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[I]
Ein
Lehrgedicht
von
Friedrich
Rückert
.
[II]
[III]
Die
Weisheit
des
Brahmanen
,
ein
Lehrgedicht
in
Bruchſtücken
.
Von
Friedrich
Rückert
.
Sechstes
Bändchen
.
Leipzig
,
Weidmann
'
ſche
Buchhandlung
.
1839.
[IV]
[1]
XVI
.
Ruͤckert
,
Lehrgedicht
VI
.
1
[2]
[3]
(
I.
)
1.
D
ie
Poeſie
iſt
Gold
;
ein
weniges
vom
holden
Metall
,
mit
Kunſt
gedehnt
,
reicht
Welten
zu
vergolden
.
2.
Wer
unberedet
wuͤnſcht
zu
bleiben
,
der
muß
ſchweigen
,
Und
wer
ſchief
angeſehn
nicht
ſeyn
will
,
ſich
nicht
zeigen
.
3.
Im
Voraus
freuen
mag
ſich
ſchon
der
guten
That
,
Wer
nur
dazu
gefaßt
den
feſten
Vorſatz
hat
.
1*
4
4.
Ein
Knabe
lernt
nur
von
geliebten
Lehrern
gerne
;
Du
aber
ſei
ein
Mann
,
auch
von
verhaßten
lerne
!
5.
Der
Mann
,
der
erſt
ein
Schelm
geworden
,
wird
nie
bieder
;
Aus
Wein
wird
Eſſig
leicht
,
nie
Wein
aus
Eſſig
wieder
.
6.
Der
Adler
fliegt
allein
,
der
Rabe
ſchaarenweiſe
;
Geſellſchaft
braucht
der
Thor
,
und
Einſamkeit
der
Weiſe
.
7.
Wenn
du
vom
Freunde
ſeinen
Stand
nicht
abzuziehn
Vermagſt
,
ſo
iſt
kein
Freund
dir
auf
der
Welt
verliehn
.
8.
Erhabnes
,
findet
es
erhabne
Stimmung
nicht
,
Erſcheinet
laͤcherlich
im
Leben
,
im
Gedicht
.
5
9.
Wer
edel
lebt
und
ſtirbt
,
der
iſt
mir
auserkoren
Zum
Edlen
,
ob
er
auch
unedel
ſei
geboren
.
10.
Beſcheiden
wollt
'
ich
ſeyn
,
ſaͤh
'
ich
mich
vollgeehrt
;
Stolz
muß
ich
ſeyn
ſolang
ihr
leugnet
meinen
Werth
.
11.
Der
Ruhm
hat
einen
Grund
;
wenn
dieſer
Grund
erſt
liegt
,
Macht
er
,
daß
manches
ſchwer
,
was
an
ſich
leicht
iſt
,
wiegt
.
12.
Wer
fremde
Fehler
ruͤgt
,
glaubt
ſich
der
eignen
quitt
;
Und
wer
entſchuldigt
jen
'
,
entſchuldigt
ſich
damit
.
13.
Geh
weg
,
o
Sonne
,
denn
der
Mond
will
auch
nun
ſcheinen
;
Ich
habe
gnug
gelacht
,
und
moͤcht
'
einmal
auch
weinen
.
6
14.
Schon
zu
beneiden
iſt
,
wen
Taͤuſchung
nur
begluͤckt
,
Noch
mehr
ein
Gluͤcklicher
,
der
nicht
ſich
ſelbſt
beruͤckt
.
15.
An
den
im
Garten
bunt
gewordenen
Aurickeln
Sieht
man
,
wie
durch
Kultur
ſich
Gegenſaͤtz
'
entwickeln
.
16.
Der
Hunger
guckt
dem
Fleiß
zuweilen
wol
ins
Haus
,
Allein
die
Thaͤtigkeit
wirft
ihn
zur
Thuͤr
hinaus
.
17.
Die
Tempelratte
hat
nicht
Scheue
vor
dem
Gott
;
Religion
iſt
des
Religioſen
Spott
.
18.
Ein
Wunder
laͤßt
ſich
durch
ein
andres
nur
erklaͤren
;
Ruͤhr
'
es
nicht
an
!
es
wird
dir
Muͤhſal
nur
gebaͤren
.
7
19.
Der
Siegelring
wird
nicht
in
harten
Stein
ſich
druͤcken
;
Herz
,
werde
weiches
Wachs
,
ſoll
Gottes
Bild
dich
ſchmuͤcken
.
20.
Wer
etwas
ſcheinen
will
,
der
ſuch
'
es
auch
zu
ſeyn
;
Denn
ohne
Seyn
iſt
ſelbſt
der
Schein
ein
leerer
Schein
.
21.
Der
Wetzſtein
ſchneidet
nicht
,
doch
macht
er
ſcharf
das
Meſſer
;
Durch
einen
ſchlechten
Mann
wird
oft
ein
guter
beſſer
.
22.
Vom
Uebermaß
der
Luſt
wird
Leid
hervorgebracht
;
Das
Auge
ſelber
weint
,
ſobald
man
heftig
lacht
.
23.
Wer
nicht
ſein
eigner
Freund
,
dein
Freund
kann
der
nicht
ſeyn
;
Auch
der
nicht
,
wer
nur
iſt
ſein
eigner
Freund
allein
.
8
24.
Gunſt
eignet
der
Perſon
,
und
erbt
nicht
fort
geſchwind
,
Nicht
auf
des
Goͤnners
Sohn
,
noch
auf
des
Guͤnſtlings
Kind
.
25.
O
ſorg
'
um
Nahrung
nicht
!
Gott
weiſt
dir
an
dein
Looß
;
Die
Mutterbruſt
fließt
,
wo
ſich
aufthat
Mutterſchooß
.
26.
Der
weiß
die
Schwanen
macht
und
gruͤn
die
Papagein
,
Und
bunt
die
Pfauen
,
wird
auch
dir
dein
Kleid
verleihn
.
27.
Wo
es
drei
Heller
thun
,
da
wende
vier
nicht
an
,
Und
nicht
zwei
Worte
,
wo's
mit
einem
iſt
gethan
.
28.
Ueber
das
Ziel
ein
Schritt
,
zuviel
iſt
ſtets
vom
Uebel
,
Sei's
uͤbern
Durſt
ein
Glas
,
ſei's
uͤbers
Faß
ein
Kuͤbel
.
9
29.
Wer
zwingen
will
die
Zeit
,
den
wird
ſie
ſelber
zwingen
;
Wer
ſie
gewaͤhren
laͤßt
,
dem
wird
ſie
Roſen
bringen
.
30.
Nur
wer
Anſpruͤche
macht
,
fuͤhlt
ſich
zuruͤckgeſetzt
;
Wer
nebenaus
tritt
,
iſt
zuerſt
nicht
noch
zuletzt
.
31.
Den
Raͤuber
ſchilt
der
Dieb
,
weil
weg
am
Tage
nahm
Der
Raͤuber
,
was
der
Dieb
Nachts
wegzunehmen
kam
.
32.
Durch
Widerſpruch
wirſt
du
den
Duͤnkel
nie
bekehren
;
Du
widerſprich
ihm
doch
,
der
Wahrheit
nur
zu
Ehren
!
33.
Zaͤh
war
ich
,
weich
hat
mich
der
Liebe
Hauch
gemacht
,
Doch
fuͤr
die
feine
Welt
bin
ich
ſtets
ungeſchlacht
.
10
34.
Wenn
du
den
Muth
nicht
haſt
,
die
Guten
ſelbſt
zu
tadeln
,
Ein
Mittel
ſag
'
ich
dir
:
du
mußt
die
Schlechten
adeln
.
35.
Ich
fuͤhl
'
es
leider
nun
,
im
Leben
glaubt
'
ichs
nie
:
Die
Welt
iſt
mir
nichts
mehr
,
als
Stoff
der
Poeſie
.
36.
Wenn
er
beim
alten
hat
Einſprecher
und
Abnehmer
,
Waͤhlt
kein
neu
Aushaͤngſchild
der
Gaſtwirt
oder
Kraͤmer
.
37.
Ob
es
ſtets
anders
nur
,
nie
beſſer
werd
'
auf
Erden
,
Doch
du
,
ſtets
anders
,
mußt
auch
immer
beſſer
werden
.
38.
Die
Zeit
laͤßt
fallen
eins
,
um
andres
zu
entfalten
;
Doch
dich
umbildend
,
mußt
du
ſtets
dich
ſelbſt
behalten
.
11
39.
Du
mußt
auf
Freundes
Lieb
'
alswie
auf
Gottes
trauen
,
Sie
fuͤhlen
innerlich
,
wo
ſie
nicht
iſt
zu
ſchauen
.
40.
Am
beſten
machſt
du
gleich
dein
Ding
im
Anfang
recht
;
Nachbeſſerung
macht
oft
Halbgutes
voͤllig
ſchlecht
.
41.
Des
Mannes
Zunge
,
dem
Verſtand
und
Witz
gebrechen
,
Kann
zur
Verraͤtherin
nur
dienen
ſeiner
Schwaͤchen
.
42.
Was
dir
am
Mann
gefaͤllt
,
der
ſtillſchweigt
,
wird
im
Nu
,
Wo
er
den
Mund
aufthut
,
abnehmen
oder
zu
.
43.
Ein
Thor
klagt
andre
an
,
und
ein
Halbweiſer
ſich
;
Sei
ganz
weiſ
'
und
du
klagſt
nicht
andre
an
,
noch
dich
!
12
44.
Das
Wahre
miſche
mit
dem
Falſchen
,
wer
den
Schwachen
Verdaͤchtig
Wahres
will
und
Falſches
glaubhaft
machen
.
45.
Laß
keinen
,
was
er
nicht
kann
halten
,
dir
verſprechen
!
Was
nuͤtzt
es
dir
,
wenn
du
ihn
zwingſt
den
Eid
zu
brechen
?
46.
Was
hilft
die
Kundſchaft
,
die
du
ein
von
andern
ziehſt
?
Das
Ding
ſieht
anders
aus
,
ſobald
du's
ſelbſt
beſiehſt
.
47.
Gar
vieles
lernt
man
,
um
es
wieder
zu
vergeſſen
;
Um
an
dem
Ziel
zu
ſtehn
,
muß
man
die
Bahn
durchmeſſen
.
48.
Ein
Irrthum
weggeraͤumt
gibt
einen
wahren
Satz
;
So
durch
Irrthuͤmer
ſelbſt
waͤchſt
ſtets
der
Wahrheit
Schatz
.
13
49.
Man
kann
nicht
immer
was
man
will
;
der
iſt
mein
Mann
,
Der
ſich
beſcheidet
das
zu
wollen
was
er
kann
.
50.
Den
Degen
ſoll
ein
Mann
nicht
ohne
Urſach
ziehn
,
Und
ohne
Ehre
dann
auch
nicht
einſtecken
ihn
.
51.
Gott
hilft
uns
,
liebes
Kind
,
nur
nicht
den
Muth
verloren
!
Sanft
laͤßt
er
wehn
den
Wind
,
wenn
man
das
Schaf
geſchoren
.
52.
In
einer
guten
Eh
'
iſt
wol
das
Haupt
der
Mann
,
Jedoch
das
Herz
das
Weib
,
das
er
nicht
miſſen
kann
.
53.
Von
keinem
Troſt
wird
ein
Betruͤbter
mehr
erquickt
,
Als
wenn
er
einen
noch
Betruͤbteren
erblickt
.
14
54.
In
einer
Stunde
ſtreckt
man
einen
Baum
zur
Erden
,
Der
hundert
Jahre
hat
gebraucht
um
groß
zu
werden
.
55.
Die
Nuͤſſe
gibt
dir
Gott
,
dazu
die
Zaͤhn
'
im
Backen
;
Die
Nuͤſſe
knackt
er
dir
nicht
auf
,
du
mußt
ſie
knacken
.
56.
Dich
freut
ein
Name
,
den
dem
Nachbar
Spoͤtter
gaben
,
Und
weißt
nicht
,
welchen
ſie
dir
ſelbſt
gegeben
haben
.
57.
Die
Nachtigall
iſt
nicht
zum
Sehn
,
iſt
nur
zum
Hoͤren
;
Den
Dichter
kennen
,
wird
nur
im
Gedicht
dich
ſtoͤren
.
58.
Stets
lebt
ein
Dichter
im
Vertheilen
von
Geſchenken
;
Nichts
hat
er
ohne
gleich
der
Welt
es
zuzudenken
.
15
59.
Die
ſchoͤnſte
Gegend
iſt
nicht
ſchoͤn
von
allen
Seiten
,
Noch
ſchoͤn
zu
allen
Tags
-
und
allen
Jahreszeiten
.
60.
In
dieſer
tiefen
Furt
will
durchzuwaten
hoffen
Der
Eſel
,
wo
vor
ihm
iſt
das
Kamel
erſoffen
.
61.
Ihr
freut
am
falſchen
Glanz
ſo
gut
euch
,
als
am
aͤchten
;
Wie
ſollt
'
ich
eure
Freud
'
aus
Schadenfreud
'
anfechten
?
62.
Umſonſt
iſt
jedes
Werk
,
das
du
hervorgebracht
,
Wenn
du
dich
ſelber
nicht
zum
Kunſtwerk
haſt
gemacht
.
63.
Mach
'
immer
nur
Entwuͤrf
'
!
ob
du
ſie
nicht
ausfuͤhreſt
,
Doch
haſt
du
den
Genuß
,
daß
du
dich
Schoͤpfer
ſpuͤreſt
.
16
64.
Als
Roſ
'
iſt
nie
ſo
ſchoͤn
geworden
,
wie
zu
werden
Als
Knoſpe
mir
verſprach
ein
Wunſch
,
ein
Gluͤck
auf
Erden
.
65.
Unſeliger
iſt
nichts
,
als
wenn
dirs
immer
iſt
,
Du
ſeieſt
nicht
zu
Haus
,
wo
du
zu
Hauſe
biſt
.
66.
Was
iſt
und
was
iſt
nicht
poetiſch
?
Alles
,
wie
Die
angemeßne
Form
es
fand
,
iſt
Poeſie
.
67.
Der
Wille
ſuͤndigt
,
und
der
Will
'
entſuͤndigt
wieder
;
Wie
Waſſer
Schmutz
erregt
,
und
waͤſcht
beſchmutzte
Glieder
.
68.
Schlecht
iſt
das
Schlechte
nicht
,
denn
das
verkennt
man
ſelten
;
Das
Mittelmaͤß'ge
iſts
,
das
leicht
fuͤr
gut
kann
gelten
.
17
69.
Zu
kommen
zwingſt
du
dich
?
Komm
,
oder
nicht
!
du
biſt
Willkommen
,
wenn
du
kommſt
,
ausbleibend
,
unvermißt
.
70.
Zu
denken
iſt
wol
ſchoͤn
,
noch
ſchoͤner
iſt
zu
dichten
,
Am
ſchoͤnſten
beides
mit
einander
zu
verrichten
.
71.
Ob
du
von
mir
dis
haſt
,
ob
ich
von
dir
,
wer
weiß
?
Wer
beſſer
,
nicht
wer
eh'r
es
machte
,
traͤgt
den
Preis
.
72.
Ein
boͤſes
Buch
iſt
,
das
durchaus
dir
nicht
gefaͤllt
,
Und
gleichwol
etwas
hat
,
womit
es
feſt
dich
haͤlt
.
73.
