PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Kinder - und Haus-Maͤrchen.
Zweiter Band.
Berlin,in der Realſchulbuchhandlung.1815.
[II][III]

Vorrede.

Mit dieſer weitern Sammlung von Haus - Maͤrchen iſt es der treibenden, ſtarken Zeit unerachtet ſchneller und leichter gegangen, als mit der erſten. Theils hat ſie ſich ſelbſt Freunde verſchafft, welche ſie unterſtuͤtzten, theils, wer es fruͤher gern gethan haͤtte, ſah jetzt erſt be - ſtimmt, was und wie es gemeint waͤre; end - lich hat uns auch das Gluͤck beguͤnſtigt, das Zufall ſcheint, aber gewoͤhnlich beharrlichen und fleißigen Sammlern beiſteht. Iſt man erſt gewohnt auf dergleichen zu achten, ſo be - gegnet es doch haͤufiger, als man ſonſt glaubt, ja das iſt uͤberhaupt mit Sitten, Eigenthuͤm - lichkeiten, Spruͤchen und Scherzen des Vol - kes der Fall.

Die ſchoͤnen plattdeutſchen Maͤrchen aus dem Fuͤrſtenthum Paderborn und MuͤnſterIV verdanken wir beſonderer Guͤte und Freund - ſchaft; das Zutrauliche der Mundart iſt ihnen bei der innern Vollſtaͤndigkeit beſonders guͤn - ſtig. Dort, in altberuͤhmten Gegenden deut - ſcher Freiheit, haben ſich an manchen Orten die Sagen als eine faſt regelmaͤßige Vergnuͤ - gung der Sonntage erhalten: auf den Bergen erzaͤhlten die Hirten jene, am Harz auch be - kannte und vielleicht jedem großen Gebirge eigene, vom Kaiſer Rothbart, der mit ſeinen Schaͤtzen darin wohne; dann von den Huͤh - nen, wie ſie ihre Haͤmmer ſtundenweit von den Gipfeln ſich zugeworfen; manches, was wir an einem andern Orte mitzutheilen den - ken. Das Land iſt noch reich an ererbten Ge - braͤuchen und Liedern.

Einer jener guten Zufaͤlle aber war die Bekanntſchaft mit einer Baͤuerin aus dem nah bei Caſſel gelegenen Dorfe Zwehrn, durch welche wir einen anſehnlichen Theil der hier mitgetheilten, darum aͤcht heſſiſchen, Maͤr - chen, ſo wie mancherlei Nachtraͤge zum erſten Band erhalten haben. Dieſe Frau, noch ruͤſtig und nicht viel uͤber funfzig Jahr alt, heißtV Viehmaͤnnin, hat ein feſtes und angenehmes Geſicht, blickt hell und ſcharf aus den Augen, und iſt wahrſcheinlich in ihrer Jugend ſchoͤn geweſen. Sie bewahrt dieſe alten Sagen feſt in dem Gedaͤchtniß, welche Gabe, wie ſie ſagt, nicht jedem verliehen ſey und mancher gar nichts behalten koͤnne; dabei erzaͤhlt ſie bedaͤchtig, ſicher und ungemein lebendig mit eigenem Wohlgefallen daran, erſt ganz frei, dann, wenn man will, noch einmal langſam, ſo daß man ihr mit einiger Uebung nachſchrei - ben kann. Manches iſt auf dieſe Weiſe woͤrt - lich beibehalten, und wird in ſeiner Wahrheit nicht zu verkennen ſeyn. Wer an leichte Ver - faͤlſchung der Ueberlieferung, Nachlaͤſſigkeit bei Aufbewahrung, und daher an Unmoͤglich - keit langer Dauer, als Regel glaubt, der muͤßte hoͤren, wie genau ſie immer bei derſel - ben Erzaͤhlung bleibt und auf ihre Richtigkeit eifrig iſt; niemals aͤndert ſie bei einer Wieder - holung etwas in der Sache ab, und beſſert ein Verſehen, ſobald ſie es bemerkt, mitten in der Rede gleich ſelber. Die Anhaͤnglichkeit an das Ueberlieferte iſt bei Menſchen, die in gleicher Lebensart unabaͤnderlich fortfahren,VI ſtaͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es auch, ſo viel - fach erprobt, eine gewiſſe eindringliche Naͤhe und innere Tuͤchtigkeit, zu der anderes nicht ſo leicht gelangt, das aͤußerlich viel glaͤnzen - der erſcheinen kann. Der epiſche Grund der Volksdichtung gleicht dem durch die ganze Natur in mannichfachen Abſtufungen verbrei - teten Gruͤn, das ſaͤttigt und ſaͤnftigt ohne je zu ermuͤden.

Der innere gehaltige Werth dieſer Maͤr - chen iſt in der That hoch zu ſchaͤtzen, ſie geben auf unſere uralte Heldendichtung ein neues und ſolches Licht, wie man ſich nirgendsher ſonſt koͤnnte zu Wege bringen. Das von der Spindel zum Schlaf geſtochene Dornroͤschen iſt die vom Dorn entſchlafene Brunhilde, naͤm - lich nicht einmal die nibelungiſche, ſondern die altnordiſche ſelber. Schneewitchen ſchlum - mert in rothbluͤhender Lebensfarbe wie Snaͤ - fridr, die ſchoͤnſte ob allen Weibern, an deren Sarg Haraldur, der haarſchoͤne, drei Jahre ſitzt, gleich den treuen Zwergen, bewachend und huͤtend die todtlebendige Jungfrau; der Apfel -VII knorz in ihrem Munde aber iſt ein Schlafkunz oder Schlafapfel. Die Sage von der guͤldnen Feder, die der Vogel fallen laͤßt, und wes - halb der Koͤnig in alle Welt ausſendet, iſt keine andere, als die vom Koͤnig Mark im Triſtan, dem der Vogel das goldne Haar der Koͤnigstochter bringt, nach welcher er nun eine Sehnſucht empfindet. Daß Loki am Rie - ſen-Adler haͤngen bleibt, verſtehen wir beſſer durch das Maͤrchen von der Goldgans, an der Jungfrauen und Maͤnner feſthangen, die ſie beruͤhren; in dem boͤſen Goldſchmied, dem redenden Vogel und dem Herz-Eſſen, wer erkennt nicht Sigurds leibhafte Fabel? Von ihm und ſeiner Jugend theilt vorliegender Band andere rieſenmaͤßige, zum Theil das, was die Lieder noch wiſſen, uͤberragende Sa - gen mit, welche namentlich bei der ſchwieri - gen Deutung des zu theilenden Horts will - komene Hilfe leiſten. Nichts iſt bewaͤhrender und zugleich ſicherer, als was aus zweien Quellen wieder zuſammenfließt, die fruͤh von einander getrennt, in eignem Bette gegangen ſind; in dieſen Volks-Maͤrchen liegt lauter urdeutſcher Mythus, den man fuͤr verlorenVIII gehalten, und wir ſind feſt uͤberzeugt, will man noch jetzt in allen geſegneten Theilen un - ſeres Vaterlandes ſuchen, es werden auf die - ſem Wege ungeachtete Schaͤtze ſich in unge - glaubte verwandeln und die Wiſſenſchaft von dem Urſprung unſerer Poeſie gruͤnden helfen. Gerade ſo iſt es mit den vielen Mundarten unſerer Sprache, in welchen der groͤßte Theil der Worte und Eigenthuͤmlichkeiten, die man laͤngſt fuͤr ausgeſtorben haͤlt, noch unerkannt fortlebt.

Wir wollten indeß durch unſere Samm - lung nicht blos der Geſchichte der Poeſie einen Dienſt erweiſen, es war zugleich Abſicht, daß die Poeſie ſelbſt, die darin lebendig iſt, wirke: erfreue, wen ſie erfreuen kann, und darum auch, daß ein eigentliches Erziehungsbuch daraus werde. Gegen das letztere iſt einge - wendet worden, daß doch eins und das an - dere in Verlegenheit ſetze und fuͤr Kinder un - paſſend oder anſtoͤßig ſey (wie die Beruͤhrung mancher Zuſtaͤnde und Verhaͤltniſſe, auch vom Teufel ließ man ſie nicht gern etwas boͤſes hoͤ - ren) und Eltern es ihnen geradezu nicht inIX die Haͤnde geben wollten. Fuͤr einzelne Faͤlle mag die Sorge recht ſeyn und da leicht aus - gewaͤhlt werden; im Ganzen iſt ſie gewiß un - noͤthig. Nichts beſſer kann uns vertheidigen, als die Natur ſelber, welche gerad dieſe Blu - men und Blaͤtter in dieſer Farbe und Geſtalt hat wachſen laſſen; wem ſie nicht zutraͤglich ſind, nach beſonderen Beduͤrfniſſen, wovon jene nichts weiß, kann leicht daran vorbei - gehen, aber er kann nicht fordern, daß ſie darnach anders gefaͤrbt und geſchnitten wer - den ſollen. Oder auch: Regen und Thau faͤllt als eine Wohlthat fuͤr alles herab, was auf der Erde ſteht, wer ſeine Pflanzen nicht hineinzuſtellen getraut, weil ſie zu empfindlich dagegen ſind und Schaden nehmen koͤnnten, ſondern lieber in der Stube begießt, wird doch nicht verlangen, daß jene darum ausbleiben ſollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natuͤrlich iſt, und darnach ſollen wir trachten. Uebrigens wiſſen wir kein geſundes und kraͤftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenan ſtellen, wo ſolche Bedenklichkeiten nicht in ungleich groͤ - ßerm Maaß eintraͤten; der rechte GebrauchX aber findet nicht Boͤſes heraus, ſondern nur, wie ein ſchoͤnes Wort ſagt: ein Zeugniß un - ſeres Herzens. Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, waͤhrend andere nach dem Volks - glauben Engel damit beleidigen.

Abweichungen, ſo wie allerlei hierher ge - hoͤrige Anmerkungen haben wir wieder im Anhang mitgetheilt; wem dieſe Dinge gleich - guͤltig ſind, wird das Ueberſchlagen leichter werden, als uns gerade das Uebergehen waͤre; ſie gehoͤren zum Buch inſofern es ein Beitrag zur Geſchichte der deutſchen Volksdichtung iſt. Alle Abweichungen namentlich erſcheinen uns merkwuͤrdiger als denen, welche darin blos Abaͤnderungen oder Entſtellungen eines wirk - lich einmal da geweſenen Urbildes ſehen, da es im Gegentheil vielleicht nur Verſuche ſind, einem im Geiſt blos vorhandenen, unerſchoͤpf - lichen, auf mannichfachen Wegen ſich zu naͤ - hern. Wiederholungen einzelner Saͤtze, Zuͤge, und Einleitungen ſind wie epiſche Zeilen zu betrachten, die, ſobald der Ton ſich ruͤhrt, der ſie anſchlaͤgt, immer wiederkehren und eigent - lich in einem andern Sinne nicht zu verſtehen. XIAlles aber, was aus muͤndlicher Ueberliefe - rung hier geſammelt worden, iſt ſowohl nach ſeiner Entſtehung als Ausbildung (vielleicht darin den geſtiefelten Kater allein ausgenom - men) rein deutſch und nirgends her erborgt, wie ſich, wo man es in einzelnen Faͤllen be - ſtreiten wollte, leicht auch aͤußerlich beweiſen ließe. Gruͤnde, die man fuͤr das Erborgen aus italieniſchen, franzoͤſiſchen oder orientali - ſchen Buͤchern, die vom Volk, zumal auf dem Land, ungeleſen bleiben, vorzubringen pflegt, gleichen denjenigen vollkommen, welche aus Soldaten, Handwerksburſchen, oder aus Kanonen, Tabakspfeifen und andern neuen Dingen in den Maͤrchen, auch ihre neue Er - dichtung ableiten wollen, da doch gerade dieſe Sachen, wie Woͤrter der heutigen Sprache, nach dem Munde der Erzaͤhlenden ſich umge - ſtalten und man ſicher darauf zaͤhlen kann, daß ſie im ſechszehnten Jahrhundert ſtatt der Soldaten und Kanonen, Landsknechte und Buͤchſen geſetzt haben, und der unſichtbar ma - chende Hut zur Ritterzeit ein Tarnhelm gewe - ſen iſt.

XII

Die fuͤr dieſen zweiten Band anfaͤnglich verſprochene Ueberſetzung des Pentamerone ſteht den einheimiſchen Maͤrchen nothwendig nach, ſo wie die Zuſammenſtellung derjeni - gen, welche die Geſta Romanorum enthalten.

Caſſel, am 30. September 1814.

XIII

Inhalt.

  • 1. Der Arme und der ReicheSeite 1
  • 2. Das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen2
  • 3. Die Gaͤnſemagd16
  • 4. Von einem jungen Rieſen25
  • 5. Dat Erdmaͤnneken37
  • 6. Der Koͤnig vom goldenen Berg44
  • 7. Die Rabe53
  • 8. Die kluge Bauerntochter62
  • 9. Der Geiſt im Glas68
  • 10. De drei Vuͤgelkens73
  • 11. Das Waſſer des Lebens79
  • 12. Doctor Allwiſſend88
  • 15. Der Froſchpring91
  • 14. Des Teufels rußiger Bruder94
  • 15. Der Teufel Gruͤnrock99
  • XIV
  • 16. Der Zaunkoͤnig und der BaͤrSeite 103
  • 17. Vom ſuͤßen Brei107
  • 18. Die treuen Thiere108
  • 19. Maͤrchen von der Unke114
  • 20. Der arme Muͤllerburſch und das Kaͤtzchen115
  • 21. Die Kraͤhen120
  • 22. Hans mein Igel124
  • 23. Das Todtenhemdchen132
  • 24. Der Jud im Dorn133
  • 25. Der gelernte Jaͤger138
  • 26. Der Dreſchflegel vom Himmel146
  • 27. De beiden Kuͤnnigeskinner147
  • 28. Vom klugen Schneiderlein160
  • 29. Die klare Sonne bringt’s an den Tag165
  • 30. Das blaue Licht167
  • 31. Von einem eigenſinnigen Kinde172
  • 32. Die drei Feldſcherer172
  • 33. Der Faule und der Fleißige177
  • 34. Die drei Handwerksburſchen179
  • 35. Die himmliſche Hochzeit183
  • 36. Die lange Naſe185
  • 37. Die Alte im Wald193
  • 38. Die drei Bruͤder197
  • 39. Der Teufel und ſeine Großmutter199
  • 40. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ204
  • XV
  • 41. Der Eiſen-OfenSeite 211
  • 42. Die faule Spinnerin220
  • 43. Der Loͤwe und der Froſch223
  • 44. Der Soldat und der Schreiner227
  • 45. Die ſchoͤne Katrinelje und Pif, Paf, Poltrie235
  • 46. Der Fuchs und das Pferd237
  • 47. Die zertanzten Schuhe239
  • 48. Die ſechs Diener245
  • 49. Die weiße und ſchwarze Braut253
  • 50. Der wilde Mann259
  • 51. De drei ſchwatten Princeſſinnen263
  • 52. Knoiſt un ſine dre Suͤhne266
  • 53. Dat Maͤken von Brakel267
  • 54. Das Hausgeſinde268
  • 55. Das Laͤmmchen und Fiſchchen269
  • 56. Simeliberg272
  • 57. Die Kinder in Hungersnoth275
  • 58. Das Eſelein276
  • 59. Der undankbare Sohn281
  • 60. Die Ruͤbe282
  • 61. Das junggegluͤhte Maͤnnlein286
  • 62. Des Herrn und des Teufels Gethier288
  • 63. Der Hahnenbalken290
  • 64. Die alte Bettelfrau291
  • XVI
  • 65. Die drei FaulenSeite 292
  • 66. Die heilige Frau Kummerniß293
  • 67. Das Maͤrchen vom Schlauraffenland294
  • 68. Das Dietmarſiſche Luͤgen-Maͤrchen296
  • 69. Raͤthſel-Maͤrchen297
  • 70. Der goldene Schluͤſſelebend.
[1]

1. Der Arme und der Reiche.

Vor alten Zeiten, als der liebe Gott ſelber auf Erden unter den Menſchen wandelte, trug es ſich zu, daß er eines Abends muͤd war und ihn die Nacht uͤberfiel, eh er zu einer Herberge kommen konnte. Da ſtanden aber auf dem Weg vor ihm zwei Haͤuſer einander gegenuͤber, eins groß und ſchoͤn, das andere klein und aͤrmlich anzuſehen, und gehoͤrte das eine einem reichen, das andere einem armen Manne. Unſer Herr Gott dachte, dem Reichen werd ich nicht beſchwerlich fallen und klopfte bei ihm an die Thuͤre. Da machte der Reiche ſein Fenſter auf und fragte, was er wollte? Ein Nachtlager. Der Reiche guckte ihn an vom Haupt bis zu den Fuͤßen und weil der liebe Gott ſchlichte Kleider trug und nicht ausſah wie einer, der viel Geld in der Taſche hat, ſchuͤt - telte er mit dem Kopf und ſprach: ich kann euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Samen und ſollte ich jedermann herbergen, der an meine Thuͤre klopfte, ſo muͤßt ich ſelber baldKindermärchen II. A2fortgehen; ſucht euch anderswo ein Auskommen: ſchlug damit ſein Fenſter zu und ließ den lieben Gott ſtehen. Alſo kehrte ihm der liebe Gott den Ruͤcken, ging hinuͤber zu dem kleinen Haus und klopfte an. Kaum hatte er angeklopft, klinkte auch ſchon der Arme ſein Thuͤrchen auf und bat den Wandersmann einzutreten und bei ihm die Nacht uͤber zu bleiben: es iſt ſchon finſter, ſagte er, und heute koͤnnt ihr doch nicht weiter kom - men. Da gefiel es dem lieben Gott und er trat ein; die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und ſagte, er moͤchte ſichs be - quem machen und vorlieb nehmen, ſie haͤtten nicht viel, aber was es waͤre, gaͤben ſie von Her - zen gern. Dann ſetzte ſie Kartoffeln ans Feuer und derweil ſie kochten, melkte ſie ihre Ziege, da - mit ſie ein Bischen Milch dazu haͤtten. Und als der Tiſch gedeckt war, ſetzte ſich der liebe Gott zu ihnen und mit und ſchmeckte ihm die ſchlechte Koſt gut, denn es waren vergnuͤgte Geſichter da - bei. Wie ſie gegeſſen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann und ſprach: hoͤr, lieber Mann, wir wollen uns heut Nacht eine Streu dahin machen, damit der arme Wanderer ſich in unſer Bett legen und ausruhen kann, er iſt den ganzen Tag uͤber gegangen, da wird einer muͤd. Von Herzen gern ſprach der Mann, ich wills ihm ſagen, ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenns ihm recht waͤre, moͤcht3 er ſich in ihr Bett legen und ſeine Glieder ordent - lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, aber ſie ließen nicht ab, bis er es endlich that und ſich in ihr Bett legte; ſie aber machten ſich eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen vor Tag ſtanden ſie ſchon auf und kochten ihm ein armes Fruͤhſtuͤck. Als nun die Sonne durchs Fenſterlein herein - ſchien und der liebe Gott aufgeſtanden war, er wieder mit ihnen und wollte dann ſeines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre ſtand, ſprach er: weil ihr ſo mitleidig und fromm ſeyd, ſo wuͤnſcht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen. Da ſagte der Arme: was ſoll ich mir ſonſt wuͤn - ſchen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, ſo lang wir leben, geſund ſind und unſer nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnſchen. Der liebe Gott ſprach: willſt du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte[wuͤnſchen? ]Da ſagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤr’s ihm wohl lieb. Alsbald erfuͤllte der liebe Gott ihre Wuͤnſche und verwan - delte ihr altes Haus in ein ſchoͤnes neues, und verließ ſie darauf.

Als es nun voller Tag war, und der Reiche aufſtand und ſich in’s Fenſter legte, ſah er gegen - uͤber ein ſchoͤnes neues Haus ſtehen ſtatt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief ſeine Frau und ſprach: Frau, ſieh einmal, wie iſt das zuge -A 24gangen? geſtern Abend ſtand dort eine elende Huͤtte und nun iſts ein ſchoͤnes neues Haus; lauf doch ein - mal hinuͤber und hoͤr wie das gekommen iſt. [Nun] ging die Frau hin und fragte, der Arme aber er - zaͤhlte ihr: geſtern Abend kam ein Wanderer, der ſuchte Nachtherberge und heute Morgen beim Abſchied hat er uns drei Wuͤnſche gewaͤhrt: die ewige Seligkeit, Geſundheit in dieſem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot und ſtatt unſerer alten Huͤtte ein ſchoͤnes neues Haus. Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief ſie wieder fort und erzaͤhlte es ihrem Manne, der ſprach:[ ich] moͤchte mich zerreiſſen und zerſchlagen, haͤtt ich das gewußt, der Fremde iſt auch bey mir ge - weſen, ich habe ihn aber abgewieſen. Eil dich, ſprach die Frau, und ſetz dich auf dein Pferd, der Mann iſt noch nicht weit, du mußt ihn einholen, und dir auch drei Wuͤnſche gewaͤh - ren laſſen.

Da ſetzte ſich der Reiche auf und holte den lieben Gott ein, redete fein und lieblich zu ihm und ſprach, er moͤcht’s nicht uͤbel nehmen, daß er ihn nicht gleich eingelaſſen, er haͤtte den Schluͤſſel zur Hausthuͤre geſucht, derweil waͤre er weggegangen; wenn er zuruͤckkaͤme, muͤßte er bei ihm einkehren. Ja, ſprach der liebe Gott, wann er einmal zuruͤckkaͤme, wollt er das thun. Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wuͤn - ſche thun duͤrfte, wie ſein Nachbar? Ja, ſagte5 der liebe Gott, das duͤrfe er wohl, es waͤre aber nicht gut fuͤr ihn, und ſollte ſich lieber nichts wuͤnſchen. Der Reiche aber meinte, er wollte ſich ſchon etwas Gutes ausſuchen, wenn es nur gewiß erfuͤllt wuͤrde. Sprach der liebe Gott: reite nur heim und drei Wuͤnſche, die du thuſt, die ſollen erfuͤllt werden.

Nun hatte der Reiche, was er wollte, ritt heimwaͤrts und beſann ſich, was er ſich wuͤnſchen ſollte; wie er ſo nachdachte und die Zuͤgel fallen ließ, fing das Pferd an zu ſpringen, ſo daß er immerfort in ſeinen Gedanken geſtoͤrt wurde und ſie gar nicht zuſammen bringen konnte. Da ward er uͤber das Pferd aͤrgerlich und ſprach in Ungeduld: ei ſo wollt ich, daß du den Hals zerbraͤchſt! und wie er das Wort ausgeſprochen, plump! fiel er auf die Erde und lag das Pferd todt und regte ſich nicht mehr und war der erſte Wunſch erfuͤllt. Weil er aber geizig war, wollt er das Sattelzeug nicht im Stich laſſen, ſchnitt’s ab, hing’s auf den Ruͤcken und mußte nun zu Fuß nach Haus gehen. Doch troͤſtete er ſich, daß ihm noch zwei Wuͤnſche uͤbrig waͤren. Wie er nun dahin ging durch den Sand und als zu Mittag die Sonne heiß brannte, ward’s ihm ſo warm und verdrießlich zu Muth, der Sattel druͤckte ihn dazu auf den Ruͤcken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er ſich wuͤn -6 ſchen ſollte. Wenn er meinte, er haͤtte etwas, da ſchien’s ihm hernach doch viel zu wenig und gering. Da kam’s ihm ſo in die Gedanken, was es ſeine Frau jetzt gut habe, die ſitze daheim in einer kuͤhlen Stube und laſſe ſich’s wohlſchmecken. Das aͤrgerte ihn ordentlich und ohne daß er’s wußte, ſprach er ſo hin: ich wollt die ſaͤß da - heim auf dem Sattel und koͤnnt nicht herunter, ſtatt daß ich ihn da auf dem Ruͤcken ſchleppe. Und wie die Worte zu End waren, da war der Sattel von ſeinem Ruͤcken fort, und merkte er, daß ſein zweiter Wunſch auch in Erfuͤllung gegan - gen war. Da ward ihm erſt recht heiß und er fing an zu laufen und wollte ſich daheim ganz ein - ſam hinſetzen und auf was Großes fuͤr den letzten Wunſch nachdenken. Wie er aber ankam und ſeine Stubenthuͤr aufmachte, ſaß da ſeine Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht her - unter, jammert und ſchreit. Da ſprach er: gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichthuͤmer der Welt herbei wuͤnſchen, nur bleib da ſitzen. Sie ſagte aber: was helfen mir alle Reichthuͤmer der Welt, wenn ich auf dem Sattel ſitze, du haſt mich darauf gewuͤnſcht, du mußt mir auch wieder herunter helfen. Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunſch thun, daß ſie vom Sattel ledig waͤr und herunterſteigen koͤnnt, und der ward auch erfuͤllt. Alſo hatte er nichts davon als Aerger, Muͤh und ein verlorenes Pferd; die7 Armen aber lebten vergnuͤgt, ſtill und fromm bis an ihr ſeliges Ende.

2. Das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen.

Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reiſe vor und beim Abſchied fragte er ſeine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen ſollte. Da wollte die aͤlteſte Perlen, die zweite Diaman - ten, die dritte aber ſprach: lieber Vater, ich wuͤnſche mir ein ſingendes, ſpringendes Loͤwen - eckerchen (Lerche. ) Der Vater ſagte: ja, wenn ich es kriegen kann, ſollſt du es haben kuͤßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤlteſten, aber das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngſte hatte er umſonſt aller Orten geſucht, und das that ihm leid, denn ſie war ſein liebſtes Kind. Da fuͤhrte ihn ſein Weg durch einen Wald und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß und nah am Schloß ſtand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber ſah er ein Loͤwen - eckerchen ſingen und ſpringen. Ei! du kommſt mir noch recht! ſagte er und war froh und rief ſeinem Diener, er ſollte hinaufſteigen und das Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum8 herantrat, ſprang ein Loͤwe darunter auf, ſchuͤt - telte ſich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤu - men zitterte: wer mir mein ſingendes, ſprin - gendes Loͤweneckerchen ſtehlen will, den freſſ ich auf! Da ſagte der Mann: das hab ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen? Nein! ſprach der Loͤwe, da iſt nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen verſprichſt, was dir daheim zuerſt begegnet, thuſt du aber das, ſo will ich dir das Leben ſchenken und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein. Der Mann aber wollte nicht und ſprach: das koͤnnte meine juͤngſte Toch - ter ſeyn, die hat mich am liebſten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme. Dem Diener aber war angſt und er ſagte: es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund ſeyn! Da ließ ſich der Mann uͤberreden, nahm mit trauri - gem Herzen das ſingende, ſpringende Loͤwenecker - chen und verſprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerſt begegnen wuͤrde.

Wie er nun zu Haus einritt, war das erſte, was ihm begegnete, niemand anders, als ſeine juͤngſte, liebſte Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als ſie ſah, daß er ein ſingendes, ſpringendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute ſie ſich noch mehr. Der Vater aber konnte ſich nicht freuen, ſondern fing an zu wei - nen und ſagte: o weh! mein liebſtes Kind, den9 kleinen Vogel hab ich theuer gekauft, dafuͤr hab ich dich einem wilden Loͤwen verſprechen muͤſſen, wenn er dich hat, wird er dich zerreiſſen und freſ - ſen und erzaͤhlte ihr da alles, wie es zugegangen war und bat ſie, nicht hinzugehen, es moͤcht auch kommen was wollte. Sie aber troͤſtete ihn und ſprach: liebſter Vater, weil ihr’s verſprochen habt, muß es auch gehalten werden und will ich hingehen und den Loͤwen ſchon beſaͤnftigen, daß ich wieder geſund zu euch heim kommen kann. Am andern Morgen ließ ſie ſich den Weg zeigen, nahm Abſchied und ging getroſt in den Wald hin - ein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Prinz und bei Tag ein Loͤwe und mit ihm wurden alle ſeine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten ſie ihre natuͤrliche Geſtalt wieder. Als ſie nun ankam, that er gar freundlich und ward Hochzeit gehalten und in der Nacht war er ein ſchoͤner Prinz, und da wachten ſie in der Nacht und ſchliefen am Tag und lebten eine lange Zeit ver - gnuͤgt miteinander. Einmal kam der Prinz und ſagte: morgen iſt ein Feſt in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteſte Schweſter ſich verheira - thet und wenn du Luſt haſt hinzugehen, ſollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren. Da ſagte ſie ja, ſie moͤchte gern ihren Vater wiederſehen, und fuhr hin und wurde von den Loͤwen begleitet; da war große Freude, als ſie ankam, denn ſie hat - ten alle geglaubt, ſie waͤre ſchon lange todt, und10 von dem Loͤwen zerriſſen worden. Sie erzaͤhlte aber, wie gut es ihr ging und blieb bei ihnen, ſo lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr ſie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter hei - rathete, und ſie wieder zur Hochzeit eingeladen war, ſprach ſie zum Loͤwen: diesmal will ich nicht allein ſeyn, du mußt mitgehen. Der Loͤwe aber wollte nicht und ſagte, das waͤre zu gefaͤhr - lich fuͤr ihn, denn wenn ein Strahl eines bren - nenden Lichts ihn anruͤhre, ſo wuͤrd er in eine Taube verwandelt und muͤßte ſieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruh, und ſagte, ſie wollt ihn ſchon huͤten und bewahren vor allem Licht. Alſo zogen ſie zuſam - men und nahmen auch ihr kleines Kind mit. Sie aber ließ dort einen Saal mauern, ſo ſtark und dick, daß kein Strahl durchdrang, darin ſollt er ſitzen, wenn die Hochzeitslichter angeſteckt wuͤr - den. Die Thuͤr aber war von friſchem Holz ge - macht, das ſprang und bekam einen kleinen Ritz, den kein Menſch bemerkte. Nun ward die Hoch - zeit mit Pracht gefeiert, wie aber der Zug aus der Kirche zuruͤckkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal des Prinzen vorbei, da fiel ein duͤnner duͤnner Strahl auf ihn und wie dieſer ihn beruͤhrt hatte, in dem Augenblick war er auch verwandelt, und als die Prinzeſſin hinein kam und ihn ſuchte, ſaß blos eine weiße Taube da, die ſprach zu ihr: ſieben Jahr muß ich nun in die11 Welt fortfliegen, alle ſieben Schritte aber will ich einen rothen Blutstropfen und eine weiße Feder fallen laſſen, die ſollen dir den Weg zeigen, und wenn du mir da nachfolgſt, kannſt du mich er - loͤſen.

Da flog die Taube zur Thuͤr hinaus und ſie folgte ihr nach und alle ſieben Schritte fiel ein rothes Blutstroͤpfchen und ein weißes Federchen herab und zeigte ihr den Weg. So ging ſie im - mer zu in die weite Welt hinein und ſchaute nicht um ſich und ruhte ſich nicht, und waren faſt die ſieben Jahre herum; da freute ſie ſich und meinte, ſie waͤren bald erloͤſt und war noch ſo weit davon. Einmal, als ſie ſo fort ging, fiel kein Federchen mehr und auch kein rothes Blutstroͤpfchen und als ſie die Augen aufſchlug, da war die Taube ver - ſchwunden. Und weil ſie dachte, Menſchen koͤn - nen dir da nichts helfen, ſo ſtieg ſie zur Sonne hinauf und ſagte zu ihr: du ſcheinſt in alle Ritzen und uͤber alle Spitzen; haſt du keine weiße Taube fliegen ſehen? Nein, ſagte die Sonne, ich habe keine geſehen, aber da ſchenk ich dir ein Schaͤchtelchen, das mach auf, wenn du in großer Noth biſt. Da dankte ſie der Sonne und ging weiter bis es Abend war und der Mond ſchien, da fragte ſie ihn: du ſcheinſt ja die ganze Nacht, durch alle Felder und Waͤlder: haſt du keine weiße Taube fliegen ſehen? Nein ſagte der Mond, ich habe keine geſehen, aber da12 ſchenk ich dir ein Ei, das zerbrich wenn du in großer Noth biſt. Da dankte ſie dem Mond und ging weiter, bis der Nachtwind wehte, da ſprach ſie zu ihm: du wehſt ja durch alle Baͤume und unter alle Blaͤtterchen weg, haſt du keine weiße Taube fliegen ſehen? Nein, ſagte der Nacht - wind, ich habe keine geſehen, aber ich will die drei andern Winde fragen, die haben ſie vielleicht geſehen. Der Oſtwind und der Weſtwind kamen und ſagten, ſie haͤtten nichts geſehen, der Suͤdwind aber ſprach: die weiße Taube hab ich geſehen, ſie iſt zum rothen Meer geflogen, da iſt ſie wie - der ein Loͤwe geworden, denn die ſieben Jahre ſind herum, und der Loͤwe ſteht dort im Kampf mit einem Lindwurm, der Lindwurm iſt aber eine verzauberte Prinzeſſin. Da ſagte der Nachtwind zu ihr: ich will dir Rath geben, geh zum ro - then Meer am rechten Ufer da ſtehen große Ru - then, die zaͤhl und die eilfte ſchneid dir ab und ſchlag den Lindwurm damit, dann kann ihn der Loͤwe bezwingen und beide bekommen auch ihren menſchlichen Leib wieder; dann ſchau dich um und du ſiehſt den Vogel Greif am rothen Meer ſitzen, ſchwing dich auf ſeinen Ruͤcken mit dem Prinzen, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tra - gen; da haſt du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer biſt, laß ſie herab fallen, alsbald wird ein großer Nußbaum aus dem Waſſer her - vorwachſen, auf dem ſich der Greif ruht, und13 koͤnnte er nicht ruhen, waͤr er nicht ſtark genug, euch hinuͤber zu tragen, und wenn du es vergißt, wirft er euch ins Meer hinunter.

Da ging ſie hin und fand alles, wie der Nachtwind geſagt hatte und ſchnitt die eilfte Ru - the ab, damit ſchlug ſie den Lindwurm, alsbald bezwang ihn der Loͤwe und da hatten beide ihren menſchlichen Leib wieder. Und wie ſich die Prin - zeſſin, die vorher ein Lindwurm geweſen war, frei ſah, nahm ſie den Prinzen in den Arm, ſetzte ſich auf den Vogel Greif und fuͤhrte ihn mit ſich fort. Alſo ſtand die arme, weitgewanderte und war wieder verlaſſen, ſie ſprach aber: ich will noch ſo weit gehen als der Wind weht und ſo lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde. Und ging fort, lange lange Wege, bis ſie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zuſammen lebten, da hoͤrte ſie daß bald ein Feſt waͤre, wo ſie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie ſprach aber, Gott hilft mir doch noch, und nahm das Schaͤchtelchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, ſo glaͤnzend, wie die Sonne ſelber. Da nahm ſie es heraus und zog es an und ging hinauf in das Schloß und alle Leute ſahen ſie an und die Braut ſelber; und das Kleid gefiel ihr ſo gut, daß ſie dachte, es koͤnnte ihr Hochzeitkleid ge - ben und fragte, ob es nicht feil waͤre? Nicht fuͤr Geld und Gut, ſagte ſie, aber fuͤr Fleiſch und14 Blut. Die Braut fragte, was ſie damit meine, da ſagte ſie: laßt mich eine Nacht in der Kam - mer ſchlafen, wo der Prinz ſchlaͤft. Die Braut wollte nicht und wollte doch gern das Kleid haben, endlich willigte ſie ein, aber der Kammerdiener mußte dem Prinzen einen Schlaftrunk geben. Als es nun Nacht war, und der Prinz ſchon ſchlief, ward ſie in die Kammer gefuͤhrt, da ſetzte ſie ſich ans Bett und ſagte: ich bin dir nachge - folgt ſieben Jahre, bin bei Sonne, Mond und den Winden geweſen und hab nach dir gefragt, und hab dir geholfen gegen den Lindwurm, willſt du mich denn ganz vergeſſen? Der Prinz aber ſchlief ſo hart, daß es ihm nur vorkam, als rauſche der Wind draußen in den Tannenbaͤumen. Wie nun der Morgen anbrach, da ward ſie wieder hinausgefuͤhrt, und mußte das goldene Kleid hin - geben; und als auch das nichts geholfen hatte, ward ſie traurig, ging hinaus auf eine Wieſe, ſetzte ſich da hin und weinte. Und wie ſie ſo ſaß, da fiel ihr das Ei noch ein, das ihr der Mond gegeben hatte und ſie ſchlug es auf: ei! da kam eine Glucke heraus mit zwoͤlf Kuͤchlein ganz von Gold, die liefen herum und piepten und krochen der Alten wieder unter die Fluͤgel, ſo daß nichts ſchoͤneres auf der Welt zu ſehen war. Da ſtand ſie auf, trieb ſie auf der Wieſe vor ſich her, ſo lange bis die Braut aus dem Fenſter ſah, und da gefiel ihr das kleine Weſen ſo gut, daß ſie gleich herab kam15 und fragte, ob ſie nicht feil waͤren? Nicht fuͤr Geld und Gut, aber fuͤr Fleiſch und Blut; laßt mich noch eine Nacht in der Kammer ſchlafen, wo der Prinz ſchlaͤft. Die Braut ſagte ja und wollte ſie betruͤgen, wie am vorigen Abend, als aber der Prinz zu Bett ging, fragte er ſeinen Kammerdiener, was das Murmeln und Rauſchen in der Nacht geweſen ſey. Da erzaͤhlte der Kam - merdiener alles, daß er ihm einen Schlaftrunk haͤtte geben muͤſſen, weil ein armes Maͤdchen heimlich in der Kammer geſchlafen haͤtte, und heute Nacht ſolle er ihm wieder einen geben. Sagte der Prinz: gieße den Trank neben das Bett aus, und zur Nacht wurde ſie wieder hereingefuͤhrt, und als ſie anfing wieder zu erzaͤhlen, wie es ihr traurig ergangen waͤr, da erkannt er gleich an der Stimme ſeine liebe Ge - mahlin, ſprang auf und ſprach: ſo bin ich erſt recht erloͤſt, mir iſt geweſen, wie in einem Traum, denn die Prinzeſſin hat mich bezaubert, daß ich dich vergeſſen mußte, aber Gott hat mir noch zu rechter Stunde geholfen. Da gingen ſie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloß, denn ſie fuͤrchteten ſich vor dem Vater der Prinzeſſin, der ein Zauberer war, und ſetzten ſich auf den Vogel Greif, der trug ſie uͤber das rothe Meer, und als ſie in der Mitte waren, ließ ſie die Nuß fallen. Alsbald wuchs ein großer Nußbaum, darauf ruhte ſich der Vogel und dann fuͤhrte er ſie nach16 Haus, wo ſie ihr Kind fanden, das war groß und ſchoͤn geworden, und ſie lebten von nun an ver - gnuͤgt bis an ihr Ende.

3. Die Gaͤnſemagd.

Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war ihr Gemahl ſchon lange Jahre geſtorben und ſie hatte eine ſchoͤne Tochter, wie die erwuchs, wurde ſie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigsſohn ver - ſprochen. Als nun die Zeit kam, wo ſie vermaͤhlt werden ſollten, und das Kind in das fremde Reich abreiſen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤſt - liches Geraͤth und Geſchmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem koͤniglichen Brautſchatz gehoͤrte, denn ſie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab ſie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern ſollte und jede bekam ein Pferd zur Reiſe, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada und konnte ſprechen. Wie nun die Abſchiedsſtunde da war, begab ſich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Meſſerlein und ſchnitt damit in ihre Finger, daß ſie bluteten; darauf hielt ſie ein weißes Laͤppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab ſie der Tochter und ſprach: liebes Kind verwahr ſie wohl, ſie werden dir unterweges Noth thun.

Alſo17

Alſo nahmen beide von einander betruͤbten Abſchied, das Laͤppchen ſteckte die Koͤnigstochter in ihren Buſen vor ſich, ſetzte ſich auf’s Pferd und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da ſie eine Stunde geritten waren, empfand ſie heißen Durſt und rief ihrer Kammerjungfer: ſteig ab und ſchoͤpfe mir mit meinem Becher, den du auf - zuheben haſt, Waſſer aus dem Bach, ich moͤchte gern einmal trinken. Ei, wenn ihr Durſt habt, ſprach die Kammerjungfer, ſo ſteigt ſelber ab, legt euch an’s Waſſer und trinkt, ich mag eure Magd nicht ſeyn! Da ſtieg die Koͤnigstochter vor großem Durſt herunter, neigte ſich uͤber das Waͤſ - ſerlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da ſprach ſie: ach Gott! da antworteten die drei Blutstropfen: wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerſpringen. Aber die Koͤnigs - braut war gar demuͤthig, ſagte nichts und ſtieg wieder zu Pferd. So ritten ſie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne ſtach und ſie durſtete bald von neuem; da ſie nun an einen Waſſerfluß kamen, rief ſie noch einmal ihrer Kammerjungfer: ſteig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken! denn ſie hatte aller boͤſen Worte laͤngſt vergeſſen. Die Kammerjungfer ſprach aber noch hochmuͤthiger: wollt ihr trinken, ſo trinkt allein, ich mag nicht eure Magd ſeyn. Da ſtieg die KoͤnigstochterKindermärchen. II. B18hernieder vor großem Durſt und legte ſich uͤber das fließende Waſſer, weinte und ſprach: ach Gott! und die Blutstropfen antworteten wie - derum: wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerſpringen! Und wie ſie ſo trank und ſich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Buſen, und floß mit dem Waſſer fort, ohne daß ſie es in ihrer großen Angſt merkte. Die Kammerfrau hatte aber zugeſehen und freute ſich, daß ſie Macht uͤber die Braut bekaͤme, denn damit, daß dieſe die Blutstropfen verloren hatte, war ſie ſchwach geworden. Als ſie nun wieder auf ihr Pferd ſteigen wollte, das da hieß Falada, ſagte die Kammerfrau: auf Falada gehoͤr ich und auf meinen Gaul gehoͤrſt du und das mußte ſie ſich gefallen laſſen, außerdem hieß ſie die Kammerfrau auch noch die koͤniglichen Kleider ausziehen und ihre ſchlechten anlegen, und endlich mußte ſie ſich unter freiem Himmel verſchwoͤren, daß ſie am koͤniglichen Hof keinem Menſchen nichts davon ſprechen wollte, und wenn ſie dieſen Eid nicht abgelegt haͤtte, waͤre ſie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada ſah das alles an und nahm’s wohl in Acht.

Die Kammerfrau ſtieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das ſchlechte Roß, und ſo zogen ſie weiter, bis ſie endlich in dem koͤniglichen Schloß eintrafen, da war große Freude uͤber ihre19 Ankunft, und der Koͤnigsſohn ſprang ihnen ent - gegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, ſie waͤre ſeine Gemahlin und ſie wurde die Treppe hinaufgefuͤhrt, die wahre Koͤnigstoch - ter aber mußte unten ſtehen bleiben. Da ſchaute der alte Koͤnig am Fenſter und ſah ſie im Hofe halten, nun war ſie fein und zart und ſehr ſchoͤn, ging hin ins koͤnigliche Gemach und fragte die Braut nach der, die ſie bei ſich haͤtte und da un - ten im Hofe ſtaͤnde, und wer ſie waͤre? ei, die hab ich mir unterwegs mitgenommen zur Geſell - ſchaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß ſie nicht muͤßig ſteht. Aber der alte Koͤnig hatte keine Arbeit fuͤr ſie und wußte nichts, als daß er ſagte: da hab ich ſo einen kleinen Jungen, der huͤtet die Gaͤnſe, dem mag ſie helfen! Der Junge hieß Kuͤrdchen, (Conraͤdchen) dem mußte die wahre Braut helfen Gaͤnſe huͤten.

Bald aber ſprach die falſche Braut zu dem jungen Koͤnig: liebſter Gemahl, ich bitte euch, thut mir einen Gefallen! Er antwortete: das will ich gerne thun. Nun ſo laßt mir den Schinder rufen und da dem Pferd, worauf ich her geritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geaͤrgert hat; eigentlich aber fuͤrch - tete ſie ſich, daß das Pferd ſprechen moͤchte, wie ſie mit der Koͤnigstochter umgegangen waͤre. Nun war das ſo weit gerathen, daß es geſchehen und der treue Falada ſterben ſollte, da kam es auchB 220der rechten Koͤnigstochter zu Ohr und ſie verſprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das ſie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienſt erwieſe. In der Stadt war ein großes, finſteres Thor, wo ſie Abends und Morgens mit den Gaͤnſen durch mußte, unter das finſtere Thor moͤchte er dem Falada ſeinen Kopf hinna - geln, daß ſie ihn doch noch als einmal ſehen koͤnnte. Alſo verſprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finſtere Thor feſt.

Des Morgens fruͤh, als ſie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben, ſprach ſie im Vor - beigehen:

o du Falada, da du hangeſt,

da antwortete der Kopf:

o du Jungfer Koͤnigin, da du gangeſt,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
ihr Herz thaͤt ihr zerſpringen!

da zog ſie ſtill weiter zur Stadt hinaus und ſie trieben die Gaͤnſe auf’s Feld. Und wenn ſie auf der Wieſe angekommen war, ſaß ſie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kuͤrdchen ſah ſie und freute ſich, wie ſie glaͤnzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da ſprach ſie:21

weh! weh! Windchen
*)D. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung eheu!
*),
nimm Kuͤrdchen ſein Huͤtchen,
und laß’n ſich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geſchnatzt
und wieder aufgeſatzt.

und da kam ein ſo ſtarker Wind, daß er dem Kuͤrdchen ſein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war ſie mit dem Kaͤmmen und Aufſetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen boͤs und ſprach nicht mit ihr, und ſo huͤteten ſie die[Gaͤnſe] bis daß es Abend wurde, dann fuhren ſie nach Haus.

Den andern Morgen, wie ſie unter dem fin - ſtern Thor hinaustrieben, ſprach die Jungfrau:

o du Falada, da du hangeſt,

es antwortete:

o du Jungfer Koͤnigin, da du gangeſt,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
das Herz thaͤt ihr zerſpringen!

und in dem Feld ſetzte ſie ſich wieder auf die Wieſe und fing an ihr Haar auszukaͤmmen, und Kuͤrdchen lief und wollte darnach greifen, da ſprach ſie ſchnell:

weh! weh! Windchen,
nimm dem Kuͤrdchen ſein Huͤtchen
22
und laß’n ſich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geſchnatzt
und wieder aufgeſatzt

da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte ſie laͤngſt ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwiſchen, und ſie huͤteten die Gaͤnſe bis es Abend wurde.

Abends aber, nachdem ſie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und ſagte: mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnſe huͤten. Warum denn? ſprach der alte Koͤnig. Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag. Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da ſagte Kuͤrdchen: des Morgens wenn wir unter dem finſtern Thor mit der Heerde durchkommen, ſo iſt da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet ſie:

Falada, da du hangeſt,

da antwortet der Kopf:

o du Koͤnigsjungfer, da du gangeſt,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
das Herz thaͤt ihr zerſpringen!

und ſo erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswieſe geſchaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte.

Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤch - ſten Tag wieder hinaus zu treiben, und er ſelbſt,23 wie es Morgens war, ſetzte ſich hinter das fin - ſtere Thor und hoͤrte da, wie ſie mit dem Haupt des Falada ſprach; und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg ſich in einem Buſch auf der Wieſe. Da ſah er nun bald mit ſeinen eigenen Augen, wie die Gaͤnſemagd und der Gaͤn - ſejung die Heerde getrieben brachten und nach ei - ner Weile ſie ſich ſetzte und ihre Haare losflocht, die ſtrahlten von Glanz. Gleich ſprach ſie wieder:

weh! weh! Windchen,
Faß Kuͤrdchen ſein Huͤtchen
und laß’n ſich mit jagen,
bis daß ich mich geflochten und geſchnatzt
und wieder aufgeſatzt.

da kam ein Windſtoß und fuhr mit Kuͤrdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kaͤmmte und flocht ihre Locken ſtill fort, welches der alte Koͤnig alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zuruͤck und als Abends die Gaͤnſemagd heim kam, rief er ſie bei Seite und fragte: warum ſie dem allem ſo thaͤte? das darf ich euch und keinem Menſchen nicht ſagen, denn ſo hab ich mich unter freiem Himmel verſchwo - ren, weil ich ſonſt um mein Leben waͤre gekom - men. Er aber drang in ſie und ließ ihr keinen Frieden, willſt du mir’s nicht erzaͤhlen, ſagte der alte Koͤnig endlich, ſo darfſt du’s doch dem Kachelofen erzaͤhlen. Ja, das will ich wohl antwortete ſie. Damit mußte ſie in den Ofen24 kriechen und ſchuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie ſie von der boͤſen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte Koͤnig zu und vernahm ihr Schickſal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Koͤnigskleider wur - den ihr alsbald angethan und es ſchien ein Wun - der, wie ſie ſo ſchoͤn war; der alte Koͤnig rief ſei - nen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falſche Braut haͤtte, die waͤre ein bloßes Kammermaͤd - chen, die wahre aber ſtaͤnde hier, als die geweſene Gaͤnſemagd. Der junge Koͤnig aber war herzens - froh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angeſtellt, zu dem alle Leute und gute Freunde gebeten wurden, obenan ſaß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und er - kannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck. Als ſie nun gegeſſen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kam - merfrau ein Raͤthſel auf: was eine ſolche werth waͤre, die den Herrn ſo und ſo betrogen haͤtte, erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf und fragte: welches Urtheils iſt dieſe wuͤrdig? Da ſprach die falſche Braut: die iſt nichts beſſers werth, als ſplinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit ſpitzen Naͤgeln beſchlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor geſpannt muͤſſen ſie25 Gaß auf Gaß ab zu Tode ſchleifen! Das biſt du, ſprach der alte Koͤnig, und dein eigen Urtheil haſt du gefunden und darnach ſoll dir widerfah - ren, welches auch vollzogen wurde; der junge Koͤnig vermaͤhlte ſich aber mit ſeiner rechten Ge - mahlin und beide regirten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.

4. Von einem jungen Rieſen.

Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war ſo groß wie ein Daumen und ward gar nicht groͤ - ßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pfluͤgen, da ſagte der kleine: Vater, ich will mit hinaus. Nein, ſprach der Vater, bleib du nur hier, draußen biſt du zu nichts nutz, du koͤnnteſt mir auch verloren gehen. Da fing der Daͤum - ling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, mußt er ihn mitnehmen. Alſo ſteckte er ihn in die Taſche und auf dem Felde that er ihn heraus und ſetzte ihn in eine friſche Furche. Wie er da ſo ſaß, kam uͤber den Berg ein großer Rieſe daher. Siehſt du dort den großen Butzemann, ſagte der Vater und wollte den Kleinen ſchrecken, damit er artig waͤre, der kommt und holt dich. Der Rieſe aber hatte lange Beine, und wie er26 noch ein Paar Schritte gethan, da war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus und ging mit ihm fort. Der Vater ſtand dabei, konnte vor Schreck kein Wort ſprechen und glaubte, ſein Kind waͤre nun verloren alſo, daß er’s ſein lebtag nicht wieder ſehen wuͤrde.

Der Rieſe aber nahm es mit ſich und ließ es an ſeiner Bruſt ſaugen und der Daͤumling wuchs und ward groß und ſtark nach Rieſen-Art und als zwei Jahre herum waren, ging der Alte mit ihm in den Wald und wollt ihn verſuchen und ſprach: zieh dir da eine Gerte heraus. Da war der Knabe ſchon ſo ſtark, daß er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß. Der Rieſe aber dachte, das muß beſſer kommen und nahm ihn wieder mit, ſaͤugte ihn noch zwei Jahre und als er ihn da in den Wald fuͤhrte, ſich zu verſuchen, riß er ſchon einen viel groͤßeren Baum heraus. Das war aber dem Rieſen noch nicht genug und er ſaͤugte ihn noch zwei Jahre, ging dann mit ihm in den Wald und ſprach: nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus. Da riß der Junge den dickſten Eichenbaum aus der Erde, daß es krachte und war ihm nur ein Spaß. Wie der alte Rieſe das ſah, ſprach er, nun iſt’s gut, du haſt ausgelernt, und fuͤhrte ihn zuruͤck zu dem Acker, wo er ihn geholt hatte. Sein Vater pfluͤgte gerade wieder, da ging der junge Rieſe auf ihn zu und ſprach: ſieht er27 wohl, Vater, wie’s gekommen iſt, ich bin ſein Sohn. Da erſchrak der Bauer und ſagte: nein, du biſt mein Sohn nicht, geh weg von mir. Freilich bin ich ſein Sohn, laß er mich einmal pfluͤgen, ich kann’s ſo gut, wie er auch. Nein, du biſt mein Sohn nicht, du kannſt auch nicht pfluͤgen, geh nur weg von mir. Weil er ſich aber vor dem großen Mann fuͤrchtete, ließ er den Pflug los, ging weg und ſetzte ſich zur Seite an’s Land. Da nahm der Junge das Ge - ſchirr und wollte pfluͤgen, aber er druͤckte blos mit der einen Hand ſo gewaltig darauf, daß der Pflug tief in die Erde ging. Der Bauer konnte das nicht mit anſehen und rief ihm zu: wenn du pfluͤ - gen willſt, mußt du nicht ſo gewaltig druͤcken, das Land wird nicht ordentlich. Der Junge aber ſpannte die Pferde aus, und ſpannte ſich ſelber vor den Pflug und ſagte: geh er nur nach Haus, Vater, und ſag er der Mutter, ſie ſollt eine rechte Schuͤſſel voll zu eſſen kochen; ich will der - weil den Acker ſchon herumreißen. Da ging der Bauer heim und beſtellte es bei ſeiner Frau und die kochte eine tuͤchtige Schuͤſſel voll, der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds ganz allein, und dann ſpannte er ſich auch ſelber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zu - gleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte ſie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf,28 und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie einen Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, kannte ihn ſeine Mutter nicht und fragte: wer iſt der entſetzliche große Mann? der Bauer ſagte: das iſt unſer Sohn. Sie ſprach: nein, unſer Sohn iſt das nimmer - mehr, ſo groß haben wir keinen gehabt, unſer war ein kleines Ding: geh nur weg, wir wollen dich nicht. Der Junge aber ſchwieg ſtill, zog ſeine Pferde in den Stall, gab ihnen Haber und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, ſetzte ſich auf die Bank und ſagte: Mutter, nun haͤtt ich Luſt zu eſſen, iſt’s bald fertig? da ſagte ſie ja, ge - traute ſich nicht, ihm zu widerſprechen und brachte zwei große, große Schuͤſſeln voll herein, daran haͤtten ſie und ihr Mann acht Tage ſatt gehabt. Er aber ſie allein auf und fragte, ob ſie nicht mehr haͤtten? Nein, ſagte ſie, das iſt alles, was wir haben. Das war ja nur zum ſchmecken, ich muß noch mehr haben. Da ging ſie hin und ſetzte einen großen Schweinekeſſel voll uͤber’s Feuer und wie es gahr war, trug ſie es herein. Nun, da iſt noch ein Bischen, ſagte er, und das alles noch hinein: es war aber doch nicht ge - nug. Da ſprach er: Vater, ich ſeh wohl, bei ihm werd ich nicht ſatt, will er mir einen Stab von Eiſen verſchaffen, der ſtark iſt, daß ich ihn vor meinen Knien nicht zerbrechen kann, ſo will29 ich wieder fort gehen. Da war der Bauer froh und ſpannte ſeine zwei Pferde vor den Wagen, fuhr zum Schmid und holte einen Stab ſo groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratſch! zerbrach er ihn wie eine Boh - nenſtange in der Mitte entzwei. Der Vater ſpannte da vier Pferde vor und holte einen Stab ſo groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und ſprach: Vater, der kann mir nicht helfen, er muß beſ - ſer vorſpannen und einen ſtaͤrkern Stab holen. Da ſpannte der Vater acht Pferde vor und holte einen ſo groß und dick, als ihn die acht Pferde nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte, brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab und ſagte: Vater, ich ſehe, er kann mir doch keinen Stab anſchaffen, ich will nur ſo weggehen.

Da ging er fort und gab ſich fuͤr einen Schmiedegeſellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitz - mann, goͤnnte keinem Menſchen etwas und wollte alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede und fragte ihn, ob er keinen Geſellen brauche. Ja, ſagte der Schmied und ſah ihn an und dachte, das iſt ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorſchla - gen und ſein Brot verdienen: wie viel willſt du Lohn haben? Gar keinen Lohn will ich haben,30 ſagte er, nur alle 14 Tage, wenn die andern Ge - ſellen ihren bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten. Das war der Geitzmann von Herzen zufrieden und dachte damit viel Geld zu ſparen. Am andern Morgen ſollte der fremde Geſell zuerſt vorſchla - gen, wie aber der Meiſter den gluͤhenden Stab bringt und er den erſten Schlag thut, da fliegt das Eiſen von einander und der Ambos ſinkt in die Erde, ſo tief, daß ſie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten. Da ward der Geitzmann boͤs und ſagte: ei was, dich kann ich nicht brau - chen, du ſchlaͤgſt gar zu grob, was willſt du fuͤr den einen Zuſchlag haben? Da ſprach er: ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts. Und hob ſeinen Fuß auf und gab ihm einen Tritt, daß er uͤber vier Fuder Heu hinausflog. Darauf nahm er den dickſten Eiſen - ſtab aus der Schmiede als einen Stock in die Hand und ging weiter.

Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Amt und fragte den Amtmann, ob er kei - nen Großknecht noͤthig haͤtte. Ja, ſagte der Amtmann, er koͤnnte einen brauchen, er ſehe aus wie ein tuͤchtiger Kerl, der ſchon was vermoͤchte, wie viel er Jahrslohn haben wollte. Da ſprach er wieder, er wollt gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollt er ihm drei Streiche geben, die muͤßte er aushalten. Das war der Amtmann31 zufrieden, denn er war auch ſo ein Geitzhals. Am andern Morgen, da ſollten die Knechte ins Holz fahren und die andern waren ſchon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an: nun ſteh auf, es iſt Zeit, wir wollen in’s Holz, du mußt mit. Ach, ſagte er ganz grob und trotzig, geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle miteinander. Da gingen die andern zum Amtmann und erzaͤhlten ihm, der Großknecht laͤge noch im Bett und wollte nicht mit in’s Holz fahren. Der Amtmann ſagte, ſie ſollten ihn noch einmal wecken und ihn heißen die Pferde vorſpannen. Der Großknecht ſprach aber wie vorher: geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle miteinander. Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da ſtieg er endlich aus den Federn, holte ſich aber erſt zwei Scheffel voll Erbſen vom Boden, kochte ſie und ſie in guter Ruhe, und wie das alles geſche - hen war, ging er hin, ſpannte die Pferde vor und fuhr in’s Holz. Bald vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte, da fuhr er den Wagen erſt vorwaͤrts, dann mußten die Pferde ſtille halten und er ging hinter den Wagen und nahm Baͤume und Reiſig und machte da eine große Hucke (Verhack), ſo daß kein Pferd durch - kommen konnte. Wie er nun vor’s Holz kam, fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wa - gen heraus und wollten heim, da ſprach er zu32 ihnen: fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus. Er fuhr aber nur ein Bischen ins Holz und riß gleich zwei von den allergroͤßten Baͤumen aus der Erde, die lud er auf den Wa - gen und drehte um. Wie er vor die Hucke kam, ſtanden die andern noch da und konnten nicht durch, da ſprach er: ſeht ihr wohl, waͤrt ihr bei mir geblieben, waͤrt ihr eben ſo gerade nach Haus gekommen und haͤttet noch eine Stunde ſchlafen koͤnnen. Er wollte nun zufahren, aber ſeine vier Pferde, die konnten ſich nicht durchar - beiten, da ſpannte er ſie aus, legte ſie oben auf den Wagen, ſpannte ſich ſelber vor, huͤf! zog er alles durch und das ging ſo leicht, als haͤtt er Federn geladen. Wie er druͤben war, ſprach er zu den andern: ſeht ihr wohl, ich bin eher durch - gekommen als ihr und fuhr fort und die andern mußten ſtehen bleiben. In dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand und zeigte ihn dem Amtmann, und ſagte: iſt das nicht ein ſchoͤnes Klafterſtuͤck? Da ſprach der Amtmann zu ſeiner Frau: der Knecht iſt gut, wenn er auch lang ſchlaͤft, er iſt doch eher wieder da, als die andern.

Nun diente er dem Amtmann ein Jahr; wie das herum war und die andern Knechte ihren Lohn kriegten, ſprach er, nun waͤr’s Zeit, er wollte auch gern ſeinen Lohn ſich nehmen. Dem Amtmann ward aber Angſt dabei, daß er die Streiche krie - gen ſollte und bat ihn gar zu ſehr, er moͤchte ſieihm33ihm ſchenken, lieber wollte er ſelbſt Großknecht werden und er ſollte Amtmann ſeyn. Nein, ſprach er, ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht und will’s bleiben, ich will aber austheilen, was bedungen iſt. Der Amtmann wollt ihm geben, was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht ſprach zu allem nein. Da wußte ſich der Amtmann keinen Rath und bat ihn nur um 14 Tage Friſt, er wollte ſich auf etwas beſinnen; da ſprach der Großknecht, die ſollt er haben. Der Amtmann berief alle ſeine Schreiber zuſammen, die ſollten ſich beden - ken und ihm einen Rath geben, die beſannen ſich lange, endlich ſagten ſie, man muͤßte den Groß - knecht um’s Leben bringen; er ſollte große Muͤhl - ſteine um den Brunnen im Hof anfahren laſſen und dann ihn heißen hinabſteigen und den Brun - nen rein machen, und wenn er unten waͤre, woll - ten ſie ihm die Muͤhlſteine auf den Kopf werfen. Der Rath gefiel dem Amtmann und da ward alles eingerichtet und wurden die groͤßten Muͤhl - ſteine herangefahren. Wie nun der Großknecht im Brunnen ſtand, rollten ſie die Steine hinab, und die ſchlugen hinunter, daß das Waſſer in die Hoͤh ſpruͤtzte. Da meinten ſie gewiß, der Kopf waͤr ihm eingeſchlagen, aber er rief: jagt doch die Huͤhner vom Brunnen weg, die kratzen da - oben im Sand und werfen mir die Koͤrner in die Augen, daß ich nicht ſehen kann. Da rief derKindermaͤhrchen II. C34Amtmann: bſch! bſch! und that als ſcheuchte er die Huͤhner weg. Wie nun der Großknecht fer - tig war, ſtieg er herauf und ſagte: ſeht einmal, ich hab doch ein ſchoͤn Halsband um, da waren es die Muͤhlenſteine, die trug er um den Hals. Wie der Amtmann das ſah, ward ihm wieder Angſt, denn der Großknecht wollt ihm nun ſeinen Lohn geben; da bat er wieder um 14 Tage Be - denkzeit und ließ die Schreiber zuſammen kom - men, die gaben endlich den Rath, er ſollt ihn in die verwuͤnſchte Muͤhle ſchicken, und ihn heißen, dort in der Nacht noch Korn malen, da ſey noch kein Menſch lebendig Morgens heraus - gegangen. Der Anſchlag gefiel dem Amtmann; alſo rief er ihn noch denſelben Abend, und ſagte, er ſollte acht Malter Korn in die Muͤhle fahren und in der Nacht noch malen, ſie haͤttens noͤthig. Da ging der Großknecht auf den Boden und that zwei Malter in ſeine rechte Taſche, zwei in die linke, vier nahm er in einem Querſack halb auf den Ruͤcken, halb auf die Bruſt und ging ſo nach der verwuͤnſchten Muͤhle. Der Muͤller aber ſagte ihm, bei Tag koͤnnt er recht gut da mahlen, aber nicht in der Nacht, da ſey die Muͤhle verwuͤnſcht, und wer da noch hineingegangen, der ſey am Morgen todt darin gefunden worden. Er ſprach: ich will ſchon durchkommen, macht euch nur fort und legt euch auf’s Ohr. Darauf ging er in die Muͤhle und ſchuͤttete das Korn auf und wie’s bald35 elf ſchlagen wollte, ging er in die Muͤllerſtube und ſetzte ſich auf die Bank. Als er ein bischen da geſeſſen hatte, that ſich auf einmal die Thuͤr auf und kam eine große, große Tafel herein, und auf die Tafel ſtellte ſich Wein und Braten und viel gutes Eſſen, alles von ſelber, denn es war niemand da der’s auftrug. Und darnach ruͤckten ſich die Stuͤhle herbei, aber es kamen keine Leute, bis auf einmal ſah er Finger, die handthierten mit den Meſſern und Gabeln und legten Speiſen auf die Teller, aber ſonſt konnt er nichts ſehen. Nun war er hungrig und ſah die Speiſen, da ſetzte er ſich auch an die Tafel und mit und ließ ſich’s gut ſchmecken. Wie er aber ſatt war und die andern ihre Schuͤſſeln auch ganz leer gemacht hat - ten, da wurden die Lichter auf einmal alle ausge - putzt, das hoͤrte er deutlich, und wie’s nun ſtock - finſter war, ſo kriegte er ſo etwas wie eine Ohr - feige in’s Geſicht; da ſprach er: wenn noch ein - mal ſo etwas kommt, ſo theil ich auch wieder aus; und wie er zum zweiten Mal eine krieg - te, da ſchlug er gleichfalls mit hinein. Und ſo ging das fort die ganze Nacht, er ließ ſich nicht ſchrecken, und ſchlug nicht faul um ſich herum; bei Tagesanbruch aber hoͤrte alles auf. Wie der Muͤller aufgeſtanden war, wollt er nach ihm ſehen und verwunderte ſich, daß er noch lebte. Da ſprach er: ich habe Ohrfeigen gekriegt, aber ich habe auch Ohrfeigen ausgetheilt und mich ſattC 236gegeſſen. Der Muͤller freute ſich und ſagte, nun waͤre die Muͤhle erloͤſt und er wollt ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er ſprach aber: Geld will ich nicht, ich habe doch genug. Dann nahm er ſein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach Haus und ſagte dem Amtmann, er habe die Sache ausgerichtet und wollte nun ſeinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da ward ihm erſt recht Angſt und er wußte ſich nicht zu laſſen und ging in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter - liefen. Da machte er das Fenſter auf nach ein wenig friſcher Luft, eh er ſich’s aber verſah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenſter in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr ſehen konnte. Da ſprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun muͤßte ſie den andern Streich hinnehmen, die ſagte aber: ach nein, ich kann’s nicht aus - halten und machte auch ein Fenſter auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß ſie auch hinausflog und noch viel hoͤher als ihr Mann; und der rief ihr zu: komm doch zu mir! ſie aber rief: komm du doch zu mir, ich kann nicht zu dir; und ſie ſchwebten da in der Luft und konnte keins zum andern, und ob ſie da noch ſchweben, das weiß ich nicht; der junge Rieſe aber nahm ſeine Eiſenſtange und ging weiter.

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5. Dat Erdmaͤnneken.

Et was mal en rik Kuͤnig weſt, de hadde drei Doͤchter had, de woͤren alle Dage in den Schlott-Goren ſpazeren gaan, un de Kuͤnig, dat was ſo en Lievhaber von allerhand wackeren Boͤ - men weſt; un einen, den hadde he ſo leiv had, dat he denjenigen, de uͤnne en Appel dervon pluͤckede, hunnerd Klafter unner de Eere verwuͤn - ſchede. As et nu Herveſt war, da wurden de Appel an den einen Baume ſo raut, aſe Blaud. De drei Doͤchter gungen alle Dage unner den Baum un ſeken to, ov nig de Wind ’n Appel herunner ſchlagen haͤdde, awerſt ſe fannen ir levedage kienen, un de Baum, de ſatt ſo vull, dat he brecken wull, un de Telgen (Zweige) hun - gen bis up de Eere. Da geluſtede den jungeſten Kuͤnigskinne gewaldig, un et ſegde to ſinen Suͤ - ſtern: uſe Teite (Vater), de hett us viel to leiv, aſe dat he us verwuͤnſchen deihe; ik gloͤve, dat he dat nur wegen de fruͤmden Lude dahen hat. Un indes pluͤcked dat Kind en gans dicken Appel af un ſprunk fur ſinen Suͤſtern und ſegde: a! nu ſchmecket mal, mine lewen Suͤſterkes, nu hew ik doch min levedage ſo wat ſchones no nig ſchmecket. Da beeten de beiden annern Kuͤ - nigsdoͤchter auch mal in den Appel, un da ver -38 ſuͤnken ſe alle drei deip, ſo deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krehete.

As et da Middag is, da willt ſe de Kuͤnig do Diſke roopen, do ſind ſe nirgens to finnen, he ſoͤket ſe ſo viel im Schlott un in Goren, awerſt he kun ſe nig finnen. Da werd he ſo bedroͤwet, un let dat ganſe Land upbeien (aufbieten), un wer uͤnne ſine Doͤchter wier brechte, de ſull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet ſo viele junge Lude uwer Feld, un ſoͤket, dat is gans ut der Wiſe (uͤber alle Maßen); denn jeder hadde de drei Kinner geren had, wiil ſe woͤren gegen je - dermann ſo fruͤndlig un ſo ſchoͤn von Angeſichte weſt. Und et togen auck drei Jaͤger-burſchen ut, un aſe da wol en acht Dage rieſet hadden, da kummet ſe up en grot Schlott, da woren ſo huͤb - ſche Stoben inne weſt, un in einer Zimmer is en Diſch decket, darup woͤren ſo ſoͤte Spiſen, de ſied noch ſo warme, dat ſe dampet, awerſt in den ganzen Schlott is kien Minſk to hoͤren noch to ſeihen. Da wartet ſe noch en halwen Dag, un de Spiſen bliewet immer un dampet, bis up et leſt, da weret ſe ſo hunerig, dat ſe ſik derbie ſettet un ettet un macket mit en anner ut, ſe wullen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wuͤllen daruͤmme looſen, dat eine in Huſe blev un de beiden annern de Dochter ſoͤketen; dat doet ſe auk, un dat Loos dreppet den oͤleſten. Den39 annern Dag, da gaet de twei juͤngeſten ſoͤken, un de oͤleſte mot to Huſe bliewen. Am Middage kuͤmmt der ſo en klein klein Maͤnneken un hoͤlt um ’n Stukesken Braud ane, da nuͤmmt he von dem Braude, wat he da funnen haͤdde un ſchnitt en Stuͤcke rund umme den Braud weg, un will uͤnne dat giewen, indes dat he et uͤnne reiket, lett et dat kleine Maͤnneken fallen un ſegd, he ſulle dok ſo gut ſin un giewen uͤn dat Stuͤcke wier. Da will he dat auck doen un bucket ſik, mit des nuͤmmt dat Maͤnneken en Stock un paͤckt uͤnne bie den Haaren un giwt uͤnne duͤchtige Schlaͤge. Den anneren Dag, da is de tweide to Hus blie - wen, den geit et nicks better; aſe de tweide da den Avend nah Hus kuͤmmet, da ſegd de oͤleſte: no, wie haͤtt et die dann gaen? o et geit mie gans ſchlechte. Da klaget ſe ſik enanner ehre Naud, awerſt den jungeſten hadden ſe nicks davonne ſagd, den hadden ſe gar nig lien (leiden) mogt und hadden uͤnne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den driden Dag, da blivt de jungeſte to Hus, da kuͤmmet dat kleine Maͤnneken wier un hoͤlt um en Stuͤckſken Braud an, da he uͤnne da giewen haͤtt, let he et wier fallen un ſegd, he moͤgte dock ſo gut ſien und reicken uͤnne dat Stuͤckſken wier. Da ſegd he to den kleinen Maͤnneken: wat! kannſt du dat Stuͤcke nig ſulwens wier up nummen, wenn du die de Moͤhe nig mal um dine40 daͤglige Narunge giewen wuſt, ſo biſt du auck nig werth, dat du et eteſt. Do word dat Maͤnneken ſo boͤs und ſehde, he moͤſt et doen; he awerſt nig fuhl, nam min lewe Maͤnneken un droſch et daet doͤr (tuͤchtig durch), da ſchrige dat Maͤnneken ſo viel un rep: hoͤr up, hoͤr up, nu lat mie geweren, dann will ik die auck ſeggen, wo de Kuͤnigsdoͤchter ſied; wie he dat hoͤrde, haͤll he up to ſlaen un dat Maͤnneken vertelde, he woͤr en Erdmaͤnneken un ſulke woͤren mehr aſe duſend, he moͤgte man mit uͤnne gaen, dann wulle he uͤnne wieſen, wo de Kuͤnigsdoͤchter we - ren. Da wiſt he uͤnne en deipen Born, da is awerſt kien Water inne weſt, da ſegd dat Maͤnne - ken, he wuſte wohl, dat et ſine Geſellen nig ehr - lich mit uͤnne meinten, wenn he de Kuͤnigskin - ner erloͤſen wulle, dann moͤſte he et alleine doen. De beiden annern Broer wullen wohl auck geren de Kuͤnigsdoͤchter wier hewen, awerſt ſe wullen der kiene Moͤge un Gefahr umme doen, he moͤſte ſo en grauten Korv nuͤmmen, un moͤſte ſik mit finen Hirſchfaͤnger un en Schelle darinne ſetten un ſik herunner winnen laten, unnen da woͤren drei Zimmer, in jeden ſette ein Kuͤnigskind un haͤdde en Drachen mit villen koͤppen to luſen, den moͤſte he de Koͤppe afſchlagen. Aſe dat Erd - maͤnneken nun alle ſagd hadde, verſchwand et. Aſe’t Awend is, da kuͤmmet de beiden anneren un fraget, wie et uͤn goen haͤdde, da ſegd he:41 o, ſo wit gud un haͤdde keinen Minſken ſehen, aſe des Middags, da wer ſo ein klein Maͤnneken kummen, de haͤdde uͤn umme en Stuͤckſken Braud biddit, do he et uͤnne giewen haͤdde, haͤdde dat Maͤnneken et fallen laten un haͤdde ſegd, he mog - tet uͤnne doch wier up nuͤmmen, wie he dat nig hadde doen wullt, da haͤdde he anfangen to pu - chen, dat haͤdde he awerſt unrecht verſtan un haͤdde dat Maͤnneken pruͤgelt, un da haͤdde et uͤnne ver - tellt, wo de Kuͤnigsdoͤchter waͤren. Da aͤrgerten ſik de beiden, ſo viel, dat ſe gehl un groͤn woͤren. Den anneren Morgen da gungen ſe to haupe an den Born un mackten Looſe, we ſik dat erſte in den Korv ſetten ſulle, do feel dat Loos wier den oͤlleſten to, he mot ſik darin ſetten un de Klin - get mitniemen, da ſegd he: wenn ik klingele, ſo mutt gi mik nur geſchwinne wier herupwin - nen. Aſe he en bitken herunner is, da klin - gelte wat, da winnen ſe uͤnne wier heruper, da ſett ſik de tweide herinne, de maket ewen ſau; nu kuͤmmet dann auck de Riege an den jungeſten, de laͤt ſik awerſt gans derinne runner winnen. Aſe he ut den Korwe ſtigen is, da nuͤmmet he ſinen Hirſchfaͤnger un geit vor der erſten Doer ſtaen un luſtert, da hort he den Drachen gans lute ſchnar - chen; he macket langſam de Doͤre oppen, da ſitt da de eine Kuͤnigsdochter un haͤd op eren Schot niegene (neun) Drachenkoͤppe ligen un luſet de. Da nuͤmmet he ſinen Hirſchfaͤnger un hogget to,42 do ſied de niegne Koppe awe. De Kuͤnigsdochter ſprank up un faͤl uͤnne um den Hals un drucket un piepete (kuͤßte) uͤnn ſo viel; un nuͤmmet ihr Bruſtſtuͤcke, dat wor von rauen Golle weſt, un henget uͤnne dat umme. Da geit he auck nach der tweiten Kuͤnigsdochter, de haͤd en Drachen mit ſieven Koͤppe to luſen un erloͤſet de auck, ſo de jungeſte, de hadde en Drachen mit viere Koͤp - pen to luſen had, da geit he auck hinne. Do fro - get ſe ſich alle ſo viel, un drucke’n un piepete’n ohne uphoͤren. Da klingelte he ſau harde, bis dat ſe oͤwen hoͤrt. Da ſet he de Kuͤnigsdochter ein nach der annern in den Korv un let ſe alle drei heruptrecken, wie nu an uͤnne de Riege kuͤmmt, da fallet uͤn de Woore (Worte) von den Erdmaͤn - neken wier bie, dat et ſine Geſellen mit uͤnne nig gud meinden. Da nuͤmmet he en groten Stein, de da ligt, un laͤgt uͤn in den Korv, aſe de Korv da ungefaͤr bis in de Midde herup is, ſchnien de falſken Broer owen de Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund fuͤll un meinten, he woͤre nu daude un laupet mit de drei Kuͤnigsdoͤch - ter wege un latet ſik dervan verſpreken, dat ſe an ehren vater ſeggen willt, dat ſe beiden ſe erloͤ - ſet haͤdden; da kuͤmmet ſe to Kuͤnig un begert ſe tor Frugen. Unnerdes geit de jungeſte Jaͤgerbur - ſche gans bedroͤwet in den drei Kammern herum - mer un denket, dat he nu wull ſterwen moͤſte, da ſuͤht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen, da43 ſegd he: woumme hengeſt du da wull, hier kann ja doch keiner luſtig ſin. He bekucket auck de Drachenkoͤppe un ſegd: ju kummt mie nu auck nig helpen; he geit ſo mannigmal up un af ſpatzeren, dat de Erdboden davon glat werd. Up et leſt, da krieht he annere Gedanken, da nuͤm - met he de Floͤtenpipen van der Wand un bleſt en Stuͤckſken, up eenmahl kummet da ſo viele Erd - maͤnnekes, bie jeden Ton den he daͤht, kummt eint mehr; da bleſt he ſo lange dat Stuͤckſken, bis det Zimmer ſtopte-vull is. De vraget alle, wat ſin Begeren woͤre, da ſegd he, he wull geren wier up de Ere an Dages Licht, da fatten ſe uͤnne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up ſinen Koppe hadde, un ſau fleigen ſe mit uͤnne herupper bis up de Ere. Wie he owen is, geit he glick nach den Kuͤnigs-Schlott, wo grade de Hochtit mit der einen Kuͤnigs-Dochter ſin ſulle, he geit up den Zimmer, wo de Kuͤnig mit ſinen drei Doͤchtern is. Wie uͤnne da de Kinner ſeihet, da wered ſe gans beſchwaͤhmt (ohnmaͤchtig), da werd de Kuͤnig ſo boͤſe un laͤt uͤnne glick in een Gefaͤngniße ſetten, wiel he meint, he haͤdde den Kinnern en Leid anne daen. Aſe awer de Kuͤ - nigsdoͤchter wier to ſik kummt, da biddet ſe ſo viel, he mogte uͤnne doch wier loſe laten. De Kuͤnig fraget ſe, woruͤmme, da ſegd ſe, dat ſe dat nig vertellen dorften, awerſt de Vaer de ſegd, ſe ſul - len et den Owen (Ofen) vertellen. Da geit he44 herut un luſtert an de Doͤre, un hoͤrt alles; da laͤt he de beiden an en Galgen haͤngen un den einen givt he de jungeſte Dochter; un da trok ik en paar glaͤſerne Schohe an, und da ſtott ik an en Stein, da ſegd et; klink! da waͤren ſe caput.

