Gegenüber dem Reichthum der Bilderwerke, welche das Coſtüm behandeln — ich ſelbſt habe die Summe derſelben um eines vermehren helfen —, ſchien es mir an der Zeit zu ſein, dem Worte wieder zu ſeinem Rechte zu verhelfen und, den anti - quariſchen Standpunkt verlaſſend, dieſen Gegenſtand in ſeiner Entwicklung als ein Glied der deutſchen Culturgeſchichte darzu - ſtellen. Der Grundgedanke, der mich dabei leitete, iſt, den Zu - ſammenhang zwiſchen den Wandlungen der äußeren menſchlichen Erſcheinung und des innern Culturlebens in der Geſchichte der Deutſchen nachzuweiſen. Denn wie eine jede Nation einen Na - tionalcharakter mit Recht für ſich in Anſpruch nimmt, der ſie als ein einheitliches, einziges Ganze gleichſam mit einer Seele em - pfinden und handeln läßt, ſo iſt auch in der Geſchichte der Civi - liſation oder des Bildungsganges des einzelnen Volks wie der ganzen Menſchheit, ſoweit ſie im Strom der Cultur vorwärts ſchreitet, einer jeden Stufe ein ſolcher Geſammtcharakter, ein zur Einheit gewordener Complex bewegender und leitender Ideen zu - zuſchreiben. Dieſe Seele der Zeiten kryſtalliſirt alle ihre Lebens - äußerungen in ihr eigenthümliche und darum nothwendige For - men, an denen ein geübtes Auge alſobald erkennen muß, weß Geiſtes Kinder ſie ſind. In dieſem Sinn iſt auch das CoſtümVIVorwort.allemal ein Kind ſeiner Zeit, eine Form, welche die Züge des herrſchenden Geſammtcharakters erkennbar an ſich trägt. Wie der einzelne Menſch in Kleidung, Haltung und Gang ſein inne - res Weſen äußerlich offenbart, ſodaß wir aus jenem auf dieſes nicht bloß ſchließen können, ſondern auch dürfen, ſo iſt es auch bei der Nation und ſo auch bei einer jeden Geſchichtsperiode in der ganzen äußeren Erſcheinung. Nicht alſo das Kleid macht den Mann, ſondern der Mann das Kleid. Und ebenſo müſſen wir das Wort des Satirikers Logau umkehren; wenn er ſagt:
ſo liegt das Richtige im Gegentheil:
Wenn ich nun die deutſchen Trachten und Moden, anſtatt ſie als bloße Geſchöpfe des Zufalls und der Laune zu betrachten, vielmehr als mit gewiſſer Nothwendigkeit gebildete Formen des jedesmaligen Geſammtcharakters darzuſtellen verſuchte, ſo glaubte ich damit einen Bauſtein zu dem großen Gebäude der deutſchen Culturgeſchichte zu liefern, von deſſen Vollendung wir wohl noch eine gute Strecke entfernt ſind. Es iſt bis jetzt weder das Ma - terial herbeigeſchafft, noch der Plan fertig.
Der Doppelausdruck der Trachten - und Modenwelt, wie er auf dem Titel ſteht, ſchließt zwar ebenſowohl die allgemeinen und bleibenden Formen wie das ſcheinbar regellos Wechſelnde ein, doch erſchöpft er nur im weiteren Sinn genommen das, was ich darſtellen wollte. Denn es iſt dieſes nicht bloß die Kleidung, ſondern überhaupt die ganze äußere menſchliche Erſcheinung, wo - zu die geſammte Toilette, der Schmuck und auch die Begriffe von Schönheit im Geſchmack des Volkes gehören.
VIIVorwort.Dem Zweck der ganzen Sammlung gemäß, der ſich dieſe Trachtengeſchichte als Theil einfügt, ſowie in Uebereinſtimmung mit meinen Abſichten, waren es beſonders Leſer, die ich bei der Darſtellung vor Augen haben mußte, und nicht, oder doch erſt in zweiter Linie, ſolche, die das Buch etwa brauchen könnten. Ich mußte daher zweien Dingen entſagen: einmal der Mitthei - lung des gelehrten Apparates, der ohnehin in ſeinem ſchriftlichen Theil unſchwer zugänglich ſein wird, und zweitens der Beigabe entſprechender Abbildungen. Ich verhehle mir das Mißliche des letzteren Punktes nicht, indeß dürfte für den, der weiteres In - tereſſe an der Sache nimmt, das eine oder das andere der größe - ren Coſtümwerke leicht zur Hand ſein Zur Erleichterung habe ich in der Darſtellung und in den wenigen Anmerkungen zuwei - len des Näheren auf die beiden folgenden Werke (mit verkürztem Titel) hingewieſen:
Das erſtere durch Fleiß, Gediegenheit und Zuverläſſigkeit gleich ausgezeichnete Werk, welches im Studium der deutſchen Privat - alterthümer eine Epoche bildet, geht nur bis zum Ende des ſechs - zehnten Jahrhunderts. Das Fehlende wird durch das zweite Werk ergänzt, welches, ſo tief als möglich ins Mittelalter zurück - reichend, erſt mit dem Jahr 1800 abſchließt. Obwohl es ſeinem Plane gemäß ſich nicht bloß auf Coſtüme, zumal deutſche, be - ſchränkt, ſo bilden ſie doch den hauptſächlichſten Gegenſtand, und die Auswahl iſt bereits mit Rückſicht auf die charakteriſtiſchen Zeitunterſchiede getroffen.
VIIIVorwort.Die ſtete Vergleichung, ich möchte ſagen, die Confrontirung mannigfacher bildlicher Quellen, wie ſie ſich wohl in ſeltnem Reichthum im germaniſchen Muſeum finden, mit den ſchriftlichen wurde mir durch meine hieſige Stellung im Weſentlichen erleich - tert. — Was ich hier und da aus den Quellen mitgetheilt und der Darſtellung eingefügt habe, mußte ich ihr in Ueberſetzung und Ausdruck accommodiren. Ich ſchloß mich, wenn ſie vorhan - den waren, guten Uebertragungen an, wie z. B. denen von Simrock und für die ältere Zeit — die lateiniſchen Dichter aus - genommen — der Pertziſchen Sammlung, indem ich nur da än - derte, wo Unkunde des Coſtüms ein leicht verzeihliches Mißver - ſtändniß hatte entſtehen laſſen.
Der zweite und letzte Theil wird die Geſchichte der Trachten bis in dieſes Jahrhundert herabführen. —
Nürnberg, im April 1858.
Jacob Falke.
Das ſtolze Rom, das ſo oft mit Zittern und Zagen der Ankunft der Germanen vor ſeinen Thoren entgegenſah, hatte allerdings ein Intereſſe dabei, wenn es ihr Land ſo entſetzlich und die Bewohner ſo außergewöhnlich wie möglich ſchilderte, denn die Gefährlichkeit und Größe der Gegner entſchuldigte die Furcht und verringerte die Schmach der Niederlagen. Indeſſen können wir doch bei der Einſtimmigkeit der Nachrichten nicht umhin, uns den Anblick Deutſchlands, nicht bloß im Verhältniß zum Garten Italien, ſondern überhaupt im hohen Grade uncultivirt und wild vorzuſtellen, hier mit Wäldern bedeckt, ſumpfreich und reg - neriſch, dort rauh, öde und ſtürmiſch. Bei aller möglichen Ueber - treibung leuchtet ſelbſt aus Senecas rhetoriſcher Abſichtlichkeit der Kern der Wahrheit uns entgegen, wenn wir die folgende Stelle leſen: „ Betrachte dir, “ſagt er in ſeinem Buch von der Vor - ſehung, „ alle die Völker, bei denen der Friede Roms ſeine Gränze findet, ich meine die Germanen und was ſonſt für Völkerſchaften jenſeits der Donau wandernd umherſchweifen. Ein beſtändiger Winter, ein trüber Himmel laſtet auf ihnen, kärglich gewährt ihnen die Nahrung der unfruchtbare Boden, gegen den Regen ſchützen ſie ſich durch Schilf und Laub, über die Eisdecken derFalke, Trachten - und Modenwelt. I. 12I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.Gewäſſer eilen ſie dahin, wilde Thiere erjagen ſie ſich zur Nah - rung. Keine Wohnungen haben ſie, keine Stätte, außer der, welche ihnen die Müdigkeit Tag für Tag anbefiehlt; dürftig iſt ihre Nahrung, und mit eigener Hand müſſen ſie ſich dieſelbe be - ſchaffen; ſchrecklich iſt die Unfreundlichkeit des Klimas; unbedeckt ſind ihre Leiber: ſo iſt das tägliche Leben der Völker. “ Der ganze Charakter der deutſchen Geſchichte in den erſten Jahrhunderten beſtätigt dieſen Anblick des Landes. In allen Feldzügen waren Boden und Himmel die gefährlichſten Feinde der Römer. Und die Germanen wußten dieſe Vortheile zu ſchätzen und trefflich zu nutzen: ſie zogen ſich unſichtbar in die undurchdringlichen Wäl - der zurück und ließen die Feinde allein in der unheimlichen, men - ſchenleeren, ſchweigenden Oede. Da warteten ſie ruhig, bis die - ſelben in die Sümpfe oder die Schluchten des Gebirgs geriethen, oder bis der Himmel ſeine Ströme herniederließ und den Boden erweichte und die Wege verdarb, oder der Sturm die Flotte an das ſeichte und unwirthliche Geſtade warf.
Wir glauben den Nachrichten der Alten nur zu gern, und gewiß nicht mit Unrecht, wenn ſie uns verſichern, daß unſre Vor - fahren all dieſen Widerwärtigkeiten, der Unfreundlichkeit des Klimas, der Rauheit des Bodens, der Näſſe und der Kälte gleich freudig getrotzt haben. Galt es die Wanderung, die Jagd, den Kampf, ſo gab es nichts, was auf ihren abgehärteten Körper Eindruck gemacht hätte. Auf ihren Schilden wie auf Schlitten ſitzend — mag immerhin der Römer Furcht die Fabel erſonnen oder vergrößert haben, ſie deutet die Wahrheit an — ſollen ſie die Schneeabhänge der Alpen herabgefahren ſein. Nackt oder nur mit einem leichten Mantel bedeckt, zogen ſie in die Schlacht, ent - weder um leichter zu ſtreiten oder um zu zeigen, daß ſie die vom Feinde kommenden Wunden verachteten, jedenfalls aus trotzigem Uebermuth. „ Unbekleidet, “ſagt der Geograph Pomponius Mela, „ leben ſie bis zur Zeit der Reife; die Männer hüllen ſich in kurze Gewänder oder in Baumbaſt, mag der Winter auch noch ſo ſtreng ſein. “ Cäſar ſcheint eigentliche Kleidung kaum bei ihnen bemerkt zu haben. „ Sie haben ſich, “ſagt er, „ der Gewohnheit er -31. Urzeit und Urzuſtände.geben, in dem kalten Lande gar keine Kleider zu tragen, außer Felle, deren Kleinheit einen großen Theil des Körpers bloß läßt, und in den Flüſſen ſich zu baden. “
Obwohl ſo voll trotziger Abhärtung, waren die Germanen dennoch ſchon in der Urzeit keineswegs Feinde eines bequemen, ſelbſt weichlichen Lebens, wenn ſie es haben konnten. Nicht um - ſonſt lockte ſie das herrliche, reizvolle Italien mit ſeinen Genüſſen und ſeinem ſüßen Nichtsthun zu immer neuen und neuen Zügen, obgleich der Untergang ſo vieler ihrer Stammesgenoſſen ſie wie - derholt hätte belehren können, daß, ſobald ſie die Höhe der Alpen überſchritten, ſie nur hinabſtiegen in ein offenes, wenn auch la - chendes Grab. Auch am heimiſchen Herd verſagten ſie ſich den Genuß nicht, wie ihn derſelbe bot: am Feuer lagen ſie ausge - ſtreckt, den nackten Körper der Gluth ausſetzend, nichts thuend, träumend und trinkend. Mit beſonderer Vorliebe waren ſie dem warmen Bad ergeben. Im Sommer zwar ſuchten ſie auch die kühlen Ströme auf, und die Römer hatten oft Gelegenheit, ihre Schwimmergewandtheit zu bewundern, im Winter aber, wenn ſie es anders im Stande waren, ließen ſie ſich täglich zu Hauſe ein warmes Bad bereiten, nach welchem ſie ſodann zum Frühſtück gingen. Wie ſtaunten die Soldaten des Marius, als ſie am Vortage der großen Vernichtungsſchlacht bei Aquä Sextiä einen Theil der Germanen überraſchten, wie er ſich in den warmen Quellen, die dort aus dem Boden ſprudeln, badete und im Ge - fühl des Wohlſeins laut jubelte vor Freude und Verwunderung über den herrlichen Ort. —
Ueber die Beſchaffenheit und die Form der Kleidung ſelbſt erhalten wir nur höchſt ungenügende Nachrichten. Auch Tacitus beſtätigt noch die verhältnißmäßige Dürftigkeit und Nacktheit. Nach ſeinem Bericht tragen alle einen Mantel, der durch eine Spange oder in Ermangelung derſelben durch einen Dorn (spina, d. h. wohl eine aus Holz geſchnitzte Nadel), auf der Schulter nämlich, feſtgehalten wird. Aber den meiſten iſt dieſes Kleidungs - ſtück Ein und Alles, und nur die Reichſten tragen unter dem Mantel noch ein anderes, welches ſich dem Körper eng anſchließt1*4I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.und die einzelnen Glieder in ihren Formen hervortreten läßt und nicht, wie bei den Sarmaten und Parthern, weit und faltig den Körper umfließt. Sagum nennt Tacitus dieſen Mantel und läßt uns dadurch auf Schnitt und Größe ſchließen, denn dieſer Ausdruck bezeichnet den kurzen römiſchen Soldatenmantel, der, ein einziges Stück Tuch, von der linken Schulter her mit beiden Seiten zur rechten Schulter hinübergelegt, dort mit einer Agraffe befeſtigt wurde, den rechten Arm und die rechte Seite frei ließ und bis zum Knie herabfiel. Wir dürfen den germaniſchen Man - tel ähnlich annehmen, umſomehr als Sagum ſelbſt, Name wie Sache, dem Gallier entlehnt ſein ſoll. Ueber die Beſchaffenheit des Unterkleides, über ſeine Länge, ob es Aermel gehabt oder nicht, würden wir völlig im Unklaren bleiben, wenn es nicht erlaubt wäre, aus ſpäteren Angaben auf Früheres zurückzu - ſchließen. Bis ins 10. Jahrhundert hinein geſchieht des engan - liegenden deutſchen Rockes Erwähnung, und er wird in dieſer Eigenſchaft öfter der weiten und längeren römiſchen Tunica ent - gegengeſetzt. Mit Hülfe dieſer Nachrichten vermögen wir ihn auch auf Bildwerken des 9. und 10. Jahrhunderts zu erkennen, wenn auch nicht ohne eingetretene Modificationen. Darnach hatte er enge Aermel bis zum Handgelenk, was übrigens noch aus dem Umſtande zu ſchließen wäre, daß Tacitus ihm das ärmelloſe Frauenkleid entgegenſtellt; doch geſchieht auch daneben der Halb - ärmel ausdrücklich Erwähnung. Am obern Theil des Körpers ſchmiegte er ſich eng den Formen an, wurde dann auf den Hüften ein wenig weiter, wo er vielleicht durch einen Gürtel, der öfter vorkommt, aufgebunden war, ſo daß ein kleiner Bauſch herüber - fiel. So iſt es wenigſtens ſpäter. Der untere Theil reichte nicht völlig bis zu den Knieen herab. Da er weder vorn noch auf dem Rücken eine Längenöffnung hatte, ſo mußte er über den Kopf an - gezogen werden. Als Stoff diente für ihn wie für den Mantel wohl urſprünglich eine mehr oder weniger grobe Wolle, doch ſcheint ſpäter die Leinwand bei ihm herrſchend zu werden. Dieſer Rock war, wie Tacitus verſichert, urſprünglich die auszeichnende Tracht des reichen und vornehmen Mannes, dann aber ging er51. Urzeit und Urzuſtände.mit ſteigender Civiliſation und mit dem Hereinbrechen römi - ſcher Formen auf das niedere Volk über, bei dem er noch lange blieb, wenn auch nicht, ohne ſich ſeinerſeits ein wenig ro - maniſiren zu laſſen. Indeſſen ſtoßen wir noch in der Zeit der Völkerwanderung, noch in der Mitte des 6. Jahrhunderts, auf Völkerſchaften, welche Bruſt und Rücken unbedeckt hatten, alſo der großen Mehrzahl nach den engen Rock nicht kannten.
