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Reiſe durch einen Theil von Europa, Afrikaund Aſien, hauptſaͤchlich in Japan, in den Jahren 1770 bis 1779.
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Erſter Band.
Berlinbey Haude und Spener. 1792.

Karl Peter ThunbergsReiſen. Erſten Bandes erſter Theil, welcher des Verfaſſers Reiſe von Stockholmnach dem Vorgebirge der guten Hoffnung, den erſten Aufenthalt zu Cap, die erſte Reiſe in das Innere des ſuͤdlichen Theils von Afrika, und den zweyten Aufenthalt zu Capenthaͤlt.

Vorrede des Verfaſſers.

Reiſebeſchreibungen giebt es bereits in ſolcher Menge, daß man Bibliotheken damit an - fuͤllen kann; mehrere hundert ſind ihre Zahl. Sie noch zu vermehren koͤnnte daher ſehr unnoͤthig ſchei - nen, wenn nicht viele von ihnen mehr eine Menge Papier, laͤcherliche und oft ungereimte Erzaͤhlun - gen, unbegreifliche Wunderdinge und unverſtaͤnd - liche oder verworrne Beſchreibungen von Thieren, Kraͤutern und andern Landesprodukten, als im Gegentheil nuͤtzliche und intereſſante Entdeckungen, zuverlaͤſſige Wahrheiten, bekannte und verſtaͤndli - che Nahmen und Kennzeichen von Thieren und Gewaͤchſen enthielten. Wie oft muß man nicht mit vielem Zeitverluſt einen ganzen Folianten durch - leſen, ehe man ſo viel wiſſenswuͤrdige und fuͤr Wahrheit anzunehmende Nachrichten findet, alsVorrede des Verfaſſers. auf einer einzigen Seite Platz haben koͤnnten? Wie oft haben nicht Naturforſcher und Oekono - mie-Verſtaͤndige vergeblich ſich bemuͤhet, in Reiſe - beſchreibungen etwas, das ſie gebrauchen koͤnnten, anzutreffen, weil ſie die barbariſchen Nahmen der Naturalien nicht verſtanden, die vielleicht die Ver - faſſer ſelbſt nicht gehoͤrig anzugeben gewußt, manchmahl wohl ſelbſt nicht verſtanden haben moͤ - gen? Iſt nicht die Muskatennuß, von der faſt alle Beſchreibungen Oſtindiſcher Reiſen ein Langes und Breites ſagen, und die verſchiedne Jahrhun - derte hindurch einer der eintraͤglichſten Handlungs - zweige fuͤr die Europaͤer geweſen iſt, dem Geſchlech - te nach, wozu ſie gehoͤrt, zum Theil noch unbe - kannt? Hat man nicht von den in der Bibel vor - kommenden Thieren und Gewaͤchſen, obgleich je - ne das aͤlteſte, heiligſte und allgemeinſte Buch iſt, bis auf die letzten Zeiten, großentheils nur eine un - zuverlaͤſſige Kenntniß gehabt? und gilt dies nicht noch von unſrer jetzigen Zeit? Unwiſſende Reiſen - de benennen oft auslaͤndiſche und fremde Thiere mit den Nahmen ſolcher Thiere, die ſie vorher kannten. So nennt mancher alle Arten wilde Katzen Tiger, und verſchiedne Gattungen vom Ge - ſchlechte der Hunde Fuͤchſe. So vermiſcht man - cher den Jakhal oder SimſonsFuchs, entwederVorrede des Verfaſſers. mit dem gemeinen Europaͤiſchen Fuchſe, oder mit dem Haushunde, ſo wenig er auch zu der einen oder andern dieſer Thierarten gehoͤrt.

Jeder Reiſende glaubt Beruf zum Schrift - ſteller zu haben, und ſeinen Landsleuten etwas wunderbares erzaͤhlen zu duͤrfen, ſollte er auch ſelbſt ſo arm an Einſicht und Kenntniß ſeyn, daß er das, was er ſah und hoͤrte, weder ſelbſt ver - ſtand, und ſich eine richtige Vorſtellung davon machen, noch andern richtig und deutlich beſchrei - ben konnte. Schon aus dieſer einzigen Quelle ſind mehr unverſtaͤndliche Buͤcher, als man glau - ben ſollte, hervorgefloſſen.

Wenn daher Reiſebeſchreibungen entweder das Dunkle in aͤltern Reiſenachrichten aufhellen, oder uͤber Geographie, politiſche Geſchichte, Na - turlehre, Oekonomie, Naturhiſtorie, Medicin und andre Wiſſenſchaften neues Licht verbreiten, alsdann, aber auch nur alsdann ſind ſie gewiß nicht uͤberfluͤſſig. Iſt denn der Reiſende fremde Laͤnder mit den Kenntniſſen, der Einſicht, der Gabe, was man ſieht und hoͤrt, geſund und richtig zu beurthei - len, und der Aufmerkſamkeit, wie ein Theil der Neuern gethan hat, durchreiſet, ſo glaubt man beym Leſen ſeiner Beſchreibung ihm gleichſam Schritt fuͤr Schritt nachzureiſen, und was er ſah,Vorrede des Verfaſſers. auch mit eignen Augen zu ſehen. Wird dabey zu - gleich alles kenntlich gemacht und verſtaͤndlich und deutlich erzaͤhlt und beſchrieben, ſo kommt man in den Stand, wahren Vortheil daraus zu ziehen.

Vom Vorgebirge der guten Hoffnungund dem dazu gehoͤrigen Theile von Afrikahaben ſchon mehrere uns Nachrichten und Beſchreibungen ge - liefert. Einige haben uns dieſe in großen Baͤnden zu leſen gegeben, worin man alles, was dieſes Stuͤck des ſuͤdlichen Afrikaund die daſigen Nieder - laſſungen der Hollaͤnder betrifft, zu erwarten be - rechtigt iſt. Kleinerer Beſchreibungen und Samm - lungen von Nachrichten nicht zu gedenken, gab Kolbeim Jahr 1727 ein Werk in zwey Foliobaͤn - den in Hollaͤndiſcher Sprache heraus, die hernach in verſchiednen Sprachen uͤberſetzt, zu nicht gerin - gem Gewinn der Verleger, dem uͤbrigen Europamitgetheilt wurden. Vor nicht langer Zeit, in den Jahren 1777 und 1778 kamen zwey Beſchrei - bungen vom Cap, auch in Hollaͤndiſcher Sprache, in Octav heraus, die aber, einige Zuſaͤtze abge - rechnet, nichts anders als Auszuͤge aus dem weit - laͤuftigen Kolbeſchen Werke ſind. Die kurze Nach - richt, welche de la Caille, der im Jahr 1751 nach Capkam, und 1753 wieder wegreiſete, vom Capgiebt, enthaͤlt beynahe nichts anders, als was erVorrede des Verfaſſers. von andern hoͤrte, und manches darunter iſt ziem - lich unzuverlaͤſſig. Sparrmannbreitet ſich in ſeiner 1783 erſchienenen Reiſebeſchreibung hauptſaͤchlich uͤber die Geographie und Zoologie dieſes Landes aus, und da Kolbe’sNachrichten von den Thieren auf die alte unbeſtimmte und verworrene Art abge - faßt ſind, hat die Thierkunde durch ſeine Unterſu - chungen, Nachforſchungen und Entdeckungen in verſchiednen Hinſichten gewonnen. Da alſo bereits ſo viel von dieſem Lande geſchrieben iſt, mithin vie - les ſchon bekannt ſeyn muß, haͤtte ich vielleicht mir die Muͤhe, meine Reiſe auch zu beſchreiben, und den Kaͤufern meiner Reiſebeſchreibung das Geld dafuͤr erſparen koͤnnen. Allein da nicht nur viele meiner Landsleute, ſondern auch verſchiedne mei - ner auswaͤrtigen Freunde, mir theils ihren Wunſch, die auf meiner Reiſe mich betroffnen Schickſale ſowohl, als die von mir gemachten Be - merkungen zu leſen, zu erkennen gaben, theils zur Bekanntmachung derſelben mich uͤberredeten und auf mehr als eine Art ermunterten, glaubte ich, es ihnen nicht wohl abſchlagen zu koͤnnen, in den we - nigen freyen Stunden, die meine anderweitigen ſehr uͤberhaͤuften Geſchaͤffte und Arbeiten mir uͤbrig laſſen wuͤrden, die unter meinen Papieren zerſtreut liegenden Anmerkungen, welche ich auf meinerVorrede des Verfaſſers. Reiſe ſchriftlich aufgezeichnet hatte, zu ſammeln, in einige Ordnung zu bringen, und dem Publikum vorzulegen.

Meine Reiſebeſchreibung habe ich in drey Theile vertheilt. Der erſte begreift die Reiſe von Stockholmdurch Hollandund Frankreichnach dem Cap, insbeſondre den Aufenthalt in Hollandund zu Paris; ferner den Aufenthalt zu Capnach mei - ner Ankunft daſelbſt; dann die erſte Reiſe ins Land bis nach der Kuͤſte der Kaffern; und endlich den Aufenthalt zu Capnach meiner Zuruͤckkunft; welches alles in die Jahre 1770 bis 1773 faͤllt. Im zweyten Theile wird mein fernerer Aufenthalt zu Cap, die zweyte Reiſe in die noͤrdlichern Gegen - den bis nach dem Kafferlande, und die Reiſe auf der andern noͤrdlichen Seite bis ins Land der Na - maquas vorkommen. Der dritte wird die Reiſe nach Javaund Japan, meinen Aufenthalt in Ja - pan, (unter andern auch die Reiſe nach dem Hof - lager des Kaiſers), und meine Ruͤckreiſe uͤber Java, Ceilon, das Cap, Holland, Englandund Deutſchlandliefern.

Weitlaͤuftige naturhiſtoriſche Beſchreibungen von Thieren oder Gewaͤchſen, zumahl in lateini - ſcher Sprache einfließen zu laſſen, fand ich nicht rathſam, weil dergleichen dem allergroͤßten TheilVorrede des Verfaſſers. der Leſer Langeweile verurſacht haben wuͤrden. Zum etwanigen Gebrauche der Botaniker und Zoologen habe ich dieſe in eignen Abhandlungen herausgegeben. Jehes Gewaͤchs und Thier aber, ſo viel moͤglich mit ſeinem rechten und eigentlichen Nahmen zu benennen, hielt ich demungeachtet doch fuͤr noͤthig. Manchmahl haͤtte ich weit mehr ſagen oder erzaͤhlen koͤnnen, als ich thue, wenn ich jedes - mahl das, was andre mir ſagten oder erzaͤhlten, haͤtte anfuͤhren wollen. Weil ich aber die meiſte Zeit nicht wiſſen konnte, wie zuverlaͤſſig, glaub - wuͤrdig oder genau dergleichen ſey, hielt ich es fuͤr meine Schuldigkeit, es nur ſelten einzumiſchen. Meiſtens erzaͤhle und beſchreibe ich alſo nur, was ich ſelbſt that, ſah und erfuhr.

Sollten hie und da einzelne Nachrichten vor - kommen, die mit den vorhergehenden oder folgen - den in keiner Verbindung oder Verwandtſchaft ſte - hen, und ſollte man uͤberhaupt einen gewiſſen Plan, eine gewiſſe Ordnung der Gegenſtaͤnde ver - miſſen, ſo bitte ich desfalls um Entſchuldigung. Die Menge meiner Geſchaͤffte und Arbeiten, die vielen Stoͤhrungen und Verhinderungen, unter de - nen ich meine Nachrichten ſammeln und ordnen mußte, ließen dies nicht immer zu. Ich mußte deswegen meiſtens damit zufrieden ſeyn, die Sa -Vorrede des Verfaſſers. chen in der Folge zu erzaͤhlen, als ich ſie in meinem Tagbuche angezeichnet fand. Daher kommts denn, daß ich die Materien weder der Sachordnung noch der Zeitordnung gemaͤß gehoͤrig zuſammenſtellen konnte. Eben ſo habe ich, und zwar auch um je - ner Gruͤnde willen, große Urſache um Nachſicht zu bitten, wenn man am Ausdrucke, am Style und der ganzen Schreibart in meiner Reiſebeſchreibung manches und mit Recht zu tadeln finden ſollte. Es iſt unglaublich, wie ſehr nicht nur meine faſt unzaͤh - ligen Geſchaͤffte, als in Anſehung meiner akademi - ſchen Vorleſungen, der Aufſicht uͤber den mir an - vertrauten hieſigen botaniſchen Garten, beſonders aber uͤber die mir ebenfalls uͤbergebnen hieſigen oͤf - fentlichen Naturalien-Sammlungen, die ich ganz neu in Ordnung zu bringen und zu inventiren hat - te, ſondern auch die Verfaſſung meiner andern auf die Naturgeſchichte ſich beziehenden Schriften und gelehrten Arbeiten mir die Zeit geraubt haben, auf das Gewand, worin ich dem Publikum meine Nachrichten darzuſtellen haͤtte, die noͤthige Auf - merkſamkeit und Sorgfalt zu wenden.

Ich bin inzwiſchen verſichert, daß in dieſem erſten Theile, ſo weit er auf die ſuͤdliche Spitze von AfrikaBezug hat, verſchiedne Gegenſtaͤnde vor - kommen, die von andern ganz uͤbergangen ſind. Vorrede des Verfaſſers. Daher kann ich mich damit ſchmeicheln, verſchied - nes geſagt und erzaͤhlt zu haben, durch deſſen Be - kanntmachung der Landwirthſchaft, der Naturhi - ſtorie, der Arzneywiſſenſchaft, der Phyſik, der Erdbeſchreibung und der Voͤlkerkunde Wiſſen - ſchaften, worauf ich vorzuͤglich Ruͤckſicht nahm, Vortheil und Gewinn zuwachſen wird. Etwas Vollkommnes wird man aber auch in dieſem Stuͤcke nicht von mir verlangen, wenn man bedenkt, daß ich in einem Lande reiſete, das nicht viel anders als oͤde und wuͤſte iſt, wo man in großer Geſchwin - digkeit weite Strecken durchfaͤhrt, wo die Einge - bohrnen meiſtens Wilde ſind, wo man auch nicht den kleinſten Funken von Aufklaͤrung, Kenntniſ - ſen, Wiſſenſchaften oder Geiſtes-Cultur antrifft, und wo die ganze Natur noch in den Kinderwin - deln eingewickelt zu ſeyn ſcheint.

Ob ich indeſſen gleich in meiner Reiſebeſchrei - bung uͤberhaupt manche Anmerkungen, welche die Geographie, die phyſikaliſche Kenntniß der Laͤn - der, beſondre die Wiſſenſchaften und Kuͤnſte ange - hende Anſtalten und Einrichtungen, buͤrgerliche und oͤkonomiſche Verfaſſungen, die Bauart der Haͤuſer, die Sitten und Lebensart der Voͤlker, be - treffen, beygebracht habe: ſo werden die Leſer doch bald finden, daß auf Entdeckungen, die mit derVorrede des Verfaſſers. Naturgeſchichte, der Medicin, und der Oekonomie, dieſen meinen Lieblingswiſſenſchaften, in Verbin - dung ſtehen, mein Hauptaugenmerk gerichtet gewe - ſen ſey. Mein ſorgfaͤltiges, eifriges und nicht ganz fruchtloſes Bemuͤhen, dergleichen aufzufinden, ſetz - te mich deswegen auch in den Stand, in dieſem erſten Theile meines Werks von verſchiednen Ge - waͤchſen und andern Naturprodukten einen Nutzen und Gebrauch anzugeben, den man bisher, ſo viel mir bewußt iſt, wenig oder gar nicht kannte. Als eßbar und zur Nahrung dienlich wird man ken - nen lernen: den Capſchen Cavia (Cavia Capenſis), das Stachelſchwein (Hyſtrix), den Ameiſenbaͤr (Myrmecophaga), die geſpaltne Siegwurz (Gla - diolus plicatus), die Aniswurzel, die Gatagay - wurzel, das Aponogeton diſtachyon, die zwey - ſtachlige Arduine (Arduina biſpinoſa), die eßba - re Zaſerblume (Meſembryanthemum edule), die wellenfoͤrmige Euclee (Euclea undulata), die Stre - litzie (Strelitzia), der Rankenweinſtock (Vitis vi - tigenea), das ſtrauchartige Glasſchmalz (Salicor - nia fruticoſa), die Kafferſche Keulpalme (Zamia Caffra), das Afrikaniſche Pockenholz (Guajacum Afrum), die große Stiftblume (Albuca major), und den Gagel (Myrica). Als heilſame und be - waͤhrte Arzneymittel bey verſchiednen innerlichenVorrede des Verfaſſers. Krankheiten und aͤußerlichen Schaͤden: den ſtach - ligen Baͤrenfuß (Arctopus echinatus), die Afrika - niſche Zaunruͤbe (Bryonia Africana), die wellenfoͤr - mige und die krauſe Aeſkulapie (Aſclepia undulata et criſpa), den Wollkopf (Eriocephalus), die ſchar - lachrothe Blutblume (Haemanthus coccineus), den baͤrtigen Knoͤterich oder Wegtritt (Polygo - num barbatum), die durchſtochne Klapperſchote (Crotalaria perſoliata), den Capſchen Pfeffer (Pi - per Capenſe), die Capſche Fagara (Fagara Capen - ſis), die oben genannte eßbare Zaſerblume, das campherartige und das getuͤpfelte Oſmites (Oſmites camphorina er aſteriſcoides), die Capſche Adonis (Adonis Capenſis), die blaſenziehende Atragene (Atragene veſicatoria), den Aethiopiſchen Krull - farrn (Adianthum Aethiopicum), den honigtra - genden und den großblumigen Silberbaum (Pro - tea mellifera et grandiflora), den umgebognen Saͤuerling (Oxalis cernua), die Tulbaghie (Tul - baghia), die Montinie (Montinia), den gemeinen Wunderbaum (Ricinus communis), den ſchwar - zen Nachtſchatten (Solanum nigrum), die gemuͤs - artige Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), das vier - eckige Dickblatt (Craſſula tetragona), den krebs - heilenden Kugelſchwamm (Lycoperdon carcino - male), und die Bucken (Seriphium). AlsVorrede des Verfaſſers. nuͤtzlich und brauchbar in der Haushaltung und Landwirthſchaft auf mancherley Art: zu Seilen und Stricken: den Baſt von der Wollblume (An - thyllis); zu Schalen und Naͤpfen: die Schildkroͤten - ſchalen; zu Rollgardinen (Rouleaux) und Stuͤh - len: duͤnnes Rohr; zu Rauchtobak: den gemei - nen Hanf (Cannabis ſativa); zu Zunder: das rie - ſenmaͤſſige Haſenoͤhrlein (Bupleurum giganteum); zu Thee: die herzfoͤrmige Borbonie (Borbonia cor - data); zu Kaffee: den ſternblaͤttrichten Scepter - baum (Brabejum ſtellatum); zu Seife: das blaͤt - terleere Salzkraut (Salſola aphyllis); zu Licht: den herzblaͤttrichten und den eichenblaͤttrichten Gagel (Myrica cordifolia er quercifolia); zu Trompeten: den Trompetentang (Fucus buccinalis); zu Beſen und zum Dachdecken: das zweyzeilige Strickgras (Reſtio dichotomus); zu Matten und ebenfalls zu Daͤchern: das flechtbare Cypergras (Cyperus tex - tilis); zu Zaͤunen und Huͤrden: die Aegyptiſche Sinnpflanze (Mimoſa Nilotica), die bereits ange - fuͤhrte zweyſtachlige Arduine, und die Afrikaniſche Galenie (Galenia Africana); zu Hecken: die Aloe (Succotrina), die Morgſane oder das Doppel - blatt (Zygophyllum Morgſana), Quittenbaͤu - me, Aepfel - und Birnbaͤume, Hagdorn, den Spillbaum (Evonymus), Weiden, Roſenſtauden,Vorrede des Verfaſſers. den Baͤrentraubenſtrauch, Eibenbaͤume, Ulmen, die gemeine Stechpalme (Ilex aquifolium), Buchs - baum, Linden, die gemeine Cornelle (Cornus maſcula), Geißblatt, Kirſchbaͤume, den gemeinen Judasbaum (Cercis ſiliquaſtrum), den fremden Bocksbaum (Lycium barbarum), die beilkrautar - tige Peltſche (Coronilla ſecuridaca), Eichen, Lor - beerbaͤume, Myrtenbaͤume und andre, wie auch Schafknochen; zu Brennholz: den ſchon erwaͤhn - ten honigtragenden und den großblumigen, wie auch den kegeltragenden (conocarpa), den rau - hen (hirta), den praͤchtigen (ſpecioſa), und den wahren (argentea) Silberbaum, Heide und die Brunie (Brunia); zu allerhand Meublen, Haus - geraͤth und dergleichen, folgende Afrikaniſche Holz - arten: den Kamaſſiebaum, die ſafranfarbne Stechpalme (Ilex crocea), den Capſchen und den Europaͤiſchen Oehlbaum, das Stinkholz, die Gar - denia Thunbergia, das Bambusrohr und die Curtiſie (Curtiſia).

Ich weiß zwar ſehr wohl, daß nicht alles in meiner Reiſebeſchreibung allen gefallen werde, auch daß nicht alle gleichen Nutzen daraus werden ziehen koͤnnen. Die Hoffnung mache ich mir aber doch, daß allezeit etwas vorkommen werde, wel - ThunbergsReiſe. Erſter Theil. bVorrede des Verfaſſers. ches einer oder der andre, wenn nicht nuͤtzlich, doch intereſſant finden wird. Auch gebe ich gern zu, daß die beyden erſten Theile, welche hauptſaͤchlich vom Capund den Hottentotten handeln, einem Lande und einem Volke, wo man gar keine Cul - tur und wenig Veredlung durch Kunſt, ſondern faſt bloß die rohe Natur antrifft, unmoͤglich ſo un - terhaltend werden koͤnnen, als der dritte, welcher Nachrichten von einem cultivirten Volke enthalten wird, das foͤrmliche Regierung und andre gute Einrichtungen hat, und ſelbſt mit den Europaͤiſchen Laͤndern wetteifern kann. Allein ich hoffe, jenen geringern Reichthum an intereſſanten Nachrichten werden die Leſer nicht einem Mangel an Aufmerk - ſamkeit auf meiner Seite beymeſſen, ſondern auf die Rechnung des Landes und Volkes ſchreiben, das auch dem am ſorgfaͤltigſten beobachtenden Rei - ſenden nicht mehr Stoff zum Erzaͤhlen geben kann, als es ſelbſt hat. Upſala, den 2. Februar 1789.

Karl Peter Thunberg.

Inhalt. I. Abtheilung. Reiſe von Schwedennach dem Vor - gebirge der guten Hoffnung.

  • 1. Abſchnitt. Reiſe von Upſalanach HollandS. 1
  • 2. Abſchnitt. Aufenthalt und Reiſen in Holland8
  • 3. Abſchnitt. Reiſe von Hollandnach Paris27
  • 4. Abſchnitt. Aufenthalt in Paris33
  • 5. Abſchnitt. Ruͤckreiſe von Parisnach Holland59
  • 6. Abſchnitt. Reiſe von Hollandnach dem Vor - gebirge der guten Hoffnung65
  • II. Abtheilung. Aufenthalt in der Capſtadtvor der erſten großen Afrikaniſchen Reiſe, nebſt einigen kleinen Reiſen ins Land. 1. Abſchnitt. Aufenthalt in der Capſtadt95
  • 2. Abſchnitt. Einige kleine Reiſen vom Capins Land119
  • III. Abtheilung. Erſte große Afrikaniſche Reiſe. 1. Abſchnitt. Zuruͤſtungen zu dieſer Reiſe131
  • 2. Abſchnitt. Reiſe vom Capnach Rotheſand133
  • 3. Abſchnitt. Reiſe von Rotheſandnach Zwel - lendam147
  • 4. Abſchnitt. Reiſe von Zwellendambis in die Naͤhe des Ataquathals154
  • 5. Abſchnitt. Reiſe vom Ataquathaledurchs Hout - niqualand160
  • Inhalt. 6. Abſchnitt. Reiſe vom Houtniqualandebis an den Camtourflußoder die Grenzedes KafferlandesS. 180
  • 7. Abſchnitt. Ruͤckreiſe von der Grenze des Kaffer - landesnach dem Cap191
  • IV. Abtheilung. Aufenthalt zu Capnach der erſten großen Afrikaniſchen Reiſe. 1. Abſchnitt. Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt199
  • 2. Abſchnitt. Verſchiedne geographiſche und andre dahin gehoͤrige Nachrichten211
  • 3. Abſchnitt. Verſchiedne Nachrichten von den po - litiſchen und andern Einrichtungen in den Hol - laͤndiſchen Beſitzungen am Cap219
  • 4. Abſchnitt. Nachrichten von der Landwirthſchaft in der Kolonie, den Landesprodukten, dem Zu - ſtande und den Sitten der Landleute, und der - gleichen236
  • 5. Abſchnitt. Nachleſe botaniſcher Nachrichten251
  • 6. Abſchnitt. Noch verſchiednes die Zoologie be - treffend261
  • 7. Abſchnitt. Noch einige Nachrichten von den Hot - tentotten271
  • 8. Abſchnitt. Einige einzelne Begebenheiten und Vorfaͤlle zu Cap, waͤhrend meines bisherigen Auf - enthalts daſelbſt278
  • 9. Abſchnitt. Zuruͤſtungen zur zweyten Afrikani - ſchen Reiſe288
Erſte
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Erſte Abtheilung. Reiſe von Schwedennach dem Vor - gebirge der guten Hoffnungvom 13. Auguſt 1770 bis den 17. April 1772.

Erſter Abſchnitt. Reiſe von Upſalanach Hollandvom 13. Auguſt bis den 5. October 1770.

Ich hatte drey Jahr auf der Univerſitaͤt zu Upſalazu - gebracht, und hierauf die akademiſche Wuͤrde eines Doc - tors der Arzneykunſt angenommen, als mir eins von den daſigen, zu dreyjaͤhriger Unterſtuͤtzung angehender Gelehrten auf auswaͤrtigen Reiſen beſtimmten Stipen - dien, deren jedes jaͤhrlich ungefaͤhr 275 Deutſche Reichs - thaler betraͤgt, zu Theil wurde. Mit dieſem und meinem etwanigen eignen Vermoͤgen unternahm ich eine Reiſe nach Paris, um mir da in der Medicin, Chirurgie und Naturgeſchichte noch mehr Kenntniſſe zu erwerben.

Den 13. Auguſt 1770 reiſete ich in Geſellſchaft eines meiner Freunde, des Apothekers Barkenmeyer, von Upſalaab. Wir gingen gerades Weges nach Hel - ſingoͤr. Ich verließ alſo mein Vaterland, ohne den ge - ringſten Gedanken daran, daß ich es nicht eher, als nach einer Zeit von neun Jahren, und nach ſehr weiten Reiſen in die entfernteſten Laͤnder, wiederſehen wuͤrde. ThunbergsReiſe. Erſter Theil. A2Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. Auf unſrer Fahrt uͤber den Sundſegelte uns eine Men - ge Schiffe vorbey, eine andre Menge lag, um erſt bey Kronborgden Zoll zu entrichten, auf der Rhede. Je - nes ſah einem emporragenden Walde, dieſes einer ſchwimmenden Stadt aͤhnlich. Aber zu ſehen, daß ein einziges Reich hier allen Nationen Zoll abfordert, iſt verdrießlich, zumahl fuͤr einen Schweden. Man aͤrgert ſich, daß das Schwediſche Reich nicht Theil daran nehmen kann. Hieran iſt indeſſen wohl vornehmlich die Seich - tigkeit des Waſſers an den Schwediſchen Kuͤſten Schuld, die von dem großen Sandſtriche bis an den Helſingbor - ger Strand, durch groben Sand, Tang (Zoſtera) und Waſſerriemen (Fucus), welches alles vom Waſſer dahin getrieben wird, von Jahr zu Jahr zunimmt.

Weil zu Helſingoͤrdamahls kein Schiff nach Am - ſterdamſegelfertig war, entſchloß ich mich, noch am Ta - ge meiner Ankunft eine Reiſe zu Lande nach Kopenhagenzu machen. Der Weg dahin iſt ſehr ſchoͤn, laͤuft eine Strecke an der See hin, und geht hernach durch unge - mein angenehme Buͤchen - und Eichenwaͤlder, und durch den Thiergarten. In dieſem letztern darf man bey Le - bensſtrafe kein Gewehr abſchießen. Am Wege ſah ich perennirende Maßliebe (Bellis perennis), gewoͤhnlichen Baldrian (Valeriana officinalis), wilde Wegwarte (Cichorium inrybus) und Maͤuſeg[er]ſte (Hordeum mu - rinum) in Menge. Die letztere waͤchſt auch haͤufig auf den Straßen zu Kopenhagen. Auch faͤhrt man hier, be - ſonders wenn man dieſer Stadt naͤher kommt, durch vor - treffliche Alleen von gemeinen Kaſtanienbaͤumen, mit nie - dergebognen Staͤmmen. An den Befriedigungen der Gaͤr - ten ſieht man viele Weinſtoͤcke mit ausgebreiteten Ranken.

Zu Kopenhagenbeſah ich den botaniſchen Garten, mit deſſen Verſetzung man jetzt beſchaͤfftigt war. Her -3Reiſe von Upſalanach Holland. nach ging ich nach dem Hoſpitale, das, wie man mir ſagte, nebſt der dazu gehoͤrigen Apotheke von der Koͤni - gin Karoline Mathildeangelegt iſt, und gegenwaͤrtig et - wa zweyhundert Kranke beherbergte. Auch ließ ich mir einige Naturalien-Sammlungen zeigen. Die erſten aber, welche ich aufſuchte, waren die beyden Profeſſoren Zoͤgaund Fabricius, meine Freunde und ehemahligen Univer - ſitaͤts-Genoſſen. Dieſe verſchafften mir, andrer Freund - ſchaftsdienſte nicht zu gedenken, freyen Zutritt zum bo - taniſchen Garten ſowohl, als zu ihren Privat-Sammlun - gen; der letztere hat beſonders ein vortreffliches Inſecten - Cabinet. Sie haͤtten mir auch meinen Aufenthalt in Kopenhagennoch angenehmer und nuͤtzlicher gemacht, wenn ſie nicht ſchon an demſelben Tage gegen Abend eine nothwendige Reiſe nach Schleswighaͤtten antreten muͤſ - ſen. Ohne Zweifel haͤtte ich auch um ihrentwillen laͤn - ger da verweilt. Ich beſah noch verſchiedne Merkwuͤr - digkeiten, als das Koͤnigliche Schloß, die Akademie, die Boͤrſe, den Schiffswerft, den Friedrichsmarkt, die Haͤ - fen und dergleichen. In der Stadt fiel es mir auf, daß die Rinnen oder Goſſen auf den Straßen mit Bre - tern oder flachen Steinen belegt ſind, welches fuͤr die Fußgaͤnger von großer Bequemlichkeit iſt; und daß ſelbſt unter der Erde Wohnungen ſind.

Die Abreiſe geſchah auf einem dazu gemietheten Wagen, der mich aber nur eine Strecke lang fahren ſoll - te; hernach wollte ich bis Helſingoͤreinen Poſtwagen nehmen. Allein als wir nicht mehr weit vom Thiergar - ten waren, (es war an einem Sonntagabend) fanden wir alle Wirthshaͤuſer und Kruͤge mit Menſchen, Mu - ſik und Tanz ſo angefuͤllt, daß ich nirgend, weder Pfer - de, noch ein Zimmer zum Nachtquartier bekommen konn - te. Dieſe Geſellſchaften hatten ſich hier von allen Sei -A 24Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ten verſammelt, und es fehlte ihnen nicht an geſchminkten und ungeſchminkten Schoͤnen. Laͤrmen von Muſik und Tanzgetuͤmmel in ſo hohem Grade hatte ich nie geſehen noch gehoͤrt. Ich konnte mich ſo wenig damit vertragen, daß ich mein Buͤndel Kraͤuter unter den Arm nahm, und zu Fuß von dannen ging, um weiterhin eine andre Her - berge zu ſuchen. Aber da ich die Gegend nicht kannte, und auch keinen Wegweiſer hatte, ging ich in der Irre umher, bis mich die Dunkelheit der Nacht uͤberfiel. Ich mußte alſo am Fuße eines großen Baumes, mitten zwiſchen zahmen und wilden Thieren unter freyem Him - mel mir eine Lagerſtaͤtte ſuchen. Am folgenden Morgen begab ich mich wieder zu Fuß auf den Weg. Es war ein ſehr ſchoͤner und warmer Tag, und der ſchwere Man - tel, der mir die Nacht hindurch gegen die Kaͤlte ſo herr - liche Dienſte gethan hatte, wurde mir nunmehr bey der ſtarken Sonnenhitze zu großer Laſt. Erſt gegen Mittag traf ich ein Wirthshaus, wo ich einen Poſtwagen be - kommen konnte, der mich nach Helſingoͤrbrachte. Am Strande ſah ich unterwegs deutlich, daß die See hier durch hingeſchwemmten Sand und Meergras an Tiefe verliert, wiewohl bey weitem nicht ſo ſtark, als auf der Schwediſchen Seite: ein Umſtand, woraus ſich der wahr - ſcheinliche Schluß ziehen laͤßt, daß der Sundbereits ſchmaler geworden ſey, und man Urſache habe zu glau - ben, er werde es mit der Zeit noch mehr werden. Am Ufer fand ich einige Arten Tang, Waſſerriemen und Salzkraut (Salſola), wie auch gemeine Miesmuſcheln (Mytilus edulis). Laͤngs dem Wege liegen verſchiedne ſchoͤne Gaͤrten mit Alleen und Lauben.

Zu Helſingoͤrſind die Haͤuſer zum Theil ganz von Ziegelſteinen erbauet, zum Theil aber von Fachwerk und Ziegelſteinen. Die ungemein vielen Brunnen auf den5Reiſe von Upſalanach Holland. Marktplaͤtzen und in mehreren Straßen gehoͤren zu den vortrefflichſten und nuͤtzlichſten Einrichtungen in einer Stadt, wo ſonſt die Theurung ihren Hauptwohnſitz auf - geſchlagen zu haben ſcheint. Man kann denn doch gutes Waſſer bequem und wohlfeil haben.

Nicht lange nach meiner Zuruͤckkunft fand ſich ein Schiff, das nach Amſterdamgehen wollte: es war mit Getraide von Pillaugekommen. Ich ging an Bord, und ſegelte den 11. September ab. Wir verloren zwar ſowohl die Daͤniſche als Schwediſche Kuͤſte bald aus den Augen; allein ein Sturm noͤthigte uns nach eini - gen Tagen, drey Meilen von Friedrichshafenin einen Norwegiſchen Hafen einzulaufen, wo wir ebenfalls un - ter andern ein Schwediſches Schiff vorfanden. Die dieſen kleinen Hafen umringenden Berge gewaͤhren einen fuͤrchterlichen Anblick, und am Strande giebt es viele ſteile Tiefen. Im Waſſer umher ſah ich eine Menge Watt (Ulva) und Tang, wie auch viele Kreb - ſe, Seeſterne (Aſteriae), Meereicheln (Lopades) und andre Seethiere. Hummer werden hier nicht geachtet. So theuer zu Helſingoͤralles iſt, ſo wohlfeil kann man hier alles haben. Auf den Klippen der Berge ſah man jetzt nur die Felſenſilene (Silene rupeſtris), und eine Art wilder Roſen, auch ſchwarze Rauſchbeer (Empetrum nigrum).

Am 24. gingen wir mit gutem Winde wieder un - ter Segel. Bald aber bekamen wir abermahls anhal - tenden widrigen Wind mit Sturm und Regenwetter. Mehrere Tage lang ſahen wir nichts anders, als dicke Wolken und See.

Jetzt hatte ich Gelegenheit, die Lebensart des Hol - laͤndiſchen Schiffsvolks zu bemerken. Ich kann mich nicht enthalten, hier ein kleines Gemaͤhlde davon zu ent -6Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. werfen. Sie eſſen faſt lauter ſehr nahrhafte Speiſen: Tuͤrkiſche Bohnen mir ſuͤßſaurer Bruͤhe, Stockfiſch mit Senf und Kartoffeln; geſtobte braune, und gekochte gelbe Erbſen; ſteife dicke Gruͤtze mit etwas Fett, Mehl - kluͤmpe mit geſchmolznem Fett und Syrup, nebſt gro - bem Hollaͤndiſchem geſaͤuertem Brot mit Butter und ei - nem Stuͤck Kaͤſe. Thee und Kaffee wird mehreremahl am Tage getrunken: der Thee gewoͤhnlich ſtark, und bis - weilen mit etwas Safran, beſonders bey ſchlechtem Wetter, der Kaffee hingegen ſchwach, gemeiniglich oh - ne Zucker, nie mit Milch oder Rohm; uͤbrigens beydes ſehr reichlich: zehn bis zwoͤlf Taſſen jedesmahl. Nur der Schiffer und ich hatten das Gluͤck, den Kaffee mit etwas Kandiszucker zu trinken, und Engliſches Weiß - brot mit Butter, auch Reiß mit Roſinen und Butter, zu eſſen. Fleiſch und Speck eſſen ſie allemahl mit Senf. Branntwein trinken ſie ſelten, hoͤchſtens wenn ein Lootſe an Bord kommt, oder die Witterung ſehr uͤbel iſt; Wein noch ſeltner. Bier haben ſie in Kruken bey ſich, trinken aber nicht oft davon. Trockne und ſtarke Spei - ſen mit vielem Fett zubereitet ſind alſo ihre vorzuͤglichſte Koſt. Auf Reinlichkeit und Sauberkeit im Schiffe ſe - hen ſie mit beynahe uͤbertriebner Puͤnktlichkeit; ſie ſcheuern und mahlen faſt beſtaͤndig.

Den 1. October kamen wir in Hollandan. Zuerſt zeigte ſich uns die Inſel Texel. Wir bekamen einen Lootſen an Bord, der uns nach Amſterdamfuͤhren mußte. Auf der See ſahen wir eine unzaͤhlbare Menge Fahr - zeuge: Weſt - und Oſtindienfahrer, Kriegsſchiffe, man - cherley Arten mittelmaͤßiger und kleiner Schiffe; alle von ſo mannigfaltiger Geſtalt und Bauart; einige lagen ſtill, andre ſegelten, einige hiehin, andre dorthin: ein wahrhaftig bezaubernder Anblick fuͤr ein daran nicht gewoͤhntes Auge.

7Reiſe von Upſalanach Holland.

Als wir gegen Bergen, einen kleinen Ort an der See, kamen, wurde uns unter Lebensſtrafe verboten, an Land zu gehen, weil das Schiff von der Pohlniſchen Graͤnze kam, und man daher der Peſt wegen beſorgt war. Ich war zwar nicht mit von Pillau, ſondern nur von Helſingoͤr, gekommen; meine Koffer wurden aber doch mit an Land genommen, und mußten da Quaran - taine halten. Das Schiff erhielt gleichwohl mit der ganzen Beſatzung Erlaubniß, nach Amſterdamſeinen Lauf fortzuſetzen. Indeſſen kam doch vorher ein Feldſcheer an Bord, um zu ſehen, ob wir alle geſund waͤren. Fuͤr dieſe Bemuͤhung, und fuͤr die, daß er fuͤnf Perſonen nach dem Pulſe fuͤhlte, ließ er ſich ſeinen Ducaten bezahlen: ſein Amt muß ihm viel einbringen.

Auf unſrer weitern Reiſe nach Amſterdamuͤber die Suͤderſeekamen wir vor einer Menge Inſeln vorbey, die mit Staͤdten gleichſam bebauet ſind. In der Ferne zeigten ſich ganze Waͤlder von Schiffen, die nach allen Seiten ſegelten. Beydes zuſammen verſchaffte einen Anblick, der ſich nicht beſchreiben laͤßt. Die See hat hier Ebbe und Fluth, und bildet bey deren Abwechſelung lange und krumme Buchten, wo Windſtille herrſcht. Auf einem Wege von achtzehn Meilen mußten wir ver - ſchiedne Tage zubringen, weil entweder der Wind bald ganz ſtill, bald ſehr ſchwach war, oder wir dem Strome folgen mußten. Wenn wir auf dieſe Art ſtill lagen, be - ſchaͤfftigten die Matroſen ſich mit Scheuern, Waſchen und Mahlen: ſogar die Koje, worin der Hund liegt, wurde angemahlt. Einmahl hatte ich waͤhrend dieſer Zeit das Vergnuͤgen, ein großes Schiff auf ſogenann - ten Kameelen nach dem Texelbringen zu ſehen: eine Me - thode, deren man ſich hier des niedrigen Waſſers wegen bedient, um die groͤßern Fahrzeuge von der Stadt nach8Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. der Muͤndung des Hafens zu transportiren. Uebrigens ſah ich in dieſem Meerbuſen nichts anders, als Tang von der groͤßern Gattung, der auf dem Waſſer umherſchwamm.

Zweyter Abſchnitt. Aufenthalt und Reiſen in Hollandvom 5. October 1770 bis den 26. October 1771.

Den 5. October 1770 gegen Abend langten wir endlich zu Amſterdaman. Dieſe praͤchtige und volk - reiche Handelsſtadt hat an der Seeſeite die Geſtalt eines halben Mondes, und wird von einer faſt allen Glauben uͤberſteigenden Menge Schiffe umgeben. Die groͤßern Fahrzeuge liegen auch ganz herum, aber weiter weg, und gleichen einer auf dem Waſſer ſchwimmenden Stadt. Sie liegen Bord an Bord in ſolcher Ordnung neben einander, daß ſie wie eine Mauer ausſehen, da - bey aber in mehreren Reihen hinter einander; und ihrer ſind ſo unzaͤhlig viele, daß man die Stadt ſelbſt vor ih - nen nicht ſehen kann. Innerhalb derſelben iſt die Stadt auf der Seeſeite mit Pfaͤhlen eingeſchloſſen, ebenfalls in mehreren Reihen, ſo daß kleine Fahrzeuge und Boͤte daranher liegen, und durch die gelaßnen Oeffnungen oder Bruͤcken gehen koͤnnen. Nicht nur nach der See zu, ſondern auch in der Stadt ſind an den Kanaͤlen Mauern von Backſteinen aufgefuͤhrt, und Boͤte und kleine Fahrzeuge koͤnnen da bequem anlegen.

Die Haͤuſer ſind durchgaͤngig ſehr geſchmuͤckt und nett, obwohl nicht alle gleich bequem. Sie ſind faſt alle einander ganz aͤhnlich und regelmaͤßig gebauet, von Ziegelſteinen, fuͤnf Stockwerke hoch, mit Zie - geldaͤchern, die nicht nach der Straße und dem Hofe,9Aufenthalt und Reiſen in Holland. ſondern nach den Seiten herabgehen, und einen nach vorn ſehenden und auf den Seiten treppenweiſe gebroch - nen Giebel haben, welches den Haͤuſern weit mehr An - ſehen giebt, als wenn die Daͤcher nach der Gaſſe her - abgehen. Unter der Erde pflegt auch ein Stockwerk zu ſeyn, das zu Werkſtaͤtten, Kuͤchen, bisweilen auch zu Wohnzimmern, gebraucht wird. Die Fenſter ſind im zweyten Stockwerke ſehr hoch und haben zwey Abſaͤtze, weil ſie zugleich auch mit zum erſten Stockwerke gehoͤren, welches in den gewoͤhnlichen Haͤuſern mit dem zweyten gleichſam zuſammenfließt. In den breiten Straßen fin - det man vor den Haͤuſern huͤbſche Treppen, welche zu dem erſten Stockwerke uͤber der Erde fuͤhren. Die Mauern und Waͤnde ſind ſehr duͤnn, weil der Boden ſumpfig iſt, und nur ein ſchwacher Grund gelegt werden kann. Daher kommts auch, daß hier fuͤnf Stockwerke kaum ſo hoch, als an andern Orten drey ſind. Inwen - dig ſieht man manchmahl ganze Zimmer, ſehr oft aber die Gaͤnge, Dielen und Vorſaͤle, mit Porzellan in kleinen viereckigen Platten, und den Fußboden mit weißem und anderm Marmor, belegt. Die Hausſtellen ſind ge - meiniglich ſchmal, und die Haͤuſer haben deswegen in der Breite wenige, oft nur ein Zimmer, außer die in gewiſſen Gegenden der Stadt, wo man mehr pallaſtaͤhn - liche Gebaͤude antrifft. Kleine Kanaͤle an den Seiten leiten nach allen Straßen und Haͤuſern Waſſer aus den Graͤben, und ebenfalls von den Straßen und Haͤuſern wieder weg. Oefen und deren vorzuͤglichen Nutzen kennt man faſt in ganz Hollandnicht, ſondern man gebraucht nur Kamine. Auch moͤchte wohl die gewoͤhnliche Feu - rung, der Torf, nicht ſo tauglich zum Heizen der Oefen ſeyn, und zugleich mehr Gefahr wegen Dunſtes mit ſich fuͤhren. Die Gaſſen ſind in der Mitte mit ausgeſuch -10Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. ten und laͤnglichen Granitſteinen, und zu beiden Sei - ten mit gelben ſogenannten Klinkers gepflaſtert. Die Plaͤtze dicht an den Haͤuſern ſind, ſo weit die Treppen vorſpringen, mit flachen Steinen, entweder Marmor, oder blauen Kalkſteinen, belegt. Obgleich alle Steine zum Pflaſtern der Straße von andern Orten weit her - gehohlt werden muͤſſen, ſo ſieht man doch nirgend ſo aus - geſuchte Steine dazu gebraucht, oder ein ſo ebenes Pfla - ſter. Die Klinkers an den Seiten, welche taͤglich ge - waſchen und immer rein gehalten werden, verſchaffen den Fußgaͤngern den angenehmſten Weg, wo ſie weder vom Reiten noch Fahren belaͤſtigt oder mit Koth be - ſpruͤtzt werden. In Wagen, Cariolen und dergleichen faͤhrt man hier faſt gar nicht; gewoͤhnlich thun es nur Aerzte, die in Geſchwindigkeit mehrere Kranke zu be - ſuchen haben. Wenn man in der Stadt faͤhrt, be - dient man ſich gemeiniglich großer Cariolen mit hohen Raͤdern, und einem oder zwey Pferden. In bedeckten Wagen, wenn man dies ſo nennen will, faͤhrt man zwar auch wohl, aber die Kutſchkaſten werden von ei - nem Pferde auf Schlitten gezogen, wodurch weder die Haͤuſer erſchuͤttert, noch die Straßen unrein werden. Auf Schlitten und beſonders dazu eingerichteten Schub - karren werden auch Laſten und Waaren in der Stadt von einem Orte zum andern gebracht. Durch die ganze Stadt gehen Graͤben, in welchen kleine und mittelmaͤ - ßige Fahrzeuge mit allerhand Waaren bis an die ge - mauerten Ufer kommen koͤnnen. Zu beyden Seiten die - ſer Kanaͤle ſteht eine Reihe Baͤume und zwiſchen den Baͤumen Pfaͤhle mit Leuchten. Die kleinen Straßen ſind ſehr ſchmal, und die Querſtraßen bisweilen aͤußerſt eng.

So wie zu Amſterdamdie ſchoͤnen und zierlichen Gebaͤude und ſo mancherley andre Gegenſtaͤnde das Auge11Aufenthalt und Reiſen in Holland. eines Fremden beſchaͤfftigen, ſo wird das Ohr durch die vielen Glockenſpiele entzuͤckt. Beynahe von allen Kirch - thuͤrmen und vom Rathhauſe laſſen dieſe ſich mehrere - mahl in einer Stunde hoͤren. Sie ſpielen alle fuͤnf Mi - nuten ſehr kurz, alle Viertelſtunden etwas laͤnger, und alle Stunden, ehe es ſchlaͤgt, ein ganzes Stuͤck.

Zu den vornehmſten und merkwuͤrdigſten Gebaͤu - den gehoͤren das Rathhaus, welches ſchwerlich ſeines Gleichen hat; der Prinzenhof, wo alle Schiffe ihre La - dung angeben muͤſſen; und die große Boͤrſe. Das Rathhaus iſt auswendig mit Quaderſteinen bekleidet; im zweyten Stockwerke befindet ſich ein großer hoher Saal, der mit verſchiednen Arten Marmor ausgelegt, und mit mehreren marmornen Statuͤen ausgeziert iſt.

In einer ſo großen Stadt, wo eine ſolche Menge Leute in Bewegung iſt, und ſo anſehnliche Handlung ge - trieben wird, kann wohl nicht anders als viel Laͤrm und Geſchrey auf den Gaſſen ſeyn. Bald hoͤrt man jemand Obſt oder Gartengewaͤchſe ausrufen. Bald ſchreyet ein Weib: Fiſche zu Kauf. Eine andre kommt alle Mor - gen, traͤgt zwey ſo weiß als moͤglich geſcheuerte Eimer, und ruft ihre Milch aus. Bald hoͤrt man einen lum - picht gekleideten Juden, der alte Kleidungsſtuͤcke feil hat, ſeine Stimme erheben. Bald ſchreyet ein altes Weib: kauft friſches Brot. Und dergleichen mehr hoͤrt man jeden Augenblick. Dies gereicht indeſſen denen, welche etwas kaufen wollen, zur Bequemlichkeit. Denn man darf nur die Magd nach der Hausthuͤr ſchicken, ohne irgend etwas weit herhohlen zu laſſen. Sogleich beym Eintritte in die Stadt begegnete mir auf der Straße ein Kerl mit einer Klapper, durch deren Geraſſel er ankuͤn - digte, daß die Gaſſe gefegt werden ſollte. Alle Mor - gen fahren große Bretkarren umher, die mehrere Abthei -12Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. lungen haben, worin man aus den Haͤuſern ſowohl die Aſche als den Unrath abhohlt, welches, ſobald der Fuhr - mann ruft, vor die Hausthuͤre geſetzt wird. Man hat alſo nicht noͤthig, dergleichen in die Graͤben zu werfen, welches Verſchlemmung derſelben, Geſtank und Krank - heiten zur Folge haben wuͤrde.

Jedermann lebt hier uͤbrigens in voͤlliger Freyheit, ohne allen Zwang: Selbſtgewalt kann niemand aus - uͤben. Der eine erſcheint geſchmuͤckt, der andre in Lumpen, ohne daß man Acht darauf giebt. Im Hauſe und ſogar in der Kirche haben die Leute den Hut auf dem Kopfe, ohne Ruͤckſicht auf Perſon oder Umſtaͤnde. Eben ſo hat ein jeder, von welcher Nation oder Reli - gion er ſey, die Freyheit, ſich mit dem was er verſteht, ſeinen Unterhalt zu verdienen, wofern es nur ehrlicher Weiſe geſchieht. Innungen, Zuͤnfte, Monopolien, ausſchließende Privilegien legen niemand Hinderniß in den Weg, auf eine oder andre Art ſich etwas zu erwer - ben. Reiſende ſind weder der Unbequemlichkeit, in den Stadtthoren viſitirt, noch weniger aber der Gefahr, dabey gemißhandelt zu werden, ausgeſetzt; denn Land - zoͤlle kennt man hier gar nicht.

Am Tage nach meiner Ankunft wurden verſchie - dene Verbrecher oͤffentlich beſtraft. Nahe beym Rath - hauſe war ein Schafott errichtet, auf welchem einige mit Ruthen gepeitſcht, und einer geraͤdert wurde. Waͤhrend der Execution ſahen die Rathsherren in ihrer Amtskleidung aus den Rathhausfenſtern zu. Dies ſchien der Strafe kein geringes Anſehen zu geben, weil diejenigen, welche die Unterſuchung angeſtellt und das Urtheil geſprochen hatten, ſelbſt zugegen waren, nicht aber die Vollziehung des Richterſpruchs einem Fiſkale oder Untergerichts-Bedienten anvertraueten: Leute, die13Aufenthalt und Reiſen in Holland. oft nicht verſtehen eine Execution zu dirigiren, und ent - weder zu nachſichtig oder zu ſtrenge ſind.

Bey meinem Wirthe ſah ich eine artige Methode, Kinder gehen zu lehren, ohne daß ſie fallen koͤnnen, und ohne daß eine Waͤrterin etwas dabey zu thun hat. Man hatte dem Kinde unter den Armen ein ſtarkes Band umgebunden, deſſen beyde Enden um einen Ring ge - knuͤpft waren, der ſich an einer in der Decke des Zimmers befeſtigten Stange bewegte, ſo daß das Kind durch das Band gehalten, hin und her gehen konnte. Die Wiege war zur Haͤlfte mit Bogenreifen uͤberſetzt, woruͤber man ein Tuch breitete, um die Fliegen abzuhalten, wobey das Kind gleichwohl Raum genug zum Athemholen hatte.

Meinen erſten Beſuch in Amſterdamlegte ich bey den Herren Profeſſoren Burmannab, die mich mit vie - ler Freundſchaft und Hoͤflichkeit aufnahmen. Dies munterte mich auf, dieſen Beſuch jeden Tag zu wieder - hohlen. Hiedurch wurde ich ſo gluͤcklich, nicht nur ihre vortrefflichen, zahlreichen und uͤber mehrere Arten ſich erſtreckenden Naturalien-Sammlungen zu beſehen, ſon - dern auch ihre koſtbare Bibliothek zu benutzen. Dieſe letztere enthaͤlt meiſtentheils mediciniſche und naturhiſto - riſche Buͤcher; und in jenen zeichneten ſich beſonders ſchoͤne und ſeltene Verſteinerungen und Korallen aus. Ihr Haus iſt es, wo Linneeſeine Bibliotheca botanica vollendete, und taͤglich ſpeiſete. Er ordnete und nannte ihnen auch eine Menge ihnen bis dahin unbekannter Mi - neralien, Inſekten und Kraͤuter, beſonders viele Graͤ - ſer und Mooſe.

Auf dieſe Art wurde mir mein hieſiger Aufenthalt eben ſo nuͤtzlich als angenehm. Ich wuͤrde auch, des ſpaͤten Herbſtes ungeachtet, nicht weggeeilt haben, wenn ich nicht meines kleinen Vorraths von Kleidungsſtuͤcken14Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. und Buͤchern haͤtte entbehren muͤſſen. Dieſe hatte man mir genommen, und ſie mußten Quarantaine halten: ein Verfahren, das ich nicht nur fuͤr unbillig, ſondern auch fuͤr unvorſichtig halte. Unvorſichtig iſt es doch wohl immer, ein Schiff, wovon man glaubt, es koͤnne mit der Peſt angeſteckt ſeyn, in den Hafen einer großen und volkreichen Stadt einlaufen, und die Beſatzung und Paſſagiere mehrere Tage in der Stadt ungehindert ſich aufhalten laſſen, und hernach das Fahrzeug mit ſei - ner Ladung Getreide wieder nach dem Texelin die Qua - rantaine zu ſchicken. Waͤre irgend etwas von Peſt auf dem Schiffe geweſen, ſo haͤtten ja die Leute ſie nothwen - dig in die Stadt bringen und darin verbreiten muͤſſen. Unbillig war es aber auch. Denn im Schiffe war nie - mand krank, und nicht die geringſte Spur oder Anzeige von Peſt. Warum nahm man nun bloß den Paſ - ſagieren, welche nicht mit dem Fahrzeuge von ver - daͤchtigen Oertern gekommen waren, ihre Koffer, daß ſie wohl verſchloſſen, (welches gegen alle in ſolchen Faͤllen vernuͤnftige Anſtalten ſtreitet) Qua - rantaine halten mußten. Ich konnte nicht umhin, bey dieſer Gelegenheit die Regenten eines Staats zu be - dauern, welche ſelbſt in ſo gefaͤhrlichen und bedenklichen Sachen nicht ſelten auf unverſtaͤndige und unvorſichtige Bediente ſich verlaſſen muͤſſen. Inzwiſchen hielt ich durch den Schwediſchen Agenten bey der Admiralitaͤt dar - um an, daß meine Koffer mir ausgeliefert werden moͤch - ten. Dies wurde mir aber nur ſo fern bewilligt, daß ich ſie, wenn ich vor dem Texelvorbeyreiſete, abhohlen koͤnnte. Ich ſah mich daher genoͤthigt, den Plan mei - ner Reiſe zu aͤndern, und hernach ganz unſchuldiger Weiſe eine Menge Ausgaben mir gefallen zu laſſen, zur Bezahlung theils fuͤr die Zeit, da man meine Sachen15Aufenthalt und Reiſen in Holland. in Quarantaine gehalten hatte, theils fuͤr den Trans - port vom Lande ins Schiff.

In der Zwiſchenzeit, ehe ein Schiff nach Frank - reichabging, reiſete ich etwas in Hollandumher, um einige der Naturalien-Sammlungen, Gaͤrten und andere Merkwuͤrdigkeiten, die man in dieſem Lande findet, in Augenſchein zu nehmen. Unter andern reiſete ich mit Profeſſor Burmannusnach ſeinem nicht weit von der Stadt belegenen Landhauſe. Hier iſt ein ſchoͤner Engli - ſcher Garten, wo die Hecken aus Taxus, Stechpalmen, Hagbuchen und Eichen beſtehen. Unter den vielen ſelt - nen Gewaͤchſen, die jetzt bluͤheten, waren die Ceylan - ſche Amaryllis und die traurige Siegwurz (Gladiolus triſtis). Unter den Baͤumen, die wie wild ſtanden, bemerkte ich die breitblaͤttrige Kalmie (Calmia latifolia), den Kaſtanienbaum mit Weidenblaͤttern (Aeſculus pa - via), die erlenblaͤttrichte Clethre (Clethra alnifolia), und die großblumige Magnolie (Magnolia grandiflora).

Von dieſem Landhauſe reiſete ich des Abends mit einer ſogenannten Treckſchuit nach Leiden. Auf ſolchen Poſtboͤten reiſet man in Hollanddurchgaͤngig, weil das ganze Land mit Kanaͤlen durchgraben iſt. Sie ſind ſehr lang und haben ein Obdach, ſo daß man allezeit gegen Regen und Wind geſchuͤtzt iſt. An dem einen Ende iſt eine Kajuͤte, die der Schiffer ſolchen, die ſchlafen oder allein ſeyn wollen, bisweilen fuͤr Geld uͤberlaͤßt. Dieſe Fahrzeuge gehen wie Poſtwagen an gewiſſen Tagen, zu gewiſſen Stunden und nach gewiſſen Oertern ab, und kommen jedesmahl zu der feſtgeſetzten Zeit an. Mitten in der Schute iſt ein Maſt, von deſſen Spitze ein lan - ges Tau herabgeht, woran ein Pferd geſpannt wird; auf dieſe Art wird die Schute gezogen. Wenn der Wind guͤnſtig iſt, ſpannt man auch Segel auf, und16Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. durch das Steuerruder hindert man alsdann, daß das Boot nicht ans Ufer ſtoßt. So viel Gepaͤcke als man mit ſich tragen kann, darf man ohne beſondre Bezah - lung mitnehmen. Sobald das Boot in vollem Gange iſt, bezahlt man die Fracht. Dieſe iſt ſehr maͤßig, und die Reiſe ſelbſt ungemein bequem und gemaͤchlich.

Zu Leidenließ ich mein erſtes Geſchaͤfft ſeyn, Herrn Profeſſor van Royenzu beſuchen. Er zeigte mir ſeine Capſche Kraͤuterſammlung, wie auch eine andre, die er neulich von Ceylonbekommen hatte. Ferner beſah ich das hieſige Naturalien-Cabinett, deſſen Aufſeher Pro - feſſor Allemandiſt. Im botaniſchen Garten ſammelte ich viele ſeltene Gewaͤchſe fuͤr mein Herbarium, nebſt mancherley Saamen, Zwiebeln und Wurzeln fuͤr den upſalaiſchen Garten. Jener ſtoͤßt auf drey Seiten ans akademiſche Gebaͤude, die Wohnungen des Profeſſors der Botanik und des Gaͤrtners, an das Naturalien-Ca - binett und einige andre dahin gehoͤrige Haͤuſer; der uͤbrige Theil iſt von einer Mauer eingeſchloſſen. Groß iſt er eben nicht, aber ſchoͤn und nett, an raren Gewaͤchſen reich, und in vier Abtheilungen eingetheilt. Unter an - dern ſah ich ein Herbarium, das zum Gebrauch bey den Vorleſungen beſtimmt war, und aus allen denjenigen Kraͤutern beſtand, die im Garten aufgezogen waren und gebluͤhet hatten. Dergleichen iſt immer ein Zeichen des Eifers des Lehrers fuͤr ſeine Wiſſenſchaft, und des Nutzens, den die Studierenden haben koͤnnen. Der Gaͤrtner, Namens Meetburg, zeigte mir auch ver - ſchiedene ihm gehoͤrende recht gute Sammlungen, nicht nur von Gewaͤchſen, ſondern auch von Thieren in Wein - geiſt und von Inſekten. Ich bekam von ihm theils durch Tauſch, theils fuͤr Geld einige Amerikaniſche und Oſtin - diſche Schmetterlinge.

Das17Aufenthalt und Reiſen in Holland.

Das akademiſche Gebaͤude iſt in mehrere Saͤle oder Auditorien abgetheilt. Die Katheder ſind klein, und fuͤr die Studenten ſind Bankſtuͤhle mit Schreibpulpeten eingerichtet. Die Univerſitaͤts-Bibliothek hat gute Buͤ - cher, iſt aber nicht ſehr groß, auch nicht praͤchtig. Das Verzeichniß der Buͤcher iſt gedruckt. Unter dem Bibliothekſaale iſt der anatomiſche Saal.

Bey dem gelehrten und jetzt ziemlich alten Biblio - thekar Gronoviusſtattete ich nur einen kurzen Beſuch ab. Er nahm mich ſehr wohl auf, und wußte den ge - lehrten Swedenborg, der vor einigen Wochen in Hol - landgeweſen, und von da nach Englandgereiſet war, nicht genug zu ruͤhmen.

Den Rathsherrn oder Schoͤpfen Gronoviusbe - ſuchte ich auch. Er iſt ein ſehr artiger, aufgeweckter und gelehrter Mann. Ungeachtet ſeiner vielen Geſchaͤffte war er doch ſo gefaͤllig, mir alle ſeine koſtbaren Samm - lungen von Korallen, Fiſchen, Amphibien, Inſekten, wurmartigen Thieren, Steinen, Kraͤutern und Buͤ - chern zu zeigen. Die Glaͤſer, worin er die Thiere in Weingeiſt aufbewahrt, ſind mit einer Glasſcheibe zuge - deckt, die mit rothem Kitt befeſtigt iſt. Dieſer Kitt iſt ſo vortrefflich, daß der Weingeiſt gar nicht merklich aus - gedunſtet war, obgleich die Glaͤſer vor ſieben Jahren ge - fuͤllt waren. Er lehrte mich die Beſtandtheile und Ver - fertigung deſſelben. Das Fuͤllen der Glaͤſer muß des Sommers, nicht aber im Fruͤhlinge geſchehen, ſonſt ſprengt die Luft die Glasſcheibe entzwey. Unter Herrn GronoviusMineralien fand ich viele Stufen aus Schweden, die Herr Gotherihm geſchickt hatte. In Anſehung der Eiſenerze aͤußerte er die Meinung: alles dasjenige Eiſen, welches vom Magneten angezogen wird, ſey gediegenes Eiſen.

ThunbergsReiſe. Erſter Theil. B18Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Die Haͤuſer in Leidenhaben eben das Anſehen und eben die Bauart, als die zu Amſterdam; nur daß un - ter der Erde keine Wohnungen ſind.

Pfirſchen, Weintrauben, ſowohl rothe als gruͤne, und Wallnuͤſſe ſind hier im Ueberfluß. Man verkauft deren jetzt taͤglich in großer Menge.

Außerhalb der Stadt beſah ich den Garten des weitberuͤhmten Blumiſten, van Hazen; aus welchem jaͤhrlich eine Menge Blumenzwiebeln und Blumenſaa - men, auch Buͤſche und Stauden, nach vielen Orten verkauft wird.

Zu Zuydwyk, nahe bey Leiden, beſuchte ich einen Landsmann, den Schwediſchen Gaͤrtner Wittbom. Ich nahm die Gewaͤchſe, welche ich in Leidenfuͤr den botani - ſchen Garten zu Upſalagekauft hatte, mit dahin, und gab ſie ihm, daß er ſie fuͤrs erſte aufbewahren, und kuͤnftiges Fruͤhjahr zu Waſſer nach Schwedenſchicken moͤchte. Der große und praͤchtige Garten, dem dieſer Mann hier vorſteht, gehoͤrt einem Grafen Hahn. Er pranget mit Alleen, Hecken, Teichen, Grotten, Engli - ſchen Luſthaͤuſern und Lauben, Waſſerkuͤnſten, Chineſi - ſchen Tempeln und Bruͤcken, und dergleichen mehr. Zur Befriedigung hat er nichts weiter noͤthig, als die tiefen und mit Waſſer angefuͤllten Graͤben, welche hier uͤber - haupt die Grenze zwiſchen Landguͤtern, Feldern, Gaͤr - ten und Wieſen ausmachen, und wo nicht einmahl das auf der Weide gehende Vieh hinuͤberſchwimmt.

Nach Haagreiſete ich zu Fuß. Der Weg iſt ſan - dig und unbequem, aber anmuthig. Zu beyden Sei - ten ſind große Graͤben, die mit Baͤumen oder beſchnit - tenem Gebuͤſche beſetzt ſind. Rund um ſich ſieht man die ſchoͤnſten Hoͤfe und Landhaͤuſer. Am Wege bemerkte ich die weiße Eſpe, die Erle, das beſemartige Pfriem -19Aufenthalt und Reiſen in Holland. kraut (Spartium ſcopavium), den deutſchen Geniſte, das rohrartige Glanzgras (Phalaris arundinacea) und andre Gewaͤchſe. In den Wirthshaͤuſern, deren man auf dieſer Straße viele antrifft, findet man zur Erfri - ſchung ſtarkes Bier, Wein und Meet. Das Prinzliche Schloß vor Haag, welches einen ſchoͤnen Garten hat, ging ich vorbey. Doch beſah ich, ehe ich zur Stadt kam, den mediciniſchen Garten, welcher ziemlich klein iſt, aber gleichwohl einige ungemein ſeltne Gewaͤchſe enthielt.

Haagiſt eine huͤbſche Stadt. Die Haͤuſer ſind viel breiter, als man ſie in Hollandgemeiniglich findet, und kommen den Haͤuſern zu Stockholmund Parisnahe. Die Daͤcher gehen nach vorn, und haben kei - nen Giebel. Die Maͤrkte ſind außerordentlich groß und mit Baͤumen bepflanzt.

Zu Haaglogirte ich bey einem Schweden aus Cal - mar. In ſeinem Hauſe ſah ich einen Schwediſchen Ka - chelofen. In ganz Hollandbedient man ſich, wie ich ſchon bemerkt habe, der Kamine, die man mit Torf heitzt. Dieſe ſind auch nicht ſo eingerichtet, daß man die Roͤhre mit einer eiſernen Platte zuſchieben oder zudecken kann, damit die Waͤrme nicht herausgehe. Die Einwohner glauben, ſolche Kamine, ſo wie auch Oefen, wuͤrden in einem ſo feuchten Lande mehr nachtheilig als muͤtzlich ſeyn, und bilden ſich ein, ſie moͤchten dadurch noch mehr Schnupfen, Fluͤſſe und Gicht bekommen. Die wahre Urſache aber ſcheint wohl die zu ſeyn, daß es an Holz fehlt, oder dieſes doch wenigſtens im ganzen Lande hoͤchſt theuer iſt, und Oefen ſich nicht recht gut mit Torf heitzen laſſen. Der Torf wird hier bald tonnenweiſe, bald nach der Zahl verkauft. Er dunſtet auf eine unangenehme Art, beynahe wie Fett, ſo daß jemand, der deſſen nichtB 220Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. gewohnt iſt, Kopfweh und Uebelkeit davon bekommt. Er wird beym Ausgraben in laͤnglichen Stuͤcken geſtochen, wird langſam zu Kohlen und brennt nicht in Flammen, giebt aber viel Hitze. Anfangs zuͤndet man ihn mit kleinen Sticken an.

Von Haagbegab ich mich wieder nach Amſterdam. So oft die Schute unterwegs bey einem Wirthshauſe ſtille hielt, kamen Sellerweiber und boten Brot, Fi - ſche und andre Waaren zu Kauf. Der Weg zwiſchen den beyden Staͤdten iſt uͤbrigens unbeſchreiblich ange - nehm, beſonders wegen der vielen Hoͤfe, die zu beyden Seiten des Kanals bey einander wie in einer Reihe lie - gen, und mit den ſchoͤnſten Gaͤrten und Schloͤſſern pran - gen. Die Waͤnde der Haͤuſer ſind manchmahl mit Epheu ganz bedeckt, und den Buchsbaum bildet die Scheere in tauſend verſchiedne Geſtalten von Thieren, Pyramiden und Hecken mancher Art.

Waͤhrend der Zeit, da ich auf den Abgang eines nach Rouenbeſtimmten Schiffes wartete, beſuchte ich taͤglich Profeſſor Burmannus, und benutzte deſſen Sammlungen und Bibliothek. Jetzt ſah ich den Vor - theil ein, welchen ein Lehrer einer ſolchen Wiſſenſchaft davon hat, wenn er ſeinen Buͤchervorrath ſo nahe zur Hand hat, jeden Augenblick ohne die mindeſte Unbe - quemlichkeit dahin gehen, ſie nach der Norm, welche die verſchiednen Zweige der Wiſſenſchaft ſelbſt vorſchrei - ben, ordnen, und mit den Beſchreibungen und Abbil - dungen in den Buͤchern ſeine ebenfalls in der Naͤhe be - findlichen Naturalien-Sammlungen vergleichen kann, zumahl wenn der Fall eintritt, daß er nicht etwa ein oder anderes Buch, ſondern bisweilen wohl hundert Schrift - ſteller zugleich nachſchlagen und vergleichen muß. Gro - ße oͤffentliche Buͤcherſaͤle, die nur an gewiſſen Tagen ge -21Aufenthalt und Reiſen in Holland. oͤffnet werden, oft einem einzigen Bibliothekar, der un - moͤglich ſich fuͤr alle Faͤcher der Gelehrſamkeit gleich in - tereſſiren kann, zur Aufſicht uͤbergeben ſind, nicht im - mer gedruckte Katalogen haben, wo man nicht allezeit ſo viel Buͤcher als man gebraucht, abhohlen laſſen darf, und wo dies Abhohlen denn doch auch niemahls ohne Um - ſtaͤnde und Belaͤſtigung geſchehen kann, ſind daher in je - ner Hinſicht allezeit weniger brauchbar. Ein Lehrer, der dieſe Bequemlichkeit und dieſen vorzuͤglichen Nutzen von Buͤchern haben will, kann deswegen nicht fuͤglich um - hin, ſich ſelbſt mit einer Bibliothek zu verſehen, und was man von der Einrichtung und den Vortheilen gro - ßer und weitlaͤuftiger Buͤcherſammlungen ruͤhmt, wird durch die Sache ſelbſt widerlegt. Unter den vielen ra - ren Buͤchern, die ich hier antraf, waren die rumphi - ſchen mit Farben illuminirten Abbildungen von Sc[h]ne - cken und Fiſchen, die RumphiusSohn auf der Inſel Amboinemit eigner Hand verfertigt hat; PetiveriusOri - ginal-Abbildungen von Kraͤutern; die merianſchen Ab - bildungen von Schmetterlingen und die rumphiſchen von amboiniſchen Gewaͤchſen, beyde illuminirt. Unter den mehreren Herbarien aus Oſt - und Weſtindien, und Afrika, welche ich genau durchſah und unterſuchte, wa - ren mir beſonders Herrmannsund OldenlandsSamm - lungen merkwuͤrdig: ſie waren wie Buͤcher eingeheftet. Als Profeſſor Burmannusmich dabey antraf, daß ich bey dieſer Gelegenheit verſchiedne Kraͤuter von den weit - laͤuftigſten Geſchlechtern, als der Ixie, der Heide, und der Witſche (Aſpalathus), unterſuchte, fuͤr mich nach dem Syſtem ordnete, und beſchrieb, aͤußerte er, daß er ſich bemuͤhen wolle, mir Gelegenheit zu verſchaffen, entweder nach Surinam, oder dem Vorgebirge der gu - ten Hoffnungzu reiſen, wozu ich das Geld aus Hol -22Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. land erhalten ſolle, ſo daß mir die Reiſe nichts koſten werde. Fuͤr dieſen ſich ſo ſehr auszeichnenden Beweis ſeines Wohlwollens gegen mich bezeugte ich ihm meine innige Dankbarkeit, und erklaͤrte, ich ſey bereit, eine ſolche Reiſe zu unternehmen, und einige Jahre darauf zu verwenden. Zugleich gab ich ihm meine Verwunde - rung zu erkennen, daß er in dieſem Stuͤcke ſo viel Zu - trauen in einen Fremden ſetzen koͤnne, den er nur ſeit ei - nigen Tagen etwas kenne. Er antwortete mir, er habe ſchon ſeit der Zeit, da er ſelbſt einen Sommer in Schwe - denauf der Univerſitaͤt zu Upſalazugebracht, die Schwe - diſche Nation ſehr lieb gewonnen, und mir ſey er beſon - ders zugethan, da er wahrgenommen, mit wie vieler Fertigkeit ich eine Menge ſeiner, von ihm ſelbſt bis da - hin nicht genau gekannten Naturalien geordnet, mit ih - ren Nahmen belegt, und beſchrieben habe, woruͤber er mir in ſehr ſchmeichelhaften Ausdruͤcken viel Lob beylegte, das ich zu verdienen zu ſuchen mir vornahm. Zugleich beklagte er ſich daruͤber, daß ſeine Profeſſor-Beſoldung ſo gering ſey, daß er nur ſeine jaͤhrliche Hausmiethe davon beſtreiten koͤnne; er faͤnde ſich daher genoͤthigt, ſich durch eine ſo ſehr als moͤglich ausgebreitete Ausuͤbung der Arz - neywiſſenſchaft das Nothwendige zu erwerben; dies habe denn freylich die ſehr unangenehme Folge fuͤr ihn, daß es ihn von demjenigen Studium abziehe, welches ſeine Lieblingsbeſchaͤfftigung ausmache und von Amts wegen ſeine erſte Pflicht ſey. Hier konnte ich nicht anders, als die Profeſſoren auf den Schwediſchen Univerſitaͤten gluͤcklich preiſen, die nicht noͤthig haben, einen Theil ih - rer Zeit dem Erwerbe ihres Unterhalts zu widmen, und ſich dadurch von ihrer Hauptwiſſenſchaft und dem Unter - richte der Studierenden zu entfernen.

23Aufenthalt und Reiſen in Holland.

Nunmehr nahm ich auch den Amſterdamer medici - niſchen Garten, wie auch die verſchiednen Hoſpitaͤler, welche theils in, theils außer der Stadt ſtehen, in Au - genſchein. Der botaniſche Garten liegt ſeitwaͤrts von der Stadt, iſt groß und ſchoͤn, und hat mehrere Orangerien und Treibhaͤuſer, nebſt einer Menge von den ſogenann - ten ſucculenten Gewaͤchſen, auch viele Capſche Pflan - zen. Die große Amerikaniſche Aloe ſtand in voller Bluͤ - the, und war alle Tage fuͤr Geld zu ſehen. Zum Vor - ſteher des Noſocomiums, das in der Stadt angelegt iſt, war Herrn BurmannusSohn bereits an des Vaters Stelle ernannt: dieſer letztere bedarf auch ſeines hohen Alters wegen wohl etwas Freyheit von Geſchaͤften. In dem Hauſe werden ſieben bis achthundert Kranke unent - geldlich verſorgt. Von den Weibsleuten liegen meiſten - theils zwey in Einem Bette, und jeder Kranke hat ſei - ne Nummer. Beym Morgenbeſuche wird die Nummer eines jeden, und die Arzney fuͤr dieſen Tag, auf einer Tafel angeſchrieben. Die Apotheke iſt dicht dabey. Das ſogenannte Peſthaus ſteht eine Strecke außerhalb der Stadt.

Die Luft war jetzt in dieſem niedrigen Lande ſehr feucht und ungeſund, und ſah ganz dick, wie die Luft in einer Badſtube aus. Das Haar konnte man nicht oh - ne Nadeln friſirt halten, und kein Kraut anders als mit vieler Muͤhe am Feuer trocknen. Es regnete haͤufig, aber faſt immer war es nur ein anhaltender Staub - oder Nebelregen. Nicht ſelten ſtieg auch ein ſo dicker Nebel auf, daß viele, die ſich nicht vorſahen, in die Graͤben fielen, welches ſich bey ſolcher Gelegenheit in Amſter - damoft zutraͤgt. Manchmahl ſieht man alsdann auch dicken Nebel ploͤtzlich den Himmel uͤberziehen, und wenn dieſer nach kurzer Zeit allmaͤhlig niederfaͤllt, erblickt man24Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. von den Leuten auf der Straße anfangs nur den Kopf, hernach den halben Menſchen, und ſo weiter: eine gar auffallende Erſcheinung. Jetzt fingen auch Flußfieber an, ſich zu zeigen und ziemlich allgemein zu werden. Die Frauensperſonen von geringerm Stande gebrauchen in der kalten Jahrszeit Torfkohlen in einem Feuerbecken, das in einem mit verſchiednen Loͤchern verſehenen Kaſten ſteht, welchen ſie unter den Rock ſetzen, um ſich zu waͤrmen.

Da die Hollaͤnder uͤberhaupt viel Tobak rauchen, ſieht man auch in den meiſten, beynahe allen, Haͤuſern auf dem Tiſche ein kupfernes Gefaͤß mit Torfkohlen, um die Pfeife anzuzuͤnden, und ein Spuckgeſchirr mit breitem Rande und enger Oeffnung, um hinein zu ſpeyen, damit der Fußboden rein bleibe. Da man in Hollandeben nicht viel Bier trinkt, bedient man ſich mehr des Kaffees und Thees, um den Durſt zu loͤſchen. Der Kaffee wird gewoͤhnlich des Morgens mit Milch und Zuckerkandi getrunken, von welchem letztern man ein Stuͤck in den Mund nimmt. Die Bohnen werden nur wenig gebrannt und der Kaffee ſchwach getrunken, viele Taſſen jedesmahl, und oft ohne Milch und Zucker. Thee trinkt man hauptſaͤchlich des Nachmittags, biswei - len mit, bisweilen ohne Milch und Zuckerkandi, alle - zeit aber im Ueberfluß und viele Taſſen nach einander. Am Bord wurde manchmahl Milch mit Waſſer ver - miſcht auf Thee oder Salbeyblaͤtter gegoſſen, und des Abends getrunken. Suppen ißt man ſelten, ſon - dern der Hollaͤnder lebt mehr von ſteifen Gerichten, oder auch von Gartengewaͤchſen, Fiſchen und Fleiſch. Fiſche ſind faſt das gewoͤhnlichſte Eſſen, und zugleich das wohlfeilſte. Kartoffeln und Fiſche ſind die vor - nehmſte Nahrung der Aermeren. Hechte, Barße25Aufenthalt und Reiſen in Holland. und aͤhnliche Fiſche ſind gleichwohl rar und theuer. Fleiſchſpeiſen ißt man nicht ſo haͤufig, und ſie ſind ge - meiniglich auch theurer. Geringere Leute pflegen bey jeder Mahlzeit Butterbrot von zweyerley Brot mit Kaͤſe zu eſſen. Geſalzne Speiſen ißt man ſelten.

Die Frauensperſonen tragen durchgaͤngig kleine Fiſchbeinroͤcke, und viele haben einen Beutel mit einem großen ſilbernen Schloſſe an der Seite hangen.

