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Europaͤiſches Voͤlkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Vertraͤgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutſchen Reichsſtaͤnde,
Erſter Theil.
Altenburg,in der Richterſchen Buchhandlung. 1787.
Puisque la guerre et la paix imposent aux nations des devoirs entièrement differens et même opposés, il eſt indispenſable de diſtinguer ces deux états dans le raiſonnement auſſi bien que dans la conduite. (Memoire juſtificatif de la Grande Bretagne pour ſervir de reponſe à l Expoſé de la Cour de France, du 16. Oct. 1779. )
Europaͤiſches Voͤlkerrecht.
Erſter Theil.

Sr. Excellenz dem Hochwuͤrdigen und Hochwohlge - bohrnen Herrn Herrn Otto Ferdinand von Loͤben, Kurfuͤrſtlich Saͤchſiſchem Konferenz-Miniſter und wuͤrklichem Geheimen Rathe, des Johanniter Ordens Rittern, Erb-Lehn - und Gerichtsherrn auf Ober - Gerlachsheim und Nieder-Rudelsdorf ꝛc.

Hochwuͤrdiger, Hochwohlgebohrner Herr, Gnaͤdiger und Hoͤchſtzuverehrender Herr,

Keine Zueignungsſchrift kan ie wohl eine gegruͤn - detere Veranlaſſung gehabt haben: und wenn es dabey nicht ſowohl auf den Werth der Abhandlung, als auf die Beweggruͤnde des Verfaſſers ankomt, ſo werden Ew. Excellenz, wie ich zuverſichtlich hoffen darf, mir meine Kuͤhnheit gewis gnaͤdigverzei -verzeihen. Sey es Dankbegierde, Ehrfurcht, oder die Entſtehungsart einer Schrift, welche ein ſolches Unternehmen einigermaaßen zu rechtfertigen vermoͤ - gen; ich kan ſie insgeſamt zu meiner Entſchuldig - ung anfuͤhren.

Die Menge und Groͤße der von Ew. Excel - lenz bisher genoſſenen Gnadenbezeugungen uͤber - ſteigen zwar meine Kraͤfte des Danks unendlich; ohnmoͤglich aber kan ich doch auch die Empfindung - en meines Herzens bergen, von denen ich ſo leb - haft durchdrungen bin, und ich ergreife daher ohne Anſtand eine laͤngſt ſchon gewuͤnſchte, aber ſelten ſich darbietende Gelegenheit, Denenſelben wenigſtens meine Dankbegier ehrfurchtsvoll oͤffent - lich an den Tag zu legen. Unvermoͤgen und Furcht Ew. Excellenz Beſcheidenheit zu beleidigen erlauben mir keine Lobſpruͤche uͤber Dero erhabenen Eigenſchaften. Sie ſind algemein bekant und werden von iedermann bewundert und verehrt: was ſolteichich thun, der ich einige Jahre hindurch das Gluͤck gehabt, taͤglich einleuchtendere Beweiſe davon an mir ſelber zu erfahren? Ganz unberuͤhrt weiß ich indes die gnaͤdige Unterſtuͤtzung nicht zu laſſen, deren Ew. Excellenz, waͤhrend meines Aufent - halts in Regensburg, mich wuͤrdigten. Das An - denken derſelben wird mir iederzeit unvergeßlich bleiben. Ohne ſie haͤtte ich meinen Lieblingswunſch, mich den Staatswiſſenſchaften zu weyhen, gewis aufgeben muͤſſen. Sie allein belebte mich von neuem und fuͤhrte mich zu dem Entſchluß, der gegen - waͤrtiger Schrift ihr Daſein gegeben hat.

Doch wozu bedarf es aller dieſer Entſchuldigung - en! Ew. Excellenz gewohnte grosmuͤthige Denkungsart allein buͤrgt mir fuͤr die gnaͤdige Auf - nahme dieſer wenigſtens aus den reinſten Quellen gefloſſenen Zueignung, und ich unterwerfe mich getroſt ihrem nachſichtsvollen Ausſpruche.

a 5Waͤ -

Waͤre meine Arbeit ſo gluͤcklich, nur einigen Beifall Ew. Excellenz zu erhalten, ſo wuͤrde ich Urſach genug haben, auch das guͤnſtige Urteil des Publikums mir verſprechen zu duͤrfen.

Mit der unterthaͤnigſten Bitte um die Fortdau - er Dero gnaͤdigen Wohlwollens vereinige ich die heiſſeſten Wuͤnſche fuͤr Dero und Dero ganzen Hauſes beſtaͤndiges Wohlergehen und erſterbe mit der tiefſten Verehrung

Ew. Excellenz

unterthaͤnigſter Diener Karl Gottlob Guͤnther.

Vorerinnerung.

Nur ein Paar Worte uͤber die Veranlaſſung und Einrichtung der gegenwaͤrtigen Schrift. Neigung ſowohl, als andere Ruͤckſichten machten das Stu - dium der Voͤlkerrechtswiſſenſchaft ehemals zu einer meiner Hauptbeſchaͤftigungen. Bey dem bisherigen Mangel zweckmaͤſiger Vorleſungen uͤber dieſen wich - tigen Theil der Rechtsgelahrheit auf Univerſitaͤten, mußte ich meine Zuflucht hauptſaͤchlich zu den dahin einſchlagenden Schriften nehmen. Allein mein Ver - langen wurde auch hier nicht ganz befriediget. Wenn gleich die, meines Lobes gar nicht beduͤrfenden, Werke eines Grotius, Puffendorf, Ickſtadt, Wolf, Vattel ꝛc. in Anſehung des natuͤrlichen Voͤlkerrechts faſt nichts weiter zu wuͤnſchen uͤbrig lieſſen; ſo war doch der Mangel an einer hinlaͤngli - chen Anfuͤhrung zum practiſchen oder ſogenannten europaͤiſchen Voͤlkerrechte deſto groͤſſer. Auſſer ver - ſchiedenen kleinen Abhandlungen uͤber einzelne Ma - terien deſſelben, waren die Moſerſchen GrundſaͤtzedesVorerinnerung.des itztuͤblichen europaͤiſchen Voͤlkerrechts in Frie - dens - und Kriegszeiten die einzigen brauchbaren Schriften dieſer Art. Aber der Verfaſſer hatte die Unzulaͤnglichkeit und Unvollkommenheit derſelben ohne Zuruͤckhaltung ſelbſt eingeſtanden, und ſie waren bey einem erſten Verſuche beinah unvermeid - lich. Vornaͤmlich ſchien mir ein gutgeordnetes Syſtem zu fehlen, weiches beide, das natuͤrliche und das practiſche Voͤlkerrecht mit einandervereinigte und deren Abweichungen von einander gehoͤrig bemerkte. Gern wuͤrde ich, da Zeit und andere Umſtaͤnde mich beguͤnſtigten, vermoͤge der natuͤrlichen Pflicht: Nuͤz - lich zu ſeyn ſo viel man kan, den bereits von vielen geaͤuſſerten Wunſch nach einem brauchbaren europaͤi - ſchen Voͤlkerrechtsſyſtem, ſchon damals, nach dem Maas der mir verliehenen Kraͤfte, zu befriedigen geſucht haben; aber ich fand bey naͤherer Erwegung eines ſolchen Vorhabens ſo viele Schwierigkeiten, daß ich es noch nicht wagen konte, mit einem aus - fuͤhrlichen Syſtem hervorzutreten. Ich entwarf daher zuerſt blos einen Grundriß, wornach ich dieſes Werk auszufuͤhren glaubte und legte ihn, vor nunmehr neun Jahren, ohne Vorſetzung meines Namens, dem Publikum zur Beurteilung vor. Dieſer hatte das Gluͤck eine guͤnſtigere Aufnahme zuerhal -Vorerinnerung.erhalten, als ich erwartete und mein Entſchluß gewann dadurch immer mehrere Feſtigkeit.

Meine Beſtimmung wurde iedoch in der Folge merklich veraͤndert und ich an der Ausfuͤhrung mei - nes Plans von einer Zeit zur andern gehindert: gleichwohl konnte ich mich nie entſchließen ihn ganz aufzugeben. Mein gegenwaͤrtiger Beruf und die Vorwuͤrfe, welche der Herr Regierungsrath Spieß an verſchiedenen Orten, beſonders aber in der Vor - rede zum erſten Theile ſeiner archiviſchen Nebenar - beiten, den meiſten Archivsperſonen macht, waren mir zwar Anfeuerung genug, auch meine geſchaͤfts - freien Stunden vorzuͤglich den noch mancher Ver - volkommnung faͤhigen Archivswiſſenſchaften zu wid - men, aber meine etwas beſchraͤnkte Lage in dieſem Fache hielten mich zur Zeit noch davon zuruͤck. Es erſchienen indes auch die ſchaͤtzbaren Voͤlkerrechts - werke des aͤltern Moſer, eines Neyron, von Ompteda und Martens. Allein, ohne der aner - kanten Brauchbarkeit des Moſerſchen Verſuchs ꝛc. im geringſten zu nahe zu treten, wird ieder Kenner gewis darinn mit mir uͤbereinſtimmen, daß derſelbe, wie die meiſten ſeiner Schriften, mehr fuͤr eine Samlung nuͤtzlicher Materialien, als fuͤr ein ordent - liches Voͤlkerrechtsſyſtem anzuſehen ſey. Der Ver -faſſerVorerinnerung.faſſer ſelbſt war auch weit davon entfernt, es fuͤr etwas anders auszugeben. Die Principes du droit des gens des Herrn Neyron ſchienen mir dem Ideal meines Syſtems ebenfals nicht angemeſſen. Bey Erſcheinung der mit algemeinem Beifall auf - genommenen Voͤlkerrechts-Literatur Sr. Excellenz des Kurbraunſchweigiſchen Comitialgeſandten Frei - hern von Ompteda, und der darinn angekuͤndigten Bearbeitung eines volſtaͤndigen Syſtems dieſer Wiſſenſchaft, ſtand die Aenderung meines Ent - ſchluſſes, leider, nicht mehr in meiner Gewalt; ſonſt wuͤrde ich ohnfehlbar ſogleich davon abgeſtan - den ſeyn. Nie wuͤrde ich es gewagt haben, mich einem Manne an die Seite zu ſtellen, der in iedem Betracht ſo weit uͤber mich erhaben iſt. Mein ein - ziger Troſt bey der nun einmal angefangenen Arbeit war dieſer, daß wichtigere Geſchaͤfte deſſelben ienes Vorhaben leicht noch einige Zeit verzoͤgern und mei - ne Bemuͤhungen indes vielleicht doch von einigem Nutzen ſeyn duͤrften. Die zum akademiſchen Unter - richt uͤbrigens ſehr brauchbar eingerichteten primae lineae des Herrn Profeſſor Martens in Goͤttingen aber enthalten, wie ſchon der Titel giebt, nur ein Compendium dieſer Wiſſenſchaft. Solchergeſtalt halte ich mein Unternehmen auch dermalen eben noch nicht fuͤr ganz uͤberfluͤſſig.

ObVorerinnerung.

Ob aber die Ausfuͤhrung meiner Abſicht und der Erwartung des Publikums entſpreche? muß ich der Beurteilung der Kenner uͤberlaſſen. An meinen Bemuͤhungen hat es indes nicht gefehlt. Ich habe bey ieder Materie die natuͤrlichen Grund - ſaͤtze vorausgeſchickt und deren Beſtaͤtigung oder Abaͤnderung durch das practiſche Voͤlkerrecht be - merklich zu machen geſucht. Dabey ſind iederzeit die vorzuͤglichſten Schriftſteller, ſowohl die algemei - nen als auch die beſondern, ſoviel ich deren habe erlangen koͤnnen, zu Rathe gezogen worden. Ich habe ihre Grundſaͤtze mit einander verglichen und die wichtigſten Abweichungen, wo mir es noͤthig ge - ſchienen, angezeigt. Zuweilen hielt ich es fuͤr rath - ſam, die Stellen ihrer Werke ſelbſt woͤrtlich in den Noten beyzufuͤgen, damit man ihre Meinung deſto beſſer beurteilen und das oͤftere Nachſchlagen erſpa - ren koͤnnte. In Anſehung der zu Beſtaͤrkung des europaͤiſchen Voͤlkerrechts nothwendigen Beiſpiele habe ich aus den Staatsſchriften und andern Mate - rialien eine Auswahl gemacht, und nur die merk - wuͤrdigſten und treffendſten aufgenommen. Etwas ganz neues kan und wird man in dieſem Werke nicht erwarten. Das Verdienſt deſſelben ſoll blos in ge - hoͤriger ſyſtematiſcher Zuſammenſtellung der bereitsvorhan -Vorerinnerung.vorhandenen Wahrheiten, auf eine moͤglichſt vol - ſtaͤndige und deutliche Art, beſtehen. Die Ord - nung der einzelnen Materien weicht in vielen Stuͤck - en von meinem ehemaligen Plane ab, wie man, bey angeſtelter Vergleichung, ſofort wahrnehmen wird. Ich hielt dieſe Abaͤnderung zu mehrerer Volkommenheit des Syſtems fuͤr nothwendig.

Damit ich auf den Fall, da meine Bemuͤhung - en den Beifall des Publikums nicht erhalten ſolten, die Fortſetzung ſogleich abbrechen koͤnne, ohne ie - doch ein unvolſtaͤndiges Werk zu laſſen, habe ich das ganze Voͤlkerrechtsſyſtem in verſchiedene allen - fals fuͤr ſich beſtehende Theile abgeteilt, die auch einzeln eine volſtaͤndige Abhandlung ausmachen. Die erſte, davon gegenwaͤrtig der erſte Theil er - ſcheint, ſoll das Voͤlkerrecht in Friedenszeiten enthalten. Dieſer erſte Theil begreift blos die al - gemeinen Verhaͤltniſſe der Voͤlker gegen einander und die dahin gehoͤrigen Grundſaͤtze in ſich. Ein zweiter Theil, den ich kuͤnftige Meſſe zu liefern gedenke, wird ſich uͤber die einzelnen Gegenſtaͤnde des Voͤlkerrechts in Friedenszeiten erſtrecken und mit einem Regiſter uͤber beide Theile dieſe Abhand - lung beſchließen. Die weitere Fortſetzung wird alsdenn von der Aufmunterung des Publikumsabhang -Vorerinnerung.abhangen. Wuͤrdigt man den erſten Verſuch eini - gen Beifals, ſo will ich mit Vergnuͤgen die aͤhnliche Bearbeitung des Voͤlkerrechts in Kriegszeiten, des Geſandſchaftsrechts, der Materie von den Vertraͤgen des Voͤlkerrechtsceremoniels, der Voͤl - kerrechtspraxis und was dahin gehoͤret uͤbernehmen. Bey der Materie von Vertraͤgen habe ich mir vor - genommen in einem Bande einige, wie ich glaube, nicht unbrauchbare Regiſter uͤber die vorzuͤglichſten europaͤiſchen Voͤlkervertraͤge und Urkunden zu ferti - gen. Die Georgiſchen Regeſta haben zwar ihren entſchiedenen Werth, allein ſie enthalten, wie ſchon andere erinnert haben, zu viele in die Voͤlkerrechts - wiſſenſchaft gar nicht einſchlagende Urkunden und reichen uͤberdies nicht bis auf unſere Zeiten. Ich will daher blos die wichtigſten Vertraͤge und andere voͤlkerrechtliche Urkunden ausheben, und ſie in eine chronologiſche Ordnung ſtellen, mit Bemerkung des Orts, wo ſie in den vorzuͤglichſten Samlungen des Dumont, Schmauß, Lamberty, Rouſſet und anderer anzutreffen ſind. Dieſem ſoll ein Verzeich - nis der Nazionen folgen, und bey jeder eine Anzeige der mit andern errichteten Vertraͤge, nach Claſſifica - tion der Hauptgegenſtaͤnde, angefuͤgt werden. Den Beſchluß wird ein ſyſtematiſches Regiſter der Ma -terienVorerinnerungterien machen, das die dahin gehoͤrigen Urkunden ſaͤmtlicher europaͤiſchen Voͤlker nicht blos nach dem Hauptinhalt, ſondern, wo es noͤthig, auch nach den einzelnen Artickeln unter jeder Rubrick bemerket. Dieſe Arbeit, hoffe ich, ſoll allen, die in Staats - geſchaͤften zu thun haben, nicht unwilkommen ſeyn. Der Literatur wegen habe ich meine Erklaͤrung im Werke ſelbſt ſchon gethan. Nach den ruͤhmlichen Bemuͤhungen des Herrn Freiherrn von Ompteda wuͤrde eine neue Bearbeitung dieſes Fachs uͤberflieſ - ſig ſeyn. Solte ich mich zu etwas entſchließen, ſo wuͤrde ich ein gehoͤrig geordnetes Verzeichnis der hauptſaͤchlichſten bey gewiſſen Gelegenheiten gewech - ſelten Staatsſchriften der europaͤiſchen Nazionen, nach Art der Luͤnig-Holzſchuerſchen Deductionsbi - bliothek von Teutſchland, waͤhlen, das fuͤr die Voͤl - kerrechtswiſſenſchaft gewis einen vielfachen Nutzen haben koͤnte. Die Ausfuͤhrung aller dieſer Ent - wuͤrfe beruht jedoch auf dem Schickſal der gegenwaͤr - tigen Abhandlung. Ich werde jede beſcheidene und gegruͤndete Erinnerung mit Dank annehmen, be - nutzen und daraus das Reſultat fuͤr meine weitern Entſchließungen ziehen. Dresden, am 13ten September 1786.