Du
haſt
es
oft
erprobt
;
laß
dieſes
Volk
nicht
ein
!
Belehrt
nicht
,
nur
belobt
,
bewundert
will
es
ſeyn
.
18
74.
Euch
zu
gefallen
geb
'
ich
Hoffnung
auf
und
Luſt
;
Denn
alles
,
was
euch
recht
gefaͤllt
,
mißfaͤllt
mir
juſt
.
75.
Die
Freunde
bitte
fein
,
zuſehr
nicht
dich
zu
ehren
!
Sonſt
werden
Feinde
dir
dafuͤr
den
Krieg
erklaͤren
.
76.
Wenn
dich
der
Poͤbel
ehrt
,
befuͤrchte
,
was
dir
droht
!
Zuerſt
bewirft
er
dich
mit
Lorbern
,
dann
mit
Koth
.
77.
Wer
ſeinen
Sohn
verſaͤumt
zum
Freunde
zu
erziehn
,
Hat
,
wo
er
aufhoͤrt
Kind
zu
ſeyn
,
verloren
ihn
.
78.
Oft
mit
den
Tugenden
verwachſen
iſt
ein
Fehler
,
Und
dulden
mußt
du
ihn
,
ſonſt
machſt
du
jene
ſchmaͤler
.
19
79.
Weh
thuts
,
wenn
man
dich
ſchilt
,
am
wehſten
,
armer
Knecht
,
Wenn
du
dir
ſagen
mußt
,
daß
man
dich
ſchilt
mit
Recht
.
80.
Die
Sittlichkeit
allein
erſetzt
den
Glauben
nicht
;
Doch
weh
dem
Glauben
,
dem
die
Sittlichkeit
gebricht
.
81.
Am
Ende
deiner
Bahn
iſt
gut
Zufriedenheit
;
Doch
wer
am
Anfang
iſt
zufrieden
,
kommt
nicht
weit
.
82.
Du
hatteſt
nicht
die
Kraft
,
dein
gutes
Gluͤck
zu
tragen
;
Darum
iſt
es
ſo
ſchnell
in
boͤſes
umgeſchlagen
.
83.
Bild
'
auf
den
eignen
Werth
dir
nur
zuviel
nicht
ein
!
So
wird
ein
maͤß'ges
Lob
ſchon
groß
genug
dir
ſeyn
.
20
84.
Der
Ehrgeiz
iſt
gekraͤnkt
vom
kleinſten
,
das
mislingt
,
Und
nicht
befriedigts
ihn
,
wo
er
das
groͤſt
'
erringt
.
85.
O
weh
dem
Durſte
,
der
nach
jedem
Troͤpfchen
geizt
,
Und
den
ein
Strom
,
ein
Meer
nur
,
ſtatt
zu
ſtillen
,
reizt
!
86.
Glaub
'
immer
!
nur
beweis
mirs
nicht
!
ſonſt
werd
'
ich
ſtraͤubig
.
Es
iſt
ein
Widerſpruch
:
ſcharfſichtig
und
blindglaͤubig
.
87.
Vom
Heiligen
bewegt
,
ſei
dein
Gemuͤt
im
Takt
!
Mach
'
ein
Syſtem
daraus
,
ſo
wird
es
abgeſchmackt
.
88.
Begluͤckt
,
von
wem
nicht
eh'r
die
Welt
,
daß
er
gelebt
,
Erfaͤhrt
,
als
durchs
Gelaͤut
,
bei
dem
man
ihn
begraͤbt
!
21
89.
Klag
nicht
,
wenn
das
Geſchick
dir
etwas
ſchwer
gemacht
!
Die
Freud
'
iſt
doppelt
groß
,
wenn
du's
haſt
doch
vollbracht
.
90.
Wer
einen
Fehler
flieht
,
der
huͤte
ſich
vor
allen
,
Vor
dieſem
auf
der
Flucht
,
in
jenen
nicht
zu
fallen
.
91.
Die
Krankheit
iſt
dein
Heil
,
wenn
ſie
dich
leiblich
mahnt
,
Daß
Heilsbeduͤrftigkeit
die
kranke
Seele
ahnt
.
92.
Viel
Gutes
wird
bewirkt
auf
dieſer
Welt
vom
Boͤſen
;
Bewogen
ward
dadurch
Gott
ſelbſt
,
uns
zu
erloͤſen
.
93.
Warum
vor
Ungeduld
dein
Buͤchlein
ich
zuſchlug
?
Es
forderte
zuviel
,
und
gab
mir
nicht
genug
.
22
94.
Nicht
Achtung
kanſt
du
dem
,
der
dich
nicht
achtet
,
ſchenken
,
Oder
du
mußt
ſogleich
von
dir
geringer
denken
.
95.
Soviel
du
von
der
Gnad
'
Unedler
wirſt
geſpeiſt
,
Das
nimmſt
du
zu
am
Leib
,
und
buͤßeſts
ein
am
Geiſt
.
96.
Am
Inhalt
liegt
mir
viel
,
und
wenig
am
Gefaͤße
;
Warum
?
ich
habe
ſelbſt
Form
jedem
Stoff
gemaͤße
.
97.
Ein
Streben
mag
mit
Luſt
den
Strebenden
betruͤgen
,
Doch
das
Erſtrebte
kann
dem
Geiſte
nie
genuͤgen
.
98.
Ein
neugekauftes
Buch
,
ein
ſelbſtgebautes
Haus
,
Bringt
,
wers
verkaufen
will
,
ums
halbe
Geld
nicht
aus
.
23
99.
Was
einer
tragen
kann
an
Leid
und
auch
an
Luſt
,
Das
wird
erſt
einem
Mann
,
wann
ers
erfuhr
,
bewußt
.
100.
Nicht
allen
alles
,
wenn
nur
einem
eins
gefaͤllt
,
Und
anderm
anderes
,
ſo
iſt
es
gut
beſtellt
.
[24]
(
II
.
)
1.
Die
Dichtung
geht
der
Zeit
voran
und
hinterdrein
,
In
der
Vergangenheit
zeigt
ſie
der
Zukunft
Schein
.
2.
Ein
gut
Wort
,
gut
geſagt
,
und
auch
gut
aufgenommen
,
Dazu
gut
angewandt
,
mag
uns
zu
Gute
kommen
.
3.
Wer
beide
Haͤnde
voll
hat
und
noch
mehr
will
faſſen
,
Wird
das
auch
,
was
er
hat
in
Haͤnden
,
fallen
laſſen
.
25
4.
Die
fremde
Weisheit
wird
in
deinem
Kopf
zum
Thoren
;
Dir
nuͤtzt
die
Weisheit
nur
,
die
in
dir
wird
geboren
.
5.
Den
Weiſen
kannſt
du
an
der
Wahl
der
Zweck
'
entdecken
,
Den
Klugen
an
der
Wahl
der
Mittel
zu
den
Zwecken
.
6.
Zu
faſſen
den
Entſchluß
,
muß
Gottes
Geiſt
dich
ruͤhren
;
Du
uͤberlegeſt
nur
,
wie
er
ſei
auszufuͤhren
.
7.
Die
Ueberlegung
zeigt
das
Beſſere
von
zwein
;
Zum
an
ſich
Guten
treibt
ein
innrer
Trieb
allein
.
8.
Das
Gute
thuſt
du
nicht
,
um
zu
empfinden
Luſt
;
Die
Luſt
empfindeſt
du
,
weil
du
das
Gute
thuſt
.
Ruͤckert
,
Lehrgedicht
VI
.
2
26
9.
Das
Gute
thun
iſt
leicht
,
ſelbſt
Schwachen
eine
Luſt
,
Das
Boͤſe
meiden
ſchwer
,
Kampf
einer
Heldenbruſt
.
10.
Das
Wuͤnſchen
thut
es
nicht
,
Anſtrengung
muß
es
machen
;
Dem
ſchlafenden
Loͤwen
laͤuft
das
Wild
nicht
in
den
Rachen
.
11.
Die
heiße
Kohle
brennt
,
die
kalte
ſchwaͤrzt
die
Hand
;
Wer
um
mit
Boͤſen
geht
,
hat
immer
uͤbeln
Stand
.
12.
Sei's
in
drei
Monaten
,
drei
Jahren
oder
Tagen
,
Einmal
wird
ſeine
Frucht
ſo
Gut
als
Boͤſes
tragen
.
13.
Aus
einem
Feinde
wird
niemals
ein
Freund
ein
treuer
;
Das
Waſſer
,
auch
gewaͤrmt
vom
Feuer
,
loͤſcht
das
Feuer
.
27
14.
Erliegen
kann
ein
Mann
,
nicht
ſich
unmaͤnnlich
halten
,
Erloͤſchen
kann
ein
Feur
,
doch
nie
kann
es
erkalten
.
15.
Am
Walde
haͤtte
nicht
die
Axt
ſo
leichtes
Spiel
,
Haͤtt
'
ihr
der
Wald
nicht
ſelbſt
geliefert
ihren
Stiel
.
16.
Wenn
ſich
der
Juͤngere
zum
boͤſen
Wege
neigt
,
Trifft
Schuld
den
Aeltern
,
der
es
ſieht
und
dazu
ſchweigt
.
17.
Ein
treuer
Spiegel
iſt
nicht
jedem
angenehm
,
Ein
Menſchenkenner
oft
den
Menſchen
unbequem
.
18.
Der
Fuͤrſten
Ungluͤck
iſt
,
daß
jeder
thun
und
ſagen
Nur
immer
das
will
,
was
er
ihnen
ſieht
behagen
.
2*
28
19.
Zwei
Loͤwen
einen
Hirſch
—
die
Theilung
wird
mißrathen
;
Sie
kaͤmpfen
;
wer
gewinnt
,
verzehrt
allein
den
Braten
.
20.
Ein
Koͤnig
,
dem
das
Reich
ein
andrer
abgewonnen
,
Das
beſte
fuͤr
ihn
iſt
,
er
faͤllt
in
einen
Bronnen
.
21.
Der
Baum
legt
niemals
ſelbſt
die
Axt
an
ſeinen
Fuß
;
Du
biſt
der
Thor
,
den
ſolch
ein
Sinnbild
warnen
muß
.
22.
Der
Rabe
hat
den
Gang
des
Rephuns
nachgeahmt
,
Den
eignen
buͤßt
'
er
ein
,
und
der
geborgte
lahmt
.
23.
Der
alte
Wolf
vermag
den
Regen
ſchon
zu
leiden
,
Der
einen
Wolfspelz
traͤgt
,
kein
Maͤntelchen
von
Seiden
.
29
24.
Thun
was
ſchon
iſt
gethan
,
dergleichen
thun
die
Thoren
;
An
einer
Perle
kan
man
nicht
zwei
Loͤcher
bohren
.
25.
Laß
dichs
nicht
aͤrgern
,
daß
dir
ein
Stuͤck
Wild
entgangen
;
Wenn
du
heut
alles
fiengſt
,
was
willſt
du
morgen
fangen
?
26.
Ein
Kraͤmer
liebt
im
Kram
,
was
abgeht
und
gefaͤllt
;
Mit
Ladenhuͤtern
iſt
der
Laden
ſchlecht
beſtellt
.
27.
Wenn
du
fuͤr
kleinre
Gab
'
undankbar
biſt
erſchienen
,
Womit
denn
hoffeſt
du
die
groͤßre
zu
verdienen
?
28.
Bitt
'
um
Verzeihung
nur
den
der
ſich
glaubt
gekraͤnkt
;
Und
kraͤnkteſt
du
ihn
nicht
,
genug
daß
er
es
denkt
.
30
29.
Sonſt
mocht
'
ein
Einzelmann
in
ſeinem
Volk
verſchwinden
,
Jetzt
in
der
Menſchheit
ſoll
der
Einzle
ſich
empfinden
.
30.
Wenn
man
das
Boͤſe
thut
,
ſieht
man
fuͤr
klein
es
an
;
Man
ſieht
,
wie
groß
es
iſt
,
erſt
wenn
es
iſt
gethan
.
31.
Das
Gute
wiſſen
,
weit
iſt
noch
das
thun
davon
;
Das
Boͤſe
kennen
iſt
des
Boͤſen
Anfang
ſchon
.
32.
Der
kann
wol
leiden
,
daß
man
ſeine
Fehler
ruͤgt
,
Wer
große
Tugenden
zu
kleinen
Fehlern
fuͤgt
.
33.
Ein
Weiſer
uͤberhebt
ſich
nicht
,
wenn
Thoren
fallen
,
Von
ihrem
Beiſpiel
lernt
er
nur
bedaͤcht'ger
wallen
.
31
34.
Wer
Gutes
thut
ſoviel
er
kann
,
und
keinen
Lohn
Dafuͤr
erwartet
,
hat
den
allerſchoͤnſten
ſchon
.
35.
Wer
immer
reicher
nur
will
werden
,
iſt
nie
reich
;
Wer
beſſer
werden
will
,
iſt
und
wird
es
zugleich
.
36.
Des
Weiſen
ſtille
Thraͤn
'
iſt
mehr
wol
als
des
Thoren
Lautes
Gelaͤchter
werth
,
doch
beides
iſt
verloren
.
37.
Der
Menſch
,
der
ſinkt
zum
Thier
,
wird
unters
Thier
verſinken
;
Es
ſchwimmt
in
der
Natur
,
er
wird
darin
ertrinken
.
38.
Betruͤbt
dichs
wol
,
wie
ſich
an
Thorheit
Thoren
laben
?
Nein
,
freue
dich
,
daß
ſie
auch
ihre
Freude
haben
.
32
39.
Lern
Gutes
ums
zu
thun
,
und
Boͤſes
ums
zu
meiden
;
Wenn
du
nicht
beides
kennſt
,
wie
kannſt
du's
unterſcheiden
?
40.
Dem
ſind
am
wenigſten
die
Maͤngel
zu
verzeihn
,
Der
,
wenn
er
wollte
nur
,
vollkommen
koͤnnte
ſeyn
.
41.
Gluͤck
iſt
dein
Schatten
,
der
entfliehet
,
wo
du
ihn
Willſt
haſchen
,
und
dir
folgt
,
wo
du
ihm
willſt
entfliehn
.
42.
Nicht
viel
ſind
tauſend
Freund
'
,
ein
einz'ger
Feind
iſt
viel
;
Denn
dieſem
iſt
es
Ernſt
,
und
jenen
nur
ein
Spiel
.
43.
Man
ſagt
:
der
beſte
Freund
des
Diebes
,
der
zum
Schaf
Ihm
,
das
er
ſucht
,
verhilft
,
das
iſt
des
Hirten
Schlaf
.
33
44.
Laß
dich
auf
dieſem
Markt
von
falſchem
Schein
nicht
reizen
;
Mancher
hat
Gerſt
'
im
Sack
und
zeigt
zur
Probe
Weizen
.
45.
Wenn
die
unreife
Frucht
du
ſchuͤtteln
willſt
vom
Aſt
,
Verraͤthſt
du
,
daß
du
ſelbſt
nicht
deine
Reife
haſt
.
46.
Die
Feige
herb
und
hart
,
weich
kanſt
du
allenfals
Sie
druͤcken
;
iß
ſie
nur
,
ſo
kratzt
ſie
dich
im
Hals.
47.
Wer
Doͤrner
auf
den
Weg
legt
,
wo
er
gehen
muß
,
Der
klage
nicht
,
wenn
ſie
ihn
ſtechen
in
den
Fuß
.
