PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
ARISTOTELES und ATHEN
ZWEITER BAND
BERLINWEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG1893
[II][III]

Inhalt des zweiten bandes.

  • ZWEITES BUCH. Untersuchungen auf grund der aristotelischen Politie.
  • Seite
  • 1. Die quellen der griechischen geschichte3
  • 2. Die athenische politie von Kekrops bis Solon34
  • 3. Die athenische politie von Peisistratos bis Ephialtes68
  • 4. Πάτϱιος πολιτεία103
  • 5. Die könige von Athen126
  • 6. Trittyen und Demen145
  • 7. Der athenische name169
  • 8. Der Areopag vor Ephialtes186
  • 9. 3000 hopliten von Acharnai201
  • 10. Diobelie212
  • 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι217
  • 12. Λόγος und εὔϑυνα231
  • 13. Πϱοχειϱοτονία252
  • DRITTES BUCH. Beilagen.
  • 1. Die phratrie der Demotioniden259
  • 2. Der erste krieg mit Aegina280
  • 3. Die chronologie der pentekontaetie289
  • 4. Solons gedichte304
  • 5. Die attische skoliensammlung316
  • 6. Pindaros siebentes pythisches gedicht323
  • 7. Der proceſs der Eumeniden329
  • 8. Die zeit der Thesmophoriazusen343
  • 9. Die rede für Polystratos356
  • 10. Die paragraphe und Lysias wider Pankleon368
  • 11. Lysias wider die kornhändler374
  • 12. Isokrates Panegyrikos 100 114380
  • IV
  • Seite
  • 13. Die briefe des Isokrates391
  • 14. Demosthenes prooemium 55400
  • 15. Die gedichte des Aristoteles403
  • Sachregister417
  • Ἀττικὰ πολιτικὰ ὀνόματα423
  • Stellenregister425
[1]

ZWEITES BUCH. Untersuchungen auf grund der aristotelischen Politie.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 1[2][3]

1. DIE QUELLEN DER GRIECHISCHEN GESCHICHTE.

Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oderQuellen - kunde weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie’s für die andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, daſs die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich aus den historikern.

Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es hat sich aber nachgerade herausgestellt, daſs dieses quellensuchen ein recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge - liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, daſs die be - deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos. ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo - sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge - schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.

Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen. was ist eine quelle? Schaefers abriſs antwortet: ein geschichtliches buch aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und1*4II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.quellen der Odyssee. o wenn sie doch griechisch dächten! πηγὴ oder κϱήνη? wenn κϱήνη, dann ist auch Tzetzes eine quelle, wenn πηγή, dann ist auch Ephoros keine. die litterarische forschung darf nicht so vornehm sein wie Kallimachos der dichter (als forscher war er auch be - scheidner), sie muſs ἀπὸ κϱήνης πίνειν, muſs sich um alle brunnen und canäle und reservoirs kümmern. die historie dagegen prüft was sie trinkt darauf, ob es πηγαῖον ὕδωϱ ist, αὐϑιγενές oder verschlämmt, durch den filter geschmacklos geworden, von der sonne halbverdunstet. auch die ὀλίγη λιβάς ist ihr genehm, wenn sie nur ἄκϱον ἄωτον ist, und was nach der quelle schmeckt, das nimmt sie, einerlei wie ver - mittelt.

Begriff der quelleEin jeder historiker ist schon vermittler, auch wenn er Thukydides heiſst. als quelle kann sein bericht nur gelten, so weit er zeuge ist; sonst geht die geschichtliche forschung über ihn weg, auf seine zeugen. die urkunden und die aussagen von zeugen, das sind erst quellen. ob sie aber ihre aussagen mit der absicht gemacht haben, geschichtliche kunde zu übermitteln, d. h. geschichte geschrieben, ist nebensache. was unserer tagespresse entspricht, reden flugschriften komoedien, alle pri - vaten documente vom pindarischen siegesliede bis zum schlichten grab - stein haben auf die geltung als quellen viel mehr anspruch als die com - pendien später zeit, die der allgemeinen bildung oder, was dasselbe ist, der allgemeinen ignoranz dienen. eine quellenkunde, die von dem richtigen begriffe der quelle ausgeht, tut der griechischen geschichte allerdings not. erst durch sie erfährt sie, was sie überhaupt wissen kann. sie erfährt sofort, daſs sie von vielen jahrhunderten aus den quellen keine geschichte schreiben kann. wenn diese forderung gestellt wird, dann sind die bekannten striche bei der Heraklidenwanderung oder der ersten Olympiade oder dem jahre des Solon noch viel zu früh: dann müssen wir uns eingestehn, daſs erst das jahr des Pythodoros, 432, das anfangsjahr der griechischen geschichte ist. denn vater Herodotos hat auch das mit vater Homer gemein, daſs seine geschichte absurd wird, wenn man sie pragmatisirt. die Hellenen sind ein eigenes volk. ihre geschichte scheint, je besser sie erkannt wird, desto später an - zufangen, während im Orient die Babylonier, von den Assyrern ganz zu schweigen, und die Aegypter mit ihren königslisten und den denksteinen ihrer siege in fabelhafte fernen reichen. die könige der Ramessiden - dynastie sind sogar leibhaft in ihren mumien vorhanden, so daſs man ihre hohlen zähne zählen und ihre leibeslänge messen kann. aber der körper ist tot, und die zahlen sind tot. leben hat allein die seele, und5Begriff der quelle. sage.die seele der hellenischen geschichte redet zu uns von den tagen Homers und der homerischen helden an. individuelle menschenseelen sind für uns erst dann kenntlich, wenn sie selbst noch zu uns von ihrem seelenleben erzählen: die gibt es auf erden nicht vor Amos und Jesaja, Archilochos und Solon. aber typische menschen, durch dichterkraft zur individua - lität erhoben, sind schon Jakob und Moses, Agamemnon und Odysseus, und die historie, die mit ihnen nichts anfangen kann, weil sie mythisch sind oder geworden sind, ist die rechte schwester der encheiresis na - turae, die ihrer selber spottet mögen sie sich auch alle beide ein - bilden, heut zu tage zu regieren.

