PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
ARISTOTELES und ATHEN
ZWEITER BAND
BERLINWEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG1893
[II][III]

Inhalt des zweiten bandes.

  • ZWEITES BUCH. Untersuchungen auf grund der aristotelischen Politie.
  • Seite
  • 1. Die quellen der griechischen geschichte3
  • 2. Die athenische politie von Kekrops bis Solon34
  • 3. Die athenische politie von Peisistratos bis Ephialtes68
  • 4. Πάτϱιος πολιτεία103
  • 5. Die könige von Athen126
  • 6. Trittyen und Demen145
  • 7. Der athenische name169
  • 8. Der Areopag vor Ephialtes186
  • 9. 3000 hopliten von Acharnai201
  • 10. Diobelie212
  • 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι217
  • 12. Λόγος und εὔϑυνα231
  • 13. Πϱοχειϱοτονία252
  • DRITTES BUCH. Beilagen.
  • 1. Die phratrie der Demotioniden259
  • 2. Der erste krieg mit Aegina280
  • 3. Die chronologie der pentekontaetie289
  • 4. Solons gedichte304
  • 5. Die attische skoliensammlung316
  • 6. Pindaros siebentes pythisches gedicht323
  • 7. Der proceſs der Eumeniden329
  • 8. Die zeit der Thesmophoriazusen343
  • 9. Die rede für Polystratos356
  • 10. Die paragraphe und Lysias wider Pankleon368
  • 11. Lysias wider die kornhändler374
  • 12. Isokrates Panegyrikos 100 114380
  • IV
  • Seite
  • 13. Die briefe des Isokrates391
  • 14. Demosthenes prooemium 55400
  • 15. Die gedichte des Aristoteles403
  • Sachregister417
  • Ἀττικὰ πολιτικὰ ὀνόματα423
  • Stellenregister425
[1]

ZWEITES BUCH. Untersuchungen auf grund der aristotelischen Politie.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 1[2][3]

1. DIE QUELLEN DER GRIECHISCHEN GESCHICHTE.

Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oderQuellen - kunde weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie’s für die andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, daſs die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich aus den historikern.

Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es hat sich aber nachgerade herausgestellt, daſs dieses quellensuchen ein recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge - liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, daſs die be - deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos. ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo - sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge - schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.

Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen. was ist eine quelle? Schaefers abriſs antwortet: ein geschichtliches buch aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und1*4II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.quellen der Odyssee. o wenn sie doch griechisch dächten! πηγὴ oder κϱήνη? wenn κϱήνη, dann ist auch Tzetzes eine quelle, wenn πηγή, dann ist auch Ephoros keine. die litterarische forschung darf nicht so vornehm sein wie Kallimachos der dichter (als forscher war er auch be - scheidner), sie muſs ἀπὸ κϱήνης πίνειν, muſs sich um alle brunnen und canäle und reservoirs kümmern. die historie dagegen prüft was sie trinkt darauf, ob es πηγαῖον ὕδωϱ ist, αὐϑιγενές oder verschlämmt, durch den filter geschmacklos geworden, von der sonne halbverdunstet. auch die ὀλίγη λιβάς ist ihr genehm, wenn sie nur ἄκϱον ἄωτον ist, und was nach der quelle schmeckt, das nimmt sie, einerlei wie ver - mittelt.

Begriff der quelleEin jeder historiker ist schon vermittler, auch wenn er Thukydides heiſst. als quelle kann sein bericht nur gelten, so weit er zeuge ist; sonst geht die geschichtliche forschung über ihn weg, auf seine zeugen. die urkunden und die aussagen von zeugen, das sind erst quellen. ob sie aber ihre aussagen mit der absicht gemacht haben, geschichtliche kunde zu übermitteln, d. h. geschichte geschrieben, ist nebensache. was unserer tagespresse entspricht, reden flugschriften komoedien, alle pri - vaten documente vom pindarischen siegesliede bis zum schlichten grab - stein haben auf die geltung als quellen viel mehr anspruch als die com - pendien später zeit, die der allgemeinen bildung oder, was dasselbe ist, der allgemeinen ignoranz dienen. eine quellenkunde, die von dem richtigen begriffe der quelle ausgeht, tut der griechischen geschichte allerdings not. erst durch sie erfährt sie, was sie überhaupt wissen kann. sie erfährt sofort, daſs sie von vielen jahrhunderten aus den quellen keine geschichte schreiben kann. wenn diese forderung gestellt wird, dann sind die bekannten striche bei der Heraklidenwanderung oder der ersten Olympiade oder dem jahre des Solon noch viel zu früh: dann müssen wir uns eingestehn, daſs erst das jahr des Pythodoros, 432, das anfangsjahr der griechischen geschichte ist. denn vater Herodotos hat auch das mit vater Homer gemein, daſs seine geschichte absurd wird, wenn man sie pragmatisirt. die Hellenen sind ein eigenes volk. ihre geschichte scheint, je besser sie erkannt wird, desto später an - zufangen, während im Orient die Babylonier, von den Assyrern ganz zu schweigen, und die Aegypter mit ihren königslisten und den denksteinen ihrer siege in fabelhafte fernen reichen. die könige der Ramessiden - dynastie sind sogar leibhaft in ihren mumien vorhanden, so daſs man ihre hohlen zähne zählen und ihre leibeslänge messen kann. aber der körper ist tot, und die zahlen sind tot. leben hat allein die seele, und5Begriff der quelle. sage.die seele der hellenischen geschichte redet zu uns von den tagen Homers und der homerischen helden an. individuelle menschenseelen sind für uns erst dann kenntlich, wenn sie selbst noch zu uns von ihrem seelenleben erzählen: die gibt es auf erden nicht vor Amos und Jesaja, Archilochos und Solon. aber typische menschen, durch dichterkraft zur individua - lität erhoben, sind schon Jakob und Moses, Agamemnon und Odysseus, und die historie, die mit ihnen nichts anfangen kann, weil sie mythisch sind oder geworden sind, ist die rechte schwester der encheiresis na - turae, die ihrer selber spottet mögen sie sich auch alle beide ein - bilden, heut zu tage zu regieren.

Wenn die methode, aus den urkunden die wahrheit pragmatisch zu ermitteln, für die alte zeit versagt und überhaupt nur so weit hinauf berechtigt ist, als die zeiten selbst für eine pragmatische auffassung und bewahrung des geschehenden reif waren, so muſs eine andere methode gefunden werden, um in die ältere zeit vorzudringen, deren gedächtnis in anderer weise erhalten ist. auch hier gilt es die quellen zu finden; die quellen sind nur anderer art. zwar die steine, die der burgen und tempel und vollends die beschriebenen, und die gräber sind in gleicher weise unmittelbare zeugen, und es fehlt auch nicht an einzelnen men - schen, die noch zu uns unmittelbar reden: die hauptquellen der alten zeit sind die dichter. nur seine poesie hat den menschen Solon im gedächtnis erhalten, und daſs dieser kenntlich ist, gibt auch die möglich - keit, über sein politisches wirken zu urteilen: das hat Aristoteles be - griffen. aber die überlieferung im ganzen ist anderer art, und ihr muſs sich notgedrungen die historische methode anpassen. nur so erfahren wir, was wir wissen können, nur so vermeiden wir die Charybdis, an jedem wissen zu verzweifeln, weil wir der Skylla, pragmatische fabeln weiter zu pragmatisiren, entgehn wollen. die quellenkunde für die ältere zeit ist in wahrheit die einsicht in das werden und die geschichte der historischen tradition.

Vieler jahrhunderte überlieferung ist nur in der sage niedergelegtSage und als solche überliefert, sehr verschieden, je nachdem sie sich nur local von mund zu mund fortpflanzte oder durch die gestaltungskraft des dichters feste form und weitere verbreitung, dann aber auch ledig - lich poetischen zwecken dienende umbildung erhielt. an realen persön - lichkeiten fehlt es fast ganz, und so weit sie zu grunde liegen, verflüch - tigt sich ihre leiblichkeit. dafür wird die summe einer geschichtlichen entwickelung gezogen und in idealer umdichtung stilisirt. wenn auch in der form einer erzählung erfahren wir mit zuverlässigkeit meist nur6II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.das ergebnis der ereignisse. dafür ist aber der sinn für das ganze und groſse vorhanden. das epos ordnet die fülle der erscheinungen und er - innerungen rückwärts schauend von dem was als resultat der geschichte vorhanden ist unter groſse gedanken und stellt einen zusammenhang her, der für die logik der zeit ein causalnexus und für die moral der zeit die theodicee ist. das stemma, mit dem die Kataloge des Hesiodos begannen, ist ein bedeutendes product von historisch weit und scharf blickendem ordnendem urteil: für uns unmittelbar verständlich und un - schätzbar als eine darstellung der völkerverhältnisse und des bewuſstseins von stammesverwandtschaft und verschiedenheit im siebenten jahrhundert. die von der poesie wenig umgestalteten sagen von den attischen königen und die eponyme der γένη φϱατϱίαι φυλαί lehren schlechthin nichts für personen und ereignisse; aber die institutionen und die geschicht - lichen resultate reden in ihnen zu uns, und so sind sie eine ergiebigere quelle als die urkundliche, in anderer art unschätzbare namenreihe der chronik. es wird der moderne immer erst nach langer vertrautheit und durch liebevolle hingabe erreichen, jenen geschlechtern nachzuempfinden, die selbst ihre eigensten erlebnisse nur in dem reflexe schauen mochten, den sie auf die heilige geschichte der lieben vorfahren warfen. lebendig aber ist diese art zu empfinden in dem mutterlande von Hellas vieler orten noch bis an das ende des fünften jahrhunderts geblieben, und in den immer mehr schematischen und ausgeklügelten eponymen und wande - rungen hat auch noch die späteste zeit sich ein surrogat der sage zu schaffen versucht. wenn die herren der pindarischen gesellschaft es ver - langen, daſs der sieg im faustkampfe, den einer der ihren erringt, mit der geschichte der stammesheroen in unmittelbare beziehung oder doch in parallele gesetzt werde, so ist ihnen und dem Pindaros das keine leere fiction. dem Euripides war es schwerlich mehr, als er am schlusse des Ion die hesiodische stammesgenealogie so umformte, daſs sie sich den machtverhältnissen des attischen Reiches anpaſste: aber die Athener waren nicht aufgeklärte sophisten wie er. es folgt hieraus, daſs die ge - schichtliche ausnutzung der sagen vorab feststellen muſs, wie alt sie in der form sind, die wir übermittelt erhalten, und daſs sie dann zunächst nur für die zeit etwas lehren, der diese form angehört. alles weitere ist ein rückschluſs, aufgebaut auf der kritik der aussagen, die jene be - stimmte zeit durch die sage über ihre vergangenheit macht.

NovelleDer sage folgt ihre jüngere schwester, die novelle; beide aber re - gieren eine weile nebeneinander, so daſs sich die grenzen ihrer reiche häufig verwischen. die sage ist heilig und wahr oder will es doch sein. 7Novelle. das erwachen der subjectivität in Ionien.ihre göttin ist die himmlische Muse, die tochter des Zeus, die später den philosophen, Parmenides und Platon, die wahrheit verkündet. dagegen die Muse der novelle ἴσκεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύμοισιν ὅμοια. irdisch wie sie ist richtet sie ihren sinn auf das menschliche und zwar auf die gegenwart, aber da sie die sage ablöst, zieht sie zunächst die götter oder doch die lieben vorfahren in ihre kreise. aber sie hat später sogar die historischen namen für ihre träger abgeworfen ohne an reiz zu verlieren. sie verhält sich dann zur sage wie das menandrische lust - spiel zu der athenischen tragoedie. auf daſs sie erstünde, muſste der glaube der väter erschüttert und die freiheit der väter verloren sein. so ist sie denn ein kind Ioniens aus der zeit der lydischen und per - sischen fremdherrschaft, aber einmal aufgekommen wandert sie mit der ionischen cultur hinüber in das mutterland. nun spiegeln sich die Wikingerzüge und handelsfahrten der Milesier und Phokaeer nicht mehr in den leiden der heimfahrenden Achaeer und dem zuge der Argo; man erzählt vielmehr von Bias und Thales, Kroisos und Periandros, Solon und Themistokles schöne geschichten: aber keineswegs um ihrer groſsen taten willen und des erfolges, den diese für das vaterland hatten, sondern um ihrer merkwürdigen schicksale und ihrer persönlichen tüchtigkeit willen, der ἀϱετή, die bis auf Sokrates keinen moralischen inhalt hat. geschichtlich lernen wir von der novelle direct kaum etwas, denn ihr ist nie zu trauen; aber wenn wir ihre träger kennen, so wird der reflex in der novelle auch ihr geschichtliches bild erhellen. wo das nicht der fall ist, können wir kaum etwas besseres tun als uns vor dem truge der zauberin hüten. zum entgelte gibt sie uns ein farbiges bild von dem denken und empfinden, leben und treiben, wünschen und träumen einer reichen zeit.