Von einer Beinbekleidung oder beſtimmt von Hoſen, wie ſie Gallier und Dacier trugen und wie ſie von jenen auf die Römer übergingen, findet ſich in den erſten Jahrhunderten in Bezug auf die Germanen keine Spur, und es iſt umſomehr an - zunehmen, daß dieſelben ihnen im Allgemeinen unbekannt wa - ren, als Tacitus, der am genaueſten von der Kleidung berichtet, ihrer durchaus nicht gedenkt, und ſpäter noch die Nacktheit ger - maniſcher Beine aufs beſtimmteſte verſichert wird. Von den Lan - gobarden ſagt Paulus Diaconus geradezu, daß ſie Hoſen — er bedient ſich ſchon dieſes Wortes — von den Römern angenom - men hätten. Doch giebt es auch Ausnahmen, wie z. B. die Go - then im 4. Jahrhundert in Hoſen und einer eigenen Art von Stiefeln erſcheinen, aber das war im fernen Oſten an der Mün - dung der Donau, und als ſie ſich hier zeigten, hatten ſie bereits an der Nordſeite des ſchwarzen Meeres in langem Verkehr mit ſarmatiſchen und ſcythiſchen Völkerſchaften geſtanden.
Die dürftige Kleidung germaniſcher Männer erhält eine be - deutende Ergänzung durch Pelze. Ihr Gebrauch iſt nicht bloß durch die Nothwendigkeit hervorgerufen, um ſich gegen die Kälte zu ſchützen, denn ſchon in älteſter Zeit pflegten ſie nur einen klei - nen Theil des Körpers zu bedecken, und von Anfang an waren ſie bereits vielfach ein Luxusartikel, wie ſich denn die Vorliebe für ſie in gleicher Weiſe durch das ganze Mittelalter erhalten hat. Unbewußt mochte ſich mit dieſer Tracht, wenn die rauhe Seite nach außen gekehrt war, der Gedanke einſtellen, daß ſie dem Mann ein kriegeriſches und wilderes Anſehen gäbe, gleich dem freien Thier des Waldes. Die Völkerſchaften am Rhein legten6I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.weniger Werth auf dieſen Gegenſtand, obwohl ſie ſich ebenfalls der Felle bedienten, die aber weiter nach Oſten hin und im Nor - den wohnten, verfuhren ſchon wähleriſcher. Sie ſuchten ſich die Thiere aus und beſetzten die abgezogenen Felle hermelinartig mit Stücken von andern buntgefleckten, die über die Oſtſee herüber, aus Schweden, Finnland, vor allem aber ſchon früh aus Ruß - land auf dem Wege des Binnenhandels zu ihnen kamen. Das ſogenannte Buntwerk oder Veh war alſo ſchon früh den alten Germanen bekannt. Bepelzte Männer hießen die Germanen noch lange im Munde der Römer.
Das Wenige, was wir von der Tracht altgermaniſcher Frauen erfahren, verdanken wir wieder Tacitus allein. Die Frauen, ſagt er, kleiden ſich nicht anders wie die Männer, nur hüllen ſie ſich öfter in leinene Gewänder, die ſie bunt mit Pur - pur beſetzen, tragen keine Aermel, ſondern laſſen Arme und Schultern nackt, und auch der nächſte Theil der Bruſt bleibt noch ſichtbar. Demnach ſind zwei Kleidungsſtücke anzunehmen, ein unteres, ärmelloſes, welches der römiſchen Frauentunica ähnlich, doch enger ſein mochte und die Körperformen hervorhob, und ein Mantel, der von hinten übergelegt und auf der Bruſt mit einer Spange gehalten wurde. Daß beide länger waren als die ent - ſprechenden männlichen Kleider, iſt ſelbſtverſtändlich. Leinewand wurde, wie auch ſpäter noch, weit höher geſchätzt als die Wolle, und ſie wurde von den germaniſchen Frauen ſelber gewoben. „ In ganz Gallien webt man Leinenzeug, “ſagt der ältere Plinius, „ jetzt thun es auch ſchon die Feinde jenſeits des Rheins, und kein ſchöneres Gewand kennen ihre Frauen. “ Die hohe Bedeutung, welche dieſer Stoff in heidniſchen Zeiten hatte, giebt auch die Mythologie kund. Frau Bertha, die Göttin, iſt ſehr achtſam auf den Flachsbau und das Spinnen. Sie ſchaut ſelber nach in den Spinnſtuben und theilt Spulen aus, die abgeſponnen werden müſſen; und die Fleißigen, welche zur rechten Zeit fertig werden, beſchenkt ſie mit ſchönem Flachs, — wehe aber den faulen Mäg - den! Schon den Cimbern war leinene Kleidung nicht unbekannt. Man erzählt von ihnen, daß unter den Weibern, welche ſie auf71. Urzeit und Urzuſtände.ihrer Heerfahrt begleiteten, weiſſagende Prieſterinnen geweſen ſeien, grau vor Alter, in weißen Kleidern, darüber Mäntel von feinſtem Flachs, mit einem ehernen Gürtel, unbeſchuht. Das ſind die heiligen und reinen Frauen, die gewöhnlich einſam leb - ten und in dringenden Fällen ihren Rath wie Orakelſprüche er - theilten, dafür aber die höchſte Verehrung von Seiten des Volks genoſſen. Die weiße Farbe iſt bei ihren Kleidern nicht ohne tie - fern Sinn, wie in der Götterlehre die weißen und lichten Gott - heiten als die ſegenſpendenden, guten den ſchwarzen, dunklen, böſen entgegengeſetzt werden. Schwarz war auch ſchon damals die Farbe der Trauer. Als die Teutonen, in der großen Schlacht auf der raudiſchen Ebene geſchlagen, zurückflohen zur Wagenburg, da ſtanden ihre Frauen in ſchwarzen Trauergewändern auf den Wagen und bereiteten den Flüchtigen mit Hohn und Gewalt einen unwillkommenen Empfang. Ob ſie ſonſt farbige Kleider getragen, wird zwar nicht ausdrücklich berichtet, es läßt ſich aber immerhin annehmen, da nicht viel ſpäter ihrer hinlänglich Er - wähnung geſchieht und Luſt an Putz und heller Farbenpracht ihnen ſo wenig fehlte, wie andern Völkern, die dem urſprüngli - chen Zuſtande nahe ſtehen. Die Frauen, wie wir wiſſen, beſetzten die leinenen Kleider mit Streifen von Purpur, mochte er auch ſchwerlich ächt ſein, und die Männer bemalten ihre Schilde in den lebhafteſten Farben.
Auch die Pflege des Körpers aus Rückſichten der Schönheit war keineswegs etwas Unbekanntes. Die Frauen nahmen die Bäder vorzugsweiſe aus Sorge für die Hautfarbe und ſcheinen zu dieſem Zweck auch den Schaum des Bieres benutzt zu haben. Die verſchiedenen Nachbaren der Germanen, die ſich keineswegs auf höherer Stufe der Kultur befanden, die Kelten, Sarmaten, Dacier kannten ſchon die Schminke; ſie wird auch den Germanen damals ſchwerlich unbekannt geweſen ſein. Die Ausgrabungen haben uns noch mit einer Menge zur Toilette dienenden Gegen - ſtände bekannt gemacht; da fand man Kämme von Bein und Bronce, Ohrlöffel, kleine Zängelchen und andere kleine Inſtru - mente, oft an einem Ringe ähnlich einem Schlüſſelbund aufgezo -8I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.gen. Das alles läßt auf eine ſorgfältige und ins Kleinliche gehende Pflege der Schönheit ſchließen.
Insbeſondere hatte ſich das berühmte blonde Haar der höchſten Pflege und Sorgfalt zu erfreuen und wurde einer aus - geſuchten, ans Raffinement grenzenden Behandlung unterzogen. Zwar iſt zu allen Zeiten und bei allen Völkern, die ſich über die erſte Stufe eines blos vegetirenden Daſeins erhoben haben, das Haar ſtets der Favorit der Toilette geweſen, und iſt es ebenſo noch heut zu Tage, dennoch iſt die faſt ſtutzerhafte Eitelkeit der rauhen, halbnackten oder pelzbekleideten Waldesſöhne in dieſer Beziehung nicht wenig zu verwundern. Und die Männer, ſo wird ausdrücklich verſichert, zeigen dieſe Leidenſchaft noch mehr als die Frauen. Die blonde Farbe des Haars ſchätzten nicht bloß die Römer, ſondern die Germanen ſelbſt liebten ſie ſo ſehr, daß ſie mit künſtlichen Mitteln einem etwaigen Mangel der Na - tur zu Hülfe kamen. Dadurch wird uns zugleich dieſe Eigenſchaft als ein durchgängiges und charakteriſtiſches Stammeszeichen er - klärlich. Doch dürfen wir annehmen, daß alle Nüancen vom hellen, weißlichen Blond bis zum röthlichbraunen vorkamen; die verſchiedenen Ausdrücke, mit denen die Griechen und Römer das germaniſche Haar bezeichnen, dürften das beweiſen. Es gab eine Salbe oder Seife, aus Ziegenfett und Buchenaſche gemacht, flüſſig oder in feſter Geſtalt, welche das Haar gelb zu färben ver - mochte, wie Martial ſagt, „ ein kauſtiſcher Schaum, der das teu - toniſche Haar in Flammen ſetzt. “ Auch „ bataviſchen Schaum “nennt ſie derſelbe Dichter. Die Germanen bedienten ſich fleißig dieſes Mittels, und von ihnen erſt lernten es die Römer kennen, bei denen im erſten Jahrhundert unſrer Zeitrechnung, ſeitdem ſie die ſchönen Germaninnen geſehen und bewundern gelernt hatten, das blonde Haar völlig Modeſache geworden war. Diodor von Sicilien erwähnt einer Lauge von Kalk, welcher ſich die Germa - nen zu dem gleichen Zweck bedient hätten, und Sidonius Apolli - naris weiß gar von geronnener Milch (? infundens acido co - mam butyro) zu ſprechen, welche die Burgunder ins Haar goſ - ſen. Die römiſchen Damen aber begnügten ſich nicht mit der91. Urzeit und Urzuſtände.Salbe oder den germaniſchen Kräutern, welche Ovid erwähnt, weil ihr brünettes Haar derſelben vielleicht mehr Widerſtand lei - ſten mochte, oder auch weil die damalige Mode großer Coiffüren nicht mit dem zufrieden war, was die Natur in einzelnen Fällen gewährt hatte; ſie ließen ſich aus dem fremden Haar Perücken machen, die ſie in vielfachen, oft grotesken Geſtalten trugen. Manche deutſche Gefangene mußte aus dieſem Grunde ihren ſchönſten und natürlichſten Schmuck, das blonde Haar, einer rö - miſchen Dame abtreten, ja vielleicht nur durch den Beſitz dieſes Schatzes hatte ſie ihr unglückliches Loos ſich zugezogen. Denn an den Gränzen Germaniens jagten die römiſchen Kaufleute eifrigſt dieſem Artikel nach; das deutſche Frauenhaar war ein ſtehender und guten Gewinn tragender Handelsgegenſtand geworden. — Einigen Kaiſern, wie Commodus, Verus, Gallienus, wird auch nachgeſagt, daß ſie aus Liebe zum germaniſchen Blond ihr Haar mit Goldſtaub gepudert hätten. Caracalla trug gar, den Damen gleich, eine gelbe Perücke nach deutſcher Friſur, ſeiner deutſchen Leibwache zu Gefallen.