48.
Gern
wird
der
Nachbar
heut
friſchbacknes
Brot
dir
borgen
,
Wenn
du
mit
Sauerteig
ihm
kannſt
aushelfen
morgen
.
34
49.
Die
Menſchen
ſind
zu
klug
,
um
irgendwen
zu
loben
,
Eh
von
was
Gutem
ſie
an
ihm
geſehn
die
Proben
.
50.
Von
dem
ich
keinen
Schutz
verlang
'
und
keinen
Lohn
,
Wenn
ich
ihn
ehre
,
fuͤhl
'
er
ſich
geehrt
davon
!
51.
Iſt
kein
Arbeiter
doch
um
ſeinen
Lohn
betrogen
;
Der
Lehrer
lernt
und
der
Erzieher
wird
erzogen
.
52.
Du
ſchiltſt
dich
ſelbſt
,
wenn
du
dein
Kind
ſchiltſt
ungezogen
;
Denn
zogeſt
du's
zuvor
,
ſo
waͤr
'
es
nun
gezogen
.
53.
Die
Schuͤler
koͤnnteſt
du
,
und
ſie
den
Lehrer
miſſen
,
Wenn
du
die
lehren
ſollſt
,
die
alles
beſſer
wiſſen
.
35
54.
Schlimm
,
einem
nicht
vertraun
,
den
man
nicht
kann
entbehren
;
Wie
mancher
ſchimpft
den
Arzt
,
und
laͤßt
ihn
doch
gewaͤhren
.
55.
Die
Uebels
thun
,
womit
ſie
wollen
Gutes
ſtiften
,
Sind
Aerzte
,
die
,
um
uns
zu
retten
,
uns
vergiften
.
56.
Wer
hat
nicht
Eitelkeit
!
die
Klugen
wie
die
Gecken
;
Doch
dieſe
zeigen
ſie
,
weil
jene
ſie
verſtecken
.
57.
Vergnuͤgen
will
man
ſich
in
der
Geſellſchaft
nicht
,
Vergnuͤgt
zu
ſcheinen
nur
haͤlt
man
fuͤr
ſeine
Pflicht
.
58.
Das
Gute
liebt
die
Still
'
,
es
liebt
nicht
das
Getoͤſe
;
Verbirgs
,
wo
du
es
thuſt
,
wie
man
verbirgt
das
Boͤſe
.
36
59.
Gott
gibt
zu
rechter
Zeit
ſtets
,
was
du
brauchſt
zum
Leben
,
Wenn
du
nur
immer
recht
gebrauchſt
,
was
er
gegeben
.
60.
Wer
ſich
begnuͤgt
zu
thun
das
Gute
niedrer
Stufen
,
Thut
uͤbel
dran
,
wenn
Gott
zu
hoͤhern
ihn
berufen
.
61.
Der
Wahrheit
Feierkleid
,
bekam
es
Luͤgenſtreifen
,
Nie
waͤſcheſt
du
es
rein
mit
Laugen
und
mit
Seifen
.
62.
Du
klagſt
,
daß
mancher
dir
gelohnt
mit
Undank
hab
'
;
Und
biſt
du
dankbar
Gott
fuͤr
alles
was
er
gab
?
63.
Viel
lieber
iſt
mir
doch
ein
Thuer
als
ein
Sager
,
Ein
Antwortgeber
auch
als
ein
vorlauter
Frager
.
37
64.
Ich
lobe
mir
den
Mann
,
der
das
,
was
er
nicht
kann
,
Nicht
unternimmt
,
und
das
vollbringt
,
was
er
begann
.
65.
Ein
Bild
,
ein
Gleichniß
macht
der
Sache
Dunkles
klar
,
Die
Wahrheit
glaͤnzender
,
doch
nie
das
Falſche
wahr
.
66.
Die
Fluͤgel
wachſen
nur
der
Ameiſ
'
um
zu
ſterben
,
Dem
Niedrigen
gereicht
der
Hochmuth
zum
Verderben
.
67.
Wenn
du's
nicht
brauchen
kannſt
,
wozu
haſt
du's
gewonnen
?
Im
Hofe
fehlet
dir
der
Eimer
an
dem
Bronnen
.
68.
Des
Wolfs
Heißhunger
macht
die
Rechnung
ohne
Wirt
,
Der
nur
die
Herde
ſieht
,
und
nicht
auch
Hund
und
Hirt
.
38
69.
Die
Saite
,
wenn
man
ſie
zu
hoch
will
ſpannen
,
reißt
;
Nur
weiſe
Maͤßigung
iſt
was
Erfolg
verheißt
.
70.
Dem
Manne
ſteht
,
o
Sohn
,
Mannhaftigkeit
wohl
an
,
Dem
Menſchen
Menſchlichkeit
;
du
werd
'
ein
Menſch
und
Mann
!
71.
Wenn
außen
Waͤrme
treibt
und
Sauerteig
von
innen
,
Wie
ſollte
das
Gebaͤck
nicht
Luſt
zu
gehn
gewinnen
!
72.
Zuſammen
iſt
das
Glas
mit
einem
Stein
getroffen
,
Es
brach
,
und
wundert
ſich
,
was
konnt
'
es
andres
hoffen
?
73.
Was
hilfts
den
Zweig
,
an
dem
kein
Apfel
iſt
,
zu
ſchuͤtteln
?
Man
weckt
den
Schlafenden
,
am
Todten
hilft
kein
Ruͤtteln
.
39
74.
Wer
an
Unwuͤrdige
verſchwendet
Ehrenzeichen
,
Wie
kann
er
Wuͤrdigen
ſie
noch
mit
Ehren
reichen
?
75.
Lobt
ihr
das
Schwert
,
wenn
ihrs
nennt
ſchaͤrfer
als
den
Stecken
?
Ihr
ſetzt
den
Mann
herab
,
den
ihr
vergleicht
mit
Gecken
.
76.
Standunterſchied
erſcheint
vor
Fuͤrſtenthron
geringer
;
Im
Schach
gilt
ziemlich
gleich
ein
Laͤufer
einem
Springer
.
77.
Wenn
Alten
ſchlecht
anſteht
,
was
ſchoͤn
an
Jungen
gilt
,
Wie
noch
viel
ſchlechter
,
was
man
ſelbſt
an
Jungen
ſchilt
.
78.
Wo
du
nicht
der
Gefahr
kannſt
aus
den
Wegen
gehn
,
Da
bleibt
dir
nichts
als
ihr
mit
Muth
entgegen
gehn
.
40
79.
Was
hab
'
ich
nun
erkaͤmpft
,
daß
ſtumpf
ſind
meine
Waffen
?
Ich
habe
viel
geſchafft
,
und
habe
nichts
geſchaffen
.
80.
Sohn
,
fuͤrchte
Gott
,
damit
dein
Innres
furchtlos
ſei
,
Denn
Gottesfurcht
nur
macht
von
Menſchenfurcht
dich
frei
.
81.
Hart
wird
zuletzt
die
Haut
,
die
viele
Streich
'
empfangen
,
Und
hart
der
Sinn
,
wem
es
hart
in
der
Welt
gegangen
.
82.
Ein
Odem
warm
und
kalt
iſt
in
des
Windes
Naſen
;
Das
Feuer
mag
er
an
-
,
und
aus
-
die
Kerze
blaſen
.
83.
Durch
Wechſelbeiſtand
kann
auch
Noth
die
Noth
vertreiben
,
Alswie
einander
warm
zwei
kalte
Haͤnde
reiben
.
41
84.
Wer
ſeinem
Freunde
nicht
ins
Auge
ſehen
kann
,
Kanns
auch
dem
Feinde
nicht
,
und
iſt
ein
ſchlechter
Mann
.
85.
Wenn
Gutes
dir
entweicht
,
ſo
ſuch
'
es
zu
erreichen
;
Wenn
Boͤſes
dich
erreicht
,
ſo
ſuch
'
ihm
zu
entweichen
.
86.
Wenn
dich
Gluͤckwechſel
trifft
,
denk
'
,
um
dich
nicht
zu
graͤmen
:
Abnehmen
muß
der
Mond
,
um
wieder
zuzunehmen
.
87.
Gib
,
was
du
geben
willſt
,
eh
man
darum
dich
bat
;
Es
iſt
nur
halb
geſchenkt
,
was
man
erbeten
hat
.
88.
Nie
Unrecht
hab
'
am
Freund
,
doch
eine
deiner
Gaben
Sei
dieſe
,
Unrecht
gern
,
wo
Recht
du
haſt
,
zu
haben
.
42
89.
Sei
auch
beſcheiden
gnug
,
ein
aufmerkſames
Ohr
Zu
leihen
manchem
was
du
beſſer
weißt
zuvor
.
90.
Des
Freunds
entbehren
kann
das
Herz
nicht
,
um
zu
leben
;
Gibs
einem
ſchlechten
,
kannſt
du's
keinem
guten
geben
.
91.
Ein
Strohſeil
zieht
ſogut
wie
eins
aus
Hanf
geſponnen
,
Bis
es
verfault
,
dann
faͤllt
der
Eimer
in
den
Bronnen
.
92.
Wo's
theuren
Guͤtern
gilt
,
wehr
dich
,
und
ſei
kein
Haſe
!
Der
Stier
mit
ſeinem
Horn
vertheidigt
ſeine
Naſe
.
93.
An
Sittenſpruͤchen
hat
der
Arge
ſein
Vergnuͤgen
,
Nicht
um
danach
zu
thun
,
doch
um
damit
zu
truͤgen
.
43
94.
Thu
Gutes
,
wenn
es
auch
vielleicht
nicht
rettet
dich
,
Doch
wenn
du
Boͤſes
thuſt
,
verdirbt
dichs
ſicherlich
.
95.
Der
Freund
iſt
naͤher
dir
als
du
dir
ſelber
biſt
;
O
wie
biſt
du
ſo
fern
ihm
der
ſo
nah
dir
iſt
!
96.
Die
Klugheit
dieſer
Welt
iſt
ſchlecht
von
Menſchen
denken
;
Wer
aber
Gott
vertraut
,
kann
allen
Zutraun
ſchenken
.
97.
Der
Thaler
iſt
nichts
werth
,
ſolang
er
bleibt
zu
Haus
;
Doch
geht
er
auf
den
Markt
,
ſo
holt
er
dir
den
Schmaus
.
98.
Wenn
ich
vermoͤchte
von
den
Schlacken
zu
befrein
Mein
Gold
,
es
waͤre
werth
die
Luſt
der
Welt
zu
ſeyn
.
44
99.
Was
er
geworden
iſt
,
genuͤget
nie
dem
Mann
;
O
wohl
ihm
wenn
er
ſtets
nur
werden
will
und
kann
.
100.
Beſtaͤndig
iſt
kein
Gluͤck
im
Unbeſtand
des
Lebens
,
Als
nach
Beſtaͤndigem
Beſtaͤndigkeit
des
Strebens
.
[45]
(
III
.
)
1.
Mein
Geischen
!
Winterlang
iſt
es
uns
ſchlecht
ergangen
;
Stirb
nicht
!
der
Fruͤhling
kommt
,
da
gruͤnen
alle
Rangen
.
2.
„
Was
liegt
am
ird'ſchen
Gut
?
“
wirſt
du
voll
Großmut
ſagen
,
Wenns
deinem
Nachbar
ward
,
nicht
dir
,
davongetragen
.
3.
Schir
Schah
und
Selim
Schah
—
der
Streit
iſt
lang
genug
,
Wer
von
den
beiden
einſt
den
Bart
am
laͤngſten
trug
.
46
4.
Zur
Zeit
der
Noth
nennt
man
wol
ſeinen
Eſel
Bruder
,
Und
iſt
die
Noth
vorbei
,
ſo
heißt
er
faules
Luder
.
5.
Wie
du
im
Kaͤfich
auch
ihn
hegſt
und
pflegeſt
fleißig
,
Laß
offen
,
und
weg
iſt
dein
undankbarer
Zeißig
.
6.
Sie
nahm
den
ſchlechten
Mann
,
das
war
nicht
recht
bedacht
,
Und
lief
ihm
dann
davon
,
das
war
erſt
ſchlecht
gemacht
.
7.
So
gehts
in
unſerm
Haus
.
Der
Zucker
iſt
geſtohlen
,
Nun
haben
wir
gelegt
ein
Siegel
auf
die
Kohlen
.
8.
Der
Weber
ſprach
,
als
ich
das
Tuch
nicht
wollte
loben
:
Wie
du's
geſponnen
haſt
,
ſo
hab
'
ich
es
gewoben
.
47
9.
Wenn
du
der
Sonne
wagſt
ins
Angeſicht
zu
grinzen
,
Gib
Acht
,
ob
eh'r
dein
Aug
'
,
ob
ihres
eh'r
wird
blinzen
!
10.
Willſt
du
an
Feindes
Thor
heut
mit
dem
Finger
pochen
,
So
klopft
er
mit
der
Fauſt
an
deins
in
naͤchſter
Wochen
.
11.
Du
ſchlaͤfſt
mit
Speer
und
Schild
geruͤſtet
,
und
im
Schrecken
Wirfſt
du
es
beides
weg
,
wenn
dich
die
Feinde
wecken
.
12.
Man
glaubt
die
Wahrheit
nicht
,
wenn
ſie
ein
Armer
ſpricht
,
Und
ſelbſt
die
Luͤge
glaubt
man
einem
reichen
Wicht
.
13.
Du
ſelbſt
heirateſt
nicht
,
Heiraten
willſt
du
ſtiften
,
Handelſt
mit
Gift
,
doch
magſt
dich
ſelber
nicht
vergiften
.
48
14.
Wir
ſcheiden
uns
nur
nicht
zu
Aergernis-Vermeidung
,
Und
leben
lieber
in
beſtaͤnd'ger
Eheſcheidung
.
15.
Wenn
Freund
zu
Freunde
kommt
,
ſtirbt
des
Verlaͤumders
Macht
,
Und
alle
Reden
hat
ein
Blick
zunicht
gemacht
.
16.
Zwei
Fehle
ſchenk
'
ich
dir
,
den
dritten
Uebertritt
Bezahlſt
du
dreifach
mir
,
und
alſo
ſind
wir
quitt
.
17.
Von
unten
ſcharfer
Zahn
,
und
ſcharfer
Zahn
von
oben
;
O
weh
dem
Biſſen
,
der
dazwiſchen
wird
geſchoben
!
18.
Laß
gute
Nachbarſchaft
uns
mit
der
Hexe
halten
,
So
laͤßt
ſie
ihre
Kraft
drei
Haͤuſer
weiter
walten
.
49
19.
Das
kleine
Pfefferkorn
ſieh
fuͤr
gering
nicht
an
,
Verſuch
'
es
nur
,
und
ſieh
,
wie
ſcharf
es
beißen
kann
.
20.
Pflanz
'
einen
Mangobaum
,
pflanz
'
eine
Tamarinde
,
Und
iß
die
ſuͤße
Frucht
,
und
iß
die
bittre
Rinde
.
21.
Der
Teufel
hat
die
Welt
verlaſſen
,
weil
er
weiß
,
Die
Menſchen
machen
ſelbſt
die
Hoͤll
'
einander
heiß
.
22.
Die
Katze
,
wenn
ſie
ſich
der
Schonung
will
befleißen
,
So
werden
ſie
alsbald
ins
Ohr
die
Maͤuſe
beißen
.
23.
