PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Syſtem des heutigen Römiſchen Rechts
Sechster Band.
Mit K. Bairiſchen und K. Würtembergiſchen Privilegien.
Berlin. Bei Veit und Comp.1847.
[II][III]

Vorrede der erſten Abtheilung (§. 256 279).

Die lange Unterbrechung des vorliegenden Werkes iſt nicht durch verminderte Neigung zu dieſer Arbeit, ſondern allein durch die Menge unabweislicher an - derer Arbeiten bewirkt worden. Um Dieſes durch die That zu bewähren, die mehr, als eine bloße Verſicherung, Eindruck zu machen geeignet iſt, habe ich es für beſſer gehalten, den einzelnen Abſchnitt des ſechsten Bandes, zu deſſen Ausarbeitung ſich gerade die nöthige Zeit gewinnen ließ, abgeſondert erſcheinen zu laſſen, als die Vollendung des ganzen Bandes abzuwarten. Es wird jedoch durch fort - laufende Seitenzahlen in der zweiten Abtheilung (welche die Lehre vom Urtheil enthalten ſoll) dafür geſorgt werden, daß der ſechste Band auch in derIVVorrede.äußeren Erſcheinung mit den vorhergehenden Bänden gleichförmig werde.

Den bisher erſchienenen Theilen dieſer Arbeit iſt von manchen Seiten der nicht unerwartete Vor - wurf gemacht worden, daß der, als eine Darſtellung des heutigen Rechts bezeichnete, Plan des Werkes durch unverhältnißmäßige Einmiſchung hiſtoriſcher Unterſuchungen oft verlaſſen und geſtört werde. Dieſem Vorwurf wird ohne Zweifel auch der gegen - wärtige Abſchnitt nicht entgehen. Zwar iſt der Gegenſtand deſſelben ſo praktiſch, als irgend ein Stück unſres Rechtsſyſtems; allein die vorliegende Behandlung deſſelben hat ſich allerdings von aus - führlichen hiſtoriſchen Unterſuchungen nicht frei hal - ten können. Auch werden dieſe Unterſuchungen beſonders dadurch bei Manchen Anſtoß erregen, daß ſie großentheils in dem letzten Ziel mit den Anſichten Anderer übereinſtimmen, und nur den Weg, auf welchem Dieſe zu dem gemeinſamen Ziel gelangen wollen, als irrig darzuſtellen ſuchen. Ein Verfahren ſolcher Art wird von nicht Wenigen als unpraktiſch angeſehen.

Indeſſen kann ich mich, auch bei ſorgfältigem Rückblick auf den jetzt beendigten Abſchnitt, nichtVVorrede.überzeugen, daß derſelbe irgend Etwas enthalte, das nicht nothwendig wäre, um über den hier behandel - ten Gegenſtand zu wirklicher Einſicht und Überzeu - gung zu gelangen. Ich weiß in der That hierüber Nichts zu Dem hinzuzufügen, welches ſchon in der Vorrede des erſten Bandes (S. XXXII. fg. ) geſagt worden iſt. So werden alſo auch ferner verſchie - dene Meinungen über das in dieſer Arbeit einge - haltene richtige Maaß kaum zu vermeiden ſeyn.

Geſchrieben im October 1846.

[VI]

Vorrede der zweiten Abtheilung (§. 280 301).

Durch die der zweiten Abtheilung gegebene Ein - richtung iſt die bei der erſten gegebene Zuſage in Erfüllung gegangen, ſo daß jetzt der ſechste Band mit den früheren Bänden durchaus gleichförmig geworden iſt.

Geſchrieben im Julius 1847.

VII

Inhalt des ſechsten Bandes.

Zweites Buch. Die Rechtsverhältniſſe. Viertes Kapitel. Verletzung der Rechte.

  • Seite
  • §. 256. Litis Conteſtation. Einleitung1
  • §. 257. Weſen der Litis Conteſtation. I. Römiſches Recht8
  • §. 258. Weſen der Litis Conteſtation I. Römiſches Recht. (Fortſetzung.) 23
  • §. 259. Weſen der Litis Conteſtation. II. Canoniſches Recht und Reichsgeſetze36
  • §. 260. Wirkung der Litis Conteſtation. Einleitung48
  • §. 261. Wirkung der Litis Conteſtation. I. Verurtheilung ſelbſt geſichert54
  • §. 262. Wirkung der Litis Conteſtation. I. Verurtheilung ſelbſt geſichert (Fortſetzung.) 63
  • §. 263. Wirkung der Litis Conteſtation. I. Verurtheilung ſelbſt geſichert (Fortſetzung.) 73
  • VIII
  • Seite.
  • §. 264. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. Einleitung78
  • §. 265. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen101
  • §. 266. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen. (Fortſetzung) 106
  • §. 267. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen. (Ver - ſäumte Früchte.) 113
  • §. 268. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen. (Prozeßzinſen.) 121
  • §. 269. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen. (Prozeßzinſen. Fortſetzung.) 133
  • §. 270. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen. (Prozeßzinſen. Fortſetzung.) 138
  • §. 271. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. a) Erweiterungen. (Prozeßzinſen. Fortſetzung.) 148
  • §. 272. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. b) Verminderungen164
  • §. 273. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. b) Verminderungen. (Fortſetzung.) 170
  • IX
  • Seite.
  • §. 274. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. b) Verminderungen. (Fortſetzung.) 183
  • §. 275. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. b) Verminderungen. (Zeitpunkt der Schätzung.) 198
  • §. 276. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. b) Verminderungen. (Zeitpunkt der Schätzung. L. 3 de cond. tritic.) 216
  • §. 277. Wirkung der Litis Conteſtation. II. Umfang der Verurtheilung. b) Verminderungen. (Preisveränderung.) 227
  • §. 278. Stellung der Litis Conteſtation und ihrer Folgen im heutigen Recht237
  • §. 279. Stellung der Litis Conteſtation und ihrer Folgen im heutigen Recht. (Fortſetzung.) 246
  • §. 280. Rechtskraft des Urtheils. Einleitung257
  • §. 281. Rechtskraft des Urtheils. Geſchichte265
  • §. 282. Rechtskraft des Urtheils. Geſchichte. (Fortſetzung.) 272
  • §. 283. Rechtskraft des Urtheils. Geſchichte. (Fortſetzung.) 280
  • §. 284. Rechtskraft. I. Bedingungen. A. Formelle285
  • §. 285. Rechtskraft. I. Bedingungen. A. Formelle. (Fort - ſetzung.) 295
  • §. 286. Rechtskraft. I. Bedingungen. B. Inhalt des Urtheils als Grundlage der Rechtskraft. Arten des Urtheils300
  • X
  • Seite.
  • §. 287. Rechtskraft. I. Bedingungen. B. Inhalt des Urtheils als Grundlage der Rechtskraft. Fall der Verurtheilung des Beklagten313
  • §. 288. Rechtskraft. I. Bedingungen. B. Inhalt des Urtheils als Grundlage der Rechtskraft. Fall der Freiſprechung des Beklagten320
  • §. 289. Rechtskraft. I. Bedingungen. B. Inhalt des Urtheils als Grundlage der Rechtskraft. Nicht: Verurtheilung des Klägers328
  • §. 290. Rechtskraft. I. Bedingungen. B. Inhalt des Urtheils als Grundlage der Rechtskraft. Nicht: Verurtheilung des Klägers. (Fort - ſetzung) 338
  • §. 291. Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe350
  • §. 292. Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. (Fortſetzung.) 370
  • §. 293. Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. Schriftſteller385
  • §. 294. Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. Preußiſches Recht394
  • §. 295. Rechtskraft. II. Wirkungen. Einleitung409
  • §. 296. Einrede der Rechtskraft. Bedingungen. Überſicht. I. Dieſelbe Rechtsfrage417
  • §. 297. Einrede der Rechtskraft. I. Dieſelbe Rechtsfrage424
  • §. 298. Einrede der Rechtskraft. I. Dieſelbe Rechtsfrage. Legitimationspunkt429
  • XI
  • Seite.
  • §. 299. Einrede der Rechtskraft. I. Dieſelbe Rechtsfrage. Äußerer und juriſtiſcher Gegenſtand der Klage443
  • §. 300. Einrede der Rechtskraft. I. Dieſelbe Rechtsfrage. Verſchiedenheit des Erwerbsgrundes453
  • §. 301. Einrede der Rechtskraft. Bedingungen. II. Die - ſelben Perſonen466
  • Beilage XV. Appellatio und Provocatio485
  • Beilage XVI. L. 7 de exceptione rei judicatae501
  • Beilage XVII. Causa adjecta s. expressa514
[1]

§. 256. Litisconteſtation. Einleitung.

  • Winckler Discrimen inter litis contestationem jure ve - teri ac hodierno (Opuscula minora Vol. I. Lips. 1792. 8. p. 293 370).
  • Keller über Litisconteſtation und Urtheil. Zürich. 1827. 8.
  • Bethmann-Hollweg in: Mohl und Schrader Zeit - ſchrift für Rechtswiſſ. B. 5 Stuttg. 1829 S. 65 97 (Rec. des Buchs von Keller).
  • Wächter Erörterungen aus dem Römiſchen, Deutſchen und Württembergiſchen Privatrechte. Heft 2 und 3. Stuttgart 1846. 8.

Die Aufgabe des Actionenrechts, in deſſen Mitte unſere Unterſuchung ſich gegenwärtig befindet, wurde oben (§ 204) dahin beſtimmt: die Veränderungen feſtzuſtellen, welche in einem Rechte durch die Verletzung deſſelben, ſo wie durch die zur Bekämpfung der Verletzung dienenden Anſtalten, entſtehen.

Der geſammte Zuſtand, in welchen dieſe Veränderungen fallen und aus welchem ſie entſpringen, iſt alſo hier zu - nächſt als ein Zuſtand der Rechtsverletzung aufgefaßtVI. 12Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.worden. Dieſe Auffaſſung iſt auch an ſich ganz richtig, ja unentbehrlich; ſie muß aber jetzt noch durch eine andere ergänzt werden, wenn eine vollſtändige Einſicht in die ver - ſchiedenen Seiten, die dieſer Gegenſtand darbietet, erlangt werden ſoll.

Nur in den ſeltenſten Fällen nämlich iſt die Rechtsver - letzung eine anerkannte und zugeſtandene, bei welcher es nur darauf ankommen kann, dem rechtswidrigen Willen durch höhere Gewalt entgegen zu treten. Vielmehr wird dieſelbe faſt immer von der einen Seite behauptet, von der andern beſtritten werden, ſo daß dann das ganze Verhält - niß zunächſt die Geſtalt eines Rechtsſtreits annimmt, deſſen Entſcheidung vorhergehen muß, ehe eine Rechtsver - letzung angenommen und ausgeglichen werden kann. Der Rechtsſtreit nun läßt ſich ſtets in gegenſätzliche Behaup - tungen der ſtreitenden Parteien, als in ſeine Elemente, auflöſen, und dieſe Behauptungen, in ſofern ſie eine ſelbſt - ſtändige Natur an ſich tragen, ſind unter dem Namen der Klagen, Exceptionen, Replicationen und Duplicationen, in dem vorhergehenden Bande dieſes Werks abgehandelt worden. Auf ſie bezog ſich die erſte Klaſſe möglicher Verände - rungen der Rechte, welche aus der bloßen Rechtsverletzung (oder dem Rechtsſtreit) für ſich allein hervorgehen (§ 204). Unſere Unterſuchung wendet ſich nunmehr zu der zweiten Klaſſe ſolcher Veränderungen, welche nicht aus dem Rechtsſtreit allein, ſondern aus den in denſelben eingrei - fenden Prozeßhandlungen entſpringen.

3§. 256. Litisconteſtation. Einleitung.

Unter dieſen Prozeßhandlungen tritt uns zunächſt das Urtheil entgegen, durch welches jeder Rechtsſtreit zur Entſcheidung, alſo die angebliche Rechtsverletzung entweder zur Verneinung, oder zur Anerkennung und Ausgleichung, gebracht werden muß. Die Frage, ob und wie das Urtheil in den Inhalt und Umfang der Rechte ſelbſt verändernd einwirken kann, iſt in der That unabweislich, ja ſie iſt unter allen, die hier aufgeworfen werden können, die wich - tigſte; aber ausreichend iſt dieſe Frage nicht.

Sie würde nur dann als ausreichend gelten können, wenn es möglich wäre, jeden Rechtsſtreit, ſobald er vor den Richter gebracht wird, unmittelbar durch das Urtheil zu beendigen. Dieſes iſt jedoch nur in den ſeltenſten Fäl - len möglich. Faſt immer iſt Zeit, und oft ſehr lange Zeit, nöthig, damit ein unabänderliches Urtheil mit ſicherer Über - zeugung geſprochen werden könne. Gerade in dieſer Zeit aber können wichtige Umwandlungen in dem ſtreitigen Rechtsverhältniß eintreten, und wenn dieſes geſchieht, wird oft das am Ende ausgeſprochene, die Rechtsverletzung an - erkennende, Urtheil, die Ausgleichung gar nicht, oder nur unvollſtändig gewähren, wozu doch die Rechtspflege be - ſtimmt iſt.

Wenngleich nun dieſe Verzögerung des Urtheils nebſt ihren nachtheiligen Folgen mit der Ausübung des Richter - amts unzertrennlich verbunden, alſo unvermeidlich iſt, ſo müſſen wir ſie dennoch als ein Übel anerkennen, welches durch künſtliche Anſtalten auszugleichen unſre Aufgabe iſt.

1*4Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Der Grund des erwähnten nothwendigen Übels liegt darin, daß der Anfang und das Ende des Rechtsſtreits (Klage und Urtheil) nicht gleichzeitig ſind, daß ſie vielmehr durch einen Zeitraum getrennt werden, in welchem für das Rechtsverhältniß Umwandlungen eintreten können. Die Ausgleichung des Übels wird darin beſtehen müſſen, daß das Urtheil ſich nicht darauf beſchränkt, über das urſprüng - lich vorhandene Recht zu entſcheiden, ſondern zugleich die Folgen dieſer Umwandlungen auszutilgen ſucht.

Die[allgemeine] Richtung, welche dieſer Theil der rich - terlichen Entſcheidung zu befolgen hat, läßt ſich in folgender Formel ausdrücken: Es iſt derjenige Zuſtand künſtlich hervorzubringen, welcher natürlich vorhanden ſeyn würde, wenn es möglich geweſen wäre, das Urtheil im Anfang des Rechtsſtreits auszuſprechen.