Sage und novelle sind autorlos. das heiſst nicht, daſs auf denDas er - wachen der subjectivität in Ionien dichter oder erzähler nichts ankäme, aber sie mischen ihre person nicht ein und beanspruchen nicht als personen autorität. das ändert sich, als in Ionien mit dem staate auch die andern autoritäten fielen, die der menschen wildheit und trotz gebändigt hatten. in der tat, so wie die alte gesellschaft gewesen war, im mutterlande um 500 noch zumeist war, hiengen glaube und sitte, religion und staat, das materielle und das geistige leben so unlösbar mit einander zusammen, daſs der einzelne seinen festen halt hatte, aber auch festgehalten ward. das änderte sich für den Ionier, als der staat zertrümmert war, und auf dem colonialen boden war die gesammte cultur immer mehr als eine gemachte denn als eine gewachsene empfunden worden. nun versagte die macht der auto -8II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.ritäten, und der mensch kam gar bald dahin, sich ohne bande, aber auch ohne stütze zu fühlen. er war frei; aber er muſste sich nun die grundlagen seines lebens selbst zimmern. daher sehen wir sie alle ihren selbstgesetzten zielen rücksichtslos zustreben. der tyrann und der phi - losoph, der fahrende spielmann und die hetäre treiben es ein jeder in seiner weise, und die gesellschaft gestattet es ihnen allen. jeder wird jeden rücksichtslos zur seite stoſsen, um sich selbst den weg zu bahnen, aber wer zum ziele kommt, den werden alle bewundern. damals ist es denn geschehn, so viel wir wissen, zum ersten male, daſs ein mensch sein individuelles meinen über die geschichte seines volkes rücksichtslos ausspricht, Hekataios von Miletos, ein mann der die welt gesehen und dann am staatsleben tätigen anteil genommen hatte. uns erscheint seine umformung der heldensage als altkluger rationalismus: in wahrheit ist es der überschwang jugendlichster kritik1)Er erfährt sie jetzt selbst an sich, da ihm seine Genealogien abgestritten werden, sei es weil sie absurd wären, sei es weil in ihnen widersprüche steckten: ganz so hatte er die heldensage geschulmeistert. und verdient als solcher wol einen platz neben dem eifern des Xenophanes wider die mythen Homers. wie er die zeitgeschichte behandelt hat, ob er es überhaupt ausführlicher getan hat, ist unermittelt. eine wirkliche geschichtsschreibung konnte bei den Ioniern nicht entstehen, weil sie keine geschichte erlebten. 2)Dionysios von Milet hat vielleicht sein geschichtliches buch damals ge - schrieben, das die gelehrten τὰ κατὰ Δαϱεῖον benannt haben. so gut wie der Karer Skylax für Dareios eine entdeckungsfahrt macht und in griechischer sprache darüber berichtet, konnte ein persischer untertan die persische geschichte auf grie - chisch schreiben. daſs die ionische cultur und wissenschaft in sehr vielem den ersten platz unter den völkern ihres reiches einnahm, haben die Perser nicht ver - kannt und der hellenisirende einfluſs ist vermutlich gerade damals, ehe es einen nationalen gegensatz gab, sehr stark gewesen, die kunstgeschichte beginnt bereits damit zu rechnen und wird, wie auf so vielen gebieten, auch hier die rechten pfade der allgemeinen geschichte finden und erleuchten.

Die befrei - ungskriegeDie erlebten die Athener seit 510 und alle Hellenen, auf die etwas ankommt, seit 480. die gewaltige erschütterung des kampfes um die existenz und dann die errichtung des Reiches hat in wahrheit die geister noch vielmehr als die leiber befreit. allein so unmittelbar konnte die wirkung nicht sein, daſs die überlieferung dieser jahrzehnte eine wirk - lich geschichtliche hätte werden können. sie trägt noch durchweg den stempel von sage und novelle. daſs die erste noch lebendig war, wird der glücklichen verbindung verdankt, daſs ein ernstes und frommes volk ungeheure aufgaben zu lösen erhielt und zu lösen vermochte; es9Die befreiungskriege. Herodotos.liegt aber zum teil auch an der naivetät des volkes. die groſsväter der Marathonsieger hatten noch die falsche Athena auf dem wagen des Peisistratos angebetet, und das wunder oder vielmehr der glaube hat an dem siege über die ungezählten barbaren einen starken anteil. die Perser des Aischylos haben es vermocht, die geschichte der gegenwart unmittelbar hinaufzuheben in die reine höhe der sage: das religiöse festspiel erzählt uns die geschichte in seiner sprache. es ist für den historiker der die seele der ereignisse sucht die beste quelle für die schlacht von Salamis. man denke sich aber nur die figur des listen - reichen mannes, der bei Aischylos im hintergrunde bleibt, in den mittel - punkt gerückt, so wird die sage vom siege des freien Pallasvolkes zu der novelle von Themistokles. dem entspricht die gesammte überlieferung von der älteren geschichte Athens. der bericht über Marathon und über den ersten aeginetischen krieg ist von der sage in das erhaben typische stilisirt. auch in dem sturze der tyrannen spürt man das walten der göttlichen gerechtigkeit wie in der tragoedie. weder Kleisthenes noch Miltiades tragen individuelle züge. Solon und Peisistratos waren als personen ganz verblaſst; erst die spätere forschung hat jenen auf grund seiner gedichte, diesen durch die sorgfältige verfolgung bestimmter in - dizien zu einer person gemacht. dagegen Themistokles ist der rechte held für die novelle, die nicht müde wird, mit immer neuen stückchen seine ἀϱετή zu illustriren. das hat oben eingehende erörterung ge - funden (I s. 150), und ich habe gezeigt, wie verkehrt es ist, die Themistokles - legende deshalb für historisch zu halten, weil Thukydides sie erzählt. die Athener erzeugten in den zwei menschenaltern vor dem peloponnesischen kriege tragoedie und komoedie: darin liegt, daſs sie für die pragmatische historie noch nicht reif waren. die Athener machten in derselben zeit aus ihrem ländchen, das kaum eine precäre selbständigkeit errungen hatte, die herrin des aegeischen meeres und griffen nach der herrscher - krone von Hellas: darin liegt, daſs sie noch keine zeit hatten, geschichte zu schreiben. sie dachten an das morgen, erfreuten sich des heute: da vergaſsen sie des gestern. blickten sie zurück in einem momente der sammlung, so dankten sie gott für seine hilfe, oder erzählten sich ihre oder ihrer führer heldentaten, wie es alte soldaten tun. die aristo - phanischen helden und aristophanischen chorlieder geben die belege für beides.

Aber Athen zog Ionien in seine kreise. dort waren die geistigen vorbedingungen für die historie gegeben; es fehlte nur die geschichte. die lieferte Athen: und so erstand das werk des Herodotos, so unver -Herodotos10II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.gleichlich aber auch so widerspruchsvoll wie die geschichtliche tradition war und die weltanschauung des Ioniers sein muſste, der in Athen das vaterland gefunden hatte. er selbst stammte aus einer stadt, die auf karischem grunde von Dorern erbaut längst die überlegene ionische cultur angenommen hatte; so war er losgelöst von dem was ihm als das vorurteil und die beschränktheit eines an der scholle klebenden autoch - thonentumes erscheinen mochte. er hatte die weite welt gesehen, durch - aus frei von dem bornirten hochmut, der alles barbarisch findet was nicht wie bei ihm zu hause ist, gleichermaſsen fähig die von keiner cultur gebrochene elementare naturkraft bei den freien Skythen anzuerkennen, wie im Perserreiche die überlegenheit einer älteren und reicheren materiellen cultur. ihm imponirten die aegyptischen priester mächtig, wenn sie ihm ihr Ἕλληνες ἀεὶ παῖδες entgegenriefen.3)Herodotos hat, weil er die orientalen kannte, von denen dem reisenden zumal nur recht wel[t]läufige und vorurteilslose begegneten, das urteil mit gröſster offenheit abgegeben, daſs man selbst bei den Athenern sehr viel mehr naivetät fände als bei den barbaren. 1, 60 erzählt er die list des Peisistratos mit Phye, die ihm ganz unbegreiflich ist, da ersinnen sie etwas, worin ich nur die koloſsalste naivetät finden kann, die ich kenne. in der tat, die barbaren müssen sich schon früher von den Hellenen darin unterschieden haben, daſs sie gewitzigter und freier von kin - discher einfalt waren, wenn damals die Peisistratiden unter den Athenern, die doch für die gescheidtesten der Hellenen gelten, folgendes ersinnen durften. der brave mann erzählt die geschichte, wie er sie gehört hat und wir sie glauben dürfen, aber wie er sie den Athenern, die er kennt, und die erst durch das letzte jahrhundert in den ruf der σοφία (der schlauheit und gescheidtheit) gelangt sind, nicht zutrauen kann. so etwas war in Memphis und Sardes nicht möglich, das weiſs er; dazu gehört eine εὐήϑεια, wie sie der sophist dem zuschreibt, der an vogelzeichen glaubt (Eur. Hel. 747), oder dem der auf ein orakel hin seine tochter opfert (Andr. 625), oder der wider die logik κάϱδοπος für καϱδόπη sagt (Ar. Wolk. 1258): ihr gegen - satz ist die δεξιότης, die alles gleich am rechten ende anpackt. δεξιόν nennt der athenische komiker sein publicum, weil es seine anspielungen versteht (Ritt. 233), δεξιός ist der Δῆμος zu hause (ἀλώπεκος ἴχνεσι βαίνει sagt schon Solon), auf der Pnyx sperrt er das maul auf (Ritt. 753), und der demagoge ist δεξιός (719), und der dichter (Fr. 1009). unter diesen σοφοὶ Ἀϑηναῖοι lebte Herodotos, darum frap - pirte ihn mit recht die veränderung seit der tyrannenzeit. aber er fand εὐήϑεια genug unter den Hellenen sonst, auch wol bei den Athenern alten schlages, und den racendünkel, den ihm jetzt der aberwitz der kritiker aufzwingt, kannte er nicht; es machte ihm vielmehr ersichtlich vergnügen, den Athenern die überlegenheit der barbaren vorzurücken. ganz dieselbe stimmung zeigt das zweite buch oft; der vater - ländische stolz auf freiheit und demokratie ist mit ihr ganz gut verträglich. aber die weite seines umblickes hatte ihn den vorzug seines vaterlandes nur richtig schätzen gelehrt. dies vaterland war das attische Reich, und sein vorzug11Herodotos. Thukydides.war die geistige und politische freiheit, ἰσονομίη, ἰσηγοϱίη. so hatte die weltgeschichte einen inhalt, die entwickelung ein ziel: er überschaute sie mit dem auge des tragischen dichters. der Ionier, der den glauben der väter verloren hatte, hatte einen reineren glauben sich selbst er - worben und den gott in der geschichte wiedergefunden. aber das war sein gott. in seinem eigenen geiste lieſs er die zeiten sich bespiegeln (was überhaupt erst den historiker macht). in sofern steht er dem Hekataios und seinen sophistischen zeitgenossen ganz gleich. es ist seine subjective erkundung, von der er rechenschaft ablegt, es ist ἱστοϱίη im ionischen sinne noch viel mehr als historie in unserm. er ist kein regestenfabrikant und kein chronikschreiber; er hält von der acten - forschung nichts und traut den augen lieber als den ohren. die kritik, deren er bei der verarbeitung von unzähligen erkundungen nicht ent - raten kann, ist schlechterdings nichts als sein subjectives für wahr oder wahrscheinlich halten. πάντων μέτϱον ἄνϑϱωπος, d. h. Ἡϱόδοτος, gilt für ihn praktisch genau so wie theoretisch für Protagoras. dieser Herodotos aber überkam hier eine anzahl sagen, dort novellen, hier ein genealogisch-chronologisches gebäude, dort schaute er wunderbare denk - male, zu denen man ihm die αἴτια berichtete. wie sollte er sich helfen? was er erkundete, war eine unübersehbare menge von einzelnen ge - schichten ohne ordnung, sich viel häufiger widersprechend als ergänzend. wie sollte er sie bewältigen? was ihm das ordnende prinzip war, war der gedanke, den er in der weltgeschichte fand: sein eigener νοῦς voll - zog die διακόσμησις; ein anderer würde in einem chronologischen ge - rüste oder einer logischen disposition ein objectives prinzip gesucht haben. das einzelne aber beurteilt und verteilt er auch nach seinem subjectiven ermessen, wo ihm denn bald die skepsis des rationellen Ioniers, bald der zwillingsbruder des rationalismus, der aberglaube, in den nacken schlägt. so ist sein buch, so bezaubernd es auf uns durch die naivetät wirkt, die wir in ihm finden, im grunde durchaus nicht naiv gemeint, sondern wird in allem durch seine individualität bedingt. er steht zu der geschichte wie die groſsen physiker Ioniens zu der natur. auch sie geben eine doppelte ἱστοϱίη, die objective darlegung des unendlich vielen das sie erkundet haben, und die subjective antwort, die sie aus sich auf die rätsel des lebens gefunden haben. vielleicht wagt jemand zu sagen, das wäre eine sehr kindliche vorstufe zu der erhabenheit wahrer wissen - schaftlichkeit, die heute zu tage regiere, seit die methode gefunden sei. ich aber meine, mit aller methode haben wir es nicht weiter gebracht. die wissenschaft als idee ist freilich weder in Hippokrates noch in12II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.Demokrit noch in Herodot incarnirt; aber auch in Aristoteles nicht, ge - schweige denn in unser einem: wer aber nicht bloſs in dem stande des famuli Wagner beharren will, der muſs sein subject in die schanze schlagen, nicht bloſs auf die gefahr hin, sondern mit der sicheren zuversicht, im drang nach wahrheit jämmerlich zu irren.

