PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Kinder - und Haus-Maͤrchen.
Berlin,in der Realſchulbuchhandlung. 1812.
[II][III]

An die Frau Eliſabeth von Arnim fuͤr den kleinen Johannes Freimund.

[IV][V]

Vorrede.

Wir finden es wohl, wenn Sturm oder anderes Ungluͤck, vom Himmel geſchickt, eine ganze Saat zu Boden geſchlagen, daß noch bei niedrigen Hecken oder Straͤuchen, die am Wege ſtehen, ein kleiner Platz ſich ge - ſichert und einzelne Aehren aufrecht geblie - ben ſind. Scheint dann die Sonne wieder guͤnſtig, ſo wachſen ſie einſam und unbeach - tet fort, keine fruͤhe Sichel ſchneidet ſie fuͤr die großen Vorrathskammern, aber im Spaͤt - ſommer, wenn ſie reif und voll geworden, kommen arme, fromme Haͤnde, die ſie ſu - chen; und Aehre an Aehre gelegt, ſorgfaͤltig gebunden und hoͤher geachtet, als ganze Garben, werden ſie heimgetragen und Win - terlang ſind ſie Nahrung, vielleicht auch der einzige Samen fuͤr die Zukunft. So iſt es uns, wenn wir den Reichthum deutſcher Dichtung in fruͤhen Zeiten betrachten, undVI dann ſehen, daß von ſo vielem nichts leben - dig ſich erhalten, ſelbſt die Erinnerung dar - an verloren war, und nur Volkslieder, und dieſe unſchuldigen Hausmaͤrchen uͤbrig ge - blieben ſind. Die Plaͤtze am Ofen, der Kuͤ - chenheerd, Bodentreppen, Feiertage noch ge - feiert, Triften und Waͤlder in ihrer Stille, vor allem die ungetruͤbte Phantaſie ſind die Hecken geweſen, die ſie geſichert und einer Zeit aus der andern uͤberliefert haben.

So denken wir jetzt, nachdem wir dieſe Sammlung uͤberſehen; anfangs glaubten wir auch hier ſchon vieles zu Grund gegangen, und nur die Maͤrchen noch allein uͤbrig, die uns etwa ſelbſt bewußt, und die nur ab - weichend, wie es immer geſchieht, von an - dern erzaͤhlt wuͤrden. Aber aufmerkſam auf alles, was von der Poeſie wirklich noch da iſt, wollten wir auch dieſes abweichende kennen, und da zeigte ſich dennoch manches neue und ohne eben im Stand zu ſeyn, ſehr weit herum zu fragen, wuchs unſre Samm - lung von Jahr zu Jahr, daß ſie uns jetzt, nachdem etwa ſechſe verfloſſen, reich er - ſcheint; dabei begreifen wir, daß uns noch manches fehlen mag, doch freut uns auchVII der Gedanke, das meiſte und beſte zu be - ſitzen. Alles iſt mit wenigen bemerkten Aus - nahmen faſt nur in Heſſen und den Main - und Kinziggegenden in der Grafſchaft Ha - nau, wo wir her ſind, nach muͤndlicher Ue - berlieferung geſammelt; darum knuͤpft ſich uns an jedes Einzelne noch eine angenehme Erinnerung. Wenig Buͤcher ſind mit ſolcher Luſt entſtanden, und wir ſagen gern hier noch einmal oͤffentlich Allen Dank, die Theil daran haben.

Es war vielleicht gerade Zeit, dieſe Maͤrchen feſtzuhalten, da diejenigen, die ſie bewahren ſollen, immer ſeltner werden (frei - lich, die ſie noch wiſſen, wiſſen auch recht viel, weil die Menſchen ihnen abſterben, ſie nicht den Menſchen), denn die Sitte darin nimmt ſelber immer mehr ab, wie alle heim - lichen Plaͤtze in Wohnungen und Gaͤrten ei - ner leeren Praͤchtigkeit weichen, die dem Laͤ - cheln gleicht, womit man von ihnen ſpricht, welches vornehm ausſieht und doch ſo we - nig koſtet. Wo ſie noch da ſind, da leben ſie ſo, daß man nicht daran denkt, ob ſie gut oder ſchlecht ſind, poetiſch oder abge - ſchmackt, man weiß ſie und liebt ſie, weilVIII man ſie eben ſo empfangen hat, und freut ſich daran ohne einen Grund dafuͤr: ſo herr - lich iſt die Sitte, ja auch das hat dieſe Poeſie mit allem unvergaͤnglichen gemein, daß man ihr ſelbſt gegen einen andern Wil - len geneigt ſeyn muß. Leicht wird man uͤbrigens bemerken, daß ſie nur da gehaftet, wo uͤberhaupt eine regere Empfaͤnglichkeit fuͤr Poeſie oder eine noch nicht von den Ver - kehrtheiten des Lebens ausgeloͤſchte Phantaſie geweſen. Wir wollen in gleichem Sinn hier die Maͤrchen nicht ruͤhmen, oder gar gegen eine entgegengeſetzte Meinung vertheidigen: jenes bloße Daſeyn reicht hin, ſie zu ſchuͤz - zen. Was ſo mannichfach und immer wie - der von neuem erfreut, bewegt und belehrt hat, das traͤgt ſeine Nothwendigkeit in ſich, und iſt gewiß aus jener ewigen Quelle ge - kommen, die alles Leben bethaut, und wenn auch nur ein einziger Tropfen, den ein klei - nes zuſammenhaltendes Blatt gefaßt, doch in dem erſten Morgenroth ſchimmernd.

Innerlich geht durch dieſe Dichtungen dieſelbe Reinheit, um derentwillen uns Kin - der ſo wunderbar und ſeelig erſcheinen; ſie haben gleichſam dieſelben blaͤulich-weißen,IX mackelloſen, glaͤnzenden Augen (in die ſich die kleinen Kinder ſelbſt ſo gern greifen*)Fiſchart Gargantŭa 129b. 131b.[),] die nicht mehr wachſen koͤnnen, waͤhrend die andern Glieder noch zart, ſchwach, und zum Dienſt der Erde ungeſchickt ſind. So ein - fach ſind die meiſten Situationen, daß viele ſie wohl im Leben gefunden, aber wie alle wahrhaftigen doch immer wieder neu und ergreifend. Die Eltern haben kein Brod mehr, und muͤſſen ihre Kinder in dieſer Noth verſtoßen, oder eine harte Stiefmutter laͤßt ſie leiden**)Dieſes Verhaͤltniß kommt hier oft vor und iſt wohl die erſte Wolke, die an dem blauen Him - mel eines Kinds aufſteigt und die erſten Thraͤ - nen erpreßt, welche die Menſchen nicht ſehen, aber die Engel zaͤhlen. Selbſt Blumen ha - ben davon ihren Namen erhalten, die Viola tricolor heißt Stiefmuͤtterchen, weil jedes der gelben Blaͤtter unter ſich ein ſchmales, gruͤnes Blaͤttchen hat, wovon es gehalten wird, das ſind die Stuͤhle, welche die Mutter ihren rech - ten luſtigen Kindern gegeben; oben muͤſſen die zwei Stiefkinder, in dunkelviolett trauernd ſte - hen und haben keine Stuͤhle., und moͤgte ſie gar zu Grunde gehen laſſen. Dann ſind Geſchwiſter in desX Waldes Einſamkeit verlaſſen, der Wind er - ſchreckt ſie, Furcht vor den wilden Thieren, aber ſie ſtehen ſich in allen Treuen bei, das Bruͤderchen weiß den Weg nach Haus wie - der zu finden, oder das Schweſterchen, wenn Zauberei es verwandelt, leitet es als Reh - kaͤlbchen und ſucht ihm Kraͤuter und Moos zum Lager; oder es ſitzt ſchweigend und naͤht ein Hemd aus Sternblumen, das den Zauber vernichtet. Der ganze Umkreis die - ſer Welt iſt beſtimmt abgeſchloſſen: Koͤ - nige, Prinzen, treue Diener und ehrliche Handwerker, vor allen Fiſcher, Muͤller, Koͤh - ler und Hirten, die der Natur am naͤchſten geblieben, erſcheinen darin; das andere iſt ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in den Mythen, die von der goldnen Zeit re - den, iſt die ganze Natur belebt, Sonne, Mond und Sterne ſind zugaͤnglich, geben Geſchenke, oder laſſen ſich wohl gar in Klei - der weben, in den Bergen arbeiten[] die Zwer - ge nach dem Metall, in dem Waſſer ſchla - fen die Nixen, die Voͤgel[] (Tauben ſind die geliebteſten und huͤlfreichſten), Pflanzen, Stei - ne reden und wiſſen ihr Mitgefuͤhl auszu - druͤcken, das Blut ſelber ruft und ſpricht,XI und ſo uͤbt dieſe Poeſie ſchon Rechte, wor - nach die ſpaͤtere nur in Gleichniſſen ſtrebt. Dieſe unſchuldige Vertraulichkeit des groͤß - ten und kleinſten hat eine unbeſchreibliche Lieblichkeit in ſich, und wir moͤgten lieber dem Geſpraͤch der Sterne mit einem armen verlaſſenen Kind im Wald, als dem Klang der Sphaͤren zuhoͤren. Alles ſchoͤne iſt gol - den und mit Perlen beſtreut, ſelbſt goldne Menſchen leben hier, das Ungluͤck aber eine finſtere Gewalt, ein ungeheurer menſchenfreſ - ſender Rieſe, der doch wieder beſiegt wird, da eine gute Frau zur Seite ſteht, welche die Noth gluͤcklich abzuwenden weiß, und dieſes Epos endigt immer, indem es eine endloſe Freude aufthut. Das Boͤſe auch iſt kein kleines, nahſtehendes und das ſchlech - teſte, weil man ſich daran gewoͤhnen koͤnnte, ſondern etwas entſetzliches, ſchwarzes, ſtreng geſchiedenes, dem man ſich nicht naͤhern darf; eben ſo furchtbar die Strafe deſſelben: Schlangen und giftige Wuͤrmer verzehren ihr Opfer, oder in gluͤhenden Eiſenſchuhen muß es ſich zu todt tanzen. Vieles traͤgt auch eine eigene Bedeutung in ſich: die Mutter wird ihr rechtes Kind in dem AugenblickXII wieder im Arme haben, wenn ſie den Wech - ſelbalg, den ihr die Hausgeiſter dafuͤr gege - ben, zum Lachen bringen kann; gleichwie das Leben des Kindes mit dem Laͤcheln anfaͤngt und in der Freude fortwaͤhrt, beim Laͤcheln im Schlaf aber die Engel mit ihm reden. So iſt eine Viertelſtunde taͤglich uͤber der Macht des Zaubers, wo die menſchliche Ge - ſtalt frei hervortritt, als koͤnne uns keine Gewalt ganz einhuͤllen, und es gewaͤhre je - der Tag Minuten, wo der Menſch alles fal - ſche abſchuͤttele und aus ſich ſelbſt heraus - blicke; dagegen aber wird der Zauber auch nicht ganz geloͤſt, und ein Schwanenfluͤgel bleibt ſtatt des Arms, und weil eine Thraͤ - ne gefallen, iſt ein Auge mit ihr verloren[,] oder die weltliche Klugheit wird gedemuͤthigt und der Dummling, von allen verlacht und hintangeſetzt, aber reines Herzens, gewinnt allein das Gluͤck. In dieſen Eigenſchaften aber iſt es gegruͤndet, wenn ſich ſo leicht aus dieſen Maͤrchen eine gute Lehre, eine Anwendung fuͤr die Gegenwart ergiebt; es war weder ihr Zweck, noch ſind ſie darum erfunden, aber es erwaͤchſt daraus, wie eine gute Frucht aus einer geſunden Bluͤthe ohneXIII Zuthun der Menſchen. Darin bewaͤhrt ſich jede aͤchte Poeſie, daß ſie niemals ohne Be - ziehung auf das Leben ſeyn kann, denn ſie iſt aus ihm aufgeſtiegen und kehrt zu ihm zuruͤck, wie die Wolken zu ihrer Geburts - ſtaͤtte, nachdem ſie die Erde getraͤnkt haben.

So erſcheint uns das Weſen dieſer Dich - tungen; in ihrer aͤußeren Natur gleichen ſie aller volks - und ſagenmaͤßigen: nirgends feſtſtehend, in jeder Gegend, faſt in jedem Munde, ſich umwandelnd, bewahren ſie treu denſelben Grund. Indeſſen unterſcheiden ſie ſich ſehr beſtimmt von den eigentlich loca - len Volksſagen, die an leibhafte Oerter oder Helden der Geſchichte gebunden ſind, deren wir hier keine aufgenommen, wiewohl viele geſammelt haben, und die wir ein an - dermal herauszugeben denken. Mehrere Aeußerungen einer und derſelben Sage we - gen ihrer angenehmen und eigenthuͤmlichen Abweichungen haben wir einigemal mitge - theilt, das minder bedeutende in dem An - hang, uͤberhaupt aber ſo genau geſammelt, als uns moͤglich war. Gewiß iſt auch, daß ſich die Maͤrchen in dem Fortgange der Zeit beſtaͤndig neu erzeugt, eben darum aber mußXIV ihr Grund ſehr alt ſeyn, bei einigen wird es durch Spuren in Fiſchart und Rollenha - gen, die an ihrem Ort bemerkt ſind, fuͤr bei - nah drei Jahrhunderte beſonders bewieſen; es iſt aber außer Zweifel, daß ſie noch gar viel aͤlter ſind, wenn auch Mangel an Nach - richten directe Beweiſe unmoͤglich macht. Nur ein einziger, aber ſicherer ergiebt ſich aus ihrem Zuſammenhang mit dem großen Heldenepos und der einheimiſchen Thierfabel, welchen auszufuͤhren natuͤrlich hier der Ort nicht war, einiges iſt jedoch im Anhang gleichfalls daruͤber geſagt worden.

Weil dieſe Poeſie dem erſten und ein - fachſten Leben ſo nah liegt, ſo ſehen wir da - rin den Grund ihrer allgemeinen Verbrei - tung, denn es giebt wohl kein Volk, wel - ches ſie ganz entbehrt. Selbſt die Neger im weſtlichen Afrika vergnuͤgen ihre Kin - der mit Erzaͤhlungen, und von den Grie - chen ſagt es Strabo ausdruͤcklich (Man wird dies Zeugniß am Ende finden bei den an - dern, welche beweiſen, wie ſehr diejenigen, die gewußt, was eine ſolche unmittelbar zum Herzen redende Stimme werth iſt, ſolche Maͤrchen geſchaͤtzt haben). Noch ein ande -XV rer hoͤchſt merkwuͤrdiger Umſtand erklaͤrt ſich daraus, naͤmlich die große Ausbreitung die - ſer deutſchen. Sie erreichen hierin nicht bloß die Heldenſagen von Siegfried dem Drachentoͤdter, ſondern ſie uͤbertreffen dieſe ſogar, indem wir ſie, und genau dieſelben, durch ganz Europa verbreitet finden, ſo daß ſich in ihnen eine Verwandtſchaft der edel - ſten Voͤlker offenbart. Aus dem Norden kennen wir nur die daͤniſchen Kaͤmpe-Viſer, die vieles hierhergehoͤrige enthalten, wenn gleich ſchon als Lied, welches nicht mehr ganz fuͤr Kinder paßt, weil es geſungen ſeyn will, doch laͤßt ſich hier die Graͤnze eben ſo wenig genau angeben, als zu der ernſthafteren, hiſtoriſchen Sage, und es giebt allerdings Vereinigungspuncte. England be - ſitzt die Tabartiſche eben nicht ſehr reiche Sammlung, aber welche Reichthuͤmer von muͤndlicher Sage muͤſſen in Wallis, Schott - land und Irland noch vorhanden ſeyn, er - ſteres hat in[ſeinen] (jetzt gedruckten) Ma - binogion allein einen wahren Schatz. Auf eine aͤhnliche Weiſe ſind Norwegen, Schwe - den und Daͤnemark reich geblieben, weniger vielleicht die ſuͤdlichen Laͤnder; aus SpanienXVI iſt uns nichts bewußt, doch laͤßt eine Stelle des Cervantes uͤber das Daſeyn und Erzaͤh - len der Maͤrchen keinen Zweifel*) y aquellas (cosas) que à ti te deven pare - cer profecias, no son sino palabras de con - sejas, o cuentos de viejas, como aquel - los del cavallo sin cabeça, y de la varilla de virtudes, con que se en - aretienen al fuego las dilatadas noches del invierno. Colloq. entre cip. y Berg. . Frank - reich hat gewiß noch jetzt mehr, als was Charles Perrault mittheilte, der allein ſie noch als Kindermaͤrchen behandelte (nicht ſeine ſchlechteren Nachahmer, die Aulnoi, Murat); er giebt nur neun, freilich die be - kannteſten, die auch zu den ſchoͤnſten gehoͤ - ren. Sein Verdienſt beſteht darin, daß er nichts hinzugeſetzt und die Sachen an ſich, Kleinigkeiten abgerechnet, unveraͤndert gelaſ - ſen; ſeine Darſtellung verdient nur das Lob, ſo einfach zu ſeyn, als es ihm moͤglich war; an ſich iſt der franzoͤſiſchen Sprache, die ſich ihrer jetzigen Bildung nach, faſt wie von ſelbſt zu epigrammatiſchen Wendungen undfein -XVIIfeingeſchnitztem Dialog zuſammenkraͤuſelt (man ſehe nur das Geſpraͤch zwiſchen Riquet à la houpe und der dummen Prinzeſſin, ſo wie das Ende von petit poucet), wohl nichts ſchwerer, als naiv und gerad, das heißt in der That, nicht mit der Praͤtenſion darauf, Kindermaͤrchen zu erzaͤhlen; außerdem ſind ſie manchmal unnoͤthig gedehnt und breit. Eine Analyſe, die vor einer Ausgabe ſteht, ſieht es ſo an, als habe Perrault ſie zuerſt erfunden, und von ihm (geb. 1633, geſtor - ben 1703.) ſeyen ſie zuerſt unter das Volk gekommen; bei dem Daͤumling wird ſogar eine abſichtliche Nachahmung Homers be - hauptet, welche Kindern die Noth des Odyſ - ſeus beim Polyphem habe verſtaͤndlich ma - chen wollen; eine beſſere Anſicht hat Johan - neau. Reicher als alle anderen ſind aͤltere italiaͤniſche Sammlungen, erſtlich in den Naͤchten des Straparola, die manches gute enthalten, dann aber beſonders im Penta - merone des Baſile, einem in Italien eben ſo bekannten und beliebten, als in Deutſchland ſeltenen und unbekannten, in neapolitaniſchen Dialect geſchriebenen, und in jeder Hinſicht vortrefflichen Buch. Der Inhalt iſt faſt oh -Kindermärchen. bXVIIIne Luͤcke und falſchen Zuſatz, der Stil uͤber - fließend in guten Reden und Spruͤchen. Es ganz lebendig zu uͤberſetzen gehoͤrte ein Fi - ſchart*)Welch ein viel beſſeres Maͤrchenbuch als das unſrige haͤtte dieſer mit der damaligen Spra - che und mit ſeinem bewunderungswuͤrdigen Ge - daͤchtniß aufſchreiben koͤnnen, wenn er anders den Werth einer getreuen, ungefaͤlſchten Auf - zeichnung erkannt haͤtte. und ſein Zeitalter dazu; wir den - ken es indeſſen in dem zweiten Band der vorliegenden Sammlung zu verdeutſchen, wo - rin auch alles andere, was fremde Quellen gewaͤhren, ſeinen Platz finden ſoll.

Wir haben uns bemuͤht, dieſe Maͤrchen ſo rein als moͤglich war aufzufaſſen, man wird in vielen die Erzaͤhlung von Reimen und Verſen unterbrochen finden, die ſogar manchmal deutlich alliteriren, beim Erzaͤhlen aber niemals geſungen werden, und gerade dieſe ſind die aͤlteſten und beſten. Kein Um - ſtand iſt hinzugedichtet oder verſchoͤnert und abgeaͤndert worden, denn wir haͤtten uns geſcheut, in ſich ſelbſt ſo reiche Sagen mit ihrer eigenen Analogie oder Reminiſcenz zu vergroͤßern, ſie ſind unerfindlich. In die -XIX ſem Sinne exiſtirt noch keine Sammlung in Deutſchland, man hat ſie faſt immer nur als Stoff benutzt, um groͤßere Erzaͤhlungen daraus zu machen, die willkuͤhrlich erweitert, veraͤndert, was ſie auch ſonſt werth ſeyn konnten, doch immer den Kindern das Ihri - ge aus den Haͤnden riſſen, und ihnen nichts dafuͤr gaben. Selbſt wer an ſie gedacht, konnte es doch nicht laſſen, Manieren, wel - che die Zeitpoeſie gab, hineinzumiſchen; faſt immer hat es auch an Fleiß beim Sammeln gefehlt und ein paar wenige, zufaͤllig etwa aufgefaßte, wurden ſogleich mitgetheilt*)Muſaͤus und Naubert verarbeiteten meiſt, was wir vorhin Localſage nannten, der viel ſchaͤtzbarere Otmar nur lauter ſolche; eine Erfurter Sammlung von 1787. iſt arm, eine Leipziger von 1799. gehoͤrt nur halb hierher, wiewohl ſie nicht ganz ſchlecht zu nennen, eine Braunſchweiger von 1801. unter dieſen die reichſte, obgleich mit ihnen in verkehrtem Ton. Aus der neuſten Buͤſchingiſchen war fuͤr uns nichts zu nehmen, ausdruͤcklich aber muß noch bemerkt werden, daß eine vor ein paar Jahren von einem Namensverwandten A. L. Grimm unter dem Titel: Kindermaͤrchen zu Heidelberg herausgekommene, nicht eben wohl. b 2XXWaͤren wir ſo gluͤcklich geweſen, ſie in einem recht beſtimmten Dialect erzaͤhlen zu koͤnnen, ſo zweifeln wir nicht, wuͤrden ſie viel ge - wonnen haben; es iſt hier ein Fall, wo alle erlangte Bildung, Feinheit und Kunſt der Sprache zu Schanden wird, und wo man fuͤhlt, daß eine gelaͤuterte Schriftſprache, ſo gewandt ſie in allem andern ſeyn mag, hel -*)gerathene, Sammlung mit uns und der unſri - gen gar nichts gemein hat. Die eben ausgegebenen Wintermaͤrchen vom Gevatter Johann (Jena b. Voigt 1813.) ſind nur dem Titel nach neu, und ſchon vor zehn Jahren erſchienen. Sie haben mit der Leipziger Sammlung einen Verfaſſer, der ſich auch Peter Kling nennt, und ſind in derſelben Manier geſchrieben. Nur das ſechſte und zum Theil das fuͤnfte Maͤrchen haben Werth, die an - dern ſind ohne Kern und, bis auf wenige Ein - zelheiten hohle Erfindungen. Wir bitten jeden, dem Gelegenheit und Nei - gung es moͤglich macht, dieſes Buch im Einzel - nen zu verbeſſern, die Fragmente zu ergaͤnzen, beſonders aber neue und ſonderlich Thier-Maͤr - chen zu ſammeln. Fuͤr ſolche Mittheilungen wuͤrden wir ſehr dankbar ſeyn, und durch den Verleger oder durch die Buchhandlungen in Goͤt - tingen, Caſſel und Marburg ſie am beſten erhalten.XXI ler und durchſichtiger aber auch ſchmackloſer geworden, und nicht mehr feſt an den Kern ſich ſchließe.

Wir uͤbergeben dies Buch wohlwollen - den Haͤnden, dabei denken wir uͤberhaupt an die ſegnende Kraft, die in dieſen liegt, und wuͤnſchen, daß denen, welche dieſe Broſamen der Poeſie Armen und Genuͤgſamen nicht goͤn - nen, es gaͤnzlich verborgen bleiben moͤge.

Caſſel, am 18ten October 1812.

XXII

Zeugniſſe fuͤr Kindermaͤrchen.

  • Strabo I, 2. §. 3. ed. 1620. p. 19. Wir erzaͤhlen den Kindern, um ſie zu ermun - tern, angenehme Geſchichten, und um ſie abzuhal - ten, ſchreckliche Maͤrchen, wie die von der Lamia, der Gorgone, von Ephialtes und Mormolyk.
  • Lamia, eine Frau, welche Kinder fraß. Gor - gone, eine Frau mit Schlangenhaaren, eher - nen Haͤnden und Zaͤhnen, ſo groß wie Eber - hauer, ihr Anblick toͤdtete und verſteinerte. Ephialtes, ein himmelſtuͤrmender Rieſe, der den Oſſa auf den Olymp, den Pelion auf den Oſſa ſetzte. Die Mormolyken ſind Geiſter und Geſpenſter.
  • Luther hat geſagt: Ich moͤgt 'mich der wunderſamen Hiſtorien, ſo ich aus zarter Kindheit heruͤber genommen, oder auch, wie ſie mir vorkommen ſind in meinem Leben, nicht entſchlagen, um kein Gold. Doctor Luther hat ſeine Muͤhe an den alten und verunreinigten Eſopum legen und ſeinen Deutſchen ein verneuertes und geſchwertes Maͤrleinbuch zurichten wollen, daran der Zeit viel guter Leut ein ſonderes Gefallen trugen, aber, weil ſich der theure Mann an der Biblia neben viel Predigen und Schreiben ab - gearbeitet, verblieb dies angefangene Werk, welches Anfang gleichwohl Magiſter Georg Roͤrer hernachmals in den neunten Theil derXXIII deutſchen Buͤcher Lutheri hat bringen laſſen. Im ſchoͤnen Hofpſalm gedenkt der Doctor des Affen, ſo Holzſpalten wollte und des Keils vergaß, und da er die Axt auszog daruͤber zu Schanden kam. Er gedenkt auch des Froſches, ſo auf dem Heller ſaß und ſich ruͤhmet, Geld braͤchte Ehre. Ueber Tiſch hab ich etliche gute Fabeln von ihm gehoͤrt, als von der Kraͤhe, ſo die Affen ſtrafte, die aus einem Johanneswuͤrmchen Feuer blaſen wollten, und daruͤber ihren Kopf ver - lor. (Eine nicht unbekannte Fabel, die z. B. in Walchs decas fab. ſteht.) Schuppii Schriften. Fabul-Hans. S. 530.
  • Johannes Muͤller. Man ſollte die Weisheit der Voͤlker, bei denen man lebt, in ihrer mannichfaltigen Geſtalt, ſelbſt in Liedern, quas ad ignem aniculae narrant puellis, aufſpuͤren und in Umlauf bringen. (Hiſtor. Critik I. 245.)
  • W. Scott. In den Anmerkungen zu ſeinem Ge - dicht Lady of the lake. Edinb. 1810. p. 392.

    A work of great interest might be com - piled upon the origine of popular fiction and the transmission of similar tales from age to age and from country to country. The mythology of one period would then appear to pass into the romance of the next century, and that into the nursery-tale of the subsequent ages. Such anXXIV investigation, while it went greatly to dimi - nish our ideas of the richness of human inven - tion would also shew, that these fictions, how - ever wild and childish, possess such charms for the populace, as enable them to penetrate into countries unconnected by manners and language and having no apparent intercourse tho afford the means of transmission. It would carry me far beyond my bounds, to produce instances of this community of fable, among nations, who never borrowed from each other any thing intrinsically worth learning. Indeed the wide diffusion of popular fictions may be compared to the facility, with wich straws and feathers are dispersed abroad by the wind, while valuable metals cannot be transported with - out trouble and labour. There lives, I belie - ve, only one gentleman, whose unlimited ac - quaintance with this subiect might enable him to do it justice; I mean my friend, Mr. Fran - cis Douce, of the british museum, whose usual Kindness will I hope pardon my mentio - ning his name,[while on] a subject so closely connected with his extensive and curious re - searches.

  • Eloi Johanneau. Mem. de l'acad. celti - que. I. 162. On connait aussi les contes de fées, du chat botté et du petit Poucet avec ses bottes de 7. lieues, contes populaires de la plus haute antiquité, qui ne sont point de l'invention de Perrault.
Inhalt.[XXV]

Inhalt.

  • 1. Der Froſchkoͤnig oder der eiſerne Hein - richSeite 1
  • 2. Katz und Maus in Geſellſchaft 6
  • 3. Marienkind 8
  • 4. Gut Kegel - und Kartenſpiel 14
  • 5. Der Wolf und die ſieben junge[Geiſ - lein] 17
  • 6. Von der Nachtigall und der Blind - ſchleiche 20
  • 7. Von dem geſtohlenen Heller 21
  • 8. Die Hand mit dem Meſſer 23
  • 9. Die zwoͤlf Bruͤder 24
  • 10. Das Lumpengeſindel 30
  • 11. Bruͤderchen und Schweſterchen 33
  • 12. Rapunzel 38
  • 13. Die drei Maͤnnlein im Walde 43
  • 14. Von dem boͤſen Flachsſpinnen 47
  • 15. Haͤnſel und Gretel 49
  • 16. Herr Fix und Fertig 58
  • 17. Die weiße Schlange 63
  • 18. Strohhalm, Kohle und Bohne auf der Reiſe 67
  • 19. Van den Fiſcher un ſiine Fru 68
  • 20. Von einem tapfern Schneider 77
  • XXVI
  • 21. AſchenputtelSeite 88
  • 22. Wie Kinder Schlachtens mit einander geſpielt haben 101
  • 23. Von dem Maͤuschen, Voͤgelchen und der Bratwurſt 104
  • 24. Frau Holle 106
  • 25. Die drei Raben 110
  • 26. Rothkaͤppchen 113
  • 27. Der Tod und der Gaͤnshirt 118
  • 28. Der ſingende Knochen 119
  • 29. Von dem Teufel mit drei goldenen Haaren 122
  • 30. Laͤuschen und Floͤhchen 130
  • 31. Maͤdchen ohne Haͤnde 132
  • 32. Der geſcheidte Hans 138
  • 33. Der geſtiefelte Kater 147
  • 34. Hanſens Trine 155
  • 35. Der Sperling und ſeine vier Kinder 156
  • 36. Von dem Tiſchgen deck dich, dem Gold - eſel und dem Knuͤppel in den Sack 161
  • 37. Von der Serviette, dem Torniſter, dem Kanonenhuͤtlein und dem Horn 172
  • 38. Von der Frau Fuͤchſin 176
  • 39. Von den Wichtelmaͤnnern 180
    • I. Von dem Schuſter, dem ſie die Ar - beit gemacht ebd.
    • II. Von einem Dienſtmaͤdchen, das Ge - vatter bei ihnen geſtanden 182
    • III. Von einer Frau, der ſie das Kind vertauſcht haben 183
  • 40. Der Raͤuberbraͤutigam 184
  • XXVII
  • 41. Herr KorbesSeite 187
  • 42. Der Herr Gevatter 189
  • 43. Die wunderliche Gaſterei 191
  • 44. Der Gevatter Tod 193
  • 45. Des Schneiders Daumerling Wander - ſchaft 195
  • 46. Fitchers Vogel 200
  • 47. Van den Machandel-Boom 203
  • 48. Der alte Sultan 217
  • 49. Die ſechs Schwaͤne 220
  • 50. Dornroͤschen 225
  • 51. Vom Fundevogel 229
  • 52. Koͤnig Droßelbart 233
  • 53. Sneewittchen (Schneeweißchen) 238
  • 54. Hans Dumm 250
  • 55. Rumpelſtilzchen 253
  • 56. Der Liebſte Roland 255
  • 57. Vom goldnen Vogel 260
  • 58. Vom treuen Gevatter Sperling 270
  • 59. Prinz Schwan 273
  • 60. Das Goldei 278
  • 61. Von dem Schneider, der bald reich wurde 280
  • 62. Blaubart 285
  • 63. Goldkinder 290
  • 64. Von dem Dummling 294
    • I. Die weiße Taube ebd.
    • II. Die Bienenkoͤnigin 296
    • III. Die drei Federn 300
    • IV. Die goldene Gans 303
  • 65. Allerlei-Rauh 308
  • XXVIII
  • 66. HurleburlebutzSeite 316
  • 67. Der Koͤnig mit dem Loͤwen 320
  • 68. Von dem Sommer - und Wintergarten 323
  • 69. Jorinde und Joringel 328
  • 70. Der Okerlo 332
  • 71. Prinzeſſin Maͤuſehaut 336
  • 72. Das Birnli will nit fallen 338
  • 73. Das Mordſchloß 340
  • 74. Von Johannes-Waſſerſprung und Cas - par-Waſſerſprung 343
  • 75. Vogel Phoͤnix 348
  • 76. Die Nelke 350
  • 77. Vom Schreiner und Drechsler 354
  • 78. Der alte Großvater und der Enkel 355
  • 79. Die Waſſernix 356
  • 80. Von dem Tod des Huͤhnchens 358
  • 81. Der Schmidt und der Teufel 360
  • 82. Die drei Schweſtern[364]
  • 83. Das arme Maͤdchen 382
  • 84. Die Schwiegermutter 383
  • 85. Fragmente 385
    • a) Schneeblume ebd.
    • b) Prinzeſſin mit der Laus 386
    • c) Vom Prinz Johannes ebd.
    • [Der gute Lappen]
  • [86. Der Fuchs und die Gaͤnſe 387]
1. Der[1]

1. Der Froſchkoͤnig oder der eiſerne Heinrich.

Es war einmal eine Koͤnigstochter, die ging hinaus in den Wald und ſetzte ſich an einen kuͤhlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Ku - gel, die war ihr liebſtes Spielwerk, die warf ſie in die Hoͤhe und fing ſie wieder in der Luft und hatte ihre Luſt daran. Einmal war die Kugel gar hoch geflogen, ſie hatte die Hand ſchon ausgeſtreckt und die Finger gekruͤmmt, um ſie wieder zufangen, da ſchlug ſie neben vorbei auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in das Waſſer hinein.

Die Koͤnigstochter blickte ihr erſchrocken nach, der Brunnen war aber ſo tief, daß kein Grund zu ſehen war. Da fing ſie an jaͤmmer - lich zu weinen und zu klagen: ach! wenn ich meine Kugel wieder haͤtte, da wollt 'ich alles darum geben, meine Kleider, meine Edelgeſteine, meine Perlen und was es auf der Welt nur waͤr'. Wie ſie ſo klagte, ſteckte ein FroſchKindermärchen. A2ſeinen Kopf aus dem Waſſer und ſprach: Koͤ - nigstochter, was jammerſt du ſo erbaͤrmlich? Ach, ſagte ſie, du garſtiger Froſch, was kannſt du mir helfen! meine goldne Kugel iſt mir in den Brunnen gefallen. Der Froſch ſprach: deine Perlen, deine Edelgeſteine und deine Kleider, die verlang ich nicht, aber wenn du mich zum Geſellen annehmen willſt, und ich ſoll neben dir ſitzen und von deinem goldnen Tellerlein eſſen und in deinem Bettlein ſchla - fen und du willſt mich werth und lieb haben, ſo will ich dir deine Kugel wiederbringen. Die Koͤnigstochter dachte, was ſchwaͤtzt der ein - faͤltige Froſch wohl, der muß doch in ſeinem Waſſer bleiben, vielleicht aber kann er mir meine Kugel holen, da will ich nur ja ſagen; und ſag - te: ja meinetwegen, ſchaff mir nur erſt die goldne Kugel wieder, es ſoll dir alles verſprochen ſeyn. Der Froſch ſteckte ſeinen Kopf unter das Waſſer und tauchte hinab, es dauerte auch nicht lange, ſo kam er wieder in die Hoͤhe, hatte die Kugel im Maul und warf ſie ans Land. Wie die Koͤ - nigstochter ihre Kugel wieder erblickte, lief ſie geſchwind darauf zu, hob ſie auf und war ſo froh, ſie wieder in ihrer Hand zu halten, daß ſie an nichts weiter gedachte, ſondern damit nach Haus eilte. Der Froſch rief ihr nach: warte, Koͤnigstochter, und nimm mich mit, wie du verſprochen haſt; aber ſie hoͤrte nicht darauf.

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Am andern Tage ſaß die Koͤnigstochter an der Tafel, da hoͤrte ſie etwas die Marmortreppe heraufkommen, plitſch, platſch! plitſch, platſch! bald darauf klopfte es auch an der Thuͤre und rief: Koͤnigstochter, juͤngſte, mach mir auf! Sie lief hin und machte die Thuͤre auf, da war es der Froſch, an den ſie nicht mehr gedacht hatte; ganz erſchrocken warf ſie die Thuͤre haſtig zu und ſetzte ſich wieder an die Tafel. Der Koͤnig aber ſah, daß ihr das Herz klopfte, und ſagte: warum fuͤrchteſt du dich? Da drau - ßen iſt ein garſtiger Froſch, ſagte ſie, der hat mir meine goldne Kugel aus dem Waſſer ge - holt, ich verſprach ihm dafuͤr, er ſollte mein Geſelle werden, ich glaubte aber nimmermehr, daß er aus ſeinem Waſſer heraus koͤnnte, nun iſt er draußen vor der Thuͤr und will herein. Indem klopfte es zum zweitenmal und rief:

Koͤnigstochter, juͤngſte,
mach mir auf,
weiß du nicht was geſtern
du zu mir geſagt
bei dem kuͤhlen Brunnenwaſſer?
Koͤnigstochter, juͤngſte,
mach mir auf.

Der Koͤnig ſagte: was du verſprochen haſt, mußt du halten, geh und mach dem Froſch die Thuͤre auf. []Sie gehorchte und der Froſch huͤpfte herein, und ihr auf dem Fuße immer nach, bisA 24zu ihrem Stuhl, und als ſie ſich wieder geſetzt hatte, da rief er: heb mich herauf auf einen Stuhl neben dich. Die Koͤnigstochter wollte nicht, aber der Koͤnig befahl es ihr. Wie der Froſch oben war, ſprach er: nun ſchieb dein goldenes Tellerlein naͤher, ich will mit dir da - von eſſen. Das mußte ſie auch thun. Wie er ſich ſatt gegeſſen hatte, ſagte er: nun bin ich muͤd 'und will ſchlafen, bring mich hinauf in dein Kaͤmmerlein, mach dein Bettlein zu - recht, da wollen wir uns hineinlegen. Die Koͤnigstochter erſchrack, wie ſie das hoͤrte, ſie fuͤrchtete ſich vor dem kalten Froſch, ſie getraute ſich nicht ihn anzuruͤhren und nun ſollte er bei ihr in ihrem Bett liegen, ſie fing an zu weinen und wollte durchaus nicht. Da ward der Koͤnig zornig und befahl ihr bei ſeiner Ungnade, zu thun, was ſie verſprochen habe. Es half nichts, ſie mußte thun, wie ihr Vater wollte, aber ſie war bitterboͤſe in ihrem Herzen. Sie packte den Froſch mit zwei Fingern und trug ihn hinauf in ihre Kammer, legte ſich ins Bett und ſtatt ihn neben ſich zu legen, warf ſie ihn bratſch! an die Wand; da nun wirſt du mich in Ruh laſſen, du garſtiger Froſch!

Aber der Froſch fiel nicht todt herunter, ſondern wie er herab auf das Bett kam, da wars ein ſchoͤner junger Prinz. Der war nun ihr lieber Geſelle, und ſie hielt ihn werth wie5 ſie verſprochen hatte, und ſie ſchliefen vergnuͤgt zuſammen ein. Am Morgen aber kam ein praͤch - tiger Wagen mit acht Pferden beſpannt, mit Federn geputzt und goldſchimmernd, dabei war der treue Heinrich des Prinzen, der hatte ſich ſo betruͤbt uͤber die Verwandlung deſſelben, daß er drei eiſerne Bande um ſein Herz legen muß - te, damit es vor Traurigkeit nicht zerſpringe. Der Prinz ſetzte ſich mit der Koͤnigstochter in den Wagen, der treue Diener aber ſtand hinten auf, ſo wollten ſie in ſein Reich fahren. Und wie ſie ein Stuͤck Weges gefahren waren, hoͤrte der Prinz hinter ſich ein lautes Krachen, da drehte er ſich um und rief:

Heinrich, der Wagen bricht!
Nein Herr, der Wagen nicht,
es iſt ein Band von meinem Herzen,
das da lag in großen Schmerzen,
als ihr in dem Brunnen ſaßt,
als ihr eine Fretſche (Froſch) waſ't. (wart)

Noch einmal und noch einmal hoͤrte es der Prinz krachen, und meinte: der Wagen braͤche, aber es waren nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich abſprangen, weil ſein Herr erloͤſt und gluͤcklich war.

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2. Katz und Maus in Geſellſchaft.

Eine Katze und eine Maus wollten zuſam - men leben und Wirthſchaft zuſammen haben; ſie ſorgten auch fuͤr den Winter und kauften ein Toͤpfchen mit Fett, und weil ſie keinen beſſern und ſicherern Ort wußten, ſtellten ſie es unter den Altar in der Kirche, da ſollt 'es ſtehen, bis ſie ſein beduͤrftig waͤren. Einſtmals aber trug die Katze Geluͤſten darnach, und ging zur Maus: hoͤr' Maͤuschen, ich bin von meiner Baſe zu Gevatter gebeten, ſie hat ein Soͤhnchen gebo - ren, weiß und braun gefleckt, das ſoll ich uͤber die Taufe halten, laß mich ausgehen und halt heut allein Haus. Ja, ja, ſagte die Maus, geh hin, und wenn du was Gutes iſſeſt, denk an mich, von dem ſuͤßen rothen Kind - betterwein traͤnk ich auch gern ein Troͤpfchen. Die Katze aber ging geradeswegs in die Kirche und leckte die fette Haut ab, ſpatzirte darnach um die Stadt herum und kam erſt am Abend nach Haus. Du wirſt dich recht erluſtirt haben, ſagte die Maus, wie hat denn das Kind geheißen? [ Hautab ], antwortete die Katze. [] Hautab? das iſt ein ſeltſamer Name, den hab 'ich noch nicht gehoͤrt.

Bald darnach hatte die Katze wieder ein7 Geluͤſten, ging zur Maus und ſprach: ich[bin] aufs neue zu Gevatter gebeten, das Kind hat einen weißen Ring um den Leib, da kann ichs nicht abſchlagen, du mußt mir den Gefallen thun und allein die Wirthſchaft treiben. Die Maus ſagte ja, die Katze aber ging hin und fraß den Fetttopf bis zur Haͤlfte leer. Als ſie heim kam, fragte die Maus: wie iſt denn dieſer Pathe getauft worden? Halb - aus Halbaus? was du ſagſt! den Na - men hab 'ich gar noch nicht gehoͤrt, der ſteht gewiß nicht im Calender.

Die Katze aber konnte den Fetttopf nicht vergeſſen: ich bin zum drittenmal zu Gevat - ter gebeten, das Kind iſt ſchwarz und hat bloß weiße Pfoten, ſonſt kein weißes Haar am gan - zen Leib, das trifft ſich alle paar Jahr nur ein - mal, du laͤßt mich doch ausgehen? Haut - ab, Halbaus, ſagte die Maus, es ſind ſo ku - rioſe Namen, die machen mich ſo nachdenkſam, doch geh nur hin. Die Maus hielt alles in Ordnung und raͤumte auf, dieweil fraß die Katze den Fetttopf rein aus und kam ſatt und dick erſt in der Nacht wieder. Wie heißt denn das dritte Kind? Ganzaus Ganz - aus! ei! ei! Das iſt der allerbedenklichſte Na - men, ſagte die Maus; Ganzaus? was ſoll der bedeuten? gedruckt iſt er mir noch nicht vorge -8 kommen! damit ſchuͤttelte ſie den Kopf und legte ſich ſchlafen.

Zum viertenmal wollte niemand die Katze zu Gevatter bitten; der Winter aber kam bald herbei. Wie nun draußen nichts mehr zu fin - den war, ſagte die Maus zur Katze: komm wir wollen zum Vorrath gehen, den wir in der Kirche unter dem Altar verſteckt haben. Wie ſie aber hinkamen, war alles leer Ach! ſagte die Maus, nun kommts an den Tag, du haſt Alles gefreſſen, wie du zu Gevatter aus - gegangen biſt, erſt Haut ab, dann Halb aus, dann Schweig ſtill, ſagte die Katze, oder ich freß dich, wenn du noch ein Wort ſprichſt Ganz aus hatte die arme Maus im Mund, und hatt 'es kaum geſprochen, ſo ſprang die Katz' auf ſie zu und ſchluckte ſie hinunter.

3. Marienkind.

Vor einem großen Walde lebte ein Holz - hacker mit ſeiner Frau und ſeinem einzigen Kind, das war ein Maͤdchen und drei Jahr alt. Sie waren aber ſo arm, daß ſie nicht mehr das taͤgliche Brot hatten und nicht wußten, was ſie ihm ſollten zu eſſen geben. Da ging der Holz - hacker voller Sorgen hinaus in den Wald an9 ſeine Arbeit, und wie er da Holz hackte, ſtand auf einmal eine ſchoͤne große Frau vor ihm, die hatte eine Krone von leuchtenden Sternen auf dem Haupt und ſprach zu ihm: ich bin die Jungfrau Maria, die Mutter des Chriſtkind - leins, bring mir dein Kind, ich will es mit mir nehmen, ſeine Mutter ſeyn und fuͤr es ſorgen. Der Holzhacker gehorchte und holte ſein Kind und gab es der Jungfrau Maria, die nahm es mit ſich hinauf in den Himmel. Da ging es ihm wohl, es bloß Zuckerbrot und trank ſuͤße Milch, und ſeine Kleider waren von Gold und die Englein ſpielten mit ihm. So war es vierzehn Jahre im Himmel, da mußte die Jung - frau Maria eine große Reiſe machen; eh ſie aber weg ging, rief ſie das Maͤdchen und ſag - te: liebes Kind, da vertrau ich dir die Schluͤſ - ſel zu den dreizehn Thuͤren des Himmelreichs, zwoͤlf darfſt du aufſchließen und betrachten, aber die dreizehnte nicht, die dieſer kleine Schluͤſſel oͤffnet. Das Maͤdchen verſprach ihren Befeh - len zu gehorchen, wie nun die Jungfrau weg war oͤffnete es jeden Tag eine Thuͤre, und ſah die Wohnungen des Himmelreichs. In jeder ſaß ein Apoſtel und war ſo viel Glanz umher, daß es ſein Lebtag ſolche Pracht und Herrlich - keit nicht geſehen. Als es die zwoͤlf Thuͤren auf - geſchloſſen hatte, war die verbotene noch uͤbrig; lange widerſtand es ſeiner Neugier, endlich aber10 ward es davon uͤberwaͤltigt und oͤffnete auch die dreizehnte. Und wie die Thuͤre aufging, ſah es in Feuer und Glanz die Dreieinigkeit ſitzen und ruͤhrte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward er ganz golden, dann aber ſchlug es geſchwind die Thuͤre zu und lief fort; ſein Herz klopfte und wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Nach wenigen Tagen aber kam die Jungfrau Maria von ihrer Reiſe zuruͤck und forderte die Himmelsſchluͤſſel von dem Maͤdchen, und wie es ſie reichte, ſah ſie es an und ſagte: haſt du auch nicht die dreizehnte Thuͤre geoͤff - net? Nein, antwortete es. Da legte ſie ihre Hand auf ſein Herz, das klopfte und klopfte, da ſah ſie, daß es ihr Gebot uͤbertre - ten und die Thuͤre aufgeſchloſſen hatte: haſt du es gewiß nicht gethan? Nein, ſagte das Maͤdchen noch einmal. Da ſah ſie den gol - denen Finger, womit es das himmliſche Feuer angeruͤhrt hatte, und wußte nun gewiß, daß es ſchuldig war und ſprach: du haſt mir nicht gehorcht und haſt gelogen, du biſt nicht mehr wuͤrdig im Himmel zu ſeyn.

Da verſank das Maͤdchen in einen tiefen, tiefen Schlaf, und als es erwachte, war es auf der Erde und lag unter einem hohen Baum, der war rings mit dichten Gebuͤſchen umzaͤunt, ſo daß es ganz eingeſchloſſen war, der Mund war ihm auch verſchloſſen und es konnte kein11 Wort reden. In dem Baum war eine Hoͤhle, darin ſaß es bei Regen und Gewitter, und ſchlief es in der Nacht; Wurzeln und Waldbee - ren waren ſeine Nahrung, die ſuchte es ſich, ſo weit es kommen konnte. Im Herbſt ſammelte es Wurzeln und Blaͤtter und trug ſie in die Hoͤhle, und wenn es dann ſchneite und fror, ſaß es darin. Seine Kleider verdarben auch und fielen ihm ab, da ſaß es in die Blaͤtter ganz eingehuͤllt, und wenn die Sonne wieder warm ſchien ging es heraus, ſetzte ſich vor den Baum, und ſeine langen Haare bedeckten es von allen Seiten wie ein Mantel.

Einmal, als es ſo im Fruͤhjahr vor dem Baume ſaß, draͤngte ſich jemand mit Gewalt durch das Gebuͤſch, das war aber der Koͤnig, der in dem Wald gejagt und ſich verirrt hatte. Er war erſtaunt, daß in der Einoͤde ein ſo ſchoͤ - nes Maͤdchen allein ſaß, und fragte es: ob es mit auf ſein Schloß gehen wollte. Es konnte aber nicht antworten, ſondern nickte bloß ein wenig mit dem Kopf, da hob es der Koͤnig auf ſein Pferd und fuͤhrte es mit ſich heim und bald gewann er es ſo lieb, daß er es zu ſeiner Ge - mahlin machte. Nach Verlauf eines Jahres brachte die Koͤnigin einen ſchoͤnen Prinzen zur Welt. In der Nacht erſchien ihr die Jungfrau Maria und ſprach: ſag 'jetzt die Wahrheit, daß du die verbotene Thuͤr aufgeſchloſſen haſt, dann12 will ich dir die Sprache wiedergeben, ohne die du doch nicht recht vergnuͤgt leben kannſt, biſt du aber hartnaͤckig und willſt es nicht geſtehen, ſo nehm' ich dein Kind mit. Die Koͤnigin aber blieb dabei, ſie habe die verbotene Thuͤre nicht geoͤffnet. Da nahm die Jungfrau Maria das kleine Kind und verſchwand damit. Am andern Morgen aber, als das Kind fort war, ging ein Gemurmel, die ſtumme Koͤnigin ſey eine Menſchenfreſſerin und habe ihr eigen Kind gegeſſen. Nach einem Jahr gebar die Koͤni - gin wieder einen Prinzen, die Jungfrau Maria trat wieder vor ſie und bat ſie, nun die Wahr - heit zu ſagen, ſonſt verliere ſie auch das zweite Kind. Die Koͤnigin aber beharrte darauf, ſie habe die verbotene Thuͤr nicht geoͤffnet, und die Jungfrau nahm das Kind mit ſich fort. Am Morgen, als es fehlte, ſagten des Koͤnigs Raͤ - the laut, die Koͤnigin ſey eine Menſchenfreſſe - rin und drangen darauf, daß ſie fuͤr ihre gott - loſe Thaten gerichtet werde; der Koͤnig aber hieß ſie ſtillſchweigen und wollte es nicht glau - ben, weil er die Koͤnigin ſo lieb hatte. Im dritten Jahr brachte ſie eine Prinzeſſin zur Welt, da erſchien die Jungfrau Maria wieder, nahm ſie mit in den Himmel und zeigte ihr da ihre zwei aͤlteſten Kinder, die mit der Weltku - gel ſpielten. Darauf bat ſie noch einmal, ſie moͤgte ihren Fehler geſtehen und nicht laͤnger13 bei der Luͤge beharren. Aber die Koͤnigin war nicht zu bewegen, und blieb bei ihrer Ausſage. Da verließ ſie die Jungfrau Maria, und nahm das juͤngſte Kind auch mit ſich.

Der Koͤnig konnte nun ſeine Raͤthe nicht laͤnger zuruͤckhalten, ſie behaupteten, die Koͤni - gin ſey eine Menſchenfreſſerin, das ſey gewiß, und weil ſie ſtumm war, konnte ſie ſich nicht vertheidigen, da ward ſie verdammt auf dem Scheiterhaufen zu ſterben. Wie ſie nun darauf ſtand, angebunden war, und das Feuer rings ſchon zu brennen anfing, da ward ihr Herz be - wegt und ſie gedachte bei ſich: ach, wenn ich auch ſterben muͤßte, wie gern wollt 'ich der Jungfrau Maria vorher noch geſtehen, daß ich die verbotene Thuͤre im Himmel aufgeſchloſſen habe, wie hab' ich ſo boͤſ 'gethan, das zu leug - nen! Und wie ſie das gedachte, in dem Au - genblick, da that ſich der Himmel auf, und die Jungfrau Maria kam herunter, zu ihren Sei - ten die beiden aͤlteſten Kinder, auf ihrem Arm das juͤngſte; das Feuer aber loͤſchte ſich von ſelbſt aus, und ſie trat zur Koͤnigin und ſprach: da du die Wahrheit haſt ſagen wollen, iſt dir deine Schuld vergeben, und reichte ihr die Kinder, oͤffnete ihr den Mund, daß ſie von nun an ſprechen konnte, und verlieh ihr Gluͤck auf ihr Lebtag.

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4. Gut Kegel - und Kartenſpiel.

Es war einmal ein alter Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war die ſchoͤnſte Jungfrau auf der Welt. Da ließ er bekannt machen: wer drei Naͤchte in meinem alten Schloß wacht, ſoll die Prinzeſſin zur Gemahlin haben. Nun war ein junger Burſch, arm von Haus aus, der ge - dacht: ich will mein Leben daran wagen, nichts zu verlieren, viel zu gewinnen, was iſt da lang zu beſinnen! Alſo ſtellt 'er ſich vor den Koͤnig und bot ſich an, drei Naͤchte in dem Schloß zu wachen. Du darfſt Dir noch etwas ausbitten, das Du mitnimmſt in das Schloß, aber von lebloſen Dingen, ſagte der Koͤnig. So bitt' ich mir eine Schnitzbank mit dem Schnitz - meſſer aus, eine Drehbank und ein Feuer.

Das wird ihm alles in das alte Schloß getragen; darauf, wie es anfaͤngt dunkel zu werden, geht er ſelbſt hinein. Anfangs iſt alles ſtill darin, er macht ſich ſein Feuer an, ſtellt die Schnitzbank mit dem Meſſer daneben und ſetzt ſich auf die Drehbank. Wie es aber gegen Mit - ternacht geht, faͤngt ein Geruͤmpel an, erſt ſach - te, dann ſtaͤrker, bif! baf! hehe! holla ho! im - mer aͤrger, dann iſts ein klein bischen ſtill, end - lich kommt ein Bein den Schornſtein herunter15 und ſtellt ſich gerade vor ihn hin. Heda, ruft der Burſch, noch mehr, eins iſt zu wenig. Da geht der Laͤrm von friſchem an, dann faͤllt noch ein Bein herunter und noch eins und ſo fort, bis es neun ſind. Nun iſts genug und die ſind gut zum Kegelſpiel, aber die Kugeln fehlen noch, friſch! Da tobts entſetzlich und fallen zwei Koͤpfe herunter. Die ſetzt er in die Dreh - bank und dreht ſie rund: daß ihr gut ſchuͤp - pelt! dann macht er die Beine gleich und ſtellt ſie wie die Kegel auf: Heida! nun gehts luſtig!

Da kamen zwei große ſchwarze Katzen, gin - gen ums Feuer herum und ſchrien: au! mi - au! was uns friert! was uns friert! Ihr Narren, was ſchreit Ihr, ſetzt euch ans Feuer und waͤrmt euch. Wie die Katzen ſich ge - waͤrmt hatten, ſagten ſie: Cammrad! wir wollen eins in der Karte ſpielen. Ja, ant - wortete er, aber zeigt einmal eure Pfoten her, Ihr habt ſo lange Naͤgel, die will ich Euch erſt abſchneiden. Damit packte er ſie am Kragen und hob ſie auf die Schnitzbank, da ſchraubte er ſie feſt und ſchmiß ſie todt. Dann trug er ſie hinaus und warf ſie in einen kleinen Teich, dem Schloß gegenuͤber. Wie er die zur Ruh gebracht, und ſich wieder zum Feuer ſetzen[woll - te] und ſich waͤrmen, da kamen viele[ſchwarze] Katzen und Hunde, bald aus allen Ecken und16 immer mehr und mehr, daß er ſich nicht mehr bergen konnte, die ſchrien, traten ihm auf ſein Feuer, zerrten es auseinander und machten es ganz aus. Da faßte er ſein Schnitzmeſſer: fort ihr Geſindel! und hieb ein. Ein großer Theil lief weg, die andern ſchmiß er todt und trug ſie auch hinaus in den Teich. Dann blies er ſich das Feuer wieder an aus einem Funken und waͤrmte ſich.

Als er ſich gewaͤrmt hatte, ward er muͤd 'und legte ſich in ein großes Bett, das in der Ecke ſtand. Und als er eben einſchlafen wollte, fing das Bett an zu fahren und fuhr im gan - zen Schloß herum. Das geht gut ſo, nur beſſer zu! ſagte er. Da fuhr das Bett, als zoͤgens ſechs Pferde, uͤber Schwellen und Trep - pen: hopp! hopp! warf es um, das unterſt zu oberſt und er drunter. Da ſchleudert' er Decken und Kiſſen in die Hoͤh 'und ſtieg heraus: mag fahren, wer Luſt hat! legte ſich zum Feuer und ſchlief bis es Tag war.

Am Morgen kam der Koͤnig, und als er den jungen Burſchen da liegen und ſchlafen ſah, meint 'er, der waͤre auch todt, und ſagte, es ſey ſchade um ihn. Da erwachte der Burſch von den Worten, und wie er den Koͤnig ſah, ſtand er auf, der fragte ihn, wie es gegangen waͤre in der Nacht? Recht gut, eine waͤr' herum, die zwei werden auch noch herum gehn. Die17Die andern Naͤchte gings ebenſo, aber er wuß - te ſchon, wie es anzugreifen war, und am vier - ten Tag ward ihm die ſchoͤne Koͤnigstochter ge - geben.

5. Der Wolf und die ſieben jungen Geiſlein.

Eine Geis hatte ſieben Junge, die ſie gar lieb hatte und ſorgfaͤltig vor dem Wolf huͤtete. Eines Tags, als ſie ausgehen mußte, Futter zu holen, rief ſie alle zuſammen und ſagte: liebe Kinder, ich muß ausgehen und Futter holen, wahrt euch vor dem Wolf und laßt ihn nicht herein, gebt auch Acht, denn er verſtellt ſich oft, aber an ſeiner rauhen Stimme und an ſeinen ſchwarzen Pfoten koͤnnt ihr ihn erkennen; huͤtet euch, wenn er erſt einmal im Haus iſt, ſo frißt er euch alle miteinander. Darauf ging ſie fort, bald aber kam der Wolf vor die Haus - thuͤre und rief: liebe Kinder, macht mir auf, ich bin eure Mutter und hab 'euch ſchoͤne Sa - chen mitgebracht. Die ſieben Geiſerchen aber ſprachen: unſere Mutter biſt du nicht, die hat eine feine liebliche Stimme, deine Stimme aber iſt rauh, du biſt der Wolf, wir machen dir nicht auf. Der Wolf ging fort zu einem Kraͤmer und kaufte ſich ein groß Stuͤck Kreide, die Kindermärchen. B18er und machte ſeine Stimme fein damit. Dar - nach ging er wieder zu der ſieben Geislein Haus - thuͤre und rief mit feiner Stimme: liebe Kin - der, laßt mich ein, ich bin eure Mutter, jedes von euch ſoll etwas haben. Er hatte aber ſeine Pfote in das Fenſter gelegt, das ſahen die ſie - ben Geiſerchen und ſprachen: unſere Mutter biſt du nicht, die hat keinen ſchwarzen Fuß, wie du; du biſt der Wolf, wir machen dir nicht auf. Der Wolf ging fort zu einem Baͤcker und ſprach: Baͤcker, beſtreich mir meine Pfote mit friſchem Teig, und als das gethan war, ging er zum Muͤller und ſprach: Muͤller, ſtreu mir fein weißes Mehl auf meine Pfote. Der Muͤller ſagte nein. Wenn du es nicht thuſt, ſo freß ich dich. Da mußte es der Muͤl - ler thun.

Darauf ging der Wolf wieder vor der ſie - ben Geiſerchen Hausthuͤre und ſagte: liebe Kinder, laßt mich ein, ich bin eure Mutter, je - des von euch ſoll etwas geſchenkt kriegen. Die ſieben Geiſerchen wollten erſt die Pfote ſehen, und wie ſie ſahen, daß ſie ſchneeweiß war und den Wolf ſo fein ſprechen hoͤrten, glaubten ſie es waͤre ihre Mutter und machten die Thuͤre auf, und der Wolf kam herein. Wie ſie ihn aber erkannten, verſteckten ſie ſich geſchwind, ſo gut es ging, das eine unter den Tiſch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das19 vierte in die Kuͤche, das fuͤnfte in den Schrank, das ſechste unter eine große Schuͤſſel, das ſie - bente in die Wanduhr. Aber der Wolf fand ſie alle und verſchluckte ſie, außer das juͤngſte in der Wanduhr, das blieb am Leben.

Wie der Wolf ſeine Luſt gebuͤßt, ging er fort, bald darauf kam die alte Geis nach Haus. Was fuͤr ein Jammer! der Wolf war da gewe - ſen und hatte ihre lieben Kinder gefreſſen. Sie glaubte ſie waͤren alle todt, da ſprang das juͤngſte aus der Wanduhr, und erzaͤhlte, wie das Un - gluͤck gekommen war.

Der Wolf aber, weil er ſich vollgefreſſen, war auf eine gruͤne Wieſe gegangen, hatte ſich in den Sonnenſchein gelegt und war in einen tiefen Schlaf gefallen. Die alte Geis dachte daran, ob ſie ihre Kinder nicht noch erretten koͤnnte, ſagte darum zu dem juͤngſten Geislein: nimm Zwirn, Nadel und Scheere und folg 'mir nach. Darauf ging ſie hinaus und fand den Wolf ſchnarchend auf der Wieſe liegen: da liegt der garſtige Wolf, ſagte ſie und be - trachtete ihn von allen Seiten, nachdem er zum Vieruhrenbrot meine ſechs Kindlein hinunterge - freſſen hat, gieb mir einmal die Scheere her: Ach! wenn ſie noch lebendig in ſeinem Leibe waͤren! Damit ſchnitt ſie ihm den Bauch auf, und die ſechs Geiſerchen, die er in der Gier ganz verſchluckt hatte, ſprangen unverſehrt her -B 220aus. Sie hieß ſie gleich hingehen und große und ſchwere Wackerſteine herbeitragen, damit fuͤllten ſie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu, liefen fort, und verſteckten ſich hinter eine Hecke.

Als der Wolf ausgeſchlafen hatte, ſo fuͤhlt 'er es ſo ſchwer im Leib und ſprach: es rum - pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum - pelt und pumpelt mir im Leib herum! was iſt das? ich hab' nur ſechs Geiſerchen gegeſſen. Er dacht, er wollt einen friſchen Trunk thun, das moͤgt 'ihm helfen und ſuchte einen Brun - nen, aber wie er ſich daruͤber buͤckte, konnte er vor der Schwere der Steine ſich nicht mehr hal - ten, und ſtuͤrzte ins Waſſer. Wie das die ſie - ben Geiſerchen ſahen, kamen ſie herzu gelaufen, und tanzten vor Freude um den Brunnen.

6. Von der Nachtigall und der Blind - ſchleiche.

Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindſchleiche, die hatten jede nur ein Aug 'und lebten zuſammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da ſprach ſie zur Blindſchleiche: ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern ſo mit einem Aug' hingehen, ſey doch ſo gut und21 leih mir deins dazu, ich bring dirs Morgen wieder. Und die Blindſchleiche that es aus Gefaͤlligkeit.

Aber den andern Tag, wie die Nachtigall nach Haus gekommen war, gefiel es ihr ſo wohl, daß ſie zwei Augen im Kopf trug und zu beiden Seiten ſehen konnte, daß ſie der ar - men Blindſchleiche ihr geliehenes Aug 'nicht wie - dergeben wollte. Da ſchwur die Blindſchleiche, ſie wollte ſich an ihr, an ihren Kindern und Kindeskindern raͤchen. Geh nur, ſagte die Nachtigall, und ſuch einmal:

ich bau mein Neſt auf jene Linden,
ſo hoch, ſo hoch, ſo hoch, ſo hoch,
da magſt dus nimmermehr finden![ ]

Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Au - gen und alle Blindſchleichen keine Augen. Aber wo die Nachtigall hinbaut, da wohnt unten auch im Buſch eine Blindſchleiche, und ſie trachtet immer hinaufzukriechen, Loͤcher in die Eier ihrer Feindin zu bohren oder ſie auszu - ſaufen.

7. Von dem geſtohlenen Heller.

Es ſaß ein Vater mit ſeiner Frau und ſeinen Kindern, und einem guten Freund, der ihn beſuchte, Mittags am Tiſch. Wie ſie ſo22 ſaßen und es zwoͤlf Uhr ſchlug, da ſah der Fremde die Thuͤr aufgehen, und es kam ein ſchneeweiß gekleidetes blaſſes Kindlein herein: es blickte ſich nicht um, ſprach auch nichts, ſon - dern ging ſtill in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuruͤck, und ging eben ſo ſtill wieder fort. Am zweiten und dritten Tag kam daſſelbige Kind wieder; da fragte der Fremde den Vater, wem das ſchoͤne Kind gehoͤre, das alle Mittag in die Kammer gehe. Der Va - ter antwortete, er wiſſe nichts davon, er hab es auch noch nicht geſehen. Am andern Ta - ge, als es zwoͤlf Uhr ſchlug und es wieder hereintrat, ſo zeigte es der Fremde dem Vater, der ſah aber nichts, und die Mutter und die Kinder alle ſahen auch nichts. Der Fremde ſtand auf, ging zu der Thuͤre, oͤffnete ſie ein wenig und guckte hinein. Da ſah er das blaſ - ſe Kindlein auf der Erde ſitzen und emſig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wuͤhlen, wie es aber den Fremden bemerkte, verſchwand es. Darauf erzaͤhlte er, was er ge - ſehen, und beſchrieb das Kindlein genau, da er - kannte es die Mutter und ſagte: ach! das iſt mein liebes Kind, das vor vier Wochen geſtor - ben iſt. Da brachen ſie die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte das Kind einmal einem armen Mann geben ſollen, es hatte aber gedacht, dafuͤr kannſt du dir einen Zwieback23 kaufen, die Heller behalten und in die Dielen - ritzen verſteckt, und da hatte es im Grabe kei - ne Ruh und mußte alle Mittage kommen und die Heller ſuchen. Sie gaben darauf das Geld einem Armen, und nachher iſt das Kindlein nicht wieder geſehen worden.

8. Die Hand mit dem Meſſer.

Es war ein kleines Maͤdchen, das hatte drei Bruͤder, die galten bei der Mutter alles, und es wurde uͤberall zuruͤckgeſetzt, hart ange - fahren und mußte tagtaͤglich Morgens fruͤh ausgehen, Torf zu graben auf duͤrrem Heide - grund, den ſie zum Kochen und Brennen brauch - ten. Noch dazu bekam es ein altes und ſtum - pfes Geraͤth, womit es die ſauere Arbeit ver - richten ſollte.

Aber das kleine Maͤdchen hatte einen Lieb - haber, der war ein Elfe und wohnte nahe an ihrer Mutter Haus in einem Huͤgel, und ſo oft es nun an dem Huͤgel vorbei kam, ſo ſtreck - te er ſeine Hand aus dem Fels, und hielt dar - in ein ſehr ſcharfes Meſſer, das von ſonderli - cher Kraft war und alles durchſchnitt. Mit dieſem Meſſer ſchnitt ſie den Torf bald her - aus, ging vergnuͤgt mit der noͤthigen Ladung heim, und wenn ſie am Felſen vorbei kam,24 klopfte ſie zweimal dran, ſo reichte die Hand heraus und nahm das Meſſer in Empfang.

Als aber die Mutter merkte, wie geſchwind und leicht ſie immer den Torf heimbrachte, er - zaͤhlte ſie den Bruͤdern, es muͤßte ihr gewiß jemand anders dabei helfen, ſonſt waͤre es nicht moͤglich. Da ſchlichen ihr die Bruͤder nach und ſahen, wie ſie das Zaubermeſſer bekam, holten ſie ein und drangen es ihr mit Gewalt ab. Darauf kehrten ſie zuruͤck, ſchlugen an den Fel - ſen, als ſie gewohnt war zu thun, und wie der gute Elf die Hand herausſtreckte, ſchnitten ſie ſie ihm ab mit ſeinem ſelbeigenen Meſſer. Der blutende Arm zog ſich zuruͤck, und weil der Elf glaubte ſeine Geliebte haͤtte es aus Verrath gethan, ſo wurde er ſeitdem nimmermehr ge - ſehen.

9. Die zwoͤlf Bruͤder.

Es war einmal ein Koͤnig, der hatte zwoͤlf Kinder, das waren lauter Buben, er wollte auch kein Maͤdchen haben und ſagte zur Koͤni - gin: wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringſt, ein Maͤdchen iſt, ſo laß ich die zwoͤlf andern toͤdten, iſts aber auch ein Bube, dann ſollen ſie alle miteinander leben bleiben. Die Koͤnigin gedachte es ihm auszureden. Der25 Koͤnig wollte aber nichts weiter hoͤren: wenns ſo iſt, wie ich geſagt habe, ſo muͤſſen ſie ſter - ben, lieber hau 'ich ihnen ſelber den Kopf ab, als daß ein Maͤdchen darunter waͤre.[ ]

Da war die Koͤnigin traurig, denn ſie hat - te ihre Soͤhne von Herzen lieb und wußte nicht, wie ſie zu retten waren. Endlich ging ſie zu dem juͤngſten, den ſie vor allen lieb hatte, of - fenbarte ihm, was der Koͤnig beſchloſſen, und ſagte: allerliebſtes Kind, geh du mit deinen eilf Bruͤdern hinaus in den Wald, da bleibt und kommt nicht nach Haus, einer von euch aber halte immer Wacht auf einem Baum und ſehe nach dem Thurm hier, wenn ich ein Soͤhn - chen zur Welt bringe, will ich obenauf eine weiße Fahne ſtecken, iſts aber ein Toͤchterchen eine rothe, und wenn ihr das ſeht, dann rettet euch, flieht in die weite Welt, und der liebe Gott behuͤt euch. Alle Nacht will ich aufſte - hen und fuͤr euch beten, wenns kalt iſt im Win - ter, daß ihr nicht friert und ein warmes Feuer vor euch brennt, und wenns heiß iſt im Som - mer, daß ihr in einem kuͤhlen Walde ruht und ſchlaft.

So geſegnete ſie die Kinder und ſie gingen fort in den Wald. Oft guckten ſie nach dem Thurm, und einer mußte beſtaͤndig auf einer hohen Eiche ſitzen und Acht haben. Bald auch wurde eine Fahne aufgeſteckt, es war aber nicht26 die weiße, ſondern die rothe Blutfahne, die ih - nen den Untergang drohte. Wie die Buben ſie erblickten, wurden ſie alle zornig und riefen: ſollen wir eines Maͤdchens willen das Leben verlieren! da ſchwuren ſie zuſammen, mitten in dem Wald zu bleiben, und aufzupaſſen, wenn ſich ein Maͤdchen ſehen ließ, wollten ſie es ohne Gnade toͤdten.

Darauf ſuchten ſie eine Hoͤhle, wo der Wald am dunkelſten war, wo ſie wohnten. Alle Morgen zogen elf hinaus auf die Jagd, einer mußte aber zu Haus bleiben, kochen, und den Haushalt fuͤhren. Jedes Maͤdchen aber, das den eilfen begegnete, war ohne Barmherzigkeit verloren; das dauerte viele Jahre.

Das Schweſterchen zu Haus aber ward groß und blieb das einzige Kind. Einmal hat - te es große Waͤſche, darunter waren auch zwoͤlf Mannshemden. Fuͤr wen ſind denn dieſe Hemder, fragte die Prinzeſſin, meinem Vater ſind ſie doch viel zu klein, da erzaͤhlte ihr die Waͤſcherin, daß ſie zwoͤlf Bruͤder gehabt haͤtte, die waͤren heimlich fortgegangen, kein Menſch wiſſe wohin, weil ſie der Koͤnig habe wollen toͤdten laſſen, und dieſen zwoͤlf Bruͤdern gehoͤr - ten dieſe zwoͤlf Hemder. Das Schweſterchen verwunderte ſich, daß ihm niemals von ſeinen zwoͤlf Bruͤdern etwas zu Ohren gekommen und wie es Nachmittags auf der Wieſe ſaß und die27 Waͤſche bleichte, da fielen ihm die Worte der Waͤſcherin wieder ein, und es ward nachdenk - ſam, und endlich ſtieg es auf, nahm die zwoͤlf Hemder und ging in den Wald hinein, wo ſei - ne Bruͤder lebten.

Das Schweſterchen kam gerade zu der Hoͤhle, wo ſie ihre Wohnung hatten. Die eilf waren auf der Jagd und nur ein ein - ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das Maͤdchen erblickte, faßte er es gleich, und holte ſein Schwert: knie nieder, dein ro - thes Blut muß den Augenblick fließen. Das Maͤdchen aber bat ihn: lieber Herr, laßt mich leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich dienen, ich will kochen und den Haushalt fuͤh - ren. Es[w]ar gerade der juͤngſte Bruder, den erbarmte die Schoͤnheit des Maͤdchens und er ſchenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus kamen und ſich verwunderten, ein Maͤdchen le - bendig in der Hoͤhle zu finden, ſagte er zu ih - nen: liebe Bruͤder, dies Maͤdchen iſt in die Hoͤhle gekommen, und wie ich es niederhauen wollte, da bat es ſo ſehr um ſein Leben, es wollt uns treu dienen und den Haushalt fuͤh - ren, daß ichs ihm geſchenkt habe. Die an - dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft waͤ - re und daß ſie nun alle zwoͤlf auf die Jagd ausgehen koͤnnten, und warens zufrieden. Da zeigte es ihnen die zwoͤlf Hemdlein und ſagte,28 es waͤr 'ihre Schweſter; daruͤber freuten ſie ſich alle, und waren froh, daß ſie es nicht getoͤdtet hatten.

Das Schweſterchen uͤbernahm nun den Haushalt, und wenn die Bruͤder auf der Jagd waren, ſammelte es Holz und Kraͤuter, ſtellte zu am Feuer, deckte die Bettlein huͤbſch weiß und rein, und thaͤt alles unverdroſſen und flei - ßig. Einmal geſchah es, daß es fertig war mit aller Arbeit, da ging es in den Wald ſpazieren. Es kam an einen Platz, wo zwoͤlf ſchoͤne hohe, weiße Lilien ſtanden, und weil ſie ihr ſo wohl gefielen, brach ſie alle miteinander ab. Kaum aber war das geſchehen, ſo ſtand eine alte Frau vor ihr: ach meine Tochter, ſagte ſie, warum haſt du die zwoͤlf Studentenblumen nicht ſte - hen laſſen! das ſind deine zwoͤlf Bruͤder, die ſind nun alle in Raben verwandelt worden und ſind verloren auf ewig. Das Schweſterchen fing an zu weinen, ach! ſagte es, giebts denn kein Mittel ſie zu erloͤſen? [] Nein, es iſt kein Mittel auf der Welt, als ein einziges, das iſt ſo ſchwer, das du ſie nicht damit befreien wirſt: du mußt zwoͤlf ganzer Jahr ſtumm ſeyn, ſprichſt du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine Stunde daran, ſo iſt alles umſonſt und deine Bruͤder ſind in dem Augenblick todt.

Das Schweſterchen ſetzte ſich da auf einen hohen Baum im Wald und ſpann und wollte29 zwoͤlf Jahre ſtumm ſitzen, um ſeine Bruͤder zu erloͤſen. Es geſchah aber, daß der Koͤnig auf einer Jagd durch den Wald ritt, und als er an dem Baum vorbei kam, ſtand ſein Hund ſtill und bellte. Der Koͤnig hielt nun, ſah hin - auf und war ganz verwundert uͤber die Schoͤn - heit der Prinzeſſin. Er rief ihr zu, ob ſie ſei - ne Gemahlin werden wollte. Sie ſchwieg aber ſtill und nickte nur ein wenig mit dem Kopf. Da ſtieg der Koͤnig ſelber hinauf und hob ſie herunter, ſetzte ſie vor ſich auf ſein Pferd und brachte ſie heim in ſein Schloß, wo die Hochzeit praͤchtig gehalten ward. Die Prin - zeſſin ſprach aber niemals ein Wort und der Koͤnig glaubte ſie ſey ſtumm. Doch haͤtten ſie vergnuͤgt mit einander gelebt, wenn nicht die Mutter des Koͤnigs geweſen waͤre, die fing an die Koͤnigin bei ihrem Sohn zu verlaͤum - den: es iſt ein gemeines Bettelmaͤdchen, das du aus der Fremde mitgebracht haſt, die hin - ter deinem Ruͤcken die ſchaͤndlichſten Dinge treibt. Weil die Koͤnigin nun ſich nicht ver - theidigen konnte, ließ ſich der Koͤnig verfuͤhren, und glaubte ihr endlich und verurtheilte ſie zum Tod. Da ward ein großes Feuer angemacht im Hof, darin ſollte ſie verbrannt werden. Schon ſtand ſie in den Flammen und die ſpiel - ten an ihrem Kleide; da war eben die letzte Minute von den zwoͤlf Jahren verfloſſen, man30 hoͤrte in der Luft ein Geraͤuſch, und es kamen zwoͤlf Raben hergeflogen und ließen ſich nieder. Wie ſie die Erde beruͤhrten, waren es zwoͤlf ſchoͤne Prinzen, die riſſen das Feuer von ein - ander und fuͤhrten ihre Schweſter heraus. Da ſprach ſie ihr erſtes Wort wieder und ſagte dem Koͤnig alles, wie es zugegangen und ſie die zwoͤlf Bruͤder habe erloͤſen muͤſſen; und ſie waren alle vergnuͤgt, daß es ſo wohl gewor - den war.

Was ſollten ſie mit der boͤſen Stiefmutter anfangen; ſie ward in ein Faß geſteckt von ſie - dendem Oehl und von giftigen Schlangen an - gefuͤllt, und ſtarb da eines boͤſen Todes.

10. Das Lumpengeſindel.

Haͤhnchen ſprach zum Huͤhnchen: die Nuͤſſe ſind reif, da wollen wir mit einander auf den Berg gehen, und uns einmal recht ſatt daran eſſen, eh ſie das Eichhorn alle wegholt. Ja, antwortete das Huͤhnchen, komm da wol - len wir uns eine Luſt miteinander machen. Sie gingen zuſammen fort, und weil es ein hel - ler Tag war, blieben ſie bis zum Abend; nun weiß ich nicht, ob ſie ſich ſo dick gegeſſen oder ob ſie ſo uͤbermuͤthig geworden waren, ſie woll - ten nicht zu Fuß nach Haus gehen, und das31 Haͤhnchen mußte einen kleinen Wagen von Nuß - ſchaalen bauen. Als er fertig war, ſetzte ſich Huͤhnchen hinein und ſagte zum Haͤhnchen: du kannſt dich nur immer vorſpannen. Nein, ſagte das Haͤhnchen, das waͤre mir recht! lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als daß ich mich vorſpannen laſſe, ſo haben wir nicht gewettet; Kutſcher will ich wohl ſeyn und auf dem Bock ſitzen, aber ſelbſt ziehen, das thu ich nicht.

Wie ſie ſich ſo ſtritten, ſchnatterte eine En - te daher: ihr Diebsvolk, wer hat euch gehei - ßen in meinen Nußberg gehen, das ſoll euch ſchlecht bekommen , ging damit auf das Haͤhn - chen los. Aber Haͤhnchen war auch nicht faul, und ſtieg der Ente tuͤchtig zu Leib, endlich hack - te es mit[ſeinem] Sporn ſo gewaltig, daß ſie um Gnade bat und ſich gern zur Strafe vor den Wagen ſpannen ließ. Haͤhnchen ſetzte ſich auf den Bock und war Kutſcher, und nun ging es fort, im Gallop: Ente lauf zu was du kannſt! Als ſie ein Stuͤck Wegs gefahren wa - ren, begegneten ſie zwei Fußgaͤngern, einer Stecknadel und einer Naͤhnadel. Die riefen halt und ſagten, es werde gleich ſtichdunkel werden, da koͤnnten ſie keinen Schritt weiter, dabei waͤr es ſo ſchmutzig auf der Straße, ob ſie nicht ein wenig einſitzen koͤnnten; ſie ſeyen auf der Schneiderherberge vor dem Thor gewe -32 ſen und haͤtten ſich beim Bier verſpaͤtet. Das Haͤhnchen, da es magere Leute waren, die nicht viel Platz einnahmen, ließ ſie beide einſteigen, doch mußten ſie verſprechen, ihm nicht auf die Fuͤße zu treten. Spaͤt Abends kamen ſie zu ei - nem Wirthshaus, und weil ſie die Nacht nicht weiter fahren wollten, die Ente auch nicht gut zu Fuß war und von einer Seite auf die an - dere fiel, kehrten ſie ein. Der Wirth machte anfangs viel Einwendungen, ſein Haus ſey ſchon voll, gedachte auch wohl, es moͤgten keine vornehme Paſſagiere ſeyn; endlich aber, da ſie ſuͤße Reden fuͤhrten, er ſolle das Ei haben, wel - ches das Huͤhnchen unterwegs gelegt hatte, auch die Ente behalten, die alle Tage eins lege, ſo gab er nach. Nun ließen ſie ſich wieder friſch auftragen und lebten in Saus und Braus. Fruͤh Morgens, als es erſt daͤmmerte und noch alles ſchlief, weckte Haͤhnchen das Huͤhnchen, holte das Ei, pickte es auf und ſie verzehrten es zuſammen, die Schalen aber warfen ſie auf den Feuerheerd. Dann gingen ſie zu der Naͤh - nadel, die noch ſchlief, packten ſie beim Kopf und ſteckten ſie in das Seſſelkiſſen des Wirths, die Stecknadel aber in ſein Handtuch, darauf flogen ſie, mir nichts dir nichts, uͤber die Heide davon. Die Ente, die unter freiem Himmel ſchlafen wollte und im Hof geblieben war, hoͤrte ſie fortſchnurren, machte ſich munter und fandei -33einen Bach, auf dem ſie hinunter ſchwamm, und das ging geſchwinder als vor dem Wagen. Ein paar Stunden darnach ſtieg der Wirth aus den Federn, wuſch ſich und wollte ſich am Hand - tuch abtrocknen, da zerriß er ſich das Geſicht mit der Stecknadel, dann ging er in die Kuͤche und wollte ſich eine Pfeife anſtecken, wie er aber an den Heerd kam, ſprangen ihm die Eierſcha - len in die Augen. Heute Morgen trifft Alles meinen Kopf, ſagte er, und ſetzte ſich aͤrger - lich in ſeinen Großvaterſtuhl auweh! da ward er noch ſchlimmer getroffen von der Naͤhnadel und nicht an den Kopf. Da ward er vollends boͤſ 'und hatte Verdacht auf die Gaͤſte, die ſo ſpaͤt geſtern Abend gekommen waren, und wie er ging und ſich nach ihnen umſah, waren ſie fort. Da that er einen Schwur, kein Lumpengeſindel mehr in ſein Haus zu nehmen, das viel ver - zehrt, nichts bezahlt und obendrein zum Dank Schabernack treibt.

11. Bruͤderchen und Schweſterchen.

Bruͤderchen nahm ſein Schweſterchen an der Hand und ſagte: ſeit die Mutter todt iſt, ha - ben wir keine gute Stunde mehr, die Stiefmut - ter ſchlaͤgt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr kommen, ſtoͤßt ſie uns mit dem Fuß fort; ſieKindermärchen. C34giebt uns auch nichts zu eſſen, als harte Brot - kruſten; dem Huͤndlein unter dem Tiſch gehts beſſer, dem wirft ſie doch manchmal was Gu - tes zu, daß Gott erbarm, wenn das unſere Mutter wuͤßte! Komm laß uns miteinander fortgehen. Sie gingen zuſammen fort und kamen in einen großen Wald, da waren ſie ſo traurig und ſo muͤde, daß ſie ſich in einen hoh - len Baum ſetzten und da Hungers ſterben wollten.

Sie ſchliefen zuſammen ein, und wie ſie am Morgen aufwachten, war die Sonne ſchon lange aufgeſtiegen und ſchien heiß in den hoh - len Baum hinein. Schweſterchen, ſagte das Bruͤderchen nach einer Zeit, mich duͤrſtet ſo ge - waltig, wenn ich ein Bruͤnnlein in der Naͤhe wuͤßte, ich ging hin und traͤnk einmal, es iſt mir auch, als hoͤrte ich eins rauſchen. Was hilft das, antwortete das Schweſterchen, warum willſt Du trinken, da wir doch Hungers ſterben wollen. Bruͤderchen aber ſchwieg ſtill und ſtieg heraus, und weil es das Schwe - ſterchen immer feſt mit der Hand hielt, mußte es mit heraus ſteigen. Die boͤſe Stiefmutter aber war eine Hexe, und wie ſie die zwei Kin - der hatte fortgehen ſehen, war ſie ihnen nach - gegangen und hatte ein klares Bruͤnnlein in der Naͤhe des Baums aus dem Felſen ſpringen laſ - ſen, das ſollte durch ſein Rauſchen die Kinder35 herbeilocken und zum trinken reizen, wer aber davon trank, der ward in ein Rehkaͤlbchen ver - wandelt. Bruͤderchen kam bald mit dem Schwe - ſterchen zu dem Bruͤnnlein, und als er es ſo glitzerig uͤber die Steine ſpringen ſah, ward ſeine Luſt immer groͤßer, und er wollte davon trinken. Aber dem Schweſterchen war Angſt, es meinte, das Bruͤnnlein ſpraͤche im Rauſchen und ſagte: wer mich trinkt, wird zum Reh - kaͤlbchen; wer mich trinkt, wird zum Rehkaͤlb - chen! da bat es das Bruͤderchen, nicht von dem Waſſer zu trinken. Ich hoͤre nichts, ſag - te das Bruͤderchen, als wie das Waſſer ſo lieb - lich rauſcht, laß mich nur gehen! Damit legte es ſich nieder, beugte ſich herab und trank, und wie der erſte Tropfen auf ſeine Lippen gekommen war, da lag ein Rehkaͤlbchen an dem Bruͤnnlein.

Das Schweſterchen weinte und weinte, die Hexe aber war boͤſe, daß ſie es nicht auch zum Trinken hatte verfuͤhren koͤnnen. Nachdem es drei Tage geweint, ſtand es auf und ſammelte die Binſen in dem Wald, und flocht ein wei - ches Seil daraus. Dann band es das Rehkaͤlb - chen daran und fuͤhrte es mit ſich. Es ſuchte ihm auch eine Hoͤhle, trug Moos und Laub hin - ein und machte ihm ein weiches Lager; am Mor - gen ging es mit ihm hinaus, wo zartes Gras war und ſammelte das allerſchoͤnſte, das fraß es ihm aus der Hand, und das Rehkaͤlbchen warC 236dann vergnuͤgt und ſpielte auf den Huͤgeln. Abends aber, wenn Schweſterchen muͤde war, legte es ſeinen Kopf auf den Ruͤcken des Reh - kaͤlbchens, das war ſein Kiſſen, und ſo ſchlief es ein; und haͤtte das Bruͤderchen nur ſeine menſch - liche Geſtalt gehabt, das waͤre ein herrliches Le - ben geweſen.

So lebten ſie lange Jahre in dem Wald. Auf eine Zeit jagte der Koͤnig und verirrte ſich darin. Da fand er das Maͤdchen mit dem Thier - lein in dem Wald und war erſtaunt uͤber ſeine Schoͤnheit. Er hob es zu ſich auf ſein Pferd und nahm es mit, und das Rehkaͤlbchen lief an dem Seile nebenher. An dem koͤniglichen Hofe ward ihm alle Ehre angethan, ſchoͤne Jungfrauen mußten es bedienen, doch war es ſelber ſchoͤner, als alle andern; das Rehkaͤlbchen ließ es nie - mals von ſich, und that ihm alles Gute an. Bald darauf ſtarb die Koͤnigin, da ward das Schweſterchen mit dem Koͤnig vermaͤhlt und lebte in allen Freuden.

Die Stiefmutter aber hatte von dem Gluͤck gehoͤrt, das dem armen Schweſterchen begeg - net; ſie dachte es waͤre laͤngſt im Wald von den wilden Thieren gefreſſen worden, aber die hat - ten ihm nichts gethan, und nun war es Koͤnigin im Reich. Die Hexe war ſo boͤſe daruͤber, daß ſie nur darauf dachte, wie ſie ihr das Gluͤck ver - derben konnte. Als im folgenden Jahr die Koͤ -37 nigin einen ſchoͤnen Prinzen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig auf der Jagd war, trat ſie in der Geſtalt der Kammerfrau in die Stu - be, worin die Kranke lag. Das Bad iſt fuͤr euch bereitet, ſagte ſie, das wird euch wohlthun und ſtaͤrken, kommt eh 'es kalt wird. Sie fuͤhrte ſie darauf in die Badeſtube; wie die Koͤ - nigin hineingetreten war, ſchloß ſie die Thuͤre hinter ihr zu, drin aber war ein Hoͤllenfeuer angemacht, da mußte die ſchoͤne Koͤnigin erſtik - ken. Die Hexe hatte eine rechte Tochter, der gab ſie ganz die aͤußerliche Geſtalt der Koͤnigin und legte ſie an ihrer Stelle in das Bett. Der Koͤnig kam am Abend heim, und wußte nicht, daß er eine falſche Frau habe. Aber in der Nacht ſah die Kinderfrau trat die rechte Koͤ - nigin in die Stube, ſie ging zur Wiege, nahm ihr Kind heraus, hob es an ihre Bruſt und gab ihm zu trinken, dann ſchuͤttelte ſie ihm ſein Bett - chen auf, legte es wieder hinein und deckte es zu. Darauf ging ſie in die Ecke wo das Reh - kaͤlbchen ſchlief und ſtreichelte ihm uͤber den Ruͤk - ken. So kam ſie alle Nacht und ging wieder fort, ohne ein Wort zu ſprechen.

Einmal aber trat ſie wieder ein und ſprach:

Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm 'ich noch zweimal und dann nimmer - mehr.

und that alles, wie in den andern Naͤchten. 38Die Kinderfrau weckte aber den Koͤnig und ſagte es ihm heimlich. Der Koͤnig wachte die andere Nacht, und da ſah er auch, wie die Koͤnigin kam und hoͤrte deutlich ihre Worte:

Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm 'ich noch einmal und dann nimmer - mehr.

Aber er getraute ſich nicht, ſie anzureden. In der andern Nacht wacht 'er wieder, da ſprach die Koͤnigin:

Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm 'ich noch diesmal her und dann nim - mermehr.

Da konnte ſich der Koͤnig nicht laͤnger halten, ſprang auf und umarmte ſie, und wie er ſie an - ruͤhrte, ward ſie wieder lebendig, friſch und roth. Die falſche Koͤnigin ward in den Wald gefuͤhrt, wo die wilden Thiere ſie fraßen, die boͤſe Stief - mutter aber ward verbrannt, und wie das Feuer ſie verzehrte, da verwandelte ſich das Rehkaͤlb - chen, und Bruͤderchen und Schweſterchen waren wieder beiſammen und lebten gluͤcklich ihr Lebe - lang.

12. Rapunzel.

Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten ſich ſchon lange ein Kind gewuͤnſcht39 und nie eins bekommen, endlich aber ward die Frau guter Hoffnung. Dieſe Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenſter, daraus konnten ſie in den Garten einer Fee ſehen, der voll von Blumen und Kraͤutern ſtand, allerlei Art, keiner aber durfte es wagen, in den Gar - ten hineinzugehen. Eines Tages ſtand die Frau an dieſem Fenſter und ſah hinab, da erblickte ſie wunderſchoͤne Rapunzeln auf einem Beet und wurde ſo luͤſtern darnach, und wußte doch, daß ſie keine davon bekommen konnte, daß ſie ganz abfiel und elend wurde. Ihr Mann erſchrack endlich und fragte nach der Urſache; ach wenn ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten hinter unſerm Haus zu eſſen kriege, ſo muß ich ſterben. Der Mann, welcher ſie gar lieb hatte, dachte, es mag koſten was es will, ſo willſt du ihr doch welche ſchaffen, ſtieg eines Abends uͤber die hohe Mauer und ſtach in aller Eile eine Hand voll Rapunzeln aus, die er ſeiner Frau brachte. Die Frau machte ſich ſogleich Salat daraus, und ſie in vollem Heißhunger auf. Sie hat - ten ihr aber ſo gut, ſo gut geſchmeckt, daß ſie den andern Tag noch dreimal ſoviel Luſt bekam. Der Mann ſah wohl, daß keine Ruh waͤre, alſo ſtieg er noch einmal in den Garten, allein er erſchrack gewaltig, als die Fee darin ſtand und ihn heftig ſchalt, daß er es wage in ihren Gar - ten zu kommen und daraus zu ſtehlen. Er ent -40 ſchuldigte ſich, ſo gut er konnte, mit der Schwan - gerſchaft ſeiner Frau, und wie gefaͤhrlich es ſey, ihr dann etwas abzuſchlagen, endlich ſprach die Fee: ich will mich zufrieden geben und dir ſelbſt geſtatten Rapunzeln mitzunehmen, ſo viel du willſt, wofern du mir das Kind geben wirſt, womit deine Frau jetzo geht. In der Angſt ſagte der Mann alles zu, und als die Frau in Wochen kam, erſchien die Fee ſogleich, nannte das kleine Maͤdchen Rapunzel und nahm es mit ſich fort.

Dieſes Rapunzel wurde das ſchoͤnſte Kind unter der Sonne, wie es aber zwoͤlf Jahr alt war, ſo ſchloß es die Fee in einen hohen hohen Thurm, der hatte weder Thuͤr noch Treppe, nur bloß ganz oben war ein kleines Fenſterchen. Wenn nun die Fee hinein wollte, ſo ſtand ſie unten und rief:

Rapunzel, Rapunzel! laß mir dein Haar herunter.

Rapunzel hatte aber praͤchtige Haare, fein wie geſponnen Gold, und wenn die Fee ſo rief, ſo band ſie ſie los, wickelte ſie oben um einen Fen - ſterhaken und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief hinunter und die Fee ſtieg daran hinauf.

Eines Tages kam nun ein junger Koͤnigs - ſohn durch den Wald, wo der Thurm ſtand, ſah das ſchoͤne Rapunzel oben am Fenſter ſte - hen und hoͤrte ſie mit ſo ſuͤßer Stimme ſingen,41 daß er ſich ganz in ſie verliebte. Da aber keine Thuͤre im Thurm war und keine Leiter ſo hoch reichen konnte, ſo gerieth er in Verzweiflung, doch ging er alle Tage in den Wald hin, bis er einſtmals die Fee kommen ſah, die ſprach:

Rapunzel, Rapunzel! laß dein Haar herunter.

Darauf ſah er wohl, auf welcher Leiter man in den Thurm kommen konnte. Er hatte ſich aber die Worte wohl gemerkt, die man ſprechen muß - te, und des andern Tages, als es dunkel war, ging er an den Thurm und ſprach hinauf:

[]Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter! []

da ließ ſie die Haare los, und wie ſie unten waren, machte er ſich daran feſt und wurde hin - aufgezogen.

Rapunzel erſchrack nun anfangs, bald aber gefiel ihr der junge Koͤnig ſo gut, daß ſie mit ihm verabredete, er ſolle alle Tage kommen und hinaufgezogen werden. So lebten ſie luſtig und in Freuden eine geraume Zeit, und die Fee kam nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel anfing und zu ihr ſagte: ſag 'ſie mir doch Frau Gothel, meine Kleiderchen werden mir ſo eng und wollen nicht mehr paſſen. Ach du gottlo - ſes Kind, ſprach die Fee, was muß ich von dir hoͤren, und ſie merkte gleich, wie ſie betrogen waͤre, und war ganz aufgebracht. Da nahm ſie42 die ſchoͤnen Haare Rapunzels, ſchlug ſie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten und ritſch, ritſch, waren ſie abge - ſchnitten. Darauf verwieß ſie Rapunzel in eine Wuͤſtenei, wo es ihr ſehr kuͤmmerlich erging und ſie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen Knaben und ein Maͤdchen gebar.

Denſelben Tag aber, wo ſie Rapunzel ver - ſtoßen hatte, machte die Fee Abends die abge - ſchnittenen Haare oben am Haken feſt, und als der Koͤnigsſohn kam;

[]Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter! []

ſo ließ ſie zwar die Haare nieder, allein wie erſtaunte der Prinz, als er ſtatt ſeines gelieb - ten Rapunzels die Fee oben fand. Weißt du was, ſprach die erzuͤrnte Fee, Rapunzel iſt fuͤr dich Boͤſewicht auf immer verloren!

Da wurde der Koͤnigsſohn ganz verzwei - felnd, und ſtuͤrzte ſich gleich den Thurm hinab, das Leben brachte er davon, aber die beiden Augen hatte er ſich ausgefallen, traurig irrte er im Wald herum, nichts als Gras und Wurzeln, und that nichts als weinen. Einige Jahre nachher geraͤth er in jene Wuͤſtenei, wo Rapunzel kuͤmmerlich mit ihren Kindern lebte, ihre Stimme daͤuchte ihm ſo bekannt, in dem - ſelben Augenblick erkannte ſie ihn auch und faͤllt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thraͤ -43 nen fallen in ſeine Augen, da werden ſie wie - der klar, und er kann damit ſehen, wie ſonſt.

13. Die drei Maͤnnlein im Walde.

Einem Mann war ſeine Frau geſtorben, da war er unſchluͤſſig ob er ſich wieder eine nehmen ſollte oder nicht. Endlich zog er ſei - nen Stiefel aus, der hatte in der Sohle ein Loch, und ſprach zu ſeiner Tochter, ſeinem ein - zigen Kind: nimm dieſem Stiefel, trag ihn auf den Boden, da iſt ein großer Nagel, dar - an haͤng ihn auf, dann hole Waſſer und gieß es hinein; haͤlt er das Waſſer, ſo will ich wie - der eine Frau nehmen, laͤufts aber durch, ſo laß ichs bleiben. Das Maͤdchen that, wie ihm geheißen war, das Waſſer aber zog das Loch zuſammen und der Stiefel ward voll bis oben hin. Der Mann ſah ſelber nach, obs richtig war, dann ſagte er: da muß ich mir wohl eine Frau nehmen; ging hin und freite eine Witt - we. Dieſe brachte auch eine Tochter von ih - rem erſten Mann mit ins Haus, und als ſie ſah, daß ihr Stiefkind ſchoͤn war und jeder - mann es lieb hatte, ihre Tochter aber haͤßlich, ſo ward ſie neidiſch, ſetzte es uͤberall zuruͤck und dachte nur darauf, wie ſie es recht quaͤlen wollte.