Jedoch iſt gleich hier wohl zu beachten, daß dieſe For - mel blos die durch die Natur der Aufgabe gegebene allge - meine Richtung der Löſung ausdrücken ſoll, und daß eine unbedingte, auf dem Wege einer bloßen logiſchen Folge - rung zu vermittelnde, Anwendung derſelben keinesweges gemeint ſeyn kann.

Zur vollſtändigen Löſung der hier geſtellten Aufgabe kommt es zunächſt darauf an, den Anfang des Rechts - ſtreits feſtzuſtellen, indem nur dadurch der Zeitraum genau begränzt werden kann, in welchem die durch das Urtheil auszutilgenden Umwandlungen eingetreten ſeyn müſſen.

5§. 256. Litisconteſtation. Einleitung.

Das Römiſche Recht ſetzt dieſen Anfang in die Litis - conteſtation. Dieſe werden wir als die Prozeßhandlung aufzufaſſen haben, welche zunächſt als Anfangspunkt des Rechtsſtreits, zugleich aber auch (welches nur eine ergän - zende Auffaſſung iſt) als Entſtehungsgrund der beſonderen Rechtsanſprüche anzuſehen iſt, die durch den oben an - gedeuteten Theil des Urtheils ihre Befriedigung erhalten ſollen.

Vor allem iſt nun das Weſen der Litisconteſtation feſtzuſtellen. Dieſe Unterſuchung wird dadurch nicht wenig erſchwert, daß ſchon bei den Römern dieſe Prozeßhandlung wichtige Umbildungen erfahren hat. Noch ſtärker waren dieſe in der Geſetzgebung und Praxis neuerer Zeiten. Dennoch iſt zu allen Zeiten, und ſelbſt bei den neueſten Schriftſtellern, der Begriff und der Name jenes Rechts - inſtituts feſtgehalten worden, wenngleich über die nähere Beſtimmung des Begriffs die Anſichten oft ſehr aus ein - ander gehen.

Hieran muß ſich dann der größere und wichtigere Theil unſerer Unterſuchung anknüpfen, welcher die Wirkungen der Litisconteſtation zum Gegenſtand hat. Die Aufgabe des richterlichen Urtheils, welche oben nur in einer allge - meinen Formel vorläufig angedeutet war, iſt in ihre Ele - mente zu zerlegen, wodurch allein die Einſicht gewonnen werden kann, welche Beſtimmungen in das Urtheil aufge - nommen werden müſſen, um die nachtheiligen Folgen der unvermeidlichen Dauer des Rechtsſtreits zu abſorbiren.

6Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Wenn nun ſo eben behauptet worden iſt, daß der Begriff der Litisconteſtation von allen, ſelbſt den neueſten, Schrift - ſtellern feſtgehalten und nur auf verſchiedene Weiſe beſtimmt worden ſey, ſo iſt davon noch ganz unabhängig die Frage, ob auch noch im heutigen gemeinen Recht die darzuſtel - lenden einzelnen Wirkungen an die Litisconteſtation ange - knüpft ſind. Es läßt ſich nämlich ſehr wohl die Behaup - tung denken, es ſey zwar ein beſtimmter, auf der nachzu - weiſenden Entwicklung des Römiſchen Rechts beruhender, Begriff der Litisconteſtation auch für uns vorhanden; allein die Wirkungen, die das Römiſche Recht an die Litiscon - teſtation knüpft, ſeyen in dem heutigen Recht, alle oder zum Theil, auf eine andere Prozeßhandlung übergegangen. Nach dieſer möglichen Behauptung wäre mithin ein anderer Zeitpunkt für den Anfang des Rechtsſtreits anzunehmen, ſey es allgemein, oder wenigſtens in Beziehung auf ein - zelne Wirkungen die das Römiſche Recht an die Litis - conteſtation anknüpft.

Da die Unterſuchung dieſer höchſt wichtigen Frage mit den einzelnen Wirkungen in Verbindung ſteht, ſo kann die - ſelbe auf befriedigende Weiſe erſt am Schluß der ganzen Lehre von der Litisconteſtation unternommen werden(a)Eigentlich kommt dieſe Frage in zwei verſchiedenen Geſtalten vor, deren Prüfung an zwei verſchiede - nen Orten unternommen werden mußte. Erſtlich iſt von vielen be - hauptet worden, ſchon im R. R., und zwar ſelbſt von Hadrian an, ſeyen die Wirkungen der L. C. auf einen früheren Zeitpunkt des Rechts - ſtreits zurück verlegt worden. Da - von mußte, des Zuſammenhangs wegen, im § 264 gehandelt wer -.

7§. 256. Litisconteſtation. Einleitung.

Der Zweck des ganzen Rechtsinſtituts, deſſen Darſtel - lung uns gegenwärtig beſchäftigt, geht auf Beſeitigung des nothwendigen Übels, welches in der Dauer des Rechts - ſtreits liegt, und zwar ſoll hier dieſer Zweck erreicht werden durch ausgleichende Beſtimmungen in dem Urtheil über den Rechtsſtreit. Es macht daher dieſes Inſtitut einen weſent - lichen Theil des materiellen Rechts, und zwar des Actio - nenrechts (§ 204) aus, und kann in unſrem Syſtem nur hier ſeine Stelle finden.

Allein den angegebenen praktiſchen Zweck haben mit ihm gar manche andere Rechtsinſtitute gemein, über welche in dieſer Beziehung hier eine allgemeine Ueberſicht nicht an unrechter Stelle ſeyn wird.

Dahin gehören zuerſt alle Maaßregeln, die auf Abkür - zung und Beſchleunigung der Prozeſſe hinwirken ſollen. So enthielt das ältere Römiſche Recht die ſtark eingrei - fende Regel, daß jeder Prozeß verloren ſeyn ſolle, wenn nicht in einer ſehr mäßigen Zeit das Urtheil erfolge(b)Gajus IV. § 104. 105. Ein legitimum judicium ſollte auf - hören mit dem Ablauf von Acht - zehn Monaten; ein judicium quod imperio continetur mit dem Ende der Magiſtratur, von welcher der Juder beſtellt war. Eine Erneue - rung derſelben Klage war unmög - lich, weil ſie in judicium deducirt, alſo conſumirt war.; dadurch wurde der Kläger zur eifrigen Betreibung der Sache aufgefordert. Das neueſte Recht hat dieſe Vor - ſchrift ganz aufgegeben.

Ferner kann jede gerechte Entſcheidung, und ſo auch(a)den. Zweitens wird eine Verän - derung dieſer Art für das heutige Recht behauptet; davon wird am Schluß gehandelt (§ 278. 279).8Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.der Vortheil, der von dem Inſtitut der Litisconteſtation mit ihren Wirkungen erwartet wird, auf faktiſche Weiſe ganz oder theilweiſe vereitelt werden, indem nämlich eine Sache zerſtört oder veräußert, oder indem das Vermögen eines Schuldners erſchöpft wird. Dieſe Gefahren abzuwenden oder zu vermindern, dienen zuerſt manche wichtige Prozeß - inſtitute, wie die Prozeßcautionen, Arreſte und Sequeſtra - tionen, die missio in possessionem. Außerdem dienten zu demſelben Zweck manche Inſtitute des materiellen Rechts: ſo die Geſetze gegen die Veräußerung des Eigenthums und die Ceſſion von Schuldforderungen, ſobald eines dieſer Rechte Gegenſtand eines Rechtsſtreits geworden war (res litigiosa, actio litigiosa).

Wollte man dieſe Rechtsinſtitute wegen des überein - ſtimmenden praktiſchen Zweckes, neben der Litisconteſtation abhandeln, ſo würde daraus nur Verwirrung hervorgehen können. Die meiſten derſelben können nur in dem Zuſam - menhang des Prozeßrechts ihre rechte Stelle finden; und auch diejenigen, welche in der That dem materiellen Rechte angehören (wie das litigiosum), ſind doch nicht hier, ſon - dern in Verbindung mit der Lehre vom Eigenthum oder der Ceſſion, abzuhandeln.

§. 257. Weſen der Litis Conteſtation. I. R. R.

Der Standpunkt, den wir in dieſer Unterſuchung zu nehmen haben, um zu einer befriedigenden Einſicht in den9§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.Inhalt unſrer Rechtsquellen zu gelangen, iſt das Zeit - alter des Formularprozeſſes, oder der vorherrſchenden ordi - naria judicia. Das Recht der früheren Zeit kann dabei nicht mehr in Betracht kommen. Dagegen iſt allerdings eine beſondere Rückſicht nöthig auf die Behandlung dieſes Gegenſtandes in dem extraordinarium judicium, welches ſchon frühe als Ausnahme in dem Zeitalter des Formular - prozeſſes vorkam. Die Feſtſtellung dieſes exceptionellen Zuſtandes wird dann den Uebergang bilden zu dem ſpäte - ren R. R., in welchem der ordo judiciorum völlig ver - ſchwindet, alſo die frühere Ausnahme als einzige Regel erſcheint.

Ich will damit anfangen, den Rechtszuſtand, der in den Stellen der alten Juriſten ſtets vorausgeſetzt werden muß, im Zuſammenhang darzuſtellen, und dann erſt die Rechtfertigung der einzelnen Sätze hinzufügen.

Die Litisconteſtation iſt (zu jener Zeit) eine Verhand - lung der ſtreitenden Parteien vor dem Prätor, worin beide den Streit durch gegenſeitige Erklärungen dergeſtalt feſt - ſtellen, daß derſelbe zum Uebergang an den Juder reif wird. Dieſe Verhandlung iſt der letzte Akt des Jus, das heißt des vor dem Prätor vorgehenden Theils des Pro - zeſſes; ſie iſt gleichzeitig mit der von dem Prätor ertheilten formula(a)Wenn es blos darauf an - kam, den Zeitpunkt zu bezeichnen, von welchem an gewiſſe Wirkungen im Prozeß eintreten ſollten, ſo, ſetzt alſo die Ernennung des Juder voraus, da deſſen Perſon in der formula bezeichnet wird.

10Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Da jene Verhandlung dazu beſtimmt war, den Streit vollſtändig feſtzuſtellen, ſo durfte ſie ſich nicht auf eine bloße Erklärung über die Thatſachen beſchränken, ſie mußte vielmehr auch die Exceptionen, Replicationen und Dupli - cationen umfaſſen, alſo den ganzen Inhalt der formula in ſich aufnehmen, ſo daß die formula unmittelbar aus der Verhandlung entnommen werden konnte(b)Auf dieſen erſchöpfenden In - halt der L. C darf jedoch nicht allzu großes Gewicht gelegt wer - den, da er in der That nur für die ſtrengen Klagen als allgemein durchgeführt angeſehen werden kann. In den freyen Klagen konnte ſich der Beklagte vorläufig mit einem allgemeinen Widerſpruch begnügen, und dennoch vor dem Juder Ex - ceptionen geltend machen. (B. 5 S. 466)..

Der Name der L. C. iſt von einem einzelnen Beſtand - theil der ganzen Handlung hergenommen. Beide Par - teien riefen dabei gemeinſchaftlich Zeugen auf, mit dem Ausdruck: testes estote. Dieſe Zeugen nun dürfen durchaus nicht als die Beweiszeugen gedacht werden, nach deren Ausſage künftig der Juder entſcheiden ſollte; ſolche kommen in vielen Prozeſſen überhaupt nicht vor, und in keinem Fall war jetzt ſchon die Zeit zu ihrer Vernehmung, alſo auch kein Bedürfniß zu ihrer Vorführung, gekommen. Vielmehr ſollten die Zeugen, die bei der L. C. erwähnt werden, den Inhalt der gegenwärtigen Verhandlung an - hören und künftig, wenn darüber Zweifel entſtände, be -(a)konnte man eben ſowohl die for - mula concepta, als die L. C., angeben, oder auch mit beiden Ausdrücken abwechſeln. Daß dieſes nicht geſchehen, ſondern ſtets nur die L. C. genannt worden iſt, er - klärt ſich aus ihrer Vertragsnatur (§ 258), von welcher ſogleich die Rede ſein wird.11§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.zeugen; ſie ſollten als lebendiges Protokoll dienen. Dazu konnte allerdings eher in dem blos mündlichen Prozeß der alten legis actiones ein Bedürfniß wahrgenommen werden, als neben der ſchriftlich abgefaßten formula(c)Keller § 1.. Dennoch kann ſich auch neben dem Formularprozeß dieſe Handlung, wie ſo vieles Andere, als formelle Erinnerung an einen älteren reellen Gebrauch erhalten haben; in jedem Fall aber konnte ſich der Name erhalten, nachdem man längſt aufgehört hatte, auch nur zum Schein Zeugen aufzurufen.

Die Hauptſtelle über das hier behauptete Weſen der L. C. findet ſich bei Feſtus (im Auszug des P. Diaconus) unter dem Wort Contestari, und lautet alſo: Contestari est, cum uterque reus dicit: Testes estote. Contestari litem dicuntur duo aut plures adver - sarii, quod ordinato judicio utraque pars dicere solet: Testes estote.