Den 26. October begab ich mich an Bord eines nach Rouenbeſtimmten Fahrzeuges. So lange ich im Hafen lag, ſah ich taͤglich Milch, Gartengewaͤchſe, Obſt und andre Victualien zur Stadt bringen. Nach einigen Tagen ſegelte ich von Amſterdamab. Beym Texelbekam ich zu Ausgell, wo alle nach Amſterdamkommende ſowohl, als alle von da abgehende Schiffe ſich klariren muͤſſen, meine beyden Koffer endlich wieder, die auf einem der hier zu beyden Seiten liegenden Qua - rantaine-Schiffen, verſchiedne Wochen hindurch in ſehr guter, aber eben ſo unnoͤthiger, Verwahrung geweſen waren. Um ſie abzuhohlen, bediente ich mich eines hier gewoͤhnlichen Fuhrwerks, das den daͤniſchen Wa - gen, die vorn eine Kruͤmmung haben, voͤllig aͤhnlich iſt. Die Inſel iſt rings mit einem Walle oder Damme um - geben, der aus Tang beſteht, welchen man auf einan - der gepackt hat. Der Weg geht am Strande hin, und iſt erhoͤhet, beſteht aber meiſtens aus Lehmerde, weswegen er bey jetziger Jahrszeit, da es viel geregnet hatte, ziem - lich tief und weich war.

Die Inſel Texel, nebſt einem großen Theile von Holland, liegt, wie man deutlich ſehen kann, niedriger als die Oberflaͤche des Meers. Daß dieſes nicht ein - dringen und das Land uͤberſchwemmen kann, hindern die koſtbaren aufgeworfnen Teiche oder Waͤlle, zu deren Un -26Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. terhaltung jaͤhrlich unglaublich große Summen Geldes angewendet werden. Das Waſſer verſchafft gleichwohl den Niederlaͤndern unbeſchreibliche Vortheile. Nur ei - niger zu erwaͤhnen: die Schifffahrt, ſowohl die binnen Landes als die auswaͤrtige, macht es leicht und bequem; die Aenger und Wieſen macht es uͤber alle Vorſtellung fruchtbar und grasreich, und eben hierin liegt der Grund des ganzen Reichthums und Wohlſtandes dieſes Landes. Dagegen iſt es aber auch das Waſſer, welches ſo ſtar - ke und koſtbare Vormauern und Schleuſen erfordert, oft bey ſtarkem Sturme aus Nord-Weſt durchbricht, Ue - berſchwemmungen verurſacht, nicht nur das platte Land, ſondern auch die Staͤdte zum Theil unter Waſſer ſetzt, und die Einwohner nicht ſelten mit Furcht und Schre - cken erfuͤllt. Das Erdreich iſt ſelten hart und feſt, ſon - dern locker und ſumpfig. Mit Recht kann man daher ſagen, daß kaum irgend ein Land an ſich ſelbſt und von Natur unreiner iſt, aber durch Kunſt und uͤbertriebne Sorgfalt hinwiederum keines an Sauberkeit und Net - tigkeit ihm gleich kommt.

Die Nacht brachte ich in einem Dorfe zu, wel - chem gegenuͤber unſer Schiff geankert hatte. Bey mei - nem Wirthe ich Miesmuſcheln und Auſtern, der - gleichen ich zu Amſterdamſehr haͤufig zu Kauf hatte bringen geſehen, nicht nur roh, ſondern auch gekocht mit Eſſig, Oehl und Pfeffer. Wenn die Miesmuſchel, die man an den hieſigen, ſo wie an andern Kuͤſten in gro - ßer Menge findet, in Waſſer gekocht wird, ſo daß die Schale ſich oͤffnet, und wenn man ſie alsdann mit ſuͤß - ſaurer Bruͤhe iſſet, ſo iſt ſie ſowohl nahrhaft als wohl - ſchmeckend. So lange das Fahrzeug vor Anker lag, gingen die Matroſen des Abends ans Land, und hohlten ganze Eimer voll ſolcher Muſcheln. Spaniſche Zwie -27Aufenthalt und Reiſen in Holland. beln, abgeſchaͤlt und gekocht, das Schiffsvolk bis - weilen anſtatt Brots zu Erbſen oder andern Gerichten. So ſauber und rein dieſe Leute auch ſonſt auf ihren Schiffen alles halten, ſind ſie doch ſehr unreinlich beym Eſſen. Sie langen mit den Fingern in die Schuͤſſel, und ihre Finger ſind natuͤrlicher Weiſe nicht ſehr rein, ſondern im Gegentheil vom Handthieren des Tauwerks ſo mit Theer beſchmutzt, daß ſie gegen Faͤulniß aller Art ſehr gut verwahrt zu ſeyn ſcheinen.

Einmahl war es, waͤhrend wir noch vor Anker lagen, des Abends ganz ſtill, als wir ploͤtzlich das Waſſer in der offnen See rauſchen hoͤrten, und gegen das Land empor ſteigen ſahen. Das Waſſer glaͤnzte zugleich wie Feuer, oder vielmehr wie Mondſchein, aber doch nur, wenn es ſich bewegte, oder man etwas hinein warf, oder auch ruderte: ein ganz vortrefflicher Anblick.

Dritter Abſchnitt. Reiſe von Hollandnach Parisvom 26. October bis den 1. December 1770.

Zwiſchen Calaisund Doverſahen wir an der Engli - ſchen Kuͤſte zwey Feuerbaken. Seit unſrer Abfahrt von Texelhatten wir beſtaͤndig Sturm gehabt, und dieſer wurde jetzt ſo ſtark, daß er verſchiedne Segel zerriß. Zugleich regnete es ſehr heftig. Endlich legte ſich der Ungeſtuͤm und wir ſegelten mit gutem Winde an der Kuͤ - ſte von Frankreichin der Naͤhe eines Steinwurfs hin. Das Ufer iſt ſehr ſteil, ſpringt oft in Landſpitzen und Vorgebirgen vor, und ſcheint aus roth geflammtem Kalk zu beſtehen.

28Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

Den 19. November 1770 kamen wir vor Havre de Gracean. In dem großen Meerbuſen, welchen das Land hier bildet, lagen verſchiedne Schiffe. Unſern Matroſen hatte das ſalzige Waſſer, welches uͤber das Schiff geſchlagen war, naſſe Fuͤße verurſacht; und jetzt fingen dieſe an zu ſchwellen, und an verſchiednen Stel - len große Blaſen zu bekommen. Das einzige Heilmit - tel, welches ſie gegen dieſe Unbequemlichkeiten gebrauch - ten, beſtand darin, daß ſie die Fuͤße mit Branntwein wuſchen. Der Schiffer mußte ſich jetzt nach der Stadt begeben, um einen ſogenannten Geſundheitsbrief, und einen Lootſen zu bekommen.

Havre de Graceliegt am Abhange einer Anhoͤhe zwiſchen Huͤgeln. Die Stadt iſt ſchoͤn, aber nicht ſehr groß; ſie hat eine gute Lage und einen vortrefflichen Ha - fen, der gegenwaͤrtig ungefaͤhr hundert und funfzig Fahrzeuge innerhalb der Mauern enthielt. Außerhalb lagen einige Hamburgiſche Schiffe, die Quarantaine hielten.

Von Havre de Graceſegelten wir bald ab, ohne an Land geſtiegen zu ſeyn, und fuhren nach Quilleboeuf, wo die Seineſich ins Meer ergießt. Hier kamen die Zollbedienten an Bord, um das Schiff zu verſiegeln; auch kam ein Lootſe, um uns nach Rouenzu fuͤhren. Hier lagen zwey in den Strom verſenkte Schiffe, wovon nur die Spitzen der Maſte ſichtbar waren. Das Waſſer ſieht hier von der Kreide ganz weißlich aus. Gegen Abend warfen wir die Anker bey einem Dorfe, Vilcair, weil uns der Strom jetzt entgegen war, und der Wind ſich gelegt hatte. Von der Muͤndung der in vielen Buchten fortfließenden Seinebis nach Rouenzaͤhlt man dreißig Franzoͤſiſche Meilen, da eben dieſe Entfernung zu Lande nur zehn betraͤgt. Ich ging hier mit dem29Reiſe von Hollandnach Paris. Steuermanne an Land, um mich ein wenig umzuſehen. Am Strande machte der Lehm den Weg ſehr ſchluͤpfrig und weich, und waͤhrend der Ebbe wurde er tief hinein von Waſſer entbloͤßt.

Die Bauern wohnen hier dicht bey einander, und ihre Hoͤfe und Laͤndereyen ſind durch weiter nichts, als le - bendige Hecken, von Aepfel - und Birnbaͤumen, Weiß - dorn, Spillbaͤumen (Evonymus) und Weiden getrennt, zwiſchen denen Roſenſtraͤuche und Brombeerſtauden ſte - hen; und an den Baͤumen ſchlaͤngelt ſich Epheu hinauf. Als einem Schweden mußte mir hier der Wunſch aufſtei - gen, daß man in meinem Vaterlande doch auch einmahl ſo weit kommen moͤchte, daß lebendige Hecken die Felder und Wieſen des Landmanns einſchloͤſſen, daß die aus Pfaͤhlen und Latten beſtehenden Befriedigungen, die man in unzaͤhliger Menge antrifft, und wodurch nicht nur die Waͤlder ſehr ruinirt werden, ſondern die auch koſtbar ſind, verbannet und unſichtbar wuͤrden, und daß man Hirten annaͤhme, um die Heerden zu huͤten, um deren willen man ſo theure und unglaublich viele Schutzwehren an - legt und unterhaͤlt. Wuͤrde alsdann zugleich die Baum - zucht aufgemuntert und geſchuͤtzt, ſo duͤrfte das Land bin - nen kurzem zu einem irdiſchen Paradieſe werden koͤn - nen. Wo ich jetzt war, ſtehen die Obſtbaͤume in or - dentlichen Reihen. Ein Stuͤbchen Cider koſtet hier nicht mehr, als drey Sous, und die Aepfel ſind hoͤchſt wohl - feil. Den Cider macht man hier auf die Art, daß die Aepfel in einer runden ausgehoͤhlten Maſchine vermittelſt eines laͤnglich runden Holzes, das darin herumgedrehet wird, zerquetſcht werden, dieſer Brey alsdann auf eine Strohhuͤrde geſchuͤttet und gepreſſet, und der herabflie - ßende Saft in einem Gefaͤße geſammelt wird. Die Bauerhaͤuſer beſtehen aus Fachwerk und Lehmerde. Das30Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. Landvolk traͤgt hoͤlzerne Schuh, worin Socken oder Stroh liegt. Die wilden Gewaͤchſe, welche ich hier an - traf, waren gemeine Moͤhren, Masliebe oder Tauſend - ſchoͤn, Kreutzpflanze (Senecio), Muͤnze, Betonien (Betonica), Miſtel; um die Baͤume fand ich viel Epheu.

Als wir gegen Abend in eine ſolche Gegend gekom - men waren, wo der Strom von hohen Huͤgeln umgeben wird, und der Wind nicht ſtark wehen kann, wurde das Schiff von vier, auch wohl mehr, Pferden an einem Taue den Strom hinaufgezogen. Die Pferde werden von den Bauern zu dieſem Gebrauche gem[i]ethet, und die - ſe geben ſie auch gern dazu her. Als wir Rouennaͤher kamen, ſchienen verſchiedne Inſeln ſich im Strome zu bilden. Den 25. November langten wir in dieſer Stadt endlich an.

Roueniſt eine ziemlich große und befeſtigte Stadt. Die Haͤuſer ſind theils ſteinern, theils von Fachwerk. Sie hat ein ſehr langes und großes Kloſter. Die Schiffe legen dicht bey der Bruͤcke an, gerade vor dem Markte und der Boͤrſe. Dieſe Boͤrſe iſt ein unbedeckter Platz und nur mit einem eiſernen Gitter umgeben. Sie wird nur bey ſchoͤnem Wetter gebraucht, und dient auch oft zum gewoͤhnlichen Spatziergange. Eine andre Boͤrſe liegt tie - fer in der Stadt. Die ganze Straße laͤngs dem Hafen iſt voll Buden, worin die Schiffsbeſucher ſich aufhalten; und vom Hafen in die Stadt geht man durch Thore, die des Abends um neun Uhr geſchloſſen werden. Die Haͤuſer ſind hier haͤufig mit Schiefer gedeckt. Die Pferde ſind klein, und haben einen uͤbeln Gang. Auch Frauensperſonen reiten, und oft ſitzt eine hintenauf. Waaren und Laſten werden auf großen und unbehuͤlf - lichen Karren gefahren, und man ſpannt vier bis fuͤnf Pferde hinter einander vor, die bisweilen großes und31Reiſe von Hollandnach Paris. ſchwerfaͤlliges Sielenzeug haben, bisweilen aber auch mit Franſen und Schellen geſchmuͤckt ſind. Eſel werden ſehr haͤufig gebraucht, und auch von dieſen Thieren ſieht man manchmahl mehrere in einer Reihe vor die großen Karren geſpannt, und mit Schellen behangen, die eine unangeneh - me Muſik machen. Es war zwar noch eben nicht kalt, aber die Leute trugen doch ſchon Weſten mit Pelz - werk gefuͤttert. In den Haͤuſern bedient man ſich zwar durchgaͤngig der Oefen, aber von beſondrer Art. Sie ſind entweder von Eiſen oder von Porzellan, und dabey klein, haben eine lange eiſerne Roͤhre, aber keine eiſerne Klappe oder Schieber, um ſie auf - und zuzumachen. Gewoͤhnlich ſtehen ſie mitten im Zimmer, und werden im Fruͤhlinge aus der Stube genommen. Man heitzt ſie mit kleinen Splittern; ſie erwaͤrmen das Zimmer inner - halb einer Viertelſtunde, werden aber auch bald wieder kalt. Zu dem erſtern traͤgt die eiſerne Roͤhre viel bey, die bey ſtarkem Einheitzen gluͤhend wird. Die Kauf - mannsladen und verſchiedne Werkſtaͤtte ſind offen ange - legt, und allezeit im unterſten Stockwerke. Buͤrger und Bauern ohne Unterſchied die Sprache, welche anderwaͤrts die Sprache der Vornehmen iſt, reden zu hoͤren, konnte nicht anders als mir ſehr auffallen; Dienſtmaͤgde aber wie Damen, mit Robesrondes und Kopfzeugen, zu - gleich aber mit hoͤlzernen Schuhen gehen zu ſehen, war mir hoͤchſt laͤcherlich. An verſchiednen Stellen in der Stadt ſind Springbrunnen angelegt, zur Bequemlichkeit der Einwohner beym Waſſerhohlen. Unter den Con - trabande Waaren iſt hier der Tobak am ſchaͤrfſten, und zwar bey Galeerenſtrafe, verboten. Aller Tobak, den wir am Bord hatten, wurde ſogleich aufgeſchrieben, und auf das ſorgfaͤltigſte verwahrt, und dem Schiffsvolke (man weiß, dieſe Leute koͤnnen ohne jenes widrige Kraut32Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. nicht leben, wurde woͤchentlich nur ſo viel davon ausgege - ben, als zum Gebrauch hinreichte. Eine Menge Kaſtanien hat man hier; an allen Ecken werden ſie feil ge - boten, und ſie ſind zugleich ſehr groß. Man bratet ſie in einer Pfanne, und iſſet ſie ſo, bisweilen auch wohl mit friſcher Butter.

Zu Rouenbeſuchte ich Herrn Pinard, Profeſſor der Botanik, und beſah ſein Herbarium, das in Buͤndel ge - bunden und in Repoſitorien aufgeſtellt iſt. Der botani - ſche Garten liegt am Ende der Stadt, iſt nicht ſehr groß, hat aber in der Mitte einen runden Teich, und iſt in zwey Quartiere abgetheilt. Auch enthaͤlt er eine Orangerie, die aus drey Zimmern beſteht, aber nicht vorzuͤglich iſt.

Die Reiſe von Rouennach Parismachte ich in der gewoͤhnlichen Poſtkutſche, und ich mußte an das Poſtamt mit Inbegriff der Fracht fuͤr meine Sachen einen Louisd’or bezahlen. Ich war diesmahl der einzige Paſſagier. Eine ſolche Poſtkutſche iſt indeſſen ſo groß, daß zehn Perſonen darin Platz haben, auch wird ſie hinten und vorn mit ei - ner Menge Koffer und andrer Sachen bepackt. Dies - mahl waren acht Pferde vorgeſpannt. Wenn der Weg einen Berg hinabging, wurde eins von den Hinterraͤdern mit einer eiſernen Kette geſperret. Manchmahl rauchten die Raͤder von der ſtarken Friction. Die Landſtraße, welche durchgaͤngig ſehr breit iſt, ſieht man zu beiden Sei - ten mit Baͤumen bepflanzt. An allen Bergen liegen blaue und gelbe Feuerſteine in Menge. Die Haͤuſer auf dieſem Wege ſind auch von ſolchen Feuerſteinen und Kalk aufge - fuͤhrt. Ich kam durch verſchiedne Staͤdte, von denen einige befeſtigt ſind. Die Meilenzeiger ſind von Stein, und mit einem Kreutze bezeichnet; die Viertel-Meilen - zeiger aber nur von Holz mit einer kupfernen Platte. Bey den Kloͤſtern trifft man Bettler, ſowohl Erwachſeneals33Reiſe von Hollandnach Paris. als Kinder haͤufig an: ſie beten das Vater Unſer Latei - niſch. Hie und da ſieht man Hecken von Brombeer; ſolche Hecken ſind zwar dornig, aber nicht dicht. Vor den Wirthshaͤuſern wird den Paſſagieren manchmahl ein Stuhl hingeſetzt, um ihnen das Ausſteigen aus dem Wa - gen bequem zu machen. Man kann in den Wirthshaͤu - ſern nach Belieben entweder mit mehrern Gaͤſten zuſammen an einem Tiſche ſpeiſen, oder auch ſich in der Kuͤche ſelbſt die Gerichte ausſuchen, die man haben will; in dieſem Falle bekommt man einen beſonders gedeckten kleinen Tiſch. Trinkgeld muß man allenthalben reichlich bezahlen, be - ſonders dafuͤr, daß man des Morgens, wenn die Poſt - kutſche abgehen will, geweckt wird: man nennt dies Trink - geld quelque choſe pour le garçon. Auf dieſer gan - zen Reiſe empfand ich viel Kaͤlte: zugleich war faſt be - ſtaͤndig Nebel und Reif; auch ſah man ſchon Eis auf dem Waſſer.

Vierter Abſchnitt Aufenthalt in Parisvom 1. December 1770 bis den 12. Julius 1771.

Den 1. December 1770 kam ich zu Parisan. Mein Gepaͤcke wurde im Poſthauſe viſitirt. Ich miethete mir in der Nachbarſchaft ein Zimmer, um meine Saͤchen da - hin bringen zu laſſen, bis ich in mehrerer Naͤhe der Hoſpitaͤler und Akademien ein Logis tiefer in der Stadt bekommen wuͤrde. Dies waͤhrte auch nicht lange. Denn da ich von Aſſeſſor RibeAddreſſe an ſeinen vorigen Wirth, Namens Berth, hatte, ſuchte ich dieſen ſogleich auf, bekam Zimmer in ſeinem Hauſe, und ließ auch meine Koffer alsbald dahin bringen. Meine Ankunft ThunbergsReiſe. Erſter Theil. C34Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. und meinen Nahmen meldete er unverzuͤglich dem Polizey - Lieutenant.

Unter meinen Landsleuten beſuchte ich darauf zuerſt Herrn Heſſeen, welcher ſo gefaͤllig war, mir manche noͤthi - ge und nuͤtzliche Nachrichten zu geben. Noch am ſelbigen Tage verfuͤgte ich mich nach dem ſchoͤnen und vortrefflichen Hoſpitale, la Charité. Bald begab ich mich auch in Ge - ſellſchaft meines Wirths nach dem großen Hoſpitale, Ho - tel-Dieu. Dies iſt der Ort, den ich hernach taͤglich be - ſuchte, und wo man allezeit Gelegenheit hat, etwas zu lernen, es betreffe die vielfaͤltigen chirurgiſchen Opera - tionen, welche da vorgenommen werden, oder die Pflege und Wartung der Kranken. Nicht lange nach meiner Ankunft ſtiftete ich auch mit zwey andern Landsleuten, die ſich hier aufhielten, um ſich in der Wundarzneykunſt zu vervollkommnen, Bekanntſchaft: mit den Herren Ru - dolphund Luͤcke. Da wir eine und dieſelbe Wiſſenſchaft trieben, war dieſer Umgang fuͤr mich ſo viel nuͤtzlicher. Denn weil ſie ſchon einige Zeit in Parisgeweſen waren, erhielt ich von ihnen ohne Muͤhe viele Nachrichten und Addreſſen. Sonſt kann ein Fremder in dieſer weitlaͤuf - tigen Stadt lange verweilen, ehe er nach und nach alle Gelegenheiten, die man hier findet, um in ſeiner Wiſſen - ſchaft weiter fortzuſchreiten, kennen und ſchaͤtzen lernt. Sie erboten ſich, mich nach den beyden oben genannten Hoſpitaͤlern zu begleiten. Als ſie hoͤrten, ich ſey ſchon da geweſen, bezeigten ſie ihre Verwunderung daruͤber, daß ich, nach einer Anweſenheit von kaum vier und zwanzig Stunden, nicht nur dieſe Hoſpitaͤler, ſondern auch man - ches andre ſchon geſehen hatte. Sie ſchloſſen hieraus, ich wuͤrde nicht ermangeln, fuͤr das Geld, welches ich in Pariszu verzehren gedaͤchte, mir den moͤglichſten Vor - theil in meinem Fache zu verſchaffen.

35Aufenthalt in Paris.

Im Hotel-Dieu hatte ich bald Gelegenheit, den feyerlichen Aufzug anzuſehen, welcher gewoͤhnlich am er - ſten Sonntage jedes Monaths angeſtellt wird. Die Nonnen ſowohl als die Moͤnche, welche die Kranken hier bedienen, trugen bey dieſer Feſtlichkeit weiße Kleider und ſchwarze Maͤntel, und in den Haͤnden große Wachs - lichte. Vor dem Altare ſtanden drey junge Maͤochen, die ſehr ſchoͤn ſangen. Nachher habe ich dies in mehrern Kirchen bemerkt Die Notredame-Kirche beſah ich, nebſt andern Kirchen, auch in den erſten Tagen; ſie iſt das Muſter, wonach die Domkirche zu Upſalagebauet iſt. Die meiſten hieſigen Kirchen ſind auf gleiche Art ins Kreutz angelegt, nur meiſtentheils noch ſchoͤner und ohne Baͤnke und Stuͤhle. In der Schwediſchen Geſandtſchafts - Kapelle wohnte ich dem Gottesdienſte bey: die Predigt wurde in Deutſcher Sprache gehalten.

Sobald ich konnte, machte ich auch dem Schwedi - ſchen Bothſchafter, Grafen Creutz, die Aufwartung. Dieſer Herr bewies mir, waͤhrend meines ganzen hieſigen Aufenthalts, viel Wohlwollen. Er iſt es auch, der dazu beſtimmt war, nach Verlauf einiger Jahre in Schwedenmein Gluͤck zu befoͤrdern. Sein Andenken wird mein Herz, ſo lange ich lebe, mit der innigſten Dankbarkeit verehren.

Im Kloſter der heiligen Genevieve war die Biblio - thek, das Naturalien-Cabinett und der vortreffliche Garten fuͤr mich das Wichtigſte. Die Bibliothek iſt im obern Stockwerke befindlich; ſie iſt kreutzweiſe gebauet, und die Buͤcherbreter ſtehen rings an allen Waͤnden und unter den Fenſtern, und ſind mit geflochtenen Drahtthuͤren verſchloſſen. Die Buͤcher ſind numerirt. Zwiſchen zwey und zwey Repoſitorien ſteht die Buͤſte eines Regen - ten oder Philoſophen. Der Saal wird Montags,C 236Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. Mittwochs und Freytags um zwey Uhr geoͤffnet, und ſteht jedesmahl drey Stunden offen. Man leihet auch Buͤcher aus. Zur Seite iſt das Antiquitaͤten-Cabinett und die Naturalien-Sammlung in zwey Zimmern. Die letztere enthaͤlt unterſchiedliche ausgeſtopfte Amphibien und Fiſche, Mumien, Mineralien, Conchylien und Koral - len; in dem erſtern iſt eine Menge Alterthuͤmer befindlich. Alles ſteht in verſchloſſenen Schraͤnken mit Thuͤren von geflochtnem Draht. Der Garten iſt huͤbſch, und hat artige Figuren von beſchnittnem Buchsbaum.

Am Weihnachtabend wohnte ich dem katholiſchen Gottesdienſte bey. Man feyert dergleichen hier in dieſer Nacht in allen Kirchen mit vielen Ceremonien. Die Kirchen ſind alsdann mit großen Kronleuchtern ſchoͤn erleuchtet.

Um die Zeit nicht ungenutzt vorbeyfließen zu laſſen, beſuchte ich zwar das Hoſpital taͤglich einmahl, zu Zeiten auch zweymahl; allein dabey ließ ich es nicht bewenden. Ich machte mich auch ſogleich zu anatomiſchen Sectionen bey Herrn du Mas, Wundarzt im Hotel-Dieu, anheiſchig. Ferner wohnte ich den oͤffentlichen Vorleſungen in der chi - rurgiſchen Akademie (Saint-Come), der mediciniſchen Akademie (Ecole de Medicine), dem botaniſchen Gar - ten (Jardin royal) und dem phyſikaliſchen Hoͤrſaale (Col - lege naval) bey. Außerdem verſaͤumte ich nicht, auch in der Anatomie, Chirurgie und Entbindungskunſt noch Privat-Unterricht zu benutzen. Die Anſtalten und Ein - richtungen, um die Unterweiſung in dieſen Theilen der mediciniſchen Gelehrſamkeit zu befoͤrdern, ſind hier zahl - reich und zu gleicher Zeit vortrefflich. Man ſtudiert ſie auch nicht alle auf einmahl, ſondern nach einander; und auf dieſe Art koͤnnen nicht nur die Profeſſoren, welche mit ihren Vorleſungen alterniren, viele Zuhoͤrer haben,37Aufenthalt in Paris. ſondern die Studierenden werden auch nicht mit zu man - cherley uͤberhaͤuft. Im Winter-Halbenjahre wird zuerſt die Anatomie, dann die chirurgiſchen Operationen, darauf die Chemie, Accouchir-Wiſſenſchaft, und zuletzt gegen den Sommer die Kraͤuterkunde, Pathologie und andre medici - niſche Wiſſenſchaften gelehrt. Keine Wiſſenſchaft wird bloß theoretiſch, ſondern eine jede zugleich praktiſch vorgetragen. Außer den oͤffentlichen Stunden leſen die meiſten Profeſſo - ren und Adjuncten, (welche letztere hier Prevots heißen) zugleich Privat-Collegia, und auch dieſe bisweilen unent - geldlich. In den oͤffentlichen Collegien faſt aller Profeſ - ſoren ſind ſogar die Adjuncten ihre Amanuenſes, und wenn der Profeſſor eine Sache vorgetragen hat, demon - ſtrirt der Adjunct ſie ſogleich praktiſch.

Den meiſten meiner Leſer, auch denen, welche nicht Aerzte ſind, oder die an akademiſchen Einrichtungen eben nicht Theil nehmen, wird es, glaube ich, nicht un - angenehm ſeyn, wenn ich hier ein ausfuͤhrliches Verzeich - niß der oͤffentlichen ſowohl als der Privat-Vorleſungen ein - ruͤcke, die in Pariszum Nutzen derer, welche die Medi - cin ſtudieren, gehalten werden. Sabatierlieſet im Januar und den folgenden Monaten in Saint-Come oͤffentlich zuerſt uͤber die Zergliederungskunſt, und hernach uͤber die chirurgiſchen Operationen. Privatim traͤgt er die Anatomie in einer Zeit von ſechs Wochen fuͤr ſechs und dreyßig Livres vor; eben das thut er in Anſehung der chirurgiſchen Operationen. Auch nimmt er Penſionaͤre im Invalidenhauſe an, welchem er vorſteht. De la Faye, dieſer ehrwuͤrdige Greis, lehrt ebenfalls in Saint - Come des Vormittags die chirurgiſchen Operationen, wel - ches Collegium des Nachmittags von ſeinem Adjuncten Gourſaudrepetirt wird. In gemahlten Abbildungen zeigt er die Krankheiten verſchiedner Theile des menſchli -38Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. chen Koͤrpers zugleich. Petit, ein artiger und muntrer Mann, traͤgt im Maͤrz und den naͤchſten Monathen die Anatomie und Phyſiologie, hernach die Lehre von den chi - rurgiſchen Operationen, und zwar im Jardin royal, vor. Die letzteren werden am Schluſſe jeder Lection vom De - monſtrator wirklich verrichtet. Du Sçulieſet in Saint-Come Nachmittags ebenfalls die Zergliederungs - wiſſenſchaft auf gleiche Art, wie SabatierVormittags. Die Theile werden erſt in ihrer natuͤrlichen Lage gezeigt, und darauf zergliedert, um auch andre Theile zeigen zu koͤnnen Zugleich wird eben dieſer Theil an einem trock - nen Praͤparate, imgleichen in Abbildungen demonſtrirt; dieſe letzteren beſitzt du Sçuin großem Formate, und ſie ſind vorzuͤglich gut illuminirt. Gegen den Fruͤh - ling traͤgt Tenonin Saint-Come die Lehre von den Krankheiten, und privatim die Lehre von den Augenkrank - heiten insbeſondre vor. Im May und den folgen - den Monathen wird eben daſelbſt von BrasdorVormit - tags um eilf Uhr, und von HevinNachmittags um drey uͤber die Therapie geleſen. Im Jardin royal haͤlt Macquervom Junius an uͤber die Chemie Vorleſungen. Waͤhrend der Lehrſtunde werden jedesmahl in einem durch ein Gitter abgeſonderten Zimmer die Operationen ange - ſtellt, welche am Schluſſe der Apotheker Roelzeigt und erklaͤrt. In eben dieſen Monathen traͤgt Juſſieudie Bo - tanik vor, theils im Auditorium, theils im Jardin royal, wo die Gewaͤchſe auf den Beeten vorgezeigt werden. Louislehrt zu eben der Jahrszeit in Saint-Come die Phyſiologie Vormittags, welches da auch Nachmittags Bordenavethut. Zu eben der Zeit und an eben dem Orte lieſet Fabredes Vormittags, und Tenondes Nach - mittags die Pathologie. Doch geſchieht dies nur woͤchent - lich an zwey Tagen, Dienſtags und Freytags, daher bis in39Aufenthalt in Paris. den November damit fortgefahren wird. Peanlieſet in dieſen Monathen auch in Saint-Come und zwar die Entbindungskunſt fuͤr die, welche die Wundarzneykunde ſtudieren, Dienſtags und Donnerſtags um halb zwey. Ein gleiches geſchieht von Barbautfuͤr die Hebammen, Mittwochs und Sonnabends um eilf Uhr. Gendronhandelt in zwey Monathen, May und Junius, Montags, Dienſtags und Freytags um eilf Uhr, die Wiſſenſchaft von den Augenkrankheiten ab. Die Theile des Auges zeigt er an Praͤparaten, und in großen illuminirten Abbil - dungen, und die Krankheiten der Augen ſelbſt in Email. Im College naval wird des Winters, Mon - tags, Donnerſtags und Sonnabends die Phyſik gelehrt. Die Experimente werden immer zu gleicher Zeit angeſtellt. Die Maſchinen und Inſtrumente ſetzt man zu dieſem Ende auf einen Tiſch, der auf einer erhoͤheten Buͤhne ſteht, um welche die Zuhoͤrer auf ſtufenweiſe in die Hoͤhe gehen - den Baͤnken ſitzen. Dies Collegium wird um eilf Uhr ge - halten, und Leute aller Art, nicht bloß Studenten, wohnen ihm bey. In der Ecole de Medicine wird woͤchent - lich in ſechs Stunden zuerſt die pathologiſche Anatomie, und hernach die Chemie gelehrt. Jene traͤgt der Profeſ - ſor in der erſten halben Stunde in Lateiniſcher Sprache vor. Wenn er geſchloſſen hat, zeigt der Demonſtrator die Theile ſelbſt vor, und lieſet daruͤber in Franzoͤſiſcher Sprache. In dem Collegium uͤber die Chemie macht le Rouxjederzeit die Experimente. Auch wird in eben dieſem Inſtitute von Profeſſor Dionisin Lateiniſcher Sprache Anweiſung zu den chirurgiſchen Operationen gege - ben. Dies Collegium wird unmittelbar darauf vom De - monſtrator Francin Franzoͤſiſcher Sprache repetirt. Den Hebammen wird in der Ecole de Medicine vom May an, von Mellinein Curſus der Entbindungs -40Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. kunſt, nebſt den darauf ſich beziehenden Theilen der Anatomie vorgetragen. Goubellythut dabey als De - monſtrator Dienſte. Dies ſind die oͤffentlichen Collegia.

Privat-Vorleſungen werden von verſchiednen Profeſ - ſoren uͤber allerhand mediciniſche und chirurgiſche Wiſ - ſchaften, in großer Anzahl gehalten. Noͤthig ſcheint dies kaum zu ſeyn, da uͤber alle Theile der Medicin und Chirurgie, und die dazu gehoͤrigen Vorbereitungs - und Huͤlfswiſſenſchaften, ſo viele oͤffentliche Collegia geleſen werden. Indeſſen pflegt man doch jenen haͤufig beyzuwoh - nen, und zwar hauptſaͤchlich deswegen, um bey den chi - rurgiſchen Operationen und in Anſehung des Accouche - ments ſelbſt Hand anzulegen. Aus dieſer Urſache ver - pflichtete ich mich auch ſogleich bey du Butund du Maszu einem Curſus uͤber die ausuͤbende Wundarzneykunſt, ſo wie bey Salayreszu einem Privat-Collegium uͤber die Entbindungswiſſenſchaft; dies letztere beſonders in der Ab - ſicht, um die Wendungen und Handgriffe bey ſchlimmen La - gen des Kindes praktiſch zu lernen. Nun von andern Privat-Lehrſtunden. Didier, ein ſehr geſchickter Wundarzt, traͤgt die Lehre von den Krankheiten der Knochen, nebſt dem, was damit in Verbindung ſteht, vor. Bey Riellegt man Hand an das Disſeciren ganzer Cadaver, und er lehrt zugleich die Theorie davon. Man bezahlt dafuͤr dreyßig Livres. Du Sçulaͤßt ſich dagegen fuͤr ſein anatomiſches Collegium, das er in vier Monathen en - digt, hundert Livres entrichten. Ferrandlieſet uͤber die chirurgiſchen Operationen. Guerinhandelt die Lehre von den Krankheiten der Augen ab. Ueber die Entbindungskunſt wird von nicht weniger als ſechs Pro - feſſoren privatim geleſen. Levretlehrt dieſelbe in Zeit von ſechs bis ſieben Wochen fuͤr zwey Louisd’ors; Goubelly,41Aufenthalt in Paris. Lauverjat, du Sçuund Pean, auch la Rietragen ſie ebenfalls vor; der letztere in den Haͤuſern zweyer Hebam - men. La Rienimmt zwar kein Geld, denn er will gern viel Zuhoͤrer anlocken; aber er laͤßt ſich hernach fuͤr Zei - gung der Handgriffe einen Louisd’or bezahlen. Ohne Bezahlung zu nehmen lehren Didierdie Oſteologie, und Moreaudie praktiſche Chirurgie woͤchentlich vier Stun - den in der dritten Etage des Hotel-Dieu. Auch halten die Geiſtlichen in der Charité bisweilen anatomiſche Vor - leſungen umſonſt.

Außerdem haben die Studierenden beſtaͤndig Zu - gang zu den hieſigen oͤffentlichen ſowohl als einigen Pri - vat-Einrichtungen, durch deren Benutzung man ſeine Kenntniſſe in der Botanik und Materia medica, auf eine vorzuͤgliche Art vermehren und berichtigen kann. Herr Royer, Material - und Spezereyhaͤndler in der Haupt - ſtraße der Vorſtadt Saint-Germainoͤffnet nach vorher geſchehener Bekanntmachung alle Dienſtage, Donnerſta - ge und Freytage im May ſeine Gaͤrten den Botanikern, und zu andern Zeiten den Hebammen und den Apotheker - geſellen. Auch ſtellt er Mittwochs und Sonnabends bo - taniſche Spatziergaͤnge an. Seine Sammlung von Spe - zereyen und Naturalien zeigt er ebenfalls den Studieren - den gern. Herr Barbau du Bourghaͤlt gleichfalls Vor - leſungen uͤber die Kraͤuterkunde. In dem ſogenannten Apothekergarten (Jardin des Apothicaires) bekommt man alle da bluͤhende Gewaͤchſe fuͤr achtzehn Livres*)Seit der Verfaſſer dieſes ſchrieb, ſind verſchiedne beruͤhmte Lehrer, die er hier anfuͤhrt, geſtorben, und manche andere verdienſtvolle Maͤnner an ihre Stelle gekommen..

Aus dem jetzt mitgetheilten Verzeichniſſe erhellet, daß in Parisnicht nur die anſehnlichſte mediciniſche Fa - cultaͤt iſt, und keine andre Univerſitaͤt in dieſem Stuͤcke42Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. dagegen ſich vergleichen kann, ſondern auch, daß zur Er - lernung der Arzneywiſſenſchaft hier mehr Anſtalten vor - handen ſind, als ſonſt irgendwo. Welch ein Gluͤck waͤ - re es, wenn auch alles eben ſo gut und auf die gehoͤrige Art beobachtet, bewerkſtelliget und ausgefuͤhrt wuͤrde! Die Anzahl der Studenten, welche Medicin ſtudiren, iſt auch wohl gewiß an keinem Orte ſo groß als hier: ſie geht uͤber dreytauſend.

Ein ſogenanntes ſchwarzes Bret, wo die Anzei - gen der zu haltenden Vorleſungen angeſchlagen werden, findet man auf der hieſigen Unwerſitaͤt nicht. Die Pro - feſſoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih - ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge - ben. Und da die Studenten zu jenen ſich in den oͤffent - lichen Collegien aufſchreiben, wird zu dieſem Ende bis - weilen ein foͤrmlicher Aufruf angeſtellt.

Die Hoͤrſaͤle ſind meiſtens rund gebauet. Die Baͤn - ke machen ein Amphitheater und ſind ohne Ruͤcklehne. In der Mitte ſteht ein Tiſch, an welchem der Profeſſor ſitzt, ungefaͤhr ſo, wie man es in einem anatomiſchen Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thuͤre ſteht allezeit ei - ne Wache, ſowohl um Unordnung und Laͤrm zu verhuͤten, als auch um der Handlung mehr Anſehen und Wuͤrde zu geben. Mit Degen oder Hirſchfaͤnger wird niemand ein - gelaſſen, damit niemand dadurch den andern im Gedraͤn - ge hindern oder auch Misbrauch davon machen koͤnne. Die Thuͤr des Auditoriums wird nicht eher geoͤffnet, als bis die Glocke ſchlaͤgt; manche von den Zuhoͤrern ſtehen daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge - macht wird, um auf einer der unterſten und dem Pro - feſſor naͤchſten Baͤnke einen bequemen Platz zu bekommen. Oft wird der Profeſſor mit Haͤndeklatſchen begruͤßt, ſo - wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.

43Aufenthalt in Paris.

Disputationen werden hier im mediciniſchen Fache auch genug gehalten. In der Ecole de Medicine wird Dienſtags und Donnerſtags disputirt: die Saͤtze, wel - che alsdann vertheidigt werden, betragen einen halben Bogen. Der Disputations-Saal iſt alsdann abgetheilt. Draußen ſitzt einer in ſchwarzer Kleidung mit einem Kra - gen an einem Tiſche und theilt die Theſes aus. Inwendig ſitzen die Officianten in uͤberzognen Baͤnken und auf Ka - thedern. Der Praͤſes und der Reſpondent haben weiße Hemden an. Der Reſpondent ſitzt dem Praͤſes zur Sei - te. Die Opponenten erſcheinen in ſchwarzen Kleidern mit Maͤnteln und blauen Kragen. In der Ecole de Chirurgie wird auf gleiche Art disputirt. Die Katheder ſind alsdann mit Sammet, der mit goldnen Treſſen beſetzt iſt, geſchmuͤckt. Rund herum ſtehen Baͤnke, und in der Mitte Stuͤhle. Alle dieſe Anſtalten geben dem Acte viel Anſehen. Eben ſo giebt es den oͤffentlichen Vorleſungen der Profeſſoren eine nicht geringe Feyerlichkeit, daß dieſe dabey in ihrer Amtstracht erſcheinen, welche in ſchwarzer Kleidung und einem weißen Kragen beſteht. Beym Disputiren hoͤrt man die Franzoſen das Lateiniſche bey - nahe ſo wie das Franzoͤſiſche ausſprechen, und man hat anfangs Muͤhe, ſie zu verſtehen.

Aufmunterung zum Fleiß und zur Lernbegierde ſchei - net an einem Orte nicht noͤthig zu ſeyn, wo ſo viele vor - treffliche Gelegenheiten, in Wiſſenſchaften und Kuͤnſten weit zu kommen, vorhanden ſind. Allein man hat auch jene nicht aus der Acht gelaſſen. Es werden naͤmlich oͤffentliche Pruͤfungen angeſtellt, da die Geſchickteſten Belohnungen bekommen, die in goldnen und ſilbernen Schaumuͤnzen, nebſt gewiſſen Vortheilen und Vorzuͤgen beſtehen. Einem ſolchen Examen wohnte ich einmahl in Saint-Come bey, wo die Studenten wechſelsweiſe einan -44Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. der fragten und antworteten. Bey einem andern eben daſelbſt war ich auch zugegen, da ſechs Profeſſoren exa - minirt wurden. Zu einem ſolchen Examen kann jeder, der will, ſich melden, nur kein Auslaͤnder und kein Pa - riſer. Diejenigen, welche zu der Ecole practique, oder der gedachten Pruͤfung zugelaſſen werden, und daſelbſt den Preis erhalten, genießen hernach den Vortheil, daß ſie, ohne dafuͤr beſonders zu bezahlen, todte Koͤrper ſe - ciren und chirurgiſche Operationen daran vornehmen duͤrfen.

Unter den Hoſpitaͤlern zu Paris, und vermuthlich unter allen Hoſpitaͤlern in der Welt, iſt das Hotel - Dieu das groͤßte. Der Fond zu ſeiner Unterhaltung wird auf ſechs Millionen Livres angegeben, die ehemahls nach und nach, meiſtentheils als freywillige Geſchenke geſammelt ſind. Die Kranken genießen hier Arzney und Pflege umſonſt, ohne Anſehen der Perſon, und ohne auf die Anzahl Ruͤckſicht zu nehmen. Gemeiniglich wer - den ſie auf langen Baaren hingebracht. Im Aufnahme - zimmer werden ſie eingeſchrieben. Der Eingang geht durch die Kirche. Sogleich beym Eingange faͤngt ein Zimmer fuͤr Kranke mit einer Reihe Betten an. Dieſe Betten ſind aber nicht immer in Ordnung. Am Ende dieſes Zimmers ſind die Eingaͤnge in die groͤßern Saͤle. In dieſen ſtehen mehrere Reihen Betten, und in jedem Bette liegen mehrere Kranke, beſonders Kinder, manch - mahl vier beyſammen. Im mittlern Stockwerke liegen diejenigen Patienten, welche des Beyſtandes der Wund - aͤrzte beduͤrfen, und im oberſten die Frauensperſonen, welche entbunden ſind oder ihre Niederkunft erwarten. Den Kranken maͤnnlichen Geſchlechts warten Moͤnche, und den weiblichen Nonnen auf. Das Eſſen wird den Kranken in Naͤpfen oder kleinen Schalen gereicht. Bey45Aufenthalt in Paris. dem Bette ſteht ein behangener Nachtſtuhl. Große Lam - pen erleuchten das Zimmer. Wenn ein Patient geſtor - ben iſt, wird er in das Todtenzimmer (Salle des morts) getragen. Die, welche Vormittags ſterben, werden beſonders, und die, welche Nachmittags, auch beſonders hingelegt. Gewoͤhnlich ſterben in Zeit von vier und zwanzig Stunden zwiſchen zehn und zwanzig Perſonen. Wenn ſie begraben werden ſollen, naͤhet man ſie in grobe greiſe Leinwand. Die Zahl der Kranken erſtreckt ſich ungefaͤhr bis dreytauſend, wovon zweytauſend von Aerz - ten, und tauſend von Chirurgen bedient werden. Den 1. Maͤrz waren der Kranken 3950, und in der folgen - de Woche 3978.

Die Charité iſt netter und ſchoͤner, aber viel klei - ner. Sie enthaͤlt etwa dreyhundert Betten, und hat eine eigne Apotheke. Man nimmt hier nur eine beſtimm - te Anzahl Kranke an, denen Herr du Sçu, welcher Vor - ſteher iſt, Zettel giebt, auf deren Vorzeigung ſie aufge - nommen werden.

Das Invalidenhaus, wo alte und gebrechliche Sol - daten unterhalten werden, hat auch ein großes Zimmer fuͤr Kranke, und liegt an der einen Seite der Stadt. Die dazu gehoͤrige Kirche iſt groß, und hat einen ſehr ſchoͤnen erhabnen Chor, der mit Marmor ausgelegt iſt, und in der Mitte einen etwas niedrigern Platz hat, wo - hin niemand, außer dem Koͤnige, erlaubt wird hinabzuge - hen. Daher wird hier auch, ſo wie bey den Thuͤren, Wache gehalten. Die Wache beſteht ſehr oft aus ge - brechlichen Leuten. Neben dem Invalidenhauſe iſt die Ecole militaire.

Das Bicetre oder Lazaret fuͤr veneriſche Kranke iſt außerhalb der Stadt. Wer da aufgenommen werden will, muß vorher Erlaubniß dazu haben.

46Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.

Der botaniſche Garten (Jardin royal) ſteht unter der vortrefflichen Aufſicht des geſchickten Thouin. Er iſt groß und beſteht aus zwey langen Quartieren, die mit Hecken umgeben ſind. Die Beete ſind mit Buchsbaum umpflanzt. Der unterſte Theil des Gartens gleicht ei - nem wilden Walde, der aus allerhand Baͤumen beſteht. Zur linken Seite ſind die Orangerien und Treibhaͤuſer. Draußen vor dieſen iſt ein Platz, wohin die Gewaͤchs - toͤpfe des Sommers geſetzt werden, wie auch verſchiedne durch Taxus-Hecken abgeſonderte kleine Felder fuͤr Ge - waͤchſe. Oberhalb derſelben ſtehen auf einer kleinen An - hoͤhe ebenfalls einige Treibhaͤuſer, nebſt der Wohnung des Gaͤrtners, wie auch ein Gemach zur Aufbewahrung der Saͤmereyen. Hinter den Treibhaͤuſern und der Orangerie auf dieſer Anhoͤhe ſind Spatziergaͤnge und ein kleiner Wald, wie auch ein Berg, der ſo hoch iſt, daß man von da ganz Parisuͤberſehen kann. Jeder Botaniker hat hier freyen Zutritt, ſo wie der Garten auch zum Spatzieren offen ſteht. Die Hecken beſtehen aus Eibenbaum, Ul - men, Stechpalmen, Buchsbaum, Linden, Cornel - Kirſchbaum, Geißblatt, Kirſchbaum mit doppelter Blu - me, Judasbaum, Bocksdorn, Peltſchen (Coronilla ſecu - ridaca), Feldmaßholder, Flieder oder Syringen, und dergleichen. Unter den Baͤumen, die im Garten ſtehen, bemerkte ich verſchiedne Arten Maßholder, die Stein - eiche, den Kermesbaum, die immergruͤne Cypreſſe, den Bermudiſchen Wachholder, den Taxus, die Ulme, die Linde, die Roßkaſtanie, den Indasbaum, zweyerley Gattungen Steinlinde, den Quittenbaum und beyde Ar - ten des Platanus.

Neben dem botaniſchen Garten an der Straße ſteht das Muſeum fuͤr die Naturalien, welches mehrere Zimmer enthaͤlt. Im erſten werden die Holzarten, die47Aufenthalt in Paris. Rinden und Borken, die Samen, die Wurzeln, die Fruͤchte und dergleichen, in Flaſchen, die in Schraͤnken mit Glasthuͤren ſtehen, und mit den Franzoͤſiſchen Nah - men bezeichnet ſind, aufbewahrt. Im zweyten iſt das Mi - neralien-Cabinett befindlich: dies iſt praͤchtig; alles iſt in Schraͤnken verſchloſſen, die auf ſtufenweiſe in die Hoͤhe gehenden Repoſitorien ſtehen; unter andern ſind hier viele Verſteinerungen und verſchiedne Arten geſchliffenen Mar - mors. Im dritten ſtehen die Voͤgel, ebenfalls in Schraͤn - ken mit glaͤſernen Thuͤren, von dreyfach verſchiedner Tiefe. In der unterſten Abtheilung jedes Schranks liegen die Eyer und Neſter; ich fand hier auch einige Korallen und Conchylien, wie auch eine Partey Inſekten in viereckigen mit Glas bedeckten flachen Kaſten. Im vierten haͤngen die Amphibien unter der Decke des Zimmers; auch ſah ich ein ausgeſtopftes Zebra, deſſen Haut la Caillevom Capmitgebracht hat; imgleichen werden hier verſchiedne Fiſche, Inſekten und Wuͤrmer, nebſt einigen Amphi - bien, in Weingeiſt aufbehalten. Das Zimmer fuͤr die anatomiſchen Praͤparate war damahls noch nicht ganz fertig. Alle Dienſtage und Donnerſtage wird dies Ca - binett von zwey bis fuͤnf Uhr zum oͤffentlichen Gebrauche geoͤffnet. In jedem Zimmer ſteht eine Wache, die Leu - te von beſſerm Stan[d]e hereinlaͤßt.

So viel von dem, was die Medicin, und die dar - auf ſich beziehenden Anſtalten in Parisbetrifft. Nun von andern Gegenſtaͤnden.

Das Seinewaſſer, welches durch die Stadt fließt, iſt ungeſund, beſonders fuͤr Fremde, die hieher kommen. Von der aufgeloͤſeten Kreide, welche es enthaͤlt, ſieht es ganz milchfarbig aus, und verurſacht Diarrhoͤe.

Des Morgens fahren in Parisgroße Karren auf den Gaſſen umher, um den Unrath abzuhohlen und weg48Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. zubringen, der beym Ausfegen an die Mauer oder Wand gekehrt worden.

Die Haͤuſer in Parisſind haͤufig mit Schiefer ge - deckt. Sie ſehen meiſtentheils auswendig dunkel aus; und da die Fenſter an der inwendigen Seite der Mauer eingeſetzt ſind, haben ſie noch weniger Anſehen. Auch werden die Fenſter durchgaͤngig nach dem Zimmer, nicht nach der Straße zu geoͤffnet. Die unteren Fenſter wer - den auch wohl in die Hoͤhe geſchoben. Im zweyten Stock - werke ſind haͤufig, bisweilen auch im dritten, vor den Fenſtern kleine Altane mit einem Gitter angebracht.

Die Bettſtellen ſind ſehr hoch und groß, und ſtehen frey, von der Wand abgekehrt. Man ſchlaͤft auf vielen Betten. Die Kopfkiſſen ſind cylinderfoͤrmig, und ein Hals, der nicht daran gewoͤhnt iſt, liegt ſehr unbequem darauf.

Die Gaſſen ſind des Abends und Nachts nirgend beſſer, als in Paris, erleuchtet. Die Laternen ſind groß, hangen an Seilen, die quer uͤber die Straße gezogen ſind, und geben gar keinen Schatten. Ueberhaupt ſind die hieſigen Polizey-Anſtalten ganz vorzuͤglich gut. Tag und Nacht gehen Patrouillen, und zwar dicht hinterein - ander, um die Sicherheit in dieſer großen und weitlaͤuf - tigen Stadt zu erhalten. Faſt in jeder Straße haͤlt ſich ein Commiſſaͤr auf, dem es zukommt, kleine entſtandne Streitigkeiten zu ſchlichten. Bisweilen traͤgt es ſich zu, daß Leute, es ſey gewaltſamer Weiſe, oder durch einen Zufall, auf der Straße das Leben verlieren. Da es nun unmoͤglich iſt, daß die Polizey-Bedienten alle ſolche Leute kennen koͤnnen, werden ſie in einem gewiſſen Hauſe, in einem dazu beſtimmten, mit einem Gitter verſehenen, Zimmer einige Tage lang oͤffentlich zur Schau geſtellt, damit die, welchen ſie angehoͤren, oder wer ſonſt jemandver -49Aufenthalt in Paris. vermißt, ſie da, ehe ſie begraben werden, beſehen koͤnnen.

Auf der Straße wird Obſt und manche andre Waa - re ausgerufen, ſelbſt das Waſſer, welches Kerle aus der Seineholen, und zum Hausbehufe verkaufen. Sogar Auctionen werden nicht ſelten auf der Straße ge - halten; der Auctionator gebraucht alsdann keinen Ham - mer oder Schluͤſſel, um zuzuſchlagen, ſondern ruft nur zum erſten, zum andern, und zum dritten, laͤßt ſich ſo - dann augenblicklich das Geld auszahlen, und geht weiter. Ueberhaupt findet man auf den Straßen alles, Altes und Neues, zu Kauf.

Eben ſo trifft man auf allen Maͤrkten und andern oͤffentlichen Plaͤtzen, auch beynahe in allen Gaſſen, Schuh - putzer an, die den Fußgaͤngern ihre Dienſte anbiethen. Dieſer Dienſte bedarf man auch, weil es hier des vielen Fahrens wegen und da die Gaſſenrinnen mitten in der Straße ſind, faſt das ganze Jahr hindurch unrein iſt. In meinem Vaterlande wuͤrden dieſe Leute uͤbel daran ſeyn; denn ſie wuͤrden Dreyviertheil des Jahres ohne Verdienſt bleiben. Wenn es regnet, kann man vor Re - genſchirmen kaum durchkommen; dieſe ſind hier aber auch unentbehrlich, weil jedermann, wie in Japan, beſtaͤndig mit bloßem Kopfe geht. Wer des Nachts ſpaͤt in der Stadt zu gehen hat, findet Leute mit Leuchten auf der Straße, die fuͤr ein geringes Trinkgeld ihn zu Hauſe leuchten.

Schon im December ging man mit Muffen. Die - ſe traͤgt man hier ſehr klein, und entweder von ſeidnem Zeuge oder von Federn, und mit einem Bande, um ſie zuzuziehen. Als die Kaͤlte um die Mitte des Januars ſtaͤrker wurde, trugen manche, wenn ſie ausgingen, Ge - faͤße mit Feuer, um die Haͤnde zu waͤrmen. Sobald ThunbergsReiſe. Erſter Theil. D50Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. Thauwetter einfiel, ſtroͤmte auf den nach der Seineſich neigenden Straßen das Waſſer in ſolcher Menge, daß man nicht gehen konnte.

Jedermann iſſet hier Weizenbrot, auch die gerin - gen Leute; dieſe koͤnnen daher mit Brot allein, ohne Fleiſch oder Zugemuͤſe, ſich beſſer behelfen, als wenn ſie Rockenbrot aͤßen. Beym Aufdecken legt man in Frankreichnicht immer Meſſer auf, ſondern ſehr oft ſind die Gaͤſte genoͤthigt, ſich ihres Taſchenmeſſers bey Tiſche zu bedienen. Man pflegt daher ein ſolches bey ſich zu fuͤhren, das dazu taugt.

Unter den Gebaͤuden zeichnet ſich das Kaufmanns - haus (palais des Marchands) durch ſeine Schoͤnheit aus. Da werden auch allerhand Putzſachen und Galan - terie Waaren verkauft. Am Abend vor Neujahr wird es aufs praͤchtigſte illuminirt, und alle Waaren und Sa - chen werden alsdann hervorgeſetzt, um ſie zu zeigen. Luxemburg iſt ein vortreffliches Palais, mit einem Schloß - platze und großen Garten, worin man, eben ſo als in den Thuillerien, ungehindert ſpatzieren kann, wiewohl niemand, der nicht einen Degen traͤgt, eingelaſſen wird. Die da - ſige Gemaͤhlde-Gallerie ſteht Mittwochs und Sonnabends von zehn bis ein Uhr offen. An der einen Seite ſieht man die Geſchichte der Marie de Medicis, und in den Zimmern an der andern Seite ſind ſowohl große als klei - ne Schildereyen in Menge aufgeſtellt. Unter den Kloͤſtern ſind verſchiedne recht groß, haben inwendig ei - nen großen Hof, und manchmahl ganz huͤbſche Gaͤrten, worin jedermann die Promenade erlaubt iſt. Vaux - Hallliegt außerhalb der eliſaͤiſchen Felder. Einige En - trepreneure haben es angelegt, und unterhalten es. Es iſt ſehr praͤchtig. An gewiſſen Tagen wird da ein Orche - ſter gehalten, und wer Luſt hat, kann tanzen. Gegen51Aufenthalt in Paris. Abend wird ein Feuerwerk angeſtellt. Um hereinzukom - men, muß man ein Billet haben, wofuͤr man dreyßig Sous bezahlt. Im Boulevard wird der Boden mit Waſſer angefeuchtet, damit es nicht ſtauben moͤge. Das Waſſer wird zu dieſem Ende auf Karren hingefahren, und die Tonnen haben hinten eine Roͤhre, an welcher ei - ne andre Roͤhre in die Quer angebracht iſt, die viele Loͤcher hat, wo das Waſſer in feinen Strahlen her - auslaͤuft. Das Bois de Bolognebeſteht groͤßten - theils aus Eichen, und die Leute beluſtigen ſich da mit Tanz und auf andre Art.

Nun etwas von Feſttagen und heiligen Gebraͤuchen. Um und nach Weihnachten wurden die Bilder des Erloͤ - ſers und der Jungfrau Maria mit dem Chriſtkinde in kleinen Schraͤnken, mit Lichtern und Kronen umher, allent - halben auf den Straßen, und vor den Haͤuſern ausge - ſtellt. Waͤhrend der Faſtenzeit, da kein Fleiſch ge - geſſen werden durfte, wurden alle Fleiſchſcharne in der Stadt verſchloſſen. Der Tiſch wurde theurer, weil Milch und Eyer ſehr im Preiſe ſtiegen, und Fleiſch nur in demjenigen Scharren verkauft wurde, der dem Hotel - Dieu gehoͤrt, welches dieſe Zeit uͤber dadurch viel gewinnt. So lange das Carneval dauert, ergoͤtzt man ſich auf tauſenderley Art; unter andern wurde ein Knabe, der auf einem ſchoͤn geſchmuͤckten Ochſen mit vergoldetem Ruͤcken ritt, durch alle Gaſſen gefuͤhrt. Viele maſkir - ten ſich und ritten auf Pferden umher, oder fuhren auf Wagen und Cariolen herum, in einem ſo ſeltſamen Aufzuge, und in ſolcher Menge, daß ein Fremder in Ver - ſuchung haͤtte kommen koͤnnen, zu glauben, das halbe Volk in der Stadt habe den Verſtand verloren.

Unten am Calvair, einem großen Huͤgel an der Seine, wird, da wo man hinaufgeht, in ſieben Zimmern,D 252Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. deren je zwey und zwey in einer Breite ſind, die Leidens - geſchichte Jeſu in ſieben Aufzuͤgen vorgeſtellt. Ganz oben ſtehen drey Kreutze und Chriſti Grab, nebſt einer Kirche. Waͤhrend der Oſterfeyertage wird das Kreutz dem Volke zum Kuͤſſen dargereicht, welches ſich haufenweiſe zum Altare und zum Prieſter, der es hinhaͤlt, vordraͤngt. Zwey Moͤnche nehmen mittlerweile auf Tellern das Allmoſen oder Opfer in Empfang. Auch werden den Tag vor Oſtern bemahlte und bunt gemachte Oſtereyer allenthalben auf den Straßen verkauft. Sobald die Faſten nur zu Ende ſind, werden Tauben in die Stadt gebracht, und Fleiſch zum Verkauf ausgehaͤngt.

Am Fronleichnamstage gingen die Geiſtlichen aus allen Kirchen mit ihrem Herrgott, den eine glaͤſerne Kapſel verwahrte, eine Sonne umgab und ein Baldachin bedeckte, in ihren Kirchſpielen umher, mit Muſik, Trom - meln, Rauchfaͤſſern und Blumenkoͤrben. Alle Haͤuſer waren, ſo weit die erſte Etage geht, mit Tapeten aller - hand Art bekleidet, wodurch jene ſo unkenntlich wurden, daß ein Fremder ſie nicht ohne Muͤhe wieder finden konn - te. Die Straßen wurden mit Blumen beſtreuet, und hin und wieder Altaͤre errichtet, wo die Prieſter hinauf - ſtiegen, um Gaſſen und Haͤuſer zu ſegnen. Waͤhrend der Proceſſion wurde Geld geſammelt, um dafuͤr Gefan - gene aus dem Petit Chatelet loszukaufen. Manche Un - gereimtheiten und laͤcherliche Aufzuͤge bekommt man bey dieſer Gelegenheit zu ſehen. Aeltern warfen nicht ſelten ih - re Kinder auf die Erde, damit der Umgang uͤber ſie herge - hen moͤchte, wobey ſie indeſſen keinen Schaden nahmen.

Von den hieſigen Merkwuͤrdigkeiten habe ich noch einige, die ich in Augenſchein nahm, nachzuhohlen. Am meiſten fiel mir das auf, was ich bey dem beruͤhmten Emailleur Rouxſah. Dieſer Mann verfertigt von53Aufenthalt in Paris. Email Augen, die ſo aͤhnlich ſind, daß man ſie von wirk - lichen nicht unterſcheiden kann, und zugleich alle Krank - heiten der Augen darſtellen. Die verſchiednen Farben im Auge bringt er durch verſchieden gefaͤrbtes Email her - vor, das er in kleinen Stangen von Venedigkommen laͤßt, und hernach mit verſchiednen Metallen vermiſcht. Seine Einrichtungen hiezu, die er nicht leicht jemand zeigt, ſind folgende. Auf einem Tiſche liegt eine meſſingne Platte feſt, auf welcher ein Kaͤſtchen mit Oehl und einem ſehr großen Dachte ſteht. Unter dem Tiſche iſt ein Blas - balg, den er ſelbſt tritt, und deſſen Ende durch den Tiſch in die Hoͤhe geht. An dieſem Ende wird eine glaͤ - ſerne Roͤhre befeſtigt, die ſich gegen das Feuer der Lam - pe krumm hinbiegt, ſo daß er vermittelſt dieſes durch den Blasbalg verſtaͤrkten und getriebnen Feuers das Email zum Schmelzen bringt. Am Ende eines Pfeifenſtiels blaͤſet er zuerſt die Augenkugel, die er allmaͤhlig in Form von Ringen in die Weite ausdehnt, und hernach zuſam - menzieht, bis bloß ein Loch fuͤr die Hornhaut bleibt, die er alsdann aus zugeſetztem blauem Email bildet. Darauf wird das Ende wieder heiß gemacht, und zuerſt die Horn - haut, hernach die uͤbrige Kugel, aufgeblaſen. Mit ei - ner Stange durch einander gemiſchten blauen und weißen Email, traͤgt er alsdann eine Reihe kleiner Punkte oder Fleckchen innerhalb des Randes der Hornhaut auf, inner - halb dieſer Reihe eine Reihe weißer Puncte und binnen dieſer letztern wiederum eine von blauen und weißen Fleck - chen, welche hernach durch die Hitze zuſammengetrieben werden. Darauf wird ſchwarzes Email aufgetragen, um die Pupille zu bilden, und außerhalb derſelben ein etwas groͤßeres Haͤufchen feinen und klaren Kryſtallglaſes, um die Hornhaut durchſichtig zu machen. Alles dieſes wird hernach durch das Feuer, allezeit vermittelſt Blaſens54Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. von inwendig, in ſeine natuͤrliche Form gebracht. Um zuletzt den Pfeifenſtiel los zu machen, wird die Kryſtall - ſtange ganz los an der einen Seite der Hornhaut befeſti - get, der Pfeifenſtiel weggenommen, und die Kugel hin - terwaͤrts formirt. Waͤhrend des Blaſens wird die Groͤ - ße der Hornhaut und der Kugel nach einem genauen Maa - ße zirkelrund eingerichtet Vom ganzen Auge wird nach hinten ſo viel weggenommen, daß alles wohl paſſet, und die Ecke wird am Feuer geebnet. Ehe der Pfeifenſtiel weggenommen wird, blaͤſet er die Kugel nach zwey Sei - ten auf, um beide Augenwinkel zu bekommen. Wenn ſolchergeſtalt alles fertig iſt, befeſtigt er eine Stange Kry - ſtall ganz los an die Ecke des Auges, und die Stange, die vorher an der Hornhaut feſt gemacht war, nimmt er weg, und blaͤſet die davon zuruͤckbleibende kleine Vertie - fung zu. Dann wird das Auge in ein mit Feuer und heißer Aſche angefuͤlltes Gefaͤß gelegt, damit es darin langſam kalt werde. Dieſer Mann arbeitet mit Brillen in einem dunkeln Zimmer mit zugemachten Fenſterladen. Vor dem Feuer hat er eine an einem Stiele befeſtigte me - tallne Platte, deren convexe Seite gegen das Feuer ge - kehrt iſt. Jeden Monath theilt er armen Leuten, welche dergleichen beduͤrfen, umſonſt Augen aus. Leuten von mit - telmaͤßigen Umſtaͤnden uͤberlaͤßt er ſie fuͤr ſehr billigen Preis. Reiche aber muͤſſen ihn gut bezahlen: von dieſen nimmt er einen bis fuͤnf und zwanzig Louisd’ors. Wundaͤrzte bekommen das Stuͤck fuͤr ſechs Livres. Hat jemand das Ungluͤck gehabt, ein Auge zu verlieren, und will ſich ſeiner Email-Augen bedienen, ſo darf er nur zu ihm gehen, um nach dem geſunden Auge ein zweytes zu beſtellen. Man kann ihm auch mit der Poſt eine Zeichnung oder genaue Beſchreibung zuſchicken, ſo macht er die Augen danach. In ſolchen Faͤllen legt er allezeit Proben von den Arten55Aufenthalt in Paris. Email, die er gebraucht hat, in Papier gewickelt, bey, um davon ein andermahl wieder Gebrauch machen zu koͤnnen. So wie der Stern verſchieden gefaͤrbt iſt, muß auch die Farbe und Schattirung geaͤndert werden. Nach dem verſchiednen Alter macht er auch die Augen verſchie - den groß, bisweilen macht er ſie auch mit Winkeln oder mit Haͤkchen. Drey Monathe, bis ein halbes Jahr, kann man ein ſolches Auge gebrauchen; alsdann aber muß man es gegen ein neues vertauſchen, weil es abge - nutzt worden. Fuͤr ein Auge, das irgend eine Augen - krankheit darſtellt, nimmt er einen Louisd’or, wenigſtens zwoͤlf Livres. Die Anzahl dieſer letztern Art Augen, die bey ihm zu haben ſind, geht uͤber funfzig.

Die unvergleichlichen gewirkten Tapeten, welche in der Fabrik der Gobelins verfertigt werden, zeigt man jaͤhrlich am Fronleichnamstage oͤffentlich. Die Waͤnde und Mauern des ganzen Hofes ſowohl als alle Zimmer, ſind alsdann damit behaͤngt. Ich ſah darunter verſchie - dene ausfuͤhrliche Geſchichten aus der Bibel, aus OvidsVerwandlungen und andre. Die Figuren waren alle, als wenn ſie lebten.

Der Apothekergarten (Jardin des Apothicaires) iſt zwar klein, aber er enthaͤlt verſchiedne vorzuͤgliche Ge - waͤchſe, und unten ein artiges Luſtwaͤldchen. Fuͤr den freyen Zutritt bezahlt man eigentlich zwoͤlf Livres, außer - dem aber ungefaͤhr ſechs Livres Trinkgeld. Alsdann be - kommt man vom Gaͤrtner ein Verzeichniß, wonach man die nicht numerirten Kraͤuter aufſuchen muß.

Die Vieharzney-Akademie (Ecole royale veteri - naire) zu Charenton, beſah ich mit zweyen meiner Freunde, den Herren Weberund Wollſtein. Jetzt be - fanden ſich da etwa hundert Eleven. Die Eleven woh - nen im obern Stockwerke, bisweilen zwey oder drey auf56Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. einer Stube. In der untern Etage iſt an einer Seite das anatomiſche Theater, welches einen großen Saal ausmacht, und an der andern ein langes Zimmer, mit drey Reihen allmaͤhlig in die Hoͤhe gehenden Baͤnken, zum Gebrauch bey den oͤffentlichen Pruͤfungen. Als ich da war, wurde gerade ein ſolches Examen (Concours) gehalten. Dies geſchieht gewoͤhnlich vier bis fuͤnfmahl im Jahre. Der Praͤſes und einige Deputirte als Bey - ſitzer, ſaßen an einem langen Tiſche und hatten alle Pa - pier vor ſich liegen, um aufſchreiben zu koͤnnen. Auf einem andern etwas kleinern lagen anatomiſche Praͤpa - rate. Man war eben mit der Myologie des Pferdes beſchaͤfftigt. Die Eleven demonſtrirten zwey und zwey um einander, ſo daß der eine fragte, und der andre ant - wortete. Zwey wurden als die geſchickteſten befunden, und dieſe beyden mußten um den Preis looſen. Jeder, den man aufrief, wurde mit Nahmen genannt. Im obern Stockwerke iſt auch das Cabinett, worin ganz vor - zuͤgliche Praͤparate von allerhand Thieren in glaͤſernen Schraͤnken und Kaſten aufbewahrt werden. In einem dicht daran ſtoßenden Gebaͤude wohnt der Director die - ſer vortrefflichen Anſtalt. An der Seite des Gartens iſt eine Schmiede, auch zum Unterrichte der Lernenden, mit vier Eſſen. Das Hoſpital fuͤr krankes Vieh iſt in ver - ſchiedene Staͤlle abgetheilt, die in zwey langen Reihen fortgehen. Zum Behufe der Arzneymittel fuͤr das Vieh iſt ein kleiner botaniſcher Garten angelegt, der ſogar eine kleine Orangerie hat. Auch iſt eine ſehr gute Apo - theke dabey. Junge Leute, die hier in Penſion ſind, bezahlen monathlich zwanzig Livres. Unter verſchiednen Gattungen von Schafen, die ich hier ſah, war auch ein Tuͤrkiſches, dem das linke Hinterbein abgenommen war, und das mit einem hoͤlzernen Beine ging.

57Aufenthalt in Paris.

In der chirurgiſchen Akademie zeigte la Faye, ge - rade als ich eben einmahl da war, ein ſechs und dreyßig - jaͤhriges Maͤdchen, das im ſiebenten Jahre die Pocken gehabt, und hernach durch Abſceſſe oder Krebsſchaden die Zunge nach und nach ſtuͤckweiſe verloren hatte. Zwey Jahr darauf hatte es nicht ſprechen koͤnnen; all - maͤhlig hatte es ſich aber doch mit der Zeit wieder dazu gewoͤhnt. Man ſah jetzt keine Spur von einer Zunge, ſondern die Mandeln ſtanden nur etwas hervor. In - zwiſchen ſprach ſie doch ſehr vernehmlich und ſang auch deutliche Worte, welches ſie auf die Art bewerkſtelligte, daß ſie die Zaͤhne zuſammenbiß und die untere Lippe ge - gen die obere druͤckte.

Am zweyten May bekam die Franzoͤſiſche Garde, die blaue Uniform mit ſilbernen Treſſen hat, und die Schwei - tzer-Garde, welche roth mondirt iſt, den feyerlichen Segen fuͤr dieſes Jahr in der Notredame-Kirche, wo - hin ſie mit vieler Muſik und großem Pompe aufgezogen waren. Bey dieſer Gelegenheit beſtieg ich den Thurm dieſer Kirche, wo man eine herrliche Ausſicht hat.

Am Tage der Vermaͤhlung des Grafen von Pro - vencemit einer Sardiniſchen Prinzeſſin, war ganz Pa - rismit Lichtern und Lampen, die draußen vor die Fen - ſter geſtellt waren, erleuchtet, und auf den Marktplaͤtzen wurde Eſſen und Wein ausgetheilt.

Den 2. Julius hatte ich einen ſonderbaren An - blick. Gegen Abend wurde ein Kerl in Effigie durch einige Gaſſen der Stadt gefuͤhrt, und darauf gekoͤpft und verbrannt. Man erzaͤhlte mir, vor mehreren Jah - ren habe jemand in der Trunkenheit am Wege, gerade vor einem Kloſter, ein Marienbild mit ſeinem Degen geſchlagen und geſtochen, und ſey hernach auf dieſe Art beſtraft worden; zum Andenken dieſer abſcheulichen58Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. That werde jene Strafe noch alle Jahre im Bildniſſe wiederhohlt.

Außer den unzaͤhligen Arten von Vergnuͤgen, wel - ches Parisſeinen Einwohnern im allerreichſten Maaße verſchafft, und wodurch dieſe glaͤnzende Stadt ſo viele Fremde herbeylockt, hatten die hier anweſenden Schwe - den, gerade zu der Zeit, als ich da war, die unbeſchreib - liche Freude, den Kronprinzen des Schwediſchen Reichs, unſern jetzigen theuern Koͤnig, und deſſen juͤngſten Bru - der, den Herzog von Oſtgothland, im erwuͤnſchteſten Wohlſeyn hier zu ſehen. Unter vielen andern hatte auch ich das Gluͤck, dieſen beyden, mir ſo werthen, Prinzen vorgeſtellt zu werden. Doch unſre Freude waͤhrte nicht lange. Sie wurde durch die traurige Nachricht vom Tode Adolph Friedrichs, dieſes allgemein geliebten Mo - narchen, bald und unvermuthet unterbrochen, und die darauf folgende Krankheit des Prinzen Friedrichsmachte uns auch ſeinetwegen beſorgt. Wir ſahen alſo unſern neuen Koͤnig nach kurzer Zeit Pariswieder verlaſſen; unſre innigſten Wuͤnſche fuͤr ſein Wohl begleiteten ihn zu ſeinem Volke, welches mit offnen Armen und ſehn - ſuchtsvollen Herzen dem Prinzen entgegen ſah, der be - ſtimmt war, ſeinen Verluſt zu erſetzen und ſein Vater zu werden.

Unter den Freunden, die ich mir zu Pariserwarb, muß ich vorzuͤglich Herrn Geoffroynennen. Dieſer nahm mich mit der erſinnlichſten Gefaͤlligkeit auf, und erwies mir ungemein viel Dienſte. Er hat auch eine anſehnliche Inſekten-Sammlung, die in einem Zim - mer in kleinen glaͤſernen Kaſten rings an den Waͤn - den ſteht.

Von Parismachte ich auch zu Boote auf der Seineeine Reiſe nach Verſailles, und von da weiter nach Tria -59Aufenthalt in Paris. non, um den daſigen Koͤniglichen botaniſchen Garten zu beſehen, welcher alle andre, die ich geſehen habe, weit uͤbertrifft. Auch beſitzen die beyden Herren Richardda - ſelbſt eine vortreffliche Kraͤuterſammlung, welche der juͤngere von ihnen auf Majorcaund Minorcazuſammen - gebracht hat.

Fuͤnfter Abſchnitt. Ruͤckreiſe von Parisnach Hollandvom 18. Julius bis den 10. December 1771.

Den 18. Julius 1771 reiſete ich von Pariswieder nach Rouen, um von da den Weg zur See nach Am - ſterdamfortzuſetzen, und hernach eine weitere Reiſe nach Oſtindienvorzunehmen, dem Anerbiethen gemaͤß, das Profeſſor Burmannusmir waͤhrend meines Aufenthalts zu Amſterdamgethan, und welches ich mit der freudigſten Bereitwilligkeit angenommen hatte. Der Weg ging theils zu Lande, theils in einem Boote die Seinehinab. Unterwegs beſah ich die große und kuͤnſtliche Maſchine, welche das Waſſer mehrere Franzoͤſiſche Meilen weit nach Verſailles, und zwar anſehnliche Hoͤhen hinauf, treibt. Bey Roueniſt die Seinevon betraͤchtlicher Breite. Die daſige große Bruͤcke uͤber dieſelbe iſt auf große Boͤte ge - bauet, und kann in mehrere Stuͤcke auseinander ge - nommen werden.

Draußen vor Rouenbeſah ich die Kattundruckerey. Man druckt mit kleinen viereckigen Formen, deren man nach Verſchiedenheit der Farben mehrere nach einander gebraucht. Die Form wird erſt in ein Sieb getaucht, das in einer gefaͤrbten Fluͤſſigkeit ſchwimmt, und her - nach wird ſie durch einen Knaben mit einer Buͤrſte be - ſtrichen, welche in die Farbe, die eigentlich gebraucht60Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. werden ſoll, getunkt iſt. Darauf wird die Form auf die Stelle des Zeuges, wo ſie abgedruckt werden ſoll, mit ſtaͤhlernen Stiften angepaſſet, mit der einen Hand niedergelegt, und mit einem Kloͤppel, den man in der andern Hand hat, darauf geſchlagen. Nach dem Ab - drucke haben die Farben ein mattes und ſchlechtes An - ſehen; ſie werden aber ſchoͤn und hoch, wenn der Kat - tun hernach in einer beſonders zubereiteten Lauge ge - kocht wird.

Der Berg bey Rouenhat foͤrmliche Schichten Kalk und Feuerſtein, deren jede ungefaͤhr eine Hand breit, oder etwas breiter iſt. Dieſe Schichten gehen bis in die Mitte, da der Kalk anfaͤngt. Der Feuerſtein iſt meiſtentheils ſchwarz, zum Theil aber auch weiß, grau, gelb, oder blaͤulich, und hat viele Vertiefungen und Er - hoͤhungen. Obſchon der Kalk auf dieſe Art mit Feuer - ſtein gleichſam durchſpickt iſt, werden doch Steine zum Baue daraus gehauen. Bey Parisiſt der Kalk mehr mit Petrificaten durchmiſcht. Die Berge bey Bouilleenthalten auch Feuerſtein, und die bey QuilleboeufKalk - gries und kleine Stuͤcke Feuerſtein.

Den 9. Auguſt reiſete ich mit einem Hollaͤndiſchen Schiffe von Rouenab. Wir ſegelten allmaͤhlig den Strom hinab, und legten oft vor Anker; bisweilen, wenn das Waſſer abwaͤrts lief, ſchwammen wir mit dem Strome fort. Die Ebbe wird, je naͤher man dem Meere kommt, immer ſtaͤrker, ſo daß waͤhrend derſelben der Grund gar ſehr entbloͤßt wird, und die Schiffe gaͤnzlich ohne Waſſer im weichen Lehmſchlamme liegen.