Wenn
du
den
Bettelſack
einmal
haſt
umgehangen
,
So
ſtreck
die
Hand
auch
aus
,
die
Gabe
zu
empfangen
.
Ruͤckert
,
Lehrgedicht
VI
.
3
50
24.
Fuͤr
beide
Theile
iſt
der
Handel
wohl
gerathen
;
Wo
weder
iſt
verbrannt
der
Bratſpieß
noch
der
Braten
.
25.
Die
Karawane
klagt
,
daß
man
ihr
Alles
nahm
,
Und
auch
der
Raͤuber
klagt
,
daß
er
nicht
mehr
bekam
.
26.
Den
Armen
pluͤndert
man
,
nur
um
die
Luſt
zu
ſtillen
,
Wie
man
den
Reiher
ſchießt
nur
um
der
Feder
willen
.
27.
Wenn
Gott
dich
ſchlagen
will
,
ſo
braucht
er
nicht
die
Hand
;
Er
nimmt
dir
,
daß
du
ſelbſt
dich
ſchlageſt
,
den
Verſtand
.
28.
Wer
keine
Rettung
weiß
,
waͤhlt
einen
Zauberſpruch
;
Wer
ſich
nicht
helfen
kann
,
hilft
ſich
mit
einem
Fluch
.
51
29.
Das
kraͤnkt
dich
nicht
ſoſehr
,
was
Leides
dir
geſchehn
,
Als
daß
du
mußt
erfuͤllt
den
Wunſch
des
Feindes
ſehn
.
30.
Entweder
wird
das
Schwert
in
meiner
Hand
mir
weich
,
Oder
der
harte
Kopf
des
Feindes
fuͤhlt
den
Streich
.
31.
Der
ganze
Vogel
iſt
oft
keinen
Heller
werth
,
Fuͤr
den
als
Rupferlohn
ein
Groſchen
wird
begehrt
.
32.
Bei
Unvertraͤglichkeit
gedeiht
kein
Feur
im
Haus
,
Der
eine
blaͤſt
es
an
,
der
andre
blaͤſt
es
aus
.
33.
Ob
die
Melone
fiel
aufs
Meſſer
,
ob
das
Meſſer
Auf
die
Melon
'
,
es
geht
in
keinem
Fall
ihr
beſſer
.
3*
52
34.
Sei
dem
gefaͤllig
,
der
an
dir
Gefallen
traͤgt
,
Und
frage
dem
nicht
nach
,
der
ſelbſt
nach
dir
nicht
fraͤgt
.
35.
Man
ſieht
das
Geld
nicht
an
,
das
Leben
nur
zu
ſparen
,
Und
ſetzt
das
Leben
dran
,
die
Ehre
zu
bewahren
.
36.
Ein
Gotteskaſten
iſt
des
Armen
leerer
Bauch
,
Und
wer
ihn
fuͤllt
,
erfuͤllt
den
Willen
Gottes
auch
.
37.
Roth
faͤrbet
mit
der
Schmink
'
ein
Weib
ſich
das
Geſicht
,
Und
mit
dem
Ruhm
ein
Mann
,
der
wider
Feinde
ficht
.
38.
Du
fuͤtterſt
ihn
umſonſt
mit
Pomeranzenkernen
,
Dein
alter
Papagei
wird
nicht
mehr
ſprechen
lernen
.
53
39.
Wenn
eine
Jagd
anſtellt
der
Loͤw
'
,
iſts
eine
Freude
Dem
Schakal
,
und
ein
Weh
den
Rehen
auf
der
Haide
.
40.
Dem
einen
geht
es
hin
,
den
andern
gibt
man
frei
;
Wenn
es
der
dritte
thut
,
zahlt
er
fuͤr
alle
drei
.
41.
Auf
Kuͤnft'ges
rechne
nicht
,
und
zaͤhl
nicht
auf
Verſprochnes
;
Klag
'
um
Verlornes
nicht
,
und
denk
nicht
an
Zerbrochnes
.
42.
Wozu
ſo
lang
der
Schweif
dem
Pferde
wuchs
,
dem
edeln
?
Damit
die
Fliegen
es
ſich
ſelber
koͤnne
wedeln
.
43.
Das
Bethaus
ſteht
noch
nicht
gebaut
mit
ſeinen
Pfoſten
,
Und
ſchon
zum
Betteln
nahm
ein
Lahmer
dort
den
Poſten
.
54
44.
Ein
halbes
Koͤrnchen
und
ein
ganzes
hat
der
Tropf
,
Und
jedes
kochet
er
in
einem
eignen
Topf
.
45.
Der
Mangel
mag
dem
Fleiß
einmal
ins
Fenſter
ſchaun
,
Doch
zu
der
Thuͤr
hinein
darf
er
ſich
nicht
getraun
.
46.
Ein
ſchlechter
Kreuzer
wird
vielleicht
einmal
zum
guten
,
Und
gut
ein
ſchlechter
Mann
,
doch
iſts
nicht
zu
vermuthen
.
47.
Wenn
nicht
das
Kindlein
ſchreit
,
die
Mutter
es
nicht
ſtillt
;
Du
mußt
dich
melden
,
wenn
du
etwas
haben
willt
.
48.
Neun
Tage
dauert
Neu's
,
und
iſt
nicht
neu
mehr
ſchon
,
Das
Alte
hundert
Jahr
,
nur
aͤlter
wirds
davon
.
55
49.
Wer
friſche
Brunnen
will
an
jedem
Tage
graben
,
Wird
immer
friſchen
Trank
und
friſche
Arbeit
haben
.
50.
O
brich
den
Faden
nicht
der
Freundſchaft
raſch
entzwei
!
Wird
er
auch
neu
geknuͤpft
,
ein
Knoten
bleibt
dabei
.
51.
Mach
'
in
den
Napf
kein
Loch
,
aus
dem
du
haſt
gegeſſen
;
Und
deſſen
Gaſt
du
warſt
,
gedenk
'
in
Ehren
deſſen
.
52.
Wenn
das
nicht
Ungluͤck
iſt
,
was
ſoll
denn
Ungluͤck
heißen
?
Ich
ſitz
'
auf
hohem
Pferd
,
doch
muß
der
Hund
mich
beißen
!
53.
O
Gnade
nun
,
Frau
Katz
'
,
und
freſſet
mich
nicht
ganz
!
Das
Maͤtzchen
iſt
gerupft
,
doch
lebts
auch
ohne
Schwanz
.
56
54.
Wenn
du
zum
Spiel
ablegſt
dein
Horn
,
der
Kaͤlber
halb
,
Ein
Stumpfhorn
wirſt
du
wohl
,
o
Stier
,
doch
nie
ein
Kalb
.
55.
Fuͤr
einen
Muͤckenſtich
weißt
du
kein
Mittel
noch
,
Und
ſteckeſt
deine
Hand
ſchon
in
ein
Weſpenloch
!
56.
Ein
grauer
Bart
am
Hals
,
und
noch
die
Kinderflecken
!
Nichts
laͤcherlicher
als
die
Thorheit
alter
Gecken
.
57.
Das
iſt
gewis
!
die
Magd
,
wo
ſie
wird
Frau
im
Haus
,
Die
ſchicket
ihre
Maͤgd
'
im
aͤrgſten
Regen
aus
.
58.
Verbrannt
iſt
dir
dein
Haus
.
„
Verbrannt
iſt
nur
das
Holz
.
“
Was
haſt
du
Stolzer
draus
gerettet
?
„
Meinen
Stolz
.
“
57
59.
Mein
Beſtes
bot
ich
auf
,
und
ſchlecht
iſt
es
gerathen
,
Die
Geiß
geſchlachtet
,
und
dem
Gaſt
ſchmeckt
nicht
der
Braten
.
60.
Wenn
ihr
euch
helfen
wollt
,
muͤßt
ihr
einander
helfen
;
Zuſammen
nur
geſtellt
,
wird
Eins
und
Eins
zu
Elfen
.
61.
Zur
Traͤnke
draͤnget
ſich
am
Dorfteich
Rind
und
Lamm
;
Die
erſten
finden
Flut
,
die
letzten
finden
Schlamm
.
62.
Geladen
waren
drei
,
und
dreizehn
ſind
gekommen
;
Gieß
Waſſer
an
die
Supp
'
,
und
heiß
ſie
all
willkommen
.
63.
Ein
Wunſch
in
deiner
Bruſt
,
in
deinem
Haus
ein
Gaſt
,
Drei
Tage
eine
Luſt
,
am
vierten
eine
Laſt
.
58
64.
Der
wird
der
Frau
zu
Haus
ins
Haar
am
erſten
fahren
,
Der
draußen
ſelber
ſich
laͤßt
rupfen
an
den
Haaren
.
65.
Das
widerſpenſtige
Kamel
wird
doch
beladen
,
Und
hat
mit
ſeinem
Trotz
verſcherzt
des
Treibers
Gnaden
.
66.
Nicht
lauter
Leben
iſt
dis
Durcheinanderlaufen
,
Auch
immer
Trauer
gibts
in
dem
Ameiſenhaufen
.
67.
Ich
hatte
Zaͤhne
ſonſt
,
da
hatt
'
ich
Brocken
nicht
;
Den
Brocken
hab
'
ich
nun
,
da
mir
der
Zahn
gebricht
.
68.
Das
Fleckchen
an
der
Wang
'
iſt
eine
Zier
,
das
ſchwarze
;
Doch
wenn
zu
groß
es
wird
,
ſo
iſt
es
eine
Warze
.
59
69.
Von
einer
Milchkuh
nimmt
man
einen
Stoß
nicht
uͤbel
,
Wenn
nur
daruͤber
aus
der
Hand
nicht
faͤllt
der
Kuͤbel
.
70.
Von
hundert
Schlaͤgen
,
die
der
Goldſchmidt
thut
,
trifft
keiner
Ein
Hunderttheil
ſo
ſtark
,
als
von
dem
Grobſchmied
einer
.
71.
Geh
nur
zum
Brunnen
hin
,
daß
er
den
Durſt
dir
nehme
!
Ein
Wunder
waͤr
'
es
,
wenn
zu
dir
der
Brunnen
kaͤme
.
72.
Kind
!
Mutter-Zaͤrtlichkeit
iſt
eigenes
Gewaͤchſe
;
Wer
zaͤrtlicher
als
ſie
dir
thut
,
iſt
eine
Hexe
.
73.
Des
dunkeln
Hauſes
Lamp
'
ein
wohlgerathner
Sohn
,
Der
Vater
altersblind
wird
ſehend
neu
davon
.
60
74.
Von
weitem
kennt
ein
Mann
am
Dach
ſein
eignes
Haus
,
Fuͤr
andre
nimmt
es
ſich
wie
jedes
andre
aus
.
75.
Die
Augen
halte
zu
,
und
deinen
Beutel
offen
;
Ein
ſolcher
Kund
'
iſt
es
,
auf
den
die
Kraͤmer
hoffen
.
76.
Der
Kraͤmer
,
der
nichts
hat
zu
thun
im
Kramgemach
,
Raͤumt
aus
dem
einen
aus
,
und
ein
ins
andre
Fach
.
77.
Laß
trinken
,
frommer
Mann
,
die
Durſt'gen
,
eh
ſie
flehten
;
Milch
iſt
es
,
wenn
geſchenkt
,
und
Waſſer
,
wenn
erbeten
.
78.
Zerbrochen
oder
nicht
,
das
Toͤpfchen
hoͤrt
'
ich
krachen
;
Du
biſt
in
ſchlimmem
Ruf
,
der
ſchwer
iſt
gut
zu
machen
.
61
79.
Das
Sperlingsweibchen
traͤgt
zu
Neſt
,
das
arme
Schelmchen
!
Sieh
,
auseinander
ſcharrt
das
Maͤnnchen
ihm
die
Haͤlmchen
.
80.
Ein
Feind
ſchlaͤft
ſelber
nicht
,
und
laͤßt
uns
auch
nicht
ſchlafen
;
Der
Wolf
iſt
wach
,
drum
wacht
der
Schaͤfer
bei
den
Schafen
.
81.
Du
zwiſchen
Feinden
,
wie
die
Zunge
zwiſchen
Zaͤhnen
,
Sei
unverſehrt
,
wie
ſie
von
dieſen
,
du
von
jenen
!
82.
Gelehrſamkeit
ſteckt
an
.
In
unſres
Kadhi
Haus
Lebt
,
ohne
rechtsgelehrt
zu
werden
,
keine
Maus
.
83.
Von
meinen
Zaͤhnen
hab
'
ich
einige
zum
Kauen
,
Und
einige
fuͤr
euch
,
die
geb
'
ich
euch
zu
ſchauen
.
62
84.
Die
Peitſche
hab
'
ich
ſchon
,
die
Sporen
auch
,
und
werde
,
Hab
'
ich
den
Sattel
erſt
,
auch
kommen
zu
dem
Pferde
.
85.
Profeten
meinen
oft
,
ſie
machen
,
was
ſie
ſagen
.
Ja
,
kraͤhte
nicht
der
Hahn
,
ſo
wuͤrd
'
es
auch
nicht
tagen
.
86.
Das
Bethaus
iſt
in
Schutt
gefallen
,
aber
hoch
Steht
noch
der
Hochaltar
,
und
betet
fuͤr
uns
noch
.
87.
Wer
kann
die
Linien
in
ſeiner
Hand
verwiſchen
?
Die
gottgeſchriebne
Schrift
wird
immer
ſich
erfriſchen
.
88.
Weh
dieſer
Welt
!
ſie
gibt
fuͤr
heut
uns
Nahrungſorgen
,
Und
des
Gerichtes
Furcht
gibt
ſie
uns
mit
fuͤr
morgen
.
63
89.
Ich
ſpreche
Feuer
,
und
es
brennt
mich
nicht
im
Mund
;
Ich
ſage
Waſſer
,
und
es
wird
nicht
feucht
mein
Schlund
.
90.
Du
haſt
am
hellen
Tag
die
Wachskerz
'
angefacht
,
Nun
fehlet
dir
das
Oel
fuͤrs
Laͤmpchen
in
der
Nacht
.
91.
Zum
Spielplatz
laͤuft
das
Kind
,
man
brauchts
nicht
hinzutreiben
;
Zur
Schule
fuͤhrt
man
es
,
moͤcht
'
es
zu
Hauſe
bleiben
.
92.
Nicht
zaͤhle
,
was
im
Brand
des
Hauſes
dir
verbronnen
;
Zaͤhl
,
was
gerettet
iſt
,
und
rechn
'
es
fuͤr
gewonnen
.
93.
Wer
hinten
ſchneidet
ab
,
um
vorn
es
anzuſtoßen
,
Deckt
ſeine
Bloͤße
hier
,
und
iſt
nun
dort
im
Bloßen
.
64
94.
Soll
der
bedrohte
Baum
nicht
drein
mit
Freude
ſchauen
,
Holzhauer
,
wenn
du
ſelbſt
dich
in
den
Fuß
gehauen
!
95.
Der
Raͤuber
im
Gebirg
iſt
auch
ein
freier
Fuͤrſt
,
O
Fuͤrſt
,
ſo
frei
wie
du
,
bis
du
ihn
fangen
wirſt
.
96.
Stets
haſt
du
Recht
,
wenn
du
beim
Richter
biſt
allein
;
Doch
warte
nur
,
es
kommt
dein
Gegner
hinterdrein
.
97.
