreies Schwert.
Ich ſag 'es noch: ein edler Stamm
Verflechte in des Hofes Schlamm;
An eine Ceder Frauenhand
Zerſtörend hat gelegt den Brand,
Die, wehe! jetzt in Traumes Haag
Nur Sodomsäpfel treiben mag!
Um ſein Geſicht ein Lächeln flog,
So ſonnig als am Tage nie,
Und nach ihm glühe Röthe zog;
Vielleicht im Traume ſah er ſie
Die Laute rühren, und vielleicht
Ein Wort ihr von den Lippen fleugt,
Wie arglos ſchwimmend in den Tönen,
Dem jeder Herzſchlag mußte fröhnen.
So ward es ihm zum letzten Mal,
Es war ein Maientag in Prag,
Als flimmernd ſtieg der Waſſerſtrahl,
Die Nachtigall den ſüßen Schlag
Ertönen ließ aus Buſch und Haag,
Und achtlos hingeſummte Weiſe,
Oft unterbrochen, klagend, leiſe,
550 Wie Echo von den Lippen flog,
Indeß der Schwan die Kreiſe zog,
Und mancher Silbertropfen traf
Der Herrin Blüthenſtirn und Schlaf.
Träumt ihm ſo Süßes? Nun, es mag!
Nur Herbes bietet ihm der Tag.
Und in demſelben Zelte lag
Der junge Schlick, und Styrum auch,
So war des Herzogs ſteter Brauch:
Bei Tag und Nacht der Adjudant
Sey immer fertig und zur Hand.
Drum nahe an der Leinenwand
Das brüderliche Feldbett ſtand.
Und Styrum mochte feſter ſchlafen,
Als alle deutſche Herr'n und Grafen;
Doch alſo nicht der finſtre Schlick,
Den ſeltſam paarte das Geſchick
Mit Jenem der ſo leicht und klar,
Als ſchwer und trübe Otto war.
Graf Otto Schlick — horch, wie er ſtöhnt!
Schau, wie er ruhelos ſich dehnt!
Nicht Luft und Lampe ſollen wiſſen,
Was heut er hat erleben müſſen;
Drum hält er ſeine Hand ſo feſt
An die geſchwollne Stirn gepreßt,
Und weiß nicht, daß an Fingerſpitzen
Verrätheriſche Tropfen blitzen.
In dieſer Nacht, vor Einem Jahr —
Es war ein ehrenwerthes Haupt,
Ein theures Haupt mit grauem Haar —
551 Und jetzt — wer hätte das geglaubt!
Es iſt ein Sohn, dem grimmig wacht
Der Wunde Qual in dieſer Nacht;
Es iſt ein Sohn, deß Phantaſieen
Um augenloſe Schädel ziehen,
Um tapfre Rechten, fleiſchesbaar. 12
Und wahrlich, wer in dieſem Jahr
Die Moldaubrücke ging entlang,
Wenn einſam nur die Welle klang,
Der Mond durch Regenwolken drang,
Der ſagte: ſchaurig ſey zu ſehen
Im feuchten Wind der Bärte Wehen.
An Otto's Bruſt wie ein Vampyr
Die Rache lag ſo grimm und gier,
Und keinem Andern war ſo lieb
In Feindes Leib der blanke Hieb.
O, könnt' er deine Thürme, Prag,
Zerſchmettern nur mit Einem Schlag:
Gleich wär 'es, ob der Hammer brach!
Vom Lager ſprang der junge Schlick,
Trat vor das Zelt und ſah hinauf,
Wo in das Dämmergrau zurück
Verrauchend wich des Mondes Lauf.
Nur einſam ließ die Schimmer fallen
Der Morgenſtern aus Domes Hallen.
„ O Sonnenbote, Hesperus!
„ Führ' ihn herauf den heißen Tag,
„ Der manche Scharte zahlen mag! “
Die Lüfte kalt wie Sterbekuß
Erſeufzten, als er dieſes ſprach.