Inhalt

Inhalt.

  • Einleitung. Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt und dem europaͤi - ſchen insbeſondereS. 1.
  • Erſtes Buch. Beſtimmung eines freien [ſouverainen] Volks, der heutigen ſouverainen Staaten in Europa, und ihrer algemeinen Verhaͤltniſſe gegen einanderS. 72.
  • Erſtes Kapitel. Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt und den europaͤiſchen insbeſondereEbend.
  • Zweites Kapitel. Von den geſelſchaftlichen Verbindungen der NazionenS. 147.
  • Drittes Kapitel. Von der urſpruͤnglichen Gleichheit und dem nachher eingefuͤhrten Range der Nazio - nenS. 198.
  • Viertes Kapitel. Von der Freiheit der Nazionen, ihre Handlungen nach eignem Gefallen einzurich - tenS. 280.
  • Fuͤnftes Kapitel. Von der Macht der Nazionen und deren GleichgewichtS. 321.
  • Sechſtes Kapitel. Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlker - rechtsS. 390.
[1]

Einleitung. Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt und dem europaͤi - ſchen insbeſondere.

§. 1. Begrif des Voͤlkerrechts.

Staaten ſind Geſelſchaften von Perſonen und Fa - milien, welche unter einer Oberherſchaft verei - nigt, zu Befoͤrderung gemeinſchaftlicher Wohlfarth auf einem gewiſſen Erdſtriche beiſammen wohnen. Indem ſie mit vereinten Kraͤften nach eignen Grundſaͤtzen und Ab - ſichten handeln, gleichen ſie, als moraliſche Perſonen, ienen unabhaͤngigen Menſchen im natuͤrlichen Zuſtande a], und werden in dieſer Ruͤckſicht freie Voͤlker, Nazio - nen genant. So wie aber wechſelſeitiges Beduͤrfnis warſcheinlich die erſte Veranlaſſung zu Staatsvereinen gab, wenigſtens ihr dauerhafteſtes Band ausmacht; ſo iſt auch wechſelſeitiges Beduͤrfnis, was mehrere Voͤlker in beſtaͤndiger Verbindung erhaͤlt. Aus dieſen verſchie - denen Verhaͤltniſſen entſpringen gewiſſe Grundſaͤtze, wornach ganze Voͤlker [oder deren Regenten und einzelne Glieder, wenn ſie aufs Ganze eine Beziehung haben] ihre Handlungen gegeneinander b] einzurichten pflegen. Sie machen, inſofern ſie als Zwangsrechte und Ver -Abind -2Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,bindlichkeiten ſich beſtimmen laſſen c], den Inbegrif des Voͤlkerrechts im eigentlichen Verſtande aus d].

a]Frid. Alex. Künhold de ſtatu naturali rerumpublicarum Lipſ. 1723. 4.
a]
b]Die Pflichten der Nazionen gegen ſich ſelbſt gehoͤren in die Voͤlkermoral, und erhalten im Voͤlkerrechte nur in ſo weit einen Platz, als ſie zur beſſern Erkentnis der Ver - bindlichkeiten gegeneinander dienen.
b]
c]In einer weitlaͤuftigern Bedeutung rechnet man auch wil - kuͤhrliche Handlungen, welche blos auf Billigkeit und Wohlſtand, folglich auf unvolkomnen Verbindlichkeiten, beruhen, zum Voͤlkerrechte. Io. Krugii diß. de obliga - tione decori Lipſ. 1711. 4. Joh. Jac. Moſers Verſuch des neuſten europaͤiſchen Voͤlkerrechts 1. Theil, in der vorlaͤufigen Abhandlung §. 1. u. a. O.
c]
d]Sam. Rachelii diß. II. de jure nat. et gentium Kilon. 1673. und 1696. 4. Io. Wolfg. Iaegeri diß. de jure gentium, Tubing. 1686. 4. Ern. Tenzelii progr. de juris gentium vera indole Erf. 1719. 4. Joh. Jac. Moſers Abhandlung von dem Voͤlkerrecht uͤber - haupt und dem europaͤiſchen insbeſondere; in ſeinen Moſerianis, Leipzig 1739. 8. Nr. 4. S. 72: 91. in - gleichen deſſen uͤbrige weiter unten vorkommende Schriften vom Voͤlkerrecht.
d]
*]Die roͤmiſchen Rechtsgelehrten verbanden mit dem Aus - druck: Voͤlkerrecht [Jus Gentium] ganz andere Begriffe. Mehrentheils verſtanden ſie darunter gewiſſe buͤrgerliche Einrichtungen, die, aus der Natur der Sache ſelbſt her - geleitet, faſt allen Voͤlkern gemein waren, §. 2. Inſt. de J. N. G. et C. §. 1. 2. Inſt. de rer. divis. l. 5. π. de juſt. et jur. l. 15. π. de interd. et releg. zuweilen dasbloſſe3und dem europaͤiſchen insbeſondere.bloſſe Naturrecht §. 1. Inſt. de J. N. G. et C. l. 1. §. 3. und l. 9. π. de J. et J. l. 1 π. de acq. rer. dom. Cicero de offic. Lib. III. c. 5. nur ſelten ſcheinen ſie den heutigen Begriffen ſich zu naͤhern, pr. Inſt. de libertin. l. 4. π. de J. et J. Cf. Io. Cor. Naevii diß. de jure gentium Juſti - nianeo Viteb. 1676. 4. G. Ch. Nelleri juris naturae et gentium definitio Vlpianea vindicata et exemplis illuſtra - ta, Aug. Trev. 1751. 4. Der groͤſte Theil unſrer gegen - waͤrtigen Voͤlkerrechtsmaterien war bey den Roͤmern, beſon - ders zur Zeit der freien Republik, ein Gegenſtand des ju - ris fecialis. Cf. Io. Dan. Ritteri diß. de fecialibus popu - li Romani, Lipſ. 1732. 4. Franc. Car. Conradi de fe - cialibus et jure feciali populi Romani, Helmſt. 1734. 4. [Joh. Heinr. Stuß] Gedanken von den Fecialen des alten Roms, Goͤtting. 1757. 8. Von allen dieſen Gegenſtaͤnden wird ausfuͤhrlicher gehandelt in Diedr. Heinr. Ludw. Freyh. von Ompteda Literatur des Voͤlkerrechts 1. Th. §. 33. u. f.
*]

§. 2. I. Natuͤrliches oder philoſophiſches Voͤl - kerrecht.

Einige dieſer Grundſaͤtze laſſen ſich ſchon aus der Natur der Voͤlker, aus ihren natuͤrlichen Verhaͤltniſſen und geſelſchaftlichen Verbindungen gegeneinander herlei - ten. Sie fuͤhren daher den Namen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, das man auch das philoſophiſche und vernuͤnftige nent, weil es auf Schluͤſſe einer geſunden Vernunft beruht.

*]Der Herr Etatsrath Moſer unterſcheidet iedoch das na - tuͤrliche Voͤlkerrecht; dem er den veraͤchtlichen Namen des Schulvoͤlkerrechts beilegt, von dem philoſophi - ſchen. Ich ſchreibe, ſagt er in der angefuͤhrten vor - laͤufigen Abhandlung §. 1. kein Schulvoͤlkerrecht, naͤm - lich was von ieher natuͤrlichen Rechtens geweſen, und ſich auf ganze Nazionen, als moraliſche Perſonen anwen -A 2den4Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt, den laſſen moͤchte; auch kein philoſophiſches, wie ein ieder, der ſich duͤnkt, ein Weltweiſer zu ſeyn, nach der ſich eingebildeten und ſelbſt formirten Geſchichte und Na - tur der Menſchheit etwa thun koͤnte und wuͤrde. Indes kan ich den Unterſchied hiervon nicht einſehn.
*]

§. 3. Deſſen Eintheilung in a] nothwendiges.

Voͤlker, als moraliſche Perſonen, im natuͤrlichen, unabhaͤngigen Zuſtande betrachtet, ſind ohnſtreitig dem fuͤr einzelne Menſchen verbindlichen Rechte der Natur unterworfen. Es erhaͤlt aber von dem Gegenſtande ſei - ner Anwendung den Namen des Voͤlkerrechts. Die - ſes auf die Voͤlker angewandte Naturrecht oder natuͤrliche Voͤlkerrecht muͤſſen die Nationen ohne Ruͤckſicht einer engern Verbindung unter einander beobachten. Man nent es ſeiner verbindenden Kraft wegen daher das nothwendige [neceſſarium] a] oder auch das urſpruͤng - liche [primarium], weil die Geſetze der Natur unmittel - bar es begruͤnden, und iſt, wie ſie, unveraͤnderlich. Die Erlangung einſeitiger Vortheile, ohne Beleidigung anderer Nazionen macht den Hauptgrundſatz deſſelben aus. Es wuͤrde zur Entſcheidung der unter Voͤlkern vor - kommenden Faͤlle hinlaͤnglich ſeyn, wenn ſie alle noch in einem blos natuͤrlichen Zuſtande ſich befaͤnden. Dahin gehoͤren unter andern das Recht der natuͤrlichen Freiheit und Gleichheit, das Erwerbungsrecht, das Recht Ver - traͤge zu ſchließen u. ſ. w.

a]Wolf I. G. Proleg. §. 3. 4. Vattel Prélim. §. 6. 7. etc.
a]

§. 4. b] Freiwilliges Voͤlkerrecht.

Die Voͤlker traten iedoch bald, eben ſo, wie einzelne Menſchen in naͤhere Verbindungen und Geſelſchaftenzuſam -5und dem europaͤiſchen insbeſondere.zuſammen. Waren ſie gleich von der Natur ſelbſt hierzu nicht gezwungen a]; ſo machten doch die, mit den Fort - ſchritten der Weichlichkeit und Ausbildung, immer zu - nehmenden wechſelſeitigen Beduͤrfniſſe und das Verlan - gen nach einem volkomnern Gluͤcke uͤberhaupt, eine en - gere Vereinigung unter ihnen nothwendig. Natuͤrlicher - weiſe waren die Vorſchriften der einfachen Natur nun nicht mehr hinreichend: man muſte ſolche einigermaßen abaͤndern und den geſelſchaftlichen Verbindungen anpaſ - ſen. Statt daß ieder einzelne Menſch, iedes Volk, ſonſt nur mit ſeinem eignen Wohl ſich beſchaͤftigte, wa - ren ſie itzt auch auf die gemeinſchaftliche Wohlfahrt, Ruhe und Sicherheit zu denken, und, was ſie ohne ihren eignen Nachtheil konnten, dazu beizutragen genoͤthigt. Daher entſtand, meinem Urteile nach, unter Nazionen das vom Grotius, Wolf, Vattel und Andern ſogenante freiwillige Voͤlkerrecht, [ius gentium voluntarium b] nicht arbitrarium] welches nicht urſpruͤnglich in der Na - tur, ſondern [ſecundarium] in den Begriffen einer Ge - ſellſchaft, worein die Voͤlker freiwillig in der Folge ſich begaben, ſeinen Grund hat. Es iſt gleichſam das na - tuͤrliche Geſelſchaftsrecht der Voͤlker, oder das auf die Voͤlkergeſelſchaft angewandte Naturrecht [Jus ſociale naturale gentium, Jus naturale ſocietatis gentium, Jus naturale ad ſocietatem gentium applicatum]. Man zaͤhlt dahin gewoͤhnlich den Nichtgebrauch vergifteter Waffen, die Annahme und Unverletzlichkeit der Geſandten u. ſ. w.