Geh
du
in
die
Moſkee
,
ich
geh
'
in
die
Pagode
;
Laß
du
mir
meinen
Brauch
,
dir
laſſ
'
ich
deine
Mode
.
98.
Durch
Weihgeſchenk
'
erwirbt
der
Reiche
Himmelsgnaden
;
Was
kann
der
Bettler
thun
?
im
heil'gen
Strome
baden
.
65
99.
Nicht
viel
zu
leben
,
und
nur
leben
in
Benares
!
Was
leben
?
nur
den
Geiſt
aufgeben
in
Benares
!
100.
Ob
du
nach
Mekka
magſt
,
ob
nach
Benares
wallen
,
Die
beſte
Pilgerſchaft
iſt
Gottes
Wohlgefallen
.
[66]
(
IV
.
)
1.
Es
waͤſcht
die
eine
Hand
die
andre
,
wie
man
ſpricht
,
Und
beide
waſchen
dann
zuſammen
das
Geſicht
.
2.
Der
leere
Eimer
faͤllt
von
ſelbſt
im
Bronnen
nieder
,
Doch
nicht
der
volle
ſteigt
von
ſelbſt
zur
Hoͤhe
wieder
.
3.
Der
Arbeit
Buͤrd
'
iſt
leicht
,
und
ſchwer
des
Dankes
Laſt
;
Arbeite
,
daß
du
nur
dir
ſelbſt
zu
danken
haſt
.
67
4.
Beſſer
ein
altes
Kleid
mit
eignem
Drate
flicken
,
Als
mit
geborgtem
Gold
ein
neues
laſſen
ſticken
.
5.
Das
Wort
des
Mannes
iſt
von
ſeiner
Seel
'
ein
Theil
;
Sowenig
iſt
ſein
Wort
als
ſeine
Seele
feil
.
6.
Der
ferne
,
der
mich
gruͤßt
,
iſt
nah
im
Herzen
mir
;
Der
nahe
,
der
mich
nicht
beſucht
,
iſt
weit
von
hier
.
7.
Das
iſt
kein
Gluͤck
,
was
ich
mit
Herzblut
muß
erkaufen
;
Gluͤck
iſt
,
was
zu
mir
kommt
,
und
laͤßt
nach
ſich
nicht
laufen
.
8.
Und
wenn
Gott
jeden
Wunſch
den
Menſchen
laͤßt
erwerben
,
So
bleibt
zuletzt
ihm
nichts
zu
wuͤnſchen
als
zu
ſterben
.
68
9.
Das
Hehlen
iſt
ſo
ſchlimm
und
ſchlimmer
als
das
Stehlen
;
Denn
ſtehlen
wuͤrde
nicht
,
wers
hoffte
nicht
zu
hehlen
.
10.
Noch
reden
wird
die
Kuh
in
ihres
Raͤubers
Bauch
;
Der
Pfau
im
Haus
des
Diebs
verraͤth
ihn
ſelber
auch
.
11.
Der
Juwelier
,
wenn
er
den
Edelſtein
will
faſſen
,
Darf
ſich
vom
Glanze
nicht
die
Augen
blenden
laſſen
.
12.
Kind
,
wer
dich
lobt
,
will
nur
dein
Loͤbliches
verderben
,
Und
wer
dich
tadelt
,
ſpornt
dich
an
nach
Lob
zu
werben
.
13.
Wer
Gutthat
ſendet
aus
,
wielang
ſie
auf
den
Wegen
Mag
bleiben
,
endlich
kehrt
ſie
heim
zu
ihm
mit
Segen
.
69
14.
Die
Vorſicht
geht
zu
ſacht
,
die
Zuverſicht
zu
keck
;
Vorſicht
,
mit
Zuverſicht
vereint
,
gelangt
zum
Zweck
.
15.
Sei
fleißig
Tag
und
Nacht
,
und
ſammle
Gut
ins
Haus
!
In
vielen
Stunden
kommts
,
und
geht
in
einer
aus
.
16.
Geld
fuͤr
Beleidigung
iſt
niederer
Gewinn
,
Sich
raͤchen
edler
Mut
,
Verzeihen
hoher
Sinn
.
17.
Des
Thoren
Herz
und
Geld
ſind
nie
recht
einverſtaͤndig
,
Du
machſt
einander
ſie
mit
leichter
Kunſt
abwendig
.
18.
Im
letzten
Haus
,
dem
Sarg
,
haſt
du
nicht
mehr
Hausſorgen
;
Nur
wer
in
dieſer
Burg
ſich
barg
,
der
iſt
geborgen
.
70
19.
Wer
von
des
Schickſals
Hand
noch
keinen
Streich
empfand
,
Glaubt
gar
nicht
,
welche
Streich
'
austheilen
kann
die
Hand
.
20.
Etwas
liegt
an
der
Art
,
die
Gott
dem
Keim
verliehn
,
Und
etwas
auch
an
der
,
wie
du
ihn
wirſt
erziehn
.
21.
Das
hoͤchſte
iſt
die
Gunſt
,
womit
der
Himmel
ſchaltet
,
Das
naͤchſte
iſt
die
Kunſt
,
womit
der
Gaͤrtner
waltet
.
22.
Aus
bittern
Meeren
zieht
die
Sonne
ſuͤßes
Waſſer
,
So
zieh
'
auch
Liebe
du
aus
Herzen
deiner
Haſſer
.
23.
Des
Feuers
Leben
iſt
,
daß
es
ſich
ſelbſt
verzehrt
;
Der
toͤdtet
es
,
wer
ihm
ſich
zu
verzehren
wehrt
.
71
24.
Das
Leben
iſt
ein
Feur
,
die
Luft
muß
es
erquicken
;
Sobald
die
Luft
ihm
fehlt
,
wird
es
in
ſich
erſticken
.
25.
In
jedem
Athemzug
gibt
Leben
auf
ſein
Leben
,
Wie
unſichtbare
Duͤft
'
aus
Blumenkelchen
ſchweben
.
26.
Wer
taͤglich
ſammeln
muß
mit
Sorgen
ſeine
Nahrung
,
Der
ſammelt
nie
den
Geiſt
,
doch
ſammelt
er
Erfahrung
.
27.
Nichts
elender
,
als
halb
geſchlafen
,
halb
gewacht
;
Du
haſt
nicht
ausgeruht
,
und
haſt
kein
Werk
vollbracht
.
28.
Der
Ruhm
des
Mannes
iſt
des
Weibes
hoͤchſter
Reiz
,
Die
Ehre
ſeines
Weibs
des
Mannes
hoͤchſter
Geiz
.
72
29.
Geziemend
iſt
der
Schmuck
an
Weibes
Leib
allein
,
Und
die
geſchmuͤckte
ſoll
der
Schmuck
des
Mannes
ſeyn
.
30.
Ein
reizendes
Geſicht
iſt
kranker
Augen
Balſam
,
Das
fein
gefaͤllig
iſt
und
nicht
zuſehr
gefallſam
.
31.
Anfang
und
Ende
ſind
wol
unter
ſich
verwandt
,
Doch
iſt
der
Anfang
blind
,
das
Ende
hats
erkannt
.
32.
Laß
dich
auf
das
nicht
ein
,
wo
dir
die
Sinne
ſchwinden
;
Im
dunkeln
Hauſe
ſind
die
ſehnden
gleich
den
blinden
.
33.
Leicht
kommt
hinein
der
Dieb
ins
unbewachte
Thor
Des
Bettlers
,
doch
beſchaͤmt
kommt
er
daraus
hervor
.
73
34.
Ein
Stadtthor
kanſt
du
wol
verſchließen
mit
dem
Riegel
,
Doch
legen
kanſt
du
nicht
auf
Feindes
Mund
ein
Siegel
.
35.
Das
Rephun
ißt
ein
Korn
,
dazu
ein
Koͤrnlein
Sand
,
Es
frißt
dir
nicht
die
Ernt
'
,
und
nicht
dein
Ackerland
.
36.
Der
Schwanz
der
Nachbarmaus
iſt
lang
,
die
kannſt
du
fangen
,
Kurz
deiner
Ratte
Schwanz
,
die
iſt
dir
ſtets
entgangen
.
37.
Mein
Sohn
,
du
wirſt
das
Gut
von
deinem
Vater
erben
;
Erbſt
du
nicht
auch
den
Fleiß
,
ſo
wirſt
du
drauf
verderben
.
38.
Darf
ich
vom
Feſt
der
Stadt
mir
nur
erzaͤhlen
laſſen
,
So
hab
'
ichs
mitgemacht
,
und
nicht
mein
Dorf
verlaſſen
.
Ruͤckert
,
Lehrgedicht
VI
.
4
74
39.
Im
Haus
der
Großmuth
gehn
ſoviele
aus
und
ein
,
Daß
ſeine
Schwelle
bald
wird
abgetreten
ſeyn
.
40.
Der
Jogi
iſt
zu
Haus
ein
armer
Bettler
nur
,
Und
wird
zum
Heiligen
auf
einer
fremden
Flur
.
41.
Mauleſel
ward
gefragt
:
Wer
iſt
dein
Vater
,
ſprich
!
Mein
Oheim
,
ſprach
er
,
iſt
Herr
Hengſt
,
was
fragt
ihr
mich
?
42.
Wer
weiß
,
ob
eh'r
das
Glas
zerbricht
,
ob
eh'r
der
Krug
?
Beide
,
das
iſt
gewis
,
zerbrechen
bald
genug
.
43.
Wer
nennet
eine
Laſt
das
was
ihm
dient
zur
Wehr
?
Die
eignen
Hoͤrner
ſind
dem
Buͤffel
nicht
zu
ſchwer
.
75
44.
Den
Eſel
hungern
ließ
der
Treiber
,
wo's
war
eben
;
Da's
an
den
Bergſteig
geht
,
will
er
ihm
Gerſte
geben
.
45.
Es
geht
ein
krummes
Schwert
in
eine
krumme
Scheide
;
Ihr
ſeid
einander
werth
,
und
fuͤr
einander
beide
.
46.
Des
reichen
Mannes
Herz
,
das
keine
Großmuth
faſſet
,
Iſt
ein
verroſtet
Schloß
,
darein
kein
Schluͤſſel
paſſet
.
47.
Oft
weiß
nicht
,
wer
von
fern
ſich
weidet
am
Gefunkel
,
Wie
wahr
das
Sprichwort
ſagt
:
Am
Fuß
der
Lamp
'
iſts
dunkel
.
48.
Dein
Feur
—
iſt
jemand
ſchon
geworden
warm
davon
?
Von
deinem
Rauche
blind
ward
manches
Auge
ſchon
.
4*
76
49.
Wer
in
die
Wuͤſte
flieht
,
den
Boͤſen
zu
entwallen
,
Wird
dort
in
die
Gewalt
der
boͤſen
Geiſter
fallen
.
50.
Von
weitem
ſieht
ein
Fuchs
den
Fuchs
auf
ſeinem
Gange
,
Zuſammen
kommen
ſie
beim
Kuͤrſchner
auf
der
Stange
.
51.
Wenn
uͤbers
Haupt
einmal
mir
ſollen
gehn
die
Wellen
,
Gilt
es
mir
voͤllig
gleich
,
ob
ein
'
ob
hundert
Ellen
.
52.
Das
iſt
ein
Unfall
zwar
,
doch
der
mir
muß
gefallen
:
Mein
Stuͤckchen
trocknes
Brot
iſt
in
das
Mus
gefallen
.
53.
Ein
jedes
Thier
der
Trift
hat
ſeine
Nahrungsweiſe
;
Was
fuͤr
das
eine
Gift
,
iſt
fuͤr
das
andre
Speiſe
.
77
54.
Du
triumfireſt
,
daß
der
Wolf
iſt
hingeſtreckt
,
Doch
weißt
du
,
im
Gebuͤſch
was
fuͤr
ein
Tiger
ſteckt
?
55.
Ich
habe
meinen
Sinn
,
das
Gluͤck
hat
ſeinen
Kopf
,
Und
wer
ihn
durchſetzt
,
ſchilt
den
andern
einen
Tropf
.
56.
Der
Feige
,
der
gezeigt
den
Ruͤcken
in
der
Schlacht
,
Kann
nie
ſein
Angeſicht
mehr
zeigen
unverlacht
.
57.
Der
Schaͤfer
ließ
ſein
Schaf
die
beſten
Kraͤuter
eſſen
,
Zum
Dank
hat
es
das
Brot
ihm
aus
dem
Sack
gefreſſen
.
58.
Man
muß
den
Todten
doch
,
wie
lieb
er
ſei
,
begraben
;
Das
Leben
kann
den
Tod
bei
ſich
im
Haus
nicht
haben
.
78
59.
Der
Kruͤger
ſelber
trinkt
aus
einem
alten
Krug
;
Denn
jeden
neuen
,
den
er
macht
,
verkauft
er
klug
.
60.
Wer
ſich
an
heißer
Milch
einmal
verbrannt
die
Naſen
,
Wird
auch
die
Buttermilch
,
eh
'
er
ſie
trinket
,
blaſen
.
61.
Du
ſahſt
die
Schlang
'
einmal
,
und
dein
beſorgter
Blick
Sieht
nun
die
Schlang
'
am
Weg
in
jedem
alten
Strick
.
62.
Man
kann
,
was
man
geſtand
,
nicht
leugnen
hinterher
;
Die
Nuß
iſt
aus
der
Schal
'
,
und
geht
hinein
nicht
mehr
.
63.
Das
Kaͤtzchen
buckelt
ſich
,
und
will
Kamelchen
ſeyn
;
Wenn
mans
beladen
will
,
zieht
es
den
Buckel
ein
.
79
64.
„
Herr
Strauß
,
wenn
ein
Kamel
du
biſt
,
ſo
trage
mir
!
“
Ich
bin
ein
Vogel
.
„
Flieg
!
“
Ich
bin
ein
Trampelthier
.
65.
Ich
muß
dem
Luͤgenden
in
ſeinem
Hauſe
glauben
,
Doch
draußen
muß
er
ſchon
den
Zweifel
mir
erlauben
.
66.
Wirfſt
du
nach
einem
Hund
,
der
hungrig
iſt
,
den
Stein
,
So
ſpringt
er
darauf
zu
,
und
denkt
es
ſei
ein
Bein
.
67.
Ein
ſchlechter
Jagdhund
iſt
,
der
vorlaut
bellend
ſcheucht
Das
Wild
,
und
athemlos
dann
hinterdrein
ihm
keucht
.
68.
Du
haſt
die
Spreu
umſonſt
durchwuͤhlt
,
wenn
du
nicht
achteſt
Das
einz'ge
Korn
,
das
du
davon
als
Beute
brachteſt
.
80
69.
Nimm
die
Gelegenheit
vorn
bei
dem
kurzen
Haar
,
Sonſt
beut
ſie
hinten
dir
den
kahlen
Nacken
dar
.
70.
Zu
einem
ſtarken
Pfeil
gehoͤrt
ein
ſtarker
Bogen
,
Und
ohne
ſtarken
Arm
wird
dieſer
nicht
gezogen
.
71.
Der
Pfeil
iſt
gutgeſchnitzt
,
allein
nicht
zugeſpitzt
;
Mach
'
erſt
die
Spitze
dran
,
und
ſag
'
ein
Pfeil
iſts
itzt
.
72.
Die
Schlange
wendet
ſich
und
windet
ſich
mit
Drehn
;
Laß
ihr
den
Schlangengang
,
ſie
kann
nicht
grade
gehn
.
73.
