Mit dieſer weitern Sammlung von Haus - Maͤrchen iſt es der treibenden, ſtarken Zeit unerachtet ſchneller und leichter gegangen, als mit der erſten. Theils hat ſie ſich ſelbſt Freunde verſchafft, welche ſie unterſtuͤtzten, theils, wer es fruͤher gern gethan haͤtte, ſah jetzt erſt be - ſtimmt, was und wie es gemeint waͤre; end - lich hat uns auch das Gluͤck beguͤnſtigt, das Zufall ſcheint, aber gewoͤhnlich beharrlichen und fleißigen Sammlern beiſteht. Iſt man erſt gewohnt auf dergleichen zu achten, ſo be - gegnet es doch haͤufiger, als man ſonſt glaubt, ja das iſt uͤberhaupt mit Sitten, Eigenthuͤm - lichkeiten, Spruͤchen und Scherzen des Vol - kes der Fall.
Die ſchoͤnen plattdeutſchen Maͤrchen aus dem Fuͤrſtenthum Paderborn und MuͤnſterIV verdanken wir beſonderer Guͤte und Freund - ſchaft; das Zutrauliche der Mundart iſt ihnen bei der innern Vollſtaͤndigkeit beſonders guͤn - ſtig. Dort, in altberuͤhmten Gegenden deut - ſcher Freiheit, haben ſich an manchen Orten die Sagen als eine faſt regelmaͤßige Vergnuͤ - gung der Sonntage erhalten: auf den Bergen erzaͤhlten die Hirten jene, am Harz auch be - kannte und vielleicht jedem großen Gebirge eigene, vom Kaiſer Rothbart, der mit ſeinen Schaͤtzen darin wohne; dann von den Huͤh - nen, wie ſie ihre Haͤmmer ſtundenweit von den Gipfeln ſich zugeworfen; manches, was wir an einem andern Orte mitzutheilen den - ken. Das Land iſt noch reich an ererbten Ge - braͤuchen und Liedern.
Einer jener guten Zufaͤlle aber war die Bekanntſchaft mit einer Baͤuerin aus dem nah bei Caſſel gelegenen Dorfe Zwehrn, durch welche wir einen anſehnlichen Theil der hier mitgetheilten, darum aͤcht heſſiſchen, Maͤr - chen, ſo wie mancherlei Nachtraͤge zum erſten Band erhalten haben. Dieſe Frau, noch ruͤſtig und nicht viel uͤber funfzig Jahr alt, heißtV Viehmaͤnnin, hat ein feſtes und angenehmes Geſicht, blickt hell und ſcharf aus den Augen, und iſt wahrſcheinlich in ihrer Jugend ſchoͤn geweſen. Sie bewahrt dieſe alten Sagen feſt in dem Gedaͤchtniß, welche Gabe, wie ſie ſagt, nicht jedem verliehen ſey und mancher gar nichts behalten koͤnne; dabei erzaͤhlt ſie bedaͤchtig, ſicher und ungemein lebendig mit eigenem Wohlgefallen daran, erſt ganz frei, dann, wenn man will, noch einmal langſam, ſo daß man ihr mit einiger Uebung nachſchrei - ben kann. Manches iſt auf dieſe Weiſe woͤrt - lich beibehalten, und wird in ſeiner Wahrheit nicht zu verkennen ſeyn. Wer an leichte Ver - faͤlſchung der Ueberlieferung, Nachlaͤſſigkeit bei Aufbewahrung, und daher an Unmoͤglich - keit langer Dauer, als Regel glaubt, der muͤßte hoͤren, wie genau ſie immer bei derſel - ben Erzaͤhlung bleibt und auf ihre Richtigkeit eifrig iſt; niemals aͤndert ſie bei einer Wieder - holung etwas in der Sache ab, und beſſert ein Verſehen, ſobald ſie es bemerkt, mitten in der Rede gleich ſelber. Die Anhaͤnglichkeit an das Ueberlieferte iſt bei Menſchen, die in gleicher Lebensart unabaͤnderlich fortfahren,VI ſtaͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es auch, ſo viel - fach erprobt, eine gewiſſe eindringliche Naͤhe und innere Tuͤchtigkeit, zu der anderes nicht ſo leicht gelangt, das aͤußerlich viel glaͤnzen - der erſcheinen kann. Der epiſche Grund der Volksdichtung gleicht dem durch die ganze Natur in mannichfachen Abſtufungen verbrei - teten Gruͤn, das ſaͤttigt und ſaͤnftigt ohne je zu ermuͤden.
Der innere gehaltige Werth dieſer Maͤr - chen iſt in der That hoch zu ſchaͤtzen, ſie geben auf unſere uralte Heldendichtung ein neues und ſolches Licht, wie man ſich nirgendsher ſonſt koͤnnte zu Wege bringen. Das von der Spindel zum Schlaf geſtochene Dornroͤschen iſt die vom Dorn entſchlafene Brunhilde, naͤm - lich nicht einmal die nibelungiſche, ſondern die altnordiſche ſelber. Schneewitchen ſchlum - mert in rothbluͤhender Lebensfarbe wie Snaͤ - fridr, die ſchoͤnſte ob allen Weibern, an deren Sarg Haraldur, der haarſchoͤne, drei Jahre ſitzt, gleich den treuen Zwergen, bewachend und huͤtend die todtlebendige Jungfrau; der Apfel -VII knorz in ihrem Munde aber iſt ein Schlafkunz oder Schlafapfel. Die Sage von der guͤldnen Feder, die der Vogel fallen laͤßt, und wes - halb der Koͤnig in alle Welt ausſendet, iſt keine andere, als die vom Koͤnig Mark im Triſtan, dem der Vogel das goldne Haar der Koͤnigstochter bringt, nach welcher er nun eine Sehnſucht empfindet. Daß Loki am Rie - ſen-Adler haͤngen bleibt, verſtehen wir beſſer durch das Maͤrchen von der Goldgans, an der Jungfrauen und Maͤnner feſthangen, die ſie beruͤhren; in dem boͤſen Goldſchmied, dem redenden Vogel und dem Herz-Eſſen, wer erkennt nicht Sigurds leibhafte Fabel? Von ihm und ſeiner Jugend theilt vorliegender Band andere rieſenmaͤßige, zum Theil das, was die Lieder noch wiſſen, uͤberragende Sa - gen mit, welche namentlich bei der ſchwieri - gen Deutung des zu theilenden Horts will - komene Hilfe leiſten. Nichts iſt bewaͤhrender und zugleich ſicherer, als was aus zweien Quellen wieder zuſammenfließt, die fruͤh von einander getrennt, in eignem Bette gegangen ſind; in dieſen Volks-Maͤrchen liegt lauter urdeutſcher Mythus, den man fuͤr verlorenVIII gehalten, und wir ſind feſt uͤberzeugt, will man noch jetzt in allen geſegneten Theilen un - ſeres Vaterlandes ſuchen, es werden auf die - ſem Wege ungeachtete Schaͤtze ſich in unge - glaubte verwandeln und die Wiſſenſchaft von dem Urſprung unſerer Poeſie gruͤnden helfen. Gerade ſo iſt es mit den vielen Mundarten unſerer Sprache, in welchen der groͤßte Theil der Worte und Eigenthuͤmlichkeiten, die man laͤngſt fuͤr ausgeſtorben haͤlt, noch unerkannt fortlebt.
Wir wollten indeß durch unſere Samm - lung nicht blos der Geſchichte der Poeſie einen Dienſt erweiſen, es war zugleich Abſicht, daß die Poeſie ſelbſt, die darin lebendig iſt, wirke: erfreue, wen ſie erfreuen kann, und darum auch, daß ein eigentliches Erziehungsbuch daraus werde. Gegen das letztere iſt einge - wendet worden, daß doch eins und das an - dere in Verlegenheit ſetze und fuͤr Kinder un - paſſend oder anſtoͤßig ſey (wie die Beruͤhrung mancher Zuſtaͤnde und Verhaͤltniſſe, auch vom Teufel ließ man ſie nicht gern etwas boͤſes hoͤ - ren) und Eltern es ihnen geradezu nicht inIX die Haͤnde geben wollten. Fuͤr einzelne Faͤlle mag die Sorge recht ſeyn und da leicht aus - gewaͤhlt werden; im Ganzen iſt ſie gewiß un - noͤthig. Nichts beſſer kann uns vertheidigen, als die Natur ſelber, welche gerad dieſe Blu - men und Blaͤtter in dieſer Farbe und Geſtalt hat wachſen laſſen; wem ſie nicht zutraͤglich ſind, nach beſonderen Beduͤrfniſſen, wovon jene nichts weiß, kann leicht daran vorbei - gehen, aber er kann nicht fordern, daß ſie darnach anders gefaͤrbt und geſchnitten wer - den ſollen. Oder auch: Regen und Thau faͤllt als eine Wohlthat fuͤr alles herab, was auf der Erde ſteht, wer ſeine Pflanzen nicht hineinzuſtellen getraut, weil ſie zu empfindlich dagegen ſind und Schaden nehmen koͤnnten, ſondern lieber in der Stube begießt, wird doch nicht verlangen, daß jene darum ausbleiben ſollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natuͤrlich iſt, und darnach ſollen wir trachten. Uebrigens wiſſen wir kein geſundes und kraͤftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenan ſtellen, wo ſolche Bedenklichkeiten nicht in ungleich groͤ - ßerm Maaß eintraͤten; der rechte GebrauchX aber findet nicht Boͤſes heraus, ſondern nur, wie ein ſchoͤnes Wort ſagt: ein Zeugniß un - ſeres Herzens. Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, waͤhrend andere nach dem Volks - glauben Engel damit beleidigen.
Abweichungen, ſo wie allerlei hierher ge - hoͤrige Anmerkungen haben wir wieder im Anhang mitgetheilt; wem dieſe Dinge gleich - guͤltig ſind, wird das Ueberſchlagen leichter werden, als uns gerade das Uebergehen waͤre; ſie gehoͤren zum Buch inſofern es ein Beitrag zur Geſchichte der deutſchen Volksdichtung iſt. Alle Abweichungen namentlich erſcheinen uns merkwuͤrdiger als denen, welche darin blos Abaͤnderungen oder Entſtellungen eines wirk - lich einmal da geweſenen Urbildes ſehen, da es im Gegentheil vielleicht nur Verſuche ſind, einem im Geiſt blos vorhandenen, unerſchoͤpf - lichen, auf mannichfachen Wegen ſich zu naͤ - hern. Wiederholungen einzelner Saͤtze, Zuͤge, und Einleitungen ſind wie epiſche Zeilen zu betrachten, die, ſobald der Ton ſich ruͤhrt, der ſie anſchlaͤgt, immer wiederkehren und eigent - lich in einem andern Sinne nicht zu verſtehen. XIAlles aber, was aus muͤndlicher Ueberliefe - rung hier geſammelt worden, iſt ſowohl nach ſeiner Entſtehung als Ausbildung (vielleicht darin den geſtiefelten Kater allein ausgenom - men) rein deutſch und nirgends her erborgt, wie ſich, wo man es in einzelnen Faͤllen be - ſtreiten wollte, leicht auch aͤußerlich beweiſen ließe. Gruͤnde, die man fuͤr das Erborgen aus italieniſchen, franzoͤſiſchen oder orientali - ſchen Buͤchern, die vom Volk, zumal auf dem Land, ungeleſen bleiben, vorzubringen pflegt, gleichen denjenigen vollkommen, welche aus Soldaten, Handwerksburſchen, oder aus Kanonen, Tabakspfeifen und andern neuen Dingen in den Maͤrchen, auch ihre neue Er - dichtung ableiten wollen, da doch gerade dieſe Sachen, wie Woͤrter der heutigen Sprache, nach dem Munde der Erzaͤhlenden ſich umge - ſtalten und man ſicher darauf zaͤhlen kann, daß ſie im ſechszehnten Jahrhundert ſtatt der Soldaten und Kanonen, Landsknechte und Buͤchſen geſetzt haben, und der unſichtbar ma - chende Hut zur Ritterzeit ein Tarnhelm gewe - ſen iſt.
XIIDie fuͤr dieſen zweiten Band anfaͤnglich verſprochene Ueberſetzung des Pentamerone ſteht den einheimiſchen Maͤrchen nothwendig nach, ſo wie die Zuſammenſtellung derjeni - gen, welche die Geſta Romanorum enthalten.
Caſſel, am 30. September 1814.