6. Der Koͤnig vom goldenen Berg.

Ein Kaufmann, der hatte zwei Kinder, einen Buben und ein Maͤdchen, die waren beide noch klein und konnten noch nicht laufen. Es gingen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meer, und ſein ganzes Vermoͤgen war darin, und wie er meinte, dadurch viel Geld zu gewinnen, kam die Nachricht, ſie waͤren verſun - ken. Da war er nun ſtatt eines reichen Mannes ein armer Mann und hatte nichts mehr uͤbrig, als einen Acker vor der Stadt; um ſich nun ſein Ungluͤck ein bischen aus den Gedanken zu ſchla - gen, ging er dahinaus. Und wie er da ſo auf und abging, ſtand auf einmal ein kleines ſchwar - zes Maͤnnchen neben ihm und fragte, warum er ſo traurig waͤre und was er ſich ſo ſehr zu Herzen naͤhme. Da ſprach der Kaufmann: wenn du mir helfen koͤnnteſt, wollt ich dir es wohl ſagen. Wer weiß, ſagte das ſchwarze Maͤnnchen, ſag mir’s nur, vielleicht helf ich dir. Da erzaͤhlte45 der Kaufmann, daß ihm ſein ganzer Reichthum auf dem Meer zu Grunde gegangen waͤre und habe er nichts mehr uͤbrig, als dieſen Acker. O! da bekuͤmmere dich nicht, ſagte das Maͤnnchen, wenn du mir verſprichſt, das, was dir zu Haus am erſten widers Bein ſtoͤßt, in zwoͤlf Jahren hierher auf den Platz zu bringen, ſollſt du Geld haben ſo viel du willſt. Der Kaufmann dachte, das iſt ein geringes, was kann das anders ſeyn, als dein Hund, aber an ſeinen kleinen Jungen dachte er nicht, und ſagte ja und gab dem ſchwar - zen Mann Handſchrift und Siegel daruͤber und ging nach Haus.

Als er nach Haus kam, da hatte ſich ſein kleiner Junge ſo gefreut, daß er ſich an den Baͤnken hielt, zu ihm hinwackelte und ihn an den Beinen feſt packte. Da erſchrack der Vater und wußte nun was er verſchrieben hatte, weil er aber immer noch kein Geld ſah, dachte er, es waͤr nur ein Spaß von dem Maͤnnchen geweſen. Ohngefaͤhr einen Mo - nat nachher ging er auf den Boden und wollte das alte Zinn zuſammenſuchen und verkaufen, um noch etwas daraus zu loͤſen, da ſah er einen gro - ßen Haufen Geld liegen. Wie er das Geld ſah, war er vergnuͤgt, kaufte wieder ein, ward ein groͤßerer Kaufmann, als vorher, und ließ Gott einen guten Mann ſeyn. Unterdeſſen ward der Junge groß und ein geſcheidter Menſch. Je mehr aber die zwoͤlf Jahre herbeikamen, je aͤngſter es46 dem Kaufmann ward, ſo daß man ihm die Angſt im Geſicht ſehen konnte. Da fragte ihn der Sohn einmal, was ihm fehle; der Vater wollt es nicht ſagen, aber er hielt ſo lange an, bis er ihm endlich ſagte, er habe ihn ohne daß er es ge - wußt, einem ſchwarzen Maͤnnchen verſprochen fuͤr vieles Geld und habe ſeine Handſchrift mit Siegel daruͤber gegeben, und nun muͤſſe er ihn, wenn zwoͤlf Jahre jetzt herum waͤren, ausliefern. Da ſprach der Sohn: o Vater, laßt euch nicht bang ſeyn, das ſoll ſchon gut werden, der Schwarze hat keine Macht uͤber mich.

Da ließ ſich der Sohn von dem Geiſtlichen ſegnen und als die Stunde kam, gingen ſie zu - ſammen hinaus auf den Acker und der Sohn machte einen Kreis und ſtellte ſich mit ſeinem Va - ter hinein. Da kam das ſchwarze Maͤnnchen und ſprach zu dem Alten: haſt du, was du mir verſprochen haſt? der ſchwieg aber ſtill und der Sohn ſprach: was willſt du hier? Da ſagte das ſchwarze Maͤnnchen: ich habe mit deinem Vater zu ſprechen und nicht mit dir. Der Sohn ſprach: Du haſt meinen Vater betrogen und verfuͤhrt, gib die Handſchrift heraus. Nein, ſagte das ſchwarze Maͤnnchen, mein Recht geb ich nicht auf. Da redeten ſie noch lange miteinander, endlich wurden ſie einig, der Sohn, weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr ſeinem Vater zugehoͤre, ſolle ſich in ein Schiffchen47 ſetzen, das auf einem hinabwaͤrts fließenden Waſ - ſer ſtehe, und der Vater ſolle es mit ſeinem eige - nen Fuß fortſtoßen und da ſolle der Sohn dem Waſſer uͤberlaſſen bleiben. Da nahm er Abſchied von ſeinem Vater und ſetzte ſich in ein Schiffchen und der Vater mußte es mit ſeinem eigenen Fuß fortſtoßen. Und das Schiffchen drehte ſich her - um, daß der unterſte Theil oben war, die Decke aber im Waſſer, und der Vater glaubte, er waͤr verloren, ging heim und trauerte um ihn.

Das Schiffchen aber floß ganz ruhig fort und ging nicht unter und der Juͤngling ſaß ſicher dar - in, und ſo floß es lange, bis es endlich an einem unbekannten Ufer feſtſitzen blieb. Da ſtieg er an’s Land, ſah ein ſchoͤnes Schloß vor ſich liegen und ging drauf los, wie er aber hineintrat, war es verwuͤnſcht und alles leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnſchte Prinzeſſin, die freute ſich, wie ſie ihn ſah und ſprach zu ihm: kommſt du, mein Erloͤſer, auf dich habe ich ſchon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich iſt verwuͤnſcht, und du mußt es erloͤſen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, ſchwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machſt, da ſchweig aber ſtill und gib ihnen keine Antwort, und laß ſie mit dir machen, was ſie wollen; ſie werden dich quaͤlen, ſchlagen und ſtechen, laß alles geſchehen, nur rede nicht, um zwoͤlf Uhr48 muͤſſen ſie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr iſt ihre Macht vorbei und wenn du dann[ausgehalten] und kein Woͤrtchen geſprochen haſt, ſo bin ich erloͤſt und komme zu dir und ſtehe dir bei und habe das Waſſer des Lebens, damit beſtreich ich dich und dann biſt du wieder lebendig und geſund wie zu - vor. Da ſprach er: gern will ich dich erloͤſen, und es geſchah nun alles ſo, wie ſie geſagt hatte: die ſchwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer ſchoͤnen Prinzeſſin, die kam mit dem Waſſer des Lebens und machte ihn wie - der lebendig. Und dann fiel ſie ihm um den Hals und kuͤßte ihn und ward Jubel und Freude im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde ge - halten und er war Koͤnig vom goldenen Berge.

Alſo lebten ſie vergnuͤgt zuſammen und die Koͤnigin gebar einen ſchoͤnen Prinzen und acht Jahre waren ſchon herum, da fiel ihm ſein Vater ein, daß ſein Herz davon bewegt ward und er wuͤnſchte ihn einmal heimzuſuchen. Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlaſſen und ſagte: ich weiß ſchon, daß das mein Ungluͤck iſt, er ließ ihr aber keine Ruhe, bis ſie einwilligte. Beim Abſchied gab ſie ihm noch einen Wuͤnſchring undſprach:49ſprach: nimm dieſen Ring und ſteck ihn an dei - nen Finger, wo du dich hinwuͤnſcheſt, wirſt du alsbald hinverſetzt, nur mußt du mir verſprechen, daß du ihn nicht gebrauchſt, mich von hier weg zu deinem Vater zu wuͤnſchen. Da verſprach er’s, ſteckte den Ring an ſeinen Finger und wuͤnſchte ſich heim vor die Stadt, wo ſein Vater lebte. Alsbald war er auch davor, aber nicht darin; wie er nun vor’s Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlaſſen, weil er ſo ſeltſam und reich gekleidet war. Da ging er auf einen Berg, wo ein Schaͤfer huͤtete, mit dieſem tauſchte er die Kleider und zog den alten Schaͤferrock an und ging alſo ungeſtoͤrt in die Stadt ein. Als er zu ſeinem Vater kam, gab er ſich zu erkennen, der aber ſprach, er glaube nimmermehr, daß er ſein Sohn ſey, er haͤtte zwar einen gehabt, der ſey laͤngſt todt, weil er aber ſehe, daß er ein ar - mer, duͤrftiger Schaͤfer ſey, ſo wolle er ihm einen Teller voll zu eſſen geben. Da ſprach der Schaͤ - fer zu ſeinen Eltern: ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen koͤnnt? Ja, ſagte die Mutter, unſer Sohn hatte eine Himbeer unter dem rechten Arm. Da ſtreifte er das Hemd von ſeinem Arm und da ſahen ſie die Himbeer und waren nun uͤberzeugt, daß es ihr Sohn war. Darauf erzaͤhlte er ihnen, er waͤre Koͤnig vom goldenen Berge und eine Prinzeſſin ſeine GemahlinKindermaͤhrchen II. D50und ſie haͤtten einen ſchoͤnen Prinzen von ſieben Jahren. Da ſprach der Vater: nun und nim - mermehr iſt das wahr, das iſt ein ſchoͤner Koͤnig, der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht. Da ward er zornig, drehte ſeinen Ring herum, ohne an ſein Verſprechen zu denken und wuͤnſchte beide, ſeine Gemahlin und ſeinen Prinzen, zu ſich. In dem Augenblick waren ſie auch da, aber die Koͤnigin, die klagte und weinte und ſagte, er haͤtte ſein Wort gebrochen und ſie ungluͤcklich ge - macht; doch weil ſie einmal da war, mußte ſie ſich wohl zufrieden geben; aber ſie hatte Boͤſes im Sinn.

Da fuͤhrte er ſie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Waſſer und wo das Schiffchen war abgeſtoßen worden und dann ſprach er: ich bin muͤd, ſetz dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß ſchlafen. Da legte er ſeinen Kopf auf ihren Schooß und ſie lauſte ihn ein wenig, bis er einſchlief. Als er einge - ſchlafen war, zog ſie den Ring von ſeinem Finger und den Fuß, den ſie unter ihm ſtehen hatte, zog ſie auch heraus und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm ſie ihren Prinzen und wuͤnſchte ſich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlaſſen und ſeine Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel ſtand noch da zum Wahrzeichen. Nach Haus zu deinen51 Eltern kannſt du nicht wieder gehen, dachte er, die ſagen, du waͤrſt ein Hexenmeiſter, du willſt aufpacken und gehen, bis du in dein Koͤnigreich kommſt. Alſo ging er fort und kam endlich zu einem Berg, wo drei Rieſen ihres Vaters Erbe theilen wollten und als ſie ihn vorbeigehen ſahen, riefen ſie ihn und ſagten, kleine Menſchen haͤtten klugen Sinn, er ſollt ihnen die Erbſchaft ver - theilen, das war ein Degen, wenn einer den in in die Hand nahm und ſprach: Koͤpf alle run - ter, nur meiner nicht, ſo lagen alle Koͤpfe auf der Erde; zweitens ein Mantel, wer den anzog, war unſichtbar; drittens ein Paar Stiefeln, wenn man die an den Fuͤßen hatte und ſich wohin wuͤnſchte, ſo war man gleich da. Er ſprach, ſie muͤßten ihm die drei Stuͤcke einmal geben, damit er ſie probiren koͤnne, ob ſie auch alle noch in gu - tem Stand waͤren. Da gaben ſie ihm den Man - tel, den that er um, und wuͤnſchte ſich zu einer Fliege, alsbald war er eine Fliege. Der Man - tel iſt gut, ſprach er, nun gebt mir einmal das Schwert. Sie ſagten: nein, das geben wir nicht, denn wenn du ſpraͤchſt: Koͤpf alle run - ter, nur meiner nicht! ſo waͤren unſere Koͤpfe alle herab und du haͤtteſt deinen noch; doch ga - ben ſie es ihm, wenn er’s an den Baͤumen pro - biren wollte, das that er und das Schwert war auch gut. Nun wollt er noch die Stiefel haben, ſie ſprachen aber: nein, die koͤnnen wir nichtD 252geben, wenn du die anhaͤtteſt und ſpraͤchſt, du wollteſt oben auf dem Berg ſeyn, ſo ſtuͤnden wir da unten und haͤtten nichts. Nein, ſprach er, das will ich nicht thun, da gaben ſie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte, da wuͤnſchte er ſich auf den goldenen Berg, und alsbald war er dort, und die Rieſen ver - ſchwunden und war alſo ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und Floͤten und die Leute ſagten ihm, ſeine Gemahlin halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da zog er ſeinen Mantel an, und machte ſich zur Fliege, ging in’s Schloß hinein und ſtellte ſich hin - ter ſeine Gemahlin, und niemand ſah ihn. Wenn ſie ihr nun ein Stuͤck Fleiſch auf den Teller leg - ten, nahm er’s weg und es, und wenn ſie ihr ein Glas Wein einſchenkten, nahm er’s weg und tranks; ſie gaben ihr immer und ſie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da ſchaͤmte ſie ſich, ſtand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; da ſprach ſie vor ſich: iſt denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤſer kam nie! da gab er ihr ein paar derbe Ohrfei - gen und ſagte: kam dein Erloͤſer nie, er iſt uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient? Darauf ging er hin und ſagte, die Hochzeit waͤr aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrſten und Miniſtern, die da waren. Er aber gab kurze53 Worte und fragte, ob ſie ſich entfernen wollten oder nicht? da wollten ſie ihn fangen, aber er zog ſein Schwert und ſprach: Koͤpf alle runter, nur meiner nicht! Da lag alles gleich im Blut dar - nieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge.

7. Die Rabe.

Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤch - terchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geſchah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte ſagen, was ſie wollte, es half nicht. Da ward ſie ungeduldig und weil die Raben ſo um das Haus herumflogen, machte ſie das Fenſter auf und ſagte: ich wollt du waͤrſt eine Rabe und floͤgſt fort, ſo haͤtt ich Ruh, und kaum hatte ſie das Wort geſagt, ſo war das Kind eine Rabe und flog von ihrem Arm zum Fenſter hinaus. Die Rabe aber flog weg und niemand konnte ihr fol - gen, ſie flog aber in einen dunkelen Wald und blieb darin. Auf eine Zeit fuͤhrte einen Mann ſein Weg in dieſen Wald und er hoͤrte die Rabe rufen und er ging der Stimme nach; und als er naͤher kam, ſagte die Rabe zu ihm: ich bin ver - wuͤnſcht worden und bin eine Koͤnigstochter von54 Geburt, du kannſt mich erloͤſen. Da ſprach er: wie ſoll ich das anfangen? Da ſagte ſie: geh hin in das Haus dort, darin ſitzt eine alte Frau, die wird dir Eſſen und Trinken reichen und dich davon genießen heißen, aber du darfſt nichts neh - men, denn wenn du trinkſt, ſo trinkſt du einen Schlaftrunk und dann kannſt du mich nicht erloͤ - ſen. Im Garten hinter dem Haus iſt eine große Lohhucke, darauf ſollſt du ſtehen und mich erwar - ten: den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutſche, die iſt mit vier weißen Hengſten beſpannt, wenn du aber dann nicht wach biſt, ſondern ſchlaͤfſt, ſo werd ich nicht erloͤſt. Der Mann ſprach, er wollt alles thun, die Rabe aber ſagte: ach ich weiß es wohl, du kannſt mich nicht erloͤſen, du nimmſt doch etwas von der Frau. Da verſprach der Mann noch einmal, er wollte gewiß nichts anruͤhren von dem Eſſen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm und ſagte: ei, was ſeyd ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, eſſet und trinkt. Nein, ſagte der Mann, ich will nicht eſſen und trinken; ſie ließ ihm aber keine Ruhe und ſprach: wenn ihr dann nicht eſſen wollt, ſo thut einen Zug aus dem Glas, einmal iſt keinmal, bis er ſich uͤberreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da ſtand, auf55 einmal ward er ſo muͤd und wollte ſich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aus - halten, und mußte ſich ein Bischen legen; doch wollte er nicht einſchlafen, aber kaum hatte er ſich gelegt, da fielen ihm die Augen von ſelber zu und er ſchlief ein und ſchlief ſo feſt, daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengſten ge - fahren und war ſchon in voller Trauer und ſprach: ich weiß doch ſchon, daß er ſchlaͤft! Und als ſie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und ſchlief; und wie ſie vor ihm war, ſtieg ſie aus dem Wagen, ſchuͤttelte und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber ſo lang bis ſie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da ſagte ſie: ich ſehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤſen kannſt, aber Morgen will ich noch einmal wieder - kommen, dann habe ich vier braune Hengſte vor dem Wagen, aber du darfſt bei Leibe nichts neh - men von der Frau, kein Eſſen und kein Trinken. Da ſagte er: nein gewiß nicht. Sie ſprach aber: ach! ich weiß es wohl, du nimmſt doch etwas! Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und ſagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da ſprach er: nein, ich will nicht eſſen und trinken. Sie aber ſtellte das Eſſen und Trinken vor ihn hin, daß der Ge - ruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in56 den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten, da ward er wieder ſo muͤde, daß ſeine Glieder ihn nicht mehr hielten und er konnte ſich nicht helfen, er mußte ſich legen und ein Bis - chen ſchlafen. Wie nun die Rabe daher fuhr mit vier braunen Hengſten, war ſie wieder in vol - ler Trauer und ſagte: ich weiß doch ſchon, daß er ſchlaͤft! Und als ſie hin zu ihm kam, lag er da und ſchlief feſt, da ſtieg ſie aus dem Wagen, ſchuͤttelte ihn und ſucht ihn zu erwecken; das ging aber noch ſchwerer als geſtern, bis er endlich er - wachte. Da ſprach die Rabe: ich ſehe wohl, daß du mich nicht erloͤſen kannſt, Morgen Nach - mittag um zwei Uhr will ich noch einmal kom - men, aber das iſt das letztemal, meine Hengſte ſind dann ſchwarz und ich habe auch alles ſchwarz; du darfſt aber nichts nehmen von der alten Frau, kein Eſſen und kein Trinken. Da ſagte er: nein gewiß nicht. Sie ſprach aber: ach, ich weiß es wohl, du nimmſt doch etwas! Am an - dern Tag kam die alte Frau und ſagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da ſprach er: nein ich will nicht eſſen und trinken. Sie aber ſagte, er ſollte nur einmal ſchmecken, wie gut das alles ſey, Hungers koͤnnte er doch nicht ſter - ben; da ließ er ſich uͤberreden und trank doch wie - der etwas. Als es Zeit war, ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wartete auf die Prinzeſſin, da ward er wieder ſo muͤde, daß er57 ſich nicht halten konnte und er ſich hin legte und ſchlief ſo feſt als waͤr er von Stein. Um zwei Uhr kam die Rabe und hatte vier ſchwarze Hengſte und die Kutſche und alles war ſchwarz; ſie war aber in voller Trauer und ſprach: ich weiß doch ſchon, daß er ſchlaͤft und mich nicht erloͤſen kann. Als ſie zu ihm kam, lag er da und ſchlief feſt, ſie ruͤttelte ihn und rief ihn, aber ſie konnt ihn nicht aufwecken, er ſchlief in einem fort. Da legte ſie ein Brot neben ihn hin, davon konnte er ſo viel eſſen, als er wollte, es wurde nicht all; dann ein Stuͤck Fleiſch, davon konnt er auch ſo viel eſſen, als er wollte, es wurde nicht all; zum dritten eine Flaſche Wein, davon konnt er trin - ken, ſo viel er wollte, es wurde nicht all. Darnach nahm ſie ihren goldenen Ring vom Finger und ſteckt ihm den an und war ihr N[am]e darein ge - graben, und endlich legte ſie einen Brief hin, darin ſtand, was ſie ihm gegeben hatte und daß es nie all wuͤrde und es ſtand auch darin: ich ſehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤſen kannſt, willſt du mich aber noch erloͤſen, ſo komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg, da kannſt du es, das weiß ich gewiß. Und wie ſie ihm das alles gegeben hatte, ſetzte ſie ſich in ihren Wagen und fuhr weg in das goldene Schloß von Strom - berg.

Als der Mann aufwachte, und ſah, daß er geſchlafen hatte, ward er von Herzen traurig und58 ſprach: gewiß nun iſt ſie vorbei gefahren und du haſt ſie nicht erloͤſt. Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geſchrieben ſtand, wie es zuge - gangen war. Alſo machte er ſich auf und ging fort und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht, wo es lag. Nun war er ſchon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald und ging vier - zehn Tage darin fort, und konnte ſich nicht her - ausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war ſo muͤde, daß er ſich an einen Buſch legte und einſchlief; am andern Tag ging er weiter und wollt ſich am Abend wieder an einen Buſch legen, da hoͤrt er ein Heulen und Jammern, daß er nicht einſchlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute die Lichter anſtecken, ſah er eins ſchimmern und machte ſich auf und ging ihm nach, da kam er vor ein Haus, das ſchien ſo klein, denn es ſtand ein großer Rieſe davor. Da dacht er bei ſich: gehſt du wohl hinein oder nicht, wenn du’s thuſt, kommſt du vielleicht um’s Leben, du willſt aber doch einmal hineingehen. Wie er nun drauf zu ging und der Rieſe ihn ſah, ſprach er: es iſt gut, daß du kommſt, ich habe doch lange nichts gegeſſen, jetzt will ich dich gleich zum Abend - brot verſchlucken. Laß das gut ſeyn, ſprach der Mann, wenn du eſſen willſt, ſo hab ich was bei mir. Wenn das iſt, ſagte der Rieſe, ſo59 biſt du gut. Da gingen ſie beide hinein und ſetzten ſich an den Tiſch und der Mann holte ſein Brot, Wein und Fleiſch, was nicht all wurde, hervor, und ſie aßen ſich beide recht ſatt. Dar - nach ſagte der Mann zum Rieſen: kannſt du mir nicht ſagen, wo das goldene Schloß von Stromberg iſt. Der Rieſe ſprach: ich will einmal auf meiner Landcharte nachſehen, darauf ſind alle Staͤdte, Doͤrfer und Haͤuſer. Da holt er ſeine Landkarte, die er in der Stube hatte, und ſuchte das Schloß, konnte es aber nicht fin - den; das thut nichts, ſprach er, ich habe oben in einem Schranke noch mehr Landkarten, da will ich einmal ſehen, ob es darauf zu finden iſt. Sie ſahen zu, konnten’s aber nicht finden. Der Mann wollte nun weiter gehen, der Rieſe aber ſprach, er ſollte noch ein Paar Tage warten, er haͤtte einen Bruder, der waͤr aus und holte was zu eſſen, wenn der kaͤme, der haͤtte auch gute Landkarten, da wollten ſie noch einmal ſuchen, der faͤnd’s ge - wiß. Alſo wartete der Mann, bis der Bruder nach Haus kam, der ſagte, er wuͤßte es nicht ge - wiß, er glaubte aber das goldene Schloß von Stromberg ſtaͤnde auf ſeiner Karte. Da aßen ſich die drei noch einmal recht ſatt und dann ging der zweite Rieſe hin und ſprach: nun will ich einmal zuſehen auf meiner Karte; allein das Schloß war auch nicht darauf. Da ſagt er, er haͤtte noch oben eine Kammer voll Landkarten, da60 muͤßt es darauf ſtehen. Wie er nun die herun - ter gebracht hatte, ſuchten ſie von neuem und end - lich fanden ſie das goldene Schloß von Strom - berg, aber es war viele tauſend Meilen weit weg. Wie werd ich nun dahin kommen? ſprach der Mann. Ei, ſagte der Rieſe, zwei Stunden hab ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tra - gen, dann muß ich aber wieder nach Haus und das Kind ſaͤugen, das wir haben. Da trug der Rieſe den Mann bis etwa noch hundert Stunden vom Schloß und ſagte: jetzt muß ich zuruͤck, den uͤbrigen Weg kannſt du wohl allein gehen. O ja, ſagte der Mann, das kann ich wohl. Wie ſie ſich nun trennen wollten, ſprach der Mann, wir wollen uns erſt recht ſatt eſſen; und darauf nahm der Rieſe Abſchied und ging heim. Der Mann aber ging vorwaͤrts Tag und Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Da ſtand es aber auf einem glaͤſernen Berge, und oben darauf ſah er die ver - wuͤnſchte Prinzeſſin fahren; nun wollte er hinauf zu ihr, aber er glitſchte immer wieder herunter. Da war er ganz betruͤbt und ſprach zu ſich ſelbſt: am beſten iſt, du bauſt dir hier eine Huͤtte, Eſſen und Trinken haſt du ja. Alſo baute er ſich eine Huͤtte und ſaß darin ein ganzes Jahr und ſah die Prinzeſſin alle Tage oben fahren; konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen.

61

Da hoͤrte er einmal wie drei Rieſen ſich ſchlu - gen, und rief ihnen zu: Gott ſey mit euch! Sie hielten bei dem Ruf inne, als ſie aber nie - mand ſahen, fingen ſie wieder an ſich zu ſchlagen und das zwar ganz gefaͤhrlich. Da ſprach er wie - der: Gott ſey mit euch! ſie hoͤrten wieder auf, guckten ſich um, weil ſie aber niemand ſahen, fuhren ſie auch wieder fort, ſich zu ſchlagen. Da ſprach er zum drittenmal: Gott ſey mit euch! und dacht, du mußt doch ſehen, was die drei vor - haben, ging hin und fragte ſie, warum ſie ſo auf einander losſchluͤgen. Da ſagte der eine, er haͤtt einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine Thuͤr ſchluͤge, ſo ſpraͤnge ſie auf; der andere ſagte, er haͤtte einen Mantel gefunden, wenn er den umhinge, ſo waͤr er unſichtbar; der dritte aber ſprach, er haͤtte ein Pferd gefangen, mit dem koͤnnte man den glaͤſernen Berg hinaufreiten. Da ſprach der Mann: fuͤr die drei Sachen will ich euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber andere Dinge, die noch mehr werth ſind; doch muß ich ſie vorher probiren, damit ich ſehe, ob ihr auch die Wahrheit geſagt habt. Da ließen ſie ihn auf’s Pferd ſitzen, hingen ihm den Man - tel um und gaben ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, konnten ſie ihn nicht mehr ſehen und er pruͤgelte ſie durch und durch, rief: nun, ſeyd ihr zufrieden? und ritt den Berg hinauf. Oben aber vor dem Schloß, das62 war verſchloſſen, da ſchlug er mit dem Stock vor die Thuͤr, gleich ſprang ſie auf, und er ging hinein und die Treppe hinauf oben in den Saal, da ſaß die Prinzeſſin und hatte einen goldenen Kelch mit Wein vor ſich ſtehen; konnt ihn nicht ſehen, weil er den Mantel um hatte. Und als er vor ſie kam, zog er den Ring vom Finger, den ſie ihm gegeben hatte und ſchmiß ihn in den Kelch, daß es klang. Da rief ſie: das iſt mein Ring, ſo muß auch der Mann da ſeyn, der mich erloͤſt. Sie ſuchten im ganzen Schloß, und fanden ihn nicht, er aber war hinaus gegangen, hatte ſich auf’s Pferd geſetzt und den Mantel abgeworfen. Wie ſie nun vor das Thor kamen, ſahen ſie ihn, und ſchrien vor Freude; und er ſtieg ab und nahm die Prinzeſſin in den Arm, da kuͤßte ſie ihn und ſagte: jetzt haſt du mich erloͤſt. Darauf hielten ſie Hochzeit und lebten vergnuͤgt mit - einander.

8. Die kluge Bauerntochter.

Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Haͤuschen und eine alleinige Tochter, da ſprach die Tochter: wir ſoll - ten den Herrn Koͤnig um ein Stuͤckchen Rottland bitten. Da der Koͤnig ihre Armuth hoͤrte,63 ſchenkte er ihnen auch ein Eckchen Raſen; den hackte ſie und ihr Vater um, und wollten ein we - nig Korn und der Art Frucht darauf ſaͤen; und als ſie ihn beinah herum hatten, da fanden ſie in der Erde einen Moͤrſel von purem Gold. Hoͤr, ſagte der Vater zu dem Maͤdchen, weil unſer Herr Koͤnig ſo gnaͤdig iſt geweſen und hat uns die - ſen Acker geſchenkt, ſo muͤſſen wir ihm den Moͤr - ſel wiedergeben. Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen und ſagte: Vater, wenn wir den Moͤrſel haben und haben den Stoͤßer nicht, dann muͤſſen wir auch den Stoͤßer ſchaffen, darum ſchweigt lieber ſtill. Er wollt ihr aber nicht gehorchen, nahm den Moͤrſel und trug ihn zum Herrn Koͤnig und ſagte, den haͤtt er gefunden in der Heide. Der Koͤnig nahm den Moͤrſer und fragte, ob er nichts mehr gefunden? nein, ſprach der Bauer, da ſagte der Koͤnig: er ſollte nun auch den Stoͤßer herbeiſchaffen. Der Bauer ſprach, den haͤtten ſie nicht gefunden; aber das half ihm ſoviel, als haͤtt er’s in den Wind geſagt, er ward in’s Gefaͤngniß geſetzt und ſollte ſo lange da ſitzen, bis er den Stoͤßer herbeigeſchafft haͤtte. Die Be - dienten mußten ihm taͤglich Waſſer und Brot bringen, was man ſo in dem Gefaͤngniß kriegt, da hoͤrten ſie, wie der Mann als fort ſchrie: ach! haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt! ach! ach! haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt! Da gingen die Bedienten zum Koͤnig und ſprachen das, wie64 der Gefangene als fort ſchrie: ach! haͤtt ich doch meiner Tochter gehoͤrt! und wollte nicht eſſen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, ſie ſollten ihn vor ihn bringen und da fragte der Herr Koͤnig, warum er alſo fort ſchreie: ach! haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt! Was hat eure Tocht er denn geſagt? Ja, ſie hat geſpro - chen, ich ſollt den Moͤrſel nicht bringen, ſonſt muͤßt ich auch den Stoͤßer ſchaffen. Habt ihr dann ſo eine kluge Tochter ſo laßt ſie einmal her - kommen. Alſo mußte ſie vor den Koͤnig kom - men; der fragte ſie, ob ſie dann ſo klug waͤre, und ſagte, er wollt ihr ein Raͤthſel aufgeben, wann ſie das treffen koͤnnte, dann wollt er ſie heir athen. Da ſprach ſie ja, ſie wollt’s errathen. Da ſagte der Koͤnig: komm zu mir nicht geklei - det, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wann du das kannſt, will ich dich heirathen. Da ging ſie hin, und zog ſich aus ſplinter nackend, da war ſie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fiſchgarn und ſetzte ſich hinein und wickelte ſich hinein, da war ſie nicht nackend, und borgte einen Eſel fuͤr’s Geld und band dem Eſel das Fiſchgarn an den Schwanz, daran er ſie fortſchleppen mußte, und war das nicht geritten und nicht gefahren, und mußte ſie der Eſel in der Fahrgleiße ſchlep - pen, ſo daß ſie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht in dem Weg undnicht65nicht außer dem Weg. Und wie ſie ſo daher kam, ſagte der Koͤnig, ſie haͤtte das Raͤthſel getroffen und ſey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefaͤngniß und nahm ſie bei ſich als ſeine Gemahlin und befahl ihr das ganze koͤnig - liche Gut an.

Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es ſich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft, etliche mit Och - ſen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein jun - ges Fuͤllchen, das lief weg und legte ſich an ei - nen Wagen, wo zwei Ochſen davor waren, mit - tendrein. Als nun die Bauern zuſammen kamen, fingen ſie an ſich zu zanken, ſchmeißen und laͤr - men und der Ochſenbauer wollte das Fuͤllchen be - halten und ſagte, die Ochſen haͤtten’s gehabt, und der andere ſagte, nein, ſeine Pferde haͤtten’s ge - habt und es waͤr ſein. Der Zank kam vor den Koͤnig und der that den Ausſpruch: wo das Fuͤl - len gelegen haͤtte, da ſollt es bleiben und alſo be - kam’s der Ochſenbauer, dem’s doch nicht gehoͤrte. Da ging der andere weg, weinte und lamentirte uͤber ſein Fuͤllchen; nun ſo hatte er gehoͤrt, wie daß die Frau Koͤnigin ſo gnaͤdig ſey, weil ſie auch von armen Bauersleuten gekommen waͤre, ging zu ihr und bat ſie, ob ſie ihm nicht helfen koͤnnte,Kindermaͤhrchen. II. E66daß er ſein Fuͤllchen wieder bekaͤme. Sagte ſie, ja, wenn ihr mir verſprecht, daß ihr mich nicht verrathen wollt, will ich’s euch ſagen: morgen fruͤh, wenn der Koͤnig auf der Wachtparade iſt, ſo ſtellt euch hin mitten in die Straße, wo er vor - beikommen muß, nehmt ein großes Fiſchgarn und thut als fiſchtet ihr, und fiſcht alſo fort und ſchuͤt - tet es aus, als wenn ihr’s voll haͤttet, und ſagte ihm auch, was er antworten ſollte, wenn er vom Koͤnig gefragt wuͤrde. Alſo ſtand der Bauer am andern Tag da, und fiſchte auf einem trockenen Platz; wie der Koͤnig vorbeikam und das ſah, ſchickte er ſeinen Laufer hin, der ſollte fragen, was der naͤrriſche Mann vorhabe. Da gab er zur Antwort: ich fiſche. Fragte der Laufer, wie er fiſchen koͤnnte, es waͤr ja kein Waſſer da. Sagte der Bauer: ſo gut als zwei Ochſen koͤn - nen ein Fuͤllen kriegen, ſo gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fiſchen. Da ging der Lau - fer hin und brachte dem Koͤnig die Antwort, da ließ er den Bauer vor ſich kommen und ſagte ihm, das haͤtte er nicht von ſich, von wem er das haͤtte? und ſollt’s gleich bekennen. Der Bauer aber wollt’s nicht thun und ſagte immer, Gottbe - wahr! er haͤtt es von ſich. Sie banden ihn aber auf ein Gebund Stroh und ſchlugen und drang - ſalten ihn ſo lange, bis er’s bekannte, daß er’s von der Frau Koͤnigin haͤtte. Als der Koͤnig nach Haus kam, ſagte er zu ſeiner Frau: warum biſt67 du ſo falſch mit mir, ich will dich nicht mehr zur Gemahlin, deine Zeit iſt rum, geh wieder hin, woher du kommen biſt in dein Bauernhaͤuschen. Doch erlaubte er ihr eins: ſie ſollte ſich das Liebſte und Beſte mitnehmen, was ſie wuͤßte und das ſollte ihr Abſchied ſeyn. Sie ſagte, ja, lie - ber Mann, wenn du’s ſo befiehlſt, will ich es auch thun, und fiel uͤber ihn her und kuͤßte ihn und ſprach, ſie wollte Abſchied von ihm nehmen. Dann ließ ſie einen ſtarken Schlaftrunk kommen, Abſchied mit ihm zu trinken, der Koͤnig that einen großen Zug, ſie aber trank nur ein wenig, da gerieth er bald in einen tiefen Schlaf. Und als ſie das ſah, rief ſie einen Bedienten und nahm ein ſchoͤ - nes weißes Linnentuch und ſchlug ihn da hinein, und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen vor der Thuͤre tragen und fuhr ſie ihn heim in ihr Haͤuschen. Da legte ſie ihn auf ihr Bettchen, und er ſchlief Tag und Nacht in einem fort und als er aufwachte, ſah er ſich um und ſagte: ach Gott! wo bin ich denn? rief ſeinen Bedienten, aber es war keiner da. Endlich kam ſeine Frau vor’s Bett und ſagte: lieber Herr Koͤnig, ihr habt mir befohlen, ich ſollte das Liebſte und Beſte aus dem Schloß mitnehmen, nun hab ich nichts beſſeres und lieberes als dich, da hab ich dich mit - genommen. Der Koͤnig ſagte: liebe Frau, du ſollſt mein ſeyn und ich dein, und nahm ſie wieder mit ins koͤnigliche Schloß und ließ ſich auf’sE 268neue mit ihr vermaͤhlen und werden ſie ja wohl noch auf heutigen Tag leben.

9. Der Geiſt im Glas.

Es ließ ein Mann ſeinen Sohn ſtudiren, wie der ein paar Schulen durchſtudirt hatte, konnte der Vater nichts mehr an ihn verwenden; da ließ er ihn zu ſich kommen und ſprach: du weißt, un - ſer Vermoͤgen iſt aufgegangen, ich kann nichts mehr an dir thun. Da ſagte der Sohn: lie - ber Vater, macht euch daruͤber keinen Kummer, wenn es ſo iſt, da bleib ich bei euch und will mit euch gehen und etwas am Malterholz (d. h. am Zuhauen und Aufrichten) verdienen; denn der Vater war ein Tagloͤhner, und erwarb ſein Brot damit. Der Vater ſagte: ja, mein Sohn, das ſoll dir beſchwerlich ankommen, ich hab auch nur eine Axt und kann dir keine kaufen. Ei, ſagte der Sohn, geht zum Nachbar, der leiht euch eine. Alſo borgte der Vater eine Axt fuͤr ihn und ſie gingen miteinander ins Holz und arbei - teten. Wie ſie bis Mittag gearbeitet hatten, ſagte der Vater: nun wollen wir ein Bischen raſten und unſer Mittagsbrot eſſen, da geht die Arbeit hernach noch einmal ſo friſch. Der Stu - dent nahm ſein Mittagsbrot in die Hand und69 ſagte zum Vater, er wollte damit herumgehen und Vogelneſter ſuchen. O du Geck! ſprach der Vater, was willſt du da herumgehen, bleib bei mir, ſonſt wirſt du muͤd und kannſt hernach nichts mehr thun. Der Sohn ging aber in dem Wald herum, ſein Brot und ſah ſich nach Voͤgels - neſtern um und kam zu einer großen, gefaͤhrlichen Eiche, da ſuchte er ein Bischen herum. Auf ein - mal kam gegen ihn eine Stimme aus der Wurzel, die rief mit ſo einem recht dumpfen Ton: laß mich heraus! laß mich heraus! Da horcht er darnach und rief: wo biſt du? es ſprach von neuem: laß mich heraus! laß mich heraus! Ja ich ſeh aber nichts, ſagte der Student, wo biſt du? Hier bin ich bei der Eichwurzel. Da fing er an zu ſuchen und fand in einer kleinen Hoͤhle eine Glasflaſche, daraus war die Stimme gekommen, er hielt ſie gegen das Licht, da war eine Geſtalt darin wie ein Froſch, die Geſtalt rief aber weiter: nimm den Pfropfen herab. Das that der Student, und wie er den Pfropfen abgenommen hatte, kam ein Kerl von entſetzlicher Groͤße heraus und ſprach: weißt du wohl, was du fuͤr einen Lohn verdient, weil du mich her - ausgelaſſen haſt? Nein, ſagte der Student. So will ich dir’s ſagen: ich muß dir den Hals dafuͤr brechen. Nein, ſagte der Student, mir nicht ſo, das haͤtteſt du fruͤher ſagen ſollen, ſo haͤtt ich dich nicht herausgelaſſen. Da muͤſſen70 erſt mehr Leute gefragt werden. Mehr Leute hin, mehr Leute her, du mußt deinen ver - dienten Lohn haben, du kannſt leicht denken, daß ich nicht aus Gnade da eingeſchloſſen war, ſon - dern aus Strafe: weißt du wohl, was ich fuͤr einen Namen habe? Nein, ſagte der Stu - dent, das weiß ich nicht. Da ſprach der Geiſt: ich bin der großmaͤchtige Merkurius, ich muß dir den Hals zerbrechen. Nein das geht nicht, ſo wie du meinſt, ſagte der Student, du mußt einen andern Rath anfangen; ich muß auch ſehen, ob du wieder in die Flaſche hinein kommſt, ſonſt glaub ich nimmermehr, daß du herauskommen biſt, wenn ich das aber ſehe, will ich mich in deine Gefangenſchaft geben. Da willigte der Geiſt ein und begab ſich durch daſſelbe Loch und durch den Hals der Flaſche wieder hinein; wie er drin war, ſteckte der Student den abgezogenen Pfro - pfen wieder auf und der Geiſt war angefuͤhrt. Da bat der Geiſt, er moͤcht ihn doch wieder er - loͤſen und herauslaſſen. Nein, ſagte der Stu - dent, der mir nach dem Leben ſtrebte, den kann ich nicht wieder herauslaſſen und den will ich in Ewigkeit nicht wieder herauslaſſen. Da ſprach der Geiſt: ich will dir auch ſo viel geben, daß du dein Lebtag genug haſt. Du wuͤrdeſt mich doch betruͤgen, wie das erſtemal, ſagte der Stu - dent. Nein, ſagte der Geiſt, ich will dir nichts thun. Da ließ er ſich bewegen und that71 den Pfropfen wieder ab und der Geiſt ſtieg her - aus. Nun will ich dich belohnen, ſprach er, da haſt du ein Pflaſter, wenn du mit dem einen Ende eine Wunde damit beſtreichſt, ſo wird ſie heilen, und wenn du Stahl oder Eiſen mit dem andern Ende beſtreichſt, ſoll es all in Silber ver - wandelt ſeyn. Da wollte der Student das Pflaſter probiren und machte an einem Baum ei - nen kleinen Ritz und hielt dann das Pflaſter daran, da war er alsbald geheilt. Da dankte der Student dem Geiſte und der Geiſt dankte ihm auch fuͤr ſeine Erloͤſung und ſie nahmen Ab - ſchied von einander. Der Student ging zuruͤck zu ſeinem Vater, der wieder an der Arbeit war und ihn ſchalt, daß er ſo lange ausgeblieben waͤre: ich hab’s ja geſagt, daß du nichts thun wuͤrdeſt. Ich will’s ſchon nachholen, ſprach der Student. Ja, ſagte der Vater zornig, nachholen hat keine Art. Vater, was ſoll ich zuerſt thun? Hau den Baum da um. Da that der Stu - dent ſein Pflaſter heraus und ſtrich ſeine Axt da - mit, wie er nun ein paar Hiebe gethan hatte, war ſie ganz ſchief und hatte ſich die Schaͤrfe um - gelegt, denn ſie war von Silber geworden. Nun ſeht ihr, Vater, ſprach der Sohn, was habt ihr mir fuͤr eine Axt gegeben, die iſt ja ganz ſchief geworden? Ach! was haſt du gemacht, ſagte der Vater und war noch boͤſer, nun muß ich die Axt bezahlen, ſo bringſt du mich mit deiner72 Huͤlfe nur in Schaden. Der Sohn ſprach: werdet nicht boͤs, Vater, ich will die Axt ſchon bezahlen. Ja du Dummbart, wovon willſt du ſie denn bezahlen, du haſt nichts, als was ich dir gebe, das ſind Studentenkniffe, die ſtecken dir im Kopf; vom Holzhacken haſt du keinen Ver - ſtand. Da wollte der Sohn den Vater bere - den, Feierabend zu machen, der Vater ſagte, er ſolle ſich packen; der Student aber ließ ihm keine Ruhe und ſagte, er koͤnne nicht allein nach Haus gehen, bis der Vater mitging. Der Sohn nahm die Axt mit, der Vater aber war ein alter Mann und konnte nicht ſehen, daß ſie zu Silber gewor - den war. Wie ſie nach Haus kamen, ſagte der Vater: nun bring die Axt hin und ſieh, was ſie dafuͤr geben wollen. Der Student aber nahm die Axt, ging damit in die Stadt zum Gold - ſchmidt und fragte, was er dafuͤr geben wollte. Wie der Goldſchmidt ſie geſehen hatte, ſagte er, er waͤr nicht ſo reich in ſeinem Vermoͤgen, daß er ſie bezahlen koͤnnte. Da ſprach der Student, er ſollte ihm geben, was er haͤtte, er wollt ihm das andere borgen. Da gab ihm der Goldſchmidt 300 Thaler und lieh noch 100 Thaler dazu. Damit ging der Student heim zu ſeinem Vater und ſprach: hier hab ich Geld, nun geht hin und fragt was der Mann haben will fuͤr die Axt. Das weiß ich ſchon, ſagte der Vater 1 Thlr. 6 Gr. So gebt ihm 2 Thlr. 12 Gr. das iſt das73 Doppelte und iſt genug. Dann gab der Student ſeinem Vater hundert Thaler und ſagte, es ſollte ihm niemals fehlen und erzaͤhlte ihm die ganze Geſchichte, wie es gegangen waͤre. Mit den an - dern 300 Thalern aber ging er hin und ſtudirte aus; mit ſeinem Pflaſter konnt er hernach alle Wunden heilen und war der beruͤhmteſte Doctor in der ganzen Welt.

10. De drei Vuͤgelkens.

Et is wul duſent un meere Jaare hen, da woͤren hier im Lanne luter kleine Kuͤnige, da hed auck einer up den Keuterberge wuͤnt (gewohnt), de gink ſau geren up de Jagd. Aſe nu mal mit ſinen Jaͤgern vom Schlotte heruttrok, hoͤen (huͤ - teten) unner den Berge drei Maͤkens ire Koͤge (Kuͤhe), un wie ſei den Kuͤnig mit den vielen Kuͤen ſeien, ſo reip de oͤlleſte den anner beden Maͤkens to, un weis up den Kuͤnig: helo! helo! wenn ik den nig kriege, ſo will ik keinen! da antworde de tweide up de annere Side vom Ber - ge, un weis up den, de dem Kuͤnige rechter Hand gink: helo! helo! wenn ik den nig kriege, ſo will ik keinen! Da reip de juͤngeſte un weis up den, de linker Hand gink: helo! helo! wenn ik den nig kriege, ſo will ik keinen. Dat woͤ -74 ren averſt de beden Miniſters. Dat hoͤrde de Kuͤnig alles un aſe von der Jagd heime kummen was, leit he de drei Maͤkens to ſik kummen un fragete ſe, wat ſe da giſtern am Berge ſagd hed - den. Dat wullen ſe nig ſeggen, de Kuͤnig frog averſt de oͤlleſte, ob ſe uͤn wol rom Manne hewen wulle? da ſegde ſe ja, un ere beiden Suͤſtern friggeten de beiden Miniſters, denn ſe woͤren alle drei ſcheun un ſchir (klar, ſchoͤn) von Angeſicht, beſunners de Kuͤnigin, de hadde hare aſe Flaſſ.

De beiden Suͤſtern averſt kregen keine Kin - ner, un aſe de Kuͤnig mal verreiſen moſte, let he ſe tor Kuͤnigin kummen, um ſe up to mun - nern, denn ſe war grae (gerad) ſwanger. Se kreg en kleinen Jungen, de hadde ’n ritſch-roen Stern mit up de Weld. Da ſehden de beiden Suͤſtern, eine tor annern, ſe wullen den huͤbſken Jungen in’t Water werpen. Wie ſe’n darin wor - pen hadden (ik gloͤve, et is de Weſer weſt) da fluͤgt ’n Vuͤgelken in de Hoͤgte, dat ſank:

tom Daude bereit,
up wietern Beſcheid,
tom Lilien-Strus:
wacker Junge, biſt du’s?

da dat de beiden hoͤrten, kregen ſe de Angſt up’n Lieve un makten, dat ſe fort keimen. Wie de Kuͤnig na Hus kam, ſehden ſe to uͤm, de Kuͤni - gin hedde ’n Hund kregen, da ſegde de Kuͤnig: wat Gott deiet, dat is wole dahn!

75

Et wunde averſt ’n Fiſker an den Water, de fiſkede den kleinen Jungen wier herut, aſe noch ewen lebennig was, un da ſine Fru kene Kinner hadde, foerden (fuͤtterten) ſe ’n up. Na’n Jaar was de Kuͤnig wier verreiſt, da kreg de Kuͤ - nigin wier ’n Jungen, den namen de beiden falſ - ken Suͤſtern un warpen’n auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte un ſank:

tom Daude bereit,
up wietern Beſcheid,
tom Lilien-Strus:
wacker Junge, biſt du’s?

Un wie de Kuͤnig toruͤgge kam, ſehden ſe to uͤm, de Kuͤnigin hedde wier ’n Hund bekummen, un he ſegde wier: wat Gott deit, dat is wole dahn! Averſt de Fiſker trok duͤſen auck ut den Water, un foerd’n up.

Da verreiſede de Kuͤnig wier, un de Kuͤni - gin kreg ’n klein Maͤken, dat warpen de falſken Suͤſtern auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte un ſank:

tom Daude bereit,
up wietern Beſcheid,
tom Lilien-Strus:
wacker Maͤken, biſt du’s?

Un wie de Kuͤnig na Hus kam, ſehden ſe to uͤm, de Kuͤnigin hedde ’ne Katte kregt. Da worde de Kuͤnig beuſe un leit ſine Fru in’t Gefaͤnknis ſmie - ten, da hed ſe lange Jaare in ſetten.

76

De Kinner woͤren unnerdes anewaſſen, da gink de oͤlleſte mal mit annern Jungens herut to fiſken, da wuͤllt uͤn de annern Jungens nig twiſ - ken ſik hewen un ſegget: du Fuͤndling, gaa du diner Wege, da ward he gans bedroͤvet un fraͤggt den olen Fiſker, ob dat war woͤre? De vertellt uͤn, dat he mal fiſked hedde un hedde uͤn ut den Water troken (gezogen). Da ſegd he, he wulle furt un ſinen Teiten (Vater) ſoͤken. De Fiſker de biddet ’n, he moͤgde doch bliven, averſt he let ſik gar nig hallen, bis de Fiſker et toleſt to givt. Da givt he ſik up den Weg un geit meere Dage hin - ner ’n anner, endlich kuͤmmt he vor ’n graut all - maͤchtig Water, davor ſteit ’n ole Fru un fiſkede. guden Dag, Moer, ſegde de junge. Gro - ten Dank! Du ſuͤſt da wol lange fiſken, e du ’n Fiſk faͤngeſt. Un du wol lange ſoͤken, e du dinen Teiten findſt: wie wuſt du der denn da oͤver’t Water kummen? ſehde de Fru. Ja, dat mag Gott witten! Da nuͤmt de ole Fru uͤn up den Ruͤggen und draͤgt ’n der doͤrch, un he ſoͤcht lange Tiid un kann ſinen Teiten nig finnen. Aſe nu wol ’n Jaar voroͤwer is, da trekt de tweide auck ut, un will ſinen Broer ſoͤken. He kuͤmmt an dat Water un da geit et uͤn ewen ſo, aſe ſinen Broer. Nu was nur noch de Dochter allein to Hus, de jammerde ſo vil na eren Broern, dat ſe upt leſt auck den Fiſker bad, he moͤgte ſe treken laten, ſe wulle ere Broerkes ſoͤken. Da kam ſe77 auck bie den grauten Water, da ſehde ſe tor olen Fru: guden Dag, Moer! groten Dank! Gott helpe ju bie juen fiſken. Aſe de ole Fru dat hoͤrde, da word ſe ganz fruͤndlich, und trog ſe oͤver’t Water, un gab er ’n Roe (Ruthe) un ſehde to er: un gah man juͤmmer up duͤſen Wege to, mine Dochter! un wenn du bie einen groten ſchwarten Hund vorbei kuͤmmſt, ſo muſt du ſtill, un driſt, un one to lachen, un one uͤn an to kicken, vorbei gaan. Dann kuͤmmeſt du an ’n grot open Schlott, up’n Suͤll (Schwelle) moſt du de Roe fallen laten un ſtracks doͤrch dat Schlott an den annern Side wier herut gahen; da is ’n olen Brunnen, darut is ’n groten Boom waſſen, daran haͤnget ’n Vugel im Buer, den nuͤmm af, dann nuͤmm noch ’n Glaß Water ut den Brunnen, un gaa mit duͤſen beiden den ſuͤl - vigen Weg wier toruͤgge, up den Suͤll nuͤmm de Roe auck wier mit, un wenn du dann wier bie den Hund vorbie kummſt, ſo ſchlah uͤn in’t Ge - ſicht, averſt ſuͤ to, dat du uͤn treppeſt, un dann kumm nur wier to mie toruͤgge. Da fand ſe et grade ſo, aſe de Fru et ſagd hadde, un up den Ruͤckwege da fand ſe de beiden Broer, de ſik de halve Welt dorchſoͤcht hadden. Se ging toſam - men, bis wo de ſwarte Hund an den Weg lag, den ſchlog ſe in’t Geſicht, da word et ’n ſchoͤnen Prinz, de geit mit uͤnen, bis an dat Water. Da ſtand da noch de ole Fru, de froͤgede ſik ſer, da78 ſe alle wier da woͤren und trog ſe alle oͤver’t Wa - ter, un dann gink ſe auck weg, denn ſe was nu erloͤſt. De annern averſt gingen alle na den olen Fiſker un alle woͤren froh, dat ſe ſik wier funnen hadden, den Vuͤgel averſt huͤngen ſe an der Wand.

De tweide Suhn kunne averſt nig to Huſe raſten un nam ’n Flitzebogen un gink up de Jagd. Wie he moͤe was, nam he ſine Floͤtepipen un mackte ’n Stuͤckſken. De Kuͤnig averſt woͤr auck up de Jagd un hoͤrde dat, da ging he hin, un wie he den jungen drap, ſo ſehde he: we hett die verloͤvt hier to jagen? O, neimes (niemand). Wen hoͤrſt du dann to? ik bin den Fiſker ſin Suhn. De hett ja keine Kinner! Wen du’t nig gloͤven wuſt, ſo kum mit. Dat dehe de Kuͤnig und frog den Fiſker, de vertaͤlle uͤn alles, un dat Vuͤgelken an der Wand fing an to ſingen:

De Moͤhme (Mutter) ſitt allein,
wol in dat Kerkerlein!
o Kuͤnig, edeles Blod!
Dat ſind dine Kinner god.
de falſken Suͤſtern beide
de dehen de Kinnekes Leide,
wo! in des Waters Grund,
wo ſe de Fiſker fund!

Da erſchracken ſe alle un de Kuͤnig nam den Vu - gel, den Fiſker un de drei Kinner mit ſik na den Schlotte, un leit dat Gefaͤnknis upſchluten un nam ſine Fru wier herut, de was averſt gans79 kraͤnkſch un elennig woren. Da gav er de Doch - ter von den Water ut den Brunnen to drinken, da wor ſe friſk un geſund. De beiden falſken Suͤ - ſtern woren averſt verbrennt un de Dochter frig - gede den Prinzen.

11. Das Waſſer des Lebens.

Es war einmal ein Koͤnig, der ward krank und glaubte niemand, daß er mit dem Leben da - von kaͤme. Er hatte aber drei Soͤhne, die wa - ren daruͤber betruͤbt, gingen hinunter in den Schloßgarten und weinten, da begegnete ihnen ein alter Mann, der fragte ſie nach ihrem Kum - mer. Da erzaͤhlten ſie, ihr Vater waͤr ſo krank, daß er wohl ſterben wuͤrde; es wollte ihm nichts helfen. Der Alte ſprach: ich weiß ein Mittel, das iſt das Waſſer des Lebens, wenn er davon trinkt, ſo wird er wieder geſund; es iſt aber ſchwer zu finden. Da ſagte der aͤlteſte: ich will es ſchon finden, ging zum kranken Koͤnig und bat ihn, er moͤcht ihm erlauben auszuziehen und das Waſſer des Lebens zu ſuchen, das ihn allein heilen koͤnne. Nein, ſprach der Koͤnig, dabei ſind zu große Gefahren, lieber will ich ſter - ben. Er bat aber ſo lange, bis es der Koͤnig zugab; der Prinz dachte auch in ſeinem Herzen:80 hol ich das Waſſer, ſo bin ich meinem Vater der liebſte und erbe das Reich.

Alſo machte er ſich auf, und als er eine Zeit lang fortgeritten war, ſtand da ein Zwerg auf dem Weg, der rief ihn an und ſprach: wohin - aus ſo geſchwind? Du Knirps, ſagte der Prinz ganz ſtolz, das brauchſt du nicht zu wiſ - ſen; und ritt weiter. Das kleine Maͤnnchen aber war zornig geworden und hatte einen boͤſen Wunſch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam er in eine Bergſchlucht, und je weiter, je enger thaten ſich die Berge zuſammen, und endlich ward der Weg ſo eng, daß er keinen Schritt wei - ter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht wenden und ſelber nicht abſteigen und mußte da eingeſperrt ſtehen bleiben. Indeſſen wartete der kranke Koͤnig auf ihn; aber er kam nicht und kam nicht. Da ſagte der zweite Prinz: ſo will ich ausziehen und das Waſſer ſuchen und dachte bei ſich, das iſt mir eben recht, iſt der todt, ſo faͤllt das Reich mir zu. Der Koͤnig wollt ihn auch anfangs nicht ziehen laſſen, endlich aber mußte er’s doch zugeben. Der Prinz zog alſo gleiches Wegs fort und begegnete demſelben Zwerg, der hielt ihn wieder an und fragte: wohinaus ſo geſchwind? Du Knirps, ſagte der Prinz, das brauchſt du nicht zu wiſſen, und ritt in ſei - nem Stolz fort. Aber der Zwerg verwuͤnſchte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Berg -81 ſchlucht und konnte nicht vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts. So gehts aber den Hochmuͤthigen.

Wie nun der zweite Prinz ausblieb, ſagte der juͤngſte, er wollte ausziehen und das Waſſer holen und der Koͤnig mußt ihn endlich auch gehen laſſen. Wie er nun den Zwerg auf dem Wege fand, und der fragte: wohinaus ſo geſchwind? ſo antwortete er ihm: ich ſuche das Waſſer des Lebens, weil mein Vater ſterbenskrank iſt. Weißt du denn, wo das zu finden iſt? Nein, ſagte der Prinz. So will ich dir’s ſagen, weil du mir ordentlich Rede geſtanden haſt; es quillt aus einem Brunnen, in einem verwuͤnſchten Schloß, und damit du dazu gelangſt, geb ich dir da eine eiſerne Ruthe und zwei Laiberchen Brot, mit der Ruthe ſchlag dreimal an das eiſerne Thor vom Schloß, ſo wird es aufſpringen; inwen - dig werden dann zwei Loͤwen liegen und den Rachen aufſperren, wenn du ihnen aber das Brot hin einwirfſt, wirſt du ſie ſtillen, und dann eil dich und hol von dem Waſſer des Lebens, eh es zwoͤlf ſchlaͤgt, ſonſt geht das Thor wieder zu und du biſt eingeſperrt. Da dankte ihm der Prinz und nahm die Ruthe und das Brot, ging hin und war da alles, wie der Zwerg geſagt hatte. Als die Loͤwen geſaͤnftigt waren, ging er in das Schloß hinein und fand einen großen ſchoͤnen Saal, und darin verwuͤnſchte Prinzen, denen zog er die Ringe ab; und dann nahm er ein Schwert,Kindermaͤrchen II. F82und ein Brot, das lag da. Und weiter kam er in ein Zimmer, darin war eine Prinzeſſin, die freute ſich, als ſie ihn ſah, kuͤßte ihn und ſagte, er haͤtte ſie erloͤſt und ſollte ihr ganzes Reich haben; in einem Jahre ſollt er kommen und die Hochzeit mit ihr feiern. Dann ſagte ſie ihm auch, wo der Brunnen waͤre mit dem Lebenswaſſer, er muͤßte ſich aber eilen und daraus ſchoͤpfen, eh es zwoͤlf ſchluͤge. Da ging er weiter und kam endlich in ein Zimmer, darin ſtand ein ſchoͤnes friſchgedecktes Bett und weil er muͤd war, wollt er ſich erſt ein wenig ausruhen. Alſo legte er ſich und ſchlief ein, wie er aber erwachte, ſchlug es drei Viertel auf Zwoͤlf. Da ſprang er ganz erſchrocken auf, lief zu dem Brunnen, und ſchoͤpfte ſich einen Becher, der daneben ſtand, voll und eilte, daß er fortkam. Wie er eben zum eiſernen Thor hin - ausging, da ſchlug’s zwoͤlf, und das Thor fuhr zu, ſo heftig, daß es ihm noch ein Stuͤck von der Ferſe wegnahm.

Er aber war froh, daß er das Waſſer des Lebens hatte und ging heimwaͤrts und wieder an dem Zwerg vorbei. Als dieſer das Schwert und das Brot ſah, ſprach er: damit haſt du großes Gut gewonnen, mit dem Schwert kannſt du ganze Heere ſchlagen, das Brot aber wird niemals alle. Da dachte der Prinz, ohne deine Bruͤder willſt du zum Vater nicht nach Haus kommen und ſprach: lieber Zwerg, kannſt du mir nicht ſagen, wo meine zwei Bruͤder ſind, die waren fruͤher,83 als ich, nach dem Waſſer des Lebens ausgezogen und ſind nicht wieder kommen. Zwiſchen zwei Bergen ſind ſie eingeſchloſſen, ſprach der Zwerg, dahin hab ich ſie verwuͤnſcht, weil ſie ſo uͤbermuͤ - thig waren. Da bat der Prinz ſo lange, bis ſie der Zwerg wieder los ließ, aber er ſprach noch: Huͤte dich vor ihnen, ſie haben ein boͤſes Herz.

Wie ſie nun kamen, da freute er ſich und erzaͤhlte ihnen alles, wie es ihm ergangen waͤre, daß er das Waſſer des Lebens gefunden und einen Becher voll mitgenommen und eine ſchoͤne Prinzeſſin erloͤſt habe, die wolle ein Jahr lang auf ihn warten, dann ſollte Hochzeit gehalten werden und er bekaͤm ein großes Reich. Darnach ritten ſie zuſammen fort und geriethen in ein Land, wo Hunger und Krieg war und der Koͤnig glaubte ſchon, er ſollte verderben in der Noth; da ging der Prinz zu ihm und gab ihm das Brot, damit ſpeiſte und ſaͤttigte er ſein ganzes Reich, und dann gab ihm der Prinz auch das Schwert und damit ſchlug er die Heere ſeiner Feinde und konnte nun in Ruhe und Friede leben. Da nahm der Prinz ſein Brot und ſein Schwert wieder zuruͤck und die drei Bruͤder ritten weiter; ſie kamen aber noch in zwei Laͤnder, wo Hunger und Krieg herrſchte und da gab der Prinz den Koͤnigen jedesmal ſein Brot und Schwert und hatte nun drei Reiche gerettet. Und darnach ſetz - ten ſie ſich auf ein Schiff und fuhren uͤber’s Meer. Waͤhrend der Fahrt da ſprachen die beiden aͤlte -F 284ſten unter ſich: der juͤngſte hat das Waſſer ge - funden und wir nicht, dafuͤr wird ihm unſer Va - ter das Reich geben, das uns gebuͤhrt und er wird uns unſer Gluͤck wegnehmen. Da wurden ſie rachſuͤchtig und verabredeten mit einander, daß ſie ihn verderben wollten. Sie warteten aber bis er einmal feſt eingeſchlafen war, da goſſen ſie das Waſſer des Lebens aus dem Becher und nahmen es fuͤr ſich, ihm aber goſſen ſie bitteres Meerwaſ - ſer hinein.

Als ſie nun daheim ankamen, brachte der juͤngſte dem kranken Koͤnig ſeinen Becher, damit er daraus trinken und geſund werden ſollte. Kaum aber hatte er ein wenig von dem bittern Meer - waſſer getrunken, da ward er noch kraͤnker als zu - vor. Und wie er daruͤber jammerte, kamen die beiden aͤlteſten Soͤhne und klagten den juͤngſten an und ſagten, er habe ihn vergiften wollen, das rechte Waſſer des Lebens haͤtten ſie gefunden und mitgebracht, und reichten es dem Koͤnig. Und kaum hatte er davon getrunken, ſo fuͤhlte er ſeine Krankheit verſchwinden und ward ſtark und ge - ſund, wie in ſeinen jungen Tagen. Darnach gingen die beiden zu dem juͤngſten, ſpotteten ſein und ſagten: nun, haſt du das Waſſer des Lebens gefunden? du haſt die Muͤhe gehabt und wir den Lohn, du haͤtteſt die Augen aufthun ſollen, wir haben dir’s genommen, wie du auf dem Meere eingeſchlafen warſt. Ueber’s Jahr da holt ſich85 einer von uns deine ſchoͤne Prinzeſſin; aber huͤt dich, daß du davon nichts dem Vater verraͤthſt, er glaubt dir doch nicht und wenn du ein Wort ſagſt, ſo ſollſt du auch noch dein Leben verlieren, ſchweigſt du aber, ſo ſoll dir’s geſchenkt ſeyn.

Der alte Koͤnig aber war zornig uͤber ſeinen juͤngſten Sohn, und glaubte, er haͤtte ihm nach dem Leben getrachtet, alſo ließ er den Hof ver - ſammeln und das Urtheil uͤber ihn ſprechen, daß er heimlich ſollte erſchoſſen werden. Als der Prinz nun einmal auf die Jagd ritt und nichts davon wußte, mußte des Koͤnigs Jaͤger mitgehen. Draußen als ſie ganz allein im Wald waren und der Jaͤger ſo traurig ausſah, ſagte der Prinz zu ihm: lieber Jaͤger, was fehlt dir? der Jaͤger ſprach: ich kann’s nicht ſagen und ſoll es doch. Da ſprach der Prinz: ſag’s nur heraus, was es iſt, ich will dir’s verzeihen. Ach, ſagte der Jaͤger, ich ſoll euch todt ſchießen, der Koͤnig hat mir’s befohlen. Da erſchrack der Prinz und ſprach: lieber Jaͤger, laß mich leben, da geb ich dir mein koͤnigliches Kleid, gib mir dafuͤr dein ſchlechtes. Der Jaͤger ſagte: das will ich gern thun, ich haͤtte doch nicht nach euch ſchießen koͤn - nen. Da nahm der Jaͤger des Prinzen Kleid und der Prinz das ſchlechte vom Jaͤger und ging fort in den Wald hinein.

Ueber eine Zeit, da kamen beim alten Koͤnig drei Wagen mit Geſchenken an Gold und Edel -86 ſteinen fuͤr den juͤngſten Prinzen, ſie waren aber von den drei Koͤnigen geſchickt, denen der Prinz das Schwert und das Brot geliehen, womit ſie die Feinde geſchlagen und ihr Land ernaͤhrt hat - ten. Das fiel dem alten Koͤnig auf’s Herz und er dachte, ſein Sohn koͤnnte doch unſchuldig ge - weſen ſeyn und ſprach zu ſeinen Leuten: ach! waͤr er noch am Leben, wie thut mir’s ſo herzlich leid, daß ich ihn habe toͤdten laſſen. So hab ich ja Recht gethan, ſprach der Jaͤger, ich hab ihn nicht todt ſchießen koͤnnen, und ſagte dem Koͤnig, wie es zugegangen waͤre. Da war der Koͤnig froh und ließ bekannt machen in allen Rei - chen, ſein Sohn ſolle wieder kommen, er nehme ihn in Gnaden auf.

Die Prinzeſſin aber ließ eine Straße vor ihrem Schloß machen, die war ganz golden und glaͤnzend, und ſagte ihren Leuten, wer dar - auf geradeswegs zu ihr geritten kaͤme, das waͤre der rechte, und den ſollten ſie einlaſſen, wer aber daneben kaͤme, der waͤr der rechte nicht und den ſollten ſie auch nicht einlaſſen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der aͤlteſte, er wollte ſich eilen, zur Prinzeſſin gehen und ſich fuͤr ihren Erloͤſer ausgeben, da bekaͤm er ſie zur Gemahlin und das Reich dabei. Alſo ritt er fort; als er vor das Schloß kam und die ſchoͤne goldene Straße ſah, dachte er: ei, das waͤre jammerſchade, wenn du darauf ritteſt, lenkte ab und ritt rechts87 nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, ſagten die Leute zu ihm, er waͤr der rechte nicht, er ſollte wieder fortgehen. Bald darauf machte ſich der zweite Prinz auf, wie der zur goldenen Straße kam und das Pferd den einen Fuß darauf geſetzt hatte, dachte er: ei! es waͤre jammerſchade, das koͤnnte etwas abtreten, lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, ſagten die Leute, er waͤr der rechte nicht, er ſollte wie - der fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu ſeiner Liebſten reiten und bei ihr ſein Leid vergeſ - ſen. Alſo machte er ſich auf und dachte immer an ſie und waͤr gern ſchon bei ihr geweſen und ſah die goldene Straße gar nicht. Da ritt ſein Pferd mitten daruͤber hin und als er vor’s Thor kam, ward es aufgethan und die Prinzeſſin em - pfing ihn mit Freuden, und ſagte, er waͤr ihr Er - loͤſer und der Herr des Koͤnigreichs und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckſeligkeit. Und als ſie vorbei war, erzaͤhlte ſie ihm, daß ihn ſein Vater habe zu ſich entboten und ihm verziehen. Da ritt er hin und ſagte ihm alles, wie ſeine Bruͤder ihn betrogen, und er doch dazu geſchwie - gen haͤtte. Der alte Koͤnig wollte ſie ſtrafen, aber ſie hatten ſich auf’s Meer geſetzt und waren fort - geſchifft und kamen ihr lebtag nicht wieder.

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12. Doctor Allwiſſend.