Der
ſchlechte
laͤßt
ſich
nicht
von
ſeiner
Schlechtheit
treiben
;
Verſprich
,
o
guter
Mann
,
nur
ſelber
gut
zu
bleiben
.
81
74.
Thu's
,
willſt
du
Gutes
thun
,
und
frage
kein
Orakel
;
Des
edlen
Mannes
Herz
iſt
Gottes
Tabernakel
.
75.
Der
Eſel
ſtolpert
gleich
,
wenn
er
geht
unbeladen
;
Darum
belad
'
ihn
nur
,
daß
er
nicht
nehme
Schaden
!
76.
Der
Bettler
hat
zu
Nacht
im
Haus
kein
beßres
Licht
Als
Mondſchein
—
beßres
hat
doch
auch
der
Reiche
nicht
.
77.
Verachte
nicht
den
Staub
,
der
dir
den
Weg
verdeckt
;
Weißt
du
,
in
dieſem
Staub
was
fuͤr
ein
Reuter
ſteckt
!
78.
Wenn
uͤberm
Raube
ſich
entzwein
der
Diebe
Schaaren
,
Dann
kommt
der
Ehrliche
zu
den
geſtohlnen
Waaren
.
82
79.
Die
Schlange
,
wann
der
Tod
fuͤr
ſie
geſchrieben
ſteht
,
Kommt
auf
den
Weg
heraus
,
wo
Roß
und
Maulthier
geht
.
80.
Des
Schneiders
Nadel
,
weiß
ſie
nicht
wo'naus
vor
Witz
,
Steckt
ſie
ſich
umgekehrt
in
ihres
Meiſters
Sitz
.
81.
Zwar
fromme
Stiftung
mag
dir
frommen
;
doch
ein
Licht
,
Das
du
bedarfſt
im
Haus
,
das
ſtift
'
ins
Bethaus
nicht
.
82.
Du
kannſt
die
Lampe
nur
im
Licht
der
Lampe
ſehn
,
Du
kannſt
die
heil'ge
Schrift
nur
aus
ihr
ſelbſt
verſtehn
.
83.
Ein
leeres
Haus
,
worin
die
Menſchen
nicht
mehr
wohnen
,
Wird
in
Beſitz
alsbald
genommen
von
Daͤmonen
.
83
84.
Kein
Reuter
hat
ein
Schild
vor
des
Geſchickes
Pfeilen
;
Dem
du
enteilen
willſt
,
das
wirſt
du
nur
ereilen
.
85.
Wenn
dir
des
Schickſals
Hand
will
fallen
in
die
Zuͤgel
,
Wird
dein
arab'ſcher
Hengſt
ein
Eſel
unterm
Buͤgel
.
86.
Das
iſt
des
Habichts
Amt
,
und
der
Beruf
der
Eule
,
Daß
er
am
Tage
kraͤchz
'
,
und
in
der
Nacht
ſie
heule
.
87.
In
dieſem
Garten
hatt
'
ich
auch
einmal
mein
Neſt
;
Ich
bin
beim
Faſten
nun
,
die
andern
ſind
beim
Feſt
.
88.
Die
Buhlin
,
wenn
ſie
nun
hat
von
den
Buhlen
Muße
,
Und
nichts
mehr
auf
der
Welt
zu
thun
weiß
,
thut
ſie
Buße
.
84
89.
Des
Schickſals
Griffel
wollt
'
einmal
ein
Gluͤck
mir
ſchreiben
,
Da
brach
die
Spitz
'
ihm
ab
,
ich
ſoll
beim
Ungluͤck
bleiben
.
90.
Ich
hab
'
es
ſelbſt
geſaͤt
,
ich
muß
es
ſelbſt
auch
ernten
,
Mir
helfen
nicht
dazu
die
nahen
noch
entfernten
.
91.
Der
Koͤnig
Aar
fliegt
hoch
,
Zaunkoͤnig
hoͤher
noch
,
Der
jenem
,
als
er
ſtieg
,
unter
die
Fluͤgel
kroch
.
92.
Was
ſoll
ein
Vater
thun
,
wenn
ihm
ein
Sohn
misrathen
?
Der
Thaͤter
bleibt
ihm
lieb
,
wie
leid
ihm
ſind
die
Thaten
.
93.
Solang
die
Thoren
nicht
aus
dieſer
Welt
verſchwinden
,
Wird
unter
ihnen
ſtets
ſein
Brot
ein
kluger
finden
.
85
94.
Von
ferne
haͤlt
die
Hand
ein
kluger
Mann
ans
Feuer
,
Ein
Thor
ſteckt
ſie
darein
,
und
kauft
die
Waͤrme
theuer
.
95.
Ein
gutes
Jahr
geht
fruͤh
mit
gutem
Fruͤhjahr
an
;
Wer
nichts
als
Knabe
taugt
,
taugt
ſchwerlich
viel
als
Mann
.
96.
Ein
Reicher
in
der
Fremd
'
iſt
uͤberall
zu
Haus
,
Und
fremd
ein
armer
Mann
in
ſeinem
eignen
Haus
.
97.
Im
Blick
des
Bettlers
iſt
die
Bitte
vorgetragen
;
Verſtehſt
du
nicht
den
Blick
,
was
ſoll
der
Mund
dir
ſagen
?
98.
Der
milde
Mann
,
wie
Gott
,
zu
ſpenden
ſeine
Gaben
Will
keinen
Grund
,
er
will
nur
einen
Anlaß
haben
.
86
99.
Die
herbe
Traube
thut
,
als
ſei
ſie
ſchon
Roſine
;
Wie
uͤbel
,
junges
Blut
,
ſteht
dir
die
alte
Miene
!
100.
Die
Hand
des
Milden
juckt
,
beſtaͤndig
auszuſpenden
,
Wie
die
des
Diebes
zuckt
,
ſtets
etwas
zu
entwenden
.
101.
Der
Tapfre
braucht
ſein
Schwert
,
der
Feige
ſeine
Zunge
,
Die
alte
Schoͤn
'
ihr
Geld
,
und
ihr
Geſicht
die
junge
.
102.
Wer
eine
Schlinge
legt
und
keine
Beere
drein
,
Und
Voͤgel
fangen
will
,
muß
ſelbſt
ein
Gimpel
ſeyn
.
[87]
(
V
.
)
1.
Was
iſt
ein
Sinngedicht
?
Wie
Mann
und
Weib
verbunden
,
Ein
Zeilenpaar
,
das
ſich
vereint
im
Reim
empfunden
.
2.
Gewohntes
wuͤnſch
'
ich
mir
,
doch
mach
'
ich
zum
Bedinge
,
Daß
aus
Gewohnheit
nie
Gleichguͤltigkeit
entſpringe
.
3.
Ich
moͤchte
mir
die
Gunſt
der
Lilie
gern
erwerben
,
Doch
ohne
mit
der
Roſ
'
es
darum
zu
verderben
.
88
4.
Mach
dich
der
Wuͤnſche
leer
,
und
andre
wunſchesvoll
,
O
Herz
,
ſo
gibſt
du
Gott
und
auch
der
Welt
den
Zoll
.
5.
Die
Sinne
luͤgen
nicht
,
darauf
mußt
du
vertraun
;
Doch
ſie
ſind
ſchwach
,
auf
ſie
mußt
du
zuviel
nicht
baun
.
6.
Zur
ew'gen
Seligkeit
kannſt
du
dich
vorbereiten
Nur
wenn
du
ſteigerſt
ſtets
der
Seele
Thaͤtigkeiten
.
7.
Gemuͤt
iſt
mehr
als
Geiſt
,
denn
das
Gemuͤt
beſteht
Als
Wurzel
,
wenn
der
Geiſt
wie
Bluͤtenduft
vergeht
.
8.
Zum
Hauſe
Gottes
kommt
man
nicht
uneingeladen
,
Er
ſchickt
dir
halben
Wegs
entgegen
ſeine
Gnaden
.
89
9.
Des
Schneiders
Nadel
,
bald
auf
Seide
,
bald
auf
Zwillig
Sie
geht
,
wenn
nicht
gleichleicht
,
auf
beiden
doch
gleichwillig
.
10.
Der
Wagen
auf
dem
Schiff
,
das
Schiff
dann
auf
dem
Wagen
,
Sie
moͤgen
uͤber
Flut
und
Land
ſich
wechſelnd
tragen
.
11.
Ich
zog
,
um
obendrauf
zu
thun
den
letzten
Stein
,
Den
unterſten
hervor
,
da
fiel
der
Plunder
ein
.
12.
Ich
brauche
gute
Waar
'
,
es
iſt
mir
einerlei
,
Aus
welcher
Bude
ſie
,
von
welchem
Kraͤmer
ſei
.
13.
Die
Roſe
lacht
im
Thau
,
und
denkt
nicht
an
die
Zaͤhren
Des
Roſenwaſſers
,
die
ſie
wird
in
Glut
gebaͤren
.
90
14.
Dem
armen
Herzen
bringt
das
kleinſte
Gluͤck
Beklemmung
,
Wie
dem
Ameiſenhaus
ein
Thautropf
'
Ueberſchwemmung
.
15.
Der
Weihrauch
duftet
nur
,
wo
ihn
die
Glut
verzehrt
;
Leid
'
in
Geduld
,
o
Herz
,
ſo
biſt
du
Gottes
werth
.
16.
Herz
,
wundre
dich
nur
nicht
,
wenn
dir
dein
Haus
ein
Stein
Zerbricht
;
warum
haſt
du's
gebaut
aus
Glas
allein
.
17.
Der
Andacht
Thraͤne
ſoll
man
nicht
vom
Auge
wiſchen
,
Denn
nichts
ſoſehr
wie
ſie
kann
deſſen
Glanz
erfriſchen
.
18.
Du
mußt
den
erſten
Platz
dem
letzten
nie
einraͤumen
,
Um
Angenehmes
nie
Nothwendiges
verſaͤumen
.
91
19.
Nichts
wie
die
Schmeichelei
iſt
ſo
gefaͤhrlich
dir
;
Du
weißt
es
daß
ſie
luͤgt
,
und
dennoch
glaubſt
du
ihr
.
20.
Der
Vogel
fuͤhlt
ſich
frei
,
im
Kaͤfich
aufgehangen
,
Wenn
an
das
Netz
er
denkt
,
worin
er
lag
gefangen
.
21.
Ich
ſah
vom
Mond
herab
,
da
kamen
alle
Baͤume
Von
gleicher
Hoͤh
mir
vor
,
und
eben
alle
Raͤume
.
22.
Selbſt
die
fuͤnf
Finger
ſind
nicht
gleich
an
einer
Hand
,
Verſchieden
iſt
ihr
Dienſt
,
ihr
Anſehn
,
Groͤß
'
und
Stand
.
23.
Dem
Muͤßiggaͤnger
fehlt
es
ſtets
an
Zeit
zum
Thun
,
Und
nie
an
einem
Grund
,
warum
ers
laſſe
ruhn
.
92
24.
Wenn
die
Gewaͤhrung
du
nicht
ſiehſt
im
Angeſicht
Des
,
den
du
bitten
willſt
,
ſo
thu
die
Bitte
nicht
.
25.
Ein
Schatten
im
Gemuͤt
von
einem
deiner
Gaͤſte
Verſtoͤrt
die
Heiterkeit
vom
ganzen
Hochzeitfeſte
.
26.
Mit
unverdientem
Lob
kannſt
du
vielleicht
beſchaͤmen
,
Wen
du
nicht
konnteſt
mit
verdientem
Tadel
zaͤhmen
.
27.
Die
rechte
Freundſchaft
iſt
von
hinten
wie
von
vorne
,
Nicht
Roſ
'
ins
Angeſicht
,
und
hinterm
Ruͤcken
Dorne
.
28.
Was
Heil
uns
bringet
,
iſt
ein
Unheil
nicht
zu
nennen
,
Und
jedes
Unheil
bringt
uns
Heil
,
wenn
wirs
erkennen
.
93
29.
Sieh
,
was
die
Weiſen
thun
,
ſieh
,
wie's
die
Thoren
treiben
;
Und
thu
das
eine
nach
,
und
laß
das
andre
bleiben
.
30.
Mußt
du
verpflichtet
ſeyn
,
ſo
ſei's
dem
Ehrenmann
;
Denn
ſchwer
iſt
danken
dem
,
den
man
nicht
ehren
kann
.
31.
Der
Beeren
hangen
viel
an
einem
Traubenſtiele
;
Haͤltſt
du
den
einen
Stiel
,
ſo
haͤltſt
du
alle
viele
.
32.
Des
Zahnwehs
Heilung
iſt
,
den
Zahn
dir
auszureißen
,
Den
Diener
,
welcher
ſchlecht
dir
dienet
,
gehn
zu
heißen
.
33.
Man
lebt
nicht
zweimal
,
und
wie
groß
iſt
deren
Zahl
,
Die
leben
auf
der
Welt
auch
einmal
nicht
einmal
!
94
34.
Wenn
du
mir
nahe
biſt
,
und
ich
nichts
ſeh
von
dir
,
Wollt
'
ich
,
du
waͤreſt
fern
,
und
ſchickteſt
Gruͤße
mir
!
35.
Der
Freund
,
der
lang
'
uns
ließ
auf
ſeine
Ankunft
hoffen
,
Darf
nicht
gleich
wieder
gehn
,
wenn
er
erſt
eingetroffen
.
36.
Der
Freund
hat
einen
Strick
gelegt
um
mein
Genick
,
Fuͤhrt
mich
wohin
er
will
in
jedem
Augenblick
.
37.
Scheu
du
nicht
ein
Geſchaͤft
,
das
dir
kann
Ruh
erringen
,
Und
ſcheu
'
auch
eines
nicht
,
das
ſie
kann
andern
bringen
.
38.
Gebet
fuͤhrt
halben
Wegs
zum
Paradies
,
die
Staͤrke
Des
Glaubens
klopft
ans
Thor
,
das
aufthun
Liebeswerke
.
95
39.
Sei
du
der
Kerze
gleich
,
die
ſich
in
Demut
putzt
,
Und
um
ſo
heller
brennt
,
wenn
man
die
Schnaup
'
ihr
ſtutzt
.
40.
Verzage
nicht
,
mein
Herz
!
das
Ei
kann
Federn
kriegen
,
Und
aus
der
engen
Schaal
'
empor
zum
Himmel
fliegen
.
41.
Wir
hofften
ſchon
jahrein
,
nun
laßt
jahraus
uns
hoffen
;
Am
Ende
trifft
es
ein
,
was
noch
nicht
eingetroffen
.
42.
Ich
glaubte
mich
gelobt
,
dir
danken
wollt
'
ich
ſchon
;
Nun
lobſt
du
jeden
Wicht
,
beſchaͤmt
ſchleich
'
ich
davon
.
43.
Gruͤn
wird
vor
Luſt
ein
Blatt
vom
andern
Blatt
am
Baume
,
Und
eine
Pflaum
'
aus
Scham
roth
von
der
andern
Pflaume
.
96
44.
Was
du
zur
Grotte
rufſt
,
das
ruft
dir
aus
der
Grotte
,
Und
dein
Orakel
biſt
du
ſelbſt
bei
deinem
Gotte
.
45.
Zum
Weinen
muß
das
Herz
ſich
auch
mit
Luſt
aufſchließen
;
Solangs
der
Schmerz
verſchließt
,
kann
nicht
die
Thraͤne
fließen
.
46.