a]Henr. de Cocceji Prodromus juſtitiae gentium, ſ. ex - ercitationes duae, quarum Ima ſocialitatem Gratianam principium neque eſſendi neque cognoſcendi eſſe, evin - cit etc. Frcf. ad Viadr. 1719. 4. Sam. L. B. de Cocceji de jure naturae ſociali diß. prooem. I. Introd. ad Henr. de Cocceji Grotium illuſtr. Sect. II. §. 24. ſeqq.
a]A 3b]6Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
b]Ern. Aug. Bertling diß. de jure gentium voluntario Götting. 1745. 4.
b]
*]Die Rechtsgelehrten haben ſo mancherley zum Theil wi - derſprechende Begriffe von dieſer Gattung des Voͤlkerrechts, daß deren Anfuͤhrung und Auseinanderſetzung hier zuviel Platz wegnehmen wuͤrde. Ich merke daher nur folgen - des an: I] Die hergebrachte Benennung: jus gentium vo - luntarium wird im Teutſchen, wiewohl ſehr unſchick - lich, meiſtens durch wilkuͤhrliches Voͤlkerrecht uͤber - ſezt; da doch, wie der Freyherr von Ompteda in der Litteratur des Voͤlkerrechts §. 94. not. d. ſehr richtig bemerkt, der Wilkuͤhr der Voͤlker durchaus nichts dabey uͤberlaſſen iſt, [auſſer dem Eintritt in die Voͤlkergeſelſchaft]. Er nent es daher das mo - difizirte natuͤrliche Voͤlkerrecht, weil durch daſ - ſelbe theils die urſpruͤnglichen Geſetze des natuͤrlichen Voͤlkerrechts erweitert oder eingeſchraͤnkt, theils die Haͤrte von deſſen Grundregeln und Verwilligungen in vielen Stuͤcken gemildert wuͤrden. Mir ſcheint iedoch der Ausdruck: freiwilliges, iener lateiniſchen ein - mal faſt durchgaͤngig angenommenen Benennung am meiſten zu entſprechen. Uebrigens iſt nicht zu leug - nen, daß der vom Grotius und Wolf gewaͤhlte et - was zweideutige Name des juris gentium volunta - rii zu vielen Misverſtaͤndniſſen Anlas gegeben hat. II] Die Quellen des freiwilligen Voͤlkerrechts will ich zuerſt mit den eignen Worten der drey Hauptlehrer des Voͤlkerrechts herſetzen. Grotius ſchreibt [Pro - leg. §. 17.] alſo davon: Sicut cuiusque ciuitatis jura vtilitatem ſuae civitatis reſpiciunt; ita inter civitates aut omnes aut plerasque ex conſenſu jura quaedam naſci potuerunt et nata apparet, quae vtilitatem reſpicerent non coetuum ſingu -lo -7und dem europaͤiſchen insbeſondere.lorum, ſed magnae illius vniverſitatis et hoc jus eſt, quod gentium dicitur, quoties id nomen a jure naturali diſtinguimus. cf. L. II. c. VIII. §. 1. n. 2. Wolf ſagt: [in praef. ad jus Gent.] Enimvero quemadmodum ea eſt hominum con - ditio, vt in civitate rigori juris naturae per omnia ex aſſe ſatisfieri non poſſit, ac propterea legibus poſitivis opus ſit, quae neque in totum a natu - rali jure recedunt, nec per omnia ei ſerviunt, ita ſimiliter gentium ea eſt conditio, vt rigori juris gentium naturali per omnia ex asſe ſatisfieri nequeat, atque ideo jus iſtud in ſe immutabile tantisper immutandum ſit, vt neque in totum a naturali recedat, nec per omnia ei ſerviat. Quo - niam vero hanc ipſam immutationem ipſa gen - tium communis ſalus exigit; ideo quod inde pro - dit jus non minus gentes inter ſe admittere te - nentur, quam ad juris natur alis obſervantiam naturaliter obligantur, et non minus iſtud, quam hoc ſalva juris conſonantia pro jure omnium gentium communi habendum. Hoc ipſum autem jus cum Grotio, quamvis ſignificatu non pror - ſus eodem, ſed paulo ſtrictiori, jus gentium vo - luntarium appellare libuit. Abſit vero vt exiſti - mes, ius gentium voluntarium ab earum volun - tate ita proficiſci, vt liberae ſit earum in ea - dem condendo voluntas et ſtet pro ratione, ſola voluntas, nulla habita ratione juris naturalis. Jus gentium voluntarium non a libera gentium voluntate dependet, ſed ipſum jus naturale praeſcribit modum, quo ex naturali efficien - dum ſit voluntarium et non admittatur, niſi quod neceſſitas imperat. Ea de cauſa jus gentium quod voluntarium dicimus, non quem - admodum Grotio viſum eſt, ex factis gentiumA 4pro -8Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,probandum, quaſi inde colligatur communis ea - rum conſenſus, ſed ex fine civitatis maximac. Vattel endlich giebt [Prélimin. §. 21.] folgende Erklaͤrung davon: Les nations étant libres, inde - pendantes, égales et chacune devant juger en ſa conſcience de ce qu’elle a à faire pour remplir ſes devoris; l’effet de tout cela eſt d’opérer, au moins exterieurement et parmi les hommes, une parfaite égalité de droits entre les nations. Il eſt donc necesſaire, en beaucoup d’occaſions, que les nations ſouffrent certaines choſes, bien qu’injuſtes et condamnables en elles mêmes, par ce qu’elles ne pourroient ſ’y oppoſer par la force, ſans violer la liberté de quelqu une et ſans detruire les ſondemens de leur ſociété natu - relle. Et puisqu elles ſont obligées de culti - ver cette ſociété, on preſume de droit, que tou - tes les nations on conſenti au principe que nous venons d établir. Les regles qui en decoulent, forment ce que M. Wolf appelle Le droit des gens volontaire. Aus allen dreien ergiebt ſich im Hauptwerke ſoviel, daß die Grundſaͤtze des frei - willigen Voͤlkerrechts aus einer unter den Voͤlkern beſtehenden Geſelſchaft hergeleitet werden muͤſſen. Dieſer Meinung pflichte ich volkommen bey. Da aber die vorgenanten Schriftſteller den Nazionen ſchon von Natur eine Verbindlichkeit zur Geſelſchaft aufle - gen; ſo weiß ich nicht, warum ſie noch eine praͤ - ſumtive Einwilligung [deren Verbindungskraft ohne - dies auf ſehr ſchwankenden Gruͤnden beruht] bey ie - nem Voͤlkerrechte annehmen. Es ſcheint mir daher etwas widerſprechend, wenn Wolf in der Vorrede behauptet: ius gentium, quod voluntarium dici - mus, probandum ex fine civitatis maximae, quam perinde ac ſocietatem inter omnes hominesinſti -9und dem europaͤiſchen insbeſondere.inſtituit ipſa natura, vt in jus iſtud conſentire debeant gentes, non vero libertati earum reli - ctum ſit, vtrum conſentire malint an nolint, und Prolegom. §. 22. und 28. daſſelbe doch zum poſiti - ven Voͤlkerrechte, quod a voluntate gentium or - tum trahit zaͤhlt, und hinzuſezt, niti conſenſu gen - tium praeſumto. Wo Natur die Freiheit zu waͤh - len verſagt, iſt die Einwilligung und deren Praͤſum - tion wohl ziemlich uͤberfluͤſſig. Sehr richtig urteilt daher Schrodt in ſeinem Jure Gent. wenn er §. 9. Proleg. ſagt: Et ſane quum ſocietas vniverſalis gentium ex ipſa natura fluat, ideoque ſit abſoluta et neceſſaria, conſequens eſt, vt jus gentium, quod determinat primario jura et obligationes ſo - ciales huius ſocietatis perfectas negativas, non ſit voluntarium aut poſitivum, ſed ſit jus gen - tium naturale ſociale latius dictum et necesſa - rium. Deſto weſentlicher aber iſt dieſe Einwilligung der Voͤlker zu Begruͤndung eines freiwilligen Voͤlker - rechts, wenn man nach richtigern Gruͤnden annimt, daß die unter den Menſchen und Nazionen beſtehen - de Geſelſchaften nicht von der Natur unmittelbar, unter allen, ſondern unter mehreren oder wenigern aus freien Willen errichtet worden. Eben ſo ſonder - bar iſt es, daß Grotius und Wolf dieſer Voͤlkerge - ſelſchaft die Form eines buͤrgerlichen Vereins, un - ter dem Namen eines großen Weltſtaats [civitatis maximae] andichten, da dieſe doch eine unter den Nazionen nicht zu erweiſende menſchliche Oberherr - ſchaft erfodert. Nicht iede Geſelſchaft, die ihrer gemeinſchaftlichen Wohlfarth wegen ſich vereinigt, iſt ein Staat. Es giebt bekantlich auch gleiche Ge - ſelſchaften, [ſocietates aequales] in welchen die Mitglieder, ihrer natuͤrlichen Freiheit im uͤbrigen unbeſchadet, dennoch, in Abſicht der Erfuͤllung desA 5ge -10Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,gemeinſchaftlichen Zwecks, gewiſſe Zwangsrechte und Verbindlichkeiten gegen einander haben. Achen - wall Jus N. et G. Lib. II. Sect. I. t. 1. §. 11. ſeqq. Eine andre Geſelſchaft kan man unter freien Voͤl - kern mit Grunde nicht fuͤglich annehmen. Ihr Zweck iſt uͤbrigens die Befoͤrderung des gemeinſchaftlichen Wohls, weil das Verlangen nach Vervolkommnung zur Weſenheit des einzelnen Menſchen ſowohl, als der Staatsverbindungen gehoͤrt, und der Geſelſchaft, als einem myſtiſchen Koͤrper, ordentlicherweiſe eben die Rechte und Verbindlichkeiten zuſtehn, welche die ſaͤmtlichen einzelnen Glieder hatten. Der Bei - tritt zu dieſer Geſelſchaft iſt, meines Erachtens, ie - doch nicht aus einer blos praͤſumtiven oder vermuth - lichen, ſondern wenigſtens aus einer ſtilſchweigenden Einwilligung zu folgern. Von der Wuͤrklichkeit ei - ner ſolchen unter den europaͤiſchen Nazionen be - ſtehenden Vereinigung und dem Beweiſe des Beitrits zu derſelben, werde ich weiter unten mehr zu ſagen Gelegenheit finden. III] Die Verbindlichkeit des freiwilligen Voͤlkerrechts liegt in der Natur der Geſelſchaft, und haͤngt nicht weiter von dem Willen der Voͤlker ab, ſobald ſie einmal freiwillig in die Geſelſchaft getreten ſind. Jedoch kan es natuͤrlicherweiſe auch nur auf dieieni - gen Voͤlker ſich erſtrecken, welche wuͤrklich in einer geſelſchaftlichen Verbindung mit einander ſtehen, weil eine algemeine von der Natur ſelbſt errichtete Geſelſchaft unerweißlich iſt. Die meiſten Vertheidi - ger und Gegner des freiwilligen Voͤlkerrechts ſcheinen dadurch auf Irrwege gerathen zu ſeyn, daß ſie ſich ein algemeines Recht darunter vorgeſtelt haben. IV] Der Unterſchied zwiſchen dem freiwilligen und dem Gewonheits-Voͤlkerrechte wird von den wenig - ſten Voͤlkerrechtslehrern genug beſtimt und beobach -tet.11und dem europaͤiſchen insbeſondere.tet. Die mehreſten verwechſeln oder vermiſchen bei - de Begriffe mit einander. Selbſt Grotius, der Schoͤpfer des erſtern, war oft zweideutig hierin. Glafey und unzaͤhlige Andere hielten beide fuͤr einer - ley. Der Freyherr von Ompteda ſieht es zwar auch nicht fuͤr ſo aͤuſſerſt nothwendig an, ſie von einander abzuſondern, doch ſezt er ſehr richtig hinzu, daß, wenn man die Sache mit philoſophiſchem Auge be - trachtet, ein merklicher Unterſchied zwiſchen denſelben vorhanden ſey. Der Unterſchied ſcheint mir aller - dings ziemlich betraͤchtlich, indem das freiwillige aus bloßen Vernunftſchluͤſſen, das Gewonheits - Voͤlkerrecht aber aus lauter Thathandlungen zu er - weiſen iſt. Perperam, ſagt Wolf in Proleg. §. 25. not. ad conſuetudines refertur, quod inſtar juris obſervandum esſe inter gentes ipſa ratio dictitat. V] Die Exiſtenz eines ſolchen Voͤlkerrechts wird von Vielen ganz gelaͤugnet. Unrichtige Begriffe davon ſind gemeiniglich die Urſach. Ihre Haupteinwuͤrfe gehen wider die algemeine Verbindlichkeit deſſelben. Die Einwilligung aller Voͤlker, ſagen ſie, iſt uner - weislich. Sie ſind weder iemals zuſammengekom - men, um ein ſolches Recht feſtzuſetzen, noch laͤßt ſich deren ſtilſchweigende Genehmigung als moͤglich denken. Dieſe Gruͤnde fallen aber ſogleich uͤber den Haufen, wenn man ihnen zugiebt, daß das freiwil - lige Voͤlkerrecht keinesweges alle Voͤlker des Erdbo - dens, ſondern nur dieienigen verbinde, welche wuͤrk - lich geſelſchaftlich mit einander leben. Uebrigens glauben dieſe Laͤugner ganz unrichtig, daß die Ein - willigung der Voͤlker zu iedem einzelnen Geſetze ienes Rechts noͤthig ſey, und vermiſchen es hierinn mit den Voͤlkergewonheiten. Der Beitrit zur Geſelſchaft al - lein verbindet die Voͤlker zur Beobachtung der dar - aus flieſſenden Grundſaͤtze hinlaͤnglich. Dieienigen,welche12Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,welche das freiwillige Voͤlkerrecht als Gewonheiten oder ſtilſchweigende Vertraͤge nicht wollen gelten laſſen, brauche ich nicht zu widerlegen, weil es zu dieſen nicht gehoͤrt. Wenn endlich Schrodt und Andere, welche eine natuͤrliche Verbindlichkeit zur Geſelſchaft annehmen, die Grundſaͤtze des von Wolf und ſeinen Anhaͤngern aus dem Begriffe eines großen Welt - ſtaats oder einer Geſelſchaft uͤberhaupt hergeleiteten freiwilligen Voͤlkerrechts lieber zum natuͤrlichen Voͤl - kerrechte zaͤhlen wollen, [Non deſunt, ſagt ſelbſt Wolf in praef. J. G., qui cum jus gentium volun - tarium damnent, id pro jure naturali venditant, vt in verbis disſentire ſaltem, in re autem con - venire videantur. ] ſo habe ich nichts dagegen, da ich es ſelbſt fuͤr eine Gattung des leztern halte, die iedoch von dem nothwendigen unterſchieden wer - den muß. Weitlaͤuftig findet man die Gruͤnde ge - gen das freiwillige Voͤlkerrecht abgehandelt in Sam. L. B. de Cocceji disſ. prooem. IV. de jure gen - tium voluntario vbi probatur, tale jus non exiſtere etc. in Introd. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. und in I. F. L. Schrodt Syſtema Juris Gentium Prolegom. §. 7. ſeqq.
*]

§. 5. Naͤhere Beſtimmung dieſer beiden Gat - tungen.

Das nothwendige und freiwillige Voͤlkerrecht ha - ben alſo beide in der Natur ihren Grund, und laſ - ſen ſich durch Vernunftſchluͤſſe erweiſen a]. Das erſtere aus dem urſpruͤnglich natuͤrlichen Zuſtande, das andere aus den geſelſchaftlichen Verhaͤltniſſen der Voͤlker. Je - nes iſt allen Voͤlkern des Erdbodens gemein, dieſes ver - bindet nur dieienigen, welche freiwillig in die geſelſchaft - liche Verbindung der Voͤlker treten. Das nothwendi -ge13und dem europaͤiſchen insbeſondere.ge Voͤlkerrecht, ſagt Vattel, darf nie auſſer Augen ge - ſezt werden, wenn bey einem Volke die Frage iſt: wie es ſeinen Pflichten und ſeinem Gewiſſen ein Gnuͤge lei - ſten ſoll? wenn es aber darauf ankomt: was es von einem andern Volke fodern koͤnne? alsdann muß das freiwillige entſcheiden.

a]Faͤlſchlich behauptet daher Grotius von dem freiwilligen Voͤlkerrechte, das er gemeiniglich ſchlechtweg jus gentium nent, quod ex certis principiis, certa argumenta - tione deduci non poteſt, et tamen vbique obſervatum apparet, ſequitur vt ex voluntate libera ortum habeat. Proleg. §. 40. Richtiger und meiner Meinung angemeſ - ſener urteilen Wolf und beſonders Vattel. Habemus itaque, ſchreibt Erſterer, fundamentum certum atque immotum juris gentium voluntarii et ſunt principia certa, vi quorum ex notione civitatis maximae jus iſtud derivari poteſt, vt non coeco impetu ſtandum ſit factis et moribus atque iudiciis gentium moratiorum ac inde inferendus quaſi vniverſalis quidam omnium conſenſus, quemadmodum Grotius ſenſisſe videtur. Enim - vero tutiorem viam ingredimur, ſi oſtendamus gentes ratione vtentes in hoc vel iſtud conſentire debuisſe, quod pro jure inter ipſas valuit vel hodienum valet: id quod ex notione civitatis maximae non minus evi - denter demonſtrari poteſt, quam jus gentium neces - ſarium ſeu naturale. Proleg. §. 20. und 22. not. Le droit des gens necesſaire, ſagt endlich Vattel in der Vorrede, et le droit des gens volontaire ſont donc éta - blis l un et l autre par la nature; mais chacun à ſa manière: le premier comme une loix ſacrée, que les nations et les ſouverains doivent reſpecter et ſuivre dans toutes leurs actions; le ſecond comme une règle que le bien et le ſalut communs les obligent d aumettre dans les affaires qu’ils ont enſemble. Le droit neces -ſaire14Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,ſaire procède immediatement de la nature; cette mère commune des hommes recommende l obſervation du droit des gens volontaire, en conſideration de l état les nations ſe trouvent les unes avec les autres et pour le bien de leurs affaires. Ce double droit fondé ſur des principes certains et conſtans eſt ſuſceptible de demonſtration.
a]
b]Prélim. §. 28.
b]

§. 6. Quellen und Huͤlfsmittel des natuͤrlichen Voͤlkerrechts.

Da das natuͤrliche Voͤlkerrecht in Anwendung des ur - ſpruͤnglichen und geſelſchaftlichen Naturrechts auf freie Voͤlker beſteht, ſo folgt, daß die Grundſaͤtze deſſelben lediglich auf Schluͤſſe der geſunden Vernunft beruhen, die aus dem Weſen der Voͤlker und aus den Grundſaͤtzen ihrer Freiheit, Gleichheit und ihres gemeinſchaftlichen Wohls ſich herleiten laſſen. Huͤlfsmittel bieten alle na - tuͤrliche Rechtswiſſenſchaften der einzelnen Menſchen ſo - wohl, als der Staaten dar: nur muß bey deſſen wuͤrkli - cher Anwendung hauptſaͤchlich die beſondere Verfaſſung der Voͤlker zu Rathe gezogen werden.

§. 7. II. Wilkuͤhrliches oder poſitives Voͤlkerrecht.

Die Voͤlker koͤnnen aber auch noch andere ganz wil - kuͤhrliche Verbindlichkeiten unter ſich eingehn, wodurch die oft unzulaͤnglichen Regeln des natuͤrlichen Rechts theils naͤher beſtimt, theils erweitert oder eingeſchraͤnkt werden, wenn ſie nur demſelben nicht gerade zuwiderlau - fen. Daraus entſteht eine beſondere Gattung des Voͤl - kerrechts, die man das wilkuͤhrliche oder beliebte [arbi - trarium] nent, weil deſſen Grundſaͤtze auf die Wilkuͤhr der Voͤlker beruhen. Den Namen des poſitiven fuͤhrtes,15und dem europaͤiſchen insbeſondere.es, nicht in Ruͤckſicht eines menſchlichen Obern, ſondern der von den Voͤlkern ſelbſt ſich auferlegten Geſetze. Das hiſtoriſche wird es endlich zuweilen genant, weil es da - bey nicht ſowohl auf Vernunftſchluͤſſe, als auf Thatſa - chen ankomt, die aus der Geſchichte beigebracht werden muͤſſen.