Es war einmal ein armer Bauer Namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochſen ein Fuder Holz in die Stadt und verkaufte es fuͤr zwei Thaler an einen Doctor. Wie ihm nun das Geld ausbe - zahlt wurde, ſaß der Doctor gerade zu Tiſch, da ſah der Bauer, was er ſchoͤn und trank und das Herz ging ihm darnach auf und er waͤr auch gern ein Doctor geweſen. Alſo blieb er noch ein Weilchen ſtehen und fragte endlich, ob er nicht auch koͤnnte ein Doctor werden. O ja, ſagte der Doctor, das iſt bald geſchehen, erſtlich kauf dir ein Abcbuch, ſo eins, wo vornen ein Goͤckel - hahn drin iſt; zweitens mach deinen Wagen und deine zwei Ochſen zu Geld und ſchaff dir damit Kleider an und was ſonſt zur Doctorei gehoͤrt; drittens laß dir ein Schild malen mit den Wor - ten: ich bin der Doctor Allwiſſend; und das oben uͤber deine Hausthuͤre nageln. Der Bauer that alles, wie’s ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoctert, aber noch nicht viel, war einem reichen großen Herrn Geld geſtohlen. Da ward ihm von dem Doctor Allwiſſend geſagt, der in dem und dem Dorfe wohnte und auch wiſ - ſen muͤßte, wo das Geld hinkommen waͤre. Alſo ließ der Herr ſeinen Wagen anſpannen, fuhr hin -89 aus in’s Dorf und fragte bei ihm an, ob er der Doctor Allwiſſend waͤre? Ja, der waͤr er. So ſollte er mitgehen und das geſtohlene Geld wiederſchaffen, o ja, aber die Grethe ſeine Frau muͤßte auch mit. Der Herr war das zu - frieden, ließ ſie beide in dem Wagen ſitzen und ſie fuhren zuſammen fort. Als ſie auf den adlichen Hof kamen, war der Tiſch gedeckt; da ſollt er erſt miteſſen. Ja, aber ſeine Frau die Grethe auch, ſagte er, und ſetzte ſich mit ihr hinter den Tiſch. Wie nun der erſte Bediente mit einer Schuͤſſel ſchoͤnem Eſſen kam, ſtieß der Bauer ſeine Frau an und ſagte: Grethe, das war der erſte. Und meinte, es waͤr derjenige, welche das erſte Eſſen braͤchte. Der Bediente aber meinte, er haͤtte damit ſagen wollen, das iſt der erſte Dieb und weil er’s nun wirklich war, ward ihm angſt und er ſagte drau - ßen zu ſeinen Cameraden: der Doctor weiß alles, wir kommen uͤbel an, er hat geſagt, ich waͤr der erſte. Der zweite wollte gar nicht her - ein, er mußte aber doch. Wie der nun mit ſeiner Schuͤſſel herein kam, ſtieß der Bauer ſeine Frau an: Grethe, das iſt der zweite. Dem Be - dienten ward ebenfalls angſt und er machte, daß er hinauskam. Dem dritten ging’s nicht beſſer, der Bauer ſagte wieder: Grethe, das iſt der dritte. Der vierte mußte eine verdeckte Schuͤſſel hereintragen, und der Herr ſprach zum Doctor, er ſollte ſeine Kunſt zeigen und rathen was dar -90 unter laͤg, es waren aber Krebſe. Der Bauer ſah die Schuͤſſel an, wußt nicht, wie er ſich hel - fen ſollte und ſprach: ach ich armer Krebs! Wie der Herr das hoͤrte, rief er: da! er weiß es, nun weiß er auch wer das Geld hat.

Dem Bedienten aber ward gewaltig angſt und er blinzelte den Doctor an, er moͤgt einmal herauskommen. Wie er nun hinauskam, geſtan - den ſie ihm alle vier, ſie haͤtten das Geld geſtohlen, ſie wollten’s ja gern herausgeben und ihm eine ſchwere Summe dazu, wenn er ſie nicht verrathen wollte; es ging ihnen ſonſt an den Hals. Sie fuͤhrten ihn auch hin, wo das Geld verſteckt lag. Damit war der Doctor zufrieden, ging wieder hinein und ſprach: Herr nun will ich in mei - nem Buch ſuchen, wo das Geld ſteckt. Der fuͤnfte Bediente aber kroch in den Ofen, und wollt hoͤren, ob der Doctor noch mehr wuͤßte. Er ſaß aber und ſchlug ſein Abcbuch auf, blaͤtterte darin hin und her und ſuchte den Goͤckelhahn, weil er ihn nun nicht gleich finden konnte, ſprach er: du biſt doch darin und mußt auch heraus. Da meinte der im Ofen, er waͤr gemeint, ſprang vol - ler Schrecken heraus und rief: der Mann weiß alles! Nun zeigte der Doctor Allwiſſend dem Herrn, wo das Geld lag, ſagte aber nicht, wer’s geſtohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung und ward ein beruͤhmter Mann.

91

13. Der Froſchprinz.

Es war einmal ein Koͤnig, der hatte drei Toͤchter, in ſeinem Hof aber ſtand ein Brunnen mit ſchoͤnem klarem Waſſer. An einem heißen Sommertag ging die aͤlteſte hinunter und ſchoͤpfte ſich ein Glas voll heraus, wie ſie es aber ſo anſah und gegen die Sonne hielt, ſah ſie, daß es truͤb war. Das kam ihr ganz ungewohnt vor und ſie wollte es wieder hineinſchuͤtten, indem regte ſich ein Froſch in dem Waſſer, ſtreckte den Kopf in die Hoͤhe, und ſprang endlich auf den Brunnen - rand, da ſagte er zu ihr:

wann du willſt mein Schaͤtzchen ſeyn,
will ich dir geben hell, hell Waͤſſerlein.

Ei, wer will Schatz von einem garſtigen Froſch ſeyn, rief die Prinzeſſin und lief fort. Sie ſagte ihren Schweſtern was da unten am Brun - nen fuͤr ein wunderlicher Froſch waͤre, der das Waſſer truͤb machte. Da ward die zweite neugie - rig, ging hinunter und ſchoͤpfte ſich auch ein Glas voll, das war eben wieder ſo truͤb, daß ſie es nicht trinken wollte. Aber der Froſch war auch wieder auf dem Rand und ſagte:

wann du willſt mein Schaͤtzchen ſeyn,
will ich dir geben hell, hell Waͤſſerlein.
92

Das waͤr mir gelegen, ſagte die Prinzeſſin und lief fort. Endlich kam die dritte, und ſchoͤpfte auch, aber es ging ihr nicht beſſer und der Froſch ſprach auch zu ihr:

wann du willſt mein Schaͤtzchen ſeyn,
will ich dir geben hell, hell Waͤſſerlein.

Ja doch! ich will dein Schaͤtzchen ſeyn, ſagte die Prinzeſſin, ſchaff mir nur reines Waſſer, ſie dachte aber: was ſchadet dir das, du kannſt ihm ja leicht aus Gefallen ſo ſprechen, ein dummer Froſch kann doch nimmermehr mein Schatz ſeyn. Der Froſch aber war wieder in’s Waſſer geſprun - gen, und als ſie nun zum zweitenmal ſchoͤpfte, da war das Waſſer ſo klar, daß die Sonne ordent - lich vor Freuden darin blinkte. Sie trank ſich recht ſatt und brachte ihren Schweſtern noch mit hinauf: was ſeyd ihr ſo einfaͤltig geweſen und habt euch vor dem Froſch gefuͤrchtet.

Darnach dachte die Prinzeſſin nicht weiter daran und legte ſich Abends vergnuͤgt in’s Bett. Wie ſie ein Weilchen darin lag und noch nicht ein - geſchlafen war, da hoͤrt ſie auf einmal etwas an der Thuͤre krabbeln, und darnach ſingen:

Mach mir auf! mach mir auf!
Koͤnigstochter, juͤngſte,
weißt du nicht, wie du geſagt
als ich in dem Bruͤnnchen ſaß,
du wollteſt auch mein Schaͤtzchen ſeyn,
gaͤb ich dir hell, hell Waͤſſerlein.
93

Ei! da iſt ja mein Schatz, der Froſch, ſagte die Prinzeſſin, nun weil ich’s ihm verſprochen habe, ſo will ich ihm aufmachen, alſo ſtand ſie auf, oͤffnete ihm ein Bischen die Thuͤre und legte ſich wieder. Der Froſch huͤpfte ihr nach und huͤpfte endlich unten in’s Bett zu ihren Fuͤßen und blieb da liegen, und als die Nacht voruͤber war und der Morgen graute, da ſprang er wieder herunter und fort zur Thuͤre hinaus. Am andern Abend, als die Prinzeſſin wieder im Bett lag, krabbelte es wieder und ſang an der Thuͤre. Die Prin - zeſſin machte auf, und der Froſch lag bis es Tag werden wollte wieder unten zu ihren Fuͤßen. Am dritten Abend kam er, wie an den vorigen. Das iſt aber das letztemal, daß ich dir aufmache, ſagte die Prinzeſſin, in Zukunft geſchiehts nicht mehr. Da ſprang der Froſch unter ihr Kopfkiſſen und die Prinzeſſin ſchlief ein. Wie ſie am Morgen aufwachte und meinte, der Froſch ſollte wieder forthuͤpfen, da ſtand ein ſchoͤner junger Prinz vor ihr, der ſagte, daß er der bezauberte Froſch gewe - ſen, und daß ſie ihn erloͤſt haͤtte, weil ſie verſpro - chen ſein Schatz zu ſeyn. Da gingen ſie beide zum Koͤnig, der gab ihnen ſeinen Segen und da ward Hochzeit gehalten. Die zwei andern Schwe - ſtern aber aͤrgerten ſich, daß ſie den Froſch nicht zum Schatz genommen hatten.

94

14. Des Teufels rußiger Bruder.

Ein abgedankter Soldat hatte nichts zu leben und wußte ſich nicht mehr zu helfen. Da ging er hinaus in den Wald und als er ein Weilchen gegangen war, begegnete ihm ein kleines Maͤnn - chen, das war aber der Teufel. Das Maͤnnchen ſagte zu ihm: was fehlt dir, du ſiehſt ja ſo truͤbſelig aus? da ſprach der Soldat: ich habe Hunger und kein Geld. Der Teufel ſagte: willſt du dich bei mir vermiethen und mein Knecht ſeyn, ſo ſollſt du fuͤr dein Lebtag genug haben; ſieben Jahre ſollſt du mir dienen, dann biſt du wieder frei, aber eins ſag ich dir, du darfſt dich nicht waſchen, nicht kaͤmmen, nicht ſchnippen, keine Naͤgel und Haare abſchneiden und kein Waſſer aus den Augen wiſchen. Der Soldat ſagte: wohlan, ſo ſoll’s ſeyn! und ging mit dem Maͤnn - chen fort, das fuͤhrte ihn nun geradeswegs in die Hoͤlle hinein. Da ſagte es ihm was er zu thun habe, er muͤßte das Feuer ſchuͤren unter den Keſ - ſeln, wo die Hoͤllenbraten drin ſaͤßen, das Haus rein halten, den Kehrdreck hinter die Thuͤre tra - gen und uͤberall auf Ordnung ſehen, aber guckt er einziges Mal in die Keſſel hinein, ſo ſollt’s ihm ſchlimm gehen. Der Soldat ſprach: es iſt ſchon gut, ich will’s beſorgen. Da ging nun95 der alte Teufel wieder hinaus auf ſeine Wande - rung und der Soldat trat ſeinen Dienſt an, legte Feuer zu, kehrte und trug den Kehrdreck hinter die Thuͤre; wie der alte Teufel wieder kam, war er zufrieden und ging zum zweitenmal fort. Der Soldat ſchaute ſich nun einmal recht um, da ſtan - den die Keſſel rings herum in der Hoͤlle und war ein gewaltiges Feuer darunter, und es kochte und brutzelte darin. Da haͤtt er fuͤr ſein Leben gern hineingeſchaut, es war ihm aber ſo ſtreng verbo - ten; endlich konnt er ſich nicht mehr anhalten, ging herbei und hob vom erſten Keſſel ein klein Bischen den Deckel auf und guckte hinein. Da ſah er ſeinen ehemaligen Unteroffizier darin ſitzen: aha! Vogel, ſprach er, treff ich dich hier! du haſt mich gehabt, jetzt hab ich dich! ließ ge - ſchwind den Deckel fallen, ſchuͤrte das Feuer und legte noch friſch zu. Darnach ging er zum zwei - ten Keſſel, hob ihn auch ein wenig auf und guckte, da ſaß ſein Faͤhndrich darin: aha! Vogel, treff ich dich hier, du haſt mich gehabt, jetzt hab ich dich, machte den Deckel wieder zu und trug noch einen Klotz herbei, der ſollt ihm erſt recht heiß machen. Nun wollt er auch ſehen, wer im drit - ten Keſſel ſaͤße, da war’s gar ſein General: aha! Vogel, treff ich dich hier! du haſt mich gehabt, jetzt hab ich dich! holte den Blasbalg und ließ das Hoͤllenfeuer recht unter ihm flackern. Alſo that er ſieben Jahr ſeinen Dienſt in der Hoͤlle,96 wuſch ſich nicht, kaͤmmte ſich nicht, ſchnippte ſich nicht, ſchnitt ſich die Naͤgel und Haare nicht, und wiſchte ſich kein Waſſer aus den Augen, und die ſieben Jahr waren ihm ſo kurz, daß er meinte, es waͤr nur ein halb Jahr geweſen. Wie nun die Zeit vollends herum war, kam der Teufel und ſagte: nun, Hans, was haſt du gemacht? Ich hab das Feuer unter den Keſſeln ge - ſchuͤrt, ich hab gekehrt und den Kehrdreck hinter die Thuͤre getragen. Aber du haſt auch in die Keſſel geguckt; dein Gluͤck iſt, daß du noch Holz zugelegt haſt, ſonſt war dein Leben verlo - ren: jetzt iſt deine Zeit herum, willſt du wieder heim? Ja, ſagte der Soldat, ich wollt auch gern ſehen, was mein Vater daheim macht. Sprach der Teufel: damit du deinen verdienten Lohn kriegſt, geh und raff dir deinen Ranzen voll Kehrdreck und nimm’s mit nach Haus, du ſollſt auch gehen ungewaſchen und ungekaͤmmt, mit langen[Haaren] am Kopf und am Bart, mit ungeſchnittenen Naͤgeln und mit truͤben Augen, und wenn du gefragt wirſt, woher du kaͤmſt, ſollſt du ſagen: aus der Hoͤlle; und wenn du gefragt wirſt, wer du waͤrſt, ſollſt du ſagen: des Teu - fels rußiger Bruder und mein Koͤnig auch. Der Soldat ſchwieg ſtill und that, was der Teufel ſagte, aber er war mit ſeinem Lohn gar nicht zu - frieden.

Wie er nun wieder auf die Welt kam und97 im Wald war, hob er ſeinen Ranzen vom Ruͤcken und wollt ihn ausſchuͤtten; wie er ihn aber oͤff - nete, ſo war der Kehrdreck pures Gold geworden. Als er das ſah, war er vergnuͤgt und ging in die Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus ſtand der Wirth und wie er ihn herankommen ſah, erſchrack er, weil Hans ſo entſetzlich ausſah, aͤrger als eine Vogelſcheu, und rief ihn an: woher kommſt du? Aus der Hoͤlle. Wer biſt du? Des Teufels ſein rußiger Bruder, und mein Koͤnig auch. Der Wirth wollt ihn nicht ein - laſſen, wie er ihm aber das Gold zeigte, ging er und klinkte ihm Hans ſelber die Thuͤre auf. Da ließ er ſich nun die beſte Stube geben, koͤſtlich auf - warten, und trank ſich ſatt, wuſch ſich aber nicht und kaͤmmte ſich nicht, wie ihm der Teufel geheißen hatte, und legte ſich endlich ſchlafen. Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den Augen und ließ ihm keine Ruh, bis er in der Nacht hinſchlich und ihn wegſtahl.

Wie nun Hans am andern Morgen auf - ſtand, den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte, da war ſein Ranzen weg. Er faßte ſich aber kurz, dachte, du biſt ohne Schuld ungluͤcklich geweſen, und kehrte wieder um geradezu in die Hoͤlle; da klagte er es dem alten Teufel und bat ihn um Huͤlfe. Der Teufel ſagte: ſetz dich, ich will dich waſchen, kaͤmmen, ſchnippen, die Haare und Naͤgel ſchneiden und die Augen auswiſchen, Kindermaͤhrchen II. G98und als er fertig mit ihm war, gab er ihm den Ranzen wieder voll Kehrdreck und ſprach: geh hin und ſag dem Wirth, er ſollt dir dein Gold wieder herausgeben, ſonſt wollt ich kommen und ihn abholen an deinen Platz. Hans ging hin - auf und ſprach zum Wirth: du haſt mein Gold geſtohlen, gibſt du’s nicht wieder, ſo kommſt du in die Hoͤlle an meinen Platz und ſollſt ausſehen, wie ich. Da gab ihm der Wirth das Gold und noch mehr dazu und bat ihn nur ſtill davon zu ſeyn, und Hans war nun ein reicher Mann.

Hans machte ſich auf den Weg heim zu ſei - nem Vater, kaufte ſich einen ſchlechten Linnen - kittel auf den Leib, ging herum und machte Muſik, denn das hatte er bei dem Teufel in der Hoͤlle ge - lernt. Es war aber ein alter Koͤnig im Land, vor dem mußt er ſpielen und der gerieth daruͤber in ſolche Freude, daß er dem Hans ſeine aͤlteſte Tochter zur Ehe verſprach. Als die aber hoͤrte, daß ſie ſo einen gemeinen Kerl im weißen Kittel heirathen ſollte, ſprach ſie: eh ich das thaͤt, wollt ich lieber in’s tiefſte Waſſer gehen. Da gab ihm der Koͤnig die juͤngſte Prinzeſſin, die wollt’s ihrem Vater zu Liebe gern thun, und alſo bekam des Teufels rußiger Bruder die Koͤnigs - tochter und als der alte Koͤnig geſtorben war, auch das ganze Reich.

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15. Der Teufel Gruͤnrock.

Es waren drei Bruͤder, die ſtießen den juͤng - ſten immer zuruͤck und als ſie ausgehen und in die Welt ziehen wollten, ſprachen ſie zu ihm: wir brauchen dich nicht, du kannſt allein wan - dern. Alſo verließen ſie ihn und er mußte allein fuͤr ſich ziehen, kam auf eine große Heide und war ſehr hungrig. Auf der Heide aber ſtand ein Ring von Baͤumen, darunter ſetzte er ſich und weinte. Auf einmal hoͤrte er ein Brauſen, und wie er aufſah, da kam der Teufel daher in einem gruͤnen Rock und mit einem Pferdefuß und redete ihn an: was fehlt dir, warum weinſt du? Da klagte er ihm ſeine Noth und ſagte: meine Bruͤder haben mich verſtoßen. Da ſprach der Teufel: ich will dir wohl helfen, zieh dieſen gruͤnen Rock an, der hat Taſchen, die ſind immer voll Geld, du magſt hineingreifen, wann du willſt; aber dafuͤr verlang ich, daß du dich in ſie - ben Jahren nicht waͤſcheſt, deine Haare nicht kaͤmmſt und nicht beteſt. Stirbſt du in dieſen ſieben Jahren, ſo biſt du mein, bleibſt du aber leben, ſo biſt du frei und reich dazu auf dein Lebtag. Da trieb ihn die Noth, daß er dem Teufel zuſagte und dieſer zog den gruͤnen Rock aus und er zog ihn an, und wie er ſeine Hand in die Taſche ſteckte, hatte er ſie voll Geld.

G 2100

Nun ging er mit dem gruͤnen Rock in die Welt, das erſte Jahr war’s gut, was er ſich nur wuͤnſchte, konnt er mit ſeinem Geld bezahlen, und er ward noch ziemlich fuͤr einen Menſchen an - geſehen. Im zweiten Jahr ging’s ſchlimmer, da waren die Haare ihm ſchon ſo lang gewachſen, ſo daß ihn niemand erkennen konnte und niemand wollt ihn herbergen, weil er ſo abſcheulich aus - ſah. Und je laͤnger, je aͤrger ward es, er gab aber den Armen uͤberall viel Geld, damit ſie fuͤr ihn beten moͤchten, daß er in den ſieben Jahren nicht ſtuͤrbe und in die Haͤnde des Teufels fiele. Da kam er einmal im vierten Jahre in ein Wirths - haus, der Wirth wollt ihn auch nicht aufneh - men, er zog aber einen Haufen Geld heraus und bezahlte vorher, da erhielt er endlich eine Stube. Abends hoͤrte er im Nebenzimmer ein laut Jam - mern, da ging er hin und ſah einen alten Mann darin ſitzen, der weinte und beklagte ſich und ſagte zu ihm, er ſolle nur wieder weggehen, er koͤnne ihm doch nicht helfen. Da fragte er ihn, was ihm fehle; der Alte ſprach, er haͤtte kein Geld und waͤr viel im Wirthshaus ſchuldig, nun haͤt - ten ſie ihn ſo lange feſtgeſetzt, bis er bezahlte. Da ſagte der im gruͤnen Rock: wenn’s weiter nichts iſt, Geld hab ich genug, das will ich ſchon be - zahlen, und machte den Alten frei.

Der Alte aber hatte drei ſchoͤne Toͤchter und ſprach zu ihm, er ſollte mit ihm gehen und zur101 Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging er mit ihm, wie ſie aber zu Haus ankamen und die aͤlteſte ihn ſah, ſchrie ſie, daß ſie einen ſo ent - ſetzlichen Menſchen, der gar keine menſchliche Ge - ſtalt mehr habe und wie ein Baͤr ausſehe, heira - then ſolle; die zweite lief auch fort und wollte lie - ber in die weite Welt gehen; die juͤngſte aber ſprach: lieber Vater, weil ihr es verſprochen habt und er euch auch in der Noth geholfen, ſo will ich euch gehorſam ſeyn. Da nahm der Gruͤnrock einen Ring von ſeinem Finger und brach ihn durch und gab ihr die eine Haͤlfte und behielt die andere fuͤr ſich. In ihre Haͤlfte aber ſchrieb er ſeinen Namen und in ſeine ſchrieb er ihren, und ſagte, ſie moͤchte den halben Ring gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen bei ihr und ſprach dann: nun muß ich Abſchied nehmen, drei Jahre bleib ich aus und ſo lang ſey mir treu, dann komm ich wieder und ſoll unſere Hochzeit ſeyn, bin ich aber in drei Jahren nicht zuruͤck, ſo biſt du frei, denn da bin ich todt; bet aber fuͤr mich, daß mir Gott das Leben ſchenke.

In den drei Jahren machten ſich nun die beiden aͤlteſten Schweſtern recht luſtig uͤber die juͤngſte, und ſagten, ſie muͤßt einen Baͤr zum Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen ordentlichen Menſchen. Sie aber ſchwieg ſtill und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es mag kommen wie es will. Der Gruͤnrock aber102 zog in der Welt herum, griff oft in die Taſche und kaufte fuͤr ſeine Braut das Schoͤnſte was ihm nur vor die Augen kam, that nichts Boͤſes, ſon - dern Gutes, wo er konnte, und gab den Armen, daß ſie fuͤr ihn beteten. Da erzeigte ihm Gott die Gnade, daß die drei Jahre verfloſſen und er geſund und lebendig blieb. Wie nun die Zeit her - um war, ging er wieder hinaus auf die Heide und ſetzte ſich unter den Ring von Baͤumen. Da ſauſte es wieder ganz gewaltig daher und der Teu - fel kam ganz brummend und giftig und warf ihm ſeinen alten Rock hin und forderte den gruͤnen. Da zog ihn der Juͤngling mit Freuden aus und reichte ihn dem Teufel und war nun frei und reich auf immer. Dann ging er nach Haus, machte ſich rein und putzte ſich aus und zog fort zu ſeiner Braut. Als er an’s Thor kam, begegnete ihm der Vater; er gruͤßte ihn und gab ſich als den Braͤutigam an, aber der Vater erkannte ihn nicht und wollte ihm nicht glauben. Da ging er hin - auf zur Braut, die wollte ihm auch nicht glau - ben. Endlich fragte er, ob ſie den halben Ring noch habe. Da ſagte ſie ja, ging hin und holte ihn; er aber zog den ſeinen heraus und hielt ihn daran, da paßten ſie zuſam - men und war es gewiß, daß es niemand als ihr Braͤutigam ſeyn konnte. Und wie ſie nun ſah, daß es ein ſchoͤner Mann war, freute ſie ſich und hatte ihn lieb und ſie hielten Hochzeit miteinan -103 der; die beiden Schweſtern aber, weil ſie ihr Gluͤck verſaͤumt hatten, waren ſo boͤs, daß am Hochzeittag die eine ſich erſaͤufte, die andere ſich erhenkte. Am Abend klopfte und brummte etwas an der Thuͤre und als der Braͤutigam hinging und aufmachte, ſo war’s der Teufel im gruͤnen Rock, der ſprach: ſiehſt du, da hab ich nun zwei Seelen fuͤr deine eine!

16. Der Zaunkoͤnig und der Baͤr.

Zur Sommerszeit gingen einmal der Baͤr und der Wolf im Wald ſpaziren, da hoͤrte der Baͤr ſo ſchoͤnen Geſang von einem Vogel und ſprach: Bruder Wolf, was iſt das fuͤr ein Vogel, der ſo ſchoͤn ſingt? Das iſt der Koͤnig der Voͤgel, ſagte der Wolf, vor dem muͤſſen wir uns neigen; es war aber der Zaunkoͤnig. Wenn das iſt, ſagte der Baͤr, moͤcht ich auch gern ſei - nen koͤniglichen Pallaſt ſehen, komm und fuͤhr mich hin. Das geht nicht ſo, wie du meinſt, ſprach der Wolf, du mußt warten, bis die Frau Koͤnigin kommt. Bald darauf kam die Frau Koͤnigin und hatte Futter im Schnabel und der Herr Koͤnig auch und wollten ihre Jungen aͤtzen. Der Baͤr waͤr gern nun gleich hintendrein gegan -104 gen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und ſagte: nein, du mußt warten bis Herr und Frau Koͤ - nigin wieder fort ſind. Alſo nahmen ſie das Loch in acht, wo das Neſt ſtand, und gingen wie - der ab. Der Baͤr aber hatte keine Ruhe, wollte den koͤniglichen Pallaſt ſehen und ging nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren Koͤnig und Koͤnigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und ſah 5 oder 6 Junge, die lagen darin: iſt das der koͤnigliche Palaſt? ſagte der Baͤr, das iſt ein elen - der Palaſt! ihr ſeyd auch keine Koͤnigskinder, ihr ſeyd unehrliche Kinder! Wie das die jungen Zaunkoͤnige hoͤrten, wurden ſie gewaltig boͤs und ſchrien: nein, das ſind wir nicht, unſere Eltern ſind ehrliche Leute, Baͤr, das ſoll ausgemacht werden mit dir. Dem Baͤr und dem Wolf ward angſt, ſie kehrten um und ſetzten ſich in ihre Loͤcher. Die jungen Zaunkoͤnige aber ſchrien und laͤrmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, ſagten ſie: wir eſſen kein Fliegenbeinchen und ſollten wir verhungern, bis ihr erſt ausmacht, ob wir ehrliche Kinder ſind oder nicht, denn der Baͤr iſt da geweſen und hat uns geſcholten. Da ſagte der alte Koͤnig: ſeyd nur ruhig, das ſoll ausge - macht werden. Flog darauf mit der Frau Koͤ - nigin dem Baͤren vor ſeine Hoͤhle und rief hinein: Brummbaͤr, du haſt meine Kinder geſcholten, das ſoll dir uͤbel bekommen, das wollen wir in ei - nem blutigen Krieg ausmachen. Alſo war dem105 Baͤr der Krieg angekuͤndigt und ward alles vier - fuͤßige Gethier berufen: Ochs, Eſel, Rind, Hirſch, Reh und was die Erde ſonſt alles traͤgt. Der Zaunkoͤnig aber berief alles, was in der Luft fliegt, nicht allein die Voͤgel groß und klein, auch die Muͤcken, Horniſſen, Bienen und Fliegen mußten herbei.

Als nun die Zeit kam, wo der Krieg ange - hen ſollte, da ſchickte der Zaunkoͤnig Kundſchafter aus, wer der kommandirende General des Fein - des waͤr. Die Muͤcke war beſonders liſtig, ſchwaͤrmte im Wald, wo der Feind ſich verſam - melte, und ſetzte ſich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da ſtand der Baͤr, rief den Fuchs vor ſich und ſprach: Fuchs, du biſt der ſchlauſte unter allem Gethier, du ſollſt General ſeyn und uns anfuͤh - ren: was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden? Da ſprach der Fuchs: ich hab einen ſchoͤnen, langen, bauſchigten Schwanz, der ſieht aus faſt wie ein rother Federbuſch, wenn ich den in die Hoͤhe halte, ſo geht die Sache gut und ihr muͤßt drauf los marſchiren, laß ich ihn aber herunter - haͤngen, ſo fangt an und lauft. Als die Muͤcke das gehoͤrt hatte, flog ſie wieder heim und ver - rieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein.

Als der Tag anbrach, wo die Schlacht ſollte geliefert werden, hu! da kam das vierfuͤßige Ge - thier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde106 zitterte; Zaunkoͤnig mit ſeiner Armee kam auch durch die Luft daher, die ſchnurrte, ſchrie und ſchwaͤrmte, daß einem Angſt wurde; und gingen ſie da von beiden Seiten aneinander. Der Zaun - koͤnig aber ſchickte die Horniſſe hinab, ſie ſollte ſich dem Fuchs unter dem Schwanz ſetzen und aus Leibeskraͤften ſtechen. Wie nun der Fuchs den er - ſten Stich bekam, zuckte er daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug er’s und ließ den Schwanz noch in der Hoͤhe; beim zweiten mußt er ihn einen Augenblick herunter laſſen, beim dritten aber konnte er ſich nicht mehr halten, ſchrie und nahm den Schwanz zwiſchen die Beine. Wie das die Thiere ſahen, meinten ſie, alles waͤr ver - loren und fingen an zu laufen, jeder in ſeine Hoͤhle, und hatten die Voͤgel die Schlacht ge - wonnen.

Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤ - nigin heim zu ihren Kindern und riefen: Kin - der ſeyd froͤhlich, eßt und trinkt nach Herzensluſt, wir haben den Krieg gewonnen. Die jungen Zaunkoͤnige aber ſagten: noch eſſen wir nicht, der Baͤr ſoll erſt vor’s Neſt kommen und Abbitte thun und ſagen, daß wir ehrliche Kinder ſind. Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren, und rief: Brummbaͤr, du ſollſt vor das Neſt zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und ſagen, daß ſie ehrliche Kinder ſind, ſonſt ſollen dir die Rippen im Leib zertreten werden. Da107 kroch der Baͤr in der groͤßten Angſt hin und that Abbitte, und darauf ſetzten ſich die jungen Zaun - koͤnige zuſammen und aßen und tranken und mach - ten ſich luſtig bis in die ſpaͤte Nacht hinein.

17. Vom ſuͤßen Brei.

Es war einmal ein armes, frommes Maͤdchen, das lebte mit ſeiner Mutter allein und ſie hatten nichts mehr zu eſſen. Da ging das Kind hinaus in den Wald und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte ſeinen Jammer ſchon und ſchenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem ſollt es ſagen: Toͤpf - chen koch! ſo kochte es guten, ſuͤßen Hirſchen - brei, und wenn es ſagte: Toͤpfchen ſteh, ſo hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf ſeiner Mutter heim und nun waren ſie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig und aßen ſuͤßen Brei, ſo oft ſie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da ſprach die Mutter: Toͤpfchen koch! da kocht es und ſie ißt ſich ſatt; nun will ſie, daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren ſoll, aber ſie weiß das Wort nicht. Alſo kocht es fort und der Brei ſteigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze108 Welt ſatt machen, und iſt die groͤßte Noth und kein Menſch weiß ſich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig iſt, da kommt das Kind heim und ſpricht nur: Toͤpfchen ſteh! da ſteht es und hoͤrt auf zu kochen, und wenn ſie wieder in die Stadt wollten, haben ſie ſich durch - eſſen muͤſſen.

18. Die treuen Thiere.

Es war einmal ein Mann, der hatte gar nicht viel Geld; mit dem wenigen, das ihm uͤbrig blieb, zog er in die weite Welt. Da kam er in ein Dorf, wo die Jungen zuſammen liefen, ſchrien und laͤrmten. Was habt ihr vor, ihr Jungen? ſagte der Mann. Ei, da haben wir eine Maus, die muß uns tanzen, ſeht einmal, was das fuͤr ein Spaß iſt! wie die herumtrippelt! Den Mann aber dauerte das arme Thierchen und er ſprach: laßt die Maus laufen, ihr Jungen, ich will euch auch Geld geben. Da gab er ihnen Geld und ſie ließen die Maus gehen, die lief, was ſie konnte, in ein Loch hinein. Der Mann ging fort und kam in ein anderes Dorf, da hat - ten die Jungen einen Affen, der mußte tanzen und Purzelbaͤume machen, und ſie lachten daruͤ - ber und ließen dem Thier keine Ruh. Da gab109 ihnen der Mann auch Geld, damit ſie den Affen losließen. Darnach kam der Mann in ein drit - tes Dorf, da hatten die Jungen einen Baͤren und ließen ihn tanzen, und wenn er dazu brummte, war’s ihnen eben recht. Da kaufte ihn der Mann auch los, und der Baͤr war froh, daß er wieder auf ſeine vier Beine kam und trabte fort.

Der Mann aber hatte nun ſein Bischen uͤbri - ges Geld ausgegeben und keinen rothen Heller mehr in der Taſche. Da ſprach er zu ſich ſelber: der Koͤnig hat ſoviel in ſeiner Schatzkammer, was er nicht braucht, Hungers kannſt du nicht ſterben, du willſt da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommſt, kannſt du’s ja wieder hineinlegen. Alſo machte er ſich uͤber die Schatz - kammer, und nahm ſich ein wenig davon, allein beim Herausſchleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwiſcht. Sie ſagten, er waͤre ein Dieb und fuͤhrten ihn vor Gericht, da ward er verur - theilt, daß er in einem Kaſten ſollte auf’s Waſſer geſetzt werden. Der Kaſten-Deckel war voll Loͤ - cher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Waſſer und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun ſo auf dem Waſſer ſchwamm und recht in Angſt war, hoͤrt er was krabbeln am Schloß, nagen und ſchnauben, auf einmal ſpringt das Schloß ſelber auf und der Deckel in die Hoͤh, und ſtehen da Maus, Affe und Baͤr, die hatten’s gethan; weil er ihnen geholfen, wollten ſie ihm110 wieder helfen. Nun wußten ſie aber nicht, was ſie noch weiter thun ſollten und rathſchlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Waſſer daher geſchwommen, der ſah aus wie ein rundes Ei. Da ſagte der Baͤr: der kommt zu rechter Zeit, das iſt ein Wunderſtein, wem der eigen iſt, der kann ſich wuͤnſchen, wozu er nur Luſt hat. Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wuͤnſchte er ſich ein Schloß mit Garten und Marſtall, und kaum hatte er den Wunſch geſagt, ſo ſaß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marſtall, und war alles ſo ſchoͤn und praͤchtig, daß er ſich nicht genug ver - wundern konnte.

Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. Seh einmal einer, riefen ſie, was da fuͤr ein herrliches Schloß ſteht und das letztemal wie wir vorbeikamen, lag da noch ſchlechter Sand. Weil ſie nun neugierig waren, gingen ſie hinein und erkundigten ſich bei dem Mann, wie er alles ſo geſchwind haͤtte bauen koͤnnen. Da ſprach er: das hab ich nicht gethan, ſondern mein Wun - derſtein. Was iſt das fuͤr ein Stein? fragten ſie. Da ging er hin und holte ihn und zeigte ihn den Kaufleuten. Die hatten große Luſt dazu und fragten, ob er nicht zu erhandeln waͤre, auch boten ſie ihm alle ihre ſchoͤnen Waaren dafuͤr. Dem Manne ſtachen die Waaren in die Augen, und weil das Herz unbeſtaͤndig iſt, ließ er ſich be -111 thoͤren, und meinte, die ſchoͤnen Waaren ſeyen mehr werth, als ſein Wunderſtein und gab ihn hin. Kaum aber hatte er ihn aus den Haͤnden gegeben, da war auch alles Gluͤck dahin und er ſaß auf einmal wieder in dem verſchloſſenen Kaſten auf dem Fluß mit einem Krug Waſſer und einem Laib Brot. Die treuen Thiere, Maus, Affe und Baͤr, wie ſie ſein Ungluͤck ſahen, kamen wieder und wollten ihm helfen, aber ſie konnten nicht einmal das Schloß aufſprengen, weil’s viel feſter war, als das erſtemal. Da ſprach der Baͤr: wir muͤſſen den Wunderſtein wieder ſchaffen, oder es iſt alles umſonſt. Weil nun die Kaufleute in dem Schloß noch wohnten, gingen die Thiere miteinander hin, und wie ſie nah dabei kamen, ſagte der Baͤr: Maus geh hin und guck durch’s Schluͤſſelloch und ſieh, was anzufangen iſt, du biſt klein, dich merkt kein Menſch. Die Maus war willig, kam aber wieder und ſagte: es geht nicht, ich hab hinein geguckt, der Stein haͤngt unter dem Spiegel an einen rothem Baͤndchen und huͤben und druͤben ſitzen ein paar große Katzen mit feurigen Augen, die ſollen ihn bewachen. Da ſagten die andern: geh nur wieder hinein und wart bis der Herr im Bett liegt und ſchlaͤft, dann ſchleich dich durch ein Loch hinein und kriech auf’s Bett und zwick ihn an der Naſe und beiß ihm ſeine Haare ab. Die Maus ging wieder hinein, und that wie die andern geſagt hatten, und der Herr wachte auf,112 rieb ſich die Naſe, war aͤrgerlich und ſprach: die Katzen taugen nichts, ſie laſſen mir die Maͤuſe die Haare vom Kopf abbeißen und jagte ſie alle beide fort. Da hatte die Maus gewonnen Spiel.

Wie nun der Herr die andere Nacht wieder eingeſchlafen war, machte die Maus hinein, knu - perte und nagte an dem rothen Band, woran der Stein hing, ſo lang, bis es entzwei war und herunterfiel, dann ſchleifte ſie’s bis zu der Haus - thuͤr. Das ward aber der armen kleinen Maus recht ſauer, und ſie ſprach zum Affen, der ſchon auf der Lauer ſtand: nimm du nun deine Pfote und hol’s ganz heraus! Das war dem Affen ein Leichtes, der trug den Stein und ſie gingen ſo miteinander bis zum Fluß; da ſagte der Affe: wie ſollen wir aber nun zu dem Kaſten kommen! Der Baͤr ſagte: das iſt bald geſchehen, ich geh in’s Waſſer und ſchwimme, Affe, ſetz du dich auf meinen Ruͤcken, halt dich aber mit deinen Haͤn - den feſt und nimm den Stein in’s Maul, Maͤus - chen, du kannſt dich in mein rechtes Ohr ſetzen. Alſo thaten ſie und ſchwammen den Fluß hinab. Nach einer Zeit war’s dem Baͤren ſo ſtill, fing an zu ſchwaͤtzen und ſagte: hoͤr Affe, wir ſind doch brave Cammeraden, was meinſt du? Der Aff aber antwortete nicht und ſchwieg ſtill. Ei! ſagte der Baͤr, willſt du mir keine Antwort geben? das iſt ein ſchlechter Kerl, der nicht antwortet! 113Wie der Affe das hoͤrt, thut er das Maul auf, laͤßt den Stein in’s Waſſer fallen und ſagt: ich konnt ja nicht antworten, ich hatte den Stein im Mund, jetzt iſt er fort, daran biſt du allein Schuld. Sey nur ruhig, ſagte der Baͤr, wir wollen ſchon etwas erdenken. Da berathſchlag - ten ſie ſich und riefen die Laubfroͤſche, Unken und alles Ungeziefer, das im Waſſer lebt, zuſammen und ſagten: es kommt ein gewaltiger Feind, macht, daß ihr viele Steine zuſammenſchafft, ſo wollen wir euch eine Mauer bauen und euch ſchuͤt - zen. Da erſchraken die Thiere und brachten Steine von allen Seiten herbeigeſchleppt, endlich kam auch ein alter, dicker Quackfroſch recht aus dem Grund herauf und hatte das rothe Band mit dem Wunderſtein im Mund. Wie der Baͤr das ſah, war er vergnuͤgt: da haben wir, was wir wollen, nahm dem Froſch ſeine Laſt ab, ſagte den Thieren, es ſey ſchon gut und machte einen kur - zen Abſchied. Darauf fuhren die drei hinab zu dem Mann im Kaſten, ſprengten den Deckel mit Huͤlfe des Steins und kamen noch zu rechter Zeit, denn er hatte das Brot ſchon aufgezehrt und das Waſſer getrunken und war ſchon halb verſchmach - tet. Wie er aber den Stein in die Haͤnde bekam, da wuͤnſcht er ſich wieder friſch und geſund und in ſein ſchoͤnes Schloß mit dem Garten und Marſtall und lebte vergnuͤgt und die drei Thiere blieben bei ihm und hatten’s gut ihr lebelang.

Kindermaͤhrchen. II. H114

19. Maͤhrchen von der Unke.

I.

Ein Kind ſaß vor der Hausthuͤre auf der Erde und hatte ſein Schuͤſſelchen mit Milch und Weckbrocken neben ſich und . Da kam eine Unke gekrochen und ſenkte ihr Koͤpfchen in die Schuͤſſel und mit. Am andern Tag kam ſie wieder und ſo eine Zeitlang jeden Tag. Das Kind ließ ſich das gefallen, wie es aber ſah, daß die Unke immerfort blos die Milch trank und die Brocken liegen ließ, nahm es ſein Loͤffelchen, ſchlug ihr ein Bischen auf den Kopf und ſagte: Ding, auch Brocken! Das Kind war ſeit der Zeit ſchoͤn und groß geworden, ſeine Mutter aber ſtand gerade hinter ihm, und ſah die Unke, da lief ſie herbei und ſchlug ſie todt, von dem Augenblick ward das Kind mager und iſt endlich geſtorben.

II.

Ein Waiſen-Maͤdchen ſaß an der Stadt - mauer und ſpann, ſah eine Unke herkommen. Da breitete es ein blauſeiden Tuch, das die Unken gewaltig lieben und auf das ſie allein gehen, ne - ben ſich aus. Alſobald die Unke das erblickte, kehrte ſie um, kam wieder und brachte ein kleines115 goldenes Kroͤnchen getragen, legte es darauf und ging dann wieder fort. Da nahm das Maͤdchen die Krone auf, ſie glitzerte und war von zartem Goldgeſpinſt: nicht lange, ſo kam die Unke zum zweitenmal wieder, wie ſie aber die Krone nicht mehr ſah, kroch ſie an die Wand und ſchlug vor Leid ihr Haͤuptlein ſo lang dawider, als ſie nur noch Kraͤfte hatte, bis ſie endlich todt da lag. Haͤtte das Maͤdchen die Krone liegen laſſen, die Unke haͤtte wohl noch mehr von ihren Schaͤtzen aus der Hoͤhle herbeigetragen.

III.

(Die Unke ruft:) huhu! huhu! (Kind ſpricht:) kommt herut! (Die Unke kommt her - vor, da fragt das Kind nach ſeinem Schweſter - chen:) haſt du Rothſtruͤmpfchen nicht geſehen? (Unke:) Ne, ik og nit: wie du denn? huhu! huhu! huhu!

20. Der arme Muͤllerburſch und das Kaͤtzchen.

In einer Muͤhle dienten einmal drei Muͤl - lerburſche, worin nur ein alter Muͤller lebte ohne Frau und Kind. Wie ſie nun etliche Jahre bei ihm gedient hatten, ſagte er zu ihnen: zieht ein - mal fort, und wer mir das beſte Pferd nach HausH 2116bringt, dem will ich die Muͤhle geben. Der dritte von den Burſchen war aber der Kleinknecht, der ward von den andern fuͤr albern gehalten, dem goͤnnten ſie die Muͤhle nicht; und er wollte ſie hernach nicht einmal! Da gingen. alle drei mit - einander hinaus, und wie ſie vor das Dorf kamen, ſagten die zwei zu dem albernen Hans: du kannſt nur hier bleiben, du kriegſt doch dein lebtag keinen Gaul. Der Hans aber ging doch mit und als es Nacht war, kamen ſie an eine Hoͤhle, da hin - ein legten ſie ſich ſchlafen. Die zwei klugen war - teten nun bis Hans eingeſchlafen war, dann ſtie - gen ſie auf, machten ſich fort, ließen das Haͤns - chen liegen und meinten’s recht fein gemacht zu haben: ja! es wird euch doch nicht gut gehen! Wie nun die Sonne heraufkam und Hans auf - wachte, lag er in einer tiefen Hoͤhle, er guckte ſich uͤberall um: ach Gott! wo bin ich! Da erhob er ſich und kraffelte die Hoͤhle hinauf, ging in den Wald und dachte: wie ſoll ich nun zu einem Pferd kommen! Indem er ſo in Ge - danken dahin ging, begegnete ihm ein kleines bun - tes Kaͤtzchen, ſprach: Hans, wo willſt du hin? Ach! du kannſt mir doch nicht helfen. Was dein Begehren iſt, weiß ich wohl, ſprach das Kaͤtzchen, du willſt einen huͤbſchen Gaul ha - ben, komm mit mir und ſey ſieben Jahre lang mein treuer Knecht, ſo will ich dir einen geben, ſchoͤner, als du dein Lebtag einen geſehen haſt. 117Da nahm ſie ihn mit in ihr verwuͤnſchtes Schloͤß - chen, er mußt ihr dienen und alle Tage Holz klein machen, dazu kriegte er eine Axt von Sil - ber und die Keile und Saͤge von Silber und der Schlaͤger war von Kupfer. Nun da machte er’s klein, blieb bei ihm, hatte ſein gutes Eſſen und Trinken, ſah aber niemand als das bunte Kaͤtz - chen. Einmal ſagte es zu ihm: geh hin und maͤh meine Wieſe und mach das Gras trocken und gab ihm von Silber eine Senſe und von Gold einen Wetzſtein, hieß ihn aber auch alles wieder richtig abliefern. Da ging der Hans hin und that was es geheißen hatte und als er fertig war und die Senſe, den Wetzſtein und das Heu nach Haus brachte, fragte er, ob es ihm noch nicht ſeinen Lohn geben wollte. Nein, ſagte die Katze, du ſollſt mir erſt noch einerlei thun, da iſt Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleiſen und was noͤthig iſt, alles von Silber, daraus bau mir erſt ein kleines Haͤuschen. Da baute der Hans das Haͤuschen fertig und ſagte, er haͤtte nun alles gethan und noch kein Pferd; die ſieben Jahre aber waren ihm herumgegangen, wie ein halbes. Da fragte die Katze: ob er ihre Pferde ſehen wollte? Ja, ſagte Hans. Da machte ſie ihm das Haͤuschen auf und weil ſie die Thuͤre ſo aufmacht, da ſtehen zwoͤlf Pferde: ach! die waren geweſen ganz ſtolz! die hatten geblaͤnkt und geſpiegelt, daß ſich ſein Herz im Leib daruͤber118 freute. Nun gab ſie ihm zu eſſen und zu trin - ken und ſprach: geh nun heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit, in drei Tagen aber komm ich und bring dir’s nach; alſo ging Hans heim und ſie zeigte ihm den Weg zur Muͤhle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neu Kleid gege - ben, ſondern er mußte ſein altes lumpichtes Kit - telchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den ſieben Jahren uͤberall zu kurz ge - worden war. Wie er nun heim kam, da waren die beiden andern Muͤllerburſchen auch wieder da, jeder hatte zwar ein Pferd mitgebracht, aber des einen ſeins war blind, des andern ſeins lahm. Sie fragten ihn: Hans, wo haſt du dein Pferd? In drei Tagen wird’s nachkom - men. Da lachten ſie und ſagten: ja, du Hans, wo willſt du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes ſeyn! Hans ging in die Stube, der Muͤller ſagte aber, er ſollte nicht an den Tiſch kommen, er waͤr zu zerriſſen und zerlumpt, man muͤßte ſich ſchaͤmen, wenn jemand herein kaͤme. Da gaben ſie ihm ſein Bischen Eſſen hinaus, und wie ſie Abends ſchlafen gingen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte end - lich in’s Gaͤnſeſtaͤllchen kriechen und ſich auf ein wenig Stroh hineinlegen. Am Morgen, wie er aufwacht, ſind ſchon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutſche mit ſechs Pferden, ei! die glaͤnzten, daß es ſchoͤn war und ein Bedienter der119 brachte noch ein ſiebentes, das war fuͤr den armen Muͤllersburſch, aus der Kutſche aber ſtieg eine praͤchtige Prinzeſſin, und ging in die Muͤhle hin - ein und die Prinzeſſin war das kleine bunte Kaͤtz - chen, dem der arme Hans ſieben Jahr gedient hatte. Sie fragte den Muͤller, wo der dritte Mahlburſch, der Kleinknecht, waͤre? Da ſagte der Muͤller: den koͤnnen wir nicht in die Muͤhle nehmen, der iſt ſo verriſſen und liegt im Gaͤnſe - ſtall. Da ſagte die Prinzeſſin, ſie ſollten ihn gleich holen. Alſo holten ſie ihn heraus, und er mußte ſein Kittelchen zuſammenpacken, um ſich zu bedecken, da ſchnallte der Bediente praͤchtige Kleider aus, und mußte ihn waſchen und anzie - hen und wie er fertig war, konnte kein Koͤnig ſchoͤ - ner ausſehen. Darnach wollte die Prinzeſſin die Pferde ſehen, welche die andern Mahlburſchen mitgebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ ſie den Bedienten das ſiebente Pferd bringen; wie der Muͤller das ſah, ſprach er, ſo eins waͤr ihm noch nicht auf den Hof ge - kommen; und das iſt fuͤr den dritten Mahlburſch ſagte die Prinzeſſin. Da muß er die Muͤhle haben ſagte der Muͤller; die Prinzeſſin aber ſprach, da waͤr ſein Pferd, er ſolle die Muͤhle auch behalten; und nimmt ihren treuen Hans und ſetzt ihn in die Kutſche und faͤhrt mit ihm fort. Sie fahren erſt nach dem kleinen Haͤus - chen, das er mit dem ſilbernen Werkzeug gebaut120 hat, da iſt es ein großes Schloß und iſt alles darin von Silber und Gold, und da hat ſie ihn geheirathet und war er reich, ſo reich, daß er fuͤr ſein Lebtag genug hatte. Darum ſoll keiner ſagen, daß wer albern iſt, deshalb nichts rechts werden koͤnne.

21. Die Kraͤhen.

Es hatte ein rechtſchaffener Soldat etwas Geld verdient und zuſammen geſpart, weil er fleißig war und es nicht, wie die andern, in den Wirthshaͤuſern durchbrachte. Nun waren zwei von ſeinen Kammeraden, die hatten eigentlich ein falſches Herz und wollten ihn um ſein Geld brin - gen; ſie ſtellten ſich aber aͤußerlich ganz freund - ſchaftlich an. Auf eine Zeit ſprachen ſie zu ihm: hoͤr, was ſollen wir hier in der Stadt liegen, wir ſind ja eingeſchloſſen darin, als waͤren wir Gefangene, und gar einer wie du, der koͤnnt ſich daheim was ordentliches verdienen und vergnuͤgt leben. Mit ſolchen Reden ſetzten ſie ihm auch ſo lange zu, bis er endlich einwilligte und mit ihnen ausreißen wollte; die zwei andern hatten aber nichts anders im Sinn, als ihm draußen ſein Geld abzunehmen. Wie ſie nun ein Stuͤck Wegs fortgegangen waren, ſagten die zwei: wir121 muͤſſen uns da rechts einſchlagen, wenn wir an die Graͤnze kommen wollen. Ei! Gott be - wahre, da gehts ja gerade wieder in die Stadt zuruͤck, links muͤſſen wir weiter. Was willſt du dich mauſig machen, riefen die zwei, drangen auf ihn ein, ſchlugen ihn, bis er nieder - fiel, und nahmen ihm ſein Geld aus den Taſchen; das war aber noch nicht genug, ſie ſtachen ihm auch die Augen aus, ſchleppten ihn zum Galgen und banden ihn daran feſt. Da ließen ſie ihn, und gingen mit dem geſtohlenen Geld in die Stadt zuruͤck.

Der arme Blinde wußte aber nicht, an wel - chem ſchlechten Ort er war, fuͤhlte um ſich und merkte, daß er unter einem Balken Holz ſaß. Da meinte er, es waͤre ein Kreutz, ſprach: es iſt doch gut von ihnen, daß ſie mich wenigſtens unter ein Kreutz gebunden haben, Gott iſt bei mir, und fing an recht zu Gott zu beten. Wie es ungefaͤhr Nacht werden mochte, hoͤrte er etwas flattern; das waren aber drei Kraͤhen, die ließen ſich auf dem Balken nieder. Darnach hoͤrte er, wie eine ſprach: Schweſter, was bringt ihr Gutes? ja, wenn die Menſchen wuͤßten, was wir wiſſen! die Koͤnigstochter iſt krank und der alte Koͤnig hat ſie demjenigen verſprochen, der ſie heilt, das kann aber keiner, denn ſie wird nur geſund, wenn die Kroͤte in dem Teich dort zu Aſche verbrannt wird und ſie die Aſche trinkt. 122Da ſprach die zweite: ja, wenn die Menſchen wuͤßten, was wir wiſſen! heute Nacht faͤllt ein Thau vom Himmel, ſo wunderbar und heilſam, wer blind iſt und beſtreicht ſeine Augen damit, der erhaͤlt ſein Geſicht wieder. Da ſprach auch die dritte: ja, wenn die Menſchen wuͤßten, was wir wiſſen! Die Kroͤte hilft nur einem und der Thau hilft nur wenigen, aber in der Stadt iſt große Noth, da ſind alle Brunnen vertrocknet und niemand weiß, daß der große viereckige Stein auf dem Markt muß weggenommen und darunter gegraben werden, dort quillt das ſchoͤnſte Waſſer. Wie die drei Kraͤhen das geſagt hat - ten, hoͤrte er es wieder flattern und ſie flogen da fort; er aber machte ſich allmaͤlig von ſeinen Banden los, und dann buͤckte er ſich und brach ein paar Graͤſerchen ab und beſtrich ſeine Augen mit dem Thau, der darauf gefallen war. Alsbald ward er wieder ſehend und war Mond und Sterne am Himmel und ſah er, daß er neben dem Gal - gen ſtand. Darnach ſuchte er Scherben, und ſammelte von dem koͤſtlichen Thau, ſo viel er zu - ſammenbringen konnte und wie das geſchehen war, ging er zum Teich, grub das Waſſer davon ab und holte die Kroͤte heraus; und dann verbrannte er ſie zu Aſche und ging damit an des Koͤnigs Hof. Da ließ er nun die Koͤnigstochter von der Aſche einnehmen und als ſie geſund war, verlangte er ſie, wie es verſprochen war, zur Gemahlin. Dem123 Koͤnig aber gefiel er nicht, weil er ſo ſchlechte Kleider an hatte, und er ſprach daher, wer ſeine Tochter haben wollte, der muͤßte der Stadt erſt Waſſer verſchaffen und damit hoffte er ihn los zu werden. Er aber ging hin, hieß die Leute den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben und darunter nach Waſſer graben. Das thaten ſie auch und kamen bald zu einer ſchoͤnen Quelle, da war Waſſer zum Ueberfluß; der Koͤnig aber konnte ihm nun die Prinzeſſin nicht laͤnger ab - ſchlagen und er wurde mit ihr vermaͤhlt und leb - ten ſie in einer vergnuͤgten Ehe.

Auf eine Zeit, als er durch’s Feld ſpatziren ging, begegneten ihm ſeine beiden ehemaligen Ka - meraden, die ſo treulos an ihm gehandelt hatten. Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte ſie gleich, ging auf ſie zu und ſprach: ſeht, das iſt euer ehemaliger Kammerad, dem ihr ſo ſchaͤndlich die Augen ausgeſtochen habt, aber der liebe Gott hat mir’s zum Gluͤck gedeihen laſſen. Da fielen ſie ihm zu Fuͤßen und baten um Gnade, und weil er ein gutes Herz hatte, erbarmte er ſich ihrer und nahm ſie mit ſich, gab ihnen auch Nahrung und Kleider. Er erzaͤhlte ihnen darnach, wie es ihm ergangen und wie er zu dieſen Ehren gekommen waͤre; als die zwei das vernahmen, hatten ſie keine Ruhe und wollten auch eine Nacht ſich unter den Galgen ſetzen, ob ſie vielleicht auch etwas Gutes hoͤrten. Wie ſie nun unter dem Galgen124 ſaßen, flatterte auch bald etwas uͤber ihren Haͤup - tern und kamen die drei Kraͤhen. Die eine ſprach zur andern: hoͤrt Schweſtern, es muß uns jemand behorcht haben, denn die Prinzeſſin iſt geſund, die Kroͤte iſt fort aus dem Teich, ein Blinder iſt ſehend geworden und in der Stadt ha - ben ſie einen friſchen Brunnen gegraben, kommt, laßt uns ſuchen, vielleicht finden wir ihn. Da flatterten ſie herab und fanden die beiden und eh ſie ſich helfen konnten, ſaßen ſie ihnen auf dem Kopf und hackten ihnen die Augen aus und hack - ten weiter ſo lange in’s Geſicht, bis ſie ganz todt waren. Da blieben ſie liegen unter dem Galgen. Als ſie nun in ein paar Tagen nicht wieder ka - men, dachte ihr ehemaliger Kammerad, wo moͤgen die zwei herumirren und ging hinaus, ſie zu ſuchen. Da fand er aber nichts mehr, als ihre Gebeine, die trug er vom Galgen weg und legte ſie in ein Grab.

22. Hans mein Igel.

Es war ein reicher Bauer, der hatte mit ſeiner Frau keine Kinder; oͤfters, wenn er mit den andern Bauern in die Stadt ging, ſpotteten ſie ihn und fragten, warum er keine Kinder haͤtte. Da ward er einmal zornig und als er nach Haus125 kam, ſprach er: ich will ein Kind haben und ſollt’s ein Igel ſeyn. Da kriegte ſeine Frau ein Kind, das war oben ein Igel und unten ein Junge, und als ſie das Kind ſah, erſchrack ſie und ſprach: ſiehſt du, du haſt uns verwuͤnſcht! Da ſprach der Mann: was kann das alles hel - fen, getauft muß der Junge werden, aber wir koͤnnen keinen Gevatter dazu nehmen. Die Frau ſprach: wir koͤnnen ihn auch nicht anders taufen als Hans mein Igel. Als er ge - tauft war, ſagte der Pfarrer: der kann wegen ſeiner Stacheln in kein ordentlich Bett kommen. Da ward hinter dem Ofen ein wenig Stroh zu - recht gemacht und Hans mein Igel darauf gelegt. Er konnte auch an der Mutter nicht trinken, denn er haͤtte ſie mit ſeinen Stacheln geſtochen. So lag er da hinter dem Ofen acht Jahre und ſein Vater war ihn muͤde, und dachte, wenn er nur ſtuͤrbe; aber er ſtarb nicht, ſondern blieb da lie - gen. Nun trug es ſich zu, daß in der Stadt ein Markt war und der Bauer wollte darauf gehen, da fragte er ſeine Frau, was er ihr ſollte mit - bringen. Ein wenig Fleiſch und ein paar Wecke, was zum Haushalt gehoͤrt, ſprach ſie. Darauf fragte er die Magd, die wollte ein paar Toffel und Zwickelſtruͤmpfe, endlich ſagte er auch: Hans mein Igel, was willſt du denn haben? Vaͤterchen, ſprach er, bringt mir doch einen Dudelſack mit. Wie nun der Bauer wieder126 nach Haus kam, gab er der Frau, was er ihr mitgebracht hatte, Fleiſch und Wecke, dann gab er der Magd die Toffeln und die Zwickelſtruͤmpfe, endlich ging er hinter den Ofen und gab dem Hans mein Igel den Dudelſack. Und wie Hans mein Igel den hatte, ſprach er: Vaͤterchen, geht doch vor die Schmiede und laßt mir meinen Goͤckelhahn beſchlagen, dann will ich fortreiten und will nimmermehr wiederkommen. Da war der Vater froh, daß er ihn loswerden ſollte, und ließ ihm den Hahn beſchlagen und als er fertig war, ſetzte ſich Hans mein Igel darauf, ritt fort, nahm auch Schweine und Eſel mit, die wollt er draußen im Walde huͤten. Im Wald aber mußte der Hahn mit ihm auf einen hohen Baum flie - gen, da ſaß er und huͤtete die Eſel und Schweine, und ſaß lange Jahre bis die Heerde ganz groß war, und wußte ſein Vater nichts von ihm. Wenn er aber auf dem Baum ſaß, blies er ſeinen Dudelſack und machte Muſik, die war ſehr ſchoͤn. Einmal kam ein Koͤnig vorbeigefahren, der hatte ſich verirrt und hoͤrte die Muſik; da verwunderte er ſich daruͤber und ſchickte ſeinen Bedienten hin, er ſollte ſich einmal umgucken, wo die Muſik her - kaͤme. Der guckte ſich um, ſah aber nichts, als ein kleines Thier auf dem Baum oben ſitzen, das war wie ein Goͤckelhahn, auf dem ein Igel ſaß und machte die Muſik. Da ſprach der Koͤnig zum Bedienten, er ſollte fragen, warum es da127 ſaͤße und ob es nicht wuͤßte, wo der Weg in ſein Koͤnigreich ging. Da ſtieg Hans mein Igel vom Baum und ſprach, er wollte den Weg zeigen, wenn der Koͤnig ihm wollte verſchreiben und verſpre - chen, was ihm zuerſt begegnete am koͤniglichen Hofe, wenn er nach Haus kaͤme. Da dachte der Koͤnig, das kannſt du leicht thun, Hans mein Igel verſteht’s doch nicht und kannſt ſchreiben was du willſt. Da nahm der Koͤnig Feder und Dinte und ſchrieb etwas auf und als es geſchehen war, zeigte Hans mein Igel ihm den Weg und er kam gluͤcklich nach Haus. Seine Tochter aber, wie ſie ihn von weitem ſah, war ſo voll Freuden, daß ſie ihm entgegen ging und ihn kuͤßte. Er gedachte an Hans mein Igel und erzaͤhlte ihr, wie es ihm gegangen waͤre, und daß er an ein wunderliches Thier, das auf einem Hahn geritten und ſchoͤne Muſik gemacht, haͤtte verſchreiben ſollen, was ihm daheim zuerſt begegnen wuͤrde; er haͤtte aber geſchrieben, es ſollt’s nicht haben, denn Hans mein Igel koͤnnt es doch nicht leſen. Daruͤber war die Prinzeſſin froh und ſagte, das waͤre gut, denn ſie waͤre doch nimmermehr hingegangen.

Hans mein Igel aber huͤtete die Eſel und Schweine, war immer luſtig und ſaß auf dem Baum und blies auf ſeinem Dudelſack. Nun ge - ſchah es, daß ein anderer Koͤnig gefahren kam mit ſeinen Bedienten und Laufern und hatte ſich ver - irrt und wußte nicht wieder nach Haus zu kom -128 men, weil der Wald ſo groß war. Da hoͤrte er gleichfalls die ſchoͤne Muſik von weitem und ſprach zu ſeinem Laufer, was das wohl waͤre, er ſollt einmal zuſehen, woher es koͤmmt. Da ging der Laufer hin unter den Baum und ſah den Goͤckel - hahn ſitzen und Hans mein Igel oben drauf. Der Laufer fragte ihn, was er da oben vorhaͤtte. Ich huͤte meine Eſel und Schweine: was iſt euer Be - gehren? Der Laufer ſagte, ſie haͤtten ſich ver - irrt und koͤnnten nicht wieder in’s Koͤnigreich, ob er ihnen den Weg nicht zeigen wollte. Da ſtieg Hans mein Igel mit dem Hahn vom Baum herunter und ſagte zu dem alten Koͤnig, er wollt ihm den Weg zeigen, wenn er ihm zu eigen geben wollte, was ihm zu Haus vor ſeinem koͤniglichen Schloſſe das erſte begegnen wuͤrde. Der Koͤnig ſagte ja und unterſchrieb ſich dem Hans mein Igel, er ſollt es haben. Als das geſchehen war, ritt er auf dem Goͤckelhahn voraus und zeigte ihm den Weg und gelangte er gluͤcklich wieder in ſein Koͤ - nigreich. Wie er auf den Hof kam, war große Freude daruͤber; nun hatte er eine einzige Toch - ter, die war ſehr ſchoͤn, die kam ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und kuͤßte ihn und freute ſich, daß ihr alter Vater wieder kam. Sie fragte ihn auch, wo er ſo lang in der Welt geweſen waͤre, da erzaͤhlte er ihr, er haͤtte ſich verirrt und waͤr beinahe gar nicht wieder gekommen, aber als er durch einen großen Wald gefahren, haͤtte einerhalb129halb wie ein Igel, halb wie ein Menſch, rittlings auf einem Hahn in einem hohen Baum geſeſſen und ſchoͤne Muſik gemacht, der haͤtte ihm fortge - holfen und den Weg gezeigt, dafuͤr aber er ihm verſprochen, was ihm am koͤniglichen Hofe zuerſt begegnete, und das waͤre ſie und das thaͤte ihm nun ſo leid. Da verſprach ſie ihm aber, ſie wollte gern mit ihm gehen, wann er kaͤme, ihrem alten Vater zu Liebe.

Hans mein Igel aber huͤtete ſeine Schweine und die Schweine bekamen wieder Schweine und dieſe wieder und wurden ihrer ſo viel, daß der ganze Wald voll war. Da ließ Hans mein Igel ſeinem Vater ſagen, ſie ſollten alle Staͤlle im Dorf ledig machen und raͤumen, er kaͤme mit einer ſo großen Heerde Schweine, daß jeder ſchlach - ten ſollte, der nur ſchlachten koͤnnte. Da war ſein Vater betruͤbt, als er das hoͤrte, denn er dachte, Hans mein Igel waͤre ſchon lang geſtor - ben. Hans mein Igel aber ſetzte ſich auf ſeinen Goͤckelhahn, trieb die Schweine vor ſich her in’s Dorf und ließ ſchlachten: hu! da war ein Ge - metzel und ein Hacken, daß man’s zwei Stunden weit hoͤren konnte. Darnach ſagte Hans mein Igel: Vaͤterchen, laßt mir meinen Goͤckelhahn noch einmal vor der Schmiede beſchlagen, dann reit ich fort und komm mein Lebtag nicht wie - der. Da ließ der Vater den Goͤckelhahn beſchla -Kindermährchen II. J130gen und war froh, daß Hans mein Igel nicht wieder kommen wollte.

Hans mein Igel ritt fort in das erſte Koͤ - nigreich, da hatte der Koͤnig befohlen, wenn einer kaͤme auf einem Hahn geritten und haͤtte einen Dudelſack bei ſich, dann ſollten alle auf ihn ſchie - ßen, hauen und ſtechen, damit er nicht in’s Schloß kaͤme. Als nun Hans mein Igel daher geritten kam, drangen ſie mit den Bajonetten auf ihn ein, er aber gab dem Hahn die Sporn, flog auf, uͤber das Thor hin vor des Koͤnigs Fenſter, ſetzte ſich da und rief ihm zu: ſollt ihm geben, was er verſprochen haͤtte, ſonſt ſo wollt er ihm und ſeiner Tochter das Leben nehmen. Da gab der Koͤnig der Prinzeſſin gute Worte, ſie moͤchte zu ihm hinaus gehen, damit ſie ihm und ſich das Leben rettete. Da zog ſie ſich weiß an und ihr Vater gab ihr einen Wagen mit ſechs Pferden und herrliche Bedienten, Geld und Gut; ſie ſetzte ſich ein und Hans mein Igel mit ſeinem Hahn und Dudelſack neben ſie, dann nahmen ſie Ab - ſchied und zogen fort und der Koͤnig dachte, er kriegte ſie nicht wieder zu ſehen. Es ging aber anders als er dachte, denn als ſie ein Stuͤck Wegs von der Stadt waren, da zog ſie Hans mein Igel aus und ſtach ſie mit ſeiner Igelhaut bis ſie ganz blutig war, ſagte: das iſt der Lohn fuͤr eure Falſchheit, geh hin, ich will dich nicht, und131 jagte ſie damit nach Haus und war ſie beſchimpft ihr Lebtag.

Hans mein Igel aber ritt weiter auf ſeinem Goͤckelhahn und mit ſeinem Dudelſack nach dem zweiten Koͤnigreich, wo er dem Koͤnig auch den Weg gezeigt hatte. Der aber hatte beſtellt, wenn einer kaͤm, wie Hans mein Igel, ſollten ſie das Gewehr vor ihm praͤſentiren, ihn frei hereinfuͤh - ren, Victoria rufen und ihn ins koͤnigliche Schloß bringen. Wie ihn nun die Prinzeſſin ſah, war ſie erſchrocken, weil er doch gar ſo wunderlich ausſah, ſie dachte aber, es waͤre nicht anders, ſie haͤtte es ihrem Vater verſprochen. Da ward Hans mein Igel von ihr bewillkommt, mußte mit an die koͤnigliche Tafel gehen und ſie ſetzte ſich zu ſeiner Seite und ſie aßen und tranken. Wie’s nun Abend ward, daß ſie wollten ſchlafen gehen, da fuͤrchtete ſie ſich ſehr vor ſeinen Stacheln, er aber ſprach, ſie ſollte ſich nicht fuͤrchten, es ge - ſchaͤh ihr kein Leid, und ſagte zu dem alten Koͤnig, er ſollte vier Mann beſtellen, die ſollten wachen vor der Kammerthuͤre und ein großes Feuer an - machen, und wann er in die Kammer eingehe und ſich in’s Bett legen wolle, wuͤrde er aus ſei - ner Igelshaut herauskriechen und ſie vor dem Bett liegen laſſen; dann ſollten die Maͤnner hur - tig herbeiſpringen, und ſie in’s Feuer werfen, auch dabei bleiben, bis ſie vom Feuer verzehrt waͤre. Wie die Glocke nun elfe ſchlug, da gingJ 2132er in die Kammer und ſtreifte die Igelshaut ab, und ließ ſie vor dem Bett liegen, da kamen die Maͤnner und holten ſie geſchwind und warfen ſie ins Feuer, und als ſie das Feuer verzehrt hatte, da war er erloͤſt und lag da im Bett ganz als ein Menſch geſtaltet, aber er war kohlſchwarz wie ge - brannt. Der Koͤnig ſchickte zu ſeinem Arzt, der wuſch ihn mit guten Salben und balſamirte ihn, da ward er weiß und war ein ſchoͤner junger Herr. Wie das die Prinzeſſin ſah, war ſie froh, und ſie ſtiegen auf mit Freuden, aßen und tranken und ward die Vermaͤhlung gehalten, und Hans mein Igel bekam das Koͤnigreich von dem alten Koͤnig.

Wie etliche Jahre herum waren, fuhr er mit ſeiner Gemahlin zu ſeinem Vater und ſagte, er waͤre ſein Sohn, der Vater aber ſprach, er haͤtte keinen, er haͤtte nur einen gehabt, der waͤr aber wie ein Igel mit Stacheln geboren worden und in die Welt gegangen. Da gab er ſich zu erken - nen, und der alte Vater freute ſich und ging mit ihm in ſein Koͤnigreich.

23. Das Todtenhemdchen.

Es hatte eine Mutter ein Buͤblein von ſieben Jahren, das war ſchoͤn und ſie hatte es lieber, wie alles auf der Welt. Auf einmal ſtarb es,133 daruͤber konnte ſich die Mutter nicht troͤſten und weinte Tag und Nacht. Als aber das Kind noch gar nicht lang begraben, ſo zeigte es ſich in der Nacht an den Plaͤtzen, wo es ſonſt geſeſſen und geſpielt, und weinte die Mutter, ſo weinte es auch, aber wenn der Morgen kam, war es ver - ſchwunden. Als nun die Mutter gar nicht auf - hoͤren wollte zu weinen, kam es in einer Nacht mit ſeinem weißen Todtenhemdchen, in dem es in den Sarg gelegt war, und mit dem Kraͤnzchen auf dem Kopf, ſetzte ſich zu ihren Fuͤßen auf das Bett und ſprach: ach Mutter, hoͤr doch auf zu weinen, ſonſt kann ich in meinem Sarge nicht einſchlafen, denn mein Todtenhemdchen wird gar nicht trocken von deinen Thraͤnen, die alle darauf fallen. Da erſchrack die Mutter, als ſie das hoͤrte und weinte nicht mehr und in der andern Nacht kam das Kindchen wieder mit einem Licht - chen in der Hand und ſagte: ſiehſt du, nun iſt mein Hemdchen bald trocken und ich habe Ruhe in meinem Grab. Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid und ertrug es ſtill und gedul - dig, und das Kind kam nicht wieder, ſondern ſchlief in ſeinem unterirdiſchen Bettchen.

24. Der Jud im Dorn.

Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm ſchon drei Jahre,134 ohne daß er ihm ſeinen Lohn bezahlt hatte. Da fiel es ihm endlich bei, daß er doch nicht ganz umſonſt arbeiten wollte, ging vor ſeinen Herrn und ſprach: ich habe euch unverdroſſen und redlich gedient die lange Zeit, darum ſo vertraue ich zu euch, daß ihr mir nun geben wollet, was mir von Gottes Recht gebuͤhrt. Der Bauer aber war ein Filz und wußte, daß der Knecht ein einfaͤlti - ges Gemuͤth hatte, nahm drei Pfennige und gab ſie ihm, fuͤr jedes Jahr einen Pfennig, damit waͤre er bezahlt. Und der Knecht meinte ein gro - ßes Gut in Haͤnden zu haben, dachte: was willſt du dir’s laͤnger ſauer werden laſſen, du kannſt dich nun pflegen und in der Welt frei luſtig machen. Steckte ſein großes Geld in den Sack und wanderte froͤhlich uͤber Berg und Thal.

Wie er auf ein Feld kam ſingend und ſprin - gend erſchien ihm ein kleines Maͤnnlein, das fragte ihn ſeiner Luſtigkeit wegen? ei, was ſollt ich trauren, geſund bin ich, und Geldes hab ich grauſam viel, brauche nichts zu ſorgen; was ich in drei Jahren bei meinem Herrn erdient, das hab ich geſpart und iſt all mein. Wie viel iſt denn deines Guts? ſprach das Maͤnnlein. Drei ganzer Pfennig, ſagte der Knecht. Schenk mir deine drei Pfennige, ich bin ein armer Mann. Der Knecht war aber gutmuͤthig, erbarmte ſich und gab ſie hin. Sprach der Mann: weil du reines Herzens biſt, ſollen dir drei Wuͤnſche erlaubt135 ſeyn, fuͤr jeden Pfennig einer, ſo haſt du was dein Sinn begehrt. Das war der Knecht wohl zu - frieden, dachte, Sachen ſind mir lieber als Geld und ſprach: erſtens wuͤnſche ich mir ein Vogel - rohr, das alles trifft, was ich ziele, zweitens eine Fiedel, wenn ich die ſtreiche, muß alles tanzen, was ſie hoͤrt; drittens: worum ich die Leute bitte, daß ſie es mir nicht abſchlagen duͤrfen. Das Maͤnnchen ſagte: alles ſey dir gewaͤhrt und ſtellte ihm Fiedel und Vogelrohr zu; darauf ging es ſeiner Wege.

