Winkelmann legt der Sammlung von Kunſt -Ueber Win - kelmanns Enthuſias - mus: Ein Wort zu ſei - ner Apologie. werken in dieſer Villa einen ſehr hohen Werth bei. Es ſcheint, daß jedesmal, wenn er in ſeinen Schriften darauf ſtoͤßt, ſeine Einbildungs - kraft beſonders entflammt werde. Der vormalige Beſitzer dieſer Sammlung, der verſtorbene Cardinal Albani, war ſein Wohlthaͤter und ſein Freund: er verdankte dem Aufenthalte an dieſem Orte die hei - terſten Stunden, welche geſchaͤfftloſe Thaͤtigkeit, eine Einſamkeit, welche die Phantaſie befluͤgelt, und ein lehrreicher und herzlicher Umgang mit den intereſſan - teſten Maͤnnern, in Rom und aus der Fremde, zu geben im Stande ſind. Die frommen Regungen, die ihn hinriſſen, von den Zeugen des hoͤchſten Ge - nuſſes ſeines Lebens, als von deſſen Quellen zu reden, verdienen unſere nachſichtsvolle Verehrung, wenn wir gleich bey dem bloßen Anblick des nunmehro wieder Unbelebten, abgezogen von aͤußerer Veran - laſſung zum Enthuſiasmus, denſelben nicht immer mit ihm theilen koͤnnen.
Zweiter Theil. AWenn2Villa Albani.Wenn die Begeiſterung, mit der Winkelmann uͤber manches Werk ſpricht, nicht ſtets durch deſſen Schoͤnheit gerechtfertiget wird, ſo duͤrfen wir nicht glauben, daß er ſeine Einbildungskraft in Arbeit geſetzt habe, den Zuhoͤrer durch ein erlogenes Feuer zu blenden. Nein! Seine ſchoͤne Seele war vieler Irrungen faͤhig, aber keines abſichtlichen Betrugs. Es war Anhaͤnglichkeit an dem Beſitzer, an dem Urheber des Kunſtwerks, es war Freude uͤber einen feinen von ihm zuerſt ausgefundenen Aufſchluß uͤber deſſen Bedeutung, durch die ſein Herz — ſein Ver - ſtand, in einen leidenſchaftlichen Affekt verſetzt wur - den, der an ſich der Empfindniß des Schoͤnen fremd, dennoch auf Rechnung derſelben von dem Betrogenen geſetzt wurde.
Nur eine erkuͤnſtelte Begeiſterung verdient unſere Verachtung, der Witz, der die Larve der Empfindung annimmt. Wenn Winkelmanns kalte Nachahmer unter uns Deutſchen ihre erlogenen Ge - fuͤhle in Ausrufungen und Bombaſt huͤllen, die der geſunde Menſchenſinn verleugnet; wenn Italieniſche Abbati uns mit auswendig gelerntem Redeſchmuck in Gallerien verfolgen; dann laßt uns dieſe verwuͤn - ſchen! Und ich habe euch oft verwuͤnſcht, ihr Ueber - laͤſtigen, die ihr mich von Bewunderung des Kunſt - werks auf Bewunderung eurer ſchoͤnen Beſchreibung abzuziehen ſuchtet!
Inzwiſchen hat die gutherzige Schwaͤrmerey den Nachtheil, daß unſer Geſchmack noch groͤßere Gefahr laͤuft, in die Irre gefuͤhrt zu werden, und es ſcheint daher hier der Ort zu ſeyn, einige Regelnder3Villa Albani. der Behutſamkeit zu geben, das Urtheil, ſelbſt derKunſt nicht unbedingt anzunehmen. Verſtaͤndigſten in der Kunſt, auf eigene Pruͤfung zuruͤckzufuͤhren. Da dieſe Regeln mit der Kunſt, das Schoͤne zu finden, in dem genaueſten Verbande ſtehen, ſo moͤgen ſie als eine ſchickliche Einleitung zu dieſem Theile gelten.
Ohne den Nahmen des Meiſters eines Werks, ohne das Urtheil, das lange uͤber deſſen Werth ge - faͤllt iſt, vorher zu wiſſen, ſuche der Liebhaber daſ - ſelbe ohne Begleiter zu betrachten. Sein Gefuͤhl iſt dann noch nicht praͤoccupirt: Weder die Schaam, das ſchoͤn zu finden, was neben ihm getadelt wird, noch der Vorwurf, den man ſich macht, da kalt zu bleiben, wo andere in Entzuͤckung gerathen, werden ſeiner Empfindung eine ſchiefe Richtung geben. Iſt ſein Gefuͤhl beſtimmt, hat er es vor ſich ſelbſt zu rechtfertigen geſucht, dann frage er andere, um es zu berichtigen. Contraſtirt ihr Ausſpruch gaͤnzlich mit dem ſeinigen, ſo gehe er zum zweitenmale hin und ſehe; und findet er dann noch keine Gruͤnde, von ſeiner erſten Meinung abzugehen; Klugheit ge - bietet ihm zu ſchweigen: keine Autoritaͤt in der Welt aber vermag ihn zu zwingen, ſein Gefuͤhl in das Gefuͤhl eines andern zu beugen.
Die Vergleichung des gegenwaͤrtigen Eindrucks, den ein gewiſſes Kunſtwerk auf uns macht, mit denen, die wir vorher von dem Anblick aͤhnlicher er - halten haben: die genaue, aber ungezwungene Pruͤ - fung, ob nicht hier und dort ein beſonderes Verhaͤlt - niß, eine leidenſchaftliche, und, wenn ich ſo ſagen darf, eigennuͤtzige Lage, uns etwas Anziehendes inA 2dem4Villa Albani. dem Werke zeige, das nicht ſowohl in demſelben, als in uns liegt, ſcheinen die getreueſten Schiedsrichte - rinnen uͤber das Verdienſt eines Kunſtwerks, als ſchoͤnes Kunſtwerk, zu ſeyn.
Das Gefuͤhl des Schoͤnen verlangt durchaus eine ruhige Gemuͤthsverfaſſung, die kein Vergnuͤgen ſucht, als welches der gegenwaͤrtige Genuß darbietet: ohne Ueberzaͤhlung desjenigen, was wir dadurch fuͤr das Kuͤnftige gewinnen, ohne Nahrung fuͤr Affekte, die das Herz oder der Verſtand — denn auch dieſer hat die ſeinigen — ſchon vorhero hatten. Gebrau - chen wir nicht die Vorſicht, dieſe fremden Ruͤckſich - ten auf fruͤhere Begriffe und Neigungen, auf Abſich - ten und Wuͤnſche, von dem Vergnuͤgen, das die Kuͤnſte gewaͤhren, zu trennen; ſo laufen wir Ge - fahr, dieſes bei einem wiederholten Anblick nicht wie - der zu finden, und auf einen Genuß zu rechnen, den viele andere Gegenſtaͤnde viel vollſtaͤndiger und viel dauerhafter zu gewaͤhren im Stande ſind.
Eine Porcia, die nach dem Tode ihres Gemahls bei dem Anblick eines Gemaͤhldes der Andromache dem gepreßten Herzen zuerſt durch Klagen Luft macht; ein Caͤſar, der vor der Bildſaͤule Alexan - ders ehrgeizige Thraͤnen vergießt, duͤrfen bei veraͤn - derter Lage auf einen aͤhnlichen Eindruck, den auch ſehr mittelmaͤßige Stuͤcke auf ſie gemacht haben wuͤr - den, nicht ferner rechnen.
Der Kuͤnſtler, dem ſich bei der Beurtheilung eines Kunſtwerks zu gleicher Zeit alle die Schwierig - keiten darſtellen, die der widerſtrebende Stoff, oder das Mangelhafte der Werkzeuge dem Urheber deſſel -ben5Villa Albani. ben entgegen geſetzt haben, ſchaͤtzt daſſelbe hauptſaͤch - lich nach dem Werthe der Ueberwindung dieſer Hin - derniſſe. Er freuet ſich, daß ein Menſch, wie er, ſo viel vermocht hat; die Erwaͤgung des Schweren in der Kunſt, deren Ausuͤbung er ſich gewidmet hat, erhoͤhet den Begriff von der Vortrefflichkeit ſeiner Wahl. Er wird ſtolz auf Kenntniſſe, die ihn in den Stand ſetzen, uͤber die Erforderniſſe zur Voll - kommenheit zu urtheilen: er billigt, er verwirft nicht ſelten, um gelehrt zu ſcheinen: er lobt, weil in des Vorgaͤngers Unvollkommenheiten Entſchuldigung fuͤr ſeine Fehler liegt; oft tadelt er, weil jener einen an - dern Weg eingeſchlagen iſt, zur Vortrefflichkeit zu gelangen, als den, den er genommen hat.
Dies iſt nicht das einzige Beiſpiel, daß das Ur - theil uͤber die Schoͤnheit eines Werks von den ver - ſchiedenen Zwecken abhaͤngt, die man mit dem Stu - dio der Kunſt, die es hervorgebracht hat, verbindet. Die Erlaͤuterung, die die Geſchichte und die Fabel durch die Bekanntſchaft mit den ſchoͤnen Ueberreſten des Alterthums erhalten, ſpannt allein den Fleiß des Grammatikers, des Critikers, der ſich mit kaltbluͤ - tiger Unterſuchung Werken nahet, die beſtimmt wa - ren, Begeiſterung und Innigkeit in ihren Zuſchauern hervorzubringen. Ihm ſind Kunſtwerke Denkmaͤ - ler, und die Innſchrift auf der Baſe hat oft fuͤr ihn mehr Werth, als die Form der Figur, die ſie bezeichnet.
So ſehr der Philoſoph, deſſen denkender Geiſt den Fortſchritten der Ausbildung einer Nation in den Schritten zur Vollkommenheit in ihren KuͤnſtenA 3nach -6Villa Albani. nachſpaͤhet, in anderer Ruͤckſicht Anſpruch auf unſere Verehrung hat; das Verdienſt, welches er einem Stuͤcke beilegt, kann daſſelbe fuͤr den Liebhaber nicht beſtimmen: denn der unfoͤrmlichſte Verſuch des Handwerkers muß jenem in Betracht der Folgerun - gen, die er daraus zieht, ſo wichtig ſeyn, als das erhabenſte Werk des Kuͤnſtlers.
Kaum weiß ich, ob ich nach Maͤnnern, die ſich aus Abſichten, die immer mittelbar zu unſerm Ver - gnuͤgen beitragen, der Kenntniß und dem Studio der Kuͤnſte nahen, ſolche nennen darf, die durch die verkehrte Anwendung, die ſie von denſelben machen, dies Vergnuͤgen gaͤnzlich zerſtoͤren! Jene Litterato - ren der Kunſt, eine unausſtehliche Menſchenart! die nur weiß, um zu wiſſen, der Gedaͤchtniß und Erinnerungsvermoͤgen ſtatt Empfindniß und Einbil - dungskraft von der ſtiefmuͤtterlichen Natur zu Theil geworden iſt, und die ein Stuͤck nur in ſo fern ſchaͤtzen, als jene Kraͤfte ihrer Seele dadurch in Thaͤtigkeit ge - ſetzt werden! Nichts ſuchen ſie ſorgfaͤltiger an einem Kunſtwerke auf, als die Zeit, in der es verfertiget worden, die Schickſale, die es erfahren hat; durch welche Haͤnde es gegangen; wie viel dafuͤr zu ver - ſchiedenen Zeiten bezahlt, oder von Fuͤrſten und En - gellaͤndern geboten, welchen Gefahren des Untergan - ges es in dieſer oder jener Feuersbrunſt entkommen iſt: und dann eine Menge Anekdoten aus der Lebens - geſchichte des Urhebers, der eingeſchloſſen in ſeiner Werkſtatt vielleicht blos in ſeinen Werken gelebt hat!
Oder jene Brocanteurs, jene Bildertroͤdler, denen die Groͤße und Laͤnge des Kunſtwerks, derGeſchmack7Villa Albani. Geſchmack der Mode an dieſer oder jener Vorſtel - lungsart, kurz die gelegentliche Veranlaſſung zum beſſern oder ſchlechtern Verkauf ſtatt des innern Wer - thes gilt: die endlich vermoͤge des glaͤnzenden Firniſ - ſes, mit dem ſie ein veraltetes Stuͤck uͤberſetzen, ſich berechtiget halten, alles zu loben, was ſich in ihrer Polterkammer findet, und alles zu tadeln, was ſich nicht dahin hat verirren koͤnnen!
Oder jene beſchwerlichen Lobredner, von denen ich ſchon geredet habe, denen ein gemeinſchaftlicher Geburtsort mit dem Meiſter, oder der Stoff zu hoch - toͤnenden Declamationen, die Gewaͤhr der Vollkom - menheit eines Werks leiſten: die ihm tauſend Vor - zuͤge andichten, an die bei der Verfertigung nie ge - dacht iſt, und die wirklich vorhandenen uͤberſehen!
Oder jene eben ſo beſchwerlichen Tadler, die um zu ſagen: ich habe geſehen, von dem Gegenwaͤrtigen nichts ſehen, oder durch die unbetraͤchtlichſten Fehler gegen die uͤberwiegenden Schoͤnheiten in einem Mei - ſterſtuͤcke blind werden!
Dieſe Erfahrungen moͤgen hinreichen, um zu zeigen: Daß individuelle Lage, Befriedigung großer und kleiner Leidenſchaften, Vorurtheil der Erziehung, und beſondre Richtung unſrer Aufmerkſamkeit, das Urtheil uͤber die Schoͤnheit eines Werks auf mannich - faltige Art modificiren koͤnnen.
Wer alſo von meinen Leſern das ſeinige beſtim - men will, oder das Urtheil anderer, die er zu Rathe zieht; der pruͤfe: ob er und ſein Begleiter in der ruhigen Stimmung ſind, die den Genuß des Schoͤ - nen zulaͤßt? ob dieſe nicht Kuͤnſtler ſind, nicht Anti -A 4quare,8Villa Albani. quare, nicht Forſcher der ungeſchmuͤckten Wahrheit, nicht Brocanteurs, nicht Landesleute, Freunde des Kuͤnſtlers; ob dieſe nicht darauf rechnen, einen glaͤn - zenden Cirkel mit Declamationen oder Spitzfindigkei - ten zu unterhalten; — und findet er nichts von dem allen, ſo halte er ſich dreiſt an das Urtheil, das Em - pfindung ihm eingiebt, und die Vergleichung mit Erfahrungen aͤhnlicher Empfindungen beſtaͤtigt.
Wer ſich mit dieſer Vorſicht an der Hand Win - kelmanns der Betrachtung der Kunſtwerke in der Villa Albani naht, wird das guͤnſtige Urtheil, welches er daruͤber faͤllt, nicht in ſeinem ganzen Umfange unter - ſchreiben koͤnnen. Inzwiſchen verſchiedene Stuͤckt verdienen die unbefangenſte Bewunderung, und die Art, wie ſie alle zur Verſchoͤnerung dieſes Landſitzes angewandt ſind, wird das Ganze zu einem Aufent - halte machen, nach dem ſich der Liebhaber des Schoͤ - nen oft wieder hinſehnt.