Hier wird der Ausdruck: contestari daraus erklärt, daß mehrere Perſonen gemeinſchaftlich die Zeugen an - rufen(d)Eben ſo wie compromissa pecunia, weil beide Parteyen eine Strafe verſprechen für den Fall des Ungehorſams gegen den Schieds - richter., und es wird in Anwendung auf den Prozeß (alſo auf die litis contestatio) ausdrücklich bemerkt, daß beide Parteien dieſe Handlung vornahmen. Es wird hinzugefügt, die Handlung ſey geſchehen ordinato judicio, d. h. alſo auch nachdem eine beſtimmte Perſon zum Juder ernannt war, indem dieſe Ernennung weſentlich zur An -12Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.ordnung des Judicium gehörte(e)So wird auch anderwärts ordinatum judicium, ordinata lis oder causa gleichbedeutend ge - braucht mit litis contestatio. L. 24 pr. § 1. 2. 3, L. 25 § 2 de lib. causa (40. 12). Eben - ſo wird der Zeitpunkt der L. C. bezeichnet mit den Worten: statim atque judex factus est. L. 25 § 8 de aedil. ed. (21. 1). Näm - lich die Ernennung des Judex, die L. C., und die Conception der Formel, ſind fortlaufende Theile deſſelben Prozeßaktes und liegen der Zeit nach nicht aus einander, ſo daß man das Eine wie das Andere als Bezeichnung eines und deſſelben Zeitpunktes gebrauchen kann.. Der Eingang aber, in Verbindung mit dem nachfolgenden Haupttheil der Stelle, deutet an, daß dieſe Handlung mit der angegebenen Benennung auch zu anderen Zwecken vorgekommen ſey(f)So bei dem Teſtament die suprema contestatio. L. 20 § 8 qui test. (28. 1 ) Bei Ulpian. XX. 9 heißt es dafür testatio, gleichbedeutend mit nuncupatio; bei Gajus II. § 104 blos nun - cupatio. Uebrigens kommt an - ſtatt litis contestatio auch judi - cium contestatum vor. L. 7 § 1 de her. pet. (5. 3 ) L. 19 sol. matr. (24. 3); dagegen finde ich contestatio allein, ohne lis oder judicium, in dieſem Sinn nicht. Denn in L. 1 § 1 C. de pet. her. (3. 31) iſt das contestationis blos eine verweiſende Wiederholung des unmittelbar vorhergehenden Aus - drucks litis contestationem (ſ. u. § 271 b)., wodurch alſo die litis contestatio nur als einer unter mehreren Fällen einer ſolchen feyerlichen Handlung be - zeichnet wird.

Obgleich nun Feſtus den Ausdruck litem contestari auf beide Parteien gleichmäßig bezieht, ſo geht doch der weit überwiegende Sprachgebrauch dahin, die Handlung des Klägers mit litem contestari, die des Beklagten mit judi - dicium accipere oder suscipere zu bezeichnen(g)Winckler p. 298. Keller § 6..

Contestari iſt übrigens ein Deponens, ſo daß nach der grammatiſchen Regel eigentlich nur von der Partei geſagt13§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.werden dürfte: litem contestatur, litem contestatus est. Indeſſen iſt der paſſive Gebrauch des Wortes (alſo lis contestatur, lis contestata) ſo häufig, daß das Verhältniß von Regel und Ausnahme völlig verſchwindet. Aus den Digeſten dafür Beiſpiele anzuführen, würde bei der großen Zahl derſelben ganz überflüſſig ſein. Damit man aber nicht glaube, daß ſolche Beiſpiele blos hier, als Zeichen ſinkender Latinität, zu ſuchen ſeyen, muß bemerkt werden, daß derſelbe Sprachgebrauch auch ſchon in der beſten Zeit vorkommt, namentlich bei Cicero(h)Pro Roscio Com. C. 11 und C. 12 lis contestata . Pro Flacco C. 11 ab hac per - enni contestataque virtute ma - jorum. , bei Aufidius, einem Schüler des Servius Sulpicius(i)Priscian. Lib. 8 C. 4 § 18: P. Aufidius: si quis alio vocitatur nomine tum cum lis contestatur, atque olim vocita - batur, contestari passive po - suit. Priſcian führt es als eine grammatiſche Anomalie an. Die Ausgaben leſen hier ganz ſinnlos: illis contestatur oder his con - testatur (p. 371 ed. Krehl, p. 791 (793) ed Putsch). Die richtige Leſeart iſt hergeſtellt und mit einer vortrefflichen ſachlichen Erklärung der Stelle begleitet von Huſchke, Zeitſchrift f. geſchichtl. Rechtswiſſ. B. 10 S. 339. 340., in der Lex Rubria de Gallia cisalpina(k)Col. 1 lin. 48 quos inter id judicium accipietur leisve contestabitur. , und in einer Rechtsregel, die Gajus aus den Veteres anführt(l)Gajus III. § 180 apud veteres scriptum est: ante litem contestatam dare debi - torem oportere, post litem contestatam condemnari opor - tere. .

Die wichtigſte und beſtrittenſte Frage bleibt bei Feſtus unentſchieden: ob nämlich die L. C. in das Jus fällt oder in das Judicium, d. h. ob ſie die letzte Handlung vor dem Prätor war, oder die erſte vor dem Judex. Beides ließe14Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.ſich, nach der allgemeinen Beſtimmung der L. C., denken, und das praktiſche Reſultat würde in beiden Fälleu nicht ſehr verſchieden ſeyn. Beide Meinungen haben ihre Ver - theidiger gefunden, allein die erſte iſt durch ſichere Schlüſſe aus ſo vielen einzelnen Stellen begründet wor - den(m)Winckler § 3. 4. Keller § 1 5. Die einzige ſchein - bare Stelle für die entgegenge - ſetzte Anſicht (L. un. C. de L. C.) wird unten erklärt werden., daß die Frage nunmehr als völlig entſchieden betrachtet werden darf. Der vollſtändigſte Beweis dafür, daß die L. C. vor dem Prätor vollzogen wurde, ergiebt ſich aber aus folgender weiteren Betrachtung. Wenn die die L. C. vor dem Prätor vorging, ſo war es gewiß ſehr zweckmäßig, den künftigen Judex der Handlung beiwohnen zu laſſen, und ich zweifle nicht, daß dieſes geſchehen ſeyn wird, wenn der Judex zufällig gegenwärtig war, oder wenn die Parteien ihn mit ſich vor den Prätor geführt hatten. Darauf deutet nun in der That eine Stelle des Papinian, nach welcher die Gegenwart und das Bewußt - ſeyn des Judex bei deſſen Ernennung (addictio) nicht nöthig ſeyn ſoll(n)L. 39. pr. de jud. (5. 1.) Cum furiosus judex addicitur non minus judicium erit, quod hodie non potest judicare .... neque enim in addicendo prae - sentia vel scientia judicis ne - cessaria est Offenbar iſt hier die addictio judicis als der Zeit nach zuſammenfallend gedacht mit der L. C., dem judicium acceptum oder ordinatum, denn es wird aus - drücklich geſagt, es ſey ſchon jetzt ein wirkliches judicium vor - handen.; woraus Papinian ſchließt, auch ein Wahnſinniger könne zum Judex ernannt werden, und dieſe Ernennung ſey wirkſam, wenn er nur nachher wieder15§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.zu Verſtand komme; ja das judicium ſey für ihn von der Ernennung an wirklich vorhanden. Offenbar alſo nimmt Papinian an, die Ernennung des Judex, und der wirk - liche Anfang ſeines Judicium, alſo das acceptum oder ordinatum judicium (d. h. die L. C.) könne in Abweſen - heit des Judex Statt finden, woraus von ſelbſt folgt, daß die L. C. nicht eine vor dem Judex vollzogene, alſo unter deſſen Mitwirkung vorgenommene Handlung geweſen ſeyn kann. Ein gleich entſcheidendes Zeugniß liegt in einer Stelle des Paulus. Wenn ein Provinziale als Legat nach Rom kam, ſo brauchte er ſich daſelbſt in der Regel nicht verklagen zu laſſen. Ausnahmsweiſe aber war er dennoch dazu verpflichtet, jedoch nur ſo, daß die L. C. in Rom (vor dem Prätor) vollzogen, das Judicium aber in der Provinz (vor einem daſelbſt lebenden Judex) geführt wurde(o)L. 28 § 4 de jud. (5. 1. ) causa cognita adversus eum judicium praetor dare debet, ut lis contestetur, ita ut in provinciam transferatur. .

Um die Veränderungen verſtehen zu können, die ſich im ſpäteren R. R. mit der Form der L. C. zugetragen haben, iſt es nöthig, zuvor für die Zeit des Formular - prozeſſes die Stellung anzugeben, welche ſie neben den extraordinariis judiciis einnahm.

Es leuchtet ſogleich ein, daß ſie in dieſen nicht gedacht werden darf als eine förmliche Handlung der Parteien in16Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Verbindung mit der Abfaſſung der formula, und dazu beſtimmt, den Uebergang des Rechtsſtreits an den Judex zu vermitteln; denn bei den extraordinariis judiciis kam weder ein Judex, noch eine formula vor, indem der ganze Rechtsſtreit vor dem Magiſtratus von Anfang bis zu Ende durchgeführt wurde. Da aber wegen der wichtigen prak - tiſchen Folgen auch hier die L. C. nicht zu entbehren war, ſo mußte man dafür einen Zeitpunkt aufſuchen, welcher mit dem Zeitpunkt der förmlichen L. C. im ordentlichen Prozeß am meiſten Analogie hatte. Es konnte nun kein Zweifel ſeyn, dafür die Zeit anzunehmen, in welcher ſich die Parteien vor dem Magiſtratus über ihre gegenſeitigen Behauptungen und Anſprüche vollſtändig ausgeſprochen hatten. Dieſes war weſentlich daſſelbe wie die eigentliche L. C., und der Unterſchied lag lediglich in der äußeren Form der Handlung.

Dieſe, nach innerer Wahrſcheinlichkeit kaum zweifel - hafte Annahme findet ihre Beſtätigung in folgenden Zeug - niſſen, deren Erklärung zugleich dazu dienen kann, manche Zweifel und Mißverſtändniſſe unſrer Schriftſteller zu beſeitigen.

1. L. un. C. de litis contestatione (3. 9. ) von Seve - rus et Antoninus 203.

Res in judicium deducta non videtur, si tantum postulatio simplex celebrata sit, vel actionis species ante judicium reo cognita. Inter litem enim con - testatam et editam actionem permultum interest. 17§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.Lis enim tunc contestata videtur, cum judex per narrationem negotii causam audire coeperit.

Aus dieſer Stelle haben zuerſt Manche beweiſen wollen, die L. C. ſey nicht vor dem Prätor, ſondern vor dem Judex vollzogen worden (Note m), eine Meinung, die ſchon oben widerlegt worden iſt. Es kommt alſo darauf an, den Schein zu entfernen, der allerdings in der Stelle für dieſe Meinung enthalten iſt, indem zu der Zeit, worin dieſelbe niedergeſchrieben wurde, der Formularprozeß noch in voller Kraft beſtand.

Einige ſagen, die Kaiſer hätten die oben angegebene Natur der vor dem Magiſtratus vollzogenen L. C. bezeich - nen wollen, und unter dem judex den Magiſtratus ver - ſtanden(p)So die bei Keller § 5 Note 5 angeführten Schriftſteller. Ganz unbefriedigend ſcheint mir die Erklärung von Zimmern Rechts - geſchichte B. 3 § 119 Note 13: Die L. C. iſt bereits eingetreten, wenn das Judicium erſt begonnen hat. Ein ſolcher Schluß der Stelle würde mit dem Anfang in gar keinem Zuſammenhang ſtehen.. Dieſe Erklärung iſt nicht anzunehmen, denn obgleich der Ausdruck judex nicht ſelten dieſe Bedeutung hat, ſo können ihn doch unmöglich die Kaiſer, wenn ihnen das ordinarium judicium vor Augen ſtand, in dieſer ano - malen Bedeutung (für den Magiſtratus) gebrauchen, wo - durch ſie faſt unvermeidlich mißverſtanden werden mußten.

Andere nehmen an, die Kaiſer hätten wirklich den Ma - giſtratus genannt, und die Stelle habe nur durch eine durchgreifende Interpolation ihre gegenwärtige Geſtalt er - halten(q)Keller § 5.. Zu einer ſolchen Interpolation kann ich einVI. 218Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Bedürfniß nicht anerkennen, da die Stelle, wenn ſie den Magiſtratus anſtatt des Judex erwähnte, ſowohl zu dem älteren als zu dem neueren Recht paſſen würde. Auch für die ältere Zeit konnte man ſagen, die L. C. ſey vollzogen, ſobald der Prätor die Parteien über ihre Behauptungen gehört, und dadurch das Material zur Conception der For - mel erlangt hatte. Hätten nun die Compilatoren in dem urſprünglichen Text der Stelle die Erwähnung des Prätors, des Proconſuls, oder des Präſes vorgefunden, ſo wäre es unbegreiflich, warum ſie dieſem den zu ihrer Zeit weniger paſſenden Judex ſubſtituirt hätten; eine Veränderung in umgekehrter Richtung wäre eher denkbar geweſen.

Die einfachſte Erkärung ſcheint mir die, nach welcher die Kaiſer von einem einzelnen Rechtsfall ſprachen, der zu den extraordinariis judiciis gehörte. Dann war der Aus - druck judex für magistratus ganz paſſend und keinem Mißverſtändniß ausgeſetzt; die Stelle gäbe dann ein treues Bild von der Stellung der L. C. in den Prozeſſen dieſer Klaſſe. Das Reſcript ſollte nämlich ſagen, was als Surrogat der wirklichen L. C. in denjenigen Prozeſſen gedacht werden müſſe, worin eine ſolche nicht vorkam. Zu dieſem Zweck wurden allgemeine, beſchreibende Aus - drücke gebraucht, die bei der Beſchreibung der wahren L. C. (im ordentlichen Prozeß) in dieſer Zeit gewiß nicht gebraucht worden wären, und die der Stelle den unver - dienten Schein einer Interpolation geben. Allerdings ſagt die Stelle, wie wir ſie vor uns haben, nicht, daß19§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.von einem ſolchen Rechtsſtreit die Rede ſey; allein ſie iſt ein Reſcript, das wir gewiß nur ſehr unvollſtändig vor uns haben(r)Dieſe Unvollſtändigkeit er - hellt unwiderſprechlich ſchon aus dem Umſtand, daß ein anderer Theil derſelben Stelle als L. 3 C. de edendo (2. 1) in den Co - dex aufgenommen worden iſt., und aus deſſen weggelaſſenem Eingang jene Vorausſetzung unzweifelhaft hervorgehen mochte. Ge - wiſſermaaßen nimmt auch dieſe Erklärung eine Inter - polation an, aber eine ſolche, die nicht durch Veränderung des Inhalts, ſondern durch bloße Weglaſſung anderer Theile der Stelle bewirkt wurde.

2. L. 33 de Obl. et Act. (44. 7. Paulus lib. 3 De - cretorum).

Constitutionibus quibus ostenditur heredes poena non teneri, placuit, si vivus conventus fuerat, etiam poenae persecutionem transmissam videri: quasi lite contestata cum mortuo.

