PRIMS Full-text transcription (HTML)
Lienhard und Gertrud.
Ein Buch fuͤr's Volk.
Zweyter Theil.
[figure]
1783.Frankfurt und Leipzig.

Dem Schatten Jſelins.

Ob Du wohl meine Zuſchrift an Dich beym erſten Theil dieſes Buchs unterdruͤkt, ſo weihe ich den - noch Deinem Angedenken die - ſen zweyten, und ſage izt mit Thraͤ - nen, was ich damals mit Freuden ſagte, daß ich Dich ſchaͤzte, ehrte und liebte, wie ich wenig Menſchen auf Erden ſchaͤze, liebe und ehre.

X 2Vor -

Vorrede.

Hier iſt der zweyte Theil eines Buchs, das ich mit dem erſten beendiget glaub - te.

Aber ſo, wie ich izt ſein Jdeal trau - me, moͤgen noch zwey ſolche Baͤndchen folgen. Jch verſpreche ſie aber nicht, und koͤnnte ſie nicht verſprechen.

Jch muß vielmehr ſelbſt warten, ob und wie die Erfahrungen reif werden wol - len, die mich in Stand ſezen koͤnnen, mit Muth und Zutrauen auf mich ſelber, in dieſem Werk fortzuſchreiten.

Der Verfaſſer.

X 3Lien -

Lienhard und Gertrud. Zweyter Theil.

X 4Jnn -

Jnnhalt.

§. Blatt.

  • 1 Der Vogt ſpaziert wieder zum Mark - ſtein. 1
  • 2 Der Pfarrer miſchet ſich ins Spiel. 3
  • 3 Adam und Eva. 6
  • 4 Der Pfarrer ſtellt Leute zur Kirche hinaus. 9
  • 5 Aus ſeiner Predigt. 11
  • 6 Wenn ſo ein Pfarrer in die Gefaͤngniſſe und Zuchthaͤuſer eines Reichs Einfluß haͤt - te, er wuͤrde die Gundſaͤze, mit den Ge - fangnen umzugehen, in ein Licht ſezen, das himmelrein leuchtete[. ]14
  • 7 Menſchlichkeit u. Gerechtigkeit bey einander. 16
  • 8 Baurengeſpraͤch, u. Baurenempfindung. 19
  • 9 Hausordnung, u. Hausunordnung. 22
  • 10 Das Herz leicht machen, iſt das rechte Mit - tel, dem Menſchen das Maul aufzuthun. 34
  • 11 Seltſam̃e Wirkungen des boͤſen Gewiſſens. 38
  • 12 Die Ungleichheit dieſer Wirkungen des boͤ - ſen Gewiſſens bey Geſchaͤftserfahrnen Leu - ten. 40
  • 13 Ein Bauren-Rath. 43
  • 14 Bauren-Wahl45
  • 15 Des Kalberleders Verſuch, den Sachen zu helffen, und ſein uͤbler Ausſchlag. 47
  • 16 Die Dorfmeiſter ſuchen in ihrer Angſt beym Teufel u[.] ſeiner Großmutter Hilfe. 55
X 5Jnn -Jnnhalt.

§. Blatt.

  • 17 Die Fahne dreht ſich. 63
  • 18 Wie lang werden die Weiber noch denken und ſagen: Mein Mann heißt Nabal, und Narrheit iſt in ihm. 67
  • 19 Zu gut iſt dumm. 73
  • 20 Der Huͤnertraͤger findt keine Guͤggel und Dauben feil. 76
  • 21 Art und Weiſe, die Obrigkeit zu berichten, und dahin zu lenken, wohin man ſie gern fuͤhrt. 79
  • 22 Erziehungs - und Haushaltungs-Grundſaͤze. 83
  • 23 Ein Stuͤk aus einer Leichenpredigt. 86
  • 24 Ein Frauenbild, aber nicht zu allgemeinem Gebrauch. 87
  • 25 Die Arbeit Arners. 88 Der Lohn ſeiner Arbeit. 90
  • 26 Leid und Freud in einer Stund. 92
  • 27 Ein Geſpraͤch voll Guͤte auf der einen - und voll Angſt auf der andern Seite. 94
  • 28 Die Himmelstropfen. 103
  • 29 Ein Geſpraͤch von zween Menſchen, die in zehn Tagen vieles gelernt, ſo ſie vor - her nicht konnten, und vieles erfahren, ſo ſie vorher nicht wußten. 105
  • 30 Hunds-Treu, die eine Menſchenempfin - dung veranlaßt. 116
  • 31 Lips Huͤni, ein Waͤchter. 118
  • 32 Es iſt wohl ſo, wie ſie ſagen: Aber wo die Hirten ſich ſchlagen, da werden die Schaafe gefreſſen. 120
  • 33 Jn welch hohem Grad ein Verbrecher Menſch bleiben, und ſeine geiſtliche und weltliche Herrſchaft intereßieren kan. 121
  • 34 Weil er Vater von allen, ſo haͤlt er zuerſtund[J]nnhalt.§. Blatt. u. am ſtaͤrk[ſt]en ſeinen aͤlteſten Buben im Zaum. 127
  • 35 Der neue Vogt neben ſeinen Bauren133
  • 36 Er wiede[r]neben des Waibels Toͤchterli135
  • 37 Er wied[er]ins Kienholzen Stuben, und auf[der]Gaß beym Waibel, der auf dem Roß ſizt. 137
  • 38 Renold ein brafer Mann trittet auf. 140
  • 39 Die Morgenſtunde Arners an einem Ge - richtstag neben ſeinem Pfarrer. 142
  • 40 Arner fangt ſeine Tagsarbeit an. 148
  • 41 Bauren, die von ihrem Herrn reden. 150
  • 42 Arner thut die Thuͤr zu. 152
  • 43 Sie werden izt bald aufhoͤren rathſchlagen wider ihren Herrn, u. wider ihr Heil. 154
  • 44 Der alte Trumpi bringt eine boͤſe Nachricht. 156
  • 45 Es fangt an Ernſt zu werden. 158
  • 46 Der Unverſtand der Gewaltigen pflanzet die Lugen des Volks Aber ihre Weis - heit macht die Menſchen wahrhaft. 162
  • 47 Ein Siegriſt und ein Schulmeiſter, zween Bruͤder dem Leib nach u. auch der Seele. 167
  • 48 Er verſteht das Fragen beſſer, als ſie das Luͤgen. 173
  • 49 Jakob Chriſtof Friedrich Hartknopf, der Ehegaumer nnd Stillſtaͤnder von Boñal wird fuchswild gemacht182
  • 50 Arners Urtheil uͤber die armen Suͤnder. 185
  • 51 Es war ſeine Speiſe, daß er hoͤre und thue den Willen ſeines Vaters im Him̃el. 190
  • 52 Wohin bringt den Menſchen ſein armes Herz, wenn er fuͤr daſſelbe keinen Zaum hat. 194
  • 53 Jzt gar eine Ohnmacht um des armen zaumloſen Herzens willen. 197
Jnnhalt.

§. Blatt.

  • 54 Die wahre Regierungs-We[iſ]heit wohnet in Menſchen, die alſo hande[l]n. 200
  • 55 Ein Klaͤger, dem die Sonne ſ[c]heint. 201
  • 56 Ein Doktor in der Peruque,[a]uf einer Tragbahren, und im Bette. 204
  • 57 Ein aufgeloͤstes Raͤthſel, u. Arners Urtheil uͤber einen privilegirten Moͤrder. 209
  • 58 Arner genießt wieder den Lohn ſeiner Ar[b]eit. 211
  • 59 Es nahet ein Todtbette. --
  • 60 Wer von Herzen gut iſt, richtet mit den Leuten aus, was er will, und bringt ſie, wozu er will. 215
  • 61 Die Menſchen ſind ſo gerne gut, u. wer - den ſo gerne wieder gut. 221
  • 62 Worte einer Sterbenden. 224
  • 63 Hier iſt wahrhaftig ein Hauſe Gottes, und eine Pforte des Himmels. 227
  • 64 Wenn euere Gerechtigkeit nicht weit uͤber - treffen wird die Gerechtigkeit der Schrift - gelehrten und Phariſaͤer, ſo werdet ihr nicht ins Reich der Himmel eingehen. 229
  • 65 Weilen doch uͤber den himmliſchen Bogen Eine ſo dike Deke gezogen, ꝛc233
  • 66 Auch neben dem Treufaug iſt er weiſe. 239
  • 67 Zu beweiſen, daß die Menſchen das wer - den, was man aus ihnen macht. 242
  • 68 Zu einem guten Ziel kommen, iſt beſſer, als viel Wahrheiten ſagen. 243
  • 69 Die Predigt des Pfarrers in Bonnal, am Tag, als er den Hummel ſeiner Gemeinde vorſtellen mußte. 246
[1]

§. 1. Der Vogt ſpaziert wieder zum Markſtein.

So wuͤnſcht 'ich mir alle Tage meines Lebens nur Teufelsarbeit ſagte der Huͤnertraͤger; Und der Wagen fuhr fort Da hoͤrte mein Alter von Bonnal auf zu er - zaͤhlen.

Er faͤngt wiederum an

Der Vogt mußte am gleichen Abend noch auf den Berg, bey dem halb umgegra - benen Markſtein alles wieder in alten Stand ſtellen. Das Volk war wie ab den Ket - ten, und man kann faſt ſagen, wenn der Hen - ker mit dem offenen Schwert vor den Leuten geſtanden waͤre, er haͤtte ſie faſt nicht im Zaum halten koͤnnen. Selbſt die Kinder aus der Schul jauchzten umher lieffen ihm auf eine halbe Stund den Weg vor, und rieffen, die Einen: Sie bringen den Vogt, ſie bringen den Vogt Die andern erwiederten: Geſtern nahm ihn der Teufel heuteAbringt2bringt ihn der Henker . Die Knaben ſchoſ - ſen ab den Mauren und Baͤumen, wo er vorbeygieng. Die Maͤdchen ſtanden bey Du - zenden Hand in Hand geſchlungen hinter den Zaͤunen, und auf den Anhoͤhen an der Seite des Wegs, und waren luſtig und freudig, und lachten ob ſeinem Spaziergang. Nicht alle lachten Emillens Grithe ſtand am Arm ihrer Mutter unter ihrer Thuͤre, und troknete ihre Thraͤnen. Er ſah ſie, und ihr Jammerblik traf ſein Auge Er erblaßte Das Maͤdchen wandte ſein Angeſicht ge - gen ſeine Mutter und wainte laut. Er hatte vor kurzem ihren Geliebten den Wer - bern verhandelt, wie man ein Stuͤk Vieh den Mezgern verhandelt. Faſt an allen Fen - ſtern, faſt unter allen Thuͤren ſtieß Jemand ein Fluch aus, wo er vorbeygieng; hie und da brauchten boͤſe Weiber das Maul ganz, und drohten ihm mit Miſtgabeln und Beſen.

So giengs ihm den ganzen Weg den Berg hinauf und wieder hinunter; nur vor Lien - hards Haus ſah man keinen Menſchen; kei - ne Thuͤr und kein Fenſter war offen.

§. 2.3

§. 2. Der Pfarrer miſchet ſich ins Spiel.

Aber der Pfarrer, der den Unfug vernahm, und hoͤrte, daß er Morgens noch groͤßer werden ſollte, ſchrieb noch an gleicher Nacht an Arner folgenden Brief:

Hochedelgebohrner, Hochgeachter Herr!

Es iſt dieſen Abend, da der Vogt auf den Berg gefuͤhrt worden, ſo viel Muth - willen mituntergelauffen, daß ich nicht um - hin kann, Euer Wohledelgeb. davon Nach - richt zu geben, und meine Beſorgniß zu aͤuſ - ſern, daß dieſer Muthwillen auf den morn - drigen Tag noch viel groͤßer werden moͤchte. Es verlautet allgemein, daß von 3. bis 4. Stunden her alles zulauffen werde: Und ich muß geſtehen, es thut mir wehe, vorauszu - ſehen, daß bey einem ſo verwirrten Gewuͤh - le die Straffe des ungluͤklichen Mañes Nie - mand beſſern, und hingegen ein ſolcher lau - ter Muthwille bey einem ſo traurigen An - laaße das Volk noch mehr verhaͤrten werde: Jch haͤtte desnahen gewuͤnſcht, meine L. Gemeinde am Morgen ganz allein ohneA 2je -4 jemand Fremder in der Kirche anzutreffen, um allda mich mit meinem Volke ernſt - haft uͤber den traurigen Umſtand zu unter - reden, und zu trachten, daß der Leidende und die Zuſchauer in eine Verfaſſung kom - men, welche beyden zum wahren Nuzen ge - reichen mag. Aber ſo, wie die Sachen kommen wollen, ſehe ich voraus, daß ich ohne Jhre Huͤlfe im Gewuͤhl einer von al - len Seiten zulauffenden Jugend vergeblich trachten werde, meine Pflicht zu erfuͤllen. Desnahen bitte ich Sie, auf morgen ſolche Maaßregeln zu nehmen, daß alles fremde Volk vom Zulauff nach unſerm Dorf abge - halten, und auch bey uns allem Muthwil - len und aller Ausgelaſſenheit vorgebogen werde.

Joachim Ernſt. Pfarrer.

Der Junker antwortete auf der Stell dem Pfarrer alſo:

Wohlehrw. Lieber Herr Pfarrer!

Jch empfinde, daß ich ſelber an alles das haͤtte denken ſollen, und danke Jhnen, daß Sie mich auch dießmal aus dem Schlaf - fe aufgewekt.

Hier5

Hier iſt meine Ordre auf morgen; Jch hoffe, ſelbige entſpreche Jhren Wuͤnſchen.

Es ſoll den Vogt Niemand zur Richt - ſtaͤtte begleiten, als wer am Morgen ſich in der Kirche verſammelt, und dem Gottes - dienſt beygewohnt; Alles ſoll in einem voll - kommen in Ordnung gebrachten ſtillen Zug aus der Kirche mit ihm zur Richtſtaͤtte ge - hen: Und es ſollen Wachen ausgeſtellt wer - den, welche allen Fremden den Zugang ver - bieten, damit ſie voͤllig vor allem Zulauff geſichert, Jhre Gemeindsgenoſſen allein in der Kirche antreffen.