552Es war am ſiebenten Auguſt,
Als ſo die Sonne ward erſehnt;
'S war eine kühne treue Bruſt,
Um die der Morgenwind geſtöhnt.
Hell ſchmetterte Trompetenton;
Friſch auf zu Roß, der Feind iſt wach!
Entlang den Liesner hörten ſchon
Die Poſten dumpfen Trommelſchlag.
Und wimmelnd über'm Haidegrunde
Das Heer ſich ordnete zur Stunde;
Die Ordonnanzen flogen, laut
Signale dröhnten über's Kraut,
Ein langer Scolopender zog
Des Fußvolks Linie, Speere hoch;
Und klare Schlangenblitze floh'n,
Wenn ſtäubend ſchwenkte die Schwadron.
Es war ein heiß und klarer Tag,
Wie der Auguſt ihn bringen mag;
Vom Himmelsbogen glüh und ſteil
Die Sonne ſchoß den goldnen Pfeil,
Die Lüfte kochten, Mann und Roß
Im Dampfe ſtanden, das Geſchoß
Ward heiß dem Schützen in der Hand.
Von Käfern wimmelte der Sand,
Wenn langſam knarrend über'm Pfad
Sich wälzte der Kanone Rad.
Trompeten ſchweigen, Schaar an Schaar,
Ein Säulenwall die Linie ſteht.
Vor ſeinem Regimente Spar
553 Mit langen Schritten muſternd geht.
Geprüfte Krieger, Feder weht
Vom Eiſenhute, Gürtel blitzt,
Der Lederkoller aufgeſchlitzt,
Und Lederſtrümpfe, derbe Schuh,
Pumphoſen, Taſchen noch dazu,
Ein Troß vor Allen kühn und ſchlecht;
Die Partiſane und das Schwert
Sind ſeine Waffen, oft bewährt
Beim Marodiren und Gefecht.
Dicht hinter ihm der Obriſt Schricken
Ließ ſeine Karabiner rücken,
Daß kräuſelnd ſchwacher Windeshauch
Trieb durch die Bärte blauen Rauch.
Zur Linken Herzog Friederich
Von Altenburg, dünn wie ein Strich,
Mit rothem Haare, ſcharfen Zügen,
Gewandt in Schwert - und Federkriegen,
Hat ſeine Reiter aufgeſtellt.
Ihm Thurn und Tolle ſind geſellt;
Graf Bernhard Thurn, ein ſchmucker Held,
Ein Sproſſe jenes deſſen Witz
So ſchlecht behagt dem Martinitz.
Und dieſe Truppen allzumal
Geworben ſind mit größrer Wahl;
Die Sitte nahm man nicht genau,
War nur der Burſche keck und ſchlau.
Filzhüte, Mäntel trugen ſie,
Stulpſtiefel, ſteigend über's Knie;
Der Mantel war ein ſeltſam Ding,
554 Dem flügelgleich der Ermel hing,
Und dieſes Eine mocht 'allein
Die Engelſpur am Träger ſeyn.
Beim Schwerte ſie Piſtolen führten,
Und trafen wenn ſie galoppirten.
Sie plünderten mit Höflichkeit
Und kamen drum nicht minder weit.
Wilhelm von Weimar hatte ſich
Gepflanzt zur Rechten ritterlich,
Kraushaarig, ſtark, ein zorn'ger Mann;
Die Eiſenmänner führt' er an,
Und ſeine Reiter ſchmolzen faſt
In ihrer heißen Kerkerlaſt.
Der tolle Herzog nannte nie
Sie anders als den „ Thurm im Schach “.
Wie Felſenblöcke ſaßen ſie
Und gaben grad 'ſo wenig nach,
Wenn, ungelenk wie Elephanten,
Sie über Stock und Steine rannten,
Auf Roſſen von der ſchwerſten Art;
Brabants Geſtüte gab die Zucht,
Hochbeinig, knochig, lang behaart,
Und ſelber eine wüſte Wucht.