44

Einmal mitten im Winter, als der Schnee hoch lag, naͤhte ſie ein Kleid von feinem Pa - pier, und als es fertig war, rief ſie das Stief - kind und ſagte: ich habe Luſt Erdbeeren zu eſſen, da zieh das Kleid an, geh in den Wald und ſuche mir das Koͤrbchen voll: und daß du nicht eher nach Haus kommſt, bis du es voll haſt! Das Maͤdchen weinte bitterlich und ſagte: im Winter wachſen keine Erdbeeren im Walde, und wenn ſie auch da waͤren ſo liegt der Schnee darauf, wie ſoll ich ſie finden; und draußen iſts ſo kalt, daß der Athem friert, wie kann ich in dem Papierkleid gehen, da weht ja der Wind durch, und die Dornen reißen es mir herunter. Rede kein Wort mehr, ſag - te die Mutter, und geh gleich hinaus und ſu - che die Erdbeeren; in ihrem neidiſchen Her - zen aber gedachte ſie, das Maͤdchen werde drau - ßen erfrieren und nimmermehr heimkommen, darum hatte ſie ihm auch das duͤnne Papier - kleid gemacht. Das Maͤdchen aber war gehor - ſam, that das Papierkleid um, ging in den Wald, da war aber nichts als Schnee und nir - gends auch nur ein gruͤn Haͤlmchen zu ſehen. Es ging immer weiter, und als es mitten in den Wald kam, da ſah es ein kleines Haus, aus dem guckten drei kleine Maͤnner. Es ſagte ihnen guten Tag, und weil es ſo artig gruͤßte, fragten ſie, was es in dem leichten Papierklei -45 de im Walde zur Winterszeit ſuche. Ach! ſagte es, ich ſoll ein Koͤrbchen voll Erdbeeren ſuchen und darf nicht eher nach Haus kommen bis ich es mitbringe. Die drei Maͤnner ſag - ten darauf: geh hinter unſer Haus und raͤu - me den Schnee weg, da haben ſie Schutz ge - habt und ſind gewachſen, da wirſt du vollauf finden. Das Maͤdchen bedankte ſich und that, wie ſie es geheißen hatten. Waͤhrend es nun den Schnee wegraͤumte und die Erdbeeren ab - brach, ſprachen die drei Maͤnnlein unter ſich: was ſollen wir ihm ſchenken, weil es ſo ar - tig gegen uns geweſen und ſo ſchoͤn iſt? da ſagte das eine: ich ſchenke ihm, daß es noch ſchoͤner wird, das andere ſagte: ich ſchenke ihm, daß die goldenen Ducaten aus ſeinem Munde fallen, wenn es ſpricht; das dritte: ich ſchenke ihm, daß ein Koͤnig kommt und es heirathe. Wie nun das Maͤdchen wieder her - vorkam, ſchenkten ſie ihm das alles, und als es ſich bedanken wollte, fielen ſchon Ducaten aus ſeinem Munde. Da ging es nach Haus und verwunderte ſich die Stiefmutter uͤber die Erd - beeren, die es brachte, ſo verwunderte ſie ſich noch mehr, als ſie ſah, wie ihm die Ducaten aus dem Munde fielen; es dauerte auch nicht lange, ſo kam ein Koͤnig und holte es ab, und machte es zu ſeiner Gemahlin.

Die Mutter aber gedachte, ſie wollte ihrer46 Tochter auch ein ſo großes Gluͤck verſchaffen. Da naͤhte ſie ihr einen praͤchtigen Pelzrock und hieß ſie hinausgehen in den Wald, und die klei - nen Maͤnner um ein Geſchenk bitten. Die Maͤnner aber ſahen, daß ſie ein boͤſes Herz hatte und ſtatt guter Geſchenke gaben ſie ihm ſchlimme. Der erſte, daß ſie in ihrem Pelzrock friere, als waͤr er aus Papier, der zweite, daß ſie alle Tage garſtiger werde, der dritte, daß ſie eines ungluͤcklichen Todes ſterbe. Zitternd vor Froſt kam ſie nach Hauſe und erzaͤhlte der Mutter, was ihr begegnet war, und als dieſe ſah, daß die Verwuͤnſchungen der drei Maͤnner anfingen einzutreffen, dachte ſie nur darauf, wie ſie ſich raͤchen wollte. Sie ging zu ihrer Stief - tochter, der Koͤnigin, und ſtellte ſich freundlich und liebreich an, da ward ſie wohl aufgenom - men und ward ihr eine eigene Wohnung gege - ben. Bald darauf gebar die Koͤnigin einen Prinzen, und als ſie in der Nacht allein, krank und ſchwach war, da hob ſie das boͤſe Weib mit ihrer Tochter aus dem Bett, und ſie tru - gen ſie hinaus zu dem Fluß und warfen ſie hinein. Am andern Morgen ſagten ſie dem Koͤnig, die Koͤnigin ſey in der Nacht ge - ſtorben.

In der folgenden Nacht ſah der Kuͤchen - junge, wie eine Ente durch die Goſſe in die Kuͤche hineinſchwamm. Sie fragte:47 Was machen meine Gaͤſte? Er antwortete: Sie ſchlafen feſte. Was macht mein Kindelein? Es ſchlaͤft in der Wiege fein. Da ging ſie hinauf in der Koͤnigin Geſtalt, gab ihm zu trinken, pflegt 'es, macht' ihm ſei - ne Wiege, deckt es zu und ſchwamm als Ente am Morgen wieder durch die Goſſe fort. So kam ſie noch eine Nacht, in der dritten aber ſagte ſie zu dem Kuͤchenjungen: geh zu dem Koͤnig und ſag ihm, er ſolle ſein Schwert drei - mal auf der Schwelle uͤber mir ſchwingen. Der Kuͤchenjunge lief und ſagts dem Koͤnig, und als der Koͤnig dreimal ſein Schwert ge - ſchwungen, da ſtand die Koͤnigin wieder leben - dig vor ihm. Die Falſchheit der Stiefmutter und ihrer Tochter kam an den Tag und ſie wurden den wilden Thieren im Walde zu freſ - ſen gegeben.

14. Von dem boͤſen Flachsſpinnen.

Vorzeiten lebte ein Koͤnig, dem war nichts lieber auf der Welt als Flachsſpinnen, und die Koͤnigin und ſeine Toͤchter mußten den ganzen Tag ſpinnen, und wenn er die Raͤder nicht ſchnurren hoͤrte, war er boͤſe. Einmal mußte er eine Reiſe machen, und ehe er Abſchied48 nahm, gab er der Koͤnigin einen großen Kaſten mit Flachs und ſagte: der muß geſponnen ſeyn, wann ich wieder komme. Die Prin - zeſſinnen wurden betruͤbt und weinten: wenn wir das alles ſpinnen ſollen, muͤſſen wir den ganzen Tag ſitzen und duͤrfen nicht einmal auf - ſtehen. Die Koͤnigin aber ſprach: troͤſtet euch, ich will euch ſchon helfen. Da waren im Lande drei beſonders haͤßliche Jungfern, die er - ſte hatte eine ſo große Unterlippe, daß ſie uͤber das Kinn herunterhing, die zweite hatte an der rechten Hand den Zeigefinger ſo dick und breit, daß man drei andere Finger haͤtte daraus ma - chen koͤnnen, die dritte hatte einen dicken breiten Platſchfuß, ſo breit wie ein halbes Kuchenbrett. Die ließ die Koͤnigin zu ſich fordern und an dem Tage, wo der Koͤnig heim kommen ſollte, ſetzte ſie alle drei nebeneinander in ihre Stube, gab ihnen ihre Spinnraͤder und da mußten ſie ſpinnen, auch ſagte ſie einer jeden, was ſie auf des Koͤnigs Fragen antworten ſolle. Als der Koͤnig anlangte, hoͤrte er das Schnurren der Raͤder von weitem, freute ſich herzlich und ge - dachte ſeine Toͤchter zu loben. Wie er aber in die Stube kam und die drei garſtigen Jungfern da ſitzen ſah, erſchrack er erſtlich, dann trat er hinzu und fragte die erſte, woher ſie die ent - ſetzlich große Unterlippe habe? vom Lecken, vom Lecken! Darauf die zweite, woher derdicke49dicke Finger? vom Faden drehen, vom Fa - den drehen und umſchlingen! dabei ließ ſie den Faden ein paarmal um den Finger laufen. Endlich die dritte: woher den dicken Fuß? vom Treten, vom Treten! wie das der Koͤ - nig hoͤrte, befahl er der Koͤnigin und den Prin - zeſſinnen, ſie ſollten nimmermehr ein Spinnrad anruͤhren und ſo waren ſie ihrer Qual los.

[15]. Haͤnſel und Gretel.

Vor einem großen Walde wohnte ein ar - mer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das taͤgliche Brod fuͤr ſeine Frau und ſeine zwei Kinder, Haͤnſel und Gretel. Einmal konnte er auch das nicht mehr ſchaffen, und wußte ſich nicht zu helfen in ſeiner Noth. Wie er Abends vor Sorge ſich im Bett herumwaͤlzte, da ſagte ſeine Frau zu ihm: hoͤre Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brod, dann fuͤhr ſie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dickſten iſt, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg und laß ſie dort, wir koͤn - nen ſie nicht laͤnger ernaͤhren. Nein Frau, ſagte der Mann, das kann ich nicht uͤber mein Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder zu den wilden Thieren zu fuͤhren, die ſie bald inKindermärchen. D50dem Wald zerreißen wuͤrden. Wenn du das nicht thuſt, ſprach die Frau, ſo muͤſſen wir alle miteinander Hungers ſterben; da ließ ſie ihm keine Ruhe, bis er Ja ſagte.

Die zwei Kinder waren auch noch wach von Hunger, und hatten alles gehoͤrt, was die Mutter zum Vater geſagt hatte. Gretel dach - te, nun iſt es um mich geſchehen und fing er - baͤrmlich an zu weinen, Haͤnſel aber ſprach: ſey ſtill, Gretel, und graͤm dich nicht, ich will uns helfen. Damit ſtieg er auf, zog ſein Roͤcklein an, machte die Unterthuͤre auf und ſchlich hinaus. Da ſchien der Mond hell und die weißen Kieſelſteine glaͤnzten wie lauter Ba - tzen. Haͤnſel buͤckte ſich und machte ſich ſein ganz Rocktaͤſchlein voll davon, ſo viel nur hin - ein wollten, dann ging er zuruͤck ins Haus: troͤſte dich, Gretel, und ſchlaf nur ruhig, leg - te ſich wieder ins Bett und ſchlief ein.

Morgens fruͤh, ehe die Sonne noch aufge - gangen war, kam die Mutter und weckte ſie alle beide: ſteht auf, ihr Kinder, wir wollen in den Wald gehen, da habt ihr jedes ein Stuͤck - lein Brod, aber haltets zu Rathe und hebts euch fuͤr den Mittag auf. Gretel nahm das Brod unter die Schuͤrze, weil Haͤnſel die Stei - ne in der Taſche hatte, dann machten ſie ſich auf den Weg in den Wald hinein. Wie ſie ein Weilchen gegangen waren, ſtand Haͤnſel51 ſtill und guckte nach dem Haus zuruͤck, bald darauf wieder und immer wieder. Der Vater ſprach: Haͤnſel, was guckſt du zuruͤck und haͤltſt dich auf, hab Acht und marſchir zu. Ach, Vater, ich ſeh nach meinem weißen Kaͤtz - chen, das ſitzt oben auf dem Dach und will mir Ade ſagen. Die Mutter ſprach: ei Narr, das iſt dein Kaͤtzchen nicht, das iſt die Morgenſonne, die auf den Schornſtein ſcheint. Haͤnſel aber hatte nicht nach dem Kaͤtzchen geſe - hen, ſondern immer einen von den blanken Kieſel - ſteinen aus ſeiner Taſche auf den Weg geworfen.

Wie ſie mitten in den Wald gekommen waren, ſprach der Vater, nun ſammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, daß wir nicht frieren. Haͤnſel und Gretel trugen Reiſig zuſammen, einen kleinen Berg hoch. Da ſteckten ſie es an, und wie die Flamme recht groß brannte, ſagte die Mutter: nun legt euch ans Feuer und ſchlaft, wir wollen in dem Wald das Holz faͤllen, wartet, bis wir wieder kommen, und euch abholen.[ ]

Haͤnſel und Gretel ſaßen an dem Feuer, bis Mittag, da jedes ſein Stuͤcklein Brod, und dann wieder bis an den Abend; aber Va - ter und Mutter blieben aus, und niemand woll - te kommen und ſie abholen. Wie es nun fin - ſtere Nacht wurde, fing Gretel an zu weinen, Haͤnſel aber ſprach: wart nur ein Weilchen,D 252bis der Mond aufgegangen iſt. Und als der Mond aufgegangen war, faßte er die Gre - tel bei der Hand, da lagen die Kieſelſteine wie neugeſchlagene Batzen und ſchimmerten und zeigten ihnen den Weg. Da gingen ſie die ganze Nacht durch, und wie es Morgen war, kamen ſie wieder bei ihres Vaters Haus an. Der Vater freute ſich von Herzen, als er ſeine Kinder wieder ſah, denn er hatte ſie ungern allein gelaſſen, die Mutter ſtellte ſich auch, als wenn ſie ſich freute, heimlich aber war ſie boͤs.

Nicht lange darnach, war wieder kein Brod im Hauſe und Haͤnſel und Gretel hoͤrten wie Abends die Mutter zum Vater ſagte: einmal haben die Kinder den Weg zuruͤckgefunden, und da habe ichs gut ſeyn laſſen, aber jetzt iſt wie - der nichts, als nur noch ein halber Laib Brod im Haus, du mußt ſie morgen tiefer in den Wald fuͤhren, daß ſie nicht wieder heim kom - men koͤnnen, es iſt ſonſt keine Huͤlfe fuͤr uns mehr. Dem Mann fiels ſchwer aufs Herz, und er gedachte, es waͤre doch beſſer, wenn du den letzten Biſſen mit deinen Kindern theilteſt, weil er es aber einmal gethan hatte, ſo durfte er nicht nein ſagen. Haͤnſel und Gretel hoͤrten das Geſpraͤch der Eltern; Haͤnſel ſtand auf und wollte wieder Kieſelſteine aufleſen, wie er aber an die Thuͤre kam, da hatte ſie die Mutter zu - geſchloſſen. Doch troͤſtete er die Gretel und53 ſprach: ſchlaf nur, lieb Gretel, der liebe Gott wird uns ſchon helfen.

Morgens fruͤh erhielten ſie ihr Stuͤcklein Brod, noch kleiner als das vorigemal. Auf dem Wege broͤckelte es Haͤnſel in der Taſche, ſtand oft ſtill, und warf ein Broͤcklein an die Erde. [ Was] bleibſt du immer ſtehen, Haͤnſel, und guckſt dich um, ſagte der Vater, geh dei - ner Wege. Ach! ich ſeh nach meinem Taͤubchen, das ſitzt auf dem Dach und will mir Ade ſagen du Narr, ſagte die Mutter, das iſt dein Taͤubchen nicht, das iſt die Morgenſon - ne, die auf den Schornſtein oben ſcheint. Haͤnſel aber zerbroͤckelte all ſein Brod und warf die Broͤcklein auf den Weg.

Die Mutter aber fuͤhrte ſie noch tiefer in den Wald hinein, wo ſie ihr Lebtag nicht ge - weſen waren, da ſollten ſie wieder einſchlafen bei einem großen Feuer, und Abends wollten die Eltern kommen und ſie abholen. Zu Mit - tag theilte Gretel ihr Brod mit Haͤnſel, weil der ſeins all auf den Weg geſtreut; der Mit - tag verging und der Abend verging, aber nie - mand kam zu den armen Kindern. Haͤnſel troͤ - ſtete die Gretel und ſagte: wart, wenn der Mond aufgeht, dann ſeh ich die Broͤcklein Brod, die ich ausgeſtreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus. Der Mond ging auf, wie aber Haͤnſel nach den Broͤcklein ſah, da54 waren ſie weg, die viel tauſend Voͤglein in dem Wald, die hatten ſie gefunden und aufgepickt. Haͤnſel meinte doch den Weg nach Haus zu finden und zog die Gretel mit ſich, aber ſie ver - irrten ſich bald in der großen Wildniß und gingen die Nacht und den ganzen Tag, da ſchliefen ſie vor Muͤdigkeit ein; und gingen noch einen Tag, aber ſie kamen nicht aus den Wald heraus, und waren ſo hungrig, denn ſie hatten nichts zu eſſen, als ein paar kleine Beer - lein, die auf der Erde ſtanden.

Am dritten Tage gingen ſie wieder bis zu Mittag, da kamen ſie an ein Haͤuslein, das war ganz aus Brod gebaut und war mit Ku - chen gedeckt, und die Fenſter waren von hellem Zucker. Da wollen wir uns niederſetzen und uns ſatt eſſen, ſagte Haͤnſel; ich will vom Dach eſſen, du vom Fenſter, Gretel, das iſt fein ſuͤß fuͤr dich. Haͤnſel hatte ſchon ein gut Stuͤck vom Dach und Gretel ſchon ein paar runde Fenſterſcheiben gegeſſen, und brach ſich eben eine neue aus, da hoͤrten ſie eine feine Stimme, die von innen herausrief:

knuper, knuper, Kneischen!
wer knupert an meinem Haͤuschen!

Haͤnſel und Gretel erſchracken ſo gewaltig, daß ſie fallen ließen, was ſie in der Hand hielten, und gleich darauf ſahen ſie aus der Thuͤre eine55 kleine ſteinalte Frau ſchleichen. Sie wackelte mit dem Kopf und ſagte: ei, ihr lieben Kin - der, wo ſeyd ihr denn hergelaufen, kommt her - ein mit mir, ihr ſollts gut haben, faßte beide an der Hand und fuͤhrte ſie in ihr Haͤuschen. Da ward gutes Eſſen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nuͤſſe, und dann wurden zwei ſchoͤne Bettlein bereitet, da legten ſich Haͤnſel und Gretel hinein, und meinten ſie waͤren wie im Himmel.

Die Alte aber war eine boͤſe Hexe, die lauerte den Kindern auf, und hatte um ſie zu locken ihr Brodhaͤuslein gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte ſie es todt, kochte es und es, und das war ihr ein Feſt - tag. Da war ſie nun recht froh, wie Haͤnſel und Gretel ihr zugelaufen kamen. Fruͤh, ehe ſie noch erwacht waren, ſtand ſie ſchon auf, ging an ihre Bettlein und wie ſie die zwei ſo lieblich ruhen ſah, freute ſie ſich und gedachte, das wird ein guter Biſſen fuͤr dich ſeyn. Sie packte Haͤnſel und ſteckte ihn in einen kleinen Stall, und wie er da aufwachte, war er von einem Gitter umſchloſſen, wie man junge Huͤhn - lein einſperrt, und konnte nur ein paar Schritte gehen. Das Gretel aber ſchuͤttelte ſie und rief: ſteh auf, du Faullenzerin, hol Waſſer und geh in die Kuͤche und koch gut zu eſſen, dort ſteckt dein Bruder in einem Stall, den will ich erſt56 fett machen, und wann er fett iſt, dann will ich ihn eſſen, jetzt ſollſt du ihn fuͤttern. Gre - tel erſchrack und weinte, mußte aber thun, was die Hexe verlangte. Da ward nun alle Tage dem Haͤnſel das beſte Eſſen gekocht, daß er fett werden ſollte, Gretel aber bekam nichts, als die Krebsſchalen, und alle Tage kam die Alte und ſagte: Haͤnſel, ſtreck deine Finger heraus, daß ich fuͤhle, ob du bald fett genug biſt. Haͤnſel ſtreckte ihr aber immer ein Knoͤch - lein heraus, da verwunderte ſie ſich, daß er gar nicht zunehmen wolle.

Nach vier Wochen ſagte ſie eines Abends zu Gretel: ſey flink, geh und trag Waſſer herbei, dein Bruͤderchen mag nun fett genug ſeyn oder nicht, morgen will ich es ſchlachten und ſieden, ich will derweile den Teig anma - chen, daß wir auch dazu backen koͤnnen. Da ging Gretel mit traurigem Herzen und trug das Waſſer, worin Haͤnſel ſollte geſotten wer - den. Fruͤh Morgens mußte Gretel aufſtehen, Feuer anmachen und den Keſſel mit Waſſer aufhaͤngen. Gieb nun Acht, bis es ſiedet, ſag - te die Hexe, ich will Feuer in den Backofen machen und das Brod hineinſchieben; Gretel ſtand in der Kuͤche und weinte blutige Thraͤ - nen, und dachte, haͤtten uns lieber die wilden Thiere im Walde gefreſſen, ſo waͤren wir zu - ſammen geſtorben und muͤßten nun nicht das57 Herzeleid tragen, und ich muͤßte nicht ſelber das Waſſer zu dem Tod meines lieben Bruders[] ſieden, du lieber Gott, hilf uns armen Kin - dern aus der Noth.

Da rief die Alte: Gretel komm gleich einmal hierher zu dem Backofen, wie Gretel kam, ſagte ſie:[ ] guck hinein, ob das Brod ſchon huͤbſch braun und gar iſt, meine Augen ſind ſchwach, ich kann nicht ſo weit ſehen, und wenn du auch nicht kannſt, ſo ſetz dich auf das Brett, ſo will ich dich hineinſchieben, da kannſt du darin herumgehen und nachſehen. Wenn aber Gretel darin war, da wollte ſie zumachen und Gretel ſollte in dem heißen Ofen backen, und ſie wollte es auch aufeſſen: das dachte die boͤſe Hexe, und darum hatte ſie das Gretel ge - rufen. Gott gab es aber Gretel ein und ſie ſagte: ich weiß nicht, wie ich das anfangen ſoll, zeigs mirs erſt, ſetz dich drauf, ich will dich hin - einſchieben. Und die Alte ſetzte ſich auf das Brett, und weil ſie leicht war, ſchob ſie Gretel hinein ſo weit ſie konnte, und dann machte ſie geſchwind die Thuͤre zu, und ſteckte den eiſernen Riegel vor. Da fing die Alte an in dem heißen Back - ofen zu ſchreien und zu jammern, Gretel aber lief fort, und ſie mußte elendiglich verbrennen.

Und Gretel lief zum Haͤnſel, machte ihm ſein Thuͤrchen auf und Haͤnſel ſprang heraus, und ſie kuͤßten ſich einander und waren froh. 58Das ganze Haͤuschen war voll von Edelgeſtei - nen und Perlen, davon fuͤllten ſie ihre Taſchen, gingen fort und fanden den Weg nach Haus. Der Vater freute ſich als er ſie wieder ſah, er hatte keinen vergnuͤgten Tag gehabt, ſeit ſeine Kinder fort waren, und ward nun ein reicher Mann. Die Mutter aber war geſtorben.

16. Herr Fix und Fertig.

Fix und Fertig war lange Zeit Soldat ge - weſen, weil aber der Krieg ein Ende hatte und nichts mehr zu thun war, als einen und alle Tage dasſelbe, nahm er ſeinen Abſchied und wollte Lakai bei einem großen Herrn werden. Da gabs Kleider mit Gold beſetzt, viel zu ſchaf - fen und immer was Neues. Alſo machte er ſich auf den Weg und kam an einen fremden Hof, da ſah er einen Herrn, der in dem Gar - ten ſpazieren ging. Fix und Fertig beſann ſich nicht lang, trat friſch auf ihn zu und ſagte: mein Herr, ich ſuche Dienſte bei einem großen Herrn, ſinds Ew. Majeſtaͤt ſelbſt, ſo iſt mirs am liebſten, ich kann und weiß alles, was dazu gehoͤrt, kurz und lang, wies befohlen wird. Der Herr ſagte: recht, mein Sohn, das waͤre mir lieb, ſag an, was iſt anjetzt mein Verlan - gen? Fix und Fertig ohne zu antworten drehte59 ſich um, lief eilend und brachte eine Pfeife und Taback. Recht, mein Sohn, du biſt mein Bedienter, aber nun gebe ich dir auf, mir die Prinzeſſin Nomini zu ſchaffen, die ſchoͤnſte auf der Welt, die will ich zu meiner Gemahlin ha - ben. Wohlan, ſagte Fix und Fertig, das iſt mir ein kleines, die ſollen Ew. Maj. bald haben, geben Sie mir nur eine Chaiſe beſpannt mit Sechſen, einen Leibkutſcher, Haiducken, Lau - fer, Lakaien, Koch und einen voͤlligen Staat, mir ſelbſt aber fuͤrſtliche Kleider, und jedermann muß meinen Befehlen gehorchen. Nun fuh - ren ſie ab, der Herr Bedienter ſaß in der Kut - ſche und es ging immer dem koͤniglichen Hof zu, wo die ſchoͤne Prinzeſſin war. Als die Chauſ - ſee zu Ende war, fuhren ſie ins Feld hinein und kamen bald vor einen großen Wald, der war voll von vielen tauſend Voͤgeln, da war ein grauſamer Geſang, praͤchtig in die blaue Luft hinein. Halt! halt! rief der Fix und Fertig, die Voͤgel nicht geſtoͤrt! die preiſen ihren Schoͤ - pfer und wollen mir wieder einmal dienen, links um! der Kutſcher mußte alſo umdrehen und um den Wald herumfahren. Darnach waͤhrte es nicht lang, ſo kamen ſie an ein großes Feld, da ſaßen an die tauſend Millionen Raben, die ſchrien nach Speiſe uͤberlaut. Halt! halt! rief der Herr Fix und Fertig: bind eins von den vorderſten Pferden los, fuͤhr es aufs Feld und60 ſtichs todt, daß die Raben geſpeiſt werden, die ſollen meinetwegen keinen Hunger leiden. Nachdem die Raben geſaͤttigt waren, ging die Reiſe weiter und ſie kamen an ein Waſſer, dar - in war ein Fiſch, der klagte erbaͤrmlich: um Gotteswillen! ich habe keine Nahrung in die - ſem ſchlechten Sumpf, ſetzt mich in ein fließen - des Waſſer, dafuͤr will ich euch einmal gegen - dienen. Eh er noch ausgeredet, hatte Fix und Fertig halt! halt! gerufen; Koch nimm ihn in die Schuͤrze, Kutſcher fahr zu nach einem fließen - den Waſſer. Fix und Fertig ſtieg ſelber aus und ſetzte ihn hinein, daß der Fiſch vor Freude mit dem Schwanz ſchlug. Herr Fix und Fer - tig ſprach: laßt nun die Pferde raſch laufen, daß wir zu Abend noch an Ort und Stelle ſind. Als er in der koͤniglichen Reſidenz anlangte fuhr er gerade nach dem beſten Gaſthof, der Wirth und alle ſeine Leute kamen heraus, empfingen ihn aufs beſte und meinten, ein fremder Koͤnig ſey angekommen, und es war doch nur ein Herr Bedienter. Fix und Fertig aber ließ ſich gleich bei dem koͤniglichen Hof anmelden, ſuchte ſich be - liebt zu machen und hielt um die Prinzeſſin an. Mein Sohn, ſagte der Koͤnig, dergleichen Freier ſind ſchon viele abgewieſen worden, weil keiner hat ausrichten koͤnnen, was ich ihnen auferlegt hatte, um meine Tochter zu gewinnen. Wohl - an, ſprach Fix und Fertig, geben Ew. Majeſtaͤt61 mir nur was rechtes auf. Der Koͤnig ſagte: ich habe ein Viertel Mohnſamen ſaͤen laſſen, kannſt du mir denſelben wieder herbei ſchaffen, daß kein Korn fehlt, ſo ſollſt du die Prinzeſſin fuͤr deinen Herrn haben. Hoho! dachte Fix und Fertig, das iſt ein geringes fuͤr mich. Nahm darauf ein Maaß, Sack und ſchneeweiße Tuͤcher, ging hinaus, und die letztern breitete er neben das beſaͤte Feld hin. Gar nicht lange, da ka - men die Voͤgel, die im Walde bei ihrem Sin - gen nicht waren verſtoͤrt worden, und laſen den Samen, Koͤrnchen fuͤr Koͤrnchen auf und trugen ihn auf die weißen Tuͤcher. Als ſie alles auf - geleſen hatten, ſchuͤttete es Fix und Fertig zu - ſammen in den Sack, nahm das Maaß unter den Arm, ging zu dem Koͤnig und maaß ihm ſeinen ausgeſaͤten Samen wieder zu, gedachte nun die Prinzeſſin waͤre ſchon ſein aber gefehlt: noch eins, mein Sohn, ſagte der Koͤnig, meine Tochter hat einſtmals ihren goldnen Ring ver - loren, denſelben mußt du mir erſt wiederſchaffen, eh du ſie bekommen kannſt. Fix und Fertig machte ſich keine Sorgen: laſſen Ew. Majeſtaͤt mir nur das Waſſer und die Bruͤcke zeigen, wo der Ring verloren worden, ſo ſoll er bald her - beigeſchafft ſeyn. Als er hingebracht war, ſah er hinab, da ſchwamm der Fiſch herzu, den er auf ſeiner Reiſe in den Fluß geſetzt hatte, ſtreck - te den Kopf in die Hoͤhe und ſagte: wart ei -62 nige Augenblicke, ich fahre hinunter, ein Wall - fiſch hat den Ring unter der Floßfeder, da will ich ihn holen; kam auch bald wieder und warf ihn ans Land. Fix und Fertig bracht ihn zum Koͤnig, dieſer aber antwortete: nun noch eins, in jenem Walde iſt ein Einhorn, das hat ſchon vielen Schaden gethan, wenn du das toͤdten kannſt, dann iſt nichts mehr uͤbrig. Fix und Fertig bekuͤmmerte ſich auch hier nicht groß, ſon - dern ging geradezu in den Wald. Da waren die Raben, die er einmal gefuttert und ſprachen: noch eine kleine Weile Geduld, jetzt liegt das Einhorn und ſchlaͤft, aber nicht auf der ſcheelen Seite, wenn es ſich herumdreht, dann wollen wir ihm das eine gute Auge, das es hat, aus - picken, dann iſt es blind und wird in ſeiner Wuth gegen die Baͤume rennen und mit ſeinem Horn ſich feſtſpießen; dann kannſt du es leicht toͤdten. Bald waͤlzte ſich das Thier ein paar Mal im Schlaf herum und legte ſich auf die andere Seite, da flogen die Raben herunter und hackten ihm ſein geſundes Auge aus. Wie es die Schmerzen empfand, ſprang es auf und rennte unſinnig im Wald herum, bald auch hatte es ſich in eine dicke Eiche feſtgerennt. Da ſprang Fix und Fertig herbei, hieb ihm den Kopf ab, und brachte ihn dem Koͤnig. Dieſer konnte nun ſeine Tochter nicht laͤnger verſagen, ſie ward dem Fix und Fertig uͤbergeben, der ſich gleich in vol -63 lem Staat, wie er gekommen war, mit ihr in die Kutſche ſetzte, zu ſeinem Herrn fuhr und ihm die liebevolle Prinzeſſin brachte. Da ward er wohl empfangen, und in aller Pracht Hochzeit gehal - ten; Fix und Fertig aber wurde erſter Miniſter.

Ein jegliches in der Geſellſchaft, wo dies erzaͤhlt wurde, wuͤnſchte auch bei dem Vergnuͤ - gen zu ſeyn, eins wollte Kammerjungfer, das andere Garderobemaͤdchen werden, dafuͤr wollte einer Kammerdiener, der andere Koch werden u. ſ. w.

17. Die weiße Schlange.

Auf des Koͤnigs Tafel ward alle Mittage eine verdeckte Schuͤſſel geſetzt, wenn alle fort - gegangen waren, der Koͤnig noch allein dar - aus, und es wußte kein Menſch im ganzen Reich, was das fuͤr eine Speiſe war. Einer von den Dienern ward neugierig, was in der Schuͤſſel ſeyn koͤnne, und wie ihm der Koͤnig einmal befohlen hatte, die Schuͤſſel fortzutra - gen, konnt 'er ſich nicht mehr zuruͤckhalten, nahm ſie mit auf ſeine Kammer und deckte ſie auf. Und als er ſie aufgedeckt hatte, da lag eine weiße Schlange darin, wie er die anſah, bekam er auch Luſt davon zu eſſen und ſchnitt ſich ein Stuͤck ab und es. Kaum aber hat -64 te das Schlangenfleiſch ſeine Lippen beruͤhrt, ſo verſtand er die Thierſprache, und hoͤrte, was die Voͤgel vor dem Fenſter zu einander ſagten.

Denſelben Tag kam der Koͤnigin einer ih - rer ſchoͤnſten Ringe fort, und der Verdacht fiel auf ihn, der Koͤnig ſagte auch, wenn er nicht bis Morgen den Dieb ſchaffe, ſolle er beſtraft werden, als waͤre ers geweſen. Der Diener ward traurig und ging herab auf des Koͤnigs Hof. Da ſaßen die Enten am Waſſer und ruhten ſich, und als er die ſo betrachtete, da hoͤrte er eine ſprechen: es liegt mir ſo ſchwer im Magen, ich habe einen Ring gefreſſen, den die Koͤnigin verloren hat. Er nahm die En - te und trug ſie zum Koch: ſchlacht doch die, ſie iſt ſo fett, und als der Koch ihr den Hals abgeſchnitten, und ſie ausnahm, da lag der Koͤnigin Ring ihr im Magen. Der Diener brachte ihn dem Koͤnig, der erſtaunte und war froh, und weil es ihm leid war, daß er ihm Unrecht gethan, ſagte er: fordre wornach du Luſt haſt, und was fuͤr eine Ehrenſtelle du an meinem Hof haben willſt. Der Diener aber, ob er gleich jung und ſchoͤn war, ſchlug alles aus, war traurig in ſeinem Herzen und wollte nicht laͤnger bleiben; er bat nur um ein Pferd und um Geld in die Welt zu ziehen: das ward ihm aufs beſte gegeben.

Am65

Am andern Morgen ritt er fort und kam an einen Teich, da hatten ſich drei Fiſche im Rohr gefangen, die klagten, daß ſie da ſterben muͤßten, wenn ſie nicht bald wieder ins Waſ - ſer kaͤmen. Er ſtieg ab, nahm ſie aus dem Rohr und trug ſie ins Waſſer: die Fiſche rie - fen: wir wollen daran gedenken und dirs ver - gelten. Er ritt weiter, bald darauf hoͤrte er, wie ein Ameiſenkoͤnig rief: geh mit deinem großen Thier fort, das zertritt mit ſeinen brei - ten Fuͤßen uns alle miteinander. Er ſah zur Erde, da hatte ſein Pferd in einen Ameiſen - haufen getreten; er lenkte es ab und der Amei - ſenkoͤnig rief ihm nach: wir wollen daran ge - denken und dirs vergelten. Darauf kam er in einen Wald, da warfen die Raben ihre Jun - gen aus den Neſtern, ſie waͤren groß genug, ſprachen ſie, und koͤnnten ſich ſelber ernaͤhren. Die Jungen lagen auf der Erde und ſchrieen, ſie muͤßten Hungers ſterben, ihre Fluͤgel waͤren noch zu klein, ſie koͤnnten noch nicht fliegen und ſich etwas ſuchen. Da ſtieg er vom Pferd ab, nahm ſeinen Degen und ſtach es todt und warfs den jungen Raben hin, die kamen bald herbeigehuͤpft und fraßen ſich ſatt und ſag - ten: wir wollen daran gedenken und dirs ver - gelten.

Er ging weiter und kam in eine große Stadt, da ward bekannt gemacht, wer die Prin -Kindermärchen. E66zeſſin haben wolle, der ſolle ausfuͤhren, was ſie ihm aufgeben werde, ſey er hernach nicht im Stande, habe er ſein Leben verloren. Es wa - ren aber ſchon viele Prinzen da geweſen, die waren alle dabei umgekommen, daß niemand ſich mehr daran wagen wollte; da ließ es die Prinzeſſin von neuem bekannt machen. Der Juͤngling gedachte, er woll 'es wagen und mel - dete ſich als Freier. Da ward er hinaus ans Meer gefuͤhrt, und ein Ring hinabgeworfen, den ſollt er wiederholen, und wenn er aus dem Waſſer heraufkaͤme ohne den Ring, werde er wieder hineingeſtuͤrzt und muͤſſe darin ſter - ben. Wie er aber am Ufer ſtand, kamen die Fiſche, die er aus dem Rohr in das Waſſer geworfen hatte, und der mittelſte hatte eine Muſchel im Munde, darin lag der Ring, die Muſchel legte er zu ſeinen Fuͤßen an den Strand. Da war der Juͤngling froh, brachte dem Koͤnig den Ring und verlangte die Prin - zeſſin. Die Prinzeſſin aber, als ſie hoͤrte, daß es kein Prinz ſey, wollte ihn nicht, ſie ſchuͤtte - te zehn Saͤcke Hirſen ins Gras: die ſolle er erſt aufleſen, daß kein Koͤrnchen fehle, ehe die Morgenſonne aufgegangen. Da kam der Amei - ſenkoͤnig mit alle ſeinen Ameiſen, die der Juͤng - ling geſchont hatte und laſen in der Nacht al - len Hirſen auf, und trugen ihn in die Saͤcke, und vor Sonnenaufgang waren ſie fertig. Wie67 die Prinzeſſin das ſah, erſtaunte ſie, und der Juͤngling ward vor ſie gebracht, und weil er ſchoͤn war, gefiel er ihr, aber ſie verlangte noch zum dritten, er ſolle ihr einen Apfel vom Baum des Lebens ſchaffen. Als er ſtand und daruͤber nachdachte, wie er dazu gelangen koͤn - ne, da kam einer von den Raben, die er mit ſeinem Pferd gefuͤttert, und brachte den Apfel in dem Schnabel. Da ward er der Gemahl der Prinzeſſin und, als ihr Vater ſtarb, Koͤnig uͤber das ganze Land.

18. Strohhalm, Kohle und Bohne auf der Reiſe.

Ein Strohhalm, eine Kohle und eine Boh - ne ſchlugen ſich zuſammen, und wollten ge - meinſchaftlich eine große Reiſe machen. Sie waren ſchon durch viele Laͤnder gezogen, da kamen ſie an einen Bach ohne Bruͤcke und konnten nicht hinuͤber. Endlich wußte Stroh - halm guten Rath, er legte ſich quer uͤber und die andern ſollten uͤber ihn hingehen, erſt Koh - le, dann Bohne. Kohle ging breit und lang - ſam darauf, Bohne trippelte nach. Wie aber die Kohle mitten auf den Strohhalm kam, fing der an zu brennen, und brannte durch, Kohle fiel ziſchend ins Waſſer und ſtarb, StrohhalmE 268floß in zwei Theile zerſtuͤckt fort, Bohne, die noch etwas zuruͤck war, rutſchte auch nach, und fiel hinunter, half ſich aber ein bischen mit Schwimmen. Sie mußte doch endlich ſo viel Waſſer trinken, daß ſie zerplatzte, und ward in dieſem Zuſtand ans Ufer getrieben. Zum Gluͤck ſaß da ein Schneider, der auf ſeiner Wander - ſchaft ausruhte, weil er nun Nadel und Zwirn bei der Hand hatte, naͤhte er ſie wieder zuſam - men; ſeit der Zeit aber haben alle Bohnen ei - ne Naht.

Nach einer andern Erzaͤhlung ging die Bohne zuerſt uͤber den Strohhalm, kam gluͤck - lich hinuͤber und ſah auf dem gegenſeitigen Ufer der Kohle zu wie die heruͤberzog. Mitten auf dem Waſſer brannte ſie den Strohhalm durch, fiel hinab und ziſchte. Wie das die Bohne ſah, lachte ſie ſo ſtark, daß ſie platzte. Der Schneider am Ufer naͤhte ſie wieder zu, hatte aber gerade nur ſchwarzen Zwirn, daher alle Bohnen eine ſchwarze Naht haben.

19. Von den Fiſcher und ſiine Fru.

Daar was mal eens een Fiſcher un ſiine Fru, de waanten toſamen in'n Pispott, dicht an de See un de Fiſcher ging alle Dage hen un angelt, un ging he hen lange Tid.

69

Daar ſatt he eens an de See bi de Angel un ſach in dat blanke Water, un he ſach uͤm - mer na de Angel daar ging de Angel to Grun'n, deep unner, un as he ſe heruttreckt ſo haalt he eenen groten Butt herut de Butt ſed 'to em: ick bidd di, dat du mi lewen lettſt, ick bin keen rechte Butt, ick bin een verwuͤnſcht' Prins, ſett mi wedder in dat Water un laat mi ſwemmen Nu, ſed 'de Mann, du bruukſt[nich] ſo veele Woord' to maken, eenen Butt, de ſpreken kan, hadd ick doch woll ſwemmen laten. Daar ſett't he en wedder in dat Water, un de Butt ging fuurts weg to Grun'n un leet eenen langen Stripen Bloot hinne ſich.

De Mann averſt ging to ſiine Fru in'n Pispott un vertellt eer, dat he eenen Butt fangen hadd, de hadd to em ſegt, he weer een verwuͤnſcht 'Prins, doon hadd he em wedder ſwemmen laten. Heſt du di den nix wuͤnſcht? ſed' de Fru. Nee! ſed de Mann, wat ſull ick mi wuͤnſchen? Ach! ſed 'de Fru, dat is doch oͤvel, uͤmmer in'n Pispott to wanen, dat is ſo ſtinkig un dreckig hier, ga du noch hen un wuͤnſch uns ne luͤtte Huͤtt! den Mann was dat nich ſo recht, doch ging he hen na de See, un as he hen kamm, ſo was de See gans geel un groͤn, da ging he an dat Water ſtaan, un ſed:70

Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje! Buttje in de See!
Mine Fru, de Ilſebill,
Will nich ſo, as ick wol will.

Daar kam de Butt anſwemmen un ſed ': na wat will ſe denn? Ach! ſed' de Mann, ick hev di doch fangen haͤtt, nu ſed 'mine Fru, ick hadd mi doch wat wuͤnſchen ſullt, ſe mag nich meer in Pispott wanen, ſe wull geern ne Huͤtt hebben. Ga man hen, ſed de Butt, ſe is all daar in.

Daar ging de Mann hen, und ſiine Fru ſtund in eene Huͤtt in de Doͤoͤr, un ſed to em: kumm man herin; ſuͤ, nu is dat doch veel be - ter! Un daar was eene Stuwe un Kamer un eene Koͤck daar in, un da achter was een luͤtte Gaarn mit allerhand Groͤnigkeiten un een Hoff, da weeren Hoͤner und Aanten. Ach, ſed de Mann, nu willn wi vergnoͤgt lewen Ja, ſed de Fru, wi willnt verſoͤken.

So ging dat nu wol een acht oder veer - tein Daag, daar ſed 'de Fru: Mann! de Huͤtt wart mi to eng, de Hoff un Gaarn is to luͤtt, ick will in een grot ſteenern Slott wa - nen; ga hen tum Butt, he ſall uns een Slott ſchaffen. Ach Fru, ſed de Mann, de Butt hett uns eerſt de Huͤtt gewen, ick mag nu nich all wedder kamen, den Butt muͤgt et verdree - ten. J watt, ſed de Fru, he kann dat recht71 good, un deet dat geern, ga du man hen! Daar ging der Mann hen un ſiin Hart was em ſo ſwar; as he awerſt bi de See kam, was dat Water gans vigelett un grag un dunkel - blag, doch was't noch ſtill, dar ging he ſtaan un ſed:

Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Ilſebill,
Will nich ſo, as ick wol will.

Na! wat will ſe denn? ſed de Butt. Ach, ſed de Mann, gans bedroͤvd, mine Fru will in een ſtenern Slott wanen. Ga man hen, ſe ſteit voͤr de Doͤoͤr ſed de Butt.

Daar ging de Mann hen un ſiine Fru ſtund voͤr eenen groten Pallaſt. Suͤ Mann, ſed ſe, wat is dat nu ſchoͤn! Mit des gin - gen ſe toſamen herin, daar weeren ſo veel Be - deenters, un de Waͤnde weeren all blank, un goldne Stoͤoͤl un Diſche weeren in de Stuw, un achter dat Slott was een Gaarn un Holt, woll eene halve Miil lang, daar in weren Hir - ſche, Reeh un Haſen, un up den Hoff Koͤh - un Peerdſtaͤll. Ach! ſed de Mann, nu willn wi ook in dat ſchoͤne Slott bliwen, un tofre - den ſin! Dat willn wi uns bedenken, ſed de Fru, un willn't beſchlapen. Mit des gin - gen ſe to Bed.

72

Den annern Morgen waakt de Fru up, dat was all Dag: da ſtoͤdd 'ſe den Mann mit den Ellbagen in de Siid, un ſed: Mann ſtah up, wi moͤten Koͤnig warden oͤver all dat Land. Ach! Fru, ſed de Mann, wat wulln wi Koͤnig warden, ick mag nich Koͤnig ſin; na denn will ick Koͤnig ſin. Ach! Fru, ſed de Mann, wo kannſt du Koͤnig ſin, de Butt muͤgt dat nich doon Mann, ſed de Fru, ga ſtracks hen, ick moͤt Koͤnig ſin. Daar ging de Mann un was gans bedroͤvd, dat ſin Fru Koͤnig warden wull. Un as he an de See kamm, was ſe all gans ſwartgrag un dat Water geert ſo van unner up. Daar ging he ſtaan un ſed:

Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Ilſebill,
Will nich ſo, as ick wol will.

Na wat will ſe denn? ſed de Butt. Ach! ſed de Mann, mine Fru will Koͤnig warden Ga man hen, ſe is't all, ſed de Butt.

Daar ging de Mann hen, un as he na den Pallaſt kamm, da weren daar ſo veele Sol - daten un Pauken un Trumpeten, un ſiine Fru ſatt up eenen hogen Troon van Gold un De - mant un had eene grote goldne Kroon up un up beiden Siiden bi eer daar ſtunden ſoͤs Jum -73 fern, uͤmmer eene eenen Kops luͤtjer as de ann - re. Ach, ſed de Mann, biſt du nu Koͤnig? Ja, ſed ſe, ick bin Koͤnig. Un as he eer ſo ne Wile anſeen had, ſo ſed he: ach Fru! wat lett dat ſchoͤn, wenn du Koͤnig biſt, nu willn wi ook nich meer wuͤnſchen. Nee Mann, ſed ſe, mi duurt dat all to lang, ick kan dat nich meer uthollen, Koͤnig bin ick, nu moͤt ick ook Kaiſer warden! Ach! Fru, ſed de Mann, wat wullſt du Kaiſer warden? Mann, ſed ſe, ga tum Butt, ick wull Kaiſer ſin Ach Fru, ſed de Mann, Kaiſer kan he nich maken, ick mag den Butt dat nicht ſeg - gen. Ick bin Koͤnig, ſed de Fru, un du biſt min Mann, ga gliik hen! Da ging de Mann weg, un as he ſo ging, dacht he: dit geit un geit nich good, Kaiſer is to utver - ſchamt, de Butt ward am Ende moͤde. Mit des kamm he an de See, dat Water was gans ſwart un dick, un et ging ſo een Keekwind aͤver hen, dat dat ſik ſo koͤret; daar ging he ſtaan un ſed:

Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Ilſebill,
Will nich ſo, as ick wol will.

Na wat will ſe denn? ſed de Butt. Ach, ſed he, min Fru will Kaiſer warden. Ga man hen, ſed de Butt, ſe is't all.

74

Daar ging de Mann hen, un as he daar - kamm, ſo ſatt ſiine Fru up eenen ſeer hogen Troon, de was van een Stuͤck Gold, un had eene grote Kroon up, de was wol twee Ellen hoch, bi eer up de Siiden dar ſtunnen de Tra - banten, uͤmmer een luͤttjer as de anner, von den allergroͤtſten Riſen, bett to den luͤttſten Dwark, de was man ſo lang, as miin luͤttje Finger. Vor eer dar ſtunden ſo veele Fuͤrſten un Graven, da ging de Mann unner ſtaan, un ſed: Fru! biſt du nu Kaiſer? Ga[,] ſed ſe, ick bin Kaiſer. Ach! ſed de Mann, un ſach ſe ſo recht an, Fru wat lett dat ſchoͤn, wenn du Kaiſer biſt. Mann, ſed ſe, wat ſteiſt du daar, ick bin nu Kaiſer, nu will ick aͤwerſt ook Papſt warden. Ach! Fru, ſed de Mann, wat wiſt du Pabſt warden, Pabſt is man eenmal in de Chriſtenheit. Mann, ſed ſe, ick moͤt huͤuͤt noch Pabſt war - den. Ne Fru, ſed he, to Pabſt kan de Butt nich maaken, dat geit nich good. Mann, wat Snak, kan he Kaiſer maken, kan he ook Pabſt maken, ga fuurts hen! Daar ging de Mann hen, un em was gans flau, dee Knee un de Waden ſlakkerten em, un bu - ten ging de Wind, un dat Water was, as kaakt dat, de Schep ſchoten in de Noot un dans - ten un ſprungen up de Buͤlgen, doch was de Himmel in de Midde noch ſo'n beeten blag,75 awerſt an de Siden, daar toog dat ſo recht rood up as een ſwaar Gewitter. Dar ging he recht voͤrzufft ſtaan un ſed:

Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Ilſebill,
Will nich ſo, as ick wol will.

Na, wat will ſe denn? ſed de Butt. Ach! ſed de Mann, miin Fru will Pabſt warden. Ga man hen, ſed de Butt, ſe is't all.

Daar ging he hen, un as he daar kamm, ſatt ſine Fru up eenen Tron, de was twee Mil 'hoch, un had dree groote Kroonen up, un um eer da was ſo veel van geiſtlike Staat, un up de Siden bi eer, daar ſtunden twee Reegen Lich - ter, dat groͤtſte ſo dick un groot as de aller groͤt - ſte Torm, bet to dat alle luͤttſte[Koͤten-Licht]. Fru, ſed de Mann, un ſach ſe ſo recht an, biſt du nu Pabſt? Ja, ſed ſe, ick bin Pabſt! Ach! Fru, ſed de Mann, wat lett dat ſchoͤn, wenn du Pabſt biſt; Fru, nu wes tofreden, nu du Pabſt biſt, kanſt du nix meer warden. Dat will ick mi bedenken, ſed de Fru, daar gingen ſee beede to Bed, awerſt ſe was nich tofreden un de Girigkeit leet eer nich ſlapen, ſe dacht uͤmmer, wat ſe noch wol warden wull. Mit des ging de Suͤnn up; ha, dacht ſe, as ſe ſe ut den Finſter ſo herup ka -76 men ſach, kann ick nich ook de Suͤnn upgaan laten? daar wurd ſe recht ſo grimmig, un ſtoͤdd eeren Mann an: Mann ga hen tum Butt, ick will warden, as de lewe Gott! de Mann was noch meiſt im Slaap, averſt he verſchrack ſich ſo, dat he ut den Bed feel. Ach! Fru, ſed he, gaa in di un bliw Pabſt. Ne, ſed de Fru, un reet ſich dat Liivken up, ick bin nich ruhig, un kan dat nich uthollen, wenn ick de Suͤnn un de Maan upgaan ſee, un kan ſe nich ook upgaan laten, ick moͤt warden, as de lewe Gott! Ach Fru, ſed de Mann, dat kan de Butt nich, Kaiſer un Pabſt kan he maken, awerſt dat kan he nich. Mann, ſed ſe, un ſach ſo recht graͤſig ut, ick will war - den as de lewe Gott, gaa gliik hen to'm Butt.

Dat fuur den Mann ſo doͤrch de Gleder, dat he bewt voͤr Angſt; buten awer ging de Storm, dat alle Boͤme un Felſen umweigten un de Himmel was gans ſwart, un dat dunnert un blitzt; daar ſach man in de See ſo ſwarte hoge Buͤlgen as Barg 'un hadden baben all eene witte Kroon van Schuum up, da ſed he:

Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru de Ilſebill,
Will nich ſo, as ick wol will.

Na wat will ſe den? ſed de Butt. Ach! ſed he, ſe will warden as de leve Gott. 77 Gah man hen, ſe ſitt all wedder in'n Piß - pott. Daar ſitten ſe noch huͤt un diſſen Dag.

20. Von einem tapfern Schneider.

I.

In einem Staͤdtlein Romandia war ein Schneider geſeſſen, welcher auf ein Zeit, als er gearbeitet, einen Apfel bei ſich liegen gehabt, darauf viel Fliegen, wie dann Sommerszeiten gewoͤhnlich, geſeſſen; das thaͤt dem Schneider Zorn, nahm einen Fleck von Tuch und ſchlug auf den Apfel und erſchlug der Fliegen ſieben. Als ſolches der einfaͤltige Schneider geſehen, ge - dacht er bei ſich ſelbſt, ſein Sach ſollte gut wer - den, ließ ſich bald einen ſehr ſchoͤnen Harniſch machen und darauf mit goldenen Buchſtaben ſchreiben: ſieben auf einen Streich ge - ſchlagen! zog mit ſeinem Harniſch auf der Gaſſe, wer ihn beſahe, der meinte, er haͤtte ſie - ben Menſchen auf einen Streich zu todt geſchla - gen; ward darnach von jedermann uͤbel gefuͤrch - tet. Nun war in derſelben Gegend ein Koͤnig, deſſen Lob weit und uͤberall erſchallte, zu dem ſich der faule Schneider fuͤgte, in den Hof trat, ſich daſelbſt in das Gras niederlegte und ſchlief. Die Hofdiener, die aus - und eingingen, den Schneider in dem reichen Harniſch ſahen und78 die Ueberſchrift laſen, ſich ſehr verwunderten, was dieſer ſtreitbare Mann, jetzt, zur Zeit des Friedens, in des Koͤnigs Hof thun wollt '; ſie gedachten, ohn Zweifel ſey es ein großer Herr. Die Herren Raͤthe, ſo ihn gleichfalls geſehen, koͤnigl. Majeſtaͤt ſolches zu wiſſen thaͤten mit Anzeigung, daß, wo ſich Zwieſpalt begebe, er ein ſehr nuͤtzlicher Mann waͤre. Dem Koͤnig die Reden wohl gefielen, bald nach dem geharniſch - ten Schneider ſchickte, ihn, ob er Dienſt begeh - ret, fragte; dem der Schneider bald antwortete, er darum allher kommen waͤre, und baͤte koͤnig - liche Majeſtaͤt, wo ſie ihn zu brauchen haͤtte, allergnaͤdigſt Dienſt mitzutheilen. Der Koͤnig ihm bald Dienſt zuſagte und ihm ein beſonder Loſament verordnete. Nun es ſtund nicht lange Zeit, die Reuter wurden dem guten Schneider gram, haͤtten gewollt, daß er beim Teufel waͤr, denn ſie geforcht, wo ſie mit ihm ſollten uneins werden, moͤgten ſie ihm keinen Widerſtand thun, wann er allwegen ſieben auf einen Streich zu todt ſchlagen wuͤrde; ſtets gedachten, wie ſie doch von dem Kriegsmann kommen moͤgten, doch letzt - lich zu Rath wurden und mit einander uͤberein kamen, all miteinander vor den Koͤnig zu tre - ten und um Urlaub zu bitten, welches auch ge - ſchahe. Der Koͤnig, als er ſahe alle ſeine Die - ner um eines Mannes willen Urlaub nehmen, ein traurigerer Mann er nie ward, haͤt gewollt,79 er haͤtt den Kriegsmann nie geſehen, durft ihm doch nicht Urlaub geben, dann er forchte, er ſammt allem ſeinen Volk zu todt geſchlagen und hernach ſein Reich von dem Krieger beſeſſen werde. Such - te Rath und nach langem Hin - und Hergedenken letztlich einen Sinn erfande, vermeinte dadurch des Kriegsmannes (den niemand fuͤr einen Schnei - der ſchaͤtzte), abzukommen, nach ihm ſchickte, ihm vorhielt, wie er wohl vernommen, daß er ein gewaltiger ſtarker Kriegsmann waͤre, nun haͤtt er zwei Rieſen im Wald, die ihm außer - maßen groß Schaden thaͤten mit rauben, mor - den, brennen, einem und dem andern, und man koͤnnte ihnen weder mit Waffen noch andern Din - gen zukommen, denn ſie erſchluͤgen alles; und ſo er ſich unterſtehn wollt, die Rieſen umzubrin - gen und braͤchte ſie um, ſo wollt' er ihm ſeine Tochter zu einem Weib und ſein halb Koͤnig - reich zu einer Ehſteuer geben, wollt ihm auch hundert Reuter zu Hilf wider die Rieſen geben. Der Schneider war wohl zu Muth, daß er ſollt eines Koͤnigs Tochtermann werden, ſprach, er wollt gern die Rieſen umbringen, und wohl ohne Hilf der Reuter ſie zu toͤdten wiſſe. Demnaͤchſt zu Wald ſich verfuͤgte, die Reuter vor dem Wald warten hieß, hineintrat, von weitem lugte, ob er die Rieſen irgend ſehen moͤgte, doch nach lan - gem Suchen ſie unter einem Baum ſchlafend fand und ſchnarchelten, daß die Aeſt an den80 Baͤumen ſich bogen. Der Schneider ſich nicht lange beſann, was ihm zu thun waͤre, ſchnell ſein Buſen voll Stein laſe, auf den Baum, darunter ſie lagen, ſtiege, anfing den einen mit dem Stein auf ſeine Bruſt zu werfen, davon er alsbald erwachte, uͤber den andern zuͤrnen ward, und ſagte, warum er ihn ſchluͤg? der an - dere aber entſchuldigte ſich ſo beſt 'er mogte; in - dem ſie wieder ſchlafen wollten, der Schneider wieder einen Stein faßte und den andern warf, darvon er uͤber ſein Mitgeſellen zuͤrnen ward und ſagte, warum er ihn werfe? Als ſie aber von ſolchem Zanken ließen und ihnen die Au - gen zugangen waren, der Schneider gar heftig auf den erſten warf, daß der Rieſe nicht mehr vertragen mogte, ſeinen Geſellen heftig ſchluge (dann er vermeinte, er waͤre von ihm geſchla - gen), welches der andere auch nicht leiden wollt', aufſtunden, Baͤum ausriſſen und einander ſelb zu todt ſchlugen, doch zu allem Gluͤck den Baum, darauf der Schneider ſaß, ſtehen ließen. Als ſolches der Schneider ſahe, baß zu Muth ward, dann er nie geweſen war, froͤhlichen ab dem Baum ſtiege, jeglichem mit ſeinem Schwert ein Wunden oder etlich ſchlug und wieder aus dem Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn fragten, ob er die Rieſen nirgends geſehen haͤt - te? ja, ſagte der Schneider, ich hab ſie zu todt geſchlagen und unter dem Baum liegenlaſſen. 81laſſen. Sie wolltens aber nicht glauben, daß er alſo unverletzt ſollt 'von den Rieſen kom - men, ſondern ritten in den Wald, dies Wun - der zu beſichtigen, und fandens alſo, wie ihnen der Schneider geſagt hatte. Darob ſie ſich ſehr verwunderten, großen Schrecken empfingen und noch uͤbler zu Muth waren, dann vor, dann ſie mehr forchten, er wuͤrd ſie, wo er ihnen Feind waͤr' all umbringen, ritten alſo heim und ſag - ten dem Koͤnig die That an. Der Schneider begerte die Tochter mit ſammt dem halben Koͤ - nigreich; der Koͤnig, als er ſahe die Rieſen er - wuͤrgt, deswegen er ſeine Tochter dem unbekann - ten Krieger ſollt zur Eh geben, war ihn ſeines Verheißens ſehr gereuen, gedacht, wie er doch ſein mit Fuͤgen moͤgt abkommen, dann er ihm die Tochter zu geben keineswegs geſinnet. Dem Schneider noch einmal ſagte, wie er ein Ein - horn im Walde haͤtte, das ihm ſo ſehr großen Schaden an Fiſch und Leut thaͤt, wenn er das - ſelbige fing, wollt er ihm die Tochter geben. Der Schneider war deſſen wohl zufrieden, nahm ein Stricklein, ging zum Wald, befahl ſeinen Zugeordneten, heraußen zu warten, er wollt al - lein hinein, ſpazierte alſo im Walde umher. Indem erſah er das Einhorn gegen ihn daher ſpringen, der Meinung ihn umzubringen; der Schneider aber war nicht unbehend, wartete bis das Einhorn gar nahe zu ihm kam, und als esKindermärchen. F82nahe bei ihm war, ſtellte er ſich hinter den Baum dabei er zu allernaͤchſt war; das Einhorn aber, ſo ſich in vollem Lauf nicht wenden konnt, mit dem Horn in den Baum lief und alſo darin un - verwendt ſtecken blieb. Als ſolches der Schnei - der ſah, herzuginge, dem Einhorn den Strick, ſo er mit ſich genommen haͤtt, um den Hals thaͤt und an den Baum bande, hinaus zu ſeinen Ge - ſellen ging, ihnen ſeinen Sieg uͤber das Ein - horn anzeigt, ſolches hernach dem Koͤnig zu wiſ - ſen thaͤt, welcher außer der Maßen traurig war, nicht wußt, wie ihm zu thun waͤre, dann der Schneider der Tochter begert. Doch begert der Koͤnig noch einmal an den Kriegsmann, er ſollt ihm das wilde Schwein, ſo im Wald liefe, fa - hen, hernach wollt er ihm die Tochter ohne al - len Verzug geben, wollt 'ihm auch ſeine Jaͤger zuordnen, die ihm helfen ſollten das Wildſchwein fahen. Der Schneider zog mit ſeinen Geſellen zum Wald, wie ſie dazu kamen, befahl er ih - nen heraußer zu bleiben, daß ſie gar wohl zu - frieden waren, denn das Schwein ſie dermaßen oft empfangen, daß ſie ihm nicht mehr begerten nachzuſtellen, dankten ihm fleißig. Der Schnei - der trat hinein, und als ihn das Schwein er - ſahe, lief es gleich auf ihn mit ſchaumendem Mund und wetzenden Zaͤhnen und wollt' ihn zur Erde werfen. Zu allem Gluͤck aber ſtunde eine Capelle in dem Wald, darin man vor Zei -83 ten Ablaß geholt, darbei eben der Schneider war, und als der Schneider ſolches erſahe, zu - naͤchſt in die Capelle lief, oben zum Fenſter wie - der hinausſprang, dem die Sau alsbald nach - folgte und in dem Capellein ſtand; der Schnei - der aber lief gleich zu der Thuͤre, ſchlug die zu und verſperrte das Gewild im Kirchlein. Dem - naͤchſt er hinging und ſeinen Geſellen ſolches an - zeigt, die mit einander heim ritten und es dem Koͤnig anzeigten. Ob der Koͤnig ſolcher Maͤhr froh oder traurig geweſen, mag ein jeglichs ge - ring verſtaͤndig leichtlich abnehmen, dann er ſein Tochter dem Schneider hat geben muͤſſen; zwei - felt mir aber gar nicht, haͤtt 'er gewußt, daß er ein Schneider waͤre, er haͤtt' ihm eh 'einen Strick gegeben, als ſeine Tochter. Nun der Koͤnig mußt ſeine Tochter einem Unbekannten geben, nicht mit kleiner Bekuͤmmerniß; darnach aber der gut Schneider wenig fragt, er allein ge - dacht, wie er des Koͤnigs Tochtermann werden moͤge. Alſo war die Hochzeit mit kleinen Freu - den vollbracht und aus einem Schneider ein Koͤ - nig gemacht. Nun als er etliche Naͤcht bei ſei - ner Braut gelegen, hat er im Schlaf geredet und geſagt: Knecht, mach mir das Wamms, flick mir die Hoſen, oder ich will dir das Ehl - maß uͤber die Ohren ſchlagen. Welches die gut Jungfrau wahr genommen hat, ſolches ihrem Herrn Vater, dem Koͤnig, anzeigte, ihn darbeiF 284auch bat, er ſollt 'ſie des Mannes abhelfen, dann ſie wohl merke, daß er ein Schneider waͤre. Solche Red dem Koͤnig ſein Herz durchſchnit - ten, daß er ſeine einzige Tochter einem Schnei - der gegeben haͤtte: doch troͤſtete er ſie aufs beſte und ſagte, ſie ſollt die zukuͤnftig Nacht die Kam - mer oͤffnen, ſo wollt' er etliche Diener vor die Kammer ſtellen, und wann er mehr alſo ſagt, muͤßten ſie hineingehen: ſolches der Frauen Ge - fallen war. Nun haͤtt der Koͤnig am Hof einen Waffentraͤger, der dem Schneider hold war und des Koͤnigs Red zu der Frauen gehoͤrt hatte, ſich ſchnell zum jungen Koͤnig fuͤgte, und ihm das ſchwere Urtheil, ſo uͤber ihn gegangen, er - oͤffnete mit Bitten, er wolle ſich ſo beſt er moͤgt, verwahren. Der Schneider ſagt ihm ſeines War - nens großen Dank: er wuͤßte dieſer Sachen wohl zu thun. Wie nun die Nacht kommen war, der Schneider ſich mit der jungen Koͤnigin legte nicht anders thaͤte, als ob er ſchlief, die Frau aber ſtund heimlich auf, oͤffnete die Kammer und legte ſich wieder zu Bett. Der Schneider, der ſolches al - les gehoͤrt, fing an zu reden, gleich als im Schlaf mit heller Stimm, daß die vor der Kammer wohl hoͤren moͤgten: Knecht, mach mir die Hoſen, bletz mir das Wammes, oder ich will dir das Ehlmaß uͤber die Ohren ſchlagen, ich hab ſieben auf ein[Streich] zu todt geſchlagen, ich hab ein Einhorn ſammt einer wilden Sau gefangen, ſollt '85ich dann die vor der Kammer fuͤrchten? Die vor der Kammer, als ſie ſolche Wort vernom - men, nicht anderſt flohen, oder als jagten ſie tauſend Teufel, und keiner wollt' ſeyn, der ſich an den Schneider richten wollt ', alſo blieb der Schneider ſein Lebtag ein Koͤnig.

II.

An einem Sommermorgen ſaß ein Schnei - derlein auf ſeinem Tiſch vor dem Fenſter, da kam eine Bauersfrau der Straße daher und rief: gut Mus feil! gut Mus feil! da ſtreckte das Schneiderlein ſeinen Kopf zum Fen - ſter hinaus und rief: Hier herauf, liebe Frau, ihr macht einen guten Kauf. Als die Frau hinauf kam, beſah es alle Toͤpfe, zuletzt kauft 'es ſich ein Viertelpfund. Darnach ſchnitt es ein Stuͤck Brot uͤber den ganzen Laib, ſchmierte das Mus darauf, legte es neben ſich auf den Tiſch und gedacht, du wirſt gut ſchmecken, aber erſt will ich das eine Camiſol fertig machen, eh ich dich eſſe; fing an zu naͤhen und machte große Stiche vor Freuden. Indeß ging der Geruch von dem Mus auf und zu den Fliegen, da ka - men ſie in Menge und ſetzten ſich auf ſein Mus - brot. Wer hat euch zu Gaſt gebeten, ſagte es und jagte ſie fort; es dauerte aber nicht lan - ge, ſo kamen ſie von neuem und ließen ſich noch zahlreicher auf das Musbrot nieder. Mein Schnei -86 derlein ward boͤs, ergriff einen großen Tuchlap - pen und: euch will ichs geben ſchlug es drauf. Darnach zog es ab und zaͤhlte, wie viel es ge - troffen, da lagen neun und zwanzig todt vor ihm. Biſt du ſo ein Kerl! ſprach es und verwundert ſich uͤber ſich ſelbſt und in der Freu - de ſeines Herzens naͤhte es ſich einen Guͤrtel und ſtickte darauf: 29 auf einen Streich! Du mußt in die Welt hinein! dacht das Schneiderlein, band ſich den Guͤrtel um den Leib und ſucht' im Haus, ob nichts da waͤr zum mitnehmen, da fand es einen alten Kaͤs, den ſteckt 'es in die Taſche, unterwegs fing es einen Vogel, der mußte auch hinein. Das Schneider - lein ſtieg auf einen hohen Berg, wie es oben hin kam, ſaß da auf der Spitze ein großer Rieſe, zu dem ſprach es: Cammerad, wie gehts, ihr ſeht euch wohl hier oben in der Welt um, ich will mich auch hinein begeben. Der Rieſe aber blickte ihn veraͤchtlich an und ſprach: du biſt ein miſerabeler Kerl. Das Schneiderlein knoͤpf - te ſeinen Rock auf, zeigte dem Rieſen den Guͤr - tel: da kannſt du ſehen, was du fuͤr einen Mann vor dir haſt. Der Rieſe las die Worte: 29 auf einen Streich! und weil er meinte 29 Menſchen auf einen Streich erſchlagen, fing er an Reſpect vor dem Schneiderlein zu kriegen, doch wollt er es erſt pruͤfen. Da nahm er ei - nen Stein und druͤckte ihn ſo ſtark, daß das87 Waſſer herauslief: ſo ſtark biſt du doch nicht. Wenns weiter nichts iſt, ſagte das Schneider - lein, das kann ich auch. Darauf griff es in die Taſche, holte den faulen Kaͤs und druͤckte ihn, daß der Saft heraus lief: gelt! das war noch beſſer. Der Rieſe verwunderte ſich, nahm einen Stein und warf ihn ſo hoch, daß man ihn kaum mehr ſehen konnte: das mach mir nach. Der Wurf war gut, ſagte das Schneiderlein, doch hat dein Stein wieder zur Erde fallen muͤſſen, ich aber will dir einen wer - fen, der ſoll gar nicht wiederkommen. Da nahm es den Vogel aus der Taſche und warf ihn in die Luft und der Vogel flog ganz fort: wie gefaͤllt dir das! der Rieſe erſtaunte, ſchlug ſich zu ihm und ſie gingen zuſammen weiter. Da kamen ſie an einen Kirſchbaum, der Rieſe nahm die Krone und bog ſie herunter und gab ſie dem Schneiderlein, daß es auch davon eſſen koͤnnte. Das Schneiderlein aber war zu ſchwach und konnte der Staͤrke des Baums nicht wider - ſtehen und ward mit in die Hoͤhe geſchnellt. Was iſt das, ſagte der Rieſe, haſt du die ſchwache Gerte nicht halten koͤnnen! Das iſt ja nichts, antwortete das Schneiderlein dazu, fuͤr einen der 29 auf einen Streich getroffen hat: weißt du, warum ich es gethan habe? da unten da ſchießen die Jaͤger in das Gebuͤſch, da bin ich flugs uͤber den Baum hinuͤber geſprungen,88 das thuſt du mir nicht nach. Der Rieſe glaub - te nun es uͤbertraͤf niemand auf der Welt das Schneiderlein an Staͤrke und Klugheit.

(Das weitere fehlt.)

21. Aſchenputtel.

Es war einmal ein reicher Mann, der leb - te lange Zeit vergnuͤgt mit ſeiner Frau, und ſie hatten ein einziges Toͤchterlein zuſammen. Da ward die Frau krank, und als ſie todtkrank ward, rief ſie ihre Tochter und ſagte: liebes Kind, ich muß dich verlaſſen, aber wenn ich oben im Himmel bin, will ich auf dich herab ſehen, pflanz ein Baͤumlein auf mein Grab, und wenn du etwas wuͤnſcheſt, ſchuͤttele dar - an, ſo ſollſt du es haben, und wenn du ſonſt in Noth biſt, ſo will ich dir Huͤlfe ſchicken, nur bleib fromm und gut. Nachdem ſie das geſagt, that ſie die Augen zu und ſtarb; das Kind aber weinte und pflanzte ein Baͤumlein auf das Grab und brauchte kein Waſſer hin zu tragen, und es zu begießen, denn es war ge - nug mit ſeinen Thraͤnen.

Der Schnee deckte ein weiß Tuͤchlein auf der Mutter Grab, und als die Sonne es wie - der weggezogen hatte, und das Baͤumlein zum zweitenmal gruͤn geworden war, da nahm ſich89 der Mann eine andere Frau. Die Stiefmut - ter aber hatte ſchon zwei Toͤchter, von ihrem erſten Mann, die waren von Angeſicht ſchoͤn, von Herzen aber ſtolz und hoffaͤhrtig und boͤs. Wie nun die Hochzeit geweſen, und alle drei in das Haus gefahren kamen, da ging ſchlim - me Zeit fuͤr das arme Kind an. Was macht der garſtige Unnuͤtz in den Stuben, ſagte die Stiefmutter, fort mit ihr in die Kuͤche, wenn ſie Brod eſſen will, muß ſies erſt verdient ha - ben, ſie kann unſere Magd ſeyn. Da nah - men ihm die Stiefſchweſtern die Kleider weg, und zogen ihm einen alten grauen Rock an: der iſt gut fuͤr dich! ſagten ſie, lachten es aus und fuͤhrten es in die Kuͤche. Da mußte das arme Kind ſo ſchwere Arbeit thun: fruͤh vor Tag aufſtehen, Waſſer tragen, Feuer an - machen, kochen und waſchen und die Stief - ſchweſtern thaten ihm noch alles gebrannte Her - zeleid an, ſpotteten es, ſchuͤtteten ihm Erbſen und Linſen in die Aſche, da mußte es den gan - zen Tag ſitzen und ſie wieder ausleſen. Wenn es muͤd war Abends kam es in kein Bett, ſon - dern mußte ſich neben dem Heerd in die Aſche legen. Und weil es da immer in Aſche und Staub herumwuͤhlte und ſchmutzig ausſah, ga - ben ſie ihm den Namen Aſchenputtel.

Auf eine Zeit ſtellte der Koͤnig einen Ball an, der ſollte in aller Pracht drei Tage dauern,90 und ſein Sohn, der Prinz, ſollte ſich eine Ge - mahlin ausſuchen; dazu wurden die zwei ſtol - zen Schweſtern auch eingeladen. Aſchenput - tel riefen ſie, komm herauf, kaͤmme uns die Haare, buͤrſt uns die Schuhe und ſchnalle ſie feſt, wir gehen auf den Ball zu dem Prinzen. Aſchenputtel gab ſich alle Muͤhe und putzte ſie ſo gut es konnte, ſie gaben ihm aber nur Scheltworte dazwiſchen, und als ſie fertig wa - ren, fragten ſie ſpoͤttiſch: Aſchenputtel, du gingſt wohl gern mit auf den Ball? Ach ja, wie kann ich aber hingehen, ich habe keine Kleider. Nein, ſagte die aͤlteſte, das waͤr mir recht, daß du dich dort ſehen ließeſt, wir muͤßten uns ſchaͤmen, wenn die Leute hoͤrten, daß du unſere Schweſter waͤreſt; du gehoͤrſt in die Kuͤche, da haſt du eine Schuͤſſel voll Linſen, wann wir wieder kommen muß ſie geleſen ſeyn, und huͤt dich, daß keine boͤſe darunter iſt, ſonſt haſt du nichts Gutes zu erwarten.

Damit gingen ſie fort, und Aſchenputtel ſtand und ſah ihnen nach, und als es nichts mehr ſehen konnte, ging es traurig in die Kuͤ - che, und ſchuͤttete die Linſen auf den Heerd, da war es ein großer, großer Haufen. Ach, ſagte es und ſeufzte dabei, da muß ich dran leſen bis Mitternacht und darf die Augen nicht zufallen laſſen, und wenn ſie mir noch ſo weh thun, wenn das meine Mutter wuͤßte! Da91 kniete es ſich vor den Heerd in die Aſche und wollte anfangen zu leſen, indem flogen zwei weiße Tauben durchs Fenſter und ſetzten ſich neben die Linſen auf den Heerd; ſie nickten mit den Koͤpfchen und ſagten: Aſchenputtel, ſollen wir dir helfen Linſen leſen? Ja, ant - wortete Aſchenputtel:

die ſchlechten ins Kroͤpfchen,
die guten ins Toͤpfchen.

Und pick, pick! pick, pick! fingen ſie an und fraßen die ſchlechten weg und ließen die guten liegen. Und in einer Viertelſtunde waren die Linſen ſo rein, daß auch nicht eine falſche dar - unter war, und Aſchenputtel konnte ſie alle ins Toͤpfchen ſtreichen. Darauf aber ſagten die Tauben: Aſchenputtel, willſt du deine Schwe - ſtern mit dem Prinzen tanzen ſehen, ſo ſteig auf den Taubenſchlag. Aſchenputtel ging ih - nen nach und ſtieg bis auf den letzten Leiter - ſproß, da konnte es in den Saal ſehen, und ſah ſeine Schweſtern mit dem Prinzen tanzen, und es flimmerte und glaͤnzte von viel tauſend Lichtern vor ſeinen Augen. Und als es ſich ſatt geſehen, ſtieg es wieder herab, und es war ihm ſchwer ums Herz, und legte ſich in die Aſche und ſchlief ein.

Am andern Morgen kamen die zwei Schwe - ſtern in die Kuͤche, und als ſie ſahen, daß92 Aſchenputtel die Linſen rein geleſen, waren ſie boͤſe, denn ſie wollten es gern ſchelten, und da ſie das nicht konnten, huben ſie an von dem Ball zu erzaͤhlen und ſagten: Aſchenputtel, das iſt eine Luſt geweſen, bei dem Tanz, der Prinz, der allerſchoͤnſte auf der Welt hat uns dazu gefuͤhrt, und eine von uns wird ſeine Ge - mahlin werden. Ja, ſagte Aſchenputtel, ich habe die Lichter flimmern ſehen, das mag recht praͤchtig geweſen ſeyn. Ei! wie haſt du das angefangen, fragte die aͤlteſte. Ich hab 'oben auf den Taubenſtall geſtan - den. Wie ſie das hoͤrte, trieb ſie der Neid und ſie befahl, daß der Taubenſtall gleich ſollte niedergeriſſen werden.

Aſchenputtel aber mußte ſie wieder kaͤm - men und putzen; da ſagte die juͤngſte, die noch ein wenig Mitleid im Herzen hatte: Aſchen - puttel, wenns dunkel iſt, kannſt du hinzugehen und von außen durch die Fenſter gucken! Nein, ſagte die aͤlteſte, das macht ſie nur faul, da haſt du einen Sack voll Wicken, Aſchenputtel, da leſe die guten und boͤſen aus - einander und ſey fleißig, und wenn du ſie mor - gen nicht rein haſt, ſo ſchuͤtte ich dir ſie in die Aſche und du mußt hungern, bis du ſie alle herausgeſucht haſt.

Aſchenputtel ſetzte ſich betruͤbt auf den Heerd und ſchuͤttete die Wicken aus. Da flogen93 die Tauben wieder herein und thaten freund - lich: Aſchenputtel, ſollen wir dir die Wicken leſen? Ja,

die ſchlechten ins Kroͤpfchen,
die guten ins Toͤpfchen.

Pick, pick! pick, pick! gings ſo geſchwind, als waͤren zwoͤlf Haͤnde da. Und als ſie fertig wa - ren, ſagten die Tauben: Aſchenputtel, willſt du auch auf den Ball gehen und tanzen. O du mein Gott, ſagte es, wie kann ich in meinen ſchmutzigen Kleidern hingehen? Geh zu dem Baͤumlein auf deiner Mutter Grab, ſchuͤttele daran und wuͤnſche dir ſchoͤne Kleider, komm aber vor Mitternacht wieder. da ging Aſchenputtel hinaus, ſchuͤttelte das Baͤumlein und ſprach:

Baͤumlein ruͤttel und ſchuͤttel dich,
wirf ſchoͤne Kleider herab fuͤr mich!

Kaum hatte es das ausgeſagt, da lag ein praͤch - tig ſilbern Kleid vor ihm, Perlen, ſeidene Struͤmpfe mit ſilbernen Zwickeln und ſilberne Pantoffel und was ſonſt dazu gehoͤrte. Aſchen - puttel trug alles nach Haus, und als es ſich gewaſchen und angezogen hatte, da war es ſo ſchoͤn wie eine Roſe, die der Thau gewaſchen hat. Und wie es vor die Hausthuͤre kam, ſo ſtand da ein Wagen mit ſechs federgeſchmuͤck - ten Rappen und Bediente dabei in Blau und94 Silber, die hoben es hinein, und ſo gings im Gallop zu dem Schloß des Koͤnigs.

Der Prinz aber ſah den Wagen vor dem Thor halten, und meinte eine fremde Prinzeſ - ſin kaͤme angefahren. Da ging er ſelbſt die Treppe hinab, hob Aſchenputtel hinaus und fuͤhrte es in den Saal. Und als da der Glanz der viel tauſend Lichter auf es fiel, da war es ſo ſchoͤn, daß jedermann ſich daruͤber verwun - derte, und die Schweſtern ſtanden auch da und aͤrgerten ſich, daß jemand ſchoͤner war wie ſie, aber ſie dachten nimmermehr, daß das Aſchen - puttel waͤre, das zu Haus in der Aſche lag. Der Prinz aber tanzte mit Aſchenputtel und ward ihm koͤnigliche Ehre angethan. Er ge - dachte auch bei ſich: ich ſoll mir eine Braut ausſuchen, da weiß ich mir keine als dieſe. Fuͤr ſo lange Zeit in Aſche und Traurigkeit lebte Aſchenputtel nun in Pracht und Freude; als aber Mitternacht kam, eh 'es zwoͤlf geſchla - gen, ſtand es auf, neigte ſich und wie der Prinz bat und bat, ſo wollte es nicht laͤnger bleiben. Da fuͤhrte es der Prinz hinab, unten ſtand der Wagen und wartete, und ſo fuhr es fort in Pracht wie es gekommen war.

Als Aſchenputtel zu Haus war, ging es wieder zu dem Baͤumlein auf der Mutter Grab:95

Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich!
nimm die Kleider wieder fuͤr dich!

Da nahm der Baum die Kleider wieder, und Aſchenputtel hatte ſein altes Aſchenkleid an, damit ging es zuruͤck, machte ſich das Geſicht ſtaubig und legte ſich in die Aſche ſchlafen.

Am Morgen darauf kamen die Schwe - ſtern, ſahen verdrießlich aus und ſchwiegen ſtill. Aſchenputtel ſagte: ihr habt wohl geſtern Abend viel Freude gehabt Nein, es war eine Prinzeſſin da, mit der hat der Prinz faſt immer getanzt, es hat ſie aber niemand ge - kannt und niemand gewußt, woher ſie gekom - men iſt. Iſt es vielleicht die geweſen, die in den praͤchtigen Wagen mit den ſechs Rap - pen gefahren iſt? ſagte Aſchenputtel. Wo - her weißt du das? Ich ſtand in der Haus - thuͤre, da ſah ich ſie vorbeifahren. In Zukunft bleib bei deiner Arbeit, ſagte die aͤlte - ſte und ſah Aſchenputtel boͤſe an, was brauchſt du in der Hausthuͤre zu ſtehen.

Aſchenputtel mußte zum drittenmal die zwei Schweſtern putzen, und zum Lohn gaben ſie ihm eine Schuͤſſel mit Erbſen, die ſollte ſie rein leſen; und daß du dich nicht unterſtehſt von der Arbeit wegzugehen, rief die aͤlteſte noch nach. Aſchenputtel gedachte: wenn nur meine Tauben nicht ausbleiben, und das Herz ſchlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka -96 men wie an dem vorigen Abend und ſagten: Aſchenputtel, ſollen wir dir die Erbſen le - ſen? Ja,

die ſchlechten ins Kroͤpfchen,
die guten ins Toͤpfchen.

Die Tauben pickten wieder die boͤſen heraus, und waren bald damit fertig, dann ſagten ſie: Aſchenputtel, ſchuͤttele das Baͤumlein, das wird dir noch ſchoͤnere Kleider herunter werfen, geh auf den Ball, aber huͤte dich, daß du vor Mitternacht wieder kommſt. Aſchenputtel ging hin:

Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich,
wirf ſchoͤne Kleider herab fuͤr mich.

Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und praͤchtiger als das vorige, ganz von Gold und Edelgeſteinen, dabei goldgezwickelte Struͤmpfe und goldene Pantoffel; und als Aſchenputtel damit angekleidet war, da glaͤnzte es recht, wie die Sonne am Mittag. Vor der Thuͤre hielt ein Wagen mit ſechs Schimmeln, die hatten hohe weiße Federbuͤſche auf dem Kopf, und die Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet. Als Aſchenputtel ankam, ſtand ſchon der Prinz auf der Treppe und fuͤhrte ſie in den Saal. Und waren geſtern alle uͤber ihre Schoͤnheit er - ſtaunt, ſo erſtaunten ſie heute noch mehr unddie97die Schweſtern ſtanden in der Ecke und waren blaß vor Neid, und haͤtten ſie gewußt, daß das Aſchenputtel war, das zu Haus in der Aſche lag, ſie waͤren geſtorben vor Neid.

Der Prinz aber wollte wiſſen, wer die fremde Prinzeſſin ſey, woher ſie gekommen und wohin ſie fahre, und hatte Leute auf die Stra - ße geſtellt, die ſollten Acht darauf haben, und damit ſie nicht ſo ſchnell fortlaufen koͤnne, hat - te er die Treppe ganz mit Pech beſtreichen laſ - ſen. Aſchenputtel tanzte und tanzte mit dem Prinzen, war in Freuden und gedachte nicht an Mitternacht. Auf einmal, wie es mitten im Tanzen war, hoͤrte es den Glockenſchlag, da fiel ihm ein, wie die Tauben es gewarnt, erſchrack und eilte zur Thuͤre hinaus und flog recht die Treppe hinunter. Weil die aber mit Pech beſtrichen war, blieb einer von den golde - nen Pantoffeln feſthaͤngen, und in der Angſt dacht es nicht daran, ihn mitzunehmen. Und wie es den letzten Schritt von der Treppe that, da hatt 'es zwoͤlf ausgeſchlagen, da war Wa - gen und Pferde verſchwunden und Aſchenput - tel ſtand in ſeinen Aſchenkleidern auf der dun - keln Straße. Der Prinz war ihm nachgeeilt, auf der Treppe fand er den goldenen Pantof - fel, riß ihn los und hob ihn auf, wie er aber unten hinkam, war alles verſchwunden; die Leute auch, die zur Wache ausgeſtellt wa -Kindermärchen. G98ren, kamen und ſagten, daß ſie nichts geſehen haͤtten.

Aſchenputtel war froh, daß es nicht ſchlim - mer gekommen war, und ging nach Haus, da ſteckte es ſein truͤbes Oel-Laͤmpchen an, haͤngte es in den Schornſtein und legte ſich in die Aſche. Es waͤhrte nicht lange, ſo kamen die beiden Schweſtern auch und riefen: Aſchen - puttel, ſteh auf und leucht uns. Aſchenput - tel gaͤhnte und that als wacht es aus dem Schlaf. Bei dem Leuchten aber hoͤrte es, wie die eine ſagte: Gott weiß, wer die verwuͤnſch - te Prinzeſſin iſt, daß ſie in der Erde begraben laͤg! der Prinz hat nur mit ihr getanzt und als ſie weg war, hat er gar nicht mehr blei - ben wollen und das ganze Feſt hat ein Ende gehabt. Es war recht, als waͤren alle Lichter auf einmal ausgeblaſen worden, ſagte die andere. Aſchenputtel wußte wohl wer die fremde Prinzeſſin war, aber es ſagte kein Woͤrtchen.

Der Prinz aber gedachte, iſt dir alles an - dere fehlgeſchlagen, ſo wird dir der Pantoffel die Braut finden helfen, und ließ bekannt ma - chen, welcher der goldene Pantoffel paſſe, die ſolle ſeine Gemahlin werden. Aber allen war er viel zu klein, ja manche haͤtten ihren Fuß nicht hineingebracht, und waͤren die zwei Pan - toffel ein einziger geweſen. Endlich kam die99 Reihe auch an die beiden Schweſtern, die Pro - be zu machen; ſie waren froh, denn ſie hatten kleine ſchoͤne Fuͤße und glaubten, uns kann es nicht fehlſchlagen, waͤr der Prinz nur gleich zu uns gekommen. Hoͤrt, ſagte die Mutter heim - lich, da habt ihr ein Meſſer, und wenn euch der Pantoffel doch noch zu eng iſt, ſo ſchnei - det euch ein Stuͤck vom Fuß ab, es thut ein bischen weh, was ſchadet das aber, es vergeht bald und eine von euch wird Koͤnigin. Da ging die aͤlteſte in ihre Kammer und probirte den Pantoffel an, die Fußſpitze kam hinein, aber die Ferſe war zu groß, da nahm ſie das Meſſer und ſchnitt ſich ein Stuͤck von der Fer - ſe, bis ſie den Fuß in den Pantoffel hinein - zwaͤngte. So ging ſie heraus zu dem Prin - zen, und wie der ſah, daß ſie den Pantoffel anhatte, ſagte er, das ſey die Braut, fuͤhrte ſie zum Wagen und wollte mit ihr fortfahren. Wie er aber ans Thor kam, ſaßen oben die Tauben und riefen:

Rucke di guck, rucke di guck!
Blut iſt im Schuck: (Schuh)
Der Schuck iſt zu klein,
Die rechte Braut ſitzt noch daheim!

Der Prinz buͤckte ſich und ſah auf den Pan - toffel, da quoll das Blut heraus, und da merk - te er, daß er betrogen war, und fuͤhrte die fal - ſche Braut zuruͤck. Die Mutter aber ſagte zurG 2100zweiten Tochter: nimm du den Pantoffel, und wenn er dir zu kurz iſt, ſo ſchneide lieber vor - ne an den Zehen ab. Da nahm ſie den Pan - toffel in ihre Kammer, und als der Fuß zu groß war, da biß ſie die Zaͤhne zuſammen und ſchnitt ein groß Stuͤck von den Zehen ab, und druͤckte den Pantoffel geſchwind an. Wie ſie damit hervortrat, meinte er, das waͤre die rech - te und wollte mit ihr fortfahren. Als er aber in das Thor kam, riefen die Tauben wieder:

Rucke di guck, rucke di guck!
Blut iſt im Schuck:
Der Schuck iſt zu klein,
Die rechte Braut ſitzt noch daheim!

Der Prinz ſah nieder, da waren die weißen Struͤmpfe der Braut roth gefaͤrbt und das Blut war hoch herauf gedrungen. Da brachte ſie der Prinz der Mutter wieder und ſagte: das iſt auch nicht die rechte Braut; aber iſt nicht noch eine Tochter im Haus[. ] Nein, ſagte die Mutter, nur ein garſtiges Aſchenput - tel iſt noch da, das ſitzt unten in der Aſche, dem kann der Pantoffel nicht paſſen. Sie wollte es auch nicht rufen laſſen, bis es der Prinz durchaus verlangte. Da ward Aſchen - puttel gerufen und wie es hoͤrte, daß der Prinz da ſey, wuſch es ſich geſchwind Geſicht und Haͤnde friſch und rein; und wie es in die Stube trat, neigte es ſich, der Prinz aber101 reichte ihr den goldenen Pantoffel und ſagte: probier ihn an! und wenn er dir paßt, wirſt du meine Gemahlin. Da ſtreift es den ſchwe - ren Schuh von dem linken Fuß ab, ſetzt ihn auf den goldenen Pantoffel und druͤckte ein klein wenig, da ſtand es darin, als waͤr er ihm an - gegoſſen. Und als es ſich aufbuͤckte, ſah ihm der Prinz ins Geſicht, da erkannte er die ſchoͤ - ne Prinzeſſin wieder und rief: das iſt die rechte Braut. Die Stiefmutter und die zwei ſtolzen Schweſtern erſchracken und wurden bleich, aber der Prinz fuͤhrte Aſchenputtel fort und hob es in den Wagen, und als ſie durchs Thor fuhren, da riefen die Tauben:

Rucke di guck, rucke di guck!
Kein Blut im Schuck:
Der Schuck iſt nicht zu klein,
Die rechte Braut, die fuͤhrt er heim!

22. Wie Kinder Schlachtens mit einan - der geſpielt haben.

I.

In einer Stadt Franecker genannt, gele - gen in Weſtfriesland, da iſt es geſchehen, daß junge Kinder, fuͤnf - und ſechsjaͤhrige, Maͤgdlein und Knaben mit einander ſpielten. Und ſie ordneten ein Buͤblein an, das ſolle der Metz -102 ger ſeyn, ein anderes Buͤblein, das ſolle Koch ſeyn, und ein drittes Buͤblein, das ſolle eine Sau ſeyn. Ein Maͤgdlein, ordneten ſie, ſolle Koͤchin ſeyn, wieder ein anderes, das ſolle Un - terkoͤchin ſeyn; und die Unterkoͤchin ſolle in ei - nem Geſchirrlein das Blut von der Sau em - pfahen, daß man Wuͤrſte koͤnne machen. Der Metzger gerieth nun verabredetermaßen an das Buͤblein, das die Sau ſollte ſeyn, riß es nieder und ſchnitt ihm mit einem Meſſerlein die Gurgel auf, und die Unterkoͤchin[empfing] das Blut in ihrem Geſchirrlein. Ein Raths - herr, der von ungefaͤhr voruͤbergeht, ſieht dies Elend: er nimmt von Stund an den Metzger mit ſich und fuͤhrt ihn in des Oberſten Haus, welcher ſogleich den ganzen Rath verſammeln ließ. Sie ſaßen all' uͤber dieſen Handel und wußten nicht, wie ſie ihm thun ſollten, denn ſie ſahen wohl, daß es kindlicher Weiſe geſche - hen war. Einer unter ihnen, ein alter weißer Mann, gab den Rath, der oberſte Richter ſolle einen ſchoͤnen rothen Apfel in eine Hand neh - men, in die andere einen rheiniſchen Gulden, ſolle das Kind zu ſich rufen und beide Haͤnde gleich gegen daſſelbe ausſtrecken: nehme es den Apfel ſo ſoll es ledig erkannt werden, nehme es aber den Gulden, ſo ſolle man es toͤdten. Dem wird gefolgt, das Kind aber ergreift den Apfel lachend, wird alſo aller Strafe ledig erkannt.

103

II.

Einſtmals hat ein Hausvater ein Schwein geſchlachtet, das haben ſeine Kinder geſehen; als ſie nun Nachmittag mit einander ſpielen wollen, hat das eine Kind zum andern geſagt: du ſollſt das Schweinchen und ich der Metzger ſeyn; hat darauf ein bloß Meſſer genommen, und es ſeinem Bruͤderchen in den Hals geſto - ßen. Die Mutter, welche oben in der Stube ſaß und ihr juͤngſtes Kindlein in einem Zuber badete, hoͤrte das Schreien ihres anderen Kin - des, lief alsbald hinunter, und als ſie ſah, was vorgegangen, zog ſie das Meſſer dem Kind aus dem Hals und ſtieß es im Zorn, dem andern Kind, welches der Metzger geweſen, ins Herz. Darauf lief ſie alsbald nach der Stube und wollte ſehen, was ihr Kind in dem Badezuber mache, aber es war unterdeſſen in dem Bad ertrunken; deßwegen dann die Frau ſo voller Angſt ward, daß ſie in Verzweifelung gerieth, ſich von ihrem Geſinde nicht wollte troͤſten laſ - ſen, ſondern ſich ſelbſt erhaͤngte. Der Mann kam vom Felde und als er dies alles geſehen, hat er ſich ſo betruͤbt, daß er kurz darauf ge - ſtorben iſt.

104

23. Von dem Maͤuschen, Voͤgelchen und der Bratwurſt.

Es waren einmal ein Maͤuschen, ein Voͤ - gelchen und eine Bratwurſt in Geſellſchaft ge - rathen, hatten einen Haushalt gefuͤhrt, lang 'wohl und koͤſtlich im Frieden gelebt und treff - lich an Guͤtern zugenommen. Des Voͤgelchens Arbeit war, daß es taͤglich in Wald fliegen und Holz beibringen muͤßte. Die Maus ſollte Waſ - ſer tragen, Feuer anmachen und Tiſch decken, die Bratwurſt aber ſollte kochen.

Wem zu wohl iſt, den geluͤſtert immer nach neuen Dingen! Alſo eines Tages ſtieß dem Voͤglein unterweges ein anderer Vogel auf, dem es ſeine treffliche Gelegenheit erzaͤhlet und ge - ruͤhmet. Derſelbe andere Vogel ſchalt es aber einen armen Tropfen, der große Arbeit, die bei - den zu Haus aber gute Tage haͤtten. Denn, wenn die Maus ihr Feuer angemacht und Waſ - ſer getragen hatte, ſo begab ſie ſich in ihr Kaͤm - merlein zur Ruhe, bis man ſie hieße den Tiſch decken. Das Wuͤrſtlein blieb beim Hafen, ſahe zu, daß die Speiſe wohl kochte, und wann es bald Eſſenszeit war, ſchlingte es ſich ein mal viere durch den Brei oder das Gemuͤß, ſo war es geſchmalzen, geſalzen und bereitet: kame dann das Voͤglein heim und legte ſeine Buͤrde105 ab, ſo ſaßen ſie zu Tiſch und nach gehabtem Mahl ſchliefen ſie ſich die Haut voll bis den an - dern Morgen, und das war ein herrlich Leben.

Das Voͤglein anderes Tages wollte aus Anſtiftung nicht mehr ins Holz, ſprechend: es waͤre lang genug Knecht geweſt, und haͤtte gleich - ſam ihr Narr ſeyn muͤſſen, ſie ſollten einmal umwechſeln und es auf eine andere Weiſe auch verſuchen. Und wie wohl die Maus heftig da - fuͤr bate, auch die Bratwurſt, ſo war der Vo - gel doch Meiſter, es mußte gewagt ſeyn, ſpiele - ten derowegen und kam das Loos auf die Brat - wurſt die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel ſollte Waſſer holen.

Was geſchicht? das Bratwuͤrſtchen zog fort gen Holz, das Voͤglein machte Feuer an, die Maus ſtellte den Topf zu und erwarteten al - lein, bis Bratwuͤrſtchen heim kaͤme und Holz fuͤr den andern Tag braͤchte. Es blieb aber das Wuͤrſtlein ſo lang unterweg daß ihnen beiden nichts guts vorkam, und das Voͤglein ein Stuͤck Lufts hinaus entgegen floge. Unfern aber fin - det es einen Hund am Weg, der das arme Bratwuͤrſtlein als freie Beut angetroffen, an - gepackt und niedergemacht. Das Voͤglein be - ſchwerte ſich auch deſſen als eines offenbaren Raubs ſehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn ſprach der Hund, er haͤtte falſche106 Briefe bei der Bratwurſt gefunden, deswegen waͤre ſie ihm des Lebens verfallen geweſen.

Das Voͤgelein, traurig, nahm das Holz auf ſich und heim und erzaͤhlete, was es geſehn und gehoͤret. Sie waren ſehr betruͤbt, vergli - chen ſich aber das beſte zu thun und beiſammen zu bleiben. Derowegen ſo deckte das Voͤglein den Tiſch und die Maus ruͤſtete das Eſſen und wollte anrichten, und in den Hafen, wie zuvor das Wuͤrſtlein, und durch das Gemuͤß ſchlingen und ſchlupfen, daſſelbige zu ſchmelzen; aber ehe ſie in die Mitte kame, ward ſie angehalten und mußte Haut und Haar und dabei das Leben laſſen.

