PRIMS Full-text transcription (HTML)
Reiſe eines Lieflaͤnders
von Riga nach Warſchau, durch Suͤdpreußen, uͤber Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nuͤrnberg, Regensburg, Muͤnchen, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol.
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Erſter Theil.
Berlin,1795. bei Friedrich Vieweg dem aͤltern.
[I]

Vorerinnerung.

Der Herbſt des Jahres 1792, und der Winter des Jahres 1793, hatten die Ge - ſundheit des Verfaſſers in dem Grade zerruͤttet, daß er es fuͤr hoͤchſt dringend hielt, eine Heilung aus der Wurzel mit ſich vorzunehmen. Da er an die Natur mehr glaubte, als an die Arzneygelehrt - heit, und Pillen und Pulver fuͤr weit we - niger heilſam und ſtaͤrkend hielt, als Mei - len und freye Luft: ſo zog er eine Reiſe von zwey bis dreyhundert Poſten, und die damit verbundene Abwechslung und Er - ſchuͤtterung, einem paar monatlichen Auf -*IIenthalt in einem Garten, unter Pyrmon - ter - und Eger-Flaſchen nebſt Anhang, weit vor, und machte ſich reiſefertig.

Er hatte ſchon manche Gegend in Eu - ropa geſehen, deßhalb ward es ihm faſt ſchwer, den Lauf ſeiner neuen Reiſe zu be - ſtimmen. Die Laͤnder, die er gerne noch einmal beſucht haͤtte, waren kriegshalber entweder unzugaͤnglich, oder doch beſchwer - lich zu bereiſen, auch bedenklich. Obgleich eigentlich ein Kranker kein Vaterland und keine Partey, ſondern nichts, als ſeine Krankheit und ſeine dadurch verſtaͤrkte Selbſtſucht hat, mithin, als ein echt Un - parteyiſcher, uͤberall ruhig durchgelaſſen werden ſollte: ſo konnte er doch, auf die - ſen Satz hin, nicht wagen, die Erfahrung zu machen, daß er noch nicht allgemein und unter allen Umſtaͤnden guͤltig ſey. Jenſeits des Rheins, meynte er mit Recht, ſey derIII kranke wie der geſunde Unterthan unſerer Kaiſerin, als vermeynter Kundſchafter, fuͤr Guillotin's Schlachtmeſſer geeigenſchaftet; jenſeits des Kanals, als falſcher Ruſſe, (denn als ſolchen wuͤrde ihn jenes, in der auslaͤndiſchen Erdbeſchreibung ſo wohl un - terrichtete, Jnſelvolk flugs erkennen, da er keinen Bart traͤgt, kein Scheidewaſſer trinkt und keine Kinder ißt) mithin als ver - muthlicher jakobiniſcher Haͤndelmacher, in Gefahr, mit einer Halskrauſe geziert zu werden; an der Amſtel, in der ſeltſamen Verlegenheit, gegen ſeinen Willen, als gu - ter Patriot, in den losgelaſſenen Gewaͤſſern unterzugehn; jenſeits der Pyrenaͤen aber, wie haͤtte er uͤberhaupt dahin kom - men ſollen, ohne entweder von chriſtlichen oder muhamedaniſchen Seeraͤubern aufge - fangen und mehr oder weniger unfreund -* 2IVlich in ſeiner Heilung unterbrochen zu werden?

Sollte er in die Laͤnder gehen, wo jetzt Friede iſt, ſo hatte er Sibirien; aber wer macht die Reiſe dahin gerne freywillig? Oder Konſtantinopel; aber wer ſieht gern die Natur in ihrem eignen Fett erſtickt, und den Menſchen in die Gattung der ſchuͤchternen, faulen und doch tuͤckiſchen Thie - re hinabgedruͤckt? Oder Schweden und Daͤ - nemark; aber wer faͤhrt gern auf dem Tuͤmpfel Oſtſee? Oder endlich Jtalien; aber ein Kranker darf ſich nicht aͤrgern, und dem kann er dort nicht entgehen, ſo lange er Menſchen braucht, die ihm weiter helfen muͤſſen.

Nichts blieb ihm alſo in ganz Europa uͤbrig, als die Strecken zwiſchen der Dwina und Weichſel, zwiſchen der Weichſel und Oder, zwiſchen der Oder und Elbe, zwiſchenV der Elbe und Donau, und zwiſchen der Do - nau und der Eiſack. Die Wahl ſeines Rei - ſelaufs war ihm ſonach vorgeſchrieben, und ihm ſelbſt blieb nur dies uͤberlaſſen, daß er den Strich ziehen konnte, wo er uͤber dieſe Fluͤſſe ſetzen wollte. Der ziemlich grellen Abſtiche wegen, zog er den, den er gezogen hat; und er ladet nun ſeine Leſer freundlichſt ein, ihm in der Einbildung zu folgen, und wuͤnſcht, daß es ihm gelaͤnge, ſie auch nur des Drit - tels von dem Vergnuͤgen und der Staͤrkung theilhaftig zu machen, die er auf dieſer Rei - ſe genoſſen hat.

Jn der That, indem er den Gedanken faßte, ſeinen Ausflug zu beſchreiben, hatte er nur dieſen und keinen andern Zweck. Er darf dem Wortgelehrten keine neue Leſear - ten; dem Sachgelehrten keine neue Ausſich - ten uͤber das Reich der Dinge; dem Staats - kundigen keine neue Folgerungen; dem Na -VI turforſcher keine neuentdeckte Geheimniſſe; mit einem Worte, er kann niemand et - was Neues verſprechen; er hat bloß das vernuͤnftige Thier, den Menſchen, den man ſchon ſeit Jahrtauſenden kennt, noch einmal unter verſchiedenen Himmelsſtrichen ange - ſehen und ſeine dahin gehoͤrigen Wahrneh - mungen (doch auch andre nicht ausgeſchloſ - ſen) unſchuldig niedergeſchrieben. Die Be - merkungen uͤber Gegenden, Wege und Poſten ſtehen fuͤr ſolche Leſer da, die einmal dieſelbe Reiſe machen und ſie dann, fuͤr ihren Nutzen und ihr Vergnuͤgen, nicht uͤberfluͤßig finden werden.

Schließlich erbittet er ſich, als kranker Reiſebeſchreiber, von dem Publikum nur die Nachſicht, die es ſchon ſo oft bey gefunden noͤthig gehabt hat.

M ** in Liefland, den 18ten Septbr. 1794

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Reiſe eines Lieflaͤnders.

A[2][3]

Erſter Abſchnitt. Reiſe von Riga nach Warſchau.

Mitau. Kalm, erſter Ort in Lithauen. Abſtich zwiſchen Kur - land und Lithauen. Janiszek. Juden. Mieskut. Gna - denbilder. Schauel. Juͤdiſcher Poſtknecht. Schnel - ligkeit der Lithauiſchen Extrapoſten. Radziwiliszek. Szadow. Beyſagoly. Montwidow. Keydan. Ruſ - ſiſche Huſaren. Bopt. Jſraelitiſche Nachtwaͤchter und Matroſen. Judenkrug. Kauen. Meth oder Lippitz. Dienſteifer eines ruſſiſchen Korporals. Gog, ein merkwuͤrdiges Dorf. Ausgetretene Memel. Der betrunkene Sieger. Pren. Balwierziszek. Angeneh - me Ausſicht. Olita. Krykſtan, Leypun, Przewald, Kryniezney. Grodno. Kuzniez. Tyſenhauſen, Hof - ſchatzmeiſter von Lithauen. Sokolk. Buckſtal. Saͤch - ſiſche Poſtmeiſterfamilie. Bialyſtock und deſſen Schloß und Thiergarten. Woysk. Bielsk. Polniſche Nati - onalreiterey. Bransk. Wengrow. Polniſche Frey - heit. Nachrichten von den Poſten in Lithauen. Be - merkungen uͤber Lithauen. Fruchtbarkeit. Zuſtand der Forſten. Charakter, Doͤrfer, Lebensart, Tracht der Lithauer. Podlachien. Polen.

A 24

Jch reiste den letzten des Aprils 1793 von Riga ab. Der Weg nach Mitau ( Meile) iſt ſehr langweilig. Man faͤhrt theils auf Sand, theils uͤber Moorgrund, der auf beyden Seiten entweder mit Heidekraut oder mit kruͤpelhaftem Nadelholz beſetzt iſt. Zum Gluͤck fahren die Lief - laͤndiſchen Poſtknechte ſo ſchnell, daß man dieſe oͤden Gegenden bald im Ruͤcken hat. Je naͤher man an Mitau koͤmmt, deſto fruchtbarer wird Boden und Gegend. Mitau nimmt ſich von dieſer Seite recht gut aus. Das Schloß und mehrere, jenſeit der Aa gelegene, große und gute Haͤuſer, geben einen faſt glaͤnzenden Anblick. Deſto unſcheinbarer iſt das Jnnere der Stadt. Sie hat zwar lange, breite, meiſt ziemlich gerade Straßen, aber ſie haben theils gar kein, theils ein ſchlechtes Pflaſter und ſind meiſt mit hoͤlzernen, einſtoͤckigen Haͤuſern beſetzt. Man giebt die Zahl ihrer Einwohner zu 10 bis 12000 an, eine, fuͤr ihren Umfang, geringe Be - voͤlkerung.

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Den 1ſten May. Der Weg von Mitau bis Kalm (Kalmiow) betraͤgt 4 Meilen. Der Boden bis dahin iſt groͤßtentheils ein gelb - roͤthlicher Letten, und aͤußerſt fruchtbar. Auch iſt das Kirchſpiel Seſſau, durch welches der Weg fuͤhrt, einer der fruchtbarſten Landſtriche in Kurland. Ein ebener Weg, der Theilweiſe mit duͤnnem Gehoͤlz auf beiden Seiten beſetzt iſt, machte dieſe Poſt nicht ſehr abwechſelnd. Die fruͤheſten Baͤume knospeten nur erſt und ein kalter Wind, der meinen Pelz durchfuhr, erinnerte mich, daß ich noch in Kurland ſey. Das Korn war im Hervorſchoſſen und uͤber - zog mit einem ſpaͤrlichen Gruͤn die Felder. Der junge Raſen kaͤmpfte noch mit dem ver - blaßten vom vorigen Jahre. Uebrigens machte ich jene vier Meilen in Stunde, was fuͤr die Kurlaͤndiſchen Poſten nicht zu geſchwind war.

Kalm, der erſte Lithauiſche Ort, iſt ein bloßes Dorf, an deſſen Eingange der Schlag - baum gegen Kurland ſich befindet, und wo man durchſucht wird. Als ich vor anderthalb6 Jahren denſelben Weg machte, wurde ich, un - geachtet eines anſehnlichen Trinkgeldes, ſcharf durchſucht, vermuthlich, weil es die Zollbe - dienten nicht ungeſtraft unterlaſſen konnten; dießmal ſahe man, fuͤr die Haͤlfte jenes Trink - geldes, nur meinen Reiſekaſten an und ließ den Jnhalt auf ſich beruhen. Jn der That, es iſt auch jetzt niemand da, der ſtrafen koͤnnte, da alle Gewalten im Polniſchen Staate theils ausgeſetzt, theils gar vernichtet ſind. Was noch geſchieht, geſchieht nach gewohnter Vor - ſchrift, die man befolgt, weil man noch keine andere Ordnung hat. Zu Kalm iſt auch der Poſtwechſel. Alles iſt anders, als eine halbe Meile vorher. Chriſtusbilder kuͤndigen das roͤmiſche Bekenntniß an; foͤrmliche Doͤrfer eine andere buͤrgerliche Verfaſſung; die Sprache ein andres Volk; ſein Aeuſſeres einen ganz andern Charakter; die Poſtverfaſſung und deren Bediente hatten eine ganz andere Weiſe in Treibung ihrer Geſchaͤfte. Der Kurlaͤndiſche Poſtknecht war wohlgekleidet, ſeine Pferde7 waren groß und ſtark; der Lithauiſche hatte eine alte kapuzinerbraune Kutte an, war baar - fuß, und ſein Ellenbogen hatte ſich durch das muͤrbe Tuch, oder vielmehr durch den wolle - nen Zwillich, einen Weg gebahnt, ſo wie durch das grobe Hemde; der Kurlaͤndiſche Poſtknecht hatte ein gewoͤhnliches, großes Horn, der Lithauiſche ein kleines, worauf er hoͤchſt widrig quaͤkte; der Kurlaͤndiſche ſchonte ſeine Pferde, der Lithauiſche trieb ſeine kleinen eckigten Roͤßchen ohne Barmherzigkeit vor - waͤrts; Sprung war der gewoͤhnliche Gang und Trab ihre Erholung. Und endlich, der Kurlaͤndiſche Poſtknecht war nur hoͤflich, wo und wann es noͤthig war; der Lithauiſche aber ſtand ſchon, als er mich kommen ſah, auf hun - dert Schritte mit bloßem Kopfe da, und naͤ - herte ſich ſodann mit krummen Ruͤcken. Mit zehn Polniſchen Groſchen war er zufriedener, als der Kurlaͤndiſche mit ſechzig. Seilzeug und Pferde waren der Armuth, die dieſer Zug zeigte, in allem entſprechend.

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Mit Kalm hob ein ſchoͤner ſchwarzer Ge - treideboden an; der Weg lief uͤber eine voll - kommene Flaͤche, die naͤher und entfernter mit Waͤldchen und Gebuͤſchen eingefaßt war. Dieſe Flaͤche hielt bis Janiszek, der naͤchſten Poſt, an. Drittehalb Meilen waren in anderthalb Stunden zuruͤck gelegt. Janiszek iſt ein unanſehnlicher Flecken, der eine Stadt genannt wird. Die Haͤuſer ſind von Holz und zeigen nicht die geringſte Spur von Stein und Kalk. Die Giebel ſtehen groͤßtentheils nach der Straße. Juden machen den groͤßeren Theil ihrer Ein - wohner aus, und ſie ſind hier, was ſie nir - gend auf der Welt ſind, die Vornehmen. Kein Haus iſt uͤber einen Stock hoch und faſt alle haben zerloͤcherte Strohdaͤcher. Auf eini - gen Scheuren ſah ich nur noch die Truͤmmer eines ehemaligen Daches. Am beruͤhmteſten iſt dieſe aͤrmliche Stadt durch einen großen Pferdemarkt, der ein paarmal jaͤhrlich hier ge - halten wird. Uebrigens wohnt hier Got[t]eben ſo ſchlecht, als der Menſch. Ein paar Bet -9 haͤuſer, denen ich voruͤber fuhr, waren nicht groͤßer, als die Wohnhaͤuſer, eben ſo wie ſie von Holz, eben ſo wie ſie durchloͤchert, ſchief und alt. Jch fand einige Haͤuſer der Stadt beziffert, den groͤßten Theil davon aber nicht. Das Polizeyamt, das waͤhrend des Laufes der Staatsveraͤnderung vom 3ten May, ſeine Ent - ſtehung erhielt, lebte nicht lange genug, um dieſe Ordnung ganz auszufuͤhren; die uͤbrigen Haͤuſer werden nun wohl ohne Ziffer bleiben. Jch ſchaͤtze die Stadt zu hoͤchſtens 350 Haͤuſer und ihre Einwohner auf drittehalb tau - ſend Koͤpfe.

Von Janiszek bis Mieskut (Mieszkuc) ( Meile) fand ich den Weg immer noch eben, den Boden immer noch feſt und frucht - bar. Jch kam durch mehrere Doͤrfer, deren Anſicht man nach der Beſchreibung beurtheilen kann, die ich vorhin von einer Stadt gegeben habe. Zwey bis drey Gnadenbilder, um wel - che Kinder in bloßem Hemde ſpielten, beſaß jedes Dorf; aber auch dieſe ſtanden theils10 ſchief, theils faulten ſie, theils waren die Bilder von den Pfaͤhlen herabgefallen. Auch bemerkte ich, daß ſich die Leute, beym Voruͤ - bergehen, nicht viel darum bekuͤmmerten. Viel - leicht fehlt es in der Gegend an thaͤtigen Moͤnchen, deren Anſehen ſich auf den Umſtand gruͤndet: keinen gekreutzigten Chriſtus ſinken zu laſſen; vielleicht waren die Menſchen zu arm, um ſich einen neuen anzuſchaffen. Jn Boͤhmen z. B. bemerkt man beydes nicht. Die Kreutzbilder ſind dort in gutem Stande und der gemeine Mann begruͤßt ſie noch durch Abnehmung des Hutes, oder der Muͤtze. Mies - kut iſt uͤbrigens das Seitenſtuͤck zu Janiszeck.

Von Mieskut nach Schauel, (Szawel) der naͤchſten Poſt, ( Meile) erhebt ſich der Boden etwas und der Weg laͤuft abwechſelnd uͤber kleine Anhoͤhen und durch kleine Thaͤler hin, wovon die erſtern mit Buſchwerk und Gehoͤlz beſetzt, die letztern mit friſchen Saa - ten bedeckt waren. Das Buſchwerk war theils im Knospen, theils im Ausbruche der Blaͤtter;11 alles aber ſchon weiter hervor, als ich es in Liefland und Kurland hinterlaſſen hatte. Sza - wel iſt unter den Lithauiſchen Staͤdten ein ausgezeichneter Ort, der aus der Ferne ſogar eine Art von Anſicht gewaͤhrt, weil er eine ſteinerne Kirche mit einem Thurm, und ein paar große ſteinerne Amts - und herrſchaftliche Gebaͤude hat. Man faͤhrt durch eine regelmaͤ - ßige Straße, die ſogar gepflaſtert iſt, hinein, und hat auf beyden Seiten artige Koloni - ſtenhaͤuſer, die theils von Handwerkern, theils von Juden bewohnt werden. Da aber in Polen nie etwas ganz ordentlich iſt, ſo zeigen dieſe Haͤuſer, nach der Straße zu einen Giebel von Backſteinen, aber die hin - teren Theile ſind ganz von Holz. Die uͤbri - gen Haͤuſer in der Stadt ſind ebenfalls ganz von Holz und ſtehen unregelmaͤßig umher. Der Marktplatz iſt nach Verhaͤltniß ſehr groß, und faßt auf der einen Seite die vorhin er - waͤhnten ſteinernen Haͤuſer, die Kirche und die Hauptwache. Linker Hand ſteht eine dop -12 pelte Reihe von juͤdiſchen Buden, in welchen baumwollene Zeuge, Tuͤcher, Glas, Brod und andere Dinge feil geboten werden. So wie die Juden in Polen eine Art von Vater - land gefunden haben, ſo iſt hier auch ihr Aeu - ßeres und ihre ganze Bildung reinlicher und feiner, als anderwaͤrts, und man trifft, beſon - ders unter den Weibern, mehr als eine aͤcht morgenlaͤndiſche Bildung an. Schwarzes Haar, Habichtsnaſe, ſchoͤne ſchwarze Augen, ſind faſt allgemein, und die Farbe hat eine gewiſſe, faſt kraͤnkliche, Zartheit, die man bei den chriſtli - chen Bewohnern von Lithauen nicht findet. Daß eine Menge von dieſen Leuten um mei - nen Wagen wimmelte und mir ihren guten Willen zu kleinen Dienſten und Gewinn zeigte, verſteht ſich von ſelbſt. Jch fand auch einige mit Handarbeiten beſchaͤftigt, die ſie ſonſt ſelten an ſich kommen laſſen. Mein Poſtknecht ſelbſt war ein Jude. Jch ſchaͤtze dieſe Stadt auf 300 Haͤuſer und Huͤtten, und ihre Einwohner auf 3500 ungefaͤhr.

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Von Szawel bis Radziwiliszek (3 Meilen) fand ich den Weg, obgleich unge - macht, dennoch, bis auf einige Stellen, vor - trefflich. Jch machte den Weg dahin in Zeit von drey und einer halben Stunde, ſo jaͤm - merlich auch meine Pferde und ihr Fuͤhrer ausſahen. Dieſer letztere hatte es ſich bequem gemacht. Er hatte eine einfache baumwollene Schlafmuͤtze auf, aus welcher ein ſchmutzig - ſchwarzes Haar Buͤſchelweiſe hervor ſah, das er, ſo ſehr er auch mit Antreibung der Pferde beſchaͤftigt war, dennoch zuweilen mit ſpitzen Fingern kaͤmmte. Sein Leib ſteckte in einem kurzen, mit Theer und andern Handwerkszei - chen getiegerten, Schaafspelze, der ein paar zerriſſene Hoſen kuͤmmerlich bedeckte, aber die gelbe Bruſt bloß ließ und dabey einige duͤrftige Ueberbleibſel von einem ſchwarzen Hemde be - merkbar machte. Mit Schuhen oder Stiefeln hatte er ſich gar nicht in Unkoſten geſetzt. An der Peitſche war kein fingerlanges Leder. Jn dem einen Ende des herumflatternden Halstuchs14 ſchneuzte er ſich. Bey dem allen fuhr er ſehr geſchickt, ſchnell und vorſichtig.

Der Poſtwechſel iſt in einem einzelnen ge - mauerten Hauſe, eine kleine Strecke von dem Staͤdtchen Radziwiliszek. Hier blieb ich die Nacht, nachdem ich in dreyzehn Stunden ſechszehn ſtarke Meilen zuruͤckgelegt hatte. Man vergleiche dieß ein wenig mit der Art Extrapoſt zu fahren in Sachſen oder Preußen, wo die Reiſenden fuͤr den Poſtknecht und ſeine Pferde da zu ſeyn ſcheinen, nicht dieſe fuͤr den Reiſenden. Mein Nachtlager beſchreibe ich nicht; ſie werden einander wahrſcheinlich in Lithauen alle aͤhnlich ſeyn, und dann iſt weiter unten noch Zeit dazu. Uebrigens iſt Radziwi - liszek ein unbedeutendes Staͤdtchen, nicht ſo gut und groß wie Janiszek, aber wohl wie Mieskut.

Den andern Morgen, den 2ten May, reiſte ich weiter nach Szadow (2 Meilen) wohin der Weg ziemlich angenehm wurde. Wald und Huͤgel und Flaͤche wechſelten ab. 15Jm erſtern ſah ich zuerſt die unbeſchreibliche Nachlaͤßigkeit im Forſtweſen, oder vielmehr ich ſah, daß gar keine Waldaufſicht da war. Wei - ter unten werde ich einige Bemerkungen daruͤ - ber machen, die vielleicht den Einwohnern in Frankfurt am Mayn, Dresden und Leipzig Thraͤnen auspreſſen duͤrften. Der Weg iſt zwar nicht eigentlich gemacht, aber doch findet man an beyden Seiten Graben gezogen. Ue - brigens iſt Szadow eine Stadt, wie ungefaͤhr alle, durch die ich bisher gekommen war. Der Hauptſtock der Einwohner ſind abermahls Ju - den, und durch ihre Haͤnde gehen auch hier die Kaufmannsgeſchaͤfte aller Art. Auf den meiſten Haͤuſern ſind keine Schornſteine; die Steuereinnehmer muͤſſen alſo wohl dieſe Haͤu - ſer ſelbſt fuͤr Rauchfaͤnge nehmen.

Von Szadow nach Beyſagoly (2 Meilen) wird der Weg Sand, der aber nicht die Tiefe und Feinheit hat, wie der Potsdammer und Berliner. Abwechſelnd fuhr ich uͤber Huͤgel und durch Wald. Die Baͤume,16 beſonders die Weiden und Birken, hatten hier ſchon anſehnliche Blaͤtter geſtoßen, und alles zeigte den Anfang eines mildern Himmelsſtri - ches. Beyſagoly iſt ein Flecken von 200 Haͤuſern, deſſen Schilderung ich nicht zu wie - derholen brauche.

Der Weg von hier bis Montwidow, (3 Meilen) bleibt angenehm genug, obgleich hier und da ſandig. Zur Rechten behaͤlt man ein Thal, das fuͤr Reiſende, die aus Liefland und Kurland kommen, ſehr anſehnlich iſt, und an deſſen Rande man ziemlich nahe hinfaͤhrt. Der Weg iſt gemacht, und zwar mit ziemli - cher Sorgfalt, ſogar ſtellenweiſe mit Baͤumen bepflanzt. Ein großer Gutsbeſitzer hat es vermuthlich zu ſeiner eigenen Bequemlichkeit gethan. Montwidow iſt ein Dorf.

Keidan (Kieydan) (3 Meilen) erreichte ich auf einem angenehmen Wege, der uͤber zwey oder drey anſehnliche Anhoͤhen hinab - laͤuft. Die Stadt ſtellt ſich aus der Ferne nicht unangenehm dar, weil ſie mehrere Kir -17 chen und Thuͤrme hat. Es war die erſte be - traͤchtliche Stadt, die ich in Lithauen ſah, aber nur in Abſicht des Umfangs, nicht in der Bauart. Jch habe nicht uͤber drey oder vier ſteinerne Haͤuſer gezaͤhlt, die uͤbrigen alle wa - ren, nach Lithauiſcher Sitte, von Holz. Hier fand ich die erſten Ruſſen, und zwar Huſaren, deren verbrannte Geſichter und verbrauchte Kleidung von neuerlich vollendeter Kriegsarbeit zeigte; von Perſon im Durchſchnitte unge - woͤhnlich klein, aber von ſtarkem, gedrungenen Bau, dem wahren Bilde der Dauerhaftigkeit. Jhr Blick und Anſtand waren im hoͤchſten Grade kriegeriſch. Hier war auch Ordnung, denn beym Ein - und Ausgange der Stadt mußte ich meinen Namen abgeben. Lebens - mittel und Futter, klagte man mir, ſeyen un - gewoͤhnlich ſelten und theuer. Nach einer un - gefaͤhren Schaͤtzung kann Keidan gegen 450 Haͤuſer und 5000 Einwohner haben.