Wenn die methode, aus den urkunden die wahrheit pragmatisch zu ermitteln, für die alte zeit versagt und überhaupt nur so weit hinauf berechtigt ist, als die zeiten selbst für eine pragmatische auffassung und bewahrung des geschehenden reif waren, so muſs eine andere methode gefunden werden, um in die ältere zeit vorzudringen, deren gedächtnis in anderer weise erhalten ist. auch hier gilt es die quellen zu finden; die quellen sind nur anderer art. zwar die steine, die der burgen und tempel und vollends die beschriebenen, und die gräber sind in gleicher weise unmittelbare zeugen, und es fehlt auch nicht an einzelnen men - schen, die noch zu uns unmittelbar reden: die hauptquellen der alten zeit sind die dichter. nur seine poesie hat den menschen Solon im gedächtnis erhalten, und daſs dieser kenntlich ist, gibt auch die möglich - keit, über sein politisches wirken zu urteilen: das hat Aristoteles be - griffen. aber die überlieferung im ganzen ist anderer art, und ihr muſs sich notgedrungen die historische methode anpassen. nur so erfahren wir, was wir wissen können, nur so vermeiden wir die Charybdis, an jedem wissen zu verzweifeln, weil wir der Skylla, pragmatische fabeln weiter zu pragmatisiren, entgehn wollen. die quellenkunde für die ältere zeit ist in wahrheit die einsicht in das werden und die geschichte der historischen tradition.

Vieler jahrhunderte überlieferung ist nur in der sage niedergelegtSage und als solche überliefert, sehr verschieden, je nachdem sie sich nur local von mund zu mund fortpflanzte oder durch die gestaltungskraft des dichters feste form und weitere verbreitung, dann aber auch ledig - lich poetischen zwecken dienende umbildung erhielt. an realen persön - lichkeiten fehlt es fast ganz, und so weit sie zu grunde liegen, verflüch - tigt sich ihre leiblichkeit. dafür wird die summe einer geschichtlichen entwickelung gezogen und in idealer umdichtung stilisirt. wenn auch in der form einer erzählung erfahren wir mit zuverlässigkeit meist nur6II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.das ergebnis der ereignisse. dafür ist aber der sinn für das ganze und groſse vorhanden. das epos ordnet die fülle der erscheinungen und er - innerungen rückwärts schauend von dem was als resultat der geschichte vorhanden ist unter groſse gedanken und stellt einen zusammenhang her, der für die logik der zeit ein causalnexus und für die moral der zeit die theodicee ist. das stemma, mit dem die Kataloge des Hesiodos begannen, ist ein bedeutendes product von historisch weit und scharf blickendem ordnendem urteil: für uns unmittelbar verständlich und un - schätzbar als eine darstellung der völkerverhältnisse und des bewuſstseins von stammesverwandtschaft und verschiedenheit im siebenten jahrhundert. die von der poesie wenig umgestalteten sagen von den attischen königen und die eponyme der γένη φϱατϱίαι φυλαί lehren schlechthin nichts für personen und ereignisse; aber die institutionen und die geschicht - lichen resultate reden in ihnen zu uns, und so sind sie eine ergiebigere quelle als die urkundliche, in anderer art unschätzbare namenreihe der chronik. es wird der moderne immer erst nach langer vertrautheit und durch liebevolle hingabe erreichen, jenen geschlechtern nachzuempfinden, die selbst ihre eigensten erlebnisse nur in dem reflexe schauen mochten, den sie auf die heilige geschichte der lieben vorfahren warfen. lebendig aber ist diese art zu empfinden in dem mutterlande von Hellas vieler orten noch bis an das ende des fünften jahrhunderts geblieben, und in den immer mehr schematischen und ausgeklügelten eponymen und wande - rungen hat auch noch die späteste zeit sich ein surrogat der sage zu schaffen versucht. wenn die herren der pindarischen gesellschaft es ver - langen, daſs der sieg im faustkampfe, den einer der ihren erringt, mit der geschichte der stammesheroen in unmittelbare beziehung oder doch in parallele gesetzt werde, so ist ihnen und dem Pindaros das keine leere fiction. dem Euripides war es schwerlich mehr, als er am schlusse des Ion die hesiodische stammesgenealogie so umformte, daſs sie sich den machtverhältnissen des attischen Reiches anpaſste: aber die Athener waren nicht aufgeklärte sophisten wie er. es folgt hieraus, daſs die ge - schichtliche ausnutzung der sagen vorab feststellen muſs, wie alt sie in der form sind, die wir übermittelt erhalten, und daſs sie dann zunächst nur für die zeit etwas lehren, der diese form angehört. alles weitere ist ein rückschluſs, aufgebaut auf der kritik der aussagen, die jene be - stimmte zeit durch die sage über ihre vergangenheit macht.

NovelleDer sage folgt ihre jüngere schwester, die novelle; beide aber re - gieren eine weile nebeneinander, so daſs sich die grenzen ihrer reiche häufig verwischen. die sage ist heilig und wahr oder will es doch sein. 7Novelle. das erwachen der subjectivität in Ionien.ihre göttin ist die himmlische Muse, die tochter des Zeus, die später den philosophen, Parmenides und Platon, die wahrheit verkündet. dagegen die Muse der novelle ἴσκεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύμοισιν ὅμοια. irdisch wie sie ist richtet sie ihren sinn auf das menschliche und zwar auf die gegenwart, aber da sie die sage ablöst, zieht sie zunächst die götter oder doch die lieben vorfahren in ihre kreise. aber sie hat später sogar die historischen namen für ihre träger abgeworfen ohne an reiz zu verlieren. sie verhält sich dann zur sage wie das menandrische lust - spiel zu der athenischen tragoedie. auf daſs sie erstünde, muſste der glaube der väter erschüttert und die freiheit der väter verloren sein. so ist sie denn ein kind Ioniens aus der zeit der lydischen und per - sischen fremdherrschaft, aber einmal aufgekommen wandert sie mit der ionischen cultur hinüber in das mutterland. nun spiegeln sich die Wikingerzüge und handelsfahrten der Milesier und Phokaeer nicht mehr in den leiden der heimfahrenden Achaeer und dem zuge der Argo; man erzählt vielmehr von Bias und Thales, Kroisos und Periandros, Solon und Themistokles schöne geschichten: aber keineswegs um ihrer groſsen taten willen und des erfolges, den diese für das vaterland hatten, sondern um ihrer merkwürdigen schicksale und ihrer persönlichen tüchtigkeit willen, der ἀϱετή, die bis auf Sokrates keinen moralischen inhalt hat. geschichtlich lernen wir von der novelle direct kaum etwas, denn ihr ist nie zu trauen; aber wenn wir ihre träger kennen, so wird der reflex in der novelle auch ihr geschichtliches bild erhellen. wo das nicht der fall ist, können wir kaum etwas besseres tun als uns vor dem truge der zauberin hüten. zum entgelte gibt sie uns ein farbiges bild von dem denken und empfinden, leben und treiben, wünschen und träumen einer reichen zeit.