ThukydidesNoch ehe das buch des Herodotos erschien und doch durch dieses angeregt faſste der junge Thukydides den plan, den entscheidungskampf um die herrschaft in Hellas, der eben begann, darzustellen. der groſse vorgänger hatte ihn gereizt, nicht es ihm nachzumachen, sondern es anders zu machen. ihm schien die weltgeschichte erst recht anzufangen; die herodoteische tragoedie erschien ihm als eine dichtung, gut genug für die erweckung erbaulicher hochgefühle an einem festtage, aber nicht als nahrung für den geist des handelnden mannes. über dem werke Hero - dots lag der verklärende schimmer der poesie: Thukydides wollte das licht und den schatten des tages festhalten. er vermeinte, daſs des groſsen nicht eben sehr viel übrig bliebe, wenn man jenen schimmer durch ruhige kritik der vergangenheit beseitigte: groſsartig dagegen erschien ihm die cultur, die Athen besaſs und für die es stritt, deren sieg er erwartete. er selbst war ein nachkomme von barbaren zugleich und von Philaiden. weder der stolz des autochthonen noch der gegensatz gegen die Alkmeoniden noch die furcht vor tyrannen und Medern hat ihm irgendwie den blick getrübt. er fühlte sich als der moderne mensch einer neuen groſsen welt. weder die novelle noch die sage wollte er gelten lassen. weder die götter noch die individuen, sondern die poli - tischen mächte sah er auf erden regieren, und ihre kämpfe wollte er beobachten und erzählen, minder um ihrer absoluten bedeutung willen, als zu nutz und frommen der künftigen politiker. das attische Reich war auch notwendig gewesen, damit Herodotos schriebe; aber er sah in ihm den abschluſs der geschichte. für Thukydides war seine existenz die voraussetzung, denn politische geschichtsschreibung setzt einen wirk - lichen staat mit groſsem politischem leben voraus. Thukydides faſste den plan zu seinem geschichtswerke, während er sich anschickte in die politische laufbahn einzutreten. Herodotos gehörte zu den anhängern des ϑεωϱητικὸς βίος. daſs ein junger reicher Athener der herrschenden gesellschaft 432 die zeitgeschichte hat schreiben wollen, verdient in wahrheit sehr viel gröſsere bewunderung als die ausführung dieses planes, die der durch sein politisches geschick in den ϑεωϱητικὸς βίος hinab - gestoſsene nach 404 einigermaſsen geleistet hat. erst die unfreiwillige muſse hat ihn dazu getrieben, mit den mitteln der neuen rhetorik ein13Thukydides. stimmung nach dem falle des Reiches.stilistisches kunstwerk liefern zu wollen, und so ist er in die gesellschaft der kunstprosaiker geraten: nicht bloſs der historiker würde ungleich reineren genuſs von dem werke haben, wenn es fertig geworden wäre, wie es begonnen war, in der ächten attischen rede des politischen lebens. nur so weit es das programm von 432 erfüllt, ist es dem werke des Herodotos ebenbürtig, denn nur so weit steht es wie dieses einzig da; stilistisch war es eigentlich schon veraltet, als es erschien. einzig aber musste es bleiben, weil die voraussetzung des politischen geschichts - werkes, der groſse staat, nicht mehr vorhanden war. eben deshalb hat kein griechischer staatsmann mehr geschichte geschrieben, mehr als ein jahrhundert lang. erst Hieronymos mag allenfalls verglichen werden. 4)Nur in Sicilien gab es dank der energie des Dionysios einen gröſseren staat, und dort schreibt auch der staatsmann Philistos geschichte in der art des Thukydides. aber wir wissen davon nur das factum von hörensagen, da wir weder von der geschichte Siciliens noch von dem werke des Philistos eine wirkliche kenntnis gewinnen können.

Das menschenalter der kämpfe, deren ergebnis die zertrümmerungStimmung nach dem falle des Reiches des nationalen staates war, hatte in dem ringen der parteien auch die historische schriftstellerei zu einer waffe geschmiedet; es konnte auch nicht ausbleiben, daſs die scham und der zorn über den sturz des reiches und andererseits die sehnsucht und die klage um das verlorene die schriftstellerisch so unglaublich regsame zeit auf die geschichte des groſsen jahrhunderts hinführte. diese litteratur mit ihren flugschriften über die helden der guten alten zeit und die bösen demagogen, die das unheil gebracht, mit ihren epitaphien und panegyriken ist in anderem zusammenhange (I cap. 6) besprochen.

Man hatte das gefühl, unter trümmern zu wohnen, und niemand eigentlich war davon befriedigt, daſs die staaten in den alten formen weiter wirtschafteten. dennoch gelang eine reform oder revolution in Sparta und Korinth so wenig wie in Athen. alle besseren stimmten in der negation des bestehenden überein, nur fand sich nirgend auch nur ein realisirbares programm für einen neubau. weithin durch das volk gieng das gefühl, o daſs doch ein könig käme; aber dieses gefühl war von einer messia - nischen unbestimmtheit, mochten auch die litteraten bald nach Persien, bald nach Syrakus lugen. Persiens schwäche war durch den zug der Kyreer an den tag gekommen, und der diplomatische erfolg des königs - friedens konnte diesen eindruck nicht verwischen. deshalb borgte man von dort nur die romanfigur des alten Kyros. historische einkleidungen14II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.für die gebilde der speculation wurden überhaupt mode.5)Bisher sehr wenig erforscht sind die umarbeitungen der alten heroensage, und die novellen dieser zeit, werke wie das des Herodoros über Herakles, der Dreifuſs des Andron, die Nosten des Antikleides, der Abaris des Herakleides. es ist sehr wenig damit erzielt, wenn man das eine zu der historie, das andere zur phi - losophie wirft. die pragmatisirung der Heraklessage kann sehr gut eine politische tendenz wie die Kyropaedie oder eine philosophische wie der Herakles des Anti - sthenes gehabt haben. die absicht zu unterhalten braucht den philosophen auch nicht fern gelegen zu haben. der sokratische dialog und die isokrateische rede sind nicht genieſsbar ohne eine stärkere vorbildung: was hat damals das breite publicum an lesestoff erhalten? diese frage fordert auch eine antwort. gar nicht unwitzig zeichnete Isokrates einen solchen utopischen könig in dem stil - gemäſs umgebildeten Buseiris, der immer ein mehr scurriler als schreck - licher Oger gewesen war. aber derselbe Isokrates hatte noch mehr er - folg, als er mit patriotisch ernster miene ein bild des demokraten - königs Theseus entwarf. das complement der sehnsucht nach einem weltenherrscher ist die verleugnung von staat und gesellschaft, die beide dem Hellenen auf die würde des freien zum gehorchen und gebieten gleich geschickten mannes gegründet schienen. das neue evangelium, daſs der mensch erst frei und glücklich würde, wenn er wie der hund lebte, ward mit litterarisch nicht geringem erfolge verkündet; wenn die menge von den extremsten ausschreitungen am meisten gepackt ward, so ge - wann der egoistische oder auch der philanthropische individualismus bei den gebildeten sehr viel terrain. aber diese negation des staates kann sich der einzelne in wahrheit nur erlauben, so lange trotz ihm die ge - sellschaft und der staat weiter existiren und ihm die ruhige existenz sichern, auf daſs er sie negiere. Platon, gleich erhaben über die kümmer - lichen staatswesen der gegenwart wie über den schweine -6)Der schweinestaat, den er Pol. 2, 372d construirt, ist mit nichten der hunde - staat des Antisthenes: sonst würde er so heiſsen. es ist ein staat auf der grundlage des gemeinen materiellen bedürfnisses errichtet; was Platon beweist, ist daſs selbst ein solcher die herrschenden bilden muſs, und wenn sie bildung besitzen, verschiebt sich von selbst die grundlage des staates. der schweinestaat ist der staat des Manchester-liberalismus. und den hundestaat, auch den herden - oder militärstaat der speculation, scheute sich doch nicht vor den äuſsersten consequenzen, als er von einem be - griffe aus, dem der gerechtigkeit, den menschen als politisches wesen und den staat construirte. er scheute auch vor dem gedanken nicht zurück, selbst mit dem gewaltmittel der tyrannis die welt zu der besten oder bestmöglichen gesellschaftsordnung, zu tugend und glück zu zwingen. er wagte sich auch an den litterarischen versuch, die summe der weltgeschichte15Stimmung nach dem falle des Reiches. die Isokrateer.in einem epos von dem kampfe der kinder gottes mit den söhnen des fürsten dieser welt zu ziehen. der troische und der medische krieg, an denen er seine phantasie genährt hatte, sollte in diesem potenzirten idealbilde zugleich mit den heiligen sagen seiner heimat verschmolzen werden. das war ein unterfangen, dem selbst dieser dichter nicht ge - wachsen war, der doch das epos der weltschöpfung als ersatz einer be - schreibung des kosmos vollendet hat.

Eine solche zeit der speculation über die voraussetzungen des staat -Die Isokrateer lichen lebens, die sich ganz und gar in das utopische verlor, war der politischen geschichtsschreibung ihrer natur nach abgewandt. es ist auch kein auch nur leidliches geschichtswerk über die zeitgeschichte in den beiden nächsten menschenaltern nach dem falle des Reiches ge - schrieben.7)Xenophons schriftstellerei hat, so wenig originale kraft der mensch besitzt, doch den groſsen vorzug, daſs sie ganz auf seinen individuellen erlebnissen und be - strebungen beruht. da er wissenschaft in keiner form je wirklich begriffen hat, ist er auch kein historischer forscher, und wenn er geschichte schreibt, so versteht man diese erst, wenn man seine persönlichen antriebe und zwecke kennt. die Anabasis ist klärlich eine selbstrechtfertigung. was die Hellenika anlangt, so dürften auch sie zur rechtfertigung der politik verfaſst sein, der es gedient hatte, und weil das zu verschiedenen zeiten eine verschiedene war, sind sie unmöglich ein einheitliches werk. möchte doch jemand sich die aufgabe stellen, nicht Hellenika oder Memo - rabilien oder Agesilaos einzeln zu tractiren, sondern den menschen als menschen ganz zu erfassen: erst dann können die vielen unbehaglichen probleme der lösung wirklich entgegengeführt werden. aber die dichtung mag wol die historie übertreffen: ersetzen kann sie sie nimmermehr. und die phrasen der sophistik befrie - digten auf die dauer selbst die bedürfnisse des immer stoffhungrigen publicums nicht. so werden die führer der Sokratik eben so gut wie die sophisten von selbst auf die geschichte und die geschichtsschreibung hingewiesen. Platon und Isokrates lassen beide zumal in ihren späteren werken erkennen, daſs sie über unverächtliche geschichtliche kenntnisse verfügen. der sophist hat seinen bedeutendsten schülern die historio - graphie, weltgeschichte und zeitgeschichte, zur aufgabe gestellt; aus Platons schule ist der verfasser der Politien hervorgegangen. das sind leistungen, die mit nichten von einander abhängen, sondern den gegen - satz der lehrer fortsetzen.