*]Sa Majeſté [Britanique] heißt es in der Grosbritanni - ſchen Antwort vom 1ſten April 1780 auf die Ruſſiſche Declaration vom 28ſten Febr. in Betref der bewafneten Neutralitaͤt, a réglé ſa conduite envers les puisſances amies et neutres, d après la leur à ſon égard, la con - formant aux principes les plus clairs et les plus géné - ralement reconnus du droit des gens qui eſt la ſeule loi entre les nations qui n’ont point de traité, et à la teneur de ſes differens engagemens avec d’autres puis - ſances, lesquels engagemens ont varié cette loi primi - tive par des ſtipulations mutuelles et l ont varié de beaucoup, de manières differentes ſelon la volonté et la convenance des parties contractantes.
*]
**]Wolf, Vattel und Andere zaͤhlen zu dem poſitiven oder wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte auch das freiwillige, weil es eine vermeintliche Einwilligung [conſenſum praeſumtum] der Voͤlker vorausſetze. Dieſer Meinung kan ich iedoch, wie ſchon aus dem Vorhergehenden erhellet, nicht beitre - ten, da nach meinen Begriffen das wilkuͤhrliche oder poſi - tive Voͤlkerrecht ein Gegenſatz des natuͤrlichen iſt. Unter dieſem verſtehe ich naͤmlich dieienigen Grundſaͤtze, welche aus einer algemeinen Quelle durch natuͤrliche und vernuͤnf - tige Schlusfolgen ſich herleiten laſſen;[unter] ienem ſolche Geſetze, deren iedes einer beſondern Publikation durch Thathandlungen erfordert. Aus erſtern, nicht aus leztern fließt obgedachtermaaßen das freiwillige Voͤlkerrecht, ob deſſen Verbindlichkeit gleich den freiwilligen Beitrit zur Voͤlkergeſelſchaft vorausſezt.
**]
§. 8.16Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,

§. 8. Quellen deſſelben a] Vertraͤge.

Die Einwilligung der Voͤlker kan auf beiden Seiten entweder ausdruͤcklich, durch foͤrmliche Vertraͤge, oder ſtilſchweigend erteilt werden. Aus den erſtern entſpringt das Vertragsrecht der Voͤlker oder das verglichene Voͤlkerrecht, welches die durch Vertraͤge beſtimten gegenſeitigen Zwangsrechte und Pflichten enthaͤlt.

*]Huld. ab Eyben disſ. de jure inter et intra gentes ſcri - pto et non ſcripto Giesſ. 1661. 4. und in Opp. T. I. n. 2.
*]

§. 9. b] Herkommen.

Fuͤr eine ſtilſchweigende Einwilligung wird es ange - ſehn, wenn ein Volk, mit Wiſſen und ohne Widerſpruch des andern, etwas thut oder unterlaͤßt, dem dieſes, wenn es nicht einwilligen wolte, zu widerſprechen das Recht und die Verbindlichkeit hatte. Daraus entſtehen gewiſſe verbindliche Gebraͤuche und Gewonheiten, die das Gewonheitsrecht der Voͤlker [jus gentium con - ſuetudinarium] das Voͤlkerherkommen, das herkom - liche oder praktiſche Voͤlkerrecht ausmachen, und z. B. in Beſtimmung des Ranges und unzaͤhliger anderer Vorfallenheiten ein großes Gewicht haben.

*]Iac. Geringii disſ. quantum gentes moribus ſuis obli - gentur Lipſiae. 1716. 4. Io. Wilh. de Goebel diß. de obſervantia gentium et imperii. Helmſt. 1732. 4. Io. Wilhelm Hoffmann de obſervantia gentium 1736. rec. Franc. ad Viadr. 1758. 4. Heur. Chr. de Senckenberg de jure obſervantiae ac conſuetudinis in cauſis publicis privatisve. Giesſ. 1743. 4. Joh.17und dem europaͤiſchen insbeſondere.Joh. Heinr. Balecke wahrer Begrif des Herkommens, als ein in den Rechten gegruͤndeter Titel ein Recht zu beſitzen. Roſtock 1751. 4
*]
**]Die Verbindlichkeit dieſer Gewonheiten beruht freilich auf etwas ſchwankenden Gruͤnden, ſo daß auch einige mit Schrodt [Proleg. §. 8.] ſie ad meram rationem decori zaͤhlen. Eine fingirte aus gemeinſamer Nothwendigkeit und Wohlfarth hergeleitete Einwilligung, oder ein ſo genannter Quaſicontract, den einige hierbei annehmen, iſt kaum vermoͤgend, ein verbindliches Recht unter freien Voͤlkern zu bewuͤrken. Sam. Gottl. Treueri progr. de commento obligationis perfectae gentium quaſi ex con - tractu, Götting 1740. 4. Die Veriaͤhrung, woraus andere die Rechtskraft herleiten, iſt, wenigſtens nach den gewoͤnlichen Begriffen des Privatrechts, im Natur - und Voͤlkerrechte ebenfals unerweislich. Andr. Wilh. Pagenſtecher de fundamento praeſcri - ptionis in iure gentium poſitivo, non naturali quaerendo. Marb. 1748. 4. Chr. Henr. Breuningii disſ. de praeſcriptione liberis gentibus incognita. Lipſ. 1752. Chr. Nic. Carſtens comment. de praeſcriptione inter gentes locum non habente. Ien. 1758. Iac. Fr. Roennberg [ſub praeſ. Siegfr. Caeſ. ab Aeminga] disquiſitio quaeſtionis: num praeſcri - ptio ſit iuris naturalis vel gentium nec ne, ſed mere civilis? Gryphisw. 1764. Die Meinung des Grotius und anderer von einer ſtilſchwei - genden durch Handlungen an den Tag gelegten Einwil - ligung hat zwar auch ihre Schwierigkeiten, dennoch be - hauptet ſie vor den uͤbrigen ohnſtreitig den Vorzug. Magn. Crackan de ſilentio principibus praeiudicante. Alt. 1705. 4. BA.18Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,A. F. Reinhardt von den Wuͤrkungen der ſtilſchwei - genden Einwilligung zwiſchen freyen Voͤlkern; in deſſen Samlung iuriſtiſch-philoſophiſcher und kriti - ſcher Aufſaͤtze. Buͤtzow und Wismar 1775. 8. 5. Stuͤck. n. 1. S. 307-326. Es ſind hauptſaͤchlich folgende Punkte dabey in Acht zu neh - men: a] Die Handlungen und das Betragen der Voͤlker, zwiſchen welchen ein Herkommen eingefuͤhrt werden ſoll, muͤſſen ſo beſchaffen ſeyn, daß deren gegenſei - tige Einwilligung daraus deutlich erhellet. b] Die ſtilſchweigende Abſicht des handelnden oder un - terlaſſenden Theils, ein Recht zu erwerben, wird eben nicht nothwendig erfordert, weil ein Herkom - men oft zufaͤlligerweiſe entſtehen kann. c] Die That muß zur Wiſſenſchaft des andern Theils gelangt oder wenigſtens oͤffentlich und dergeſtalt ge - ſchehen ſeyn, daß ein Volk, deſſen Souverain oder Staatsbediente fuͤglich davon haͤtten Nachricht haben koͤnnen. d] Der Gegentheil muß das Recht ſich dagegen zu re - gen gehabt, den Widerſpruch aber entweder gaͤnzlich unterlaſſen, oder, nach einiger Widerſetzung, bey fernern Anmaſſungen, dennoch geſchwiegen, oder wohl gar etwas unternommen haben, woraus die Einwilligung offenbar folgt. e] Wer das Recht zu widerſprechen hat, iſt deshalb in Zeiten dazu verbunden, weil der Gegentheil, das, was ſonſt geſchehn, aus vernuͤnftigen Gruͤnden, als gewoͤnlich, vermuthend, leicht Gefahr laufen koͤnte, wenn er erſt in nachherigen Faͤllen einen Widerſpruch leiden ſolte. f]19und dem europaͤiſchen insbeſondere.f] Wenn ein Beiſpiel hinlaͤnglich entſcheidet, iſt eine oͤftere und ſeit langen Jahren erfolgte Wiederhohlung der Handlung oder Unterlaſſung nicht ſchlechterdings noͤthig; doch wird bey mehreren Faͤllen Einfoͤrmig - keit und uͤberhaupt ſo viel Zeit erfordert, damit der andere Theil hinlaͤngliche Wiſſenſchaft davon erlan - gen koͤnne. g] Gemeiniglich fodert man auch, daß eine Gewon - heit, welche zum Voͤlkergeſetz werden ſoll, einen Grund in der Wohlfarth, Ruhe und Sicherheit der Voͤlker habe, und auf vernuͤnftigen Handlungen be - ruhe. h] Das Herkommen muß von demienigen Volke, wel - ches ſich darauf bezieht, erwieſen werden. i] Eigentlich verbindet das Herkommen, gleich den ausdruͤcklichen Vertraͤgen nur dieienigen Voͤlker, wel - che ihre Einwilligung ſtilſchweigend dazu gegeben haben. k] Die uͤbrigen Voͤlker koͤnnen daher nicht gezwungen werden, ſich nach einer Gewonheit zu richten, die vielleicht aus beſondern Verhaͤltniſſen etwa nur zwi - ſchen ein und dem andern Volke eingefuͤhrt iſt. l] Wenn aber eine Gewohnheit unter mehrern oder gar den meiſten Voͤlkern angenommen iſt, und auf Grundſaͤtze beruht, welche das gemeinſchaftliche Wohl unter ihnen zur Abſicht haben, folglich unter gleichen Verhaͤltniſſen, auch auf die uͤbrigen anwend - bar ſind, ſo verlangen die geſelſchaftlichen Pflichten die Beobachtung einer ſolchen Gewohnheit allerdings, wenn nicht beſondere Umſtaͤnde dagegen eintreten. Aber alsdann gehoͤrt ein dergleichen Herkommen, das etwa nur in einer unbedeutenden Zufaͤlligkeit ihre Beſtimmung aus der Wilkuͤhr einiger Voͤlker erhalten hat, auch mehr zum freiwilligen Voͤlkerrechte. B 2*]20Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,*] Kahrel leitet in ſeinem Voͤlkerrechte die algemeine Ver - bindlichkeit einiger Gewohnheiten aus dem, bey Gelegen - heit des freiwilligen Voͤlkerrechts, fingirten Begriffe eines unter allen Regenten der Erde beſtehenden großen Welt - ſtaats her. Es kan keine Gewonheit ſchreibt er §. 524. ein Gewonheitsvoͤlkergeſetz zuwegebringen als ver - mittelſt des muthmaßlichen Willens aller oder doch der mehreſten Regenten der Erde, inſoweit ſolche zuſammen - genommen den Regenten des großen Weltſtaats ausma - chen. Bew. Denn ein Gewonheitsvoͤlkergeſetz iſt ein wilkuͤhrliches Voͤlkergeſetz. Solchergeſtalt haͤngt es von dem Willen aller oder der mehreſten Regenten, in ſoweit ſie einen großen Weltſtaat ausmachen, ab, und kan, weil ſich die Regenten, als Mitglieder des großen Weltſtaats einzeln keinem, als allen oder doch den mehreſten zu - länglich verbunden haben, nirgends andersher, als von dieſem vereinigten Willen die Verbindlichkeit bekommen. Nur Schade, daß dieſer große Weltſtaat auf ſo hinfaͤlligen Gruͤnden beruht, und die verbindende Kraft des mehrern Theils, nach dem ſtrengen Rechte, unbedingt nicht zu erweiſen iſt! m] Das Herkommen findet gewoͤhnlich zwar nur in ſolchen Faͤllen Statt, wo keine ausdruͤcklichern Vor - ſchriften entſcheiden; doch koͤnnen zuweilen auch dieſe durch neue Gewonheiten vernichtet werden. Beide haben einerlei Wuͤrkung. Das Herkommen fuͤhrt ent - weder neue Grundſaͤtze ein, oder aͤndert und erlaͤutert die bisherigen; ſo wie ein neuer Vertrag das aͤltere Herkommen aufhebt.
**]

§. 10. c] Analogie.

Geſetze und Vertraͤge ſind oft ſo beſchaffen, daß ſich noch viele aͤhnliche Faͤlle aus denſelben und ihren Grund - urſachen herleiten laſſen, die wuͤrklich darinn nicht ent -halten21und dem europaͤiſchen insbeſondere.halten ſind. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit dem Herkom - men. Die aus Vergleichung aͤhnlicher Faͤlle gezogenen Grundſaͤtze nent man Analogie, welche, wie in allen Rechtswiſſenſchaften, ſo auch im Voͤlkerrechte alsdann ihre Anwendung leidet, wenn ein Fall auf beſtimtere Art nicht zu entſcheiden iſt.

*]Io. Georg Kulpis orat. de analogia iuris; in disſ. acad. p. 1011-1034. Dan. Nettelbladt de deciſione caſuum ſecundum ana - logiam. Halae 1751. 4. Car. Henr. Geiſleri progr. de analogia iuris publici. Viteb. 1784. 4.
*]

§. 11. Algemeines und beſonderes Voͤlkerrecht.

Eine der wichtigſten Abtheilungen des Voͤlkerrechts, worauf man bei Anwendung ſeiner Saͤtze die vorzuͤglich - ſte Aufmerkſamkeit zu richten hat, iſt in algemeines und beſonderes, ie nachdem es entweder alle Voͤlker des Erdbodens, oder nur einige derſelben verbindet. In Vernachlaͤſſigung dieſes Unterſchiedes liegt die Haupt - quelle der mehreſten Streitigkeiten der Rechtsgelehrten in Anſehung der Voͤlkerrechtsbegriffe. Auſſer dem noth - wendigen natuͤrlichen laͤßt ſich ein algemein verbindli - ches Voͤlkerrecht ſchwerlich mit Grunde behaupten. Das freiwillige kan nur gegen dieienigen eine Kraft haben, von denen ſich erweiſen laͤßt, daß ſie wuͤrklich in einer geſelſchaftlichen Vereinigung mit einander leben. Das wilkuͤhtliche endlich iſt nur denen ein Geſetz, welche ihre Einwilligung entweder ausdruͤcklich oder ſtilſchwei - gend auf eine rechtskraͤftige Art gegeben haben. Es laͤßt ſich alſo ein Voͤlkerrecht denken, das blos unter zwei Nazionen Statt findet.

B 3*]22Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
*]Io. Ad. Ickſtadt in Elem. jur. gentium L. I. c. II. §. 2. Schol. theilt auch das natuͤrliche, naͤmlich das nothwendige, in algemeines und beſonderes. Erſteres ſoll die alge - meinſten Regeln, lezteres dieienigen Grundſaͤtze enthalten, welche die Natur eines ieden Staats insbeſondere erheiſcht.
*]

§. 12. Andrer Rechtslehrer Abtheilungen des Voͤlkerrechts.

Vorſtehende Voͤlkerrechtseintheilungen haben mir die weſentlichſten geſchienen. Andre Voͤlkerrechtslehrer be - dienen ſich deren noch mehrere, die zum Theil blos in der Benennung abweichen. Ich will wenigſtens die vor - nehmſten davon bemerklich machen. Nach der Meinung des Grotius zerfaͤlt das Voͤlkerrecht in zwei Haupttheile in latius patens, worunter er ſein ſogenantes ius gentium voluntarium verſteht, das wieder vniverſale et certarum gentium ſeyn ſoll, und in arctius patens, welches blos das bey mehreren Voͤlkern gleichfoͤrmig angenommene Privatrecht enthaͤlt. Das natuͤrliche Voͤlkerrecht iſt nach dem Grotius und andern Philoſophen entweder ein in - nerliches oder aͤuſſerliches. Jenes ſoll aus den Grund - ſaͤtzen beſtehn, welche ich mit Wolfen und andern zu dem nothwendigen Voͤlkerrechte zaͤhle, weil ſie, wenn auch nicht aͤuſſerlich, doch fuͤr das Gewiſſen der Voͤlker ver - bindlich ſind. Zu dieſen gehoͤren die auch aͤuſſere Zwangsmittel zulaſſende Pflichten: und weil die Beob - achtung der innern Obliegenheiten von andern Voͤlkern, nicht wie die aͤuſſern, mit volkomnen Rechte gefodert werden koͤnnen; ſo wird das Voͤlkerrecht vielfaͤltig auch in volkomnes und unvolkomnes eingeteilt. Ferner unterſcheidet man es in abſolutes [abſolutum connatum, von einigen auch primarium genant] und hypothetiſches [hypotheticum, adquiſitum oder auch ſecundarium]. Er - ſteres iſt dasienige, welches ohne Zuthun einer verbindli -chen23und dem europaͤiſchen insbeſondere.chen Handlung, blos aus dem Weſen der Voͤlker ent - ſpringt, lezteres ſezt eine verbindliche Handlung, ein ſo - genantes factum iuridicum, z. B. einen Vertrag, eine Beleidigung voraus. Zouchaͤus und Mehrere machen einen Unterſchied zwiſchen ius gentium und jus inter gentes. Unter ienem verſtehn ſie das natuͤrliche, unter dieſem das von ihm abgehandelte practiſche Voͤlkerrecht. Sel - den endlich theilt das Voͤlkerrecht in Ruͤckſicht der von Gott dem iuͤdiſchen Volke unmittelbar ertheilten Voͤl - kergeſetze in ius gentium imperativum und interveniens.