Sage und novelle sind autorlos. das heiſst nicht, daſs auf denDas er - wachen der subjectivität in Ionien dichter oder erzähler nichts ankäme, aber sie mischen ihre person nicht ein und beanspruchen nicht als personen autorität. das ändert sich, als in Ionien mit dem staate auch die andern autoritäten fielen, die der menschen wildheit und trotz gebändigt hatten. in der tat, so wie die alte gesellschaft gewesen war, im mutterlande um 500 noch zumeist war, hiengen glaube und sitte, religion und staat, das materielle und das geistige leben so unlösbar mit einander zusammen, daſs der einzelne seinen festen halt hatte, aber auch festgehalten ward. das änderte sich für den Ionier, als der staat zertrümmert war, und auf dem colonialen boden war die gesammte cultur immer mehr als eine gemachte denn als eine gewachsene empfunden worden. nun versagte die macht der auto -8II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.ritäten, und der mensch kam gar bald dahin, sich ohne bande, aber auch ohne stütze zu fühlen. er war frei; aber er muſste sich nun die grundlagen seines lebens selbst zimmern. daher sehen wir sie alle ihren selbstgesetzten zielen rücksichtslos zustreben. der tyrann und der phi - losoph, der fahrende spielmann und die hetäre treiben es ein jeder in seiner weise, und die gesellschaft gestattet es ihnen allen. jeder wird jeden rücksichtslos zur seite stoſsen, um sich selbst den weg zu bahnen, aber wer zum ziele kommt, den werden alle bewundern. damals ist es denn geschehn, so viel wir wissen, zum ersten male, daſs ein mensch sein individuelles meinen über die geschichte seines volkes rücksichtslos ausspricht, Hekataios von Miletos, ein mann der die welt gesehen und dann am staatsleben tätigen anteil genommen hatte. uns erscheint seine umformung der heldensage als altkluger rationalismus: in wahrheit ist es der überschwang jugendlichster kritik1)Er erfährt sie jetzt selbst an sich, da ihm seine Genealogien abgestritten werden, sei es weil sie absurd wären, sei es weil in ihnen widersprüche steckten: ganz so hatte er die heldensage geschulmeistert. und verdient als solcher wol einen platz neben dem eifern des Xenophanes wider die mythen Homers. wie er die zeitgeschichte behandelt hat, ob er es überhaupt ausführlicher getan hat, ist unermittelt. eine wirkliche geschichtsschreibung konnte bei den Ioniern nicht entstehen, weil sie keine geschichte erlebten. 2)Dionysios von Milet hat vielleicht sein geschichtliches buch damals ge - schrieben, das die gelehrten τὰ κατὰ Δαϱεῖον benannt haben. so gut wie der Karer Skylax für Dareios eine entdeckungsfahrt macht und in griechischer sprache darüber berichtet, konnte ein persischer untertan die persische geschichte auf grie - chisch schreiben. daſs die ionische cultur und wissenschaft in sehr vielem den ersten platz unter den völkern ihres reiches einnahm, haben die Perser nicht ver - kannt und der hellenisirende einfluſs ist vermutlich gerade damals, ehe es einen nationalen gegensatz gab, sehr stark gewesen, die kunstgeschichte beginnt bereits damit zu rechnen und wird, wie auf so vielen gebieten, auch hier die rechten pfade der allgemeinen geschichte finden und erleuchten.

Die befrei - ungskriegeDie erlebten die Athener seit 510 und alle Hellenen, auf die etwas ankommt, seit 480. die gewaltige erschütterung des kampfes um die existenz und dann die errichtung des Reiches hat in wahrheit die geister noch vielmehr als die leiber befreit. allein so unmittelbar konnte die wirkung nicht sein, daſs die überlieferung dieser jahrzehnte eine wirk - lich geschichtliche hätte werden können. sie trägt noch durchweg den stempel von sage und novelle. daſs die erste noch lebendig war, wird der glücklichen verbindung verdankt, daſs ein ernstes und frommes volk ungeheure aufgaben zu lösen erhielt und zu lösen vermochte; es9Die befreiungskriege. Herodotos.liegt aber zum teil auch an der naivetät des volkes. die groſsväter der Marathonsieger hatten noch die falsche Athena auf dem wagen des Peisistratos angebetet, und das wunder oder vielmehr der glaube hat an dem siege über die ungezählten barbaren einen starken anteil. die Perser des Aischylos haben es vermocht, die geschichte der gegenwart unmittelbar hinaufzuheben in die reine höhe der sage: das religiöse festspiel erzählt uns die geschichte in seiner sprache. es ist für den historiker der die seele der ereignisse sucht die beste quelle für die schlacht von Salamis. man denke sich aber nur die figur des listen - reichen mannes, der bei Aischylos im hintergrunde bleibt, in den mittel - punkt gerückt, so wird die sage vom siege des freien Pallasvolkes zu der novelle von Themistokles. dem entspricht die gesammte überlieferung von der älteren geschichte Athens. der bericht über Marathon und über den ersten aeginetischen krieg ist von der sage in das erhaben typische stilisirt. auch in dem sturze der tyrannen spürt man das walten der göttlichen gerechtigkeit wie in der tragoedie. weder Kleisthenes noch Miltiades tragen individuelle züge. Solon und Peisistratos waren als personen ganz verblaſst; erst die spätere forschung hat jenen auf grund seiner gedichte, diesen durch die sorgfältige verfolgung bestimmter in - dizien zu einer person gemacht. dagegen Themistokles ist der rechte held für die novelle, die nicht müde wird, mit immer neuen stückchen seine ἀϱετή zu illustriren. das hat oben eingehende erörterung ge - funden (I s. 150), und ich habe gezeigt, wie verkehrt es ist, die Themistokles - legende deshalb für historisch zu halten, weil Thukydides sie erzählt. die Athener erzeugten in den zwei menschenaltern vor dem peloponnesischen kriege tragoedie und komoedie: darin liegt, daſs sie für die pragmatische historie noch nicht reif waren. die Athener machten in derselben zeit aus ihrem ländchen, das kaum eine precäre selbständigkeit errungen hatte, die herrin des aegeischen meeres und griffen nach der herrscher - krone von Hellas: darin liegt, daſs sie noch keine zeit hatten, geschichte zu schreiben. sie dachten an das morgen, erfreuten sich des heute: da vergaſsen sie des gestern. blickten sie zurück in einem momente der sammlung, so dankten sie gott für seine hilfe, oder erzählten sich ihre oder ihrer führer heldentaten, wie es alte soldaten tun. die aristo - phanischen helden und aristophanischen chorlieder geben die belege für beides.