Theopompos von Chios hat von seinem rhetorischen lehrer nur die form entlehnt, mit der er sich getraute sowol Herodotos wie Thukydides wie Platon zu überwinden. er war sophist geworden, weil er sein vater - land verloren hatte und benutzte seine kunst mit erfolg dazu eine ein -16II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.fluſsreiche rolle zu spielen, um heimzukehren und politisch tätig zu werden. darum suchte und pflegte er den verkehr mit den königen und gewann ein entschiedenes politisches urteil. es hat sich gezeigt, daſs er die po - litischen parteischriften Athens genau wie Aristoteles auszunutzen ver - stand (oben I s. 135). mit den philosophischen richtungen seiner zeit hatte er so viel fühlung, daſs er das persönlich moralische in der schilderung und beurteilung der personen in den vordergrund rückte, bei allerhand merkwürdigen erscheinungen auch der natur gern ver - weilte und seine allgemeinen speculationen in der form von phantasti - schen märchen vortrug. aber eine entschiedene politische tendenz und eine energische individualität lassen ihn als einen stern von eigenem lichte erscheinen.8)Es ist gar nicht schwer, auf grund von einigen berührungen, wie sie die lebendige regsamkeit und der austausch der gedanken in dem Athen des vierten jahrhunderts geben muſste, Theopompos an eine philosophenschule anzugliedern: aber das ist trügerisch; man blicke nur die ganze person und das ganze werk an. man könnte das nämliche mit Ephoros versuchen, z. b. auf grund seiner erzählung vom gastmale der Sieben weisen, denen er den unverdorbenen naturmenschen Anacharsis und den spötter Aesop gesellt, auch ihn in das gefolge des modephilosophen Anti - sthenes einrücken. seitdem dieses geschrieben war, hat Rohde ausführlicher die aufstellungen Hirzels (Rh. M. 47) über Theopompos bestritten, auf die ich zielte, aber leider hat auch Schwartz (Ind. Rostock. 93) in Ephoros den Kyniker wirklich gefunden. er ist ein mann, der ganz seiner eigenen zeit gehört und uns deshalb schon fast hellenistisch erscheint.

Ephoros von Kyme dagegen ist nichts als litterat und hat das zweifelhafte verdienst die weltgeschichte als das würdigste object epideik - tischer beredsamkeit behandelt zu haben, also der vater jener auf - fassung zu sein, die uns von Cicero und Livius her geläufig ist und den begriff der geschichte eigentlich denaturirt. denn es gehört dazu der patriotismus der panegyriken, der pragmatismus der allgemeinen bil - dung und die moral des zu beiden gehörigen bildungsphilisters. wie verschieden der inhalt jenes patriotismus auch scheinen mag, wie stark sich der ballast des toten wissens vermehrt und die moralische terminologie geändert hat: der bildungsphilister ist ganz derselbe ge - blieben, und deshalb grassirt die ephorische historiographie. es ist die zur zeit in Deutschland approbirte geisttötende und seelenvergiftende geschichte mit zugehöriger geographie, die in naiver schamlosigkeit ihre tendenz eingesteht, gesinnungstüchtigkeit und bildung zu züchten, und streber oder socialdemokraten erzieht. die persönlichkeit des Ephoros ist gleichgiltig; auf sein urteil kommt nichts an: aber der stoff, den17Die Isokrateer. die locale tradition.wir ihm danken, ist recht beträchtlich, und mühe hat er sich wirklich gegeben. diese anerkennung müssen wir ihm zollen. sein dickleibiges buch ist ein reservoir für die wertvollste ältere überlieferung geworden; eben darin ist die analogie zu den peripatetischen sammelarbeiten un - verkennbar. sie verhalten sich in ihrem werte zu einander wie Platon und Isokrates, wissenschaft und sophistik; der geist in ihnen ist also ein sehr verschiedener. aber darin stehen sie einander gleich, daſs keine forschung im eigentlichen sinne darin ist. folglich setzt ihre zusammen - fassende tätigkeit mit zwingender notwendigkeit eine bedeutende litteratur voraus, die ihnen den stoff zur verfügung stellte.

Auf diese litteratur kommt es mir an, die hinter Ephoros und Ari -Die locale tradition stoteles steht, ganz in demselben verhältnis, wie es an der Atthis für den gröſsten teil der athenischen Politie nachgewiesen ist. diese litte - ratur kann aber meistens nur durch die qualität der berichte erkannt werden, und es kommt auch viel mehr auf die anerkennung vieler lo - caler überlieferungen an als auf die restitution bestimmter schriftwerke oder schriftsteller. gewiſs freuen wir uns, wenn auch dieses einmal ge - lingt, aber die aussicht ist gering. es stehen zwar eine anzahl schrift - stellernamen zur verfügung, mehr fast aus dem fünften jahrhundert als aus dem vierten. aber die zeit von nicht wenigen ist unsicher, und die tradition selbst darf keinesweges nach der person oder zeit des zufällig benannten gewährsmannes abgeschätzt werden. die quellenkunde, die von den namen der schriftsteller ausgeht, ist genau so unfruchtbar wie die forschung nach dem alten epos, die bis vor wenig jahren die trockenen knochen Lesches und Arktinos benagte statt die heldensagen zu ver - folgen. es gilt also die locale überlieferung aufzusuchen und vorab anzuerkennen, daſs diese vieler orten vor Ephoros und Aristoteles bereits einen litterarischen niederschlag gefunden hat. und wahrlich, wie hätte es anders sein sollen, als daſs eine litterarisch so regsame zeit das vor - handene material an geschichtlicher tradition ausgenutzt hätte? in weiten kreisen mochte das minder interessiren; zu hause freute sich doch das volk an der aufzeichnung seiner eigenen geschichte. wer bezweifelt, daſs jedes hellenische gemeinwesen ein reiches beet von sagen und novellen war? jahrhunderte lang hatten ihrer nur die einwohner selbst gewartet, ab und an ein dichter eine blüte gebrochen oder einige stauden in den groſsen garten des epos, später auch des dramas ver - pflanzt: jetzt war die zeit der prosaischen litteratur gekommen, und gerade weil die hohe poesie verstummte, muſste die bequeme form der localgeschichte sich des bunten stoffes bemächtigen. gewiſs werden vielev. Wilamowitz, Aristoteles. II. 218I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.werke geringe litterarische verdienste besessen haben; aber wenn wir z. b. die milesischen geschichten des Maiandrios oder die naxischen des Aglaosthenes lesen könnten, so würden wir schwerlich den aesthetischen genuſs vermissen. notwendiger weise hatten diese localen erzeugnisse eine sehr geringe lebenskraft als einzelnes litterarisches product: das epos hatte sich ja auch lange zeit fortwährend umgestaltet. so ver - drängte auch hier die spätere bearbeitung bald ihre eigene vorlage, und als die sammelwerke erschienen, taten sie ihnen wieder abbruch. der proceſs der aufzeichnung und sammlung ist auch an verschiedenen orten zu verschiedener zeit geschehen; die stilisirten geschichtswerke machen dieser litteratur so wenig ein ende, wie Aristoteles und Ephoros die Atthiden beseitigen. gar manches ortes überlieferungen mögen zuerst oder maſsgebend erst im dritten jahrhundert aufgezeichnet sein: das ändert nicht viel an dem allgemeinen bilde und an dem charakter dieser gattung von nachrichten.

Sie selbst sind so verschiedener art, wie ihre natur mit sich bringt. was wir vernehmen, ist die localtradition, wie sie in den einzelnen orten im vierten jahrhundert vorhanden war; setzen wir einmal diese zeit, obwol wir an manchen orten hoch hinauf darüber emporsteigen, manch - mal bis in das dritte sinken; ich möchte selbst späteres nicht überall ausschlieſsen. in dieser localtradition steckt sehr viel sage, steckt novelle; das also ist in dem sinne auszunutzen, wie oben kurz ausgeführt. daneben aber ist eine groſse menge antiquarischer tatsachen vorhanden, culte und riten, staatliche organisationen, überlieferung von geschlechtern und örtlichkeiten, orakel, volksgebräuche, sprüchwörter und lieder.9)In den resten der aristotelischen Politien sind diese spuren noch vielfach kenntlich. ich will proben geben, die fragmente nach Rose, nach demselben die capitel des Herakleides, durch H. unterschieden. verschen, die man sei es als volks - lieder, sei es als sprüchwörter auffassen kann 485, 496, 545, 553, 557, 571, 574, 576, H. 71, orakel 544, 561, 565, 596, H. 25. citirt werden Homer (H. 14. 15, beziehungen auf ihn viel öfter), Hesiodos (H. 38), Archilochos (H. 14. 50 ), Simonides (H. 55), volks - tümliche lieder eines später verschollenen Theodoros (515). das persönliche inter - esse für die litterarischen berühmtheiten, Homer Hesiod Archilochos Pherekydes Aesop, ist auch nicht erst aristotelisch, wie Herodotos lehrt. ganz dasselbe bild bieten die reste des Ephoros, mögen wir sie bei Diodor lesen oder in den frag - menten, namentlich bei Strabon. diese führen zu den urkunden über, deren es in wahrheit (unsere eigenen funde lehren es) sehr viel mehr gab als ausgenutzt worden sind, und endlich, was das wichtigste ist, es fehlte an vielen orten keines - weges an chroniken oder chronikartigen aufzeichnungen. hartnäckig19Die locale tradition. Hellanikos.sträuben sich die historiker dagegen, obwol die titel ὧϱοι in vielen ioni - schen und aeolischen orten, ἱέϱειαι Ἥϱας, Ὀλυμπιονῖκαι, Καϱνεοινῖκαι ganz unzweideutig sind. dafür gefällt sich die quellenkunde darin, den durch ein längst durchschautes misverständnis aufgebrachten namen logographen gedankenlos weiter zu geben, oder mit dem hintergedanken, daſs es mit der überlieferung durch diese leute nicht viel mehr auf sich hätte als mit den fabeln des λογοποιός Aesop. die dumme fabel von den logographen ist so entstanden, daſs die ungerechte und unfreund - liche wendung des Thukydides gegen Herodotos zum glaubensartikel gemacht und der name logograph auf die schriftsteller übertragen ward, die Dionysios von Halikarnass, ohne sie zu kennen, vor Herodotos rückt. λογοποιός oder λογογϱάφοι heiſst erzähler in prosa, und Hekataios Herodot und Thukydides sind λογογϱάφοι so gut wie wir. die ionische schriftstellerei ist den litteraten der späteren hellenistischen zeit fast durchweg vorattisch erschienen, weil sie einen archaischeren eindruck machte als die attische kunstprosa. dafür liefert die hippokratische sammlung den beweis noch jetzt. es ist also auf jene zeitansätze wenig verlaſs: gerade Hellanikos lehrt das, den die modernen meistens als logo - graphen mit an erster stelle führen, und der in wahrheit seine hohe bedeutung gerade darin hat, daſs er viel eher mit Ephoros und Ari - stoteles verglichen werden muſs als mit den epichorischen autoren oder den beiden groſsen λογογϱάφοι Herodotos und Thukydides.

Hellanikos ist von diesen schon dadurch verschieden, daſs er vieleHellanikos bücher über viele gegenstände verfertigt, ferner daſs er als der rechte antipode Herodots an dem fremden materiale klebt, das er verarbeitet, den chroniken seiner heimat, von Argos, von Athen, der siegerliste der lakonischen Karneen. obwol er kein festes chronologisches system überall durchgeführt hat, hat er doch nach synchronismen gestrebt und wirklich die grundlage der zeitrechnung gegeben: wir sind nun wol ziemlich alle der ansicht, daſs Thukydides ihm die ansätze der boeotischen und hera - klidischen wanderung entlehnt hat. mit ihm hat sich Ephoros denn auch ganz besonders auseinander gesetzt. natürlich hat er auch volks - tümliche novellistische erzählungen mitgeteilt, muſste sehr viel die für ihn bedeutendste geschichte, die wir heroensage nennen, wiedergeben und dabei zur ausgleichung am gewaltsamsten verfahren, aber er war mehr ein compilator als ein λογοποιός, wie er denn auch den Hero - dotos beträchtlich ausgenutzt hat. 10)Er verdankt ihm namentlich Σκυϑικά, denn da sein fragment 173 Müll. (Et. M. Suid. Ζάμολξις) aus Herod. IV 93 ist, so ist damit auch das urteil über dieThukydides däuchte sich schrift -2*20I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.stellerisch mit fug und recht weit über ihn erhaben; aber er hat ihn doch benutzt. er ist allerdings ein eckstein für die geschichte der tradition. denn wenn in dem letzten viertel des fünften jahrhunderts ein solcher compilator auftreten konnte, der chroniken des festlandes herausgibt oder schreibt, so bezeugt er einmal direct die existenz dieser chroniken, indirect aber, daſs die ihm viel näher liegenden ionischen ὧϱοι bereits edirt waren, wie ja auch überliefert ist. es versteht sich ganz von selbst, daſs genau wie wir die prosaische erzählung an die stelle des epos überall treten sehen, so auch die gründungssagen der ionischen städte in prosaischen büchern umlaufen muſsten11)Epische κτίσεις werden in den schriftenkatalogen z. b. des Xenophanes genannt. sie sind an sich sehr glaublich, nur wimmeln diese kataloge von fäl - schungen und irrtümern., und es ist sehr bezeichnend, daſs selbst die autornamen zum teil von den epen auf die prosaischen κτίσεις und ὧϱοι übergehn. 12)Die milesische chronik trägt den namen des Kadmos, des erfinders der buchstaben, die ephesische den des epikers Kreophylos. das sind weder homonyme menschen von fleisch und blut noch ihre angeblichen bücher fälschungen. es sind nur recht bezeichnende beispiele für dieselbe erscheinung, die den nachlaſs der Homeros Hesiodos Hippokrates ins unendliche vermehrt hat. Amelesagoras oder Me - lesagoras von Athen und Eumelos von Korinth sind gleichen schlages. über das alter der bücher, die in Alexandreia oder sonst wo diese autornamen trugen, ist nicht mehr ausgesagt, als daſs sie sehr alt zu sein beanspruchten. Delphika des Melisseus (Tzetzes in der vorrede zu den Erga 29 Gaisf., aus seiner allegorischen quelle) sind wol ganz apokryph. Melisseus ist der vater der μέλισσαι, Amaltheia

Die weisheitslehrer des fünften jahrhunderts zogen herum, traten auf und erklärten sich bereit auf alles rede zu stehn. wie sollte es ausbleiben, daſs ihnen historische fragen, über die herkunft und das alter der städte und geschlechter, die bedeutung von namen und monu - menten gestellt wurden? mochten sie sich oft mit autoschediasmen helfen oder die kenntnis Homers und anderer anerkannter dichter ge -Hippias schickt benutzen: sie brauchten doch eine gewisse geschichtliche kennt - nis. so sehen wir denn einen von ihnen, Hippias von Elis, auch in der altertumskunde erfahren (Hipp. I 285d), der name ἀϱχαιολογία fällt hier zuerst. und derselbe Hippias hat die olympische chronik zuerst ver - öffentlicht. so fühlt und befriedigt selbst die modernste bildung das be - dürfnis geschichtlicher studien.