Jedermann, der ſich einer Beleidigung oder Unanſtaͤndigkeit gegen den Vogt ſchul - dig machen, oder auch ſonſt Unordnung und Geraͤuſch veranlaaßen wuͤrde, ſoll auf der Stelle vom Plaz genohmen, und in Bonnal bis auf weitere Ordre mit Arreſt belegt werden.

Hierfuͤr, mein lieber Herr Pfarrer, ſind alle Befehle mit Beſtimmtheit gegeben, und ich hoffe, die gemachte Verfuͤgungen werden die genaue Erfuͤllung dieſer Befehle verſi - chern. Jch habe indeſſen die Ehre zu ſeyn u. ſ. w.

Von Arnheim.

Jn Eil faſt um Mitternacht.

A 3§. 3.6

§. 3. Adam und Eva.

Es war recht gut, daß der Junker das be - fohlen hat. Morndeß am Morgen fruͤh waren von vielen Stunden her alle al - ten Muͤßiggaͤnger, alles junge Juheyenvolk, und alle neugierigen Weiber auf dem Weg nach dem Galgen nach Bonnal. Dieſe alle ſperrten Maul u. Augen auf, als ſie allenthal - ben Wachen fanden, die ſie wieder zuruͤkwieſen.

Es ſcheint die Herren von Bonnal wollen ihren Galgen fuͤr ſich allein haben, daß Niemand dazu darf; Es darf doch eine Kaz einen Altar anſchauen, aber es ſcheint, es ſeye nicht ſo mit euerm Galgen: ha! hierunter ſtekt etwas! Es iſt gewiß nicht ſo richtig mit dem weggelaͤugneten Teufel, wie ſie den Leuten haben angeben wollen : So ſagte Je - der in ſeiner Art ſeine Meynung: Einige ver - biſſen das Maul; Andere lachten ob der langen Naſe, die ſie izt mit ſich heim tragen. Wer luſtig heim gieng, war das gemeine Volk, und die jungen Leute, und wer das Maul haͤngte, waren die diken Bauren mit den großen Steken. Es blieb aber nicht ein - mal beym Maul-haͤngen; Einige Maͤn - ner und Weiber geluͤſteten mehr dahin zukom -7kommen, wo man ſie nicht haben wollte, und ſannen auf Liſt und Raͤnk, wie das moͤglich werden koͤnnte. Wenn wir izt eben doch nicht ſo gerade wieder heim giengen, wie man uns da angeben will, ſagte die Voͤg - tin von Euͤbach zur Geſchwornin von Kilch - thal. Was anders machen? antwortete die Geſchwornin.

Die Voͤgtin: Du Narr! durch Abwege ins Dorf ſchleichen.

Geſchwornin. Und denn?

Voͤgtin. Und denn uns unter dem Volk verſteken, und mit Andern lauffen, wo es hingeht.

Geſchw. Wenn denn aber auch bey der Kirche Waͤchter ſind?

Voͤgtin. Zeit bringt Rath, und ich hab 'allenfalls Geld im Sak.

Geſchw. Jch will gern mit dir im hal - ben zahlen, was es koſtet, wenns nur angeht.

Voͤgtin. Probieren iſt Meiſter. Aber wollen wir unſere Maͤnner mitnehmen, oder ſie daheim laſſen?

Geſchw. Daheim laſſen und auslachen, das waͤre meine Meinung.

Voͤgtin. Aber es iſt das, wir kommen eher durch, wenn meiner mitkommt, die Waͤchter muͤßen ihn fuͤrchten, weil er Vogt iſt.

A 4Ge -8

Geſchw. So muß ich meinem auch ruf - fen.

He Vogt! He Geſchwornen! Jch hab mein Nastuch verlohren hats keiner von euch gefunden? rieff izt die Voͤgtin, damit Niemand merke, was ſie wolle. Du Narr! haͤttſt Sorg g'habt, antwortet der Vogt, und gieng ohne zuruͤkzuſehen mit dem Geſchwornen weiter. Steh 'nur einen Augenblik ſtill, du muſt mir deines geben rieff die Voͤgtin noch einmal, und lachte laut dazu. Schnurrend ſah der Vogt zu - ruͤk; Was iſts? was haſt immer z'ganzen auf der Straß? Sie aber winkte ihm, daß er merkte, ſie wolle etwas anders als das Nastuch, und er ſtand ſtill.

Ja Geluſtſachen iſt ſeit Adams Zeiten her wahr wenn die Weiber den Apfel vom Baum nehmen, ſo beißen die Maͤnner auch drein. Der Vogt und der Geſchworne folgten izt ihren Weibern durchs Tobel hinter den Reben herum, uͤber Zaͤune und Stoͤk, und kamen gluͤklich und ungeſehen ins Dorf.

Sie waren aber nicht allein; Auf allen Seiten ſchlichen die hochmuͤthigſten u. kuͤhn - ſten nach Bonnal, und bettelten ſich um Geld und gute Worte in die bewachte Kirche hin - ein.

Es9

Es ſchien zwar im Anfang, als wollt 'es ihnen fehlen. Der Waͤchter bey der Thuͤr war faſt nicht zu bereden, und nicht zu beſte - chen. Nachdem aber einmal Eines hinein war, gieng das Ding im̃er leichter und leich - ter. Zulezt aber wollten ihm ſo viel kommen, daß es dem Waͤchter ſo angſt ward, daß er Niemand mehr hinein laſſen wollte Aber es war zu ſpaͤth Er war nicht mehr Meiſter. Was? antworteten ihm izt Weiber und Buben, Sind wir nicht ſo gut als die andern? Du muſt uns hin - ein laſſen, oder die andern Fremden vor un - ſern Augen auch wieder hinausſchaffen; wir gehen dir ſonſt nicht ab der Stell. Still! ſtill! antwortete der Waͤchter; Jch will euch eben hineinlaſſen; aber verberget euch in Winkel, daß man euch nicht ſehe. Und ſo kam dann zulezt hinein, was hinein wollte.

§. 4. Der Pfarrer ſtellt Leute zur Kirche hinaus.

Das erſte, was der Pfarrer that, als er auf die Kanzel trat, war, daß er den Befehl Arners verlas, und ſagte: Er mußA 5ge -10gehalten ſeyn, und Jedermann, der fremd iſt, ſolle ohne anders zur Kirche hinausgehen.

Man ſah bald, daß es im Ernſt galt, und nach und nach ſtand eines nach dem an - dern auf, und gieng nach der Kirchthuͤr. Einige lieffen hinaus, wie wenn man ſie jag - te Andere giengen ſatt und zuͤchtig, hu - ben kein Aug auf Andre machten doch noch ihren Reverenz gegen dem Herrn Pfar - rer, ſo feuerroth ſie vor Zorn im Geſicht waren.

Aber die Voͤgtin und Geſchwornin von Kilchthal wollten noch nicht verſpielt geben; Sie glaubten, wenn ſie ſich ſtill hielten, und hinter den Balken des Gewoͤlbs und hin - ter andern Weibern ſich verſtekten, ſo koͤnn - ten ſie bleiben: Aber die andern Weiber ſtrek - ten von allen Seiten die Koͤpf nach den ar - men Verſtekten, und ſchwazten und lachten weit und breit um ſie her, ſo daß der Pfar - rer es merkte, und dem Siegeriſt ſagte, der Befehl gehe die Weiber an wie die Maͤnner, und er ſoll machen, daß auch dieſe ihres Wegs giengen; Und ſo mußten ſie endlich auch wie die andern wieder hinaus.

§. 5.11

§. 5. Aus ſeiner Predigt.

Erſt dann fieng der Pfarrer an; und redete mit dem Volk uͤber den Vogt, uͤber ihn ſelber, uͤber das Elend der Suͤnde, und uͤber das Gluͤk des Rechtthuns Es war, wie wenn Er einem jeden aus dem Herzen redte, wie wenn Er einem jeden in ſeine Wohnſtu - be hineindrang, und ihn abmahlte, wie er mit Weib und Kind, mit Vater und Bru - der, mit Knecht und Magd umgieng, und mit Unvorſichtigkeit und Liebloſigkeit, mit Nachlaͤßigkeit und Leichtſinn links und rechts um ſich aus guten Leuten boͤſe mache, und aus kleinen Fehlern große veranlaaße, und ſo ſelber die Liebſten, die er in der Welt ha - be, anſtatt gluͤklich, ruhig und zufrieden, ungluͤklich und elend mache, und in eine be - daurenswuͤrdige Lage ſeze Es war, wie wenn der Vogt in der Hand des Pfarrers ein Spiegel waͤre; ſo ſahe das Volk in dem ungluͤklichen Manne ſich ſelber Und der Segen des Herrn war mit dem Pfarrer. Jhrer viele vergaßen ob ſeinen Reden den Vogt, und fuͤhlten izt nur ſich ſelber, und dachten izt nur an ſich ſelber ... Ein paar Stellen aus ſeiner Rede muß ich doch her - ſezen.

Lie -12

Liebe Menſchen! daß doch keines von euch allen meyne, dieſes Ungluͤk haͤtte ihm nicht auch begegnen koͤnnen! hebet euere Au - gen auf und ſehet! warum ſteht der arme Mann vor Euch? Antwortet; Jſts et - was anders, als weil er hochmuͤthig, geizig, hartherzig und undankbar gegen Gott und Menſchen war? .... Und hebet eure Au - gen auf vor dem Angeſicht Gottes, und re - det: Wer unter Euch iſt nicht geizig, hart - herzig und undankbar? Redet, redet! Rede, Mann! Weib! Steh 'auf und rede! Jſt ei - ner unter Euch nicht hochmuͤthig, nicht gei - zig, nicht hartherzig, nicht undankbar? Er ſtehe auf, er ſey unſer Lehrer; ich will zu ſeinen Fuͤßen ſizen, und ihn hoͤren und ihm anhangen, wie ein Kind ſeinem Vater an - hanget! Denn ich, o Herr, bin ein Suͤn - der, und meine Seele iſt nicht rein von al - lem dem Boͤſen, um deßwillen der arme Mann vor Euch leidet!

Ueber den Unterſchied zwiſchen der Suͤnde in ihrem Anfang und zwiſchen der groͤſten Verwilderung, in welcher der Vogt lebte, ſagte er ihnen folgendes Gleichniß:

Es iſt ein großer Unterſchied zwiſchen ei - nem Kornaͤhre und einem ganzen Viertel Frucht; Aber wenn du das Aehre ſaͤeſt, und uͤbers Jahr ſchneideſt, ſo haſt du vielleichthun -13hundert, und ſaͤeſt du hunderte wieder, ſo haſt du im zweyten Jahre von einem einzigen Aehre dein Viertel Frucht. Liebe Men - ſchen! wenn der Saame des Boͤſen in uns iſt, ſo traͤgt er Frucht, und wie das einzige Aehre mit Zeit und Jahren ein Viertel Frucht wird, ſo wird deine Suͤnde mit Zeit und Jahren ſtark und ſchwer in dir, o Menſch! Darum halte den Unterſchied des Saa - menkornes und der Frucht, die du mit Vier - teln miſſeſt, nicht groͤßer, als er iſt, und denke nicht, daß du nicht ob jeder Suͤnde werden koͤnneſt, was der arme Tropf, wenn du nicht mit Muͤhe und Arbeit ihren Saa - men in dir ſelber zu erſtiken und auszurotten trachteſt.

Ein ander Mal ſagte Er:

Meine Kinder! Sehet izt die Gerechtig - keit der Welt, und zittert! Die Gerechtig - keit der Erde zermalmet, zerknirſchet und toͤd - tet! wainet uͤber den Elenden, und uͤber alle Menſchen, die in die Hand der Gerechtigkeit fallen, und bittet Gott, daß ſich die Fuͤrſten je laͤnger je mehr dieſer Armen und Elenden erbarmen, und ihre Leiden nie groͤßer machen, als die Noth es erfordert! Und, meine Kinder! werdet ſelber je laͤnger je menſchli - cher, ſchonender, gewiſſenhafter gegen ſolche Ungluͤkliche, und glaubet, das Beyſpiel derKnech -14Knechte, die mit ihren Mitknechten, welche im Ungluͤk ſind, Mitleide zeigen, muß auch auf die Herren der Erde wirken, daß auch ſie mitleidig und ſchonend gegen Ungluͤkliche werden.

§. 6. Wenn ſo ein Pfarrer in die Gefaͤng - niſſe und Zuchthaͤuſer eines Reichs Einfluß haͤtte, er wuͤrde die Grundſaͤze mit den Gefangnen umzugehen, in ein Licht ſezen, das himmelrein leuchtete.

Da er ausgeredet hatte, ſtieg er dann von der Kanzel, ſaß noch eine Weile bey dem Ungluͤklichen, redete mit ihm bruͤderlich, wie er es heute den ganzen Tag gethan hatte.

Da der arme Menſch izt bald fort ſollte, ſah er ihm an, daß er vor Ermattung und Schwaͤche faſt einſank, und vernahm, daß er noch ganz nuͤchtern ſey. Du muſt nicht alſo an deinen Ort hin , ſagte er alſobald, und ließ ihm ſogleich aus dem Pfarrhaus etwas zu eſſen und zu trinken in die Kirche hinunter bringen. Der Hans, der es brachte, ſtellte es gerade auf den Taufſtein,bey15bey dem ſie ſtanden; aber dieſes aͤrgerte den Siegeriſt, er ſtupfte den Hans, und winkte ihm, er ſollte es doch anderſtwohin abſtellen. Dieſer wollte auch ungeſaͤumt folgen; aber der Pfarrer ſagte: Hans, laß 'es nur ſtehen, das macht gar nichts.

Und nachdem der Vogt alſo auf dem Tauf - ſtein geeſſen und getrunken, und ſo alles mit - leidig und liebreich um ihn herum ſtand, ſag - te der Pfarrer zu ihm: Willſt du izt nicht auch gern die Leute alle, von denen vielleicht wenige ſind, die du nicht beleidiget und ge - kraͤnkt haſt, um Verziehung bitten? Ach, mein Gott! Gern, Herr Pfarrer! ſagte der Vogt, wandte ſich gegen die Umſtehenden und ſagte: Verziehet mir doch alle um Got - tes Willen! Er konnte nicht mehr re - den: Aber er ſahe ſie alle ſo wehmuͤthig und erſchlagen an, daß Jedermann weich ward; Weib und Mann ſtrekten ihm von allen Sei - ten die Haͤnde dar, und ſagten: Es iſt mehr als verziegen! Wie es ihn freute, daß ihm alles die Hand zuſtrekte Wie er lange rechts und links mit beyden Armen nach allen Haͤnden haſchte, und mit hunderterley Bewegungen zitternd eine jede druͤkte, das kannſt du dir vorſtellen, Leſer! Aber beſchrei - ben kann ich es nicht. Nach einer Weile ſagte der Pfarrer zum Vogt: Jch denkeVogt,16Vogt, in Gottes Namen wollen wir izt ge - hen. Der Vogt ſah ihn barmherzig an, und konnte nicht reden. Es muß in Gottes Namen einmal ſeyn, erwiederte der Pfarrer: Dann nahm er ihn bey der Hand, machte ihn aufſtehen und ſagte: Mit zau - dern machſt du dirs nur ſchwerer; komm izt in Gottes Namen, und leide mit Geduld, was du zu leiden haſt; achte nicht, was um dich her iſt, und was man um dich herum macht, und denk du izt an dich ſelber.