Mein Knecht aber, war er vorher froh ge - weſen, duͤnkte er ſich jetzt noch zehnmal froher, und ging nicht lange zu, ſo begegnete ihm ein alter Jude. Da ſtand ein Baum und obendrauf auf dem hoͤchſten Zweig ſaß eine kleine Lerche und ſang und ſang. Gotts Wunder, was ſo ein Thierlein kann, haͤtt ich’s, gaͤb viel darum. Wenn es weiter nichts iſt, die ſoll bald herunter, ſagte der Knecht, ſetzte ſein Rohr an und ſchoß die Lerche auf das Haar, daß ſie den Baum her - abfiel, geht hin und leſet ſie auf, ſie war aber ganz tief in die Doͤrner unten am Baum hinein - gefallen. Da kroch der Jud in den Buſch und wie er mitten drin ſtack, zog mein Knecht ſeine Fiedel und geigte, fing der Jud an zu tanzen und hatte keine Ruh, ſondern ſprang immer ſtaͤrker und hoͤher; der Dorn aber zerſtach ſeine Kleider, daß die Fetzen herum hingen und ritzte und wun -136 dete ihn, daß er am ganzen Leibe blutete. Gotts willen, ſchrie der Jud, laß der Herr ſein Geigen ſeyn, was hab ich verbrochen? Die Leute haſt du genug geſchunden, dachte der luſtige Knecht, ſo geſchieht dir kein Unrecht, und ſpielte einen neuen Huͤpfauf. Da legte ſich der Jud auf Bitten und Verſprechen und wollte ihm Geld geben, wenn er aufhoͤrte, allein das Geld war dem Knecht erſt lange nicht genug und trieb ihn immer weiter, bis der Jud ihm hundert harte Gulden verhieß, die er im Beutel fuͤhrte und eben einem Chriſten ab - geprellt hatte. Wie mein Knecht das viele Geld ſah, ſprach er: unter dieſer Bedingung ja, nahm den Beutel und ſtellte ſein Fiedeln ein; darauf ging er ruhig und vergnuͤgt weiter die Straße.

Der Jud riß ſich halb nackicht und armſelig aus dem Dornſtrauch, uͤberſchlug, wie er ſich raͤ - chen moͤchte, und fluchte dem Geſellen alles Boͤſe nach. Lief endlich zum Richter, klagte daß er von einem Boͤſewicht unverſchuldeterweiſe ſeines Geldes beraubt und noch dazu zerſchlagen waͤre, daß es er - barmte, und der Kerl, der es gethan haͤtte, truͤge ein Rohr auf dem Buckel und eine Geige hinge an ſei - nem Hals. Da ſandte der Richter Boten und Haͤ - ſcher aus, die ſollten den Knecht fahen, wo ſie ihn koͤnnten ſehen, der wurde bald ertappt und vor Gericht geſtellt. Da klagte der Jud, daß er ihm das Geld geraubt haͤtte, der Knecht ſagte: nein,137 gegeben haſt du mir’s, weil ich dir aufgeſpielt habe, aber der Richter machte das Ding kurz und verurtheilte meinen Knecht zum Tod am Galgen. Schon ſtand er auf der Leiterſproſſe, den Strick am Hals, da ſprach er: Herr Richter, gewaͤhrt mir eine letzte Bitte! wofern du nicht dein Leben bitteſt, ſoll ſie gewaͤhrt ſeyn. Nein, um mein Leben iſt’s nicht, laßt mich noch eins auf meiner Geige geigen zu guter Letzt. Da ſchrie der Jud: bewahre Gott! erlaubt’s ihm nicht! erlaubt’s ihm nicht! allein das Gericht ſagte: einmal iſt es ihm zuge - ſtanden und dabei ſoll’s bewenden, auch durften ſie’s ihm nicht weigern, weil er die Gabe hatte, daß ihm keiner die Bitte abſchlug. Da ſchrie der Jud: bindet mich feſt, um Gotteswillen! mein Knecht aber faßte ſeine Fiedel und that einen Strich, da wankte alles und bewegte ſich, Rich - ter, Schreiber und Schergen und den Jud konnte keiner binden, und er that den zweiten Strich, da ließ ihn der Henker los und tanzte ſelber, und wie er nun ordentlich in’s Geigen kam, tanzte alles zuſammen, Gericht und der Jude vornen und alle Leute auf dem Markt die da wollten zu - ſchauen. Und anfangs ging’s luſtig, weil aber das Geigen und Tanzen kein Ende nahm, ſo ſchrien ſie jaͤmmerlich und baten ihn, abzulaſſen, aber er that’s nicht eher, bis ihm der Richter das Leben nicht nur ſchenkte, ſondern auch verſprach die hundert Gulden zu laſſen. Und erſt noch rief138 er dem Juden zu: Spitzbub geſteh wo du das Geld her haſt, ſonſt hoͤr ich dir nicht auf zu ſpie - len. Ich hab’s geſtohlen, ich hab’s geſtohlen und du hatteſt es ehrlich verdient ſchrie der Jude, daß es alle hoͤrten. Da ließ mein Knecht die Geige ruhen und der Schuft wurde fuͤr ihn am Galgen gehaͤngt.

25. Der gelernte Jaͤger.

Es war einmal ein junger Burſch, der hatte die Schloſſerhandthierung gelernt und ſprach zu ſeinem Vater, er muͤßte in die Welt gehen und ſich verſuchen. Ja, ſagte der Vater, das bin ich zufrieden und gab ihm etwas Geld auf die Reiſe. Alſo zog er herum; auf eine Zeit, da wollt ihm das Schloſſerwerk nicht mehr folgen und ſtand ihm auch nicht mehr an, aber er kriegte Luſt zur Jaͤgerei. Da begegnete ihm auf der Wander - ſchaft ein Jaͤger in gruͤnem Kleide, der fragte, wo er her kaͤm und hin wollte? Er waͤr ein Schloſſergeſell, ſagte der Burſch, aber das Hand - werk gefiele ihm nicht mehr, haͤtte Luſt zur Jaͤge - rei, ob er ſie ihn lehren wollte. O ja, wenn du mit mir gehen willſt. Da ging der junge Burſch mit und vermiethete ſich etliche Jahre bei ihm und lernte die Jaͤgerei. Darnach wollt er139 ſich weiter verſuchen, und der Jaͤger gab ihm nichts zum Lohn als eine Windbuͤchſe, die hatte aber die Eigenſchaft, wenn er damit ſchoß, ſo traf er ohnfehlbar. Da ging er nun fort und kam in einen ſehr großen Wald, von dem konnt er in einem Tag das Ende nicht finden; wie’s nun Abend war, ſetzte er ſich auf einen hohen Baum, damit er aus den wilden Thieren kaͤme. Gegen Mitternacht zu, daͤuchte ihm, ſchimmerte ein klei - nes Lichtchen von weitem, da ſah er durch die Aeſte darauf hin und behielt in acht, wo es war. Doch nahm er erſt noch ſeinen Hut und warf ihn nach dem Licht zu herunter, daß er darnach gehen wollte, wann er herabgeſtiegen waͤr, als nach ei - nem Zeichen. Nun kletterte er herunter, ging auf ſeinen Hut los, ſetzte ihn wieder auf und zog gerades Wegs fort. Je weiter er ging, je groͤßer ward das Licht, und wie er nahe dabei kam, ſah er, daß es ein gewaltiges Feuer war und ſaßen drei Rieſen dabei, aßen und hielten große Stuͤcken Fleiſch vor dem Mund, die ſie bei dem Feuer gebraten hatten. Da nahm er ſeine Windbuͤchſe und ſchoß dem erſten Rieſen das Stuͤck Fleiſch vor dem Mund weg, wie er eben hinein - beißen wollte; und dann auch dem zweiten. Die Rieſen ſprachen zu einander: ei! das muß ein ſcharfer Schuͤtze ſeyn, der uns das vor dem Maul wegſchießen kann, kaͤm er zu uns, wir wollten ihn gern aufnehmen. Der Jaͤger aber ſchoß140 nun dem dritten auch das Stuͤck vor dem Mund weg; da riefen ſie: wer biſt du? komm her zu uns, ſetz dich und mit uns. Da trat der Burſch herzu und ſagte, er waͤr ein gelernter Jaͤger und wor - nach er mit ſeiner Buͤchſe ziele, das treffe er auch ſicher und gewiß. Da ſprachen ſie, wenn er mit ihnen gehe, ſolle er’s gut haben und erzaͤhlten ihm, vor dem Wald ſey ein groß Waſſer, dahin - ter ſtaͤnd ein Thurm, und in dem Thurm ſaͤß eine ſchoͤne Prinzeſſin, die wollten ſie gern rauben. Ja, ſprach er, die will ich bald geſchafft haben. Sagten ſie weiter: es iſt aber etwas noch dabei, es liegt ein kleines Huͤndchen dort, das faͤngt gleich an zu bellen, wann ſich jemand naͤhert, und ſo - bald das bellt, wacht gleich alles am koͤniglichen Hofe auf, darum koͤnnen wir nicht hinein kom - men: unterſtehſt du dich, das Huͤndchen todt zu ſchießen? Ja, ſprach er, das iſt mir ein kleiner Spaß. Darnach ſetzte er ſich auf ein Schiff und fuhr uͤber das Waſſer und wie er bald beim Land war, kam das Huͤndchen gelaufen und wollte bellen, aber er kriegte ſeine Windbuͤchſe und ſchoß es todt. Wie die Rieſen das ſahen, freuten ſie ſich, und meinten, ſie haͤtten die Prinzeſſin nun ſchon gewiß; er ſprach aber zu ihnen, ſie ſollten haußen bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das Schloß und es war maͤuschenſtill und ſchlief alles; wie er das erſte Zimmer aufmachte, hing da ein Saͤbel an der Wand, der war von purem Silber141 und ein goldener Stern darauf und des Koͤnigs ſein Name; daneben aber ſtand ein Tiſch und auf dem[Tiſch] lag ein verſiegelter Brief, den brach er auf und ſtand darin, wer den Saͤbel haͤtte, koͤnnte alles um’s Leben bringen, was ihm vor - kaͤme. Da nahm er den Saͤbel von der Wand, ging hin und rief den Rieſen, ſie ſollten heran kommen, die Thuͤr aber koͤnnt er ihnen nicht ganz aufmachen, da waͤr ein Loch, wo ſie durch - kriechen muͤßten. Alſo kam der erſte und kroch hinein, und wie der Kopf darin war, nahm der Jaͤger den Saͤbel und hieb ihn ab, und duns*)Duns ſoviel als zog, von dinſen. ihn dann vollends herein. Darnach rief er dem zweiten und hieb ihm auch den Kopf ab und duns ihn herein; endlich rief er dem dritten und ſagte, ſie haͤtten die Prinzeſſin ſchon, da kam er gekro - chen und ging ihm nicht beſſer, als den beiden andern; und hatte der Jaͤger die Prinzeſſin nun von ihnen befreit. Darnach machte er das Loch zu und ging weiter, da kam er in das Zimmer, wo die Prinzeſſin lag und ſchlief und die war gar ſchoͤn, ſo daß er ſtill ſtand und ſie betrachtete und den Athem anhielt. Wie er ſich weiter umſchaute, da ſtanden unter dem Bett ein Paar Pantoffel, auf dem rechten ſtand ihres Vaters Name mit einem Stern und auf dem linken ihr Name mit einem Stern. Sie hatte auch ein großes Hals -142 tuch um, von Seide mit Gold ausgeſtickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihren Namen, alles mit goldenen Buchſta - ben. Da nahm der Jaͤger eine Scheere und ſchnitt den rechten Schlippen ab und ſtopfte ihn in ſeinen Ranzen und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen, und ſteckte ihn hinein. Nun lag die Prinzeſſin noch immer und ſchlief und ſie war ganz in ihr Hemd eingenaͤht, da ſchnitt er auch ein Stuͤckchen von dem Hemd ab und ſteckte es zu dem andern; doch that er das alles ohne ſie anzuruͤhren. Dann ging er wieder fort und ließ ſie ſchlafen und als er hinkam, wo die Rieſen lagen, ſchnitt er allen dreien die Zungen aus den Koͤpfen und ſteckte ſie auch in den Ranzen; damit wollt er heim gehen und es ſeinem Vater zeigen.

Der Koͤnig in dem Schloß aber, als er auf - wachte, ſah drei Rieſen da todt liegen; ging in die Schlafkammer der Prinzeſſin, weckte ſie auf und fragte, wer das wohl geweſen, der die Rieſen ums Leben gebracht. Da ſagte ſie: lieber Va - ter, ich weiß es nicht, ich habe geſchlafen. Wie ſie nun aufſtand und ihre Pantoffel anziehen wollte, da war der rechte weg und wie ſie ihr Halstuch betrachtete, war es durchſchnitten und fehlte der rechte Schlippen, und wie ſie ihr Hemd anſah, war ein Stuͤckchen heraus. Der Koͤnig ließ den ganzen Hof zuſammen kommen, Solda -143 ten und alles was da war, und fragte, wer die Rieſen haͤtte ums Leben gebracht. Nun hatte er einen Hauptmann, der war einaͤugig und ein haͤß - licher Menſch, der ſagte, er haͤtte es gethan. Da ſprach der alte Koͤnig, ſo er das vollbracht, ſollte er die Prinzeſſin heirathen. Die Prinzeſſin aber ſagte: lieber Vater, dafuͤr, daß ich den heira - then ſoll, will ich lieber in die Welt gehen, ſoweit als mich meine Beine tragen. Da ſprach der Koͤnig, wenn ſie den nicht heirathen wollte, ſollte ſie die koͤniglichen Kleider ausziehen und Bauern - kleider anthun, und fortgehen; und ſie ſollte zu einem Toͤpfer gehen und ſich einen irden Geſchirr - Handel anfangen. Da thaͤt ſie ihre koͤniglichen Kleider aus und ging zu einem Toͤpfer und borgte ſich einen Kram irden Werk; verſprach ihm auch, wenn ſie’s am Abend verkauft haͤtte, es zu bezah - len. Nun ſagte der Koͤnig, ſie ſollte ſich an eine Ecke damit ſetzten und es verkaufen, dann beſtellte er etliche Bauernwagen, die ſollten mitten durch - fahren, daß alles in tauſend Stuͤcke ging. Wie nun die Prinzeſſin ihren Kram auf die Straße hingeſtellt hatte, kamen die Wagen und zerbra - chen ihn zu lauter Scherben; fing ſie an zu wei - nen und ſprach: ach Gott! wie will ich nun den Toͤpfer bezahlen. Der Koͤnig aber hatte ſie damit zwingen wollen, den Hauptmann zu heira - then, ſtatt deſſen ging ſie wieder zum Toͤpfer und fragte ihn, ob er ihr noch einmal borgen wollte. 144Er antwortete nein, ſie ſollte erſt das Vorige be - zahlen. Da ging ſie zu ihrem Vater und ſchreite und ſagte, ſie wollte in die Welt hineingehen. Da ſprach er, ſie ſollt hingehen in den Wald, da wollt er ihr ein Haͤuschen bauen, darin ſollt ſie ihr Lebtag ſitzen und fuͤr jedermann kochen; duͤrfte aber kein Geld nehmen. Alſo ließ er ihr ein Haͤuschen im Wald bauen, vor die Thuͤre ein Schild, darauf ſtand geſchrieben: heute umſonſt, morgen fuͤr Geld. Da ſaß ſie lange Zeit und ſprach es ſich in der Welt herum, da ſaͤß eine Jungfrau, die kochte umſonſt und das ſtaͤnd vor der Thuͤre an einem Schild. Das hoͤrte auch der Jaͤger und dachte: ei! das waͤr etwas fuͤr dich, du biſt doch arm und haſt kein Geld; nahm alſo ſeine Windbuͤchſe und ſeinen Ranzen, worin noch Alles ſteckte, was er damals im Schloß als Wahrzeichen hineingethan hatte, und ging in den Wald. Er fand auch das Haͤuschen mit dem Schild: heute umſonſt, morgen fuͤr Geld. Er hatte aber den Degen umhaͤngen, womit er den drei Rieſen den Kopf abgehauen hatte, trat ſo in das Haͤuschen hinein und ließ ſich etwas zu eſſen geben. Er freute ſich uͤber das ſchoͤne Maͤdchen, es war aber auch bildſchoͤn. Sie fragte ihn, wo er her kaͤm und hin wollte, da ſagte er: ich reiſe in der Welt herum. Da fragte ſie ihn, wo er den Degen her haͤtte, da ſtuͤnde ja ihres Vaters Name darauf! Fragte er, ob ſie des Koͤ -nigs145nigs Tochter waͤre? ja ſagte ſie. Mit die - ſem Saͤbel, ſprach er, hab ich drei Rieſen den Kopf abgehauen und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch und das Stuͤck vom Hemd. Da war ſie voller Freude und ſagte, er war derjenige, der ſie erloͤſt haͤtte. Darauf gingen ſie zuſammen zum alten Koͤnig, und die Prinzeſſin fuͤhrte ihn in ihre Kammer und ſagte ihm, der Jaͤger ſey der rechte, der ſie erloͤſt haͤtte von den Rieſen. Und wie der alte Koͤnig die Wahrzeichen alle ſah, da konnt er nicht mehr zweifeln und ſagte, das waͤr ihm lieb, und er ſollte ſie nun auch zur Gemahlin haben; dar - uͤber war die Prinzeſſin von Herzen froh. Dar - auf kleideten ſie ihn, als wenn er ein fremder Herr waͤre, und der Koͤnig ließ ein Gaſtmahl an - ſtellen. Als ſie nun zu Tiſch gingen, kam der Hauptmann auf die linke Seite der Prinzeſſin, der Jaͤger aber auf die rechte, und der Haupt - mann meinte, das ſey ein fremder Herr und waͤr zum Beſuch gekommen. Wie ſie gegeſſen und getrunken hatten, ſprach der alte Koͤnig zum Hauptmann, er wollt ihm etwas aufgeben, das ſollt er errathen: wenn einer ſpraͤch, er haͤtte drei Rieſen um’s Leben gebracht und er gefragt wuͤrde, wo die Zungen der Rieſen waͤren, und er muͤßt zuſehen, und waͤren keine in ihren Koͤpfen, wie das zuginge? Da ſagte der Hauptmann:Kindermährchen II. K146 ſie werden keine gehabt haben. Ei! ſagte der Koͤnig, jed Gethier hat eine Zunge, und fragte weiter, was der werth waͤre, daß ihm wi - derfuͤhre? Da ſprach der Hauptmann: der ge - hoͤrt in Stuͤcken zerriſſen zu werden. Da ſagte der Koͤnig, er haͤtte ſich ſelber ſein Urtheil geſpro - chen, und ward der Hauptmann gefaͤnglich geſetzt und dann in vier Stuͤcke zerriſſen, die Prin - zeſſin aber mit dem Jaͤger vermaͤhlt, der holte ſeinen Vater und ſeine Mutter und die lebten in Freude bei ihrem Sohn, und nach des alten Koͤ - nigs Tod bekam er das Reich.

26. Der Dreſchflegel vom Himmel.

Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochſen zum Pfluͤgen aus, als er auf’s Land kam, da fingen den beiden Thieren die Hoͤrner an zu wachſen, wuchſen fort und als er nach Haus will, ſind ſie ſo groß, daß er nicht mit zum Thor hinein kann. Zu gutem Gluͤck kam gerade ein Metzger daher, dem uͤberließ er ſie, und ſchloſſen ſie den Handel dergeſtalt, daß er ſollte dem Metzger ein Maas Ruͤbſamen bringen, der wollt ihm dann fuͤr jedes Korn einen brabanter Thaler aufzaͤhlen: das heiß ich mir gut verkauft! Der Bauer ging nun hin und trug das Maas Ruͤbſamen, unter -147 wegs verlor er aber aus dem Sack ein Koͤrnchen. Der Metzger bezahlt ihn nun nach dem Handel richtig aus. Wie der Bauer wieder des Wegs zu - ruͤck kam, war aus dem Korn ein Baum gewach - ſen, der reichte bis an den Himmel. Ei, dachte der Bauer, weil die Gelegenheit da iſt, mußt du doch ſehen, was die Engel da droben machen und ihnen einmal unter die Augen gucken. Alſo ſtieg er hinauf und ſah, daß die Engel oben Haber droſchen und ſchaute das mit an; wie er ſo ſchaute, merkte er, daß der Baum, worauf er ſtand, an - fing zu wackeln und guckte hinunter da wollt ihn eben einer umhauen. Wenn du da herab ſtuͤrzeſt, das waͤr ein boͤſes Ding, dachte er, und in der Noth wußt er ſich nicht beſſer zu helfen, als daß er die Spreu vom Haber nahm, die haufenweis da lag und daraus einen Strick drehte, auch griff er nach einer Hacke und einem Dreſchflegel, die da herum im Himmel lagen und ließ ſich an dem Seil herunter. Er kam aber unten auf der Erde gerade in ein tiefes, tiefes Loch, und da war es ein rechtes Gluͤck, daß er die Hacke hatte, denn die nahm er und hackte ſich eine Treppe und brachte den Dreſchflegel zum Wahrzeichen mit.

27. De beiden Kuͤnnigeskinner.

Et was mol en Kuͤnig weſt, de hatte en klei - nen Jungen kregen, in den ſin Teiken (Zeichen) K 2148hadde ſtahn, he ſull von einen Hirſch uͤmmebracht weren, wenn he ſeſtein Johr alt waͤre. Aſe he nu ſo wit anewaſſen was, do gingen de Jaͤgers mol mit uͤnne up de Jagd. In den holte, da kuͤmmt de Kuͤnigsſohn bie de anneren denne, (von den andern weg) up ein mol ſuͤht he da ein grooten Hirſch, den wull he ſcheiten, he kunn en awerſt nig dreppen; up’t leſt is de Hirſch ſo lange fuͤr uͤnne herut laupen, bis gans ut den holte; da ſteiht da up einmol ſo ein grot lank Mann ſtad des Hirſches, de ſegd: nu dat is gut, dat ik dik hewe, ſchon 6 paar gleſerne Schlitſchau hinner die caput jaget, un hewe dik nig kriegen koͤnnt. Da nuͤmmet he uͤn mit ſik un ſchlippet em dur ein grot Water bis fuͤr en grot Kuͤnigsſchlott, da mut he mit an’n Diſk un eten wat. Aſe ſe toſammen wat geeten het, ſegd de Kuͤnig: ik hewe drei Doͤchter, bie der oͤleſten mußt du en Nacht wa - ken, von des Obends niegen Uhr bis Morgen ſeſſe, un ik kumme jedesmol, wenn de Klocke ſchlaͤtt ſuͤlwens un rope. Un wenne mie dan immer Antwort givſt, ſo ſalſt du ſe tor Fruen hewen. Aſe do die jungen Lude up de Schlop - kammer kaͤmen, da ſtahnd der en ſteinern Chri - ſtoffel, da ſegd de Kuͤnigsdochter to emme: um niegen Uhr kummet min Teite (Vater), alle Stun - ne bis et dreie ſchlaͤtt, wenn he froget, ſo giwet gi em Antwort ſtatt des Kuͤnigſohns, da nickede de ſteinerne Chriſtoffel mit den Koppe gans ſchwin -149 ne und dann juͤmmer langſamer, bis he to leſte wier ſtille ſtand. Den anneren Morgen, da ſegd de Kuͤnig to emme: du heſt dine Sacken gut macket, awerſt mine Tochter kann ik nig hergie - wen, du moͤſteſt dann tin Nachte bie de tweiten wacken, dann will ik mie mal drup bedenken, ob du mine oͤlleſte Dochter tor Frugge hewen kannſt; awerſt ik kumme olle Stunne ſuͤlwenſt, un wenn ik die rope, ſo antworte mie, un wenn ik die rope un du antworteſt nig, ſo ſoll fleiten din Blaud fuͤr mie. Un da gengen de beiden up de Schlop - kammer, da ſtahnd da noch en groͤteren ſteineren Chriſtoffel, dato ſeg de Kuͤnigsdochter: wenn min Teite froͤgt, ſo antworte du, da nickede de grote ſteinerne Chriſtoffel wier mit den Koppe. Un de Kuͤnigsſohn legte ſik up den Doͤrſuͤll (Thuͤrſchwel - le), legte de Hand unner den Kopp un ſchlaͤpt inne. Den anneren Morgen ſeh de Kuͤnig to uͤnne: du haſt dine Sacken twaren gut macket, awerſt mine Dochter kann ik nig hergiewen, du moͤſteſt ſuͤs bie der jungeſten Kuͤnigsdochter en Nacht wacken, dann will ik mie bedenken, ob du mine tweide Dochter tor Frugge hewen kannſt; awerſt ik kum - me alle Stunne ſuͤlwenſt, un wenn ik rope, ſo ant - worte mie, un wenn ik die rope un du antworteſt nig, ſo ſoll fleiten dein Blaud fuͤr mie. Da gingen ſe vier tohope (zuſammen) up ehre Schlop - kammer, da was da noch en viel groͤtern un viel laͤngern Chriſtoffel, aſe bie de twei erſten; dato150 ſegde de Kuͤnigsdochter: wenn min Teite roͤppet, ſo antworte du, da nickede de grote lange ſtei - nerne Chriſtoffel wohl ene halwe Stunne mit den Koppe, bis de Kopp toleſt wier ſtille ſtahnd. Un de Kuͤnigsſohn legte ſik up de Doͤrſuͤl und ſchlaͤp inne. Den annern Morgen da ſegd de Kuͤnig: du haſt twaren gut wacket, awerſt ik kann die noch mine Dochter nig giewen, ik hewe ſo en gro - ten Wald, wenn du mie den von huͤte Morgen ſeße bis tin Morgen afhoggeſt, ſo will ik mie drup bedenken. Da dehe he uͤnne en gleſerne Axt, en glaͤſernen Kiel un en gleſerne Holt-Hacke midde. Wie he in dat Holt kummen is, da hoggete ſe einmal to, da was de Axt entwei, da nam he den Kiel un ſchlett einmal mit de Holt-Hacke daruppe, da is et ſo kurt un ſo klein aſe Grutt (Sand). Da was he ſo bedroͤwet un gloͤvte, nu moͤſte he ſterwen, un he geit ſitten un grient (weinte). Aſſet nu Middag is, da ſegd de Kuͤnig: eine von juck Maͤken mott uͤnne wat to etten bringen. Nee, ſegged de beiden oͤlleſten, wie willt uͤn nicks brin - gen, wo he dat leſte bie wacket het, de kann uͤn auck wat bringen. Da mutt de jungeſten weg un bringen uͤnne wat to etten. Aſe in den Walle kummet, da fraͤgt ſe uͤn, wie et uͤnne ginge? O, ſehe he, et ginge uͤn gans ſchlechte. Do ſehe ſe, he ſull herkummen und etten erſt en bitken: nee, ſeh he, dat kuͤnne he nig, he moͤſte jo doch ſter - wen, etten wull he nig mehr. Do gav ſe uͤnne151 ſo viel gute Woore, he moͤchte et doch verſoͤken: do kuͤmmt he un ett wat. Aſe he wat getten het - ten her, do ſehe ſe: ich will die eeſt en bitken luſen, dann werſt du annerſt to Sinnen. Do ſe uͤn luſet, do wett he ſo moͤhe un ſchloͤppet in, un do nummet ſe ehren Doock un binnet en Knupp do in un ſchlaͤtt uͤn drei mol up de Eere un ſegd: Arweggers herut! Do wuͤren glick ſo viele Eerdmaͤnneken herfurkummen un hadden froget, wat de Kuͤnigsdochter befelde. Do ſeh ſe: in Tied von drei Stunnen mutt de groote Wall afhoggen un olle dat Holt in Hoͤpen ſettet ſien. Do gingen de Eerdmaͤnnekens herum un boen ehre ganſe Verwanſchap up, dat ſe ehnen an de Arweit helpen ſullen. Do fingen ſe glick an un aſe de drei Stunne uͤmme wuͤren, do is alles to enne weſt; un do keimen ſe wier to der Kuͤnigsdochter un ſehen’t ehr. Do nuͤmmet ſe wier ehren witten Doock un ſegd: Arweggers nah Hus! Do ſiet ſe olle wier weege weſt. Do de Kuͤnigsſuhn upwacket, do wett he ſo frau, do ſegd ſe: wenn et nu ſeſſe ſchloen het, ſo kumme nach Hus! Dat het he auk bevolget un do fraͤgt de Kuͤnig: heſt du den wall aawe? Ja ſegd de Kuͤnigs - ſuhn. Aſe ſe do an en Diſke ſittet, do ſeh de Kuͤnig: ik kann die nau mine Dochter nie tor Frugge giewen, he moͤſte eeſt nau wat umme ſe dohen. Do fraͤgt he, wat dat den ſien ſulle? Ik hewe ſo en grot Dieck, ſeh de Kuͤnig, do152 moſt du den annern Morgen hoͤnne, un moſt en utſchloen, dat he ſo blank is, aſe en Spegel, un et muͤttet von ollerhand Fiſke dorinne ſien. Den anneren Morgen do gav uͤnne de Kuͤnig ene gle - ſerne Schute (Schuͤppe) un ſegd: umme ſeſſ Uher mot de Dieck ferig ſien. Do geit he weg, aſe he do bie den Dieck kummet, do ſtecket he mit de Schute in de Muhe (Moor, Sumpf), do brack ſe af; do ſtecket he mit de Hacken in de Muhe un et was wier caput. Do wert he gans bedroͤ - wet. Den Middag brachte de jungeſte Dochter uͤnne wat to etten, do fraͤgt ſe, wo et uͤnne ginge? Do ſeh de Kuͤnigsſuhn, et ginge uͤnne gans ſchlechte, he ſull ſienen Kopp wohl mißen mutten: dat Geſchirr is mie wier klein gohen. O, ſeh ſe, he ſull kummen un etten eeſt wat, dann weſt du anneren Sinnes. Nee, ſegde he, etten kunn he nig, he wer gar to bedroͤwet, do givt ſe unne viel gudde Woore, bis he kummet un ett wat. Do luſet ſe uͤnn wier, un he ſchloppet in, ſe nuͤmmet von niggen en Doock, ſchlett en Knupp do inne, un kloppet mit den Knuppe dreimol up de Eere un ſegd: Arweggers herut! da kummt glick ſo viele Erdmaͤnnekes un froget olle, wat ehr Begeren waͤr? In Tied von trei Stunne mo - ſten ſe den Diek gans utſchloen hewen un he moͤſte ſo blank ſien, dat man ſik inne ſpeigelen kuͤnne, un von ollerhand Fiſke moſten dorinne ſien. Do gingen de Erdmaͤnnekes huͤnn un boen ehre Ver -153 wanſchap up, dat ſe uͤnnen helpen ſullen; un et is auck in twei Stunnen ferrig weſt. Do kummet ſe wier un ſehget: wie haͤt dohen, ſo us befolen is. Do nuͤmmet de Kuͤnigsdochter den Doock un ſchlett wier dremol up de Eere un ſegd: Arweg - gers to Hues! do ſiet ſe olle wier weg. Aſe do de Kuͤnigsſuhn upwecket, do is de Dieck ferrig. Do geit de Kuͤnigsdochter auck weg un ſegd, wenn et ſeſſe waͤr, dan ſull he nach Hus kummen; aſe he do nah Hues kummet, do fraͤgt de Kuͤnig: hes du den Dieck ferrig? Jo, ſeh de Kuͤnigsſuhn. Dat wer ſchoͤne. Do ſe do wier to Diſke ſei - ten, do ſeh de Kuͤnig: du haſt den Dieck twaren ferrig, awerſt ik kann die mine Dochter noch nie giewen, du moſt eerſt nau eins dohen. Wat is dat den? froͤgte de Kuͤnigsſuhn. He hedde ſo en grot Berg, do wuͤren luter Dorenbuſke anne, de moſten olle afhoggen weren, un bowen up moſte he en grot Schlott buggen, dat moſte ſo wacker ſien; aſe’t nu en Menſke denken kunne, un olle Ingedoͤmſe, de in den Schlott gehorden, de moͤ - ſten der olle inne ſien. Do he nu den annern Morgen up ſteit, do gav uͤnne de Kuͤnig en gleſe - ren Exen un en gleſeren Boren mie, et mott awerſt um ſeſſ Uhr ferrig ſien. Do he an den eer - ſten Dorenbuſke mit de Exe an hogget, do ging ſe ſo kurt un ſo klein, dat de Stuͤcker rund um uͤnne herfloen un de Boren kunn he auck nig brucken. Do war he gans bedroͤwet un toffte (wartete) up154 ſine Leiweſte, op de nie keime un uͤnn ut der Naud huͤlpe. Aſe’t do Middag is, do kummet ſe un brinet wat to etten, do geit he ehr in de Moͤte (entgegen) un vertellt ehr olles, un ett wat, un lett ſik von ehr luſen, un ſchloppet in. Do nuͤmmet ſe wier den Knupp un ſchlett domit up de Eere un ſegd: Arweggers herut! Do kummet wier ſo viel Eerdmaͤnnekes un froget, wat ehr Begeren wuͤr? Do ſeh ſe: in Tied von drei Stunnen muͤttet ju de ganſen Buſk afhoggen un bowen uppe den Berge, do mot en Schlott ſto - hen, dat mot ſo wacker ſien, aſe’t nu ener denken kann un olle Ingedoͤmſe muttet do inne ſien. Do ginge ſe huͤnne un boen ehre Verwanſchap up, dat ſe helpen ſullen un aſe de Tied umme was, do was alles ferrig. Do kuͤmmet ſe to der Kuͤnigs - dochter, un ſegget dat, un de Kuͤnigsdochter nuͤm - met den Doock und ſchlett dreimol domit up de Eere und ſegd: Arweggers to Hues! Do ſiet ſe glick olle wier weg weſt. Do nu de Kuͤnigs - ſuhn upwecket un olles ſoh, do was he ſo frau, aſe en Vugel in der Luft. Do et do ſeſſe ſchloen hadde, do gingen ſe tohaupe nah Hues. Do ſegd de Kuͤnig: is dat Schlott auck ferrig? Jo, ſeh de Kuͤnigsſuhn. Aſe do to Diſke ſittet, do ſegd de Kuͤnig: mine jungeſte Dochter kann ik nie gie - wen, befur de twei oͤlleſten frigget het. Do wor de Kunigsſuhn un de Kuͤnigsdochter gans bedroͤ - wet, un de Kuͤnigsſuhn wuſte ſik gar nig to ber -155 gen (helfen). Do kummet he mol bie Nachte to der Kuͤnigsdochter un loͤppet dermit furt. Aſe do en bitken wegſiet, do kicket de Dochter mol umme un ſicht ehren Vader hinner ſik: o, ſeh ſe, wo ſull wie dat macken? min Vader is hinner us, un will us ummeholen, ik will die grade to’n Doͤrenbuſk macken un mie tor Roſe un ik will mie uͤmmer midden in den Buſk waaren (ſchuͤtzen). Aſe do de Vader an de Stelle kummet, do ſteit do en Doͤrenbuſk un ene Roſe, do anne do will he de Roſe afbrecken, do kummet de Doͤren un ſtecket uͤn in de Finger, dat he wier nah Hues gehen mut. Do fraͤgt ſine Frugge, worumme he ſe nig hedde middebrocht? do ſeh he, he wuͤr der bald bie weſt, awerſt he hedde ſe uppen mol ut den Geſichte ver - lohren, un do hedde do en Doͤrenbuſk un ene Roſe ſtohen. Do ſeh de Kuͤnigin: heddeſt du ment (nur) de Roſe afbrocken, de Buſk hedde ſullen wohl kummen. Do geit he wier weg un will de Roſe herholen. Unnerdes waren awerſt de beiden ſchon wiet oͤwer Feld un de Kuͤnig loͤppet der hinner her. Do kiket ſik de Dochter wier umme un ſeiht ehren Vader kummen, do ſeh ſe: o, wo ſull wie et nu macken? ik will die grade tor Kerke macken un mie tom Paſtoer; do will ik up de Kanzel ſtohn un priedigen. Aſe do de Kuͤnig an de Stelle kummet, do ſteiht do ene Kerke un up de Kanzel is en Paſtoer un priediget, do hort he de Priedig to un geit wier nah Hues. Do fraͤgt de Kuͤni -156 ginne, worumme he ſe nig midde brocht hedde, do ſegd he: nee, ik hewe ſe ſo lange nachlaupen, und as ik glovte, ik wer der bold bie, do ſteit do en Kerke un up de Kanzel en Paſtoer, de prie - digte. Du heddeſt ſullen ment den Paſtoer brinen ſe de Fru, de Kerke hedde ſullen wohl kummen; dat ik die auck (wenn ich gleich dich), ſchicke dat kann nig mehr helpen, ik mut ſulwenſt huͤnne gehen. Aſe ſe do ene Wiele wege is, un de beiden von Feren ſuͤt, do kicket ſik de Kuͤnigs dochter umme un ſuͤht ehre Moder kummen un ſegd: nu ſie, wie ungluͤcksk! nu kuͤmmet miene Moder ſulwenſt, ik will die grade tom Dieck macken un mie tom Fiſk. Do de Moder up de Stelle kummet, do is do en grot Dieck un in de Midde ſprank en Fiſk herumme un kuckte mit den Kopp ut den Water un was gans luſtig. Do wull ſe geren den Fiſk krigen, awerſt ſe kunn uͤn gar nig fangen. Do wett ſe gans boͤſe un drinket den ganſen Dieck ut, dat ſe den Fiſk kriegen will, awerſt do wett ſe ſo uͤwel, dat ſe ſik ſpiggen mott un ſpigget den ganſen Dieck wier ut. Do ſeh ſe: ik ſehe do wohl, dat et olle nig mehr helpen kann; ſei mogten nu wier to[ehr] kummen. Do gohet ſe dann auck wier huͤnne, un de Kuͤniginne givt de Dochter drei Wallnuͤtte un ſegd: do kannſt du die mit helpen, wenn du in dine hoͤgſte Naud biſt. Un do gingen de jungen Lude wier tohaupe weg. Do ſe do wohl tein Stunne gohen157 hadden, do kummet ſe an dat Schlott, wovon de Kuͤnigsſuhn was, un dobie was en Dorp. Aſe ſe do anne keimen, do ſegd de Kuͤnigsſuhn: blief hie, mine Leiweſte, ik will eeſt up dat Schlott gohen un dann will ik mit den Wagen un Be - deinten kummen un will die afholen. Aſe he do up dat Schlott kummet, do wert ſe olle ſo frau, dat ſe den Kuͤnigsſuhn wier hett; do vertellt he, he hedde ene Brut un de wuͤr ietzt in den Dorpe, ſe wullen mit den Wagen hintrecken un ſe holen. Do ſpannt ſe auck glick an un viele Bedeinten ſetten ſik up den Wagen. Aſe do de Kuͤnigsſuhn inſtiegen wull, do gab uͤn ſine Moder en Kus, do hadde he alles vergeten, wat ſchehen was un auck wat he dohen will; do befal de Moder, ſe ſullen wier utſpannen un do gingen ſe olle wier in’t Hues. Dat Maͤken awerſt ſitt im Dorpe un luert un luert un meint, he ſull ſe afholen, et kummet awerſt keiner. Do vermaiet (vermiethet) ſik de Kuͤnigsdochter in de Muhle, de hoerde bie dat Schlott, do moſte ſe olle Nohmiddage bie den Water ſitten un Stunze ſchuͤren (Gefaͤße reini - gen). Do kummet de Kuͤniginne mol von den Schlotte gegohen un gohet an den Water ſpatzeiern un ſeihet dat wackere Maͤken do ſitten, do ſegd ſe: wat is dat fur en wacker Maͤken! wat gefoͤllt mie dat gut! Do kiket ſe et olle an, awerſt keen Menſke hadde et kand. Do geit wohl ene lange Tied vorhie, dat dat Maͤken eerlick un getrugge158 die den Muͤller deint. Unnerdes hadde de Kuͤni - ginne ene Frugge fur ehren Suhn ſocht, de is gans feren ut der Weld weſt. Aſe da de Brut ankuͤmmet, do ſoͤllt ſe glik tohaupe giewen weeren. Et laupet ſo viele Lude toſamen, de dat alle ſeihen willt, do ſegd dat Maͤken to den Muͤller, he moͤgte ehr doch auck Verloͤv giewen. Do ſeh de Muͤl - ler: goh menten huͤnne. Aſe’t do weg will, do macket et ene van den drei Wallnuͤtten up, do legt do ſo en wacker Kleid inne, dat trecket et an un gink domie in de Kerke gigen den Altor ſtohen; up enmol kummt de Brut un de Brume (Braͤu - tigam) un ſettet ſik fuͤr den Altor, un aſe de Pa - ſtor ſe da inſegnen wull, do kiket ſik de Brut van der halwe (ſeitwaͤrts), un ſuͤht et do ſtohen, do ſteit ſe wier up un ſegd, ſe wull ſik nie giewen loten, bis ſe auck ſo en wacker Kleid haͤdde, aſe de Dame. Da gingen ſe wier nah Hues un laͤten de Dame froen, ob ſe et dat Kleid wohl verkofte. Nee, verkaupen dam ſe nig, awerſt verdeinen, dat moͤgte wohl ſien. Do frogten ſe ehr, wat ſe denn dohen ſullen? Da ſegd ſe, wenn ſe van Nachte fur dat Dohr van den Kuͤnigsſuhn ſchlapen doffte, dann wull ſe et wohl dohen. Do ſeget ſe: jo, dat ſull ſe menten dohen. Do muttet de Be - deinten den Kuͤnigsſuhn en Schlopdrunk ingiewen un do legt ſe ſik up den Suͤll un gunſelt (winſelt) de heile Nacht: ſe haͤdde den Wall fur uͤn afhog - gen loten, ſe haͤdde den Dieck fur uͤn utſchloen,159 ſe haͤdde dat Schlott fur uͤn bugget, ſe haͤdde uͤnne to’n Doͤrenbuſk macket, dann wier tor Kerke un toleſt tom Dieck un he haͤdde ſe ſo geſchwinne vergeten. De Kuͤnigsſuhn hadde nicks davon hoͤrt, de Bedeinten awerſt wuren upwacket, un hadden toluſtert, un hadden nie wuſt, wat et ſull beduͤen. Den anneren Morgen, aſe ſe upſtohen wuͤren, do trock de Brut dat Kleid an un foͤrt mit den Brumen nah der Kerke; uͤnnerdes macket dat wackere Maͤken de tweide Wallnutt up, un do is nau en ſchoͤner Kleid inne, dat tuht et wier an un geit domie in de Kerke gigen den Altor ſto - hen, do geit et dann ewen, wie dat vuͤrge mol. Un dat Maͤken liegt wier en Nacht fur den Suͤll, de nah des Kuͤnigsſuhns Stobe geit un de Be - deinten ſuͤllt uͤn wier en Schlopdrunk ingiewen; de Bedeinten kummet awerſt un giewet uͤnne wat to wacken, domie legt he ſik to Bedde un de Muͤl - lersmaged fur den Doͤrſuͤll gunſelt wier ſo viel un ſegd, wat ſe dohen haͤdde. Dat hoͤrt olle de Kuͤnigsſuhn un wett gans bedroͤwet un et foͤllt uͤnne olle wier bie, wat vergangen was, do will he nah ehr gohen, awerſt ſine Moder hadde de Doͤr toſchlotten. Den annern Morgen awerſt ging he glies to ſiner Leiweſten un vertellte ehr olles, wie et mit uͤnne togangen wer, un ſe moͤgte uͤnne doch nig beuſe ſin, dat he ſe ſo lange verget - ten haͤdde. Do macket de Kuͤnigsdochter de dridde Wallnutt up, do is nau en viel wacker Kleid inne,160 dat trecket ſe an un foͤrt mit ehren Brumen nah de Kerke, un do keimen ſo viele Kinner, de gei - wen uͤnne Blomen, un hellen uͤnne bunte Baͤn - ner fur de Foͤte, un ſe leiten ſik inſegenen un hel - len ene luſtige Hochtied; awerſt de falſke Moder un Brut moſten weg. Un we dat leſt vertellt het, den is de Mund noch waͤrm.

28. Vom klugen Schneiderlein.

Es war einmal eine Prinzeſſin gewaltig ſtolz; kam ein Freier, ſo gab ſie ihm etwas zu rathen auf, und wenn er’s nicht errathen konnte, ſo ward er mit Spott fortgeſchickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer’s erriethe, ſollte ſich mit ihr vermaͤh - len und moͤchte kommen, wer da wollte. Nun fanden ſich auch drei Schneider zuſammen, davon meinten die zwei aͤlteſten, ſie haͤtten ſo manchen feinen Stich gethan, und haͤtten’s getroffen, da koͤnnt’s ihnen nicht fehlen, ſie muͤßten’s wohl bei der Prinzeſſin auch treffen; der dritte aber war ein kleines unnuͤtzes Ding, das nicht einmal ſein Handwerk verſtand. Da ſprachen die zwei zu ihm: bleib nur zu Haus, du wirſt mit deinem Bis - chen Verſtand auch nicht weit kommen; das Schneiderlein ließ ſich aber nicht irr machen und ſagte, es haͤtte einmal ſeinen Kopf darauf geſetztund161und wollte ſich ſchon helfen, und ging dahin, als waͤr die ganze Welt ſein.

Da meldeten ſie ſich alle drei bei der Prinzeſ - ſin und ſagten, ſie ſollte ihnen ihr Raͤthſel vorle - gen; es waͤren die rechten Leute angekommen, die haͤtten einen feinen Verſtand, den koͤnnte man wohl in eine Nadel faͤdeln. Da ſprach die Prinzeſſin: ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was fuͤr Farben iſt das? Wenn’s weiter nichts iſt, ſagte der erſte, es wird ſchwarz und weiß ſeyn, wie Kuͤmmel und Salz. Die Prinzeſſin ſprach: falſch gerathen, antworte der zweite. Da ſagte der zweite: iſt’s nicht ſchwarz und weiß, ſo iſt’s braun und roth, wie meines Vaters Bratenrock. Falſch gerathen, ſagte die Prinzeſſin, antworte der dritte, dem ſeh ich’s an, der weiß es ſicherlich. Da trat das Schneiderlein hervor und ſprach: die Prinzeſſin hat ein ſilbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf und das ſind die zweierlei Farben. Wie die Prinzeß das hoͤrte, ward ſie blaß und waͤre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und ſie hatte geglaubt, das wuͤrde kein Menſch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder - kam, ſprach ſie: damit haſt du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun, unten im Stall liegt ein Baͤr, bei dem ſollſt du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufſtehe und du biſt noch lebendig, ſo ſollſt du mich heirathen. Kindermährchen II. L162Sie dachte aber, damit wollte ſie das Schneider - lein los werden, denn der Baͤr hatte noch keinen Menſchen lebendig gelaſſen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ſprach vergnuͤgt: das will ich auch noch vollbringen.

Als nun der Abend kam, ward mein Schnei - derlein hinunter zum Baͤren gebracht; der Baͤr wollt auch gleich auf es los und ihm mit ſeiner Tatze einen guten Willkommen geben. Sachte, ſachte, ſprach das Schneiderlein, ich kann dich noch diſpen (zur Ruh bringen). Da holte es, als haͤtt es keine Sorgen, Welſche-Nuͤſſe aus der Taſche, biß ſie auf und die Kerne; wie der Baͤr das ſah, kriegte er Luſt und wollte auch Nuͤſſe haben. Das Schneiderlein griff in die Taſche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤſſe, ſon - dern Wackerſteine. Der Baͤr ſteckte ſie ins Maul, er konnt aber nichts aufbeißen, er mogte druͤcken wie er wollte. Ei, dachte er, was biſt du fuͤr ein dummer Klotz, du kannſt nicht einmal die Nuͤſſe aufbeißen und ſprach zum Schneiderlein: mein, beiß mir die Nuͤſſe auf. Da ſiehſt du was du fuͤr ein Kerl biſt, ſprach das Schneider - lein, haſt ſo ein groß Maul und kannſt die kleine Nuß nicht aufbeißen. Da nahm es die Steine, war hurtig, ſteckte dafuͤr eine Nuß in den Mund und knack! war ſie entzwei. Ich muß das Ding noch einmal probiren, ſprach der Baͤr, wenn ich’s ſo anſehe, ich mein, ich muͤßt’s koͤnnen. Da163 gab ihm das Schneiderlein wieder die Wacker - ſteine und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein; Gott geb, er haͤtte ſie auf - gebracht! Wie das vorbei war, holte das Schnei - derlein eine Violine unter dem Rock hervor und ſpielte ſich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnt er es nicht laſſen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding ſo wohl, daß er zum Schnei - derlein ſprach: hoͤr, iſt das Geigen ſchwer? Ei gar nicht, ſiehſt du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten ſtreich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts luſtig, hopſaſa vivallalera! Willſt du mich’s lehren? ſprach der Baͤr, ſo geigen, das moͤgt ich auch verſtehen, damit ich tanzen koͤnnte, wann ich Luſt haͤtte. Von Herzen gern, ſagte das Schneiderlein, wenn du’s lernen willſt, aber weis einmal deine Tatzen her, die ſind gewaltig lang, ich muß dir erſt die Naͤgel ein wenig abſchneiden. Da holte es ei - nen Schraubſtock und der Baͤr legte ſeine Tatzen drauf, das Schneiderlein aber ſchraubte ſie feſt und ſprach: nun warte bis ich wiederkomme mit der Scheere; ließ den Baͤr brummen, ſoviel er wollte, legte ſich in die Ecke auf ein Bund Stroh und ſchlief ein.

Die Prinzeſſin, als ſie am Abend den Baͤren ſo gewaltig brummen hoͤrte, glaubte nicht anders, als der freute ſich recht und mit dem SchneiderL 2164waͤr’s jetzt vorbei. Am Morgen ſtand ſie auch recht vergnuͤgt auf, wie ſie aber nach dem Stall guckt, ſo ſteht das Schneiderlein ganz mun - ter davor und iſt geſund wie ein Fiſch im Waſſer. Da konnte ſie nun kein Wort mehr dagegen ſagen, weil ſie’s oͤffentlich verſprochen hatte und der Koͤ - nig ließ einen Wagen kommen, darin mußte ſie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren und ſollte ſie da vermaͤhlt werden. Wie ſie nun ein - geſtiegen waren, gingen die beiden andern Schnei - der, die falſch waren und ihm ſein Gluͤck nicht goͤnnten, in den Stall und ſchraubten den Baͤren los, der war nun voller Wuth und rennte hinter dem Wagen her. Die Prinzeſſin aber hoͤrte ihn ſchnauben, da ward ihr Angſt und ſie ſagte: ach! der Baͤr iſt hinter uns und will dich holen. Das Schneiderlein war bei der Hand, ſtellte ſich auf den Kopf, ſtreckte die Beine zum Fenſter hinaus und rief: ſiehſt du den Schraubſtock; wann du nicht gehſt, ſo ſollſt du wieder hinein. Wie der Baͤr das ſah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche und die Prinzeſſin ward ihm an die Hand getraut und lebte mit ihr vergnuͤgt wie eine Heidlerche. Wers nicht glaubt, bezahlt einen Thaler.

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29. Die klare Sonne bringt’s an den Tag.

Ein Schneidergeſell reiſte in der Welt auf ſein Handwerk herum; nun konnt er einmal keine Arbeit finden und war die Armuth bei ihm ſo groß, daß er keinen Heller Zehrgeld hatte. In der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Jude und da dachte er, der haͤtte viel Geld bei ſich und ſtieß Gott aus ſeinem Herzen, ging auf ihn los und ſprach: gib mir dein Geld oder ich ſchlag dich todt! Da ſagte der Jude: ſchenkt mir doch das Leben, Geld hab ich keins und nicht mehr als acht Heller. Der Schneider aber ſprach: du haſt doch Geld und das ſoll auch her - aus! brauchte Gewalt und ſchlug ihn ſo lange, bis er nah am Tod war. Und wie der Jude nun ſterben wollte, ſprach er das letzte Wort: die klare Sonne wird es an den Tag bringen! und ſtarb damit. Der Schneidergeſell griff ihm in die Taſchen und ſuchte nach Geld, aber er fand nicht mehr als die acht Heller, wie der Jude ge - ſagt hatte. Da packte er auf, trug ihn hinter einen Buſch und zog weiter auf ſeine Profeſſion. Wie er nun lange Zeit gereiſt war, kam er in eine Stadt bei einen Meiſter in Arbeit, der hatte eine ſchoͤne Tochter, in die verliebte er ſich und heira - thete ſie und lebte in einer guten, vergnuͤgten Ehe.

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Ueberlang, als ſie ſchon zwei Kinder hatten, ſtarben Schwiegervater und Schwiegermutter und die Jungen hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tiſch vor dem Fenſter ſaß, brachte ihm die Frau den Kaffee und als er ihn in die Unterſchale ausgegoſſen hatte und eben trinken wollte, da ſchien die Sonne darauf und blinkte oben an der Wand ſo hin und her und machte Kringel daran. Da ſah der Schneider hinauf und ſprach: ja, die will’s gern an den Tag bringen und kann’s nicht! Die Frau ſprach: ei! lieber Mann, was iſt denn das? was meinſt du damit? Er antwortete: das darf ich dir nicht ſagen. Sie aber ſprach: wenn du mich lieb haſt, mußt du mir’s ſagen und gab ihm die allerbeſten Worte, es ſollt’s kein Menſch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzaͤhlte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderſchaft ganz abgeriſſen und ohne Geld geweſen, habe er einen Juden erſchlagen und der Jude habe in der letzten Todesangſt die Worte geſprochen: die klare Sonne wird’s an den Tag bringen. Nun haͤtt’s die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen und haͤtt an der Wand geblinket und Kringel gemacht, ſie haͤtt’s aber nicht gekonnt. Darnach bat er ſie noch beſonders, ſie duͤrfte es niemand ſagen, ſonſt kaͤm er um ſein Leben, das verſprach ſie auch; als er aber zur Arbeit ſich geſetzt hatte, ging ſie zu ihrer Ge -167 vatterin und erzaͤhlte es der, wenn ſie’s keinem Menſchen wiederſagen wollte; eh aber drei Tage vergingen, wußt es die ganze Stadt und der Schneider kam vor das Gericht und er ward ge - richtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag.

30. Das blaue Licht.

Es war einmal ein Koͤnig, der hatte einen Soldaten zum Diener, wie der ganz alt wurde und unbrauchbar, ſchickte er ihn fort und gab ihm nichts. Da wußte er nicht, womit er ſein Leben friſten ſollte, ging traurig fort den langen Tag und kam Abends in einen Wald. Wie er ein Weilchen gegangen war, ſah er ein Licht, dem naͤherte er ſich und kam zu einem kleinen Haus, darin wohnte eine alte Hexe. Er bat um ein Nachtlager und ein wenig Eſſen und Trinken, ſie ſchlug’s ihm aber ab, endlich ſagte ſie: ich will dich doch aus Barmherzigkeit aufnehmen, du mußt mir aber morgen meinen ganzen Garten umgraben. Der Soldat verſprach’s und ward alſo beherbergt. Am andern Tag hackte er der Hexe den Garten um und hatte damit Arbeit bis zum Abend, nun wollte ſie ihn wegſchicken, er ſprach aber: ich bin ſo muͤd, laß mich noch die168 Nacht hier bleiben. Sie wollte nicht, endlich gab ſie’s zu, doch ſollt er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein ſpalten. Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz und hatte ſich Abends ſo abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte, alſo bat er um die dritte Nacht; dafuͤr ſollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem Brunnen holen. Da fuͤhrte ihn die Hexe an einen Brunnen und band ihn an ein lang Seil, daran ließ ſie ihn hinab; und als er unten war, fand er das blaue Licht und machte das Zeichen, daß ſie ihn wieder hinaufziehen ſollte. Sie zog ihn auch in die Hoͤhe, wie er aber am Rand war, ſo nah, daß man ſich die Haͤnde reichen konnte, wollte ſie das Licht haben, um ihn dann wieder hinunter fallen zu laſſen. Aber er merkte ihre boͤſen Gedanken und ſagte: nein, ehe geb ich das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fuͤ - ßen auf dem Erdboden ſtehe. Da erboßte die Hexe und ſtieß ihn mit ſammt dem Licht hinunter in den Brunnen und ging fort. Der Soldat unten in dem dunkeln, feuchten Moraſt war traurig, denn ihm ſtand ſein Ende bevor, da fiel ihm ſeine Pfeife in die Hand, die war noch halb voll, und er dachte: die willſt du zum letzten Ver - gnuͤgen doch noch ausrauchen. Alſo ſteckte er ſie an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen; als der Dampf ein wenig herumzog, ſo kam ein klein ſchwarz Maͤnnlein daher und fragte: Herr,169 was befiehlſt du mir? ich muß dir in allem die - nen. Hilf mir vor allen Dingen aus dem Brunnen. Da faßte ihn das ſchwarze Maͤnn - chen bei der Hand und fuͤhrte ihn herauf und das blaue Licht nahmen ſie mit. Als ſie oben waren, ſagte der Soldat: nun ſchlag mir die alte Hexe todt. Als das Maͤnnchen das gethan, offen - barte es ihm die Schaͤtze und das Gold der Hexe, das lud der Soldat auf und nahm es mit ſich. Dann ſprach das Maͤnnchen: wenn du mich brauchſt, ſo zuͤnde nur deine Pfeife an dem blauen Licht an. Darauf ging der Soldat in die Stadt und in den beſten Gaſthof, da ließ er ſich ſchoͤne Kleider machen und ein Zimmer praͤchtig einrich - ten. Wie das fertig war, rief er ſein Maͤnnchen und ſprach: der Koͤnig hat mich fortgeſchickt und mich hungern laſſen, weil ich ſeine Dienſte nicht mehr thun konnte, nun bring mir die Koͤnigs - tochter heut Abend hierher, die ſoll mir aufwar - ten und thun, was ich ihr heiße. Das Maͤnn - chen ſprach: das iſt ein gefaͤhrlich Ding. Doch ging es hin und holte die Koͤnigstochter ſchlafend aus ihrem Bett und brachte ſie dem Soldaten, dem mußte ſie nun gehorchen und thun, was er wollte; am Morgen vor Hahnenſchrei trug ſie das ſchwarze Maͤnnchen wieder zuruͤck. Als ſie auf - geſtanden war, erzaͤhlte ſie ihrem Vater: ich habe dieſe Nacht einen wunderlichen Traum ge - habt, als waͤr ich weggeholt worden und die170 Magd von einem Soldaten und mußte ihm auf - warten. Da ſprach der Koͤnig: ſteck dir die Taſche voll Erbſen und mach ein Loch hinein, der Traum koͤnnte wahr ſeyn, dann fallen ſie heraus und laſſen die Spur auf der Straße. Alſo that ſie auch, aber das Maͤnnchen hatte gehoͤrt, was der Koͤnig ihr angerathen; wie nun der Abend kam und der Soldat ſagte, er ſollte ihm wieder die Koͤnigstochter holen, da ſtreute er die ganze Stadt vorher voll Erbſen und konnten die wenigen, die aus ihrer Taſche fielen, keine Spur machen und am andern Morgen hatten die Leute den ganzen Tag Erbſen zu leſen. Die Koͤnigs - tochter erzaͤhlte ihrem Vater wieder, was ihr be - gegnet war, da ſprach er: behalt einen Schuh an, und verſtecke ihn heimlich, wo du biſt. Das ſchwarze Maͤnnchen hoͤrte das mit an, und wie der Soldat wiederum die Koͤnigstochter wollte hergebracht haben, ſagte es zu ihm: jetzt kann ich dir nicht mehr helfen, du wirſt ungluͤcklich, wenn’s heraus kommt. Der Soldat aber be - ſtand auf ſeinem Willen; ſo mach dich nur gleich fruͤhmorgens aus dem Thor hinaus, ſagte das Maͤnnchen, wenn ich ſie fort getragen habe.

Die Koͤnigstochter behielt nun einen Schuh an und verſteckte ihn bei dem Soldaten ins Bett; am andern Morgen, wie ſie wieder bei ihrem Vater war, ließ der uͤberall in der Stadt darnach ſuchen und da ward er dann bei dem Soldaten gefunden. 171Er hatte ſich zwar aus dem Staube gemacht, wurde aber bald eingeholt und in ein feſtes Gefaͤngniß geworfen. Da ſaß er nun in Ketten und Ban - den und uͤber der eiligen Flucht war ſein Beſtes ſtehn geblieben, das blaue Licht und das Gold und ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er nun ſo traurig an dem Fenſter ſeines Gefaͤngniſſes ſtand, ſah er einen Cammeraden vorbeigehen, den rief er an und ſprach; wenn du mir das kleine Buͤndelchen holſt, das ich im Gaſthauſe habe lie - gen laſſen, geb ich dir einen Dukaten; da ging der hin und brachte ihm fuͤr den Dukaten das blaue Licht und das Gold. Der Gefangene ſteckte alsbald ſeine Pfeife an und ließ das ſchwarze Maͤnnchen kommen, das ſprach zu ihm: ſey ohne Furcht, geh getroſt zum Gericht und laß alles geſchehen, nur nimm das blaue Licht mit. Dar - auf ward er verhoͤrt und ihm das Urtheil geſpro - chen, daß er ſollte an den Galgen gehaͤngt wer - den. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde bat er den Koͤnig um eine Gnade. Was fuͤr eine? ſprach der. Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg rauchen darf. Du kannſt drei rauchen, wenn du willſt, ſagte der Koͤnig. Da zog er ſeine Pfeife heraus und zuͤndete ſie an dem blauen Flaͤmmchen an, alsbald trat das ſchwarze Maͤnn - chen vor ihn; ſchlag mir da alles todt, ſprach der Soldat, und den Koͤnig in drei Stuͤcke. Alſo fing das Maͤnnchen an und ſchlug die Leute rings172 herum todt, da legte ſich der Koͤnig auf Gnade - bitten und um nur ſein Leben zu erhalten, gab er dem Soldaten das Reich und ſeine Tochter zur Frau.

31. Von einem eigenſinnigen Kinde.

Es war einmal ein Kind eigen ſinnig und that nicht was ſeine Mutter haben wollte. Da hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und es ward krank, und kein Arzt konnt ihm helfen und bald lag es auf dem Todtenbettchen. Als es ins Grab verſenkt war, und Erde daruͤber gedeckt, kam auf einmal ſein Aermchen wieder hervor und reichte in die Hoͤhe, und wenn ſie es hineinlegten und friſche Erde daruͤber legten, ſo half das nicht, es kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter ſelber zum Grab gehen und mit der Ruthe auf das Aermchen ſchlagen, und wie ſie das gethan hatte, zog es ſich hinein und hatte nun erſt Ruh unter der Erde.

32. Die drei Feldſcherer.

Drei Feldſcherer reiſten in der Welt, meinten ihre Kunſt ausgelernt zu haben und kamen in ein173 Wirthshaus, wo ſie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte, wo ſie her waͤren und hinaus woll - ten? Sie zoͤgen auf ihre Kunſt in der Welt herum. Ei, ſprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt. Sprach der erſte, er wollte ſeine Hand abſchneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite ſprach: er wollte ſein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte ſprach, er wollte ſeine Augen ausſtechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was ſie damit beſtrichen, das heilte zuſammen, und das Flaͤſchchen, wo ſie drin war, trugen ſie beſtaͤndig bei ſich. Da ſchnitten ſie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie ſie ge - ſagt hatten, legten’s zuſammen auf einen Teller und gaben’s dem Wirth, der Wirth gab’s einem Maͤdchen, das ſollt’s in den Schrank ſtellen und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldſcherer und alle Leute im Haus ſchliefen, kam der und wollte was zu eſſen haben. Da ſchloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die Schrankthuͤre zuzumachen, ſetzte ſich zum Liebſten an Tiſch, und ſie ſprachen mit einander. Wie es ſo vergnuͤgt ſaß und an kein Ungluͤck dachte, kam die[K]atze hereingeſchlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen der drei Feldſcherer und174 und lief mit hinaus. Als nun der Soldat gegeſ - ſen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuſchließen wollte, da ſah ſie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzu - heben gegeben hatte, ledig war. Da ſagte es er - ſchrocken zu ſeinem Schatz: ach! was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand iſt fort, das Herz und die Augen ſind auch fort, wie wird mir’s morgen fruͤh ergehen! Da ſprach er: ſey ſtill, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein ſcharfes Meſſer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abſchneiden, welche Hand war’s denn? Die rechte. Da gab ihm das Maͤdchen ein ſcharf Meſſer und er ging hin, ſchnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte ſie. Darauf packte er die Katze und ſtach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. Habt ihr nicht geſchlachtet und Schwei - nefleiſch im Keller? Ja, ſagte das Maͤdchen. Nun das iſt gut, ſagte der Soldat, ging hinun - ter und holte ein Schweineherz und gab’s dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller und ſtellte es in den Schrank, und als ihr Liebſter darauf Abſchied genommen hatte, legte es ſich ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldſcherer aufſtanden, ſag - ten ſie dem Maͤdchen, es ſollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erſte175 hielt ſich die Diebshand an, beſtrich ſie mit ſeiner Salbe, alsbald war ſie ihm angewachſen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte ſie ein; der dritte machte das Schweineherz feſt. Der Wirth aber ſtand dabei, bewunderte ihre Kunſt und ſagte, dergleichen haͤtte er noch nicht ge - ſehen, er wollt ſie bei Jedermann ruͤhmen und empfehlen. Darauf bezahlten ſie ihre Zeche und reiſten weiter.

Wie ſie ſo dahin gingen, ſo blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, ſondern wo eine Ecke war, lief er hin, ſchnuͤffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockſchlippen zuruͤckhalten, aber das half nichts, er riß ſich los und lief hin, wo der dickſte Dreck lag. Der zweite ſtellte ſich auch wunderlich an, rieb die Augen und ſagte zu dem andern: Cammerad, was iſt das? das ſind meine Augen nicht, ich ſehe ja nichts, leit mich doch, daß ich nicht falle. Da gingen ſie mit Muͤhe fort bis zum Abend und ſie zu einer andern Herberge ka - men. Sie traten zuſammen in die Wirthsſtube, da ſaß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tiſch und zaͤhlte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt ein paarmal, endlich wie der Herr ſich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine ſah’s und ſprach: Cammerad, was machſt du, ſtehlen darfſt du nicht, ſchaͤm dich. 176 Ei, ſagte er, was kann ich dafuͤr, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht. Sie legten ſich darnach ſchlafen, wie ſie da liegen, iſt’s ſo finſter, daß man keine Hand vor den Augen ſehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die an - dern und ſprach: Bruͤder, ſchaut einmal auf, ſeht ihr die weißen Maͤuschen, die da herumlau - fen? Die zwei richteten ſich auf, konnten aber nichts ſehen. Da ſprach er: es iſt mit uns nicht richtig, wir haben das Unſrige nicht wieder gekriegt, wir muͤſſen zuruͤck zu dem Wirth, der hat uns betrogen. Alſo machten ſie ſich am an - dern Morgen dahin auf und ſagten dem Wirth, ſie haͤtten ihr richtig Werk nicht wieder kriegt, der eine haͤtte eine Diebshand, der zweite Katzenau - gen und der dritte ein Schweineherz. Der Wirth ſprach, da muͤßte das Maͤdchen Schuld daran ſeyn und wollte es rufen, aber wie das die drei hatte kommen ſehen, war es zum Hinterpfoͤrtchen fort - gelaufen und kam nicht wieder. Da ſprachen die drei, er ſollte ihnen viel Geld geben, ſonſt ließen ſie ihm den rothen Hahn uͤber’s Haus fliegen; da gab er, was er hatte und nur aufbringen konnte, und die drei zogen damit fort; es war fuͤr ihr Lebtag genug, ſie haͤtten aber doch lieber ihr richtig Werk gehabt.

33. Der177

33. Der Faule und der Fleißige.

Es waren einmal zwei Handwerkspurſche, die wanderten zuſammen und gelobten bei einander zu halten. Als ſie aber in eine große Stadt ka - men, ward der eine ein Bruder Liederlich, ver - gaß ſein Wort, verließ den andern und zog allein fort, hin und her; wo’s am tollſten zuging war’s ihm am liebſten. Der andere hielt ſeine Zeit aus, arbeitete fleißig und wanderte hernach wei - ter. Da kam er in der Nacht am Galgen vorbei, ohne daß er’s wußte, aber auf der Erde ſah er unten einen liegen und ſchlafen, der war duͤrftig und blos, und weil es ſternenhell war, erkannte er ſeinen ehemaligen Geſellen. Da legte er ſich neben ihn, deckte ſeinen Mantel uͤber ihn und ſchlief ein. Es dauerte aber nicht lang, ſo wurde er von zwei Stimmen aufgeweckt, die ſprachen mit einander, das waren zwei Raben, die ſaßen oben auf dem Galgen. Der eine ſprach: Gott ernaͤhrt! der andere: thu darnach! und ei - ner fiel nach den Worten matt herab zur Erde, der andere blieb bei ihm ſitzen und wartete bis es Tag war, da holte er etwas Gewuͤrm und Waſ - ſer, erfriſchte ihn damit und erweckte ihn vom Tod. Wie die beiden Handwerksburſchen das ſahen, verwunderten ſie ſich und fragten denKindermährchen. II. M178einen Raben, warum der andere ſo elend und krank waͤre, da ſprach der kranke: weil ich nichts thun wollte und glaubte, die Nahrung kaͤm doch vom Himmel. Die beiden nahmen die Raben mit ſich in den naͤchſten Ort, der eine war munter und ſuchte ſich ſein Futter, alle Morgen badete er ſich und putzte ſich mit dem Schnabel, der andere aber hockte in den Ecken herum, war verdrießlich und ſah immerfort ſtruppig aus. Nach einer Zeit hatte die Tochter des Hausherrn, die ein ſchoͤnes Maͤdchen war, den fleißigen Raben gar lieb, nahm ihn von dem Boden auf, ſtreichelte ihn mit der Hand, endlich druͤckte ſie ihn einmal an’s Ge - ſicht und kuͤßte ihn vor Vergnuͤgen. Der Vogel fiel zur Erde, waͤlzte ſich und flatterte und ward zu einem ſchoͤnen jungen Mann. Da erzaͤhlte er, der andere Rabe waͤr ſein Bruder und ſie haͤtten beide ihren Vater beleidigt, der haͤtte ſie dafuͤr verwuͤnſcht und geſagt: fliegt als Raben umher, ſo lang, bis ein ſchoͤnes Maͤdchen euch freiwillig kuͤßt. Alſo war der eine erloͤſt, aber den andern traͤgen wollte niemand kuͤſſen und er ſtarb als Rabe. Bruder Liederlich nahm ſich das zur Lehre, ward fleißig und ordentlich und hielt ſich bei ſeinem Geſellen.

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34. Die drei Handwerkspurſchen.