In der That, die Anordnung derſelben in die - ſer Villa ruft die Beſchreibungen der Alten ins Ge - daͤchtniß, die ſie uns von aͤhnlichen Ausſchmuͤckungen der ihrigen hinterlaſſen haben. Schade! daß der Geſchmack in den Gebaͤuden, die ſie enthalten, nicht reiner iſt; aber dieſe gehen mich hier nichts an. Fuͤr mich iſt es genung, daß die unendliche Menge von Ueberbleibſeln des Alterthums, die ein einziger Mann, der verſtorbene Cardinal Albani, hieher zu vereinigen gewußt hat, mein Erſtaunen erregt, und daß ich das ausgezeichnete Gluͤck nicht genung bewundern kann, mit dem er ſo viele zu einander paſſende Gegen -ſtaͤnde9Villa Albani. ſtaͤnde aufgefunden hat, die durch die gute Wuͤr - kung, die ſie an dem Orte ihrer Aufſtellung hervor - bringen, zu ihrer gegenwaͤrtigen Beſtimmung ur - ſpruͤnglich verfertigt zu ſeyn ſcheinen.
Der verſtorbene Cardinal Albani hat von ſeinerVerdienſte des Cardi - nals Albani um die neuere Kunſt und die Kenntniß der alten; der wiederherge - ſtellte gute Geſchmack in der Sculptur und die wah - re Richtung des antiqua - riſchen Stu - dii ſcheinen von dieſer Villa ausge - gangen zu ſeyn. fruͤheſten Jugend an alles, was ſich von alten Kunſt - werken zu ſeiner Zeit auftreiben ließ, mit unermuͤde - ter Sorgfalt geſammelt: Und ſeine Zeit dauerte lang, ſie war der Befriedigung ſeiner edlen Liebhaberei ſehr guͤnſtig. Er ward 80 Jahr alt, und ehe er den Geſchmack an der Antike wieder belebt hatte, theilte er ihn mit Niemanden in Rom.
Ihm gebuͤhrt das Lob, dieſen Geſchmack wie - der hergeſtellet zu haben: durch das Anſehn ſeines Beiſpiels bei ſeinen Landsleuten, durch die Unterhal - tung, die fremde Liebhaber in ſeinem Umgange fan - den, durch den Schutz, den er Gelehrten und Kuͤnſt - lern angedeihen ließ. Dieſe wurden bei ihm mit ein - ander vertrauet, ſie lernten einer von dem andern: Mengs und Winkelmann ſammleten hier den Stoff zu Werken, durch die ein neues Licht in der Kunſt aufgieng. Der Kuͤnſtler wurde auf die Ideen von wahrer Schoͤnheit, von einfacher Groͤße und Bedeu - tung in den Werken der Alten zuruͤckgefuͤhrt, und der Antiquar lernte dieſe als ſchoͤne Kunſtwerke ſtudie - ren. Die haͤufigen Ergaͤnzungen verſtuͤmmelter Statuen, und die Lehren des Cardinals, der in dem Umgang mit der Antike alt geworden war, verdraͤn - geten vorzuͤglich in der Sculptur jenen ausſchweifen - den Kirchenſtil der Schuͤler des Algardi und Bernini, um dem reinern der Alten Platz zu machen. ZuletztA 5zogen10Villa Albani. zogen die roͤmiſchen Magnaten manches vergeſſene Meiſterſtuͤck aus ihren finſtern Polterkammern her - vor, und ſtellten ſie entweder ſelbſt an Oertern auf, die wenigſtens zugaͤnglich fuͤr Liebhaber und Kuͤnſtler wurden, oder brachten ſie, aufgeklaͤrt uͤber den Preiß, den dieſe verkannte Waare vor den Augen der Schuͤ - ler des Cardinals erhielt, in merkantiliſchen Umlauf, der immer mehr als eine gaͤnzliche Verſteckung den Kuͤnſten vortheilhaft wurde.
Der verſtorbene Cardinal ſcheint den Plan zu Anlegung der Gebaͤude in dieſer Villa erweitert zu haben, ſo wie er eine groͤßere Menge von Kunſtwer - ken erhielt, die er darinn aufſtellen wollte.
Das Hauptgebaͤude beſteht aus einem Corps de Logis, zwiſchen zwei, wie es ſcheint, erſt ſpaͤter an - gehaͤngten Fluͤgeln. Vor dieſem Hauſe eine Ter - raſſe, dann eine große Fontaine, und gegen uͤber ein Gebaͤude im halben Cirkel, ein ſogenannter Xyſtus oder Hemycyclum: vorn mit rund umhergehenden Arkaden, die einen offenen Porticus bilden, an deſ - ſen hinterer Wand Statuen in Niſchen aufgeſtellt ſind: hinten mit Zimmern.
Zur Linken, wenn man von dem Hauptgebaͤude ab auf dieſen Xyſtus zugeht, mehrere kleine Gebaͤude, von denen ich nachher die vorzuͤglichſten naͤher anzei - gen werde; und hinter denſelben verſchiedene Partien, Grotten, Fontainen, die nicht gleich ins Auge fallen.
Zur Rechten in eben dieſer Richtung ein Bos - quet, ein Obelisk in der Mitte verſchiedener darauf ſtoßender Alleen, gruͤne Raſenplaͤtze u. ſ. w.
Der11Villa Albani.Der Garten ſelbſt iſt ziemlich im franzoͤſiſchen Geſchmack. Die Ausſicht von der Terraſſe vor dem Hauſe ab auf den Xyſtus mit der zwiſchen liegenden Fontaine iſt mir die liebſte Partie, und bei dem Xyſtus, dem Wohnhauſe gegen uͤber, hat der Car - dinal offenbar aͤhnliche Anlagen der Alten, von denen wir aus ihren Schriften wiſſen, vor Augen gehabt.
Rechter Hand am Ende † eine ſchoͤne Figur, die zu fliegen ſcheint, denn ſie haͤngt an dem Mar - morblocke mit dem Gewande, und ihre Fuͤße be - ruͤhren die Erde nicht. Die Geſichtsbildung iſt ſehr reizend, und das Gewand vortrefflich geworfen; doch koͤnnte die Ausfuͤhrung beſſer ſeyn. Auf dem Kopfe traͤgt ſie ein Diadem, und in der Hand eine Fackel. Allein die beiden Arme ſind neu. Man nennt dieſe Figur eine Juno, eine Ceres, eine Iris.
In den Niſchen ſtehen: † ein Tiber mit ei - nem jugendlichen Kopfe, von dem Winkelmann redet,1)G. d. K. S. 793. ein Auguſt, ein Lucius Verus, ein Septimius Severus, ein Trajan, ein Ha - drian.
Man hat dieſen Figuren die Koͤpfe ziemlich will - kuͤhrlich aufgeſetzt. Die Statue des Septimius Severus faͤllt durch die nackten Beine bei dem gehar -niſch -12Villa Albani. niſchten Koͤrper auf. Winkelmann bemerkte ſehr ſcharfſinnig, daß dieſes ſonderbare Coſtume am er - ſten auf den Kaiſer Hadrian paſſe. Denn dieſer befahl nicht nur ſeiner Leibwache zur Wiederherſtel - lung der alten Diſciplin, den Dienſt mit unbekleide - ten Fuͤßen zu verrichten; ſondern gieng ihnen auch ſelbſt darunter vor. Winkelmann rieth daher dem Cardinal, dieſer Statue ihren wahren Kopf aufzu - ſetzen: Allein es iſt dabei geblieben.
Der Sonderbarkeit des Suͤjets wegen bemerke ich auf dem Gange zur Kuͤche einige Basreliefs, aus ſchlechtem Etruſciſchen Alabaſter, welche auf Kuͤche und Tafel Beziehung haben. Sie ſind von ſchlechter Ausfuͤhrung.
† Ein großes Gefaͤß von Alabaſtro Fio - rito, in deſſen Mitte ſich eine Maske befindet.
Einige Buͤſten, worunter ein gut drappir - ter Auguſtus.
Eine Statue Antonins des Frommen.
† Ein Gladiator, der eine Victoria traͤgt, Fuͤſſe neu, und Eine weibliche Figur mit einem Kopfe, deren Haare nach der noch jetzt bei den Ita - lienern gewoͤhnlichen Mode, in ein Netz gebunden ſind. Koͤpfe mit dieſem Putze nennt man gemeiniglich: Sapho, ohne allen Grund.
Darauf13Villa Albani.Darauf tritt man in die Gallerie der Grie - chiſchen Buͤſten oder Termen, denen ziemlich willkuͤhrliche Nahmen gegeben ſind. Viele darunter ſind ſchoͤn, viele aber auch ſehr mittelmaͤßig. Unter die beſten rechnet man Themiſtocles, Paris und Scipio Africanus.
In den Niſchen ſtehen Statuen, die ſehr re - ſtauriret ſind. Der ſeelige Cardinal geſtand ſelbſt, ſie waͤren es[f]facciatamente, auf eine unverſchaͤmte Weiſe. Einzelne Theile ſind ſchoͤn.
Am Ende der Gallerie findet man † eine ſitzende weibliche Figur, die den Finger an die Backe legt. Sie hat einen ſehr guten Ausdruck des Nachdenkens, daher viele darin eine Mnemoſyne oder die Mutter der Muſen ſehen.
Hier trifft man eine ſchoͤne Urne aus Porphyr an, die ſtatt Altars dient.
Dann wieder ein Cabinet mit einer † groſ - ſen Vaſe, aus Alabaſtro Fiorito, mit einer erha - ben gearbeiteten Maske in der Mitte. Sie iſt dem Gefaͤße auf der linken Seite voͤllig aͤhnlich.
† Eine ganz vortreffliche coloſſaliſcheSchoͤne Buͤ - ſte einer Mi - nerva. Buͤſte einer Minerva. Sie iſt die ſchoͤnſte, die ich von dieſer Goͤttin kenne, und ſcheint ehemals zu einer Statue gehoͤrt zu haben. Aber ſchon in alten Zeiten hatte man ſie zur Buͤſte adaptiret.
† Eine vortreffliche und aͤußerſt ſeltene Statue Domitians. 2)Winkelmann Geſch. d. Kunſt, W. E. S. 823.
Eine14Villa Albani.Eine Statue Marc Aurels.
Eine ſehr ſeltene Statue des Pupienus Ehemals in der Villa Veroſpi. 3)Winkelmann Geſch. d. Kunſt, W. E. S. 862.
Lucius Verus und Marcus Aurelius, zwei Buͤſten.
Aus dem Cabinette tritt man wieder in eine Gallerie von Buͤſten oder Termen nebſt Sta - tuen in den Niſchen. Auch hier ſind wieder die Benennungen oft willkuͤhrlich, und das Gute iſt mit dem Schlechten vermiſcht. Ich bemerke eine Diana, die ein Reh traͤgt.
Am Ende dieſer Gallerie in zwei Cabinettern: Sturz eines gefangenen Koͤnigs mit einem Gewande von einer ſehr raren Marmorart Breccia d’ Egitto. 4)Winkelm. G. d. K. W. E. S. 112.Ein Loͤwe aus gruͤnem Baſalt. Mehrere Basreliefs. Ein Marſyas. Eine bekleidete weibliche Figur.
† Ein ſchoͤner Kopf der Cybele, der nach dem einſtimmigen Zeugniſſe aller Ruſſen der Czaa - rin Catharina der Zweiten ungemein aͤhnlich ſiehet.
Mehrere Basreliefs aus gebrannter Erde, unter andern dasjenige, welches die Verfertigungdes15Villa Albani. des Schiffs der Argonauten vorſtellet, und von dem Winkelmann redet,5a)Winkelmann G. d. K. S. 23. imgleichen ein anderes von Porphyr. Es ſtellet den Daͤdalus vor, wie er ſeinem Sohne Icarus die Fluͤgel bereitet. 5b)Winkelmann G. d. K. S. 489.
Eine gemahlte Landſchaft. 6)Winkelmann G. d. K. S. 564.
† Eine vortreffliche Buͤſte des Jupiter Serapis aus gruͤnem Baſalt. Ich ziehe ſie der aͤhnlichen Buͤſte im Muſeo Vaticano vor, aber das Kinn iſt neu. 7a)Winkelmann G. d. K. S. 103.
Ein junger Lucius Verus, Statue.
Euripides, hoch erhoben auf einer Tafel gear - beitet, woran das Verzeichniß der von ihm verfertig - ten Theaterſtuͤcke ſtehet.
Diogenes und Alexander, Basrelief. 7b)Winkelm. G. d. K. S. 709.
Ein Schauſpieler.
Ein ſchoͤner weiblicher Koͤrper in einer Stellung, die ſich fuͤr eine Tochter der Niobe paſſen wuͤrde.
Noch zwei Schauſpieler.
Ein Kind, das ſich mit einer Maske bedecket, und durch die Oeffnung des Mundes die Hand ſteckt.
† Eine vortreffliche Vaſe von Marmot, mit einer Frieſe rund umher, die die Thaten des Hercules vorſtellt: in der Mitte ein Meduſenkopf.
Unter16Villa Albani.Unter den vielen Statuen, die in den Niſchen ſtehen, bemerke ich eine Pallas im Stile des hohen Alterthums. Der Kopf, ſagt Winkelmann, gleicht einem Egyptiſchen Werke. 8)G. d. K. S. 458.
Zwei kleine Basreliefs mit Amorinen auf Waͤgen, die von verſchiedenen Thieren gezogen wer - den. Der Gedanke iſt ſehr artig, und koͤnnte dem Kuͤnſtler zu einer Nachahmung mit verbeſſerter Aus - fuͤhrung Anlaß geben.
Zwei Vaſen von ſchoͤner Form.
Ein Nil im Kleinen.
Einige Termen von Alabaſtro Fiorito. Sonderbar ſind die Zeugungsglieder, die, unter dem Gewande angrgeben, durchſcheinen.
Ein altes Moſaik, welches eine Landſchaft an den Ufern des Nils vorſtellet.
Eine antike Fontaine, welche einem Kinde zum Spielwerke gedient zu haben ſcheint.
Ein trunkener Faun ſehr reſtauriret.
Ein Basrelief im ſogenannten Etruſciſchen Stile.
Ein Schauſpieler.
Eine Badewanne von weiß und ſchwarzem Granit: ein aͤußerſt ſeltenes Stuͤck.
Die17Villa Albani.Die aͤußere Seite dieſes Nebengebaͤudes oder Fluͤgels iſt mit einem Porticus gezieret, unter wel - chem man eine Diane von Epheſus antrifft.
Um der Symmetrie willen hat man dieſem Fluͤ - gel gegen uͤber eine Faßade erbauet, hinter wel - cher jedoch kein Gebaͤude, ſondern ein Bos - quet iſt.
Dieſe Faßade hat ein Portal, welches auf vier † ſchoͤnen weiblichen Caryatiden ruhet. Sie ſind ſehr reſtauriret.
Mehrere Basreliefs: Ein Fragment der Fabel der Niobe; Hercules in dem Garten der Heſperiden; zwei tanzende Bacchantinnen und Leucothea mit ihrem Zoͤgling dem Bacchus und Nymphen. Winkelmann9)G. d. K. S. 160. haͤlt das letzte fuͤr das aͤlteſte, nicht allein von Hetruriſchen, ſon - dern auch uͤberhaupt von allen erhobenen Arbeiten in Rom. Es iſt aber, ſo wie die uͤbrigen alle, merkwuͤr - diger fuͤr den Gelehrten, als fuͤr den Liebhaber und Kuͤnſtler.
† Ein Faun, der einen Schlauch traͤgt. Der Ausdruck iſt gut, er zeigt Staͤrke und Behen - digkeit, auch ſind die Umriſſe fließend, vielleicht iſt aber der Koͤrper ein wenig zu kurz.