*]Man ſehe von dieſen und mehrern zum Theil unſchickli - chen Eintheilungen Sam. Rachelii disſ. IIdam de J. N. et G. beſonders §. 17-22.
*]

§. 13. Verſchiedenheit des Voͤlkerrechts vom Naturrechte.

Unter dem Ausdruck: Voͤlkerrecht verſtehen Viele ſogleich ein Recht, welches alle Voͤlker verbinden ſoll: ſo wie der Name: Staatsrecht, ohne weitern Zuſatz immer nur das algemeine bezeichnet. Da ſie nun blos dem Naturrechte eine algemeine Verbindlichkeit zugeſtehn und ſolches gerade zu auf die Voͤlker angewandt wiſſen wollen; ſo halten ſie auch den Unterſchied fuͤr unnoͤthig. Hobbes laͤugnete ihn zuerſt: ihm folgten Puffendorf, Gundling, Boͤhmer und Andere. Die gegenſeitige Meinung hat iedoch triftigere Gruͤnde fuͤr ſich. So ver - ſchieden das Weſen politiſcher Koͤrper von dem Weſen wuͤrklicher Perſonen iſt, ſo manchen Abaͤnderungen iſt nothwendig das Naturrecht in der Anwendung auf freie Voͤlker unterworfen. Schon das natuͤrliche Voͤlkerrecht weicht alſo von dem Naturrechte merklich ab: noch ein - leuchtender alſo wird der Unterſchied bey den poſitiven Grundſaͤtzen. Puffendorf und ſeine Nachfolger trugenB 4indes24Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,indes die Natur - und Voͤlkerrechtslehren unabgeſondert vor. Deſto ſorgfaͤltiger ſind Wolf, Vattel, Ickſtadt und die neuern Gelehrten in deren Auseinanderſetzung geweſen; und Moſer hat das europaͤiſche Voͤlkerrecht ohn alle Einmiſchung des Naturrechts vorgetragen.

*]Io. Car. Durrius de juris gentium cum jure naturae conſenſu. Alt. 1671. 4. Io. Dan. Schwertneri disſ. de diſcrimine juris gentium a jure naturae. Lipſ. 1685. 4. Dav. Frid. Kappeine disſ. an et quatenus jus gentium a jure naturae differat? Lugd. Bat. 1741. 4.
*]

§. 14. Exiſtenz eines Voͤlkerrechts.

Mit dem Unterſchiede wird denn auch die Exiſtenz eines eignen Voͤlkerrechts uͤberhaupt, beſonders aber des poſitiven abgelaͤugnet. Man wendet ein, daß freie Voͤl - ker, welche keinen Obern als Gott uͤber ſich erkennen, an menſchliche Geſetze und Gewonheiten nicht gebunden ſeyn koͤnten, ſondern lediglich die Vorſchriften des Na - turrechts befolgen duͤrften. Andere, die allenfals ein eignes Voͤlkerrecht zugeben, halten doch ſelbſt das natuͤr - liche darum fuͤr unnuͤtz, weil die Voͤlker zu deſſen Beob - achtung durch niemanden angehalten werden koͤnten. Allein nicht blos Geſetze eines Obern, ſondern auch Ver - traͤge zwiſchen Gleichen ſind vermoͤgend, die Richtſchnur der Handlungen zu beſtimmen, und ein Recht zu begruͤn - den. Sind freie Voͤlker gleich keinem menſchlichen Geſetzgeber unterworfen, ſo koͤnnen ſie doch ſelbſt gewiſſe Verbindlichkeiten ſich auflegen, welche als Geſetze von ihnen beobachtet werden, und deren Handhabung gegen die Uebertreter, ſo wie bey den Vorſchriften der Natur, dem andern Theile mit Recht gebuͤhrt.

*]25und dem europaͤiſchen insbeſondere.
*]Nic. Andr. Pompeji disſ. de exiſtentia juris gentium. Alt. 1688. 4. Ierem. Eberh. Linckii quaeſtiones IV. 1] an jus gen - tium recte dicatur jus aut lex etc. Argent. 1742. 4. Io. Ioach. Zentgravii diſquiſitio de origine, veritate et obligatione juris gentium. Argent. 1684. 4. P. B. van Wydenbrugh disſ. ſ. t. datur ſed nondum ha - betur jus gentium. Götting. 1783. 4.
*]

§. 15. Verbindung des Voͤlkerrechts mit andern Staatskentniſſen.

Das Voͤlkerrecht iſt ein Theil der Staatswiſſen - ſchaft. Dieſe begreift alle dieienigen Kenntniſſe in ſich, welche die moͤgliche und wuͤrkliche Beſchaffenheit der Staaten und der davon abhangenden Beſtimmungen zum Gegenſtand haben. Sie wird daher in die philo - ſophiſche und hiſtoriſche eingeteilt. Ihre Quellen be - ſtehen in Rechtsgelehrſamkeit, Politik und Ge - ſchichtkunde. Die erſtere lehrt, wie die Staaten von Rechtswegen ſeyn muͤſſen; die zweite, wie ſie, der Klugheit gemaͤs, ſeyn koͤnten und ſolten; und die dritte, wie ſie wuͤrklich ſind, und wodurch ſie ihre gegenwaͤrtige Geſtalt erlangt haben. Ueberdies kan man die Staaten entweder nach ihrer innern Einrichtung und Verfaſſung, oder nach ihrem aͤuſſern Verhaͤltniſſe zu andern Staaten betrachten. Alle dieſe verſchiedenen Ruͤckſichten ſind der Grund, aus welchem die Staatswiſſenſchaft in folgende Haupttheile zerfaͤlt.

  • A] Aus den Rechtslehren fließt:
    • a] Das Staatsrecht, wenn man die innere Verfaſſung der Staaten, in Beziehung auf Regenten und Unterthanen, nach den Regeln des Rechts unterſucht; und zwarB 5aa]26Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
      • aa] das algemeine, welches in philoſophiſchen Grund - ſaͤtzen beſteht, und auf alle moͤgliche Staaten ſich erſtreckt.
      • bb] Das beſondere, deſſen Gegenſtand ein einzelner wuͤrklicher Staat iſt.
    • b] Das Voͤlkerrecht, welches in den vorherge - henden §. §. ausfuͤhrlicher erklaͤrt worden, und bey dem die Eintheilung in
      • aa] algemeines und
      • bb] beſonderes z. B. europaͤiſches, davon in der Folge gehandelt werden ſoll, ebenfals Statt findet.
  • B] Die Politik lehrt in der Staatsklugheit unter mehrern rechtmaͤßigen, die beſten und ſchicklichſten Mittel zur geſchwindeſten Erreichung der Abſichten des Staats und deſſen Wohlfarth kennen. Es giebt auch eine
    • a] algemeine und
    • b] beſondere, in Beziehung der
      • aa] innern und
      • bb] aͤuſſern Verhaͤltniſſe.
  • C] Von der Geſchichtkunde gehoͤren zur Staatswiſ - ſenſchaft hauptſaͤchlich
    • a] die Statiſtick, welche von der natuͤrlichen und politiſchen Verfaſſung eines Staats, von deſſen Groͤße, Producte, Maͤngel, Macht und allen uͤbrigen gegenwaͤrtigen Merkwuͤrdig - keiten deſſelben Nachricht giebt.
    • b] Die Staatengeſchichte macht die Veraͤnde - rungen eines Staats im Ganzen und ſeinen Theilen bemerklich, lehrt deren Urſachen und Wuͤrkungen, und zeigt uͤberhaupt, wie allesnach27und dem europaͤiſchen insbeſondere.nach und nach ſeine itzige Beſchaffenheit er - langt hat.

Uebrigens wird die Staatswiſſenſchaft auch noch in die theoretiſche und practiſche eingetheilt. Dieſe lehrt in der Staats - und Voͤlkerpraxi die Grundſaͤtze der erſtern auf einzelne Staatsgeſchaͤfte anwenden. Alle dieſe verſchiedenen Kenntniſſe ſtehen, als Theile ei - nes Ganzen, in der genaueſten Verbindung, und bieten einander, der beſtaͤndigen Beziehung wegen, die unent - behrlichſten Huͤlfsmittel dar.

§. 16. Europaͤiſches Voͤlkerrecht.

Die Verbindung der europaͤiſchen Nazionen unter einander, welche zuſammen gleichſam ein Syſtem aus - machen, veranlaßt mancherley beſondere Verhaͤltniſſe. Wenn man auf dieſe die Zwangsrechte und Zwangs - pflichten des algemeinen Voͤlkerrechts anwendet, und zugleich die durch Vertraͤge oder Herkommen unter ihnen beliebten Einſchraͤnkungen und Beſtimmungen bemerkt, ſo entſteht daraus der Begrif des europaͤiſchen Voͤlker - rechts.

*]Der Freyherr von Ompteda, in ſeiner Litteratur des Voͤl - kerrechts 1. Th. §. 5. misbilligt zwar, daß man den Vortrag des Voͤlkerrechts gemeiniglich nur unter dem Namen des europaͤiſchen beſchraͤnke, da es doch auch auſſer Europa laͤngſt ſchon geſittete Voͤlker gebe, deren Anzahl durch die vereinigten Staaten von Amerika neuer - lich vermehret worden. Ich glaube iedoch, daß die euro - paͤiſchen Nazionen das vorzuͤglichſte Augenmerk verdienen, da ſie ohnſtreitig in weit genauern und haͤufigern Verbin - dungen unter einander als mit den Voͤlkern der uͤbrigen Welttheile ſtehen, deren Grundſaͤtze mit dem europaͤiſchen Voͤlkerrechte ohnedies oft ſchwer zu vereinbaren ſind. Man28Von dem Voͤlkerrecht uͤberhaupt,Man erwaͤge z. B. das marokkauiſche Verbot von 1780. gegen England und andere chriſtliche Nazionen Europens, Spanien und Frankreich ausgenommen, wegen des Einlau - fens ihrer Schiffe in die Haͤfen, und deſſen Abaͤnderung zum Nachtheil Spaniens im folgenden Jahre; Hyder-Ali’s Kriegsmanifeſt gegen England von 1780; die Behandlung des Deys zu Algier gegen den tuͤrkiſchen Geſandten 1782. u. ſ. w. Das natuͤrliche nothwendige Voͤlkerrecht bleibt indes auch auf dieſe anwendbar, und das freiwillige eben - fals, wenn ſie mit andern in geſelſchaftlichen Verbindun - gen ſtehen.
*]

§. 17. Quellen deſſelben a] Vertraͤge.

Die erſte und zuverlaͤſſigſte Quelle des beſondern europaͤiſchen Voͤlkerrechts machen die unter den europaͤi - ſchen Staaten errichteten ausdruͤcklichen Vertraͤge aus [deren Erforderniſſe weiter unten vorkommen werden]. Da es aber keine algemeinen Vertraͤge giebt, die von allen, oder auch nur den mehreſten europaͤiſchen Nazio - nen geſchloſſen waͤren, ſo iſt dieſes Vertragsrecht keines - weges algemein, ſondern nur fuͤr dieienigen Voͤlker ver - bindlich, welche dergleichen Vertraͤge errichtet, oder durch ihren Beitritt anerkant haben.

*]Io. Aug. Hellfeld de fontibus iuris, quo illuſtres vtun - tur vor Struvii Jurisprudentia heroica.
*]

§. 18. b] Herkommen.

Die algemeinen Begriffe des Herkommens ſind ſchon §. 9. feſtgeſezt worden. Die europaͤiſchen Staaten ha - ben, wie nicht zu laͤugnen iſt, unter ſich gewiſſe Gewon - heiten eingefuͤhrt, die ſie als Geſetze von allen beobach -tet29und dem europaͤiſchen insbeſondere.tet wiſſen wollen, ob deren algemeine Verbindlichkeit gleich aus dem natuͤrlichen Voͤlkerrechte nicht allemal zu erwei - ſen iſt. Da die europaͤiſchen Nazionen keinen menſchli - chen geſetzgebenden Obern uͤber ſich erkennen, und die wenigſten Handlungen derſelben gegeneinander durch ausdruͤckliche Vertraͤge beſtimt ſind; ſo iſt das Herkom - men, oder das, was in vorigen Zeiten in dergleichen und aͤhnlichen Faͤllen unter ihnen iſt beobachtet worden, von deſto groͤßerm Umfange.

*]Joh. Jac. Moſer in Moſerianis 1779. 1. Stck. n 4. S. 72.
*]
**]Hier iſt nicht ſowohl von einem beſondern, etwa nur zwiſchen zwey oder einigen wenigen Nazionen eingefuͤhrten Herkommen, ſondern hauptſaͤchlich von ſolchen Gewon - heiten die Rede, welche ſie insgeſamt verbinden ſollen. Bey deren
**]
  • I] Beſtimmung iſt zu merken:
    • a] Das Herkommen gruͤndet ſich lediglich auf That - ſachen, die ſtilſchweigend nach und nach eine geſetz - liche Kraft erreicht haben: auch kan es durch Ver - traͤge zwiſchen etlichen Voͤlkern veranlaßt worden ſeyn, indem die uͤbrigen, ohne ausdruͤcklichen Bei - tritt, ſich demſelben gemaͤs benehmen.
    • b] Je mehr Staaten einem Herkommen beigeſtimt, oder nur nicht widerſprochen haben, fuͤr deſto ver - bindlicher wird es geachtet.
    • c] Je mehr Faͤlle man aufweiſen kan, deſto weniger iſt es zu bezweifeln: doch gnuͤgt zuweilen auch nur ein einziges Beiſpiel.
    • d] Die Faͤlle muͤſſen gleichfoͤrmig ſeyn.
    • e] Da Gewohnheiten einer oͤftern Abaͤnderung unter - worfen ſind, ſo komt es hauptſaͤchlich auf die neu - ſten Faͤlle an; nicht ſelten muß man iedoch auf die aͤltern Zeiten zuruͤckgehn.
II]30Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
  • II] Der Beweis des Herkommens liegt, weil es auf That - ſachen beruht, dem, der ſich darauf bezieht, ob, und muß entweder a] durch Zeugen, b] oͤffentliche Staats - ſchriften, oder c] durch glaubwuͤrdige Geſchichtſchreiber gefuͤhrt werden. Zur Erlaͤuterung und Beſtaͤtigung fin - den iedoch auch philoſophiſche Beweiſe ſtatt.
    • Dietr. Herm. Kemmerich diß. de probatione con - ſuetudinis et obſervantiae tam privatae quam publicae. Ienae 1732. 4.
    • Henr. Bodini disſ. de eo quod juſtum eſt circa teſti - monium hiſtoricorum. Halae 1701. 4.
    • Indes ſchiebt man bey dem Herkommen nicht ſelten die Schuld auf die Miniſters, und ſchuͤtzt einen Kanz - leyfehler vor.
  • III] Die Rechtskraft eines dergleichen Herkommens unter den europaͤiſchen Staaten iſt um ſo weniger zu bezweifeln, da ihr eignes Anerkentnis ſolche bewaͤhrt. Sie
    • a] berufen ſich oͤfters auf ein Voͤlkerrecht.
    • b] verſtehen darunter nichts als hergebrachte Gewon - heiten,
    • c] legen ihnen eine volkomne Verbindlichkeit bey.
    • Ad. Fr. Glafeys Recht der Vernunft 1. Buch 1. Kap. §. 329. S. 205. ed. 1746.
    • J. J. Moſers Verſuch ꝛc. Abhandlung von den Nor - men ꝛc. §. 5.
    • Als beym Ryswickſchen Friedenskongreſſe die kaiſerli - chen Geſandten durch zu ſtrenge Behauptung der Vorzuͤge des Kaiſers mancherley Irrungen veran - laßten, aͤuſſerte man von Seiten der vermittelnden Geſandſchaft: daß kein einziger Miniſter Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt den Rang und Vorzug vor andern Souve - rains ſtreitig machte, weil die Poſſeſſion, in welcher ſich ein roͤmiſcher Kaiſer diesfals main -tenirt31und dem europaͤiſchen insbeſondere.tenirt habe, zu einer Gewonheit, und folg - lich zu einem Geſetze worden ſey, welchem niemand derogiren koͤnte noch wolte.
  • IV] Wie nothwendig die Kentnis dieſer Gewonheiten ſey, ergiebt ſich daraus, daß die europaͤiſchen Souverains oft unbeſtimt ſich darauf beziehen. So heißt es z. B. bey dem Eingang in die Dardanellen und Haͤfen, ſollen in Anſehung der daͤniſchen Schiffe eben die Gewonheiten, welche gegen andre freundſchaftliche Nazionen beobachtet werden, Statt haben; und anlangend das Gruͤſſen der Koͤniglich Daͤniſchen Kriegsſchiffe, ſollen die unter andern befreundeten Maͤchten uͤbliche Gewonheiten beobachtet werden. Freudſchafts - und Handlungsvertrag zwiſchen Daͤnemark und der Pforte von 1756. Art. 1. und 5. Wenn die beiderſeitigen Geſchwader oder Kriegsſchiffe ſich begegnen, oder ſich mit einander vereinigen ſolten, will man wegen des Kommando dasienige beobachten, was unter den gekroͤnten Haͤuptern und der Republik gewoͤnlich iſt. Beitrit der vereinigten Niederlande vom 5ten Januar 1781. zum Seehandlungstractat zwiſchen Rußland und Daͤnemark von 1780. Art. 13.