Vor alten Zeiten, als der liebe Gott ſelber auf Erden unter den Menſchen wandelte, trug es ſich zu, daß er eines Abends muͤd war und ihn die Nacht uͤberfiel, eh’ er zu einer Herberge kommen konnte. Da ſtanden aber auf dem Weg vor ihm zwei Haͤuſer einander gegenuͤber, eins groß und ſchoͤn, das andere klein und aͤrmlich anzuſehen, und gehoͤrte das eine einem reichen, das andere einem armen Manne. Unſer Herr Gott dachte, dem Reichen werd’ ich nicht beſchwerlich fallen und klopfte bei ihm an die Thuͤre. Da machte der Reiche ſein Fenſter auf und fragte, was er wollte? „ Ein Nachtlager. “ Der Reiche guckte ihn an vom Haupt bis zu den Fuͤßen und weil der liebe Gott ſchlichte Kleider trug und nicht ausſah wie einer, der viel Geld in der Taſche hat, ſchuͤt - telte er mit dem Kopf und ſprach: „ ich kann euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Samen und ſollte ich jedermann herbergen, der an meine Thuͤre klopfte, ſo muͤßt ich ſelber baldKindermärchen II. A2fortgehen; ſucht euch anderswo ein Auskommen: “ſchlug damit ſein Fenſter zu und ließ den lieben Gott ſtehen. Alſo kehrte ihm der liebe Gott den Ruͤcken, ging hinuͤber zu dem kleinen Haus und klopfte an. Kaum hatte er angeklopft, klinkte auch ſchon der Arme ſein Thuͤrchen auf und bat den Wandersmann einzutreten und bei ihm die Nacht uͤber zu bleiben: „ es iſt ſchon finſter, ſagte er, und heute koͤnnt’ ihr doch nicht weiter kom - men. “ Da gefiel es dem lieben Gott und er trat ein; die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und ſagte, er moͤchte ſichs be - quem machen und vorlieb nehmen, ſie haͤtten nicht viel, aber was es waͤre, gaͤben ſie von Her - zen gern. Dann ſetzte ſie Kartoffeln ans Feuer und derweil ſie kochten, melkte ſie ihre Ziege, da - mit ſie ein Bischen Milch dazu haͤtten. Und als der Tiſch gedeckt war, ſetzte ſich der liebe Gott zu ihnen und aß mit und ſchmeckte ihm die ſchlechte Koſt gut, denn es waren vergnuͤgte Geſichter da - bei. Wie ſie gegeſſen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann und ſprach: hoͤr’, lieber Mann, wir wollen uns heut’ Nacht eine Streu dahin machen, damit der arme Wanderer ſich in unſer Bett legen und ausruhen kann, er iſt den ganzen Tag uͤber gegangen, da wird einer muͤd. “ Von Herzen gern ſprach der Mann, ich wills ihm ſagen, ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenns ihm recht waͤre, moͤcht’3 er ſich in ihr Bett legen und ſeine Glieder ordent - lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, aber ſie ließen nicht ab, bis er es endlich that und ſich in ihr Bett legte; ſie aber machten ſich eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen vor Tag ſtanden ſie ſchon auf und kochten ihm ein armes Fruͤhſtuͤck. Als nun die Sonne durchs Fenſterlein herein - ſchien und der liebe Gott aufgeſtanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann ſeines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre ſtand, ſprach er: „ weil ihr ſo mitleidig und fromm ſeyd, ſo wuͤnſcht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen. “ Da ſagte der Arme: „ was ſoll ich mir ſonſt wuͤn - ſchen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, ſo lang wir leben, geſund ſind und unſer nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnſchen. “ Der liebe Gott ſprach: „ willſt du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte[wuͤnſchen? “ ]Da ſagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤr’s ihm wohl lieb. Alsbald erfuͤllte der liebe Gott ihre Wuͤnſche und verwan - delte ihr altes Haus in ein ſchoͤnes neues, und verließ ſie darauf.
Als es nun voller Tag war, und der Reiche aufſtand und ſich in’s Fenſter legte, ſah er gegen - uͤber ein ſchoͤnes neues Haus ſtehen ſtatt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief ſeine Frau und ſprach: „ Frau, ſieh einmal, wie iſt das zuge -A 24gangen? geſtern Abend ſtand dort eine elende Huͤtte und nun iſts ein ſchoͤnes neues Haus; lauf doch ein - mal hinuͤber und hoͤr’ wie das gekommen iſt. [Nun] ging die Frau hin und fragte, der Arme aber er - zaͤhlte ihr: „ geſtern Abend kam ein Wanderer, der ſuchte Nachtherberge und heute Morgen beim Abſchied hat er uns drei Wuͤnſche gewaͤhrt: die ewige Seligkeit, Geſundheit in dieſem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot und ſtatt unſerer alten Huͤtte ein ſchoͤnes neues Haus. “ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief ſie wieder fort und erzaͤhlte es ihrem Manne, der ſprach:[ „ ich] moͤchte mich zerreiſſen und zerſchlagen, haͤtt’ ich das gewußt, der Fremde iſt auch bey mir ge - weſen, ich habe ihn aber abgewieſen. “ „ Eil dich, ſprach die Frau, und ſetz dich auf dein Pferd, der Mann iſt noch nicht weit, du mußt ihn einholen, und dir auch drei Wuͤnſche gewaͤh - ren laſſen. “
Da ſetzte ſich der Reiche auf und holte den lieben Gott ein, redete fein und lieblich zu ihm und ſprach, er moͤcht’s nicht uͤbel nehmen, daß er ihn nicht gleich eingelaſſen, er haͤtte den Schluͤſſel zur Hausthuͤre geſucht, derweil waͤre er weggegangen; wenn er zuruͤckkaͤme, muͤßte er bei ihm einkehren. “ Ja, ſprach der liebe Gott, wann er einmal zuruͤckkaͤme, wollt’ er das thun. “ Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wuͤn - ſche thun duͤrfte, wie ſein Nachbar? „ Ja, ſagte5 der liebe Gott, das duͤrfe er wohl, es waͤre aber nicht gut fuͤr ihn, und ſollte ſich lieber nichts wuͤnſchen. “ Der Reiche aber meinte, er wollte ſich ſchon etwas Gutes ausſuchen, wenn es nur gewiß erfuͤllt wuͤrde. Sprach der liebe Gott: „ reite nur heim und drei Wuͤnſche, die du thuſt, die ſollen erfuͤllt werden. “
Nun hatte der Reiche, was er wollte, ritt heimwaͤrts und beſann ſich, was er ſich wuͤnſchen ſollte; wie er ſo nachdachte und die Zuͤgel fallen ließ, fing das Pferd an zu ſpringen, ſo daß er immerfort in ſeinen Gedanken geſtoͤrt wurde und ſie gar nicht zuſammen bringen konnte. Da ward er uͤber das Pferd aͤrgerlich und ſprach in Ungeduld: „ ei ſo wollt’ ich, daß du den Hals zerbraͤchſt! “und wie er das Wort ausgeſprochen, plump! fiel er auf die Erde und lag das Pferd todt und regte ſich nicht mehr und war der erſte Wunſch erfuͤllt. Weil er aber geizig war, wollt’ er das Sattelzeug nicht im Stich laſſen, ſchnitt’s ab, hing’s auf den Ruͤcken und mußte nun zu Fuß nach Haus gehen. Doch troͤſtete er ſich, daß ihm noch zwei Wuͤnſche uͤbrig waͤren. Wie er nun dahin ging durch den Sand und als zu Mittag die Sonne heiß brannte, ward’s ihm ſo warm und verdrießlich zu Muth, der Sattel druͤckte ihn dazu auf den Ruͤcken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er ſich wuͤn -6 ſchen ſollte. Wenn er meinte, er haͤtte etwas, da ſchien’s ihm hernach doch viel zu wenig und gering. Da kam’s ihm ſo in die Gedanken, was es ſeine Frau jetzt gut habe, die ſitze daheim in einer kuͤhlen Stube und laſſe ſich’s wohlſchmecken. Das aͤrgerte ihn ordentlich und ohne daß er’s wußte, ſprach er ſo hin: „ ich wollt’ die ſaͤß da - heim auf dem Sattel und koͤnnt’ nicht herunter, ſtatt daß ich ihn da auf dem Ruͤcken ſchleppe. “ Und wie die Worte zu End’ waren, da war der Sattel von ſeinem Ruͤcken fort, und merkte er, daß ſein zweiter Wunſch auch in Erfuͤllung gegan - gen war. Da ward ihm erſt recht heiß und er fing an zu laufen und wollte ſich daheim ganz ein - ſam hinſetzen und auf was Großes fuͤr den letzten Wunſch nachdenken. Wie er aber ankam und ſeine Stubenthuͤr aufmachte, ſaß da ſeine Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht her - unter, jammert und ſchreit. Da ſprach er: „ gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichthuͤmer der Welt herbei wuͤnſchen, nur bleib da ſitzen. “ Sie ſagte aber: „ was helfen mir alle Reichthuͤmer der Welt, wenn ich auf dem Sattel ſitze, du haſt mich darauf gewuͤnſcht, du mußt mir auch wieder herunter helfen. “ Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunſch thun, daß ſie vom Sattel ledig waͤr’ und herunterſteigen koͤnnt’, und der ward auch erfuͤllt. Alſo hatte er nichts davon als Aerger, Muͤh’ und ein verlorenes Pferd; die7 Armen aber lebten vergnuͤgt, ſtill und fromm bis an ihr ſeliges Ende.
Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reiſe vor und beim Abſchied fragte er ſeine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen ſollte. Da wollte die aͤlteſte Perlen, die zweite Diaman - ten, die dritte aber ſprach: „ lieber Vater, ich wuͤnſche mir ein ſingendes, ſpringendes Loͤwen - eckerchen (Lerche. ) “ Der Vater ſagte: „ ja, wenn ich es kriegen kann, ſollſt du es haben “kuͤßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤlteſten, aber das ſingende, ſpringende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngſte hatte er umſonſt aller Orten geſucht, und das that ihm leid, denn ſie war ſein liebſtes Kind. Da fuͤhrte ihn ſein Weg durch einen Wald und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß und nah’ am Schloß ſtand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber ſah er ein Loͤwen - eckerchen ſingen und ſpringen. „ Ei! du kommſt mir noch recht! “ſagte er und war froh und rief ſeinem Diener, er ſollte hinaufſteigen und das Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum8 herantrat, ſprang ein Loͤwe darunter auf, ſchuͤt - telte ſich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤu - men zitterte: „ wer mir mein ſingendes, ſprin - gendes Loͤweneckerchen ſtehlen will, den freſſ’ ich auf! “ Da ſagte der Mann: „ das hab’ ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen? “ „ Nein! “ſprach der Loͤwe, „ da iſt nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen verſprichſt, was dir daheim zuerſt begegnet, thuſt du aber das, ſo will ich dir das Leben ſchenken und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein. “ Der Mann aber wollte nicht und ſprach: „ das koͤnnte meine juͤngſte Toch - ter ſeyn, die hat mich am liebſten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme. “ Dem Diener aber war angſt und er ſagte: „ es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund ſeyn! “ Da ließ ſich der Mann uͤberreden, nahm mit trauri - gem Herzen das ſingende, ſpringende Loͤwenecker - chen und verſprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerſt begegnen wuͤrde.