Auf dieſer Fahrt bemerkte ich, daß die Berge zu beyden Seiten, außer Kalk und Feuerſtein, aus bald hellern, bald dunklern Kalkſchichten beſtanden, die bis einen Zoll dick, und von der Ebbe und Fluth gebildet61Ruͤckreiſe von Parisnach Holland. ſind. Dies kann man ſehr deutlich an den Erhoͤhungen ſehen, die noch unter Waſſer ſtehen und durch die Ebbe entbloͤßt werden. Die Farbe in dieſen Schichten kommt daher, daß der untenliegende Lehm dunkelfarbig, der Bodenſatz aber, den das Waſſer daruͤber zuruͤcklaͤßt, heller oder eigentlich gelbgrau iſt. So kann man hier ganz klar merken, wie die Schichten in den Bergen ſich bilden. Waͤhrend der Ebbe naͤmlich, welche langſam geht, laͤßt der Bodenſatz des Waſſers ſich nieder, und hieraus entſtehen hervorragende Abſaͤtze treppenweiſe uͤber einander. Ehe nun die Fluth kommt, welches geſchwind geſchieht, wird der niedergeſunkne Bodenſatz jedesmahl etwas haͤrter. Die Berge von Parisbis nach der See ſind beynahe von einer und derſelben Hoͤhe, uͤberhaupt aber gar nicht ſehr hoch, und zwiſchen hinein gehen Buchten, deren Rand zum Theil flach und allmaͤhlig ſich neigend, zum Theil aber ganz ſteil iſt. Steil iſt er oft dadurch geworden, daß Stuͤcke herabſtuͤrzen; wel - ches man zur Zeit der Ebbe an den kleinen Sandbaͤnken ſieht, die ſich auf die Zukunft bilden. Hin und wieder liegen unten vor dieſen Bergen flache Landſtrecken, die bald groͤßer bald kleiner ſind, und welche das Waſſer ehemahls nach und nach vergroͤßert, jetzt aber ganz ver - laſſen hat. Einige davon ſind noch nackt, andre hin - gegen, ob ſie gleich noch weich ſind, ſieht man doch ſchon mit Gras bewachſen und als neulich entſtandne In - ſeln. Naͤher bey Havre de Graceformirt die Ebbe und Fluth bey dieſen Inſeln Buchten, die wie kleine Haͤfen ausſehen, und denen, welche in der Naͤhe der groͤßern Berge angetroffen werden, in allen Stuͤcken aͤhnlich ſind. Dies alles ſetzt zugleich die Entſtehung der Berge und das Abnehmen des Waſſers in ein helles Licht. Naͤher gegen das Meer ſcheint der Feuerſtein nicht nur in gerin -62Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. gerer Menge vorhanden, ſondern auch nicht ſo reif zu ſeyn, als tiefer ins Land hinein. Am Strande iſt er et - was blaß, und hat dickere und graue Cruſte; ſcheint auch nicht ſo hart zu ſeyn. Der Feuerſtein entſteht ge - wiß durch Coagulirung in und von Kalk, ſo unaͤhnlich beyde hernach auch einander ſind. Bey Brot, das durch gehinderte Gaͤhrung und durch Kaͤlte eine abgebackne Rinde bekommt, ſollte man kaum glauben, daß die Rin - de ſich aus eben der Materie gebildet habe, woraus das Brot beſteht, obgleich keine andre Veraͤnderung, als das Backen, damit vorgegangen iſt.

Den ganzen Fluß hinab faͤhrt ein Lootſe mit, und beſorget, daß das Schiff ſich vor Anker legt, wenn die Ebbe anfaͤngt. Es liegt alsdann ſo lange ſtill, bis dieſe voruͤber iſt. Die Schiffe legen ſich in dieſem Falle oft nahe ans Land, und in die Buchten hinein, und zwar laͤngs derſelben in den weichen Moder, da ſie alsdann auf einer Seite liegen und ruhen. Unſer Lootſe war bey dieſer Gelegenheit ſo unvorſichtig, daß er das Schiff in eine Bucht brachte, und es in die Quere legte. Als nun das Waſſer abgefloſſen war, ruhete es auf dem Hinter - und Vordertheile, und weil es in der Mitte keine Stuͤtze hatte, brach es quer ab, und mußte hernach nach Havre de Gracegebracht werden, um ſich ausbeſſern zu laſſen. Dieſer Schiffbruch auf trocknem Lande noͤthigte mich, meine Sachen auf ein anderes Fahrzeug zu bringen, und mit dieſem meine Reiſe nach Amſterdamweiter fortzuſetzen.

Auf dem Wege von Rouenhatte ich mehrmahls Gelegenheit zu ſehen, wie das Landvolk ſich an Sonn - und Feſttagen auf freyem Felde mit Tanz und dergleichen beluſtigte. Die Maͤdchen hatten einen beſondern Anzug, eine Schnuͤrbruſt, an den Roͤcken hinten und auf den63Ruͤckreiſe von Parisnach Holland. Seiten Schleifen, auf dem Kopfe goldne und ſilberne Spitzen, und einen zu beyden Seiten herabhangen - den Habit.

Den 22. Auguſt langte ich zu Honfleur an. Dies iſt eine kleine Stadt am Ausfluſſe der Seine, mit ſchoͤ - nen Haͤfen. Die Ebbe entbloͤßt hier einen ſehr großen Theil des Strandes des Fluſſes, und waͤhrend dieſer Zeit faͤngt man Krabben mit einem Netze, das zwiſchen zwey Stoͤcken aufgeſtellt iſt, womit man es vor ſich hin ſchiebt.

Auf dieſer, ſo wie auf meinen folgenden Reiſen, hatte ich recht Gelegenheit zu bemerken, wie die Matro - ſen vom Winde ſchwache und rothe Augen, von der Woͤlbung des Schiffs krumme Beine und hervorſtehende Hintertheile, und von der vielen Arbeit, beſonders dem Handthieren der Taue, harte Schwielen in den Haͤnden bekommen.

Der 30. Auguſt war der angenehme Tag meiner Wiederkunft nach Amſterdam. Mein erſter Beſuch war bey meinen Goͤnnern, den Profeſſoren Burman - nus. Waͤhrend der Zeit, da ich mich zu meiner be - vorſtehenden weiten Reiſe anſchickte, beſuchte ich taͤg - lich des Vormittags den mediciniſchen Garten. Die Nachmittage brachte ich in BurmannusHauſe, in ſei - nen Sammlungen und in ſeiner Bibliothek zu. In je - nem Garten unterſuchte ich dem Wunſche dieſes Man - nes gemaͤß, alle diejenigen Kraͤuter, welche auf den Beeten ſtanden, um nachzuſehen, ob die beygeſetzten Nahmen richtig waͤren. Sie waren nach van RoyensSyſteme geordnet, und bey jedem Gewaͤchſe ſtand ein gemahlter Stock mit aufgeſchriebner Nummer. Auch beſah ich die Mahlerakademie, den anatomiſchen Saal mit den da befindlichen Praͤparaten, die auslaͤndiſchen64Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Thiere im Blaauwe Jan, nebſt mehreren Merkwuͤrdig - keiten. Blaauwe Jan heißt ein gewiſſes Buͤrgerhaus, wo Wein geſchenkt wird, und verſchiedne, ſowohl vier - fuͤßige Thiere als Voͤgel, manchmahl ſehr ſeltne, aus beyden Indienund Afrika, in Behaͤltniſſen und Bauern verwahrt, und oͤffentlich gezeigt werden. Dieſe Thiere locken eine Menge Leute herbey und befoͤrdern dadurch den Abſatz des Weins; denn die Zuſchauer werden alle - zeit genoͤthigt, eine oder mehrere Bouteillen theuern Wein zu nehmen, bekommen dagegen die Thiere um - ſonſt zu ſehen. Des Morgens beſuchte ich auch fleißig die Hoſpitaͤler.

Unter den neuen Bekanntſchaften, welche ich in dieſer Zeit ſtiftete, ſind mir beſonders die Herren Klein - hof und Schelling wichtig. Jener hatte ſich drey Jahr in Weſtindienund ein und zwanzig Jahr zu Bataviaaufgehalten. Er wohnte jetzt zwey Tagreiſen von Am - ſterdam, lebte von ſeinen Zinſen, und theilte mir ver - ſchiedne Nachrichten, Indienbetreffend, mit. Der letztere iſt lange in Amerikageweſen, und war jetzt im Begriff, als Aufſeher uͤber die Lazarete wieder dahin zu gehen. Unter andern erzaͤhlte er, die Krankheit, welche bey den Amerikanern herrſcht, und Jaſſi*)Soll vermuthlich Yaws heißen. F. heißt, ſey in Europaunbekannt; es ſey eine ſchmerzhafte, chroni - ſche und mit Ausſchlag verbundne Krankheit; man em - pfinde dabey ein Stechen in der Haut, wie von Nadeln; ſie werde mit Queckſilber geheilt. Der Ausſatz, ſagt er, ſey in Amerikaſehr gaͤnge, er fange wie ein kleiner Fleck an, der ſich hernach ausbreite, und bisweilen uͤber die ganze Haut erſtrecke; dieſer Fleck ſey ohne alles Ge - fuͤhl, ſo daß man es nicht einmahl empfinde, wenn miteiner65Ruͤckreiſe von Parisnach Holland. einer gluͤhenden Nadel hineingeſtochen wird; mit der Zeit fallen die Finger und andre Gliedmaßen ab, ohne daß man es fuͤhle; durch gute Diaͤt koͤnne dieſe Krank - heit lange verborgen gehalten werden, und wenn ſie uͤber - all ausſchlaͤgt, pflege ſie wohl ganz aufzuhoͤren; ſchweiß - treibende Mittel ſeyen ſehr dienſam, Mercurius aber ſchaͤdlich.

Uebrigens ſah ich hier noch zweyerley, das mir merkwuͤrdig war. Erſtlich den jaͤhrlichen Jahrmarkt, welcher drey Wochen dauert, da nicht nur auf allen Marktplaͤtzen, ſondern auch an vielen andern Orten Buden in Menge ſtehen. Zweytens die Einfuͤhrung eines Profeſſors der Rechtsgelehrſamkeit im Athenaͤum oder der Univerſitaͤt. Seine Rede bey dieſer Gelegenheit war Lateiniſch, und handelte von der buͤrgerlichen Rechts - wiſſenſchaft, in ſo fern ſie auf die Befoͤrderung der Handlung Beziehung hat. Alle Profeſſoren erſchienen bey dieſer Feyerlichkeit in ſchwarzer Kleidung und Maͤn - teln, weiſſen Prieſterkragen und großen Alongeperuͤcken, wovon zwey anſehnliche Locken vorn, und eine auf jeder Schulter herabhingen.

Sechster Abſchnitt. Reiſe von Hollandnach dem Vorge - birge der guten Hoffnungvom 10. December 1771 bis den 17. April 1772.

Seit meinem vorigen Aufenthalte in Amſterdamhatte Profeſſor Burmannus, waͤhrend ich in Pariswar, mit einigen vornehmen und reichen Herren hier in Amſter - damvon mir geſprochen, und ihnen von meinen natur - hiſtoriſchen Kenntniſſen viel Gutes geſagt. Zugleich ThunbergsReiſe. Erſter Theil. E66Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. hatte er ihnen den Nutzen vorgeſtellt, den ich, als ein Liebhaber auslaͤndiſcher und ſeltner Baͤume und Straͤuche ihnen wuͤrde leiſten koͤnnen, wenn ich auf ihre Koſten Gelegenheit haben koͤnnte, nach einem oder andern Theile des noͤrdlichen Aſienszu reiſen. Beſonders hatte er Japandazu in Vorſchlag gebracht, weil man aus die - ſem Lande noch gar keine Gewaͤchſe in Europahabe, un - geachtet es wahrſcheinlich ſey, daß ſie auf offnen und freyen Plaͤtzen eben ſo gut muͤßten fortkommen koͤnnen, als die, welche man in ſpaͤtern Zeiten in großer Anzahl aus dem noͤrdlichen Amerikaheruͤbergebracht habe. Dieſe Herren, welche, ſobald es auf ihre Obſt - oder Luſtgaͤr - ten ankam, ſchlechterdings keine Koſten ſparten, ließen ſich hiedurch reitzen, und beſchloſſen, mich auf einer Reiſe nach Japan, mit dem noͤthigen Gelde ſowohl, als mit Empfehlungen zu unterſtuͤtzen. Und da keine andre Nation, als die Hollaͤnder, nach Japankommen darf, war es nothwendig, daß ich die Hollaͤndiſche Sprache nicht nur mußte gut verſtehen, ſondern auch ſprechen koͤnnen. Zur Erreichung dieſer Abſicht drang ich dar - auf, daß ich mich vorher ein Paar Jahre auf dem Vorgebirge der guten Hoffnungaufhalten, und im Dienſte der Hollaͤndiſchen Compagnie angeſtellet werden moͤchte.

Die Compagnie ruͤſtet ihre vielen Schiffe nach Oſt - indien jaͤhrlich zu drey verſchiednen Zeiten aus. Die erſte Flotte iſt im September fertig, und heißt die Kir - meß-Flotte (Kermis-Schepen); die zweyte, welche nicht ſo zahlreich iſt, liegt um Weihnachten zum Abſe - geln bereit, und heißt die Weihnachts-Flotte (Kers - Schepen); die dritte nennen ſie die Oſter-Flotte (Paaſche-Schepen), und dieſe wird gegen Oſtern in Stand geſetzt, und iſt die kleinſte. Die erſte Flotte67Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. war jetzt bereits fertig, und wartete im Texelnur auf guͤnſtigen Wind. Die zweyte war auch ſchon mit allen ihren Officieren verſehen. Man beſchloß deswegen, ich ſollte als außerordentlicher oder uͤberzaͤhliger Wundarzt auf einem der Schiffe angeſetzt werden, die dermahlen nach dem Capbeſtimmt waren, um dieſe Reiſe mit mehr Freyheit von Geſchaͤfften verrichten zu koͤnnen, und nicht verbunden zu ſeyn, andre Dienſte zu thun, als mir ſelbſt gefiele. Hiedurch erhielt ich auch hernach den wichtigen und unſchaͤtzbaren Vortheil, daß ich bey mei - ner dortigen Ankunft die Erlaubniß bekam, ganze drey Jahr da zu bleiben, ohne noͤthig zu haben, mit dem Schiffe, wohin man es weiter verſchicken wuͤrde, mit - zugehen. Ich wurde alſo auf dem Schiffe Schoon - Zigt angenommen, und hatte das Vergnuͤgen, es von einem Schwediſchen Capitain, einem unweit Calmargebuͤrtigen Smalaͤnder, Nahmens Rondecranz, gefuͤhrt zu ſehen.

Die kurze Zeit, da ich noch in Amſterdamblieb, wandte ich dazu an, ſo viel ich nur konnte, Nachrich - ten und Kenntniß von der hieſigen maͤchtigen Oſtindi - ſchen Compagnie, von den Einrichtungen und der Oeko - nomie auf den Schiffen, und der Verfaſſung der in Oſtin - dienbefindlichen Handelscomtoire zu bekommen.

Nicht lange vor der Abfahrt wurde die Beſatzung gemuſtert, welche an Bord gehen ſollte, und jeder legte dabey im Hauſe der Oſtindiſchen Compagnie ſeinen Eid ab. Darauf wurden ihre Sachen ins Schiff gebracht. Alle Laden und Kiſten, (welche man fuͤr Bezahlung neu bekommt,) werden im Oſtindiſchen Hauſe mit dem Zei - chen der Compagnie, welches eingebrannt wird, bezeich - net. Ein Soldat bekommt nur eine kleine Lade, die un - gefaͤhr eine Elle ins Gevierte groß iſt, um ſeine SachenE 268Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. zu verwahren. Ein Matroſe, der mehr Kleidungs - ſtuͤcke, um damit abzuwechſeln, noͤthig hat, bekommt eine Lade, die zweymahl ſo groß iſt. Den Officieren werden eine oder mehrere große Laden, und uͤberdem ein Flaſchenkeller, einige Koͤrbe und eine Biertonne zuge - ſtanden; die mehreren Laden und Koͤrbe, nicht nur um Gepaͤcke und Lebensmittel zu verwahren, ſondern auch um Waaren einzupacken, wiewohl ſie gewoͤhnlich außerdem Mittel und Wege wiſſen, Proviant und beſondre Koffer an Bord zu bekommen und mitzunehmen. Auf jedem Schiffe werden uͤber hundert Matroſen und zwey bis dreyhundert Soldaten angenommen. Einen oder zwey Tage vorher, ehe die Mannſchaft zu Schiffe gehen ſoll, wird in allen Gaſſen getrommelt, und dadurch das Zei - chen gegeben, daß jedermann ſich beym Schiffe einzu - finden hat, um an Bord gebracht zu werden. Wohnt gerade einer von den Officieren in der Straße, ſo er - weiſet man ihm die Ehre, lange und ſehr laut vor ſeiner Hausthuͤre zu trommeln: eine Ehre, die ihm allezeit einige Gulden koſtet, und eine Menge Volks um ſein Haus verſammelt.

Der 10. December 1771 war der Tag meiner Abfahrt von Amſterdam. Ich fuhr mit dem Directeur Beaumontin der Jacht der Oſtindiſchen Compagnie nach dem Texel, wo die Schiffe nach verſchiednen Orten in Oſtindienſegelfertig lagen, und nur auf die Muſterung und auf guten Wind warteten. Mit Empfehlungs - briefen an den Gouverneur auf dem Cap, Ryk Tul - bagh, war ich vom Herrn Rheede von Oudshorn, der gegen Oſtern als Vice-Gouverneur eben dahin abreiſen ſollte, wie auch vom Buͤrgermeiſter Temmink, reichlich verſehen. Eben ſo hatte mir Profeſſor Burmannusund deſſen Schwiegermutter an den Polizey-Rath Berg69Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. und den Juſtiz-Secretair NethlingRecommandations - Schreiben mitgegeben.

Einige Tage nachher, da wir im Texelangekom - men waren, hatte ich Gelegenheit, der Muſterung ei - nes Oſtindien-Fahrers beyzuwohnen. Die Officiere bekamen, ſobald ſie aufgerufen waren, ihre Inſtructio - nen, und man wies ihnen ihre Zimmer und Kojen an. Hierauf wurde der Schiffsrath beſtellt. Alsdann wurden die Soldaten und Matroſen gemuſtert. Man erkundigte ſich aufs neue nach ihrer Tauglichkeit, uner - achtet ſie vor ihrer Annahme zu Amſterdambereits exa - minirt waren. Befand man ſie eben nicht ſehr brauch - bar, welches man oft nur nach dem Anſehen, oder nach der Ausſage eines ſehr elenden Schiffers, beurtheilte, ſo wurde ihnen, gegen vorher geſchehene Abrede, und gegen Recht und Billigkeit, ihre monathliche Beſoldung um einen oder mehrere Gulden geringer angeſetzt. Nach - dem der Directeur Abſchied genommen hatte, kletterte das ganze Schiffsvolk die Maſten und das Takelwerk hinauf, nahmen ihre Huͤte und Muͤtzen ab, ſchwenk - ten ſie umher, und ließen ein dreymahliges Freudenge - ſchrey erſchallen. Man dankte von der Jacht mit lau - tem Geſchrey. Darauf wurden die Kanonen auf dem Schiffe abgefeuert, welches man von der Jacht be - antwortete.

Am Tage der Muſterung trug ſich auf dem Schiffe, mit welchem ich abgehen ſollte, das Ungluͤck zu, daß ein Soldat in einem Taue an der Ankerwinde ſich ver - wickelte, und auf eine ſehr gefaͤhrliche Art das linke Bein brach. Dieſer traurige Vorfall entzog mir das Vergnuͤ - gen, meine Zeit, ſo lange bis alle Schiffe gemuſtert ſeyn wuͤrden, auf der Jacht bey Herrn Beaumont, die - ſem eben ſo liebenswuͤrdigen als einſichtsvollen Manne70Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. zuzubringen. Am folgenden Morgen mußte ich von Amts wegen mich an Bord meines Schiffes begeben. Der Patient war bereits verbunden, ohne daß man die Schlagader hatte finden und unterbinden koͤnnen. Un - terdeſſen daß man Anſtalt machte, das Bein abzuneh - men, kam der Befehl an, den Kerl nach Amſterdamins Lazaret zu bringen.

Wir mußten noch vierzehn Tage auf guͤnſtigen Wind warten, ehe wir unter Segel gehen konnten. Waͤhrend dieſer Zeit benutzte ich die Gelegenheit, mir die Einrichtungen und Anſtalten auf dem Schiffe, ſo - wohl die Geſunden, als die Kranken betreffend, be - kannt zu machen. Einige davon will ich jetzt beſchreiben.

Jeder waͤhlt ſich einen Kameraden, dem er ſich auf der Reiſe am meiſten anzuvertrauen gedenkt. In An - ſehung des Eſſens gilt die Verfuͤgung, daß bey jedem Tiſche ſieben Mann ſpeiſen, und ein ſogenannter Back - meiſter bey jedem Tiſche die Aufſicht hat. Unter die Matroſen ſowohl als die Soldaten, werden gedrechſelte hoͤlzerne Schalen und Schuͤſſeln ausgetheilt, welche auf der See nicht ſo zerbrechlich, als irdenes oder ſteinernes Geſchirr ſind.

Da die Leute erſt ſeit einer Woche auf dem Schiffe waren, glaubte ich bey meiner Ankunft keine Kranke vorzufinden. Mit Erſtaunen aber wurde ich gewahr, daß ſchon mehrere krank geworden waren. Man ſagte mir, die Anzahl der Kranken und Geſtorbnen auf den Schiffen, die ſeit dem September im Texellagen, ſey ſehr groß. Sie war dies auch wirklich in dem Grade, daß, als wir hernach mit gutem Winde abſegelten, ver - ſchiedne Schiffe, wegen Mangels an geſunder Mann - ſchaft, auf Verſtaͤrkung warten mußten, ob ſie gleich mit mehr als dreyhundert Mann waren beſetzt worden. Den71Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. Urſachen, woher es kommen konnte, daß ſo viele Leute in ſo kurzer Zeit erkranket und zum Theil geſtorben wa - ren, forſchte ich genau nach, und fand, daß ihrer meh - rere waren. Die Luft war damahls ſehr dick und feucht, und der Nebel ſehr oft ſo dick, daß niemand es wagte, von einem Schiffe zum andern zu fahren, ohne den Kom - paß mitzunehmen, um den Weg zuruͤckzufinden, weil die auf den Schiffen aufgehaͤngten Leuchten nicht im Stande waren, mit ihrem Lichte durch den Nebel zu dringen. Ehe die Schiffe unter Segel gehen, herrſcht auch wenig Ordnung, weder in der Oekonomie des Schiffs, noch unter dem Schiffsvolke ſelbſt. Was aber ſehr viel, wenn nicht alles, zu der Ausbreitung der Krankheiten beytraͤgt, iſt wohl ohne Zweifel die Menge verdorbner Soldaten, welche die ſogenannten Seelen - verkaͤufer an Bord ſchaffen. Die Koͤrper dieſer Leute ſind zum Theil ausgehungert, zum Theil mit Scorbut und verdorbnen Saͤften angefuͤllt. Da ſie des Lebens auf dem Schiffe und der ſehr feuchten und kalten See - luft nicht gewohnt ſind, bekommen ſie leicht und in kur - zer Zeit Faulfieber und ſtecken hernach die uͤbrige Be - ſatzung an. Dies geſchieht ſo viel eher, wenn ſie zu - gleich mit Kleidung ſchlecht verſehen ſind, oder den Muth haben ſinken laſſen.

Hier iſt der Ort, wo ich von dieſen abſcheulichen Leuten, den ſogenannten Seelenverkaͤufern, dieſen ver - achtungswuͤrdigſten unter allen Mitgliedern einer buͤr - gerlichen Geſellſchaft, etwas ausfuͤhrlich reden muß. Ich bin dies denen ſchuldig, welche nach Hollandreiſen wollen, damit ich ſie vor dieſen Unmenſchen warnen koͤnne. Denn nicht ſelten machen ſie ankommende Rei - ſende ungluͤcklich, wenn ſie ſie aufs argliſtigſte in ihre Haͤuſer locken, und ſodann nach Oſt - oder Weſtindien72Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. verkaufen. Dieſe Menſchenraͤuber ſind Buͤrger, und heißen Koſthouders (Speiſewirthe). Sie haben Recht und Freyheit, Fremde fuͤr Geld zu beherbergen und zu ſpeiſen, und unter dieſem Deckmantel veruͤben ſie die unmenſchlichſten Verbrechen, ohne daß dieſe jedesmahl zur Kenntniß der Obrigkeit kommen, oder beſtraft wer - den koͤnnen. Sie halten nicht nur Bediente, welche auf den Straßen die Fremden ausſpaͤhen, ſondern ha - ben auch ein Verſtaͤndniß mit den Fuhrleuten (Kruyers), welche die Sachen der Fremden vom Fahrzeuge nach dem Wirthshauſe bringen. Dieſe muͤſſen ihnen die ankom - menden Fremden ins Haus ſchaffen, welches ihnen un - ter dem Vorwande, daß ſie ſie in ein Wirthshaus brin - gen, ſehr haͤufig gelingt. Sobald ein Fremder in dem Hauſe eines ſolchen Boͤſewichts ankommt, wird er ge - woͤhnlich mit einer Menge andrer, deren Zahl zu hun - dert und daruͤber geht, in einem einzigen Zimmer einge - ſchloſſen. Hier werden dieſe Leute ſehr kaͤrglich und elend bekoͤſtigt, als Soldaten zum Dienſt der Compagnie an - gegeben, und endlich, wenn die Schiffe ſegelfertig lie - gen, an Bord gebracht. Der Seelenverkaͤufer be - kommt dafuͤr die Loͤhnung von zwey Monathen, und ei - nen ſogenannten Transport auf hundert, hundert und funfzig bis zweyhundert Hollaͤndiſche Gulden. Waͤh - rend der Zeit von zwey, drey bis vier Monathen, da die Leute auf die beſchriebne Art bey dieſem Kerl einge - ſchloſſen gehalten werden, erzeuget ſich bey ihnen Scor - but, Faͤulniß im Koͤrper, und Milzſucht, welche her - nach bald ausbrechen, wenn ſie an Bord kommen. Man kann ſie alsdann an ihrer blaſſen Geſichtsfarbe, blauen Lippen, geſchwollnen und wunden Beinen, von den ge - ſunden und muntern leicht unterſcheiden. Transport nennt man einen Zettel, den die Oſtindiſche Compagnie73Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. bis zu einer gewiſſen Summe jedem, der ſich in ihren Dienſt begeben hat, bewilliget, um ſich equipiren zu koͤnnen; er beſteht alſo in Vorausbezahlung eines Theils des Soldes. Die Compagnie bezahlt aber einen ſolchen Zettel nicht weiter, als ſo fern man in der Folge etwas von der Summe, welche er enthaͤlt, abverdient hat. Wenn alſo jemand vorher ſtirbt, ehe er ſo viel Sold oder Gehalt verdient hat, als der Zettel enthaͤlt, ſo iſt das ruͤckſtaͤndige verloren. Ein ſolcher Zettel wird daher allezeit mit großem Verluſt verkauft; und dieſer Verluſt iſt betraͤchtlicher oder geringer, je nachdem der Inhaber mehr oder weniger kraͤnklich oder ſtark, folglich der An - ſchein, daß er noch eine Zeitlang leben werde, groͤßer oder kleiner iſt; ſelten wird mehr als die halbe Summe bezahlt. Auf dieſe Weiſe faͤllt mancher Unſchuldige, oft von beſſerm Stande und guten Vermoͤgensumſtaͤnden, unwiſſend den Seelenverkaͤufern in die Haͤnde, und muß, er mag wollen oder nicht, ſich als Soldat nach Oſt - oder Weſtindienbringen laſſen, wo er verbunden iſt, der Capitulation zufolge, wenigſtens fuͤnf Jahr lang zu dienen. Indeſſen ſind nicht alle, welche dieſe Leute in ihre Haͤnde bekommen, ſolche, die ungluͤcklicher Weiſe hineingerathen. Manche ſind auch darunter, die keinen andern Ausweg wiſſen ſich ihren Unterhalt zu verſchaffen, und ſich daher bey ihnen freywillig in die Koſt geben. Dieſe bekommen denn bey ihnen auf Cre - dit Herberge und Bekoͤſtigung, werden aber um der Sicherheit willen eingeſperret, bis ſie zu Schiffe ge - bracht werden koͤnnen. Daß aber auch in der That mancher nur durch ein Ungluͤck in ihren Schlingen ſich verwickelt, und nicht heraus kann, iſt leider eine un - leugbare Wahrheit. Es geſchieht gleichwohl nie mit Vorwiſſen der Obrigkeit, bleibt auch, wenn es ja ein -74Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. mahl entdeckt wird, nicht ungeſtraft. Darum kann man inzwiſchen doch die Directeure der Compagnie eben ſo wenig entſchuldigen, daß ſie dieſes, das menſchliche Geſchlecht ſo entehrende, Verfahren nicht kennen wollen, als ſie davon freyſprechen, daß ſie es bisweilen beguͤn - ſtigen. Denn da die Oſtindiſche Compagnie ſehr oft Mangel an Leuten hat, und ihren Sold ungern erhoͤhen will, ſo ſind jene gezwungen, den Seelenverkaͤufern durch die Finger zu ſehen. Wollte auch bey der Muſte - rung jemand ſich entdecken, und den Verlauf der Sache erzaͤhlen, ſo duͤnkt doch dem Directeur, der freylich als - dann wenig Gewiſſenhaftigkeit beſitzen muß, ein ſolcher Menſch ſey nicht zu gut dazu, der Compagnie zu dienen. Die Direction waͤre alſo im Stande, aller Hinterliſt und Gewaltthaͤtigkeit bey dem Engagement ihrer Leute vorzubeugen, wenn ſie bey der Annahme, beſonders aber bey der Revuͤe am Bord, genaue Unterſuchung an - ſtellte, und den mindeſten Funken von menſchlicher Em - pfindung und Gerechtigkeitsliebe bey ſich aufkommen laſ - ſen wollte. Oft hoͤrt man auch, daß ſolche Ungluͤck - liche ihrer Kleidungsſtuͤcke und andrer Sachen von den Seelenverkaͤufern beraubt worden ſind, welche ſie da - gegen mit zwey oder drey Paar wollnen Struͤmpfen, Schifferhoſen und Jacken von Segeltuch, ſechszehn Pfund Tobak, und einem Toͤnnchen Branntwein aus - ſteuern. Und von dieſem gewiß nicht beneidenswerthen Eigenthume wird ihnen oft das meiſte ſogleich bey ihrer Ankunft auf dem Schiffe wieder geſtohlen, ſo daß ſie hernach in der Kaͤlte mit bloßen Fuͤßen und bloßem Ko - pfe gehen muͤſſen, und kaum das Nothwendigſte haben, ihren Koͤrper zu bedecken. Wenn die Leute ſolcherge - ſtalt ſchlecht gekleidet und betruͤbtes Herzens ſind, und dabey, nicht auf die glimpflichſte Art, zu grober und75Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. anhaltender Arbeit gezwungen werden, iſt es denn wohl ein Wunder, wenn unter ihnen Krankheiten ſehr bald entſtehen und ſich in Geſchwindigkeit ausbreiten? Unter zwanzig Kranken trifft man anfangs kaum einen Matroſen an, ſondern nur ſolche, welche die Seelenverkaͤufer zu Sol - daten gemacht haben. Dieſe verabſcheuungswuͤrdige Gat - tung von Menſchen verurſacht daher durch ihre elenden Leute der Compagnie ſelbſt unwiderſprechlich großen Scha - den und Verluſt. Das leichtſte Mittel, dieſem allen zu - vorzukommen, waͤre meines Dafuͤrhaltens, daß man auf dem Schiffswerfte ein Wirthshaus anlegte, wo Arme, die Luſt haͤtten Dienſt zu nehmen, ſo lange, bis die Schiffe ſegelfertig wuͤrden, Unterhalt bekaͤmen und mit dem Noͤthigen ausgeruͤſtet wuͤrden, welches ſie denn her - nach freylich abverdienen muͤßten, aber ohne durch das alles einen Boͤſewicht zu bereichern.

Diebſtahl wird auf den Oſtindien-Fahrern, waͤh - rend ſie im Texelliegen, auch in ſo hohem Grade aus - geuͤbt, als wohl nicht leicht anderswo. Man bricht des Nachts die Laden und Koffer auf, und nimmt alles her - aus, daß die Beſitzer manchmahl nicht ein einziges Stuͤck Zeug behalten, als was ſie auf dem Leibe tragen. Man ſtiehlt Hangmatten und Betten, ſo daß die Leute auf dem nackten Boden liegen muͤſſen. Man nimmt den Leuten, wenn ſie ſchlafen, die Muͤtze weg, und zieht ihnen die Schuh aus. Ja nicht ſelten werden den Kranken Hoſen und Struͤmpfe vom Leibe geſtohlen. Es iſt daher oft der Fall, daß Leute, die ſchlafen, wenn ſie aufwachen, und Kranke, wenn ſie geneſen, mit bloßem Kopfe, ohne Schuh und Struͤmpfe, und halb nackt gehen muͤſſen, ſollte es auch noch ſo kalt ſeyn.

Nun noch ein Paar Worte von der Pflege und Be - handlung der Kranken. So lange die Schiffe im Texel76Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. vor Anker liegen, duͤrfen die Arzneykiſten nicht geoͤffnet werden, ſondern man muß die noͤthigen Medicamente aus der Stadt hohlen. Die Kranken werden waͤhrend dieſer Zeit im mittlern Verdecke placirt. Sobald man aber in die offenbare See kommt, werden ſie unter das Halbverdeck oder ins erſte Verdeck hinauf transportirt, weil man alsdann die Ankerſpindel nicht mehr gebraucht. Fuͤr diejenigen Kranken, welche keine Hangmatten ha - ben, wird alsdann an der einen Seite eine hoͤlzerne Lager - ſtaͤtte zurecht gemacht. Auf die andre Seite wird eine von den Arzneykiſten geſetzt, indem die andre mitten vor die Ankerwinde zu ſtehen kommt, wo auch die ganze Reiſe uͤber alles, was zum Verbinden gebraucht wird, ſei - nen Platz hat. Der Arzt der Oſtindiſchen Compagnie, Doctor Famars, hatte zwar angeordnet, daß zur Ver - hinderung der Ausbreitung der Krankheiten die Schiffs - waͤrter einen Schwamm mit Eſſig im Munde halten und ſich mit Eſſig waſchen; daß die Geſunden Tamarinden - waſſer trinken und Loͤffelkrautſpiritus gebrauchen; daß die Geneſenden Chinatinctur und friſches Hammelfleiſch be - kommen; daß die Waͤnde in den Schiffen mit Eſſig be - ſprengt werden ſollten, und dergleichen mehr. Allein dieſe und andre Anſtalten waren doch nicht hinreichend, die verheerende Epidemie zu hemmen. Dieſe hoͤrte auch unterwegs beynahe nicht eher auf, als bis der Tod die halb verfaulten Leute, die von den Seelenverkaͤufern ge - liefert waren, faſt ganz weggerafft hatte.

Den 30. December lichteten wir im Texeldie An - ker, und ſegelten mit guͤnſtigem Oſtwinde ab, nachdem Capitain Morlandauf dem Commandeurſchiffe Boven Kerkerpolder mit Kanonſchuͤſſen das Zeichen dazu gegeben hatte. Mit uns zugleich ging eine ſehr zahlreiche Menge, ſowohl Oſtindiſcher als gewoͤhnlicher Kauffahrteyſchiffe ab. 77Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. Als Lootſe, Beſucher und andre Abſchied genommen und das Schiff verlaſſen hatten, und wir die dritte Bak - tonne vorbey waren, wurden die Stuͤcke geloͤſet, und je - der wuͤnſchte dem andern eine gluͤckliche Reiſe. Am fol - genden Tage paſſirten wir den Kanal zwiſchen Frankreichund England. Einige Tage nachher befanden wir uns bereits in der Spaniſchen See, und das Waſſer, wel - ches bisher gruͤn geweſen war, ſah nunmehr ganz dunkelblau aus, und die Luft war um einen guten Theil waͤrmer.

Auf dieſer Fahrt trug ſich ein Vorfall zu, der fuͤr verſchiedne von uns, unter andern auch fuͤr mich, ſehr traurige Folgen haͤtte haben koͤnnen. Außer andern Gerichten wurden einmahl des Abends auf dem Officier - Tiſche Pfannkuchen gegeben, wozu der Backmeiſter an - ſtatt des Mehls aus Verſehen, oder vielmehr aus un - verzeihlicher Unwiſſenheit, beynahe die Haͤlfte Bleyweiß ausgegeben hatte. Dieſes Bleyweiß war in einer Kruke, und zum Mahlen auf dem Schiffe beſtimmt; die Kruke ſtand in einem Schranke und der Dumme konnte ſie nicht einmahl an ihrer Schwere erkennen. Die Pfannkuchen waren duͤnn, und hatten hie und da braun gebrannte Flecken, beſonders auf einer Seite; waren uͤbrigens aber weiß und ſo trocken, als wenn nicht das mindeſte von Butter darin geweſen waͤre. Der Koch, den man im Verdacht hatte, er habe ſie ſchlecht gebacken und die But - ter geſpart, wurde hereingerufen und ausgeſcholten. Ein Kuchen wurde gleichwohl aufgegeſſen, und zwar hat - ten die meiſten am Tiſche davon genoſſen. Er ſchmeckte etwas ſuͤßlich, ohne daß man im uͤbrigen das geringſte von Gift verſpuͤren konnte. Die uͤbriggebliebenen wur - den vom Hofmeiſter und den Aufwaͤrtern verzehrt, ſo daß uͤberall zwanzig Perſonen davon aßen. Die Wirkung78Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. hievon war die, daß einige ſogleich, unter andern die Jun - gen, ihrer reitzbareren Nerven wegen, andre in der Nacht, wieder andre aber erſt am folgenden Tage, das, was ſie genoſſen hatten, wieder von ſich gaben. Das Bleyweiß hatte ſich in dem Gefaͤße, worin die Pfannkuchen ange - ruͤhrt waren, ganz dunkelgrau auf den Boden geſetzt. Ob wir gleich faſt durchgaͤngig glaubten, Kupferroſt aus der Pfanne muͤſſe an dieſem Erbrechen Schuld ſeyn, zum Theil auch wohl die Seekrankheit mit fuͤr eine Urſa - che davon hielten, ſo gerieth ich doch beym Anblick je - nes Bodenſatzes auf den Einfall, ihn zu unterſuchen. Ich legte zu dieſem Ende etwas davon auf eine Kohle, und ſchmelzte es mit dem Blaſerohre zu Bley. Zugleich erwog ich, daß der ſaure Franzwein, den wir bey Ti - ſche getrunken hatten, und der nun ganz ſuͤß aufſtieg, nicht bloß durch den wenigen Zucker, womit die Kuchen beſtreuet waren, ſo ſuͤß geworden ſeyn koͤnne, ſondern daß dieſe Veraͤnderung des Geſchmacks von irgend etwas Bleyartigem herkommen muͤſſe. Und dieſe Idee war es eben, die mich darauf brachte, die Unterſuchung anzu - ſtellen, ob ich gleich noch nicht zu begreifen im Stande war, wie es habe zugehen koͤnnen. Die, welche noch am ſelbigen Abend ſich erbrachen, wurden der Bleyma - terie los, und waren ſogleich wieder geſund; unter an - dern waren die ſaͤmmtlichen zur Aufwartung angenom - menen Knaben ſo gluͤcklich. Verſchiedne Officiere fuͤhl - ten auch nichts weiter, nachdem ſie zum Vomiren ge - kommen waren. Vermuthlich hatten ſie von denjeni - gen Pfannkuchen bekommen, die zuerſt gebacken waren, mithin weniger Bleyweiß enthielten. Andre mußten ih - re Mahlzeit theurer bezahlen, und von dieſen muß ich be - ſonders reden. Der Capitain befand ſich nach geſchehe - nem Erbrechen ein Paar Tage wohl, bekam aber hernach79Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. eine Kolik, die ſich weder durch aͤußerliche erweichende Mittel, noch durch erweichende Getraͤnke, noch auch durch Klyſtiere wollte vertreiben laſſen, ſondern zwey Tage anhielt. Alsdann gab man ihm des Abends eine Doſis aufgeloͤſetes Opium, worauf die Kolik voͤllig ver - ging, und der Mann weiter gar nichts Uebels verſpuͤrte. Er war hektiſch, und ſogar der Huſten blieb dadurch eini - ge Tage aus. Niemand war aͤrger geplagt, als der Domine (Schiffsprediger) und ich. Erſt den folgen - den Morgen kam ich zum Vomiren, welches aber auch beynahe den ganzen Tag anhielt. Ueberall erbrach ich mich zwiſchen dreyßig und vierzigmahl, und von dem, was ich ausgebrochen hatte, formirte ſich in dem Gefaͤ - ße ein brauner Bodenſatz, der uͤber fuͤnf Eßloͤffel an - fuͤllte. Der Kuchen, welchen ich zu mir genommen hatte, war einer von den oberſten auf der Schuͤſſel, folg - lich auch einer von den zuletzt gebackenen geweſen. Eben deswegen hatte er aber auch viel Bleyweiß enthalten, weil dies vermoͤge ſeiner Schwere in dem Gefaͤße, wor - in das zum Kuchen Zuſammengeruͤhrte geſtanden, auf den Boden geſunken war. Zugleich fuͤhlte ich Kopf - ſchmerzen und Bauchweh, welches letztere doch eben nicht ſtark war. Schon am naͤmlichen Tage ſchwoll mir das Zahnfleiſch um die Wurzel der Zaͤhne ſo auf, daß ſich kleine Hoͤker formirten, die mir unſtreitig Bleyweiß zu enthalten ſchienen und ſehr empfindlich waren. Eben ſo ſchwollen mir auch die Mandeln ſowohl im Munde als unter dem Kinne. Der Speichel war ſehr zaͤh, und die Zunge ſah braͤunlich aus. Durch haͤufiges Trinken erleichterte und befoͤrderte ich das Erbrechen, und um den Geſchwulſt im Munde zu lindern, bediente ich mich eines erweichenden Gurgelwaſſers. Am folgenden Tage find ich an, foͤrmlich, wiewohl gelinde, zu ſaliviren; der80Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. Mund wurde inwendig wund, beſonders an den Sei - ten; und der Odem bekam einen haͤßlichen Geſtank. Ueber den Zaͤhnen ſetzte ſich ein gelblicher Schleim. Der Urin faͤrbte ſich roͤthlich. Um die Materie von oben nach unten zu treiben, nahm ich ein Laxativ ein. Den Tag darauf hielt der Speichelfluß, obwohl gelinde, an, und die wunden Stellen im Munde wurden ganz gelb. Am fuͤnften Tage befand ich mich etwas beſſer. In der folgenden Nacht aber entzuͤndete ſich das Weiße in den Augen. Dieſe Inflammation vertrieb ich indeſſen ſehr leicht, bloß durch Reiben mit den Augenliedern. Am naͤchſten Tage wurde es wieder ſchlimmer mit mir. Die Thraͤnen floſſen beſtaͤndig, und waren ſcharf und beißend. Die rechte Seite des Geſichts ſchwoll auf. Dabey empfand ich Ohrenſchmerzen, beſonders wenn ich ſchluckte; und ich konnte daher nicht ohne die groͤßte Beſchwerde trinken; ſaugen aber, oder etwas, das nicht fluͤſſig war, niederſchlucken, konnte ich gar nicht. Ge - gen Mittag zeigten ſich an den Fingern aufgeſchwollne rothe Flecke, theils groͤßere, theils kleinere, ungefaͤhr ſo als wenn man Froſt darin hat, doch ohne daß ſie eben weh thaten; nach einigen Stunden verloren ſie ſich, kamen aber nach ein Paar Tagen wieder. Den fol - genden Tag war der Geſchwulſt im Halſe weg; die Bleymaterie zog ſich vom Kopfe nach dem Unterleibe, und verurſachte von neuem Erbrechen, welches ſogar zwey ganze Tage nachher anhielt, da ſich denn auch zugleich Blut, zuerſt wenig, hernach mehr, zeigte. Das viele Vomiren machte mich nunmehr ganz matt. Am zehnten Tage verſpuͤrte ich nur Uebelkeit und zwi - ſchendurch eine gelinde Kolik. Den Tag hernach war mir Mund und Hals ſo trocken, daß alles zuſammen - klebte; auch bemerkte ich Bleyweiß im Speichel. Amfol -81Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. folgenden Tage hatte ich wieder eine Kolik und fuͤhlte da - bey Steifheit in den Knien; vier andern, die von den Pfannkuchen gegeſſen hatten, wurden die Knien eben - falls ſteif. Den naͤchſten Tag fanden ſich Kopfweh und Uebelkeit ein, und ich war ſehr ſchwach. Am achtzehn - ten Tage ſtellte ſich wieder eine Kolik ein, dabey empfand ich fliegende Schmerzen im rechten Arme, und anhal - tende Schmerzen in den Knien, unter den Fußſohlen und im Fuße ſelbſt zwiſchen den Knochen, ſo daß ich mit Muͤhe gehen konnte; dies dauerte zwey Tage fort. Hernach befand ich mich ziemlich wohl, und bekam all - maͤhlig meine Kraͤfte wieder, bis im Anfange des Fe - bruars meine vorigen Plagen wieder eintraten, zu wel - chen ſich nun auch ein Flußfieber geſellte, das mich den 9. Februar noͤthigte, mich zu Bette zu legen. Auch nahm die Mattigkeit in den Knien von Tage zu Tage wieder ſehr zu. Um den Magen zu reinigen, nahm ich ſogleich ein Brechmittel. Am 16. hatte ich ſtarkes Kopfweh, Schmerzen in den Gliedern, und eine Kolik. Dies hielt mehrere Tage an, und wenn die Schmerzen am ſtaͤrkſten waren, nemlich Mittags und Nachmittags, hatte ich zugleich ein Fieber. Waͤhrend dieſer Zeit ge - brauchte ich einige Tage hindurch temperirende Mittel, und des Morgens eine Abfuͤhrung von einer Unze Pflau - menlatwerge, wonach ich die Bleichſucht bekam. Dieſe mattete mich in Geſchwindigkeit ſo ab, daß ich beynahe ohn - maͤchtig wurde, hoͤrte aber nach einer Doſis aufgeloͤſeten Opium ſogleich auf. Darauf konnte ich zwar das Bette verlaſſen; war aber noch immer damit geplagt, daß mir der Kopf ſchwer und die Knien ſchwach waren. Dies waͤhrte auch ohne merkliche Aenderung bis zum 23., da der Kopf mir noch ſchwerer wurde, und Ohrenſchmer - zen an der rechten Seite hinzu kamen. Am folgenden ThunbergsReiſe. Erſter Theil. F82Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. Tage wurde das Kopfweh ſehr ſtark, wobey ich heftiges Klopfen oder Schlagen im Kopfe auf der rechten Seite empfand, und zwar in ſolchem Grade, daß ich, wenn ich mich im Bette aufrichtete oder ſonſt bewegte, bey - nahe Convulſionen bekam und einen Schlagfluß befuͤrch - tete. Die Ohrenſchmerzen nahmen ebenfalls ungemein zu; auch verſpuͤrte ich dann und wann Zahnweh an der rechten Seite. Ich ließ mir daher eine Aber oͤffnen, und gebrauchte andre dienliche Mittel. Den Tag dar - auf blieben die naͤmlichen Symptomen, und zwar in gleicher Heftigkeit. Auch konnte ich von jetzt an des Nachts nicht ſchlafen. Am naͤchſten Tage verlohren die Ohrenſchmerzen ſich ganz, und das Klopfen im Kopfe wurde ſchwaͤcher. Dagegen aber bekam ich nunmehr Schmerzen in allen Gliedern, in einigen ſtaͤrker, in an - dern ſchwaͤcher; beſonders fuͤhlte ich dergleichen ſehr in den Knien und Elnbogen, welche faſt ganz lahm wur - den. Die Kolik war gelinde, aber in der linken Niere fuͤhlte ich bisweilen einen Schmerz, der zwar empfind - lich war, aber bald voruͤberging. Wenn ich auf dem Ruͤcken lag, merkte ich Engbruͤſtigkeit, die mit trocknem Huſten verbunden, und bald ſtaͤrker, bald gelinder war. Alle dieſe Zufaͤlle waren am Tage um zehn und um vier Uhr heftiger als ſonſt, und alsdann ging auch der Puls ſtark und unregelmaͤßig; vielleicht ruͤhrte dies von der Tageshitze her. Im Magen konnte ich jetzt nichts Sau - res vertragen, dergleichen ich ſonſt ins Getraͤnk gemiſcht hatte, als Tamarindenwaſſer, Citronſaft und aͤhnliches; ſondern ich durfte nur ein Paar Tropfen verſuͤßten Sal - petergeiſt in den Thee gießen. Ich legte mir zwar ein Spaniſchfliegenpflaſter zwiſchen die Schultern, das Kopf - weh ließ deswegen aber nicht nach. Den 28. hoͤrte das Schlagen im Kopfe und der kurze Athem auf, obgleich83Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. der Kopf noch immer ſo ſchwer wie Bley blieb. Die Gliederſchmerzen wurden jetzt zwar auch gelinder, nah - men aber noch gegen Abend wieder an Heftigkeit zu, und drangen ſogar in die Schultern, vermehrten ſich auch noch am folgenden Tage. Den 1. Maͤrz und die nach - herigen Tage nahmen die Schmerzen ab. Allein die Schwere des Kopfs und die Schwachheit in den Knien hielten noch lange an, und waren auch mit einigen Schmerzen verbunden, welches alles ich der in dieſen Theilen noch befindlichen Bleymaterie zuſchrieb. End - lich wurde ich allmaͤhlig ganz hergeſtellt. Vermuthlich aber waͤren weit nachtheiligere und laͤnger fortwaͤhrende Folgen fuͤr meine Geſundheit aus dieſem ganzen Vorfalle entſtanden, wenn ich nicht bald in einem ſo ſchoͤnen Lan - de, als das Vorgebirge der guten Hoffnungiſt, ange - kommen waͤre, da viele und ſtarke Leibesbewegungen mir haͤtte machen, und mich durch alle die angenehmen Fruͤchte, Gartengewaͤchſe und Weine, welche dies Land, von den fleißigen Europaͤern gebauet, ſo reichlich und vortrefflich hervorbringt, erfriſchen und ſtaͤrken koͤn - nen. Der Domine hatte gleichfalls in den erſten Tagen ſtarkes Erbrechen und Kolikſchmerzen. Auch ſchwoll ihm ſowohl als dem Befehlshaber uͤber die Solda - ten das Zahnfleiſch auf, wobey der Mund wund und dieſe wunden Stellen ganz gelb wurden; indeſſen hatte der letztere weder ſo heftiges Erbrechen, noch ſo ſtarke Ko - likſchmerzen. Der erſtere wurde gegen das Ende des Januars wieder mit einer heftigen Kolik befallen, die ſich bey dem Gebrauche erweichender Mittel nur langſam legte, und nach Verlauf einiger Tage mit einer voͤlligen Darmgicht wieder eintrat. Und nun wollten weder Rhabarber, noch Decoct von Senne-Blaͤttern, noch ge - woͤhnliche ſcharfe Klyſtiere, noch Stechpillen EroͤffnungF 284Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. verſchaffen; auch war ſogar ein Tobaksklyſtier ohne Ef - fect, bis es zum zweytenmahl applicirt wurde, da denn zwar Eroͤffnung erfolgte, aber die Kolikſchmerzen und das Erbrechen nicht eher aufhoͤrte, als bis eine gute Doſis von Sydenhamsaufgeloͤſetem Opium gebraucht war. Der Unterkoch bekam ebenfalls, nachdem einige Tage verſtrichen und das erſte Vomiren vorbey war, eine Kolik. Dieſe hoͤrte zwar nach dem Gebrau - che gewoͤhnlicher Mittel auf, kam aber wieder, und wurde immer ſtaͤrker, daß man ſogar eine Magenent - zuͤndung beſorgte; denn er wurde von den heftigen Schmerzen faſt raſend, und wollte ſich den Bauch auf - ſtechen. Man verordnete daher Aderlaß und Klyſtier, wodurch er auch Linderung erhielt. Am andern Tage aber nahm die Kolik nebſt der Darmgicht wieder zu, und man gebrauchte umſonſt ſtarke Klyſtiere und Stech - pillen; ſelbſt Tobaksklyſtiere ſchlugen nicht an, als bis man ſie dreymahl vergeblich wiederhohlt hatte. Hernach gab man ihm aufgeloͤſetes Opium, um die Kolik zu ſtil - len, allein ohne ſo gute Wirkung als das vorigemahl, daher denn ein Spaniſchfliegenpflaſter auf den Unterleib gelegt wurde. Dies that wohl guten Effekt, allein der Patient wurde darnach ſo lendenlahm, daß er nicht ge - hen konnte, welches indeſſen allmaͤhlig nachließ. Mir machte alſo freylich dieſer ungluͤckliche Vorfall mit dem Bleyweiß, wodurch jedoch keiner das Leben ein - buͤßte, das meiſte zu ſchaffen. Er lehrte mich aber auch, auf meinen folgenden Reiſen in Anfehung des Eſſens und Trinkens ſorgfaͤltiger auf meiner Huth zu ſeyn. Und in Anſehung der Folgen, die er bey einigen, beſon - ders bey mir hatte, und der damit verbundnen Sympto - men halte ich ihn immer fuͤr ſo merkwuͤrdig, daß ich mich mit der Ueberzeugung ſchmeichle, auch meine nicht medici -85Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. niſchen Leſer werden es mir verzeihen, wenn ich mich bey ihrer Beſchreibung etwas lange aufgehalten habe.

Die Hollaͤndiſchen Schiffe pflegen auf der Reiſe nach dem Cap, zumahl wenn ſie lange von widri - gem Winde in der Nord-Seeumhergetrieben ſind, zu Sanct-Jagoanzulegen, um friſches Waſſer und Lebensmittel einzunehmen, obgleich das daſige Waſ - ſer ſich nicht ſehr lange haͤlt. Wir ſegelten mit gutem Winde vorbey, um uns auf unſrer Fahrt nicht aufzu - halten.

Den 19. Januar 1772 hatten wir die Inſel Canariamit ihren hohen, gelben und rothen Bergen zur Rechten, und Forteventurazur Linken. Am fol - genden Tage bekamen wir Paſſat-Wind. Den 29. wa - ren wir unter dem funfzehnten, und den 3. Februar un - ter dem achten Grade der Breite.

In dieſen Gegenden des Meers ſahen wir des Abends und des Nachts leuchtende Thiere zu Tauſenden, wie Sterne, im Waſſer, wenn daſſelbe vom Schiffe be - wegt wurde; wie auch große Kugeln, die gegen das Ka - juͤtfenſter, wenn es offen ſtand, einen Schein, wie von mattem Blitze, gaben. In einigen Naͤchten ſahen wir, daß es wirklich blitzte, ohne daß man irgend Donner hoͤrte. Man ſagte, dies bedeute Wind; diesmahl traf die Prophezeihung gleichwohl nicht ein. Um dieſe Zeit fingen wir auch Fiſche, und ſahen verſchiedne von den großen Voͤgeln, die man Malmucken (Malle - mocken) nennt. Unter andern ſchwamm einmahl eine große Menge Hornfiſche (Baliſtae) von derjenigen Gat - tung, deren letzter Strahl in der Ruͤcken-Floßfeder ſehr lang iſt, hinter unſerm Schiffe her. Die Hitze wurde taͤglich ſtaͤrker und unertraͤglicher, und Citronſaft mit Zucker war uns jetzt zum Labetrunke unentbehrlich. Ein -86Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. mahl zeigte ſich uns in dieſer Zeit eine ſehr ſchoͤne Waſ - ſerhoſe. Die Saͤule fing unten auf dem Waſſer, mit gleichſam zerſtreuten kleinen Wolken an, wuchs darauf aus denſelben in einem ſchmalen, in einer Beugung em - porſteigenden, Zuge oder Strahle mit ebenen Seiten in die Hoͤhe, welcher, ſobald er uͤber die Mitte hinauf war, nach und nach dick wurde und ſich in einer Wolke endigte. Dieſe Erſcheinung waͤhrte nicht lange, ſon - dern verſchwand bald.

Den 22. Februar, kurz vor zwoͤlf Uhr, paſſirten wir die Linie. Die Hitze war jetzt ſo ſtark, daß die Butter wie Oehl floß, und die Siegel auf den Briefen weich, und wenn Briefe auf einander lagen, ganz un - kenntlich wurden. Nunmehr zeigten ſich auch die flie - genden Wachtelfiſche (Exocoetus volitans), in ziemlicher Menge: meiſtens flogen ſie in einer Reihe in der Breite, bisweilen doch aber auch, wiewohl ſelten, in entgegen - ſtehenden Gliedern. Imgleichen ſahen wir in dieſer Gegend eine Art großer Voͤgel, die ſehr hoch flogen. Der Scorbut fing an mehr uͤberhand zu nehmen. Das Waſſer faulte, obſchon Queckſilber darin war, nahm bereits einen ekelhaften Leichengeruch an, und wur - de voll Wuͤrmer, daß man es ohne Kaffee oder Thee nicht trinken konnte. Nach einigen Wochen aber wurde es von ſelbſt wieder rein und wohlſchmeckend, nachdem alles Unreine und die Wuͤrmer ſich auf den Boden ge - ſenkt hatten. Mittlerweile ſammelten wir dann und wann Regenwaſſer, obzwar dies verbothen war, weil man glaubte, Regenwaſſer verurſache Krankheiten, und unerachtet es vom Tauwerke nach Theer ſchmeckte. Um das Bier zu conſerviren, legte man zwey Eyer in das Faß, die darin zerplatzten.

87Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc.

Die Sonne paſſirten wir den 22. Die Hoͤhe mußte mit dem Octanten nunmehr auf der Steuerbord - ſeite genommen werden: bisher war dies auf der Bak - bordſeite geſchehen. Sobald wir auf dieſe Art ein wenig ſuͤdlich von der Linie gekommen waren, wurde der Wind immer ſtaͤrker, wiewohl er manchmahl nicht vorzuͤglich gut war, ſondern uns einige ſiebenzig Meilen weit vom Lande nach der Amerikaniſchen Seite trieb. Auch wurde es von Tage zu Tage kuͤhler, je mehr wir uns dem Suͤd - polenaͤherten.

Den 24. Maͤrz hatten wir die Hoͤhe des Vorge - birges der guten Hoffnung. Hier fiſchten und aßen wir Delphine. Auch flogen an dieſem Tage Mallemucken (ich habe oben vergeſſen zu ſagen, daß dies die großen bunten Mewen ſind) in Menge vorbey; ſie waren braun und unten weiß. Als ſie muͤde waren, ſetzten ſie ſich auf den Wellen nieder, um auszuruhen. In den fol - genden Tagen ſahen wir von ihnen keine mehr. Wenn dieſe Voͤgel haͤufig fliegen, ſo pflegen die Schiffer daraus abzunehmen, daß man nicht ſehr weit vom Lande ſey. In dieſer Gegend des Meers ſahen wir auch ſchon Trom - petentang im Waſſer fließen: ein ſicheres Zeichen, daß wir uns dem Capnaͤherten, weil dieſe Art Meergras ſich vom daſigen Strande losreißt, und dann weiter ſchwimmt.

Die Anzahl der Kranken, welche ſeit dem Anfan - ge unſrer Reiſe ſehr groß geweſen war, (faſt beſtaͤndig lagen hundert und funfzig Mann krank) begann gegen - waͤrtig anſehnlich abzunehmen, nachdem freylich unge - mein viele, die nicht zu retten waren, und faſt alle Un - taugliche, das Leben verlohren hatten. Und hier will ich, ehe ich in der Beſchreibung der Reiſe ſelbſt weiter88Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. gehe, von den Krankheiten unter unſerm Schiffsvolke, von den Krankenanſtalten und was damit verwandt iſt, wie auch von verſchiednen andern Einrichtungen und Ge - wohnheiten auf dem Schiffe, einige naͤhere Nachrichten mittheilen.

Die unter unſern Leuten am Bord meiſtens vor - kommenden Krankheiten waren Fleckfieber, boͤsartige Faulfieber, Katarrhal-Fieber, zum Theil mehr, zum Theil weniger boͤsartige, Roſe, Scorbut, ſchlimme und ge - faͤhrliche faule Schaͤden, Geſchwuͤre, Huſten, Diar - rhoͤe, Dyſenterie, veneriſche Krankheiten und manche andre. Unter den Matroſen wurden die, welche beym Steuer ſtanden, in Schweiß kamen, und ſich hernach vor Erkaͤltung nicht huͤteten, haͤufig krank. Doch wa - ren Soldaten mit verdorbenen Saͤften die meiſten, wel - che erkrankten und am wenigſten hergeſtellt werden konn - ten. Selten brach ſich ein Fieber mit einer richtigen und guten Criſis. Denn entweder lagen die Kranken faſt nackt, oder ſtanden zur Unzeit, wenn ſie im Schweiße la - gen, auf, und tranken heimlich kaltes Waſſer, oder goſſen ſich insgeheim kaltes Waſſer uͤber den Leib. Hiedurch ent - ſtanden verſchiedne Metaſtaſen, als große und gefaͤhrliche Abſceſſe an den Armen, Haͤnden, Beinen und Backen, von denen einige in kalten Brand uͤbergingen, andre aber die Kranken ſo ſehr mitnahmen, daß ſie vor Entkraͤftung ſtarben. Andre verlohren mehr oder weniger das Gehoͤr. Nahm die Mataſtaſe ihren Weg nach den dicken Beinen, ſo verurſachte ſie unausſtehliche Schmerzen; nach den Augen, ſo konnten die Patienten kaum ſehen; nach den Fuͤßen, ſo folgte die Waſſerſucht in den Beinen. Eini - ge bekamen die unaͤchten Pocken. Unter den mancher - ley Symptomen bey den Fiebern bemerkte ich bey verſchie -89Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. denen Kranken ein hartnaͤckiges Erbrechen, bey andern einen eben ſo hartnaͤckigen Durchlauf. In den boͤsarti - gen Fiebern raſeten die Kranken haͤufig. Bey einigen we - nigen ſtellte ſich ein ſogenannter unſchaͤdlicher Wahnſinn (delirium innocuum) ein, waͤhrend deſſen ſie vier und zwanzig Stunden hindurch faſt beſtaͤndig ſangen, ehe ſie ſtarben.

Um den Krankheiten auf der Reiſe vorzubeugen, war verordnet, daß die Luftpumpen ſtets im Gange ſeyn ſollten; daß genau Acht gegeben wuͤrde, daß die, welche das Saufen liebten, nicht am Tage ſchliefen, und des Nachts ſoͤffen; daß beſtaͤndig ein Segel vom großen Ma - ſte in die große Oeffnung des Schiffs herabhinge, um friſche Luft ins Schiff hinunter zu bringen; daß bey gu - tem Wetter die Leute ſich auf dem Verdecke aufhalten ſoll - ten; daß alsdann auch die Laden und Kiſten, imgleichen die Hangmatten heraufgebracht, und ausgeluftet, das Schiff aber mittlerweile rein gemacht, mit Wachholder - beeren und angezuͤndetem Schießpulver durchraͤuchert und mit Eſſig beſprengt werden ſollte. Außerdem wurden die Leute nicht nur angehalten, ſich oft zu waſchen und zu reinigen, Kleidung und Hemde oft zu trock - nen und zu wechſeln, ſondern auch ſich auf allerhand Art zu beluſtigen.

Man nimmt auf den Schiffen ſo viele Kranken - waͤrter an, als noͤthig ſind, um der Kranken zu pflegen, ſie mit Eſſen und Trinken zu bedienen, ihnen die Arzney einzugeben, ihnen aus und in die Hangmatten zu helfen, und dahin zu ſehen, daß die Geneſenden ſich auf dem Verdecke in friſcher Luft aufhalten.

Der Doctor oder erſte Chirurgus beſucht die Kran - ken taͤglich zweymahl, des Morgens um acht, und des90Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. Nachmittags um vier Uhr, da allererſt die Verbindungs - zeit iſt. Diejenigen Kranken, welche zur Arzneykiſte kommen koͤnnen, werden auf einer Tafel angezeichnet. Darauf wird verordnet, was an dieſem Tage gebraucht werden ſoll. Alsdann werden die Kranken in ihren Lager - ſtaͤtten beſucht. Hernach ſtattet der Doctor dem Capi - tain oder dem wachthabenden Steuermanne Bericht ab, ob in der vorigen Nacht jemand geſtorben iſt, wie auch von der Anzahl und Beſchaffenheit der Kranken. Die Nahmen der Verſtorbnen werden auf einen Zettel geſchrie - ben, und von den Kranken wird eine Liſte verfertiget, und dem Hoch-Bootsmanne eingehaͤndigt, damit ſie nicht auf die Wache oder zu andern Geſchaͤften commandirt werden moͤgen. Uebrigens haͤlt der Doctor ſowohl ein Tagebuch die Kranken betreffend, als auch einen Aufſatz von dem, was fuͤr ſie erfordert wird, wie auch ein Verzeichniß der Geſtorbnen, welches alles dem Gouverneur des Orts, wohin die Reiſe geht, uͤbergeben wird. Das Eſſen fuͤr die Kranken wird vom Doctor ordinirt, und der Budde - lier empfaͤngt Anweiſung es zu veranſtalten. Die ſchlecht - ſten und ſchwaͤchſten bekommen zugleich etwas Suppe oder anderes, ſo am Officier-Tiſche uͤbrig geblieben iſt. Was uͤbrigens, außer den Medicamenten, und deren Zuberei - tung betreffend, noͤthig iſt, wird des Morgens gefordert, als friſches Waſſer, Zucker, Eſſig, Oehl, Citronſaft, ſpaniſcher und weißer Wein, Salpeter, Wachholder - Branntwein und dergleichen: es wird auf einen Zet - tel verzeichnet, der dem erſten Steuermanne eingehaͤn - digt wird.

Iſt jemand geſtorben, und hat der Doctor Rap - port davon abgeſtattet, ſo laͤßt der wachthabende Steuer - mann ſogleich ſeine Lade heraufhohlen, und ſeine Klei -91Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. dungsſtuͤcke unter andre, die deren beduͤrfen, vertheilen. Wenn die Schiffe in einem Hafen liegen, und alsdann jemand ſtirbt, ſo wird eine kleine Flagge bis an die Mitte der Stange aufgezogen, worauf ein Boot mit einem Sarge kommt, um ihn abzuhohlen. Auf der See aber wird der Todte in die Hangmatte genaͤhet, auf einige Stunden vor dem großen Maſte hingelegt, und darauf uͤber Bord geworfen, nachdem man zu den Fuͤßen Sand oder Bley hineingethan hat, damit er zu Grunde gehen moͤge. Macht jemand vor ſeinem Tode ein Teſtament, ſo wird ſolches vom Ober-Bootsmanne, dem Konſtabel und einigen andern unterſchrieben.

Die Ration, welche das Schiffsvolk woͤchentlich oder eine Woche um die andere von gewiſſen Sachen, als Oehl, Tamarinden, Citronſaft, Butter, Kaͤſe und dergleichen haben ſoll, wird ihnen oft nur monathlich oder alle fuͤnf Wochen gereicht, je nachdem der Capitain und der erſte Steuermann es fuͤr gut und ihre Rechnung dabey finden. Hiedurch wird den Leuten verſchiedenes ab - gekuͤrzt, das jene Officiere nachmahls verkaufen; oder es hat die Folge, daß ſie mit einemmahl mehr bekommen, als ſie in ihren kleinen Laden unter ihren Lumpen aufbe - wahren koͤnnen; oder daß, wenn ſie eine groͤßere Ra - tion, als ſeyn ſollte, erhalten, im Anfange zu viel eſſen und hernach nichts haben; oder daß den Einfaͤltigen unter ihnen, die es nicht gut zu verbergen verſtehen, alles oder ein Theil geſtohlen wird. Fleiſch und Speck wird indeſſen oͤfter und ordentlicher ausgetheilt. Eſſig, Oehl, Salz und Pfeffer bekommt die Beſatzung gewoͤhnlich ſo viel als ſie gebraucht; Butter aber wird jedem woͤchentlich ein halbes, und Brot viertehalb Pfund zugewogen. Dem Koche wird fuͤr jeden Mann Dienſtags ein Pfund Speck,92Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. Donnerſtags Fleiſch, Freytags Stockfiſch, Sonntags Erbſen und Fleiſch, die uͤbrigen Tage aber Gruͤtze, Erb - ſen und Bohnen ausgegeben. Manchmahl werden auch Kartoffeln, rother Kopfkohl, Lauch und Zwiebeln, Meerrettig, gelbe Wurzeln, bisweilen mit, bisweilen ohne friſches Fleiſch oder Speck gegeben. Sobald das Schiff gluͤcklich in die offne See gekommen war, wurden Mann fuͤr Mann drey ganze Kaͤſe, jeder von einigen Pfunden, ausgetheilt. Die Compagnie ſchickt auch Struͤmpfe, und Kleidungsſtuͤcke von grobem duͤnnem un - geſchornem Tuche, mit, wovon denen, welche Gebrauch davon machen wollen, auf Credit uͤberlaſſen wird. Eine ſolche Austheilung geſchieht, wenn es dem Capitain be - liebt, unter diejenigen, welche etwas verlangen, nicht immer unter die, welche etwas noͤthig haben.

Einmahl wurde auf dieſer Reiſe eine Auction am Bord gehalten, um den Nachlaß eines verſtorbnen Ma - troſen zu verkaufen. Das dafuͤr geloͤſete Geld betrug acht und ſechszig Gulden. Die Haͤlfte hievon wurde fuͤr die Armen in Holland, und die andre Haͤlfte fuͤr die Ar - men auf dem Capbeſtimmt, ohne an die rechtmaͤßigen Erben des Verſtorbnen zu denken.

Den 30. Maͤrz ließen ſich wieder verſchiedne große Voͤgel ſehen, und gaben zu erkennen, daß wir dem Capnaͤher kamen. Jetzt wurden zum andernmahl unter dieje - nigen Soldaten, welche bis dahin halb nackt gegangen wa - ren, Kleidungsſtuͤcke ausgetheilt. Einige Tage hernach ſa - hen wir Beſansſegel (Holothuria phyſalis), auf dem Waſ - ſer ſegeln. Die großen Malmucken zeigten ſich nun auch in groͤßerer Menge; widriger Wind aber hinderte uns noch, naͤher ans Land zu kommen. Ferner ſahen wir ei - nen kleinen blauen und weißen Vogel von der Groͤße einer93Reiſe von Hollandnach dem Vorgebirge ꝛc. Schwalbe uͤber dem Waſſer ſchweben. Auch gingen zwey Nord-Kaper (Balaenae) uns vorbey. Bald dar - auf erblickten wir ſchon Landvoͤgel, welche ſich von See - voͤgeln dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht ſo geſchwind fliegen, ſondern mehr mit den Fluͤgeln flattern.

Den 11. April bekamen wir den Tafelbergzum erſtenmahl zu Geſichte. Das Waſſer war nunmehr ganz gruͤn. Schon ſeit einigen Tagen hatte es die ſchwar - ze Farbe verlohren, und gruͤnlich ausgeſehen. Dies iſt immer ein Zeichen, daß das Meer ſeichter wird, und fuͤr den Seemann, daß er dem Lande nahe kommt. Wir konnten aber doch noch nicht den Hafen erreichen, weil wir Suͤd-Oſt-Wind hatten, der uns noͤthigte, einige Tage in der See zu loviren. In dieſer Zeit ſahen wir noch waſſerſpruͤtzende Nord-Kaper und huͤpfende Seehunde; und auf dem Waſſer Trompetentang in Menge, worauf nicht ſelten Landvoͤgel ſich ſetzten, um zu ruhen. Endlich langten wir den 16. April auf der Reede in der Tafelbaygluͤcklich an, warfen das Anker, loͤſeten die Kanonen und wuͤnſchten einander Gluͤck. Auf der Reede lag ſchon vor uns unter andern ein Schwediſches Schiff, das kurz vorher eingelaufen war, und auf welchem mein Freund, Profeſſor Sparrmann, ſich befand.

Kaum hatten wir dieſe ſuͤdlichſte Spitze von Afrikaerreicht, als ſchon aus der Stadt der Schiffs - Commandeur und ein Wundarzt zu uns kamen; jener, um die mitgebrachten Briefe und der Compagnie gehoͤrigen Papiere abzuhohlen; dieſer, um ſich nach der Anzahl der gegenwaͤrtigen Kranken und der unterwegs Verſtorbnen zu erkundigen. Der letzteren waren jetzt eben nicht ſehr viele; die erſteren aber machten eine Zahl von 115 aus, unter denen zehn bereits im Texelvor dem Anfange der94Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. u. ſ. w. Reiſe geſtorben, und zwey ungluͤcklicher Weiſe uͤber Bord gefallen waren. Die andern mit uns ausgelauf - nen Schiffe hatten noch mehr Todte: eins 158, wovon 136 im Texel, und 22 auf der Reiſe geſtorben waren; das zweyte 230; und das dritte 103. Auch ka - men ſehr bald eine Menge ſchwarze Sclaven und Chine - ſer mit kleinen Boͤten, um fuͤr Geld, auch fuͤr Klei - dungsſtuͤcke und Waaren, friſches Fleiſch, Garten - gewaͤchſe und Obſt zu verkaufen, welches das Schiffs - volk auch begierig erhandelte.

Der 17. April 1772 war endlich der erwuͤnſchte Tag, da ich das Land betrat, und in der Capſtadtankam.

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Zweyte Abtheilung. Aufenthalt in der Capſtadtvor der erſten großen Afrikaniſchen Reiſe, nebſt einigen kleinen Reiſen ins Land vom 17. April bis den 7. September 1772.

Erſter Abſchnitt. Aufenthalt in der Capſtadt.

In der Capſtadtbekam ich meine Wohnung bey Herrn Fehrſen. Mein erſtes war, daß ich dem Vice-Gouver - neur, Baron van Plettenberg, und den uͤbrigen Mit - gliedern der Regierung, welchen ich empfohlen war, und an die ich Briefe abzugeben hatte, die Aufwartung machte. Der alte wuͤrdige und allgemein geliebte Gouverneur Tulbaghwar bereits den 11. Auguſt vor Alter und am Podagra verſtorben. Die an ihn gerichteten Briefe haͤn - digte ich daher Baron Plettenbergein, der mich mit vieler Gewogenheit empfing, und mir verſprach, meine Abſicht, ins Land hinein eine Reiſe vorzunehmen, zu beguͤnſtigen und thaͤtig zu befoͤrdern.

Sogleich am Tage nach unſrer Ankunft wurden die Kranken in Begleitung des Unter-Feldſcheers aus dem Schiffe ins Lazaret gebracht. Darauf marſchirten die Soldaten nach der Stadt, angefuͤhrt von ihrem Befehls -96Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. haber, der hernach am Lande nur als Sergeant diente, wie dies allezeit ſo gebraͤuchlich iſt.

In meinem Vaterlande ſtand jetzt der ſchoͤnſte Fruͤhling bevor; hier auf der Suͤd-Seite des Aequators aber naͤherte ſich im Gegentheil der Winter. In meh - reren Monathen konnte ich alſo noch nicht mit Nutzen die inneren Gegenden des Landes durchreiſen, ſondern mußte dazu den Anfang des Septembers abwarten. Die Zwi - ſchenzeit glaubte ich nicht beſſer anwenden zu koͤnnen, als wenn ich die hieſigen Einrichtungen, beſonders die Verfaſ - ſung der Compagnie kennen zu lernen ſuchte; die Ge - waͤchſe und Thiere in der Naͤhe der Stadt, und die naͤchſten Gebirge mir genauer bekannt machte, und kleine Reiſen in demjenigen Lande vornaͤhme, welches ich kuͤnftig ganz zu durchwandern und mit Aufmerkſamkeit zu beſehen und zu unterſuchen hoffte.

Das Vorgebirge der guten Hoffnungiſt die aͤußer - ſte Landſpitze, nicht nur des ſuͤdlichen Afrika, ſondern der ganzen alten ſuͤdlichen Welt, und unter allen Vor - gebirgen oder Landſpitzen in der ganzen Welt das be - ruͤhmteſte und vornehmſte. Bartholomaͤus Dias, ein Portugieſe, war bekanntlich der erſte, welcher es im Jahr 1487 entdeckte, und Koͤnig Emanuelgab ihm den Nah - men, welchen es noch jetzt fuͤhrt: Vaſco de Gamabe - ſuchte es zum andernmahl 1497, und zwar auf Befehl eben dieſes Koͤnigs. Den von de la Cailleangeſtellten Beobachtungen zufolge liegt es unter dem 33. Grade und 35 Minuten ſuͤdlicher Breite, und dem 35. Grade und 2 Minuten der Laͤnge.

Der Fuß der Berge oder Anhoͤhen um die Stadt beſteht aus rothgeflammter Lehmerde. Dieſe Farbe ruͤhrt daher, daß das Waſſer in den Ritzen herunterfließt, und dieſelben mit der eiſenartigen Saͤure, welche es enthaͤlt,auf97Aufenthalt in der Capſtadt. auf dieſe Art faͤrbt. Weiter hinauf liegen große, mit - telmaͤßige und kleine Steine ohne Ordnung, die von den Bergen herniedergerollet ſind.

Die Schiffe, welche in der Tafelbayauf einer ſehr großen Reede ankern, liegen ungefaͤhr eine Viertelmei - le oder etwas weiter von der Stadt. Wenn man an Land geht, wird man weder durch Thore, oder Zoll - Schlagbaͤume, noch durch Beſucher oder Thorſchreiber aufgehalten. Die Stadt hat weder Waͤlle noch Thore, und man wohnt doch ſo ſicher als moͤglich darin, ob ſie gleich in dem Lande eines wilden Volks liegt.

Die Stadt iſt ſehr regelmaͤßig gebauet. Sie er - ſtreckt ſich in geraden Straßen und Abtheilungen vom Strande bis an den Abhang, welche der Fuß des Tafel - bergesbildet, und iſt hinten vom Tafelberge, zur Linken vom Loͤwenberge, und auf der Oſt-Seite ein wenig vom Teu - felsberge umgeben. Nach Suͤden und Oſten liegt ſie al - ſo meiſtentheils offen. Die Haͤuſer ſind alle von Stein, durchgaͤngig weiß uͤbertuͤncht, ein oder zwey, ſelten drey, Stockwerke hoch, und haben meiſtentheils flache ge - mauerte Daͤcher, oder ſind auch wohl mit der hier zu Lande wachſenden Grasart, welche das Dachſtrickgras (Reſtio tectorum) iſt, auf niedrigen Sparren gedeckt. Des hier wehenden ſtarken Windes wegen koͤnnen ſie we - der mit Ziegeln gedeckt, noch hoͤher gebauet werden. Das Haus des Gouverneurs und das Packhaus der Compagnie ſind die einzigen Gebaͤude von drey Etagen.

Die Dienſtbothen beſtehen hier nicht aus Euro - paͤern, ſondern aus ſchwarzen oder braunen Sklaven aus Madagascar, Malabarund andern Indiſchen Laͤndern. Dieſe reden groͤßtentheils entweder gebrochen Portugie - ſiſch, oder Maleyiſch, ſelten Hollaͤndiſch. Sie lernen al - lerley Handwerke, wodurch ſie ihren Herren viel Geld ThunbergsReiſe. Erſter Theil. G98Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. verdienen, beſonders die, welche Schneider, Tiſchler, Maurer oder Koͤche ſind. Man vermiethet die Sklaven auf Monathe, Wochen oder Tage, um zu arbeiten, und in dieſer Zeit muͤſſen ſie ihren Herren taͤglich ein ge - wiſſes Geld einbringen. Die Sklaven maͤnnlichen Ge - ſchlechts tragen ihr Haar, auf welches dieſe Leute einen großen Werth ſetzen, in ein zuſammen gewundenes Schnupftuch, wie in einen Turban gewickelt; die Maͤg - de wickeln es auch und befeſtigen es mit einer großen Nadel. Kurze Jacken oder Waͤmſe mit Hoſen, nach Art des Schifferanzugs, machen die uͤbrige Kleidung der Sklaven aus; und zum Zeichen, daß ſie ihre Frey - heit verlohren haben, gehen ſie allezeit barfuß und ohne Hut. Daß Sklaven freygegeben werden, geſchieht aͤußerſt ſelten. Ehe man zu Tiſche geht, ſowohl Mittags als Abends, kommt eine Sklavin mit Waſchwaſſer und einem Handtuche, und reicht es den Gaͤſten, ſich die Haͤn - de zu waſchen; eben dies nach geendigter Mahlzeit. In den Haͤuſern der Reichern bekommt jeder Fremde bey Tiſche einen Sklaven hinter den Stuhl zur Aufwar - tung. Dieſer haͤlt oft einen großen Faͤcher, der aus einem Palmblatte beſteht, in der Hand, um damit die Fliegen wegzujagen, die hier eben ſo laͤſtig ſind, als in Europa.