Die deutſchen Männer blieben in ihrer Eitelkeit nicht bei der Farbe ſtehen, ſie behandelten das Haar ſchon damals in ſo künſt - licher Weiſe, daß Juvenal ihrer Haarhörner aus geſalbten Locken ſpotten konnte. Am auffallendſten unter den verſchiedenen Völ - kerſchaften trugen ſich die Sueven. Sie kämmten ihr Haar aus Stirn, Schläfen und Nacken nach dem Scheitel zu, banden es oben in einen Knoten zuſammen und ließen es dann wie eine Art Zopf nach hinten in den Nacken herunter fallen. Dieſe Sitte beobachteten ſie bis ins Alter, ſelbſt wenn das Haar grau und dünn wurde. Und nicht der Liebe zu Gefallen ſchmücken ſie ſich ſo, ſagt Tacitus, ſondern um dem Feinde ein Schrecken erregen - des Aeußere zu zeigen. Die Sueven, die ſich für die vorzüglich - ſten aller Germanen hielten, ſahen dieſe eigenthümliche Tracht als eine Auszeichnung ihres Stammes an. Als ein Paar Jahr - hunderte ſpäter die Franken in der Geſchichte auftreten, wird von ihnen dieſelbe Sitte berichtet; und daneben ſchoren ſie die Wan - gen und das Kinn, ließen aber den Schnurrbart zu beiden Seiten10I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.des Mundes in möglichſter Länge herabfallen. Dieſen behielten ſie noch längere Zeit, während ſie den Schopf bald aufgegeben zu haben ſcheinen, da ſie nicht lange nach dem Auftreten Chlod - wigs kurz gehaltnes Haupthaar tragen.
Wir verzeihen aber dieſe Eitelkeit und lernen ſie verſtehen aus der höhern Bedeutung, welche der Germane mit dem Haupt - haar verknüpfte. Daſſelbe war unter den germaniſchen Stämmen, zuſammt dem Bart, durchweg das Zeichen des freien Mannes; dieſer ließ es überall wenigſtens bis zu gewiſſer Länge und unter gewiſſen Bedingungen wachſen, während es der Sklave kurz ge - ſchoren trug. Zugleich war es ein Unterſcheidungszeichen von den Römern wie von andern umwohnenden Völkerſchaften. Auch die Gallier, die ſonſt am meiſten ihren öſtlichen Nachbarn glichen, trugen es kurz, denn als der ruhmeseitle Kaiſer Caligula einſt über die unbeſiegten Germanen einen Triumph halten wollte, und er dazu der Gefangenen bedurfte, die er nicht hatte, ſo ſuchte er ſich aus den Galliern die größten Leute heraus, über die zu triumphiren es ſich der Mühe zu lohnen ſchien, und zwang ſie das Haar wachſen zu laſſen; bis dahin mußte freilich das ſchau - luſtige Rom des Triumphes warten. Ein freier Mann, der als Kriegsgefangener oder durch gerichtliches Urtheil oder als Einſatz des Spiels, denn bis ſoweit herrſchte dieſe Leidenſchaft im alten Germanien, ſeine Freiheit verlor, büßte zunächſt Haar und Bart durch das Scheermeſſer ein. Die Handlung ſelbſt hatte ſymboli - ſche und rechtskräftige Bedeutung. Wer ſich Haar und Bart ab - ſchneiden ließ, gab ſich damit in die Gewalt desjenigen, der es abſchnitt.
Nur ſcheinbar macht der freie Franke eine Ausnahme. Er trug ſpäter namentlich im Nacken das Haar weit kürzer als die übrigen Germanen, wenn auch nicht dem Sklaven gleich, und den Bart bis auf den langen Schnurrbart geſchoren, nicht aber, weil bei ihm dieſer Schmuck weniger Ehre genoß, ſondern weil ſich ſeine Bedeutung auf die höchſten Freien, den König und ſein Geſchlecht, concentrirte. Darum führen ſchon früh die Merovin - ger den Namen der gelockten Könige. In der Schlacht waren ſie111. Urzeit und Urzuſtände.weither ſchon den Feinden ſichtbar und leuchteten den Ihrigen leicht kenntlich voran. Später noch, als ihnen durch die wach - ſende Macht der Hausmeier nichts geblieben war, als die Würde und der Name, da ſaßen ſie noch auf dem Thron mit langem, die Schultern umfließendem Haupthaar und ungeſchorenem Bart, um den Herrſcher zu ſpielen. Setzten die Hausmeier oder ein Kronprätendent den ſchwachen König ab, ſo ſchnitt man ihm al - ſobald Haar und Bart, um ihn einſtweilen für den Thron un - fähig zu machen. Als aber die Karolinger zur Herrſchaft auch den königlichen Titel ſich beilegten, nahmen ſie doch das Vorrecht der Merovinger nicht an; ſie behielten ihr kurzes Haar und den Schnurrbart, wie die andern Freien und Fürſten ihres Stam - mes. Fortan hörten die Franken auf „ gelockte “Könige zu haben.
Auch bei den Langobarden nimmt in älteren Zeiten ihr Ge - ſchichtſchreiber Paulus Diaconus den langen Haarwuchs an Haupt und Bart an; von dem letzteren, an den kein Scheermeſſer gekommen ſei, leitet er ihren Namen ab, da ſie urſprünglich Wi - niler hießen. Auch die alte Erzählung, die ſich hieran knüpft, von den Frauen, die, das lange Haar um Geſicht und Kinn ge - bunden, Langbärten gleich, vor das Antlitz Wodans treten, kann zur Beſtätigung dienen. Später, da die Langobarden ſchon in Italien ſaßen, trat eine Aenderung ein, denn zur Zeit der Köni - gin Theudelinde, alſo gleich nach dem Jahre 600, hatten ſie Nacken und Hinterkopf glatt geſchoren, und die übrigen Haare, in der Mitte der Stirn geſcheitelt, hingen zu beiden Seiten über die Wange bis zur Tiefe des Mundes herab. Ein mäßig langes Haupthaar bis zur angegebenen Tiefe herabreichend, mit einem Bart, der Kinn und Wangen ziemlich kurz umzieht, die Lippen aber frei läßt, tragen ſie noch in der zweiten Hälfte des 8. Jahr - hunderts am Hofe des Arichis, Herzogs von Benevent, während dieſer ſelbſt, vom griechiſchen Kaiſer der Ehre des römiſchen Pa - tricius gewürdigt, mit dem Purpurmantel auch Kamm und Scheere überſchickt erhalten hat, das Haar nach griechiſch-römi - ſcher Sitte zu verſchneiden.
Die Sachſen ſind noch lange bekannt wegen ihres durch -12I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.gängig längeren Haarwuchſes; denſelben aber gänzlich an Haupt und Bart ungeſchoren zu laſſen, dazu konnten ſie nur beſondere Gründe bewegen. So geſchah es einſt jenen Sachſen, welche die Langobarden nach Italien begleitet hatten, und als ſie von die - ſem Zuge zurückkehrten, ihre alten Wohnſitze von Schwaben ein - genommen fanden. In einer Schlacht von dieſen geſchlagen, ge - loben ſie nicht eher Haupthaar noch Bart zu ſcheeren, bis ſie an ihren Feinden Rache genommen. Sie kamen nicht dazu, denn in der zweiten Schlacht erlagen ſie gänzlich.
Solche Gelübde finden wir ſchon in den frühſten Zeiten mit dem Haar verbunden. Von den Chatten erzählt Tacitus, daß, ſobald ſie herangewachſen ſind, ſie Haar und Bart lang wachſen laſſen, und dieſe Tracht, die ſie zum Gelübde gemacht und mit welcher ſie ſich der Tapferkeit geweiht haben, nur dann ablegen, wenn ſie einen Feind getödtet haben. „ Ueber der blutigen Beute des erſchlagenen Feindes enthüllen ſie wieder ihre Stirn und glauben, daß ſie dann erſt den Preis für ihre Geburt zurückge - zahlt und ſich des Vaterlandes und der Aeltern würdig gezeigt haben. “ So legt auch Claudius Civilis, der kühne und kluge Führer der Bataver, einem Gelübde zufolge, welches er beim Be - ginn des Aufſtandes gethan, ſein langes röthliches Haar erſt dann ab, als die römiſchen Legionen vernichtet ſind. Trauerfälle konnten Aehnliches veranlaſſen. Beim Tode des Germanicus legten einige Germanenfürſten zu Ehren des Verſtorbenen den Bart ab und ſchoren ihren Frauen den Kopf zum Zeichen der tiefſten Trauer.
Ueber den Schmuck unſerer heidniſchen Vorfahren ſchwei - gen die Mitlebenden; ſie wiſſen nur zu erzählen, daß die Deut - ſchen ihn nicht verſchmäht, ja daß ſolche Geſchenke mehr als alles andre auf ſie Eindruck gemacht hätten. Die Thatſachen aber, die uns aus der Eröffnung ihrer alten Grabſtätten entgegen treten, erſetzen uns reichlich, was die Römer verſäumt haben. So müſ - ſen nun nach faſt zweitauſend Jahren die Todten reden, der ſtumme Mund der Gräber wird beredt und erzählt uns von man - cherlei vergangener Herrlichkeit, deren Kunde uns ſonſt ewig ver -131. Urzeit und Urzuſtände.ſchloſſen wäre. Freilich iſt dieſe Herrlichkeit bei allem Reichthum wieder eine ſehr beſcheidene, denn einmal war Gold und Silber als Erzeugniß des heimiſchen Bodens damals eine unbekannte Sache, und das Erz, das ärmliche, mußte den Stoff bilden zu den Waffen wie zum Schmuck. Es war noch die Zeit, wo ſelbſt die Götter, wie es im Voluspalied der Edda heißt,
‘„ die Aſen Erbauten Eſſen und ſchmiedeten Erz, Schufen Zangen und ſchön Gezäh. Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln Und kannten die Gier des Goldes noch nicht. “’ ((Simrock.) )Aber es glänzte damals in ſeiner Neuheit das Erz wie Gold, und war nicht wie heut zu Tage nach der langen Ruhe in den Grä - bern von dem „ edlen Roſt “der Alterthümler grünlich und glanz - los angelaufen. Andrerſeits ſtand die Kunſt der Ornamentik zu jener Zeit auf einer ſehr niedrigen Stufe, ja faſt auf der unter - ſten, welche nur der jedem Volke angeborne Verſchönerungstrieb einnehmen kann. Die einfachſten Elemente, mit denen die Kunſt beginnt, die grade und die krumme Linie, da angebracht, wo ſie zur Zweckmäßigkeit nicht in Betracht kommen, finden ſich hier vor. Denn nichts kann dem ſich in ſeiner Urſprünglichkeit zum erſten Mal regenden Triebe zur Verzierung näher liegen, als die Gränzlinien, welche irgend einem Gegenſtand durch ſeine Zweck - mäßigkeit geſetzt ſind, durch einen Strich zu begleiten. So fängt in der That die deutſche Kunſt in der heidniſchen Zeit an, wie uns der Inhalt der Gräber lehrt, und ebenſo auch die Kunſt jedes andern auf einer niedern Stufe der Civiliſation ſtehenden Volkes. Die grade Linie alſo, welche eine natürliche Gränze begleitet, iſt das erſte Ornament; ſie verdoppelt ſich zu parallelen Streifen, zu Bändern; ſie bricht ſich in regelmäßigen Abſtänden und es ent - ſteht das Zickzack; in gleicher Weiſe brechen ſich die parallelen Streifen, verbinden ſich wieder zu Reihen und laufen im Zickzack neben einander her. Aus der Durchſchneidung der Linien und der Bänder entſteht netzförmiges Ornament; verbindet ſich mit einem Band die Zickzacklinie, ſo entſtehen Zacken.
14I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.Auf dieſe einfachen und urſprünglichen Motive beſchränkt ſich die Anwendung der graden Linie auf die Schmuckſachen der Deutſchen in der Zeit vor allen chriſtlichen und römiſchen Ein - flüſſen. Ein völlig entſprechender Gebrauch iſt von der krummen Linie gemacht. Statt des Zickzacks wird ſie zur Wellenlinie, in ſich zurückkehrend bildet ſie den Kreis, vervielfacht ſich zu concen - triſchen Kreiſen, windet ſich um einen Cylinder in die Spirale. Dieſe findet auch auf der Fläche ihre Anwendung. Wenn die beiden Enden der krummen Linie nach derſelben oder nach entge - gengeſetzten Seiten gewunden werden, entſteht die ſehr beliebte Doppelſpirale. Die meiſte Willkür liegt ſchon in der mäandern - den Bewegung.