Als das Voͤglein kam, wollte das Eſſen auftragen, da war kein Koch vorhanden. Das Voͤglein warf beſtuͤrzt das Holz hin und her, rufte und ſuchte, kunnte aber ſeinen Koch nit mehr finden. Aus Unachtſamkeit kam das Feuer in das Holz, alſo daß eine Brunſt entſtunde; das Voͤglein eilte Waſſer zu langen, da entfiel ihm der Eimer in den Brunnen, und es mit hinab, daß es ſich nit konnte mehr erholen, und da erſaufen mußte.

24. Frau Holle.

Eine Wittwe hatte zwei Toͤchter, davon war die eine ſchoͤn und fleißig, die andere haͤß -107 lich und faul. Sie hatte aber die haͤßliche und faule viel lieber, und die andere mußte alle Ar - beit thun und war recht der Aſchenputtel im Haus. Einmal war das Maͤdchen hingegan - gen, Waſſer zu holen, und wie es ſich buͤckte den Eimer aus dem Brunnen zu ziehen, buͤckte es ſich zu tief und fiel hinein. Und als es er - wachte und wieder zu ſich ſelber kam, war es auf einer ſchoͤnen Wieſe, da ſchien die Sonne und waren viel tauſend Blumen. Auf der Wieſe gieng es fort und kam zu einem Back - ofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: ach! zieh mich 'raus, zieh mich' raus, ſonſt verbrenn 'ich, ich bin ſchon laͤngſt ausgebacken! da trat es fleißig herzu und holte alles heraus. Darnach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Aepfel und rief ihm zu: ach! ſchuͤttel mich! ſchuͤttel mich! wir Aepfel ſind allemiteinander reif! Da ſchuͤttelt' es den Baum, daß die Aepfel fielen, als regenten ſie, ſolang bis keiner mehr oben war, darnach ging es wieder fort. Endlich kam es zu einem klei - nen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil ſie aber ſo große Zaͤhne hatte, ward ihm Angſt und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: fuͤrcht dich nicht, liebes Kind, bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Haus ordentlich thun willſt, ſo ſoll dirs gut gehn: nur mußt du recht darauf Acht geben daß du108 mein Bett gut machſt, und es fleißig aufſchuͤt - telſt, daß die Federn fliegen, dann ſchneit es in der Welt;*)Darum ſagt man in Heſſen, wenn es ſchneit: die Frau Holle macht ihr Bett. ich bin die Frau Holle. Weil die Alte ſo gut ſprach, willigte das Maͤdchen ein und begab ſich in ihren Dienſt. Es beſorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit und ſchuͤt - telte ihr das Bett immer gewaltig auf, dafuͤr hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein boͤſes Wort und alle Tage Geſottenes und Gebrate - nes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig in ſeinem Herzen und ob es hier gleich viel tauſendmal beſſer war, als zu Haus, ſo hatte es doch ein Ver - langen dahin; endlich ſagte es zu ihr: ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch ſo gut hier geht, ſo kann ich doch nicht laͤnger bleiben. Die Frau Holle ſagte: du haſt Recht und weil du mir ſo treu gedient haſt, ſo will ich dich ſelbſt wieder hin - aufbringen. Sie nahm es darauf bei der Hand und fuͤhrte es vor ein großes Thor. Das ward aufgethan und wie das Maͤdchen darun - ter ſtand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm haͤngen, ſo daß es uͤber und uͤber davon bedeckt war. Das ſollſt du haben, weil du ſo fleißig geweſen biſt, 109ſprach die Frau Holle. Darauf ward das Thor verſchloſſen und es war oben auf der Welt, da ging es heim zu ſeiner Mutter und weil es ſo mit Gold bedeckt ankam, ward es gut aufge - nommen.

Als die Mutter hoͤrte, wie es zu dem Reich - thum gekommen, wollte ſie der andern ſchoͤnen und faulen Tochter gern daſſelbe Gluͤck verſchaf - fen, und ſie mußte ſich auch in den Brunnen ſtuͤrzen. Sie erwachte, wie die andere auf der ſchoͤnen Wieſe und ging auf demſelben Pfad weiter. Als ſie zu dem Backofen gelangte, ſchrie das Brod wieder: ach! zieh mich 'raus, zieh mich' raus, ſonſt verbrenn ich, ich bin ſchon laͤngſt ausgebacken! die Faule aber antworte - te: da haͤtt 'ich Luſt, mich ſchmutzig zu ma - chen! und ging fort. Bald kam ſie zu dem Apfelbaum, der rief: ach! ſchuͤttel mich! ſchuͤt - tel mich! wir Aepfel ſind alle mit einander reif ſie antwortete aber: du kommſt mir recht, es koͤnnt mir einer auf den Kopf fallen! ging damit weiter. Als ſie vor der Frau Holle Haus kam, fuͤrchtete ſie ſich nicht, weil ſie von ihren großen Zaͤhnen ſchon gehoͤrt hatte, und verdingte ſich gleich zu ihr. Am erſten Tag that ſie ſich Gewalt an und war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn ſie ihr etwas ſagte, denn ſie gedachte an das viele Gold, daß ſie ihr ſchenken wuͤrde; am zweiten Tag aber fing ſie110 ſchon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte ſie Morgens gar nicht aufſtehen, ſie machte auch der Frau, Holle das Bett ſchlecht und ſchuͤttelte es nicht recht, daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald muͤd und ſagte der Faulen den Dienſt auf. Die war es wohl zufrieden und meinte nun werde der Goldregen kommen, die Frau Holle fuͤhrte ſie auch hin zu dem Thor als ſie aber darunter ſtand, ward ſtatt des Golds ein großer Keſſel voll Pech ausgeſchuͤttet. Das iſt zur Beloh - nung deiner Dienſte ſagte die Frau Holle und ſchloß das Thor zu. Da kam die Faule heim, ganz mit Pech bedeckt, und das hat ihr Lebtag nicht wieder abgehen wollen.

25. Die drei Raben.

Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Soͤhnlein, die ſpielten eines Sonntags unter der Kirche Karten. Und als die Predigt vorbei war, kam die Mutter nach Haus gegangen und ſah, was ſie gethan hatten. Da fluchte ſie ih - ren gottloſen Kindern und alſobald wurden ſie drei kohlſchwarze Raben und flogen auf und davon.

Die drei Bruͤder hatten aber ein Schwe - ſterchen, das ſie von Herzen liebte, und es111 graͤmte ſich ſo uͤber ihre Verbannung, daß es keine Ruh mehr hatte und ſich endlich auf - machte, ſie zu ſuchen. Nichts nahm es ſich mit auf die lange lange Reiſe, als ein Stuͤhlchen, worauf es ſich ruhte, wann es zu muͤd gewor - den war, und nichts es die ganze Zeit, als wilde Aepfel und Birnen. Es konnte aber die drei Raben immer nicht finden, außer einmal waren ſie uͤber ſeinen[Kopf] weggeflogen, da hat - te einer einen Ring fallen laſſen, wie es den aufhob, erkannte ihn das Schweſterchen fuͤr den Ring, den es einsmals dem juͤngſten Bruder geſchenkt hatte.

Es ging aber immer fort, ſo weit, ſo weit bis es an der Welt Ende kam, und es ging zur Sonne, die war aber gar zu heiß und fraß die kleinen Kinder. Darauf kam es zu dem Mond, der war aber gar zu kalt, und auch boͤs, und wie ers merkte, ſprach er: ich rieche, rieche Menſchenfleiſch. Da machte es ſich geſchwind fort und kam zu den Sternen, die waren ihm gut und ſaßen alle jeder auf Stuͤhlerchen und der Morgenſtern ſtand auf und gab ihm ein Hinkelbeinchen, wenn du das Beinchen nicht haſt, kannſt du nicht in den Glasberg kommen, und in dem Glasberg da ſind deine Bruͤder! da nahm es das Hinkelbeinchen, wickelte es wohl in ein Tuͤchelchen und ging ſo lange fort, bis es an den Glasberg kam, das Thor war112 aber verſchloſſen. Und wie es das Beinchen hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen unterweges verloren. Da wußte es ſich gar nicht zu helfen, weil es gar keinen Schluͤſſel fand, nahm ein Meſſer und ſchnitt ſich das kleine Fingerchen ab, ſteckte es in das Thor und ſchloß gluͤcklich auf. Da kam ein Zwerg - lein entgegen und ſagte: mein Kind, was ſuchſt du hier? ich ſuche meine Bruͤder, die drei Raben. Die Herren Raben ſind nicht zu Haus, ſprach das Zwerglein, willſt du aber hierinnen warten, ſo tritt ein, und das Zwerglein brachte drei Tellerchen getragen und drei Becherchen, und von jedem Tellerchen Schweſterchen ein Bischen und aus jedem Becherchen trank es ein Schluͤckchen und in das letzte Becherchen ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hoͤrte es in der Luft ein Geſchwirr und ein Geweh, da ſagte das Zwerglein: die Herren Raben kommen heim geflogen. Und die Raben fingen jeder an und ſprachen: wer hat von meinem Tellerchen gegeſſen?

Wer hat aus meinem Becherchen getrunken? wie der dritte Rab aber ſeinem Becherchen auf den Grund kam, da fand er den Ring, und ſah wohl, daß Schweſterchen angekommen war. Da erkannten ſie es am Ring, und da waren ſie alle wieder erloͤſt und gingen froͤlich heim.

26.113

26. Rothkaͤppchen.

Es war einmal eine kleine ſuͤße Dirn, die hatte jedermann lieb, der ſie nur anſah, am al - lerliebſten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was ſie alles dem Kind geben ſollte. Ein - mal ſchenkte ſie ihm ein Kaͤppchen von rothem Sammet, und weil ihm das ſo wohl ſtand, und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rothkaͤppchen; da ſagte einmal ſeine Mutter zu ihm: komm, Rothkaͤppchen, da haſt du ein Stuͤck Kuchen und ein Bouteille mit Wein, die bring der Großmutter hinaus, ſie iſt krank und ſchwach, da wird ſie ſich daran laben; ſey huͤbſch artig und gruͤß ſie von mir, geh auch ordentlich und lauf nicht vom Weg ab, ſonſt faͤllſt du, und zerbrichſt das Glas, dann hat die kranke Großmutter nichts.

Rothkaͤppchen verſprach der Mutter recht gehorſam zu ſeyn. Die Großmutter aber wohn - te draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rothkaͤppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf, Rothkaͤppchen aber wußte nicht, was das fuͤr ein boͤſes Thier war, und fuͤrchtete ſich nicht vor ihm. Guten Tag, Rothkaͤppchen. Schoͤn Dank Wolf. Wo willſt du ſo fruͤh hinaus, Rothkaͤpp - chen, zur Großmutter. Was traͤgſtKindermärchen, H114du unter der Schuͤrze? die Großmutter iſt krank und ſchwach, da bring ich ihr Kuchen und Wein, geſtern haben wir gebacken, da ſoll ſie ſich ſtaͤrken. Rothkaͤppchen, wo wohnt deine Großmutter? Noch eine gute Vier - telſtunde im Wald, unter den drei großen Eich - baͤumen, da ſteht ihr Haus, unten ſind die Nußhecken das wirſt du ja wiſſen ſagte Roth - kaͤppchen. Der Wolf gedacht bei ſich, das iſt ein guter fetter Biſſen fuͤr mich, wie faͤngſt dus an, daß du den kriegſt: hoͤr Rothkaͤpp - chen, ſagte er, haſt du die ſchoͤnen Blumen nicht geſehen, die im Walde ſtehen, warum guckſt du nicht einmal um dich, ich glaube, du hoͤrſt gar nicht darauf, wie die Voͤglein lieblich ſingen, du gehſt ja fuͤr dich hin als wenn du im Dorf in die Schule gingſt, und iſt ſo luſtig haußen in dem Wald.

Rothkaͤppchen ſchlug die Augen auf, und ſah wie die Sonne durch die Baͤume gebrochen war und alles voll ſchoͤner Blumen ſtand; da gedacht es: ei! wenn ich der Großmutter einen Strauß mitbringe, der wird ihr auch lieb ſeyn, es iſt noch fruͤh, ich komm doch zu rechter Zeit an, und ſprang in den Wald und ſuchte Blu - men. Und wenn es eine gebrochen hatte, meint es, dort ſtuͤnd noch eine ſchoͤnere und lief dar - nach und immer weiter in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem115 Haus der Großmutter und klopfte an die Thuͤ - re. Wer iſt draußen das Rothkaͤppchen, ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir auf. Druͤck nur auf die Klinke, rief die Großmutter, ich bin zu ſchwach und kann nicht aufſtehen. Der Wolf druͤckte an der Klinke, und die Thuͤre ſprang auf. Da ging er hin - ein, geradezu an das Bett der Großmutter und verſchluckte ſie. Dann nahm er ihre Kleider, that ſie an, ſetzte ſich ihre Haube auf, legte ſich in ihr Bett und zog die Vorhaͤnge vor.

Rothkaͤppchen aber war herum gelaufen nach Blumen, und erſt als es ſo viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, machte es ſich auf den Weg zu der Großmutter. Wie es ankam ſtand die Thuͤre auf, daruͤber verwunderte es ſich, und wie es in die Stube kam, ſahs ſo ſeltſam darin aus, daß es dacht: ei! du mein Gott wie aͤngſtlich wird mirs heut zu Muth, und bin ſonſt ſo gern bei der Großmutter. Drauf ging es zum Bett und zog die Vorhaͤnge zuruͤck, da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Geſicht geſetzt und ſah ſo wun - derlich aus. Ei Großmutter, was haſt du fuͤr große Ohren! daß ich dich beſſer hoͤ - ren kann. Ei Großmutter, was haſt du fuͤr große Augen! daß ich dich beſſer ſe - hen kann. Ei Großmutter was haſt du fuͤr große Haͤnde! daß ich dich beſſerH 2116packen kann. Aber Großmutter, was haſt du fuͤr ein entſetzlich großes Maul! daß ich dich beſſer freſſen kann. Damit ſprang der Wolf aus dem Bett, ſprang auf das arme Rothkaͤppchen, und verſchlang es.

Wie der Wolf den fetten Biſſen erlangt hatte, legte er ſich wieder ins Bett, ſchlief ein und fing an, uͤberlaut zu ſchnarchen. Der Jaͤ - ger ging eben vorbei und gedacht wie kann die alte Frau ſo ſchnarchen, du mußt einmal nach - ſehen. Da trat er hinein und wie er vors Bett kam, da lag der Wolf den er lange ge - ſucht, der hat gewiß die Großmutter gefreſſen vielleicht iſt ſie noch zu retten, ich will nicht ſchießen, dachte der Jaͤger. Da nahm er die Scheere und ſchnitt ihm den Bauch auf, und wie er ein paar Schnitte gethan, da ſah er das rothe Kaͤppchen leuchten, und wie er noch ein wenig geſchnitten, da ſprang das Maͤdchen her - aus und rief: ach wie war ich erſchrocken, was wars ſo dunkel in dem Wolf ſeinem Leib; und dann kam die Großmutter auch lebendig heraus. Rothkaͤppchen aber holte große ſchwere Steine, damit fuͤllten ſie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortſpringen, aber die Steine waren ſo ſchwer, daß er ſich todt fiel.

Da waren alle drei vergnuͤgt, der Jaͤger nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter 117 den Kuchen und trank den Wein, den Roth - kaͤppchen gebracht hatte, und Rothkaͤppchen ge - dacht bei ſich: du willſt dein Lebtag nicht wie - der allein vom Weg ab in den Wald laufen, wenn dirs die Mutter verboten hat.

Es wird auch erzaͤhlt, daß einmal, als Roth - kaͤppchen der alten Großmutter wieder Gebacke - nes brachte, ein anderer Wolf ihm zugeſprochen und es vom Weg ableiten wollen. Rothkaͤpp - chen aber huͤtete ſich und ging gerad fort ihres Wegs, und ſagte der Großmutter daß ſie den Wolf geſehen, daß er ihm guten Tag gewuͤnſcht aber ſo boͤs aus den Augen geguckt; wenns nicht auf offner Straße geweſen, er haͤtt mich gefreſſen. Komm, ſagte die Großmutter wir wollen die Thuͤre verſchließen, daß er nicht herein kann. Bald darnach klopfte der Wolf an und rief: mach auf, Großmutter, ich bin das Rothkaͤppchen, ich bring dir Gebackenes. Sie ſchwiegen aber ſtill und machten die Thuͤre nicht auf, da ging der Boͤſe etlichemal um das Haus und ſprang endlich aufs Dach, und wollte warten bis Rothkaͤppchen Abends nach Haus ging, dann wollt 'er ihm nachſchleichen und wollts in der Dunkelheit freſſen. Aber die Großmutter merkte, was er im Sinn hatte; da ſtand vor dem Haus ein großer Steintrog: hol' den Eimer, Rothkaͤppchen, geſtern hab ich118 Wuͤrſte gekocht, da trag das Waſſer, worin ſie gekocht ſind, in den Trog. Rothkaͤppchen trug ſo lange bis der große, große Trog ganz voll war. Da ſtieg der Geruch von den Wuͤr - ſten dem Wolf in die Naſe, er ſchnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals ſo lang, daß er ſich nicht mehr halten konnte, er fing an zu rutſchen, und rutſchte vom Dach herab und gerade in den großen Trog hinein und ertrank. Rothkaͤppchen aber ging froͤhlich und ſicher nach Haus.

27. Der Tod und der Gaͤnshirt.

Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei - nes großen und ungeſtuͤmen Waſſers, huͤtend einen Haufen weißer Gaͤnſe. Zu dieſem kam der Tod uͤber Waſſer, und wurde von dem Hir - ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem Waſſer komme und aus der Welt wolle. Der arme Gaͤnshirt fragte ferners: wie man doch aus der Welt kommen koͤnne? Der Tod ſagte, daß man uͤber das Waſſer in die neue Welt muͤſſe, welche jenſeits gelegen. Der Hirt ſag - te, daß er dieſes Lebens muͤde, und bate den Tod, er ſollte ihn mit uͤber nehmen. Der Tod ſagte, daß es noch nicht Zeit, und haͤtte er jetzt119 ſonſt zu verrichten. Es war aber unferne da - von ein Geizhals, der trachtete bei Nachts auf ſeinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut zuſammenbringen moͤgte, den fuͤhrte der Tod zu dem großen Waſſer und ſtieß ihn hinein. Weil er aber nicht ſchwimmen konnte, iſt er zu Grunde geſunken, bevor er an das Ufer kom - men. Seine Hunde und Katzen, ſo ihm nach - gelaufen, ſind auch mit ihm erſoffen. Etliche Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gaͤns - hirten, fand ihn froͤhlich ſingen und ſprach zu ihm: willſt du nun mit? Er war willig und kam mit ſeinen weißen Gaͤnſen wohl hinuͤber, welche alle in weiße Schafe verwandelt worden. Der Gaͤnshirt betrachtete das ſchoͤne Land und hoͤrte, daß die Hirten der Orten zu Koͤnigen wuͤrden, und indem er ſich recht umſahe, ka - men ihm die Erzhirten Abraham, Iſaac und Jacob entgegen, ſetzten ihm eine koͤnigliche Kro - ne auf, und fuͤhrten ihn in der Hirten Schloß, allda er noch zu finden.

28. Der ſingende Knochen.

Ein Wildſchwein thaͤt großen Schaden in dem ganzen Land, kein Menſch getraute ſich in den Wald, wo es herum lief, und wer ſo kuͤhn war und auf es einging und es toͤdten wollte,120 dem riß es den Leib mit ſeinen Hauern auf. Da ließ der Koͤnig bekannt machen, wer das Schwein erlege, der ſolle ſeine Tochter zur Ge - mahlin haben. Nun waren in dem Koͤnigreich drei Bruͤder, davon war der aͤlteſte liſtig und klug, der zweite von gewoͤhnlichem Verſtand, der dritte und juͤngſte aber war unſchuldig und dumm. Die gedachten die Prinzeſſin zu ge - winnen, wollten das Wildſchwein aufſuchen und toͤdten.

Die zwei aͤlteſten gingen mit einander, der juͤngſte aber ging allein. Als er in den Wald hineinkam, trat ein kleiner Mann vor ihn, der hielt eine ſchwarze Lanze in der Hand und ſag - te zu ihm: nimm dieſe Lanze und geh damit auf das Schwein los, ohne Furcht, du wirſt es leicht toͤdten. Alſo geſchah es, er traf mit der ſchwarzen Lanze das Schwein, daß es zur Erde fiel, nahm es dann auf die Schulter und zog vergnuͤgt heim. Unterwegs kam er an ein Haus, darin waren ſeine beiden aͤlteſten Bruͤ - der, und machten ſich luſtig beim Wein; als ſie ihn mit dem Schwein auf dem Ruͤcken daher ziehen ſahen, riefen ſie ihn an: komm herein und trink mit uns, du wirſt doch muͤde ſeyn. Der unſchuldige Dumme denkt an nichts Boͤſes, tritt ein, erzaͤhlt ihnen wie er das Schwein durch die ſchwarze Lanze getoͤdtet habe, und freut ſich uͤber ſein Gluͤck. Abends gingen ſie121 mit einander nach Haus, da machten die bei - den aͤlteſten einen Anſchlag auf des andern Le - ben, ließen ihn voran gehen, und als ſie vor die Stadt an die Bruͤcke kamen, fielen ſie uͤber ihn her, ſchlugen ihn todt und begruben ihn tief unter die Bruͤcke. Dann nahm der aͤlteſte das Schwein, trugs zu dem Koͤnig, gab vor er habe es getoͤdtet und erhielt die Prinzeſſin zur Gemahlin.

Das dauerte viele Jahre, doch ſollt es nicht verborgen bleiben. Da ging einmal ein Hirt uͤber die Bruͤcke und ſah unten im Sand ein Knoͤchlein liegen, und weil es ſo rein und ſchneeweiß war, wollt er ſich ein Mund - ſtuͤck daraus machen, ging hinab und hob es auf. Darnach machte er ſichs zum Mundſtuͤck fuͤr ſein Horn, und wie er anſetzen und blaſen wollte, da fing das Knoͤchlein an, von ſelbſt zu ſingen:

Ach! du liebes Hirtelein,
du blaͤßt auf meinem Knoͤchelein:
meine Bruͤder mich erſchlugen
unter die Bruͤcke begruben,
um das wilde Schwein
fuͤr des Koͤnigs Toͤchterlein.

Da nahm der Hirt das Horn und trug es vor den Koͤnig, da ſang es wieder dieſelben Worte. Als der Koͤnig das hoͤrte, ließ er unter der Bruͤcke graben, da ward bald das Gerippe her -122 ausgegraben. Die zwei boͤſen Bruͤder geſtan - den ihr Verbrechen und wurden ins Waſſer ge - worfen. Das Gebein aber von dem Gemorde - ten ward auf dem Kirchhof in ein ſchoͤnes Grab gelegt.

29. Von dem Teufel mit drei goldenen Haaren.

Ein Holzhacker hackte vor des Koͤnigs Haus Holz, oben am Fenſter ſtand die Prin - zeſſin und ſah ihm zu. Als es Mittag war, ſetzte er ſich in den Schatten und wollte ru - hen, da ſah die Prinzeſſin, daß der Holzhacker[ſehr] ſchoͤn war, und verliebte ſich in ihn, und ließ ihn herauf rufen; und als er die Prinzeſ - ſin erblickte, und ſah wie ſchoͤn ſie war, ver - liebte er ſich wieder in ſie. Da waren ſie bald in ihrer Liebe einig, aber dem Koͤnig ward ver - rathen, daß die Prinzeſſin einen Holzhacker lieb habe. Als der Koͤnig das hoͤrte, ging er zu ihr und ſagte: du weißt, daß der dein Braͤu - tigam wird, der die drei goldenen Haare bringt, die der Teufel auf dem Kopf hat, er mag nun ein Prinz oder ein Holzhacker ſeyn; er gedach - te aber, kein Prinz iſt noch ſo muthig gewe - ſen, daß er es gekonnt, ſo wird ein ſchlechter Holzhacker es noch weniger koͤnnen. Die Prin -123 zeſſin war betruͤbt, denn es waren ſchon viele Prinzen umgekommen, welche die drei golde - nen Haare beim Teufel holen wollten, weil aber kein anderes Mittel uͤbrig blieb, ſo ent - deckte ſie dem Holzhacker, was ihr Vater ge - ſagt hatte. Der Holzhacker war gar nicht be - truͤbt und ſagte: das ſoll mir ſchon gelingen, bleib mir nur getreu, bis ich wiederkomme, mor - gen fruͤh zieh ich aus.

Alſo begab ſich der Holzhacker auf die Reiſe zum Teufel, und kam bald an eine große Stadt. Vor dem Thor fragte ihn der Waͤchter, was er fuͤr ein Handwerk verſtehe und was er wiſ - ſe? Ich weiß alles, antwortete er. Wenn du alles weißt, ſagte der Thorwaͤchter, ſo mach unſere Prinzeſſin geſund, die kein Arzt in der Welt curiren kann. Wenn ich wieder komme. In der zweiten Stadt wurde er auch gefragt, was er wiſſe? Ich weiß alles. So ſag uns warum unſer ſchoͤner Markt - brunnen vertrocknet iſt? Wenn ich wie - der komme, ſagte der Holzhacker und ließ ſich nicht aufhalten. Da kam er an einen Feigen - baum, der wollte verdorren, nebenbei ſtand ein Mann, der fragte ihn, was er wiſſe? Ich weiß alles. So ſag mir warum der Fei - genbaum welkt und keine Fruͤchte traͤgt? Wenn ich wieder komme. Er ging wei - ter und kam zu einem Fiſcher, der mußte ihn124 uͤberſchiffen, der fragte ihn, was er wiſſe? Ich weiß alles. So ſag mir, wann werd 'ich einmal abgeloͤſt werden und ein anderer die Leute uͤberſchiffen? Wenn ich wieder komme.

Nachdem der Holzhacker druͤben war, kam er in die Hoͤlle, da ſahs ſchwarz und ruſig aus, der Teufel aber war nicht zu Haus, nur ſeine Frau ſaß da. Der Holzhacker ſagte zu ihr: guten Tag, Frau Teufelin, ich bin hierher ge - kommen und moͤchte die drei goldenen Haare haben, die euer Mann auf dem Kopfe traͤgt; auch moͤgt ich wiſſen, warum eine Prinzeſſin nicht kann geheilt werden, warum ein tiefer Marktbrunnen ohne Waſſer, und ein Feigen - baum ohne Fruͤchte iſt, und warum ein Schif - fer nicht abgeloͤſt wird. Die Frau erſchrack und ſagte: wenn der Teufel kommt und fin - det dich hier, ſo frißt er dich gleich auf, die drei goldenen Haare kannſt du nimmermehr kriegen, weil du aber ſo jung noch biſt, ſo dauerſt du mich, und ich will ſehen ob ich dich erretten kann. Der Holzhacker mußte ſich unter das Bett legen, und kaum hatte er ein Weilchen da gelegen, da kam der Teufel nach Haus: guten Abend Frau, und fing an ſich auszuziehen und ſagte dann: wie iſt mir in der Stube! ich rieche, ich rieche Menſchenfleiſch, da muß ich einmal nachſehen. Was wirſt125 du wohl riechen! ſagte die Frau, du haſt den Schnupfen, und da ſteckt dir immer der Ge - ruch von Menſchenfleiſch in der Naſe, wirf mir nicht alles untereinander, ich habe eben erſt gekehrt. Ich will nur ſtill ſeyn, ich bin muͤde heut Abend, aber du goͤnnſt mir den Biſſen nicht, den ich ins Maul ſtecke.

Damit legte ſich der Teufel ins Bett und ſeine Frau mußte ſich zu ihm legen. Bald ſchlief er ein, erſt blies er, dann ſchnarchte er, anfangs ſachte, dann ſo laut, daß die Fenſter zitterten. Als die Frau ſah, daß er ſo feſt ſchlief, packte ſie eins von den drei goldenen Haaren feſt, riß es heraus und warf es dem[Holzhacker] unter das Bett. Der Teufel fuhr auf: was haſt du vor, Frau, was raufſt du mich? Ach! ich hatte einen ſchweren Traum, da muß ich es in der Angſt gethan haben. Wovon haſt du denn[getraͤumt]? Mir traͤumte von einer Prinzeſſin, die war ſterbenskrank, und kein Arzt war auf der Welt, der ſie heilen konnte. Warum thun ſie nicht die weiße Unke weg, die unter ihrem Bett ſteckt damit legte er ſich auf die andere Seite und ſchlief wieder ein. Als ihn die Frau ſchnarchen hoͤrte, faßte ſie das zweite Haar, riß es aus und warf es unter das Bett. Der Teufel ſprang auf: ei ſo ſoll dich biſt du toll geworden, du reißt mich ja wieder ent -126 ſetzlich in den Haaren! Ach! lieber Mann, ich ſtand vor einem großen Marktbrun - nen, die Leute jammerten weil kein Waſſer darin war, und fragten mich, ob ich keine Huͤl - fe wiſſe, da guckte ich hinein, er war ſo tief, daß mir ſchwindlicht wurde, ich wollte mich hal - ten und da bin ich dir in die Haare gerathen. Du haͤtteſt nur ſagen ſollen, ſie muͤßten den weißen Stein herausholen, der unten liegt, aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruh. Er legte ſich wieder und ſchnarchte bald ſo ab - ſcheulich wie vorher. Die Frau gedacht: du mußt es noch einmal wagen, und riß auch das dritte Goldhaar heraus und warfs hinunter. Der Teufel fuhr in die Hoͤh und wollte uͤbel wirthſchaften, die Frau aber beſaͤnftigte ihn, kuͤßte ihn und ſagte: das ſind boͤſe Traͤume! Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der verdorren wollte und klagte, daß er keine Fruͤch - te trage, da wollte ich an dem Baum ſchuͤtteln, ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe ich deine Haare geſchuͤttelt. Das waͤre auch umſonſt geweſen, an der Wurzel nagt ei - ne Maus, wenn die nicht getoͤdtet wird, ſo iſt der Baum verloren, iſt die erſt todt, dann wird er ſchon wieder friſch werden, und Fruͤchte tra - gen; aber plag mich nicht mehr mit deinen Traͤumen, ich will ſchlafen, und wenn du mich noch einmal aufweckſt, ſo kriegſt du eine Ohr -127 feige. Der Frau war Angſt vor dem Zorn des Teufels, aber der arme Holzhacker mußte noch etwas wiſſen, das wußte der Teufel al - lein. Da zupfte ſie ihn an der Naſe und zog ihn in die Hoͤh. Der Teufel ſprang wie un - ſinnig auf, und gab ihr eine Ohrfeige, daß es ſchallte. Die Frau fing an zu weinen und ſag - te; willſt du, daß ich ins Waſſer falle? Ein Fiſcher hatte mich uͤber den Strom gefahren, und als der Nachen aus Ufer kam, ſtieß er an, da fuͤrchtete ich mich zu fallen und wollte mich an den Stamm halten, woran die Kette feſt - gemacht wird, da hab ich mich an deine Naſe gehalten. Warum haſt du nicht Acht ge - geben? das thut der Nachen jedesmal. Der Fiſcher klagte mir, daß niemand komme, ihn abzuloͤſen und er ſeiner Arbeit kein Ende ſehe. Er muß den erſten, der kommt an - halten, ſo lange zu fahren, bis ein dritter kommt, der ihn wieder abloͤſt, ſo iſt ihm ge - holfen; aber du traͤumſt curios, das iſt wahr mit dem Schiffer und alles andere auch: jetzt weck mich nicht wieder, der Morgen muß bald anbrechen, ich will noch ſchlafen, ſonſt ſpring ich uͤbel mit dir um.

Wie nun der Holzhacker alles gehoͤrt hat - te, und der Teufel wieder ſchnarchte, bedankte er ſich bei der Frau Teufelin und zog fort. Als er zu dem Fiſcher kam, wollte der Aus -128 kunft haben. Fahr mich nur erſt hinuͤber. Druͤben aber ſagte er zu ihm: der erſte, der wieder kommt und will uͤbergefahren ſeyn, den halt an, daß er ſo lange das Amt uͤbernimmt, bis ihn wieder einer abloͤſt. Darauf kam er zu dem Mann mit dem unfruchtbaren Feigen - baum und ſagte ihm: toͤdte nur die weiße Maus, die an den Wurzeln nagt, ſo wird dein Baum wieder Fruͤchte tragen wie vorher. Was verlangſt du zur Belohnung, fragte der Mann. Ein Regiment Infanterie und kaum hatte er das geſagt, ſo marſchirte ein Regiment hinter ihm her. Der Holzhacker ge - dacht, das geht gut, und kam in die Stadt, wo der Marktbrunnen vertrocknet war: holt den weißen Stein heraus, der auf dem Grund liegt. Da ſtieg einer hinab und holte den Stein, und kaum war er oben, ſo fuͤllte ſich der Brunnen wieder mit dem klarſten Waſſer. Womit ſollen wir dich belohnen, fragte der Buͤrgemeiſter. Gebt mir ein Regiment Cavallerie. Und als der Holzhacker zum Thor hinausging, ritt auch ein Regiment Ca - vallerie hintendrein. So kam er in die andere Stadt, wo die Prinzeſſin krank lag, die kein Arzt curiren konnte. Macht nur die weiße Unke todt, die unter dem Bett verſteckt iſt, und wie das geſchehen war, ſo fing die Prinzeſſin an ſich zu erholen, friſch und roth zu werden. Was129 Was willſt du zur Belohnung? fragte der Koͤnig. Vier Wagen mit Gold beladen, ſagte der Holzhacker.

Endlich kam der Holzhacker heim und hin - ter ihm ein Regiment Infanterie, ein Regi - ment Cavallerie und vier Wagen ganz mit Gold beladen, die drei goldenen Haare aber trug er bei ſich. Vor dem Thore hieß er ſeine Be - gleitung warten, wenn er aber von dem Schloß ein Zeichen gaͤbe, dann ſollten ſie ſchnell einzie - hen. Darauf ging er vor der Prinzeſſin, ſei - ner Geliebten, Vater, reichte ihm die drei gol - denen Haare des Teufels und bat ihn, ſeinem Verſprechen gemaͤß ihm die Prinzeſſin zu ge - ben. Der Koͤnig erſtaunte, ſagte, mit den drei goldenen Haaren habe es ſeine Richtigkeit, aber wegen der Prinzeſſin muͤſſe er ſich bedenken. Wie der Holzhacker das hoͤrte, ſtellte er ſich zum Fenſter und pfiff hinaus, da kamen auf einmal durch das Thor ein Regiment Infan - terie, ein Regiment Cavallerie und vier ſchwer - beladene Wagen marſchirt. Herr Koͤnig, ſag - te der Holzhacker, ſeht her, das ſind meine Leute, die ich mitgebracht habe, und dort das iſt mein Reichthum in den Wagen, die ſind voller Gold: wollt ihr mir nun die Prinzeſſin geben? Der Koͤnig erſchrack und ſagte: ja von Herzen gern Da wurden beide vermaͤhlt und lebten in Gluͤckſeligkeit.

Kindermärchen. J130

Darum - wer den Teufel nicht fuͤrchtet, der kann ihm die Haare ausreißen und die ganze Welt gewinnen.

30. Laͤuschen und Floͤhchen.

Ein Laͤuschen und ein Floͤhchen die lebten zuſammen in einem Haushalt, und brauten ſich Bier in einer Eierſchale. Da fiel das Laͤus - chen hinein und verbrennte ſich. Daruͤber fing das Floͤhchen laut an zu ſchreien. Da ſprach die kleine Stubenthuͤre:

was ſchreiſt du Floͤhchen?

weil ſich Laͤuschen verbrennt hat.

Da fing das Thuͤrchen an zu knarren. Da ſprach ein Beſenchen in dem Hausehrn:

was knarrſt du Thuͤrchen?

ſoll ich nicht knarren?

Laͤuschen hat ſich verbrennt,
Floͤhchen weint.

Da fing der kleine Beſen an entſetzlich zu kehren.

Da kam ein Waͤgelchen vorbei:

was kehrſt du Beſenchen?

Soll ich nicht kehren?

Laͤuschen hat ſich verbrennt,
Floͤhchen weint,
Thuͤrchen knarrt.
131

Da ſagt das Waͤgelchen, ſo will ich ent - ſetzlich rennen und rennt entſetzlich. Da ſagt das Miſtchen, an dem es vorbeirennt:

was rennſt du Waͤgelchen?

Soll ich nicht rennen?

Laͤuschen hat ſich verbrennt,
Floͤhchen weint,
Thuͤrchen knarrt,
Beſenchen kehrt.

Da ſagt das Miſtchen, ſo will ich anfan - gen zu brennen, und brennt entſetzlich.

Da ſtand ein Baͤumchen das ſagt:

Miſtchen was brennſt du?

Soll ich nicht brennen?

Laͤuschen hat ſich verbrennt,
Floͤhchen weint,
Thuͤrchen knarrt,
Beſenchen kehrt,
Waͤgelchen rennt.

Da ſagt das Baͤumchen, ſo will ich mich ſchuͤtteln, und ſchuͤttelte all ſein Laub ab. Da ſagt ein Maͤdchen mit dem Waſſerkruͤgelchen:

Baͤumchen was ſchuͤttelſt du dich?

Soll ich mich nicht ſchuͤtteln?

Laͤuschen hat ſich verbrennt,
Floͤhchen weint,
Thuͤrchen knarrt,
Beſenchen kehrt,
J 2
132
Waͤgelchen rennt,
Miſtchen brennt.

Da ſagt das Maͤdchen, ſo will ich mein Waſſerkruͤgelchen zerbrechen, und zerbrach ſein Waſſerkruͤgelchen; da ſagt das Bruͤnnlein:

Maͤdchen was zerbrichſt du dein Waſ -
ſerkruͤgelchen?

Soll ich mein Waſſerkruͤgelchen nicht zerbrechen?

Laͤuschen hat ſich verbrennt,
Floͤhchen weint,
Thuͤrchen knarrt,
Beſenchen kehrt,
Waͤgelchen rennt,
Miſtchen brennt,
Baͤumchen ſchuͤttelt ſich.

Ei! ſagte das Bruͤnnchen, ſo will ich an - fangen zu fließen, und fing ſo entſetzlich an zu fließen, daß alles ertrunken iſt, das Maͤdchen, das Baͤumchen, das Miſtchen, das Waͤgelchen, das Beſenchen, das Thuͤrchen, das Floͤhchen, und das Laͤuschen, alles miteinander.

30. Maͤdchen ohne Haͤnde.

Ein Muͤller, der ſo arm war, daß er nichts weiter hatte, als ſeine Muͤhle und einen gro - ßen Apfelbaum dahinter, ging in den Wald Holz holen. Da trat ihn ein alter Mann an,133 der ſprach: was quaͤlſt du dich ſo ſehr, ich will dich reich machen, verſchreib mir dafuͤr, was hinter deiner Muͤhle ſteht, in drei Jahren will ichs abholen. Der Muͤller denkt: das iſt mein Apfelbaum, ſagte ja, und verſchriebs dem Man - ne. Wie er nach Haus kommt, ſagt ſeine Frau zu ihm: Muͤller, woher kommt der große Reichthum, der auf einmal Kiſten und Kaſten in unſerm Haus angefuͤllt hat? das kommt von einem alten Mann aus dem Wald, ich hab ihm dafuͤr verſchrieben, was hinter der Muͤhle ſteht. Ach Mann, ſprach die Frau erſchrocken, das wird ſchlimm werden, der alte Mann war der Teufel und er hat unſere Toch - ter damit gemeint, die hat gerad hinter der Muͤhle geſtanden und den Hof gekehrt.

Die Muͤllerstochter war aber gar ſchoͤn und fromm, und nach drei Jahren kam der Teufel ganz fruͤh und wollte ſie holen, aber ſie hatte mit Kreide einen Kranz um ſich gemacht und ſich rein gewaſchen. Da konnte der Teufel nicht zu ihr kommen, zornig ſprach er zu dem Muͤl - ler: thu ihr alles Waſchwaſſer weg, daß ſie ſich nicht mehr waſchen kann, und ich Gewalt uͤber ſie habe. Der Muͤller fuͤrchtete ſich und that es. Am andern Tag kam der Teufel wie - der, aber ſie hatte auf ihre Haͤnde geweint und ſich mit ihren Thraͤnen gewaſchen, und war ganz rein; da konnte ihr der Teufel abermals134 nicht nahen, aͤrgerte ſich ſehr und befahl dem Muͤller: hau ihr die Haͤnde ab, daß ich ihr was anhaben kann. Der Muͤller aber entſetzte ſich und antwortete: wie koͤnnte ich meinem lieben Kind die Haͤnde abhauen, nein, das thu ich nicht. Weißt du was, ſo hol ich dich ſelber, wenn dus nicht thuſt! Da fuͤrchtete ſich der Muͤller gewaltig und verſprach ihm in der Angſt, zu thun was er befohlen haͤtte. Ging zu ſeiner Tochter und ſprach: mein Kind, der Teufel wird mich holen, wenn ich dir nicht beide Haͤnde abhaue, und da habe ich es ihm verſprochen, ich bitte dich um Verzeihung. Vater, ſagte ſie, macht mit mir was ihr wollt, legte ihre beiden Haͤnde hin und ließ ſie abhauen. Zum drittenmal kam der Teu - fel, allein ſie hatte ſo lang und viel auf ihre Stuͤmpfe geweint, daß ſie doch ganz rein wur - de, da hatte der Teufel alles Recht an ihr verloren.

Der Muͤller, weil er ſo großes Gut durch ſie gewonnen hatte, verſprach ihr nun, er wolle ſie Zeitlebens aufs koͤſtlichſte halten, allein ſie mochte nicht mehr dableiben: ich will fort von hier, mitleidige Menſchen werden mir ſchon ſo - viel geben, als ich zum Leben brauche. Die beiden abgehauenen Haͤnde ließ ſie ſich auf den Ruͤcken binden; mit Sonnenaufgang zog ſie fort und ging und ging den ganzen Tag, bis es135 Abend wurde, da kam ſie zu des Koͤnigs Gar - ten. In der Gartenhecke war eine Luͤcke, durch die ging ſie hinein, fand einen Obſtbaum, den ſchuͤttelte ſie mit ihrem Leib, und wie die Aepfel zur Erde fielen, buͤckte ſie ſich nieder und hob ſie mit ihren Zaͤhnen auf und ſie. Zwei Tage lebte ſie ſo, am dritten aber kamen die Waͤchter des Gartens, die ſahen ſie, nahmen ſie gefangen und warfen ſie ins Gefangenhaus, des andern Morgens wurde ſie vor den Koͤnig gefuͤhrt, und ſollte Landes verwieſen werden. Ei, ſprach der Koͤnigsſohn, ſie kann ja lieber die Huͤner auf dem Hof huͤten!

So blieb ſie eine Zeitlang da und huͤtete die Huͤner, der Koͤnigsſohn aber ſah ſie oft und gewann ſie von Herzen lieb; mittlerweile kam nun die Zeit, daß er ſich vermaͤhlen ſollte. Da wurde ausgeſchickt in alle weite Welt, um ihm eine ſchoͤne Gemahlin auszuſuchen. Ihr braucht nicht weit zu ſuchen und zu ſenden, ſprach er, ich weiß mir eine ganz in der Naͤ - he. Der alte Koͤnig beſann ſich hin und her und es war ihm keine Jungfrau im Land be - kannt, die ſchoͤn und reich waͤre: du wirſt doch nicht etwa gar die da wollen heirathen, die die Huͤner im Hofe huͤtet? Der Sohn aber erklaͤrte, er wuͤrde nimmermehr eine andere nehmen, da mußte es endlich der Koͤnig zuge - ben, und bald darauf ſtarb er; der Koͤnigsſohn136 folgte ihm im Reich nach, und lebte in ſoweit gluͤcklich mit ſeiner Gemahlin.

Nun mußte aber einmal der Koͤnig in den Krieg ziehen und waͤhrend ſeiner Abweſenheit gebar ſie ein ſchoͤnes Kind, und ſandte einen Boten mit einem Brief ab, worin ſie ihrem Gemahl die frohe Nachricht meldete. Der Bote ruhte unterwegs an einem Bache und ſchlief ein, da kam der Teufel, der ihr immer zu ſcha - den trachtete, und vertauſchte den Brief mit ei - nem andern, worin ſtand, daß die Koͤnigin ei - nen Wechſelbalg zur Welt gebracht haͤtte. Der Koͤnig, als er den Brief las, betruͤbte ſich ſehr, doch ſchrieb er zur Antwort: man ſolle die Koͤ - nigin und das Kind wohl halten, bis zu ſeiner Ruͤckkunft. Der Bote ging mit dem Brief zuruͤck und als er am naͤmlichen Platz ruhte und ein - geſchlafen war, nahte ſich der boͤſe Teufel wie - der, und ſchob einen andern Brief unter, worin der Koͤnig befahl, Koͤnigin und Kind aus dem Land zu jagen. Dies mußte nun ſo geſchehen, ſo ſehr auch alle Leute vor Traurigkeit wein - ten: ich bin nicht hierhergekommen, um Koͤni - gin zu werden, ich habe kein Gluͤck und ver - lange auch keins, bindet mir mein Kind und die Haͤnde auf den Ruͤcken, ſo will ich in die Welt ziehen. Abends kam ſie in einen dicken Wald zu einem Brunnen, wobei ein guter al - ter Mann ſaß. Seyd doch ſo barmherzig, ſprach137 ſie, und haltet mir mein Kind an die Bruſt, ſo lange bis ich ihm zu trinken gegeben habe welches der Mann that, und darauf ſagte er zu ihr: dort ſteht ein dicker Baum, zu dem geh hin und ſchlinge deine abgeſtumpften Arme drei - mal um ihn! und als ſie es gethan, wuchſen ihr die Haͤnde wieder an. Darauf zeigte er ihr ein Haus: darin wohne und geh nicht heraus und mache niemand die Thuͤr auf, der nicht dreimal um Gotteswillen darum bittet.

Indeſſen war der Koͤnig nach Haus gekom - men und ſah ein, wie er betrogen worden war. In der Begleitung eines einzigen Dieners mach - te er ſich auf, und nach einer langen Reiſe ver - irrte er ſich endlich gerade in der Nacht in dem - ſelben Walde, wo die Koͤnigin wohnte, er wußte aber nicht, daß ſie ihm ſo nah war. Dort hin - ten, ſprach der Diener, glimmt ein Lichtchen in einem Haus, gottlob, da koͤnnen wir ruhen. ach nein, ſprach der Koͤnig, ich will nicht ſo lange raſten, und weiter nach meiner geliebten Frau ſuchen, eher habe ich doch keine Ruhe. Allein der Diener bat ſo viel und klagte ſo uͤber Muͤdigkeit, daß der Koͤnig, aus Mitleid einwilligte. Wie ſie zu dem Haus kamen, ſchien der Mond und ſie ſahen die Koͤnigin am Fen - ſter ſtehen. Ach, das muß unſere Koͤnigin ſeyn, ſo gleicht ſie ihr ſagte der Diener, aber ich ſehe doch, daß ſie es nicht iſt, denn dieſe da138 hat Haͤnde. Der Diener ſprach ſie nun um Herberg an, aber ſie ſagte es ab, weil er nicht um Gotteswillen gebeten hatte. Er wollte wei - ter gehen, und einen andern Platz zum Nacht - lager ſuchen; da trat der Koͤnig ſelbſt hinzu: laſſet mich ein, um Gotteswillen! nicht eher darf ich euch einlaſſen, bis ihr mich dreimal um Gotteswillen gebeten habt, und wie der Koͤ - nig noch zweimal gebeten hatte, machte ſie auf, da kam ſein Soͤhnlein herausgeſprungen fuͤhrte ihn zur Mutter hin, und er erkannte ſie alſo - bald fuͤr ſeine geliebte Frau. Den andern Mor - gen reiſten ſie allemiteinander in ihr Land, und wie ſie zum Haus heraus waren, war es hin - ter ihnen verſchwunden.

32. Der geſcheidte Hans.

I.

Hanſens Mutter ſpricht: wohin Hans? Hans antwortet: zur Grethel. Machs gut Hans Schon gut machen, Adies, Mutter Hans kommt zur Grethel: gu - ten Tag Grethel. Guten Hans: was bringſt du Gutes? Bring nichts, gege - ben han.

Grethel ſchenkt dem Hans eine Nadel, Hans ſpricht: Adies, Grethel. Adies,139 Hans. Hans nimmt die Nadel und ſteckt ſie in einen Heuwagen und geht hinterher nach Haus. Guten Abend, Mutter. Guten Abend Hans, wo biſt du geweſen? Bei der Grethel. Was haſt du ihr gebracht? Nichts gebracht, gegeben hat Was hat ſie dir gegeben? Nadel gegeben wo haſt du die Nadel, Hans In Heu - wagen geſteckt. Das haſt du dumm ge - macht, mußts an Aermel ſtecken. Thut nichts, beſſer machen.

Wohin Hans? zur Grethel. Machs gut, Hans. Schon gut machen, Adies, Mutter. Hans kommt zur Grethel: guten Tag, Grethel: guten Tag, Hans: was bringſt du Gutes? Bring nichts, ge - geben han.

Grethel ſchenkt dem Hans ein Meſſer. Adies, Grethel Adies, Hans Hans nimmt das Meſſer, ſteckts an den Aermel und geht nach Haus. Guten Abend, Mutter. Guten Abend, Hans, wo biſt du geweſen? Bei der Grethel. Was haſt du ihr gebracht! Nichts gebracht, gegeben hat? Was hat ſie dir gegeben? Meſſer ge - geben. Wo haſt du das Meſſer Hans? An den Aermel geſteckt. Das haſt du dumm gemacht, mußts in die Taſche ſtek - ken. Thut nichts, beſſer machen.

140

Wohin, Hans? zur Grethel. Machs gut, Hans. Schon gut machen, Adies, Mutter. Hans kommt zur Gre - thel: guten Tag, Grethel. Guten Tag, Hans: was bringſt du Gutes? Bring nichts, gegeben han.

Grethel ſchenkt dem Hans eine junge Zie - ge. Adies, Grethel Adies, Hans. Hans nimmt die Ziege bindet ihr die Beine und ſteckt ſie in die Taſche, wie er nach Haus kommt, iſt ſie erſtickt. Guten Abend, Mut - ter. Guten Abend, Hans, wo biſt du geweſen? bei der Grethel. Was haſt du ihr gebracht? Nichts gebracht, gegeben hat. Was hat ſie dir gegeben? Ziege gegeben. wo haſt du die Zie - ge, Hans? In die Taſche geſteckt das haſt du dumm gemacht, Hans, mußts an ein Seil binden. Thut nichts, beſſer machen.

Wohin Hans? zur Grethel. Machs gut, Hans. Schon gut machen, Adies, Mutter. Hans kommt zur Gre - thel: Guten Tag, Grethel. Guten Tag, Hans: was bringſt du Gutes? Bring nichts, gegeben han.

Grethel ſchenkt dem Hans ein Stuͤck Speck. Hans bindet den Speck an ein Seil und ſchleifts hinter ſich, die Hunde kommen und freſſen es141 ab, wie er nach Haus kommt, iſt das Seil leer. Guten Abend, Mutter. Guten Abend, Hans, wo biſt du geweſen? Bei der Grethel. Was haſt du ihr gebracht? Nichts gebracht, gegeben hat. Was hat ſie dir gegeben? Stuͤck Speck gege - ben? wo haſt du den Speck, Hans? Ans Seil gebunden, heim gefuͤhrt, fort gewe - ſen. Das haſt du dumm gemacht, Hans, mußts auf dem Kopf tragen. Thut nichts, beſſer machen.

Wohin, Hans? zur Grethel. Machs gut, Hans. Schon gut machen, Adies, Mutter. Hans kommt zur Grethel: guten Tag, Grethel: guten Tag, Hans: was bringſt du Gutes? Bring nichts gegeben han.

Grethel ſchenkt dem Hans ein Kalb, Hans ſetzt es auf den Kopf, und es zertritt ihm das Geſicht. Guten Abend, Mutter. Gu - ten Abend, Hans, wo biſt du geweſen? Bei der Grethel. Was haſt du ihr ge - bracht? Nichts gebracht, gegeben hat. Was hat ſie dir gegeben? Kalb gege - ben. Wo haſt du das Kalb, Hans? Auf den Kopf geſetzt, Geſicht zertreten. Das haſt du dumm gemacht, Hans, mußts leiten und an die Raufe ſtellen - Thut nichts, beſſer machen.

142

Wohin Hans? Zur Grethel. Machs gut, Hans. Schon gut machen, Adies Mutter. Guten Tag, Grethel. Guten Tag, Hans: was bringſt du Gutes? Bring nichts, gegeben han.

Grethel ſagt: ich will mit dir gehen. Hans bindet die Grethel an ein Seil, leitet ſie, fuͤhrt ſie vor die Raufe und knuͤpft ſie feſt. Guten Abend, Mutter. Guten Abend, Hans: wo biſt du geweſen? Bei der Grethel. Was haſt du ihr gebracht. Nichts gebracht, gegeben hat. Was hat ſie dir gegeben. Grethel mitgegangen. Wo haſt du die Grethel. Geleitet, vor die Raufe geknuͤpft, Gras vorgeworfen. Das haſt du dumm gemacht, mußt ihr die Augen freundlich zuwerfen. Thut nichts, beſſer machen.

Hans geht in den Stall, ſticht allen Kaͤl - bern und Schafen die Augen aus und wirft ſie der Grethel ins Geſicht; da wird Grethel boͤs, reißt ſich los, und laͤuft fort und iſt Han - ſens Braut geweſen.

II.

Im Geslinger Thal, da wohnt eine ſehr reiche Wittfrau, die haͤtt 'einen einigen Sohn, der war einer groben und tollen Verſtaͤndniß: er war auch der allernaͤrriſchte Menſch unter al -143 len Einwohnern desſelbigen Thals. Derſelbige Geck ſahe auf eine Zeit zu Sarbruͤcken, eines wohlgeachten herrlichen Manns Tochter, die eine ſchoͤne, wohlgeſtalte, verſtaͤndige Jungfrau war. Der Narr ward ihr gleich hold und la - ge der Mutter an, daß ſie ihm dieſelbige zu ei - ner Frauen ſchaffen wollte, wo nicht, ſo wollte er Ofen und Fenſter einſchlagen und alle Stie - gen im Haus abbrechen. Die Mutter wußt und ſahe wohl ihres naͤrriſchen Sohns Kopf und fuͤrcht, wenn ſie ihn gleichwohl um die Jungfrau werben ließe und ihm ein groß Gut dazu gebe, ſo waͤr er doch ein ſo ungehobelter Eſel, daß nichts mit ihm auszurichten oder ver - ſehen waͤre. Wiewohl aber der Jungfrauen Eltern herrliche Leute und von gutem Ge - ſchlecht, ſo waren ſie doch alſo gar arm, daß ſie Armuth halber die Tochter ihrem Stande nach nit wuͤßten zu verſorgen, derohalben die - ſe Werbung deſto leichter Statt gewann. Die Mutter furchte nun auch, dieweil ihr Sohn alſo ein großer ungeſchickter Goͤtz waͤre, daß ihn vielleicht die Jungfrau nit woͤllen haben, gab ihm darum allerhand Lehren, damit er ſich bei der Braut fein hoͤflich zuthun und hurtig machen koͤnnte. Und als der Klotz erſtlich mit der Jungfrau red't, da ſchankt ſie ihm ein huͤbſch paar Handſchuh aus weichem Corduan - leder gemacht. Lawel thaͤt ſie an, zog heim;144 ſo kommt ein großer Regen, er behielt die Handſchuhe an: galt gleich, ob ſie naß wurden oder nit. Wie er aber einen Steg will gan, ſo glitſcht er aus und faͤllt ins Waſſer und Moor, er kommt heim, war wohl beſudelt, die Handſchuhe waren eitel Fleiſch; klagts der Mutter, die gut alt Mutter ſchalt ihn und ſagte, er ſollts ins Fazziletlin (Schnupftuch) gewickelt und in Buſen geſtoßen haben. Bald darnach zeucht der gut Loͤffel wieder zu der Jungfrauen; ſie fragt nach den Handſchuhen, er ſagt ihr, wie es ihm mit gegangen waͤre. Sie lacht und merkt das erſt Stuͤck ſeiner Weisheit und ſchenkt ihm ein Habicht. Er nahm ihn, ging heim und gedacht an der Mut - ter Rede, wuͤrgt den Habicht, wickelt ihn in ſein Bruſttuch und ſtieß ihn in den Buſen. Kam heim, wollt den huͤbſchen Vogel der Mut - ter zeigen, zog ihn aus dem Buſen. Die Mut - ter faͤhrt ihm wieder uͤber den Kamm, ſagt, er ſollte ihn fein auf der Hand getragen haben. Zum drittenmal kommt Jockel wieder zu der Jungfrauen, ſie fragt, wie es um den Habicht ſtaͤnde, er ſagt ihr, wie es ihm mit gegangen; was ſie gedacht: er iſt ein lebendiger Narr; ſah wohl, daß ihm nichts ſaͤuberlichs noch herr - lichs gebuͤhrte, und ſchenkt ihm ein Egge, die er brauchen ſollt, wenn er geſaͤt haͤtte. Er nahm der Mutter Wort zu Herzen, und trugſie145ſie auf den Haͤnden empor, wie ein anderer Loffelbitz heim. Die Mutter war gar uͤbel zu - frieden, ſprach, er ſollt ſie an ein Pferd gebun - den haben und heim geſchleift. Letztlich ſahe die Jungfrau, daß Chriſam und Tauf an ihm verloren war, denn es war weder Vernunft noch Weisheit in ihm, wußt nit, wie ſie des Narren ledig werden ſollt, gab ihm daher ein groß Stuͤck Specks, und ſtieß es ihm in den Buſen: er wars wohl zufrieden. Er wollt heim und fuͤrcht, er wuͤrds im Buſen verlieren, und bands einem Roß an den Schwanz, ſaß drauf und ritt heim, da liefen die Hunde hin - ten nach und riſſen den Speck dem Pferd vom Schwanz und fraßen ihn. Er kommt heim, der Speck war auch hinweg. Hintennach ſahe die Mutter ihres Sohns Weisheit, fuͤrcht, die Heirath wuͤrd 'nit vor ſich gehen, fuhr zu der Jungfrau Eltern, begehrt den Tag der Bere - dung zu wiſſen mit ihrem Sohn, und wie ſie hinweg will, befiehlt ſie ihm ernſtlich, daß er wohl Haushalt und kein groß Weſen mach, denn ſie hab eine Gans uͤber Eiern ſitzen. Als nun die Mutter aus dem Haus war, ſo zeucht der Sohn fein in den Keller, ſauft ſich voller Weins und verliert den Zapfen zum Faß, wie er den ſucht, ſo lauft der Wein alle in den Keller. Der gut Vetter nimmt einen Sack mit Mehl, und ſchuͤtt' es in den Wein, daß es dieKindermärchen. K146Mutter nit ſaͤhe, wenn ſie kommt. Demnach lauft er auf hin ins Haus, und hat ein wild's Gebraͤcht: ſo ſitzt die Gans da und bruͤtelt, die erſchrickt und ſchreit gaga! gaga! Den Narren kommt ein Furcht an und meint, die Gans haͤt geſagt: ich wills ſagen, und fuͤrcht, ſie ſchwaͤtzt, wie er im Keller Haus ge - halten; nahm die Gans und hieb ihr den Kopf ab. Nun furcht er, wo die Eier auch verduͤr - ben, ſo waͤr er in tauſend Laͤſten, bedacht ſich und wollt 'die Eier ausbruͤten, meint doch, es wuͤrd ſich nit wohl ſchicken, dieweil er nit voll Federn waͤre, wie die Gans. Bedacht ſich bald, zeucht ſich ganz aus und ſchmiert den Leib zuring mit Honig, den haͤtt die Mutter erſt neulich gemacht und ſchuͤtt darnach ein Bett aus und walgert ſich allenthalb in den Federn, daß er ſahe, wie ein Hanfbutz, und ſetzt ſich alſo uͤber die Gaͤnseier und war gar ſtill, daß er die jungen Gaͤns nit erſchreckt. Wie Hans - wurſt alſo bruͤtet, ſo kommt die Mutter und klopft an die Thuͤren: der Lawel ſitzt uͤber den Eiern und will keine Antwort geben, ſie klopft noch mehr, ſo ſchreit er gaga! gaga! und meint, dieweil er junge Gaͤns (oder Narren) bruͤtelt, ſo koͤnnt' er auch kein andre Sprach. Zuletzt draͤut ihm die Mutter ſo ſehr, daß er aus dem Neſt kroch und ihr aufthaͤt. Als ſie ihn ſahe, da meint 'ſie, es waͤr der lebendige Teufel,147 fragt, was das waͤre, er ſagt ihr alle Ding nach der Ordnung. Der Mutter wars Angſt mit dem Doppelnarren, dann die Braut ſollt bald nachfolgen, und ſagt zu ihm, ſie wollts ihm gern verzeihen, er ſollt ſich nur jetzt zuͤch - tig halten, denn die Braut kaͤme, daß er ſie fein freundlich empfahen und gruͤßen ſollte und die Augen alſo hoͤflich und fleißig in ſie wer - fen. Der Narr ſagt ja, er wollts alles thun, wiſcht die Federn ab, und thaͤt ſich wieder an, geht in den Stall und ſticht den Schafen al - len die Augen aus, ſtoͤßt ſie in Buſen. So - bald die Braut kommt, ſo geht er ihr entge - gen, wirft ihr die Augen, alle, ſoviel er hat, ins Angeſicht, meint, es muͤſſe alſo ſeyn. Die gut Jungfrau ſchaͤmet ſich, daß er ſie alſo be - ſchmutzt und verwuͤſt hat, ſah des Narren Grobheit, daß er zu allen Dingen verderbt war, zog wieder heim, ſagt ihm ab. Alſo blieb er ein Narr nach wie vor und bruͤtelt junge Gaͤns noch auf dieſen Tag aus. Ich beſorg aber, wenn ſie ausſchliefen werden, ſo ſollten es wohl junge Narren ſeyn. Gott behuͤt uns.

33. Der geſtiefelte Kater.

Ein Muͤller hatte drei Soͤhne, ſeine Muͤh - le, einen Eſel und einen Kater; die SoͤhneK 2148mußten mahlen, der Eſel Getreide holen und Mehl forttragen und die Katz die Maͤuſe weg - fangen. Als der Muͤller ſtarb, theilten ſich die drei Soͤhne in die Erbſchaft, der aͤltſte bekam die Muͤhle, der zweite den Eſel, der dritte den Kater, weiter blieb nichts fuͤr ihn uͤbrig. Da war er traurig und ſprach zu ſich ſelbſt: ich hab es doch am allerſchlimmſten kriegt, mein aͤltſter Bruder kann mahlen, mein zweiter kann auf ſeinem Eſel reiten, was kann ich mit dem Kater anfangen? laß ich mir ein paar Pelz - handſchuhe aus ſeinem Fell machen, ſo iſts vorbei. Hoͤr, fing der Kater an, der alles verſtanden hatte, was er geſagt, du brauchſt mich nicht zu toͤdten, um ein paar ſchlechte Handſchuh aus meinem Pelz zu kriegen, laß mir nur ein paar Stiefel machen, daß ich aus - gehen kann und mich unter den Leuten ſehen laſſen, dann ſoll dir bald geholfen ſeyn. Der Muͤllersſohn verwunderte ſich, daß der Kater ſo ſprach, weil aber eben der Schuſter vorbei - ging, rief er ihn herein und ließ ihm ein paar Stiefel anmeſſen. Als ſie fertig waren, zog ſie der Kater an, nahm einen Sack, machte den Boden desſelben voll Korn, oben aber eine Schnur daran, womit man ihn zuziehen konnte, dann warf er ihn uͤber den Ruͤcken und ging auf zwei Beinen, wie ein Menſch, zur Thuͤr hinaus.

149

Dazumal regierte ein Koͤnig in dem Land, der die Rebhuͤhner ſo gern: es war aber eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der ganze Wald war voll, aber ſie waren ſo ſcheu, daß kein Jaͤger ſie erreichen konnte. Das wuß - te der Kater und gedacht ſeine Sache beſſer zu machen; als er in den Wald kam, thaͤt er den Sack auf, breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er ins Gras und leitete ſie hinter eine Hecke. Da verſteckte er ſich ſelber, ſchlich herum und lauerte. Die Rebhuͤhner ka - men bald gelaufen, fanden das Korn und eins nach dem andern huͤpfte in den Sack hinein. Als eine gute Anzahl darin war, zog der Ka - ter den Strick zu, lief herzu und drehte ihnen den Hals um; dann warf er den Sack auf den Ruͤcken und ging geradeswegs nach des Koͤnigs Schloß. Die Wache rief: halt! wo - hin. Zu dem Koͤnig, antwortete der Kater kurzweg. Biſt du toll, ein Kater zum Koͤnig? Laß ihn nur gehen, ſagte ein anderer, der Koͤnig hat doch oft lange Weil, vielleicht macht ihm der Kater mit ſeinem Brummen und Spinnen Vergnuͤgen. Als der Kater vor den Koͤnig kam, machte er einen Reverenz und ſagte: mein Herr, der Graf, dabei nannte er einen langen und vornehmen Namen, laͤßt ſich dem Herrn Koͤnig empfehlen und ſchickt ihm hier Rebhuͤhner, die er eben in150 Schlingen gefangen hat. Der Koͤnig erſtaun - te uͤber die ſchoͤnen fetten Rebhuͤhner, wußte ſich vor Freude nicht zu laſſen, und befahl dem Kater ſo viel Gold aus der Schatzkammer in den Sack zu thun, als er tragen koͤnne: das bring deinem Herrn und dank ihm noch viel - mal fuͤr ſein Geſchenk.

Der arme Muͤllersſohn aber ſaß zu Haus am Fenſter, ſtuͤtzte den Kopf auf die Hand und dachte, daß er nun ſein letztes fuͤr die Stiefeln des Katers weggegeben, und was werde ihm der großes dafuͤr bringen koͤnnen. Da trat der Kater herein, warf den Sack vom Ruͤcken, ſchnuͤrte ihn auf und ſchuͤttete das Gold vor den Muͤller hin: da haſt du etwas vor die Stiefeln, der Koͤnig laͤßt dich auch gruͤßen und dir viel Dank ſagen. Der Muͤller war froh uͤber den Reichthum, ohne daß er noch recht be - greifen konnte, wie es zugegangen war. Der Ka - ter aber, waͤhrend er ſeine Stiefel auszog er - zaͤhlte ihm alles, dann ſagte er: du haſt zwar jetzt Geld genug, aber dabei ſoll es nicht blei - ben, morgen zieh ich meine Stiefel wieder an, du ſollſt noch reicher werden, dem Koͤnig hab ich auch geſagt, daß du ein Graf biſt. Am andern Tag ging der Kater, wie er geſagt hat - te, wohl geſtiefelt, wieder auf die Jagd, und brachte dem Koͤnig einen reichen Fang. So ging es alle Tage, und der Kater brachte alle151 Tage Gold heim, und ward ſo beliebt wie ei - ner bei dem Koͤnig, daß er aus - und eingehen durfte und im Schloß herumſtreichen, wo er wollte. Einmal ſtand der Kater in der Kuͤche des Koͤnigs beim Heerd und waͤrmte ſich, da kam der Kutſcher und fluchte: ich wuͤnſch 'der Koͤnig mit der Prinzeſſin waͤr beim Henker! ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal trinken und Karte ſpielen, da ſoll ich ſie ſpa - zieren fahren an den See. Wie der Kater das hoͤrte, ſchlich er nach Haus und ſagte zu ſeinem Herrn: wenn du willſt ein Graf und reich werden, ſo komm mit mir hinaus an den See und bad dich darin. Der Muͤller wuß - te nicht, was er dazu ſagen ſollte, doch folg - te er dem Kater, ging mit ihm, zog ſich ſplin - ternackend aus und ſprang ins Waſſer. Der Kater aber nahm ſeine Kleider, trug ſie fort und verſteckte ſie. Kaum war er damit fertig, da kam der Koͤnig dahergefahren; der Kater fing ſogleich an, erbaͤrmlich zu lamentiren: ach! allergnaͤdigſter Koͤnig! mein Herr, der hat ſich hier im See gebadet, da iſt ein Dieb gekommen und hat ihm die Kleider geſtohlen, die am Ufer lagen, nun iſt der Herr Graf im Waſſer und kann nicht heraus, und wenn er laͤnger darin bleibt wird er ſich verkaͤlten und ſterben. Wie der Koͤnig das hoͤrte, ließ er Halt machen und einer von ſeinen Leuten muß -152 te zuruͤckjagen und von des Koͤnigs Kleidern holen. Der Herr Graf zog die praͤchtigſten Kleider an, und weil ihm ohnehin der Koͤnig wegen der Rebhuͤner, die er meinte von ihm empfangen zu haben, gewogen war, ſo mußte er ſich zu ihm in die Kutſche ſetzen. Die Prin - zeſſin war auch nicht boͤs daruͤber, denn der Graf war jung und ſchoͤn, und er gefiel ihr recht gut.

Der Kater aber war vorausgegangen und zu einer großen Wieſe gekommen, wo uͤber hun - dert Leute waren und Heu machten. Wem iſt die Wieſe, ihr Leute? fragte der Kater. Dem großen Zauberer. Hoͤrt, jetzt wird der Koͤnig bald vorbeifahren, wenn der fragt, wem die Wieſe gehoͤrt, ſo antwortet: dem Gra - fen; und wenn ihr das nicht thut, ſo werdet ihr alle todtgeſchlagen. Darauf ging der Kater weiter und kam an ein Kornfeld, ſo groß, daß es niemand uͤberſehen konnte, da ſtanden mehr als zweihundert Leute und ſchnit - ten das Korn. Wem iſt das Korn ihr Leu - te? Dem Zauberer. Hoͤr[t], jetzt wird der Koͤnig vorbeifahren, wenn er fraͤgt, wem das Korn gehoͤrt, ſo antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht thut, ſo werdet ihr alle todtgeſchlagen. Endlich kam der Kater an einen praͤchtigen Wald, da ſtanden mehr als dreihundert Leute, faͤllten die großen Ei -153 chen und machten Holz. Wem iſt der Wald, ihr Leute? Dem Zauberer. Hoͤrt, jetzt wird der Koͤnig vorbeifahren, wenn er fraͤgt, wem der Wald gehoͤrt, ſo antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht thut, ſo werdet ihr alle umgebracht. Der Kater ging noch weiter, die Leute ſahen ihm alle nach und weil er ſo wunderlich ausſah, und wie ein Menſch im Stiefeln daherging, fuͤrchteten ſie ſich vor ihm. Er kam bald an des Zauberers Schloß, trat kecklich hinein und vor ihn hin. Der Zauberer ſah ihn veraͤchtlich an, und fragte ihn, was er wolle. Der Kater machte einen Reverenz und ſagte: ich habe gehoͤrt, daß du in jedes Thier nach deinem Gefallen dich ver - wandeln koͤnnteſt; was einen Hund, Fuchs oder auch Wolf betrifft, da will ich es wohl glau - ben, aber von einem Elephant, das ſcheint mir ganz unmoͤglich, und deshalb bin ich gekommen und mich ſelbſt zu uͤberzeugen. Der Zaube - rer ſagte ſtolz: das iſt mir eine Kleinigkeit, und war in dem Augenblick in einen Elephant verwandelt; das iſt viel, aber auch in einen Loͤwen? Das iſt auch nichts, ſagte der Zauberer und ſtand als ein Loͤwe vor dem Ka - ter. Der Kater ſtellte ſich erſchrocken und rief: das iſt unglaublich und unerhoͤrt, dergleichen haͤtt 'ich mir nicht im Traume in die Gedan - ken kommen laſſen; aber noch mehr, als alles154 andere, waͤr es, wenn du dich auch in ein ſo kleines Thier, wie eine Maus iſt, verwandeln koͤnnteſt, du kannſt gewiß mehr, als irgend ein Zauberer auf der Welt, aber das wird dir doch zu hoch ſeyn. Der Zauberer ward ganz freund - lich von den ſuͤßen Worten und ſagte: o ja, liebes Kaͤtzchen, das kann ich auch und ſprang als eine Maus im Zimmer herum. Der Ka - ter war hinter ihm her, fing die Maus mit ei - nem Sprung und fraß ſie auf.

Der Koͤnig aber war mit dem Grafen und der Prinzeſſin weiter ſpatzieren gefahren, und kam zu der großen Wieſe. Wem gehoͤrt das Heu? fragte der Koͤnig dem Herrn Gra - fen riefen alle, wie der Kater ihnen be - fohlen hatte. Ihr habt da ein ſchoͤn Stuͤck Land, Herr Graf, ſagte er. Darnach kamen ſie an das große Kornfeld. Wem gehoͤrt das Korn, ihr Leute? Dem Herrn Grafen. Ei! Herr Graf! große, ſchoͤne Laͤndereien! Darauf zu dem Wald: wem gehoͤrt das Holz, ihr Leute? Dem Herrn Grafen. Der Koͤnig verwunderte ſich noch mehr und ſagte: Ihr muͤßt ein reicher Mann ſeyn, Herr Graf, ich glaube nicht, daß ich einen ſo praͤchtigen Wald habe. Endlich kamen ſie an das Schloß, der Kater ſtand oben an der Trep - pe, und als der Wagen unten hielt, ſprang er herab, machte die Thuͤre auf und ſagte: Herr155 Koͤnig, Ihr gelangt hier in das Schloß meines Herrn, des Grafen, den dieſe Ehre fuͤr ſein Lebtag gluͤcklich machen wird. Der Koͤnig ſtieg aus und verwunderte ſich uͤber das praͤch - tige Gebaͤude, das faſt groͤßer und ſchoͤner war, als ſein Schloß; der Graf aber fuͤhrte die Prinzeſſin die Treppe hinauf in den Saal, der ganz von Gold und Edelſteinen flimmerte.

Da ward die Prinzeſſin mit dem Grafen verſprochen, und als der Koͤnig ſtarb, ward er Koͤnig, der geſtiefelte Kater aber erſter Mi - niſter.

34. Hanſens Trine.

Hanſens Trine war faul und wollte nichts thun. Sie ſprach zu ſich ſelber: was thu 'ich? ich, oder ſchlaf ich, oder arbeit ich? Ach! ich will erſt eſſen! Als ſie ſich dick ſatt gegeſſen hatte, ſprach ſie wieder: was thu' ich? arbeit ich,[oder] ſchlaf ich? Ach! ich will erſt ein bischen ſchlafen. Dann leg - te ſie ſich hin und ſchlief, und wenn ſie auf - wachte, war es Nacht, da konnte ſie nicht mehr zur Arbeit ausgehen. Einmal kam der Hans Nachmittags nach Haus und fand die Trine wieder in der Kammer liegen und ſchlafen, da nahm er ſein Meſſer und ſchnitt ihr den Rock156 ab, bis an die Knie. Trine wachte auf und gedacht: nun willſt du zur Arbeit gehn. Wie ſie aber hinauskommt und ſieht, daß der Rock ſo kurz iſt, erſchrickt ſie, wird irr, ob ſie auch wirklich die Trine iſt, und ſpricht zu ſich ſel - ber: bin ichs oder bin ichs nicht? Sie weiß aber nicht, was ſie drauf antworten ſoll, ſteht eine Zeitlang zweifelhaftig, endlich denkt ſie: du willſt nach Haus gehen und fragen, ob dus biſt, die werdens ſchon wiſſen. Alſo geht ſie wieder zuruͤck, klopft ans Fenſter und ruft hinein: iſt Hanſens Trine drinnen? ; die andern antworten, wie ſie meinen: ja, die liegt in der Kammer und ſchlaͤft. Nun dann bin ichs nicht, ſagt die Trine vergnuͤgt, geht zum Dorf hinaus und kommt nicht wie - der, und Hans war die Trine los.

35. Der Sperling und ſeine vier Kinder.

Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbenneſt, wie ſie nun fluͤck waren, ſtoßen boͤſe Buben das Neſt ein; ſie kommen aber alle in Windbraus davon. Nun iſt dem Alten leide, weil ſeine Soͤhne in die Welt kommen, daß er ſie nicht zuvor vor allerlei Gefahr ver - warnet und ihnen gute Lehren fuͤrgeſagt habe.

157

Aufn Herbſt kommen in einem Weizen - acker viel Sperlinge zuſammen, allda trifft der Alte ſeine vier Jungen an, die fuͤhrt er mit Freuden mit ſich heim: ach, meine lieben Soͤhne, was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; hoͤret meine Worte, und fol - get eurem Vater, und ſehet euch wohl vor: kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit aus - zuſtehn! Darauf fraget er den aͤltern, wo er ſich den Sommer uͤber aufgehalten, und wie er ſich ernaͤhrt haͤtte? Ich habe mich in den Gaͤrten gehalten, Raͤuplein und Wuͤrmlein ge - ſucht, bis die Kirſchen reif wurden. Ach! mein Sohn, ſagte der Vater, die Schnabelweid iſt nicht boͤs, aber es iſt große Gefahr dabei, darum habe forthin deiner wohl Acht und ſon - derlich wenn Leut in Gaͤrten umher gehn, die lange gruͤne Stangen tragen, die inwendig hohl ſind und oben ein Loͤchlein haben. Ja, mein Vater, wenn denn ein gruͤn Blaͤtt - lein aufs Loͤchlein mit Wachs geklebt waͤre? ſpricht der Sohn. Wo haſt du das ge - ſehn? In eines Kaufmanns Garten, ſagt der Junge. O! mein Sohn, ſpricht der Vater, Kaufleut, geſchwinde Leut, biſt du um die Weltkinder geweſen, ſo haſt du Welt - geſchmeidigkeit genug gelernt, ſiehe und brauchs nur recht wohl, und trau dir nicht viele.

158

Darauf befragt er den andern: wo haſt du dein Weſen gehabt? Zu Hofe, ſpricht der Sohn. Sperling und alberne Voͤglein dienen nicht an dieſem Ort, da viel Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harniſch, Sperber, Kautzen und Blaufuͤß ſind, halt dich zum Roßſtall, da man den Haber ſchwingt, oder wo man driſchet, ſo kann dirs Gluͤck mit gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein be - ſcheeren. Ja Vater, ſagt dieſer Sohn, wenn aber die Stalljungen[Hebritzen] machen und ihr Maſchen und Schlingen ins Stroh binden, da[bleibt] auch mancher behenken. Wo haſt du das geſehn? ſagte der Alte. Zu Hof, beim Roßbuben. O! mein Sohn, Hofbuben, boͤſe Buben, biſt du zu Hof und um die Herren geweſen, und haſt keine Fe - dern da gelaſſen, ſo haſt du ziemlich gelernet, du wirſt dich in der Welt wohl wiſſen auszu - reißen, doch ſiehe dich um und auf; die Woͤlfe freſſen auch oft die geſcheidten Huͤndlein.

Der Vater nimmt den dritten auch vor ſich: wo haſt du dein Heil verſucht? Auf den Fahrwegen und Landſtraßen hab ich Kuͤbel und Seil eingeworfen und da bisweilen ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen. Dies iſt ja, ſagt der Vater, eine feine Nah - rung, aber merk gleich wohl auf die Schanz, und ſiehe fleißig auf, ſonderlich wenn ſich einer159 buͤcket, und einen Stein aufheben will, da iſt dir nicht lang zu bleiben. Wahr iſts, ſagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen Wand oder Handſtein im Buſen oder Taſche truͤge? Wo haſt du dies geſehn? Bei'n Bergleuten, lieber Vater, wenn ſie aus - fahren fuͤhren ſie gemeinlich Handſtein bei ſich. Bergleut, Werkleut, anſchlaͤgige Leut, biſt du um Bergburſchen geweſen, ſo haſt du was geſehen und erfahren.

Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl
gut Acht,
Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold
umbracht.

Endlich kommt der Vater an juͤngſten Sohn: Du mein liebes Gackenneſtle, du wareſt allzeit der alberſt und ſchwaͤcheſt, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤ - ſer Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein lauern, und ſie verſchlucken, halt dich zu dei - nesgleichen, und lies die Spinnlein und Raͤup - lein von den Baͤumen, oder Haͤuslein, ſo bleibſt du lang zufrieden. Du, mein lieber Va - ter, wer ſich naͤhrt ohn 'ander Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha - bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht ſchaden, wenn er zumal ſich und ſeine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treu -160 lich befiehlt, welcher aller Wald - und Dorf - voͤglein Schoͤpfer und Erhalter iſt, der auch der jungen Raͤblein Geſchrei und Gebet hoͤret, denn ohne ſeinen Willen faͤllt auch kein Sper - ling oder Schneekuͤnglein auf die Erde. Wo haſt du dies gelernt? Antwortet der Sohn: Wie mich der große Windbraus von dir wegriß, kam ich in ein Kirch, da las ich den Sommer die Fliegen und Spinnen von den Fenſtern ab, und hoͤret dieſe Spruͤch pre - digen, da hat mich der Vater aller Sperlinge den Sommer uͤber ernaͤhrt, und behuͤtet vor allem Ungluͤck und grimmigen Voͤgeln. Traun! mein lieber Sohn, fleuchſt du in die Kirchen und hilfeſt Spinnen und die ſumſen - den Fliegen aufraͤumen, und zirpſt zu Gott, wie die jungen Raͤblein, und befiehlſt dich dem ewigen Schoͤpfer, ſo wirſt du wohl bleiben, und wenn die ganze Welt voll wilder tuͤckiſcher Voͤgel waͤre.

Denn wer dem Herrn befiehlt ſeine Sach,
Schweigt, leidet, wartet, betet, braucht Glimpf,
thut gemach,
Bewahret Glaub und gut Gewiſſen rein,
Deß will Gott Schutz und Helfer ſeyn.
36.161

36. Von dem Tiſchgen deck dich, dem Goldeſel und dem Knuͤppel in dem Sack.

I.

Es war einmal ein Schuſter, der hatte drei Soͤhne und eine Ziege; die Soͤhne mußten ihm beim Handwerk helfen, und die Ziege muß - te ſie mit ihrer Milch ernaͤhren. Damit ſie nun alle Tage gut ſaftig Futter bekaͤm, ſollten die Soͤhne ſie der Reihe nach auf die Weide fuͤh - ren. Der aͤlteſte fuͤhrte ſie auf den Kirchhof, ließ ſie da herumſpringen und freſſen; am Abend, als er heim wollte, fragte er: Ziege, biſt du ſatt? die Ziege antwortete:

Ich bin ſo ſatt,
ich mag kein Blatt meh! meh!

Nun ſo komm nach Haus ſagte er, zog ſie in den Stall und band ſie feſt. Der alte Schuſter fragte ſeinen Sohn, ob die Ziege auch genug zu freſſen gekriegt haͤtte; der Sohn ant - wortete: ſie iſt ſo ſatt, ſie mag kein Blatt. Er wollte aber ſelbſt ſehen, ob das wahr ſey, ging in den Stall und fragte: Ziege, biſt du ſatt? die Ziege antwortete:

Kindermärchen. L162
Wovon ſollt ich ſatt ſeyn?
ich ſprang nur uͤber Graͤbelein,
und fand kein einzig Blaͤttelein: meh! meh!

Wie der Schuſter das hoͤrte, glaubte er ſein Sohn habe ihn belogen, ward zornig, ſprang hinauf, nahm ſeinen Stock von der Wand und pruͤgelte ihn fort. Tags darauf mußte der zweite Sohn die Ziege weiden, er fuͤhrte ſie unter lauter gute Kraͤuter, die fraß die Ziege alle ab. Am Abend fragte er: Zie - ge, biſt du ſatt?

Ich bin ſo ſatt,
ich mag kein Blatt meh! meh!

Nun ſo komm nach Haus, zog ſie in den Stall und ſagte dem Alten, die Ziege ſey ſatt und wohl gefuttert. Der Alte ging wie - der hinunter und fragte: Ziege biſt du ſatt?

Wovon ſollt ich ſatt ſeyn,
ich ſprang nur uͤber Graͤbelein
und fand kein einzig Blaͤttelein: meh! meh!

Der Schuſter ward zornig und pruͤgelte auch ſeinen zweiten Sohn zum Haus hinaus. Endlich mußte der dritte Sohn die Ziege auf die Weide fuͤhren. Der wollt ſich auch huͤten, und ſuchte das ſchoͤnſte Futter aus, die Ziege ließ auch nichts uͤbrig. Abends fragte er: Zie - ge biſt du ſatt.

Ich bin ſo ſatt,
ich mag kein Blatt meh! meh!
163

Nun ſo komm nach Haus damit zog er ſie in den Stall und verſicherte den Vater, daß ſie ſich ſatt gefreſſen. Der Alte aber ging wie - der hin: Ziege, biſt du ſatt?

Wie ſollt ich ſatt ſeyn?
ich ſprang nur uͤber Graͤbelein
und fand kein einzig Blaͤttelein meh! meh!

Da jagte er auch ſeinen dritten Sohn mit Schlaͤgen zum Haus hinaus.

Der Schuſter wollte nun ſelber ſeine Ziege auf die Weide treiben, band ſie an ein Seil und fuͤhrte ſie mitten unter die beſten Kraͤuter; die Ziege aber fraß darin den ganzen Tag. Abends fragte er: Ziege, biſt du ſatt?

Ich bin ſo ſatt,
ich mag kein Blatt meh! meh!

Nun ſo komm nach Haus ſagte er und zog ſie in den Stall, als er ſie feſtgeknuͤpft hatte, fragte er noch einmal: Ziege, du biſt doch ſatt? Die Ziege aber antwortete ihm, nun auch:

Wie ſollt ich ſatt ſeyn?
ich ſprang nur uͤber Graͤbelein
und fand kein einzig Blaͤttelein, meh! meh!

Wie der Schuſter das hoͤrte, da ſah er das er ſeine drei Soͤhne unſchuldig fortgejagt hatte, und ward uͤber die boshafte Ziege ſo zor - nig, daß er ſein Raſirmeſſer holte, ihr den gan - zen Kopf kahl ſcheerte und ſie fortpeitſchte.

L 2164

Der aͤlteſte Sohn war indeß zu einem Schreiner in die Lehr gegangen, und als ſeine Jahre herum waren, und er auf die Wander - ſchaft wollte, gab ihm dieſer ein Tiſchgen deck dich. Er brauchte nur zu ſagen: Tiſchgen deck dich! ſo war das Tiſchgen mit weißem Tuch ge - deckt, ein ſilberner Teller ſtand da, ſilberne Meſ - ſer und Gabel lagen dabei, vorn ein Criſtall - glas mit rothem Wein gefuͤllt, und rund herum die ſchoͤnſten Schuͤſſeln voll Eſſen. Damit zog er vergnuͤgt in die Welt, und wo er war, im Feld, im Wald oder in einer Wirthsſtube, wenn er ſein Tiſchgen hinſetzte und: Tiſchgen deck dich ſagte, ſo hatte er die praͤchtigſte Mahlzeit. Einmal kam er in ein Wirthshaus, wo die Gaͤſte ſchon alle verſammelt waren, ſie fragten ihn, ob er miteſſen wollte, er antwortete: nein aber ihr ſollt mit mir eſſen. Damit ſtellte er ſein Tiſchgen in die Stube, ſprach: Tiſchgen, deck dich! da ſtand es voll von dem koſtbarſten Eſſen und wenn eine Schuͤſſel abgehoben war, kam alsbald eine neue an ihre Stelle, und alle Gaͤſte wurden herrlich tractirt. Der Wirth ge - dachte, wenn du ein ſolches Tiſchgen haͤtteſt, waͤrſt du ein reicher Mann, und Nachts als der fremde Schreiner eingeſchlafen war, und ſein Tiſchgen in eine Ecke geſtellt hatte, holte er ein anderes, das ebenſo ausſah, und ſtellte es fuͤr das aͤchte hin. Am Morgen fruͤh ſtand der165 gute Geſelle auf, nahm ſein Tiſchgen deck dich auf den Ruͤcken, und merkte nicht, daß es ihm vertauſcht war. Er ging heim und ſagte zu ſeinem Vater: ſorgt nicht weiter und bekuͤmmert euch nicht ich habe ein Tiſchgen deck dich, da koͤnnen wir alle Tage im Ueberfluß leben. Der Vater freute ſich, und ließ die Verwandten einladen und wie alle beiſammen waren, ſetzte der Sohn ſein Tiſchgen mitten in die Stube und ſprach: Tiſchgen deck dich! Aber das Tiſchgen blieb leer nach wie vor, da ſah der Sohn, daß es ihm vertauſcht war, ſchaͤmte ſich; die Verwand - ten gingen ungetrunken und ungegeſſen fort und Vater und Sohn mußten wieder zum Handwerk greifen.

Der zweite Sohn war zu einem Muͤller gegangen, als er ausgelernt hatte, gab ihm die - ſer den Eſel Bricklebrit zum Geſchenk, ſo oft man zu ihm ſagte: Bricklebrit! ſo fing er an Ducaten auszuſpeien hinten und vorn. Mit dieſem Eſel kam er in dasſelbige Wirthshaus, wo ſeinem Bruder das Tiſchgen deck dich ge - ſtolen war. Er ließ ſich fuͤrſtlich tractiren, und wie die Rechnung kam, ging er in den Stall zu ſeinem Eſel und ſagte: Briklebrit! da hat - te er mehr Ducaten, als er brauchen konnte. Der Wirth aber hatte das mit angeſehen, ſtand auf in der Nacht, band das Goldeſelein los, und ſtellte ſeinen Eſel dafuͤr hin. Mit dieſem166 zog am Morgen der Muͤllerspurſch fort, und wußte nicht, daß er betrogen war. Als er heim kam zu ſeinem Vater, ſagte er auch: lebt lu - ſtig, ich hab das Eſelein Bricklebrit und ſo viel Gold, als ihr wuͤnſcht. Da ließ der Vater wieder alle Verwandten einladen, ein großes weißes Tuch ward mitten in die Stube ausge - breitet, der Eſel aus dem Stall geholt, und auf das Tuch geſtellt. Der Muͤller ſprach: Brick - lebrit! aber umſonſt, es kam kein Ducaten zum Vorſchein. Da ſah er, daß er betrogen war, ſchaͤmte ſich und trieb ſein Handwerk ſich zu ernaͤhren.

Der dritte Sohn war zu einem Drechsler gegangen, der ſchenkte ihm auf die Wander - ſchaft einen Sack mit einem Knuͤppel. So oft er ſprach: Knuͤppel, aus dem Sack! ſo ſprang der Knuͤppel heraus und tanzte unter den Leuten herum, und ſchlug ſie erbaͤrmlich. Der Drechsler aber hatte gehoͤrt, daß ſeine Bruͤder in einem Wirthshauſe ihre erworbene Schaͤtze verloren haͤtten: alſo zog er in daſſel - bige, ſagte, daß ſeine Bruͤder ein Tiſchgen deck dich, und den Eſel Bricklebrit bekommen, was er aber da in dem Sack mit ſich fuͤhre, das ſey noch koͤſtlicher und noch viel mehr werth. Der Wirth war neugierig, meinte aller guten Dinge waͤren drei, und wollt ſich in der Nacht den Schatz auch noch holen. Der Drechsler aber167 hatte ſeinen Sack unter ſein Kopfkiſſen gelegt, wie nun der Wirth kam und daran zog, ſprach er: Knuͤppel aus dem Sack, da fuhr der Knuͤp - pel aus dem Sack uͤber den Wirth her, tanzte mit ihm und pruͤgelte ihn ſo erbaͤrmlich, daß er gern verſprach das Tiſchgen deck dich und den Eſel Bricklebrit wieder herauszugeben. Da - mit zog nun der juͤngſte Sohn heim, brachte alles ſeinem Vater, und lebte mit ihm und ſei - nen Bruͤdern in Gluͤck und Freude.

Die Ziege aber war in eine Fuchshoͤhle ge - laufen. Wie nun der Fuchs heim kam, und in ſeine Hoͤhle guckte, funkelten ihm ein paar große Augen entgegen. Vor Schrecken lief er fort, da begegnete ihm der Baͤr und ſagte: Bru - der Fuchs, was machſt du fuͤr ein Geſicht? Ein grimmig Thier ſitzt in meiner Hoͤhle mit entſetzlichen feurigen Augen. Das will ich dir heraustreiben, ſagte der Baͤr, und ging zur Hoͤhle, wie er aber hinkam, und die Augen ſchimmern ſah, kriegte er auch Furcht, und lief wieder zuruͤck. Da kam eine Biene geflogen und fragte: was ſiehſt du ſo verdrießlich aus Baͤr? Es ſitzt ein grimmig Thier dem Fuchs in ſeiner Hoͤhle, das koͤnnen wir nicht verjagen. Die Biene ſagt: ich bin ein gerin - ges Thier, und ihr achtet mich nicht, vielleicht kann ich euch aber helfen. Fliegt darauf in die Fuchshoͤhle und ſticht die Ziege auf den plat -168 ten raſirten Kopf, da ſpringt ſie auf, ſchreit meh! meh! lauft fort, und niemand weiß bis auf den Tag, wo ſie hingelaufen iſt.

II.

Ein Schneider hatte drei Soͤhne, die wollt 'er nach einander in die Welt ſchicken, da ſoll - ten ſie was rechtſchaffenes lernen, und damit ſie nicht leer ausgingen, bekam jeder einen Pfann - kuchen, und einen Heller mit auf den Weg. Der aͤltſte zog aus und kam zu einem kleinen Mann, der wohnte in einer Nußſchale, war aber gewaltig reich. Er ſprach zu dem Schnei - der: wenn du meine Heerde an dem Berg weiden und huͤten willſt, ſollſt du ein gut Ge - ſchenk von mir haben; doch mußt du dich in Acht nehmen, vor einem Haus am Fuße des Bergs, da gehts luſtig zu, man hoͤrt immer Mu - ſik und Tanzgeſchrei, trittſt du einmal hinein, ſo iſts mit uns vorbei. Der Schneider wil - ligte ein, trieb die Heerde auf den Berg, huͤtete ſie fleißig blieb auch immer weit von dem Haus. Einmal aber, auf einen Sonntag hoͤrt' er, wie gar luſtig es darin war, dacht, einmal iſt kein - mal, ging hinein, tanzte, und war vergnuͤgt. Als er aber wieder heraus kam, war es Nacht und die ganze Heerde fort, da ging er mit ſchwerem Herzen zu ſeinem Herrn und geſtand ihm was er gethan. Der Herr in der Nuß -169 ſchale war gewaltig boͤs, doch weil er ſo lang ſeinen Dienſt ordentlich verſehen und weil er auch ſeinen Fehler offenherzig geſtanden, ſchenk - te er ihm ein Tiſchgen deck dich. Der Schnei - der war damit von Herzen zufrieden und mach - te ſich auf den Heimweg zu ſeinem Vater. Un - terwegs kam er in ein Wirthshaus, da ließ er ſich von dem Wirth eine beſondere Stube ge - ben, ſagte, er brauche kein Eſſen und ſchloß ſich ein. Der Wirth dachte, was mag der wunder - liche Gaſt vorhaben, ſchlich ſich hinauf, und guckte durch das Schluͤſſelloch, da ſah er wie der Fremde einen kleinen Tiſch vor ſich ſetzte, Tiſchgen deck dich! ſprach und alsbald das beſte Eſſen und Trinken vor ſich ſtehen hatte. Der Wirth meinte, das Tiſchen waͤr noch beſ - ſer fuͤr ihn ſelber, und in der Nacht, als der Fremde feſt ſchlief, holt 'er es heraus, und ſtellte ein anderes dahin, das ebenſo ausſah. Am Morgen zog der Schneider fort und merkte nichts von dem Betrug. Als er heim kam er - zaͤhlte er ſeinem Vater ſein Gluͤck, der war froh, und wollte gleich das Wunder probiren, allein alles Sprechen, Tiſchgen deck dich war umſonſt, es blieb leer, und der junge Schneider ſah nun, daß er beſtolen war.

Da bekam der zweite Sohn ſeinen Pfann - kuchen und Heller, ſollt in die Welt gehn und es beſſer machen. Er kam auch zu dem Herrn170 in der Nußſchale, diente ihm lange Zeit treu - lich, zuletzt aber ließ er ſich auch verleiten, ging in das Haus, machte ſich luſtig, tanzte und verlor die Heerde. Da mußte er ſeinen Ab - ſchied nehmen, der Herr aber ſchenkte ihm ei - nen Eſel, wenn er zu dem ſprach: ruͤttel und ſchuͤttel dich, wirf Gold hinter dich und vor dich da regnete es Gold von allen Seiten. Der Schneider ging vergnuͤgt nach Haus, im Wirthshaus aber vertauſchte ihm der Wirth den Eſel mit einem gemeinen und wie er nach Haus kam und ſeinen Vater reicher machen wollte, wars vorbei und er um ſein Gluͤck gebracht.

Endlich ward der dritte Sohn mit der Aus - ſtattung in die Welt geſchickt und der verſprachs beſſer zu machen. Er diente dem Herrn in der Nußſchale getreulich, und damit er nicht in das gefaͤhrliche Haus gerathe, verſtopfte er ſich die Ohren mit Baumwolle und als das Jahr her - um war, uͤberlieferte er ihm die ganze Heerde, und kein Stuͤck fehlte. Da ſagte der Herr: ich muß dich beſonders belohnen, da haſt du einen Ranzen darin ſteckt ein Knuͤppel, und ſo - bald du ſprichſt: Knuͤppel aus dem Ranzen, ſo ſpringt er heraus und weht die Leute durch und durch. Der Schneider machte ſich damit auf den Heimweg und kehrte bei dem Wirth ein, der ſeinen beiden Bruͤdern ihre Geſchenke abge -171 nommen. Er warf ſeinen Ranzen auf den Tiſch und erzaͤhlte von ſeinen Bruͤdern: der eine hat ein Tiſchgen deck dich, der andere einen Goldeſel mitgebracht, das iſt alles recht gut, aber nichts gegen das, was ich da im Ranzen habe, das kann die ganze Welt nicht bezahlen. Der Wirth ward neugierig und hoffte den Schatz auch noch zu kriegen. Als es Nacht ward, legte ſich der Schneider auf die Streu und ſeinen Ranzen legte er unter den Kopf. Der Wirth blieb auf und wartete, bis er dacht der Schneider ſchlafe feſt, da ging er herzu, holte einen andern Ranzen, und wollte dem Schneider ſeinen unter dem Kopf wegziehen. Der war aber wach geblieben, und als er die Hand des Wirths merkte, rief er: Knuͤppel aus dem Ranzen! Da ſprang der Knuͤppel heraus, auf den Wirth und pruͤgelte ihn ſo wichtig, daß er auf die Knie fiel und ſehr um Gnade ſchrie. Der Schneider ließ aber den Knuͤppel nicht eher ruhen, bis der Dieb das Tiſchgen deck dich und den Goldeſel heraus gab. Dann zog er mit den drei Wunderſtuͤk - ken heim und ſie lebten von nun an in Reich - thum und Gluͤckſeeligkeit, und der Vater ſag - te: meinen Pfannkuchen und meinen Heller hab ich nicht umſonſt ausgegeben!