Aber Athen zog Ionien in seine kreise. dort waren die geistigen vorbedingungen für die historie gegeben; es fehlte nur die geschichte. die lieferte Athen: und so erstand das werk des Herodotos, so unver -Herodotos10II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.gleichlich aber auch so widerspruchsvoll wie die geschichtliche tradition war und die weltanschauung des Ioniers sein muſste, der in Athen das vaterland gefunden hatte. er selbst stammte aus einer stadt, die auf karischem grunde von Dorern erbaut längst die überlegene ionische cultur angenommen hatte; so war er losgelöst von dem was ihm als das vorurteil und die beschränktheit eines an der scholle klebenden autoch - thonentumes erscheinen mochte. er hatte die weite welt gesehen, durch - aus frei von dem bornirten hochmut, der alles barbarisch findet was nicht wie bei ihm zu hause ist, gleichermaſsen fähig die von keiner cultur gebrochene elementare naturkraft bei den freien Skythen anzuerkennen, wie im Perserreiche die überlegenheit einer älteren und reicheren materiellen cultur. ihm imponirten die aegyptischen priester mächtig, wenn sie ihm ihr Ἕλληνες ἀεὶ παῖδες entgegenriefen.3)Herodotos hat, weil er die orientalen kannte, von denen dem reisenden zumal nur recht wel[t]läufige und vorurteilslose begegneten, das urteil mit gröſster offenheit abgegeben, daſs man selbst bei den Athenern sehr viel mehr naivetät fände als bei den barbaren. 1, 60 erzählt er die list des Peisistratos mit Phye, die ihm ganz unbegreiflich ist, da ersinnen sie etwas, worin ich nur die koloſsalste naivetät finden kann, die ich kenne. in der tat, die barbaren müssen sich schon früher von den Hellenen darin unterschieden haben, daſs sie gewitzigter und freier von kin - discher einfalt waren, wenn damals die Peisistratiden unter den Athenern, die doch für die gescheidtesten der Hellenen gelten, folgendes ersinnen durften. der brave mann erzählt die geschichte, wie er sie gehört hat und wir sie glauben dürfen, aber wie er sie den Athenern, die er kennt, und die erst durch das letzte jahrhundert in den ruf der σοφία (der schlauheit und gescheidtheit) gelangt sind, nicht zutrauen kann. so etwas war in Memphis und Sardes nicht möglich, das weiſs er; dazu gehört eine εὐήϑεια, wie sie der sophist dem zuschreibt, der an vogelzeichen glaubt (Eur. Hel. 747), oder dem der auf ein orakel hin seine tochter opfert (Andr. 625), oder der wider die logik κάϱδοπος für καϱδόπη sagt (Ar. Wolk. 1258): ihr gegen - satz ist die δεξιότης, die alles gleich am rechten ende anpackt. δεξιόν nennt der athenische komiker sein publicum, weil es seine anspielungen versteht (Ritt. 233), δεξιός ist der Δῆμος zu hause (ἀλώπεκος ἴχνεσι βαίνει sagt schon Solon), auf der Pnyx sperrt er das maul auf (Ritt. 753), und der demagoge ist δεξιός (719), und der dichter (Fr. 1009). unter diesen σοφοὶ Ἀϑηναῖοι lebte Herodotos, darum frap - pirte ihn mit recht die veränderung seit der tyrannenzeit. aber er fand εὐήϑεια genug unter den Hellenen sonst, auch wol bei den Athenern alten schlages, und den racendünkel, den ihm jetzt der aberwitz der kritiker aufzwingt, kannte er nicht; es machte ihm vielmehr ersichtlich vergnügen, den Athenern die überlegenheit der barbaren vorzurücken. ganz dieselbe stimmung zeigt das zweite buch oft; der vater - ländische stolz auf freiheit und demokratie ist mit ihr ganz gut verträglich. aber die weite seines umblickes hatte ihn den vorzug seines vaterlandes nur richtig schätzen gelehrt. dies vaterland war das attische Reich, und sein vorzug11Herodotos. Thukydides.war die geistige und politische freiheit, ἰσονομίη, ἰσηγοϱίη. so hatte die weltgeschichte einen inhalt, die entwickelung ein ziel: er überschaute sie mit dem auge des tragischen dichters. der Ionier, der den glauben der väter verloren hatte, hatte einen reineren glauben sich selbst er - worben und den gott in der geschichte wiedergefunden. aber das war sein gott. in seinem eigenen geiste lieſs er die zeiten sich bespiegeln (was überhaupt erst den historiker macht). in sofern steht er dem Hekataios und seinen sophistischen zeitgenossen ganz gleich. es ist seine subjective erkundung, von der er rechenschaft ablegt, es ist ἱστοϱίη im ionischen sinne noch viel mehr als historie in unserm. er ist kein regestenfabrikant und kein chronikschreiber; er hält von der acten - forschung nichts und traut den augen lieber als den ohren. die kritik, deren er bei der verarbeitung von unzähligen erkundungen nicht ent - raten kann, ist schlechterdings nichts als sein subjectives für wahr oder wahrscheinlich halten. πάντων μέτϱον ἄνϑϱωπος, d. h. Ἡϱόδοτος, gilt für ihn praktisch genau so wie theoretisch für Protagoras. dieser Herodotos aber überkam hier eine anzahl sagen, dort novellen, hier ein genealogisch-chronologisches gebäude, dort schaute er wunderbare denk - male, zu denen man ihm die αἴτια berichtete. wie sollte er sich helfen? was er erkundete, war eine unübersehbare menge von einzelnen ge - schichten ohne ordnung, sich viel häufiger widersprechend als ergänzend. wie sollte er sie bewältigen? was ihm das ordnende prinzip war, war der gedanke, den er in der weltgeschichte fand: sein eigener νοῦς voll - zog die διακόσμησις; ein anderer würde in einem chronologischen ge - rüste oder einer logischen disposition ein objectives prinzip gesucht haben. das einzelne aber beurteilt und verteilt er auch nach seinem subjectiven ermessen, wo ihm denn bald die skepsis des rationellen Ioniers, bald der zwillingsbruder des rationalismus, der aberglaube, in den nacken schlägt. so ist sein buch, so bezaubernd es auf uns durch die naivetät wirkt, die wir in ihm finden, im grunde durchaus nicht naiv gemeint, sondern wird in allem durch seine individualität bedingt. er steht zu der geschichte wie die groſsen physiker Ioniens zu der natur. auch sie geben eine doppelte ἱστοϱίη, die objective darlegung des unendlich vielen das sie erkundet haben, und die subjective antwort, die sie aus sich auf die rätsel des lebens gefunden haben. vielleicht wagt jemand zu sagen, das wäre eine sehr kindliche vorstufe zu der erhabenheit wahrer wissen - schaftlichkeit, die heute zu tage regiere, seit die methode gefunden sei. ich aber meine, mit aller methode haben wir es nicht weiter gebracht. die wissenschaft als idee ist freilich weder in Hippokrates noch in12II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.Demokrit noch in Herodot incarnirt; aber auch in Aristoteles nicht, ge - schweige denn in unser einem: wer aber nicht bloſs in dem stande des famuli Wagner beharren will, der muſs sein subject in die schanze schlagen, nicht bloſs auf die gefahr hin, sondern mit der sicheren zuversicht, im drang nach wahrheit jämmerlich zu irren.