10)geographischen coincidenzen gesprochen. athetiren wird die bruckstücke oder das buch aus dem sie stammen, die νόμιμα βαϱβαϱικά, niemand, der nicht im banne der falschen überlieferung über die lebenszeit des Hellanikos steht.
10)21Hippias. Nordgriechenland.

Doch die forschung nach büchern und autoren ist endlos und ziem - lich unergiebig: nützlich aber wird ein umblick über Hellas sein, zu zeigen, wo eine solche ἀϱχαιολογία nachweisbar scheint, wo die historie constatiren oder vermuten kann, daſs eine quelle auch für uns noch wasser gespendet hat. dabei wird mein auge immer auch auf die aristo - telischen Politien gerichtet sein, deren kümmerliche reste durch das licht, das von dem nunmehr vorliegenden ersten buche auf sie fällt, beträchtlich verständlicher geworden sind.

Die Atthis ist oben (I 8) eingehender behandelt. litterarische dar - stellung hat sie erst erhalten, als die attische sprache vollkommen aus - gebildet war. nicht viel später hat Megara in Dieuchidas, dann in HereasMegara eine sehr bedeutende leistung der art auf den markt gebracht, reich an wirk - lich geschichtlicher überlieferung, kostbarer antiquarischer belehrung aus localsagen und legenden, und getragen von einer kräftigen politischen tendenz.

Für die allgemeine geschichte ist Euboia ganz besonders wichtig;Euboia eine gröſsere anzahl von schriftstellernamen sind bekannt, und ent - sprechend der colonisatorischen bedeutung von Chalkis wächst sich die localgeschichte zu büchern aus, die man κτίσεις oder πεϱὶ πόλεων nennt.13)Die titel dieser ganzen gattung von büchern sind natürlich nicht authen - tischer als die der werke von Xenophon und Kleidemos. ὧϱοι Σιφνίων, Ἀτϑίς, Ἀττικὴ ξυγγϱαφή, Μιλησιακά, Ἰωνίας, Χίου κτίσις sind nicht falsch, aber darum durchaus nicht von den verfassern gegeben. jünger scheint nur die form πεϱὶ Θεσ - σαλονίκης u. dgl. zu sein. die pflanzstädte der Chalkidike gehören naturgemäſs mit der mutterstadt zusammen; aber auch das benachbarte Keos dürfte hinzu - gerechnet werden können, da Aristoteles recht viel über die insel weiſs, und mir wenigstens kein keischer localschriftsteller bekannt ist. ob es eine chronik gegeben hat, die feste zeitangaben in alte zeit hinauf ge - stattete, mag fraglich sein. aber artige verschen14)Plutarch Erot. 17. und alte documente15)Urkunde aus dem heiligtum der Artemis in Amarynthos bei Apollodor (Strab. 448). sind sogar für uns noch nachweisbar.

Dagegen ist in Boeotien Phokis Lokris, in Thessalien und selbstver -Nord - griechen - land ständlich bei den wilden stämmen der berge und des westens16)Uncivilisirt ist auch die südküste des korinthischen busens, Achaia. und hier hat nicht einmal die zeit der politischen bedeutung den versuch einer stammes -, so12)und ihrer schwestern. Delphi aber hat keine alte chronik gehabt. die Pythioniken sind erst vom heiligen kriege ab glaubwürdig.22I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge - schichtlichen überlieferung. auch die specialschriften, wie Kineas und Suidas über Thessalien, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind schwerlich älter als das dritte jahrhundert. und Delphi, das dem Herodotos so reiches material geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben.

ArgosIm Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und eine groſse zahl von chroniken in versen und prosa als die alte capi - tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. daſs die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismäſsig jung ist, haben die ausgrabungen gelehrt. immerhin besaſs selbst ein minder bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so wichtige urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen.

ArkadienArkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens. doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schatz von ur - kunden und traditionen; das früh demokratisirte Mantineia kam vielleicht mehr noch für νόμοι als für die πολιτεία in betracht. Aristoteles konnte tegeatische urkunden bereits benutzen (Plut. qu. Gr. 5)17)Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264., auch machen die reste der tegeatischen schriftsteller Ariaithos (oder Araithos) und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters. 18)Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, Iollas, Agaklytos, Istros, Aristodemos, Polemon.

ElisElis besaſs, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo - kratie zu macht gelangt war, eine groſse bedeutung und auffallend starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so groſse zahl von schriftstellern wie kaum über eine andere landschaft.19)Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar - kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9, Pomtow Beitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die einzelpolitien die neue organisation des Epaminondas, die κοινὴ πολιτεία, die gar keine historische einleitung hatte (Harpokr. μυϱίοι). von der Μαντινέων ist zu - fällig nichts erhalten, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie. und16)geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er die ionische wanderung erzählte. ein par schriftsteller πεϱὶ Ἀχαίας sind obscur und sicherlich nicht alt.23Elis. Korinth.durch die urkunden des tempels muſste Olympia für alle Hellenen, insbesondere die Peloponnesier, eine schatzkammer der wertvollsten über - lieferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der städtischen jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine zählung statt einer benennung der jahre ermöglichte, und darum hat sie Eratosthenes befolgt. im übrigen hat diese einführung einer rech - nung, die strenggenommen statt des jahres das quadriennium als einheit einführt, die chronologie mehr verwirrt als vereinfacht. 20)Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen chronik auf stein publicirt (CIA II 978), erst eine übersicht der kampfspiele, nach der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die olym - piaden genannt, keine synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht gewirkt.

Eine ähnliche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechendSikyon wesentlich musischen inhaltes, besaſs Sikyon, und sie ist schon vor Ari - stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene königsliste zeigt, daſs eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der reichen novellistischen überlieferung, die Herodotos wiedergibt, scheint nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein.

Auch für Korinth bezeugen die listen der könige, die stemmata derKorinth Bakchiaden, treffliche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen der Kypseliden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine familie hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar angesetzt. nachdrücklich hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides) das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die Herodotos gibt, in schutz genommen, und wir werden ihm zu glauben verpflichtet sein.21)Sprüchwörter wie Διὸς Κόϱινϑος, Μεγαϱέων δάκϱυα, δέχεται καὶ βῶλον Ἀλήτης sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk - lich aus korinthischer tradition. aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie sie die kunstwerke des sechsten jahrhunderts lehren, entspricht, steht das fehlen jeder korinthischen schrift aus den jahrhunderten 5 3 schroff gegenüber.22)Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos Κοϱινϑιακά von Diodoros und schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher. ein weiſser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge - dächtnis ausschlieſslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö. ) erhalten ist. es war eine reiche groſse stadt der krämer und der huren. 24I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.οὐ παντὸς ἀνδϱὸς εἰς Κόϱινϑόν ἐσϑ̕ πλοῦς: Aristippos geht dahin zu Lais, und Diogenes. natürlich: der Kapuziner gehört in die stadt der sünde. Byzantion und Tarent, auch dorische handelsstädte, zeigen das - selbe abstoſsende gesicht. wir wissen denn auch so gut wie nichts über die spätere korinthische geschichte.

SpartaÜber Sparta würde sich um 400 ein sehr schönes buch haben schreiben lassen; die liste der ephoren war seit der mitte des achten jahrhunderts aufgezeichnet, und daſs sie bloſs aus den nakten namen bestanden hätte, wird nicht leicht jemand probabel machen. alte ur - kunden fehlten nicht, wie die rhetra beweist23)Unsere jetzige kenntnis zwingt uns, bei einem von diesen pamphletisten die rhetra und die inschrift des diskos zuerst aufgezeichnet zu glauben, dem sie dann Aristoteles verdankt. jene pamphlete waren, nachdem Aristoteles und Ephoros sie benutzt hatten, genau so verschollen wie der συμβουλευτικὸς des Theramenes. wer das excerpt des Herakleides genau interpretirt, sieht, daſs Aristoteles damit anhob, die streitfrage zu erörtern, in wie weit die verfassung lykurgisch wäre; dabei muſs gelegentlich Alkman erwähnt sein, vermutlich bei einem citate. dann ward das per - sönliche des Lykurgos behandelt, wobei seine zeit durch den diskos bestimmt ward, und vorsichtig abgehandelt, was man ihm von speciellen bestimmungen zuschrieb. die ephoren waren nicht mehr darunter. endlich folgte eine schilderung des βίος Λακωνικός. an welcher stelle die rhetra stand, kann ich nicht mehr erkennen., eine reiche epichorische poesie war erhalten, der cultus und die sitten selbst zeugten von der ältesten zeit. aber, wie Thukydides klagt, wollten die herren des ver - knöcherten adelsstaates das spartanische prestige durch das tiefste ge - heimnis erhalten. Herodotos hat nur wenig in Pitane erfahren; dem Hellanikos überlieſs man die liste der Karneensieger24)Trotz E. Meyer kann ich nicht umhin diese für ein sehr altes actenstück zu halten, die voraussetzung der elegischen metaphrase, und Babyka und Knakion sollten das zu beweisen genug sein. erfand die verschollenen locale ein delphischer schwindler? mit dem dialekte zu operiren vermag ich nicht; daſs er nichts spe - cifisch lakonisches oder delphisches hat, liegt auf der hand. eben so steht es mit den elegien, für die schon ihre variirende fassung die herkunft aus dem volksmunde garantirt. wenn vollends junge wörter wie δουλεία (Solon) ἐλευϑεϱία (Pindar, Simonides) ὁμόνοια (Antiphon der sophist) orakel discreditiren sollen, so hört der spaſs auf., sonst ist auch er kärglich abgespeist. man spürt es in den lücken der spartiatischen geschichte nur zu deutlich, daſs der adel das licht, das er selbst zu scheuen grund hatte, auch seinen würdigeren ahnen entzogen hat. dafür trat seit 400 die polemische litteratur der pamphlete ein, die für und wider die oligarchie geschrieben wurden: das ist die quelle für unsere kenntnis der spartiatischen verfassung, und sie war es schon für Ephoros25Sparta. Kreta.und Aristoteles.25)Hellanikos hatte als Lesbier an seinem landsmanne Terpandros ein beson - deres interesse und hat wol die verantwortung der hohen schätzung desselben zu tragen, in der ihn die neueren noch weit übertreffen. diese haben sich nicht klar gemacht, daſs so ziemlich alles was sie von ihm hören auf combination beruht. seine verse sind schon im altertum athetirt, über seine musikalischen compositionen, die allein der berufene νόμος angeht, können wir nicht urteilen, weder was seine ur - heberschaft noch was seine verdienste angeht. die διαδοχή der musiker kann gar keinen höheren wert beanspruchen als die der dichter oder philosophen. seine poli - tische tätigkeit ist erweislich fabel. was bleibt? es ist bezeichnender weise hier wirklich fast nur die πολιτεία, um die sich alles dreht, von der geschichte erfahren wir kaum etwas: denn Lykurgos und Theopompos kommen eben für die verfassung in betracht. erst im dritten jahrhundert hat Sosibios26)Ich kann noch eben den irrtum berichtigen, daſs der Lakone Sosibios mit dem lytiker identisch gewesen wäre, dank Wachsmuth (de Erat. Apoll. Sosibio Leipzig 93). aber ihn für jünger als Eratosthenes zu halten, ist mir unmöglich. nach der losreiſsung der Eleutherolakonen, in dem verfallenen Sparta nach Nabis scheint er mir undenkbar, und ich vermag auch keinen zwang in Wachsmuths wahr - scheinlichkeitsbeweisen zu sehen. Sosibios paſst vielmehr vortrefflich in die zeit des Kleomenes. dagegen stimme ich in der beurteilung des sosibischen gutes bei Pausanias mit Wachsmuth überein, denke eher noch etwas skeptischer, namentlich über die ersten capitel des dritten buches. directe benutzung wird er selbst nicht annehmen. seines vater - landes altertümer in sehr dankenswerter weise erläutert und auch die geschichte zu ordnen versucht. aber die fehlende geschichtliche über - lieferung vermochte der gelehrte sammler nicht mehr zu ergänzen. ich wenigstens betrachte selbst die königsliste als ein unzuverläſsiges ge - mächte auf grund der herodoteischen genealogien.