Von Keidan aus laͤuft der Weg uͤber eine ziemlich ſteile Anhoͤhe hinan, die ſich inB18ein fruchtbares Thal verliert, durch welches die Wilia hinlaͤuft. Dieſer Fluß iſt ziemlich un - betraͤchtlich, bildet aber ein angenehmes, frucht - bares, behoͤlztes Ufer. Gras und Baͤume an demſelben waren ſchon in der jugendlichen Far - be des Fruͤhlings und die Sonne ſtach ſehr lebhaft.

Von Keidan kam ich auf Bopt, (3 M.) einen Flecken oder auch nur ein Dorf. Der Weg dahin iſt ganz eben, ſtellenweiſe waldigt, und laͤuft ſo, daß man ein ziemlich tiefes Thal zur Rechten behaͤlt, in deſſen Mitte das vor - hin erwaͤhnte Fluͤßchen fortſtroͤmt, und das bald enger, bald weiter, ſich neben dem Wege hinabzieht. Romantiſcher (man verzeihe dies Wort einem Manne, der aus Liefland kam) wird dies Thal von Bopt aus, wo man in daſſelbe ganz hineinfaͤhrt und wo es ſich, von hoͤhern Raͤndern eingefaßt, immer mehr erwei - tert und einen dichten Kranz von Holzung zeigt. Der Weg, den man, an der linken Seite deſſelben hin, nimmt, geht bergauf, bergab19 und hat hier und da ſogar gefaͤhrliche Stellen, wo mein Wagen gehalten werden mußte, da - mit er nicht umfiele. Endlich kommt man links den Berg wieder hinauf, und findet eine Sand - flaͤche vor ſich, die eine ziemliche, mit Nadel - holz beſetzte, Strecke einnimmt, von der herab man eine nicht unangenehme Ausſicht uͤber das unten liegende Thal und deſſen Raͤnder ge - nießt. Die Gegend hier herum iſt theils mit Doͤrfern, theils mit einzelnen Hoͤfen beſetzt. Man koͤmmt endlich, kurz vor Kauen (Kowno) (3 M.) uͤber einen betraͤchtlichen ſandigen Berg in das gedachte Thal wieder hinab. Die eine Haͤlfte des Weges war mit Balken ausgelegt, uͤber die man von unten herauſfaͤhrt, die andere Haͤlfte, die man hin - abfaͤhrt, war in ihrem natuͤrlichen Zuſtande ge - laſſen. Der Vortheil dieſer Anſtalt, die mir noch nicht vorgekommen war, leuchtet ein, und ich bemerke ſie hier, um die Nachahmung der - ſelben in ſandigen Gegenden, die zugleich ber - gigt ſind, zu empfehlen.

B 220

Jſt man dieſen Berg hinunter, ſo befindet man ſich von neuem in dem erwaͤhnten Thal und bald nachher an der Wilia, uͤber die man ſich ſetzen laſſen muß, um nach Kowno zu kommen. Kurz nach 9 Uhr ſtand ich an dem Ufer jenes Fluſſes, nachdem ich, ſeit 6 Uhr Morgens, eine Strecke von 17 Meilen zuruͤck gelegt hatte. Jch fand Ruſſen vor mir, die in der Judenſtadt im Quartier lagen. Jch nenne die hier herumſtehenden Haͤuſer, die eine foͤrmliche Stadt mit einem Markte bilden, eine Judenſtadt, weil ſie in der That ganz von Juden bewohnt wird, die eine eigene an - ſehnliche Synagoge hier beſitzen, und ſich wohl auf 2000 Koͤpfe belaufen koͤnnen. Es faͤllt mir immer noch auf, dieſes Volk auch mit andern Dingen, als mit Schachern, beſchaͤf - tigt zu ſehen; hier nemlich treiben ſie alle Handwerke, die ſie zu ihrer Verſorgung und Unterhalte brauchen. Auch die Nachtwaͤchter waren Juden, aber (man lache nur nicht!) ihrer zwey waren immer bey einander, ſangen21 auch beyde daſſelbe Nachtwaͤchterlied, aus dem ſehr guten Grunde, wie es ſcheint, daß zwey Furchtſame einander eine Art von Muth ein - floͤßen.

Hier fuͤhlte ich zum erſtenmale wieder ei - nige kleine Unbequemlichkeiten der ſoldatiſchen Ordnung, deren ich in Kurland und Lithauen ganz ungewohnt worden war. Die diesſeits ſtehenden Ruſſen hatten nemlich Befehl, nach 9 Uhr niemand uͤber den Fluß nach Kauen zu laſſen. Man kuͤndigte mir dies an und fuͤhrte mich in die ſchwarze, von Hitze und Ausduͤn - ſtungen ſtickende Hauptſtube eines Judenkru - ges, wo ich mich, da ich nur wenig Ruſſiſch verſtehe, und da die umſtehenden Juden mein Deutſch nicht verſtanden, mit großer Anſtren - gung verſtaͤndlich machen, und meinen Namen und woher ich kaͤme, und wohin ich wollte, dem Korporal in die Feder ſagen mußte, der anfing, mich beſſer zu verſtehen, als ich mir die Freyheit nahm, ihm durch ein paar Duz - zend polniſche Groſchen nachzuhelfen. Nach22 dieſem Geſchaͤfte trug ich, ſo gut ich mit Ge - baͤhrden und einem juͤdiſchen Dragoman konn - te, mein Anliegen vor, daß man mich noch nach Kauen hinuͤber laſſen moͤchte; aber ich wußte freylich, da mir die Strenge des ruſſi - ſchen Kriegsdienſtes bekannt genug iſt, daß es unmoͤglich ſeyn wuͤrde. Jch war eben im Begriff, meinen Wagen in einen andern juͤ - diſchen Krug ſchaffen zu laſſen, als der Offi - cier, der an der Spitze der Mannſchaft war, gerade von Kauen her landete. Da er Deutſch und Franzoͤſiſch ſprach, ſo hatte ich Mittel in Haͤnden, mich ihm verſtaͤndlich zu machen; er weigerte ſich anfangs, aber endlich erklaͤrte er mit wahrer Artigkeit, er wolle, da ich doch auch ein Ruſſiſcher Unterthan ſey, den Ver - druß auf ſich nehmen, der ihm daraus erwach - ſen koͤnnte, wenn er mich noch hinuͤber ließe. Jch glaubte nun gewonnen zu haben, und haͤtte auch uͤberall gewonnen gehabt, nur nicht hier, wo Juden die Matroſen und Steuer - leute der Faͤhre waren. Da ſich ein unbe -23 traͤchtlicher Wind erhoben hatte, ſo erklaͤrten ſie, mich nicht uͤberſetzen zu koͤnnen, und blie - ben dabey, ungeachtet ich ihnen ein vierfaches Faͤhrgeld bot. Wie groß ihre Aengſtlichkeit war, kann man aus dieſem Umſtande deutlich ſehen; und ich erinnerte mich ſehr lebhaft an die gemeine Sage, daß die Juden, um ihre Furcht vor dem Waſſer zu beſchoͤnigen, zu ſa - gen pflegen: es habe keine Balken.

So war ich dennoch gezwungen, nach ei - nem juͤdiſchen Kruge umlenken zu laſſen und mich dort, in einer Geſellſchaft, die ich nicht beſchreibe, die aber aus Ruſſiſchen Soldaten, nackten Lithauern, halb betrunkenen Pohlen und der zahlreichen Familie des Hauſes be - ſtand, bis um 3 Uhr zu verweilen. Die Grup - pen, die dieſe bunte Geſellſchaft bildete, ge - hoͤren fuͤr die Gaſthofsgemaͤlde Fieldings und Hogarths. Auch habe ich ſie, durch alle meine Sinne, ein wenig zu ſehr ſatt bekommen, als daß ich mich gern von neuem unter ſie ver - ſetzen moͤchte.

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Der Fluß, uͤber welchen ich mich nun ſetzen ließ, um vollends nach Kauen hinein zu kom - men, war die Willa, die in die Niemen oder Memel faͤllt, und dieſen Strom um ein Drittel ſtaͤrker macht. Er nimmt dann ſeinen Lauf ſo, daß man ſich, wenn man Kauen hin - ter ſich hat, noch einmal daruͤber ſetzen laſſen muß. Dieſe Stadt iſt alſo rund herum von dieſen beyden Fluͤſſen eingeſchloſſen.

Kauen ſelbſt iſt eine der aͤlteſten Staͤdte in Lithauen. Die Spuren davon ſieht man an einigen altgothiſchen Haͤuſern, die ſich bey den Verheerungen, welche die Stadt in den Schwediſchen Kriegen und durch Feuersbruͤnſte ausgeſtanden hat, erhalten haben. Es iſt diejenige Art von Haͤuſern, die mit den Gie - beln nach der Straße gebauet ſind. Die Gie - bel ſind entweder doppelt und abgerundet, oder nur einfach und oben ſpitz zulaufend und be - ſchnoͤrkelt. Ein paar Kirchen ſind in demſel - ben Geſchmacke erbauet; was aber unter den Haͤuſern ſpaͤter aufgefuͤhrt iſt, zeigt einen rei -25 nern, neuern Geſchmack, und einige darunter habe ich ganz artig gefunden. So iſt das ehemalige Jeſuiten-Kollegium am Markte, nebſt ſeiner Kirche, obgleich nicht uͤbermaͤßig groß, dennoch nach ſehr guten Verhaͤltniſſen erbauet, und, was man ganz natuͤrlich finden wird, das beſte oͤffentliche Gebaͤude in der Stadt. Das Rathhaus hat einen ſchoͤnen Thurm nach alter Weiſe, welcher der hoͤchſte in der Stadt iſt, und den Markt ziemlich vortheilhaft aufputzen hilft, was, in einer an - dern Art, einige zwanzig Stuͤck Ruſſiſches Ge - ſchuͤtz, nebſt dazu gehoͤrigen Pulverwagen, ebenfalls thaten. Die aͤußern Theile der Stadt ſind durchweg mit Holzhaͤuſern beſetzt, zwiſchen denen noch manche Ueberbleibſel von Mauer - werk ſich befinden, die deutlich beweiſen, daß dieſe Stadt ehemals groͤßer, volkreicher und bluͤhender war, als jetzt. Der Buͤrgermeiſter und Poſthalter des Orts, der, wie er mir ſelbſt verſicherte, Herr von Eſſen hieß, gab26 mir die Zahl der Haͤuſer zu 400 und die Ein - wohner zu vier bis fuͤnfthalb tauſend an.

Uebrigens iſt die Lage von Kauen nicht un - angenehm. Jch habe eben geſagt, daß ſie in einem Thale liegt, und durch die Willa und Memel umſchloſſen wird. Letztre fließt an ei - nem betraͤchtlichen, behoͤlzten Bergruͤcken hin, der uͤber die hoͤchſten Haͤuſer in der Stadt hervorragt, ſo daß jede Straße eine Ausſicht nach demſelben zeigt. Das Thal ſelbſt iſt rund umher friſch und fruchtbar.

Endlich iſt dieſe Stadt noch ihres Meths wegen beruͤhmt, der ganz vorzuͤglich iſt und hier Lippitz heißt. Es iſt ein abgezogenes Ge - traͤnk von Honig, das ſich wohl funfzig Jahr haͤlt, und dem man dadurch, daß man es auf Faͤſſer oder auf Flaſchen zieht, worin Ungari - ſcher Wein war, ſolch einen Grad von dem Geſchmack und dem Geruche dieſes Weines zu geben weiß, daß man, wenn man nicht Kenner iſt, wohl irre gefuͤhrt werden kann. Derjenige iſt der beſte, welcher der weißeſte iſt, und dieſe27 Art wird von Liebhabern mit einem, zwey und dritthalb Dukaten die Flaſche bezahlt. Man ſchreibt die Vorzuͤge, die dies Getraͤnk in Kauen vor den andern Arten anderwaͤrts hat, dem Umſtande zu, daß die Bienen hier herum ihr Honig auf den Linden ſammlen. Vermuth - lich traͤgt die Behandlungsart nicht weniger dazu bey.

Ungefaͤhr eine halbe Stunde von Kauen, muß man, wie ich ſchon bemerkt habe, ſich uͤber die Niemen ſetzen laſſen. Auf der Faͤhre befand ſich ein Ruſſiſcher Korporal, der dort - hin geſtellt war, um Ordnung und Thaͤtigkeit beym Ueberſetzen zu erhalten. Ein anſehnli - cher Haſelſtock befoͤrderte dies; und er war auf die gewiſſenhafte Erfuͤllung ſeiner Pflicht ſo erpicht, daß er, wenn die Faͤhrleute auch gut arbeiteten, ſie dennoch mit derben Strei - chen zwang, noch beſſer zu arbeiten. Dies ging ſo weit, daß er auch ein paar Reiſende (einen Lithauer und einen Juden) mit zur Arbeit trieb, und ſie eben ſo gut durch die28 Ausbruͤche ſeines Dienſteifers beunruhigte, als die eigentlichen iſraelitiſchen Matroſen. Erſt etwas ſpaͤt bemerkte ich, daß er mich, bey je - der Erinnerung, die er austheilte, von der Seite laͤchelnd anſah, um mir anzudeuten, es geſchehe, um mir deſto geſchwinder hinuͤber zu helfen; und daß er alſo auf dem Buckel jener ein Trinkgeld von mir zu aͤrnten vermuthete. Da mir dieſe Entdeckung keine ſonderliche Freude machte, ſo nahm ich mir vor, ihn nicht fuͤr ſeinen guten Willen zu belohnen; aber am gegenſeitigen Ufer machte mich die Zufrieden - heit, auf dem elenden Floſſe gluͤcklich hinuͤber gekommen zu ſeyn, wieder weich, und ich gab ihm einige Polniſche Groſchen, die er eben ſo demuͤthig annahm, als er vorher uͤbermuͤthig gepruͤgelt hatte.

Von der Niemen faͤhrt man bergauf in einen Wald, der wenig Abwechſelung gewaͤhrt, dennoch aber volle zwey Meilen fortdauert, bis er endlich immer lichter und lichter wird und ſodann eine ſehr angenehme Ausſicht in29 das Thal der Niemen darbietet, in welches man uͤber eine betraͤchtliche Anhoͤhe hinabfaͤhrt. Es zeigte hier die fruchtbarſten Wieſen, zwi - ſchen denen jener Strom hinfloß, an deſſen Ufern anſehnliche Heerden weideten. Hier iſt der naͤchſte Poſtwechſel, Gog, (3 M.) ein freyes Dorf, das ſich vor allen uͤbrigen, die mir in Lithauen vorgekommen ſind, ſo unter - ſcheidet, wie es deſſen Vorwort natuͤrlich mit ſich bringt. Es iſt mit ſogenannten Deutſchen Bauern beſetzt, die ſich in aͤltern Zeiten in Li - thauen und Polen, auf das Verſprechen ge - wiſſer Freyheiten, niederließen, die man ihnen auch ziemlich gehalten hat, zum eignen Nutzen der Guͤterbeſitzer. Deutſch koͤnnen aber dieſe Leute laͤngſt nicht mehr. Die Haͤuſer die - ſes Dorfes waren groͤßer, laͤnger, ſorgfaͤltiger gebauet; die Gaͤrten an denſelben mit Fleiß bearbeitet und verzaͤunt; die Scheuren ohne Loͤcher in den Daͤchern, der Weg durch daſſel - be nicht ſumpfig, ſondern feſt. Die Einwoh - ner hatten einen freyen, offnen, gefaͤlligen Blick30 und Anſtand; nicht jenes ſklaviſch hoͤfliche We - ſen, das man an den uͤbrigen Lithauiſchen Bauern bedauert. Sie naͤherten ſich mir ohne Scheu und entfernten ſich ohne auf mich zu achten. Jch trat in ein paar ihrer Haͤuſer und fand Ordnung und Reinlichkeit. Jn dem einen bot mir ein junger Mann Brot, But - ter und Milch mit dem gefaͤlligſten Weſen an. Jhre Wohnungen ſind in zwey Haͤlften ge - theilt; die eine iſt eine Art von - und Trinkzimmer, mit einem langen Tiſch fuͤr die ganze Hausgenoſſenſchaft; die andre die Ar - beitsſtube, wo man die Spinnraͤder, Weber - ſtuͤhle u. ſ. w. in Bewegung findet. Nur dies Lithauiſche haben die Stuben an ſich, daß ſie bloß durch ein Loch, welches ungefaͤhr 1 Fuß hoch und Fuß lang und mit unregelmaͤßigen Fenſterſcheiben ausgeſetzt iſt, die in Holz ge - faßt ſind, das Tageslicht bekommen. Der Wohnung gegenuͤber ſtehen die Staͤlle und Scheuren. Die gebrauchten Poſtpferde waren kaum abgeſchirrt, als die friſchen ſchon31 vor dem Wagen ſtanden. Kein Menſch machte auch nur die Miene, als ob er ein Trinkgeld von mir haben wollte. Dies Voͤlkchen mag ungefaͤhr 300 Koͤpfe ſtark ſeyn. Der Schulze oder Vater, der zugleich den Poſtwechſel be - ſorgt, ſchien bey ihnen in großen Anſehn zu ſtehen. Es war ein alter Mann, in den Sechzigen, der viel Artigkeit und Munterkeit zeigte.

Von Gog aus, laͤuft der Weg noch eine Weile durch das Thal hin, endlich erhebt er ſich wieder rechts und man verliert es aus dem Geſichte zugleich mit der Memel. Dieſe, die, wie alles in Lithauen, ſich ſelbſt uͤberlaſſen iſt, war in eine Niederung hinein getreten und hatte ſie dergeſtalt ausgefuͤllt, daß, auf einen angeſtellten Verſuch, das Waſſer wenigſtens einen Fuß hoch in meinen Wagen haͤtte drin - gen muͤſſen. Jch war gezwungen, alles aus - und abpacken, es auf die andere Seite hinuͤber - tragen und ſo mein Fuhrwerk ſchwimmend nachkommen zu laſſen. Zwey gutmuͤthige Li -32 thauer halfen mir dabey und ein Dritter ging ab und zu. Dieſer hatte jedesmal einen toͤdt - lichen Schreck, wenn er aus der Ferne etwas kommen ſah, das ihn ein Ruſſiſcher Huſar duͤnkte. Er ſtieg ſodann die behoͤlzte Anhoͤhe zu meiner Rechten hinan, verbarg ſich im Ge - buͤſche und kam erſt wieder zum Vorſchein, wenn die Urſach ſeiner Angſt voruͤber war. So viel ich aus den Worten und Gebaͤhrden meiner Lithauer begriff, ruͤhrte ſein verſchuͤch - tertes Weſen daher, daß man ihm aufgegeben hatte einen Saͤbel, den ein Huſar in der aus - getretenen Niemen verloren, zu ſuchen, und nicht eher wieder zu kommen, als bis er ihn gefunden habe. Da letztres nicht war, konnte erſteres nicht ſeyn, und darum verſteckte er ſich.

Jn Zeit von einer Stunde war ich ſo weit, daß ich meinen Weg fortſetzen konnte. Er fuͤhrte eine Anhoͤhe hinan, auf eine fruchtbare Flaͤche, die mit mehreren Doͤrfern beſetzt war. Am Ausgange eines derſelben holte ich einen33 betrunkenen Ruſſiſchen Musketier, in ſeiner ganzen Ruͤſtung, ein. Er nahm ſich die Frey - heit, mich mit ſchwerer Zunge zu fragen, wer ich waͤre. Da ich ihm, um kurz abzukommen, zu erklaͤren ſuchte, daß ich ſeine Sprache nicht verſtaͤnde, aber ein Deutſcher Landsmann von ihm ſey: ſo verſicherte er mir, ich ſey doch ein Pole; und machte Miene, nicht bloß ſich am Wagen zu halten, ſondern wohl gar hinein zu ſteigen und den Vorderſitz einzunehmen. Weil es hier ſtark geregnet hatte, ſo war der Boden ſehr ſchluͤpfrig geworden, und da der Mann ſeines Gleichgewichts nicht Meiſter war: ſo fiel er, indem er raſch neben dem Wagen hin zu ſchreiten verſuchte, mit ſich ſelbſt und ſeinem ganzen Gepaͤcke recht ernſthaft auf die Naſe. Da ich mit einem betrunkenen Sieger, den ich noch dazu umgeſtoßen haben ſollte, ungern etwas theilen mochte, ſo ließ ich meinen Poſt - knecht raſch zufahren, und kam ſo mit der klei - nen Strafe davon, daß mich mein Landsmann, als er wieder auf den Fuͤßen war, mit einigenC34recht derben Polniſchen Hundsf** begleitete. Er lief noch eine Weile, ſchnell genug fuͤr ſei - nen Zuſtand, hinter dem Wagen her, bis ich endlich ſo viel Vorſprung behielt, daß ich ihn aus den Augen verlor. Zu beſorgen hatte ich wahrſcheinlich nichts weiter, als den Verluſt von ein paar Glaͤſern Franzoͤſiſchen Branntwein, und ein paar Polniſchen Groſchen.

Jene fruchtbare Flaͤche, auf der ich war, verlor ſich in einen Wald, der ſich allmaͤhlig von neuem in ein ſchoͤnes Thal herabſenkte, deſſen friſches Gruͤn mich abermals ſehr leb - haft daran erinnerte, daß ich dem Fruͤhling entgegen fuͤhre. Eine der ſtaͤrkſten Heerden, die ich noch in Lithauen geſehen habe, ſtand in demſelben zerſtreuet, bis nahe vor Pren, der naͤchſten Poſt, (3 M.) wo ſich der ſchwarze, moorigte Boden des Thals ploͤtzlich in tiefen Sand umſetzte. Pren iſt ein gewoͤhnliches Lithauiſches Staͤdtchen von hoͤchſtens 300 Haͤu - ſern. Jch fand darin eine Abtheilung Polni -35 ſcher Jnfanterie, die faſt aus lauter jungen, feſten, gut und neugekleideten Leuten beſtand.

Von Pren bis Balwierziszek fuhr ich, in ſechs Viertelſtunden, zwey ſtarke Mei - len, was ich anmerke, um zu zeigen, daß ſich die Lithauiſchen Poſtknechte uͤberall gleich blei - ben. Jn der That, dieſen mußte ich ein paar Mal ſogar bitten, einen minder ſtarken Sprung zu fahren. An Trab war bey ihm nicht zu denken, außer wenn er Anhoͤhen hinauf mußte, deren ſich mehrere vorfanden, die, ſobald ich aus einem betraͤchtlichen Walde heraus war, ſich immer hoͤher und hoͤher uͤber das Bette der Memel erhoben. Der hoͤchſte Punkt der - ſelben bot eine Ausſicht dar, die man vielleicht in Lithauen nicht geſucht haͤtte. Sie oͤffnete ſich in ein kaum zu umſpannendes Thal, durch welches die Memel, die immer anſehnlicher wird, ſich in mehreren Kruͤmmungen, an be - hoͤlzten Anhoͤhen und durch fruchtbare Wieſen, hinunter windet. Jch bekenne, daß das Ganze dieſer Anſicht ſo anmuthig auf mich wirkte,C 236wie ſeit langer Zeit keine; aber ich beſchreibe ſie nicht, weil noch alle gedruckte Schilderun - gen dieſer Art mir bewieſen haben, daß ſolche Dinge nicht geſchildert werden koͤnnen. Man faͤhrt endlich, von dieſer hoͤchſten Stelle der umliegenden Gegend, nach Balwierziszek hin - unter, ſieht ſich in einem ganz gewoͤhnlichen Lithauiſchen Staͤdtchen, faͤhrt hinter demſelben abermals eine Anhoͤhe hinauf und findet den Poſtſtand vor ſich.

Von hier eilte ich weiter nach Olita (2 M.) wo ich um 10 Uhr des Abends ankam, nachdem ich dieſen Tag, wegen dreyſtuͤndiger Verweilung in Kauen, nur 10½ Meile zuruͤck - gelegt hatte. Nach Olita ſelbſt kommt man nicht hinein, denn das Poſthaus iſt vor der Stadt. Demſelben gegenuͤber hatte der ſel. Tyßenhauſen ein artiges Landhaus zu bauen angefangen, aber ſein Tod hat auch dieſe Unternehmung, wie hundert andre, gaͤnzlich unterbrochen. Der Geſchmack an dieſem Ge - baͤude, das jetzt in ſich ſelbſt zuſammenfaͤllt,37 iſt nicht uͤbel, und die Ausſicht von demſelben angenehm. Vorwaͤrts breitet ſich ein weites Thal aus, das von einem hohen, behoͤlzten Bergruͤcken begraͤnzt iſt, auf deſſen hoͤchſten Punkte ſich das Kloſter Olita darſtellt; und zur Seite und hinterwaͤrts bedecken die frucht - barſten Saaten das Land.

Den andern Morgen, den 3ten May, reiſete ich, gegen 6 Uhr, von Olita ab, auf Krykszſtan. ( M.) Jch fand den Weg und ſeine Umgebungen wenig anders, als auf dem vorigen Poſtlaufe; ſandige Anhoͤhen, fruchtbare Niederungen, Wald. Ungefaͤhr eine Meile vor der naͤchſten Poſt wird die Memel mit ihrem ſchoͤnen Thale wieder ſichtbar und zwar in ſehr vergroͤßerter Geſtalt. Mehrere Struſen (platte und breite Fahrzeuge) fuhren, mit Balken beladen, den Fluß hinab, und das hier und da am Ufer aufgethuͤrmte Zimmer - holz zeigte von einem lebhaften Verkehr in Abſicht dieſer Waare. Die unverzeihliche wuͤſte Wirthſchaft, die man auch hier mit dem ſchoͤn -38 ſten Holze treibt, drang mir abermals einige Bemerkungen auf, die ich weiter unten zuſam - menſtellen werde.