Nach einer alten Regel ſollten Pönalklagen nicht gegen die Erben des Schuldners übergehen, außer wenn die L. C. vollzogen worden war(s)S. o. B. 5 § 211 g. . Die vorliegende Stelle nun ſpricht nicht von einer gewöhnlichen Pönalklage unter Privatperſonen, die in das jus ordinarium gehört und wobei jene Regel unmittelbar zur Anwendung kommt. Sie ſpricht vielmehr von einer fiscaliſchen Strafe, die vor den Fiscalbeamten verfolgt wird, alſo extra ordinem, ſo daß dabei kein Judex und keine eigentliche L. C. vorkam(t)Dieſe Annahme wird durch die Inſeription der Stelle beſtä - tigt. Denn in demſelben lib. 3. 2*20Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Dabei mußte der Uebergang auf die Erben an eine der L. C. analoge Handlung geknüpft werden. In dieſem Sinn ſagt nun Paulus, der Uebergang auf die Erben müſſe angenommen werden, wenn nur bei dem Leben des jetzt Verſtorbenen die Klage eingeleitet war(u)Das conventus fuerat darf nur nicht zu eingeſchränkt von der blos erhobenen Klage, verſtan - den werden, ſo wie conventus und petitum in mehreren Di - geſtenſtellen auch bei dem ordent - lichen Prozeß vorkommt, wo es das convenire cum effectu, alſo die Zeit der vollzogenen L. C., bezeichnet. Eine entſcheidende Stelle für dieſe Bedeutung des conven - tus iſt L. 8 de nox. act. (9. 4 ) Eben ſo für petitum die L. 22 de reb. cred. (12. 1 ) Vergl. Wächter H. 3 S. 66. 67.; denn dieſe Einleitung der Klage ſey in den extraordinariis judiciis als der Akt zu betrachten, welcher der wirklichen L. C. im ordentlichen Prozeß entſpreche (quasi lite contestata cum mortus)(v)Im Weſentlichen haben die richtige Erklärung: Voorda In - terpr. II., 19, Wächter H. 3 S. 112.. Dieſe Stelle hat von jeher großen Anſtoß erregt. Indem man das conventus zu eng, von der blos erhobenen Klage, verſtand, und die Stelle auf den ordentlichen Prozeß bezog, ſuchte man dadurch zu helfen, daß man ſie von ſolchen Fällen verſtand, in welchen die L. C. vom Verſtorbenen abſichtlich verzögert worden war, welches widerrechtliche Verfahren ihn nicht gegen den Übergang auf ſeine Erben ſchützen ſollte(w)Nach mehreren Vorgän - gern hatte ich dieſe Erklärung an - genommen, Bd. 5 § 211 g., die ich jetzt ganz aufgebe, da die Stelle durchaus keine Spur dieſer Vorausſetzung enthält. Kie - rulff S. 281 betrachtet dieſe Stelle als einen Beweis, daß ſchon die Römer die Wirkungen der L. C. Haloander(t)deeretorum des Paulus kom - men mehrere Stellen über Fiscal - klagen vor dem procurator Cae - saris vor.21§. 257. Weſen der L. C. I. R. R.ſuchte auf andere Weiſe zu helfen, durch die etwas kühne Emendation: transmissam non videri, quasi lite con - testata eo mortuo (x)Einigen Anhalt zu dieſer Emendation giebt die vulg. : re - missam non videri, die jedoch dem Sinn nach ganz mit der Florentina übereinſtimmt..

3. L. 20 § 6. 7. 11. de her. pet. (5. 3).

Das Sc. Iuventianum ſprach zunächſt von den An - ſprüchen des Fiscus auf eine caduca hereditas, alſo von einem extraordinarium judicium vor den Fiscalbeamten, obgleich es allerdings auch auf den ordentlichen Prozeß unter Privatperſonen angewendet wurde(y)L. 20 § 9 de her. pet. (5. 3).. Für den urſprünglichen Fall dieſes Senatusconſults mußte daher ein anderer Zeitpunkt angenommen werden, welcher an die Stelle der L. C. im ordentlichen Prozeß treten konnte. Von dieſer Bemerkung wird noch unter Gebrauch gemacht werden (§ 264).

Die Stellung, welche ſo eben für die L. C. in den extraordinariis judiciis der älteren Zeit nachgewieſen worden iſt, konnte unverändert beibehalten werden, als in der ſpäteren Zeit alle Klagen überhaupt in extraordi - naria judicia verwandelt wurden. Die frühere Ausnahme wurde nun zur allgemeinen Regel, ſonſt änderte ſich Nichts.

So erſcheint in der That die Sache in einer früheren Conſtitution von Juſtinian(z)L. 14 § 1 C. de jud. (3. 1)., welche weſentlich über -(w)auf die Vorladung des Beklagten übertragen hätten. 22Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.einſtimmend mit dem oben angeführten Reſcript von Sever und Antonin, den Zeitpunkt der L. C. ſo be - zeichnet: cum lis fuerit contestata, post narrationem propo - sitam et contradictionem objectam.

In ſpäteren Geſetzen fügte Juſtinian folgende neue Beſtimmungen hinzu.

Wenn dem Beklagten die Klage eingehändigt iſt, ſoll derſelbe nach Ablauf von Zwanzig Tagen vor dem Gericht erſcheinen, und daſelbſt die L. C. vornehmen. Jede inner - halb dieſes Zeitraums abgegebene Erklärung ſoll den Be - klagten nicht binden, und nicht als L. C. angeſehen werden(aa)Nov. 53 C. 3. Nov. 82 C. 10. Auth. Offeratur C. de L. C. (3. 9).

Der Kläger ſoll von ſeiner Seite Caution ſtellen, daß er die L. C. nicht über Zwei Monate aufhalten wolle(bb)Nov. 96 C. 1. Auth. Libellum C. de L. C. (3. 9).

Dieſe Beſtimmungen betreffen die bloße Prozeßform, und ändern das Weſen der L. C. auf keine Weiſe ab.

Wir können alſo auch noch für das neueſte Juſti - nianiſche Recht den Begriff der L. C., weſentlich überein - ſtimmend mit dem Begriff des älteren Rechts, dahin beſtimmen: Sie beſteht in der vor der richterlichen Obrigkeit ab - gegebenen Erklärung beider Parteien über das Da - ſeyn und den Inhalt des Rechtsſtreits.

23§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)

Dabei iſt aber allerdings, nach der ganzen Wendung die in dieſer Zeit der Prozeß genommen hatte, der factiſche Unterſchied anzuerkennen, daß jetzt ſehr häufig, wohl in den meiſten Fällen, die L. C. in dem Rechtsſtreit merklich ſpäter eintreten mochte als in dem älteren Prozeß.

§. 258. Weſen der Litis Conteſtation I. R. R. (Fortſetzung.)

Bisher iſt die äußerliche Natur der L. C. in Erwä - gung gezogen worden: die Form, der Zeitpunkt, die Be - zeichnung dieſer Prozeßhandlung. Ich wende mich nun zur Unterſuchung ihres inneren oder juriſtiſchen Weſens, welche noch wichtiger iſt als jene erſte Erwägung, theils weil ſie unmittelbar mit den Wirkungen zuſammenhängt, theils weil ſie ein bleibenderes, von dem Wechſel hiſto - riſcher Zuſtände weniger abhängiges, auch für unſere Zeit gültiges Intereſſe mit ſich führt.

Es muß hier daran erinnert werden, daß jedes Klag - recht, ohne Unterſchied des Rechts welches ihm zum Grunde liegt, die Natur einer Obligation mit ſich führt (§ 205). Die L. C. nun iſt als diejenige Prozeßhandlung zu denken, wodurch dieſe Obligation ein wirkliches Daſeyn und zugleich eine beſtimmte Geſtalt erhält.

Auf zweierlei Weiſe aber greift die L. C. in das be - ſtehende Rechtsverhältniß ein: nach der Vergangenheit und nach der Zukunft. Nach der Vergangenheit, indem die vorhandene Klage in judicium deducirt, und dadurch24Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.conſumirt, d. h. für jede neue Verfolgung unbrauchbar gemacht wird: nach der Zukunft, indem die L. C. eine weſentliche Modification für den Inhalt des künftigen Urtheils begründet.

Die Wirkung auf die Vergangenheit, oder die Conſumtion der Klage, wurde in zwei verſchiedenen For - men bewirkt.

Bei denjenigen Klagen, welche in personam giengen, zugleich eine juris civilis intentio hatten, und zugleich als legitima judicia geltend gemacht wurden, ſollte die Con - ſumtion ipso jure eintreten; bei allen übrigen Klagen nur vermittelſt einer exceptio rei in judicium deductae(a)Gajus III. § 180. 181, IV. § 106. 107. 98..

Daneben kommt auch der Ausdruck Novatio vor; aus alter Zeit und direct nur in einer Stelle von Papi - nian(b)Fragm. Vat. § 263 .. nec interpositis delegationibus aut inchoatis litibus actiones novavit. ; auf indirecte Weiſe in den Digeſten und in einer Conſtitution von Juſtinian(c)L. 29 de nov. (46. 2 ) Aliam causam esse novationis volun - tariae, aliam judicii accepti, multa exempla ostendunt. Der Ausdruck novatio voluntaria deu - tet nicht nothwendig, aber doch möglicherweiſe, auf den Gegenſatz einer in der L. C. enthaltenen novatio necessaria, welcher Aus - druck ſelbſt ohnehin nirgend vor - kommt. Daß hier die in der L. C. enthaltene Conſumtion als Gegenſatz gemeint war, iſt aus den in Note a und b angeführten Stellen unzweifelhaft. L. 3 pr. C. de us. rei jud. (7. 54 ) Si enim novatur judicati actione prior contractus rel. Hier wird ganz unpaſſenderweiſe die längſt antiquirte novatio als Rechtfertigung von Juſtinians neuer Vorſchrift über die Urtheils - zinſen angeführt.. Dennoch iſt kein Grund vorhanden, die Ächtheit dieſes Kunſtausdrucks zu25§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)bezweifeln(d)Der Umſtand, daß Gajus IV. § 176 179 die aus der frei - willigen Stipulation hervorgehende novatio abhandelt, und dann § 180. 181 die Conſumtion in der L. C. darſtellt ohne dabei den Aus - druck novatio zu wiederholen, kann nicht als Widerlegung gelten. Er erklärt ſich aus der auch in L. 29 de nov. (Note c) hervorgehobenen ganz anomalen Natur dieſer No - vation.. Nach der außerdem bekannten Natur der Novation ſind wir aber berechtigt zwei Beſtimmungen anzunehmen, obgleich dafür keine unmittelbare Zeugniſſe vorhanden ſind. Erſtlich, daß dieſer Ausdruck beſchränkt war auf die Fälle, worin die Conſumtion ipso jure wirkte (Note a), indem nämlich überall die Novation nur als eine ipso jure wirkende Handlung erſcheint. Zweitens, daß dieſe Novation, alſo jede ipso jure eintretende Con - ſumtion, bewirkt wurde durch eine Stipulation, da der allgemeine Begriff der Novation kein anderer iſt, als: Vernichtung irgend einer Obligation durch Verwandlung in eine verborum obligatio(e)L. 1. 2 de nov. (46. 2). Gajus III. § 176 179. Ich gebe indeſſen zu, daß dieſer auf Analogie gegründete Schluß nicht auf volle Gewißheit Anſpruch machen kann, da es bei dieſem in jedem Fall anomalen Rechtsinſtitut hierin auch wohl anders geweſen ſeyn könnte..

Ueber die ſpäteren Schickſale der Conſumtion überhaupt und der damit verbundenen Novation insbeſondere können wir nicht im Zweifel ſeyn. Sie ſind völlig untergegangen, ohne irgend einen Ueberreſt, indem die practiſchen Folgen, für welche ſie eingeführt waren, jetzt auf anderen und ſichreren Wegen herbeigeführt werden. Ganz zufällig hat ſich die wörtliche Erwähnung der Novation, ohne irgend26Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.eine praktiſche Bedeutung, in zwei Stellen des Juſti - nianiſchen Rechts erhalten (Note c). Es iſt daher durch - aus nicht zu rechtfertigen, wenn manche Schriftſteller unſrer Zeit von der aus der L. C. entſpringenden Nova - tion als von einem noch fortdauernden Inſtitut des Juſtinianiſchen und ſelbſt des heutigen Rechts ſprechen(f)So Glück B. 6 S. 205 und mehrere Andere. Vgl. dagegen Wächter H. 3 S. 38 fg. Ins - beſondere muß ich auch jetzt die neue Novation aufgeben, die ich früher als im Urtheil liegend an - genommen habe (B. 5 S. 325), verleitet durch die Faſſung des al - ten Rechtsſprüchworts bei Gajus III. § 180 und der in der Note c angeführten Aeußerung von Ju - ſtinian. Es iſt für eine Nova - tion im Nömiſchen Sinn we - der ein praktiſches Bedürfniß, noch irgend ein ſicheres Zeugniß vor - handen. Vgl. hierüber Wächter H. 3 S. 47. 48. Die neuen Rechtsverhältniſſe, die allerdings jedes rechtskräftige Urtheil erzeugt, ſollen damit nicht in Zweifel ge - zogen werden; von ihnen wird unten ausführlich gehandelt werden. Der praktiſche Erfolg iſt hier auch gewiß derſelbe wie bei einer wirk - lichen Novation, indem der Kläger nicht mehr ſein früheres Recht neben dem Urtheil und wider das - ſelbe geltend machen kann. Nur bezweifle ich, daß jemals ein alter Juriſt den Ausdruck novatio von dem Urtheil gebraucht haben möchte; die Tilgung ipso jure, die der eigentliche Charakter der Novation iſt, war ja mit der L. C. ſchon vollendet, und für eine neue No - vation war kein Raum vorhanden..

Die eben ſo wichtige, und noch jetzt vorhandene Wir - kung der L. C. in die Zukunft iſt in ſofern ganz un - zweifelhaft, als in der That aus ihr ein obligatoriſches Verhältniß entſteht, ganz entſprechend dem allgemeinen in der Natur jedes Rechtsſtreits gegründeten Bedürfniß (§ 256). Es iſt aber zuvörderſt zu unterſuchen, durch welche juriſtiſche Formen dieſes obligatoriſche Verhältniß bewirkt wurde: eine Frage, die nicht ohne Zweifel und Verwicklungen iſt.