172

37. Von der Serviette, dem Torniſter, dem Kanonenhuͤtlein und dem Horn.

Es waren drei Bruͤder aus dem Schwar - zenfelſiſchen, von Haus ſehr arm, die reiſten nach Spanien, da kamen ſie an einen Berg, der ganz von Silber umgeben war. Der aͤlteſte Bruder machte ſich bezahlt, nahm ſo viel als er nur tragen konnte,[und] ging mit ſeiner Beu - te nach Haus. Die andern zwei reiſten weiter fort und kamen zu einem Berg, wo nichts als Gold zu ſehen war. Nun ſprach der eine zu dem andern: wie ſollen wir es machen? und der zweite nahm ſich auch ſoviel Gold als er nur tragen konnte und ging nach Haus; der dritte aber wollte ſein Gluͤck noch beſſer verſu - chen und ging weiter fort. Nach drei Tagen kam er in einen ungeheuren Wald, da hatte er ſich muͤd gegangen, Hunger und Durſt plagten ihn, und er konnte nicht aus dem Wald heraus. Da ſtieg er auf einen hohen Baum und wollte ſehen, ob er Waldes Ende finden moͤgte, er ſah aber nichts als Baumſpitzen; da wuͤnſchte er nur noch einmal ſeinen Leib zu ſaͤttigen und begab ſich, von dem Baum herunter zu ſteigen. Als er herunter kam, erblickte er unter dem Baum einen Tiſch mit vielerlei Speiſe beſetzt,173 da ward er vergnuͤgt, nahte ſich dem Tiſch und ſich ſatt. Und als er fertig gegeſſen hatte, nahm er die Serviette mit ſich und ging wei - ter, und wenn ihn wieder Hunger und Durſt ankam, ſo deckte er die Serviette auf und was er wuͤnſchte, das ſtund darauf. Nach einer Tagreiſe kam er zu einem Koͤhler, der brannte Kohlen und kochte Kartoffeln. Der Koͤhler bat ihn zu Gaſt, er ſagte aber: ich will nicht bei dir eſſen, aber ich will dich zu Gaſt bitten, der Koͤhler fragte: wie iſt das moͤglich, ich ſehe ja nicht, daß du etwas bei dir haſt. Das thut nichts, ſetz 'dich nur her damit deckte er ſeine Serviette auf, da ſtand alles, was zu wuͤnſchen war. Der Koͤhler ließ ſichs gut ſchmecken und hatte großen Gefallen an der Serviette und als ſie abgegeſſen hatten ſag - te er: tauſch mit mir, ich geb dir fuͤr die Ser - viette einen alten Soldatentorniſter wenn du mit der Hand darauf klopfſt, kommt jedesmal ein Gefreiter und ſechs Mann Soldaten mit Ober - und Untergewehr heraus, die koͤnnen mir im Wald nichts helfen, aber die Serviette waͤr mir lieb. Der Tauſch ging vor ſich, der Koͤh - ler behielt die Serviette, der Schwarzenfelſer nahm den Torniſter mit. Kaum war er aber ein Stuͤck Wegs gegangen, ſo ſchlug er darauf, da kamen die Kriegshelden heraus: was ver - langt mein Herr? Ihr marſchirt hin174 und holet bei dem Koͤhler meine Serviette, die ich dort gelaſſen. Alſo gingen ſie zuruͤck und brachten ihm die Serviette wieder. Abends kam er zu einem andern Kohlenbrenner, der lud ihn wiederum zum Abendeſſen ein und hatte deßgleichen Kartoffeln ohne Fett. Der Schwar - zenfelſer aber deckte ſeine Serviette auf und bat ihn zu Gaſt, da war alles nach Wunſch. Als die Mahlzeit vorbei war, hielt auch dieſer Koͤhler um den Tauſch an, er gab fuͤr die Ser - viette einen Hut, drehte man den auf dem Kopf herum, ſo gingen die Canonen, als ſtuͤnd eine Batterie auf dem Flecken. Als der Schwar - zenfelſer ein Stuͤck Wegs fort war, klopfte er wieder auf ſeinen alten Ranzen, und der Ge - freite mit ſechs Mann mußte ihm die Serviet - te wieder holen. Nun ging es weiter fort in dem naͤmlichen Wald und er kam Abends zu dem dritten Koͤhler, der lud ihn, wie die andern auf ungeſchmelzte Kartoffeln, erhielt aber von ihm ein Tractament und vertauſchte ihm die Serviette fuͤr ein Hoͤrnchen, wenn man darauf blies, fielen alle Staͤdte und Dorfſchaften, wie auch alle Feſtungswerke uͤbern Haufen. Der Koͤhler behielt aber die Serviette nicht laͤnger als die andern, denn der Gefreite mit ſechs Mann kam bald und holte ſie ab. Wie nun der Schwarzenfelſer alles beiſammen hatte, kehr - te er um nach Haus, und wollt ſeine beiden175 Bruͤder beſuchen. Dieſe waren reich von ih - rem vielen Gold und Silber und wie er nun kam, einen alten zerriſſenen Rock anhabend, da wollten ſie ihn nicht fuͤr ihren Bruder erken - nen. Alſobald ſchlug er auf ſeinen Torniſter und ließ 150 Mann aufmarſchiren, die mußten ſeinen Bruͤdern die Hucke (den Buckel) recht vollſchlagen. Das ganze Dorf kam zu Huͤlfe, aber ſie richteten wenig aus bei der Sache; da ward es dem Koͤnig gemeldet, der ſchickte ein militaͤriſch Commando ab, dieſe Soldaten ge - fangen zu nehmen; aber der Schwarzenfelſer ſchlug in einem hin auf ſeinen Ranzen und ließ Infanterie und Cavallerie[aufmarſchiren], die ſchlugen das militaͤriſche Commando wieder[zuruͤck] an ſeinen Ort. Am andern Tag ließ der Koͤnig noch viel mehr Volk ausmarſchiren um den alten Kerl in Ruh zu ſetzen. Der aber ſchlug auf ſeinen Ranzen ſo lang bis eine ganze Armee herausgekommen, dazu drehte er ſeinen Hut ein paar mal, da gingen die Cano - nen und der Feind ward geſchlagen und in die Flucht gejagt. Da ward Friede geſchloſſen und er zum Vicekoͤnig gemacht, wie auch die Prin - zeſſin ihm zur Gemahlin gegeben.

Der Prinzeſſin aber lag es beſtaͤndig im Sinn, daß ſie ſo einen alten Kerl zum Gemahl nehmen muͤſſen und wuͤnſchte nichts mehr, als daß ſie ihn wieder los werden koͤnnte. Sie176 forſchte taͤglich in welchen Vortheilen ſeine Macht beſtehe, er war auch ſo treu und ent - deckte ihr alles. Da ſchwaͤzte ſie ihm ſeinen Ranzen ab und verſtieß ihn, und als darauf Soldaten gegen ihn marſchirten, war ſein Volk verloren, aber noch hatte er ſein Huͤtgen, da griff er daran und ließ die Kanonen gehen, ſo ſchlug er den Feind und ward wieder Friede gemacht. Darnach aber ließ er ſich wieder be - truͤgen und die Prinzeſſin ſchwaͤzte ihm ſein Huͤtchen ab. Und als nun der Feind auf ihn eindrang, hatte er nichts als ſein Hoͤrnchen, da blies er darauf, alsbald fielen Doͤrfer, Staͤd - te und alle Feſtungswerke uͤbern Haufen. Da war er Koͤnig allein und blieb, bis er geſtor - ben iſt.

38. Von der Frau Fuͤchſin.

I.

Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwaͤnzen, der wollte ſehen, ob ihm ſeine Frau treu waͤre, ſtreckte ſich unter die Bank und ſtellte ſich mauſetodt. Da ging die Frau Fuͤchſin hinauf in ihre Kammer, ſchloß ſich ein und ihre Magd die Katze ſaß auf dem Heerd und kochte. Als es nun bekannt wurde, daß der alte Fuchs geſtorben war, klopfte es an die Hausthuͤr: was177

was macht ſie Jungfer Katze?
ſchlaͤft ſe oder wacht ſe?

Da ging die Katze und machte auf: ein junger Fuchs ſtand haußen:

ich ſchlafe nicht, ich wache,
ich koche warm Bier und Butterlein,
will der Herr mein Gaſt ſeyn?

Nein ich bedanke mich, was macht die Frau Fuͤchſin?

ſie ſitzt auf ihrer Kammer,
beklagt ihren Jammer,
weint ihre Aeuglein ſeidenroth
weil der alte Herr Fuchs iſt todt.

Sag ſie, es waͤr ein junger Fuchs da, der wollte ſie gern freien!

Da ging die Katz die Tripp die Trapp,
da ſchlug die Thuͤr, die Klipp die Klapp:
Frau Fuͤchſin ſind ſie da?
ach ja mein Kaͤtzchen ja!
es iſt ein Freier draus.

Da ſprach die Frau Fuͤchſin:

mein Kind, wie ſieht er aus?

hat er denn auch neun ſo ſchoͤne Zeiſelſchwaͤn - ze, wie der ſelige Herr Fuchs? ach nein, er hat nur einen Schwanz. Da will ich ihn nicht haben.

Die Katz geht hinunter und ſchickt den Freier fort; bald darauf klopft es wieder an,Kindermärchen. M178und es iſt ein anderer Fuchs, der hat zwei Schwaͤnze, und es geht nun eben ſo, wie mit dem erſten. Darauf kommen andere, immer mit einem Schwanz mehr, bis zuletzt ein Freier mit neun Schwaͤnzen da iſt. Nunmehr ſpricht die Fuͤchſin zur Katze:

nun macht mir Thor und Thuͤr auf
und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus!

wie ſie aber eben Hochzeit halten wollen, kommt der alte Fuchs wieder, pruͤgelt das ganze Ge - ſindel zum Haus hinaus und jagt die Frau Fuͤchſin fort.

II.

Der alte Fuchs iſt geſtorben, ein Freier ein Wolf kommt vor die Thuͤr und klopft an:

guten Tag, Frau Katz von Kehrewitz,
wie kommts, daß ſie alleine ſitzt?
was macht ſie gutes da?

Katz.

Brock mir Weck und Milch ein,
will der Herr mein Gaſt ſeyn?

Wolf:

danke ſchoͤn; Frau Fuͤchſin nicht zu Haus?

Katze:

ſie ſitzt droben in der Kammer
beweinet ihren Jammer,
beweinet ihre große Noth,
daß der alte Herr Fuchs iſt todt.

Wolf.

Will ſie einen andern Mann han,
ſo ſoll ſie heruntergan.
Die Katz die lief die Trepp hinan,
179
und ließ ihr Zeilchen rummergan,
bis ſie kam vor den langen Saal,
klopft an mit ihren fuͤnf goldenen Ringen:
Frau Fuͤchſin iſt ſie drinnen?
will ſie einen andern Mann han,
ſo ſoll ſie nur heruntergan.

Fr. Fuͤchſin: hat der Herr rothe Hoͤslein an und ein ſpitz Maͤulchen? Katze. nein Fr. Fuͤchſin: ſo kann er mir nicht dienen.

Nun wird der Wolf abgewieſen, darauf kommt ein Hund, dem geht es eben ſo, ein Hirſch, ein Haſe, ein Baͤr, ein Loͤwe und alle Waldthiere. Aber denen fehlt immer etwas, was der alte Fuchs hatte, und die Katze muß ſie alle wegſchicken. Endlich kommt ein junger Fuchs: Fr. Fuͤchſin: hat der Herr rothe Hoͤslein an und ein ſpitz Maͤulchen?

Katze. ja. Fr. Fuͤchſin: ſo ſoll er heraufkommen.

Katz kehr die Stube aus
und ſchmeiß den alten Fuchs zum Fenſter naus!
bracht ſo manche dicke fette Maus ins Haus,
fraß ſie immer alleine,
gab mir aber keine.

Nun wird Hochzeit gehalten und getanzt, und wenn ſie nicht aufgehoͤrt haben zu tanzen, ſo tanzen ſie noch.

M 2180

39. Von den Wichtelmaͤnnern.

I. Von dem Schuſter, dem ſie die Arbeit gemacht.

Ein Schuſter war ſo arm geworden, daß er nichts mehr hatte, als das Leder fuͤr ein einziges paar Schuhe. Die ſchnitt er am Abend zu, legte ſich ins Bett und wollte ſie am andern Morgen in die Arbeit nehmen. Wie er aber aufgeſtanden iſt, und ſich zur Ar - beit ſetzen will, da ſtehen die beiden Schuhe ſchon fertig und ſchoͤn gemacht auf ſeinem Tiſch. Es kam auch bald ein Kaͤufer, der bezahlte ſie ſo gut, daß ſich der Schuſter Leder zu zwei paar Schuhen kaufen konnte, die ſchnitt er wieder Abends zurecht, und wie er ſie am an - dern Morgen arbeiten wollte, waren ſie eben ſo wohl ſchon fertig, und fuͤr das Geld, das er daraus loͤſte, konnte er Leder zu vier paar Schuhen kaufen, die aber ſtanden am dritten Morgen gemacht da. Und ſo gings weiter, ſo viel der Schuſter am Abend zugeſchnitten hat - te, ſo viel war am Morgen fertig, und er war bald wieder ein wohlhabender Mann.

Wie er ſich eines Abends kurz vor Weih - nachten zu Bett legen wollt, und wieder vieles zurecht geſchnitten hatte, ſprach er zu ſeiner181 Frau: wir wollen doch einmal aufbleiben und ſehen, wer in der Nacht unſere Arbeit thut. Alſo ſteckten ſie ein Licht an, verbargen ſich in den Stubenecken hinter die Kleider, die da auf - gehaͤngt waren und gaben Acht. Um Mitter - nacht kamen zwei kleine niedliche, nackte Maͤnn - lein, die ſetzten ſich an den Arbeitstiſch, nah - men alle zugeſchnittene Arbeit vor ſich, und ar - beiteten ſo unglaublich geſchwind und behend, daß der Schuſter vor Verwunderung die Au - gen nicht von ihnen abwenden konnte. Sie hoͤrten auch nicht auf, bis ſie alles fertig ge - macht hatten, dann ſprangen ſie fort und es war noch lange nicht Tag.

Die Frau aber ſprach zu ihrem Mann: die kleinen Maͤnner haben uns reich gemacht, wir muͤſſen uns dankbar beweiſen, ſie dauern mich, daß ſie ſo ohne Kleider herumgehen und frieren; ich will Hemder, Rock, Camiſol und Hoſen fuͤr ſie naͤhen, auch jedem ein paar Struͤmpfe ſtricken, mach du jedem ein paar kleine Schuhe. Der Mann war das zufrie - den, und wie alles fertig war, legten ſie es am Abend zurecht, ſie wollten auch ſehen, was die Maͤnnlein dazu machten und verſteckten ſich wieder. Die Kleinen kamen, wie gewoͤhnlich, um Mitternacht; wie ſie die Kleider da liegen ſahen, ſchienen ſie recht froͤhlich, mit der groͤß - ten Geſchwindigkeit zogen ſie ſich an, und als182 ſie fertig waren, huben ſie an zu huͤpfen, zu ſpringen, zu tanzen, und ſo tanzten ſie zur Thuͤr hinaus, und ſind nicht wieder gekommen.

II. Von einem Dienſtmaͤdchen, das Ge - vatter bei ihnen geſtanden.

Ein armes Dienſtmaͤdchen war fleißig und reinlich, und kehrte alle Tage dem Schmutz vor die Thuͤre auf einen großen Haufen. Eines Morgens fand es einen Brief darauf liegen, und weil es nicht leſen konnte, bracht es ihn ſeiner Herrſchaft, da war es eine Einladung von den Wichtelmaͤnnern an das Maͤdchen, es moͤchte ihnen ein Kind aus der Taufe heben. Das Maͤdchen beſann ſich, endlich auf vieles Zureden, daß man das nicht abſchlagen duͤrfe, ſagte es ja. Da kamen drei Wichtelmaͤnner und fuͤhrten es in einen hohlen Berg. Da war alles klein, aber ſo zierlich und praͤchtig, daß es nicht zu ſagen iſt; die Kindbetterin lag in einem Bett von ſchwarzem Ebenholz mit Knoͤpfen von Perlen, die Decken waren ganz golden, die Wiege von Elfenbein und die Wan - ne von Gold. Das Maͤdchen ſtand nun Ge - vatter und wollt darnach wieder fort, die Wich - telmaͤnnlein baten es aber, drei Tage bei ihnen zu bleiben. Die verlebt 'es in Freuden, und wie ſie herum ſind und es heim wollte, da ſteckten ſie ihm die Taſchen ganz voll Gold und183 fuͤhrten es wieder aus dem Berg. Und als es nach Haus kam, war es ſtatt drei Tage ein ganzes Jahr darin geweſen.

III. Von einer Frau, der ſie das Kind vertauſcht haben.

Einer Mutter war ihr Kind von den Wich - telmaͤnnern aus der Wiege geholt, und[ein] Wechſelbalg mit dickem Kopf und ſtarren Au - gen hineingelegt, der nichts als trinken und eſſen wollte. In ihrer Noth ging ſie zu ihrer Nachbarin und fragte ſie um Rath. Die ſag - te, ſie ſolle den Wechſelbalg in die Kuͤche tra - gen, auf den Heerd ſetzen, Feuer anmachen und in zwei Eierſchalen Waſſer kochen, das bringe den Wechſelbalg zum Lachen, und wenn er lache, dann ſey es aus mit ihm. Die Frau thut alles; wie ſie die Eierſchalen mit Waſſer uͤbers Feuer ſetzt, ſpricht der Klotzkopf:

nun bin ich ſo alt
wie der Weſterwald
und hab nicht geſehen, daß jemand in Scha -
len kocht!

und muß daruͤber lachen, und wie er lacht kommt auf einmal eine Menge von Wichtel - maͤnnerchen, die bringen das rechte Kind, ſetzen es auf den Heerd, und nehmen ihren Geſellen mit fort.

184

40. Der Raͤuberbraͤutigam.

Eine Prinzeſſin war mit einem Prinzen verſprochen, der bat ſie mehrmals, ſie moͤchte ihn doch einmal in ſeinem Schloß beſuchen, allein weil der Weg durch einen großen Wald fuͤhrte, ſo lehnte ſie es immer ab, aus Furcht ſich darin zu verirren. Wenn das ihre Sorge waͤre, ſagte der Prinz, ſo wollte er ſchon hel - fen, und an jeden Baum ein Band binden, daß ſie den Weg gar nicht fehlen koͤnnte; eine Zeitlang ſuchte ſie es dennoch aufzuſchieben, als ob es ihr heimlich gegraut haͤtte, endlich aber gingen ihr alle Ausreden aus, und ſie mußte ſich eines Tags auf die Reiſe machen. Von Morgen bis zu Abend ging ſie durch ei - nen langen, langen Wald, und kam endlich vor ein großes Haus, alles war ſtill darin, bloß eine alte Frau ſaß vor der Thuͤre. Kann ſie mir nicht ſagen, ob hier der Prinz mein Braͤutigam wohnt? Gut, mein Kind, ant - wortete die Frau, daß ihr jetzt kommt, da der Prinz nicht zu Haus iſt; ich habe Waſſer muͤſ - ſen tragen in einen großen Keſſel, da wollen ſie euch umbringen, kochen und hernach eſſen.

Indem kam der Prinz mit ſeinen Spitz - buben vom Raub heim, weil aber die Alte mit185 der Jugend und Schoͤnheit der Braut Mitleid hatte, ſagte ſie, eh jemand darauf merkte: ge - ſchwind hinunter in den Keller, hinter das gro - ße Faß, da verſteckt euch! Kaum war die Prin - zeſſin dahinter gewiſcht, ſo kommen auch die Raubgeſellen in den Keller gegangen und fuͤhr - ten eine alte Frau mit ſich gefangen, die Prin - zeſſin ſah wohl, daß es ihre Großmutter war, denn aus ihrer Ecke heraus konnte ſie alles mit anſchauen, was da vorging, ohne daß ſie von einem Auge bemerkt wurde. Die Spitz - buben nahmen die alte Großmutter, ermorde - ten ſie und zogen ihr alle Ringe von den Fin - gern, einen nach dem andern ab, nur aber der Ring vom Goldfinger, der wollte nicht herun - ter, da griff einer ein Beil und hieb den Fin - ger ab, der Finger aber ſprang hinters Faß und fiel gerade in den Schooß der Prinzeſſin. Nachdem die Spitzbuben lange vergebens um den Finger herum geſucht haben, fing endlich einer an: habt ihr wohl ſchon hinterm großen Faß geſucht? Laßt lieber das Suchen bei Lichte ſeyn, ſagte ein anderer, morgen fruͤh wol - len wir ſuchen, da werden wir den Ring bald haben.

Hierauf legten ſich die Spitzbuben in dem - ſelben Keller zum Schlaf nieder, und wie ſie ſchliefen[und] ſchnarchten, ging die Braut hin - term Faß hervor, da lagen ſie alle reihenweiſe,186 und ſie mußte uͤber all die Schlafenden[wegge - hen], bis zur Thuͤre. Behutſam ſetzte ſie im - mer ihren Fuß in die Zwiſchenraͤume, und im - mer war ihr bang, ſie moͤchte einen aufwecken, allein es geſchah zum Gluͤck nicht, und als ſie die Thuͤre erreicht hatte und in dem Wald wie - der war, folgte ſie den Baͤndern, denn der Mond ſchien ganz hell, ſo lange bis ſie wieder nach Haus gelangte.

Ihrem Vater erzaͤhlte ſie nun alles, was ihr begegnet war, der gab gleich Befehl, ein ganzes Regiment ſollte das Schloß umzingeln, ſobald der Braͤutigam eintraͤfe. Dieſes ge - ſchah, der Braͤutigam kam desſelben Tags und fragte gleich: warum ſie denn geſtern nicht zu ihm gekommen waͤre, wie ſie doch verſprochen gehabt haͤtte? So ſprach ſie: ich habe einen ſo ſchweren Traum gehabt; mir traͤumte, ich kaͤme in ein Haus, da ſaß eine alte Frau vor der Thuͤre, welche zu mir ſprach: wie gut iſt es doch fuͤr euch, mein Kind, daß ihr jetzt kommt, dieweil niemand zu Haus iſt, denn ich muß es euch nur ſagen, ich habe da Waſſer tragen muͤſſen in einen großen Keſſel, da wol - len ſie euch umbringen, ſieden und hernach eſſen. Und wie ſie noch ſo ſprach, kamen die Spitz - buben heim, da ſagte die Alte, eh mich jemand merkte, geſchwind hinunter in den Keller, ver - ſteckt euch hinter das große Faß, kaum aber187 war ich dahinter, ſo kamen die Spitzbuben auch die Kellertreppe hinabgegangen, und ſchleppten eine alte Frau mit ſich, die ergriffen und mor - deten ſie. Und als ſie die alte Frau ermordet hatten, fingen ſie an, und zogen ihr alle Ringe von den Fingern, einen nach dem andern, nur der Ring am Goldfinger wollte nicht herunter - gehen, da griff einer zum Beil und hieb dar - auf, daß der Finger in die Hoͤhe ſprang, und kam gerade hinters Faß geſprungen in meinen Schooß, und hier hab ich den Finger! bei welchen Worten ſie ihn ploͤtzlich aus der Taſche zog.

Wie der Braͤutigam das ſah und hoͤrte, wurde er kreideweiß vor Schrecken, dachte alſo - bald zu entfliehen, und ſprang zum Fenſter hin - aus. Unten aber ſtand Wache, die fing ihn und ſeine ganze Bande auf, und alle wurden hingerichtet zum Lohn fuͤr ihre Bubenſtuͤcke.

41. Herr Korbes.

Es war einmal ein Huͤhnchen und Haͤhn - chen, die wollten zuſammen verreiſen, da baute das Haͤhnchen einen ſchoͤnen Wagen mit vier rothen Raͤdern, und ſpannte vier Maͤuschen da - vor, dann ſetzte ſich das Huͤhnchen mit dem Haͤhnchen auf, und ſo fuhren ſie fort. Da be -188 gegnete ihnen eine Katze, die ſprach: wo wollt ihr hin? da antwortete das Hahnchen:

als hinaus
nach dem Herrn Korbes ſeinem Haus.

Die Katze ſprach: nehmt mich auch mit. Das Haͤhnchen antwortete: recht gern, ſetz dich hin - ten auf, daß du vornen nicht herabfaͤllſt:

nehmt euch wohl in Acht,
daß ihr mir meine rothe Raͤderchen nicht
ſchmutzig macht.
Ihr Raͤderchen ſchweift!
Ihr Maͤuschen pfeift!
als hinaus
nach des Herrn Korbes ſeinem Haus.

So kam nach und nach ein Muͤhlſtein, ein Ei, eine Ente, eine Stecknadel und eine Naͤhnadel, die ſetzten ſich auch alle auf den Wagen, wie ſie aber zu des Herrn Korbes ſeinem Haus ka - men, war der Herr Korbes nicht da. Die Maͤuschen fuhren den Wagen in die Remiſe, das Huͤhnchen flog mit dem Haͤhnchen auf eine Stange, die Katze ſetzte ſich ins Kamin, die Ente in die Bornſtande, die Stecknadel ſich ins Stuhlkiſſen, die Naͤhnadel ins Bett ins Kopf - kiſſen, der Muͤhlenſtein legte ſich uͤber die Thuͤ - re, und das Ei wickelte ſich in das Handtuch. Da kam der Herr Korbes nach Haus, ging ans Kamin und wollte Feuer anmachen, da warf ihm die Katze das ganze Geſicht voll Aſche; er189 ging geſchwind in die Kuͤche und wollte ſich ab - waſchen, wie er an die Bornſtande kam, ſpruͤtz - te ihm die Ente Waſſer ins Geſicht, als er ſich abtrocknen wollte, rollte ihm das Ei aus dem Handtuch entgegen, ging entzwei und klebte ihm die Augen zu; er wollte ſich ruhen und ſetzte ſich auf den Stuhl, da ſtach ihn die Steck - nadel, daruͤber wurde er ganz verdrießlich und ging ins Bett und wie er den Kopf aufs Kiſ - ſen niederlegte, da ſtach ihn die Naͤhnadel; da ward er ſo boͤs und toll, daß er zum Haus hinaus laufen wollte, wie er aber an die Thuͤre kam, ſprang der Muͤhlſtein herunter und ſchlug ihn todt.

42. Der Herr Gevatter.

Ein armer Mann hatte ſchon viel Kinder, ſo daß er alle Welt zu Gevatter gebeten hatte, und als er noch eins bekam, wußte er nicht, wen er noch zu Gevatter bitten koͤnne, da wur - de er ſehr betruͤbt und legte ſich hin und ſchlief ein. Da traͤumte ihm, er ſolle vor das Thor gehen, und den erſten, der ihm begegne, den ſolle er zu Gevatter bitten. Das that der Mann, da begegnete ihm einer, den bat er zum Ge - vatter und der ſchenkte ihm ein Glaͤschen mit Waſſer, damit kannſt du alle Kranke curiren,190 wenn der Tod beim Kopf ſteht, ſteht er aber bei den Fuͤßen, ſo muß der Kranke ſterben. Nun wurde des Koͤnigs Kind krank, und der Tod ſtand beim Kopf, da curirte ers mit dem Waſſer, und das zweitemal, als es krank wur - de, da machte ers wieder geſund, weil der Tod wieder beim Kopf ſtand, das dritte mal aber ſtand er bei den Fuͤßen, da mußte es ſterben.

Da ging der Mann zu ſeinem Gevatter und wollte es ihm alles erzaͤhlen, und als er im Haus auf die erſte Treppe kam, ſo ſtanden da die Schippe und der Beſen, und ſchmiſſen ſich. Da fragte er ſie, wo der Gevatter woh - ne; der Beſen ſagte: eine Treppe hoͤher. Wie er auf die zweite Treppe kam, ſah er eine Menge todter Finger liegen. Da fragte er wie - der, wo der Gevatter wohne? eine Treppe hoͤ - her. Auf der dritten Treppe lag ein Haufen todter Koͤpfe die ſagten wieder: eine Treppe hoͤher. Auf der vierten ſah er Fiſche uͤber dem Feuer ſtehen, die britzelten im Kochen und backten ſich ſelber. Sie ſagten auch: eine Treppe hoͤher. Wie er auf die fuͤnfte kam da war eine Stube, da guckte er durch das Schluͤſſelloch, und ſah den Gevatter, der ein paar lange, lange Hoͤrner auf hatte, und als er hineinging, legte er ſie geſchwind aufs Bett und deckte ſie zu. Da ſprach der Mann: Herr Gevatter, wie ich auf eure erſte191 Treppe kam, da ſah ich eine Schippe und ei - nen Beſen ſtehen, die ſich ſchmiſſen wie ſeid ihr ſo einfaͤltig, antwortete der Gevatter, das waren der Knecht und die Magd, die ſpra - chen zuſammen. Auf der zweiten Treppe ſah ich todte Finger liegen. Ei, wie ſeid ihr dumm, das waren Skorzenerwurzel. Auf der dritten lag ein Haufen Todtenkoͤpfe. Dummer Mann, das waren Krautkoͤpfe. Auf der vierten ſah ich Fiſche im Koch - topf, die britzelten und kochten ſich ſelber. Wie er das Wort ſprach, kamen die Fiſche und tru - gen ſich ſelber auf und auf der fuͤnften guckte ich durchs Schluͤſſelloch, da ſah ich, daß ihr lange, lange Hoͤrner hattet Ei, das iſt nicht wahr.

43. Die wunderliche Gaſterei.

Auf eine Zeit lebte eine Blutwurſt und ei - ne Leberwurſt zuſammen, und die Blutwurſt bat die Leberwurſt zu Gaſt. Wie es Eſſenszeit war, ging die Leberwurſt ganz vergnuͤgt zu der Blutwurſt, als ſie aber in die Hausthuͤre trat, ſah ſie allerlei wunderliche Dinge, auf jeder Stiege der Treppe, deren viele waren, immer etwas anderes, da war ein Beſen und eine Schippe, die ſich miteinander ſchlugen, dann ein192 Affe mit einer großen Wunde am Kopf und dergleichen mehr.

Die Leberwurſt war ganz erſchrocken und beſtuͤrzt daruͤber, doch nahm ſie ſich ein Herz ging in die Stube und wurde von der Blut - wurſt freundſchaftlich empfangen. Die Leber - wurſt hub an, ſich nach den ſeltſamen Dingen zu erkundigen, die draußen auf der Treppe waͤ - ren, die Blutwurſt that aber, als hoͤrte ſie es nicht, oder als ſey es nicht der Muͤhe werth davon zu ſprechen, oder ſie ſagte etwa von der Schippe und Beſen: es wird meine Magd ge - weſen ſeyn, die auf der Treppe mit jemand ge - ſchwaͤtzt, und brachte die Rede auf etwas anderes.

Die Blutwurſt ging darauf hinaus, und ſag - te, ſie muͤſſe in der Kuͤche nach dem Eſſen ſehen, ob alles ordentlich angerichtet werde, und nichts in die Aſche geworfen. Wie die Leberwurſt der - weil in der Stube auf und abging, und immer die wunderlichen Dinge im Kopf hatte, kam je - mand, ich weiß nicht, wers geweſen iſt, herein und ſagte: ich warne dich, Leberwurſt, du biſt in einer Blut - und Moͤrderhoͤhle, mach dich ei - lig fort, wenn dir dein Leben lieb iſt. Die Leberwurſt beſann ſich nicht lang, ſchlich die Thuͤr hinaus und lief, was ſie konnte, ſie ſtand auch nicht eher ſtill, bis ſie aus dem Haus mit - ten auf der Straße war. Da blickte ſie ſichum193um, und ſah die Blutwurſt oben im Bodenloch ſtehen mit einem langen, langen Meſſer, das blinkte, als waͤrs friſch gewetzt, damit drohte ſie, und rief herab: haͤtt ich dich, ſo wollt ich dich!

44. Der Gevatter Tod.

Es war einmal ein armer Mann, der hatte ſchon zwoͤlf Kinder, wie das dreizehnte geboren wurde, wußte er ſich nicht mehr zu helfen, und lief in ſeiner Noth hinaus in den Wald. Da begegnete ihm der liebe Gott und ſagte: du dauerſt mich, armer Mann, ich will dir dein Kind aus der Taufe heben und fuͤr es ſorgen, da wird es gluͤcklich auf Erden. Der Mann antwortete: ich will dich nicht zum Gevatter, du giebſt den Reichen und laͤßt die Armen hun - gern; damit ließ er ihn ſtehen und ging wei - ter. Bald darauf begegnet ihm der Tod, der ſprach gleichfalls zu ihm: ich will dein Gevat - tersmann werden, und dein Kind heben; wenn es mich zum Freund hat, da kanns ihm nicht fehlen, ich will es zu einem Doctor machen. Der Mann ſagte: das bin ich zufrieden, du machſt keinen Unterſchied und holſt den Reichen wie den Armen; morgen iſt Sonntag, da wirdKindermärchen. N194das Kind getauft, ſtell dich nur zu rechter Zeit ein.

Am andern Morgen kam der Tod und hielt das Kind uͤber die Taufe. Nachdem es groß geworden war, kam er einmal wieder, und nahm ſeinen Pathen mit in den Wald; da ſprach er zu ihm: jetzt ſollſt du ein Doctor werden; du brauchſt nur Acht zu geben, wenn du zu ei - nem Kranken gerufen wirſt und du ſiehſt mich zu ſeinem Haupte ſtehen, ſo hats nichts zu ſa - gen, laß ihn dann an dieſer Flaſche riechen und ſalb ihm die Fuͤße damit, ſo wird er bald wieder geſund ſeyn; ſteh ich aber zu den Fuͤ - ßen, dann iſts aus, dann will ich ihn haben, und unterſteh dich nicht eine Cur anzufangen. Damit gab der Tod ihm die Flaſche, und er ward ein beruͤhmter Doctor; er brauchte nur den Kranken zu ſehen, ſo ſagt 'er ſchon voraus ob er wieder geſund werde oder ſterben muͤſſe. Einmal ward er zum Koͤnig gerufen, der an ei - ner ſchweren Krankheit darnieder lag; wie der Doctor eintrat, ſah er den Tod zu den Fuͤßen des Koͤnigs ſtehen, und da konnte ſeine Flaſche nichts mehr helfen. Doch fiel ihm ein, er woll - te den Tod betruͤgen, packte alſo den Koͤnig an, und legte ihn[verkehrt], ſo daß der Tod an ſeinem Haupte zu ſtehen kam; es gluͤckte und der Koͤ - nig wurde geſund. Wie der Doctor aber wie - der zu Haus war, kam der Tod zu ihm, machte195 ihm boͤſe grimmige Geſichter und ſagte: wenn du dich noch einmal unterſtehſt mich zu betruͤ - gen, ſo dreh ich dir den Hals um. Bald dar - nach ward des Koͤnigs ſchoͤne Tochter krank, niemand auf der Welt konnte ihr helfen, der Koͤnig weinte Tag und Nacht, endlich ließ er bekannt machen, wer ſie curiren koͤnne, der ſolle ſie zur Belohnung haben. Da kam der Doc - tor und ſah den Tod zu den Fuͤßen der Prin - zeſſin ſtehen, doch weil er vor ihrer Schoͤnheit ganz in Erſtaunen war, vergaß er alle War - nung, drehte ſie herum und ließ ſie an der hei - lenden Flaſche riechen und ſalbte ihr die Fuß - ſohlen daraus. Kaum war er wieder zu Haus, da ſtand der Tod mit einem entſetzlichen Ge - ſicht vor ihm packte ihn, und trug ihn in eine unterirdiſche Hoͤhle, worin viel tauſend Lichter brannten. Siehſt du, ſagte der Tod, das ſind alle Lebende, und hier das Licht, das nur noch ein wenig brennt und gleich ausloͤſchen will, das iſt dein Leben; huͤt' dich!

45. Des Schneiders Daumerling Wan - derſchaft.

Ein Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen und nicht groͤßer als ein Dau - men, darum hieß er der Daumerling. Er hatteN 2196aber Courage im Leibe und ſagte zu ſeinem Va - ter: Vater, ich will auf die Wanderſchaft ge - hen. Recht, mein Sohn, ſprach der Al - te, nahm eine Stopfnadel und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran: da haſt du auch einen Degen mit auf den Weg. Das Schneiderlein zog aus in die Welt und kam zuerſt bei einem Meiſter in die Arbeit, da war ihm aber das Eſſen nicht gut genug. Frau Meiſterin, wenn ſie uns kein beſſer Eſſen giebt, ſagte der Daumerling, ſchreib ich morgenfruͤh mit Kreide an ihre Hausthuͤre: Kartoffel zu viel, Fleiſch zu wenig, Adies, Herr Kartoffel - koͤnig! und gehe fort. Was willſt du wohl, du Huͤpferling, ſagte die Meiſterin, ward boͤs, ergriff einen Lappen und wollte ihn ſchla - gen, mein Schneiderlein kroch behend unter den Fingerhut, guckte unten hervor und ſtreckte der Frau Meiſterin die Zunge heraus. Sie hob den Fingerhut auf, aber der Daumerling huͤpf - te in die Lappen und wie die Meiſterin die auseinander warf und ihn ſuchte, machte er ſich in den Tiſchritz: he! he! Frau Meiſterin. rief er und ſteckte den Kopf in die Hoͤhe, und wenn ſie zuſchlagen wollte, ſprang er immer in die Schublade hinunter. Endlich aber er - wiſchte ſie ihn doch, und jagte ihn zum Haus hinaus.

Das Schneiderlein wandert und kam in197 einen großen Wald, da begegnete ihm ein Hau - fen Raͤuber, die wollten des Koͤnigs Schatz be - ſtehlen; und als ſie das Schneiderlein ſehen, denken ſie, der kann uns viel nuͤtzen, reden es an, ſagen, es ſey ein tuͤchtiger Kerl, es ſolle mit zur Schatzkammer gehen, ſich hineinſchlei - chen und ihnen das Geld herauswerfen. Es laͤßt ſich drauf ein, geht zu der Schatzkammer und beſieht die Thuͤre, ob kein Ritzen darin; gluͤcklicherweiſe findet es bald einen und will einſteigen, da ſagt die Schildwache zur andern: was kriecht da fuͤr eine garſtige Spinne? die muß man todt treten. Ei, laß ſie doch gehen, ſagte die andere, ſie hat dir ja nichts gethan. So kam der Daumerling in die Schatzkammer, ging an das Fenſter, vor dem die Raͤuber ſtanden und warf ihnen einen Tha - ler nach dem andern hinaus. Wie der Koͤnig ſeine Schatzkammer beſah, fehlte ſo viel Geld, kein Menſch aber konnte begreifen, wer es ſoll - te geſtohlen haben, da alle Schloͤſſer gut ver - wahrt waren. Der Koͤnig ſtellte Wachen da - bei, die hoͤrten es in dem Geld rappeln, gin - gen hinein und wollten den Dieb greifen. Das Schneiderlein ſetzte ſich in der Ecke unter einen Thaler und rief: hier bin ich! die Wachen liefen dahin, indeß ſprang es in eine andere Ecke, und wie die dort ankamen, ſchrie es da: hier bin ich! die Wachen liefen zuruͤck, es198 huͤpfte aber wieder in eine andere Ecke und rief: hier bin ich! Und ſo hatte es ſie zum Narren und trieb es ſo lange, bis ſie muͤd wa - ren, und davon gingen. Der Daumerling warf nun die Thaler nach und nach alle hinaus und auf den letzten ſetzte er ſich ſelber, und flog da - mit durchs Fenſter hinunter. Die Raͤuber lob - ten ihn gewaltig, und haͤtten ihn zu ihrem Hauptmann gemacht, wenn er gewollt haͤtte, darauf theilten ſie die Beute; das Schneider - lein kann aber nicht mehr nehmen als einen Kreuzer, weil es nicht mehr bei ſich tragen kann.

Darauf nahm es den Weg wieder zwiſchen die Beine, und endlich, weils mit dem Hand - werk ſchlecht ging, verdingte es ſich als Haus - knecht in einem Gaſthof. Die Maͤgde konnten es aber nicht leiden, weil es alles ſah, was ſie im Haus heimlich hielten, ohne daß ſie es merk - ten, und ſie darnach angab, und haͤtten ihm gern einen Schabernack angethan. Als es daher einmal in der Wieſe ſpazieren ging, wo eine maͤhte, maͤhte ſie es mit dem Gras zuſammen, und warf es daheim den Kuͤhen vor, und die ſchwarze ſchluckte es mit hinunter. Der Dau - merling war nun in der Kuh eingeſperrt, und hoͤrte Abends ſprechen, daß ſie ſollte geſchlach - tet werden. Da war ſein Leben in Gefahr und er rief: ich bin hier? Wo biſt199 du? In der ſchwarzen. Er ward aber unrecht verſtanden und die Kuh geſchlachtet; gluͤcklicher Weiſe traf ihn kein Hieb, und er kam unter das[Wurſtfleiſch]. Wie das nun ſoll - te gehackt werden, rief er: hackt nicht zu tief! hackt nicht zu tief! ich ſtecke darunter! Vor dem Laͤrmen aber hoͤrte das kein Menſch, doch ſprang er ſo behend zwiſchen den Hackmeſſern durch, daß ihm keins was ſchadete, aber ent - ſpringen konnte er nicht, und ward in eine Blutwurſt gefuͤllt. Mit der ward er in den Schornſtein zum Raͤuchern aufgehaͤngt, und mußte haͤngen, bis im Winter, wo die Wurſt ſollte gegeſſen werden, und wie ſein Quartier aufgeſchnitten ward, ſprang er heraus und lief davon.

Das Schneiderlein wanderte wieder, da kam es aber einem Fuchs in den Weg, der ſchnappte es auf: Herr Fuchs, rief es, ich bin hier, laßt mich frei. Ja, ſagte der Fuchs, an dir hab ich doch nicht viel: wenn du machſt, daß dein Vater mir alle ſeine Huͤner im Hof giebt. Das gelobte es, und da trug es der Fuchs heim, und kriegte alle Huͤner im Hof; das Schneiderlein aber brachte ſeinem Vater ſei - nen erworbenen Kreuzer von der Wanderſchaft mit.

Warum hat aber der Fuchs die armen Piephuͤner zu freſſen kriegt? Ei, du200 Narr, deinem Vater wird ja ſein Kind lieber ſeyn, als die Huͤner!

46. Fitchers Vogel.

Es war einmal ein Hexenmeiſter, der war ein Dieb und ging in der Geſtalt eines armen Mannes vor die Haͤuſer und bettelte. Da kam ein Maͤdchen vor die Thuͤre, und brachte ihm ein Stuͤck Brod; er ruͤhrte das Maͤdchen nur an, da mußte es in ſeine Koͤtze ſpringen. Dann trug er es fort und brachte es in ſein Haus, da war alles praͤchtig, und er gab ihm alles, was es wuͤnſchte. Darnach ſprach er einmal: ich habe auswaͤrts zu thun, und muß nothwendig verreiſen, da haſt du ein Ei, das heb ſorgfaͤltig auf und trag es beſtaͤndig bei dir, und da haſt du auch einen Schluͤſſel, aber geh nicht in die Stube, die er aufſchließt, bei Lebensſtrafe. Wie er aber fort war, ging ſie doch hin und ſchloß die Stube auf, und wie ſie hineintrat, ſah ſie in der Mitte ein großes Becken ſtehen, darin lagen todte und zerhauene Menſchen. Sie erſchrack ſo gewaltig, daß das Ei, das ſie in der Hand hielt, hineinplumpte; ſie nahm es zwar geſchwind wieder heraus und wiſchte das Blut ab, das kam aber den Augenblick wieder zum Vorſchein, und ſie konnte es nicht herun -201 ter kriegen, ſo viel ſie auch wiſchte und ſchabte. Als der Mann wieder kam, verlangte er das Ei und den Schluͤſſel, ſah beide an, und da ſah er, daß ſie in der Blutkammer geweſen war. Haſt du auf meine Worte nicht geach - tet, ſagte er zornig, ſo ſollſt du nun gegen dei - nen Willen in die Kammer kommen; damit ergriff er ſie, fuͤhrte ſie hin und zerhackte ſie, und warf ſie zu den andern ins Becken. Nach einiger Zeit ging der Mann wieder betteln und fing die zweite Tochter aus dem Haus; der ge - ſchah wie der erſten, ſie ſchloß auch die verbo - tene Thuͤre auf, ließ das Ei ins Blut fallen, und ward zerhackt und zu ihr in das Becken geworfen. Da wollte der Hexenmeiſter auch die dritte Tochter haben, faͤngt ſie auch in ſei - ner Koͤtze, traͤgt ſie heim, und giebt ihr bei ſei - ner Abreiſe das Ei und den Schluͤſſel. Die dritte Schweſter aber war klug und liſtig; ſie ſchloß das Ei erſt ein und ging dann in die heimliche Kammer, und wie ſie ihre Schweſtern in dem Blutbecken findet, ſucht ſie und ſucht alles zuſammen und legts zurecht, Kopf, Leib, Arm und Bein; da fangen die Glieder an ſich zu regen, und ſchließen ſich aneinander und die zwei werden wieder lebendig. Da fuͤhrte ſie beide heraus und verſteckte ſie, und als der Mann heim kam und das Ei ohne Blut fand, bat er ſie, ſie moͤgte ſeine Braut werden. Sie202 ſagte ja, aber er muͤßte erſt einen Korb voll Gold ihren Eltern auf dem Ruͤcken hintragen, dieweil wollte ſie die Hochzeit beſtellen. Dar - nach ſagte ſie zu ihren Schweſtern, ſie ſollten ihr nur Huͤlfe von daheim kommen laſſen, ſetz - te ſie in einen Korb und deckte ihn ganz mit Gold zu: den trag nun fort, aber unterſteh dich nicht unterwegs zu ruhen, denn ich ſehs hier durch mein Bretchen, wenn dus thuſt. Er nahm den Korb auf den Ruͤcken und ging fort, der ward ihm aber ſo ſchwer, daß er ihn faſt todt druͤckte, da wollte er ein wenig ruhen, aber gleich rief eine im Korb: ich ſeh durch mein Bretchen, daß du ruhſt, willſt du gleich weiter! Da meinte er ſeine Braut rief, mach - te ſich wieder auf, und ſo oft er ruhen wollte, rief es wieder, und da mußte er weiter. Die Braut aber daheim nahm einen Todtenkopf, thaͤt ihm einen Schmuck auf, und ſetzte ihn oben vors Bodenloch; dann lud ſie die Freunde des Hexenmeiſters zu der Hochzeit ein, und wie das geſchehen war, ſteckte ſie ſich in ein Faß mit Honig, ſchnitt das Bett auf und waͤlzte ſich in den Federn, daß ſie niemand erkennen konnte, ſo wunderlich ſah ſie aus und damit ging ſie hinaus auf den Weg. Bald begegne - te ihr ein Theil der Gaͤſte, die fragten ſie:

Du Fitchers Vogel! wo kommſt du her!
Ich komm von Fitze Fitchers Hauſe her.
203
Was macht denn da die junge Braut?
Sie hat gekehrt von unten bis oben das
Haus
und guckt zum Bodenloch heraus.

Darauf begegnete ihr auch der Braͤutigam, der zuruͤckkam:

Du Fitchers Vogel! wo kommſt du her?
Ich komm von Fitze Fitchers Hauſe her.
Was macht denn da meine junge Braut?
Sie hat gekehrt von unten bis oben das
Haus
und guckt zum Bodenloch heraus.

Der Braͤutigam ſah hinauf, und als er den geputzten Todtenkopf oben ſitzen ſah, meinte er, es waͤre ſeine Braut und gruͤßte ſie. Wie er aber im Haus war, und alle ſeine Freunde auch, da kam die Huͤlfe, die die Schweſtern geſchickt hatten; und ſie ſchloſſen das Haus zu und ſteck - ten es an, und da keiner heraus konnte, muß - ten ſie alle verbrennen.

47. Van den Machandel-Boom.

Dat is nu all lang her, woll twee duſent Joor, do was daar een riik Mann, de hadde eene ſchoͤne frame Fru, un ſe hadden ſick beede ſeer leef, hadden averſt kene Kinner, ſe wuͤnſch - ten ſick averſt ſeer welke, un de Fru bedt 'ſo204 veel dorum Dag un Nacht, man ſe kregen keen und kregen keen. Voͤr eeren Huſe was een Hoff, darup ſtund een Machandelboom, uͤnner den ſtund de Fru eens in'n Winter, un ſchellt ſick eenen Appel, un as ſe ſick den Appel ſo ſchellt, ſo ſneet ſe ſick in'n Finger, un dat Blood feel in den Snee ach! ſed de Fru, un ſuͤft ſo recht hoch up, un ſach dat Blood foͤr ſick an, un was ſo recht wehmoͤdig, hadd ick doch een Kind ſo rood as Blood un ſo witt as Snee! un as ſe dat ſed, ſo wurd eer ſo recht froͤlich to Moode, eer was recht, as ſull dat wat warden; daar ging ſe to den Huſe un ging een Maand hen, de Snee voͤrging, un twee Maand, daar was dat groͤn, un dree Maand, daar kemen de Bloͤmer ut de Eerde, un veer Maand, daar drungen ſick alle Boͤmer in dat Holt, un de groͤnen Twige weeren all in een anner wuſſen; daar ſungen de Vaͤgelkens, dat dat ganze Holt ſchallt, un de Bleujten felen van de Boͤmer, daar was de fyfte Maand weg, un ſe ſtund uͤnner den Machandelboom, de rook ſo ſchoͤn; do ſprung eer dat Hart voͤr Freuden, un ſe feel up eere Knee un kunde ſick nich la - ten, un as de ſoͤſte Maand voͤrbi was, daar wurden de Fruͤchte dick un ſtark, do wurd ſe ganz ſtill, un de ſoͤwende Maand, do greep ſe na de Machandelbeeren un att ſe ſo nidſch, do wurd ſe trurig un krank; daar ging de achte205 Maand hen, un ſe reep eeren Mann, un wenn - de un ſed: wenn ick ſtarve, ſo begrave my uͤn - ner den Machandelboom! do wurde ſe ganz getroſt un freute ſick, bett de neegte Maand voͤrby was, daar kreeg ſe een Kind, ſo witt as Snee un ſo rood as Blood; un as ſe dat ſach, ſo freute ſe ſick ſo, dat ſe ſturv.

Daar begroof eer Maan ſe uͤnner den Ma - chandelboom, un he fung an to weenen ſo ſeer; eene Tyd lang do wurd dat wat ſachter, un daar he noch wat weend hadd, do heel he up, un noch eene Tyd, do nam he ſick wedder eene Fru.

Mit de tweete Fru kreeg he eene Dochter, dat Kind averſt van de eerſte Fru was een luͤttje Soͤn, un was ſo rood as Blood un ſo witt as Snee. Wenn de Fru eere Dochter ſo anſach, ſo had ſe ſe ſo leef, averſt denn ſach ſe den luͤttjen Jung an, un dat ging eer ſo dorch't Hart, un eer duͤcht, as ſtund he eer al - lerwegen in'n Weg, un dacht denn man uͤm - mer, wo ſe eer Dochter all dat Voͤrmoͤgent to - wenden wull, un de Boͤſe gav eer dat in, dat ſe den luͤttjen Jung ganz gram wurd, un ſtoͤd em heruͤm van een Ek in de anner, un buft em hier un knuft em daar, ſo dat dat arme Kind uͤmmer in Angſt was; wenn he denn ut de School kam, ſo hadd he keene ruhige Stede.

Eens was de Fru up de Kamer gaan, do206 kamm de luͤttje Dochter ook herup un ſed: Moder giv my eenen Appel! Ja myn Kind, ſed de Fru, un gav eer eenen ſchoͤnen Appel uut de Kiſt, de Kiſt averſt had eenen grooten ſwaaren Deckel mit een groot ſchaarp yſern Slott. Moder, ſed de luͤttje Dochter, ſchall Broder nich ook eenen hebben? Dat voͤrdrot de Fru, doch ſed ſe: ja, wenn he ut de School kuͤmmt; un as ſe ut dat Finſter gewaar wur - de, dat he kamm, ſo was dat recht, as wenn de Boͤſe oͤver eer kamm, un ſe grapſt to, un nam eerer Dochter den Appel wedder weg un ſed: du ſaſt nich eer eenen hebben, as Vro - der. Daar ſmeet ſe den Appel in de Kiſt un maakt de Kiſt to; daar kamm de luͤttje Jung in de Doͤr, daar gav eer de Boͤſe in, dat ſe fruͤnt - lich to em ſed: myn Soͤn, wiſt du eenen Ap - pel hebben? un ſach em ſo haſtig an. Mo - der, ſed de luͤttje Jung, wat ſuͤhſt du greſig ut, ja giv my eenen Appel! Daar was eer, as ſull ſe em toreden: kumm mit my, ſed ſe, un maakt den Dekkel up, haal by eenen Appel herut, un as ſick de luͤtt Jung henin buͤckt, ſo reet eer de Boͤſe, bratſch ſloog ſe den Dekkel to, dat de Kop af floog un uͤnner de rooden Appel feel. Daar aͤverleep eer dat in de Angſt, un dacht: kund ick dat van my bringen. Daar ging ſe baben na eere Stuve na eeren Draagkaſten un haalt ut de baͤvelſte207 Schuuflade eenen witten Dook, un ſett den Kopp wedder up den Hals un bund den Hals - dook ſo um, dat man niks ſeen kund, un ſett em voͤr de Doͤr up eenen Stool un gav em den Appel in de Hand.

Daar kamm daarna Marleenken to eere Mo - der in de Koͤke, de ſtund by den Fuͤuͤr un had eenen Pott mit heet Water foͤr ſik, den ruͤuͤrt ſe uͤmmer um: Moder, ſed Marleenken, Broder ſitt voͤr de Doͤoͤr un ſuͤuͤt ganz witt ut, un hedd eenen Appel in de Hand, ick hev em beden, he ſull my den Appel geven, averſt he antwoord my nich, da wurd my ganz gruu - lig. Ga nochmal hen, ſed de Moder, un wenn he dy nich antwoorden will, ſo giv em eens an de Ooren! Daar ging Marleenken hen un ſed: Broder giv my den Appel! averſt he ſweeg ſtill, daar gav ſe em eens up de Oo - ren, daar feel de Kop heruͤnn, daraͤver varſchrak ſe ſick, un fung an to weenen un to raaren, un leep to eere Moder un ſed: ach, Moder, ick hebb minen Broder den Kopp afſlagen! un weend un weend un wull ſick nich tofreden geven; Marleenken, ſed de Moder, wat heſt du daan averſt ſwig man ſtill, dat er keen Minſch markt, dat is nu doch nich to aͤnnern; wi willen em in ſuur kaaken. Dear nam de Moder den luͤttjen Jungen un hackt em in Stuͤkken, ded de in den Pott un kaakt em in208 ſuur; Marleenken averſt ſtund daarby un weend un weend, un de Traanen feelen all in den Pott, un ſe bruukten gar keen Solt.

Daar kamm de Vader to Huus un ſett ſick to Diſch, un ſed: wo is denn min Soͤn? Dar drog de Moder eene groote, groote Schoͤt - tel op mit ſwart Suur, un Marleenken weend un kund ſick nich hollen. Da ſed de Vader wedder: wo is den min Soͤn? Ach, ſed de Moder, he is oͤver Land gaan, na Muͤt - ten eer groot Oem, he wull daar wat bliven. wat deit he denn daar? un hed my nich mal Adjuͤs ſegd? o he wuld geern hen, un bed my, ob he daar woll ſoͤs Weken bliven kun, he is jo woll daar uphaben. Ach, ſed de Mann, my is ſo recht trurig, dat is doch nich recht, he had my doch Adjuͤs ſeggen ſchullt. Mit des fung he an to eeten un ſed: Marleenken, wat weenſt du? Broder ward woll wedder ka - men. Ach Fru, ſed he do, wat ſmeckt my dat Eten ſchoͤn, giv my meer! un je meer he at, je meer wuld he hebben, un ſed: gevt my meer, gy ſoͤlt niks daaraf hebben, dat is as wenn dat all myn weer, un he att un att, un de Knaken ſmeet he all unner den Diſch, bett he alles up had. Marleenken averſt ging hen na eere Commode un namm uut de unnerſte Schuuf eeren beſten ſyden Dook, un haalt all de Been - ken un Knaken uͤnner den Diſch herut, unbund209bund ſe in den ſyden Dook, un drog ſe voͤr de Doͤoͤr, un weente eere bloͤdigen Traanen; daar legd ſe ſe unner den Machandelboom in dat groͤ - ne Gras, un as ſe ſe daar henlegd hadd, ſo was eer mit eenmal ſo recht licht, un weente nich meer, do fung de Machandelboom an ſich to bewegen, un de Twyge deden ſich uͤmmer ſo recht van eenanner, un denn wedder tohop, ſo recht, as wenn ſick eener ſo recht froͤit un mit de Haͤnde ſo deit. Mit des, ſo ging daar ſo'n Newel van den Boom, un recht in den Newel da brennt dat as Fuͤuͤr, un ut dat Fuͤuͤr daar flog ſo'n ſchoͤnen Vagel herut, de ſung ſo her - lich un flog hoch in de Luft, un as he weg was, do was de Machandelboom, as he voͤrheer weſt was, un de Dook mit de Knaken was weg, Marleenken averſt was ſo recht licht un vergnoͤgt, recht as wenn de Broder noch leeft, daar ging ſe wedder ganz luſtig in dat Huus by Diſch un att.

De Vagel averſt floog weg, un ſett 'ſick up eenen Goldſmitt ſiin Hus un fung an to ſingen:

Min Moder de mi ſlacht't,
min Vader de mi att,
min Sweſter de Marleeniken
ſoͤcht alle mine Beeniken,
un bindt ſe in een ſiden Dook,
legts unner den Machandelboom;
kywitt, kywitt! ach watt een ſchoͤn Vagel bin ick!

Kindermärchen. O210De Goldfmitt ſatt in ſine Warkſtede un maakt eene goldne Kede, daar hoͤrd he den Vagel, de up ſin Dack ſatt un ſung, un dat duͤnkt em ſo ſchoͤn; daar ſtund he up, un as he aͤver den Suͤll ging, ſo voͤrloor he eenen Tuͤffel; he ging aver ſo recht midden up de Strate, eenen Tuͤf - fel un een Sock an, ſin Schortfell had he voͤr, un in de een Hand had he de golden Kede, un in de anner de Tang, un de Suͤnn ſchiint ſo hell up de Strate, daar ging he recht ſo ſtaan un ſach den Vagel an: Vagel, ſegd he do, wo ſchoͤn kanſt du ſingen, ſing my dat Stuͤk nochmal. Nee, ſegd de Vagel, tweemal ſing ick nich umſuͤnſt, giv mi de golden Kede, ſo wil ick di et nochmal ſingen. Da, ſegd de Goldſmitt, heſt du de golden Kede, nu ſing mi dat nochmal. Daar kam de Vagel un nam de golden Ked ſo in de rechte Krall, un ging voͤr den Goldſmitt ſitten un ſung:

Min Moder de mi ſlacht't,
min Vader de mi att,
min Sweſter de Marleeniken
ſoͤcht alle mine Beeniken
un bindt ſe in een ſiden Dook
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach watt een ſchoͤn Vagel
bin ick.

Daar flog de Vagel weg na eenen Schooſter un ſett ſick up den ſiin Dack un ſung:211

Min Moder de mi ſlacht't,
min Vader de mi att,
min Sweſter de Marleeniken,
ſoͤcht alle mine Beeniken
un bindt ſe in een ſiden Dook,
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach watt een ſchoͤn Vagel
bin ick!

de Schooſter hoͤrd dat, un leep voͤr ſin Doͤoͤr, in Hemdsarmel und ſach na ſiin Dack, un muſt de Hand voͤr de Oogen holln, dat de Suͤnn em nich blendt: Vagel, ſegd he, wat kanſt du ſchoͤn ſingen! Da reep he in ſiin Doͤoͤr herin: Fru, kumm mal herut, daar is een Vagel, ſuͤ mal den Vagel de kann mal ſchoͤn ſingen, da reep he ſiin Dochter un Kinner un Geſellen, Jung un Magd, un keemen all up de Straat, un ſegen den Vagel an, wo ſchoͤn he was, un he hadd ſo recht roode, un groͤne Feddern, un um den Hals was dat as luter Gold, un de Oo - gen blinkten em in Kopp, as Steern. Vagel, ſed de Schoſter, nu ſing mi dat Stuͤk noch - mal. Nee, ſegd de Vagel, twee mal ſing ick nich umſuͤnſt, du moͤſt my wat ſchenken. Fru ſed de Mann, ga na de Doͤn-boͤhn up den boͤ - velſten Boord, do ſtaan een paar roode Scho, de bring herunn; daar ging de Fru hen un haalt de Scho. Da Vagel, ſed de Mann, nu ſing mi dat Stuͤk noch mal, daar kamm de VagelO 2212un namm de Scho in de linke Klau, und flog wedder up dat Dack un ſung:

Min Moder de mi ſlacht't
min Vader de mi att,
min Sweſter de Marleeniken,
ſoͤcht alle mine Beeniken,
un bindt ſe in een ſiden Dook
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach wat een ſchoͤn Vagel
bin ick:

un as he utſungen hadd, ſo floog he weg, de Kede hadd he in de rechte un de Scho in de linke Klau, un he floog wyt weg na eene Maͤhl, un de Maͤhl ging klippe klappe, klippe klappe klippe klappe un in de Maͤhl daar ſeeten twintig Maͤhlenburſchen, de haugten eenen Steen un hackten hick hack hick hack hick hack, un de Maͤhl ging klippe klap - pe, klippe klappe, klippe klappe. Daar ging de Vagel up eenen Lindenboom ſitten, de voͤr de Maͤhl ſtund un ſung:

Min Moder de mi ſlacht't
do hoͤrte een up,
min Vader de mi att
do hoͤrten noch twee up, un hoͤrten dat:
min Sweſter de Marleeniken
do hoͤrten wedder veer up,
ſoͤcht alle mine Beeniken
213
un bindt ſe in een ſiden Dook
nu hackten noch man acht
legts unner
nu noch man fyve
den Machandelboom
nu noch man een
kywitt, kywitt! ach wat een ſchoͤn Vagel
bin ick.

daar heel de lezte vok up, un hadd dat lezte noch hoͤrd. Vagel, ſegd he, wat ſingſt du ſchoͤn, laat my dat ook hoͤren, ſing my dat noch mal! Nee, ſegd de Vagel, twee mal ſing ick nich umſuͤnſt, giv my den Maͤhlenſteen, ſo will ick dat noch mal ſingen. Ja, ſegd he, wenn he mi alleen hoͤrd, ſo ſuſt du em hebben, ja, ſeden de annern, wenn he nochmal ſingt, ſo ſall he em hebben; dar kamm de Vagel heruͤn, un de Moͤllers faat'n all twintig mit Boͤoͤm an, un boͤoͤrten den Steen up, hu uh up, hu uh ihp! hu uuh uhp! daar ſtack de Vagel den Hals doͤoͤr dat Lock, un nam em uͤm as eenen Kragen un floog wedder up den Boom, un ſung:

Min Moder de mi ſlacht't
min Vader de mi att,
min Sweſter de Marleeniken,
ſoͤcht alle mine Beeniken,
un bindt ſe in een ſiden Dook,
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach wat een ſchoͤn Vagel
bin ick!

214un as he dat utſungen hadd, da ded he de Fluͤnk van eenanner, un had in de rechte Klau de Kede un in de linke de Scho un uͤm den Hals den Maͤhlenſteen un floog wiit weg na ſines Vaders Huſe.

In de Stuve ſatt de Vader, de Moder un Marleenken by Diſch, un de Vader ſed: ach wat waart mi licht, mi is recht ſo good to Mode nee! ſed de Moder, my is ſo angſt, ſo recht, as wenn een ſwaar Gewitter kuͤmmt. Marleenken averſt ſatt un weend un weend, daar kamm de Vagel anflegen, un as he ſick up dat Dack ſett ach ſegd de Vader, mi is ſo recht freudig un de Suͤnn ſchiint buten ſo ſchoͤn, my is recht as ſuͤll ick eenen ollen Be - kannten wedderſeen, nee, ſed de Fru, my is ſo Angſt, de Teene klappern mi un dat is mi as Fuͤuͤr in de Adern, un ſe reet ſick eer Liifken up un ſo meer; averſt Marleenken ſatt in een Eck un weende un had eeren Platen vor de Oogen, un weende den Platen gans meſſnatt; daar ſett ſick de Vagel up den Machandelboom un ſung:

Min Moder de mi ſlacht't

daar heel de Moder de Oren to, un kneep de Oogen to, un wold nich ſeen un hoͤren, aver dat bruuſte eer in de Ooren, as de allerſtarkſt Storm, un de Oogen brennten eer un zackten as Bliz:215

min Vader de mi att,

Ach Moder, ſegd de Mann, daar is een ſchoͤn Vagel, de ſingt ſo herlich, de Suͤnn ſchiint ſo warm, un dat ruͤckt as luter Zinnemamen

min Sweſter de Marleeniken

daar led Marleenken den Kopp up de Knee un weende in eens weg, de Mann averſt ſed: ick ga herut, ick mut den Vagel dicht by ſehn; ach, ga nich, ſed de Fru, my is as bevt dat ganze Huus, un ſtuͤnn in Flammen; aver de Mann ging herut un ſach den Vagel an:

ſoͤcht alle mine Beeniken
un bindt ſe in een fiden Dook,
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach wat een ſchoͤn Vagel
bin ick!

mit des leet de Vagel de golden Kede fallen, un ſe feel den Mann juͤſt um den Hals, ſo recht hier heruͤm, dat ſe recht ſo ſchoͤn paſt; daar ging he herin un ſed: ſuͤ wat is dat voͤr een ſchoͤn Vagel, hett mi ſo ne ſchoͤne goldne Kede ſchenkt, un ſuͤht ſo ſchoͤne ut; de Fru aver was ſo Angſt un feel langs in de Stuve hen, un de Muͤtz feel eer van den Kopp daar ſung de Vagel wedder:

Min Moder de mi ſlacht't

ach dat ick duſend Fuder unner de Eerde weer, dat ick dat nich hoͤren ſull! 216

min Vader de mi att,

daar feel de Fru voͤr dood nedder,

min Sweſter de Marleeniken,

ach, ſed Marleenken, ick wil ook herut gan un ſeen op de Vagel mi wat ſchenkt, daar ging ſe herut,

ſoͤcht alle mine Beeniken
und bindt ſe in een ſiden Dook,

daar ſmeet he eer de Scho herun

legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach wat een ſchoͤn Vagel
bin ick!

Daar was eer ſo licht un froͤlich, daar truck ſe de nien rooden Scho an, un danſt un ſpruͤng he - rinn; ach, ſed ſe, ick was ſo trurig as ick herut ging, un nu is mi ſo licht, dat is mal een herlichen Vagel, het mi een Paar roode Scho ſchenkt! nee ſed de Fru, un ſprung up, un de Har ſtunnen eer to Barge as Fuͤuͤrsflammen, mi is as ſull de Werld unner gahn, ick wil ook herut, op mi lichter warden ſull, un as ſe ut de Doͤoͤr kamm bratſch! ſmeet eer de Vagel den Maͤhlenſteen up den Kopp, dat ſe ganz tomatſcht; de Vader un Marleenken hoͤr - den dat un gingen herut, dar ging een Damp un Flam un Fuͤuͤr up van de Steed, un as dat vorby was, da ſtund de luͤttje Broder, un he namm ſinen Vader un Marleenken bi de Hand,217 un weeren alldree ſo recht vergnoͤgt un gingen in dat Huus by Diſch un eeten.

48. Der alte Sultan.

Ein Bauer hatte einen getreuen Hund, der war alt, und konnte nichts mehr feſt pak - ken. Da ſagte der Bauer zu ſeiner Frau: ich will den alten Sultan todtſchießen, er iſt uns doch zu nichts mehr Nutz, die Frau aber ant - wortete: thu das nicht und laß das treue Thier das Gnadenbrod eſſen, es hat uns ſo lange Jahre gedient. Der Mann ſagte: du biſt nicht recht geſcheidt, was fangen wir mit ihm an, er hat keinen Zahn mehr im Maul, und es fuͤrchtet ſich kein Dieb mehr vor ihm; hat er uns gedient, ſo hat ers des Hungers wegen gethan,[und] weil er hier gutes Freſſen kriegte; morgen iſt ſein letzter Tag, dabei bleibts. Der Hund hatte alles, was Mann und Frau zuſammen geſprochen, mit angehoͤrt, nun hatte er einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem ging er Abends hinaus und klagte ihm ſein Leiden und daß ſein Herr ihn Morgen todtſchießen wolle. Mach dir keine Sorgen, ſagte der Wolf, ich will dir einen gu - ten Anſchlag geben: Morgen fruͤh geht dein Herr mit ſeiner Frau hinaus ins Heu, da neh -218 men ſie auch ihr kleines Kind mit, bei der Ar - beit legen ſie das draußen hinter die Hecke, da leg du dich daneben, als wenn du es bewachen und da ruhen wollteſt; alsdann will ich kom - men und das Kind wegnehmen, und du mußt mir nachſpringen, was du kannſt, und mir es abjagen, dann werden ſie glauben, du habeſt ihr Kind errettet, dadurch wirſt du in voͤllige Gnade kommen und ſie werden dirs an nichts fehlen laſſen dein Lebelang. Das gefiel dem Hund gut und ward, wie es verabredet war, ausgefuͤhrt; der Wolf lief ein Stuͤck Wegs, und als ihn der Hund eingeholt hatte, ließ er das Kind fallen, und der Hund trug es ſeinem Herrn zuruͤck. Da rief der Bauer uͤberlaut: weil der alte Sultan unſer liebes Kind dem Wolf wieder abgejagt hat, ſoll er leben bleiben und das Gnadenbrod haben. Frau, geh heim und koch ihm einen Weckbrei, den kann er gut hinunterſchlucken, und mein Kopfkiſſen ſoll er zu ſeinem Bett haben, ſo lang er lebt. Alſo hatte es der Hund auf einmal ſo gut, daß er ſichs nicht beſſer wuͤnſchen konnte. Der Wolf kam zu ihm und freute ſich, daß es ſo wohl gelungen war; du wirſt nun auch nichts da - gegen haben, und mir behuͤlflich ſeyn, wenn ich deinem Herrn ein fett Schaf wegholen kann. Der Sultan aber war ſeinem Herrn treu und ſagte ihm, was der Wolf im Schilde fuͤhre, da219 paßt 'ihm dieſer in der Scheuer auf, und als er kam und ſich einen guten Biſſen holen woll - te, kaͤmmte er ihm tuͤchtig die Haare. Der Wolf war daruͤber gewaltig aufgebracht, ſchalt den alten Sultan einen ſchlechten Kerl und for - derte ihn heraus, die Sache auszumachen.

Sie beſtellten ſich vor den Wald, und je - der ſollte einen Secundanten mit ſich bringen. Der Wolf war zuerſt auf dem Platz und hatte das wilde Schwein zu ſeinem Beiſtand mitge - nommen, der Hund hatte niemand als eine lahme Katze bekommen koͤnnen, und ging end - lich mit der ab. Wie ſie aber der Wolf und das wilde Schwein von weitem kommen, und die Katze beſtaͤndig huͤpfen ſahen, glaubten ſie die Katze hoͤb jedesmal einen Stein auf, da wurde ihnen beiden Angſt, und das wilde Schwein verkroch ſich in das Laub, der Wolf aber ſprang auf einen Baum. Der Gegenpart kam heran, und beide wunderten ſich, daß nie - mand da war. Das wilde Schwein aber in dem Laub zwickte mit den Ohren; wie die Katze ſich etwas regen ſah, ſprang ſie drauf zu, biß und kratzte; da hob ſich das Schwein mit Geſchrei in die Hoͤhe, lief fort und rief noch zuruͤck: dort oben auf dem Baum, da ſitzt der Schuld - ner. Da kam es an den Tag, daß der Wolf ſich verkrochen hatte, und wollte er herunter, mußte er ſich zum Frieden bequemen.

220

49. Die ſechs Schwaͤne.

Ein Koͤnig jagte in einem großen Wald, verirrte ſich und konnte keinen Ausgang finden, da kam er endlich zu einer Hexe, die bat er, ſie moͤgte ihn wieder heraus leiten. Die Hexe aber antwortete, das geſchaͤhe nimmermehr, er muͤſſe darin bleiben und ſein Leben verlieren, und nur das eine koͤnne ihn erretten, daß er ihre Tochter heirathe. Dem Koͤnig war ſein Leben lieb, und in der Angſt ſagte er ja; die Hexe brachte ihm das Maͤdchen, es war jung und ſchoͤn, er konnte es aber nicht ohne Grau - ſen und ohne eine heimliche Furcht anſehen; doch wollte er, was er verſprochen hatte, hal - ten. Die Alte fuͤhrte dann beide auf den rech - ten Weg, und daheim ward die Hexentochter ſeine Gemahlin. Der Koͤnig aber hatte noch ſieben Kinder von ſeiner erſten Frau, ſechs Buben und ein Maͤdchen, und weil er fuͤrch - tete, es koͤnne ihnen von der Stiefmutter ein Leids angethan werden, brachte er ſie in ein Schloß, das er mitten in einem Walde ſtehen hatte. Es ſtand ſo verborgen, daß niemand den Weg dahin wußte, und er ſelber haͤtte ihn nicht gefunden, wenn ihm nicht eine weiſe Frau einen Knauel von Garn gegeben, wenn er den221 vor ſich warf, wickelte er ſich auf und zeigte ihm den Weg. Weil aber der Koͤnig ſeine Kin - der gar lieb hatte, ging er oft hinaus, da ward die Koͤnigin neugierig, und wollte wiſſen, was der Koͤnig ſo viel allein in dem Wald zu thun habe; ſie forſchte die Diener aus, und dieſe ver - riethen ihr das ganze Geheimniß. Das erſte war nun, daß ſie ſich mit Liſt den Knauel ver - ſchaffte, dann nahm ſie ſieben kleine Hemdchen, und ging hinaus in den Wald. Der Knauel zeigte ihr den Weg, und als die ſechs kleinen Prinzen ſie von weitem kommen ſahen, freuten ſie ſich, meinten ihr Vater kaͤm und liefen her - aus auf ſie zu. Da warf ſie uͤber jeden ein Hemdchen, und kaum hatte es ihren Leib be - ruͤhrt, da waren ſie in Schwaͤne verwandelt, hoben ſich auf in die Luft und flogen davon Sie meinte nun ſie haͤtte alle Stiefkinder weg - geſchafft, und ging wieder heim, und ſo war das Maͤdchen, das in ſeiner Kammer geblieben war, errettet. Am andern Tag kam der Koͤnig in das Waldſchloß, da erzaͤhlte es ihm, was ge - ſchehen war, und zeigte ihm noch die Schwa - nenfedern, die von ihren ſechs Bruͤdern auf den Hof gefallen waren. Der Koͤnig erſchrack, gedachte aber nimmermehr, daß die Koͤnigin die boͤſe That vollbracht, und weil er beſorgte, die Prinzeſſin moͤge ihm auch geraubt werden, wollte er ſie mit ſich nach Haus nehmen. Sie222 fuͤrchtete ſich aber vor ihrer Stiefmutter und bat ihn, er moͤgte ſie nur noch die Nacht in dem Schloß laſſen; in der Nacht aber entfloh ſie, und gerade zu in den Wald hinein.

Als ſie auch den ganzen Tag bis zum Abend fortgegangen war, kam ſie zu einer Wild - huͤtte. Sie ſtieg hinauf und fand eine Stube mit ſechs kleinen Betten; weil ſie nun muͤde war, legte ſie ſich unter eins und wollte da die Nacht zubringen. Bei Sonnenuntergang aber kamen ſechs Schwaͤne durch das Fenſter herein - geflogen, ſetzten ſich auf den Boden und blieſen einander an, und blieſen ſich alle Federn ab, wie ein Tuch ſich abſtreift, und da waren es ihre ſechs Bruͤder. Sie kroch unter dem Bett hervor, und die Bruͤder waren beides erfreut und betruͤbt, ſie zu ſehen: du kannſt hier nicht bleiben, ſagten ſie, das iſt eine Raͤuberherberg, wenn die Raͤuber von ihrem Zuge heimkom - men, dann wohnen ſie hier. Alle Abend koͤn - nen wir uns aber eine Viertelſtunde lang die Schwanenhaut gaͤnzlich abblaſen, und auf ſo lange unſere menſchliche Geſtalt haben, hernach aber iſt es wieder vorbei. Wenn du uns erloͤſen willſt, mußt du in ſechs Jahren ſechs Hemd - lein aus Sternblumen zuſammennaͤhen, waͤh - rend der Zeit aber darfſt du nicht ſprechen und nicht lachen, ſonſt iſt alle Arbeit verloren. Und als die Bruͤder das geſprochen hatten, war223 die Viertelſtunde herum, und ſie waren wieder in Schwaͤne verwandelt.

Am andern Morgen aber ſammelte ſich das Maͤdchen Sternblumen, ſetzte ſich dann auf einen hohen Baum und fing an zu naͤhen: es redete auch kein Wort und lachte nicht, ſondern ſahe nur auf ſeine Arbeit. Auf eine Zeit jagte der Koͤnig, dem das Land gehoͤrte in dem Wald, und ſeine Jaͤger kamen zu dem Baum, auf welchem es ſaß. Sie riefen ihm zu, es ſollte herabſteigen, weil es ihnen nun nicht antwor - ten durfte, wollte es ſie mit Geſchenken befrie - digen, und warf ihnen ſeine goldene Halskette herab. Sie riefen aber noch immer, da warf es ſeinen Guͤrtel, als auch dies nichts half ſei - ne Strumpfbaͤnder endlich, alles, was es ent - behren konnte, herunter, ſo daß es nichts mehr als ſein Hemdlein anbehielt. Den Jaͤgern war aber das alles nicht genug, ſie ſtiegen auf den Baum, hoben es herab und brachten es mir Gewalt zum Koͤnig. Der Koͤnig war verwun - dert uͤber ſeine Schoͤnheit, wickelte es in ſeinen Mantel, ſetzte es vor ſich aufs Pferd, und fuͤhrte es nach Haus, und ob es gleich ſtumm war, liebte er es doch von Herzen, und es ward ſeine Gemahlin. Des Koͤnigs Mutter aber war boͤſe daruͤber, ſprach ſchlecht von ihr: niemand wiſſe, woher die Dirne gekommen, und ſie ſey des Koͤnigs unwerth. Als ſie nun224 den erſten Prinzen zur Welt brachte, nahm die Schwiegermutter ihn weg, beſtrich ihr den Mund mit Blut und gab dann bei dem Koͤnig vor, die Koͤnigin habe ihr eigen Kind gefreſſen, und ſey eine Zauberin. Der Koͤnig aber, aus großer Liebe, wollte es nicht glauben; darnach als ſie den zweiten Prinzen gebar, uͤbte die gottloſe Schwiegermutter denſelben Betrug, und klagte ſie wieder beim Koͤnig an, und weil ſie nicht reden durfte, ſondern immer ſtumm ſaß und an den ſechs Hemdern arbeitete, ſo konnte ſie nichts mehr erretten, und ſie ward zum Feuer verdammt. Der Tag kam heran, wo das Urtheil ſollte vollzogen werden, es war gerade der letzte Tag von den ſechs Jahren, und ſie war mit den ſechs Hemdern fertig geworden, nur an einem fehlte der linke Ermel. Wie ſie nun zum Scheiterhaufen gefuͤhrt wurde, nahm ſie die ſechs Hemder mit ſich, und wie ſie oben ſtand und eben das Feuer ſollte angeſteckt wer - den, ſah ſie ſechs Schwaͤne durch die Luft da - her ziehen, und uͤber ihr ſich herabſenken. Da warf ſie die Hemdlein hinauf, die fielen uͤber die Schwaͤne hin, und kaum waren ſie davon beruͤhrt, ſo fiel ihre Schwanenhaut ab, und die ſechs Bruͤder ſtanden leibhaftig vor ihr, nur dem ſechſten fehlte der linke Arm, und er hatte dafuͤr einen Schwanenfluͤgel auf dem Ruͤcken. Da war ihr auch die Sprache wiedergegeben,und225und ſie erzaͤhlte, wie die Schwiegermutter ſie ſo boshaft verlaͤumdet, dafuͤr ward dieſe auf den Scheiterhaufen gebracht und verbrannt, ſie aber lebte lange mit dem Koͤnig und ihren ſechs Bruͤdern in Freuden.

50. Dornroͤschen.

Ein Koͤnig und eine Koͤnigin kriegten gar keine Kinder, und haͤtten ſo gern eins gehabt. Einmal ſaß die Koͤnigin im Bade, da kroch ein Krebs aus dem Waſſer ans Land und ſprach: dein Wunſch wird bald erfuͤllt werden und du wirſt eine Tochter zur Welt bringen. Das traf auch ein, und der Koͤnig war ſo erfreut uͤber die Geburt der Prinzeſſin, daß er ein großes Feſt anſtellen ließ, und dazu lud er auch die Feen ein, die im Lande waren, weil er nur zwoͤlf goldene Teller hatte, konnte er eine nicht einladen: es waren ihrer nemlich dreizehen. Die Feen kamen zu dem Feſt, und beſchenkten das Kind am Ende deſſelben: die eine mit Tugend, die zweite mit Schoͤnheit und ſo die andern mit allem, was nur auf der Welt herrlich und zu wuͤnſchen war, wie aber eben die elfte ihr Geſchenk geſagt hatte, trat die dreizehnte her - ein, recht zornig, daß ſie nicht war eingeladen worden und rief: weil ihr mich nicht gebeten,Kindermärchen. P226ſo ſage ich euch, daß eure Tochter in ihrem funfzehnten Jahre an einer Spindel ſich ſtechen und todt hinfallen wird. Die Eltern erſchra - cken, aber die zwoͤlfte Fee hatte noch einen Wunſch zu thun, da ſprach ſie: es ſoll aber kein Tod ſeyn, ſie ſoll nur hundert Jahr in ei - nen tiefen Schlaf fallen.

Der Koͤnig hoffte immer noch ſein liebes Kind zu erretten, und ließ den Befehl ausge - hen, daß alle Spindeln im ganzen Koͤnigreich ſollten abgeſchafft werden. Die Prinzeſſin aber wuchs heran, und war ein Wunder von Schoͤn - heit. Eines Tags, als ſie ihr funfzehntes Jahr eben erreicht hatte, war der Koͤnig und die Koͤ - nigin ausgegangen, und ſie ganz allein im Schloß, da ging ſie aller Orten herum nach ihrer Luſt, endlich kam ſie auch an einen alten Thurm. Eine enge Treppe fuͤhrte dazu, und da ſie neugierig war, ſtieg ſie hinauf und ge - langte zu einer kleinen Thuͤre, darin ſteckte ein gelber Schluͤſſel, den drehte ſie um, da ſprang die Thuͤre auf und ſie war in einem kleinen Stuͤbchen, darin ſaß eine alte Frau und ſpann ihren Flachs. Die alte Frau gefiel ihr wohl, und ſie machte Scherz mit ihr und ſagte, ſie wollte auch einmal ſpinnen, und nahm ihr die Spindel aus der Hand. Kaum aber hatte ſie die Spindel angeruͤhrt, ſo ſtach ſie ſich damit, und alsbald fiel ſie nieder in einen tiefen Schlaf. 227In dem Augenblick kam der Koͤnig mit dem ganzen Hofſtaat zuruͤck, und da fing alles an einzuſchlafen, die Pferde in den Staͤllen, die Tauben auf dem Dach, die Hunde im Hof, die Fliegen an den Waͤnden, ja das Feuer, das auf dem Heerde flackerte, ward ſtill und ſchlief ein, und der Braten hoͤrte auf zu brutzeln, und der Koch ließ den Kuͤchenjungen los, den er an den Haaren ziehen wollte, und die Magd ließ das Huhn fallen, das ſie rupfte und ſchlief, und um das ganze Schloß zog ſich eine Dorn - hecke hoch und immer hoͤher, ſo daß man gar nichts mehr davon ſah.

Prinzen, die von dem ſchoͤnen Dornroͤs - chen gehoͤrt hatten, kamen und wollten es be - freien, aber ſie konnten durch die Hecke nicht hindurch dringen, es war als hielten ſich die Dornen feſt wie an Haͤnden zuſammen, und ſie blieben darin haͤngen und kamen jaͤmmerlich um. So waͤhrte das lange, lange Jahre: da zog einmal ein Koͤnigsſohn durch das Land, dem erzaͤhlte ein alter Mann davon, man glau - be, daß hinter der Dornhecke ein Schloß ſtehe, und eine wunderſchoͤne Prinzeſſin ſchlafe darin mit ihrem ganzen Hofſtaat; ſein Großvater habe ihm geſagt, daß ſonſt viele Prinzen ge - kommen waͤren und haͤtten hindurchdringen wol - len, ſie waͤren aber in den Dornen haͤngen ge - blieben und todtgeſtochen worden. Das ſollP 2228mich nicht ſchrecken, ſagte der Koͤnigsſohn, ich will durch die Hecke dringen und das ſchoͤne Dornroͤschen befreien; da ging er fort, und wie er zu der Dornhecke kam, waren es lauter Blumen, die thaten ſich von einander, und er ging hindurch, und hinter ihm wurden es wie - der Dornen. Da kam er ins Schloß, und in dem Hof lagen die Pferde und ſchliefen, und die bunten Jagdhunde, und auf dem Dach ſa - ßen die Tauben und hatten ihre Koͤpfchen in den Fluͤgel geſteckt, und wie er hineinkam, ſchlie - fen die Fliegen an den Waͤnden, und das Feuer in der Kuͤche, der Koch und die Magd, da ging er weiter, da lag der ganze Hofſtaat und ſchlief, und noch weiter, der Koͤnig und die Koͤnigin; und es war ſo ſtill, daß einer ſeinen Athem hoͤrte, da kam er endlich in den alten Thurm, da lag Dornroͤschen und ſchlief. Da war der Koͤnigsſohn ſo erſtaunt uͤber ihre Schoͤnheit, daß er ſich buͤckte und ſie kuͤßte, und in dem Augenblick wachte ſie auf, und der Koͤnig und die Koͤnigin, und der ganze Hofſtaat, und die Pferde und die Hunde, und die Tauben auf dem Dach, und die Fliegen an den Waͤnden, und das Feuer ſtand auf und flackerte und koch - te das Eſſen fertig, und der Braten brutzelte fort, und der Koch gab dem Kuͤchenjungen ei - ne Ohrfeige, und die Magd rupfte das Huhn fertig. Da ward die Hochzeit von dem Koͤnigs -229 ſohn mit Dornroͤschen gefeiert, und ſie lebten vergnuͤgt bis an ihr Ende.

51. Vom Fundevogel.

Es war einmal ein Foͤrſter, der ging in den Wald auf die Jagd, und wie er in den Wald kam hoͤrte er ſchreien, als obs ein klei - nes Kind waͤre, und ging dem Schreien nach, ſo ſah er endlich einen hohen Baum und oben darauf ſaß ein kleines Kind, unter dem Baum aber lag eine Frau, die ſchlief. Und als die Frau unter dem Baum eingeſchlafen war, hat - te ein Raubvogel das Kind in ihrem Schooß geſehen, flog hinzu, nahm es mit ſeinem Schna - bel weg, und ſetzte es auf den hohen Baum.

Der Foͤrſter aber ſtieg hinauf, holte das Kind herunter und dachte: du willſt das Kind mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lehn - chen zuſammen aufziehen; brachte es heim, und die zwei Kinder wuchſen ſo mit einander auf, das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetra - gen hatte, wurde Fundevogel geheißen. Fundevogel und Lehnchen hatten ſich ſo lieb, nein ſo lieb, daß wenn eins das andere nicht ſah, wurde es traurig.

Der Foͤrſter hatte aber eine alte Koͤchin,230 die nahm eines Abends zwei Eimer und fing an Waſſer zu ſchleppen und ging nicht einmal, ſondern vielemal hinaus an den Brunnen und Lehnchen ſah es: hoͤr einmal, alte Sanne, was traͤgſt du denn ſo viel Waſſer zu? wenn dus keinen Menſchen wieder ſagen willſt, ſo will ich dirs wohl ſagen. Da ſagte Lehn - chen, nein, ſie wollte es keinem Menſchen wie - der ſagen, ſo ſprach die Koͤchin: morgen fruͤh, wenn der Foͤrſter auf die Jagd iſt, da koche ich das Waſſer, und wenns in dem Keſſel ſiedet, werf ich den Fundevogel 'nein, und will ihn darin kochen.

Und des andern Morgens in aller Fruͤhe ſtieg der Foͤrſter auf und ging auf die Jagd, und als er weg war, lagen die Kinder noch im Bett, da ſprach Lehnchen zum Fundevogel: verlaͤßt du mich nicht, ſo verlaß ich dich auch nicht! ſo ſprach der Fundevogel: nun und nimmermehr. Da ſprach Lehnchen: ich will es dir nur ſagen, die Sanne ſchleppte geſtern Abends ſo viel Eimer Waſſer ins Haus, ſo fragte ich ſie, warum ſie das thaͤte, ſo ſagte ſie: wenn ichs keinem Menſchen ſagen wollte, ſo wollte ſie es mir wohl ſagen; ſo ſprach ich: ich wollte es gewiß keinem Menſchen ſagen, da ſagte ſie, morgen fruͤh, wenn der Vater auf die Jagd waͤre, wollte ſie den Keſſel voll Waſſer ſieden, und dich hineinwerfen und kochen. Wir231 wollen aber geſchwind aufſteigen, uns anziehen und zuſammen fortgehen.

Alſo ſtanden die beiden Kinder auf, zogen ſich geſchwind an und gingen fort. Wie nun das Waſſer im Keſſel kochte, ging die Koͤ - chin in die Schlafkammer und wollte Funde - vogel holen, um ihn hinein zu werfen. Al - lein, als ſie hinein kam, und zu den Betten trat, waren die Kinder alle beide fort, ſo wurde ihr grauſam Angſt und ſprach vor ſich: was will ich nun ſagen, wenn der Foͤrſter heim kommt und ſieht, daß die Kinder weg ſind. Geſchwind hintennach, daß wir ſie wie - der kriegen!

Da ſchickte die Koͤchin drei Knechte nach, die ſollten laufen und die Kinder einlangen. Die Kinder aber ſaßen vor dem Wald, und als ſie die drei Knechte von weitem laufen ſa - hen, ſprach Lehnchen zum Fundevogel: ver - laͤßt du mich nicht, ſo verlaß ich dich auch nicht! So ſprach Fundevogel: nun und nimmermehr! Da ſagte Lehnchen: werde du zum Roſenſtoͤckchen und ich zum Roͤschen drauf! Wie nun die drei Knechte vor den Wald kamen, ſo war nichts da, als ein Roſen - ſtrauch und ein Roͤschen oben drauf, die Kin - der aber nirgends, da ſprachen ſie: hier iſt nichts zu machen und gingen heim, und ſagten vor die Koͤchin, ſie haͤtten nichts in der Welt232 geſehen, als nur ein Roſenſtoͤckchen, mit einem Roͤschen oben drauf. Da ſchalt die alte Koͤ - chin: ihr Einfaltspinſel, ihr haͤttet das Ro - ſenſtoͤckchen ſollen entzwei ſchneiden, und das Roͤschen abbrechen und mit nach Haus brin - gen, geſchwind und thuts! Sie mußten alſo zum zweitenmal hinaus und ſuchen. Die Kin - der ſahen ſie aber von weiten kommen, da ſprach Lehnchen: Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, verlaß ich dich auch nicht! Fundevogel ſagte: nun und nimmermehr. So werde du eine Kirche, und ich die Krone darin! Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar - in. Sie ſprachen alſo zu einander: was ſollen wir hier machen, laßt uns nach Hauſe gehen! Wie ſie nach Haus kamen, fragte die Koͤchin, ob ſie nichts gefunden, ſo ſagten ſie nein, ſie haͤtten nichts gefunden, wie eine Kirche, da waͤ - re eine Krone darin geweſen. Ihr Narren, ſchalt die Koͤchin, warum habt ihr nicht die Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge - bracht? Nun machte ſich die alte Koͤchin ſelbſt auf die Beine, und ging mit den drei Knech - ten den Kindern nach. Die Kinder ſahen aber die drei Knechte von weitem kommen und die Koͤchin wackelte hinten nach. Da ſprach Lehn - chen: Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, ſo verlaß ich dich auch nicht. Da ſprach der233 Fundevogel: nun und nimmermehr. So ſprach Lehnchen: werde du zum Teich und ich die Ente drauf! Die Koͤchin aber kam herzu und als ſie den Teich ſahe, legte ſie ſich druͤber hin und wollte ihn ausſaufen. Aber die Ente kam ſchnell geſchwommen, faßte ſie mit ihrem Schnabel beim Kopf und zog ſie ins Waſſer hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da gingen die Kinder zuſammen nach Haus, und waren herzlich froh, und wenn ſie nicht geſtor - ben ſind, leben ſie noch.

52. Koͤnig Droßelbart.

Ein Koͤnig hatte eine Tochter, die war wunderſchoͤn, aber ſo ſtolz und uͤbermuͤthig, daß ſie aus Eigenſinn einen Freier nach dem andern abwies und Spott mit ihnen trieb. Der Koͤnig ließ einmal ein großes Feſt anſtellen, und lud da - zu alle heirathsluſtigen Maͤnner ein, die wurden in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand geordnet, erſt kamen die Koͤnige, dann die Her - zogen, Fuͤrſten, Grafen und Barone, zuletzt die Edelleute, da wurde die Koͤnigstochter durch die Reihen gefuͤhrt, aber an jedem hatte ſie im - mer etwas auszuſetzen. Beſonders machte ſie ſich uͤber einen guten Koͤnig luſtig, der ganz oben an ſtand und dem das Kinn krumm gewachſen234 war, da ſagte ſie: ei, der hat ein Kinn, wie die Droßel einen Schnabel, und ſeit der Zeit bekam er den Namen Droßelbart. Als nun der alte Koͤnig ſahe, daß ſeine Tochter nichts that, als uͤber die Leute ſpotten, erzuͤrnte er ſo, daß er ſchwur, ſie ſollte den erſten beſten Bettler nehmen, der vor die Thuͤr kaͤme.

Eines Tages fing ein Spielmann an zu ſingen unter ihrem Fenſter, den hieß der Koͤ - nig gleich hereinkommen, und ſo ſchmutzig er war, mußte ſie ihn fuͤr ihren Braͤutigam aner - kennen, ein Pfarrer wurde alsbald gerufen und die Trauung ging vor ſich. Wie die Trauung vollzogen war, ſprach der Koͤnig zu ſeiner Toch - ter: es ſchickt ſich nun nicht weiter, daß du hier im Schloß bleibeſt, du kannſt nur mit dei - nem Mann fortziehen.

Da zog der Bettelmann mit der Koͤnigs - tochter fort, unterwegs kamen ſie durch einen großen Wald, und ſie fragte den Bettelmann:

ach, wem gehoͤrt doch der ſchoͤne Wald?
der gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart,
haͤttſt du'n genommen, ſo waͤr er dein!
ich arme Jungfer zart,
ach haͤtt 'ich doch genommen den Koͤnig Dro -
ßelbart!

Darauf kamen ſie durch eine Wieſe:

wem gehoͤrt wohl die ſchoͤne gruͤne Wie -
ſe?
235
ſie gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart,
haͤttſt du'n genommen, ſo waͤr ſie dein!
ich arme Jungfer zart,
ach haͤtt 'ich doch genommen den Koͤnig Dro -
ßelbart!

Endlich kamen ſie durch eine Stadt:

wem gehoͤrt wohl die ſchoͤne große Stadt?
ſie gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart,
haͤttſt du'n genommen, ſo waͤr ſie dein.
ich arme Jungfer zart,
ach haͤtt 'ich doch genommen den Koͤnig Dro -
ßelbart!

der Spielmann wurde ganz muͤrriſch, daß ſie ſich immer einen andern Mann wuͤnſchte und ſich gar nichts aus ihm machte; endlich ſo ka - men ſie an ein kleines Haͤuschen:

ach Gott, was fuͤr ein Haͤuſelein,
wem mag das elende, winzige Haͤuschen ſeyn?

der Bettelmann ſagte: das Haus iſt unſer Haus, wo wir wohnen, mach nur gleich Feuer an und ſtell Waſſer auf, daß du mir mein Eſ - ſen kochſt, ich bin ganz muͤd. Die Koͤnigs - tochter aber verſtand nichts vom Kochen, und der Mann mußte ihr nur mit helfen, ſo ging es noch ſo leidlich, und wie ſie gegeſſen hat - ten, legten ſie ſich ins Bett ſchlafen. Des Morgens aber mußte ſie ganz fruͤh aufſtehen und arbeiten, und ſo wars ein paar Tage ſchlecht genug, bis der Mann endlich ſagte: Frau, ſo236 gehts nicht laͤnger, daß wir hier zehren und nichts verdienen, du ſollſt Koͤrbe flechten. Da ging er aus und ſchnitt Weiden, ſie aber muß - te anfangen Koͤrbe zu flechten, die harten Wei - den ſtachen ihr aber die Haͤnde wund. Ich ſehe du kannſt das nicht, ſagte der Mann, ſo ſpinn lieber, das wird wohl beſſer gehen. Da ſaß ſie und ſpann, aber ihre Finger waren ſo zart, daß der harte Faden ihr bald tief hinein - ſchnitt und das Blut daran herunterlief. Du taugſt zu keiner Arbeit recht, ſagte der Mann verdrießlich, ich will einen Topfhandel anfan - gen, und du ſollſt auf dem Markt die Waare feilhalten und verkaufen. Das erſtemal gings gut, die Leute kauften der ſchoͤnen Frau gern Toͤpfe ab und bezahlten, was ſie forderte, ja viele bezahlten und ließen ihr die Toͤpfe noch dazu. Wie nun alles verkauft war, handelte der Mann eine Menge neu Geſchirr ein, und ſie ſaß wieder damit auf dem Markt, und hoff - te guten Gewinn, da kam ein betrunkener Hu - ſar daher geritten, mitten in die Toͤpfe hinein, ſo daß ſie in tauſend Scherben ſprangen. Da fuͤrchtete ſich die Frau, und getraute ſich den ganzen Tag nicht heimzugehen, und als ſie nun endlich nach Haus ging, war der Bettelmann auf und davon.