§. 7. Menſchlichkeit und Gerechtigkeit bey einander.

Und dann giengen ſie mit einander an ſeinen Ort, und der Pfarrer bethete laut den ganzen Weg durch, und alles Volk begleitete ihn im ſtummen Stillſchweigen.

So herrſchet ſtummes Stillſchweigen um den Sarg des Buͤrgers, deſſen verlaſſene Kin - der ein geruͤhrtes Volk mitleidig zum Grabe begleitet; und die Stunde der ſtillen Ruͤh - rung, waͤhrend welcher die Todtengloke von Bonnal laͤutete, that dem Vogt und allem Volk wohl. Siehe, es war nicht die Straffe eines wuͤthenden Thiers, das mannur17nur abthut von der Erde, damit es nichts mehr auf ihr ſchade. Es war die Straf - fe eines Menſchen, mit der man ihn ſelber und ſeinen Naͤchſten weiſer und beſſer machen wollte, als ſie zuvor waren.

Er ſtand da entbloͤßt an Haupt und Fuͤßen an ſeinem Ort, und ſprach drey - mal laut nach:

Hier hab 'ich verdient zu verfaulen

Mit ſtarker Stimme antwortete ein Ge - richtsmann:

Ja, du haſt verdient, daß hier deine Ge - beine verfaulen, und die Voͤgel des Him̃els dein Fleiſch eſſen.

Dreymal antwortete er wieder: Jch hab 'es verdienet.

Er hat Gnade, Knecht der Gerechtig - keit! toͤdte ihn nicht rief izt mit lauter Stimme der Richter mit dem Stab.

Was ſoll ich ihm dann thun ? erwieder - te der Knecht der Gerechtigkeit.

Du ſollſt ihn binden an den Balken des Galgens, und ſeine Hand an einem Pfahl feſt machen, und die Finger des Meineidigen dreymal mit unausloͤſchlicher ſchwarzer Farbe anſtreichen.

Der Knecht der Gerechtigkeit that izt, was ihm befohlen war, und ſtand dann mit ent - bloͤßtem Schwerdt hinter dem Ungluͤklichen. BJn -18Jndeſſen wandte ſich der Richter am Stab, und ſagte mit lauter Stimme zum Volk:

Hoͤre, verſam̃eltes Volk! dein Herr und Vater laͤßt dir ſagen.

Wer unter euch eine ſolche Schande nicht mehr fuͤrchtet, als den Tod, der gehet mit ſeinem Haus, mit ſeinen Kindern, und mit ſeinem Geſchlecht, dem Elend entgegen, in welchem ihr izt dieſen armen Mann ſehet.

Dann redete der Pfarrer faſt die ganze Stunde mit dem Volk, das noch nie in kei - ner Kirche mit mehr Aufmerkſamkeit und Ruͤhrung vor ihm geſtanden.

Der Vogt aber war faſt athemlos und zum Einſinken erſchoͤpft; Als es der Pfar - rer merkte, rief er ſeinem Hans, und ſagte ihm: Du muſt den kleinen Wagen hieher bringen und ein Bettſtuͤk darauf. Der Hans thats, und brachte ein Bett und Wa - gen zu ihnen; Und da die Stunde izt voruͤ - ber war, und man den Vogt von ſeinen Banden los ließ, nahm ihn der Pfarrer bey der Hand und ſagte: Steig izt in Gottes Namen hier ein; ich ſehe, daß du's noͤthig haſt, und faſt nicht heimgehen koͤnnteſt.

Es iſt wahr, ſagte der Vogt, es zittert alles an mir, dankte, ſagte Jch hab 'das nicht verdient und ſtieg in den Wa - gen. Der Pfarrer gieng unter allemVolk19Volk mit dem armen Tropf neben dem Wa - gen, bis ins Gefaͤngniß nach Bonnal, wo - hin man ihn fuͤhrte, und ließ dann auch das Bett aus ſeinem Wagen hineintragen, bis man ihm eins aus ſeinem Haus bringen wuͤrde.

§. 8. Bauren-Geſpraͤch und Bauren - Empfindung.

Der Lienhard war dieſen Morgen allein bey ſeiner Arbeit am Kirchhof; ſeine Tagloͤhner waren alle mit dem Vogt. Er wainte herzlich, als die Todtenglogke im Thurn hart an ihm zu das Zeichen gab, daß man ihn ausfuͤhrte. Nach einer Weile ka - men die Tagloͤhner zuruͤk, und ſchwazten faſt den ganzen Tag mit einander von dem geſche - henen Vorfall.

Mir iſt es ſehr zu Herzen gegangen ſagte der Aebi und der Kienaſt.

Kriecher. Und mir, wie wenn man mir kaltes Waſſer angeſchuͤttet haͤtte.

Ruͤti Marx. Einmal ſo iſts gut, Schelm ſeyn.

Leemann. Und man hatte Sorg zu ihm, wie zu einer Kindbetterinn.

B 2Lenk. 20

Lenk. Wenn ichs oder ein anderer gewe - ſen waͤre, es waͤr wohl anderſt gekommen.

Aebi. Es ſcheint mir, es moͤgen ihms etliche nicht einmal goͤnnen, daß er nicht ge - haͤngt worden.

Leemann. Es wird noch andere Hiſto - rien abſezen.

Michel. Was das?

Leemann. Der Junker will ja zehn Jahr hinter ſich allem nachgruͤbeln.

Ruͤti Marx. Dafuͤr wird ſich Niemand graue Haar wachſen laſſen.

Michel. Und wie meynſt du das?

Ruͤti Marx. Jch meyne, das wuͤrd ſo in die diken Bauch greiffen, daß ſie wohl ei - nen Dekel finden werden, den Niemand ab - lupft.

Kriecher. Und der Teufel! Es iſt doch nicht ganz ſicher.

Aebi. Aber habet ihr auch den Hartknopf gehoͤrt, wie er uͤber die Predigt ſein Maul gebraucht.

Michel. Er iſt ein Narr.

Marx. Er ſagt doch manchmal auch Sa - chen, die wahr ſind.

Michel. Ja, wenn er um eilf Uhr ſagt, es laͤute Mittag.

Marx. Das iſt izt genarret: Ueber den Glauben einmal verſteht er mehr als ich unddu;21du; Er giebt in der Kirche Achtung wie ein Sperber, und iſt im Stand, er zaͤhlt dem Pfarrer die Hauptwoͤrter des Chriſtenthums an den Fingern nach.

Michel. Das iſt eine erbauliche Arbeit.

Marx. Man kann mehr daraus ziehen als du glaubſt: Denk izt nur, er verflucht ſich, der Pfarrer habe in der lezten Predigt das Wort Chriſtus kein einiges Mal in dem Mund gehabt.

Michel. Das iſt eine Fantaſtenrede Und der Pfarrer hat recht, daß er ſeine Wort nicht ſo ausſpizt, daß alle Sylben dran froͤmmeln.

Der Marx haͤngte das Maul, und der Michel fuhr fort:

Michel. Mit euerm Woͤrter-zaͤhlen und Sylben-drehen macht ihr juſt auch die Leut ſelbſt ſo verdrehet, daß ſie die Augen verkeh - ren, wenn ſie das Hirn brauchen ſollten und das Maul aufthun, wenn ſie die Haͤnde brauchen ſollten.

Marx. So?

Michel. Ja, eben ſo! Es iſt Liebe und Verſtand in dem, was der Pfarrer ſagt, und es giebt Leut, ſie ſollten ſich ſchaͤmen, wie ſie ihms machen.

Marx. So!

Michel. Biſt du ein Narr, Marx?

B 3Kie -22

Kienaſt. Jch meynte, man koͤnnte davon ſchweigen; Es muͤßte einer ein Stein ſeyn, wenn es heute einem nicht zu Herzen gegan - gen waͤre.

§. 9. Haus-Ordnung, und Haus - Unordnung.

Gertrud gieng an dieſem Morgen zu ihrem guten Nachbar, dem Huͤbel-Rudi, der nunmehr nicht mit den andern bey der Kirche tagloͤhnete: Sie wußte, daß Armuth und Niedergeſchlagenheit dem Menſchen allen Haushaltungsgeiſt ſo verderbt, daß, wenn er auch zufaͤllig wieder zu Etwas koͤmmt, und nicht Rath und That findet, ihm ſo ein Gluͤk ſo leicht als ein Aal im Waſ - ſer wieder aus der Hand ſchluͤpft: Und da ſie der Großmutter auf dem Todbett ver - ſprochen, ſich ſeiner Kinder anzunehmen, ſo wollte ſie keine Stunde verſaumen, um dem Rudi, ſo viel ſie koͤnnte, zur Ordnung zu verhelffen, ehe ſchon wieder das halbe durch Unordnung zu Grund gegangen waͤre. Sie traf noch alle Kinder im Bett an, und der Rudi war eben aufgeſtanden. Die Kleider der Kinder lagen im Boden herum;die23die Kaze ſaß neben der ſchwarzen Blatte, woraus ſie geſtern geeſſen, auf dem Tiſch. Gertrud fuͤhlte die Groͤße des Verderbens einer ſolchen Unordnung, und ſagte dann der Laͤnge und der Breite nach, wie weit das lange, und wohin ihn dieſes bringen werde. Er machte Augen, wie einer, der halb im Schlafe zuhoͤrt, als ſie ſo mit ihm redete: Er war der Unordnung ſo ziemlich gewohnt, und meynte, weil er izt ſeine Matten wieder habe, ſo ſey alles wieder ganz gut be - ſtellt ſo daß er lange nicht faſſen konnte, was Gertrud izt mit ihrem Predigen wollte. Endlich begriff er ſie, und die Thraͤnen ſchoſ - ſen ihm in die Augen; als er antworte - te: Ach! mein Gott! Nachbarinn! du haſt wohl Recht; aber es war, weiß Gott, in unſerm Elend nicht anderſt moͤglich: Jch ſaß auf die Lezte oft bey Stunden und Tagen herum, daß ich faſt nicht mehr wußte, wo mir der Kopf ſtund, vielweniger was ich an - greiffen ſollte, und was ich moͤchte.

Gertrud. Das iſt eben, was ich ſage, und warum du dir izt muſt rathen und helffen laſſen.

Rudi. Jch will dir von Herzen danken, wenn du's thuſt.

Gertrud. Und ich wills von Herzen thun, ſo viel ich kann.

B 4Ru -24

Rudi. Lohns dir Gott fuͤr mich und mei - ne Kinder!

Gertrud. Rudi! wenn deine Kinder wie rechte Menſchen erzogen werden ſollen, ſo muß alles bis auf die Schuhbuͤrſte hinunter in eine andre Ordnung kommen: Und wir wollen izt nicht ſchwazen, ſonder die Haͤnd in den Taig ſtoßen; Es muß mir heut, noch ehe die Sonne untergeht, in der Stu - be ausſehen, daß man ſich nicht mehr drin kennt: Tiſch Fenſter Boden alles muß abgewaſchen und erluftet ſeyn Man kann ja nicht einmal Athem ſchoͤpfen Und glaub mir, deine Kinder ſehen un - ter anderm auch darum ſo uͤbel aus, weil ſo viel hundertjaͤhriger Miſt in der Stube iſt: Es iſt ein Ungluͤk, daß deine Frau ſelig auf die Lezte auch gar allen Muth verlohren, und alle Hausordnung ein End hatte: So arm man iſt, ſo ſollte an ihrem Mann und Kindern noch das thun, was nichts koſtet.

Rudi. Die Großmutter hat es ihr tau - ſendmal geſagt; aber ſie iſt auf die Lezte vor Jammer worden, wie ein Stok, ſo daß ich faſt denken muß, es ſey fuͤr mich und die Kinder ein Gluͤk geweſen, daß ſie geſtorben, wenn ſie nicht wieder anderſt geworden waͤre. Aber, Gertrud! wenn ſie es noch er - lebt haͤtte, wie es mir izt gegangen, ſie waͤreauch25auch nach und nach wieder zu ſich ſelber ge - kommen, und wieder worden, wie im An - fang: Sie kommt mir ſeit geſtern nie aus dem Kopf, und wo ich gehe und ſtehe, mey - ne ich immer, ſie ſollte wieder da ſeyn, und das Gute izt auch mit mir haben, wie ſie das Boͤſe mit mir getragen.

Gertrud. Es iſt ihr izt beſſer, als uns allen, Rudi! Und ich weiß nicht, obs ihr leicht auf der Welt wieder wohl worden waͤre. Wer ſo lang alles ſo ſchwer aufge - nohmen, wie ſie, der kommt nicht mehr ſo leicht zu ſich ſelber.

Rudi. Das iſt auch wahr.

Gertrud. Was du izt am beſten zum Andenken deiner Frau ſel. thun kannſt, und was ihr izt im Himmel Troſt und Freud ſeyn wird, iſt dieſes, daß du deine Kinder ſorgfaͤltig auferzieheſt, daß ſie nicht ſo un - gluͤklich werden, wie ſie Und glaub mir, es kommt, weiß Gott, in der Jugend auf Kleinigkeiten an, ob ein Kind eine halbe Stunde fruͤher oder ſpaͤter aufſtehe ob es ſeine Sonntagskleider die Woche uͤber in einen Winkel werffe, oder ſorgfaͤltig und ſauber zuſammen an einen Ort lege ob es gelernt, das Brod, Maͤhl und Anken in der Woche richtig abzutheilen, und mit dem gleichen auszukommen oder ob esB 5hier -26hieruͤber unachtſam bald mehr, bald weniger gebraucht, ohne es zu wiſſen Solche Sachen ſind es, welche hundertmal machen, daß eine Frau mit dem beſten Herzen ins groͤſte Elend kommt, und ihren Mann und ihre Kinder darein bringt; Und ich muß dir ſagen, du weiſt wohl, daß ich es ihr nicht in boͤſer Meinung nachrede, deine Frau iſt gar nicht zur Hausordnung gezo - gen worden; ich kannte des alten Schoders es iſt mehr in ihrer Haushaltung ver - faulet, und zu Grund gegangen, als recht iſt und als man ſagen darf.