27§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)

Für die Klagen in rem läßt ſich hierüber eine beſtimmte Behauptung durch ein unmittelbares Zeugniß des Gajus begründen(g)Gajus IV. 89. Die Stelle lautet vollſtändig ſo: Igitur si verbi gratia in rem tecum agam, satis mihi dare debes. Aequum enim visum est, te de eo, quod interea tibi rem, quae an ad te pertineat dubium est, pos - sidere conceditur, cum satis - datione mihi cavere: ut si victus sis, nec rem ipsam restituas, nec litis aestimationem sufferas, sit mihi potestas, aut tecum agendi, aut cum sponsoribus tuis. Daß dieſe Stipulation, eben ſo wie bei den perſönlichen Klagen, den Namen judicatum solvi führte, ſagt ausdrücklich der § 91.. Dieſer ſagt, dem Beklagten werde bei ſolchen Klagen der Vortheil gewährt, die Sache auch wäh - rend des Rechtsſtreits beſitzen zu dürfen (possidere conce - ditur). Dafür müſſe er von ſeiner Seite für den Fall, daß er künftig unterliege, durch eine stipulatio judicatum solvi Entſchädigung verſprechen und zugleich durch Bür - gen ſicher ſtellen (cum satisdatione cavere), wodurch dann der Kläger die Befugniß erlange, künftig nach ſeiner Wahl ſowohl den Beklagten ſelbſt, als deſſen Bürgen zu verklagen (aut tecum agendi, aut cum sponsoribus tuis). Worauf die stipulatio judicatum solvi dieſer Bürgen, und alſo ohne allen Zweifel auch völlig gleichlautend die des Beklagten ſelbſt, als des Hauptſchuldners, gerichtet war, wird uns anderwärts ausführlich geſagt. Sie hatte drei Clauſeln: de re judicata, de re defendenda, de dolo malo(h)L. 6. 17. 19. 21 jud. solvi (46. 7).. Demnach müſſen wir bei den Klagen in rem, neben der L. C., eine Stipulation annehmen, wodurch die eigenthümlichen Obligationen begründet wurden, die uns28Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.gegenwärtig, als Folgen der L. C., beſchäftigen. Über die formelle Einrichtung dieſer ganzen Prozeßhandlung enthalte ich mich, in Ermangelung von Nachrichten, jeder Behaup - tung; ich laſſe es alſo dahin geſtellt ſeyn, ob die L. C. mit der Stipulation verſchmolzen war, oder ob beide als getrennte, aber gleichzeitige Akte neben einander ſtanden.

Dieſe Stipulation darf übrigens nicht ſo gedacht werden, als ob dadurch die künftige judicati actio im Voraus no - virt, alſo an der Entſtehung verhindert worden wäre. Eine ſolche Novation einer noch nicht fälligen Obligation war allerdings an ſich wohl zuläſſig(i)L. 5 de nov. (46. 2).. Allein vor Allem ge - hörte zu jeder Novation die Abſicht zu noviren, d. h. die Abſicht eine andere Obligation durch Umtauſch zu zerſtö - ren(k)L. 2 de nov. (46. 2)., und da dieſe Abſicht hier fehlte, ſo beſtand die actio judicati daneben, ſo daß der Kläger, der den Prozeß gewann, die Wahl hatte zwiſchen der judicati actio, der Stipulationsklage gegen den Beklagten, und der Stipula - tionsklage gegen die Bürgen(l)L. 8 § 3 de nov. (46. 2 ), L. 38 § 2 de sol. (46. 3 ), Pau - lus V. 9. § 3. Dieſe Bemer - kung macht richtig Buchka Ein - fluß des Prozeſſes I. 234, obgleich zu einem irrigen Zweck. Von einer Novation als Einwirkung auf die Vergangenheit, alſo als Ver - nichtung einer urſprünglichen Obli - gation, ſo wie bei manchen per - ſönlichen Klagen (Note a. b. c. d), konnte hier ohnehin nicht die Rede ſeyn, da den Klagen in rem über - haupt keine Obligation zum Grunde liegt..

Dieſe ganze Einrichtung bei der petitoria formula war übrigens nichts Neues, ihr Eigenthümliches; es war viel - mehr bloß die Fortſetzung und Entwicklung des uralten29§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)Rechtsſatzes, der bei der legis actio in den praedes litis et vindiciarum, und bei dem Sponſionsprozeß in der stipu - latio pro praede litis et vindiciarum geltend gemacht wurde(m)Gajus IV. § 91. 94..

So verhielt es ſich alſo, nach ſicheren Zeugniſſen, bei den Klagen in rem. Weniger einfach und klar iſt die Sache bei den perſönlichen Klagen.

Betrachten wir zuerſt diejenigen perſönlichen Klagen, bei welchen die Conſumtion ipso jure, vermittelſt einer Novation, bewirkt wurde (Note a). Dieſe unterſcheiden ſich von den Klagen in rem darin, daß dem Beklagten während des Rechtsſtreits nicht etwas Beſonderes gewährt, und eben ſo der Kläger nicht in die Gefahr der Zerſtörung oder des Untergangs der ſtreitigen Sache geſetzt wird. Darum braucht hier der Beklagte in der Regel nicht, ſon - dern nur ausnahmsweiſe, Bürgen zu ſtellen(n)Gajus IV. § 102.. Dagegen hat es kein Bedenken anzunehmen, daß er ſelbſt, für ſeine Perſon, eine Stipulation geſchloſſen haben möchte; ja dieſe Annahme hat ſogar einen beſondern Anhalt in dem Um - ſtand, daß die Novation als ſolche das Daſeyn einer Sti - pulation vorausſetzen läßt (Note e). Der Inhalt dieſer Stipulation aber wird ohne Zweifel dieſelben drei Clauſeln gehabt haben, welche überhaupt bei den Prozeßſtipulationen der Bürgen gebraucht wurden (Note h), ſo daß hierin kein Unterſchied zwiſchen dieſen Klagen und den Klagen in rem geweſen ſein wird. Ganz eben ſo, und zwar noch ge -30Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.wiſſer, müſſen wir eine ſolche Stipulation des Beklagten annehmen bei denjenigen Fällen perſönlicher Klagen, bei welchen ausnahmsweiſe, aus beſonderen Gründen, eine Bürgſchaft judicatum solvi gefordert werden konnte. Denn daß einer ſolchen Stipulation der Bürgen ſtets eine eigene Stipulation des Beklagten zum Grunde gelegt wurde, läßt ſich nicht nur aus innerer Wahrſcheinlichkeit annehmen, ſondern es wird auch ausdrücklich bezeugt(o)L. 38 § 2 de sol. (46. 3). Bei jeder satisdatio war alſo eine repromissio; fehlte dagegen die satisdatio, ſo hieß es nuda re - promissio. L. 1 § 5 de stip. praet. (46. 5)..

In den Fällen dieſer mit vielen perſönlichen Klagen verbundenen Stipulationen, worin ſtets die doli clausula enthalten war (Note h), erklärt ſich dann von ſelbſt der Umſtand, daß auch die ſtrengen Klagen von der L. C. an eine eben ſo freie Natur annahmen, wie ſie außerdem nur bei den freien Klagen vorkommt(p)S. o. B. 5 S. 501. Der In - halt dieſer Stelle muß nun durch das jetzt Folgende in dem Umfang der Anwendung beſchränkt werden; die Sache ſelbſt bleibt richtig..

Was endlich die große Zahl der, nach Abzug der eben erwähnten, noch übrigen perſönlichen Klagen betrifft, alſo diejenigen, bei welchen die Conſumtion durch die L. C. nicht ipso jure, ſondern per exceptionem (ohne Novation) bewirkt wurde, und bei welchen auch nicht etwa eine excep - tionelle Caution durch Bürgen vorkam, ſo ließe ſich auch bei ihnen eine mit der L. C. ſtets verbundene Stipulation wohl denken, ſo daß unter dieſer Vorausſetzung eine Sti -31§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)pulation neben der L. C. allgemein Statt gefunden hätte. Allein ein Zeugniß haben wir für dieſe Annahme nicht; ſie wird vielmehr dadurch unwahrſcheinlich, daß alsdann der einfachſte und leichteſte Erklärungsgrund für die ver - ſchiedene Behandlung beider Klaſſen von Klagen wegfallen würde, indem das Daſeyn der Stipulation die Novation natürlich mit ſich führt, der Mangel derſelben die Novation ausſchließt.

Nehmen wir nun an, bei dieſer zahlreichen Klaſſe von Klagen ſey keine Stipulation vorgekommen, ſo müſſen wir eine andere Rechtsform aufſuchen, an welche die mit der L. C. auch bei dieſen Klagen unſtreitig verbundene neue Obligation angeknüpft werden kann. Ganz daſſelbe Be - dürfniß aber tritt ein für die extraordinaria judicia, die zur Zeit des alten Formularprozeſſes als Ausnahmen, im ſpäteren R. R. aber als die ganz allgemeine Regel, vor - kommen. So nimmt alſo die Frage nach dieſer Rechtsform in der That die größte Ausdehnung und Wichtigkeit in Anſpruch.

Die von jeher gewöhnliche Auffaſſung für das Juſti - nianiſche Recht geht dahin, die L. C. ſey ein Quaſicontract, und erzeuge daher contractähnliche Obligationen(q)Keller § 14, und vor ihm die meiſten Schriftſteller.. Mit dieſer Auffaſſung können wir einſtimmen, indem dadurch die contractliche Natur des Verhältniſſes anerkannt wird, welches dennoch kein wahrer, auf freiem Entſchluß beru - hender Vertrag iſt. Es iſt ein fingirter Vertrag, ſo32Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.gut als die negotiorum gestio und die Tutel. Bei dieſen entſteht die Obligation aus einſeitigen Handlungen, ohne Mitwirkung des anderen Theils. Bei der L. C. erſcheinen zwar beide Parteien als mitwirkend, aber die Gründung einer Obligation beruht nicht auf ihrem freien Entſchluß den ſie auch unterlaſſen könnten, ſondern auf den unab - weislichen Vorſchriften des Prozeßrechts(r)Bethmann-Hollweg S. 75. 79 will keinen Contract an - nehmen, ſondern einen prozeſſua - liſchen Vertrag, gerichtet auf die ausſchließende Unterwerfung unter dieſes judicium. Dieſe Auffaſſung iſt auch wahr, aber einſeitig, und drückt die wichtigſten und bleibend - ſten Seiten des geſammten Ver - hältniſſes nicht aus. Ein ganz dahin paſſender Ausdruck ſteht in L. 3 pr. jud. solvi. (46. 7) sen - tentiae .... se subdiderunt. Donellus XII. 14. § 6 9 ſucht mit großer Subtilität auszuführen, die L. C. ſey kein Quaſicontract, ſondern ein wirklicher, aber ſtill - ſchweigender Vertrag. Er über - ſieht dabei, daß zu dem ſtillſchwei - genden Vertrag eben ſo, wie zu dem ausdrücklichen, der freie Wille erforderlich iſt, dieſer aber hier fehlt..

Über die Natur dieſes contractlichen, oder contractähn - lichen, Verhältniſſes, wie es durch die L. C. in jeden Rechtsſtreit eingeführt wird, ſollen jetzt noch einige Betrach - tungen folgen.

Die allgemeinſte Anerkennung eines ſolchen Verhält - niſſes, welches aus der L. C. neu entſpringt, und von dem früher vorhandenen Rechtsverhältniß an ſich unabhängig iſt, findet ſich in folgender Stelle des Ulpian: L. 3 § 11 de peculio (15. 1 ): Idem scribit, judicati quoque patrem de peculio actione teneri, quod et Marcellus putat; etiam ejus actionis nomine, ex qua non potuit pater de peculio actionem pati; nam33§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)sicut stipulatione contrahitur cum filio, ita judicio contrahi; proinde non originem judicii spectan - dam(s)D. h. nicht das urſprüng - liche, dem Rechtsſtreit vorherge - hende, zum Grund liegende Rechts - verhältniß., sed ipsam judicati velut obligationem(t)D. h. ſondern die Obligation, welche aus der in der L. C. enthal - tenen Stipulation neu entſpringt, und hier auf die Erfüllung des Judicats gerichtet iſt. L. 6 jud. solvi (46. 7) de re judicata. .

Dieſe Stelle iſt eben ſo wahr unter Vorausſetzung einer in der L. C. enthaltenen wirklichen Stipulation, wie ſie im älteren Recht theilweiſe ſicher vorkam, als unter Voraus - ſetzung eines Quaſicontracts, und ſie drückt alſo das allge - meine und bleibende Weſen des aus der L. C. hervorge - henden Rechtsverhältniſſes ſehr beſtimmt aus.

Aus dieſem contractlichen oder contractähnlichen Ver - hältniß erklären ſich befriedigend mehrere in dem vorher - gehenden §. bemerklich gemachte Thatſachen. Erſtlich warum zur Bezeichnung des in jedem Rechtsſtreit eintretenden, beſonders wichtigen und entſcheidenden Zeitpunktes ſtets die L. C., nicht die mit ihr gleichzeitige Conception der Formel gewählt wird. Die in der L. C. enthaltene Contractsnatur war der Entſtehungsgrund der von dieſer Zeit anfangenden Rechtswirkungen, die Formel war blos eine Anweiſung für den Juder, und hatte für die Parteien keine unmittel - bar verbindende Kraft. Zweitens warum die L. C. vor dem Prätor vorgehen mußte, nicht vor dem Judex. Die Autorität des Prätors konnte die Parteien ſicherer als dieVI. 334Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.des Juder nöthigen, dieſen Vertrag einzugehen, der dem ganzen Rechtsſtreit ſeine Haltung gab.

Es erklärt ſich daraus ferner der Umſtand, daß das Recht eine Popularklage anzuſtellen, welches an ſich ein gemeinſames Recht aller Römiſchen Bürger war, durch die L. C. in eine wahre Obligation, in ein Vermögensrecht des Klägers, umgewandelt wurde(u)Die Zeugniſſe dafür ſ. o. B. 2 § 73 Note ee. .