Sowohl in als außer der Stadt ſind ſchoͤne und nette Gaͤrten, nicht nur Kuͤchengaͤrten, ſondern auch Obſtgaͤrten angelegt. Die außerhalb der Stadt werden vermittelſt der von den Bergen herabgeleiteten Kanaͤle ge - waͤſſert. Der große und reitzende Garten der Compagnie raget unter den uͤbrigen wie eine alte Eiche unter Buͤ - ſchen empor. Aus dieſen Gaͤrten erhalten die ankom - menden Fremden ihre erſte Erfriſchung, und ihr uͤber - fluͤſſiger Vorrath verſieht ſowohl die Hollaͤndiſchen, als99Aufenthalt in der Capſtadt. die Schiffe andrer Nationen mit dem, was ſie zu ihrer Reiſe beduͤrfen. Die Samen muͤſſen indeſſen jaͤhrlich friſch aus Hollandgehohlt werden, weil hier die meiſten mit der Zeit ausarten, Blumenkohl ausgenommen, deſ - ſen Samen ſich hier vorzuͤglich veredelt, und von hier nach Hollandverkauft wird, wo er ſich in der Folge ver - ſchlechtert. Aepfel, Birnen und andre Europaͤiſche Fruͤch - te werden loſer und reifer, erreichen aber nicht die vor - zuͤgliche Guͤte des Geſchmacks, als in Europa, halten ſich auch nicht lange. Auch Pfirſchen werden nicht ſo gut, als im ſuͤdlichen Europa: man trocknet ſie haͤufig wie Birnen, ſowohl mit als ohne den Kern. Die aus Europahieher gebrachten Baͤume, als Eichen, weiße Eſpen und andre, verlieren im Winter ihre Blaͤtter eben ſo als in den Laͤndern, wo ſie einheimiſch ſind, bekommen ſie doch aber bald wieder. Von den Afrikaniſchen Baͤu - men hingegen faͤllt das Laub nicht ab. Dieſer Umſtand iſt allerdings merkwuͤrdig. Denn einmahl iſt die Kaͤlte hier im Winter nicht ſtaͤrker, als in Schwedenim Herb - ſte, und dann geſchieht es auf der Suͤd-Seite der Aequi - noctial-Linie zu eben der Zeit, da auf der Nord-Seite die Blaͤtter auf den Baͤumen wieder ausſchlagen. Linden laſſen ſich hier aber nicht ziehen, weil ſie die herrſchenden heftigen Sturmwinde nicht vertragen koͤnnen. Eben ſo wenig kommen Haſelſtauden, Kirſchbaͤume, Stachel - beeren, Rauhbeeren oder Krausbeeren, und rothe und ſchwarze Johannisbeeren hier fort: ſie wachſen ſchlecht und tragen ſelten. Die Myrten wachſen zu der Hoͤhe eines Baums, bekommen aber keinen dicken, ſteifen und aſtreichen Stamm.

Indem ich von den hieſigen Gaͤrten rede, kann ich den Gaͤrtner Auge nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen. Dieſer Mann hat viele und ſehr weite Reiſen tief ins LandG 2100Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. hinein gemacht, und alle diejenigen Gewaͤchſe und In - ſekten geſammelt, die der verſtorbne Gouverneur Tul - baghnach Europaan Linné, Burmannusund van Royengeſchickt hat. Da er ſolche Reiſen alle Jahre ver - richtete, verkaufte er zugleich an Fremde ſowohl Kraͤu - terſammlungen als auch Voͤgel und Inſekten. Von[] ihm kaufte der Directeur Grubbdie vortreffliche Sammlung von Kraͤutern, die hernach Profeſſor Bergiuszum Geſchen - ke bekam, und in ſeinem Werke von den Capſchen Pflanzen ſo unvergleichlich beſchrieben hat. Auge’sbotaniſche Kenntniſſe ſind nicht groß, und ſeine Sammlungen er - ſtrecken ſich gemeiniglich nicht weiter, als uͤber das, was ſich durch Groͤße oder Schoͤnheit auszeichnet. Inzwi - ſchen haben wir ihm doch faſt allein alle die ſeit Her - mannus, Oldenlandsund HartogsZeiten in dieſem Theile von Afrikagemachten botaniſchen Entdeckungen zu ver - danken.

Nunmehr komme ich zu den militaͤriſchen Einrich - tungen auf dem Cap. Die Citadelle liegt am Strande, oſtwaͤrts unterhalb der Stadt. Sie iſt von hohen Mauern und tiefen Graͤben eingeſchloſſen, und mit hinlaͤnglichen Wohnzimmern fuͤr den Gouverneur, obgleich dieſer nie - mahls da wohnt, den Major, die uͤbrigen Officiere und die Soldaten verſehen. Sobald die Sonne untergeht, wird das große Thor zugeſchloſſen, da denn allen Solda - ten, die nicht Urlaub bekommen haben, durch Trom - melſchlag das Zeichen hereinzukommen gegeben, und die Mannſchaft von jeder Compagnie aufgerufen wird. Das kleine Thor bleibt bis zehn Uhr offen, und alsdann muͤſ - ſen die draußen ſich befindenden Soldaten, welche keinen Nacht-Urlaub haben, wenn mit einer Glocke gelaͤutet wird, ſich einſtellen. In der Nacht wird das Thor nicht leicht aufgemacht, außer im Nothfalle, zum Exempel, um101Aufenthalt in der Capſtadt. eine Hebamme zu hohlen. In der Citadelle muß allezeit ein Feldſcheer ſchlafen.

Der Zuſtand der hieſigen Garniſon iſt ſchlecht. Das erſte, was ein Soldat ſich erwerben muß, iſt die Mondirung. Dieſe bekommt er zwar von der Compa - gnie, aber nicht anders als gegen Bezahlung, oder ſo, daß er ſie abverdient. Alle drey Jahr laͤßt die Compagnie eine gewiſſe Partey Mondirungen zur Bekleidung der Be - ſatzung verfertigen; in der Zwiſchenzeit aber laͤßt ſie kein Stuͤck machen. Traͤgt es ſich nun zu, daß die verfer - tigte Anzahl fuͤr die neu ankommenden Soldaten auf die Zeit, bis wieder neue Mondirung gemacht wird, nicht hin - reicht, ſo muß der Soldat ſo lange in den Kleidern, die er hat, waͤre es auch nur das Wams, welches er vom See - lenverkaͤufer bekam, Wache thun. Diejenigen Solda - ten, welche in Hollandeinen ſogenannten Transport-Zet - tel bekommen haben, erhalten hier nicht eher Sold, als bis die ganze Zeit verfloſſen iſt, da ſie den Werth des Zettels abverdient haben. Gewoͤhnlich waͤhrt dies an - derthalb Jahr, auch wohl laͤnger; und in dieſer ganzen Zeit bekommt er nur etwas Koſtgeld und Dienſtgeld. Was er ſonſt zu Unterhalt und Kleidung bedarf, muß er entweder durch ſein Handwerk, wenn er eines verſteht, oder durch Wachen, die er an den Tagen, da er frey iſt, fuͤr andre thut, ſich ſelbſt verdienen. Hat ein Soldat ein nuͤtzliches Handwerk gelernt, ſo kann er taͤg - lich einen halben Reichsthaler (Ducaton) verdienen, da er denn ſeine Wache mit vier Hollaͤndiſchen Stuͤbern bezahlt. Mit Waſchen fuͤr andre koͤnnen ſie auch etwas verdienen. Ein Soldat kann auch wohl doppeltes Koſt - geld bekommen; aber alsdann werden ihm fuͤr Subſidien, wie es genannt wird, monathlich zwey Gulden von ſei - nem Solde abgezogen. Jeder kommt alle zwey, bis -102Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. weilen auch wohl nur alle drey Tage auf die Wache, und hat folglich einen oder zwey Tage frey. Die Wache dauert vier und zwanzig Stunden. Die kleinen Wachen werden mit einem Corporal und drey Mann, und die groͤßern mit einem Sergeanten und zwoͤlf Mann beſetzt. Zwey Stunden ſteht jeder auf dem Poſten, hat alſo vier Stunden frey. Jeder Soldat iſt ſchuldig fuͤnf Jahr, die Zeit der Reiſe nicht mit gerechnet, zu dienen. Waͤh - rend dieſer Zeit darf er nicht zu Hauſe reiſen; wenn aber die Officiere einem wohlwollen, ſo wird viel davon abgekuͤrzt, und manchmahl bekommt er die Erlaubniß, ſchon mit demſelben Schiffe zuruͤckzugehen. Wenn er ſeine Zeit ausgedient hat, ſteht es ihm frey, entweder zu Hauſe zuruͤckzukehren, oder laͤnger zu dienen. Geht er eine neue Capitulation ein, welches das erſtemahl auf drey Jahr geſchieht, ſo wird ſein Sold mit monathlich zwey Gulden vermehrt. Wenn dieſe Jahre vorbey ſind, kann er zum andernmahl auf drey Jahr capituliren, da er denn abermahls eine monathliche Zulage von zwey Gulden bekommt. Hernach wird nichts mehr zugelegt, wofern er nicht zugleich eine Stufe hoͤher hinauf ruͤckt. Wer als Soldat hingekommen iſt, kann zum Corporal, Sergeanten oder Officier, auch wohl zum Aſſiſtenten auf einem Comtoire, oder, wenn er in Europadie Chi - rurgie gelernt hat, zum Feldſcheer avanciren. Uebrigens kann ein Soldat von der Muſkete und dem Dienſte auf mehr als eine Art loskommen. Gemeiniglich geſchieht dies ſo, daß er, wie man es hier nennt, auf Paß geht. Er iſt alsdann von allen Dienſten frey, und kann ſich er - naͤhren, womit er will, auch jedes Handwerk treiben. Dafuͤr werden monathlich vier Thaler, und dem Adju - tanten bey der Compagnie ein Schilling bezahlt; wogegen er ſeinen monathlichen Sold zu gut behaͤlt. Jetzt waren103Aufenthalt in der Capſtadt. von der Garniſon ungefaͤhr hundert und funfzig ſoge - nannte Paßgaͤnger. Die vier Thaler Paßgeld werden unter die dienſtthuende Mannſchaft vertheilt, und ha - ben den Nahmen Dienſtgeld. Ein Gemeiner bekommt davon acht bis neun, ein Corporal zwoͤlf, ein Ser - geant ſechzehn Schilling, das uͤbrige wird unter die Officiere vertheilt. Dies Paßgeld muß genau am letzten Tage jedes Monaths bezahlt werden, und zwar an den Prediger, welcher es einnimmt. Bey bevorſtehendem Kriege aber wird kein Paßgang geſtattet, ſondern wenn Krieg iſt, muß jeder Dienſte thun. Freywaͤchter oder Beurlaubte zum Vortheile der Stabs-Officiere hat man noch außerdem: der Gouverneur nimmt fuͤr ſich ſo viele als ihm beliebt; der Major vier und zwanzig und wohl mehr; der Fiſkal zwey, der Buchhalter einen, und ſo weiter: dieſe muͤſſen alsdann fuͤr den, welchem ſie zuge - ſchlagen werden, arbeiten oder ihnen ihr Paßgeld bezah - len. Je mehr dergleichen Leute angenommen werden, deſto oͤfter muͤſſen die andern auf die Wache, welche alſo da - durch leiden. Die Loͤhnung zahlt den Soldaten alle vier Monath der Lieutenant bey jeder Compagnie aus; der Mo - nath, da dies geſchieht, heißt daher bey ihnen der gute Mo - nath. Manchmahl verlangt ein Einwohner in der Stadt oder auf dem Lande einen Soldaten entweder zum Infor - mator ſeiner Kinder, oder zum Arbeiter in ſeiner Werk - ſtatt; alsdann kann er ihn auf die oben beſchriebne Art durch den Gouverneur oder die Officiere leicht bekommen. Wenn aber ein ſolcher Soldat in Hollandeinen Transport - Zettel bekommen hat, ſo muß dieſer ſodann mit ungefaͤhr achtzig Reichsthalern bezahlt werden, und dieſe Summe muß der Kerl nach und nach abverdienen; ſtirbt er aber vorher, ehe dies geſchehen iſt, ſo hat der, welcher ihn ange - nommen hat, den Schaden. Auf gleiche Art koͤnnen104Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. auch wohl Matroſen Paßgaͤnger werden; dieſe muͤſſen aber alsdann dem Equipage-Meiſter monathlich acht Tha - ler bezahlen. Voͤllige Dienſterlaſſung kann jemand zwar ebenfalls erhalten; aber nicht anders, als daß er ſich fuͤr untauglich zum Dienſt der Compagnie erklaͤren laͤßt. Verſchiedne von der Mannſchaft giebt es auch, die weder Dienſt thun, noch auf Paß gehen, noch Sold genießen, aber ſo lange Friede iſt, frey ſind. Dieſe heißen Auf - gehobene (Ligten). Wenn ein ſolcher Kerl aber ein - mahl wieder in Dienſt tritt, iſt er verbunden, ſeine fuͤnf Jahr, auf die er capitulirt hat, auszudienen. Dar - auf, daß die Soldaten ſich nett und rein halten, wird ſehr geſehen, beſonders auf der Parade und auf der Wache. Da muͤſſen ſie mit weißen Hemden, geputzten Knoͤpfen und Schnallen, blankem Gewehr, weißen Unterkleidern und weißen Struͤmpfen erſcheinen. Wird ein Sol - dat krank, ſo bringt man ihn in das Lazaret; hier ge - nießt er freye Arzney und Bekoͤſtigung, bis er herge - ſtellt iſt. Dagegen bekommt er waͤhrend dieſer Zeit we - der Sold noch Koſtgeld, ſondern bloß Dienſtgeld. Hat er eine veneriſche Krankheit, ſo wird ihm auch das Dienſtgeld entzogen. Will er nicht ins Hoſpital, ſo kann er an - derswo bleiben, muß aber alsdann Arzt, Aufwartung, und was er gebraucht und verzehrt, ſelbſt bezahlen; behaͤlt indeſſen doch Sold und Koſtgeld zu gut. Die Sol - daten bekommen hier nicht die Erlaubniß ſich zu verhei - rathen, weil man beſorgt, daß ſie alsdann, da ſie mit ihren Weibern außerhalb der Citadelle wohnen muͤßten, ſich in der Stadt in Schulden vertiefen moͤchten, da man denn gezwungen ſeyn wuͤrde, ſie nach Bataviazu ſchicken, welches die gewoͤhnliche Strafe ſolcher Leute iſt. Freylich waͤre es viel beſſer, wenn den Corporalen und Gemeinen verſtattet wuͤrde zu heirathen. Bey dem Ge -105Aufenthalt in der Capſtadt. nuſſe ſeines Soldes wuͤrde der Kerl demungeachtet Dien - ſte thun, und an den freyen Tagen mit Unterricht oder einem Handwerke ſein Brot verdienen koͤnnen. Bey je - nem Verbothe hingegen werden, wie die taͤgliche Erfahrung lehrt, viele liederlich, und wohl gar durch feile ſchwarze Weibsbilder in Anſehung der Geſundheit auf immer verdorben. Zudem ficht auch ein beweibter Soldat im Kriege mit mehr Muth und Tapferkeit fuͤr Vaterland, Weib und Kinder. Dies alles aber ſcheint man nicht zu erwaͤgen; ſondern, wenn ein Kerl heirathen will, muß er Abſchied nehmen, und ein freyer Buͤrger werden. Und dennoch wird er dies nur unter der Bedingung, daß er, wenn die Noth es erfordern ſollte, bey der Compagnie wieder, und zwar in derſelben Eigenſchaft, als er davon Abſchied nahm, in Dienſt treten muß.

In der Citadelle wird taͤglich, außer des Sonntags, Morgens und Abends von einem ſogenannten Krankentroͤ - ſter Betſtunde gehalten. Des Sonntags ſtehen waͤh - rend des Gottesdienſtes vor dem Kirchhofe und vor der Kirchenthuͤr Schildwachen; in der Kirche aber hat man dergleichen nicht gern.

Draußen vor der Citadelle, auf einem geraͤumigen Platze, der den Boͤttchern gehoͤrt, werden die Waſſerton - nen und Weinfaͤſſer von den Schiffen hingelegt, um ausgebeſſert und umgearbeitet zu werden. Auch pflegt da immer eine Menge Planken und Breter zu liegen. Damit nichts geſtohlen werde, ſteht hier allemahl des Nachts eine Schildwache. Dieſer Poſten bringt bisweilen etwas ein, wenn naͤmlich der Soldat einen Liebhaber mit ſeiner Geliebten ertappt, die alsdann, um dem Verhafte und der Entdeckung zu entgehen, genoͤthigt ſind, einige Thaler Trinkgeld fuͤr das kleine Vergnuͤgen, das ſie ſich zwiſchen den Bretern machten, zu bezahlen.

106Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Am Strande ſind zur Vertheidigung der Stadt verſchiedne groͤßere und kleinere Batterien angelegt. Die Feſtung oder Citadelle ſelbſt ſoll ſowohl gegen einheimiſche als auswaͤrtige Feinde ſichern; die Batterien aber eigent - lich gegen Schiffe fremder Maͤchte. Dieſe beſchießen auch die Reede viel beſſer, als die Citadelle je thun kann; ihrer ſind fuͤnf, aber ſie ſind eben nicht im beſten Zuſtande.

Die Bauern oder Koloniſten im ganzen Lande ſind, wie die Einwohner der Stadt, insgeſammt Buͤrger, und muͤſſen ſich daher, ſo wie dieſe, allezeit bereit halten, bey entſtehendem Kriege das Land zu beſchuͤtzen. Sollte ploͤtzlich Gefahr vor einem Feinde ſich zeigen, ſo koͤnnen auch die Einwohner des ganzen Landes durch Kanonen - ſchuͤſſe und aufgeſteckte Flaggen in Geſchwindigkeit auf - gebothen werden. In gewiſſen Entfernungen ſtehen naͤm - lich Kanonen, und bey jeder Kanone eine Flaggenſtange: mit beyden wird, wenn man einen Feind bemerkt, oder eine große fremde Schiffsflotte ſich naͤhert, ein Zeichen gegeben. Auf dem Loͤwenberge(Leeuwen-Kop) ge - ſchehen ſieben Schuͤſſe; darauf wird beym Salzfluſſe( Qoutrivier) geſchoſſen, und ſo immer weiter die naͤchſte Kanone abgefeuert. Vor dem Schuſſe wird die Flagge aufgezogen. Auf dieſe Art macht man die Gefahr bin - nen kurzer Zeit durchs ganze Land kund. Die ſaͤmmtliche Buͤrgerſchaft, ſowohl in der Stadt, als im ganzen Lande, iſt zum Dienſte bey Vertheidigung des Landes foͤrmlich enrollirt, und in verſchiedene Compagnien, theils zu Pferde, theils zu Fuß, eingetheilt. Die Officiere wer - den aus ihrer eigenen Mitte genommen. Alle Jahr kom - men ſie zuſammen, um ſich in den Waffen zu uͤben; als - dann ziehen ſie in der Stadt auch ordentlich auf die Wache. Von den freyen oder freygelaßnen Schwarzen laͤßt man nicht gern jemand mit auf die Buͤrgerwache107Aufenthalt in der Capſtadt. ziehen. Zu Kriegszeiten muͤſſen ſie Batterien aufwer - fen und andre Schanzgraͤber-Arbeit verrichten. Die Spa - den ſind dann ihr Gewehr. Sie haben indeſſen doch ih - ren eignen Capitain. Wenn Noth an Mann tritt, muͤſſen auch die Sklaven mit gegen den Feind. Feder Hausherr muß alsdann ſeine Sklaven vor ſich hertreiben, und dieſe werden ebenfalls in Compagnien vertheilt. Auch die Bedienten der Compagnie ſogar muͤſſen im Nothfalle mit Kriegsdienſte thun. Buͤrger, freye Schwarze, Skla - ven und Compagnie-Bediente bekommen jede ihre gewiſ - ſen und angewieſenen Stationen. Die Secretaire, Kan - zelliſten und Schreiber werden innerhalb des Caſtells ge - braucht; andre vertheilt man in die Batterien.

Die Capſtadtſteht ganz und gar unter der Ge - richtsbarkeit der Compagnie, mithin unter dem Gouver - neur und dem Fiſkale. In oͤkonomiſchen und Polizey - Sachen hat ſie gleichwohl ihre eignen Einrichtungen, Buͤrgermeiſter, einen Polizey-Rath, verſchiedne von ihr abhangende Beamten und dergleichen.

In der Stadt iſt nur eine einzige, und zwar refor - mirte, Kirche*)Seitdem dies geſchrieben iſt, hat man den Lutheranern die freye Aus - übung ihres Gottesdienſtes bewilligt, und ſie haben itzt in der Capſtadteine eigne Kirche und öffentliche Lehrer., die ziemlich groß und ſchoͤn iſt. Die Lutheraner haben bisher nicht die Erlaubniß erhalten koͤn - nen, eine Kirche zu bauen, obſchon ihre Anzahl ſehr groß iſt. An der reformirten Kirche ſtehen zwey Prediger, welche in der Stadt wohnen und gut beſoldet werden. Den Stillfreytag feyert man hier wenig; die Leute arbei - ten an demſelben, wie an andern Tagen, und des Nach - mittags iſt Gottesdienſt und Predigt. Man feyert alſo nur einen halben Tag, und zwar zum Andenken des Be - graͤbniſſes Chriſti; das Andenken ſeines Leidens und To - des begeht man hingegen gar nicht feyerlich.

108Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Die Compagnie hat ihr eignes Sklavenhaus, wel - ches nahe am Garten liegt, und eine Menge Sklaven be - herbergt. Dieſe muͤſſen im Garten arbeiten, die Hand - arbeit bey den Bauen verrichten, die Waaren, welche von den Schiffen kommen, tragen, und dergleichen mehr. Die Kranken unter ihnen genießen der Pflege eines eig - nen Feldſcheers. Die Compagnie hohlt ihre Sklaven meiſt von Madagaskar. Privat-Perſonen dagegen kaufen die ih - rigen von den Officieren der aus Indienkommenden Schif - fe, ſowohl Hollaͤndiſcher als Franzoͤſiſcher, ſelten Engliſcher, niemahls Schwediſcher. Ehe die Schiffe von hier ab - ſegeln, werden aus dem Krankenhauſe diejenigen, wel - che geneſen ſind, herausgenommen, und auf die Schiffe vertheilt.

Dies erinnert mich daran, von den hieſigen Skla - ven uͤberhaupt hier noch etwas hinzuzufuͤgen. Oft leben Sklaven, die zwey verſchiednen Herren gehoͤren, mit Vorwiſſen der Herren, zuſammen in ehelicher Vertrau - lichkeit. Die aus ſolchem Umgange erzeugten Kinder ge - hoͤren allezeit dem Herrn der Sklavin. Traͤgt es ſich zu, daß ein Freygegebner oder einer, der ſich losgekauft hat, mit einer Sklavin lebt und Kinder zeugt, ſo ſind die Kin - der Sklaven. Eben ſo wird es mit den Kindern gehalten, die eine Sklavin von einem Europaͤer bekommt. Hier - aus ſieht man auch, was fuͤr eine Bewandtniß es mit den Ehen der Sklaven hat: ſie werden leicht geſchloſſen, leicht entheiligt und leicht gebrochen. Der Herr kann ſeinen Sklaven zwar wohl mit der Karbatſche ſtrafen, hat aber kein Recht uͤber ſein Leben, ſondern dieſes kommt bloß der Obrigkeit zu. Wird ein Sklave von ſeinem Herrn zu hart gemißhandelt, ſo hat er die Erlaubniß, ſich dar - uͤber beym Fiſkale zu beklagen; und wenn man ſeine Kla - ge gegruͤndet findet, verurtheilt man den Herrn zu einer109Aufenthalt in der Capſtadt. anſehnlichen Geldſtrafe. Macht ein Sklave Mine, an ſeinen Herrn, ſeine Frau, oder irgend einen andern Europaͤer Hand anzulegen, ſo macht er ſich des Todes ſchuldig. Ein Sklave kann kein guͤltiges Zeugniß able - gen. Auch darf er kein Schießgewehr tragen, noch weniger dergleichen beſitzen. Ueberhaupt werden die Sklaven, die allezeit eine groͤßere Anzahl, als die Eu - ropaͤer ausmachen, unbewaffnet gehalten. Wenn ein Sklave freygelaſſen iſt oder ſich losgekauft hat, ſo traͤgt er ſogleich Schuhe und Struͤmpfe, nebſt Hut, als Zeichen der erhaltnen Freyheit.

Einige wenige hieſige Familien ſtammen, und zwar jetzt im dritten Gliede, muͤtterlicher Seits von Schwar - zen her. Die erſten Abkoͤmmlinge von einem Europaͤer, der eine freygegebne braune Sklavin geheirathet hat, werden dunkelfaͤrbig, aber doch dabey mehr oder weniger weiß. Die Kinder dieſer erſten Abkoͤmmlinge werden, wenn dieſe mit Europaͤern verheirathet ſind, ganz weiß, und nicht ſelten ungemein ſchoͤn.

Ich kehre zu den Nachrichten von den Einrichtun - gen in der Capſtadtzuruͤck. Das Hoſpital oder Kran - kenhaus hat eine uͤble Lage, iſt jetzt auch ſehr baufaͤllig. Man hat daher auch die Anſtalt gemacht, daß bald ein neues zu Stande kommen wird, welches nicht nur ge - raͤumiger, ſondern auch bequemer ſeyn ſoll. Die Kran - ken genießen eben keiner guten Pflege. Dies ruͤhrt von den ſchlechten mediciniſchen Kenntniſſen desjenigen Man - nes her, dem die Ober-Aufſicht daruͤber anvertrauet iſt. Die Compagnie wenigſtens ſpart keine Koſten. Man erzaͤhlte mir, bloß zu Anſchaffung von Mandeln fuͤr die Kranken beſtehen ſie jaͤhrlich in zweyhundert Ducatonen oder etwas uͤber ſechshundert Gulden, und von dieſen Mandeln genieße kein Patient eine einzige. Alle halbe110Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. Jahr wird die Haͤlfte dieſer Summe angewieſen, nachdem man vorher genau ausgerechnet hat, wie viel tauſend Mandeln man nach jedesmahligem gangbarem Preiſe fuͤr das Geld bekommen kann. Dieſe Summe iſt da - her allezeit gleich, aber die Menge der Mandeln iſt nach Verſchiedenheit des Preiſes unterſchieden. Die Kran - ken bekommen indeſſen, dieſe Menge ſey groß oder klein, immer gleich viel, naͤmlich wenig oder gar nichts. Fuͤr jeden, der im Hoſpitale eine Salbcur gebraucht, be - kommt der Feldſcheer acht Reichsthaler, und zwey Reichsthaler bezahlt der Patient fuͤr Arzney, genießt alſo die Cur doch nicht umſonſt.

Der Garten der Compagnie iſt 996 Schritt lang und 261 breit, und hat 44 Abtheilungen oder Quar - tiere, die durch Hecken abgeſondert werden, welche meiſtentheils aus Eichen, zum Theil auch aus gewoͤhn - lichem Lorbeer (Laurus nobilis) beſtehen. Dieſe Lor - beerbaͤume ſind mehrere Ellen hoch. Ich bemerkte hier, daß die rauhe Royene (Royena villoſa), welche bey ei - ner ſolchen Eiche ſtand, einen Zweig gerade durch den Stamm der Eiche getrieben hatte, in welchem ſie jetzt als ein paraſitiſches Gewaͤchs ſich befand. Eben ſo be - merkte ich in einem andern Garten, wo eine hoͤlzerne Bank zwiſchen zwey Baͤumen feſtgenagelt war, daß die Borke des einen Baums uͤber die Bank wie ein Loͤcher - ſchwamm (Boletus) hingewachſen war, und die Bank feſthielt. Der Garten der Compagnie iſt uͤbrigens zum oͤffentlichen Spatzierplatze immer geoͤffnet. In der ober - halb deſſelben befindlichen Menagerie ſind verſchiedne ſeltne lebendige Thiere, beſonders eine Menge Voͤgel.

Die Stadt hat drey große Marktplaͤtze. An dem einen liegt die reformirte Kirche. Dieſer hat auch eine Waſſerkunſt, welche die Einwohner mit Waſſer verſieht. 111Aufenthalt in der Capſtadt. An dem andern ſteht das Rathhaus. Der dritte iſt erſt neulich angelegt, und zwar zur Bequemlichkeit fuͤr die Landleute, die mit Waaren hereinkommen, welche ſie zum Verkauf bringen. An dieſem Markte ſoll auch die Hauptwache der Nachtwaͤchter angelegt werden. Einige Straßen ſind mit Graͤben verſehen, die Waſſer enthal - ten, welches von den oberhalb der Stadt liegenden Ber - gen herkommt. Doch ſind dieſer Graͤben nicht ſehr viele. Aber die Waſſerleitung, welche von eben dieſen Bergen Waſſer in Roͤhren nach der großen Schiffbruͤcke oder Anlegebank neben der Feſtung leitet, wo alle Sa - chen aus den Schiffen ausgeladen werden, iſt von mehr Wichtigkeit. Denn die Boͤte von den Schiffen koͤnnen hier ſehr bequem anlegen, und ihre Tonnen mit dem friſcheſten Waſſer fuͤllen.

In den Haͤuſern, ſowohl zu Capals auf dem Lan - de, findet man keine Kamine; auch bedarf es dieſer nicht. Oefen ſind vollends unbekannt. Hie und da habe ich indeſſen wohl einen Kamin im Saale geſehen, den man gleichwohl mehr zum Vergnuͤgen, als aus Be - duͤrfniß, angelegt hatte. Die Frauensperſonen gebrauchen aber doch durchgaͤngig Kohlen in Kiken (Feuerbecken), die in einem Kaſten oder einer Lade ſtehen, und unter die Roͤcke geſetzt werden, um ſich im Winter zu waͤrmen.

Die Schiffs-Officiere verkaufen waͤhrend ihrer hieſigen Anweſenheit mit gutem Vortheile verſchiedne Europaͤiſche Waaren, als Wein, Bier, Tobak, ir - dene Pfeifen, grobe und feine Eiſenwaare, Tuch, Schuhe, Glaͤſer und Hausgeraͤth. Geraͤucherte Schin - ken und Wuͤrſte, geraͤuchertes Rindfleiſch, geraͤucherte Rinderzungen, Hering, Stockfiſch, Lachs, Kaͤſe und dergleichen laͤßt man ſich hier auch gern aus Europabringen und bezahlt es gut. In den Monathen April,112Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. May und Junius, da die Schiffe auf der Reede liegen, ſtellen die Schiffs-Officiere foͤrmliche Auctionen an, um die mitgebrachten Waaren zu verkaufen, wofuͤr ſie dem Fiſkale fuͤnf Procent bezahlen. Dieſer bekommt auch fuͤr jede ſogenannte Recognitions-Kiſte, die an Land gebracht wird, fuͤnf Reichsthaler, da in Hollandnur fuͤnf Gulden dafuͤr entrichtet werden. Alle Eu - ropaͤiſche Waaren werden hier zu dreyßig, funfzig bis hundert Procent verkauft.

Wenn fremde Schiffe nach ihrer Ankunft zu Capnur eine kurze Zeit auf der Reede zu liegen noͤthig ha - ben, um ſich zu verproviantiren, ſo ſehen dagegen die Hollaͤndiſchen Fahrzeuge ſich gezwungen, lange liegen zu bleiben, weil ſie auf ihre kranke Mannſchaft warten muͤſſen, die endlich denn doch mit halb hergeſtellter Ge - ſundheit an Bord gehen muß. Die Hollaͤnder beduͤrfen auch allezeit mehr Schiffsvolk, als andre, um die Schiffe zu regieren und alles gehoͤrig zu handhaben. Denn ſie gebrauchen noch nach alter Art ſtarke Bloͤcke und dicke Taue, die unbehuͤlflich und in jeder Hinſicht plump ge - macht ſind.

Unter den Krankheiten ſind hier die Kinderblattern und Maſern die gefaͤhrlichſten. Gegen dieſe Krankhei - ten verfuͤgt man hier dieſelben Anſtalten, als anderwaͤrts gegen die Peſt. Sobald daher ein Schiff ſich auf der Reede vor Anker gelegt hat, wird ein Feldſcheer an Bord geſchickt, um zu unterſuchen, ob dieſe Krankhei - ten auf dem Schiffe jetzt ſich befinden oder waͤhrend der Reiſe graſſirt haben. Iſt eins von dieſen beyden der Fall, ſo darf niemand an Land kommen, ſondern dem Schiffe wird ein andrer Platz angewieſen, und mittler - weile verſieht man es mit den Nothwendigkeiten, deren es bedarf. Kommen die Pocken einmahl hieher, ſofliehet113Aufenthalt in der Capſtadt. fliehet jedermann ins Land hinein. Jetzt waren auch Pocken und Franzoͤſiſche Schiffe, die man gewiſſerma - ßen fuͤr feindlich hielt, das einzige, welches die reichen Bauern und Buͤrger erſchrocken, furchtſam und fluͤchtig machen konnte. Die Einimpfung der Blattern einzu - fuͤhren, ſo vernuͤnftig iſt man hier noch nicht geweſen. Im Jahr 1713 kamen die Blattern zum erſtenmahl, und zwar mit einem Daͤniſchen Schiffe hieher. Sie richte - ten damahls ſowohl unter den Europaͤern als Hottentot - ten eine ſchreckliche Verheerung an, und nur drey Haͤu - ſer blieben frey davon. Die Hottentotten ſtarben in ſolcher Menge, daß ſie todt auf dem Felde und an den Wegen lagen, ohne begraben zu werden. Zum an - dernmahl graſſirten ſie 1755, und zum drittenmahl im April 1767, da ſie ebenfalls durch ein Daͤniſches Schiff hergebracht waren. Seit dieſer Zeit haben ſie ſich nicht gezeigt. Als die Maſern zum letztenmahl im Schwange gingen, verurſachten ſie eine ſo viel aͤrgere Verwuͤſtung im Lande, da die vom Statthalter umhergeſchickten Chi - rurgen ſie nicht kannten, ſondern auf eine ganz verkehrte Art behandelten. Zu bedauern iſt es freylich, daß die Nachrichten von dem Zuſtande der Arzneywiſſenſchaft und der Geſchicklichkeit der Aerzte zu Capvon den letzten Jahren wenig troͤſtlicher lauten, als die man beym Kaͤm - pher von den Chirurgen in Oſtindienantrifft.

Die Kaͤlte iſt hier im Auguſt oder September am ſtaͤrkſten, beſonders des Morgens und Abends, wenn es regnet oder ſehr wehet. Den Wind fuͤhlt man hier ſehr, weil man nur duͤnne Kleidung traͤgt. Als Win - termonathe betrachtet man hier den halben May, den Junius, den Julius und den halben Auguſt. Waͤh - rend dieſer Zeit koͤnnen keine Schiffe in der Tafelbayan - kommen, woran die heftigen Stuͤrme aus Nord-Weſt ThunbergsReiſe. Erſter Theil. H114Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ſchuld ſind, welche alsdann herrſchen und die Schiffe aufs Land treiben wuͤrden; ſie muͤſſen daher in der fal - ſchen Bayvor Anker gehen. Im Auguſt, da der Win - ter zu Ende geht, ſieht man die Fluren ſchon wieder mit friſchen Gewaͤchſen und Blumen ſich ſchmuͤcken. Uebri - gens herrſchen in dieſer Gegend hauptſaͤchlich zwey Win - de, die oft ſehr heftig wehen, des Sommers Suͤd-Oſt -, und des Winters Nord-Weſt-Wind. Wenn der Oſt - Wind oder Suͤd-Oſt-Wind ſich aufmacht, treibt er die Wolken gegen die Gebirge und laͤngs uͤber dieſelben weg. Alsdann bemerkt man oben auf denſelben kleinen Staub - regen. Hernach vertheilen die Wolken ſich unterhalb der Spitzen der Berge, und wenn alle Wolken vertrieben ſind, haͤlt der Wind zwar oft noch an, das Wetter aber bleibt klar und ſchoͤn.

Vom Capſieht man nach der Landſeite den Hori - zont ſich mit hohen Bergen endigen, welche ſich quer uͤber das ganze Land erſtrecken. Das flache Feld zwi - ſchen dem Capund dieſen Bergen iſt einer Tagreiſe breit, und beſteht meiſtens aus einer unbewohnten Sandhaide, welche Mangel an Waſſer hat. Waſſer iſt in dieſer Gegend nicht leicht anderswo anzutreffen, als nahe bey den einzeln und zerſtreut liegenden kleinen Bergen, die faſt gar keinen Zuſammenhang zu haben ſcheinen. Ein Reiſender, der nicht die Vorſicht gebraucht hat, Waſ - ſer mitzunehmen, hat kein andres Mittel, bey brennen - der Hitze etwas zu bekommen, womit er den Durſt loͤſchen kann, als daß er ſich wohl umſieht, ob er nicht irgend einen ſchwarzen Hirten mit der Heerde eines Europaͤi - ſchen Landbewohners auf der Weide anſichtig werden kann; denn dieſe Leute haben entweder ſelbſt Waſſer bey ſich, oder wiſſen doch Anleitung zu geben, wo etwas zu bekommen iſt. Im Winter, da es viel115Aufenthalt in der Capſtadt. regnet, ſteht dagegen ein guter Theil dieſer Ebenen unter Waſſer.

Verſchiedne Natur-Produkte gebraucht man zu Cap, wenn man in Europaſich zu eben dieſem Behufe ganz andrer bedient. Aus duͤnnem Rohr macht man Roll - Gardinen oder Rouleaux inwendig vor die Fenſter; man ſpaltet es zu dieſem Ende ganz fein, wie in Faͤden, und befeſtiget dieſe mit Zwirn zuſammen. Auch flicht man Koͤrbe, Korb-Bettſtellen und Stuhlſitze daraus. Die dicken Bambosſtaͤmme, welche ſehr ſtark, obgleich in - wendig hohl ſind, gebraucht man zu Leiterbaͤumen, zu Bahren, auch zu Traghoͤlzern an Zubern. Aus den zartern und weniger dicken Staͤmmen dieſes Rohrs macht man Zaͤune oder Hakelwerk oben auf den Mauern oder Planken um die Gaͤrten. Die Samenzapfen des Sil - berbaums (Protea argentea), gebraucht man oft zur Feuerung. Aus dem zweyzailigen Strickgraſe (Re - ſtio dichotomus), einer Art Binſen oder Riſtgen, macht man lange Beſen. Die Schoten der Vehtblume (Gethyllis), rechnet das Frauenzimmer unter ſeine liebſten und angenehmſten Wohlgeruͤche. Dieſe Scho - ten, welche hier Kukumakranka heißen, haben auch wirklich einen ſehr lieblichen Geruch: ſie riechen unge - faͤhr wie Erdbeeren, und durchduften das ganze Zim - mer. Sie ſind einen Finger lang, und oben breiter als unten. Die Vehtblume waͤchſt uͤbrigens in den Sand - ſtrichen außerhalb der Stadt; jetzt hatte ſie weder Blaͤt - ter noch Bluͤthe.

Am Strande außerhalb der Feſtung graͤbt man in den aus Lehmerde beſtehenden Anhoͤhen die Erde, welche mit einer Menge kleiner Schneckenhaͤuſer angefuͤllt iſt, aus, ſchuͤttet ſie in Koͤrbe, und waͤſcht ſie mit Waſſer ſo lange aus, bis die Schneckenhaͤuſer allein zuruͤckblei -H 2116Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ben. Die vom Waſſer ausgeworfnen großen Schnecken - haͤuſer ſammelt man ſorgfaͤltig auf, legt ſie in großen Haufen bey einander, und laͤßt ſie trocknen. Aus die - ſen ſowohl als jenen kleinern Schneckenhaͤuſern brennt man hernach Kalk, den man beym Bauen gebraucht. Zu dieſem Ende errichtet man einen Holzſtoß von duͤn - nen Zweigen und Straͤuchen, worauf die Schnecken - haͤuſer gelegt und verbrannt werden. Auf der Robben - inſel( Robben-Eyland) werden vorzuͤglich viele folcher Schneckenhaͤuſer geſammelt, und Kalk in großer Menge daraus zum eignen Gebrauch der Compagnie gebrannt; man gebraucht zu dieſer Arbeit die daſigen Gefangnen oder ſogenannten Banditen. Andrer Kalk findet ſich eben ſo wenig, als Berge, die Kalk enthalten, im ganzen Lande.

Von den Sitten und der Lebensart der Einwohner zu Capwill ich hier nicht reden. Das eine bemerke ich nur, daß die Muͤtter in dieſer Stadt ſelten ihren Kin - dern Ammen halten, ſondern ſie ſelbſt ſaͤugen; welches ich auch als die Urſache anſehe, warum die Weiber hier faſt durchgaͤngig ein leichtes Wochenbette haben.

Dagegen will ich jetzt eins und das andre erzaͤhlen, was ich in dieſer Zeit meines Aufenthalts zu Capzu ſehen Gelegenheit hatte. Das erſte mag folgendes ſeyn. Man brachte neun und funfzig Hottentotten, theils Maͤnner, theils Weiber, theils Kinder, ungefaͤhr hundert und funfzig Meilen weit, als Gefangne nach der Stadt. Dieſe Hottentotten hatten in jenen entlegenen Gegenden gegen die da wohnenden Koloniſten verſchiedne Gewalt - thaͤtigkeiten ausgeuͤbt. Ein Hottentotten-Capitain, Nahmens Kes, hatte ſie in einer großen Kluft zwiſchen Bergen greifen laſſen, wo ſie ſich verſteckt, und gegen ein wider ſie ausgeſchicktes Commando Bauern und Sol -117Aufenthalt in der Capſtadt. daten nicht nur verſchanzt, ſondern auch mit großen, auf dieſe ihre Feinde herabgewaͤlzten Steinen, lange vertheidigt hatten. Auf zwey Koloniſtenhoͤfen hatten ſie das Vieh geraubt, die Bauern todtgeſchlagen, die Haͤuſer gepluͤndert, und ſich mit Schießgewehr verſehen. Sie leugneten ihr Verbrechen nicht, ſagten aber, ſie haͤtten ſich dazu gezwungen geſehen, weil die Europaͤer jaͤhrlich mehr und mehr von ihrem Lande und ihren Be - ſitzungen wegnaͤhmen, ſie in die Enge trieben, und im - mer tiefer ins Land hinein draͤngten, wo ſie von andern Hottentotten wieder weggejagt oder ermordet wuͤrden. Dieſe Hottentotten waren von den ſogenannten Buſch - maͤnnern (Boſch-Mannen), und ſchwarzbrauner Farbe. Einige gingen ganz nackt, und hatten nur eine Binde um den Leib, die vorn die Schamtheile bedeckte. Ueber den Ruͤcken hatten einige ein los hangendes Schaffell, das vorn kaum an einander reichte, und oben uͤber den Kopf in Form einer Klappe oder Kutte hinaufging. Die Weiber trugen ihre Kinder auf dem Ruͤcken, und ſchon Maͤdchen von eilf bis zwoͤlf Jahren waren mit Kindern verſehen. Das Weibsvolk hatte Ohrgehaͤnge in den Ohren, und um die Armgelenke breite metallne Ringe. Der Mund ſtand bey dieſen Leuten weit hervor, ſo wie auch die Kinnbacken, und ſie hatten daher unglaublich viel Aehnlichkeit mit Affen. Nachdem ſie zu Capeinige Zeit im Gefaͤngniſſe geſeſſen hatten, wurden ſie zuletzt blaß und beynahe weiß.

Den 28. Junius feyerten die hieſigen Javaner ihr Neujahr. In einem ihrer Haͤuſer hatten ſie ein Zim - mer mit Decken ausgeſchmuͤckt, womit Waͤnde und Bo - den bekleidet waren. Nach vorn, etwas von der Wand ab, war ein Altar errichtet, auf dem in der Mitte ein Pfeiler ſtand, welcher bis an die Decke des Zimmers118Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. reichte, und mit ſchmalen, mit Goldpapier und ſeidnem Zeuge uͤberzognen, Striemen bekleidet war, zwiſchen wel - chen etwas, das Spitzen aͤhnlich ſah, herablief. Un - ten ſtanden Bouteillen mit Blumenſtraͤußen. Vor dem Altare lag ein Kiſſen, und auf dem Kiſſen ein großes Buch. Die Frauensperſonen waren nett gekleidet, blie - ben aber an der Thuͤre ſtehen oder ſitzen. Die Manns - leute hatten weite Roͤcke, wie unſre Schlafroͤcke, von Kattun oder Seide an; ſie ſaßen im ganzen Zimmer herum, auf dem Boden, mit kreutzweiſe uͤber einander gelegten Beinen. Man raͤucherte ſtark mit Raͤucher - pulver, hatte auch verſchiedne gelbe Wachslichter ange - zuͤndet. Viele von den Anweſenden hatten ſich mit Faͤ - chern verſehen, womit ſie ſich abkuͤhlten, welches auch bey der ſtarken Hitze noͤthig war, die durch die in dieſem engen Zimmer verſammelte Menge Menſchen noch ver - mehrt wurde. Zwey Prieſter unterſchieden ſich durch eine kleine kugelfoͤrmige Kalotte von den uͤbrigen, welche Schnupftuͤcher in Geſtalt eines Turbans um die Koͤpfe gewunden hatten. Ungefaͤhr um acht Uhr des Abends fing dieſes Feſt an. Es wurde mit Geſang eroͤffnet: bald ſangen ſie laut, bald ſchwach, bisweilen die Prie - ſter allein, bisweilen die ganze Gemeine. Darauf betete einer von den Prieſtern etwas aus dem vor dem Altare auf dem Kiſſen liegenden großen Buche vor, und bis - weilen betete die Gemeine laut nach. Ich bemerkte, daß ſie auf morgenlaͤndiſche Art, von der Rechten zur Linken laſen, und vermuthete, daß es der Koran ſey, deſſen ſie ſich bedienten, weil die Javaner groͤßtentheils Muhamedaner ſind. Unterdeſſen daß ſie auf dieſe Art ſangen und beteten, tranken ſie Kaffee aus Taſſen, und der Vornehmſte in der Verſammlung ſpielte bisweilen zu dem Geſange auf der Violine. Dieſer war, wie ich119Aufenthalt in der Capſtadt. hernach hoͤrte, ein Prinz aus Java, der dem Intereſſe der Hollaͤndiſchen Compagnie entgegen geweſen, und aus dieſer Urſache aus ſeinem Vaterlande nach dem Capge - bracht war, wo er auf Koſten der Compagnie lebt.

Einmahl ſah ich einer Chineſiſchen Beerdigung zu. Auf dem Begraͤbnißplatze, welcher eine kleine Strecke von der Stadt liegt, ſieht man duͤnne Rohrruthen aufgeſtellt, die mit baumwollnem Garn zuſammengebunden ſind, ſo daß ſie einen Bogen oder ein zuſammengebognes Dach uͤber dem Grabe formiren.

In dem Leibe eines großen Ebers, den ich ſchlachten ſah, traf ich unterſchiedliche Gedaͤrm-Wuͤrmer (Lumbri - cos) an. Man ſagte mir, dergleichen Wuͤrmer ſeyen hier gewoͤhnlich in dem Leibe der Schweine zu finden.

Zweyter Abſchnitt. Einige kleine Reiſen vom Capins Land.

Waͤhrend dieſes meines Aufenthalts in der Capſtadtmachte ich einige kleine Reiſen in der Nachbarſchaft, um die umliegende Gegend naͤher kennen zu lernen. Im An - fange des Junius beſuchte ich in Geſellſchaft des Doctor le Sueurden Berg Paarl. Dieſer war dahin eingela - den, um einen kranken Mann zu beſuchen, der vorher am Fieber danieder gelegen, und nunmehr, da dieſes voruͤber war, eine ſolche Schwaͤche in den Gliedern und Gelenken bekommen hatte, daß er die Haͤnde nicht zum Munde bringen konnte, und ihm die Knieſcheiben ſo los waren, daß er weder gehen noch ſtehen konnte. Herr le Sueuriſt zu Capgebohren, hat aber in Hollandſtudiert, und zu Groͤningendie Doctorwuͤrde ange - nommen.

120Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Unterwegs trafen wir hie und da große Fluͤſſe an, die jetzt durch den vielen Regen ſo geſtiegen waren, daß das Waſſer, welches ſehr ſtark floß, beynahe in den Wagen ging. Der Weg von der Capſtadtnach Paarlbetraͤgt eine Tagereiſe. Das Erdreich iſt in dieſer Gegend ſehr mager, und beſteht lediglich aus loſem Sande, worun - ter der harte Berg zu liegen ſcheint, welcher aus braunen eiſenhaltigen Klumpen beſteht, die aus Lehmerde und Vitriolſaͤure, nebſt Schiefer, zuſammengeſchlemmt ſind. Auf dieſen magern Gefilden waͤchſt demungeachtet eine Menge Phylika (Phylica), Haidekraut (Erica) und Silberbaͤume (Protea). Die Kaͤlte iſt zu Paarldes Morgens und Abends heftiger als zu Cap, und der Reif und Rauhfroſt ſchadet oft den Kuͤchengewaͤchſen in den Gaͤrten. Der Oſt-Wind ſoll hier ungemein ſtark ſeyn, und nicht ſelten des Sommers die Weitzenkoͤrner aus den Aehren wehen.

Die Hoͤfe zu Paarlliegen ſaͤmmtlich unten an den Bergen, von welchen das Waſſer zu ihnen hinablaͤuft. Der Waſſermangel an andern Orten, und die daraus entſtehende Magerkeit des Bodens ſind die Urſachen, warum dieſes ſonſt ſo vortreffliche Land nicht ſehr ſtark bewohnt werden kann. Ueberhaupt iſt nicht zu leugnen, daß das Erdreich in der ſuͤdlichen Spitze von Afrikaan ſich mager, demungeachtet aber fruchtbar iſt; wiewohl ſeine Fruchtbarkeit von vielen gar ſehr uͤbertrieben vorge - ſtellt wird, und nicht ſowohl dem Boden, als der vor - trefflichen Beſchaffenheit des Clima zuzuſchreiben iſt. Wo Waſſer und etwas ſchwarze oder ſogenannte Gartenerde vorhanden iſt, mithin etwas geſaͤet und gepflanzt werden kann, da giebt es gewoͤhnlich eine herrliche Getreideernte, vortreffliches Obſt und lieblichen Wein. Das Hauptau - genmerk des Landmanns, wenn er ſich an einem Orte nie -121Einige kleine Reiſen vom Capins Land. derlaſſen und anſiedeln will, iſt daher, ſchwarze oder Gar - tenerde aufzuſuchen und nachzuſpuͤren, ob ſich in der Nachbarſchaft etwas Waſſer findet. Das von den Ber - gen zu den unten liegenden Hoͤfen herabfließende Waſſer wird oft durch Kunſt dahin, wo man es gebrauchen will, geleitet, zum Exempel nach Waſſerkuͤnſten, nach Gaͤr - ten, um ſie bey eintretender Duͤrre zu bewaͤſſern, oder nach angelegten Fiſchteichen. Dasjenige Waſſer, wel - ches auf dem Felde unterhalb der Berge ſich in Baͤche ſammelt, die hin und wieder ſo tief werden, daß man Faͤh - ren oder Boͤte, um uͤberzukommen, gebrauchen muß, wiſſen die Landleute durch Daͤmme aufzufaſſen, und in ihre an ſolchen Baͤchen liegende Weinberge oder vielmehr Weingaͤrten zu leiten, welche alsdann bey langſamen Ab - fluſſe des Waſſers zugleich geduͤnget und fruchtbarer ge - macht werden.

In der Gegend von Paarlbluͤhet der Weinbau ſehr, und man ſieht hier Weinſtoͤcke, die funfzig Jahr alt ſind. Eine Weinrebe traͤgt, der mir davon gemachten Erzaͤh - lung zufolge, ſchon im erſten Jahre, nachdem ſie ge - pflanzt iſt, Frucht, und im dritten Jahre liefert ſie be - reits eine voͤllige Ernte. Die Weinſtoͤcke haͤlt man hier durchgaͤngig niedrig, um ſie zu zwingen, daß ſie recht große Trauben tragen. Die Weinberge werden alle Jahr umgegraben, jedoch ſo, daß die Weinſtoͤcke nicht beſchaͤdigt werden. Beym Duͤngen graͤbt man die Erde um den Weinſtock auf und raͤumt ſie weg, ſo daß eine Grube entſteht, worin der Miſt gelegt wird. Wenn ein Weinſtock ausgeht, ſo beugt man eine Ranke von dem naͤchſt dabey ſtehenden herunter in das Loch, die alsdann ſehr bald Wurzel faſſet, und hernach vom Mutterſtocke abgeſchnitten und zum eignen Weinſtocke wird.

122Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Unter den Getreidearten ſaͤet und bauet man hier zwar auch Gerſte; aber, welches merkwuͤrdig iſt, bloß zum Futter fuͤr die Pferde. Man maͤhet ſie des Jahrs mehreremahl ab; zum erſtenmahl gewoͤhnlich im Auguſt, wenn ſie Aehren bekommen hat. Man ſieht auch haͤufig Gerſte in Bunden nach der Stadt zum Verkauf zu Pfer - defutter bringen. Auf dem Lande maͤhet man des Abends einige Bund ab, und wirft ſie im Stalle, oder auch auf dem Hofe, wo die Pferde oft des Nachts bleiben und nur angebunden werden, den Pferden, wenn ſie von der Arbeit oder von der Weide zu Hauſe kommen, zum Nachtfutter vor.

Jeder Bauer beſitzt viel Vieh, Pferde, Ochſen, Kuͤhe, Schafe, Laͤmmer, Ziegen, Enten und Gaͤnſe. Alles Vieh wird des Morgens ausgetrieben, muß den Tag uͤber auf den Hoͤhen und Bergen weiden, und kommt, wenn die Sonne untergeht, wieder zu Hauſe. Ein Sklave iſt der Hirt. Des Nachts liegt alles Vieh unter freyem Himmel, jedoch jede Art fuͤr ſich, auf einem Platze, der mit einer von Lehmſteinen erbaueten Mauer umgeben iſt. Die Schafe ſollen in Anſehung der Wolle hiedurch Schaden leiden. Ein angenehmer Anblick iſt es, zu ſehen, wie die Laͤmmer, welche man, ſo lange ſie noch zart ſind, zu Hauſe behaͤlt, des Abends ihren zuruͤckkommenden Muͤttern entgegenlaufen. Sobald ſich die Stimme der Mutter in weiter Entfernung kaum hoͤ - ren zu laſſen anfaͤngt, fangen auch die hungrigen Laͤmmer ſchon an zu bloͤken, und ihnen eine Strecke entgegen zu laufen; wenn ſie ſie aber alsdann noch nicht anſichtig werden, laufen ſie wieder zuruͤck. Wenn die Muͤtter naͤher kommen, vermehrt ſich das Geſchrey, und die Laͤmmer laufen ihnen von neuem mit vollem Gebloͤke ent - gegen, und begleiten ſie von da an zu Hauſe. Die hie -123Einige kleine Reiſen vom Capins Land. ſigen Schafe ſind alle von der Afrikaniſchen oder breitge - ſchwaͤnzten Gattung. Ihre Wolle iſt nicht vorzuͤglich, und wird weder zu Tuch noch andern beſonders guten Zeu - gen gebraucht, noch weniger ausgefuͤhrt. Herr Hem - minghhat ſich aber doch vor einigen Jahren ein Stuͤck Tuch zu einem ganzen Kleide aus ſolcher Wolle weben laſſen. Von den Knochen der Schafbeine macht man hier auf dem Lande ſowohl, als in der Stadt ſelbſt, ei - nen ſehr auffallenden Gebrauch. Man ſtellt ſie um die an der Gaſſe ſtehenden Baͤume im Kreiſe herum, oder auch wohl zur Scheide zwiſchen die Blumenbeete in den Gaͤrten. Hier machen ſie einen artigen Zierrath, in - dem das Ende des Angelgelenkes (Articulatio Ginglymi) allezeit nach oben gekehrt iſt.

Die Woͤlfe faͤngt man hier auf eine artige und be - queme Weiſe. Man mauert von Ziegelſteinen, oder auch wohl nur von Lehmſteinen, ein viereckiges Haus, entweder in Quadrat oder in laͤnglicher Geſtalt, auf, und giebt ihm Mannshoͤhe, manchmahl auch noch groͤßere Hoͤhe. Man deckt kein Dach, ſondern legt nur einige ſchmale Stuͤcke Holz druͤber her. Nach vorn laͤßt man eine niedrige Oeffnung mit einer Fallthuͤr. Inwendig ins Haus legt man etwas Luder, um welches man einen Strick bindet, der an einem hoͤlzernen Pflocke befeſtigt wird. Dieſen Pflock zieht man nebſt dem daran befeſtig - ten Stricke durch die Hinterwand, und ſteckt ihn in einen Klotz, der auswendig an der Wand herunterhaͤngt, und an deſſen oberem Ende ein andrer Strick angebracht iſt. Dieſer Strick geht uͤber das Dach nach der Vor - derſeite des Hauſes, und wird in der Fallthuͤr befeſtiget, welche damit uͤber der Oeffnung in die Hoͤhe gehalten wird. Wenn nun der Wolf durch die Oeffnung in das Haus gekommen iſt, und anfaͤngt das Luder zu bewegen, ſo124Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. ruͤckt er zugleich den Pflock aus dem Loche des Stocks, und die Thuͤr faͤllt nieder, ſchließt den Eingang zu, und ſperrt den Wolf gefangen ein.

Es wird hier auf dem Lande ſehr viel Butter ge - macht. Des Sommers buttert man jeden Tag, des Winters aber nur alle zwey oder drey Tage. Zur Winterzeit gießt man warmes Waſſer ins Butterfaß, damit ſich die Milch geſchwinder buttern laſſe. Das Butterfaß hat die Geſtalt eines langen abgeſtumpften Kegels, iſt alſo unten weiter als oben, und oben ſetzt man eine hoͤlzerne Schale mit hohem Rande los hinein, damit waͤhrend des Butterns nichts herausſpritze.

Das Gras iſt hier nicht im Ueberfluß. Die Erde iſt damit bey weitem nicht ſo dicht bewachſen, als in Eu - ropa, wo es mit ſeinen mancherley Blumen ſie wie mit dem ſchoͤnſten Teppiche bedeckt; ſondern es ſteht ſehr duͤnn, und dazwiſchen ſieht man nichts als Sand. Man kann ſich nicht einmahl mit Vergnuͤgen darauf nieder - legen, um auszuruhen.

Dies fuͤhrt mich auf den Gebrauch, den man von ver - ſchiednen hieſigen Gewaͤchſen theils in der Haushaltung, theils in der Arzneykunſt oder auch als Futter fuͤr das Vieh und andre Thiere macht. Die Blaͤtter des Aethiopiſchen Schlangenkrauts (Calla aethiopica), welches ſogar in den ſchmalen Waſſergraͤben draußen vor den Gaͤrten zu Capwaͤchſt, dient zur Nahrung des Afrikaniſchen Stachel - ſchweins, oder ſogenannten Eiſenſchweins (Yzer-Varken). Die Wurzel vom ſtachligen Baͤrenfuß (Arctopus echi - natus), der nicht nur am Cap, ſondern auch anderwaͤrts waͤchſt, wird als ein vortreffliches blutreinigendes Mittel in Geſtalt eines Decocts, ſogar gegen die Gonorrhoͤe gebraucht. Dieſe Wurzel iſt nicht dicht oder feſt, und enthaͤlt ein ganz weißes und reines Harz. Die Wurzel125Einige kleine Reiſen vom Capins Land. der Afrikaniſchen Zaunruͤbe (Bryonia africana), ge - braucht der Landmann als ein Brechmittel; in Wein oder Branntwein infundirt, purgirt ſie gut, beſonders wenn man ein Stuͤck Brot nachiſſet. Der moͤnchskap - penfoͤrmige Storchſchnabel (Geranium cucullarum), ein wohlriechendes Kraut, wird in kleine Beutel geſteckt und aufgelegt, als ein erweichendes Mittel applicirt. Die Zweige vom Oehlbaume (Olea Europaea), giebt man den Laͤmmern zu freſſen. Der Blaͤtter der herzfoͤrmi - gen Borbonie (Borbonia cordata) bedient man ſich auf dem Lande ſtatt des Thees. Die Montinie (Montinia acris) wird, ſo ſcharf ſie auch iſt, von den Schafen gefreſſen. Die Frucht des ſternblaͤttrichten Scepter - baums (Brabejum ſtellatum), welches ein großer Strauch iſt, der an den Baͤchen waͤchſt, heißt hier zu Lande wilde Kaſtanien (wilde Caſtanien). Die Hottentotten eſſen ſie. Die Landleute gebrauchen ſie manchmahl anſtatt des Kaffee; die aͤußere Schale wird alsdann von der Frucht abgenommen, und das Bittre durch Waſſer aus - gezogen; darauf kocht, brennt und ſtoͤßt oder mahlt man ſie wie Kaffeebohnen.

Die Feldſcheere, Apotheker und andre ſuchen, wenn ſie in hieſigen Gegenden die gewoͤhnlichen und rech - ten Apothekengewaͤchſe nicht antreffen, andre auf, die ihnen, entweder an Bluͤthe, Blaͤttern, Geruch, oder an aͤußerer Geſtalt und Farbe, einigermaßen aͤhnlich ſind, und geben ihnen den Nahmen der eigentlichen Apo - thekenkraͤuter. Ein Arzt, welcher dergleichen quid pro quo nennen hoͤrt, muß ſich dadurch nicht verfuͤhren oder irre machen laſſen.

Gegen den Biß der Schlangen ruͤhmt man hier als ein vorzuͤgliches Mittel das Blut der Waſſerſchild - kroͤten, das zu dieſem Gebrauche getrocknet wird, bis126Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. es die Form kleiner Schuppen annimmt. Der Land - mann nimmt es alsdann auf ſeinen Reiſen in dieſem Lande mit, welches von dieſem ſo gefaͤhrlichen Ungeziefer einen großen Vorrath von der Natur zu ſeinem Antheile bekommen hat. Wird jemand von einer Schlange ge - biſſen, nimmt er einigemahl ſo viel, als er mit den Fin - gern faſſen kann, von dieſem Blute ein, und legt zu - gleich etwas davon auf die Wunde.

Gicht, Podagra und Waſſerſucht ſind Krankhei - ten, die bey den Landleuten ſehr haͤufig angetroffen werden. Die Urſache hievon liegt theils in vielem Weintrinken, theils in der oͤftern Abwechſelung kalter Winde.

Auf dem Lande brauet man hier gar kein Gerſten - bier, weil der Landmann, um den Durſt zu loͤſchen, durch - gaͤngig Waſſer, Thee, Kaffee und Wein trinkt. Zu Capaber, oder eigentlich nahe vor der Stadt, hat man eine Brauerey angelegt. Das da gebrauete Bier wird aber niemahls recht gut, ſondern blaͤhet ſehr, und wird bald ſauer. Dies iſt der Grund, warum man Bier aus Europakommen laſſen muß. Beſonders ſchaͤtzt man das Hollaͤndiſche, Daͤniſche und Engliſche Bier hoch, wovon man auch bey Tiſche dann und wann, wie - wohl ſehr ſparſam, trinkt.

Bey einer Wittwe zu Paarlwaren drey Hotten - totten im Dienſte. Dieſe Leute ſprachen fein, und mit leichtem und geſchwindem Schnalzen der Zunge, ſowohl vor als nach dem Ausſprechen der Woͤrter. Ihre Farbe war braun, aber nicht ſchwaͤrzlich, ſondern beynahe ſo, als wenn ein Europaͤer von der Sonne ſtark gebrannt iſt; und uͤberdem ruͤhrte ihre braune Farbe mehr von dem vielen Schmieren mit ſtinkenden Sachen, als von der Natur her. Die Maͤdchen rauchten gern Tobak,127Einige kleine Reiſen vom Capins Land. und zwar aus einer Pfeife, die ſo kurz war, daß der Kopf faſt die Lippen beruͤhrte. Sie haben beſonderes Haar; es iſt ganz ſchwarz, und wie kurze Wolle zuſam - mengekruͤllt, und ſieht wie die Flocken auf gewiſſen woll - nen Zeugen mit kahlen Zwiſchenraͤumen, aus.

Die Haͤuſer bauet ſich jeder Bauer ſelbſt, biswei - len von Ziegelſteinen, bisweilen nur von Lehm, Kalk und Sand. Die Haͤuſer der beguͤterten Landbewohner ſind ungefaͤhr eben ſo, als die Haͤuſer in der Stadt eingerich - tet. Zuerſt kommt man auf die Diele, vor welcher eine lange Gallerie hergeht. Zu beyden Seiten der Diele iſt eine Kammer; auf der einen Seite die Gallerie, die Kuͤche, und auf der andern eine Schlafkammer. Bey weniger wohlhabenden Landleuten hat die Gallerie zu beyden Seiten eine Kammer, und die Kuͤche iſt hinten. Die Huͤtten der Armen ſind bloß von Lehmſteinen auf - gefuͤhrt, und die Thuͤren und Fenſter darin ſind ſo ſchlecht, daß allenthalben der Wind durchſtreicht.

Zu Paarliſt eine Kirche, die einen reformirten Prediger und Kuͤſter hat. Indeſſen wird nicht alle Sonntage foͤrmlicher Gottesdienſt gehalten, ſondern wenn der Prediger verreiſet oder krank iſt, oder andre Abhaltung hat, lieſet der Kuͤſter der Gemeine etwas aus der Bibel vor. Auf dem Lande werden die Todten ohne Geiſtlichen, ohne Gebet, und ohne daß man, wie in Schwedengebraͤuchlich iſt, dreymahl feyerlich Erde auf den Sarg wirft, begraben. Die Trauungen und Kindtaufen muͤſſen allezeit in der Kirche geſchehen, und von Nothtaufe will man hier nichts wiſſen.

Die Toͤchter der Koloniſten laſſen ſich bisweilen von ſchwarzen Sklaven ſchwaͤngern. Das Geld, welches ein ſolches Maͤdchen zur Ausſteuer be - kommt, verſchafft ihr hernach demungeachtet ge -128Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. meiniglich einen Mann. Der Sklave aber wird weggeſchafft.

Die Gaſtfreyheit iſt durchgaͤngig beym Landmanne ſehr groß. Ein Reiſender kann daher ohne die mindeſte Bezahlung, weder fuͤr Herberge und Zimmer, noch fuͤr Eſſen und Trinken, ſo lange Zeit, als er will, bey dieſen Leuten zubringen, die ihn auf die freundſchaft - lichſte und guͤtigſte Art aufnehmen und bewirthen. In der Stadt hingegen kommt einem Fremden der Aufent - halt ſehr theuer zu ſtehen, und man muß da fuͤr Zim - mer und Bekoͤſtigung taͤglich wenigſtens einen bis an - derthalb Reichsthaler bezahlen.

Die Leute auf dem Lande eſſen gewoͤhnlich und re - gelmaͤßig viermahl des Tages: um ſieben Uhr das Fruͤh - ſtuͤck, um eilf zu Mittage, um vier das Nachmittags - brot und um acht zu Abend.

Die Zeit zu ackern und zu ſaͤen iſt hier im April und May. Im Junius und Julius wird das Brach - feld umgepfluͤget. Man laͤßt den Acker oft mehrere, ja wohl gar zehn, zwoͤlf bis funfzehn Jahr brach liegen, und alsdann iſt es ſo gut, als wenn er ganz aus dem Dreiſche gebrochen wuͤrde. Die groͤßten Buͤſche radet man vorher aus, ehe man zum Umreißen des Ackers ſchreitet, die kleinen uͤberlaͤßt man dem Pfluge. Her - nach ſammelt man alles Strauchwerk zuſammen, und verbrennt es ſogleich auf dem Acker, welcher durch die Aſche davon anſehnlich geduͤnget wird. Auf den Stel - len, wo das Brennen geſchehen iſt, waͤchſt die Saat allezeit ſtaͤrker und dichter, und man kann ſie ſogleich beym erſten Anblicke kennen. Der Weitzen giebt hier gemeiniglich das achte oder zehnte, oft auch das funf - zehnte, zwanzigſte bis fuͤnf und zwanzigſte Korn; in andern Gegenden bekommt man noch weit mehr. Manhat129Einige kleine Reiſen vom Capins Land. hat ſogar einmahl an einem Orte von viertehalb Tonnen Ausſaat hundert und zehn Tonnen gedroſchen.

Am Ende des Junius beſuchte ich Paradys, nebſt einigen andern der Compagnie gehoͤrigen Hoͤfen, die unterhalb des Tafelbergesliegen. In dieſer Gegend liegt auch Rondbuſch, ein Sommer-Luſtplatz des Gouver - neurs. Laͤngs dieſer Oſt-Seite des Tafelbergeswehen die Suͤd-Oſt-Winde bey weitem nicht ſo ſtark, als am Cap; daher wachſen hier auch Waͤlder und Buͤſche. Die gemeine Tanne (Pinus ſylveſtris) ſteht hier unter andern Baͤumen, und erhebt ſich mit ſchoͤnen Kro - nen. Die wilden Weintrauben (Wilde Druyfen, Vitis vitiginea) prangten jetzt mit ihren rothen Bee - ren, die wie Kirſchen ausſehen, und gegeſſen werden.

Im Anfange des Julius nahm ich einen Spatzier - gang nach Conſtantiaund den umherliegenden Hoͤfen vor, der mich einige Tage beſchaͤfftigte. Auch hier fließen an verſchiedenen Stellen zwiſchen den Thaͤlern Baͤche von den Bergen herunter, ſo daß man um dieſe Jahrszeit kaum uͤberkommen kann. So - wohl hier, als naͤher nach dem Cap, fand ich Eiſen - ſteine (Yzer-Klippen). Die Wolken ſah ich hier gegen einander ziehen; die unteren kamen aus Suͤdoſt, und die oberen gingen nach Suͤd-Oſt: dies war in der That ein ſchoͤner Anblick. Das Vieh, welches ſonſt hier zu Lande durchgaͤngig unter freyem Himmel liegt, treibt man hier des Nachts unter Dach, in eine Art Schauer, das vorn offen iſt.

Drey Wochen hernach machte ich eine Prome - nade nach Paarlund Stellenboſch. Bey dieſer Ge - legenheit ſah ich den Kapokvogel. So nennt man hier einen ſehr kleinen Vogel, der ein ungemein kuͤnſt - ThunbergsReiſe. Erſter Theil. J130Zweyte Abtheil. Zweyter Abſchn. u. ſ. w. liches und ſchoͤnes Neſt bauet, welches ſo dick als ein wollner Strumpf iſt, und wozu er ſich der Flocken der wilden Rosmarinſtaude bedient.

Auch lernte ich auf dieſer Spatzierreiſe den Amei - ſenfreſſer, oder das hier ſogenannte Erdſchwein (Aard - Varken) kennen. Dieſes Thier graͤbt ſich große Loͤcher in die Erde, worin es am Tage vor ſeinen Feinden ſicher liegt. Das Land iſt hier von ſolchen Loͤchern ganz voll. Es ſoll ein ſtarkes Thier ſeyn, und meh - rere Ochſen, ſo erzaͤhlt man mir, ſind nicht im Stan - de, es aus ſeinem Lager herauszuziehen. Es graͤbt ſehr geſchwind. Sein Fleiſch wird gegeſſen, beſon - ders haͤlt man die Schinken geraͤuchert fuͤr ein herr - liches Eſſen. Es lebt von verſchiednen Arten Ameiſen, beſonders den großen rothen, die ihre Wohnungen aus Lehmerde bauen, hier ſehr haͤufig ſind, und ſich alle Jahr ſehr vermehren.

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Dritte Abtheilung. Erſte große Afrikaniſche Reiſe vom 7. September 1772 bis den 2. Januar 1773.

Erſter Abſchnitt. Zuruͤſtungen zu dieſer Reiſe.

Sobald die Jahrszeit mir guͤnſtig ſchien, nahm ich meine erſte große Reiſe in das Innere von Suͤd-Afrikavor. Dies war im Auguſt, als der Winter zu Ende ging, und die Fluren mit neuen Gewaͤchſen und Blu - men ſich ſchmuͤckten. Eine ſo weite und lange Reiſe, zumahl wenn ſie fuͤr mich nuͤtzlich ſeyn ſollte, erforderte mancherley Vorbereitungen und Zuruͤſtungen. Das beſte dabey war in dieſer Ruͤckſicht, daß ich der Koſten wegen nicht verlegen ſeyn durfte, weil die Compagnie mir das Verſprechen gethan hatte, zu dieſer Reiſe einen großen Theil des noͤthigen Geldes herzugeben.

Vor allen Dingen verſah ich mich mit den erfor - derlichen Kleidungsſtuͤcken; dann mit Kiſten und klei - nen Beuteln zu Zwiebeln und Samen, mit Inſekten - ſchachteln und Stecknadeln, einem Faͤßchen Arrak, um Schlangen und Amphibien aufzubewahren, mit Baum - wolle und Kiſten, um Voͤgel auszuſtopfen und einzupa - cken, und mit grobem Papier zum Trocknen der Kraͤu - ter. Ferner nahm ich Thee und Zwieback fuͤr mich ſelbſt, und Tobak zum Austheilen an die HottentottenJ 2132Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. mit, imgleichen Schießgewehr, und eine Menge Pul - verkugeln und Hagel von verſchiedner Gattung. Mit Schuhen verſorgte ich mich auf vier Monathe, und dieſer Artikel betrug nicht wenig, weil das in Indienbe - reitete Leder gar nicht ſtark iſt, und die Schuh außerdem von den ſcharfen Steinen in den Gebirgen ganz entzwey geſchnitten und ſehr bald abgenutzt werden.

Meine Reiſe-Equipage beſtand in einem Reitpfer - de, einem Karren oder Wagen, der nach Art eines Ruͤſtwagens mit Segeltuch uͤberzogen war, und ſechs Ochſen, welche die ganze Reiſe uͤber vorgeſpannt werden ſollten. Drey Reiſegefaͤhrten geſellten ſich zu mir: der oben bereits erwaͤhnte Gaͤrtner Auge, welcher ſchon acht - zehn, theils laͤngere, theils kuͤrzere Reiſen ins Land ge - macht hatte, und jetzt mein treuer und ſicherer Wegwei - ſer ſeyn wollte; Herr Immelmann, ein junger Mann, Sohn eines Lieutenants; und ein Sergeant, Nahmens Leonhardi, welcher dieſe beſchwerliche Reiſe in der Abſicht machte, um theils große Thiere, theils Voͤgel zu ſchie - ßen, und endlich zwey zahme Hottentotten, von denen der eine unſer Fuhrmann und der andre unſer Ochſenlei - ter ſeyn ſollte.

Wer hier zu Lande reiſet, richtet das Fuhrwerk un - gefaͤhr auf folgende Art ein. Man faͤhrt auf einem gro - ßen Wagen, der hundert und zwanzig bis hundert und vierzig, ja wohl gar zweyhundert Reichsthaler koſtet, und mit einem Zelte von Sackleinwand oder Segeltuch verſehen iſt. Vor dieſen Wagen werden zehn bis zwoͤlf Ochſen geſpannt, die ein Fuhrmann mit einer langen Peitſche antreibt, und ein andrer Kerl durch Fluͤſſe und vor Hoͤfen vorbey, oder nach Hoͤfen hin lenkt. Die Pferde ſind hier zu dergleichen Gebrauch zu ſchwach, und finden auch in dieſem ganzen Theile von Afrikawe -133Zuruͤſtung. zur erſten großen Afrikan. Reiſe. der Weide, noch Waſſer; man kann ſie daher zu weiten Reiſen nicht gebrauchen. Auch bedient man ſich keiner Packpferde, um von den dem Capnahe liegenden Hoͤ - fen Getreide, Waaren oder andre Sachen nach der Stadt zu bringen. Nur einige Reiche gebrauchen bis - weilen ein Spann oder auch wohl ſechs Pferde vor ihren Wagen auf kurzen Reiſen. Aber zum Reiten bedient man ſich der Pferde uͤberall im ganzen Lande. Wenn die tief im Lande wohnenden Bauern nach dem Capreiſen, ſo haben ſie gewoͤhnlich fuͤnf bis ſechs loſe Ochſen bey ſich, um mit den Zugthieren abwechſeln zu koͤnnen, welches auf einer Reiſe, die mehrere Wochen waͤhrt, wohl noͤ - thig iſt. Die Peitſche der hieſigen Fuhrleute iſt ein In - ſtrument, das im Stande zu ſeyn ſcheint, ſich ſowohl bey andern, als bey den Ochſen, zu deren Dienſt ſie meiſtentheils beſtimmt iſt, in Achtung zu ſetzen.

Zweyter Abſchnitt. Reiſe vom Capnach Rotheſand.

Den 7. September 1772 reiſete ich mit meinen Rei - ſegeſellſchaftern von der Stadt des Caps ab. Zuerſt ka - men wir nach Jan Beſis Kraal, einen an der See - kuͤſte belegenen, und der Compagnie zugehoͤrigen, Vieh - hofe. Um 11 Uhr langten wir hier an. Auf dem Sandboden ſah ich den pomeranzengelben Silberbaum (Protea hypophylla) allenthalben kriechen und mit ſei - nen zu beyden Seiten in die Hoͤhe ſtehenden Blaͤttern ganz niederliegen. Bey der Elennsquelle (Elands-Fon - teyn) traf ich eine aͤhnliche Gattung an, die wie ein Strauch in die Hoͤhe ſtand, und breitere Blaͤtter hatte, uͤbrigens jener ſehr aͤhnlich war.

134Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Um 12 Uhr ſetzten wir unſre Reiſe zu einem an - dern, der Compagnie zuſtaͤndigen Hofe, Nahmens Rohrthal( Riet-Valley) fort. Von hier gingen wir weiter nach einem Hofe, der den Nahmen ſeines Be - ſitzers Moſtertfuͤhrt, und endlich die ſalzige Quelle( Brack-Fonteyn) vorbey nach dem gruͤnen Thale( Groe - ne Kloof), einem ungemein großen Viehhofe, welcher der Compagnie gehoͤrt und acht Stunden Weges von der Stadt liegt. An dieſem ſchoͤnen Orte hielten wir uns eine ganze Woche auf, theils weil es hier viel fuͤr uns zu ſammeln gab, theils weil die von dem heißen Sande zuruͤckprallenden Sonnenſtrahlen auf meine Augen die uͤble Wirkung hatten, daß ſich eine ſehr heftige Entzuͤn - dung derſelben erzeugte, die mehrere Tage hartnaͤckig anhielt.