Indem man ſich mit dieſer Linienverzierung begnügt, ſei es, daß man ſie auf ebene oder krumme Flächen einritzt, oder, worin ſchon ein weiterer Schritt liegt, durch Windungen von Draht herzuſtellen ſucht, bleibt man doch auf einer untern Stufe der Verſchönerungskunſt ſtehen, indem man nirgends zum Relief, zum plaſtiſchen Ornament gelangt. Die Gegenſtände aber, bei welchen ſie Anwendung finden, ſind ſehr mannigfach, und wir erkennen daraus, wie weit die Liebhaberei zu Schmuckſachen bei unſern heidniſchen Vorfahren ging. Der Mantel bedurfte zum Zuſammenhalten auf der Schulter oder der Bruſt einer Nadel, die ſich mit Anwendung der Spirale in mannigfacher Weiſe zur Spange oder Agraffe entwickelte. So z. B. iſt eine gewöhnliche Form die der entgegengeſetzten, flachen Doppelſpirale, bei welcher die beiden Enden des Drahtes aus der Mitte der Spiralen her - ausgehen, die eine ſich zum Haken umbiegt, während die andere längere als Nadel mit federnder Kraft in jene eingreift. Bei einer andern Form bildet der Draht einen Bügel, von welchem das eine Ende einen Haken oder eine kleine Mulde bildet, in welche das zweite, nachdem es eine kleine Spirale gemacht, als Nadel elaſtiſch ſich einlegt. Oft ſcheinen ſolche Spangen der Bruſt vor - geſteckt geweſen zu ſein, wie unſre Brochen blos zum Schmuck, ohne den Zweck, irgend etwas zu halten. Haarnadeln wurden in großer Menge getragen; als Knopf dient häufig eine Spirale,151. Urzeit und Urzuſtände.aus der Fortſetzung der Nadel gewunden, oder eine mit Linienor - nament verzierte Scheibe. Auch Reife umſchloſſen das Haar in Form einfacher Ringe, oder zu Diademen ausgebreitet und mit derſelben Verzierung reichlich verſehen. Mannigfach finden ſich Diademe, welche nicht groß genug ſind, den ganzen Kopf zu um - ſpannen, und daher ſehr künſtlich über der Stirn befeſtigt werden mußten; vorne pflegen ſie in der Breite bis zu zwei Zoll empor - zuragen, während ſie nach den Seiten ſchmäler werden und hin - ten nicht geſchloſſen ſind. Vielleicht deuten ſie auf eine ſehr künſt - liche Haartracht hin. Die Hals - und Armringe finden ſich beſon - ders zahlreich, beide ſind nicht geſchloſſen, ſodaß ſie, ſehr elaſtiſch gearbeitet, ſich ausweiten nach der Stärke des Armes oder des Halſes. Ihre Formen wachſen an vom einfachſten Drahtring bis zum breiten Band. Während der Halsring vorn auf der Bruſt breiter ſein konnte, winden ſich die Armringe in ſchlangenartigen Spiralen; welche Formen alle wieder von eingeritzten Linien um - zogen ſind. Die Ohrringe pflegen aus einem einfachen dünnen Reife, unten mit einem Knopf, zu beſtehen. Aehnlich ſind die Fingerringe. Auch Gürtelſchnallen werden gefunden.
Von dieſem Schmuck machten die Männer theilweiſe faſt noch ausgedehnteren Gebrauch, als die Frauen. Von ihnen vor - züglich wurden die Armringe getragen, und zwar in ſolcher Menge, daß ſie ſich ſchon zu Dutzenden an einem Arm gefunden haben. Der Gebrauch, der von denſelben gemacht wurde, und die Art der Erwähnung in ſpäterer Zeit beweiſen, daß man ſich ihrer nicht zum Schutze wie einer Rüſtung bediente, ſondern daß ſie lediglich ein Schmuck waren. Es wurde aber von den Män - nern ein außerordentlicher Werth auf ſie gelegt, und ſie waren das wirkſamſte Mittel für den Fürſten und den Geleitsführer, ſeine Freunde an ſich zu feſſeln. Darum lagen ſie auch in den königlichen und fürſtlichen Schatzkammern in großer Menge auf - gehäuft, ſodaß die „ rothen Ringe “oft für den Hort ſelbſt gebraucht werden. Die Freigebigkeit mit dieſen Ringen oder „ Baugen “(von biegen) erſtreckte ſich auch auf die Sänger und die Dichter, von welchen ſolche Tugend hochgeprieſen wird, wie es von Alboin dem16I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.Langobarden heißt, daß keines andern Hand ſo leicht, keines an - dern Herz ſo freigebig an Ringen und leuchtenden Baugen ſei. Im Gegentheil wird es auch als ſchlechte Eigenſchaft eines Herr - ſchers getadelt, daß er niemals verdienten Helden Ringe geſchenkt habe. Freunde oder auch Feinde, die ſich im Kampf tapfer be - ſtanden, tauſchten zur Erinnerung ihre Armringe mit einander aus. In dieſen Bedeutungen ſind die Baugen in die Sage über - gegangen, wenn auch mit Umwandlung des dunklen und bald feilen Erzes in das ſo hoch geſchätzte leuchtende Gold, und noch ſpät in chriſtlicher Zeit findet ſich in Lied und Sage die altheid - niſche Sitte wieder, als ſie längſt aus dem Leben verſchwunden. Als Walter von Aquitanien dem Hofe des Hunnenkönigs Etzel entflieht, nimmt er aus deſſen Schatze an Baugen mit, ſo viel er kann, und ihre Zahl war ſo beträchtlich, daß er dem Burgunden - könig Gunther ihrer hundert als Geſchenk zu bieten vermochte. Hildebrand, des Dietrich von Bern Genoſſe und Dienſtmann, nach langer Abweſenheit wieder heimkehrend, führt Baugen, aus byzantiniſchen Goldmünzen geſchlagen, mit ſich. Auch im Ni - belungenliede lebt noch die alte heidniſche Sitte. Als Siegfried nach Worms zurückkehrt, um die glückliche Gewinnung der Brun - hilde als Braut Günthers der Chriemhilde zu verkünden, da reicht ihm die Königstochter als Botenlohn 24 Armringe; und beim Abſchied der Burgundenhelden von Pechlarn legt die Mark - gräfin Gotelinde dem trefflichen Spielmann Volker 12 Ringe um die Hand.
Im Beowulflied erſcheint die Königin ebenfalls als Ringſpen - derin, indem ſie mit dem Becher noch zwei Armringe von gewun - denem Golde und einen herrlichen Halsring dem Beowulf unter holden Worten überreicht. — Als Karl der Große, ſo erzählt die171. Urzeit und Urzuſtände.Chronik von Novaleſe, den Deſiderius bezwungen und unſchäd - lich gemacht, hatte er noch lange an deſſen Sohn, dem ſtarken Algis, einen gefährlichen Feind. Einſtmals ſaß König Karl in Pavia zu Tiſch, da hatte ſich an das untere Ende der Tafel ein Fremder geſetzt, der ließ ſich alle Knochen geben, zerbrach ſie, ſog wie ein hungriger Löwe das Mark aus und warf ſie dann unter den Tiſch. Das machte einen tüchtigen Haufen aus, und als nach Aufhebung der Tafel der König denſelben erblickte, fragte er ſtaunend nach dem Urheber[.]Es ſaß hier ein ſtarker Degen, hieß es, der zerbrach alle Hirſch -, Bären - und Ochſenknochen, als wä - ren es Hanfſtengel. Der König erkannte bald, daß es der ſtarke Algis geweſen, und es war ihm höchſt ärgerlich, daß er ihn ſo ungeſtraft davon gelaſſen hatte. Da machte einer den Vorſchlag, dem Algis, der zu Schiff entkommen, nachzuſetzen und zu tödten. „ „ Gieb mir deine goldenen Armſpangen, und ich will ihn damit berücken. ““ Der König gab ſie ihm alsbald und jener eilte ſchnell dem Algis zu Lande nach, bis er ihn einholte. Als er ihn von ferne ſah, rief er ihn bei ſeinem Namen, und meldete ihm dann, daß Karl ihm ſeine goldenen Armſpangen zum Geſchenk ſende, er ſolle nur mit ſeinem Schiff ans Land fahren. Algis that ſo: wie er aber näher kam und die Gabe auf der Spitze des Speers ſich darreichen ſah, ahnete er Verrath, warf ſeinen Panzer über die Schulter, nahm ſeinen Speer zur Hand und rief: „ „ Was du mir mit dem Speer reichſt, will ich auch mit dem Speer empfangen. Sendet mir übrigens dein Herr betrüglich dieſe Gabe, damit du mich tödten mögeſt, ſo will ich ihm doch nicht nachſtehen und ſchicke ihm dafür meine Armſpangen. ““ Er reichte ſie jenem hin - über, der, in ſeiner Erwartung getäuſcht, heimkehrte und dem Kö - nig Karl des Algis Armſpangen brachte. Wie aber Karl ſie an - legte, ſo fielen ſie ihm bis auf die Schultern. Da rief Karl aus: „ „ Es iſt kein Wunder, daß dieſer Mann Rieſenſtärke hat. ““— Geſchichtlich begegnen uns noch die Armſpangen am Ende des 9. Jahrhunderts. Liutprand nämlich erzählt in ſeinem Buche der Vergeltung, daß Arnulf den Grafen von Bergamo, mit Schwert, Wehrgehenk, Armſpangen und ſeinen koſtbarſten Kleidern ange -Falke, Trachten - und Modenwelt. I. 218I. Aelteſte Zeit bis zu den Krenzzügen.than, vor dem Thore der Stadt habe aufknüpfen laſſen. Doch iſt es bemerkenswerth, daß dieſer Schmuck auf Abbildungen nicht zu entdecken iſt, es ſei denn, daß die ringartigen Wülſte dafür zu halten wären, welche uns auf den Bildern der Angelſachſen und anderer vor dem Jahre 1000 und noch ſelbſt bei den Soldaten der Egſterſteine (1115) am Unterarm der Männer ſehr häufig be - gegnen. Die Unzulänglichkeit der Zeichnung läßt uns nicht zur Gewißheit kommen. —
Wenn wir einen Blick auf das bisher Mitgetheilte zurück - werfen, und dem Reſultate nach alle die Aufſchlüſſe überſchlagen, welche die Schriftſtellen der Alten und die Gräberfunde uns ge - währt haben, ſo reicht das noch nicht hin, ein vollſtändiges Bild in uns entſtehen zu laſſen. Es bleiben noch manche Lücken aus - zufüllen. So iſt über Fußbekleidung und Kopfbedeckung durch - aus nichts mitgetheilt worden, und daß Schuhe im Gebrauch waren, vermögen wir, wenn es ſich nicht von ſelbſt verſtände, nur aus der beſondern Erwähnung unbeſchuhter Frauen zu ſchlie - ßen. So viel auch das blonde Haar erwähnt und beſprochen wird, nirgend wird geſagt, in welcher Form es die germaniſchen Frauen getragen haben. Auch über Form und Länge der Kleider iſt das Nähere unbekannt. Doch ſtehen die allgemeinen Grund - züge feſt, und die Hauptunterſchiede von dem römiſchen Coſtüm, welche für die Folgezeit wichtig werden, ſind leicht anzugeben. Wenn wir die Tracht der Vornehmen, bei denen ſich die Kleidung allein in völliger Ausbildung zeigt, als maßgebend annehmen, ſo beſtand ſie bei Männern wie bei Frauen aus zwei ſich entſpre - chenden Stücken, einem, welches über den Kopf angezogen, und einem, welches um die Schultern gehängt wurde; jenes, das Kleid und bei Männern der Rock, ſchloß ſich dem Oberkörper eng an, während dieſes, der Mantel, frei und loſe herumſchlug und auf der rechten Schulter, oder bei Frauen vielleicht auch auf der Bruſt, mit einer Nadel befeſtigt war. Dazu geſellt ſich noch Pelzwerk und ein reichlicher Schmuck.
In der Zeit, die hier in Frage kommt, als nämlich die cul - turhiſtoriſchen Einwirkungen der antiken Welt auf das Germa -191. Urzeit und Urzuſtände.nenthum begannen, beſtand die römiſche Kleidung aus denſelben Grundſtücken, für Männer wie für Frauen, aus einem Kleide, welches über den Kopf angezogen, und einem Mantel, welcher um die Schulter gelegt wurde. Damals in der Kaiſerzeit war mit dem Untergang des ächten Römerthums, mit dem Verfall der alten Sitten und der alten Bürgertugend auch die Toga, dieſes bezeichnende Kleidungsſtück des römiſchen Bürgers, welches aller - dings von jedem fremden nach Schnitt und Umwurf grundver - ſchieden war, ebenfalls aus dem gewöhnlichen Leben verſchwun - den und wurde nur bei feierlichen Gelegenheiten angethan. End - lich blieb es nur die Amtstracht der höchſten Beamten, und iſt ſo als Kleidung der himmliſchen und irdiſchen Götter in die chriſt - liche Kunſt des Mittelalters bei Chriſtus und den Apoſteln über - gegangen, und hat auch hier im mächtigen Faltenwurf den Cha - rakter der ruhigen und ſtrengen Größe bewahrt. An die Stelle der Toga trat der eigentlich griechiſche Mantel, welcher, von der linken Schulter her leicht umgeſchwungen, auf der rechten mit einer Agraffe befeſtigt und von allen Seiten, die rechte offen laſ - ſend, leicht und ungezwungen, aber faltenlos und unſchön, faſt bis auf die Füße herabfiel. Den urſprünglicheren römiſchen Na - men Lacerna vertauſchte er ſpäter mit dem allgemeineren Pal - lium, mit welchem er nach Deutſchland herüberwanderte. Im Kriege trug der Römer dieſen Mantel kürzer, aber von derſelben Form, und nannte ihn dann Sagum. Unter dem Mantel wurde als allgemeines und nothwendiges Stück die Tunica ge - tragen, ein weiter, nicht aufgeſchlitzter, gewöhnlich gegürteter und urſprünglich ärmelloſer Rock, welcher über den Kopf angezogen wurde; er pflegte bis weit unter das Knie herabzufallen. — Die Kleidung der Römerin entſprach völlig der männlichen. Auch ſie hatte das charakteriſtiſche Stück, die Stola, welches die römi - ſche Matrone unterſchied und der Toga entſprach, allmählig ab - gelegt und mit einem Mantel, Pallium, vertauſcht, der auf der Bruſt mit einer Agraffe befeſtigt wurde. Ihre Tunica glich der männlichen, nur war ſie länger und fiel in reichen Falten auf die Füße herab. — Außer dieſen beiden Hauptkleidungsſtücken2*20I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.konnten der Mann wie die Frau noch Unterkleider tragen, welche für uns nicht weiter in Frage kommen.