Dir
ſelbſt
und
Gott
getreu
,
und
allen
Menſchen
gut
,
Dann
trage
,
wie
du
magſt
,
Turban
,
Kapp
'
oder
Hut
.
47.
Das
Leben
iſt
ein
Raub
,
das
Leben
eine
Beute
;
Wer
weiß
,
wers
morgen
nimmt
?
wers
hat
,
genieß
'
es
heute
.
48.
Wenn
morgen
kommt
,
will
ich
das
Werk
von
morgen
thun
,
Gethan
iſt
das
von
heut
,
nun
laßt
mich
heute
ruhn
.
97
49.
Das
Gold
,
ſobald
es
hat
erkannt
den
Edelſtein
,
Ehrt
deſſen
hoͤhern
Glanz
,
und
faßt
ihn
dienſtbar
ein
.
50.
Der
Traube
Suͤßigkeit
gib
denen
,
die
nicht
lieben
,
Damit
nicht
bitter
ganz
ihr
Gaumen
ſei
geblieben
.
51.
Von
Freunden
,
dachten
wir
,
ſei
Freundſchaft
zu
erwarten
;
Nun
ſehn
wir
,
dieſes
Kraut
waͤchſt
nicht
in
dieſem
Garten
.
52.
Dein
eignes
Leben
ſelbſt
iſt
laͤnger
nicht
dein
eigen
,
Sobald
dein
Herz
du
fuͤhlſt
zu
einem
andern
neigen
.
53.
Gib
nicht
zu
ſchnell
dein
Wort
,
ſo
brauchſt
du's
nicht
zu
brechen
;
Viel
beſſer
iſt
es
,
mehr
zu
halten
als
verſprechen
.
Ruͤckert
,
Lehrgedicht
VI
.
5
98
54.
Wenn
es
das
Gluͤck
nicht
iſt
,
ſo
iſt
es
doch
ſein
Schein
;
Ein
Bettler
ſteckt
wol
auch
den
falſchen
Groſchen
ein
.
55.
Das
Gluͤck
und
das
Verdienſt
ſind
von
ungleicher
Macht
:
Wer
das
Verdienſt
hat
,
weint
,
und
wer
das
Gluͤck
hat
,
lacht
.
56.
Trifft
dich
des
Schickſals
Schlag
,
ſo
mach
'
es
wie
der
Ball
:
Je
ſtaͤrker
man
ihn
ſchlaͤgt
,
je
hoͤher
fliegt
er
all
.
57.
Schlaͤgt
dir
die
Hoffnung
fehl
,
nie
fehle
dir
das
Hoffen
!
Ein
Thor
iſt
zugethan
,
doch
tauſend
ſind
noch
offen
.
58.
Die
Lamp
'
an
einer
Seit
'
,
die
Kerz
'
iſt
ringsum
licht
;
Sei
du
die
Lampe
nur
,
biſt
du
die
Kerze
nicht
.
99
59.
Wer
Gluͤck
im
Hauſe
hat
,
hat
außerm
Hauſe
Luſt
;
Wohl
iſt
dirs
in
der
Welt
,
wenn
wohl
in
deiner
Bruſt
.
60.
Wo
unter
einem
Dach
beiſammen
zwei
entgegen
Geſetzte
Winde
ſind
,
wird
nie
der
Sturm
ſich
legen
.
61.
Warum
thun
Buße
nicht
,
die
Buße
predigen
?
Weil
ſie
ſich
ihrer
Pflicht
durchs
Wort
entledigen
.
62.
Haſt
du
die
irdiſchen
Geſchaͤfte
ſchon
gethan
,
Daß
du
der
himmliſchen
dich
nimmſt
ſo
eifrig
an
?
63.
Gewinnen
muß
,
wer
nicht
verloren
gibt
das
Spiel
;
Verzage
nicht
!
es
trifft
der
letzte
Pfeil
das
Ziel
.
5*
100
64.
Sei
nur
,
wo's
irgendwas
zu
lernen
gibt
,
gelehrig
;
Oft
findet
ſich
,
was
man
im
Schranke
ſucht
,
im
Kehricht
.
65.
Ein
Wammes
,
deſſen
Schnitt
nicht
deiner
Wamme
paßt
,
Gebettelt
haſt
du's
,
wo
du's
nicht
geſtohlen
haſt
.
66.
Ein
Grashalm
waͤchſt
nicht
leicht
dem
Palmbaum
uͤbern
Kopf
;
Mißt
ſich
ein
Tropf
mit
dir
,
miß
dich
nicht
mit
dem
Tropf
.
67.
Spricht
Unvernunft
,
was
hilfts
daß
da
Vernunft
ſich
zeige
?
Wer
unvernuͤnftig
nicht
mitſprechen
will
,
der
ſchweige
.
68.
Verdiene
dein
Geſchick
,
ſei
dankbar
und
beſcheiden
,
Und
fuͤrchte
nicht
den
Blick
von
denen
die's
beneiden
.
101
69.
Wen
das
Verhaͤngnis
will
in
Schmach
und
Schande
ſtuͤrzen
,
Den
treibt
es
Ehr
'
und
Ruhm
der
Edlen
zu
verkuͤrzen
.
70.
Zu
nah
am
Feuer
brennt
,
zu
fern
vom
Feuer
friert
;
Zu
nah
nicht
noch
zu
fern
lieb
'
ich
den
,
der
regiert
.
71.
Nur
dem
iſt
Reichthum
gut
,
der
ihn
mit
gutem
Fleiß
Erworben
hat
,
und
ihn
gut
anzuwenden
weiß
.
72.
Der
Weisheit
Lehren
kann
nur
der
Verſtaͤnd'ge
deuten
,
Der
Unverſtaͤndige
wird
Irrthum
draus
erbeuten
.
73.
Wenn
du
willſt
deinen
Feind
demuͤth'gen
,
ſei
befliſſen
Demuͤthiger
zu
ſeyn
als
er
,
und
mehr
zu
wiſſen
.
102
74.
Oft
durch
Nachſetzung
wird
ein
Vorzug
ſelbſt
erbeutet
,
Wie
Mirſa
Schreiber
vorn
,
und
hinten
Prinz
bedeutet
.
75.
Die
Perle
ſelber
wird
durchs
Alter
doch
geringer
,
Und
fuͤr
den
Edelſtein
allein
iſt
kein
Bezwinger
.
76.
Allein
iſt
beſſer
als
mit
Schlechten
im
Verein
,
Mit
Guten
im
Verein
iſt
beſſer
als
allein
.
77.
Luͤg
'
einfach
,
und
ich
glaubs
;
doch
wenn
hinzu
du
fuͤgſt
Soviel
Betheurungen
,
ſo
merk
'
ich
daß
du
luͤgſt
.
78.
Zur
Unzeit
rede
nicht
;
denn
jenem
Hahne
drehte
Man
darum
ab
den
Hals
,
weil
er
zur
Unzeit
kraͤhte
.
103
79.
Laß
deine
Zunge
gleich
der
Zunge
ſeyn
der
Wage
;
Kind
,
wo
ſie
ſtille
ſteht
,
iſt
ihre
beſte
Lage
.
80.
Der
Taube
ſchreit
alsob
taub
jeder
Hoͤrer
ſei
;
Von
ſeiner
Thorheit
macht
der
Thor
ein
groß
Geſchrei
.
81.
Laß
du
der
Kleriſei
den
geiſtlich
ſcharfen
Geifer
!
Dir
ziemt
der
Glauben
,
Lai
,
und
ihr
der
Glaubenseifer
.
82.
Kopfhaͤnger
,
geh
mir
weg
!
wie
kann
den
Weg
mir
ſagen
Zum
Licht
,
wer
frei
zum
Licht
nicht
darf
den
Blick
aufſchlagen
?
83.
Die
beſte
Heilart
iſt
,
vor
Krankheit
zu
bewahren
Den
Leib
,
und
Arzenein
durch
Maͤßigkeit
zu
ſparen
.
104
84.
Zum
Schutze
gegen
Gift
reicht
nicht
geſunde
Nahrung
,
Im
Gegengift
allein
iſt
Rettung
und
Verwahrung
.
85.
Dem
Hungerleider
gib
ein
Feld
,
daß
er
ſich
naͤhre
;
Zum
Danke
gibt
er
dir
vom
Feld
nicht
eine
Aehre
.
86.
Wo
irgend
Herr
und
Hund
einander
kamen
fern
;
Eh'r
als
der
Herr
den
Hund
,
ſpuͤrt
aus
der
Hund
den
Herrn
.
87.
Der
Vogel
Leben
iſt
durchs
Fenſter
mir
entſchluͤpft
,
Und
keine
Ausſicht
daß
herein
er
wieder
huͤpft
.
88.
Wenn
eines
wirken
ſoll
,
ſo
laß
das
andre
ruhn
;
Ein
Schuͤtz
,
der
treffen
will
,
muß
zu
ein
Auge
thun
.
105
89.
Des
Manns
Erfahrung
ſieht
ſoviel
in
einer
Ziegel
,
Als
Unerfahrenheit
des
Kinds
in
einem
Spiegel
.
90.
Ob
Gold
und
Silber
gleich
nicht
iſt
in
jedem
Schacht
,
Wird
Gold
und
Silber
doch
nur
aus
dem
Schacht
gebracht
.
91.
Gepraͤgtes
Silber
zwar
dient
auf
dem
Markt
zu
Preiſen
,
Doch
es
zu
praͤgen
dient
ein
Praͤgeſtock
von
Eiſen
.
92.
Du
fragſt
,
wie
auf
den
Baum
der
Apfel
ſei
gekommen
?
Ein
andrer
hat
indeß
ihn
ſchweigend
abgenommen
.
93.
Verſchieb
nicht
,
was
du
heut
beſorgen
ſollſt
,
auf
morgen
,
Denn
morgen
findet
ſich
was
neues
zu
beſorgen
.
106
94.
Oft
hat
das
beſte
Herz
zum
aͤrgſten
ſich
verirrt
,
Wie
aus
dem
ſuͤſten
Wein
der
ſchaͤrfſte
Eſſig
wird
.
95.
Gehilfen
ſuch
'
ich
,
die
ſich
auch
zu
helfen
wiſſen
;
Gehilfen
,
denen
ich
ſoll
helfen
,
kann
ich
miſſen
.
96.
Der
Eſel
iſſet
wie
der
Diſtelfinke
Diſtel
,
Deswegen
ſingt
er
doch
ſo
fein
nicht
durch
die
Fiſtel
.
97.
Wie
Wind
im
Kaͤfige
,
wie
Waſſer
in
dem
Siebe
,
Iſt
guter
Rath
im
Ohr
der
Thorheit
und
der
Liebe
.
98.
Selbſt
um
ein
Wort
hervor
zu
bringen
,
muß
die
Zunge
Sich
regen
;
willſt
du
was
vollbringen
,
reg
dich
,
Junge
!
107
99.
So
moͤcht
'
ich
leben
,
daß
ich
haͤtte
,
wenn
ich
ſcheide
,
Gelebet
mir
zur
Luſt
,
und
andern
nicht
zu
Leide
.
100.
Lern
'
auf
die
Augen
thun
,
wenn
nichts
dir
ſoll
misgluͤcken
;
Und
wenn
dir
was
misfaͤllt
,
lern
'
eines
zuzudruͤcken
.
[108]
[109]
XVII
.
[110]
[111]
1.
W
er
unter
Weiſen
iſt
nicht
von
den
Ueberweiſen
,
Nur
unterweiſen
will
er
dich
,
nicht
uͤberweiſen
.
Von
dem
,
was
uͤber
dem
Bereich
der
Sinne
liegt
,
Wohin
der
kuͤhne
Geiſt
auf
ſeinen
Schluͤſſen
fliegt
,
Sagt
er
nur
was
er
meint
,
ſagt
er
nur
was
ihm
ſcheint
,
Wenn
er
entſchieden
auch
bejahet
und
verneint
.
Sagt
er
auch
nicht
dazu
:
ſo
mein
'
ich
und
ſo
ſcheint
es
;
Von
ſelbſt
verſteht
es
ſich
:
es
ſcheint
ihm
und
er
meint
es
.
Nimm
davon
an
,
was
ſich
mag
deinem
Sinn
vereinen
,
Und
hab
'
im
Uebrigen
dein
Scheinen
ſelbſt
und
Meinen
.
112
2.
Aus
der
Vollkommenheit
der
Welt
willſt
du
beweiſen
Das
Daſeyn
Eines
,
der
ſie
haͤlt
in
ihren
Kreiſen
.
Und
die
Vollkommenheit
der
Welt
in
jeder
Spur
Beweiſeſt
du
woraus
?
aus
Jenes
Daſeyn
nur
.
Nicht
ſchelt
'
ich
den
Beweis
,
daß
er
ſich
dreht
im
Kreis
;
Vielmehr
des
Denkens
Kreis
dreht
ſich
um
den
Beweis
.
Wie
ſchoͤn
,
daß
ſo
voraus
ſich
dieſe
beiden
ſetzen
,
Und
du
der
dritte
biſt
,
daran
dich
zu
ergetzen
.
3.
Warum
die
Allmacht
nicht
ohn
'
Uebel
ſchuf
die
Welt
?
Weil
ein
vollkommnes
Bild
nicht
lauter
Licht
enthaͤlt
.
Der
beſte
Maler
kanns
nicht
ohne
Schatten
malen
,
Die
ſtets
nothwendig
ſind
,
damit
die
Lichter
ſtralen
.
113
4.
Sowahr
du
hier
die
Welt
nur
kannſt
im
Zwielicht
ſehn
,
Sowahr
wird
ſie
dir
dort
im
vollen
Glanze
ſtehn
.
Was
alſo
biſt
du
aufs
Unmoͤgliche
befliſſen
,
Umſonſt
zu
forſchen
,
was
du
einſt
von
ſelbſt
wirſt
wiſſen
?
Weil
Trieb
nach
Wahrheit
nur
die
Buͤrgſchaft
iſt
des
Wahren
.
Nur
was
du
ſuchteſt
hier
,
das
wirſt
du
dort
erfahren
.
5.
Erſt
zu
erwerben
dir
ein
Wiſſen
,
ſei
befliſſen
,
Dann
mitzutheilen
auch
den
anderen
dein
Wiſſen
.
Daß
ſie
nur
wiſſen
,
daß
du
weißt
,
iſt
Ehre
ſchon
;
Doch
dis
,
daß
du
weißt
,
daß
ſie
wiſſen
,
ſei
dein
Lohn
.
114
6.
Wir
haben
uns
geirrt
,
und
werden
mehr
noch
irren
,
Uns
hier
entwirren
nur
um
dort
uns
zu
verwirren
.
Ungluͤcklich
waͤren
wir
,
wenn
eine
Taͤuſchung
ſchwaͤnde
Von
Gluͤck
und
Luſt
,
und
nicht
gleich
eine
neu
'
entſtaͤnde
.
7.
Die
eine
Hoffnung
haſt
du
kaum
zu
Grab
getragen
,
Und
andre
Knoſp
'
am
Strauch
beginnt
ſchon
auszuſchlagen
.
Oh
doppelt
theuer
iſt
die
alſo
neugeborne
,
In
der
du
zwei
nun
haſt
,
ſie
ſelbſt
und
die
verlorne
.
115
8.
In
dieſem
Arme
,
wo
ein
Sterbendes
mir
lag
,
Wieg
'
ich
mit
Luſt
ein
Neugebornes
manchen
Tag.