Das Land iſt in dieſen Gegenden zwar von Euro - paͤiſchen Koloniſten ſehr gut angebauet, auch ſchon recht ſtark bewohnt; man hat aber noch keine beſtimmte Mei - len im Lande feſtgeſetzt; auch haben die Hoͤfe und Fluͤſſe noch nicht uͤberall anpaſſende und unterſcheidende Nah - men. Die Hoͤfe werden oft nach ihren Beſitzern be - nannt; und die Entfernungen berechnet man gemeinig - lich nach der Zeit, da man mit einem Ochſenwagen von einem Orte zum andern faͤhrt; und eine ſolche Abthei - lung betraͤgt, auf das genaueſte gerechnet, eine See - meile. Dies alles verurſacht einem Reiſenden viel Schwierigkeit, und macht, daß die Oerter, welche ich auf meinen Afrikaniſchen Reiſen beſucht habe, mit den - jenigen Hollaͤndiſchen Nahmen, die ſie an Ort und Stelle haben, benennen muß.

Die ſandigen und niedrigen Gefilde, durch welche wir bisher gekommen waren, ſtanden jetzt ganz voll Zwiebelgewaͤchſe, die wir in großer Menge antrafen. 135Reiſe vom Capnach Rotheſand. Außerdem aber fanden wir auch andre Kraͤuter, die dem im abgewichnen Winter gefallnen haͤufigen Regen ihr Wachsthum zu verdanken hatten, und dieſe ſonſt kah - len Sandhaiden mit tauſenderley Blumen ſchmuͤckten. Die Zwiebeln der eßbaren Schwertlilie (Iris edulis) werden hier gekocht und gegeſſen: ſie ſchmecken wie Kar - toffeln. Die Samenbehaͤltniſſe der Euphorbie (Eu - phorbia) gebraucht man hier, zu Pulver geſtoßen, um die Woͤlfe zu toͤdten. Hier ſah ich zum erſtenmahl Oehl vom Samen des Wunderbaums (Ricinus). Man kocht den Samen in Waſſer, ſchaͤumt das oben fließende Oehl ab, und nimmt hernach eine ganze Thee - taſſe voll davon ein, um gelinde zu laxiren. Die Blaͤt - ter des Strauchs, getrocknet und um den Kopf gelegt, ſollen gegen Kopfſchmerzen gute Dienſte thun. Die Afrikaniſchen Blumen veraͤndern ihre Farbe ſehr, doch am meiſten auf der obern Seite: auf der untern ſind die Farben nicht ſo veraͤnderlich.

In den Suͤmpfen ſah ich allenthalben Flammin - ger (Phoenicopterus ruber) waten; auch hielten Enten und Schnepfen (Scolopax capenſis) ſich in denſelben auf. Auf dem Felde in den Gebuͤſchen hoͤrte ich Trappgaͤnſe (Otis), und die kleinen Voͤgel, welche man hier Haantje (Haͤhnchen) nennt, huͤpften da in Menge umher. Auch ſah ich ſtolze Straußen laufen, unter denen die Maͤnn - chen ſich durch ihre ſchwarzen Federn von den Weib - chen unterſcheiden. Von Boͤcken ſah ich mehrere Ar - ten, als Hirſchthiere (Harte-Beeſten, Capra doreas), Steinboͤcke (Capra Grimmia), Taͤucherboͤcke (Duykers, Capra) und andre.

Nicht weit von einem Brunnen am Paardebergezeigte man mir mit Schwefel vermiſchte Lehmerde.

136Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Den 14. September reiſeten wir den Orangebrun - nen( Orange-Fonteyn) und den Eulenkraal( Uyle - Kraal) vorbey nach dem Theebrunnen( Thee-Fonteyn), welches ein Weg von ſechs Stunden war. Hierauf ka - men wir den Elennsbrunnen( Elands-Fonteyn) vorbey nach der Saldanhabay, wo wir am folgenden Tage anlangten. Unſere Reitpferde ließen wir auf einem Bauerhofe, und darauf fuhren wir in einem Boote durch den Hafen nach dem Orte uͤber, wo die Compagnie einen Poſten hat, wo wir einige Tage blieben.

Die Landbewohner auf dieſer Seite vom Capbe - ſitzen weder Weinberge noch viel Ackerland; dagegen aber ſo viel mehr Vieh. Man buttert hier alle Tage in einem Butterfaſſe, das wie eine Pumpe iſt, und die Butter - milch, ſo vortrefflich ſie auch iſt, giebt man den Kaͤl - bern und Hunden. An Hausgeraͤth iſt hier ein ſolcher Mangel, daß die Leute ganz arm daran ſind. Viel Wild von allen Arten, Boͤcke, Enten und dergleichen giebt es hier in Menge. Auf den Inſeln in und um die Saldanhabaywaͤchſt viel Gras; allein man trifft da gar kein Vieh, weder Schaafe noch Kuͤhe, an. Man faͤngt da aber Robben (Phocae) in großer Anzahl, aus deren Speck man vorzuͤglich guten Thran macht. Von den kleinen Robben gebraucht man nur das Fell, und zwar zu Jagdtaſchen und Tobaksbeuteln. Die großen wiegen bis vierzehn oder funfzehnhundert Pfund. Vor einiger Zeit hatte ſich beym Robbenfange folgende un - gluͤckliche Begebenheit zugetragen: Ein Soldat, der auf dieſen Fang ausgeſandt war, wollte, da er einen Robben geſchoſſen hatte, und das Thier ſchon wie todt da lag, ihm die Ader aufſchneiden, um ihm das Blut ſo viel beſſer abzuzapfen, welches man fuͤr noͤthig haͤlt, um ſo viel beſſern Thran zu bekommen. Allein das Thier137Reiſe vom Capnach Rotheſand. lebte noch, und packte ihm die Hand; und indem der Kerl dieſelbe in Geſchwindigkeit wegzog, biß es ihm den Daumen ab, und zog die Sehne weit heraus. Bey meinem Botaniſiren ſtieß ich auf einen todten Tiger, der am Strande lag. Vermuthlich hatte er von einem gif - tigen Kraute gefreſſen, und darauf Waſſer geſucht, war aber, ehe er Waſſer angetroffen ſchon geſtuͤrzt. Den ſchwarzen Saft des Blackfiſches (Sepia) gebraucht man hier mit Eſſig vermiſcht, anſtatt ſchwarzer Tinte. Dieſer Wurm hat wirkliche Augen, die ihre Hornhaut, ſchwarze Haut, Kryſtalllinſe, nebſt allen gewoͤhnlichen Feuchtigkeiten haben. Den Saft der Milchdiſtel oder gemuͤsartigen Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus) preßt man aus, und bedient ſich ſeiner, um Wunden zu rei - nigen und zu heilen. Die große Stiftblume (Albuca major) waͤchſt in dieſer Gegend hoch, ſchlank und ſchoͤn. Der ſaftvolle Stengel derſelben, deſſen Saft etwas ſchleimig iſt, dient den Hottentotten und andern Reiſen - den dazu, daß[ſie] ihn ausſaugen, um den Durſt zu loͤ - ſchen. Uebrigens ſind im Hafen viele Sandbaͤnke, die man bey niedrigem Waſſer ſehen kann.

Von der Saldanhabayreiſeten wir nach Thefonteynzuruͤck. Unterwegs ſah ich auf einem Bauerhofe mit Verwunderung, wie geſchwind und fertig der Bauer die Caſtration ſeiner Ochſen verrichtete. An funfzig von zwey und einem von drey Jahren wurde dieſe Operation in einer Abendſtunde vorgenommen, und zwar auf fol - gende Art. Zuerſt legte man dem Ochſen einen Strick um die Hoͤrner und einen andern um den einen Hinter - fuß, zog ihn ſo um, daß er auf die eine Seite zu Bo - den fiel, und band ihm alle vier Fuͤße zuſammen. Als - dann durchſchnitt man mit einem Meſſer von außen her alle Haͤute bis in den Hoden ſelbſt hinein, faßte den138Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. Hoden, drehete die Hodenſchnur herum und ſchrapte ihn mittlerweile gleichſam ab, bis er abgeloͤſet war.

Auf dieſem Theile meiner Reiſe ſah ich die weiche Pharnacie (Pharnacia mollugo, Hollaͤndiſch Mugge - Kruyd) in Menge: es waͤchſt beſonders haͤufig in naſſen Jahren, und macht das Rindvieh, welches davon frißt, ſehr fett. Ueber die Samenkapſeln des ſtachligen Am - pfers (Rumex ſpinoſus), welcher hier uͤberall waͤchſt, klagt man ſehr, weil ſie mit ihren ſcharfen Zacken oder Stacheln den Sklaven und andern, die barfuß gehen, in die Fuͤße ſtechen und manchmahl ſehr verwunden. Die ſchwarzen Beeren eines hier vielfaͤltig wachſenden Strauchs, den man Kraͤhenbuſch (Kraaije-Boſch) nennt, freſſen die Capſchen Kraͤhen ſehr begierig. Der Secretairvogel (Falco ſecretarius, Hollaͤndiſch Secreta - ris) zeigte ſich mir haͤufig mit ſeinem ſchoͤnen Kopfe und langen Beinen. Er laͤuft ſehr ſchnell, und lebt auch wohl von gefangnen Schlangen. Man erzaͤhlte mir, die Jungen ließen ſich nur mit vieler Muͤhe groß ziehen, weil ſie gar zu leicht ſich ein Bein zerbraͤchen. Bey Con - ſtantiahatte ich indeſſen doch einen alten Secretarisvo - gel geſehen, der zahm war. Er legt zwey bis drey Eyer, und bauet ſein Neſt von Zweigen auf Straͤuchen und Baͤumen. Man trifft ihn faſt allezeit einſam und ohne ſeines gleichen an, auch iſt er eben nicht ſehr zahlreich vorhanden.

Den 25. reiſeten wir von Thefonteynab, und paſſirten die Faͤhre beym Bergfluſſe( Berg-Rivier). In dieſer Gegend eſſen die Leute die Aniswurzel (Anys - Wortel). Sie ſchmeckt gut, und man bratet ſie entwe - der in Aſche oder kocht ſie in ſuͤßer Milch, oder ſtobt ſie auch wohl mit Fleiſch. Die Bauern laſſen durch ihre Sklaven manchmahl eine ganze Menge davon ausgra -139Reiſe vom Capnach Rotheſand. ben, und verkaufen ſie hernach in der Stadt. Auch die Gatagaywurzel (Gatagay-Wortel) wird in Aſche gebra - ten und gegeſſen, hat aber einen uͤbeln und unangeneh - men Geſchmack. Den Haber, welcher aus Europahieher gekommen iſt, ſieht man jetzt als das ſchlimmſte Unkraut hier zu Lande an, weil die Koͤrner von dem ſtar - ken Winde gar leicht ausfallen, ſich ſelbſt ſaͤen und das andre Getreide erſticken und vertilgen. Ein durch den Haber verdorbnes Feld mehrere Jahre dreiſch liegen zu laſſen, hilft nicht, weil der Haber in der Erde ſich ganz unverſehrt erhaͤlt, und ſobald das Land wieder gepfluͤgt iſt, hervorwaͤchſt. Von Inſekten ſah ich hier be - ſonders die Miſtkaͤfer (Trichius laticollis) allenthal - ben in großer Menge. Den ganzen Tag uͤber thun die - ſe Thierchen nichts, als daß ſie mit den Hinterfuͤßen gro - ße Kugeln oder Pillen von Dreck zuſammenrollen, wo - mit ſie allezeit ruͤckwaͤrts gehen. Mit den Vorderfuͤßen machen ſie große Loͤcher in den Sand, welchen ſie auch mit dem Kopfſchilde aus dem Wege raͤumen. Ver - muthlich legen ſie ihre Eyer in die Kuͤgelchen, welche ſie hernach im Sande vergraben. Verſchiednemahl be - merkte ich, daß zwey einander halfen, eine ſolche Kugel zuſammen zu rollen. Des Abends fingen wir eine Art Grashuͤpfer (Pneumora). Wenn die Sonne un - tergegangen iſt, fangen dieſe Inſekten an, ſich hoͤren zu laſſen, und zwar durch einen beſondern Laut, der daher entſteht, daß ſie ihre zackigen Hinterfuͤße an ihrem leeren und durchſichtigen Unterleibe ſtreichen, und welcher dem Anſcheine nach weit in der Ferne gehoͤrt werden kann. Als ich merkte, daß dieſe, wie viele andre Nacht-Inſekten das Licht ſehr lieben, ließ ich draußen auf dem Felde ein großes Feuer anzuͤnden, wobey wir ſie fingen, ſobald ſie angezogen kamen. Ihr ganzer Koͤrper iſt wie eine140Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. Blaſe, und ſo leer, daß man ſie nicht, gleich andern Inſekten, auf Nadeln geſpießt mit ſich fuͤhren kann. Noch etwas, das ich vorher nicht geſehen hatte, waren die Neſte der Finken oder Kernbeißer (Loxia). Dieſe ſind von kuͤnſtlich zuſammen geflochtnen Grashalmen gemacht, hangen an Zweigen uͤber den Suͤmpfen und Teichen, und haben einen langen, engen und ſchmalen Eingang, wie einen Hals, wodurch der Vogel ein - und ausgeht. Dieſer Hals hindert die Raubvoͤgel, zu den Jungen zu kommen, und das Waſſer, uͤber welchem das Neſt an niedrigen Buͤſchen und Straͤuchen haͤngt, haͤlt die Fuͤchſe und andre Raubthiere ab. Man hat hier auch einen Vogel, den man Nachtigall nennt; es iſt aber keine Nachtigall, ſondern ein Vogel, der den Geſang und die Manier verſchiedner andrer Voͤgel nachahmt.

Das Rindvieh iſt hier mehreren ſchlimmen Krank - heiten unterworfen, woran nicht ſelten manches Stuͤck ſtirbt. Blutkrankheit (Blaar - oder Bloed-Ziekte) nennt man, wenn die Adern im ganzen Koͤrper auf - ſchwellen. Aderlaß und ſtarke Bewegung ſoll ein gutes Mittel dagegen ſeyn. Stirbt ein Stuͤck Vieh an dieſer Krankheit, ſo iſt das Fleiſch gar nicht zu gebrauchen. Die Schwammkrankheit (Spons-Ziekte) faͤngt damit an, daß zuerſt ein Fuͤß, und hernach der ganze Koͤrper ſchwillt. Bisweilen haͤlt ſie drey Tage an; bisweilen toͤdtet ſie aber auch binnen drey Stunden. Wenn der Fuß ſogleich abgeſaͤgt wird, kann dem Tode vorgebeugt werden. Dieſe Krankheit ſcheint in der That aus keiner andern Urſache, als von dem Biſſe einer Schlange her - zuruͤhren, von welchen Thieren in den warmen Afrika - niſchen Laͤndern eine ſo große Menge vorhanden iſt. Die Lahmſucht (Lam-Ziekte) beſteht darin, daß das Vieh nicht auf den Beinen ſtehen kann. Sie hat einen141Reiſe vom Capnach Rotheſand. geringen Anfang, und ſchreitet langſam und allmaͤhlig weiter. Nach dem Tode findet man, daß die Knochen ganz leer ſind, und gar kein Mark enthalten, ſondern anſtatt deſſen mit Waſſer angefuͤllt ſind. Eine vier - te Krankheit nennt man hier die Harnkrankheit (Piſs - Ziekte). Mit dieſer wird nicht nur das Rindvieh, ſon - dern auch die Pferde befallen. Sie laͤuft darauf hin - aus, daß das Vieh nicht ſtallen kann, und entſteht, wenn es von der geniſtartigen Euphorbie (Euphor - bia geniſtoides, Hollaͤndiſch Piſs-Goed) frißt, welche eine Milch enthaͤlt, die zwar dem Magen und Ge - daͤrme nicht ſchadet, aber die Blaſe angreift, und be - ſonders die Harngaͤnge verſtopft. Wenn man die Ru - the druͤckt, kann man dieſe zaͤhe Materie herauspreſſen. Die Bauern pflegen daher entweder ſich dieſer Methode zu bedienen, oder auch wohl die Materie mit einem Strohhalme nach inwendig zuruͤckzuſtoßen. Wenn man das Vieh fleißig friſches und gutes Waſſer trinken laͤßt, kann die Krankheit nicht uͤberhand nehmen. Im Sommer aber, wenn das Waſſer dick und unrein wird, und die Materie nicht verduͤnnen kann, ſtirbt es haͤufig daran.

Nachdem wir zur rechten Seite des großen Berg - fluſſesdas Ribeck-Caſtel, einen großen und hohen ein - ſam ſtehenden Berg, und zur Linken den Piketberg, darauf aber die Honigberge( Honing-Bergen) vorbey gereiſet waren, kamen wir des Abends auf einen Hof, der einem Manne, Nahmens Griling, gehoͤrt. Den 26. reiſeten wir uͤber den ſogenannten Vierundzwanzigfluß( Vier-en-twintig-Rivier) nach dem Hofe Arnheim, von da weiter zu dem kleinen Bergfluſſe( Kleyne-Berg - Rivier), und endlich durch das Rotheſandthal( Roode - Zands-Kloof), nach dem Waferslande( Wafers-Land) oder Rotheſand(Roode Zand). Die Schlucht oder142Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. das ſchmale tiefe Thal, durch welches wir von dem gegen dem Capliegenden niedrigeren, aber allmaͤhlig hoͤher werdenden, Sandfelde nach Rotheſandkamen, iſt eine von den wenigen engen Vertiefungen oder Abgruͤnden, welche die lange Bergkette bildet; man kann zwar mit einem Wagen hindurchfahren, aber doch nicht ohne alle Gefahr. An einigen Stellen iſt ſie ſo ſchmal, daß zwey Wagen einander nicht ausweichen koͤnnen. In ſolchen engen Wegen machen die Fuhrleute mit ihren großen Peitſchen ein entſetzliches Geklatſche, das man eine Mei - le weit hoͤren kann, damit derjenige Wagen, welcher zuerſt hineingekommen iſt, ungehindert durchfahren kann, ehe ein andrer hineinfaͤhrt.

Sobald wir uͤber die Berge nach Rotheſandge - kommen waren, ſchien uns das Land hier viel hoͤher, als auf derjenigen Seite, woher wir kamen. An dem ei - nen Ende ſchließt ſich dieſer Diſtrikt mit hohen Bergen, welche die Winterecke( Winter-Hoek) heißen. Dieſer Nahme hat ſeinen Urſprung daher, daß die Gipfel faſt das ganze Jahr uͤber mit Schnee bedeckt ſind. Am an - dern Ende iſt dieſe Gegend offen, und es laͤuft von da eine Reihe Berge aus, welche die Senfecke( Moſtaards - Hoek) heißen, und ſich mehr und mehr in der Breite nach Suͤden ausdehnen.

In Rotheſandlogirten wir bey de Wett, einem Abkoͤmmlinge von einer der Franzoͤſiſchen Familien, die unter den allererſten Koloniſten waren, welche ſich in dieſem Theile von Afrikaniederließen, um Weinberge anzulegen, und Fruchtbaͤume zu pflanzen. Um unſer Zugvieh ſich ausruhen und etwas erhohlen zu laſſen, brachten wir an dieſem angenehmen Orte beynahe ganze vierzehn Tage zu. Dies gab uns Muße, nicht nur die bereits geſammelten Kraͤuter und Samen in Ordnung143Reiſe vom Capnach Rotheſand. zu bringen und gehoͤrig zu verwahren, ſondern auch alle umliegende Berge und Anhoͤhen zu beſuchen.

Unter andern reiſeten wir uͤber den Waſſerfall und die Berge nach einem jenſeit wohnenden Sattelmacher, Nahmens Schwieger, und von da am folgenden Tage weiter zu einem andern Koloniſten, Nahmens Olivier. Bey dieſem ließen wir unſre Pferde und wanderten zu Fuß den Berg hinauf.

Eine andre Nebenreiſe ging uͤber den Witſenberg. Dieſer hat auf der andern Seite ein Land, oder vielmehr eine Schlucht, die ſchmaler, als Rotheſand, aber unge - faͤhr viermahl hoͤher iſt. Von dieſer Hoͤhe konnten wir den Tafelbergbeym Capſehen. Wegen der Kaͤlte und des ſpaͤteren Sommers kommen die Blumen hier wenig - ſtens um einen Monath ſpaͤter hervor. Der Schnee faͤllt hier oft drey Fuß hoch, und bleibt in der Tiefe eini - ge Tage, auf dem Berge aber laͤnger liegen. Hinter dieſer Tiefe ſieht man andre Berge, und hinter dieſen wiederum andre hohe Gebirgsreihen, jenſeit deren das Bockland( Bokke-Veld) liegt. In dieſem kleinen, hohen und kalten Bezirke hat man Viehhoͤfe angelegt; aber Getreide bauet man da gar nicht, weil man es nicht von da uͤber die Berge transportiren kann. Wir hatten eine ganze Stunde Zeit noͤthig, um zu Pferde uͤber den Berg zu kommen.

Zu Rotheſandzeigte man mir den ſo beruͤhmten Schlangenſtein (Slange-Steen). Dieſer Stein wird aus Indienhieher gebracht, und ſehr theuer, oft mit zehn bis zwoͤlf Reichsthalern bezahlt. Nur wenige Land - bewohner haben ſich dergleichen anſchaffen koͤnnen, und wer einen beſitzt, haͤlt ihn in großem Werthe. Er iſt auf einer Seite rund, faſt wie eine Kugel, und ſchwarz von Farbe, in der Mitte hat er aber doch einen blaſſen144Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. Flecken, als wenn die Stelle abgefaͤrbt waͤre. Er hat durch und durch ganz feine Roͤhrchen, wie Eichenholz, oder eine irdene Pfeife mit ſehr engen Oeffnungen. Wenn man ihn ins Waſſer legt, ſo giebt er in die Hoͤhe ſteigende Waſſerblaſen von ſich, welches ein Beweis ſei - ner Guͤte iſt, die man ſonſt auch daran erkennt, daß er am Gaumen feſtklebt, wenn man ihn in den Mund nimmt. Wenn man ihn auf die Stelle eines Schlan - genbiſſes legt, ſetzt er ſich an der Wunde feſt, und zieht das Gift heraus, und wenn er ſich voll geſogen hat, faͤllt er von ſelbſt ab. Legt man ihn alsdann in Milch, ſo zieht das Gift wieder heraus, und die Milch wird blau. Oft ſcarificirt man gleichwohl die Wunde, ehe man den Stein auflegt, mit einem Scheermeſſer. Wenn ein Hottentotte von einer Schlange gebiſſen wird, ſo hilft er ſich damit, daß er ſogleich einen Froſch aufſucht, und die Wunde mit demſelben reibt. Die Hottentotten ken - nen auch die Kunſt, einen andern mit dem Munde das Gift ausſaugen zu laſſen, nachdem ſie mit einem Meſſer die Wunde rund umher ſcarificirt haben. Unter andern findet man hier eine Art Schlangen, die man Baum - ſchlange (Boom-Slang) nennt, weil ſie ſich oft auf Baͤumen aufhalten ſoll; ſie iſt acht Fuß lang, und ſieht oben ganz braunroth, unten ganz gelblich aus. Mit der knoblauchartigen Tulbaghie (Tulbaghia alliacea), die man hier wildes Knoblauch (wilde Knoflook) nennt, und deren Wurzel einen ſehr ſtarken Knoblauchgeruch hat, glaubt man die Schlangen behexen zu koͤnnen. Mit dem Gifte der Schlangen, wie auch dem Safte des Giftbaums, (Gift-Boom, Sideroxylum toxiferum) vergiften die Hottentotten ihre Pfeile, womit ſie nicht nur wilde Boͤcke und wilde Buͤffelochſen ſchießen, ſondern ſich auch gegen ihre Feinde vertheidigen.

Jetzt145Reiſe vom Capnach Rotheſand.

Jetzt waren in dieſen Gegenden die Schwalben Mor - gens und Abends ſehr beſchaͤfftigt, ihre Neſte zu bauen. Dies pflegt hier ihre Arbeit in den beyden Monathen September und October zu ſeyn. Gewoͤhnlich niſten ſie in den Haͤuſern der Landleute, ſelten in Hoͤhlen oder Ri - tzen der Berge; jenes wird ihnen um ſo viel leichter, da die Hausthuͤren auf dem Lande faſt immer offen ſtehen. Zum Bau des Neſtes nimmt dieſer Vogel Lehmerde, die er mit dem Schnabel bereitet, und in kleinen Kluͤmpchen anſetzt, wodurch der Bau alle Tage weiter fortruͤckt und auch ſeine gehoͤrige Ruͤndung bekommt. Die Schwal - ben machen es uͤbrigens hier, wie in Europa; ſie ziehen jaͤhrlich weg, und kommen um die angefuͤhrte Jahrszeit zuruͤck, und die Einwohner wiſſen nicht zu beſtimmen, wohin ſie ſich gegen den Winter begeben, und wo ſie den - ſelben zubringen.

Verſchiedne Kraͤuter lernte ich hier kennen, unter an - dern eine Art Vogelmilch (Ornithogalum), welche man hier Tintirintjes nennt, von dem Laute, welcher entſteht, wenn man die Stengel davon an einander reibt. Die ſogenannten Waſſerzwiebeln (Aponogeron diſtachyon, Hollaͤndiſch Waater-Uyntjes) wachſen hier an vielen Orten, und zwar ſehr zahlreich in ſeichten Suͤmpfen und Pfuͤtzen. Ihre auf dem Waſſer ſchwimmenden Blumen breiten den ſchoͤnſten Geruch um ſich her. Die Wurzeln dieſes Gewaͤchſes gebraucht man ſehr haͤufig als Speiſe: man iſſet ſie gebraten. Die Gurken macht man hier ein, um ſie zum Deſert zu gebrauchen; zuerſt legt man ſie in Salzlake, und hernach in Weineſſig und Spa - niſchen Pfeffer. Aus dem Decocte vom ſchwarzen Nachtſchatten (Solanum nigrum) und der gemuͤsarti - gen Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), die faſt allenthal - ben wild wachſen, macht man mit Wachs und Schmalz ThunbergsReiſe. Erſter Theil. K146Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. eine vortreffliche Salbe, die zur Heilung mancherley Wun - den und Schaͤden gebraucht wird, und unter dem Land - volke ein allgemeines und ſehr beruͤhmtes Heilmittel iſt. Als etwas ganz Sonderbares bemerkte ich, daß man hier die Hodenſaͤcke der maͤnnlichen Schafe iſſet: ſie werden gebraten und ſchmecken recht gut, erregen aber im Ma - gen viel Unruhe.

Noch mehr aber ſetzte mich eine Erzaͤhlung in Ver - wunderung, die ich in Rotheſandallenthalben hoͤrte, und wodurch meine Neugier aufs hoͤchſte gereitzt wurde. Man verſicherte mich einſtimmig, daß auf dem hieſigen Ge - birge ein Buſch ſey, der verſchiedne wunderbare Dinge trage, von denen man faſt glauben ſollte, daß ſie aus feinem Semiſchleder gemacht ſeyen, als Muͤtzen, Hand - ſchuh, Struͤmpfe und dergleichen. Ich bat beynahe jedermann, den ich anſichtig wurde, mir, wenn es moͤg - lich waͤre, etwas von dieſen wunderbaren Sachen zu ver - ſchaffen, und ſetzte mir vor, dieſe Gegend nicht eher zu verlaſſen, als bis ich uͤber eine ſo unglaubliche Nachricht naͤhere Erlaͤuterung haben wuͤrde. Nach einigen Tagen hatte man mir bereits einige ſolche Blaͤtter von den Ber - gen heruntergehohlt. Dieſe Blaͤtter waren mit einem ſehr dicken zottigen Weſen, wie mit zottigem Haar, uͤberzogen, und hatten viel Aehnlichkeit mit weißem Sammet. Die Maͤdchen, welche mit dergleichen Blaͤt - tern ſchon oft umgegangen waren, fingen ſogleich an, mit beſondrer Behendigkeit dies Rauhe abzuziehen, und zwar ohne es zu zerreißen, ſondern es blieb ſo ganz und zuſammenhangend, als es geweſen war. Wenn man es auf dieſe Art abgezogen hatte, war es zugleich umge - kehrt, und man ſah auf einer Seite die gruͤnen Adern des Blatts. Je nachdem die Figur des Blatts mehr oder weniger rund oder laͤnglich war, verfertigte man dar -147Reiſe vom Capnach Rotheſand. aus hernach verſchiedne von den oben angefuͤhrten Sa - chen, und um ihnen die gehoͤrige Form zu geben, nahm man bisweilen die Schere zu Huͤlfe. Aus den Sten - geln machte man Struͤmpfe und lange[Frauenshandſchuh]; aus den kleineren Blaͤttern Muͤtzen. So war demnach die Sache an ſich ſelbſt nicht ganz ſo wunderbar, als ſie erzaͤhlt wurde; fuͤr mich aber war noch uͤbrig, zu unter - ſuchen, zu welchem Gewaͤchſe dieſe Blaͤtter gehoͤrten. Dies noͤthigte mich, ſelbſt auf die hoͤchſten Spitzen der Berge zu klettern, woher man ſie gehohlt hatte. Hier war das Gewaͤchs ſelbſt zwar nicht ſelten, aber ich hatte doch viel Muͤhe, eins davon in der Bluͤthe und mit Sa - men anzutreffen. Endlich erreichte ich meinen Zweck, und uͤberzeugte mich, daß es zu dem Geſchlechte des Ha - ſenoͤhrleins (Bupleurum giganteum) gehoͤre. Der rau - he Ueberzug wird auch, wie feine Wolle, zurecht gemacht und wohl getrocknet anſtatt Zunders gebraucht, wozu es ſehr tauglich iſt.

Von Rotheſandmerke ich uͤbrigens noch an, daß dieſer Diſtrikt eine ſchoͤne Kirche mit einem eignen Predi - ger hat. In dieſer Kirche ſind alle diejenigen einge - pfarret, die tiefer im Lande wohnen. Dieſe Leute kom - men aber ſelten oͤfter als jaͤhrlich einmahl hin, und bey dieſer Gelegenheit laſſen ſie zugleich ihre Kinder taufen.

Dritter Abſchnitt. Reiſe von Rotheſandnach Zwellendam.

Den 6. October verließen wir dieſe anmuthige Ge - gend, nachdem ich ſowohl von Kraͤutern und Samen, als von Voͤgeln eine anſehnliche Menge geſammelt, und unſre Zugochſen ſich hinlaͤnglich erhohlt hatten. UnſernK 2148Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. Weg nahmen wir jetzt weiter durchs Land, uͤber verſchied - ne Fluͤſſe, und zwar zuerſt uͤber den Hirſchthierfluß( Haartebeeſts-Rivier). An dieſem Fluſſe trafen wir Michael de PloisHof an, und hier nahmen wir das er - ſte Nacht-Quartier. Ehe wir aber dahin kamen, fuhren wir einen Berg vorbey, welcher der Schlangenberg( Slan - gen-Kop) heißt, und vielleicht der ſonderbarſte in ſeiner Art iſt. Er liegt von dem uͤbrigen Gebirge abgeſondert, wie eine iſolirte Klippe, und iſt nicht ſehr hoch. An der einen Seite iſt eine große, tief hineingehende Ritze oder Spalte, welche dieſen Berg merkwuͤrdig macht, weil jeden Herbſt faſt alle Schlangen aus der ganzen Gegend dahinein kriechen und ſich verſammeln, um da in Ruhe und Sicherheit zu liegen und ihren Winterſchlaf zu hal - ten. Gegen den Sommer, ſobald die Waͤrme etwas ſtark wird, ſieht man wieder Schlangen von mancherley Art, und oft in große Buͤndel oder Knaͤuel zuſammenge - wickelt, aus dieſer Borſte herauskommen, worauf ſie ſich uͤber die ganze Ebene ausbreiten, und die eine hiehin, die andre dahin ſich begiebt, um Nahrung zu ſuchen, und das Fleiſch wieder zu bekommen, das ſie in ihrem Winterlager verlohren haben.

Sonſt bemerkte ich noch, daß man hier zu Lande den Blaſenbaum oder Blaſenſtrauch (Colutea veſicaria) ſtoͤßt, und bey Augenkrankheiten gebraucht. Die Birn - quitten ſah ich hier als Hecken gepflanzt.

Vom Hirſchthierfluſſereiſeten wir uͤber den Hexen - fluß( Hex-Rivier), den breiten Fluß( Breede-Rivier), Mattjesthal(Mattjes-Valleyoder Kloof) und den Brandſtieg, ( Brand-Steeg) weiter, bis wir bey Pe - ter de Wett, unweit des warmen Bades, anlangten. Hier ruheten wir einen Tag aus, um uns des Bades zu bedienen, und die umliegenden Berge zu beſuchen.

149Reiſe von Rotheſandnach Zwellendam.

Das warme Bad hat ſeinen Urſprung unten am Gebirge, auf der Oſt-Seite deſſelben, und zwar in einem ſandigen Boden. Der Quellen ſind eigentlich ſieben, von denen die eine, mit den andern verglichen, ſehr ſtark iſt, und viel Waſſer giebt. Die zweyte, welche zugleich die oberſte iſt, giebt eben nicht viel Waſſer, ſie befindet ſich ſuͤdwaͤrts von der erſten, und die dritte iſt nahe dabey. Weiter unterwaͤrts liegt die vierte, die ziemlich ſtark iſt; die fuͤnfte iſt von dieſer einige Ellen entfernt, die ſechste aber in der Mitte; dieſe letztere ſpringt nicht beſtaͤndig auf einer Stelle, ſondern abwechſelnd an mehreren Or - ten. Die unterſte Quelle iſt die ſtaͤrkſte, und ſprudelt heftig. Das Waſſer iſt ſiedend heiß, ſo daß man Thie - re darin abbruͤhen kann. Der Dampf ſteigt wie aus einem kochenden Topfe empor, und dauert in der Rinne, worin das Waſſer herabfließt, zwey Buͤchſenſchuͤſſe weit fort. Die Seiten und der Boden der Rinne haben kei - nen Bodenſatz, aber es waͤchſt gruͤner Waſſerfaden (Con - ferva viridis) darin. Die in der Rinne liegenden Stei - ne, welche jetzt etwas uͤber die Oberflaͤche des Waſſers hervorſtanden, haben aber doch eine graue Kruſte, und in der Rinne ſelbſt fand ich lockere Steine, die man mit einem Meſſer ſchaben und anſtatt Kreide gebrauchen kann. Ich hielt einen Klumpen blauer Wolle, wie auch blaues Zuckerpapier ins Waſſer: beydes aͤnderte ſeine Farbe nicht: ein Zeichen, daß das Waſſer keine Saͤure enthaͤlt. Bleyzucker brachte im Waſſer keine weitere Ver - aͤnderung hervor, als daß es daſſelbe milchweißlich faͤrbte, und vom Chinapulver wurde es etwas braun. Im Gan - zen quillt das Waſſer ohne Abaͤnderung immer gleich ſtark; des Sommers ſoll es gleichwohl heißer ſeyn. Man kann weißes leinenes Zeug darin waſchen, ohne daß es ſich faͤrbt, und im Bade ſelbſt kann man Fleiſch kochen,150Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. ohne daß es unſchmackhaft wird oder einen uͤbeln Neben - geſchmack bekommt; alles Zeichen, daß das Waſſer ſehr rein iſt. In einiger Entfernung von den Quellen ſam - melt ſich das Waſſer waͤhrend des Herabfließens in ver - ſchiednen theils kleinen, theils großen Loͤchern oder Gru - ben, wo hinein man ſich ſetzen kann, um dieſes Bad zu benutzen. Ueber einige derſelben ſind zur Bequemlichkeit der Brunnengaͤſte kleine Huͤtten gebauet, und zu dieſen kann man aus einem vom Gebirge herunterfließenden Bache nach Belieben kaltes Waſſer leiten. Man wagt immer zu viel, wenn man ſich ohne Geſellſchaft in dies Bad begiebt. Denn die Hitze des Waſſers treibt das Gebluͤt aus dem Koͤrper nach außen, und die Adern im untern Theile deſſelben, ſo weit er im Waſſer iſt, wer - den ſo ausgedehnt, daß ſich das Gebluͤt zu ſehr vom Kopfe wegzieht, und man Gefahr laͤuft, binnen einer Viertel - ſtunde in Ohnmacht zu fallen. Manchmahl bekommt man ſogar Uebelkeit und Erbrechen davon. Unter den Kranken, die jetzt hier waren, um das Bad zu ge - brauchen, waren beſonders zwey ſehr bedauernswuͤrdig. Der eine war ein Landmann, der eine ſchlimme Wunde im Unterleibe hatte, welche von dem heftigen Stoße eines wuͤthenden Ochſen herruͤhrte: er konnte nicht das min - deſte, außer etwas weniges vom Brunnenwaſſer, genießen, weil das Erbrechen bey ihm beſtaͤndig fortwaͤhrte. Der andre war ein Sklave, welcher auf der rechten Schulter ein ſehr großes Fleiſch-Gewaͤchs hatte, wodurch der Arm nach vorn aus dem Gelenke getrieben war, und welches von einem ſchweren Falle auf das Schulterblatt herkam.

Sowohl hier als auch beſonders in den Sandeb - nen waͤchſt die eßbare Zaſerblume (Meſembryanthemum edule) in großem Ueberfluß. Man nennt ſie hier die Hottentotten-Feige, weil die Frucht, wenn ſie reif und ge -151Reiſe von Rotheſandnach Zwellendam. ſchaͤlt iſt, einen ziemlich guten Geſchmack hat. Sie hat mancherley Blumen, rothe, fleiſchfarbne, gelbe und weiße.

Den 9. October reiſeten wir uͤber die Moritzhoͤhenach Koree. Dieſer Berg beſteht zum Theil aus Schie - fer (Schiſtus ſcriptura candida) in duͤnnen Blaͤttern, der aber ſehr broͤckig iſt, und zu Rechentafeln gar nicht taugt. In den Ritzen des Berges halten ſich viel hier ſogenannte Dachſe (Daſſen), oder eigentlich Capſche Kavia (Cavia capenſis) auf, wovon man hier glaubt, daß ſie eine monathliche Reinigung haben. Von dieſer Hoͤhe konnten wir auch das Karroland( Carro-Veld) ſehen, welches ſehr duͤrr, mager und ganz ohne Gras iſt, und nur eine Menge ſaftreicher Gewaͤchſe und Straͤu - che hervorbringt. Die zur Rechten liegenden Sandberge haben oben an den Seiten weißen Sand, der ſehr tief liegt, und vom Winde umhergetrieben wird.

Wo wir jetzt waren, ſtand die zweyſtachlige Ar - duine (Arduina biſpinoſa), ein ſehr ſtachliger Buſch, voll reifer Beeren; die Hottentotten eſſen dieſe Beeren. Das Doppelblatt (Zygophyllum Morgſana), ein ſchoͤ - ner Strauch, ſchmuͤckte jetzt mit ſeinen Blumen die Ber - ge; man bedient ſich ſeiner haͤufig zu Lauben. Die Aegyptiſche Sinnpflanze (Mimoſa nilotica) waͤchſt hier ebenfalls in Menge. Die Boͤcke freſſen die Blaͤtter der - ſelben, und bekommen dabey oft die Stacheln in die Fuͤße, ohne daß es ihnen jedoch ſchadet. Wenn dieſer Buſch abgehauen wird, faͤllt er manchmahl den Leuten auf den Leib, und die Stacheln dringen alsdann tief hinein, bre - chen auch wohl ab und bleiben feſt ſitzen.

Da in dieſem Bezirke die Hoͤfe nahe bey einander liegen, bezeichnet man hier die Schafe, beſonders durch Einſchnitte in die Ohren. Wenn es lange regnet, wer - den die Schafe ſteif und manche ſterben. Sie bekom. 152Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. men auch wohl die Waſſerſucht, welche der Bauer damit curirt, daß er ihnen Loͤcher in den Bauch ſticht, und das Waſſer abzapft. Auf einigen Hoͤfen ſchiert man die Schafe bisweilen, aber die Wolle gebraucht man ſelten; oft giebt man den Sklaven die Schaffelle ungeſchoren. Ich hatte hier auch Gelegenheit, an den Laͤmmern eben dieſelbe Operation im großen verrichten zu ſehen, die ich vorher mit einer Menge Ochſen vornehmen ſah. Der Landmann verſchneidet ſie ſelbſt, und zwar mit einem klei - nen Meſſer, womit der Hodenſack aufgeſchnitten wird. Wenn dies geſchehen iſt, werden beyde Teſtikel nach ein - ander herausgezogen, und mit vieler Behendigkeit ab - geloͤſet.

In einem Fluſſe, der eine kleine Ausbucht, und in derſelben ein tiefes Loch hat, ſah ich, wie die Na - tur im kleinen einen Waſſerwirbel oder ſogenannten Mael - ſtrom bildet. Ueber dem Loche floß Schaum und Unrei - nigkeit, dem Laufe des Bachs gerade entgegen, im Kreiſe herum, und wurde im Mittelpuncte des Wirbels nach der Tiefe hinabgezogen.

Zu Koreemußten wir wegen des hohen Waſſers in den Fluͤſſen uns einige Tage aufhalten, worauf wir uͤber den Koreefluß, den wir zweymahl paſſirten, und hernach uͤber den Sandfluß (Zand-Rivier), welcher oft aus - trocknet, bis nach dem Rohrbrunnen( Riet-Fonteyn) unſre Reiſe fortſetzten. Von hier gingen wir weiter uͤber Klas Voigts Fluß( Claes-Vogts-Rivier) nach einem Hofe, deſſen dermahliger Eigenthuͤmer le Rouxhieß. Unterwegs ſah ich die Capſche Miſtel (Viſcus capenſis), ein paraſitiſches Gewaͤchs, mit ihren Beeren, welche die Voͤgel gern eſſen, allenthalben an den Zweigen der Baͤu - me, beſonders des Sumachs (Rhus) ſich hinaufſchlin - gen und ausbreiten.

153Reiſe von Rotheſandnach Zwellendam.

Den 15. October reiſeten wir GertsHof vor - bey; uͤber einen ſehr tiefen Fluß zu Philipp Botaund von da DroſkisHof vorbey zu Jakob Bota. Hier zeigte man mir ein aus dem Gebirge aufgenommnes Stuͤck Katzen - ſilber oder Katzenglimmer (Mica argentea), das mit durchſichtigem und unordentlich kryſtalliſirtem Kalkſpath vermiſcht war. Auch ſah ich Bergpech (Bitumen), das der Landmann in dieſen Gegenden Dachſenharn (Daſſen - Piſs) nennt, weil er glaubt, es ſey verdickter Urin von den großen Bergratzen oder Capſchen Kavia (Cavia ca - penſis), die man hier findet. Man erzaͤhlte, es werde in den Ritzen des Berges haͤufig angetroffen, beſonders bey einem hervorſpringenden großen Kranze (groote Krants). Dies Bergpech war ſehr unrein, unter dem Landvolke aber als ein ſehr gutes Heilmittel bey Arm - und Bein - bruͤchen bekannt. Die Buͤſche vom herzblaͤttrichten Gaͤgel (Myrica cordifolia), deſſen Beeren mit einem Fette, das dem Wachſe aͤhnlich iſt, umzogen ſind, legt man hier in große Kochtoͤpfe mit ſiedendem Waſſer, um das Fett zu ſchmelzen und hernach abzuſchaͤumen. Es ſieht wie graues unreines Wachs aus, iſt haͤrter als Talg, und etwas loſer als Wachs. Die Bauern gießen Lich - ter davon; die Hottentotten aber eſſen es wie ein Stuͤck Brot, bald allein, bald zu Fleiſch.

Weiter ging unſre Reiſe den Bruyntjesfluß( Bruynt - jes-Rivier), und den Loͤwenfluß( Leeuwen-Rivier) vorbey nach dem Keurebaumsfluſſe( Keure-Booms-Ri - vier), der ſeinen Nahmen von der in dieſer Gegend haͤu - fig wachſenden Capſchen Sophore (Sophora capenſis), hat. Die Wurzel der wellenfoͤrmigen Aeſkulapie (Aſcle - pia undulata) gebraucht man hier infundirt gegen die Kolik. Auch bedient man ſich der ſcharfen Beeren der Capſchen Fagare (Fagara capenſis) gegen dieſe Krank -154Dritte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. heit. Das Gyps-Kryſtall, welches in den Bergen des ſuͤdlichen Afrikagefunden werden ſoll, ſtreuet man, zu Pulver geſtoßen, in Wunden, um dieſelben zu rei - nigen.

Vom Keureboomsfluſſereiſeten wir durch den Pußpaßflußund das Pußpaßthal( Pus-Pas-Valley) nach Zwellendam.

Zu Zwellendamkamen wir den 18. October an. Hier reſidirt einer von den Land-Droſten der Compagnie, welcher die Aufſicht uͤber das ganze tiefer hinein liegende Land hat, und deſſen Amt gewiſſermaßen mit dem Amte eines Landes Hauptmanns uͤbereinkommt. Der damahli - ge Land-Droſt war Herr Menz. Wir wurden von ihm zu Mittage wohl bewirthet.

Vierter Abſchnitt. Reiſe von Zwellendambis in die Naͤhe des Ataquathals.

Von Zwellendamſetzten wir die Reiſe uͤber den breiten Buͤffeljagdfluß( Buffeljagts-Rivier) fort und kamen nach einem der Compagnie gehoͤrigen Platze, Nahmens Rohrthal( Riet-Valley). Hier verweilten wir einige Tage, um unſre bisher gemachten Sammlungen in gehoͤ - rige Ordnung zu bringen, und unſer erbaͤrmliches, von den ſteinigen und gebirgigen Wegen ganz zerbrochnes und zerſtoßnes Fuhrwerk auszubeſſern. Fuͤrwahr unſer Kar - ren war ſo klein, ſo gebrechlich und ſo alt, daß vielleicht niemand, weder vor noch nach uns ſich wird ruͤhmen koͤnnen, mit einem aͤhnlichen Fuhrwerke eine ſo lange und gefaͤhrliche Reiſe tief in dieſes gebirgige Land gemacht zu haben.

155Reiſe von Zwellendamnach dem Ataquathale.

In dieſer Gegend fangen die Ebenen an etwas grasreicher zu werden, und einigermaßen das Anſehen von Aengern und Wieſen zu gewinnen. Die Berge, welche uns von Rotheſandher begleitet hatten, fangen an ſich in Huͤgeln und großen Abſaͤtzen zu ſchließen. In eben dieſem Verhaͤltniſſe fangen auch die Viehheerden an hier groͤßer und allgemeiner zu werden; dagegen werden Weinberge und Saatfelder ſeltner, wiewohl ſie ſich noch nicht verlieren. Unter dem Vieh graſſiren hier oft an - ſteckende Seuchen, auch wird das Vieh nicht ſelten vom hitzigen Fieber, das man Brandkrankheit (Brand-Ziekte) nennt, befallen. Dieſe Krankheit greift zuerſt Lunge und Leber, hernach den uͤbrigen Koͤrper an, und das Fleiſch wird davon ſo los, daß die Faſern gar nicht an einander hangen.

Nicht weit von dieſem Hofe, welcher die Compa - gnie hauptſaͤchlich mit allerley Arten großer Baͤume zu Bauholz verſorget, liegt in einem ziemlich großen Thale ein betraͤchtlicher Wald, der den Nahmen Großvaters - wald (Groot-Vaaders-Boſch) fuͤhrt. Zu dieſem Wal - de ſtellten wir eine kleine Nebenreiſe an, um die Afrikaeignen Baumarten kennen zu lernen. Wir kamen, den Bauerhof Rohrkuhle( Riet-Kuyl) vorbey, nach dem Taubeneckfluſſe( Duywen-Hoeks-Rivier). Hier bil - det der Berg eine ſehr tiefe Kluft, die deswegen die Hoͤlle( de Helle) heißt. Der Wald iſt ſehr hoch und dicht; die Baͤume hatten aber jetzt zu unſerm Leidwe - ſen weder Bluͤthe noch Frucht, daher wir unſre Neu - gier nicht befriedigen konnten. Einiger will ich indeſſen doch mit ein Paar Worten erwaͤhnen. Das Kamaſchen - holz (Camaſſie-Hout) iſt eine ſehr feine Art Holz, und wird zu Leiſten an Schraͤnken und andern Meublen ge - braucht. Das Stinkholz (Stink-Hout) hat mit156Dritte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. dem Wallnußholze Aehnlichkeit: es iſt ein großer Baum und man macht Schreibtiſche und Schraͤnke daraus. Die gelbe Stechpalme (Ilex crocea, Hollaͤndiſch Gelb - holz, Geel-Hout) iſt ſehr dick, und hellgelb, bald dunkler, bald heller; der Baum iſt groß und wird zu Ti - ſchen gebraucht. Den Capſchen Pfeffer (Piper ca - penſe), welchen man in dieſem Walde in Menge an - trifft, nennt der Landmann Steißpfeffer (Staart-Peper) und gebraucht ihn wie Gewuͤrz. Uebrigens zeigte man mir ein Stuͤck Bergkryſtall, von der Laͤnge des klei - nen Fingers, das man hier gefunden hatte; es war an beyden Enden ſpitz.

Nicht weit von dieſem Hofe haben einige Hotten - totten ihren Wohnplatz. Man bedient ſich ihrer bis - weilen zum Dienſte der Compagnie und des Hofes. Auf Branntewein und Tobak ſind dieſe Leute ganz raſend er - picht; und in Unreinlichkeit und Geſtank ſcheinen ſie ihr ganzes Vergnuͤgen zu ſetzen. Sie beſchmieren den ganzen Koͤrper mit Fett, und pudern ihn hernach mit Pulver von Bucku, oder Dioſma (Dioſma). Wir beſuchten ſie, und um uns als Fremden zu gefallen, hatten ſie ſich uͤberdem mit rothen und ſchwarzen Streifen bemahlt. Die Weibsleute trugen vorn am Unterleibe ein dreyeckiges Stuͤck Fell, und die Mannsperſonen einen Beutel, um die Geſchlechtstheile zu verbergen. Sowohl um den Hals und die Arme, als um den Leib waren ſie mit Korallen - oder Perlſchnuͤren geziert, die in verſchiednen Umgaͤn - gen umgewunden waren, und aus blauen, weißen, ro - then und bunten Glasperlen oder glaͤſernen Korallen be - ſtanden. Einige trugen auch eiſerne, meſſingene oder lederne Ringe um die Gelenke der Arme. Ein Schaffell um die Lenden und ein anderes uͤber den Ruͤcken machte ihre ganze Kleidung aus. Die Pfeife fuͤhrten ſie be -157Reiſe von Zwellendamnach dem Ataquathale. ſtaͤndig im Munde. Dieſe Leute leben uͤbrigens von ih - rem Vieh und von allerhand Zwiebeln und Wurzeln, die ſie auf dem Felde aufzuſuchen und auszugraben wiſſen.

Von den Sitten der hieſigen Bauern merke ich noch an, daß ſie die Zeit allezeit nach dem Laufe der Sonne beſtimmen und eintheilen.

Auf dem Hofe der Compagnie ließen wir unſern Karren ſtehen, und bekamen an deſſen Statt einen gro - ßen mit Segeltuch uͤberzognen Wagen, nebſt zehn fri - ſchen Ochſen, zu bequemerer Fortſetzung unſrer Reiſe nach der Kuͤſte der Kaffern. Mit dieſem verbeſſerten Fuhrwerke reiſeten wir denn auch weiter uͤber den Krakus - flußund den Krakusberg( Kraakous-Hoogte), fer - ner uͤber den Fettfluß( Vet-Rivier) und verſchiedne Hoͤfe vorbey. In dieſen Gegenden waͤchſt haͤufiger, als ich je anderswo bemerkt habe, der Aloebaum oder die durchſtochne Aloe (Aloe perfoliata), aus deſſen Blaͤt - tern das Aloeharz hervorquillt. Die Schafe freſſen hier verſchiedne giftige Gewaͤchſe, als den glaͤnzenden Sumach (Rhus lucidum), den Afrikaniſchen Bocksdorn (Lycium afrum) und dergleichen.

Den 25. October beſuchten wir Martin Lagransam Palmitfluſſe( Palmit-Rivier), einen Bauer, der ſo viele Huͤhner hatte, daß er alle Tage hundert Eyer be - kam. Von hier gingen wir uͤber den Suͤßmilchsfluß( Zoete-Melk-Rivier), das ſchwarze Thal( Svarte Valley) vorbey, zu einem am falſchen Fluſſe( Vals - Rivier) belegenen Hofe Nahmens Wohlzufrieden( Wel - te-Vreede). Dicht am ſchwarzen Thalezur Linken ſahen wir ſehr deutlich, daß die Bergklippen eiſenhaltig waren.

Auf unſrer fernern Reiſe ritten wir das große Thal( Groote Valley) vorbey, und durch den breiten Gold - fluß( Gouds-Rivier), bis wir zu Daniel Pinardka -158Dritte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. men. Hier bemerkte ich eine artige Methode, wie die Bauern ihre Huͤhnerhaͤuſer von Ungeziefer rein halten. Die Huͤhnerhaͤuſer werden bloß von Lehmerde gebauet, beynahe wie große Backoͤfen; und wenn ſie mit Ungezie - fer angeſteckt ſind, legt man nur etwas Stroh hinein, und zuͤndet es an; ſobald dies ausgebrannt iſt, ſind ſie rein.

Hernach kamen wir eine große Klippe vorbey, die von den vielen daſelbſt ſich aufhaltenden Bienen den Nah - men Honigklippe( Heuning-Klip) bekommen hat. Von da kamen wir zu einem nahe beym Artaquasthale( Arta - quas-Kloof) belegenen Hofe. Die Honigklippegiebt in der Ferne ein merkwuͤrdiges Echo, das verſchiedne Sylben wiederhohlt, und deswegen hier zu Lande ſehr beruͤhmt iſt.

In dieſen Gegenden bedient man ſich des Oehlbaum - holzes (Olive-Hout, Olea capenſis), um Stuͤhle dar - aus zu machen; es iſt weiß und ſehr ſchwer. Man ſaͤet hier zwar nicht viel Weitzen; die Erde iſt aber ſo fruchtbar, und die Wurzel des duͤnn geſaͤeten Getreides vervielfaͤltigt ſich in ſo viele Zweige, daß jedes Korn mehr als eine Aehre hervorbringt. Nicht ſelten zaͤhlt man zwanzig, ja wohl gar gegen achtzig Aehren. Ich hielt dies, als man es mir erzaͤhlte, fuͤr unglaublich, und nahm mir daher vor, die Aehren und Wurzeln auf dem Acker ſelbſt zu zaͤhlen, und die Sache dadurch genauer zu unterſuchen. Da fand ich nun, daß aus der Wurzel eines einzigen Weitzenkorns ſehr oft verſchiedne Halme und Aehren emporgewachſen waren, wiewohl ich die Anzahl nicht hoͤher als ein und vierzig antraf. Die Brand - blaͤtter, oder Blaſen ziehende Atragene (Atragene veſica - toria) vertreten hier und in verſchiednen andern Gegen - den bey dem Landmanne die Stelle der Spaniſchen Fliegen. Zerſtoßen und aufgelegt ziehen ſie auch in Zeit von einer halben Stunde eine große Blaſe, die ſich lange offen er -159Reiſe von Zwellendamnach dem Ataquathale. haͤlt. Die Wurzel wird auch in Scheiben zerſchnitten und aufgelegt, und zieht alsdann ſo ſtark, daß, wenn ſie nur eine Nacht aufliegt, die Wunde einen ganzen Mo - nath offen bleibt. Das Kraut ſelbſt waͤchſt meiſtentheils am Abhange der Berge, und wird auch gegen Rheuma - tiſmen und Gliederſchmerzen gebraucht.

Diejenigen Hottentotten, welche wir bisher auf unſrer Reiſe angetroffen hatten, waren in den Haͤuſern der Europaͤer, oder doch in der Nachbarſchaft der Hoͤfe der Koloniſten erzogen, alſo nicht voͤllig in ihrem natuͤrlichen oder Hottentottiſchen Zuſtande. Die, welche wir jetzt, beſonders aber die, welche wir hernach beſuchten, wohn - ten groͤßtentheils in weiterer Entfernung von den Euro - paͤern und von ihnen getrennt, hatten zum Theil eigne Doͤrfer und eigne Wirthſchaft, und zeigten ſich mehr und mehr in demjenigen Zuſtande, worin ſie von Natur waren, und wir ſie naͤher kennen zu lernen ſuchten. Vor hundert Jahren war es viel leichter, die eigenthuͤm - liche Lebensart und Sitten dieſes Volks zu erforſchen und ſich gehoͤrige Kenntniß davon zu verſchaffen, da ſie dem Capnaͤher wohnten, zahlreicher waren, und in ihrer Frey - heit lebten. Jetzt iſt der Weg zu der Gegend ihres Auf - enthalts ſehr weit, ihre buͤrgerlichen Geſellſchaften klein, ihre Sitten und Lebensart ſehr veraͤndert, und die ganze Na - tion in einem gezwungenen und eingeſchraͤnkten Zuſtande. Diejenigen, welche ſich bey den Koloniſten in Dienſt vermiethet haben, koͤnnen zum Theil ziemlich gut Hollaͤn - diſch ſprechen. Als die Bauern zu allererſt ſich in dieſen Bezirken niederließen, fanden ſie die Hottentotten ſehr bange vor Pulver und Schießgewehr, und hoͤrten ſie ſagen, ſie koͤnnten nicht begreifen, wie es mit den Pfeilen der Europaͤer (Pfeile nannten ſie die Kugeln), welche ſie nach dem Schuſſe in der Fahrt nicht ſehen, und mit ihren160Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Schrauben, die man nicht wie einen Nagel einſtecken koͤnnte, beſchaffen ſey.

Man ſprach hier viel von einem Hottentotten, der vor einigen Jahren geſtorben war. Dieſer Kerl war von einem wilden Buͤffelochſen geſtoßen, und hatte dadurch den ganzen untern Kinnbacken verlohren. Demungeach - tet lebte er noch zwoͤlf bis dreyzehn Jahre nach dieſem un - gluͤcklichen Vorfalle. Reden konnte er nicht. Das Eſ - ſen zermalmte er zwiſchen zwey Steinen, die bey den Hot - tentotten die Stelle des Moͤrſers zu vertreten pflegen, und ſtopfte es hernach mit den Fingern in den Schlund. Tobak konnte er auch rauchen, wenn er die Hand vorhielt. Endlich erſchoß er noch denſelben Buͤffel, der ihn ſo be - ſchaͤdigt hatte.

Seit unſrer Abreiſe von Rotheſandbis hieher, hat - ten wir unſern Weg beſtaͤndig Suͤd-Oeſtlich genommen. Das Land, wodurch wir reiſeten, war zu beyden Seiten von Bergen umgeben, von denen die zur Rechten liegen - de Reihe nunmehr zu Ende war, ohne ganz nach der Kuͤſte des Meeres hinzureichen. Die andre Gebirgskette aber, welche wir zur linken Hand hatten, erſtreckte ſich noch weiter, und wir ſahen uns daher genoͤthigt, hinuͤber zu reiſen, wenn wir tiefer ins Land hinein wollten Ei - ne ſolche Paſſage uͤber dies Gebirge geht durch das Atta - quasthal (Attaquas-Kloof), welches ſo lang iſt, daß die Durchfahrt beynahe einen ganzen Tag waͤhrt.

Fuͤnfter Abſchnitt. Reiſe vom Ataquathaledurchs Houtniqualand.

Den 29. October beſchloſſen wir, mit Herrn Immel - mannunſern Wagen durch das Attaquasthal gehen zulaſſen,161Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. laſſen, ſelbſt aber zu Pferde einen Umweg durch das grasrei - che und auch mit Wald ſtark bewachſene Houtniquasland, welches zur Rechten liegt, und ſich voͤllig bis an die See er - ſtreckt, zu machen, und hernach an einem andern Orte uͤber das Gebirge zu gehen, und unſerm Wagen im langen Thale( Lange-Kloof) entgegen zu kommen. Wir rit - ten daher dengroßenund kleinen Salzfluß(kleyneen groore Brak Rivier) vorbey nach Salzquell( Zout - Fonteyn), einem dem Koloniſten Viviergehoͤrigen Hofe; von da weiter durch ein Thal, wo viele Waldung war, und eine Kolonie vorbey, wo wir keine andre Leute, als Hottentotten, die der Viehheerden warteten, antrafen, nach Kleinbrunn( Kleyn-Fonteyn) am Wittelsfluſſe( Wittels-Rivier). An den folgenden Tagen ſetzten wir die Reiſe weiter fort, kamen einige Kolonien vorbey, und langten endlich auf Georg Bota’sHofe, Sandvliet( Zand Vliet), am Kehrumfluſſe( Keerom-Rivier) an, wo wir uns eine kurze Zeit aufhielten.

In dieſem ganzen ſuͤdlichen Theile von Afrikafindet man zwar eigentlich gar keine Wege; die Straße aber, welche die Reiſenden in den dem Capnaͤher liegenden Ge - genden gewoͤhnlich zu reiſen pflegen, iſt doch einigermaßen gebahnet. Allein tiefer im Lande ſieht man oft nicht die geringſte Spur eines Weges. Daher kann es in den entweder ſehr weitlaͤuftigen oder ſtark mit Gebuͤſch be - wachſenen Ebenen ſich ſehr leicht zutragen, daß man ſich verirret. Aus dieſer Urſache muß ein Reiſender die Zei - chen, welche man alsdann hat, um wieder zurecht zu kommen, genau wiſſen und in Acht nehmen. Dieſe be - ſtehen darin, daß man genau zuſieht, ob man auf dem Boden Schafdreck liegen findet, welches eine Anzeige zu ſeyn pflegt, daß in der Nachbarſchaft irgend ein Hof be - findlich iſt; ob man irgend eine Heerde Vieh weiden ſieht; ThunbergsReiſe. Erſter Theil. L162Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. ob man Ackerland gewahr werden kann, und derglei - chen mehr.

Das Land iſt in dieſen Gegenden allenthalben ſehr mit Huͤgeln und kleinen Bergen beſaͤet, und beſteht faſt aus nichts anderm, als flachen, grasreichen Ebenen, klei - nen Huͤgeln und waldigen, waſſerreichen Thaͤlern. In den Waͤldern ſtehen große und hohe Baͤume, die aber großentheils krumm und uͤbel gewachſen, auch, wie in den nordlichen Laͤndern, mit Moos bedeckt ſind. An ver - ſchiednen Orten ſah ich hier Land, das abgeſenget war, und welches man mit demjenigen vergleichen kann, das man in Schwedenhat, wo man es Suedje-Land nennt. Es iſt indeſſen von dieſem letztern ſehr unterſchieden, denn in Schwedenbrennt man Holz oder Gebuͤſche ab, um den Platz mit der Aſche zu duͤngen, ihn umzupfluͤgen und zu beſaͤen. Hier aber hat es damit folgende Bewandniß. Verſchiedne Ebenen haben hier ſehr hohes Gras, welches fuͤr die Kuͤhe zu ſtrenge und beynahe ganz unbrauchbar iſt, und hindert, daß friſches und gruͤnes Gras nicht aufkom - men kann, außerdem aber eine Menge Schlangen und Raubthiere beherbergt. Ein ſolches Stuͤck Land wird daher in Brand geſteckt, damit aus den Wurzeln wieder junges Gras hervorſprießen kann. Sind ſolche Plaͤtze hie und da mit Buͤſchen bewachſen, ſo werden dieſe ganz ſchwarz gebrannt, und bleiben nachher lange Zeit, wie mit Ruß uͤberzogen, ſtehen, zum großen Verdruſſe fuͤr die Reiſenden, welche da hindurch muͤſſen.

Unterwegs fand ich eine gelbe, aber nicht giftige Schlange, von der Laͤnge einer Viertelelle: ſie lag am Wege unter Steinen. Auch ſah ich in dieſen Gegenden viele Straußeyer. Man erzaͤhlte mir, daß man manch - mahl einen Stein in einem ſolchen Eye finde, den man einfaſſe und zu Knoͤpfen gebrauche.

163Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand.

Die Hottentotten um den Kehrumflußbedienen ſich, welches ich bey dieſem Volke nicht uͤberall angetrof - fen habe, eines ledernen Sacks, der mit einem Riemen uͤber die Schultern gehaͤngt wird, und bis auf die Lenden herabhaͤngt. Unten iſt er mit herunterhangenden Rie - men, wie mit Troddeln geziert, worin Schneckenhaͤuſer feſt gebunden ſind, die, wenn der Hottentotte geht oder ſich ſonſt bewegt, klappern. Sie bedienen ſich dieſes Sacks, um verſchiedne Sachen hineinzuſtecken und zu verwahren, ungefaͤhr wie wir unſre Taſchen gebrauchen. Das Weibsvolk ſchmuͤckt ſich mit Schneckenhaͤuſern, wo - mit es nicht nur die Muͤtzen beſetzt, ſondern die es auch in Geſtalt von Armbaͤndern um die Gelenke der Haͤnde traͤgt. Es ſind gewoͤhnlich Schwimmſchnecken (Nerita hiſtrio) und Porzellanen (Cypraea moneta). Die Muͤtze ſelbſt hat kein rundes Mittelſtuͤck, ſondern beſteht bloß aus einem zuſammengenaͤheten Streife von Buͤffels - haut, der einer Hand breit, und mit jenen Schnecken - haͤuſern, bald mehr, bald weniger, je nachdem ſie es haben koͤnnen, reihenweiſe verziert iſt. Die Weibsper - ſonen in andern Gegenden tragen auf dem Kopfe eine kegelfoͤrmige geſtreifte Muͤtze, die aus verſchiednen ſchwar - zen, weißen und braunen Striemen von Lammfell zuſam - mengenaͤhet iſt. Bisweilen ſind auch dieſe Muͤtzen mit Glaskorallen geſchmuͤckt, die in verſchiednen Figuren auf - genaͤhet ſind, oder auch wohl wie Perlenſchnuͤre vorwaͤrts heruͤber hangen. Um die Arme und Beine haben ſie durchgaͤngig Ringe von Rinderhaut, deren Verfertigung ich hier zu ſehen Gelegenheit hatte. Die aus der Rin - derhaut ausgeſchnittnen platten Streifen werden ſo lan - ge geklopft, bis ſie voͤllig rund werden, und die beyden Enden hangen ſo nett zuſammen, daß man die Stelle, wo ſie an einander gefugt ſind, nicht bemerken kann. L 2164Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Die auf dieſe Art entſtandnen Ringe werden hernach uͤber den Fuß gezwaͤngt, und die Hottentotten, beſonders die Weibsleute, gebrauchen ſie in Menge, ſo daß manch - mahl das halbe Bein und noch wohl mehr damit bedeckt iſt. Verſchiednemahle ſah ich ſie auch dieſe Ringe wa - ſchen und hernach ſchmieren. Aus der Rinde der Wollblume (Anthyllis), wiſſen die Hottentotten ſich Taue und Stricke zu machen, womit ſie ſich, wie auf einer Leiter, die Baͤume hinauf helfen, wenn ſie Honig heraushohlen wollen. Sie ziehen alsdann zuerſt um den Stamm eine Schlinge, ſetzen einen Fuß hinein, ziehen darauf wieder eine Schlinge um den Stamm und zwar weiter oben, und treten hinein, machen ſodann die un - tere Schlinge los, und legen ſie wieder oben an, womit ſie ſo lange fortfahren, bis ſie ſo hoch ſind, als ſie wol - len. Bisweilen hat es ſich in der Gegend, wo ich jetzt war, zugetragen, daß ein Europaͤer eine Hottentot - tin geheirathet hat, die alsdann getauft iſt. Noch oͤfter aber iſt der Fall eingetreten, daß ein Koloniſt ohne ordent - liche Ehe mehrere Kinder mit einer Hottentottiſchen Bey - ſchlaͤferin gezeuget hat. Die Kinder ſind hernach ge - tauft, wenn ſie verſchiedne Jahre alt waren.

Auf unſrer jetzigen Reiſe wurden wir faſt taͤglich von haͤufigen und ſtarken Regenſchauern, die nicht ſelten mit Donner und Blitz vergeſellſchaftet waren, durchnetzt. Da am Capum dieſe Jahrszeit immer gutes Wetter iſt, ſo ſieht es aus, als wenn der Winter und die Regenzeit hier noch gar nicht Abſchied nehmen wollen. Der Regen war uns um ſo viel laͤſtiger, da wir theils nicht Gelegen - heit hatten, unter Dach zu kommen, und die Sonne zwiſchen den Regenſchauern nicht ſo lange ſchien, daß ſie unſre naſſen Kleider trocknen konnte; theils auch der Erd - boden, beſonders an den Bergen, ſo naß und ſchluͤpfrig165Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. war, daß die Pferde, welche hier zu Lande niemahls be - ſchlagen werden, beſtaͤndig ausglitſchten oder ſtolperten, und wir an mehr als einer Stelle viel Gefahr liefen, Ar - me und Beine zu zerbrechen. Inſonderheit ſtanden wir den 2. November anhaltende Regenguͤſſe aus, als wir den Quaimannsfluß( Quaimanns-Drift) paſſirten, ei - nen Fluß, welcher, wie verſchiedne andre dem Meere be - nachbarte Fluͤſſe in dieſer Gegend, die merkwuͤrdige Ei - genſchaft hat, daß er durch die Ebbe und Fluth faͤllt und ſteigt; und endlich durch verſchiedne mit Holz bewachſne Thaͤler und Fluͤſſe nach Magermannskraal, einem Viehhofe oder Kolonie, die Friedrich Seelegehoͤrt, kamen. Muͤder, naſſer und aͤrger zugerichtet konnten wir wohl nicht leicht irgendwo anlangen als hier, und ſchlechter konnten wir auch wohl nicht leicht beherberget werden, als auf dieſem Bauerhofe. Europaͤer wohnten hier gar nicht, ſondern ei - ne ſchwarze Sklavin war im Nahmen der Leute, welchen der Platz gehoͤrte, Wirthin im Hauſe, und hatte die Aufſicht uͤber eine große Heerde Kuͤhe, und uͤber die Hottentotten, welche Hirten dabey waren. Das Haus war eine laͤnglich viereckige Huͤtte, aus hoͤlzernen Balken errichtet und uͤberall mit Lehm bekleibt. In dieſer Kathe mußte ich mit meiner Geſellſchaft und einer großen Anzahl Hottentotten die Nacht zubringen, und wir waren doch noch froh, daß wir gegen Regen, ſtarken Wind und Kaͤlte ein Obdach hatten.

Weil wir in den vorhergehenden Tagen, ſeit un - ſrer Trennung vom Wagen, verſchiedne Kraͤuter und an - dre Merkwuͤrdigkeiten geſammelt hatten, und daher nicht mehr alles auf unſern Pferden mitnehmen konnten, wa - ren wir ſchon auf dem vorigen Bauerhofe genoͤthigt gewe - ſen, drey Trag - oder Packochſen zu nehmen, die unſre Bagage tragen mußten, und dazu drey Hottentotten, um dieſelben zu fuͤhren. Packochſen werden in dieſen Gegen -166Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. den, ſo wie auch anderwaͤrts, haͤufig gebraucht. Von den Hottentotten werden ſie zu dieſem Ende zahm gemacht und abgerichtet. Sie ſtecken ihnen hernach durch den Naſenknorpel einen hoͤlzernen Pflock, an deſſen beyde Enden ein Riemen gebunden wird, der die Stelle des Zaums vertritt, und an welchem der Ochſe mit Sicher - heit gefuͤhrt wird.

Bey dieſer Gelegenheit konnte ich wieder manches von den Gewohnheiten der Hottentotten bemerken. Auf Reiſen fuͤhren dieſe Leute allezeit ein oder zwey Wurfſpie - ße, oder Haſſagai, mit ſich. Dieſe beſtehen aus einer eiſernen Spitze oder Lanze, die auf jeder Seite halb aus - gehoͤhlt und eine Viertelelle lang iſt. Bisweilen hat dieſes ſpitze Gewehr auch einen eiſernen Stiel, bisweilen aber nicht. Dieſer Stiel iſt entweder rund und glatt, oder gereift. Dieſe Lanze binden ſie mit ledernen Rie - men an einem runden und duͤnnen Stabe von Haſſagai - holze (Curtiſia faginea) feſt, der gegen das Ende im - mer ſchmaͤler wird und eine Klafter lang iſt. Mit die - ſen Wurfſpießen, die ſie ganzer hundert Schritte weit ſehr behende zu werfen wiſſen, vertheidigen ſie ſich gegen ihre Feinde ſowohl als gegen wilde Thiere, und toͤdten auch damit Buͤffelochſen und anderes Wild. Anſtatt irdener Gefaͤße und Kalabaſſen hat Nachdenken und Ar - muth ſie gelehrt, die Schalen von Landſchildkroͤten zu ge - brauchen, welche ſich haͤufig in den Sandebenen zwi - ſchen den Buͤſchen aufhalten, beſonders die kleine und die ſogenannte geometriſche Schildkroͤte (teſtudo minuta, und geometrica). Hin und wieder findet man große ausgehoͤhlte Gruben, wie Wolfsgruben, welche die Hottentotten gut zudecken und Buͤffelochſen und Raubthiere darin fangen. Bey den hieſigen Hot - tentotten lernte ich auch eine artige Methode kennen, oh -167Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. ne Backofen in Geſchwindigkeit Brot zu backen. Sie kneten das Mehl auf gewoͤhnliche Art mit Waſſer, bis ein foͤrmlicher Teig daraus wird. Darauf machen ſie daraus einen dicken Kuchen, den ſie in heiße Aſche legen und auch mit heißer Aſche bedecken. Von der Hitze wird dieſer Kuchen ſogleich durchgebacken; aber auch von der Aſche ſo verunreiniget, daß man genug zu ſchrapen hat, ehe man davon eſſen kann. Die Huͤtten der Hot - tentotten in dieſen Gegenden ſind rund und niedrig, und dabey mit Strohmatten bedeckt, ſo daß ſie wie Heuhau - fen ausſehen: vorn haben ſie eine kleine Oeffnung, ne - ben welcher das Feuer zu brennen pflegt. Vor dem Feuer ſitzen die Hottentotten allezeit niedergekauert, und die Weiber legen alsdann ihre viereckige Schamdecke unter ſich. Von dem vielen Schmieren und von der Hitze des Klima bekommen die Hottentottinnen ohne Ausnahme ſchlaffe und tief herunterhaͤngende Bruͤſte. Wenn ſie daher ihre Kinder auf dem Ruͤcken tragen, koͤnnen ſie ihnen ſehr bequem die Bruſt uͤber die Schul - ter zuwerfen. Nicht ſelten gleichen ihre Bruͤſte Kala - baſſen, ſowohl in Anſehung der Geſtalt als der Groͤße. Gar ungemein fiel mir gleichwohl ein Weib auf, das ſo lange Bruͤſte hatte, daß ſie bis auf die Schenkel herab - hingen: groͤßer habe ich ſie bey keinem Hottentottiſchen Weibsbilde geſehen.

Sobald der Morgen erſchien, machten wir uns reiſefertig, und ritten durch verſchiedne Fluͤſſe, als den Krakocku, Ao, Kukumaund Neiſena. Die Waͤlder, durch welche wir mußten, waren dicht und voll zackiger Buͤſche. Wege gingen gar nicht durch, außer Fußſtei - ge zum Gebrauch der Hottentotten, ſo daß wir die Haͤlf - te Weges zu Fuß gehen oder vielmehr kriechen, und un - ſre Pferde am Zuͤgel hinter uns her leiten mußten. Der168Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrtner Auge, welcher ehemahls mehr als eine Reiſe durch dieſe Gegenden gemacht hatte, war jetzt unſer Wegweiſer. Unſre Hottentotten mit den Zugochſen hat - ten wir zuruͤckgelaſſen. Gegen Mittag langten wir beym Kukumafluſſean. Wir ritten durch einen Arm deſſelben, um durch ein vor uns liegendes dichtes Gehoͤlz zu einem Viehhofe zu kommen, den wir auf einer An - hoͤhe jenſeits des Waldes liegen ſahen, und der Helgert Muͤllergehoͤrte. Auf dieſem Wege aber erlebten wir ein großes Ungluͤck.

Wir waren naͤmlich noch nicht tief ins Holz hin - ein geritten, als wir auf einen alten und dabey ſehr gro - ßen wilden Buͤffelochſen ſtießen, der auf einem Platze, welcher einige Ellen ins Gevierte frey von Gebuͤſche war, ganz allein lag. Er wurde nicht ſobald unſern Gaͤrtner, welcher voran ritt, gewahr, als er mit ſchrecklichem Ge - bruͤll auf ihn zuſtuͤrzte. Jener bog ſogleich zur Seite, und hinter einen dicken Baum, und kam daher mit ſei - nem Pferde dem Buͤffel einigermaßen aus den Augen. Dieſer fuhr darauf gerades Weges auf den Sergeanten los, welcher in der Mitte ritt, und gab mit ſeinen Hoͤr - nern dem einen ſeiner Pferde einen ſo gewaltigen Stoß in den Bauch, daß es augenblicklich auf den Ruͤcken fiel, die Beine in die Luft kehrte, und ihm das ganze Gedaͤr - me aus dem Leibe hing, in welchem Zuſtande es bey - nahe eine halbe Stunde lebte. Mittlerweile waren der Gaͤrtner und der Sergeant auf Baͤume geklettert, wo ſie ſicher zu ſeyn glaubten. Der Buͤffelochs nahm nach jenem erſten Anfalle ſeinen Weg dahin, woher wir ge - kommen waren. Unterwegs verfehlte er daher nicht, auch bey mir anzuſprechen. Ich kam ihm gerade entge - gen, und hatte in dem unbeſchreiblichen Gedraͤnge, wel - ches die Zweige der Baͤume und Buͤſche verurſachten,169Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. und vor dem Geraͤuſche, wenn ſie gegen den Sattel und das Gepaͤck ſchlugen, von dem was vorgefallen war, nicht das geringſte hoͤren oder ſehen koͤnnen. Dazu kam, daß ich wohl um eine Minute zuruͤckgeblieben war. Denn weil ich unterwegs oft Halt machte, um Kraͤuter zu pfluͤcken und in meinem Schnupftuche zu verwahren, war ich gern der Hinterſte in der Geſellſchaft, um die uͤbrigen nicht im Reiten zu hindern; und daher war ich nicht ſelten eine Strecke zuruͤck. Doch ich muß erſt noch etwas nachhohlen, ehe ich von mir erzaͤhle. Der Ser - geant hatte auf dieſer Reiſe zwey Pferde bey ſich. Das eine davon war bereits ein Opfer der Wuth des wilden Thiers geworden. Das andre ſtand jetzt gerade im We - ge des Buͤffels, welcher zum Walde hinaus wollte. Als dieſer es erblickte, wurde er noch grimmiger, als vorher, und fiel daſſelbe mit ſo wuͤthender Heftigkeit an, daß er es nicht nur durch die Bruſt und zugleich durch den Sat - tel ſtieß, ſo daß die Hoͤrner oben aus dem Sattel her - ausragten, ſondern es auch ſo gewaltig gegen die Erde warf, daß es im Augenblicke todt, und alle Knochen im ganzen Koͤrper zerſchmettert waren. Gerade als er mit dieſem Pferde ſich noch beſchaͤfftigte, kam ich da an, wo ich ihn ſehen konnte. Hier aber war der Wald ſo dicht, daß es mir unmoͤglich war, mit dem Pferde umzuwen - den, oder damit auf die Seite zu kommen. Ich ſah mich deswegen genoͤthigt, es ſeinem Schickſale zu uͤber - laſſen, und meine Zuflucht zu dem naͤchſten etwas gro - ßen Baume zu nehmen, auf welchen ich hinaufkletterte. Sobald der Buͤffel mit dem zweyten Pferde fertig war, kehrte er um, und rannte mit groͤßter Geſchwindigkeit den Weg, welchen wir nahmen. Von dem Baume, worauf ich ſaß, konnte ich deutlich ſehen, daß das eine Pferd todt war, das andre mit den Beinen arbeitete, um in170Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. die Hoͤhe zu kommen, wozu es aber nicht im Stande war, und die beyden uͤbrigen vor Furcht und Schrecken bebten, ohne entkommen zu koͤnnen. Von meinen Reiſe - gefaͤhrten aber konnte ich keinen anſichtig werden, auch nichts von ihnen hoͤren. Ich glaubte daher nichts an - ders, als daß ſie ebenfalls beym erſten Angriffe des Buͤf - fels, wenn nicht zu Tode geſtoßen, doch zu Schaden gekommen waͤren. Sobald ich vermuthete, daß das Ungeheuer eine Strecke weg ſey, eilte ich herabzuſteigen und ſie aufzuſuchen, ob ich auf irgend eine Art ihnen Beyſtand leiſten koͤnnte. Wie ich auf dem ganzen Tummelplatze keine Spur von ihnen gewahr wurde, fing ich an zu rufen. Endlich meldeten ſie ſich; ich ging zu ihnen, und fand ſie wie zwey Katzen auf einem Baume ſitzen, die Jagdflinte auf dem Ruͤcken, und dieſe mit feinem Vogelhagel geladen. Sie waren noch ſo erſchro - cken, daß ſie kein Wort hervorzubringen vermochten. Ich ſprach ihnen, ſo gut ich konnte, Troſt zu, und rieth ihnen, herunter zu kommen, weil das ſicherſte ſey, einen ſo gefaͤhrlichen Ort, wo wir noch einmahl angefal - len werden koͤnnten, ſobald als moͤglich zu verlaſſen. Der Sergeant fing endlich an zu weinen, und den Verluſt ſeiner beyden raſchen Gaͤule mit Schmerzen zu beklagen. Der Gaͤrtner hingegen konnte in Zeit von mehreren Ta - gen vor fortwaͤhrender Angſt kaum reden.