§. 19. c] Analogie.

Der Schlus von aͤhnlichen Faͤllen und Grundſaͤtzen auf andre durch Vertraͤge oder Herkommen ausdruͤcklich nicht beſtimte Faͤlle, giebt auch im europaͤiſchen Voͤlker - rechte oͤfters einen Entſcheidungsgrund ab.

*]Aus dem Vorhergehenden ergiebt ſich uͤbrigens, daß auch das europaͤiſche Voͤlkerrecht in das algemeine, welches ſaͤmtliche oder doch die mehrſten europaͤiſchen Souverains befolgen, und groͤſtenteils in dem Herkommen beſteht, und in das beſondere ſich eintheilen laͤßt, welches zwi - ſchen zwei Voͤlkern insbeſondere obwaltet, und hauptſaͤch -lich32Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,lich auf Vertraͤge oder ſpecielle Gewonheiten beruht. Am 31ſten December 1782. erklaͤrte der engliſche Miniſter dem hollaͤndiſchen Geſandten zu Paris, daß England alle vori - gen beſondern Verbindungen mit Holland als aufge - hoͤrt betrachte, und nun nur ſchlechterdings und einzig nach den algemeinen Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts gegen die Republik verfahren koͤnne; doch fragten die hol - laͤndiſchen Geſandten in der Antwort vom 5ten Januar 1783., was der Londner Hof durch die Grundſaͤtze dieſes Voͤlkerrechts verſtehe?
*]

§. 20. Vom Gebrauch der Bibel, der roͤmiſchen und andrer Privatrechte in den Voͤl - kerrechtsmaterien.

Auſſer dem algemeinen natuͤrlichen Voͤlkerrechte hal - ten J. J. Moſer und andere das goͤttliche Recht der Bibel a], beſonders neuen Teſtaments, und deſſen Hauptgrundſaͤtze: 1] Liebe deinen Naͤchſten als dich ſelbſt; 2] Was ihr wolt, das euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen auch, fuͤr eine der erſten Normen, wornach beſonders die europaͤiſchen Na - zionen ihre Handlungen einrichten ſolten, weil ſie, eini - ge orientaliſche Staaten ausgenommen, alle zur chriſtli - chen Religion ſich bekennen. Doch geſteht er ſelbſt, daß in den Staatshandlungen der Souverains von Gott und goͤttlichem Rechte ſelten, von der heiligen Schrift aber faſt nie die Rede ſey, wenn ſchon ein Satz daraus noch ſo entſcheidend waͤre. So verehrungswuͤrdig die - ſes goͤttliche Buch in den Augen des wahren Chriſten, und ſo verbindlich es fuͤr das Gewiſſen chriſtlicher Re - genten iſt, ſo wenig kan demſelben doch eine volkomne aͤuſſere Verbindlichkeit im juriſtiſchen Verſtande beige - legt werden, da die, auſſer den iuͤdiſchen Ceremoniel - und Privatgeſetzen, in demſelben enthaltene Vorſchrif -ten33und dem europaͤiſchen insbeſondere.ten lediglich auf unſre kuͤnftige Seligkeit abzwecken, wo - zu Gott mit Gewalt niemanden zwingen will b]. Irri - gerweiſe bediente man ſich ſonſt auch der roͤmiſchen, ca - noniſchen und andrer Privatrechte in Beurteilung der Voͤlkerrechtsmaterien, die man aber, weil ihnen aller Grund einer Verbindlichkeit fehlt, heutzutage billig ver - wirft. Doch iſt deren Kentnis, als Huͤlfsmittel, nicht ganz zu verwerfen, indem aus ienem Gebrauche man - ches europaͤiſche Voͤlkerherkommen ſich erklaͤren laͤßt c].

a]Io. Seldeni de jure naturae et gentium iuxta diſcipli - nam Hebraeorum Libri VII. Argent. 1665. 4.
a]
b]Petr. Kyhnieri disſ. de fundamento juris naturae et gentium, quod continetur Matth. VII. 12. Baſil. 1727. J. J. Moſers Verſuch ꝛc. Vorlaͤufige Abhandlung §. 2. Io. Aug. Hellfeld l. c. §. XVIII.
b]
c]Io. Werlhoffii diß. de vſu juris Romani aliorumque privatorum jurium in decidendis controverſiis liberarum gentium. Helmſt. 1692. 4. Der bekante Joh. Otto Tabor ſoll den Rath gegeben ha - ben, den Koͤnig in Frankreich, der einem teutſchen Reichsſtand ins Land gefallen, actione legis aqui - liae zu belangen. Moſers teutſches Staatsrecht 2. Th. S. 214.
c]

§. 21. Staatsintereſſe.

Erhaltung und Vervolkomnung ſein ſelbſt iſt eine der vorzuͤglichſten Pflichten und gemeiniglich die Haupt - triebfeder der Handlungen des Menſchen, einzeln und in Verbindung mit andern betrachtet. Auch unter Nazio - nen liegt darinnen der Grund des iedem Volke eignen ſogenanten Staatsintereſſe, [Intérêt des Etats] unter welchem der Inbegrif aller Maasregeln verſtanden wird,Cdie34Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,die eine Nazion zur unmittelbaren Erhaltung und Ver - mehrung der Staatsabſicht annimt, und in vorkommen - den Staatsgeſchaͤften nach der Staatsraiſon [ratio ſta - tus, raiſon d’état] beſtimt a]. Sie haben auf die Hand - lungen der Souverains gegeneinander oft den ſtaͤrkſten Einflus, und muͤſſen allerdings in Erwaͤgung gezogen werden: nur duͤrfen Vergroͤßerungsſucht und Begierde nach uͤberwiegender Macht, mit Hintanſetzung der Ge - rechtſame anderer Nazionen, nicht deren Hauptquellen, und der Grund eines bloßen Konvenienzrechts b] ſeyn. Selten gelangen indes die wahren und geheimen Trieb - federn der Handlungen unter den Souverainen zur Wiſ - ſenſchaft des Publikums. Daher die Eintheilung in oͤffentliches und geheimes Staatsintereſſe. Die Kent - nis davon gehoͤrt in die Staatsklugheit.

a]Herm. Conringii diß. de ratione ſtatus. Helmft. 1651. 4. und in Opp. T. IV. p. 549-580. Iac. Thomaſius de ratione ſtatus. Lipſ. 1665. 4. Iac. Brunnemanni diß. VI. de ratione ſtatus. Halae 1701. 4. und in Ej. jurispr. publ. n. 12.
a]
b]J. J. Moſers Beytraͤge zum E. V. R. in Friedenszeiten 1ſter Th. S. 8. Sehr oft wird dies ſogenante Konvenienz - recht ein Gegenſtand der Beſchwerden. Das Kabinet von St. James, das keine andern Regeln anerkante, als das vermeintliche Recht der temporellen Konvenienz, be - fand fuͤr gut ꝛc. heißt es unter andern in dem Gegenma - nifeſt der vereinigten Niederlande wider Grosbritannien vom 12. Maͤrz. 1781.
b]

§. 22. Gebrauch der Quellen.

Bei einer vorfallenden Rechtsfrage zwiſchen zwey Voͤlkern kommen zufoͤrderſt die beſondern Vertraͤge und Gewonheiten unter ihnen beiden, nebſt deren Analogiein35und dem europaͤiſchen insbeſondere.in Betrachtung. Sind dieſe unzulaͤnglich, ſo folgen die gemeinen Gewonheiten der uͤbrigen europaͤiſchen Na - zionen: und wenn der Fall auch daraus nicht zu ent - ſcheiden iſt, muß man ſeine Zuflucht endlich zum natuͤr - lichen, zuerſt zum freiwilligen und dann zum nothwendi - gen nehmen. Zwar haͤlt Moſer dies von ihm ſo betit - telte Schulvoͤlkerrecht fuͤr ziemlich unnuͤtzes Geſchwaͤtz, weil deſſen Grundſaͤtze ſehr ungewis und unzureichend waͤren, auch von den Schriftſtellern und Nazionen wie eine waͤchſerne Naſe gedreht wuͤrden, indem man, der Konvenienz nach, bald dieſes bald ienes fuͤr Recht erken - ne, und den natuͤrlichen Gruͤnden wieder andre entge - gen ſetze. Die Beziehung auf Schriftſteller des natuͤr - lichen Voͤlkerrechts ſey daher unnoͤthig in Staatsſchrif - ten, beruhe blos auf den Geſchmack dieſes oder ienes Miniſters, und komme ſelten vor, weil ſelbſt auf der beruͤhmteſten Ausſpruch in Entſcheidung der Voͤlkerſtrei - tigkeiten nichts ankomme. Allein koͤnten die meiſten die - ſer Vorwuͤrfe mit gleichem Rechte nicht auch den Grund - ſaͤtzen des von ihm zuſehr erhobenen practiſchen Voͤlker - rechts gemacht werden? So lange iene vorzuͤglicheren Quellen hinreichen, bedarf es des Gebrauchs natuͤrlicher Voͤlkerrechtsſaͤtze und ihrer Schriftſteller freilich nicht. Im Gegenfall aber, oder auch blos zu mehrerer Beſtaͤti - gung der vorgetragenen Meinungen iſt deren Anfuͤhrung kaum ganz zu verwerfen. Am oͤfterſten muß man auf das freiwillige Voͤlkerrecht zuruͤckgehen; wo man iedoch nicht blos bey den algemeinen Geſelſchaftspflichten ſtehen blei - ben darf, ſondern vorzuͤglich auch auf die Natur der unter den europaͤiſchen Staaten beſtehenden Verbindun - gen, die mancherley Zufaͤlligkeiten unter ihnen weſentlich gemacht haben, Ruͤckſicht nehmen muß.

*]Einen Beweis, daß der Gebrauch des natuͤrlichen Voͤlker - rechts unter den europaͤiſchen Souverainen nicht ganz unge -C 2woͤnlich36Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,woͤnlich ſey, geben unter vielen andern folgende neuere Beiſpiele. In dem Seehandlungstractat zwiſchen Ruß - land und Daͤnemark vom 28ſten Jun. 1780. heißt es im Eingange: So haben Ihro zu Folge ihrer ſteten Aufmerkſamkeit, ihre eigne Wuͤrde, und ihre Sorgfalt fuͤr die Sicherheit und das Wohl ihrer Unterthanen, mit ihrer ſo oft bezeigten Achtung fuͤr das algemeine Voͤl - kerrecht zu verbinden, unter den gegenwaͤrtigen Umſtaͤn - den fuͤr noͤthig gefunden, ihr Betragen nach dieſen Geſin - nungen einzurichten. Ihro Maj. die Kaiſerin von Ruß - land hat durch ihre Erklaͤrung an die kriegfuͤhrenden Maͤchte d. d. 28ſten Febr. 1780. ganz Europa die Grundſaͤtze vor Augen gelegt, welche aus dem urſpruͤnglichen Voͤlker - rechte herfließen, die ſie reklamirt und zur Regel ihres Betragens in dem gegenwaͤrtigen Kriege angenommen hat. Die hollaͤndiſchen Geſandten zu Bruͤſſel erklaͤrten 1784. in einem Memoire an den Kaiſerlichen Miniſter, in Betref der auf die Kaiſerlichen Schiffe, welche die Schelde befahren ſolten, gethanen Schuͤſſe: daß die Generalſtaaten keine andre Abſicht gehabt haͤtten, als ihre billigen Rechte zu handhaben. Die Republick bliebe noch bey ihrer friedlichen Neigung, und ſolte dieſes nicht auf den Geiſt Sr. Majeſtaͤt wuͤrken, ſo wuͤrde ſich die Republick, wider ihren Willen genoͤthigt ſehen, von den Mitteln Gebrauch zu machen, wozu ſie durch das Natur - und Voͤlker - recht zur geſetzmaͤßigen Vertheidigung ihrer unbezweifelten Rechte bevolmaͤchtigt ſey; Von der Anwendung der uͤbri - gen Hauptgattungen des Voͤlkerrechts zeugt, wenn Gros - britannien und Schweden ſich verbinden zur Defenſion ihrer Koͤnigreiche, Lande, Unterthanen, Rechte und Freiheit der Schiffahrt und Handlung in der Oſtſee, Belt, Nordſee und dem Canal und andrer Privilegien und Vorzuͤge, die ihnen durch Vergleiche, Gewonheiten, Voͤlker - und Erbrecht zuſtehen ꝛc. Stockholmer Allianz vom 21ſten Jan, 1740, Art. 4. Oft37und dem europaͤiſchen insbeſondere.Oft wird in den Staatshandlungen der europaͤiſchen Souverains der Ausdruck: Voͤlkerrecht ohne weitern Zuſatz gebraucht, und dann darunter gemeiniglich das natuͤrliche und Gewonheitsrecht verſtanden, zumal wenn es, wie nicht ſelten geſchieht, den Tractaten entgegen geſezt iſt. So ſagen z. B. die vereinigten Niederlande in ihrem Kriegsmanifeſte gegen Grosbritannien 1781. Sie waͤren der bewafneten Neutralitaͤt beigetreten, um mit andern nordiſchen Maͤchten die Neutralitaͤt und Rechte der Neutralen, die ihnen nach dem Voͤlkerrechte und den vorwaltenden Tractaten zukommen, mit geſamter Hand zu vertheidigen. Ingleichen: Die Entſcheidung uͤber die Prieſen und Beſitznehmungen, welche vor Anfang der Feindſeligkeiten gemacht worden, ſoll an die resp. Gerichts - hoͤfe beyder Nazionen gewieſen werden, ſo daß ihre Recht - maͤßigkeit nach dem Voͤlkerrechte und den Tractaten vor den Juſtizhoͤfen der Nazion ſoll entſchieden werden, welche die Prieſen gemacht oder die Beſitznehmungen an - befohlen hat. Def. Friede zwiſchen Frankreich und Gros - britannien 1783. Art. 21.
*]

§. 23. Geſchichte des europaͤiſchen Voͤlkerrechts.

Die Einſicht und Beurteilung der europaͤiſchen Voͤl - kerrechtslehren wird durch alle oberwaͤhnte Theile der Staatswiſſenſchaft nicht wenig erleichtert. Die haupt - ſaͤchlichſten Huͤlfsmittel aber gewaͤhrt die Kentnis des Staatsrechts der europaͤiſchen Nazionen, ihrer politi - ſchen Verfaſſung und beſonders ihres Staatsintereſſe, die man durch das Studium der Staatengeſchichte und der Statiſtick mit allen zur Geſchichte gehoͤrigen Huͤlfs - wiſſenſchaften, als Geographie, Genealogie, Heral - dick ꝛc. aus bewaͤhrten Quellen, zuweilen auch aus poli - tiſchen Blaͤttern, durch Reiſen, Umgang mit Staats -C 3bedien -38Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,bedienten und, wo moͤglich, durch eigne Erfahrung zu erwerben bemuͤht ſeyn muß.

*]Die hier einſchlagenden Schriften findet man in den hiſto - riſchen Bibliotheken aufgezeichnet, unter andern in Georg. Wilh. Zapfs Litteratur der alten und neuen Ge - ſchichte. Lemgo 1781. 8. Burc. Gotth. Struvii Bibliotheca hiſtorica aucta a Chr. Gottl. Budero noviß. edita a Io. Georg. Meuſelio Lipſ. 1782. ſeqq. 8.
*]

§. 24. Teutſches Voͤlkerrecht.

Teutſchland als ein einiger Staatskoͤrper, gehoͤrt ohnſtreitig unter die Zahl der uͤbrigen europaͤiſchen Maͤch - te, und genießt daher mit ihnen gleiche, zuweilen noch vorzuͤglichere Rechte. Bekantlich iſt es aber auch ein Reich, das aus mehreren beſondern, iedoch einer gemein - ſchaftlichen hoͤhern Gewalt[untergeordneten] Staaten be - ſteht, die, ihrer Reichsverbindung unnachtheilig, ver - moͤge der Reichsgrundgeſetze und des Herkommens groͤ - ſtenteils dieienigen Gerechtſame ausuͤben, welche andern freien Voͤlkern zuſtehn. Die meiſten Verbindungen der teutſchen Reichsſtaͤnde mit auswaͤrtigen Maͤchten, viele der Reichsſtaͤnde unter ſich und nicht wenige mit dem Kaiſer und Reich muͤſſen daher aus den Grundſaͤtzen des europaͤiſchen Voͤlkerrechts beurteilt werden. Dieſes auf die teutſchen Reichsſtaͤnde angewandte Voͤlkerrecht kan man fuͤglich das teutſche Voͤlkerrecht nennen.