Wie er nun zu Haus einritt, war das erſte, was ihm begegnete, niemand anders, als ſeine juͤngſte, liebſte Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als ſie ſah, daß er ein ſingendes, ſpringendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute ſie ſich noch mehr. Der Vater aber konnte ſich nicht freuen, ſondern fing an zu wei - nen und ſagte: „ o weh! mein liebſtes Kind, den9 kleinen Vogel hab’ ich theuer gekauft, dafuͤr hab’ ich dich einem wilden Loͤwen verſprechen muͤſſen, wenn er dich hat, wird er dich zerreiſſen und freſ - ſen “und erzaͤhlte ihr da alles, wie es zugegangen war und bat ſie, nicht hinzugehen, es moͤcht’ auch kommen was wollte. Sie aber troͤſtete ihn und ſprach: „ liebſter Vater, weil ihr’s verſprochen habt, muß es auch gehalten werden und will ich hingehen und den Loͤwen ſchon beſaͤnftigen, daß ich wieder geſund zu euch heim kommen kann. Am andern Morgen ließ ſie ſich den Weg zeigen, nahm Abſchied und ging getroſt in den Wald hin - ein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Prinz und bei Tag ein Loͤwe und mit ihm wurden alle ſeine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten ſie ihre natuͤrliche Geſtalt wieder. Als ſie nun ankam, that er gar freundlich und ward Hochzeit gehalten und in der Nacht war er ein ſchoͤner Prinz, und da wachten ſie in der Nacht und ſchliefen am Tag und lebten eine lange Zeit ver - gnuͤgt miteinander. Einmal kam der Prinz und ſagte: „ morgen iſt ein Feſt in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteſte Schweſter ſich verheira - thet und wenn du Luſt haſt hinzugehen, ſollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren. Da ſagte ſie ja, ſie moͤchte gern ihren Vater wiederſehen, und fuhr hin und wurde von den Loͤwen begleitet; da war große Freude, als ſie ankam, denn ſie hat - ten alle geglaubt, ſie waͤre ſchon lange todt, und10 von dem Loͤwen zerriſſen worden. Sie erzaͤhlte aber, wie gut es ihr ging und blieb bei ihnen, ſo lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr ſie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter hei - rathete, und ſie wieder zur Hochzeit eingeladen war, ſprach ſie zum Loͤwen: „ diesmal will ich nicht allein ſeyn, du mußt mitgehen. “ Der Loͤwe aber wollte nicht und ſagte, das waͤre zu gefaͤhr - lich fuͤr ihn, denn wenn ein Strahl eines bren - nenden Lichts ihn anruͤhre, ſo wuͤrd’ er in eine Taube verwandelt und muͤßte ſieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruh’, und ſagte, ſie wollt’ ihn ſchon huͤten und bewahren vor allem Licht. Alſo zogen ſie zuſam - men und nahmen auch ihr kleines Kind mit. Sie aber ließ dort einen Saal mauern, ſo ſtark und dick, daß kein Strahl durchdrang, darin ſollt’ er ſitzen, wenn die Hochzeitslichter angeſteckt wuͤr - den. Die Thuͤr aber war von friſchem Holz ge - macht, das ſprang und bekam einen kleinen Ritz, den kein Menſch bemerkte. Nun ward die Hoch - zeit mit Pracht gefeiert, wie aber der Zug aus der Kirche zuruͤckkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal des Prinzen vorbei, da fiel ein duͤnner duͤnner Strahl auf ihn und wie dieſer ihn beruͤhrt hatte, in dem Augenblick war er auch verwandelt, und als die Prinzeſſin hinein kam und ihn ſuchte, ſaß blos eine weiße Taube da, die ſprach zu ihr: ſieben Jahr muß ich nun in die11 Welt fortfliegen, alle ſieben Schritte aber will ich einen rothen Blutstropfen und eine weiße Feder fallen laſſen, die ſollen dir den Weg zeigen, und wenn du mir da nachfolgſt, kannſt du mich er - loͤſen. “
Da flog die Taube zur Thuͤr hinaus und ſie folgte ihr nach und alle ſieben Schritte fiel ein rothes Blutstroͤpfchen und ein weißes Federchen herab und zeigte ihr den Weg. So ging ſie im - mer zu in die weite Welt hinein und ſchaute nicht um ſich und ruhte ſich nicht, und waren faſt die ſieben Jahre herum; da freute ſie ſich und meinte, ſie waͤren bald erloͤſt und war noch ſo weit davon. Einmal, als ſie ſo fort ging, fiel kein Federchen mehr und auch kein rothes Blutstroͤpfchen und als ſie die Augen aufſchlug, da war die Taube ver - ſchwunden. Und weil ſie dachte, Menſchen koͤn - nen dir da nichts helfen, ſo ſtieg ſie zur Sonne hinauf und ſagte zu ihr: „ du ſcheinſt in alle Ritzen und uͤber alle Spitzen; haſt du keine weiße Taube fliegen ſehen? “— „ Nein, ſagte die Sonne, ich habe keine geſehen, aber da ſchenk ich dir ein Schaͤchtelchen, das mach auf, wenn du in großer Noth biſt. “ Da dankte ſie der Sonne und ging weiter bis es Abend war und der Mond ſchien, da fragte ſie ihn: „ du ſcheinſt ja die ganze Nacht, durch alle Felder und Waͤlder: haſt du keine weiße Taube fliegen ſehen? “— „ Nein ſagte der Mond, ich habe keine geſehen, aber da12 ſchenk ich dir ein Ei, das zerbrich wenn du in großer Noth biſt. “— Da dankte ſie dem Mond und ging weiter, bis der Nachtwind wehte, da ſprach ſie zu ihm: „ du wehſt ja durch alle Baͤume und unter alle Blaͤtterchen weg, haſt du keine weiße Taube fliegen ſehen? “— „ Nein, ſagte der Nacht - wind, ich habe keine geſehen, aber ich will die drei andern Winde fragen, die haben ſie vielleicht geſehen. “ Der Oſtwind und der Weſtwind kamen und ſagten, ſie haͤtten nichts geſehen, der Suͤdwind aber ſprach: „ die weiße Taube hab’ ich geſehen, ſie iſt zum rothen Meer geflogen, da iſt ſie wie - der ein Loͤwe geworden, denn die ſieben Jahre ſind herum, und der Loͤwe ſteht dort im Kampf mit einem Lindwurm, der Lindwurm iſt aber eine verzauberte Prinzeſſin. “ Da ſagte der Nachtwind zu ihr: „ ich will dir Rath geben, geh’ zum ro - then Meer’ am rechten Ufer da ſtehen große Ru - then, die zaͤhl’ und die eilfte ſchneid’ dir ab und ſchlag’ den Lindwurm damit, dann kann ihn der Loͤwe bezwingen und beide bekommen auch ihren menſchlichen Leib wieder; dann ſchau dich um und du ſiehſt den Vogel Greif am rothen Meer ſitzen, ſchwing’ dich auf ſeinen Ruͤcken mit dem Prinzen, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tra - gen; da haſt du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer biſt, laß ſie herab fallen, alsbald wird ein großer Nußbaum aus dem Waſſer her - vorwachſen, auf dem ſich der Greif ruht, und13 koͤnnte er nicht ruhen, waͤr’ er nicht ſtark genug, euch hinuͤber zu tragen, und wenn du es vergißt, wirft er euch ins Meer hinunter. “
Da ging ſie hin und fand alles, wie der Nachtwind geſagt hatte und ſchnitt die eilfte Ru - the ab, damit ſchlug ſie den Lindwurm, alsbald bezwang ihn der Loͤwe und da hatten beide ihren menſchlichen Leib wieder. Und wie ſich die Prin - zeſſin, die vorher ein Lindwurm geweſen war, frei ſah, nahm ſie den Prinzen in den Arm, ſetzte ſich auf den Vogel Greif und fuͤhrte ihn mit ſich fort. Alſo ſtand die arme, weitgewanderte und war wieder verlaſſen, ſie ſprach aber: „ ich will noch ſo weit gehen als der Wind weht und ſo lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde. “ Und ging fort, lange lange Wege, bis ſie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zuſammen lebten, da hoͤrte ſie daß bald ein Feſt waͤre, wo ſie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie ſprach aber, Gott hilft mir doch noch, und nahm das Schaͤchtelchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, ſo glaͤnzend, wie die Sonne ſelber. Da nahm ſie es heraus und zog es an und ging hinauf in das Schloß und alle Leute ſahen ſie an und die Braut ſelber; und das Kleid gefiel ihr ſo gut, daß ſie dachte, es koͤnnte ihr Hochzeitkleid ge - ben und fragte, ob es nicht feil waͤre? „ Nicht fuͤr Geld und Gut, ſagte ſie, aber fuͤr Fleiſch und14 Blut. “ Die Braut fragte, was ſie damit meine, da ſagte ſie: „ laßt mich eine Nacht in der Kam - mer ſchlafen, wo der Prinz ſchlaͤft. “ Die Braut wollte nicht und wollte doch gern das Kleid haben, endlich willigte ſie ein, aber der Kammerdiener mußte dem Prinzen einen Schlaftrunk geben. Als es nun Nacht war, und der Prinz ſchon ſchlief, ward ſie in die Kammer gefuͤhrt, da ſetzte ſie ſich ans Bett und ſagte: „ ich bin dir nachge - folgt ſieben Jahre, bin bei Sonne, Mond und den Winden geweſen und hab’ nach dir gefragt, und hab’ dir geholfen gegen den Lindwurm, willſt du mich denn ganz vergeſſen? “ Der Prinz aber ſchlief ſo hart, daß es ihm nur vorkam, als rauſche der Wind draußen in den Tannenbaͤumen. Wie nun der Morgen anbrach, da ward ſie wieder hinausgefuͤhrt, und mußte das goldene Kleid hin - geben; und als auch das nichts geholfen hatte, ward ſie traurig, ging hinaus auf eine Wieſe, ſetzte ſich da hin und weinte. Und wie ſie ſo ſaß, da fiel ihr das Ei noch ein, das ihr der Mond gegeben hatte und ſie ſchlug es auf: ei! da kam eine Glucke heraus mit zwoͤlf Kuͤchlein ganz von Gold, die liefen herum und piepten und krochen der Alten wieder unter die Fluͤgel, ſo daß nichts ſchoͤneres auf der Welt zu ſehen war. Da ſtand ſie auf, trieb ſie auf der Wieſe vor ſich her, ſo lange bis die Braut aus dem Fenſter ſah, und da gefiel ihr das kleine Weſen ſo gut, daß ſie gleich herab kam15 und fragte, ob ſie nicht feil waͤren? „ Nicht fuͤr Geld und Gut, aber fuͤr Fleiſch und Blut; laßt mich noch eine Nacht in der Kammer ſchlafen, wo der Prinz ſchlaͤft. “ Die Braut ſagte ja und wollte ſie betruͤgen, wie am vorigen Abend, als aber der Prinz zu Bett ging, fragte er ſeinen Kammerdiener, was das Murmeln und Rauſchen in der Nacht geweſen ſey. Da erzaͤhlte der Kam - merdiener alles, daß er ihm einen Schlaftrunk haͤtte geben muͤſſen, weil ein armes Maͤdchen heimlich in der Kammer geſchlafen haͤtte, und heute Nacht ſolle er ihm wieder einen geben. Sagte der Prinz: „ gieße den Trank neben das Bett aus, “und zur Nacht wurde ſie wieder hereingefuͤhrt, und als ſie anfing wieder zu erzaͤhlen, wie es ihr traurig ergangen waͤr’, da erkannt’ er gleich an der Stimme ſeine liebe Ge - mahlin, ſprang auf und ſprach: ſo bin ich erſt recht erloͤſt, mir iſt geweſen, wie in einem Traum, denn die Prinzeſſin hat mich bezaubert, daß ich dich vergeſſen mußte, aber Gott hat mir noch zu rechter Stunde geholfen. “ Da gingen ſie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloß, denn ſie fuͤrchteten ſich vor dem Vater der Prinzeſſin, der ein Zauberer war, und ſetzten ſich auf den Vogel Greif, der trug ſie uͤber das rothe Meer, und als ſie in der Mitte waren, ließ ſie die Nuß fallen. Alsbald wuchs ein großer Nußbaum, darauf ruhte ſich der Vogel und dann fuͤhrte er ſie nach16 Haus, wo ſie ihr Kind fanden, das war groß und ſchoͤn geworden, und ſie lebten von nun an ver - gnuͤgt bis an ihr Ende.
Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war ihr Gemahl ſchon lange Jahre geſtorben und ſie hatte eine ſchoͤne Tochter, wie die erwuchs, wurde ſie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigsſohn ver - ſprochen. Als nun die Zeit kam, wo ſie vermaͤhlt werden ſollten, und das Kind in das fremde Reich abreiſen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤſt - liches Geraͤth und Geſchmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem koͤniglichen Brautſchatz gehoͤrte, denn ſie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab ſie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern ſollte und jede bekam ein Pferd zur Reiſe, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada und konnte ſprechen. Wie nun die Abſchiedsſtunde da war, begab ſich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Meſſerlein und ſchnitt damit in ihre Finger, daß ſie bluteten; darauf hielt ſie ein weißes Laͤppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab ſie der Tochter und ſprach: „ liebes Kind verwahr ſie wohl, ſie werden dir unterweges Noth thun. “
Alſo17Alſo nahmen beide von einander betruͤbten Abſchied, das Laͤppchen ſteckte die Koͤnigstochter in ihren Buſen vor ſich, ſetzte ſich auf’s Pferd und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da ſie eine Stunde geritten waren, empfand ſie heißen Durſt und rief ihrer Kammerjungfer: ſteig ab und ſchoͤpfe mir mit meinem Becher, den du auf - zuheben haſt, Waſſer aus dem Bach, ich moͤchte gern einmal trinken. „ Ei, wenn ihr Durſt habt, ſprach die Kammerjungfer, ſo ſteigt ſelber ab, legt euch an’s Waſſer und trinkt, ich mag eure Magd nicht ſeyn! “ Da ſtieg die Koͤnigstochter vor großem Durſt herunter, neigte ſich uͤber das Waͤſ - ſerlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da ſprach ſie: „ ach Gott! “da antworteten die drei Blutstropfen: „ wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerſpringen. “ Aber die Koͤnigs - braut war gar demuͤthig, ſagte nichts und ſtieg wieder zu Pferd. So ritten ſie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne ſtach und ſie durſtete bald von neuem; da ſie nun an einen Waſſerfluß kamen, rief ſie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „ ſteig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken! “denn ſie hatte aller boͤſen Worte laͤngſt vergeſſen. Die Kammerjungfer ſprach aber noch hochmuͤthiger: wollt’ ihr trinken, ſo trinkt allein, ich mag nicht eure Magd ſeyn. “ Da ſtieg die KoͤnigstochterKindermärchen. II. B18hernieder vor großem Durſt und legte ſich uͤber das fließende Waſſer, weinte und ſprach: „ ach Gott! “und die Blutstropfen antworteten wie - derum: „ wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerſpringen! “ Und wie ſie ſo trank und ſich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Buſen, und floß mit dem Waſſer fort, ohne daß ſie es in ihrer großen Angſt merkte. Die Kammerfrau hatte aber zugeſehen und freute ſich, daß ſie Macht uͤber die Braut bekaͤme, denn damit, daß dieſe die Blutstropfen verloren hatte, war ſie ſchwach geworden. Als ſie nun wieder auf ihr Pferd ſteigen wollte, das da hieß Falada, ſagte die Kammerfrau: „ auf Falada gehoͤr’ ich und auf meinen Gaul gehoͤrſt du “und das mußte ſie ſich gefallen laſſen, außerdem hieß ſie die Kammerfrau auch noch die koͤniglichen Kleider ausziehen und ihre ſchlechten anlegen, und endlich mußte ſie ſich unter freiem Himmel verſchwoͤren, daß ſie am koͤniglichen Hof keinem Menſchen nichts davon ſprechen wollte, und wenn ſie dieſen Eid nicht abgelegt haͤtte, waͤre ſie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada ſah das alles an und nahm’s wohl in Acht.
Die Kammerfrau ſtieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das ſchlechte Roß, und ſo zogen ſie weiter, bis ſie endlich in dem koͤniglichen Schloß eintrafen, da war große Freude uͤber ihre19 Ankunft, und der Koͤnigsſohn ſprang ihnen ent - gegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, ſie waͤre ſeine Gemahlin und ſie wurde die Treppe hinaufgefuͤhrt, die wahre Koͤnigstoch - ter aber mußte unten ſtehen bleiben. Da ſchaute der alte Koͤnig am Fenſter und ſah ſie im Hofe halten, nun war ſie fein und zart und ſehr ſchoͤn, ging hin ins koͤnigliche Gemach und fragte die Braut nach der, die ſie bei ſich haͤtte und da un - ten im Hofe ſtaͤnde, und wer ſie waͤre? „ ei, die hab’ ich mir unterwegs mitgenommen zur Geſell - ſchaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß ſie nicht muͤßig ſteht. “ Aber der alte Koͤnig hatte keine Arbeit fuͤr ſie und wußte nichts, als daß er ſagte: „ da hab’ ich ſo einen kleinen Jungen, der huͤtet die Gaͤnſe, dem mag ſie helfen! “ Der Junge hieß Kuͤrdchen, (Conraͤdchen) dem mußte die wahre Braut helfen Gaͤnſe huͤten.
Bald aber ſprach die falſche Braut zu dem jungen Koͤnig: liebſter Gemahl, ich bitte euch, thut mir einen Gefallen! “ Er antwortete: „ das will ich gerne thun. “ „ Nun ſo laßt mir den Schinder rufen und da dem Pferd, worauf ich her geritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geaͤrgert hat; “eigentlich aber fuͤrch - tete ſie ſich, daß das Pferd ſprechen moͤchte, wie ſie mit der Koͤnigstochter umgegangen waͤre. Nun war das ſo weit gerathen, daß es geſchehen und der treue Falada ſterben ſollte, da kam es auchB 220der rechten Koͤnigstochter zu Ohr und ſie verſprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das ſie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienſt erwieſe. In der Stadt war ein großes, finſteres Thor, wo ſie Abends und Morgens mit den Gaͤnſen durch mußte, „ unter das finſtere Thor moͤchte er dem Falada ſeinen Kopf hinna - geln, daß ſie ihn doch noch als einmal ſehen koͤnnte. “ Alſo verſprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finſtere Thor feſt.
Des Morgens fruͤh, als ſie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben, ſprach ſie im Vor - beigehen:
da antwortete der Kopf:
da zog ſie ſtill weiter zur Stadt hinaus und ſie trieben die Gaͤnſe auf’s Feld. Und wenn ſie auf der Wieſe angekommen war, ſaß ſie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kuͤrdchen ſah ſie und freute ſich, wie ſie glaͤnzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da ſprach ſie:21
und da kam ein ſo ſtarker Wind, daß er dem Kuͤrdchen ſein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war ſie mit dem Kaͤmmen und Aufſetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen boͤs und ſprach nicht mit ihr, und ſo huͤteten ſie die[Gaͤnſe] bis daß es Abend wurde, dann fuhren ſie nach Haus.
Den andern Morgen, wie ſie unter dem fin - ſtern Thor hinaustrieben, ſprach die Jungfrau:
es antwortete:
und in dem Feld ſetzte ſie ſich wieder auf die Wieſe und fing an ihr Haar auszukaͤmmen, und Kuͤrdchen lief und wollte darnach greifen, da ſprach ſie ſchnell:
da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte ſie laͤngſt ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwiſchen, und ſie huͤteten die Gaͤnſe bis es Abend wurde.
Abends aber, nachdem ſie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und ſagte: mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnſe huͤten. “ Warum denn? ſprach der alte Koͤnig. „ Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag. “ Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da ſagte Kuͤrdchen: „ des Morgens wenn wir unter dem finſtern Thor mit der Heerde durchkommen, ſo iſt da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet ſie:
da antwortet der Kopf:
und ſo erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswieſe geſchaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte.
Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤch - ſten Tag wieder hinaus zu treiben, und er ſelbſt,23 wie es Morgens war, ſetzte ſich hinter das fin - ſtere Thor und hoͤrte da, wie ſie mit dem Haupt des Falada ſprach; und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg ſich in einem Buſch auf der Wieſe. Da ſah er nun bald mit ſeinen eigenen Augen, wie die Gaͤnſemagd und der Gaͤn - ſejung die Heerde getrieben brachten und nach ei - ner Weile ſie ſich ſetzte und ihre Haare losflocht, die ſtrahlten von Glanz. Gleich ſprach ſie wieder:
da kam ein Windſtoß und fuhr mit Kuͤrdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kaͤmmte und flocht ihre Locken ſtill fort, welches der alte Koͤnig alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zuruͤck und als Abends die Gaͤnſemagd heim kam, rief er ſie bei Seite und fragte: warum ſie dem allem ſo thaͤte? „ das darf ich euch und keinem Menſchen nicht ſagen, denn ſo hab’ ich mich unter freiem Himmel verſchwo - ren, weil ich ſonſt um mein Leben waͤre gekom - men. “ Er aber drang in ſie und ließ ihr keinen Frieden, „ willſt du mir’s nicht erzaͤhlen, “ſagte der alte Koͤnig endlich, „ ſo darfſt du’s doch dem Kachelofen erzaͤhlen. “ „ Ja, das will ich wohl “antwortete ſie. Damit mußte ſie in den Ofen24 kriechen und ſchuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie ſie von der boͤſen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte Koͤnig zu und vernahm ihr Schickſal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Koͤnigskleider wur - den ihr alsbald angethan und es ſchien ein Wun - der, wie ſie ſo ſchoͤn war; der alte Koͤnig rief ſei - nen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falſche Braut haͤtte, die waͤre ein bloßes Kammermaͤd - chen, die wahre aber ſtaͤnde hier, als die geweſene Gaͤnſemagd. Der junge Koͤnig aber war herzens - froh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angeſtellt, zu dem alle Leute und gute Freunde gebeten wurden, obenan ſaß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und er - kannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck. Als ſie nun gegeſſen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kam - merfrau ein Raͤthſel auf: was eine ſolche werth waͤre, die den Herrn ſo und ſo betrogen haͤtte, erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf und fragte: „ welches Urtheils iſt dieſe wuͤrdig? “ Da ſprach die falſche Braut: „ die iſt nichts beſſers werth, als ſplinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit ſpitzen Naͤgeln beſchlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor geſpannt muͤſſen ſie25 Gaß auf Gaß ab zu Tode ſchleifen! “ „ Das biſt du, ſprach der alte Koͤnig, und dein eigen Urtheil haſt du gefunden und darnach ſoll dir widerfah - ren, “welches auch vollzogen wurde; der junge Koͤnig vermaͤhlte ſich aber mit ſeiner rechten Ge - mahlin und beide regirten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.
Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war ſo groß wie ein Daumen und ward gar nicht groͤ - ßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pfluͤgen, da ſagte der kleine: „ Vater, ich will mit hinaus. “ „ Nein, ſprach der Vater, bleib du nur hier, draußen biſt du zu nichts nutz, du koͤnnteſt mir auch verloren gehen. “ Da fing der Daͤum - ling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, mußt’ er ihn mitnehmen. Alſo ſteckte er ihn in die Taſche und auf dem Felde that er ihn heraus und ſetzte ihn in eine friſche Furche. Wie er da ſo ſaß, kam uͤber den Berg ein großer Rieſe daher. „ Siehſt du dort den großen Butzemann, ſagte der Vater und wollte den Kleinen ſchrecken, damit er artig waͤre, der kommt und holt dich. “ Der Rieſe aber hatte lange Beine, und wie er26 noch ein Paar Schritte gethan, da war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus und ging mit ihm fort. Der Vater ſtand dabei, konnte vor Schreck kein Wort ſprechen und glaubte, ſein Kind waͤre nun verloren alſo, daß er’s ſein lebtag nicht wieder ſehen wuͤrde.