Einige Marinen von Manglar.
Einige Koͤpfe der Roſalba.
Kopf eines Kindes und einer Alten. Buͤſten.
† Apollo Sauroctonon, eine gute Statue aus Bronze mit Augen von Silber. Sie iſt in der Groͤße eines Knaben von 10 Jahren, bei St. Bal - bina gefunden.
Winkelmann10)G. d. K. S. 544. imgleichen 375, wo er ihm die ſchoͤnſten maͤnnlichen Beine beilegt. Auch dies ſcheint uͤbertrieben. legt dieſer Statue ein Lob bei, welches ſie nicht ganz verdient. Er haͤlt ſie beinahe fuͤr ein Werk des Praxiteles. Haͤtte dieſer Meiſter nichts beſſers zu machen gewußt, ſo wuͤrde ihnſein19Villa Albani. ſein Copiſt in der Villa Borgheſe weit uͤbertroffen haben.
† Ein Bacchus und ein Faun, ein Paar kleine reizende Figuren, die in ihrer Kleinheit um ſo ſeltener und intereſſanter ſind: Vielleicht iſt aber auſ - ſer dem Koͤrper nichts daran alt.
† Die Apotheoſe des Hercules, dem Ge - lehrten intereſſanter als dem Kuͤnſtler; inzwiſchen hat die Figur der Victoria einen angenehmen Cha - rakter.
† Ein ſchoͤner Kopf in Basrelief, wel - chen man den Poet Perſius genannt hat, ob derſelbe gleich einen Mann von reiferem Alter vorſtellet, und folglich auf den Perſius, der im 29ſten oder 30ſten Jahre ſtarb, nicht gedeutet werden kann. 11)Winkelmann G. d. K. S. 812.An - dere halten ihn fuͤr einen Hadrian.
Ein Canopus aus gruͤnem Baſalt.
Einige kleine Figuren aus Bronze.
Eine Diana und eine Minerva, deren Koͤpfe und Haͤnde von Bronze ſind, das Gewand iſt von Alabaſter. 12)Winkelmann. G. d. K. S. 543.
Zwei Figuren des Diogenes, eine jede mit einem Hunde. Der eine von dieſen Hunden iſt antik.
Acht antike Begraͤbnißurnen aus Alaba - ſter und drei aus Porphyr.
B 2Drei20Villa Albani.Drei moderne Vaſen, von denen zwei aus rothem Porphyr,13)Winkelmann G. d. K. S. 524. und eine aus gruͤnem Granit iſt.
† Der ſchoͤne Kopf des Fauns, den ehe - mals der Conte Marſigli beſaß. Die Bruſt iſt von Cavaceppi reſtaurirt.
Winkelmann14)G. d. K. S. 276. rechnet ihn unter die ſchoͤnſten des Alterthums, und mit Recht. Der Ausdruck unbefangener laͤndlicher Froͤhlichkeit iſt vortrefflich. Unter dem Kinne haͤngen Warzen.
Antinous als Oſiris. Die ganze Maske iſt modern.
† Antinous eine halbe Figur: Basrelief. Auſſerordentlich ſchoͤn, und vielleicht das merkwuͤr - digſte Stuͤck in dieſer Sammlung. Die eine Hand war bei der Findung des Werks verſtuͤmmelt, und nebſt dem Arme in einer Richtung, die es anzuzeigen ſchien, daß ehemals ein Zuͤgel damit gehalten ſey. Dieſer Umſtand verglichen mit jenem, daß das Marmorſtuͤck in der inwendigen Seite ausgehoͤhletiſt,21Villa Albani. iſt, fuͤhrte Winkelmann auf die Vermuthung, daß dieſes Bruchſtuͤck ehemals einen Theil einer ganzen Gruppe ausgemacht, und den Antinous auf einem Wagen, ein Zeichen der Vergoͤtterung, vorgeſtellt habe. 15)G. d. K. S. 842.
Ein neuerer Kuͤnſtler hat den Verſuch gemacht, dieſe Idee wieder herzuſtellen, und iſt dabei auf eine merkwuͤrdige Erfahrung gekommen. Denn als er die Pferde, die den Wagen zogen, in ihrer natuͤr - lichen Groͤße darſtellte, ſo wurde die Hauptfigur ſo unanſehnlich, daß dieſer Uebelſtand die alten Kuͤnſt - ler hinreichend rechtfertigt, welche die Pferde allemal den menſchlichen Figuren aufopferten.
Jetzt traͤgt unſere Figur einen Blumenkranz, und iſt in der Villa Hadrians gefunden. Sie giebt einen zuverlaͤſſigen Beweis von dem Flor der Kunſt unter dieſem Kaiſer ab.
Ein weiblicher Kopf, den man Agrippina nennt.
Ein Muſter eines praͤchtigen und zugleich, wel - ches ſo ſelten zuſammentrifft, eines geſchmackvollen Ammeublements.
Die Marmorarten, womit die Waͤnde bekleidet ſind, bieten ihrer Abwechſelung ungeachtet dem Auge lauter ſanfte und angenehm einſtimmende Farben dar.
Vier Saͤulen von Porphyr mit Baſen und Capitaͤlern von Bronze ſtuͤtzen die Architraven derB 3Thuͤren,22Villa Albani. Thuͤren, uͤber welche man zwei ſchoͤne antike Tro - phaͤen von weißem Marmor angebracht hat.
Ueber der dritten ſieht man ein Basrelief, deſſen Figuren mehrere weibliche Gottheiten vor einem Tempel vorſtellen. Sie ſind im alt - griechiſchen Stil gezeichnet; Winkelmann ſchließt jedoch aus der Korinthiſchen Saͤulenordnung des Tempels, welche erſt in ſpaͤtern Zeiten erfunden wurde, daß dieſer Stil blos nachgeahmt ſey. 16)G. d. K. S. 464.
Schade iſt es, daß die Architraven der Thuͤre von vermahltem Holze ſind. Eine Sparſamkeit, welche zu ſehr mit der uͤbrigen Pracht dieſes Saales, und mit dem Reichthum an Marmor in allen uͤbri - gen Theilen abſticht. Vielleicht ſind auch die Ara - beſken theils von eingelegter Arbeit, theils von Mo - ſaik, und die untermiſchten modernen Cameen von Alabaſter an den Pilaſtern verſchwendet, und nicht am rechten Orte.
An den Waͤnden bemerket man vier große vier - eckigte Basreliefs, und vier andere kleinere ovale. Sie ſind alle der Aufmerkſamkeit werth, ich will aber nur ein einziges hier herausheben. Es ſtellet einen Mann vor, der einen Haſen haͤlt, gegen den ein Hund anſpringt. Es dienet zur Erklaͤ - rung einer Statue auf dem Capitol, wie ich dort bemerket habe.
Auf den Tiſchen von ſchwarz und weißem Mar - mor ſtehen vier Buͤſten aus Bronze und Ba - ſalt. Die ſchoͤnſte darunter gehoͤret einem jungenManne,23Villa Albani. Manne, um deſſen Stirn ein Diadem gewunden iſt. Die Augaͤpfel ſind von moderner Compoſition, der Mund aber iſt ſchon ehemals vergoldet geweſen.
In zwei Niſchen mit Spiegeln bekleidet ſtehen zwei vortreffliche Statuen uͤber Lebensgroͤße. Die eine ſtellet † eine Minerva vor, deren Arme mo -Minerva. dern ſind. Der Kopf hat etwas ernſthaftes, das aber nicht zuruͤckſtoßend iſt. Das Gewand iſt un - vergleichlich.
Winkelmann ſetzt dieſe Statue in die Zeiten des hohen Stils unter den Griechen. „ Sie iſt, ſagt er, der großen Kuͤnſtler dieſer Zeit wuͤrdig, und das Urtheil uͤber dieſelbe kann um ſo viel richtiger ſeyn, da wir den Kopf in ſeiner urſpruͤnglichen Schoͤnheit ſehen. Denn es iſt derſelbe auch nicht durch einen ſcharfen Hauch verletzet worden, ſondern er iſt ſo rein und glaͤnzend, als er aus den Haͤnden ſeines Meiſters kam. Es zeiget ſich in dem Kopfe eine gewiſſe Haͤrte, welche aber beſſer empfunden als be - ſchrieben werden kann. Man koͤnnte in dem Ge - ſichte eine gewiſſe Grazie zu ſehen wuͤnſchen, die daſ - ſelbe durch mehr Rundung und Lindigkeit erhalten wuͤrde. “17)Winkelmann G. d. K. S. 474.
An einer andern Stelle bemerkt er: „ Die Unter - lippe haͤnge ein wenig herunter, zum Zeichen mehre - rer Ernſthaftigkeit. “18)G. d. K. S. 362. In den Annotazioni ſopra le Statue di Roma, welche zu Coburg 1784 mit den Briefen Winkelm. an einen Freund in Lieflandheraus.
B 4Der24Villa Albani.Der Charakter der Minerva iſt weibliche Schoͤn - heit verbunden mit maͤnnlichem Ernſte. Ihr geſenk - tes Haupt, und ihr in ſich gekehrter Blick zeigen Nachdenken und Pruͤfung an. Ihre gewoͤhnlichen Attribute: der Helm, der Bruſtharniſch, die Eule, zuweilen die Schlange ꝛc. ſind bekannt.
Bei dem Begriff, den ſich die Alten von dieſer Goͤttin machten, ſcheint zwar die Hauptidee: Weis - heit, zum Grunde gelegen zu haben; aber ſo wie dieſe Weisheit ſich in verſchiedener Anwendung thaͤtig aͤußert, ſo hat man dieſen Begriff auch auf verſchie - dene Art beſtimmt.
Bald bezeichnet die Goͤttin, Weisheit welche kriegeriſche Tapferkeit leitet, und vermoͤge dieſer Ei - genſchaft, welche der Nahme Pallas andeutet, fuͤhrt ſie das Schild, das von dem Ziegenfelle, womit es urſpruͤnglich bedeckt war, Aegis heißt. Bald giebt man dieſer Weisheit eine der Zartheit ihres Ge - ſchlechts angemeſſene Richtung. Sie wird entweder die Geſellſchafterin der Muſen, die Beſchuͤtzerin unterhaltender Talente: Minerva; oder die Vor - ſteherin haͤuslicher den Weibern eigener Arbeiten, beſonders der Stickerei: Ergane. Welche wohl - thaͤtigere Anwendung kann aber die Weisheit erhal - ten, als die Befoͤrderung des Haupterforderniſſes zur Gluͤckſeligkeit unſers Lebens: der Geſundheit? In ſo fern ſie dieſe zu erhalten lehrt, wird ſie Hygea,Minerva18)herausgekommen ſind, bemerkt er S. 54, daß der Kopf dieſer Statue abgeſondert gearbeitet, und dem Rumpfe eingeſetzet worden.25Villa Albani. Minerva ſalutifera, medica genannt, und dann fuͤhrt ſie eine Schlange bei ſich.
Die andere Statue gegenuͤber ſtellet † eineLeucothea. Leucothea vor, die den Bacchus in ihren Armen traͤgt, und ihn mit Blicken der Zaͤrtlichkeit anſchaut. Das Kind ſtreckt ſeine Arme nach ihr aus. Der Kopf der Leucothea gleicht der beruͤhmten Buͤſte der Ariadne auf dem Capitol. Der rechte aufgehobene Arm iſt ſchlecht reſtaurirt. Auf den Achſeln iſt ein Mantel befeſtiget. 19)Winkelmann G. d. K. S. 411.
Leucothea hieß vor ihrer Vergoͤtterung Ino. Sie war die Schweſter der Semele, der Mutter des Bacchus, deſſen Erziehung ſie uͤbernahm. Dieſe Statue iſt einzig in ihrer Art.
Dieſer beruͤhmte Plafond beſteht aus einem Mit - tel - und zwei Seitenſtuͤcken. Das mittelſte Ge - maͤhlde ſtellet den Parnaß, von den beiden Seiten - gemaͤhlden aber das eine einen fliegenden Genius, das andere den Ruhm unter einer weiblichen Fi - gur vor.
Der Parnaß enthaͤlt den Apollo, die neun Mu -Beurthei - lung des Pla - fond von Mengs. ſen und ihre Mutter Mnemoſyne.
Von dieſen Figuren ſcheinen die mehreſten vor ſich ſtehend nur mit ſich ſelbſt beſchaͤfftigt zu ſeyn: Sie zeigen keinen Ausdruck einer verbundenen oder von mehreren vereinigten Perſonen unter einander ab - hangenden Thaͤtigkeit.
B 5Ich26Villa Albani.Ich geſtehe, daß ich dieſe Compoſition nicht billigen kann.
Es iſt nicht genung, wie mich duͤnkt, daß mehrere Perſonen in einem Gemaͤhlde darum verei - nigt angetroffen werden, weil man ſie ſich vereinigt denken kann: es ſey, daß ſie durch Aehnlichkeit ihres Charakters, ihrer Beſtimmung, ihrer Schickſale znſammengezaͤhlt werden, oder daß ſie ſich der Erin - nerung bei der Nennung ihres Namens zu gleicher Zeit darſtellen. Nein! ich will, daß ein ſichtbarer gemeinſchaftlicher Zweck ſie zuſammenbringe, daß ſie zuſammen ſtehen, weil ich ſie zuſammen handeln ſehe; Kurz! daß der Grund, aus dem ich mir ihre Ver - einigung erklaͤre, in dem Bilde ſelbſt liege, nicht in der Erinnerung an ihre homogenen Eigenſchaften.
Ein jedes Gemaͤhlde von mehreren Figuren muß eine dramatiſche und wenn man lieber will, eine pan - tomimiſche Situation enthalten; die Darſtellung einer coexiſtirenden Handlung; keine Aufzaͤhlung der Akteurs.
Ich wuͤrde es dem Raphael ſchlechten Dank wiſſen, wenn er die Philoſophen in der Schule von Athen, oder die Kirchenvaͤter in dem Streit uͤber das heilige Teſtament, ſelbſt den Apollo und die Mu - ſen in ſeinem Parnaß mit getrenntem Antheile an einer aktuellen Beſchaͤfftigung nur darum zuſammengerei - het haͤtte, weil ſie einen gemeinſchaftlichen Nahmen fuͤhren, oder eine gemeinſchaftliche Beſtimmung ha - ben, wornach ich ihr Zuſammenſtreben nicht gegen - waͤrtig bemerke.
Man27Villa Albani.Man kann einwenden: die Muſen und Apollo ruhen hier neben einander; es iſt ſchon intereſſant ge - nung, zehn weibliche Figuren von verſchiedener Schoͤnheit neben einem ſchoͤnen jungen Mann in ſchweſterlicher und bruͤderlicher Einigkeit zu erblicken: Allein dieſes unbefangene Ruhen neben einander wuͤrde doch immer mit einem gewiſſen Ausdruck eines wech - ſelſeitigen zaͤrtlichen Genuſſes vergeſellſchaftet ſeyn muͤſſen, wenn nicht dem Endzweck, dem Auge ſchoͤne Formen darzubieten, auch der beſondere, und der Mahlerei gewiß wichtigere, durch den Ausdruck des Antheils, den der Menſch an den neben ihm handelnden Menſchen nimmt, mehrere Figuren zu einem Ganzen zu verbinden, aufgeopfert werden ſollte.