Der Parallelismus zwiſchen der deutſchen und dieſer ſpät - römiſchen Kleidung zeigt ſich klar. Der deutſche Männerrock und das Frauenkleid entſprechen der Tunica, nur mochte jener kürzer ſein, und beide legten ſich zum Unterſchied von dem faltigen rö - miſchen Stück dem Körper eng an. Noch näher ſtimmen die Mäntel zuſammen, ſo ſehr, daß, während die römiſchen Schrift - ſteller für das enge Unterkleid ſich noch nicht alſobald des Aus - drucks tunica zu bedienen wagen, ſondern bei Männern wie bei Frauen den allgemeineren vestis, Kleid, gebrauchen, ſie für den Mantel unbedenklich pallium und ebenſo, wenn er kürzer iſt, sagum oder sagellum ſetzen. In dieſer Bezeichnungsweiſe blei - ben ſie ſich völlig gleich und die lateiniſch ſchreibenden Chroniſten der Deutſchen weichen durchaus nicht ab, nur daß, ſowie das Unterkleid ſich weitet, auch der Ausdruck tunica häufiger wird. Zuweilen, zumal bei Dichtern, findet ſich auch der Mantel mit dem griechiſchen Worte Chlamys bezeichnet, deren Form am meiſten dem Sagum entſpricht. —
Erſt ſeit der Zeit der Völkerwanderung machen ſich die Ein - flüſſe der römiſchen oder überhaupt der antiken Cultur auf die Lebenszuſtände der Deutſchen dauernd bemerklich. Das Rhein - land freilich und einige andere Stätten an der Donau, wo das Römerthum ſeinen bleibenden Sitz aufgeſchlagen und neben dem Handel auch die Induſtrie und eine gewiſſe Kunſtthätigkeit in Flor gebracht hatte, machen eine Ausnahme. Wieweit aber das antike Leben hier ſchon früher Wurzel gefaßt, ob es und wie es ſich mit deutſchnationalen Sitten, Einrichtungen und Lebensbe - dingungen verbunden hat, iſt noch eine unaufgehellte Sache. Die Völkerwanderung, welche dieſe Gegenden aufs Neue mit deutſchen Elementen überflutete, zerreißt den Faden, an welchem wir uns rückwärts hätten in dieſe Verhältniſſe hineinfinden kön - nen. Keineswegs hat ſie jedoch die hier ſchon ſo lange blühende Cultur, den Handel und die Induſtrie völlig zertrümmert, und ſie hat namentlich in der Gewerbstechnik die Brücke zur Zukunft unabgebrochen gelaſſen. Die Nachrichten aber ſind zu zerſtreut, um dem Gange nachgehen zu können, auf welchem ſich Antikes und Barbariſches mit einander verbinden. Wir ſehen nur, daß es überall geſchieht.
So iſt es auch in der Kleidung. Schon früh ſtoßen wir auf undeutſche Elemente neben ächten und nationalen, aber die Nach -22I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.richten ſind zunächſt ſo vereinzelt und zerſtreut, wie die Völ - ker ſelbſt, über die ſie lauten, nach allen Weltgegenden verſchla - gen ſind. Daß der Deutſche dort, wo er, völlig vom vaterländi - ſchen Boden abgeſchnitten, der Uebermacht fremder Einflüſſe aus - geſetzt war, dieſen nicht abſichtlichen Widerſtand aus patriotiſchem Stolz entgegengeſetzt hat, iſt aus ſeiner ganzen Geſchichte erklär - lich; von den Vandalen in Africa wird dieſe Nachgiebigkeit aus - drücklich verſichert. Feſter hielt er natürlich in der Heimath, wo das Klima daſſelbe blieb und die Lebensbedingungen nur all - mählig ſich änderten.
In der Zeit der Völkerwanderung, in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts, macht uns die intereſſanteſte Mitthei - lung der Biſchof Sidonius Apollinaris, welcher zu Clairmont unter den Burgundern lebte. In einem Briefe an einen krieglie - benden Freund ſchildert er als Augenzeuge den Aufzug eines kö - niglichen Jünglings, wahrſcheinlich von burgundiſchem Stamm, welcher als Verlobter oder als Bewerber „ nach heidni - ſcher Weiſe “mit großem Gefolge nach dem Hauſe ſeines künfti - gen Schwiegervaters zieht. Ihm vorauf werden ſeine Roſſe ge - führt, mit prächtigem Kopfſchmuck, mit funkelnden Edelſteinen geziert; dann folgt eine Schaar ſeiner Begleiter in kriegeriſchem Pomp, eine andere ſchließt den Zug, während er ſelbſt, blond - haarig und mit friſchrothen Wangen, in der Mitte geht, zu Fuß wie jene, funkelnd von rothem Golde und leuchtend in milchwei - ßer Seide und in feurigem Gelb. Seine Begleiter erſcheinen an den Füßen mit Lederſchuhen bekleidet, welche bis an die Knöchel reichen und deren Außenſeite noch das volle, rauhe Haar trägt. Schenkel, Kniee und Waden ſind ohne Bedeckung. Den Körper umſchließt ein enger, buntfarbiger Rock, der kaum zu den bloßen Knieen herabreicht und deſſen Aermel nur den Anfang der Arme verhüllen. Ihre Mäntel ſind grün, mit Purpurrändern um - ſäumt. Um die Schulter liegt das buckelbeſchlagene Wehrge - henk, von welchem das Schwert herabhängt. Bewaffnet ſind ſie mit Lanzen, die Rechte führt die Axt und die Linke wird bedeckt vom buntfarbigen Schild. — Nach dieſer Beſchreibung erſcheinen232. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.die Burgunder noch völlig in altnationaler Tracht, nur der Kö - nigsſohn kann mit ſeinem weißſeidenen Mantel den fremden Ein - fluß nicht verleugnen.
Derſelbe Biſchof Sidonius beſchreibt an einer andern Stelle die Weſtgothen, wie ſie in ihrer gewöhnlichen Kleidung zur Volksverſammlung kommen, in ſchmutzigen leinenen Kleidern, über welche Pelze bis zur Wade herabfallen, mit nackten Beinen und Schuhen von Pferdeleder, die ein ärmlicher Knoten feſtbin - det. Ihre Kleidung hat alſo noch nichts Fremdes, doch iſt der leinene Rock, den Tacitus als die beſondere Tracht des Reichen kennt, allgemein geworden.
Ungefähr ein Jahrhundert ſpäter unterſcheidet ſich die Tracht der Langobarden von den urſprünglichen Grundzügen in mehrfach auffallender Weiſe. In der Zeit, als ſie nach Italien kamen, trugen ſie weiße Strümpfe, die bis zum Knie reichten. Denn als der junge Alboin, des Königs Sohn, nach der großen Schlacht auf der Asfeldheide, wo er den älteſten Sohn des Ge - pidenkönigs getödtet hatte, zu dieſem ſeinem Feinde gekommen war, um ſich von ihm, wie es der langobardiſche Brauch for - derte, als von einem fremden Fürſten die Waffen anlegen zu laſ - ſen, da ſpottete, während ſie beim Mahle ſaßen, des Erſchlagenen Bruder der Langobarden und rief: „ das ſind die fruchtbarſten Stuten, denen ihr gleicht. “ Er meinte aber diejenigen Stuten, die bis zum Beine weiße Füße haben, weil die Langobarden von den Waden abwärts weiße Strümpfe trugen. — Ein wenig ſpä - ter, als jedoch die Langobarden bereits eine Zeit in Italien an - ſeſſig waren, giebt Paulus Diaconus der Unterſchiede noch meh - rere. Die Königin Theudelinde baute als Gemahlin Agilulfs im Beginn des 7. Jahrhunderts einen Palaſt zu Monza und ließ ihn mit Gegenſtänden aus der langobardiſchen Geſchichte aus - malen. Leider ſind dieſelben nicht mehr im alten Zuſtand vor - handen. „ Auf dieſen Gemälden ſieht man deutlich, “ſagt Pau - lus, „ wie ſich die Langobarden zu der Zeit das Haupthaar ſcho - ren und wie ihre Tracht und ihr Ausſehen war. “ Nachdem er das Haar beſchrieben, welche Stelle wir bereits oben haben kennen24I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.lernen, fährt er fort: „ Ihre Kleidung war weit und meiſt leinen, wie ſie die Angelſachſen tragen, zum Schmuck mit breiten Strei - fen von anderer Farbe beſetzt. Ihre Schuhe waren oben faſt bis zur großen Zehe offen und mit herübergezogenen ledernen Neſteln zuſammengehalten. Nachher aber fingen ſie an Hoſen zu tragen, über die ſie beim Reiten wollene Gamaſchen zogen; dieſe Tracht haben ſie indeß erſt von den Römern angenommen. “ Das muß aber nicht lange darnach geſchehen ſein, denn es wird von König Adelwald, dem Sohne Agilulfs und der Theudelinde (616[—]626), verſichert, daß er es geweſen ſei, der zuerſt Hoſen getragen. Fer - ner geſchieht noch im 7. Jahrhundert der Hoſe bei den Lango - barden ausdrückliche Erwähnung, indem erzählt wird, daß ein Geiſtlicher, der Diaconus Thomas, einſt zum Tyrannen Alahis, welcher keineswegs der Geiſtlichkeit freundlich geſinnt war, ge - kommen ſei und um eine Audienz gebeten; dieſer aber habe ihn nur dann vorlaſſen wollen, wenn er ſaubere Hoſen anhabe, und erſt auf die Verſicherung, am Morgen friſchgewaſchene angezogen zu haben, ſei er wirklich vorgelaſſen worden. Aus dieſer Erzäh - lung können wir zugleich ſchließen, daß der Stoff Leinwand war.
In der obigen Beſchreibung des Paulus tritt der langobar - diſche Rock als ein weiter in Gegenſatz zu dem engen altgermani - ſchen; er erſcheint dadurch völlig der römiſchen Tunica ähnlich, und nicht ohne Grund wird man auf italiſche Einflüſſe, die das Klima begünſtigte, ſchließen können. Freilich wird auch daſſelbe von den Angelſachſen ausgeſagt, und anderswo werden die alten Sachſen aus demſelben Grunde den Franken gegenüber geſtellt. So ſcheint es in der That, als ob bei dieſem Stamme eine grö - ßere Weite der Kleidung eine nationale Eigenthümlichkeit gewe - ſen ſei. In den illuſtrirten Handſchriften der Angelſachſen, die faſt gleichzeitigen oder doch nicht viel ſpäteren Urſprungs ſind, trägt das gewöhnliche Volk eine kurze, mäßig weite Aermeltunica mit kurzem Mantel, der Vornehme aber bei feierlichen Gelegen - heiten Unter - und Oberkleid lang, weit und wallend. Als die Sachſen in der Geſchichte auftreten, ſollen ſie, ſpäteren Nach - richten zufolge, eine weite, doch kurze Tunica getragen haben,252. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.hingegen einen langen Mantel. Wenn uns auf ſpäteren Minia - turen noch Langobarden in engen und kurzen Röcken begegnen, ſo ſind ſie in ihrer Kriegstracht, welche aus der römiſchen hervor - gegangen iſt.
Der Aufenthalt der Langobarden in Italien, ihr beſtändiger freundlicher oder feindlicher Verkehr mit den Griechen und den damals durch Handel blühenden Städten Unteritaliens hatte bei ihnen eine große Prachtliebe entwickelt, die ſich auch in reicher Verzierung der Kleider ausſprach, ohne die Form zu ändern. Als Karl der Große ſich der Schätze des Deſiderius bemächtigte, fand er viele mit Gold und Silber durchwobene Gewänder. Noch nach dem Untergang des eigentlichen Langobardenreichs zeichnete ſich der Fürſt Arichis[,]obwohl er ſich nicht ohne Mühe im ſüdli - chen Italien behauptete, durch Pracht und Reichthum aus, die uns der Mönch von Salerno ausführlich ſchildert. Als der Ge - ſandte Karls des Großen zu ihm kam, „ ſammelte er ein großes Heer, um denſelben mit Pracht und Ehren zu empfangen, und ſtellte ſeine Mannen in verſchiedener Kleidung und Bewaffnung auf. Auf der Treppe des Palaſtes ſtellte er zwei Reihen Knaben auf, die Sperber oder ähnliche Vögel auf der Hand trugen; als - dann Jünglinge in der Blüthe des Alters, und dieſe trugen Ha - bichte oder andere Vögel der Art; einige von ihnen aber ſaßen am Brettſpiel. Gleich nach ihnen ordnete er Männer, denen das Haar grau zu werden anfing; zuletzt kamen Greiſe, die im Kreiſe herum ſtanden und einen Stab in der Hand hielten, und in deren Mitte ſaß der Fürſt ſelber auf goldenem Stuhle. “ Der Geſandte, von aller Herrlichkeit in Staunen verſetzt, äußerte: „ Nicht, was wir hörten, haben wir geſehen, ſondern weit mehr haben wir geſehen, als wir zuvor hörten. “ Am Hofe des Arichis wurde er bewirthet, und als er am andern Tage „ die ganze Weis - heit des Arichis “ſah, den Palaſt, den er ſich erbaut hatte, die Speiſen ſeiner Tafel, die Wohnung ſeiner Sklaven und der gan - zen Dienerſchaft, und ihre Kleidung und die Mundſchenken, da ſprach er voll Bewunderung weiter: „ „ Es iſt wahr, was ich bei mir zu Lande von deiner Weisheit und Herrlichkeit habe ſagen26I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.hören: ich wollte denen, die es mir erzählten, nicht glauben, bis ich nun ſelbſt gekommen bin und es mit eigenen Augen geſehen habe und finde, daß mir nicht die Hälfte kund gethan worden iſt. ““ Die ganze Erzählung iſt für das Hofleben und die Hofeti - kette höchſt intereſſant.