Es waren drei Handwerkspurſche, die hatten es verabredet, immer mit einander zu wandern und in Einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit aber war gar kein Verdienſt mehr, ſo daß ſie ganz abgeriſſen wurden und nichts zu leben hatten, da ſprach der eine: was ſollen wir anfangen? zu - ſammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger, das ſoll die letzte Stadt ſeyn, wo wir jetzt hineinkommen, finden wir keine Arbeit, ſo wollen wir beim Her - bergsvater ausmachen, daß wir ihm ſchreiben, wo wir uns aufhalten und einer vom andern Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns trennen; das ſchien auch den andern das Beſte. Wie ſie noch im Gerede waren, ſo kam ein reich gekleideter Mann ihnen entgegen, der fragte, wer ſie waͤren? Wir ſind Handwerksleute, ſuchen Arbeit und haben uns bisher zuſammen gehalten, weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns trennen. Ei, das hat keine Noth, ſprach der Mann, wenn ihr thun wollt, was ich euch ſage, ſoll’s euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr ſollt große Herren werden und in Kutſchen fah - ren. Der eine ſprach: wenn’s unſerer Seele und Seligkeit nicht ſchadet, ſo wollen wir’s wohl thun; nein ſagte der Mann, ich habe keinM 2180Theil an euch. Der andere aber hatte nach ſei - nen Fuͤßen geſehen und als er da einen Pferdefuß und einen Menſchenfuß erblickte, wollte er ſich nicht mit ihm einlaſſen. Der Teufel aber ſprach: gebt euch zufrieden, es iſt nicht auf euch abge - ſehen, ſondern auf eines anderen Seele, der ſchon halb mein iſt und deſſen Maaß nur voll laufen ſoll. Weil ſie nun ſicher waren, willigten ſie ein und der Teufel ſagte ihnen was er verlangte, der erſte ſollte auf jede Frage antworten: wir alle drei; der zweite: um’s Geld der dritte: und das war Recht! das ſollten ſie immer hinter einander ſagen, weiter aber duͤrf - ten ſie kein Wort ſprechen und uͤbertraͤten ſie das Gebot, ſo waͤre gleich alles Geld verſchwunden; ſo lange ſie es aber befolgten, ſollten ihre Taſchen immer voll ſeyn. Zum Anfang gab er ihnen auch gleich ſo viel, als ſie tragen konnten und hieß ſie in die Stadt in das und das Wirthshaus gehen. Sie gingen hinein, der Wirth kam ihnen entge - gen und fragte: wollen Sie etwas zu eſſen? Der erſte antwortete: wir alle drei. Ja, ſagte der Wirth, das mein ich auch. Der zweite: um’s Geld. Das verſteht ſich, ſagte der Wirth. Der dritte: und das war Recht. Ja wohl, war’s Recht, ſagte der Wirth. Es ward ihnen nun gut Eſſen und Trinken gebracht und wohl aufgewartet, nach dem Eſſen mußte die Be - zahlung geſchehen, da hielt der Wirth dem einen181 die Rechnung hin, der ſprach: wir alle drei; der zweite: um’s Geld; der dritte: und das war Recht. Freilich iſt’s Recht, ſagte der Wirth, alle drei bezahlen und ohne Geld kann ich nichts geben; ſie bezahlten aber noch mehr als er gefordert hatte. Die Gaͤſte ſahen das mit an und ſprachen: das muͤſſen tolle Leute ſeyn, ja das ſind ſie auch, ſagte der Wirth, ſie ſind nicht recht klug. So blieben ſie eine Zeitlang in dem Wirthshaus und ſprachen kein ander Wort als: wir alle drei, um’s Geld, und das war recht. Sie ſahen aber und wußten alles, was darin vorging. Es trug ſich aber zu, daß ein großer Kaufmann kam mit vielem Geld, der ſprach: Herr Wirth, heben ſie mir mein Geld auf, da ſind die drei naͤrriſchen Handwerkspurſche, die moͤchten mir’s ſtehlen. Das that der Wirth; wie er den Mantelſack in ſeine Stube trug, fuͤhlte er, daß er ſchwer von Gold war, darauf gab er den drei Handwerkern unten ein Lager, der Kauf - mann aber kam oben hin in eine beſondere Stube. Als Mitternacht war, und der Wirth dachte, ſie ſchliefen alle, kam er mit ſeiner Frau und ſie hat - ten eine Holzaxt und ſchlugen den reichen Kauf - mann todt; nach vollbrachtem Mord legten ſie ſich wieder ſchlafen. Wie’s nun Tag war, gab’s großen Laͤrm, der Kaufmann lag todt im Bett und ſchwomm in ſeinem Blut; da liefen alle Gaͤſte zuſammen, der Wirth aber ſprach: das182 haben die drei tollen Handwerker gethan. Die Gaͤſte beſtaͤtigten es und ſagten: niemand an - ders kann’s geweſen ſeyn. Der Wirth aber ließ ſie rufen und ſagte zu ihnen: habt ihr den Kaufmann getoͤdtet? Wir alle drei, ſagte der erſte, um’s Geld, der zweite, und das war recht! der dritte. Da hoͤrt ihr’s nun, ſprach der Wirth, ſie geſtehen’s ſelber. Sie wurden alſo in’s Gefaͤngniß gebracht und ſollten gerichtet werden. Wie ſie nun ſahen, daß es ſo ernſthaft ging, ward ihnen doch Angſt, aber Nachts kam der Teufel und ſprach: haltet nur noch einen Tag aus und verſcherzt euer Gluͤck nicht, es ſoll euch kein Haar gekruͤmmt werden. Am andern Morgen wurden ſie vor Gericht ge - fuͤhrt; da ſprach der Richter: ſeyd ihr die Moͤr - der? wir alle drei. Warum habt ihr den Kaufmann erſchlagen? um’s Geld. Ihr Boͤſewichter, ſagte der Richter, habt ihr euch nicht der Suͤnde geſcheut? und das war Recht. Sie haben bekannt und ſind noch dazu halsſtarrig, ſprach der Richter, fuͤhrt ſie gleich zum Tod. Alſo wurden ſie hin - aus gebracht und der Wirth mußte mit in den Kreis treten; wie ſie nun von den Henkersknech - ten gefaßt und eben auf’s Geruͤſt gefuͤhrt wurden, wo der Scharfrichter mit bloßem Schwerte ſtand, kam auf einmal eine Kutſche mit vier blutrothen Fuͤchſen beſpannt, und fuhr, daß das Feuer aus183 den Steinen ſprang, aus dem Fenſter aber winkte einer mit einem weißen Tuche. Da ſprach der Scharfrichter, es kommt Gnade, und ward auch aus dem Wagen: Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein ſehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und ſprach: ihr drei ſeyd unſchuldig; ihr duͤrft nun ſprechen, ſagt, was ihr geſehen und gehoͤrt habt. Da ſprach der aͤlteſte: wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder ſteht da im Kreis und deutete auf den Wirth; zum Wahrzeichen geht hin in ſeinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er um’s Leben gebracht. Da ſchickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s geſagt war, und als ſie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das Haupt abſchlagen. Da ſprach der Teufel zu den Dreien: nun hab ich die Seele, die ich haben wollte, ihr ſeyd aber frei und habt Geld fuͤr euer Lebtag.

35. Die himmliſche Hochzeit.

Es war einmal ein armer Bauerjung in der Kirche und hoͤrte, wie der Pfarrer ſprach: wer da will in’s Himmelreich kommen, muß immer geradaus gehen. Da machte er ſich auf und ging184 ganz gerad fort, uͤber Berg und Thal; endlich kam er in eine große Stadt und mitten in die Kirche, wo eben Gottesdienſt gehalten wurde. Wie er all die Herrlichkeit ſah, meinte er, nun waͤr er im Himmel angelangt, ſetzte ſich hin und war froh. Als der Gottesdienſt vorbei war, kam der Kuͤſter und hieß ihn hinausgehen. Nein, ſprach er, ich gehe nicht heraus, ich bin froh, daß ich endlich im Himmel bin. Da ging der Kuͤſter zum Pfarrer und ſagte ihm, es waͤr ein Junge in der Kirche, der wolle nicht wieder heraus, weil er glaube, er waͤre da im Himmelreich. Der Pfarrer ſprach: wenn’s ſo iſt, wollen wir ihn behalten, ging hin und fragte ihn, ob er auch Luſt haͤtte zu arbeiten? Ja, antwortete der Kleine, Arbeiten ſey er gewohnt, aber heraus ginge er nicht. Alſo blieb er in der Kirche und als er ſah, wie die Leut zu dem Muttergottesbild mit dem Jeſuskind, das aus Holz geſchnitten war, kamen, knieten und beteten, meinte er, das waͤr der liebe Gott und ſprach: hoͤr einmal, lieber Gott, was biſt du mager! wie dich die Leut hun - gern laſſen! ich will dir auch jeden Tag mein halbes Eſſen bringen. Nun bracht er dem Bild jeden Tag die Haͤlfte von ſeinem Eſſen und das Bild faͤngt auch an zu eſſen. Wie ein paar Wo - chen herum ſind, merkten die Leute, daß das Bild zunahm, dick und ſtark ward, wunderten ſich ſehr; der Pfarrer konnte es auch nicht begreifen, blieb185 in der Kirche und ging dem Kleinen nach, da ſah er, wie er ſein Brot mit der Mutter Gottes theilte. Auf eine Zeit ward er krank und konnte acht Tage nicht aus dem Bett, wie er aber zuerſt wieder aufſtand, nahm er gleich Eſſen und der Pfarrer ging ihm nach und ſah, wie er’s hinbrachte und hoͤrte ihn ſprechen: lieber Gott, nimm’s nicht uͤbel, daß ich ſo lange nichts gebracht, ich war aber krank und konnte nicht aufſtehen. Da antwortete das Bild und ſprach: das thut nichts, ich habe deinen guten Willen geſehen, das iſt genug und naͤchſten Sonntag ſollſt du zu mir auf die Hochzeit kommen. Der Junge freute ſich ſehr und der Pfarrer bat ihn, zu gehen und das Bild zu fragen, ob er auch duͤrfe mitkommen. Nein, ſagte das Bild, du allein. Der Pfar - rer aber wollte ihn erſt vorbereiten und ihm das Abendmahl geben, das war der Kleine zufrieden und naͤchſten Sonntag, wie’s Abendmahl an ihn kommt, faͤllt er um und iſt todt und war zur ewi - gen Hochzeit.

36. Die lange Naſe.

Es waren drei alte abgedankte Soldaten, die waren ſo alt, daß ſie auch keine Libermilch mehr beißen konnten, da ſchickte ſie der Koͤnig fort, gab186 ihnen keine Penſion, hatten ſie nichts zu leben und mußten betteln gehn. Da reiſten ſie durch einen großen Wald und konnten das Ende davon nicht finden; als es Abend war, legten ſich zwei ſchlafen und der dritte mußte bei ihnen Wache halten, damit ſie von den wilden Thieren nicht zerriſſen wuͤrden. Wie die zwei nun eingeſchlafen waren, und der eine dabei ſtand und Wache hielt, kam ein kleines Maͤnnchen in rothem Kleide und rief: wer da? Gut Freund, ſagte der Soldat. Was fuͤr Gutfreund? Drei alte abge - dankte Soldaten, die nichts zu leben haben. Da ſprach das Maͤnnchen, er ſollte zu ihm kommen, es wollt ihm was ſchenken, wenn er das in Acht naͤhme, ſollte er ſein Lebtag genug haben. Da ging er heran und es ſchenkte ihm einen alten Mantel, wenn er den umhaͤngte, was er dann wuͤnſchte, das ward alles wahr, er ſollt es aber ſeinen Kammeraden nicht ſagen, bis es Tag wuͤrde. Wie es nun Tag war und ſie aufwachten, da er - zaͤhlte er ihnen was geſchehen war und ſie reiſten weiter bis zum zweiten Abend, und als ſie ſich ſchlafen legten, mußte der zweite wachen und Po - ſten bei ihnen ſtehen. Da kam das rothe Maͤnn - chen und rief wer da? Gutfreund. Was fuͤr Gutfreund? Drei alte abgedankte Sol - daten. Da ſchenkte ihm das Maͤnnchen ein altes Beutelchen, das wurde nie leer von Geld, ſoviel auch herausgenommen wurde; er ſoll’s aber auch187 erſt bei Tag ſeinen Kammeraden ſagen. Da gin - gen ſie noch den dritten Tag durch den Wald und Nachts mußte der dritte Soldat Wache ſtehen. Das rothe Maͤnnchen kam auch zu dem und rief wer da? Gutfreund! Was fuͤr Gut - freund? Drei alte abgedankte Soldaten. Da ſchenkte ihm das rothe Maͤnnchen ein Horn, wenn man darauf blies, kamen alle Voͤlker zu - ſammen. Am Morgen, wie nun jeder ein Ge - ſchenk hatte, that der erſte den Mantel um und wuͤnſchte, daß ſie aus dem Wald waͤren, da wa - ren ſie gleich draußen. Sie gingen in ein Wirths - haus und ließen ſich da Eſſen und Trinken geben, das Beſte, das der Wirth nur auftreiben konnte; als ſie fertig waren, bezahlte der mit dem Beu - telchen alles und zog dem Wirth auch keinen Hel - ler ab.

Nun waren ſie das Reiſen muͤde, da ſprach der mit dem Beutel zu dem mit dem Mantel: ich wollte, daß du uns ein Schloß dahin wuͤnſch - teſt, Geld haben wir doch genug, wir koͤnnten wie Fuͤrſten leben. Da wuͤnſchte er ein Schloß und gleich ſtand es da und war alles Zugehoͤr dabei. Als ſie eine Zeitlang da gelebt hatten, wuͤnſchte er einen Wagen mit drei Schimmeln, ſie wollten in ein ander Koͤnigreich fahren und ſich fuͤr drei Koͤnigsſoͤhne ausgeben. Da fuhren ſie ab mit einer großen Begleitung von Lakaien, daß es recht fuͤrſtlich ausſah. Sie fuhren zu einem Koͤ -188 nig, der nur eine einzige Prinzeſſin hatte und als ſie ankamen, ließen ſie ſich melden und wurden gleich zur Tafel gebeten und ſollten die Nacht da ſchlafen. Da ging’s nun luſtig her und als ſie gegeſſen und getrunken hatten, fingen ſie an Kar - ten zu ſpielen, was die Prinzeſſin ſo gerne that. Sie ſpielte mit dem, der den Beutel hatte, und ſo viel ſie ihm abgewann, ſo ſah ſie doch, daß ſein Beutel nicht leer ward und merkte, daß es ein Wuͤnſchding ſeyn muͤßte. Da ſagte ſie zu ihm, er ſey ſo warm vom Spiel, er ſolle einmal trinken und ſchenkte ihm ein, aber ſie that einen Schlaftrunk in den Wein. Und wie er den kaum getrunken hatte, ſo ſchlief er ein, da nahm ſie ſei - nen Beutel, ging in ihre Kammer und naͤht einen andern, der ebenſo ausſah, that auch ein wenig Geld hinein und legt ihn an die Stelle des alten. Am andern Morgen reiſten die drei weiter, und als der eine das wenige Geld ausgegeben hatte, was noch im Beutel war und nun wieder hinein - griff, war er leer und blieb leer. Da rief er aus: mein Beutel iſt mir von der falſchen Prin - zeſſin vertauſcht worden, nun ſind wir arme Leu - te! Der mit dem Mantel aber ſprach: laß dir keine graue Haare wachſen, ich will ihn bald wieder geſchafft haben. Da hing er den Man - tel um und wuͤnſchte ſich in die Kammer der Prin - zeſſin; gleich iſt er da, und ſie ſitzt d[a]und zaͤhlt an dem Geld, das ſie in einem fort aus dem189 Beutel holt. Wie ſie ihn ſieht, ſchreit ſie, es waͤr ein Raͤuber da, und ſchreit ſo gewaltig, daß der ganze Hof gelaufen kommt und will ihn fan - gen. Da ſpringt er in der Haſt zum Fenſter hinaus und laͤßt den Mantel haͤngen und iſt auch der verloren. Wie die drei wieder zuſammen - kamen, hatten ſie nichts mehr als das Horn, da ſprach der, dem es gehoͤrte: ich will ſchon helfen, wir wollen den Krieg anfangen, und blies ſoviel Huſaren und Cavallerie zuſammen, daß ſie nicht alle zu zaͤhlen waren. Dann ſchickte er zum Koͤ - nig und ließ ihm ſagen, wenn er den Beutel und Mantel nicht herausgaͤbe, ſollt von ſeinem Schloß kein Stein auf dem andern bleiben. Da redete der Koͤnig ſeiner Tochter zu, ſie ſollt es heraus - geben, eh ſie ſich ſo groß Ungluͤck auf den Hals luͤden, ſie hoͤrte aber nicht darauf und ſprach, ſie wollt erſt noch etwas verſuchen. Da zog ſie ſich an wie ein armes Maͤdchen, nahm einen Henkel - korb an den Arm und ging hinaus in’s Lager, allerlei Getraͤnk zu verkaufen und ihre Kammer - jungfer mußte mitgehen. Wie ſie nun mitten im Lager iſt, faͤngt ſie an zu ſingen ſo ſchoͤn, daß die ganze Armee zuſammenlauft aus den Zelten, und der das Horn hat, lauft auch heraus und hoͤrt zu; und wie ſie den ſieht, gibt ſie ihrer Kammer - jungfer ein Zeichen, die ſchleicht ſich in ſein Zelt, nimmt das Horn und lauft mit in’s Schloß. Dann ging ſie auch wieder heim und hatte nun190 nun alles und die drei Kammeraden mußten wie - der betteln gehen.

Alſo zogen ſie fort, da ſprach der eine, der den Beutel gehabt hatte: wißt ihr was, wir koͤn - nen nicht immer beiſammen ſeyn, geht ihr dort hinaus, ich will hier hinaus gehen. Alſo ging er allein und kam in einen Wald, und weil er muͤd war, legte er ſich unter einen Baum, ein wenig zu ſchlafen. Wie er aufwachte und uͤber ſich ſah, da war es ein ſchoͤner Apfelbaum, unter dem er geſchlafen und hingen praͤchtige Aepfel daran. Vor Hunger nahm er einen, ihn und dann noch einen. Da faͤngt ihm ſeine Naſe an zu wachſen und waͤchſt und wird ſo lang, daß er nicht mehr aufſtehen kann; und waͤchſt durch den Wald und ſechzig Meilen noch hinaus. Seine Kammeraden aber gingen auch in der Welt herum und ſuchten ihn, weil es doch beſſer in Geſellſchaft war, ſie konnten ihn aber nicht finden. Auf ein - mal ſtieß einer an etwas und trat auf was wei - ches, ei! was ſoll das ſeyn, dachte er, da regte es ſich und war es eine Naſe. Da ſprachen ſie, wir wollen der Naſe nachgehen und kamen endlich in den Wald zu ihrem Kammeraden, der lag da, konnt ſich nicht ruͤhren noch regen. Da nahmen ſie eine Stange und wickelten die Naſe darum und wollten ſie in die Hoͤhe heben, und ihn fort - tragen, aber es war zu ſchwer. Da ſuchten ſie im Wald einen Eſel, darauf legten ſie ihn und die191 lange Naſe auf zwei Stangen und fuͤhrten ihn alſo fort, und wie ſie ein Eckchen weit gezogen waren, war er ſo ſchwer, daß ſie ruhen mußten. Als ſie ſo ruhten, ſahen ſie einen Baum neben ſich ſtehen, daran hingen ſchoͤne Birnen; und hin - ter dem Baum kam das kleine rothe Maͤnnchen hervor und ſagte zu dem Langnaſigen, er ſollte eine von den Birnen eſſen, ſo fiel ihm die Naſe ab. Da er eine Birne und alsbald fiel die lange Naſe ab und er behielt nicht mehr, als er zuvor hatte. Darauf ſagte das Maͤnnchen: brich dir von den Aepfeln und Birnen ab und mach Pulver aus jedwedem, wem du von dem Apfel - pulver gibſt, dem waͤchſt die Naſe, und wenn du dann von dem Birnpulver gibſt, ſo faͤllt ſie wie - der ab; und dann reiſe als Arzt und gib der Prin - zeſſin von den Aepfeln und dann auch von dem Pulver, da waͤchſt ihr die Naſe noch zwanzigmal laͤnger als dir; aber halt dich feſt. Da nahm er von den Aepfeln, ging an den Koͤnigshof und gab ſich fuͤr einen Gaͤrtnersburſch aus und ſagte, er haͤtte eine Art Aepfel, wie in der Landſchaft keine wuͤchſen. Wie die Prinzeſſin aber hoͤrte davon, bat ſie ihren Vater, er ſollt ihr einige von dieſen Aepfeln kaufen; der Koͤnig ſprach: kauf dir, ſoviel du willſt. Da kaufte ſie und einen, der ſchmeckte ihr ſo gut, daß ſie meinte, ſie haͤtte ihr Lebtag keinen ſo guten gegeſſen, und dann noch einen; wie das geſchehen war,192 machte der Arzt ſich fort. Da fing ihr die Naſe an zu wachſen und wuchs ſo ſtark, daß ſie vom Seſſel nicht aufſtehen konnte, ſondern umfiel. Da wuchs die Naſe ſechszig Ellen um den Tiſch herum, ſechszig um ihren Schrank und dann durch’s Fenſter hundert Ellen um’s Schloß, und noch zwanzig Meilen zur Stadt hinaus. Da lag ſie, konnte ſich nicht regen und bewegen und wußte ihr kein Doctor zu helfen. Der alte Koͤnig ließ ausſchreiben, wenn ſich irgend ein Fremder faͤnde, der ſeiner Tochter womit helfen koͤnnte, ſollt er viel Geld haben. Da hatte nun der alte Soldat drauf gewartet, meldete ſich als ein Doctor: ſo es Gottes Wille waͤre, wollt er ihr ſchon helfen. Darauf gab er ihr Pulver von den Aepfeln, da fing die Naſe an von neuem zu wachſen und ward noch groͤßer; am Abend gab er ihr Pulver von den Birnen, da ward ſie ein wenig kleiner, doch nicht viel. Am andern Tag gab er ihr wieder Aepfelpulver, um ſie recht zu aͤngſtigen und zu ſtrafen, da wuchs ſie wieder, viel mehr als ſie geſtern abgenommen hatte. Endlich ſagte er: gnaͤdigſte Prinzeſſin, Sie muͤſſen einmal etwas entwendet haben, wenn Sie das nicht herausge - ben, hilft kein Rath. Da ſagte ſie: ich weiß von nichts. Sprach er: es iſt ſo, ſonſt muͤßt mein Pulver helfen und wenn Sie es nicht her - ausgeben, muͤſſen Sie ſterben an der langen Naſe. Da ſagte der alte Koͤnig: gib den Beutel, denMan -193Mantel und das Horn heraus, das haſt du doch entwendet, ſonſt kann deine Naſe nimmermehr kleiner werden. Da mußte die Kammerjungfer alle drei Stuͤcke holen und hinlegen und er gab ihr Pulver von den Birnen, da fiel die Naſe ab und mußten 250 Maͤnner kommen und ſie in Stuͤcken hauen. Und er ging mit dem Beutel - chen, dem Mantel und dem Horn fort zu ſeinen Kammeraden, und ſie wuͤnſchten ſich wieder in ihr Schloß; da werden ſie wohl noch ſitzen und Haus halten.

37. Die Alte im Wald.

Es fuhr einmal ein armes Dienſtmaͤdchen mit ſeiner Herrſchaft durch einen großen Wald, und als ſie mitten darin waren, kamen Raͤuber hervor und ermordeten, wen ſie fanden; da kam alles mit einander um, nur das Maͤdchen nicht, das war aus dem Wagen geſprungen und hatte ſich hinter einen Baum verborgen. Wie die Raͤuber mit ihrer Beute fort waren, kam es hervor, fing an bitterlich zu weinen und ſagte: was ſoll ich armes Maͤdchen nun anfangen, ich weiß mich nicht zu finden in dem Wald, kein Haus iſt da, ſo muß ich gewiß verhungern! Es ging herum, ſuchte einen Weg, konnte aber keinen finden, bisKindermährchen II. N194zum Abend, da ſetzte es ſich unter einen Baum, befahl ſich Gott und wollt da ſitzen bleiben und nicht weggehen, moͤchte geſchehen, was immer wollte. Als es aber ein Bischen da geſeſſen, kam ein weiß Taͤubchen heruntergeflogen, mit einem kleinen goldnen Schluͤſſelchen im Schnabel, das legte es ihm in die Hand und ſprach: ſiehſt du dort den großen Baum, daran iſt ein kleines Schloß, das ſchließ mit dem Schluͤſſelchen auf, ſo wirſt du Speiſe genug finden und keinen Hun - ger mehr leiden. Da ging es zu dem Baum und ſchloß ihn auf und fand Milch in einem klei - nen Schuͤſſelchen und Weißbrot zum Einbrocken dabei, daß es ſich ſatt eſſen konnte. Als es ſatt war, ſprach es: jetzt iſt Zeit, wo die Huͤhner daheim auffliegen, ich bin ſo muͤd, koͤnnt ich mich auch in mein Bett legen! Da kam das Taͤubchen wiedergeflogen und hatt ein anderes gol - denes Schluͤſſelchen im Schnabel und ſagt: ſchließ dort den Baum auf, da wirſt du ein Bett finden. Da ſchloß es auf und fand ein ſchoͤnes weiches Bettchen, da betete es zum lieben Gott, er ſollt es behuͤten in der Nacht, legte ſich und ſchlief ein. Am Morgen kam das Taͤubchen zum drittenmal und brachte wieder ein Schluͤſſelchen und ſprach: ſchließ dort den Baum auf, da wirſt du Kleider finden; und wie es aufſchloß fand es Kleider mit Gold und Juwelen beſetzt, ſo herrlich, wie ſie keine Koͤnigstochter hat. Alſo lebte es da eine195 Zeitlang, und kam das Taͤubchen alle Tage und ſorgte fuͤr alles, was es bedurfte, und war das ein ſtilles, gutes Leben.

Einmal aber kam das Taͤubchen und ſprach: willſt du mir etwas zu Lieb thun? Von Herzen gern, ſagte das Maͤdchen. Da ſprach das Taͤubchen: ich will dich zu einem kleinen Haͤuschen fuͤhren, da geh hinein, mittendrin am Heerd da wird eine alte Frau ſitzen und guten Tag ſagen. Aber gib ihr bei Leibe keine Antwort, ſie mag auch anfangen was ſie will, ſondern geh zu ihrer rechten Hand weiter, da iſt eine Thuͤre, die mach auf, ſo wirſt du in eine Stube kommen, wo eine große Menge von Ringen allerlei Art auf dem Tiſch liegt, darunter ſind praͤchtige mit glitzerigen Steinen, die laß aber alle liegen und ſuch nur einen ſchlichten heraus, der auch darunter ſeyn muß und bring ihn zu mir her ſo geſchwind du kannſt. Da ging das Maͤdchen hin in das Haͤuschen und fand die Alte, die machte große Augen, wie ſie es ſah, und ſprach: guten Tag mein Kind. Es gab ihr keine Antwort und ging auf die Thuͤre zu; ei! wo hinaus? rief ſie und faßt es beim Rock und wollt es feſt - halten; das iſt mein Haus, da darf niemand herein, wenn ich’s nicht haben will. Aber es ſchwieg immer ſtill, machte ſich von ihr los und ging in die Stube hinein. Da war nun eine uͤbergroße Menge von Ringen, die glitzten undN 2196glimmerten ihm vor den Augen, es warf ſie herum und ſuchte nach dem ſchlichten, konnt ihn aber nicht finden. Wie es ſo ſuchte, ſah es die Alte, wie ſie daher ſchlich und einen Vogelkaͤfig in der Hand hatte und damit fort wollte; da ging es auf ſie zu und nahm ihr den Kaͤfig aus der Hand und wie es ihn aufhob und hinein ſah, ſaß ein Vogel darin, der hatte den ſchlichten Ring im Schnabel. Da war es froh und lief damit zum Haus hinaus und dachte, das weiße Taͤubchen wuͤrde kommen und den Ring holen, aber es kam nicht. Da lehnte es ſich an einen Baum und wollte auf es warten, und wie es ſo ſtand, da daͤuchte ihm, der Baum wuͤrde weich und biegſam und ſenkte ſeine Zweige herab. Und auf einmal ſchlangen ſich die Zweige um es herum und waren zwei Arme und wie es ſich umſah, war der Baum ein ſchoͤner Prinz, der es umfaßte und herzlich kuͤßte und ſagte: du haſt mich erloͤſt, die Alte iſt eine Hexe, die hatte mich in einen Baum ver - wandelt, und alle Tag ein paar Stunden in eine weiße Taube, und ſo lang ſie den Ring hatte, konnte ich meine menſchliche Geſtalt nicht wieder erhalten. Da waren auch ſeine Bedienten und Pferde von dem Zauber frei und keine Baͤume mehr und ſtanden neben ihm, da fuhren ſie fort in ſein Reich, heiratheten ſich und lebten gluͤcklich.

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38. Die drei Bruͤder.

Es war ein Mann, der hatte drei Soͤhne und weiter nichts im Vermoͤgen, als ſein Haus, worin er wohnte. Nun haͤtte jeder gern nach ſeinem Tod das Haus gehabt, dem Vater war aber einer ſo lieb, als der andere, da wußt er gar nicht, wie er’s anfangen ſollte, daß er keinem zu nahe thaͤt; verkaufen wollt er das Haus auch nicht, weil’s von ſeinen Voreltern war, ſonſt haͤtte er das Geld unter ſie getheilt. Da fiel ihm endlich ein Rath ein und er ſprach zu ſeinen Soͤh - nen: geht in die Welt und verſucht euch und lerne jeder ein Handwerk, wenn ihr dann wieder - kommt, wer das beſte Meiſterſtuͤck macht, der ſoll das Haus haben.

Das waren die Soͤhne zufrieden und der aͤltſte wollte ein Hufſchmied, der zweite ein Bar - bier, der dritte aber ein Fechtmeiſter werden. Darauf beſtimmten ſie eine Zeit, wo ſie wieder nach Haus zuſammenkommen wollten und zogen fort. Es traf ſich auch, daß jeder einen tuͤchti - gen Meiſter fand, wo er was rechtſchaffenes lernte; der Schmied mußte des Koͤnigs Pferde beſchlagen und dachte: nun kann dir’s nicht feh - len, du kriegſt das Haus; der Barbier raſirte lauter vornehme Herrn und meinte auch, das198 Haus waͤr ſein; der Fechtmeiſter kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zuſammen und ließ ſich’s nicht verdrießen, denn er dachte bei ſich: fuͤrchteſt du dich vor einem Hieb, ſo kriegſt du das Haus nimmermehr. Als nun die geſetzte Zeit herum war, kamen ſie zuſammen nach Haus, ſie wußten aber nicht, wie ſie die beſte Gelegen - heit finden ſollten, ihre Kunſt zu zeigen, ſaßen beiſammen und rathſchlagten. Wie ſie ſo ſaßen, kam auf einmal ein Haas uͤber’s Feld daher gelau - fen. Ei, ſagte der Barbier, der kommt wie gerufen, nahm Becken und Seife, ſchaumte, bis der Haas in die Naͤhe kam, dann ſeifte er ihn in vollem Laufe ein und raſirte ihm auch im vol - len Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei ſchnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. Das gefaͤllt mir, ſagte der Vater, wenn ſich die andern nicht gewaltig angreifen, ſo iſt das Haus dein. Es waͤhrte nicht lang, ſo kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. Nun ſollt ihr ſehen, Vater, was ich kann, ſprach der Hufſchmied, ſprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeiſen ab und ſchlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. Du biſt ein ganzer Kerl, ſprach der Vater, du machſt deine Sachen ſo gut, wie dein Bruder, ich weiß nicht, wem ich das Haus geben ſoll. Da ſprach der dritte: Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren, und weil es anfing199 zu regnen, zog er ſeinen Degen und ſchwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber ſeinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen ſtaͤrker ward und endlich ſo ſtark, als ob man mit Mul - den vom Himmel goͤß, ſchwang er den Degen im - mer ſchneller, und blieb ſo trocken, als ſaͤß er un - ter Dach und Fach. Wie der Vater das ſah, er - ſtaunte er und ſprach: du haſt das beſte Mei - ſterſtuͤck gemacht, das Haus iſt dein.

Die beiden andern Bruͤder waren damit zu - frieden, wie ſie vorher gelobt hatten, und weil ſie ſich einander ſo lieb hatten, blieben ſie alle drei zuſammen im Haus, trieben ihre Profeſſion und da ſie ſo gut ausgelernt hatten und ſo geſchickt waren, verdienten ſie viel Geld. So lebten ſie vergnuͤgt bis in ihr Alter zuſammen und als der eine krank ward und ſtarb, graͤmten ſich die zwei andern ſo ſehr daruͤber, daß ſie auch krank wur - den und bald ſtarben. Da wurden ſie, weil ſie ſo geſchickt geweſen und ſich ſo lieb gehabt, alle drei in ein Grab gelegt.

59. Der Teufel und ſeine Großmutter.

Es war ein großer Krieg und der Koͤnig gab ſeinen Soldaten wenig Sold, ſo daß ſie nicht da - von leben konnten; da thaten ſich drei zuſammen200 und wollten ausreißen. Einer ſprach zum andern: wenn wir aber gekriegt werden, haͤngt man uns an den Galgenbaum; wie wollen wir das ma - chen? Sprach der andere: da ſteht ein gro - ßes Kornfeld, wenn wir hinein kriechen, findet uns kein Menſch, das Heer kommt nicht hinein. Das thaten ſie und ſaßen zwei Tage und zwei Naͤchte im Korn, hatten aber ſo großen Hunger, daß ſie beinah geſtorben waͤren, denn ſie durften nicht heraus. Da ſprachen ſie: was hilft uns unſer Ausreißen, wir muͤſſen elendig im Korn ſterben. Indem kam ein feuriger Drache uͤber das Kornfeld durch die Luft geflogen, der ſah ſie liegen und fragte: was thut ihr drei da im Korn? Sie antworteten: wir ſind drei aus - geriſſene Soldaten, wir konnten von unſerm Sold nicht laͤnger im Heer leben, nun muͤſſen wir hier Hungers ſterben, weil das Heer rund herum liegt, und wir nicht entrinnen koͤnnen. Wollt ihr mir ſieben Jahre dienen, ſagte der Drache, ſo will ich euch mitten durch’s Heer fuͤhren, daß euch niemand kriegen ſoll? Wir haben keine Wahl, ſprachen ſie, und ſind’s zufrieden. Da nahm ſie der Drache in ſeine Klauen und unter ſeine Fittiche und brachte ſie durch die Luft uͤber das Heer weg in Sicherheit. Darnach ließ er ſie wieder zur Erde, er war aber der Teufel und gab ihnen ein kleines Peitſchgen, womit ſie ſich Geld peitſchen konnten, ſoviel ſie wollten. Damit,201 ſprach er, koͤnnt ihr große Herren werden und in Wagen fahren; nach Verlauf der ſieben Jahre aber ſeyd ihr mein eigen und hielt ihnen ein Buch vor, in das mußten ſie alle drei unterſchrei - ben. Doch will ich euch, ſagte er, dann erſt noch ein Raͤthſel geben, koͤnnt ihr das rathen, ſollt ihr frei und aus meiner Gewalt ſeyn. Da ging der Drache von ihnen ab und ſie reiſten fort mit ihren Peitſchgen, hatten Geld die Fuͤlle, ließen ſich Herrenkleider machen und zogen in der Welt herum. Wo ſie waren, lebten ſie in Freuden und Herrlichkeit, fuhren mit Pferden und Wagen, aßen und tranken und die ſieben Jahre ſtrichen in kurzer Zeit um. Als es nun bald an’s Ende kam, wurde ihnen angſt und bang, zwei waren ganz betruͤbt, der dritte aber nahm’s leichter und ſprach: Bruͤder fuͤrchtet nichts, vielleicht koͤnnen wir das Raͤthſel rathen. Wie ſie ſo zuſammen - ſaßen, kam eine alte Frau daher, die fragte, warum ſie ſo traurig waͤren? Ach, was liegt euch daran, ihr koͤnnt uns doch nicht helfen. Wer weiß das, erzaͤhlt mir’s nur. Da erzaͤhl - ten ſie’s ihr, daß ſie faſt ſieben Jahr dem Teufel gedient, der haͤtte ihnen Geld wie Heu geſchafft, ſie haͤtten ſich ihm aber verſchrieben und waͤren ſein Eigenthum, wenn ſie nach den ſieben Jahren nicht ein Raͤthſel aufloͤſen koͤnnten. Die Alte ſprach: ſoll euch geholfen werden, ſo muß einer von euch zum Wald hinein gehen und da wird er202 an eine zerfallene Klippe kommen, die ausſieht wie ein Haͤuschen. Die zwei traurigen dachten, das wird uns doch nicht retten und blieben vor dem Wald, der dritte luſtige machte ſich auf und fand alles ſo, wie die Frau geſagt hatte; in dem Haͤuschen aber ſaß eine ſteinalte Frau, die war des Teufels Großmutter und fragte ihn, woher er kaͤme und was er wollte? Da erzaͤhlte er ihr alles und weil er ein gar ſchoͤner Menſch war, hatte ſie Erbarmen und hob einen großen Stein auf. Darunter ſitz ganz ſtill, wann der Drache kommt, will ich ihn um die Raͤthſel fragen. Um zwoͤlf Uhr Nachts kam der Drache geflogen und wollte ſein Eſſen, da deckte ihm ſeine Großmutter den Tiſch und trug Trank und Speiſe auf, daß er vergnuͤgt war, und ſie aßen und tranken zuſam - men. Da fragte ſie ihn im Geſpraͤch, wie’s den Tag ergangen waͤre, wie viel Seelen er kriegt haͤtte? Ich hab noch drei Soldaten, die ſind mein, ſprach er. Ja, drei Soldaten, ſagte ſie, haben etwas an ſich, die koͤnnen dir noch entkom - men. Sprach der Teufel hoͤhniſch: die ſind mir gewiß, denen gebe ich ein Raͤthſel auf, das ſie nimmermehr rathen koͤnnen. Was iſt das fuͤr ein Raͤthſel? fragte ſie. Das will ich dir ſagen: in der großen Nordſee liegt eine todte Meerkatze, das ſoll ihr Braten ſeyn; und von einem Wallfiſch die Rippe, das ſoll ihr ſilberner Loͤffel ſeyn; und ein alter Pferdefuß, das ſoll ihr203 Weinglas ſeyn. Da ging der Teufel fort zu ſchlafen und die alte Großmutter hob den Stein auf und ließ den Soldaten heraus: Haſt du auch alles wohl in Acht genommen? Ja, ſprach er, und mußte auf einem andern Weg durch’s Fenſter ſchnell zu ſeinen Geſellen gehen, damit ihn der Teufel nicht merkte. Wie er nun zu den andern kam, erzaͤhlte er ihnen, was er gehoͤrt hatte und nun koͤnnten ſie rathen, was ſonſt keine Seele gerathen haͤtte; da waren ſie alle froͤhlich und guter Dinge und peitſchten ſich Geld genug. Als nun die ſieben Jahre voͤllig herum waren, kam der Teufel mit dem Buche, zeigte die Unterſchriften und ſprach: ich will euch nun in die Hoͤlle mitnehmen, da ſollt ihr eine Mahlzeit haben, koͤnnt ihr mir rathen, was ihr fuͤr einen Braten werdet zu eſſen kriegen, ſo ſollt ihr frei und los ſeyn und das Peitſchgen dazu behalten. Da fing der erſte Soldat an: in der großen Nordſee liegt eine todte Meerkatze, das wird wohl der Braten ſeyn. Der Teufel aͤrgerte ſich, machte hm! hm! hm! und fragte den zweiten: was ſoll euer Loͤffel ſeyn? Da antwortete er: von einem Wallfiſch die Rippe, das ſoll unſer ſilberner Loͤffel ſeyn. Der Teufel ſchnitt ein Geſicht, knurrte wieder dreimal hm! hm! hm! und ſprach zum dritten: was ſoll euer Weinglas ſeyn. Ein alter Pferdefuß, das ſoll unſer Weinglas ſeyn. Da flog der Teu -204 fel fort, ließ ſie im Stich und hatte keine Gewalt mehr uͤber ſie, aber die drei behielten das Peitſch - gen, ſchlugen Geld hervor, ſoviel ſie wollten, und lebten vergnuͤgt bis an[ihr] Ende.

40. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ.

Et was mal en Mann un ’ne Fru weſt, de hadden ſo lange ſe rick woͤren kene Kinner, as ſe awerſt arm woren, da kregen ſe en kleinen Jun - gen. Se kunnen awerſt kenen Paen dato kregen, da ſegde de Mann, he wulle mal na den annern Ohre (Orte) gahn un[toſehn], ob he da enen krege. Wie he ſo gink, begegnete uͤnn en armen Mann, de frog en, wo he huͤnne wulle? he ſegde, he wulle huͤnn un toſehn, dat he ’n Paen kriegte, he ſie arm un da wulle uͤnn ken Minſke to Gevaher ſtahn. O, ſegde de arme Mann, gi ſied arm un ik ſie arm, ik will guhe (euer) Gevaher we - ren; ik ſie awerſt ſo arm, ik kann dem Kinne nix giwen, gahet hen und ſegget de Baͤhmoer (Weh - mutter), ſe ſulle man mit den Kinne na der Ker - ken kummen. Aſe ſe nu tohaupe na der Kerken kummet, da is de Bett er ſchaun darinne, de givt dem Kinne den Namen: Ferenand getruͤ.

Wie he ut der Kerken gahet, da ſegd de Bettler: nu gahet man na Hus, ik kann guh205 (euch) nix giwen, un gi ſuͤllt mie ok nix giwen. De Baͤhmoer awerſt gav he ’n Schluͤttel un ſegd er, ſe moͤgt en, wenn ſe na Hus kaͤme, dem Vaer giwen, de ſull’n verwahren, bis dat Kind vertein Johr old woͤre, dann ſull et up de Heide gahn, da woͤre ’n Schlott, dato paßte de Schluͤttel, wat darin woͤre, dat ſulle em hoͤren. Wie dat Kind nu ſewen Johr alt woren un duͤet (tuͤchtig) waſ - ſen wor, gink et mal ſpilen mit annern Jungens, da hadde de eine noch mehr vom Paen kriegt, aſe de annere, he awerſt kunne nix ſeggen, und da grinde he un gink na Hus un ſegde tom Vaer: hewe ik denn gar nix vom Paen kriegt? O ja, ſegde de Vaer, du heſt en Schluͤttel kriegt, wenn up de Heide ’n Schlott ſteit, ſo gah man hen und ſchlut et up. Da gink he hen, awerſt et was kein Schlott to hoͤren un to ſehen. Wier na ſewen Jahren, aſe he vertein Jahr old iſt, geit he nochmals hen, da ſteit en Schlott darup. Wie he et upſchloten het, da is der nix enne, aſe’n Perd, ’n Schuͤmmel. Da werd de Junge ſo vuller Fruͤden, dat he dat Perd hadde, dat he ſik darup ſett un to ſinen Vaer jegd (jagt). Nu hew ik auck ’n Schuͤmmel, nu will ik auck reiſen, ſegd he.

Da treckt he weg un wie he unnerweges is, ligd da ’ne Schriffedder up ’n Wegge, he will ſe eiſt (erſt) upnuͤmmen, da denkt he awerſt wier bie ſich: o du ſuͤſt ſe auck liggen laten, du finndſt ja206 wul, wo du hen kuͤmmſt ’ne Schriffedder, wenn du eine bruckeſt. Wie he ſo weggeit, da roppt et hinner uͤm: Ferenand getruͤ, nimm ſe mit! He ſuͤt ſik uͤmme, ſuͤt awerſt keinen, da geit he wier torugge un nuͤmmt ſe up. Wie he wier ’ne Wile rien (geritten) is, kuͤmmt he bie’n Water vorbie, ſo ligd da en Fiſk am Oewer (Ufer) un ſnappet un happet na Luft, ſo ſegd he: toͤv, min lewe Fiſk, ik will die helpen, dat du in’t Water kuͤmmſt, un gript’n bie’n Schwans un werpt ’n in’t Water. Da ſteckt de Fiſk den Kopp ut den Water un ſegd: nu du mie ut den Koth hol - pen heſt, will ik die ’ne Floͤtepiepen giwen, wenn du in de Naud biſt, ſo floͤte derup, dann will ik die helpen; wenn du mal wat in’t Water haſt fallen laten, ſo floͤte man, ſo will ik et die herut reicken. Nu ritt he weg, da kuͤmmt ſo’n Minſk to uͤm, de fraͤgt ’n, wo he hen wull. O na den neggſten Ort. Wu he dann heite? Ferenand getruͤ. Suͤ, da hewe wie ja faſt den ſuͤlwigen Namen, ik heite Ferenand un - getruͤ. Da trecket ſe beide na den neggſten Ort in dat Wertshus.

Nu was et ſchlimm, dat de Ferenand unge - truͤ allet wuſte, wat ’n annerer dacht hadde un doen wulle; dat wuſt he doͤre ſo allerhand ſlimme Kunſte. Et was awerſt im Wertshuſe ſo’n wacker Maͤken, dat hadde ’n ſchier (klares) Angeſicht un drog ſik ſo huͤbſch; dat verleiv ſik in den Ferenand207 getruͤ, denn et was ’n huͤbſchen Minſchen weſt un frog’n, wo he hen to wulle? O, he wulle ſo heruͤmmer reiſen. Da ſegd ſe, ſo ſull he doch nur da bliewen, et woͤre hier to Lanne ’n Kuͤnig, de neime wul geren ’n Bedeenten oder ’n Vorruͤ - ter; dabie ſulle he in Dienſten gahn. He ant - worde, he kuͤnne nig gud ſo to einen hingahen un been ſik an. Da ſegde det Maͤken: o dat will ik dann ſchun dauen. Un ſo gink ſe auck ſtracks hen, na den Kuͤnig, un ſehde uͤnn, ſe wuͤſte uͤnn ’n huͤbſchen Bedeenten. Dat was de wol tofreen un leit ’n to ſik kummen un wull’n to’m Bedeen - ten macken. He wull awerſt leewer Vorruͤter ſin, denn wo ſin Perd waͤre, da moͤſt he auck ſin: da mackt ’n de Kuͤnig to’m Vorruͤter. Wie duͤt de Ferenand ungetruͤ gewahr wore, da ſegd he to den Maͤken: toͤv! helpeſt du den an, un mie nig? O, ſegd dat Maͤken, ik will’n auck an - helpen. Se dachte: den moſt du die to’m Fruͤnne wahren, denn he is nig to truen. Se geit alſe vor’m Kuͤnig ſtahn un beed ’n als Be - deinten an; dat is de Kuͤnig tofreen.

Wenn he nu alſo det Morgens den Heren antrock, da jammerte de juͤmmer: o wenn ik doch eiſt mine Leiweſte bie mie haͤdde. De Fe - renand ungetruͤ war awerſt dem Ferenand getruͤ juͤmmer upſettſig, wie aſſo de Kuͤnig mal wier ſo jammerte, da ſegd he: Sie haben ja den Vor - reiter, den ſchicken Sie hin, der muß ſie herbei -208 ſchaffen und wenn er es nicht thut, ſoll ihm der Kopf vor die Fuͤße gelegt werden. Do leit de Kuͤnig den Ferenand getruͤ to ſik kummen und ſehde uͤm, he haͤdde da un da ’ne Leiweſte, de ſull he uͤnn herſchappen, wenn he dat nig deie, ſull he ſterwen.

De Ferenand getruͤ gink im Stall to ſinen Schuͤmmel un grinde un jammerde. O wat ſin ik ’n ungluͤckſch Minſchenkind. Do roͤppet jei - mes hinner uͤm: Ferenand getreu, was weinſt du? He ſuͤt ſik um, ſuͤt awerſt neimes un jam - merd juͤmmer fort: o min lewe Schuͤmmelken, nu mot ik die verlaten, nu mot ik ſterwen. Da merkt he eiſt, dat dat ſin Schuͤmmelken deit dat Fragen. Doͤſt du dat, min Schuͤmmelken, kaſt du kuren (reden)? un ſegd wier: ik ſull da un da hen un ſall de Brut halen, weſt du nig, wie ik dat wol anfange? Da antwoerd dat Schuͤm - melken: gah du na den Kuͤnig un ſegg, wenn he die giwen wulle, wat du hewen moͤſteſt, ſo wulleſt du ſe uͤnn ſchappen: wenn he die ’n Schipp vull Fleiſk un ’n Schipp vull Brod giwen wulle, ſo ſull et gelingen; da woͤren de grauten Rieſen up den Water, wenn du denen ken Fleiſk midde braͤchteſt, ſo terreitn ſe die; un da woͤren de grauten Vuͤggel, de pickeden die de Ogen ut den Koppe, wenn du ken Brod vor ſe haͤddeſt. Da lett de Kuͤnig alle Slaͤchter im Lanne ſlachten un alle Becker backen, dat de Schippe vull werdt. Wie209Wie ſe vull ſied, ſegd dat Schuͤmmelken to’m Ferenand getruͤ: nu gah man up mie ſitten un treck mit mie in’t Schipp, wenn dann de Rieſen kuͤmmet, ſo ſegg:

ſtill, ſtill, meine lieben Rieſechen,
ich hab euch wohl bedacht,
ich hab euch was mitgebracht!

Un wenn de Vuͤggel kuͤmmet, ſo ſeggſt du wier:

ſtill, ſtill, meine lieben Voͤgelchen,
ich hab euch wohl bedacht,
ich hab euch was mitgebracht!

dann doet ſie die nix, un wenn du dann bie dat Schlott kuͤmmſt, dann helpet die de Rieſen, dann gah up dat Schlott un nuͤmm ’n Paar Rieſen mit, da ligd de Prinzeſſin un ſchloͤppet; du darfſt ſe awerſt nig upwecken, ſonnern de Rieſen moͤtt ſe mit den Bedde upnuͤmmen un in dat Schipp dregen. (Und da geſchah nun alles, wie das Schimmelchen geſagt hatte, und die Rieſen tru - gen die Prinzeſſin zum Koͤnig.) Un aſe ſe to’m Kuͤnig kuͤmmet, ſegd ſe, ſe kuͤnne nig liwen, ſe moͤſte ere Schrifften hewen, de woͤren up eren Schlotte liggen bliwen. Da werd de Ferenand getruͤ up Anſtifften det Ferenand ungetruͤ roopen, un de Kuͤnig beduͤtt uͤnn, he ſulle de Schrifften von den Schlotte halen, ſuͤſt ſull he ſterwen. Da geit he wier in Stall un grind un ſegd: o min lewe Schuͤmmelken, nu ſull ik noch ’n mal weg, wie ſuͤll wie dat macken. Da ſegd de Schuͤmmel,Kindermährchen II. O210ſe ſullen dat Schipp man wier vull laen (laden). (Da geht es wieder wie das Vorigemal, und die Rieſen und Voͤgel werden von dem Fleiſch geſaͤt - tigt und beſaͤnftigt.) Aſe ſe bie dat Schlott kuͤm - met, ſegd de Schuͤmmel to uͤnn, he ſulle man herin gahn, in den Schlapzimmer der Prinzeſſin, up den Diſke, da laͤgen de Schrifften. Da geit Ferenand getruͤ huͤn un langet ſe. Aſe ſe up’n Water ſind, da let he ſine Schriffedder in’t Water fallen, da ſegd de Schuͤmmel: nu kann ik die awerſt nig helpen. Da faͤllt ’n dat bie mit de Floͤtepipen, he faͤnkt an to floͤten, da kuͤmmt de Fiſk un het de Fedder im Mule un langet ſe ’m hen. Nu bringet he de Schrifften na den Schlot - te, wo de Hochtid hallen werd.

De Kuͤnigin mogte awerſt den Kuͤnig nig lien, weil he keine Neſe hadde, ſonnern ſe mogte den Ferenand getruͤ geren lien. Wie nu mal alle Herens vom Hove toſammen ſied, da ſegd de Kuͤ - nigin, ſe kuͤnne auck Kunſtuͤcke macken, ſe kuͤnne einen den Kopp afhoggen un wier upſetten, et ſull nur mant einer verſoͤcken. Da wull awerſt kener de eiſte ſien, da mott Ferenand getruͤ daran, wier up Anſtifften von Ferenand ungetruͤ, den hogget ſe den Kopp af un ſett’n uͤnn auck wier up, et is auck glick wier tan heilt, dat et ut ſach aſe haͤdde he’n roen Faen (Faden) uͤm’n Hals. Da ſegd de Kuͤnig to ehr: mein Kind, wo haſt du denn das gelernt? Ja, ſegd ſe, ſoll ich es an dir211 auch einmal verſuchen? O ja, ſegd he. Da hogget ſe en awerſt den Kopp af un ſett’n en nig wier upp, ſe doet as ob ſe’n nig darup kriegen kuͤnne un as ob he nig feſt ſitten wulle. Da ward de Kuͤnig begrawen, ſe awerſt frigget den Fere - nand getruͤ.

He ridde awerſt juͤmmer ſinen Schuͤmmel un aſe he mal darup ſat, da ſegd de to em, he ſulle mal up ’ne annere Heide, de he em wiſt, trecken, un da 3 mal mit em herummerjagen. Wie he dat dahen hadde, da geit de Schuͤmmel up de Hinnerbeine ſtahn un verwannelt ſik in ’n Kuͤnigsſuhn.

41. Der Eiſen-Ofen.

Zur Zeit, wo das Wuͤnſchen noch geholfen hat, ward ein Prinz von einer alten Hexe ver - wuͤnſcht, daß er im Walde in einem großen Eiſen - Ofen ſitzen ſollte. Da brachte er nun viele Jahre zu und konnte ihn niemand erloͤſen. Einmal kam eine Prinzeſſin in den Wald, die hatte ſich irr gegangen und konnte ihres Vaters Koͤnigreich nicht wieder finden; neun Tage war ſie ſo herum gegangen und ſtand zuletzt vor dem eiſernen Ka - ſten. Da fragte er ſie: wo kommſt du her und wo willſt du hin? Sie antwortete: ich habeO 2212meines Vaters Koͤnigreich verloren und kann nicht wieder nach Haus kommen. Da ſprach’s aus dem Eiſen-Ofen: ich will dir wieder nach Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich willſt unterſchreiben, zu thun, was ich verlange. Ich bin ein groͤßerer Koͤnigsſohn, als du eine Koͤnigs - tochter und will dich heirathen. Da erſchrak ſie und dachte: lieber Gott, was ſoll ich mit dem Eiſen-Ofen anfangen! weil ſie aber gern wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterſchrieb ſie ſich doch, zu thun, was er verlangte. Er ſprach aber: du ſollſt wiederkommen, ein Meſ - ſer mitbringen und ein Loch in das Eiſen ſchrap - pen; dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten, der ging nebenher und ſprach nicht, er brachte ſie aber in zwei Stunden nach Haus. Nun war große Freude am Schloß, als die Prinzeſſin wieder kam und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals und kuͤßte ſie. Sie war aber ſehr betruͤbt und ſprach: lie - ber Vater, wie mir’s gegangen hat! ich waͤr nicht wieder nach Haus gekommen aus dem gro - ßen wilden Walde, wann ich nicht waͤr bei einem eiſernen Ofen gekommen, dem habe ich mich muͤſ - ſen dafuͤr unterſchreiben, daß ich wollte wieder zu ihm zuruͤckkehren, ihn erloͤſen und heirathen. Da erſchrack der alte Koͤnig ſo ſehr, daß er beinahe in eine Ohnmacht gefallen waͤre, denn er hatte nur die einige Tochter. Berathſchlagten ſich alſo, ſie wollten die Muͤllerstochter, die ſchoͤn waͤr, an213 ihre Stelle nehmen, fuͤhrten die hinaus, gaben ihr ein Meſſer und hießen ſie an dem Eiſen-Ofen ſchaben. Sie ſchrappte auch 24 Stund, konnte aber nicht das geringſte herabbringen; wie nun der Tag anbrach, rief’s in dem Eiſen-Ofen: mich daͤucht, ’s iſt Tag[d]raußen! Da antwortete ſie: das daͤucht mich auch, ich meint, ich hoͤrt meines Vaters Muͤhle rappeln. So biſt du ja eine Muͤllerstochter, dann geh gleich hinaus und laß die Prinzeſſin herkommen. Da ging ſie hin und ſagte dem alten Koͤnig, der draußen wollte ſie nicht, er wollte ſeine Tochter. Da er - ſchrak der alte Koͤnig und die Prinzeſſin weinte; ſie hatten aber noch eine ſchoͤne Schweinhirts - tochter, die war noch ſchoͤner, als die Muͤllers - tochter, der wollten ſie ein Stuͤck Geld geben, damit ſie fuͤr die Prinzeſſin zum eiſernen Ofen ging. Alſo ward ſie hinausgebracht und mußte auch 24 Stund ſchrappen, ſie bracht aber nichts davon. Wie nun der Tag anbrach, rief’s im Ofen: mich daͤucht, es iſt Tag draußen! Da antwortete ſie: das daͤucht mich auch, ich meint, ich hoͤrt meines Vaters Hoͤrnchen tuͤten! So biſt du ja eine Schweinshirten-Tochter, dann geh gleich hinaus und laß die Prinzeſſin kommen. Und ſag ihr, es ſollt ihr wiederfah - ren, was ich ihr verſprochen haͤtte, und wann ſie nicht kaͤme, ſollte alles zerfallen und einſtuͤrzen und kein Stein auf dem andern bleiben. Als214 die Prinzeſſin das hoͤrte, fing ſie an zu weinen, es war aber nun nicht anders, ſie mußte ihr Verſprechen halten. Da nahm ſie Abſchied von ihrem Vater, ſteckte ein Meſſer ein und ging zu dem Eiſen-Ofen hinaus. Wie ſie nun angekom - men war, hub ſie an zu ſchrappen und das Eiſen gab ihr nach und wie zwei Stunden vorbei waren, hatte ſie ſchon ein kleines Loch geſchabt. Da guckte ſie hinein und ſah einen ſo ſchoͤnen Koͤnigsſohn, ach! der glimmerte, daß er ihr recht in der Seele gefiel. Nun da ſchrappte ſie noch weiter fort und machte das Loch ſo groß, daß er heraus konnte. Da ſprach er: du biſt mein und ich bin dein, du biſt meine Braut und haſt mich er - loͤſt. Sie bat ſich aus, daß ſie noch einmal duͤrfte zu ihrem Vater gehen und der Koͤnigsſohn erlaubte es ihr, ſie ſollte aber nicht mehr mit ihrem Vater ſprechen, als drei Worte und dann ſollte ſie wiederkommen. Alſo ging ſie heim, ſie ſprach aber mehr als drei Worte, da verſchwand alsbald der Eiſen-Ofen und war weit weg uͤber glaͤſerne Berge und ſchneidende Schwerter; doch war der Prinz erloͤſt und nicht mehr darin einge - ſchloſſen. Darnach nahm ſie Abſchied von ihrem Vater und etwas Geld mit, aber nicht viel, ging wieder in den großen Wald und ſuchte den Eiſen - Ofen, allein der war nicht wieder zu finden. Neun Tage ſuchte ſie, da ward ihr Hunger ſo groß, daß ſie ſich nicht zu helfen wußte, denn ſie hatte nichts215 mehr zu leben. Und wie es Abend wurde, ſetzte ſie ſich auf einen kleinen Baum und gedachte dar - auf die Nacht hinzubringen, weil ſie ſich vor den wilden Thieren fuͤrchtete. Als nun Mitternacht heran kam, ſah ſie von ferne ein kleines Lichtchen, dacht ſie, ach! da waͤr ich wohl erloͤſt, ſtieg vom Baum und ging dem Lichtchen nach, auf dem Weg aber betete ſie. Da kam ſie zu einem klei - nen alten Haͤuschen, da war viel Gras um ge - wachſen und ſtand ein kleines Haͤufchen Holz davor. Dachte ſie: ach! wo kommſt du hier hin; guckte durch’s Fenſter hinein, ſo ſah ſie nichts darin, als dicke und kleine Itſchen (Kroͤten), aber einen Tiſch, ſchoͤn gedeckt mit Wein und Braten, und Teller und Becher waren von Sil - ber. Da nahm ſie ſich das Herz und klopfte an; alsbald rief die Dicke:

Jungfer gruͤn und klein,
Hutzelbein!
Hutzelbeins Huͤndchen
Hutzel hin und her!
Laß geſchwind ſehen, wer draußen waͤr.

Da kam eine kleine Itſche herbei gegangen und machte ihr auf; wie ſie eintrat, hießen alle ſie willkommen und ſie mußte ſich ſetzen. Wo kommt ihr her? wo wollt ihr hin? Da er - zaͤhlte ſie alles, wie es ihr gegangen waͤre, und weil ſie das Gebot uͤbertreten, nicht mehr als drei Worte zu ſprechen, waͤre der Ofen weg ſammt216 dem Prinzen; nun wollte ſie ſo lange ſuchen und uͤber Berg und Thal wandern, bis ſie ihn faͤnde, da ſprach die alte Dicke:

Jungfer gruͤn und klein,
Hutzelbein!
Hutzelbeins Huͤndchen!
Hutzel hin und her!
bring mir die große Schachtel her!

Da ging die kleine hin und brachte die Schachtel herbeigetragen, hernach gaben ſie ihr Eſſen und Trinken und brachten ſie zu einem ſchoͤnen gemach - ten Bett, das war wie Seide und Sammet, da legt ſie ſich hinein und ſchlief in Gottes Namen. Als der Tag kam, ſtieg ſie auf und gab ihr die alte Itſche drei Nadeln aus der großen Schachtel, die ſollte ſie mitnehmen; ſie wuͤrden ihr noͤthig thun, denn ſie muͤßte uͤber einen hohen glaͤſernen Berg und uͤber drei ſchneidende Schwerter und uͤber ein großes Waſſer, wann ſie das durchſetzte, wuͤrde ſie ihren Prinzen wiederkriegen. Nun gab ſie hiermit drei Theile (Stuͤcke), die ſollte ſie recht in Acht nehmen, naͤmlich drei große Na - deln, ein Pflugrad und drei Nuͤſſe. Hiermit reiſte ſie ab und wie ſie vor den glaͤſernen Berg kam, der ſo glatt war, ſteckte ſie die drei Nadeln als hinter die Fuͤße und dann wieder vorwaͤrts und gelangte ſo hinuͤber, und als ſie hinuͤber war, ſteckte ſie ſie an einen Ort, den ſie wohl in Acht nahm. Darnach kam ſie vor die drei ſchneiden -217 den Schwerter, da ſtellte ſie ſich auf ihr Pflugrad und rollte hinuͤber. Endlich kam ſie vor ein gro - ßes Waſſer und wie ſie uͤbergefahren war, in ein großes ſchoͤnes Schloß. Sie ging hinein und hielt um einen Dienſt an, ſie waͤr eine arme Magd und wollte ſich gern vermiethen; ſie wußte aber, daß ihr Prinz drinne war, den ſie erloͤſt hatte aus dem eiſernen Ofen im großen Wald. Alſo ward ſie angenommen zum Kuͤchen - maͤdchen fuͤr geringen Lohn. Nun hatte der Prinz ſchon wieder eine andere an der Seite, die wollte er heirathen, denn er dachte, ſie waͤre laͤngſt geſtorben. Abends nun, wie ſie aufgewaſchen hatte und fertig war, fuͤhlte ſie in ihre Taſche und fand die drei Nuͤſſe, welche ihr die alte Itſche gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern eſſen, ſiehe da war ein ſtolzes koͤnigliches Kleid drin. Wie’s nun die Braut hoͤrte, kam ſie und hielt um das Kleid an und wollte es kaufen: es waͤr kein Kleid fuͤr eine Dienſtmagd. Da ſprach ſie, ja ſie wollt’s nicht verkaufen, doch wann ſie ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, ſo ſollte ſie’s haben, naͤmlich eine Nacht in der Kammer ihres Braͤutigams zu ſchlafen. Die Braut erlaubt es ihr, weil das Kleid ſo ſchoͤn war und ſie noch keins ſo hatte. Wie’s nun Abend war, ſagte ſie zu ihrem Braͤutigam: das naͤrriſche Maͤdchen will in deiner Kammer ſchlafen. Wann du’s zufrieden[biſt], ſprach er, bin ich’s auch. Sie218 gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das ſie einen Schlaftrunk gethan hatte. Alſo gingen beide in die Kammer ſchlafen, und er ſchlief ſo feſt, daß ſie ihn nicht erwecken konnte. Sie weinte aber die ganze Nacht und rief: ich hab dich erloͤſt aus einem wilden Wald und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich hab dich erloͤſt durch ein verwuͤnſchtes Schloß, uͤber einen glaͤſernen Berg, uͤber drei ſchneidende Schwerter und uͤber ein großes Waſſer, ehe ich dich gefunden habe und willſt mich doch nicht hoͤren. Die Bedienten ſaßen vor der Stuben - thuͤre und hoͤrten wie ſie ſo die ganze Nacht weinte und ſagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie ſie am anderen Abend aufgewaſchen hatte, biß ſie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit ſchoͤne - res Kleid drin, wie das die Braut ſah, wollte ſie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht und bat ſich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams ſchlafen duͤrfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er ſchlief ſo feſt, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief: ich hab dich erloͤſt aus einem wilden Walde und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich habe dich erloͤſt, durch ein verwuͤnſch - tes Schloß, uͤber einen glaͤſernen Berg, uͤber drei ſchneidende Schwerter und uͤber ein großes Waſſer ehe ich dich gefunden habe und willſt mich doch219 nicht hoͤren. Die Bedienten ſaßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten, wie ſie ſo die ganze Nacht weinte und ſagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie ſie am dritten Abend aufge - waſchen hatte, biß ſie die dritte Nuß auf, da war ein noch ſchoͤneres Kleid darin, das ſtarrte von purem Gold. Wie die Braut das ſah, wollte ſie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn ſie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams ſchlafen. Der Prinz aber huͤtete ſich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie ſie nun anfing zu weinen und zu rufen: liebſter Schatz, ich habe dich erloͤſt aus dem grauſamen, wilden Walde und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich habe dich erloͤſt; ſo ſprang der Prinz auf und ſprach: du biſt mein und ich bin dein. Darauf ſetzte er ſich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der fal - ſchen Braut nahmen ſie die Kleider weg, daß ſie nicht aufſtehen konnte. Als ſie zu dem großen Waſſer kamen, da ſchifften ſie hinuͤber, und vor die drei ſchneidende Schwerter, da ſetzten ſie ſich aufs Pflugrad, und vor den glaͤſernen Berg, da ſteckten ſie die drei Nadeln hinein; und ſo gelang - ten ſie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen, aber wie ſie hineintraten, war’s ein großes Schloß, die Itſchen waren alle erloͤſt und lauter Prinzen und Prinzeſſinnen und waren in voller Freude. Da ward Vermaͤhlung gehalten und ſie blieben220 in dem Schloß, das war viel groͤßer, als ihres Vaters Schloß. Weil aber der Alte jammerte, daß er allein bleiben ſollte, ſo fuhren ſie weg und holten ihn zu ſich und hatten zwei Koͤnigreiche und lebten in gutem Eheſtand.

42. Die faule Spinnerin.

Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war ſo faul, daß ſie immer nichts arbeiten wollte und was ihr der Mann zu ſpinnen gab, das ſpann ſie nicht fertig und was ſie auch ſpann, haſpelte ſie nicht, ſondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt ſie nun der Mann, ſo war ſie mit ihrem Maul doch vor - nen und ſprach: ei, wie ſollt ich haſpeln, da ich keinen Haſpel habe, geh du erſt in den Wald und ſchaff mir einen. Wenn’s daran liegt, ſagte der Mann, ſo will ich in den Wald gehen und Haſpelholz holen. Da fuͤrchtete ſich die Frau, wenn er das Holz haͤtte, daß er daraus einen Haſpel machte und ſie da abhaſpeln und dann friſch ſpinnen muͤßte. Sie beſann ſich ein Bis - chen, da kam ihr ein guter Einfall und ſie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum geſtiegen war, das Holz auszuleſen und zu hauen, ſchlich ſie darunter in221 das Gebuͤſch, wo er ſie nicht ſehen konnte und rief hinauf:

wer Haſpelholz haut, der ſtirbt,
wer da haſpelt, der verdirbt!

Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach, was das wohl zu bedeu - ten habe. Ei was, ſprach er endlich, was wird’s geweſen ſeyn, es hat dir in den Ohren geklungen, mach dir keine unnoͤthige Furcht; alſo ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da rief’s wieder unten:

wer Haſpelholz haut, der ſtirbt,
wer da haſpelt, der verdirbt!

Er hielt ein, kriegte Angſt und Bang und ſann dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei war, kam ihm das Herz wieder und er langte zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen. Aber zum drittenmal rief’s und ſprach’s laut:

wer Haſpelholz haut, der ſtirbt,
wer da haſpelt, der verdirbt!

Da hatte er’s genug und alle Luſt war ihm ver - gangen, ſo daß er eilends den Baum herunter - ſtieg und ſich auf den Heimweg machte. Die Frau lief, was ſie konnte, auf Nebenwegen, damit ſie eher nach Haus kaͤme; wie er nun in die Stube trat, that ſie unſchuldig, als waͤre nichts vorge - fallen und ſagte: nun bringſt du ein gutes Has -222 pelholz? Nein, ſprach er, ich ſehe wohl, es geht mit dem Haſpeln nicht, erzaͤhlte ihr, was ihm im Walde begegnet war, und ließ ſie von nun an damit in Ruhe.

Bald hernach fing der Mann doch wieder an ſich uͤber die Unordnung im Hauſe zu aͤrgern und es lief bei ihm uͤber: Frau, ſagte er, es iſt doch eine Schande, daß das geſponnene Garn da auf dem Klauel liegen bleibt. Weißt du was, ſprach ſie, weil wir doch zu keinem Haſpel kom - men, ſo ſtell dich auf den Boden und ich ſteh un - ten, da will ich dir den Klauel hinaufwerfen und du wirfſt ihn herunter, ſo gibt’s doch einen Strang. Ja, das geht, ſagte der Mann; alſo thaten ſie das und wie ſie fertig waren, ſprach er: das Garn iſt nun geſtraͤngt, nun muß es auch gekocht werden. Der Frau ward wieder Angſt; ſie ſprach zwar: ja, wir wollen’s gleich morgenfruͤh kochen, dachte aber bei ſich auf einen neuen Streich. Fruͤhmorgens ſtand ſie auf, machte Feuer an, und ſtellte den Keſſel bei, allein ſtatt des Garns legte ſie einen Klumpen Werg hinein und ließ es ſo zukochen. Darauf ging ſie zum Manne, der noch im Bette lag, und ſprach zu ihm: ich muß einmal ausgehen, ſteh derweil auf und ſieh nach dem Garn, das im Keſſel uͤber’m Feuer ſteht, aber du mußt’s bei Zeit thun, gib wohl Acht, denn wo der Hahn kraͤht und du ſaͤheſt nicht nach, wird das Garn zu Werg. 223Der Mann war bei der Hand und wollte nichts verſaͤumen, alſo ſtand er eilend auf, ſo ſchnell er konnte und ging in die Kuͤche; wie er aber zum Keſſel kam und hinein ſah, da erblickte er mit Schrecken nichts als einen Klumpen Werg. Da ſchwieg er maͤuschenſtill, dachte, er haͤtt’s verſehen und waͤr Schuld daran und ließ in Zukunft die Frau mit Garn und Spinnen immer zufrieden.

43. Der Loͤwe und der Froſch.

Es war ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die hatten einen Sohn und eine Tochter, die hatten ſich herzlich lieb. Der Prinz ging oft auf die Jagd und blieb manchmal lange Zeit draußen im Wald, einmal aber kam er gar nicht wieder. Daruͤber weinte ſich ſeine Schweſter faſt blind, endlich, wie ſie’s nicht laͤnger aushalten konnte, ging ſie fort in den Wald und wollte ihren Bru - der ſuchen. Als ſie nun lange Wege gegangen war, konnte ſie vor Muͤdigkeit nicht weiter und wie ſie ſich umſah, da ſtand ein Loͤwe neben ihr, der that ganz freundlich und ſah ſo gut aus. Da ſetzte ſie ſich auf ſeinen Ruͤcken und der Loͤwe trug ſie fort und ſtreichelte ſie immer mit ſeinem Schwanze und kuͤhlte ihr die Backen. Als er224 nun ein gut Stuͤck fortgelaufen war, kamen ſie vor eine Hoͤhle, da trug ſie der Loͤwe hinein und ſie fuͤrchtete ſich nicht und wollte auch nicht herab - ſpringen, weil der Loͤwe ſo freundlich war. Alſo ging’s durch die Hoͤhle, die immer dunkler war und endlich ganz ſtockfinſter, und als das ein Weil - chen gedauert hatte, kamen ſie wieder an das Tagslicht in einen wunderſchoͤnen Garten. Da war alles ſo friſch und glaͤnzte in der Sonne, und mittendrin ſtand ein praͤchtiger Pallaſt. Wie ſie an’s Thor kamen, hielt der Loͤwe und die Prin - zeſſin ſtieg von ſeinem Ruͤcken herunter. Da fing der Loͤwe an zu ſprechen und ſagte: in dem ſchoͤnen Haus ſollſt du wohnen und mir dienen, und wenn du alles erfuͤllſt was ich fordere, ſo wirſt du deinen Bruder wiederſehen.

Da diente die Prinzeſſin dem Loͤwen und ge - horchte ihm in allen Stuͤcken. Einmal ging ſie in dem Garten ſpatziren, darin war es ſo ſchoͤn und doch war ſie traurig, weil ſie ſo allein und von aller Welt verlaſſen war. Wie ſie ſo auf und ab ging, ward ſie einen Teich gewahr und auf der Mitte des Teichs war eine kleine Inſel mit einem Zelt. Da ſah ſie, daß unter dem Zelt ein grasgruͤner Laubfroſch ſaß und hatte ein Ro - ſenblatt auf dem Kopf ſtatt einer Haube. Der Froſch guckte ſie an und ſprach: warum biſt du ſo traurig? Ach, ſagte ſie, warum ſollte ich nicht traurig ſeyn? und klagte ihm da recht ihreRoth.225Noth. Da ſprach der Froſch ganz freundlich: wenn du was brauchſt, ſo komm nur zu mir. ſo will ich dir mit Rath und That zur Hand gehen. Wie ſoll ich dir das aber vergelten? Du brauchſt mir nichts zu vergelten, ſprach der Quackfroſch, bring mir nur alle Tage ein friſches Roſenblatt zur Haube. Da ging nun die Prin - zeſſin wieder zuruͤck und war ein Bischen getroͤ - ſtet und ſo oft der Loͤwe etwas verlangte, lief ſie zum Teich, da ſprang der Froſch heruͤber und hin - uͤber und hatte ihr bald herbeigeſchafft, was ſie brauchte. Auf eine Zeit ſagte der Loͤwe: heut Abend aͤß ich gern eine Muͤckenpaſtete, ſie muß aber gut zubereitet ſeyn. Da dachte die Prin - ceſſin, wie ſoll ich die herbei ſchaffen, das iſt mir ganz unmoͤglich, lief hinaus und klagte es ihrem Froſch. Der Froſch aber ſprach: mach dir keine Sorgen, eine Muͤckenpaſtete will ich ſchon herbei - ſchaffen. Darauf ſetzte er ſich hin, ſperrte rechts und links das Maul auf, ſchnappte zu und fing Muͤcken, ſo viel er brauchte. Darauf huͤpfte er hin und her, trug Holzſpaͤne zuſammen und blies ein Feuer an. Wie’s brannte, knetete er die Pa - ſtete und ſetzte ſie uͤber Kohlen, und es waͤhrte keine zwei Stunden, ſo war ſie fertig und ſo gut als einer nur wuͤnſchen konnte. Da ſprach er zu dem Maͤdchen: die Paſtete kriegſt du aber nicht eher, als bis du mir verſprichſt, dem Loͤwen, ſo - bald er eingeſchlafen iſt, den Kopf abzuſchlagenKindermärchen II. P226mit einem Schwert, das hinter ſeinem Lager ver - borgen iſt. Nein, ſagte ſie, das thue ich nicht, der Loͤwe iſt doch immer gut gegen mich geweſen. Da ſprach der Froſch: wenn du das nicht thuſt, wirſt du nimmermehr deinen Bruder wiederſehen, und dem Loͤwen ſelber thuſt du auch kein Leid da - mit an. Da faßte ſie Muth, nahm die Paſtete und brachte ſie dem Loͤwen. Die ſieht ja recht gut aus, ſagte der Loͤwe, ſchnupperte daran und fing gleich an einzubeißen, ſie auch ganz auf. Wie er nun fertig war, fuͤhlte er eine Muͤdigkeit und wollte ein wenig ſchlafen; alſo ſprach er zur Prinzeſſin: komm und ſetz dich neben mich und krau mir ein Bischen hinter den Ohren, bis ich eingeſchlafen bin. Da ſetzt ſie ſich neben ihn, kraut ihn mit der Linken und ſucht mit der Rech - ten nach dem Schwert, welches hinter ſeinem Bette liegt. Wie er nun eingeſchlafen iſt, ſo zieht ſie es hervor, druͤckt die Augen zu und haut mit einem Streich dem Loͤwen den Kopf ab. Wie ſie aber wieder hinblickt, da war der Loͤwe verſchwun - den und ihr lieber Bruder ſtand neben ihr, der kuͤßte ſie herzlich und ſprach: du haſt mich er - loͤſt, denn ich war der Loͤwe und war verwuͤnſcht es ſo lang zu bleiben, bis eine Maͤdchenhand aus Liebe zu mir dem Loͤwen den Kopf abhauen wuͤrde. Darauf gingen ſie miteinander in den Garten und wollten dem Froſch danken, wie ſie aber ankamen, ſahen ſie, wie er nach allen Seiten herumhuͤpfte227 und kleine Spaͤne ſuchte und ein Feuer anmachte. Als es nun recht hell brannte, huͤpfte er ſelber hinein und da brennt’s noch ein Bischen und dann geht das Feuer aus, und ſteht ein ſchoͤnes Maͤd - chen da, das war auch verwuͤnſcht worden und die Liebſte des Prinzen. Da ziehen ſie miteinander heim zu dem alten Koͤnig und der Frau Koͤnigin und wird eine große Hochzeit gehalten und wer dabei geweſen, der iſt nicht hungrig nach Haus gegangen.