Wir kehrten nunmehr dieſelbe Straße zuruͤck, wo - her wir gekommen waren, und arbeiteten uns uͤber ſehr be - ſchwerliche Berge auf einem andern Wege nach dem Orte, wohin wir gedachten. Der Sergeant konnte ohne Pferd nicht durch den Fluß kommen; ich ließ ihn alſo hinter mir aufſitzen, uͤberließ ihm hernach das Pferd allein, und wanderte zu Fuß nach dem Hofe. Hier war meine erſte Sorge, einige Hottentotten nach dem Walde zu171Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. ſchicken, um den beyden todtgeſtoßnen Pferden die Saͤt - tel abzunehmen, deren wir auf unſrer ferneren Reiſe nicht wohl entrathen konnten. Dieſe Leute bewaffneten ſich mit ihren gewoͤhnlichen Wurfſpießen, und erzaͤhlten, ſie haͤtten bereits gemerkt, daß ein Buͤffel ſich in dieſem Gehoͤlze ganz einſam aufhielte, den eben deswegen, weil er ſo boͤſe ſey, die uͤbrigen Buͤffelochſen von ihrer Heerde weggejagt, und allein zu leben gezwungen haͤtten.

Auf dem Hofe, wo wir jetzt angelangt waren, trafen wir gar keinen Europaͤer, ſondern nur Hotten - totten an, und keine andre Huͤtten, als die kleinen und hoͤchſt elenden, welche dieſe ſelbſt bewohnten, und worin des Ungeziefers wegen auch nicht einmahl im aͤußerſten Nothfalle kein Europaͤer einige Stunden wuͤrde verwei - len koͤnnen. Unſer Nachtlager nahmen wir daher unter freyem Himmel, legten eine Strohmatte unter den Leib und den Sattel unter den Kopf, und ließen uns zu den Fuͤßen Feuer anzuͤnden. Zu unſerm Gluͤck war es ſehr klares und ſchoͤnes Wetter; die Kaͤlte aber war ſo ſtark, daß ſie uns des Schlafs beraubte, und uns noͤthigte, alle Stunde uns aufzurichten, um uns auf allen Sei - ten am Feuer zu waͤrmen. Das Feuer zu unterhalten, hatten wir am Abend vorher die Vorſicht gebraucht, eine hinlaͤngliche Menge Holz und Zweige zuſammenbringen zu laſſen.

Nicht weit vom Hofe ſah ich einen ganz kleinen eingezaͤunten Platz, wo Hanf ſtand, den die Hottentot - ten geſaͤet hatten. Sie nennen ihn Dakka, und gebrau - chen ihn durchgaͤngig, wiewohl zu einem ganz andern Zwecke, als wozu ihn die arbeitſamen Europaͤer gebrau - chen. Der Hottentotte hat zu nichts einen ſo ſtarken Hang, als zum Tobaksrauchen, und mit nichts kann man ihn ſo leicht und geſchwind zu Dienſten aufmuntern, als172Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. mit Tobak. Allein zum Rauchen und der dadurch her - vorzubringenden angenehmen Berauſchung findet er den Tobak doch nicht ſtark genug, ſondern vermiſcht ihn, um nicht nur geſchwinder, ſondern auch mit mehr Wolluſt ſich zu berauſchen, mit Hanf, den er vorher ganz fein zerhackt. Unbegreiflich iſt es, wie dies Volk, das vor Ankunft der Europaͤer weder mit der uͤbrigen Welt den mindeſten Umgang hatte, noch den Gebrauch des To - baks kannte, demungeachtet ſo erpicht auf denſelben wer - den konnte, daß es fuͤr Tobak und Branntwein ein an - ſehnliches Stuͤck ſeines eignen Landes am Capan die Hollaͤnder verkaufte; ein Handel, der den Hottentotten in der Folge, ſowohl in Ruͤckſicht auf ihre Freyheit, als in Anſehung des von ihren Vaͤtern ſeit Jahrtauſenden be - ſeßnen Landes, ſo viel gekoſtet hat.

Am folgenden Tage verließen wir dieſen Platz, und kamen zu des Koloniſten Peter PlantHofe, der den Nahmen Milchholzkraal( Melkhout-Kraal) fuͤhrt, und am tiefen Fluſſe( Diep-Rivier) liegt. Unſer Sergeant mußte es ſich jetzt gefallen laſſen, zwey Tage auf einem von den Zugochſen zu reiten, weil wir nir - gend Pferde antrafen. Dieſer Ritt ging auch ziemlich gut von Statten, war aber beſchwerlich, theils wegen der Breite des Ochſen, theils weil ſich keine Steigbuͤgel anbringen ließen.

Wir reiſeten weiter durch den Piſangfluß( Piſang - Rivier) nach Jakob Bota’sHofe, der auch Piſangri - vierheißt. Der Hof, welcher weiter nichts als ein Viehhof iſt, liegt nicht weit von der Kuͤſte. Eine ganze Commuͤne Hottentotten, die aus mehr als funfzig Per - ſonen beſtand, war im Dienſte dieſes Bauern, wohnte in deſſen Nachbarſchaft und lebte durch ſeine Verſorgung. Der Koloniſt ſelbſt war nicht zu Hauſe, ſondern gerade173Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. an demſelben Tage, da wir auf ſeinem Hofe ankamen, nach Capgereiſet. Ein alter treuer Hottentotte, ein beſcheidner und dienſtfertiger Kerl, war mittlerweile un - ſer Wirth, und leiſtete uns alle noͤthige Huͤlfe. Nicht weit von dieſem Platze iſt ein ſehr großer und vor - trefflicher Hafen.

Meine beyden Reiſegeſellſchafter, die ſich von ih - rem großen Schrecken noch nicht erhohlt hatten, und der vielen Muͤhſeligkeiten und Widerwaͤrtigkeiten, die mit einer ſolchen Reiſe verbunden ſind, muͤde waren, faßten jetzt den Entſchluß, ihren Gefahren und Aben - theuern hier ein Ziel zu ſetzen, ihre Wißbegierde fuͤr geſaͤttigt anzuſehen, und ſich ſofort wieder auf die Ruͤck - reiſe nach Capzu begeben, wo ſie wenigſtens mehr Wein trinken konnten, und ſich vor Buͤffelochſen weniger fuͤrch - ten durften. Als ich ihnen aber vorſtellte, wie feig dies ausſehen wuͤrde, und daß ſie bis jetzt auf dieſer Reiſe ſo wenig geſammelt haͤtten, wie auch, daß wir von unſerm Wagen, unſerm einen Gefaͤhrten und unſerm Gepaͤcke getrennt waͤren, und daß, wenn ſie auch nicht weiter von der Geſellſchaft ſeyn wollten, ich dennoch meine Reiſe fortſetzen wuͤrde, ließen ſie ſich endlich uͤberreden, und aͤnderten ihre Entſchließung.

Unterdeſſen, daß dieſe von ihrem ausgeſtandnen Ungemach hier einige Tage ausruheten, beſuchte ich den Strand, und die am Ufer liegenden Berge. Dieſe letz - tern fand ich mit allerley Buͤſchen bewachſen, beſonders mit der zweyſtachligen Arduine (Arduina bispinoſa). Dieſe ſtand an vielen Stellen ſo dicht, daß man gar nicht durchkommen konnte, und daß ich nicht ſelten ganze Strecken oben uͤber dem ſteifen und dichten Buſchwerke hinkriechen mußte, welches denn freylich mit ſeinen ſpi - tzen Stacheln Haͤnde und Fuͤße ganz blutruͤnſtig machte. 174Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Der mich begleitende Hottentotte, welcher barfuß war, wurde ſo zerriſſen und blutig, daß es ein Jammer war ihn anzuſehen. Weil ich aber beym Suchen nach Kraͤu - tern und Blumen mich in dem Geſtraͤuche einmahl ver - irret hatte, war kein anderes Mittel als dieſes uͤbrig, mich heraus zu arbeiten. Uebrigens ſah ich in die - ſer Gegend die Strelitzie (Strelitzia), mit goldnen Blu - men und blauen Saftbehaͤltniſſen (Nectarium) haͤufig ſtehen. Sie iſt eine der allerſchoͤnſten Blumen, und ich nahm Zwiebeln davon mit, um ſie nach Europazu ſchicken. Man ſagte mir, daß die Hottentotten die Frucht dieſes Gewaͤchſes eſſen.

Unter den hieſigen Bergen iſt der Robbenbergder vornehmſte. Er hat ſeinen Nahmen von den Seehun - den, welche beym Sonnenſchein ans Land kommen, und ſich auf die unterhalb des Berges befindlichen flachen Anhoͤhen hinlegen, um ſich zu ſoͤnnen und zu ſchlafen. Ich ſah deren verſchiedne liegen. Der Robbenberger - ſtreckt ſich in Geſtalt einer Halbinſel weit ins Meer, und iſt mit kleinen Schneckenhaͤuſern bedeckt. Er iſt von beſondrer Beſchaffenheit, und unterſcheidet ſich von allen andern Bergen, die ich in Afrikageſehen habe. Die mittlere, ungefaͤhr vier Klafter hohe, Lage oder Schicht, beſteht aus einer ganz feſten Miſchung, theils runder, theils unregelmaͤßig eckiger Kieſelſteine und verhaͤrte - tem Kalk, ſo daß man es fuͤr eine durch Kunſt angelegte Mauer anſehen koͤnnte. Die oberſte Schicht ſchien mir ein braͤunlicher Steinfels zu ſeyn. Die unterſte Lage iſt Sandſtein. An einer andern Seite des Berges fand ich gehaͤrteten Sand, dem das Waſſer eine ausge - ſchweifte Geſtalt gegeben hat. An einigen Stellen iſt Sand mit Lehmerde durchmengt, der zum Theil in großen Stuͤcken heruntergefallen iſt. An dem ebnen Fuße des175Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. Berges ſieht man verſchiedne theils große, theils kleine Gruben, von denen einige ſo rund ſind, als wenn die Kunſt ſie gemacht haͤtte, andre aber eine laͤngliche Figur haben. An einer Seite beſteht die unterſte Lage aus weißgrauem fettem Quarz. Ueberdem hat dieſer Berg lange Ritzen und Spalten, worin dicke Stalaktiten haͤngen, die mit feinen, hin und wieder gruͤnlichen, Flocken uͤberzogen ſind. Der Sandſtein iſt ſehr fein.

Zu Piſangrivierhatte ich wieder Gelegenheit, vie - les von den Sitten und der Lebensart der Hottentotten kennen zu lernen. Mit dem Zubereiten des Eſſens ha - ben ſie nicht viel Muͤhe. Das Buͤffelfleiſch ſchneiden ſie nur in Scheiben, legen es in die Aſche auf einige wenige Kohlen, da es denn zugleich halb geraͤuchert und halb gebraten wird, und eſſen es hernach ohne Brot, wenn es gleich ſchon ſtinkend geworden iſt. Fett ißt der Hottentotte am allerliebſten, ja er kann es ſogar in großen Portionen trinken, ohne Unbequemlichkeit davon zu ver - ſpuͤren. Wenn eine Kuh nicht kalbet, ſondern un - fruchtbar iſt, muß ſie geſchlachtet werden; von dem Fleiſche eſſen alsdann aber nur die Verheiratheten, die Unverheiratheten duͤrfen nicht davon koſten. Die kleinen Huͤtten der Hottentotten werden oft ſowohl mit kriechendem als huͤpfendem Ungeziefer ſo angefuͤllt, daß ſie ſie nicht bewohnen koͤnnen. Sie ſind alsdann genoͤ - thigt, ſie nach einer andern Stelle zu verſetzen. Ein ſolches Umziehen dauert auch nicht ſehr lange, und koſtet ſehr wenig; ich ſah es hier in Geſchwindigkeit und ohne Muͤhe verrichten. Sie ſtecken zuerſt einige ſchlanke Zwei - ge oder Wieden in die Erde, und beugen ſie, daß ſie eine bogenfoͤrmige Geſtalt bekommen, um der Huͤtte die ge - hoͤrige Hoͤhe und Woͤlbung zu geben. Darauf uͤber - decken ſie dieſe mit Binſen oder Cypergras (Cyperus176Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. textilis), oder auch mit Matten, die von ſolchen Bin - ſen geflochten ſind, und ſowohl gegen Regen als Wind ſattſam ſchuͤtzen. Unten herum legen ſie Miſt, um die Huͤtte an der Erde dicht zu machen. Unter den muſikaliſchen Inſtrumenten der Hottentotten bemerkte ich dasjenige, welches ſie Su-Koa, die Hollaͤnder die Topfpauke (Potte Slaan) nennen. Es beſteht aus einem mit Waſſer angefuͤlltem Topfe, uͤber welchen ein gut eingeweichtes Schaffell ausgeſpannt iſt, das ſie un - terwaͤrts mit einem Riemen umher feſtbinden. Wenn ſie auf dieſem Inſtrumente ſpielen, legen ſie die Finger der linken Hand gegen den Rand, und ſtellen den Dau - men gegen die Mitte. Mit den beyden erſten Fingern der rechten Hand ſchlagen ſie alsdann an den Rand ge - gen uͤber, und bringen dadurch einen dumpfen Ton her - vor, der gar nichts Angenehmes hat. Sie ſchlagen dieſe Pauke zwiſchendurch, wenn ſie Muſik machen. Nach dieſer ſchlechten Muſik ſah ich einen Hottentotten auf folgende Art tanzen. Mit der rechten Hand faßte er in ein unter dem Dache der Huͤtte befeſtigtes Band, und tanzte auf einem Flecke ſtehend, ſo daß er mit beyden Fuͤßen zugleich ſprang und den Takt ſchlug. Waͤhrend dieſes Springens drehete er den Koͤrper in verſchiednen Kruͤmmungen herum, und ſchleuderte den Kopf in ei - nem halben Zirkel von der einen Schulter nach der an - dern. Ein ſolcher Tanz waͤhrt bisweilen ſehr lange, und preßt Schweiß in Menge aus, welchen ſie im Geſichte mit einem Fuchsſchwanze abtrocknen. Der Tanzende ſingt zugleich nach einem gewiſſen Takte. Von ver - ſchiednen Sachen bemerkte ich, daß die Hottentotten ſie in ihrer Sprache nicht mit eignen Worten nennen konn - ten, zum Exempel Kaffee, Schabracke, Compagnie und dergleichen. Ihre Kinder tragen die Weiberauf177Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. auf dem Ruͤcken, und zwar innerhalb des Schaffelles. Sie machen dies ſo: um das Kind und um den Hals der Mutter binden ſie einen Riemen, um das Kind oberwaͤrts feſtzuhalten; ein andrer Riemen geht auswen - dig um das Schaffell und um den Hintertheil des Kin - des, wodurch es unterwaͤrts feſtgeſchnuͤrt wird: auf dieſe Art iſt das Kind ganz ſicher, und macht auch der Mutter eben keine Laſt, ſondern dieſe verrichtet, indem ſie das Kind ſo auf dem Ruͤcken hat, ihre Geſchaͤffte. Einige hieſige Hottentottiſche Weiber hatten Glaskorallen - ſchnuͤre um die Beine; andre hatten die herabhaͤngen - den Seiten ihres Schaffells mit glaͤſernen Korallen ge - ſchmuͤckt. Dergleichen Geſchmeide bekommen ſie nebſt andern Kleinigkeiten von den Bauern als einen Theil des Lohns fuͤr ihren Dienſt. Einige hatten eine Schild - kroͤtenſchale auf dem Ruͤcken haͤngen, worin ſie entweder Tobak oder ihr Buku (Dioſma) verwahrten. In Er - mangelung irdener Pfeifen rauchen ſie aus hoͤlzernen. Ueberhaupt iſt in dieſen Gegenden ein ſolcher Mangel an Hausgeraͤth und Geſchirren, daß ſelbſt die Koloniſten oft genoͤthigt ſind, ſowohl Milch als Honig in ledernen Schlaͤuchen aufzubewahren. Die Buͤffel zum Ge - brauche dieſes Hofes ſchießt ein Hottentotte, dem der Bauer dieſe Geſchicklichkeit beygebracht hat, und wel - cher auf dieſe Art die ganze Haushaltung mit Fleiſch ver - ſieht, ohne ein Stuͤck von der Heerde nehmen zu duͤr - fen. Die Felder und Ebenen ſind in dieſem Theile des Landes ganz mit wilden Buͤffeln angefuͤllt, und es iſt nichts ſeltenes, ihrer hundert und mehr, ja wohl zwey - hundert in einer einzigen Heerde beyſammen zu ſehen. Gewoͤhnlich liegen ſie am Tage in den Waͤldern und dicken Gebuͤſchen ſtill, und gehen des Nachts aufs Feld, um zu weiden. Einem Hottentottiſchen Schuͤtzen, den ThunbergsReiſe. Erſter Theil. M178Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. der Bauer zum Schießen der Buͤffelochſen haͤlt, wer - den die Kugeln zugezaͤhlt, und eben ſo viele erlegte Buͤf - fel muß er liefern. Die vielen auf dem Hofe Piſangri - vierbefindlichen Hottentotten werden daher ohne Koſten unterhalten, und ohne Verminderung des zahmen Vie - hes, welches das ganze und einzige Eigenthum des Bauers ausmacht. Vom Buͤffelfleiſche faͤllt der groͤßte Theil den Hottentotten zu, dagegen gehoͤrt die Haut alle - zeit dem Bauer ſelbſt. Das Haus, worin wir zur Herberge waren, war geraͤumig und groß, von Lehm - ſteinen recht gut aufgemauert, und mit Thuͤren und Fenſteroͤffnungen verſehen, die aber anſtatt glaͤſerner Fenſter nur hoͤlzerne Lieder hatten, weil man Glasfen - ſter in ſo weiter Entfernung vom Capnicht wohl haben kann. Die ganze Kuͤche hing oben voll dicker Striemen Buͤffelfleiſch, das gedoͤrret und geraͤuchert wurde, um es hernach als geraͤuchertes Fleiſch zu eſſen. Die Buͤf - felhaͤute bereiten die Hottentotten auf folgende Weiſe: ſie ſpannen das Fell auf der Erde unter freyem Himmel aus, und befeſtigen es mit Pfloͤcken; alsdann beſtreuen ſie es mit warmer Aſche, und ſchaben die Haare mit ei - nem Meſſer ab. Anſtatt gewoͤhnlicher Schuhe, die ſo tief im Lande niemand habhaft werden kann, und der Landmann, wenn er nach Capkommt, zu kaufen oft nicht im Stande iſt, gebraucht man hier durchgaͤngig ſogenannte Feldſchuhe. Dieſe verfertigt ſich der Land - mann gemeiniglich ſelbſt auf eine eigne und beſondre Art, meiſtentheils aus Buͤffelleder, bisweilen aus Rindleder, ſelten aus der geſtreiften Haut des Zebra. Es war beluſtigend zu ſehen, wie herzlich die Hottentotten, ſo - wohl die auf dem Hofe wohnenden, als die fremden, die in unſerm Gefolge waren, einander mit der Tobaks - pfeife bewirtheten. Sie ſetzten ſich in einen Kreis nie -179Reiſe v. Ataquathaledurchs Houtniqualand. der, und die Pfeife ging in der ganzen Geſellſchaft rings herum; jeder reichte ſie ſeinem Nachbar. Bey einem ſolchen geſellſchaftlichen Rauchen thut ein jeder ei - nige ſtarke Zuͤge, bis er den Mund voll Rauch hat, wo - von er etwas weniges niederſchluckt, und das uͤbrige durch Naſe und Mund ausblaͤſet.

Aus den Waldungen in Houtniquasverkaufen die dem Muſchelbay-Diſtriktenaͤher wohnenden Bauern Holz, ſowohl zum Bau als auch an die Tiſchler und andre Handwerker; obgleich der Transport ſehr beſchwer - lich iſt, und viel Zeit wegnimmt. Aus den Gegenden aber, wo ich jetzt war, hat der Bauer weiter nichts, das er nach dem Capzum Verkauf bringen kann, als Ochſen zum Schlachten und Butter. Haͤtte man, ent - weder von hier, oder von der Muſchelbayeine Art Schiff - fahrt eingerichtet, ſo wuͤrde die Verfuͤhrung der Pro - dukte dieſes Landes viel bequemer, und die Waaren, welche man von hier dahin bringt, beſonders alle Arten Holz, zu Capnicht ſo theuer ſeyn. Allein an derglei - chen hat man bisher noch gar nicht gedacht, und man ſieht es wohl gar nicht einmahl fuͤr nuͤtzlich an.

Nachdem unſer ganz muthlos gewordner Sergeant ſich endlich wieder aufmuntern laſſen, und hier ein Reit - pferd geliehen bekommen hatte, begaben wir uns wieder auf den Weg weiter ins Land hinauf und nach dem Ge - birge zu, um jenſeit deſſelben unſern Wagen wieder an - zutreffen, und uns uͤberhaupt beſſer zu befinden. Wir reiſeten auf dieſer Fahrt einen andern, ebenfalls Botazugehoͤrigen Hof vorbey, paſſirten zwey Fluͤſſe und kamen nach Malakaßkraal. Von da ging unſre Reiſe am Keureboomsfluſſe( Keurebooms-Rivier) hinauf, bis wir zu Schackalkraal( Jackhalskraal) anlangten.

M 2180Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.

Der Keurebomsflußiſt auf dieſer Seite die Grenze des Houtniqualandes. Houtniquasiſt uͤbrigens reich an Gras, Waldungen und Buͤffelochſen.

Sechster Abſchnitt. Reiſe vom Houtniqualandebis an den Camtourflußoder die Grenze des Kafferlandes.

Nachdem wir eine Zeitlang uͤber und laͤngs Bergen ge - ritten waren, kamen wir durch den Keureboomsflußnach Peter JagersViehhofe.

Hier erquickten wir uns nach lange ausgeſtandnem Durſt an der ſogenannten Hottentottiſchen Schlauch - milch, wovon zu koſten wenige Reiſende, wenn ſie nicht in hohem Grade durſtig ſind, von ſich werden er - halten koͤnnen. Dieſe Milch iſt ſehr ſauer und kalt, und labet daher ungemein. Zudem iſt ſie ſehr merk - wuͤrdig, nicht nur weil ſie in einem ledernen Sacke auf - bewahrt wird, ſondern auch weil ſie erſtaunlich alt iſt. Vorhin glaubte ich, die aufgekochte und geronnene Milch, die man in Norrlandhat, und da dicke Milch nennt, und die verſchiedne Monathe alt iſt, ſey die aͤltſte Milch in der Welt. Jetzt aber fand ich, daß die Schlauch - milch der Hottentotten ſechs - bis achtmahl aͤlter ſey. Der Schlauch, worin ſie aufbehalten wird, beſteht aus der Haut eines Bocks von der Gattung der Capra oreas (oder Elennantelope), die dicht zuſammengenaͤhet und an der Wand aufgehaͤngt wird. Andre Haͤute ſollen nicht ſo tauglich dazu ſeyn. In einen ſolchen aufgehaͤngten Sack gießt man friſche ſuͤße Milch, die dann bald ſauer181Reiſe v. Houtniquasbis an den Camtourfluß. wird, gerinnt und Klumpen bildet. Hernach wird, ohne daß man den Schlauch rein macht, alle Tage neue Milch zugegoſſen, die ebenfalls bald ſauer wird. Das Reinmachen des Schlauchs nehmen die Hottentotten hoͤchſtens nur nach mehreren Monathen, oft kaum in ei - nem oder zwey Jahren vor. Butter machen die Hottentotten von ihrer Milch ſelten, und wenn ſie es thun, ſo haben ſie bloß die Abſicht, ſich damit zu ſchmie - ren. Die Maquas - Hottentotten verrichten das But - tern auf die Art, daß ſie ſuͤße Milch in einen ledernen Schlauch gießen, welchen zwey Hottentotten an den beyden Enden halten, und worin die Milch von einem Ende nach dem andern ſo lange hin und her geſchuͤttelt wird, bis ſie ſich zu Butter formirt.

Wir reiſeten weiter uͤber die ſehr hohen Berge nach dem langen Thale( Lange Kloof) zu dem Bauer Mat - thias Sonntag. An den Bergen ſahen wir allenthalben Wolken hangen, die mit ihren feuchten Duͤnſten, ob es gleich nicht regnete, uns ganz durchnetzten. Dieje - nigen Seiten der Berge, welche wir paſſirten, waren bisweilen ſo ſteil, und der Weg ſo ſchmal, daß wir nicht ohne Lebensgefahr hinuͤber kamen, und Grauen uns uͤberfiel, wenn wir hinabſahen. Das auf der andern Seite belegne Land, oder das lange Thal, iſt ſehr hoch gegen dasjenige, aus welchem wir kamen; die daſigen Berge ſind folglich niedrig in Vergleichung mit der entſetz - lichen Hoͤhe, welche ſie auf der andern Seite nach dem Meere zu haben.

Auf dieſem Hofe ſah ich Seife aus der Lauge des Kannabuſches oder Salzkrauts (Salſola aphylla), machen. Die Lauge wird ſo lange gekocht, bis ſie dick wird; alsdann gießt man Hammelfett zu, und faͤhrt damit fort, bis die Maſſe die gehoͤrige Conſiſtenz be -182Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. kommt. Darauf gießt man ſie aus, und macht laͤng - lich viereckigte Stuͤcke daraus.

Von hier kamen wir zu Peter FreresHofe. Die - ſer Mann war ein gewaltiger Elephantenjaͤger, und hatte weite Reiſen, ſelbſt ins Land der Kaffern, gemacht. Er erzaͤhlte mir unter andern, daß die Hottentotten in ihrer Sprache nicht weiter als bis fuͤnf zaͤhlen koͤnnen. Sein Hof heißt Misgunſt( Misgunſt), und liegt am tiefen Fluſſe( Diep-Rivier).

Wir kamen hierauf einen andern ihm ebenfalls ge - hoͤrigen Hof am Affenfluſſe( Aapjes-Rivier) vorbey, nach Klippdrift, und von da weiter uͤber den Haderfluß( Krakeel-Rivier) zu Matthias Streidung.

Hier ſahen wir eine ſehr große Menge Graͤber, die aus kleinen, viele Steine enthaltenden, Huͤgeln beſtan - den. Ich erkundigte mich zwar genau, was fuͤr Be - wandtniß es mit dieſen Graͤbern habe; allein kein Euro - paͤer war im Stande, mir die geringſte Nachricht davon zu geben. Ein alter Hottentotte inzwiſchen ſagte mir, in dieſer Gegend ſeyen die Leute in großer Anzahl an Wunden geſtorben, und gab mir viel Veranlaſſung, es fuͤr ſehr wahrſcheinlich zu halten, daß dieſer Platz ehedem bewohnt und volkreich, und daß es die Pocken ge - weſen, die ſo gewaltige Verheerung angerichtet haben.

Unſre Reiſe ging ferner Peter NuͤckertsHof, der den Nahmen Unerwartet( Onverwacht) fuͤhrt, vor - bey, und durch den Wagenbaumfluß( Waagebooms - Rivier) zu Heinrich Kruͤger.

In dieſer Gegend traf ich die Cichorienkaͤfer (Me - loe Cichorei) mit allen Variationen dieſer Gattung in Menge an: ſie freſſen die Bohnen und andres Gar - tengewaͤchſe ab. Jetzt fingen auch die Brachvoͤgel (Tantalus), hier zu Lande wilde Truthuͤhner (wilde183Reiſe v. Houtniquasbis an den Camtourfluß. Kalkoon) genannt, an, ſich zu zeigen. Man ſagte mir, daß ſie gegen den Winter wegziehen, den Winter uͤber wegbleiben, und im September und October wie - derkommen. Im langen Thale( Lange Kloof) iſt es des Winters ſehr kalt, und es faͤllt eben ſo viel Schnee, als jenſeit Witſenberg.

Von hier kamen wir zu Thomas Freream krum - men Fluſſe( Kromne Rivier), und weiter zum Eſchen - walde( Eſſchen-Boſch). Dies iſt ein anmuthiger Wald, faſt ganz auf ebenem Boden. Das Land wird in dieſer Gegend nach dem Meere zu allmaͤhlig niedriger, ſo daß das lange Thal viel hoͤher iſt, als der Diſtrict um den krummen Fluß.

Es hatte den ganzen Tag geregnet, und ſowohl den Abend als die Nacht hindurch dauerten die Regen - guͤſſe ununterbrochen fort. Wir waren daher ganz durch - naͤßt, und mußten alle vier unter den Ueberzug unſers Wagens kriechen, um gegen den Morgen leidlicheres Wetter abzuwarten. Die uns begleitenden Hottentot - ten mußten unter dem Wagen Schutz ſuchen, weil es ſchlechterdings unmoͤglich war, Feuer zu unterhalten. Am folgenden Tage bekamen wir heiteres Wetter und Sonnenſchein. Weil wir aber keine trockne Kleidung anziehen konnten, mußten wir unſre Kleider auf dem Leibe an der Sonne trocknen.

Vom Eſchenwaldegelangten wir nach dem tiefen Fluſſe( Diep-Rivier), dem Loͤwenwaldfluſſe( Leeu - wenboſch-Rivier), und endlich nach dem Seekuhfluſſe( Zeekoe-Rivier). Die Bergkette, welche wir in Ro - theſandzur Linken, hernach im langen Thalezur Rech - ten hatten, und die von Witſenbergan fortgeht, endigt ſich hier, ehe ſie den Strand erreicht. Hin - gegen waͤhrt die Gebirgsreihe zur Linken noch fort,184Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. und jenſeit derſelben liegt das Karroland( Carro - Veld).

Auf den hieſigen Gebirgen halten ſich, wie man mir erzaͤhlte, bisweilen noch Loͤwen auf. Vor dieſem ſollen ſie da ſehr haͤufig anzutreffen geweſen ſeyn; jetzt ſind ſie aber meiſt ausgerottet. Am krummen Fluſſefindet man am Strande in Loͤchern eine Art Schnecken, aus dem Geſchlechte der Scheide (Solen filiqua), von denen man erzaͤhlt, daß man ſie unmoͤglich durch Gra - ben bekommen koͤnne, ſondern nur auf die Art, daß man einen langen ſpitzigen Zacken hineinſtecke, und ſie ſo heraufziehe.

Auf den Anhoͤhen unterhalb der Berge in dieſem Bezirke waͤchſt der Afrikaniſche Brotbaum (Brood - Boom, Zamia caffra) haͤufig. Dies iſt ein Palm - baum, der hoͤchſtens die Hoͤhe und Dicke eines Mannes hat, ſich weit ausbreitet, und einzeln ſteht. Manch - mahl ſchießen aus einer Wurzel zwey bis drey Staͤmme auf. Aus dem Marke dieſer Baͤume wiſſen die Hotten - totten Brot zu bereiten. Sie bohren oder graben das Mark heraus, vergraben es darauf in die Erde, und laſſen es ganze zwey Monathe darin liegen, bis es fault. Alsdann kneten und formiren ſie es zu einem Kuchen, den ſie auf ihre gewoͤhnliche ſchmutzige Art in heißer Aſche backen. Der Brotbaum ſteht mehrentheils an trocknen Stellen zwiſchen Steinen, und waͤchſt lang - ſam. Die Hottentotten eſſen auch die Beeren vom Guarribuſche oder der Euklee (Euclea undulata). Sie ſchmecken ſuͤß; zerſtoßen und gegohren geben ſie einen Eſſig wie Pontak. Das viereckige Dickblatt (Craſſula tetragona), gebraucht man hier wie ein adſtrin - girendes Mittel: man kocht eine Handvoll davon mit Milch und trinkt es gegen den Durchlauf.

185Reiſe v. Houtniquasbis an den Camtourfluß.

Den 22. November trafen wir bey Jakob Kockam Ausfluſſe des Seekuhfluſſesein. Sein Hof liegt nicht weit vom Meeresufer; und es war jetzt das andremahl, daß wir auf unſrer Reiſe dicht an die See kamen. An dieſem Orte verweilten wir mehrere Tage, theils um die bisher geſammelten Sachen in Ordnung zu bringen, theils um die ganze Gegend umher in botaniſcher Hinſicht zu durchſuchen, theils um unſer ermuͤdetes und ganz ma - ger gewordnes Zugvieh zu weiden und ausruhen zu laſſen.

Hier erfuhr ich den mediciniſchen Gebrauch ver - ſchiedner als Arzneymittel mir bisher unbekannter Sa - chen. Die innere Haut des Magens der Schafe ge - braucht man hier zu Lande, getrocknet, zu Pulver ge - ſtoßen, und eingenommen, als ein Brechmittel, wie auch gegen das Fieber. Haſenblut haͤlt man fuͤr dien - lich gegen die Roſe, wenn man leinene oder wollne Lap - pen hineintunkt, trocken werden laͤßt, und unmittelbar auf dem Koͤrper traͤgt, jedoch ohne ſie auf die Stelle zu legen, wo die Roſe iſt. Verſchiedne verſicherten auch als zuverlaͤſſig, daß das Blut von Schildkroͤten, ſowohl eingenommen, als getrocknet und wie Pulver aufgeſtreuet, ein ſehr gutes Heilmittel bey Wunden von vergifteten Pfeilen ſey.

Vom Seekuhfluſſeab machten wir zu Pferde eine Reiſe nach dem Kabeljaufluſſe( Cabeljaus-Rivier), und weiter nach dem Camtousfluſſe( Camtous-Rivier). Dieſer letztere iſt ſehr tief und breit, und in ihn ergießt ſich auch, nicht ſehr weit vom Meere, der Lurifluß( Loe - ris-Rivier). Er macht die Grenze des Kafferlandes, und zugleich war er das aͤußerſte Ziel unſrer diesmahli - gen Reiſe.

186Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.

Am Camtousfluſſewohnen Hottentotten und Kaf - fern um einander, gleichſam als auf der Grenze ihrer beyderſeitigen Laͤnder. Einige Meilen tiefer ins Land hinein nimmt das eigentlich ſogenannte Kafferlandden Anfang.

Im Fluſſe ſelbſt finden ſich noch viele Nilpferde oder Seepferde (Hippopotamus), die man hier zu Lande Seekuͤhe nennt. Faſt hat man ſich daruͤber zu verwun - dern, da ſie ſeit langer Zeit in ſo großer Anzahl wegge - ſchoſſen ſind und ſich dadurch unglaublich vermindert ha - ben. Der proceſſus mamillaris dieſes Thiers ſoll ein gu - tes Mittel gegen den Stein ſeyn. Verſchiedne Seekuͤhe wurden zwar von uns verwundet, aber keine todtgeſchoſ - ſen. Wir hielten uns auch einmahl eine ganze Nacht bis an den Morgen in der Naͤhe dieſes Fluſſes an einem Orte, wo dieſe Thiere ans Land zu kommen pflegen, auf; aber wir ſahen keines kommen.

Bey den in dieſer Gegend wohnenden Bauern ſah ich verſchiedne chineſiſche Schweine. Die Gold - haͤhnchen (Chryſomela) thun den Gartengewaͤchſen vie - len Schaden; manche freſſen ſie ganz kahl. Die Rindviehheerden machen des Landmanns Eigenthum aus. Sie ſind aber verſchiednen, zum Theil ganz eignen, Krankheiten unterworfen. Dahin gehoͤrt die ſogenannte Zungenkrankheit (Tung-Ziekte). Dieſe beſteht darin, daß die Zunge voll Blaſen wird, welche einen duͤnnen Eiter geben; und ſie macht, daß das Vieh nicht freſſen kann, ſondern abnimmt, und endlich ganz mager wird, ja wohl gar daran ſtirbt. Der Landmann pflegt dieſe Blaſen mit Salz abzureiben. Eine andre ſolcher Krankheiten des Hornviehes iſt die Klauenkrankheit (Klaauw-Ziekte). Wenn das Vieh damit befallen wird, werden die Klauen an den Fuͤßen los, und die187Reiſe v. Houtniquasbis an den Camtourfluß. Thiere koͤnnen nicht gehen. Dieſe Krankheit ſcheint von der Sommerhitze zu entſtehen, beſonders wenn die Ochſen auf Reiſen am Tage zu ſehr angeſtrengt werden. Man haͤlt ſie hier fuͤr anſteckend. So viel iſt gewiß, daß ſie einen Ochſen nach dem andern angreift, und ich habe ganze Spanne daran krank geſehen. Sie ſcheint mir aber doch mehr von einer gemeinſchaftlichen Urſache, als von Anſteckung herzukommen. Anfangs hinket das Vieh nur, hernach aber wird es zum Ziehen auf Reiſen unbrauchbar. In einer oder zwey Wochen geht dieſe Krankheit aber doch gewoͤhnlich von ſelbſt vorbey.

Unter andern erzaͤhlte man mir hier, daß vor eini - ger Zeit ein Bauer von einer Schlange, und zwar von derjenigen Gattung, die man hier Ringhals nennt, als er barfuß im Graſe gegangen, in den Fuß gebiſſen ſey. (Man geht hier uͤberhaupt ſehr haͤufig barfuß, weil es an Schuhen und Struͤmpfen fehlt. Schuhe und Struͤmpfe gebraucht der Landmann ſelten anders, als wenn er nach der Stadt des Capreiſet, oder die Kirche beſucht.) Ich erkundigte mich genau nach den Sympto - men, die dieſer Biß verurſacht hatte, und erfuhr fol - gendes. Der Bauer war eine ganze Meile von ſeiner Heimath entfernt, als er gebiſſen wurde. Er ſchickte ſogleich ſeinen Sklaven zu Hauſe, um in Geſchwindig - keit ein Pferd zu hohlen. Dieſes kam ſehr bald an, und der Bauer ritt zu Hauſe, nachdem er das Bein ſtark bebunden hatte, um das Gift zu verhindern hinauf zu ziehen. Bey ſeiner Zuhauſekunft wurde er ſo ſchlaͤfrig, daß ſeine Frau ihn mit Muͤhe wachend erhalten konnte. Er wurde auch ſogleich blind, und dieſe Blindheit waͤhrte vierzehn Tage. Das Bein war ſo geſchwollen, daß die Haut ſich uͤber das Band gelegt und feſt angeſchloſſen hatte, und mit Muͤhe heruntergebracht werden konnte. 188Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. Man machte mit einem Meſſer Einſchnitte in die Wun - de, und wuſch den Fuß mit ſalzigem Waſſer. Dabey gab man dem Patienten heiße Milch in ſehr großer Menge zu trinken, mehrere Eimer voll in einer Nacht; die er aber doch beſtaͤndig wieder von ſich gab. Darauf wurde der Schlangenſtein auf die Wunde gelegt. Der Mann geneſete allmaͤhlig wieder, hat aber noch jetzt, nach Verlauf etlicher Jahre, bey Veraͤnderung des Wetters, Schmerzen da, wo der Biß geſchehen iſt, und biswei - len bricht die Wunde ſogar voͤllig auf.

Jetzt iſt es Zeit, daß ich von den Kaffern, die ich am Camtousfluſſezuerſt kennen lernte, einige Nach - richt gebe. Sie ſind von Statur groͤßer, beſſer ge - wachſen, ſchwaͤrzer und ſtaͤrker als die Hottentotten, auch unerſchrockner und tapferer. Um die Arme tragen ſie zum Zierrath theils eiſerne, theils elfenbeinerne Rin - ge, welche letzteren einen halben Zoll breit ſind, und deren ſie gewoͤhnlich mehr als einen an jedem Arme ha - ben. Die Weibsperſonen, welche ich hier ſah, hatten durch einen Ohrzipfel ein Loch geſtochen, und trugen ei - nen Stachel vom Stachelſchweine darin. Sie zeigten uns auch Ohrgehaͤnge von zwey verſchiednen Geſtalten; ſie waren von Kupfer, das mit Silber vermiſcht war, und die Kaffern erzaͤhlten, ſie haͤtten ſie von Nationen bekommen, die weiter im Lande wohnten. Die Taͤnze der Kaffern ſind beſonders artig. Ihrer zwey oder mehr ſtellen ſich entweder mit den Seiten oder mit dem Ruͤcken gegen einander, balanciren auf den Zehen, und ſtoßen mit den Ferſen gegen die Erde, wobey ſie alle Glieder, und zwar nach dem Takte, und beynahe alle Muskeln, beſonders aber Augen, Stirne, Hals, Kopf, Mund und Kinn bewegen. Die den Tanz be - gleitende Muſik beſteht in einem groben und ſchnarren -189Reiſe v. Houtniquasbis an den Camtourfluß. den Geſange, und mitunter hoͤrt man bisweilen ein Pfeifen, wobey ſie die Lippen zur Seite ziehen, und die Zaͤhne, zwiſchen welchen das Pfeifen geſchieht, bloß ſe - hen laſſen. Die Frauensperſonen laufen dabey umher, und ſingen und ſpringen nach demſelben Takte, unter ſteter Bewegung des Kopfs und der Glieder. Ein großer Theil der Kaffern begleitete uns auf unſrer Ruͤckreiſe nach dem Seekuhfluſſe, und dieſe Leute zeigten uns verſchiedne ihrer Kuͤnſte; beydes vermuthlich, um etwas von unſerm gu - ten Tobak habhaft zu werden, der ihnen gar zu gut ſchmeckte.

Die Kaffern beſitzen zwar kein Schießgewehr; er - legen aber nichts deſto weniger Buͤffel und andre wilde Thiere mit ihren Spießen, die wie bey den Hottentotten Aſſagai heißen. Wenn ein Kaffer auf die Spur kommt, wo ſich einige Buͤffel aufhalten, ſo blaͤſet er auf einer von Schafknochen gemachten Pfeife, die man ſehr weit hoͤren kann. Alsdann kommen ihrer mehrere zuſammen, und umringen die Buͤffel, naͤhern ſich ihnen mehr und mehr, und werfen mit den Spießen nach ihnen. Von acht bis zwoͤlf Buͤffeln entkommt ſodann ſelten einer. Indeſſen traͤgt es ſich doch bisweilen zu, daß, indem die Buͤffel zu entfliehen ſuchen, einer von denen, die vor ihm ſtehen, todtgeſtoßen wird, welches man aber bey dieſem Volke wenig achtet. Wenn die Jagd zu Ende iſt, ſchneidet jeder ſein Stuͤck von dem erlegten Wildpre - te ab. Außer dem Wilde, das die Kaffern jagen koͤnnen, beſitzen ſie große Heerden Hornvieh, fuͤr welche ſie hinlaͤngliche Nahrung haben, da ſie laͤngs der See - kuͤſte die vortrefflichſten Grasebnen bewohnen. Ihre Och - ſen ſind gemeiniglich daran zu kennen, daß ſie ſie in den Ohren, wie auch unten in den Hals ſchneiden, ſo daß lange Stuͤcke herabhangen. Auch zwingen ſie die Hoͤrner, daß190Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. ſie in verſchiednen unfoͤrmlichen Geſtalten wachſen muͤſſen. Vor dieſem tauſchte die Compagnie ſowohl von dieſen Kaf - fern als von den Hottentotten eine Menge Rindvieh zum Schlachten, gegen Tobak, Branntwein, glaͤſernen Ko - rallen und ein Stuͤck Eiſen ein. Jetzt geſchieht es ſelten, und dieſer Handel iſt auch allen Bauern verbothen.

Die Kaffern haben wie die Hottentotten in jeder Familie oder Dorfſchaft einen Hauptmann, den ſie oft Capitain nennen, und welcher gegen Feinde und auf der Jagd ihr Anfuͤhrer iſt.

Von den Hottentotten habe ich auch noch einiges nachzuhohlen. Ich ſah hier Koͤrbe, die von ihnen ge - flochten, und ſo dicht waren, daß ſie Waſſer und Milch hielten; auch Flaſchen von Rhinocerosblaſen, die ſie zu eben dieſem Endzwecke gebrauchten. Die Hottentot - ten, welche bey den Koloniſten im Dienſte ſind, rauchen oft aus irdenen Tobakspfeifen, die aber ſo kurz ſind, daß der Kopf faſt die Lippen beruͤhrt. So kurz ſind ſie davon, daß, ehe ſie den weiten Weg von Capherkommen, die Stiele ganz entzwey - und abbrechen. Wenn ſie aber keine irdene Pfeifen haben, ſo gebrauchen ſie ſowohl als die Kaffern eine, aus einem langen, duͤnnen und hohlen Stocke gemachte Pfeife, in deſſen eines Ende ein eben - falls hohler Pflock, und auf dieſen ein ausgehoͤhlter cy - linderfoͤrmiger Stein geſteckt wird, welcher den Kopf vorſtellt, und wo der Tobak hineingelegt wird. Haben ſie auch dieſen Apparat nicht, ſo nehmen ſie ein Bockshorn, und zwar von dem ſogenannten Elenn - thiere (Capra oreas). In das ſpitze Ende deſſelben bohren ſie ein Loch, ſtecken einen hohlen Pflock hinein, und oben auf dieſen einen ſteinernen Pfeifenkopf. Beym Rauchen ſperren ſie uͤber der ganzen weiten Oeffnung des Horns den Mund auf, und thun einige ſtarke Zuͤge. 191Reiſe v. Houtniquasbis an den Camtourfluß. Den Rauch behalten ſie einige Augenblicke im Munde, und hernach ſchlucken ſie einen Theil davon nieder, den andern blaſen ſie wieder aus. Darauf geben ſie die Pfei - fe einem andern, und ſo geht ſie in der ganzen Geſell - ſchaft herum. Kommen Fremde nach einem Kraale, ſo werden ſie allezeit auf dieſe Art mit Tobak tractirt. Bey den Hottentotten fand ich doch, welches ich nicht erwartet haben wuͤrde, Toͤpfe von gebrannter Erde zum Kochen, die ſie ſelbſt verfertigt hatten. Die Boh - nen vom Afrikaniſchen Pockenholze (Guajacum afrum) kochen und eſſen die Hottentotten, obgleich dieſer Strauch giftig iſt. Das Waſſer verwahren ſie in Daͤr - men. Die Weiber in dieſer Gegend geben den Kin - dern, wenn ſie ſie auf dem Ruͤcken tragen, die Bruſt unter dem Arme durch, wenn ſie vorher ihnen zu dieſem Ende den Kopf niedergebogen haben. Am Camtousfluſſeſtieß ich auf eine Partey Hottentotten, die ſich da gela - gert hatten, um eine neulich geſchoßne Seekuh zu ver - zehren; um ſie her war ein ſo abſcheulicher Geſtank, daß wir kaum vor ihnen vorbey kommen konnten, ohne er - ſtickt zu werden.

Siebenter Abſchnitt. Ruͤckreiſe von der Grenze des Kaffer - landes nach dem Cap.

Im Anfange des Decembers brachen wir vom Cam - tousfluſſeauf, und traten unſre Ruͤckreiſe an, nachdem wir hier unſre Ochſen ſich erhohlen laſſen, und das Land weiter hinaus beſehen hatten, als es auf dieſer Seite vom Capvon Europaͤern bis jetzt bewohnt war.

192Dritte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.

Auf dem Wege nach dem langen Thale( Lange Kloof) ſah ich auf einem Hofe, mit welcher Bequem - lichkeit und wie vortheilhaft der Landmann das von den Bergen herabfließende Waſſer dazu anzuwenden weiß, um ſeine Weinberge und Gaͤrten zu bewaͤſſern. Man leitet das Waſſer allezeit auf der hoͤhern Seite wie einen Bach durch dergleichen Gegenden, und von da laͤßt man Rin - nen oder gleichſam kleine herunterlaufende Graben zwi - ſchen den Weinſtoͤcken oder den Gartenbeeten herabgehen. Wenn man kein Waſſer noͤthig hat, verſtopft man dieſe kleinen Rinnen mit Erde. Auf gleiche Art leitet man das Waſſer zu den Muͤhlen, Fiſchteichen und andern Orten, wo man es gebraucht.

Wir kamen wieder zu Matthias Sonntag, und reiſeten von da nach Wolfskraal( Wolfe-Kraal), uͤber den Keureboomsflußund den tiefen Flußnach dem Gaͤn - ſekraal( Ganſe-Kraal), in welcher Gegend wir niedrige Berge antrafen, hinter denen das Kamenaſſenland( Ca - menaſſie-Land) liegt. Auf dieſem Wege hatte ich Ge - legenheit zu bemerken, daß man hier zu Lande die Gerſte nicht maͤhet, ſondern mit Sicheln ſchneidet. Weiter ging unſer Weg uͤber Eſelsjagd, ( Ezels-Jagt) nach dem Dornfluſſe( Doorn-Rivier), und dem großen Dornfluſſe( Groote Doorn-Rivier), ſo daß wir uns immer zur Rechten hielten, und das Ataquathalzur Lin - ken ließen. Hierauf kamen wir durch das trockne Karro - land( Carro-Veld) zu Gerd van Nimwegen, und fer - ner zu Gerd KlutesHofe am Schlangenfluſſe( Slange - Rivier). Dieſer Hof liegt ſo tief im Gebirge, daß ich kaum glaube, daß jemand ſich vorſtellen werde, hier ei - nen bewohnten Ort anzutreffen. Dieſer ganze Diſtrikt iſt unglaublich duͤrr und mager, und Schafe machen einzig und allein die Heerden des Landmanns aus. DerErd -193Ruͤckreiſe von der Grenze des Kafferlandesꝛc. Erdboden beſteht aus Lehmerde, die mit Salz vermiſcht iſt; das Salz ſieht man allenthalben an den Bergen zu beyden Seiten des Fluſſes von der Hitze kryſtalliſirt; eine Bemerkung, die ich auch ſchon an den Bergen bey Capgemacht hatte.

Wir hatten jetzt eine erſtaunlich lange, magere, duͤrre und am Tage brennende Ebene vor uns, durch welche wir mußten, und wo es wegen Waſſermangels gar keinen Hof gab, da wir haͤtten ausruhen koͤnnen. Wir lagen daher einen großen Theil des Tages ſtill, und begaben uns erſt des Nachmittags, ſobald es anfing et - was kuͤhl zu werden, auf den Weg. Nachdem wir ver - ſchiedne große und mit Hoͤlzung bewachſene Fluͤſſe, die jetzt gaͤnzlich ausgetrocknet waren, zuruͤckgelegt hatten, kamen wir endlich an der linken Seite des Gebirges zu einem wuͤſten Hofe, wo wir aber doch noch lebendige Hecken von Aloe (Aloe ſuccotrina) antrafen. Unter - wegs ſahen wir im Gebirge eine Menge Tiger, die hier haͤufiger waren, als ich ſie irgendwo bemerkt hatte.

Nun einige botaniſche und entomologiſche Wahr - nehmungen, die ich auf dieſem Theile meiner Reiſe machte. Der Kugelſchwamm (Lycoperdon carcinomale) waͤchſt hier auf den Ameiſenhaufen; man praͤparirt ein braunes Pulver davon und gebraucht es gegen den Krebs. Die Schafe freſſen die zarten Blaͤtter der Aegyptiſchen Sinn - pflanze (Mimoſa nilotica). Der Zaſerblume mit weißen Blumen (Meſembryanthemum) bedienen die Hottentotten ſich gegen den Durſt, indem ſie daran ſaugen; vorher laſſen ſie ſie faulen und bereiten ſie zu dieſem Gebrauche. Die Cichorienkaͤfer (Meloe Ci - chorei) thun vielen Schaden an den Aepfelbaͤumen und Gartengewaͤchſen, indem ſie das Laub und die Blaͤtter ganz zerſtoͤren. Auf den Zweigen der Baͤume und ThunbergsReiſe. Erſter Theil. N194Dritte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt. Straͤuche halten ſich viele Schildlaͤuſe (Coccus) auf, die den Schafen gefaͤhrlich ſeyn, und ſie toͤdten ſollen.

In den folgenden Tagen ſetzten wir die Reiſe uͤber die Hoͤfe Wohlgefunden( Welgevunden), Waſſerfall( Waater-Vall), Mauſekraal( Muyſen-Kraal), zu ei - nem Landmann, Nahmens Schmidt, fort. Von da gings weiter uͤber das Gebirge durch das flache Thal( Platte Kloof) und verſchiedne Hoͤfe vorbey, zu dem der Compagnie gehoͤrigen Platze Rohrthal( Riet-Valley). Hier machten wir Halt, um auszuruhen.

Mittlerweile beſuchten wir wieder den Großvater - wald( Groot-Vaaders-Boſch), wo verſchiedne Arten Baͤume zum eignen Gebrauche der Compagnie gefaͤller werden. Ich hatte gehofft, jetzt mehrere Baͤume in Bluͤ - the zu finden, allein die Zeit dazu war noch nicht voͤl - lig da. Der Schoͤnbaum (Calodendrum) war der einzige, der bluͤhete. Auf den Blumen dieſer Baͤu - me ſah ich ſchoͤne Schmetterlinge in Menge ſitzen, die den honigſuͤßen Saft herausſogen; ich konnte aber keines habhaft werden. Durch Huͤlfe meiner mit Hagel geladenen Buͤchſe war ich indeſſen doch im Stande, ei - nige wenige Zweige mit Blumen herunter zu ſchießen.

Vom Rohrthalereiſeten wir durch den breiten Fluß( Breede-Rivier) und uͤber den Fluß Ohnende( Zonder - Ende-Rivier), welcher letztere ſehr tief iſt, und deswe - gen eine Faͤhre hat, auf der man uͤbergeſetzt wird. Den Platz der Compagnie, Tigerecke( Tiger-Hoek), ließen wir zur Seite liegen, und nahmen den Weg laͤngs dem Fluſſe Ohnendezu einem andern der Compagnie zuſtaͤndi - gen Poſten, der das Suͤßmilchthal( Zoete-Melk-Valley) heißt. Schraͤge gegen dem flachen Thale( Platte Kloof) uͤber iſt dasjenige warme Bad, welches den Nahmen des Elefantenbades( Olifants-Bad) fuͤhrt, an der Seite des195Ruͤckreiſe von der Grenze des Kafferlandesꝛc. Gebirges; ich hatte aber diesmahl nicht Zeit es zu beſehen.

Das Land war jetzt theils von der brennenden Som - merhitze, theils von den heftigen austrocknenden Win - den ſehr duͤrr. Die Fliegen hatten ſich ſo anſehnlich ver - mehrt, daß ſie auf den meiſten Hoͤfen hoͤchſt beſchwerlich waren. Um ſie in den Haͤuſern zu vermindern, hatte man unter der Decke der Zimmer kleine Quaͤſte aufgehaͤngt. Dieſe Quaͤſte beſtreicht man taͤglich mehrmahls mit ſuͤßer Milch, und wenn Fliegen in Menge ſich daran herum geſetzt haben, nimmt man einen langen leinenen Beutel, haͤlt ihn unter, und ſchuͤttelt die Fliegen hinein; hernach wringet man den Beutel um, daß ſie nicht heraus koͤnnen.

Hier hatte ich wieder Gelegenheit zu ſehen, wie der Secretaͤrvogel, der eine Menge Schlangen auffrißt und zerſtoͤrt, dieſelben mit den Fuͤßen feſt tritt, und mit der Spitze der Fluͤgel darauf ſchlaͤgt, daß ſie nicht an ihn kommen und ihn beißen koͤnnen. Dieſer Vogel frißt auch Fleiſch und allerley Wurzeln. Die blauen Gold - haͤhnchen (Chryſomela) fuͤgen dem Getreide, an dem ſie freſſen, großen Schaden zu.

Unter den Gewaͤchſen traf ich hier die gefiederte Pſoralea (Pſoralea pinnata, Hollaͤndiſch Pinwortel) haͤufig an. Die Landleute betrachten ſie als das laͤſtigſte und ſchlimmſte Unkraut in den Gaͤrten, weil es ſehr tief in die Erde waͤchſt und ungemein feſt ſteht, und daher ſchwer auszujaͤten iſt. Die wilden Kaſtanien, oder die Frucht vom ſternblaͤttrichten Scepterbaume (Brabe - jum ſtellatum) freſſen hier die wilden Schweine ſo gern, daß ſelten eine liegen bleibt, die aufgehen kann, wofern ſie nicht zwiſchen Steine faͤllt.

Den 27. December kamen wir bey dem warmen Bade des ſchwarzen Berges, oder dem ſogenannten Ba -N 2196Dritte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt. de hinter den Bergen( Bad agter de Berg) an. Dies Bad entſpringt aus einer Anhoͤhe unterhalb des Berges auf der linken Seite deſſelben, und zwar beſonders aus zwey Quellen. Das Waſſer iſt mittelmaͤßig warm, und ſetzt in den Rinnen, worin es fortlaͤuft, hellgelben Oker in Menge an. Die Anhoͤhe beſteht aus Eiſenſtein oder eiſenhaltiger Lava, die ſchwer, ſchwarz und glaͤnzend, dabey dicht iſt, und gegen Stahl geſchlagen Feuer giebt. Sogar der Weg uͤber dieſelbe iſt ſchwarz von dem zer - malmten Eiſenſteine, der wie Ruß daruͤber herliegt. Das Waſſer ſchmeckt nach Eiſen, oder wie Tinte, aber nicht nach Schwefel. Vom Chinapulver, wie auch vom blauen Vitriol, wird es ſchwarz, vom Bleyzucker aber weiß. Kranke bedienen ſich dieſes Waſſers ſowohl zum Baden als auch zugleich zum Trinken, beobachten aber dabey eben ſo wenig Ordnung als gute Diaͤt. Das Waſſer wird in einer Rinne von der Quelle nach einem aus Bretern zuſammengeſchlagnen Hauſe geleitet, in wel - chem einige Treppen herunter gehen, worauf man ſo tief im Waſſer ſitzen kann, als man will. Die Compagnie hat hier auch ein ſteinernes Gebaͤude auffuͤhren laſſen, und einem alten Manne die Aufſicht uͤber daſſelbe gege - ben. Die wenigen Zimmer, welche hier zum Gebrauche der Brunnengaͤſte vorhanden ſind, hat man durch grobe Leinwand in viele kleine Zellen abgetheilt. Einige woh - nen in eignen Zelten oder auf ihren Wagen; einige logi - ren auf dem unterhalb des Bades liegenden Bauerhofe. Das Bad wird das ganze Jahr hindurch benutzt, vor - zuͤglich aber im Sommer vom Auguſt bis zum Februar. Der oberwaͤrts liegende Berg heißt der ſchwarze Berg.

Hierauf kamen wir zu dem Landeigenthuͤmer Baden - horſt. Hier war man jetzt mit dem Dreſchen des Wei - tzens beſchaͤfftigt. Scheunen, um das Getreide darin197Ruͤckreiſe von der Grenze des Kafferlandesꝛc. zu verwahren, hat man hier zu Lande gar nicht. Sie wuͤrden auch uͤberfluͤſſig ſeyn in einem Lande, wo man in dieſer Jahrszeit gar keinen Regen hat, und daher das Korn unter freyem Himmel haben kann. Von der ſtar - ken Hitze wird aber das Stroh ſo muͤrbe und ſproͤde, daß es zerbricht; es kann alſo nur Abends und Morgens, wenn es kuͤhl iſt, gehandhabt werden. Zum Dreſchen macht man ebenfalls unter freyem Himmel einen ebenen Platz zurecht, und faſſet ihn mit einer runden und niedri - gen Mauer von Lehmſteinen ein. Auf dieſer Tenne brei - tet man das Getreide los, nicht in Garben, aus einan - der, und fuͤhrt einen Trupp Pferde, die man gewoͤhnlich in einer Reihe an einander bindet, bisweilen aber auch frey gehen laͤßt, allenthalben darauf herum, die das Korn durch ihr beſtaͤndiges Umhergehen austreten. Im Mittelpunkte dieſer runden Dreſchdiele ſteht ein Kerl, der das vorderſte Pferd an einem Zaume haͤlt, und drau - ßen ſteht ein andrer, der die Pferde mit einer langen Peitſche in ſtetem Trabe herumtreibt. Das Stroh wird auf dieſe Art freylich ganz zertreten und zum Decken der Daͤcher voͤllig unbrauchbar. Dagegen geht das Dreſchen auch ſo geſchwind von Statten, daß ſechs Mann an ei - nem Tage dreyßig Tonnen Weitzen ausdreſchen und rein machen koͤnnen.

Von hier nahmen wir unſern weitern Ruͤckweg durch den kleinen Butterfluß( Kleyne Boter-Rivier), wo man das Meer ſehen kann, die kleine Holzecke( Kley - ne Hout-Hoek) vorbey, uͤber die große Holzecke( Groo - te Hout-Hoek) durch das Hottentottiſch Hollaͤndiſche Thal( Hottentotts-Hollands-Kloof). Hier iſt ein ſehr hoher Berg, uͤber den ein Weg nach dem Capgeht, der ſo ſteil hinablaͤuft, daß er ſehr gefaͤhrlich zu ſeyn ſcheint. Inzwiſchen ſind dieſer und der uͤber Rotheſandgehende198Dritte Abth. Siebenter Abſchn. u. ſ. w. Weg beynahe die einzigen, dabey aber doch die gewoͤhn - lichſten, und die Landleute aus dem ganzen Lande muͤſſen mit ihren ſchweren Laſtwagen einen von beyden paſſiren. Unterhalb des Berges liegen verſchiedne anſehnliche Hoͤfe mit huͤbſchen Gebaͤuden, die ich, ſo wie den Berg und den Strand, beſuchte.

In dieſer Gegend feyerten wir den Neujahrstag, und begaben uns mit den Einwohnern der ganzen Nachbar - ſchaft nach dem Strande hinab, um dieſen Tag mit laͤnd - lichen Luſtbarkeiten zuzubringen.

Am Strande fand ich Trompetentang (Fucus buccinalis) in Menge ausgeworfen. Die Leute blaſen damit foͤrmlich wie mit Trompeten.

Endlich machten wir noch eine Tagreiſe uͤber die weite ebene Sandflaͤche, die ſich vom Hottentottiſchen Hollandbis nach dem Caperſtreckt, und trafen den 2. Januar 1773 in der Stadt gluͤcklich wieder ein.

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Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Capnach der erſten großen Afrikaniſchen Reiſe vom 2. Januar bis gegen die Mitte des Septembers 1773.

Erſter Abſchnitt. Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.

Sobald ich zu Capangekommen war, ließ ich meine erſte Sorge ſeyn, die waͤhrend meiner Reiſe in einer Zeit von vier Monathen gemachten Sammlungen von Thie - ren, Gewaͤchſen und Samen nicht nur genau durchzu - ſehen, zu ordnen und das noͤthige zu ihrer Aufbewah - rung zu veranſtalten, ſondern ſie auch ſo einzurichten, daß ſie zu Schiffe nach Europaabgeſchickt werden konn - ten. Ich ließ daher die Saͤmereyen gut trocken werden, klebte die Kraͤuter auf große Bogen Papier, packte die Voͤgel und Inſekten in Kiſten, verwahrte die Zwiebeln, pflanzte die lebendigen Baͤume in Kaſten, vertheilte den anſehnlichen Vorrath auf verſchiedne nach Hollandzuruͤck - kehrende Schiffe, und ſchickte ihn nach Amſterdamund Leidenzum Geſchenke fuͤr die daſigen botaniſchen Gaͤrten. Was nach dieſer Verſendung uͤbrig blieb, packte ich, in einzelne Parteyen abgetheilt, fuͤr meine Goͤnner und Freun - de in Schwedenein, nahmentlich fuͤr die Herren von Linné, Archiater Beck, Profeſſor Bergiusund Doctor200Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. Montin. Ich hatte auch bald nachher Gelegenheit, mit Schwediſchen Schiffen dieſen Ueberreſt nach meinem Va - terlande abgehen zu laſſen.

Die folgenden Monathe wandte ich, eben ſo als im vorigen Jahre, dazu an, in der Nachbarſchaft des Capſelbſt zu botaniſiren, einige kleine Reiſen ins Land zu machen, und meine naturhiſtoriſchen Sammlungen theils noch genauer zu unterſuchen und in Ordnung zu bringen, theils was ich Neues und bisher Unbekanntes darunter fand, zu beſchreiben.

Zuerſt ſtattete ich dem Polizey-Secretair Bergauf ſeinem Landhauſe unweit Conſtantiaeinen Beſuch ab. Ich hatte mit dieſem Manne ſchon in der Stadt Bekannt - ſchaft geſtiftet, und bey ihm zugleich Herrn Sonnerat, einen Franzoſen, kennen gelernt, der in der Eigenſchaft eines ſehr geſchickten Zeichners mit Herrn Commerçondie weiteſten Reiſen um die Welt, und nach vielen Indiſchen Laͤndern gemacht, und neulich auf einem Franzoͤſiſchen Schiffe von Isle de Francezu Capangekommen war. Ihn fand ich bey Herrn Bergvor, und ſeine Geſellſchaft mach - te mir den Aufenthalt bey demſelben, welcher einige Wo - chen waͤhrte, doppelt angenehm. Beſonders vertrieben wir die Zeit damit, daß wir botaniſirten, und eine Menge ſchoͤ - ner Capſcher Voͤgel fuͤr unſre Sammlungen ſchoſſen.

Unter den vielen Excurſionen, die wir gemeinſchaft - lich vornahmen, ging eine im Januar den Tafelberghin - auf, weil wir ſehen wollten, wie es auf ſeiner Spitze ausſaͤhe, und was fuͤr Gewaͤchſe er oben hervorbringe. Beyde hatten wir uns mit Schießgewehr, Proviant, Papier und dergleichen verſehen, welches zwey Sklaven trugen, die wir in der Stadt zu unſerm Dienſte gemie - thet hatten. Um drey Uhr des Morgens begaben wir uns auf den Weg, und gingen den Fuß des Berges201Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt. hinan, ehe die Sonne aufging und uns mit ihren heißen Strahlen die Reiſe zu beſchwerlich und ermuͤdend machen konnte. Kurz nach acht Uhr hatten wir bereits den Gi - pfel erſtiegen, wo wir eine angenehm gemaͤßigte Kuͤhle empfanden. Unſre Muͤhe ſahen wir durch eine Menge ſeltner Gewaͤchſe, beſonders von der ſogenannten Rag - wurz (O chidea) ſehr bald belohnt. Dieſe Gattung habe ich hernach weder zu andern Jahrszeiten hier, noch auf andern Bergen finden koͤnnen. Unter andern prang - te mit ihren großen rothen Blumen die großblumige Ragwurz (Orchis grandiflora, oder Diſa uniflora in Bergii Plantis Capenſ.). Von der dem Tafelbergeeigen - thuͤmlichen Stendelwurz (Serapias tabularis) traf ich nur ein einziges Individuum an. Die ſchwarzweiße Sten - delwurz (Serapias melaleuca) hingegen zeichnete ſich haͤufig durch ihre ſchwarzen und weißen Blumen aus: die ſeltenſten Blumen unter allen. Die blaue Diſa lon - gicornis, welche theils ungemein reitzend, theils von ganz beſondrer Geſtalt iſt, bekam ich hier mit Muͤhe und nicht ehne Lebensgefahr, und zwar zum erſten und letztenmahl. Sie ſtand naͤmlich nur an einer einzigen Stelle, auf ei - ner ſteilen Klippe, ſo hoch hinauf, daß wir auf keine an - dre Art dazu kommen konnten, als nachdem wir die Seite der Klippe ſo weit als moͤglich hinauf geklettert waren. Ich ſtieg Herrn Sonneratauf die Schultern, und riß ſo mit einem langen Stocke fuͤnf Stengel davon ab; die einzigen, welche jetzt in Bluͤthe ſtanden. Herr Sonne - rat, der vorher nicht Gelegenheit gehabt hatte, am Fu - ße des Berges ſo viele Gewaͤchſe zu ſammeln, als ich, brachte an dieſem einen Tage eine Zahl von dreyhundert Gattungen zuſammen. Er hatte aber dabey das unange - nehme Schickſal, daß er barfuß zuruͤckgehen mußte, ob er gleich drey Paar Schuhe zu dieſem Spatziergange mit -202Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. genommen hatte. Denn von der Menge ſcharfer Stei - ne, die theils unten am Berge, theils in den Vertie - fungen, durch welche der Weg geht, herabgerollt lie - gen, werden nicht nur die Sohlen der Schuhe abgenutzt, ſondern auch das Oberleder geht entzwey. Nette und duͤnne Franzoͤſiſche Schuhe kann man daher auf ſolchen Berg-Wallfahrten gar nicht gebrauchen, ſondern ſie muͤſſen von gewichstem Leder gemacht ſeyn und dicke Sohlen haben.

Der Tafelberghat ſeinen Nahmen davon bekom - men, daß er vorn gegen die Stadt und den Hafen eben abgeſchnitten und wie ein Tiſch ausſieht. Wenn man hinauf kommt, merkt man, daß er vorwaͤrts etwas eben iſt; hernach aber erſtreckt er ſich in Abſaͤtzen allmaͤhlig wei - ter. In den oben auf dem Berge befindlichen Tiefen nehmen verſchiedne Baͤche ihren Anfang, die theils nach der Stadt, theils ſeitwaͤrts fließen, und gutes, friſches, kaltes Waſſer haben. Gleichwohl konnte ich keine ei - gentliche Quelle gewahr werden, auch fand ich oben nicht, wie Einige vorgeben, einen fiſchreichen See. Sondern alles dies Waſſer ſammelt ſich zum Theil vom Regen, und zum Theil aus den Wolken, welche uͤber den Berg hinziehen, ohne unten Regen zu geben. Oben auf dem Berge ſtehen verſchiedne ſchon ziemlich ausgewit - terte Steine von ſonderbarer Geſtalt, und zugleich in ſolcher Stellung, daß man glauben ſollte, ſie waͤren durch Kunſt hingeſtellt.

Die Hoͤhe des Tafelbergesbetraͤgt 3350, oder, nach de la CaillesBerechnung, 3353 Fuß, und zwar auf der Weſt-Seite, welche die niedrigſte iſt. Der Teufelsberggraͤnzet auf der Oſt-Seite an ihn und iſt 30 Fuß nie - driger, ob es gleich das Anſehen hat, als wenn ſeine Spitze hoͤher ſey. Mit dieſem und dem Loͤwenberge203Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt. macht der TafelbergEinen Berg aus: unten haͤngt er mit ihnen zuſammen, weiter hinauf aber trennen anſehnliche Thaͤler ihn davon.

Auf den Tafelbergkann man an verſchiednen Stel - len hinaufkommen, vorn, hinten und auf den Seiten. Eben daſelbſt kann man auch heruntergehen. Alle dieſe Wege habe ich in den funfzehnmahlen, da ich dieſen Berg waͤhrend meines hieſigen Aufenthalts beſucht habe, hinreichend verſucht, um ſie aufs genaueſte kennen zu lernen. An der Vorderſeite iſt der Berg nur in der gro - ßen Vertiefung, welche beynahe die Mitte haͤlt, und ſehr ins Auge faͤllt, zugaͤnglich. Dieſer Aufgang wird gewoͤhnlich gebraucht, obwohl er der ſteilſte iſt, beſon - ders nicht weit von der Spitze, wo er zugleich ſehr ſchmal wird, und an beyden Seiten von faſt ſenkrechten Waͤn - den eingeſchloſſen iſt. Der Fuß unten, an welchem die Stadt ſelbſt liegt, betraͤgt ungefaͤhr ein Drittheil von der Hoͤhe des Berges, geht von flachen und mit Gebuͤſch be - wachſenen Huͤgeln nach und nach in die Hoͤhe, und bil - det alsdann groͤßere Huͤgel, die abſchuͤſſiger und mit gro - ßen von oben herabgerollten Steinen bedeckt ſind. Hier - auf faͤngt die oben gedachte Vertiefung an, welche un - ten funfzig bis ſechzig Schritt breit iſt, dann immer ſchmaͤler wird, endlich nur eine Breite von ſechs bis ſie - ben Schritten behaͤlt, und oben mit ſehr großen Stei - nen beynahe ganz verſtopft iſt. Weit oben in dieſer Vertiefung fand ich feine loſe Sandſteine, groͤßte und kleinere, liegen, die tiefer unterwaͤrts durch ihr Hinab - rollen zu Grus und Sand zermalmt waren.

Der Tafelberg, der Teufelsberg, der Loͤwenkopf, und andre hieſige Berge haben eben ſo, als die Berge in Europa, ihre Lagen und Schichten. Die oberſten Lagen gehen ganz horizontal, die unterſten aber ſchief. Oben204Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ſcheinen dieſe Berge aus Sandſtein oder einer vulkani - ſchen Aſche, in der Mitte aus Trapp oder Schwarzſtein, und unten aus Schiefer zu beſtehen. Ganz oben auf dem Tafelbergefindet man ſowohl einzelne Steine als hervorſtehende feſte Klippen, die ſehr verwittert ſind, nicht allein oben und an den Seiten, ſondern auch un - terwaͤrts, ſo daß ſie große Hoͤhlungen bilden. Dies Verwittern ruͤhrt nicht nur von dem darauf ſtehen blei - benden Waſſer, ſondern, wie ganz deutlich iſt, von der Luft ſelbſt her, deren Feuchtigkeit zwiſchen die feinen Oeffnungen eindringt, und die Steine aufloͤſet. Die großen Steine, welche auf den Anhoͤhen unten an den Vergen liegen und von oben da hinunter gerollet ſind, auch ſehr alt ausſehen, beſtehen aus Trapp, worin ſich groͤßre und kleinere Vertiefungen finden, die durch Ver - witterung entſtanden zu ſeyn ſcheinen. Dieſe ſowohl, als die kleinen Steine, enthalten nicht nur inwendig, ſondern auch auf der Oberflaͤche Quarzſtuͤcke, welches deutlich zu beweiſen ſcheint, daß dieſe letzteren ſich nicht da gebildet haben, ſondern eingeſchloſſen worden ſind, zumahl, da ſie nicht an die Steine ſelbſt, welche einen ziemlichen Grad Haͤrte und eine glatte, gleichſam abge - ſchliffne, Oberflaͤche haben, feſt gewachſen ſind. Die Steine in den unterſten Schichten ſind los und dunkel - farbig und laſſen ſich zerreiben. Bisweilen ſind ſie et - was bleich oder aſchgrau. Sowohl die Luft, als das Waſſer verzehrt ſie ſo ſehr, daß am Rande handbreite Lamellen wie Hahnenkaͤmme in die Hoͤhe ſtehen. Dieſe unterſten Schieferlagen, die oben mit Erde und Gras bedeckt ſind, machten an einigen Stellen die Haͤlfte von der Hoͤhe des Berges aus. Sie gehen von Suͤden nach Norden, aber nicht ganz horizontal, ſondern nach We - ſten etwas geneigt und nach Oſten in die Hoͤhe mit ſchar -205Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt. fen verwitterten Lamellen. Auf dieſe Art erſtrecken ſie ſich ſogar in die See hinein, wie man an den Klippen, ſowohl an denen, die hervorragen, als an denjenigen, wel - che vom Waſſer bedeckt ſind, deutlich ſehen kann.

Den Loͤwenkopfbeſuchte ich ebenfalls unterſchied - lichemahl. Dieſer liegt eigentlich an der Weſt-Seite des Tafelberges, und endigt ſich oben in einer faſt unzu - gaͤnglichen Spitze. Von dieſer Spitze erſtreckt er ſich in einem langen allmaͤhlig ſich[n]eigenden Ruͤcken weiter, und ſchließt ſich endlich in einem aufs neue in die Hoͤhe gehenden Huͤgel, der den Nahmen Loͤwenſchwanz( Leeu - we-Staert) fuͤhrt. Nicht weit vom Gipfel iſt der Loͤwen - kopfan einer Stelle ſo jaͤh, daß man an einer Klippe ein ſtarkes Seil hat befeſtigen muͤſſen, durch deſſen Huͤlfe man eine beynahe ſenkrechte Wand hinanklettert. Oben auf der Spitze haͤlt ſich beſtaͤndig eine Wache auf, um die Schiffe, welche beym Capzu landen gedenken, zu entdecken und zu beobachten. Zu dieſem Endzwecke iſt da ein kleines Haͤuschen mit einem Kamine, um Eſ - ſen zu kochen, gebauet. Auch ſtehen da drey Kanonen, von denen, ſo oft man ein Schiff ankommen ſieht, eine abgefeuert wird, und eine hohe Stange, um die Flagge aufzuziehen. Aus der Anzahl der Schuͤſſe weiß die Re - gierung ſogleich, ob einzelne Schiffe oder eine Flotte ankommen. Des Abends geht der Mann, welcher das Amt hat, die Flagge auf - und niederzulaſſen, herun - ter und begiebt ſich in ſein Haus, das in dem tiefen Grun - de zwiſchen dem Tafelbergeund der Loͤwenkuppeſteht. Wenn die entdeckten Schiffe naͤher kommen, wird die Flagge auf dem ſogenannten Loͤwenruͤcken( Leeuwe-Rug), und wenn ſie in den Hafen einlaufen, auf der Citadelle aufgezogen, wo man ſie nicht eher niederlaͤßt, als bis ſie ſalutirt haben. Kommt ein Schiff zwar zum Vor -206Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ſchein, aber ſo daß es nur vorbeygeht, ſo wird die Flag - ge auf dem Loͤwenkopfeweggenommen, ſobald man es nicht mehr ſehen kann. Die Flagge iſt nicht immer die - ſelbe, ſondern fuͤr jeden Monath eine andre. Sie iſt gleichſam das, was zu Lande die Loſung iſt. Denn ihre Farbe beſtimmen die Directeure in Europa, und machen ſie niemand, als den Regierungen zu Bataviaund zu Cap, und den Capitainen der abgehenden und zuruͤckkeh - renden Schiffe in verſchloſſenen Briefen bekannt. Hier - aus koͤnnen die Schiffs-Befehlshaber ſehen, ob das Capbey ploͤtzlich entſtandnem Kriege in feindliche Haͤnde ge - rathen iſt, und ſich dadurch warnen laſſen, nicht einzu - laufen. Zu Kriegszeiten kann, wie ich ſchon an einem andern Orte angefuͤhrt habe, die ganze Kolonie tief ins Land hinein, wenn die Ankunft einer großen Flotte ent - deckt wird, in groͤßter Geſchwindigkeit durch Kanonen, Flaggen und Feuer, die im ganzen Lande von Strecke zu Strecke vertheilt ſind, aufgebothen werden. Die oberſte Schichte des Loͤwenkopfsbeſteht aus loſem rothem Sandſteine, der ſo auswittert, daß große Vertiefungen zuruͤckbleiben*)So viel ich mich erinnere, und nach dem Bericht andrer Augenzeugen, ſind die Gebirge am Capwirkliche Granitgebirge. F..