Von Krykszſtan bis nach Leypun, der darauf folgenden Poſt, (2 M.) bleibt ſich der Weg ganz gleich und laͤuft, bis auf we - nige Stellen, immer durch einen ſandigen Wald fort. Eben ſo von Leypun bis Prze - walk, (3 M.) wo, in den lichtern Gegenden, der Sand ſtark mit einem roͤthlichen Letten vermengt erſchien, in welchem die Saaten lu - ſtig gruͤnten. Die Niemen, die ich auf dem Wege von Kowno her, bald fand, bald wieder verlor, ward, ungefaͤhr eine Stunde vor dem letztgenannten Orte, mit ihrem ſchoͤnen Thale von neuem ſichtbar, und ich mußte mich, bey ihrem hoͤchſt eigenſinnigen Laufe, jetzt zum zweyten Male daruͤber ſetzen laſſen. Hier fand ich die erſte Faͤhre, der man ſich mit Sicher - heit anvertrauen konnte, weil ſie geraͤumig und feſt, in der Form, wie man ſie in Deutſch - land findet, gebauet war und an einem Taue39 lief. Die uͤbrigen, die ich bisher in Lithauen getroffen habe, beſtanden aus zwey Kaͤhnen, uͤber welche Balken oder auch nur Bretter gelegt waren, durch die man in den Strom hinab ſehen konnte.

Den 4ten May. Von Przewalk bis Kryniczney, (3 M.) wo ich uͤbernachtete, und von da bis Grodno, ( M.) iſt die Landſchaft abwechſelnd waldigt und flach, aber immer ſandig, und bietet wenig Veraͤnderung dar, bis nahe vor Grodno, wo dieſe alte Stadt allmaͤhlig in dem Niementhale ſichtbar wird. Der Anblick derſelben, von oben herab, iſt nicht unangenehm. Mehrere Kirchen mit ihren Thuͤrmen, und eine gute Anzahl, in neuerm Geſchmack gebauter, aber ſehr zer - ſtreuter, Pallaͤſte und Haͤuſer ragen uͤber die ſchwarzen, hoͤlzernen Huͤtten hervor, welche die Maſſe der Stadt eigentlich bilden. Jn einiger Entfernung vor der Stadt fand ich eine betraͤchtliche Anzahl Stuͤcke aufgefahren, die ſaͤmmtlich nach derſelben gerichtet waren,40 deren Loͤſung aber der naͤchſtens zu verſam - melnde Reichstag ſchwerlich noͤthig machen wird. Uebrigens iſt der erſte Eintritt in die Stadt anſehnlich genug, und er wird es durch das koͤnigliche Schloß und mehrere Haͤuſer von Großen, die hier auf einen Fleck zuſammenge - draͤngt erſcheinen. Jſt man dieſen voruͤber, ſo gelangt man, uͤber eine neue feſte Bruͤcke, in die Stadt ſelbſt und hier wird einem je - ner Abſtich in der Bauart, der allen Polni - ſchen betraͤchtlichen Staͤdten gemein iſt, ſehr auffallend. Bey Einem guten Hauſe ſtehen drey, den Einſturz drohende, hoͤlzerne Huͤtten, dann ein Pallaſt, dann eine Kirche, auf einem Pflaſter, das man kaum ſo nennen kann, weil es, bey dem geringſten Regen, mit einem Strome von Koth uͤberzogen iſt.

Uebrigens zeigte ſich Grodno jetzt ſehr volkreich und lebhaft. Außer der ſtarken Ruſſi - ſchen Beſatzung befanden ſich mehrere Ge - ſandte nebſt ihrem Gefolge, der Hauptſtab aller umherliegenden Ruſſiſchen Truppen und41 ſchon mehrere von denjenigen Polniſchen Gro - ßen hier, die an dem naͤchſten Reichstage noch Theil nehmen duͤrfen. Daß ein Koͤnig in Grodno war, davon zeigte ſich keine Spur; auch lebte er, mit einem ſehr kleinen Gefolge, in ſeinem Pallaſte wie verſchloſſen. Vor dem - ſelben bemerkte ich keinen einzigen Wagen, aber deſto mehr vor der Wohnung unſeres Bot - ſchafters. Die Umgebungen unſerer Staabs - Officiere, die mit Vieren und Sechſen einher fuhren, waren ſehr praͤchtig und fuͤllten faſt alle Straßen; aber die Polniſchen Großen hielten ſich jetzt, in einem beſcheidenen Wagen wie verſteckt, an den Seiten der Straßen. Uebrigens waren mehrere Modenhaͤndler aus Warſchau mit ihren Laͤden hier; und eine ziemliche Anzahl der huͤbſcheſten und beruͤhm - teſten Maͤdchen von eben daher, hatten ſich hier, nach ihrer Weiſe, anſaͤßig gemacht, um durch ihr Beyſpiel (ſo vermuthe ich wenigſtens) die verſchiedenen Parteyen und Nationen zur42 Nachgiebigkeit und Vertraͤglichkeit zu ermun - tern.

Da Grodno fuͤr ſeine gegenwaͤrtige Volksmenge nicht geraͤumig, und die Land - ſchaft umher nicht ergiebig genug iſt, ſo herrſch - te eine außerordentliche Theurung in Wohnun - gen und Zehrung. Ein Stuͤbchen mit einem Bette koſtete taͤglich einen, zwey auch drey Dukaten, und ein ertraͤgliches Mittagseſſen, acht bis zwoͤlf Polniſche Gulden. Ein Fuder Heu, von einem Pferde gezogen, mußte mit drey und vier Dukaten bezahlt werden. Nach dieſem Maßſtab alles uͤbrige.

Jch hatte nicht Zeit, die Truͤmmer der Wollenmanufaktur, die der Koͤnig vor Jah - ren hier anlegte, und die Chirurgiſche Akade - mie nebſt ihrem Pflanzengarten, zu ſehen. Bey meiner Zuruͤckkunft werde ich beydes nach - holen.

Hinter Grodno mußte ich noch einmal uͤber die Niemen, und ſodann eine betraͤchtli - che Anhoͤhe hinauf, die ſich in eine weite43 Flaͤche ausdehnte. Jch fand eine breite, ge - machte, mit ziemlicher Sorgfalt unterhaltene, Straße, die an beyden Seiten mit Graben verſehen und mit Baͤumen bepflanzt war. Die - ſer Straßendamm iſt ebenfalls ein Werk des unermuͤdlich-thaͤtigen Tyßenhauſen; Schade, daß die Landſchaft, durch die er fuͤhrt, ziemlich traurig iſt. Man ſieht faſt nichts, als einen kahlen, gelblichen, ſandigten Boden, deſſen Flaͤche nur hier und da durch kleine Anhoͤhen und einzelne Baumgruppen und Buſchwerk unterbrochen wird. Hier zeigte ſich eine ſehr angemeſſene Bahn fuͤr die Eilfertigkeit der Poſtknechte. Jch legte in Stunde zwey Poſten, nach Kuznicz und Sokolk, oder ſechs Deutſche Meilen, zuruͤck. Streckenweiſe ging es in geſtrecktem Laufe, die uͤbrige Zeit im Sprunge. Aber es iſt gewiß, daß man nur Polniſchen Pferden ſo etwas zumuthen kann.

Kuznicz iſt uͤbrigens ein unbetraͤchtliches, ich weiß nicht, Fleckchen oder Staͤdtchen; denn44 ich kann mich in den hieher gehoͤrigen Lithaui - ſchen Maßſtab noch nicht finden; aber So - kolk iſt anſehnlicher und gehoͤrt unter die Klaſſe von Janiszek und Schadow. Beſon - ders zeichnet ſich der Marktplatz aus, der mit Fabrikgebaͤuden und Fabrikantenhaͤuſern beſetzt iſt, lauter Anſtalten des erwaͤhnten Tyßenhau - ſen, die durch ſeinen Tod in Verfall gerathen ſind. Die oben erwaͤhnte Tuchmanufaktur in Grodno, die eine Weile gedeihen zu wollen ſchien, und deren Anlage ebenfalls ſein Werk war, geraͤth taͤglich mehr in Verfall und es wird nicht lange dauern, ſo duͤrfte das Anden - ken an dieſen unternehmenden Mann in Schutt zerfallen. Jn Grodno verſicherte mir ein Mann, den er als Aufſeher der Manufaktur aus der Schweiz verſchrieben hatte: Tyßen - hauſens groͤßeſter Fehler ſey geweſen, daß er nie Geduld gehabt, den Erfolg der einen Un - ternehmung abzuwarten, ehe er eine zweyte anfing. Dies verurſachte Unordnung in ſeinen Geſchaͤften und endlich den gaͤnzlichen Still -45 ſtand derſelben. Er war Hofſchatzmeiſter von Lithauen, ſehr in der Gnade des Koͤnigs, und wuͤrde Verbeſſerer der Polniſchen Staatsein - kuͤnfte und Schoͤpfer der Polniſchen Fabriken und Manufakturen geworden ſeyn, wenn ihn nicht der Neid niedergehalten haͤtte. Die Glaͤubiger griffen zu und alles ging zu Grunde.

Von Sokolk bis Buksſtal (3 M.) dauerte der vorhin erwaͤhnte Straßendamm noch fort und der Reiſende bemerkt dies zu ſeiner groͤßten Zufriedenheit. Von Buksſtal bis Bialyſtock iſt es derſelbe Fall. Jch machte dieſe 6 Meilen in 4 Stunden. An den beyden vorhin genannten Orten fand ich in den Poſthaͤuſern Zweige von zwey Saͤchſi - ſchen Familien, die, ſeit Auguſts des Zwey - ten Zeiten, hier die Poſtmeiſterſtellen ausfuͤl - len, und die jetzt ſchon 44 Koͤpfe ſtark ſind. Sie bilden eine kleine buͤrgerliche Geſellſchaft, die durch Blutsfreundſchaft genau zuſammen - haͤngt, ihre Kinder wechſelsweiſe unter einan -46 der verheyrathet, kein Polniſches Blut ein - laͤßt, (ſo weit dies zu vermeiden iſt) und uͤbri - gens aͤcht Saͤchſiſche Sitte und Mundart bey - behalten hat, wenn auch die Maͤnner ſich zum Theil Polniſch kleiden. Nettigkeit und Sau - berkeit zeichnen die Poſthaͤuſer, worin ſich dies Voͤlkchen befindet, vor allen uͤbrigen in Lithauen ſehr vortheilhaft aus.

Bialyſtok, wo ich Abends um 7 Uhr, nach zuruͤckgelegten 16 Meilen, ſchon ankam, iſt das neueſte und artigſte Staͤdtchen, das ich bisher angetroffen habe. Es liegt ſchon in Podlachien. Die Straßen ſind gerade und in der Mitte ſehr gut gepflaſtert; die Haͤuſer faſt alle regelmaͤßig, von Backſteinen aufgefuͤhrt; in gewiſſen Entfernungen von einander ab - ſtehend, und faſt alle nach einerley Geſchmack erbauet, naͤmlich den Giebel nach der Straße und Einen Stock hoch. Der Marktplatz iſt geraͤumig und wird durch eine Halle, die ein Thurm ziert, recht artig aufgeputzt. Es war ſehr lebhaft. Faſt in allen Haͤuſern war Mu -47 ſik und aus allen Fenſtern ſahen, und vor je - der Thuͤr ſtanden, Menſchen mit froͤhlichen, freylich ziemlich hochroth gefaͤrbten Sonntags - geſichtern und aufgetriebenen Zuͤgen, welche auf die Art ihres Genuſſes deuteten. Da eine betraͤchtliche Abtheilung Polniſcher Jn - fanterie hier ſtand, ſo lieferte dieſe die Stutzer fuͤr die Stutzerinnen aus der Kuͤche und den Schenkſtuben, und das Verkehr dieſer luſtigen Bande war wirklich praktiſcher und weniger verſteckt oder decent (wie man es heißt) als ihres Gleichen aus der großen Welt es zu unterhalten pflegen.

Dies Staͤdtchen gehoͤrt der Schweſter des Koͤnigs, Madame de Cracovie, Witwe des Hetman Branicki*)Lies Branicki. Es iſt hier ein Schloß, mit einem geraͤumigen, gut unterhaltenen Gar - ten. Jn dem Gebaͤude ſelbſt herrſcht ein re - gelmaͤßiger Jtaliaͤniſcher Geſchmack, und die Menge von Saͤulen, die ſeit 10 oder 15 Jah - ren faſt alle neuere Pallaͤſte ſtuͤtzen zu ſollen48 ſcheinen, findet man daran nicht. Das Ganze gewaͤhrt einen ſehr heitern, freyen Anblick, den die neuere Baukunſt immerhin einen kah - len nennen mag, und Hoͤhe und Umfang ſind der Lage und Beſtimmung ſo angemeſſen, daß dem Gefuͤhle der Paßlichkeit nicht die mindeſte Gewalt angethan wird. Der Garten iſt klein, Franzoͤſiſch und kalt, aber ſeine Umgebungen ſind deſto lebendiger. Man tritt naͤmlich aus demſelben in ein großes Raſenfeld, das mit ſtattlichen Baͤumen bepflanzt, mit kuͤnſtlichen Erhoͤhungen und Vertiefungen durchſchnitten und von einem dichten, romantiſchen Thier - garten begraͤnzt iſt, in welchem eine Menge von Rehen und Tannhirſchen ſpielen, die hier, in einem Umfange von drittehalb Mei - len, kaum fuͤhlen koͤnnen, daß ſie ihre Freyheit verloren haben. Die Kunſt hat hier der Na - tur faſt unmerklich nachgeholfen und beyde be - finden ſich ſehr wohl dabey. Unter andern ſtoͤßt man auf eine Allee, die ich, ſo ſchoͤn geſehen zu haben, mich nicht erinnere; und49 ich ſage dieß, ohne durch die ſchauerliche Daͤm - merung, waͤhrend welcher ich ſie ſah, ohne durch den eigenſinnig - abwechſelnden Nachti - gallengeſang, der mich dort entzuͤckte, gewon - nen zu ſeyn. Jch fuͤhlte mein Herz, nach ei - ner Reihe von erkaͤltenden und verengenden Geſchaͤften, zum erſtenmal wieder erwaͤrmt und erweitert, und alle die Saiten auf einmal wieder angezogen, mit deren Erſchlaffung ein großer Theil meiner Geſundheit und ein klei - nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan - gen war.

Das Jnnere des Schloſſes iſt ziemlich leer und etwas vernachlaͤßigt, ſeitdem die Beſitze - rin in Warſchau lebt; indeſſen fehlt es nicht an ſchoͤnen Zimmern und Saͤlen, die man auf dieſem Flecke zwiſchen Petersburg und War - ſchau nicht zu finden vermuthet.

Jch fuhr denſelben Abend noch weiter nach Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und fand den Weg immer noch ſehr einfoͤrmig, faſt durchgehends ſandigt, waldigt, uͤbrigensD50aber nicht beſchwerlich. Zu Bielsk, der Hauptſtadt von Podlachien, wo ich den 5ten May des Morgens ankam, ſtand eine Ab - theilung von der Polniſchen National Reite - rey, die gerade aufzog, um ihren General zu einem Namenstage ſoldatiſch Gluͤck zu wuͤn - ſchen. Vielleicht iſt es hier nicht am unrech - ten Orte, einige Bemerkungen uͤber dieſe Truppen mitzutheilen.

Die Polen ſind geborne Reiter. Daß ſie zugleich gute Reiter ſeyn muͤſſen, macht die Natur ihrer Pferde. Jhr Feuer, ihre Schnel - ligkeit, ihre Hartnaͤckigkeit erfordern Reitkunſt, Muth und Kraft; ihre Dauerhaftigkeit und Genuͤgſamkeit machen ſie zu den Beſchwerlich - keiten des Krieges ausgezeichnet geſchickt, ſo wie die letztre Eigenſchaft erlaubt, ſie in Men - ge zu ziehen und ſolchergeſtalt faſt das ganze Volk beritten zu machen. Da dieſes uͤberdies aus dem Ackerbau ſeine Hauptbeſchaͤftigung macht, da zwey Drittel deſſelben auf dem plat - ten Lande zerſtreut und getrennt wohnen, ſo51 braucht es Pferde zu ſeinen Geſchaͤften eben ſo wohl, als zu ſeiner Erholung und zum freundſchaftlichen Verkehr.

Vielleicht iſt es aus dieſen Gruͤnden, daß die Polniſchen Heere immer ſtaͤrker an Reite - rey als an Fußvolk waren, und daß erſtere dem letztern beſtaͤndig an Zucht, Ordnung und Nachdruck uͤberlegen blieb. So war es in Polen vor Jahrhunderten, ſo war es voriges Jahr in dem Kriege gegen unſere Kaiſerin.

Als der letztre Reichstag (von 1788 bis den 18 May 1792) zu wirken anfing, waren, außer den beyden Leibwachen, die Jnfanterie - Regimenter ziemlich unbedeutend an Zahl, wie an ſoldatiſcher Kunſt; aber die National-Rei - terey war gut beritten und gekleidet, ſorgfaͤl - tig rekrutirt und jede Fahne derſelben fuͤnf und vierzig Koͤpfe ſtark. Der Reichstag fand es ſeinen Entwuͤrfen gemaͤß, ſie zu vermehren, und verſtaͤrkte wirklich jede Fahne bis zu hun - dert und funfzig Mann. Zu dieſer Vermeh - rung fanden ſich haͤufiger Leute, als zur Ver -D 252mehrung der Jnfanterie. Da man ſo politiſch geweſen war, dieſer Reiterey eine ſchoͤne Uni - form zu geben, ſo draͤngten ſich junge Leute vom hoͤhern Adel nach Officierſtellen, und ich ſelbſt habe damals im Reichstagsſaale von den Reichsboten faſt immer ein Drittel in dieſer Uniform geſehen. Sie war ein Zeichen der Vaterlandsliebe geworden. Alte und reiche Edelleute gaben ihre Soͤhne zu Towarzyszen her, und ſogar Reichsboten hielten es nicht unter ihrer Wuͤrde, ſolche zu werden. Sie zeichneten ſich von den Gemeinen dadurch aus, daß ſie Achſelbaͤnder und Faͤhnchen trugen, wie die Ulanen, auch Officiers-Rang hatten. Ber jeder Fahne waren deren eine beſtimmte Anzahl.

Dieſer Kern des Polniſchen Heeres, be - ſtand aus den juͤngſten, ſchoͤnſten Leuten, von denen uͤber zwey Drittel erſt vor Jahresfriſt geworben waren, und welche die Bewegungen und Griffe der Reiterey unglaublich ſchnell faßten und ausfuͤhrten. Jch habe damals vor53 Warſchau einen Theil derſelben ſich uͤben ſe - hen, und wenn ihre Bewegungen noch nicht die Einheit und Genauigkeit der Oeſterreichi - ſchen und Preußiſchen Reiterey hatten, ſo wa - ren ſie ihr an Schnelligkeit, Sattelfeſtigkeit und Geſchmeidigkeit des einzelnen Reiters un - endlich uͤberlegen. Auch haben ſie ihre Pflicht waͤhrend des letzten Krieges faſt durchgehends gethan. Selbſt unſere Officiere ſtellten gegen mich hieruͤber ein unverwerfliches Zeugniß aus.

Die Uniform dieſer Reiterey iſt, fuͤr die Gemeinen, eine dunkelblaue Kurtka (kurze Jacke) mit rothen Aufſchlaͤgen; eine lange, Ungariſche Hoſe von Tuch, von der Farbe, wie die Aufſchlaͤge; kurze Stiefeln; ein run - des und hohes, ſchwarzes Kaskett. Jhre Waffen ſind: der Saͤbel, zwey Piſtolen, ein Karabiner, und, bey den Towarzyszen, noch eine Pike mit einem Faͤhnchen. Fuͤr die Offi - ciere dieſelbe Tracht, nur unendlich feiner und mit Achſelſchleifen, Feldbinden, Degengehenken,54 Feldtaſchen, alles reich von Silber, verſchoͤnert. Die langen Beinkleider aber ſind bey ihnen blau, und von den Huͤften herab an der Auſ - ſenſeite des Schenkels und Beines mit kra - moiſi-rothen Raͤndern eingefaßt. Auf dem Kopfe die gewoͤhnliche, viereckigte, Polniſche Muͤtze, kramoiſi-roth, und mit einer weißen Feder und ſilbernen Schnuͤren und Quaſten verziert; die Scheide des Degens, der, nach Huſarenart, lang herabhaͤngt, mit Silber aus - gelegt; der Griff von dem feinſten Stahl. Das Ganze kleidet wohlgewachſenen Maͤn - nern, deren man unter dieſem, im Ganzen, ſchoͤnen Volke, ſo haͤufig findet, nach meinem Geſchmack, vortrefflich. Dies herrliche Korps wird, wie man ſagt, naͤchſtens, wo nicht ganz, doch dem groͤßeſten Theile nach, theils aufge - hoben, theils von den theilenden Maͤchten in ihre Armeen hinuͤber genommen werden.

Die erwaͤhnte Abtheilung zu Bielsk brach - te, wie ich geſagt habe, ihrem General einen kriegeriſchen Gluͤckwunſch, aber zu Fuße,55 Zwey Fuͤße ſind nicht genug fuͤr dieſe Centau - ren. Sie ſtanden, gingen und richteten ſich ſo ſchlecht, wie man es ſich nur einbilden mag; und ihr Laden und Feuern wuͤrde ihnen das Achſelzucken eines achttaͤgigen Preußiſchen Re - kruten zugezogen haben. Nach dem Manoͤver trat ihr Oberſter, Graf St**, den ich vor - dem in Warſchau hatte kennen lernen, zu mir und ſagte: Monsieur, mon monde n'est pas fur fes terres. Jch bejahte dies, denn er war befugter Richter; aber ich verſicherte ihm, ſeine Leute auf ihrem natuͤrlichen Grund und Boden geſehen zu haben.

Da ich jetzt in dem eigentlichen Polen war, ſo boten ſich mir manche Unterſcheidungszei - chen von Lithauen dar, die ich weiter unten anzugeben Gelegenheit finden werde.

Von Bielsk eilte ich weiter auf Bransk (3 M.) Polbikrow (3 M.) Krzemien (3 M.) Sokolow (3 M.) und Wengrow, ( M.) lauter Staͤdtchen oder Flecken, wie die meiſten oben beſchriebenen. Zu Wengrow56 ſtanden 2000 Ruſſen, und ich mußte mir, von dem Thore an, die Begleitung eines Ruſſi - ſchen Korporals bis zur Regimentskanzley ge - fallen laſſen, wo man in der That nur mei - nen Namen wiſſen wollte. Da ich in einem Lande geboren bin, wo man die ſoldatiſche Ordnung nicht fuͤr Sklaverey haͤlt, ſo iſt mir dieſe, wie andre aͤhnliche Maßregeln, nicht im mindeſten aufgefallen; aber in Polen macht man ſie zu einem Gegenſtande aͤngſtlicher Be - ſchwerden und rechnet ſie zu den Dingen, welche nur ein offenbarer Krieg entſchuldigen koͤnnte. Man ſchließe aus dieſem Zuge, von welcher Natur der Begriff iſt, den man ſich hier gemeiniglich von Freyheit macht. Wie kann er aber auch vielſeitiger ſeyn, da er nur auf einen Ausſchuß von kleinen unumſchraͤnk - ten Herren zu paſſen braucht, die den Grund - ſatz: wir ſind frey fuͤr Euch alle, bey dem Kern ihrer eigenen Nation mit der Peit - ſche geltend zu machen pflegen?

57

Der Weg von Wengrow, von wo ich noch den Abend wieder abfuhr, uͤber Makowz (3 M.) Stanislawow (3 M.) und Oku - niew (3 M.) nach Warſchau (3 M.) bietet, wie vorher der nach Wengrow, wenig Ab - wechslung dar. Sand und Wald begleiteten mich bis nach Warſchau, wo ich den 7ten Morgens um 9 Uhr ankam. Alſo hatte ich in 6 Tagen und 2 Naͤchten 96½ Meile zu - ruͤckgelegt. Jch fuͤrchte, daß ich in Laͤndern, die in beſſerem Rufe ſtehen, als dies vermeyn - te wilde, zu einer aͤhnlichen Strecke noch ein - mal ſo viel Tage und Naͤchte werde brauchen muͤſſen.

Dies fuͤhrt mich zu einigen Bemerkungen uͤber den Zuſtand der Poſten in Lithauen, die ich um ſo lieber bekannt mache, da man ge - woͤhnlich glaubt, durch eine Wildniß oder durch Lithauen reiſen, ſey einerley.

Der Preis der Extra-Poſtpferde iſt, wie uͤberall, das Stuͤck die Meile 2 Polniſche Gul - den oder 8 Groſchen; der Knecht aber be -58 koͤmmt, die Poſt mag zwey, drey oder vier Meilen ſtark ſeyn, nur 2 Polniſche Gulden, die dem Poſtmeiſter ſogleich mit bezahlt wer - den. Dieſer giebt ſie dem Knecht erſt bey ſeiner Zuruͤckkunft, damit er, wenn er dieſen Reichthum unterwegs in die Haͤnde bekaͤme, ſich nicht betrinken koͤnne, was der einzige Ge - nuß fuͤr Leute dieſer Art hier zu Lande iſt. Will man ihm, nach zuruͤckgelegtem Poſtlaufe noch außerdem belohnen, ſo kuͤßt er einem fuͤr drey bis fuͤnf Polniſche Groſchen Hand und Rock.