ThukydidesNoch ehe das buch des Herodotos erschien und doch durch dieses angeregt faſste der junge Thukydides den plan, den entscheidungskampf um die herrschaft in Hellas, der eben begann, darzustellen. der groſse vorgänger hatte ihn gereizt, nicht es ihm nachzumachen, sondern es anders zu machen. ihm schien die weltgeschichte erst recht anzufangen; die herodoteische tragoedie erschien ihm als eine dichtung, gut genug für die erweckung erbaulicher hochgefühle an einem festtage, aber nicht als nahrung für den geist des handelnden mannes. über dem werke Hero - dots lag der verklärende schimmer der poesie: Thukydides wollte das licht und den schatten des tages festhalten. er vermeinte, daſs des groſsen nicht eben sehr viel übrig bliebe, wenn man jenen schimmer durch ruhige kritik der vergangenheit beseitigte: groſsartig dagegen erschien ihm die cultur, die Athen besaſs und für die es stritt, deren sieg er erwartete. er selbst war ein nachkomme von barbaren zugleich und von Philaiden. weder der stolz des autochthonen noch der gegensatz gegen die Alkmeoniden noch die furcht vor tyrannen und Medern hat ihm irgendwie den blick getrübt. er fühlte sich als der moderne mensch einer neuen groſsen welt. weder die novelle noch die sage wollte er gelten lassen. weder die götter noch die individuen, sondern die poli - tischen mächte sah er auf erden regieren, und ihre kämpfe wollte er beobachten und erzählen, minder um ihrer absoluten bedeutung willen, als zu nutz und frommen der künftigen politiker. das attische Reich war auch notwendig gewesen, damit Herodotos schriebe; aber er sah in ihm den abschluſs der geschichte. für Thukydides war seine existenz die voraussetzung, denn politische geschichtsschreibung setzt einen wirk - lichen staat mit groſsem politischem leben voraus. Thukydides faſste den plan zu seinem geschichtswerke, während er sich anschickte in die politische laufbahn einzutreten. Herodotos gehörte zu den anhängern des ϑεωϱητικὸς βίος. daſs ein junger reicher Athener der herrschenden gesellschaft 432 die zeitgeschichte hat schreiben wollen, verdient in wahrheit sehr viel gröſsere bewunderung als die ausführung dieses planes, die der durch sein politisches geschick in den ϑεωϱητικὸς βίος hinab - gestoſsene nach 404 einigermaſsen geleistet hat. erst die unfreiwillige muſse hat ihn dazu getrieben, mit den mitteln der neuen rhetorik ein13Thukydides. stimmung nach dem falle des Reiches.stilistisches kunstwerk liefern zu wollen, und so ist er in die gesellschaft der kunstprosaiker geraten: nicht bloſs der historiker würde ungleich reineren genuſs von dem werke haben, wenn es fertig geworden wäre, wie es begonnen war, in der ächten attischen rede des politischen lebens. nur so weit es das programm von 432 erfüllt, ist es dem werke des Herodotos ebenbürtig, denn nur so weit steht es wie dieses einzig da; stilistisch war es eigentlich schon veraltet, als es erschien. einzig aber musste es bleiben, weil die voraussetzung des politischen geschichts - werkes, der groſse staat, nicht mehr vorhanden war. eben deshalb hat kein griechischer staatsmann mehr geschichte geschrieben, mehr als ein jahrhundert lang. erst Hieronymos mag allenfalls verglichen werden. 4)Nur in Sicilien gab es dank der energie des Dionysios einen gröſseren staat, und dort schreibt auch der staatsmann Philistos geschichte in der art des Thukydides. aber wir wissen davon nur das factum von hörensagen, da wir weder von der geschichte Siciliens noch von dem werke des Philistos eine wirkliche kenntnis gewinnen können.

Das menschenalter der kämpfe, deren ergebnis die zertrümmerungStimmung nach dem falle des Reiches des nationalen staates war, hatte in dem ringen der parteien auch die historische schriftstellerei zu einer waffe geschmiedet; es konnte auch nicht ausbleiben, daſs die scham und der zorn über den sturz des reiches und andererseits die sehnsucht und die klage um das verlorene die schriftstellerisch so unglaublich regsame zeit auf die geschichte des groſsen jahrhunderts hinführte. diese litteratur mit ihren flugschriften über die helden der guten alten zeit und die bösen demagogen, die das unheil gebracht, mit ihren epitaphien und panegyriken ist in anderem zusammenhange (I cap. 6) besprochen.