Im Maͤrz brachte ich einmahl einen ganzen Tag oben auf dem Tafelbergezu. Am Abend hatte ich von dieſer anſehnlichen Hoͤhe einen Anblick, den ich mit Recht zu den ſonderbarſten und zugleich ſchoͤnſten rechne. Der Tafelberghat, wie alle andre Berge dieſes Landes, eine ſolche Lage, daß er ſich von Nord-Weſt nach Suͤd-Oſt erſtreckt, mithin die eine lange Seite gegen Nord-Oſt, und die andre gegen Suͤſt-Weſt ſteht. Die in Oſten auf - gehende Sonne ſcheint hier nicht, wie in Europa, nach Norden, ſondern nach Suͤden, und ſinkt endlich auf207Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt. der Weſt-Seite des Berges in den Ocean hinab. Daher hat man auf der Nord-Oſt-Seite fruͤheren Morgen und Sonnenſchein, auf der Suͤd-Weſt-Seite hingegen laͤngeren Abend und ſpaͤteren Sonnenſchein. Auf dem Gipfel des Tafelbergeszeigten ſich mir alſo ungefaͤhr um fuͤnf Uhr des Abends gleichſam zwey verſchiedne Wel - ten; die weſtliche hatte noch die ſchoͤnſte Abendſonne und einen hellen Horizont, die oͤſtliche aber war ſchon mit Finſterniß und dickem Nebel bedeckt. Dieſer aus der erwaͤrmten Erde aufſteigende Nebel verdickte ſich ſo - gleich in der geſchwind abgekuͤhlten Luft, und war daher ſo ſtark, daß man vom ganzen Lande gar nichts ſehen konnte. Man haͤtte glauben ſollen, eine große dicke Wol - ke zu ſehen. Eben dies war auch eine von den Urſachen, warum die Ausſichten auf beyden Seiten des Berges, die einen Augenblick vorher gleich waren, jetzt auf eine ſo ſehr in die Augen fallende Art ſich von einander un - terſchieden.

In der Mitte des Maymonaths machte ich in Herrn Gordonsund eines vor nicht gar langer Zeit hie - her gekommnen engliſchen Gaͤrtners, Nahmens Maſſon, Geſellſchaft eine Reiſe um die ſaͤmmtlichen zwiſchen Capund der falſchen Bayliegenden Berge herum. Wir waren zu Fuß, und brachten auf dieſer Excurſion ver - ſchiedne Tage zu.

Wenn man in der vorhin erwaͤhnten Vertiefung zu dem Gipfel des Tafelbergeshinaufſteigt, ſo hat man zur Rechten eine andre Vertiefung, die nach der See - ſeite hinabgeht. Zur Linken entſpringt eine Quelle, die in einem kleinen Bache hinunterfließt; ſie iſt aber mit Gebuͤſch ſo bewachſen, daß man ihren Urſprung, der ſich unter einer großen Klippe befindet, nicht ſehen kann. In allen an und auf dem Berge befindlichen, theils groͤ -208Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ßeren, theils kleineren, flachen Thaͤlern, trifft man Waſſer, lockre Erde und Moos an, wodurch ſie faſt alle in Moraͤſte verwandelt werden. Suͤd-oſtwaͤrts nei - get er ſich durch kleine Thaͤler allmaͤhlig mehr und mehr, bis er vor der Holzbay( Hout-Bay) ganz aufhoͤrt.

Durch das lange ſchmale Thal, welches die von Conſtantianach der aͤußerſten ſuͤdlichen Spitze fortlaufen - de Bergſtrecke vom Tafelbergetrennt, und den Nahmen Pavianthal( Babian-Kloof) fuͤhrt, gingen wir nach der Holzbay. Hier iſt ein Hof angelegt. Zur Rechten ſieht man den kleinen Loͤwenkopf( Kleyne Leeuwe-Kop), welches ein dem großen Loͤwenkopfebeym Capaͤhnlicher, ſpitz in die Hoͤhe gehender Berg iſt. Ferner erſcheint da der Karfunkelberg( Kafunkel-Berg), welcher laͤnglich, und deſſen Fuß vom Strande an mit feinem, weißen Flugſand bedeckt iſt. Er formirt eine Landſpitze, deren En - de in einem kegelfoͤrmigen und nach der See uͤberhangenden Berge beſteht und Haͤnglippe( Hang-Lip) heißt, und wird ſowohl vom Tafelberge, als vom Loͤwenkopfevermit - telſt eines tiefen Thals getrennt. In die Holzbayergießt ſich ein Arm eines oben auf dem Tafelbergeentſpringen - den ziemlich großen Bachs. Die See bildet in der Holz - baybey niedrigem Waſſer gleichſam Fluͤſſe, deren Ufer durch das Herabfallen des Sandes eine ſteile Geſtalt ha - ben. Die ganze Bucht iſt voll runder Sandſteine, gera - de wie durchgaͤngig der Strand des Wetternſeesin Schweden. Zur Linken zeigt ſich der Steinberg( Steen - Berg), an deſſem Fuße auf der andern SeiteKlein -und Groß-Conſtantialiegen, und welcher ſich in Geſtalt einer Landſpitze, die Steinbergsecke( Steenbergs Hoek) heißt, in die See erſtreckt. Hier liegt Mausburg( Muyſen - burg), ein der Compagnie zugehoͤriger Hof.

Von209Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.

Von der Holzbaywanderten wir uͤber die Berge nach der Norderecke( Nord-Hoek), wo drey Hoͤfe liegen, und ein großer Meerſtrudel befindlich iſt. Dieſe Ecke iſt die aͤußerſte Spitze des Berges ſelbſt, gegen uͤber iſt eine andre Landſpitze, der man den Nahmen Schlangenkopf( Slangen-Kop) gegeben hat. Die Duͤnen beſtehen hier alle aus Triebſand, der in Huͤgeln von verſchiedner Hoͤhe liegt, wovon die neueren noch kahl, die aͤlteren aber mit Geſtraͤuch bewachſen ſind. Unter dieſem bemerkte ich be - ſonders haͤufig den Wachsſtrauch oder die herzblaͤttrichte Gagel (Myrica cordifolia), welcher hier meiſtentheils niedrig waͤchſt und am Boden kriecht. Gegen Suͤd-Oſt ſtoͤßt man auf eine tiefe Stelle, die wie ein Teich iſt, und eine Hoͤhe von drey bis vier Ellen hat. Jetzt war ſie zum Theil mit Waſſer angefuͤllt, deſſen Oberflaͤche von Flamingern (Phoenicopterus ruber) faſt bedeckt war. Der Grund iſt ſandig, mit Lehm vermiſcht. Im Winter ſteht dieſe tiefe Stelle verſchiedne Monathe ganz voll Waſſer. Sie bekommt dies aber nicht aus dem Meere, von dem ſie auch eine ziemliche Strecke entfernt iſt, ſondern vom Regen; das Waſſer ſteigt und faͤllt da - her auch nicht mit der Fluth und Ebbe. Unter den hier wachſenden Straͤuchen heißt einer Duͤnenholz (Duyn - Hout) oder Schwarzholz (Zwart-Hout); er hat flei - ſchichte Blaͤtter; jetzt bluͤhete er nicht. Der Schlangen - buſch, ſonſt Bucken (Seriphium), der hier waͤchſt, ſoll die Wuͤrmer abtreiben. Wir trafen hier einen ſehr beruͤhmten Bauer, Nahmens Jan Bruyns, einen der fertigſten und geſchickteſten Schuͤtzen im ganzen Lande. Dieſes iſt der Mann, welcher mit Heupnerdie ungluͤck - liche Reiſe nach Rio de la Goa, durch das Kafferlandmachte, da ſieben von der Geſellſchaft durch die Kaffern ermordet wurden, und nur er mit fuͤnf andern entkam.

ThunbergsReiſe. Erſter Theil. O210Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Weiter ging unſre Reiſe uͤber die Berge nach Wild - ſchuͤtzbrand, wo wir nur eine auf einem ſchoͤnen grasreichen Platze ſtehende Hottentotten-Wohnung fanden; und dar - auf wieder ein wenig zuruͤck nach der falſchen Bay. Den von der falſchen Bayſich weit in die See hinein erſtre - ckenden unfruchtbaren Bergen haben Koloniſten und See - fahrer den Nahmen Norwegen( Norweegen) beygelegt.

Falſche Bay, Bay Falſo, oder Simonsbayheißt der Hafen an derjenigen Seite, wo die Schiffe nur zur Winterszeit ankommen, und wo ſie vor den Stuͤrmen des Nord-Weſt-Windes, welche zu dieſer Zeit den in der Tafelbayliegenden Schiffen ſo gefaͤhrlich ſind, in Si - cherheit liegen. Der Hafen iſt hier groͤßer als beym Cap. Der Strand iſt eben nicht breit, und an verſchiednen Stellen ſpringen die Berge ſo weit vor, daß gar kein Strand da iſt. Die Haͤuſer liegen auf den Bergen und Huͤgeln ſelbſt, und reichen manchmahl zur Bequemlichkeit der Fremden nicht hin. Eine große runde Klippe im Hafen wird die Arche, eine andre die Romanklippe, und eine weiter hinaus oſtwaͤrts liegende Inſel das Malagaſſen - Eyland genannt. Außer einem der Compagnie gehoͤri - gen Hauſe, welches der Reſident bewohnt, ſind hier noch einige andre oͤffentliche Gebaͤude, als ein Hoſpital, ein Packhaus, und ein Schlachthaus, wie auch etliche Hoͤ - fe, die Privat-Perſonen gehoͤren. Der Garten der Com - pagnie liegt etwas weiter weg.

Von der falſchen Baymarſchirten wir uͤber flache und ebene Sandfelder, Muyſenburgund den Fiſcher - platz der Compagnie vorbey, und wieder nach der Cap - ſtadt. In den Sandebnen ſind hie und da kleine Bin - nenſeen, die von der Sonnenhitze noch nicht voͤllig ausge - trocknet waren. Auch hegten dieſe waſſerreichen Gefilde noch hin und wieder Flaminger, die mit ihren weißen211Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt. und blutrothen Federn dieſe Gegend ſchmuͤckten, und die im Waſſer ſich aufhaltenden Wuͤrmer und Ungeziefer verzehrten. Wir ſchoſſen einen davon, ſo daß der Fluͤ - gelknochen zerſchmettert wurde, und der Vogel nicht flie - gen konnte; es koſtete uns aber doch die groͤßte Muͤhe, ihn zu bekommen, weil er mit ſeinen langen Beinen weit geſchwinder durch das eine halbe Elle tiefe Waſſer watete, als wir ihm nachkommen konnten.

Zweyter Abſchnitt. Verſchiedne geographiſche und andre dahin gehoͤrige Nachrichten.

Die Robbeinſel( Robben-Eylandt) liegt beym Eingan - ge des Hafens, ungefaͤhr eine Meile von der Stadt. Alle einlaufende Schiffe ſegeln dieſelbe vorbey, und in - dem dies geſchieht, wird auf der Inſel die Hollaͤndiſche Flagge aufgezogen. Bisweilen, wenn ſtarker Suͤd-Oſt - Wind die Schiffe hindert in den Hafen zu kommen, le - gen ſie ſich bey der Robbeinſelvor Anker. Vor dieſem war dieſe Inſel der Aufenthalt unzaͤhlbarer Seehunde, wovon ihr auch der Nahme geworden iſt. Jetzt aber, ſeitdem dieſe gaͤnzlich verjagt ſind, halten ſich auf derſel - ben nur Chamaͤleone, Wachteln und zu ewiger Gefan - genſchaft verdammte Verbrecher auf. Dieſe Leute man nennt ſie am CapBanditen, haben hier eigent - lich das Geſchaͤfft, am Strande taͤglich eine gewiſſe Men - ge Schneckenhaͤuſer zu ſammeln, woraus hernach zum Gebrauche der Compagnie Kalk gebrannt wird. Zu die - ſer Verbannung und Arbeit werden nicht nur ſchwarze Sklaven, die etwas verbrochen haben, ſondern auch Eu - ropaͤer zur Strafe fuͤr ſchwere Verbrechen, verurtheilt.

O 2212Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Unter den Baͤchen und kleinen Fluͤſſen am Capiſt derjenige einer der anſehnlichſten, welcher ſein Waſſer vom Tafelbergebekommt, und ſich in den Hafen ergießt. Er heißt der Salzfluß( Zout-Rivier). Sein Waſſer iſt auch nicht nur unweit des voͤlligen Ausfluſſes ins Meer ſalzig, weil das Seewaſſer ſich damit vermiſcht, ſondern er faͤllt auch mit der Ebbe und Fluth.

Unterhalb der Berge ſowohl als nahe am Strande findet man am Capverſchiedne, zum Theil groͤßere, zum Theil kleinere, erhabene Sandſtrecken, welche von dem vielen Flugſande entſtehen, und oft, bisweilen zwey - mahl in einem Jahre, ihre Lage und Stelle aͤndern, ſo wie der Wind ſie entweder hiehin oder dorthin treibt. Diejenige dieſer Sandſtrecken, welche unterhalb des Loͤ - wenſchwanzesbefindlich iſt, ſcheint beſonders merkwuͤrdig zu ſeyn, und zu zeigen, wie dieſer Berg ehedem entſtan - den iſt, und wie ſeine Lagen und Schichten ſich gebildet haben. Sie liegt außerhalb der Batterie, erſtreckt ſich von Suͤden nach Norden, und hat eben die Richtung, welche die Berge am Capund im ganzen Lande haben, je - doch ſo, daß ſie ſich hin und wieder nach Oſten oder We - ſten ein wenig kruͤmmt, je nachdem die hier herrſchenden Winde den Sand etwas ſeitwaͤrts getrieben haben. Nordwaͤrts vermehrt ſie ſich jaͤhrlich ganz bis nach dem Ufer der See. Am weſtlichen Ende iſt ſie gekruͤmmt, und wird allmaͤhlig niedriger, welches entweder von der nicht weit davon in eben derſelben Richtung fortlaufenden andern erhabenen Sandſtrecke, die aber feſt und dicht iſt, und zum Galgenplatze gebraucht wird, oder von dem den Wind abhaltenden Loͤwenſchwanzeherkommt. Der Sand in jener großen hohen Sandſtrecke iſt im Sommer los und fliegt umher. Des Winters iſt er etwas feſter, welches vom Regen herruͤhrt, aber doch beynahe ſo los,213Verſchiedne geographiſche Nachrichten. wie lockrer Schnee; nur einige Stellen ſind hart. Die Sandlagen bilden ſich ſo, wie der Sand hingewehet wird, und haben, wie die Schichten der Berge, eine ſchraͤge Lage gegen den Horizont. Einige Lagen ſind lockrer, an - dre dichter, je nachdem der Flugſand mehr oder weniger rein oder gemiſcht war, ehe der Regen ihn hart machte. Dieſe Lagen gehen entweder in gerader Linie oder wellen - foͤrmig fort, und der weiße und ſchwarze Sand, woraus ſie beſtehen, ſieht in der Ferne wie Agat aus. Jener ſo - wohl als dieſer wird von der See ausgeworfen. Des ſchwarzen Sandes iſt weniger als des weißen, aber der letztere treibt mehr umher, und bildet kleine Huͤgel. Die Sandſtrecke ſelbſt liegt dem Tafelbergegegen uͤber, und laͤuft mit ihm parallel. Ihre Hoͤhe iſt faſt allenthalben gleich, und nicht ſehr hoch. Auf der Suͤd-Seite neiget ſie ſich allmaͤhlig, nach Norden aber iſt ſie ſteil. Der Sand fliegt wie Flugſchnee, und manchmahl wird in einem Ta - ge, jedoch an verſchiedenen Stellen, mehr als eines Dau - mens hoch hinaufgetrieben. Steine, und was ſonſt im Wege liegt, wird auf der Suͤd-Seite nackt gewehet, auf der Nord-Seite aber wird ein hoher und ſpitzer Rand daraus, wie man oft beym Schnee ſieht, wenn er auf dem Felde immer nach einer Seite hingewehet wird. Auf aͤhnliche Art ſcheinen die Schichten in den Bergen ehemahls von dem Winde und den Wellen gebildet zu ſeyn, und eben derſelben Urſache, naͤmlich den beyden hier herrſchenden Winden, ihren Urſprung zu danken zu haben.

Je oͤfter ich die Gegend um das Capdurchreiſete, deſto feſter uͤberzeugte ich mich, daß das ganze Vorgebirge der guten Hoffnungnichts anders als ein Berg ſey. Denn die Ruͤcken der Berge, ſowohl die groͤßten, als die kleinſten, erſtrecken ſich alle ohne Ausnahme von Suͤd -214Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. Oſt nach Nord-Weſt, haben folglich eben die Richtung, welche die hier im Lande herrſchenden ſtarken Winde ha - ben. Sie liegen auch unter einander parallel; ihr jedes - mahliger Abſtand von einander aber iſt nicht gleich, ſon - dern zwiſchen einigen ſind die Thaͤler oder Gruͤnde breit, manchmahl ſogar bewohnt, zwiſchen andern ſind ſie ſchmal. Gegen Nord-Weſt hatte ich nicht Gelegenheit, das Ende dieſer Bergſtrecken zu ſehen; vermuthlich ge - hen ſie da ganz bis dicht ans Meer, ohne einen niedrigen Strand zu laſſen. Gegen Suͤd-Oſt gehen ſie allmaͤh - lig herunter, und werden endlich ganz flach, ehe ſie das Meer erreichen; doch ſind die Berge im Hottentottiſchen Hollandhievon ausgenommen. Sonderbar iſt es, daß, wenn man von der Stadt nordwaͤrts ins Land hinein rei - ſet, und uͤber einen Berg gekommen iſt, das Land auf der andern Seite hoͤher; wenn man uͤber die weiter entfern - ten Berge gekommen iſt, noch hoͤher erſcheint, und daß dies drey - bis viermahl ſo zunimmt. Das jedesmah - lige Land zwiſchen ſolchen Bergſtrecken iſt daher nichts an - ders als eine Vertiefung die aber ſo breit iſt, daß man ihr den Nahmen einer Landſchaft gegeben und verſchiedne Hoͤfe darin angelegt hat. Beſteigt man die Berge, welche dieſe Vertiefungen umgeben, ſo ſieht man von da, wiewohl im kleinen, aͤhnliche Bergſtrecken und Vertiefun - gen, welche letzteren aber eng und ſelten bewohnt ſind. Der Abſtand zwiſchen zwey Bergſtrecken betraͤgt bisweilen eine ganze Meile und wohl mehr; manchmahl nur eine halbe, oder bloß eine Viertelmeile, und ganz oben nur einen Steinwurf. Indeſſen ſind ſolche Thaͤler oder Gruͤnde keinesweges eben und ganz flach, ſondern in der Mitte tiefer, zu beyden Seiten aber hoͤher, und zwar deſto mehr, je naͤher man den Bergen kommt. In der Mitte fließen die, bald einfachen, bald aus mehreren215Verſchiedne geographiſche Nachrichten. Quellen zuſammenkommenden, tiefſten Baͤche, und zwar mit den Bergſtrecken parallel. Zunaͤchſt am Cap, wo die ſuͤdliche Spitze des Dreyecks iſt, das Afrikaformirt, ſind die Berge am kuͤrzeſten. Je weiter man ins Land hinein kommt, und je breiter das Land wird, deſto laͤnger werden auch die Bergſtrecken.

Die in der Gegend von Drakenſteinbefindlichen Bergſtrecken haben einerley Richtung mit den nahe bey der Stadt liegenden Bergen, naͤmlich von Norden nach Suͤden. Dieſe Lage der Berge macht, daß die in den Thaͤlern zwiſchen den Bergen liegenden Hoͤfe zu verſchied - ner Zeit Tag und Nacht bekommen. Die auf der linken Seite unterhalb der Berge belegenen haben fruͤher Tag als die andern, weil die Sonne, wenn ſie uͤber die Spi - tzen der Berge, welche hier oft mit Hagel bedeckt ſind, und davon weiß ausſehen, in einem Augenblicke die ganze weſtliche Seite erleuchtet. Die Bewohner der unter - halb der Berge an der Oſt-Seite belegnen Hoͤfe hingegen behalten die Sonne des Abends laͤnger, und ſehen, wie die andre Seite mit Finſterniß und einem aufſteigenden hell - blauen Nebel bedeckt wird, waͤhrend ſie ſelbſt noch den ſchoͤnſten Sonnenſchein haben.

Dem Capam naͤchſten und der Stadt gerade gegen uͤber liegen die Tigerberge. Dieſe haben ein und dieſelbe Richtung mit dem Elefantenkopfe( Olifants-Kop), und den blauen Bergen( Blaauwe Berg), welche alle durch Thaͤler von einander getrennt ſind.

Dieſe Beſchreibung der Richtung, Geſtalt und Hoͤhe der Berge, wie auch der Beſchaffenheit des Landes wird hoffentlich uͤber die Geographie dieſes Theils von Afrikaetwas mehr Licht verbreiten, als man bisher ge - habt hat. Auch erhellen daraus die Urſachen, warum ein, unter einem ſo guten und gemaͤßigten Himmelsſtriche216Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. liegendes Land in einer Gegend unglaublich fruchtbar und bewohnt, in einer andern aber ganz kahl, ausgedoͤrret, und beynahe ganz oͤde und unzugaͤnglich iſt.

Uebrigens fuͤge ich noch folgende geographiſche Nachrichten, die Gegend um das Capbetreffend, hinzu. Stellenboſchliegt in einem Grunde zwiſchen hohen Ber - gen, der nach Suͤd-Weſt gegen die Bay Falſozu offen iſt. Es iſt eigentlich ein Dorf, das einige und dreyßig Haͤuſer, nebſt einer Kirche, und zwey foͤrmliche mit Ei - chen bepflanzte Straßen hat, und von einem kleinen Fluſſe durchſtroͤmt wird. Auch iſt es der Sitz eines Land-Dro - ſten. Nicht weit von Stellenboſchliegt die ſoge - nannte Franzoͤſiſche Ecke( Franſche Hoek), unterhalb der Berge in einer von den dazwiſchen befindlichen Ver - tiefungen. Dieſer Ort iſt deswegen merkwuͤrdig, weil er ſogleich nach Anlegung der Stadt zuerſt bewohnt wur - de, und zwar von den Franzoͤſiſchen Fluͤchtlingen, die ſich in den Jahren 1680 bis 1690 aus Hollandhieher bega - ben und die erſten waren, welche hier im Lande Weinber - ge anlegten. Drakenſteiniſt ebenfalls eine in der Naͤhe des Caps, unterhalb eben derſelben Bergſtrecken, belegene Kolonie.

Auf der ſuͤdlichen Spitze von Afrikaherrſchen haupt - ſaͤchlich zwey Winde. Der eine wehet heftig, und faſt taͤglich des Sommers; und dieſe Jahrszeit nennt man hier die gute Jahrszeit (Goede Mouſſoon). Der andre wehet im Winter; und dieſe Jahrszeit heißt die ſchlimme, (Quaade-Mouſſoon). Der Suͤd-Oſt-Wind iſt ſtark, und wird gewoͤhnlich vom ſchoͤnſten, heiterſten Wetter ohne Regen begleitet. Der Nord-Weſt-Wind iſt ſtuͤr - miſch, und hat gemeiniglich Regenſchauer zu ſeinen Ge - faͤhrten. Jener beſteht oft in kurzen, heftigen und ge - ſchwind auf einander folgenden Stoßwinden, die nicht217Verſchiedne geographiſche Nachrichten. ſelten ſo ſtark werden, daß ſie nicht nur den Staub und Sand in die Hoͤhe treiben, ſondern auch kleine Steine aufwerfen, die dem, welcher alsdann auf der Straße, oder auf freyem Felde iſt, und dem Winde entgegen ſteht oder geht, ins Geſicht fliegen, ſo daß man weder in die Hoͤhe ſehen, noch weiter gehen kann, ſondern genoͤ - thigt iſt, entweder ſtill zu ſtehen, oder ſich auf die Erde niederzuwerfen. Fremde, die dies nicht wiſſen, und ſich alſo nicht in Acht nehmen, geben daher, wenn ſol - che Stoßwinde toben, manchmahl viel Anlaß zum La - chen, indem der Wind ihnen Hut, Peruͤcke und Haar - beutel wegreißt, und durch die Gaſſen treibt. Sogar groͤßre Boͤte wirft der Wind alsdann auf der Rhede um, ſo daß die Leute darin ſich nicht retten koͤnnen, ſondern unfehlbar ertrinken: ein Ungluͤck, das ſich in dieſem Jahre hier dreymahl zugetragen hat. Aus dieſer Urſa - che waget ſich auch, wenn der Wind anfaͤngt heftig zu wehen, niemand nach den Schiffen, oder von denſel - ben ans Land. Der Suͤd-Oſt-Wind macht ſich ge - woͤhnlich gegen Mittag auf, wenn der Morgen ſchoͤn, warm und ſtill geweſen iſt. Gegen eilf, zwoͤlf oder ein Uhr wird er heftiger, und bis drey, vier oder fuͤnf Uhr, auch noch wohl laͤnger, haͤlt er an. Hernach wird es wie - der gutes Wetter, und nicht ſelten ein angenehmer und ſchoͤner Abend. Des Morgens iſt daher die Luft oft ſehr warm, und man kann alsdann faſt nicht anders als duͤnn gekleidet gehen; nachdem aber der Wind ange - fangen hat zu wehen, fuͤhlt man ſehr ſtark, daß es kalt geworden iſt, und man kann oft nicht ohne Ueberrock ausgehen. Dieſe ploͤtzliche Abwechslung verurſacht, daß man ſich hier gar leicht erkaͤlten kann, und daß die Ein - wohner mit Schnupfen, Gicht und andern Fluͤſſen haͤu - fig beſchwert ſind. Zwar verliert durch jenen ſtarken218Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. Wind der Sommer an Anmuth; die Hitze wird aber auch dadurch ertraͤglicher, als ſie ſonſt ſeyn wuͤrde. Ehe der Suͤd-Oſt-Wind ſich erhebt, pflegt man den Nebel oben auf den Bergen ſich ſetzen zu ſehen, und beſonders ſieht alsdann der mit einer Menge heller Wolken be - deckte Tafelbergaus, als wenn er in eine Peruͤcke ge - huͤllt waͤre. Wenn der Wind zunimmt, ſo ſtuͤrzen dieſe Nebelwolken vor dem Berge nieder, ohne jedoch Regen zu geben. Inzwiſchen wehet der Wind auch bisweilen, wiewohl ſelten, ohne daß dergleichen Wolken auf dem Berge liegen; und eben ſo haͤlt der Wind, auch wenn alle Wolken vor dem Berge zerſtreuet ſind, manchmahl bey klarem und ſchoͤnem Wetter noch wohl an. Er haͤlt ſich gemeiniglich unten an der Erde, und iſt ein niedri - ger Wind. Zu Zeiten ſieht man den Nord-Weſt - Wind die hoͤheren Wolken denjenigen, welche der Suͤd - Oſt-Wind treibt, entgegenjagen, und die Voͤgel koͤn - nen zwiſchen den Wolken, die von dieſen beyden Win - den eine Strecke fortgetrieben werden, ganz ruhig flie - gen. Im Winter herrſchen der Nord-Weſt-Wind und der Suͤd-Weſt-Wind. Beyde werden von Re - gen begleitet, und ſind den auf der Rhede liegenden Schiffen gefaͤhrlich. Im April aͤndern die Winde ſich; der Suͤd-Oſt-Wind hoͤrt nach und nach auf, und der Nord-Weſt-Wind tritt ein. Der April und May, ſo wie auch der Auguſt und September ſind daher gleich - ſam die Stillſtands-Monathe, die ſchoͤnſten im ganzen Jahre, und die, da es nicht regnet.

Je weiter man vom Capuͤber die Gebirge ins Land hinein reiſet, und je hoͤher das Land wird, deſto kaͤlter findet man das Klima. Im Winter faͤllt da Schnee, noch oͤfter aber Hagel, einer Viertelelle hoch und noch hoͤher; er bleibt manchmahl mehrere Tage, und oben219Verſchiedne geographiſche Nachrichten. auf den Bergen mehrere Wochen liegen, ohne zu ſchmel - zen. Im October ſah ich auf den ſchneeweißen Gipfeln der Berge den Hagel noch liegen, da das unten an den Bergen liegende Land ſich ſchon in ſeiner ganzen Som - mer-Schoͤnheit zeigte. In dem Verhaͤltniſſe, wie das Land hoͤher, und die Kaͤlte ſtaͤrker wird, kommen da auch alle Gewaͤchſe ſpaͤter zum Vorſchein. Der Unterſchied, wel - chen ich in dieſem Stuͤcke bemerkte, betrug ganze zwey Monathe. Am Capkommen daher alle Kraͤuter und Blumen zuerſt hervor, weil das Land da niedriger und die Luft milder iſt. Eben ſo iſt die ganze ſuͤdliche Kuͤſte, wo die Berge allmaͤhlig herabgehen, allezeit waͤrmer, und deswegen auch mehr bewohnt und bevoͤlkert, als jede andre Gegend dieſes Landes.

In den Wintermonathen, wenn viel Regen faͤllt, ſieht man das Waſſer an einigen Orten in den Bertie - fungen zwiſchen den Bergen die hoͤchſten, und dabey ganz ſteilen und kahlen Klippen, wie einen Gießbach, mit Heftigkeit herabſtroͤmen.

Dritter Abſchnitt. Verſchiedne Nachrichten von den po - litiſchen und andern Einrichtungen in den Hollaͤndiſchen Beſitzungen am Cap.

Außer der in der Capſtadtihren Sitz habenden Regie - rung wird das Land noch von zwey Aemtern regiert, in deren jedem ein Land-Droſt der oberſte Beamte iſt. Der eine wohnt zu Stellenboſchund der andre zu Zwellen - dam. Unter ihrer Jurisdiction ſteht derjenige Theil des Landes, der nach Norden und Nord[-]Weſt liegt.

220Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

Der Fiſcal zu Capiſt in Ruͤckſicht auf ſein Amt unabhaͤngig, und ſteht in Anſehung deſſelben nicht unter dem Gouverneur, ſondern iſt nur der Direction in Hol - landunmittelbar verantwortlich. Wenn zwiſchen Buͤr - gern oder andern Einwohnern Streit entſteht, ſo belegt er ſie mit Strafe. Die Geldſtrafen ſind hier nicht fuͤr jede Art von Verbrechen feſtgeſetzt, ſondern ſie richten ſich meiſtentheils nach den Vermoͤgens-Umſtaͤnden der Verbrecher. Der Fiſcal, welcher von ſolchen Geldbußen anſehnliche Einkuͤnfte hat, behandelt daher die Verbre - cher und Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe, wie der Arzt einen vollbluͤtigen Kranken behandelt, dem er allezeit mehr Blut abzapft, wenn er einen ſtaͤrkeren Ader - laß vertraͤgt.

Von den auf Verbrechen geſetzten Strafen be - merke ich, daß Leute, die mit Vieh Unzucht begehen, hier nicht zum foͤrmlichen Verhoͤr und gerichtlicher Un - terſuchung geſtellet, ſondern als ſolche, die unwuͤrdig ſind, im Gefaͤngniſſe zu ſitzen, vor dem Richter zu er - ſcheinen, oder von einem Prediger beſucht zu werden, erſaͤuft werden. Einen Sklaven ſah ich auf dieſe Art vom Leben zum Tode bringen.

Von einigen andern Hinrichtungen war ich auch ein Zuſchauer. Unter andern wurde ein Sklave gerichtet, der ſeinen Herrn ermordet hatte. Man legte ihn auf ein Kreutz, band ihn feſt, zwickte ihn an den Armen und Beinen, und zwar an acht verſchiednen Stellen, mit zackigen gluͤhenden Zangen, ſchlug ihm mit dem Rade Arme und Beine entzwey, hieb ihm endlich den Kopf ab, und ſteckte denſelben auf einen Pfahl. Bey einer Execution iſt allezeit der Juſtiz-Rath, welcher die Unterſuchung gehabt und das Urtheil gefaͤllet hat, zuge - gen: er geht in Proceſſion zum Richtplatze, um der221Von politiſchen Einrichtungen am Cap. Handlung mehr Anſehen zu geben. Das Gehege wird von Soldaten formirt. Das Hochgericht iſt zwiſchen der Stadt und der Citadelle, an einem etwas erhabnen Orte. Wenn Miſſethaͤter auf dieſem, eigentlich inner - halb der Stadt liegenden, Richtplatze abgethan ſind, wer - den ſie allezeit gegen Abend aus der Stadt nach einem außerhalb derſelben befindlichen Galgenplatze gefuͤhrt. Hier werden ſie entweder aufgehaͤngt, und zwar gemei - niglich in einem eiſernen Harniſche, darin das Gerippe ſich lange haͤlt, oder ſie werden auf das Rad geflochten. Solcher Galgenplaͤtze außerhalb der Stadt ſind zwey: der eine beym Eingange in den Hafen, unterhalb des Loͤ - wenſchwanzes( Leeuwen-Staert), an dieſen werden die Europaͤer gehenkt; der andre iſt außerhalb der Cita - delle beym Salzfluſſe( Zout-Rivier), und fuͤr die Sklaven und Hottentotten beſtimmt.

Nicht lange nach meiner Zuruͤckkunft wurden auch die Hottentotten, welche, wie ich bereits erzaͤhlt habe, an einigen weit entfernt wohnenden Koloniſten Gewalt - thaͤtigkeit ausgeuͤbt hatten, und vor einiger Zeit nach Capgebracht waren, beſtraft. Einige unter ihnen ka - men mit Ruthenſtrafe davon; andre wurden gepeitſcht und zugleich auf dem Ruͤcken gebrandmarkt; einige be - kamen außer dieſer gedoppelten Strafe auch noch die, daß ihnen die große Sehne an der Ferſe abgeſchnitten wurde. Darauf wurden ſie wieder auf freyen Fuß geſtellt, aber doch andern zur Warnung wieder nach der Gegend ih - rer Heimath weggefuͤhrt. Man hatte ſich ihrer nicht ohne Muͤhe und Schwierigkeit bemaͤchtigt, weil ſie ſich in Kluͤften und Tiefen zwiſchen den Bergen ſo verſchanzt hatten, daß Kugeln aus Schießgewehr ſie gar nicht tref - fen konnten. Außerdem hatten ſie ſich mit Steinen ver - theidigt, die ſie von den Bergen herabwarfen. Die222Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. Compagnie hatte nicht nur die Bauern gegen ſie aufge - bothen, ſondern auch einen Corporal mit fuͤnf Mann aus der Citadelle detaſchirt, um ſie mit Granaten zu bombardiren. Endlich waren ſie durch den Hottentot - ten-Hauptmann Keesmit Liſt gefangen genommen. Jetzt liefen wieder Nachrichten, und zwar aus dem Ro - ckenlande( Rogge - Veld) ein, daß die Buſch - oder Waldhottentotten (Boſchmans - Hottentotten) die da wohnenden Bauern beſtohlen und ermordet haͤtten.

Die Beamten und Bedienten der Compagnie wiſ - ſen ſich mancherley Sporteln zu machen. Alles, was durch ihre Haͤnde geht, muß ihnen Geld einbringen. Nicht ſelten ſind ſie zu ſolchen, obgleich unrechtmaͤßigen, Mitteln, ihre Einkuͤnfte zu vermehren, gezwungen. Denn in einem Lande, wo die meiſten Beduͤrfniſſe noch einmahl ſo theuer, als in Europa, ſind, koͤnnen die wenigſten von ihrer Beſoldung leben. So zieht der Gouverneur von jedem Faſſe (Legger) Wein zehn Reichsthaler. Andre Beamten haben ſogenannte Paß - gaͤnger von den Soldaten, die keinen Dienſt thun, und wofuͤr jene die Loͤhnung ſich auszahlen laſſen. Einige bereichern ſich durch das Wiegen der Waaren, andre durch verdorbne Waaren. Ein geſtrandetes Schiff fuͤllt vielen Perſonen den Beutel. Wegen der Habſucht des Schiffers und des Steuermanns bekommt das Schiffs - volk ſelten, was ihm gebuͤhrt. Der Soldat muß dem Officier abgeben. Die Kranken muͤſſen Hunger und Mangel an Arzney leiden, um Geſunden Unterhalt zu verſchaffen; und die Todten hinterlaſſen einen Theil ihrer Verlaſſenſchaft dem, welcher am erſten davon nimmt.

Ein nicht unwichtiger Theil der Einkuͤnfte der Com - pagnie fließt aus der Verpachtung des Weinverkaufs und des Schlachtens. Der Weinhandel wird gewoͤhnlich jaͤhr -223Von politiſchen Einrichtungen am Cap. lich einmahl, und zwar am letzten Auguſt, an den Meiſt - biethenden oͤffentlich verpachtet. Wer das meiſte biethet, wird fuͤr das Jahr General-Weinpaͤchter, und bekommt dadurch das ausſchließende Recht, Wein, nicht nur an Fremde und an Hollaͤndiſche Schiffs-Officiere, ſondern auch in Wirthshaͤuſern und Kruͤgen, zu verkaufen. Die Bauern, welche Weinberge beſitzen, haben zwar die Erlaubniß, an Capſche Buͤrger zu ihrem Hausbehufe zu verkaufen. Aber weder jene, noch dieſe, duͤrfen bey ſehr hoher Geldſtrafe das mindeſte davon an einen andern verkaufen. Hiedurch wird der Preis des Weins fuͤr fremde Nationen anſehnlich geſteigert, und in den Wirthshaͤuſern muß man weit mehr als den doppelten Preis bezahlen. Der General-Paͤchter hat alſo allein die Freyheit, den Weinhandel im kleinen zu treiben, oder ihn gegen eine gewiſſe Abgabe den Wirthen und Kruͤgern zu uͤberlaſſen. Dieſe Pacht betraͤgt jaͤhrlich zwiſchen dreyßig und vierzigtauſend Gulden.

Bey der Verpachtung des Schlachtens wird auf die entgegenſtehende Weiſe verfahren; ſie geſchieht zwar auch durch oͤffentlichen Aufboth, aber der, welcher den wenigſten Both hat, bekommt ſie, naͤmlich wer ſich anheiſchig macht, zur Verſorgung der Hollaͤndiſchen Schiffe und zu anderm Gebrauche der Compagnie friſch geſchlachtetes Fleiſch fuͤr den wohlfeilſten Preis zu lie - fern. Hiedurch waͤchſt der Compagnie freylich keine baare Geldeinnahme zu; aber ſie bekommt alles Fleiſch, das ſie gebraucht, viel wohlfeiler, als es ſonſt moͤglich waͤre, ſo daß ſie alſo doch viel dadurch gewinnt. Dagegen wird aber auch durch eben dieſe Verpachtung, fuͤr den Buͤr - ger ſowohl als fuͤr den Fremden, das Fleiſch theurer. Wenn alſo die Compagnie das Pfund fuͤr zwey Deut bekommt, ſo muͤſſen die Buͤrger in der Stadt vier Deut224Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. und daruͤber, und Fremde zwey Hollaͤndiſche Stuͤber be - zahlen. Ein Schlachtochſe wird gewoͤhnlich fuͤr fuͤnf Hollaͤndiſche Reichsthaler verkauft; Schiffe von frem - den Nationen muͤſſen zehn Reichsthaler und wohl noch mehr geben. Dieſe Verpachtung geht auf ein, zwey, drey, fuͤnf oder ſieben Jahre. Zur Weide fuͤr das Vieh werden gewiſſe dazu beſtimmte Plaͤtze im gruͤnen Thale( Groene Kloof) eingeraͤumt, wofuͤr aber keine Abgabe verlangt wird.

Jeder freye Einwohner in der Stadt und auf dem Lande muß zur Zeit der Noth Kriegsdienſte thun. Da - her muͤſſen die Soͤhne der Einwohner, wenn ſie das funfzehnte Jahr erreicht haben, ſich foͤrmlich einſchrei - ben laſſen, und von dieſer Zeit an ſich alle Jahr zu den Waffenuͤbungen einfinden. Beym Einſchreiben leiſtet ein ſolcher zugleich den Eid der Treue. Hat ein Vater zwey Soͤhne, die dem Exerciren beywohnen, ſo iſt er ſelbſt frey davon. Dieſe Uebungen in den Waffen, ſo - wohl zu Pferde, als zu Fuß, werden alle Jahr, von der Buͤrgerſchaft in der Stadt, und von den Bauern in der Kolonie, theils zu Stellenboſch, theils zu Zwel - lendamangeſtellt. Verſaͤumt jemand bey dieſen Exer - cir-Zuſammenkuͤnften zu erſcheinen, ſo muß er dafuͤr eine Geldbuße erlegen.

Zum Dienſte der Garniſon in der Citadelle wer - den Gahrkoͤche oder vielmehr Marketender angenommen, welche Eſſen kochen und es portionweiſe an die Solda - ten verkaufen. Jeder Soldat bekommt von der Com - pagnie woͤchentlich zweymahl drey Pfund Brot. Da - gegen muß aber auch jeder dem ſogenannten Raport-Gaͤn - ger monathlich von ſeiner Loͤhnung zwey Stuͤber zu Stie - feln bezahlen, und außerdem muͤſſen die andern fuͤr die - ſen letzteren Wache thun.

Die225Von politiſchen Einrichtungen am Cap.

Die hier im Handel und Wandel gangbare Muͤnze kommt theils aus Europa, welches hier immer das Va - terland (Vaader-Land) heißt, theils aus Oſtindien. Diejenigen Muͤnzſorten, welche am haͤufigſten circuli - ren, ſind Ducatonen, Schillinge und Deute (Duy - ten). Die Ducatonen, ſowohl alte als neue, gelten, wie alle andre Muͤnzen, hier mehr als in Europa; ge - woͤhnlich betraͤgt der Unterſchied 25 Procent, ſo daß ein Ducaton 12 Schillinge oder 72 Hollaͤndiſche Stuͤber werth iſt. Schillinge hat man hier ſelten andre, als die ſogenannten Sechſthalber (Zeſthalf), welche in Hol - land Stuͤber gelten. Zweyſtuͤber-Stuͤcke und einzelne Hollaͤndiſche Stuͤber bekommt man faſt nicht zu ſehen. Dukaten und goldne Reuter (Goude-Ruyders) ſind ebenfalls rar. Hollaͤndiſche Gulden hat man gar nicht. Die Capſchen Gulden ſind nur eine eingebildete Muͤnze, und werden in Lohn und Beſoldung zu 16 Stuͤber an - gerechnet. Ein Reichsthaler wird zu 8, und ein Dukat zu 18 Schillingen gerechnet. Spaniſche Piaſter (Span - ſche Matten) nimmt man gern in Bezahlung an: man rechnet ſie zu 9 Hollaͤndiſchen Schillingen. Von ver - ſchiednen Oſtindiſchen Oertern werden allerley Sorten Rupien nach dem Capgebracht. Sie werden fuͤr halbe Reichsthaler angenommen, und im Handel und Wan - del ſehr geſucht. Zu Capſelbſt iſt nie Muͤnze gepraͤgt, es wird auch nicht erlaubt.

Von den hieſigen Hoſpital-Einrichtungen habe ich beylaͤufig ſchon verſchiednes erzaͤhlt. Einiges habe ich noch nachzuhohlen. Das bisherige Hoſpital war, ſei - ner Unbequemlichkeit nicht zu gedenken, lange Zeit ſchon ſehr baufaͤllig geweſen. Die Compagnie hatte deswegen bereits vor mehreren Jahren beſchloſſen, ein neues und groͤßeres Lazaretgebaͤude, und zwar auf einer zweckmaͤßi - ThunbergsReiſe. Erſter Theil. P226Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. geren Stelle, anzulegen. Man hatte auch ſchon aus HollandBau-Materialien, geſchickte Arbeiter und vor - zuͤglich gute Werkzeuge hieher geſchickt. Waͤhrend mei - ner Anweſenheit zu Capwurde nun mit dem Bau wirk - lich angefangen. Der Platz zum neuen Hoſpitale wurde auf der Oſt-Seite der Stadt, zwiſchen dem Tafelbergeund der Citadelle, gewaͤhlt, wo es eine freye und offene Lage hat, und Sonne und Wind es gehoͤrig treffen und die Luft rein halten koͤnnen. Den Grundſtein legte der Gou - verneur Plettenberg. Die Arbeit ging aber ſehr lang - ſam von Statten, weil die Eigennuͤtzigkeit der Aufſeher nicht zuließ, ſie zu foͤrdern; denn ſie verdienten nicht nur deſto mehr dabey, je laͤnger der Bau dauerte, ſon - dern ſie nahmen auch der Gelegenheit wahr, zum Bau eigner Gebaͤude einen Theil der Leute und der Materia - lien zu gebrauchen.

Ich beſuchte das Hoſpital ungemein ſelten, weil da nichts fuͤr mich zu lernen war. Eins ſah ich aber doch, das ich vorher nirgend bemerkt hatte, naͤmlich daß die Krankenwaͤrter mit Stricken verſehen waren, womit ſie die Unruhigen unter den Patienten bisweilen zuͤchtigten. Wahrlich ein herrliches Geneſungsmittel! Die von der Compagnie beſtellten Wundaͤrzte im Hoſpitale ſowohl als auf den Schiffen ſind groͤßtentheils untaugliche und un - wiſſende Leute, und findet man einmahl einen geſchickten Mann unter ihnen, ſo iſt es gewoͤhnlich ein Auslaͤnder. Eine Probe von der Behandlungsart der Kranken mag noch dieſe ſeyn: wenn Brechmittel oder aͤhnliche Medi - camente verordnet werden, ſo ſchreiben ſie das Recept manchmahl nur an die Bettſponde; von andern Medica - menten giebt man den Patienten gemeiniglich ſogleich eine Doſis, denn ſie liegen fertig in einem Kaſten, den der Chirurgus bey den Lazaretbeſuchen ſich nachtragen laͤßt.

227Von politiſchen Einrichtungen am Cap.

Mit dem Hoſpitale iſt eine Apotheke verbunden. Außer dieſer aber wurde jetzt von einem Buͤrger zu Capnoch eine andre Apotheke angelegt. Der Landmann hat alſo nunmehr beßre Gelegenheit, ſich die noͤthigen Arz - neyen anzuſchaffen, als bisher, da er in den meiſten Faͤllen genoͤthigt war, ſie, und zwar ſehr theuer, den Feldſcheeren abzukaufen.

Die Einwohner der Capſtadtpflegen mit einem oder anderm von den beym Hoſpitale angeſetzten Wundaͤrzten in Anſehung der Bedienung und der etwa noͤthigen Arz - neymittel einen foͤrmlichen jaͤhrlichen Accord zu treffen. Dies iſt auch fuͤr ſie in der That um ſo viel nothwendi - ger, da ſie eine Menge Sklaven haben, und hier oft gefaͤhrliche anſteckende Krankheiten graſſiren. Dieſer Urſache iſt es aber auch zuzuſchreiben, daß die hieher kom - menden und ſich hier eine kurze Zeit aufhaltenden Aerzte und Wundaͤrzte nicht leicht gerufen werden, wenn man nicht gleichſam glaubt, daß ſie Wunderwerke verrichten koͤnnen. Meine mediciniſche Praxis war daher in der Stadt ſehr eingeſchraͤnkt. Ich bemuͤhte mich auch eben nicht, ſie zu erweitern, um nicht an meinen botaniſchen Beſchaͤfftigungen gehindert zu werden. Dagegen hatte ich mehr Gelegenheit, den Landleuten in dieſem Stuͤcke mit meinen Kenntniſſen zu dienen; und dieſe bedurften auch nicht nur deſſen mehr, ſondern waren zugleich dank - barer. Dabey machte ich faſt jedesmahl und durchgaͤngig die Anmerkung, daß die von mir verordnete Medicin, ſowohl ſtaͤrkere als gewiſſere Wirkung bey den Sklaven, als bey den Europaͤern hatte; denn die Koͤrper der er - ſtern waren theils nicht durch ſchlechte Lebensordnung ſo ſehr verdorben, theils an den Gebrauch der Arzneymit - tel noch nicht gewoͤhnt.

P 2228Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

In Anſehung der Heirathen findet hier eine beſondre Einrichtung Statt. Weder Buͤrger noch Landleute duͤr - fen heirathen, ehe ſie die Einwilligung dazu vom Gou - verneur erhalten haben. Um dieſen Conſens wird ge - woͤhnlich des Donnerſtags angehalten; und ſobald er ausgefertigt iſt, wird dem Freywerber eine ſogenannte Ordonnance gegeben, welche der Braͤutigam in Gegen - wart der Braut am Sonnabend beym Juſtiz-Rathe ein - giebt. Dieſer unterſucht genau, ob die Verlobten zu nahe mit einander verwandt ſind, oder nicht, und giebt, wenn ſich das letztere ausweiſet, zu der Heirath ſeine Ge - nehmigung, und die Erlaubniß, ſich an drey nach ein - ander folgenden Sonntagen von der Kanzel aufbiethen zu laſſen. Wenn daher die Landleute heirathen wollen, muͤſſen ſie zu der Zeit, da ſie ihre jaͤhrliche Reiſe nach der Stadt machen, um ihre Waaren zu verkaufen, und ihre Abgaben zu entrichten, zugleich Hochzeit machen und ſich in der Landkirche, wo ſie eingepfarret ſind, trauen laſſen. Sollte der Gouverneur auch jemand die Einwilligung zur Heirath verſagen, ſo kann er doch den Contrahenten nicht wehren, bey einander zu woh - nen. Dies geſchieht manchmahl, und alsdann ſind die Leute gemeiniglich gezwungen, mit der Trauung ſo lange zu warten, bis ein neuer Gouverneur kommt, der denn ſeine Einwilligung gern zu geben pflegt. Bisweilen traͤgt es ſich auch wohl zu, daß die Braut ſich an den Juſtiz-Rath wendet, und man hat Faͤlle, daß dieſer ſich veranlaßt geſehen hat, den Ausſpruch fuͤr die foͤrmliche Vollziehung der Ehe zu thun. Steht aber der Braͤuti - gam im Dienſte der Compagnie, ſo kann ihm das Un - gluͤck begegnen, daß ihn der Gouverneur vom Capweg - nimmt und nach einem andern Platze in Oſtindienſchickt. Die Maͤdchen pflegen ſich hier zu Lande fruͤh zu verhei -229Von politiſchen Einrichtungen am Cap. rathen, und da die Kolonie ſich bisher anſehnlich ausge - breitet hat, iſt auch der Anwachs der Volksmenge ſehr ſtark geweſen.

So weit ins Land hinein auch die Kolonie der Hol - laͤnder in dieſen Gegenden erſtreckt, und von Euro - paͤern bewohnt iſt, und obgleich die Hottentotten; ſo weit Europaͤer wohnen, faſt ganz ausgerottet ſind, ſo eraͤuget ſich doch bisweilen der Fall, daß Sklaven weg - laufen, und, beſonders wenn ſie in die Gebirge fluͤch - ten, nicht wieder zu bekommen ſind. Sehr ſelten hin - gegen begiebt es ſich, daß ein Soldat oder ein Matroſe entlaͤuft und tief ins Land die Flucht nimmt, weil ein ſolcher leicht wieder gefunden wird. Bekommt man ei - nen entlaufnen Sklaven, der zugleich ein Heide iſt, wie - der, ſo empfaͤngt er entweder von ſeinem Herrn, oder von den Polizey-Bedienten des Fiſcals, Schlaͤge. Ent - weicht aber ein Chriſt aus dem Dienſte der Compagnie, ſo wird er, wenn man ſeiner habhaft wird, gehenkt. Jenem rettet der Geldeswerth, welchen er fuͤr ſeinen Herrn hat, das Leben; dieſen verdammen die Geſetze zum Tode. Tauſchen aber duͤrfen Soldaten und Matroſen wohl mit einander, und es traͤgt ſich auch bisweilen wirklich zu, daß ein Soldat Matroſe und ein Matroſe fuͤr ihn Sol - dat wird, und umgekehrt.

Jeder Sklave iſt ſchuldig, ſeinem Herrn taͤglich zwey Schillinge einzubringen. Dies betraͤgt jaͤhrlich ungefaͤhr achtzig Reichsthaler. Hiedurch macht ein Sklave ſich nun zwar in kurzer Zeit bezahlt; aber er ver - dient damit doch nichts ab, ſondern ſeine Sklaverey dauert ſein ganzes Leben fort.

Man ſieht hier viele Kinder, die Europaͤer mit ſchwarzen Frauen oder Maͤdchen gezeuget haben. Ge - ſchwiſter dieſer Art iſt aber doch nicht gleich ſchwaͤrzlich. 230Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. Ich ſah einen Sohn ſolcher Aeltern, der ſchwarz war, große Augen hatte, und wie die Mutter ausſah; ſein Bruder war weißlich, hatte nur hie und da ſchwarze Flecken, und war mehr dem Vater aͤhnlich; ſeine Schwe - ſter war halb ſchwarz. Ueberhaupt aber pflegen ſolche Kinder mit ihrem Europaͤiſchen Vater viel Aehnlichkeit zu haben.

Bey der Taufe ſehen die Geiſtlichen in der Capſchen Kolonie es als eine Hauptſache an, daß der Vater nicht nur bekannt, ſondern auch dabey zugegen ſeyn ſoll. Iſt ein Kind unehelich, und giebt der Vater ſich nicht zu er - kennen, ſo bleibt es ungetauft. Iſt die Mutter eine Schwarze, oder eine Hottentottin, der Vater aber ein Chriſt, und begehrt dieſer, daß es getauft werde, ſo wird die Taufe zugelaſſen. Uebrigens darf keine Kindtaufe anders als in der Kirche verrichtet werden. Daher muͤſ - ſen die entfernt wohnenden Koloniſten ihre Kinder, wenn ſie ihre jaͤhrliche Reiſe nach der Stadt thun, mitneh - men, um ſie unterwegs in der Kirche, wo ſie eingepfar - ret ſind, taufen zu laſſen. Oft werden daher die Kin - der ein halbes, wohl ein ganzes Jahr alt, ehe ſie die Taufe bekommen. Obgleich keine Sklaven im Chri - ſtenthume unterwieſen, auch ihre Kinder nicht getauft werden, ſo iſt doch die Compagnie gegen diejenigen Kin - der, welche von Sklavinnen, die unmittelbar im eignen Dienſte der Compagnie ſtehen, gebohren werden, ſo chriſtlich geſinnet, daß ſie ſie taufen und in der chriſtli - chen Religion einigermaßen unterrichten laͤßt. Die Ur - ſache hievon ſcheint hauptſaͤchlich zu ſeyn, weil die mei - ſten ſolcher Kinder einen Europaͤiſchen Vater haben.

Die Lutheraner ſind zwar in der Capſtadtſehr zahl - reich, haben aber bis jetzt keine eigne Kirche. Der uͤbertriebne Religionseifer der Reformirten hat dies bis231Von politiſchen Einrichtungen am Cap. jetzt zu verhindern gewußt*)Sie haben jetzt voͤllige Freyheit, ihren Gottesdienſt zu verrichten, und Erlaubniß, eine Kirche zu bauen, erhalten. S. oben, Seite 107.. Sie ſind daher genoͤ - thigt, zur Haltung ihres Gottesdienſtes ſich eines Haus - bodens zu bedienen, den ſie zu dieſem Gebrauche eini - germaßen eingerichtet haben. Da ſie aber auch keinen Geiſtlichen haben, ſo haben ſie nicht oͤfter Gelegenheit, oͤffentlichen Gottesdienſt zu halten, als wenn ein Schwe - diſches Schiff hieher kommt, deſſen Prediger die Hoch - deutſche Sprache verſteht und reden kann. Alsdann wird auch Abendmahl gehalten. Auch geht ein Klinge - beutel um, und was darin geſammelt wird, bekommt der den Gottesdienſt verrichtende Geiſtliche. Daß manchmahl viel Zeit verſtreicht, ehe eine ſolche Gelegen - heit ſich darbiethet, ſieht man leicht ein. Wie wenig aber jene Intoleranz der Denkungsart und Menſchen - liebe der hieſigen Geiſtlichkeit zur Ehre gereicht, davon darf ich wohl nichts ſagen.

Ich komme auf die Schifffahrt und Handlung. Im Januar und den folgenden Monathen kommen auf der Capſchen Rhede die meiſten Schiffe, ſowohl aus Europaals aus Oſtindienan, um ſich hier zu erfriſchen. Sie waͤhlen dieſen Ort hiezu vor andern deswegen, weil hier die Luft geſund, und der reichſte Vorrath an Wein und Eßwaaren aller Art vorhanden iſt. Wenn ein Schiff ſich auf der Rhede vor Anker gelegt hat, ſo darf aus der Stadt, in den erſten drey Tagen, bey vierzig Reichsthaler Strafe, niemand an Bord deſſelben gehen. Das Capkann man mit Recht als eine Reiſe-Station fuͤr die Oſtindien-Fahrer anſehen; denn hier ruhen ſie nach einer Reiſe von mehreren Monathen aus, nehmen neuen Reiſe-Proviant mit, und haben, ſie moͤgen nun hin - oder zuruͤckreiſen, ungefaͤhr den halben Weg zuruͤck -232Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. gelegt. Der Aufenthalt kommt ihnen hier aber auch theuer zu ſtehen. Fremde Schiffe muͤſſen fuͤr den An - kergrund fuͤnfhundert Gulden bezahlen. Alle Lebensmit - tel, und was ſie ſonſt noͤthig haben, muͤſſen ſie fuͤr ho - hen Preis kaufen, wozu beſonders die oben erwaͤhnte Verpachtung des Weinhandels und des Schlachtens viel beytraͤgt.

Zu Friedenszeiten gehen die Schiffe von hier nach Europagewoͤhnlich einzeln, ſelten fahren mehrere zu - ſammen; jenes koͤnnen ſie alsdann auch mit Sicherheit thun. Hingegen zu Kriegszeiten, oder auch, wenn man dem Frieden nicht trauet, ſegeln mehrere zuſam - men, ſo daß uͤberall zwey oder drey Flotten abgehen. Ehe ein Hollaͤndiſches Schiff abſegelt, wird fuͤr einen jeden, der zum Schiffe gehoͤrt, die Rechnung aufgeſetzt, und ihm eingehaͤndigt, damit er wiſſe, wie viel von ſei - nem Solde er zu Gute hat. Dieſe Rechnung kann er mitnehmen, oder auch, wenn er lieber will, auf dem Auszahlungs-Comtoire (Soldy-Comtor) ſich bezah - len laſſen. Bleibt jemand auf der Reiſe zu Capoder an einem Orte zuruͤck und doch dabey noch im Dienſte der Compagnie angeſtellet, ſo kann er ſeine Beſoldung oder Loͤhnung alle drey oder vier Monathe heben; der Gulden wird ihm aber alsdann nicht hoͤher als zu funf - zehn bis ſechzehn Stuͤber angerechnet, da denn der Ver - luſt fuͤr ihn betraͤchtlich iſt. Will man den Sold ein ganzes Jahr ſtehen laſſen, ſo bekommt man im Auguſt, da die Buͤcher abgeſchloſſen werden, ſeine Rechnung, die man alsdann verkaufen kann, und wofuͤr man baares Geld, den Gulden zu achtzehn, neunzehn bis zwanzig Stuͤber, bekommt, folglich wenig oder nichts verliert. Eine ſolche Rechnung iſt wie ein Wechſel, und in Europabekommt man von der Compagnie volle Valuta dafuͤr. 233Von politiſchen Einrichtungen am Cap. Auch kaufen zu Capdie Kaufleute und andre, die Geld nach Europazu remittiren haben, dergleichen Rechnun - gen gern. An dem Gelde, das man baar mit nach Hol - landzuruͤcknimmt, verliert man 25 Procent, ſo wie man an demjenigen, welches man aus Hollandmit - bringt, zu Cap25 Procent gewinnt.

Wenn Matroſen oder Soldaten im Hoſpitale zu Capſterben, werden ihre nachgelaſſenen Habſeligkeiten verauctionirt. Das daraus geloͤſete Geld wird zu Be - ſtreitung der Begraͤbnißkoſten angewandt. Gewoͤhnlich wird die Leiche in ein Laken genaͤhet, und auf dem Lei - chenwagen weggefahren. Hat aber der Verſtorbne ſo viel nachgelaſſen, daß die Summe fuͤr die in der Auction ver - kauften Sachen es verſteht ſich, nachdem man das Be - ſte vorher zu ſich genommen hat; wenigſtens geſchieht dies manchmahl etwas betraͤgt, ſo beſteht man ihm wohl einen Sarg, der zehn Reichsthaler koſtet. Bringt die Auction etwas Anſehnliches ein, ſo wird bey dem Be - graͤbniſſe mit Wein tractirt. Ueberhaupt iſt man alle - zeit ſo vorſichtig, es ſo einzurichten, daß den Verwand - ten und Erben nichts uͤbrig bleibt. Gemeiniglich wird in einer ſolchen Auction die ganze Kiſte oder Lade des Verſtorbnen, zwar geoͤffnet, aber nicht allezeit gehoͤrig durchſucht, in Pauſch und Bogen verkauft.

Zu Capkonnte ich recht ſehen, wie dreiſte Seefah - rer die Englaͤnder ſind. Sie thun es hierin allen andern Nationen zuvor. Oft ſah ich ſie auf die Rhede herein laviren, wenn der ſtarke Suͤd-Oſt-Wind wehete, und die Hollaͤndiſchen Schiffe entweder draußen in der See herumſchwaͤrmten, oder bey der Robbeninſelankerten, und da liegen blieben, bis ſie guͤnſtigeren Wind beka - men. Jene ſegeln meiſtentheils nach Einſicht und Er - fahrung, und haben ſehr gut ſegelnde Schiffe; dieſe234Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. muͤſſen ſich nach den Befehlen der Compagnie richten, und ihre Schiffe ſind unbehuͤlflich.

Die Hollaͤndiſchen Schiffs-Officiere, ſowohl auf den von Europakommenden, als auch beſonders von den aus Oſtindienzuruͤckgehenden Schiffen, verkaufen hier allerhand Waaren in Menge. Jene bringen meiſten - theils Europaͤiſche Weine, Bier, geraͤucherte Schinken, Kaͤſe, thoͤnerne Tobakspfeifen, Tobak, bisweilen auch allerley Kramwaaren zum Verkauf. Dieſe haben Kattun, Chitſe, baumwollne Zeuge, Reiß, Thee und derglei - chen bey ſich. Wenn ſie dieſe Waaren nicht alle bey den hieſigen Material-Haͤndlern und Kraͤmern anbringen, ſo verkaufen ſie den Reſt in oͤffentlicher Auction. Eben ſo machen es manche Buͤrger: ſie kaufen Waaren im großen ein, und verhandeln ſie hernach in Auctionen. Dergleichen Auctionen werden in den Winter - und Fruͤhlingsmonathen oft angeſtellt, ſogar auch fuͤr Rech - nung der Compagnie. Die Regierung gebraucht hiebey die Vorſicht, daß ſie nicht leicht Privat-Auctionen er - laubt, ehe die Compagnie ihre Waaren abgeſetzt hat. Unter den fremden Schiffs-Officieren ſind die Engliſchen und Daͤniſchen diejenigen, welche den meiſten Handel treiben. Die erſteren verkaufen hauptſaͤchlich eine Men - ge, ſowohl grober als feiner Eiſenwaaren, beſonders Meſſer fuͤr die Matroſen, Scheren und dergleichen. Die letzteren bringen aus EuropaDaͤniſches Bier und Theer, und auf der Ruͤckreiſe von Oſtindien Bengaliſche Chitſemit. Die Schwediſchen Schiffs-Officiere han - deln wenig. Wenn ſie von Oſtindienzuruͤckkommen, verkaufen ſie bloß einige Doſen Thee, Nankin und Chi - neſiſche ſeidne Zeuge, welches ſelten eine groͤßre Summe betraͤgt, als ſie im Wirthshauſe fuͤr einige Tage Logis und Bekoͤſtigung bezahlen muͤſſen. Die Schwediſchen235Von politiſchen Einrichtungen am Cap. Waaren, welche hier den meiſten Abgang finden, ſind ſonſt graues ungeſchornes Tuch fuͤr den gemeinen Mann, Breter, Planken, Balken, Kupfer, Meſſing, Spa - den, Hering, beſonders aber Theer, Kohlen und Eiſen, welche letzteren Waaren hier theuer bezahlt werden. Die Compagnie bekommt fuͤr hundert Pfund Eiſen acht Reichs - thaler, ob es gleich kaltbruͤchig und ſchlechter als das Schwediſche iſt. Fuͤr alle diejenigen Waaren, die von Privat-Perſonen verkauft werden, muͤſſen dem Fiſcale fuͤnf Procent entrichtet werden. Das Geld fuͤr die in Auctionen erſtandnen Waaren wird nicht eher als nach ſechs Wochen bezahlt. Dieſe haͤufigen Auctionen, wo alle Arten von Waaren feil ſind, machen die Jahrmaͤrkte ganz entbehrlich; man weiß auch weder zu Capnoch auf dem Lande von irgend einem Jahrmarkte. Um ſowohl auf ſolchen Auctionen das noͤthige zu erhandeln, als auch alles uͤbrige, was man auf einem Schiffe noͤthig hat, zur rechten Zeit zu kaufen, muß jede Nation, de - ren Schiffe hier vor Anker gehen, zu Capeinen Com - miſſionair haben, der dies beſorgt; dieſer pflegt denn aber auch fuͤr ſeinen Theil dazu beyzutragen, daß die Schiffe alles ſehr theuer bezahlen muͤſſen.

Unter allen Auslaͤndern waren jetzt die Franzoſen die, welche zu Capam wenigſten in Anſehen ſtanden. Zum Theil ruͤhrte dies daher, weil ſie meiſtentheils ohne Geld hieher kamen, und in der Nothwendigkeit waren, alles auf Credit und Wechſel zu nehmen. Zum Theil war die Urſache auch, weil die Einwohner befuͤrchteten, die Franzoſen haͤtten die Abſicht, im Fall der Entſtehung eines Krieges, ſich des Ortes zu bemaͤchtigen. In Anſe - hung der Englaͤnder hingegen ſind ſie in dieſer Ruͤckſicht unbeſorgt. Einen Franzoͤſiſchen Officier, wenn er auch noch ſo nett gekleidet und geputzt war, und zum Zeichen236Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. ſeiner Verdienſte oder doch der Gnade ſeines Koͤnigs den Ordensſtern auf der Bruſt trug, war daher wenig geach - tet. Ein Engliſcher Steuermann dagegen, obgleich mit abgeſchnittnem Haar, ſtand in großer Achtung, weil er blankes Geld hatte, und ſeine Nation mit Hollandallürt war. Bey dem allen waren es damahls die Franzoſen, welche die Kolonie am meiſten bereicherten, weil ſie hier auf Credit kauften, mithin alles viel theurer, als andre bezahlen mußten und zugleich ſehr viele Waaren, theils zum Behuf ihrer Schiffe, theils fuͤr die Garniſon auf Isle de France, brauchten.

Fremde, die ſich zu Capwohnhaft niederlaſſen, koͤnnen, wie in Holland, ſich ernaͤhren, womit ſie wollen, und jedes beliebige Gewerbe treiben; gewoͤhnlich treiben ſie entweder Handlung oder ein Handwerk, manchmahl auch beydes zugleich.

Vierter Abſchnitt. Nachrichten von der Landwirthſchaft in der Kolonie, den Landesprodukten, dem Zuſtande und den Sitten der Landleute, und dergleichen.

Die Einwohner auf dem Lande, zum Theil auch die in der Stadt, ziehen dieſen Theil von Afrika, welchen ſie als ihr eigentliches Vaterland anſehen, ob ſie gleich ſonſt Hollanddas Vaterland nennen, allen andern Laͤndern vor, weil es alles, was zum Lebensunterhalte nothwen - dig erfordert wird, im Ueberfluß hervorbringt. Dieſen Vorzug raͤumen ſie ihrem Lande ein, und doch erfahren ſie jeden Tag, daß das ſogenannte Vaterland, Holland, ſie mit allem andern, was ſie beduͤrfen, verſorgen muß. 237Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. Selbſt die Pflugſchaar, womit ſie dieſes fruchtbare Land ihrer Geburt pfluͤgen, muͤſſen ſie dorther haben.

Die vom Hafen und der Stadt nicht weit entfernt liegenden Hoͤfe haben Weitzenfeld, Weinberge und Gaͤr - ten in groͤßter Menge; dagegen treiben ſie wenig Vieh - zucht. Die Weinberge nahe beym Cap, welche den be - ſten und delicateſten Wein geben, weil die Trauben da groͤßer und reifer, als in andern Gegenden, werden, tragen das meiſte ein, und verdraͤngen an verſchied - nen Orten ſogar den Weitzen, deſſen Bau man mehr und mehr den weiter weg wohnenden Landeigenthuͤmern uͤberlaͤßt.

Wenn auf dem Lande ein Hof verkauft wird, ſo ſchließt man den Kauf in Gulden, deren drey auf einen Reichsthaler gerechnet werden.

Weitzen iſt das einige Getreide, das hier zu Lande allgemein gebauet wird, und auch die Muͤhe des Ackermanns reichlich belohnt. Rocken ſaͤet man ſelten, es ſey denn ein wenig zum Vergnuͤgen, oder daß ſolche Bauern es thun, die das Stroh an - ſtatt des hier durchgaͤngig gewoͤhnlichen Strickgraſes zum Dachdecken gebrauchen wollen. Den Weitzenacker laſſen einige Landleute mehrere Jahre brach liegen, damit er recht gut ausruhen moͤge; ſie koͤnnen dies auch thun, da ſie des Feldes viel haben. Wenn man entweder Feld, das nie beſtellt war, ganz friſch aus dem Dreiſche bricht, oder Acker, der viele Jahre brach gelegen hat, aufreißt, welches eine ſehr muͤhſame Arbeit iſt, ſo wird ſolches im Auguſt zum erſten, und nach geendigter Saatzeit im May zum andernmahl gepfluͤgt. Der hieſige Pflug hat zwey Raͤder, von denen das eine kleiner als das andre iſt. Im Anfange des Septembers muͤſſen die Sklaven das Unkraut auf dem Acker ausjaͤten, ſowohl aus dem Wei -238Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. tzen als aus der Gerſte. Dieſe wird gemeiniglich im No - vember, und jener im December geerntet.

In Anſehung des Weinbaues thun es die beyden Hoͤfe, welche den Nahmen Groß - und Klein-Conſtantiafuͤhren, und unterhalb des Tafelbergesan der Oſt-Seite deſſelben liegen, allen uͤbrigen und dem ganzen Lande weit zuvor. Sie ſind es, wo der unter dem Nahmen des Conſtantia-Weins oder Cap-Weins bekannte, und in Eu - ropaſo vieles Geld koſtende, vortreffliche und ausnehmend wohlſchmeckende Wein waͤchſt. Dieſer Wein iſt ſehr ſuͤß, angenehm und lieblich, und kann nur als Nach - tiſch-Wein gebraucht werden, weil er reichlich getrunken durch ſeine Suͤßigkeit den Magen beſchwert. Es giebt bekanntlich zwey Arten Cap-Wein, rothen und weißen. Von dem rothen werden jaͤhrlich ungefaͤhr ſechzig, und von dem weißen etwa neunzig Faß (Legger) gewonnen. Doch iſt dies nicht jedes Jahr gleich, weil der Wein hier ſo wenig als anderswo alle Jahr gleich gut geraͤth. Je - ne beyden Hoͤfe ſind indeſſen jetzt nicht mehr die einzigen, wo dieſer Wein waͤchſt, obgleich ſie lange Zeit die einzigen waren, die ihrer Lage wegen ihn hervorbringen konnten. Gegenwaͤrtig giebt es ſchon mehrere Hoͤfe, ſowohl in der Nachbarſchaft von Conſtantia, als an einigen, wie - wohl wenigen, andern Stellen, die ihren Wein zu eben der Guͤte bringen koͤnnen. Da aber die Compagnie den Verkauf des Conſtantia-Weins ſich ausſchließend vorbehal - ten hat, und der auf den andern Hoͤfen erzielte Wein, wenn er fuͤr Conſtantia-Wein gelten ſollte, Contrebande ſeyn wuͤrde, und unter dieſem Nahmen von Privat-Per - ſonen weder gekauft, noch in Hollandeingebracht werden darf, ſo hat man den Kunſtgriff erfunden, dieſem Wei - ne, der dem eigentlichen Conſtantiaan Guͤte ganz und gar nichts nachgiebt, den Nahmen Magenwein zu geben. 239Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. Unter dieſem Nahmen wird er denn meiſtens an fremde Schiffs-Officiere, und zwar wohlfeiler als jener, verkauft. Durch jedes Faß (Legger) Wein, welches fuͤr Rech - nung der Compagnie aufgekauft wird, vermehrt der Gou - verneur zu Capſeine Einkuͤnfte. Die Compagnie bezahlt naͤmlich jedes Faß (Legger) gewoͤhnlich mit 40 Reichs - thalern; auch ſtellt der Landmann, der ihn verkauft, die Quittung auf 40 Reichsthaler; er bekommt aber nur 27, nachdem man außer den 10, welche der Gouver - neur in ſeine Taſche ſteckt, noch 3 als einen Zehnten ab - gezogen hat. Der ordinaire Wein iſt bisweilen ſo wohlfeil, daß die Einwohner zu Capden Legger nur mit 10 Reichs - thalern bezahlen: ich habe dies in den drey Jahren meines hieſigen Aufenthalts ſelbſt einmahl erlebt. Dies iſt ein ſehr wohlfeiler Preis, denn ein Legger haͤlt 150 Kannen.

Auf verſchiednen Hoͤfen hatte ich Gelegenheit zu ſehen, wie der Wein hier zubereitet und behandelt wird, und die verſchiednen Arten Weine kennen zu lernen, die das Land in den ſuͤdlichen Gegenden in ſehr großer Men - ge hervorbringt. Das Preſſen oder Keltern geſchieht hier im Maͤrz, und zwar in Ermangelung gehoͤriger Werk - zeuge, Geraͤthſchaften und Anſtalten, auf eine einfache - re Art, als in Europa. Die Trauben werden durch die Sklaven gepfluͤckt, eingebracht und in ein großes Kuͤben geſchuͤttet. Zum Auspreſſen gebraucht man ein Kuͤben, deſſen Boden und Seiten mit Loͤchern dicht bey einander ganz durchbohrt ſind. Dieſes Kuͤben wird in ein ande - res groͤßeres geſetzt, und zwar auf ein Kreutzholz, das man vorher auf den Boden gelegt hat, damit der noͤthi - ge Zwiſchenraum bleibe. Dieſes aͤußere Kuͤben hat ei - nen Zapfen, den man auszieht, da alsdann der ausgepreßte Saft in ein darunter ſtehendes drittes hoͤlzernes Geſchirr fließt. In das innerſte Kuͤben werden die Trauben bis240Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. ganz oben an den Rand gelegt, daß es ganz voll wird. Darauf ſteigen drey bis vier Sklaven, nachdem ſie ſich vorher, beſonders Beine und Fuͤße, in einem dabey ſte - henden Waſſerkuͤben ſo rein als moͤglich gewaſchen haben, oben auf die Trauben im Kuͤben, treten auf denſelben ſo lange herum, bis ſie ganz zerquetſcht ſind und der Saft ſo rein, als es ſich nur immer thun laͤßt, herausgepreßt iſt, und halten ſich dabey an einem oben unter der Decke befeſtig - ten Stricke. Der herauslaufende Saft wird ſogleich ab - gezapft, und in große hohe Zuber oder Stannen gegoſſen, worin er gaͤhren muß. Wenn Trauben oder Stiele ſich vor die Oeffnung des innern Kuͤben ſetzen, und den Saft am Auslaufen hindern, ſo werden ſie mit einem Stocke weggeſtoßen, an deſſen Ende eine Art Buͤrſte in die Que - re angebracht iſt. Iſt man mit dem Auspreſſen fertig, ſo legt man, ehe das Kuͤben wieder voll geſchuͤttet und von neuem der Anfang mit Preſſen gemacht wird, die Haut oder Schlau von den ausgepreßten Trauben nebſt den Stielen auf eine von duͤnnem Rohr geflochtne Huͤrde, und reibt beydes auf derſelben mit den Haͤnden ſo lange hin und her, bis die Haut durchgeht. Die Stiele blei - ben alsdann auf der Huͤrde zuruͤck, werden abgeloͤſet und weggeworfen, weil man glaubt, ſie wuͤrden den Wein barſch und ſtreng machen. Die Haut wird darauf in die Gaͤhrtonne geworfen, welche am folgenden Morgen ſchon in vollem Gaͤhren iſt, da denn das Dicke zu Boden ſinkt, und der Moſt klar wird. Dieſen zapfet man hernach auf Tonnen, ſo daß man in das Spundloch ei - nen geflochtnen Korb ſetzt, um den Wein zugleich zu ſei - gen. Das in der Gaͤhrtonne zuruͤckbleibende Dicke wird in ein viereckiges hoͤlzernes Gefaͤß, wie ein Kaſten, gelegt, das an den Seiten und im Boden ganz durchloͤchert, und in ein anderes aͤhnliches groͤßeres, an der Seite miteinem241Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. einem Zapfen verſehenes, Gefaͤß oder Kaſten auf ein hoͤl - zernes Kreutz geſetzt iſt. Oben iſt eine hoͤlzerne oder me - tallne Schraube uͤber einem Brete, welche ſo feſt zuge - ſchroben wird, bis aller Saft auf den letzten Tropfen herausgepreßt iſt. Aus der nach dieſem Preſſen uͤbrig - bleibenden Schale oder dem Hefen deſtillirt man Brannt - wein. Gaͤſt gebraucht man gar nicht, um den Moſt in Gaͤhrung zu bringen. Die weißen und gruͤnen Trau - ben geben weißen, und die rothen rothen Wein. Die Muſkatellertrauben, ſowohl die rothen als weißen, geben den Conſtantia, und die blutrothen geben Pontac. Die verſchiednen Nahmen giebt man den Weinen, je nach - dem ſie dieſen oder jenen Europaͤiſchen Weinen aͤhnlich ſind, wenn auch gleich weniger Unterſchied dazwiſchen iſt. Ver - ſchiedne Weine, beſonders die weißen, werden geſchwefelt, um zu verhuͤten, daß ſie nicht in weitere Gaͤhrung kommen, und hernach auf den Faͤſſern, worauf ſie gefaßt werden, ſauer werden. Das Schwefeln macht man auf folgen - de Art. Man tunkt Streifen Leinwand in Schwefel, legt ſie doppelt und befeſtigt ſie ſo an einem eiſernen Ha - ken, der oben vermittelſt einer Oeſe an einem kegelfoͤrmi - ge Holze feſt ſitzt. Darauf zuͤndet man die Schwefel - Leinwand an, laͤßt ſie an dem Haken in das Faß hinab, und haͤngt den Haken darin an. Die Oeffnung des Faſſes wird durch das Stuͤck Holz, worin der Haken feſt ge - macht iſt, und das man mit einem Lappen umwunden hat, zugeſtopft. Wenn der Schwefel ausgebrannt iſt, wird dieſes Holz herausgenommen, und die Oeffnung foͤrmlich mit einem Zapfen zugemacht, damit der Schwe - feldampf in die Staͤbe des Faſſes eindringen moͤge. Auf dergleichen geſchwefelte Faͤſſer wird hernach der Wein gefaßt, und der Schwefel hindert, daß er nicht wieder in Arbeit oder Gaͤhrung kommen kann.