Die Pferde ſind durch ganz Lithauen klein, aber das vermindert ihre Brauchbarkeit nicht. Man hat geſehen, was ich taͤglich fuͤr Strek - ken mit ihnen zuruͤcklegte. Jhre groͤßeſte Tu - gend iſt laufen, und mehr als Ein Poſtknecht hat mich zwey Drittel der Poſt im Sprunge, zum Theil in geſtrecktem Laufe, gefahren. Zie - hen iſt ihre ſchwache Seite, deshalb geben die Poſtmeiſter, ungefordert, zuweilen ein auch zwey Pferde mehr, die man nicht bezahlt. 59Jch hatte einige Poſten hindurch 5 Pferde, da ich doch nur drey bezahlte, und die ſtehende Anzahl war durchweg vier. An ihrer Geſtalt und ihren Zug - und Lenkſeilen muß man ſei - nen Anſtoß nehmen. Erſtre iſt ſo unanſehn - lich, und letztere ſind ſo liederlich, daß man, auf den erſten Blick, an ſeinem Fortkommen verzweifelt. Auch iſt der Poſtknecht auf jedem Laufe ein paar Mal gezwungen, eine Minute abzuſteigen und daran zu knippern.

Die Poſtknechte, obwohl ſie zum Theil, be - ſonders in dem Kerne von Lithauen, weder Roͤcke, noch Hoſen, noch Stiefeln haben, ſind vortreffliche Fuhrleute, und fahren, trotz ihrer Eilfertigkeit, mit einer Vorſicht und Sorgfalt, die ich zuweilen bewundert habe. Sie ſind hoͤflich, willig und genuͤgſam. Nur zweymal iſt es mir auf der ganzen Reiſe nach Warſchau vorgekommen, daß der Poſtknecht vor einem Kruge anhielt; aber er verweilte nie uͤber fuͤnf Minuten. Noch dazu drang ihn die Hitze, einen kuͤhlen Trunk zu thun. Es faͤllt dieſen60 armen Menſchen nicht ein, die Bezahlung da - fuͤr von dem Reiſenden zu fordern, nach der zudringlichen Weiſe der Preußiſchen und Saͤch - ſiſchen Poſtknechte. Unter den Lithauiſchen habe ich keinen einzigen Verſoffenen gefunden.

Die Poſtmeiſter ſind die gefaͤlligſten Leute von der Welt; der Pferdewechſel dauert nicht zehn Minuten. Da die Pferde des Som - mers zu zwanzig und dreyßig Stuͤck um die Poſt her weiden, ſo iſt ein Stoß in das Horn von Seiten des ankommenden Knechtes genug, um die Huͤter zu benachrich - tigen. Sie werden von der Weide ſogleich vor den Wagen getrieben, und da man nichts von Kumten weiß, ſondern ihnen bloß eine Art von Schlinge, woran die Straͤnge befindlich ſind, umhaͤngt, ſo iſt alles in wenig Augen - blicken gethan, und man faͤhrt weiter.

Daß man die Landesſprache nicht verſteht, ſtoͤrt nicht. Man merke ſich nur aus derſelben das Wort Pferd und ein Paar Zahlen, weiter bedarf es nichts. Das Geld lernt man61 ohnehin und ohne Woͤrterbuch immer am leich - teſten nennen und kennen.

Jn den Poſthaͤuſern findet man durchge - hends Betten oder eine gute Streu; in meh - reren zu eſſen und zu trinken, und, nach Lan - desart, auch wohlfeil. Uebel wird man indeſ - ſen nicht thun, ſo wie man in keinem Lande uͤbel daran thut, einen kleinen Vorrath von - und trinkbaren Lebensmitteln bey ſich zu fuͤhren. Zu Keidan, Kauen, Krykſtan, Grod - no, Bialgoſtok, Wengrow, und auf einigen andern Raſten der Lithauiſchen Reiſe, hat man aber, was man unterwegs nur zu wuͤnſchen befugt iſt.

Eigentliche gemachte Straßen giebt es in Lithauen bloß ſtreckenweiſe, und ich habe dieſe Strecken oben gelegentlich bemerkt; indeſſen bin ich doch nur, waͤhrend der ganzen Reiſe, auf vier oder fuͤnf Stellen geſtoßen, die im Winter, oder bey regneriſcher Zeit im Sommer, die Gefahr des Steckenbleibens droheten. Da aber der uͤbrige Theil des Weges bald durch62 Sand, bald durch Fichten - und Tannenwaͤlder laͤuft, ſo hat man hier zu keiner Zeit davon etwas zu beſorgen. Daß die Landſchaft uͤbri - gens nicht unangenehm, daß ſie in einigen Ge - genden wirklich reitzend und im Ganzen ſehr fruchtbar iſt, hat ſich ſchon gelegentlich aus meinen, mit Abſicht umſtaͤndlichen, chorogra - phiſchen Bemerkungen ergeben.

Jch habe zur Rettung der Lithauiſchen Poſten, die, wenn ich nicht irre, Core eben ſo ſehr, als die allgemeinen Begriffe, die man ſich von Polen macht, herabgeſetzt haben, die vorſtehenden Bemerkungen niedergeſchrieben; aber auch Reiſende, die nach Kurland, Liefland und Rußland gehen, werden mir fuͤr dieſe Umſtaͤndlichkeit danken, wenn ſie ſich der Un - bequemlichkeit erinnern, oder davon gehoͤrt ha - ben, die man auf der hoͤchſtlangweiligen, ein - foͤrmigen Reiſe uͤber Berlin, Koͤnigsberg und Memel zu dulden hat. Aus dem Mittel - punkte von Deutſchland her iſt dieſer Lauf um wenig Meilen weiter als jener, und ſie machen63 ihn mit weniger Unkoſten, mehr Schnelligkeit, unter gefaͤlligen Leuten, in einem groͤßtentheils fruchtbaren und angenehmen Lande.

Auch laſſe man ſich nicht verleiten, was von der Unſicherheit der Wege geſagt wird, zu glauben. Jch ſelbſt habe dieſen Weg drey - mal gemacht, viele meiner Freunde ebenfalls, und nie hat ſich etwas Verdaͤchtiges gezeigt, weder bey Tage noch bey Nacht.

Jch faſſe nun noch einige Bemerkungen uͤber Lithauen und einen Theil des eigentlichen Polens zuſammen, durch den ich jetzt gekom - men bin.

Lithauen iſt mehr eben, als huͤgelicht, und Ackerland und Wald wechſeln ziemlich zu glei - chen Theilen mit einander ab. Der Ackerbau wird, fuͤr dieſe Laͤnder, mit großer Sorgfalt betrieben, und hier und da fand ich Spuren von wahrer Saͤchſiſcher und Boͤhmiſcher Zu - bereitung des Landes. Dieſes iſt an ſich ſelbſt, im Ganzen genommen, vortrefflich, und ein milderer Himmelsſtrich greift ihm unter die64 Arme. Jn Liefland und Kurland verließ ich die Saaten, noch kaum aus der Erde hervor - kriechend; zehn oder funfzehn Meilen nach Lithauen hinein, war das Getreide im Begriff zu ſchoſſen. Eben ſo mit dem Triebe der Baͤume. Die Weiden und der Schlehdorn bluͤheten, die Birken waren gruͤn. Die Wie - ſen und Anger zeigten die friſcheſte Farbe. Große und zahlreiche Heerden von ſtarkem Hornvieh ſtanden auf denſelben zerſtreuet.

Dies gewaͤhrt einen erheiternden Anblick, aber einen deſto graͤulichern die waldigten Ge - genden des Landes. Man ſieht hier, was Ue - berfluß und Traͤgheit fuͤr Unheil anrichten. Jch bin durch meilenlange Waͤlder gekommen, in welchen, auf beiden Seiten des Weges, die ſchoͤnſten Baͤume lagen, theils friſch umge - brannt (denn, ſie umzuhauen, giebt man ſich nicht die Muͤhe) theils ſchon mit der Schwaͤrze der Verwitterung uͤberzogen, theils in foͤrmli - chen Moder und Staube. Ganze Strecken Wald lagen oͤde und verwuͤſtet, und die uͤbrig -65 gebliebenen Stumpen, die bald bis in die Wur - zel ausgebrannt waren, bald wie angezuͤndetes Pfahlwerk verkohlt da ſtanden, gaben einen unmuthig machenden Anblick. An einigen Stellen fand ich Baͤume und Heidekraut noch gluͤhend und rauchend, und kein Menſch be - kuͤmmerte ſich darum; auch iſt es in Lithauen nichts ungewoͤhnliches, daß Waͤlder Wochen lang brennen und in Aſche zerſtaͤuben. Die Viehhuͤter, wenn ſie friert, legen, in einer ſchadenfrohen Faulheit, Feuer an den erſten, den beſten Baum, und waͤrmen ſich daran; und es faͤllt ihnen nicht ein, lieber Reißig zu - ſammen zu ſuchen, und daran ein ſchnelleres und wirkſameres Feuer zu haben. Wer Koh - len braucht, zuͤndet geradezu einen oder meh - rere Baͤume an, laͤßt ſie ausbrennen und hat Kohlen.

Der kaufmaͤnniſche Geiſt verwuͤſtet dieſe ſchoͤnen Waͤlder nicht minder unbarmherzig. Man ſaͤgt von den ſchoͤnſten Baͤumen nur das dickere Ende ab, etwa zwoͤlf bis funfzehn Fuß,E66das uͤbrige, oder die Topenden, bleiben im Walde liegen und verfaulen. Ein paarmal habe ich bemerkt, daß man Felder und Gaͤrten mit ſolchen Enden und andern verbrannten Baͤumen verzaͤunt hatte, und der Wirth, der dies that, duͤnkte mich, bey der gewoͤhnlichen Holzwirthſchaft, noch ein merkwuͤrdiger und thaͤtiger Mann. Was meynt man zu dem Zuge, daß ich mehrere Baͤume, die uͤber die Heerſtraße gefallen waren, in der Mitte, nach der Weite einer Wagenſpur, durchſaͤgt fand, waͤhrend das ausgeſaͤgte Stuͤck mit der Krone und den Wurzeln unangeruͤhrt an der Seite liegen geblieben war?

Die Zuͤge von Faulheit und Sorgloſigkeit, die hieraus hervorgehen, bezeichnen auch in der That den traͤgen Charakter der Lithauer; frey - lich in keinem hoͤhern Maße, als bey allen uͤbrigen leibeigenen Voͤlkern. So in Liefland, Kurland und Rußland, ſo in Polen und in Ungarn. Was der Bauer zu ſeinem elenden Unterhalte braucht, findet er immer, wo nicht67 in ſeiner eigenen Wirthſchaft, doch bey ſeinem Herrn, mit dem er in eben dem Vertrage ſteht, worin wir alle mit unſern Pferden und uͤbrigen arbeitenden Thieren ſtehen: er giebt Arbeit fuͤr Futter. Daß es ihm einfallen ſollte zu ſparen, Vorrath zu ſammeln! Hat er das ſeinige aufgezehrt, oder durchgebracht; ſo fordert er von ſeinem Herrn, was er be - darf, damit er ihm nicht ſtirbt, und bietet da - fuͤr ſeinen Ruͤcken dem Kantſchu dar. Er will ſich lieber pruͤgeln laſſen, als arbeiten, weil er weiß, daß dies die Loſung zu noch ſtaͤrkern Ar - beiten ſeyn wuͤrde. So faͤllt auf ſeinen Herrn nicht bloß ſeine Faulheit zuruͤck, ſondern auch ſeine verderbte Gemuͤthsart, die ſich, wie alle Sklavencharaktere, in Heimtuͤcke, Schaden - freude, Liſt und Betrug zeigt. Jch kann un - moͤglich fuͤr ein ploͤtzliches Aufheben der Leib - eigenſchaft ſeyn, weil ich in einem Lande le - be, wo man ſich uͤber deſſen Gefaͤhrlichkeit wohl unterrichten kann; aber den Schritt, der aͤußerſt wohlthaͤtig waͤre, koͤnnte man gewißE 268thun, daß man dem Bauer das Fleckchen Lan - des, das er einmal beſitzt, fuͤr ihn und ſeine Erben auf immer zuſicherte. Dann beſaͤße er in der That eine Art von Eigenthum, das er, nach dem Maße ſeiner Thaͤtigkeit, ausbilden koͤnnte, ohne zu beſorgen, daß ſodann dieſe Thaͤtigkeit ihn um ſeinen bisherigen Wohnſitz bringen, und ihn auf einen undankbaren Fleck verpflanzen wuͤrde, den er nun, wie ſein Herr von ihm erwartet, durch ſeine Arbeit befruch - ten ſoll, um ſodann von neuem von demſelben weggeſetzt zu werden.

Die Doͤrfer der Lithauer ſind im hoͤchſten Grade armſelig. Holz und Stroh iſt der Bauſtoff; an Schornſteine iſt nicht zu denken. Da ſie einzeln ihre Wohnungen liederlich bauen und an Beſſerung nicht denken, ſo iſt jedes Dorf ein Bild der Unordnung und Zerſtoͤh - rung. Verfaulte Waͤnde und zerloͤcherte Daͤ - cher ſind allen gemein. Jn einigen habe ich Scheuern gefunden, die nur aus einer gefloch - tenen Horte beſtanden, uͤber die ein verfaultes69 Dach geſtuͤlpt war. Man ſchenke mir die Be - ſchreibung des Jnnern.

Trotz dem allen ſind die Lithauer ein, im Ganzen, wohl gebildetes Volk: groß, vierſchroͤ - tig und ſtark. Da ſie durchgaͤngig einen Zwik - kelbart tragen, ſo giebt dies ihnen ein kriege - riſches Anſehen; und da ihr Anzug meiſt lang iſt und die Beinkleider weit und herunterhan - gend ſind, ſo giebt ihnen dies, nebſt ihren Baſteln, welches bloß ein Paar mit Baͤndern unter dem Fuß befeſtigte Sohlen ſind, eine Art von morgenlaͤndiſchem Anſehen. Auf dem Kopfe tragen ſie eine mit Pelz beſetzte Muͤtze, welche faſt die Form der altmodiſchen Stutz - peruͤcken hat. Jhre Weiber tragen aͤhnliche lange Roͤcke, aber zugleich auch einen langen Unterrock, und ihre ganze Kopfbedeckung iſt ein grobes, um den Kopf gewundenes Tuch, deſſen Spitze zwiſchen den Schultern flattert. Das Tuch zu ihren Kleidern, oder vielmehr der wollene Zwillich, iſt ihrer eigenen Haͤnde70 Arbeit, und ſie laſſen ihn ungefaͤrbt, meiſt braun oder weiß, wie die Wolle ihn giebt. Die Kinder ſind Sommer und Winter im bloßen Hemde.

Natuͤrliche Heiterkeit und Luſtigkeit findet man bey ihnen ſelten; aber deſtomehr die durch Branntwein erkuͤnſtelte. Jhre Herren ſorgen dafuͤr, daß ſie dergleichen in allen Kruͤgen im Ueberfluſſe finden, und ſo werden ſie doch die Geber ihrer Froͤhlichkeit, freylich fuͤr ihren letzten Pfennig und ihr letztes Koͤrnchen Ge - treide. Dieſe Kruͤge ſind an Juden theils ver - pachtet, theils ſtehen dieſe mit dem Beſitzer derſelben auf den zehnten Groſchen.

Man lege zu dieſem allen noch den dop - pelten Umſtand, daß ſie ihre kleinen Beduͤrf - niſſe des Luxus von den Juden, und ihre Seligkeit von den Bettelmoͤnchen kaufen muͤſ - ſen, ſo wird man ſelbſt bemerken, was ich ſonſt uͤber den buͤrgerlichen, ſittlichen, wirth -71 ſchaftlichen und Glaubens-Zuſtand dieſes Vol - kes noch ſagen muͤßte.

Sobald man uͤber die Lithauiſche Graͤnze iſt, und in das eigentliche Polen eintritt, zei - gen ſich ſchon keine Unterſchiede, die es ankuͤn - digen, daß man ſich unter einer andern Na - tion befindet. Nicht minder, als die Spra - che, kuͤndigen es auch andere aͤußere Umſtaͤnde an. Schon die Tracht zeigt manche Verſchie - denheiten. Sie iſt minder armſelig, als die Lithauiſche, und man findet ſie ſchon haͤufig von farbigem Tuch, feiner Leinewand, mit an - derem Schnitte. Die Baſteln verſchwinden und Stiefeln treten an ihre Stelle; ſo wie uͤberhaupt der Pole lieber baarfuß geht, als daß er Baſteln tragen ſollte. Die Kleider der Weiber und Maͤnner haben eine Form und einen Schnitt, der den Schneider ver - raͤth, und der eigenthuͤmliche Polniſche Ge - ſchmack an tauſend Knoͤpfen und Schleifen wird hier ſchon ſichtbar. Da der Bauer in72 dem eigentlichen Polen nicht ganz ſo gedruͤckt iſt, als in Lithauen, ſo zeigt ſich dies in einer groͤßern Wohlhabenheit, vermoͤge deren er beſſere Haͤuſer bauen, beſſere Pferde halten und beſſeres Brod und Salz eſſen kann.

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Zweiter Abſchnitt. Warſchau.

Allgemeine topographiſche Bemerkungen. Lage der Stadt. Anſicht von außen und innen. Weichſel. Pallaͤſte, Haͤuſer. Jhre Bauart. Betrachtung, durch die große Ungleichheit der Gebaͤude veranlaßt. Die vor - zuͤglichern Straßen. Altſtadt. Vorſtaͤdte. Prag. Die vornehmſten oͤffentlichen Gebaͤude. Das Koͤnig - liche Schloß. Pallaſt des Fuͤrſten Primas, der Re - publik, der Ruſſiſchen Geſandtſchaft. Der Saͤchſiſche Pallaſt. Seltſame Hundejagd. Auguſts des Zweiten. Die vorzuͤglichſten Privatpallaͤſte. Jhre Anzahl. Kir - chen: zum heil. Kreutz; der Piariſten; zu St. Jo - hannes und zu U. L. Frauen. Die barmherzigen Bruͤder und Schweſtern. Merkwuͤrdiger Zufall ei - nes Fremden. Lutheriſche und reformirte Kirchen. Privathaͤuſer. Oeffentliche Plaͤtze, kaum ſo zu nen - nen. Keine Marktplaͤtze, außer dem Ring in der Altſtadt; die vornehmſten Straßen dazu gebraucht. Garkuͤchen unter freyem Himmel. Ueber ferneren Anbau und Verſchoͤnerung der Stadt. Menſchenge - wimmel. Deſſen Auszeichnung. Geraͤuſch der Stadt. Bevoͤlkerung. Nahrungserwerb. Verkehr. Große74 Engliſche Gewoͤlbe. Dangels Wagenfabrik. Theu - rung der noͤthigſten Beduͤrfniſſe; der Waaren fuͤr Wohlleben und Luxus; der Hand - Dienſt - und Ge - faͤlligkeitsarbeiten. Gaſthoͤfe. Der weiße Adler auf Tlomazk. Hotel de Pologne. Mariavill. Beſchrei - bung dieſer Anlage. Hoſpitaͤler. Das Kind Jeſus. St. Rochus. Polizey, durch die letzte Konſtitution verbeſſert, jetzt wieder verſchwunden.

Warſchau*)Anmerk. Jn der Berliniſchen Monats - ſchrift hat ein guter Beobachter manche Gegen - ſtaͤnde beruͤhrt, die ich in den nachſtehenden Blaͤt - tern auch beruͤhre. Es wird mich ſehr freuen, wenn der Leſer ein wenig Geiſtesverwandtſchaft zwiſchen Jhm und mir entdecken, und wechſelsweiſe ſeine Nachrichten aus meinen, und meine aus ſeine, er - gaͤnzen wollte. liegt in einer ausgebreiteten Ebene, auf dem linken Ufer der Weichſel, wel - ches ſo hoch hinanlaͤuft, daß man, wenn man von Lithauen herkoͤmmt, verſucht wird, zu glauben, die ganze Stadt ſey auf einem wirk - lichen Berge erbauet. Dies iſt aber, genau75 genommen, nicht der Fall, da dieſer ſcheinbare Berg ſich rechts, links und hinterwaͤrts in eine Flaͤche ausdehnt, ohne daß man den mindeſten Abhang gewahr wird. Auch ſieht man die Stadt, ſobald man darin iſt, auf einem durch - aus ebenen Boden gelagert und keine Straße ſenkt ſich oder erhebt ſich merklich unter oder uͤber die Grundflaͤche der andern. Die einzige Vorſtadt Schulitz (poln. Scolec) liegt nie - driger, als die uͤbrigen Theile von Warſchau; ſie liegt aber auch nicht auf derſelben Grund - flaͤche, ſondern hart an der Weichſel unter dem hohen Ufer, worauf die Stadt ſelbſt ſtehet.

Von unten herauf geſehen, giebt keine Stadt ſolch einen großen oder glaͤnzenden An - blick, als von oben herunter, wenn der Stand - punkt nicht zu hoch iſt. Warſchau erſcheint deßhalb, von der Weichſelſeite her, als ein un - foͤrmlicher Klumpen von Haͤuſern, der an den Abhang eines Berges geklebt iſt, und aus wel - chem hier und da Thuͤrme heraustreten, die weder durch Umfang, noch durch Hoͤhe, dem76 Auge auffallen. Von dieſer Seite her zeigt ſich auch die Laͤnge der Stadt nicht in ihrer ganzen Ausdehnung. Am beſten laͤßt ſie ſich von der Laterne der lutheriſchen Kirche uͤber - ſehen, die ziemlich in der Mitte der Stadt liegt. Von da herunter beurtheilt man am bequemſten die Eigenthuͤmlichkeit ihres Aeußern.

Sie laͤuft naͤmlich, in der Geſtalt eines faſt regelmaͤßigen Halbzirkels, an dem hohen Ufer der Weichſel hin, und zeigt, in den naͤchſten Gegenden an derſelben, eine eng zuſammen ge - draͤngte, hohe Haͤuſermaſſe, die von ziemlich ſchmalen Straßen durchſchnitten wird; in den entferntern aber, Reihen von niedrigen, hoͤlzer - nen, mit Schindeln gedeckten, ſchwarzen Haͤu - ſerchen, die an breiten Straßen ſtehen und ſich endlich immer kleiner und kleiner, wie Maul - wurfshaufen, in die große Ebene hinab ver - lieren.

Die Haͤuſermaſſe von Berlin zeigt, von oben herab umſpannt, in der Mitte einen Kern von faſt gleich hohen Haͤuſern, an wel -77 che die kleinern und allerkleinſten in den Vor - ſtaͤdten ſich anſchließen; Warſchau hingegen hat ſolch einen Kern nicht, ſondern erſcheint als eine allgemeine Miſchung von hoͤchſten und niedrigſten Haͤuſern, die, weiß, grau und ſchwarz, unter einander durch ſtehen, und wo nur wenig Straßen, oder vielmehr Theile von Straßen, in gleicher Hoͤhe hervorragen und einen lichtern und anſtaͤndigern Anblick geben. Bloß die Altſtadt zeigt ſich als ein Haufen gleich hoher, aber ſo zuſammen gedraͤngter, Haͤuſer, daß man keine Straße darzwiſchen wahrnehmen kann.

Um die Stadt her zieht ſich an beyden Seiten bis an die Weichſel eine unuͤberſehli - che, durch keinen Huͤgel und kein Gehoͤlz un - terbrochene, ſandige, Flaͤche, die nur, in den naͤchſten Gegenden an der Stadt, durch ange - pflanzte Alleen etwas bunt gemacht wird. Dieſe Alleen ſind groͤßeſtentheils noch jung und faſſen die Wege nach der Stadt ein. Der Sand iſt ſo tief, als um Berlin, und eben ſo78 beſchwerlich, als dort, aber minder gefaͤhrlich fuͤr Auge und Bruſt, als der ſeine kalkhaltige Staub um Wien und Paris. Jenſeits der Weichſel uͤber Prag hinaus, erſcheint dieſe Sandflaͤche von Fichtenwaͤldern umkraͤnzt und naͤher und entfernter ſtehen einzelne Haͤuſer und Gehoͤfte.

Die Weichſel ſelbſt hat hier ungefaͤhr die Breite der Elbe bey Wittenberg. Eine Schiff - bruͤcke fuͤhrt von Prag nach Warſchau hin - uͤber, die aus locker neben einander liegenden Balken beſteht, welche, wenn man daruͤber faͤhrt, wie die Balgen einer Orgel, niederſin - ken und herauf ſchnellen. Das Gelaͤnder der Bruͤcke iſt eben ſo ſchlotterig darauf geworfelt.

Ober - und unterhalb der Stadt ſetzen ſich mehrere Sandbaͤnke an, die den Strom thei - len, die Schiffahrt ſehr unbequem machen und ſeiner, uͤbrigens anſehnlichen, Waſſermaſſe Fall, Schnelligkeit und Einheit rauben. Noch unterbrechen ſeinen Lauf ſchwimmende Waſ - ſermuͤhlen, von eben dem Bau, wie die, welche79 bey Magdeburg unterhalb der Strombruͤcke die Elbe bedecken und einen mannigfaltigern Anblick gewaͤhren.

Was an Pallaͤſten und Haͤuſern in War - ſchau neu iſt, zeigt großentheils von Geſchmack, Dauer und Wohlhabenheit; was alt iſt, hat alle Vorzuͤge und Fehler der aͤltern Bauart. Wenn jene einen geraͤumigen Vorhof mit ei - nem geſchmackvollen Korps-de-Logis, zwey leicht daran gelehnten Seitenfluͤgeln und einem zierlich gearbeiteten Gitter zur Einfahrt, ein - ſchließen: ſo zeigen die Werke dieſer den Cha - rakter ihrer Zeit: Einfalt, Feſtigkeit und Hoͤ - he, aber auch Duͤſterkeit, Engigkeit und Mi - ſchung von Burg und Kloſter. Die Bauart der Haͤuſer iſt, wo ſie ſteinern ſind, wie die Berliniſche, wo ſie hoͤlzern ſind, wie die Bau - art in den boͤhmiſchen Doͤrfern, oder den al - tenburgiſchen Waͤldern. Backſteine und Kalk bilden die erſtern; uͤber einander gelegte, mit Moos und Lehm verklebte, Balken, die letz - tern. Die warſchauer Pallaͤſte, ſamt ihrem80 Saͤulenwerke, ſind ebenfalls von Backſtein, und mehrere Kirchen in den Vorſtaͤdten, ganz von Holz, ohne eine Spur von Kalk und Stein, erbauet*)Vergl. Berl. Mon. Schr. 1792. Jun. S. 552 fg..