Die Franken bewahrten am treuſten den nationalen engen Rock, daß er ſpäter ſelbſt den Beinamen des fränkiſchen erhielt; nur ihren Haarzopf hatten ſie nach Annahme des Chriſtenthums aufgegeben. Ueber den Hüften lag ein verzierter Schwertgurt. Der Rock war von Leinwand und wohl nicht ungefärbt. Auch an den Mänteln liebten ſie das Farbige, und es wird erzählt, daß ein Hausmeier den Gegner herausgefordert habe, mit ihm vor der Schlachtreihe in rothen Mänteln einen Zweikampf auszufech - ten. Die Könige trugen urſprünglich dieſelbe Tracht wie der freie Franke, und haben ſie auch für gewöhnlich beibehalten. Allein ſchon Chlodwig erhielt vom griechiſchen Kaiſer mit dem Conſul - titel auch die Purpurkleider, die Tunica und den Mantel. „ Dieſe legte er in der Kirche des heiligen Martinus an, “wie Gregor von Tours erzählt, „ und ſchmückte ſein Haupt mit einem Diadem. Dann beſtieg er ein Pferd und ſtreute unter das gegenwärtige Volk mit eigener Hand Gold und Silber mit der größten Freige - bigkeit aus. Von dieſem Tage an wurde er Conſul oder Auguſtus angeredet. “ Dieſe lange, bis auf die Füße herabwallende Tunica und der weite, faſt ebenſo lange Mantel ſcheinen noch ſpäter den königlichen Ornat der Merovinger gebildet zu haben, wenn an - ders jene Statuen am Portal der Frauenkirche zu Corbeil und einige andere ihnen ähnliche, die ſich an Kirchen des 12. Jahr - hunderts befinden, wirklich noch aus jener Zeit ſtammen. Die gewöhnliche Anſicht ſetzt ſie den Kirchen gleichzeitig, doch wollen ſie nach Coſtüm und Stil nur wenig zum 12. Jahrhundert ſtim - men. Die Tradition belegt völlig unbeglaubigter Weiſe die beiden Statuen zu Corbeil mit den Namen Chlodwigs und der Chlo - tilde, indeß weiſen uns nicht wenig Merkmale wirklich noch auf die den Karolingern vorausgehende Periode. Der König trägt noch zu einem nicht grade lang gehaltenen Vollbart ein in reichen272. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.Locken weit über die Schultern wallendes Haupthaar und auf demſelben einen einfachen mit Perlen und Steinen beſetzten Kro - nenreif. Eine doppelte Tunica, die obere mit weiten Aermeln, umhüllt den über das Maß langgeſtreckten Körper und fällt auf die Füße in Falten, aus denen die Spitzen reichgeſchmückter Schuhe hervorſehen; um die Tunica herum zieht ſich von der lin - ken Hüfte ſchräg herab ein breiter, mit Edelſteinen beſetzter, wahr - ſcheinlich goldener Streif. Von den Schultern herab, auf der rechten befeſtigt, fällt der Mantel, mit einem Saum umzogen. Die Verzierung tritt überall breit und mächtig auf, iſt aber in einer völlig dem Stil dieſer Zeit entſprechenden einfachen Weiſe gehalten. Die Königin Chlotilde, wie die andere Statue benannt wird, hat das Haar über der Mitte der Stirn geſcheitelt und dann zu beiden Seiten in je zwei Zöpfe zuſammengefaßt, welche mit einem Band verflochten über die Schultern nach vorn bis über die Kniee herabfallen. Auf dem Haar liegt ein leichter Schleier, der das Geſicht frei läßt, und darauf ſitzt ebenfalls ein mit Per - len und Edelſteinen beſetzter einfacher Kronenreif. Das Kleid ſchließt ſich in deutſcher Weiſe, der römiſchen Tunica völlig un - gleich, am Körper den Formen eng an, die es markirt hervortre - ten läßt, nur von den Hüften abwärts fällt es faltig herunter; die Aermel, reich umſäumt und am Saum mit leichtem krauſem Stoff eingefaßt, ſind außerordentlich weit und offen. Enge, an - ſchließende Aermel hat übrigens das nur hier ſichtbare Unterkleid. Die Hüften umſpannt ein breiter Gürtel, der doppelt umwunden iſt und deſſen lange Enden, durch einen Knoten zuſammengebun - den, vorne tief herabfallen. Der Hals iſt mit Schmuck und Zickzackſtickerei am Saum des Kleides außerordentlich reich ver - ziert. Die Schuhe ſind von derſelben Art wie die Chlodwigs. Der Stoff des Kleides iſt, nach dem Faltenwurf zu ſchließen, die feinſte Leinwand.
Der Reichthum und die ſtolze Pracht dieſer Kleidung neben ſo viel Barbarismus bringt uns ganz die Zeit in Erinnerung, als die Franken, bisher arm und dürftig gekleidet, mit unedlem Bronceſchmuck behängt, Herren des großen und reichen Galliens28I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.wurden, nun ihre Schatzkammern mit Gold füllten, goldene Ge - fäße in Maſſen auf die Tiſche ſetzten, während ſie, den üppigen Römer nachahmend, mit Roſen Tafel und Gemach beſtreuten und mit Epheu die Wände bedeckten. Und unter all dieſen Zeichen eines weichlichen, ſchwelgeriſchen, erſchlafften Lebens ließen ſie in ungebändigter Kraft ihre barbariſchen Leidenſchaften toben. Dieſe gewaltigen Frauen, die mit ihrer unbezähmbaren Rachſucht, mit ihrem Haß, ihrer Sinnlichkeit und ihrer unmenſchlichen Grau - ſamkeit ſo mächtig in die Geſchichte eingreifen, ſie tragen in ihrem Aeußern das Bewußtſein ihrer glanzvollen Stellung; ſie prahlen mit ihrem Stolz; ſie prunken mit ihrem Reichthum; ſie ſchmücken ſich und überladen ſich mit ihren Schätzen; ſie ſind eitel, aber nie in kleinlicher Weiſe. So zieht die Gemahlin eines fränkiſchen Großen über die Straße, wenn ſie geht in der Kirche die Meſſe zu hören: „ hoch zu Roß, mit prächtigem Geſchmeide und koſtba - ren Edelſteinen geziert und bedeckt mit ſchimmerndem Golde, und vor ihr her gehen etliche ihrer Diener und andere folgen ihr. “ Als Rigunthe, die Tochter König Chilperichs und Fredegundens, zu ihrem Verlobten, dem Weſtgothenkönig, geſchickt wurde, gab ihr die Mutter allein aus ihren eigenen Schätzen eine ungeheure Menge Gold, Silber und Kleider mit; auch die übrigen Franken brachten Geſchenke dar, einige Gold, andere Silber, manche Pferde, ſehr viele auch Kleider; jeder gab nach ſeinem Vermögen eine Gabe. Die Menge der Sachen war ſo groß, daß es funfzig Laſtwagen bedurfte, um alles fortzuſchaffen. Als ſie ſich nun mit ihrem Gefolge der gothiſchen Gränze näherte, wurde Halt ge - macht, nicht bloß um von der Reiſe auszuruhen, ſondern es ſtell - ten ihr auch die Ihrigen vor, daß die Kleider ſchmutzig ſeien, die Schuhe abgeriſſen, der Schmuck für die Pferde und die Wagen noch auf den Packwagen und nicht zur Stelle; man müſſe erſt das alles in Ordnung bringen, um die Reiſe fortſetzen und mit geziemender Eleganz vor ihrem künftigen Gemahl erſcheinen zu können, denn wenn ſie in ſo abgeriſſenem Zuſtande bei den Go - then ankämen, würden ſie von denſelben verhöhnt werden. Aber dieſe Mühe war umſonſt. Wie es in jenen habſüchtigen Zeiten292. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.zu gehen pflegte, bei dieſem Halt wurde Rigunthe von ihren eige - nen Verwandten überfallen und aller Schätze beraubt. — Selbſt in das ſtille Kloſter der heiligen Radegunde zu Poitiers war zu allerlei weltlichem Lärm und Streit, der bis zum Blutbade führte, auch die Putzſucht eingeriſſen, und es hatte großes Aergerniß ge - geben, daß die Aebtiſſin ihrer Nichte einen purpurbeſetzten Man - tel von ſchwerſeidenem Stoff, wie man ihn ſonſt zur Altardecke braucht, hatte machen laſſen, und ein Diadem oder eine Stirn - binde mit goldenen Blättchen verziert.
Noch einige weitere ergänzende Mittheilungen gewährt uns aus den Sagen der Frankenkönige die ſchöne Erzählung von der Brautwerbung Chlodwigs um die burgundiſche Chlotilde, welche uns mitten in das Leben und die Häuslichkeit einer Königstoch - ter unter den Gräueln der damaligen Herrſcherfamilien einführt. König Gundobad, der Oheim der Chlotilde, hatte alle ihre Ge - ſchwiſter und Verwandte ſeiner Herrſchſucht zum Opfer fallen laſſen und mußte darum in einem ſo mächtigen Schwager wie Chlodwig den künftigen Rächer fürchten. Dieſer nahm daher ſeine Zuflucht zur Liſt und ſchickte im Geheimen ſeinen Getreuen, den Aurelianus, mit ſeiner Bewerbung an die Prinzeſſin ſelbſt. „ Und als ſie nun an einem Sonntag zur Meſſe ging, legte Aure - lianus ärmliche Kleider an und ſetzte ſich vor dem Armenhaus bei der Kirche mitten unter den Bettlern nieder. Als die Meſſe been - det war, fing Clothilde nach gewohnter Weiſe an unter die Ar - men Almoſen zu vertheilen und legte auch Aurelian, der ſich wie ein Bettler ſtellte, als ſie an ihn kam, ein Geldſtück in die Hand. Er aber küßte die Hand der Jungfrau und zog vorſichtig ihr den Mantel zurück. Darnach ging ſie in ihr Gemach und ſandte eine Magd aus, ihr den Fremdling zu rufen. Da nahm er den Ring und die andern Brautgaben König Chlodwigs und ſteckte ſie heimlich in einen Sack. Chlotilde ſprach zu ihm: „ „ Sage mir, junger Mann, warum ſtellſt du dich wie ein Bettler und zogſt mir doch den Mantel zurück? ““ Er antwortete: „ „ Laß, ich bitte dich, deinen Knecht unter vier Augen mit dir reden. ““ Sie ſagte: „ „ Sprich nur. ““ Da hub er an: „ „ Mein Herr, der Frankenkönig30I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.Chlodwig, ſchickt mich zu dir, er wünſcht ſich dir zu vermählen und dich zu ſeiner Königin zu machen. ““ Sie empfing dann den geſammten Brautſchmuck. Sie nahm auch den Ring, den Chlod - wig ihr durch Aurelian geſchickt hatte, und verwahrte ihn in der Schatzkammer ihres Oheims. Sie hieß ihn alsdann König Chlod - wig ſeinen Gruß erwiedern und ihm ſagen: „ „ Eine Chriſtin darf ſich nicht einem Heiden vermählen, ſei daher auf der Hut, daß Niemand von dieſer Sache erfahre. Aber wie mein Gott und Herr, den ich vor aller Welt bekenne, es will, ſo ergehe es. Gehe nun hin in Frieden. ““ Da kehrte Aurelian zurück und meldete dies dem Könige. “—
In der Zeit der Karolinger begleitete die großen Erfolge des fränkiſchen Reichs ein ſtets wachſender und allgemeiner wer - dender Luxus und zunehmender Glanz des Aeußeren. Zwar Karl der Große ſelbſt ſcheint für ſeine Perſon kaiſerlichen Prunk verſchmäht zu haben, denn er ging für gewöhnlich in der Landestracht ſeiner Franken einher. Nach den Mittheilungen ſei - nes Biographen Einhard trug er, wie ſie, den ſeinem Volke eigen - thümlichen Schnurrbart bei glatt geſchornen Wangen und Kinn, und das kurz gehaltene, auf der Stirn meiſt in grader Linie abge - ſchnittene Haar: mit dem Untergange der Merovinger waren die einzigen Locken aus der fränkiſchen Nation verſchwunden. Am Leibe trug er den uns ſchon als fränkiſch bekannten engen, anſchließenden Rock, doch unter demſelben noch ein leinenes Hemd; der Rock war ebenfalls von Leinwand, aber am obern und untern Saum und desgleichen vorn von oben nach unten herunter mit ſeidenen Streifen beſetzt. Die Beine waren mehrfach geſchützt, erſt durch leinene Unterkleider, dann durch eine Hoſe, welche von unten her bis zum Knie mit Binden reichlich umwunden war. Schuhe be - deckten die Füße. Ueber dem Rock trug er einen meergrünen, wollenen Mantel von ziemlicher Länge und an der Seite ſtets ein Schwert mit ſilbernem und goldenem Griff und Gehenk.
In dieſer Weiſe hatte ſich bis dahin die männliche Tracht der Franken und, einige Abweichungen bei den Sachſen ausge - nommen, auch des übrigen Deutſchlands entwickelt und wurde312. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.in ſolcher Geſtalt von den Zeitgenoſſen gegenüber der römiſch - italiſchen und beſonders der griechiſchen als eine nationale in Anſpruch genommen. Sie war es aber nicht mehr völlig, denn in dem kurzen Haupthaar, in der Beinbekleidung, vielleicht auch im Schnitt des Mantels ſind römiſche Einflüſſe nicht mehr zu verkennen, ſodaß der Hauptunterſchied wohl nur noch in der Enge und Weite, Länge und Kürze der Tunica beſtand. Es hatte ſich bis ins vorige Jahrhundert in Rom ein Moſaikbild Karls des Großen erhalten, welches für gleichzeitig gilt und das Ge - ſagte beſtätigen dürfte. Hier trägt er einen Rock, der ſich wenig von der römiſchen Tunica unterſcheidet: nur an den Aermeln iſt er eng, am Körper weit und faltig und über den Hüften in der Art gegürtet, daß ein kleiner Bauſch über den Gürtel herabfällt; er reicht nicht völlig bis zum Knie. Der Mantel iſt weit und fließend, auf der rechten Schulter durch eine Agraffe befeſtigt, daß die goldbeſäumten Seiten ſenkrecht vorn und hinten herab - fallen würden, wenn er nicht nach gewöhnlicher Sitte über dem linken Arm in die Höhe genommen wäre. Um die Schultern legt ſich eine breite Kette, beſtehend aus quadratiſchen, mit Edelſtei - nen beſetzten Goldplatten, die wie Glieder an einander geſetzt ſind; gleiche, doch feinere Ketten umſpannen die Beine unter dem Knie; die Waden ſind mit Binden umwunden. Der Charakter der Beinbekleidung und der Schuhe iſt nicht zu beſtimmen. Auf dem kurzgeſchnittenen Haar trägt er eine breite, etwas ſpitz in die Höhe gehende Mütze, ungefähr in der Form der älteſten Mitra. Wangen und Kinn ſind glatt, der Schnurrbart aber ſtark. An der Seite trägt er ein breites Schwert. — Nur zwei Mal ſoll er nach Einhards Verſicherung, und zwar in Rom auf Bitten der Päpſte, die fremdländiſche Kleidung, d. h. wohl den griechiſchen Kaiſerornat, angelegt haben.