Dennoch die Disciplin traf man
Allein bei dieſem Haufen an,
Das heißt, was damals ſo genannt,
Doch nicht verwehrte Raub und Brand;
Und ganz allein auch dieſe Schaar
Vollzählig noch ſeit geſtern war.
Auch Hakenſchützen ſah man ſtehn
555 An ihren Gabeln, grad' wie Rohr;
Aus Linienlücken grollend ſehn
Karthaunenſchlünde ſchwarz hervor.
Und Grenadiere, ſtarke Leute,
Die ſchweren Beutel an der Seite,
— Der ſtarke Arm, der feſte Fuß
Den Grenadier bezeichnen muß, —
Sah man mit Zündſtrick und mit Beilen
Längs den Plotonen ſich vertheilen.
Dann Alles ſtill, es ſtand das Heer
So ruhig wie ein ſchlafend Meer,
Die Blicke nach dem Forſt gewandt,
Man ſah auch rucken keine Hand.
Nur ſacht der Fahne Welle rauſcht,
Ein Jeder horcht, ein Jeder lauſcht.
Und leiſer als des Odems Fall,
Viel leiſer als der Fahne Wallen,
Zog von des Feindes Feldmuſik
Heran ein ungewiſſer Hall;
War's Windeszug? War es ein Schall?
Und in demſelben Augenblick
Ein Rabenſchwarm, ſo ſchwarz und dicht,
Daß er gehemmt der Sonne Licht,
Stieg krächzend aus dem Liesner auf,
Dann langſam ſtreichend über's Heer;
Die Flügelſchläge klatſchten ſchwer,
Und tauſend Augen hoben ſich.
Ward Einem ſchauerlich zu Muth?
Ich weiß es nicht, zu jener Zeit
Viel anders fühlte man als heut,
556 Wo kalt der Glaube, matt das Blut.
Nun wieder mit des Windes Strich
Der Bayern Marſch — ganz deutlich ſchon —
Und um den Liesner, Zug auf Zug
Der Rautenſchildes Fahne trug,
Sich ſchwenkte Fußvolk und Schwadron.
Nun ſind ſie da, auf Schuſſes Weit ',
Es wimmelt, ordnet, dehnt ſich breit:
Die Heere ſteh'n zum Schlag bereit.
Wer kann viel tauſend Menſchen ſeh'n
In ihrer Vollkraft muthig ſteh'n,
Und denken nun, wie Mancher fand
Den jähen Tod, eh Sonne ſchwand,
Daß ihn dann Schauer nicht beſchlich!
So glänzend unter'm Sonnenſtich
Die Waffe prahlt; der Loener Bruch,13
Mit Hirtenbuben nur bekannt,
Barfüßig, lagernd in dem Sand,
Noch nie ſo Blank - und Schönes trug.
Schau! brechend aus der Linie Zug,
Ein leichter Trupp ſtolzirend ſprengt:
Er theilt ſich, fliegt, den Zaum verhängt;
Auf ſteigt der Arm, es knattert friſch,
Lichtblaue Wölkchen; im Gemiſch
Sieht, luſtig plänkelnd über's Grün,
Man Bayer, Sachs, gewandt und kühn
Abblitzen und wie Pfeile fliehn.
Man dächt ', es ſey ein zierlich Spiel,
Säh' man nicht ſchwanken dort und hier
557 Den Reiter, das verletzte Thier
Im Felde ſchnauben herrenlos.
Kommandowort — Trompetenſtoß —
Und Holſteins leichte Reiterei
Trabt wie ein Sturmgewölk herbei.
Standarte hoch: da hui! in's Knie,
Den Speer gefällt, die Infanterie
Lag wie ein Wall, und drüber her
Es knatterte wie Wetterſchlag;
Der nahen Eiche Wipfel brach.