Rudi. Sie iſt in der Jugend zu viel im Pfarrhaus geſtekt.

Gertrud. Auch das iſt wahr.

Rudi. Es hat mir hundertmal die Au - gen uͤbertrieben, wenn ſie das Bethbuch oder die neue Erklaͤrung der Offenbarung in die Hand nahm, und die Kinder nicht gewa - ſchen und nicht geſtrehlt waren, und ich ſel - ber alle Tage in die Kuche mußte, das Feuer auf dem Heerd zu ſchuͤrgen, wenn ich nicht gefahren wollte, daß ſie mir mit ihrer Ver - geßloſigkeit noch das Haus anzuͤnde.

Gertrud. Wenn mans mit den Buͤchern recht macht, ſo muͤßen die Buͤcher einer Frauen ſeyn wie der Sonntagsrok und die Arbeit wie die Werktagsjuͤppe.

Ru -27

Rudi. Jch muß meines Elends izt ſelber lachen Sie hatte eben dieſe Sonntags - juͤppe alle Tag an, und zog die Kinder, als wenn Bethen und Leſen alles waͤre, warum man auf der Welt lebt.

Gertrud. Damit macht man juſt, daß ſie das Bethen und Leſen dann wieder ver - geſſen, wenn ſie es recht noͤthig haͤtten.

Rudi. Das iſt uns leider! juſt begegnet: weil ſie da krank worden, und nirgends kein Brod mehr da war, ſo ruͤhrte ſie auch kein Buch mehr mit ihnen an, und wainte nur, wenn ihr eins vor Augen kam.

Gertrud. Laß dir das izt zur Warnung dienen, Rudi! und lehr eben deine Kinder, vor allem Schwazen, Brod verdienen.

Rudi. Jch bin voͤllig dieſer Meinung, und will ſie von Stund an zur Naͤhterin ſchiken.

Gertrud. Du muſt ſie erſt kleiden: ſo wie ſie izt ſind, muͤßen ſie mir nicht zur Stube hinaus.

Rudi. Kauff ihnen doch Zeug zu Roͤken und Hembdern ich verſtehe es nicht ich will das Geld heute noch entlehnen.

Gertrud. Nichts entlehnen! Rudi! das Zeug will ich kauffen, und im Heuet zahlſt du es.

Rudi. Warum nicht entlehnen?

Ger -28

Gertrud. Weil es zur guten Hausord - nung gehoͤrt, nie nichts von einem Nagel an den andern zu haͤngen, und weil unter hunderten, die liehen, nicht zehn ſind, die nicht wieder dafuͤr brandſchazen, und ſon - derbar dich du biſt zu gut es wuͤr - den ſich geſchwind genug Blutſauger an dich machen, und dich in allen Eken rupfen.

Rudi. Gottlob, daß ſie etwas zu rupfen finden!

Gertrud. Jch moͤchte daruͤber nicht ſpaſ - ſen. Du muſt dich im Ernſt achten, auf alle Weiſe, damit du behalteſt, was Gott dir und deinen Kindern nach ſo langem Lei - den wieder gegeben.

Der Rudi ſtuzte eine Weile, u. ſagte dann: Du wirſt doch dawider nicht ſeyn Jch theile einmal die Matte mit dem Vogt, ſo lang er lebt?

Gertrud. Was iſt izt das?

Rudi. Jch habs in Gottes Namen dem Pfarrer verſprochen, ſo lang er lebe, ihm fuͤr eine Kuh Heufuter ab der Matten zu geben. Er iſt izt ein armer alter Tropf, und ich konnte ihn nicht in dem Elend ſehen, in dem ich ſelber war.

Gertrud. Es kommt doch noch beſſer heraus, als es thoͤnte: Jch meynte, du woll - teſt die Matten mit ihm theilen izt blei - beſt du doch beym Futter.

Ru -29

Rudi. Nein, daran kam mir kein Sinn; die muß wills Gott auf Kind und Kindskin - der hinunter mein bleiben; aber das Futter, das will ich ihm in Gottes Namen halten, wie ichs dem Pfarrer verſprochen.

Gertrud. Jch will dich gar nicht daran hindern; aber doch dunkt mich, du haͤtteſt zuerſt warten koͤnnen, obs der Vogt ſo gar noͤthig haben moͤchte, eh du ihm das ver - ſprochen.

Rudi. Der Pfarrer hat das auch geſagt; Aber wenn du die Großmutter auf ihrem Todbett wie ich fuͤr ihn bethen gehoͤrt haͤtteſt, daß es ihm noch wohl gehe, du haͤtteſt ge - wiß auch nicht anderſt koͤnnen, als ihm, wie ich, ſo viel moͤglich dazu helfen.

Gertrud. Hat ſie noch auf ihrem Tod - bett fuͤr ihn gebetet?

Rudi. Ja, Gertrud; und das mit tau - ſend Thraͤnen.

Gertrud. Ach! denn iſts recht, daß du es thuſt.

Waͤhrend dem der Rudi ſo mit ihr redete, machte Gertrud die Kinder aufſtehen, waſch - te ihnen Geſicht und Haͤnde, kaͤmmte ſie mit einer Sorgfalt und Schonung, die ſie nicht kannten, und ließ ſie auch ihre Kleider ſteiffer und ordentlicher anlegen, als ſie ſonſt gewohnt waren, darauf gieng ſie in ihreHuͤt -30Huͤtte kam mit ihrem Zuͤber und Beſen und Buͤrſten zuruͤk, fieng dann an die Stu - be zu reinigen, und zeigte auch dem Rudi, wie er daſſelbe machen und angreiffen muͤſſe, und was die Kinder ihm dabey helffen koͤn - nen. Dieſer gab ſich alle Muͤhe, und nach ein paar Stunden konnte er es ſo wohl, daß ihn Gertrud izt allein machen ließ, und wieder heim gieng. Wenn dir die Kinder dann braf geholffen, ſo ſchik 'ſie auf den Abend zu mir ſagte ſie im weggehen.

Der Rudi wußte nicht, was er ſagen und machen wollte, als ſie izt fort war, ſo wars ihm ums Herz; Eine Weile hatte er die Haͤnde ſtill, buͤrſtete und fegete nicht, ſonder ſtaunte und dachte bey ſich ſelber: Es waͤre mir einmal in Gottes Namen, wie wenn ich im Himmel waͤr, wenn ich ſo eine Frau haͤtte Und als er auf den Abend ihr ſeine Kinder ſchikte, gab er ſint Jahren das erſte Mal wieder Acht, ob ihre Haͤnde und Geſicht ſauber, und ihre Haare u. Kleider in der Ordnung waͤren, ſo daß ſich die Kinder ſelber darob wunderten: Und die Nachbaren, die ſie ſo ordentlich aus dem Hauſe gehen ſahen, ſagten: Er will gewiß bald wieder weiben.

Die Kleinen fanden des Maurers Kinder alle an ihrer Arbeit; dieſe empfiengen ſiefroͤh -31froͤhlich und freundlich, aber ſie hoͤrten um deßwillen keinen Augenblik auf zu arbeiten. Machet, daß ihr mit euerm Feyera - bend bald fertig werdet, ſo koͤnnt ihr euch dann mit dieſen Lieben luſtig machen, bis es 6. Uhr ſchlagt, ſagte ihnen Gertrud Und die Kinder: Das denk 'ich, wir wol - len eilen; die Sonne ſcheint wie im Som̃er, Mutter! Aber, daß euer Garn nicht groͤber werde, antwortete die Mutter. Du muſt gewiß eher einen Kreuzer mehr als minder von meinem loͤſen, ſagte Liſe. Und auch von unſerm, rieffen aus allen Eken die andern. Jch will gern ſehen, ihr Prahlhanſe, erwiederte die Mut - ter.

Die Kinder des Rudis ſtunden da, ſperr - ten Maul und Augen auf ob der ſchoͤnen Arbeit und dem froͤhlichen Weſen in dieſer Stube. Koͤnnt ihr auch ſpinnen? fragte izt Gertrud. Ach nein! erwie - derten die Kinder. Gertrud erwiederte: So muͤßt ihrs lernen, ihr Lieben! meine Kinder ließen ſichs nicht abkauffen, und ſind am Samſtag ſo luſtig, wenn jedes ſo ſeine etlichen Bazen kriegt: Das Jahr iſt lang, ihr Lieben! wenn mans ſo alle Wochen zu - ſammenſpinnt, ſo giebts am End des Jahrs viel Geld, und man weiß nicht, wie manda -32dazu gekommen. Aeh bitte, lehre es uns auch, ſagten die Kinder, und ſchmieg - ten ſich an den Arm der guten Frau. Das will ich gern , antwortete Gertrud Kommet nur alle Tage, wenn ihr wollet; ihr muͤßet es bald koͤnnen.

Jndeſſen hatten die andern ihren Feyra - bend aufgeſponnen, verſorgten ihr Garn und ihre Raͤder, ſangen mit unter:

Feyrabend, Feyrabend, Lieb 'Mutter!
Feyrabend in unſerm Haus!
Z'Nacht gehen wir alle gern nieder,
Am Morgen ſteht alles froh auf:

Nahmen dann ihre Gaͤſte bey der Hand heiter wie der Abend ſprangen izt alle Kin - der auf der Matten auf allen Seiten dem Haag nach und rund um die Baͤume; aber Gertruds Kinder wichen ſorgfaͤltiger als des Rudis den Koth im Weg, und die Doͤrnen am Haag aus, und hatten Sorg zu den Kleidern, ſie banden ihre Struͤmpfe, ring - leten ihre Schuhe alſobald, wenn etwa ei - nem etwas losgieng, und wenn des Rudis Kinder ſo etwas nicht achteten, ſagten ihnen die Guten ſogleich, Du verliehreſt deinen Ringgen dein Strumpfband oder, du macheſt dich kothig, oder du zerreiſſeſt dich hier in den Doͤrnen ꝛc. ꝛc. .

Des33

Des Rudis Kinder liebten die ordentlichen Guten, laͤchelten bey allem, was dieſe ihnen ſagten, und folgten, wie man kaum Eltern folgt; denn ſie ſahen, daß ſie alles, was ſie ihnen ſagten, ſelber thaten, und es weder boͤſe noch hochmuͤthig meynten. Auf den Schlag 6. Uhr eilten Gertruds Kinder un - ter das Dach, wie die Voͤgel, wenn die Sonne unter iſt, in ihr Neſt eilen. Wollt ihr mit uns? wir gehen izt bethen, ſagten ſie zu des Rudis Kindern. Ja, wir wollen, und auch noch deiner Mutter b'huͤti Gott ſagen. Nun, das iſt recht, daß ihr kommt, ſagten dieſe, und zogen den Kazenſchwanz mit ihnen, durch die gan - ze Matten, die Stegen hinauf und bis an den Tiſch, wo ſie ſich dann zum Bethen hinſezten.

Muͤßt ihr um 6. Uhr nicht auch heim zum Bethen, ihr Lieben? fragte izt Ger - trud des Rudis Kinder. Wir bethen erſt, wenn wir ins Bett gehen, ſagte das aͤlteſte. Und wenn muͤßt ihr ins Bett? fragte Gertrud. Was weiß ich, ant - wortete das Kind und ein anders: So wenns anfangt nachten. (dunkel werden) Nun, ſo koͤnnt ihr noch mit uns bethen; aber dann iſts auch Zeit mit euch heim, ſagte Gertrud. Es macht nichts, weñsCſchon34ſchon dunkelt; wir fuͤrchten uns nicht, ant - wortete das aͤlteſte: Und wenn wir alle bey einander ſind, ſezte ein anders hinzu Und dann betheten die Kinder Gertruds mit ihrer Mutter in ihrer Ordnung, und ſie ließ auch des Rudis Kinder die Gebether bethen, die ſie konnten, und begleitete ſie dann bis zum Hausgatter, habet recht Sorg, daß keines falle, ihr Lieben, und gruͤßet mir den Vater, und kommet bald wieder, ein an - dermal will ich euch ein Spinnrad bereit ma - chen, wenn ihrs lernen wollet ſagte Gertrud ihnen zum Abſchied, und ſah ihnen die Gaſſe durch nach, bis ſie um den Eken herum, und die Kinder ſchreyen ihr, ſo weit man ſie hoͤren konnte, zuruͤk; b'huͤte Gott, und danke Gott, und ſchlaf wohl, du liebe Frau!

§. 10. Das Herz leicht machen iſt das rechte Mittel, dem Menſchen das Maul aufzuthun.

Der Pfarrer ließ izt den Vogt, den man nun wieder ins Gefaͤngniß nach Boñal gebracht, eine Weile ſich ſelbſt uͤber. Nach ein paar Stunden aber gieng er wieder zuihm35ihm hin. Jch bin ein armer alter ver - lohrner Tropf, und der Welt zu nichts wei - ter gut, war faſt das erſte Wort, das die - ſer zum Pfarrer ſagte. Das muß man nie ſagen; wenn man will, iſt man immer zu etwas gut erwiederte der Pfarrer.

Vogt. Ach! Jch will mich vor allen Menſchen verbergen, in einem Winkel, ſo lang ich noch lebe, fuͤr mein ewiges Heil bethen, bethen und ſeufzen.

Pfarrer. So lang wir leben, ſind und gehoͤren wir zu den Leuten, und wir thun nicht recht, und machen uns eben dadurch zu unnuͤzen Ueberlaſten in der Welt, wenn wir uns von den Leuten abſondern; Es iſt am lieben Gott, und nicht an uns, uns von der Welt abzuſoͤndern, und vor den Leuten zu verbergen, wenn er uns verborgen haben will; Und er thut das, Vogt, wenn er uns ins Grab legt.

Vogt. Ach, wenn ers nur bald thaͤte!

Pfarrer. Machts dir Muͤhe, daß du wie - der gefangen biſt?

Vogt. Jch weiß nicht, wo mir der Kopf ſteht.