Man hatte das gefühl, unter trümmern zu wohnen, und niemand eigentlich war davon befriedigt, daſs die staaten in den alten formen weiter wirtschafteten. dennoch gelang eine reform oder revolution in Sparta und Korinth so wenig wie in Athen. alle besseren stimmten in der negation des bestehenden überein, nur fand sich nirgend auch nur ein realisirbares programm für einen neubau. weithin durch das volk gieng das gefühl, o daſs doch ein könig käme; aber dieses gefühl war von einer messia - nischen unbestimmtheit, mochten auch die litteraten bald nach Persien, bald nach Syrakus lugen. Persiens schwäche war durch den zug der Kyreer an den tag gekommen, und der diplomatische erfolg des königs - friedens konnte diesen eindruck nicht verwischen. deshalb borgte man von dort nur die romanfigur des alten Kyros. historische einkleidungen14II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.für die gebilde der speculation wurden überhaupt mode.5)Bisher sehr wenig erforscht sind die umarbeitungen der alten heroensage, und die novellen dieser zeit, werke wie das des Herodoros über Herakles, der Dreifuſs des Andron, die Nosten des Antikleides, der Abaris des Herakleides. es ist sehr wenig damit erzielt, wenn man das eine zu der historie, das andere zur phi - losophie wirft. die pragmatisirung der Heraklessage kann sehr gut eine politische tendenz wie die Kyropaedie oder eine philosophische wie der Herakles des Anti - sthenes gehabt haben. die absicht zu unterhalten braucht den philosophen auch nicht fern gelegen zu haben. der sokratische dialog und die isokrateische rede sind nicht genieſsbar ohne eine stärkere vorbildung: was hat damals das breite publicum an lesestoff erhalten? diese frage fordert auch eine antwort. gar nicht unwitzig zeichnete Isokrates einen solchen utopischen könig in dem stil - gemäſs umgebildeten Buseiris, der immer ein mehr scurriler als schreck - licher Oger gewesen war. aber derselbe Isokrates hatte noch mehr er - folg, als er mit patriotisch ernster miene ein bild des demokraten - königs Theseus entwarf. das complement der sehnsucht nach einem weltenherrscher ist die verleugnung von staat und gesellschaft, die beide dem Hellenen auf die würde des freien zum gehorchen und gebieten gleich geschickten mannes gegründet schienen. das neue evangelium, daſs der mensch erst frei und glücklich würde, wenn er wie der hund lebte, ward mit litterarisch nicht geringem erfolge verkündet; wenn die menge von den extremsten ausschreitungen am meisten gepackt ward, so ge - wann der egoistische oder auch der philanthropische individualismus bei den gebildeten sehr viel terrain. aber diese negation des staates kann sich der einzelne in wahrheit nur erlauben, so lange trotz ihm die ge - sellschaft und der staat weiter existiren und ihm die ruhige existenz sichern, auf daſs er sie negiere. Platon, gleich erhaben über die kümmer - lichen staatswesen der gegenwart wie über den schweine -6)Der schweinestaat, den er Pol. 2, 372d construirt, ist mit nichten der hunde - staat des Antisthenes: sonst würde er so heiſsen. es ist ein staat auf der grundlage des gemeinen materiellen bedürfnisses errichtet; was Platon beweist, ist daſs selbst ein solcher die herrschenden bilden muſs, und wenn sie bildung besitzen, verschiebt sich von selbst die grundlage des staates. der schweinestaat ist der staat des Manchester-liberalismus. und den hundestaat, auch den herden - oder militärstaat der speculation, scheute sich doch nicht vor den äuſsersten consequenzen, als er von einem be - griffe aus, dem der gerechtigkeit, den menschen als politisches wesen und den staat construirte. er scheute auch vor dem gedanken nicht zurück, selbst mit dem gewaltmittel der tyrannis die welt zu der besten oder bestmöglichen gesellschaftsordnung, zu tugend und glück zu zwingen. er wagte sich auch an den litterarischen versuch, die summe der weltgeschichte15Stimmung nach dem falle des Reiches. die Isokrateer.in einem epos von dem kampfe der kinder gottes mit den söhnen des fürsten dieser welt zu ziehen. der troische und der medische krieg, an denen er seine phantasie genährt hatte, sollte in diesem potenzirten idealbilde zugleich mit den heiligen sagen seiner heimat verschmolzen werden. das war ein unterfangen, dem selbst dieser dichter nicht ge - wachsen war, der doch das epos der weltschöpfung als ersatz einer be - schreibung des kosmos vollendet hat.

Eine solche zeit der speculation über die voraussetzungen des staat -Die Isokrateer lichen lebens, die sich ganz und gar in das utopische verlor, war der politischen geschichtsschreibung ihrer natur nach abgewandt. es ist auch kein auch nur leidliches geschichtswerk über die zeitgeschichte in den beiden nächsten menschenaltern nach dem falle des Reiches ge - schrieben.7)Xenophons schriftstellerei hat, so wenig originale kraft der mensch besitzt, doch den groſsen vorzug, daſs sie ganz auf seinen individuellen erlebnissen und be - strebungen beruht. da er wissenschaft in keiner form je wirklich begriffen hat, ist er auch kein historischer forscher, und wenn er geschichte schreibt, so versteht man diese erst, wenn man seine persönlichen antriebe und zwecke kennt. die Anabasis ist klärlich eine selbstrechtfertigung. was die Hellenika anlangt, so dürften auch sie zur rechtfertigung der politik verfaſst sein, der es gedient hatte, und weil das zu verschiedenen zeiten eine verschiedene war, sind sie unmöglich ein einheitliches werk. möchte doch jemand sich die aufgabe stellen, nicht Hellenika oder Memo - rabilien oder Agesilaos einzeln zu tractiren, sondern den menschen als menschen ganz zu erfassen: erst dann können die vielen unbehaglichen probleme der lösung wirklich entgegengeführt werden. aber die dichtung mag wol die historie übertreffen: ersetzen kann sie sie nimmermehr. und die phrasen der sophistik befrie - digten auf die dauer selbst die bedürfnisse des immer stoffhungrigen publicums nicht. so werden die führer der Sokratik eben so gut wie die sophisten von selbst auf die geschichte und die geschichtsschreibung hingewiesen. Platon und Isokrates lassen beide zumal in ihren späteren werken erkennen, daſs sie über unverächtliche geschichtliche kenntnisse verfügen. der sophist hat seinen bedeutendsten schülern die historio - graphie, weltgeschichte und zeitgeschichte, zur aufgabe gestellt; aus Platons schule ist der verfasser der Politien hervorgegangen. das sind leistungen, die mit nichten von einander abhängen, sondern den gegen - satz der lehrer fortsetzen.

Theopompos von Chios hat von seinem rhetorischen lehrer nur die form entlehnt, mit der er sich getraute sowol Herodotos wie Thukydides wie Platon zu überwinden. er war sophist geworden, weil er sein vater - land verloren hatte und benutzte seine kunst mit erfolg dazu eine ein -16II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.fluſsreiche rolle zu spielen, um heimzukehren und politisch tätig zu werden. darum suchte und pflegte er den verkehr mit den königen und gewann ein entschiedenes politisches urteil. es hat sich gezeigt, daſs er die po - litischen parteischriften Athens genau wie Aristoteles auszunutzen ver - stand (oben I s. 135). mit den philosophischen richtungen seiner zeit hatte er so viel fühlung, daſs er das persönlich moralische in der schilderung und beurteilung der personen in den vordergrund rückte, bei allerhand merkwürdigen erscheinungen auch der natur gern ver - weilte und seine allgemeinen speculationen in der form von phantasti - schen märchen vortrug. aber eine entschiedene politische tendenz und eine energische individualität lassen ihn als einen stern von eigenem lichte erscheinen.8)Es ist gar nicht schwer, auf grund von einigen berührungen, wie sie die lebendige regsamkeit und der austausch der gedanken in dem Athen des vierten jahrhunderts geben muſste, Theopompos an eine philosophenschule anzugliedern: aber das ist trügerisch; man blicke nur die ganze person und das ganze werk an. man könnte das nämliche mit Ephoros versuchen, z. b. auf grund seiner erzählung vom gastmale der Sieben weisen, denen er den unverdorbenen naturmenschen Anacharsis und den spötter Aesop gesellt, auch ihn in das gefolge des modephilosophen Anti - sthenes einrücken. seitdem dieses geschrieben war, hat Rohde ausführlicher die aufstellungen Hirzels (Rh. M. 47) über Theopompos bestritten, auf die ich zielte, aber leider hat auch Schwartz (Ind. Rostock. 93) in Ephoros den Kyniker wirklich gefunden. er ist ein mann, der ganz seiner eigenen zeit gehört und uns deshalb schon fast hellenistisch erscheint.