So lebte ſie einige Zeit ganz armſelig und in großer Duͤrftigkeit, da kam ein Mann und237 lud ſie zu einer Hochzeit. Sie wollte ſich aller - lei von dem Ueberfluß mitbringen und eine zeit - lang davon leben, ſie that alſo ihr Maͤntelchen um, und nahm einen Topf darunter und ſteckte eine große lederne Taſche an. Auf der Hoch - zeit aber war alles praͤchtig und vollauf, ihren Topf fuͤllte ſie mit Suppe und ihre Taſche mit Brocken. Sie wollte nun damit fortgehen, aber einer von den Gaͤſten verlangte, ſie ſolle mit ihm tanzen, ſie ſtraͤubte ſich aus allen Kraͤf - ten, das half aber nichts, er faßte ſie an und ſie mußte mit fort. Da fiel nun gleich der Topf, daß die Suppe auf die Erde floß, und die vielen Brocken ſprangen aus der Taſche. Als das die Gaͤſte ſahen, entſtand ein allgemei - nes Gelaͤchter und Spotten; ſie war ſo be - ſchaͤmt, daß ſie ſich lieber tauſend Klafter un - ter die Erde gewuͤnſcht haͤtte, und ſprang zur Thuͤre und wollte entfliehen. Auf der Treppe aber holte ſie ein Mann ein, und fuͤhrte ſie zuruͤck, und wie ſie ihn anſah, da war das der Koͤnig Droßelbart, der ſprach: ich und der Bettelmann ſind eins, und ich bin auch der Huſar geweſen, der dir die Toͤpfe entzwei ge - ritten hat; und das alles iſt nur dir zur Beſ - ſerung und zur Strafe geſchehen, weil du mich ehedem verſpottet haſt, jetzt aber ſoll erſt unſe - re Hochzeit gefeiert werden. Da kam auch ihr Vater und der ganze Hof, und ſie ward238 praͤchtig geputzt nach ihrem Stand, und das Feſt war ihre Vermaͤhlung mit dem Koͤnig Droßelbart.

53. Sneewittchen (Schneeweißchen).

Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel, da ſaß eine ſchoͤne Koͤnigin an einem Fenſter, das hatte einen Rahmen von ſchwarzem Eben - holz, und naͤhte. Und wie ſie ſo naͤhte und nach dem Schnee aufblickte, ſtach ſie ſich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe in dem Weißen ſo ſchoͤn ausſah, ſo dach - te ſie: haͤtt ich doch ein Kind ſo weiß wie Schnee, ſo roth wie Blut und ſo ſchwarz wie dieſer Rahmen. Und bald darauf bekam ſie ein Toͤchterlein, ſo weiß wie der Schnee, ſo roth wie das Blut, und ſo ſchwarz wie Eben - holz, und darum ward es das Sneewittchen ge - nannt.

Die Koͤnigin war die ſchoͤnſte im ganzen Land, und gar ſtolz auf ihre Schoͤnheit. Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat ſie alle Morgen und fragte:

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?

da ſprach das Spieglein allzeit:239

Ihr, Frau Koͤnigin, ſeyd die ſchoͤnſte Frau
im Land.

Und da wußte ſie gewiß, daß niemand ſchoͤner auf der Welt war. Sneewittchen aber wuchs heran, und als es ſieben Jahr alt war, war es ſo ſchoͤn, daß es ſelbſt die Koͤnigin an Schoͤn - heit uͤbertraf, und als dieſe ihren Spiegel fragte:

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?

ſagte der Spiegel:

Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier,
aber Snewittchen iſt noch tauſendmal ſchoͤner
als Ihr!

Wie die Koͤnigin den Spiegel ſo ſprechen hoͤr - te, ward ſie blaß vor Neid, und von Stund an haßte ſie das Sneewittchen, und wenn ſie es anſah, und gedacht, daß durch ſeine Schuld ſie nicht mehr die ſchoͤnſte auf der Welt ſey, kehrte ſich ihr das Herz herum. Da ließ ihr der Neid keine Ruhe, und ſie rief einen Jaͤger und ſagte zu ihm: fuͤhr das Sneewittchen hinaus in den Wald an einen weiten abgelege - nen Ort, da ſtichs todt, und zum Wahrzeichen bring mir ſeine Lunge und ſeine Leber mit, die will ich mit Salz kochen und eſſen. Der Jaͤ - ger nahm das Sneewittchen und fuͤhrte es hin -240 aus, wie er aber den Hirſchfaͤnger gezogen hat - te und eben zuſtechen wollte, da fing es an zu weinen, und bat ſo ſehr, er moͤgt ihm ſein Le - ben laſſen, es wollt nimmermehr zuruͤckkom - men, ſondern in dem Wald fortlaufen. Den Jaͤger erbarmte es, weil es ſo ſchoͤn war und gedachte: die wilden Thiere werden es doch bald gefreſſen haben, ich bin froh, daß ich es nicht zu toͤdten brauche, und weil gerade ein junger Friſchling gelaufen kam, ſtach er den nieder, nahm Lunge und Leber heraus und bracht ſie als Wahrzeichen der Koͤnigin mit, die kochte ſie mit Salz und ſie auf, und meinte ſie haͤtte Sneewittchens Lunge und Le - ber gegeſſen.

Sneewittchen aber war in dem großen Wald mutterſeelig allein, ſo daß ihm recht Angſt ward und fing an zu laufen und zu lau - fen uͤber die ſpitzen Steine, und durch die Dor - nen den ganzen Tag: endlich, als die Sonne untergehen wollte, kam es zu einem kleinen Haͤuschen. Das Haͤuschen gehoͤrte ſieben Zwer - gen, die waren aber nicht zu Haus, ſondern in das Bergwerk gegangen. Sneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich: da ſtand ein Tiſchlein mit ſieben kleinen Tellern, dabei ſieben Loͤfflein, ſieben Meſſerlein und Gaͤblein, ſieben Becherlein, und an der Wand ſtanden ſieben Bettlein neben ein -ander241ander friſch gedeckt. Sneewittchen war hungrig und durſtig, von jedem Tellerlein ein wenig Gemuͤs und Brod, trank aus jedem Glaͤschen einen Tropfen Wein, und weil es ſo muͤd war, wollte es ſich ſchlafen legen. Da probirte es die ſieben Bettlein nach einander, keins war ihm aber recht, bis auf das ſiebente, in das legte es ſich und ſchlief ein.

Wie es Nacht war, kamen die ſieben Zwer - ge von ihrer Arbeit heim, und ſteckten ihre ſie - ben Lichtlein an, da ſahen ſie, daß jemand in ihrem Haus geweſen war. Der erſte ſprach: wer hat auf meinem Stuͤhlchen geſeſſen? Der zweite: wer hat von meinem Tellerchen gegeſſen? Der dritte: wer hat von meinem Broͤdchen genommen? Der vierte: wer hat von meinem Gemuͤschen gegeſſen? Der fuͤnf - te: wer hat mit meinem Gaͤbelchen geſtochen? Der ſechſte: wer hat mit meinem Meſſerchen geſchnitten? Der ſiebente: wer hat aus meinem Becherlein getrunken? Darnach ſah der erſte ſich um und ſagte: wer hat in mein Bettchen getreten? Der zweite: ei, in mei - nem hat auch jemand gelegen? und ſo alle weiter bis zum ſiebenten, wie der nach ſeinem Bettchen ſah, da fand er das Sneewittchen darin liegen und ſchlafen. Da kamen die Zwer - ge alle gelaufen, und ſchrieen vor Verwunde - rung, und holten ihre ſieben Lichtlein herbei,Kindermärchen. Q242und betrachteten das Sneewittchen, ei du mein Gott! ei du mein Gott! riefen ſie, was iſt das ſchoͤn! Sie hatten große Freude an ihm, weckten es auch nicht auf, und ließen es in dem Bettlein liegen; der ſiebente Zwerg aber ſchlief bei ſeinen Geſellen, bei jedem eine Stun - de, da war die Nacht herum. Als nun Snee - wittchen aufwachte, fragten ſie es, wer es ſey und wie es in ihr Haus gekommen waͤre, da erzaͤhlte es ihnen, wie ſeine Mutter es habe wollen umbringen, der Jaͤger ihm aber das Le - ben geſchenkt, und wie es den ganzen Tag ge - laufen, und endlich zu ihrem Haͤuslein gekom - men ſey. Da hatten die Zwerge Mitleiden und ſagten: wenn du unſern Haushalt verſehen, und kochen, naͤhen, betten, waſchen und ſtricken willſt, auch alles ordentlich und reinlich halten, ſollſt du bei uns bleiben und ſoll dir an nichts fehlen; Abends kommen wir nach Haus, da muß das Eſſen fertig ſeyn, am Tage aber ſind wir im Bergwerk und graben Gold, da biſt du allein; huͤt dich nur vor der Koͤnigin und laß niemand herein.

Die Koͤnigin aber glaubte, ſie ſey wieder die allerſchoͤnſte im Land, trat Morgens vor den Spiegel und fragte:

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?

da antwortete der Spiegel aber wieder:

243

Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier: aber Sneewittchen, uͤber den ſieben Bergen iſt noch tauſendmal ſchoͤner als Ihr! wie die Koͤnigin das hoͤrte erſchrack ſie und ſah wohl, daß ſie betrogen worden und der Jaͤger Sneewittchen nicht getoͤdtet hatte. Weil aber niemand, als die ſieben Zwerglein in den ſieben Bergen war, da wußte ſie gleich, daß es ſich zu dieſen gerettet hatte, und nun ſann ſie von neuem nach, wie ſie es umbringen koͤnnte, denn ſo lang der Spiegel nicht ſagte, ſie waͤr die ſchoͤnſte Frau im ganzen Land, hatte ſie keine Ruh. Da war ihr alles nicht ſicher und ge - wiß genug, und ſie verkleidete ſich ſelber in ei - ne alte Kraͤmerin, faͤrbte ihr Geſicht, daß ſie auch kein Menſch erkannte, und ging hinaus vor das Zwergenhaus. Sie klopfte an die Thuͤr und rief: macht auf, macht auf, ich bin die alte Kraͤmerin, die gute Waare feil hat. Sneewittchen guckte aus dem Fenſter: was habt ihr denn? Schnuͤrriemen, liebes Kind, ſagte die Alte, und holte einen hervor, der war von gelber, rother und blauer Seide geflochten: willſt du den haben? Ei ja, ſprach Sneewittchen, und dachte die gute alte Frau kann ich wohl hereinlaſſen, die meints redlich; riegelte alſo die Thuͤre auf und handel - te ſich den Schnuͤrriemen. Aber wie biſt du ſo ſchlampiſch geſchnuͤrt, ſagte die Alte, kommQ 2244ich will dich einmal beſſer ſchnuͤren. Sneewitt - chen ſtellte ſich vor ſie, da nahm ſie den Schnuͤr - riemen und ſchnuͤrte und ſchnuͤrte es ſo feſt, daß ihm der Athem verging, und es fuͤr todt hinfiel. Darnach war ſie zufrieden und ging fort.

Bald darauf ward es Nacht, da kamen die ſieben Zwerge nach Haus, die erſchracken recht, als ſie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen fanden, als waͤr es todt. Sie ho - ben es in die Hoͤhe, da ſahen ſie, daß es ſo feſt geſchnuͤrt war, ſchnitten den Schnuͤrriemen entzwei, da athmete es erſt, und dann ward es wieder lebendig. Das iſt niemand geweſen, als die Koͤnigin, ſprachen ſie, die hat dir das Leben nehmen wollen, huͤte dich und laß keinen Menſchen mehr herein.

Die Koͤnigin aber fragte ihren Spiegel:

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?

der Spiegel antwortete:

Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier,
aber Sneewittchen bei den ſieben Zwergelchen
iſt tauſendmal ſchoͤner als Ihr.

Sie erſchrack, daß das Blut ihr all zum Her - zen lief, da ſie ſah, daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. Darnach ſann ſie den ganzen Tag und die Nacht, wie ſie es doch noch fangen wollte, und machte einen giftigen245 Kamm, verkleidete ſich in eine ganz andere Ge - ſtalt, und ging wieder hinaus. Sie klopfte an die Thuͤr, Sneewittchen aber rief: ich darf niemand hereinlaſſen; da zog ſie den Kamm hervor, und als Sneewittchen den blinken ſah und es auch jemand ganz fremdes war, ſo machte es doch auf, und kaufte ihr den Kamm ab. Komm ich will dich auch kaͤmmen, ſagte die Kraͤme - rin, kaum aber ſtack der Kamm dem Snee - wittchen in den Haaren, da fiel es nieder und war todt. Nun wirſt du liegen bleiben, ſagte die Koͤnigin, und ihr Herz war ihr leicht geworden, und ſie ging heim. Die Zwerge aber kamen zu rechter Zeit, ſahen was geſchehen, und zogen den giftigen Kamm aus den Haa - ren, da ſchlug Sneewittchen die Augen auf, und war wieder lebendig, und verſprach den Zwergen, es wollte gewiß niemand mehr ein - laſſen.

Die Koͤnigin aber ſtellte ſich vor ihren Spiegel:

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land!

der Spiegel antwortete:

Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier,
aber Sneewittchen bei den ſieben Zwergelchen
iſt tauſendmal ſchoͤner als Ihr!

Wie das die Koͤnigin wieder hoͤrte, zitterte und246 bebte ſie vor Zorn: ſo ſoll das Sneewittchen noch ſterben, und wenn es mein Leben koſtet! Dann ging ſie in ihre heimlichſte Stube, und niemand durfte vor ſie kommen, und da mach - te ſie einen giftigen, giftigen Apfel, aͤußerlich war er ſchoͤn und rothbaͤckig, und jeder der ihn ſah, bekam Luſt dazu. Darauf verkleidete ſie ſich als Bauersfrau, ging vor das Zwerghaus und klopfte an. Sneewittchen guckte und ſag - te: ich darf keinen Menſchen einlaſſen, die Zwerge haben mirs bei Leibe verboten. Nun, wenn Ihr nicht wollt, ſagte die Baͤuerin, kann ich euch nicht zwingen, meine Aepfel will ich ſchon los werden, da, einen will ich euch zur Probe ſchenken. Nein, ich darf auch nichts geſchenkt nehmen, die Zwerge wollens nicht haben. Ihr moͤgt Euch wohl fuͤrch - ten, da will ich den Apfel entzwei ſchneiden und die Haͤlfte eſſen, da den ſchoͤnen rothen Backen ſollt Ihr haben; der Apfel war aber ſo kuͤnſtlich gemacht, daß nur die rothe Haͤlfte vergiftet war. Da ſah Sneewittchen, daß die Baͤuerin ſelber davon , und ſein Geluͤſten darnach ward immer groͤßer, da ließ es ſich end - lich die andere Haͤlfte durchs Fenſter reichen, und biß hinein, kaum aber hatte es einen Biſ - ſen im Mund, ſo[fiel] es todt zur Erde.

Die Koͤnigin aber freute ſich, ging nach Haus und fragte den Spiegel:247

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land?

da antworte er:

Ihr, Frau Koͤnigin, ſeyd die ſchoͤnſte Frau
im Land!

Nun hab ich Ruhe ſprach ſie, da ich wieder die ſchoͤnſte im Lande bin, und Sneewittchen wird diesmal wohl todt bleiben.

Die Zwerglein kamen Abends aus den Berg - werken nach Haus, da lag das liebe Sneewitt - chen auf dem Boden und war todt. Sie ſchnuͤr - ten es auf und ſahen, ob ſie nichts giftiges in ſeinen Haaren faͤnden, es half aber alles nichts, ſie konnten es nicht wieder lebendig machen. Sie legten es auf eine Bahre, ſetzten ſich alle ſieben daran, weinten und weinten drei Tage lang, dann wollten ſie es begraben, da ſahen ſie aber daß es noch friſch und gar nicht wie ein Todter ausſah, und daß es auch ſeine ſchoͤnen rothen Backen noch hatte. Da ließen ſie einen Sarg von Glas machen, legten es hinein, daß man es recht ſehen konnte, ſchrieben auch mit golde - nen Buchſtaben ſeinen Namen darauf und ſei - ne Abſtammung, und einer blieb jeden Tag zu Haus und bewachte es.

So lag Sneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und verweſte nicht, war noch ſo weiß als Schnee, und ſo roth als Blut, und248 wenns die Aeuglein haͤtte koͤnnen aufthun, waͤ - ren ſie ſo ſchwarz geweſen wie Ebenholz, denn es lag da, als wenn es ſchlief. Einmal kam ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und wollte darin uͤbernachten, und wie er in die Stube kam und Sneewittchen in dem Glas - ſarg liegen ſah, auf das die ſieben Lichtlein ſo recht ihren Schein warfen, konnt er ſich nicht ſatt an ſeiner Schoͤnheit ſehen, und las die goldene Inſchrift und ſah, daß es eine Koͤnigs - tochter war. Da bat er die Zwerglein, ſie ſoll - ten ihm den Sarg mit dem todten Sneewitt - chen verkaufen, die wollten aber um alles Gold nicht; da bat er ſie, ſie moͤgten es ihm ſchen - ken, er koͤnne nicht leben ohne es zu ſehen, und er wolle es ſo hoch halten und ehren, wie ſein Liebſtes auf der Welt. Da waren die Zwerg - lein mitleidig und gaben ihm den Sarg, der Prinz aber ließ ihn in ſein Schloß tragen, und ließ ihn in ſeine Stube ſetzen, er ſelber ſaß den ganzen Tag dabei, und konnte die Augen nicht abwenden; und wenn er aus mußte gehen und konnte Sneewittchen nicht ſehen, ward er traurig, und er konnte auch keinen Biſſen eſſen, wenn der Sarg nicht neben ihm ſtand. Die Diener aber, die beſtaͤndig den Sarg herum - tragen mußten, waren boͤs daruͤber, und einer machte einmal den Sarg auf, hob Sneewitt - chen in die Hoͤh und ſagte: um ſo eines tod -249 ten Maͤdchens willen, werden wir den ganzen Tag geplagt, und gab ihm mit der Hand ei - nen Stumpf in den Ruͤcken. Da fuhr ihm der garſtige Apfelgruͤtz, den es abgebiſſen hatte, aus dem Hals, und da war Sneewittchen wie - der lebendig. Da ging es hin zu dem Prin - zen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden thun ſollte, als ſein liebes Sneewittchen le - bendig war, und ſie ſetzten ſich zuſammen an die Tafel und aßen in Freuden.

Auf den andern Tag ward die Hochzeit beſtellt, und Sneewittchens gottloſe Mutter, auch eingeladen. Wie ſie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und ſprach:

Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land!

da antwortete er:

Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier,
aber die junge Koͤnigin iſt tauſendmal ſchoͤner
als Ihr!

Als ſie das hoͤrte, erſchrack ſie, und es war ihr ſo Angſt, ſo Angſt, daß ſie es nicht ſagen konnte. Doch trieb ſie der Neid, daß ſie auf der Hochzeit die junge Koͤnigin ſehen wollte, und wie ſie ankam, ſah ſie, daß es Sneewitt - chen war; da waren eiſerne Pantoffeln im Feuer gluͤhend gemacht, die mußte ſie anziehen und darin tanzen, und ihre Fuͤße wurden jaͤmmer -250 lich verbrannt, und ſie durfte nicht aufhoͤren bis ſie ſich zu todt getanzt hatte.

54. Hans Dumm.

Es war ein Koͤnig, der lebte mit ſeiner Tochter, die ſein einziges Kind war, vergnuͤgt: auf einmal aber brachte die Prinzeſſin ein Kind zur Welt, und niemand wußte, wer der Vater war; der Koͤnig wußte lang nicht, was er an - fangen ſollte, am Ende befahl er, die Prinzeſ - ſin ſolle mit dem Kind in die Kirche gehen, da ſollte ihm eine Citrone in die Hand gegeben werden, und wem es die reiche, ſolle der Va - ter des Kinds und Gemahl der Prinzeſſin ſeyn. Das geſchah nun, doch war der Befehl gege - ben, daß niemand als ſchoͤne Leute in die Kir - che ſollten eingelaſſen werden. Es war aber in der Stadt ein kleiner, ſchiefer und buckelichter Burſch, der nicht recht klug war, und darum der Hans Dumm hieß, der draͤngte ſich unge - ſehen zwiſchen den andern auch in die Kirche, und wie das Kind die Citrone austheilen ſoll - te, ſo reichte es ſie dem Hans Dumm. Die Prinzeſſin war erſchrocken, der Koͤnig war ſo aufgebracht, daß er ſie und das Kind mit dem Hans Dumm in eine Tonne ſtecken und aufs Meer ſetzen ließ. Die Tonne ſchwamm bald251 fort, und wie ſie allein auf dem Meere waren, klagte die Prinzeſſin und ſagte: du garſtiger, buckelichter, naſeweiſer Bub, biſt an meinem Ungluͤck Schuld, was haſt du dich in die Kir - che gedraͤngt, das Kind ging dich nichts an. O ja, ſagte Hans Dumm, das ging mich wohl etwas an, denn ich habe es einmal ge - wuͤnſcht, daß du ein Kind bekaͤmſt, und was ich wuͤnſche, das trifft ein. Wenn das wahr iſt, ſo wuͤnſch uns doch, was zu eſſen hierher. Das kann ich auch, ſagte Hans Dumm, wuͤnſchte ſich aber eine Schuͤſſel recht voll Kartoffel, die Prinzeſſin haͤtte gern etwas Beſſeres gehabt, aber weil ſie ſo hungrig war, half ſie ihm die Kartoffel eſſen. Nachdem ſie ſatt waren, ſagte Hans Dumm: nun will ich uns ein ſchoͤnes Schiff wuͤnſchen! und kaum hatte er das geſagt, ſo ſaßen ſie in ei - nem praͤchtigen Schiff, darin war alles zum Ue - berfluß, was man nur verlangen konnte. Der Steuermann fuhr grad ans Land, und als ſie ausſtiegen, ſagte Hans Dumm: nun ſoll ein Schloß dort ſtehen! Da ſtand ein praͤchtiges Schloß und Diener in Goldkleidern kamen und fuͤhrten die Prinzeſſin und das Kind hinein, und als ſie mitten in dem Saal waren, ſagte Hans Dumm: nun wuͤnſch ich, daß ich ein junger und kluger Prinz werde! Da verlor ſich ſein Buckel, und er war ſchoͤn und gerad252 und freundlich, und er gefiel der Prinzeſſin gut und ward ihr Gemahl.

So lebten ſie lange Zeit vergnuͤgt; da ritt einmal der alte Koͤnig aus, verirrte ſich, und kam zu dem Schloß. Er verwunderte ſich dar - uͤber, weil er es noch nie geſehen und kehrte ein. Die Prinzeſſin erkannte gleich ihren Va - ter, er aber erkannte ſie nicht, er dachte auch, ſie ſey ſchon laͤngſt im Meer ertrunken. Sie be - wirthete ihn praͤchtig, und als er wieder nach Haus wollte, ſteckte ſie ihm heimlich einen goldenen Becher in die Taſche. Nachdem er aber fortgeritten war, ſchickte ſie ein paar Reu - ter nach, die mußten ihn anhalten und unter - ſuchen, ob er den goldenen Becher nicht geſtoh - len, und wie ſie ihn in ſeiner Taſche fanden, brachten ſie ihn mit zuruͤck. Er ſchwur der Prinzeſſin, er habe ihn nicht geſtohlen, und wiſſe nicht, wie er in ſeine Taſche gekommen ſey, darum, ſagte ſie, muß man ſich huͤten, jemand gleich fuͤr ſchuldig zu halten, und gab ſich als ſeine Tochter zu erkennen. Da freute ſich der Koͤnig und ſie lebten vergnuͤgt zuſam - men, und nach ſeinem Tod, ward Hans Dumm Koͤnig.

253

55. Rumpelſtilzchen.

Es war einmal ein Muͤller, der war arm, aber er hatte eine ſchoͤne Tochter. Und es traf ſich, daß er mit dem Koͤnig zu ſprechen kam und ihm ſagte: ich habe eine Tochter, die weiß die Kunſt, Stroh in Gold zu verwandeln. Da ließ der Koͤnig die Muͤllerstochter alſogleich kommen, und befahl ihr, eine ganze Kammer voll Stroh in einer Nacht in Gold zu ver - wandeln, und koͤnne ſie es nicht, ſo muͤſſe ſie ſterben. Sie wurde in die Kammer eingeſperrt, ſaß da und weinte, denn ſie wußte um ihr Le - ben keinen Rath, wie das Stroh zu Gold werden ſollte. Da trat auf einmal ein klein Maͤnnlein zu ihr, das ſprach: was giebſt du mir, daß ich alles zu Gold mache? Sie that ihr Halsband ab und gabs dem Maͤnnlein, und es that, wie es verſprochen hatte. Am andern Morgen fand der Koͤnig die ganze Kammer voll Gold; aber ſein Herz wurde dadurch nur noch begieriger, und er ließ die Muͤllerstochter in eine andere, noch groͤßere Kammer voll Stroh thun, das ſollte ſie auch zu Gold machen. Und das Maͤnnlein kam wieder, ſie gab ihm ihren Ring von der Hand, und alles wurde wieder zu Gold. Der Koͤnig aber hieß ſie die dritte254 Nacht wieder in eine dritte Kammer ſperren, die war noch groͤßer als die beiden erſten und ganz voll Stroh, und wenn dir das auch ge - lingt, ſollſt du meine Gemahlin werden. Da kam das Maͤnnlein und ſagte: ich will es noch einmal thun, aber du mußt mir das erſte Kind verſprechen, das du mit dem Koͤnig be - kommſt. Sie verſprach es in der Noth, und wie nun der Koͤnig auch dieſes Stroh in Gold verwandelt ſah, nahm er die ſchoͤne Muͤllers - tochter zu ſeiner Gemahlin.

Bald darauf kam die Koͤnigin ins Wochen - bett, da trat das Maͤnnlein vor die Koͤnigin und forderte das verſprochene Kind. Die Koͤ - nigin aber bat, was ſie konnte und bot dem Maͤnnchen alle Reichthuͤmer an, wenn es ihr ihr Kind laſſen wollte, allein alles war verge - bens. Endlich ſagte es: in drei Tagen komm ich wieder und hole das Kind, wenn du aber dann meinen Namen weißt, ſo ſollſt du das Kind behalten!

Da ſann die Koͤnigin den erſten und zwei - ten Tag, was doch das Maͤnnchen fuͤr einen Namen haͤtte, konnte ſich aber nicht beſinnen, und ward ganz betruͤbt. Am dritten Tag aber kam der Koͤnig von der Jagd heim und erzaͤhl - te ihr: ich bin vorgeſtern auf der Jagd gewe - ſen, und als ich tief in den dunkelen Wald kam, war da ein kleines Haus und vor dem255 Haus war ein gar zu laͤcherliches Maͤnnchen, das ſprang als auf einem Bein davor herum, und ſchrie:

heute back ich, morgen brau ich,
uͤbermorgen hohl ich der Frau Koͤnigin ihr
Kind,
ach wie gut iſt, daß niemand weiß,
daß ich Rumpelſtilzchen heiß!

Wie die Koͤnigin das hoͤrte, ward ſie ganz froh und als das gefaͤhrliche Maͤnnlein kam, frug er: Frau Koͤnigin, wie heiß ich? heißeſt du Conrad? Nein. Heißeſt du Hein - rich? Nein.

Heißt du etwa Rumpelſtilzchen? Das hat dir der Teufel geſagt! ſchrie das Maͤnnchen, lief zornig fort und kam nimmer - mehr wieder.

56. Der Liebſte Roland.

Es war einmal eine Mutter, die hatte nur ihre rechte Tochter lieb und haßte ihre Stief - tochter, die doch tauſendmal ſchoͤner und beſſer war. Einmal hatte dieſe eine ſchoͤne Schuͤrze, daruͤber war die andere neidiſch und verlangte von der Mutter, ſie ſolle ihr dieſe Schuͤrze verſchaffen. Die Mutter ſagte: ſey ſtill, mein liebes Kind, du ſollſt ſie haben, deine Stief -256 ſchweſter hat doch ſchon lange den Tod ver - dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und ſchieb ſie recht vorne hin, dann will ich kom - men, wenn ſie ſchlaͤft, und will ihr den Kopf abhauen. Die Stiefſchweſter aber hatte in einer Ecke geſtanden und alles mit angehoͤrt, da ließ ſie die boͤſe Schweſter erſt zu Bett ge - hen, daß ſie hinten hin kam, wie ſie aber ein - geſchlafen war, hub ſie ſie auf und legte ſie vorne hin, ſich aber ganz hinten. Da kam die Mutter in der Nacht geſchlichen, fuͤhlte erſt ob vorne jemand lag und ſchlief, dann faßte ſie die Axt mit beiden Haͤnden und hieb und hieb ihrem eigenen Kind den Kopf ab.

Wie ſie fortgegangen war, ſtand das Maͤd - chen auf und ging zu ſeinem Liebſten Roland, klopfte an und rief: hoͤr, wir muͤſſen fort, die Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeſchlagen, und meint ſie haͤtte mich getroffen, kommt der Tag und ſie ſieht, was ſie gethan, ſo bin ich verloren; da hab ich ihren Zauberſtab genom - men, damit koͤnnen wir uns ſchon helfen. Der Liebſte Roland ſtand auf, und ſie nahmen erſt den todten Kopf und troͤpfelten drei Bluts - tropfen, einen vors Bett, einen in die Kuͤche und einen auf die Treppe; darauf gingen ſie fort. Am Morgen, als die Mutter aufgeſtan - den war, rief ſie ihrer Tochter: komm, du ſollſt jetzt die Schuͤrze haben, die Tochter kamaber257aber nicht. Wo biſt du? Ei! hier auf der Treppe, die kehr ich, ſprach der eine Blutstropfen. Da ging ſie hinaus; auf der Treppe war niemand: wo biſt du denn? Ei! hier in der Kuͤche, beim Feuer, da waͤrm ich mich! rief der zweite Blutstropfen; ſie ging in die Kuͤche, aber ſie ſah niemand: wo biſt du denn aber? Ach! hier am Bett, da ſchlaf ich! ſie lief in die Kammer ans Bett, da ſah ſie ihr eigen Kind in ſeinem Blu - te ſchwimmen. Da erſchrack ſie und merkte, daß ſie betrogen war, und ward zornig, weil ſie aber eine Hexe war, konnte ſie weit in die Welt hineinſehen, und ſah ihre Stieftochter mit ihren Liebſten forteilen, und ſie waren ſchon weit weg. Alsbald zog ſie ihre Meilenſtiefeln an, und ging ihnen nach, hatte ſie auch bald eingeholt; das Maͤdchen aber hatte durch den Zauberſtab gewußt, daß ſie verfolgt wuͤrden, und ſich in einen See, ihren Liebſten Roland aber in eine Ente verwandelt, die ſchwamm darauf. Als nun die Stiefmutter herzu kam, ſetzte ſie ſich an das Ufer und ſuchte die Ente mit Brod zu locken, aber es war alle Muͤhe ver - geblich, am Abend mußte ſie unverrichteter Sa - che heimgehen. Die zwei nahmen ihre menſch - liche Geſtalt wieder an, und gingen weiter, wie aber der Tag anbrach wurden ſie wieder von der Hexe verfolgt. Da verwandelte ſich dasKindermärchen. R258Maͤdchen in eine ſchoͤne Blume, die mitten in einer Dornhecke ſtand, ihren Liebſten Roland aber in einen Geigenſpieler. Wie die Alte an - kam, fragte ſie den Spielmann, ob ſie ſich die Blume abbrechen duͤrfe, o ja, antwortete der, nur will ich dazu aufſpielen. Da kroch ſie in die Hecke und ſuchte zu der Blume zu reichen; wie ſie aber mitten darin war, fing er an zu ſpielen, und da mußte ſie darnach tanzen und tanzen ohne Aufhoͤren, daß ihr die Dornen die Kleider vom Leibe riſſen und ſie blutig ſtachen, ſo lang, bis ſie todt hinfiel.

Da waren beide frei. Roland aber ſprach zu dem Maͤdchen: nun will ich heim gehen zu meinem Vater, und die Hochzeit beſtellen. Da will ich mich indeſſen in einen rothen Feld - ſtein verwandeln, und hier bleiben und warten, bis du wieder kommſt. Da ſtand es als ein rother Stein und wartete lang auf ſeinen Lieb - ſten, aber der kam nicht wieder und hatte ſie vergeſſen, und als er gar nicht kommen wollte, ward es ganz traurig und verwandelte ſich in eine Blume, und dachte, es wird mich ja bald jemand umtreten. Ein Schaͤfer aber fand die Blume, und weil ſie ſo ſchoͤn war, nahm er ſie mit ſich, und legte ſie daheim in ſeinen Ka - ſten. Von nun an aber ging es wunderlich bei dem Schaͤfer zu: wenn er des Morgens aufwachte, ſo war alles im Haus gethan, ge -259 kehrt, geputzt, Feuer angemacht, und kam er Mittags nach Haus, war das Eſſen gekocht, der Tiſch gedeckt und aufgetragen; er konnte aber nicht begreifen, wie das zuging, ſah auch niemals einen Menſchen in ſeinem Haus. Und ob es ihm gleich wohl gefiel, ſo ward ihm doch zuletzt Angſt dabei, und er fragte eine weiſe Frau daruͤber, die ſagte, das ſey Zauberei, er ſolle einmal Morgens fruͤh Acht geben, ob ſich etwas in der Stube bewege, und wenn er et - was ſehe ein weißes Tuch daruͤber werfen. Das that er, und am andern Morgen ſah er, wie ſich der Kaſten aufthat und die Blume her - auskam, er ſprang herzu und warf ein Tuch daruͤber, da war die Verwandlung vorbei, und das ſchoͤne Maͤdchen, das ſein Liebſter Roland vergeſſen hat, ſtand vor ihm. Der Schaͤfer wollte es heirathen, es ſagte aber nein, es wolle ihm nur dienen und haushalten. Bald darauf hoͤrte es, daß Roland Hochzeit halten und eine andere heirathen wolle; dabei mußte jeder im Land nach einem alten Gebrauch, ſin - gen. Da kam das treue Maͤdchen auch hin, und wollte immer nicht ſingen, bis zu allerletzt, da mußte es; wie es aber anfing, da erkannte es Roland gleich, ſprang auf und ſagte: das ſey ſeine rechte Braut, er wolle keine andere und vermaͤhlte ſich mir ihr; da war ſein Leid zu End und ſeine Freude ging an.

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57. Vom goldnen Vogel.

Ein gewiſſer Koͤnig hatte einen Luſtgarten, in dem Garten ſtund ein Baum und der Baum trug goldne Aepfel. Wie ſie nun zeitig gewor - den waren, fehlte gleich nach der erſten Nacht ein Apfel, ſo daß der Koͤnig zornig war, und ſeinen Gaͤrtner befahl, alle Naͤchte unter dem Baum Wacht zu halten. Der Gaͤrtner hieß ſeinen aͤlteſten Sohn wachen, aber um zwoͤlf Uhr Mitternachts ſchlief er ein, und am an - dern Morgen fehlte ſchon wieder ein Apfel. Da ließ der Gaͤrtner ſeinen zweiten Sohn in der folgenden Nacht wachen, aber um zwoͤlf Uhr Mitternacht da ſchlief er auch ein, und des Morgens fehlte noch ein Apfel. Da woll - te nun der dritte Sohn wachen, und der Gaͤrt - ner war es erſt nicht zufrieden, endlich gab ers doch zu, und der dritte Sohn legte ſich unter den Baum, und wachte und wachte, und als es zwoͤlf ſchlug, da rauſchte es ſo durch die Luft, und ein Vogel kam geflogen, der war ganz von purem Gold, und wie er gerade mit ſeinem Schnabel nach einem Apfel picken woll - te, da war der Sohn des Gaͤrtners her, und ſchoß eilends einen Pfeil auf ihn ab. Der Pfeil aber that dem Vogel nichts, als daß er261 ihm eine goldne Feder ausſchoß, worauf er ſchnell fortflog. Die goldne Feder wurde nun des andern Morgens hin zum Koͤnig gebracht, der alsbald ſeinen Rath verſammelte. Jeder - mann erklaͤrte aber einmuͤthig, daß dieſe Feder allein mehr werth waͤre, als das geſammte Koͤ - nigreich. So ſprach der Koͤnig: nun hilft mir die eine Feder zu nichts, ſondern ich will und muß den ganzen Vogel haben.

Da machte ſich der aͤlteſte Sohn auf, und gedachte den goldenen Vogel ſchon zu finden. Und wie er eine Strecke gegangen war, kam er an einen Wald; vor dem Wald ſaß ein Fuchs, gleich nahm er ſeine Flinte und zielte auf ihn. Da hub der Fuchs an: ſchieß mich nicht, ſo will ich dir guten Rath geben, ich weiß ſchon, wo du hin willſt, du denkſt den goldenen Vo - gel zu ſuchen, wenn du nun heut Abend in ein Dorf kommſt, wirſt du zwei Wirthshaͤuſer ſtehen ſehen, gegeneinander uͤber, im einem gehts hell und luſtig her, geh aber nicht in das hinein, ſondern ins andere, wenn es dich ſchon ſchlecht anſieht! Der Sohn aber dach - te: was kann mir ein Thier ordentliches ra - then, nahm die Flinte und druͤckte ab, aber er fehlte den Fuchs, der nahm den Schwanz auf den Ruͤcken und lief ſchnell zum Wald hinein. Der aͤlteſte Sohn ſetzte ſeine Reiſe fort, und Abends kam er in das Dorf, wo die beiden[262] Wirthshaͤuſer ſtanden, in dem einen wurde ge - ſungen und geſprungen, das andere hatte ein armſeliges, betruͤbtes Anſehen. Ei, ich waͤr wohl ein rechter Narr, daß ich in das lumpige Wirthshaus ginge und das ſchoͤne liegen ließe! ging damit in das luſtige zur Thuͤre hinein, lebte vollauf in Saus und Braus und vergaß den Vogel und ſeine Heimath.

Die Zeit verſtrich, und wie der aͤlteſte Sohn immer und immer nicht nach Haus kam, ſo machte ſich der zweite auf, und alles begegnete ihm gerade eben ſo, mit dem Fuchs und dem guten Rath, aber wie er vor die zwei Wirths - haͤuſer kam, ſtand ſein aͤlteſter Bruder im Fen - ſter deſſen, wo der Jubel war, und rief ihn hinein, ſo daß er nicht widerſtehen konnte und es da guter Dinge ſeyn ließ.

Die Zeit verſtrich, da wollte der juͤngſte Sohn auch in die Welt gehen, allein der Va - ter wollte es lange nicht zulaſſen, denn er hat - te ihn gar lieb und furchte ſich, es moͤchte ihm auch ein Ungluͤck zuſtoßen, daß er auch nicht wiederkaͤme. Doch endlich, wie keine Ruh mehr war, ließ er ihn ziehen, und vor dem Wald be - gegnete ihm auch wieder der Fuchs, und gab ihm den guten Rath. Er war aber gutmuͤthig, und ſchenkte ihm das Leben, da ſagte der Fuchs: ſteig hinten auf meinen Schwanz, ſo gehts ſchneller. Und wie er ſich darauf geſetzt hatte,263 fing der Fuchs an zu laufen, da gings uͤber Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen.

Und als ſie vor dem Dorf waren, ſtieg der Sohn ab, folgte dem Rath und trat, ohne ſich umzuſehen, in dem armen Wirthshaus ab, wo er ruhig uͤbernachtete. Am andern Morgen ſtand der Fuchs wieder auf dem Weg und ſag - te: gerade fort, endlich wirſt du an ein Schloß kommen, vor dem ein ganz Regiment Solda - ten liegt, die werden alle ſchlafen und ſchnar - chen, kuͤmmere dich aber nicht darum, ſondern tritt ins Schloß hinein, ſo wirſt du zuletzt in - wendig in eine Stube kommen. In der Stu - be wird der goldne Vogel in einem hoͤlzernen Kaͤfig hangen, nebenan ſteht noch ein anderer praͤchtiger Goldkaͤfig zum Staat, thu ihn aber nicht etwa aus dem ſchlechten Kaͤfig heraus, um ihn in den guten zu ſetzen, ſonſt moͤchte es ſchlimm gehen. Nach dieſen Worten ſtreckte der Fuchs wieder ſeinen Schwanz aus und der Sohn ſetzte ſich drauf, da gings uͤber Stock und Stein, daß die Haare im Wind pfiffen.

Vor dem Schloß traf nun alles ſo ein, er trat in das Zimmer, da hing der goldne Vogel im hoͤlzernen Kaͤfig, daneben ſtand ein goldener, und die drei goldne Aepfel lagen in der Stube herum. Da dachte er: das waͤre ja laͤcherlich, wenn ich den ſchoͤnen Vogel in dem garſtigen264 Kaͤfig laſſen ſollte, machte die Thuͤre auf, pack - te ihn und that ihn in den goldenen Kaͤfig. Indem hub der Vogel ſo moͤrderlich an zu ſchreien, daß die ganzen Soldaten davon er - wachten, die nahmen ihn gefangen und fuͤhrten ihn vor den Koͤnig. Den andern Morgen wur - de ein Gericht gehalten, wo er alles bekennt, und zum Tode verurtheilt wird, doch unter der einen Bedingung ſoll ihm das Leben geſchenkt ſeyn, wenn er dem Koͤnig das goldne Pferd bringe, das ſchnell wie der Wind laufe, und dazu ſolle ihm der goldne Vogel obendrein ge - ſchenkt werden.

Betruͤbt machte er ſich auf den Weg und ſeufzte; auf einmal ſtand der Fuchs wieder da und ſagte: ſiehſt du, ſo iſt es gekommen, weil du mir nicht gehoͤrt haſt, doch will ich dir noch einmal rathen, wie du das goldne Pferd be - kommen kannſt, wenn du mir folgen willſt. Du mußt gerades Wegs fortgehen, biſt du zu dem Schloß kommſt, worin das Pferd im Stall ſteht, vor dem Stall werden die Stallknechte ſchlafen und ſchnarchen, da kannſt du geruhig das goldne Pferd herausfuͤhren, allein leg ihm nur den ſchlechten Sattel von Holz und Leder, und nicht den goldenen, auf der dabei haͤngt. Darauf ſetzt er ſich auf den Fuchsſchwanz und es ging weg uͤber Stock und Stein, daß die Haare pfiffen.

265

Alles traf ſo ein, die Stallknechte ſchnarch - ten und hielten goldne Saͤttel in den Haͤnden. Und als er das goldne Pferd ſah, dauerte es ihn, den ſchlechten Sattel aufzulegen: es wird ganz verſchaͤndet, ich will ihm einen guten ge - ben, wie ſichs gebuͤhrt. Und wie er dem einen Stallknecht den guten Sattel nehmen wollte, wachte er auf und die andern miteinander, daß alles herzulief und er ins Gefaͤngniß geworfen wurde. Den andern Morgen wurde er wieder zum Tode verurtheilt, doch ſollte ihm das Le - ben und dazu der Vogel und das Pferd ge - ſchenkt ſeyn, wenn er die wunderſchoͤne Prin - zeſſin herbeiſchaffe.

Traurig machte der Sohn ſich auf; und bald, ſo ſtand der alte Fuchs da: warum haſt du mir nicht gehoͤrt, jetzt haͤtteſt du den Vogel und das Pferd, doch will ich dir noch einmal rathen: geh geradezu, Abends wirſt du beim Schloß anlangen, und Nachts um zwoͤlf Uhr badet die Prinzeſſin im Badhaus, da geh hin - ein und gieb ihr einen Kuß, hernach kannſt du ſie mit fortnehmen, nur leide nicht, daß ſie vor - her von ihren Eltern Abſchied nimmt. Der Fuchs ſtreckte ſeinen Schwanz, und ſo ging es uͤber Stock und Stein, daß die Haare pfiffen.

Als er beim Schloß ankam, war es alles ſo, und Nachts gab er der Prinzeſſin den Kuß im Badehaus, und ſie wollte gern mit ihm ge -266 hen, bat ihn aber mit vielen Thraͤnen, er ſollte ihr vorher nur erlauben, von ihrem Vater Ab - ſchied zu nehmen. Erſt ſchlug ers ab, allein ſie weinte immer mehr und fiel ihm zu Fuß, bis daß ers zuließ; kaum aber kam ſie zu ih - rem Vater, ſo wachte er und jedermann auf, und er wurde wieder gefangen geſetzt.

Der Koͤnig ſprach: meine Tochter be - kommſt du nun einmal nicht, es ſey denn, daß du mir binnen acht Tagen den Berg ab - traͤgſt, der mir vor meinem Fenſter die Aus - ſicht nimmt. Dieſer Berg war aber ſo groß, ſo groß, daß ihn die ganze Welt nicht haͤtte abtragen koͤnnen. Wie er nun ſieben ganzer Tage fortarbeitete und doch ſah, wie wenig zu Stande kam, ſo fiel er in großen Kummer, aber am Abend des ſiebenten Tages kam der Fuchs und ſprach: leg dich nur hin ſchlafen, ich will die Arbeit fuͤr dich thun. Und wie er des andern Morgens erwachte, war der Berg fort, und froͤhlich ging er zum Koͤnig und ſagte ihm, daß nun der Berg abgetragen waͤre, er ſollte ihm nun die Prinzeſſin geben. Da mußte es der Koͤnig wohl thun, und die beiden zogen fort, der Fuchs aber kam und ſagte: nun muͤſſen wir ſie alle drei haben, die Prin - zeſſin, das Pferd und den Vogel. Ja, wenn du das machen koͤnnteſt, ſagte der Juͤng - ling, das ſoll dir aber ſchwer werden. 267 Wenn du nur hoͤren willſt, ſoll es ſchon ge - hen, antwortete der Fuchs. Wenn du nun zum Koͤnig kommſt, der die wunderſchoͤne Prin - zeſſin verlangt, ſo ſag ihm: hier waͤre ſie. Dar - auf wird graͤßliche Freude ſeyn; ſodann ſetz dich aufs Pferd, das ſie dir geben muͤſſen, und reich allen zum Abſchied die Hand, der Prinzeſſin aber zuletzt, und zieh ſie dann mit einem Schwung hinauf aufs Pferd und gieb die Sporen.

Dies alles geſchah ſo. Da ſprach der Fuchs weiter: jetzt, wenn wir vors Schloß kommen, wo der Vogel iſt, ſo bleibe ich mit der Prin - zeſſin vor dem Thor ſtehen, und du reiteſt hin - ein und ſprichſt: ſie ſaͤhen doch nun, daß dies das rechte Pferd waͤre, ſo werden ſie den Vo - gel bringen, du aber bleib ſitzen, und ſag du wollteſt ſehen, ob es auch der rechte Vogel waͤ - re, und wenn du ihn in der Hand haſt, ſo jage fort.

Alles ging gut, und wie er den Vogel hat - te, ſetzte ſich die Prinzeſſin wieder auf, und ſie ritten weiter bis in einen großen Wald. Da kam der Fuchs und bat: er moͤchte ihn doch todt - ſchießen, und ihm Kopf und Pfoten abhauen. Allein der Juͤngling wollte es durchaus nicht thun. So will ich dir wenigſtens einen gu - ten Rath geben: vor zwei Stuͤcken huͤte dich, kauf kein Galgenfleiſch und ſetz dich an keinen268 Brunnenrand! Nun wenns weiter nichts iſt, dachte jener, das iſt nicht ſchwer.

Nun zog er weiter fort mit der Prinzeſſin, bis er endlich in das Dorf kam, worin ſeine Bruͤder geblieben waren. Da war gerade ein großer Auflauf und Laͤrmen, und als er frag - te: was da vorwaͤre? hieß es, es ſollten zwei Leute aufgehaͤngt werden, und als er naͤher hinzu kam, ſah er, daß es ſeine zwei Bruͤder waren, die allerhand ſchlimme Streiche veruͤbt und alles verthan hatten. Koͤnnen ſie denn gar nicht mehr vom Tode frei werden? Nein, es ſey denn, daß ihr euer Geld an die Lumpenkerls haͤngen und ſie loskaufen wolltet. Da beſann er ſich nicht lange, und zahlte, was man verlangte; ſeine Bruͤder wurden freigege - ben und ſetzten mit ihm die Reiſe fort.

Und als ſie in den Wald kamen, wo ihnen der Fuchs zuerſt begegnet war, da wars ſo lu - ſtig und lieblich in dem Wald, da ſprachen die zwei Bruͤder: laß uns hier bei dieſem Brun - nen ein wenig ausruhen, eſſen und trinken! und er ſagte: ja. Unter dem Geſpraͤch vergaß er ſich, und ſetzte ſich an den Brunnenrand, und waͤhrend er ſich nichts Arges verſah, war - fen ſie ihn hinterruͤcks in den Brunnen, nah - men die Prinzeſſin, das Pferd und den Vogel, zogen heim zum Koͤnig und ſprachen: das ha - ben wir alles erbeutet und bringen es dir. 269Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin - zeſſin die weinte.

Ihr juͤngſter Bruder lag unten im Brun - nen, der zum Gluͤck trocken war, und wiewohl er keins ſeiner Glieder gebrochen hatte, konnte er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom - men. Indeſſen kam der alte Fuchs noch ein - mal, ſchalt ihn aus, daß er ihm nicht gehoͤrt, ſonſt waͤre ihm nichts davon begegnet: doch aber kann ichs nicht laſſen und muß dir her - aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte feſt. Darauf kroch der Fuchs und ſchleppte ihn zum Brunnen heraus. Wie ſie oben wa - ren, ſagte der Fuchs: deine Bruͤder haben Waͤchter geſetzt, die dich toͤdten ſollen, wenn du uͤber die Grenze kaͤmeſt. Da zog er armen Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis an des Koͤnigs Hof, und kaum war er da, ſo fraß das Pferd, ſo pfiff der Vogel und die Prinzeſſin hoͤrte Weinens auf. Da trat er vor den Koͤnig und offenbarte das Bubenſtuͤck ſeiner Bruͤder und alles, wie es ſich zugetragen hatte. Die Bruͤder wurden ergriffen und hin - gerichtet, und er bekam die Prinzeſſin, und nach des Koͤnigs Tode das Reich.

Lang danach ging er einmal wieder in den Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und bat aufs flehentlichſte, er moͤchte ihn todtſchie -270 ßen und ihm Kopf und Pfoten abſchneiden. Alſo that ers endlich, und kaum war es geſche - hen, als ſich der Fuchs in einen Menſchen ver - wandelte, und war der Bruder der Koͤnigin, der nun endlich erloͤſt worden war.

58. Vom treuen Gevatter Sperling.

Es war einmal eine Hirſchkuh, die war mit einem jungen Hirſch ins Kindbett gekom - men, und bat den Fuchs, Gevatter zu ſtehen. Der Fuchs aber lud noch den Sperling dazu, und der Sperling wollte noch den Haushund, ſeinen beſondern lieben Freund einladen. Der Hund aber war von ſeinem Herrn ans Seil gelegt worden, weil er einmal von einer Hoch - zeit ganz betrunken nach Haus gekommen war. Der Sperling meinte, das hat nicht viel auf ſich, pickte und pickte am Seil einen Faden nach dem andern los, ſo lang, bis der Hund frei war. Nun gingen ſie zuſammen zum Gevat - terſchmaus, machten ſich auch recht luſtig, denn da war alles vollauf; der Hund aber verſahs und uͤbernahm ſich wieder im Wein; als ſie aufſtanden, war ihm der Kopf ſo ſchwer, daß er ſich kaum auf den Beinen erhalten konnte, doch taumelte er noch ein Stuͤck Wegs nach Haus fort, endlich aber fiel er hin und blieb271 mitten auf der Straße liegen. Eben kam ein Fuhrmann daher, und wollt 'geradezu uͤber ihn wegfahren. Fuhrmann thus nicht, rief der Sperling, es koſtet dein Leben! Der Fuhr - mann aber hoͤrte nicht darauf, knallte mit der Peitſche, und trieb die Pferde gerade auf den Hund, daß die Wagenraͤder ihm die Beine zer - brachen. Fuchs und Sperling ſchleppten den Gevatter heim, der Herr ſah ihn an und ſprach: der iſt ja todt, und gab ihn dem Fuhrmann, der ſollt ihn begraben. Der Fuhrmann dachte, die Haut iſt zu brauchen, lud ihn auf und fuhr fort. Der Sperling aber flog nebenher und rief: Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben! Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben! Dann ſetzte er ſich dem einen Pferde auf den Kopf und rief: Fuhrmann, es koſtet dir dein Le - ben! Der Fuhrmann ward boͤs uͤber den klei - nen Vogel, der ihn zum Narren hatte, griff nach ſeiner Hacke und holte aus; der Sperling aber flog in die Hoͤhe, und der Fuhrmann traf ſein Pferd auf den Kopf, daß es todt hinfiel. Er mußte es liegen laſſen und mit den zwei an - dern weiter fahren; da kam der Sperling zu - ruͤck, ſetzte ſich einem Pferd auf den Kopf und rief: Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben! Der Fuhrmann lief herbei: jetzt krieg ich dich! ſchlug und traf wieder bloß das Pferd, daß es todt liegen blieb. Nun war ihm noch272 eins uͤbrig. Der Sperling wartete nicht lange, ſetz - te ſich auf den Kopf desſelben und rief: Fuhr - mann, es koſtet dir dein Leben! Der Fuhr - mann aber war ſchon ſo zornig, daß er ſich gar nicht beſann, ſondern gleich zuſchlug: da waren nun alle ſeine drei Pferde todtgeſchlagen, und er mußte den Wagen ſtehen laſſen. Boͤs und giftig ging er nach Haus, und ſetzte ſich hinter den Ofen; aber der Sperling war hinter ihm drein geflogen, ſaß vor dem Fenſter und rief: Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben! Der Fuhrmann griff nach der Hacke, ſchmiß das Fenſter ein, aber den Sperling traf er nicht. Der Vogel huͤpfte nun herein, ſetzte ſich auf den Ofen und rief: Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben! Dieſer, toll und blind vor Wuth, ſchlaͤgt den ganzen Ofen ein, und wie der Sper - ling von einem Ort zum andern fliegt, ſein ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤn - ke, Tiſch und zuletzt die Waͤnde ſeines Hauſes. Da packt er endlich den Vogel: jetzt hab ich dich! nimmt ihn in den Mund und ſchluckt ihn hinunter. Der Sperling aber im Leibe des Fuhrmanns, faͤngt an zu flattern, flattert wieder herauf, dem Fuhrmann in den Mund, ſtreckt den Kopf heraus und ruft: Fuhrmann, es koſtet dir doch dein Leben! Da giebt der Fuhrmann ſeiner Frau die Hacke: Frau, ſchlag mir den Vogel im Munde todt. Die Frauſchlaͤgt273ſchlaͤgt fehl, dem[Mann] auf den Kopf, daß er gleich todt hinfaͤllt, der Sperling aber fliegt auf und davon.

59. Prinz Schwan.

Es war ein Maͤdchen mitten in einem gro - ßen Wald, da kam ein Schwan auf es zuge - gangen, der hatte einen Knauel Garn, und ſprach zu ihm: ich bin kein Schwan, ſondern ein verzauberter Prinz, aber du kannſt mich er - loͤſen, wenn du den Knauel Garn abwickelſt, an dem ich fortfliege; doch huͤte dich, daß du den Faden nicht entzwei brichſt, ſonſt komm 'ich nicht bis in mein Koͤnigreich, und werde nicht erloͤſt; wickelſt du aber den Knauel ganz ab, dann biſt du meine Braut. Das Maͤdchen nahm den Knauel, und der Schwan ſtieg auf in die Luft, und das Garn wickelte ſich leicht - lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen Tag, und am Abend war ſchon das Ende des Fadens zu ſehen, da blieb er ungluͤcklicherweiſe an einem Dornſtrauch haͤngen und brach ab. Das Maͤdchen war ſehr betruͤbt und weinte, es wollt' auch Nacht werden, der Wind ging ſo laut in dem Wald, daß ihm Angſt ward, und es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und als es lang gelaufen war, ſah es ein kleinesKindermärchen. S274Licht, darauf eilte es zu, und fand ein Haus und klopfte an. Ein altes Muͤtterchen kam heraus, das verwunderte ſich, wie es ſah, daß ein Maͤdchen vor der Thuͤre war: ei mein Kind, wo kommſt du ſo ſpaͤt her? Gebt mir doch heut Nacht eine Herberg, ſprach es, ich habe mich in dem Wald verirrt; auch ein wenig Brod zu eſſen. Das iſt ein ſchwe - res Ding, ſagte die Alte ich gaͤbe dirs gern, aber mein Mann iſt ein Menſchenfreſſer, wenn der dich findet, ſo frißt er dich auf, da iſt keine Gnade; doch, wenn du draußen bleibſt, freſſen dich die wilden Thiere, ich will ſehen, ob ich dir durchhelfen kann. Da ließ ſie es herein, und gab ihm ein wenig Brod zu eſſen, und verſteckte es dann unter das Bett. Der Men - ſchenfreſſer aber kam allemal vor Mitternacht, wenn die Sonne ganz untergegangen iſt, nach Haus, und ging Morgens, ehe ſie aufſteigt, wieder fort. Es dauerte nicht lang, ſo kam er herein: ich wittre, ich wittre Menſchenfleiſch! ſprach er und ſuchte in der Stube, endlich griff er auch unter das Bett und zog das Maͤdchen hervor: das iſt noch ein guter Biſſen! Die Frau aber bat und bat, bis er verſprach, die Nacht uͤber es noch leben zu laſſen, und mor - gen erſt zum Fruͤhſtuͤck zu eſſen. Vor Sonnen - aufgang aber weckte die Alte das Maͤdchen: eil dich, daß du fortkommſt, eh mein Mann275 aufwacht, da ſchenk ich dir ein goldenes Spinn - raͤdchen, das halt in Ehren: ich heiße Son - ne. Das Maͤdchen ging fort und kam Abends an ein Haus, da war alles, wie am vorigen Abend, und die zweite Alte gab ihm beim Ab - ſchied eine goldene Spindel und ſprach: ich heiße Mond. Und am dritten Abend kam es an ein drittes Haus, da ſchenkte ihm die Alte ei - nen goldenen Haspel und ſagte: ich heiße Stern, und der Prinz Schwan, ob gleich der Faden noch nicht ganz abgewickelt war, war doch ſchon ſo weit, daß er in ſein Reich gelan - gen konnte, dort iſt er Koͤnig und hat ſich ſchon verheirathet, und wohnt in großer Herr - lichkeit auf dem Glasberg; du wirſt heut Abend hinkommen, aber ein Drache und ein Loͤwe lie - gen davor und bewahren ihn, darum nimm das Brod und den Speck und beſaͤnftige ſie damit. So geſchahe es auch. Das Maͤdchen warf den Ungeheuern das Brod und den Speck in den Rachen, da ließen ſie es durch, und es kam bis an das Schloßthor, aber in das Schloß ſelber ließen es die Waͤchter nicht hinein Da ſetzte es ſich vor das Thor, und fing an auf ſeinem goldenen Raͤdchen zu ſpinnen; die Koͤ - nigin ſah von oben zu, ihr gefiel das ſchoͤne Raͤdchen, und ſie kam herunter und wollte es haben. Das Maͤdchen ſagte, ſie ſolle es ha - ben, wenn ſie erlauben wollte, daß es eineS 2276Nacht neben dem Schlafzimmer des Koͤnigs zubraͤchte. Die Koͤnigin ſagte es zu, und das Maͤdchen ward hinaufgefuͤhrt, was aber in der Stube geſprochen wurde, das konnte man alles in dem Schlafzimmer hoͤren. Wie es nun Nacht ward, und der Koͤnig im Bett lag, ſang es:

Denkt der Koͤnig Schwan
noch an ſeine verſprochene Braut Julian '?
die iſt gegangen durch Sonne, Mond und
Stern,
durch Loͤwen und durch Drachen:
will der Koͤnig Schwan denn gar nicht erwa -
chen?

Aber der Koͤnig hoͤrte es nicht, denn die liſtige Koͤnigin hatte ſich vor dem Maͤdchen gefuͤrchtet, und ihm einen Schlaftrunk gegeben, da ſchlief er ſo feſt, und haͤtte das Maͤdchen nicht gehoͤrt, und wenn es vor ihm geſtanden waͤre. Am Morgen war alles verloren, und es mußte wie - der vor das Thor, da ſetzte es ſich hin und ſpann mit ſeiner Spindel, die gefiel der Koͤni - gin auch, und es gab ſie unter derſelben Be - dingung weg, daß es eine Nacht neben des Koͤnigs Schlafzimmer zubringen duͤrfe. Da ſang es wieder:

Denkt der Koͤnig Schwan
nicht an ſeine verſprochene Braut Julian '?
die iſt gegangen durch Sonne, Mond und
Stern,
277
durch Loͤwen und durch Drachen:
will der Koͤnig Schwan denn gar nicht erwa -
chen?

Der Koͤnig aber ſchlief wieder feſt von einem Schlaftrunk, und das Maͤdchen hatte auch ſei - ne Spindel verloren. Da ſetzte es ſich am drit - ten Morgen mit ſeinem goldenen Haspel vor das Thor und haspelte. Die Koͤnigin wollte auch die Koſtbarkeit haben, und verſprach dem Maͤdchen, es ſollte dafuͤr noch eine Nacht ne - ben dem Schlafzimmer bleiben. Es hatte aber den Betrug gemerkt, und bat den Diener des Koͤnigs, er moͤgte dieſem heut Abend was an - deres zu trinken geben. Da ſang es noch ein - mal:

Denkt der Koͤnig Schwan
nicht an ſeine verſprochene Braut Julian '?
die iſt gegangen durch Sonne, Mond und
Stern,
durch Loͤwen und durch Drachen:
will der Koͤnig Schwan, denn gar nicht erwa -
chen?

Da erwachte der Koͤnig; wie er ihre Stimme hoͤrte, erkannte ſie und fragte die Koͤnigin: wenn man einen Schluͤſſel verloren hat und ihn wieder findet, behaͤlt man dann den alten oder den neugemachten? Die Koͤnigin ſagte: ganz gewiß den alten. Nun, dann kannſt du meine Gemahlin nicht laͤnger ſeyn, ich habe278 meine erſte Braut wieder gefunden. Da mußte am andern Morgen die Koͤnigin zu ih - rem Vater wieder heimgehen, und der Koͤnig vermaͤhlte ſich mit ſeiner rechten Braut, und die lebten ſo lang vergnuͤgt, bis ſie geſtor - ben ſind.

60. Das Goldei.

Es waren einmal ein paar arme Beſenbin - dersjungen, die hatten noch ein Schweſterchen zu ernaͤhren, da ging es ihnen allen knapp und kuͤmmerlich. Sie mußten alle Tage in den Wald und ſich Reiſig holen, und wenn die Be - ſen gebunden waren, verkaufte ſie das Schwe - ſterchen. Einsmals gingen ſie in den Wald, und der juͤngſte ſtieg auf einen Birkenbaum, und wollte die Aeſte herabhauen, da fand er ein Neſt, und darin ſaß ein dunkelfarbiges Voͤ - gelchen, dem ſchimmerte etwas durch die Fluͤ - gel, und weil das Voͤgelchen gar nicht wegflog, und auch nicht ſcheu that, hob er den Fluͤgel auf und fand ein goldenes Ei, das nahm er und ſtieg da mit herab. Sie freuten ſich uͤber ih - ren Fund, und gingen damit zum Goldſchmid, der ſagte, es ſey feines Gold und gab ihnen viel Geld dafuͤr. Am andern Morgen gingen ſie wieder in den Wald, und fanden auch wie -279 der ein Goldei, und das Voͤglein ließ es ſich geduldig nehmen, wie das vorigemal. Das waͤhrte eine Zeitlang, alle Morgen holten ſie das Goldei und waren bald reich: eines Mor - gens aber ſagte der Vogel: nun werde ich keine Eier mehr legen, aber bringt mich zu dem Goldſchmidt, das wird euer Gluͤck ſeyn. Die Beſenbindersjungen thaten, wie es ſprach und brachten es dem Goldſchmidt getragen, und als es allein mit dieſem war, ſang es:

Wer ißt mein Herzlein,
wird bald Koͤnig ſeyn;
wer ißt mein Leberlein,
findet alle Morgen unterm Kiſſen ein Gold -
beutlein!

Wie der Goldſchmidt das hoͤrte, rief er die bei - den Jungen und ſagte: laßt mir den Vogel, und ich will euer Schweſterlein heirathen. Die zwei ſagten ja, und da ward nun Hochzeit gehalten. Der Goldſchmidt aber ſprach: ich will zu meiner Hochzeit den Vogel eſſen, ihr zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn er gaar iſt; er dachte aber, dann wolle er Herz und Leber herausnehmen und eſſen. Die bei - den Bruͤder ſtanden am Spieß und drehten ihn herum, wie ſie ihn ſo herumdrehen, und der Vogel bald gebraten iſt, faͤllt ein Stuͤckchen her - aus. Ei, ſagt der eine, das muß ich probi -280 ren! und das auf. Bald darnach fiel noch ein Stuͤckchen heraus: das iſt fuͤr mich, ſag - te der andere, und laͤßt ſich das ſchmecken. Das war aber das Herzlein und Leberlein, was ſie gegeſſen hatten, und ſie wußten nicht, was fuͤr Gluͤck ihnen damit beſchert war.

Darnach war der Vogel gebraten, und ſie trugen ihn zu der Hochzeitstafel; der Gold - ſchmidt ſchnitt ihn auf, und wollte geſchwind Herz und Leber eſſen, aber da war beides fort. Da ward er giftig boͤs und ſchrie: wer hat Herz und Leber von dem Vogel gegeſſen? Das werden wir gethan haben, ſagten ſie, es ſind ein paar Stuͤckchen herausgefallen beim Umwenden, die haben wir genommen. Habt ihr Herz und Leber gegeſſen, ſo moͤgt ihr auch eure Schweſter behalten! und jagte ſie in ſeinem Zorn alle fort.

(Fragment.)

61. Von dem Schneider, der bald reich wurde.

Ein armer Schneider ging einmal zur Win - terszeit uͤber das Feld, und wollte ſeinen Bru - der beſuchen. Unterwegs fand er eine erfrorne Droßel, ſprach zu ſich ſelber: was groͤßer iſt als eine Laus, das nimmt der Schneider mit281 nach Haus! hob alſo die Droßel auf, und ſteckte ſie zu ſich. Wie er an ſeines Bruders Haus kam, guckte er erſt zum Fenſter hinein, ob ſie auch zu Haus waͤren, da ſah er einen dicken Pfaffen bei der Frau Schwaͤgerin ſitzen vor einem Tiſch, auf dem ſtand ein Braten und eine Flaſche Wein; indem klopfte es an die Hausthuͤre, und der Mann wollte herein, da ſah er, wie die Frau den Pfaffen geſchwind in einen Kaſten ſchließt, den Braten in den Ofen ſtellt, und den Wein ins Bett ſchob. Nunmehr ging der Schneider ſelbſt ins Haus, und bewillkommte ſeinen Bruder und ſeine Schwaͤgerin, ſetzte ſich aber auf den Kaſten nie - der, darin der Pfaff ſteckte. Der Mann ſprach: Frau, ich bin hungrig, haſt du nichts zu eſ - ſen? Nein, es thut mir leid, es iſt aber heute gar nichts im Haus. Der Schnei - der aber zog ſeine erfrorene Droßel heraus, da ſprach ſein Bruder: mein, was thutſt du mit der gefrorenen Droßel? Ei! die iſt viel Geld werth, die kann wahr ſagen! Nun ſo laß ſie einmal wahrſagen. Der Schnei - der hielt ſie ans Ohr und ſprach: die Droßel ſagt: es ſtuͤnde eine Schuͤſſel voll Braten im Ofen. Der Mann ging hin und fand den Braten: was ſagt die Droßel weiter? Im Bett ſtecke eine Flaſche Wein. Der fand auch den Wein: ei, die Droßel moͤgt ich282 haben, die verkauf mir doch. Du kannſt ſie kriegen, wenn du mir den Kaſten giebſt, worauf ich ſitze. Der Mann wollte gleich, die Frau aber ſagte: nein, das geht nicht, der Kaſten iſt mir gar zu lieb, den geb ich nicht weg; der Mann aber ſprach: ſtell dich doch nicht ſo dumm, was nuͤtzt dir ſo ein alter Ka - ſten; gab damit dem Bruder den Kaſten fuͤr den Vogel.

Der Schne der nahm den Kaſten auf einen Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs ſprach er: ich nehm den Kaſten und werf ihn ins Waſſer, ich nehm den Kaſten und werf ihn ins Waſſer! Endlich regte ſich der Pfaff in - wendig und ſagte: ihr wißt viel was in dem Kaſten iſt, laßt mich heraus, ich will euch 50 Thaler geben. Ja, dafuͤr will ich es ſchon thun, ließ ihn heraus, und ging mit dem Gel - de heim. Die Leute wunderten ſich, wo er das viele Geld her habe, er aber ſprach: ich will euch ſagen, die Felle ſtehen in ſo hohem Preis, da hab ich meine alte Kuh geſchlachtet und fuͤrs Fell ſo viel geloͤſt. Die Leute im Dorf woll - ten auch davon profitiren, waren her und ſchnit - ten allen ihren Ochſen, Kuͤhen und Schafen die Haͤlſe ab, und trugen die Felle in die Stadt, wofuͤr ſie aber blutwenig loͤſten, weil ihrer ſo viel auf einmal feilgeboten wurden. Da aͤrger - ten ſich die Bauern uͤber den Schaden, und283 warfen dem Schneider Dreck und ander ſchlech - tes Zeug vor ſeine Thuͤr. Der aber that alles in ſeinen Kaſten, ging damit in die Stadt in einen Gaſthof, und bat den Wirth, ob er ihm nicht den Kaſten, worin die groͤßten Koſtbar - keiten waͤren, eine Zeit lang verwahren wolle, bei ihm waͤren ſie nicht ſicher? Der Wirth ſag - te recht gern, und nahm den Kaſten zu ſich, einige Zeit darnach kam der Schneider, forder - te ihn wieder zuruͤck und machte ihn auf, um zu ſehen, ob noch alles darin waͤre. Wie er nun aber voll Dreck iſt, ſo tobte er abſcheulich, beſchimpfte den Wirth und drohte ihn zu ver - klagen, ſo daß der Wirth, welcher Aufſehen ſcheute, und fuͤr ſeinen Credit fuͤrchtete, ihm gern hundert Thaler gab. Die Bauern aͤrger - ten ſich wieder, daß dem Schneider alles zum Profit ausſchlug, was ſie ihm Leides anthaten, nahmen den Kaſten, ſteckten ihn mit Gewalt hinein, ſetzten ihn aufs Waſſer, und ließen ihn fortfließen. Der Schneider ſchwieg eine Weile ſtill, bis er eine Ecke fortgefloſſen war, dann rief er uͤberlaut: nein, ich thus nicht! und ich thus nicht! und wenns die ganze Welt haben wollte. Das Geſchrei hoͤrte ein Schaͤfer und fragte: was willſt du denn nicht thun? Ei, ſagte der Schneider, da iſt ein Koͤnig, der hat die naͤrriſche Grille und beſteht drauf, daß, wer in dieſem Kaſten den Strom hinuntergeſchwom -284 men kommt, ſeine einzige ſchoͤne Tochter heira - then ſoll, aber ich hab 'einmal meinen Kopf drauf geſetzt, und thus nicht, und wenns die ganze Welt haben wollt. Hoͤrt einmal, geht das nicht, daß ſich ein anderer in den Ka - ſten ſetzt und die Koͤnigstochter kriegt? O ja, das geht auch. So will ich mich an eure Stelle hineinſetzen. Da ſtieg der Schneider aus, der Schaͤfer ein; der Schnei - der machte den Kaſten noch zu, und der Schaͤ - fer ging bald unter. Der Schneider aber nahm die ganze Heerde des Schaͤfers und trieb ſie heim.

Die Bauern aber wunderten ſich, wie das zugegangen, daß er wieder kaͤme, und obendrein die vielen Schaafe haͤtte. Der Schneider ſagte: ich war untergeſunken, tief, tief! da fand ich auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm ſie mit heraus. Die Bauern wollten ſich da auch Schafe holen, und gingen mit einander hinaus ans Waſſer; den Tag war der Himmel ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie - fen ſie: wir ſehen ſchon die Laͤmmer unten auf dem Grund! Da ſprach der Schulz: ich will erſt hinunter, und mich umſehen, und wenn es gut iſt, will ich euch rufen. Wie er nun hineinſtuͤrzte, rauſchte es in dem Waſ - ſer: plump! da meinten ſie er riefe ihnen zu: kommt! und ſtuͤrzten ſich alle hinter285 ihm drein. Da gehoͤrte das ganze Dorf dem Schneider.

62. Blaubart.

In einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Soͤhne und eine ſchoͤne Tochter - Einmal kam ein goldener Wagen mit ſechs Pferden und einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus ſtill, und ein Koͤnig ſtieg aus und bat den Mann, er moͤchte ihm ſeine Tochter zur Gemahlin geben. Der Mann war froh, daß ſeiner Tochter ein ſolches Gluͤck widerfuhr, und ſagte gleich ja; es war auch an dem Freier gar nichts auszuſetzen, als daß er einen ganz blauen Bart hatte, ſo daß man einen kleinen Schrecken kriegte, ſo oft man ihn anſah. Das Maͤdchen erſchrack auch anfangs davor, und ſcheute ſich ihn zu heirathen, aber auf Zureden ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch weil es ſo eine Angſt fuͤhlte, ging es erſt zu ſeinen drei Bruͤdern, nahm ſie allein und ſag - te: liebe Bruͤder, wenn Ihr mich ſchreien hoͤrt, wo ihr auch ſeyd, ſo laßt alles ſtehen und liegen und kommt mir[zu] Huͤlfe. Das ver - ſprachen ihm die die Bruͤder und kuͤßten es, leb wohl, liebe Schweſter, wenn wir deine Stimme hoͤren, ſpringen wir auf unſere Pfer -286 de, und ſind bald bei dir. Darauf ſetzte es ſich in den Wagen zu dem Blaubart und fuhr mit ihm fort. Wie es in ſein Schloß kam, war alles praͤchtig, und was die Koͤnigin nur wuͤnſchte, das geſchah, und ſie waͤren recht gluͤcklich geweſen, wenn ſie ſich nur an den blauen Bart des Koͤnigs haͤtte gewoͤhnen koͤn - nen, aber immer, wenn ſie den ſah, erſchrack ſie innerlich davor. Nachdem das einige Zeit gewaͤhrt, ſprach er: ich muß eine große Reiſe machen, da haſt du die Schluͤſſel zu dem ganzen Schloß, du kannſt uͤberall aufſchließen und al - les beſehen, nur die Kammer, wozu dieſer klei - ne goldene Schluͤſſel gehoͤrt, verbiet 'ich dir; ſchließt du die auf, ſo iſt dein Leben verfallen. Sie nahm die Schluͤſſel, verſprach ihm zu ge - horchen, und als er fort war, ſchloß ſie nach einander die Thuͤren auf, und ſah ſo viel Reich - thuͤmer und Herrlichkeiten, daß ſie meinte aus der ganzen Welt waͤren ſie hier zuſammen ge - bracht. Es war nun nichts mehr uͤbrig, als die verbotene Kammer, der Schluͤſſel war von Gold, da gedachte ſie, in dieſer iſt vielleicht das allerkoſtbarſte verſchloſſen; die Neugierde fing an ſie zu plagen, und ſie haͤtte lieber all das andere nicht geſehen, wenn ſie nur gewußt, was in dieſer waͤre. Eine Zeit lang widerſtand ſie der Begierde, zuletzt aber ward dieſe ſo maͤchtig, daß ſie den Schluͤſſel nahm und zu287 der Kammer hinging: wer wird es ſehen, daß ich ſie oͤffne, ſagte ſie zu ſich ſelbſt, ich will auch nur einen Blick hineinthun. Da ſchloß ſie auf, und wie die Thuͤre aufging, ſchwomm ihr ein Strom Blut entgegen, und an den Waͤn - den herum ſah ſie todte Weiber haͤngen, und von einigen waren nur die Gerippe noch uͤbrig. Sie erſchrack ſo heftig, daß ſie die Thuͤre gleich wie - der zuſchlug, aber der Schluͤſſel ſprang dabei heraus und fiel in das Blut. Geſchwind hob ſie ihn auf, und wollte das Blut abwiſchen, aber es war umſonſt, wenn ſie es auf der einen Seite abgewiſcht, kam es auf der andern wie - der zum Vorſchein; ſie ſetzte ſich den ganzen Tag hin und rieb daran, und verſuchte alles Moͤgliche, aber es half nichts, die Blutflecken waren nicht herabzubringen; endlich am Abend legte ſie ihn ins Heu, das ſollte in der Nacht das Blut ausziehen. Am andern Tag kam der Blaubart zuruͤck, und das erſte war, daß er die Schluͤſſel von ihr forderte; ihr Herz ſchlug, ſie brachte die andern und hoffte, er werde es nicht bemerken, daß der goldene fehlte. Er aber zaͤhlte ſie alle, und wie er fertig war, ſagte er: wo iſt der zu der heimlichen Kammer? da - bei ſah er ihr in das Geſicht. Sie ward blut - roth und antwortete: er liegt oben, ich habe ihn verlegt, morgen will ich ihn ſuchen. Geh lieber gleich, liebe Frau, ich werde ihn288 noch heute brauchen. Ach ich will dirs nur ſagen, ich habe ihn im Heu verloren, da muß ich erſt ſuchen. Du haſt ihn nicht verloren, ſagte der Blaubart zornig, du haſt ihn dahin geſteckt, damit die Blutflecken her - ausziehen ſollen, denn du haſt mein Gebot uͤbertreten, und biſt in der Kammer geweſen, aber jetzt ſollſt du hinein, wenn du auch nicht willſt. Da mußte ſie den Schluͤſſel holen, der war noch voller Blutflecken: Nun berei - te dich zum Tode, du ſollſt noch heute ſterben, ſagte der Blaubart, holte ſein großes Meſſer und fuͤhrte ſie auf den Hausehrn. Laß mich nur noch vor meinem Tod mein Gebet thun, ſagte ſie; So geh, aber eil dich, denn ich habe keine Zeit lang zu warten. Da lief ſie die Treppe hinauf, und rief ſo laut ſie konnte zum Fenſter hinaus: Bruͤder, meine lieben Bruͤder, kommt, helft mir! Die Bruͤder ſa - ßen im Wald beim kuͤhlen Wein, da ſprach der juͤngſte: mir iſt als haͤtt' ich unſerer Schwe - ſter Stimme gehoͤrt; auf! wir muͤſſen ihr zu Huͤlfe eilen! da ſprangen ſie auf ihre Pferde und ritten, als waͤren ſie der Sturmwind. Ih - re Schweſter aber lag in Angſt auf den Knieen; da rief der Blaubart unten: nun, biſt du bald fertig? dabei hoͤrte ſie, wie er auf der unterſten Stufe ſein Meſſer wetzte; ſie ſah hin - aus, aber ſie ſah nichts, als von Ferne einenStaub,289Staub, als kaͤm eine Heerde gezogen. Da ſchrie ſie noch einmal: Bruͤder, meine lieben Bruͤ - der! kommt helft mir! und ihre Angſt ward immer groͤßer. Der Blaubart aber rief: wenn du nicht bald kommſt, ſo hol ich dich, mein Meſſer iſt gewetzt! Da ſah ſie wieder hin - aus, und ſah ihre drei Bruͤder durch das Feld reiten, als floͤgen ſie wie Voͤgel in der Luft, da ſchrie ſie zum drittenmal in der hoͤchſten Noth und aus allen Kraͤften: Bruͤder, meine lieben Bruͤder! kommt, helft mir! und der juͤngſte war ſchon ſo nah, daß ſie ſeine Stim - me hoͤrte: troͤſte dich, liebe Schweſter, noch einen Augenblick, ſo ſind wir bei dir! Der Blaubart aber rief: nun iſts genug gebetet, ich will nicht laͤnger warten, kommſt du nicht, ſo hol ich dich! Ach! nur noch fuͤr meine drei lieben Bruͤder laß mich beten. , Er hoͤrte aber nicht, kam die Treppe heraufgegan - gen und zog ſie hinunter, und eben hatte er ſie an den Haaren gefaßt, und wollte ihr das Meſ - ſer in das Herz ſtoßen, da ſchlugen die drei Bruͤder an die Hausthuͤre, drangen herein und riſſen ſie ihm aus der Hand, dann zogen ſie ihre Saͤbel und hieben ihn nieder. Da ward er in die Blutkammer aufgehaͤngt zu den an - dern Weibern, die er getoͤdtet, die Bruͤder aber nahmen ihre liebſte Schweſter mit nach Haus, und alle Reichthuͤmer des Blaubarts gehoͤrten ihr.

Kindermärchen. T290

63. Goldkinder.

Es war einmal ein armer Mann und eine arme Frau, die hatten weiter nichts als eine Huͤtte. Der Mann war ein Fiſcher, und wie er einmal am Waſſer ſaß und ſein Netz ausge - worfen hatte, da fing er einen goldenen Fiſch. Der Fiſch aber ſprach: wenn du mich wieder in das Waſſer werfen willſt, ſo ſoll deine Huͤt - te in einen praͤchtigen Pallaſt verwandelt ſeyn, und in dem Pallaſt ſoll ein Schrank ſtehen, wenn du den aufſchließſt, iſt Geſottenes und Gebratenes darin, ſo viel du nur wuͤnſcheſt, nur darfſt du keinem Menſchen auf der Welt ſagen, von wem dein Gluͤck kommt, ſonſt iſt alles vorbei. Der Fiſcher warf den Goldfiſch wieder ins Waſſer, und wie er nach Haus kam, da ſtand ein großes Schloß, wo ſonſt ſeine Huͤtte geſtanden hatte, und ſeine Frau ſaß mit - ten in einer praͤchtigen Stube. Dem Mann gefiel das wohl, er haͤtte aber auch gern etwas gegeſſen: Frau, gieb mir doch etwas, ſagte er, mich hungert ſo gewaltig. Die Frau aber antwortete: ich habe nichts und kann in dem großen Schloß nichts finden. Geh nur dort uͤber den Schrank, und wie die Frau den Schrank aufſchloß, ſtanden da Kuchen, Fleiſch,291 Obſt, Wein: Herz, was verlangſt du? die Frau verwunderte ſich und ſprach: ſag mir doch Mann, woher kommt denn dieſer Reichthum auf einmal? Das darf ich dir nicht ſa - gen, denn wenn ich dirs ſagte, ſo waͤre unſer Gluͤck wieder dahin. Dadurch ward die Frau nur neugieriger gemacht, und fragte ihren Mann, und quaͤlte ihn, und ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe, bis er es ihr endlich entdeckte, daß das alles von einem Goldfiſch herkomme; kaum aber hatte er ausgeſprochen, da war das Schloß und aller Reichthum verſchwunden, und ſie ſa - ßen wieder in der alten Fiſcherhuͤtte.

Der Mann ging nun wieder ſeinem Ge - werbe nach, und fiſchte und fiſchte den Gold - fiſch zum zweitenmal heraus; er verſprach ge - gen Freilaſſung ihm aufs neue das ſchoͤne Schloß und den Schrank voll Geſottenes und Gebra - tenes, doch unter der naͤmlichen Bedingung, daß er verſchwiegen ſey; der Mann hielt auch eine Zeit lang aus, endlich aber quaͤlte ihn ſeine Frau ſo gewaltig, daß er ihr das Geheimniß offenbarte, und in dem Augenblick ſaßen ſie auch wieder in ihrer ſchlechten Huͤtte. Der Mann ging zu fiſchen, und fiſchte das Gold - fiſchgen zum drittenmal: hoͤr, ſagte das, nimm mich nur mit nach Haus, und zerſchneid mich dort in ſechs Stuͤcke; zwei gieb deiner Frau zu eſſen, zwei deinem Pferd, und zwei pflanz 'inT 2292die Erde, du wirſt Segen davon haben, deine Frau wird zwei goldene Jungen zur Welt brin - gen, das Pferd wird zwei goldene Fuͤllen be - kommen, und aus der Erde werden zwei golde - ne Lilien aufwachſen. Der Mann gehorchte, und die Weiſſagung traf ein. Die zwei goldne Kinder wuchſen heran und wurden groß, und ſagten: Vater, wir wollen ausziehen in die Welt, wir ſetzen uns auf die goldenen Roſſe, und an den goldenen Lilien koͤnnt ihr ſehen, wie es uns geht: ſind ſie friſch, ſo ſind wir geſund; ſind ſie welk, ſind wir krank; fallen ſie um, ſind wir todt. Damit ritten ſie fort und kamen zu einem Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder auf den Goldpferden ſah, fing es an zu ſpot - ten; da wurden ſie boͤs, und der eine ſchaͤmte ſich, kehrte um und ritt wieder nach Haus, der zweite aber ritt fort. Da kam er zu einen Wald, die Leute aber vor dem Walde ſagten ihm, er duͤrfe nicht hindurchreiten, es ſey voll Spitzbuben darin, die wuͤrden uͤbel mit ihm umgehen; das Goldkind aber ließ ſich nicht ſchrecken und ſprach: ich muß und ſoll hin - durch! Dann nahm er Baͤrenfelle und uͤber - zog ſich und ſein Pferd damit, daß nichts mehr von Gold zu ſehen war, und ſo ritt er in den Wald hinein. Bald darauf hoͤrte er in den Gebuͤ - ſchen rufen: hier iſt einer! Ein anderer aber293 ſprach: laß ihn laufen, was ſollen wir mit dem Baͤrenhaͤuter anfangen, der iſt ſo arm und kahl, wie eine Kirchenmaus! So kam er gluͤcklich durch die Spitzbuben, und in ein Dorf, da ſah er ein Maͤdchen ſo ſchoͤn, daß er nicht glaubte, es koͤnne ein ſchoͤneres auf der Welt ſeyn und fragte, ob es ihn heirathen wolle, und das Maͤdchen ſagte ja, es wolle ihm treu blei - ben ſein Lebelang. Sie hielten nun Hochzeit mit einander und waren vergnuͤgt, da kam der Braut Vater nach Haus, und als er ſahe, daß ſeine Tochter einen Baͤrenfuͤhrer geheirathet, denn er hatte die Baͤrenhaut noch nicht abge - legt, da ward er zornig und wollte den Braͤu - tigam ermorden. Die Braut aber bat ihn, was ſie nur konnte: ſie haͤtte ihn doch ſo lieb, und es ſey nun einmal ihr Mann, bis er ſich zur Ruhe gab. Und am andern Morgen fruͤh ſtand er auf, und wollte ſeinen Schwiegerſohn noch einmal ſehen, da ſah er einen herrlichen, goldenen Mann im Bette liegen. Dem Braͤu - tigam aber traͤumte, er ſolle auf die Jagd ge - hen nach einem praͤchtigen Hirſch, und als er erwachte, wollt 'er darnach ausgehen, aber ſei - ne Verlobte bat ihn da zu bleiben, und fuͤrch - tete fuͤr ihn; er aber ſprach: ich ſoll und muß fort. Damit ſtund er auf und ging in den Wald, da hielt ein ſtolzer Hirſch vor ihm, ganz nach ſeinem Traum, wie er aber anlegen294 und ſchießen wollte, fing er an zu fliehen. Der goldene Mann war hinter ihm drein, und ver - folgte ihn uͤber Graben und durch Gebuͤſche, und ward nicht muͤd den ganzen Tag: da ent - ſchwand ihm der Hirſch, er aber war vor einer alten Hexe Haus. Er rief und fragte, ob ſie keinen Hirſch geſehen, ſie antwortete: ja, da bellte ihn aber ohne Aufhoͤren der Hexe kleines Huͤndlein an, daruͤber ward er boͤs und wollte es erſchießen, wie das die Hexe ſah, ver - wandelte ſie ihn in einen Muͤhlenſtein, und in dem Augenblick faͤllt zu Haus die eine goldene Lilie. Wie das der andere Bruder zu Haus ſah, ſetzte er ſich auf ſeinen goldenen Gaul und jagte fort und kam zu der Hexe, und drohte ihr mit dem Tod, wenn ſie ſeinem Bruder nicht wieder die natuͤrliche Geſtalt gaͤbe. Da mußte die Hexe gehorchen, und die zwei Bruͤder rit - ten wieder heim, der eine zu ſeiner Braut, der andere zu ſeinem Vater. Die eine Lilie aber ſtand wieder auf, und wenn ſie nicht umgefallen ſind, ſtehen ſie noch alle beide.

64. Von dem Dummling.

I. Die weiße Taube.

Vor eines Koͤnigs Pallaſt ſtand ein praͤch - tiger Birnbaum, der trug jedes Jahr die ſchoͤn -295 ſten Fruͤchte, aber wenn ſie reif waren, wurden ſie in einer Nacht alle geholt, und kein Menſch wußte, wer es gethan hatte. Der Koͤnig aber hatte drei Soͤhne, davon ward der juͤngſte fuͤr einfaͤltig gehalten, und hieß der Dummling; da befahl er dem aͤlteſten, er ſolle ein Jahr lang alle Nacht unter dem Birnbaum wachen, damit der Dieb einmal entdeckt werde. Der that das auch und wachte alle Nacht, der Baum bluͤhte und war ganz voll von Fruͤchten, und wie ſie anfingen reif zu werden, wachte er noch fleißiger, und endlich waren ſie ganz reif und ſollten am andern Tage abgebrochen werden; in der letzten Nacht aber uͤberfiel ihn ein Schlaf, und er ſchlief ein, und wie er aufwachte, wa - ren alle Fruͤchte fort, und nur die Blaͤtter noch uͤbrig. Da befahl der Koͤnig dem zweiten Sohn ein Jahr zu wachen, dem ging es nicht beſſer, als dem erſten; in der letzten Nacht konnte er ſich des Schlafes gar nicht erwehren, und am Morgen waren die Birnen alle abgebrochen. Endlich befahl der Koͤnig dem Dummling ein Jahr zu wachen, daruͤber lachten alle, die an des Koͤnigs Hof waren. Der Dummling aber wachte, und in der letzten Nacht wehrt 'er ſich den Schlaf ab, da ſah er, wie eine weiße Tau - be geflogen kam, eine Birne nach der andern abpickte und fort trug. Und als ſie mit der letzten fortflog, ſtand der Dummling auf und296 ging ihr nach; die Taube flog aber auf einen hohen Berg und verſchwand auf einmal in ei - nem Felſenritz. Der Dummling ſah ſich um, da ſtand ein kleines graues Maͤnnchen neben ihm, zu dem ſprach er: Gott geſegne dich! Gott hat mich geſegnet in dieſem Augen - blick durch dieſe deine Worte, antwortete das Maͤnnchen, denn ſie haben mich erloͤſt, ſteig du in den Felſen hinab, da wirſt du dein Gluͤck finden. Der Dummling trat in den Felſen, viele Stufen fuͤhrten ihn hinunter, und wie er unten hinkam, ſah er die weiße Taube ganz von Spinnweben umſtrickt und zugewebt. Wie ſie ihn aber erblickte brach ſie hindurch, und als ſie den letzten Faden zerriſſen, ſtand eine ſchoͤne Prinzeſſin vor ihm, die hatte er auch erloͤſt, und ſie ward ſeine Gemahlin und er ein reicher Koͤnig, und regierte ſein Land mit Weisheit.

II. Die Bienenkoͤnigin.

Zwei Koͤnigsſoͤhne gingen auf Abentheuer aus, und geriethen in ein wildes, wuͤſtes Le - ben, ſo daß ſie gar nicht wieder nach Haus ka - men. Der juͤngſte, der Dummling, ging aus und ſuchte ſeine Bruͤder; wie er ſie fand, ſpot - teten ſie ſein, daß er mit ſeiner Einfalt ſich durch die Welt ſchlagen wolle, da ſie zwei nicht297 durchkaͤmen und waͤren doch viel kluͤger. Da zogen ſie miteinander fort und kamen an einen Ameiſenhaufen, die zwei aͤlteſten wollten ihn aufwuͤhlen, und ſehen, wie die kleinen Ameiſen in der Angſt herumkroͤchen und ihre Eier fort - truͤgen; aber der Dummling ſagte: laßt die Thiere in Fried, ich leids nicht, daß ihr ſie ſtoͤrt. Dann gingen ſie weiter und kamen an einen See, auf dem ſchwammen viele, viele En - ten; die zwei Bruͤder wollten ein paar fangen und braten, aber der Dummling ſagte wieder: laßt die Thiere in Fried ', ich leids nicht, daß ihr ſie toͤdtet. Endlich kamen ſie an ein Bie - nenneſt, darin war ſo viel Honig, daß er am Stamm herunterlief; die zwei wollten Feuer unter den Baum legen, daß die Bienen erſtick - ten, und ſie den Honig wegnehmen koͤnnten. Der Dummling hielt ſie aber wieder ab und ſprach: laßt die Thiere in Fried', ich leids nicht, daß ihr ſie verbrennt. Da kamen die drei Bruͤder in ein Schloß, wo in den Staͤl - len lauter ſteinerne Pferde ſtanden, auch war kein Menſch zu ſehen, und ſie gingen durch alle Saͤle, bis ſie vor eine Thuͤre ganz am Ende kamen, davor hingen drei Schloͤſſer; es war aber mitten in der Thuͤre ein Laͤdlein, dadurch konnte man in die Stube ſehen. Da ſahen ſie ein grau Maͤnnchen an einem Tiſche ſitzen, das riefen ſie an einmal, zweimal, aber es hoͤrte298 nicht; endlich riefen ſie zum drittenmal, und da ſtand es auf und kam heraus. Es ſprach kein Wort, faßte ſie aber an und fuͤhrte ſie zu einem reichbeſetzten Tiſch, und als ſie gegeſſen hatten, fuͤhrte es einen jeglichen in ein eigenes Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu dem aͤlteſten, winkte ihm und brachte ihn zu einer ſteinernen Tafel, darauf ſtanden die drei Aufgaben geſchrieben, wodurch das Schloß er - loͤſt werden konnte. Die erſte war: in dem Wald unter dem Moos lagen die tauſend Per - len der Koͤnigstochter, die mußten aufgeſucht werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht eine einzige fehlen, ſonſt ward der, welcher es unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin und ſuchte den ganzen Tag, als aber der Tag zu Ende war, hatte er erſt hundert gefunden, und ward in einen Stein verwandelt. Am fol - genden Tag unternahm der zweite Bruder das Abentheuer; er ward aber wie der aͤlteſte zu Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge - funden. Endlich kam auch an den Dummling die Reihe, der ſuchte im Moos, es war aber ſo ſchwer, die Perlen zu finden, und ging ſo langſam, da ſetzte er ſich auf einen Stein und weinte. Und wie er ſo ſaß kam der Ameiſen - koͤnig, den er einmal erhalten hatte mit fuͤnf - tauſend Ameiſen, und es waͤhrte gar nicht lang, ſo hatten die die Perlen miteinander gefunden299 und auf einen Haufen getragen. Die zweite Aufgabe aber war, den Schluͤſſel zu der Schlaf - kammer der Prinzeſſin aus der See zu holen. Wie der Dummling zur See kam, ſchwammen die Enten, die er einmal gerettet hatte, heran, tauchten unter, und holten den Schluͤſſel aus der Tiefe. Die dritte Aufgabe aber war die ſchwerſte: aus den drei ſchlafenden Toͤchtern des Koͤnigs ſollte die juͤngſte und die liebſte heraus - geſucht werden, ſie glichen ſich aber vollkom - men, und waren durch nichts verſchieden, als daß die aͤlteſte ein Stuͤck Zucker, die zweite Syrup, die juͤngſte einen Loͤffel voll Honig ge - geſſen hatte, und es war bloß an dem Hauch zu erkennen, welche den Honig gegeſſen. Da kam aber die Bienenkoͤnigin von den Bienen, die der Dummling vor dem Feuer geſchuͤtzt, und verſuchte den Mund von allen dreien, zu - letzt blieb ſie auf dem Mund ſitzen, der Honig gegeſſen, und ſo erkannte der Prinz die rechte, und da war aller Zauber vorbei, alles war aus dem Schlaf erloͤſt, und wer von Stein war, erhielt ſeine menſchliche Geſtalt wieder, und der Dummling vermaͤhlte ſich mit der juͤngſten und liebſten, und ward Koͤnig nach ihres Va - ters Tod; ſeine zwei Bruͤder aber mit den bei - den andern Schweſtern.

300

III. Die drei Federn.

Es war einmal ein Koͤnig, der ſchickte ſei - ne drei Soͤhne in die Welt, und welcher von ihnen das feinſte Linnengarn mitbraͤchte, der ſollte nach ſeinem Tode das Reich haben. Und damit ſie wuͤßten, wo hinaus ſie zoͤgen, ſtellte er ſich vor ſein Schloß und blies drei Federn in die Luft, nach deren Flug ſollten ſie ſich richten. Die eine flog nach Weſten, der folgte der aͤlteſte, die andere nach Oſten, der folgte der zweite, die dritte aber fiel auf einen Stein, nicht weit von dem Pallaſt, da mußte der drit - te Prinz, der Dummling zuruͤck bleiben, und die andern lachten ihn aus und ſagten: er ſoll - te bei dem Stein das Linnengarn aufſuchen. Der Dummling aber ſetzte ſich auf den Stein und weinte, und wie er ſo hin und her wank - te, ſchob ſich der Stein fort, und darunter lag eine Marmorplatte mit einem Ring. Der Dummling hob ſie auf, und da war eine Trep - pe, die fuͤhrte hinunter, darauf ging er fort und kam in ein unterirdiſches Gewoͤlbe, da ſaß ein Maͤdchen und ſpann Flachs. Es fragte ihn, warum er ſo verweinte Augen haͤtte, da klagte er ihm ſein Leid, daß er das feinſte Linnen ſu - chen ſolle, und doch nicht darnach ausziehen duͤrfe, da haspelte ihm das Maͤdchen ſein Garn301 ab, das war das allerfeinſte Linnengarn und hieß ihn das hinauf zu ſeinem Vater bringen. Wie er nun hinaufkam, war er lange Zeit weg - geweſen, und ſeine Bruͤder waren eben zuruͤck - gekommen und glaubten gewiß, ſie haͤtten das feinſte mitgebracht. Als aber ein jeder das ſei - nige vorzeigte, da hatte der Dummling noch einmal ſo feines, und das Reich waͤr ſein ge - weſen; aber die zwei andern gaben ſich nicht zufrieden, und verlangten von dem Vater, er ſolle noch eine Bedingung machen. Der Koͤ - nig verlangte nun den ſchoͤnſten Teppich, und blies die drei Federn wieder in die Luft, und die dritte fiel wieder auf den Stein, und der Dummling durfte nicht weiter gehen, die an - dern aber zogen nach Oſten und Weſten. Er hob den Stein auf und ging wieder hinab, und fand das Maͤdchen geſchaͤftig, einen wun - derſchoͤnen Teppich aus den brennendſten Farben zu weben, und als er fertig war, ſprach es: der iſt fuͤr dich gewirkt, den trag hinauf, kein Menſch auf der Welt wird einen ſo praͤchtigen haben. Er ging damit vor ſeinen Vater, und uͤbertraf wieder ſeine Bruͤder, die die ſchoͤn - ſten Teppiche aus allen Laͤndern zuſammenge - bracht hatten, aber dieſe brachten den Koͤnig doch dahin, daß er die neue Bedingung mach - te, wer das Reich erben wolle, muͤſſe die ſchoͤn - ſte Frau mit nach Haus bringen. Die Federn302 werden wieder geblaſen, und Dummlings ſeine bleibt auf dem Stein liegen. Da ging er hin - unter und klagte dem Maͤdchen, was ſein Va - ter wieder fuͤr ihn ſo ſchweres aufgelegt habe, das Maͤdchen aber ſagte, es wolle ihm ſchon helfen, er ſolle nur weiter in dem Gewoͤlbe ge - hen, da werde er die ſchoͤnſte auf der Welt fin - den. Der Dummling ging hin und kam an ein Gemach, worin alles von Gold und Edel - ſteinen ſchimmerte und flimmerte, aber ſtatt ei - ner ſchoͤnen Frau, ſaß ein garſtiger Froſch mit - ten darin. Der Froſch rief ihm zu: umſchling mich und verſenk dich! Er wollte aber nicht, da rief der Froſch zum zweiten und dritten - mal: umſchling mich und verſenk dich! Da faßte der Dummling den Froſch, und trug ihn herauf zu einem Teich, und ſprang mit ihm hinein, kaum aber hatte das Waſſer ſie beruͤhrt, ſo hielt er die allerſchoͤnſte Jungfrau in ſeinen Armen. Und ſie ſtiegen heraus, und er fuͤhrte ſie vor ſeinen Vater, da war ſie tauſendmal ſchoͤner, als die Frauen, die ſich die andern Prinzen mitgebracht. Nun waͤre das Reich wieder dem Dummling geweſen, aber die zwei laͤrmten und verlangten, der ſollte den Vorzug haben, deſſen Frau bis zu einem Ring, der mitten im Saal feſthing, ſpringen koͤnnte; der Koͤnig willigte auch endlich darein. Die Frau des aͤlteſten konnte aber kaum halb ſo hoch303 hinaufkommen, die Frau des zweiten kam ein wenig hoͤher, aber die Frau des dritten ſprang bis in den Ring; da mußten ſie endlich zuge - ben, daß Dummling nach ihres Vaters Tod das Reich erben ſolle, und als der ſtarb, ward er Koͤnig und hat lange in Weisheit regiert.