Pfarrer. Es iſt natuͤrlich Aber wenn man dich izt heimgelaſſen, meynſt du, es waͤr dir beſſer?

C 2Vogt. 36

Vogt. Warum ſollte es mir nicht beſſer ſeyn, wenn ich heim koͤnnte?

Pfarrer. Fuͤr einen Augenblik kañs wohl ſeyn Aber, Vogt, um uͤberall zu dir ſelber und fuͤr dein ganzes kuͤnftiges Leben in Ordnung zu kommen, werden dieſe 14. Tage dir gewiß wohl thun, wenn du ſie recht braucheſt.

Vogt. Ach! Jch bin eingeſperrt!

Pfarrer. Aber, wofuͤr?

Vogt. Ha was weiß ich!

Pfarrer. Wenn du es nicht weiſſeſt, ſo weiß ichs, gewiß nur um deiner ſelber wil - len, und damit du wieder recht werdeſt und recht thueſt, biſt du eingeſperrt.

So fieng der Pfarrer an, dem armen Mann den Zuſtand ſeiner Gefangenſchaft auf eine vernuͤnftige Art anzuſehen zu ma - chen; und er ward nach und nach in den 14. Tagen, in denen er faſt Tag und Nacht bey ihm war, ſo vertraut mit ihm, daß ſie faſt wie Bruͤder mit einander redeten.

Jch kann aber dieſe Geſpraͤch nicht von Wort zu Wort erzaͤhlen, ſie wuͤrden zu langweilig; Aber die Hiſtorie, in der ich fortfahre, wird ſchon zeigen, was das wich - tigſte davon ware.

Der Pfarrer gieng mit ihm in ſein Ju - gendleben in ſein maͤnnliches Alter in37in die Zeit, wo er Wirth, und in die, wo er Vogt war, hinein; Er brachte ihm, was er tauſendmal vergeſſen, wieder zu Siñ, daß er am Ende heiter wie der Tag ſah, wie der Vogt das werden muͤſſen, was er worden iſt.

Und das Leben des Manns enthuͤllte dem Pfarrer das Leben ſeines ganzen Dorfs, daß er izt in alle Haushaltungen hineinſah wie in einen Spiegel, und hundert traurige Umſtaͤnde und Sachen, wo vorher alles ra - then und helfen umſonſt war, wurden ihm izt heiter wie der Tag.

Der Vogt wollte freylich zuerſt auch nicht recht mit der Sprache heraus, beſonders weñ andere Leute in ſeine Fehler verwikelt waren, und ſagte einmal bey einem ſolchen Anlaaß zum Pfarrer: Jch mag zu allem, was ich ſchon auf den Schultern habe, nicht noch machen, daß mich Junges und Altes im Dorf noch oben drauf verfluche: Aber die - ſer zeigte ihm ſo herzlich und deutlich, daß er juſt denen, die es im Anfang zum hoͤchſten uͤbel aufnehmen werden, was er ihnen aus - bringe, den groͤſten Dienſt damit thue, daß er von der Zeit an dem Pfarrer uͤber alles unverhoͤllen ſagte, was er wußte,

C 3§. 11.38

§. 11. Seltſamme Wirkungen des boͤſen Gewiſſens.

Aber wie wenn das Wetter ins Dorf ge - ſchlagen, ſo war alles ob der Nachricht, daß der Vogt dem Pfarrer alles erzaͤhle, was er von Jedermann wiſſe, betroffen. Man ſah in allen Gaſſen Leute die Koͤpfe gegen einander und gegen die Waͤnde kehren; es fehlte hie und da Maͤnnern und Weibern an ihrer natuͤrlichen Farb; viele, die den Hu - ſten hatten, oder einen kurzen Athem, be - fanden ſich uͤbler als gewohnt; und es gab in allen Haͤuſern die wunderbarlichſten Auftritte.

Viele boͤſe Weiber wurden einsmals mit ihren Maͤnnern wieder gut.

Viele wilde und freche Kinder wurden ſo zahm, daß man ſie um einen Finger herum winden konnte.

Eheleute und Hausleute fragten ſich Sa - chen und ſagten ſich Sachen, daß man nicht haͤtte errathen koͤnnen, wie ſie izt juſt auf das kaͤmen, und an das daͤchten.

Wenn er izt auch ſagte, ich haͤtte ihm deinen Mantel verkauft, der dir geſtohlen worden, ſagte die durſtige Frau Stofe - lin zu ihrem hauslichen Mann Joosli.

Daß 39

Daß du izt auch den Mantel wieder auf - waͤrmſt, der mir ſo wehe that antwor - tete Joosli.

Man muß halt immer fuͤrchten, ſo einer bringe noch andre Leut ins Ungluͤk, und es iſt mir wie vor, es gebe etwas ſagte die Frau.

Und Joosli erwiederte: Du weiſſeſt, wie lange ich dirs zutraute, und wie du mich dazu gebracht, daß ich dir verſprochen, nichts mehr davon zu reden, und izt fangſt du wie - der damit an, wie wenn du kein gutes Ge - wiſſen haͤtteſt.

Jzt heulte die Frau, und ſagte: Du weiſ - ſeſt doch auch, daß wir Baͤttler uͤbernacht hatten, da er weggekommen.

Du haſt ja davon angefangen, nicht ich, ſagte der Joosli, du wirſt wohl wiſſen wa - rum und ſchnurrete aus der Stube.

Jch will dich zurichten, daß du ausſie - heſt, wie eine Nachteule, wenn du mir et - was ausbringſt, ſagte die Bethſchweſter Bar - bel zu ihrer Dienſtmagd und Mithalterin am verſtohlenen Abendtrunk, den ſie ihr alle Tag zwiſchen Feuer und Licht vom Vogt bringen mußte.

Wenn er auch ſagte, daß er alle Wochen von uns Garn bekommen ſagte Chriſtofs Liſe zu ihrer Schweſter Clara.

C 4 Wir 40

Wir wollen ſchweigen, wie Kaͤfer ſagte dieſe.

Und laͤugnen, wie Hexen, erwiederte jene.

Solche Reden floſſen in allen Eken, und allenthalben war die Liebe, die man dem Vogt vor dem Taufſtein verſprochen, wie der Wind weg.

Er hat da gethan, wie ein Heiliger, und izt macht ers uns ſo verflucht als er nur kann Das war das beſte, was man hinten und vornen im Dorf von ihm ſagte.

Aber wem fuͤr ſeine Haut bang iſt, der vergißt nichts leichter als die Liebe, und es war vielen ſo angſt, daß es einer Kaz im Sak nicht aͤngſter ſeyn koͤnnte.

§. 12. Die Ungleichheit dieſer Wirkungen des boͤſen Gewiſſens bey Ge - ſchaͤftserfahrnen Leuten.

Am baͤngſten aber wars den Herren Vor - geſezten, dieſe aber probierten nach und nach auf eine andre Manier von dieſem ſchlimmen Handel zu reden.

So41

So ein Kezer koͤnnte ein ganzes Dorf ungluͤklich machen, ſagte Nachbar Kienholz zu ſeinem Nachbar Kalberleder.

Es iſt vielleicht kein Menſch im Dorf, mit dem er in den 20. Jahren, ſeit dem er Vogt iſt, nichts krummes gehabt hat, und um ſeinetwillen wird doch hoffentlich nicht die ganze Kilchhoͤri mit ihm unter den Gal - gen muͤſſen antwortete dieſer.

Du Narr, das iſt eben der Vortheil, ſagte der Kienholz, daß er darunter geſtan - den.

Ja, bey Gott, das iſt wahr; man iſt izt nicht mehr ſchuldig, ſich mit ihm einzulaſſen, erwiederte der Moosbaur.

Und es war, wie wenn dieſes Wort den Bauren das Herz weit machte; auf einmal gieng ihnen das Maul auf, und alle, alle waren der Meynung und behaupteten laut, ſie ſeyen nicht mehr ſchuldig ſich mit ihm ein - zulaſſen: er moͤge uͤber ſie ſagen, was er wolle, weil er dem Henker unter den Haͤnden ge - weſen.

Der Huͤgi aber, der nie kein Narr war, ſagte nach einer Weile; Jhr habet wohl recht, daß ihr das Lied alſo ſingt, und ich wills gern mit euch ſingen; aber es waͤr doch im̃er beſſer, wir koͤnnten machen, daß er das Maul uͤberall halten wuͤrde.

C 5Das42

Das kann ein Narr ſagen, erwiederte der Kalberleder; Aber wie ihm das Maul ſtopfen, das waͤre etwas anders.

Jch meyne mit Brod, ſagte der Huͤgi Und im Augenblik waren ihrer viele der Meynung, ja, man muͤße trachten, ihm das Maul mit Geld und Brod zu ſtopfen, bis er ſchweige.

Zwar waren auch einige darwider, und der geizige Rabſerbauer rief uͤberlaut, er woll nichts von dem hoͤren.

Aber der Kienholz und die andern ant - worteten ihm; Du wirſt wohl davon hoͤren muͤſſen; und man war ins Kienholzen Stu - ben bald einig, man muͤße mit allen Vorge - ſezten und groͤßern Bauern dießfalls Rath halten.

Und der Kienholz ſandte den Staͤndliſaͤn - ger Chriſten, der eben vor den Fenſtern den Maulaffen feil trug, eilends im Dorf herum, und innert einer Stunde war alles, was im Dorf etwas zu bedeuten hatte, bey einander.

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§. 13.43

§. 13. Ein Bauren-Rath.

Da brachte der Kienholz den Verſammel - ten den Vorſchlag vor, aber weil er Geld koſtete, war nicht alles einer Meynung. Hie und da rief einer uͤberlaut: Bey meiner Seele, ich gebe keinen Haͤller dran, und der Rabſer ſagte deutſch: Wenn er ihn vor ſich zu Hunger ſterben ſaͤhe, er gaͤb ihm kein Stuͤk Brod: Aber man fuhr ihm uͤbers Maul: Du Narr, du muſt das Stuͤk Brod dir ſelber und nicht ihm geben ſagte der Huͤgi, und der Kienholz ſezte hinzu: Jhr Donnern, es merkt etwa ein Jeder, was auf uns wartet, wenn wir ihm das Maul nicht zuthun.

Man wird uns nicht alle haͤngen, erwie - derte der eisgraue Mooßbauer, ders mit dem Rabſer hielte.

Wenn ihr allein waͤret, ihr koͤnntets un - ſerthalben probieren. Aber wir wollen nicht mithalten, ſagten die andern.

Es iſt da nichts anders, ſagte der Huͤgi, wenns fehlt, ſind dann die Großmaͤuler die erſten, die ſich die Haar aus dem Kopf her - aus rauffen wollen.

Ja44

Ja ja, ſagte der alte Meyer, der der ehr - lichſte war, aber ſich grauſam fuͤrchtete: Jch wollte lieber den Rok ab dem Leibe geben, als mich nur verantworten.

Mir wuͤrde das Verantworten nichts ma - chen, wenn ich das Beweiſen nicht fuͤrchtete ſagte der Spekmolch.

Jm Augenblik nahm der Mooßbauer wie - der das Wort und ſagte: Mit dem Bewei - ſen hats ja noch keine Noth; Kalberleder, du ſagteſt erſt vor einer Stunde ſelber, es ſey gleichviel, ob ein Hund belle, oder ſo ei - ner etwas wie der Vogt iſt ſage.

Es iſt nicht wahr; ich hab das nicht ge - ſagt, erwiederte der Kalberleder.

Du redſt es wie ein Schelm, wenn du es laͤugneſt ſagte der Mooßbauer.

Schelmet einander, wenn ihr allein ſeyd, ſagte der Huͤgi. Links und rechts ſagten izt viele: Es trift ja nur 3. Kronen a[uf]den Kopf: das wird keinen zum Land hinaus treiben.

Das waͤr wohl ſo, wenn er nicht ſchon ſo viel um anders gebracht haͤtte ſagte der Rabſer.

Was machen, wir ſind ihm izt noch in den Klauen, erwiederte der Kienholz.

Die Widerſpaͤnnigen ſchwiegen nach und nach, und endlich wurden alle einig, wennman45man ihn koͤnne machen das Maul halten, ſo wollen ſie die 3. Kronen fuͤr ihn ſchwi - zen, ſo lang es noch mit ihm gehe, ſagten die Einten und bis er krepiere ſagten die andern.

§. 14. Bauren-Wahl

Aber wie das ihm geſchwind ſagen? Da - vor war izt wieder neuer Rath und viel Meynungen.

Einige riethen den Hartknopf an; Andere ſagten, der macht zu viel Weſens; es muß einer ſeyn, der, wenn etwas krummes darein ſchlaͤgt, mit einem Wort Antwort giebt und nicht mit einer Predigt.

Ein junger Gauch rieth auf den Kriecher, als der ſich am beſten ins Pfarrhaus hinein ſchleichen koͤnnte Aber es war Niemand ſeiner Meynung. Der wuͤrde den Lohn nehmen, und uns ſamt dem Vogt an den Tuͤrken verkauffen, ſagten unten und oben die Maͤnner.

Endlich ſtund Kalberleder auf, und rieth auf ſeinen Buben. Die Bauren ver - wunderten ſich, und ſperrten das Maul auf: denn ſie wußten gar nicht, was dieſer be -ſon -46ſonders koͤnnen ſollte. Jhr ſperret das Maul auf; meynet ihr dann, ich wiſſe nicht, was ich ſage? ſagte izt der Kalberleder: Sehet, ich habe einen Nußbaum in meiner Matte, gerade auf der Seite vom Pfarrhaus, wo der Vogt ſtekt, ich will den dran wagen; mein Bub muß ihn umhauen, und auf die - ſe Weiſe hat er einen Anlaaß da zu ſtehen, und auf Gelegenheit zu paſſen; er kennt den Hans und die Koͤchin, und es muß nicht fehlen, er lokt den Vogt ans Fenſter, oder luͤgt ſich gar zu ihm ins Pfarrhaus hinein. Die Bauren fanden den Rath gut, und ba - then den Kalberleder gar, daß ers ſo mache. Dieſer pochte noch einen Augenblik uͤber den Dienſt, den er ihnen thue, und dann gien - gen die zwey geſcheideſten, der Huͤgi und der Kienholz mit ihm heim, den Buben recht zu unterweiſen, warum es zu thun ſey, und wie er es anſtellen muͤße.