Im Winter legte der Kaiſer über den Rock noch einen an - dern kürzeren an, der aus Seehunds - und Marderfell zuſammen - genäht war und Schultern und Bruſt vor Kälte ſchützte. Des Morgens pflegte er in einem langen und ſchleppenden Gewande, noch im Negligé, zur Meſſe zu gehen, deren Feier alles zum Hofe32I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.gehörige Perſonal von Geiſtlichen und Weltlichen beiwohnen mußte; und es verlangte die Hofordnung, daß die erſteren in vollem Ornate in der Vorhalle ſtehend den Kaiſer erwarteten, wie er in feierlichem Zuge erſchien. Nachdem die Morgenhymnen ge - ſungen waren, kehrte er in ſeine Zimmer zurück, und während er ſich dann für den Tag ankleidete, ließ er nicht allein ſeine Freunde vor, ſondern machte Rechtshändel ab und beſorgte ſonſt in dieſer Stunde die Aufträge an ſeine Beamten für die Tagesgeſchäfte. Man ſieht, ſeine Toilette konnte nicht mehr ganz einfach ſein, die Umſtände erinnern ſogar an das berühmte Lever Ludwigs XIV.
Staat und Prunk und Etikette waren übrigens keineswegs vom fränkiſchen Hofe verbannt. Wie die kaiſerlichen Pfalzen zu Aachen, zu Ingelheim, zu Nimwegen wahre Prunkgebäude wa - ren, barbariſch auferbaut aus zuſammengerafften Denkmälern al - ter Kunſt, die man mit großer Mühe aus Italien herbeigeſchafft hatte, von innen und außen mit Marmorſäulen und reich orna - mentirten Capitälen geſchmückt, mit ſteinernen und ehernen Sta - tuen und Reliefs geziert, groß und geräumig, mit Höfen und Hallen: ſo bildeten auch die prächtig gekleideten Diener, die Höf - linge und die Großen des Reichs die paſſendſte Staffage, in pur - purnen, goldbordirten, mit feinſtem Pelz verbrämten Kleidern von den koſtbarſten Stoffen, mit edlen Steinen bedeckt. Und ſo war der große Kaiſer, wie er an Länge und Hoheit alle überragte, in ſeiner äußern Erſcheinung der einfachſte am Hofe. Wenn es aber galt des Reiches Herrlichkeit zu zeigen, wenn fremde Ge - ſandten Audienz erhielten, oder der Kaiſer an hohen Feſttagen ſeine Getreuen empfing, da trug er ein mit Gold durchwirktes Kleid, mit Edelſteinen beſetzte Schuhe, den Mantel mit goldener Spange und auf dem Haupt eine goldene, mit Edelſteinen be - ſetzte Krone. Da prunkte er auch gern mit den Großen ſeines Hofes und ſeines Reiches und vorzüglich mit der Schaar ſeiner ſchönen und blühenden Kinder. Als einſt die griechiſchen Geſand - ten zum Kaiſer kamen, ſo berichtet der Mönch von St. Gallen, da empfing er ſie „ ſtrahlend wie die Sonne beim Aufgang, mit Gold und edlen Steinen geſchmückt. Von allen Seiten umgab332. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.es ihn wie die himmliſchen Heerſchaaren, nämlich ſeine drei jun - gen Söhne, die ſchon am Reiche Theil erhalten hatten, und die Töchter mit ihrer Mutter, nicht weniger mit Weisheit und Schön - heit als mit Geſchmeide geziert. “
So ſcheint es, verſtanden auch die Damen des fränkiſchen Hofes die Kunſt der Repräſentation und wußten den nöthigen Glanz zu entfalten, wenn auch gewöhnlich der ſtrenge und bür - gerlich haushälteriſche Vater die königlichen Töchter, die im Reich der Liebe keineswegs unerfahren waren, nöthigte, ſich mit Woll - arbeiten abzugeben und mit dem Spinnrocken zu beſchäftigen, da - mit ſie ſich nicht an Müßiggang gewöhnten. Darum aber waren ſie keineswegs von den Freuden und Vergnügungen der großen Welt ausgeſchloſſen, wie denſelben in jener Zeit Prinzeſſinnen und überhaupt die Damen des Mittelalters oblagen. Es herrſchte am Hofe Karls ein leichter, ſpäter ſelbſt ein leichtfertiger Ton. Zwar wurden die Töchter mit ihren Brüdern in den Wiſſenſchaf - ten unterrichtet, aber ſie lernten auch reiten, waren ſtets bei Tafel und wie wir geſehen haben, bei den Audienzen fremder Geſand - ten zugegen; ſie nahmen auch Theil an den großen Hofjagden und erſchienen dabei zu Pferde, in vollem Staat mit einem Ge - folge von Damen und Cavalieren, würdig kaiſerlicher Prinzeſſin - nen. Einen ſolchen Jagdauszug ſchildert Angilbert in ſeinem Lobgedicht auf Karl den Großen in längeren Verſen, welche für uns des Intereſſanten ſo viel bieten, daß wir uns nicht verſagen können, die ganze Stelle hier wieder zu geben, indem wir uns den pompös geſpreizten Verſen des Originals möglichſt treu an - ſchmiegen:
Das Bild, welches uns der Dichter in dieſen Verſen aus eigner Anſchauung entworfen hat, iſt gewiß ein glänzendes und würdig eines kaiſerlichen Hofes; von der altgermaniſchen Ein - fachheit iſt, trotz Spinnen und Weben, bei den ſchönen Prinzeſ - ſinnen keine Spur mehr zu erblicken. Auch die Schönheitsbedin - gungen haben ſich bereits feſtgeſtellt: der blendende, roſig ange - hauchte Nacken, die leuchtende Stirn, das goldblonde, glänzende3*36I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.Haar, die weiße, blanke Hand, die mit dem Silber verglichen wird, das blühende Incarnat der Wangen, die feurigen, wie Sterne funkelnden Augen, alle dieſe Reize möchten in der begei - ſterten Schilderung des Dichters wenig mehr an die altdeutſchen Wälder erinnern; übrigens dürfen ſie uns auch an einem Hofe nicht Wunder nehmen, der bereits in mehr als einer Beziehung ſeinen Horaz und ſeinen Ovid gefunden hat. Die größte Rolle in der Toilette ſpielt der Schmuck, der, aus edlen Metallen be - ſtehend, an Körper und Kleidung überall hin vertheilt iſt. Gold und Steine blitzen an den Schuhen, goldne Ketten oder Ringe mit Smaragden oder anderem Geſtein umfaſſen Hände, Arme und Hals, eine gleiche Spange hält den Mantel auf der Bruſt, goldene Borten, mit Steinen beſetzt, umſäumen Kleid und Mantel oder überziehen ſie von oben nach unten, goldne Schnüre ſchlin - gen ſich durch die Haare, in denen Edelſteine blitzen, goldene Binden, goldgeſtickte Schleier, goldene Kronen oder Diademe — alles mit Edelſteinen beſetzt — glänzen darauf, und ſelbſt des Jünglings Stirne umzieht die goldene Königsbinde. Auch die Stoffe ſind koſtbar geworden, die Kleider ſind von der feinſten Leinwand, als welche die byzantiniſche galt, doppelt in Purpur getaucht, der Mantel von heller Seide, unterfüttert oder verbrämt mit ſchwarzem Rauchwerk, der Schleier oder das Kopftuch vom zarteſten Gewebe, mit Purpur oder Goldfäden durchzogen. Als Bedeckung am Halſe dient das koſtbare Marder - oder Zobelfell. Wie das alles aber in Form und Schnitt dem Leibe angeſeſſen, davon iſt ſchwer Rechenſchaft zu geben, da Abbildungen von Frauen erſt mehr als funfzig Jahr ſpäter unſrer Anſchauung zu Hülfe kommen. So können wir nicht beſtimmen, ob die Haare wie ſpäter frei in Locken herunterfielen, oder wie bei der Statue der Königin Chlotilde durch die goldenen Schnüre zu Zöpfen zu - ſammengebunden waren. Das Zweite erſcheint nicht wahrſchein - lich und das Erſte war wenigſtens nicht immer der Fall, da das Haar der Königin aufgebunden genannt wird; und da der Dich - ter den Glanz und die Farbe der Haare immer als beſondere Schönheit hervorhebt, ſo konnten ſie auch von den Binden und372. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.Schleiern nicht völlig verdeckt werden. In den Kleidern erkennen wir die Grundformen wieder, das lange, angezogene Kleid, und den um die Schultern gelegten Mantel, welcher auf der Bruſt durch die goldene Spange, einen breiten, brocheähnlichen Schmuck, mit einer Nadel zuſammengehalten wird. Dadurch daß noch ein feineres Unterkleid, gleich dem Hemd des Mannes, an - gezogen werden konnte, tritt keine Aenderung ein, ſo lange das obere allein ſichtbar blieb. Ob ſchon damals, wie ſpäter, Länge und Kürze, Weite und Enge, namentlich an den Aermeln, beide unterſcheiden ließ, iſt aus Mangel bildlicher Quellen nicht zu be - ſtimmen.
Die Tracht der übrigen Franken war formell keine andere wie die des königlichen Hauſes, nur die größere oder geringere Koſtbarkeit der Stoffe, das Mehr oder Weniger des angewandten Reichthums begründete Unterſchiede unter den Ständen. Karl der Große ſelbſt trug mit Abſicht die Kleidung ſeines Volks, und dieſe wird vom St. Galler Mönch in einer den Mittheilungen Einhards völlig entſprechenden Weiſe geſchildert. „ Die Tracht der alten Franken “— er meint die zur Zeit Karls des Großen leben - den — „ beſtand in Schuhen, die außen mit Gold verziert und mit drei Ellen langen Riemen verſehen waren, mit ſcharlachnen Binden um die Beine und darunter leinenen Hoſen, obwohl von derſelben Farbe, doch in kunſtreicher Weiſe bunt gemacht (gemu - ſtert). Ueber dieſe und die Binden verbreiteten ſich kreuzweiſe, innen und außen, vorn und hinten, jene langen Schuhriemen. Dann ein Rock von Glanzleinwand und darüber das Wehrge - henk mit dem Schwerte. Das letzte Stück des Anzugs war ein grauer oder blauer Mantel, viereckig, doppelt und ſo geformt, daß, wenn er auf die Schultern gelegt wurde, er vorn und hin - ten die Füße berührte, an den Seiten aber kaum die Kniee be - deckte. Dann trugen ſie in der Rechten einen Stab von einem graden Baumſtamm, mit gleichmäßigen Knoten, ſchön, ſtark und ſchrecklich, mit einem Handgriff von Gold oder Silber, mit ſchö - ner, erhabener Arbeit verſehen. “ Dieſe ziemlich langen Mäntel von dickem Wollſtoff lieferten unter dem Namen „ frieſiſche “die38I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.ganzen nördlichen Niederlande. Ihr Ruf, der ſich durch das Mit - telalter erhielt, war ſo bedeutend, daß ſie ſich unter den Geſchen - ken befanden, welche Karl der Große an Harun al Raſchid ſchickte als Vergeltung für die ſchönen und feinen ſarazeniſchen Stoffe. Auch ſonſt kommen ſie in der Geſchichte vor, und der Name hat ſich beim dicken, langhaarigen Wollſtoff noch bis auf den heutigen Tag erhalten. Man hatte ſie von allen Farben. — Im Verkehr mit den Galliern aber, die mit den Franken im Heere gemiſcht waren, ſo erzählt der Mönch weiter, „ ließen ſie aus Freude am Neuen von der alten Sitte ab und fingen an jene nachzuahmen, die mit purpurnen Kriegsmänteln glänzten. Der ſtrenge Kaiſer ließ das einſtweilen geſchehen, weil ihm jene Klei - dung für den Krieg zweckmäßiger erſchien. Als er aber bemerkte, daß die Frieſen, dieſe Nachſicht mißbrauchend, jene kurzen Män - tel zu demſelben Preiſe verkauften wie früher die ganz großen, da befahl er, daß niemand von ihnen etwas anderes kaufen ſolle als jene ganz großen, überaus langen und weiten Mäntel und fügte noch hinzu: „ „ Wozu ſind dieſe Lappen gut? Im Bett kann ich mich nicht mit ihnen zudecken, zu Pferde kann ich mich nicht ge - gen Wind und Regen ſchützen, und wenn mich ein Bedürfniß der Natur ankommt, verfrieren mir die Beine. ““
Das kurze galliſche Mäntelchen war nicht das Einzige, worin die tapfern Krieger Karls ihre Nachahmungsſucht und ihre Eitel - keit zeigten. In Italien hatten ſie ganz andere Dinge kennen lernen und nicht ermangelt, ſich damit zu ſchmücken, während der einfache Kaiſer ſich immer treu blieb. Unſer geſchwätzige Mönch weiß davon eine gar hübſche Geſchichte zu erzählen: „ Als einſt Karl, der rüſtigſte unter den rüſtigen Franken, in einer Gegend des nördlichen Italiens wegen der Einſetzung eines Biſchofs län - gere Zeit verweilte, da ſagte er an einem Feſttage nach der Feier der Meſſe zu den Kriegern: „ „ Um nicht in Müſſiggang hinlebend der Trägheit zu verfallen, laßt uns auf die Jagd gehen, bis wir etwas erbeuten, und laßt uns alle in der Kleidung ausziehen, die wir jetzt anhaben. ““ Es war aber ein kalter Regentag, und392. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.Karl ſelbſt hatte einen Schafspelz an von nicht viel größerem Werth, als jener Mantel des heiligen Martin, mit welchem an - gethan dieſer mit bloßen Armen Gott das Opfer unter göttlichem Beifall dargebracht haben ſoll. Die Uebrigen aber gingen, da Feſttage waren und ſie grade von Padua kamen, wohin eben Venetianer von jenſeit des Meeres alle Reichthümer des Oſtens gebracht hatten, gekleidet in Häute phöniziſcher Vögel, — welche weichen Flaum hatten — mit Seide eingefaßt, dann geziert mit der Hals - und Rückenhaut und den Schwanzfedern der Pfauen, und mit tyriſchem Purpur oder orangefarbenen Streifen beſetzt, andre in Marder - oder Hermelinfelle gehüllt: ſo durchſtreiften ſie den Wald, und zerfetzt von Baumzweigen und Dornen, vom Regen durchnäßt, auch durch das Blut der Thiere und die friſch abgezogenen Häute beſchmutzt, kehrten ſie zurück. Da ſprach der liſtige Karl: „ „ Keiner von uns ziehe ſeinen Pelz aus, bis wir zum Schlafen gehen, damit er auf unſerm Leibe beſſer trocknen könne. ““ Nach dieſem Befehl ſorgte jeder mehr für ſeinen Leib als ſein Kleid und ſuchte ſich überall ein Feuer, um ſich zu erwär - men. Bald aber zurückkehrend und im Dienſt des Herrn bis tief in die Nacht verweilend, wurden ſie endlich nach Haus entlaſſen. Und da ſie nun anfingen die feinen Felle oder die noch dünneren Seidenſtoffe auszuziehen, machten ſich die Brüche der Falten und Nähte weithin hörbar, wie wenn man dürres Holz zerbricht, und und ſie ſeufzten und jammerten und klagten, daß ſie ſoviel Geld an einem einzigen Tage verloren hätten. Vom Kaiſer aber erhiel - ten ſie den Befehl, ſich ihm am nächſten Tage wieder in demſel - ben Pelze vorzuſtellen. Das geſchah, und da nun alle nicht in ſchönen Gewändern glänzten, ſondern von Lumpen und farbloſer Häßlichkeit ſtarrten, ſo ſprach der verſtändige Karl zu ſeinem Käm - merer: „ „ Nimm jetzt meinen Pelz und bring’ ihn uns vor Augen. ““ Unverſehrt und glänzend wurde er hereingebracht, und er nahm ihn in die Hand, zeigte ihn allen Anweſenden und ſprach: „ „ O ihr thörichtſten aller Menſchen, welches Pelzwerk iſt nun koſtbarer und nützlicher, meines hier, das ich für einen Schil - ling gekauft habe, oder eure da, welche nicht nur Pfunde, ſondern40I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.viele Talente gekoſtet haben? ““ Da ſchlugen ſie die Augen nieder und mochten nicht ſeinen ſchrecklichen Blick ertragen. “
Solcher Luxus, den ſeine Großen trieben, hat denn auch den Kaiſer wohl zu dem erſten Aufwandgeſetz (vom Jahr 808) veranlaßt, welches in Deutſchland gegeben worden iſt. Dieſes ſetzte als höchſten Preis für den feineren doppelten, d. h. wohl gefütterten Mantel 20 Solidus feſt, 10 aber für den einfachen; ein mit Marder - und Fiſchotterfellen beſter Qualität gefütterter Rock durfte nicht mehr als 30 Solidus koſten, wenn aber mit feinerem Zieſelmaus (sismusinus-spermophilus citullus. Leu - nis. ) gefüttert, nur 10. Für das Uebertreten dieſer Beſtimmun - gen waren Geldſtrafen feſtgeſetzt: 40 Solidus, welche dem Ge - richt erlegt werden mußten, und 20, welche der Angeber erhielt.