IIII. Die goldene Gans.

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Soͤhne, der juͤngſte aber war ein Dummling. Eines Tags ſprach der aͤlteſte: Vater, ich will in den Wald gehen, Holz hauen. Laß das bleiben, antwortete der Vater, du kommſt ſonſt mit einem verbundenen Arm heim. Der Sohn aber achtete nicht darauf, dachte, er wiſſe ſich ſchon zu huͤten, ſteckte einen Kuchen in die Taſche und ging hinaus. In dem Walde be - gegnete ihm ein graues altes Maͤnnchen, das ſagte: gieb mir doch ein Stuͤck von dem Ku - chen, den du in der Taſche haſt, ich bin ſo hungrig. Der kluge Sohn aber ſprach: was ſoll ich dir meinen Kuchen geben, dann hab 'ich ſelber nichts, pack dich deiner Wege! und ging fort mit ſeiner Axt, und fing an einen Baum zu behauen, nicht lange aber, da hieb er fehl, die Axt fuhr ihm in den Arm, und er muß - te heimgehen und ſich verbinden laſſen. Das304 war aber von dem alten grauen Maͤnnchen ge - kommen.

Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, wo ihn das Maͤnnchen auch um ein Stuͤck Ku - chen anſprach. Er ſchlugs ihm aber auch ab, und hieb ſich dafuͤr ins Bein, daß er ſich mußte nach Haus tragen laſſen. Endlich ging der Dummling hinaus, das Maͤnnchen ſprach ihn, wie die andern, um ein Stuͤck Kuchen an. Da haſt du ihn ganz, ſagte der Dummling, und gab ihn hin. Da ſagte das Maͤnnchen: hau dieſen Baum ab, ſo wirſt du etwas fin - den. Der Dummling hieb da zu, und als der Baum umfiel, ſaß eine goldene Gans dar - unter. Er nahm ſie mit ſich, und ging in ein Wirthshaus und wollte da uͤbernachten, blieb aber nicht in der großen Stube, ſondern ließ ſich eine allein geben, da ſetzte er ſeine Gans mitten hinein. Die Wirthstoͤchter ſahen die Gans und waren neugierig, und haͤtten gar zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da ſprach die aͤlteſte: ich will einmal hinauf gehen, und wenn ich nicht bald wieder komme, ſo geht mir nach. Darauf ging ſie zu der Gans, wie ſie aber kaum die Feder beruͤhrt hat, bleibt ſie daran haͤngen; weil ſie nun nicht wieder her - unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie ſie die Gans ſieht, kann ſie gar der Luſt nicht widerſtehen, ihr eine Feder auszuziehen; dieaͤlteſte305aͤlteſte raͤth ihr ab, was ſie kann, das hilft aber alles nichts, ſie faßt die Gans an und bleibt an der Feder haͤngen. Die dritte Toch - ter, nachdem ſie unten lange gewartet, ging endlich auch hinauf, die andern rufen ihr zu, ſie ſollt ums Himmels willen der Gans nicht nahe kommen, ſie hoͤrt aber gar nicht drauf, meint, eine Feder muͤſſe ſie haben, und bleibt auch daran haͤngen. Am andern Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm und ging fort, die drei Maͤdchen hingen feſt und muß - ten hinter ihm drein. Auf dem Feld begegnet ihnen der Pfarrer: pfui, ihr garſtigen Maͤd - chen, was lauft ihr dem jungen Burſchen ſo oͤf - fentlich nach, ſchaͤmt euch doch! damit faßt er eine bei der Hand, und will ſie zuruͤckziehen, wie er ſie aber angeruͤhrt bleibt er an ihr auch haͤngen, und muß nun ſelber hinten drein lau - fen. Nicht lang, ſo kommt der Kuͤſter: ei! Herr Pfarrer, wo hinaus ſo geſchwind? heut iſt noch eine Kindtaufe! er laͤuft auf ihn zu, faßt ihn beim Ermel, bleibt aber auch haͤngen. Wie die fuͤnf ſo hintereinander her marſchiren, kommen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld, der Pfarrer ruft ihnen zu, ſie ſollten ſie los machen, kaum aber haben ſie den Kuͤſter nur angeruͤhrt, ſo bleiben ſie haͤngen, und wa - ren ihrer nun ſieben, die dem Dummling mit der Gans nachliefen.

Kindermärchen. U306

Er kam darauf in eine Stadt, da regierte ein Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war ſo ernſthaft, daß ſie niemand zum Lachen bringen konnte. Da hatte der Koͤnig ein Geſetz gege - ben, wer ſie koͤnnte zu lachen machen, der ſoll - te ſie heirathen. Der Dummling, als er das hoͤrte, ging mit ſeiner Gans und ihrem An - hang vor die Koͤnigstochter; wie dieſe den Auf - zug ſah, fing ſie uͤberlaut an zu lachen, und wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Er verlang - te ſie nun zur Braut, aber der Koͤnig machte allerlei Einwendungen und ſagte, er muͤßte ihm erſt einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken koͤnnte. Da ging er in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, ſah er einen Mann ſitzen, der machte ein gar betruͤbtes Geſicht, der Dumm - ling fragte, was er ſich ſo ſehr zu Herzen naͤh - me? Ei! ich bin ſo durſtig, und kann nicht genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab ich zwar ausgeleert, aber was iſt ein Tropfen auf einen heißen Stein? Da kann ich dir helfen, ſagte der Dummling, komm nur mit mir, du ſollſt ſatt haben. Er fuͤhrte ihn in des Koͤnigs Keller, der Mann machte ſich uͤber die großen Faͤſſer, trank und trank, daß ihm die Huͤften weh thaten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausge - trunken. Der Dummling verlangte nun ſeine307 Braut, der Koͤnig aber aͤrgerte ſich, daß ein ſchlechter Burſch, den jedermann einen Dumm - ling nannte, ſeine Tochter davon tragen ſollte, und machte neue Bedingungen: er muͤſſe ihm erſt einen Mann ſchaffen, der einen Berg voll Brod aufeſſen koͤnnte. Der Dummling ging wieder in den Wald, da ſaß auf des Baumes Platz ein Mann, der ſchnuͤrte ſich den Leib mit einem Riemen zuſammen, machte ein graͤmli - ches Geſicht und ſagte: ich habe einen ganzen Backofen voll Raſpelbrod gegeſſen, aber was hilft das bei meinem großen Hunger, ich ſpuͤr doch nichts davon im Leib und muß mich nur zuſchnuͤren, wenn ich nicht Hungers ſterben ſoll. Wie der Dummling das hoͤrte, war er froh und ſprach: ſteig auf und geh mit mir, du ſollſt dich ſatt eſſen. Er fuͤhrte ihn zu dem Koͤnig, der hatte alles Mehl aus dem gan - zen Reich zuſammenfahren, und einen unge - heuern Berg davon backen laſſen, der Mann aber aus dem Wald ſtellte ſich davor, und in einem Tag und einer Nacht, war der ganze Berg verſchwunden. Der Dummling forderte wieder ſeine Braut, der Koͤnig aber ſuchte noch einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das zu Land wie zu Waſſer fahren koͤnnte; ſchaffe er aber das, dann ſolle er gleich die Prinzeſſin haben. Der Dummling ging noch einmal in den Wald, da ſaß das alte graue Maͤnnchen,U 2308dem es ſeinen Kuchen gegeben, und ſagte: ich hab fuͤr dich getrunken und gegeſſen, ich will dir auch das Schiff geben, das alles thu 'ich, weil du barmherzig gegen mich geweſen biſt. Da gab er ihm das Schiff, das zu Land und zu Waſſer fuhr, und als der Koͤnig das ſah, mußte er ihm ſeine Tochter geben. Da ward die Hochzeit gefeiert, und er erbte das Reich, und lebte lange Zeit vergnuͤgt mit ſeiner Ge - mahlin.

65. Allerlei-Rauh.

Es war einmal ein Koͤnig, der hatte eine Frau, die war die ſchoͤnſte auf der Welt, und hatte Haare von purem Gold; ſie hatten auch eine Tochter mit einander, die war ſo ſchoͤn wie ihre Mutter, und ihre Haare waren eben ſo golden. Einmal ward die Koͤnigin krank, und als ſie fuͤhlte, daß ſie ſterben muͤſſe, rief ſie den Koͤnig und bat ihn, er moͤge nach ihrem Tod doch niemand heirathen, der nicht eben ſo ſchoͤn waͤre wie ſie, und eben ſo goldne Haare haͤtte; und nachdem ihr der Koͤnig das verſpro - chen hatte, ſtarb ſie. Der Koͤnig war lange Zeit ſo betruͤbt, daß er gar an keine zweite Frau dachte, endlich aber ermahnten ihn ſeine Raͤthe, ſich wieder zu vermaͤhlen: da wurden309 Botſchafter abgeſchickt an alle Prinzeſſinnen, aber keine war ſo ſchoͤn wie die verſtorbene Koͤ - nigin, ſo goldenes Haar war auch gar nicht mehr zu finden auf der Welt. Da warf der Koͤnig einmal die Augen auf ſeine Tochter, und wie er ſo ſah, daß ſie ganz ihrer Mutter glich und auch ein ſo goldenes Haar hatte, ſo dachte er, du kannſt doch auf der Welt niemand ſo ſchoͤn finden, du mußt deine Tochter heirathen, und fuͤhlte in dem Augenblick eine ſo große Liebe zu ihr, daß er gleich den Raͤthen und der Prin - zeſſin ſeinen Willen kund that. Die Raͤthe wollten es ihm ausreden, aber das war um - ſonſt. Die Prinzeſſin erſchrack von Herzen uͤber dies gottloſe Vorhaben, weil ſie aber klug war, ſagte ſie dem Koͤnig, er ſolle ihr erſt drei Klei - der ſchaffen, eins ſo golden wie die Sonne, eins ſo weiß wie der Mond, und eins ſo glaͤnzend wie die Sterne, dann aber einen Mantel von tauſenderlei Pelz zuſammengeſetzt, und alle Thiere im Reich muͤßten ein Stuͤck von ihrer Haut dazu geben. Der Koͤnig war ſo heftig in ſeiner Begierde, daß er im ganzen Reich daran arbeiten ließ, ſeine Jaͤger alle Thiere auf - fangen, und ihnen die Haut abziehen mußten, daraus ward der Mantel gemacht, und es dauer - te nicht lang, ſo brachte er der Prinzeſſin, was ſie verlangt hatte. Die Prinzeſſin ſagte nun, ſie wolle ſich morgen mit ihm trauen laſſen, in310 der Nacht aber ſuchte ſie die Geſchenke, die ſie von ihrem Braͤutigam hatte, zuſammen, das war ein goldener Ring, ein golden Spinnraͤd - chen und ein goldenes Haͤspelchen, die drei Klei - der aber that ſie in eine Nuß, dann machte ſie ſich Geſicht und Haͤnde mit Ruß ſchwarz, zog den Mantel von allerlei Pelz an, und ging fort. Sie ging die ganze Nacht, bis ſie in einen gro - ßen Wald kam, da war ſie ſicher, und weil ſie ſo muͤd war, ſetzte ſie ſich in einen holen Baum, und ſchlief ein.

Sie ſchlief noch am hohen Tag, da jagte gerade der Koͤnig, ihr Braͤutigam, in dem Wald, ſeine Hunde aber liefen um den Baum, und ſchnupperten daran. Der Koͤnig ſchickte ſeine Jaͤger hin, die ſollten ſehen, was fuͤr ein Thier in dem Baum ſteckte, die kamen wieder und ſagten, es liege ein ſo wunderliches Thier darin, wie ſie ihr Lebtag noch keins geſehen, Rauhwerk allerlei Art ſey an ſeiner Haut, es liege aber und ſchlafe. Da befahl der Koͤnig ſie ſollten es fangen und hinten auf den Wa - gen binden. Das thaten die Jaͤger, und wie ſie es hervorzogen, ſahen ſie, daß es ein Maͤd - chen war, da banden ſie es hinten auf und fuh - ren mit ihm heim. Allerlei-Rauh, ſag - ten ſie, du biſt gut fuͤr die Kuͤche, du kannſt Holz und Waſſer tragen, und die Aſche zuſam - men kehren; dann gaben ſie ihm ein kleines311 Staͤllchen unter der Treppe, wohin kein Tags - licht kam: da kannſt du wohnen und ſchla - fen. Nun mußte es in die Kuͤche, da half es dem Koch, rupfte die Huͤner, ſchuͤrte das Feuer, belas das Gemuͤs, und that alle ſchlech - te Arbeit. Weil es alles ſo ordentlich machte, war ihm der Koch gut und rief manchmal Al - lerlei-Rauh Abends und gab ihm etwas von den Ueberbleibſeln zu eſſen. Ehe der Koͤnig aber zu Bett ging mußte es hinauf und ihm die Stiefel ausziehen, und wenn es einen aus - gezogen hatte, warf er ihn allemal ihm an den Kopf.

So lebte Allerlei-Rauh lange Zeit recht armſelig: ach, du ſchoͤne Jungfrau, wie ſolls mit dir noch werden? Da war ein Ball in dem Schloß, Allerlei-Rauh dachte, nun koͤnnt 'ich einmal wieder meinen lieben Braͤutigam recht ſehen, ging zum Koch und bat ihn, er moͤge ihr doch erlauben, nur ein wenig hinauf - zugehen, um vor der Thuͤre die Pracht mit an - zuſehen. Geh hin, ſagte der Koch, aber laͤn - ger als eine halbe Stunde darfſt du nicht aus - bleiben, du mußt noch die Aſche heut Abend zuſammenkehren. Da nahm Allerlei-Rauh ſein Oehllaͤmpchen und ging in ſein Staͤllchen, und wuſch ſich den Ruß ab, da kam ſeine Schoͤnheit hervor, recht wie die Blumen im Fruͤhjahr; dann thaͤt es den Pelzmantel ab,312 machte die Nuß auf und holte das Kleid her - aus, das wie die Sonne glaͤnzte. Und wie es damit geputzt war, ging es hinauf, und jeder - mann machte ihm Platz, und meinte nicht an - ders, als eine vornehme Prinzeſſin kaͤme in den Saal gegangen. Der Koͤnig reichte ihr gleich ſeine Hand zum Tanz, und wie er mit ihr tanzte, dachte er, wie gleicht dieſe unbekannte ſchoͤne Prinzeſſin meiner lieben Braut, und je laͤnger er ſie anſah, deſto mehr glich ſie ihr, daß er es faſt gewiß glaubte, und wenn der Tanz zu Ende waͤr, wollte er ſie fragen. Wie ſie aber ausgetanzt hatte, verneigte ſie ſich und war verſchwunden, ehe ſich der Koͤnig beſinnen konnte. Da ließ er die Waͤchter fragen, aber keiner hatte die Prinzeſſin aus dem Hauſe ge - hen ſehen. Sie war geſchwind in ihr Staͤll - chen gelaufen, hatte ihr Kleid ausgezogen, Ge - ſicht und Haͤnde ſchwarz gemacht, und wieder den Pelzmantel umgethan. Dann ging ſie in die Kuͤche und wollte die Aſche zuſammenkehren, der Koch aber ſagte: laß das ſeyn bis mor - gen, ich will auch ein wenig hinaufgehen und den Tanz mit anſehen, koch derweil dem Koͤnig ſeine Suppe, aber laß keine Haare hineinfallen, ſonſt kriegſt du nichts mehr zu eſſen. Aller - lei-Rauh kochte dem Koͤnig da eine Brodſup - pe, und zuletzt legte es den goldenen Ring hin - ein, den der Koͤnig ihr geſchenkt hatte. Wie313 nun der Ball zu Ende war, ließ ſich der Koͤ - nig ſeine Brodſuppe bringen, die ſchmeckte ihm ſo gut, daß er meinte, er haͤtte noch nie eine ſo gute gegeſſen, wie er aber fertig war, fand er den Ring auf dem Grund liegen, und wie er ihn genau anſah, da war es ſein Treuring. Da verwunderte er ſich, konnte nicht begreifen, wie der Ring dahin kam, und ließ den Koch rufen; der Koch ward boͤs uͤber[Allerlei-Rauh]: du haſt gewiß ein Haar hineinfallen laſſen, wenn das wahr iſt, ſo kriegſt du Schlaͤge. Wie aber der Koch hinauf kam, fragte der Koͤ - nig, wer die Suppe gekocht habe, die waͤr beſ - ſer als ſonſt geweſen, da mußte er geſtehen, daß es Allerlei-Rauh gethan, und da hieß ihn der Koͤnig Allerlei-Rauh heraufſchicken. Wie es kam, ſagte der[Koͤnig]: wer biſt du und was machſt du in meinem Schloß, woher haſt du den Ring, der in der Suppe lag? Es antwortete aber: ich bin nichts als ein armes Kind, dem Vater und Mutter geſtorben ſind, habe nichts und bin zu gar nichts gut, als daß die Stiefel mir um den Kopf geworfen werden, und von dem Ring weiß ich auch nichts, da - mit lief es fort.

Darnach war wieder ein Ball; da bat Aller - lei-Rauh den Koch wieder, er ſolle es hinaufge - hen laſſen. Der Koch erlaubte es auch nur auf eine halbe Stunde, dann ſolle es da ſeyn und314 dem Koͤnig die Brodſuppe kochen. Allerlei-Rauh ging in ſein Staͤllchen, wuſch ſich rein und nahm das Mondkleid heraus, noch reiner und glaͤnzender als der gefallene Schnee, und wie es hinauf kam ging eben der Tanz an, da reich - te ihm der Koͤnig die Hand, und tanzte mit ihm, und zweifelte nicht mehr, daß das ſeine Braut ſey, denn niemand auf der Welt hatte außer ihr noch ſo goldene Haare; wie aber der Tanz zu Ende war, war auch die Prinzeſſin ſchon wieder draußen, und alle Muͤhe umſonſt, der Koͤnig konnte ſie nicht finden, und hatte auch kein einzig Wort mit ihr ſprechen koͤnnen. Sie war aber wieder Allerlei-Rauh, ſchwarz im Geſicht und an den Haͤnden, ſtand in der Kuͤche, und kochte dem Koͤnig die Brodſuppe, und der Koch war hinaufgegangen und guckte zu. Und als die Suppe fertig war, that ſie das goldne Spinnrad hinein. Der Koͤnig die Suppe, und ſie daͤuchte ihm noch beſſer, und als er zuletzt das goldene Spinnrad fand, er - ſtaunte er noch mehr, denn das hatte er einmal ſeiner Braut geſchenkt. Der Koch ward geru - fen, und dann Allerlei-Rauh, aber die gab wieder zur Antwort, ſie wiſſe nichts davon, und ſey nur dazu da, daß ihr die Stiefel um den Kopf geworfen wuͤrden.

Der Koͤnig ſtellte zum drittenmal einen Ball an, und hoffte ſeine Braut ſollte wieder315 kommen, und da wollte er ſie gewiß feſthalten. Allerlei-Rauh bat auch wieder den Koch, ob ſie nicht duͤrfe hinaufgehen, der ſchalt aber und ſagte: du biſt eine Hexe, du thuſt immer et - was in die Suppe, und kannſt ſie beſſer kochen als ich; doch weil es ſo bat und verſprach, ordentlich zu ſeyn, ſo ließ er es wieder auf ei - ne halbe Stunde hingehen. Da zog es ſein Sternenkleid an, das funkelte wie die Sterne in der Nacht, ging hinauf und tanzte mit dem Koͤnig; der meinte, ſo ſchoͤn haͤtte er es noch niemals geſehen. Bei dem Tanz aber ſteckte er ihm einen Ring an den Finger, und hatte be - fohlen, daß der Tanz recht lang waͤhren ſollte. Doch aber konnte er es nicht feſthalten, auch kein Wort mit ihm ſprechen, denn als der Tanz aus war, ſprang es ſo geſchwind unter die Leu - te, daß es verſchwunden war, eh er ſich um - drehte. Es lief in ſein Staͤllchen, und weils laͤnger als eine halbe Stunde weggeweſen war, zog es ſich geſchwind aus und machte ſich in der Eile nicht ganz ſchwarz, ſondern ein Finger blieb weiß, und wie es in die Kuͤche kam, war der Koch ſchon fort, da kochte es geſchwind die Brodſuppe und legte den goldenen Haspel hin - ein. Der Koͤnig fand ihn, wie den Ring und das goldne Spinnrad, und nun wußt 'er ge - wiß, daß ſeine Braut in der Naͤhe war, denn niemand anders konnte die Geſchenke ſonſt ha -316 ben. Allerlei-Rauh ward gerufen, wollte ſich wieder durchhelfen und fortſpringen, aber in - dem es fortſprang, erblickte der Koͤnig einen weißen Finger an ſeiner Hand, und hielt es feſt daran; da fand er den Ring, den er ihm angeſteckt, und riß den Rauchmantel ab, da ka - men die goldenen Haare heraus gefloſſen, und es war ſeine allerliebſte Braut, und der Koch ward reichlich belohnt, und dann hielt er Hochzeit, und ſie lebten vergnuͤgt bis an ih - ren Tod.

66. Hurleburlebutz.

Ein Koͤnig verirrte ſich auf der Jagd, da trat ein kleines weißes Maͤnnchen vor ihn: Herr Koͤnig, wenn ihr mir eure juͤngſte Toch - ter geben wollt, ſo will ich euch wieder aus dem Wald fuͤhren. Der Koͤnig ſagte es in ſeiner Angſt zu, das Maͤnnchen brachte ihn auf den Weg, nahm dann Abſchied und rief noch nach: in acht Tagen komm ich und hol meine Braut. Daheim aber war der Koͤnig traurig uͤber ſein Verſprechen, denn die juͤngſte Tochter hatte er am liebſten; das ſahen ihm die Prinzeſſinnen an, und wollten wiſſen, was ihm Kummer ma - che. Da mußt ers endlich geſtehen, er habe die juͤngſte von ihnen einem kleinen weißen Wald -317 maͤnnchen verſprochen, und das komme in acht Tagen und hole ſie ab. Sie ſprachen aber, er ſolle gutes Muths ſeyn, das Maͤnnchen wollten ſie ſchon anfuͤhren. Darnach als der Tag kam, kleideten ſie eine Kuhhirtstochter mit ihren Klei - dern an, ſetzten ſie in ihre Stube und befahlen ihr: wenn jemand kommt, und will dich ab - holen, ſo gehſt du mit! ſie ſelber aber gingen alle aus dem Hauſe fort. Kaum waren ſie weg, ſo kam ein Fuchs in das Schloß, und ſagte zu dem Maͤdchen: ſetz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald! Das Maͤdchen ſetzte ſich dem Fuchs auf den Schwanz, und ſo trug er es hinaus in den Wald; wie ſie aber auf einen ſchoͤnen gruͤnen Platz kamen, wo die Sonne recht hell und warm ſchien, ſagte der Fuchs: ſteig ab und laus mich! Das Maͤdchen ge - horchte, der Fuchs legte ſeinen Kopf auf ihren Schooß und ward gelauſt; bei der Arbeit ſprach das Maͤdchen: geſtern um die Zeit wars doch ſchoͤner in dem Wald! Wie biſt du in den Wald gekommen? fragte der Fuchs. Ei, da hab ich mit meinem Vater die Kuͤhe gehuͤtet. Alſo biſt du nicht die Prinzeſſin! ſetz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurle - burlebutz! zuruͤck in das Schloß! Da trug ſie der Fuchs zuruͤck und ſagte zum Koͤnig: du haſt mich betrogen, das iſt eine Kuhhirtstoch -318 ter, in acht Tagen komm ich wieder und hol mir deine. Am achten Tage aber kleideten die Prinzeſſinnen eine Gaͤnſehirtstochter praͤch - tig an, ſetzten ſie hin und gingen fort. Da kam der Fuchs wieder und ſprach: ſetz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald! Wie ſie in dem Wald auf den ſonnigen Platz kamen, ſagte der Fuchs wieder: ſteig ab und laus mich. Und als das Maͤdchen den Fuchs lauſte, ſeufzte es und ſprach: wo moͤgen jetzt meine Gaͤnſe ſeyn! Was weißt du von Gaͤnſen? Ei, die hab ich alle Tage mit meinem Vater auf die Wieſen getrieben. Alſo biſt du nicht des Koͤnigs Tochter! ſetz dich auf meinen rau - hen Schwanz, Hurleburlebutz! zuruͤck in das Schloß! Der Fuchs trug ſie zuruͤck und ſag - te zum Koͤnig: du haſt mich wieder betrogen, das iſt eine Gaͤnſehirtstochter, in acht Tagen komm ich noch einmal, und wenn du mir dann deine Tochter nicht giebſt, ſo ſoll dirs uͤbel ge - hen. Dem Koͤnig ward Angſt, und wie der Fuchs wieder kam, gab er ihm die Prinzeſſin. Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hur - leburlebutz! hinaus in den Wald. Da muß - te ſie auf dem Schwanz des Fuchſes hinausrei - ten, und als ſie auf den Platz im Sonnen - ſchein kamen, ſprach er auch zu ihr: ſteig ab und laus mich! als er ihr aber ſeinen Kopf319 auf den Schooß legte, fing die Prinzeſſin an zu weinen und ſagte: ich bin eines Koͤnigs Tochter und ſoll einen Fuchs lauſen, ſaͤß ich jetzt daheim in meiner Kammer, ſo koͤnnt ich meine Blumen im Garten ſehen! Da hoͤrte der Fuchs, daß er die rechte Braut hatte, verwan - delte ſich in das kleine, weiße Maͤnnchen, und das war nun ihr Mann, bei dem mußt 'ſie in einer kleinen Huͤtte wohnen, ihm kochen und naͤhen, und es dauerte eine gute Zeit. Das Maͤnnchen aber that ihr alles zu Liebe.

Einmal ſagte das Maͤnnchen zu ihr: ich muß fortgehen, aber es werden bald drei weiße Tauben geflogen kommen, die werden ganz nie - drig uͤber die Erde hinſtreifen, davon fang die mittelſte, und wenn du ſie haſt, ſchneid ihr gleich den Kopf ab, huͤt 'dich aber, daß du kei - ne andere ergreifſt, als die mittelſte, ſonſt ent - ſteht ein groß Ungluͤck daraus. Das Maͤnn - chen ging fort; es dauerte auch nicht lang, ſo kamen drei weiße Tauben daher geflogen. Die Prinzeſſin gab Acht, ergriff die mittelſte, nahm ein Meſſer und ſchnitt ihr den Kopf ab. Kaum aber lag der auf dem Boden, ſo ſtand ein ſchoͤ - ner junger Prinz vor ihr und ſprach: mich hat eine Fee verzaubert, ſieben Jahr lang ſollt ich meine Geſtalt verlieren, und ſodann als ei - ne Taube an meiner Gemahlin vorbeifliegen, zwiſchen zwei andern, da muͤſſe ſie mich fan -320 gen und mir den Kopf abhauen, und fange ſie mich nicht, oder eine unrechte, und ich ſey ein - mal vorbeigeflogen, ſo ſey alles vorbei und kei - ne Erloͤſung mehr moͤglich: darum hab ich dich gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin das graue Maͤnnlein und du meine Gemahlin. Da war die Prinzeſſin vergnuͤgt, und ſie gin - gen zuſammen zu ihrem Vater, und als der ſtarb, erbten ſie das Reich.

67. Der Koͤnig mit dem Loͤwen.

Bei ſeiner Braut ſaß ein junger Prinz und ſprach: da geb ich dir einen Ring und mein Bild, das trag zu meinem Andenken und bleib mir treu; mein Vater iſt todtkrank und hat ge - ſchickt, ich ſoll kommen, er will mich vor ſei - nem Ende noch einmal ſehen, wann ich Koͤnig bin, ſo hole ich dich heim. Darauf ritt er fort, und fand ſeinen Vater ſterbend; er bat noch den Prinzen, er moͤge eine gewiſſe Prin - zeſſin nach ſeinem Tode heirathen. Der Prinz war ſo betruͤbt, und hatte ſeinen Vater ſo lieb, daß er ohne ſich zu bedenken, Ja ſagte, und gleich darauf that der alte Koͤnig die Augen zu und ſtarb. Wie er nun zum Koͤnig ausgerufen und die Trauerzeit herum war, mußt er ſein Wort halten, und ließ um die andere Prinzeſſin wer -ben,321ben, die ihm zugeſagt wurde. Indeß hoͤrte die erſte Braut, daß der Prinz um eine andere ge - freit, da graͤmte ſie ſich ſo ſehr, daß ſie faſt verging. Ihr Vater fragte, warum ſie ſo trau - rig ſey, ſie ſolle fordern, was ſie wolle, es ſolle ihr gewaͤhrt ſeyn; da bedachte ſich die Prin - zeſſin einen Augenblick, dann bat ſie ſich elf Maͤdchen aus, die ihr vollkommen glichen, auch an Groͤße und Wuchs. Der Koͤnig ließ die elf Jungfrauen im ganzen Koͤnigreich aufſuchen, und als ſie beiſammen waren, kleidete ſie die Prinzeſſin in Jaͤger, ſich ſelber eben ſo, ſo daß ihrer zwoͤlf vollkommen, eine wie die andere, waren. Darauf ritt ſie zu dem Koͤnig ihrem ehemaligen Braͤutigam, und verlangte fuͤr ſich und die uͤbrigen Dienſt als Jaͤger. Der Koͤnig erkannte ſie nicht, und weil es ſo ſchoͤne Leute waren, gewaͤhrte er ihnen gern die Bitte, und nahm ſie an ſeinen Hof.

Der Koͤnig hatte aber einen Loͤwen, dem war nichts verborgen, und er wußte alles, was heimlich am Hofe geſchah. Der ſagte eines Abends zu ihm: du glaubſt, du haͤtteſt da zwoͤlf Jaͤger, das ſind aber lauter Maͤdchen. Der Koͤnig wollte es nicht glauben, da ſagte der Loͤwe weiter: laß nur einmal Erbſen in dein Vorzimmer ſtreuen, Maͤnner, die haben einen feſten Tritt, wenn die daruͤber hingehen, regt ſich keine, Maͤdchen aber die trippeln undKindermärchen. X322ſchlurfen, und die Erbſen rollen unter ihren Fuͤßen. Dem Koͤnig gefiel das wohl. Es war aber ein Diener des Koͤnigs, der liebte die Jaͤger und hatte das mit angehoͤrt, da lief er zu ihnen und ſagte: der Loͤwe haͤlt euch fuͤr[Maͤdchen], und will Erbſen ſtreuen laſſen und euch damit probiren; die Prinzeſſin befahl darauf ihren elf Jungfrauen, ſie ſollten ſich alle Gewalt anthun, und feſt auf die Erbſen treten. Als nun am Morgen die Erbſen ge - ſtreut waren, ließ der Koͤnig die zwoͤlf Jaͤger kommen, ſie hatten aber einen ſo ſichern und ſtarken Gang, daß ſich auch nicht eine Erbſe bewegte. Am Abend machte der Koͤnig dem Loͤwen Vorwuͤrfe, daß er ihn belogen, da ſag - te der Loͤwe: ſie haben ſich verſtellt, laß aber nur zwoͤlf Spinnraͤder in das Vorzimmer ſtel - len, da werden ſie ſich druͤber freuen, und das thut kein Mann. Der Koͤnig folgte dem Loͤ - wen noch einmal, und ließ die Spinnraͤder hin - ſtellen. Der Diener aber hatte den Jaͤgern den Anſchlag verrathen, da befahl die Prinzeſſin ihren elf Jungfrauen die Spinnraͤder nicht ein - mal anzuſehen. So thaten ſie auch, und der Koͤnig wollte dem Loͤwen nicht mehr glauben. Er gewann die Jaͤger immer lieber, und wenn er auf die Jagd ritt, mußten ſie ihm folgen. Wie ſie einmal mit ihm im Wald waren, kam die Nachricht, die Braut des Prinzen ſey im323 Anzug, und werde bald da ſeyn; wie das die rechte Braut hoͤrte fiel ſie in Ohnmacht. Der Koͤnig meinte, ſeinem lieben Jaͤger ſey etwas zugeſtoßen, lief herzu und wollte ihm helfen, er zog ihm aber auch die Handſchuh aus, da erblickte er den Ring, den er ſeiner erſten Braut gegeben, und als er dann noch das Bildniß an ihrem Hals ſah, erkannte er ſie, und ließ gleich der andern Braut ſagen, ſie moͤge in ihr Reich zuruͤckkehren, er habe ſchon eine Gemahlin, und wenn man einen alten Schluͤſſel wieder gefun - den, brauche man den neuen nicht. Da ward die Hochzeit gefeiert, und der Loͤwe hatte nicht gelogen, und kam wieder in Gnade bei dem Koͤnig.

68. Von dem Sommer - und Winter - garten.

Ein Kaufmann wollte auf die Meſſe ge - hen, da fragte er ſeine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen ſollte. Die aͤlteſte ſprach: ein ſchoͤnes Kleid; die zweite: ein paar huͤbſche Schuhe; die dritte: eine Roſe. Aber die Roſe zu verſchaffen, war etwas ſchwe - res, weil es mitten im Winter war, doch weil die juͤngſte die ſchoͤnſte war, und ſie eine ſo große Freude an den Blumen hatte, ſagte derX 2324Vater, er wolle zuſehen, ob er ſie bekommen koͤnne, und ſich rechte Muͤhe darum geben.

Als der Kaufmann wieder auf der Ruͤck - reiſe war, hatte er ein praͤchtiges Kleid fuͤr die aͤlteſte, und ein paar ſchoͤne Schuhe fuͤr die zweite, aber die Roſe fuͤr die dritte hatte er nicht bekommen koͤnnen, wenn er in einen Gar - ten gegangen war, und nach Roſen gefragt, hatten die Leute ihn ausgelacht: ob er denn glaube, daß die Roſen im Schnee wuͤchſen. Das war ihm aber gar leid, und wie er dar - uͤber ſann, ob er gar nichts fuͤr ſein liebſtes Kind mitbringen koͤnne, kam er vor ein Schloß, und dabei war ein Garten, in dem war es halb Sommer und halb Winter, und auf der einen Seite bluͤhten die ſchoͤnſten Blumen groß und klein, und auf der andern war alles kahl und lag ein tiefer Schnee. Der Mann ſtieg vom[Pferd] herab, und wie er eine ganze Hecke voll Roſen auf der Sommerſeite erblickte, war er froh, ging hinzu und brach eine ab, dann ritt er wieder fort. Er war ſchon ein Stuͤck Wegs geritten, da hoͤrte er etwas hinter ſich herlaufen und ſchnaufen, er drehte ſich um, und ſah ein großes ſchwarzes Thier, das rief: du giebſt mir meine Roſe wieder, oder ich mache dich todt, du giebſt mir meine Roſe wieder, oder ich mach dich todt! da ſprach der Mann: ich bitt dich, laß mir die Roſe, ich ſoll ſie meiner325 Tochter mitbringen, die iſt die ſchoͤnſte auf der Welt. [Meinetwegen], aber gieb mir die ſchoͤne Tochter dafuͤr zur Frau? Der Mann, um das Thier los zu werden, ſagt ja, und denkt, das wird doch nicht kommen und ſie for - dern, das Thier aber rief noch hinter ihm drein: in acht Tagen komm ich und hol mei - ne Braut.

Der Kaufmann brachte nun einer jeden Tochter mit, was ſie gewuͤnſcht hatten; ſie freu - ten ſich auch alle daruͤber, am meiſten aber die juͤngſte uͤber die Roſe. Nach acht Tagen ſaßen die drei Schweſtern beiſammen am Tiſch, da kam etwas mit ſchwerem Gang die Treppe her - auf, und an die Thuͤre und rief: macht auf! macht auf! Da machten ſie auf, aber ſie er - ſchracken recht, als ein großes ſchwarzes Thier hereintrat: Weil meine Braut nicht gekom - men, und die Zeit herum iſt, will ich mir ſie ſelber holen. Damit ging es auf die juͤngſte Tochter zu und packte ſie an. Sie fing an zu ſchreien, das half aber alles nichts, ſie mußte mit fort, und als der Vater nach Haus kam, war ſein liebſtes Kind geraubt. Das ſchwarze Thier aber trug die ſchoͤne Jungfrau in ſein Schloß, da wars gar wunderbar und ſchoͤn, und Muſikanten waren darin, die ſpielten auf, und unten war der Garten halb Sommer und halb Winter, und das Thier that ihr alles zu326 Liebe,[was] es ihr nur an den Augen abſehen konnte. Sie aßen zuſammen, und ſie mußte ihm aufſchoͤpfen, ſonſt wollte es nicht eſſen, da ward ſie dem Thier hold, und endlich hatte ſie es recht lieb. Einmal ſagte ſie zu ihm: mir iſt ſo Angſt, ich weiß nicht recht warum, aber mir iſt, als waͤr mein Vater krank, oder eine von meinen Schweſtern, koͤnnte ich ſie nur ein einzigesmal ſehen! Da fuͤhrte ſie das Thier zu einem Spiegel und ſagte: da ſchau hin - ein, und wie ſie hineinſchaute, war es recht als waͤre ſie zu Haus; ſie ſah ihre Stube und ihren Vater, der war wirklich krank, aus Her - zeleid, weil er ſich Schuld gab, daß ſein lieb - ſtes Kind von einem wilden Thier geraubt und gar von ihm aufgefreſſen ſey, haͤtt 'er gewußt, wie gut es ihm ging, ſo haͤtte er ſich nicht be - truͤbt; auch ihre zwei Schweſtern ſah ſie am Bett ſitzen, die weinten. Von dem allen war ihr Herz ganz ſchwer, und ſie bat das Thier, es ſollte ſie nur ein paar Tage wieder heim gehen laſſen. Das Thier wollte lange nicht, end - lich aber, wie ſie ſo jammerte, hatte es Mit - leiden mit ihr und ſagte: geh hin zu deinem Vater, aber verſprich mir, daß du in acht Ta - gen wieder da ſeyn willſt. Sie verſprach es ihm, und als ſie fort ging, rief es noch: bleib aber ja nicht laͤnger als acht Tage aus.

Wie ſie heim kam, freute ſich ihr Vater,327 daß er ſie noch einmal ſaͤhe, aber die Krankheit und das Leid hatten ſchon zu ſehr an ſeinem Herzen gefreſſen, daß er nicht wieder geſund werden konnte, und nach ein paar Tagen ſtarb er. Da konnte ſie an nichts anders denken vor Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be - graben, da ging ſie mit zur Leiche, und dann weinten die Schweſtern zuſammen und troͤſte - ten ſich, und als ſie endlich wieder an ihr lie - bes Thier dachte, da waren ſchon laͤngſt die acht Tage herum. Da ward ihr recht Angſt, und es war ihr, als ſey das auch krank, und ſie machte ſich gleich auf, und ging wieder hin zu ſeinem Schloß. Wie ſie aber wieder ankam, wars ganz ſtill und traurig darin, die Muſi - kanten ſpielten nicht, und alles war mit ſchwar - zem Flor behangen; der Garten aber war ganz Winter und von Schnee bedeckt. Und wie ſie das Thier ſelber ſuchte, war es fort, und ſie ſuchte aller Orten, aber ſie konnte es nicht fin - den. Da war ſie doppelt traurig, und wußte ſich nicht zu troͤſten, und einmal ging ſie ſo traurig im Garten, und ſah einen Haufen Kohl - haͤupter, die waren oben ſchon alt und faul, da legte ſie die herum, und wie ſie ein paar umgedreht hatte, ſah ſie ihr liebes Thier, das lag darunter und war todt. Geſchwind holte ſie Waſſer und begoß es damit unaufhoͤrlich, da ſprang es auf und war auf einmal verwandelt,328 und ein ſchoͤner Prinz. Da ward Hochzeit ge - halten und die Muſikanten ſpielten gleich wie - der, die Sommerſeite im Garten kam praͤchtig hervor, und der ſchwarze Flor ward abgeriſſen, und ſie lebten vergnuͤgt miteinander immerdar.

69. Jorinde und Joringel.

Es war einmal ein altes Schloß, mitten in einem großen, dicken Wald, darinnen wohn - te eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte ſie ſich zur Kat - ze, oder zu Nachteule, des Abends aber wurde ſie wieder ordentlich wie ein Menſch geſtaltet. Sie konnte das Wild und die Voͤgel herbeilok - ken, und dann ſchlachtete ſie's, kochte und bra - tete es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, ſo mußte er ſtille ſtehn, und konnte ſich nicht von der Stelle bewegen, bis ſie ihn losſprach: wenn aber eine keuſche Jungfrau in dieſen Kreis kam, ſo verwandelte ſie dieſelbe in einen Vogel und ſperrte ſie dann in einen Korb ein, in die Kammern des Schloſ - ſes. Sie hatte wohl ſieben tauſend ſolcher Koͤr - be mit ſo raren Voͤgeln im Schloſſe.

Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; ſie war ſchoͤner als alle andere Maͤd - chen, die, und dann ein gar ſchoͤner Juͤngling,329 Namens Joringel, hatten ſich zuſammen ver - ſprochen. Sie waren in den Brauttagen, und ſie hatten ihr groͤßtes Vergnuͤgen eins am an - dern. Damit ſie nun einsmalen vertraut zu - ſammen reden koͤnnten, gingen ſie in den Wald ſpaziren. Huͤte dich, ſagte Joringel, daß du nicht ſo nahe an das Schloß kommſt! Es war ein ſchoͤner Abend, die Sonne ſchien zwi - ſchen den Staͤmmen der Baͤume hell ins dunkle Gruͤn des Walds, und die Turteltaube ſang klaͤglich auf den alten Maibuchen.

Jorinde weinte zuweilen, ſetzte ſich hin in Sonnenſchein und klagte. Joringel klagte auch; ſie waren ſo beſtuͤrzt, als wenn ſie haͤtten ſter - ben ſollen; ſie ſahen ſich um, waren irre, und wußten nicht, wohin ſie nach Hauſe gehen ſoll - ten. Noch halb ſtand die Sonne uͤber dem Berg, und halb war ſie unter: Joringel ſah durchs Gebuͤſch, und ſah die alte Mauer des Schloſſes nah bei ſich, er erſchrack und wurde todtbang. Jorinde ſang:

Mein Voͤglein mit dem Ringlein roth
Singt Leide, Leide, Leide;
Es ſingt dem Taͤublein ſeinen Tod,
Singt Leide, Lei Zickuͤth! Zickuͤth!
Zickuͤth!

Joringel ſah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die ſang Zickuͤth! Zickuͤth. Eine Nachteule mit gluͤhenden Augen330 flog dreimal um ſie herum, und ſchrie dreimal Schu hu hu hu! Joringel konnte ſich nicht regen; er ſtand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter; die Eule flog in einen Strauch, und gleich dar - auf kam eine alte krumme Frau aus dieſem hervor, gelb und mager, große rothe Augen, krumme Naſe, die mit der Spitze aus Kinn reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall, und trug ſie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts ſagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort, endlich kam das Weib wieder und ſagte mit dumpfer Stimme: Gruͤß dich, Zachiel! Wenns Moͤndel ins Koͤrbel ſcheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund! Da wurd Joringel los; er fiel vor dem Weib auf die Knie, und bat, ſie moͤgte ihm ſeine Jorinde wieder geben; aber ſie ſagte, er ſolle ſie nie wieder haben, und ging fort. Er rief, er wein - te, er jammerte, aber alles umſonſt. Uu! was ſoll mir geſchehn? Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf; da huͤtet er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei; end - lich traͤumte er einmal des Nachts, er faͤnd ei - ne blutrothe Blume, in deren Mitte eine ſchoͤ - ne große Perle war; die Blume brach er ab, ging damit zum Schloſſe; alles, was er mit331 der Blume beruͤhrte, ward von der Zauberei frei; auch traͤumte er, er haͤtte ſeine Jorinde dadurch wieder bekommen. Des Morgens, als er erwachte, fing er an, durch Berg und Thal zu ſuchen, ob er eine ſolche Blume faͤnde; er ſuchte bis an den neunten Tag, da fand er die blutrothe Blume am Morgen fruͤh. In der Mitte war ein großer Thautropfe, ſo groß wie die ſchoͤnſte Perle. Dieſe Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloß. Wie er auf hun - dert Schritt nahe zum Schloß kam, da wurd er nicht feſt, ſondern ging fort bis ans Thor. Joringel freute ſich hoch, beruͤhrte die Pforte mit der Blume, und ſie ſprang auf; er ging hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vie - len Voͤgel vernaͤhm. Endlich hoͤrt ers; er ging und fand den Saal, darauf war die Zauberin, und fuͤtterte die Voͤgel in den ſieben tauſend Koͤr - ben. Wie ſie den Joringel ſah, ward ſie boͤs, ſehr boͤs, ſchalt, ſpie Gift und Galle gegen ihn aus, aber ſie konnt auf zwei Schritte nicht an ihn kommen. Er kehrte ſich nicht an ſie, und ging, beſah die Koͤrbe mit den Voͤgeln; da waren aber viele hundert Nachtigallen; wie ſollte er nun ſeine Jorinde wieder finden? In - dem er ſo zuſah, merkte er, daß die Alte heimlich ein Koͤrbchen mit einem Vogel nimmt, und damit nach der Thuͤre geht. Flugs ſprang er hinzu, beruͤhrte das Koͤrbchen mit der Blume, und332 auch das alte Weib; nun konnte ſie nichts mehr zaubern und Jorinde ſtand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, ſo ſchoͤn, wie ſie ehemals war. Da macht er auch alle die andern Voͤgel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit ſei - ner Jorinde nach Hauſe, und lebten lange ver - gnuͤgt zuſammen.

70. Der Okerlo.

Eine Koͤnigin ſetzte ihr Kind in einer gol - denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort - ſchwimmen; es ging aber nicht unter, ſondern ſchwamm zu einer Inſel, da wohnten lauter Menſchenfreſſer. Wie nun ſo die Wiege ge - ſchwommen kam, ſtand gerade die Frau des Menſchenfreſſers am Ufer, und als ſie das Kind ſah, welches ein wunderſchoͤnes Maͤdchen war, beſchloß ſie, es groß zu ziehen fuͤr ihren Sohn, der ſollte es einmal zur Frau haben. Doch hatte ſie große Noth damit, daß ſie es ſorgfaͤl - tig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo ver - ſteckte, denn haͤtte er es zu Geſicht bekommen, ſo waͤre es mit Haut und Haar aufgefreſſen worden.

Als nun das Maͤdchen groß geworden war, ſollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden,333 und weinte den ganzen Tag. Wie es ſo ein - mal am Ufer ſaß, da kam ein junger, ſchoͤner Prinz geſchwommen, der gefiel ihm und es ge - fiel ihm auch, und ſie verſprachen ſich mitein - ander; indem aber kam die alte Menſchen - freſſerin, die wurde gewaltig boͤs, daß ſie den Prinzen bei der Braut ihres Sohnes fand, und kriegte ihn gleich zu packen: wart nun, du ſollſt zu meines Sohnes Hochzeit gebraten werden!

Der junge Prinz, das Maͤdchen und die drei Kinder des Okerlo ſchliefen aber alle in einer Stube zuſammen, wie es nun Nacht wurde, kriegte der alte Okerlo Luſt nach Menſchen - fleiſch, und ſagte: Frau, ich habe nicht Luſt bis zur Hochzeit zu warten, gieb mir den Prin - zen nur gleich her! Das Maͤdchen aber hoͤr - te alles durch die Wand, ſtand geſchwind auf, nahm dem einen Kind des Okerlo die goldene Krone ab, die es auf dem Haupte trug, und ſetzte ſie dem Prinzen auf. Die alte Men - ſchenfreſſerin kam gegangen, und weil es dun - kel war, ſo fuͤhlte ſie an den Haͤuptern, und das, welches keine Krone trug, brachte ſie dem Mann, der es augenblicklich aufaß. Indeſſen wurde dem Maͤdchen himmelangſt, es dachte: bricht der Tag an, ſo kommt alles heraus, und es wird uns ſchlimm gehen. Da ſtand es heimlich auf und holte einen Meilenſtiefel, eine334 Wuͤnſchelruthe und einen Kuchen mit einer Bohne, die auf alles Antwort gab.

Nun ging ſie mit dem Prinzen fort, ſie hatten den Meilenſtiefel an, und mit jedem Schritt machten ſie eine Meile. Zuweilen fru - gen ſie die Bohne: Bohne, biſt du auch da? ja, ſagte die Bohne, da bin ich, eilt euch aber, denn die alte Menſchenfreſſerin kommt nach im andern Meilenſtiefel, der dort geblie - ben iſt! Da nahm das Maͤdchen die Wuͤn - ſchelruthe und verwandelte ſich in einen Schwan, den Prinzen in einen Teich, worauf der Schwan ſchwimmt. Die Menſchenfreſſerin kam und lockte den Schwan ans Ufer, allein es gelang ihr nicht, und verdrießlich ging ſie heim. Das Maͤdchen und der Prinz ſetzten ihren Weg fort: Bohne, biſt du da? ja, ſprach die Bohne, hier bin ich, aber die alte Frau kommt ſchon wieder, der Menſchen - freſſer hat ihr geſagt, warum ſie ſich habe an - fuͤhren laſſen. Da nahm das Maͤdchen den Stab, und verwandelte ſich und den Prinzen in eine Staubwolke, wodurch die Frau Okerlo nicht dringen kann, alſo kehrte ſie unverrichte - ter Sache wieder um, und die andern ſetzten ihren Weg fort.

Bohne, biſt du da? ja, hier bin ich, aber ich ſehe die Frau Okerlo335 noch einmal kommen, und gewaltige Schritte macht ſie. Das Maͤdchen nahm zum dritten - mal den Wuͤnſchelſtab und verwandelte ſich in einen Roſenſtock und den Prinzen in eine Bie - ne, da kam die alte Menſchenfreſſerin, erkannte ſie in dieſer Verwandelung nicht und ging wie - der heim.

Allein nun konnten die zwei ihre menſchliche Geſtalt nicht wieder annehmen, weil das Maͤd - chen das letztemal in der Angſt den Zauberſtab zu weit weggeworfen; ſie waren aber ſchon ſo weit gegangen, daß der Roſenſtock in einem Garten ſtand, der gehoͤrte der Mutter des Maͤd - chens. Die[Biene] ſaß auf der Roſe, und wer ſie abbrechen wollte, den ſtach ſie mit ihrem Stachel. Einmal geſchah es, daß die Koͤnigin ſelber in ihren Garten ging und die ſchoͤne Blume ſah, woruͤber ſie ſich ſo verwunderte, daß ſie ſie abbrechen wollte. Aber Bienchen kam und ſtach ſie ſo ſtark in die Hand, daß ſie die Roſe mußte fahren laſſen, doch hatte ſie ſchon ein wenig eingeriſſen. Da ſah ſie, daß Blut aus dem Stengel quoll, ließ eine Fee kommen, damit ſie die Blume entzauberte. Da erkannte die Koͤnigin ihre Tochter wieder, und war von Herzen froh und vergnuͤgt. Es wurde aber eine große Hochzeit angeſtellt, eine Men - ge Gaͤſte gebeten, die kamen in praͤchtigen Klei - dern, tauſend Lichter flimmerten im Saal, und336 es wurde geſpielt und getanzt bis zum hellen Tag.

Biſt du auch auf der Hochzeit geweſen? ja wohl bin drauf geweſen:

mein Kopfputz war von Butter, da kam ich in die Sonne, und er iſt mir abgeſchmol - zen;

mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich durch Dornen, die riſſen es mir ab;

meine Pantoffel waren von Glas, da trat ich auf einen Stein, da ſprangen ſie ent - zwei.

71. Prinzeſſin Maͤuſehaut.

Ein Koͤnig hatte drei Toͤchter; da wollte er wiſſen, welche ihn am liebſten haͤtte, ließ ſie vor ſich kommen und fragte ſie. Die aͤlteſte ſprach, ſie habe ihn lieber, als das ganze Koͤ - nigreich; die zweite, als alle Edelſteine und Per - len auf der Welt; die dritte aber ſagte, ſie ha - be ihn lieber als das Salz. Der Koͤnig ward aufgebracht, daß ſie ihre Liebe zu ihm mit ei - ner ſo geringen Sache vergleiche, uͤbergab ſie einem Diener und befahl, er ſolle ſie in den Wald fuͤhren und todten. Wie ſie in den Wald gekommen waren, bat die Prinzeſſin den Diener um ihr Leben; dieſer war ihr treu, und wuͤrde ſiedoch337doch nicht getoͤdtet haben, er ſagte auch, er wolle mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen thun. Die Prinzeſſin verlangte aber nichts, als ein Kleid von Mauſehaut, und als er ihr das geholt, wickelte ſie ſich hinein und ging fort. Sie ging geradezu an den Hof eines benach - barten Koͤnigs, gab ſich fuͤr einen Mann aus, und bat den Koͤnig, daß er ſie in ſeine Dienſte nehme. Der Koͤnig ſagte es zu, und ſie ſolle bei ihm die Aufwartung haben: Abends mußte ſie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr allemal an den Kopf. Einmal fragte er, wo - her ſie ſey? Aus dem Lande, wo man den Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft. Der Koͤnig ward da aufmerkſam, endlich brach - ten ihm die andern Diener einen Ring; Mau - ſehaut habe ihn verloren, der ſey zu koſtbar, den muͤſſe er geſtohlen haben. Der Koͤnig ließ Mauſehaut vor ſich kommen und fragte, woher der Ring ſey? da konnte ſich Mauſehaut nicht laͤnger verbergen, ſie wickelte ſich von der Mau - ſehaut los, ihre goldgelben Haare quollen her - vor, und ſie trat heraus ſo ſchoͤn, aber auch ſo ſchoͤn, daß der Koͤnig gleich die Krone von ſei - nem Kopf abnahm und ihr aufſetzte, und ſie fuͤr ſeine Gemahlin erklaͤrte.

Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der Mauſehaut eingeladen, der glaubte ſeine Toch - ter ſey ſchon laͤngſt todt, und erkannte ſie nichtKindermärchen. Y338wieder. Auf der Tafel aber waren alle Spei - ſen, die ihm vorgeſetzt wurden, ungeſalzen, da ward er aͤrgerlich und ſagte: ich will lieber nicht leben als ſolche Speiſe eſſen! Wie er das Wort ausgeſagt, ſprach die Koͤnigin zu ihm: jetzt wollt ihr nicht leben ohne Salz, und doch habt ihr mich einmal wollen toͤdten laſſen, weil ich ſagte, ich haͤtte euch lieber als Salz! da erkannt er ſeine Tochter, und kuͤßte ſie, und bat ſie um Verzeihung, und es war ihm lieber als ſein Koͤnigreich, und alle Edel - ſteine der Welt, daß er ſie wiedergefunden.

72. Das Birnli will nit fallen.

Der Herr will das Birnli ſchuͤttle,
das Birnli will nit fallen:
der Herr, der ſchickt das Jockli hinaus,
es ſoll das Birnli ſchuͤttle:
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr das Huͤndli naus,
es ſoll das Jockli beißen:
das Huͤndli beißt das Jockli nit,
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr das Pruͤgeli naus,
es ſoll das Huͤndli treffen:
339
das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit,
das Huͤndli beißt das Jockli nit,
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr das Fuͤrli (Feuer) naus,
es ſoll das Pruͤgeli brennen:
das Fuͤrli brennt, das Pruͤgeli nit,
das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit,
das Huͤndli beißt das Jockli nit,
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr das Waͤſſerli naus,
es ſoll das Fuͤrli loͤſchen:
das Waͤſſerli loͤſcht das Fuͤrli nit,
das Fuͤrli brennt das Pruͤgeli nit,
das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit,
das Huͤndli beißt das Jockli nit,
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr das Kaͤlbli naus,
es ſoll das Waͤſſerli laͤpple: (trinken)
das Kaͤlbli laͤppelt das Waͤſſerli nit,
das Waͤſſerli loͤſcht das Fuͤrli nit,
das Fuͤrli brennt das Pruͤgeli nit,
das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit,
das Huͤndli beißt das Jockli nit,
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr den Metzger naus,
er ſoll das Kaͤlbli metzle:
Y 2
340
der Metzger metzelts Kaͤlbli nit,
das Kaͤlbli laͤppelt das Waͤſſerli nit,
das Waͤſſerli loͤſcht das Fuͤrli nit,
das Fuͤrli brennt das Pruͤgeli nit,
das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit,
das Huͤndli beißt das Jockli nit,
das Jockli ſchuͤttelts Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da ſchickt der Herr den Schinder naus,
er ſoll den Metzger haͤngen:
der Schinder will den Metzger haͤnge,
der Metzger will das Kaͤlbli metzle,
das Kaͤlbli will das Waͤſſerli laͤpple,
das Waͤſſerli will das Fuͤrli loͤſche,
das Fuͤrli will das Pruͤgeli brenne,
das Pruͤgeli will das Huͤndli treffe,
das Huͤndli will das Jockli beiße,
das Jockli will das Birnli ſchuͤttle,
das Birnli das will fallen.

73. Das Mordſchloß.

Es war einmal ein Schuhmacher, welcher drei Toͤchter hatte; auf eine Zeit als der Schuh - macher aus war, kam da ein Herr, welcher ſehr gut gekleidet war, und welcher eine praͤchtige Equipage hatte, ſo daß man ihn fuͤr ſehr reich hielt, und verliebte ſich in eine der ſchoͤnen Toͤch - ter, welche dachte, ihr Gluͤck gemacht zu haben341 mit ſo einem reichen Herrn, und machte alſo keine Schwierigkeit mit ihm zu reiten. Da es Abend ward, als ſie unterwegs waren fragte er ſie:

Der Mond ſcheint ſo hell
meine Pferdchen laufen ſo ſchnell
ſuͤß Lieb, reut dichs auch nicht?

Nein, warum ſollt michs reuen? ich bin immer bei Euch wohl bewahrt, da ſie doch innerlich eine Angſt hatte. Als ſie in einem großen Wald waren, fragte ſie, ob ſie bald da waͤren? Ja, ſagte er, ſiehſt du das Licht da in der Ferne, da iſt mein Schloß; endlich kamen ſie da an, und alles war gar ſchoͤn.

Am andern Tage ſagte er zu ihr, er muͤßt auf einige Tage ſie verlaſſen, weil er wichtige Affairen haͤtte, die nothwendig waͤren, aber er wolle ihr alle Schluͤſſel laſſen, damit ſie das ganze Caſtell ſehen koͤnnte, von was fuͤr Reich - thum ſie all Meiſter waͤr. Als er fort war, ging ſie durch das ganze Haus, und fand alles ſo ſchoͤn, daß ſie voͤllig damit zufrieden war, bis ſie endlich an einen Keller kam, wo eine alte Frau ſaß und Daͤrme ſchrappte. Ei Muͤt - terchen, was macht ſie da? Ich ſchrapp Daͤrme, mein Kind, morgen ſchrapp ich eure auch! Wovon ſie ſo erſchrack, daß ſie den Schluͤſſel, welcher in ihrer Hand war, in ein Becken mit Blut fallen ließ, welches nicht gut342 wieder abzuwaſchen war: Nun iſt euer Tod ſicher, ſagte das alte Weib, weil mein Herr ſe - hen kann, daß ihr in der[Kammer] geweſen ſeyd, wohin außer ihm und mir kein Menſch kommen darf.

(Man muß aber wiſſen, daß die zwei vori - gen Schweſtern auf dieſelbe Weiſe waren um - gekommen.)

Da in dem Augenblick ein Wagen mit Heu von dem Schloß wegfuhr, ſo ſagte die alte Frau, es waͤre das einzige Mittel, um das Leben zu behalten, ſich unter das Heu zu verſtecken, und dann da mit weg zu fahren; welches ſie auch thaͤt. Da inzwiſchen der Herr nach Haus kam, fragte er, wo die Mamſell waͤre! O, ſagte die alte Frau, da ich keine Arbeit mehr hatte, und ſie morgen doch dran mußte, hab ich ſie ſchon geſchlachtet, und hier iſt eine Locke von ihrem Haar, und das Herz, wie auch was warm Blut, das uͤbrige haben die Hunde alle gefreſſen, und ich ſchrapp die Daͤrme. Der Herr war alſo ruhig, daß ſie todt war.

Sie kommt inzwiſchen mit dem Heuwagen zu einem nah bei gelegenen Schloß, wo das Heu hin verkauft war, und ſie kommt mit aus dem Heu und erzaͤhlt die ganze Sache, und wird erſucht, da einige Zeit zu bleiben. Nach Verlauf von einiger Zeit noͤthigt der Herr von dieſem Schloß alle in der Naͤhe wohnenden343 Edelleute zu einem großen Feſt, und das Ge - ſicht und Kleidung von der fremden Mamſell wird ſo veraͤndert, daß ſie nicht erkannt wer - den konnte, weil auch der Herr von dem Mord - Caſtell dazu eingeladen war.

Da ſie alle da waren, mußte ein jeder et - was erzaͤhlen, da die Reihe an die Mamſell kam, erzaͤhlte ſie die bewußte Hiſtorie, wobei dem ſogenannten Herrn Graf ſo aͤngſtlich ums Herz ward, daß er mit Gewalt weg wollte, aber der gute Herr von dem adelichen Haus hatte inzwiſchen geſorgt, daß das Gericht un - ſern ſchoͤnen Herrn Grafen in Gefaͤngniß nahm, ſein Caſtell ausrottete, und ſeine Guͤter alle der Mamſell zu eigen gab, die nach der Hand mit dem Sohn des Hauſes, wo ſie ſo gut empfan - gen war, ſich verheirathete und lange Jahre lebte.

74. Von Johannes-Waſſerſprung und Caspar-Waſſerſprung.

Ein Koͤnig beſtand darauf, ſeine Tochter ſollte nicht heirathen, und ließ ihr in einem Wald in der groͤßten Einſamkeit ein Haus bauen, darin mußte ſie mit ihren Jungfrauen wohnen, und bekam gar keinen andern Men - ſchen zu ſehen. Nah an dem Waldhaus aber war eine Quelle mit wunderbaren Eigenſchaf -344 ten, davon trank die Prinzeſſin, und die Folge war, daß ſie zwei Prinzen gebar, die darnach Johannes-Waſſerſprung und Caspar-Waſſer - ſprung genannt wurden, und wovon einer dem andern vollkommen aͤhnlich war. Ihr Groß - vater, der alte Koͤnig, ließ ſie die Jaͤgerei ler - nen, und ſie wuchſen heran, wurden groß und ſchoͤn. Da kam die Zeit, wo ſie in die Welt ziehen mußten; jeder von ihnen erhielt einen ſilbernen Stern, ein Pferd und einen Hund mit auf die Fahrt. Sie kamen zuerſt in einen Wald, und ſahen zugleich zwei Haſen und woll - ten darnach ſchießen, die Haſen aber baten um Gnade und ſagten, ſie moͤgten ſie doch in ihre Dienſte aufnehmen, ſie koͤnnten ihnen nuͤtzlich ſeyn, und in jeder Gefahr Huͤlfe leiſten. Die zwei Bruͤder ließen ſich bewegen, und nahmen ſie als Diener mit; nicht lang ſo kamen zwei Baͤren, wie ſie auf die zielten, riefen die gleich - falls um Gnade, und verſprachen treu zu die - nen: alſo ward auch damit das Gefolge ver - mehrt. Nun kamen ſie auf einen Scheideweg, da ſprachen ſie: wir muͤſſen uns trennen, und der eine ſoll rechts, der andere links weiter zie - hen! aber jeder ſteckte ein Meſſer in einen Baum am Scheideweg, an deren Roſt wollten ſie erkennen, wie es dem andern ergehe, und ob er noch lebe; dann nahmen ſie Abſchied, kuͤß - ten einander und ritten fort.

345

Johannes-Waſſerſprung kam in eine Stadt, da war alles ſtill und traurig, weil die Prin - zeſſin einem Drachen ſollte geopfert werden, der das ganze Land verwuͤſtete, und anders nicht konnte beſaͤnftigt werden. Es war bekannt ge - macht, wer ſein Leben daran wagen wolle und den Drachen toͤdte, der ſolle die Prinzeſſin zur Gemahlin haben, niemand aber hatte ſich ge - funden; auch hatte man das Unthier hinterge - hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin - zeſſin hinausgeſchickt, aber die hatte es gleich erkannt und nicht gewollt. Johannes-Waſſer - ſprung dachte: du mußt dein Gluͤck auf die Probe ſtellen, vielleicht gelingt dirs und machte ſich mit ſeiner Begleitung auf, gegen das Dra - chenneſt. Der Kampf war gewaltig: der Dra - che ſpie Feuer und Flammen, und zuͤndete das Gras rings herum an, ſo daß Johannes-Waſ - ſerſprung gewiß erſtickt waͤre, wenn nicht Has, Hund und Baͤr das Feuer ausgetreten und ge - daͤmpft haͤtten; endlich mußte der Drache aber unterliegen, und Johannes-Waſſerſprung hieb ihm ſeine ſieben Koͤpfe herunter, dann ſchnitt er die Zungen heraus und ſteckte ſie zu ſich; nun aber war er ſo muͤd, daß er ſich auf der Stelle niederlegte und einſchlief. Waͤhrend er da ſchlief, kam der Kutſcher der Prinzeſſin, und als er den Mann da liegen ſah, und die ſieben Drachenkoͤpfe daneben, dachte er, das mußt du346 dir zu nutz machen, ſtach den Johannes-Waſſer - ſprung todt, und nahm die ſieben Drachenkoͤpfe mit. Damit ging er zum Koͤnig, ſagte, er ha - be das Ungeheuer getoͤdtet, die ſieben Koͤpfe bringe er zum Wahrzeichen, und die Prinzeſſin ward ſeine Braut.

Indeſſen kamen die Thiere des Johannes - Waſſerſprung, die nach dem Kampf ſich in die Naͤhe gelagert und auch geſchlafen hatten, wie - der zuruͤck und fanden ihren Herrn todt. Da ſahen ſie, wie die Ameiſen, denen bei dem Kampf ihr Huͤgel zertreten war, ihre Todten mit dem Saft einer nahen Eiche beſtrichen, wo - von ſie ſogleich wieder lebendig wurden. Der Baͤr ging und holte von dem Saft, und be - ſtrich den Johannes-Waſſerſprung, davon er - holte er ſich wieder, und in kurzem war er ganz friſch und geſund. Er gedachte nun an die Prinzeſſin, die er ſich erkaͤmpft hatte, und eilte in die Stadt, da ward eben die Hochzeit mit dem Kutſcher gefeiert, und die Leute ſagten, der habe den ſiebenkoͤpfigen Drachen getoͤdtet. Hund und Baͤr liefen ins Schloß, wo ihnen die Prinzeſſin Braten und Wein um den Hals band, und ihren Dienern befahl, ſie ſollten den Thieren nachgehen, und den Mann, dem ſie angehoͤrten zur Hochzeit laden. So kam Jo - hannes-Waſſerſprung auf die Hochzeit, und ge - rade ward die Schuͤſſel mit den ſieben Drachen -347 koͤpfen aufgetragen, die der Kutſcher mitge - bracht hatte. Johannes-Waſſerſprung zog die ſieben Zungen hervor, und legte ſie dabei, da ward er als der rechte Drachentoͤdter erkannt, der Kutſcher fortgejagt, und er der Gemahl der Prinzeſſin.

Nicht lang darnach ging er auf die Jagd, und verfolgte einen Hirſch mit ſilbernem Ge - weih, er jagte ihm lange nach, konnte ihn aber nicht erreichen, und kam endlich zu einer alten Frau, und die verwandelte ihn ſammt ſeinem Hund, Pferd und Baͤren in Stein. Indeſſen kam Caspar-Waſſerſprung zu dem Baum, wo - rin die beiden Meſſer ſtanden und ſah, daß das Meſſer ſeines Bruders verroſtet war; ſogleich beſchloß er ihn aufzuſuchen, ritt fort und kam in die Stadt, wo die Gemahlin ſeines Bruders lebte. Weil er aber dieſem ſo aͤhnlich ſah, hielt ſie ihn fuͤr ihren rechten Mann, freute ſich ſei - ner Wiederkunft, und beſtand darauf, daß er bei ihr bleiben ſollte. Allein Caspar-Waſſer - ſprung zog weiter, fand ſeinen Bruder mit ſei - ner Begleitung verſteinert, und zwang die Frau, den Zauber aufzuheben. Darauf ritten die bei - den Bruͤder heim, und unterwegs machten ſie aus, derjenige ſolle Gemahl der Prinzeſſin ſeyn, dem ſie zuerſt um den Hals fallen werde, und das geſchah dem Johannes-Waſſerſprung.

348

75. Vogel Phoͤnix.

Eines Tags ging ein reicher Mann ſpazie - ren an den Fluß, da kam ein kleines Kaͤſtchen geſchwommen, dies Kaͤſtchen nahm er und mach - te den Deckel auf, da lag ein kleines Kind da - rin, welches er mit heim nahm und aufziehen ließ. Der Verwalter konnte aber das Kind nicht leiden, und einmal nahm ers mit ſich in einem Kahn auf den Fluß, und als er mitten darin war, ſprang er ſchnell heraus ans Land, und ließ das Kind allein im Kahn. Und der Kahn trieb immer fort, bis an die Muͤhle, da ſah der Muͤller das Kind und erbarmte ſich, nahm es heraus und erzog es in ſeinem Haus. Einmal aber kam von ungefaͤhr der Verwalter in dieſelbe Muͤhle, erkannte das Kind und nahm es mit ſich. Bald darauf gab er dem jungen Menſchen einen Brief zu tragen an ſeine Frau, worin ſtand: den Ueberbringer dieſes Briefs ſollſt du den Augenblick umbringen. Unter - wegs aber begegnete dem jungen Menſchen im Walde ein alter Mann, welcher ſprach: weiſ 'mir doch einmal den Brief, den du da in der Hand traͤgſt! Da nahm er ihn, drehte ihn bloß einmal herum und gab ihn wieder, nun ſtand darin: dem Ueberbringer ſollſt du augenblicks349 unſere Tochter zur Frau geben! So geſchah es, und als der Verwalter das hoͤrte, gerieth er in Aerger und ſagte: he, ſo geſchwind gehts nicht, eh ich dir meine Tochter laſſe, ſollſt du mir erſt drei Federn vom Vogel Phoͤnix brin - gen.

Der Juͤngling machte ſich auf den Weg nach dem Vogel Phoͤnix, und an derſelben Stelle im Wald begegnete ihm wieder derſelbe alte Mann und ſprach: geh den ganzen Tag weiter fort, Abends wirſt du an einen Baum kommen, darauf zwei Tauben ſitzen, die werden dir das weitere ſagen! Wie er Abends an den Baum kam, ſaßen zwei Tauben drauf. Die eine Tau - be ſprach: wer da zum Vogel Phoͤnix will, muß gehen den ganzen Tag, ſo wird er Abends an ein Thor kommen, das iſt zugeſchloſſen. Die andere Taube ſprach: unter dieſem Baum liegt ein Schluͤſſel von Gold, der ſchließt das Thor auf. Da fand er den Schluͤſſel und ſchloß das Thor damit auf; hinterm Thor, da ſaßen zwei Maͤnner, der eine Mann ſprach: wer den Vogel Phoͤnix ſucht, muß einen großen Weg machen uͤber den hohen Berg, und dann wird er endlich in das Schloß kommen.

Am Abend des dritten Tags langte er end - lich im Schloß an, da ſaß ein weißes Mamſell - chen, und ſprach: was wollt ihr hier? Ach, ich will mir gern drei Federn vom Vogel Phoͤnix350 holen. Sie ſprach: ihr ſeyd in Lebensgefahr, denn wo euch der Vogel Phoͤnix gewahr wuͤr - de, fraͤße er euch auf mit Haut und Haar, doch will ich ſehen, wie ich euch zu den drei Federn verhelfe, alle Tage kommt er hierher, da muß ich ihn mit einem engen Kamm kaͤmmen; ge - ſchwind hier unter den Tiſch, der war rund um mit Tuch beſchlagen.

Indem kam der Vogel Phoͤnix heim, ſetzte ſich oben auf den Tiſch und ſprach: ich witte - re, wittere Menſchenfleiſch! Ach was? ihr ſeht ja wohl, daß niemand hier iſt kaͤmm mich nun, ſprach der Vogel Phoͤnix.

Das weiße Mamſellchen kaͤmmte ihn nun, und er ſchlief daruͤber ein; wie er recht feſt ſchlief, packte ſie eine Feder, zog ſie aus und warf ſie unterm Tiſch. Da wachte er auf: was raufſt du mich ſo? mir hat getraͤumt, es kaͤme ein Menſch und zoͤge mir eine Feder aus. Sie ſtellte ihn aber zufrieden, und ſo gings das anderemal und das drittemal. Wie der junge Menſch die drei Federn hatte, zog er damit heim und bekam nun ſeine Braut.

76. Die Nelke.

Auf eine Zeit lebte ein Koͤnig, der wollte ſich niemals verheirathen, da ſtand er einmal351 am Fenſter, und ſahe die Leute in die Kirche gehen, da war ein Maͤdchen darunter von ſol - cher Schoͤnheit, daß er in einem Augenblick ſei - nen Vorſatz aufgab, das Maͤdchen zu ſich rief, und es zu ſeiner Gemahlin waͤhlte. Nach Ver - lauf eines Jahrs gebar ſie einen Prinzen, da wußte der Koͤnig nicht, wen er zu Gevatter bitten ſollte, endlich ſagte er: der erſte, der mir begegnet, wer es iſt, den bitte ich zu Ge - vatter; ging aus, und der erſte, der ihm begeg - nete, das war ein armer alter Mann, den bat er auch darauf zu Gevatter. Der arme Mann ſagte zu, bat ſich aber aus, daß er das Kind allein in die Kirche trage, daß dieſe verſchloſſen werde und niemand zuſehen duͤrfe; das ward ihm alles bewilligt. Der Koͤnig aber hatte ei - nen boͤſen, neugierigen Gaͤrtner, wie nun der alte Mann das Kind in die Kirche trug, ſchlich er ſich nach und verſteckte ſich in den Baͤnken. Da ſah er, wie der Alte das Kind vor den Altar trug, es ſegnete, und wie einer, der ge - heime Kraͤfte verſteht, ihm die Gabe verlieh, daß alles, was es ſich wuͤnſche, eintreffen ſolle. Der boͤſe Gaͤrtner dachte gleich, welch 'einen Vortheil er ſich daraus verſchaffen koͤnnte, wenn er das Kind haͤtte. Wie nun einmal die Koͤni - gin in dem Garten ſpazieren ging, und es auf dem Arme trug, riß er es weg, beſtrich ihr den Mund mit Blut eines geſchlachteten Huhns,352 und klagte ſie bei dem Koͤnig an: er habe ge - ſehen, wie ſie ihr Kind in dem Garten getoͤdtet und aufgegeſſen. Der Koͤnig ließ ſie ins Ge - faͤngniß werfen, der Gaͤrtner ſchickte das Kind weit weg zu einem Foͤrſter in den Wald, der ſollte es da groß ziehen. Der Prinz lernte die Jaͤgerei; der Foͤrſter aber hatte eine ſchoͤne Toch - ter, Namens Liſe, die zwei Kinder hatten ein - ander ſehr lieb, und Liſe entdeckte ihm, daß er ein Prinz ſey, und alles was er wuͤnſche, das muͤſſe eintreffen. Da kam bald darauf der Gaͤrt - ner zu dem Foͤrſter, wie ihn der Prinz ſah, verwuͤnſchte er ihn gleich in einen Pudel, ſeine liebe Liſe aber in eine Nelke, die ſteckte er vor, der Pudel aber mußte neben ihm her laufen: ſo ging er an ſeines Vaters Hof, und nahm als Jaͤger bei ihm Dienſte. Er ward auch bald bei ihm beliebt, wie keiner von den an - dern Jaͤgern, weil er alles Wild ſchießen konn - te, denn er brauchte nur zu wuͤnſchen, ſo kam es vor ihn hingelaufen. Fuͤr alle Dienſte ver - langte er gar keinen Lohn, bloß eine Stube fuͤr ſich, die er immer verſchloſſen hielt, auch wollte er fuͤr ſein Eſſen ſelber ſorgen. Das kam ſeinen Cameraden wunderlich vor, daß der umſonſt diene, und einer ſchlich ihm nach und guckte durchs Schluͤſſelloch, da ſah er, wie der neue Jaͤger vor einem Tiſch ſaß mit dem praͤch - tigſten Eſſen beſetzt, und neben ihm ein ſchoͤnesMaͤd -353Maͤdchen, und daß beide ſehr freundlich und vergnuͤgt miteinander waren. Das Eſſen aber hatte ſich der Prinz nur auf den Tiſch gewuͤnſcht, und das Maͤdchen war ſeine liebe Liſe, die ver - wandelte er allezeit in ihre natuͤrliche Geſtalt, und war in ihrer Geſellſchaft, ſo oft er allein war, wenn er aber ausging, war es wieder eine Nelke, die in einem Glas mit Waſſer ſtand. Die Jaͤger meinten, er muͤſſe große Reichthuͤ - mer haben, und brachen, als er auf der Jagd war, in ſeine Stube ein, da fanden ſie aber gar nichts, nur die Nelke vorm Fenſter. Weil ſie ſo ſchoͤn war, brachten ſie dieſe zum Koͤnig, der trug auch einen ſo großen Gefallen daran, daß er ſie von dem Jaͤger verlangte. Der woll - te ſie aber um alles Gold nicht hingeben, weil es ſeine liebſte Liſe war, endlich, wie der Koͤ - nig darauf beſtand, entdeckte er ihm alles, und daß er ſein Sohn waͤre. Wie der Koͤnig das hoͤrte, freute er ſich von Herzen, die Koͤnigin ward aus dem Gefaͤngniß befreit, und die treue Liſe des Prinzen Gemahlin; der gottloſe Gaͤrt - ner mußte zur Strafe ein Pudel bleiben, und ward von den Knechten unter den Tiſch ge - ſtoßen.

Kindermärchen. Z354

77. Vom Schreiner und Drechsler.

Ein Schreiner und ein Drechsler ſollten ihr Meiſterſtuͤck machen. Da machte der Schreiner einen Tiſch, der konnte von ſich ſelbſt ſchwim - men, der Drechsler Fluͤgel, mit denen man flie - gen konnte. Und alle ſagten, daß dem Schrei - ner ſein Kunſtſtuͤck beſſer gelungen waͤre, der Drechsler nahm alſo ſeine Fluͤgel, that ſie an und flog fort aus dem Land, von Morgen bis zu Abend in einem fort.

In dem Land war ein junger Prinz, der ſah ihn fliegen, und bat ihn, er moͤchte ihm doch ſeine paar Fluͤgel leihen, er wollts ihm gut lohnen. Der Prinz bekam alſo die Fluͤgel und flog, bis er in ein anderes Reich kam, da war ein Thurm mit vielen Lichtern erleuchtet, dabei ſenkte er ſich nieder zur Erde, fragte nach der Urſache und hoͤrte, daß hier die allerſchoͤnſte Prinzeſſin der Welt wohnte. Nun wurde er hoͤchſt neugierig, und als es Abend wurde, flog er in ein offenes Fenſter hinein; wie ſie aber nicht lange Zeit beiſammen waren, wurde die Sache verrathen, und der Prinz ſammt der Prinzeſſin ſollten auf dem Scheiterhaufen ſterben.

Der Prinz nahm indeſſen ſeine Fluͤgel mit hinauf, und als die Flamme ſchon zu ihnen355 heraufſchlug, band er ſich die Fluͤgel um und entfloh mit der Prinzeſſin bis in ſein Vater - land, da ließ er ſich nieder, und weil jeder - mann uͤber ſeine Abweſenheit betruͤbt war, ſo gab er ſich zu erkennen, und wurde zum Koͤnig erwaͤhlt.

Nach einiger Zeit aber ließ der Vater der entfuͤhrten Prinzeſſin bekannt machen, daß der - jenige das halbe Koͤnigreich bekommen ſollte, der ihm ſeine Tochter wiederbringe. Dies er - faͤhrt der Prinz, ruͤſtet ein Heer aus und bringt die Prinzeſſin ſelbſt ihrem Vater zu, den er zwingt, ihm ſein Verſprechen zu erfuͤllen.

78. Der alte Großvater und der Enkel.

Es war einmal ein alter Mann, der konn - te kaum gehen, ſeine Knie zitterten, er hoͤrte und ſah nicht viel und hatte auch keine[Zaͤhne] mehr. Wenn er nun bei Tiſch ſaß, und den Loͤffel kaum halten konnte, ſchuͤttete er Suppe auf das Tiſchtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und deſ - ſen Frau ekelten ſich davor, und deswegen mußte ſich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke ſetzen, und ſie gaben ihm ſein Eſſen in ein irdenes Schuͤſſelchen, und noch dazu nicht einmal ſatt, da ſah er betruͤbt nach dem Tiſch,Z 2356und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch konnten ſeine zitterigen Haͤnde das Schuͤſſelchen nicht feſt halten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau ſchalt, er aber ſagte nichts und ſeufzte nur. Da kauften ſie ihm ein hoͤlzernes Schuͤſſelchen fuͤr ein paar Heller, daraus mußte er nun eſſen: wie ſie nun da ſo ſitzen, ſo traͤgt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zuſammen. Was machſt du da? fragt der Vater. Ei, antwortete das Kind, ich mach ein Troͤglein, daraus ſollen Va - ter und Mutter eſſen, wenn ich groß bin. Da ſahen ſich Mann und Frau eine Weile an, fangen endlich an zu weinen, holten alſofort den alten Großvater an den Tiſch, und ließen ihn von nun an immer mit eſſen, ſagten auch nichts, wenn er ein wenig verſchuͤttete.

79. Die Waſſernix.

Ein Bruͤderchen und ein Schweſterchen ſpiel - ten an einem Brunnen, und wie ſie ſo ſpiel - ten, plumpten ſie beide hinein. Da war eine Waſſernix, die ſprach: jetzt hab ich euch, jetzt ſollt ihr mir brav arbeiten! und dem Maͤd - chen gab ſie verwirrten, garſtigen Flachs zu ſpin - nen, und Waſſer mußte es in ein hohles Faß ſchleppen, der Jung aber ſollte einen Baum mit357 einer ſtumpfen Axt hauen, und nichts zu eſſen bekamen ſie, als ſteinharte Kloͤſe. Da wurden zuletzt die Kinder ſo ungeduldig, daß ſie war - teten, bis eines Sonntags die Nixe in der Kirche war, da flohen ſie. Und als die Kirche vorbei war, ſah die Nix, daß die Voͤgel ausge - flogen waren, und ſetzte ihnen mit großen Spruͤngen nach. Die Kinder erblickten ſie aber von weitem, und das Maͤdchen warf eine Buͤr - ſte hinter ſich, das gab einen großen Buͤrſten - berg, mit tauſend und tauſend Stacheln, uͤber den die Nix mit großer Muͤh klettern mußte, endlich aber kam ſie doch daruͤber. Wie das die Kinder ſahen, warf der Knabe einen Kamm hinter ſich, das gab einen großen Kammberg, mit tauſend mal tauſend Zinken, aber die Nix wußte ſich daran feſtzuhalten, und kam zuletzt doch druͤber. Da warf das Maͤdchen einen Spiegel hinterwaͤrts, welches einen Spiegelberg gab, der war ſo glatt, ſo glatt, daß ſie unmoͤg - lich druͤber konnte. Da dachte ſie: ich will ge - ſchwind nach Haus gehen und meine Axt ho - len, und den Spiegelberg entzwei hauen, bis ſie aber wieder kam, und das Glas aufgehauen hatte, waren die Kinder laͤngſt weit entflohen, und die Waſſernix mußte ſich wieder in ihren Brunnen trollen.

358

80. Von dem Tod des Huͤhnchens.

Auf eine Zeit ging das Huͤhnchen mit dem Haͤhnchen in den Nußberg, waren da luſtig und aßen Nuͤſſe zuſammen. Einmal aber fand das Huͤhnchen eine ſo große Nuß, daß es den Kern davon nicht verſchlucken konnte, und blieb ihm im Hals ſtecken, ſo feſt, daß ihm Angſt ward, es muͤßte erſticken und ſchrie: Haͤhnchen, ich bitt dich, lauf, was du kannſt und hol mir Waſſer, ſonſt erſticke ich. Das Haͤhnchen lief, was es konnte zum Brunnen, und ſprach: Born, du ſollſt mir Waſſer geben, das Huͤhn - chen liegt auf den Nußberg und will erſticken an einem großen Nußkern. Der Brunnen antwortete: lauf erſt hin zur Braut und laß dir rothe Seide geben. Das Haͤhnchen lief zur Braut: Braut, du ſollſt mir rothe Seide geben, rothe Seide will ich dem Brunnen ge - ben, der Brunnen ſoll mir Waſſer geben, das Waſſer will ich dem Huͤhnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg und will erſticken an einem großen Nußkern. Die Braut antwor - tete: lauf erſt und hol mir mein Kraͤnzlein, das blieb an einer Weide haͤngen. Da lief das Haͤhnchen zur Weide und zog das Kraͤnz - lein von dem Aſt, und bracht es der Braut359 und die Braut gab ihm rothe Seide dafuͤr, die bracht es dem Brunnen, der gab ihm Waſſer dafuͤr, da bracht das Haͤhnchen das Waſſer zum Huͤhnchen, wie es aber hinkam, da war dieweil das Huͤhnchen erſtickt und lag da todt, und regte ſich nicht. Da war das Haͤhnchen ſo traurig, daß es laut ſchrie, und kamen alle Thiere und beklagten das Huͤhnchen, und ſechs Maͤuſe bauten einen kleinen Wagen, das Huͤhn - chen darin zum Grab zu fahren, und als der Wagen fertig war, ſpannten ſie ſich davor, das Haͤhnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam Fuchs: wo willſt du hin, Haͤhnchen? Ich will mein Huͤhnchen begraben. Darf ich mitfahren?

Ja aber ſetz dich hinten auf den Wagen,
vorne koͤnnens meine Pferdchen nicht vertra -
gen.

Da ſetzte ſich der Fuchs hinten auf, dann der Wolf, der Baͤr, der Hirſch, der Loͤwe und alle Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen ſie an einen Bach. Wie ſollen wir nun hinuͤber? ſagte das Haͤhnchen. Da war ein Strohhalm, der ſagte: ich will mich queer druͤber legen, da koͤnnt ihr uͤber mich fahren; wie aber die ſechs Maͤuſe darauf waren, rutſch - te der Strohhalm und fiel ins Waſſer, und die ſechs Maͤuſe fielen alle hinein und ertranken. Die Noth ging von neuem an, da kam eine360 Kohle und ſagte: ich bin groß genug, ich will mich daruͤber legen, und Ihr ſollt uͤber mich fahren. Die Kohle legte ſich auch an das Waſſer, aber ſie beruͤhrte es ungluͤcklicher Weiſe ein wenig, da ziſchte ſie, verloͤſchte und war todt. Wie das ein Stein ſah, wollte er dem Haͤhnchen helfen, und legte ſich uͤber das Waſ - ſer, da zog nun das Haͤhnchen den Wagen ſel - ber, wie es ihn aber bald druͤben hatte, und war mit dem todten Huͤhnchen auf dem Land und wollte die andern, die hintenauf ſaßen auch heraufziehen, da waren ihrer zu viel geworden, und der Wagen fiel zuruͤck, und alles fiel mit - einander in das Waſſer und ertrank. Da war das Haͤhnchen noch allein mit dem todten Huͤhn - chen, und grub ihm da ein Grab, und legte es hinein, und machte einen Huͤgel daruͤber, auf den ſetzte es ſich und graͤmte ſich ſo lang, bis es auch ſtarb; und da war alles todt.

81. Der Schmidt und der Teufel.

Es war einmal ein Schmidt, der lebte gu - ter Dinge, verthat ſein Geld, proceſſirte viel und wie ein paar Jahr herum waren, hatte er keinen Heller mehr im Beutel. Was ſoll ich mich lang quaͤlen auf der Welt, dachte er, ging hinaus in den Wald und wollt 'ſich da an ei -361 nen Baum haͤngen. Wie er eben den Hals in die Schlinge ſteckte, kam ein Mann hinter dem Baum hervor mit einem langen weißen Bart und einem großen Buch in der Hand. Hoͤr Schmidt, ſprach er, ſchreib deinen Namen da in das große Buch, ſo ſoll dirs wohlgehen zehn Jahre lang, aber darnach biſt du mein, da hol ich Dich. Wer biſt du? ſprach der Schmid Ich bin der Teufel. Was kannſt du Ich kann mich ſo groß machen als eine Tanne, und ſo klein als eine Maus So thus einmal, daß ichs ſehe, ſagte der Schmid, da machte ſich der Teufel ſo groß wie eine Tanne und ſo klein wie eine Maus. Es iſt gut ſprach der Schmid, gib das Buch her, ich will mich hineinſchreiben Als er ſich unterſchrieben ſagte der Teufel: Geh nur nach Haus, du wirſt Kiſten und Kaſten voll finden, und weil du keine lange Umſtaͤnde gemacht haſt, ſo will ich dich auch in der Zeit einmal beſu - chen. Der Schmid ging heim, da waren alle Taſchen, Kaſten und Kiſten voll Ducaten, und er mogte ſoviel davon nehmen als er wollte, es ward nicht all, und auch nicht weniger; da fing er ſein luſtiges Leben von vorne an, lud ſeine Kameraden ein, und war der vergnuͤgteſte Kerl von der Welt. Ein paar Jahre darauf ſprach der Teufel einmal bei ihm ein, als er verheißen, ſah zu wie die Wirthſchaft ging, und362 ſchenkte ihm beim Abſchied einen ledernen Sack, wer da hinein ſprang, der konnte nicht wieder heraus, bis ihn der Schmid ſelber wieder her - aus holte; damit trieb dieſer ſeinen Spaß. Nach den zehn Jahren aber kam der Teufel und ſprach zum Schmidt die Zeit iſt herum, jetzt biſt du mein, mach dich reiſefertig. Es iſt gut, ſprach der Schmidt, hing ſeinen ledernen Sack um den Ruͤcken und ging mit dem Teu - fel fort; als ſie in den Wald kamen, zu der Stelle wo er ſich aufhaͤngen wollte, ſprach er zum Teufel: ich muß auch gewiß wiſſen, daß du der Teufel biſt, mach dich erſt wieder ſo groß wie eine Tanne und ſo klein wie eine Maus. Der Teufel war bereit und thats, und wie er ſich in eine Maus verwandelt hatte, packte ihn der Schmid und ſteckte ihn in den Sack, dann ſchnitt er ſich einen Stock von dem naͤchſten Baum, warf den Sack hin und pruͤ - gelte auf den Teufel los. Der Teufel ſchrie erbaͤrmlich, lief in der Taſche hin und her aber umſonſt, er konnte nicht heraus. Endlich ſagte der Schmid ich will dich loslaſſen, wenn du mir das Blatt aus deinem großen Buch wieder giebſt, auf das ich meinen Namen geſchrieben. Der Teufel wollte nicht, doch endlich mußt' er daran, da ward das Blatt herausgeriſſen und der Teufel ging heim in die Hoͤlle, aͤrgerte ſich, daß er betrogen und obendrein gepruͤgelt war.

363

Der Schmid ging auch wieder zu ſeiner Schmiede und lebte vergnuͤgt fort, ſo lang Gott wollte, endlich ward er krank und als er ſeinen Tod merkte, befahl er, man ſollte ihm nur zwei gute, lange, ſpitze Naͤgel und einen Hammer mit in den Sarg geben. Das geſchah auch. Wie er nun geſtorben war und vor die Him - melsthuͤr kam, klopfte er an, aber der Apoſtel Petrus wollt ihm nicht aufſchließen, weil er mit dem Teufel im Bund gelebt haͤtte. Wie der Schmidt das hoͤrte, dreht er ſich um und ging zur Hoͤlle. Der Teufel aber wollt ihn auch nicht einlaſſen, er begehre ihn nicht in der Hoͤlle, da fange er doch nur Spectakel an. Der Schmidt ward boͤs und hub an vor dem Hoͤl - lenthor Laͤrmen zu machen, ein Teufelchen ward neugierig und wollte ſehen, was der Schmidt treibe, alſo machte es ein wenig das Thor auf, guckte heraus, der Schmid aber packte es ge - ſchwind bei der Naſe und nagelte es an dieſer mit dem einen Nagel, den er bei ſich hatte, an das Hoͤllenthor feſt. Das Teufelchen fing an zu kreiſchen wie ein Krautloͤwe, da ward noch ein anderes an das Thor gelockt, das ſteckte auch den Kopf heraus, aber der Schmid war nicht faul, kriegte es am Ohr und nagelte es mit dieſem neben das erſte. Da fingen nun beide ein ſolches entſetzliches Geſchrei an, daß der alte Teufel ſelber gelaufen kam, und wie er die364 zwei Teufelchen feſtgenagelt ſah, ward er bitter - boͤs, daß er vor Bosheit anfing zu weinen, herumſprang, in den Himmel zum lieben Gott lief, und ſagte, er muͤſſe den Schmid in den Himmel nehmen, es moͤge gehen, wie es wolle, der nagle ihm die Teufel alle an den Naſen und Ohren an, und er ſey nicht mehr Herr in der Hoͤlle. Wollte nun der liebe Gott und der Apoſtel Petrus den Teufel los werden, ſo muß - ten ſie den Schmid in den Himmel nehmen, da ſitzt er nun in guter Ruh, wie aber die beiden Teufelchen losgekommen, das weiß ich nicht.

82. Die drei Schweſtern.

Es war einmal ein reicher Koͤnig, der war ſo reich, daß er glaubte ſein Reichthum koͤnne gar nicht all werden, da lebte er in Saus und Braus, ſpielte auf goldenem Brett und mit ſilbernen Kegeln, und als das eine Zeit lang gewaͤhrt hatte, da nahm ſein Reichthum ab und darnach verpfaͤndete er eine Stadt und ein Schloß nach dem andern, und endlich blieb nichts mehr uͤbrig, als ein altes Waldſchloß. Dahin zog er nun mit der Koͤnigin und den drei Prinzeſſin - nen und ſie mußten ſich kuͤmmerlich erhalten und hatten nichts mehr als Kartoffeln, die ka - men alle Tage auf den Tiſch. Einmal wollte365 der Koͤnig auf die Jagd, ob er etwa einen Ha - ſen ſchießen koͤnnte, ſteckte ſich alſo die Taſche voll Kartoffeln und ging aus. Es war aber in der Naͤhe ein großer Wald, in den wagte ſich kein Menſch, weil fuͤrchterliche Dinge erzaͤhlt wurden, was einem all darin begegne: Baͤren, die die Menſchen auffraͤßen, Adler die die Au - gen aushackten, Woͤlfe, Loͤwen und alle grauſa - men Thiere. Der Koͤnig aber fuͤrchtete ſich kein bischen und ging geradezu hinein. Anfangs ſah er gar nichts, große maͤchtige Baͤume ſtan - den da, aber es war alles ſtill darunter; als er ſo eine Weile herumgegangen und hungrig ge - worden war, ſetzte er ſich unter einen Baum und wollte ſeine Kartoffeln eſſen, da kam auf einmal aus dem Dickicht ein Baͤr hervor, trabte gerade auf ihn los und brummte: was un - terſtehſt du dich bei meinem Honigbaum zu ſitzen? das ſollſt du mir theuer bezahlen! der Koͤnig erſchrack, reichte dem Baͤren ſeine Kar - toffeln, und wollte ihn damit beſaͤnftigen. Der Baͤr aber fing an zu ſprechen und ſagte deine Kartoffeln, mag ich nicht, ich will dich ſelber freſſen und davon kannſt du dich nicht anders er - retten, als daß du mir deine aͤltſte Tochter giebſt, wenn du das aber thuſt, geb ich dir noch oben - drein einen Centner Gold. Der Koͤnig in der Angſt gefreſſen zu werden, ſagte, die ſollſt du haben, laß mich nur in Frieden. Da wies ihm366 der Baͤr den Weg, und brummte noch hinten - drein: in ſieben Tagen komm ich und hol meine Braut.

Der Koͤnig aber ging getroſt nach Haus und dachte, der Baͤr wird doch nicht durch ein Schluͤſſelloch kriechen koͤnnen, und weiter ſoll ge - wiß nichts offen bleiben. Da ließ er alle Thore verſchließen, die Zugbruͤcken aufziehen, und hieß ſeine Tochter gutes Muths ſeyn, damit ſie aber recht ſicher vor dem Baͤrenbraͤutigam war, gab er ihr ein Kaͤmmerlein hoch unter der Zinne, darin ſollte ſie verſteckt bleiben, bis die ſieben Tage herum waͤren. Am ſiebenten Morgen aber ganz fruͤh, wie noch alles ſchlief, kam ein praͤch - tiger Wagen mit ſechs Pferden beſpannt und von vielen goldgekleideten Reutern umringt nach dem Schloß gefahren, und wie er davor war, ließen ſich die Zugbruͤcken von ſelber herab und die Schloͤſſer ſprangen ohne Schluͤſſel auf. Da fuhr der Wagen in den Hof und ein jun - ger ſchoͤner Prinz ſtieg heraus, und wie der Koͤ - nig von dem Laͤrm aufwachte und zum Fenſter hinaus ſah, ſah er, wie der Prinz ſchon ſeine aͤlteſte Tochter oben aus dem verſchloſſenen Kaͤm - merlein geholt und eben in den Wagen hob, und er konnte ihr nur noch nachrufen:

Ade! du Fraͤulein traut,
Fahr hin, du Baͤrenbraut!
367

Sie winkte ihm mit ihrem weißen Tuͤchlein noch aus dem Wagen, und dann gings fort, als waͤr der Wind vorgeſpannt, immer in den Zau - berwald hinein. Dem Koͤnig aber wars recht ſchwer ums Herz, daß er ſeine Tochter an einen Baͤren hingegeben hatte, und weinte drei Tage mit der Koͤnigin, ſo traurig war er. Am vier - ten Tag aber als er ſich ausgeweint hatte, dachte er, was geſchehen, iſt einmal nicht zu aͤndern, ſtieg hinab in den Hof, da ſtand eine Kiſte von Ebenholz und war gewaltig ſchwer zu heben, alsbald fiel ihm ein, was ihm der Baͤr verſprochen hatte, und machte ſie auf, da lag ein Centner Goldes darin und glimmerte und flimmerte.