Die Muſen haͤtten, — ein Bild der Harmonie zwiſchen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften — mit Roſen - kraͤnzen umwunden, ſich im frohen Reihetanze dre - hen, oder mit Entzuͤcken auf die Geſaͤnge des Apollo horchen, oder einen ihrer Lieblinge, allenfalls den Cardinal Albani ſelbſt zu ihren Geheimniſſen ein - weihen, ihm den Becher angefuͤllt mit dem Waſſer der heiligen Quelle reichen koͤnnen. Dann haͤtten die neben einander geſtellten Figuren uns auf den Begriff des verſchwiſterten Bandes zuruͤckgefuͤhrt. So aber ſtehen ſie, außer den beiden, die mit einan - der tanzen, wie einzelne Statuen, als Clio, als Melpomene, als Thalia, jede fuͤr ſich, jede nur mit der Arbeit beſchaͤfftigt, die ihnen der Dichter anwei - ſet, wenn er ſie einzeln braucht.
Aber ſelbſt in dieſer Ruͤckſicht iſt nicht immer der allgemeine feſtgeſetzte Charakter beibehalten. Dieſuͤßli -28Villa Albani. ſuͤßliche Mine paßt ſich nicht fuͤr die tragiſche Muſe. Ueberhaupt kann man den mehreſten Koͤpfen unſers Kuͤnſtlers den Vorwurf machen, daß ſie ſelten das Gefuͤhl großer hoher Seelen geben. Die mehreſten haben eine Lieblichkeit, die an das Unbedeutende, Fade graͤnzt, und der Kopf des Apollo in dieſem Bilde entgeht dieſem Vorwurf gleichfalls nicht.
Sollte nicht dieſes uͤbertriebene Beſtreben nach gefaͤlligem Reiz, welches ich auf die lange Ausuͤbung der Miniaturmahlerei, bei unſerm Kuͤnſtler ſetze, dem Ausdruck der Koͤpfe, die wir hier vor uns ſehen, eine gewiſſe mißfallende Eintoͤnigkeit geben? Zwei darunter ſind nach lebenden Perſonen gebildet: Die Muſe, die ſich auf den Ellnbogen ſtuͤtzt, ſtellt die Marquiſe Lepri vor; zu der Mnemoſyne hat ſeine Frau geſeſſen. Beide ſind Portraits in dem hiſto - riirten Bilde geblieben.
Die Stellungen jeder einzelnen Figur ſind ſehr abwechſelnd und ſehr ſchoͤn gewaͤhlt, aber ſie ſtehen zu einzeln, ſie gruppiren mit den uͤbrigen nicht zu - ſammen. Man ſagt: Mengs habe wenig Werth auf den Theil der mahleriſchen Erfindung gelegt, der mehrere Figuren in abwechſelnden Lagen zu einem Ganzen verbindet, das dem Auge eine wohlgefaͤllige Form darbietet. Er habe nur in Ruͤckſicht auf den Vortheil gruppirt, den die Beleuchtung daraus zieht. Inzwiſchen, es iſt nicht zu leugnen, daß die Grup - pirung noch eines von dieſem independenten Reizes in Ruͤckſicht auf die Zeichnung der Formen groͤßerer Maſſen in einem Bilde faͤhig iſt. Das Auge liebt ſeine Axe an den Umriſſen der Figuren die neben ein -ander29Villa Albani. ander ſtehen, ununterbrochen fortzudrehen, und von der einen zu der andern durch eine ſchickliche Ver - bindung geleitet zu werden. Es haßt alle Spruͤnge, die ſeine Aufmerkſamkeit zerſtreuen. Die Regel der Pyramidalgruppirung und des Contrapoſto, oder die gegen einander geſtellten Gliedmaßen verſchiede - ner Figuren unter eine Anſicht zu bringen, iſt zwar oft uͤbertrieben worden, hat aber, wenn ſie mit ge - hoͤriger Maͤßigung gebraucht wird, ohnſtreitigen Anſpruch auf unſer Vergnuͤgen. Mengs, der den Mißbrauch ſeiner Vorgaͤnger in dieſem Stuͤcke ein - ſah, hatte dennoch Unrecht, den Grundſatz ſelbſt zu verwerfen.
Allerwaͤrts, wo ich das Werk unſers Mengs im Einzelnen betrachte, zieht es meine ganze Be - wunderung auf ſich. Vielleicht iſt nie in neuern Zeiten ein maͤnnlicher Koͤrper ſchoͤner gemahlet wor - den, als der des Apollo. Alle uͤbrige Figuren ſind ſchoͤn geſtellt, ſehr fein und richtig gezeichnet,20)Bis auf die verkuͤrzten Beine der tanzenden Figu - ren, die dem Kuͤnſtler nicht ganz gegluͤckt zu ſeyn ſcheinen. gut geruͤndet, und colorirt mit einer Staͤrke, die nur einem Mengs in Gemaͤhlden al Freſco moͤglich war. An einigen Orten duͤrfte dieſe zu ſchoͤn ſeyn. Z. B. in dem blauen Gewande der Mnemoſyne, und uͤberhaupt in allen Figuren auf dem zweiten Plane, die nach den Regeln der Luftperſpektive zu ſtark vortreten.
Die Figuren dieſes Parnaſſes ſind gemahlt, als wenn ſie in horizontaler Richtung geſehen werdenſollten:30Villa Albani. ſollten: Hingegen die Gemaͤhlde zu den beiden Sei - ten dieſes Plafonds ſtellen ſchwebende Figuren in der Verkuͤrzung vor, und contraſtiren, wie man leicht denkt, durch dieſen angenommenen Augenpunkt mit den Figuren in dem Mittelgemaͤhlde.
Wenn man die Beſtimmung eines Plafonds erwaͤgt, ſo kann man nicht leugnen, daß dieſe Figu - ren an ihrer Stelle mehr Wuͤrkung thun als die vori - gen: Moͤgen doch dieſe immerhin fuͤr ſich betrachtet ſchoͤner ſeyn. Un bon propos ſagt Montaigne n’eſt pas toujours à propos. Ich ſchließe mich daher an diejenigen an, die dieſen Seitenge - maͤhlden, unter denen die Renommee beſonders hoch - geſchaͤtzt wird, viel Lokalverdienſt beilegen: unbe - kuͤmmert uͤber nachſtehenden Ausſpruch unſers Win - kelmanns: „ Durch pedantiſche Kuͤnſtler ohne Em - pfindung, da dieſe theils durch das Schoͤne nicht ge - ruͤhret werden, theils daſſelbe zu bilden unfaͤhig ge - weſen, ſind die gehaͤuften und uͤbertriebenen Verkuͤr - zungen in den Gemaͤhlden an Decken und Gewoͤlbern eingefuͤhret, und dieſen Plaͤtzen dergeſtalt eigen ge - worden, daß man aus einem daſelbſt ausgefuͤhrten Gemaͤhlde, wenn nicht alle Figuren wie von unten auf erblicket erſcheinen, auf die Ungeſchicklichkeit des Kuͤnſtlers ſchließet. Nach dieſem verderbten Ge - ſchmacke werden insgemein die zwei Ovalſtuͤcke an der Decke der Gallerie in der Villa Albani dem mittleren Hauptgemaͤhlde von eben dem großen Kuͤnſtler vor - gezogen, wie dieſer in der Arbeit ſelbſt vorausſah, und auch in Verkuͤrzungen und im Wurfe der Ge - waͤnder nach Art des neuen und des Kirchenſtils dem groͤberen Sinne Nahrung und Weide hat gebenwollen.31Villa Albani. wollen. Eben ſo wird der Liebhaber der Kuͤnſte ur - theilen, wenn derſelbe Bedenken hat fuͤr einen Son - derling gehalten zu ſeyn ꝛc. “21)Winkelm. G. d. K. S. 381 und 382. W. E.
Ob mein Urtheil durch eine aͤhnliche Furcht beſtimmt ſey, moͤgen die Gruͤnde zeigen, womit ich im erſten Theile meine Beurtheilung der Plafonds in den Logen des Vaticans unterſtuͤtzt habe. Auf dieſe beziehe ich mich, und bemerke nun noch hier, einige kleinere Gemaͤhlde, die rund umher nach Zeichnungen von Mengs nach Art der Bas - reliefs grau in grau ausgefuͤhrt ſind.
Die eben beurtheilten Mahlereien ſcheinen das Urtheil zu beſtaͤtigen, welches ich im erſten Theile bei der Beſchreibung der Camera de Papiri im Va - tican uͤber unſern in mehrerer Ruͤckſicht merkwuͤrdigen Landsmann gefaͤllet habe.
Mengs hat einzelne, vorzuͤglich jugendliche Fi -Beſtaͤtigtes Urtheil uͤber das Ver - dienſt des Mengs als Mahler. guren in einer Vollkommenheit gemahlt, die ich keinem andern Kuͤnſtler kenne. Ich wuͤrde, wenn ich zu waͤhlen haͤtte, kein Bedenken tragen, Figu - ren, an denen liebliche Heiterkeit den Hauptzug im Charakter ausmacht, mir lieber von ihm, als von einem Raphael, Correggio oder Tizian mahlen zu laſſen. Er zeichnete, ruͤndete, und colorirte ſo gut, als einer von ihnen. Hat ſein Ausdruck nicht das Bedeutungsvolle des Raphael, ſo hat er mehr Reiz, und weniger Affektation als die laͤchelnden Figuren des Correggio.
Ueber -32Villa Albani.Ueberhaupt glaube ich, daß die Bildhauerkunſt dadurch verlohren hat, daß er ihr ſeine Bemuͤhungen nicht widmete. Denn der Ausdruck einer Seele in einem Zuſtande der Ruhe iſt ihm oft gegluͤckt, da ich ihm hingegen die aͤchte Darſtellung der Seele in Thaͤ - tigkeit des Affekts ſelten kenne.
Er hatte ſich ein Ideal von der Mahlerei der Alten entworfen, auf welches er nur durch ihre Sculptur geleitet werden konnte. Vermoͤge deſſel - ben ward ihm Schoͤnheit der Bildung des Koͤrpers hoͤchſte Beſtimmung der Mahlerei. Wir Neueren aber ſuchen dieſe in dem Intereſſe eines wohlgefaͤlli - gen Ausdrucks einer ſichtbaren neben einander beſte - henden Handlung. Sollten wir uns auch irren, ſo fuͤrchte ich doch, daß dieſer Irrthum mit unſerer Den - kungsart, mit unſerer Weiſe das Schoͤne zu em - pfinden zu ſehr zuſammenhaͤnge, als daß wir je - mals fuͤr die entgegengeſetzte Wahrheit Sinn erhal - ten ſollten.
Es iſt nicht gleichguͤltig, zu eroͤrtern, wer von uns beiden Recht hat, ob Mengs, ob wir, die wir ei - nem Raphael und andern aͤlteren Meiſtern die Bildung unſers Geſchmacks in der Mahlerei verdanken. Mengs iſt das Haupt einer Schule geworden, deren Zoͤglinge in alle Theile der Welt ausgegangen ſind. Seitdem hoͤrt man von der einen Seite von Idealen, von der nothwendigen Nachahmung der Antike pre - digen, von der andern uͤber Mangel an Ausdruck und Leben klagen.
Man hoͤre wie die erſten declamiren:
Schoͤnheit iſt der Zweck aller bildenden Kuͤnſte: und den Begriff dieſer Schoͤnheit findet man nur inden33Villa Albani. den Formen der alten Statuen: Wenn man ſie durch den Pinſel auf das Tuch uͤbertraͤgt, ſo wird die Wuͤrkung ihrer Schoͤnheit durch den Zauber der Farben und der Beleuchtung noch erhoͤhet werden: Keine Suͤjets, deren Ausdruck das Ideal der ſchoͤ - nen Geſtalt ſchwaͤchen muß: Keine heftige Affekten: Kein Contraſt, keine Gruppen deren ſchoͤne Form im Ganzen die Schoͤnheit einzelner Theile verſteckt: We - nige Figuren mit einem edeln Ausdruck ohne ſtarke Bewegung der Gliedmaßen neben einander geſtellt; ſo verfuhren Parrhaſius und Apelles, ſo ſehen wir die Basreliefs der Alten.
Und nun die Grundſaͤtze der andern Parthei:
Schoͤnheit iſt uͤberhaupt ſichtbare Vollkommen - heit, nicht blos Vollkommenheit der Umriſſe in ihrer Uebereinſtimmung gegen einander: Mahlerei iſt nicht Sculptur: Wir wiſſen nichts von der Mahlerei der Alten: wenn wir von ihrer Sculptur fuͤr unſere neue Mahlerei erborgen, ſo laufen wir Gefahr, ſtatt Ge - maͤhlde colorirten Stein zu liefern.
Ich bin auf der Seite dieſer letzten: ich will meinen Geſchmack zu rechtfertigen, und beiher die Gruͤnde der gegenſeitigen zu widerlegen ſuchen.
Die bildenden Kuͤnſte gewaͤhren uns ein doppel -Ueber den hoͤchſten Zweck der Mahlerei: ob die Alten uns darinn zum Muſter die - nen koͤnnen. tes Vergnuͤgen. Einmal dasjenige, welches aus dem Anſchauen ſchoͤner Geſtalten entſpringt: Dann dasjenige, welches bei der Gewahrnehmung einer intereſſanten Handlung zum Grunde liegt. Ganz etwas anders iſt es von einer ſchoͤnen Bildung ange - zogen zu werden: ganz etwas anders bei dem AnblickZweiter Theil. Ceines34Villa Albani. eines Koͤrpers, deſſen Bewegungen eine thaͤtige Seele anzeigen, eine angenehme Unterhaltung zu finden.
Der Eindruck einer ſchoͤnen Geſtalt laͤßt ſich ohne wuͤrkliche aktuelle Thaͤtigkeit der Seele mithin ohne merkliche Bewegung des Koͤrpers gedenken. In den mehreſten Statuen der Alten finden wir nur die Faͤhigkeit zu handeln, den Charakter des wirkenden Weſens in der Geſtalt in ruhiger Faſſung angedeutet, und es ſcheint ſelbſt, daß eine zu lebhafte Anſtren - gung des Koͤrpers als eine Folge eines ſehr intereſſir - ten Zuſtandes der Seele den Formen der Schoͤnheit nachtheilig ſey.
Hingegen das Intereſſe, welches wir an Dar - ſtellung der Handlung nehmen, iſt von dem Aus - druck einer wuͤrklich thaͤtigen Seele, mithin eines Koͤrpers in Bewegung unzertrennlich. Denn die bildenden Kuͤnſte haben kein anderes Mittel, die Ak - tivitaͤt der Seele deutlich zu machen, als die Aktivi - taͤt des Koͤrpers.
So gut ich mir nun das Ideal, oder, wenn ich ſo ſagen darf, das Summum von einer Darſtellung eines ſchoͤnen Koͤrpers ohne das Ideal oder das Summum einer intereſſanten Handlung denken kann, ſo gut kann ich mir das Ideal einer intereſſanten Handlung ohne das Ideal einer ſchoͤnen Geſtalt denken.
Der heilige Andreas Corſini vom Guido, der mit dem Ausdruck gaͤnzlicher Hingebung ſeine Seele zu Gott erhebt, iſt unſtreitig dem Ideal einer in - tereſſanten Handlung naͤher, als der an Geſtalt un - endlich vollkommenere Antinous im Belvedere.