Dann Pulverdämpfe ſchwarz und ſchwer
Verhüllen Alles, einmal noch
Den Qualm durchflog ein matter Schein,
Als nun die Reiter hieben ein.
Heiß ward gekämpft an dieſem Tag;
In beiden Heeren Keiner war,
Der weichen mochte um ein Haar.
Und nicht am weißen Berge mag
So wilder Strauß gefochten ſeyn,
Wo es um eine Krone galt.
Mit den Centauren Weimar brach
Die Linie ohne Widerhalt;
Wohl Mancher ſtürzte wie ein Stein;
O ſchwerer Tod! zerbrochen ſeyn,
Zerſchmettert von des Panzers Laſt!
Was übrig blieb drang friſch voran,
Und auch vom Regimente Spar,
Da kein Pardon zu hoffen war,
Da Aechter jeder einzle Mann.
558Die Landsknecht thaten Wunder faſt,
An Wittich dachten ſie mit Wuth;
Bei'm Himmel! ſie bezahlten gut.
Und heut Erwitte ward gewahr,
Daß Glück und Muth nicht ſtets ein Paar;
Obgleich vorauf an ſeiner Schaar
Der Obriſt wie ein Fleiſcher hieb,
Mehr mußt 'er räumen als ihm lieb.
Schmid und Mortaigny thaten brav,
Scharf der Kroaten Klinge traf,
Des Holſtein zierlich Rößchen flog
Und tanzte wie ein Elfenthier,
So feſt den Hahn der Reiter zog,
Gelaſſen, kalt wie im Revier,
Und wer ihn zielen ſah vom Roß,
Denkt daß er nach der Scheibe ſchoß.
Kühn waren Styrum auch und Reck;
Doch Keiner wie der junge Schlick,
Im Auge Baſiliskenblick,
Hieb zweimal ſtets auf Einen Fleck.
Doch tapfer waren All' zumal,
Nicht Einer der ſich mochte ſchonen.
Sechs Stunden brüllten die Kanonen,
Sechs Stunden lang der helle Stahl
Auf Pickelhaub' und Harniſch klang,
Und über'n Grund ſechs Stunden lang
Sah man wie Hühnerſchwärm 'in Haufen
Granat und Wachtel pfeifend laufen,
Daß noch die Waage um kein Haar
Zu Eines Heil geſunken war.
559Bei'm Braunſchweig ſtand die Minderzahl,
Doch Alles Männer hart wie Stahl,
Den Tod nicht ſcheuend im Gefecht;
Sie ſchlugen drein wie Henkersknecht'.
So glühend wurde ihr Geſchütz,
Daß drüber fuhr der Funken Blitz
Und mancher Kanonier die Hand
An dieſem Tage hat verbrannt.
Viel ſpricht man von der Alten That;
Doch kühner nicht Leonidas
Focht zu Thermopylä am Paß,
Als heut der tolle Halberſtadt.
Die Kugeln ſchienen ihn zu meiden,
Das Schwert zu ſtumpfen ſeine Schneiden,
Die brennende Granate lief
Um Roſſes Huf und ſchnurrte fort.
Man ſah ihn hier, man ſah ihn dort:
Wo das Gewühl am meiſten tief,
Da flog der Reiherbuſch umher.
Fürwahr, den Bayern ward es ſchwer
Im dichten Staub und Pulverrauch,
Wo glüh und aſchig jeder Hauch,
Da Windes Odem, umgeſtellt,
Zu ihren Feinden ward geſellt,
Und öfters nicht geſehn die Hand,
Bevor gefühlt der Wunde Brand.
Es fuhr der Speer wie eine Schlange,
Die Erde dröhnt 'vom Trommelklange,
Geſpenſt'ge Waffen ſchienen ſich
Zu kreuzen wild und mörderlich.
560Doch ob es keinen Zollbreit wich,
Allmählig ſchmolz des Herzogs Heer,
Wie Schneeball unter'm Sonnenſtich;
Viel tauſend lagen kalt umher.