44. Der Soldat und der Schreiner.

Es wohnten in einer Stadt zwei Tiſchler, deren Haͤuſer ſtießen aneinander und jeder hatte einen Sohn; die Kinder waren immer beiſam - men, ſpielten miteinander und hießen darum das Meſſerchen und Gaͤbelchen, die auch im - mer nebeneinander auf den Tiſch gelegt werden. Als ſie nun beide groß waren, wollten ſie auch von einander nicht weichen, der eine war aber muthig und der andere furchtſam, da ward der eine Soldat, der andere lernte das Handwerk. Wie die Zeit kam, daß dieſer wandern mußte, wollt ihn der Soldat nicht verlaſſen und gingen ſie zuſammen aus. Sie kamen nun in eine Stadt, wo der Tiſchler bei einem Meiſter in die ArbeitP 2228ging, der Soldat wollte da auch bleiben und ver - dingte ſich bei demſelben Meiſter als Hausknecht. Das waͤr gut geweſen, aber der Soldat hatte keine Luſt am Arbeiten, lag auf der Baͤrenhaut und es dauerte nicht lang, ſo wurde er vom Mei - ſter weggeſchickt; der fleißige wollt ihn aus Treue nun nicht allein laſſen, ſagte dem Meiſter auf und zog mit ihm weiter. So ging’s aber immer fort; hatten ſie Arbeit, ſo dauerte es nicht lang, weil der Soldat faul war und fortgeſchickt wurde, der andere aber ohne ihn nicht bleiben wollte. Einmal kamen ſie in eine große Stadt, weil aber der Sol - dat keine Hand regen wollte, ward er am Abend ſchon verabſchiedet und ſie mußten dieſelbe Nacht wieder hinaus. Da fuͤhrte ſie der Weg vor einen unbekannten großen Wald; der Furchtſame ſprach: ich geh nicht hinein, darin ſpringen Hexen und Geſpenſter herum. Der Soldat aber antwor - tete: ei was! davor fuͤrcht ich mich noch nicht! ging voran, und der Furchtſame, weil er doch nicht von ihm laſſen wollte, ging mit. In kurzer Zeit hatten ſie den Weg verloren und irrten in der Dunkelheit durch die Baͤume, endlich ſahen ſie ein Licht. Das ſuchten ſie auf und kamen zu einem ſchoͤnen Schloß, das hell erleuchtet war, und haußen lag ein ſchwarzer Hund und auf einem Teich neben ſaß ein rother Schwan; als ſie aber hineintraten, ſahen ſie nirgends einen Menſchen, bis ſie in die Kuͤche kamen, da ſaß noch229 eine graue Katze bei einem Topf am Feuer und kochte. Sie gingen weiter und fanden viele praͤch - tige Zimmer, die waren alle leer, in einem aber ſtand ein Tiſch mit Eſſen und Trinken reichlich beſetzt. Weil ſie nun großen Hunger hatten, machten ſie ſich daran und ließen ſich’s gut ſchmecken. Dar - nach ſprach der Soldat: wenn du gegeſſen haſt und ſatt worden biſt, ſollſt du ſchlafen gehen! machte eine Kammer auf, darin ſtanden zwei ſchoͤne Betten. Sie legten ſich, aber als ſie eben einſchlafen wollten, fiel dem Furchtſamen ein, daß ſie noch nicht gebetet haͤtten, da ſtand er auf und ſah in der Wand einen Schrank, den ſchloß er auf und war da ein Crucifix mit zwei Gebetbuͤ - chern dabei. Gleich weckte er den Soldaten, daß er aufſtehen mußte und ſie knieten beide nieder und thaten ihr Gebet; darnach ſchliefen ſie ruhig ein. Am andern Morgen kriegte der Soldat einen heftigen Stoß, daß er in die Hoͤhe fuhr: du, was ſchlaͤgſt du mich rief er dem andern zu, der aber hatte auch einen Stoß gekriegt und ſprach: was ſtoͤßt du mich, ich ſtoß dich nicht! Da ſagte der Soldat: es wird wohl ein Zeichen ſeyn, daß wir hervor ſollen. Wie ſie nun heraus - kamen, ſtand ſchon ein Fruͤhſtuͤck auf dem Tiſch, der Furchtſame ſprach aber: eh wir es anruͤh - ren, wollen wir erſt nach einem Menſchen ſuchen. Ja, ſagte der Soldat, ich mein auch immer, die230 Katze haͤtt’s gekocht und eingebrockt, da vergeht mir alle Luſt.

Sie gingen alſo wieder von unten bis oben durch’s Schloß, fanden aber keine Seele, endlich ſagte der Soldat: wir wollen auch in den Keller ſteigen. Wie ſie die Treppe herunter waren, ſahen ſie vor dem erſten Keller eine alte Frau ſitzen; ſie redeten ſie an und ſprachen: guten Tag! hat ſie uns das gute Eſſen gekocht? Ja, Kinder, hat’s euch geſchmeckt? Da gin - gen ſie weiter und kamen zum zweiten Keller, davor ſaß ein Juͤngling von 14 Jahren, den gruͤßten ſie auch, er gab ihnen aber keine Antwort. Endlich kamen ſie in den dritten Keller, davor ſaß ein Maͤdchen von zwoͤlf Jahren, das antwortete ihnen auch nicht auf ihren Gruß. Sie gingen noch weiter durch alle Keller, fanden aber weiter niemand. Wie ſie nun wieder zuruͤckkamen, war das Maͤdchen von ſeinem Sitz aufgeſtanden, da ſagten ſie zu ihm: willſt du mit uns hinaufge - hen? Es ſprach aber: iſt der rothe Schwan noch oben auf dem Teich? Ja, wir haben ihn beim Eingang geſehen. Das iſt traurig, ſo kann ich nicht mitgehen. Der Juͤngling war auch aufgeſtanden und als ſie zu ihm kamen, fragten ſie ihn: willſt du mit uns hinauf gehen? Er aber ſprach: iſt der ſchwarze Hund noch auf dem Hof? Ja, wir haben ihn beim Eingang geſehen. Das iſt traurig, ſo kann231 ich nicht mit euch gehen. Als ſie zu der alten Frau kamen, hatte ſie ſich auch aufgerichtet: Muͤtterchen, ſprachen ſie, wollt ihr mit uns hinaufgehen? Iſt die graue Katze noch oben in der Kuͤche? Ja, ſie ſitzt auf dem Heerd bei einem Topf und kocht. Das iſt traurig, eh ihr nicht den rothen Schwan, den ſchwarzen Hund und die graue Katze toͤdtet, koͤn - nen wir nicht aus dem Keller heraus.

Als die zwei Geſellen wieder oben in die Kuͤche kamen, wollten ſie die Katze ſtreicheln, ſie machte aber feurige Augen und ſah ganz wild aus. Nun war noch eine kleine Kammer uͤbrig, in der ſie nicht geweſen waren, wie ſie die aufmachten, war ſie ganz leer, nur an der Wand ein Bogen und Pfeil, ein Schwert und eine Eiſen-Zange. Ueber Bogen und Pfeil ſtanden die Worte: das toͤdtet den rothen Schwan, uͤber dem Schwert: das haut dem ſchwarzen Hund den Kopf herun - ter, und uͤber der Zange: das kneift der grauen Katze den Kopf ab. Ach, ſagte der Furchtſame, wir wollen fort von hier, der Soldat aber: nein, wir wollen die Thiere aufſuchen. Sie nahmen die Waffen von der Wand und gingen in die Kuͤche, da ſtanden die drei Thiere, der Schwan, der Hund und die Katze beiſammen, als haͤtten ſie was Boͤſes vor. Wie der Furchtſame das ſah, lief er wieder fort; der Soldat ſprach ihm ein Herz ein, er hingegen wollte erſt etwas eſſen; wie er232 gegeſſen hatte, ſagte er: in einem Zimmer hab - ich Harniſche geſehen, da will ich einen zuvor an - legen. Als er in dem Zimmer war, wollt er ſich forthelfen und ſprach: es iſt beſſer, wir ſteigen zum Fenſter hinaus, was kuͤmmern uns die Thiere! Wie er aber zum Fenſter trat, war ein ſtark Eiſen-Gitter davor. Nun konnt er’s nicht laͤnger verreden, ging zu den Harniſchen und wollte einen anziehen, aber ſie waren alle zu ſchwer. Da ſagte der Soldat: ei was, laß uns ſo gehen, wie wir ſind. Ja, ſprach der an - dere, wenn unſer noch drei waͤren. Wie er die Worte ſprach, da flatterte eine weiße Taube außen an’s Fenſter und ſtieß daran, der Soldat machte ihr auf und wie ſie herein war, ſtand ein ſchoͤner Juͤngling vor ihnen, der ſprach: ich will bei euch ſeyn und euch helfen und nahm Bogen und Pfeil. Der Furchtſame ſprach zu ihm, er haͤtt’s am beſten, mit dem Bogen und Pfeil, nach dem Schuß waͤr’s gut und er koͤnnte hingehen, wohin er Luſt haͤtte, ſie aber muͤßten mit ihren Waffen den Zauber-Thieren naͤher auf den Leib. Da gab der Juͤngling ihm den Bogen und Pfeil und nahm das Schwert.

Da gingen alle drei zur Kuͤche, wo die Thiere noch beiſammen ſtanden, und der Juͤngling hieb dem ſchwarzen Hund den Kopf ab, und der Sol - dat packte die graue Katze mit der Zange und der Furchtſame ſtand hinten und ſchoß den rothen233 Schwan todt. Und wie die drei Thiere nieder - fielen, in dem Augenblick kam die Alte und ihre zwei Kinder mit großem Geſchrei aus dem Keller gelaufen: ihr habt meine liebſten Freunde ge - toͤdtet, ihr ſeyd Verraͤther, drangen auf ſie und wollten ſie ermorden. Aber die drei uͤberwaͤltig - ten ſie und toͤdteten ſie mit ihren Waffen und wie ſie todt waren, fing auf einmal ein wunderliches Gemurmel rings herum an und kam aus allen Ecken. Der Furchtſame ſprach: wir wollen die drei Leichen begraben, es waren doch Chriſten, das haben wir am Crucifix geſehen. Sie trugen ſie alſo hinaus auf den Hof, machten drei Graͤber und legten ſie hinein. Waͤhrend der Arbeit nahm aber das Gemurmel im Schloß immer zu, ward immer lauter und wie ſie fertig waren, hoͤrten ſie ordentlich Stimmen darin und einer rief: wo ſind ſie? wo ſind ſie? Und weil der ſchoͤne Juͤngling nicht mehr da war, ward ihnen Angſt und ſie liefen fort. Als ſie ein wenig weg waren, ſagte der Soldat: ei, das iſt Unrecht, daß wir ſo fortgelaufen ſind, wir wollen umkehren und ſehen, was dort iſt. Nein, ſagte der andere, ich will mit dem Zauberweſen nichts zu thun ha - ben und mein ehrliches Auskommen in der Stadt ſuchen. Aber der Soldat ließ ihm keine Ruhe, bis er mit ihm zuruͤckging. Wie ſie vor’s Schloß kamen, war alles voll Leben, Pferde ſprangen durch den Hof und Bediente liefen hin und her. 234Da gaben ſie ſich fuͤr zwei arme Handwerker aus und baten um ein wenig Eſſen. Einer aus dem Haufen ſprach: ja, kommt nur herein, heut wird allen Gutes gethan. Sie wurden in ein ſchoͤnes Zimmer gefuͤhrt und ward ihnen Speiſe und Wein gegeben. Darnach wurden ſie gefragt, ob ſie nicht zwei junge Leute von der Burg haͤtten kommen ſehen. Nein, ſagten ſie. Als aber einer ſah, daß ſie Blut an den Haͤnden hatten, fragte er, woher das Blut kaͤme? Da ſprach der Soldat: ich habe mich in den Finger geſchnit - ten. Der Diener aber ſagte es dem Herrn, der kam ſelber und wollt es ſehen, es war aber der ſchoͤne Juͤngling, der ihnen beigeſtanden hatte und wie er ſie mit Augen ſah, rief er: das ſind ſie, die das Schloß errettet haben! Da em - pfing er ſie mit Freuden und erzaͤhlte, wie es zu - gegangen waͤre: Im Schloß war eine Haus - haͤlterin mit ihren zwei Kindern, die war eine heimliche Hexe und als ſie einmal von der Herr - ſchaft geſcholten wurde, gerieth ſie in Bosheit und verwandelte alles, was Leben hatte im Schloß, zu Steinen, nur uͤber drei andere boͤſe Hofbediente, die auch Zauberei verſtanden, hatte ſie keine rechte Gewalt und konnte ſie nur in Thiere verwandeln, die nun oben im Schloß ihr Weſen trieben, dabei fuͤrchtete ſie ſich vor ihnen und fluͤchtete mit ihren Kindern in den Keller. Auch uͤber mich hatte ſie nur ſoviel Gewalt gehabt, daß ſie mich in eine235 weiße Taube außerhalb des Schloſſes verwandeln konnte. Wie ihr zwei in’s Schloß kamt, da ſolltet ihr die Thiere toͤdten, damit ſie frei wuͤrde und zum Lohn wollte ſie euch wieder umbringen, aber Gott hat es beſſer gemacht, das Schloß iſt erloͤſt und die Steine ſind wieder lebendig gewor - den in dem Augenblick, wo die gottloſe Hexe mit ihren Kindern getoͤdtet wurde und das Gemurmel, das ihr gehoͤrt, das waren die erſten Worte, wel - che die frei gewordenen ſprachen. Darauf fuͤhrte er die zwei Geſellen zu dem Hausherrn, der hatte zwei ſchoͤne Toͤchter, die wurden ihnen gegeben, und ſie lebten vergnuͤgt ihr Lebelang, als große Ritter.

45. Die ſchoͤne Katrinelje und Pif, Paf, Poltrie.

Guten Tag, Vater Hollenthe! Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie! Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen? O ja, wenns die Mutter Malcho (Melk-Kuh), der Bruder Hohenſtolz, die Schweſter Kaͤſetraut und die ſchoͤne Katrinelje will, ſo kanns geſche - hen.

Wo iſt dann die Mutter Malcho?,
Sie iſt im Stall und melkt die Kuh.

Guten Tag, Mutter Malcho! Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie! 236 Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen? O ja, wenns der Vater Hollenthe, der Bruder Hohenſtolz, die Schweſter Kaͤſetraut und die ſchoͤne Katrinelje will, ſo kanns geſchehen.

Wo iſt dann der Bruder Hohenſtolz?
Er iſt in der Kammer und hackt das Holz.

Guten Tag, Bruder Hohenſtolz! Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie! Koͤnnt ich wohl eure Schweſter kriegen? O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, die Schweſter Kaͤſetraut und die ſchoͤne Katrinelje will, ſo kanns geſchehen.

Wo iſt dann die Schweſter Kaͤſetraut?
Sie iſt im Garten und ſchneidet das Kraut.

Guten Tag, Schweſter Kaͤſetraut! Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie! Koͤnnt ich wohl eure Schweſter kriegen? O ja, wenn der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder Hohenſtolz und die ſchoͤne Katrinelje will, ſo kanns geſchehen.

Wo iſt dann die ſchoͤne Katrinelje?
Sie iſt in der Kammer und zaͤhlt ihre Pfen -
nige.

Guten Tag, ſchoͤne Katrinelje! Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie! Willſt du wohl mein Schatz ſeyn? O ja wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho,237 der Bruder Hohenſtolz, die Schweſter Kaͤſetraut es will, ſo kanns geſchehen.

Schoͤn Katrinelje, wie viel haſt du an Brautſchatz? Vierzehn Pfennige baares Geld, drittehalb Groſchen Schuld, ein halb Pfund Hutzeln, eine Hand voll Prutzeln, eine Hand voll Wurzeln,

un ſo der watt:
is dat nig en guden Brudſchatt?

Pif, Paf, Poltrie, was kannſt du fuͤr ein Handwerk? biſt du ein Schneider? Noch viel beſſer! Ein Schuſter? Noch viel beſſer! Ein Ackersmann? Noch viel beſſer! Ein Schreiner? Noch viel beſſer! Ein Schmidt? Noch viel beſſer! Ein Muͤller? Noch viel beſſer! Vielleicht ein Beſen - binder? Ja! iſt das nicht ein ſchoͤnes Handwerk?

46. Der Fuchs und das Pferd.

Es hatte ein Bauer ein treues Pferd, das war alt geworden, und konnte keine Dienſte mehr thun, da wollt ihm ſein Herr nichts mehr zu freſſen geben und ſprach: brauchen kann ich dich238 freilich nicht mehr, indeß zeigſt du dich noch ſo ſtark, daß du mir einen Loͤwen hierher bringſt, ſo will ich dich behalten, jetzt aber mach dich fort aus meinem Stall; und jagte es damit weit ins Feld. Das Pferd war traurig und ging nach dem Wald zu, dort ein wenig Schutz vor dem Wetter zu ſuchen; da begegnete ihm der Fuchs und ſprach: was haͤngſt du ſo den Kopf und gehſt ſo einſam herum? Ach, ſagte das Pferd, Geitz und Treue wohnen nicht in einem Haus, mein Herr hat vergeſſen, was ich ihm alles in ſo vielen Jahren gethan habe, und weil ich nicht recht mehr ackern kann, will er mir kein Futter mehr geben und hat mich fortgejagt; er hat zwar geſagt, wenn ich ſo ſtark waͤre, daß ich ihm einen Loͤwen braͤchte, wollt er mich behalten, aber er weiß wohl, daß ich das nicht kann. Der Fuchs ſprach: da will ich dir helfen, leg dich nur hin, ſtreck dich aus und reg dich nicht, als waͤrſt du todt. Das Pferd that, was der Fuchs verlangte, der Fuchs aber ging zum Loͤwen, der ſeine Hoͤhle nicht weit davon hatte und ſprach: da draußen liegt ein todtes Pferd, komm doch mit hinaus, da kannſt du eine fette Mahlzeit halten. Der Loͤwe ging mit; wie ſie bei dem Pferd ſtanden, ſprach der Fuchs: hier haſt du’s doch nicht nach deiner Gemaͤchlichkeit, weißt du was? ich wills mit dem Schweif an dich binden, da kannſt du’s in deine Hoͤhle ziehen und in aller239 Ruhe verzehren. Dem Loͤwen gefiel der Rath und er ſtellte ſich hin, damit ihm der Fuchs das Pferd anknuͤpfen koͤnne, hielt auch fein ſtill. Der Fuchs aber band mit des Pferdes Schweif dem Loͤwen die Beine zuſammen, und drehte und ſchnuͤrte alles ſo wohl und ſtark, daß es mit kei - ner Kraft zu zerreißen war. Als er nun ſein Werk vollendet hatte, klopfte er dem Pferd auf die Schultern und ſprach: zieh, Schimmel, zieh! Da ſprang das Pferd mit einmal auf, und zog den Loͤwen mit ſich fort; der Loͤwe fing an zu bruͤllen, daß die Voͤgel in dem ganzen Wald vor Schrecken aufflogen, aber das Pferd ließ ihn bruͤllen, zog und ſchleppte ihn uͤber das Feld vor ſeines Herrn Thuͤr. Wie der Herr das ſah, beſann er ſich eines beſſern und ſprach zu dem Pferd: Du ſollſt bei mir bleiben und es gut haben, und gab ihm ſatt zu freſſen bis es ſtarb.

47. Die zertanzten Schuhe.

Es war einmal ein Koͤnig, der hatte zwoͤlf Toͤchter, eine immer ſchoͤner als die andere, die hatten ihre zwoͤlf Betten zuſammen in einem Saal, und wann ſie waren ſchlafen gegangen, wurde die Thuͤre verſchloſſen und verriegelt, und240 doch waren jeden Morgen ihre Schuhe zertanzt und wußte niemand, wo ſie geweſen und wie es zugegangen war. Da ließ der Koͤnig ausrufen, wers koͤnnte ausfindig machen, wo ſie in der Nacht tanzten, der ſollte ſich eine davon zur Frau waͤhlen und nach ſeinem Tod Koͤnig ſeyn; wer ſich aber meldete und es nach drei Tagen und Naͤchten nicht herausbraͤchte, der haͤtte ſein Leben verwirkt. Es kam bald ein Koͤnigsſohn, der ward wohl aufgenommen, und Abends in das Zimmer gefuͤhrt, das vor dem Schlafſaal der zwoͤlf Toͤch - ter war, da ſtand ſein Bett und da ſollte er Acht haben, wo ſie hingingen und tanzten; und damit ſie nichts heimlich treiben konnten oder zu einem andern Ort hinaus gingen, war auch die Saal - thuͤre offen gelaſſen. Der Koͤnigsſohn aber ſchlief ein und als er am Morgen aufwachte, waren alle zwoͤlfe zum Tanz geweſen, denn ihre Schuhe ſtanden da und hatten Loͤcher in den Sohlen. Den zweiten und dritten Abend gings eben ſo und da ward ihm ſein Haupt abgeſchlagen; und ſo kamen noch viele und meldeten ſich zu dem Wage - ſtuͤck, ſie mußten aber alle ihr Leben laſſen. Nun trug ſichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zuging, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn, wo er hin wollte. Ich weiß ſelber nicht recht, ſprach er, aber ich haͤtte wohl Luſt Koͤnig zu werdenund241und auszumachen, wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzten. Ei, ſagte die Alte, das iſt ſo ſchwer nicht, du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrſt du feſt eingeſchlafen. Darauf gab ſie ihm ein Maͤntelchen und ſprach: wenn du das umhaͤngſt, ſo biſt du unſichtbar und kannſt den Zwoͤlfen dann nachſchleichen. Wie der Soldat ſo guten Rath bekommen hatte, wards Ernſt bei ihm, ſo daß er ſich ein Herz faß - te, vor den Koͤnig ging, und ſich als Freier mel - dete. Er ward ſo gut aufgenommen wie die an - dern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider an - gethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette ge - hen wollte, kam die aͤlteſte und brachte ihm einen Becher Wein, aber er ſchuͤttete ihn heimlich aus, legte ſich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fing er an zu ſchnarchen, wie im tiefſten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten, und die aͤlteſte ſprach: der haͤtte auch ſein Leben ſparen koͤnnen! Darnach ſtanden ſie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kiſten und Kaſten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten ſich vor den Spiegeln, ſprangen herum und freuten ſich auf den Tanz. Nur die juͤngſte ſagte: ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir iſt ſo wunderlich zu Muthe, gewiß widerfaͤhrt uns ein Ungluͤck. Du Schneegans, ſagte die aͤlteſte, du fuͤrchteſtKindermärchen II. Q242dich immer, haſt du vergeſſen, wie viel Koͤnigs - ſoͤhne ſchon umſonſt da geweſen ſind; dem Solda - ten haͤtt ich nicht einmal brauchen einen Schlaf - trunk zu geben, er waͤr doch nicht aufgewacht. Wie ſie alle fertig waren, kamen ſie erſt zu dem Soldaten, aber der ruͤhrte und regte ſich nicht, und wie ſie nun glaubten, ganz ſicher zu ſeyn, ſo ging die aͤlteſte an ihr Bett und klopfte daran; alsbald ſank es in die Erde und oͤffnete ſich eine Fallthuͤr. Da ſah der Soldat, wie ſie hinunter ſtiegen, eine nach der andern, die aͤlteſte voran, alſo daß keine Zeit fuͤr ihn zu verlieren war, er ſich aufrichtete, ſein Maͤntelchen umhing, und hinter der juͤngſten mit hinab ſtieg. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid; da erſchrack ſie und rief: es iſt nicht richtig, es haͤlt mich was am Kleid. Stell dich nicht ſo ein - faͤltig, ſagte die aͤlteſte, du biſt an einem Haken haͤngen geblieben. Da gingen ſie vollends hin - ab, und wie ſie unten waren, ſtanden ſie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang, da waren alle Blaͤt - ter von Silber, und ſchimmerten und glaͤnzten. Der Soldat dachte, du willſt dir ein Wahrzeichen mitnehmen, und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Knall aus dem Baume. Die juͤngſte rief wieder: es iſt nicht richtig, habt ihr den Knall gehoͤrt, das iſt noch nie hier geſche - hen. Die aͤlteſte aber ſprach: das ſind Freu - denſchuͤſſe, weil wir unſere Prinzen bald erloͤſt243 haben! Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blaͤtter von Gold, und endlich in einen dritten, wo ſie klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal knall - te, daß die juͤngſte vor Schrecken zuſammen fuhr, aber die aͤlteſte blieb dabei, es waͤren Freuden - ſchuͤſſe. Da gingen ſie weiter bis zu einem gro - ßen Waſſer, darauf ſtanden zwoͤlf Schifflein, und in jedem Schifflein ſaß ein ſchoͤner Prinz, die hatten auf die zwoͤlfe gewartet, und jeder nahm eine zu ſich, der Soldat aber ſetzte ſich mit der juͤngſten ein, da ſprach der Prinz: ich bin doch ſo ſtark als ſonſt, aber heute iſt das Schiff viel ſchwerer, und ich muß rudern, was ich kann. Wovon ſollt das kommen, ſprach die juͤngſte, als vom warmen Wetter, es iſt mir auch ſo heiß zu Muth. Jenſeits des Waſſers aber ſtand ein ſchoͤnes hellleuchtendes Schloß, woraus eine luſti - ge Muſik erſchallte von Pauken und Trompeten; da hinuͤber ruderten ſie, gingen ein, und jeder Prinz tanzte mit ſeiner Prinzeſſin; der Soldat aber tanzte unſichtbar mit, und wenn eine einen Becher mit Wein hielt, ſo trank er ihn aus, daß er leer war, wenn ſie ihn an den Mund brachte; und der juͤngſten ward auch Angſt daruͤber, aber die aͤlteſte brachte ſie immer zum Schweigen. Sie tanzten da bis drei Uhr am andern Morgen, wo alle Schuhe durchgetanzt waren, und ſie auf - hoͤren mußten. Die Prinzen fuhren ſie uͤber dasQ 2244Waſſer wieder hinuͤber, und der Soldat ſetzte ſich diesmal vornen hin zur aͤlteſten; am Ufer nah - men ſie von ihren Prinzen Abſchied und verſpra - chen in der folgenden Nacht wieder zu kommen. Als ſie an der Treppe waren, lief der Soldat voraus, legte ſich ins Bett, und als die Zwoͤlf langſam und muͤd herauf getrippelt kamen, ſchnarchte er ſchon wieder laut, ſo daß ſie ſpra - chen: nun vor dem ſind wir ſicher. Da tha - ten ſie ihre ſchoͤnen Kleider aus, hoben ſie auf, ſtellten die zertanzten Schuhe unter das Bett und legten ſich nieder. Am andern Morgen wollte der Soldat nichts ſagen, ſondern das wunderliche Weſen noch mehr anſehen, und ging die zweite und die dritte Nacht wieder mit, und da war al - les, wie das erſtemal, und ſie tanzten jedesmal bis die Schuhe entzwei waren; nur das drittemal nahm er noch einen Becher mit zum Wahrzeichen. Zu der Stunde nun, wo er antworten ſollte, nahm er die drei Zweige und den Becher, und ging vor den Koͤnig, und die Zwoͤlfe ſtanden hin - ter der Thuͤre und horchten, was er ſagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte: wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht ver - tanzt? antwortete er: mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdiſchen Schloß, und erzaͤhlte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig ſeine Toͤchter und fragte ſie, ob der Sol - dat die Wahrheit geſagt haͤtte, und da ſie ſahen,245 daß ſie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten ſie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: ich bin nicht mehr jung, ſo gebt mir die aͤlteſte. Da ward noch an ſelbigem Tage die Hochzeit ge - halten, und ihm das Reich nach des Koͤnig Tode verſprochen, aber die Prinzen wurden auf ſo viel Tage wieder verwuͤnſcht, als ſie Naͤchte mit den zwoͤlfen getanzt hatten.

48. Die ſechs Diener.

Eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin, und hatte die allerſchoͤnſte Tochter unter der Son - ne, wenn aber ein Freier kam, ſo gab ſie ihm ei - nen Bund (etwas zu loͤſen) auf, und konnt er den nicht herausbringen, ſo war keine Gnade, er mußt niederknien und das Haupt ward ihm abge - ſchlagen. Nun geſchah es, daß ein Koͤnigsſohn um ſie werben wollte, aber ſein Vater ließ es nicht zu und ſprach: nein, gehſt du hin, ſo kommſt du nicht wieder zuruͤck. Da legte ſich der Prinz nieder und ward ſterbenskrank ſieben Jahre lang; weil nun der Vater ſah, daß er doch verloren waͤre, ſprach er: zieh hin, vielleicht biſt du gluͤcklich. Alsbald war er geſund, ſtand auf von ſeinem Lager und machte ſich auf den Weg. 246Nun mußte er auch durch ein Holz, darin ſah er einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal - tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn wollte zum Diener haben? Der Prinz ſprach: was ſoll ich mit einem ſo dicken Mann anfan - gen; wie biſt du nur ſo dick geworden? O das iſt noch gar nichts, wenn ich mich recht aus - einander thue, bin ich noch dreitauſendmal ſo dick! Da komm mit mir, ſagte der Prinz. Die zwei gingen weiter und fanden einen andern, der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den Raſen gelegt. Was machſt du da? ſprach der Prinz. Ei! ich horche, denn ich kann das Gras wachſen hoͤren, und alles, was ſich in der Welt zutraͤgt, und darum werd ich der Horcher ge - nannt. Sag mir, was geſchieht eben an der alten Koͤnigin Hof? Es wird einem Freier der Kopf abgeſchlagen, ich hoͤr das Schwert ſau - ſen. Komm mit mir, ſprach der Prinz und ſie zogen zu dreien weiter. Da fanden ſie einen, der lag da und war ganz lang, ſo daß ſie eine gute Strecke gehen mußten, bis ſie von ſeinen Fuͤßen bis zum Kopf kamen. Warum biſt du ſo lang? fragte der Prinz. O, ſagte er, wenn ich mich ausſtrecke, ſo bin ich noch drei - tauſendmal ſo lang, und groͤßer, als der hoͤchſte Berg auf Erden. Komm mit mir, ſprach der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan -247 den einen, der ſaß da mit verbundenen Augen. Der Prinz fragte: warum haſt du ein Tuch vor den Augen? Ei, ſprach er, was ich mit mei - nen Augen anſehe, das ſpringt von einander, dar - um darf ich ſie nicht offen laſſen. Komm mit mir, ſagte der Prinz. Da gingen die fuͤnf weiter und fanden einen, der lag mitten im hei - ßen Sonnenſchein, und fror und zitterte am gan - zen Leibe, ſo daß ihm kein Glied ſtill ſtand. Der Prinz fragte: wie frierſt du ſo im Sonnen - ſchein? Ach, ſprach der Mann, je heißer es iſt, deſto mehr frier ich, und je kaͤlter es iſt, de - ſto heißer wird mir, und mitten im Eis kann ichs vor Hitze, und mitten im Feuer vor Kaͤlte nicht aushalten. Komm mit mir, ſprach der Prinz, da gingen die ſechs weiter und fanden ei - nen Mann, der ſtand da und ſchaute um ſich uͤber alle Berge hinaus. Wornach ſiehſt du? frag - te der Prinz. Da ſprach er: ich habe ſo helle Augen, daß ich damit weit uͤber Berge und Waͤl - der und durch die ganze Welt hinausſehen kann. Komm mit mir, ſagte der Prinz, ſo einer fehlte mir noch.

Nun zogen die ſieben in die Stadt ein, wo die ſchoͤne und gefaͤhrliche Jungfrau lebte; der Prinz aber ging vor die alte Koͤnigin und ſprach, er wollt um ihre Tochter werben. Ja, ſagte ſie, dreimal will ich dir einen Bund aufgeben, loͤſeſt du den jedesmal, ſo iſt die Prinzeſſin dein; der248 erſte Bund aber iſt, daß du mir einen Ring wie - der bringſt, den ich ins rothe Meer habe fallen laſſen. Der Prinz ſagte: den Bund will ich loͤſen, und rief ſeinen Diener mit den hellen Au - gen, und der ſchaute ins Meer bis auf den Grund, und ſah den Ring da neben einem Stei - ne liegen. Darnach kam der Dicke, der ſetzte ſeinen Mund ans Meer und ließ die Wellen hin - ein laufen, und trank es aus, daß es trocken ward wie eine Wieſe; da buͤckte ſich der Lange nur ein wenig und holte den Ring mit der Hand heraus. Der Prinz brachte ihn der Alten, die ſprach mit Verwunderung: Ja, das iſt der rechte Ring; einen Bund haſt du geloͤſt, aber nun kommt der zweite. Siehſt du dort auf der Wieſe vor mei - nem Schloß, da weiden dreihundert fette Ochſen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hoͤrnern verzehren, und darfſt nicht mehr als ei - nen einzigen Gaſt dazu einladen, und unten im Keller, da liegen dreihundert Faͤſſer Wein, die mußt du dabei austrinken, und bleibt ein Spuͤr - chen und ein Troͤpfchen uͤbrig, ſo iſt mir dein Le - ben verfallen. Der Prinz ſprach: Das will ich vollbringen, und ſetzte den Dicken als ſeinen Gaſt zu ſich, der die dreihundert Ochſen auf - und blieb kein Haar uͤbrig, und trank den Wein dazu gleich aus den Faͤſſern ſelber, ohne daß er ein Glas noͤthig hatte. Als die alte Zauberin das ſah, erſtaunte ſie und ſprach zum Prinzen:249 ſo weit hat’s Keiner gebracht; aber es iſt noch der dritte Bund uͤbrig, und dachte, ich will dich ſchon beruͤcken: Heut Abend bring ich die Jung - frau dir auf die Kammer und in deinen Arm, da ſollt ihr beiſammen ſitzen, aber huͤt dich vor’m Einſchlafen; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr, und iſt ſie dann nicht mehr in deinen Armen, ſo haſt du verloren. Der Prinz dachte, das iſt ſo ſchwer nicht, ich will wohl meine Augen nicht zu - thun; doch Vorſicht iſt immer gut, und als die ſchoͤne Jungfrau Abends zu ihm gefuͤhrt ward, hieß er alle ſeine Diener hereinkommen, und der Lange mußte ſich um ſie herumſchlingen, und der Dicke ſich vor die Thuͤre ſtellen, daß keine leben - dige Seele herein konnte. Da ſaßen ſie und die ſchoͤne Jungfrau ſprach kein Wort, aber der Mond ſchien durch’s Fenſter auf ihr Angeſicht, daß er ihre wunderbare Schoͤnheit ſehen konnte. Sie wachten auch alle mit einander bis elf Uhr, da ließ die Zauberin einen Schlummer auf ihre Au - gen fallen, den ſie nicht abwehren konnten. Sie ſchliefen alle hart bis ein Viertel vor zwoͤlf, und als ſie erwachten, war die Prinzeſſin fort und von der Alten entruͤckt. Der Prinz und die Diener jammerten, aber der Horcher ſprach: ſeyd ein - mal ſtill! horchte und ſagte: ſie ſitzt in einem Felſen dreihundert Stunden von hier und klagt uͤber ihr Schickſal. Da ſprach der Lange: ich will helfen und huckte den mit den verbundenen250 Augen auf, und wie man die Hand umwendet, ſtanden ſie vor dem verwuͤnſchten Felſen. Da nahm der Lange dem andern die Binde ab; kaum hatte der den Felſen angeſchaut, zerſprang er gleich in tauſend Stuͤcke, und der Lange holte die Prin - zeſſin aus der Tiefe, und ſchwang ſich mit ihr in drei Minuten zuruͤck. Schlag zwoͤlf kam die Alte und glaubte, den Prinzen ganz gewiß allein und in Schlaf verſenkt zu finden, aber da war er munter und ihre Tochter ſaß in ſeinem Arm. Nun mußte ſie zwar ſtill ſchweigen, aber es war ihr leid, und die Prinzeſſin kraͤnkte es auch, daß ſie einer ſollte gewonnen haben, und ließ am an - dern Morgen dreihundert Malter Holz zuſam - menſetzen, und ſprach zum Prinzen, er haͤtte zwar den Bund geloͤſt, ehe ſie ihn aber heirathe, verlange ſie, daß Jemand ſich mitten in das Holz ſetze, wenn es angezuͤndet waͤre, und das Feuer aushalte. Dabei dachte ſie, wenn die Diener ihm auch alles thaͤten, wuͤrde ſich doch keiner fuͤr ihn verbrennen, und aus Liebe zu ihr wuͤrde er ſelber ſich hinein ſetzen, und dann waͤr ſie frei. Wie aber die Diener das hoͤrten, ſprachen ſie: wir haben alle etwas gethan, nur der Froſtige noch nicht und nahmen ihn und trugen ihn ins Holz hinein und ſteckten’s darauf an. Da hub das Feuer an und brannte drei Tage, bis al - les Holz verzehrt war, und als es verloſch, ſtand der Froſtige mitten in der Aſche und zitterte wie251 ein Eſpenlaub, und ſprach: ſo hab ich mein Leb - tage nicht gefroren, und wenn’s laͤnger gedauert haͤtte, waͤr ich erſtarrt.

Nun mußte ſich die ſchoͤne Jungfrau mit dem Prinzen vermaͤhlen, als ſie aber nach der Kirche fuhren, ſprach die Alte: ich kann’s nim - mermehr zugeben, und ſchickte ihr Kriegsvolk nach, das ſollte alles niedermachen, und ihr die Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte die Ohren geſpitzt und alles angehoͤrt, was die Alte geſprochen, und ſagte es dem Dicken, der ſpeite einmal oder zweimal aus hinter den Wa - gen, und da entſtand ein groß Waſſer, in dieſem blieben die Kriegsvoͤlker ſtecken. Als ſie nicht zu - ruͤck kamen, ſchickte die Alte ganz geharniſchte Reuter, aber der Horcher hoͤrte ſie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen ſcharf an, und ſie ſprangen aus - einander wie Glas. Da fuhren ſie ungeſtoͤrt wei - ter, und als ſie in der Kirche verheirathet und eingeſegnet waren, nahmen die ſechs Diener ihren Abſchied und wollten weiter ihr Gluͤck in der Welt verſuchen.

Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt ſeine Heerde; wie ſie dahin kamen, ſprach der Prinz zu ſeiner Frau: weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Prinz, ſondern ein Schweine - hirt, und der dort mit der Heerde, das iſt mein252 Vater, und nun muͤſſen wir zwei auch daran und ihm helfen huͤten. Dann ſtieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und ſagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut Nacht ſollten ſie der Prin - zeſſin die Kleider wegnehmen. Wie ſie nun am Morgen aufwachte, hatte ſie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geſchenk. Da glaubte die Prin - zeſſin, er ſey wirklich ein Schweinehirt, und huͤ - tete mit ihm die Heerde, und ſprach: ich habe es verdient mit meinem Stolz. Das dauerte acht Tage, da konnte ſie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob ſie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? Da ſagte ſie: ja, ein Schweinehirt, er iſt eben ausgegangen, mit ein wenig Band zu handeln. Sie baten ſie aber mitzugehen, und fuͤhrten ſie ins Schloß hinauf, und wie ſie in den Saal kam, ſtand da der Prinz in koͤniglichen Kleidern. Sie erkannte ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel und ſie kuͤßte, und ſprach: ich habe ſo viel fuͤr dich gelitten, da haſt du auch fuͤr mich leiden ſollen. Nun ward erſt recht die Hochzeit gefeiert, und der’s erzaͤhlt hat, wollte, er waͤr auch dabei ge - weſen.

253

49. Die weiße und ſchwarze Braut.

Eine Frau ging mit ihrer Tochter und Stief - tochter uͤber Feld, Futter zu ſchneiden. Da kam der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen ge - gangen und fragte: wo fuͤhrt der Weg ins Dorf? Ei, ſprach die Mutter, ſucht ihn ſel - ber, und die Tochter ſetzte noch hinzu: habt ihr Sorge, daß ihr ihn nicht findet, ſo bringt euch einen Wegweiſer mit. Die Stieftochter aber ſprach: armer Mann, ich will dich fuͤhren, komm mit mir. Da erzuͤrnte der liebe Gott uͤber die Mutter und Tochter, wendete ihnen den Ruͤcken zu, und verwuͤnſchte ſie, daß ſie ſollten ſchwarz werden wie die Nacht, und haͤßlich wie die Suͤnde. Der armen Stieftochter aber ward Gott gnaͤdig und ging mit ihr, und als ſie nah am Dorf waren, ſprach er einen Segen uͤber ſie und ſagte: waͤhl dir drei Sachen aus, die will ich dir gewaͤhren. Da ſprach das Maͤdchen: ich moͤgte gern ſchoͤn werden, wie die Sonne, alsbald wurde ſie weiß und ſchoͤn, wie der Tag. Dann moͤgte ich einen Geldbeutel haben, der nie leer wuͤrde; den gab ihr der liebe Gott auch, ſprach aber: vergiß das Beſte nicht, meine Toch - ter! Sagte ſie: ich wuͤnſche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode. Das254 wurde ihr auch zugeſagt, und alſo ſchied der liebe Gott von ihr.

Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hauſe kam und ſah, daß ſie beide kohlſchwarz und haͤßlich waren, die Stieftochter aber weiß und ſchoͤn, ward ſie ihr im Herzen noch boͤſer und hatte nur im Sinn, wie ſie ihr ein Leid anthun koͤnnte. Die Stieftochter aber hatte einen Bru - der, Namens Reginer, den liebte ſie ſehr und er - zaͤhlte ihm alles, was geſchehen war. Der Bru - der mahlte ſich nun ſeine Schweſter ab und hing das Bild in ſeiner Stube auf, in des Koͤnigs Schloß, bei dem er Kutſcher war, und alle Tage ging er davor ſtehen und dankte Gott fuͤr das Gluͤck ſeiner lieben Schweſter. Nun war aber gerade dem Koͤnig, bei dem er diente, ſeine Ge - mahlin verſtorben, welche ſo ſchoͤn geweſen war, daß man keine finden konnte, die ihr gliche, und der Koͤnig war daruͤber in tiefer Trauer. Die Hofdiener ſahen es indeſſen dem Kutſcher ab, wie er taͤglich vor dem ſchoͤnen Bilde ſtand, misgoͤnn - tens ihm und meldeten es dem Koͤnig. Da ließ dieſer das Bild vor ſich bringen, und ſah, daß es in allem ſeiner verſtorbenen Frau glich, nur noch ſchoͤner war, ſo daß er ſich ſterblich hinein verlieb - te, und den Kutſcher fragte, wen das Bild vor - ſtellte? Als der Kutſcher geſagt hatte, daß es ſei - ne Schweſter waͤre, entſchloß ſich der Koͤnig, kei - ne andere, als dieſe, zur Gemahlin zu nehmen,255 gab ihm Wagen und Pferde und praͤchtige Gold - kleider, und ſchickte ihn fort, ſeine erwaͤhlte Braut abzuholen. Wie der Kutſcher mit der Botſchaft ankam, freute ſich ſeine Schweſter, allein die ſchwarze aͤrgerte ſich uͤber alle Maßen vor großer Eiferſucht, und ſprach zu ihrer Mutter: was helfen nun all eure Kuͤnſte, da ihr mir kein ſol - ches Gluͤck verſchaffen koͤnnt. Da ſagte die Alte: ſey ſtill, ich will dirs ſchon zuwenden, und durch ihre Hexenkuͤnſte truͤbte ſie dem Kut - ſcher die Augen, daß er halb blind war, und der weißen verſtopfte ſie die Ohren, daß ſie ſchwer hoͤrte. Darauf ſtiegen ſie in den Wagen, erſt die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und der Kutſcher ſaß auf dem Bock, um zu fahren. Wie ſie eine Weile gereiſt waren unterwegs rief der Kutſcher:

Deck dich zu, mein Schweſterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht beſtaͤubt,
daß du fein ſchoͤn zum Koͤnig kommſt!

Die Braut fragte: was ſagt mein lieber Bru - der? Ach, ſprach die Alte, er hat geſagt, du ſollteſt dein guͤlden Kleid ausziehen und es deiner Schweſter geben. Da zog ſie’s aus und that’s der Schwarzen an, die gab ihr dafuͤr einen ſchlech - ten grauen Kittel. So fuhren ſie weiter, uͤber ein Weilchen rief der Bruder wieder:

256
Deck dich zu, mein Schweſterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht beſtaͤubt
und du fein ſchoͤn zum Koͤnig kommſt!

Die Braut fragte: was ſagt mein lieber Bru - der? Ach, ſprach die Alte, er hat geſagt, du ſollteſt deine guͤldne Haube abthun und deiner Schweſter geben. Da that ſie die Haube ab und der Schwarzen auf, und ſaß im bloßen Haar. So fuhren ſie weiter; wiederum uͤber ein Weil - chen rief der Bruder:

Deck dich zu, mein Schweſterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht beſtaͤubt
und du fein ſchoͤn zum Koͤnig kommſt!

Die Braut fragte: was ſagt mein lieber Bru - der? Ach, ſprach die Alte, er hat geſagt, du moͤgteſt einmal aus dem Wagen ſehen. Sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Waſſer, wie nun die Braut aufſtand und aus dem Fenſter ſah, da ſtießen ſie die beiden andern hinaus, daß ſie gerad ins Waſſer fiel, ſie verſank auch, aber in demſelben Augenblick ſtieg eine ſchneeweiße Ente hervor und ſchwamm den Fluß hinab. Der Bru - der hatte gar nichts davon gemerkt und fuhr den Wagen weiter, bis ſie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als ſeine Schweſter, und meinte auch, ſie waͤr’s, weil esihm257ihm truͤb vor den Augen war und er doch die Goldkleider ſchimmern ſah. Der Koͤnig, wie er die grundloſe Haͤßlichkeit an ſeiner vermeinten Braut erblickte, ward ſehr boͤs und befahl den Kutſcher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangen-Gezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch ſo zu beſtricken und ihm die Augen zu verblenden, daß er ſie und ihre Tochter behielt und zu ſich nahm, bis daß ſie ihm ganz leidlich vorkam und er ſich wirklich mit ihr verheirathete.

Einmal Abends ſaß die ſchwarze Braut dem Koͤnig auf dem Schoos, da kam eine weiße Ente zum Goſſenſtein in die Kuͤche geſchwommen und ſagte zum Kuͤchenjungen:

Juͤngelchen mach Feuer an,
Daß ich meine Federn waͤrmen kann!

Das that der Kuͤchenjunge und machte ihr ein Feuer auf dem Heerd, da kam die Ente, ſchuͤt - telte ſich und ſetzte ſich daneben und ſtrich ſich die Federn mit dem Schnabel zurecht. Waͤhrend ſie ſo ſaß und ſich wohlthat, fragte ſie:

Was macht mein Bruder Reginer?

Der Kuͤchenjunge antwortete:

Liegt tief bei Ottern und Schlangen.

Fragte ſie:

Was macht die ſchwarze Hex im Haus?
Kindermärchen II. R258

Der Kuͤchenjunge antwortete:

Die ſitzt warm ins Koͤnigs Arm.

Sagte die Ente:

Daß Gott erbarm!

und ſchwamm den Goſſenſtein hinaus.

Den folgenden Abend kam ſie wieder und that dieſelben Fragen und den dritten Abend noch einmal. Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht laͤnger uͤbers Herz bringen und ſagte dem Koͤnig alles. Der Koͤnig aber ging den andern Abend hin und wie die Ente den Kopf durch den Goſſen - ſtein herein ſtreckte, nahm er ſein Schwert und hieb ihr den Hals durch, da wurde ſie auf einmal zum ſchoͤnſten Maͤdchen, und glich genau dem Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte. Der Koͤnig aber war voll Freuden und weil ſie ganz naß daſtand, ließ er ihr koͤſtliche Kleider bringen, als ſie die angethan hatte, erzaͤhlte ſie ihm, wie ſie in den Fluß war hinab geworfen wor - den, und die erſte Bitte, die ſie that, war, daß ihr Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt wuͤrde, welches auch gleich geſchah. Aber der Koͤnig ging in die Kammer, wo die alte Hexe ſaß, und fragte: was verdient die, welche das und das thut? indem er den ganzen Hergang erzaͤhlte. Da war ſie verblendet, merkte nichts und ſprach: die verdient, daß man ſie nackt aus - zieht und in ein Faß mit Naͤgeln legt und vor das259 Faß ein Pferd ſpannt und das Pferd in alle Welt ſchickt. Alles das geſchah nun an ihr und ihrer ſchwarzen Tochter, der Koͤnig heirathete die ſchoͤne Braut und belohnte den treuen Bruder, indem er ihn zu einem reichen und angeſehenen Mann machte.

50. De wilde Mann.

Et was emoel en wilden Mann, de was verwuͤnſket un genk bie de Bueren in den Goren (Garten) un in’t Korn un moek alles do Schande. Do klagden ſe an eeren Gutsheeren, ſe koͤnnen eere Pacht nig mehr betalen un do leit de Guts - heer alle Jaͤgers bie ene kummen, we dat Dier fangen koͤnne, de ſoll ne graute Belohnung heb - ben. Do kuͤmmt do en ollen Jaͤger an, de ſegd, he wuͤll dat Dier wull fangen; do woͤtt ſe em ne Pulle met Fuſel (Branntwein) un ne Pulle met Wien un ne Pulle met Beer gierwen (geben), de ſettet he an dat Water, wo ſick dat Dier alle Dage waͤſkt. Un do geit he achter en Baum ſtohn, do kuͤmmt dat Dier un drinket ut de Pul - len, do leckt et alle de Mund un kickt heruͤm, ov dat auck well ſuͤht. Do werd et drunken, un do geit et liegen un ſchloͤpd; do geit de Jaͤger to un bind et an Haͤnden un Foͤten, do weckt he et wier up un ſegd: du wilde Mann, goh met, ſoͤk ſaſtR 2260du alle Dage drinken. Do nimmt he et mit noh dat adlicke Schloß, do ſettet ſe et do in den Thornt un de Heer geit to andre Nobers, de ſoͤllt ſeihn (ſehen), wat he foͤr’n Dier fangen hed. Do ſpierlt ene von de jungen Heerens met’n Ball un let de in den Thornt fallen un dat Kind ſegd: wilde Mann, ſchmiet mie den Ball wier to; do ſegd de wilde Mann: den Ball moſt du ſoͤlvſt wier hahlen. Je, ſegd dat Kind, ick heve kinen Schluͤrtel. Dann mack du, dat du bie dien Moder eere Taſken kuͤmmſt un ſtehl eer den Schluͤrtel. Do ſchluͤt dat Kind den Thornt orpen un de wilde Mann loͤpd derut; do faͤnk dat Kind an to ſchreien: o wilde Mann, bliev doch hier, ick kriege ſuͤs Schlaͤge. Do niermt de wilde Mann dat Kind up de Nacken un lopd darmet de Wildniß herin: de wilde Mann was weg, dat Kind was verloren! De wilde Mann de tuͤt dat Kind en ſchlechten Kiel (Kittel) an un ſchickt et noh den Goͤrner an den Kaiſers Hof, do mot et frogen: ov de kinen Goͤr - ners-Jungen van dohn (noͤthig) hed? Do ſegd de, he woͤre ſo ſchmeerig antrocken, de annern wullen nig bie em ſchlopen. Do ſeg he, he wull in’t Strauh liegen, un geit alltied des Morgens froͤh in den Goren, do kuͤmmt em de wilde Mann entgiergen, do ſeg he: nu waſke die, nu kaͤmme die! nu de wilde Mann maͤckt de Goren ſo ſchoͤn, dat de Goͤrner et ſoͤlvſt nig ſo gut kann. Un de261 Prinzeſſin ſuͤt alle Morgen den ſchoͤnen Jungen, do ſeg ſe to den Goͤrner, de kleine Lehrjunge ſoͤll eer en Buſk Blomen brengen. Un ſe froͤg dat Kind, van wat foͤr Standt dat et woͤre; do ſeg et, ja, dat wuͤs et nig, do giv ſe em en broden Hohn vull Ducoeten. Es he in kuͤmmt, giv he dat Geld ſinen Heeren un ſeg: wat ſall ick do met dohn, dat bruckt ji men. Un he moſte eer noh enen Buſk Blomen brengen, do giv ſe em ne Aant (Ente) vull Ducoeten, de giv he wier an ſinen Heeren. Un do noh en moel, do giv ſe em ne Gans vull Ducoeten, de giv de Junge wier an ſinen Heeren. Do ment de Prinzeſſin, he hev Geld un he hev nix, un do hierothet ſe em in’t geheem, un do weeret eere Oeldern ſo beiſe un ſetten ſe in dat Brauhuſe, do mot ſe ſick met ſpin - nen ernaͤhren, un he geit in de Kuͤcke un helpt den Kock de Broden dreien un ſteld manxden (zu - weilen) en Stuͤck Fleeſk un brengd et an ſine Frau.

Do kuͤmmt ſo’n gewoltigen Krieg in Engel - land, wo de Kaiſer hin mott un alle de grauten Heerens, do ſeg de junge Mann, he wull do auck hen, ov ſe nig noh en Perd in Stall hedden, un ſe ſaden, ſe hedden noh ent, dat goͤnk up drei Beenen, dat woͤr em gut genog. He ſettet ſick up dat Perd, dat Perd dat geit alle: huſepus! huſepus! Do kuͤmmt em de wilde Mann in de moͤte (entgegen), do doͤt ſick ſo’n grauten Berg262 up, do ſind wull duſend Regimenter Soldaten un Offzeers in, do daͤt he ſchoͤne Kleeder an un krigd ſo’n ſchoͤn Perd. Do tuͤt he met alle ſin Volk in den Krieg noh Engelland, de Kaiſer en - faͤnk en ſo froͤndlick un begerd en, he moͤg em doh bieſtoen. He gewinnt de Schlacht un verſchleit alles. Do daͤt ſick de Kaiſer ſo bedanken voͤr em un fraͤgd, wat he foͤr’n Heer woͤre, he ſegd: dat froget mie men nig, dat kann ick ju nig ſeggen. He ritt met ſin Volk wier ut Engel - land, do kuͤmmt em de wilde Mann wier entgier - gen un doͤt alle dat Volk wier in den Berg, un he geit wier up ſien dreibeenige Perd ſitten. Do ſeget de Luide: do kuͤmmt uſſe Hunkepus wier an met dat dreibeenige Perd, un ſe froget: wo heſt du achter de Hierge (Hecke) laͤgen un heſt ſchlopen? Je, ſegd he, wenn ick der nig woͤr weſt, dann haͤdde et in Engelland nig gut gohn! Se ſegget: Junge, ſchwieg ſtille, ſuͤs giv die de Heer wat upd Jack. Un ſo genk et noh tweenmoel un ton derdenmoel gewient he alles; do kreeg he en Stick in den Arm, do niermt de Kaiſer ſinen Dock (Tuch) un verbind em de Wunden. Do neidigt (noͤthigt) ſe em, he moͤg do bliewen, ni, ick bliewe nig bie ju, un wat ick ſin, geit ju nig an. Do kuͤmmet em de wilde Mann wier entgiergen un deih alle dat Volk wier in den Berg un he genk wier up ſin Perd ſitten un genk wier noh Hues. Do lachten263 de Luide und ſegden: do kuͤmmt uſſe Hunkepus wier an, wo heſt du doh laͤgen un ſchlopen? He ſeg: ick heve foͤrwohr nig ſlopen, nu is ganz Engelland gewunnen un et is en wohren Frerden (Frieden).

Do ſegde de Kaiſer von den ſchoͤnen Ritter, de em hev bieſtohen; do ſeg de junge Mann to en Kaiſer: woͤre ick nig bie ju weſt, et woͤre nig guet gahen. Do will de Kaiſer em wat upn Buckel gierwen, ji, ſeg he, wenn ji dat nig gleiwen willt, will ick ju minen Arm wieſen un aſſe he den Arm wieſt un aſſe de Kaiſer de Wunde ſuͤt, do wert he gans verwuͤndert un ſegd: vil - licht buͤſt du Gott ſoͤlvſt ader en Engel, den mie Gott toſchickt hev un bat em uͤm Verzeihnuͤß, dat he ſo grov met em handelt haͤdde, un ſchenket em ſin ganſe Kaiſers Gut. Un de wilde Mann was erloͤſet un ſtund aſe en grauten Kuͤnig foͤr em un vertelde em de ganſe Sacke un de Berg was en gans Kuͤnigs-Schloß un he trock met ſine Frau derup un lerweten vergnoͤgt bis an eeren Daud.

51. De drei ſchwatten Princeſſinnen.

Oſtindien was von den Fiend belagert, he wull de Stadt nig verloeten, he wull erſten 600 Dahler hebben. Do leiten ſe dat ut trummen: well de ſchaffen koͤnne, de ſoll Boͤrgemeſter weren. 264Do was der en armen Fiſker, de fiſkede up de See mit ſinen Sohn, do kam de Fiend un nam den Sohn gefangen und gav em dofoͤr 600 Dah - ler. Do genk de Vader hen un gav dat de Hee - rens in de Stadt un de Fiend trock av un de Fiſker wurde Boͤrgemeſter. Do word utropen, wer nig Heer Boͤrgemeſter ſegde, de ſoll an de Galge richtet weren.

De Sohn de kam de Fiend wier ut de Haͤnde un kam in en grauten Wold up en haujen Berg, de Berg de deih ſick up, da kam he in en graut verwuͤnſket Schloß, woin Stohle, Diſke un Baͤnke alle ſchwatt behangen woͤren. Do queimen drei Princeſſinnen, de gans ſchwatt antrocken woͤ - ren, de men en luͤck (wenig) witt in’t Geſicht haͤd - den, de ſegden to em, he ſoll men nig bange ſien, ſe wullen em nix dohn, he koͤnn eer erloͤſen. Do ſeg he, je dat wull he gern dohn, wann he men wuͤſte, wo he dat macken ſoͤll? Do ſegget ſe: he ſoͤll en gans Johr nig met en kuͤhren (ſprechen) nu ſoͤll ſe auck nig anſeihen; wat he gern hebben wull, dat ſoͤll he men ſeggen, wann ſe Antwort gierwen droͤfden (geben duͤrften), wullen ſe et dohn. As he ne Tied lang der weſt was, ſede he, he wull aſſe gern noh ſin Vader gohn, da ſegget ſe, dat ſoͤll he men dohn, duͤſſen Buel (Beutel) met Geld ſoͤll he mer niermen, duͤſſe Kleder ſoͤll he antrecken un in 8 Dage moͤſt he der wier ſien.

265

Do werd he upnurmen (aufgehoben) un is glick in Oſtindien, do kann he ſin Vader in de Fiſkhuͤtte nig mer finden un froͤg de Luide, wo doh de arme Fiſker blierwen woͤre, do ſegget ſe, dat moͤſt he nig ſeggen, dann queim he an de Galge. Do kuͤmmt he bie ſin Vader, do ſeg he: Fiſker, wo ſin ji do to kummen? Do ſeg de: dat moͤtt ji nig ſeggen, wann dat de Heerens van de Stadt gewahr weeret, kuͤmme ji an de Galge, He willt ober gar nig loten, he werd noh de Galge bracht; es he do is, ſeg he: o mine Heerens, gierwet mie doh Verloͤv, dat ick noh de olle Fiſkhuͤtte gohn mag. Do tuͤt he ſinen ollen Kiel an, do kuͤmmt he wier noh de Heerens un ſeg: ſeih ji et nu wull, ſin ick nig en armen Fiſker ſinen Sohn? in duͤt Tueg heve ick minen Vader un Moder dat Braud gewunnen. Do erkennet ſe en un badden uͤm Vergiebnuͤß un niermt en met noh ſin Hues, do verteld he alle wuͤ et em gohn hev, dat he woͤre in en Wold kum - men up en haujen Berg, do haͤdde ſick de Berg updohn, do woͤre he in en verwuͤnſket Schloß kummen, wo alles ſchwatt weſt woͤre un drei Princeſſinnen woͤren der an kummen, de woͤren ſchwatt weſt, men en luͤck witt in’t Geſicht. De haͤdden em ſegd, he ſoͤll nig bange ſien, he koͤnn eer erloͤſen. Do ſeg ſine Moder: dat moͤg wull nig gut ſien, he ſoll ne gewiehte Waſſkeefze met266 niermen un draͤppen (tropfen) eer gleinig (gluͤ - hend) Waſſ in’t Geſicht.

He geit wier hen un do gruelte (graute) em ſo, un he druͤppde eer Waſſ in’t Geſicht, aſſe ſe ſleipen, un ſe woͤren all halv witt: do ſpruͤn - gen alle de drei Princeſſinnen up un ſegden: de verfluchte Hund, uſſe Bloet ſoll oͤrfer die Rache ſchreien, nu is kin Menſk up de Welt geboren, un werd geboren, de us erloͤſen kann, wie hevet noh drei Broͤders, de ſind in ſiewen Ketten anſchloe - ten, de ſoͤllt die terrieten. Do givd et en Gekrieſk in’t ganſe Schloß un he ſprank noh ut dat Fenſter un terbrack dat Been un dat Schloß ſunk wier in den Grunde, de Berg was wier to, un nuͤmmes wuſt, wo et weſt was.

52. Knoiſt un ſine dre Suͤhne.

Twiſken Werrel un Soiſt, do wuhnde ’n Mann un de hede Knoiſt, de hadde dre Suͤhne, de eene was blind, de annre was lahm un de dridde was ſplenternaket. Do gingen ſe mohl oͤwer Feld, do ſehen ſe eenen Haſen. De blinne de ſchoͤt en, de lahme de fienk en, de nackede de ſtack en in de Taſken. Do kaͤimen ſe fuͤr cen groot allmaͤchtig Waater, do wuren dre Schippe uppe, dat eene dat rann, dat annre dat ſank,267 dat dridde, do was keen Buoden inne. Wo keen Buoden inne was, do gingen ſe olle dre inne: do kaͤimen ſe an eenen allmaͤchtig grooten Walle (Wald), do was een groot allmaͤchtig Boom inne, in den Boom was eene allmaͤchtig groote Capelle, in de Capelle was een hageboͤcken Koͤſter un een bußboomen Paſtoer, de deelden dat Wig - gewaater mit Knuppeln uit.

Sielig is de Mann,
de den Wiggewaater entlaupen kann.

53. Dat Maͤken von Brakel.

Et gink mal ’n Maͤken von Brakel na de ſuͤnt Annen Capellen unner de Hinnenborg un weil et gierne ’n Mann heven wulle un ock meinde, et waͤre ſuͤs neimes in de Capellen, ſau ſank et:

O hilge ſuͤnte Anne!
help mie doch bald tom Manne,
du kennſt ’n ja wull,
he wuhnt var’m Suttmer Dore,
hed gele Hore:
du kennſt ’n ja wull!

De Koͤſter ſtand awerſt huͤnner den Altare un hoͤre dat, da rep he mit ’ner gans ſchroͤgerigen Stimme: du kriggſt’n nig! du kriggſt’n nig! Dat Maͤken awerſt meinde, dat Marienkinneken dat bie de Mudder Anne ſteiht, hedde uͤm dat to268 ropen, da wor et beuſe un reip: Pepperlepep, dumme Blae, halt de Schnuten, un lat de Moͤhme kuͤhren (die Mutter reden).

54. Das Hausgeſinde.

Wo wuſt du henne? Nah Wal - pe! Ick nah Walpe, du nah Walpe; ſam, ſam, goh wie dann!

Haͤſt du auck ’n Mann? wie hedd din Mann? Cham! Min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; ſam, ſam, goh wie dann!

Haͤſt du auck ’n Kind? wie hedd din Kind? Grind! Min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; ſam, ſam, goh wie dann!

Haͤſt du auck ’n Weige? wie hedd dine Weige? Hippodeige! Mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; ſam, ſam, goh wie dann!

Haͤſt du auck ’n Knecht? wie hedd din Knecht? Mach mirs recht! Min Knecht Mach mirs recht, din Knecht269 Mach mirs recht; mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; ſam ſam, goh wie dann!

55. Das Laͤmmchen und Fiſchchen.

Es war einmal ein Bruͤderchen und Schwe - ſterchen, die hatten ſich herzlich lieb, ihre rechte Mutter war aber todt und ſie hatten eine Stief - mutter, die war ihnen nicht gut, und that ihnen heimlich alles Leid an. Es trug ſich zu, daß die zwei mit andern Kindern auf einer Wieſe vor dem Haus ſpielten, und an der Wieſe war ein Teich, der ging bis an die eine Seite vom Haus. Die Kinder liefen da herum, kriegten ſich und ſpielten Abzaͤhlens:

Enecke, Benecke, lat mie liewen,
will die ock min Vuͤgelken giewen.
Vuͤgelken ſall mie Strau ſoͤken,
Strau will ick den Koͤſeken giewen,
Koͤſeken ſall mie Melk giewen,
Melk will ick den Baͤcker giewen,
Baͤcker ſall mie ’n Kocken backen,
Kocken will ick den Kaͤtken giewen,
Kaͤtken ſall mie Muͤſe fangen,
Muͤſe will ick in’n Rauck hangen
un will ſe anſchnien.
270

Dabei ſtanden ſie in einem Kreis und auf welchen nun das Wort: anſchnien fiel, der mußte fortlaufen, und die andern liefen ihm nach und fingen ihn. Wie ſie ſo froͤhlich dahinſprangen, ſah’s die Stiefmutter vom Fenſter mit an und aͤrgerte ſich. Weil ſie aber Hexenkuͤnſte verſtand, ſo verwuͤnſchte ſie beide, das Bruͤderchen in einen Fiſch und das Schweſterchen in ein Lamm. Da ſchwamm das Fiſchchen im Teich hin und her und war traurig und das Laͤmmchen ging auf der Wieſe hin und her und war traurig und fraß nicht und ruͤhrte kein Haͤlmchen an. So ging eine lange Zeit hin, da kamen fremde Gaͤſte auf das Schloß. Die falſche Stiefmutter dachte, jetzt iſt die Gelegenheit gut, rief den Koch und ſprach zu ihm: geh und hol das Lamm von der Wieſe und ſchlachts, wir haben ſonſt nichts fuͤr die Gaͤſte. Da ging der Koch hin und holte das Laͤmmchen und fuͤhrte es in die Kuͤche, band ihm die Fuͤßchen, das litt es alles geduldig, und wollts abſtechen. Wie er nun ſein Meſſer herausgezo - gen hatte und auf der Schwelle wetzte, ſah es, wie ein Fiſchlein in dem Waſſer vor dem Goſſen - ſtein hin - und herſchwamm und zu ihm hinauf - blickte. Das war aber das Bruͤderchen, denn als das Fiſchchen geſehen hatte, wie der Koch das Laͤmmchen fortfuͤhrte, war es mitgeſchwommen im Teich bis zum Haus. Da rief das Laͤmmchen hinab:

271
Ach Bruͤderchen im tiefen See!
wie thut mir doch mein Herz ſo weh!
der Koch der wetzt das Meſſer,
will mir mein Herz durchſtechen!

Das Fiſchchen antwortete:

Ach Schweſterchen in der Hoͤh:
wie thut mir doch mein Herz ſo weh
in dieſer tiefen See!

Wie der Koch hoͤrte, daß das Laͤmmchen ſprechen konnte und ſo traurige Worte zu dem Fiſchchen hinabrief, erſchrack er und dachte, es muͤßte kein natuͤrliches Laͤmmchen ſeyn, ſondern von der boͤſen Frau im Haus verwuͤnſcht. Da ſprach er: ſey ruhig, ich will dich nicht ſchlachten, nahm ein anderes Thier und bereitete das fuͤr die Gaͤſte und brachte das Laͤmmchen zu einer guten Baͤuerin, der erzaͤhlte er alles, was er geſehen und gehoͤrt hatte. Die Baͤuerin war aber gerade die Amme von dem Schweſterchen geweſen, vermuthete gleich, wer’s ſeyn wuͤrde, und ging mit ihm zu einer weiſen Frau. Da ſprach die weiſe Frau einen Segen uͤber das Laͤmmchen und Fiſchchen, wovon ſie ihre menſchliche Geſtalt wieder bekamen und darnach fuͤhrte ſie ſie beide in einen großen Wald in ein klein Haͤuschen, wo ſie zufrieden und gluͤcklich lebten.

272

56. Simeliberg.

Es waren zwei Bruͤder, einer war reich, der andere arm. Der reiche aber gab dem Armen nichts und er mußte ſich vom Kornhandel kuͤm - merlich ernaͤhren, da ging es ihm oft ſo ſchlecht, daß er fuͤr ſeine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er mit ſeinem Karren durch den Wald, da ſah er zur Seite einen großen kah - len Berg und weil er den noch nie geſehen hatte, verwunderte er ſich, hielt ſtill und betrachtete ihn. Wie er ſo ſtand, kamen zwoͤlf wilde große Maͤn - ner, weil er nun glaubte, das waͤren Raͤuber, ſchob er ſeinen Karren ins Gebuͤſch und ſtieg auf einen Baum, und wartete, was da geſchehen wuͤrde. Die zwoͤlf Maͤnner gingen aber vor den Berg und riefen: Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich auf. Alsbald that ſich der kahle Berg in der Mitte von einander und die zwoͤlfe gingen hinein und wie ſie drin waren, ſchloß er ſich zu. Ueber eine kleine Weile aber, thaͤt er ſich wieder auf und die Maͤnner kamen mit ſchweren Saͤcken auf dem Ruͤcken heraus und wie ſie alle wieder am Tageslicht waren, ſprachen ſie: Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich zu! Da fuhr der Berg zuſammen und war kein Eingang mehr an ihm zu ſehen, und die Zwoͤlfe gingen fort. Als ſie ihm nun ganz ausden273den Augen waren, ſtieg der Arme vom Baum herunter, und war neugierig, was wohl im Berge heimliches verborgen waͤre. Alſo ging er davor und ſprach: Berg Semſi! Berg Sem - ſi! thu dich auf! und der Berg that ſich auch vor ihm auf. Da trat er hinein und der ganze Berg war eine Hoͤhle voll Silber und Gold und hinten lagen große Haufen Perlen und leuchtende Edelſteine wie Korn aufgeſchuͤttet. Der Arme wußte gar nicht, was er anfangen ſollte, und ob er ſich etwas von den Schaͤtzen nehmen duͤrfte; endlich fuͤllte er ſich die Taſchen mit Gold, die Perlen und Edelſteine aber ließ er liegen. Als er wieder herauskam, ſprach er gleichfalls: Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich zu! da ſchloß ſich der Berg, und er fuhr nun mit ſeinem Karren nach Haus. Nun brauchte er nicht mehr zu ſorgen, und konnte mit ſeinem Golde, fuͤr Frau und Kind, Brot und auch Wein dazu kaufen, lebte froͤhlich und redlich, gab den Armen und that Jedermann Gutes; als aber das Gold all war, ging er zu ſeinem Bruder, lieh einen Schef - fel, und holte ſich von neuem; doch ruͤhrte er von den großen Schaͤtzen nichts an. Wie er ſich zum dritten Mal etwas holen wollte, borgte er bei ſeinem Bruder wieder den Scheffel. Der Reiche war aber ſchon lange neidiſch uͤber ſein Vermoͤgen und den ſchoͤnen Haushalt, den er ſich eingerich - tet hatte, und konnte nicht begreifen, woher derKindermärchen II. S274Reichthum kaͤme und was ſein Bruder mit dem Scheffel anfing. Da dachte er eine Liſt aus, und beſtrich den Boden mit Pech, und wie er das Maaß wieder bekam, ſo war ein Goldſtuͤck darin haͤngen geblieben. Alsbald ging er zu ſeinem Bruder und fragte ihn: was haſt du mit dem Scheffel ge - meſſen? Korn und Gerſte, ſagte der andere. Da zeigte er ihm das Goldſtuͤck und drohte ihm, wenn er nicht die Wahrheit ſagte, ſo wollt er ihn beim Gericht verklagen. Er erzaͤhlte ihm nun alles, wie es zugegangen war, der Reiche aber ließ gleich einen Wagen anſpannen, fuhr hinaus, und dachte ganz andere Schaͤtze mitzubringen. Wie er vor den Berg kam, rief er: Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich auf! der Berg that ſich auf und er ging hinein. Da lagen die Reichthuͤmer alle vor ihm, und er wußte lange nicht, wozu er am erſten greifen ſollte, endlich lud er Edelſteine auf, ſo viel er tragen konnte und wollte ſie hinausbringen. Er kehrte alſo um, weil aber Herz und Sinn ganz voll von den Schaͤtzen waren, hatte er daruͤber den Namen des Bergs vergeſſen, und rief: Berg Semeli! Berg Semeli! thu dich auf! Aber das war der rechte Name nicht und der Berg regte ſich nicht und blieb verſchloſſen. Da ward ihm Angſt, aber je laͤnger er nachſann, deſto mehr verwirrten ſich ſeine Gedanken und halfen ihm alle Schaͤtze nichts mehr. Am Abend that ſich der Berg auf und275 die zwoͤlf Raͤuber kamen herein, und als ſie ihn ſahen, waren ſie froh und riefen: Vogel, haben wir dich endlich, meinſt du wir haͤtten’s nicht ge - merkt, daß du zwei Mal hereingekommen biſt, aber wir konnten dich nicht fangen, zum dritten Mal ſollſt du nicht wieder heraus. Da rief er: ich war’s nicht; mein Bruder war’s! aber er mogte bitten um ſein Leben, und ſagen was er wollte, ſie ſchlugen ihm das Haupt ab.