Noch sehr viel mehr als Sparta hatte Kreta die fühlung mit derKreta hellenischen cultur verloren. die insel, welche weder das attische Reich noch die lakonische vorherrschaft in ihre kreise gezogen hatten, war von der tyrannis und der demokratie, von der ionischen und sicilischen auf - klärung verschont geblieben; Platon wuſste, daſs die Kreter noch um 360 den Homer kaum kannten. sie hatten aber auch keine eigene poesie, wenigstens keine, die den Hellenen bekannt oder verständlich war.27)Dieser mangel an contact mit der hellenischen cultur genügt allein dazu, daſs man in dem verfasser der Theogonie des Epimenides nicht einen wirklichen Kreter suche. den kretischen Zeus, den sie verherrlichte, hatte doch Hesiodos auf dem Helikon schon gekannt, und die figur des propheten sammt der fiction, die das gedicht zu - sammenhielt, ist nach Kreta versetzt eben um des Zeus willen; übrigens stellen barbarische gegenden, wie Akarnanien und Epeiros gerne die seher. Karnos (dessen name nichts als der eponymos der Akarnanen ist) war ja auch ein seher. man26I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.möchte wol den forschungsreisenden kennen, der einmal dorthin gezogen ist und von den halbbarbaren gastlich aufgenommen28)Die gastfreiheit hebt Aristoteles in der kretischen Politie hervor (Herakl. am ende); in der Politik (B 1272b) gibt er mit feiner wendung die begründung, ξενηλασίας τὸ πόϱϱω πεποίηκεν. in den sitten und der gesellschaftsordnung zustände fand, die er sich berechtigt hielt für das originale Dorertum zu halten. mit ächt hellenischer beobachtungs - gabe hat er geschildert was er mit eben so ächter auffaſsungsgabe beobachtet hatte, und sein werk hat dem greisen Platon die anregung zu der fiction seiner Gesetze gegeben und dann dem Ephoros und Ari - stoteles das material zu ihren schilderungen geliefert. ich rede von einem berichterstatter, da die nachrichten, so weit sie die kretischen zustände angehn, einen einheitlichen eindruck machen, mag es auch mehrere darstellungen gegeben haben, den Atthiden analog.29)Ephoros verweist auf mehrere entgegenstehende meinungen, operirt mit σημεῖα, mit sprüchwörtern ( Κϱὴς τὴν ϑάλασσαν), Homerexegese u. dgl., ganz wie die Atthis des Aristoteles. da für ihn die vergleichung der kretischen verfassung mit der lakonischen ein hauptgesichtspunkt war, und er beide ziemlich gleich dar - stellte (Polybios VI 45), so liegt nahe zu glauben, daſs das interesse für Spartas verfassung, das in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts so rege war, auch jenen forschungsreisenden nach Kreta getrieben hat. aber wer war es? kretische ge - schichte konnte jener mann freilich nicht geben30)Aristoteles und Ephoros operiren mit den epischen traditionen, Rhada - manthys Minos Idomeneus. Althaimenes stammt aus argeiischer sage, Thaletas aus lakonischer. die fragmente 518. 519 hat Rose ohne grund in die kretische Politie gerückt. das erste geht dem chalkidisch thebanischen Rhadamanthys an, der den Herakles erzogen hat, das andere erklärt eine angeblich heroische sitte (die pyr - rhiche) aus einer kretischen, wie die Poetik (25) eine epische vocabel durch ihre kretische epichorische bedeutung erläutern will. die εὑϱέται Κούϱης und Πύϱϱιχος (Strab. 480) wird Ephoros selbst erfunden haben., und als die Ptole - maeer Kreta mit gewalt aus seiner vereinzelung aufrüttelten, sahen sich die nun erstehenden kretischen localhistoriker, Dosiadas und andere, genötigt die lücke mit mythischen fabeleien zu füllen, denn selbst helden - sage wuſsten sie nicht zu finden. die insel aber gieng von der archaischen naiven barbarei unheimlich schnell in die abscheulichste culturbarbarei über. ihre wirkliche bedeutung liegt nur in der zeit des Minos.

Die dorischen inselnDie kleinen dorischen inseln Kythera Melos31)Die angabe über das alter der kolonie Melos kann Thukydides (5, 84) sehr wol aus der peloponnesischen tradition, also der von Argos, haben. Thera Anaphe32)Die Argonautensage von Anaphe (Isyll. 92 Knaack Callimachea Stettin 87) stammt nicht aus epichorischer aufzeichnung, sonst würde der gott wie in Anaphe27Die dorischen inseln. Groſsgriechenland.Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachgewachsene chronik und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande, Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste stätte der archaischen cultur; damals war für prosaische schriftstellerei noch nicht die zeit. dann aber zerstörte Athen die gefährliche rivalin, und die herstellung des staates 403 ist nicht im stande gewesen, ihn lebens - fähig zu machen. die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer - schlagen und zerstreut.33)Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen familien und heilig - tümer die ersichtlich spätgrammatischen schriften von Theagenes und Pythainetos πεϱὶ Αἰγίνης mit wenig nutzen consultirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach - komme der alten Βασσίδαι auſspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem Pindar. die groſsen dorischen inseln an der karischen und lykischen küste sind geistig ionisirt; aber wie für ihre politische so auch für ihre geistige bedeutung war die centralisation die not - wendige vorbedingung, die 411 die stadt Rhodos, 366 die stadt Kos schuf. erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua - rischen altertümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen: eine höher hinauf reichende geschichtliche uberlieferung hat es nicht gegeben. 34)Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen Ὀφιοῦσσα. diese fabelhaften ur - namen, die es für die meisten inseln und manche städte gibt, und die bei den geo - graphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein, keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen. fgm. 569 hat Rose ohne grund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition, was die Politik über Kos und Rhodos bringt (E 1302 und 1304) ist bisher un - genügend erklärt, scheint aber das vierte jahrhundert anzugehn. die bedeutung der synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt.

Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte habenKyrene können, hat sie aber nicht erzeugt. 35)Aristoteles hat in dieser Politie vorwiegend den Herodotos benutzt, wie der auszug lehrt. die schriften πεϱὶ Κυϱήνης haben geschichtlich kaum etwas brauchbares hinterlassen.

Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischenGroſs - griechen - land tradition eine sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos, daſs er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Antiochos von Syrakus nicht etwa bloſs die chronik seiner heimat, sondern die archaeo -32)Asgelatas heiſsen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.28I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.logie des neuen Hellas. er stammt aus der stadt, die von allen dorischen allein die heimische mundart in poesie und prosa ausgebildet hat, und doch schreibt er ionisch. in Westhellas sind eben die träger der geistigen cultur die chalkidischen städte, und wer die fülle der überlieferung über - schaut, wird nicht bezweifeln, daſs chalkidische chronisten dem Antiochos die anregung gegeben haben, mögen sie auch für uns verschollen sein.36)Ein solcher name ist Hippys. das buch, das um 250 unter seinem namen gieng, war aber nicht mehr original. was gegen meine kritik (Herm. 19) eingewandt ist, scheint mir einer ernsthaften widerlegung nicht zu bedürfen. die ionischen städte sind im westen gerade während des fünften jahr - hunderts erdrückt worden, aber sie haben von ihrem geiste den Achaeern und Dorern, ja auch den Italikern mitgeteilt. Sybaris, achaeisch der race nach, aber mit Milet eng durch freundschaft verbunden, ist schon im sechsten jahrhundert zerstört, und doch kennt schon das fünfte sybaritische geschichten als litteraturgattung. im westen, wohin das epos nicht mehr gedrungen ist, hat sich die prosaerzählung früher und stärker ausgebildet, und welche fülle von novellenfiguren tritt uns hier entgegen, Euthymos und Milon, Smindyrides und Amyris, Pythagoras und Empedokles, Phalaris und Malakos. deutlicher als irgend wo sonst sehen wir die mythischen gründungssagen, voll von geschichtlicher erinnerung, und die urkundlichen daten neben einander liegen. das ist direct freilich zumeist timaeisches gut, aber der gelehrte sammler fuſst auf älterer litteratur und beweist am besten, daſs die zeit der aufzeichnung für das alter der überlieferung ein unzureichendes kriterium ist. Aristoteles hat über den westen begreiflicher weise nicht viel gegeben37)Was wir von seinen Politien der Geloer und Akragantiner hören, geht vorwiegend die groſsen tyrannen an, stammt also aus der politischen geschichte. über Rhegion weiſs er ausgezeichnetes; natürlich gab es in der ionischen stadt eine chronik., und wir hören davon wesentlich durch die erbitterte kritik des Timaios. dagegen muſs er über die städte des ionischen meeres Epidamnos Apollonia Korkyra Ithaka Kephallenia ganz besonders ergiebige von niemand sonst benutzte überlieferung zur verfügung ge - habt haben; sowol die Politik wie die Politien lehren es, und selbst Timaios ist ihm hier in manchem gefolgt. die euboeischen historiker dürften die vermittler gewesen sein, da Euboeer die vorläufer der Korin - ther im ionischen meere gewesen waren, während die achaeischen und dorischen orte selbst fast culturlos waren. 38)Der Chalkidier Dionysios (Plut. de malign. Herod. 22) kennt eine korky - reische urkunde. auch bei dem Epiroten Proxenos, der zu Pyrrhos zeit schreibt,

29Massalia. Ionien.

Aber Massalia im äuſsersten westen ist eine Ionierstadt und hatMassalia sich seiner herkunft würdig bewiesen. am besten beweisen es seine groſstaten auf wissenschaftlich geographischem gebiete, der alte peri - plus, Euthymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch schriftlich fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab. 179), und es gab auch eine massaliotische geschichte. die reizende gründungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem volksmunde, und er ist auch in der Politik in der lage, über die ver - faſsungsgeschichte mehreres beizubringen. 39)In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut multa de Massaliotis, Hermocaicoxanthus qui supplicabatur dominum caelorum (so die arabische übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. Berl. Akad. 19 jan. 1888): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift Ἑϱμοκαι - κόξανϑος εὐξάμενος Διί, und weiſs nicht, wie Diels zu ἐπεύχεσϑαι und Διὶ πατϱὶ kommt. ich kann also nur glauben, daſs bei den Massalioten verdrehte dreifach componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese inschrift irgendwo in Hellas gesehen und belacht haben, oder seine schüler haben davon erzählt. der name ist verdreht, aber Εὐδάμιππος, Εὐξένιππος, Ἱππαϱμόδωϱος sind es nicht minder und geben auch drei glieder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter - pferd, die fiction des adels, gewöhnt. Κηφισόδημος Λυσίδημος Θούδημος sind auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach. die massaliotische onomatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie nicht war.