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§. 15.47

§. 15. Des Kalberleders Verſuch, den Sa - chen zu helffen, und ſein uͤbler Ausſchlag.

Sie waren izt da, und thaten was noͤthig, und der junge Kalberleder gieng bald zum Nußbaum, und fieng dann an, wie weñ er einen halben Rauſch haͤtte, den Kuͤhreyen zu ſingen. Das dunkte den Pfarrer gar lu - ſtig, er lag unter das Fenſter, und hoͤrte dem Holzhaker, der den Kuͤhreyen ſang zu. Auch der Vogt gukte hinter dem Umhang hervor, zu ſehen, was das geben muͤße; denn er merkte gleich, daß der Kalberleder nicht fuͤr die lange Zeit den Baum umhaue, ſonder daß dahinter gewiß etwas ſtekte.

Es gieg nicht lang, ſo ſtellte des Pfarrers Hans ſich in ſeinen Garten-Eken zum Kalber - leder und ſagte: Es iſt faſt Schade, daß du den Baum umhaueſt, er trug ja alle Jah - re ſo viel Nuſſen. Der Kalberleder antwor - tete: Er giebt gute Laͤden zu Flintenſchaͤften, und mein Vater hat einem Glarner einen gu - ten Baum verſprochen; zu dem treiben die Nußbaͤume mit den Wurzeln gar weit, und ſchaden mehrentheils am Gras mehr, als ſie an den Nuſſen abtragen.

Hans. 48

Hans. Das iſt ſonſt wohl ſo; aber ihr laſſet dieſen da mit ſeinen Wurzeln ja nur ge - gen unſer Land und nicht gegen euers treiben.

Kalberleder. Wie meynſt du das?

Hans. Ha ſo daß ihr bald alle Jahre ihm auf euerer Seite die Wurzeln abgrabet.

Kalberleder. Du weiſt einmal mehr als ich.

Hans. Nein, wie ihr doch ſo unſchuldig thun koͤnnet, ihr Nachbauren!

Kalberleder. Jch weiß gewiß nichts von dem. Aber ſag doch, waͤrs vielleicht nicht moͤglich, daß ich dem Vogt auch einen guten Abend ſagen koͤnnte?

Hans. Wohl freylich!

Kalberleder. Kommt er nie ans Fenſter?

Hans. Du kannſt ja zu ihm in die Stu - ben, der Herr Pfarrer hat gewiß nichts dar - wider.

Kalberleder. Er moͤchte glauben, was ich mit ihm wollte.

Hans. Du wirſt nichts geheimes haben?

Kalberleder. Nichts weniger.

Hans. Der Herr Pfarrer iſt unter dem Fenſter; wenn ich dich waͤre, ich gieng und ſagte es ihm ſelber.

Du haſt recht, ſagte der Kalberleder, legte den Karſt ab, nahm ſeine Kappe in die Haͤn - de, gieng unter das Fenſter, wo der HerrPfar -49Pfarrer war, buͤkte ſich tief, und ſagte: Gott gruͤß euch, wohlehrwuͤrdiger Herr Pfarrer!

Jch dank dir erwiederte der Pfarrer.

Kalberleder. Jhr zuͤrnt es doch nicht, daß der Vater den Nußbaum da umhauen laſſen will.

Jch wuͤßte gar nicht, warum, ſagte der Pfarrer.

Kalberleder. Ha, ich daͤchte, wenn er euch etwa Schermen (Schuz) im Hof gaͤbe.

Pfarrer. Er ſteht nicht an der Windſeite. Nein, ich bin gar froh, wenn er wegkom̃t, er nahm uns die Morgenſonn in dem halben Garten.

Kalberleder. Wenn es dem Vater jemals in den Sinn kommen waͤre, daß er euch im Weg ſtuͤhnde, er haͤtte ihn gewiß ſchon lange umgehauen.

Pfarrer. Er ſah das wohl, aber es war meinetwegen nicht noͤthig.

Kalberleder. Warum das nicht, Herr Pfarrer? Jhr koͤnnt nicht glauben, wie ihr den Leuten ſo lieb ſeyd, und wie es auch den Vater freut, daß ihr mit dem armen Tropf ſo gut ſeyd, den ihr bey euch habet.

Pfarrer. Jch thue ihm nichts als meine Schuldigkeit.

Kalberleder. Wohl freylich, Herr Pfar -Drer50rer. Aber wie geht es auch, um Erlaubnuß, Herr Pfarrer? Haltet er ſich auch, daß ihr mit ihm zufrieden ſeyn koͤnnet.

Pfarrer. Ja, Gottlob, bis izt bin ich von Herzen mit ihm zufrieden.

Kalberleder. Der Vater hat geſagt, viel - leicht ſeh 'ich ihn etwa am Fenſter, und ich ſoll ihn in dem Fall von ſeinetwegen gruͤßen, und ihm ſagen, daß er doch auch nicht ver - zweifle; es werde wills Gott auch noch Brod fuͤr ihn in der Welt geben.

Pfarrer. So viel ich merken mag, iſt er izt einmal fuͤr ſein Brod noch nicht unruhig.

Das freut mich, antwortete der Kalber - leder, und nach einer Weile ſagte er wieder Wenn ich doͤrfte, Herr Pfarrer, ich haͤt - te faſt Luſt, ihn auch einen Augenblik zu ſe - hen, weil ich doch ſo nahe bin.

Jch mags wohl leiden, ſagte der Pfar - rer.

Nun hatte der Kalberleder, was er woll - te; er gieng mit dem Pfarrer in die Stube, und paſſete da unter gleichguͤltigen Geſpraͤ - chen einen Augenblik ab, in welchem der Pfarrer beyſeits gieng.

Wie ein Bliz ergriff er dieſen Augenblik, und ſagte zum Vogt: Jch muß dir geſchwind ſagen, weil wir allein ſind, wenn du ſtille biſt, und Niemand ins Ungluͤk bringſt, ſowol -51wollen dir die Vorgeſezten alle fuͤr deiner Lebtag an die Hand gehen, daß du Brod halber ruhig ſchlafen kannſt; aber wenn du ſchwazeſt, und ſie auch ins Spiel hinein zie - heſt, ſo zaͤhl darauf, daß du keinen Men - ſchen im Dorf findeſt, der dir auch nur ein Stuͤk Brod giebt, wenn er dich vor ihm zu Hunger ſterben ſieht: Das iſt, warum ich da bin, und warum ich mich zu dir in die Stube geſchlichen.

Der Vogt war uͤber dieſen ploͤtzlichen An - trag ſehr betroffen, wußte einen Augenblik nicht, was er antworten ſollte, und ſagte dann ganz wehmuͤthig zum Kalberleder: Jch habe geglaubt, du ſeyeſt blos aus Freund - lichkeit fuͤr mich da.

Jch bin izt dafuͤr da, und moͤchte gern eine Antwort, ſagte der Kalberleder, und ſah ihn an, wie wenn er ihn durchſtechen wollte.

Jch kann nicht helffen, ihr koͤnnet mit mir handeln, wie ihr wollet, antwortete der Vogt.

Und der Kalberleder Du haſt hiemit ſchon geſchwazt?

Vogt. Jch kanns nicht laugnen.

Kalberleder. Ach! weñ du willt, du kañſt alles wieder zuruͤk nehmen und verdrehen.

Vogt. Jch thue es nicht.

Kalberleder. So!

D 2Vogt. 52

Vogt. Es iſt mir leid; aber es iſt beſſer; die Unordnungen

Kalberleder. Schweig doch von Unord - nungen; wer hat ſie gemacht als du?

Vogt. Es iſt mir leid!

Kalberleder. Verkehr, was du geſagt haſt es gereut dich nicht.

Vogt. Jch kann nicht.

Kalberleder. Willt du nicht?

Vogt. Jch kann nicht, und die Wahrheit zu ſagen, ich will auch nicht Aber du wirſt erleben, daß ich Niemand nichts da - mit ſchaden wird.

Kalberleder. Das iſt geredt, wie wenn du den Verſtand verlohren haͤtteſt.

Vogt. Jch kann wohl begreiffen, daß es dir ſo vorkommen wird: Es waͤre mir vor 14. Tagen auch ſo vorgekommen.

Kalberleder. Rede doch izt nicht wie eine alte Bethſchweſter; dein Gluͤk hangt von dieſem Augenblik und von deinem Wort ab.

Vogt. Mach dir keine Hoffnung; daraus giebt es gewiß nichts.

Kalberleder. Glaub mir, du wirſt dei - nen Lohn dafuͤr kriegen.

Eben izt kam der Pfarrer wieder in die Stuben, und der Kalberleder nahm bald darauf Abſcheid. Vorher aber ſagte er noch zum Pfarrer, er glaub ', er habe den Vaternicht53nicht recht verſtanden, und er habe vielleicht nicht den Nußbaum gemeynt, den er ange - griffen. Das kann wohl ſeyn, ſagte der Pfarrer: Und der Kalberleder ich will ihn doch, eh 'ich ihn vollends umhaue, noch einmal fragen.

Du thuſt ihm recht, ſagte der Pfarrer, merkte aber doch, daß etwas krummes um den Weg war.

Die Vorgeſezten aber wunderten gar ſehr, wie es mit dieſem Vorhaben gehe, und ſtuhn - den mit Ungeduld wartend hinter den Haͤu - ſern und Zaͤunen, wo man gegen dem Pfarr - haus ſieht; Der Spekmolch kroch ſogar mit ſeinem großen Bauch uͤber Garben und Heu - ſtok unter das Dachloch, um von da hinun - ter zu ſehen, wie es dem Kalberleder gehe, und wenn er wieder heimkaͤme. Aber die hinter den Heken, und der unter dem Tag - loch wurden uͤbel getroͤſtet, da ſie ſahen, wie er den Kopf haͤngte, und die Haͤnde lam - pen (fallen) ließ, als er wieder zum Pfarr - haus hinaus gieng.

Sie eilten aber doch zu ſeinem Vater, den Bericht ganz zu vernehmen; dieſer wollte noch dik thun, und zum voraus ruͤhmen, was ſein Sohn ausgericht. Sie aber ſtopften ihm das Maul, und ſchwuren zum voraus, was er heimbringe, ſey ein hinkender Bott.

D 3Jhr54

Jhr koͤnnts doch auch nicht wiſſen, bis er da iſt, ſagte der Vater.

Wohl freylich, ſagten die Bauren, als eben der Bub anlangte; Er warff das Hol - zergeſchirr ſo ſtark ins Tenn hin, daß es in der Stube zitterte; kam dann erſt nachdem ihm ſein Vater zweymal ruffen mußte, in die Stube, ſtand in einen Eken, gruͤßte Niemand, und ſagte nur: Es iſt alles nichts.

Die Bauren aber wollten mehr wiſſen, und er mußte, ſo ungern er redte, ihnen um - ſtaͤndlich erzaͤhlen, wie es zugegangen. Als er fertig war, hudelten ſie ihn noch ei - nen Augenblik aus, giengen dann nach und nach wieder heim, geladen mit Gedanken u. Rathſchlaͤgen, die die Angſt in ihnen aus - brutete, die aber noch nicht reiff waren.

Den alten Kalberleder reute izt nichts ſo ſehr, als ſein Nußbaum; Jch moͤchte das helle Waſſer wainen, daß ich ihn ſo leichtſin - nig umhauen laſſen, ſagte er, als ſie kaum fort waren, zu ſeinem Buben.

Jch war kein Narr, erwiederte dieſer; ich noderte nur ſo an den Wurzeln, und er ſteht deßhalben noch hundert Jahre.

Das iſt gut, Bub, was man nicht weg - giebt, das hat man noch, ſagte der Vater Und dann bald darauf

Aber55

Aber gaͤlt, es haͤtte den Pfarrer gefreut, wenn er dieſes Garten-Nachbars los wor - den waͤre?

Das denk 'ich; er und der Hans ſagten beyde, er freſſe nur ab ihrem Boden, ant - wortete der Bub Und der Vater ſagte: er frißt hoffentlich noch laͤnger darab als ſie beyde.

Der Bub. Jch habe dem Pfarrer, da ich ſah, daß es mit dem Vogt nichts war, geſagt: ich glaub ', ich habe dich unrecht ver - ſtanden, und du habeſt vielleicht einen an - dern Baum gemeynt.

§. 16. Die Dorfmeiſter ſuchen in ihrer Angſt beym Teufel und ſeiner Großmutter Huͤlffe.

Den geaͤngſtigten Bauren aber giengen gar wunderliche Ding in ihren Koͤpfen her - um: Nicht nur einem kams zu Sinn, wenn der Pfarrer und der Junker, oder nur einer von beyden todt waͤre, ſo waͤre die Gefahr fuͤr ſie voͤllig voruͤber; doch bliebs dabey, es gieng keiner hin, ſie todt bethen zu laſſen, und keiner ſchlug ſie todt.

D 4Aber56

Aber ſie hinter einander zu richten, und ihnen ſo viel Arbeit und Verdruß zu machen, als nur immer moͤglich dahin zielten zu - lezt ihre Entſchluͤſſe: denn ſie glaubten auf dieſe Weiſe ſie dennoch zulezt von dem, was der Hummel etwa ſagen moͤchte, abzulenken.

Und es traf juſt ein, daß ſchon ſeit dem lezten Sontag unter der Hand ein Geruͤcht gieng, es ſey an der lezten Gemeind nicht natuͤrlich zugegangen, und der Huͤnertraͤger habe die Leute mit Teufelskuͤnſten verblendt.

Bisher hatte zwar alles, was ein wenig Vernunft hatte, und beſonders die Vorgeſez - ten uͤber dieſen Narreneinfall gelacht; aber izt ſchien er ihnen in Kram zu dienen, und ſie huben an, ganz ernſthaft daruͤber zu re - den, und machten durch hunderterley Fragen und Bemerkungen je dem Duͤm̃ſten, den ſie vor ſich hatten, den Kopf daruͤber groß; ſie lobten den Hartknopf uͤberlaut, daß er ſo ſtandhaft ſey, und was wahr iſt, ſagen doͤrffe, wenn man ihn ſchon links und rechts, und ſogar auf der Kanzel drob auslache.

Dieſer ſchmoͤllelete mit dem Maul, wenn er ſich ſo loben hoͤrte, wie wenn er Zuker darinn haͤtte, und war vom Morgen bis an den Abend ohn 'Aufhoͤren im Eifer, ſeine Meynung wider den Huͤnertraͤger allenthal - ben auszubreiten: ſie fand auch unter demSchuz,57Schuz, den ſie izt hatte, vielen Glauben; denn die Dorfmeiſter botten allem auf, die - ſes und aͤhnliche Sachen izt zum Trumpf, und einzigen Geſpraͤch zu machen, worob ſich junges und Altes aufhielt.