Die hier angegebenen, ſo wie alle übrigen Folgen der Contractsnatur der L. C. ſind jedoch nicht ſo zu denken, als ob dieſe Contractsnatur durch Zufall oder Willkühr eingeführt worden wäre, und dann alle jene Folgen, die man vielleicht an ſich als gleichgültig oder nachtheilig an - ſehen mochte, auf dem Wege logiſcher Entwicklung nach ſich gezogen hätte. Es verhielt ſich damit gerade umge - kehrt. Jene Folgen waren es, welche, als der Natur des Rechtsſtreits angemeſſen, herbeigeführt werden ſollten; für ſie wurde die Contractsnatur der L. C. (urſprünglich bei vielen Klagen durch eine wirkliche Stipulation) aufgeſtellt, um dafür eine ſichere und angemeſſene juriſtiſche Grundlage zu haben.

Der Inhalt des erwähnten contractlichen Verhält - niſſes beſteht zunächſt in der Unterwerfung beider Parteien unter dieſes Judicium (Note r). Dieſe Unterwerfung be - zieht ſich bei allen Klagen auf das eigentliche Urtheil; bei den arbiträren Klagen insbeſondere auch noch auf den Ge - horſam gegen den vor dem Urtheil von dem Juder ausge -35§. 258. Weſen der L. C. I. R. R. (Fortſetzung.)ſprochenen, auf die Naturalreſtitution gerichteten, jussus oder arbitratus(v)Daraus erklärt es ſich, daß die Unterlaſſung dieſes Gehorſams als eine unerfüllte Obligation, als eine Mora, betrachtet wurde, ſ. unten § 273 u. . Der ſpeciellere Inhalt aber, ſo wie die Veranlaſſung dieſes Inhalts, läßt ſich durch folgende Betrachtung anſchaulich machen, die ſich an die allgemeine Natur jedes Rechtsſtreits und das daraus hervorgehende Bedürfniß (§ 256) anſchließt. Wenn zwei Parteien vor den Richter treten, ſo iſt es zunächſt völlig ungewiß, wer von beiden das Recht auf ſeiner Seite hat. In dieſer Ungewißheit muß für jeden möglichen Ausfall Vorſorge getroffen werden, und die Parteien werden genöthigt, hier - über einen Vertrag zu ſchließen, oder auch (wie in dem ſpäteren Recht allgemein) ſich ſo behandeln zu laſſen, als ob ein ſolcher Vertrag geſchloſſen worden wäre. Der all - gemeine Inhalt des Vertrages läßt ſich, übereinſtimmend mit dem erwähnten Bedürfniß, ſo ausdrücken: es ſoll der Nachtheil ausgeglichen werden, der aus der unvermeid - lichen Dauer des Rechtsſtreits entſteht(w)L. 91 § 7 de leg. 1. cau - sa ejus temporis, quo lis con - testatur, repraesentari debet actori. , oder mit an - deren Worten: der Kläger ſoll, wenn er den Prozeß ge - winnt, dasjenige erhalten, was er haben würde, wenn das Urtheil gleich Anfangs hätte geſprochen werden können(x)L. 20 de R. V. (6. 1) ut omne habeat petitor, quod habiturus foret, si eo tempore, quo judicium accipiebatur, re - stitutus illi homo fuisset. Eben ſo ſpricht L. 31 de R. C. (12. 1), und viele andere Stellen. Dieſe Aeußerungen, ſo wie die in der Note w. angeführte, ſind bei Gelegenheit einzelner Rechtsver - hältniſſe entſtanden, und werden. 3*36Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Die Veranlaſſung und Rechtfertigung dieſes Vertrags aber giebt Gajus für die Klagen in rem ſo an: Dem Beklag - ten wird geſtattet, während des Rechtsſtreits die ſtreitige Sache zu beſitzen, dafür muß er aber von ſeiner Seite die in dem Vertrag enthaltene Entſchädigung verſprechen, und ſogar durch Bürgen verſichern(y)Gajus 4. § 89. ſ. o. Note g. Nämlich an ſich wäre für denſelben Zweck auch wohl eine Sequeſtration als Sicherungsmit - tel denkbar geweſen; darauf geht das possidere conceditur. .

Die hier dargeſtellte contractliche Obligation für die nach der L. C. eintretenden Umwandlungen hat ſich durch alle Zeiten des R. R. erhalten, und iſt auch in unſer heu - tiges Recht übergegangen. Nur hat ſich die Form einer ausdrücklichen Stipulation, ſelbſt in den Fällen worin ſie in der älteren Zeit angewendet wurde, im Juſtinianiſchen Recht gänzlich verloren.

§. 259. Weſen der Litis Conteſtation. II. Canoniſches Recht und Reichsgeſetze.

Das canoniſche Recht hält den Römiſchen Begriff der L. C. (§ 257) unverändert feſt, beſchäftigt ſich aber haupt - ſächlich mit der Frage, welche auch ſpäterhin als vorzugs - weiſe wichtig behandelt wurde: ob und wann der Beklagte verpflichtet ſey, dasjenige zu thun, welches von ſeiner Seite(x)unten im Zuſammenhang des De - tails wieder vorkommen. Hier kam es darauf an, den allgemeinen Geſichtspunkt vorläufig zu be - zeichnen.37§. 259. Weſen der L. C. II. Canon. Recht u. Reichsgeſetze.zur Vollziehung einer wahren L. C. beigetragen werden muß. Dazu gehört vor Allem die Erklärung auf den In - halt der Klage, alſo auch auf den thatſächlichen Grund derſelben: außerdem aber auch die Angabe der etwa vor - handenen Exceptionen (§ 257). Es iſt einleuchtend, daß, wenn ſich der Beklagte etwa auf Exceptionen beſchränken wollte, ohne ſich über die Klage zu erklären, eine L. C. darin nicht enthalten wäre und dadurch nicht entbehrlich werden würde, daß alſo der Beklagte angehalten werden müßte, das von ſeiner Seite zu einer wahren L. C. Fehlende noch nachzubringen. Aus Vorſchriften dieſes beſonderen Inhalts, die ich im R. R. noch nicht finde, konnte leicht der Schein entſtehen, die L. C. ſey eine einſeitige Handlung des Be - klagten, und zwar gerade die Erklärung auf die vom Klä - ger vorgebrachten Thatſachen, anſtatt daß das R. R. darunter eine weit umfaſſendere gemeinſame Handlung der Parteien verſteht, ja ſogar wörtlich das litem contestari als eine Thätigkeit des Klägers, nicht des Beklagten, bezeichnet (§ 257. g). Es wird weiter unten gezeigt wer - den, daß ein aus dieſem falſchen Schein hervorgehender irriger Sprachgebrauch in ſpäterer Zeit ganz allgemein ge - worden iſt. Jedoch muß bemerkt werden, daß dieſer Irr - thum dem canoniſchen Recht in der That nicht zugeſchrieben werden darf, dieſes vielmehr noch keinen vom R. R. ab - weichenden Ausdruck enthält.

Die älteſte Stelle des canoniſchen Rechts über die L. C. beſchäftigt ſich mit der hier entwickelten ſpeciellen Frage38Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.noch nicht(a)C. un. X. de litis cont. (2. 5). Wörtlich gleichlautend iſt hierin eine andere Decretale deſſelben Papſtes: C. 54 § 3 X. de elect. (1. 6).. Dem P. Gregor IX. war ein Fall vor - gelegt, worin die Parteien über einzelne Stücke des Rechts - ſtreits (super pluribus articulis) ſchriftliche Behauptungen und Gegenbehauptungen (positiones et responsiones) dem Richter eingereicht, auch dabei geäußert hatten, was ſie vor Gericht zu erklären geſonnen ſeyen (quae partes volue - runt proponere coram eis). Der Papſt ſpricht nun aus; darin ſey noch keine gültige L. C. enthalten, dieſe müſſe vielmehr noch nachgeholt werden, um einen rechtsgültigen Prozeß zu begründen, quia tamen litis contestationem non invenimus esse factam, quum non per positiones et responsiones ad eas, sed per petitionem in jure propositam et re - sponsionem secutam litis contestatio fiat.

Der hier gedachte Gegenſatz ſchließt alſo die ſchriftlichen Vorbereitungen des Rechtsſtreits, als ungenügend, aus, und fordert zu einer wahren L. C. das gemeinſame Erſchei - nen der Parteien im Gericht, und die vollſtändige Erklä - rung derſelben über den Rechtsſtreit; es iſt der Gegenſatz eines ſchriftlichen Vorverfahrens gegen das mündliche Ver - fahren vor Gericht, und der Ausſpruch des Papſtes iſt ganz dem R. R. gemäß.

Die zwei folgenden Decretalen betreffen das oben er - wähnte Verhältniß der L. C. zu den Exceptionen.

39§. 259. Weſen der L. C. II. Canon. Recht u. Reichsgeſetze.

P. Innocenz IV. verordnet, durch vorgebrachte Excep - tionen dürfe der Beklagte die L. C. nicht hindern, noch ver - zögern; jedoch mit Ausnahme der Exceptionen de re ju - dicata, transacta seu finita (b)C. 1 de litis cont. in VI. (2. 3 ) Es ſind dieſes die nach - her von unſren Schriftſtellern ſo - genannten exceptiones litis in - gressum impedientes. .

Dieſelbe Vorſchrift wiederholt P. Bonifaz VIII., mit dem ſehr natürlichen Zuſatz, daß eine bloße Exception auch nicht etwa ſelbſt ſchon als eine vollzogene L. C. angeſehen werden dürfe(c)C. 2 de litis cont. in VI. (2. 3)..

Es iſt nun ferner von den Veränderungen in dem We - ſen der L. C. Rechenſchaft zu geben, welche durch die Reichsgeſetze, ſo wie durch die Praxis und Literatur der neueren Zeit herbeigeführt worden ſind(d)Ausführlich handelt von dieſem Gegenſtand Wächter H. 3 S. 70 88.. Um für dieſe Veränderungen einen feſten Standpunkt zu gewinnen, wird es gut ſeyn, ſogleich das letzte Ziel anzugeben, wohin dieſe ſehr allmälige Entwicklung geführt hat, alſo die Auffaſſung, welche in der neueren Literatur des Prozeſſes, ſo wie in der Praxis, ſo allgemeine Geltung gewonnen hat, daß jeder Widerſpruch dagegen nur in dem Sinn einer gelehrten Kritik, durch Zurückführung auf ältere Quellen, verſucht worden iſt, wenngleich hie und da nicht ohne den Anſpruch, der neu aufgeſtellten Behauptung auch in der Praxis wieder einige Geltung zu verſchaffen.

40Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Dieſer moderne Begriff läßt ſich ſo darſtellen: Die L. C. iſt eine einſeitige Handlung des Beklagten, beſtehend in der Erklärung deſſelben auf die in der Klage aufgeſtellten Thatſachen, alſo verſchieden von allen Einreden.

In zwei Stücken weicht dieſe Auffaſſung weſentlich ab von dem R. R.

Erſtlich indem ſie die L. C. als eine einſeitige Hand - lung des Beklagten anſieht, anſtatt daß das R. R. dabei ein gemeinſames Handeln beider Parteien annimmt, und ſogar vorzugsweiſe die mitwirkende Thätigkeit des Klägers mit jenem Namen bezeichnet (§ 257).

Dieſe Abweichung beruht weniger auf veränderten Rechtsbegriffen, als auf der veränderten Form des Ver - fahrens. Bei einem blos ſchriftlichen Verfahren iſt ein ge - meinſames und gleichzeitiges Handeln der Parteien nicht möglich, ſo daß man dabei genöthigt iſt, die L. C. von einer Prozeßhandlung des Beklagten abhängig zu denken, welche dann mit der vorhergehenden Handlung des Klägers, dem Inhalt nach, ein Ganzes bildet, eben ſo wie im R. R. die gleichzeitigen[Reden] und Gegenreden beider Parteien. Daher iſt denn auch dieſe Abweichung den Reichsgeſetzen fremd, welche ſtets noch ein mündliches Verfahren in Ter - minen und Audienzen vorausſetzen(e)Artikel des K. G. zu Lindan ꝛc. von 1500 Art. XIII. § 1. 2 (Neueſte Sammlung der R. A., Th. 2 S. 75). Anfangs wird ſo geredet, als ſey die L. C. ein Ge - ſchäft des Beklagten. Dann aber heißt es: Item, und ſo der Krieg alſo von beyden Theilen be -.

41§. 259. Weſen der L. C. II. Canon. Recht u. Reichsgeſetze.

Auch iſt dieſe Abweichung für unſern gegenwärtigen Zweck, d. h. für die Aufſtellung eines feſten Anfangs - punktes der materiellen Wirkungen der L. C., von keiner Erheblichkeit. Es kommt nur darauf an, ſich deutlich bewußt zu werden, daß hierin etwas von dem R. R. Ver - ſchiedenes gedacht wird.

Zweitens weicht dieſe Auffaſſung von dem R. R. darin ab, daß ſie die L. C. auf die rein thatſächlichen Er - klärungen des Beklagten beſchränkt, anſtatt daß das R. R. das geſammte in der formula enthaltene Material ſchon in der L. C. vorkommen läßt, alſo, außer der Erklärung über die Thatſachen, auch alle Exceptionen, Replicationen und Duplicationen. Auf den erſten Blick ſcheint es, daß da - durch eine Erleichterung und Beſchleunigung der L. C. be - zweckt und bewirkt ſeyn möchte, indem eine bloße Erklärung über die Thatſachen ſchneller herbeizuführen iſt, als jenes weit umfaſſendere Material. Daß dennoch aus anderen Gründen dieſer Erfolg nicht eintrat, wird ſogleich gezeigt werden.