Aber35Villa Albani.Aber wird man ſagen: Der Kuͤnſtler vereinige beide Vorzuͤge in ihrer hoͤchſten ſichtbaren Vollkom - menheit: er mahle den heil. Andreas Corſini ſo ſchoͤn als den Antinous: Der Bildhauer gebe dem Anti - nous einen eben ſo intereſſanten Ausdruck als der Mahler dem heil. Andreas Corſini gegeben hat. — Kann er dies, ſo liegt ſeine Verbindlichkeit dazu auſ - ſer Zweifel. In dieſer Vereinigung liegt Schoͤnheit, nicht in vollkommener Geſtalt allein, nicht in voll - kommenem Ausdruck allein.
Wenn er es aber nun nicht kann: wenn ſeine Kraͤfte, wenn die Graͤnzen ſeiner Kunſt es nicht zu - laſſen? Wenn er nicht im gleichen Grade intereſſant und ſchoͤn ſeyn kann, wo ſoll das Summum, wo das Minimum jeder Kunſt liegen, ſoll er immer mehr intereſſant, oder immer mehr ſchoͤn ſeyn? Wol - len wir lieber die Figur auf dem Gemaͤhlde mit Auf - opferung des Bedeutungsvollen unter idealſchoͤnen Formen, oder die Statue mit minder uͤbereinſtim - menden Umriſſen bedeutungsvoller ſehen? Dies iſt die Frage, deren Beantwortung nur die Regel giebt: Daß jede Kunſt ihre eigenthuͤmlichen Vorzuͤge und ihre eigenthuͤmlichen Maͤngel hat; daß ſie daher bei ihrer Annaͤherung zur ſichtbaren Vollkommenheit ſich denjenigen Theil derſelben vorzuͤglich vor Augen ſetzen muͤſſe, den ſie am ſicherſten zu erreichen hoffen darf. Dieſer iſt ihr Hauptzweck, der andere Neben - zweck: und da wir ein Werk von ſterblichen Haͤnden in der hoͤchſten ſichtbaren Vollkommenheit zu ſehen nicht hoffen duͤrfen, ſo nennen wir dasjenige ſchoͤn, was ſich dem Hauptzweck am meiſten naͤhert, ohne ſich von dem Nebenzweck am weiteſten zu entfernen.
C 2Mehr36Villa Albani.Mehr als ein Grund ſcheint der Bildhauerei den Zweck anzuweiſen, durch ſchoͤne Geſtalten mehr als durch Darſtellung intereſſanter Handlungen Ein - druck auf den Zuſchauer zu machen. Denn wenn jede Kunſt denjenigen Eindruck am liebſten hervor - bringen ſoll, den ſie am vollſtaͤndigſten hervorbrin - gen kann; ſo finden wir, daß die Sculptur den voll - ſtaͤndigſten Genuß, die hoͤchſte Illuſion von demjeni - gen gewaͤhrt, was wir mit der Hand greifen, fuͤhlen, mit dem Auge lange und von allen Seiten in mehre - ren Profilen betrachten, mithin ſo gut als greifen koͤnnen. Dies ſind die feſten Formen des Koͤrpers. An ihnen lieben wir das Uebereinſtimmende, das Wohlgeordnete, das Schoͤne zu uͤberſehen, im De - tail zu unterſuchen, dann wieder im Ganzen gegen einander zu halten. Wenn wir Reiz von dieſen For - men fordern, wenn wir ſie in Bewegung ſehen wol - len, ſo iſt es doch hauptſaͤchlich in Ruͤckſicht auf die vortheilhaftere Art, wie die feſten Formen, die Um - riſſe des Koͤrpers, das was wir greifen koͤnnen, ſich dadurch darſtellen; und in allen Faͤllen, wo wir ei - nen betraͤchtlichen Theil des Anziehenden der Geſtalt aufopfern muͤſſen, verlangen wir die Bewegung nicht.
Dieſen Grundſaͤtzen getreu haben die alten Bild - hauer ihre Figuren gemeiniglich mit ruhiger Faſſung der Seele dargeſtellt. Die wenigen, die wir in ei - nem merklichen Grade von Thaͤtigkeit gebildet finden, ſind es doch vorzuͤglich in Ruͤckſicht auf den Vortheil, den die Stellung ihres Koͤrpers daraus zieht.
Iſt es nun ausgemacht, daß Bildhauerei den hoͤchſten Genuß der ſchoͤnen Geſtalt giebt, ſo laſſenſie37Villa Albani. ſie uns unterſuchen, ob ſie in einem gleich hohen Grade der Darſtellung intereſſanter Handlungen faͤhig ſey.
Zu dem Begriff und noch mehr zur Mitempfin - dung einer Handlung gehoͤrt zweierlei: eine deutliche Vorſtellung des Zuſtandes, in welchem ſich die Seele bei der Bewegung des Koͤrpers befindet, das Wie? Dann der Veranlaſſung dieſes Zuſtandes, des Grundes der Bewegung: das Warum? In den mehreſten Faͤllen laͤßt ſich die Befriedigung dieſes letzten Anſpruchs in den bildenden Kuͤnſten nicht den - ken, ohne daß ich die Lage zeige, worin ſich die handelnde Perſon zu den Gegenſtaͤnden befindet, die ſie umgeben. Eine Figur mit aufwaͤrts gekehrtem Blick und ausgeſtreckten Haͤnden giebt noch keine Vorſtellung der Freude uͤber den Anblick der Sonne; und ſelbſt bei Affekten, deren taͤgliche Erſcheinung uns unbekuͤmmert uͤber deren gegenwaͤrtigen Ent - ſtehungsgrund macht, iſt die Darſtellung der be - ſtimmten Veranlaſſung derſelben kein fuͤr unſer Ver - gnuͤgen gleichguͤltiger Zuſatz. Heliodor der vor der Erſcheinung des Engels erſchrickt, und ein erſchrocke - ner Mann uͤberhaupt, werden in Anſehung des Ein - drucks, den ſie auf den Zuſchauer machen, in keine Vergleichung kommen koͤnnen.
Beide Erforderniſſe zu einer deutlichen und voll - ſtaͤndigen Erkenntniß einer ſichtbaren und coexiſtiren - den Situation oder Handlung ſcheint mir die Bild - hauerei in dem naͤmlichen Grade von Vollkommen - heit, womit ſie Schoͤnheit der Formen giebt, nicht liefern zu koͤnnen. Einmal iſt ſie nicht im Stande,C 3den38Villa Albani. den Antheil, den die handelnde Perſon an einem Ge - genſtande außer ihr nimmt, ſo deutlich und unver - kennbar zu geben, als ihre Schweſter die Mahlerei. Das Anheften des Blicks, das feinere Muskelnſpiel ſowohl des Geſichts als der Haͤnde, die Veraͤnderung der Farbe hat der Meißel weniger in ſeiner Gewalt als der Pinſel. Alle diejenigen Affekte alſo, die eine Veraͤnderung auf den Koͤrper in der Abſicht hervor - bringen, damit eine aͤußerliche Wuͤrkung auf andere daraus entſtehe; die ſich mit andern verbinden muͤſ - ſen; welche ſtreben, das Uebel abzuwenden, oder das Gute zu erlangen; Zorn, Furcht, Verlangen, liegen beſonders außer den Graͤnzen der Sculptur. Nicht zu gedenken, daß ein ſehr heftiger Affekt, den doch manche Situation nothwendig macht, den For - men der Schoͤnheit zu nachtheilig iſt, als daß ſie ſich daran wagen duͤrfte. Es giebt auch Affekte, die in ihren Aeußerungen von ſehr kurzer Dauer ſind, z. B. Zorn, wuͤthendes Leiden. Will die Sculptur die voruͤbergehende Aeußerung einer auf dieſe Art er - ſchuͤtterten Seele anheften, ſo entſteht daraus ein Widerſpruch mit der harten feſten Materie, der we - nigſtens mich immer unbefriedigt gelaſſen hat.
Die Sculptur liefert alles, was in der Natur feſt, und einer Dauerhaftigkeit faͤhig iſt, die uns zum Betaſten einladet, ſo vollkommen illuſoriſch, daß ſie uns in allen uͤbrigen Darſtellungen, die ſie unternimmt, eine aͤhnliche Treue zu erwarten berech - tiget. Eine Statue ſtoͤßt uns auf: Sie bleibt, wenn wir gleich das Auge, den Sinn, durch den wir am mehreſten gewohnt ſind, uns taͤuſchen zu laſ - ſen, zudruͤckten.
Nie39Villa Albani.Nie aber werden dieſe Maͤngel auffallender als wenn ſich die Sculptur an Vorſtellungen von Situa - tionen wagt, zu deren deutlicher Erkenntniß die Zu - ſammenſetzung der handelnden Perſon mit vielen an - dern, mit Nebenwerken, und nun gar mit Gegen - ſtaͤnden erfordert wird, die ſich nicht greifen laſſen; z. E. mit Gebaͤuden, mit Gegenden u. ſ. w. Das Unnatuͤrliche faͤllt auf; außerdem habe ich ſchon im erſten Theile bei Gelegenheit des Farneſiſchen Stiers bemerkt, welche Schwierigkeiten ſich weitlaͤuftigen Compoſitionen in der Bildhauerkunſt entgegen ſetzen. Ich bemerke nur noch hier am Ende: daß eine ganze Compoſition von Geſtalten, die den vollkommenſten Eindruck der Schoͤnheit der Formen intendiren, ein - foͤrmig werden muͤßte, und ohne Nachtheil der Deut - lichkeit des Ausdrucks verſchiedener Affekte ſich nicht denken laſſe.
Ganz anders verhaͤlt es ſich mit der Mahlerei. Dieſe hat zwar auch Schoͤnheit zum hoͤchſten Zweck, aber in einem viel weitlaͤuftigeren Verſtande als blos Schoͤnheit der Umriſſe, Vergnuͤgen an dem Ueber - einſtimmenden, an dem Wohlgeordneten. Ihr iſt Schoͤnheit ſichtbare Vollkommenheit, die ſie in einem wohlgefaͤlligen Ausdrucke einer coexiſtirenden Hand - lung ſuchet. Ich ſetze die Einſchraͤnkung wohlge - faͤllig hinzu, weil ſie den Ausdruck, der widrige Formen hervorbringt, ſcheuet, und die Schoͤnheit derſelben zur Verſtaͤrkung des Intereſſe braucht. Aber da ſie auf das Anziehende einer ſchoͤnen Geſtalt in Ruhe nicht den naͤmlichen Anſpruch hat als ihre Schweſter die Sculptur, ſo arbeitet ſie auch weniger darauf los: und von jeher hat man diejenigen Mah -C 4ler40Villa Albani. ler am hoͤchſten geſchaͤtzt, die die Darſtellung des Eindrucks einer thaͤtigen Seele auf den Koͤrper zum Gegenſtande ihrer Bemuͤhungen gemacht haben.
Mich duͤnkt mit Recht! Eine ſchoͤne Figur in Ruhe in der Mahlerei, und in der Bildhauerkunſt, welch ein Unterſchied! Dieſe letzte giebt einen ſo voll - ſtaͤndigen Genuß, wir treten um ſie herum, wir be - ſchauen, wir betaſten ſie von allen Seiten; die Illu - ſion, welche ſo hoch getrieben iſt, als die bildenden Kuͤnſte es zulaſſen, ſcheint uns ſo ſehr an ihrer Stelle, ſo richtig angewandt, um die Anſpruͤche auszufuͤllen, welche wir an Uebereinſtimmung ſichtbarer Theile zum ſichtbaren Ganzen machen! Aber der gemahlten Fi - gur in Ruhe ſcheint, ſo ſchoͤn ſie iſt, noch immer etwas abzugehen. Iſt es die wirkliche Ruͤndung, iſt es der Anſpruch den uns die Farbe, der Blick, die deutlichſten Zeichen des Lebens auf merkbarere An - deutung eines wuͤrkſamen Weſens geben? Genung! die Erfahrung lehrt es, wo es auf Schoͤnheit der Geſtalt ankommt, da vereinigen wir uns mit einem Werke in runder Bildnerei viel inniger als mit ei - nem andern auf der Flaͤche.
Den Abgang dieſes Genuſſes erſetzt die Mahlerei durch Darſtellung der Geſtalt in Handlung. Dieſe liefert ſie in einer mehr befriedigenden Maaße als alle uͤbrige bildende Kuͤnſte. Bei einzelnen Figuren, die getrennt von aͤußeren Verhaͤltniſſen ſtehen, flie - ßen freilich Mahlerei und Bildhauerkunſt zuſammen, aber auch hier hat die erſte den Vorzug einer groͤßeren Treue in Darſtellung des Affekts. Wer ſich davon uͤberzeugen will, darf nur den Kopf einer Niobe undeinen41Villa Albani. einen Magdalenenkopf vom Guido vergleichen. Der zum Himmel gekehrte Blick, die rollende Thraͤne, die Farbe, das fliegende Haar, die Haͤnde, denen man es anſieht, daß ſie den ſchoͤnſten Buſen ſchlagen, nicht blos betaſten: Alles dies druͤckt die Bildhauerei nicht mit gleichem Gluͤcke aus. Große Compoſitio - nen aber, die mit dem Affekt der handelnden Perſon zugleich die Veranlaſſung der Handlung in ihrer Lage gegen andere zeigen, giebt die Mahlerei allein.
Die Mahlerei iſt privilegirt, uns zu taͤuſchen. Wir erblicken ein Gemaͤhlde wie ein Phantom, wie eine Erſcheinung an der Wand, die verſchwindet, ſo bald wir darnach greifen. Alles, was daher in der Natur dem Scheine aͤhnlich iſt, entweder der Geſchwindigkeit wegen, mit der es uͤbergeht, oder weil wir nie durch das Gefuͤhl uns von deſſen Wuͤrk - lichkeit haben uͤberzeugen koͤnnen, ſtimmt mit dem Umfang ihrer Hervorbringungskraft uͤberein. Da - hin gehoͤrt der fluͤchtige Eindruck der Seele auf den Koͤrper, dahin ein großer Umfang von Gegenſtaͤn - den, die ſich mit den Haͤnden nicht auf einmal umfaſ - ſen laſſen.
Sollte ſie daher auch bei Darſtellung dieſes blos Sichtbaren den Grad der Illuſion nicht erreichen, auf den die Sculptur in Hervorbringung zu betaſten - der Koͤrper Anſpruch machen kann; wir verzeihen ihr. Sie liefert uns tauſend Begebenheiten, die wir lieber mangelhaft als gar nicht ſehen wollen, und zu deren verſinnlichter Anheftung die runde Bild - hauerei ganz außer Stande iſt; die flache aber mit groͤßerem Beduͤrfniß unſerer Nachſicht.
C 5Laſſen42Villa Albani.Laſſen Sie mich meine bisherigen Bemerkungen noch einmal unter einem Geſichtspunkt zuſammen - faſſen.
Die Sculptur liefert den Genuß ſchoͤner Geſtal - ten vollſtaͤndiger als jede andere bildende Kunſt: hingegen zur vollſtaͤndigen Darſtellung einer Hand - lung, zum Ausdruck einer wirklich thaͤtigen Seele, in der Lage, die dieſe Thaͤtigkeit rechtfertigt, iſt ſie weniger geſchickt. Dieſer letzte Vorzug gebuͤhrt der Mahlerei in einem Grade, den keine andere Kunſt erreicht; dagegen gewaͤhrt ſie den Eindruck einer ſchoͤ - nen Bildung mangelhafter als die Bildhauerkunſt.