Warſchau dankt den glaͤnzendern Theil ſei - nes Ausbaues jener Zeit, wo es noch mehr als jetzt ſchien, als ob es, außer dem Edel - manne, keine Menſchen in Polen gaͤbe. Ein Großer, der Koͤnig werden konnte, fiel leicht darauf, ſich einen Pallaſt zu bauen, der Koͤnig - lich war. Er konnte dies leicht ausfuͤhren, weil er ſeine Einkuͤnfte koͤniglich behandelte und ſeine Unterthanen willkuͤhrlich her kom - men und hin gehen zu laſſen befugt war. Die Hauptſtadt eines Landes, mit der Ver - faſſung wie Polen ſie hat, muͤßte eigentlich aus lauter Pallaͤſten beſtehen, wenn nicht die Beſitzer derſelben, der allgemeinen Menſchheit, wenn auch ſonſt niemand, tributbar, Haͤnde gebraucht haͤtten, um ihre ſtolzen Mauern auf -81 zufuͤhren. So brauchte jeder Pallaſt mehrere Huͤtten, worin die Arbeiter wohnten. Sie durften nicht ſehr weit von dem praͤchtigen Bau entfernt ſeyn, wenn er gefoͤrdert werden ſollte. Eben ſo verhielt es ſich mit andern Beduͤrfniſſen und ihren Verfertigern. Alle mußte man um ſich wohnen und leben laſſen, weil ſie arbeiteten. Es waren Laſtthiere, die man miethete, oder die man auf ſein Fut - ter und ſeinen Stall ſich hielt. So bildeten Pallaͤſte und Huͤtten, Fuͤrſten und Bettler, die phyſiſche und moraliſche Grundlage von War - ſchau.

Der politiſche Stolz, der dieſen Grund legte, hatte einen Nebenbuhler an dem geiſtli - chen. Wenn jener ſeine Groͤße in ſich ſelbſt ſuchte; ſo ſuchte ſie dieſer, mit anſcheinender Beſcheidenheit, in Gott, und bauete dieſem Tempel und Kloͤſter, worin er wohnte. So entſtanden neben den Pallaͤſten die Kirchen und neben dieſen die Kloͤſter. Das Kapital zu dieſen kam eben daher, woher das KapitalF82zu jenen kam: aus dem Fleiße und der Gut - willigkeit der Aermern, die man mit Segens - ſpruͤchen troͤſtete, mit Suppen und Almoſen ernaͤhrte, mit Gemaͤhlden und Wachslichtern ergoͤtzte, und denen man ein herrliches Leben verſprach, wenn ſie nur erſt todt waͤren.

Wo erſt Pallaͤſte und Kirchen ſind, da ent - ſtehen bald andre Wohnungen, deren Beſitzer mit Kopf und Feder fuͤr weltlichen und geiſt - lichen Prunk arbeiten: vor der Hand aber mehr mit Zahlen, als mit Buchſtaben. Um die Pallaͤſte prachtliebender Großen her ſetzten ſich bald Geſchaͤfts - und Kaufleute, und da, auf einem uͤppigen Boden, bey hellen Augen und unter geſchickten Fingern, ihre goldnen Saaten oft mehr als hundertfaͤltige Fruͤchte trugen: ſo war es kein Wunder, wenn ihre Scheuren an Umfang und Groͤße von Jahr zu Jahr zunahmen, und ſo koͤmmt es, daß hinter den Pallaͤſten der Großen und den Tem - peln der Prieſter gleich die Haͤuſer der Wechsler anfangen und ſich ſtufenweiſe in83 die Haͤuſer der groͤßern und kleinern Kaufleute verlieren.

Jn der That gehoͤren die großen Pallaͤſte und Haͤuſer in Warſchau den Großen, den Prieſtern und den Wechslern. Man zaͤhlt, mit dem koͤniglichen Schloſſe und andern oͤf - fentlichen Gebaͤuden, gegen achtzig, praͤchtige und minder praͤchtige, aͤltere und neuere Pal - laͤſte; uͤber dreyßig groͤßere und kleinere Tem - pel, Kirchen und Kloͤſter und gegen zwanzig große Haͤuſer, die wahre Pallaͤſte waͤren, wenn ſie Großen gehoͤrten, und denen mithin zu ſol - chen nichts fehlt, als der Name. Wenn oft in dieſen Haͤuſern, in einem Schreibtiſche von Mahagony und in einem eichenen beſchlagenen Kaſten, mehrere jener Pallaͤſte liegen: ſo iſt daran nichts weiter zu bewundern, als die Schnelligkeit, Geſchicklichkeit und arithmetiſche Kunſt, durch welche man ſie herein gebracht hat.

Außer den Wohnungen jener drey Klaſſen, giebt es in Warſchau noch viele andre, dieF 284von außen nicht minder groß und glaͤnzend ſind, aber von innen mehr oder weniger Arm - ſeligkeit zeigen. Dahin gehoͤren die Hospitaͤ - ler und Kaſernen. Letztre thun es den erſtern an aͤußern Glanz weit zuvor, ſind neu, nach einem guten Geſchmack erbaut, und eine da - von, Ujasdow, iſt vielleicht die ſchoͤnſte Ka - ſerne in der Welt. Das Kadettenhaus und Arſenal ſind auch ſehr anſehnliche oͤffentliche Ge - baͤude, minder ſind es die Muͤnze und die Za - ruskiſche Bibliothek. Jhre Wirkung fuͤr das Ganze der Stadt wird aber groͤßtentheils da - durch geſtoͤhrt, daß ſie, theils in abgelegenen Gegenden, theils zwiſchen kleinen ſchwarzen Haͤuſern einzeln umher ſtehen.

Die uͤbrigen Klaſſen der Einwohner, vom Faciendair*)So heißen in Warſchau die Geldmaͤkler, die neben - her ein wenig wuchern. Man nennt ſie auch, mit einem Pleonasmus Facienden-Macher. So liegt ſchon in dem Praͤdikat das alterum tantum des Subjekts. bis zum Juden, vom General85 bis zum Hetzmeiſter, vom Advokaten bis zum Beutelſchneider, vom Modenhaͤndler bis zum kauflichen Weibe, vom Gelehrten und Kuͤnſt - ler bis zum ſchamhaften Bettler ꝛc. alle dieſe Klaſſen, nach ihren mannigfachen Abſtufungen, wohnen in den Haͤuſern, die in den beſſer ge - bauten Theilen der Stadt, mit Kellergeſchoſ - ſen, Gewoͤlben und Dachſtuben, ſo wie mit einem hohen und hellen zweyten Stocke verſe - hen, umher ſtehen, und nur umher ſtehen, weil ſie auch hier faſt immer von dazwi - ſchen geſtreuten kleinern, unanſehnlichern Woh - nungen unterbrochen werden. Letztre haben die ganz armen Einwohner inne, und ſie wer - den deſto haͤufiger und armſeliger, je weiter man ſich von dem aͤlteſten Kerne der Stadt entfernt. So wie ein zerriſſenes, durchloͤcher - tes, gekruͤmmtes Schindeldach, das Jnnere des Hauſes gegen Regen, Schnee und Sturm nicht deckt: ſo giebt ein hundertmal, mit Lap - pen von allen Farben, geflickter Rock die Be - ſitzer deſſelben jenen Unannehmlichkeiten bloß. 86Hier wird der Charakter dieſer Stadt am ſichtbarſten: bey dem allerhoͤchſten Reichthume, die allertiefſte Armuth; bey der allerſtudierte - ſten Ueppigkeit, der dringendſte Mangel.

Jn den aͤltern Gegenden der Stadt ſind die Straßen krumm, enge und finſter; in den naͤchſten daran, ſchon breiter, aber immer noch krumm; in den entfernteſten gerade, breit und lang. Letztre haben aber noch kein Pflaſter und ihr Boden bildet, bey regneriſchem Wet - ter, einen langen Spiegel von Koth, der nur durch die bloßen Fuͤße bezwingbar iſt, auf de - nen man hier herum gehet, oder durch die ho - hen Raͤder der Reiſewagen und Remiſen, die ſich hieher verirren. An warmen und ſonni - gen Tagen faͤllt dieſer Koth in einen tiefen Staub zuſammen, der, auf den erſten Wind - ſtoß oder Hufſchlag, in Wolken aufwirbelt, die kein Auge durchdringen kann. Daher koͤmmt es, daß man gegen das Elend hier herum die Augen zudruͤckt.

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Warſchau hat, nach einem Plane*)Plan Ichnographique de la Ville de Varfovie, Refidence des Rois de Pologne, gezeichnet von dem Major Hennequin und zu haben bey Michael Groll 1779. Er iſt nur 16 Zoll lang und breit und zeigt deßhalb die Gegenſtaͤnde unangenehm zu - ſammen gedraͤngt., den man fuͤr den beſten haͤlt, weil er der neueſte iſt, in allem Einhundert und zwey und neun - zig Straßen, wovon vielleicht nur zehn einen glaͤnzenden, funfzig einen ertraͤglichen und die uͤbrigen einen unangenehmen Anblick geben. Die meiſten dieſer Straßen ſind, wo nicht ganz, doch in der Mitte, gepflaſtert, aber das Pflaſter iſt ſchlecht unterhalten. Wenn es reg - net, ſo erſcheinen ſie von Unrath uͤberſchwemmt und die Anſtalten, die man macht, um ſie zu reinigen, ſind nicht der Rede werth. Doch hat man den Troſt, daß man hier umſonſt in Pfuͤz - zen herum waden kann, ſtatt daß man anders - wo der Polizey dafuͤr bezahlt, daß ſie dieſel - ben ſtehen laͤßt. So ſieht man, z. B. in Berlin, bey naſſem Wetter, auf allen Straßen,88 ſelbſt auf dem ſchoͤnen Schloß - und Opern - platze, ſolche Spiegel fuͤr die Polizey.

Der glaͤnzendſte Theil von Warſchau iſt die Hauptſtraße der Krakauer Vorſtadt. Sie enthaͤlt in einer maͤßigen Laͤnge eilf Pal - laͤſte, worunter einige ſind, deren ſich der maͤch - tigſte regierende Fuͤrſt nicht ſchaͤmen duͤrfte; ſechs Kirchen, faſt alle groß und gut gebauet, und ſteinerne Haͤuſer von zwey bis fuͤnf Stock - werken.

Die Senatorenſtraße faͤllt ebenfalls gut in die Augen und enthaͤlt neben dreyzehn Pallaͤſten, drey Kirchen und meiſt hohe und neue Privathaͤuſer.

Die Methſtraße (Ulica*)Man leſe Uliza. Miodowa) gehoͤrt auch zu den beſten und enthaͤlt, außer ſechs Pallaͤſten, mehrere Kirchen und Kloͤſter; ſo wie die Langgaſſe (Ulica dluga) außer fuͤnf Pallaͤſten, drey Kirchen und Kloͤſter und das anſehnliche Zeughaus der Republik in ſich faßt.

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DieAltſtadt iſt der finſterſte und engſte Theil von Warſchau, und in ihren ſchmalen und kothigen Gaſſen, die durch hohe und ſchwarze Haͤuſer hinlaufen, findet man die duͤ - ſterſten Theile von Wien und Paris wieder. Einige der Vorſtaͤdte ſind, im Ganzen genom - men, geraͤumiger, neuer und reinlicher. Dies gilt hauptſaͤchlich von der Neuſtadt, (nowy Micscia) der Krakauer Vorſtadt, der Vorſtadt Alexandria und der Leſche; (Lefzno) die uͤbrigen, Neue Welt (Nowy swiat) Wielopole, Bielino, Szolec ꝛc. ſind zum Theil nur einzelne, neu angelegte Straßen, die mit kleinen, beſſern oder ſchlech - tern Haͤuſern, und dazwiſchen liegenden Som - merpalais und Gaͤrten beſetzt, und von der ei - gentlichen Stadt weder durch Mauern noch durch Thore geſchieden ſind. Um das Ganze der Stadt ſelbſt laͤuft ein Graben, der weder tief, noch breit, noch unterhalten iſt. Bloße Schlagbaͤume geben die Thore an.

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Jenſeits der Weichſel liegt, in einem be - traͤchtlichen Umfange, Prag, eine Stadt mit ihrem eigenen Rathe, die, wenn zu Winters - zeiten die Bruͤcke abgenommen wird, durch nichts mit Warſchau zuſammenhaͤngt, die man alſo irrig mit zu den Vorſtaͤdten derſelben rech - net. Sie beſteht groͤßtentheils aus hoͤlzernen, niedrigen Haͤuſern und wird meiſt von Juden bewohnt, in deren Mitte ein paar Moͤnchsor - den niſten, die, ſo wie jene, mit verlegenen Waaren handeln und nicht in dem beſten Ge - ruche ſtehen.

Jch bringe nun einige naͤhere Nachrichten von den vorzuͤglichſten, oͤffentlichen und Pri - vatpallaͤſten und Gebaͤuden bey:

Das koͤnigliche Schloß*)Vergl. Berl. Mon. Schr. J. c. S. 559. fg. oder die Burg (poln. Zamek) liegt zwiſchen der Alt - ſtadt und der Krakauer Vorſtadt faſt wie ver - ſteckt und gewaͤhrt keine allgemeine Anſicht. Von woher man ſich demſelben auch naͤhert, immer ſieht man nur einen Theil davon. Aber91 man verliert auch dabey nicht ſehr viel. Die aͤltern Theile ſind ſchwarz, unanſehnlich, wink - lich, und die neuern verſteckt. Faſt jeder Koͤ - nig hat eine Erweiterung damit vorgenommen, und jeder neue Zuſatz hat einen andern Ge - ſchmack und weniger oder mehr Hoͤhe und Breite, als der andere erhalten. Das Ganze hat indeſſen einen ſehr betraͤchtlichen Umfang und die Zahl der Zimmer und Saͤle geht in die Hunderte. Der große Hof, der von den neueſten Anlagen umſchloſſen wird, iſt der ſe - henswertheſte Fleck darin. Wenn man von der Seite der Krakauer Vorſtadt herein koͤmmt, ſo hat man rechts die Hauptwache und den Haupteingang zu den Zimmern, die der Koͤnig bewohnt und die nach der Weichſel ſehen; links, den Eingang zum Reichstagsſaal und in einen andern Hof, der nach der Altſtadt zu geht; und vor ſich den Durchgang unter ei - nem der Seitenfluͤgel in einen dritten Hof, der zur Kollegiat - und Pfarrkirche St. Johannis fuͤhret. Zur Reichstagszeit, oder wenn Kour92 beym Koͤnige iſt, erſcheint dieſer Hof mit den praͤchtigſten Wagen wie verrammelt, und iſt mit einem Gedraͤnge reich gekleideter Bedien - ten bedeckt.

Die Beſchreibung der Zimmer, die der Koͤ - nig bewohnt, verſchiebe ich bis dahin, wo ich von ſeiner Perſon ſpreche, weil das Aeußere derſelben und ihre Einrichtung in genauer Ver - bindung mit derſelben ſteht. Die uͤbrigen Zimmer und Saͤle ſind theils leer und ver - ſchloſſen, oder dienen zu Verſammlungsorten des Senats, oder zu Arbeitszimmern fuͤr die Staatsaͤmter, zur Aufbewahrung des Archivs, oder auch bloß zu Durchgaͤngen und Wachſaͤ - len. Viele darunter haben keine andere Moͤ - bel, als Spiegel und ein paar alte Stuͤhle; andre ſind mit Gemaͤhlden behaͤngt, die in Bruſtbildern der polniſchen Koͤnige, beruͤhmter polniſcher Gelehrten und Feldherrn alter und neuerer Zeit, beſtehen; und dieſe ſind denn freylich die anziehendſten unter allen im Schloſ - ſe. Man hat den groͤßeſten Theil derſelben93 dem jetzigen Koͤnige zu danken, der ſie theils ankaufte, theils kopieren ließ, theils auch, was die Gelehrten und Feldherrn betrifft, von den Kloͤſtern, Kollegien und Familien geſchenkt er - hielt.

Diejenige Seite des Schloſſes, die nach dem Fluſſe ſieht, iſt unſtreitig die heiterſte. Man beherrſcht von da herunter eine weitaus - gebreitete Ausſicht uͤber die Weichſel, uͤber Prag und uͤber die daran ſtoßende, mit Wald umgebene, Flaͤche. Die andre Seite, die nach der Stadt zu liegt, hat keine Ausſicht, ſondern iſt durch die erwaͤhnte Pfarrkirche und durch die hohen, ſchwarzen Haͤuſer der Altſtadt ver - ſperrt. Da keine Koͤnigin hier iſt, ſo giebt es auch keinen eigentlichen Hof, mithin iſt das Schloß, feyerliche Gelegenheiten abgerechnet, ziemlich oͤde und todt. Am Fuße deſſelben, nach der Weichſel zu, ſtehen meiſt elende hoͤlzerne Huͤtten, die alles um ſich her liegen haben, was ihre Bewohner an Bettſtroh, Duͤnger, altem Lumpen - und Lederwerk nicht mehr94 brauchen, und in ſo hohen Haufen, daß es die Anhoͤhe bis zum Fuße des Schloſſes bedeckt, und ſich noch mehr erheben wuͤrde, wenn nicht gewiſſe, ſchmutzige und gefraͤßige Thiere es wieder herabwuͤhlten, oder nieder traͤten. Ue - ber dieſe naͤhern Umgebungen muß man aller - dings hinwegſehen, wenn man der entferntern angenehmen Ausſicht uͤber die Weichſel hinaus genießen will.

Der Pallaſt des Fuͤrſten-Primas liegt in der Senatorenſtraße und hat, nach dem Schloſſe, wohl den groͤßten Umfang unter allen in Warſchau befindlichen Pallaͤſten. Er gewaͤhrt eine gute Anſicht, obgleich er fuͤr ſeine Laͤnge zu niedrig ſcheint; er beſteht aus einem Korps-de-Logis und zwey Seitenfluͤ - geln, und hat einen ſchoͤnen geraͤumigen Vor - hof, der vielleicht dreyhundert Wagen faſſen kann. Nach der Straße zu iſt er mit einer Baluͤſtrade eingefaßt, in deren Mitte der Ein - gang ſich befindet. Jn dem einen Seitenfluͤ -95 gel iſt die Wache, die dem Beſitzer als Pri - mas des Reichs gegeben werden muß.

Das Jnnere iſt, bis auf wenige Zimmer, in altem franzoͤſiſchen Geſchmack verziert. Ta - peten von Moire, Damaſt, Sammet ꝛc. und eben ſo uͤberzogene Stuͤhle und Lehnſtuͤhle; große Spiegel mit vergoldetem Schnitzwerk, eingelegte Tiſche ꝛc. Kreutzbilder von allem moͤglichen Material, Betbaͤnke ꝛc. dies ſind die Hausgeraͤthe, die man hier antrifft. Die Wohnzimmer des Fuͤrſten haben mehr neuern Geſchmack und bieten dem Auge einige ſehr ſchoͤne engliſche Moͤbel und andre Bequemlich - keiten, auch manche Bilder von neueren Mei - ſtern, die ſehenswerth ſind, dar.

Der Pallaſt der Republik, ehemals Kraſinski*)Auf der Maſauerſtraße iſt noch ein Kraſinskiſcher Pallaſt, den man mit dieſem nicht verwechſeln muß. Vergl. Berl. Mon. Schr. 1. c. S. 558., faͤllt auch, unter allen uͤbri - gen, mit am beſten in die Augen. Er beſteht aus einem einzigen Korps und nimmt einen96 Theil eines ganz geraͤumigen Platzes ein, auf welchem auch, ihm gegenuͤber, das Theater ſteht. Linker Hand hat er ein langes, anſehn - liches Gebaͤude zur Seite, das den Platz ſchließt und meiſt zu Wohnungen fuͤr die Schau - ſpieler und Schauſpielerinnen eingerichtet iſt. Auf der andern Seite, am Eingange dieſes Platzes, dem anſehnlichen Gebaͤude des Pack - hofes und der Mauth gegenuͤber, ſteht eine hoͤchſt ungeſchlachte Spitzſaͤule von Holz.

Jener Pallaſt iſt der Schatzkommiſſion (dem Finanzkollegium) von der Republik zum Sitze eingeraͤumt worden. Einen Theil des obern Stockes hatte der nicht unirte Griechi - ſche Biſchof, den man wegen Anzettlung eines Aufſtandes unter den polniſchen Unterthanen jenes Bekenntniſſes, aufgehoben hatte, als Gefaͤngniß inne. Es iſt bekannt, daß unſre Re - gierung die Verhaftnehmung dieſes Mannes dem Konſtitutions-Reichstage, als eine Be - ſchwerde, in der Kriegserklaͤrung vom 18 May 1792, mit zur Laſt legte.

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An dieſem Pallaſte iſt ein angenehmer Garten, von dem ich weiter unten noch einige Worte ſagen werde, wenn ich auf die oͤffent - lichen Vergnuͤgungen der Einwohner von War - ſchau komme.

Einer der neueſten und geſchmackvollſten Pallaͤſte iſt der, den die Republik unſrer Ge - ſandtſchaft eingeraͤumt hat. Er ſteht auf der Methſtraße, hat ein großes Korps-de-Logis und zwey, faſt eben ſo betraͤchtliche, Seiten - fluͤgel, die einen geraͤumigen Vorhof einſchlie - ßen, der, nach der Straße zu, mit einem ſchoͤ - nen eiſernen Gitter eingefaßt iſt. Unſre Ge - ſandtſchaft hat hier ihren beſtaͤndigen Sitz, mit Vorrechten und Freyheiten, die ſie mitten in Petersburg nicht ausgedehnter und unge - ſtoͤhrter beſitzen koͤnnte. Auch ſind unſre Ge - ſandten maͤchtigere Koͤnige von Polen, als der Koͤnig von Polen ſelbſt, und ſie waren es nur waͤhrend des Konſtitutions-Reichsta - ges, von 1788 an, bis in die Mitte des Jah -G98res 1792, nicht; jetzt*)Jm Monat May, 1793. ſind ſie es wieder mehr, als jemals. Sie gebieten nicht nur uͤber die politiſchen Angelegenheiten des Staats, ſon - dern haben auch eine unumſchraͤnkte buͤrgerliche Gerichtsbarkeit uͤber alles, was von ruſſiſcher Zunge hier in Warſchau und in den uͤbrigen Theilen von Polen anſaͤßig iſt, und ſich an ſie wendet. Der Vorhof ihres Pallaſtes wim - melt von Wagen polniſcher Großen, die oft nicht zu ſtolz ſind, ſtundenlang im Vorzimmer zu ſtehen, um den Geſandten entweder in Ge - ſchaͤften zu ſprechen, oder auch nur, um ihm aufzuwarten. Da unſer gegenwaͤrtige Geſandte in Grodno iſt, ſo genießt, ſtatt ſeiner, der General von Jgelſtroͤm ſeines Einfluſſes und ſeiner Ehren.

Unter den oͤffentlichen, der Republik gehoͤ - rigen Gebaͤuden, ſind noch anſehnlich: das Zeughaus, die Muͤnze, die Zaluskiſcht Bibliothek, die Kaſerne von Ujasdow, und das Kadettenhaus. Von der Kaſerne99 habe ich ſchon oben geſagt, daß ſie leicht die ſchoͤn - ſte in der Welt ſeyn mag; und ihre Lage auf dem hohen Ufer der Weichſel, die ſich jetzt aber mehr entfernt hat; ihr reinliches Aeußere; die geſchmackvolle Bauart in ihren neuern daran geſetzten Fluͤgeln; die ausgebreitete Ausſicht uͤber das Luftſchloß und Garten von Lazienka, uͤber die Weichſel nach hinten zu, und vorne heraus uͤber ſchoͤne Alleen und fruchtbare Fel - der, machen ſie in der That dazu.

Der Kurfuͤrſt von Sachſen beſitzt hier auch noch einen Pallaſt, nebſt einem kleinen Gebie - te um denſelben her. Unter allen Pallaͤſten in Warſchau hat er unſtreitig die ſchoͤnſte Lage. Er befindet ſich mitten in der Stadt, und hat einen ſehr geraͤumigen Hof vor, und ei - nen weitlaͤuftigen Garten, der als Spatziergang ſtark beſucht wird, hinter ſich. Den Hof ſchließen mehrere anſehnliche Gebaͤude ein, die theils vermiethet, theils von der Dienerſchaft, und von einer kleinen Abtheilung Dragoner und ihren Befehlshabern, die Sachſen hierG 2100noch unterhaͤlt, bewohnt werden. Das Jnnere des Pallaſtes iſt meiſt leer, und was etwa an bewohnbaren Zimmern noch da iſt, hat entwe - der keine Moͤbel mehr, oder wurmfraͤßige. Die Tapeten ſind verrottet. Man zeigte mir noch das Zimmer, aus deſſen Fenſter Auguſt der Zweyte, zum Zeitvertreib, Hunde ſchoß, die er, durch hingelegtes Fleiſch, ausdruͤcklich auf den Hof lockte. Er ſchoß ſie aber nur an, nicht todt, um das Vergnuͤgen zu haben, die Verwundeten, trotz ihren zerſchmetterten Bei - nen, bey der naͤchſten Fleiſchlieferung doch wie - der daher hinken zu ſehen. Da er (wer zwei - felt daran?) durch dieſe ſinnreiche Erfindung ſeine Thierkenntniß, vielleicht gar ſeine Kennt - niß der Menſchen (denn dieſe machen es nicht anders) vermehren wollte: ſo ſcheint er mir wegen dieſer philoſophiſchen Barbarey eben ſo gut zu entſchuldigen zu ſeyn, als Zergliederer und Naturforſcher, die Hunde, Katzen, Maͤuſe, Froͤſche lebendig auf-und zerſchneiden, um, zur Erweiterung der Wiſſenſchaft, Entdeckun -101 gen uͤber das Spiel der Nerven und Mus - keln zu machen.