57. Die Kinder in Hungersnoth.

Es war einmal eine Frau mit ihren zwei Toͤchtern in ſolche Armuth gerathen, daß ſie auch nicht ein Bischen Brot mehr in den Mund zu ſtecken hatten. Wie nun der Hunger bei ihnen ſo groß ward, daß die Mutter ganz außer ſich und in Verzweiflung gerieth, ſprach ſie zu der aͤlteſten: ich muß dich toͤdten, damit ich etwas zu eſſen habe. Die Tochter ſagte: ach, liebe Mutter, ſchont meiner, ich will ausgehen und ſehen, daß ich etwas zu eſſen kriege ohne Bet - telei. Da ging ſie aus, kam wieder, und hatte ein Stuͤckchen Brot eingebracht, das aßen ſie miteinander, es war aber zu wenig, um den Hun - ger zu ſtillen. Darum hub die Mutter zur andern Tochter an: ſo mußt du daran. Sie antwortete aber: ach, liebe Mutter, ſchont meiner, ichS 2276will gehen und unbemerkt etwas zu eſſen anders - wo ausbringen. Da ging ſie hin, kam wieder und hatte zwei Stuͤckchen Brot eingebracht; das aßen ſie mit einander, es war aber zu wenig, um den Hunger zu ſtillen. Darum ſprach die Mut - ter nach etlichen Stunden abermals zu ihnen: ihr muͤſſet doch ſterben, denn wir muͤſſen ſonſt verſchmachten. Darauf antworteten ſie: liebe Mutter, wir wollen uns niederlegen und ſchla - fen, und nicht eher wieder aufſtehen, als bis der juͤngſte Tag kommt. Da legten ſie ſich hin und ſchliefen einen tiefen Schlaf, aus dem ſie nie - mand erwecken konnte, die Mutter aber iſt weg - gekommen und weiß kein Menſch, wo ſie geblie - ben iſt.

58. Das Eſelein.

Es lebte einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die waren reich, und hatten alles, was ſie ſich wuͤnſchten, nur keine Kinder. Daruͤber klagte ſie Tag und Nacht und ſprach: ich bin wie ein Acker, auf dem nichts waͤchſt. Endlich erfuͤllte Gott ihre Wuͤnſche, als das Kind aber zur Welt kam, ſah’s nicht aus wie ein Menſchenkind, ſondern war ein junges Eſelein. Wie die Mutter das erblickte, fing ihr Jammer und Geſchrei erſt recht an, ſie haͤtte lieber gar kein Kind gehabt, als einen Eſel,277 und ſagte, man ſollt’s in’s Waſſer werfen, da - mit’s die Fiſche fraͤßen. Der Koͤnig aber ſprach: nein, hat Gott ihn gegeben, ſoll er auch mein Sohn und Erbe ſeyn, nach meinem Tod auf dem koͤniglichen Thron ſitzen und die koͤnigliche Krone tragen. Alſo ward das Eſelein aufgezogen, nahm zu und die Ohren wuchſen ihm auch fein hoch und gerad hinauf. Es war aber ſonſt froͤh - licher Art, ſprang herum, ſpielte und hatte be - ſonders ſeine Luſt an der Muſik, ſo daß es zu ei - nem beruͤhmten Spielmann ging und ſprach: lehr mich deine Kunſt, daß ich ſo gut die Laute ſchlagen kann, wie du. Ach, liebes Herrlein, antwortete der Spielmann, das ſollt euch ſchwer fallen, eure Finger ſind nicht allerdings dazu ge - macht, und gar zu groß; ich ſorg, die Saiten haltens nicht aus. Es half aber keine Ausrede, das Eſelein wollt und mußt die Laute ſchlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende ſo gut, als ſein Meiſter ſelber. Einmal ging es nachdenkſam ſpatziren und kam an einen Brunnen, da ſchaute es hinein und ſah im ſpiegelhellen Waſ - ſer ſeine Eſeleins-Geſtalt, daruͤber ward es ſo betruͤbt, daß es in die Welt hineinging und nur einen treuen Geſellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen ſie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrſchte, der nur eine einzige aber wunderſchoͤne Tochter hatte. Das Eſelein ſagte: hier wollen wir weilen, klopfte an’s Thor und278 rief: es iſt ein Gaſt haußen, macht auf, damit er eingehen kann. Als aber nicht aufgethan ward, ſetzte es ſich hin, nahm ſeine Laute und ſchlug ſie mit ſeinen Fuͤßen auf’s lieblichſte. Da ſperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und ſprach: da draußen ſitzt ein Eſelein vor dem Thor, das ſchlaͤgt die Laute all - zulieblich. Ei, ſo laß mir den Muſikant herein - kommen, ſprach der Koͤnig. Wie aber ein Eſe - lein hereintrat, fing alles an uͤber den Lauten - ſchlaͤger zu lachen. Nun ſollte das Eſelein unten zu den Knechten geſetzt und geſpeiſt werden, es ward aber unwillig und ſprach: ich bin kein ge - meines Stalleſelein, ich bin ein gar vornehmes. Da ſagten ſie: wenn du das biſt, ſo ſetz dich zu dem Kriegsvolk. Nein, ſprach es, ich will beim Koͤnig ſitzen. Der Koͤnig lachte und ſagte in gutem Muth: Ja, ſo ſoll’s ſeyn, wie du verlangſt, Eſelein, komm her zu mir. Dar - nach fragte er: Eſelein, wie gefaͤllt dir meine Tochter? das Eſelein drehte den Kopf nach ihr, ſchaute ſie an, nickte und ſprach: aus der Maßen wohl, ſo ſchoͤn hab ich noch keine geſehen. Nun ſo ſollſt du auch neben ihr ſitzen, ſagte der Koͤ - nig. Das iſt mir eben recht, ſprach das Eſe - lein, und ſetzte ſich an ihre Seite und und wußte ſich gar fein und ſaͤuberlich zu betragen. Als das edle Thierlein eine gute Zeit an des Koͤ - nigs Hof geblieben war, dachte es, was hilft das279 alles, du mußt wieder heim, ließ den Kopf trau - rig haͤngen, trat vor den Koͤnig und verlangte ſei - nen Abſchied. Der Koͤnig hatte es aber gar lieb und ſprach: Eſelein, was iſt dir, du ſchau’ſt ja ſauer, wie ein Eſſigkrug, ich will dir geben, was du verlangſt: willſt du Gold? Nein, ſagte das Eſelein und ſchuͤttelte mit dem Kopf. Willſt du Koſtbarkeiten und Schmuck? Nein. Willſt du mein halbes Reich? Ach nein! Da ſprach der Koͤnig: wenn ich nur wuͤßte, was dich vergnuͤgt machen koͤnnte: willſt du meine ſchoͤne Tochter zur Frau? Ach ja, ſagte das Eſelein, war auf einmal ganz luſtig und guter Dinge, denn das war’s gerade, was es ſich gewuͤnſcht hatte. Alſo ward eine große und praͤchtige Hochzeit gehalten. Abends, wie Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein gefuͤhrt wurden, wollte der Koͤnig wiſſen, ob ſich das Eſelein auch fein artig und ma - nierlich betruͤge, und hieß einen Diener ſich dort verſtecken. Wie ſie nun beide drinnen waren, ſchob der Braͤutigam den Riegel vor die Thuͤre, blickte ſich um und wie er glaubte, daß ſie ganz allein waͤren, da warf er auf einmal ſeine Eſelhaut ab und ſtand da als ein ſchoͤner, koͤniglicher Juͤngling, der ſprach: ſiehſt du, wer ich bin und daß ich deiner werth geweſen. Da ward die Braut froh, kuͤßte ihn und hatte ihn von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward,280 ſprang er auf, zog ſeine Thierhaut wieder uͤber und haͤtte kein Menſch gedacht, was fuͤr einer da - hinter ſteckte. Bald kam auch der alte Koͤnig ge - gangen: ei, rief er, iſt das Eſelein ſchon mun - ter! du biſt wohl recht traurig, ſagte er zu ſeiner Tochter, daß du keinen ordentlichen Menſchen zum Mann bekommen haſt? Ach nein, lieber Vater, ich habe ihn ſo lieb, als wenn er der al - lerſchoͤnſte waͤr und will ihn mein Lebtag behal - ten. Der Koͤnig wunderte ſich, aber der Die - ner, der ſich verſteckt hatte, kam und offenbarte ihm alles. Der Koͤnig ſprach: Das iſt nimmer - mehr wahr! So wacht ſelber die folgende Nacht, ihr werdet’s mit eigenen Augen ſehen; und wißt ihr was, Herr Koͤnig, nehmt ihm die Haut weg, und werft ſie in’s Feuer, ſo muß er ſich wohl in ſeiner rechten Geſtalt zeigen. Dein Rath iſt gut, ſprach der Koͤnig, und Abends, als ſie ſchliefen, ſchlich er ſich hinein, und wie er zum Bett kam, ſah er im Mondſchein einen ſtol - zen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abge - ſtreift auf der Erde. Da nahm er ſie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb ſelber dabei, bis ſie ganz zu Aſche verbrennt war. Weil er aber ſehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauſchte. Als der Juͤngling ausgeſchlafen hatte, beim erſten Mor - genſchein, ſtand er auf und wollte die Eſelshaut281 umziehen, aber ſie war nicht zu finden. Da er - ſchrack er und ſprach voll Trauer und Angſt: Nun muß ich ſehen, daß ich entfliehe. Wie er hinaustrat, ſtand aber der Koͤnig da und ſprach: Ei! mein Sohn, wohin ſo eilig, was haſt du im Sinn? Bleib hier; du biſt ein ſo ſchoͤner Mann, du ſollſt nicht wieder von mir; ich geb dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommſt du es ganz. So wuͤnſch ich dem guten An - fang auch ein gutes Ende, ſprach der Juͤngling, ich bleibe bei euch. Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr ſtarb, hatte er das ganze, und nach dem Tode ſeines Va - ters noch eins dazu, und lebte reich und vergnuͤgt.

59. Der undankbare Sohn.

Es ſaß einmal ein Mann mit ſeiner Frau vor der Hausthuͤr, und hatten ein gebraten Huhn vor ſich ſtehen, und wollten das zuſammen ver - zehren, da ſah der Mann, wie ſein alter Vater daher kam, geſchwind nahm er das Huhn und verſteckt〈…〉〈…〉 es, weil er ihm nichts davon goͤnnte. Der Alte kam, that einen Trunk und ging fort. Nun wollte der Sohn das gebratene Huhn wieder auf den Tiſch tragen, aber als er darnach griff, war es eine große Kroͤte geworden, die ſprang ihm in’s Angeſicht, und ſaß da und ging nicht282 wieder weg, und wenn ſie jemand wegthun wollte, ſah ſie ihn giftig an, als wollt ſie ihm in’s An - geſicht ſpringen, ſo daß keiner ſie anzuruͤhren ge - traute. Und die Kroͤte mußte der undankbare Sohn alle Tage fuͤttern, ſonſt fraß ſie ihm aus ſeinem Angeſicht, und alſo ging er in der Welt hin und her.

60. Die Ruͤbe.

Es waren einmal zwei Bruͤder, die lebten beide im Soldatenſtand, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der arme ſich aus ſeiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus, und ward ein Bauer. Alſo grub und hackte er ſein Stuͤckchen Acker und ſaͤte Ruͤbſamen. Der Same ging auf und es wuchs da eine Ruͤbe, die ward groß und ſtark, und zuſehends dicker, und wollte gar nicht aufhoͤren zu wachſen, ſo daß ſie eine Fuͤrſtin aller Ruͤben heißen konnte, denn nimmer war ſo eine geſehen, und wird auch nim - mer wieder geſehen werden. Zuletzt war ſie ſo groß, daß ſie allein einen ganzen Wage〈…〉〈…〉 anfuͤllte, und zwei Ochſen daran ziehen mußten, und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen ſollte, und ob’s ſein Gluͤck oder ſein Ungluͤck waͤre. End - lich dachte er, verkaufſt du ſie, was wirſt du gro - ßes dafuͤr bekommen, und willſt du ſie ſelber283 eſſen, ſo thun die kleinen Ruͤben denſelben Dienſt, du willſt ſie dem Koͤnig bringen und verehren. Alſo lud er ſie auf den Wagen, ſpannte zwei Och - ſen vor, brachte ſie an den Hof und ſchenkte ſie dem Koͤnig. Ei! ſagte der Koͤnig, was iſt das fuͤr ein ſeltſam Ding? mir iſt viel wunderliches vor die Augen gekommen, aber ſo ein Ungethuͤm noch nicht: aus was fuͤr Samen mag die gewach - ſen ſeyn? oder dir geraͤth’s allein, und du biſt ein Gluͤckskind. Ach nein, ſagte der Bauer, ein Gluͤckskind bin ich nicht, ich bin ein armer Sol - dat, der ſich nicht mehr naͤhren konnte, darum den Soldatenrock an den Nagel hing und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der iſt reich und Euch, Herr Koͤnig, auch wohlbekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergeſſen. Da empfand der Koͤnig Mitleid mit ihm und ſprach: Deine Armuth iſt vorbei, du ſollſt ſo von mir beſchenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommſt. Alſo ſchenkte er ihm eine Menge Gold, Acker, Wie - ſen und Heerden, und machte ihn ſteinreich, ſo daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieſer hoͤrte, was ſein Bruder mit einer einzigen Ruͤbe erwor - ben hatte, beneidete er ihn und ſann hin und her, wie er ſich auch ein ſolches Gluͤck zuwenden koͤnnte. Er wollt’s aber noch viel geſcheidter anfangen, nahm Gold und Pferde und brachte ſie dem Koͤ -284 nig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein viel groͤßeres Gegengeſchenk machen, denn haͤtte ſein Bruder ſoviel fuͤr eine Ruͤbe bekommen, was wuͤrde es ihm fuͤr ſo ſchoͤne Dinge nicht alles tra - gen. Der Koͤnig nahm das Geſchenk und ſagte, er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das rarer und beſſer waͤre, als die große Ruͤbe. Alſo mußte der reiche ſeines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen legen und nach Haus fahren laſſen. Daheim wußte er nicht, an wem er ſeinen Zorn und Aer - ger auslaſſen ſollte, bis ihm boͤſe Gedanken ka - men und er beſchloß ſeinen Bruder zu toͤdten. Er gewann Moͤrder, die mußten ſich in einen Hin - terhalt ſtellen, und darauf ging er zu ſeinem Bru - der und ſprach: Lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz, den wollen wir miteinander heben und theilen. Der andere ließ ſich’s auch gefallen und ging ohne Arg mit; als ſie aber hinauskamen, ſtuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her, banden ihn und wollten ihn an einen Baum haͤn - gen. Indem ſie eben daruͤber waren, erſcholl aus der Ferne lauter Geſang und Hufſchlag, daß ih - nen der Schrecken in den Leib fuhr und ſie uͤber Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack ſteckten, am Aſt hinaufwanden und haͤngen ließen, er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack hatte, wodurch er den Kopf ſtecken konnte. Dar - auf ergriffen ſie die Flucht. Wer aber des Wegs daher kam, war nichts als ein fahrender Schuͤ -285 ler, ein junger Geſelle, der froͤhlich ſein Lied ſin - gend durch den Wald die Straße ritt. Wie der oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbei ging, rief er: ſey mir gegruͤßt, zu guter Stun - de! Der Schuͤler guckte ſich uͤberall um, wußte nicht, wo die Stimme herſchallte, endlich ſprach er: Wer ruft mir? Da antwortete es aus dem Wipfel: Erhebe deine Augen, ich ſitze hier oben im Sack der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen ſind alle Schu - len ein Wind, um ein Weniges, ſo werde ich aus - gelernt haben, herabſteigen und weiſer ſeyn als alle Menſchen. Ich verſtehe die Geſtirn - und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤr’ſt du einmal darin, du wuͤrdeſt fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt. Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erſtaunte er und ſprach: Ge - ſegnet ſey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kom - men? Oben der antwortete, als thaͤt er’s nicht gern: eine kleine Weile will ich dich wohl hineinlaſſen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es iſt ein Stuͤck uͤbrig, das ich erſt lernen muß. Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hin - eingelaſſen werden, ſein Durſt nach Weisheit waͤre286 gar zu groß. Da ſtellte ſich der oben, als gaͤb er endlich nach und ſprach: Damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlaſſen, ſo ſollſt du ein - gehen. Alſo ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er ſelber: Nun zieh mich recht geſchwind hinauf, und wollt geradſtehend in den Sack einſchreiten. Halt! ſagte der andere, ſo geht’s nicht an, packte ihn beim Kopf, ſteckte ihn ruͤcklings in den Sack, ſchnuͤrte zu, und zog den Juͤnger der Weis - heit am Strick baumwaͤrts und ſchwengelte ihn in der Luft: Wie ſteht’s, mein lieber Geſell? ſiehe, ſchon fuͤhlſt du daß dir die Weisheit kommt, und machſt gute Erfahrung, ſitze alſo fein ruhig, bis du kluͤger wirſt. Damit ſtieg er auf des Schuͤ - lers Pferd und ritt fort.

61. Das junggegluͤhte Maͤnnlein.

Zur Zeit da unſer Herr noch auf Erden ging, kehrte er eines Abends, ſammt Peter, bei einem Schmied ein, und bekam willig Herberg. Nun geſchah’s, daß ein armer Bettelmann, von Alter und Gebrechen hart gedruͤckt, in dieſes Haus kam und vom Schmied Almoſen forderte. Deß er -[barmte] ſich Petrus und ſprach: Herr und Meiſter, ſo dir’s gefaͤllt, heil ihm doch ſeine287 Plage, daß er ſich ſelbſt ſein Brot moͤge gewin - nen. [Sanftmuͤthig] ſprach der Herr: Schmied, leih mir deine Eſſe und leg mir Kohlen an, ſo will ich den alten, kranken Mann zu dieſer Zeit verjuͤngen. Der Schmied war ganz bereit und St. Petrus zog die Baͤlge, und als das Kohl - feuer auffunkte, groß und hoch, nahm unſer Herr das alte Maͤnnlein, ſchub’s in die Eſſe, mit - ten in’s rothe Feuer, daß es drin gluͤhte, wie ein Roſenſtock, und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Loͤſchtrog, zog das gluͤhend Maͤnnlein hinein, daß das Waſſer uͤber ihm zuſammenſchlug, und nachdem er’s fein ſitt - lich abgekuͤhlet, gab er ihm ſeinen Segen; ſiehe, zuhand ſprang das Maͤnnlein heraus, zart, ge - rad, geſund und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugeſehen, lud ſie alle zum Nachtmahl, er hatte aber eine alte, halb - blinde bucklichte Schwieger, die machte ſich zum Juͤngling hin und fragte ihn fleißig: ob ihn das Feuer hart gebrennet? Nie ſey ihm beſſer gewe - ſen, antwortete jener, er habe da in der Glut ge - ſeſſen, wie in einem kuͤhlen Thau.

Dies klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau und als der Herr fruͤhmorgens die Straße weiter gezogen war, und dem Schmied wohl gedankt hatte, dachte der, er koͤnnte ſeine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordent - lich alles zugeſehn, und es in ſeine Kunſt ſchlage. 288Rief ſie daher an, ob ſie auch wie ein Maͤgdlein von achtzehn Jahren in Spruͤngen daher wolle gehen? Sie ſprach: von ganzem Herzen, weil es dem Juͤngling auch ſo ſanft angekommen. Machte alſo der Schmied große Glut und ſtieß die Alte hinein, die ſich hin und wieder bog, und grauſames Mordgeſchrei anſtimmte; ſitz ſtill, was ſchreiſt und huͤpfſt du, ich will erſt weidlich zublaſen! zog damit die Baͤlge von neuem bis ihr alle Haderlumpen brannten, da ſchrie das alte Weib ohne Ruh. Der Schmied dachte: Kunſt geht nicht recht zu! nahm ſie raus und warf ſie in den Leſchtrog, da ſchrie ſie ganz uͤberlaut, daß es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur hoͤrten, die liefen beide die Stiegen herab, und ſahen die Alte heulend und maulend ganz zuſam - men geſchnurrt im Trog liegen, das Angeſicht ge - runzelt, gefaltet und umgeſchaffen. Darob ſich die zwei, die beide mit Kindern gingen, ſo ent - ſetzten, daß ſie noch dieſelbe Nacht zwei Junge gebaren, die waren ganz nicht wie Menſchen ge - ſchaffen, ſondern wie Affen, liefen zum Wald hin - ein und von ihnen ſtammt das Geſchlecht der Affen her.

62. Des Herrn und des Teufels Gethier.

Gott der Herr hatte alle Thiere erſchaffen und ſich die Woͤlfe zu ſeinen Hunden auserwaͤhlet;289 blos den Geis hatte er vergeſſen, da richtete ſich der Teufel an, wollte auch ſchaffen, und machte die Geiſe, mit feinen, langen Schwaͤnzen. Wenn ſie nun zur Weide gingen, blieben ſie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen und ſie mit vie - ler Muͤhe losknuͤpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu ſehen iſt.

Nun ließ er ſie zwar allein weiden, aber es geſchah, daß Gott der Herr zuſah, wie ſie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben ſchaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, ſo daß er aus Guͤte und Gnaden ſeine Woͤlfe dran hetzte, die denn die Geiſe, ſo da gingen, bald zerriſſen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und ſprach: dein Geſchoͤpf hat mir das meine zerriſſen. Der Herr antwortete: was hatteſt du es zu Schaden erſchaffen? der Teufel ſagte: ich mußte das; gleichwie ſelbſt mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erſchaffen, keine andre Natur haben, und mußt mir’s theuer zahlen. Ich zahl dir’s, ſo - bald das Eichenlaub abfaͤllt, dann komm, dein Geld iſt ſchon gezaͤhlt. Als das Eichenlaub ab - gefallen war kam der Teufel und forderte ſeine Schuld. Der Herr aber ſprach: In der Kirche zu Conſtantinopel ſteht eine hohe Eiche, die hatKindermährchen. II. T290noch alles ihr Laub! Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche ſuchen, irrte ſechs Monate in der Wuͤſtenei, eh er ſie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter. Da mußte er ſeine Schuld fahren laſſen ſtach im Zorn allen uͤbrigen Geiſen die Augen aus und ſetzte ihnen ſeine eigene ein.

Darum haben alle Geiſe Teufelsaugen und abgebißne Schwaͤnz und er nimmt gern ihre Ge - ſtalt an.

63. Der Hahnenbalken.

Es war einmal ein Zauberer, der ſtand mit - ten in einer großen Menge Volks und vollbrachte ſeine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn einher ſchreiten, der hob einen ſchweren Balken und trug ihn, als waͤr er federleicht. Nun war aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttri - ges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug geworden, ſo daß kein Blendwerk vor ihm beſte - hen konnte, und es ſah, daß der Balken nichts war, als ein Strohhalm. Da rief es: Ei, ihr Leute ſeht ihr nicht, das iſt ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da traͤgt Als - bald verſchwand der Zauber, und die Leute ſahen was es war, und jagten den Hexenmeiſter mit291 Schimpf und Schande fort, er aber ſprach voll Zorn innerlich: Ich will mich ſchon raͤchen. Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche ſtand. Auf einmal kamen ſie an einen ſtark angeſchwollenen Bach, und war keine Bruͤcke und kein Steg dar - uͤber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie ſie nun eben im Waſſer ſo ſteht, ruft ein Mann und das war der Zauberer neben ihr ganz ſpoͤttiſch: Ei, wo haſt du deine Augen, daß du das fuͤr ein Waſſer haͤltſt. Da gingen ihr die Augen auf und ſie ſah, daß ſie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachs - feld ſtand. Da ſahen es die Leute auch alleſammt und jagten ſie mit Schimpf und Gelaͤchter fort.

64. Die alte Bettelfrau.

Es war einmal eine alte Frau, du haſt wohl ehe eine alte Frau ſeh’n betteln geh’n? Dieſe alte Frau bettelte auch, und wenn ſie etwas bekam, dann ſagte ſie: Gott lohn euch! Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr, da ſtand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und waͤrmte ſich. Der Junge ſagte freundlich zu der armen alten Frau, wie ſie ſo an der Thuͤr ſtund und zitterte,292 Kommt Altmutter und erwaͤrmt euch. Sie kam herzu, Sie ging aber zu nahe ans Feuer ſteh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und ſie ward’s nicht gewahr. Der Junge ſtand und ſah das, er haͤtt’s doch loͤſchen ſollen? Nicht wahr, er haͤtte loͤſchen ſollen? Und wenn er kein Waſſer gehabt haͤtte, dann haͤtte er alles Waſſer in ſeinem Leibe zu den Augen heraus - weinen ſollen, das haͤtte ſo zwei huͤbſche Baͤchlein gegeben zu loͤſchen.

65. Die drei Faulen.

Ein Koͤnig hatte drei Soͤhne, die waren ihm alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er zum Koͤnig nach ſeinem Tode beſtimmen ſollte. Als die Zeit kam daß er ſterben wollte, rief er ſie vor ſich und ſprach: Liebe Kinder, ich habe et - was bei mir bedacht, das will ich euch ſagen: welcher von euch der Faulſte iſt, der ſoll nach mir Koͤnig werden. Da ſprach der aͤlteſte: Vater, ſo gehoͤrt das Reich mir, denn ich bin ſo faul, wenn ich liege und will ſchlafen, und es faͤllt mir ein Tropfen in die Augen, ſo mag ich ſie nicht zuthun, damit ich einſchlafe. Der zweite ſprach: Vater, das Reich gehoͤrt mir, denn ich bin ſo faul, wenn ich beim Feuer ſitze mich zu waͤrmen, ſo ließ ich mir eher die Ferſen verbren - nen, eh ich die Beine zuruͤckzoͤge. Der dritte293 ſprach: Vater, das Reich iſt mein, denn ich bin ſo faul, ſollt ich aufgehenkt werden und haͤtte den Strick ſchon um den Hals, und einer gaͤb mir ein ſcharf Meſſer in die Hand, damit ich den Strick zerſchneiden duͤrfte, ſo ließ ich mich eher henken, eh ich meine Hand aufhuͤbe zum Strick. Wie der Vater das hoͤrte: ſprach er: Du ſollſt der Koͤnig ſeyn.

66. Die heilige Frau Kummerniß.

Er war einmal eine fromme Jungfrau, die gelobte Gott, nicht zu heirathen, und war wun - derſchoͤn, ſo daß es ihr Vater nicht zugeben und ſie gern zur Ehe zwingen wollte. In dieſer Noth flehte ſie Gott an, daß er ihr einen Bart wach - ſen laſſen ſollte, welches alſogleich geſchah; aber der Koͤnig ergrimmte und ließ ſie an’s Kreutz ſchlagen, da ward ſie eine Heilige.

Nun geſchah es, daß ein gar armer Spiel - mann in die Kirche kam, wo ihr Bildniß ſtand, kniete davor nieder, da freute es die Heilige, daß dieſer zuerſt ihre Unſchuld anerkannte, und das Bild, das mit guͤldnen Pantoffeln angethan war, ließ einen davon los - und herunterfallen, damit er dem Pilgrim zu gut kaͤme. Der neigte ſich dankbar und nahm die Gabe.

Bald aber wurde der Goldſchuh in der Kir -294 chen vermißt, und geſchah allenthalben Frage, bis er zuletzt bei dem armen Geigerlein gefunden, auch es als ein boͤſer Dieb verdammt und ausgefuͤhrt wurde, um zu hangen. Unterwegs aber ging der Zug an dem Gotteshaus vorbei, wo die Bild - ſaͤule ſtand, begehrte der Spielmann hineingehen zu duͤrfen, daß er zu guter Letzt Abſchied naͤhme mit ſeinem Geiglein und ſeiner Gutthaͤterin die Noth ſeines Herzens klagen koͤnnte. Dies wurde ihm nun erlaubt. Kaum aber hat er den erſten Strich gethan, ſiehe, ſo ließ das Bild auch den andern guͤldnen Pantoffel herabfallen, und zeigte damit, daß er des Diebſtahls unſchuldig waͤre. Alſo wurde der Geiger der Eiſen und Bande ledig - zog vergnuͤgt ſeiner Straßen, die heil. Jungfrau aber hieß Kummerniß.

67. Das Maͤrchen vom Schlauraffenland.

In der Schlauraffenzeit da ging ich und ſah an einem kleinen Seidenfaden hing Rom und der Lateran, und ein fußloſer Mann, der uͤberlief ein ſchnelles Pferd, und ein bitterſcharfes Schwert eine Bruͤcke durchhauen; da ſah ich einen jungen Eſel mit einer ſilbernen Naſe der jug hinter zwei ſchnellen Haſen her, und eine Linde, die war breit, auf der wuchſen heiße Fladen, da ſah ich eine alte duͤrre Geis, trug wohl hundert Fuder295 Schmalzes an ihrem Leibe und ſechzig Fuder Salzes. Iſt das nicht gelogen genug? Da ſah ich zackern einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jaͤhri - ges Kind warf vier Muͤhlenſteine von Regensburg bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg; und ein Habicht ſchwamm uͤber den Rhein, das that er mit vollem Recht, da hoͤrt ich Fiſche mit - einander Laͤrm anfangen, daß es in den Himmel hinauf ſcholl, und ein ſuͤßer Honig floß wie Waſſer von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg, das waren ſeltſame Geſchichten. Da waren zwei Kraͤhen, maͤhten eine Wieſe, und ich ſah zwei Muͤcken an einer Bruͤcke bauen, und zwei Tau - ben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wur - fen zwei Zicklein, aber zwei Froͤſche droſchen mit - einander Getreid aus. Da ſah ich zwei Maͤuſe einen Biſchof weihen, zwei Katzen, die einem Baͤren die Zunge auskratzten. Da kam eine Schnecke gerennt und erſchlug zwei wilde Loͤwen, da ſtand ein Bartſcheerer, ſchor einer Frauen ih - ren Bart ab, und zwei ſaͤugende Kinder hießen ihre Mutter ſtillſchweigen. Da ſah ich zwei Wind - hunde, brachten eine Muͤhle aus dem Waſſer ge - tragen und eine alte Schindmaͤhre ſtand dabei, die ſprach: es waͤre Recht. Und im Hof ſtanden vier Roſſe, die droſchen Korn aus allen Kraͤften, und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine rothe Kuh ſchoß das Brot in den Ofen. Da kraͤhte296 ein Huhn: Kickeriki! Das Maͤrchen iſt ausver - zaͤhlt, kickeriki!

68. Das Dietmarſiſche Luͤgen-Maͤrchen.

Ich will euch etwas erzaͤhlen: ich ſah zwei gebratene Huͤhner fliegen, flogen ſchnell und hat - ten die Baͤuche gen Himmel gekehrt, die Ruͤcken nach der Hoͤlle, und ein Amboß und ein Muͤhl - ſtein die ſchwammen uͤber den Rhein, fein lang - ſam und leiſe, und ein Froſch ſaß und fraß eine Pflugſchaar zu Pfingſten auf dem Eis; da wa - ren drei Kerls, wollten einen Haſen fangen, gin - gen auf Kruͤcken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte ſtumm und der vierte konnte keinen Fuß ruͤhren. Wollt ihr wiſſen, wie das geſchah? Der Blinde der ſah zuerſt den Haſen uͤber Feld traben, der Stumme der rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche die wollten zu Land ſegeln und ſpannten die Segel im Wind, und ſchifften uͤber große Aecker hin, da ſegelten ſie uͤber einen hohen Berg, da mußten ſie elendig verſaufen. Ein Krebs jagte einen Haſen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf ge - ſtiegen; in dem Land ſind die Fliegen ſo groß, als hier zu Land die Ziegen.

297

69. Raͤthſel-Maͤrchen.

Drei Frauen waren verwandelt in Blumen, die auf dem Felde ſtanden, doch deren eine durft des Nachts in ihrem Hauſe ſeyn. Da ſprach ſie auf eine Zeit zu ihrem Mann, als ſich der Tag nahete und ſie wiederum zu ihren Geſpielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt: ſo du heute Vormittag kommſt und mich ab - brichſt, werd ich erloͤſt und fuͤrder bei dir bleiben; als dann auch geſchahe. Nun iſt die Frage, wie ſie ihr Mann erkannt habe, ſo die Blumen ganz gleich und ohne Unterſchied waren? Antwort: dieweil ſie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war, fiel der Thau nicht auf ſie, als auf die andern zwei, darbei ſie der Mann erkannte.

70. Der goldene Schluͤſſel.

Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausge - hen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zuſammen geſucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er ſo erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, ſondern ſich erſt Feuer anma - chen und ein Bischen waͤrmen. Da ſcharrte er den Schnee weg, und wie er ſo den Erdboden auf -298 raͤumte, fand er einen goldnen Schluͤſſel. Nun glaubte er, wo der Schluͤſſel waͤre, muͤßte auch das Schloß dazu ſeyn, grub weiter und fand ein eiſer - nes Kaͤſtchen; ei, dachte er, wenn der Schluͤſſel nur paßt, denn es waren gewiß wunderbare und koͤſt - liche Sachen darin. Er ſuchte, aber es war kein Schluͤſſelloch da, endlich fand er doch noch ein ganz kleines, und probirte, und der Schluͤſſel paßte gerad, da drehte er ihn einmal herum, und nun muͤſſen wir warten, bis er vollends aufgeſchloſſen hat, dann werden wir ſehen, was darin liegt.

Anhang. [I]

Anhang.

Kindermärchen. II. A[II][III]

1. Der Arme und Reiche.

(Aus der Schwalmgegend.) Uralte Sage von Philemon und Baucis (Ovid. met. VIII. 617. ſ. Voß Anmerkung zu ſeiner Idylle XVIII. der noch andere anfuͤhrt), lebendig und chriſtlich fortdauernd; vgl. die Anmerkung zu I. 81. Eine merkwuͤrdige hierher gehoͤrige Stelle bei Reinmar von Zweter II. 145. unde het ich drier wunſche gewalt. Die misrathenen Wuͤnſche des Reichen werden auch ohne dieſen Zuſammenhang erzaͤhlt, (von der Beaumont nach ihrer Art veraͤndert). Stricker hat auch dies Maͤrchen behandelt, wovon Docen das Manuſcript beſitzt; ganz gemeiner Art iſt das altfranz. Fabliau von den quatre ſouhaits de S. Martin (Meon IV. 386.). Bei Hebel im Schatzkaͤſtlein (S. 117 ſo gut ſonſt die Darſtellung, iſt in der Sage ſelbſt ſchon vieles aus - gefallen. Ueber die drei Wuͤnſche vgl. der Jud im Dorn Nr. 24. und die weiße und ſchwarze Braut Nr. 49.

Im Ganzen iſt auch hier der in den Maͤrchen ſo oft wiederkommende Satz, daß der Boͤſe, Geitzige und Haͤßliche das dem Guten, Schuldloſen und Reinen zu Theil gewordene Gluͤck plump und zu ſeinem Ver - derben erbittet. Die Goͤtter und Heiligen reiſen in der Welt und pruͤfen das Menſchengeſchlecht. Odyſſea XVII. 485 und Altd. Waͤlder 2. S. 25. Note 60. Dem eddiſchen Lied von Rigr liegt die naͤmliche Idee zu Grund; der Gegenſatz und dieſelbe Folge unſeres Maͤrchens einer Chineſiſchen Sage von Foh, der zu einer armen, frommen und zu einer geizigen boͤſen Frau pilgert. Jene begabt er fruͤh - morgens beim Abſchied damit, daß ihr erſtes Begin - nen an dem Tage nicht aufhoͤren ſolle, bis die Son - ne ſinke. Sie dachte nicht dran und ging an ihrA 2IVLeinwand, das rollte ſich auf bis zu Abend und er - fuͤllte die ganze Stube mit Reichthum. Die andere boͤſe Frau verſcherzt dieſelbe Gabe damit, daß ſie im Voruͤbergehn ihrem grunzenden Schwein in Gedan - ken an ihr Gluͤck Waſſer vorgibt, nun muß ſie den ganzen Tag in einem Waſſer tragen, daß ihr Haus uͤberſchwemmt wird und die ganze Gegend. (ſ. unten Nr. 17. das Maͤrchen vom Brei). In Naubert Volksmaͤrchen I. 201 209. wird eine aͤhnliche Ge - ſchichte auch ſchoͤn ausgefuͤhrt und dem ſegenreichen Leinwandmeſſen ein unſeliger Spinnenwebwachsthum entgegenſtellt.

2. Das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen.

(Aus Heſſen.) Fuͤr ſich beſtehend und eigenthuͤm - lich ſchoͤn und doch mannigfach mit andern verwandt. Wegen des Eingangs mit dem Sommer - und Win - tergarten (I. 68.) vgl. die dortigen Anmerkungen. Nach einer anderen Erzaͤhlung bittet ſich die juͤngſte aus, was dem Vater zuerſt begegnet, das ſind drei Lilien; wie er ſie abbricht, ſpringt ein Drache hervor, dem er das Maͤdchen dafuͤr verſprechen muß. Noch naͤher kommt unten Nr. 41. der Eiſenofen (ſ. die An - merkung dazu) und Prinz Schwan I. 59., nur ſind die Geſtirne hier bedeutender und reden in alten Formen und Spruͤchen. Ihre Thaͤtigkeit und Mitge - fuͤhl erſcheint auch in der Erzaͤhlung von der Eva in der Weltchronik (Caſſ. Hdſchr. Fol 21 a). Sie bit - tet Sonne und Sterne, wenn ſie zum Orient kom - men, dem Adam ihre Noth zu ſagen und ſie voll - bringen es auch. Mit dem Maͤrchen von Amor (dem Loͤwen-Reuter) und Pſyche ſtimmt dieſes auch dar - in, daß Licht das Ungluͤck bringt und die uͤberall entfeſſelnde Nacht den Zauber jedesmal loͤſt. In der Braunſchweig. Sammlung hat das Maͤrchen vom ſingenden, klingenden Baͤumchen, das gleich - falls ein Loͤwe bewacht, einigen Zuſammenhang. Loͤweneckerchen iſt das Weſtph. Lauberken, nie - derſ. Leverken, altholl. Leeuwercke, Leewe - rick, Lewerk, Lerk, Lerche.

V

Die Federn und die Blutstropfen, die fallen, erinnern an den Volksglauben von den Fe - der-Nelken, deren eine Gattung im Herzen einen dunkeln Purpurflecken hat: das, ſagt man, ſey ein Tropfen Blut, welchen der Heiland vom Kreuz habe hineinfallen laſſen. Ferner: die Federn ſollten den Weg weiſen, der Blutstropfen wohl die Gedan - ken an den Verzauberten ſtets erhalten, der gleich - ſam abweſend war, und ſo fuͤhrt es zu der Sage von den Blutstropfen, uͤber welche Parcifal nachſinnt und die ihm ſeine Frau ins Gedaͤchtniß rufen. S. altd. Waͤlder I.

3. Das Gaͤnsmaͤdchen.

(Aus Zwehrn.) Dies ſchoͤne Maͤrchen ſtellt die Hoheit der ſelbſt in Knechts-Geſtalt aufrecht ſtehen - den koͤniglichen Geburt mit deſto tiefern Zuͤgen vor, je einfacher ſie ſind. Was ihr die Mutter zum Schutz mitgab (aus den Blutstropfen ſprechen auch ſonſt noch Stimmen ſ. der liebſte Roland I. 56. Vgl. auch Cl. Brentano’s Gruͤndung Prags. S. 106. und Anmerk. 45.) hat ſie unſchuldig verloren und der gezwungene Eid druͤckt ſie nieder, aber noch weiß ſie wind-bannende Zau - berſpruͤche und mit ſtolz-demuͤthigen Gedanken wird ſie jeden Morgen unter dem finſtern Thor durch das Ge - ſpraͤch mit dem auch im Tod treu bleibenden Pferde erfuͤllt! Redende, kluge Roſſe kommen ſonſt noch vor (vgl. Ferenand getruͤ nr. 40.) in dem abgehauenen Kopf (wie in Mimir’s) wohnt die Sprache fort. Es iſt merkwuͤrdig, daß die alten Norden von geopfer - ten Pferden die Haͤupter aufzuſtecken pflegten, wo - mit man den Feinden ſchaden zu koͤnnen glaubte (Saxo Gramm. L. V. p. 75. Vgl. Suhms Fabel - zeit. I. 317.); wie man Menſchenkoͤpfe auf Zinnen ſteckte. Ein Todtenkopf der ſingt, in der Eyrbiggia Sage 219. Ausgebreitet iſt der Zug von den golde - nen und ſilbernen Haaren der Schoͤnheit und ein Zei - chen koͤniglicher Abkunft (vgl. Nr. 28.), ſo auch das Kaͤmmen derſelben, wie ſich die Sonne gleichſam beim Scheinen ſtraͤhlt. Die ungluͤcklichen Koͤnigstoͤch - ter kaͤmmen und ſpinnen eben ſo haͤufig, als ſie Vieh huͤten.

VI

Bei einer eigentlichen Eroͤrterung des kerlingi - ſchen Mythus von Berta, Pipins verlobter Gemah - lin, die durch ihre Dienerin verdraͤngt wird, und in der Muͤhle ſpinnt und webt wuͤrde ſich ausfuͤhren laſſen, daß unſer, dem Hauptinhalt nach ſichtbar damit zuſammenkommendes Maͤrchen, doch noch al - terthuͤmlicher, ſchoͤner und einfacher iſt. In den Reimen iſt etwas abgebrochenes, in gangeſt ſtatt geheſt, ganz das nord. ganga wie hangeſt ſtatt haͤbeſt); ſich ſchnatzen von Haaren beißt flechten, (zur nord. Form ſnua, wenden, winden, ſchnuͤren) Schnatz, das geflochtene Haar; die Braut geht im Schnatz zur Kirche (ſ in Eſtor’s teutſcher Rechtsge - labrth. von Hofmann III. das oberheß Woͤrterbuch). Sich aufſetzen und Aufſatz wird gleichfalls vom Schmuͤcken und Ordnen des Haars ge - ſagt. Raͤthſel gebrauchte die Erzaͤhlerin weiblich, wie das fruͤhere Raͤterſch bekanntlich auch vorkommt. Kuͤrdchen kann aus Conraͤdchen zuſammengezogen ſeyn, aber auch an Hirt, Chorter, Horder erinnern. Beſonders merkwuͤrdig iſt der Name Falada (die mittlere Sylbe kurz), weil Rolands Pferd Valen - tich, Falerich, Velentin heißet und daraus faſt ein aͤußerlicher Zuſammenhang mit dem kerlingiſchen Mythus ſcheint.

Ein Hauptgegenſtuͤck liefert endlich das eigenthuͤm - liche, bald ſchwaͤchere, bald ſchoͤnere Maͤrchen le doje pizzelle Pentamerone IV. 7. wo namentlich das Kaͤmmen mehr eingeleitet iſt; der rechten Braut fal - len Perlen und Geſtein, der falſchen Ungeziefer aus den Haaren (vgl. auch Straparola III. 3.). Kuͤrd - chen fehlt oder vielmehr iſt es ein Bruder der Braut, aber die Gaͤnſe (papare) ſingen einen Reim, Abends unter des Koͤnigs Fenſter und offenbaren die verbor - gene (vgl. Nr. 49.). Auch im Erdmaͤnneken Nr. 5. wird die Erzaͤhlung an den Ofen gerichtet.

4. Der junge Rieſe.

(Aus der Leinegegend.) Dies und die zunaͤchſt folgenden Maͤrchen ſtehen zuſammen, weil ſich in ih - nen merkwuͤrdige Hinweiſungen auf die alte Helden -VII ſage erhalten haben. Der junge Rieſe hier iſt mit Siegfried verwandt, deſſen gewaltige Rieſen - Natur in ſeiner Jugend und uͤberhaupt in ſeinem Le - ben die Gedichte aͤhnlich beſchreiben. Er faͤngt die Loͤwen, bindet ſie an den Schwaͤnzen zuſammen und haͤngt ſie uͤber die Mauer (Roſengr. 3. Siegfr. Lied. 33.) Deutlicher iſt ſein Arbeiten beim Schmied, dem er hier eben ſo ungefuͤg zuſchlaͤgt (Lied 5.) und der wie Reigen goldgierig iſt und aus Geiz alles allein beſitzen will; ferner, die Hinterliſt des gleichfalls habſuͤchtigen Amtmanns, der ihn los ſeyn will, welche jener des Reigen entſpricht, ſo wie die gefaͤhrliche verwuͤnſchte Muͤhle dem Dra - chen-Neſt, wohin er, der den Schrecken nicht kennt (was die nord. Sage recht hervorhebt, denn Brunhild hatte gelobt keinem andern ſich zu vermaͤh - len als einem ganz unerſchrockenen ſ. Sigurdrifa’s Lied) furchtlos geht und ſiegreich zuruͤckkommt. Der Rieſe erſcheint ganz in den Sitten, welche die alten Ge - dichte beſchreiben: eine Eiſenſtange iſt ſein Waffen und er verſucht die Kraft am Ausreißen der Baͤume (vgl. Anmerk. zu den altdaͤn. Liedern S. 493). Das unſchaͤdliche Herabwerfen der Muͤhlſteine erinnert lebhaft an Thors Abentheuer mit Skrimnir (Daͤmiſ. 38.), wie dieſe wieder an die Boͤhmiſche vom Rieſen Scharmack. Die Erziehung bei Rieſen iſt gleichfalls ein alter bedeutender Umſtand; bei dieſen oder bei kunſtreichen Zwergen wurden die Helden in die Lehre gethan, wie Sigurd bei Reigin und Widga (Wittich) in der Wilk. S., ebenſo daß der Rieſe den jungen ſelber ſaͤugt, was auch in Nr. 6. vorkommt. Siegfried und der Eulenſpiegel beruͤhren und naͤhern ſich einander, welches unſer Maͤrchen voll - kommen zur Gewißheit erhebt, und man darf den jungen Helden darin ſo gut einen edleren Rieſen - Eulenſpiegel als einen ſpaßhafteren gehoͤrnten Sieg - fried nennen (aͤhnliche Helden ſind Simſon und Mo - rolf und vor allen Gargantua nach den echten Volks - ſagen von ihm. Mémoires de l’acad. celtique V. 392) Beide Eulenſpiegel und Siegfried wandern in die Welt aus, nehmen Dienſte und mishandeln in ihrem Uebermuth die blos menſchlichen Handwerker; namentlich iſt wichtig, daß Eulenſpiegel demVIII Schmied ſein Geraͤth verdirbt und als Kuͤchenknecht bei den Braten geſtellt wird, den er abißt, wie Sigurd das Drachenherz, das er dem Reigen braten ſoll; er geht auf den Harz, faͤngt Woͤlfe, um die Leute damit zu ſchrecken, wie Siegfried den Baͤren (Niebel. 3800 ff.). Schon in der Sprache iſt der Die - ner ein Schalk und der Hofdiener faͤllt mit dem Hofnarren zuſammen. Soini, der finniſche Rieſen - eulenſpiegel hieß gerade auch Kalkki (Diener). Drei Naͤchte alt, trat er ſein Windelband auf und man ſah, daß ihm nicht zu trauen war, alſo wurde er ausgeboten. Ein Schmied nahm ihn in ſeinen Dienſt, dem ſollte er ſein Kind huͤten, aber er griff dem Kind die Augen aus, toͤdtete es nachher und ver - brannte die Wiege. Drauf ſetzte ihn der Schmied uͤber einen Zaun, den er flechten ſollte, da holte er Fichten im Wald und flocht ſie mit Schlangen zu - ſammen; nun mußte er Vieh weiden, die Hausfrau aus Rache backte ihm einen Stein ins Brot, ſo daß er ſich ſein Meſſer ſtumpfte; erzuͤrnt rief er Baͤren und Woͤlfe, daß ſie die Heerde fraͤßen, aus den Kuͤh - beinen und Ochſenhoͤrnern aber machte er ſich Blas - hoͤrner und trieb die Woͤlfe und Baͤren ſtatt der an - dern Heerde heim.

Der nordiſche Grettir, als er Gaͤnſe und Roſſe huͤten ſoll, ſpielt aͤhnliche Streiche (bernſku-braugd, Kinderſtreiche). Das Heldenmaͤßige bricht in der Ju - gendroheit und Nichtachtung des gewoͤhnlichen Men - ſchentreibens hervor, wie auch Florens im Octavian dem Clemens die Ochſen verſchleudert.

Eine andere Erzaͤhlung aus Heſſen iſt viel unvoll - ſtaͤndiger, hat aber ihr eigenes. Kuͤrdchen Bin - geling hat an ſeiner Mutter Bruſt ſieben Jahre getrunken, davon er ſo gewaltig groß geworden und ſo viel hat eſſen koͤnnen, daß er nicht zu erſaͤttigen iſt; alle Menſchen aber hat er gequaͤlt und genarrt. Nun verſammelt ſich die ganze Gemeinde, will ihn fangen und toͤdten, er aber merkts, ſetzt ſich unter das Thor und ſperrt den Weg, (gerade wie Gargan - tua den Berg Gargant nicht weit von Nantes ſchafft), ſo daß ohne Hacken und Schippen, kein Menſch durch - kam und er ruhig weiter geht. Nun iſt er in einem andern Dorf, aber noch derſelbe Schlingel und daIX macht ſich wieder die ganze Gemeinde auf, ihn zu greifen, er aber, weil kein Thor da iſt, das er ver - rammeln kann, ſpringt in einen Brunnen. Nun ſtellt ſich die Gemeinde herum und rathſchlagt, ſie beſchließen endlich ihm einen Muͤhlſtein auf den Kopf zu werfen. Mit großer Muͤhe wird einer her - beigeholt und hinabgerollt, wie ſie meinen, er waͤr todt, kommt auf einmal der Kopf aus dem Brunnen, den hat er durch das Loch des Steins geſteckt, ſo daß dieſer ihm auf den Schultern haͤngt, wobei er ruft: ach! was hab ich einen ſchoͤnen Duͤten-Kragen! Wie ſie das ſehen, rathſchlagen ſie von neuem, und ſchicken dann hin und laſſen ihre große Klocke aus dem Kirchthurm holen, und werfen ſie auf ihn hinab, die ſollt ihn gewiß treffen (gerade wie beim Rieſen Scharmack). Wie ſie nun meinen, er liege unten erſchlagen und gehen aus einander, kommt er auf einmal aus dem Brunnen geſprungen, hat die Klocke auf dem Haupt, ruft ganz freudig: ach! was eine ſchoͤne Bingelmuͤtze! und lauft davon.

5. Dat Erdmaͤnneken.

(Aus dem Paderboͤrn.) Eine andere Recenſion aus der Gegend von Coͤln am Rhein weicht in eini - gem ab. Ein maͤchtiger Koͤnig hat drei ſchoͤne Toͤch - ter; einmal, bei einem herrlichen Feſt, gehen ſie in den Garten ſpaziren und kommen Abends nicht wie - der; und als ſie am andern Tag auch noch ausblei - ben, laͤßt ſie der Koͤnig durchs ganze Reich ſuchen, aber niemand kann ſie finden: da macht er bekannt, wer ſie wiederbraͤchte, ſollte eine zur Gemahlin haben, und Reichthuͤmer dazu fuͤr ſein Lebelang. Viele zie - hen aus aber umſonſt, zuletzt machen ſich drei Rit - ter auf den Weg und wollen nicht ruhen, als bis es ihnen gegluͤckt. Sie gerathen in einen großen Wald, wo ſie den ganzen Tag hungrig und durſtig fortrei - ten, endlich ſehen ſie in der Nacht ein Lichtlein, das ſie zu einem praͤchtigen Schloß leitet, worin aber kein Menſch zu ſehen iſt. Weil ſie ſo hungrig ſind, ſuchen ſie nach Speiſe, einer findet ein StuͤckX Fleiſch, es iſt aber noch roh. Da ſpricht der juͤng - ſte: geht ihr beyde und ſchafft einen Trank, ich will derweil das Fleiſch braten. Alſo ſteckt er den Bra - ten an einen Spieß, und wie er brutzelt, ſteht auf einmal ein Erdmaͤnnchen neben ihm mit einem lan - gen weißen Bart bis an die Knie, und zittert an Haͤnden und Fuͤßen. Laß mich beim Feuer meine Glieder waͤrmen, ſo will ich dafuͤr den Braten wen - den und mit Butter begießen. Der Ritter erlaubt ihm das, nun dreht es flink den Braten, aber ſo oft der Ritter wegſieht, ſteckt es ſeine Finger in die Bratpfanne und leckt die warme Bruͤhe auf. Der Ritter ertappt es ein paarmal und ſagt, es ſollts bleiben laſſen, aber das kleine Ding kann nicht und iſt immer wieder mit dem Finger in der Pfanne. Da wird der Ritter zornig, faßt das Erdmaͤnnchen beim Bart und zauſt es, daß es ein Zetergeſchrei er - hebt und fortlauft. Die zwei andern kommen indeß mit Wein, den ſie im Keller gefunden und nun eſ - ſen und trinken ſie zuſammen. Am andern Morgen ſuchen ſie weiter und finden ein tiefes Loch, darin, ſa - gen ſie, muͤſſen die Koͤnigstoͤchter verborgen ſeyn, und loſen, wer ſich ſoll hinunterlaſſen, die beiden andern wollen dann den Strick halten. Das Loos trift den, welcher mit dem Erdmaͤnnchen zu thun g[e]habt. Es dauert lang, bis er auf Grund kommt, und unten iſts ſtockfinſter, da geht eine Thuͤre auf und das Erd - maͤnnchen, das er am Bart gezogen, kommt und ſpricht: ich ſollt dir vergelten, was du mir Boͤſes gethan, aber du erbarmſt mich, ich bin der Koͤnig der Erdmaͤnnlein, ich will dich aus der Hoͤhle brin - gen, denn wenn du noch einen Augenblick laͤnger bleibſt, ſo iſts um dich geſchehen. Der Ritter ant - wortet: ſollt ich gleich Todes ſterben, ſo geh ich nicht weg, bis ich weiß, ob die Koͤnigstoͤchter hier verſteckt ſind. Da ſpricht es: ſie ſind in dieſem unterirdiſchen Stein von dre: Drachen bewacht. In der erſten Hoͤhle ſitzt die aͤlteſte und ein dreikoͤpfiger Drache neben ihr, jeden Mittag legt er ſeine Koͤpfe in ihren Schoos, da muß ſie ihn lauſen, bis er ein - geſchlafen iſt. Vor der Thuͤre haͤngt ein Korb, dar - in liegt eine Floͤte, eine Ruthe und ein Schwert und die drei Kronen der Koͤnigstoͤchter liegen auch darin,XI den Korb mußt du dir erſt wegtragen und in Si - cherheit bringen, dann faſſe das Schwert, geh hin - ein und hau dem Drachen die Koͤpfe ab, aber alle drei auf einmal, verfehlſt du einen, ſo wachſen als - bald die andern wieder und es kann dich nichts mehr retten. Dann gibt er ihm auch eine Glocke, wenn er daran ziehe, wolle er ihm zu Huͤlfe eilen. Nach der aͤlteſten erloͤſt er auch die zweite, die ein ſieben - koͤpfiger, und die dritte, die ein neunkoͤpfiger Drache bewacht. Dann fuͤhrt er ſie zu dem Eimer, worin er herabgelaſſen war und ruft ſeinen Geſellen zu, ſie ſoll - ten wieder hinaufwinden. Alſo ziehen ſie die drei Koͤnigstoͤchter nach einander in die Hoͤhe; wie ſie oben ſind, werfen die zwei Treuloſen das Seil hin - unter und wollen den unten verderben. Er zieht aber das Gloͤckchen, da kommt das Erdmaͤnnchen und heißt ihn auf der Floͤte pfeifen und wie er das thut, kommen aus allen Ecken viel tauſend Erdmaͤnnchen herbeigelaufen. Da heißt ſie ihr Koͤnig eine Treppe fuͤr den Ritter machen und ſagt ihm, oben ſollt er nur mit der Ruthe aus dem Korbe auf die Erde ſchla - gen. Alſo legen ſich die kleinen Maͤnner zuſammen und bilden eine Treppe, woruͤber der Ritter hinauf - geht, oben ſchlaͤgt er mit der Ruthe, da ſind ſie als - bald wieder verſchwunden.

Es iſt hier ein Zuſammenhang mit der Erloͤſung der Chrimhild vom Drachenſtein; wie dort, ver - ſchwindet ſie nach der Coͤln. Rec. bei einem Feſt, ohne Zweifel als Raub des Drachen, die beiden an - dern Schweſtern ſind Ausdehnungen der einen mythi - ſchen Geſtalt; eben ſo iſt unter den Dreien, die ſie zu befreien ausziehen, der juͤngſte der eigentliche und einzige. Das Erdmaͤnnchen iſt Euglin und Al - berich, den ſich der Held gleichfalls durch Ge - walt erſt geneigt macht (nach der Coͤln. Rec. zieht er ihn am Bart, wie in den Nibel. 2003.) und dann auch entdeckt es erſt den Aufenthalt der Drachenbewachten Koͤnigstochter (Lied von Siegfr. 57. 58. ), der unter der Erde iſt (Lied 99.). Es folgt die Erloͤſung, wie dort, indem die Drachen, welche auf dem Schooſe der Jungfrau ruhen (Lied 21.) getoͤdtet werden. Die Huͤlfe des Koͤnigs der Erdmaͤnner entſpricht der des EuglinXII (Lied 151. und vorher beim Kampf 89.) die dieſer dem Siegfried nach dem Streit mit dem Rieſen lei - ſtet; auch indem er ihm Eſſen bringt (Lied 119.) Sie ſind ihm uͤberhaupt wie dort unterthaͤnig.

6. Der goldene Berg.

Iſt von einem Soldaten erzaͤhlt worden; der Kaufmann ſollte in Amſterdam wohnen, was ſich auf Siegfrieds Vater beziehen koͤnnte, den Koͤnig in Niederlanden. Das vorangehende, die Verſchrei - bung des Kindes an den Teufel in Unwiſſenheit und Uebereilung iſt eine haͤufige Einleitung der Maͤrchen, (S. Anmerkg. zu I. 55.) hier chriſtlich geſtellt. Die Uebereinſtimmung mit Siegfried faͤngt erſt da an, wo der Juͤngling wie er (Wilk. S. Cap. 140. 141. welche dieſen Umſtand allein hat) auf dem Waſ - ſer fortgetrieben wird. Die Koͤnigstochter, die er befreit, iſt nach der deutſchen Sage Chrim - hild auf dem Drachenſtein, ſonſt aber, beſonders nach der nordiſchen Sage, Brunhild, denn fuͤr Gudrun (d. i. Grimhild) thut er dort, wie im Ni - bel. Lied, nichts. Der Drache, der ſie gefangen haͤlt, kommt darin vor, daß ſie ſelbſt in eine Schlan - ge verwandelt worden. (das Ueberwinden der Ge - ſpenſter durch Schweigen iſt ein alter, bedeutender Zug ſ. altdaͤn. Lieder S. 508.) Der Goldberg, den der Held gewinnt, iſt der Berg mit dem Gold - ſchatze, Hort, welchen, nach dem Lied, Siegfried auch im Drachenſtein erwirbt; ſogar die Wuͤnſchel - ruthe des Horts (Nib. 4509.) kommt hier als Wunſchring vor. In ſeiner Verkleidung als Schaͤfer, wodurch er unerkannt eingehen kann, noch beſtimmter hernach in ſeiner Unſicht - barkeit durch den Mantel und indem er ſich in eine Fliege verwandelt hat (wie Loki, auch der indiſche Hanuman dringt ſo zur Sita, Polier. I. 350.) er - ſcheinen die unſichtbar machenden Kraͤfte der Nebel - oder Tarnkappe (Nibel. 1367. u. a.) und die Vertauſchung der Geſtalt in der nord. Sa - ge. Am merkwuͤrdigſten iſt die faſt ganz mit derXIII alten dunkeln uͤbereinſtimmende, und ſie aufklaͤren - de, umſtaͤndlichere (vgl. Nibel. 358 406.) Erzaͤh - lung von der Theilung des Schatzes, dort ſind, wie hier, Nibelungs-Recken uneinig und rufen ihn als Schiedsmann herbei, der Wun - der-Degen iſt das herrliche Schwert Balmung. Er bekommt es gleichfalls voraus und geht nun ohne zu theilen mit dem erworbenen fort. Je - ne Wunderkraft des Schwerts iſt bedeutend, denn wie alle Koͤpfe vor ihm fallen, ſo erſtarren alle Le - bendige vor dem Aegirs-Helm (Hildegrein), der (wie altd. Waͤlder I. 264. gezeigt iſt,) nach der nord. Sage ebenfalls zu dem Hort gehoͤrte

In ſeinem Verhaͤltniß zur Koͤnigin ſcheint auch das mit Brunhild durch, ſie weiß, wie in der nord. Sage, daß er ungluͤcklich wird, wenn er von ihr geht, und ihre Verbindung mit ihm hat etwas geheimes. Er entdeckt es unbeſonnen, wie Siegfried der Chrimhild den fruͤher gewonnenen Guͤrtel Brunhildens gegeben hat (Nibel. 3415.) und daraus entſteht Ungluͤck, ſo wie ihre zweite Vermaͤhlung (mit Gunther) vorkommt. Er iſt ihr Erloͤſer, den ſie hernach doch verderben will; wie er hier die Geiſter beſiegt, iſt er in der nord. Sage durch die Flammen geritten, in der Wilk. Sage (Cap. 148.) ſprengt er blos gewaltſam die Thore; er war vom Schickſal dazu beſtimmt und erwartet.

7. Die Rabe.

(Aus der Leinegegend). Auch hier kommt die Befreiung der Brunhild vor. Zuerſt wie in dem vo - rigen (doch aus einer ganz andern Quelle gefloſſenen) Maͤrchen der Zank der Rieſen uͤber ihre Schaͤtze, nur nicht ſo deutlich. Das goldne Schloß auf dem Glasberg iſt der Flammenſaal der nordiſchen Sage, geradezu uͤbereinſtimmend mit dem altdaͤni - ſchen Lied der Elſkovsviſer (altdaͤn. Lieder und Maͤr - chen S. 31. Anmerkg. S. 496. 97. ) wo Bryniel auf dem Glasberge ſitzt; welchen nur ein beſon - deres Pferd (Grani) beſteigen kann. Die Ver -XIV wandtſchaft und Vertauſchung der Flamme und des ſchimmernden Glaſes liegt ſehr nah. Der Schlaf - trunk, vor dem ſie ihn warnt und der ihn uͤberwaͤl - tigt, iſt der Vergeſſenstrank der nordiſchen Grimhild.

Eine Annaͤherung zu den drei Raben I. 25. iſt ſichtbar und doch dieſes Maͤrchen neu. In einem der Braunſchweiger Sammlung, das ſonſt ganz an - ders iſt, kommt S. 226. ff. vor, wie die Verwuͤnſchte dreimal vorbei faͤhrt und der Ritter, der zu ihrer Erloͤſung wachen ſoll, weil er aus einer Quelle ge - trunken, an einer Blume gerochen oder einen Apfel genoſſen, eingeſchlafen iſt: ſie legt ihm jedesmal ein Geſchenk zur Seite, ihr Bild, eine Buͤrſte, die Geld ſchafft und ein Schwert mit der Inſchrift: folge mir. Auch iſt die Farbe ihrer Pferde jedesmal, wie hier, verſchieden. Uebrigens beweiſt dieſe Recenſion den naͤheren Zuſammenhang mit dem vorangehenden Maͤrchen vom goldenen Berg, denn der Ritter hat auch vorher die verzauberte aus ihrer Schlangenge - ſtalt durch Schweigen bei furchtbaren Geſpenſtern erloͤſt. Ueber das Kundgeben durch das Werfen des Rings in den Weinbecher vgl. Hildebrands Lied. S. 79.

8. Die kluge Bauerntochter.

(Aus Zwehrn.) Hier hat ſich deutliche Spur der alten Sage von Aslaug, Tochter Brynhilds und Sigurds erhalten. Wiewohl eine koͤniglich ge - borne, die durch Ungluͤck in die Haͤnde von Bauern gerathen iſt, nicht ausdruͤcklich genannt, zeigt ſich doch klar daſſelbe Verhaͤltniß. Sie iſt uͤber ihren Stand und ihre Eltern weiſe und der Koͤnig wird wie Ragnar auf Kraka (ſo heißt Aslaug als Baͤuerin) durch ihre Klugheit aufmerkſam gemacht. Um ſie zu pruͤfen, legt er ihr gleichfalls ein Raͤthſel vor, das ſie durch ihren Scharfſinn gluͤcklich und raſch loͤſt. Der Inhalt des Raͤthſels ſelber ſtimmt nah zuſammen und es ſind nur verſchiedene Aeuße - rungen deſſelben Gedankens. Der nord. Koͤnig ver - langt von Kraka (Ragnar Lodbroks S. Cap. 4.), ſieXV ſolle kommen: gekleidet und ungekleidet, gegeſſen und ungegeſſen, nicht einſam und doch ohne jemands Begleitung. Sie wickelt ſich, wie hier, nackt in ein Fiſchgarn, daruͤber her ihr ſchoͤnes Haar, beißt ein wenig in einen Lauch (Zwiebel) ſo daß man den Geruch davon empfindet und laͤßt ihren Hund mitlaufen. Zu vergleichen iſt auch ein aͤhnliches Raͤth - ſel in andern Erzaͤhlungen*)Nämlich. Pauli’s Schimpf und Ernſt enthält einen Schwank, wornach einem die Strafe erlaſſen wer - den ſoll, wenn er kommt: halb geritten und halb ge - gangen, mit ſeinem größten Feind und größten Freund. Der Schuldige kommt mit ſeinem Pferd, indem er den rechten Fuß in den Steigbügel ſetzt, mit dem andern auf der Erde fortſtelzt; mit ſeiner Frau, die ihn auf eine Ohrfeige gleich als Mörder anklagt, (was er ihr fälſchlich als ein Geheimniß anvertraut hatte) und ſich ſo als ſein größter Feind ausweiſt; und mit ſeinem Hund, der ſein größter Freund iſt, weil er, nachdem er ihn geſchlagen, auf ſein Locken, wedelnd zurück kommt. Hans Sachs erzählt auch die Geſchichte ſehr gut und in der Sache übereinſtimmend, ed. 1560. fol. 78. Eine abweichende Recenſion, welche die Geſta Ro - manor. enthalten (lat. Ausg. Cap. 121. deutſche, Cap. 24.) hat auch die Aufgabe etwas anders: der Schul - dige bringt nämlich kein Pferd, ſondern legt das rechte Bein auf den Hund, und weil er noch ferner ſeinen beſten Spielmann ſollte mitbringen, hat er ſein Kind mitgenommen, als welches ihm, wenn es vor ihm ſpiele, die größte Kurzweil mache. Endlich kommt daſſelbe in einer Erzählung der Cento novelle antiche (Torino 1802.) S. 163. vor. Wer zu einem beſtimmten Tag ſeinen Freund, Feind und Spielmann mit - bringt ſoll die Gnade des Königs und große Schätze haben, das wird wie dort aufgelöſt; nur, daß er halb geritten und halb gegangen kommen ſoll, fehlt., ſo daß es uͤberhaupt als ein altes Volksraͤthſel erſcheint.

Auch in der fortwaͤhrenden Klugheit und wie ſie ſich des Koͤnigs Liebe wieder zuwendet, der die Baͤuerin zuruͤckſchicken will, gleicht ſie der Aslaug. Ragnar war in Schweden beim Koͤnig Ei - ſtein, deſſen ſchoͤne Tochter Ingeborg ihm gefiel, auchXVI ſeine Leute rathen ihm eines Bauerntochter nicht laͤn - ger bei ſich zu haben. Als er aber nach Haus ge - kommen iſt, und beide zu Bett gegangen, weiß durch ihre Voͤgel (Raben: Geiſt) Aslaug ſchon ſein Vorha - ben, entdeckt ihm ihre koͤnigliche Abkunft und ge - winnt dadurch wieder ſeine Neigung. Cap. 8.

9. Geiſt im Glas.

(Aus dem Paderboͤrn.) Beim Fiſcher (I. 19.) ward ſchon die Uebereinſtimmung mit der Erzaͤhlung der 1001. Nacht (ed. Paris 1806 in 12. I 107.) be - merkt, hier iſt ſie von einer andern Seite noch deut - licher und der lebendige Zuſammenhang beider Sa - gen unleugbar. Dieſes Maͤrchen iſt alſo ein merkwuͤr - diges Gegenſtuͤck zu dem Simeliberg (ſ. unten[Nr]. 56) und der Harzſage von der Dummburg (Otmar 235.), die ſich in der 1001 Nacht B. VI. 342. findet und zu dem von den drei Vuͤgelkens.

Das Einſchließen des Teufels (denn ein boͤſer Geiſt iſt es, ſo wie in der orient. Erzaͤhlung) in eine Flaſche kommt mehr vor z. B. in der Sage vom griech. Zauberer Savilon (Zabulon, d. i. Diabolo), wo der Virgilius ihn befreit (ſ. Reinfr. von Braun - ſchw. Hanoͤv. Mſ. f. 168 171.) im Galgenmaͤnnlein. Die Liſt, wodurch er bezwungen wird, iſt dieſelbe, wodurch der unerſchrockene Schmidt (I, 81.) ſich be - freit.

10. De drei Vuͤgelkens.

Drei Stunden von Corvei weſtlich liegt der Keu - terberg, Koͤterberg, Teuteberg (uͤberein - ſtimmend mit dem nicht weit davon anhebenden Teutoberger Wald) d. h. Goͤtter -, Voͤlker -, Va - ter-Berg, auf deſſen Gipfel ſich die Corveiſchen, Ha - noͤv. und Lippiſchen Graͤnzen beruͤhren. Er iſt von betraͤchtlicher Hoͤhe und mag leicht mehr als 40 Stun - den im Umkreis beherrſchen, tiefer iſt er mit Waͤldern bewachſen, die Kuppel ſelbſt iſt kahl, hier und da mitXVII großen Steinen beſaͤet und gewaͤhrt duͤrftige Weide fuͤr Schaafe. An ihn haben ſich natuͤrlich viele Sa - gen geknuͤpft und durch ihn erhalten. Rings um den Berg liegen ſechs Doͤrfer, aus einem derſelben iſt das Maͤrchen ganz in der Mundart mit allen ungleichen zwielichtigen Formen (denn nur die Schriftſprache hat eine einzige beſtimmte, die lebende ſo haͤufig meh - rere zugleich) z. B. ſehde und ſegde, graut und grot, bede und beide, derde und dride. Teite fuͤr Vater, das alte Tatta, wird nur in dieſen ſechs Doͤrfern geſagt, ſonſt immer Vaer. Der Eingang haͤngt noch mit folgender Sitte zuſammen: wenn die Kin - der, auf den verſchiedenen Seiten des Bergs das Vieh huͤtend, ſich etwas ſagen wollen,[ruft] eins: hela! oder: helo! helo! hoͤre mal! Dann antwortet das andere von druͤben: helo! helo! wat wuſt du? helo! helo! kumm mal to mie herover! helo! helo! ick kumme glick!

Dieſes Maͤrchen ſtimmt ſagenmaͤßig mit dem der 1001 Nacht von den zwei Schweſtern, die auf ihre juͤngſte eiferſuͤchtig ſind (VII. 277. ff. ) uͤberein; die arabiſche Erzaͤhlung iſt nur mehr ausgedehnt, die deutſche einfacher und auch wohl ſchoͤner; beide haben ihre Eigenthuͤmlichkeiten und beweiſen ihre Selbſt - ſtaͤndigkeit damit. Aus jenem allgemein zugaͤngli - chen Buch waͤre Auszug und Zuſammenſtellung bis ins einzelne uͤberfluͤſſig. Der Derwiſch, welchem der Prinz erſt Bart - und Augenhaar abſchneidet, eh er redet (eins mit dem Geſpenſt in deutſchen Sagen, welches ſtillſchweigend raſirt ſeyn will), iſt hier die huͤlfreiche alte Frau; ſie geht fort und iſt erloͤſt, gleichwie jener ſtirbt, nachdem er ſeine Beſtimmung erfuͤllt hat.

Aber nicht blos als arabiſches auch als altitaliaͤni - ſches erſcheint dieſes merkwuͤrdige Maͤrchen bei Stra - parola (IV 3.); eine aͤußere Ableitung von dorther wendet entſcheidend der Umſtand ab, daß Straparola laͤngſt vor dem Ueberſetzer der 1001 Nacht lebte. Manches iſt bei ihm ſogar beſſer: den Kindern fal - len, wenn ſie gekaͤmmt werden, Perlen und Edel - ſteine aus den Haaren, wodurch ihre Pfleg-Eltern reich werden, dort im arabiſchen heißt es nur ein - mal (S. 280.): die Thraͤnen des Kinds ſolltenKindermärchen II. BXVIIIPerlen ſeyn, aber der Mythiſche Zug ſelbſt iſt ſchon untergegangen und hat nur dieſe Spur hinterlaſſen. Die Wunderdinge, welche im ital. verlangt werden, das tanzende Waſſer, der ſingende Apfel und der gruͤne Vogel kommen mit der 1001 Nacht uͤberein; aber abweichend und begruͤndeter iſt, wenn die Schul - digen, von welchen die Kinder ins Waſſer geworfen waren, bewirken, daß die Schweſter ihre Bruͤder zu dem gefaͤhrlichen Unternehmen reizt, weil ſie hoffen, dieſe ſollten dabei umkommen: in der 1001 Nacht bleibt es unerklaͤrt, warum die Andaͤchtige die Neu - gierde der Schweſter rege macht. Dagegen kommt das Verbot ſich nicht umzuſehen ohne Noth bei Stra - parola vor, da die Strafe des Verſteinens nicht darauf ſteht.

Wichtiger als dieſe Abweichungen der arab. und ital. Sage unter ſich, iſt es, anzufuͤhren, wie un - ſere Deutſche in einigem mit dieſer, in anderm mit jener uͤbereinkommt; der ſicherſte Beweis ihrer Un - abhaͤngigkeit (wiewohl ſchon jeder, der die Gegend kennte, wo es aufgenommen iſt, uͤberzeugt ſeyn wuͤr - de, daß jene fremde Erzaͤhlungen niemals dorthin ge - langt ſind). Mit Straparola ſtimmt es, daß die Kinder einen rothen (goldenen) Stern auf der Stir - ne (altes Zeichen hoher Abkunft: Flamme auf dem Haupt*)Es gibt auch Geſchlechter, wo bei jedem Mitglied, wenn es heftig bewegt wird, von Zorn, Schaam, ein ſcharf gezeichneter rother Blutſtreif auf der Stirne ſich zeigt.; mit zur Welt bringen, wovon die arab. Erzaͤhlung nichts weiß. Mit dieſer dagegen, daß kei - ne boͤſe Stiefmutter, wie bei Straparola mitwirkt, ſondern blos die Schweſtern; daß die Kinder in drei Jahren nach einander nicht auf einmal zur Welt kommen und ſich die beiden erſten Male der Koͤnig beſaͤnftigt. Eigenthuͤmlich dem deutſchen und ſchoͤn iſts, daß aus dem Waſſer jedesmal, wie das Kind hineingeworfen iſt, ein Voͤgelchen aufſteigt, welches andeutet, daß der Geiſt das Leben ſich erhalten hat, (denn die Seele iſt ein Vogel, eine Taube), wie im Maͤrchen vom Machandelboom (I. 47.); darauf be -XIX ziehen ſich auch die Worte im Vers*)Dieſer Vers geht auch in andere Volkslieder der dor - tigen Gegend über. zum Lilien - ſtraus ſie wollen ſagen, das Kind war zum Tode bereit (d. i. todt) bis auf weitern Beſcheid (Gottes) aber iſt es gerettet; die Lilie lebt noch, denn die Li - lie iſt auch der unſterbliche Geiſt (ſ. das Maͤrchen von den drei Bruͤdern I. 9. S. 28. wo ſtatt der Lilie die ihr gleichſtehende weiße Studentenblume: Nar - ciſſe, verwandelter Juͤngling, vorkommt; und das Volkslied im Wunderhorn, wo aus dem Grab, dar - in Vater, Mutter und Kind liegen, drei Lilien auf - ſprieſſen). Das Goldwaſſer[und] tanzende Waſſer iſt hier richtiger Waſſer des Lebens, dieſes wird oͤfter in den Mythen geſucht (auch in rabbiniſchen findet es ſich) und daß es in der 1001 Nacht nicht an - ders ſeyn ſoll, iſt daraus klar, daß die Princeſſin durch Waſſer, das ſie gleichfalls oben bei dem Vogel gewinnt, die ſchwarzen Steine zu Prinzen wie - der belebt, wie hier den ſchwarzen Hund; viel natuͤrlicher iſt es auch, daß es angewendet wird, um die unſchuldige Mutter, die im Kerker ſaß, wieder geſund zu machen. Zum Ganzen vgl. das folgen - de Maͤrchen.