Nun ſoll jede Kunſt dasjenige am liebſten her - vorbringen wollen, was ſie am vollſtaͤndigſten her - vorbringen kann: mithin muß die Bildhauerkunſt in allen Faͤllen, wo ſich Schoͤnheit der Bildung und Ausdruck einer thaͤtigen Seele in gleicher Vollkom - menheit nicht erreichen laſſen, lieber die Seele in Ruhe laſſen, auf den Antheil, den wir an ihrem in - tereſſirten Zuſtande nehmen, in der groͤßten Vollkom - menheit Verzicht leiſten, um das Anziehende einer ſchoͤnen Geſtalt zu bewahren, und umgekehrt die Mahlerei lieber weniger vollkommen an Geſtalt und deſto wahrer im Ausdruck derjenigen Faſſung der Seele ſeyn, welche die Handlung erfordert.
Aber ſollten ſich nicht beide in einem gleich hohen Grade vereinigen laſſen? Da die Alten auf dieſer Stufe der Vollkommenheit geſtanden haben, warum ſollten nicht wir Neueren? —
Wir wiſſen nichts gewiſſes von den hiſtoriſchen Compoſitionen der alten Mahler. Es hat ſich keinvor -43Villa Albani. vorzuͤgliches Werk dieſer Art auf uns erhalten. Was wir von ihnen es ſey an Beiſpielen oder an Grund - ſaͤtzen, fuͤr die Mahlerei erborgen koͤnnten, wuͤrde blos von der Sculptur zu borgen ſeyn: und von die - ſer laͤßt ſich ſo gut wie gar nichts borgen. Es ſcheint vielmehr, daß die Regel der Abwechſelung in der Einheit; des Contraſts; der nothwendigen Ver - nachlaͤßigung der Nebenfiguren; der Streit zwiſchen dem Ausdruck eines lebhaften Affekts, und der Ueber - einſtimmung der Umriſſe unter einander, es zu aller Zeit unmoͤglich gemacht habe, die Darſtellung einer Begebenheit, die mehrere Akteurs erfordert, mit lauter Idealen ſchoͤner Geſtalten zu vollfuͤhren.
Doch es ſey! Die Griechen haben es gekonnt. Koͤnnen es darum die Neueren? Die Griechen waren von der ſchoͤnſten Natur umringt, alle ihre Erfah - rungen uͤber die Aeuſſerung der Seele auf den Koͤrper machten ſie an den ſchoͤnſten lebenden Geſchoͤpfen. Wo ſoll der neuere Kuͤnſtler die ſeinigen machen? Nicht in der Natur? Am Stein, der in einer ganz andern Abſicht bearbeitet, ruhig vor ihm ſteht, von alle dem, was ihn umgiebt ſo abſticht, daß er hun - dertmal mehr Schoͤpfer als ſein Vorgaͤnger der Grieche ſeyn muͤßte, um ihn ohne Nachtheil fuͤr Wahrheit in eine thaͤtige Lage zu uͤbertragen?
Ich habe ſchon bei einer andern Gelegenheit ge - aͤußert, daß ich die Urſache, warum Raphael die ſchoͤnſten Ueberbleibſel der Alten in ſeinen Gemaͤhlden nicht nutzte, hauptſaͤchlich darinn ſuche, daß er den Punkt, wo die idealiſche Geſtalt, die er in Ruhe ſah, mit dem Ausdruck einer thaͤtigen Seele, die er, umtreu44Villa Albani. treu zu ſeyn, ſehen wollte, zuſammentrifft, zu fin - den verzweifelte.
Wie viel leichter kann auch dem Griechen die Vereinigung des Ideals eines intereſſanten Ausdrucks und des Ideals der Geſtalt geworden ſeyn? Dies Volk, ſo faͤhig der feinſten Empfindungen, durch hoͤheren Scharfſinn, und reizbarere Nerven, ſchloß vielleicht aus Bewegungen des Koͤrpers, deren Be - deutung uns entgehen wuͤrden, auf Affekte, zu deren Darſtellung wir eine ſtarke Anſtrengung der Glied - maaßen verlangen.
Es laͤßt ſich aber auch ein von dieſem verſchie - dener Fall annehmen: Die Mahlerei der Alten war nicht die Mahlerei der Neueren. Dieſe Voraus - ſetzung iſt gar nicht unwahrſcheinlich: denn in keiner Kunſt ſind die Neueren ſo ſehr original als in dieſer, haben aus Mangel an Vorbildern ihre Beiſpiele, Regeln der Wuͤrkung und der dahin abzweckenden Mittel, ſo ganz ſich ſelbſt zu verdanken. Sind die wenigen Gemaͤhlde der Alten, die wir ſpaͤter aufge - funden haben, ihre Basreliefs, Copien nach ihren verlohren gegangenen Meiſterſtuͤcken, wenigſtens in dem naͤmlichen Stile gedacht; ſo weichen die Grund - ſaͤtze ihrer dichteriſchen und mahleriſchen Erfindung ganz von den unſrigen ab. Sie haben ihre Suͤjets weniger reich an intereſſantem Ausdrucke gewaͤhlt, weniger darauf geachtet, dem Nachdenken und der Mitempfindung Nahrung zu geben: Sie haben we - niger Ruͤckſicht darauf genommen, jeder einzelnen Figur einen unzuzertrennenden Antheil an der Haupt - handlung nehmen zu laſſen, ſie als Theil des Ganzenzu45Villa Albani. zu betrachten: Sie haben ſie weder nach den Regeln der Perſpektive, noch der Gruppirung in Ruͤckſicht auf Form und Beleuchtung der Maſſen zuſammen - geſtellt: Allerwaͤrts haben ſie den Eindruck der Schoͤnheit im Einzelnen beſorgt: Kurz! die Mahle - rei und die Bildhauerkunſt haben ſich bei ihnen in Ab - ſicht auf Erfindung und Anordnung keinesweges un - terſchieden.
Geſetzt wir naͤhmen dies an; enthaͤlt dies eine unbedingte Verbindlichkeit zur Nachfolge fuͤr die Neueren? Ich glaube nicht. Die Griechen hatten ein ſo feines Empfindniß fuͤr die Schoͤnheit der Ge - ſtalt, ihre Einbildungskraft, ihr Herz wurden durch jede Veranlaſſung ſo leicht in Bewegung geſetzt, daß wir noͤrdlichen Voͤlker auf ein aͤhnliches Vergnuͤgen in eben der Staͤrke keinen Anſpruch machen duͤrfen. Wir verlangen viel ſtaͤrkere Raͤder um unſere Auf - merkſamkeit zu ſpannen. Die Meiſterſtuͤcke der Griechiſchen Buͤhne wuͤrden auf der unſrigen ſchlech - tes Gluͤck machen, und ich fuͤrchte, man muͤßte uns ein anderes Clima, andere Nerven, und vorzuͤglich unſern Begriffen von den Vorzuͤgen der Mahlerei eine ganz andere Richtung geben, damit auch die Gemaͤhlde der Alten uns gefallen koͤnnten.
Sollten wir aber den Abfall des Genuſſes, den wir auf dieſem Wege leiden, nicht auf einem andern wieder einbringen koͤnnen? So ſcheint es! Raphael und Correggio ſcheinen durch die Beduͤrfniſſe der Na - tion, fuͤr die ſie arbeiteten, geleitet, von ſelbſt auf dieſen Weg gekommen zu ſeyn. Seitdem dieſe groſ - ſen Meiſter unſer Vergnuͤgen durch ihre Meiſterſtuͤckebeſorgt,46Villa Albani. beſorgt, und wirklich bei Ermangelung von Vorbil - dern durch deren Zuſammenhaltung wir die Aechtheit der neuen Verfahrungsart haͤtten pruͤfen koͤnnen, un - ſern Geſchmack erzogen haben, muß die Erfindung eines Gemaͤhldes nach ganz andern Grundſaͤtzen ge - pruͤfet werden, als ein Werk der runden und flachen Bildnerei.
Uns iſt ein Gemaͤhlde, ich rede von weitlaͤufti - gern Compoſitionen, ein Ganzes, das Herz, Kopf und Einbildungskraft, durch wahren und wohlgefaͤl - ligen Ausdruck einer Handlung unter Mitwuͤrkung der Faͤrbung und Beleuchtung zu intereſſiren im Stande iſt. Wir wollen, daß die handelnden Per - ſonen einen vollſtaͤndigen Begriff der Situation ge - ben, in der ſie ſich befinden, daß die Gruͤnde, war - um dieſe Figur ſo und nicht anders ſich gebaͤhrdet, aus der Gebaͤhrde der neben ihr ſtehenden erklaͤrbar ſey. Wir leiden keinen Fehler, der die Illuſion zerſtoͤren kann, keine Vernachlaͤßigung der Nebenwerke, ſo bald die Hauptabſicht, den Ausdruck wahr zu ma - chen, darunter leidet.
Wir vermeiden zwar ſorgfaͤltig das Widrige, wir ſuchen die Schoͤnheit der Geſtalt, aber ſie iſt allenthalben dem Ausdruck des Ganzen unterge - ordnet.
Was den Ausdruck der Handlung auf eine wohl - gefaͤllige Art unterſtuͤtzen kann, iſt ſchoͤn. Muͤſſen wir um die Hauptfigur herauszuheben, eine minder ſchoͤnere bei ihr hinſtellen; wir machen uns daraus kein Bedenken: Muͤſſen wir die Menſchen an einem Orte zuſammendraͤngen, muͤſſen wir den Grad desAntheils47Villa Albani. Antheils beſtimmen, den verſchiedene Menſchen an einer Handlung zu nehmen im Stande ſind; wir entziehen dem Auge oft die Theile des Koͤrpers, die an Geſtalt die ſchoͤnſten ſind, und zeigen ihm andere, die den Ausdruck des Ganzen beſſer unterſtuͤtzen. Ja! zuweilen opfern wir den einzelnen Theil des Koͤrpers der Form der Maſſe mehrerer zuſammen - gruppirten auf. Das Auge will Ruhe haben, wir halten eine ſchoͤne Figur im Schatten.
Alles dies beweiſt, wie viel wir uͤber die Noth - wendigkeit einer ſchoͤnen Bildung einzelner Figuren zu Gemaͤhlden, die eine Handlung darſtellen, an - ders denken als die Bildhauer und vielleicht auch die Mahler der Alten. Wir konnten nicht ſo ſchoͤn ſeyn, wie ſie, moͤchte ich mit dem Apelles ſagen, wir haben geſucht reicher zu werden, und wenn wir den Eindruck des Ganzen durch Schoͤnheit zu unterſtuͤtzen ſuchen, ſo beſorgen wir dieſe doch nur in ſo fern wir zugleich bedeutungsvoll bleiben koͤnnen; die Alten waren ſo bedeutungsvoll als ſie ſich ſchoͤn erhalten konnten. Unſere Mahlerei verhaͤlt ſich zu ihrer Sculptur, als Kuͤnſte, die das Coexiſtirende darſtel - len, wie ſich in Kuͤnſten, die das Succeſſive ſchildern, die Pantomime zum Tanz verhaͤlt. Ja! wenn ich nur witzig ſeyn wollte, ſo moͤchte ich ſagen, daß die Mahlerei den Begriff des Coexiſtirenden, die Bild - hauerei des einzeln Exiſtirenden unter den bildenden Kuͤnſten am vollſtaͤndigſten lieferen.
Sind dieſe Vorausſetzungen wahr, wie ſie denn die Erfahrung beſtaͤtigt, ſo folgt daraus, daß die Spur zur Vollkommenheit in der Mahlerei nicht vonder48Villa Albani. der Schoͤnheit zur Wahrheit des Ausdrucks, ſondern umgekehrt ausgehe: daß daher die Befolgung eines Weges, den die Bildhauerei in Ruͤckſicht auf einen ganz andern Zweck einſchlaͤgt, mit unendlichen Ge - fahren der Verirrung verknuͤpft ſey.
Welches iſt die erſte Regel, die man dem Schauſpieler giebt, der durch ſeine Aktion ein deutli - ches Bild von dem Zuſtande ſeiner Seele in einer ge - wiſſen Situation geben ſoll? Er ſoll uͤber die Sorge fuͤr die Schoͤnheit ſeiner Gebaͤhrden, nie die Wahr - heit des Ausdrucks aus den Augen ſetzen. Und eine andere Regel, die von dieſer abhaͤngt: Er ſoll nie dem Taͤnzer, und waͤre ſeine Stellung noch ſo wohl - gefaͤllig, dieſe ſclaviſch abborgen. Er ſoll auf die Natur um ihn herum, auf ſeine eigene Empfindung zuruͤckgehen, ſie zuerſt zu Rathe ziehen, die Aktion, die ſie ihn lehrt, nach den Grundſaͤtzen der Schoͤn - heit, von denen ſeine Seele im Allgemeinen durch - drungen iſt, ummodeln, nicht nach gegebenen Vor - bildern der Schoͤnheit im Einzelnen beſtimmen.
Mich duͤnkt eine gleiche Verbindlichkeit ruhet auf dem Geſchichtsmahler. Wenn er ſeine erſte Ruͤckſicht auf Schoͤnheit der Bildung einzelner Figu - ren nimmt, wenn er gar in dieſer Abſicht ganze Statuen der Alten in ſeine Gemaͤhlde uͤbertraͤgt; ſo wird er den Ausdruck, der der Situation angemeſ - ſen iſt, ganz gewiß verfehlen. Er wird nicht hoffen duͤrfen, die Schoͤnheit des Originals zu erreichen, und die Empfindung der Wahrheit wird in ihm erkalten.
Die langſame mechaniſche Behandlung loͤſcht ohnehin das Feuer der Einbildungskraft ſo leicht aus,und49Villa Albani. und ſtumpft die Spitze des Gefuͤhles ab; wie viel groͤßer iſt dieſe Gefahr, wenn wir Geſchoͤpfen einer fremden Erfindung einen der ſelbſt gedachten Situa - tion angemeſſenen Ausdruck geben ſollen. Geſchoͤ - pfen, die wir in einem Zuſtande der Ruhe vorgeſtellt ſehen, welcher fuͤr die Wuͤrkung, die ſie hervorbrin - gen ſollten, vollkommen paßte, und die wir nun erſt in einen leidenſchaftlichen verſetzen muͤſſen!
Aber wie ſoll es denn der Kuͤnſtler machen? Soll er dem baͤrtigen Bettler die Rolle eines Apoſtels geben, der Buhlerin die Rolle einer Diana? Ich billige ſo wenig das Modell aufgerafft von der Straße, als das Meiſterſtuͤck hergeholt aus den Saͤlen des Vaticans: obgleich in Ruͤckſicht auf Wahrheit, die Bequemlichkeit das lebende Modell in die paſſende Stellung zu ſetzen, dieſem einen un - ſtreitigen Vorzug vor dem unbeweglichen Steine anweiſet.