*]Dan. Nettelbladt von dem rechten Gebrauche des na - tuͤrlichen und gemeinen europaͤiſchen Voͤlkerrechts in der beſondern europaͤiſchen Voͤlkerrechtsgelahrheit der teutſchen Nazion; in deſſen Eroͤrterung einiger einzelnen Lehren des teutſchen Staatsrechts n. 3. ingleichen deſſen Abhandlunguͤber39und dem europaͤiſchen insbeſondere.uͤber die rechte Einrichtung eines Lehrbuchs der Staats - rechtsgelahrheit der Teutſchen. Er giebt dieſer Wiſſen - ſchaft den Namen der beſondern europaͤiſchen Voͤlker - rechtsgelahrheit der teutſchen Nazion und behauptet in der leztern Abhandlung §. 8. mit guten Gruͤnden, daß ſolche abgeſondert vom teutſchen Staatsrechte vorgetragen werden muͤffe. I. A. Ickſtadt Elem. Jur. Gent. L. I. c. I. praecogn. §. 1. Schol. II.
*]
**]Von dieſen Gerechtſamen der teutſchen Reichsſtaͤnde wird unten bey Beſtimmung der Souverainete mehr zu ſagen ſeyn. Hier will ich nur noch ſo viel gedenken, daß alle Klaſſen der Reichsſtaͤnde in ihren Staatsſchriften ſelbſt ſich auf das Voͤlkerrecht beziehn. So heißt es in der De - claration Sr. Majeſtaͤt des Koͤnigs in Preuſſen gegen das Wiener Kreiscirculare von 1785 in Betref der von dem Koͤnige veranlaßten Verbindung einiger Reichsſtaͤnde zur Aufrechthaltung der Conſtitution des teutſchen Reichs: in - dem ſie es durch Maasregeln thun, die dem Voͤlker - recht und den Rechten des teutſchen Reichs gemaͤs ſind. Das Corpus Evangelicorum ſagt in einem Vorſtellungs - ſchreiben an Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt vom 16. Nov. 1720. Beyl. M. in Betref der Beſchwerden gegen das Kurmayn - ziſche Reichs Directorium: aus was fuͤr einem Vorrecht Kur Maynz ſolches [NB. die Anweſenheit beym Votiren in eignen Angelegenheiten] wider aller Voͤlker Gebrauch praͤ - tendire ꝛc. Fabers Staatskanzley 38. Th. S. 299. Wuͤr - tenberg erwiederte unterm 10ten Jun. 1710. auf ein Kai - ſerl. Reſcript in Poſtſachen: Meine Vorfahren haben von etlichen hundert Jahren her nicht allein vi libertatis natu - ralis et juris gentium, ſondern auch des teutſchen Fuͤr - ſtenrechts ꝛc. ſolches jus mittendorum nunciorum ge - habt. Moſers teutſches Staatsrecht 5. Th. S. 226. Die Reichsſtaͤdte bezogen ſich 1687 9 / 19 Oct. und oͤfter inC 4Anſe -40Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,Anſehung ihrer Gerechtſame beim Bothenweſen auf das jus gentium. Ebendaſ. S. 170. Doch hat der Kaiſer den Gebrauch des Voͤlkerrechts bey innern Staatsangele - genheiten des teutſchen Reichs zuweilen nicht wollen gelten laſſen. Ein Voͤlkerrecht ward 1757. in einer Kaiſerli - chen Schrift gegen Preuſſen behauptet, kent man keines - weges bey teutſchen Fuͤrſten unter ſich, ſondern ein Haupt, den Kaiſer, man weiß Reichsſatzungen, Reichsge - richte, Reichsgeſetze und Gewonheiten, man braucht demnach bey der innern Verfaſſung des Reichs kein ſoge - nantes Voͤlkerrecht. Moſer von Teutſchland und deſ - ſen Staatsverfaſſung Kap. 26. §. 5. S. 530. Der aber auch zugleich erinnert, daß dies zuweit gegangen und das Voͤlkerrecht, wo Reichsgeſetze und Gewonheiten den Aus - ſchlag nicht geben, allerdings anwendbar ſey.
**]

§. 25. Quellen und Huͤlfsmittel des teutſchen Voͤlkerrechts.

Die Quellen des teutſchen Voͤlkerrechts beſtehen, wie bey dem europaͤiſchen uͤberhaupt, ebenfals in Vertraͤgen, Herkommen und Analogie, und bey deren Ermangelung in Grundſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts. Nur muͤſ - ſen die teutſchen Reichsſtaͤnde bei ihren Verbindungen mit Auswaͤrtigen und unter ſich ſelbſt, die Vorſchriften des teutſchen Staatsrechts nicht auſſer Augen laſſen. Die Kentnis dieſes Rechts und der beſondern reichsſtaͤn - diſchen Verfaſſung iſt auch als das hauptſaͤchlichſte Huͤlfsmittel des teutſchen Voͤlkerrechts anzuſehn.

§. 26. Geſchichte des Voͤlkerrechts.

Zur gruͤndlichen Erlernung des Voͤlkerrechts iſt die Kentnis deſſen Geſchichte und der Gelehrten, welche ſichum41und dem europaͤiſchen insbeſondere.um die wiſſenſchaftliche Bearbeitung deſſelben verdient gemacht haben, unentbehrlich; weil die Bekantſchaft mit den Schickſalen, Volkommenheiten und Maͤngeln einer Wiſſenſchaft die Fortſchritte in derſelben ungemein erleich - tert. Die eigentliche Geſchichte der Wiſſenſchaft be - ſchaͤftigt ſich mit Erzaͤhlung der wichtigſten von Zeit zu Zeit in denſelben aufgeſtelten Grundſaͤtze und deren Ver - anlaſſung; hingegen die Bemuͤhungen der Gelehrten, ſie als Wiſſenſchaft in Schriften auszubilden, werden in der Gelehrtengeſchichte oder ſogenanten Literatur vor - getragen.

§. 27. Geſchichte des natuͤrlichen Voͤlkerrechts.

Eine Geſchichte im eigentlichen Verſtande findet beim natuͤrlichen Voͤlkerrechte, wie man gegen meinen Grund - ris erinnert hat, zwar freilich nicht Statt, weil deſſen Grundſaͤtze, eben ſo alt als die Nazionen, unveraͤnder - lich ſind, und auf Schluͤſſen einer geſunden Vernunft beruhen. Da iedoch die Art zu ſchluͤſſen nicht immer die naͤmliche geweſen, die Gelehrten in vielen Saͤtzen von einander abweichen, und manche derſelben erſt in neuern Zeiten, bey zunehmender Aufklaͤrung, mehrere Berichtigung erhalten haben, ſo wuͤrde es wohl mehr Geſchichte der Wiſſenſchaft, als bloße Literatur zu nen - nen ſeyn, wenn man hauptſaͤchlich die verſchiedenen Grundſaͤtze des natuͤrlichen Voͤlkerrechts durchginge, und zeigte, wie ſie nach und nach entſtanden, abgeaͤndert und vervolkomnet worden, mit Bemerkung der Gelehrten, welche dieſer oder iener Meinung zugethan geweſen. Man kan folgende Epochen annehmen: a] die Zeiten der alten und ſcholaſtiſchen Philoſophie; b] Grotius und ſeine Nachfolger; c] neuere Zeiten von Wolf bis itzt. Die Ausfuͤhrung dieſer Geſchichte wuͤrde fuͤr meine gegen - waͤrtige Abſicht zu weitlaͤuftig ſeyn. Man kan indesC 5die -42Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,dieienigen Schriftſteller nachſchlagen, welche die Ge - ſchichte des Naturrechts, gewoͤnlich verbunden mit der des natuͤrlichen Voͤlkerrechts abgehandelt haben.

*]Ad. Fr. Glafeys volſtaͤndige Geſchichte des Rechts der Vernunft nebſt einer Bibliotheca juris naturae et gen - tium. verb. Aufl. 1739. 4. Kurzer Entwurf einer Hiſtorie des Natur - und Voͤlker - rechts. Leipzig 1759. 8.
*]

§. 28. Huͤlfsmittel des europaͤiſchen Voͤlkerrechts.

In den aͤltern und ſogenanten mitlern Zeiten ſtanden die europaͤiſchen Nazionen wenig mit einander in Ver - bindung. Jede war nur mit ſich ſelbſt und mit ihrer innern Einrichtung beſchaͤftigt: und ob dieſe ſchon mit dem vierzehnten Jahrhundert ungefaͤhr bey den mehreſten Staaten einige Conſiſtenz erlangte, ſo bekuͤmmerten ſie ſich doch noch ſelten weiter als um ihre naͤchſten Nach - barn. Seit dem Ende des funfzehnten Jahrhunderts fing der Zuſammenhang der Staaten an immer ſtaͤrker und das Intereſſe immer gemeinſchaftlicher zu werden, bis ſie nach und nach ihre gegenwaͤrtige Verfaſſung erhiel - ten. Da es unter ihnen anfangs nothwendig an Ver - traͤgen und Gewonheiten fehlte, und an die Ausbildung eines Naturrechts noch nicht zu denken war, ſo nahmen ſie in ſtreitigen Rechtsfaͤllen ihre Zuflucht zu den damals algemein beliebten roͤmiſchen und paͤpſtlichen Rechtsſaͤ - tzen. Nicht ſelten wurden ſogar Gutachten und Beden - ken von Gottesgelehrten eingeholt, die ihre Entſchei - dungsgruͤnde, wie leicht zu erachten, aus der Bibel nahmen. Die Aufklaͤrung in den uͤbrigen Wiſſenſchaf - ten fuͤhrte auch in die Staatsgeſchaͤfte gereinigtere aus gemeinſchaftlichem Wohl hergeleitete Grundſaͤtze ein, und veranlaßte nach und nach mehrere Gewonheiten undVer -43und dem europaͤiſchen insbeſondere.Vertraͤge. Hierzu kamen die Uebermacht einiger Nazio - nen, verſchiedene Staats - und Handelsvereine, beſtaͤn - dige Soldaten, ſtehende Geſandſchaften u. dergl. wo - durch der Umfang des wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechts anſehn - lich erweitert ward. Deſſen Hauptepoche iſt iedoch von dem weſtphaͤliſchen Frieden an zu rechnen, der faſt uͤber ganz Europa ſich erſtreckte, und auf deſſen politiſches Syſtem den wichtigſten Einflus hatte.

*]Godofr. Achenwalli Juris gentium Europ. Pract. pri - mae lineae. Götting. 1775. 8. Sect. I. §. I. ſeqq. Hellfeld l. c. §. XX. ſeqq.
*]

§. 29. Geſchichte des teutſchen Voͤlkerrechts.

Gleiche Bewandnis hat es mit den Grundſaͤtzen, worauf die Beurteilung der auswaͤrtigen Angelegenheiten teutſcher Reichsſtaͤnde beruht. Bey dieſen macht der weſtphaͤliſche Friede eine noch merkwuͤrdigere Epoche.

§. 30. Literatur des Voͤlkerrechts.

Die Literatur zeigt die Gelehrten und ihre Schriften an, welche zur Ausbildung einer Wiſſenſchaft beigetra - gen haben. Sie zerfaͤlt in zwei Hauptſtuͤcke, in die Gelehrtengeſchichte und Bibliothek. Die erſtere giebt in chronologiſcher Ordnung von den Schriftſtellern und ihren vorzuͤglichſten Lebensumſtaͤnden, die beſonders auf ihre Schriften einigen Einflus gehabt haben, Re - chenſchaft. In der Bibliothek werden die Schriften nach einer gewiſſen Klaſſification recenſirt.

*]Die Literatur iſt bei ieder Wiſſenſchaft ein weſentliches Stuͤck. Das vortreflichfte und nachahmungswuͤrdigſte Muſter hat der verdienſtvolle Herr geheime JuſtitzrathPuͤtter44Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,Puͤtter zu Goͤttingen, in ſeiner Literatur des teutſchen Staatsrechts gegeben. Bisher fehlte es leider! an einer zweckmaͤſſigen Literatur des Voͤlkerrechts, beſonders des europaͤiſchen noch ganz. Ich war daher Willens, nach Vollendung meines gegenwaͤrtigen Siſtems, einen Ver - ſuch hierinn zu machen, und hatte indes in denen zum Ab - druck bereits fertig liegenden Bogen bey ieder Materie we - nigſtens die vorzuͤglichſten Schriften angefuͤhrt, und in einigen §. §. die Hauptſchriftſteller ieder Klaſſe uͤberhaupt bemerklich gemacht. Waͤhrend der Zeit erſchien zu meiner nicht geringen Freude die iedem Kenner gewis bekante vor - trefliche Voͤlkerrechtsliteratur des Koͤniglich Grosbritanni - ſchen und Kurfuͤrſtlich Braunſchweigiſchen Comitialgeſand - ten zu Regensburg ꝛc. Freyherrn von Ompteda, ein Werk, das nicht nur meine literariſchen Bemuͤhungen uͤberfluͤſſig machte, ſondern auch zu Aufgebung meiner ganzen gegenwaͤrtigen Bearbeitung der Voͤlkerrechtswiſſen - ſchaft mich beſtimt haben wuͤrde, haͤtte ich hierunter noch freiere Gewalt gehabt. Aber das Loos war einmal geworfen! und das Publikum wird es mir daher verzeihn, wenn ich es noch wage, mit meinem Verſuche hervorzu - treten, da eben die Ankuͤndigung ienes durch Rang und Kentniſſe ſo erhabenen Gelehrten eins der volkommenſten Werke in dieſem Fache hoffen laͤßt. Von dem verehrungs - wuͤrdigen Herrn Verfaſſer darf ich mir gewis eben das ſchonende und nachſichtsvolle Urteil ſchmeicheln, deſſen derſelbe meine erſten geringen Proben bereits gewuͤrdigt hat. Wenigſtens hoffe ich, wird man meinen guten Wil - len, ſo viel mir moͤglich, nuͤtzlich zu werden, nicht ver - kennen, der mir zur Zeit, als ich den Entſchlus zu die - ſem Werke faßte, nicht uͤberfluͤſſig ſchien. Ob ich nun gleich, nach Erſcheinung der vorgedachten von mir moͤglichſt noch benuzten Literatur des Freyhern von Om - pteda, die vorgehabte Ausarbeitung einer eignen Voͤlker - rechts Literatur dermalen aufgegeben habe, ſo wird esdoch45und dem europaͤiſchen insbeſondere.doch manchen Leſern vielleicht nicht unangenehm ſeyn, wenn ich, beſonders zur Bequemlichkeit derer, welche ie - nes ausfuͤhrliche Werk nicht immer bey der Hand haben, die wenigen §. §. von den Hauptſchriftſtellern des Voͤlker - rechts, und dann die einmal angefangene Methode mit Anfuͤhrung der vornehmſten Schriften ieder Materie beibe - halte.
*]
**]Auſſer den algemeinen literariſchen Werken und denen von der Philoſophie und Rechtsgelahrheit uͤberhaupt, ſind dem Voͤlkerrechte insbeſondere folgende gewidmet. 1] Io. Groeningii Bibliotheca juris gentium Euro - paea. Hamb. 1703. 8. 2 ] [Io. Fr. Wilh. de Neumann] Bibliotheca juris imperantium quadripartita, ſeu commentarius de ſcriptoribus juris naturae et gentium, publici vniverſalis et principum privati. Norimb. 1727. 4. 3 ] Ad. Fr. Glafeys Bibliotheca juris naturae et gentium; bey der obenangefuͤhrten Geſchichte des Rechts der Vernunft. 4] Chr. Fr. Georg Meiſters Ausbeſſerungen und Zu - ſaͤtze zu Herrn Hofrath Glafeys Bibliothecam juris naturae et gentium 1. Stuͤck. Goͤtting 1740. 2. Stck. 1741. 4. 5 ] Ebendeſſelben Bibliotheca juris naturae et gentium P. I. Götting 1749. P. II. 1756. P. III. 1757. 8. 6 ] Died. Heinr. Ludw. Freyh. von Ompteda Litera - tur des geſamten ſowohl natuͤrlichen als poſitiven Voͤlkerrechts; nebſt vorangeſchickter Abhandlung von dem Umfange des geſamten ſowohl natuͤrlichen als poſitiven Voͤlkerrechts und Ankuͤndigung eines zu bearbeitenden volſtaͤndigen Syſtems deſſelben. Re - gensburg 1785. 2 Theile 8.
**]
§. 31.46Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,

§. 31. Hauptſchriftſteller des natuͤrlichen Voͤlker - rechts.