Der Rieſe aber nahm es mit ſich und ließ es an ſeiner Bruſt ſaugen und der Daͤumling wuchs und ward groß und ſtark nach Rieſen-Art und als zwei Jahre herum waren, ging der Alte mit ihm in den Wald und wollt’ ihn verſuchen und ſprach: „ zieh dir da eine Gerte heraus. “ Da war der Knabe ſchon ſo ſtark, daß er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß. Der Rieſe aber dachte, das muß beſſer kommen und nahm ihn wieder mit, ſaͤugte ihn noch zwei Jahre und als er ihn da in den Wald fuͤhrte, ſich zu verſuchen, riß er ſchon einen viel groͤßeren Baum heraus. Das war aber dem Rieſen noch nicht genug und er ſaͤugte ihn noch zwei Jahre, ging dann mit ihm in den Wald und ſprach: „ nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus. “ Da riß der Junge den dickſten Eichenbaum aus der Erde, daß es krachte und war ihm nur ein Spaß. Wie der alte Rieſe das ſah, ſprach er, nun iſt’s gut, du haſt ausgelernt, und fuͤhrte ihn zuruͤck zu dem Acker, wo er ihn geholt hatte. Sein Vater pfluͤgte gerade wieder, da ging der junge Rieſe auf ihn zu und ſprach: „ ſieht er27 wohl, Vater, wie’s gekommen iſt, ich bin ſein Sohn. “ Da erſchrak der Bauer und ſagte: „ nein, du biſt mein Sohn nicht, geh’ weg von mir. “ „ Freilich bin ich ſein Sohn, laß er mich einmal pfluͤgen, ich kann’s ſo gut, wie er auch. “— „ Nein, du biſt mein Sohn nicht, du kannſt auch nicht pfluͤgen, geh’ nur weg von mir. “ Weil er ſich aber vor dem großen Mann fuͤrchtete, ließ er den Pflug los, ging weg und ſetzte ſich zur Seite an’s Land. Da nahm der Junge das Ge - ſchirr und wollte pfluͤgen, aber er druͤckte blos mit der einen Hand ſo gewaltig darauf, daß der Pflug tief in die Erde ging. Der Bauer konnte das nicht mit anſehen und rief ihm zu: wenn du pfluͤ - gen willſt, mußt du nicht ſo gewaltig druͤcken, das Land wird nicht ordentlich. Der Junge aber ſpannte die Pferde aus, und ſpannte ſich ſelber vor den Pflug und ſagte: „ geh’ er nur nach Haus, Vater, und ſag’ er der Mutter, ſie ſollt’ eine rechte Schuͤſſel voll zu eſſen kochen; ich will der - weil den Acker ſchon herumreißen. “ Da ging der Bauer heim und beſtellte es bei ſeiner Frau und die kochte eine tuͤchtige Schuͤſſel voll, der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds ganz allein, und dann ſpannte er ſich auch ſelber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zu - gleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte ſie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf,28 und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie einen Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, kannte ihn ſeine Mutter nicht und fragte: „ wer iſt der entſetzliche große Mann? “der Bauer ſagte: „ das iſt unſer Sohn. “ Sie ſprach: „ nein, unſer Sohn iſt das nimmer - mehr, ſo groß haben wir keinen gehabt, unſer war ein kleines Ding: geh’ nur weg, wir wollen dich nicht. “ Der Junge aber ſchwieg ſtill, zog ſeine Pferde in den Stall, gab ihnen Haber und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, ſetzte ſich auf die Bank und ſagte: „ Mutter, nun haͤtt’ ich Luſt zu eſſen, iſt’s bald fertig? “da ſagte ſie ja, ge - traute ſich nicht, ihm zu widerſprechen und brachte zwei große, große Schuͤſſeln voll herein, daran haͤtten ſie und ihr Mann acht Tage ſatt gehabt. Er aber aß ſie allein auf und fragte, ob ſie nicht mehr haͤtten? „ Nein, ſagte ſie, das iſt alles, was wir haben. “ „ Das war ja nur zum ſchmecken, ich muß noch mehr haben. “ Da ging ſie hin und ſetzte einen großen Schweinekeſſel voll uͤber’s Feuer und wie es gahr war, trug ſie es herein. „ Nun, da iſt noch ein Bischen, ſagte er, und aß das alles noch hinein: es war aber doch nicht ge - nug. Da ſprach er: „ Vater, ich ſeh’ wohl, bei ihm werd’ ich nicht ſatt, will er mir einen Stab von Eiſen verſchaffen, der ſtark iſt, daß ich ihn vor meinen Knien nicht zerbrechen kann, ſo will29 ich wieder fort gehen. “ Da war der Bauer froh und ſpannte ſeine zwei Pferde vor den Wagen, fuhr zum Schmid und holte einen Stab ſo groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratſch! zerbrach er ihn wie eine Boh - nenſtange in der Mitte entzwei. Der Vater ſpannte da vier Pferde vor und holte einen Stab ſo groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und ſprach: „ Vater, der kann mir nicht helfen, er muß beſ - ſer vorſpannen und einen ſtaͤrkern Stab holen. “ Da ſpannte der Vater acht Pferde vor und holte einen ſo groß und dick, als ihn die acht Pferde nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte, brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab und ſagte: „ Vater, ich ſehe, er kann mir doch keinen Stab anſchaffen, ich will nur ſo weggehen. “
Da ging er fort und gab ſich fuͤr einen Schmiedegeſellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitz - mann, goͤnnte keinem Menſchen etwas und wollte alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede und fragte ihn, ob er keinen Geſellen brauche. „ Ja, ſagte der Schmied und ſah ihn an und dachte, das iſt ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorſchla - gen und ſein Brot verdienen: „ wie viel willſt du Lohn haben? “ „ Gar keinen Lohn will ich haben,30 ſagte er, nur alle 14 Tage, wenn die andern Ge - ſellen ihren bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten. “ Das war der Geitzmann von Herzen zufrieden und dachte damit viel Geld zu ſparen. Am andern Morgen ſollte der fremde Geſell’ zuerſt vorſchla - gen, wie aber der Meiſter den gluͤhenden Stab bringt und er den erſten Schlag thut, da fliegt das Eiſen von einander und der Ambos ſinkt in die Erde, ſo tief, daß ſie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten. Da ward der Geitzmann boͤs und ſagte: „ ei was, dich kann ich nicht brau - chen, du ſchlaͤgſt gar zu grob, was willſt du fuͤr den einen Zuſchlag haben? “ Da ſprach er: ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts. “ Und hob ſeinen Fuß auf und gab ihm einen Tritt, daß er uͤber vier Fuder Heu hinausflog. Darauf nahm er den dickſten Eiſen - ſtab aus der Schmiede als einen Stock in die Hand und ging weiter.
Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Amt und fragte den Amtmann, ob er kei - nen Großknecht noͤthig haͤtte. Ja, ſagte der Amtmann, er koͤnnte einen brauchen, er ſehe aus wie ein tuͤchtiger Kerl, der ſchon was vermoͤchte, wie viel er Jahrslohn haben wollte. Da ſprach er wieder, er wollt’ gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollt’ er ihm drei Streiche geben, die muͤßte er aushalten. Das war der Amtmann31 zufrieden, denn er war auch ſo ein Geitzhals. Am andern Morgen, da ſollten die Knechte ins Holz fahren und die andern waren ſchon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an: „ nun ſteh auf, es iſt Zeit, wir wollen in’s Holz, du mußt mit. “ „ Ach, ſagte er ganz grob und trotzig, geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle miteinander. “ Da gingen die andern zum Amtmann und erzaͤhlten ihm, der Großknecht laͤge noch im Bett und wollte nicht mit in’s Holz fahren. Der Amtmann ſagte, ſie ſollten ihn noch einmal wecken und ihn heißen die Pferde vorſpannen. Der Großknecht ſprach aber wie vorher: „ geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle miteinander. “ Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da ſtieg er endlich aus den Federn, holte ſich aber erſt zwei Scheffel voll Erbſen vom Boden, kochte ſie und aß ſie in guter Ruhe, und wie das alles geſche - hen war, ging er hin, ſpannte die Pferde vor und fuhr in’s Holz. Bald vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte, da fuhr er den Wagen erſt vorwaͤrts, dann mußten die Pferde ſtille halten und er ging hinter den Wagen und nahm Baͤume und Reiſig und machte da eine große Hucke (Verhack), ſo daß kein Pferd durch - kommen konnte. Wie er nun vor’s Holz kam, fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wa - gen heraus und wollten heim, da ſprach er zu32 ihnen: „ fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus. “ Er fuhr aber nur ein Bischen ins Holz und riß gleich zwei von den allergroͤßten Baͤumen aus der Erde, die lud er auf den Wa - gen und drehte um. Wie er vor die Hucke kam, ſtanden die andern noch da und konnten nicht durch, da ſprach er: „ ſeht ihr wohl, waͤrt ihr bei mir geblieben, waͤrt ihr eben ſo gerade nach Haus gekommen und haͤttet noch eine Stunde ſchlafen koͤnnen. “ Er wollte nun zufahren, aber ſeine vier Pferde, die konnten ſich nicht durchar - beiten, da ſpannte er ſie aus, legte ſie oben auf den Wagen, ſpannte ſich ſelber vor, huͤf! zog er alles durch und das ging ſo leicht, als haͤtt’ er Federn geladen. Wie er druͤben war, ſprach er zu den andern: „ ſeht ihr wohl, ich bin eher durch - gekommen als ihr “und fuhr fort und die andern mußten ſtehen bleiben. In dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand und zeigte ihn dem Amtmann, und ſagte: „ iſt das nicht ein ſchoͤnes Klafterſtuͤck? “ Da ſprach der Amtmann zu ſeiner Frau: „ der Knecht iſt gut, wenn er auch lang ſchlaͤft, er iſt doch eher wieder da, als die andern. “
Nun diente er dem Amtmann ein Jahr; wie das herum war und die andern Knechte ihren Lohn kriegten, ſprach er, nun waͤr’s Zeit, er wollte auch gern ſeinen Lohn ſich nehmen. Dem Amtmann ward aber Angſt dabei, daß er die Streiche krie - gen ſollte und bat ihn gar zu ſehr, er moͤchte ſieihm33ihm ſchenken, lieber wollte er ſelbſt Großknecht werden und er ſollte Amtmann ſeyn. „ Nein, ſprach er, ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht und will’s bleiben, ich will aber austheilen, was bedungen iſt. “ Der Amtmann wollt’ ihm geben, was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht ſprach zu allem nein. Da wußte ſich der Amtmann keinen Rath und bat ihn nur um 14 Tage Friſt, er wollte ſich auf etwas beſinnen; da ſprach der Großknecht, die ſollt’ er haben. Der Amtmann berief alle ſeine Schreiber zuſammen, die ſollten ſich beden - ken und ihm einen Rath geben, die beſannen ſich lange, endlich ſagten ſie, man muͤßte den Groß - knecht um’s Leben bringen; er ſollte große Muͤhl - ſteine um den Brunnen im Hof anfahren laſſen und dann ihn heißen hinabſteigen und den Brun - nen rein machen, und wenn er unten waͤre, woll - ten ſie ihm die Muͤhlſteine auf den Kopf werfen. Der Rath gefiel dem Amtmann und da ward alles eingerichtet und wurden die groͤßten Muͤhl - ſteine herangefahren. Wie nun der Großknecht im Brunnen ſtand, rollten ſie die Steine hinab, und die ſchlugen hinunter, daß das Waſſer in die Hoͤh’ ſpruͤtzte. Da meinten ſie gewiß, der Kopf waͤr’ ihm eingeſchlagen, aber er rief: „ jagt doch die Huͤhner vom Brunnen weg, die kratzen da - oben im Sand und werfen mir die Koͤrner in die Augen, daß ich nicht ſehen kann. “ Da rief derKindermaͤhrchen II. C34Amtmann: bſch! bſch! und that als ſcheuchte er die Huͤhner weg. Wie nun der Großknecht fer - tig war, ſtieg er herauf und ſagte: „ ſeht einmal, ich hab’ doch ein ſchoͤn Halsband um, “da waren es die Muͤhlenſteine, die trug er um den Hals. Wie der Amtmann das ſah, ward ihm wieder Angſt, denn der Großknecht wollt’ ihm nun ſeinen Lohn geben; da bat er wieder um 14 Tage Be - denkzeit und ließ die Schreiber zuſammen kom - men, die gaben endlich den Rath, er ſollt’ ihn in die verwuͤnſchte Muͤhle ſchicken, und ihn heißen, dort in der Nacht noch Korn malen, da ſey noch kein Menſch lebendig Morgens heraus - gegangen. Der Anſchlag gefiel dem Amtmann; alſo rief er ihn noch denſelben Abend, und ſagte, er ſollte acht Malter Korn in die Muͤhle fahren und in der Nacht noch malen, ſie haͤttens noͤthig. Da ging der Großknecht auf den Boden und that zwei Malter in ſeine rechte Taſche, zwei in die linke, vier nahm er in einem Querſack halb auf den Ruͤcken, halb auf die Bruſt und ging ſo nach der verwuͤnſchten Muͤhle. Der Muͤller aber ſagte ihm, bei Tag koͤnnt’ er recht gut da mahlen, aber nicht in der Nacht, da ſey die Muͤhle verwuͤnſcht, und wer da noch hineingegangen, der ſey am Morgen todt darin gefunden worden. Er ſprach: „ ich will ſchon durchkommen, macht euch nur fort und legt euch auf’s Ohr. “ Darauf ging er in die Muͤhle und ſchuͤttete das Korn auf und wie’s bald35 elf ſchlagen wollte, ging er in die Muͤllerſtube und ſetzte ſich auf die Bank. Als er ein bischen da geſeſſen hatte, that ſich auf einmal die Thuͤr auf und kam eine große, große Tafel herein, und auf die Tafel ſtellte ſich Wein und Braten und viel gutes Eſſen, alles von ſelber, denn es war niemand da der’s auftrug. Und darnach ruͤckten ſich die Stuͤhle herbei, aber es kamen keine Leute, bis auf einmal ſah er Finger, die handthierten mit den Meſſern und Gabeln und legten Speiſen auf die Teller, aber ſonſt konnt’ er nichts ſehen. Nun war er hungrig und ſah die Speiſen, da ſetzte er ſich auch an die Tafel und aß mit und ließ ſich’s gut ſchmecken. Wie er aber ſatt war und die andern ihre Schuͤſſeln auch ganz leer gemacht hat - ten, da wurden die Lichter auf einmal alle ausge - putzt, das hoͤrte er deutlich, und wie’s nun ſtock - finſter war, ſo kriegte er ſo etwas wie eine Ohr - feige in’s Geſicht; da ſprach er: „ wenn noch ein - mal ſo etwas kommt, ſo theil’ ich auch wieder aus; “und wie er zum zweiten Mal eine krieg - te, da ſchlug er gleichfalls mit hinein. Und ſo ging das fort die ganze Nacht, er ließ ſich nicht ſchrecken, und ſchlug nicht faul um ſich herum; bei Tagesanbruch aber hoͤrte alles auf. Wie der Muͤller aufgeſtanden war, wollt’ er nach ihm ſehen und verwunderte ſich, daß er noch lebte. Da ſprach er: „ ich habe Ohrfeigen gekriegt, aber ich habe auch Ohrfeigen ausgetheilt und mich ſattC 236gegeſſen. “ Der Muͤller freute ſich und ſagte, nun waͤre die Muͤhle erloͤſt und er wollt’ ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er ſprach aber: „ Geld will ich nicht, ich habe doch genug. “ Dann nahm er ſein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach Haus und ſagte dem Amtmann, er habe die Sache ausgerichtet und wollte nun ſeinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da ward ihm erſt recht Angſt und er wußte ſich nicht zu laſſen und ging in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter - liefen. Da machte er das Fenſter auf nach ein wenig friſcher Luft, eh er ſich’s aber verſah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenſter in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr ſehen konnte. Da ſprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun muͤßte ſie den andern Streich hinnehmen, die ſagte aber: „ ach nein, ich kann’s nicht aus - halten “und machte auch ein Fenſter auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn’ herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß ſie auch hinausflog und noch viel hoͤher als ihr Mann; und der rief ihr zu: „ komm doch zu mir! “ſie aber rief: „ komm du doch zu mir, ich kann nicht zu dir; “und ſie ſchwebten da in der Luft und konnte keins zum andern, und ob ſie da noch ſchweben, das weiß ich nicht; der junge Rieſe aber nahm ſeine Eiſenſtange und ging weiter.