Und als für Augenblicke ſich
Der Dampf zertheilte, ſah man klar,
Wie ſchwer bedrängt der Haufen war.
Ein Tropfen hing an jedem Haar,
Aus den zerfetzten Kollern rann
Das warme Blut den Grund hinan,
Und Mancher mit der linken Hand
Hat die Muskete abgebrannt.
Noch ſtanden ſie wie eine Wand;
Doch bald dem Bayer es gelang,
Daß er ein wenig fürder drang;
Und langſam weichend, Schritt für Schritt,
Die matten Landsknecht' drängten mit,
Dem Moore zu, das binſenreich
Sich dehnte wie ein grüner Teich.
O Chriſtian! was frommt dein Muth,
Dein feſter Arm, dein fürſtlich Blut!
Als ſeine Krieger mußten weichen,
Ha, welch ein Wüthen ſonder Gleichen!
Hätt 'er den Hut des Fortunat,
Sie ſollten büßen auf der That!
Doch die Beſinnung kehrte ſchnell,
Man ſah ihn wenden auf der Stell',
Und durch das Heer nach allen Seiten
Mit abgezognem Hute reiten;
561 Man ſah ihn winken mit der Hand,
Inſtändig flehend: „ Haltet Stand! “
Nicht Einer war, der ihn verſtand.
So todesmüde der Soldat,
So ſtumpf an Sinnen, ohne Rath,
Kaum hörte des Signales Klang;
Und ſchwer dem Herzog es gelang
Mit wenig Treuen für Minuten
Zu hemmen noch den letzten Schlag.
Sie thaten was ein Menſch vermag,
Vom Roſſe ſinkend, im Verbluten,
Die Finger, ſteif in Todesnahn,
Noch ſuchten des Piſtoles Hahn,
Sie ſtießen mit der Partiſan,
Am Grund auf blut'gen Stümpfen liegend,
Und wimmernd ſich im Mooſe ſchmiegend,
Des Schwertes Spitze ſuchten ſie
Zu bohren in der Roſſe Knie.
Da plötzlich wie ein Ebertroß,
Der knirſchend vor dem Jäger rennt,
Heran der Spar'ſche Landsknecht ſchoß;
Und hinterdrein auf flücht'gem Roß
Das Herberſtorfſche Regiment,14
Die Säbel hoch im Sonnenblitze,
Den Albrecht Tilly an der Spitze.
Und ein Gemetzel nun begann,
So trieb es nie ein braver Mann
Gen Feinde unbewehrt und wund;
Man ſah ſie knieen auf den Grund,
Die Hände falten um Pardon:
v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 36562Ein Klingenhieb, geſchärft durch Hohn,
Die Antwort drauf, und Kolbenſchlag
Half Partiſan und Schwerte nach.
Kroatenmeſſer, ſcharf gewetzt,
Auch hielten ihre Erndte jetzt;
Wie Reiſebündel, Kopf an Kopf
Sah ſchwanken man vom Sattelknopf
An Lederriemen oder Strick;
Und glücklich wen der Tod beſchlich,
Eh 'über'n Hals die Schneide ſtrich.
Wohl Einigen die Flucht gelang;
Doch ſeitwärts nach dem Moore drang
Des Feindes Nah'n; und wem das Glück
Die feſte Stelle gab im Moor,
Der kam am Ende wohl hervor,
Ein hülflos Wrack für Lebenstag,
Das betteln oder ſtehlen mag.
Doch Mancher an des Schlundes Rand
Noch hat zum Kampfe ſich gewandt,
Und zog mit letzter Kraftgewalt
Den blut'gen Feind vom ſichern Halt;
Dann wüthig kämpfend in dem Schlamm,
Sie rangen wie zwei Waſſerſchlangen,
Die ſich in grimmer Lieb' umfangen.