Man zog ſogar den Doktor Treufaug, des alten Meiſters von Arnheim ehrlich gemach - ten Großſohn ins Spiel, und machte ihm begreiflich, wie ſein Brodkorb daran hange, daß ſolche Teufelsgeſchichten immer guten Glauben finden, und daß es izt die beſte Zeit ſeye, hieruͤber ein wenig das Maul aufzu - thun.

Dieſer ließ ſichs nicht zweymal ſagen; wo er eine Klappertaſche oder einen Hansdampf antraf, bott er ihm eine Priſe Tabak, und fieng an mit ihnen zu ſchwazen.

Was meynet ihr, ſagte er dann, was meynet ihr? wie haͤtte ich Haus und Hof zuſammen gebracht, und einen ſo groſſen Brauch erſtritten, wenn es keine ſo boͤſen Leut gaͤbe? Ja, wenn ich reden duͤrfte Juſt, wo man ſolche Sachen am ſtaͤrkſten laugnet, giebt man mir am meiſten Dou - blonen zu verdienen. Jch will nichts ge - redt haben, aber wenn ich ſagte, wie es in den Schloͤſſern und Pfarrhaͤuſern auſſaͤhe, ihr wuͤrdet Maul und Augen aufthun. Erſt vor 8. Tagen hat mich ſo ein hoffaͤrtigerD 5Jun -58Junker mit dem Hut unterm Arm und dem Saͤkel in der Hand bitten muͤſſen, ihm Ruh zu ſchaffen. Sr. Gnaden Herr Sohn, der ſchon Jahr und Tag in einer papierenen Gutſche heimgekommen, erſchien dem Alten richtig alle Fronfaſten in ſeiner Kammer; aber unſer einer muß ſchweigen, ihr koͤnn - tets ſonſt merken, wers iſt.

Er wußte ſogar den Leuten, ohne daß ers ausdruͤklich ſagte, einzuſchwazen, daß Arner ihn ſelber brauche, weils unrichtig im Schloß ſtehe, ſintdem der Alte todt ſey.

Durch ſolche Mittel und Wege that die Schelmenbande allen Narren, die jemals et - was geſpengſtermaͤßiges glaubten, das Maul auf.

Man erzaͤhlte auch wieder viel von dem Haus, das der Hoorlacherin gehoͤrt, und ſo ungeheurig war, daß Jahre lang Niemand darinn wohnen koͤnnen, bis es endlich der Vogt um einen Spottpreiß gekauft, und dann durch den Kapuziner Muͤnchthal den Teufel ins Tobel zu hinterſt am Eichwald verbannet.

Auch die Geſchichte des Kraͤhenbaumes bey der Schmitten kam wieder in alle Maͤu - ler; wie daß naͤmlich bey 10. Jahren alles Ungluͤk das Haus verfolgte, und wie der Schmied es alle Morgen ſicher zum vorauswuß -59wußte, wenn der Vogel auf dem linken Aſt, der kohlſchwarz war, und darum auch Teufelsaſt hieß, abſaß, daß vor der Son - nen Untergang ein Ungluͤk im Haus ſeyn wuͤrde; und da half dann kein Bethen, kein Frommſeyn, kein Rechtthun: wenn die Kraͤhe am morgen nuͤchter das Maul auf dem Aſt aufthat, ſo war das Ungluͤk be - ſchloſſen, und vor Abend ſicher im Haus.

Das iſt bey 10. Jahren in einem ſo fort - gegangen, bis endlich der Schmied den Baum umhaute und verbrannte; von der Zeit an ſeye Jahr und Tag kein Ungluͤk mehr geſchehen, außert daß der Schmied ſelber ein Narr worden, und man ihn an Haͤnd und Fuͤßen anbinden muͤſſen; aber ſonſt wars, wie wenn das Gluͤk zum Dach hineinregnete, ſeit dem die Kraͤhe nicht mehr auf dem Teufelsaſt abſizen konnte.

Solche Geſchichten waren izt allenthal - ben wieder der Tert im Dorf: die guten u. die boͤſen Muͤttern redeten wieder fleißig mit den Kindern vom ſchwarzen Mann, der ſie hollen wuͤrde, wenn ſie nicht recht thaͤten, und dergl.

Die junge Kienholzin, die aus Hoffart Jahr und Tag unglaubig war, und mit ih - ren Kindern uͤber Geſpengſter und Heren den Spaß trieb, kehrte izt den Spieß wie -der60der, und bethete alle Morgen und Abend mit ihnen das Gebeth wider die Nachtge - ſpengſter, boͤſe Geiſter und Heren. Die Kinder ſagten zwar am erſten Abend: Mut - ter, warum muͤſſen wir izt auch das Gebaͤtt wieder baͤtten? du ſagteſt ja erſt vorgeſtern, die Leut ſeyen Narren, die es baͤtten.

Es iſt mir izt wieder anders worden; ihr muͤßt es izt wieder ſo fleißig bethen, als der Glaube und das Vater unſer, ſagte die Mutter.

Hats izt dann wieder Geſpengſter, Mut - ter? fragten die Kinder.

Daß Gott erbarm, ja freylich, die gan - ze Welt voll, ſagte die Mutter.

Kinder. Wie weißſt du's izt gerad wie - der, daß es die ganze Welt voll hat?

Mutter. Ach! ihr guten Kinder! es ge - hen gar greuliche Sachen im Dorf vor; be - thet nur fleißig euere Bether, und b'huͤtet und b'ſegnet euch fleißig, wenn ihr zum Haus hinaus geht, und nehmet ja keiner alten Frauen nichts ab, es mag Obſt oder Brod, oder was es will ſeyn.

Auch das Kazenſchwanz-Spiel, das die guten Kinder des Maurers und des Rudis ſpielten, wurden je laͤnger je bedenklicher ge - macht. Der Hartknopf ſagte uͤberlaut: Es ſey ein Teufelsſpiel.

Und61

Und die Spekmolchin, ein Weib dazu ge - macht, Gift aus Honig zu ziehen, und aus Muͤken Elephanten zu machen, traf des Rudis Grithe ungluͤklicher Weiſe auf der Gaſſe an, und wollte izt auch ſo recht dar - auf kommen, was da hinter dem Kazenſpiel, von dem man ſo verdaͤchtig rede, doch ſteke. Sie gab dem Kind freundlich die Hand und ſagte: Habt ihr vorgeſtern braf luſtig ge - macht, bey des Maurers?

Das glaub 'ich, ſagte das Kind und die Frau: Gaͤlt Kind! es war eine ſchoͤne Kaz in der Stube?

Kind. Ey ja!

Frau. Eine ſchwarze?

Kind. Eine halbſchwarze.

Frau. Sie hatte doch feurige Augen?

Kind. Ja, wenn ſie unterm Bank war.

Frau. Was machte die Kaz?

Kind. Nichts anders.

Frau. Saß ſie immer ſtill?

Kind. Nein, ſie ſtrich uns um die Bei - ner herum, und ſpuhlte; ſie iſt mir einmal faſt auf den Schooß geſprungen.

Frau. Waͤhrend dem Bethen?

Kind. Meynet ihr, die Kazen wiſſen, wenn man bethet?

Frau. Ruͤhrtet ihr ſie an?

Kind. Ja doch.

Frau. 62

Frau. Waͤhrend dem Bethen?

Kind. Wenn ſie uns zu nahe kam.

Frau. Mußtet ihr die Haͤnd nicht zuſam - men halten waͤhrend dem Bethen?

Kind. Wohl freylich.

Frau. Wie koͤñtet ihr ſie dann anruͤhren?

Kind. Mit den Beinen unter dem Tiſch.

Frau. Aber gaͤlt, ſie war kohlſchwarz?

Kind. Nicht uͤberall.

Frau. Aber doch faſt gaͤlt, viel ſchwarz.

Kind. Ja.

Frau. Und hatte feurige Augen?

Kind. Haſts ja g'hoͤrt, wenn ſie unterm Bank war.

Aus dieſem Geſpraͤch, welches die Spek - molchin links und rechts mit Zuſaͤzen noch groͤßern Narren als ſie war, ins Ohr raum - te, war innert wenigen Stunden heraus ge - bracht, das ſey doch keine natuͤrliche Kaze geweſen.

Wie ein Lauffeuer gieng im ganzen Dorf herum, wie unrichtig es ins Maurers Haus ſtehe, und etliche Tag nach einander war dieſes Haus das einzige Geſpraͤch des Dorfs.

Weder dem Maurer noch dem Rudi ſagt 'aber lange Niemand kein Wort von allem; ſie merkten nur dieſes, daß man ſie allenthal - ben gar wunderlich anſah, und ihre Kinderka -63kamen oft heim, wainten und klagten, es ſeye wo ſie hinkommen, wie wenn man ſie ſcheue. Die liebſten Kinder, mit denen ſie immer gut geweſen, wollten nichts mehr mit ihnen haben, und man ruffe ihnen zu den Fenſtern hinaus, und hinter den Zaͤunen Kazenſchwaͤnz - ler und Kazenſchwaͤnzlerin.

§. 17. Die Fahne dreht ſich.

Wies aber dann geht, wenn man Boshei - ten und Narrheiten zu weit treibt; Es gab Leute, die merkten, was hinter die - ſem ſtekte.

Der Vorgeſezte Renold und ein paar an - dre Ehrenleut ſagten laut, man rede da Sa - chen und thue da Sachen, die fehlen koͤnnen, und die nicht recht und nicht braf ſeyen; ſie haben in ihrer Jugend den Kazenſchwanz auch gezogen, wie des Maurers Kinder, und manchmal vor und nach dem Bethen luſtig gemacht; aber es waͤre einer ihren Eltern wohl angekommen, wenn ers probiert haͤtte, aus ſolchen Kindenſachen dergleichen Ge - ſchwaͤzwerk anzuſtellen.

Das machte ſo viel, daß der eint und andre anfieng ſich in Acht zu nehmen, waser64er rede; es gieng auch nicht mehr lang, ſo ſagten gute Freunde dem Maurer, und lie - be Frau Baaſen der Gertrud, was man uͤber ſie ausſtreue, und das Ungluͤk traf die Schnabelgrithen, daß eine Nachbarin, die ihr haͤßig war, ſie bey dem Maurer ver - ſchwaͤzte, und ſagte, ſie habe vom Morgen bis an den Abend bey Jedermann, den ſie antreffe, von dieſer Hiſtori das Maul offen.

Der Maurer ward einen Augenblik ſo blaß als der Tod, da ihm die Frau dieſes ſagte; dankte ihr aber, und lief dann ſpor - renſtreichs und wie wuͤthend der Schnabel - grithe fuͤrs Haus, klopfte mit ſeinem Zoll - ſteken ſo hart ans Fenſter, daß es ein Gluͤk war, daß er das Holz getroffen, und keine Scheibe in die Stube fiel. Es war aber Niemand im Haus: die Grithe ſtund bey dem Brunnen auf der Gaß, aber er ſah ſie nicht, ſie hingegen ſah ihn, erſchrak zwar, rieff aber dennoch, da es ſo an ihren Fenſtern keſſelte: Was giebts, was giebts, Maurer?

Biſt du da, antwortete der Maurer, mit deinem gottloſen Maul, du dieſe und jene; was haſt du mit meinen Kindern, daß du ſo verfluchtes Zeug uͤber ſie herumtragen darfſt?

Was,65

Was, was, fragte die Grithe? Jch will dir zeigen, was was, antwortete der Maurer.

Die Spekmolchin, die auch da war, ſtupf - te die Grithe und ſagte: Du muſt laugnen, es koͤnnte ſonſt fehlen.

Die andern Weiber aber, denen ſie dieſe Teufelshiſtori eben in dieſem Augenblik wie - der erzaͤhlt, glaubten nichts weniger, als daß ſie ihre Worte zuruͤknehmen wuͤrde; ſie hatte gerad eben izt ſich verflucht und verſchworen, daß ſie dem Lumpen-Maurer und ſeiner Frau alle Wort ins Angeſicht hinein ſagen wuͤrde, wenn ſie daſtuͤhnden. Aber wie verwunder - ten ſich die Weiber, da ſie izt einmals an - fieng zu laͤugnen, und zum Maurer zu ſagen, ſie habe nie nichts wider ihn gehabt, u. wiſſe auch von ſeinen Leuten nichts, als alles ſehr liebs und guts.

Nein, das iſt doch vom Teufel, ſo muß mirs das Menſch nicht machen, ſagte eine Renoldin, die da ſtuhnd, zu den andern Wei - bern, und rieff im Augenblik darauf dem Lienert: Maurer, es iſt doch wahr, ſie hats grad izt wieder erzaͤhlt. Schweig doch, ſagten die andern Weiber, was willt du dich doch drein miſchen? es geht ja dich nichts an.

Nein, ich will nicht ſchweigen, ſagte die Renoldin; ſo eine koͤnnte es ja morgen dirEund66und mir und einer jedweden ſo machen, und wenns fuͤr den Junker kaͤme, ſo will ichs ihr ins Geſicht ſagen, daß ſie es geſagt hat. Das Wort Junker war ihr kaum zum Maul heraus, ſo ſorgte die Spekmolchin fuͤr ſich ſelber, und rieff uͤberlaut: Jch einmal habe nichts gehoͤrt, und nichts geſagt, ich habe da mein Kraut gewaſchen, und nichts geachtet, was vorgefallen.

Jch einmal habe auch nichts gehoͤrt, und nichts geſagt Und ich einmal auch nicht, ſagten bald mehrere.

Es fragt euch ja Niemand, ſagte der Maurer, und drohte der Schnabelgrithe mit dem Junker.

Dieſe aber heulete, und bath, er ſoll doch nichts draus machen. Ja, aber da vor die - ſen Weibern muſt du ausreden und bekennen, daß alles faul u. falſch, erwiederte Lienhard.

Die Grithe murmlete und ſagte ſtokend, es ſey ihr leid, und ja es ſey nicht wahr.