Et was mal en rik Kuͤnig weſt, de hadde drei Doͤchter had, de woͤren alle Dage in den Schlott-Goren ſpazeren gaan, un de Kuͤnig, dat was ſo en Lievhaber von allerhand wackeren Boͤ - men weſt; un einen, den hadde he ſo leiv had, dat he denjenigen, de uͤnne en Appel dervon pluͤckede, hunnerd Klafter unner de Eere verwuͤn - ſchede. As et nu Herveſt war, da wurden de Appel an den einen Baume ſo raut, aſe Blaud. De drei Doͤchter gungen alle Dage unner den Baum un ſeken to, ov nig de Wind ’n Appel herunner ſchlagen haͤdde, awerſt ſe fannen ir levedage kienen, un de Baum, de ſatt ſo vull, dat he brecken wull, un de Telgen (Zweige) hun - gen bis up de Eere. Da geluſtede den jungeſten Kuͤnigskinne gewaldig, un et ſegde to ſinen Suͤ - ſtern: „ uſe Teite (Vater), de hett us viel to leiv, aſe dat he us verwuͤnſchen deihe; ik gloͤve, dat he dat nur wegen de fruͤmden Lude dahen hat. “ Un indes pluͤcked dat Kind en gans dicken Appel af un ſprunk fur ſinen Suͤſtern und ſegde: „ a! nu ſchmecket mal, mine lewen Suͤſterkes, nu hew ik doch min levedage ſo wat ſchones no nig ſchmecket. “ Da beeten de beiden annern Kuͤ - nigsdoͤchter auch mal in den Appel, un da ver -38 ſuͤnken ſe alle drei deip, ſo deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krehete.
As et da Middag is, da willt ſe de Kuͤnig do Diſke roopen, do ſind ſe nirgens to finnen, he ſoͤket ſe ſo viel im Schlott un in Goren, awerſt he kun ſe nig finnen. Da werd he ſo bedroͤwet, un let dat ganſe Land upbeien (aufbieten), un wer uͤnne ſine Doͤchter wier brechte, de ſull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet ſo viele junge Lude uwer Feld, un ſoͤket, dat is gans ut der Wiſe (uͤber alle Maßen); denn jeder hadde de drei Kinner geren had, wiil ſe woͤren gegen je - dermann ſo fruͤndlig un ſo ſchoͤn von Angeſichte weſt. Und et togen auck drei Jaͤger-burſchen ut, un aſe da wol en acht Dage rieſet hadden, da kummet ſe up en grot Schlott, da woren ſo huͤb - ſche Stoben inne weſt, un in einer Zimmer is en Diſch decket, darup woͤren ſo ſoͤte Spiſen, de ſied noch ſo warme, dat ſe dampet, awerſt in den ganzen Schlott is kien Minſk to hoͤren noch to ſeihen. Da wartet ſe noch en halwen Dag, un de Spiſen bliewet immer un dampet, bis up et leſt, da weret ſe ſo hunerig, dat ſe ſik derbie ſettet un ettet un macket mit en anner ut, ſe wullen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wuͤllen daruͤmme looſen, dat eine in Huſe blev un de beiden annern de Dochter ſoͤketen; dat doet ſe auk, un dat Loos dreppet den oͤleſten. Den39 annern Dag, da gaet de twei juͤngeſten ſoͤken, un de oͤleſte mot to Huſe bliewen. Am Middage kuͤmmt der ſo en klein klein Maͤnneken un hoͤlt um ’n Stukesken Braud ane, da nuͤmmt he von dem Braude, wat he da funnen haͤdde un ſchnitt en Stuͤcke rund umme den Braud weg, un will uͤnne dat giewen, indes dat he et uͤnne reiket, lett et dat kleine Maͤnneken fallen un ſegd, he ſulle dok ſo gut ſin un giewen uͤn dat Stuͤcke wier. Da will he dat auck doen un bucket ſik, mit des nuͤmmt dat Maͤnneken en Stock un paͤckt uͤnne bie den Haaren un giwt uͤnne duͤchtige Schlaͤge. Den anneren Dag, da is de tweide to Hus blie - wen, den geit et nicks better; aſe de tweide da den Avend nah Hus kuͤmmet, da ſegd de oͤleſte: „ no, wie haͤtt et die dann gaen? “— „ o et geit mie gans ſchlechte. “ Da klaget ſe ſik enanner ehre Naud, awerſt den jungeſten hadden ſe nicks davonne ſagd, den hadden ſe gar nig lien (leiden) mogt und hadden uͤnne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den driden Dag, da blivt de jungeſte to Hus, da kuͤmmet dat kleine Maͤnneken wier un hoͤlt um en Stuͤckſken Braud an, da he uͤnne da giewen haͤtt, let he et wier fallen un ſegd, he moͤgte dock ſo gut ſien und reicken uͤnne dat Stuͤckſken wier. Da ſegd he to den kleinen Maͤnneken: „ wat! kannſt du dat Stuͤcke nig ſulwens wier up nummen, wenn du die de Moͤhe nig mal um dine40 daͤglige Narunge giewen wuſt, ſo biſt du auck nig werth, dat du et eteſt. “ Do word dat Maͤnneken ſo boͤs und ſehde, he moͤſt et doen; he awerſt nig fuhl, nam min lewe Maͤnneken un droſch et daet doͤr (tuͤchtig durch), da ſchrige dat Maͤnneken ſo viel un rep: „ hoͤr up, hoͤr up, nu lat mie geweren, dann will ik die auck ſeggen, wo de Kuͤnigsdoͤchter ſied; “wie he dat hoͤrde, haͤll he up to ſlaen un dat Maͤnneken vertelde, he woͤr en Erdmaͤnneken un ſulke woͤren mehr aſe duſend, he moͤgte man mit uͤnne gaen, dann wulle he uͤnne wieſen, wo de Kuͤnigsdoͤchter we - ren. Da wiſt he uͤnne en deipen Born, da is awerſt kien Water inne weſt, da ſegd dat Maͤnne - ken, he wuſte wohl, dat et ſine Geſellen nig ehr - lich mit uͤnne meinten, wenn he de Kuͤnigskin - ner erloͤſen wulle, dann moͤſte he et alleine doen. De beiden annern Broer wullen wohl auck geren de Kuͤnigsdoͤchter wier hewen, awerſt ſe wullen der kiene Moͤge un Gefahr umme doen, he moͤſte ſo en grauten Korv nuͤmmen, un moͤſte ſik mit finen Hirſchfaͤnger un en Schelle darinne ſetten un ſik herunner winnen laten, unnen da woͤren drei Zimmer, in jeden ſette ein Kuͤnigskind un haͤdde en Drachen mit villen koͤppen to luſen, den moͤſte he de Koͤppe afſchlagen. Aſe dat Erd - maͤnneken nun alle ſagd hadde, verſchwand et. Aſe’t Awend is, da kuͤmmet de beiden anneren un fraget, wie et uͤn goen haͤdde, da ſegd he:41 „ o, ſo wit gud “un haͤdde keinen Minſken ſehen, aſe des Middags, da wer ſo ein klein Maͤnneken kummen, de haͤdde uͤn umme en Stuͤckſken Braud biddit, do he et uͤnne giewen haͤdde, haͤdde dat Maͤnneken et fallen laten un haͤdde ſegd, he mog - tet uͤnne doch wier up nuͤmmen, wie he dat nig hadde doen wullt, da haͤdde he anfangen to pu - chen, dat haͤdde he awerſt unrecht verſtan un haͤdde dat Maͤnneken pruͤgelt, un da haͤdde et uͤnne ver - tellt, wo de Kuͤnigsdoͤchter waͤren. Da aͤrgerten ſik de beiden, ſo viel, dat ſe gehl un groͤn woͤren. Den anneren Morgen da gungen ſe to haupe an den Born un mackten Looſe, we ſik dat erſte in den Korv ſetten ſulle, do feel dat Loos wier den oͤlleſten to, he mot ſik darin ſetten un de Klin - get mitniemen, da ſegd he: „ wenn ik klingele, ſo mutt gi mik nur geſchwinne wier herupwin - nen. “ Aſe he en bitken herunner is, da klin - gelte wat, da winnen ſe uͤnne wier heruper, da ſett ſik de tweide herinne, de maket ewen ſau; nu kuͤmmet dann auck de Riege an den jungeſten, de laͤt ſik awerſt gans derinne runner winnen. Aſe he ut den Korwe ſtigen is, da nuͤmmet he ſinen Hirſchfaͤnger un geit vor der erſten Doer ſtaen un luſtert, da hort he den Drachen gans lute ſchnar - chen; he macket langſam de Doͤre oppen, da ſitt da de eine Kuͤnigsdochter un haͤd op eren Schot niegene (neun) Drachenkoͤppe ligen un luſet de. Da nuͤmmet he ſinen Hirſchfaͤnger un hogget to,42 do ſied de niegne Koppe awe. De Kuͤnigsdochter ſprank up un faͤl uͤnne um den Hals un drucket un piepete (kuͤßte) uͤnn ſo viel; un nuͤmmet ihr Bruſtſtuͤcke, dat wor von rauen Golle weſt, un henget uͤnne dat umme. Da geit he auck nach der tweiten Kuͤnigsdochter, de haͤd en Drachen mit ſieven Koͤppe to luſen un erloͤſet de auck, ſo de jungeſte, de hadde en Drachen mit viere Koͤp - pen to luſen had, da geit he auck hinne. Do fro - get ſe ſich alle ſo viel, un drucke’n un piepete’n ohne uphoͤren. Da klingelte he ſau harde, bis dat ſe oͤwen hoͤrt. Da ſet he de Kuͤnigsdochter ein nach der annern in den Korv un let ſe alle drei heruptrecken, wie nu an uͤnne de Riege kuͤmmt, da fallet uͤn de Woore (Worte) von den Erdmaͤn - neken wier bie, dat et ſine Geſellen mit uͤnne nig gud meinden. Da nuͤmmet he en groten Stein, de da ligt, un laͤgt uͤn in den Korv, aſe de Korv da ungefaͤr bis in de Midde herup is, ſchnien de falſken Broer owen de Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund fuͤll un meinten, he woͤre nu daude un laupet mit de drei Kuͤnigsdoͤch - ter wege un latet ſik dervan verſpreken, dat ſe an ehren vater ſeggen willt, dat ſe beiden ſe erloͤ - ſet haͤdden; da kuͤmmet ſe to Kuͤnig un begert ſe tor Frugen. Unnerdes geit de jungeſte Jaͤgerbur - ſche gans bedroͤwet in den drei Kammern herum - mer un denket, dat he nu wull ſterwen moͤſte, da ſuͤht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen, da43 ſegd he: „ woumme hengeſt du da wull, hier kann ja doch keiner luſtig ſin. “ He bekucket auck de Drachenkoͤppe un ſegd: „ ju kummt mie nu auck nig helpen; “he geit ſo mannigmal up un af ſpatzeren, dat de Erdboden davon glat werd. Up et leſt, da krieht he annere Gedanken, da nuͤm - met he de Floͤtenpipen van der Wand un bleſt en Stuͤckſken, up eenmahl kummet da ſo viele Erd - maͤnnekes, bie jeden Ton den he daͤht, kummt eint mehr; da bleſt he ſo lange dat Stuͤckſken, bis det Zimmer ſtopte-vull is. De vraget alle, wat ſin Begeren woͤre, da ſegd he, he wull geren wier up de Ere an Dages Licht, da fatten ſe uͤnne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up ſinen Koppe hadde, un ſau fleigen ſe mit uͤnne herupper bis up de Ere. Wie he owen is, geit he glick nach den Kuͤnigs-Schlott, wo grade de Hochtit mit der einen Kuͤnigs-Dochter ſin ſulle, he geit up den Zimmer, wo de Kuͤnig mit ſinen drei Doͤchtern is. Wie uͤnne da de Kinner ſeihet, da wered ſe gans beſchwaͤhmt (ohnmaͤchtig), da werd de Kuͤnig ſo boͤſe un laͤt uͤnne glick in een Gefaͤngniße ſetten, wiel he meint, he haͤdde den Kinnern en Leid anne daen. Aſe awer de Kuͤ - nigsdoͤchter wier to ſik kummt, da biddet ſe ſo viel, he mogte uͤnne doch wier loſe laten. De Kuͤnig fraget ſe, woruͤmme, da ſegd ſe, dat ſe dat nig vertellen dorften, awerſt de Vaer de ſegd, ſe ſul - len et den Owen (Ofen) vertellen. Da geit he44 herut un luſtert an de Doͤre, un hoͤrt alles; da laͤt he de beiden an en Galgen haͤngen un den einen givt he de jungeſte Dochter; un da trok ik en paar glaͤſerne Schohe an, und da ſtott ik an en Stein, da ſegd et; klink! da waͤren ſe caput.