Zuletzt nur noch des Helmes Kamm
Sah aus den Binſen, und der Schlund
Schloß zuckend ſeinen ſchwarzen Mund.
Nicht Albrecht Tilly iſt der Mann,
Den ſolch 'ein Schauſpiel freuen kann;
563 Ob noch ſo heiß ſein Blut gewallt,
Als er geflucht im Hinterhalt,
Ob ihm der erſte Säbelhieb,
Die erſte Kugel ſo er ſchoß,
Sogar die erſte Wunde lieb,
Gleich fürſtlichem Araberroß,
Das, wenn zu wild das Feuer kreiſ't,
Sich auf die heißen Adern beißt:
Doch ſah man überall im Troß
Ihn ſteuern, wie es möglich war;
Zurück er Manchen riß am Haar;
Vor Partiſan und Kolbenſchlag
Er ſchützte Viel' an dieſem Tag.
Und ſelbſt der wilde Obriſt Spar,
Dem des Kroaten blanker Schnitt
Schon prüfend um die Gurgel glitt,
Muß ihm Erhaltung danken. Doch,
Iſt Leben eine Gabe noch,
Gefangen, wund, in Schmaches Joch?
Und Chriſtian? O bittrer Hohn!
Er mußte fliehn, er iſt entflohn!
Kein kluger Rückzug, wie zuvor:
Nein, ſcharf gehetzt durch Ruhmes Thor,
Das krachend hinter ihm ſich ſchloß.
Als er die Sporen gab dem Roß,
Sein Antlitz war ſo weiß wie Schnee,
Und, ſchwärzlich ſteigend in die Höh ',
Auf ſeiner Stirn das Runenmahl
Schien wie geätzt vom Wetterſtrahl.
Auch zuckt' er, und die Sage ſcholl,
564 Es traf ihn eine Kugel dort;
Doch ſagt 'er nichts und ſprengte fort,
Vielleicht nur zuckte inn'rer Groll.
Vier Kompagnie'n, zerfetzt genug,
Das war der ganze Heereszug
Des Chriſtian vom Loener Bruch.
Auf Wieſenfluren, nett und fein,
Zeigt ſich der Flecken Ottenſtein: 15
Recht wie ein Fräulein, das ſich jetzt
Zur Bumenleſe hat geſetzt,
Wenn Bürger, ſtattlich, Mann und Frau,
Luſtwandeln durch die grüne Au.
Am Schattenbaum die heitre Bank,
Manch 'Wieſenquellchen, klar und ſchlank,
Den müden Wandrer weiß zu locken,
Und gerne mag der Fuß hier ſtocken.
Doch damals eine Veſte lag,
Wo jetzt des Gärtchens Blumenhaag.
Und über'm Thore, ſchwarz und hoch,
Das zwitſchernd Schwalbenbrut umflog,
Auf hohem Stuhl der Wächter ſaß,
Bedächtig in der Chronik las,
Nur wenig achtend auf das Paar,
Das in der Fenſterbrüſtung ſtand,
So leiſe flüſternd immerdar,
Daß er die Hälfte nicht verſtand.
Gertrude iſt's und Eberhard,
Scheu vor des Ohmes Gegenwart,
Ein Brautpaar ſeit der letzten Stunde,
565 Mit allem Himmelsglück im Bunde.
Was ward geſprochen? Allerlei,
Wie immer reden ſolche zwei,
Vom erſten Strahle überglänzt;
Iſt Einer dem es nicht ergänzt
Nicht Gegenwart, Erinnerung:
Gar arm iſt er! wo nicht, gar jung!
Sie hörten des Geſchützes Schall;
Doch brach es ſich wie Widerhall
An ihres Glückes heil'gem Dom.
Und immer fürder las der Ohm
Von Wechſelbälgen, Wunderzeichen,
Von Helden, mächtig ohne Gleichen;
Es dünkt ihn ſeltſam, daß Ein Mann
So viele Tauſend zwingen kann.