ThunbergsReiſe. Erſter Theil. Q242Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.

Die Viehzucht, beſonders das Hornvieh, macht fuͤr die entfernter wohnenden Koloniſten den groͤßten Theil ihrer Nahrung aus, und oft iſt ſie das einzige, wovon ſie leben. Es ſcheint aber doch nicht, als wenn ſie ſo viel Vortheil davon haben, wie ſie wohl haben koͤnnten, und als wenn ſie ſich alles gehoͤrig zu Nutze machen. Kaͤ - ſe zum Exempel machen die Landleute nur ſelten. Wenn es ja bisweilen geſchieht, ſo thun ſie es faſt nur zum Spaß, und ihre Kaͤſe ſind alsdann klein, duͤnn und ſchlecht. Doch mag auch wohl die Milch Schuld daran ſeyn, die hier mit der fetten Milch, welche die Kuͤhe in Hollandgeben, verglichen, ziemlich mager iſt. Das Vieh, nicht nur die Kuͤhe und Ochſen, ſondern auch das uͤbrige Vieh, geht das ganze Jahr hindurch auf der Weide, wird des Abends zu Hauſe getrieben, und liegt des Nachts in Huͤrden unter freyem Himmel. Das Gras, welches auf den weitlaͤuftigen Ebenen und Ge - filden die Nahrung des Viehes iſt, und im Winter des Regens wegen am ſtaͤrkſten und reichlichſten waͤchſt, auch am beſten, des Sommers aber der ausdoͤrrenden Winde und der Hitze halber am ſchlechteſten iſt, gehoͤrt meiſtens zu den ſchlechteren Gattungen; es iſt ſtreng und grob. Die Kuͤhe geben daher auch nur wenig Milch nach dieſem Graſe, und dieſe kann auch eben nicht fett ſeyn. Dies iſt zugleich die Urſache, warum das Vieh ſich hier in einigen Jahren allezeit verſchlechtert. Die hieſigen Kuͤhe und Ochſen ſind zwar von Hollaͤndiſcher Art und Abkunft, aber doch bereits gar ſehr ausgeartet. Eine Hollaͤndiſche Kuh, die hieher gebracht, und mit vierzig bis funfzig Reichsthalern bezahlt wird, giebt mehr Milch als drey inlaͤndiſche; die von ihr erzielten Kuͤhe werden ſchon ſchlechter, und im dritten oder vierten Gliede ſind ſie bereits wie die uͤbrigen, von denen man taͤglich nicht243Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. mehr als ein Stuͤbchen Milch bekommt. Die Butter wird oft von der ſuͤßen Milch, ehe ſie gerinnet und ſauer wird, gemacht, und wenn ſie friſch iſt, in der Stadt mit 8, 12 bis 16 Stuͤber, geſalzen aber mit 2, 4 bis 6 Stuͤbern das Pfund bezahlt. Der Schafmiſt wird gewoͤhnlich zum Duͤngen der Weinberge gebraucht; der Pferdemiſt aber in die Gaͤrten gebracht. Jener liegt in den Huͤrden manchmahl eine Elle hoch und noch hoͤher. Aus den großen und dicken Schwaͤnzen der Afrikaniſchen Schafe ſchmelzt man das Fett heraus, und verkauft es. Ein ſolcher Schwanz wiegt ein ganzes Liespfund und be - ſteht aus lauter Fett. Das ausgeſchmolzne Talg iſt nicht nur die groͤßte Delice fuͤr die Hottentotten, ſon - dern wird auch ſehr haͤufig an die Matroſen verkauft, die ſich damit verſorgen muͤſſen, weil ſie hier keine Butter bekommen koͤnnen. Es wird, mit etwas Salz und Pfef - fer vermiſcht, in Buͤtten und kleinen Faͤſſern verwahrt, und von den Matroſen auf der See anſtatt Butter auf dem Brote gegeſſen.

Wilde oder gewoͤhnliche Erdbeeren wachſen am Capgar nicht. Man hat aber Garten-Erdbeeren, wozu man die erſten Pflanzen aus Hollandhat kommen laſſen, und die in den Gaͤrten um die Stadt auf Beeten gezogen wer - den. Alle drey Jahr pflanzt man ſie um. Sie ſchme - cken gut, aber nicht ſo ſchoͤn, als die Europaͤiſchen. Sie werden theuer verkauft und machen ſich gut bezahlt. Blu - menkohl kommt in den Capſchen Gaͤrten, beſonders auf der Robbeninſel, wo er haͤufig gezogen wird, vortrefflich fort, und veredelt ſich ſo, daß er gewiß nirgend in der ganzen Welt ſeines gleichen hat. Man macht ihn haͤu - fig mit Eſſig und Spaniſchem Pfeffer (Weißbeere, Capficum) ein, und iſſet ihn hernach als Salat beym Braten. Maulbeerbaͤume ſah ich auf verſchiednenQ 2244Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. Hoͤfen in der Nachbarſchaft der Stadt. Sie tragen vor - treffliche und wohlſchmeckende Fruͤchte, welche aber nach der Capſtadtnicht haͤufig zu Kauf gebracht werden. Deſto mehr nimmt dagegen der Landmann fuͤr Mandeln ein. Dieſe werden in den waͤrmeren und fruchtbareren Gegenden in Menge gewonnen. Man verkauft ſie nicht nach dem Gewichte, ſondern nach Hunderten und Tau - ſenden. Die nach Bataviagehenden Schiffs-Officiere kaufen einen großen Theil davon, und verkaufen ſie dort wieder mit großem Vortheil. Auch werden hier nicht nur Weintrauben zu Roſinen, ſondern auch verſchiedne andre Gattungen Fruͤchte gedoͤrret und an die Seefah - rer verkauft.

Weitzen bauet man hier mehr, als das Land und die Stadt gebrauchen. Man hat auch manchmahl La - dungen davon nach Indiengebracht, wo aus dem Wei - tzenmehl fuͤr die Vornehmen Brot und Zwieback gebacken wird. Nach Europaaber Weitzen zu verfuͤhren, dazu hatte man bisher den Weg fuͤr zu weit, und die Fracht fuͤr zu koſtbar gehalten. Im vorigen aber ſowohl, als in dieſem Jahre hat man ganze Quantitaͤten davon nach Hollandgeſchickt, wo man mit dem Capſchen Weitzen ſehr gut zufrieden iſt, weil er an Gewicht viel ſchwerer iſt, als der Europaͤiſche. Seitdem naͤmlich Pohlen, das Kornmagazin fuͤr Holland, in den verfloßnen Jah - ren mit Krieg heimgeſucht und zum Theil verheeret war, die Zufuhr alſo von da geringer wurde, auch faſt ganz EuropaMiswachs getroffen hatte, beſchloß die Hollaͤn - diſch-Oſtindiſche Compagnie, einige kleine Fahrzeuge nach dem Capzu ſchicken, um Weitzen daher zu hohlen. Im vorigen Jahre kam ein ſolches Schiff, und dies Jahr zwey Fregatten. Fuͤr eine Fracht (Vragt) Weitzen bekommt der Landmann achtzehn Reichsthaler. Eine245Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. Fracht haͤlt zehn Mudd (Mudden) oder ungefaͤhr fuͤnf Tonnen. Auf Franzoͤſiſchen Schiffen wurde im gegen - waͤrtigen nicht nur, ſondern auch ſchon im verwichnen Jahre, ebenfalls Weitzen in Menge nach Isle de Francegehohlt. Die hieſigen Landleute duͤrfen aber ihren Wei - tzen nicht ſelbſt an fremde Kaufleute oder Schiffer verkau - fen, ſondern dies iſt ein Regale der Compagnie, welche allein das Recht hat, Weitzen zur Ausfuhr zu verkaufen. Was ſie alſo davon nicht an die Einwohner der Stadt abſetzen, muͤſſen ſie der Compagnie uͤberlaſſen.

Unter andern Victualien, welche theils zur Stadt fuͤr die Einwohner zu Kauf gebracht, theils von den Schiffs-Officieren zu ihrer Reiſe-Proviſion haͤufig gekauft werden, bemerkte ich beſonders Straußeneyer. Haupt - ſaͤchlich ſind es die Sklaven, welche ſie ſammeln und zur Stadt bringen. Dieſe haben, wenn ſie die Herden in den Sandebenen huͤten, Gelegenheit, die Stellen zu fin - den, wohin die Straußen ihre Eyer legen, und ſie weg - zunehmen. Manchmahl treffen ſie ein ganzes Dutzend, ja wohl gar ein ganzes Schock ſolcher Eyer, auf einer Stelle beyſammen an, manchmahl aber auch weniger, zumahl ſo lange die Zeit des Legens waͤhrt. Beym Wegnehmen ſind ſie ſo vorſichtig, es nicht mit den Haͤnden zu thun, weil alsdann die Straußen es durch den Geruch merken, und den Ort zu verlaſſen pflegen; ſondern hohlen ſie nach einander, ſo wie der Vogel ſie gelegt hat, mit einer lan - gen Stange weg. Die Eyer werden das Stuͤck gewoͤhn - lich mit einem Hollaͤndiſchen Schillingsſtuͤcke, welches ungefaͤhr fuͤnf Schwediſche Schillinge betraͤgt, bezahlt. Meiſtentheils werden ſie zu Backwerk und Ruͤhrey ge - braucht, wozu ſie auch am tauglichſten ſind. Beſonders ſchmecken ſie auf die letztere Art zubereitet ſehr gut, wenn viel Butter dazu kommt. Ein einziges Ey iſt fuͤr meh -246Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. rere Perſonen hinreichend. Da Huͤhnereyer auf dem Schiffe ſelten lange ganz bleiben, und es ſo viel Muͤhe erfordert, ſie taͤglich umzuwenden, ſo zieht man um des - willen die Straußeneyer ihnen weit vor, weil dieſe ſowohl ihrer Groͤße als ihrer dicken und ſtarken Schale wegen ſich leicht aufbewahren laſſen, ohne daß ſie zerbrechen.

Ueberhaupt gilt von dem Verkaufe alles deſſen, was die Landleute, es ſey im großen oder im kleinen, zur Stadt bringen, daß ſie es entweder an die Compagnie oder an Buͤrger verkaufen muͤſſen, aber nicht die Er - laubniß haben, irgend etwas an Fremde zu verkaufen.

Da weder vor der Stadt noch in der Naͤhe derſel - ben Waldung iſt, das wenige Buſchwerk ausgenommen, das oben an den Bergen in den Vertiefungen ſteht, ſo iſt das Brennholz, obſchon man hier die Zimmer nicht heitzt, und Feurung nur in der Kuͤche gebraucht, zu Caprar und theuer. Das meiſte, oder vielmehr beynahe alles, Holz, welches man in der Kuͤche brennt, ſind et - weder Wurzeln von Silberbaͤumen (Protea), die man ausgraͤbt, oder abgehauene Zweige von kleinem Geſtraͤuche. Zum Ausgraben und Hauen gebraucht man die Sklaven, die auch das, was ſie ausgraben und hauen, zu Hauſe tragen muͤſſen. Sie pflegen die geſammelten Wurzeln und Zweige in zwey Bunde zu binden, dieſe Bunde an den beyden Enden einer Stange zu befeſtigen, und ſo auf der Schulter zu tragen. Zwey ſolche Bunde, welche zu ſammeln und nach der Stadt zu bringen, ein Tag - werk ausmacht, werden fuͤr zwey Hollaͤndiſche, oder zehn Schwediſche Schillinge verkauft. Außer den Wur - zeln und Zweigen vom Silberbaume, deſſen ich ſchon ge - dacht habe, beſteht das meiſte dieſes Strauchholzes aus Zweigen von verſchiednen Arten Haide (Erica) und Brunie (Brunia). Waͤre die Kaͤlte hier zu Lande ſtreng247Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. und das Heitzen der Zimmer nothwendig, ſo wuͤrden die Einwohner wegen des unglaublichen Holzmangels ſehr zu bedauern ſeyn. Planken, Bohlen, Breter, Balken, Latten und andres Bauholz iſt ebenfalls ungemein theuer. Denn das Land liefert nur wenig dergleichen, und das, was man hat, kommt aus entfernten Gegenden, und wird alſo durch den Transport ſehr koſtbar. Das mei - ſte, welches man gebraucht, wird daher aus Europaoder Oſtindiengebracht. Gemeiniglich wird es ellen - weiſe verkauft, und ein Fuß Breter mit zwey Schillin - gen Hollaͤndiſch bezahlt.

Eben ſo wird es den Landbewohnern ſchwer, ihre Hoͤfe, Aecker, Weinberge, Gaͤrten und Viehplaͤtze mit gehoͤrigen Befriedigungen zu verſehen. In einigen Ge - genden, wo es an anderm Gebuͤſche, das brauchbarer dazu waͤre, fehlt, nehmen ſie die Afrikaniſche Galenie (Galenia Africana), die man hier Kraalbuſch (Kraal - Boſch) nennt, dazu. Nicht weit vom Capſind auf ei - nigen Landguͤtern und Hoͤfen Mauern von den da umher liegenden Eiſenſteinen (Yzer Klippen) gelegt.

Die nicht weit von der Stadt wohnenden Gutsbe - ſitzer pflanzen auf ihre Hoͤfe, theils zur Zierde, theils um des Schattens willen, verſchiedne Europaͤiſche Baͤume, als Eichen, Kaſtanien, Tannen, Myrten, Citronbaͤume und Pomeranzenbaͤume, welche zugleich zur Zeit der Bluͤ - the den angenehmſten Duft um ſich her verbreiten.

An Wildpret hat das Land einen ſolchen Ueberfluß, daß wenige Laͤnder ihm darin gleich kommen. Demunge - achtet iſt die Jagd, wenigſtens in den der Stadt benach - barten Gegenden, in gewiſſen Monathen, naͤmlich vom May bis Auguſt, foͤrmlich verbothen, und niemand darf waͤhrend denſelben bey nicht geringer Strafe jagen oder ein Stuͤck Wild ſchießen.

248Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.

Hunde halten die Landleute auf ihren Hoͤfen in gro - ßer Anzahl. Sie leiſten ihnen auch mancherley weſent - lichen Nutzen. Sie werden von den Sklaven, welche die Herden huͤten, als Hirtenhunde gebraucht, halten die wilden Thiere von den Hoͤfen ab, ſchuͤtzen manchmahl ihren Herrn vor der Gewaltthaͤtigkeit der Sklaven, und thun auf der Jagd ſowohl als auf Reiſen wichtige Dienſte. Die Einwohner in der Stadt pflanzen nicht leicht einen Baum vor ihre Haͤuſer, ohne einen todten Hund dabey zu begraben; ſie glauben, und zwar ganz richtig, das Gedeihen und Wachsthum des Baumes dadurch zu be - foͤrdern; ſie koͤnnten aber auch andre todte Thiere dazu nehmen.

Beym Seekuhthale( Zeeko Valley) hat die Com - pagnie einen Hof, wo Dachſtrickgras (Reſtio tectorum) in Menge gewonnen wird. Man ſchneidet es zu einer gewiſſen Zeit mit einer Sichel ab, und bereitet es zum Dachdecken. So wie die Leute eine Hand voll abgeſchnit - ten haben, halten ſie es am oberen Ende feſt, und ſchleu - dern das kurze Gras, welches ſie nicht mit gefaſſet haben, und das zum Decken nicht taugt, weg. Darauf wird es in Schwaden gelegt, damit es trocken werde, und wenn es trocken genug iſt, in Buͤndel zuſammen gebun - den. Und mit dieſem Strickgraſe deckt man ſowohl auf dem Lande als in der Stadt uͤberall die Gebaͤude, und manchmahl macht man auch Huͤtten davon. Ein ſol - ches Dach kann zwanzig bis dreyßig Jahre liegen, und wuͤrde noch laͤnger aushalten, wenn nicht der Suͤd-Oſt - Wind viel Staub und dergleichen hinauf wehete, das ſich darin feſtſetzt, und hernach, wenn es regnet, die Naͤſſe in ſich zieht, und dadurch Faͤulniß verurſacht.

So großen Ueberfluß die Leute auf dem Lande an Eßwaaren haben, ſo groß iſt bey ihnen oft der Mangel249Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. an Meublen und Hausgeraͤth. Stuͤhle und Tiſche ma - chen ſie in vielen Gegenden ſelbſt, und uͤberziehen jene mit Kalbfellen oder Flechtwerk von ledernen Riemen. Die Fußboͤden in den Haͤuſern ſind von feſt geſtampfter und eben gemachter Erde. Um ſie hart und dicht zu ma - chen, gießt man beym Stampfen entweder Waſſer, worin Kuhdreck aufgeloͤſet worden, oder Ochſenblut daruͤber her, wodurch ſie zugleich ein glattes Anſehen be - kommen.

Das ganze Land wird zwar von einerley Art Kolo - niſten bewohnt; die Landguͤter und Hoͤfe ſind aber doch in Anſehung ihres Erwerbes und Beſitzes nicht von einer - ley Beſchaffenheit. Das in der Naͤhe des Hafens und der Stadt belegene Land hat man ehemahls den Hotten - totten gegen Tobak, Branntwein und andre Waaren abgekauft. Die uͤbrigen weitlaͤuftigen Diſtrikte ſind nach - her von den Koloniſten allmaͤhlig in Beſitz genommen. Daher kommt es nun, daß die dem Capnahe liegenden Guͤter und Hoͤfe, bis an die Piketbergeund etwas wei - ter, eigenthuͤmliche Beſitzungen ſind, und den Bewoh - nern erblich zugehoͤren, wovon ſie alſo auch keine eigent - liche Abgabe bezahlen, und die ſie als Grundherren mit dem ganzen Eigenthumsrecht veraͤußern koͤnnen. Die uͤbrigen tiefer im Lande jenſeit der Gebirge belegenen Hoͤfe, heißen Lehnplaͤtze (Verleenings-Plaats). Dieſe ſind von den Bauern mit Genehmigung des Gouverneurs ur - bar gemacht und angebauet, und die Bewohner muͤſſen von jedem ſolchen Hofe der Compagnie jaͤhrlich eine Ab - gabe von vier und zwanzig Reichsthalern entrichten. Sie koͤnnen auch ohne Bewilligung des Gouverneurs nicht verkauft oder auf andre Art veraͤußert werden. Die Ge - baͤude gehoͤren den Bewohnern, und dieſe koͤnnen ſie ver - kaufen; Grundherrſchaft aber iſt die Compagnie.

250Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.

Geſalzenes und Boͤkelfleiſch wird hier zu Lande wenig gegeſſen, hoͤchſtens einigemahl des Winters. Einige Landleute ſalzen Rindfleiſch ein, um es in der Stadt zu verkaufen, wo man es zur Proviſion auf den Schiffen wieder verkauft. An einigen Orten gebraucht man Ta - marinden, ihrer Saͤure wegen, ſtatt Eſſigs, beſonders um Rindfleiſch damit zuzubereiten. Man ſchneidet das - ſelbe in duͤnne Scheiben, beſtreicht ſie mit dem Safte der Tamarinden, laͤßt ſie an der Sonne ein wenig trocken werden, und bratet ſie darauf in einer Pfanne, da denn das Fleiſch nicht nur wohl muͤrbe wird, ſondern auch ſehr gut ſchmeckt.

Nicht nur in der Stadt, ſondern im ganzen Lande herrſcht uͤberall die Sitte, daß man nach Mittage eine oder zwey Stunden ſchlaͤft, weil die Hitze alsdann ſehr ſtark iſt.

Bey Tiſche bekommen niemahls die Gaͤſte die Ober - ſtelle, ſondern der Wirth und die Wirthin nehmen ſie ſelbſt ein, jeder von ihnen an einer Seite des Tiſches; umher wird den Fremden ihr Platz angewieſen. Wirth und Wirthin ſetzen ſich auch zuerſt, und noͤthigen als - dann die Gaͤſte, ſich ebenfalls zu ſetzen. Sieht der Wirth einen Fremden kommen, oder erwartet er einen Gaſt, ſo geht er ihm allezeit entgegen, reicht ihm die Hand, biethet ihm guten Tag, und fraͤgt nach ſeinem Befinden. Kommt man zu Pferde oder zu Wagen, ſo wird man gebethen, abzuſteigen und einzutreten. Iſt man unbe - kannt, ſo erkundigt der Wirth ſich nach dem Nahmen. Die Frau ſteht nicht auf, wenn der Fremde in die Stu - be tritt, ſondern nickt nur mit dem Kopfe, und gruͤßt.

Ein ſonderbares muſikaliſches Inſtrument ſah ich bey einem Landmanne. Es war aus viereckigen Staͤben verfertigt, die von verſchiedner Laͤnge waren und auf zwey251Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie. andern Staͤben lagen. Auf jene oberen Staͤbe ſchlaͤgt man mit zwey hoͤlzernen Hammern, ungefaͤhr wie auf ein Hackbret, und man erhaͤlt durch die ungleiche Laͤnge der Staͤbe Mannichfaltigkeit und Verſchiedenheit der Toͤne.

Von den vielen Gruͤnigkeiten, Obſt und andern Fruͤchten, die man hier gewoͤhnlich und in Menge iſſet, bekommen die Europaͤer, wenn ſie hierher kommen, an - fangs gewoͤhnlich eine Diarrhoͤe, die aber nicht ſo ge - faͤhrlich iſt, als die, von welcher die Fremden zu Bata - viagemeiniglich befallen werden.

Fuͤnfter Abſchnitt. Nachleſe botaniſcher Nachrichten.

Der Sommer in Europaiſt fuͤr jeden, der etwas Ge - fuͤhl fuͤr Schoͤnheiten der Natur hat, unendlich ange - nehmer und reitzender, als der Sommer am Cap. Dort ſieht man belaubte Waͤlder und Haine, grasbedeckte und blumenreiche Wieſen und Auen, und Felder voll wallender Saat. Hier vermiſſet man Wieſen und Auen ganz; auf den Ebenen ſteht das Gras fleckweiſe und weit von einander, dazwiſchen ſieht man nacktes Sandfeld; Weitzenfelder erblickt man hier eins und dort eins; und die Waͤlder ſind ſelten, dabey voll zackiger Baͤume und entbloͤßt von allem, was das Auge vergnuͤgen kann. Fuͤr den Botaniker aber hat der hieſige Sommer, bey allem Mangel an Anmuth, dennoch ſehr viel merk - wuͤrdiges. Im Vorhergehenden habe ich ſchon manche Bemerkungen von Gewaͤchſen dieſes Landes einzeln und gelegentlich eingeſtreuet. Jetzt will ich das uͤbrige nach - hohlen.

252Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.

Der ſtachlige Baͤrenfuß (Arctopus echinatus, hier zu Lande Krankentroſt, Zieke-Trooſt, genannt) ein niedriges Dolden tragendes Kraut, ohne Stengel, und das flach auf der Erde liegt, waͤchſt allenthalben um die Stadt auf den aus Lehmerde beſtehenden Anhoͤhen un - terhalb der Berge. Dies Gewaͤchs iſt der harten Spi - tzen und Zacken wegen, wovon ſowohl die Blaͤtter als auch die reifen Samenbehaͤltniſſe voll ſind, eine wahre Plage fuͤr die Sklaven, welche ſtets barfuß gehen, und ſehr haͤufig Beine und Fuͤße daran verletzen.

Der Oehlbaum (Olea Europaea) waͤchſt uͤberall auf den die Stadt umgebenden Bergen und Huͤgeln, ſo wie auch in andern Gegenden. Die Blaͤtter ſind ſchma - ler, als in Europa, und die Beeren kommen ſelten zur Reife. Man preßt hier auch kein Oehl daraus, ſondern gebraucht ſie nur als ein Mittel gegen die Diarrhoͤe. Der Baum iſt uͤbrigens dem Europaͤiſchen Oehlbaum ſo gleich, daß man ihn unmoͤglich fuͤr eine beſondre Gattung halten kann.

Auf eben dieſen Bergen und Anhoͤhen waͤchſt auch die dornblaͤtterichte Cliffortie (Cliffortia ruſcifolia), und die lanzenfoͤrmige Borbonie (Borbonia lanceolata). Bey - de haben mit dem Wachholderſtrauche viel Aehnlichkeit. Auch trifft man da die heiſteriſche Polygala (Polygala Heiſteria), die ſehr ſcharfe Blaͤtter hat, haͤufig an. An allen dieſen Straͤuchen ſticht man ſich ſehr leicht, wenn man dicht vorbey geht. Den Capſchen Spargel (Aſparagus Capenſis) findet man auch in Menge. Man zerreißt an ſeinen zuruͤckgebognen Spitzen oder Dornen die Kleider, und wird im Gehen dadurch ſehr aufgehal - ten. Die Einwohner nennen ihn deswegen Wacht een Beetje (Wart ein wenig).

Wilder Knoblauch oder die knoblauchartige Tul - baghie (Tulbaghia alliacea, wilde Knoflook) waͤchſt253Nachleſe botaniſcher Nachrichten. nicht nur auf der großen Sandebene am Cap, ſondern auch in verſchiednen andern Gegenden des Landes. Man gebraucht ihn gegen die Hektik, entweder in Waſſer oder in irgend einer Suppe gekocht.

Bey Muyſenburgſtehen viele Wachsbaͤume oder Gagel, ſowohl von der eichenblaͤtterichten als von der herzblaͤtterichten Gattung (Myrica quercifolia und cordi - folia). Die Beeren dieſes Strauchs ſind ganz rund, weich und von der Groͤße einer Erbſe. Ihre Farbe iſt an ſich ſelbſt voͤllig ſchwarz, ſie ſind aber mit einem hell - grauen oder weißlichen Mehl uͤberzogen. Man ſammelt ſie, wenn ſie reif ſind, im Maͤrz, kocht ſie in Waſſer, bis dieſer weißliche Staub ganz geſchmolzen iſt und wie Fett oben auf dem Waſſer ſchwimmt. Dies Fettartige ſchaͤumt man hernach ab, und laͤßt es abkuͤhlen und hart werden, da es denn mit Wachs ſehr viel Aehnlichkeit, und eine ins Graue fallende gruͤnliche oder vielmehr eine aſchgraue Farbe bekommt. Die Bauern machen, wenn ſie eine ziemliche Menge davon haben, Lichte davon; die Hottentotten aber eſſen es wie Kaͤſe.

Der gemeine Lorbeerbaum (Laurus nobilis) bildet an verſchiednen Orten ſo dichte Hecken, daß man kaum hindurchſehen kann. Er beugt ſich auch bey dem ſtaͤrk - ſten Winde, ohne zu brechen.

Wer in der Kraͤuterkunde ein wenig bewandert iſt, weiß, wie man dadurch, daß gewiſſe Blumen ſich oͤff - nen oder verſchließen, oft wie vermittelſt einer Uhr mit Gewißheit die Tagesſtunden nicht nur, ſondern ſogar bevorſtehenden Regen oder trocknes Wetter beſtimmen kann. Gewaͤchſe mit ſolchen Blumen ſind auf den Cap - ſchen Bergen nicht ſelten. Die wellenfoͤrmige Moraͤe (Moraea undulata) giebt deutlich zu erkennen, was die Uhr ſey; denn ſie oͤffnet ſich niemahls eher als um neun254Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Uhr des Morgens, und des Abends um vier, und ehe die Sonne untergeht, zieht ſie ſich wieder zuſammen. Eine aͤhnliche Eigenſchaft beſitzt die Zimmetixie, hier zu Lande ſonſt Abendblume, oder Kanehlblume (Avond - Bloem, Caneel-Bloem) genannt, (Ixia cinnamomea): ſie oͤffnet ſich jeden Abend um vier Uhr, und riecht die ganze Nacht hindurch ſehr angenehm. Die zweytheilige Wunderblume (Mirabilis dichotoma), hier Vieruhr - blume (Vier Uurs Bloem) genannt, ſchließt ſich alle Abend um vier Uhr; viele haben ſie auch um ihrer Schoͤn - heit willen im Garten. Bevorſtehenden Regen zei - gen die Blumen verſchiedner Zwiebelgewaͤchſe an, als der Ixie (Ixia), Moraͤe (Moraea), Schwertlilie (Iris) und Galaxie (Galaxia). Die zarten Blumen dieſer Gewaͤchſe oͤffnen ſich des Morgens nicht, wenn man bald Regen zu erwarten hat; und wenn es des Nachmittags regnet, ſchließen ſie ſich eine Stunde vorher. Verſchied - ne dieſer Blumen geben auch, beſonders zur Abend - und Nachtzeit, einen angenehmen Geruch, der ſchwachem Nel - kengeruche ſehr aͤhnlich iſt, als die traurige und die ruͤck - waͤrts gekruͤmmte Siegwurz (Gladiolus triftis, recurvus), die haarige, und die ſichelfoͤrmige Ixie (Ixia piloſa fal - cata), wie auch die oben angefuͤhrte Abendblume.

Ein ſonderbares Gewaͤchs lernte ich hier kennen, welches ſowohl die Landleute, als die Einwohner zu CapErdroſe (Aard-Rooze) nennen. Es iſt die blutrothe Hyobanche (Hyobanche ſanguinea), hat niedrige, von Farbe hochrothe Blumen, iſt kaum einen Finger lang und hat weder Zweige oder Ranken, noch Blaͤtter. Es waͤchſt im Winter und Fruͤhlinge auf den niedrigen Sand - ebenen ſowohl um die Stadt als anderwaͤrts nicht weit von der Kuͤſte, und raget nur mit ſeinen blutrothen Blu - men uͤber die Erde hervor. Von aͤhnlicher Art iſt die255Nachleſe botaniſcher Nachrichten. rachenfoͤrmige Meriane (Antholyza ringens), mit ih - ren weit offenſtehenden Blumen, und die ſich vielfaͤltig veraͤndernde geſpaltne Siegwurz (Gladiolus plicatus). Dieſe ſind mit ihren Blumen eine reiche Zierde dieſer Sandhaiden. Sie ſitzen mit ihren fleiſchartigen Zwie - beln ſehr tief im Sande, und erheben nicht viel mehr, als die Hyobanche, ihre Blumen uͤber die Oberflaͤche der Erde. Von aͤhnlicher Art iſt die Blutblume, ſowohl die ſcharlachrothe, als die kaſtanienbraune (Haemanthus coccineus und puniceus), welcher die Einwohner den ſonderbaren Nahmen Koͤnig von Candia (Koning van Can - dia) geben. Sie iſt eine der groͤßten und ſchoͤnſten Blu - men, die am Capgegen den Winter bluͤhen, und pran - get mit ihrer blutrothen Farbe aufs herrlichſte. Die Blu - men ſitzen ganz dicht uͤber der Erde, als wenn ſie aus ihr unmittelbar hervorgewachſen waͤren, und zur Zeit der Bluͤthe ſind gar keine Blaͤtter zu ſehen; denn dieſe ſind vorher ſchon verwelkt und abgefallen. Nach der Bluͤthe kommt die Frucht hervor, und hernach allererſt die Blaͤt - ter; dieſer ſind zwey, und ſie liegen dicht und flach auf dem Boden. Eben dieſe Bewandtniß hat es mit den, rund umher mit ſchwarzen Haaren bewachſenen, Blaͤttern der gefranzten Amaryllis (Amaryllis ciliaris), welche hier ſehr haͤufig waͤchſt, aber aͤußerſt ſelten bluͤhet.

Im Garten der Compagnie zu Capbluͤhen in den Wintermonathen drey huͤbſche Arten der Gardenie. Die blumenprangende (florida) ſcheint aus Indienhieher ge - bracht zu ſeyn. Wenigſtens habe ich ſie in dieſem Theile von Afrikaauf allen meinen Reiſen nirgend wild wachſen, ſondern allezeit, ſogar bey den Bauern in den entfernten Gegenden, in den Gaͤrten gepflanzt geſehen. Sie traͤgt hier allezeit gefuͤllte Blumen, bringt daher hier aber auch keine Frucht, wie in China, wo man gelbe Farbe zum Faͤr -256Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. ben daraus bereitet. Die Rothmannie (Gardenia Rothmannia) hat nicht ſo ſchoͤne Blumen als jene, und ſowohl die Blume als die Frucht bekommt, wenn ſie tro - cken werden, eine ſchwaͤrzliche Farbe. Die Thunber - gie (Gardenia Thunbergia) iſt zwar nur ein kleiner, aber ſeiner Blumen wegen einer der praͤchtigſten Baͤume, die es nur giebt. Man hat ihn vor einigen Jahren aus den tiefer im Lande befindlichen Waͤldern, wo er jedoch nur ſparſam gefunden wird, gehohlt und in den Garten gepflanzt. Er waͤchſt ſehr langſam, und hat ſo hartes Holz, daß man es zu Keulen, Kloͤppeln und dergleichen gebraucht. Wenn er einmahl angefangen hat zu bluͤ - hen, ſo waͤhrt die Bluͤthe einige Monathe fort, und es kommen taͤglich neue Blumen hervor, indem die alten nach und nach verbluͤhen, ſchlaff herabhangen, und endlich abfallen. Die Blume iſt ſehr lang oder hoch, weiß, dick und weich, wie das vortrefflichſte Saͤmiſch - leder anzufuͤhlen. Sie hat auch einen angenehmen Ge - ruch, und verliert ihre weiße Farbe nicht.

Im Auguſt, wenn der Winterregen die trocknen Berge am Capangefeuchtet hat, kommen verſchiedne ſchoͤne Blumen von Zwiebelgewaͤchſen hervor. Beſon - ders zeichnen ſich die Ixie und Moraͤe, deren ich bereits in einer andern Ruͤckſicht erwaͤhnt habe, vor andern aus. Die ſchuppige Ixie (Ixia bulbocodium) findet man ſehr haͤufig; es giebt ihrer verſchiedne Variationen, ſo - wohl in Anſehung ihrer Groͤße, als auch der Farbe der Blumen. Von der Moraͤe fuͤhre ich hier nur drey Ar - ten an: die Bergmoraͤe (collina) und die ſcheidenfoͤr - mige (ſpathacea), deren niederhangende Blaͤtter ſich, wenn man vorbeygeht, um die Fuͤße ſchlagen, und manchmahl machen, daß man umfaͤllt; nebſt der wellen - foͤrmigen (undulata), deren Blume wie eine großeSpinne257Nachleſe botaniſcher Nachrichten. Spinne ausſieht, und durch ihren uͤbeln Geruch die Schmeißfliegen an ſich lockt. Die Schwertlilien (Iri - des), beſonders die ſchmetterlingartige (papilionacea) uͤbertreffen indeſſen durch ihre reitzend ſchoͤne Blumen, deren Pracht ſich nicht beſchreiben laͤßt, alle andre hie - ſige Gewaͤchſe.

Im Auguſt bluͤhen auch die Eichen, deren Blaͤt - ter kurz vorher ausgeſchlagen ſind; die Aprikoſen, deren Zweige alsdann aber noch gar kein Blatt haben, ſondern ganz nackt ſind; die Erlen (Betula alnus), die Man - delbaͤume und die Pfirſichbaͤume.

Einige in Beziehung auf das Capauslaͤndiſche Gewaͤchſe traf ich auch an. Der Gouverneur ließ dies Jahr im Garten der Compagnie ein beſonderes Treibhaus fuͤr die Ananas anlegen. Dieſe zu Bataviaſo wohl - ſchmeckende und reitzende Frucht kommt hier aber weder zu der Reife noch zu dem Wohlgeſchmack, als in Oſtin - dien. Eben ſo geht es mit dem Piſang oder der paradi - ſiſchen Muſe (Muſa paradiſiaca), welche zwar in eini - gen Gaͤrten gezogen wird, aber ſelten bluͤhet, und deren Frucht, wenn ſie dergleichen auch traͤgt, niemahls voͤllig reif und wohlſchmeckend wird. Die amerikaniſche Aloe oder vielmehr Agave (Agave Americana), die man zuerſt aus Europaͤiſchen botaniſchen Gaͤrten hat kommen laſſen, waͤchſt jetzt ſchon wild unten an den Bergen vor der Stadt, und bluͤhet alle Jahr, und zwar ſehr ſchoͤn, ohne hier ſo ſtarken Zulauf von Zuſchauern zu bekommen, als zu Amſterdam. Den Campherbaum (Laurus Camphora) hat man aus Oſtindienhergebracht. Man pflanzt ihn in Gaͤrten. Er kommt auch recht gut fort; man hat ihn aber doch noch eben nicht vermehrt, auch noch nicht angefangen, Campher davon zum Gebrauch zu nehmen. Eben ſo bauet man im Garten der ThunbergsReiſe. Erſter Theil. R258Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. Compagnie die lange Gilbwurz oder Curcume (Curcuma longa). Die Wurzel ſelbſt gebraucht man gleichwohl hier wenig, ſo haͤufig man auch in Europazum Faͤrben, und in Oſtindienbeynahe bey der Zubereitung aller Spei - ſen, Gebrauch davon macht.

Das ſogenannte Kaffernkorn (Caffers-Koorn), oder das Kafferſche Pferdgras (Holcus Caffrorum), haben einige als eine Seltenheit in ihren Gaͤrten. Es waͤchſt Manns hoch, hat einen großen Straus Blumen, und giebt viel Korn, erfordert aber auch viel Waͤrme.

In einem Lande, wie dieſes, wo der Zugang zu einer Apotheke gewoͤhnlich beſchwerlich und koſtbar, wenn nicht oft unmoͤglich iſt, und die von Europakommenden Medicamente auch ſehr theuer ſind, hat die Noth die Einwohner gelehrt, die Heilkraft der in ihren Gegenden wachſenden einheimiſchen Gewaͤchſe zu verſuchen, und ſich ihrer in Krankheiten zu bedienen, welches auch in verſchiednen Faͤllen von der beſten Wirkung iſt. Es war mir nicht nur als Arzt, ſondern auch als Botaniker, wich - tig, mir hievon die moͤglichſte Kenntniß zu verſchaffen, theils um meine eigne Wiſſenſchaft zu vermehren, theils um fuͤr das Wohlwollen und die Dienſtfertigkeit, welche die Koloniſten mir erwieſen, mich thaͤtig dankbar zu be - zeigen. Denn dieſe Leute konnten mir in ihrer Ein - falt nur eine geringe Anleitung geben, die in den ihnen bekannten Faͤllen brauchbaren Gewaͤchſe kennen zu ler - nen; ich konnte ihnen hernach denn naͤhere Anweiſung zu ihrem zweckmaͤßigſten Gebrauche geben. Außerdem, was im Vorhergehenden ſchon beylaͤufig davon vorgekom - men iſt, bemerke ich hier noch folgendes.

Die adſtringirenden rothen,[f]leiſchartigen Wur - zeln des auf den Sandebenen am Capin verſchiednen Gattungen wachſenden Storchſchnabels (Geranium) ge -259Nachleſe botaniſcher Nachrichten. brauchen die Landleute gegen die Diarrhoͤe, Dyſenterie und rothe Ruhr. Die Wurzel der Afrikaniſchen Zaunruͤbe (Bryonia Africana) wird nicht nur als ein Brechmittel, ſondern auch zum Laxiren gebraucht. Den Urin zu treiben, bedient man ſich der hier ſogenann - ten Bitterwurzel (Bitter-Wortel), oder der Wurzeln der Aeſculapia, ſowohl der wellenfoͤrmigen, als der krauſen (Aſclepias unduluta und criſpa), wie auch des Krauts vom Wollkopfe (Eriocephalus). Eben dieſen Zweck ſucht man auch oft, anſtatt der officinellen Meerzwiebel (Scilla maritima), durch die Wurzel der ſcharlachrothen Blutblume (Haemanthus coccineus) zu erreichen. Dieſe waͤchſt haͤufig an hohen Oertern, und unten an den Bergen, und hat eben davon hier zu Lan - de den Nahmen Bergſcilla. Die Wurzel iſt groß, weiß, ſchleimig, faſerig und etwas ſcharf. In Schei - ben geſchnitten und in Eſſig gelegt, giebt ſie einen, wie - wohl etwas ſchwachen, Meerzwiebelſaft (Oxymel ſcilliti - cum), der gegen die Waſſerſucht und die Engbruͤſtigkeit gute Dienſte thut. Von dem baͤrtigen Knoͤtrich oder Wegtritt (Polygonum barbatum), das in den Graͤben und an Teichen waͤchſt, und ſcharf iſt, wird bey waͤſſe - rigem Geſchwulſte (Oedema) in den Fuͤßen Gebrauch gemacht. Das Decoct von den Blaͤttern der durch - ſtochnen Klapperſchote (Crotalaria perfoliata), treibt den Urin ſtark, und iſt daher gegen die Waſſerſucht gut. Der Capſche Pfeffer (Piper Capenſe), wird ſtatt andern Pfeffers an vielen Orten als ein den Magen ſtaͤrkendes Mittel gebraucht. Die Capſche Fagare (Fagara Capenſis), welche hier wilder Cardamom heißt, thut manchmahl gute Wirkung bey der aufblaͤhenden Ko - lik (Colica flatulenta), und bey gichtartiger Glieder - lahmheit. Der Saft der eßbaren Zaſerblume (Me -R 2260Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt. ſembryanthemum edule) vertritt die Stelle ſowohl eines innerlich als aͤußerlich zu gebrauchenden Arzneymittels: innerlich gegen die rothe Ruhr und gegen die Schwaͤmme bey Kindern; aͤußerlich heilt er, wenn man Stellen, da man ſich verbrannt hat, damit beſtreicht. Von dem campherartigen Oſmites (Oſmites camphorina), das man hier Bellis nennt, wird viel Aufheben gemacht. Das Kraut hat auch, ſeiner Camphermaterie und ſei - nes ſtechenden Geruchs und Geſchmacks wegen, woraus erhellet, daß es ſehr aufloͤſend ſey, viel Brauchbarkeit in der Medicin. Aeußerlich wird es in einem Beutel auf entzuͤndete Stellen oder bey der Kolik auf den Un - terleib gelegt, bisweilen gebraucht. Den davon deſtil - lirten Spiritus, welcher hier den Nahmen Spiritus Bel - lidis fuͤhrt, ruͤhmt man als ein vorzuͤgliches Mittel ge - gen Huſten und Heiſerkeit. Mir kam er gleichwohl in dieſen Faͤllen als zu hitzig vor. Gegen Schlagfluͤſſe und Gliederlahmheit aber verordnete ich ihn mit guter Wir - kung. Das eigentliche campherartige Oſmites, welches das beſte iſt, fand ich nur auf dem Gipfel des Tafelber - ges. Da dieſes alſo ſelten iſt, bedienen viele ſich an ſeiner Stelle des getuͤpfelten Oſmites (Oſmites aſteriſcoi - des), das nicht ſo ſtark riecht, und auch weniger wirk - ſam iſt. Den Durchlauf zu hemmen, gebraucht man nicht ſelten die herbe und ſtrenge Rinde des groß - blumigen Silberbaums (Protea grandiflora). Die Capſche Adonis (Adonis Capenſis) und die blaſenziehende Atragene (Atragene veſicatoria), hier Brandblatt genannt, gebrauchen die Leute ſtatt Spaniſcher Fliegen, auch gegen Huͤft - oder Lendenweh (Iſchias) und gegen Fluͤſſe; bey - de wachſen an den Seiten der Berge und an hohen Stel - len in der Naͤhe des Caps. Der Aethiopiſche Krull - farrn oder Frauenhaar (Adianthum Aethiopicum), das261Nachleſe botaniſcher Nachrichten. an den Seiten des Teufelsbergeswaͤchſt, iſt als Thee ge - gen Huſten und Bruſtkrankheiten dienlich. Die Blumen des honigtragenden Silberbaums (Protea melli - fera) enthalten einen ſuͤßen Saft, der verdickt in Bruſt - krankheiten gute Wirkung thut; man nennt den Baum hier Tulpenbaum und Zuckerbaum (Tulp-Boom, Suy - ker-Boom). Von dem wilden oder niedergebognen Saͤuerling (Oxalis cernua), der unter allen Arten des Saͤuerlings hier am haͤufigſten zu finden iſt und auch am hoͤchſten wird, macht man ein gutes und brauchba - res Haſenampferſalz (Sal acetoſellae).

Das ſtrauchartige Glasſchmalz (Salicornia fruti - coſa), welchem man hier auch den Nahmen Seekoralle (Zee-Koral) giebt, waͤchſt dicht am Strande. Die Soldaten und andre geringe Leute bereiten ſich, ſeines ſalzartigen Geſchmacks ungeachtet, mit Oehl und Eſſig Salat daraus.

Von dem zweyzeiligen Strickgraſe (Reſtio dicho - tomus) macht man Beſen. Es heißt deswegen auch Beſenrohr (Beeſem-Riet).

Sechster Abſchnitt. Noch verſchiednes die Zoologie betreffend.

Verſchiedne Einwohner, ſowohl in der Stadt als auf dem Lande, beſitzen Rhinoceroshoͤrner, oder hier ſoge - nannte Einhornhoͤrner (Eenhoornings-Hoorn), die ſie ſorgfaͤltig aufbewahren, theils als eine Seltenheit, theils als ein brauchbares Mittel, ſowohl in gewiſſen Krank - heiten, als auch Gift in Getraͤnken zu entdecken. Et -262Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. was davon fein geſchabt und eingenommen, glauben ſie, helfe dies Horn bey Kindern, wenn ſie Kraͤmpfe und Convulſionen haben. Noch allgemeiner aber iſt der Wahn, man koͤnne in Bechern, die aus dieſem Horne verfertigt ſind, wenn man Getraͤnk hineingießt, ſogleich mit Gewißheit ſehen, ob Gift darin ſey, indem vergifte - tes Getraͤnk darin alsbald ſo zu gaͤhren anfange, daß es herausfließe. Von jungen Thieren, die ſich noch nicht begattet haben, ſollen die Hoͤrner hiezu am beſten und untruͤglichſten ſeyn. Aus ſolchen Hoͤrnern drechſelt man Becher, die in Gold oder Silber eingefaßt, und an ge - kroͤnte Haͤupter und andre vornehme Herren, oder an Freunde verſchenkt, oder auch ſehr theuer, manchmahl das Stuͤck fuͤr funfzig Reichsthaler, verkauft werden. Das Horn ſelbſt hat eine kegelfoͤrmige Geſtalt, iſt unten dick, oben aber ſtumpf, bey alten Thieren oft einen Fuß hoch, und ſitzt vorn uͤber der Schnautze. Bey ei - nigen Rhinoceros, die man deswegen Zweyhoͤrner (Twee - hoͤrnings-Hoorn) nennt, ſitzt zwey oder drey Zoll von demſelben noch ein zweytes, aber kuͤrzeres und uͤberhaupt kleineres Horn. In Anſehung der Farbe haben dieſe Hoͤrner mit Kuhhoͤrnern die meiſte Aehnlichkeit. Ich war neugierig zu wiſſen, ob ſie die Kraft, Gift in Gaͤh - rung zu bringen und dadurch zu entdecken, wirklich be - ſaͤßen. Ich verſuchte es daher mit vielen ſolchen Hoͤr - nern, ſowohl unverarbeiteten, als zu Trinkgeſchirren ge - drechſelten, ſowohl von alten als jungen Thieren. Nie - mahls aber ſah ich, daß das hineingegoßne Gift in Be - wegung oder Gaͤhrung kam, ob ich gleich verſchiedne Arten ſchwaͤcheres und ſtaͤrkeres, dazu nahm. Wenn ich Solutio Mercurii ſublimati corroſivi, Aqua phagaedenica, oder dergleichen hinein goß, ſo ſtiegen bloß einige Waſſer - blaſen in die Hoͤhe, die aus der in den Poren des Horns263Noch verſchiednes die Zoologie betreffend. eingeſchloßnen und jetzt davon ſich trennenden Luft ent - ſtanden waren.

In den Gruͤnden und Kluͤften des Tafelbergesſah ich viele Dachſe und Paviane. Die erſten wurde ich beſonders oben am Berge gegen den Gipfel zu, gerade beym Aufgange der Sonne gewahr. Alsdann iſt ihre allgemeine Gewohnheit hervorzukommen, und ſich zu ſoͤn - nen. Wenn man ſie ſchießen will, muß man ſich ihnen behutſam und vorſichtig naͤhern, und mit einer ge - ſchwind ſchießenden Buͤchſe ſie ſo zu treffen ſuchen, daß ſie auf der Stelle liegen bleiben. Schießt die Buͤchſe nicht geſchwind, ſo machen ſie ſich ſchon, waͤhrend das Zuͤnd - pulver abbrennt, davon; und werden ſie nicht auf der Stelle ganz todt geſchoſſen, ſo fluͤchten ſie, ſo verwun - det ſie auch ſeyn moͤgen, in die Hoͤhlen und Kluͤfte, wo es unmoͤglich iſt, ſie heraus zu hohlen. Das Fleiſch der Dachſe wird gegeſſen, und ſchmeckt nicht uͤbel.

Die Paviane halten ſich auf dem Tafelbergein ziemlich großer Menge auf. Den Voruͤbergehenden ſind ſie gefaͤhrlich. Denn ſie bleiben auf Felſen und Klip - pen, wohin Hagel aus gezogenen Buͤchſen oft nicht reicht, unerſchrocken ſtehen, und rollen oder werfen eine Menge kleiner und großer Steine herab. Eine gute Buͤchſe iſt in ſolchen Faͤllen aber doch unentbehrlich. Man kann ſie denn doch damit ſo weit wegjagen, daß man von ihren Steinen eben nicht viel zu befuͤrchten hat. Es iſt artig anzuſehen, wenn ſie fliehen. Mit den Jungen auf dem Ruͤcken thun ſie oft auf ſenkrechte Fel - ſen hinauf, die unglaublichſten Spruͤnge, und nur ſel - ten kann man ſie mit einem Schuſſe treffen. Wird auch einer geſchoſſen, ſo ſtirbt er doch nicht leicht; denn dieſe Thiere haben ein gar zaͤhes Leben. In der Stadt halten verſchiedne Leute zahme Paviane, die an einer264Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. Kette feſt gebunden ſind. Ihre Geſchwindigkeit und Ge - lenkigkeit, zu klettern, zu ſpringen und zu entgehen, uͤbertrifft alle Vorſtellung. Wenn ſie auch gleich ange - bunden ſind, iſt es dennoch unmoͤglich, in einem Abſtan - de von einigen Klaftern ſie mit einem Steine zu treffen. Entweder fangen ſie den Stein wie einen Ball mit den Vorderfuͤßen, oder pariren mit einer Behendigkeit und Geſchwindigkeit, die ſich nicht beſchreiben laͤßt, aus. Au - ßerdem daß die Paviane vom Tafelbergehaͤufig herab - kommen, und die Gaͤrten pluͤndern, leben ſie auch von den fleiſchigen Zwiebeln verſchiedner Gewaͤchſe, die ſie aufgraben, ſchaͤlen und freſſen. Man ſieht manchmahl ganze Haufen ſolcher Schalen, beſonders bey den Stei - nen, wo ſie ſich lange aufgehalten haben. Hauptſaͤch - lich iſt es die geſpaltene Siegwurz (Gladiolus plicatus), die ſie auf dieſe Art zu ihrer Nahrung gebrauchen, daher auch dies Gewaͤchs ſelbſt hier den Nahmen Pavian be - kommen hat. Die Wurzeln werden auch von den Ko - loniſten ſelbſt bisweilen gekocht und gegeſſen.

Des Stachelſchweins (Hyſtrix), hier Eiſenferkel (Yzer-Vaerken) genannt, glaube ich bereits erwaͤhnt zu haben. Seine gewoͤhnliche Nahrung iſt die Wurzel des Aethiopiſchen Schlangenkrauts (Calla Aethiopica). Es nimmt aber auch mit Kohl und anderm Kuͤchenge - waͤchs fuͤr lieb, und richtet daher manchmahl in den Gaͤr - ten großen Schaden an.

Von drey Arten kleiner Thiere, welche hier den allgemeinen Nahmen Maulwurf (Mol) fuͤhren, lei - den die Gewaͤchſe in den Gaͤrten ſowohl in als vor der Stadt auch viel. Die eine Art heißt der weiße Maul - wurf (Witte Mol) und iſt das Afrikaniſche Murmel - thier (Marmota Africana). Es hat die Groͤße einer kleinen Katze, aber einen kurzen Schwanz. Seine265Noch verſchiednes die Zoologie betreffend. Farbe iſt ganz weiß. Es haͤlt ſich beſonders haͤufig auf den Sandflaͤchen am Capauf. Hier graͤbt es große Loͤ - cher und wirft uͤber denſelben kleine Huͤgel, wie Maul - wurfshaufen, auf, welche fuͤr den, der an ſolchen Orten geht, ſehr beſchwerlich ſind, weil man hineintritt und oft Gefahr laͤuft zu fallen. Es iſt zugleich ein boͤſes Thier, und beißt um ſich, wenn man es gefangen hat. Seine Nahrung ſind verſchiedne Wurzeln und Zwie - beln, dergleichen in den hieſigen Gegenden haͤufig vorhan - den ſind, beſonders von der Siegwurz (Gladiolus), Ixie (Ixia), Meriane (Antholyza), und Schwertlilie (Iris). Pennant beſchreibt daſſelbe unter dem Nahmen der Afrikaniſchen Ratze (African-Rat). Die zwey - te Art jener den Gaͤrten ſo ſchaͤdlichen Thiere iſt der ſo - genannte Maulwurf mit dem Bleſſen (Bles-Mol), oder das Capſche Murmelthier (Marmota Capenſis). Dies iſt kleiner, als das vorhergehende, weiß und braun gefleckt. Die dritte Art iſt der ſogenannte gelbgruͤ - ne oder blinde Maulwurf (Geelgroene oder blinde Mol), oder der eigentliche Aſiatiſche Maulwurf (Talpa Aſiatica). Er graͤbt ſeine Gaͤnge in den Gaͤrten unter der Erde, und verdirbt dadurch die Gartenbeete, auch die aus Buchsbaum und Myrten beſtehenden Hecken und Ein - faſſungen. Die beyden erſten Arten trifft man auch weiter vom Capin den Sandſtrecken an*)Die beyden erſtgenannten Thiere ſind keine Murmelthiere, ſondern un - ſtreitig gehoͤren ſie zu einer beſondern Abtheilung des ſo weitläuftigen Ge - ſchlechts, welches die Naturforſcher unter der Benennung Mus zuſammen - faſſen. Der Bleß-Moll iſt bereits in Pallas Nov. Sp. Quadr. e gli - rium ordine, pag. 172. tab. VII. unter dem Nahmen Mus Capenſis beſchrieben, und verdient wegen ſeiner gänzlichen Blindheit, wozu ihn die Natur ſelbſt verurtheilt hat, die beſondre Aufmerkſamkeit der Beobach - ter. Ganz blind iſt auch der Goldmaulwurf, den unſer Verfaſſer hier noch irrig Talpa Aſiatica nennt, da er doch in Aſiennirgends zu Hauſe iſt. F..

266Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.

Im Winter kommen auf den vielen um das Capliegenden Inſeln ungemein viele Robben an, die man hier uͤberall Seehunde nennt, weil ſie, wenn ſie im Waſſer ſpringen, einem Hunde nicht unaͤhnlich ſehen. Sie werfen und ſaͤugen hier waͤhrend dieſer Zeit ihre Jungen, und werden alsdann auch in Menge gefangen und todtgeſchlagen, um aus ihrem Fette fuͤr Rechnung der Compagnie Thran zu kochen. Sonderbar iſts, daß dieſe Seehunde, welche doch eigentlich Waſſerthiere ſind, nicht, ſobald ſie zur Welt kommen, von Natur ſchwim - men koͤnnen. Es geht ihnen, wie gewiſſen Voͤgeln, die die Mutter fliegen lehren muß. Der Seehund lernt von ſeiner Mutter ſchwimmen. Sobald das Junge ein gewiſſes Alter erreicht hat, faßt die Alte es um den Hals und zieht es mit ſich ins Waſſer, wo es ſo lan - ge plaͤtſchert, bis es endlich anfaͤngt zu ſinken, da denn die Mutter ihm wieder aufhilft. Auf dieſe Art laͤßt ſie das Junge verſchiedne Verſuche machen, bis es endlich ſchwimmen gelernt hat, und in See gehen kann.

Des Winters werdenauch, wenn der Nord - Weſt-Wind nach der Tafelbayzuſtuͤrmt, bisweilen Nordkaper in dieſelbe hineingetrieben. Als ich zu Capwar, trug ſich dieſer Fall einmahl zu; das Thier war aber ſchon todt. Seine Laͤnge betrug uͤber zwey Klafter. Aus dem uͤber dem Waſſer liegenden Ruͤcken ſchnitt man große Stuͤcke heraus, um aus dem Specke Thran zu kochen.

Diejenige Art Landſchildkroͤten, welche den Nah - men geometriſche Schildkroͤte (Teſtudo geometrica) fuͤhrt, und ohne Zweifel die ſchoͤnſte unter allen dieſen Thieren iſt, findet man hier ſehr haͤufig in den Sand - ſtrecken unter den Buͤſchen. Die Schalen derer, welche267Noch verſchiednes die Zoologie betreffend. ſehr klein, und eben deswegen ſchoͤner, als die andern ſind, gebraucht man zu Schnupftobaksdoſen.

Außer dem ſeine Farbe veraͤndernden Chamaͤleon giebt es hier zwey andre Arten Eidechſen in Menge, naͤmlich die Dorneidechſe und der Kroͤtenſalamander (Lacerta Stellio und Orbicularis). Sie ſitzen allenthal - ben auf den Steinen und ſoͤnnen ſich, laufen aber ge - ſchwind weg, wenn jemand kommt, und verkriechen ſich unter die Steine. Beyde Gattungen ſehen ſcheuß - lich aus.

Unter den mancherley Arten Fiſche, die zu Capgegeſſen werden, ſind der Todtenkopf oder Joſeph (Dods - Kop, Joſef), welches eigentlich der Seehahn (Chimaera callorynchus) iſt, und der Spiegelroche (Raja mira - letus). Der Krampffiſch (Raja Torpedo), Hollaͤn - diſch Trill-Viſch (Bebfiſch), wird zwar manchmahl auch im Hafen gefangen, aber man iſſet ihn nicht.

Der Capſche Hummer oder Baͤrenkrebs (Cancer arctos), welchen man hier faͤngt, iſt ſo groß, als der Hum - mer (Gamarus), der an den Schwediſchen Kuͤſten ge - fangen wird. Er hat aber keine ſo große Scheren, iſt auch uͤberall rauh wegen ſeiner hervorſtehenden und ſte - chenden Spitzen. Er ſchmeckt ſtark und eben nicht angenehm.

Der Meduſenkopf (Aſterias caput Meduſae), eins der wunderbarſten und kuͤnſtlichſten Thiere, wird bisweilen nicht weit vom Capin der See aufgefiſcht. Selten findet man dies Seegeſchoͤpf todt an den Strand geſpuͤlt. Will man es unbeſchaͤdigt und wohlbehalten nach Europaſchicken, ſo muß es von Fiſchern, die hoch in die See fahren, gefangen werden, und zwar mit vie - ler Behutſamkeit, damit kein Glied abbreche, oder das Thier ſeine aͤußerſten und feinſten Faͤden nicht einbeuge268Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. und zuſammenwickle. Wenn es lebt, oder auch erſt neu - lich geſtorben iſt, ſieht es roͤthlich, oder ſtark fleiſchfarbig aus; wenn es aber trocken wird, bekommt es eine etwas graue Farbe. Das Trocknen muß im Schatten, bey ſchoͤnem Wetter, an einem freyen Orte, wo der Wind allenthalben wehen kann, geſchehen; denn im Sonnen - ſcheine ſchmilzt das Thier, und in zu ſtarkem Schatten kann es leicht faulen. Dies unvergleichliche Thier wird den Schiffern gewoͤhnlich mit ſechs, oft mit zehn Reichstha - lern bezahlt. Wenn man es[n]ach Europaſchicken will, muß man es in einen mit geka[rt]etſchter Baumwolle gefuͤll - ten Kaſten legen.

Am Strande unterhalb der Stadt trifft man ver - ſchiedne Arten Muſcheln, beſonders mehrere große und ſchoͤne Gattungen der Klippkleber (Patella) an.

Die Pelikane oder Kropfgaͤnſe (Pelicanus onocro - talus), welche mit ihren großen Kroͤpfen gar ſonderbar aus - ſehen, ſind an den Kuͤſten nicht ſelten. Sie naͤhren ſich von Fiſchen und dergleichen am Strande. Man hat ſie zu Capauch zahm.

Der Capſche Neuntoͤdter (Lanius collaris), haͤlt ſich am Capin Menge auf. Man findet ihn in allen Gaͤrten, und nennt ihn hier den Fiſkal, auch wohl den Canarienbeißer (Canarie-Byter). Er iſt weiß und ſchwarz. Er gehoͤrt, ob er gleich ſehr klein iſt, zu den Raubvoͤgeln, und lebt von Inſekten, beſonders von Miſtkaͤfern und Heuſchrecken. Dieſe faͤngt er nicht nur mit vieler Behendigkeit, ſondern ſteckt ſie auch, wenn er nicht alle, die er gefangen hat, ſogleich auffreſſen kann, zum kuͤnftigen Gebrauche auf die Zaͤune, und zwar ſo ge - ſchickt, daß man glauben ſollte, Menſchenhaͤnde haͤtten ſie da aufgeſpießt. Er faͤngt auch Canarienvoͤgel und Sperlinge, verzehrt aber von ihnen nichts weiter, als den Bregen.

269Noch verſchiednes die Zoologie betreffend.

Eine ſchoͤne Art Droſſeln, der Ceylonſche Kram - metsvogel (Turdus Ceilonus), haͤlt ſich ziemlich haͤufig in den Gaͤrten vor der Stadt auf, und ſingt ſehr ange - nehm. Seine Farbe iſt gruͤn.

Lachtauben (Columba riſoria) trifft man hier im Lande uͤberall an, beſonders in ſolchen Gegenden, wo viel kleines Gebuͤſch iſt. Die Landlente eſſen ſie ſelten; das Fleiſch ſchmeckt auch, zumahl gebraten, ziemlich trocken. Es iſt ſonderbar, daß dieſer Vogel ſich niemahls von ei - ner Stelle nach einer andern begeben kann, ohne hernach zu lachen. Dies Lachen, ſo wie der gurgelnde Turtel - taubengeſang dieſer Taube, verraͤth allezeit ihren Auf - enthalt.

In der Nachbarſchaft einiger Hoͤfe fand ich auch die gruͤne Bergſchwalbe oder den Immenwolf (Merops apia - ſter), und zwar nicht ſelten in ſehr großer Menge. Dies iſt ein unvergleichlich ſchoͤner Vogel: ſeine Farbe iſt gelb und meergruͤn. Am Tage ſucht er im Felde ſeine Nahrung von Inſekten; des Abends aber kommt er ſcharenweiſe zu Hauſe, und zwar mit einem Gezwitſcher, das einem bey - nahe das Gehoͤr benimmt. Sie verſammeln ſich alsdann allmaͤhlig mehr und mehr in den Gaͤrten, und ſetzen ſich endlich, ehe es voͤllig dunkel wird, auf die Zweige der Po - meranzen und andrer Baͤume, um da zu ſchlafen.

Mitten im Sommer zeigt ſich auf den Sandgefil - den am Cap, beſonders aber in der Naͤhe großer Hoͤfe, der Goldfink (Loxia orix) in unzaͤhlbarer Menge. Sei - ne Federn haben zu dieſer Jahrszeit eine hochrothe Farbe, und geben dem Vogel ungemeine Schoͤnheit. Gerade wenn das Korn reif wird, bekommt er dieſen ſeinen Som - merſchmuck. Seine graubraunen Federn am Halſe und auf dem Ruͤcken werden alsdann allmaͤhlig ſammetroth, und nur die Fluͤgel und der Schwanz bleiben unveraͤndert. 270Vierte Abtheil. Sechster Abſchn. u. ſ. w. Dies gilt gleichwohl nur vom Maͤnnchen; denn das Weib - chen muß dieſer Reitze entbehren, und bleibt das ganze Jahr hindurch graubraun. Der Senegalſche Kern - beißer (Loxia Aſtrild) haͤlt ſich in dieſen Gegenden, beſonders auf dem Lande in den Gaͤrten ſehr zahlreich auf. Seines rothen Schnabels wegen giebt man ihm hier den Nahmen Ro[od]- bekje (Rothſchnabel). Dieſe Voͤgel fliegen gemeiniglich in großen Haufen, und ſtuͤr - zen, wenn ſie ſich niederlaſſen, ſo tief ins Gras hinab, daß man ſie gar nicht ſehen kann, und doch fehlt es ihrer großen Menge wegen nie, wenn man alsdann nach ihnen ſchießt, daß man nicht, obgleich ſie zu den kleinſten Voͤgeln gehoͤren, auf einen Schuß ihrer meh - rere erlegt.

Unter den Kaͤfern iſt beſonders der Milchtropf, (Carabus decemguttatus) in dieſem Lande in ſehr großer Anzahl anzutreffen. Er haͤlt ſich in verſchiednen Gegen - den auf, und oft findet man ihn dicht am Wege. Er heißt hier, weil er ſo geſchwind laͤuft, Aard-Looper (Erdlaͤufer). Dieſer Kaͤfer hat eben die Eigenſchaft, als der Carabus crepitans, in SchwedenStyckjunkare, Stuͤckjunker, genannt, naͤmlich, daß er, wenn man ihn jaͤgt oder faͤngt, aus ſeinem After mit Heftigkeit eine Feuchtigkeit ausſpritzt, die wie feiner Rauch ausſieht, ſich weit verbreitet, und wenn ſie jemand in die Augen kommt, eben ſolche Schmerzen verurſacht, als wenn man Branntwein hineinſpritzt. Hiedurch macht er ſeine Verfolger auf einige Augenblicke blind, und bekommt Ge - legenheit zu entfliehen, weil der Schmerz an zwey Mi - nuten waͤhrt.

271

Siebenter Abſchnitt. Noch einige Nachrichten von den Hottentotten.

So weithin ich auch auf meiner Reiſe, ſowohl gegen Norden als Oſten, in dieſes weitlaͤuftige Land eindrang, fand ich doch wenig Ueberbleibſel der Hottentottiſchen Voͤlker, welche, einige zahlreicher, andre weniger zahl - reich, noch im Anfange des jetzigen Jahrhunderts daſſel - be bewohnten. So wie die Koloniſten ſich mehr und mehr ausgebreitet haben, ſind die Hottentotten genoͤthigt worden, ſich wegzubegeben, und jenen, ſowohl fuͤr ihre Wohnungen, als fuͤr ihre Herden, Platz zu machen. Noch mehr aber, als das Vordringen der Europaͤer, ſind die Pocken, dieſe vorhin ihnen ganz unbekannte Krankheit, Schuld an ihrer Verminderung, denn es iſt nicht zu be - ſchreiben, welche Verheerungen dieſe unter ihnen ange - richtet haben: durch ſie ſind die meiſten von ihnen getoͤd - tet. Gegenwaͤrtig findet man nur hie und da noch zer - ſtreut, einige Doͤrfer oder Kraale von ihnen, die gleich - ſam eben ſo viele kleine buͤrgerliche Geſellſchaften ausma - chen. In dieſen leben ſie entweder unabhaͤngig und fuͤr ſich, oder ſo, daß ſie, theils auf den der Compagnie ge - hoͤrigen Hoͤfen und Plaͤtzen, oder wie man es hier nennt, Poſten, theils bey den Koloniſten im Dienſte ſtehen. Oft, beſonders dem Capnaͤher, ſind dieſe Kraale gar nicht zahlreich bewohnt; weiter ins Land hinein aber trifft man ſie zum Theil ziemlich groß und volkreich, und die Einwoh - ner nach ihrer Art in guten Umſtaͤnden, an. Die weni - gen von den Hottentotten noch vorhandnen Ueberreſte be - halten zum Theil ihre alten Stammnahmen. Gewoͤhn - lich aber bezeichnen dieſe Nahmen, die ehemahls jede be -272Vierte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt. ſondre Hottentottiſche Voͤlkerſchaft unterſchieden, jetzt das Land, wo ſie ehedem in großer Anzahl wohnten, und die großen Fluͤſſe, welche da durchfloſſen, oder die Graͤnze davon ausmachten. In dem Verhaͤltniſſe, als das Land mehr oder weniger mit Waſſer verſehen war, wa - ren auch dieſe verſchiedne Voͤlker mehr oder weniger zahl - reich und beguͤtert an Viehherden. Die ganze Nation machte gleichwohl bey dem allen nicht mehr, als einige tauſend Mann, und jedes ihrer Laͤnder nicht mehr als ei - ne Provinz aus.

Gunjemans-Hottentotten heißen die, welche dem Capam naͤchſten, und zwar am Vorgebirge ſelbſt woh - nen. Sie erſtrecken ſich nach der falſchen Bay, dem Hottentottiſch-Hollaͤndiſchen Gebirge, und von da zur Linken bis gegen Stellenboſch. Das Land, welches ſie bewohnen, iſt weitlaͤuftig genug, aber voll ſandiger und unfruchtbarer Ebenen. Die Gunjemans waren die, welche zu allererſt gegen gewiſſe Waaren der Hollaͤndiſchen Compagnie ein Stuͤck ihres Landes abtraten. Jetzt ſind nur noch ſehr wenige, und beynahe kann man ſagen, gar keine von ihnen uͤbrig.

Die Kokoquas bewohnten das auf der Nord-Sei - te dem Capam naͤchſten liegende Land, um das gruͤne Thal( Groene Kloof). Auf meiner Reiſe, die zuerſt nach dieſer Seite ging, traf ich noch verſchiedne von die - ſem Volke an, und bekam auch von einem Poſten oder Platze der Compagnie ihrer zwey zu meiner Bedienung auf der Reiſe. Ihr Land iſt, wie das Land der Gunjemans, niedrig, flach und ſandig, hat großen Mangel an Waſ - ſer, und iſt vor dieſem eben ſo wenig volkreich geweſen, als es von den Koloniſten uͤberall hat koͤnnen angebauet wer - den. Es erſtreckt ſich ganz nach dem Meere hin, und enthaͤlt nur einige wenige Huͤgel und kleine Berge.

Die273Noch einige Nachrichten v. den Hottentotten.

Die Suſſaquas-Hottentotten, von denen noch ver - ſchiedne vorhanden ſind, beſuchte ich, als ich meine Reiſe weiter nach Norden und der Saldanhabayfortſetzte. Da auch dies Land allenthalben niedrig, ſandig und arm an Waſſer iſt, hat dieſe Voͤlkerſchaft ebenfalls immer nur aus einer kleinen Anzahl beſtanden, und ſich von der Viehzucht genaͤhrt.

Die weiter nach Norden wohnenden und von vor - mahls zahlreichen Staͤmmen herkommenden Hottentotten, hatte ich auf dieſer Reiſe keine Gelegenheit zu beſuchen, indem ſich dieſelbe mehr oſtwaͤrts nach den Gebirgen, und den jenſeit dieſer liegenden Laͤndern richtete. Von den Einwohnern der Gegenden aber, wohin ich kam, ließ ich mir doch von den an ſie graͤnzenden Hottentottiſchen Voͤl - kern, die ich in Zukunft ſelbſt kennen zu lernen hoffte, genaue Nachricht mittheilen. Hiedurch erfuhr ich, daß an der Seeſeite und um die Helenen-Baydie Odiquas, welche ebenfalls ein flaches, mageres und ſandiges Land bewohnen, zunaͤchſt an die Suſſaquas ſtoßen. Ihre Nachbaren hinwiederum ſind die Chirigriquas, ein zahlrei - cheres und wohlhabenderes Volk, das ein gutes und grasreiches Land, welches der große Elefantenfluß( Oli - fants-Rivier) durchwaͤſſert, bewohnt. An dieſe Chi - rigriquas graͤnzen zwey große und ſehr bekannte Voͤlker - ſchaften, die kleinen Namaquas, welche der Kuͤſte am naͤchſten, und die großen Namaquas, die weiter vom Meere ab wohnen.

Denjenigen Hottentottiſchen Voͤlkern, welche in ehe - mahligen Zeiten die Einwohner der oͤſtlichen Diſtrikte oder der Kaffernkuͤſte geweſen ſind, beſuchte ich auf dieſer Reiſe faſt alle. Wenn man die ſogenannten Hottentot - tiſch-Hollaͤndiſchen Bergezuruͤckgelegt hat, kommt man ThunbergsReiſe. Erſter Theil. S274Vierte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt. in ein unebenes, mit Huͤgeln und Bergen angefuͤlltes Land, das ganz bis nach dem warmen Bade von der ſogenannten Koopmans-Nation (Kaufmanns-Nation) bewohnt geweſen iſt, und derſelben gehoͤrt hat. An dieſe haben nach der Seeſeite hin zunaͤchſt die Sonquas - Hottentotten gegraͤnzt, die ich auf der Ruͤckreiſe zur Linken ließ. Das Land dieſer letzteren iſt ziemlich ma - ger, und die Europaͤer haben nur wenig davon in Beſitz genommen.

Die Heſſaquas wohnen der Kaufmanns-Nation am naͤchſten, und von ihnen ſind wenige uͤbrig. Wei - ter gegen Oſten, um den großen und tiefen Fluß Ohnende( Zonder-End), faͤngt dasjenige Land an, welches vor Zeiten die Dunquas-Hottentotten be - wohnt haben.

Das Gauriquas-Landerſtreckt ſich etwas weiter nach Nord-Oſt, und iſt von ſehr guter Beſchaffenheit und reich an Gras. Der große Goldfluß( Groote Gouds - Rivier), ein anſehnlicher Strom, benetzt es. In vori - gen Zeiten iſt es ſehr bevoͤlkert geweſen.

Reiſet man noch weiter ins Land laͤngs der Seekuͤſte, ſo kommt man zu den Houtniquas-Hottentotten. Dieſe haben ihr gebirgiges und waldiges Land vor den Euro - paͤern am laͤngſten geſichert. Sie ſind auch von ih - nen bis jetzt ſo wenig verdraͤngt, daß ich vor meiner Ankunft beym Camtousfluſſeunter allen von mir be - ſuchten Hottentottiſchen Voͤlkern keines zahlreicher, als dieſes fand.

Weiter nordwaͤrts bey dem langen ſchmalen Thale, durch welches man nach dem eigentlich ſogenannten lan - gen Thale( Lange Kloof) und dem dahinter liegenden Lande reiſet, trifft man den Diſtrikt, welcher von den Ata -275Noch einige Nachrichten v. den Hottentotten. quas-Hottentotten bewohnt wird, und bergig und grasreich iſt.

Noch weiter nach Oſten, wenn man der Seekuͤſte nachgeht, kommt man zuerſt zu den Camtours, dar - auf zu den Heykoms und endlich zu den Kaffern. Alle von dieſen Voͤlkern bewohnte Laͤnder haben viele Huͤgel und kleine Berge, und vortreffliche Viehweiden. Die Ebenen zwiſchen den Bergen ſtehen ganz voll des herr - lichſten Graſes; ſind auch von vielen, zum Theil be - traͤchtlichen und fiſchreichen Fluͤſſen durchſchnitten. Und da dieſe Voͤlker bisher von den Koloniſten noch nicht weggedraͤngt ſind, ob man gleich in dieſen Gegen - den bereits einige Viehhoͤfe angelegt hat, ſo ſind ſie nicht nur zahlreich, ſondern auch wohlhabend und reich an Vieh.

Die Hottentotten nehmen gern einen Hauptmann an, den ſie Kapteen (Capitain) nennen, und da die Hottentotten das Anſehen haben ſollen, mit der Hollaͤn - diſchen Compagnie im Bunde zu ſtehen, ſo wird ein ſol - cher Kapteen, den ſie indeſſen ſelbſt waͤhlen, vom Gou - verneur zu Capbeſtaͤtigt. Ein Hottentotten-Kapteen dieſer Art kam waͤhrend meines Aufenthalts zu Capin Geſellſchaft einiger ſeiner Landsleute dahin, um ſich in ſeiner Wuͤrde beſtaͤtigen, und nach altem Gebrauche einige Geſchenke geben zu laſſen. Zum Zeichen ſeiner Wuͤrde wird einem ſolchen Manne ein mit einem meſ - ſingnen Knopfe, auf den das Wapen der Compagnie geſtochen iſt, verſehener Stock uͤberreicht. Wenn die Hottentotten gegen ihre Feinde zu Felde, oder wenn ſie gegen Raubthiere auf die Jagd ziehen, iſt er der Anfuͤh - rer des Haufens, und wirft zugleich den erſten Spieß. In andern Ruͤckſichten hat er nicht viel mehr, als alleS 2276Vierte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt. uͤbrige, zu ſagen, traͤgt aber doch gern ein Kalbfell oder eine Tigerhaut, wenn die andern ſich mit Schaf - fellen begnuͤgen.

Alle Hottentotten, ſo viele ich deren kennen gelernt habe, kommen, auch wenn ſie zu noch ſo verſchiednen Staͤmmen gehoͤren, darin uͤberein, daß ſie, wenige aus - genommen, klein von Statur, mager und ſchmaͤchtig ſind, hervorſtehende Backenknochen, eine platte Naſe, einen ſtark hervorragenden Mund, ein ſpitziges Kinn, einen ſchwanken Ruͤcken und einen großen Bauch haben. Die Farbe der Haut iſt von Natur gelblich; durch Fett und Schmutz aber iſt ſie, bey einigen mehr, bey andern weniger, dunkel geworden. Das Haar giebt einen ſon - derbaren Anblick, und iſt kraus wie Wolle; bey den meiſten iſt es nicht laͤnger, als die Zoͤpfe oder Flocken auf rauhem wollnem Zeuge, hoͤchſtens einen Zoll oder einen Finger lang, und es ſieht wie zuſammengedrehetes wollnes Garn aus. Von einem Barte trifft man ſel - ten eine Spur an; hat ein Hottentotte einen Bart, ſo iſt er allezeit kraus. Die Weibsperſonen haben durch - gaͤngig herabhangende und ſehr lange Bruͤſte. Alle Hot - tentotten, ohne Ausnahme, lieben Branntwein und Tobak bis zur Raſerey, und an Geſtank und Unrein - lichkeit ſcheinen ſie ein beſondres Vergnuͤgen zu finden. Sie ſchmieren ſich mit Fett, und pudern oder beſtreuen ſich mit dem ſchon beylaͤufig angefuͤhrten Bucku, oder Pulver von den Blaͤttern der Dioſma. Ein uͤber die Schultern, und ein anderes uͤber die Lenden hangendes Schaffell, nebſt einem Beutel bey den Mannsperſonen, und einem viereckigen Stuͤcke Leder bey den Weibsleuten, beydes, um die Schamtheile zu bedecken, macht ihren ganzen Anzug aus. Uebrigens tragen ſie auf dem Kopfe277Noch einige Nachrichten v. den Hottentotten. eine lederne Muͤtze, und ſchmuͤcken ſich mit eiſernen oder kupfernen Ringen um die Arme, mit Schnuͤren glaͤ - ſerner Korallen um den Leib, und mit ledernen Rin - gen um die Beine. Die Huͤtten, worin ſie wohnen, ſind niedrig und klein, und rund, ungefaͤhr wie ein Heuhaufe. Sie ſitzen allezeit kauernd, (hockend oder in der Huke), ſind geſchmeidig und leicht, aber faſt alle ſehr faul. Hausgeraͤth haben ſie faſt gar nicht, und was ſie haben, iſt hoͤchſt elend. Schildkroͤten -