Unter den Privatpaͤlleſten, deren jede große, oder reiche polniſche Familie, wenigſtens Einen hier beſitzt, zeichnen ſich beſonders aus:

Jn der Krakauer Vorſtadt die Pal - laͤſte Czartoryski, Oginski, Radziwil, Lu - bomirski, Czapski, Poniatowski;

Jn der Alexanderſtraße: Karafa, Dluski, Godski;

Jn der Neuſtadt: Branicki, Sulkows - ki;

Auf der Maſauerſtraße: Krasinski;

Auf der Koͤnigsſtraße: Ostrowski, Malachowski;

Auf der Senatorenſtraße: Zamoiski, Dembinſki, Jablonowſki, Poccieciowſki, Czartoryski, Oginski, Potocki, Poninski;

Auf der Methſtraße: Radziwil, Mlodzieiowski, Branicki, Mniszowski;

Auf der Langgaſſe: Oginski, Mie - cielski;

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Auf der Leſche: Ossolinski; und end - lich

Auf der Straße Zakrotſchim: Sapie - ha.

Der verſtorbene Wechsler Tepper (von dem weiter unten ein mehreres) beſaß, auf der Methſtraße, einen reich eingerichteten Pallaſt, wenn auch der Geſchmack in der Baukunſt nicht der beſte war; auf der Langgaſſe beſaß er einen zweyten, und einen dritten auf der Ludno-Straße. Der Wechsler Blanc iſt Jnhaber und Bewohner eines Pallaſtes, mit einem Vorhofe, deſſen Eingang auf der Se - natorenſtraße iſt.

Ueberhaupt ſind in Warſchau, die vorhin beſchriebenen oͤffentlichen Pallaͤſte nicht dazu gerechnet, ihrer 61 von groͤßerm oder kleinerm Umfange, mehr oder weniger reich eingerichtet, beſſer oder ſchlechter unterhalten, viel oder we - nig verſchuldet, mit Geſchmack oder ohne Ge - ſchmack, von dem Beſitzer erbauet, erkauft, geerbt oder gewonnen. Letzttres iſt der103 Fall mit dem Pallaſte Gurowski auf der Straße Zakroſchim, der, wie man mir geſagt hat, von ſeinem Beſitzer auf eine Karte geſetzt und verloren wurde.

Der Kirchen giebt es, wie man leicht den - ken kann, eine große Anzahl, und eine nicht kleinere an Kloͤſtern. Mehrere der erſtern zeich - nen ſich durch Umfang und einen guten Ge - ſchmack in der Bauart, und nur zwey oder drey der letztern, durch Nutzbarkeit, aus.

Die Pfarrkirche zum heil. Kreutz iſt ein großes Gebaͤude, deſſen Charakter aber mehr Feſtigkeit und Dauer, als Leichtigkeit und Geſchmack zeigt. Beydes zu vereinigen verſtehen die neuern Baumeiſter ſehr ſelten, und dieſe Kunſt ſcheint uͤberhaupt mit den alten Griechen und Roͤmern, oder ſpaͤter, mit den gothiſchen Wagehaͤlſen in der Baukunſt, ver - loren gegangen zu ſeyn. Das Jnnere dieſer Kirche iſt mehr finſter als hell, und die plum - pen Pfeiler, auf denen das Gewoͤlbe ruhet, draͤngen den Raum ungebuͤhrlich zuſammen104 und beſchatten und verwinkeln die beyden Sei - tenſchiffe. Der loſe Geſchmack, an Einer Kir - che ihrer zwey zu haben, hat auch hier eine unterirrdiſche Kirche hervorgebracht, die ſo klein - lich ausgefallen iſt, als Meiſterſtuͤcke dieſer Art, ihrer Natur nach, ausfallen muͤſſen. Ein langes, aber enges Gewoͤlbe, deſſen Decke man faſt mit der Hand erreichen kann, ſchließt ei - nen Altar und, an den Seiten herum, einige Baͤnke fuͤr Zuhoͤrer oder Zuſchauer ein; es wird zwey oder dreymal des Jahres an feyer - lichen Feſten geoͤffnet und man lieſet Meſſe darin; aber hauptſaͤchlich ſcheint es fuͤr das Oſterfeſt beſtimmt zu ſeyn, wo man ein heili - ges Grab darin aufſtellt. Dann ziehen Tau - ſende von Menſchen nach und nach durch dieſe Gruft, die durch den Dampf und die Hitze der Wachslichter und durch die Ausduͤnſtungen der Grabbeſuchenden mit einer erſtickenden Luft angefuͤllt wird, und bey dem allen doch oft genug nur zum Sehen und Geſehenwerden oder gar zu geheimen verliebten Beſtellungen105 genutzt wird. Dieſer Wink ſoll die Leſer vor - bereiten, es minder befremdend zu finden, wenn ich weiter unten das Beſuchen der heili - gen Graͤber zur Oſterzeit unter den Vergnuͤ - gungen der Warſchauer mit auffuͤhre.

Die Kirche der Piariſten auf der Langgaſſe iſt in demſelben Geſchmack er - bauet, nur von etwas geringerm Umfange. Die daran ſtoßenden Gebaͤude, ſind einer groͤßern Aufmerkſamkeit werth, ſie ſind wahre Pallaͤſte und nehmen einen großen Theil der Meth - und Langgaſſe ein. Seit der Verjagung der Jeſuiten hat dieſer Orden auch hier ſaͤmt - liche Schulen ausſchließend zu beſorgen, wozu er denn ſolch eines weitlaͤuftigen Lokals bedarf. Vom A B Cſchuͤtzen an bis zum Univerſitaͤts - faͤhigen Schuͤler erhaͤlt hier alles Unterricht, und was vom Adel ſeinen Kindern eine gewiſ - ſe litterariſche Bildung geben will, findet in eben dieſer Anſtalt Gelegenheit dazu. Jn dem einen Fluͤgel deſſelben iſt ein adeliches Konvikt, wo Fuͤrſtenſoͤhne mit ihren Hofmeiſtern an -106 ſtaͤndig wohnen, eſſen und trinken, auch in den ſogenannten galanten Studien ſogar Un - terricht erhalten koͤnnen.

Die Pfarrkirche zum heil. Johan - nes iſt bloß ihres Alterthums wegen merk - wuͤrdig: ein gothiſches Werk, mit allen Vor - zuͤgen und Fehlern dieſer Bauart ausgeſtattet. Sie iſt, außer zu dem gewoͤhnlichen Gottes - dienſte, zugleich ausſchließend fuͤr politiſche, wichtige Feyerlichkeiten beſtimmt, wozu ihre Lage am Schloſſe, ihr Zuſammenhang mit demſelben, und ihr Raum ſie vorzuͤglich ge - ſchickt machen wuͤrden, wenn ſie nicht ſchon wegen ihres Alterthums, wegen ihres Ranges uͤber die andern Kirchen und wegen der An - ſpruͤche ihres altadelichen Kapitels zu ſolchen Schauſpielen gewaͤhlt werden muͤßte. Eine Ausnahme machte man den 3ten May 1792, bey der Feyer des Jahrstages der neuen Kon - ſtitution, wo man die Kreutzkirche waͤhlte, um die noͤthigen Amphitheater fuͤr die Muſik, fuͤr die Reichsboten, fuͤr die Deputirten der Pro -107 vinzen, fuͤr die Fremden, fuͤr die Damen und fuͤr die Zuſchauer aller Gattungen bequemer und glaͤnzender anzubringen. Der Papſt ver - ſetzte damals einen Heiligen vom 7ten May auf den 3ten, warum haͤtte man das Lokal der Feyerlichkeit nicht von St. Johann nach Heiligen-Kreutz verſetzen ſollen?

Die beyden uͤbrigen Pfarrkirchen zu St. Andreas (ehemals den Jeſuiten gehoͤ - rig) und zu Unſerer lieben Frauen, ſte - hen ebenfalls billig in der Reihe der neuern und beſſern Kirchen in Warſchau.

Dieſe, mit den Kirchen der Kloͤſter und Konvente, unter denen noch einige ganz arti - ge ſind, z. B. die Kirche der Auguſtiner und Karmeliterinnen in der Krakauer Vorſtadt, er - ſteigen die Anzahl von drei und dreißig. Noch ſind mehrere Privatkapellen vorhanden.

Moͤnche und Nonnen von faſt jedem Orden haben in Warſchau feſten Fuß gefaßt. Gutes Auskommen haben ſie alle, aber nuͤtzlich ſind ihrer nur zwey oder drey unter der Anzahl108 von achtzehn. Zu dieſen gehoͤren die Piari - ſten, deren ich vorhin erwaͤhnt habe; ferner die barmherzigen Bruͤder (bonifratrow) und die barmherzigen Schweſtern (Vi - zitek). Erſtre halten ein Krankenhaus von 50 bis 60 Betten und ein Jrrenhaus fuͤr un - gefaͤhr eine gleiche Zahl von Perſonen. Jn letzterem war ein Ungluͤcklicher, deſſen Zufall merkwuͤrdig iſt. Er kam vor einigen Jahren nach Warſchau, in einem ſchoͤnen Reiſewagen mit 4 Poſtpferden, und nahm eine Wohnung in Mariavill. Gleich nach ſeiner Ankunft ſchickt er einen Lohnbedienten nach der Poſt, um nachzuſehen, ob Briefe an ihn dort waͤ - ren? Dieſer findet einen einzigen, mit einem ſchwarzen Siegel, und bringt ihn dem Frem - den. Er entfaͤrbt ſich, als er das Siegel ſieht, erbricht den Brief mit bebenden Haͤnden, lieſt ihn, wirft ihn in den Kamin, vor welchem er ſitzt, ſinkt zuruͤck und wird mit den ſchrecklich - ſten Zuckungen befallen, die uͤber eine Stunde in gleicher Wuth fortdauern. Als ſie nachlaſ -109 ſen, findet man den Kranken taub und ſtumm und ohne den mindeſten Anſchein, daß ihm auch der kleinſte Reſt von Verſtand uͤbrig ge - blieben ſey. Einen Bedienten hatte er nicht bey ſich, und in ſeiner Brieftaſche fand ſich nicht die mindeſte Aufklaͤrung. Jn ſeinem Beu - tel waren 120 Dukaten. Man brachte ihn zu den barmherzigen Bruͤdern und gab ihnen das Geld zu ſeiner Verpflegung, ſo wie die Sum - me, die man aus dem Verkauf ſeines Reiſe - wagens geloͤſt hatte. Allem Anſchein nach iſt er ein Franzoſe, denn er hatte mit dem Lohn - Bedienten franzoͤſiſch geſprochen und die Ad - dreſſe des Briefes war an einen Moniſieur Boisblanc gerichtet geweſen. Seine Krank - heit iſt eine Starrſucht, die von Zeit zu Zeit durch ſtarke Zuckungen unterbrochen wird.

Dieſe Bruͤder geben auch jaͤhrlich eine Spende von Bier und Brot, die eine Art von Feyerlichkeit fuͤr einen großen Theil der Ein - wohner von Warſchau iſt, und auf den zwey - ten Pfingſttag faͤllt. Man ſchlaͤgt dann Bu -110 den vor ihrer Kirche auf, die alle Arten von Lebensmitteln und geringen Waaren enthalten. Die Bier - und Brantweinsbuden ſind freylich die haͤufigſten. Hier hilft das Volk der - und Trinkluſt nach, welche die guten Bruͤder vielleicht nicht ganz geſtillt haben. Die beſſern Staͤnde gehen theils zwiſchen den Buden auf und ab, theils ſehen ſie aus den Fenſtern der benachbarten Haͤuſer in das bunte, oft wilde, Getuͤmmel hinaus.

Die barmherzigen Schweſtern un - terhalten an ihrem Kloſter ein Krankenhaus von 20 bis 25 Betten und beſorgen ihre Kran - ken gut.

Dem Wohlſtande gemaͤß und um der Ma - jeſtaͤt der herrſchenden Kirche nicht zu nahe zu treten, habe ich die Gotteshaͤuſer der beyden proteſtantiſchen Bekenntniſſe, hier Diſ - ſidenten genannt, die ſie, mit Ausſchluß der Glocken, auf ihrem Boden duldet, unter der Reihe der rechtglaͤubigen Kirchen oben nicht genannt; ich thue es alſo hier beſonders, nicht111 bloß der Vollſtaͤndigkeit wegen, ſondern weil die lutheriſche Kirche in Abſicht ihrer Bauart und die reformirte in Abſicht ihrer auffallen - den Kleinheit es wohl verdienen.

Die lutheriſche Kirche*)Vergl. Berl. Monatsſchr. Juny 1792. S. 568. iſt erſt ſeit weni - gen Jahren vollendet. Sie verdankt ihren Aufbau den Beytraͤgen der hieſigen lutheri - ſchen Gemeinde, und anderer in Pohlen und Europa, und den Geſchenken einzelner prote - ſtantiſchen Kapitaliſten in Warſchau. Auch der Koͤnig und einige Große haben zum Theil anſehnliche Beyſteuern dazu gegeben.

Jhre Anlage fiel einem Baukuͤnſtler, Na - mens Zug, in die Haͤnde, der ſchon als ein guter Meiſter bekannt war, und durch ihre Erbauung ſich den Ruf eines vortreflichen er - warb. Jhre Form iſt rund, und dieſe iſt mit einer ſo großen Leichtigkeit ausgefuͤhrt, daß die Rotonde in Berlin und die Frauenkirche in Dresden als ziemlich ſchwerfaͤllig dagegen er - ſcheinen. Das Jnnere iſt ungemein heiter und112 ohne alle unnuͤtze Verzierung. Die Empor - kirchen ruhen auf Saͤulen von guten Verhaͤlt - niſſen. Unten ſind die Stuͤhle amphitheatra - liſch angebracht, ſo daß ſie drey Theile des Cirkels einnehmen und an beyden Seiten da aufhoͤren, wo der Altar den vierten Theil aus - fuͤllt. Ueber dieſem befindet ſich die Kanzel und uͤber dieſer die Orgel. Dieſe drey Stuͤcke ſind die einzigen in der Kirche, die eine maͤßi - ge Verzierung an Gold und Farben haben. Die Waͤnde ſind weiß, die Stuͤhle grau. Jn den Niſchen, oberhalb dem Amphitheater der Sitze, ſind drey oder vier beſondere Betſtuͤb - chen fuͤr Vornehmere (in der Kirche!) angebracht; ſonſt ſitzt der Reſt der Gemeine jedes Standes und Alters unter einander ge - miſcht, in den untern Stuͤhlen. Zum Lobe des Baumeiſters darf ich nicht vergeſſen, den Um - ſtand anzufuͤhren, daß einige alte, ſtrenge Chri - ſten, als die Kirche fertig war, ſie tadelten, muͤrriſch den Kopf ſchuͤttelten und meynten: das ſey ein Theater, aber keine Kirche.

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Das reformirte Bethaus findet man in ei - nem engen Nebengaͤßchen der Leſche. Es hat weder Thurm noch Glocke und man ſieht es nicht eher, als bis man darin iſt. Sein Lo - kale iſt ungewoͤhnlich klein und wenn Predigt gehalten wird, koͤmmt es einem vor, als ob man ſich in einer Geſellſchaft guter Freunde befaͤnde, wovon ein Mitglied ein paar Stufen hoͤher ſteht, und den uͤbrigen etwas erzaͤhlt. Da die hieſigen Refomirten meiſt wohlhaben - de und zum Theil reiche Leute ſind ſo kuͤndigt auch das Aeußere der Zuhoͤrer an, daß man ſich zugleich in guter Geſellſchaft befinde.

Unter den Gebaͤuden, die weder Pallaͤſte noch Kirchen ſind, ſondern von den Klaſſen, die nicht zum Adel und zur Geiſtlichkeit, aber auch nicht zum Poͤbel gehoͤren, bewohnt, wenn auch nicht beſeſſen, werden, ſind viele ſehr aus - gezeichnet, ſowohl durch Umfang, als durch Sauberkeit, Bequemlichkeit und Geſchmack in der Bauart. Die meiſten dieſer Art findet man in der Krakauer Vorſtadt beyſammen;H114auf der Leſche, in der Senatoren - und Koͤnigs - Straße findet man ſie einzeln. Kaufleute, Facienden-Macher und Advokaten koͤnnen ſich, wie ſchon oben erwaͤhnt, unter allen uͤbrigen Bewohnern von Warſchau, noch Haͤuſer bauen oder kaufen, und einige der anſehnlichern ge - hoͤren ihnen auch; aber faſt alle uͤbrige werden von Konventen, Kirchen, Kloͤſtern, Adelichen und Wechſlern beſeſſen, die ſie bauen laſſen, um ihre Gelder unterzubringen und auf gute Zinſen anzulegen. Sie verſorgen ſonach den ganzen Reſt der Einwohner mit Miethen, aber in der That um keinen wohlfeilen Preis. Die - ſer Artikel iſt hier theurer, als in Wien, wo er doch in Deutſchland am theuerſten iſt, und, in Reichstagszeiten, mag in dieſem Punkt Warſchau leicht unmittelbar nach London die Stelle einnehmen. Weiter unten werde ich ei - nige Angaben hieruͤber mittheilen.

Oeffentliche Plaͤtze ſind in Warſchau entweder gar nicht, oder man nennt die vor - handenen nur aus Misbrauch ſo; denn kei -115 ner iſt eigentlich dazu beſtimmt und als ſolcher verziert. Des Platzes vor der Schatzkom - miſſion habe ich ſchon oben erwaͤhnt, hier ſetze ich noch hinzu, daß er weder erhoͤhet noch gepflaſtert iſt, und wechſelsweiſe in tiefen Staub aufgeloͤſ't und in Koth ſchwimmend erſcheint.

Zwiſchen der Altſtadt und der Krakauer Vorſtadt iſt noch ein Platz, den man ſo nen - nen koͤnnte, der aber doch nur der obere Theil einer Straße iſt. Jn ſeiner Mitte ſteht die vergoldete Statue Koͤnig Siegmunds des drit - ten, auf einer 23 Schuh hohen Saͤule von Marmor; eine Hoͤhe, die mit der Groͤße der Statue gar kein Verhaͤltniß hat, welche auch auf dieſem Standpunkte faſt verſchwindet.

Fuͤr einen dritten Platz koͤnnte man den rechnen, der beym Ausgange des Saͤchſiſchen Gartens anhebt und ſich bis faſt an die Ka - ſernen der reitenden Leibwache hinzieht, wenn er nicht ſo abſcheulich ſchmutzig und armſelig waͤre. Er iſt zugleich eine Art von Markt,H 2116wo man Getreide, Heu, und die gemeinſten Lebensmittel und andere Beduͤrfniſſe feil hat, theils in fliegenden, theils in ſtehenden, ver - fallenden Buden, deren einige zugleich liederliche Loͤcher, und fuͤr die Brutalitaͤt der niedrigſten Klaſſen beſtimmt ſind. Wenn es eine Weile geregnet hat, ſo bleibt man auf dieſem Platze mit Pferden und Wagen ſtecken.

Ein vierter Platz iſt vor dem Kloſter der erwaͤhnten barmherzigen Schweſtern. Er iſt eigentlich nur ein Theil der Krakauer Stra - ße, und man hat darauf Heu und Hafer, auch Mehl feil.

Ein fuͤnfter Platz koͤnnte der Raum zwi - ſchen den Pallaͤſten des Feldherrn Oginski und des Fuͤrſten Adam Czartorysky ſeyn; aber auch dieſer hat keines der Erforderniſſe, die zu einem oͤffentlichen Platze gehoͤren.

Die Hoͤfe des Kadettenhauſes und des Saͤchſiſchen Pallaſtes gehoͤren nicht hieher.

Die Altſtadt beſitzt einen ſogenannten Ring, oder Marktplatz, der an ſich ſchon117 klein iſt, aber durch das Rathaus, das in ſeiner Mitte ſteht, vollends ganz verengt wird. Er iſt zu jeder Tageszeit der lebhafteſte Fleck in Warſchau.

Sonſt iſt in der ganzen Strecke von War - ſchau, die ſich, unter dem Namen von Vor - ſtaͤdten, um die Altſtadt herumzieht, kein ei - gentlicher Marktplatz, wo man die Waaren und Beduͤrfniſſe bey einander faͤnde, die man taͤglich braucht; alles ſteht an den Seiten der einzelnen, lebhaftern Straßen in Buden, auf Tiſchen, in Koͤrben ꝛc. zerſtreut zu Kaufe. Vor der Kreuzkirche hat man friſche und geſalzene Fiſche aller Art, Obſt, Brot, Huͤlſenfruͤchte, auch Fleiſch, Suppe, Gemuͤſe, Wuͤrſte u. ſ.w. in ewig dampfenden Pfannen feil; am Ein - gange in die Altſtadt, von der Krakauer Vor - ſtadt her, bietet man Citronen, Pomeranzen, Apfelſinen und andre beſſere Obſtarten feil; in der Gegend zwiſchen der Altſtadt und Neu - ſtadt kocht und bratet man ebenfalls auf der Straße, und bewirthet ſeine Gaͤſte ohne Tel -118 ler, ohne Meſſer und Gabel, indem man ſie ihren Fingern und Zaͤhnen uͤberlaͤßt; hier ſte - hen auch diejenigen Kaufleute, die man in Wien Greisler nennt, und die trockne Huͤl - ſenfruͤchte, Salz, Kaͤſe, Butter, Eyer u. dergl. unter freyem Himmel feil haben; an beyden Seiten der daran ſtoßenden Langgaſſe bieten Obſthoͤcker und Troͤdler (die hier auch alte Buͤcher und Kupferſtiche in ihr Gebiet gezo - gen haben) ihre Waaren feil; weiterhin, vor Tlomacki vorbey, geht der Bezirk der Ju - denſchaft an, und man weiß, daß dieſe mit allem handeln, was alt iſt; hier aber hat ſie, waͤhrend des Reichstages, die Erlaubniß, auch mit neuen Waaren in offenen Gewoͤlben zu handeln, und man findet einen Theil der Se - natorenſtraße ganz mit dergleichen beſetzt. Jn dieſen haben ſie beſonders Pelzwerk, Leinwand, Baumwollen-Seiden-Wollen-Waaren u.v.a. feil, und ihre Laden ſind gewoͤhnlich mit Kaͤu - fern angefuͤllt.

119

Warſchau hat uͤbrigens wenig oder gar keine Manufakturen und Fabriken, welche Volks - menge und Wohlſtand, mithin den Anbau der Stadt, befoͤrdern koͤnnten. Dafuͤr hat ſie aber etwas anderes, das zu ihrem beſſern Ausbau kraͤftig wirkt: dies ſind die Reichstage, die Reichskollegien und die Vergnuͤgungen einer wohlhabenden und uͤppigen Hauptſtadt.

Wer von den Mitgliedern des erſtern kein Eigenthum in Warſchau beſitzt, verlangt we - nigſtens eine bequeme, gemiethete Wohnung; und wenn die Reichsboten noch vor funfzig Jahren oft mit einer Dachſtube vorlieb nah - men, ſo verlangen ihre Enkel mehrentheils ſchon einen ganzen Stock, nebſt Stallung und Schuppen. Die Verheyratheten unter ihnen brauchen noch mehr Platz, weil ihre Gemah - linnen ihnen nach Warſchau folgen und Raum fuͤr ihren Putztiſch und ihre Liebhaber ſehr noͤthig haben. Die Reichskollegien beſchaͤftigen eine Menge Koͤpfe und Haͤnde, und da die obern Stellen in denſelben meiſt immer mit120 Maͤnnern von glaͤnzender Abkunft beſetzt wer - den, die zugleich gut beſoldet ſind und die mit - hin reichlich zum geſellſchaftlichen Genuß und Luxus beytragen koͤnnen: ſo brauchen auch dieſe ein angemeſſenes Lokale fuͤr ihre haͤusliche Exi - ſtenz, die ſich mit jeder neu erſtiegenen Stufe weiter auszudehnen pflegt.

Daß Warſchau eine wohlhabende uͤppige Hauptſtadt ſey, wird weiter unten aus weit - laͤuftigern Bemerkungen hervorgehen; jetzt nur ſo viel: daß Reichthum, Ehrgeitz, Prunk-Ge - winn-und Liebe-Sucht hier ſehr mannigfalti - gen Genuß finden, ſich deßhalb aus den ent - fernteſten Gegenden von Polen hieher ziehen und ſich Buͤhnen bauen, wenn ſie keine finden.