War er doch auch zu ſeiner Zeit
Kein ſchlechter Kämp' im ernſten Streit,
Der manche gute Lanze brach,
Und weiß wohl was ein Mann vermag.
Ständ's nicht mit klarer Schrift gedruckt,
Er zweifelte; unwillig zuckt
Die Braue, daß er, mit Verdruß,
Sich ſo gering erſcheinen muß.
Zuweilen fährt ein halber Blick
Auf ſeine Rüſtung, Stück vor Stück,
Wo an den Eiſenpanzer juſt
Gertrude hat die Stirn gelegt,
Wie Balſam ſaugend in die Bruſt
Des Liebſten Worte, tiefbewegt.
Du ahneſt Liebeſtändelei?
566Ach Nichts von dieſem war dabei!
Ein Gärtchen vor dem Thor hinaus,
Ein kleines wohlbeſtelltes Haus
Am Moore, wo man Feurung gräbt:
Aus dieſem Stoff ward es gewebt;
Doch war es ihre Häuslichkeit,
Ein Paradies zukünft'ger Zeit,
Und um die Worte wiegten ſich
Viel tauſend Engel minniglich.
Und immer fürder las der Ohm
Vom Pabſte, vom Concil zu Rom,
Von Faſten, Skapulier und Sack,
Das war nicht eben ſein Geſchmack.
Allmählig tiefer ſinkt das Haupt,
Die Lettern tanzen, ſinnberaubt,
Gleich einer Lampe im Verglimmen;
Schon fühlt er die Gedanken ſchwimmen.
Ein heller Ruf! Er fährt empor.
Ha! Reiterſchaaren dicht am Thor!
Sie fliegen, daß der Anger pfeift.
Von Mann und Thiere tröpfelnd läuft
Das klare Blut, und Flockenſchaum
Fährt flatternd an Geſträuch und Baum.
Wie ward der Thorwart grimm und wach!
Wie griff er nach der Partiſan!
Rief laut: „ Der tolle Chriſtian! “
Und war der Herzog nicht ſo jach,
Er ſandt 'ihm ſeine Waffe nach.
Doch durch die Wieſen langgeſtreckt
Das Roß die wunden Hufe reckt.
567Nun noch an Horizontes Grund —
Nun ſind ſie fort. Des Wächters Mund
Gab ihnen manchen guten Fluch,
Daß, wen er trifft, der hat genug.
So triumphirend ſchaut er nach,
Wie Simſon der Philiſter Schmach.
Und wieder durch den grünen Raum
Vereinzelt trabt ein armer Troß,
Todtmüde Reiter ohne Roß,
Die ſteife Ferſe trägt ſie kaum;
Wie Hirſche keuchend vor dem Hunde,
Nicht achtend Blutverluſt und Wunde,
Sie ſtolpern längs dem weichen Grunde;
Der Eine fällt und rafft ſich auf,
Der Andre reckt den Arm hinauf,
Und gichtriſch Zucken deutet an,
Daß nun der Todeskampf begann.
Dort hinkend ein erſchöpfter Mann
Steht an der Linde Stamm gelehnt,
Man glaubt zu hören wie er ſtöhnt;
Das Haupt er zweimal beugt zurück,
Man glaubt zu ſehn den ſtieren Blick.
Dann ſtemmend an der Linde Zweigen,
Die ſchattig über'n Anger neigen,
Er müht ſich mit der letzten Kraft
Zu klimmen an des Baumes Schaft.
Dreimal fiel er zurück in's Gras,
Und ſchmerzbetäubt am Grunde ſaß,
Und wieder dreimal ſetzt er an,
Bis er den erſten Aſt gewann.
568Dann ſchwindend in der Blätter Dach,
Wo ihn der Himmel ſchützen mag.
Und ſchon der Bayern Feldgeſchrei
Wie Rabenkrächzen dringt herbei,
Schon Staubeswolken dicht und ſchwer
Vom Horizonte rollen her:
Da durch den Anger matt heran
Trabt einzeln noch ein wunder Mann;
Die Haltung edel, ob gebeugt,
Von ſtolzem Blut genugſam zeugt.