Wie der Koͤnig das Gold erblickte, ward er getroͤſtet und loͤſte ſeine Staͤdte und ſein Reich ein, und fing das vorige Wohlleben von vorne an. Das dauerte ſo lang als der Cent - ner Gold dauerte, darnach mußte er wieder alles verpfaͤnden und auf das Waldſchloß zuruͤckzie - hen und Kartoffeln eſſen. Der Koͤnig hatte noch einen Falken, den nahm er eines Tags mit hinaus auf das Feld und wollte mit ihm jagen, damit er etwas Beſſeres zu eſſen haͤtte. Der Falk ſtieg auf, und flog nach dem dunkeln Zauberwald zu, in den ſich der Koͤnig nicht mehr getraute, kaum aber war er dort ſo ſchoß ein Adler hervor und verfolgte den Falken, der368 zum Koͤnig floh. Der Koͤnig wollte mit ſeinem Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr, dann zerdruͤckte er den Falken mit einer Kralle, die andern aber hackte er dem Koͤnig in die Schulter und rief: warum ſtoͤrſt du mein Luftreich, dafuͤr ſollſt du ſterben oder du giebſt mir deine zweite Tochter zur Frau! der Koͤnig ſagte: ja die ſollſt du haben, aber was giebſt du mir dafuͤr? Zwei Centner Gold ſprach der Adler, und in ſieben Wochen komm ich, und hol ſie ab; dann ließ er ihn los und flog fort in den Wald.

Der Koͤnig war betruͤbt, daß er ſeine zweite Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte und getraute ſich nicht ihr etwas davon zu ſa - gen. Sechs Wochen waren herum, in der ſie - benten ging die Prinzeſſin hinaus auf einen Raſenplatz vor der Burg und wollte ihre Lein - wand begießen, da kam auf einmal ein praͤchti - ger Zug von ſchoͤnen Rittern und zuvorderſt ritt der allerſchoͤnſte, der ſprang ab und rief: ſchwing, ſchwing dich auf, du Fraͤulein traut, komm mit, du ſchoͤne Adlerbraut! und eh ſie ihm antworten konnte, hatte er ſie ſchon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in den Wald hinein als floͤg ein Vogel: Ade! Ade!!

In der Burg warteten ſie lang auf diePrin -369Prinzeſſin aber die kam nicht und kam nicht, da entdeckte der Koͤnig endlich daß er einmal in der Noth ſie einem Adler verſprochen, und der werde ſie geholt haben. Als aber bei dem Koͤnig die Traurigkeit ein wenig herum war, fiel ihm das Verſprechen des Adlers ein und er ging hinab, und fand auf dem Raſen zwei gold - ne Eier, jedes einen Centner ſchwer. Wer Gold hat, iſt fromm genug, dachte er, und ſchlug ſich alle ſchwere Gedanken aus dem Sinn! Da fing das luſtige Leben von neuem an, und waͤhrte ſo lang, bis die zwei Centner Gold auch durchge - bracht waren, dann kehrte der Koͤnig wieder ins Waldſchloß zuruͤck, und die Prinzeſſin, die noch uͤbrig war, mußte die Kartoffeln ſieden.

Der Koͤnig wollte keine Haſen im Wald und keine Voͤgel in der Luft mehr jagen, aber einen Fiſch haͤtt er gern gegeſſen. Da mußte die Prinzeſſin ein Netz ſtricken, damit ging er zu einem Teich, der nicht weit von dem Wald lag. Weil ein Nachen darauf war, ſetzte er ſich ein, und warf das Netz, da fing er auf einen Zug eine Menge ſchoͤner rothgefleckter Forellen. Wie er aber damit ans Land wollte, ſtand der Nachen feſt und er konnte ihn nicht los kriegen, er mochte ſich ſtellen wie er wollte. Da kam auf einmal ein gewaltiger Wallfiſch daher ge - ſchnaubt: was faͤngſt du mir meine Untertha - nen weg, das ſoll dir dein Leben koſten! dabeiKindermärchen. A a370ſperrte er ſeinen Rachen auf, als wollte er den Koͤnig ſammt dem Nachen verſchlingen. Wie der Koͤnig den entſetzlichen Rachen ſah, verlor er allen Muth, da fiel ihm ſeine dritte Tochter ein und er rief: ſchenk mir das Leben und du ſollſt meine juͤngſte Tochter haben Meint - wegen brummte der Wallfiſch, ich will dir auch etwas dafuͤr geben; Gold hab ich nicht, das iſt mir zu ſchlecht, aber der Grund meines Sees iſt mit Zahlperlen gepflaſtert, davon will ich dir drei Saͤcke voll geben: im ſiebenten Mond komm ich und hol meine Braut. Dann tauchte er unter.

Der Koͤnig trieb nun ans Land und brachte ſeine Forellen heim, aber als ſie gebacken wa - ren, wollt 'er keine davon eſſen, und wenn er ſeine Tochter anſah, die einzige die ihm noch uͤbrig war und die ſchoͤnſte und liebſte von allen, wars ihm, als zerſchnitten tauſend Meſſer ſein Herz. So gingen ſechs Monat herum, die Koͤ - nigin und die Prinzeſſin wußten nicht, was dem Koͤnig fehle, der in all der Zeit keine vergnuͤgte Miene machte In ſiebenten Mond ſtand die Prinzeſſin gerade im Hof vor einem Roͤhrbrun - nen und ließ ein Glas voll laufen, da kam ein Wagen mit ſechs weißen Pferden und ganz ſil - bernen Leuten angefahren, und aus dem Wagen ſtieg ein Prinz, ſo ſchoͤn, daß ſie ihr Lebtag kei - nen ſchoͤnern geſehen hatte, und bat ſie um ein Glas Waſſer. Und wie ſie ihm das reichte, das371 ſie in der Hand hielt, umfaßte er ſie und hob ſie in den Wagen, und dann gings wieder zum Thor hinaus, uͤber das Feld nach dem Teich zu.

Ade, du Fraͤulein traut,
fahr hin, du ſchoͤne Wallfiſchbraut!

Die Koͤnigin ſtand am Fenſter und ſah den Wagen noch in der Ferne, und als ſie ihre Toch - ter nicht ſah, fiels ihr ſchwer aufs Herz, und ſie rief und ſuchte nach ihr allenthalben; ſie war aber nirgends zu hoͤren und zu ſehen. Da war es gewiß und ſie fing an zu weinen und der Koͤnig entdeckte ihr nun: ein Wallfiſch werde ſie geholt haben, dem hab 'er ſie verſprechen muͤſ - ſen, und darum waͤre er immer ſo traurig ge - weſen; er wollte ſie auch troͤſten, und ſagte ihr von dem großen Reichthum, den ſie dafuͤr be - kommen wuͤrden, die Koͤnigin wollt aber nichts davon wiſſen und ſprach, ihr einziges Kind ſey ihr lieber geweſen, als alle Schaͤtze der Welt. Waͤhrend der Wallfiſchprinz die Prinzeſſin geraubt, hatten ſeine Diener drei maͤchtige Saͤcke in das Schloß getragen, die fand der Koͤnig an der Thuͤr ſtehen, und als er ſie aufmachte, waren ſie voll ſchoͤner großer Zahlperlen, ſo groß, wie die dickſten Erbſen. Da war er auf einmal wieder reich und reicher, als er je geweſen; er loͤſte ſeine Staͤdte und Schloͤßer ein, aber das Wohlleben fing er nicht wieder an, ſondern warA a 2372ſtill und ſparſam und wenn er daran dachte, wie es ſeinen drei lieben Toͤchtern bei den wil - den Thieren ergehen moͤgte, die ſie vielleicht ſchon aufgefreſſen haͤtten, verging ihm alle Luſt.

Die Koͤnigin aber wollt ſich gar nicht troͤ - ſten laſſen und weinte mehr Thraͤnen um ihre Tochter, als der Wallfiſch Perlen dafuͤr gege - ben hatte. Endlich wards ein wenig ſtiller, und nach einiger Zeit ward ſie wieder ganz vergnuͤgt, denn ſie brachte einen ſchoͤnen Knaben zur Welt und weil Gott das Kind ſo unerwartet geſchenkt hatte, ward es Reinald, das Wunderkind, ge - nannt. Der Knabe ward groß und ſtark, und die Koͤnigin erzaͤhlte ihm oft von ſeinen drei Schweſtern, die in dem Zauberwald von drei Thieren gefangen gehalten wuͤrden. Als er ſechszehn Jahr alt war verlangte er von dem Koͤnig Ruͤſtung und Schwert, und als er es nun erhalten, wollte er auf Abentheuer ausgehen, ge - ſegnete ſeine Eltern, und zog fort.

Er zog aber geradezu nach dem Zauberwald und hatte nichts anders im Sinn als ſeine Schweſtern zu ſuchen. Anfangs irrte er lange in dem großen Walde herum, ohne einem Men - ſchen oder einem Thiere zu begegnen. Nach drei Tagen aber ſah er vor einer Hoͤhle eine junge Frau ſitzen und mit einem jungen Baͤren ſpielen: einen andern, ganz jungen, hatte ſie auf ihrem Schooß liegen: Reinald dachte, das373 iſt gewiß meine aͤltſte Schweſter, ließ ſein Pferd zuruͤck, und ging auf ſie zu: liebſte Schweſter, ich bin dein Bruder Reinald und bin gekom - men dich zu beſuchen. Die Prinzeſſin ſah ihn an, und da er ganz ihrem Vater glich, zweifelte ſie nicht an ſeinen Worten erſchrack und ſprach: ach liebſter Bruder, eil und lauf fort, was du kannſt, wenn dir dein Leben lieb iſt, kommt mein Mann, der Baͤr, nach Haus und findet dich, ſo frißt er dich ohne Barmherzigkeit. Reinald aber ſprach: ich fuͤrchte mich nicht und weiche auch nicht von dir, bis ich weiß, wie es um dich ſteht. Wie die Prinzeſſin ſah, daß er nicht zu bewegen war, fuͤhrte ſie ihn in ihre Hoͤle, die war finſter und wie eine Baͤrenwoh - nung; auf der einen Seite lag ein Haufen Laub und Heu, worauf der Alte und ſeine Jungen ſchliefen, aber auf der andern Seite ſtand ein praͤchtiges Bett, von rothem Zeug mit Gold, das gehoͤrte der Prinzeſſin. Unter das Bett hieß ſie ihn kriechen, und reichte ihm etwas hin - unter zu eſſen. Es dauerte nicht lang ſo kam der Baͤr nach Haus: ich wittre, wittre Men - ſchenfleiſch und wollte ſeinen dicken Kopf unter das Bett ſtecken. Die Prinzeſſin aber rief: ſey ruhig, wer ſoll hier hinein kommen! Ich hab ein Pferd im Wald gefunden und gefreſſen brummte er, und hatte noch eine blutige Schnau - ze davon, dazu gehoͤrt ein Menſch und den374 riech ich und wollte wieder unter das Bett. Da gab ſie ihm einen Fußtritt in den Leib, daß er einen Burzelbaum machte, auf ſein La - ger ging, die Tatze ins Maul nahm und einſchlief.

Alle ſieben Tage war der Baͤr in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt und ein ſchoͤner Prinz, und ſeine Hoͤhle ein praͤchtiges Schloß und die Thiere im Wald, waren ſeine Diener. An ei - nem ſolchen Tage hatte er die Prinzeſſin ab - geholt; ſchoͤne junge Frauen kamen ihr vor dem Schloß entgegen, es war ein herrliches Feſt und ſie ſchlief in Freuden ein, aber als ſie er - wachte, lag ſie in einer dunkeln Baͤrenhoͤle und ihr Gemahl war ein Baͤr geworden und brumm - te zu ihren Fuͤßen, nur das Bett und alles was ſie angeruͤhrt hatte, blieb in ſeinem natuͤr - lichen Zuſtand unverwandelt. So lebte ſie ſechs Tage in Leid aber am ſiebenten ward ſie getroͤ - ſtet, und da ſie nicht alt ward und nur der eine Tag ihr zugerechnet wurde, ſo war ſie zu - frieden mit ihrem Leben. Sie hatte ihrem Ge - mahl zwei Prinzen geboren, die waren auch ſechs Tage lang Baͤren und am ſiebenten in menſchlicher Geſtalt. Sie ſteckte ſich jedesmal hr Bettſtroh voll von den koͤſtlichſten Speiſen Kuchen und Fruͤchten, davon lebte ſie die ganze Woche, und der Baͤr war ihr auch gehorſam und that, was ſie wollte.

375

Als Reinald erwachte, lag er in einem ſei - denen Bett, Diener kamen ihm aufzuwarten und ihm die reichſten Kleider anzuthun, denn es war gerade der ſiebente Tag eingefallen. Seine Schweſter mit zwei ſchoͤnen Prinzen und ſein Schwager Baͤr traten ein, und fre[u]ten ſich ſei - ner Ankunft. Da war alles in Pracht und Herrlichkeit und der ganze Tag voll Luſt und Freude; am Abend aber ſagte die Prinzeſſin: lieber Bruder, nun mach daß du fort kommſt, mit Tages Anbruch nimmt mein Gemahl wie - der Baͤrengeſtalt an, und findet er dich morgen noch hier, kann er ſeiner Natur nicht widerſte - hen und frißt dich auf. Da kam der Prinz Baͤr und gab ihm drei Baͤrenhaare, und ſagte; wenn du in Noth biſt ſo reib daran, und ich will dir zu Huͤlfe kommen. Darauf kuͤßten ſie ſich und nahmen Abſchied, und Reinald ſtieg in einen Wagen mit ſechs Rappen beſpannt und fuhr fort. So gings uͤber Stock und Stein, Berg auf Berg ab, durch Wuͤſten und Waͤlder, Horſt und Hecke, ohne Ruh und Raſt, bis gegen Mor - gen, als der Himmel anfing grau zu werden, da lag Reinald auf einmal auf der Erde und Roß und Wagen war verſchwunden, und beim Morgenroth erblickte er ſechs Ameiſen, die gal - loppirten dahin und zogen eine Nußſchale.

Reinald ſah daß er noch in dem Zauber - wald war, und wollte ſeine zweite Schweſter376 ſuchen. Wieder drei Tage irrte er umſonſt in der Einſamkeit, am vierten aber hoͤrte er einen großen Adler daher rauſchen, der ſich auf ein Neſt niederließ. Reinald ſtellte ſich ins Ge - buͤſch und wartete bis er wieder wegflog, nach ſieben Stunden hob er ſich auch wieder in die Hoͤhe. Da kam Reinald hervor, trat vor den Baum und rief: liebſte Schweſter biſt du dro - ben, ſo laß mich deine Stimme hoͤren, ich bin Reinald dein Bruder, und bin gekommen dich zu beſuchen! Da hoͤrte er es herunter rufen, biſt du Reinald mein liebſter Bruder, den ich noch nicht geſehen habe, ſo komm herauf zu mir. Reinald wollte binauf klettern aber der Stamm war zu dick und glatt, dreimal ver - ſuchte ers, aber umſonſt, da fiel eine ſeidene Strickleiter hinab, auf der ſtieg er bald zu dem Adlerneſt, das war ſtark und feſt, wie eine Al - tane auf einer Linde. Seine Schweſter ſaß un - ter einem Thronhimmel von roſenfarbener Sei - de und auf ihrem Schooß lag ein Adlerei, das hielt ſie warm und wollt es ausbruͤten. Sie kuͤßten ſich und freuten ſich, aber nach einer Weile ſprach die Prinzeſſin: nun eil, liebſter Bruder, daß du fort kommſt, ſieht dich der Ad - ler, mein Gemahl, ſo hackt er dir die Augen aus und frißt dir das Herz ab, wie er dreien deiner Diener gethan, die dich im Walde ſuch - ten. Reinald ſagte, nein ich bleibe hier,377 bis dein Gemahl verwandelt wird Das geſchieht erſt in ſechs Wochen, doch wenn du es aushalten kannſt, ſteck dich in den Baum, der inwendig hohl iſt, ich will dir alle Tage Eſſen hinunter reichen. Reinald kroch in den Baum, die Prinzeſſin ließ ihm alle Tage Eſſen hinunter, und wenn der Adler wegflog, kam er herauf zu ihr. Nach ſechs Wochen geſchah die Umwandlung, da erwachte Reinald wieder in einem Bett, wie bei ſeinem Schwager Baͤr, nur daß alles noch praͤchtiger war, und er lebte ſieben Tage bei dem Adlerprinz in aller Freude. Am ſiebenten Abend nahmen ſie Abſchied, der Adler gab ihm drei Adlerfedern und ſprach: wenn du in Noth biſt, ſo reib daran, und ich will dir zu Huͤlfe kommen. Dann gab er ihm Diener mit, ihm den Weg zu zeigen, als aber der Morgen kam, waren ſie auf einmal fort, und Reinald in einer furchtbaren Wildniß auf einer hohen Felſenwand allein.

Reinald blickte um ſich her, da ſah er in der Ferne den Spiegel einer großen See, auf dem eben die erſten Sonnenſtrahlen glaͤnzten. Er dachte an ſeine dritte Schweſter, und daß ſie dort ſeyn werde. Da fing er an hinabzu - ſteigen, und arbeitete ſich durch die Buͤſche und zwiſchen den Felſen durch; drei Tage verbrachte er damit, und verlor oft den See aus den Augen, aber am vierten Morgen gelangte er378 hin. Er ſtellte ſich an das Ufer und rief: lieb - ſte Schweſter biſt du darin, ſo laß mich deine Stimme hoͤren, ich bin Reinald dein Bruder und bin gekommen dich zu beſuchen; aber es antwortete niemand, und war alles ganz ſtill. Er broͤſelte Brotkrumen ins Waſſer und ſprach zu den Fiſchen: ihr lieben Fiſche, geht hin zu meiner Schweſter und ſagt ihr, daß Reinald das Wunderkind da iſt und zu ihr will. Aber die rothgefleckten Forellen ſchnappten das Brot auf, und hoͤrten nicht auf ſeine Worte. Da ſah er einen Nachen, alsbald warf er ſeine Ruͤſtung ab, und behielt nur ſein blankes Schwert in der Hand, ſprang in das Schiff und ruderte fort. So war er lang geſchwommen, als er ei - nen Schornſtein von Bergkriſtall uͤber dem Waſ - ſer ragen ſah, aus dem ein angenehmer Geruch hervor ſtieg. Reinald ruderte darauf hin und dachte, da unten wohnt gewiß meine Schweſter, dann ſetzte er ſich in den Schornſtein und rutſch - te hinab. Die Prinzeſſin erſchrak recht als ſie auf einmal ein paar Menſchenbeine im Schorn - ſtein zappeln ſah, bald kam ein ganzer Mann herunter, und gab ſich als ihren Bruder zu er - kennen. Da freute ſie ſich von Herzen, dann aber ward ſie betruͤbt und ſagte: der Wall - fiſch, hat gehoͤrt, daß du mich aufſuchen willſt, und hat geklagt, wenn du kaͤmſt und er ſey Wallfiſch, koͤnne er ſeine Begierde dich zu freſ -379 ſen nicht widerſtehen, und wuͤrde mein kriſtal - lenes Haus zerbrechen, und dann wuͤrde ich auch in den Waſſerfluten umkommen. Kannſt du mich nicht ſo lang verbergen, bis die Zeit kommt wo der Zauber vorbei iſt. Ach nein wie ſollte das gehen, ſiehſt du nicht die Waͤnde ſind alle von Kriſtall und ganz durchſichtig, doch ſann ſie und ſann, endlich fiel ihr die Holz - kammer ein, da legte ſie das Holz ſo kuͤnſtlich daß von außen nichts zu ſehen war und dahin - ein verſteckte ſie das Wunderkind. Bald darauf kam der Wallfiſch und die Prinzeſſin zitterte wie Espenlaub, er ſchwamm ein paarmal um das Kriſtallhaus und als er ein Stuͤckchen von Reinalds Kleid aus dem Holz hervorgucken ſah, ſchlug er mit dem Schwanz, ſchnaubte ge - waltig und wenn er mehr geſehen, haͤtte er ge - wiß das Haus eingeſchlagen. Jeden Tag kam er einmal und ſchwamm darum, bis endlich im ſie - benten Monat der Zauber aufhoͤrte. Da befand ſich Reinald in einem Schloß, das an Pracht gar des Adlers ſeines uͤbertraf, und mitten auf einer ſchoͤnen Inſel ſtand; nun lebte er er ei - nen ganzen Monat mit ſeiner Schweſter und Schwager in aller Luſt, als der aber zu Ende war, gab ihm der Wallfiſch drei Schuppen und ſprach: wenn du in Noth biſt, ſo reib daran und ich will dir zu Huͤlfe kommen und ließ380 ihn wieder ans Ufer fahren, wo er noch ſeine Ruͤſtung f[a]nd.

Das Wunderkind zog darauf ſieben Tage in der Wildniß weiter und ſieben Naͤchte ſchlief es unter freiem Himmel, da erblickte es ein Schloß mit einem Stahlthor und einem maͤch - tigen Schloß daran. Vorn aber ging ein ſchwar - zer Stier mit funkelnden Augen und bewachte den Eingang. Reinald ging auf ihn los und gab ihm auf den Hals einen gewaltigen Streich aber der Hals war von Stahl und das Schwert zerbrach darauf, als waͤre es Glas. Er wollte ſeine Lanze brauchen, aber die zerknickte wie ein Strohhalm und der Stier faßte ihn mit den Hoͤrnern und warf ihn in die Luft, daß er auf den Aeſten eines Baums haͤngen blieb. Da beſann ſich Reinald in der Noth auf die drei Baͤrenhaare, rieb ſie in der Hand und in dem Augenblick kam ein Baͤr daher getrabt, kaͤmpfte mit dem Stier und zerriß ihn. Aber aus dem Bauch des Stiers flog ein Entvogel in die Hoͤhe und eilig weiter; da rieb Reinald die drei Adlerfedern, alsbald kam ein maͤchtiger Adler durch die Luft und verfolgte den Vogel, der ge - rade nach einem Weiher floh, ſchoß auf ihn her - ab, und zerfleiſchte ihn; aber Reinald hatte ge - ſehen, wie er noch ein goldnes Ei hatte ins Waſſer fallen laſſen. Da rieb er die drei Fiſch - ſchuppen in der Hand, gleich kam ein Wall -381 fiſch geſchwommen, verſchluckte das Ei und ſpie es ans Land. Reinald nahm es und ſchlug es mit einem Stein auf, da lag ein kleiner Schluͤſ - ſel darin, und das war der Schluͤſſel, der die Stahlthuͤr oͤffnete. Und wie er ſie nur damit beruͤhrte, ſprang ſie von ſelber auf, und er trat ein, und vor den andern Thuͤren ſchoben ſich die Riegel von ſelber zuruͤck, und durch ihrer ſieben trat er in ſieben praͤchtige hellerleuchtete Kammern, und in der letzten Kammer lag eine Jungfrau auf einem Bett und ſchlief. Die Jungfrau war aber ſo ſchoͤn, daß er ganz ge - blendet davon ward, er wollte ſie aufwecken, das war aber vergebens, ſie ſchlief ſo feſt als waͤre ſie tod. Da ſchlug er vor Zorn auf eine ſchwarze Tafel, die neben dem Bett ſtand; in dem Augenblick erwachte die Jungfrau, fiel aber gleich wieder in den Schlaf zuruͤck, da nahm er die Tafel und warf ſie auf den ſtei - nernen Boden, daß ſie in tauſend Stuͤcken zerſprang. Kaum war das geſchehen, ſo ſchlug die Jungfrau die Augen hell auf, und der Zau - ber war geloͤſt. Sie war aber die Schweſter von den drei Schwaͤgern Reinalds, und weil ſie einem gottloſen Zauberer ihre Liebe verſagt, hatte er ſie in den Todesſchlaf geſenkt, und ihre Bruͤder in Thiere verwandelt, und das ſollte ſo lang waͤhren, als die ſchwarze Tafel unver - ſehrt blieb.

382

Reinald fuͤhrte die Jungfrau heraus und wie er vor das Thor kam, da ritten von drei Seiten ſeine Schwaͤger heran und waren nun erloͤſt, und mit ihnen ihre Frauen und Kinder, und die Adlerbraut hatte das Ei ausgebruͤtet und ein ſchoͤnes Fraͤulein auf dem Arm; da zo - gen ſie alle zu dem alten Koͤnig und der alten Koͤnigin, und das Wunderkind brachte ſeine drei Schweſtern mit nach Haus, und bald vermaͤhlte es ſich mit der ſchoͤnen Jungfrau; da war Freude und Luſt in allen Ecken; und die Katz laͤuft nach Haus, mein Maͤhrchen iſt aus.

83. Das arme Maͤdchen.

Es war einmal ein armes, kleines Maͤd - chen, dem war Vater und Mutter geſtorben, es hatte kein Haus mehr in dem es wohnen, und kein Bett mehr, in dem es ſchlafen konn - te, und nichts mehr auf der Welt, als die Klei - der, die es auf dem Leib trug, und ein Stuͤck - chen Brod in der Hand, das ihm ein Mitlei - diger geſchenkt hatte; es war aber gar fromm und gut. Da ging es hinaus, und unterwegs begegnete ihm ein armer Mann, der bat es ſo ſehr um etwas zu eſſen, da gab es ihm das Stuͤck Brod; dann ging es weiter, da kam ein Kind, und ſagte: es friert mich ſo an meinem383 Kopf, ſchenk mir doch etwas, das ich darum binde, da thaͤt es ſeine Muͤtze ab und gab ſie dem Kind. Und als es noch ein bischen ge - gangen war, da kam wieder ein Kind, und hat - te kein Leibchen an, da gab es ihm ſeins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von ſich hin, endlich kam es in Wald, und es war ſchon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Maͤdchen dachte: es iſt dunkele Nacht, da kannſt du wohl dein Hemd wegge - ben, und gab es hin. Da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich ſein Hemdlein weggegeben, hatte es doch eins an, aber vom allerfeinſten Linnen, da ſammelte es ſich die Thaler hinein und ward reich fuͤr ſein Lebtag.

84. Die Schwiegermutter.

Es war ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die hatte eine bitterboͤſe Schwiegermutter. Einmal zog der Koͤnig ins Feld, da ließ die alte Koͤni - gin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen Keller einſperren, und ihre zwei Soͤhnlein zu ihr. Eines Tags nun ſprach ſie zu ſich ſelbſt: ich haͤtte ſo Luſt das eine von den Kindern zu eſſen, rief ihren Koch und hieß ihn hinunter -384 ſteigen, das eine Soͤhnlein zu nehmen, zu ſchlach - ten und zuzurichten.

Mit was fuͤr einer Bruͤhe? fragte der Koch. Mit einer braunen, ſprach die alte Koͤnigin.

Da ging der Koch in den Keller und ſprach: ach Frau Koͤnigin, die alte Frau Koͤnigin will haben, ich ſoll heut Abend Euren einen Sohn ſchlachten und kochen. Da war die junge Koͤnigin herzlich betruͤbt und ſagte: ach, wollen wir nicht ein Schweinchen nehmen, das koch doch ſo, wie ſies haben will, und ſprich, es waͤ - re mein Kind geweſen.

Der Koch that ſo und trug das Schwein - chen in brauner Bruͤhe auf, da waͤre das Kind, und ſie es auf mit großem Appetit.

Bald darauf dachte die Alte: das Kinder - fleiſch hat mir ſo zart geſchmeckt, du willſt das zweite auch eſſen, rief den Koch und hieß ihn in den Keller gehen, und den zweiten Sohn ſchlachten.

Mit was fuͤr einer Bruͤhe ſoll ich ihn kochen? ei, mit einer weißen, ſprach die alte Koͤnigin.

Der Koch ging hinunter und ſagte: ach, die alte Frau Koͤnigin hat mich geheißen, daß ich nun auch euer zweites, kleines Soͤhnlein ſchlachten und kochen ſoll. Die junge Koͤniginſprach385ſprach: nimm doch ein Spanferkelchen und koch es, wie ſies gern haben will.

Das that der Koch, und ſetzte es der Alten vor in einer weißen Bruͤhe, und ſie ſpeiſte es mit noch groͤßerm Appetit.

Endlich dachte die Alte: nun ſind die Kin - der in meinem Leib, du willſt nun auch die jun - ge Koͤnigin eſſen, rief den Koch und befahl ihm die junge Koͤnigin zu kochen.

(Fragment: beim drittenmal ſchlachtet der Koch eine Hirſchkuh. Nun hat aber die junge Königin ihre Noth, daß ſie ihre Kinder vom Schreien abhält, damit die Alte nicht hört, ſie ſeien noch am Leben u. ſ. w.)

85. Fragmente.

a) Schneeblume.

Eine junge Koͤnigstochter hieß Schneeblu - me, weil ſie weiß, wie der Schnee war, und im Winter geboren. Eines Tags war ihre Mut - ter krank geworden, und ſie ging in den Wald und wollte heilſame Kraͤuter brechen, wie ſie nun an einem großen Baum voruͤber ging, flog ein Schwarm Bienen heraus und bedeckten ih - ren ganzen Leib von Kopf bis zu Fuͤßen. Aber ſie ſtachen ſie nicht und thaten ihr nicht weh, ſondern trugen Honig auf ihre Lippen, und ihr ganzer Leib ſtrahlte ordentlich von Schoͤn - heit.

Kindermärchen. B b386

b) Prinzeſſin mit der Laus.

Es war einmal eine Prinzeſſin, die war ſo reinlich, gewiß die reinlichſte von der ganzen Welt, nie ſah man den kleinſten Schmutz oder Flecken an ihr. Einmal aber fand man eine Laus auf ihrem Kopf ſitzen, welches fuͤr ein wahres Wunder galt, und man wollte darum die Laus nicht umbringen, ſondern beſchloß ſie mit Milch groß zu fuͤttern. Dies geſchah, die Laus wuchs immer mehr, ſo daß ſie endlich ſo groß wie ein Kalb war. Wie nun dieſe Laus ſtarb, ließ ihr die Prinzeſſin das Fell abziehen und ſich ein Kleid daraus machen. Kam nun ein Freier und hielt um ſie an, ſo gab ſie ihm aufzurathen, von welchem Thier das Fell waͤre, das ſie zum Kleid trug. Da dies nun keiner rathen konnte, mußten ſie alle abziehen. Endlich kam ein ſchoͤner Prinz auf folgende Art dahinter.

c) Vom Prinz Johannes.

Von ſeinem Wandeln in Sehnen und Weh - muth, von ſeinem Flug mit der Erſcheinung, von der rothen Burg, von den vielen herzbe - wegenden Pruͤfungen, bis ihm der einzigſte Anblick der ſchoͤnen Sonnenprinzeſſin gewaͤhrt wurde.

387

d) der gute Lappen.

Zwei Naͤthersmaͤdchen hatten nichts geerbt, als einen guten alten Lappen, der machte alles zu Gold, was man hineinwickelte, damit hatten ſie genug und naͤhten dabei noch zu kleinem Verdienſt. Die eine Schweſter war ſehr klug, die andere ſehr dumm. Eines Tags, war die aͤlteſte in die Kirche gegangen, da kam ein Jude die Straße her und rief: ſchoͤne, neue Lappen zu verkaufen oder zu vertauſchen gegen alte, nichts zu hand - len? Wie die dumme das hoͤrte, lief ſie hin und vertauſchte ihren guten alten Lappen fuͤr einen neuen; das wollte der Jud gerad, denn er kannte die Tugend des alten gar wohl. Als die aͤlteſte nun heimkam, ſprach ſie: mit dem Naͤhverdienſt geht's ſchlecht, ich muß uns ein bischen Geld ſchaffen, wo iſt unſer Lappen? Deſto beſſer, ſprach die dumme, ich hab 'auch waͤhrend du aus warſt einen neuen und friſchen dafuͤr eingehandelt fuͤr den alten. (Nachher wird der Jude ein Hund, die zwei Maͤdchen Huͤhner, die Huͤh - ner aber endlich Menſchen, und pruͤgeln den Hund zu Tode.)

86. Der Fuchs und die Gaͤnſe.

Der Fuchs kam einmal auf eine Wieſe, wo eine Heerde ſchoͤner fetter Gaͤnſe ſaß, da lachte er und ſprach: Ei, ich komme ja wie gerufen, ihr388 ſitzt huͤbſch beiſammen, da kann ich eine nach der andern auffreſſen. Die Gaͤnſe gackten vor Schrecken, ſprangen auf und fingen an gar klaͤg - lich um ihr Leben zu bitten, der Fuchs aber ſprach: da iſt keine Gnade, ihr muͤßt ſterben. Endlich nahm ſich eine das Herz und ſagte: ſol - len wir doch unſer jung friſch Leben laſſen, ſo er - zeig uns die einzige Gnade und erlaub 'uns noch ein Gebet, damit wir nicht in unſern Suͤnden ſterben, hernach wollen wir uns auch in eine Reihe ſtellen, damit du dir immer die fetteſte ausſuchen kannſt. Ja, ſagte der Fuchs, das iſt billig um eine fromme Bitte, betet, ich will ſo lange warten. Alſo fing die erſte ein recht langes Ge - bet an: ga! ga! und weil ſie gar nicht aufhoͤren wollte, wartete die zweite nicht, bis die Reihe an ſie kam, ſondern fing auch an ga! ga! (Und wenn ſie alle ausgebetet haben, ſoll das Maͤrchen weiter erzaͤhlt werden, ſie beten aber alleweile noch immer fort.)

[I]

Anhang.

Kindermärchen. A[II][III]

Zum Froſchkoͤnig. No. 1.

Eins der alleraͤlteſten und ſchoͤnſten Maͤrchen, das man ſonſt in Deutſchland unter dem Namen: von dem eiſernen Heinrich beſonders gekannt hat, nach dem treuen Bedienten, der ſich ſein kummer - volles Herz in Banden hatte legen laſſen. Rol - lenhagen nennt es ſo unter den alten deutſchen Hausmaͤrlein. Darauf bezieht ſich auch, was Phi - lander v. Sittewald 3, 42. ſagt: dann ihr Herz ſtund in meiner Hand, feſter als in ein eiſen Band. Vom Band der Sorge iſt noch allge - meiner und oͤfter Rede, vom Stein der auf dem Herzen liegt, ſchoͤn ſingt ein Minnedichter: ſie iſt mir recht ſtahelhart in mein Herz gedruͤckt. Heinrich von Sax (1, 36.) ſogar ausdruͤcklich: mein Herze in Banden litt, und ein Lied von Heinrich dem Loͤwen Str. 59. es lag ihr Herz in Banden. Allein der Hauptſage nach lebt das Maͤrchen auch in Schottland fort. In the complaynt of Scotland geſchrieben 1548. wird unter andern alten Erzaͤhlungen the tale of the wolf of the warldis end genannt, das leider ganz verloren gegangen (vielleicht die Sa - ge vom nordiſchen Loke) iſt. J. Leyden in ſ. Ausg. des Complaynt Edinb. 1801. S. 234. 35. glaubt, daß es in verſchiedene Lieder und Ammen - maͤrchen zerſtuͤckt noch herumgehe, er habe Frag - mente ſingen hoͤren, worin der Brunnen von der Welt End (well of the warldis end) vor - komme und the well Absolom und the cald well sae weary heiße. Hieran ſchließt er nun unſer Maͤrchen an, wiewohl der Weltbrunnen recht gut in verſchiedene Sagen eingreifen kann, und wir auch in dem deutſchen keine Anknuͤpfung zuA 2IVjenem Wolf (oder ſollte Wolf im Original ſtatt well ſtehen?) ahnen. Leydens Worte lauten nun: according to the popular tale a lady is ſent by her ſtepmother to draw water from the well of the worlds end. She arrives at the well, af - ter encountering many dangers; but ſoon per - ceives that her[adventures] have not reached a concluſion. A frog emerges from the well, and, before it ſuffers her to draw water, obli - ges her to betrothe herself to the monster, un - der the penalty of being torn to pieces. The lady returns safe[;]but at midnight the frog lo - ver appears at the door and demands entrance, according to promise to the great consternation of the lady and her nurse.

open the door, my hinny, my hart,
open the door, mine ain wee thing;
and mind the words that you and J spak
down in the meadow, at the well-spring!

the frog is admitted, and addresses her:

take me up on your knee, my dearie,
take me up on your knee, my dearie,
and mind the words that you and J spak
at the cauld well sae weary

the frog is finally disenchanted and appears as a prince in his original form.

Die Stelle in the romance of Roswall and Lilian: the knight that kept the pavent well was not so fair as Roswall ſpielt ſchwerlich hierher an.

La grenouille bienfaisante der Ma - dame d'Aulnoy, ein ſchlechtes Maͤrchen hat auch gar keine Aehnlichkeit mit dem unſrigen.

Zu Katz und Maus in Geſellſchaft. No. 2.

Man erzaͤhlt es auch von Haͤhnchen und Huͤhn - chen, die hatten einen Edelſtein im Miſt gefunden, beim Juwelirer verkauft ein Fetttoͤpfchen auf den Winter dafuͤr erhandelt, und auf einen Schrank geſtellt. Das Huͤhnchen frißt es nun nach und nach leer, wie das herauskommt, wird das Haͤhn -V chen ganz wuͤthend und hackt das Huͤhnchen todt. Darnach aber empfindet es Reue und nun wird das Huͤhnchen begraben wie in No. 80.

Zum Marienkind. No. 3.

Aehnlichkeit damit hat die Legende von der heil. Ottilie, zumal, wie ſie Naubert in ihren Volksmaͤhrchen Th. 1. erzaͤhlt[. ]Die gruͤndliche Idee von vielen erlaubten und der einen verbote - nen Thuͤre kehrt vielmal und unter verſchiedener Einleitung, wie bei der Todtenbraut und dem Blaubart (No. 46 u. 62.) wieder. Eine andere Erzaͤhlung iſt folgende: der arme Mann, da er ſeine Kinder nicht ernaͤhren kann, geht in den Wald und will ſich erhenken, da kommt eine ſchwar - ze Kutſche mit vier ſchwarzen Pferden und eine ſchoͤne ſchwarzgekleidete Jungfrau ſteigt aus und ſagt ihm, er werde in einem Buſch vor ſeinem Haus einen Sack mit Geld finden, dafuͤr ſolle er ihr geben, was im Hauſe verborgen ſey. Der Mann willigt ein, findet das Geld, das verborgene aber iſt das Kind im Mutterleib; und wie das ge - boren iſt, kommt die Jungfrau und will es abho - len, doch, weil die Mutter ſo viel bittet, laͤßt ſie es noch bis zum zwoͤlften Jahr. Da aber fuͤhrt ſie es fort zu einem ſchwarzen Schloß, alles iſt praͤchtig darin, es darf an alle Orte hin, nur nicht in eine Kammer. Vier Jahre gehorcht das Maͤdchen, da kann es der Qual der Neugierde nicht laͤnger widerſtehen und guckt durch einen Ritz hinein. Es ſieht vier ſchwarze Jungfrauen, die, in Buͤcherleſen vertieft, in dem Augenblick zu erſchrecken ſcheinen, ſeine Pflegemutter aber kommt heraus und ſagt: ich muß dich verſtoßen, was willſt du am liebſten verlieren? Die Spra - che, antwortete das Maͤdchen. Da ſchlaͤgt ſie ihm auf den Mund, daß das Blut hervor quillt, und treibt es fort. Es muß unter einem Baum uͤber - nachten, da findet es am Morgen der Koͤnigsſohn, fuͤhrt es mit ſich fort und vermaͤhlt ſich, gegen ſeiner Mutter Willen, mit der ſtummen Schoͤnheit. Als das erſte Kind zur Welt kommt, nimmt es dieVI boͤſe Schwiegermutter, wirft es ins Waſſer, be - ſpritzt die kranke Koͤnigin mit Blut und giebt vor, ſie habe ihr eigen Kind gefreſſen. So geht es noch zweimal, da ſoll die Unſchuldige, die ſich nicht vertheidigen kann, verbrannt werden. Schon ſteht ſie in dem Feuer, da kommt der ſchwarze Wa - gen, die Jungfrau tritt heraus, ſie geht in die Flammen, die ſich gleich niederlegen und ausloͤ - ſchen, hin zu der Koͤnigin, ſchlaͤgt ihr auf den Mund und giebt ihr damit die Sprache wieder. Die drei andern Jungfrauen bringen die drei Kinder, aus dem Waſſer gerettet; der Verrath kommt an den Tag, und die boͤſe Schwiegermut - ter wird in ein Faß gethan, das iſt mit Schlan - gen und giftigen Nattern ausgeſchlagen und einen Berg herabgerollt.

Zum Wolf und den Geiſerchen. No. 5.

muß auch, wenigſtens ſonſt, in Frankreich ſeyn be - kannt geweſen. Lafontaine hat offenbar die 15te Fabel ſeines 4ten Buchs daraus gemacht, allein wie mager erzaͤhlt er ſie; vielleicht hatte er auch bloß die fruͤhere Bearbeitung Corrozets (le loup, la chevre et le chevreau) vor ſich, wo ſich gleich - falls die junge Ziege huͤtet und den Wolf gar nicht einlaͤßt. Die Fabel iſt aber viel aͤlter, und ſteht u. a. bei Boner XXXIII., wo jedoch der Umſtand mit der weißen Pfote, deſſen ſchon La - fontaine nebenbei gedenkt, fehlt. Dagegen erinnern wir uns eines Bruchſtuͤckes aus dem vollſtaͤndi - gen franzoͤſiſchen Kindermaͤrchen. Der Wolf geht zum Muͤller, reicht ihm die graue Pfote hin und ſpricht:

meunier, meunier trempe moi ma patte
dans ta farine blanche!
non non, non non! alors je te man -
ge!

da thut es der Muͤller aus Furcht. Auch Pſa - mathe die Nereide ſandte den Wolf auf Peleus und Telamons Heerden, der Wolf fraß ſie insge - ſammt und wurde dann verſteinert, wie ihm hier Steine eingenaͤht werden. Doch liegt die SageVII vom verſteinerten Wolf tiefer, als ſie hier ausge - fuͤhrt werden kann.

Zur Nachtigall u. Bl. No. 6.

aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt, Mémoires de l'a - cademie celtique. Tome 2, 204. 205. Vergl. T. 4, 102. Das Maͤrchen und der Glauben findet ſich unter den Solognots. Die franzoͤſiſchen Reime ahmen den Ton der Nachtigall gluͤcklicher nach:

je ferai mon nid si haut, si haut, si haut!
si bas!
que tu ne le trouveras pas!

Zur Hand mit dem Meſſer. No. 8.

ein ſchottiſches Maͤrchen oder Volkslied, das Mrs. Grant in ihren essays on the superstitions of the highlanders of Scotland, London 1811. vol. 1, 285 286. erzaͤhlt. Sie ſagt: one of these (stories) which J have heard sung by chil - dren at a very early age, and which is just to them the Babes in the wood, J can never for - get. The affecting simplicity of the tune, the strange wild imagery and the marks of remote antiquity in the little narrative, gave it the greatest interest to me, who delight in tracing back poetry to its infancy.

Die zwoͤlf Bruͤder. No. 9.

Im Pentamerone doch ſehr abweichend IV, 8.[li] sette[palommielle].

Zum Lumpengeſindel. No. 10.

Vergl. unten No. 41. Herr Korbes.

Zum Bruͤderchen und Schweſterchen. No. 11.

Eine aͤhnliche Erzaͤhlung kennen wir nur fragmen - tariſch: Bruder und Schweſter gingen eines TagsVIII in den Wald und weil die Sonne ſo heiß und der Weg ſo weit war, ſo fing den Bruder an zu dur - ſten. Sie ſuchten Waſſer und kamen zu einer Quelle, daran ſtand geſchrieben: wer aus mir trinkt, iſt es ein Mann, wird er ein Tiger, iſt es ein Weib, wird es ein Lamm. Da ſprach das Maͤdchen: ach! lieber Bruder, trink nicht aus der Quelle, ſonſt wirſt du ein Tiger und zerreißeſt mich. Da ſagte der Bruder, er wolle noch war - ten, ob ihn gleich der Durſt ſo quaͤle bis zur naͤch - ſten Quelle. Wie ſie aber an die naͤchſte Quelle kamen, ſtand daran: wer aus mir trinkt, wird ein Wolf. Da ſprach das Maͤdchen wieder, lie - ber, ach lieber Bruder trink nicht, ſonſt frißt du mich. Der Bruder ſprach: noch einmal will ich meinen Durſt bezaͤhmen, aber laͤnger kann ich nicht mehr; und ſie kamen zu einer dritten Quel - le, daran war geſchrieben: wer aus mir trinkt und iſt es ein Mann, wird er ein goldener Hirſch, iſt es ein Maͤdchen, wird es groß und ſchoͤn. Da legt ſich der Bruder nieder und trinkt und ſteht als ein goldener Hirſch auf, das Maͤdchen trinkt auch und wird noch ſchoͤner und groß, als waͤr es erwachſen. Dann legt es den Hirſch an ein Seil und fuͤhrt ihn fort, der Koͤnig ſieht den wunderbaren Hirſch und laͤßt ihn einfangen. Das Maͤdchen bleibt bei ihm und wird einmal behorcht, als ſie mit ihm ſpricht, da hoͤrt der Koͤnig, daß es die Schweſter von dem Goldhirſch iſt, und ver - maͤhlt ſich mit ihr. Die Mutter des Koͤnigs aber iſt neidiſch und will ſie verderben, ſie giebt ihr eine haͤßliche Geſtalt und macht, daß ſie ſoll ge - toͤdtet, der Hirſch aber vom Metzger geſchlachtet werden. Die Unſchuld aber kommt an den Tag, die Schwiegermutter wird in eine mit ſchar - fen Meſſern angefuͤllte Tonne gethan und einen Berg herabgerollt.

Zu Rapunzel. No. 12.

im Pentamerone II, 1. (Petrosinella), wo vieles anders und beſonders die zweite Haͤlfte lebendiger iſt, als im deutſchen Maͤrchen. Dieſes hat ſchonIX Friedr. Schulz in ſ. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz. 1790. S. 269 88. nur zu weitlaͤuftig erzaͤhlt, wie - wohl ohne Zweifel aus muͤndlicher Sage. Wie weit uͤbertrifft es dennoch ſeine uͤbrigen Maͤr - chen! Eins in Buͤſchings Sammlung hat an - fangs S. 287. einige Zuͤge aus dem unſrigen, ge - raͤth aber bald nachher heraus und in den fran - zoͤſiſchen Stil.

Zu Haͤnſel und Gretel. No. 15.

haͤngt genau mit einigen Daumlingsſagen, beſonders dem franzoͤſ. kleinen poucet zuſammen. Der ganz doppelartige Charakter des Daumerling (pulga - rejo[Pollux]) erſcheint ſchon in der uralten Mythe und geht z. B. in unſerer Sprache nur halbrecht in[Dummling], Duͤmmling uͤber, waͤhrend das alte thumb, wie noch jetzt das Engliſche, eine mildere Bedeutung hat. Die eigentliche Ausfuͤhrung ei - ner ſo merkwuͤrdigen Fabel wuͤrde hier zu viel ab - leiten.

Oberlin giebt ein Stuͤck dieſes Maͤrchens nach dem Dialect der Gegend von Luͤneville[in] ſeinem[Essai], sur le patois.

Auch in deutſchen Erzaͤhlungen wird Haͤnſel als ein Daumling dargeſtellt. Es ſind ſechs Kin - der, er iſt das ſiebente. Wie ſie im Wald beim Menſchenfreſſer ſind, ſollen ſie ihn friſiren, der Daumling aber ſpringt ihm ins Haar, zupft ihn und kommt immer wieder. Darauf Nachts die Verwechslung der ſieben Kronen mit den ſieben rothen Kappen. In den Meilenſtiefel thut der Daumling alle Geldbeutel und Koſtbarkeiten.

Zu Fix und Fertig. No. 16.

aͤhnlich damit No. 64, II. daſſelbe Maͤrchen aber in dem juͤdiſchen Maaſaͤhbuch c. 134. vom Rabbi Chanina, nur wird der Koͤnig aufmerkſam auf die Prinzeſſin mit den goldenen Haaren, durch ein einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf die Achſel fallen laͤßt. Bei Straparola mit eini - ger Veraͤnderung in den Motiven von LivoretX III, 2. Dann auch in den modernen franz. Maͤr - chen der Aulnoi.

Zur weißen Schlange. No. 17.

Die Sagen von ſprechenden Voͤgeln, die den Men - ſchen rathen und ihr Schickſal verkuͤndigen, ſind unzaͤhlig und koͤnnen hier nicht abgehandelt wer - den. Die Menſchen lernen dieſe Sprache haupt - ſaͤchlich auf zwei Arten: 1) durch das Eſſen eines Herzens von einem Drachen, z. B. Siegfried, oder Vogel, ſ. unten No. 60.); 2) oder einer wei - ßen Schlange, wie hier und in einer merkwuͤrdi - gen, hannoͤveriſchen Volksſage von der Seeburg, die wir anderwaͤrts mittheilen werden. Ganz hier - her gehoͤrt auch die maͤrchenhafte, altnordiſche Sa - ge von Kraka und ihren beiden Soͤhnen, Roller und Erich.

Zum Strohhalm. No. 18.

Vergl. No. 80. Dieſes und aͤhnliche Maͤrchen (No. 23. 43. ) entſcheiden freilich den Punct, ob außer den Thieren, auch Pflanzen und andere Dinge zur Fabel gehoͤren koͤnnen.

Zum Fiſcher un ſine Fru. No. 19.

Dieſes Maͤrchen welches der ſeel. Runge aus der pommerſchen Mundart treflich niedergeſchrie - ben, theilte uns Arnim im Jahr 1809 freundſchaft - lich mit, von demſelben durch v. d. Hagen erhielt es auch Buͤſching und hat es in ſeiner Sammlung wiewohl nicht ohne Fehler abdrucken laſſen. Die Fabel ſelbſt, deren Eingang merkwuͤrdig an eine der N. 1001, No. 9. ꝛc. ꝛc. ſo wie an die walli - ſiſche von Talieſin erinnert, wird auch in hieſiger Gegend ſehr haͤufig, aber unvollſtaͤndiger, doch mit einigen Abaͤnderungen erzaͤhlt. Es heißt: vom Maͤnnchen Dominē ſonſt auch von Hans Dudel - dee) und Frauchen Dindĕrlindē. Domine klagt uͤber ſein Ungluͤck und geht hinaus an den See, da ſtreckt ein Fiſchchen den Kopf hervor:XI

was fehlt dir Maͤnnchen Domine?
ach daß ich im Pispott wohn, thut mir ſo
weh.
ſo wuͤnſch dir was zu haben.
ich wills nur meiner Frau erſt ſagen.

nun geht er heim, wuͤnſch uns ein beſſeres Haus ſagt Dinderlinde. Am See ruft er:

Fiſchchen, Fiſchen, an der See!
was willſt du Maͤnnchen Domine?

nun gehen die Wuͤnſche an, aber es ſind mehr, erſt Haus, dann Garten, dann Ochſen und Kuͤh, dann Laͤnder, u. ſo fort alle Schaͤtze der Welt. Wie ſie ſich ausgewuͤnſcht haben, ſagt das Maͤnnchen: nun moͤcht ich der liebe Herrgott ſeyn, und mein Frau - chen Mutter Gottes Da ſtreckt das Fiſchchen den Kopf heraus und ruft:

willſt du ſeyn der liebe Gott?
ſo geh wieder in deinen Pispott.

Das Motiv von der Frau, die ihren Mann zu hohen Wuͤrden reitzt, iſt gewiß uralt, von Eva und der etruriſchen Tanaquil (Livius 1, 47.) bis zur Lady Macbeth.

Zu dem tapfern Schneider. No. 20.

Die erſte Erzaͤhlung iſt genommen aus einem ziemlich ſeltenen, kleinen Buch: Wegkuͤrzer, ein ſehr ſchoͤn luſtig und aus der Maßen kurzweilig Buͤch - lein durch Martinum Montanum von Straß - burg 12. von 1557. Bl. 18 25. Wir kennen noch eine andere Ausgabe von 1607. In einem daͤniſchen Volksbuch iſt dieſelbe Geſchichte gereimt, Nyerup ſpricht davon in ſeiner Abhandlung uͤber die daͤniſchen Volksbuͤcher (Iris und Hebe 1796. Octob. S. 36) Es iſt da ein Schuhmacher, der mit ſeinem Knieriemen 15 Fliegen auf einen Schlag toͤdtet. Er beſteht erſt den Eber, der eine ſchlaf - erweckende Frucht frißt, dann das Einhorn, zuletzt einen Baͤren, den er in einen Ziegelbrennerofen einſperrt. Die hier folgende hollaͤndiſche Recenſion iſt aus einem Amſterdammer Volksbuch: Van kleyn Kobisje alias Koningh ſonder Onderzaten S. 7 14. Sie hat, wie man ſieht, wieder ihre Eigen -XII thuͤmlichkeiten. Zu beklagen iſt, daß die zweite Er - zaͤhlung, nach muͤndlicher Mittheilung, nur ein Fragment giebt, ohne Zweifel waͤre das Ganze recht gut. Bei der gluͤcklichen Jagd denkt man auch an den feigen Waldemar in der Wilkinaſaga, (235.) der auf den Hirſch zu ſitzen kam.

Van kleyn Kobisje.

Kleyn Kobisje ſittende aen de Naaybank hy ſcheld een Appel ende laet de Schel van die op de Naaybank liggen, hy maeckt een Vliegeſlager, en alſoo 'er Vliegen op de Appelſchel quamen om die af te keeren, ſlaet' er net in eenen Slag ſeven ge - lyk; ſpringt van de Naaybank, oordelde dit een Romeyn-ſtuk te zyn, denkt noch hier door een groot Man te worden, verkoopt al wat hy heeft, en laet 'er een cierlyk Schild van maken, en liet' er opſetten: jck heet Kobisjen den onver - ſaagden, ick ſla der ſeven met eenen Slagh. Treckt doen in een ver Landt, daer den Koningh Meeſter was, bind doen dit Schild op ſyn Borſt, ende gaet achter des Konings Paleys, tegen een hoogen Heuvel aen leggen, daer hy wiſt dat de Koningh gewoon was ordinaris heen te ſien; ende alſo de Son ſterck ſcheen, en wiſt de Koningh niet wat daer ſo flikkerde, ſend terſtond een Edel - man derwaerds. Hy by hem komende wierd ver - vaert in dit te leſen: ick heet Koningh onver - ſaagd, ick ſla der ſeven met een Slagh. Gaet wederom, verhaelt den Koningh dit vorgaen - de, die terſtond 2 a 3 Compagnien Soldaten daer henen ſond, om hem wacker te maken, en met een beleeft Onthael ten Hove te geleyden, met ſooda - nigh Reſpect, als ſulcken Cavalier toekomt Sy trecken op's Koninghs Bevel henen, by hem ko - mende en dorſten hem, ofte niemand en wil de eerſte weſen, om hem aen te ſpreken. Maer eenen uyt den Hoop was ſoo couragieus, dat hy een Pieck nam ende ſtiet hem tegens de Sool van ſyn Schoen. Hy ſpringht op met groote Kracht, ſy vallen op haer Knyen, ende biddem hem, hy be - liefden eens by den Koningh te komen, het welckeXIII geſchieden. By den Koningh nu zynde, was hy in groot Aenſien. Ondertuſſchen word hem voor - gehouden, hy kon des Koninghs Zwager worden, maer daer waren drie zware Dingen te doen, die moeſt hy voor den Koningh uytwercken. Voor eerſt ſoo was 'er een wild Vercken, dat ſeer veel quaed dede, en niemand vangen kon. Ten twee - den waren' er drie Reuſen, die het in het Bosch des Koninghs ſoo onvry maekten, dat 'er niemand door konde r[e]yſen, of was een doodt Man. Ten derden waren 'er ettelyke duyſend vreemde Volcke - ren in het Landt gevallen, en ſoo't ſcheen, ſtond het Ryck in groot Peryckel. Dit neemt hy aen om uyt te voeren. Word den Wegh aengeweſen, daer het wild Vercken was. Gaet met een groote Cou - ragie uyt 't Hof. Hy was qualyck ſoo ver, dat hy 't Vercken hoorde, of wenſchte ſich ſelve weer aen ſyn Naaybank. 't Vercken komt met ſulcken Furie op hem aenlopen, dat hy na een goed Heen - komen ſagh, ſiet een vervallen Kapel, en vlucht daer in. Het Vercken hem na. Hy met' er Haaſt vlieght door het Venſter over de Muur ende haelt de Deur van de Kapel toe. Doen was 't Ver - cken vaſt, en komt by den Koningh, die hem vraegh - de, hoe hy 't Vercken gevangen had? voer altoos uyt: ick greep het met groote Kracht by de Hai - ren of Borſtelen en wierp 't in de Kapel, en ick heb't niet willen dooden, om u voor een Preſent te vereeren Groote Vreugd was 'er in 't Hof. Gaet na de Reuſen, en tot en Geluck vond haer ſlapende. Neemt ſyn Sack, vult die met Steenen. Klimt op eenen hoogen Boom, werpt den eenen, die meenden dat het den anderen dede. Begint te kyven, hy ſou ſyn werpen laten of hy ſoude hem voor ſyn Ooren bruyen. Den tweeden word ook geworpen, begint te vloecken. De derde word met het ſelfde onthaelt. Staet op en treckt ſyn Degen. Vlieght den anderen aen, en ſteekt hem, dat hy doodt ter Aerden valt. Begint met den anderen ook, en door't lang Worſtelen vallen bey - de ter Aerden van Vermoeytheyd. Hy ſyn Kans ſiende, komt af en neemt van die dood was ſyn Rapier, en ſteekt die alle beyde doodt, en houdſeXIV den Kop af, gaet ſo weder na't Hof. Den Ko - ningh vraeghde hem, of het beſtelt was? antwoor - de ja. Men vraeghde hem; hoe hy't beſtelt had? Seyde aldus: ik nam den eenen by ſyn Beenen, en ick ſlveger den ander met, dat hy doodt ter Aerden viel, en den anderen heb ick met de ſelfde Munt betaelt En die ick by de Beenen had, half doodt zynde, ſmeet ick met ſulcken Kracht tegen een Boom, dat den Boom wel ſes Voet uyt de Aerde vloogh. De Vreughd was ſeer groot, ende men hielt hem voor de grootſte in't Hof. Hy maeck - ten hem wederom gereed, en den Adel van't Hof met hem, en daer toe een braef Heyrleger, daer hy Overſten van ſou zyn. Syn Afſcheyd geno - men hebbende, vingh't derde Stuck aen. Liet het Leger marcheeren, ende hy volghde te Paerd. Maer alſoo hy noyt een Paerd gereden hadde, wiſt hen qualyk in Poſtuur te houden. Gekomen zynde op de Plaets daer de Vyandt was, laet hy het Leger in Batalie ſtellen, hem wierd doe geboodſchapt, dat het alles in Order was. Wiſt niet, hoe hy't Paerd ſoude wenden. Treckt aen de verkeerde Zy - de des Tooms, en geeft het Paerd de Sporen, ſo dat het met een volle Galop na de Vyand liep. En alſoo hy den Toom van het Paerd niet vaſt en hield, greep hy onderwegen een houte Kruys, dat onder afbrack, en hield het ſoo vaſt in den Arm. Den Vyand hem ſiende, meende dat het de Duy - vel was, ende begonden te vluchten, en die't niet ontkomen en koſten, verdronken: ſtaken hare Sche - pen van de Wal af ende voeren ſoo wegh. Hy quam met den Zegen wederom by ſyn Adeldom, en't heele Leger, die hy zyn Victorie verhaelde, en hoe de Vyanden heel in Routen geſlagen waren. Hy komt by den Koningh, en verhaelt ſyn Victo - rie, die hem bedanckten. Voorts doet hy hem uyt - roepen voor Navolger en Nazaat tot de Kroon. Den Trouwdagh vaſt geſtelt zynde, maken daertoe groote Preparatien. Den Trouw gehouden heb - bende, was hy in groot Annſien, en altyd naeſt den Koningh. 't Geviel, dat Kobisje meeſt alle Nach - ten droomde, als dat hy noch aen de Naaybank ſat, en hem quam altydt noch het een of't anderXV in de Gedachten van ſyn Werck, luydkeels riep: Luſtigh, luſtigh, rep-je! noch ſes of ſeven, ſoo heb - je heyligh Avond! meende dat hy de Jongens iet te vouwen of te naajen gaf. De Dochter wierd vervaert, meenende dat den Duyvel in hem was, om dat hy ſoo al relde van luſtigh, luſtigh. Klaeght het haer Vader, dat hy haer een Boeke - binder gegeven had, en geen Heer van Staet. De Vader beſluyt een Compagnie Soldaten 2 a 3. by zyn Slacpplaets te leggen, om (ſoo't weer gebeur - de) hem gevangen te nemen, of dooden. Hy word hiervan gewaerſchouwt. Te Bed zynde, vaert al - dus uyt! ick heb een wildt Zwyn overwonnen, ick heb drie Reuſen gedoodt, ick heb een Leger van honderd duyſend Mannen verſlagen, en van deſe Nagt ſal' er nog 2 a 3 Compagnien Soldaten aen. Hy ten Bedde uytſtapt na haer toe, en gaet met groote Kracht. Sy hem hoorende, vielen Bol over Bol van boven neer. Die gene, die doodt bleven en Armen en Beenen verloren hadden, waren in groot Getal, en die het ontliepen, brochten den Koningh ſulken Boodſchap, die aldus uytvoer - myn Dochter behoord wyſer te weſen, datſe ſulken grooten Cavelier ſoo ſal affronteren. Ondertuſſchen den Koningh ſieck zynde, ſterft, laet hem tot Na - zaat van de Kroon, die Kobisje aenneemt en heeft ſyn Ryck in Ruſt geregeert.

Zum Aſchenputtel. N. 21

gehoͤrt unter die bekannteſten und wird aller En - den erzaͤhlt.

Schon Zeiler von Kaiſersberg ſchrieb ſein Eſchengrudel mit Beziehung darauf. S. Ober - lin v. Gruidlecht. Rollenhagen in der Vorrede zum Froſchmeuſeler unter den wunderbarlichen Haus - maͤrlein erwaͤhnt des: von dem verachten from - men Aſchenpoͤßel und ſeinen ſtolzen ſpoͤttiſchen Bruͤdern. Dieſe niederdeutſche Form des Namens leitet Schuͤtz im hollſt Idiot. 1, p. 50. von poͤ - ſeln, muͤhſam (die Erbſen aus der Aſche) ſuchen her. Adelung hat Aſkenpoͤſel, Aſkenpuͤſter, Aſkenboͤel und buͤel. Im hollſt. nach Schuͤtze:XVI Aſchenpoͤſelken und Sudelſoͤdelken, von ſoͤlen, ſudeln, weil es im Schmutz verderben muß. Die hieſige Mundart beſtaͤtigt auch Eſtor in ſ. oborheß. Woͤrterbuch v. Aſchepuddel, ein ge - ringfuͤgiges, unreines Maͤgd[l]ein. Noch mehr ober - deutſch iſt: Aſchenbroͤdel ſ. Adelung, und Ae - ſcherling unter welchem Namen man es auch neu - lich fuͤr die deutſche Buͤhne bearbeitet hat, freilich nach ſchlechtem franzoͤſiſchen Muſter. Der daͤniſche Name iſt Aſkefiis, ſchwed. Aſkefis. Verelius in den Noten zu[Gautreksſaga] S. 70. gedenkt der Volksſage: huru Aſkefifen fick Konungs - dottren[til] huſtru, es ſcheint daher umge - kehrt auf den Juͤngling die unterdruͤckte Jugend uͤbergetragen. Wie denn auch die Sprichwoͤrter -[ſitia] hemma i aſku, liggia ſom[kattur] i hreiſe, und liggia vid arnen, meiſt von[Koͤnigsſoͤhnen] gelten. ſ. Wilkinaſaga C. 91. von Thetleifr und Refsſaga (C. 9. der Gothreks S.) aus welcher Verelius alles andere herleiten will. Oberlin fuͤhrt eine Stelle v. Aſchenproͤdel an, woraus erhellt, daß auch im deutſchen auf Maͤnner der Namen bezogen wurde.

Perraults Cendrillon ou le petite pan - toufle de verre gehoͤrt nicht unter ſeine am beſten erzaͤhlten Maͤrchen, der Graͤfin d'Aulnoy Finnet - te Cendron wiewohl noch geringer der Form nach, enthaͤlt manche eigenthuͤmliche und reichere Nebenumſtaͤnde Wir werden davon im zweiten Band zu dem unvergleichbar ſchoͤneren Maͤhrchen Cennerentola (Pentamerone I, 6.) das Noͤthi - ge anmerken.

Auch eine polniſche Recenſion iſt uns bekannt, u. d. T. Kopciuszek, von Kopec Ruß, Rauch, in andern ſlav. Dialecten kopet, kopt, ſ. Linde v. Kopciuch und Brudny (ſchmutzig, Broͤdel.)

S. auch Allerlei-Rauh. No. 65,

Zum Kinderſchlachtſpiel. No. 22.

Die erſte Recenſion iſt aus einem alten Buche in den Berliner Abendblaͤttern von Kleiſt (1810. No. 39.) abgedruckt worden. Die zweite befindet ſich in Martin Zeilers Miscell. Nuͤrnberg 1661. S. 388. der ſie aus J. Wolf lectiones memorabiles. Laving. XVIILaving. 1600. fol. genommen Es wird hinzuge - ſetzt, der Papſt, der zur Zeit dieſer Geſchichte ge - lebt und ein fertiger Poet geweſen, habe verſucht ſie in ein Diſtichon zu bringen, es aber nicht ver - mocht. Da habe er einen ſtattlichen Preis dar - auf geſetzt, den ein armer Student verdienen wol - len, dieſer habe ſich auch lange umſonſt gequaͤlt, bis er endlich unmuthig die Feder weggeworfen und ausgerufen: kann ichs nicht, ſo mags der Teufel machen! Dieſer ſey alsbald erſchienen, habe geſagt er wolle es zu Stand bringen, die Fe - der aufgenommen und geſchrieben: sus, pueri bini, puer unus, nupta, maritus cultello, lympha, fune, dolore cadunt.

Neuerdings hat Werner in ſeinem Trauerſpiel der 24ſte Februar die alte Fabel benutzt und damit die Macht menſchlicher Poeſie gegen den Teufel bewaͤhrt.

Zum Maͤuschen, Voͤgelchen ꝛc. ꝛc. No. 23.

Aus Philanders von Sittewald Geſichten, Theil 2. ganz am Ende des ſiebenten Geſichts. Das Maͤrchen lebt aber auch noch muͤndlich fort, doch mit veraͤnderten Umſtaͤnden, namentlich wird es bloß vom Maͤuschen und Bratwuͤrſtchen erzaͤhlt, ohne das Voͤgelchen; das eine muß dieſe Woche kochen, das zweite die andere.

Zu der Frau Holle. No. 24.

Von dieſem Maͤrchen gibt es noch eine andere Erzaͤhlung: Es war einmal eine Frau die liebte nur ihre rechte, nicht aber ihre Stieftochter, hielt dieſe immer hart und ſuchte ſie los zu werden. Eines Tags ſetzte ſie beide Toͤchter an einen Brun - nen, da ſollten ſie ſpinnen: wer mir aber den Rocken hinunter fallen laͤßt, den werf ich hinten drein, ſagte ſie und band ihrer Tochter den Ro - cken feſt, der Stieftochter aber ganz loſe. Kaum hat dieſe ein bischen geſponnen, faͤllt ihr der Ro - ken hinab und die Stiefmutter iſt unbarmherzig genug und wirft ſie hinterdrein. Sie faͤllt tiefKindermärchen. BXVIIIhinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in ein Haus, wo niemand iſt, in der Kuͤche will die Suppe uͤberlaufen, will der Braten eben verbren - nen und der Kuchen im Backofen eben ſchwarz werden. Sie ſetzt die Suppe geſchwind ab, gießt Waſſer zum Braten, und nimmt den Kuchen her - aus und richtet an; ſo hungrig ſie aber iſt, nimmt ſie doch nichts davon außer ein paar Kruͤmchen, die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen ſind. Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren, die gewiß in einem Jahr nicht gekaͤmmt waren, und verlangt, ſie ſolle ſie kaͤmmen, aber nicht rup - fen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches ſie endlich mit vielem Geſchick zu Stande bringt. Nun ſagt die Nixe, ſie wolle ſie gern bei ſich be - halten, ſie koͤnne aber nicht, weil ſie die paar Kru - men gegeſſen habe; doch ſchenkt ſie ihr einen Ring und andere Sachen, wenn ſie den Nachts drehe, wolle ſie zu ihr kommen. Die andere Tochter ſoll nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen geworfen; ſie macht aber alles verkehrt, bezaͤhmt ihren Hunger nicht, und kommt dafuͤr mit ſchlechten Geſchenken zuruͤck.

Nach dieſer Recenſion iſt das Maͤrchen in der Naubertiſchen Sammlung I, 136 179. bearbei - tet und in der Manier der andern, aber recht an - genehm, erweitert. In der jungen Amerikanerin oder Verkuͤrzung muͤßiger Stunden auf dem Meer. Ulm 1765. Th. 1 iſt auch dies Maͤhrchen benutzt. Das Murmelthier (Ciron), ſo heißt das Stiefkind, muß die groͤbſte Arbeit verrichten, die Schafe huͤ - ten, und dabei eine gegebene Zahl geſponnener Faden mit nach Haus bringen. Das Maͤdchen ſetzt ſich oft an einen Brunnenrand, eines Tages will es ſich das Geſicht waſchen und faͤllt hinein. Als es wieder zu ſich kommt, befindet es ſich in einer Criſtallkugel unter den Haͤnden einer ſchoͤnen Brunnenfrau, der es die Haare kaͤmmen muß, da - fuͤr bekommt es ein koſtbares Kleid und ſo oft es ſeine Haare ſchuͤttelt und ſich kaͤmmt, ſollen glaͤn - zende Blumen herausfallen und wenn es in Noth iſt, ſoll es ſich herabſtuͤrzen und Huͤlfe bei ihr fin. den. Dann giebt ſie ihm noch einen Schaͤferſtab,XIX der die Woͤlfe und Raͤuber abwehrt, ein Spinn - rad und einen Rocken, der allein ſpinnt, endlich einen zahmen Biber, zu mancherlei Dienſten ge - ſchickt. Als Murmelthier mit dieſen Gaben Abends heim kommt, ſoll die andere Tochter ſich gleiche erwerben, und ſpringt in den Brunnen hinab, ſie geraͤth aber in Sumpfwaſſer, und wird wegen ih - res Trotzes begabt, daß ſtinkendes Rohr und Schilf auf ihrem Kopf waͤchſt, und wenn ſie eins aus - reißt, waͤchſt nur noch viel mehr. Nur Murmel - thier kann den haͤßlichen Schmuck auf 24 Stun - den vertreiben, wenn es ſie kaͤmmt, das muß es nun immer thun. Hierauf folgt die weitere Geſchichte des Murmelthiers, wozu wieder andere Maͤrchen benutzt ſind, es ſoll allzeit etwas gefaͤhr - liches ausrichten, aber durch Huͤlfe ſeiner Zauber - dinge, vollbringt es alles gluͤcklich.

Einige Aehnlichkeit im Ganzen mit dieſem Maͤr - chen hat auch das erſte in der Braunſchweiger Sammlung, und eins im Pentamerone.

Zu den drei Raben. No. 25.

hierzu vergl. man No. 11. und von dem Glas - berg wird ſonſt noch ſo erzaͤhlt: es war eine verzauberte Koͤnigstochter, die konnte niemand er - loͤſen, als wer den Glasberg erſtiegen haͤtte, wor - ein ſie gebannt war. Da kam ein junger Geſell ins Wirthshaus, zum Mittageſſen wurde ihm ein gekocht Huͤhnchen vorgeſetzt, alle Knoͤchlein davon ſammelte er ſorgfaͤltig, ſteckte ſie ein und ging nach den Glasberg zu. Wie er dabei angekom - men war, nahm er ein Knoͤchlein und ſteckte es in den Berg und ſtieg darauf, und dann als ein Knoͤchlein und als eins, bis er ſo faſt ganz hin - aufgeſtiegen war, aber er hatte nur noch eine ein - zige Stufe uͤbrig, da fehlte ihm ein Knoͤchelchen vom Huͤhnchen, worauf er ſich den kleinen Finger abſchnitt und in den Glasberg ſteckte, ſo kam er vollends hinauf und erloͤſte die Prinzeſſin. So erloͤſt Sivard ſtolt Bryniel af Glarbierget, in - dem er mit ſeinem Fohlen hinaufreitet; in einem dithmarſer Lied kommt vor:B 2XX

ſo ſchalſt du my de Glaſenburg
mit eenen Perd op rieden;

Wolfdieterich wird in einen Graben gezaubert, da waren:

vir perg vmb jn geleit
die waren auch gleſſeine
vnd waren hel und glat,

nach dem Dresdn. Wolfd. ſtr. 289; im gedruckten heißt es ſtr. 1171.:

mit glaſſe was fuͤrware
burg und grabe uͤberzogen,
es mocht nichts wan zum tore
ſein in die Burg geflogen.

Dies erinnert an die rabbiniſche Mythe vom Scha - mir, womit der Auerhahn das Glas ſprengt, das man ihm uͤber ſein Neſt gelegt. (ſ. auch Reinfried v. Braunſchweig) Koͤnig Artus wohnt bei der Fee Morgan auf der Glasinſel, und leicht iſt gar ein Zuſammenhang, nicht bloß im Wort, mit dem nordiſchen Glaͤſis woll, wovon anders - wo.

Zu dem ganzen Maͤrchen gehoͤrt aus dem Pen - tamerone hierher IV, 8.[li sette] palommielle, wo Cianna gleichfalls in der Welt herumzieht, ihre 7 Bruͤder zu erloͤſen, nebſt einer Menge eigenthuͤm - licher, ſchoͤner Wendungen. Wenn das Schweſter - chen hier an das Weltende gelangt, ſo vergl. man dazu, was zu No. 1. aus dem ſchottiſchen bemerkt worden. Auch Fortunatus reiſt ſo weit, bis er endlich nicht mehr weiter konnte, und Nierup S. 231. bemerkt dazu folgende Stelle aus einem Lied:

gamle Sole ligge der,
og forſlidte Maaners Haͤr,
hvoraf Stjerner klippes.

hierzu ein anderes im Wunderhorn I, 300. ſonſt auch von hohen Bergen, die bis an den Mond reichen, im Titurel einmal:

ſwer gar der erde ende
ſo tiefe ſich geneiget,
der vindet ſunder wende,
daz er antarcticum wol vingerzeiget.

Voß in ſeiner Abhandlung uͤber die alte Weltkun -XXI de giebt folgende Fragmente: die Spinnmaͤdchen erzaͤhlen von einem jungen Schneidersgeſel - len, der auf der Wanderſchaft immer weiter und weiter ging, und nach mancherlei Abenteuern mit Greifen, verwuͤnſchten Prinzeſſinnen, zaubernden Zwergen und grimmigen bergeſchaufelnden Rieſen zuletzt das Ende der Welt erreichte. Er fand ſie nicht, wie die gewoͤhnliche Meinung iſt, mit Bret - tern vernagelt, durch deren Fugen man die heil. Engel mit Wetterbrauen, Blitzſchmieden, Verar - beitung des alten Sonnenſcheins zu neuem Mond - lichte und des verbrauchten Mond - und Sternen - ſcheins zu Nordlichtern, Regenbogen und hellen Daͤmmerungen der Sommernaͤchte beſchaͤftigt ſieht. Nein, das blaue Himmelsgewoͤlbe ſenkte ſich auf die Flaͤche des Erdbodens wie ein Backofen. Der Mond wollte eben am Rande der hohlen Decke aufgehn, und der Schneider ließ ſich geluͤſten, ihn mit dem Zeigefinger zu beruͤhren. Aber es ziſchte, und Haut und Fleiſch war bis an den Na - gel hinweggeſengt. Ein Theil der Fabel erin - nert auch an das Altdaͤn. Lied von Verner Ravn, der von der Stiefmutter verflucht war, und dem die Schweſter ihr kleines Kind giebt, durch deſſen Auge - und Herzblut er ſeine menſchliche Geſtalt wieder erlangte.

Hieran ſchließen wir noch eine maͤrchenhafte Erzaͤhlung vom Mond an, die in Menanders Frag - menten oder in Plutarchs kleinen Abhandlungen erhalten iſt, wozu man gleichfalls eine aͤſopiſche Fabel (edid Furia 396.) vergleiche. Der Mond ſprach einmal zu ſeiner Mutter: die Naͤchte ſind ſo kalt, ich friere, mach mir doch ein warmes Kleid! Sie nahm das Maaß, und er lief fort, wie er aber wieder kam, war er ſo groß gewor - den, daß das Roͤcklein nirgends paſſen wollte. Da fing die Mutter an, und trennte die Naͤhte und ließ aus, allein die Zeit waͤhrte dem Mond zu lange, und er ging wieder fort ſeines Weges. Emſig naͤhte die Mutter am Kleid, und ſaß man - che Nacht auf beim Sternenſchein. Der Mond kam zuruͤck, und hatte viel gelaufen, und hatteXXII darum viel abgenommen, war ſchmaͤchtig und bleich geworden, das Kleid war ihm alſo viel zu weit, und die Ermel ſchlotterten uͤber die Knie. Da war die Mutter boͤs, daß er ſie ſo zum Nar - ren habe, und verbot ihm, je wieder ins Haus[zu] kommen. Deswegen muß nun der arme Schelm nackt und bloß am Himmel laufen, bis daß jemand kommt und ihm ein Roͤcklein kauft.

Zum Rothkaͤppchen. No. 26.

Dieſes Maͤrchen haben wir außer unſerer muͤnd - lichen Sage, was zu wundern iſt, nirgends ange - troffen, als bei Perrault (chaperon rouge) wonach Tiecks Bearbeitung.

Der Tod und der Gaͤnshirt. No. 27.

Aus Harsdoͤrfer, der große Schauplatz jaͤm - merlicher Mordgeſchichten. Hamburg 1663. Seite 651. 652.

Zu dem ſingenden Knochen. No. 28.

In einem altſchottiſchen Lied kommt dieſelbe Idee vor; aus dem Bruſtbein der erſaͤuften Schwe - ſter macht ein Harfner eine Harfe, die ſpielt dar - auf von ſelbſt, und ruft weh uͤber ihre Schweſter. (Scotts minstrelsy II, 157 162.)

Zu dem Teufel mit den drei goldenen Haaren. No. 29.

Ein aͤhnliches Maͤrchen theilt Herr Buͤſching in ſeiner Sagenſammlung No. 59. mit, ebenfalls wie er verſichert, aus muͤndlicher Ueberlieferung. Es leidet aber keinen Zweifel, daß es, wie es dort er - ſcheint, vorſaͤtzlich erweitert und vermuthlich nach einem franzoͤſ. Buch erzaͤhlt worden. Der Paſte - tenbaͤcker, der fuͤr Deutſche nirgends eine maͤrchen - hafte Perſon iſt, noch ganz franzoͤſ. Wendungen in der Sprache, vor allem aber die verwickelten und angehaͤuften Bedingungen bei Aufloͤſung des Zaubers, die ganz unepiſch[ſind], machen dies klar. XXIIIWas wir hier nach muͤndlicher Erzaͤhlung mitthei - len, iſt reiner, wiewohl immer noch etwas fremd - artiges in dem Ganzen durchblickt. Eine abwei - chende Recenſion iſt No. 75. vom Vogel Phoͤnix.

Zum Maͤdchen ohne Haͤnde. No. 31.

mit andern Umſtaͤnden, doch nicht ſo ſchoͤn, im Pentamerone III, 2. (la penta mano mozza). Un - ſer Maͤrchen iſt die volksmaͤßige Quelle, woraus die im Mittelalter ſo bekannten Fabeln von der ſchoͤnen Helena, Mai und Beaflor u. a. entſprun - gen ſind. Eine weitere Ausfuͤhrung dieſes Zuſam - menhangs muͤßte bei der Ausgabe eines der bei - den letztgenannten Gedichte gegeben werden. Der unſerer Erzaͤhlung eigenthuͤmliche Umſtand mit dem Verſprechen deſſen, was hinter der Muͤhle ſtand, erinnert an die altnordiſche Alfskongs Sage cap 1. wo Hott fodert, von der ſchwangern Signy, das was zwiſchen ihr und dem Bierfaß ſey. In daͤni - ſchen Volksliedern aͤhnliche Verſprechungen.

Zum geſcheidten Hans. No. 32.

Die zweite Erzaͤhlung iſt aus Frei's Garten - geſellſchaft. cap. 1. In Kirchhofs Wendunmuth I, No 81. ſteht ſie ebenfalls nur mit andern Wor - ten. Im Pentamerone I, 4 (Vardiello) die naͤm - liche Idee, mit ſchoͤnen Varianten. Die ver - ſchiedenen Thaten Hanſens in der erſten Erzaͤh - lung werden bald mehr, bald weniger vollſtaͤndig, oder in anderer Ordnung und Wendung gehoͤrt, ſo erzaͤhlt man von einer Ziege, die er ins Bett legt ꝛc. Vergl. auch facet. Bebel. Amsterd 1651. 12. p. 47 49.

Wahrſcheinlich bezieht ſich auf dieſes Maͤrchen die Erwaͤhnung des Rollenhagen in der Vorrede zum Froſchmeuſler: vom albern und faulen Hein - zen.

Zum geſtiefelten Kater. No. 33.

Dies Maͤrchen gehoͤrt unter die bekannteſten und verbreitetſten. Perrault hat es in ſ. chatXXIV botté gut erzaͤhlt, aber Baſile mit vielen Abwei - chungen aus der italieniſchen Sage, Pentam. II, 4. Gagliuso) wo nur zwei Soͤhne ſind. Der aͤl - teſte, aber nicht beſte Erzaͤhler iſt Straparola N. IX 1. von Conſtantino. Man hat auch deutſche gedruckte Ueberſetzungen nach Perrault, wo nur der Graf Carabas in einen Sabarak umgedreht iſt. Tiek hat es dramatiſch bearbeitet.

Zu Sperling und ſeine vier Kinder. No. 35.

Aus Schuppii Schriften. (Fabul Hans. S. 837. 38.)

Zum Tiſchchen deck dich. No. 36.

Bei dieſem und dem folgenden Maͤrchen erin - nert man ſich an eine große Menge aͤhnlicher My - then von wunderbaren Sachen, deren inne - rer Zuſammenhang eine umſtaͤndliche Unterſuchung verlangen wuͤrde. Mit dem Hauptgang der unſri - gen hat ſonderlich das erſte Maͤrchen im Penta - merone eine ſichtbare Aehnlichkeit.

Zu der Serviette, dem Kanonenhuͤtlein und dem Horn. No. 37.

Der Schluß hat eine deutliche Uebereinſtim - mung mit dem Fortunat. Ein daͤniſches Volks - blatt aus Kopenhagen: Lykkens flyvende Fane. Hiſtorie om tre fattige[Skraedere], der[ved] Pille - grimsrejſe kom til ſtor Vaerdighed og Velſtand: erzaͤhlt das Maͤrchen folgendergeſtalt: drei arme Schneider, die am Handwerk nicht viel verdienen, nehmen Abſchied von Weib und Kind, wollen in die Welt ziehen und ihr Gluͤck verſuchen Sie kommen in eine Wuͤſte zu einem Berg, wo ein Zauberer wohnt, der Berg ſteht Sommer und Winter gruͤn, voll Blumen und Fruͤchten und um Mittag und Mitternacht wird alles zu dem fein - ſten Silber. Der aͤlteſte fuͤllt ſich ſeinen Buͤndel, und alle Taſchen mit den ſchoͤnſten Silber-BlumenXXV und Fruͤchten, geht nach Haus, wirft Nadel und Buͤgeleiſen unter den Tiſch, und wird ein reicher Handelsmann. Die zwei andern denken zu dem Berg koͤnnen wir wieder, wenn wir wollen, zu - ruͤckgehen, wir wollen unſer Gluͤck weiter verſu - chen und wandern fort Sie kommen zu einer großen Eiſenpforte, die geht von ſelbſt auf, nach - dem ſie dreimal daran geklopft. Sie treten in ei - nen Garten, da haͤngen die Baͤume voll Goldaͤpfel. Der zweite Schneider bricht ſich ſo viel ab, als ſein Ruͤcken tragen kann, nimmt Abſchied und geht heim. Dort begiebt er ſich auch zum Handel, und wird ein noch groͤßerer Kaufmann, als der erſte, ſo daß man glaubt, der reiche Jude zu Hamburg ſtamme von ihm ab. Der dritte aber meint, der Garten mit den Goldaͤpfeln bleibt mir ſicher, ich will noch weiter nach meinem Gluͤck gehen; er irrt in der Wuͤſtenei umher, und als er den Gar - ten und den Silberberg wieder ſucht, kann er ihn nicht finden. Endlich kommt er zu einer großen Anhoͤhe, und hoͤrt auf einer Pfeife blaſen, er geht naͤher und findet eine alte Hexe, die pfeift vor ei - ner Heerde Gaͤnſe, die bei dem Ton mit den Fluͤgeln ſchlugen, und auf der Alten auf und nieder tanz - ten. Sie hatte ſich ſchon 94 Jahre auf der Hoͤhe mit dem Tod herumgezerrt, und konnte nicht ſter - ben, bis die Gaͤnſe ſie todt getreten, oder ein Chriſt kam, der ſie mit Waffen todt ſchlug. So - bald ſie ſeine Schritte hoͤrt, und er ſo nah iſt, daß ſie ihn ſieht, bittet ſie ihn, wenn er ein Chriſt ſey, moͤge er ſie mit der Keule, die an ihrer Sei - te da ſtehe, todtſchlagen. Der Schneider will nicht, bis ſie ihm ſagt, er werde unter ihrem Haupt ein Tuch finden, welches, wie er es wuͤnſche, auf ein paar Worte, voll der[koͤſtlichſten] Speiſen ſtehe; da giebt er ihr einen Schlag auf den Hirnſchaͤdel, ſucht und findet das Tuch, packt es gleich in ſei - nen Buͤndel, und macht ſich auf den Heimweg. Ein Reuter begegnet ihm und bittet ihn um ein Stuͤck Brot, der Schneider ſagt: liefere mir dei - ne Waffen aus, ſo will ich mit dir theilen, der Reuter, der doch Pulver und Blei im Krieg ver - ſchoſſen, thut das gern, der Schneider breitet ſeinXXVI Tuch aus, und tractirt den hungrigen Kriegs - mann. Dieſem gefaͤllt das Tuch, und er bietet dem Schneider dafuͤr ſeine wunderbare Patronta - ſche zum Tauſch, wenn man auf die eine Seite klopft, kommen hunderttauſend Mann zu Fuß und Pferd heraus, klopft man auf die andere aller Art Muſikanten. Der Schneider willigt ein, aber nach - dem er die Patrontaſche hat, beordert er zehn Mann zu Pferd, die muͤſſen dem Reuter nachja - gen und ihm das Tuch wieder abnehmen. Der Schneider kommt nun nach Haus; ſeine Frau wundert ſich, daß er ſo wenig auf der Wander - ſchaft gewonnen. Er geht zu ſeinen ehemaligen Cammeraden, die unterſtuͤtzen ihn reichlich, daß er eine Zeitlang davon mit Frau und Kind leben koͤnne. Er aber ladet ſie darauf zum Mittags - eſſen, ſie moͤgten nicht ſtolz ſeyn, und ihn nicht verſchmaͤhen, ſie machen ihm Vorwuͤrfe, daß er al - les auf einmal verſchlemmen wolle, doch verſpre - chen ſie zu kommen. Wie ſie ſich zur beſtimmten Zeit einfinden, iſt nur die Frau zu Haus, die gar nichts von den Gaͤſten weiß und fuͤrchtet, ihr Mann ſey im Kopf verwirrt. Endlich kommt der Schneider auch, heißt die Frau die Stube eilig rein machen, gruͤßt ſeine Gaͤſte und entſchuldigt ſich, ſie haͤtten es zu Haus beſſer, er habe nur ſe - hen wollen, ob ſie nicht ſtolz durch ihren Reich - thum geworden. Sie ſetzen ſich zu Tiſch, aber es kommt keine Schuͤſſel zum Vorſchein, da breitet der Schneider ſein Tuch aus, ſpricht ſeine Worte, und im Augenblick ſteht alles voll der koſtbarſten Speiſen. Ha! ha! denken die andern, iſts ſo ge - meint, du biſt nicht ſo lahm, als du hinkſt, und verſichern ihm Liebe und Bruͤderſchaft bis in den Tod. Der Wirth ſagt, das ſey gar nicht noͤthig zu verſichern, dabei ſchlaͤgt er der Patrontaſche auf eine Seite, alsbald kommen Spielleute und machen Muſik, daß es eine Art hat. Dann klopft er auf die andere Seite, kommandirt Artillerie und hunderttauſend Soldaten, die werfen einen Wall auf und fuͤhren Geſchuͤtz darauf, und ſo oft die drei Schneider trinken, feuern die Konſtabeler ab. Der Fuͤrſt wohnte 4 Meilen davon und hoͤrt denXXVII Donner, alſo meint er die Feinde waͤren gekom - men, und ſchickt einen Trompeter ab, der bringt die Nachricht zuruͤck, ein Schneider feiere ſeinen Geburtstag, und mache ſich luſtig mit ſeinen gu - ten Freunden. Der Fuͤrſt faͤhrt ſelbſt hinaus, der Schneider tractirt ihn auf ſeinem Tuch; dem Fuͤrſt gefaͤllt das, und er bietet dem Schneider Laͤnde - reien und reichliches Auskommen dafuͤr, der will aber nicht, ſein Tuch iſt ihm lieber, da hat er kei - ne Sorge, Muͤh und Verdruß. Der Fuͤrſt faßt ſich kurz, nimmt das Tuch mit Gewalt und faͤhrt fort. Der Schneider haͤngt aber ſeine Patronta - ſche um und geht damit an des Fuͤrſten Hof, und bittet um ſein Tuch, bekommt aber einen Buckel voll Schlaͤge. Da lauft er auf den Wall des Schloſſes, laͤßt zwanzigtauſend Mann aufmarſchi - ren, die muͤſſen ihre Stuͤcke gegen das Schloß richten, und drauf los feuern. Da laͤßt der Fuͤrſt das Tuch herausbringen und demuͤthig bitten mit dem Feuer einzuhalten. Der Schneider laͤßt nun ſeine Mannſchaft wieder ins Quartier ruͤcken, geht heim und lebt vergnuͤgt mit den zwei andern Schneidern.

Zur Frau Fuͤchſin. No. 38.

Dies gewiß uralte Maͤrchen, deſſen uͤberaus wichtiger Zuſammenhang mit dem altfranzoͤſiſchen, nie gedruckten, roman du renard in unſerer be - vorſtehenden Ausgabe dieſes Gedichts abgehandelt werden ſoll, iſt uns ſo vielmal erzaͤhlt worden, daß jede Recenſion ihre Eigenthuͤmlichkeit hat. Die zwei bedeutendſten Recenſionen, wovon die letzte ſich noch faſt ganz in Reimen erhalten, ha - ben wir mitgetheilt, die meiſten Abweichungen laufen dahin aus, daß der alte Fuchs wirklich, oder nur ſcheintodt (wie im altfranzoͤſ. Lied) iſt, und daß entweder bloß Fuͤchſe, oder auch andere Thiere Freiens vorgeben. Im letzten Fall ſind die Fragen der Fuͤchſin oft genauer wie ſieht er denn aus, hat er auch ein roth Kaͤppchen auf? ach nein, ein weiß Kaͤppchen (der Wolf) hat er denn ein roth Camiſoͤlchen an? nein,XXVIII ein gelbes (der Loͤwe), die Anrede der Katze im Eingang:

Frau Kitze, Frau Katze,
ſchoͤn Feuerchen hatſe,
ſchoͤn Fleiſchchen bratſe;
was macht die Frau Fuchs.

Auch:

was macht ſie da, mein Kaͤtzchen?
ſitze da, waͤrme mir das Taͤtzchen.

Nachher:

da lief das kleine Kaͤtzelein,
mit ſeinem krummen Schwaͤnzelein,
die Treppe hoch hinauf.
Frau Fuͤchſin, iſt ſich drunten ein ſchoͤ -
nes Thier,
geſtaltet wie ein ſchoͤner Hirſch vor mir.

Ach nein, ſagt Frau Fuͤchſin, und haͤlt dem alten Herrn einen Lobſpruch, worin ſie ſeine mancherlei Tugenden erwaͤhnt. Nach dem die verſchiedenen Thiere ſind, wird immer etwas anderes vom Fuchs gelobt.

Zum Herrn Gevatter. No. 42.

Dieſes und das folgende Maͤrchen haben in der Hauptſache, große Aehnlichkeit. Der Umſtand mit den Hexenhoͤrnern leitet auch ein anderes Maͤrchen folgendergeſtalt ein: eine Hexe hatte ein junges Maͤdchen bei ſich, und vertraute ihm alle Schluͤſſel an, verbot ihm jedoch eine Stube wie im Blau - bart) Allein aus Neugier machte es eines Tags die Thuͤre auf, da ſah es die Hexe ſitzen, mit zwei großen, großen Hoͤrnern auf dem Kopf. Die Hexe wird wuͤthend und ſchließt es in einen hohen, ho - hen Thurm gefangen ein, woran keine Thuͤre war, wenn ſie ihm nun zu Eſſen bringt, ſo muß es ſei - ne langen Haare aus dem Fenſter herunterlaſſen, woran die Hexe hinaufſteigt, denn die Haare wa - ren 20 Ellen lang, (ſo geht es in das Rapunzel - maͤrchen uͤber.)

Zu dem Schneider Daumerling. No. 45.

Verwandt ſcheint damit ein daͤniſches kleines Volksbuch, welches Nyerup, Iris und Hebe 1796. Juli S. 88 anfuͤhrt, der Titel lautet:

XXIX

Svend Tommling ꝛc. (ein Menſch nicht groͤßer als ein Daumen, der ſich verheirathen will mit ei - ner Frau drei Ehlen und drei Quartier hoch; kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der Seite; treibt den Pflug, wird von einem Gutsbe - ſitzer gefangen, der ihn in ſeiner Schupftabacks - doſe verwahrt, er huͤpft heraus und faͤllt auf ein Ferkel, und das wird ſein Reitpferd.)

Zum Machandelboom. No. 47.

Machandel iſt Wachholder (nicht Mandel), Marleenken Marianchen, Marie Annchen. Die - ſes wunderſchoͤne Maͤrchen iſt uns von Runge mitgetheilt worden. Die Geſchichte wird auch in hieſigen Gegenden haͤufig, ſelten aber ſo vollſtaͤn - dig erzaͤhlt, ſo daß ſich etwa nur noch hinzuſe - tzen ließe, daß das Schweſterchen die Knochen an einem rothſeidenen Faden zuſammenreiht. Der Vers lautet:

meine Mutter kocht mich,
mein Vater mich,
Schweſterchen unterm Tiſche ſaß,
die Knoͤchlein all all auflas,
warf ſie uͤbern Birnbaum hinaus,
da ward ein Voͤgelein draus,
das ſinget Tag und Nacht.

In einer Stelle von Goͤthes Fauſt S. 225, wozu unſer Maͤrchen den Commentar liefert, und die der Dichter unſtreitig aus altem Hoͤrenſagen aufnahm, lautet es ſo:

meine Mutter die Hur,
die mich umgebracht hat,
mein Vater der Schelm,
der mich geſſen hat,
mein Schweſterlein klein
hub auf die Bein,
an einem kuͤhlen Ort,
da ward ich ein ſchoͤnes Waldvoͤgelein,
fliege fort, fliege fort!

Die boͤſe Stiefmutter, wovon ein altes Sprichwort (Stiefmutter, Teufels Unterfutter) ver -XXX weiſt an gar viel andere Maͤhrchen, der Eingang vom in Fingerſchneiden an Sneewittchen, und an eine merkwuͤrdige Stelle im altdeutſchen Ge - dicht Parcifal,[woruͤber] mit Zuziehung vieler an - derer Parallelſagen naͤchſtens ein umſtaͤndlicher Commentar gegeben werden ſoll. Das Sam - meln der zerſtreuten Knochen iſt in den My - then von Oſiris, Orpheus, und der Legende von Adalbert. Das Wiederbeleben in vielen an - dern, z. B. der Negerſage von Nanni, den ſeine Mutter lehrt, das Fleiſch eines jungen Huhns zu eſſen und die Federn und Beine wieder zuſammen zu ſetzen. So ſammelt Thor die Knochen der ge - geſſenen Ziegen und belebt ſie ruͤttelnd. (ſ. auch von Arnliot in der Heimskringla und manche an - dere Sage, die hier anzufuͤhren zu umſtaͤndlich waͤre.

Zum alten Sultan. No. 48.

Das eigentliche Verhaͤltniß dieſes und aller an - dern Maͤrchen der vorliegenden Sammlung, worin Thiere auftreten, zur großen Thierfabel uͤberhaupt, ſoll anderswo genau unterſucht werden.

Zu den ſechs Schwaͤnen. No. 49.

in der braunſchweiger Sammlung S. 349 379. von ſieben Schwaͤnen, in ſchlechter Weitlaͤuftig - keit erzaͤhlt, aber mit einigen guten Varianten: ſie ſoll ſieben Jahr ſtumm ſeyn, in jedem Jahr ein Mannshemd fertig naͤhen, und keine Thraͤnen die ganze Zeit uͤber weinen. Allein beim dritten Kind, das ihr weggenommen wird, vergießt ſie eine Thraͤne, und bei der Erloͤſung fehlt dem letz - ten Bruder ein Aug. Dieſes ſchoͤne Maͤrchen deutet uͤberall auf ein hohes Alterthum, das im hohlen Baum-ſitzen des ſtummen Maͤdchens auch in No. 3. Die ſieben fertigen Menſchenhemder ſcheinen mit den ſieben Schwanenhemdern zuſam - men zu haͤngen, uͤber dieſe werden wir bei der Volundarquida ausfuͤhrlich ſeyn. Die Sage von dem Schwanenſchiff auf dem Rhein (Parcifal, Loherangrin) in Verbindung mit dem altfranzoͤf.XXXI chevalier au cigne ſchließt ſich wiederum an, und auch hier bleibt der letzte Schwan unerloͤſt, weil das Gold von ſeinen Schwanenring ſchon verar - beitet war.