Aber o! junger Mahler! wenn du Genie haſt zur Darſtellung handelnder Menſchen unterſtuͤtzt von einer wohlgeleiteten Ausbildung, du wirſt nicht fra - gen, woher du deine Geſtalten nehmen ſollſt! Du haſt den Keim zu Affekten in dir ſelbſt, du haſt dir ſelbſt und andern ihre Aeußerungen abgeſtohlen! Du wirſt begeiſtert von einem heiligen Feuer, mit der Vorſtellung einer Situation, die einer wohlgefaͤlligen ſichtbaren Darſtellung faͤhig iſt, zugleich die Geſtal - ten in deiner Seele aufſteigen ſehen, die ſie verlangt! Sie werden die ergreifende Wahrheit haben, die ein langes Studium der Natur deiner Erinnerung ein - gepraͤgt hat; Sie werden den Zuſatz von SchoͤnheitZweiter Theil. Dhaben,50Villa Albani. haben, mit dem zu ſchaffen, durch deine lange Be - kanntſchaft mit den Antiken, und durch dein ſtetes Streben, die Natur zum Ideal zu heben, dir zur Fertigkeit, zur andern Natur geworden iſt! Geht ihnen etwas an Wahrheit, an moͤglicher Schoͤnheit ab, fuͤhre ſie auf die Natur, auf die Antike zuruͤck; aber daß ſie nie das Eigenthuͤmliche des Charakters verlieren, den die Situation fordert, den deine Em - pfindung ihnen mittheilte!
† Basreliefuͤber dem Camine Antiope zwi - ſchen ihren beiden Soͤhnen Zethus und Am - phion. Der Ausdruck des Troſtes, den ſie ihrer Mutter geben, iſt unvergleichlich. 23)Winkelm. G. d. K. S. 720.
Zwei weibliche Buͤſten von gruͤnem Ba - ſalt, von gutem Charakter.
Eine Buͤſte aus weißem Marmor.
Im erſten Zimmer mit dem Billard.
Mehrere Statuen in Niſchen. Man findet nichts Außerordentliches darunter.
In51Villa Albani.In einem Nebenzimmer, das mit Arabeſ - ken gezieret iſt, trifft man einen weiblichen Sa - tyr, und in einem kleinen Cabinet dabei ein Bas - relief im Etruſciſchen Stile an.
Linker Hand von dem Billard ſieht man in einem kleinen Hofe uͤber einer kleinen Fon - taine den Prieſter, von dem Winkelmann24)G. d. K. S. 158. W. E. glaubt, daß er ein Etruſciſches Werk ſey. Kuͤnſtler und Liebhaber werden ſich wohl nicht dabei aufhalten.
Auf dem Wege von hieraus zum ſogenann - ten Caffeehauſe oder zur Grotte.
Eine Gruppe eines Satyrs, der den Apollo auf der Floͤte ſpielen lehrt, einen Ju - piter, und einen Paris.
In dem Caffeehauſe oder in der Grotteſelbſt.
† Eine ſchoͤne Vaſe von weißem Marmor, mit einem Bacchanal von gutem Stile.
Pollux, der den Lynceus umbringet, Basrelief mit Figuren in Lebensgroͤße.
Eine Vaſe, die zu dem Baſſin einer Fontaine gedient zu haben ſcheint, mit ſchoͤnen Figuren von Faunen, Bacchantinnen, Hermaphroditen u. ſ. w. Sie ſind von ſchoͤner Erfindung.
Theſeus, der ſeine Waffen unter einem Felſen findet. Basrelief.
D 2Ein52Villa Albani.Ein Sarcophag mit der Hochzeit des Peleus. Winkelmann25)Geſchichte der Kunſt S. 498. ſpricht davon mit vielen Lobeserhebungen. Auch ſind Zuſammenſetzung und Stil vorzuͤglich in Koͤpfen und Gewaͤndern des Lobes werth; aber die Ausfuͤhrung iſt hin und wieder ver - nachlaͤßiget, und die Figuren ſind ein wenig kurz. Mit wenig Muͤhe wuͤrde man ein vortreffliches Werk daraus machen.
Noch bemerke ich der Seltenheit wegen, eine Phaͤdra, die von der Amme getroͤſtet wird, welche nachher bei dem Hippolytus auf eben dieſem Basrelief zur Unterhaͤndlerin wird.
Zwei Wiederholungen eines Amors der den Bogen ſpannt. Die Koͤrper, die antik ſind, ſehr ſchoͤn.
Ein Alexander, ein ſitzender Auguſt ge - harniſcht.
Eine ſitzende Roma mit einem Gewande von ſchwarzem Marmor.
Eine Nymphe und zu beiden Seiten zwei coloſſaliſche Koͤpfe von Flußgoͤttern. Win - kelmann26a)G. d. K. S. 293. haͤlt dieſe Koͤpfe fuͤr Tritonen. Floß - federn bilden ihre Augenbraunen. Sie unterſchei - den ſich von einem aͤhnlichen Kopfe in dem Muſeo Clementino durch einen gemeinern Charakter.
Aeſop, eine Terme voller Charakter.
Ein ſchoͤner Tiber, und ein Trajan. Buͤſten.
Otto eine ſeltene Buͤſte. Naſe neu. 26 b)Winkelmann G. d. K. S. 818.
Eine Pallas wegen großer Sohlen merk - wuͤrdig.
Eine Diana.
Caligula als Prieſter,27)Winkelmann G. d. K. S. 796. ſchlecht, aber rar.
Auf den Saͤulen einige Schauſpieler mit Maſken. Vitellius und Antonin der Fromme. Buͤſten.
† Aeſculap eine gute Statue. Winkel - mann28 a)G. d. K. S. 290. ruͤhmt vorzuͤglich den Kopf und bemerkt daran die gehobenen Haare, in welchem einzelnen Theile kein beſonderer Unterſchied ſey zwiſchen dem Vater der Goͤtter und deſſen Enkel.
† Titus, Buͤſte.
Veſpaſian, Buͤſte.
Hadrian.
Theophraſt, Buͤſte mit einem antiken Nahmen.
Septimius Severus, Caracalla, Lucius Verus, Buͤſten.
Ein Hercules Bibax oder trunkener Her - cules, Statue. Er ſtuͤtzt ſich ſchwankend auf ſeine Keule. Auf dieſe Vorſtellung iſt man wahrſcheinlichD 3durch54Villa Albani. durch die Bemerkung gekommen, daß Maͤnner von ſtarker Natur nicht immer die enthaltſamſten zu ſeyn pflegen. 28 b)Winkelm. Verſucheiner Allegorie S. 45 bemerkt, daß er ſein Waſſer laͤßt.
† Thetis. In den Truͤmmern der Villa Antonini Pii gefunden. Der Kopf, ein Arm, beide Haͤnde, und ein Bein ſind neu. Sie iſt bis auf die Schenkel unbekleidet, und lehnt ſich auf ein Ru - der, welches auf einem Triton ſtehet. Mit dieſem hat ſich ein Theil der Baſe erhalten, worauf drei Dolche erhoben gearbeitet ſind, und die, wie Win - kelmann29)G. d. K. S. 849. behauptet, nicht, wie gemeiniglich an - genommen wird, am Vordertheile, ſondern am Hintertheile der alten Schiffe befindlich waren. Nach dieſer Idee iſt die Baſe ergaͤnzt.
Winkelmann geraͤth bei Beſchreibung dieſer Statue in eine Art von Entzuͤckung, die man ſeinem feurigen Gefuͤhle fuͤr das Schoͤne, und ſeiner dank - baren Anhaͤnglichkeit an dem Cardinal ſeinem Goͤnner zu Gute halten muß. — „ Sie gehoͤre, ſagt er, „ unter die allerſchoͤnſten des Alterthums. “— „ In keiner weiblichen Statue, die mediceiſche Venus kaum ausgenommen, erſcheine die Jugend an der Graͤnze des reifern Alters ſo ſchoͤn, ſo zuͤchtig rein. “— „ Ihr Haupt gleiche der aufbrechenden Knoſpe einer Fruͤhlingsroſe. “— „ Unter dem Gewande erblicke man die ſchoͤnſten Schenkel, die je in Marmor gebil - det worden. “— „ Der dichteriſche Meiſter dieſer Nereide bringe ſie aus den Wellen des Meeres her - aus, annoch ungeruͤhrt von Liebe “ꝛc. —
Ganz55Villa Albani.Ganz ſo viel duͤrften unbefangene Augen wohl nicht in dieſer Statue finden. Inzwiſchen gehoͤrt ſie immer unter die ſchoͤnſten und ſeltenſten dieſer Sammlung. Ihr Charakter laͤuft mit dem Cha - rakter einer Venus zuſammen.
Galba, ſeltene und ſchoͤne Buͤſte. 30)Winkelmann G. d. K. S. 818.
Ich vermuthe auch, daß hier die weibliche Statue mit einem maͤnnlichen Geſichte ſtehet, von der Winkelmann31)G. d. K. S. 860. als von der angeblichen Mutter des Heliogabalus redet, die ich aber uͤberſehen zu haben bekennen muß.
An den Baſen dieſer Statuen ſind Basreliefs angebracht, die fuͤr die Kunſt wenig Merkwuͤrdiges haben.
Hinter dieſem Xyſtus findet ſich ein Vorſaal, in dem man mehrere Aegyptiſche Figuren antrifft.
Eine Aegyptiſche Prieſterin aus weißem Alabaſter mit Hieroglyphen. Der obere Theil iſt modern. Winkelmann32)G. d. K. 113. ſpricht weitlaͤuftig davon. Sie gehoͤrt aber nicht in meinen Plan.
Eine Iſis aus ſchwarzem Baſalt. Sie ſcheint eine Nachbildung des aͤlteren Stils zu ſeyn. Inzwiſchen verraͤth das zwiſchen den Bruͤſten zu - ſammengeknuͤpfte Gewand den Kuͤnſtler mit griechi - ſchen Ideen. 33)Winkelmann G. d. K. S. 79.
D 4Eine56Villa Albani.Eine Menſchenfigur mit einem Loͤwen - kopfe. Winkelmann ſagt:34 a)G. d. K. S. 73. der Kopf habe etwas von einem Loͤwen, einer Katze und einem Hunde zugleich, und nennt ſie Anubis. Vermi - ſchung des Griechiſchen und Aegyptiſchen Stils aus rothem Mamor oder wie andere wollen, aus Lava. Den Bruͤſten nach ſollte man dieſe Statue fuͤr eine Bubaſtis halten.
Eine große Aegyptiſche Figur von Roſſo antico. Scheint aus der Zeit des Hadrians zu ſeyn.
Ein Aegyptiſcher Prieſter aus ſchwarzem Marmor auf den Hacken ſitzend.
Hinter dieſem Vorzimmer folgt ein Saal.
Er iſt ſehr ſchlecht decoriret, und der Plafond, der ein Bacchanal vorſtellet, und nach einer Zeich - nung des Gulio Romano gemahlt iſt, macht dem Meiſter wenig Ehre.
Man ſieht hier zwei Statuen von ſchwarzem Marmor, einen tanzenden Faun, und einen Ringer, der ein Oehlflaͤſchchen haͤlt,34 b)Winkelmann erwaͤhnt beider. G. d. K. S. 517. an deren Fußgeſtellen aber † zwei ſehr ſchoͤne Mo - ſaiken. Das eine ſoll eine Schule der Philo - ſophie, das andere Heſione vorſtellen, die Her - cules errettet. Auf dem letzten bemerkt Winkel - mann35)G. d. K. S. 419. den Schleier, womit Heſione ihr Haupt bedeckt, als den einzigen, der ihm bekannt iſt.
In57Villa Albani.In der Mitte des Gartens eine ſchoͤne Fontaine, die aus einem großen Baſſin von ſchwarzem Granit beſtehet, welches vier Atlanten oder Sylenen tragen. Die Atlanten haben viel Charakter und Ausdruck, und die Maſſe des Gan - zen iſt mahleriſch und wohl angeordnet.
Ferner trifft man darin mehrere Sphynxe, eine große Chimaͤra, viele Statuen, Buͤſten, Sarcophagen, die zu Fontainen dienen, eine ſchoͤne gut erhaltene Meta Circi, ein wildes Schwein in einer Grotte, und einen Obeliſk an.
Dieſen Obeliſk bekam der Cardinal auf eine ſon - derbare Art. Er diente einer der Thuͤren des Pal - laſtes des Prinzen Santa Croce zum Pfeiler. Ein Englaͤnder fand ihn, und der Cardinal hatte viele Muͤhe und Koſten, ihn zu erhalten.
† Zwei vortreffliche coloſſaliſche Buͤſten des Titus und des Trajans. 36)Winkelmann redet von dem erſten G. d. K. S. 820. von dem zweiten ebendaſelbſt S. 829.
Ein Flußgott aus ſchwarzem Marmor.
Zwei Sphynxe aus Granit.
Noch ein anderer Flußgott aus ſchwar - zem, und
Ein dritter aus weißem Marmor. Alle in Niſchen, die auf Caryatiden ruhen.
D 5Auf58Villa Albani.Auf der Terraſſe vor dem Hauſe ſelbſt, eine vortreffliche Vaſe, die auf Greifen ſtehet; zwei Loͤwen aus weißem Marmor; einige Termen und Statuen.
Winkelmann37)G. d. K. S. 489. erwaͤhnt einer erhobenen Arbeit in dieſer Villa, worauf ein kindlicher Satyr oder Faun (er nennet ihn das ſchoͤnſte Kind, welches ſich aus dem Alterthume erhalten hat) mit ſolcher Wol - luſt aus einem Schlauche trinke, daß die Augaͤpfel in die Hoͤhe gedrehet waͤren.
Nach den Erkundigungen, die ich daruͤber in Rom einzog, ſollte dieſes Werk ſchon bei Lebzeiten des Cardinals abhanden gekommen ſeyn, ohne daß man den Ort feiner gegenwaͤrtigen Aufbewahrung wuͤßte. Jetzt finde ich in der neuen italiaͤniſchen Ueberſetzung der Winkelmanniſchen Geſchichte der Kunſt von Fea T. II. p. 122. n. B. daß es ins Muſeum Clemen - tinum gekommen ſey, und daß man bei der Reſtau - ration dem Knaben eine Schaale in die Haͤnde gege - ben habe, in der Stellung, als wolle er ſie zum Munde bringen, um daraus zu trinken. Ich habe dies Werk bei meiner Anweſenheit in Rom nicht gefunden.
Winkelmann38)S. 285. gedenket auch eines als Bac - chus ergaͤnzten Apollo 9 Palme hoch, von der Mitte des Koͤrpers an bis auf die Fuͤße bekleidet, als eines Beweiſes, daß in einigen Statuen des Apollodeſſen59Villa Albani. deſſen Bildung einem Bacchus ſehr aͤhnlich ſey. Ich habe dieſe Figur wahrſcheinlich uͤberſehen, ſo wie zwei jugendliche Hermen39)S. 83. mit dem Felle eines Hundekopfs, wie Hercules mit der Loͤwenhaut be - deckt. Wahrſcheinlich Lares, Penates oder Haus - goͤtter, und die Nemeſis, nach Winkelmann40)Verſuch einer Allegorie S. 54. die einzige Statue dieſer Goͤttin in der Welt.
Wenn auch der Antiquar in meiner Beſchrei - bung etwas vermiſſen ſollte, ſo fuͤrchte ich doch fuͤr den Liebhaber ſchon zu umſtaͤndlich geweſen zu ſeyn. Ich muß uͤberhaupt bei dieſer Gelegenheit meine Leſer wiederholend erinnern, dies Werk nicht als eine Nomenclatur all und jeder Werke anzuſehen, die vielleicht in verſchiedener Ruͤckſicht verſchiedenen Beobachtern merkwuͤrdig ſeyn koͤnnten. Ich ſchreibe uͤber Mahlerei und Bildhauerkunſt in Rom, nicht uͤber jedes daſelbſt befindliche Stuͤck insbeſondere. Was mein Gefuͤhl fuͤr das Schoͤne rege gemacht hat, habe ich aufgezeichnet, und ich liefere es jetzt ſo wie - der, wie ich glaube, daß es jenes Gefuͤhl, und die Grundſaͤtze rechtfertigen kann, auf die ich es zu - ruͤckfuͤhre. Die Bildung des Geſchmacks iſt mein einziger Wegweiſer: und nur dann verdiene ich Vor - wuͤrfe, wenn ich ein Stuͤck vorbei laſſe, welches dieſe auf eine merkliche Art befoͤrdern kann.