Aus dieſer Auffaſſung, verbunden mit jener erſten, folgte mit Nothwendigkeit die dem R. R. völlig fremde Eintheilung der L. C. in eine affirmative, negative und gemiſchte, je nachdem der Beklagte alle in der Klage(e)feſtigt ꝛc. K. G. O. von 1523 Art. 3 § 3 (a. a. O. S. 248): Würden aber keine Exceptiones fürgewendt ſoll der Kläger alsbald darauf den Krieg befeſtigen ꝛc. (Am Rande ſteht: Litis Contestatio).42Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.enthaltene Thatſachen bejaht, oder alle verneint, oder einige bejaht, andere verneint(f)Man könnte auch etwa die negative L. C. in einem bloßen Widerſpruch gegen den Anſpruch des Klägers beſtehen laſſen wollen, wobei es[ ganz] unbeſtimmt gelaſſen würde, ob die Thatſachen ganz oder theilweiſe verneint, und ob Einreden aufgeſtellt werden ſollten. Eine Erklärung dieſer Art iſt nicht nur dem R. R. und dem canoniſchen Recht fremd, ſondern auch den ſpäteren Reichsgeſetzen, wie ſogleich gezeigt werden wird. Eine ſolche Erklärung enthält Nichts, als die Ausſchließung einer reinen confessio, alſo den ausgeſprochenen Entſchluß, Pro - zeß zu führen, worüber ohnehin in den allermeiſten Fällen kein Zweifel iſt. Gefördert wird da - durch in dem Rechtsſtreit gar Nichts, dieſe Handlung iſt alſo nur ein verſchleppendes Element, und es iſt durchaus kein Grund vorhanden, practiſche Folgen daran zu knüpfen. Ältere Reichsgeſetze nehmen allerdings eine L. C. in dem hier erwähnten Sinn an (Vergl. Note i). Die affirmative darf übri - gens nur in Verbindung mit Einreden gedacht werden, da ſie außerdem gar nicht die Abſicht eines Rechtsſtreits in ſich ſchließt, ſondern vielmehr die Natur einer Römiſchen in jure confessio hat(g)Die Gloſſatoren haben ſich viel mit der Frage beſchäftigt, ob eine reine confessio als L. C. gelten könne, und ob darauf ein con - demnatoriſches Urtheil zu ſprechen ſey. Die Behandlung dieſes Falles betrifft blos die äußere Prozeß - form, und hat keine practiſche Wich - tigkeit. Im R. R. galt die un - zweifelhafte Regel: confessus pro judicato est (L. 1 de confessis 42. 2), ſo daß ein Urtheil gewiß nicht nöthig war, und nicht erlaſſen wurde. Im Preußiſchen Prozeß wird für dieſen Fall eine Agnitions - Reſolution abgefaßt, welche die Wirkung eines Erkenntniſſes hat (A. G. O. I. 8. § 14 16)..

Die zweite Abweichung iſt allerdings ſchon in den Reichsgeſetzen enthalten, die ſich beſonders damit beſchäf - tigen, die Verzögerung der L. C. zu verhüten, jedoch nicht etwa um dieſes Zweckes Willen einen neuen Begriff der L. C. abſichtlich aufſtellen wollen, ſondern hierin vielmehr43§. 259. Weſen der L. C. II. Canon. Recht u. Reichsgeſetze.nur dem herrſchenden Sprachgebrauch der gleichzeitigen Schriftſteller folgen.

Um dieſes zur Anſchauung zu bringen, iſt es nöthig, auf den Inhalt der Reichsgeſetze genauer einzugehen, wo - bei ſogleich mit der Kammergerichtsordnung von 1555 an - gefangen werden kann, da die weit unvollſtändigeren frü - heren Geſetze durch dieſe beſeitigt worden ſind.

Zum Verſtändniß dieſes Geſetzes muß bemerkt werden, daß daſſelbe drei Audienzen in jeder Woche annimmt, Montag, Mittwoch, Freitag. Jeder neue Termin ſoll ein - treten in einem durch eine Anzahl von Audienztagen be - ſtimmten Zeitraum nach der vorhergehenden Prozeßhand - lung; bei Sachen des ordentlichen Prozeſſes (in ordinariis) in der zwölften Audienz, bei ſummariſchen Sachen (in extra - ordinariis) in der ſechsten; für beide Klaſſen von Sachen ſollen die oben erwähnten Audienztage abwechſelnd ange - wendet werden (Tit. 1 Tit. 2 § 1). In der Regel ſoll die L. C. im zweiten Termin vorgenommen werden, alſo in der zwölften Audienz nach dem erſten Termin; dieſe Regel leidet eine Ausnahme, wenn dilatoriſche oder andere den Prozeß hindernde Einreden vorgebracht wer - den(h)Tit. 13 § 1 So .. ſetzen Wir, ſofern .. der Antworter nicht dilatorias, oder andere exceptio - nes, dardurch das Recht verhindert, oder aufgeſchoben, oder die Kriegs - Befeſtigung verhindert würde, für - zubringen hätte, daß alsdann der - ſelbige in ordinariis in der zwölften Audienz, auf die Klag zu ant - worten, und den Krieg zu befeſtigen ſchuldig ſeyn ſoll.. In dieſem Fall wird über ſolche Einreden in drei44Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Terminen verhandelt, vielleicht auch noch länger, wenn darüber ein Beweisverfahren nöthig wird (Tit. 24 26). Außerdem werden im vierten Haupttermin die übrigen peremtoriſchen Einreden vorgebracht, und es wird darüber gleichfalls in drei Terminen verhandelt (Tit. 27 29).

Über die L. C. iſt noch beſonders beſtimmt, daß der Beklagte, wenn er die Klage beſtreiten, alſo Prozeß führen wolle, dieſes nicht in weitläufigen Reden, wie es bisher geſchehen, ſondern durch einen kurzen Widerſpruch gegen die Klage überhaupt, nicht gerade gegen die einzelnen darin enthaltenen Thatſachen thun ſolle(i)Tit. 13 § 4 Und nachdem bisher die Procuratores in litis contestationibus, je zu Zeiten viel unnothdürftiger und überflüſſi - ger Wort gebraucht Wollen Wir, daß fürhin ein jeder Pro - curator, der .. mit nicht geſtehen auf die Klag antworten, und alſo litem negative contestiren will, andere oder mehr Wort nicht ge - brauchen ſoll, dann nemlich alſo: In Sachen N. contra N. bin ich der Klag nicht geſtändig, bitt mich zu erledigen, und mit dieſen Worten ſoll der Krieg, ob auch der Litis contestation nicht ausdrücklich Meldung ge - ſchehe, befeſtigt zu ſeyn gehalten und verſtanden werden. Vergl. oben Note f. . Die beſtimmte Erklärung des Beklagten auf die von dem Kläger vorge - brachten einzelnen Thatſachen ſollte erſt im vierten Termin nachfolgen, und dieſe Responsiones auf die Artikel der Klage werden daher von der L. C. ſowohl durch die Be - zeichnung, als durch die im ganzen Prozeß angewieſene Stelle, deutlich unterſchieden (Tit. 15 § 4).

Dieſe ganze Behandlung konnte als eine Erleichterung und Beſchleunigung der L. C. angeſehen werden, da in der That ein allgemeiner Widerſpruch nicht wohl mit45§. 259. Weſen der L. C. II. Canon. Recht u. Reichsgeſetze.einigem Schein zu verweigern iſt, und daher leichter und ſchneller als eine ſpecielle Erklärung verlangt und bewirkt werden kann. Auf der anderen Seite aber war dem Be - klagten, der die Sache hinhalten wollte, ein freier Spiel - raum eröffnet durch die mannichfaltigen Einreden, deren langwierige Verhandlung ihn einſtweilen berechtigte, ſelbſt jene höchſt allgemeine Erklärung nicht abzugeben, alſo die L. C. zu unterlaſſen (Note h).

Hierin gewährte der N. A. von 1570 eine durch - greifende Abhülfe, indem er vorſchrieb, daß auch neben dilatoriſchen Einreden im zweiten Termin in jedem Fall eine eventuelle L. C. vorgenommen werden ſollte(k)R. A. 1570 § 89. 90, Neueſte Sammlung Th. 3 S. 299..

Dieſe Vorſchrift wurde beſtätigt und weiter ausgeführt in dem neueſten Reichsgeſetz über den Prozeß(l)J. R. A. von 1654 § 36 40, Neueſte Sammlung Th. 3 S. 648. 649. Die Hauptſtelle iſt der § 37.. Der Jüngſte Reichsabſchied verordnet nämlich, daß der Beklagte nicht erſt in dem zweiten, ſondern ſchon in dem erſten Termin, wozu jedoch mindeſtens Sechszig Tage frei zu laſſen ſind, ſowohl alle Exceptionen, bei Strafe der Präclu - ſion, vorbringen, als auch eine beſtimmte Erklärung über alle in der Klage enthaltene Thatſachen abgeben ſoll. Dieſe factiſche Erklärung heißt hier nicht L. C., der Name aber kommt in demſelben Geſetz anderwärts vor(m)§ 110 nicht allein vor angefangenem Recht-Stand, und litis contestation etc. , und daß darunter die oben vorgeſchriebene Erklärung über die Thatſachen verſtanden werde, kann wohl nicht bezweifelt46Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.werden. Nur in dem einzigen Falle ſollte der Beklagte die L. C. verweigern dürfen, wenn er die Competenz des Richters durch eine Einrede beſtreiten wollte(n)§ 37 am Ende und § 40..

Es iſt nicht zu verkennen, daß durch dieſes Geſetz der ganze Zuſtand weſentlich verbeſſert worden iſt, und daß es hauptſächlich an dem Mangel einer ſtrengen Durchführung deſſelben gelegen hat, wenn ſpäterhin der gemeine Prozeß dem wahren Bedürfniß oft nicht entſprochen hat. Indeſſen bleiben auch hier noch dem Beklagten, der die L. C. ver - zögern will, manche Mittel übrig. Die Einrede der In - competenz kann zu einer längeren Verhandlung misbraucht werden. Wenn ferner der Beklagte im erſten Termin nicht erſcheint, ſo führt auch das im § 36 angeordnete Con - tumacialverfahren einen nicht geringen Aufſchub mit ſich.

Beſonders aber leidet jenes Geſetz keine unmittelbare Anwendung auf den ſpäterhin in Deutſchland ſehr allge - mein angewendeten rein ſchriftlichen Prozeß, worin gar keine Termine mündlicher Verhandlung, ſondern regel - mäßig Vier Schriftſätze, vorkommen. Denkt man ſich den J. R. A. hierauf ehrlich und ſtreng angewendet, ſo wird die L. C. ſtets in der ſogenannten Exceptionsſchrift zu ſuchen ſeyn, welche die Erklärung über die Thatſachen der Klage, ſey es mit oder ohne Exceptionen, enthalten muß. Dieſe Stellung der L. C. iſt auch mit dem wahren Sinn des R. R. übereinſtimmend, nur mit dem minder erheb - lichen Unterſchied, daß in der Römiſchen L. C. auch ſchon47§. 259. Weſen der L. C. II. Canon Recht u. Reichsgeſetze.die Replicationen und Duplicationen vorkamen, die hier erſt in dem dritten und vierten Schriftſatz erſcheinen(o)Bollſtändiger übereinſtim - mend mit dem Begriff der Römiſchen L. C. iſt der dem Preußiſchen Pro - zeß der allgemeinen Gerichtsord - nung eigenthümliche Status causae et controversiae. Nur tritt dabei der practiſch ſehr erhebliche Unter - ſchied ein, daß dieſer Status am Ende von Terminen abgefaßt wird, deren Anzahl und Zeit von einer ſehr regelloſen Willkühr des De - putirten und der Parteien abhängt..

Auch hier aber bleibt dem böswilligen Beklagten noch manches Mittel übrig, die L. C. willkührlich zu verzögern, und dadurch dem Kläger die Rechte zu ſchmälern, die ihm in der That zugedacht ſind. Dazu können misbraucht werden die wiederholten Friſtgeſuche, ferner die einer längeren Verhandlung empfängliche Einrede der Incompetenz, endlich die bloße Verweigerung oder Unterlaſſung der L. C., die ſelbſt durch manche Scheingründe beſchönigt werden kann. Einem ſolchen unredlichen Verfahren mit ſicherem Erfolg entgegen zu treten, fehlt es im gemeinen Prozeß an be - ſtimmten Rechtsregeln. Auch iſt dabei noch folgender Um - ſtand zu berückſichtigen. Wenn die L. C., wie angenommen wird, in der Erklärung auf die Thatſachen beſteht, ſo bleibt ungewiß, wie es angeſehen werden ſoll, wenn die Erklärung unbeſtimmt, unverſtändlich, unvollſtändig iſt, etwa ſo daß ſie ſich nur auf einen kleinen Theil der that - ſächlichen Grundlagen der Klage bezieht. Man könnte ſagen, nun müſſe durch eine Art von Fiction eine wirk - liche L. C. angenommen werden. Dann könnte man aber noch einen Schritt weiter gehen, und in jeder Exceptions -48Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.ſchrift, auch wenn ſie keine Spur einer thatſächlichen Er - klärung enthält, eine L. C. fingiren. Nur iſt dieſes Alles völlig willkührlich, und es iſt eine bloße Illuſion, wenn man glaubt, damit das R. R., oder die Reichsgeſetze, oder auch nur die neuere Praxis wirklich anzuwenden. Wenn von allen dieſen Schwierigkeiten in vielen Ländern keine merkliche Beſchwerde empfunden worden iſt, ſo liegt dieſes theils an der guten Aufſicht der Gerichte, theils darin daß die Praxis nicht bei der L. C. als Grund und Zeitpunkt der materiellen Veränderungen während des Prozeſſes ſtehen geblieben iſt, wovon am Schluß dieſer ganzen Lehre gehandelt werden wird.

Wie weit aber hierin der Misbrauch und die Gefähr - dung des Rechts getrieben werden kann, davon giebt der Sächſiſche Prozeß Zeugniß. In dieſem kommt es ſehr gewöhnlich vor, daß eine ganze Inſtanz hindurch über die Verbindlichkeit des Beklagten zur L. C. geſtritten, und am Ende durch Urtheil feſtgeſtellt wird, daß Beklagter, Ein - wendens ungeachtet, auf die erhobene Klage ſich einzulaſſen ſchuldig; dieſes Urtheil kann dann wieder durch Rechts - mittel angegriffen und durch die Inſtanzen verfolgt werden.

§. 260. Wirkungen der Litis Conteſtation. Einleitung.

Indem nunmehr die Wirkungen der L. C. dargeſtellt werden ſollen, ſind dieſelben an den oben angegebenen Grundſatz anzuknüpfen, nach welchem die Aufgabe dieſes49§. 260. Wirkung der L. C. Einleitung.Rechtsinſtituts auf die Ausgleichung der nachtheiligen Folgen geht, welche aus der an ſich nicht wünſchens - werthen, aber unvermeidlichen Dauer des Rechtsſtreits entſpringen (§ 256. 258). Die jetzt im Einzelnen darzu - ſtellenden Wirkungen ſind nur als Entwicklungen jenes Grundſatzes anzuſehen. Es muß jedoch dazu noch durch folgende Vorbemerkungen ein feſter Grund gelegt werden.