Du muſt es laut ſagen, ſo laut, daß die Leute, die in allen Haͤuſern die Koͤpf zum Fenſter hinaus ſtreken, verſtehen, daß du eine Erb - und Erzlugnerin biſt. Jch weiß vor Zorn nicht, was ich ſage Du, du muſt mir heut noch durch alle Gaſſen lauf - fen, und vor allen Haͤuſern ſagen, daß du alles erlogen und erſonnen.

Gri -67

Grithe. Thu doch nicht ſo; ich will gern thun, was du willt; und es iſt mir leid

Maurer. Leid oder nicht leid, das iſt mir gleichviel, aber daß alles erlogen und erſon - nen, das muſt du mir ſagen, und das ſo laut und ſo deutlich, als es zum Kragen heraus mag.

Ob ſie wollte oder nicht, ſie mußte izt laut, daß es Jedermann verſtuhnde, beken - nen und ſagen, daß ſie alles, was ſie uͤber ſeine Kinder und uͤber ihre Kaz geſagt, er - ſonnen und erlogen; aber es that ihr ſo wehe, daß ſie faſt daran erſtikte.

§. 18. Wie lang werden die Weiber noch denken und ſagen: Mein Mann heißt Nabal, und Narrheit iſt in ihm?

Jn einem ſolchen Zuſtand iſt Lienhard, ſeit dem er vom Hum̃el erloͤst worden, nie - mal wieder heimgekommen.

Er war faſt auſſer Athem, und rieff in die Kuche der Gertrud um Waſſer. Sie brachte ihm; er hatte die Augen faſt vor dem Kopf und feuerroth das Haar uͤber dieE 2Stir -68Stirne herunter, und das Kamiſol hinter - fuͤr am Leib.

Der Waſſerkrug iſt der Gertrud faſt aus den Haͤnden gefallen, als ſie ihn ſo antraf.

Um Gottes willen, was iſts, was iſt dir begegnet? ſagte ſie, und ſtuhnd mit klopfen - dem Herzen vor ihm zu.

Ach! es iſt nichts, gar nichts, antworte - te er, konnte aber faſt nicht reden, nahm ihr den Waſſerkrug haſtig aus der Hand, und trank ihn faſt ganz aus. Um Gottes willen, es iſt etwas begegnet, rede, was iſts? ſagte Gertrud.

Nichts weiß Gott, nichts, als Ge - ſchwaͤzwerk: ſie hat ſo verfluchtes Zeug uͤber unſre Kinder geſagt, antwortet Lienhard.

Gertrud. Wer? was? was fuͤr Ge - ſchwaͤzwerk?

Lienhard. Von der Schnabelgrithe.

Gertrud. Nur Geſchwazwerk von dieſer, und du ſieheſt ſo aus

Lienhard. Es iſt gewiß ſonſt nichts.

Gertrud. Es iſt mir, ich ſey im Schlaf; weiſt du auch, daß du das Kamiſol hinter - fuͤr an haſt?

Lienhard ſah izt auf ſich ſelber herunter, und ſagte: es iſt wahr, ich bin nicht ſchoͤn in der Ordnung.

Ger -69

Gertrud. Jch moͤchte doch izt gern bald wiſſen, was es geweſen wenn du kei - nen Rauſch haſt.

Jch habe keinen Tropfen getrunken, ant - wortete Lienhard, und erzaͤhlte ihr dann die ganze Hiſtori, redte aber noch immer, wie im Fieber, und gieng in waͤhrendem Erzaͤhlen noch zweymal in die Kuche Waſſer zu trin - ken.

Gertrud hoͤrte ihm umſtaͤndlich zu, unter - brach ihn nicht, ſo lang er erzaͤhlte; aber zulezt ſagte ſie ihm dennoch: Es erbaut mich gar nicht, wie du gemacht haſt, und ich haͤtte dir mehrers zugetraut.

Lienhard. Wie? was mehrers?

Gertrud. Daß du dich bey ſo etwas un - wichtigem mehr beſizen koͤnnteſt.

Lienhard. Was? iſt das etwas Unwich - tiges?

Gertrud. Geſezt, es ſey nicht ganz un - wichtig, ſo laͤßt es ſich gar nicht entſchuldi - gen, wie du darob gemacht haſt.

Lienhard. Warum das?

Gertrud. Jch moͤchte noch fragen So machen, wie du gemacht haſt, wenn man nicht geſuͤnder und ſtaͤrker iſt, als du izt biſt, heißt ſich muthwillig vor der Zeit unter den Boden bringen.

Lienhard. Darinn haſt du recht dasE 3Herz70Herz klopfet mir noch izt, und es iſt mir, wie wenn man mir Arm und Bein ab ein - ander geſchlagen haͤtte.

Gertrud. Ach, es iſt mir angſt! Geh doch ins Bett, Lieber! und ſiehe, daß du izt ein wenig ſchlaffen koͤnneſt.

Lienhard. Ja, ich will eine Weile aufs Bett liegen.

Gertrud. Aber ein ander Mal beſize dich doch auch beſſer.

Lienhard. Ja, wenn ichs nur koͤnnte.

Gertrud. (Mit Thraͤnen in Augen.) Lieber denke doch in ſolchen Faͤllen an mich und an deine Kinder und wenn du doch auch kannſt, ſo ſpar uns in Gottes Namen auch einen alten Vater.

Lienhard. (Sie bey den Haͤnden faſſend und traurig.) O! du Liebe! .. Jch weiß nicht, wie ich mich vergeſſen, und einen Au - genblik nicht dran ſinnen kann, was ich dir und dieſen Lieben ſchuldig wills Gott will ich mich in Zukunft mehr beſizen.

Thu's doch, lieber Vater, ſagte Ger - trud.

Waͤhrend dieſem Geſpraͤch kam Lienert ins Bett, und Gertrud that die Fenſterlaͤ - den gegen die Sonne zu, damit es dunkel werde, und ihr Mann ruhiger ſchlaffen koͤñe.

Nach71

Nach einer Stunde erwachte er wieder, und ſie fiengen wieder uͤber den Vorfall mit der Schnabelgrithe zu reden an.

Auch in Beziehung des Junkers biſt du zu weit gegangen, ſagte izt Gertrud.

Warum das? erwiederte Lienert.

Gertrud. Du haſt ihr ja eine Straffe auferlegt, wie wenn du Herr im Land waͤ - reſt.

Lienhard. Du haſt recht, ich habe auch an das nicht gedacht.

Gertrud. So wie er iſt, glaub ich nicht, daß ers auf die hohe Achſel nehmen wuͤrde, wenn ers vernehmen ſollte: Aber man muß doch nie Sachen machen, da man nicht ſi - cher iſt, ob ſie fehlen koͤnnten; und wenn ich dich waͤre, ich wuͤrde wieder mit der Frau reden, und den Befehl, mit dem vor allen Haͤuſern abbitten, zuruͤknehmen.

Lienhard. Wenn ich mich nicht ſchaͤm - te, ich thaͤt, was du ſagſt.

Gertrud. Aber was ſchaͤmen, wenn man recht thut?

Lienhard. Soll ich gehen?

Gertrud. Du meynſt es ſelber.

Lienhard. Und du auch.

Gertrud. Das glaub ich.

Lienhard. Jch mag doch faſt gar nicht.

E 4Ger -72

Gertrud. Lieber, uͤberwinde dich, und ziehe die ganze Sach in Spaß.

Lienhard. Wenn ich das nur ſo leicht koͤnnte.

Gertrud. Weiſt, was du thuſt? Nihm eines von unſern jungen Kaͤzgen, und brings dem Grithli zum Geſchenk, damit ſie ſehe, daß unſre alte gute Mauſerin nicht der Teu - fel, ſondern ein ehrliches brafes Hausthier ſey.

Das iſt verzweifelt luſtig, und muß ſo ſeyn, ſagte der Maurer, nahm auf der Stelle eines von ihren Jungen ins Fuͤrfell, und gieng wieder zu der Grithe, die ihn von ferne kommen ſah: dieſe erſchrak maͤchtig, ſtellte ſich was erſchrekliches vor, warum er ſchon wieder komme, und ſprang, wie wenn man ſie jagte, von dem Fenſter aus der Stu - be zu ihrem Mann, der hinter dem Haus war, und den Zunamen Murrbaͤr hatte: Sie rieff ihm keuchend: Der Maurer iſt ſchon wieder da.

Jch wollte du haͤtteſt dein Maul, wo der Pfeffer wachst, ſagte der Murrbaͤr; ſie aber ließ ihn reden, und kroch eilend auf die Heutille.

§. 19.73

§. 19. Zu gut - iſt dumm.

Der Murrbaͤr war, wie des Sigriſten Volk alles hochmuͤthig, und fuͤrchtete erſchreklich, das Narrenſtuͤk koͤnnte ſeine Frau ins Gefaͤngniß bringen, welches ſeinen Ehren nachtheilig waͤre: Darum ſchmiegte er ſich im Anfang vor dem Maurer, was er konnte und mochte.

Meiſter Maurer ſagte er zu ihm; wir waren doch auch noch im̃er gute Freund und Vetterleut: Meine Frau hat freylich nicht recht; aber ſie erkennt es ja, und muß dir dein Ehr und guten Namen wieder ge - ben, ſo lieb er dir iſt: aber gieb dich wie - der zufrieden; es iſt doch zulezt auch nur ein Weibergeſchwaͤz, und mag ſich gewiß nicht der Muͤhe lohnen, ſo ein weites und breites daraus zu machen.

Der Maurer erwiederte: Du nihmſt mir frey aus dem Maul, was ich ſagen wollte; es iſt, wie du ſagſt, ein Weibergeſchwaͤz: Jch wollte lieber, es waͤre nicht begegnet, und will gern wieder gut Freund ſeyn, wie vor und ehe: Meine Frau und ich haben bey mehrerm Nachdenken auch gefunden, daßE 5wir74wir es zu weit getrieben, und das im Dorf herum lauffen und abreden gar nicht noͤthig.

So bald der Murrbaͤr merkte, daß er vom Lienert nichts mehr zu befahren, war er im Augenblik nicht mehr der Pudel, der ſich ſchmiegte, ſonder der Pudel, der knur - rete, und die Zaͤhne hervor ließ. Er ſagte izt zum Lienert: Es iſt gut, daß du wieder zu dir ſelber gekommen, daß man mit dir reden kann.

Der ehrliche Lienert antwortete: Es iſt mir leid, daß ich mich ſo wenig beſizen kann.

Murrbaͤr. Es iſt gut, wenn in ſolchen Faͤllen unter zweyen auch einer Verſtand hat. Wenn ich vor ein paar Stunden mich ſo wenig zu beſizen gewußt haͤtte, wie du, es haͤtte Mord und Todtſchlag abſezen koͤn - nen; aber ich dachte, es muͤße einer der ge - ſcheidere ſeyn, und ich wolle dich nur ver - ſchnaufen laſſen, es ſey dann etwa morn noch Zeit genug, zu ſehen, was fuͤr eine Meynung daß es habe, und ob dein Ge - richtsherrenweib im Ernſt uͤber meine Frau ſo Urtheil und Recht ſprechen koͤnne.

Lienert. Es iſt hiemit gut, daß ich vor mir ſelber gekommen, deiner Frauen dieſe Arbeit zu ſchenken.

Murrbaͤr. Vom Schenken moͤchte ich, wenn ich dich waͤre, ſo wenig reden, als ichnur75nur koͤnnte: das ganze Dorf von unten und oben hat aufs Haar geſagt, was meine Frau: Jch weiß zwar wohl, du ſteheſt izt gut im Schloß, aber denk daran, wenn der Junker vernihmt, daß ihr ſo den Meiſter ſpielen, und Urtheil machen wollt, er wird anderſt mit euch ſprechen.

Lienert. Jch uͤbereilte mich hierinn.

Murrbaͤr. Und uͤberall, Maurer; ihr ſeyd an allem ſelber Schuld: wenn an der ganzen Geſchichte nichts wahr iſt, als was ihr ſelber erzaͤhlt, daß die Kinder den Kazen - ſchwanz bis hinter den Tiſch, wo ſie bethe - ten, gezogen, ſo iſt das ſchon nicht recht, und ſollte einem Muſter, wie deine Frau ſeyn will, nicht entgehen; hinten nach, wenn man Geſchwaͤzwerk veranlaaßet, iſts dann gar ſchwer, den Leuten die Maͤuler wieder zu verſtopfen.

Dieſe Sprache verwirrte den ehrlichen Lienert gar ſehr, daß er nicht wußte, wie er es mit der Kaze im Fuͤrfell anfangen ſollte, und er waͤre wahrlich wieder mit ihr heim - ſpaziert, ohne ein Maul von ihr aufzuthun, wenn der Murrbaͤr ihn nicht endlich ſelbſt gefragt, was er im Fuͤrfell haͤtte? es ſey, wie wenn er ein Kind vertragen wolle.

Der Maurer antwortete Nein, es iſt nur eine junge Kaz; meine Frau will ſie dei -ner76ner zum Gruß ſchiken, damit ſie ſehe, daß unſre Alte eine ehrliche Kaze iſt, und brafe gute Mauſer bringe.

Trag du deine Kaz, wenn ich dir gut zum Rath bin, nur wieder heim, und ſag deiner Frauen, wir brauchen keine ſolche Spaͤß: Das iſt verflucht unverſchaͤmt, und wie wenn ihr von neuem Haͤndel ſuch - tet. Das war das lezte Wort, das der Murrbaͤr zum Maurer ſagte.

Das iſt doch eine Sprache, wie der izt gegen mich nicht haben ſollte murmelte der Lienert, als er izt mit ſeiner Kaze im Fuͤrfell wieder heim gieng Und als er das ganze Geſpraͤch der Gertrud wieder er - zaͤhlte, rumpfte dieſe das Maul und ſagte zu ihm: Du weiſt nie, wen du vor dir haſt.

§. 20. Der Huͤnertraͤger findet keine Guͤggel und Dauben feil.

Jndeſſen hatte die Geſchichte mit dem Ka - zenſchwanz ob der Hiſtori beym Brun - nen doch ihren Kredit verlohren, und die Schelmenbande, die wider den Junker, den Pfarrer und ihren Anhang Feuer blieſen,muß -77mußten ſie fallen laſſen, ſo unlieb es ihnen war, deſto eifriger aber betrieben ſie das Ge - ruͤcht wider den Huͤnertraͤger, und es mußte izt uͤbers Teufels Gewalt wah[r]ſeyn, daß er am Samſtag die Gemeind verblendet, und mit Teufelskuͤnſten die Gemeind glauben ge - macht