Ephoros von Kyme dagegen ist nichts als litterat und hat das zweifelhafte verdienst die weltgeschichte als das würdigste object epideik - tischer beredsamkeit behandelt zu haben, also der vater jener auf - fassung zu sein, die uns von Cicero und Livius her geläufig ist und den begriff der geschichte eigentlich denaturirt. denn es gehört dazu der patriotismus der panegyriken, der pragmatismus der allgemeinen bil - dung und die moral des zu beiden gehörigen bildungsphilisters. wie verschieden der inhalt jenes patriotismus auch scheinen mag, wie stark sich der ballast des toten wissens vermehrt und die moralische terminologie geändert hat: der bildungsphilister ist ganz derselbe ge - blieben, und deshalb grassirt die ephorische historiographie. es ist die zur zeit in Deutschland approbirte geisttötende und seelenvergiftende geschichte mit zugehöriger geographie, die in naiver schamlosigkeit ihre tendenz eingesteht, gesinnungstüchtigkeit und bildung zu züchten, und streber oder socialdemokraten erzieht. die persönlichkeit des Ephoros ist gleichgiltig; auf sein urteil kommt nichts an: aber der stoff, den17Die Isokrateer. die locale tradition.wir ihm danken, ist recht beträchtlich, und mühe hat er sich wirklich gegeben. diese anerkennung müssen wir ihm zollen. sein dickleibiges buch ist ein reservoir für die wertvollste ältere überlieferung geworden; eben darin ist die analogie zu den peripatetischen sammelarbeiten un - verkennbar. sie verhalten sich in ihrem werte zu einander wie Platon und Isokrates, wissenschaft und sophistik; der geist in ihnen ist also ein sehr verschiedener. aber darin stehen sie einander gleich, daſs keine forschung im eigentlichen sinne darin ist. folglich setzt ihre zusammen - fassende tätigkeit mit zwingender notwendigkeit eine bedeutende litteratur voraus, die ihnen den stoff zur verfügung stellte.

Auf diese litteratur kommt es mir an, die hinter Ephoros und Ari -Die locale tradition stoteles steht, ganz in demselben verhältnis, wie es an der Atthis für den gröſsten teil der athenischen Politie nachgewiesen ist. diese litte - ratur kann aber meistens nur durch die qualität der berichte erkannt werden, und es kommt auch viel mehr auf die anerkennung vieler lo - caler überlieferungen an als auf die restitution bestimmter schriftwerke oder schriftsteller. gewiſs freuen wir uns, wenn auch dieses einmal ge - lingt, aber die aussicht ist gering. es stehen zwar eine anzahl schrift - stellernamen zur verfügung, mehr fast aus dem fünften jahrhundert als aus dem vierten. aber die zeit von nicht wenigen ist unsicher, und die tradition selbst darf keinesweges nach der person oder zeit des zufällig benannten gewährsmannes abgeschätzt werden. die quellenkunde, die von den namen der schriftsteller ausgeht, ist genau so unfruchtbar wie die forschung nach dem alten epos, die bis vor wenig jahren die trockenen knochen Lesches und Arktinos benagte statt die heldensagen zu ver - folgen. es gilt also die locale überlieferung aufzusuchen und vorab anzuerkennen, daſs diese vieler orten vor Ephoros und Aristoteles bereits einen litterarischen niederschlag gefunden hat. und wahrlich, wie hätte es anders sein sollen, als daſs eine litterarisch so regsame zeit das vor - handene material an geschichtlicher tradition ausgenutzt hätte? in weiten kreisen mochte das minder interessiren; zu hause freute sich doch das volk an der aufzeichnung seiner eigenen geschichte. wer bezweifelt, daſs jedes hellenische gemeinwesen ein reiches beet von sagen und novellen war? jahrhunderte lang hatten ihrer nur die einwohner selbst gewartet, ab und an ein dichter eine blüte gebrochen oder einige stauden in den groſsen garten des epos, später auch des dramas ver - pflanzt: jetzt war die zeit der prosaischen litteratur gekommen, und gerade weil die hohe poesie verstummte, muſste die bequeme form der localgeschichte sich des bunten stoffes bemächtigen. gewiſs werden vielev. Wilamowitz, Aristoteles. II. 218I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.werke geringe litterarische verdienste besessen haben; aber wenn wir z. b. die milesischen geschichten des Maiandrios oder die naxischen des Aglaosthenes lesen könnten, so würden wir schwerlich den aesthetischen genuſs vermissen. notwendiger weise hatten diese localen erzeugnisse eine sehr geringe lebenskraft als einzelnes litterarisches product: das epos hatte sich ja auch lange zeit fortwährend umgestaltet. so ver - drängte auch hier die spätere bearbeitung bald ihre eigene vorlage, und als die sammelwerke erschienen, taten sie ihnen wieder abbruch. der proceſs der aufzeichnung und sammlung ist auch an verschiedenen orten zu verschiedener zeit geschehen; die stilisirten geschichtswerke machen dieser litteratur so wenig ein ende, wie Aristoteles und Ephoros die Atthiden beseitigen. gar manches ortes überlieferungen mögen zuerst oder maſsgebend erst im dritten jahrhundert aufgezeichnet sein: das ändert nicht viel an dem allgemeinen bilde und an dem charakter dieser gattung von nachrichten.