I. Die Ausſprüche der Römiſchen Juriſten über jene Wirkungen beziehen ſich auf zwei verſchiedenartige Anwen - dungen, deren Inhalt aber dergeſtalt zuſammenfällt, daß ſie ohne Unterſchied als ganz gleichbedeutend angeſehen werden dürfen.

Die meiſten dieſer Ausſprüche betreffen die Frage, wie in Folge der L. C. das richterliche Urtheil eingerichtet werden müſſe, und dieſe ſind auch auf unſren heutigen Rechtszuſtand unmittelbar anzuwenden.

Mehrere Ausſprüche aber betreffen eine Frage, welche nicht bei allen Klagen, ſondern nur bei den arbitrariae actiones (§ 221), vorkommen konnte: Die Frage, welche Handlungen nach der L. C. der Beklagte auf die Auf - forderung des Judex vorzunehmen habe, um die Verur - theilung von ſich abzuwenden. Dieſe Handlungen beſtanden, wie oben gezeigt wurde, in einer Reſtitution oder Ex - hibition. Hier alſo lautet die Frage ſo: Was muß der Beklagte freiwillig thum, um nicht verurtheilt zu werden? oder mit anderen Worten: Was gehört zu einer wahren,VI. 450Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.genügenden, die Verurtheilung abwendenden Reſtitution? (a)L. 35. 75. 246 § 1 de V. S. (50. 16 ), L. 20 L. 35 § 1 de rei vind. (6. 1).Was gehört zu einer wahren Exhibition? (b)L. 9 § 5. 6. 7. 8. ad exhib. (10. 4)

So verſchieden nun dieſe Fragen, ihrer wörtlichen Faſſung nach, lauten, ſo ſind ſie dennoch in der That identiſch, ſo daß die Antwort auf die eine Frage, ohne Gefahr eines Irrthums, auch als Antwort auf die andere Frage behandelt werden kann. Denn was der Beklagte als genügende Reſtitution vornehmen muß um der Verur - theilung zu entgehen, hat ganz denſelben Umfang wie Das, wozu er verurtheilt wird, wenn er die freiwillige Reſti - tution unterläßt(c)Allerdings mit dem Unter - ſchied, daß das Urtheil nur auf Geld gehen konnte, anſtatt daß die Reſtitution in Natur geſchah. Vergl. B. 5 § 221. Auch kann im einzelnen Fall, nach thatſäch - lichen Verhältniſſen, in der Reſti - tution etwas Anderes nöthig ſeyn und genügen, als das worauf ſpäter das Urtheil gelautet hätte. Im Allgemeinen aber iſt die Identität des Inhalts bei der Reſtitution und dem Urtheil unverkennbar., und eben ſo umgekehrt. Da wir übrigens keine arbitrariae actiones mehr haben (§ 224), ſo gewähren uns die Ausſprüche über die wahre Reſti - tution und Exhibition nur den indirecten Vortheil, daß wir daraus lernen, worauf die Verurtheilung gerichtet werden muß, wenn es überhaupt zu einer ſolchen kommt(d)In ſofern ſteht allerdings unſer heutiges Recht dem älteren R. R. gleich, daß auch bei uns keine Verurtheilung erfolgt, wenn der Beklagte während des Pro - zeſſes das Verlangen des Klägers vollſtändig erfüllt. Dieſer Fall iſt aber in unſrem heutigen Recht von keiner practiſchen Erheblichkeit, anſtatt daß im R. R. die arbi - trariae actiones künſtlich darauf berechnet waren, daß der Beklagte freiwillig reſtituiren oder erhibiren ſollte, um größeren Nachtheilen zu entgehen..

51§. 260. Wirkung der L. C. Einleitung.

II. Die materiellen Wirkungen der L. C. ſind aller - dings darauf berechnet, den Vortheil des Klägers zu beför - dern. Denn der Kläger iſt es, der durch die unvermeid - liche Dauer des Rechtsſtreits einen Nachtheil erleiden kann, und eben gegen dieſen Nachtheil ſoll er künſtlich geſchützt werden durch die Reduction des Urtheils auf den Zeit - punkt der L. C.(e)L. 86. 87 de R. I. (50. 17 ), L. 29 de nov. (46. 2)..

Indeſſen iſt dieſer Zweck nicht ſo abſtract aufzufaſſen, als ob der Kläger in jedem einzelnen Falle durch jene Neduction nothwendig gewinnen, oder auch nur nicht ver - lieren müßte. Es können vielmehr durchkreuzende practiſche Rückſichten eintreten, welche in einzelnen Fällen einen ande - ren Erfolg herbeiführen. Solche Rückſichten können in anderen Fällen auch wohl die Anwendung jener Reduction ſelbſt ausſchließen.

Es iſt daher überhaupt in dieſem Rechtsinftitut eine gewiſſe practiſche Biegſamkeit wahrzunehmen.

III. Der Grundſatz, mit deſſen Entwicklung in einzel - nen Folgen wir uns nun zu beſchäftigen haben, beruht auf einem ſo natürlichen Bedürfniß, daß wir eine frühe Anerkennung deſſelben wohl erwarten dürfen. Und in der That zeigt ſich derſelbe ſchon wirkſam in der uralten Vin - dication durch legis actio. Bei dieſer mußten im An - fang des Rechtsſtreits vom Beklagten praedes litis et vin - diciarum geſtellt werden, Bürgen für die Sache ſelbſt und die Früchte derſelben, alſo gegen die Nachtheile, die dem4*52Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Kläger daraus entſtehen konnten, daß er die Beendigung des Rechtsſtreits abwarten mußte. In der ſpäteren Vindi - cation per sponsionem trat an die Stelle jener alten praedes eine Stipulation pro praede litis et vindiciarum, das heißt als ein mit derſelben Wirkung verſehenes Sur - rogat. Und dieſe wieder gieng bei der petitoria formula, mit Veränderung der Form und des Namens, in eine Stipulation judicatum solvi über(f)Gajus IV. § 91. 94. 89 Vergl. oben § 258. g. Man könnte glauben, bei der petitoria formula fehle ein Verſprechen we - gen der Früchte während des Rechts - ſtreits. Allein dieſes liegt in den Worten des § 89: ut si victus sis, nec rem ipsam restituas rel. Denn in dem restituere, durch deſſen Unterlaſſen die Sti - pulation des Beklagten und der Bürgen verletzt und zur Klage fällig gemacht (commissa stipu - latio) wurde, lag auch der Er - ſatz der omnis causa. Vgl. die in Note a angeführten Stellen..

Ich muß es daher als unhiſtoriſch verwerfen, wenn neuerlich behauptet worden iſt, jener Grundſatz der Re - duction auf die Zeit der L. C. ſey die neue Erfindung eines poſitiven Geſetzes, des unter Hadrian über die Erbſchaftsklage erlaſſenen Senatsſchluſſes(g)Heimbach, Lehre von der Frucht S. 155 fg. Fände ſich jener Grundſatz nur bei der Erb - ſchaftsklage und der damit nahe verwandten Eigenthumsklage er - wähnt, ſo hätte die Behauptung noch einigen Schein; allein er kommt eben ſo auch bei den Con - dictionen vor, und es wird wohl Niemand annehmen wollen, daß dieſe unter dem Einfluß des Sc. Iuventianum geſtanden hätten. Vgl. L. 31 de reb. cred. (12. 1).. Der Grund - ſatz ſelbſt war uralt, aber freilich nirgend abſtract aus - geſprochen, ſondern nur in einzelnen Anwendungen aner - kannt. Unter den Händen der juriſtiſchen Schriftſteller wurde er allmälig ausgebildet und entwickelt. Auch der53§. 260. Wirkung der L. C. Einleitung.angeführte Senatsſchluß nahm ihn in ſich auf, und trug zur Ausbildung deſſelben bei. Es war alſo ſehr natürlich, daß die gleichzeitigen und ſpäteren Schriftſteller dieſes Ge - ſetz, vielleicht das ausführlichſte über den ganzen Gegen - ſtand, zum Anhaltspunkt ihrer eigenen Ausführungen wählten, ohne damit ſagen zu wollen, daß jener Grund - ſatz erſt durch jenes Geſetz neu eingeführt worden ſey und vor demſelben gar nicht gegolten habe(h)So iſt zu verſtehen die Stelle des Paulus in L. 40 pr. de her. pet. (5. 3). Illud quoque, quod in oratione D. Hadriani est, ut post acceptum judicium id actori praestetur, quod ha - biturus esset, si eo tempore, quo petit, restituta esset here - ditas, interdum durum est. .

IV. Der aufgeſtellte Grundſatz läßt ſich in zwei Haupt - regeln auflöſen.

Es kann geſchehen, daß die juriſtiſchen Bedingungen der Verurtheilung zur Zeit der L. C. vorhanden ſind, während der Dauer des Rechtsſtreits aber verſchwinden. Der Grundſatz führt dahin, daß nun die Verurtheilung dennoch erfolgen muß.

Es kann ferner geſchehen, daß die Verurtheilung zwar auch noch ſpäterhin erfolgt, aber dem Kläger weniger Vor - theile verſchafft, als er jetzt haben würde, wenn ſie ſchon zur Zeit der L. C. erfolgt wäre. Der Grundſatz führt nun dahin, der Verurtheilung einen ſolchen Umfang zu geben, daß dadurch dieſe Differenz ausgeglichen wird.

Die erſte Regel ſoll durch künſtliche Reduction auf den Zeitpunkt der L. C. die Verurtheilung ſelbſt ſichern,54Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.da wo ohne dieſe Regel eigentlich eine Freiſprechung er - folgen müßte.

Die zweite Regel ſoll den Umfang der Verurthei - lung ſo beſtimmen, daß der Kläger nicht weniger Vor - theile erhalte, als er durch eine zur Zeit der L. C. erfolgte Verurtheilung jetzt haben würde.

Beide Regeln zuſammen, alſo der vollſtändige Grund - ſatz in welchem ſie als verſchiedene Anwendungen ent - halten ſind, werden bezeichnet durch den Ausdruck: causa praestanda est oder causa restitui debet(i)In den meiſten Stellen, wo - rin dieſe Ausdrücke vorkommen, wird zufällig nur die zweite Regel als die häufigere und wichtigere, daran geknüpft; am häufigſten der Erſatz der Früchte. In folgenden Stellen aber wird der Ausdruck ſo gebraucht, daß er entſchieden beide Regeln umfaßt. § 3 I. de off. jud. (4. 17 ), L. 35 de V. S. (50. 16 ) Restituere autem is intelligitur, qui simul et causam actori reddit, quam is habiturus esset, si statim judicii accepti tempore res ei reddita fuisset, id est et asu - capionis causam, et fructuum. Die usucapionis causa beſteht eben in einer Anwendung der erſten Regel.. Causa alſo, oder omnis causa, causa omnis, heißt alles dasjenige, welches in Anwendung jener Regeln durch das richterliche Urtheil dem Kläger verſchafft werden ſoll.

§. 261. Wirkung der L. C. I. Verurtheilung ſelbſt geſichert.

Zuvörderſt ſind diejenigen Fälle zuſammen zu ſtellen, in welchen die Bedingungen der Verurtheilung zur Zeit der L. C. vorhanden ſind, während des Rechtsſtreits aber ver -55§. 261. Wirkung der L. C. I. Verurtheilung ſelbſt geſichert.ſchwinden. Die L. C. ſoll hier die Wirkung haben, daß die Verurtheilung dennoch geſichert bleibe (§ 260).

I. Klagverjährung nach der L. C.

Unter jene Fälle gehört, für Klagen aller Art, der Fall der Klagverjährung, welche zur Zeit der L. C. erſt ange - fangen war, während des Rechtsſtreits aber den für ihre Vollendung beſtimmten Zeitpunkt erreicht hat.

Nach dem älteren Recht ſollte die L. C. die Wirkung haben, daß die Verurtheilung dennoch ausgeſprochen würde, oder mit anderen Worten: die L. C. ſollte die angefangene Klagverjährung unterbrechen.

Dieſes hat ſich im neueren R. R. dadurch verändert, daß ſchon die Inſinuation der Klage die Klagverjährung völlig unterbrechen ſoll, wodurch alſo die erwähnte Wir - kung, die im früheren Recht an die L. C. geknüpft war, nunmehr abſorbirt wird (§ 242. 243).

II. Uſucapion nach der L. C.

Bei den Klagen in rem kann es geſchehen, daß das Recht des Klägers (z. B. das Eigenthum), welches zur Zeit der L. C. vorhanden war, während des Rechtsſtreits untergegangen iſt; das ſoll die Verurtheilung nicht hindern.

Der wichtigſte Fall dieſer Art iſt der der Uſucapion; wenn nämlich der Beklagte, der die Uſucapion zur Zeit der L. C. angefangen hatte, dieſe während des Rechtsſtreits vollendet, ſo daß zur Zeit des Urtheils in der That nicht mehr der Kläger, ſondern vielmehr der Beklagte, wahrer56Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.Eigenthümer iſt. Wie iſt dagegen dem Kläger zu helfen? (a)Sehr gut handelt von die - ſem Fall Keller S. 173 179.

Der Gedanke liegt ſehr nahe, dieſen Fall eben ſo zu behandeln wie den der Klagverjährung, alſo in die L. C. (oder auch in die Inſinuation) eine Unterbrechung der Uſucapion zu legen die dann nicht ablaufen könnte, ſo daß das Eigenthum unverändert bliebe.

Dieſer Gedanke iſt jedoch dem R. R. völlig fremd, welches vielmehr den Fortgang und Ablauf der Uſucapion während des Rechtsſtreits auf unzweifelhafte Weiſe aner - kennt(b)L. 2 § 21 pro emt. (41. 4 ), L. 17 § 1 in f. de rei vind. (6. 1). Auch die in der folgenden Note angeführten Stellen beweiſen die - ſen Satz völlig, weil eine Rück - übertragung des Eigenthums weder nöthig noch möglich wäre, wenn nicht der Beklagte durch vollendete Uſucapion Eigenthum erworben hätte.. Es hilft aber dem Kläger auf indirecte Weiſe, indem es dem Beklagten die Verpflichtung auflegt, das wirklich erworbene Eigenthum auf den Kläger zurück zu übertragen, welches im älteren Recht oft durch Mancipation geſchehen mußte, im neueſten Recht aber ſtets durch Tra -