Ein Kaufmann, der hatte zwei Kinder, einen Buben und ein Maͤdchen, die waren beide noch klein und konnten noch nicht laufen. Es gingen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meer, und ſein ganzes Vermoͤgen war darin, und wie er meinte, dadurch viel Geld zu gewinnen, kam die Nachricht, ſie waͤren verſun - ken. Da war er nun ſtatt eines reichen Mannes ein armer Mann und hatte nichts mehr uͤbrig, als einen Acker vor der Stadt; um ſich nun ſein Ungluͤck ein bischen aus den Gedanken zu ſchla - gen, ging er dahinaus. Und wie er da ſo auf und abging, ſtand auf einmal ein kleines ſchwar - zes Maͤnnchen neben ihm und fragte, warum er ſo traurig waͤre und was er ſich ſo ſehr zu Herzen naͤhme. Da ſprach der Kaufmann: „ wenn du mir helfen koͤnnteſt, wollt’ ich dir es wohl ſagen. “— Wer weiß, ſagte das ſchwarze Maͤnnchen, ſag’ mir’s nur, vielleicht helf’ ich dir. “ Da erzaͤhlte45 der Kaufmann, daß ihm ſein ganzer Reichthum auf dem Meer zu Grunde gegangen waͤre und habe er nichts mehr uͤbrig, als dieſen Acker. „ O! da bekuͤmmere dich nicht, ſagte das Maͤnnchen, wenn du mir verſprichſt, das, was dir zu Haus am erſten widers Bein ſtoͤßt, in zwoͤlf Jahren hierher auf den Platz zu bringen, ſollſt du Geld haben ſo viel du willſt. “ Der Kaufmann dachte, das iſt ein geringes, was kann das anders ſeyn, als dein Hund, aber an ſeinen kleinen Jungen dachte er nicht, und ſagte ja und gab dem ſchwar - zen Mann Handſchrift und Siegel daruͤber und ging nach Haus.
Als er nach Haus kam, da hatte ſich ſein kleiner Junge ſo gefreut, daß er ſich an den Baͤnken hielt, zu ihm hinwackelte und ihn an den Beinen feſt packte. Da erſchrack der Vater und wußte nun was er verſchrieben hatte, weil er aber immer noch kein Geld ſah, dachte er, es waͤr’ nur ein Spaß von dem Maͤnnchen geweſen. Ohngefaͤhr einen Mo - nat nachher ging er auf den Boden und wollte das alte Zinn zuſammenſuchen und verkaufen, um noch etwas daraus zu loͤſen, da ſah er einen gro - ßen Haufen Geld liegen. Wie er das Geld ſah, war er vergnuͤgt, kaufte wieder ein, ward ein groͤßerer Kaufmann, als vorher, und ließ Gott einen guten Mann ſeyn. Unterdeſſen ward der Junge groß und ein geſcheidter Menſch. Je mehr aber die zwoͤlf Jahre herbeikamen, je aͤngſter es46 dem Kaufmann ward, ſo daß man ihm die Angſt im Geſicht ſehen konnte. Da fragte ihn der Sohn einmal, was ihm fehle; der Vater wollt’ es nicht ſagen, aber er hielt ſo lange an, bis er ihm endlich ſagte, er habe ihn ohne daß er es ge - wußt, einem ſchwarzen Maͤnnchen verſprochen fuͤr vieles Geld und habe ſeine Handſchrift mit Siegel daruͤber gegeben, und nun muͤſſe er ihn, wenn zwoͤlf Jahre jetzt herum waͤren, ausliefern. Da ſprach der Sohn: „ o Vater, laßt euch nicht bang ſeyn, das ſoll ſchon gut werden, der Schwarze hat keine Macht uͤber mich. “
Da ließ ſich der Sohn von dem Geiſtlichen ſegnen und als die Stunde kam, gingen ſie zu - ſammen hinaus auf den Acker und der Sohn machte einen Kreis und ſtellte ſich mit ſeinem Va - ter hinein. Da kam das ſchwarze Maͤnnchen und ſprach zu dem Alten: „ haſt du, was du mir verſprochen haſt? “der ſchwieg aber ſtill und der Sohn ſprach: „ was willſt du hier? “ Da ſagte das ſchwarze Maͤnnchen: „ ich habe mit deinem Vater zu ſprechen und nicht mit dir. “— Der Sohn ſprach: „ Du haſt meinen Vater betrogen und verfuͤhrt, gib die Handſchrift heraus. “— „ Nein, ſagte das ſchwarze Maͤnnchen, mein Recht geb ich nicht auf. “ Da redeten ſie noch lange miteinander, endlich wurden ſie einig, der Sohn, weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr ſeinem Vater zugehoͤre, ſolle ſich in ein Schiffchen47 ſetzen, das auf einem hinabwaͤrts fließenden Waſ - ſer ſtehe, und der Vater ſolle es mit ſeinem eige - nen Fuß fortſtoßen und da ſolle der Sohn dem Waſſer uͤberlaſſen bleiben. Da nahm er Abſchied von ſeinem Vater und ſetzte ſich in ein Schiffchen und der Vater mußte es mit ſeinem eigenen Fuß fortſtoßen. Und das Schiffchen drehte ſich her - um, daß der unterſte Theil oben war, die Decke aber im Waſſer, und der Vater glaubte, er waͤr’ verloren, ging heim und trauerte um ihn.
Das Schiffchen aber floß ganz ruhig fort und ging nicht unter und der Juͤngling ſaß ſicher dar - in, und ſo floß es lange, bis es endlich an einem unbekannten Ufer feſtſitzen blieb. Da ſtieg er an’s Land, ſah ein ſchoͤnes Schloß vor ſich liegen und ging drauf los, wie er aber hineintrat, war es verwuͤnſcht und alles leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnſchte Prinzeſſin, die freute ſich, wie ſie ihn ſah und ſprach zu ihm: „ kommſt du, mein Erloͤſer, auf dich habe ich ſchon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich iſt verwuͤnſcht, und du mußt es erloͤſen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, ſchwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machſt, da ſchweig aber ſtill und gib ihnen keine Antwort, und laß ſie mit dir machen, was ſie wollen; ſie werden dich quaͤlen, ſchlagen und ſtechen, laß alles geſchehen, nur rede nicht, um zwoͤlf Uhr48 muͤſſen ſie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr iſt ihre Macht vorbei und wenn du dann[ausgehalten] und kein Woͤrtchen geſprochen haſt, ſo bin ich erloͤſt und komme zu dir und ſtehe dir bei und habe das Waſſer des Lebens, damit beſtreich’ ich dich und dann biſt du wieder lebendig und geſund wie zu - vor. “ Da ſprach er: „ gern will ich dich erloͤſen, “und es geſchah nun alles ſo, wie ſie geſagt hatte: die ſchwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer ſchoͤnen Prinzeſſin, die kam mit dem Waſſer des Lebens und machte ihn wie - der lebendig. Und dann fiel ſie ihm um den Hals und kuͤßte ihn und ward Jubel und Freude im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde ge - halten und er war Koͤnig vom goldenen Berge.
Alſo lebten ſie vergnuͤgt zuſammen und die Koͤnigin gebar einen ſchoͤnen Prinzen und acht Jahre waren ſchon herum, da fiel ihm ſein Vater ein, daß ſein Herz davon bewegt ward und er wuͤnſchte ihn einmal heimzuſuchen. Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlaſſen und ſagte: „ ich weiß ſchon, daß das mein Ungluͤck iſt, “er ließ ihr aber keine Ruhe, bis ſie einwilligte. Beim Abſchied gab ſie ihm noch einen Wuͤnſchring undſprach:49ſprach: „ nimm dieſen Ring und ſteck’ ihn an dei - nen Finger, wo du dich hinwuͤnſcheſt, wirſt du alsbald hinverſetzt, nur mußt du mir verſprechen, daß du ihn nicht gebrauchſt, mich von hier weg zu deinem Vater zu wuͤnſchen. “ Da verſprach er’s, ſteckte den Ring an ſeinen Finger und wuͤnſchte ſich heim vor die Stadt, wo ſein Vater lebte. Alsbald war er auch davor, aber nicht darin; wie er nun vor’s Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlaſſen, weil er ſo ſeltſam und reich gekleidet war. Da ging er auf einen Berg, wo ein Schaͤfer huͤtete, mit dieſem tauſchte er die Kleider und zog den alten Schaͤferrock an und ging alſo ungeſtoͤrt in die Stadt ein. Als er zu ſeinem Vater kam, gab er ſich zu erkennen, der aber ſprach, er glaube nimmermehr, daß er ſein Sohn ſey, er haͤtte zwar einen gehabt, der ſey laͤngſt todt, weil er aber ſehe, daß er ein ar - mer, duͤrftiger Schaͤfer ſey, ſo wolle er ihm einen Teller voll zu eſſen geben. Da ſprach der Schaͤ - fer zu ſeinen Eltern: „ ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen koͤnnt’? “— „ Ja, ſagte die Mutter, unſer Sohn hatte eine Himbeer unter dem rechten Arm. “ Da ſtreifte er das Hemd von ſeinem Arm und da ſahen ſie die Himbeer und waren nun uͤberzeugt, daß es ihr Sohn war. Darauf erzaͤhlte er ihnen, er waͤre Koͤnig vom goldenen Berge und eine Prinzeſſin ſeine GemahlinKindermaͤhrchen II. D50und ſie haͤtten einen ſchoͤnen Prinzen von ſieben Jahren. Da ſprach der Vater: „ nun und nim - mermehr iſt das wahr, das iſt ein ſchoͤner Koͤnig, der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht. “ Da ward er zornig, drehte ſeinen Ring herum, ohne an ſein Verſprechen zu denken und wuͤnſchte beide, ſeine Gemahlin und ſeinen Prinzen, zu ſich. In dem Augenblick waren ſie auch da, aber die Koͤnigin, die klagte und weinte und ſagte, er haͤtte ſein Wort gebrochen und ſie ungluͤcklich ge - macht; doch weil ſie einmal da war, mußte ſie ſich wohl zufrieden geben; aber ſie hatte Boͤſes im Sinn.