Vor dem ſechszehnten Jahrhundert fehlte es an ei - ner ſyſtematiſchen Bearbeitung des Natur - und Voͤlker - rechts gaͤnzlich. Johann Oldendorp legte 1539. ge - wiſſermaßen den erſten Grund. Das Hauptſyſtem des Voͤlkerrechts aber fuͤhrte zuerſt Hugo Grotius 1625. in ſeinem jure belli et pacis auf. Sein Werk macht in al - lem Betrachte Epoche, und behauptet unter den Voͤlker - rechtsſchriften noch itzt einen vorzuͤglichen Rang. Nach ihm zeichneten ſich beſonders Thomas Hobbes und Sa - muel Puffendorf am meiſten dadurch aus, daß ſie die Abſonderung des Voͤlkerrechts vom Naturrechte fuͤr un - noͤthig hielten. Dieſen folgten, iedoch mit richtiger Unterſcheidung beider Wiſſenſchaften in eignen Abhand - lungen Glafey, Ickſtadt, Wolf, Rahrel, Real, Vattel, Schrodt und mehrere andere.

§. 32. Hauptſchriftſteller des europaͤiſchen Voͤl - kerrechts.

Das poſitive Voͤlkerrecht blieb noch laͤnger vernach - laͤſſigt. Grotius nahm in ſeinem vorgedachten Werke zwar vorzuͤglich auch auf die Gewonheiten der Voͤlker Ruͤckſicht: ſeine Beiſpiele ſind aber meiſtens von den Griechen und Roͤmern entlehnt. Richard Zouchaͤus be - nuͤzte hauptſaͤchlich die neuern Staatshandlungen. Seit - dem aber Hobbes und Puffendorf dem poſitiven und practiſchen Voͤlkerrechte die Verbindlichkeit abzuſprechen geſucht hatten, kam es, die Bearbeitung einiger einzel - nen Materien ausgenommen, in noch groͤßern Verfall. Erſt zu Anfange dieſes Jahrhunderts ſuchte J. J. Mo - ſer dieſe nuͤtzliche Wiſſenſchaft mit algemeinem Beifalwie -47und dem europaͤiſchen insbeſondere.wieder hervor, indem er 1732. zu Tuͤbingen anfangs ein eignes Kollegium daruͤber laß, und ſie nachher ſyſtema - tiſch in verſchiedenen Schriften erlaͤuterte. Seine Nach - folger waren Burkhard Gotthelf Struv, Gottfried Achenwall, Peter Joſeph Neyron und Georg Frie - drich Martens. Indes klagt Moſer bey ſeinem neu - ſten Verſuche nicht ganz ohne Grund, daß die bisherigen Schriften entweder zu viel blos moͤgliche oder doch zu alte Faͤlle, deſto weniger hingegen von denen anfuͤhren, welche unter den europaͤiſchen Maͤchten in neuern Zeiten ſich ereignet haben, und in beſtaͤndiger Uebung ſind. An Materialien hierzu fehlt es uͤbrigens nicht. Die Samlungen eines Leibnitz, Luͤnig, du Mont, Rouſſet, Lamberty, Schmaus, Wenk und andrer enthalten deren einen reichlichen Vorrath.

§. 33. Hauptſchriftſteller des teutſchen Voͤlker - rechts.

Dieſes hat Moſer zuerſt in zwey beſondern Werken unter dem Namen des auswaͤrtigen und nachbarlichen teutſchen Staatsrechts abgehandelt. Der Herr von Selchov verſprach deſſen Ausarbeitung ebenfals im drit - ten Theile ſeiner Elementorum Juris Publici: es iſt derſel - be zur Zeit aber noch nicht erſchienen, dagegen ſind eini - ge der dahingehoͤrigen Materien in der neuen Ausgabe von 1782. dem erſten Theile an behufigen Orten einge - ſchaltet worden.

*]In Anſehung einzelner Gegenſtaͤnde kau man das ſchaͤtz - bare Werk des Herrn geheimen Juſtitzrath Puͤtter: Lite - ratur des teutſchen Staatsrechts, Goͤtting 1776. u. f. 3. Theile gr. 8. mit Nutzen gebrauchen, zumal da der Frey - herr von Ompteda auf dieſen Zweig der Voͤlkerrechtswiſſen - ſchaft in ſeiner Literatur weniger Ruͤckſicht genommen. Von denen zwiſchen den teutſchen Hoͤfen in einzelnen Faͤl -len48Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,len gewechſelten Streitſchriften leiſtet die Deductionsbi - bliothek von Teutſchland, nebſt dazugehoͤrigen Nachrich - ten, welche Chriſtian Sigmund von Holzſchuer Frankf. und Leipzig 1778. herauszugeben anfing, und nunmehr von dem Herrn Profeſſor Johann Chriſt. Siebenkees zu Altorf fortgeſezt wird, und wovon 1783. bereits 4 Baͤnde erſchienen, gute Dienſte.
*]

§. 34. Voͤlkerrechtsbibliothek.

Die ſaͤmtlichen Voͤlkerrechtsſchriften laſſen ſich fuͤg - lich unter folgende Klaſſen ordnen:

  • I] Literariſche Werke, davon die vornehmſten ſchon oben bey der Literatur des Voͤlkerrechts an - gemerkt worden ſind.
  • II] Syſteme und Compendien des natuͤrlichen Voͤlkerrechts. Die Autorn, welche das Natur - recht abgehandelt haben, tragen gemeiniglich auch das Voͤlkerrecht weitlaͤuftiger oder kuͤrzer mit vor. Sie alle namhaft zu machen wuͤrde hier der Raum nicht geſtatten: ich will daher nur die merkwuͤr - digſten und beſonders dieienigen auszeichnen, wel - che das natuͤrliche Voͤlkerrecht in abſonderlichen Werken gelehrt haben.
  • 1] Io. Oldendorpii Iſagoge ſeu elementaria introductio juris naturalis, gentium et civilis. Col. Agripp. 1539. 12. auch in ſeinen Opp. und neuerlich von Car. Ant. Martini, Viennae 1759. 8. herausgegeben. Iſt blos als das erſte Syſtem zu bemerken.
  • 2] Hug. Grotii Lib. III. de jure belli et pacis. Paris. 1625. 4. Die beſten Ausgaben ſind cum notis Henr. et Sam. L. B. de Cocceji. Lauſannae 1751. V. Tom. 4. und c. n. Barbeyracii et excerptis e comment. Cocce -jano49und dem europaͤiſchen insbeſondere.jano, Amſt. 1754. und Lugd. Bat. 1759. 4. erſchienen. Unter den Ueberſetzungen verdient die franzoͤſiſche den Vorzug, welche unter dem Titel: Le droit de la guerre et de la paix par Hugues Grotius, nouvelle traduction par Iean Barbeyrac etc. Amſt. 1724. 1729. und oͤfters 2. Vol. 4. herausgekommen. Wer alle verſchiedene Aus - gaben, Ueberſetzungen und Kommentatore des Grotius kennen lernen will, ſehe Lipenii Bibl. jurid. edit. 1757. T. I. p. 562., Meiſteri Bibl. jur. nat. T. I. p. 199. ſeq. und von Ompteda Litteratur 2. Theil §. 122 u. f. Ebenderſelbe liefert einen vortreflichen Auszug des Gro - tianiſchen Werks im 1. Th. §. 55. u. f.
  • 3] Rich. Zouchaei juris et iudicii fecialis, ſive juris inter gentes et quaeſtionum de eodem explicatio, Oxon. 1650. 4. Lugd. Bat, 1651. 8. auch teutſch uͤberſetzt: Al - gemeines Voͤlkerrecht, wie auch algemeine Urtheile und Ausſpruͤche aller Voͤlker. Frankf. 1666. Enthaͤlt mancher - ley Faͤlle der aͤltern und damaligen Zeiten, nach den Grundſaͤtzen des Grotius ꝛc. entſchieden. Man kan dies Buch beinah als die erſte Ausfuͤhrung eines practiſchen eu - ropaͤiſchen Voͤlkerrechts anſehn.
  • 4] Sam. Puffendorffii de jure naturae et gentium Lib. VIII. Lund. Scan. 1672. 4. am neuſten und beſten cum comment. Hertii et Barbeyracii von Gotfr. Maſcov. Francof. 1743. und 1759. in 2. Tom. 4. edirt. Fran - zoͤſiſch par Iean Barbeyrac. Basle, 1732. und oͤfters 2. Vol. 4. ſ. Lipenii Bibl. jurid. T. II. p. 230. Iſt fuͤr das Voͤlkerrecht eigentlich wenig brauchbar, weil er die Abſonderung deſſelben vom Naturrechte verwirft.
  • 5] Io. Wolfg. Textoris Synopſis juris gentium. Baſil. 1680. 4. baut hauptſaͤchlich auf die Grundſaͤtze des Gro - tius, nimt iedoch mehr Beiſpiele aus der neuern Geſchichte.
  • 6] Io. Ad. Ickſtadt Elementa juris gentium diß. resp. S. R. I. Comite Carolo de Colloredo. Herbip. 1740. 4. DIſt50Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,Iſt auf das Naturrecht des Freyherrn von Wolf gegruͤn - det, in mathematiſcher Lehrart geſchrieben, und enthaͤlt manche eigne Saͤtze.
  • 7] Chriſt. L. B. de Wolf Jus gentium methodo ſcientifica pertractatum in quo jus gentium naturale ab eo quod voluntarii, pactitii et conſuetudinarii eſt accurate di - ſtinguitur, Halae 1749. 4. und im Auszuge ſ. t. Inſti - tutiones juris naturae et gentium. Halae 1754. 8. Zeichnet ſich vorzuͤglich durch die Lehrart und Hypotheſe von einer großen Republick unter allen Staaten aus, und enthaͤlt ein brauchbares Syſtem.
  • 8] Herm. Friedr. Kahrels Voͤlkerrecht, worinnen die vor - nehmſten Verbindlichkeiten und Rechte der Monarchen, Regenten und Voͤlker ſowohl nach dem nothwendigen als wilkuͤhrlichen und Gewonheitsvoͤlkerrechte entwickelt wer - den. Herborn 1750. 8. Von lezterm iſt wenig darin an - zutreffen: das erſtere meiſt nach Wolfiſchen Grundſaͤtzen, die er aber noch weiter ausdehnt.
  • 9] Ad. Fr. Glafeys Voͤlkerrecht, worinnen die Handlungen freyer Voͤlker gegeneinander zu Kriegs - und Friedenszeiten nach dem Rechte der Vernunft betrachtet werden. Dritte vermehrte Auflage, Nuͤrnb. Frankf. und Leipz. 1752. 4. War ſonſt ein Theil ſeines Naturrechts, den er nun beſon - ders herausgab. Enthaͤlt nicht den ganzen Umfang des Voͤlkerrechts, iſt uͤbrigens ziemlich brauchbar, beſonders auch in Anſehung der poſitiven Grundſaͤtze.
  • 10] La ſcience du Gouvernement par Mr. de Real, Grand Senechal de Forcalquier à Paris 1754. 8. Tome cinquieme contenant le droit des gens, qui traite des Ambasſades, de la Guerre, des Traités, des Titres, des Prérogatives, des prétentions et des droits reſpe - ctifs des Souverains. Iſt zwar nicht ganz volſtaͤndig, die darin enthaltenen Materien ſind iedoch ſehr gut und practiſch abgehandelt. Iſt auch von Joh. Phil. Schu - lin ins Teutſche uͤberſezt.
11]51und dem europaͤiſchen insbeſondere.
  • 11] Le droit des Gens, ou principes de la loix naturelle appliqués à la conduite et aux affaires des Nations et des Souverains. Par M. de Vattel à Londres 1758 2 Vol. 8. Am neuſten Neufchatel 1773. und Amſterd. 1775. 4. Auch teutſch uͤberſezt von Joh. Phil. Schulin. Frankf. und Leipzig 1760. 3. Theile 8. Ein in angeneh - mern Vortrag eingekleidetes Syſtem der Wolfiſchen Lehr - ſaͤtze, von denen er iedoch in manchen Stuͤcken abgeht.
  • 12] [Ios. Franc. Loth. Schrodt] Syſtema juris gentium quod ſub directoratu Franc. Wenc. Steph. de Cronen - fels publicae diſputationi ſubmittit Adalb. S. R. I. Co - mes Czernin de Chudenitz Pragae 1768. 4. und nach - her unter des wahren Verfaſſers Namen Bambergae 1780. 8. Hat ſeine Vorgaͤnger gut benuzt. Beiſpiele werden ſelten angefuͤhrt und meiſtens alte. Der Verfaſſer ver - wirft das freiwillige und gewiſſermaßen auch das poſitive und Gewonheitsrecht der Voͤlker.
  • 13] Car. Ant. de Martini poſitiones de jure civitatis. Vindob. 1768. 8. Der zweite Theil enthaͤlt das jus gentium. Eine teutſche Ueberſetzung iſt unter dem Titel: des Freyherrn von Martini Lehrbegrif des Natur-Staats - und Voͤlkerrechts, aus dem Lateiniſchen uͤberſezt. Wien 1784. 4 Baͤnde gr. 8. erſchienen. Ward zum Lehrbuch fuͤr die hohe Schule in Wien geſchrieben, wo man ſich ſonſt des Oldendorps, Grotius ꝛc. bediente. Komt dem vorigen iedoch nicht bey.
  • 14] Précis du droit des gens, de la guerre, de la paix et des Ambasſades par Mr. le Vicomte de la Maillar - dière. Paris 1775. 12. Iſt, nach Moſers Zeugnis, theore - tiſch und practiſch, aber ſehr kurz und nicht volſtaͤndig genug.
D 2III]52Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
  • III] Schriften des europaͤiſchen Voͤlkerrechts. Dahin gehoͤren zufoͤrderſt:
    • a] Samlungen der Vertraͤge. Auſſer denen, die nur einer gewiſſen Gattung, z. B. den Friedensſchluͤſſen ꝛc. oder nur einem einzelnen Staate gewidmet ſind, und an gehoͤrigem Orte angezeigt werden ſollen, ſind hier folgende algemeine Samlungen zu merken:
      • 1] Gotfr. Wilh. Leibnitii Codex juris gentium diplo - maticus, in quo tabulae authenticae actorum publi - corum, tractatuum, aliarumque rerum maioris mo - menti per Europam geſtarum pleraeque ineditae vel ſelectae ipſo verborum tenore expresſae ac tempo - rum ſerie digeſtae continentur. Hanov. 1693. Guel - pherb. 1747. Fol. nebſt deſſen Mantißa Codicis juris gentium diplomatici continens ſtatuta magnorum ordinum regiorum acta vetera electionum regis ro - mani. Hanov. 1700. und Guelpherb. 1747. Fol. ſiehe des Freyherrn von Ompteda Literatur 2. Th. §. 159. S. 430. u. f.
      • 2] Recueil des traités de paix, de trève, de neutra - lité, de ſuſpenſion d’armes, de confédération, d alliance, de commerce, de garantie, et d’autres actes publics, comme contracts de mariage, teſta - ments, manifeſtes, déclarations de guerre etc. faits entre les Empereurs, Rois, Republiques, Princes et autres Puisſances de L’Europe etc. Le tout redigé par ordre[chronologique] etc. à Amſterd. 1700. IV. Tom. fol. Der bekante Iaques Bernard ſoll die Direction daruͤber gefuͤhrt haben. Eine aus - fuͤhrliche Beſchreibung dieſer Samlung findet man am vorbemeldeten Orte §. 161. S. 433.
      • 3] Corps vniverſel diplomatique du droit des gens; contenant un recueil de traités d’alliance, de paix, de trève, de neutralité, de commerce, d’echange,de53und dem europaͤiſchen insbeſondere.de proteſtation et de garantie, de toutes les con - ventions, transactions, pactes, concordats et autres contrats, qui ont été faits en Europe depuis le regne de l Empereur Charles Magne jusqu à préſent etc. par Mr. J. Dumont. Amſt. 1726 - 31. VIII. Tom. fol. nebſt dem Supplement au Corps univerſel diplomatique du droit des gens de Dumont par Mr. Barbeyrac et Mr. Rousſet. Amſt. 1739. V. Tom. fol. Umſtaͤnd - liche Nachricht von dieſem wichtigen Werke ſiehe am angefuͤhrten Orte §. 162. u. f. S. 436.