Nun endlich das östliche eigentliche Ionien, das Ionien Homers,Ionien die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten. die namentlich und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift - steller reichen bis in das sechste jahrhundert und einzelne wenigstens haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst38)weist manches nach Euboia. der localhistoriker Athanadas von Ambrakia (Anton. Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die zerstörung durch Acilius Glabrio wird er freilich sein. daſs Korkyra so ganz für die cultur ausfällt, gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert. ein weiſser rabe, der tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von Pleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden. hätte Korkyra seine schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage. aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste zu der berückenden weichen schönheit der Phaeakeninsel. ohne Αἰδώς und Δίκη wächst eben selbst im paradiese nichts als obst.30I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.gestellten die geschichte der eigenen heimat zur aufgabe wählen, Ion von Chios und noch den peripatetiker Duris von Samos. die Aeoler von Lesbos und Kyme40)Noch Menekrates von Elaia, ein schüler des Xenokrates, schreibt κτίσεις seiner aeolischen heimat (Strab. 572 u. ö., immer aus Demetrios von Skepsis). stehen den Ioniern gleich, und diese zeigen dieselbe regsamkeit auf den Kykladen, am Hellespont und im Pontos41)Schriftsteller aus älterer zeit (wie später namentlich Demetrios von Kal - latis) kenne ich nicht, aber die gründungsdaten sind zum teil erhalten, und Aristo - teles verfügt über historisches material selbst aus Phasis und Istros. wie in den zwölfstädten der küste; am Pontos nimmt aber auch die megarische pflanzstadt Herakleia einen ehrenplatz auf allen gebieten des geistigen lebens ein.42)Hier steht im dritten jahrhundert selbst die chronik des dichters Phere - timos neben der des staatsmannes Nymphis. da die stadt erst in der mitte des sechsten jahrhunderts entstanden ist und dauernde nahe beziehnung zu Athen unter - halten hatte, ist es nicht wunderbar, daſs sich gute überlieferung in geschichtlicher form erhalten hatte, bis sie aufgezeichnet ward, und schon vorher Aristoteles und andere über die herakleotischen verhältnisse orientirt waren. wie wichtig die stadt diesem erschienen ist, vgl. I 10. daſs wirklich zeitgenöſsische chronikartige auf - zeichnungen und viele alte urkunden vorhanden waren, versteht sich eigentlich von selbst. zufällig erhaltene stücke, wie über die gründung von Ephesos aus der dortigen und der siphnischen tradition43)ὧϱοι Ἐφεσίων Athen. VII 361, ὧϱοι Σιφνίων VI 267. oder die schiedssprüche im Athenatempel zu Priene, liefern auch greifbare belege. für manchen ist vielleicht bezeichnender, daſs Aristoteles in der samischen Politie das erscheinen einer weiſsen schwalbe, so groſs wie ein rebhuhn, notirt.44)Herakl. 31 ἐφάνη λευκὴ χελιδὼν οὐκ ἐλάττων πέϱδικος. der iambische trimeter ist durch zufall entstanden; es ist keiner für altionische metrik. dieselbe tatsache aus den anonymen ὧϱοι Σαμιακοί bei Antig. Karystr. Parad. 120. das er - scheinen der ersten weiſsen tauben berichtete Charon in seiner lampsakenischen chronik, Athen. IX 394. aber die lust zu fabuliren, die freude an dem spiele der phantasie und dem bunten leben, die Ionien als erbe Homers besaſs, ist für die rein geschichtliche überlieferung verhängnisvoll ge - worden. die schriftstellerei stand im zeichen der novelle, als sie die geschichtliche überlieferung zu behandeln begann, der subjectivismus und rationalismus trat hinzu, und so sind gerade die ionischen traditionen für den historiker mindestens viel schwerer verwendbar geworden als die nakten namen und daten aus anderen orten. schon wenn wir die lydische geschichte und die ionische, so weit sie herangezogen wird, bei Herodotos lesen, werden wir oft bedenklich (obwol die schlacht bei Lade31Ionien. fortleben der novelle.den eindruck einer weit gröſseren glaubhaftigkeit macht als die bei den Thermopylen). wie viel ängstlicher muſs uns nicht zu mute sein, wenn wir etwa von Pindaros und Pythagoras von Ephesos oder den Gergithes von Milet bei Aelian lesen? in der tat ist die altionische geschichte für den historiker fast verloren, und noch scheint es nicht, als wollte sie der boden uns zurückschenken. dafür ist sie in das reich der poesie übergegangen und hat dort eine lebenskraft bewiesen, vergleichbar nur der heldensage.

Ionien hat gleich nach der befreiung durch Alexandros einen neuenFortleben dieser tradition aufschwung genommen, in einem bewuſsten und berechtigten gegensatze zu der bevormundung durch Athen und seine litteratur. die schönste blüte dieser bewegung ist die erneuerung der elegie und des iambos. die elegie aber griff auf die novellistisch gewordene geschichte, auf die archaeologie zurück. diese romantische litteratur ist den πολιτεῖαι der peripatetiker genau so analog, wie die wissenschaftlich philologische arbeit des Kallimachos und Eratosthenes der wissenschaftlich aesthetischen des Aristoteles und seiner schüler. so sind denn auch ihre quellen oft geradezu dieselben.45)Die erhaltene erzählung aus dem Apollon des Alexandros von Pleuron ist geradezu ein capitel der Μιλησιακά so wol im sinne der alten königsgeschichte wie in dem der erotischen novelle. es gehn auch versuche nebenher das epos zu erneuern, und die archaeologie ganzer landschaften oder einzelner städte so zu verarbeiten. Μηϑύμνης Ῥόδου κτίσεις, Θετταλικά, Μεσσηνιακά: das verhält sich zu den αἴτια des Kallimachos wie Ephoros zu Aristo - teles. das zweite jahrhundert bringt noch viele nachzügler auf allen gebieten, Βιϑυνιακά des Demosthenes, die schriftstellerei des Nikandros über Aetoler Oetaeer u. dgl., ausgeartete πολιτεῖαι, wie seine verse aus - geartetes epos sind. im ersten jahrhundert gibt Alexandros von Milet in höchst anerkennenswerter weise groſse compilationen über die ar - chaeologie von Karern Lydern Juden und andern hellenischen und halb - hellenisirten stämmen. aber weder die poesie noch die wissenschaftliche schriftstellerei der gelehrten ist volkstümlich geworden. dagegen wuchertFortleben der novelle die novelle fort, mit dem aus einer ionischen wurzel erwachsenen Helle - nismus bis nach Seleukeia am Tigris und Ptolemais am Nil verbreitet. mitten in der schlimmsten zeit des ausgearteten barokstils begegnen uns wieder die Λυδιακά des Skytobrachion. eine zeitgemäſse bearbeitung des alten Xanthos wollten sie sein: es ist der historische roman, berechnet lediglich auf das ergetzen des publicums. auch Μιλησιακά treten wieder auf, von Aristeides, nicht mehr als geschichtsbuch, sondern als roman,32I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.mit einer erotik, die für einen derberen gaumen berechnet war als die romantische elegie, und keinesweges deren tochter. sie stammt vielmehr genau so direct und so rein von der alten novellistischen geschichte ab wie die Ephesier, die sich dem Mithradates ergaben, von dem volke, das unter den Basiliden gestanden hatte. ob sie schon durch Aristeides den entscheidenden schritt getan hat, die mythischen namen ganz abzustreifen, verstattet unsere kümmerliche überlieferung nicht zu erkennen: bald ist es jedenfalls geschehen, sonst würde Petrons matrone von Ephesos den namen einer fürstin des siebenten oder sechsten jahrhunderts tragen.46)Nachdem dieses geschrieben war, ist in den resten von Ἀσσυϱιακά, oder Βαβυλωνιακά, wie immer der titel hieſs, die Wilcken veröffentlicht hat (Hermes 28), ein erwünschter beleg hinzugetreten. da sind die träger der erotischen fabel, die den späteren recht ähnlich ist, noch Ninos, Semiramis und ihre umgebung. der roman steht innerlich wie zeitlich zwischen der älteren historie und den sophistischen ἐϱωτικαὶ διηγήσεις. ich wüſste ihm nichts besser zu vergleichen als die reste der ersten bücher des Nikolaos, die ihm auch zeitlich am nächsten stehn dürften. aber die herkunft der griechischen romane aus der alten erzählungs - litteratur ist deutlich genug. wo die alten träger geblieben sind, wie Pythagoras Aesop die Sieben weisen, liegt es auf der hand. bei den erotischen erzählungen verkennt man es leicht. die sophistik der kaiser - zeit hatte sich eingebildet, eine neue veredelnde form gefunden zu haben, und wie sie die motive der komoedie zu mehr oder minder albernen briefen von hetären parasiten bauern und fischern verbrauchte, wobei die locale attische farbe gar oft verloren geht, so bewahren ihre ero - tischen erzählungen, berechnet für den öden salon einer vorkommenden gesellschaft, nur hie und da ein par locale züge.47)Chariton fingirt die zeit des peloponnesischen krieges, der lateinische roman von Apollonius führt sogar die personen der diadochen ein: den spätlingen waren jene zeiten so ferne vorzeit wie Ninos und Kroisos der zeit des Nikolaos. das local ist meistens die hellenische ostküste des Mittelmeeres. so gerät man in regionen, die von aller historie ganz fern liegen, wenn man einen zweig der geschichtlichen überlieferung durch die jahrhunderte litterarisch ver - folgt. um so weniger wollen wir hier auf die metamorphosen einen blick werfen, die die hellenistische novelle auſserhalb von Hellas erlebt hat. zu Aristoteles zeiten waren die Μιλησιακά noch durchaus historie, λογο - γϱαφία, so gut wie das werk des Herodotos, vermutlich annalen, so gut wie die Atthis.

ErgebnisGelehrt hat dieser überblick der tradition vielleicht nur die etwas, welche in der lage waren, sich bei der einzelnen stadt oder land - schaft die hauptsachen von der über sie erhaltenen überlieferung ins33Ergebnis.gedächtnis zurückzurufen. in diesen fall aber möge sich jeder setzen, der mit der hellenischen geschichte mehr als sophistisches spiel treiben will. so weit die historie erzählung der ereignisse ist, krankt unsere überlieferung bis 432 wirklich an einem unersetzlichen mangel an ma - terial. so weit es aber die darstellung des zuständlichen und die er - klärung gilt, wie dieses geworden sei, ist der mangel an material ein mangel der methode. da muſs die wissenschaft besser suchen lernen und muſs die scheidekünste gegenüber dem gestein, das in unsern schächten bricht, vervollkommnen, statt es als taub auf die halden zu werfen. lernen wir die sagen, die novellen, die tendenzschriften besser verstehn als Aristoteles. vor allen dingen aber begreifen wir und be - herzigen wir die notwendigkeit den zugang zu den besten, den wahr - haften quellen zu eröffnen, der localen überlieferung. Aristoteles ist keine quelle mehr, er hat sich nur als ein canal herausgestellt; aber was er bietet ist zum besten teile quellwasser, und heute wie vor jahren gebe ich die parole für die griechische geschichtsforschung aus: nicht die weltgeschichte des Ephoros, sondern die Politien des Aristoteles sind das vorbild für unsere eigene arbeit.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 3[34]

2. DIE POLITIE DER ATHENER VON KEKROPS BIS SOLON. 1)Es war undurchführbar, in den darstellenden capiteln 2 4 im einzelnen auf die begründenden untersuchungen zu verweisen, die im drucke auf sie folgen. den ersatz liefern die register.

Die burg der Kekroper.Die steine der burg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren selbst die sage vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten die Kekroper in kleinen häuschen, und der palast ihres königs stand etwa da, wo die zeit Kleophons das Erechtheion gebaut hat. die burg hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlosse, und eine schmale treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg μακϱαί) und weiter zur Klepsydra. am nordfuſse des burgfelsens rann der fluſs, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein reines naſs schöpften die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem Athenatempel zusammenstöſst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand selbst, daſs der baumeister auf einen raum darunter rücksicht nahm, das grab des Kekrops. kein zweifel, daſs dieses grab die gebeine eines alten herren des schlosses barg oder birgt. noch heute kann der andächtige blick die male schauen, die der dreizack Poseidons in dem burgfelsen zurückgelassen hat, und ist auch Athenas ölbaum verschwunden, so ist doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der Agrauliden seiner wartete. auge und hand kann fühlung nehmen mit einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten tempel baute. damals sproſs noch der heilige ölbaum und stand noch der hausaltar der alten könige des schlosses. die continuität ist in Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten hatte als die tatsache der continuität.

35Die burg der Kekroper. das volk Athenas.

Die burg von Athen ist ihrer anlage und bauart nach ein erzeugnis derselben periode wie die von Tiryns, Orchomenos, Arne und viele andere, in Attika namentlich Eleusis und Thorikos. ihre herren haben die kekropische ebene beherrscht; das ist nicht wenig für jene zeit der vielen kleinen burgherren. aber wirkliche staaten oder städte kannte jene zeit noch nicht. jenseits der niederung im südwesten, die damals entweder meer oder lagune war (das ἁλίπεδον), erhob sich schon eine andere solche burg, Munichia, und an den abhängen des Parnes und Brilettos werden sie nicht gefehlt haben. es hat der zeit und der arbeit und der kämpfe vieler generationen bedurft, bis sich über den trümmern dieser burgen die stadt Athen, und über den kleinen politischen ein - heiten der staat der Athener erhob. auch diese zeiten und kämpfe sind verschollen, und auch von ihnen ist nur im gedächtnisse geblieben, daſs die continuität nie abgerissen ist, während überall ringsumher, in Boeotien und Euboia, Megara und Aigina, und im ganzen Peloponnes fremde eroberer den geschichtlichen fortschritt bringen. in langem ruhigem stillem wachstum ist das edelste reis des hellenischen gartens auf dem felsen Athenas gediehen.