Dieſe und andre Umſtaͤnde, die ſich, im Laufe dieſer Beobachtungen, von ſelbſt darbie - ten werden, bewirken es, daß Warſchau mit jedem Jahre an Haͤuſern gewinnt und mithin auch an Einwohnern, und daß deßhalb die Bauſtellen immer theurer werden. Dieſer121 Fortſchritt im Anbau, wird in einigen Vor - ſtaͤdten, z. B. der Leſche und der neuen Welt ſehr ſichtbar, wo ein neues Haus neben dem andern, nach modernen Geſchmack er - bauet, uͤber die kleinern hervorgeht und dieſe verdraͤngt. So koͤnnte es wohl ſeyn, daß War - ſchau, in einem Zeitraume von funfzig Jah - ren, theilweiſe, eine der ſchoͤnſten Staͤdte in Europa wuͤrde. Ein Koͤnig, der ſo viel Hang zum Bauen und ſoviel Geſchmack und Frey - gebigkeit dabey beweiſ't, wie der jetzige, duͤrfte dieſem nur folgen, ſo wuͤrde ſich ſeine Haupt - ſtadt bald uͤber die morſchen, bemoosten Huͤt - ten, die ſie noch verunſtalten, hinausſchwin - gen. Jn dieſem Falle wuͤrde Warſchau, wo nicht eine regelmaͤßige, doch eine glaͤnzende und geſchmackvolle Stadt werden*)Anmerk. Man vergeſſe nicht, daß ſeit dem Jahre 1793 viel Umſtaͤnde eingetreten ſind, die dieſe Be - merkungen, wo nicht ganz aufheben, doch ſehr ei[n -]ſchraͤnken.

122

Das Menſchen-Gewimmel in War - ſchau hat ſeine Eigenheiten, durch die es ſich von dem in andern großen europaͤiſchen Staͤd - ten unterſcheidet. Schon die zwiefache Art der Tracht macht es bunt, und eine dritte, aus beyden gemiſchte, noch bunter. Von dem gemeinen bis zum Mittelmann polniſcher Ab - kunft, geht noch alles in der bekannten Natio - nalkleidung; was nicht von polniſcher Abkunft iſt, zeigt ſich in der gewoͤhnlichen franzoͤſiſchen, hier die deutſche genannt. Jene Klaſſe geht in langen Unterroͤcken und hat eine Jacke daruͤber, ſo daß ihre Tracht Aehnliches mit der weiblichen hat. Die beliebte polniſche, eckigte, mit Pelz verbraͤmte Muͤtze, iſt ihre Kopfbe - deckung, im Sommer wie im Winter, der Zwickelbart ihr Abzeichen vor den Deutſchen. Was ſich von dem Mittelmann in deutſcher Tracht ſehen laͤßt, hat dieſe noch nach ihrem altmodiſchen Schnitte: lange Taillen, kurze Schoͤße, große flache Metallknoͤpfe. Die vor - hin erwaͤhnte Mitteltracht iſt aus polniſcher123 und deutſcher zuſammen geſetzt und faͤllt dem Auge als ſehr wunderlich auf. Stiefeln von rothem oder gelbem Saffian werden zu einem Frack; dieſer zu einer polniſchen Muͤtze und dieſe zu einem Haarzopfe und geſteckten Locken getragen; ſo wie man oft ein bis zum Wirbel abgeſchornes Haar und einen Zwickelbart zu einem runden oder eckigten Hute, und einen langen, weiten polniſchen Oberrock, zu Schuh und Struͤmpfen tragen ſieht. Die weibliche Tracht der niedern Klaſſen iſt ungefaͤhr ſo, wie man ſie uͤberall in den großen Europaͤi - ſchen Staͤdten findet, nur daß hier unter der - ſelben, zu Winterszeiten, der kurze polniſche Pelz, mit langen herabhangenden Aermeln, der ſich nur noch bey den altmodiſchen Einwohne - rinnen einiger niederdeutſchen Staͤdte findet, durchaus gaͤng und gaͤbe iſt. Die Bettler und Armen zeigen ſich hier in eine weit groͤßere Umgebung von Lumpen gekleidet, als anders - wo, weil die lange polniſche Tracht ihrer mehr erfordert, als die kurze deutſche. Nimmt man124 zu ſolch einem ſchwebenden, tauſendfach an - in - und durch - einander geflickten Lumpentalar, nun noch einen langen ſchwarzen Bart, eine uͤberall gelb heraus dringende Haut, ein ſchwar - zes Bein ohne Hoſen und Struͤmpfe: ſo kann man ſich ungefaͤhr die Abentheuerlichkeit des Anblicks vorbilden, den mehrere Menſchen die - ſer Art, auf Einem Haufen geſehen, darbieten muͤſſen, und der wohl nur durch den Aufzug der Bettler in Bologna, Rom und Neapel uͤbertroffen werden duͤrfte.

Unmittelbar uͤber dieſer Klaſſe ſtehen, ih - rem Aeußern nach, die Juden. Da ſie an Polen eine Art von Vaterland wieder gefun - den haben, ſo ſieht man ihrer auch in War - ſchau eine große Menge, und ſie wohnen hier theils einzeln in den entlegenern Gegenden der Stadt, theils in eigenen Gehoͤften. Die Tracht der Maͤnner iſt des Sommers der bekannte lange, ſchwarze Talar, der, je nachdem ſein Beſitzer reich oder arm iſt, weniger ſchmutzig und zerriſſen um ihn herum haͤngt. Jm Win -125 ter tragen ſie die bekannten weiten polniſchen ſchwarzen Pelze, mit Fuchs aufgeſchlagen. Die Weiber erſcheinen mit breiten Treſſen auf Miedern und Waͤmſern und tragen vor der Bruſt einen breiten, eben ſo verzierten Latz, der locker auf derſelben bauſcht und ſich unter eine Schuͤrze und einen Rock verliert, die hoch uͤber den Nabel herauftreten und ihnen das Anſehen geben, als ob ihre ganze Figur bloß aus Kopf und dem entgegengeſetzten Theile beſtaͤnde. Doch verbeſſern ſie im Winter die - ſen unangenehmen Anblick durch einen langen Leibpelz und im Sommer durch ein Oberkleid von aͤhnlichem Schnitte.

Die bisher bezeichneten Menſchenarten fin - den ſich am haͤufigſten auf den Straßen von Warſchau, und unter ſie gemiſcht erſcheinen Moͤnche, Soldaten und Bediente, die theils durch die Abentheuerlichkeit, theils durch das Bunte ihrer Trachten, die Abwechslung ver - mehren. An dieſe ſchließen ſich ſchon die wohl - habendern Klaſſen, die es noch nicht unter126 ihrer Wuͤrde halten, zu Fuße zu gehen, und ſich ſchon ſorgfaͤltiger und beſſer gekleidet zeigen.

Sodann koͤmmt das Publikum zu Pferde und zu Wagen; und dieſes iſt, beſonders zur Reichstagszeit, ſo glaͤnzend, als man es in irgend einer andern großen europaͤiſchen Stadt fin - den kann. Vom wohlhabenden Kaufmann an geht ſchon niemand mehr zu Fuße, am wenig - ſten die Frauenzimmer, das Wetter muͤßte denn ſehr ſchoͤn, der Weg ſehr kurz und das Pflaſter ſehr reinlich ſeyn. Daher koͤmmt es, daß man faſt in keiner europaͤiſchen Stadt ſo - viel Wagen in Bewegung ſieht, als in War - ſchau, und daß man, ohne Uebertreibung, an - nehmen kann: man ſehe an einem einigen Ta - ge, wo eine Reichstagsſitzung oder ein großer Ball iſt, mehr Wagen in Warſchau, als man binnen vier Wochen z. B. in Berlin, zu ſehen bekommen kann.

Eben ſo iſt es mit den Reitern. Man kann annehmen, daß jedes Haus oder jeder127 Privatmann, der einen Wagen haͤlt, zugleich ein Reitpferd halte. So koͤmmt es, daß man auf den Straßen beynahe ſo viel Reitende als Fahrende findet. Nimmt man dazu, daß je - der Reiter von einigem Vermoͤgen oder Kre - dit, nicht ohne einen, oder zwey Reitknechte im Gefolge, erſcheint, ſo kann man ermeſſen, wie dadurch das Geraͤuſch auf den Straßen vermehrt wird.

Unſtreitig ſind Paris, London, Neapel und Wien die laͤrmendſten Staͤdte in Europa. Jch bin ſehr verſucht, Warſchau gleich nach ihnen zu nennen. Einige Theile dieſer Stadt wett - eifern ſchon mit den vorhingenannten. Die Altſtadt, die Neuſtadt, die Krakauer Vorſtadt und alle naͤher daran gelegene Straßen, hal - ten faſt die Vergleichung aus, wenn auch die entlegenern Theile der Stadt, aus oben ange - zeigten Gruͤnden, nicht den Schatten davon darbieten.

Die Bevoͤlkerung von Warſchau iſt aber doch dem Umfange der Stadt bey weitem128 nicht angemeſſen. So ſehr ſie auch, waͤhrend der Dauer des Konſtitutionsreichstages, an Menſchen gewonnen hat: (denn der fuͤnfjaͤh - rige Aufenthalt der wohlhabendſten Edelleute aus ganz Polen, als Reichsboten, innerhalb ihrer Mauern, großentheils mit ihrer ganzen Familie, eroͤffnete und verſtaͤrkte eine Menge von Nahrungszweigen) ſo wird die Anzahl derſelben doch kaum 100,000 uͤberſtiegen ha - ben; und jetzt, da ich dies ſchreibe (im May 1793) muß die Entfernung der groͤßeſten und zahlreichſten Familien vom Adel; die Auswan - derung mancher Gewerbe, die mit ihnen kom - men und gehen, bluͤhen und verdorren, weil ſie bloß fuͤr Luxus und Wohlleben arbeiten; die Zerſtreuung der ehedem ſtaͤrkern Beſatzung in die Provinzen; der Zuruͤckzug der Fremden, die waͤhrend des Reichstages haͤufig hier an - kamen, theils, um der verſuchten Wiedergeburt der polniſchen Nation zuzuſehen, theils, um des damals hoͤchſt angenehmen geſellſchaftlichen Lebens zu genießen; der Sturz der hieſigen129 großen Wechſelhaͤuſer, der mehrere Familien ſo herunterbrachte, daß ſie ſich von Warſchau weg, auf das Land zuruͤckziehen mußten, wo ſie wirthſchaftliche Einſchraͤnkungen machen konnten: alle dieſe verſchiedenen Auswanderun - gen muͤſſen die jetzige Volksmenge der Stadt um mehrere Tauſende verringert haben, ſo wie dadurch das Getuͤmmel auf den Straßen, und Handel und Verkehr augenſcheinlich ge - ſchwaͤcht worden ſind*)Es iſt natuͤrlich, daß die nachher folgenden Auf - tritte, vom May 1793 bis in den September 1794, die Volkszahl in Warſchau und den Wohlſtand noch merklicher vermindert haben muͤſſen. Man vergleiche uͤbrigens Verl. Mon. Schr. l. c. S. 557.

Der Nahrungserwerb der arbeitenden Klaſſen in Warſchau, vom Kaufmann bis zum Handwerker der geringſten Gattung, war faſt ausſchließend auf das Beduͤrfniß und die Ver - ſchwendung der Großen, und uͤberhaupt auf den Vertrieb innerhalb der Mauern der Stadt, gebauet. Fuͤr das Ausland arbeitete und ver -J130kehrte hier faſt niemand, und fuͤr die polniſchen Provinzen ſelbſt, nur wenige. Was der Adel auf ſeinen Guͤtern an Waaren fuͤr Pracht und Bequemlichkeit brauchte, ließ er, wenn er nicht zu entfernt wohnte, (und man weiß, daß, bey der Weitlaͤuftigkeit des Landes, viele Familien 100, 150, 200 Meilen weit von Warſchau leb - ten) allerdings aus der Hauptſtadt kommen; aber ſie waren nicht in dieſer Stadt verfer - tigt, ſondern kamen aus Deutſchland, Frank - reich, England; mithin zogen nur die Kauf - leute den Kraͤmergewinn, und der groͤßern Zahl der Handwerker kam nichts davon zu Gute. Daher blieb dieſe Gattung der Einwohner immer ziemlich arm, und es waren ungefaͤhr die Wagenbauer, die Schmiedte, Sattler, Tiſchler, Maurer, Zimmerleute, Schneider, Schuſter, Peruͤckenmacher, und wenige andre, die fuͤr ganz unentbehrliche, taͤgliche Beduͤrf - niſſe arbeiteten, welche einiger Wohlhabenheit genoſſen. Aber ſelbſt in das Arbeitsgebiet ei - niger von dieſen, griffen die Kaufleute ein, be -131 ſonders vier der Vornehmern, Prot Po - tocki, Roͤßler, Jarſchewitz und Ham - pla, die ſehr weitlaͤuftige und hoͤchſt glaͤnzende Gewoͤlbe von engliſchen und franzoͤſiſchen Waa - ren hielten, worin ſie Wagen und Zahnſtocher, ganze Hauseinrichtungen und Brieftaſchen, Kronleuchter und Augenglaͤſer, Kuͤchenbatterien und Naͤhnadeln, ganze Pferdegeſchirre und Uhrketten, Tuͤcher, Muſſeline, Stiefelſchaͤfte, Schuhſohlen, Siegellack, Briefpapier und eng - liſche Biere verkauften. Was von gutem Ton ſeyn wollte, nahm ſeinen Bedarf aus dieſen Gewoͤlben, deren Beſitzer zu einem unglaub - lich uͤberſetzten Preiſe verkauften; waͤhrend der einheimiſche Kuͤnſtler und Handwerksmann, ſelbſt der geſchickteſte, keine Nahrung und Er - munterung fanden.

Eine Ausnahme davon machte der Unter - nehmer einer Wagenfabrik*)Vergl. Verl. M. S. J. c. S. 595., Namens Dan - gel, der eine große Menge einheimiſcherJ 2132Haͤnde beſchaͤftigte. Er vereinigte in ſeinem großen Hauſe und Gehoͤfte, auf der Senato - renſtraße, alle Kuͤnſtler und Handwerker, die er zur Hervorbringung ſeiner Waaren brauch - te: Stellmacher, Schmiedte, Sattler, Lakierer, Bandmacher, Anſtreicher, Guͤrtler, Schloſſer ꝛc. die alle einander in die Hand arbeiteten und, bey ihrer betraͤchtlichen Anzahl, in unglaublich kurzer Zeit, beſtellte Wagen zu Stande brach - ten, im Fall ein Liebhaber unter den ſchon fertigen, deren immer dreyßig bis vierzig da ſtanden, keinen nach ſeinem Geſchmacke oder Beduͤrfniſſe fand. Der neueſte Geſchmack in Form und Verzierungen, der moͤglichſte Wech - ſel in der Beſtimmung der Wagen, ließen den Kaͤufer ſelten unbefriedigt. Der Unternehmer erhielt aus London, in Zeichnungen, alles was an neuen Verfeinerungen und Bequemlichkei - ten erfunden wurde und fuͤhrte es in ſeiner Fabrik aus; freylich erhielt er eine Menge noͤthiger Materialien eben daher, die er mit ſeinen Leuten entweder gar nicht, oder nicht133 in der Guͤte, hervorbringen konnte; aber den groͤßeſten Theil verfertigte er doch ſelbſt. Seine Preiſe waren zwar wenig geringer, als die engliſchen, da man aber ſeine Waaren bey der Hand hatte, da mancher Große bey ihm Kre - dit haben konnte: ſo zog man es allerdings vor, ſich von ihm verſorgen zu laſſen, und er hat ein anſehnliches Vermoͤgen dabey erwor - ben. Jn Deutſchland iſt keine Anlage von dieſem Umfange vorhanden, und ſelbſt die Kaufmanniſche Wagenfabrik in Wien, iſt, mit ihr verglichen, ſehr unbedeutend, obgleich ihre Arbeiten geſchmackvoll und dauerhauft, und ihre Preiſe faſt um ein Drittheil geringer ſind.

Warſchau hat alſo, dieſe Fabrik und andre ganz unbedeutende ausgenommen, kein thaͤti - ges Verkehr*)Vergl. Berl. Mon. Schr. J. c. S. 593 fg., ſondern nur ein leidendes, das ſich auf die unbedeutendſten Kleinigkeiten er - ſtreckt, und deſſen Ausfall nur durch die Ver - ſchwendungen großer und reicher Familien, die134 dort leben, durch den Hof, durch die Staats - beamten, den Soldatenſtand und den Ueber - ſchuß, den die handelnde oder vielmehr die kraͤmernde Klaſſe hat, gedeckt werden kann. Man ſieht, woraus denn endlich dieſe Deckung hervorgeht, und was der eigentliche Erhal - tungsſchatz von Warſchau, ſo wie von ganz Polen, iſt. Allerdings iſt es der Landbau, die Viehzucht und der Holzverkauf, deren Ertrag die Hauptſtadt großentheils bedarf, um nicht zur Bettlerin zu werden. Auch wird er ihr durch Beduͤrfniß und Verſchwendung, durch Rechtshaͤndel und Staatspflichten zugefuͤhrt, und ſie giebt dafuͤr ihre engliſche Wagen, ih - ren Wein, ihre Pomade, ihre franzoͤſiſchen Geiſter, ihre Maͤdchen (denn auch Bettgenoſ - ſinnen verſchreibt ſich oft der Landadel von hier) ihre Ordensbaͤnder, ihre Titel, aber auch ihre Hauslehrer, ihre wiſſenſchaftliche Ausbil - dung und endlich ihre Rechtsſpruͤche und, ſo gut es ſich thun laͤßt, auch Staatsſchutz und Sicherheit des Eigenthums und der Perſonen.

135

Jn einer Stadt, deren Nahrungszweige die angezeigten ſind, deren Erhaltung nicht aus inlaͤndiſchem Fleiße hervorgeht, und deren Zeh - rer nicht mit vaterlaͤndiſchen Erzeugniſſen zu - frieden ſind, kann es nicht anders, als theuer ſeyn. Jn der That ſind es hier ſelbſt die er - ſten Beduͤrfniſſe, die der Aermſte nicht entbeh - ren kann, und die er ſo hoch bezahlen muß, als der Reichſte. Brot, Fleiſch, Salz, Holz, Bier, Licht und Wohnung gehoͤren dahin.

Ein Land, das andre Provinzen mit Brot ſo reichlich verſieht, ſollte es ſeinen Kindern faſt umſonſt geben koͤnnen; aber grade das Gegen - theil: es giebt es ihnen ſo theuer, oft theurer, als jenen. Jn den unfruchtbarſten Laͤndern der Preußiſchen Monarchie iſt das Brot groͤ - ßer und beſſer, als hier in dem Mittelpunkte ſehr fruchtbarer Gegenden. Die Urſachen fal - len in die Augen. Es iſt Mangel an Aufſicht uͤber die geſammte Ausfuhr, uͤber einzelne Kornwucherer und uͤber die Baͤcker.

136

Die Guͤterbeſitzer fuͤhren ſo lange aus, als ſie ein Korn, uͤber ihr eigenes Beduͤrfniß, be - ſitzen; die eine Provinz fragt nicht, ob die an - dere Mangel daran hat, oder nicht. So lange der Fremde nur einen Gulden auf dem Mal - ter mehr giebt, als der Einheimiſche, ſo lange bekoͤmmt er alles, was vorraͤthig iſt. Riga, Libau, Memel, Danzig koͤnnen einer Theu - rung in Suͤden abhelfen, und der polniſche Adel wird ſich dadurch freywillig in ſeinem eignen Lande eine verurſachen; Schleſien, Gallizien, Weſt - und Oſtpreußen ſind eben deßhalb vor jeder betraͤchtlichen Theurung ſicher.

Hat ſich Polen, oder vielmehr derjenige Theil des Landes, der einem ſchiffbaren Fluſſe, oder den gedachten Staͤdten und Laͤndern am naͤchſten liegt, erſchoͤpft: ſo tritt das Geſchaͤfte des Kornwucherers ein. Er kauft in denjeni - gen Gegenden, denen die Gelegenheit zu Ver - trieb mangelt, das Getreide um einen ſehr ge - ringen Preis auf und, die Koſten einer noch137 ſo weiten Anfuhr angeſchlagen, koͤmmt es ihm kaum ſo hoch, als es in den verſchließfaͤhigen Provinzen gewoͤhnlich zu ſtehen koͤmmt, ehe ſie ſich durch ungemeſſene Ausfuhr entbloͤßt haben. Er beſtimmt alſo nach Gutduͤnken den Preis, und man muß es ihm noch danken, daß er uͤberhaupt Getreide angeſchaft hat. Oft genug muͤſſen ſelbſt leichtſinnige oder be - duͤrftige Guͤterbeſitzer ihr Saatkorn von dieſen Leuten kaufen.

Die Aernte der Baͤcker*)Vergl. Berl. Mon. Schr. J. c. S. 596. und anderer Ge - werbe, die Getreide verarbeiten, z. B. die Bierbrauer und Brandweinbrenner, iſt die Theurung. Unter dem Vorwande derſelben entgehen ſie der ſtrengern Aufſicht der Poli - zey und dem Mißvergnuͤgen der Einwohner; und ungeſtraft machen ſie das Brot noch ſchlechter, als es noͤthig waͤre, um das ihrige daran zu gewinnen; oft ſogar geben ſie das Brot noch klein, wenn ſchon kein Mangel an Getreide mehr iſt. Allerdings haben die Baͤcker138 in Warſchau gewiſſe Vorſchriften uͤber Groͤße und Gewicht des Brotes; aber wann ſind ſie gegeben? Wann werden ſie erneuert? Wann werden ſie nach dem niedrigern oder hoͤhern Preiſe des Getreides beſtimmt? Und wenn das alles waͤre, wer wacht uͤber ihre Beobach - tung, der nicht beſtechbar waͤre? Der Baͤcker backt alſo nach Gutduͤnken und nach dem Maß - ſtabe, den ſeine eigenen Beduͤrfniſſe zum Leben und zum Wohlleben ihm zu erfordern ſcheinen.

Uebrigens ſind die meiſten Baͤcker in War - ſchau und den uͤbrigen polniſchen Staͤdten, Deutſche, und daher kommt es, daß Materie und Geſtalt des Brotes in Polen, nicht wie in andern Laͤndern, etwas eigenthuͤmliches ha - ben, ſo wie z. B. Paris ſein lockeres, durch - loͤchertes Brot in Geſtalt großer Ringe; Pie - mont das ſeinige, faſt ohne Krume, in Knit - teln; die Lombardie ihr geſottenes in Knollen und Sternen, und Genua ſein graues, ſan - diges, in Schmetterlingsgeſtalt zu backen pflegt.

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Die obigen Angaben erlaͤutern auch, warum Fleiſch, Butter, Licht und Leder, bey einer ſtarken Zucht ſchoͤnes Viehes; Holz, bey den unermeßlichen Waldungen; und Salz, bey der ſtarken Zufuhr aus Preußen und Gallizien, in Warſchau unverhaͤltnißmaͤßig theuer ſind. Aber bald muͤſſen dieſe Artikel noch theurer werden. Vor der neuerlichen Theilung, zog Warſchau eine große Menge Schlachtvieh aus Großpolen, dem jetzigen Suͤdpreußen, oder aus der Ukraine, die noch reicher an vor - zuͤglichem Vieh iſt; jetzt iſt ſehr zu vermuthen, daß die beyden Maͤchte dieſe Waare entweder zum Beduͤrfniſſe ihrer aͤltern Provinzen ſelbſt verbrauchen, oder wenigſtens ſtarken Zoll auf deren Ausfuhr legen werden.

An Holz hat Polen, in den Theilen, die ihm uͤbrig geblieben ſind, im Ganzen genom - men, noch keinen Mangel; aber die weitlaͤuf - tigſten Waͤlder kann Warſchau, wegen der Entfernung, gar nicht benutzen, wie z. B. die Lithauiſchen. Die Fortſchaffung auf der Achſe140 iſt in Polen ſo armſelig beſtellt, daß man das Holz, ſelbſt aus den naͤhern Waldungen, nicht ohne ungewoͤhnliche Koſten herzufahren kann. Die Stadt erhaͤlt alſo ihr Beduͤrfniß auf der Weichſel von oben herab, aus Sendomir, Lublin, Chelm, Brsesz u. v. a. Orten, die ent - weder der Weichſel nahe liegen oder durch ei - nen Fluß mit ihr zuſammenhangen. Uebrigens bringt man das Holz nicht in Scheiten und Klaftern nach Warſchau, ſondern in ganzen Staͤmmen, die einzeln, nach ihrer Groͤße und Laͤnge, und nach der beſſern oder ſchlechtern Beſchaffenheit der Holzarten, verkauft wer - den. Um die Zeit, wo die Floͤße ankommen, liegen große Haufen von ſolchen Balken auf den Straßen von Warſchau herum, und der Fremde wird dadurch verleitet, zu glauben, daß in allen Theilen von Warſchau das Bau - holz zu neuen Pallaͤſten und Haͤuſern angefah - ren ſey. Aber es verſchwindet gegen den Win - ter, wo es kurz geſaͤgt, geſpalten und einge - fahren wird. Auf den Preis der Feurung in141 Warſchau koͤnnen uͤbrigens die Leſer aus der Angabe ſchließen, daß ich im Winter 1792, fuͤr eine Tracht Ellernholz, die ungefaͤhr zwey Kaminheitzungen gab, drey polniſche Gulden bezahlte. Dies war allerdings waͤhrend des Reichstags, und in keinem wohlfeilen Gaſthofe; aber man nehme an, daß dieſer Preis um die Haͤlfte ſtaͤrker geweſen ſey, als gewoͤhnlich, ſo iſt er doch verhaͤltnißmaͤßig ſehr hoch, und man kann die Noth der Armen im Winter, be - ſonders in einem ſtrengen, berechnen. Auch erfrieren ihrer genug.

Salz bekoͤmmt Warſchau großentheils aus Gallizien und aus Preußen, weil die pol - niſch gebliebenen Salzwerke nicht zulangen. Preußen haͤlt hier beſonders anſehnliche Nie - derlagen von feinem und weißem Salz und giebt es um einen feſtgeſetzten billigen Preis; da aber im Kleinen nichts daraus verkauft wird, ſo faͤllt der Arme den Salzhoͤkern in die Haͤnde, die kleines Gemaͤß geben und doch ei - nen unverhaͤltnißmaͤßigen Vortheil nehmen.