Da fuͤhrte er ſie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Waſſer und wo das Schiffchen war abgeſtoßen worden und dann ſprach er: „ ich bin muͤd, ſetz’ dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß ſchlafen. “ Da legte er ſeinen Kopf auf ihren Schooß und ſie lauſte ihn ein wenig, bis er einſchlief. Als er einge - ſchlafen war, zog ſie den Ring von ſeinem Finger und den Fuß, den ſie unter ihm ſtehen hatte, zog ſie auch heraus und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm ſie ihren Prinzen und wuͤnſchte ſich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlaſſen und ſeine Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel ſtand noch da zum Wahrzeichen. „ Nach Haus zu deinen51 Eltern kannſt du nicht wieder gehen, dachte er, die ſagen, du waͤrſt ein Hexenmeiſter, du willſt aufpacken und gehen, bis du in dein Koͤnigreich kommſt. Alſo ging er fort und kam endlich zu einem Berg, wo drei Rieſen ihres Vaters Erbe theilen wollten und als ſie ihn vorbeigehen ſahen, riefen ſie ihn und ſagten, kleine Menſchen haͤtten klugen Sinn, er ſollt’ ihnen die Erbſchaft ver - theilen, das war ein Degen, wenn einer den in in die Hand nahm und ſprach: „ Koͤpf’ alle run - ter, nur meiner nicht, “ſo lagen alle Koͤpfe auf der Erde; zweitens ein Mantel, wer den anzog, war unſichtbar; drittens ein Paar Stiefeln, wenn man die an den Fuͤßen hatte und ſich wohin wuͤnſchte, ſo war man gleich da. Er ſprach, ſie muͤßten ihm die drei Stuͤcke einmal geben, damit er ſie probiren koͤnne, ob ſie auch alle noch in gu - tem Stand waͤren. Da gaben ſie ihm den Man - tel, den that er um, und wuͤnſchte ſich zu einer Fliege, alsbald war er eine Fliege. „ Der Man - tel iſt gut, ſprach er, nun gebt mir einmal das Schwert. “ Sie ſagten: „ nein, das geben wir nicht, denn wenn du ſpraͤchſt: „ Koͤpf’ alle run - ter, nur meiner nicht! “ſo waͤren unſere Koͤpfe alle herab und du haͤtteſt deinen noch; „ doch ga - ben ſie es ihm, wenn er’s an den Baͤumen pro - biren wollte, das that er und das Schwert war auch gut. Nun wollt’ er noch die Stiefel haben, ſie ſprachen aber: „ nein, die koͤnnen wir nichtD 252geben, wenn du die anhaͤtteſt und ſpraͤchſt, du wollteſt oben auf dem Berg ſeyn, ſo ſtuͤnden wir da unten und haͤtten nichts. “ „ Nein, ſprach er, das will ich nicht thun, “da gaben ſie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte, da wuͤnſchte er ſich auf den goldenen Berg, und alsbald war er dort, und die Rieſen ver - ſchwunden und war alſo ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und Floͤten und die Leute ſagten ihm, ſeine Gemahlin halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da zog er ſeinen Mantel an, und machte ſich zur Fliege, ging in’s Schloß hinein und ſtellte ſich hin - ter ſeine Gemahlin, und niemand ſah ihn. Wenn ſie ihr nun ein Stuͤck Fleiſch auf den Teller leg - ten, nahm er’s weg und aß es, und wenn ſie ihr ein Glas Wein einſchenkten, nahm er’s weg und tranks; ſie gaben ihr immer und ſie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da ſchaͤmte ſie ſich, ſtand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; da ſprach ſie vor ſich: „ iſt denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤſer kam nie! “da gab er ihr ein paar derbe Ohrfei - gen und ſagte: „ kam dein Erloͤſer nie, er iſt uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient? “ Darauf ging er hin und ſagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrſten und Miniſtern, die da waren. Er aber gab kurze53 Worte und fragte, ob ſie ſich entfernen wollten oder nicht? da wollten ſie ihn fangen, aber er zog ſein Schwert und ſprach: „ Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht! “ Da lag alles gleich im Blut dar - nieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge.
Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤch - terchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geſchah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte ſagen, was ſie wollte, es half nicht. Da ward ſie ungeduldig und weil die Raben ſo um das Haus herumflogen, machte ſie das Fenſter auf und ſagte: „ ich wollt’ du waͤrſt eine Rabe und floͤgſt fort, ſo haͤtt’ ich Ruh, “und kaum hatte ſie das Wort geſagt, ſo war das Kind eine Rabe und flog von ihrem Arm zum Fenſter hinaus. Die Rabe aber flog weg und niemand konnte ihr fol - gen, ſie flog aber in einen dunkelen Wald und blieb darin. Auf eine Zeit fuͤhrte einen Mann ſein Weg in dieſen Wald und er hoͤrte die Rabe rufen und er ging der Stimme nach; und als er naͤher kam, ſagte die Rabe zu ihm: „ ich bin ver - wuͤnſcht worden und bin eine Koͤnigstochter von54 Geburt, du kannſt mich erloͤſen. “ Da ſprach er: „ wie ſoll ich das anfangen? “ Da ſagte ſie: „ geh’ hin in das Haus dort, darin ſitzt eine alte Frau, die wird dir Eſſen und Trinken reichen und dich davon genießen heißen, aber du darfſt nichts neh - men, denn wenn du trinkſt, ſo trinkſt du einen Schlaftrunk und dann kannſt du mich nicht erloͤ - ſen. Im Garten hinter dem Haus iſt eine große Lohhucke, darauf ſollſt du ſtehen und mich erwar - ten: den Nachmittag um zwei Uhr komm’ ich in einer Kutſche, die iſt mit vier weißen Hengſten beſpannt, wenn du aber dann nicht wach biſt, ſondern ſchlaͤfſt, ſo werd’ ich nicht erloͤſt. “ Der Mann ſprach, er wollt’ alles thun, die Rabe aber ſagte: „ ach ich weiß es wohl, du kannſt mich nicht erloͤſen, du nimmſt doch etwas von der Frau. “ Da verſprach der Mann noch einmal, er wollte gewiß nichts anruͤhren von dem Eſſen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm und ſagte: „ ei, was ſeyd ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, eſſet und trinkt. “ „ Nein, ſagte der Mann, ich will nicht eſſen und trinken; “ſie ließ ihm aber keine Ruhe und ſprach: „ wenn ihr dann nicht eſſen wollt, ſo thut einen Zug aus dem Glas, einmal iſt keinmal, “bis er ſich uͤberreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da ſtand, auf55 einmal ward er ſo muͤd’ und wollte ſich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aus - halten, und mußte ſich ein Bischen legen; doch wollte er nicht einſchlafen, aber kaum hatte er ſich gelegt, da fielen ihm die Augen von ſelber zu und er ſchlief ein und ſchlief ſo feſt, daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengſten ge - fahren und war ſchon in voller Trauer und ſprach: „ ich weiß doch ſchon, daß er ſchlaͤft! “ Und als ſie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und ſchlief; und wie ſie vor ihm war, ſtieg ſie aus dem Wagen, ſchuͤttelte und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber ſo lang’ bis ſie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da ſagte ſie: „ ich ſehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤſen kannſt, aber Morgen will ich noch einmal wieder - kommen, dann habe ich vier braune Hengſte vor dem Wagen, aber du darfſt bei Leibe nichts neh - men von der Frau, kein Eſſen und kein Trinken. “ Da ſagte er: „ nein gewiß nicht. “ Sie ſprach aber: „ ach! ich weiß es wohl, du nimmſt doch etwas! “ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und ſagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da ſprach er: nein, ich will nicht eſſen und trinken. “ Sie aber ſtellte das Eſſen und Trinken vor ihn hin, daß der Ge - ruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in56 den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten, da ward er wieder ſo muͤde, daß ſeine Glieder ihn nicht mehr hielten und er konnte ſich nicht helfen, er mußte ſich legen und ein Bis - chen ſchlafen. Wie nun die Rabe daher fuhr mit vier braunen Hengſten, war ſie wieder in vol - ler Trauer und ſagte: „ ich weiß doch ſchon, daß er ſchlaͤft! “ Und als ſie hin zu ihm kam, lag er da und ſchlief feſt, da ſtieg ſie aus dem Wagen, ſchuͤttelte ihn und ſucht ihn zu erwecken; das ging aber noch ſchwerer als geſtern, bis er endlich er - wachte. Da ſprach die Rabe: „ ich ſehe wohl, daß du mich nicht erloͤſen kannſt, Morgen Nach - mittag um zwei Uhr will ich noch einmal kom - men, aber das iſt das letztemal, meine Hengſte ſind dann ſchwarz und ich habe auch alles ſchwarz; du darfſt aber nichts nehmen von der alten Frau, kein Eſſen und kein Trinken. “ Da ſagte er: „ nein gewiß nicht. “ Sie ſprach aber: „ ach, ich weiß es wohl, du nimmſt doch etwas! “ Am an - dern Tag kam die alte Frau und ſagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da ſprach er: „ nein ich will nicht eſſen und trinken. “ Sie aber ſagte, er ſollte nur einmal ſchmecken, wie gut das alles ſey, Hungers koͤnnte er doch nicht ſter - ben; da ließ er ſich uͤberreden und trank doch wie - der etwas. Als es Zeit war, ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wartete auf die Prinzeſſin, da ward er wieder ſo muͤde, daß er57 ſich’ nicht halten konnte und er ſich hin legte und ſchlief ſo feſt als waͤr’ er von Stein. Um zwei Uhr kam die Rabe und hatte vier ſchwarze Hengſte und die Kutſche und alles war ſchwarz; ſie war aber in voller Trauer und ſprach: „ ich weiß doch ſchon, daß er ſchlaͤft und mich nicht erloͤſen kann. “ Als ſie zu ihm kam, lag er da und ſchlief feſt, ſie ruͤttelte ihn und rief ihn, aber ſie konnt’ ihn nicht aufwecken, er ſchlief in einem fort. Da legte ſie ein Brot neben ihn hin, davon konnte er ſo viel eſſen, als er wollte, es wurde nicht all’; dann ein Stuͤck Fleiſch, davon konnt’ er auch ſo viel eſſen, als er wollte, es wurde nicht all’; zum dritten eine Flaſche Wein, davon konnt’ er trin - ken, ſo viel er wollte, es wurde nicht all’. Darnach nahm ſie ihren goldenen Ring vom Finger und ſteckt ihm den an und war ihr N[am]e darein ge - graben, und endlich legte ſie einen Brief hin, darin ſtand, was ſie ihm gegeben hatte und daß es nie all’ wuͤrde und es ſtand auch darin: „ ich ſehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤſen kannſt, willſt du mich aber noch erloͤſen, ſo komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg, da kannſt du es, das weiß ich gewiß. “ Und wie ſie ihm das alles gegeben hatte, ſetzte ſie ſich in ihren Wagen und fuhr weg in das goldene Schloß von Strom - berg.
Als der Mann aufwachte, und ſah, daß er geſchlafen hatte, ward er von Herzen traurig und58 ſprach: „ gewiß nun iſt ſie vorbei gefahren und du haſt ſie nicht erloͤſt. “ Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geſchrieben ſtand, wie es zuge - gangen war. Alſo machte er ſich auf und ging fort und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht, wo es lag. Nun war er ſchon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald und ging vier - zehn Tage darin fort, und konnte ſich nicht her - ausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war ſo muͤde, daß er ſich an einen Buſch legte und einſchlief; am andern Tag ging er weiter und wollt’ ſich am Abend wieder an einen Buſch legen, da hoͤrt’ er ein Heulen und Jammern, daß er nicht einſchlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute die Lichter anſtecken, ſah er eins ſchimmern und machte ſich auf und ging ihm nach, da kam er vor ein Haus, das ſchien ſo klein, denn es ſtand ein großer Rieſe davor. Da dacht’ er bei ſich: „ gehſt du wohl hinein oder nicht, wenn du’s thuſt, kommſt du vielleicht um’s Leben, du willſt aber doch einmal hineingehen. “ Wie er nun drauf zu ging und der Rieſe ihn ſah, ſprach er: „ es iſt gut, daß du kommſt