Als der große Kaiſer ſeinen letzten Gang, den ins Grab, antrat, folgte ihm dahin ein großer Theil des ſchweren Luxus, den er im Leben zu meiden geſucht hatte. In all der Pracht und Herrlichkeit, wie er in die Geſchichte und in die Sage übergegan - gen iſt, wurde er beſtattet. „ Und Karl ward begraben zu Aachen, “ſo erzählt der Chroniſt, „ in der Kirche der heiligen Mutter Got - tes, die er ſelbſt erbaut hatte. Sein Leib aber wurde einbalſa - mirt und auf goldenem Stuhle ſitzend im Grabgewölbe beſtattet, umgürtet mit goldenem Schwerte, ein goldenes Evangelienbuch auf den Knieen in den Händen haltend, die Schultern rückwärts in den Stuhl gelehnt, das Haupt ſtattlich erhoben, und mit gol - dener Kette das Diadem darauf befeſtigt. Und im Diadem war ein Stück Holz vom heiligen Kreuz eingelegt. Und ſie erfüllten ſein Grab mit Wohlgerüchen, Spezereien, Balſam, Moſchus und vielen Schätzen in Gold. Sein Leib ward mit kaiſerlichen Ge - wändern bekleidet und mit einem Schweißtuch unter dem Diadem ſein Antlitz bedeckt. Ein härenes Kleid, wie er es heimlich immer getragen hatte, wurde ihm um den Leib gelegt und über den kai - ſerlichen Gewändern ihm die goldene Pilgertaſche umgehängt, die er auf dem Weg nach Rom zu tragen pflegte. Das goldene Scep - ter und den goldenen Schild, den Papſt Leo geweiht hatte, ſtellte man ihm zu Füßen; hierauf ward ſein Grab geſchloſſen und ver -412. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.ſiegelt. Er ward aber von den Biſchöfen mit dem heiligen Oel geſalbt, mit dem heiligen Abendmahl verſehen, und nachdem alles beſorgt war, empfahl er ſeinen Geiſt dem Herrn und ſtarb in Frieden im Jahr 814 ſeit der Menſchwerdung unſers Herrn Jeſu Chriſti. Und für ihn regiert ſein Sohn, der glorreiche Ludwig, unter der Leitung unſeres Herrn Jeſu Chriſti, dem ſei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. “
Dieſer glorreiche Kaiſer Ludwig, genannt der Fromme, wie wenig er auch ſonſt ſeinem Vater glich, folgte ihm doch in ſeinen Grundſätzen in Bezug auf Kleidung und äußern Schmuck. Es ſcheint, als ob ſich hierin am fränkiſchen Hofe zu ſeiner Zeit nichts geändert habe. Auch er trug ſich einfach in der Weiſe des Volks, feſtliche Tage und feierliche Gelegenheiten ausgenommen. Dann aber „ trug er außer dem Hemd und der goldgeſtickten Hoſe noch eine goldgeſchmückte Tunica, einen goldenen Gürtel und an der Seite ein mit Gold reich verziertes Schwert, und hatte um die Schultern den golddurchwirkten Mantel hängen; auf dem Haupt trug er die goldene Krone und in der Hand hielt er einen goldenen Stab: alles mit Edelſteinen beſetzt. “ Bei ſolchen Gele - genheiten, namentlich am Oſtertage, theilte der Kaiſer an die Hofleute und die Dienerſchaft, die ihn für gewöhnlich an Glanz übertrafen, wie es ſchon am Hofe ſeines großen Vaters geweſen war, als Geſchenke mancherlei Kleidungsſtücke aus. So erhielten die Vornehmen Schwertgehenke oder Gürtel oder koſtbare Kleider fränkiſcher Art; Leute von niederer Stellung frieſiſche Mäntel von jeder Farbe, die Stallknechte, die Bäcker, die Köche leinene und wollene Kleider und Meſſer. Auch die Armen wurden dann bedacht, und ſie zogen in weißen Kleidern durch den weiten Hof des Aachener Palaſtes. Als Ludwig im Jahr 816 mit dem Papſt zuſammen kam, ſchenkte er ihm rothe Mäntel und weiße, leinene Kleider; die Diener deſſelben aber erhielten gefärbte Män - tel und enge, an den Körper anſchließende Röcke, nach fränkiſchem Schnitt gemacht.
Eine beſondre Veranlaſſung zu Geſchenken dieſer Art bot die Taufe heidniſcher Fürſten und Männer, ein Ereigniß, welches42I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.am Hofe des frommen Ludwig nichts Seltnes war. Seine Güte wurde aber arg mißbraucht, denn die Dänen, durch die reichen Geſchenke und koſtbaren Gewänder gelockt, kamen in gan - zen Schaaren und unterzogen ſich, dieſelben Perſonen, alljährlich einmal der Ceremonie. Einer von ihnen hatte das ſchon zwanzig Jahre getrieben, da ereignete es ſich einmal, daß die Zahl der Täuflinge zu ſtark war, und der Vorrath der Gewänder nicht mehr zureichte; man zerſchnitt nun beliebigen Stoff und fügte daraus in aller Eile die Kleider grob zuſammen. Da ein ſolches auch jenem Dänen umgelegt wurde, betrachtete er es lange und ſprach dann zum Kaiſer: „ Schon zwanzig Mal bin ich hier geba - det und jedes Mal mit den beſten weißen Gewändern angethan, und da erhalte ich jetzt einen ſolchen Sack, der ſich nicht für Rit - ter, ſondern für Sauhirten paßt, und ſchämte ich mich nicht mei - ner Blöße, wenn ich, meiner Kleider beraubt, mich mit den von dir gegebenen nicht bedecken wollte, ſo würde ich dein Gewand dir und deinem Chriſtus überlaſſen. “— Zur Taufkleidung ge - hörte ſtets ein weißes leinenes Kleid, für Männer wie für Frauen, welches der Pathe oder die Pathin dem Täufling nicht bloß ſchenkte, ſondern auch ſelbſt anlegte. Nach der Taufe aber erfolgte im Palaſte die eigentliche Beſcherung, welche Hermoldus Nigellus in ſeinem Lobgedicht auf Ludwig den Frommen bei Ge - legenheit der Taufe des Dänenfürſten Herold und ſeiner Ge - mahlin in einer für uns ſehr intereſſanten Weiſe beſchreibt. Wir theilen darum die Stelle mit:
Dieſe Stelle zeigt uns wieder die übertriebene Anwendung des Goldes und der edlen Steine, die kein Kleidungsſtück, ja keinen ſichtbaren Theil des Körpers verſchonen. Beim Fürſten ſtrahlt davon die Krone, der Purpurmantel, das Schwert, das Wehrgehenk und der Gürtel, die goldenen Sporen glänzen an den Füßen und goldene Ringe umziehen die Arme. Der Fürſtin Schleier und Kopfbinde iſt golddurchwirkt, desgleichen ihr Kleid; den Mantel hält auf der Bruſt der breite Nadelſchmuck, Ringe legen ſich um Hals und Arme und die Hüften umgiebt der mit Gold und Edelſteinen geſchmückte Gürtel.
Auch ſonſt im Leben wurde das Gold bei den fränkiſchen Großen und namentlich bei der hohen Geiſtlichkeit im ausgedehn - teſten Luxus angewendet, in Verbindung mit edlen Steinen. Während herrliche Teppiche und Vorhänge aller Art von mauri - ſcher Weberei die Zimmer ſchmückten, ſaß man auf vergoldeten Seſſeln mit weichen Federkiſſen, vom koſtbarſten Seidenſtoff über - zogen, an Marmortiſchen, auf denen goldene und ſilberne, mit Edelſtein gezierte Gefäße ſtanden. Desgleichen wurden an Pracht - geräthen in den Kirchen große Schätze aufgeſpeichert, an Kelchen, Schalen, Sacramentbehältern, Lampen, Leuchtern u. ſ. w. Aber damit nicht zufrieden, bekleidete man die heiligen Räume ſelbſt44I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.mit edlen Metallen, vergoldete die Altäre, die Eingänge, belegte ſie mit Goldblech; überdeckte ſelbſt die Thürflügel mit Silberplat - ten und die Geſimſe und die Fußböden mit Goldplatten von un - geheurem Werthe. — Dieſe mächtige Bedeutung des „ rothen Goldes “, die Luſt an dem blanken Metall iſt auch in die altdeut - ſche Sagenwelt eingedrungen, die ja grade in dieſer Periode der Merovinger und Karolinger ihre Wurzeln treibt. Die Gedanken aber, die ſich hier damit verknüpfen, haben ſich mythiſch vertieft. Nicht die Habſucht iſt es, welche wirkt, nicht der Beſitz allein reizt und treibt zu Kampf und ſchwerem Mord, ein dämoniſcher, tod - bringender Zauber iſt mit ihm verbunden. So heißt es im Vo - luspalied:
Von den unheimlichen, unterirdiſchen Mächten iſt es heraufge - ſandt an das Licht der Sonne, ein unheilvolles Geſchenk, und wieder nieder muß es, woher es gekommen; in weſſen Beſitz es aber gelangt, der iſt umſtrickt und mit ihm den Geiſtern der Un - terwelt, dem Tode geweiht. Dieſe Rolle ſpielt auch der Nibelun - genhort.
Drei verſchiedenen Beſitzern, erſt Schilbung und Nibelung und dann Siegfried, bringt der Schatz den Tod, und als ihn Hagen und die Burgundenkönige, die dritten Beſitzer, hinunter ſchleu - dern in die Fluten des Rheins zurück, woher er gekommen, da zieht er auch dieſe nach ſich ins Verderben.
Bei dieſer Luſt an dem puren Glanze des Metalls iſt es na - türlich, daß die Art der Anwendung nach Form und Verzierung von roher, barbariſcher Art war. Reichthum erſetzt den feinen Geſchmack und der blendende Glanz des Stoffes die gefällige Form. Es war die Zeit, als nach Beruhigung der tobenden Wellen der Völkerwanderung die entſetzlichen Leidenſchaften in den Bruder - und Bürgerkriegen der Merovinger ſich ausgetobt hatten, und nun die ungefüge Natur der Franken von der Civi -452. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.liſation, vom Schmuck des Lebens eine Ahnung bekam. Dieſe Nation ſollte jetzt die Erbſchaft des klaſſiſchen Alterthums antre - ten. Reichthum aller Art war vorhanden; in Italien hatten die Römer Jahrhunderte lang die unermeßlichſte Fülle von edlem Metall aufgeſpeichert, und nicht weniges davon war wieder nord - wärts gefloſſen in die Schatzkammern ihrer Beſieger; Maſſen von Kunſtſchätzen fanden ſich zerſtreut über die romaniſirten Länder; ein Reichthum von Ideen, Muſter des Stils und der Rede wa