Man kann nicht wiſſen ob er floh,
Krank war die Haltung, furchtſam nicht;
Er wandte öfters ſein Geſicht,
Und eine Weile hielt er ſo.
Dann langſam ſteigend von dem Thier
Er ſchleppt ſich mühſam für und für,
Am Erlenſtamme ſah man ihn
Im blutgetränkten Graſe knien;
Zum Fliehen fühlt' er keine Luſt,
Die Kugel lag in ſeiner Bruſt;
Doch ſterben unter Feindes Spott!
Kroatenmeſſer! großer Gott!
Zum Himmel blickt 'er feſt hinauf,
Dann löſ't er ſacht den Koller auf,
Und lang' ſich ſtreckend über's Grün,
Noch einmal zucken ſah man ihn.
Mein junger Held, mein Otte Schlick!
War dein der jammervolle Blick?
Ob ungekannt dein ſtilles Grab,
Das Morgens dir der Bauer gab,
569 Nicht Marmorthräne drüber weint:
Doch ewig bleiben wird dein Recht,
Ein treuer Sohn, ein tapfrer Feind,
Und heut der Letzte im Gefecht.
Wie über'n Förſter der durchwacht
Auf Frevlers Spur die Sommernacht,
Wenn halb die Wimpern ſanken ſchwer,
In Aeſten brauſ't das wüth'ge Heer,
Fuhr nun heran die wilde Jagd.
Sie ſprengten über Todt 'und Wunde,
Die hülflos wimmerten am Grunde,
Und im Vorüberfliegen blos
Schoß einzeln wohl ein Lanzenſtoß.
Als Einer längs der Linde ſtrich,
Ein Blutestropfen fiel herab,
Da raſch im Fluge wandt' er ſich,
Und brannte die Muskete ab,
— Nur Blätter wirbelten herab.
Und weiter, weiter, nur voran,
Sie ſauſ'ten durch den Wieſenplan
Dem tollen Herzog ſtets im Nacken,
Wie Rüden nach dem Wilde packen.
Sie ſah'n ihn ſtreifen über'n Raum,
Oft nur auf Schuſſes Weite kaum
Und jener moosbedeckte Stein
Fürwahr, muß Holland's Gränze ſeyn:
O hurtig ſetzt die Sporen ein! —
Es iſt umſonſt, der letzte Mann
Grad 'über'm Scheideſtrich entrann.
v. Droste-Hülshof, Gedichte. 37570Dort mag, von Schaum und Dampf umhüllt,
Verſchnaufen das gehetzte Wild.
Und grimmig ſchmetternd über'n Raſen
Zum Rückzug die Trompeten blaſen.
Zweihundert Jahre ſind dahin:
Und alle, die der Sang umfaßt,
Sie gingen längſt zur tiefen Raſt.
Der Tilly ſchläft ſo feſt und ſchwer,
Als gäb 'es keinen Lorbeer mehr;
Und Chriſtians verſtörter Sinn
Ging endlich wohl in Klarheit auf.
Wie trübt die Zeit der Kunde Lauf!
An ſeiner Brüder mooſ'gem Grab
Beugt weidend ſich das Rind herab,
Und ſchreiend fliegt der Kibitz auf.
Willſt du nach dieſen Hügeln fragen:
Nichts weiß der Landmann dir zu ſagen;
„ Multhäufe “nennt er ſie und meint
Stets ſey Wachholderbuſch ihr Freund.
Am Moore nur trifft wohl einmal
Der Gräber noch auf roſt'gen Stahl,
Auf einen Schädel; und mit Graus
Ihn ſeitwärts rollend, ruft er aus:
„ Ein Heidenknochen! Schau, hier ſchlug
„ Der Türke ſich im Loener Bruch! “16