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Da Warſchau ungefaͤhr unter demſelben Himmelsſtriche liegt, wie Dresden, ſo ſind die Gegenden umher nicht arm an Obſt, doch kommen die beſſern Arten aus den entferntern, ſuͤdoͤſtlichen Provinzen, und dieſe ſind, der wei - tern Anfuhr wegen, ſehr theuer, aber auch vorzuͤglich gut. Melonen werden um War - ſchau gezogen, und in den Luftgaͤrten an der Stadt und in den entferntern Gegenden eine ziemliche Menge Citronen, Pomeranzen, Apfel - ſinen, die aber zum Verbrauch nicht hinrei - chen, ſondern, uͤber Danzig, aus Portugal und Spanien, noch ſehr haͤufig zugefuͤhrt wer - den. Die Gemuͤſe und uͤberhaupt alle gaͤrt - neriſche Erzeugniſſe ſind in Warſchau nicht ſchlecht, aber verhaͤltnißmaͤßig ſelten und mit - hin theuer.

Manufaktur - und Fabrik - Waaren, als Tuch, Seidenzeuge, Muſſeline ꝛc. bezieht War - ſchau aus England und Frankreich; Leinwand und geringere Zwirn - Baumwollen - und Wol - len - Waaren aus Schleſien und Sachſen;143 Stahl - Holz - Leder - Glas - und das ganze Heer der feinen Tand - und Luxus - Waaren, wie ich ſchon oben erwaͤhnt habe, mehr aus England, weniger aus Frankreich. Weine aller Art laͤßt es vorzuͤglich aus Frankreich und aus Ungarn kommen; obgleich es, wie man denken kann, an Rhein - und Spaniſchen Weinen der fein - ſten Gattungen, in den groͤßern Haͤuſern nicht fehlt. Faſt alle dieſe Dinge bekam die Stadt uͤber Danzig und kann ſie auch kuͤnftig an - derswoher nicht bekommen; aber die Koſten der Anfuhr werden, der vermuthlich noch an - zulegenden Zoͤlle und der Durchfuhr-Abgaben wegen, noch hoͤher ſteigen, als vorher; und die Warſchauer Kaufleute, die ohnehin gewohnt ſind, jeden neuen Zoll zwiefach auf die Waare zu ſchlagen, werden ſie kuͤnftig um einen faſt unerſchwinglichen Preis verkaufen. Uebrigens ſind auch die Gefaͤlle nicht geringe, die der Staat ſelbſt ſich fuͤr auslaͤndiſche Waaren be - zahlen laͤßt.

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Der Taback iſt ein Monopol, mithin ſchlecht und ſehr theuer.

Jch darf nicht vergeſſen, den Preis man - cher Dinge in Warſchau anzugeben, damit die Leſer vergleichen koͤnnen. Zuerſt die unentbehr - lichen. Ein Mittagseſſen an einer Wirths - tafel der geringern Klaſſe, das aus Suppe, Gemuͤſe, Braten und Zugabe beſteht, koſtete, im Winter 1792, drey polniſche Gulden; der beſſern Klaſſe, mit zwey Schuͤſſeln mehr, vier bis fuͤnf ſolcher Gulden; der beſten, mit ſechs bis acht Schuͤſſeln und Nachtiſch, ſechs bis zehn Gulden. Jetzt, da der Reichstag zer - ſtreuet iſt, ſind dieſe Tiſche nur um einen hal - ben oder ganzen Gulden wohlfeiler geworden. Der gemeinſte Mann, der in Speiſehaͤuſern ißt, kann es nicht unter einem bis anderthalb Gulden.

Ein gewoͤhnlicher rother Tiſchwein, Medoc oder Taveller, koſtete drey bis vier; der Bur - gunder, geringerer Gattung, ſieben; der Rhein - wein, von mittler Guͤte, acht; der ungariſche145 Tiſchwein, zwey bis vier; die beſſern Arten, von zehn, zwoͤlf, ſechzehn bis vier und zwanzig und dreyßig, und der Champagner zehn bis zwoͤlf polniſche Gulden.

Das engliſche Bier ſtand, weißes wie braunes, in dem Preiſe von drey bis vier, und das ſaͤchſiſche (ein ſehr angenehmes weißes Bier) die Flaſche von einem halben Gulden. Letzteres wird in einem Brauhauſe verfertigt, das Sachſen zugehoͤrt; die uͤbrigen Biere in Warſchau ſind kaum trinkbar, aber doch verhaͤltnißmaͤßig theuer. Der gemeine Mann behilft ſich abwechſelnd mit Waſſer und mit Branntwein.

Tuch und andere feinere und groͤbere Zeuge zur Bekleidung, ſtehen um 25 bis 50 vom Hun - dert hoͤher, als in den benachbarten Laͤndern; Lederwaaren eben ſo. Ein Paar Schuhe koſtet 10, 12 bis 16 Gulden, und ein Paar Stie - feln zwey, drey bis vier Dukaten.

Es iſt natuͤrlich, daß ſich nach dem Preiſe der obigen Dinge, der Preis der Hand - Dienſt -K146und Gefaͤlligkeits - Arbeiten richtet. Der ge - ringſte Tageloͤhner bekoͤmmt taͤglich zwey Gul - den; der Maurer, Zimmermann, vier; der Lohnbediente fuͤnf bis ſechs; der ſtehende Be - diente, ohne Koſt, ſechs Dukaten. Ein Gul - den iſt das wenigſte, was man fuͤr einen Gang, fuͤr eine Handreichung, geben kann, und da - nach muß man auch die Trinkgelder fuͤr Leute einrichten, von denen man in den Wirthshaͤu - ſern, oder an Wirthstafeln, bedient worden iſt. Die Neujahrsgeſchenke, die man den Bedien - ten ſolcher Haͤuſer giebt, in welchen man ge - geſſen, geſpielt oder ſollicitirt hat, koͤnnen nicht wohl unter einem Dukaten betragen. Selbſt die Bedienten des Koͤnigs kommen, wenn man Gehoͤr bey ihm gehabt hat, und kommen zum Neujahr wieder, beydemal vier Mann hoch. Zwey Dukaten ſind das wenigſte, was man ihnen anbieten kann.

Der Schneider nimmt fuͤr den Schnitt eines Fracks 12, einer Hoſe 6, einer Weſte 4 Gulden; der Peruͤckenmacher fuͤr die taͤgliche147 Beſorgung des Haares, drey bis vier Duka - ten monatlich; der Wagenhalter fuͤr einen Lohnwagen taͤglich einen Dukaten, wobey der Kutſcher noch zwey Gulden Trinkgeld bekom - men muß.

Dieſe Angaben werden hinreichen, um von dem Preiſe der Dinge in Warſchau einen Be - griff zu geben. Jm allgemeinen kann man annehmen, daß man in Preußen, Sachſen und Oeſterreich mit einem halben Dukaten ſo weit komme, als hier mit einem ganzen. Selbſt in unſerm theuern Riga leben wir um weniger Geld beſſer.

Bey dieſen ſchon an ſich betraͤchtlichen Prei - ſen, iſt keine Polizey vorhanden, die es ver - hinderte, ſie, nach Willkuͤhr, noch hoͤher zu treiben. Beſonders leiden Fremde hierunter, wenn ſie einem habſuͤchtigen Gaſtwirth, oder einem betruͤgeriſchen Lohnbedienten in die Haͤn - de fallen. Weil keine Polizeyvorſchriften da ſind, und weil ſie oft die Landesſprache nur wenig oder gar nicht verſtehen; ſo koͤnnen ſieK 2148auch keine Erkundigungen uͤber den billigern Anſchlag ihrer Wohnung und uͤbrigen Beduͤrf - niſſe einziehen; erfahren ſie ihn endlich, wenn ſie bekannter geworden ſind, ſo haben ſie ſchon einen groͤßern Betrag uͤber den gewoͤhnlichen Fuß ausgegeben, als ſie erſparen koͤnnen, wenn ſie fuͤr den Reſt ihres Aufenthalts ein ande - res Haus ſuchen. Auch ſetzt der erſte Haus - wirth, wenn er dieß merkt, ſeinen Preis ohne Schaam tiefer herunter, als ein anderer es kann, der den Gewinnſt des Ueberſetzens nicht gezogen hat. Kurz, man denke in Warſchau, daß man in Jtalien ſey, und man behandle alles genau vorher; man wird zwar auch be - trogen, aber weniger, als wenn man ſich (was man vielleicht nur noch in einigen Gegenden von Deutſchland wagen kann) der Billigkeit des Wirthes uͤberlaͤßt.

Es ſind in Warſchau nur wenig, und dar - unter nur drey oder vier gute, Gaſthoͤfe. Dieß koͤmmt daher, daß zu Reichstagszeiten faſt ganz Warſchau Ein Gaſthof iſt. Jn den149 Straßen, die von dem Schloſſe nicht zu weit entfernt ſind, kann man Wohnungen jeder Art haben, fuͤr einzelne Perſonen und fuͤr ganze Familien, ſelbſt fuͤr Fuͤrſtliche, die ein großes Haus machen wollen. Fuͤr dieſe giebt es ganze Pallaͤſte mit allem Zubehoͤr, deren Beſitzer entweder nicht nach Warſchau kommen, oder noch einen andern Pallaſt haben, oder noch unmuͤndig ſind. Die Miethen ſolcher kleinern oder groͤßern, beſcheidnern oder praͤchtigern, Wohnungen fuͤr Einzelne oder Mehrere koſten monatlich von fuͤnf bis hundert Dukaten und daruͤber. Jn den eigentlichen Gaſthoͤfen kom - men ſie verhaͤltnißmaͤßig noch hoͤher.

Der vorzuͤglichſte Gaſthof in Warſchau iſt der weiße Adler auf Tlomacki (Tlo - mazk). Dieß Tlomazk iſt ein geraͤumiger, ſehr ſauber unterhaltener, mit zwey anſehnli - chen Brunnen gezierter Hof, den fuͤnf bis ſechs ganz neue, weitlaͤuftige Gebaͤude und mehrere kleinere einſchließen. Er iſt erſt vor wenig Jahren, von dem Schwiegerſohne des150 Wechslers Tepper, Schultze, (der an ſich einen unerſaͤttlichen Baugeiſt hatte, uͤber ſech - zig ſchoͤne Haͤuſer in und außerhalb Warſchau, theils, vom Grunde aus auf -, theils ausbaue - te, und ſie dann vermiethete) in dieſer Geſtalt angelegt worden. Jn dem pallaſtmaͤßigen Ge - baͤude, das einem entgegen ſteht, wenn man, von der Zaluski'ſchen Bibliothek her, in dieſen Hof tritt, und welches einen weißen Adler fuͤhrt: hat ein Deutſcher, Namens Polz, eine Gaſt - und Speiſewirthſchaft angelegt, die ſich durch Geraͤumigkeit der Zimmer, durch ihre offene und heitere Lage, auch durch Reinlich - keit, aber eben nicht durch Wohlfeilheit, vor allen andern auszeichnet. Die Zimmer ſteigen von fuͤnf Dukaten monatlich, bis auf ſechzig; der Mittagstiſch koſtet von vier bis zu ſechzehn Gulden und daruͤber, je nachdem man an der Wirthstafel, oder auf dem Zimmer, buͤrgerli - cher oder vornehmer, eſſen will. Jn dieſem Gaſthofe koſteten mir, im Jahre 1792, drey Zimmer des Monats 15 Dukaten, und jetzt151 koſten mir zwey, woͤchentlich zwey Dukaten. Der Mittagstiſch, aus Suppe, Rindfleiſch, Gemuͤſe, Braten und Nachtiſch beſtehend, ko - ſtete 4, der Abendtiſch, mit einer Schuͤſſel weniger, 3 Gulden. Man hat hier auch Lohn - wagen fuͤr die Stadt, und Halbwagen fuͤr die umliegenden Gegenden, zu dem oben angege - benen Preiſe, bey der Hand. Die Aufwar - tung in dieſem Hauſe iſt gut; Moͤbel und Betten ꝛc. ſind ſauber. Der Wein iſt gut, obwohl, wie oben bemerkt, theuer; das Waſ - ſer ſo klar und wohlſchmeckend, wie wenige Brunnen in Warſchau es geben. Vor Ueber - lauf gegen Bettler und liederliches Geſindel iſt man hier ſicherer, als anderwaͤrts, weil an jedem der beyden Thore des Hofes, bey Tage und bey Nacht, Waͤchter ſtehen, die ein Auge auf verdaͤchtige Herumſtreicher haben. Auch des Nachts ſchlaͤft man hier ruhiger, weil, nach 10 Uhr, kein Fuhrwerk mehr uͤber den Hof darf; eine Wohlthat, deren man in den lebhaftern Theilen von Warſchau nicht genießt,152 wo bis drey Uhr des Morgens die Wagen rollen. Endlich iſt man noch bey ausbrechen - der Feuersgefahr ſicher, weil des Nachts ſechs Waͤchter wechſelsweiſe in dem Bezirke des Ho - fes herumgehen und die Stunden, durch eine Schnurre, angeben.

Das Hotel de Pologne auf der Senato - renſtraße, nicht weit vom weißen Adler, ſcheint ſich dieſen zum Muſter genommen zu haben. Der Wirth iſt ebenfalls ein Deutſcher, das Haus neu, der Preis des Tiſches ungefaͤhr derſelbe, nur daß man auf dem Zimmer eſſen muß. Die Wohnungen ſelbſt ſind kleiner, als im weißen Adler, und man kann auch einzelne Zimmer fuͤr einzelne Tage, auch nur fuͤr eine Nacht bekommen, worauf man ſich in jenem ungern einlaͤßt. Sonſt iſt die Lage dieſes Gaſt - hofes (faſt im Mittelpunkte der Stadt, nicht weit von dem Saͤchſiſchen und Kraſinski'ſchen Garten, von der Krakauer Vorſtadt, dem Schloſſe und der Poſt) nicht unangenehm; nur muß man ſich an das Geraͤuſch der Straße153 gewoͤhnen, die eine der lebhafteſten iſt, und das unreinliche Gewuͤhl der Juden nicht ach - ten, die hier herum ſehr zahlreich wohnen und verkehren.

Jn Mariavill (Mariendorf) einem ſehr weitlaͤuftigen Gebaͤude, das den Kanoniſ - ſinnen gehoͤrt, die ihren Namen davon haben, iſt beſtaͤndig eine Anzahl Zimmer fuͤr Fremde gaſthofsmaͤßig offen. Dieß Haus nimmt einen großen Theil der Senatorenſtraße und keinen geringern der Wiersbovska-Straße ein; iſt drey und vier Stock hoch, und umſchließt, in der Geſtalt eines verſchobenen Vierecks, einen groͤßern und einen kleinern Hof. Es iſt in der That eine der merkwuͤrdigſten Anlagen in Warſchau, theils ihres Umfangs, theils ihrer zahlreichen Bevoͤlkerung wegen. Nach der Straße Wiersbovska zu, ſieht der Fluͤgel, worin die Kanoniſſinnen ihre Wohnung haben. Er iſt mit hohen Fenſtern, und einem mit Saͤulen umfaßten Eingange verſehen, und un - terſcheidet ſich dadurch von den andern Fluͤ -154 geln, die buͤrgerlicher gebauet ſind. Sein Jn - neres iſt ſehr ſauber erhalten, und die Zimmer der Kanoniſſinnen ſind hell, geraͤumig, und zum Theil praͤchtig eingerichtet. Es ſind ihrer zehn an der Zahl und, ſo bequem und reich - lich ſie auch leben, brauchen ſie doch nur einen kleinen Theil der Einkuͤnfte, die ſie aus ihrem Hauſe und andern Grundſtuͤcken ziehen.

Dieß Haus iſt ganz in der Abſicht gebauet, die, wie ich oben angegeben habe, Kloͤſter, Konvente ꝛc. bewegt, ſolche Unternehmungen zu machen. Alles, was die Miethe bezahlen kann, wird eingenommen, ſogar zu vermie - thende Maͤdchen, wenn ſie den aͤußern Schein zu ſchonen wiſſen. Gaſt - und Speiſewirthe, Buchhaͤndler, Kuͤnſtler aller Art, Handwerker, Juden ꝛc. wohnen durch einander und die Frey - maurer haben eine Werkſtatt hier, die aller - dings fuͤr den Bau eines gewiſſen Tempels zu enge iſt, aber Platz genug fuͤr eine große Ta - fel von 150 Gedecken darbietet. Selten iſt in dem ganzen Umfange dieſer kleinen Stadt ein155 Zimmer unbeſetzt, weil hier die Miethen mit am wohlfeilſten in ganz Warſchau ſind; auch die Gewoͤlbe im Erdgeſchoſſe ſind verheuret und zwar meiſt an Juden. Jnnerhalb laufen Lauben um das ganze Gebaͤude her, und in der Mitte des Hofes ſteht eine artige Ka - pelle.

Ehedem waren die Gaſthoͤfe in Mariavill die einzigen in Warſchau, und deßhalb die beſten; und ſo mußte man ſich ihre Unbequem - lichkeiten wohl gefallen laſſen. Seitdem aber die obenerwaͤhnten eingerichtet worden, haben ſie ſehr verloren und ſind zu den gemeinſten herunter geſunken. Ein paar Mordthaten, die darin an Fremden geſchahen, ohne daß man die Thaͤter, die ſich unter dem beſtaͤndigen Ge - tuͤmmel des Hauſes leicht verloren, heraus - bringen konnte; Einbruͤche und Diebſtaͤhle, deren Ertrag ſogleich unten im Hauſe von den Juden an ſich genommen wurde, die ihn auf immer wegzuſchaffen wußten; Ueberlauf von liederlichem Geſindel; Schmutz auf den Gaͤn -156 gen und Treppen; ewiges Reiben an unflaͤthi - gen Judenkindern; der Umſtand, daß keine Schuppen fuͤr die Reiſewagen vorhanden ſind dieſe und viele andre Gefahren und Unbe - quemlichkeiten bewirken, daß man nur, wenn nirgends mehr Miethen zu haben ſind, Woh - nung in Mariavill ſucht; ſie aber, ſobald als moͤglich, mit einer andern vertauſcht und lie - ber einige Dukaten mehr ausgiebt, um Aengſt - lichkeit, Verluſt, Ekel und Geraͤuſch damit ab - zukaufen.

Jm Hotel d'Allemagne kann man auch Unterkunft finden; aber ſo gut auch das Aeu - ßere dieſes Hauſes in die Augen faͤllt, iſt es doch mehr fuͤr Fuhrleute, Handwerksburſche und andre unvermoͤgende Fremde.

Man erlaube mir immer, hier ein paar Worte uͤber die beyden Hauptſpitaͤler in War - ſchau zu ſagen, weil ſie doch auch eine Art oͤf - fentlicher Haͤuſer ſind, wo Fremde aufgenom - men und mit Wohnung und Lebensmitteln verſehen werden, aber freylich umſonſt;157 ein Woͤrtchen, das wohl den Unterſchied zwi - ſchen Wirthshaus und Hoſpital auf ewig be - gruͤnden duͤrfte.

Das anſehnlichſte Hoſpital in Warſchau iſt das Kind Jeſus, von dem jetzigen Koͤ - nige geſtiftet, der demſelben nicht nur ſelbſt eine, fuͤr ſeine Umſtaͤnde, betraͤchtliche Summe geſchenkt, ſondern auch Mitleid, Mode und Eitelkeit ſeiner Unterthanen in Bewegung ge - ſetzt hat, ein gleiches zu thun. Unter andern fließt eine Abgabe, die jeder Stanislausritter jaͤhrlich zu erlegen hat und die, wenn ich nicht irre, 8 Dukaten betraͤgt, dieſem Hauſe zu; aber eine Menge Ritter ſind dieſe Bey - traͤge ſeit Jahren ſchuldig und die Wahrſchein - lichkeit, daß ſie dieſelben abtragen werden, ver - ringert ſich mit jedem Jahre, weil die Sum - me mit jedem Jahre groͤßer wird. Zwangs - mittel dazu anzuwenden, ſcheint unanſtaͤndig, es iſt wahr, und die Wohlthaͤtigkeit waͤre ſehr wunderlich, die erzwungen werden muͤßte; aber ſo wie der Menſch einmal iſt, bin ich doch158 fuͤr die Maßregeln der monarchiſchen Staa - ten, die ſich auf das Gefuͤhl der Ehre wenig, auf die Moral noch weniger und auf die Theo - logie am allerwenigſten in ſolchen Faͤllen ver - laſſen. Man zwinge alſo immer die Ritter, die ruͤckſtaͤndig ſind, und man ſey ſicher, daß ſie ſich uͤber dieſen Zwang mehr aͤrgern, als ſchaͤmen werden.

Dies Hoſpital iſt nicht bloß fuͤr Findlinge (die uͤbrigens auf die gewoͤhnliche Weiſe dem Hauſe, mittelſt einer Drehe, zugebracht wer - den) allein beſtimmt, ſondern es ſind auch Betten und Stuben fuͤr andre Kranke und Nothleidende darin. Eine Anzahl der Kinder iſt einzeln auf dem Lande gegen Koſtgeld aus - gethan; eine andre wird in dem Hauſe ſelbſt ernaͤhrt und erzogen. Jch bin einige Saͤle durchgangen; aber ich bekenne, daß ich das Schnupftuch habe vor den Mund nehmen muͤſſen, ſo wenig ich mich ſonſt vor etwas zu ekeln pflege, was menſchlich iſt. Noch dazu war dies an einem Tage, wo man ſich große159 Muͤhe gegeben hatte, alles ſo aufzuputzen und zu luͤften, daß man Zuſchauer hereinlaſſen konnte: am Charfreytage, wo man, in der da - zu gehoͤrigen Kapelle, ein ſogenanntes heiliges Grab aufgeſtellt hatte.

Jch zeige unten ein Buch an, worin man naͤhere Nachrichten von dieſem Hauſe finden wird*)Chirurgiſch-Mediciniſche Abhandlungen ꝛc. von la Fontaine ꝛc. 1ſter Theil. Breslau, 1792..

Das Hoſpital St. Rochus bietet eben - falls Kranken und Nothleidenden Wohnung, Arzney und Unterhalt dar; aber auch dort fehlt es noch ſehr an Ordnung und Reinlichkeit, und beſonders an friſcher Luft. Der Kranken - haͤuſer bey den barmherzigen Bruͤdern und Schweſtern habe ich ſchon oben erwaͤhnt; nur dies ſetze ich noch hinzu, daß fuͤr ſolch eine große Stadt, die eine ſo zahlreiche Armuth hat, welche ſo elend lebt und wohnt, mithin haͤufigen Krankheiten unterworfen iſt, dieſer Einrichtungen zu wenige ſind.

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Der Konſtitutions-Reichstag richtete zwar auch auf dieſen Gegenſtand ſein Auge und beſchloß, noch einige andre Kranken-Verſor - gungs - und Arbeits-Haͤuſer anzulegen; aber dringendere Geſchaͤfte, die eben ſo ſehr ſeine Aufmerkſamkeit, als den oͤffentlichen Seckel verlangten, ſetzten dieſen Entwurf zuruͤck. Jn - deſſen kam doch ein Polizeygeſetz zu Stande, das ſehr weitlaͤuftig war, und das beſte und anwendbarſte aus den Pariſer, Wiener und Berliner Polizey-Einrichtungen enthielt. Meh - rere Punkte deſſelben wurden auch ſchon in Ausuͤbung gebracht. Die Bettler auf den Straßen von Warſchau wurden eingefangen; die Kranken, die Kruͤpel und Lahmen unter denſelben, wurden den verſchiedenen Kloͤſtern zur Verſorgung uͤbergeben; die Geſunden wur - den ebenfalls untergebracht und mit allerley Arbeiten beſchaͤftiget. Zur perſoͤnlichen Sicherheit der Einwohner wurden des Nachts, beſonders in den entferntern Straßen, Waͤchter aufgeſtellt, waͤhrend Streifwachen von161 der Reiterey alle Theile der Stadt durchrit - ten; eine Maßregel, die um ſo noͤthiger war, da die Stadt keine Straßenleuchten hatte und noch nicht hat. Die Haͤuſer wurden be - ziffert, und die Hauswirthe mußten von ihren Hausgenoſſen der Polizey Meldung thun. Dieſe und einige andere Einrichtungen waren wirklich ſchon im Jahre 1792 im Umſchwun - ge, aber jetzt ſind ſie, wie jene Konſtitution ſelbſt, verſchwunden und Warſchau iſt, wie vorher, ſich ſelbſt uͤberlaſſen. Die Bettler zei - gen ſich ſchon wieder haufenweiſe auf den Straßen und vor den Kirchen; die Waͤchter und Streifwachen ſind nicht mehr vorhanden, und die Regierung erfaͤhrt nichts mehr von den Fremden, die, auf laͤngere oder kuͤrzere Zeit, in Warſchau ſich verweilen. Der Man - gel an perſoͤnlicher Sicherheit ſtellte ſich mir, kurz vor Warſchau, durch ein graͤßliches Zei - chen dar. An einem Pfahle, der am Wege ſtand, hing das Viertheil von einem Menſchen, der, mit einem andern, einen Dritten auf derL162Bruͤcke ermordet hatte, um einige Dukaten, die dieſer bey ſich trug, zu erobern. Nach mei - ner Abreiſe ſind noch einige andre Mordtha - ten begangen worden.

About this transcription

TextReise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol
Author Friedrich Schulz
Extent186 images; 23060 tokens; 5550 types; 162612 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationReise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol Erster Theil, Erstes Heft Friedrich Schulz. . VI, 162S. ViewegBerlin1795.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Pv 4840-1<a> Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=155893785

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Reiseliteratur; Belletristik; Reiseliteratur; core; ready; mts

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