11. Das Waſſer des Lebens.

Nach einer heſſiſchen und paderboͤrn. Recenſion. Nach der heſſiſchen kommt die erloͤſte Prinzeſſin gar nicht vor und ſie ſchließt damit, daß der Koͤnig, um den Schuldigen aus ſeinen drey Soͤhnen zu erfor - ſchen, drei Decken machen laͤßt, eine goldene, eine ſilberne und eine gewoͤhnliche: wer uͤber die goldene reiten werde, ſey der unſchuldige und das iſt dann der juͤngſte. In der paderboͤrn. abweichend, und uͤberhaupt viel[unvollkommener], gibt den drei Prin - zen, die zuſammen reiſen, ſtatt des Zwergs ein Fiſcher Auskunft. Sie koͤnnen in das verzauberte Schloß nicht eher gelangen, bis jeder drei Federn von einem Falken hat, der alle drei Tage dreimalB 2XXgeflogen kommt und jedesmal eine fallen laͤßt. Im Schloß muͤſſen ſie mit einem ſiebenkoͤpfigen Drachen kaͤmpfen, wer ihn nicht in drei Tagen beſiegt, der wird in Stein verwandelt, wer ihn aber toͤd - tet, bekommt das Waſſer des Lebens. Sie gelangen mit den Falkenfedern ins Schloß; der Kampf wird angeordnet; die Prinzeſſin und der Hof, alles ganz ſchwarz gekleidet, ſehen zu. Die beiden aͤlteſten koͤnnen dem Drachen nichts anhaben und werden zu Stein; nun kommt der juͤngſte daran, der in einem Schlag die ſieben Koͤpfe abhaut: die Prinzeſſin gibt ihm alſo das Lebenswaſſer und, auf ſeine Bitte, den Bruͤdern das Leben wieder.

Die Verwandtſchaft mit dem vorhergehenden Maͤr - chen und dem arabiſchen und ital faͤllt ſogleich in die Augen, eben ſo naͤhert ſich das vom Vogel Phoͤnix (I. 57.) in allen Hauptzuͤgen. Am reinſten iſt die Sage hier in dem Umſtand, daß Lebenswaſſer geſucht wird, um einen alten kranken Koͤnig zu hei - len. (Im trojan. Krieg, den Conrad von Wuͤrzb. be - arbeitete, hat Medea um den alten Vater des Jafon zu verjuͤngen, Waſſer aus dem Paradies (V. 10651) Licht von Gold roth (10658) darin kocht ſie den Zau - bertrank). Das Verſteinen iſt in der paderboͤrn. wie in der arab. Erzaͤhlung Strafe deſſen, der nicht ſiegt. Im plattdeutſchen kommt es eigentlich nicht vor, doch der ſchwarze Hund (denn es ſind ſchwarze Steine in der 100. Nacht) nach welchem man ſich ebenfalls nicht umſehen darf, deutet of - fenbar darauf; er wird auch hernach in einen ſchoͤnen Prinzen, wie jene Steine verwandelt. Zu - gleich gibt dieſes Verſteinen, wozu in der 1001 Nacht kommt, daß die Bruͤder ihrer Schweſter ein Zeichen zuruͤck laſſen, namentlich der aͤlteſte ein Meſſer, das bei ſeinem Leben glaͤnzend, bei ſeinem Tod ſich blutig zeigen wird, eine unleugbare Grundaͤhn - lichkeit und Verbindung mit dem Maͤrchen Nr. 74. im erſten Theil.

12. Doktor Allwiſſend.

(Aus Zwehrn.) Es iſt. auch im plattdeutſchen einXXI ſehr gutes aͤhnliches Maͤrchen unter dem Volk, das uns aber nicht vollſtaͤndig konnte erzaͤhlt werden.

13. Der Froſchprinz.

(Heſſiſch.) Iſt der eiſerne Heinrich (I. 1.) in ei - genthuͤmlicher Verſchiedenheit und an ſich der Auf - nahme werth, wenn es nicht ohnehin ein merkwuͤr - diges Maͤrchen waͤre. Die Grundidee iſt wiederum die tiefe von Amor und Pſyche, welche in ſo haͤufi - gen und immer verſchiedenen Aeußerungen vorkommt. Vgl. die Anmerkg. zum Maͤrchen vom Loͤweneckerchen (Nr. 2.) und vom Sommer - und Wintergar - ten (I. 68.)

14. Des Teufels rußiger Bruder.

(Aus Zwehrn.) Die alte Sage von dem Baͤ - renhaͤuter, welche ſchon im Simpliciſſimus (III. 896.) erzaͤhlt wird (vgl. Armins Troͤſt Einſamkeit und ſeine Erzaͤhlung: Iſabelle von Egypten). Dort gibt ihm der Wirth eine ſeiner Toͤchter, wegen der kuͤnſtlichen Bilder, die der Geiſt fuͤr ihn gemahlt hatte. Merkwuͤrdig die gar nicht chriſtliche Anſicht der Hoͤlle, worin der Soldat Muſik lernt, wie dieſe in den Venusberg lockt, er ſelbſt dient dem Teufel nur eine Zeit, iſt dann frei und gluͤcklich. Vermuth - lich Zuſammenhang mit dem Maͤrchen hat eine ſonſt weit verbreitete Volksſage, die ſich am[vollſtaͤndig - ſten], wiewohl uͤberarbeitet und erneuert erhalten hat im daͤn. Volksbuch Broder Ruus (ſ. Nyerups Verzeichniß der Volksb. Nr. 43. und danſke Digte - konſts Hiſtorie I. 115 122.), aber auch in Deutſch - land gangbar geweſen ſeyn muß, wie er noch in Brunonis Seidelii paroemiae ethicae (Francot. 1589.) als frater Rauſchius angefuͤhrt ſteht. Ueber den engl. friar Ruſh vergl. Scotts Noten zu ſ. Gedicht Marmion. p. LXVI. Dieſe Namen fuͤhren freilich mehr auf Rauſch, Laͤrm, koͤnnten aber auch mit dem hier zuſammenhaͤngen. Dieſer RauſchXXII iſt auch aus der Hoͤlle gekommen und wird ſelbſt als ein Teufel dargeſtellt, er geht in ein Kloſter, ver - dingt ſich da zum Koch, wie jener in der Hoͤlle, und ſtiftet mancherlei Boͤſes. Damit fließt die Sage in die von den alten Helden, die ins Kloſter gehen und Dienſt thun, bei welchen aber der Drang nach Kriegsthaten immer durchblickt; der Baͤrenhaͤuter wird gerade auch als ein aus dem Krieg kommender entlaſſener Landsknecht dargeſtellt. Fiſchart im Gargant. Spielverzeichniß Nr. 48. fuͤhrt an: der ruſig Schultheiß aus Morenland. Vgl. das fol - gende Maͤrchen.

15. Der Gruͤnrock.

(Aus dem Paderboͤrn.) Selbſtſtaͤndige Abwei - chung des vorigen Maͤrchens. Der Teufel erſcheint hier wie in der Sage, welche Hebel (Alleman. Ge - dichte 50.) erzaͤhlt, als ein Gruͤnrock (Weltkind) und der ſich ihm ergibt, braucht auch nur in die Ta - ſche zu grei[f]en, ſo hat er einen Thaler.

16. Zaunkoͤnig und Baͤr.

(Aus Zwehrn.) Ein ſchoͤnes Thiermaͤrchen, das in den Cyklus von Reinecke Fuchs gehoͤrt, wo der Zuſammenhang naͤher angegeben werden ſoll. Hier nur ſo viel, daß Zaunkoͤnig, Sperling und Meiſe eine Idee ausdruͤcken: die kleine Liſt ſiegt aber uͤber die große und darum muß ſelbſt das ganze vom Fuchs angefuͤhrte Thiergeſchlecht dem kleinen Gefluͤgel wei - chen, wie im Maͤrchen vom Gevatter Sperling (I. 58.) der Fuchs dem Vogel. Der Zaunkoͤnig iſt der herrſchende, weil die Sage das kleinſte wie das groͤßte als Koͤnig anerkennt. Dieß iſt wieder der Gegenſatz der liſtigen Zwerge zu den plumpen Rie - ſen, wie man ſchon zwerghaften, kleinen Leuten den Unnamen Zaunſchliffer zu geben pflegt.

XXIII

17. Vom ſuͤßen Brei.

(Heſſiſch.) Einmal die uralte Fabel vom Kruͤg - lein, das nie verſiegt, und das nur[die] reine Un - ſchuld in ihrer Gewalt hat; (vergl. zumal die indi - ſche Erzaͤhlung von dem Kochtopf, in den man blos ein Reißkorn zu thun braucht und der daraus unauf - hoͤrlich Speiſe kocht. Polier II. 45.) dann die Sage vom Zauberlehrling in Goͤthes Lied; wiewohl ſie eine Darſtellung ohne Gleichen dort erhalten, ſo tritt doch die eigentliche tiefe Mythe nicht ſo klar hervor und der Nachdruck ruht auf der[Herrſchaft] des Mei - ſters. Brei wie Brot als urſpruͤngliche, einfache Speiſe, bedeutet uͤberhaupt alle Nahrung; ſonſt war es in Thuͤringen gebraͤuchlich zur Faſtnacht Hirſen - brei zu eſſen, weil man glaubte, daß dann durchs ganze Jahr kein Mangel entſtehen werde vgl. Praͤ - tor. Gluͤckstopf S. 260. So ſtiftet auch die weiſe Frau zur Belohnung der Arbeiter ein Feſt des ſuͤßen Breies.

18. Die treuen Thiere.

(Aus der Schwalmgegend.) Eine ſchoͤne Verbin - dung mit dem Thiermaͤrchen, wie ſie in No. 74. des erſten Bandes vorkommt. Die Schonung der her - nach dankbar helfenden Thiere iſt auch in I. 16. vgl. die dortige Anmerkung und Nr. 63. wie im ge - ſtiefelten Kater. Im Pentameron V. 3. ein ſehr ei - genthuͤmliches Maͤrchen, das jedoch mit dieſem weiter keine Gemeinſchaft hat, von dem ſcarafone, ſorece und grillo. Merkwuͤrdig iſt hier die Thaͤtigkeit der Maus und wie ſie den ſchlafenden Feind beißt; dies erinnert an Loki, der als Fliege die ſchlafende Freya ſticht, damit ſie das Halsband ablege. Die Thiere der Fabel ſind nichts als verwandelte Helden und Menſchen. Der weiße eirunde Stein iſt vermuth - lich ein ſogenannter Weiſe, isl. Jarknaſteine (vgl. die Anmerkung zur Str. 8. des dritten Gudrunen - Lieds.)

XXIV

19. Maͤrchen von der Unke.

I. (Aus Heſſen und an mehreren Orten gehoͤrt.) Offenbaren Zuſammenhang damit hat eine Erzaͤh - lung der Geſta Romanorum Cap. 68. Ein Ritter wird arm und iſt daruͤber traurig. Da faͤngt eine Natter, die lang im Winkel ſeiner Kammer gelebt, zu ſprechen an und ſagt: gib mir alle Tage Milch und ſetze ſie mir ſelber her, ſo will ich dich reich ma - chen. Der Ritter bringt ihr nun alle Tage die Milch und in kurzer Zeit wird er wieder reich. Des Ritters dumme Frau raͤth aber zum Tod der Natter, um der Schaͤtze willen, die wohl in ihrem Lager ſich faͤnden. Der Ritter nimmt alſo eine Schuͤſ - ſel Milch in die eine Hand, einen Hammer in die an - dere und bringts der Natter, die ſchluͤpft aus ihrer Hoͤhle ſich daran zu erlaben. Wie ſie nun trinkt, hebt er den Hammer, trifft ſie aber nicht, ſondern ſchlaͤgt gewaltig in die Schuͤſſel; worauf ſie alsbald forteilt. Von dem Tag an nimmt er an Leib und an Gut ab, wie er vorher daran zugenom - men hat. Er bittet ſie wieder um Gnade, aber ſie ſpricht: meinſt du, daß ich des Schlags vergeſſen, den die Schuͤſſel an meines Hauptes ſtatt empfan - gen, zwiſchen uns iſt kein Frieden. Da bleibt der Ritter in Armuth ſein Lebelang.

II. (aus Heſſen.) Die Sage von den Kronen (Feuerteppichen) welche die Schlangen (Salamander) weben, iſt bekannt.

III. (aus Berlin.)

20. Der Muͤller mit dem Kaͤtzchen.

(Aus Zwehrn.) In eigener Zierlichkeit das Maͤr - chen von dem gluͤcklich gewordenen Dummling, ſ. Anmerkung zu I. 64. Die andern Muͤllersburſchen bringen mit Fleiß und aus großer Verachtung des Dummlings lahme und ſcheele Pferde, wie die zwei aͤlteſten Koͤnigsſoͤhne grobe Leinwand und haͤßliche Weiber.

XXV

21. Die Kraͤhen.

(Aus dem Meckelnburg.) In Pauli’s Schimpf und Ernſt Cap. 464 einfach: ein Diener wird von ſeinem Herrn an einen Baum gebunden, boͤſe Gei - ſter, die ſich Nachts da verſammeln, ſprechen, daß ein Kraut, welches unter dem Baum waͤchſt, das Geſicht wieder gebe; nachdem er ſich geheilt, macht er damit auch eines reichen Mannes Tochter wieder ſe - hend und erhaͤlt ſie mit großen Guͤtern zur Ehe. Sein voriger Herr will ſich auch ſolchen Reichthum verſchaffen, geht zum Baum, wo ihm Nachts die Geiſter die Augen ausſtechen. In der Braunſchw. Sammlung mit dem unſrigen uͤbereinſtimmender, aber ſchlecht verneuert. S. 168 180. Kraͤhen, die auf dem Baume ſitzend, von Augen[aushacken], ſpre - chen auch in Helwigs juͤdiſchen Legenden Nr. 23. hier, indem ſie dem Blinden ſagen, was er thun ſoll, glei - chen ſie den Voͤgeln, die dem Sigurd guten Rath ge - ben (ſ. Fafnismal und Anmerkg. zu Str. 32.) der friſchgefallene Thau, der das Geſicht wieder gibt, iſt das Reine, das alles heilt, der Speichel, womit der Herr dem Blinden das Geſicht wieder gab und das unſchuldige Kinder - oder Jungfrauen - Blut, wodurch die Miſelſuͤchtigen geneſen.

22. Hans mein Igel.

(Aus Zwehrn.) Iſt Koͤnig Porc bei Straparola (II. 1.) doch hier beſſer, fantaſtiſcher und urſpruͤng - licher, nur ſollte Hans noch einem Koͤnig den Weg gezeigt haben und betrogen ſeyn, damit er erſt, wie bey Straparola, das drittemal erloͤſt wuͤrde. Igel, Stachelſchwein und Schwein ſind mythiſch eins, wie Porc und Porcaril; unten in einer andern einfachen, aber auch guten Darſtellung iſt es ein Eſel (Nr. 58.). Dieſe beiden Maͤrchen machen mit Nr. 1. und 68. im erſten Band und Nr. 2 13 und 41 in dieſem eine Reihe naher Verwandtſchaft aus, an welche ſich wie -XXVI der andere in entfernterer ſchließen, vgl. die dortigen Anmerkungen. Ueber die zum Grund liegende Idee ſ. eine Anmerkung zu den altdaͤn. Liedern. S. 528. 529.

Leute, welche Gott zu ungeſtuͤm um Kinderſegen anflehen, werden oft in den Maͤrchen mit ſolchen Mis - geburten beſtraft, die ſich hernach, wenn die Eltern gedemuͤthigt ſind, noch in Menſchen verwandeln. Die Ruͤckkehr des Kinds ins vaͤterliche Haus iſt wie die des jungen Rieſen in Nr. 4.

23. Das Todtenhemdchen.

(Aus Baiern.) Der Glaube, daß Thraͤnen dem Todten nachgeweint, auf die Leiche im Grab nieder - fallen und ihre Ruhe ſtoͤhren, erſcheint auch im zwei - ten Helgelied (Str. 44.) ſo wie im daͤniſchen Volkslied vom Ritter Aage und der Jungfrau Elſe.

24. Der Jud im Dorn.

Dramatiſch lebendig, wie der Schmidt und Teu - fel. Eine muͤndliche Erz[]hlung aus Heſſen leitet an - ders ein. Der Vater entlaͤßt ſeine drei Soͤhne, die auf drei Wegen in die Welt ziehen. Dem einen be - gegnet der gute Geiſt und ſchenkt ihm die drei Wuͤn - ſche; er wuͤnſcht einen Hut, der aus der Irre auf den rechten Weg fuͤhrt; einen Wuͤnſchring; die Gei - ge, die alles zum Tanzen zwingt. Darauf die Be - gebenheit mit dem Juden und dem Richter. Endlich wuͤnſcht er ſich an den Scheideweg mit ſeinen Bruͤ - dern zuſammen und macht ſie alle reich. Dieſe groͤ - ßere Verwickelung ſcheint aber den Eindruck mehr zu ſchwaͤchen und eine andere ganz einfache muͤndliche Erzaͤhlung aus dem Paderboͤrn. und die alten gedruck - ten Bearbeitungen wiſſen nichts davon. Albrecht Dieterich Hiſtoria von einem Bauernknecht und Muͤnchen, welcher in der Dornhecken hat muͤſſen tan - zen s. l. 1618. 8. (auf der Goͤtting. Bibl.) einXXVII Luſtſpiel, das aber vermuthlich im 16 Jahrh. verfaßt iſt. Etwa gleichzeitig damit: J. Ayrer’s Faß - nachtſpiel von Fritz Doͤlla mit der gewuͤnſchten Gei - gen im opus theatricum Bl. 97 101. Auch bei Dieterich heißt der Bauernknecht Dulla ein my - thiſcher Name, der an Till oder Dill Eulenſpiegel den luſtigen Schalksknecht erinnert (ſ. oben Num. 4.) und das ſchwed. und altnordiſche Wort: Tule, Thulr, (homo facetus, nugator, Spielmann. ) der Narr und Saͤnger des Volks iſt, und ſonſt ſtimmen beide ſehr zuſammen, ſo daß ſie aus einer Quelle ſchoͤpfen konnten, ſchwerlich aber ſich gegenſeitig be - nutzt haben. Die Wuͤnſche ſind wie hier; ſtatt des Juden, haben beide einen kloſterentlaufenen Moͤnch; bei Dieterich haͤlt er die geruͤhmte Kunſt des Knechts fuͤr Prahlerei und ſpricht: in jener Hecke ſitzt ein Rab, trifſt du den mit deiner Armbruſt, ſo zieh ich mich nackend aus und hol ihn hervor. Beim Ayrer ſchießt er einen Vogel vom Baum; vom Kleideraus - ziehen iſt keine Rede. Nach Diet. Albrecht die daͤ - niſchen Reime: om Munken og Bondedrengen (Nye - rup in der Iris og Hebe 1796. 310 312.) Vielleicht bezieht ſich auf unſer Maͤrchen eine ſonſt unverſtaͤndliche Anſpielung im Parcifal 8539. vom Faſan (Vogel) im Dornach.

Die Sage vom Tanzen in den Dornen iſt ſehr verbreitet und greift in ein ganz anderes Maͤr - chen des erſten Bandes S. 258. ein. Fuͤr die muͤnd - liche Ueberlieferung wird eine von Otmar in Bek - kers Erhol. 1797. aufgezeichnete Erzaͤhlung wichtig, wo ſie aber ſehr entſtellt und in falſchen Ton verſetzt iſt. Ein auf Tod und Leben gefangener Zauberer hat einen nie fehlenden Pfeil und ſchießt damit einen Fal - ken aus hoher Luft, der in Sumpf und Dornen faͤllt. Die Haͤſcher ſollen ihn ſuchen, da hebt er den Schwa - bentanz zu pfeifen an, das ganze Gericht tanzt und ſo wird er von ſeiner Hinrichtung hernach befreit.

Die letzte Bitte und die Rettung aus dem Tod durch Blaſen und Spielen kommt haͤufig vor, (vgl. oben Nr. 30 das blaue Licht) von Arion bis auf Gunnar, der durch Harfenſchlag die Schlangen ab - haͤlt. Die Kraft Tanz zu erregen lag auch in Obe - rons Pfeife, beſonders merkwuͤrdig iſt das BeiſpielXXVIII in der Herrauds ok Boſa Saga S. 49 51. wo gar Tiſche, Stuͤhle. Meſſer und Becher mit tanzen muͤſ - ſen. Vielleicht ſtammt ſelbſt das Wort Geige von dem dort auch vorkommenden Gygiarſlag (Zau - berſchlag von Gygur, Zauberin, Rieſin. Man hat vom Fandango eine aͤhnliche Erzaͤhlung, Pabſt und Cardinaͤle, die ihn verdammen wollen, muͤſſen ihn anheben und freiſprechen.

25. Der gelernte Jaͤger.

(Aus Zwehrn) Die Schuͤtzenkuͤnſte erinnern ſehr an An Bogſweigr das Aufſchneiden und Tren - nen der Kleider der[ſchlafenden] Koͤnigstoͤchter, an das Zerſchneiden des Panzers (ſlita bryniu) der Brynhild. Das Zungen ausſchneiden kommt oft vor, der Hauptmann iſt der Truchſeß im Triſtan. Das Maͤrchen geht am Ende in den Koͤnig Droſſel - bart uͤber I. 52.

26. Der himmliſche Dreſchflegel.

(Aus dem Paderboͤrn.) Muͤnchhauſen hat den Schluß dee Maͤrchens gekannt und in ſeinen Reiſen S. 53 benutzt. Die meiſten dieſer volksmaͤßigen Luͤ - gen ſind nicht von dieſem erfunden, ſondern uraltes Gut und brauchen nur in einem andern Ton erzaͤhlt zu werden, um in weitverbreitete Mythen einzugrei - fen; z. B. das Winden eines Seiles aus Spreu ganz uͤbereinkommend mit dem: vinda or ſandi ſima (Harbardsl[.]17,) und dem latein. : ex arena funem nectere, aͤhnlich der aus Waſſer und Wein gedrehten Peitſche. Wunderhorn II. 411 aus dem Dietmarſen - lied. Vergl. die rabbin. Mythen bei Helwig Nr. 2. und 3.

27. De beiden Kuͤnigeskinner.

(Aus dem Paderboͤrn.) Sehr eigenthuͤmlich, gut und vollſtaͤndig aufgefaßt. Verwandt mit dem Loͤ -XXIX weneckerchen (Nr. 2.) wegen des Ueberbietens der fal - ſchen Braut, ſo wie mit dem Prinz Schwan (II. 59.) wegen der Verfolgung mit dem Fundevogel (I. 50.) dem Liebſten Roland (I. 56.) und dem Okerlo (I. 70.) auch wegen des Vergeſſens mit beiden letztern. Ueber die Aufgaben vgl. altd. Waͤlder I. Heft 4. Merkwuͤr - dig iſt der Ausdruck: Arweggers herut, denn in den eddiſchen Zwergnamen (Dverga-heiti) kommt auch Aurvagur vor; wenn gleich eine Va - riante und die Voͤluſpa: aurvangur lautet. Der fruͤhwachende iſt arvakur ein Stier - und Pferde - Namen (Sigurdrifa’s Lied Str. 17.)

28. Das kluge Schneiderlein.

(Aus der Schwalmgegend.) Ganz im Charakter vom tapfern Schneider (I. 20.) das Rathen des Gold - und Silberhaars kommt auch ſonſt vor.

29. Die klare Sonne bringts an den Tag.

(Aus Zwehrn.) Ein tiefes, herrliches Motiv iſt hier buͤrgerlich ausgedruͤckt. Niemand ſah der Mord - that zu, keines Menſchen Aug, aber doch die Sonne (Gott), das himmliſche Auge. Man hat noch andere Sagen von der Sonne, wie ſie ſich verhuͤllt[und] nicht zuſchauen will, wenn eine Mordthat geſchehen ſoll, vgl. Odyſſee XX. 356. Daß die Worte eines Ster - benden Gewalt haben, wird ſchon in Fafnismal als alter Glauben bemerkt. Das Spruͤchwort: es wird nichts ſo fein geſponnen, es kommt endlich an die Sonnen, iſt auch hier zu bemerken.

30. Das blaue Licht.

(Aus dem Mecklenburg.) Die Pfeife, woraus der Soldat raucht, iſt wohl aus einer Floͤten-PfeifeXXX entſtanden, welcher die Erdmaͤnner ſonſt zu gehor - chen pflegen, wie in Nr. 6. das blaue Licht iſt ein Irrwiſch, daͤn. Vaͤttelys (Geiſterlicht) und Lygte - mand, der Herr des Zwergleins. Schaͤrtlin’s Ausru - fung war: blau Feuer! welche Worte ſich auch mehrmals bei Hans Sachs finden.

31. Das eigenſinnige Kind.

(Heſſiſch.) Einfach kindliche Lehre, wie im Maͤr - chen vom alten Großvater I. 78. und vom geſtohlenen Heller I. 7. Das Herauswachſen der Hand aus dem Grabe iſt ein weitverbreiteter Aberglaube und gilt nicht blos von Dieben, ſondern von Frevlern an ge - bannten Baͤumen, (Schillers Tell Act. 3. Sc. 3.)[von] Vatermoͤrdern (Wunderhorn I. 226.) In Schimpf und Ernſt iſt noch eine andere Erzaͤhlung von einem Arm, der aus dem Grab hervorreckt (daͤn. Ausg. p. 218.) Es iſt auch nur eine bloſe Veraͤnde - rung der naͤmlichen Idee, wenn aus dem Huͤgel und Mund Begrabener, Blumen oder beſchriebene Zet - tel, ihre Schuld oder Unſchuld anzuzeigen, wachſen.

Es iſt auch die Sage und der Glauben, daß dem, welcher ſeine Eltern ſchlaͤgt, die Hand aus der Erde waͤchſt; ſo iſt der Fuchsthurm auf dem Hausberg bei Jena der kleine Finger eines verſunkenen Rieſen, der Hand an ſeine Mutter gelegt hatte.

32. Die drei Feldſcherer.

(Aus Zwehrn.) Die Geſta Romanor. (deutſche Ausg. 1489. Cap. 37. lat. Cap. 76.) enthalten ein aͤhnliches Maͤrchen. Zwei geſchickte Aerzte wollen, um allen Zank zu ſchlichten, ihre Kunſt an einander erproben; der ſich geringer zeigt, ſoll des andern Juͤnger werden. Der eine zieht durch Huͤlfe einer edlen Salbe ohne Schmerz und Verletzung dem an - dern die Augen aus, legt ſie auf den Tiſch und ſetzt ſie eben ſo leicht wieder ein. Der andere will nunXXXI daſſelbe Kunſtſtuͤck auch vollbringen, zieht jenem mit ſeinen Salben nun die Augen heraus und legt ſie auf den Tiſch, als er ſich aber bereitet, ſie wieder einzu - ſetzen, kommt ein Rabe durch das offene Fenſter und holt ſchnell ein Auge weg und frißts. Der arbeiten - de iſt in Noth, denn kann er das Aug nicht wieder einſetzen, wird er dem andern unterthaͤnig; da ſchaut er ſich um und erblickt eine Ziege, dieſer nimmt er eilends das eine Auge und ſetzt es ſeinem Geſellen fuͤr das fehlende ein. Als er ihn fragt, wie es ihm vor - komme, antwortet er, Verletzung und Schmerz ha - be er nicht geſpuͤrt, aber eins ſeiner Augen ſchaue im - mer uͤber ſich zu den Baͤumen (wie naͤmlich die Zie - gen nach dem Laub thun), das andere unter ſich. Das eingeſetzte Herz erinnert an Hrugnir’s ſteiner - nes und das ſeinem Diener Mokurkalfr eingeſetzte Pferdeherz u. ſ. w. Zu dem Einſetzen fremder Au - gen vgl. auch das Maͤrchen von der Nachtigall und Blindſchleiche (I. 6.) und naͤhere Einſicht muͤßte leh - ren, in wie fern ein altdeutſches Gedicht von einem Koͤnig der Katzenaugen gewann (Schlegels Muſ. IV. p. 416. Nr. 138.) hierher gehoͤrt.

33. Der Faule und der Fleißige.

(Aus der Schwalmgegend.) Die Erloͤſung durch einen Kuß kommt haͤufig in den Sagen vor.

34. Die drei Handwerkspurſchen.

Nach einer Erzaͤhlung aus Zwehrn und einer an - dern aus der Leinegegend. In der letztern iſt ab - weichend, daß der Wirth den Getoͤdteten begraͤbt, aber ein Freund deſſelben kommt, entdeckt ſein Pferd im Wirthsſtall und ſein Hund ſcharrt unter der Dach - traufe, wo der Ermordete vergraben liegt, einen Arm heraus, deſſen Kleidung er wieder erkennt.

XXXII

35. Die himmliſche Hochzeit.

(Aus dem Mecklenburg.) Graͤnzt an die Legende und iſt doch auch ganz kindermaͤrchenhaft. Der un - ſchuldige Glauben an die Worte Gottes, fuͤhrt ſelbſt beim Mißverſtaͤndniß doch zur Seligkeit. Uebrigens merkwuͤrdige Einſtimmung mit einem indiſchen My - thus von einem Goͤtterbild, welches das verzehrt, was ihm auch ein unſchuldiger Knabe vorſetzt. (Po - lier II. 302. 303.)

36. Die lange Naſe.

(Aus Zwehrn.) Die Sage vom Fortunat, die ſich auch als eine deutſche ausweiſt, denn nach dem Volksbuch iſt dieſe Erzaͤhlung offenbar nicht gemacht, ſondern hier viel alterthuͤmlicher und einfacher. (Vgl. I. Nr. 36. 37.) Der Wuͤnſchmantel und das Horn kommen da gar nicht vor, ſondern ein Hut und ein Seckel; die Geſta Romanor. haben alles noch viel einfacher: im Fortunat wachſen ſtatt der Naſen Hoͤrner, in den Geſtis Romanor. entſteht der Ausſatz (eben ſo kommen in Helwig juͤdiſch. Geſchichten Nr. 38. zwei Aepfelbaͤume vor, wo die Frucht des einen ausſaͤtzig macht, die des andern heilt). Da die Alten ſchon, wie wir, mancherlei Spruͤchwoͤrter von der langen Naſe hatten, ſo mag ihnen auch eine aͤhnliche Fabel bekannt geweſen ſeyn z. B. bei Martial: naſus, qualem nolnerit ferre ro - gatus Atlas. Der D. Fauſt kann ſich auf eine wirkliche Perſon gruͤnden, um die ſich viel aͤltere Sa - gen geſammelt haben; ſein Name iſt mythiſch und weil er den Wuͤnſchmantel beſitzt, heißt er der Begabte, das Gluͤckskind, Wuͤnſchkind fauſtus wie fortunatus.

Das gedruckte Buch wurde zuerſt im 15 Jahrh. vermuthlich aus Volksſagen in ſpaniſch niedergeſchrie - ben, wie ſchon die Eigennamen darin: Andaloſia, Marſepia, Ampedo, beweiſen.

XXXIII

37. Die Alte im Wald.

(Aus dem Paderboͤrn.) Mit Joringel und Jo - rinde I. 69. verwandt. Die Alte iſt die Hexe im Maͤrchen von Gretel und Haͤnſel I. 16. und ſelbſt zu der Circe gehoͤrig.

38. Die drei Bruͤder.

Aus der Schwalmgegend, doch auch ſonſt viel - faͤltig gehoͤrt, hier am vollſtaͤndigſten. Es iſt ein altes Scherz - und Luͤgenmaͤrchen und wahrſcheinlich ſehr verbreitet. Im 16 Jahrh. kam eine Sammlung davon in Frankreich heraus von Philipp d Alcripe (Picard). Herr von Neri (rien) in Verbos (Vertbois) wo dieſes ſich auch unter andern findet. In der neu eroͤffneten Schaubuͤhne menſchlicher Gewohn - und Thorheiten ſ. l. ct a. (wahrſcheinlich bald nach dem 30 jaͤhr. Krieg) werden S. 88 92 ſolche Aufſchnei - dereien zuſammengeſtellt, darin heißt es: damit ich allhier jenes vierjaͤhrigen Kindes, welches mit einem ſchweren breiten Saͤbel ſo meiſterlich fechten koͤnnen, daß ihm in vollem Regen kein einziger Tropfen aufs Haupt gefallen, keine Meldung thue. Item: jener Goldſchmidt, welcher einer Muͤcken unter jeden Fuß ein guͤldenes Hufeiſen mit 24 Naͤgeln ange - heftet.

39. Der Teufel und ſeine Großmutter.

(Aus Zwehrn.) Im Grund aͤhnlich dem Teufel mit den drei Goldhaaren (I. 29.), wo ihm das Ge - heimniß abgelauſcht wird, wie dem Rumpenſtilzchen (I. 55.) und dem Fiſcher in der Hervarar Sage S. 182. Die Peitſche iſt eine bei Gold anſchlagende Wuͤnſchelruthe. Das ganze Maͤrchen hat et - was nordiſches in ſeinem Weſen, der Teufel erſcheint als ein ungeſchickter, uͤberliſteter Jote, vor allem nor - diſch iſt das Raͤthſel; auch das Verſtecken des menſch - lichen Ankoͤmmlings durch die Rieſenfrau, Tochter,Kindermärchen II. CXXXIViſt ein alter Zug ſ. Hymisquida Str. 8. Anmer - kung 20.

40. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ.

(Aus dem Paderboͤrn.) Das ſchoͤne Maͤrchen ſcheint nicht vollſtaͤndig, es muͤßte im Zuſammenhang ſtehen, wenn der Schimmel zuletzt ein Koͤnigsſohn wird. Der rothe Faden am Hals des wieder leben - dig gemachten iſt ſagenmaͤßig. Ueber das Gevatter - bitten vgl. den Gevatter Tod I. 44. Die Floͤte, die rettet, gleicht Arions Laute, das getreue Pferd dem Bayard, Falada, dem Schemik (altdeutſch: Schim - mel, Schimmung, iſl. Skemmingur) der boͤhmiſchen Sage und Grani der nordiſchen. Zu merken ſind die Schriften der Koͤnigin, entweder geſtickte Kleider, wie das islaͤnd. ſkript und boͤkur (Buͤcher, Zeichnun - gen, Stickereien) oder Runenſtaͤbe; wenigſtens iſt die gefundene Schreibfeder gewiß ein ſolcher. Die Verſe, wie gewoͤhnlich die Reden der Vornehmen, ſind hochdeutſch, das pflegen die Erzaͤhler faſt immer ſo zu halten, wo ſie beide Sprachen verſtehen, wie dies im Paderboͤrn haͤufig iſt, und die hoͤhere Mund - art bezeichnet dann die Sprache der Vornehmen und der Poeſie.

41. Eiſenofen.

(Aus Zwehrn.) Dem Hauptinhalt nach verwandt mit Koͤnig Schwan (I. 59.) Loͤweneckerchen (II. 2.) den zwei Koͤnigskindern (II. 27.) und dem ſchoͤnen Maͤrchen Pintoſmauto im Pentameron, wo die treue Gemahlin den Koͤnig, der ſie vergaß, nicht nur aus Gefahren gerettet, ſondern ſelbſt erſchaffen hatte.

Das Unterſchieben der falſchen Braut, die ſich zu leicht an ihres Vaters unkoͤnigliches Handwerk erinnert, war ſchon im Hurlebutz (I. 66.) vergl. Wolſunga S. C. 21. und altd. Waͤlder I. 71.

Der dunkle und feurige Ofen, worein der Koͤ - nigsſohn verwuͤnſcht iſt, bedeutet ohne Zweifel die Hoͤlle, Unterwelt, den Orcus, wo der finſtere Tod hauſt, aber auch die Schmiedeeſſe ſteht. DamitXXXV erklaͤrt ſich die noch jetzt ſpruchmaͤßige Redensart: etwas geheimes (in andern Sagen iſt es ein Stein oder eine Steinſaͤule, der man das Geheim - niß entdeckt. Buͤſchings Volksſagen S. 66 und 363.) dem Ofen ſagen, den Ofen um etwas bitten, wie die Alten bei der Unterwelt, wo der gerechte Todten (Hoͤllen) - Richter wohnt, ſchwuren. Deswegen ſpricht das Gaͤnsmaͤgdlein zum Ofen (II. 3.) vergl. Erdmaͤnn - lein, (II. 5.) und enthuͤllt ihm die geſchehene Unthat, die ſie keinem Menſchen offenbaren darf. Auch das Wort Eiſenofen iſt alterthuͤmlich und nicht ſowohl auf einen eiſernen zu deuten, als auf das alte Eit - ofan, Feuerofen, Camin, zuruͤckzufuͤhren (von Eit, Eſſe, Feuer. ſ. gloss. doc. v. eitofan.)

42. Die faule Spinnerin.

(Aus Zwehrn.) Aehnliche Idee im Pentamerone IV. 4. und in einer altdeutſchen handſchr. Erzaͤh - lung: von der Minne eines Albernen. Vgl. vom boͤ - ſen Spinnen I. 14. und Cap. 125. in Pauli’s Schimpf und Ernſt. ed. 1535. fol. Der Baum im Wald iſt ein Spindel-Baum, Spill -, Spul-Baum, lat. fu - ſarius, franzoͤſ. fusain (von fuseau, Spindel) vergl. Gerberts gloss. theotisca p. 139. evonymus, alſo ein Gluͤck - oder Ungluͤck bedeutender Wuͤnſchelbaum.

43. Der Loͤwe und Froſch.

(Aus der Maingegend.) Ueber Erloͤſung durch Kopf-Abhauen vgl. I. 52. und 66. und die ſchwarze und weiße Braut. (II. 49.)

44. Soldat und Schreiner.

(Aus dem Muͤnſterland.) Manches darin iſt gut und recht maͤrchenhaft, doch ſcheint das Ganze gelit - ten zu haben, theils durch Luͤcken, theils durch Ver - wirrung.

C 2XXXVI

45. Die ſchoͤne Katrinelje.

(Aus dem Paderboͤrn.)

46. Der Fuchs und das Pferd.

(Aus Muͤnſter.) Der Zuſammenhang mit der großen Thierfabel wird ſich beim Reinhart Fuchs zei - gen. Verwandt iſt das Ganze mit dem Maͤrchen vom alten Sultan (I. 48.)

47. Die zertanzten Schuhe.

(Aus dem Muͤnſterland.) Die Todesſtrafe ſteht darauf, wenn die Aufgabe nicht geloͤſt wird, wie in Nr. 48. in dem Maͤrchen von Turandot u. a.

48. Die ſechs Diener.

(Aus dem Paderboͤrn.) Muͤnchhauſen hat auch dieſes Maͤrchen, das hier ungleich beſſer iſt, in ſei - nen luͤgenhaften Reiſen benutzt (London d. i. Goͤttin - gen 1788. S. 84. ff.) Man vergleiche das Volksbuch[von] der pommerſchen Kunigunde und das Maͤrchen von den ſechs Soͤhnen und ihren Kuͤnſten im Penta - merone. Auch Thor mit ſeinem Diener Thialfi ge - hoͤrt hierher; ſo wie die große Mahlzeit an die Rieſen-Gaſtmaͤhler in den altdaͤniſchen Liedern erin - nert, wo auch die Braut ganze Ochſen verzehrt und aus Tonnen dazu trinkt.

In einer heſſiſchen Erzaͤhlung aus der Schwalm - gegend kommen einige aͤhnliche Perſonen vor, aber die Fabel iſt verſchieden und unbedeutender. Der Horcher, der Laufer, einer der alles umblaͤſt und ein Starker kommen zuſammen in Geſell -XXXVII ſchaft. Der Laufer holt das Wildpret, der Blaͤſer jagt mit ſeinem Wind die Leute aus den Doͤrfern, oder blaͤſt ſie durch die Schornſteine hinaus und nimmt dann, was ſich im Haus findet: Brot, Fleiſch, Eier; der Starke traͤgts fort und der Horcher muß acht geben, ob Huſaren hinter drein kommen. Sie gehen auf eine Zeit an des Koͤnigs Hof, die Koͤnigs - tochter iſt krank und kann nur durch ein Kraut geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Koͤ - nigreich waͤchſt und in 24 Stunden muß herbeige - ſchafft ſeyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjeni - ge, welcher es holt, ſo viel Schaͤtze haben ſoll, als er verlangt. Die vier Geſellen geben ſich dazu an, die Aerzte beſchreiben das Kraut genau und der Lau - fer macht ſich auf den Weg. Er bringts auch vor der beſtimmten Zeit und die Princeſſin wird geſund. Darauf fragt der Koͤnig, wie viel Gold er verlange. So viel als mein Bruder (der Starke) tragen kann. Der Koͤnig denkt, der iſt noch beſcheiden und ſagt ja. Der Starke aber macht ſich einen ungeheu - ren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf und ſagt, das ſey noch zu wenig. Der Koͤnig muß erſt vier, dann acht Wagen voll anders woher kom - men laſſen, als er noch mehr geben ſoll, ſagt er: ich habe nichts mehr in meinem ganzen Reich - Wenns nicht anders iſt, ſo mags gut ſeyn ſagt der Starke und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Ge - ſellen fort ſind, aͤrgert den Koͤnig das viele Geld, das er dahin gegeben und ſchickt ein Regiment Huſa - ren nach, die ſollen es wieder abnehmen. Der Hor - cher aber hoͤrts, der Laufer ſieht, obs wahr iſt, der Blaͤſer laͤßt ſie heranruͤcken und blaͤſt ſie in die Luft, ſo daß keiner mehr zu hoͤren noch zu ſehen iſt. Dar - nach theilen ſie ſich ins Geld und leben vergnuͤgt bis an ihr Ende.

49. Die weiße und ſchwarze Braut.

(Aus dem Meklenb. und Paderboͤrn.) Nach der einen Erzaͤhlung wird der Bruder nicht blos un - ter die Schlangen geſetzt, ſondern wirklich umge -XXXVIII bracht und unter die Pferde im Stall begraben. Die Ente kommt Abends ans[Gatterloch] geſchwommen und ſingt: macht auf die Thuͤr, daß ich mich waͤrme, mein Bruder liegt unter den Pferden begraben hauet den Kopf der Ente ab wodurch die Handlung des Koͤnigs, daß er ihr den Kopf abhaut, woran ihre Loͤſung gebunden war, beſ - ſer begruͤndet wird. Am Ende wird der Bruder im Stall ausgegraben und ſtattlich unter die Erde ge - bracht, vgl. den ſingenden Knochen I. 28. Das ganze Maͤrchen liegt einer modernen ſchlechten Ueberarbei - tung in den Sagen der boͤhm. Vorzeit. Prag. 1808. S. 141 185 zu Grund. Der Eingang iſt von Blu - men und Perlenkaͤmmen, wie ſonſt auch vorkommt. Eigen iſt, daß die begabte Schoͤnheit vor freier Luft und Sonnenſtrahl gehuͤtet werden muß. Unterwegs nun bricht die boͤſe Hexe das Kutſchenfenſter, daß Luft und Sonne eindringt, da wird ſie in eine goldne Ente verwandelt. Im Pentamerone IV. 7. findet ſich eine eigenthuͤmliche, halb aus ihm halb aus dem Gaͤnsmaͤdchen (oben Nr. 3.) zuſammengeſetzte Re - cenſion, wie denn auch unſer gegenwaͤrtiges Maͤrchen genau an die Fabel von der Koͤnigin Berta wieder erinnert. Beſonders iſt der einfache Gegenſatz von Schwaͤrze und Weiße, fuͤr Haͤßlichkeit und Schoͤnheit zu bemerken, da er an die Mythe von Tag und Nacht (und der Nacht Tochter) denken laͤßt und Berta (die weiße, biort) ſchon im Wort den Tag und das Ta - gesbrehen, Anbruch, ausdruͤckt. Indem die im Waſ - ſer geſtoßene als ſchneeweiße Ente aufſteigt und fort - lebt, erſcheint ſie als Schwanen-Jungfrau. (Ebenſo iſt auch die nordiſche Schwanhild weiß und ſchoͤn wie der Tag, im Gegenſatz zu ihren raben-ſchwar - zen Stiefbruͤdern.) Der Name Reginer iſt ver - muthlich ſchon alt in dieſer Geſchichte; aus den alten Marſchaͤllen, Stallmeiſtern und Wagenfuͤhrern ſind in der ſpaͤtern Volksanſicht Kutſcher geworden, wie aus den Helden Soldaten. Darum daß der Bruder bei den Pferden iſt und unter ihnen begraben wird, erinnert er an das Roß Falada, deſſen Stelle er im Maͤrchen vertritt. Der Kuͤchenjung iſt wie dort der Hirtenjung.

XXXIX

50. De wilde Mann.

(Aus dem Muͤnſterland.) Merkwuͤrdig iſt in dem ſchoͤnen Maͤrchen, daß hier ganz eigentlich ein maͤnn - licher Aſchenputtel vorkommt, wie es in den aͤlteren Sagen auch ſcheint geweſen zu ſeyn. Vgl. B. I. Anhang S. XVI. und die Nachtraͤge. Der ſchlechte Kittel, weshalb er wie Allerlei-[Rauh] (I. 65.) allein ſchlafen muß, ſogar die gemeine Kuͤchenarbeit kom - men vor, und eben ſo kehrt er heimlich nach dem koͤ - niglichſten Leben in ſeinen alten Zuſtand zuruͤck, ſo daß er nur an einem aͤußeren Zeichen erkannt wird.

51. De drei ſchwatten Princeſſinnen.

(Aus dem Muͤnſterland.) Der Zauber in ſeiner Entwicklung oder im Gang zu ſeiner beſtimmten Auf - loͤſung durch uͤbermaͤchtige Eingriffe geſtoͤrt, zieht Verderben oder gaͤnzliche Vernichtung nach ſich. vgl. die Anmerkung zum Eſelein Nr. 58. Er will heim - lich bleiben, ſcheut Licht (darum[ſind] die drei ſchwarz und werden allmaͤhlich weiß. ſ. auch die abweichende Erzaͤhlung vom Marien-Kind I. 3. Anhang S. V.) und Rede: und es iſt ganz daſſelbe, wenn beim He - ben des Schatzes, das erſte geſprochene Wort ihn ſiebenmal tiefer zu verſinken zwingt.

52. Knoiſt un ſine dre Suͤhne.

(Aus dem Sauerland und in dem dortigen Dia - lect.) Wird[ſingend] und mit ſehr lang gezogenen Sylben erzaͤhlt. Werrel (Werl) iſt ein Wallfahrts - ort in Weſtphalen, Soiſt (Soeſt) im Bergiſchen. Es wird auch als Raͤthſel angegeben und wenn man lang gerathen hat und nach der Aufloͤſung fragt, geant - wortet: eine Luͤge. Nach einer an dern Erzaͤhlung gehen ſie, nachdem der nackende den gefangenen Ha - ſen in die Taſche geſteckt hat, in die Kirche, wo derXXXX[XL] boͤcken Paſtor und der hageboͤcken Koͤſter das Weihwaſſer austheilen: darauf keimen ſe bie een graut, graut Waater, dat was ſo breed, dat en Haan daroͤver ſchret, do woͤren drei Schippe up, dat eene was leck, dat annere was leck, dat derde was kien Boaden in, in dat, wo kien Boaden was, ſetten ſe ſick alle drei in, de eene verſop, de annere verdrank, de derde kam der gar nig wier ut.

53. Dat Maͤken von Brakel.

(Aus dem Paderboͤrn.) St. Anna naͤmlich iſt die Schutzpatronin von Brakel und ihre Capelle liegt nicht weit von der Stadt. Mudder iſt aus dem Hoch - deutſchen heruͤbergekommen, Moͤhme aber der ge - meine Ausdruck. Man hat dort noch einen andern Spottvers:

O hilge ſuͤnte Anne,
help mie doch bald tom Manne!
O hilge ſuͤnte Viet,
et is ietz de hogeſte Tied!

St. Vitus iſt der Schutzpatron des nahliegen - den Corvei.

54. Das Maͤrchen vom Hausgeſinde.

(Aus dem Paderboͤrn.) Die vielerlei Abweichun - gen dieſes uralten Maͤrchens (gleichſam ein Geſpraͤch mit dem Widerhall) anzufuͤhren, wuͤrde hier zu weit - laͤuftig ſeyn und noch unpaſſender die meiſtentheils in die alte Sprache und Fabel reichenden, immer ſehr poetiſchen Namen zu erklaͤren. Der Hel (Hoͤlle) Saal heißet Eliud, ihr Tiſch Hungur, ihr Meſ - ſer Sultur, ihr Knecht Ganglaͤti, ihre Magd Gangloͤt, ihre Schwelle Fallandi-forrad, ihr Bett Kaur, ihre Decke Blikandi-baul, ihr Acker Hnipinn. In der Gothreks Saga ſind andere bedeutſame Familiennamen, der Vater Skapnar - tungur, die 3 Soͤhne: Fiolmodi, Ymſigull,XXXXI[XLI] Gillingr, die Mutter ſammt den drei Toͤchtern: Totra, Snotra, Hiotra, Fiotra und in ei - ner andern Sage der Mann Stedie, die Frau Brynia, die Tochter Smidia, der Sohn Thoͤl - lur; man findet in den mythiſchen Geſchlechtsna - men lauter Verwandſchaften. So zaͤhlt Vidrich im Lied von Rieſe Langbein 18. 19. 20. die Namen von Vater, Mutter, Schild, Helm, Schwert und Pferd auf. In einem altdeutſchen Gedicht vom Hausrath heißt der Hund Grin, die Katze Ziſe, der Knecht Wiſe, das Pferd Kerne, die Magd Metze. Muſaͤus (Volksm. V. 130) hat aus einem Volkspilgerlied folgende ſchoͤne Stelle aufbehalten: aus welcher Gegend kommt ihr? von Sonnenauf - gang. wohin, gedenkt ihr? nach Sonnennieder - gang. in welches Reich? in die Heimath. wo iſt die? hundert Meil ins Land hinein. Wie heißeſt du? Springinsfeld gruͤßt mich die Welt, Ehrenwerth heißt mein Schwert, Zeitver - treib nennt ſich mein Weib, Spaͤtestagt ruft ſie die Magd, Schlechtundrecht nennt ſich der Knecht, Sauſewind tauft ich mein Kind, Kno - chenfaul ſchalt ich den Gaul, Sporenklang heißt ſein Gang, Hoͤllenſchlund lock ich den Hund, Wettermann kraͤht (heißt) mein Hahn, Hupf ins Stroh heißt mein Floh. Nun kennſt du mich mit Weib und Kind und allem meinem Hausgeſind.

Schuͤtze im hollſt. Id. 2. 117. und 4. 136. fuͤhrt an: Hebberecht ſo heet min Knecht; Snakfor - dan ſo heet min Man, Tiedvoͤrdrif ſo heet min Wif, Luuſebung ſo heet min Jung. In den Kinderliedern, Anhang zum Wunderhorn S. 41. 43. Bibberlein heißt mein armes Huͤhnelein, Ente - quentlein die Ente, Wackelſchwaͤnzlein die Gans, Schmortopf das Schwein, Klipper - bein die Ziege, Gutemuh die Kuh, Guckher - aus das Haus, Kegelbahn der Mann, Golden - ring das Kind, Hat er gſagt die Magd, Ha - berecht der Knecht, Wettermann der Hahn, Huͤpf ins Stroh der Floh. Stilling in ſ. Le - ben I. S. 62. fuͤhrt nur eine Zeile an: Gerberli hieß mein Huͤneli, und ein hollaͤnd. Volkslied be - ginnt: koekeloery heet myn haan, prys heerXXXXII[XLII] myn hennetjen. Wenn der Tannhaͤuſer II. 67. ſein Geſinde Zadel, Zweifel, Schade und Unbereit nennt, ſo iſt das ſchon der Uebergang der epiſchen Namen in die bewußte Allegorie, wie z. B. in dem Spruch: Vielborgen hat eine Stief - mutter, heißt: Verkaufdeingut, die gebiert eine Tochter heißt: Gibswohlfeil, dieſelbige Tochter hat ein Bruder der heißt: zum Thorhinaus. In der Mitte ſteht noch das bekannte: Sparebrot (Vater) iſt tod, Schmalhans heißt der Kuͤchen - meiſter. Einzelne Namen, wie der des Weibes Zeitvertreib und Leidvertreib laſſen ſich in vielen alten Beyſpielen darthun, z. B. Morolf 59. 1145. Auch der Ruprecht mein Knecht aus dem Wartburger Krieg gehoͤrt hierher Vergl. die Na - men, die in der ſchoͤnen Katrinelje vorkommen.

55. Das Laͤmmchen und Fiſchchen.

(Aus dem Fuͤrſtenthum Lippe.) Das Ende wohl unvollſtaͤndig und es ſchwebte nur vor: die Stief - mutter glaubt das Laͤmmchen gegeſſen zu haben und verlangt nun vom Koch auch noch das Fiſchlein zu - bereitet. Der Koch aber toͤdtet es auch nicht, wie es anfaͤngt zu ſprechen und zu klagen, bringts zum Laͤmmchen und taͤuſcht die Stiefmutter wieder, deren Bosheit dem Vater zu Ohren kommt und die beſtraft wird. S. die weiße und ſchwarze Braut (No. 49.) die Anmerkung dazu der Eingang vom Abzaͤh - len kommt auch in dem Lied der Graͤfin von Orla - muͤnde (im Wunderhorn) vor.

56. Simeliberg.

Merkwuͤrdig, daß dieſes im Muͤnſterland erzaͤhlte Maͤrchen auch am Harz von der Dummburg Otmar S 235 18. oder Hochburg vorkommt und genau mit dem orientaliſchen von den 40 Raͤubern ein - ſtimmt, (1001. No. VI. 345.) wo ſogar der FelſenXXXXIII[XLIII] Seſam auffallend an die Namen Semſi und Semeli, wie der Berg in den deutſchen Sagen heißt, erinnert. Gerade dieſe Bergbenennung iſt uralt in Deutſchland, nach einer Urkunde bei Piſto - rius III. 642. heißt ein Berg im Grabfeld Similes und in einem Schweizerlied (Kuhns Kuͤhreihen, Bern 1810. S. 20. und Spaziers Wanderungen, Gotha 1790. S. 340. 341. ) wird ein Simeliberg wiederum erwaͤhnt. Man kann dabei an das ſchwei - zeriſche ſimel fuͤr ſinbel: rund denken. (ſ. Stalders Woͤrterbuch.)

57. Kinder in Hungersnoth.

(No. 57. 69. aus ſchriftlichen Quellen geſammelt.)

Praͤtorius (im Abentheuerlichen Gluͤckstopf, 1669. S. 191. 192. ) gibt die Sage, wie er ſie gehoͤrt hat, die Mutter ſoll zu Grafelitz uͤber Eger in Boͤhmen gelebt haben.

58. Das Eſelein.

Nach einem lateiniſchen Gedicht in elegiſchem Sylbenmaß aus der zweiten Haͤlfte des 15ten Jahr - hunderts in einer Straßburg. Handſchrift (MSS. Johann. c. 105. 5 Blaͤtter) unter dem Titel Aſi - narius. Die Erzaͤhlung iſt wie in dem Raparius (60.) breit, doch nicht ungefaͤllig. Anfang:

Rex fuit ignotae quondam regionis et urbis, ſed regis nomen pagina nulla docet,
Is ſibi conſortem regni talamique ſodalem ſortitus fuerat nobilitate parem.

Schluß:

poſt liaec preterea patris ſortitur honorem ſicque regit regum rex duo regna duum.

Ueber den Inhalt vergl. die Anmerkung zu Hans mein Igel, No. 22. Eigentlich muͤßte nach der Be - lauſchung des geheimnißreichen Zaubers Ungluͤck er -XXXXIV[XLIV] folgen, wenigſtens Stoͤrung des irdiſchen Gluͤcks, (wie es erfolgt, nachdem Pſyche den Amor beleuchtet hat, bei der Meluſine, dem Schwanenritter u. a.); bei dem Hans mein Igel iſt die Spur in dem Umſtand, daß er ſchwarz wird und erſt muß[geheilt] werden, hier darin, daß der Juͤngling aͤngſtlich entfliehen will, im Lateiniſchen:

ergo gener mane ſurgit ſomno ſatiatus, pelle volens aſini ſicut et ante tegi;
quam non inveniens, multo ſtimulante dolors, de ſola cepit anxius eſſe fuga.

Und indem er dem Alten antwortet:

ita faciam tecumque manebo
et precor ut finem deut bona cepta bonum.

Ein indiſches Maͤrchen, das dieſem ganz nah kommt, iſt in den Altd. Waͤldern I. 165 67. mit - getheilt; auch ſcheint ſich es auf ein gaͤnges Sprich - wort: welcher Eſel nicht kann Pauken (oder Lauten) ſchlagen,[muß] die Saͤck zur Muͤhle tragen, zu be - ziehen.

59. Der undankbare Sohn.

Aus Schimpf und Ernſt Kap. 413. Ganz in der Art wie Großvater und Enkel (I. 78.) der zar - ten Kindheit vor allen nahliegend und eindringlich. Aelter und mehr legendenmaͤßig bei dem Dominika - ner Thomas von Cantimpre aus dem 12 Jahrhund. der das Maͤrchen als muͤndliche Ueberliefrung mit - theilt; Vergl. Buͤſching in Schlegels Muſeum IV. 32. 33. der noch ein anderes Buch citirt, wo es vor - kommt.

60. Die Ruͤbe.

Der aͤußern Form nach eins der aͤlteſten Maͤr - chen, naͤmlich aus einem lateiniſchen Gedicht des Mittelalters uͤberſetzt und zwar nach der in Stras - burg vorhandenen Papierhandſchrift (MS. Johann. XXXXV[XLV]C. 102. aus dem 15. Jahrh. ) worin es 392 Zeilen in elegiſchem Versmaß bildet und Raparius uͤber - ſchrieben iſt. Eine andere gleichzeitige wird zu Wien aufbewahrt, (Denis II. 2. p. 1271. Cod. DI XII. R. 3356.) Das Gedicht ſelbſt mag indeſſen bereits im 14. Jahrhund. verfaßt worden ſeyn, ohne Zweifel nach muͤndlicher Volksſage, vielleicht eben aus dem Elſaß. Denn die große Ruͤbe gehoͤrt zu den Volks - ſcherzen, und in dem Volksbuch von dem luͤgenhaf - ten Aufſchneider (auch ins Schwediſche uͤberſetzt Lund 1790.) heißt es: Als ich nun weiter fortwanderte und nach Straßburg kam, ſah ich daſelbſt auf dem Feld eine ſolch große Ruͤbe ſtehen, als ich noch niemals eine geſehen und ich glaube, daß einer mit einem Roß in drei langen Sommertagen die elbe nicht umreiten koͤnne. Dem Maͤrchen ſelbſt fehlt es nicht an merkwuͤrdigen Beziehungen. Der mißrathene Verſuch, den Gluͤckserwerb zu uͤberbieten, da doch das unſchuldige Herz fehlt, in viel andern Maͤrchen. Die Erloͤſung aus dem Sack iſt genau die[aus] dem Brunnen-Eimer in der Thierfabel, wo der Fuchs den dummen Wolf beruͤckt, hinunter ins Himmelreich einzugehen, damit ihn dieſer heraus - ziehe; als ſie ſich unterwegs in den Eimern begegnen, ſpricht der Fuchs die bekannten ſpoͤttiſchen Worte: ſo gehts in der Welt, der eine auf, der andere nie - der! Dieſer Sack und Eimer ſind ferner wiederum die Tonne, worin der kluge Mann von den dummen Bauern erſaͤuft werden ſoll (ſ. I. 61. und Scarpafico bei Straparola) der aber einem vorbeigehenden Hir - ten weiß macht, daß wer ſich hinein lege, zu einer Hochzeit und großen Wuͤrde abgeholt werden ſollte. In allen dieſen Maͤrchen iſt der Wuͤnſchelſack oder das Gluͤcksfaß von der komiſchen Seite dargeſtellt, denn der Mythus wandelt gern den Ernſt in Schimpf um. An die ernſthafte Seite erinnert aber unſer Raparius am bedeutendſten: wie hier der Mann am Baum haͤngend Weisheit lernt, ſchwebt der nordiſche Weiſe in der[Luft] und lernt alle Wiſſenſchaft (Runa - capituli) veit ek, at ek hiek vindga meidi a naͤtur allar niu. (weiß ich, daß ich hing am winddurchwehten BaumXXXXVI[XLVI] ganzer neun Naͤchte lang. ) tha nam ek frevaz ok frodr vera. (Da begann ich beruͤhmt und klug zu werden.)

Odin ſetzt ſich unter die Galgenbaͤume, redet mit den Haͤngenden und heißt darum hanga-god (- tyr - drottinn.) Dieſer mythiſchen Wichtigkeit wegen moͤge die darauf bezuͤgliche Stelle des Originals zu - gleich eine Probe des Stils geben:

Tunc quaſi ſocraticus hunc laeta voce ſalutat et quafi nil triſte perpatiatur ait:
ſalve! mi frater, hominum cariſſime ſalve! huc ades, ut ſpero, ſorte favente bona.
Erigit ille caput ſtupidosque regirat ocellos, ambigit et cujus vox ſit et unde ſonet.
Dum ſuper hoc dubitat, utrum fugiat maneatve, huc movet ire timor et vetat ire pudor.
Sic ſibi nutantem ſolidat conſtantia mentem, dixit: l reſonet vox tua, quisquis es hic?
De ſacco rurſus auditur vox quoque ſecundo: ſi dubitas, quid ſim, ſuspice, tolle caput;
in ſacco ſedeo, ſedet ſapientia mecum, hic ſtudiis didici tempore multa brevi.
Pape! ſcolas quaerunt longe lateque ſcolares, hic tantum veras noveris eſſe ſcolas.
Hic, phas ſi ſit adhuc hora ſubſiſtere parva, omnia nota dabit philoſophia michi,
ac cum prodiero, puto me ſapientior inter terrigenas omnes non erit unus homo.
Pectore clauſa meo latet orbita totius anni, ſic quoque ſiderei fabrica tota poli,
lumina magna duo complector vi rationis, nec ſenſus fugient aſtra minora meos.
Sed neque me ſigna poſſent duodena latere, quas vires habeant, quas et arena maris.
Flatus ventorum bene cognovi variorum, cuilibet et morbo quae medicina valet
*)S. Runacap. 9.
*);
vires herbarum bene cognovi variarum, et quae ſit volucrum vis ſimul et lapidum.
Septem per partes cognovi quaslibet artes; ſi foret hic Catho cederet atque Plato.
Quid dicam plura? novi bene ſingula jura, caeſareas leges hic ſtudui varias.
XXXXVII[XLVII]
Qualiter et fraudes vitare queam muliebres
*)S. Runacap. 24. 25.
*), gratulor hoc iſto me didiciſſe loco.
Hic totum didici, quod totus continet orbis, hoc totum ſaccus continet iſte meus;
nobilis hic ſaccus precioſo dignior oſtro, de cujus gremio gratia tanta fluit.
Si ſemel intrares, daret experientia noſſe, hic quantum ſaccus utilitatis habet.

61. Das jungegegluͤhte Maͤnnlein.

Von Hans Sachs erzaͤhlt. Kempt. Ausg. IV. 3. 152 153. Neigt ſich zu den Volksſcherzen. Das Verjuͤngen alter Greiſe ſammt dem misgluͤckenden Nachahmen erinnert gaͤnzlich an die griechiſche Fabel von Medea, Aeſon und Pelias.

62. Des Herrn und des Teufels Geſchirr.

Von Hans Sachs erzaͤhlt im Jahr 1557. Kempt. Ausg. I. 5. S. 1006 1007. Die Woͤlfe als Got - tes Hunde ſtimmen merkwuͤrdig zu den odiniſchen Hunden (Vidris grey) gleichfalls Woͤlfen. Ueber das Einſetzen anderer Augen vgl. die drei Feldſchee - rer, Nr. 32. Ein uralter Grund bricht allenthalben durch dieſe Fabel.

63. Der Hahnenbalken.

Von Fr. Kind in Beckers Taſchenbuch von 1812. in einem Gedicht erzaͤhlt; es hat Aehnlichkeit mit Ruͤbezahls Neckereien. Der oberſte Gipfelbalken im Dachwerk heißt Hahnenbalken, weil der Hahn darauf zu ſitzen pflegt (Parcifal 5758.)

XXXXVIII[XLVIII]

64. Die alte Bettelfrau.

Ein Bruchſtuͤck und verworren. Wird in Stil - lings Juͤnglingsjahren erzaͤhlt, ſcheint aber ein altes Volksmaͤrchen, wobei die es vortragende Amme oder Mutter, den zuhoͤrenden Kindern vielleicht auch den Gang der krummen, gebuͤckten Alten mit dem Stock in der wackelnden Hand vormacht. Der Schluß fehlt, vermuthlich raͤcht ſich das Bettelweib durch eine Ver - wuͤnſchung, wie man mehr Sagen von eintretenden pilgernden Bettlerinnen hat, die man nicht ungeſtraft beleidigt. Es iſt merkwuͤrdig, daß der in Bettlerge - wand verhuͤllte Odin unter dem Namen Grimnir in die Koͤnigshalle einkehrt und ihm die Kleider am Feuer zu brennen anfangen. Der eine Juͤngling bringt ihm ein Horn zu[trinken], waͤhrend ihn der andere hatte zwiſchen die Flamme ſitzen laſſen. Zu ſpaͤt merkt der des Pilgers Goͤttlichkeit, will ihn aus der Flamme ziehen, faͤllt aber in ſein eigen Schwert.

65. Die drei Faulen.

Schimpf und Ernſt Cap. 243. Die Geſta Ro - manor. (deutſche Ausg. Cap. 3. lat. Cap. 91.) haben das Maͤrchen auch, doch ſo, daß der, welcher ſich lieber verbrennen will, der erſte iſt; welcher ſich lie - ber will aufhenken laſſen, der zweite: der dritte aber ſpricht: laͤge ich in meinem Bett und mir fielen die Dachtropfen in beide Augen, ehe ich mich auf eine Seite wendete, ehe ließ ich mir die Tropfen die Augen[ausſchlagen]. Fiſchart im Gargantua 79b erzaͤhlt einen andern Fall von dem faulen Heinz: eben wie jener Knecht, da man ihn fruͤh weckt: o de Vaͤgel - ken pipen ſchun in de[Noͤrken]! oh, lat pipen, ſahd he lat pipen, de Vaͤgelkens hefen klene Hoͤfdken, hefen bale utgeſlapen, averſt min Hoͤfedken is tomal gar grot, deit ime Noht me to ſlapen.

XXXXIX[XLIX]

66. Die heilige Frau Kummerniß.

Neigt ſich wie Nr. I. 81. I, 3. Il. 1. II. 35. aus der heil. Legende ins Maͤrchen. Vergl. Strobl ovum paschale p. 216. 217. und Benign. Kybl Wunder - ſpiegel I. 505. uͤber die letzte Spielmannsbitte ſ. Nr. 24. den Jud im Dorn. Man hat mehr als eine Sa - ge von Heiligenbildern, die aus Gnade einen Finger der Hand ausſtrecken, um den Ring daraus fallen zu laſſen. Der heil. Sebald zu Nuͤrnberg, als ein fre - cher Geſell ſein Bild am Bart zupfte und ſprach: Alter, wie ſchmeckt dir der Moſt? regte die Hand und gab ihm eine Ohrfeige, daß die fuͤnf Finger auf der Wange unvertilgliche Spuren druͤckten. (Wagen - seil. de civit. Norimberg. Altdorf 1697. 4. p. 37 57.) S. auch de beiden Kuͤnigeskinner (Nr. 27.) wo der ſteinerne Mann mit dem Kopf nickt.

67. Schlauraffenland.

Die Fabel vom Affen - oder Schlauraf - fenland (die ſchlauen, klugen ſind den dummen Affen, apar ósvinnir, mythiſcher Gegenſatz) ſteigt ohne Frage in ein hohes Alter auf, da ſchon das ge - genwaͤrtige Maͤrchen aus einem altdeutſchen Gedicht des 13 Jahrhunderts herruͤhrt. Bald wird ſie ſpaß - haft, wie hier und meiſtentheils, gewendet, aber im Maͤrchen von dem Zuckerhaͤuschen, das mit Fladen gedeckt, mit Zimmt gebalkt iſt, (I. 16) erſcheint ſie in glaͤubigem Kinderernſt gleichwohl dieſelbe und ſchließt ſich an die noch tieferen Mythen von dem verlorenen Paradies der Unſchuld, worin Milch und Honig ſtroͤmen. Zu der erſten Art blos gehoͤrt Hans Sachſens bekannter Schwank (ſ. Haͤsleins Auszug S. 391.) und Fiſcharts Anſpielung im Gargantua S. 96a in dem Land kann ich nicht mehr bleiben, die Luft thut mich in Schlauraffen treiben, drei Meil hinter Weihnacht, da ſind die Lebkuchenwaͤnde, Schweinebratenbalken, Malvaſirbrunnen, Milchram -Kindermärchen II. DLregen, Zuckererbſenhagel, da wird der Spaß be - zahlt und der Schlaf belohnt, da gibts Bratwuͤrſt - zaͤune, Honiggyps und Fladendaͤcher. Eben ſo hat man im altfranzoͤſ. Fabliaux von dem pays de Co - cagne (Méon. 4. 176. ) Auf der andern Seite ſchlaͤgt das Maͤrchen in die vielen Sagen von den un - moͤglichen Dingen (Nr. 68.) und die gleichfalls alte Geſchichte vom Finkenritter ein, deſſen Fiſchart mehrmals gedenkt und woran er vielleicht ſelbſt mit - gearbeitet hat (uͤber das Volksbuch vgl. Kochs Grund - riß 2.) Im Bienenkorb St. 4. Cap. 4. heißt es un - ter andern: zur Zeit, da die Haͤuſer flogen, die Thiere redten, die Baͤche brannten und man mit Stroh loͤſchte, die Bauern bollen und die Hunde mit Spie - ßen herausliefen, zur Zeit des ſtrengen Finkenrit - ters. Manches in der Zuſammenſtellung dieſer un - moͤglichen Dinge deutet auf geheime, verloren gegan - gene Beruͤhrungen derſelben dennoch hin und es iſt hier, wie in den Traumdeutungen, die Reihe ſolcher ahnungsvollen Verwandtſchaften (da ja uranfaͤnglich alle Gegenſaͤtze verfließen) von den rohen und groben Luͤgen zu unterſcheiden. Ein hollaͤndiſches Volkslied de droomende Reyziger wiewohl moderniſirt hat aber noch viele alte Strophen und Uebereinſtimmung mit dem Altdeutſchen Gedicht, vgl. die Samml. To - verlantarn. S. 91 92. Vgl. das Dietmarſiſche Lied von den unmoͤgl Dingen, Walafrieds Strabo ſimilitudo impoſſibilium (Canis. II. p. 2. p. 241.) und Stellen bei Tanhaͤuſer 2. 66. Marner 2. 172. und Boppo 2. 236. Das Luͤgenmaͤrchen, das unter der Ueberſchrift von den Wachteln ſich in Hand - ſchrift (Nr. 119.) zu Wien befindet, hat auch eine mit unſerm merkwuͤrdig uͤbereinſtimmende Stelle.

Die hunt ſint mit muz behut,
da ſind kirchtuͤr gut,
gemauert aus putern gotwaiz
und ſchaint die ſunn als haiz,
daz ſchat im umb ain har.
ain aichen-phaff, daz iſt war
ain puchain meſſe ſinget,
der antlaz im geben wirt,
daz im der ruck ſwirt,
den ſegen man mit kolben gab
LI
ze hant hub ich mich herab,
von dem antlaz ich erſrak:
ſiben Wachteln in ſak!

68. Das Dietmarſiſche Luͤgen-Maͤrchen.

Nach Vieths Chronik. Vgl. Alterthumszeitung 1813. Nr. 6. S. 29.

69. Raͤthſel-Maͤrchen.

Aus einem Volksbuch mit Raͤthſeln. Die Ver - wandlung in Blumen auf dem Feld kommt auch im Liebſten Roland vor (I. 56) und die Aufloͤſung hier erinnert an die Bienenkoͤnigin, die den Honigmund heraus findet (I. S. 299.)

70. Der goldne Schluͤſſel.

Aus Heſſen.

Druckfehler.

  • Seite 112. Zeile 7. lies machte ſich.
  • 115 13. ſtatt kommt l. komm.
  • 148. 4. ſtatt holte l. Holte.
  • 206. 7. und 10. von unten ſt. Ort l. Ohre.
  • 208. 16. ſt. kuren l. kuͤren.
  • 288. 10. v. u. ſt. umgeſchaffen l. un - geſchaffen.

About this transcription

TextKinder- und Haus-Märchen
Author Jacob Grimm; Wilhelm Grimm
Extent374 images; 83072 tokens; 11036 types; 513973 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationKinder- und Haus-Märchen Zweiter Band Jacob Grimm, Wilhelm Grimm. . XVI, 298, LI, [1] S. RealschulbuchhandlungBerlin1815.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Yt 1067-1/2 Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=444436030

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Prosa; Belletristik; Märchen; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
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