Doch
kann
ich
keinen
Blick
auf
das
Geborne
ſenken
,
Ohn
'
ans
Geſtorbene
,
das
vor
ihm
war
,
zu
denken
.
O
Herz
,
nie
mehr
von
Weh
wird
deine
Wonne
frei
,
Wenn
du
beim
Leben
nur
fuͤhlſt
daß
es
ſterblich
ſei
.
9.
Die
Hoffnung
halte
feſt
:
Gott
wird
dich
nicht
verlaſſen
;
Das
Aergſte
das
dir
droht
,
er
wird
es
dir
erlaſſen
.
Und
traf
das
Aergſte
dich
,
ſo
bleib
'
in
Zuverſicht
:
Die
Hoffnung
ſchlug
dir
fehl
,
doch
Gott
verließ
dich
nicht
.
Ja
,
daß
dich
Gott
nicht
hat
verlaſſen
,
mußt
du
ſagen
,
Da
er
die
Kraft
dir
gibt
das
Aergſte
zu
ertragen
.
116
10.
Wie
kannſt
du
ungethan
ein
Fehlgethanes
machen
?
Das
iſt
die
wichtigſte
und
ſchwierigſte
der
Sachen
.
Wenn
du
dir
ſagen
darfſt
,
daß
,
wenn
du's
wieder
nun
Thun
koͤnnteſt
,
du
gewiß
es
anders
wuͤrdeſt
thun
;
Wenn
ſo
des
Willens
Kraft
du
haſt
daran
gemeſſen
,
Dann
ſei
es
abgethan
,
und
,
wenn
du
kannſt
,
vergeſſen
.
11.
Des
Menſchen
Schuldbuch
iſt
ſein
eigenes
Gewiſſen
,
Darin
durchſtrichen
wird
kein
Blatt
,
noch
ausgeriſſen
.
Der
Schuldner
kann
darin
nicht
tilgen
ſeine
Schuld
,
Nur
danken
kann
er
,
wenn
ſie
tilgt
des
Schuldherrn
Huld
.
In
deinem
Schuldbuch
kannſt
du
tilgen
,
was
dir
iſt
Ein
andrer
ſchuldig
,
nicht
was
du
ihm
ſchuldig
biſt
.
117
12.
Verderblich
iſt
es
,
mit
unrechtem
Gut
zu
prunken
;
Mit
Recht
heißt
unrecht
Gut
im
Kleiderſchrank
ein
Funken
.
Durch
Unrecht
wird
ein
Schatz
nicht
groͤßer
,
ſondern
ſchmaler
;
Der
Pfennig
ungerecht
frißt
den
gerechten
Thaler
.
13.
Lob
oder
Schmaͤhung
tritt
nur
durch
das
Wort
ins
Leben
,
Doch
Segen
oder
Fluch
kann
dir
ein
Stummer
geben
.
14.
Das
Recht
ſteht
huͤben
und
das
Unrecht
ſtehet
druͤben
,
Beſtimmt
geſchieden
und
entſchieden
auszuuͤben
.
Doch
unentſchieden
ſteht
dazwiſchen
manches
Dritte
,
Unſicher
ſchwankend
in
des
Rechts
und
Unrechts
Mitte
.
Wie
dieſes
wird
genannt
,
erklaͤrt
und
angewandt
,
Daran
vor
allem
wird
der
beſſre
Menſch
erkannt
.
118
15.
Arbeiter
dingt
der
Herr
fuͤr
ſeinen
Arbeitstag
,
Und
Abends
jedem
gibt
er
ſeines
Lohns
Betrag
.
Nur
einem
einz'gen
gibt
er
einen
Ueberſchuß
;
Das
ſehn
die
anderen
Arbeiter
mit
Verdruß
,
Und
ſprechen
:
Haben
wir
nicht
gleich
wie
er
und
eben
Soviel
geſchafft
?
warum
haſt
du
ihm
mehr
gegeben
?
Da
ſprach
er
:
Habet
ihr
zuwenig
denn
empfangen
,
Und
brach
ich
einem
ab
vom
Lohn
,
den
wir
bedangen
?
Sie
ſprachen
:
Nein
!
Er
ſprach
:
So
nehmt
und
ſchweiget
ſtill
;
Den
Ueberſchuß
der
Gnad
'
ertheil
'
ich
,
wem
ich
will
.
16.
Verſaͤume
kein
Gebet
,
doch
das
der
Morgenroͤthe
Verſaͤume
nie
,
weil
keins
dir
gleichen
Segen
boͤte
.
Die
Engel
von
der
Nacht
,
die
Engel
von
dem
Tag
,
Umſchweben
dis
Gebet
mit
gleichem
Fluͤgelſchlag
.
119
17.
Du
kannſt
in
deinem
Haus
,
dem
naͤchſten
Tempel
,
beten
,
Und
brauchſt
zum
fernſten
nicht
die
Wandrung
anzutreten
.
Doch
zeugt
dein
Tempelgang
,
noch
mehr
die
Pilgerſchaft
,
Daß
deiner
Andacht
Drang
iſt
von
beſondrer
Kraft
.
18.
In
der
natuͤrlichen
Religion
geboren
Wird
jeder
Menſch
,
und
nie
geht
ſie
ihm
ganz
verloren
.
Ihm
angezogen
wird
ein
aͤußres
Glaubenthum
,
Das
nimmt
im
Leben
er
wie
einen
Mantel
um
.
Er
trag
'
es
,
weil
er
lebt
;
im
Tode
legt
ers
ab
,
Da
bleibt
der
Glauben
ihm
,
den
Gott
ihm
ſelber
gab
.
19.
Wer
ſagt
:
Ich
bin
Gott
nah
!
der
iſt
ihm
fern
geblieben
;
Wer
ſagt
:
Ich
bin
Gott
fern
!
der
iſt
ihm
nah
durch
Lieben
.
120
20.
Nicht
gnug
iſts
,
ſelber
nicht
zu
haſſen
noch
zu
neiden
;
Du
mußt
den
Neid
,
den
Haß
von
andern
auch
vermeiden
.
Des
Haſſes
Blick
iſt
Froſt
,
des
Neides
Blick
iſt
Glut
;
O
Liebespflanze
,
dir
iſt
Glut
und
Froſt
nicht
gut
.
Gott
geb
'
ein
Plaͤtzchen
dir
,
wo
rein
du
koͤnnteſt
ſproſſen
,
Von
Liebesſtral
beſonnt
,
von
Freundſchaftsthau
begoſſen
;
Wo
dich
kein
Blick
erreicht
,
wo
dich
kein
Hauch
beruͤhrt
,
Von
dem
nicht
Geiſt
geweckt
,
und
Andacht
wird
geſchuͤrt
.
21.
Der
Weiſe
ward
befragt
:
Was
wuͤnſcheſt
du
fuͤr
Gaben
?
Er
ſprach
:
Nichts
wuͤnſch
'
ich
als
zu
wuͤnſchen
nichts
zu
haben
.
Und
noch
einmal
befragt
:
Was
alſo
wuͤnſcheſt
du
?
Sprach
er
:
Mein
einz'ger
Wunſch
iſt
meiner
Wuͤnſche
Ruh
.
121
22.
Die
Ameiſ
'
unterm
Fuß
der
Leute
wird
zertreten
,
Und
in
dem
Angeſicht
die
Flieg
'
iſt
unerbeten
.
Die
Ameiſ
'
unterm
Fuß
der
Leute
biſt
du
nicht
,
Noch
auch
die
Fliege
,
die
ſie
ſticht
ins
Angeſicht
.
O
dank
'
es
deinem
Gluͤck
,
daß
ſo
iſt
deine
Lage
,
Wo
dir
die
Welt
nicht
wird
,
noch
du
wirſt
ihr
zur
Plage
.
23.
Froh
bin
ich
,
durch
zu
ſeyn
durch
das
Gedraͤng
'
im
Leben
,
Und
moͤchte
nicht
hinein
mich
noch
einmal
begeben
.
Noch
minder
moͤcht
'
ich
,
nicht
darin
geweſen
ſeyn
,
Noch
einen
hindern
,
der
auch
einmal
will
hinein
.
Geh
nur
hinein
,
mein
Sohn
,
hilf
durch
dir
,
wie
du
kannſt
;
Und
wenn
du
kommſt
heraus
,
laß
ſehn
,
was
du
gewannſt
.
Ruͤckert
,
Lehrgedicht
VI
.
6
122
24.
Wenn
du
ein
Ungluͤck
ob
dem
Naͤchſten
ſiehſt
verhangen
,
Hoffſt
du
,
weil
ihn
es
traf
,
ſei
dirs
vorbei
gegangen
.
Und
fuͤhlſt
du
menſchlicher
,
ſo
dauert
dich
der
Mann
;
Warum
?
weil
was
ihn
traf
,
auch
dich
betreffen
kann
.
Was
traͤgt
es
aus
,
ob
warm
du's
aufnimmſt
oder
kuͤhl
?
So
eigenſuͤchtig
iſt
Gefuͤhl
wie
Ungefuͤhl
.
25.
O
Vaͤter
,
Muͤtter
,
o
Erzieher
,
habet
Acht
Des
wichtigen
Berufs
,
wie
groß
iſt
eure
Macht
.
Der
Menſchheit
Aufgab
'
iſt
die
Menſchheit
zu
erziehn
;
Bedenkt
,
daß
euch
daran
ein
Antheil
iſt
verliehn
.
O
wirkt
gewiſſenhaft
dazu
an
euerm
Theil
,
Damit
der
Menſchheit
komm
'
ihr
Heiland
oder
Heil
.
123
Betrachtet
jedes
Kind
mit
Ehrfurcht
,
denn
geheim
Kann
ſeyn
in
jedem
ja
des
neuen
Heiles
Keim
.
Das
Heil
,
ob
es
Geſtalt
des
Einzlen
angenommen
,
Ob
es
als
Ganzes
komm
'
,
es
wird
das
Heil
uns
kommen
.
26.
Mit
Unrecht
ruͤhmſt
du
dich
,
in
freiem
Haus
zu
walten
,
Wenn
du
die
drinnen
mußt
mit
Zwang
zuruͤck
behalten
.
Den
,
der
freiwillig
nicht
will
bleiben
,
laß
ihn
ziehn
;
Sonſt
wird
dein
freies
Haus
zum
Zwangſtall
nur
fuͤr
ihn
.
Du
ſprichſt
:
Er
uͤbernahm
in
dieſem
Hauſe
Pflichten
,
Und
eh
'
er
abziehn
darf
,
muß
er
die
erſt
verrichten
.
Nein
!
Pflichten
hat
er
nur
,
ſolang
er
bleibt
im
Haus
;
Sobald
er
ausziehn
will
,
iſt
die
Verpflichtung
aus
.
6*
124
27.
Das
Land
der
Kindheit
ließ
ich
hinterm
Ruͤcken
liegen
,
Und
vorwaͤrts
wie
der
Schritt
begann
der
Blick
zu
fliegen
.
Ich
hatte
Muth
und
Trieb
allein
,
bergan
zu
gehn
,
Und
keine
Luſt
noch
Zeit
,
einmal
zuruͤck
zu
ſehn
.
Dann
als
ich
umſchaun
wollt
'
auf
halber
Hoͤhe
droben
,
Da
hatt
'
ein
Huͤgelland
dazwiſchen
ſich
geſchoben
.
Doch
als
ich
angelangt
nun
auf
dem
Gipfel
war
,
Da
lag
das
ſchoͤne
Thal
in
Fernen
daͤmmerklar
.
Was
mir
im
Reiſedrang
verſchwunden
war
,
vergeſſen
,
Mit
ſanfter
Wehmuth
nun
erinnr
'
ich
all
mich
deſſen
.
Die
Sehnſucht
truͤge
gern
zum
ſtillen
Thal
mich
wieder
,
Allein
mein
Weg
geht
dort
den
andern
Abhang
nieder
.
125
28.
Ein
langentfernter
Freund
,
ein
weitgetrennter
,
kam
So
lebhaft
mir
im
Traum
,
als
ich
ihn
nie
vernahm
.
Wie
freute
ſich
mein
Herz
,
da
es
ihn
wieder
fand
,
Den
es
verloren
hatt
'
,
und
ihn
ſo
nah
empfand
.
Doch
nach
derſelben
Nacht
,
da
ich
den
Freund
erworben
,
In
kurzen
Tagen
kam
die
Kund
'
,
er
ſei
geſtorben
.
Und
mußt
'
er
eben
da
er
neu
mir
lebte
ſterben
,
Und
mußt
'
ich
nur
um
zu
verlieren
ihn
erwerben
?
Ja
,
ſterben
,
daß
ſich
mir
ſein
Leben
neu
gebaͤre
,
Er
nicht
,
von
Zeit
und
Raum
geſchieden
,
todt
mir
waͤre
.
126
29.
Sich
ſelbſt
genuͤgen
und
von
andern
nichts
verlangen
,
Iſt
Weisheit
froſtige
,
die
zeitig
mir
zergangen
.
Nie
gnuͤgeſt
du
dir
ſelbſt
,
wenn
du
nicht
andre
liebſt
,
Von
denen
du
empfaͤngſt
,
und
ihnen
wieder
giebſt
.
Drum
ſtelle
ſo
den
Spruch
,
dann
magſt
du
dich
ihm
fuͤgen
:
Gib
was
du
kannſt
,
und
laß
was
du
empfaͤngſt
dir
gnuͤgen
.
30.
Den
durſt'gen
Gaumen
labt
ein
Trunk
,
und
nicht
den
ſatten
;
Doch
gruͤnem
kommt
der
Thau
,
nicht
duͤrrem
Holz
zu
Statten
.
Ohn
'
Unzulaͤnglichkeit
wirſt
du
kein
Heil
verlangen
,
Doch
ohn
'
Empfaͤnglichkeit
kannſt
du's
auch
nicht
empfangen
.
127
31.
Du
moͤchteſt
ſeyn
wie
der
und
jener
,
doch
dabei
Auch
bleiben
,
der
du
biſt
,
alsob
das
moͤglich
ſei
.
So
moͤchteſt
du
im
Herbſt
des
Fruͤhlings
Bluͤten
haben
,
Doch
drum
der
Fruͤchte
nicht
entbehren
,
die
dich
laben
.
Dazu
ſind
eben
Wuͤnſch
'
und
Traͤume
dir
verliehn
,
Um
alles
,
was
dir
fehlt
,
in
deinen
Kreis
zu
ziehn
.
32.
Wenn
du
ſaͤhſt
andern
nach
,
was
du
dir
ſelbſt
nachſieheſt
,
Und
was
du
ihnen
nicht
verzeihſt
,
dir
nie
verzieheſt
;
Zufrieden
wuͤrden
dann
die
Andern
nicht
allein
Mit
dir
,
du
wuͤrdeſts
auch
mit
dir
und
ihnen
ſeyn
.
128
33.
So
gluͤcklich
war
ich
,
und
ſo
ſorglich
es
zu
bleiben
,
So
wuͤnſchend
nur
mich
im
gewohnten
Gleis
zu
treiben
;
Daß
ich
nicht
wagt
'
im
Schritt
zu
eilen
noch
zu
ſaͤumen
,
Noch
irgend
ein
Geraͤth
von
ſeinem
Platz
zu
raͤumen
;
Aus
Furcht
,
es
moͤcht
'
im
Takt
das
Gluͤck
die
Stoͤrung