In diesen zeiten des werdens ist das königtum oder vielmehr dieDas volk Athenas. monarchie zu grunde gegangen und die souveränetät der gemeinde (δῆμος) entstanden. in die gemeinde aber sind die herrschaften alle aufgegangen, die vorher neben einander in Attika bestanden, auch die der burg, und sie am entschiedensten, denn sie hat sogar ihren namen eingebüſst. sie heiſst nun wie die gemeinde; die gemeinde aber ist die der Athena - hefohlenen, und stadt und burg heiſst nur nach der hohen himmels - göttin, die ganz eigentlich in das alte fürstenschloſs eingezogen ist, die wirkliche nachfolgerin der alten könige. Ἀϑηναῖος ist nicht anders gebildet als Ἑκαταῖος Διονύσιος, und nur die gewohnheit, darin eine ortsbezeichnung zu hören, läſst die eminente bedeutung der tatsache übersehen, daſs die zugehörigkeit zu Athena zugleich die herkunft aus Athen bezeichnet. nur Platon mit seinem gefühle für die religion seiner väter empfindet Ἀϑηναῖος wegen des göttlichen namens als eine ehrende bezeichnung.2)Ges. I 626d, wo er den anonymen Ἀϑηναῖος einführt, der eben dadurch als typus charakterisirt werden soll, daſs er verdient Ἀϑηναῖος zu heiſsen, daſs Athenas geist auf ihm ruht. sehr hübsch ist es, wie hundert jahre später daraus gemacht ist, es gäbe in Athen zwei sorten einwohner, die Ἀϑηναῖοι, die dem ruhme des alten namens entsprächen, und die Ἀττικοί, die alle übeln eigenschaften hätten, die man den Athenern nachsagte (Herakleides der Kritiker 4). das land hieſs bei dem namen der bürgerschaft entspricht der der stadt,3*36II. 2. Von Kekrops bis Solon.Ἀϑῆναι3)Die pluralbildung ist dieselbe wie in Θῆβαι Πλαταιαί, aber nur grammatisch dieselbe, denn neben diesen stehn auch die singulare in localer bedeutung, und die ortsnymphen sind gegenüber den städten secundär, während Ἀϑῆναι von Ἀϑήνη gebildet ist, dem namen, den die nicht-ionischen Hellenen als Ἀϑάνα festhalten und auch die attischen dichter in gehobener rede anwenden. die brechung des a ist jünger als sein ersatz durch Ἀϑηναία, in dem, wenn es nicht wirklich darin steckt, der Athener wenigstens nur das ethnikon finden konnte, einerlei ob ϑεός oder παϱ - ϑένος dabei zu ergänzen ist., der statt einer ableitung wie Ἡϱαία, Ἀπολλωνία nur den plural des gottesnamens verwendet, und zwar in einer form, die in Athen zu gunsten der ableitung fallen gelassen ist, so daſs die göttin von den Athenern nur göttin oder Athenerin genannt wird. keine andere stadt in Hellas hat es vermocht, in dieser weise eine der groſsen gottheiten zu ihrer vertreterin zu machen. heroen wie Korinthos und Miletos, Theba und Aigina, haben kaum etwas körperlichkeit erlangt; die Hera von Argos, die Kora von Syrakus, die götter der verschiedenen Apollonia haben nie das wesen der allgemeinen götter beeinfluſst, die vielmehr alle nur nebenher diese und jene stadt besonders vertreten. Athena ist die jungfräuliche und streitbare stadtgöttin vieler orten rings um Athen, in Aigina, Korinth, ja selbst bei den eingewanderten Boeotern.4)Sie haben ihr bundesheiligtum am Athenatempel zu Κοϱώνεια, das am Κωϱάλιος liegt, das ist stadt und fluſs der κόϱη, κοϱώνη. denn ich meine sowol κοϱώνη wie Κοϱωνίς richtiger als früher zu fassen, wenn ich es nur als weiter - bildung betrachte. παϱϑένος heiſst Athena oft, und παλλάs bedeutet auch nur das mädchen und ist wol bei Homer noch nicht toter eigenname. es gehört zu πάλλαξ πάλληξ παλλακή παλλακῖνος. die Athenabilder heiſsen παλλάδια, weil sie κόϱαι sind, und auch andere weibliche idole können passend so heiſsen. es ist wie κόϱη auch nur ein femininum zu ἀνδϱιάς. wenn sie zu Athen ein so viel näheres verhältnis gewonnen hat, so vermag man sich der vermutung nicht zu erwehren, daſs dabei ein be - wuſster wille tätig gewesen sei. die einigung der landschaft Attika ist die voraussetzung der athenischen geschichte, und sie ist erzielt, ehe unsere2)den umwohnern Ἀκτή (darüber mehr zu cap. 5), davon ist Ἀττικός gebildet, und die die gesinnung oder sprache Athens drauſsen teilen ἀττικίζουσιν, und wie die weiterbildungen sonst sind. weil das ττ aus κτ entstanden ist, tritt nirgend σσ dafür ein auſser bei solchen, die der sprache gewalt antun wie Euphorion 27. der lautwandel fordert eine erläuterung, denn er ist anomal. ganz ebenso steht τϱιττύς τϱιττόα für τϱικτύς, ὡς τετϱακτύς, dies unter dem einflusse von τϱιττός τϱισσός, ἀττικός unter dem von Ἀτϑίς, einem ganz correcten hypokoristikon von Ἀϑηναίς, das sehr alt sein muſs, da der letzte radical noch verdoppelt ist, als mädchenname bei Sappho belegt, für athenisch, wie es scheint, erst bei Euripides. Thukydides nennt die Ἀττικὴ συγγϱαφή des Hellanikos so, nicht Ἀτϑίς. bei Hesych steht Ἀττίς Ἀϑῆναι: das hat wol ein künstelnder poet gesagt.37Das volk Athenas.geschichtliche überlieferung beginnt. es erscheint trotz allen regionalen gegensätzen und kämpfen undenkbar, daſs sich der Aphidnaer oder Brauronier anders denn als Athener fühlte. sie wollen wol alle herrschen, aber über Athen und Attika. diesen ungeheuren fortschritt der politi - schen empfindung, den in Boeotien und Ionien höchstens einzelne be - deutende männer wie Epaminondas oder Hekataios für sich machen, hat das attische volk so früh erreicht. das festjahr, das von den Κϱόνια, dem gedächtnis der staatlosen zeit, zu den συνοίκια und Παναϑήναια fortgeht, legt von ihm zeugnis ab, und das heiligtum der burg ist wirk - lich das gemeinsame für das ganze volk. sie glauben alle, daſs Athena die göttin dieses volkes und dieses volk ihr auserwähltes ist, was die so zu sagen universale potenz der himmlischen jungfrau und tochter des Zeus noch nicht beeinträchtigt. diesem höheren einigenden glauben, der Athenareligion, hat sich die gesonderte verehrung sowol der einzelnen ortsgottheiten wie der noch so bedeutenden andern götter, selbst der Nemesis von Rhamnus, der Athena von Pallene, der Artemis von Brauron untergeordnet. wenn Athena von alters her die stadtgöttin der burg über dem Eridanos war, so hat ein localcult über alle andern triumphirt. sie wohnt dort so lange, bis ihr Peisistratos ein eigenes haus baut, in dem alten königspalast; sie hat um das land streiten müssen, und ihr priestertum wird von dem geschlechte versehen, das in erster linie dem Poseidon Erechtheus, ihrem gegner, dient. das alles und nicht zum wenigsten, daſs die sage geflissentlich die berechtigung ihrer herrschaft nachweist, führt zu der annahme, daſs sie von der burg wirklich erst besitz ergriffen hat, als herrin des landes, als vertreterin des gesammt - staates, als die trägerin der neuen empfindung, der dann der alte local - cult der burg und ihr alter name weichen muſste. 5)Ein spiel, auch mit sehr scheinbaren einfällen, will ich nicht spielen, will weder Κϱανααί aus Aristophanes als alten namen hervorholen noch der verlockung raum geben, daſs die Athena von Pallene, also auch die herren von Pallene ihren cult auf die burg verpflanzt haben und demnach die einiger Attikas sind. aber daſs Athena von der burg und von Attika erst als landesgöttin besitz er - griffen hat, scheint mir nachweisbar. die sage vom streite mit Poseidon setzt ihre besitzergreifung und die pflanzung der olive in das achte jahr des Kekrops, den streit mit Poseidon in das sechsundzwanzigste (so bei Eusebius, dessen vorlage in der attischen mythologie ganz mit der apollodorischen bibliothek geht. beiläufig: dies zeugnis entscheidet unzweideutig für die auffassung Roberts von der pflanzung der olive wider Petersen), aber wir werden nicht bestreiten, daſs der felsspalt eher da war als die fremde olive. Erechtheus ist eine person von ganz anderer consistenz als Erichthonios, der pflegling Athenas, und die legende von dem kästchen, das die

38II. 2. Von Kekrops bis Solon.

Die er - werbung von Eleusis.Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig war. und die erinnerung ist nicht vergessen, daſs es schon polemarchen gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer - sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen, die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht bloſs die priestertümer in Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h. eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen geschlechter vorsteht.6)Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so sehr anerkannt, daſs der ἐξηγητὴς ἐξ Εὐμολπιδῶν noch für Perikles autorität war; der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist. die vermögensverwaltung der beiden göttinnen ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, daſs sie je für all - gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension, die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äuſserst wertvoll, weil sie beweisen, daſs der anschluſs von Eleusis statt - gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon so complicirte verträge schloſs, daſs die schrift nicht wol entbehrt werden5)Ἀγϱαυλίδες κόϱαι öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd erfunden; immerhin liegt das richtige darin, daſs Athenas verbindung mit Hephaistos, die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt - gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere Palladia und die ἀϱχηγέτις ist sogar die Ἡφαιστία. Athena ist nicht in Athen geboren wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an - spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes. daſs die alte burg dann auch nicht von anfang Ἀϑῆναι geheiſsen hat, folgt mit not - wendigkeit.39Die erwerbung von Eleusis.konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach norden7)Die kleisthenische[kreisordnung], die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet, zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpaſs ist dann noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfaſste, denn er muſs dort den riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen und hieſs ὀϱγάς, ein wort, das nichts mit ἀεϱγός zu tun hat, sondern die ὀϱγῶσα γῆ bezeichnet: wenn die ὀϱγάς gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der bebauung entzogen. unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den groſsen erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570 562), ein vorläufiges ende fanden.

Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen. daſs die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an - zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen in das östliche und westliche meer teilnahmen8)Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias., ist eine durchaus glaub - hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter. die bevölkerung Attikas ist gewiſs von vorn herein nicht eines stammes gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer40II. 2. Von Kekrops bis Solon.race, einem wirklich einheitlichen und seiner einheit sich bewuſsten volke mit ganz bestimmter sprache und sinnesart vollzogen, bevor der nebel der sage sich lichtet; auch Eleusis macht keine ausnahme. es ist die einheit des Athenervolkes, des δῆμος Ἀϑηναίων.

Die alte verfassung.Dem entspricht die verfassung. wer sich an das wort hält, muſs behaupten, daſs die demokratie Athens einzige verfassung ist, muſs dann aber dasselbe von Sparta sagen9)Isokrates (9, 61) hat es fertig gebracht, den ruhm Spartas darin zu finden, ὅτι μάλιστα δημοκϱατούμενοι τυγχάνουσιν. im Menexenos wird Athen als muster der ἀϱιστοκϱατία hingestellt. mit worten geht alles. in der tat ist die souverä - netät auch in Sparta bei dem δᾶμος. aber dieser δᾶμος ist der stand, beschränkt durch die forderung sowol des blutes wie der standesgemäſsen lebensführung, womit auch ein gewisser besitz gefordert war. der δᾶμος übt seine souveränetät fast nur durch die wahlen einiger behörden; könige und rat sind lebenslängliche amts - stellen. die gesetze sind nicht aufgeschrieben, die beamten an keinen beirat ge - bunden. die wurzel ist also sehr ähnlich wie in Athen, aber das gewächs ist ein anderes, und dem entsprechen die früchte.. die verfassungskämpfe drehen sich darum, wer zum demos gehören soll, und in wie weit der demos seine souveränetät selbst in der executive betätigen will oder auf die männer seiner wahl, einzelbeamte oder collegien, übertragen. die entwickelung geht dahin, den begriff des demos möglichst weit, seine regierung immer unmittelbarer zu machen. die beamten aber, ursprünglich einzelne, be - fugt sich ihre subalternen selbst zu ernennen10)Das hat gedauert für die beisitzer der drei oberbeamten und für die sub - alternofficiere, die der oberst ernennt. die ersteren aber haben beamtenqualität sie zeugen also für das alte recht der oberbeamten. die vom Areopag ernannten beamten waren mindestens zumeist auch wirklich seine organe, später die des rates der 500., werden immer mehr gebunden und beschränkt durch die collegialität, durch die annuität, durch die prüfung vor dem antritte auf ihre qualification, die prüfung nach dem abtritte vor dem übergange in den Areopagitenrat, durch die aufzeichnung ihrer instruction, der gesetze, endlich durch die bindung ihrer richterlichen entscheidung an den wahrspruch eines beirates. diese entwickelung hat schon manchen schritt zurückgelegt, aber um dem wesen gerecht zu werden, müssen wir die verfassung alles andere eher als demokratisch