Iſt von Pozzo1)Andreas Pozzo geb. zu Trient 1642. geſt. 1709. Er trat in den Jeſuiterorden. Sein Haupt - verdienſt iſt Perſpektivmahlerei, die er bis zur hoͤchſten Illuſion trieb. Schade, daß ſein Ge - ſchmack in der Architektur, und vorzuͤglich in den Decorationen, weder ſimpel noch edel iſt, und daß ſeine Farben ſo leicht verblichen. und Angelini2a)Scipio Angelini von Peruzia geb. 1661. geſt. 1729. ein geſchickter Blumenmahler, mehr der Leichtig - keit als der Wahrheit wegen, die er in ſeine Werke brachte, merkwuͤrdig. in ſchlechtem Geſchmacke decorirt.
In dem zweiten Zimmer findet man einige Landſchaften von Pouſſin2b)Wenn bei der Anzeige des Meiſters einer Land - ſchaft der Nahme Pouſſin ſchlechtweg genanntwird, in Waſſerfar - ben. Sie ſind vortrefflich gedacht.
In61Pallaſt Colonna.In einer Kammer darneben, eine Ma - donna auf durchſichtigen Alabaſter gemahlt, uͤber einem Altar in einer Niſche. Das Licht faͤllt hinten durch, und wenn das Zimmer vorn verdun - kelt wird, ſo iſt der Effekt pikant.
Nach einigen Zimmern, die mit Gobelins tapeziret ſind, folgt ein anderes mit einer Auf - erſtehung des Lazarus von Battoni. Dies Bild iſt eigentlich ohne Wahrheit, aber es hat das Verdienſt einer guten Anordnung und eines ſehr pikan - ten Helldunkeln.
Man ſieht hier auch einige Landſchaften von Lucatelli in der Manier des Salvator Roſa, den er uͤberhaupt nachzuahmen ſuchte.
Zwei Landſchaften des Claude Lorrain, die aber nicht zu ſeinen beſten Werken gehoͤren.
† Zwei ganz vortreffliche Marinen von Backhuyſen. 3)Ludolph Backhuyſen geb. zu Embden geſt. 1709. niederl. Schule. Geſchickter Marinenmahler.
In2b)wird, ſo verſteht man darunter den Caſpre, oder Guaſpro Pouſſin. Sein Vetter Nicolaus hat zwar auch Landſchaften gemahlt: aber dann pflegt der Vornahme mit genannt zu werden. Bei hiſto - riſchen Compoſitionen deutet hingegen der Nahme Pouſſin ſchlechtweg den Nicolaus an. Denn in dieſer Art Mahlerei war der Caſpre nicht ſonderlich ſtark.
Zwei der beſten Landſchaften des Ori - zonte.
Eine ſehr ſchoͤne Marine von Lucatelli.
Zwei Pouſſins in Waſſerfarben.
† Die beruͤhmte Cencia. So nennt man einen weiblichen Kopf, der die Gewaͤhr fuͤr jene Worte eines unſrer beruͤhmteſten dramatiſchen Schrift - ſteller leiſtet: Die Natur wollte bei der Bildung des Weibes ihr Meiſterſtuͤck machen, aber ſie nahm den Stoff zu fein. Wo waͤre der determinirteſte Eheſcheue, der gegen das Gluͤck, das ihm aus dieſen Augen voll unausſprechlicher Sanftmuth, Hingebung und Em - pfindbarkeit verſprochen wuͤrde, nicht gern allen Vor - zuͤgen des ungebundenen Standes entſagte? Wo der Spoͤtter des weiblichen Geſchlechts, deſſen Pfeile an dieſen Zuͤgen voll unbefangener Unſchuld nicht ſtumpf zu Boden fielen? Kein Gedanke an ein anderes Geſetz, als das was die Natur ihrem Herzen ein - ſchrieb, hat dieſes je in heftigere Bewegung geſetzt, und ſind ihr Wuͤnſche uͤbrig geblieben; — ſie wird die Gewaͤhrung mit Dankbarkeit, die Verſagung ohne Murren tragen.
Kurz! Cencia iſt das Ideal der ſanfteſten, ge - fuͤhlvolleſten, reinſten und duldſamſten weiblichen Seele, nicht das Ideal der Formen, nicht eines hohen Ausdrucks. Man kann ſchoͤner ſeyn, viel - leicht intereſſanter, aber liebenswuͤrdiger iſt man nicht.
Dieſe Liebenswuͤrdigkeit, dieſe Liebenswuͤrdig - keit des Herzens, die aller Herzen gewinnt, iſt dieUrſache63Pallaſt Colonna. Urſache geweſen, warum man die Geſtalt, die ſie in ihren Zuͤgen zeigt, ſo gern uͤberall hat um ſich haben moͤgen. Von keinem Gemaͤhlde ſieht man haͤufigere Copien als von dieſem.
Nimmt man den Nahmen, den man dieſem Kopfe beilegt, als gewiß an, ſo gehoͤrt er einer Va - termoͤrderin. Man traͤgt ſich naͤmlich in Rom mit einer Geſchichte, nach welcher der Ort, wo gegen - waͤrtig die Villa Borgheſe befindlich iſt, die Beſitzung einer reichen Familie war, Cenci genannt. Das Haupt derſelben, ein Ausbund aller Laſter, hat, nach eben dieſer Sage, wiederholte Angriffe auf die Unſchuld ſeiner Tochter gewagt, denen zu entgehen, dieſe einige Moͤrder, den unnatuͤrlichen Vater umzu - bringen, beſtellte. Als dieſe ſchon in der Kammer verborgen waren, hat die Tochter den Dolch ergrif - fen, und den Vater ſelbſt im Schlafe erſtochen. Mutter und Bruder haben darum gewußt: Sie ſind alle drei vor der Engelsburg enthauptet worden, und die paͤbſtliche Kammer hat ihr Vermoͤgen eingezogen, von dem der Cardinal Scipio Borgheſe, Neffe des damaligen Pabſtes Paul des 5ten an dem Platze, deſſen Beſitzung einen Theil deſſelben ausmachte, die beruͤhmte Villa Borgheſe angelegt hat.
Andere geben der Geſchichte eine andere Wen - dung, glauben die Familie ſey blos ein Opfer der Haabſucht der Familie Borgheſe geworden, und das angedichtete Laſter eine Beſchoͤnigung ihrer Bos - heit. Andere leugnen ſie ganz ab, und gewiß iſt es, daß ſie nicht vielmehr, als die Autoritaͤt einer italie - niſchen Novelle fuͤr ſich hat, die im Manuſcriptin64Pallaſt Colonna. in der Bibliothek des Prinzen Chigi aufbewahrt wird.
Genung, der erſteren Behauptung nach, hat Guido Reni dieſes Portrait nach der Moͤrderin in dem Aufzuge gemahlt, wie ſie zum Richtplatz gefuͤhrt worden, und dieſe Nachricht iſt in Deutſchland durch Hrn. Lavaters phyſiognomiſche Fragmente beſonders ausgebreitet worden. Mir ſcheint ſie ſehr verdaͤchtig. Nicht zu gedenken, daß die eben angefuͤhrte Novelle der Delinquentin am Tage ihrer Hinrichtung ein ſchwarzes Gewand giebt, und daß ſie hier im weiſ - ſen erſcheint; daß zu Freſcati in der Villa Mondra - gone ein Bildniß der Cencia haͤngt, das, den Ab - ſtand der Natur gegen das Ideal abgerechnet, mit dem unſrigen nicht die geringſte Aehnlichkeit hat: wie laſſen ſich die heitere Ruhe, die reizvolle Unbefangen - heit, die ſanfte Zaͤrtlichkeit, Hauptzuͤge in dem gegen - waͤrtigen Kopfe, mit der Faſſung der Ungluͤcklichen am Tage ihrer Hinrichtung reimen? Auch bei dem hoͤchſten Bewußtſeyn von Unſchuld wuͤrde doch ihr Blick uͤber den Tod ihres Vaters, uͤber das Schick - ſal ihrer Mutter und ihres Bruders ernſter und einge - zogener geworden ſeyn. Kurz! ich glaube man geht am ſicherſten, wenn man ſchlechtweg ſagt: es iſt ein idealiſirtes Portrait eines jungen Maͤdchens in dem angegebenen Charakter.
So zweifelhaft wie die Bedeutung iſt auch der Nahme des Meiſters. Man ſchreibt dies Bild dem Guido Reni zu, aber die Behandlung iſt ganz ver - ſchieden von derjenigen, die wir ihm kennen. Die Umriſſe ſind bis zur Ungewißheit verſchmolzen, unddie65Pallaſt Colonna. die Schatten fallen ins braunroͤthliche. Wahrſchein - lich iſt es von ſpaͤterer Hand: Doch! es ſey von wem es wolle, es bleibt immer ein ſehr angenehmes Bild.
Eine ſehr intereſſante Frage wuͤrde es ſeyn:Wahrſchein - lichkeit uͤber Wahrheit in den bilden - den Kuͤnſten. wenn dieſer Kopf wirklich der Cencia gehoͤrt haͤtte, waͤre der Mahler, der ſie in dem Augenblicke der Ermordung ihres Vaters haͤtte darſtellen wollen, be - rechtigt geweſen, denſelben beizubehalten, da er ſo ſehr mit dem Charakter contraſtirt, von dem wir eine ſo kuͤhne That erwarten duͤrfen?
Ich glaube nicht: und zwar nach der Regel, daß in den bildenden Kuͤnſten das Wahre dem Wahr - ſcheinlichen aufgeopfert werden muͤſſe. Der Dichter koͤnnte durch Entwickelung einer Reihe von Atrocitaͤ - ten es vielleicht wahrſcheinlich machen, daß auch das ſanfteſte Geſchoͤpf endlich zu einem verzweifelten Ent - ſchluß gegen den Urheber ſeiner Tage gebracht worden waͤre; aber der Mahler, der die handelnde Perſon nur einmal zeigt, muß ſie mit dem Charakter zeigen, der die gegenwaͤrtige Handlung am auffallendſten be - greiflich macht: ſo wie ich ſie da ſehe, wuͤrde ſie den Stahl gegen ſich ſelbſt kehren, nicht gegen den Vater.
Eine Saͤule von Roſſo Antico. Die dar - an befindlichen Basreliefs ſind mittelmaͤßig.
Zur Wohnung des Prinzen d’Avello ge - hoͤren noch einige Zimmer im obern Geſchoß. Hier findet man
Den verlohrnen Sohn von Salvator Roſa. Ein Gaſſenjunge, der mit vieler Wahrheit darge - ſtellt iſt.
Zweiter Theil. EMeh -66Pallaſt Colonna.Mehrere Landſchaften von Pouſſin in Waſ - ſerfarben.
Eine andere ebendeſſelben Meiſters in Oehl, die einen Sturm vorſtellet, iſt von großem Effekt. Doch faͤllt die Faͤrbung zu ſehr ins Gruͤne.
Ein alter Kopf von Guido.
Ein heiliger Hieronymus von Spagnoletto.
Eine Familienſcene, die man das Teſta - ment nennet, von ebendemſelben.
In einem andern Zimmer trifft man meh - rere Gemaͤhlde vom Stendardo,4a)Petrus van Bloemen, des Orizonte Bruder, geb. 1649. geſt. 1719. mahlte gemeiniglich Feldſchlach - ten, Caravanen, Pferdemaͤrkte, Roͤmiſche Feſte ꝛc. und da er in dieſen Aufzuͤgen haͤufig Fahnen an - brachte, ſo erhielt er daher den Nahmen Stendardo. Orizonte, und Guaſpro degli Occhiali an.
† Eine heilige Magdalena, Bruſtſtuͤck von Guido. Fuͤr mich der ſchoͤnſte Weiberkopf, der je in neueren Zeiten gemahlt iſt: das Kunſtwerk, das ich unter allen in Rom waͤhlen wuͤrde, wenn ich nur eines mit einer einzelnen Figur zu waͤhlen haͤtte: der hoͤchſte Punkt der Vereinigung des Ausdrucks einer thaͤtigen Seele, und der Schoͤnheit der Geſtalt, den ich in der Mahlerei kenne, und annehmen mag.
Eine Cencia unterſcheidet ſich von einer Magda - lena, wie die Gattin von der Geliebten. Jenekoͤnnt67Pallaſt Colonna. koͤnnt ihr achten, wenn ihr ſie nicht anbetet. Dieſe iſt euch alles oder ſie iſt euch nichts.
Der hoͤchſten Tugenden faͤhig, wie der hoͤchſten Irrungen, zu denen heißes Blut und uͤberſpannte Phantaſie ſo leicht verfuͤhren koͤnnen, hat Magda - lena im Rauſch der Sinne eine Zeitlang die Forde - rungen ihres leeren Herzens zu betaͤuben geſucht. Aber umſonſt! Ihr liebeſchwaͤrmeriſches Auge er - hebt ſich jetzt zum Himmel, den ihre Einbildungskraft an die Stelle des Irrdiſchen ſetzt, das die Wuͤnſche ihres pochenden Buſens nicht hat befriedigen koͤnnen! Thraͤnen rollen jetzt uͤber ihre Wangen, Zeugen der Reue, daß ſie ehemals durch eitle Freude entſtellt ſind! Jetzt fliegt unbekuͤmmert um den Beifall der Sterblichen das goldene Haar ſchmucklos um ihren Buſen. Sie ſchlaͤgt die gefalteten Haͤnde darwider voll Zerknirſchung, Innbrunſt und Hingebung in die Gnade des Himmels. Welch ein Weib fuͤr den Mann, der ihre Einbildungskraft und ihre empfin - dungsvolle Seele auszufuͤllen im Stande geweſen waͤre! Wie ſehr muͤſſen ſelbſt die uͤberwundenen Schwachheiten die Sicherheit zu der Staͤrke zu der Haltſamkeit erhoͤhen, mit der ſie forthin an der Tu - gend haͤngen wird! So viel uͤber den Ausdruck.
Und nun die Schoͤnheit der Form! Es iſt nicht das Ideal der Antike, mit deſſen Anblick uns zugleich alle Erinnerung und alle Hoffnung aͤhnlicher Erſchei - nungen in der Natur verlaͤßt! Nein! Wir fuͤhlen wohl, daß die Zuͤge, aus denen dieſer Kopf zuſam - mengeſetzt iſt, uns nur einzeln in der Natur aufge - ſtoßen ſind, allein wir verzweifeln nicht daran, ſie einſt in wirklicher Vereinigung anzutreffen.
E 2Viel -68Pallaſt Colonna.Vielleicht duͤrfte man in einer Kunſt, deren Hauptvorzug Ausdruck einer thaͤtigen Seele iſt, das Ideal der Formen nicht treiben. Die Wahrſchein - lichkeit, auf die es bei Darſtellung des Affekts am meiſten ankoͤmmt, duͤrfte groͤßer ſeyn, wenn die Ge - ſtalt, die ſie ausdruͤckt, uns mit <