Zu Dornroͤschen. No. 50.

Perraults belle au bois dormant, mit unſerm Maͤrchen No. 82 verbunden. Die Jungfrau, die im Schloß mit Dornenwall umgeben ſchlaͤft, bis ſie der Koͤnigsſohn erloͤſt, iſt mit der ſchlafenden Brynhild, die ein Flammenwall umgiebt, durch den Sigurd dringt, inſofern identiſch. Man hat eine Blume, die Gretel im Buſch heißt, weil ſie ganz von feinem, krauſem Laub eingehuͤllt iſt, auch Gretel in der Staude, ſchwed. Jungfru i det groͤna, engl. the devil in a bush. ([nigella] da - mascena). Der Eingang mit der gefaͤhrlichen Spindel iſt wie im Pentameron III, 3. mit einem gefaͤhrlichen Knochen.

Zum Fundevogel. No. 51.

Die Koͤchin iſt wohl anderwaͤrts die boͤſe Frau des Foͤrſters. Die Fragen und Antworten an die Knechte, werden auch anders geſtellt, z. B. ihr haͤttet die Roſe nur ſollen abbrechen, der Stock waͤre ſchon nachgekommen. Dieſer Theil des Maͤr - chens hat mit einem der folgenden (No. 70) große Aehnlichkeit.

Zum Koͤnig Droßelbart. No. 52.

ſonſt auch Broͤſelbart, weil die Brotbroͤſeln vom Eſſen in ſeinem Bart haͤngen blieben. Auch macht die Koͤnigstochter bekannt: ſie wolle dem ihre Hand allein geben, der rathen koͤnne, von welchem Thier und welcher Gattung eine ohne Kopf und Fuͤße ausgeſpannte Haut waͤre. Sie war[aber] von einer Woͤlfin. Broͤſelbart aber er - faͤhrt das Geheimniß, raͤth mit Fleiß fehl[und] kommt dann verkleidet als Bettler wieder, um recht zu rathen. Im Pentamerone IV. 10. la so - perbia eastecata, wo vieles anders iſt.

XXXII

Zu Sneewittchen. No. 53.

Dies Maͤrchen gehoͤrt zu den bekannteſten, doch wird in Gegenden, wo beſtimmt hochdeutſch herrſcht, der plattdeutſche Namen beibehalten, oder auch verdorben in Schliwitchen. Im Ein - gang faͤllt es mit dem Maͤrchen vom Machandel - baum zuſammen, noch naͤher in einer andern Re - cenſion, wo ſich die Koͤnigin, indem ſie mit dem Koͤnig auf einem Jagdſchlitten faͤhrt, einen Apfel ſchaͤlt und dabei in den Finger ſchneidet. Noch ein anderer Eingang iſt folgender; Ein Graf und eine Graͤfin fuhren an drei Haufen weißem Schnee vorbei, da ſagte der Graf: ich wuͤnſche mir ein Maͤdchen, ſo weiß als dieſer Schnee. Bald darauf kamen ſie an drei Gruben rothes Bluts, da ſprach er wieder: ich wuͤnſche mir ein Maͤd - chen, ſo roth an den Wangen, wie dies Blut. Endlich flogen drei ſchwarze Raben voruͤber, da wuͤnſchte er ſich ein Maͤdchen: das Haare hat ſo ſchwarz, wie dieſe Raben. Als ſie noch eine Weile gefahren, begegnete ihnen ein Maͤdchen, ſo weiß wie Schnee, ſo roth wie Blut und ſo ſchwarzhaarig, wie die Raben und das war das Sneewittchen. Der Graf ließ es gleich in die Kutſche ſitzen und hatte es lieb, die Graͤfin aber ſah es nicht gern und dachte nur, wie ſie es wie - der los werden koͤnnte. Endlich ließ ſie ihren Handſchuh hinausfallen, und befahl dem Snee - wittchen ihn wieder zu ſuchen, in der Zeit aber mußte der Kutſcher geſchwind fortfahren; nun iſt Sneewittchen allein und kommt zu den Zwergen u. ſ. w. In einer andern Erzaͤhlung, iſt das bloß abweichend, daß die Koͤnigin mit dem Snee - wittchen in den Wald faͤhrt, und es bittet ihm von den ſchoͤnen Roſen, die da ſtehen, einen Strauß abzubrechen, waͤhrend es bricht, faͤhrt ſie fort und laͤßt es allein. Endlich kennen wir noch eine dritte Recenſion: Ein Koͤnig verliert ſeine Gemahlin, mit der er eine einzige Tochter Snee - wittchen hat und nimmt eine andere, mit der er drei Toͤchter bekommt. Dieſe haßt das Stiefkind, auch wegen ſeiner wunderbaren Schoͤnheit, undun -XXXIIIunterdruͤckt es, wo ſie kann. Im Wald in einer Hoͤhle wohnen ſieben Zwerge, die toͤdten jedes Maͤdchen, das ſich ihnen naht. Das weiß die Koͤ - nigin, und weil ſie Sneewittchen nicht geradezu toͤdten will, hofft ſie es dadurch los zu werden, daß ſie es hinaus vor die Hoͤhle fuͤhrt und zu ihm ſagt; geh da hinein und wart bis ich wie - der komme. Dann geht ſie fort, Sneewittchen aber getroſt in die Hoͤhle. Die Zwerge kommen und wollen es anfangs toͤdten, weil es aber ſo ſchoͤn iſt, laſſen ſie es leben und ſagen, es ſolle ihnen dafuͤr den Haushalt fuͤhren. Sneewittchen hatte aber einen Hund, der hieß Spiegel, wie es nun fort iſt, liegt der traurig im Schloß, die Koͤ - nigin fragt ihn:

Spiegel unter der Bank,
ſieh in dieſes Land, ſieh in jenes Land:
wer iſt die ſchoͤnſte in Engelland?

Der Hund antwortet: Sneewittchen iſt ſchoͤner bei ſeinen ſieben Zwergen, als die Frau Koͤnigin mit ihren drei Toͤchtern. Da ſieht ſie, daß es noch lebt und macht einen giftigen Schnuͤrriemen. Damit geht ſie zur Hoͤhle, ruft Sneewittchen, es ſolle ihr aufmachen. Sneewittchen will nicht, weil die ſieben Zwerge ihm ſtreng verboten, kei - nen Menſchen hereinzulaſſen, auch ſeine Stiefmut - ter nicht, die es habe verderben wollen. Sie ſagt aber zu Sneewittchen, ſie habe keine Toͤchter mehr, ein Ritter habe ſie ihr entfuͤhrt, da wolle ſie bei ihm leben und es putzen. Sneewittchen wird mitlei - dig und laͤßt ſie herein, da ſchnuͤrt ſie es mit dem giftigen Schnuͤrriemen, daß es todt zur Erde faͤllt, und geht fort. Die ſieben Zwerge aber kommen, nehmen ein Meſſer und ſchneiden den Schnuͤrrie - men entzwei, da iſt es wieder lebendig. Die Koͤ - nigin fragt nun den Spiegel unter der Bank, der giebt ihr dieſelbe Antwort. Da macht ſie ein gifti - ges Kopfband, geht mit dem hinaus und redet zu Sneewittchen ſo beweglich, daß es ſie noch einmal einlaͤßt: ſie bindet ihm das Kopfband um, und es faͤllt todt nieder. Aber die ſieben Zwerge ſehen, was geſchehen iſt, ſchneiden das Kopfband ab und es hat das Leben wieder. Zum drittenmal fragtKindermärchen. CXXXIVdie Koͤnigin den Hund, und erhaͤlt dieſelbe Ant - wort. Sie geht nun mit einem giftigen Apfel hinaus, und ſo ſehr Sneewittchen von den Zwer - gen gewarnt iſt, wird es doch von ihren Klagen geruͤhrt, macht auf und ißt von dem Apfel, da iſt es todt, und wie die Zwerge kommen, koͤnnen ſie nicht helfen, und der Spiegel unter der Bank ſagt der Koͤnigin ſie ſey die ſchoͤnſte. Die ſieben Zwer - ge aber machen einen ſilbernen Sarg, legen das Sneewittchen hinein und ſetzen es auf einen Baum vor ihrer Hoͤhle. Ein Prinz kommt vorbei und bittet die Zwerge, ihm den Sarg zu geben, nimmt ihn mit und daheim laͤßt er es auf ein Bett le - gen und putzen, als waͤr es lebendig, und liebt es uͤber alle Maßen, ein Diener muß ihm auch be - ſtaͤndig aufwarten. Der wird einmal boͤs daruͤ - ber: da ſoll man dem todten Maͤdchen thun, als wenn es lebte! giebt ihn einen Schlag in den Ruͤcken, da faͤhrt der Apfelbiſſen aus dem Mund, und Sneewittchen iſt wieder lebendig.

Zu Hans Dumm. No. 54.

Ausfuͤhrlicher in Pentamerone I, 3. und bei Straparola auch recht gut III, 1.

Zum Rumpelſtilzchen. No. 55.

Schon Fiſchart kann das Alter dieſes Maͤrchens bezeugen, im Gargantua, wo die Spiele verzeich - net werden, ſteht unter Num 363. ein Spiel - Rumpele ſtilt oder der Poppart. Man ſagt auch Rumpenſtinzchen. Die Erzaͤhlung ſelbſt wird auch folgendermaßen anders angefangen: einem kleinen Maͤdchen dem wurde eine Kaute Flachs gegeben, daraus ſollte es Flachs ſpinnen, aber was es ſpann, war immer Goldfaden und kein einziger Faden Flachs konnte aus ihrem Raͤdchen kommen. Da wurde es traurig, ſetzte ſich aufs Dach und ſpann und ſpann drei Tage lang, aber immer nichts als Gold. Da kam ein klein Maͤnnchen ge - gangen: ich will dir helfen aus aller deiner Noth, ein junger Koͤnigsſohn ſoll da vorbei kommen,XXXV und dich heirathen, aber du mußt mir dein erſtes Kind verſprechen ꝛc. Auch wird das Maͤnnchen anders entdeckt. Eine Magd der Koͤnigin geht Nachts hinaus in den Wald, da ſieht ſie es auf ei - nem Kochloͤffel um ein groß Feuer herum reiten ꝛc. Zuletzt fliegt auch das Maͤnnchen auf dem Koch - loͤffel zum Fenſter hinaus.

In vielen deutſchen Maͤrchen kommen Muͤller und Muͤllerstoͤchter vor (ſ. No. 31.), das gegen - waͤrtige erinnert aber ganz ſonderlich an die nor - diſchen Fenia und Menia, die alles, was man ha - ben wollte, mahlen konnten, und die der Koͤnig Frode Frieden und Gold mahlen ließ. Das Ab - fodern der Kinder greift in ſehr viele Mythen ein.

Zu dem Liebſten Roland. No. 56.

Nach einer andern Erzaͤhlung, ſtecken die zwei bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der eben auf dem Heerd liegt und backen ſoll, als die Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant - wortet die Bohne fuͤr dieſe auf jede Frage, und ſagt ſie ſey in der Kuͤche und koche; ſo lange aber nur, als der Kuchen noch backt, als er gar iſt, ſchweigt ſie ſtill, da iſt ihre Kraft vorbei, und uͤber das Stillſchweigen wird die Mutter aufmerk - ſam, und findet dann ihre todte Tochter.

In den Zaubereien bei der Flucht vor der Stiefmutter kommt dies Maͤrchen mit dem vom Fundevogel und Okerlo zuſammen: die letzte Ver - wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be - kannte Fabliau, welches[Ayrer] auch drama - tiſch behandelt hat, wo ſich ein Verurtheilter auf dieſe Art vom Tod rettet.

Zum goldnen Vogel. No. 57.

No. 64, I. von der weißen Taube hat denſelben Eingang, doch wird es auch ſehr haͤufig und wie es ſcheint, wo nicht beſſer, doch aͤlter mit folgen - dem erzaͤhlt: ein Koͤnig war krank, oder nach an - dern blind geworden, und nichts in der Welt ver -C 2XXXVImochte ihn zu heilen, bis er einſtmals hoͤrte (oder es ihm traͤumte), daß weit davon der Vogel Phoͤ - nix waͤre, durch deſſen Pfeifen (oder Geſang) er allein geneſen koͤnne. Nun machen ſich die Soͤh - ne nach einander auf, und nur in der Menge der verſchiedenen Aufgaben, die der dritte Sohn zu beſtehen hat, weichen die verſchiedenen Recenſio - nen ab. Das nothwendige Pfeifen des Phoͤnix iſt hier allerdings beſſer begruͤndet. Einmal wird auch erzaͤhlt, daß der Fuchs, nachdem er den Schuß zuletzt empfangen, ganz verſchwindet und nicht zu einem Menſchen wird. Das Stuͤrzen in den Brunnen (wofuͤr auch ein Steinbruch vor - kommt) iſt mit der Sage von Joſeph, der ja auch ſonſt ſelbſt der Phoͤnix, (d. h. der Goldvogel) iſt, die Befreiung daraus durch den Fuchs mit der von Ariſtomenes (nach Pauſanias), von Sindbad (nach 1001 Nacht), und Gog und Magog (nach Montevilla) merkwuͤrdig verwandt.

In den Kindermaͤrchen aus muͤndlichen Erzaͤh - lungen geſammelt, Erfurt bei Keyſer 1787. wird unſer Maͤrchen S. 94 150. in falſchem Ton er - zaͤhlt; im Norden iſt es aber ſchon fruͤh bekannt geweſen, und ohne Zweifel auch in andern Thei - len Europas.

Peringſkiold in ſeinem fuͤr Hickes gemachten Catalog p. 315. fuͤhrt die Saga af Artus Fa - gra an, und beſchreibt ihren Inhalt folgender - maßen: hist. de tribus fratribus Carolo, Vil - hialmo atque Arturo, cogn. fägra, regis angliae filiis, qui ad inquirendum Phoͤnicem, ut ea ou - raretur morbus immedicabilis patris illorum, in ultimas usque Indiae oras missi sunt. (Viel - leicht iſt auch in einem angelſaͤchſ. Codex, den Wanley p. 281. angiebt: Liber VI. septem con - stans capitulis, descriptionem tractat felicissi - mae cujusdam regionis orientalis et de Phoͤni - ce, quae ibi invenitur, etwas davon beruͤhrt). Eine ſpaͤtere daͤniſche Bearbeitung in ſechszeiligen Strophen iſt zum Volksbuch geworden, aber ohne poetiſchen Werth. Nyerup handelt davon unter Num. 15. Von dem daſelbſt angefuͤhrten Titel iſt eine vor uns liegende Ausgabe etwas abwei -XXXVII chend, und der Ueberſetzung aus dem Hollaͤndi - ſchen, die wohl nur ein Vorgeben iſt, wird nicht gedacht. (En meget maͤrkvaͤrdig Hiſtorie om[Kong] Edvard af Engelland, der faldt i en ſvaͤr Syg - dom, men helbrededes ved en viis Qvindes Raad, og det ene ved hans yngſte Soͤns Prins Atti (Arti) Ömhed og Mod, der havde ſin Fader ſaa kjer, at han foretog en Rejſe til Dronningen af Arabien, tilvendte ſig ved Liſt hendes Klenodier, bortfoͤrde Dronningens dyrebare Fugl Phoͤnix, og ſik til Slutning Dronningen ſelv tilaͤgte.) Die Soͤhne heißen auch hier Carl, Wilhelm und Artus, vom huͤlfreichen Fuchs kommt nichts vor, und faſt in allem iſt die deutſche Volkserzaͤhlung weit vorzuͤglicher.

Zu dem treuen Gevatter Sperling. No. 58.

Ueber den Zuſammenhang dieſes Maͤrchens mit dem Gedicht von Reinhart Fuchs. S. Schlegels deutſches Muſeum 1812. Maiheft.

Zu Prinz Schwan. No. 59.

Aehnlich damit das Maͤrchen von den drei Guͤrteln in der Braunſchw. Samml. S. 122 150. Die Koͤnigin erhaͤlt von einer Fee, der ſie als ei - ner alten boͤſen Hexe unermuͤdlich Beiſtand gelei - ſtet, drei Guͤrtel, ſo lang die nicht entzwei gin - gen, koͤnne ſie an die Liebe und Treue ihres ab - weſenden Gemahls glauben. Als zwei davon ge - platzt ſind, verkleidet ſie ſich in eine Pilgerin und zieht ihm nach. In einem großen Wald, durch den ſie geht, fallen ihr nach einander drei goldne Nuͤſſe vor die Fuͤße, die ſie aufhebt und mitnimmt. Sie kommt zu einem Muͤller, der ſie fuͤr ſeine Baſe ausgeben will, und ihr einen andern Na - men giebt. Hier findet ſie der Koͤnig, und ohne ſie wiederzuerkennen, verliebt er ſich in ſie. Sie zeigt ſich ihm geneigt, wie er ſie aber umarmen will, platzt der dritte Guͤrtel, ſie erſchrickt und bittet ihn die Hausthuͤre zuzumachen, deren Schla - gen ſie nicht hoͤren koͤnne. Wie er aber eine zu -XXXVIII macht, ſpringt eine andere wieder auf und ſo fort, daß er die ganze Nacht nichts zu thun hat, als Thuͤren zuzumachen. Der Koͤnig iſt dadurch ge - kraͤnkt, kommt nicht wieder, und will ſich mit der Prinzeſſin, die ſeine Braut iſt, vermaͤhlen. Die Koͤnigin macht ihre erſte Goldnuß auf, da iſt das praͤchtigſte Naͤhzeug und Naͤhkaͤſtchen darin, damit geht ſie zum Schloß, ſetzt ſich den Fenſtern der Prinzeſſin gegenuͤber und naͤht. Die Prinzeſſin ſieht ſie und traͤgt großen Gefallen an dem Naͤh - zeug, ſie tauſcht es fuͤr das Recht ein, die erſte Nacht bei dem Koͤnig zubringen zu duͤrfen. Am andern Tag oͤffnet dieſe die zweite Nuß, findet ei - ne koͤſtliche Spindel darin, ſpinnt damit vor der Prinzeſſin und vertauſcht ſie fuͤr die zweite Nacht, endlich auch das Geſchmeide, welches die dritte Nuß in ſich faßte, fuͤr die dritte Nacht. Wie der Hochzeitstag nun vorbei iſt, wird die Koͤnigin zum Koͤnig gefuͤhrt, da entdeckt ſie ſich als ſeine Gemahlin; am dritten Morgen beruft er einen Rath und legt die Frage von dem Schluͤſſel vor, den er zu einem goldnen Vorlegeſchloß verloren, und wiedergefunden, ob er den alten oder den neuen gebrauchen ſolle. Die Prinzeſſin entſchei - det ſelber fuͤr den alten und demnach fuͤr ihre Trennung.

Zu dem Goldei. No. 60.

In der Erfurter Sammlung S. 1 58. aber ſchlecht erzaͤhlt: der Vogel, der jeden Morgen ein Goldei legt entflieht dem Prinzen Gunild, ein Bauer faͤngt ihn und von dieſem bekommt ihn ein Goldſchmidt, der auf den Fluͤgeln lieſt: wer mei - nen Kopf ißt unter deſſen Kopfkiſſen werden taͤg - lich tauſend Ducaten liegen; wer mein Herz ißt, wird Koͤnig in Akindilla werden, und ihn dar - um dem Ynkas, ſeinem Schweſterſohn zum Bra - ten giebt; dieſer ißt unſchuldig beides und ent - flieht dann bei den Drohungen des zornigen Goldſchmidts, der ſich getaͤuſcht ſieht. Indeß geht der Ausſpruch in Erfuͤllung; hineingezogen iſt die dem Fortunat aͤhnliche Sage von den zweierleiXXXIX Aepfeln, wovon einer alt und haͤßlich, der andere wieder jung und geſund macht und wodurch die treuloſe Gemahlin beſtraft und gebeſſert wird.

Zu dem Schneider der bald reich wurde. No. 61.

Nach einer andern Erzaͤhlung heißt der Mann Herr Haͤnde, den die Bauern wegen ſeiner Klug - heit haſſen. Sie ſchlagen ihn aus Neid den Back - ofen ein, er traͤgt aber den Schutt in einem Sack zu einer vornehmen Dame und bittet ſie, den Sack ihm aufzuheben, es ſey Gewuͤrz, Zimme[t], Naͤge - lein und Pfeffer darin. Er kommt dann wieder, ihn abzuholen und verfuͤhrt ein großes Geſchrei, ſie habe ihn beſtolen, wodurch er ihr 300 Thaler abzwingt. Die Bauern ſehen ihn das Geld zaͤh - len und fragen, woher er das habe, er ſagt von dem Backofenſchutt, da ſchlagen die Bauern all ih - re Backoͤfen ein, tragen den Schutt in die Stadt, kommen aber uͤbel an. Die Bauern wollen ihn aus Rache toͤdten, er zieht aber ſeiner Mutter Kleider an, dadurch entgeht er ihnen und ſeine Mutter wird todt geſchlagen. Dieſe rollt er in einem Faß zu einem Doctor, laͤßt ſie dort ein we - nig ſtehen, kommt wieder und giebt ihm dann Schuld er habe ſie getoͤdtet, ſo erpreßt er von dem Doctor eine Summe Gelds. Er ſagt den Bauern, er ha - be ſie fuͤr ſeine todte Mutter bekommen, nun ſchla - gen dieſe auch ihre Mutter todt. Darauf die Be - gebenheit mit einem Schaͤfer, der fuͤr ihn ſich in die Tonne legt, erſaͤuft und dem die andern Bau - ern alle nachſpringen.

In dem Maͤrchen vom Bauer Kibitz, welches Buͤſching S. 296. mittheilt, ſind wieder einige Zuͤ - ge verſchieden. Kibitz laͤßt ſeine Frau von den Bauern todt ſchlagen, und ſetzt ſie dann mit einem Korb voll Fruͤchte an ein Gelaͤnder, wo ſie ein Be - dienter, dem ſie keine Antwort giebt, als er fuͤr ſei - ne Herrſchaft bei ihr einkaufen ſoll, ins Waſſer ſtuͤrzt; dafuͤr erhaͤlt Kibitz den Wagen, worin dieſe gefahren mit allem Zubehoͤr. Das Gelderpreſ - ſen durch bloßes Laͤrmen gehoͤrt auch zu den Liſten des Gonella (bei Floͤgel Geſch. der Hofnarren S.XL 309). Den Betrug mit dem Schaͤfer hat Stra - parola I, 3. in der Erzaͤhlung vom Meſſire Scra - pafigue. In dem zu Erfurt 1794. gedruckten Volksbuch: Rutſchki oder die Buͤrger zu Quarken - quatſch ſind verſchiedene Zuͤge aus dieſem Maͤrchen benutzt, das Erkaufen des alten Kaſtens, worin der Liebhaber ſteckt, durch die Kuhhaut (S. 10.), das Ausſtellen der todten Frau: Rutſchki gibt ihr But - ter in den Schooß und ſetzt ſie auf den Brunnen - rand, der Apotheker der ihr abkaufen will, aber keine Antwort bekommt, ruͤttelt ſie und ſtuͤrzt ſie hinunter, und muß dem Rutſchki tauſend Thaler bezahlen (S. 18. 19.). Der Betrug an dem Schaͤ - fer zuletzt, iſt wieder ganz verſchieden: Rutſchki iſt zum Tod verurtheilt, und wird in einen Kleider - ſchrank eingeriegelt, hinaus zu dem Teich getragen, weil er aber zugefroren iſt, laſſen ſie ihn darauf ſteben, und wollen erſt Aexte holen, um ein Loch ins Eis zu hauen. Wie ſie fort ſind, hoͤrt Rutſchki einen Viehhaͤndler vorbei ziehen und ruft: ich trinke keinen Wein! ich trinke keinen Wein! mich durſtet nicht! der Viehhaͤndler fragt, was er vor - habe, Rutſchki laͤßt ſich aufriegeln und erzaͤhlt, er ſey zum Burgemeiſter erwaͤhlt, das Amt naͤhm er gern, denn es ſey wenig Arbeit und 500 Thl. Be - ſoldung dabei; dagegen die Sitte, daß jeder Bur - gemeiſter beim Antritt ſeines Amts einen Becher mit Burgunder austrinke, wolle er durchaus nicht mitmachen, er trinke keinen Wein, da haͤtten ſie ihn herausgeſetzt, daß er Froſt und Durſt nach einen feurigen Trank bekommen ſollte; es helfe ihnen aber alles nichts, er trinke doch nicht. Der Viehhaͤnd - ler traͤgt einen Tauſch gegen ſeine Heerde an, er legt ſich hinein, Rutſchki riegelt zu, die Bauern kommen hauen ein Loch und laſſen den Schrank hinab. Wie ſie zuruͤckkommen begegnet ihnen Rutſch - ki mit dem Vieh und ſagt, er habe es auf dem Grund gefunden, da ſey ein ſchoͤnes Sommerland. Nun ſtuͤrzen ſie ſich alle in das Waſſer (S. 22. 23.). Uebrigens ſind die allezeit betrogenen Bauern offenbar mit den[Lalenbuͤrgern] verwandt.

XLI

Zu dem Blaubart. No. 62.

Perraults la barbe bleue gehoͤrt zu ſeinem am beſten erzaͤhlten Maͤrchen; ein ſchwediſches fliegen - des Blatt. Blaſkaͤgget Fahlum 1810. iſt bloß eine Ueberſetzung davon. Die franzoͤſiſche Sage kennt noch eine Schweſter der Frau, Anne, als jene ſter - ben ſoll, gewaͤhrt ihr der Blaubart eine halbe Viertelſtunde, da ſchickt ſie die Anne auf den Thurm laͤßt ſie nach den Bruͤdern ſehen und ruft ihr von Zeit zu Zeit in ihrer Angſt zu: Anne, ma soeur Anne, ne vois tu rien venir? noch ganz volks - maͤßig erſcheinen die Antworten derſelben,

Je ne vois que le soleil qui poudroie,
et l'herbe, qui verdoie.

In der deutſchen Erzaͤhlung, wenigſtens wie wir ſie gehoͤrt haben, fehlt dies gaͤnzlich; dagegen kommt der Zug vor, daß die Geaͤngſtigte den Blut - ſchluͤſſel in das Heu legt, weil es wirklich Volks - glauben iſt, das Heu ziehe Blut aus. Ein deut - ſches Volkslied (Wunderhorn I, 274. und Herder Volkslieder I, 79) am ſchoͤnſten neulich in Graͤters Idunna nach dem breslauiſchen Volksgeſang mit - getheilt, enthaͤlt im Grund dieſelbe Sage, doch ſehr abweichend und ohne des blauen Barts Erwaͤh - nung zu thun, von Ulrich und Aennchen. Eben ſo der[Fitchersvogel] (No. 46.) auch wieder recht ei - genthuͤmlich und gut, und das hollaͤndiſche Mord - Schloß (No. 73). Tieks Bearbeitung iſt bekannt. In Hamburg ſagt man von einem Starkbaͤrtigen, er ſei ein Blaubart (Schuͤtze hollſt. Idiot. I, 112.), daſſelbe gilt von dem ehemaligen Heſſen; hier in Caſſel iſt ein verwachſener, halb alberner und tol - ler Handwerksburſch unter dem Namen bekannt genug. Endlich haben ihre unverkennbare Aehn - lichkeit mit der Sage: das ſchottiſche Lied von Coſpatrik, der Koͤnig Porc bei Straparola und der Eingang der 1001. Nacht, wo der Sultan auch ſeine Weiber nach der erſten Nacht toͤdtet.

Zu den Goldkindern. No. 63.

Damit ſtimmt uͤberein No. 74. Vom Johan -XLII nes Waſſerſprung und Caſpar-Waſſerſprung, und dann auch im Pentamerone lo mercante I, 7. und la cerva fatata I, 9. In den beiden deutſchen Er - zaͤhlungen ſcheint hin und wieder eine Luͤcke zu ſeyn, wenigſtens muͤßten in No. 74. die ſo eigen erworbenen Thiere ſich thaͤtiger beweiſen, oder ſo daß einmal bloß von ihnen nach der Reihe die Huͤlfe kaͤme. In demſelben Maͤrchen bei Strapa - rola Th. 2, S. 290. von Ceſarin erwecken ſie ih - ren Herrn auch wieder vom Tod.

Zu dem Dummling. No. 64.

I. Die weiße Taube hat im Eingang Aehnlich - keit mit dem goldenen Vogel. No. 57.

II. Die Bienenkoͤnigin hat offenbar viel Ueber - einſtimmung in den Motiven mit dem Maͤhrchen von Fix und Fertig (No. 16). III. Die drei Fe - dern. Hier finden ſich haͤufig kleine Abweichungen in andern Recenſionen, beſonders in den Aufgaben. Der Vater gibt jedem der drei Soͤhne einen Ap - fel, wer den ſeinen am weiteſten wegwirft, ſoll das Reich erben. Der des juͤngſten fliegt am weiteſten, weil der aber gar zu dumm iſt, will der Vater ihm das Recht nicht laſſen und verlangt zwanzig Steigen Leinwand in einer Nußſchale, der aͤlteſte reiſt nach Holland, der zweite nach Schleſien, wo feine Leinewand ſeyn ſoll, der dritte, der Dumme, geht in den Wald, da faͤllt eine Nußſchale von ei - nem Baum, worin das Linnen ſteckt. Darnach verlangt er einen Hund, der durch ſeinen Trau - ring ſpringen kann, dann drei Zahlen Garn, die durch ein Nadeloͤhr gehen: alles bringt der Dumm - ling. Nach einer andern Erzaͤhlung ſoll der des Koͤnigs Gut erben, der den ſchoͤnſten Geruch mit - bringt, der Dumme kommt vor ein Haus, da ſitzt die Katz vor der Thuͤr und fragt; was biſt du ſo traurig? Ach! du kannſt mir doch nicht hel - fen! Nun hoͤr einer! ſag nur was dir fehlt. Die Katz verſchafft ihm dann den beſten Geruch. Wiederum iſt die Einleitung mannichfach: der Va - ter jagt den dummen Hans fort, weil er gar zu dumm iſt, da geht er an des Meeres Geſtade, ſetztXLIII ſich hin und weint; da kommt die Kroͤte, die eine verzauberte ſchoͤne Jungfrau iſt, mit der ſpringt er auf ihr Geheiß ins Waſſer und ringt mit ihr und erwirbt ſich das Reich, indem ſie ihre menſch - liche Geſtalt dadurch wieder gewinnt. In der braunſchweiger Sammlung ſteht das Maͤrchen S. 271 286. wieder mit andern Aufgaben 1) der Kahn zu dem kein Spaͤnchen gehauen, den ein Greis ihm giebt, weil er ihn gelabt. 2) Die kleinſte, feinſte Webeleinwand. Dieſe giebt ihm eine kluge Katze in einer Nuß, als dieſe aufge - macht wird, liegt eine noch kleinere darin, in die - ſer endlich ein Gerſtenkorn, und dieſes enthaͤlt erſt das Gewebe. 3) Die ſchoͤnſte Braut, in die ſich die Katze verwandelt.

Zu Allerlei-Rauh. No. 65.

Iſt die peau d'ane des Perrault, aber vollſtaͤn - diger und beſſer. Die Prinzeſſin Maͤuſehaut No. 71. iſt dieſelbe mythiſche Perſon, aber die Sage bis auf einiges ganz verſchieden. Nach einer andern Recenſion wird Allerlei-Rauh von ihrer Stiefmutter vertrieben, weil ihr ein fremder Prinz einen Ring zum Liebeszeichen und nicht ihrer ei - genen Tochter geſchenkt hatte. Sie kommt her - nach an ihres Geliebten Hof als Schuhputzerin, und wird entdeckt, indem ſie den Treuring unter das Weißbrod legt. Einige Aehnlichkeit hat das Maͤrchen mit dem Aſchenputtel No. 21.

Zum Hurleburlebutz. No. 66.

Aehnlichkeit damit hat ein Maͤrchen in der Braunſchweiger Sammlung S. 322 48. Eine Prinzeſſin iſt ſo ſtolz auf ihre Schoͤnheit und wird ganz uͤbermuͤthig, daß ſie alle Freier verſpottet, und als Thiere abmahlen laͤßt, auch alle Wuͤnſche erfuͤllt haben will. Einmal traͤumt ſie von dem ſingenden, klingenden Baͤumchen, und ihr Vater muß ausziehen und es ſuchen Er findet es gluͤck - lich, wie er es aber ausreißt, ſpringt ein fuͤrchter - licher Loͤwe aus der Erde, dem muß er dafuͤr dasXLIV angeloben, was ihm zuerſt zu Haus begegnen wird. Das iſt nun die ſtolze Prinzeſſin, die das ſingende, klingende Baͤumchen kommen hoͤrte. Der Koͤnig erſchrickt und ſagt, daß ſie einem Loͤwen jetzt zugefallen ſey, aber ſie bekuͤmmert ſich nicht darum, laͤßt die Tochter einer Waͤſcherin mit ih - ren Kleidern anthun und an ihren Platz ſetzen. Nach drei Tagen kommt der Loͤwe: ſetz dich auf meinen Ruͤcken, ſpricht er, und traͤgt ſie in den Wald. Das Maͤdchen weint, wie es eine Quelle ſieht: wer wird meiner Mutter jetzt waſchen hel - fen! Der Loͤwe merkt den Betrug, traͤgt ſie zu - ruͤck und kommt nach drei Tagen wieder, da ſitzt eines Hirten Tochter in den Kleidern der Prinzeſſin, ſetz dich auf meinen Ruͤcken, ſagt der Loͤwe und traͤgt ſie hinaus. Wie ſie auf die bunte Wieſe kommen, ſeufzt das Maͤdchen: ach! wer wird den Hans troͤſten, wenn ich nicht bei ihm hier liegen kann! Der Loͤwe kehrt wieder um, bringt dem Koͤnig die falſche Braut, droht ihm, und laͤuft zur Prinzeſſin, die ſich gleich auf ſeinen Ruͤcken ſetzen und mit ihm fort muß. Er fuͤhrt ſie in eine Hoͤh - le, wo ſie an elf Kranken die niedrigſten Arbeiten thun muß und ihre eiternden Wunden heilen. Sie empfindet da Reue uͤber ihren vorigen Hochmuth, heilt dann auch den Loͤwen, der verwundet wird, und mit dem allem buͤßt ſie ihre Suͤnden, befindet ſich einmal, als ſie erwacht, wieder in dem praͤch - tigen Schloß bei ihrem Vater, der Loͤwe aber iſt ein ſchoͤner Juͤngling geworden, und ihr Braͤu - tigam.

In dem Maͤrchen vom Weißtaͤubchen in der Erfurtſchen Sammlung S. 87 88. wird auch der Zauber geloͤſt, indem das Maͤdchen der Taube den Kopf abreißt, und ihn gegen Morgen, den Rumpf gegen Abend wirft.

In einer andern muͤndlichen Erzaͤhlung, fragt der Fuchs immer, das Maͤdchen, das er forttraͤgt, wie viel Uhr es ſey, die Hirtentoͤchter antworten, zehn Uhr, wenn ich die Heerde ſonſt zuſammenge - blaſen habe, die Koͤnigstochter aber, zehn Uhr, wenn zur Tafel geblaſen wird, und nun bin ich hier im Wald und habe nichts zu eſſen.

XLV

Zum Koͤnig mit dem Loͤwen. No. 67.

Das Vergeſſen der erſten Verlobten kehrt auch im Prinz Schwan von der treuen Julian und im Liebſten Roland wieder, auch wohl in Al - lerlei-Rauh; aus dem Pentameron gehoͤrt mehre - res hierher (II, 7. la palomma, wo der Prinz die Filadoro vergißt; III, 3. la viso, wo Renza ver - geſſen wird; III, 9. Rosella), der Grund aber liegt tief in den Sagen. Wir wollen nur zwei denkwuͤrdige Beiſpiele angeben: Duſchmanta ver - gißt die Sacontala, und Sigurd die Brynhild.

Zum Sommer - und Wintergarten. No. 68.

Eigentlich die Fabel von der Pſyche, noch naͤ - her in andern Recenſionen, wo die Schweſtern boͤsartig ſind, und die juͤngſte, als ſie gekommen iſt, ſie zu beſuchen, mit Gewalt zuruͤckhalten.

In einem Roman, die junge Amerikanerin Ulm 1765. I, 30 231. iſt auch dieſes Maͤrchen, aber ſchlecht benutzt. Das Thier iſt ein Drache, aus deſſen Garten (es iſt auch kein Winter) der Vater ſich eine Roſe bricht und dafuͤr ſeine Tochter ver - ſprechen muß. Die Tochter geht ſelbſt in des Drachen Schloß, der ſtellt ſich dumm und unge - ſchickt, in der Nacht aber traͤumt ſie von einem ſchoͤnen Juͤngling, und allmaͤhlig gewoͤhnt ſie ſich an ihn ſo, daß ſie ihn endlich lieb gewinnt. Sie beſucht ihre Eltern und kommt zuruͤck durch Huͤlfe eines Rings, der ein - und auswaͤrts gedreht wird. Endlich geſteht ſie ihm in einer Nacht, daß ſie ihn lieb habe, da iſt er am Morgen ein ſchoͤner Juͤng - ling und ſein Zauber geloͤſt. Es entdeckt ſich auch, daß ſie nicht des Kaufmanns Tochter, ſondern von einer Fee untergeſchoben iſt.

In der Leipziger Sammlung iſt es das ſieben - te Maͤrchen (S. 113 130). Die juͤngſte Tochter bittet den Vater bei ſeiner Abreiſe um einen Ei - chelzweig mit drei Eicheln an einem Stengel. Der Vater verirrt ſich in dem Wald, kommt zu einem praͤchtigen Schloß, das ganz leer ſteht, wo er aberXLVI alles aufs beſte vorfindet. In der Nacht kommt ein Baͤr, bringt die drei Eicheln an einen Sten - gel und verlangt die Tochter, die der Vater end - lich bewilligt. Zu Haus werden die Thuͤren ver - ſchloſſen, der Baͤr aber kommt doch zweimal um Mitternacht herein und fordert die Braut; in der dritten ſind die Koffer von ſelbſt gepackt und drei Eicheln ſtecken darauf, die Tochter ſelbſt iſt wie eine Braut geputzt, ihr Haar von ſelbſt gekraͤuſelt und weiß es nicht, der Baͤr aber ſteht neben ihr, und ſteckt ihr einen Goldring mit einer Baͤrentatze und drei Eicheln an den Finger. Da faͤhrt ſie mit ihm hinaus, ſieht in der Folge Vater und Schweſtern in einem Spiegel, geht aber nicht heim, und nachdem ſie ein Kind geboren und dies uͤber drei Jahre alt iſt, wird der Zauber geloͤſt, und der Baͤr in einen ſchoͤnen Juͤngling verwan - delt. Bloß der Anfang iſt gut und aͤcht, am Ende ſcheint vieles gemacht zu ſeyn.

Zu Jorinde und Joringel. No. 69.

Aus Heinrich Stillings Jugend I, 104 108.

Zum Okerlo. No. 70.

Das ital. huorco, das franzoͤſ. ogre, Popanz. In dieſem Maͤrchen ſind einzelne Zuͤge aus dem Daumerling und Fundevogel. In der Braun - ſchweiger Sammlung wird es S. 44 72. faſt mit denſelben Umſtaͤnden, nur ſehr weitlaͤuf - tig erzaͤhlt. Die Fliehenden laſſen einen Roſen - ſtock daheim, der an ihrer Stelle antwortet; ſie verwandeln ſich nur einmal in einen Pfirſichbaum und eine Biene; ihren Wuͤnſchhuth, womit ſie alle Zaubereien ausrichten, aber laſſen ſie auf dem Gipfel des Baums ſitzen; ſie werden zwar auf dieſe Art nicht von der Verfolgenden erkannt und ſind geſichert, aber der Wind jagt den Wuͤnſchhut herab, ſo daß ſie nicht wieder ihre menſchliche Ge - ſtalt annehmen koͤnnen. Indeſſen wird die Prin - zeſſin, die den Hut zugeweht bekommt, durch die Stiche der Biene und durch das Blut, das ausXLVII einem abgeriſſenen Blatt tropft, bewegt, ihn wie - der darauf zu werfen und beide ſind nun erloͤſt.

Vergl. auch No. 56. der Liebſte Roland.

Prinzeſſin Maͤuſehaut. No. 71.

Iſt bei Perrault das Maͤrchen von der Eſels - haut, wiewohl ſehr abweichend, woran auch die Erweiterung Schuld haben mag, der Eingang ſtimmt dort mit der Geſchichte der ſchoͤnen Helene uͤberein; beſſer iſt, daß der Prinz den Ring in ei - nem Kuchen findet, welchen peau d'ane gebak - ken hat.

Das Birnli will nit fallen. No. 72.

Muͤndlich aus der Schweiz. In derſelben Art iſt No. 30 und 80. Auch die Juden haben ein da - mit zuſammenhaͤngendes Volkslied, welches Wa - genſeil (juͤd. teutſche Red - und Schreibart Frankf. 1715. 4. S. 108 110.) mittheilt, und in den Kin - derliedern S. 44 47. (Wunderhorn III. ) abge - druckt iſt.

Ein Zicklein! ein Zicklein!
das hat gekauft das Vaͤterlein
um zwei Schilling Pfenning:
ein Zicklein!
Da kam das Kaͤtzlein und das Zicklein,
das hat gekauft u. ſ. w.
da kam das Huͤndlein und biß das Kaͤtzlein,
da kam das Stecklein und ſchlug das Huͤn -
delein,
da kam das Feuerlein und verbrennt das Ste -
ckelein,
da kam das Waͤſſerlein und verloͤſcht das Feu -
erlein,
da kam der Ochs und trank das Waͤſſerlein,
da kam der Schóchet (Metzger) und ſchecht
den Ochſen,
da kam der Málach Hammóves (Todesengel)
und ſchecht den Schóchet,
da kam unſer lieber Herr Gott und ſchecht den
Málach Hammoves.

XLVIIIDer vorſtehende Refrain iſt aus einem chaldaͤiſchen Oſterlied der Juden, welches ſich wie auch das bei Wagenſeil in Bodenſchatzens kirchlicher Verfaſſung der Juden (II, 2. Sect. 8.) findet.

Herr Graͤter theilt dies alles in ſeiner Alter - thumszeitung No. 40 u. 41. 1812. unſer Volkslied aber nicht ganz vollſtaͤndig, mit, auch bemerkt er ein anderes juͤdiſches, das durch eine etwas aͤhn - liche Manier auf dieſes zu deuten ſcheint, indeſſen ergiebt ſich durch das aus Wagenſeil der vermu - thete Zuſammenhang viel naͤher. Die myſtiſche Bedeutung eines Leberecht, die dort gleichfalls an - gefuͤhrt wird, iſt uns nicht ſo wahrſcheinlich als Herrn Graͤter: das Lied ſcheint die Macht Gottes, als die letzte und groͤßte darſtellen zu wollen, nennt man es albern, ſo ſind es die Mythen der Rabbiner, und im Talmud noch mehr. Intereſſant iſt noch die ebendaſelbſt abgedruckte lateiniſche Recenſion des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Stu - dentenlieder (in dem bekannten: Laurentia ſchoͤnſte Laurentia mein ꝛc., wachſen die Strophen gleich - falls immer mehr an), ſondern an andere Kinder - lieder erinnert, worin lateiniſche Brocken ange - bracht ſind. Viele Rhein - und Mainbewohner ge - denken wenigſtens noch des Lieds von einem Hund, der in der Kuͤche die Bratwurſt frißt und dem der Koch den Schwanz abhaut, worin auch aͤhnliche Wiederholungen vorkommen.

Zum Mordſchloß. No. 73.

eine Art Blaubart, aber mit anderm, auch ſonſt ſchon bekanntem Ausgang. Der Reim im Anfang erinnert auch an das Todtenreiterlied. Das Ganze aus dem Hollaͤndiſchen uͤberſetzt, das wir aus dem Munde einer Fraͤulein aufgeſchrieben haben. Hier moͤge das Original ſelbſt ſtehen:

't Moord-Caſtel.

Daar was eens een Schoen-Maker, welke drie Dochters had, op een tyd, als de Schoen-Maker uyt waar, kwaam daar een Heer, welke ſeer goed gekled was, en welke prachtige Ekipagie hieldt,zoXLIXzo dat men hem voor ſeer ryk hield, er verliefde zig in een der ſchone Dochters, welke dacht, haar Fort[u]yn gemaakt te hebben, met zo een ryk Heer, en maakte dus geen Swarigheid, met hem mede te ryen; daar 't Avond wierde, toen zy onder weges waren, vroeg er aan haar:

't maantie ſchynt zo hel,
myn paardtjes lope zo ſnel,
ſoete liefje rouwt 't w niet?

ny, warom ſoud ''t my rouwen? ik ben immers by uw wel bewaard, daar zy tog eenig Angſt in - wendig had, wyl zy in een groot Bos waren, vroeg zy: of zy haaſt daar waren? ja, ſegt er, ſien zy dat Ligt daar in de Vernte, daar is myn Caſteel; eindlyk qwamen zy dan daar aan, en alles was even fraay.

'S anderen Daags ſeid er tot haar, er moeſt op eenigen Daagen haar verlaten, wyl er Affai - ren hadt, die noodtwendig waren, maar ſoude haar alle Sleutels laten, met dat zy 't ganſche Caſteel konde door zien; van wat Rykdom zy al Meeſter was. Toen er vertrokken was, gink zy door 't ganſche Huys, en vond alles ſo ſchoon, dat zy er vollig met te vreden was, tot zy eindlyk aan een Kelder qwaam, waar een oude Vrouw zat, te Darm ſchrabben. Ey Moedertje, wat doen zy daar? ik ſchrab Darmen myn Kind, mor - gen ſchrab ik uwe ook! waar van zy zo ſchrik - te, dat zy de Sleutel, welk in haar Hand was, liet in een Pot met Bloed vallen, welk er niet goed weder af te waſſchen was. Nu, ſeid 't oud Wyfje, is uw Dood ſeker, wyl myn Heer nu zien kan, dat gy in dit Vertrek geweeſt zyt, waar buy - ten hem, en ik, geen Menſch mag komen, (men moet weten, de 2 voryge Suſters op deze wyze reeds waren omgekomen) daar op dat moment net een Wagen met Hooy van het Slot weg reed, zo ſeid de oude Vrouw, dit nog het eenigſte middel was, om 't Leeven te behouden, zig onder dat Hooy te verſteken, en dan zo weg te ryden, 't welk zy dan ook deed; daar intuſchen de Heer te Huys kwaam, vroeg er, waar de Mamſel is? O ſeid de oudeKindermärchen. DLVrouw, daar ik geen Arbeid meer had, en zy morgen er tog aan moeſt, heb ik ze maar geſlagt, en hier is een Lok van haar Haar, en 't Hart, als ook wat warm Bloed, de reſt hebben de Hon - den al gevreten, en ik ſchrab de Darmen. De Heer waar alſo geruſt, dat zy dood waar.

Zy komt intuſchen met de Hooywagen op een naby gelegen Slot aan, waar 't Hooy aan ver - kogt was, en zy met uyt 't Hooy komt, en zy de ganſche Saak vertelt, en verſogt wort, daar eenigen Tyd te blyven; na verloop van eenige Tyd nodigt de Heer van dezen adelyk Slot de ganſche naby zynde Edelieden op een groot Feeſt, en veranderen 't Geſigt en Kleding van de vreem - de Mamſel, ſo dat zy niet gekend konde[w]or[d]en, wyl ook de Heer van dat Moord-Caſteel daar ver - ſogt was.

Toen zy alle daar waren, moeſt een jeder een Vertelſel verhalen, thoen de Reie aan de Mamſel kwaam, vertelde zy bewußte Hiſtorie. Waar by 't den zogenaanden Heer Graaf zo be - nauwd om 't Hert wierd, dat er met Gewalt weg wilde, maar de goede Heer van 't adelyk Huys hadt intuſchen geſorgd, dat 't Geregt onſen fraye Heer Graaf in Hegtenis nam, zyn Caſteel uyt roeyde en zyn Goederen alle aan de Mamſel toe eigende, welke naderhand met de Soon des Huy - ſes, waar zy zo good in ontfangen was, trouwde, en Jaaren lang leefde.

Zur Nelke. No. 76.

damit ſcheint verwandt die Redensart unter dem Volk: Wenn mein Schatz ein Nelkenſtock waͤr, ſetzt ich ihn vors Fenſter, daß ihn jedermann ſah.

Zum Drechsler. No. 77.

nur unvollſtaͤndig erhalten; ſchon daß das Maͤr - chen von dem Drechsler abſpringt, dem auch wohl das folgende ſelbſt begegnen koͤnnte, iſt unrecht. LIEs ſchlaͤgt uͤbrigens in die alten Sagen von hoͤl - zernen Flugpferden, Entfuͤhrungen ꝛc. ein.

Zu dem alten Großvater und dem Enkel. No. 78.

So erzaͤhlt es Stilling in ſeinem Leben II, 8. 9. wie wir es gleichfalls oft gehoͤrt, ſonſt wird auch geſagt, das Kind habe die Scherben von der irdenen Schuͤſſel aufgeleſen und ſie fuͤr ſeinen Va - ter aufheben wollen. Ein alter Meiſtergeſang (No. 83. in dem Codex den Arnim beſitzt) enthaͤlt die Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chro - nik als ſeine Quelle an: Ein alter Koͤnig hat ſei - nem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber le - benslang erhalten ſoll. Der Sohn verheirathet ſich, und die junge Koͤnigin klagt uͤber das Hu - ſten des Alten. Der Sohn laͤßt den Vater unter die Stiege auf Stroh legen, wo er viele Jahre, nicht beſſer als die Hunde, leben muß. Der En - kel wird groß, bringt ſeinem Großvater alle Tage Eſſen und Trinken, einmal friert dieſer und bittet um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall, nimmt eine gute Decke, und ſchneidet ſie in Un - muth entzwei; der Vater fragt, warum er das thue? die eine Haͤlfte bring ich dem Großvater, die andere heb ich auf, dich einmal damit zu be - decken. (S. Wunderhorn II, 269.) Ein altfran - zoͤſ. Fabliau (bei Meon 4, S. 479. 485. ) weicht davon nur wenig ab: der Sohn verſtoßt auf Antrieb ſeiner Frau den alten Vater, der bittet um ein Kleid, das ſchlaͤgt er ihm ab, dann um eine Pfer - dedecke, weil das Herz ihm vor Froſt zittere. Der Sohn heißt ſein Kind mit dem Alten in den Stall gehen und ihm eine geben, der Enkel ſchneidet ſie mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn des - halb, der Enkel vertheidigt ſich aber bei ſeinem Vater, er muͤſſe die Haͤlfte fuͤr ihn aufheben, wenn er ihn erſt aus dem Haus treibe. Da geht der Sohn in ſich und nimmt den Großvater in allen Ehren wieder zu ſich. In Paulis Scherz und Ernſt. (Daniſch: Lyſtig Skiemt og Alvor S. 73.) bittet der Großvater um ein neues Kleid, derD 2LIISohn giebt ihm zwei Ehlen Zeug, das alte da - mit zu flicken. Darauf kommt der Enkel weinend und will auch ſo zwei Ehlen Zeug haben, der Va - ter giebt ſie ihm und das Kind verſteckt ſie unter eine Latte am Dach, und ſagt dann: es hebe ſie da fuͤr ſeinen Vater auf, wenn er alt werde. Da bedenkt ſich dieſer eines beſſern.

Zu dem Tode des Huͤhnchens. No. 80.

Etwas anders in den Kinderliedern S. 23 26. (Wunderhorn III.) Mit dem Ende hat Aehnlich - keit No. 18.

Von dem Schmid[und] dem Teufel No. 81.

Dieſes treffliche Maͤrchen ſcheint eine weitver - breitete Volksſage zu ſeyn. Gewoͤhnlich erzaͤhlt man es von einem Schmid zu Juͤterbock und ausgezeichnet gut dargeſtellt iſt es in dem Deutſch - franzos, der ſtellenweiſe uͤberhaupt zu den leben - digſten Erzeugniſſen der erſten Haͤlfte des 18. Jahr - hund gehoͤrt, befindlich. (Leipz. Ausg. v. 1736. S. 110 30 Nuͤrnberger von 1772. S. 80 95.) Der fromme Schmied von Juͤterbock trug einen ſchwarz und weißen Rock und hatte eines Abends einen heiligen Mann gern und freudig geherbergt, der ihm vor der Abreiſe geſtattete drei Bitten zu thun. Er bat 1. daß ſein Lieblingsſtuhl hinter den Ofen die Kraft bekaͤme, jeden ungebetenen Gaſt auf ſich feſtzuhalten, bis ihn der Schmied ſelbſt loslaſſe. 2. daß ſein Apfelbaum im Garten die daraufſteigenden gleicherweiſe nicht herunter laſſe. [3.] daß aus ſeinem Kohlenſack keiner heraus kaͤme, den er nicht ſelbſt befreite. Nach einiger Zeit kommt der Tod, geraͤth auf den Seſſel und muß dem Schmied noch 10 Jahre Leben ſchenken, wenn er herunter will; nach 10 Jahren kehrt er wieder, ſteigt auf den Apfelbaum und der Schmied ruft ſeine Geſellen, die mit Stangen den Tod jaͤmmer - lich zerſchlagen; diesmal wird er nur unter der Bedingung los, daß er den Schmied ewig lebenLIII laſſen will. Betruͤbt glieder - und lendenlahm zieht der Tod ab, begegnet unterwegs dem Teufel und klagt dem ſein Herzeleid, der ihn auslacht und meint mit dem Schmied bald fertig zu werden. Der Schmied verweigert aber dem Teufel Nacht - lager wenig ens werde die Hausthuͤr nicht mehr geoͤffnet, er muͤſſe denn zum Schluͤſſelloch einfahren. Das iſt dem Teufel ein leichtes, allein der[Schmied] hatte den Kohlenſack vorgehalten, bindet ihn als - bald zu, wie der Teufel darin iſt, und laͤßt auf dem Ambos wacker drauf zuſchmieden. Als ſie ſich nach Herzensluſt auf ihm muͤde geklopft und ge - haͤmmert, wird der bearbeitete arme Teufel zwar wieder befreit, muß aber zu demſelben Loch hinaus ſeinen Weg nehmen, wodurch er hereingeſchluͤft war.

Aehnliche Sage geht vom Schmied zu Apolda, (vergl Falk Groteſken 1806. S. 3 88.) der unſern Herrn ſammt St. Petrus uͤber Nacht bewirtet und drei Wuͤnſche frei erhaͤlt. Die Wuͤn - ſche, die er thut, ſind: 1. daß dem, der in ſeiner Naͤgeltaſche fahre, die Hand ſtecken bleibe, bis die Taſche zerfalle. 2. daß wer auf ſeinen Apfelbaum ſteige, darauf ſitzen muͤſſe, bis der Apfelbaum zer - falle. 3. desgleichen wer ſich auf den Armſtuhl ſetze, nicht eher aufſtehen koͤnne bis der Stuhl zer - falle. Nach und nach erſchienen drei boͤſe Engel, die den[Schmied] wegfuͤhren wollen und die er ſaͤmmt - liche in die geſtellten Fallen lockt, ſo daß ſie von ihm ablaſſen muͤßen. Endlich aber kommt der Tod und zwingt ihn zum Mitgehen, doch erhaͤlt er die Gunſt, daß ſein Hammer in den Sarg gelegt wird. Als er ſich der Himmelsthuͤr naht, will ſie Petrus nicht aufthun, da iſt der Schmied her, geht in die Hoͤlle und ſchmiedet da einen Schluͤſſel, verſpricht auch im Himmel mit allerlei Arbeit nuͤtzlich an Hand zu gehen, St. Georgs Pferd zu beſchlagen ꝛc. und wird zuletzt eingelaſſen. Findet ſich nicht auch eine aͤhnliche Fabel bei Hans Sachs?

Zu unſerem, aus muͤndlichen Erzaͤhlung gege - benen Text ſtimmt im Ganzen am meiſten das ge - druckte Volksbuch, betitelt: das bis an den juͤng - ſten Tag waͤhrende Elend, das jedoch wie esLIV ſcheint aus folgendem franzoͤſiſchen uͤberſetzt iſt; histoire nouvelle et divertissement du bon homme Misere. Troyes etc. Garnier. 3. S. 8, wiederum aber deuten manche Umſtaͤnde auf einen italieniſchen Urſprung des letzteren, oder wenigſtens hat ſie de la Riviere in Italien erzaͤhlen gehoͤrt Peter und Paul gerathen bei ſchlimmem Wetter in ein Dorf, ſtoßen auf eine Waͤſcherin, die dem Himmel dankt, daß der Regen kein Wein, ſonder Waſſer ſey, klopfen bei dem reichen Mann an, der ſie ſtolz abweiſt, und kehren zu dem armen Elend ein. Dieſes thut nur den einen Wunſch mit dem Birnbaum, den ihm gerade ein Dieb beſtohlen hatte Der Dieb wird gefangen und ſogar noch andere Leute, die aus Neugierde aufſteigen um den Jammernden zu be - freien. Endlich kommt der Tod und Elend bittet ihn, daß er ihm ſeine Sichel leihe, um ſich noch eine der ſchoͤnſten Birnen mit zu nehmen. Der Tod will ſein Waffen nicht aus der Hand laſſen, als ein guter Soldat und die Muͤhe ſelbſt uͤbernehmen Elend befreit ihn nicht eher, bis er ihm zuſagt, er wolle ihn bis zum juͤngſten Tag in Ruhe laſſen, und darum wohnt Elend noch immer fort in der Welt.

Damit ſtimmt wieder zum Theil der Schluß einer andern muͤndlichen Erzaͤhlung, die ſonſt ganz wie der Schmied von Apolda lautet. Als Elend geſtorben iſt und vor den Himmel kommt, wird er von St. Petrus nicht eingelaſſen, weil er ſich von ihm nichts beſſeres ausgebeten hatte, nicht das Himmelreich, wie er erwartet. Elend geht alſo zur Hoͤlle, aber der Teufel will ihn auch nicht, weil er ihn genarrt, da muß er wieder zuruͤck auf die Welt und Elend iſt ſo lange darauf als ſie ſteht. Durch dieſen Schluß aber knuͤpft ſich das Maͤr - chen an die Sage von den Landsknechten,[d]ie im Himmel kein Unterkommen finden koͤnnen, und[[wel]- che] Frei in der Gartengeſellſchaft No. 44. und Kirchhof im Wendunmuth I. N[o.]08. erzaͤhlen. Die Teufel wollen ſie nicht, weil ſie das rothe Kreuz in der Fahne fuͤhren, und der[Apoſtel] Pe - trus laͤßt ſie auch nicht ein, weil ſie Bluthunde,LV arme Leut Macher, und Gotteslaͤſterer waͤren. Der Hauptmann wirft dem Petrus ſeine Verraͤtherei an dem Herrn vor, daß dieſer ſchamroth wird und ihnen ein Dorf Beit ein Weil (wart ein Weil. ) zwiſchen Himmel und Hoͤlle anweiſt, wo ſie ſitzen ſpielen und zechen; mit welcher Sage dann wieder viele Andere von dem St Petrus und den Lan[d]s - knechten zuſammenhaͤngen. Endlich iſt noch zu bemerken, daß Coreb und Fabel in dem luſtigen Teufel von Edmonton Tieck altengl. Theater II. ) offenbar die Perſonen unſeres Maͤrchens ſind.

Das Reiſen der wohlthaͤtigen Maͤnner durch das Dorf, wo ſie von den Reichen verſchmaͤht, von dem Armen aufgenommen werden, erinnert an die Sage von Lot und den Engeln, von Phi - lemon und aucis bis auf viele neuere Traditio - nen, z. B. von einem Zwerglein, daß im Berner Oberland im Unwetter bei einem Armen einkehrte und ihn und ſeine Huͤtte vor dem nahen Untergang des Dorfs rettete. Wegen der Intrigue vom Groß - und Kleinmachen vergleiche man das Maͤr - chen vom Blaubart.

Zu den drei Schweſtern. No. 82.

Dieſes Maͤrchen wird oft gehoͤrt, aber allezeit ſtimmt es der Sache nach mit der auch zum Volks - buch gewordenen Erzaͤhlung des Muſaͤus, ſo daß man es auch hier ſo finden wird. Er ſcheint nur die ihm eigenthuͤmliche etwas breite Manier und die Epiſode von dem Zauberer Zornebock ferner die Namen hinzugethan zu haben, Reinald, das Wunderkind ausgenommen, welches der volksmaͤ - ßige ſcheint, da in den drei daͤniſchen Liedern von[Roſm[er]]dem Meermann (Kaͤmpe-Viſer S 52 160[. U]eberſetzung 201 206. die einen Theil des Maͤrchens enthalten der Bruder einmal Roland heißt, und beide Namen aͤußerliche Aehnlichkeit haben. Auch ſonſt iſt aus Muſaͤus beibehalten was noch[volksmaͤßig] ſchien. Li tre 'rri anemale im Pen - tamerone (IV. 3.) gehoͤrt hierher.

LVI

Zu der Schwiegermutter. No. 83.

Stimmt uͤberein mit einem Theil von Perraults la belle au[bois] dormant. In Pentamerone V. 5. (sole, luna e talia) laͤſt eine[eiferſuͤchtige] Frau ge - rade ſo den Koch rufen, um ihre Nebenbuhlerin, ſammt ihren Kindern zu kochen Der Eingang aber iſt hier wie in Dornroͤschen von der gefaͤhrlichen Spindel, und beſonders ſchoͤn und neu der Ue - bergang beider Geſchichten in einander.

Zu dem armen Maͤdchen. No. 84.

Nach dunkeler Erinnerung aufgeſchrieben, moͤg - te es jemand ergaͤnzen und berichtigen. Jean Paul gedenkt ſeiner, unſichtb Loge I, 214. Auch Arnim hat es in den Erzaͤhlungen S. 231. 232. benutzt.

Zu den Fragmenten. No. 85.

  • a) Ein franzoͤſ. Volksmaͤrchen, perceneige, (Fruͤh - lingsblume, Schneegloͤcklein, Primel) neulich in ein Gedicht: Thibaut ou la[naissance] du com - te de champagne. Paris 1811. pag. 97. 98. ver - flochten.
  • b) Erinnert an eine Variante zu Droßelbart. Das Ganze vollſtaͤndig im Pentamerone I, 5. la polece.
  • c) Dieſes Maͤrchen erinnert ſich Karl Graß in ſei - ner Kindheit in Liefland von einer deutſchen Amme, die Marie hieß, erzaͤhlen gehoͤrt zu ha - ben. Er hat daraus ein Gedicht in 12 Geſaͤn - gen gemacht, welches ſchwerlich dem Maͤrchen beikommen wird S. Erheiterungen 1812. Stuͤck 5, 391 393.
  • d) In der 1001. N. von der kupfernen Lampe, die auch aus Dummheit gegen eine neue gegeben wird. Einigermaßen verwandt iſt auch das Fa - bliau vom Sperber, den die Tochter kauft, waͤh - rend die Mutter zur Kirche iſt.

Fuchs und Gaͤnſe. No. 86.

ein Vexiermaͤrchen, das man auch zuweilen erzaͤh - len hoͤrt, ſtatt des gewoͤhnlicheren vom Schaͤfer,derLVIIder viel hundert Schafe uͤber einen breiten Fluß ſetzen will, in einem kleinen Nachen, worin jedes - mal nur ein einziges Platz hat. Dieſes hat be - kanntlich in dem Don Quixote I cap. 20. Cervan - tes vortrefflich angebracht, und Avellaneda in ſei - ner Fortſetzung cap. 21. es durch ein aͤhnliches von Gaͤnſen, die uͤber eine ſchmale Bruͤcke gehen uͤber - bieten wollen. An ſich iſt es viel aͤlter, die no - velle antiche n. XXX. erzaͤhlen es ſchon und noch fruͤher das altfranzoͤſ.[cartoiment] (fabliaux ed. Meon. II, 89 91.) eine aͤhnliche Idee liegt dem[Redner Demades] Aeſops zu Grund. (Furia 54. Coray 178.)

Einiges aus dem Kinderglauben.

1) Wenn ein Bruͤderchen oder Schweſterchen geboren wird, und die Kinder fragen, woher es ge - kommen ſey? ſo ſagt man ihnen: aus dem Brun - nen, da hole man ſie heraus. Gewoͤhnlich iſt aber an dem Ort ein gewiſſer Brunnen, auf den man verweiſt, und wenn ſie hineingukken, ſehen ſie ihre eignen Koͤpfe unten im Waſſer und glau - ben deſto mehr daran.

Oder man ſagt: ein Engel bringe ſie, und der habe zugleich das Zuckerwerk mitgebracht, das ihnen bei der Kindtaufe oder vorher gegeben wird; gewoͤhnlich ſind es bunte Zuckererbſen Oder: der Storch fiſche die Kinder im Waſſer und bringe ſie in ſeinem rothen Schnabel getragen, darum wird er angeſungen:

Klapperſtorch, Langbein,
bring meiner Mutter ein Kind heim,
leg es in Garten,
will es fein warten,
legs auf die Stiegen!
will es fein wiegen.

Oder auch niederdeutſch: Ebeer, Langbeen wenneer wult dn to Lande teen ꝛc. Der Name des Storchs Adebar, bedeutet ver - muthlich Kindtraͤger, von baren, tragen und an - dere erklaͤren Oudevar durch: alter Vater. Un -Kindermärchen. ELVIIIter den Nuͤrnberger Spielwaaren iſt der Storch mit dem Wickelkind im Schnabel ſehr haͤufig.

Bronner erzaͤhlt in ſ. Leben Zuͤrch 1795. I, 23. 24. ) da fragte ich meinen Vater einſt bei Tiſche: wo iſt denn unſer Bruͤderlein hergekom - men? die Hebamme ſaß auch dabei. Dieſe Frau da, ſagte er, hat es aus dem Krautgarten herein - gebracht, du kannſt noch heute den hohlen Baum ſehen, aus dem die kleinen Kinder immer heraus - ſchauen, die man denn abholen laͤßt, ſobald man ihrer verlangt, u. ſ. w. Es war eine hohle Wei - de an einem Teich, Bronner ſchaute hinein und ſah den Knaben im Waſſer, ſein Vater hieß ihn rufen: Buben, wo ſeid ihr? und er zweifelte nicht mehr. In einem Kinderlied: die andere geht ans Bruͤnnchen und findt ein goldnes Kindchen.

2) Wenn man Papier verbrennt, giebt man Acht, wie die Funken auf dem ſchwarzen herumge - hen und nach und nach verſchwinden, beſonders auf den allerletzten. Man ſagt: das ſeyen die Leute die aus der Kirche gingen, und der letz - te ſey der Gloͤckner, (Kuͤſter der die Thuͤre zu - ſchließe. Franzoͤſ. que[c'est] l'abbesse, qui fait coucher les nonnains.

3) Wenn die Kinder Abends vor Muͤdigkeit mit den Augen blinzen und gleichwohl noch gern wach blieben, aber nicht koͤnnen, heißt es: das Sand - maͤnnchen kommt! Baieriſch: Pechmaͤnnchen (Schmidt weſterwald. Id) Schuͤtze (im holſtein. Id. 4, p. 3. 4) meint es ſey aus Saͤmaͤnnchen ent - ſtellt, wie Sandſaier, aus Saatſaier; de Saat - ſaier kumt, wenn einer ſchlaͤfert, und ſtill iſt, wie im ſtillen Wetter geſaͤt wird. Offenbar gezwun - gen. Nach der griech. Mythe ſprengt der Schlaf Lethewaſſer in die Augen (wie dort Sand), und weht mit ſeinen Fluͤgeln, bis man entſchlaͤft. Bei Zeus ſetzt er ſich auf die hoͤchſte Tanne des Ida in das ſtachelvolle Gezweig.

4) Friſches Brod aus neuem Korn heißt Haa - ſenbrod, und der Haaſe hat es im Wald gebak - ken. Wenn auf den Bergen Nebel liegt, ſo iſt es der Rauch aus ſeiner Kuͤche: der Haas kocht.

LIX

5) Faͤllt Schnee, ſo ſind es Federn aus dem großen Bett, das dem lieben Gott aufgegangen iſt; oder Frau Holle macht ihr Bett. Hierzu gehoͤrt eine merkwuͤrdige Stelle Herodots (Melpom. c. 7. und 31.) wonach bereits die alten Skythen den ſchneienden Himmel voller Federn glaubten.

Vom wehenden Schneien in großen Flocken: Muͤller und Becker ſchlagen ſich einander. (J. Pauls Fixlein p. 94.) Der Schnee iſt Mehl. Hier wird vielleicht eine Stelle Rumelands (alt Meiſters - geſangbuch CCCXXII. ) klar: ſwan ſo der ſne gevallen iſt, ſo hor ich dat vil dicke man ſprichet: gib den wynden brot, er hat geſnyget! ſwer ſyne guten wynde laz in hungernot verderben den ſumer lanc, der mac des winters in dem ſne vil lutzel mite ir (? in) erwerben, ir macht iſt krank. ſoll hier der fallende Schnee das Mehl bedeuten, woraus man den hungrigen Winden Brod backen ſolle? Daß die Winde hungrig, vielfreſſend ſind, erhellt aus der nordiſchen Mythe, Vafthrudnismal 37; der Wind heißt Hraͤſvelgr, cadaverum hel - luo (ſvelgia, ſchwelgen, ſvelta, hungern) oder viel - mehr: er kommt aus den Adlerfluͤgeln des Hraͤſvelgr. Er iſt alſo ein Vogel und dies beſtaͤ - tigt der latein. Name aquilo, der nach Festus a vehementissimo volatu ad instar aquilae be nannt wird, im Grund aber der Adler ſelbſt iſt, denn wie dieſer der Voͤgel Koͤnig, ſo iſt aquilo der Winde Koͤnig. Beſondere Erlaͤuterung gewaͤhrt aber, was Praͤtorius in ſ. Weltbeſchreibung 1, 429 berichtet: zu Bamberg in Franken zur Zeit eines ſtarken Windes hat ein alt Weib ihren Mehl - ſack in die Hand gefaßt, und denſelben aus dem[Fenſter] in die freie Luft nebenſt dieſen Woͤrtern ausgeſchuͤttet:

lege dich, lieber Wind,
bringe das deinem Kind!

ſie wollte hiermit den Hunger des Windes ſtillen, da ſie glaubte derſelbige wuͤthe darum, wie ein fraͤßiger Loͤwe, oder ein grimmiger Wolf. LXIn der Rockenphiloſophie p. 265. wenn der Wind ſehr wehet, ſo kann man ſolchen ſtillen, wenn man einen Mehlſack ausſtaubet und darzu ſpricht:

ſieh da Wind,
koch ein Muß fuͤr dein Kind!

Fiſchart, im 14. Capitel, von der Jugend des Gargantua fuͤhrt folgendes an: die Wolken ſind Wolle oder Blumendolder (wie man eine gewiſſe Art weißer Wolken Laͤmmerchen nennt), das Ge - woͤlk Spinnweb oder Schynhut (?, der Schnee Mehl (ſo der Mehlthau, die Schloſen Zucker - erbſen, die Waſſerblaſen Laternen, (Rabelais IV 5. laͤßt den Hagel aus einem Land Lanternois kommen, man ſchoͤpfe die Kinder aus dem Brun - nen; es all noch eins vom Himmel; der Storch bringe rothe Schuh mit; wann die Wolken fallen, koͤnne man alle Lerchen ſehen; wann den Kindern hungert: die Froͤſche murrten in ihrem Bauch (stomachus latrat). (Nach Schuͤtze pflegt man auch zu ſagen: Jung , ſonſt kommt der Hund und frißt dir deinen Magen weg.)

LXI

Den vorhergehenden Anmerkungen iſt Folgendes gehoͤrigen Orts einzuſchalten.

  • Num. 2. (Katz und Maus. ) wird auch vom Fuchs und Hahn erzaͤhlt, die einen Honigtopf finden. Die Kinder haben bedeutende Namen: Rand - aus, Halbaus, Ganzaus.
  • Num. 3. (Marienkind.) Auch im Pentamerone ſchließt Marchetta die verbotne Kammer der Orca auf und wird darum von ihr ausgeſtoßen.
  • Num. 6. (Nachtigall und Blindſchleiche[.]) ſi haut! ſi haut! ahmt den Nachtigallgeſang nach, wie zi - kuͤth! zikuͤth! im Maͤrchen von Joringel. S. 329.
  • Num. 12. (Rapunzel.) Das Einſchließen der Jung - frau in den Thurm, kommt in viel alten Liedern vor, z. B. Hildburg und Hug, Dieterich, Bryn - hild und iſt daher nicht gerade fuͤr ein Gefaͤngniß zu nehmen.
  • Num. 13. (die drei Maͤnnlein.) Auch im Daͤniſchen Lied kommt die Mutter aus dem Grab ihr Kind zu traͤnken und zu pflegen. (Ueberſetzung S. 148. 149.) Vgl. auch Nr. 11. S. 37.
  • Num. 14. (vom Flachsſpinnen. [)]Praͤtor im Gluͤcks - topf 404 406. erzaͤhlt das Maͤrchen auf folgende Weiſe. Eine Mutter kann ihre Tochter nicht zum Spinnen bringen und gibt ihr darum oft Schlaͤ - ge; ein Mann der das einmal mit anſieht, fragt, was das bedeuten ſolle. Die Mutter antwortet: ach, ich kann ſie nicht vom Spinnen bringen, ſie verſpinnt mehr Flachs, als ich ſchaffen kann. Der Mann ſagt: ei, ſo gebt ſie mir zum Weib, ich will mit ihrem unverdroſſenen Fleiß zufrieden ſeyn, wenn ſie auch ſonſt nichts mitbringt. Die Mutter wars von Herzen gern zufrieden und der Braͤutigam bringt der Braut gleich einen großen Vorrath Flachs, davor erſchrickt ſie innerlich, nimmts indeſſen an und legts in ihre Kammer und ſinnt nach, was ſie anfangen ſoll. Da kom - men drei Weiber vors Fenſter: eine ſo breit vom Sitzen, daß ſie nicht zur Stubenthuͤre herein kann, die zweite mit einer ungeheuern Naſe, die dritte mit einem breiten Daumen, die bieten ihre Dien - ſte an und verſprechen das aufgegebene zu ſpin -Kindermärchen. FLXIInen, wenn die Braut am Hochzeittage ſich ihrer nicht ſchaͤmen, ſie fuͤr Baſen ausgeben und an ihren Tiſch ſetzen wolle. Sie willigt ein, ſie ſpinnen den Flachs weg, woruͤber der Braͤutigam die Braut lobt. Als nun der Hochzeittag kommt, ſo ſtellen ſich die drei abſcheulichen Jungfern auch ein; die Braut thut ihnen Ehre an und nennt ſie Baſen. Der Braͤutigam verwundert ſich und fragt, wie ſie zu ſo garſtiger Freundſchaft komme, ach, ſagt die Braut, durchs Spinnen ſind alle drei ſo zugerichtet worden, die eine iſt unten ſo breit vom Sitzen, die zweite hat ſich den Mund ganz abge - leckt, darum ſteht ihr die Naſe ſo heraus und die dritte hat mit dem Daumen den Faden ſo viel ge - dreht. Darauf iſt der Braͤutigam betruͤbt wor - den und hat zur Braut geſagt, ſie ſollt nun ihr Lebtage keinen Faden mehr ſpinnen, damit ſie kein ſolches Ungethuͤm wuͤrde. Eine muͤndliche Erzaͤh - lung aus dem Corveiſchen ſtimmt im Ganzen da - mit, nur ſind es zwei ſteinalte Frauen, welche drei Kammern voll Flachs ſpinnen, die eine dreht das Rad, die andere klopft blos mit dem Finger auf den Tiſch, und ſo oft ſie klopft, faͤllt ein Strang Garn fertig zur Erde.
  • Num. 15. (Haͤnſel und Gretel.) Vgl. den Eingang von nennillo e nennella im Pentamerone. Man hat dies ſchoͤne Maͤrchen auch ſo, daß ſtatt der Alten ein Wolf im Zuckerhaͤuschen ſitzt und noch mehr Reime dabei vorkommen.
  • Num. 16. (Fix und Fertig.) In den Ammen-Maͤr - chen (Weimar 1791. 1792. 2. Bde. ) ſteht ein aͤhn - liches, aber wie alle in dieſer Sammlung nicht rein aufgefaßtes Maͤrchen, worin jedoch einige gute Umſtaͤnde ſind) Unterwegs ſieht er zwei Tauben, eine weiß, die andere ſchwarz, ſich beißen, die jagt er von einander. Als ihm nachher aufgegeben wird, einen Kranz aus dem Himmel und einen Brand aus der Hoͤlle zu ſch[a]ffen, fliegen die Tau - ben, die weiße jenen, die ſchwarze dieſen zu ho - len. Ameiſen, die er mit Brot gefuͤttert, leſen ihm dankbar neun Malter neunerlei Getrai - de in einer Nacht aus einander und kommen aus allen Diehlenritzen hervor.
  • LXIII
  • Num. 18. (Strohhalm, Kohle und Bohne) die nu - gae venales von 1648. ſ. l. in 12. enthalten auch crepundia poetica, daſelbſt p. 32. 33. unſer Maͤr - chen kurz:
    Pruna, faba et ſtramen rivum tranſire laborant, ſeque ideo in ripis ſtramen utrimque locat.
    Sic quafi per pontem faba tranfit, pruna ſed urit ſtramen et in medias praecipitatur aquas.
    Hoc cernens nimio riſu faba rumpitur ima parte ſui; hancque quaſi tacta pudore tegit.
    In einem lat. Gedicht des Mittelalters (Handſchr. zu Strasburg) kommt die Fabel von der reiſen - den Maus und Kohle mit der Wendung vor, daß beide ihre Suͤnden zu beichten in die Kirche wall - fahrten, beim Uebergang faͤllt die Kohle in ein Baͤchlein ziſcht und erliſcht. Vgl auch die aͤſop. Fabel vom Dornſtrauch, Taucher und der Fleder - maus (Furia 124. Coray 42.)
  • Num. 19. (Von dem Fiſcher.) In Kerners poet. Al - manach fuͤr 1812. ſteht dies Maͤrchen unter dem Titel: Hans Entendee, doch viel duͤrftiger.
  • Num. 20. (der tapfere Schneider.) Fiſcharts Gar - gantua 254b. ich will euch toͤdten, wie die Muͤcken neun auf einen Streich wie jener Schneider. Simpliciſſimus B. 2. Cap. 28. und den Titul eines Schneiders, ſieben auf einen Streich uͤberſtiegen hatte.
  • Num. 21. (Aſchenputtel.) Kaiſerspergs Eſchengruͤn - del enthaͤlt nichts fuͤr die Fabel, außer daß man ſieht, das Wort ſey daher entlehnt und zwar iſt es auch deutlich ein verachteter Kuͤchenknecht (im Holzſchnitt dabei aber eine Kuͤchenmagd). Rollenhagen ſpricht gleichfalls von drei Bruͤ - dern, nicht Schweſtern. Es iſt ein alter Zug, daß die Tauben (reine Thiere) rein leſen. Schon in einem altdeutſchen Gedicht ſteht gleich - nißweiſe: mit linden ſpruͤchen ſuͤzen, als es di turteltube habe erleſen. In Pauli's Schimpf und Ernſt ed. 1535. fol. Cap. 315. f. 60a. eine Er - zaͤhlung von einer Frau, die hinten in der Kirche auf ihren Knien lag, betete und weinte vor An - dacht, da ſah der Biſchoff wie eine Taube kamF 2LXIVund las dieſelben Thraͤnen auf und flog darnach hinweg.
  • Num. 22. (Kinderſchlachtſpiel.) Kinder lockt die Rundheit und lachende Roͤthe der Aepfel vor allen Dingen. Man vgl. das ſchott. Lied von der Ju - dentochter; auch Fuͤrterer im Lanzilet Nr. 49. als kinden tut gezemen, den man peut ein Apfel rot, laſſen das gold in aus den henden nemen. Und im Schwank vom Haͤſelin 54. 55. ein kint den Apfel minnet und neme ein ei fuͤr des riches lant. Alſo verſucht der Apfel im Pa - radis die erſten Menſchenkinder. Den latein. Vers geben die nugae venales p. 97. ſo:
    hircus cum pueris, puer unus, ſponſa, ma - ritus, etc.
  • Num. 32. (der geſcheidte Hans.) Vgl. Hans Sach - ſens Schwank vom Kaͤlberbruͤten.
  • Num. 35. (Sperling und ſeine Kinder.) Steht ſchon fruͤher im Froſchmeuſeler Magdeb. 1595. A a V. B b 1.
  • Num. 39. III. (Wichtelmaͤnner) zu dem Vers: old as de Bemer Wold von ſehr alten Dingen. Daͤhnert plattd. Woͤrterbuch S. 556. Bremer Woold hat Schuͤtze im holſt. Idiot. III. 173. 373.
  • Num. 44. (Gevatter Tod.) Erweis vom Alter der Sage kann ſchon allein geben, daß ſie Jacob Ayrer in einem Faßnachtsſpiel (dem 6ten im opus theatr. ) vom Baur mit ſeim Gevatter Tod be - arbeitet hat. Erſt bietet ſich Jeſus dem Kind - taufvater an, der ihn aber verwirft, weil er ei - nen reich, den andern arm mache. Drauf naht ſich der Teufel, den er gleichfalls ausſchlaͤgt, weil er vor dem Namen des Herrn und des heiligen Kreuzes weglaufe, (gerade wie der h. Chriſtoph, als er ſich einen Herrn ſucht) der Teu - fel ſchickt ihm zuletzt den Tod auf den Hals, der alle Leute gleich behandelt, Gevatter ſteht und verſpricht ihn zum Arzt zu machen, als woraus ihm uͤberreicher Lohn entſpringen werde:
    bey allen Kranken finſt du mich
    und mich ſieht man nicht bey ihn ſeyn,
    dann du ſollſt mich ſehen allein;
    LXV
    wenn ich ſteh bey des Kranken Fuͤßen
    ſo wird derſelbig ſterben muͤſſen,
    alsdann ſo nim dich ſein nicht an,
    ſichſtu mich aber beym Kopfen ſtahn ꝛc.
    zum Schein der Arzenei ſolle er nur zwei ſchlechte Aepfelkern in Brot geſteckt eingeben. Dem Bauer gelingts damit, aber zuletzt holt der Tod ſeinen Gevatter ſelbſt. Dieſelbe Fabel, jedoch mit eigenthuͤmlichen Ab - weichungen (worunter die beſte, daß nicht der Vater, ſondern das neugeborene Kind ſelbſt die Doctorgabe empfaͤngt), erzaͤhlt Praͤtorius im Gluͤckstopf 1669. S. 147 149. Aus heutiger Volksſage aufgenommen aber weitlaͤuftig behandelt, ſteht ſie in G. Schillings neuen Abendgenoſſen III. 145 286. Wie bei Ayrer iſt nicht der Pathe, ſondern der Vater ſelbſt Doctor. Merkwuͤrdig iſt der gewiß echte Schluß: der uͤberliſtete Tod, um ſich zu raͤchen, fuͤhrt den Gevattersmann in die Lichterhoͤhle, fuͤr Kinder brennen große, fuͤr Eheleute halbe, fuͤr Greiſe kleine. Des Gevatters eignes Lebenslicht iſt nur ein kleines Endchen noch; da bittet er den Tod, ein neues anzuzuͤnden, welches aber nicht geht, da eins erloͤſchen muß, eh ein neues anbrennt; alſo bittet er, unten anzuſetzen, damit es gleich fortbrennen koͤnne. Der Tod thut, als willigte er ein, langt ein großes friſches Licht, verſieht es aber abſichtlich beim Unterſtecken, daß das Stuͤckchen umfaͤllt und liſcht. Damit faͤllt der Gevatter hin und iſt todt. (Dieſe Lichter, woran das Leben gebunden wird, erinnern an den Nor - nengaſt und die noch gangbare Redensart vom Ausblaſen des Lichts, der Lebenskerze fuͤr: um - bringen.) Alles in dieſem Maͤrchen weiſt auf ſehr tieflie - gende Ideen hin. Der Tod und der Teufel ſind die boͤſen Gottheiten und beide nur eine, wie die Hoͤlle die Unterwelt und das Todtenreich, da - her im Maͤrchen vom Schmiedt auch beide nach einander auftreten. Aber der boͤſe heißt wie der gute Gott, Vater und Tatta. Der Gevatter nicht blos Vater, ſondern auch Pathe, GothLXVI und Dod oder Tot (das getaufte Kind eben ſo: Pathe und Gothel, daher die Verwechſelung bei - der in unſerer Sage folgerecht. Altd. Waͤlder I. 104) und auf dieſer Grundlage des Glaubens und der Sprache wachſen die lebendigen Bilder der Fa - bel auf; ſo verhaͤlt es ſich faſt immer damit, ſcheint aber ſelten ſo durch.
  • Num. 45. (Schneider Daumerling.) Dies Maͤrchen wird auch in der tabartſchen Sammlung (neuſte Ausg. Lond. 1809. T. III. 37 52.) erzaͤhlt: the life and adventures of Tom Thumb Ein Schneiderskind iſt er hier nicht, ſondern bloßer Daͤumerling und wiewohl ſonſt vieles uͤberein - ſtimmt, hat doch auch die engliſche Sage ſchoͤne Eigenthuͤmlichkeiten, z. B. S. 41. als die Mutter die Kuh melkt und gerade ein windiger Tag iſt, damit er ihr dieweil nicht fortgeweht werde, bindet ſie ihn mit einem Zwirnsfaden an eine Diſtel, welche hernach die Kuh frißt und ſo manches an - dere. Was fuͤr die Geſchichte der Mythen noch merkwuͤrdiger iſt, ſo ſcheint dieſer Tom Thumb mit andern engliſchen und ſchottiſchen Sagen von Tam - lane, Tomlin und ſelbſt Thomas dem mythiſchen Dichter in Verbindung zu ſtehen.
  • Num. 47. (der Machandel-Boom.) Daß dies Maͤr - chen auch in Schottland herumgeht, zeigt folgender Reim, den Leyden aus einem nurſery tale aufbe - wahrt: the ſpirit of a child in the form of a bird whiſtle the following verse to its father: pew wew, pew wew, (pipi, wiwi,) my minny me ſlew.
  • Num. 51. (Jundevogel.) Ein aͤhnliches Aufſuchen der Fluͤchtigen iſt in Rolf Krake's Sage. Cap. 2.
  • Num. 52. (Koͤnig Droſſelbart.) Broſelbart und Dro - ſelbart liegen ſich zwar zur Verwechſelung nah, denn bei Ulfilas heißt ein Broſen: draus, man darf aber den Namen ebenwohl von Droſſel, Druͤſ - ſel, Ruͤſſel, Maul, Naſe oder Schnabel herleiten und die Abweichung des Maͤrchens ſelber ſchickt ſich zu beiden.
  • Num. 53. (Sneewittchen.) Vgl. Muſaͤus Richildis,LXVII der den Reim etwas anders hat. Ueber das Ganze, beſonders das Sitzen bei der immer friſch ausſe - henden Leiche, Haralds haͤrf. Sage. Cap. 25.
  • Num. 55 (Rumpelſtilzchen.) Eine andere Erzaͤh - lung leitet ſo ein: die Frau geht vor einem Gar - ten vorbei, worin ſchoͤne Kirſchen haͤngen, be - kommt ein Geluͤſten, ſteigt ein und ißt davon; aber ein ſchwarzer Mann kommt aus der Erde und ſie muß ihm fuͤr den Raub ihr Kind verſprechen. Als es geboren iſt, dringt er durch alle Wachen, die der Mann ausgeſtellt hat und will der Frau nur dann das Kind laſſen, wenn ſie ſeinen Namen weiß. Nun geht der Mann nach, ſieht, wie er in eine Hoͤhle ſteigt, die von allen Seiten mit Koch - loͤffeln behangen iſt und hoͤrt wie er ſich Fleder Flitz nennt. Unſer Maͤrchen iſt auch das fran - zoͤſiſche Ricdinricdon in der Tour tenebreuſe der Mlle L'heretier, wonach eine daͤniſche gedruckte Bearbeitung: en ſmuk Hiſtorie om Roſanie tjent ved Fandens Hielp for Spindepige. (Iris 1795. Juny. 244 46.) Das Spinnen des Golds kann auch die ſchwere, kummervolle Arbeit Golddraht zu verfertigen andeuten, welche armen Jungfrauen uͤberlaſſen blieb, ſo heißt es im alt - daͤn. Lied Kaͤmpe Viſer S. 165. V. 24. Nu er min Sorg ſaa mangefold, ſom Jongfruer, de ſpinde Guld. Vgl. Wolfdieterich 89. und Iwein 6165. ff.
  • Num. 60 (Goldei.) Bey dem Herz, das die bei - den unverſehens eſſen, iſt an Loki zu erinnern, der das halbverbrannte (Hyndluliod 37.) und an den Fuchs der aͤſopiſchen Fabel, (Furia 356. Coray 358.) der das von ohngefaͤhr herausfallende Herz der Huͤndin verzehrt. Der Loͤwe fragt wie der Goldſchmidt darnach, allein der Fuchs gibt ihm hier eine moraliſch witzige, ſtatt der mythiſchen Antwort. Vermuthlich gehoͤrt eben darum auch die Fabel vom Koch und Hund hierher (Furia 227.).
  • Num. 62. (Blaubart.) Die Geſta Romanor. ent - halten eine Erzaͤhlung, wo einer Mutter vier Trop -LXVIII fen Blut ihres unſchuldigen, von ihr gemordeten Kindes auf die Hand fallen, welche nicht fortzu - bringen ſind, ſo daß ſie beſtaͤndig einen Handſchuh traͤgt.
  • Num. 64. I. (Weiße Taube.) Das gedruckte daͤni - ſche Maͤrchen: Hiſtorie om trende Broͤdre, iblandt hvilke den yngſte efter han havde af ſine to broͤ - dre lidt ſtor foragt omſider blev en Fyrſte u. ſ. w. ſcheint in dieſen Kreis zu gehoͤren. Nye - rup (Iris, Juny 1795. S. 281.) Der es zu ſchnell verurtheilte, hat ſich nur kurz daruͤber ausgelaſſen.
  • Num 64. III. (Die drei Federn.) Ueber das Feder - aufblaſen denen man nachgebt. Vgl. Altd. Waͤlder I. 91. Und Aventin bair. Chronik S. 98b. Es iſt auch ſonſt ein gemein Spruͤchwort vorhanden, das gemeiniglich diejenigen brauchen, ſo fremde Land bauen wollen oder ſollen: ich will ein Feder aufblaſen, wo dieſelbig hinaus fleugt, will ich nachfahren. S. auch Voͤlnndurs Lied, wo der eine Bruder nach Oſten, der zweite nach Suͤden auszieht, der dritte aber daheim bleibt.
  • Num. 64. IV. (Goldne Gans.) Vgl. juͤngere Edda Daͤmiſ. 51.
  • Num. 66. (Hurleburlebutz.) Wie die Soͤhne damit erprobt werden, ob ſie ein Stuͤck Kuchen mitthei - len, ſo erhaͤlt Engelhart (im Roman des Conrad von Wuͤrzburg ſ. Eſchenburgs Denkmaͤlev S. 44.) von ſeinem Vater auf die Reiſe drei Aepfel, wer ihm begegne, dem ſolle er einen reichen; verzehre ihn der Fremde ganz, ohne ihm einen Theil davon zu geben, ſolle er ihn meiden, gaͤbe er aber etwas, ſolle er ſeine Freundſchaft annehmen. Auch der dritte zeigt ſich erſt gut.
  • Num. 71. (Maͤuſehaut. ) wie der Vater hier, ſo fragt Koͤnig Lear ſeine Toͤchter.
  • Num. 72. (das Birnli) S. Fiſcharts Spielverzeich - niß im Gargantua. Nr. 398.
  • Num. 78. (der Großvater.) Vgl. Walter von der Vogelweide I. 129a.IXIX[LXIX] die jungen ſpotent alſe dar der alten: beitent unz uͤwer jugent zerge, ſwaz ir nu tunt, daz rechent uͤwer jungen.
  • Num. 80. (Tod des Huͤhnchens.) Nach einer bai - riſchen Erzaͤhlung: das Haͤhnl lauft zum Brunnl, ſagt: ach Brunnl, gib mir ein Waͤſſerl, daß mein Haͤhnl nicht erſtickt. Waͤſſerl ſagt: geb dir kein Brunnel, bis du zum Lindl gehſt und bringſt mir ein Blaͤttl. Das Lindl ſagt: geb dir kein Blaͤttl, bis du zum Braͤutl gehſt und bringſt mir ein Baͤndl. Braͤutl ſagt: geb dir kein Baͤn - del, bis du zum Saͤul gehſt und bringſt mir ein Buͤrſtel. Saͤul ſagt: geb dir kein Buͤrſtl, bis du zum Muͤller gehſt und bringſt mir ein Kleil. Muͤller ſagt: geb dir kein Kleil, bis du zum Baͤurl gehſt und bringſt mir ein Knoͤdel (Klos). Da gibt der Bauer ein Knoͤdel, nun befriedigt es alle, kommt aber mit dem Waſſer zu ſpaͤt und weint ſich todt auf dem Grab. Ueber Hahnen - berg und Hahnenſumpf hat man eine daͤni - ſche Volksſage. Antiquariſke Annaler I. 331.
  • Num. 81. (Schmidt und Teufel.) Sobald man ſich unter dem Schmidt mit ſeinem Hammer den Thor, unter dem Tod und Teufel einen plumpen Rieſen denkt, gewinnt das Ganze eine wohlgegruͤndete alt nordiſche Anſicht.
  • Num. 82. (Die drei Schweſtern.) Die Aehnlichkeit des Lieds von Roſmer (S. LV. ſteht durch Druck - fehler Rohmer) wird durch eine Stelle in Jamie - son's popular ballads Edinb. 1806. 1. 217. be - ſtaͤrkt: It may be observed, that there is a ſtri - king resemblance between the ſtory of Rosmer Hafmand and the romance of child Row - land (not yet entirely lost in Scotland) which is quoted by Mad Tom in Shakespeare:
    Child Rowland to the dark tower came
    (the fairy comes in)
    with, fi, fi, fo and ſum!
    I ſmell the blood of a british man!
    be he dead, be he living, wi' my brand,
    I'll dash his harns frae his harn-pan
    LXXthe british ſtory is much finer in every respect than the danish etc. etc. Wie hier der Adler. ſo reicht im Schahnameh der Rieſenvogel Simurg dem Knaben Sal aus ſei - nem Gefieder eine Feder; wenn er in Noth ſey, ſolle er ſie ins Feuer werfen (auch das Reiben im Maͤr - chen ſoll ſie entzuͤnden) und auf der Stelle werde er ihm durch die Wolken zu Huͤlfe geflogen kom - men. (Fundgruben des Or. III. 63.)
  • Num. 86. (Fuchs und Gaͤnſe.) Spruͤchwort: wenn der Wolf die Gaͤnſe beten lehrt, frißt er ſie zum Lehrgeld. Der Wolf iſt der Fuchs. Ofterdingen im Wartburger Krieg 20: ir habt Genſe-Wan, ſo ſi den Wolf erkennent und wellent uz den zuͤnen gan.

Druckfehler zum erſten Theil.

  • Vorr. Seite XV. Zeile 5. von unten ſtatt in ſeinem lies in ſeinen.
  • S. 69. Z. 10. ſt. mich l. nich.
  • 74. 11. nach ga ein Komma.
  • 75. ſt. Koͤkenlicht l. Koͤten - oder Koͤting - licht (Reynaert de Vos V. 303. bernende ſtal - licht von Kothe, arme Huͤtte, Stall a. ſ. cyte engl. und holl. cot, kot. Daͤhnert v. Koͤtken, das letzte Endchen von einem abgebrannten Licht. Ueber Stalllicht ſ. Huydecoper zu Stocke III. 189.)
  • S. 158. Z. 11 ſt. Hebeitzen l. Hebritzen. Ueber dies Wort vgl. Aventin bair. Chronik 18a Haͤ - berritzen.
  • S. 217. Z. 11. v. unten ſt. um l. und.
  • 246. 3. ſt. viel l. fiel.
  • 326. 1. ſt. mas l. was.
  • 342. 3. ſt. Kammrr l. Kammer.
  • Anhang. S. VII. Nr. 9. ſt. le ſette cottenelle IV. 4. l. li ſette palommielle IV. 8.
  • S. IX. Z. 13. ſt. Pollus l. Pollux.
  • 15. ſt. Dummlung l. Dummling.
  • 22. ſt. Essais l. Essai.
  • XVI. Z. 11. ſt. Gautraks l. Gautreks.
  • 13. till l. til.
  • 16. ſitta l. ſitia ſt. Kaltur l. Kattur.
  • XX. 23. liſette l. li ſette.
  • XXIV. Z. 12. v. u. ſt. Skrandere l. Skrae - dere ſt. Ved l. ved.
  • XXV. Z. 9. v. u. ſt. koͤſtlichen l. koͤſtlichſten.
  • XXXI. Z. 15. ſt. migella l. nigella.
  • XXXV. Z. 9. v. u. ſt. Hans Sachs l. Ayrer.
  • XXXVII. Z. 3. ſt. Rong l. Kong.
  • XL. letzte Z. ſt. Calenbuͤrgern l. Lalenbuͤr - gern.
  • XLI. Z. 15. v. u. ſt. Fitſchers l. Fitchers.
  • LII. Z. 9. v. u. ſt. 5 l. 3.
  • LIII. Z. 8. u. 28. ſt. Schied l. Schmied.
  • LIV. Z. 6. v. u. ſt. wenche l. welche.
  • LV. Z. 7. v. u. ſt. Rohmer l. Roſmer.
  • LVI. Z. 2. ſt. boy l. bois.
  • 3. eiferſichtige l. eiferſuͤchtige.
  • Nr. 85a. l. naissance
  • [LVII]. Z. 12. ſt. demadiſchen Redner l. Redner Demades.
  • 24. ſt. l'est l. c'eſt.

An den Buchbinder.

  • Seite 387, im erſten Theile, wird herausgeſchnit - ten, und an deſſen Stelle das Blatt 387, wel - ches an dieſem Bogen befindlich iſt, dafuͤr eingeheftet.
  • Dieſer Bogen F wird an den Viertelbogen E ange - bunden, nach dem Anhange des erſten Theils.
  • Der Viertelbogen D, welcher ſich am T Bogen befin - det, wird nach dem Anhang des zweiten Theils eingebunden.

About this transcription

TextKinder- und Haus-Märchen
Author Jacob Grimm; Wilhelm Grimm
Extent496 images; 105361 tokens; 12837 types; 657959 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationKinder- und Haus-Märchen Jacob Grimm, Wilhelm Grimm. . XXVIII, 388, LXX, [4] S. RealschulbuchhandlungBerlin1812.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Yt 1067-1/2 Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=444436022

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Prosa; Belletristik; Märchen; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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