Sie selbst sind so verschiedener art, wie ihre natur mit sich bringt. was wir vernehmen, ist die localtradition, wie sie in den einzelnen orten im vierten jahrhundert vorhanden war; setzen wir einmal diese zeit, obwol wir an manchen orten hoch hinauf darüber emporsteigen, manch - mal bis in das dritte sinken; ich möchte selbst späteres nicht überall ausschlieſsen. in dieser localtradition steckt sehr viel sage, steckt novelle; das also ist in dem sinne auszunutzen, wie oben kurz ausgeführt. daneben aber ist eine groſse menge antiquarischer tatsachen vorhanden, culte und riten, staatliche organisationen, überlieferung von geschlechtern und örtlichkeiten, orakel, volksgebräuche, sprüchwörter und lieder.9)In den resten der aristotelischen Politien sind diese spuren noch vielfach kenntlich. ich will proben geben, die fragmente nach Rose, nach demselben die capitel des Herakleides, durch H. unterschieden. verschen, die man sei es als volks - lieder, sei es als sprüchwörter auffassen kann 485, 496, 545, 553, 557, 571, 574, 576, H. 71, orakel 544, 561, 565, 596, H. 25. citirt werden Homer (H. 14. 15, beziehungen auf ihn viel öfter), Hesiodos (H. 38), Archilochos (H. 14. 50 ), Simonides (H. 55), volks - tümliche lieder eines später verschollenen Theodoros (515). das persönliche inter - esse für die litterarischen berühmtheiten, Homer Hesiod Archilochos Pherekydes Aesop, ist auch nicht erst aristotelisch, wie Herodotos lehrt. ganz dasselbe bild bieten die reste des Ephoros, mögen wir sie bei Diodor lesen oder in den frag - menten, namentlich bei Strabon. diese führen zu den urkunden über, deren es in wahrheit (unsere eigenen funde lehren es) sehr viel mehr gab als ausgenutzt worden sind, und endlich, was das wichtigste ist, es fehlte an vielen orten keines - weges an chroniken oder chronikartigen aufzeichnungen. hartnäckig19Die locale tradition. Hellanikos.sträuben sich die historiker dagegen, obwol die titel ὧϱοι in vielen ioni - schen und aeolischen orten, ἱέϱειαι Ἥϱας, Ὀλυμπιονῖκαι, Καϱνεοινῖκαι ganz unzweideutig sind. dafür gefällt sich die quellenkunde darin, den durch ein längst durchschautes misverständnis aufgebrachten namen logographen gedankenlos weiter zu geben, oder mit dem hintergedanken, daſs es mit der überlieferung durch diese leute nicht viel mehr auf sich hätte als mit den fabeln des λογοποιός Aesop. die dumme fabel von den logographen ist so entstanden, daſs die ungerechte und unfreund - liche wendung des Thukydides gegen Herodotos zum glaubensartikel gemacht und der name logograph auf die schriftsteller übertragen ward, die Dionysios von Halikarnass, ohne sie zu kennen, vor Herodotos rückt. λογοποιός oder λογογϱάφοι heiſst erzähler in prosa, und Hekataios Herodot und Thukydides sind λογογϱάφοι so gut wie wir. die ionische schriftstellerei ist den litteraten der späteren hellenistischen zeit fast durchweg vorattisch erschienen, weil sie einen archaischeren eindruck machte als die attische kunstprosa. dafür liefert die hippokratische sammlung den beweis noch jetzt. es ist also auf jene zeitansätze wenig verlaſs: gerade Hellanikos lehrt das, den die modernen meistens als logo - graphen mit an erster stelle führen, und der in wahrheit seine hohe bedeutung gerade darin hat, daſs er viel eher mit Ephoros und Ari - stoteles verglichen werden muſs als mit den epichorischen autoren oder den beiden groſsen λογογϱάφοι Herodotos und Thukydides.

Hellanikos ist von diesen schon dadurch verschieden, daſs er vieleHellanikos bücher über viele gegenstände verfertigt, ferner daſs er als der rechte antipode Herodots an dem fremden materiale klebt, das er verarbeitet, den chroniken seiner heimat, von Argos, von Athen, der siegerliste der lakonischen Karneen. obwol er kein festes chronologisches system überall durchgeführt hat, hat er doch nach synchronismen gestrebt und wirklich die grundlage der zeitrechnung gegeben: wir sind nun wol ziemlich alle der ansicht, daſs Thukydides ihm die ansätze der boeotischen und hera - klidischen wanderung entlehnt hat. mit ihm hat sich Ephoros denn auch ganz besonders auseinander gesetzt. natürlich hat er auch volks - tümliche novellistische erzählungen mitgeteilt, muſste sehr viel die für ihn bedeutendste geschichte, die wir heroensage nennen, wiedergeben und dabei zur ausgleichung am gewaltsamsten verfahren, aber er war mehr ein compilator als ein λογοποιός, wie er denn auch den Hero - dotos beträchtlich ausgenutzt hat. 10)Er verdankt ihm namentlich Σκυϑικά, denn da sein fragment 173 Müll. (Et. M. Suid. Ζάμολξις) aus Herod. IV 93 ist, so ist damit auch das urteil über dieThukydides däuchte sich schrift -2*20I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.stellerisch mit fug und recht weit über ihn erhaben; aber er hat ihn doch benutzt. er ist allerdings ein eckstein für die geschichte der tradition. denn wenn in dem letzten viertel des fünften jahrhunderts ein solcher compilator auftreten konnte, der chroniken des festlandes herausgibt oder schreibt, so bezeugt er einmal direct die existenz dieser chroniken, indirect aber, daſs die ihm viel näher liegenden ionischen ὧϱοι bereits edirt waren, wie ja auch überliefert ist. es versteht sich ganz von selbst, daſs genau wie wir die prosaische erzählung an die stelle des epos überall treten sehen, so auch die gründungssagen der ionischen städte in prosaischen büchern umlaufen muſsten11)Epische κτίσεις werden in den schriftenkatalogen z. b. des Xenophanes genannt. sie sind an sich sehr glaublich, nur wimmeln diese kataloge von fäl - schungen und irrtümern., und es ist sehr bezeichnend, daſs selbst die autornamen zum teil von den epen auf die prosaischen κτίσεις und ὧϱοι übergehn. 12)Die milesische chronik trägt den namen des Kadmos, des erfinders der buchstaben, die ephesische den des epikers Kreophylos. das sind weder homonyme menschen von fleisch und blut noch ihre angeblichen bücher fälschungen. es sind nur recht bezeichnende beispiele für dieselbe erscheinung, die den nachlaſs der Homeros Hesiodos Hippokrates ins unendliche vermehrt hat. Amelesagoras oder Me - lesagoras von Athen und Eumelos von Korinth sind gleichen schlages. über das alter der bücher, die in Alexandreia oder sonst wo diese autornamen trugen, ist nicht mehr ausgesagt, als daſs sie sehr alt zu sein beanspruchten. Delphika des Melisseus (Tzetzes in der vorrede zu den Erga 29 Gaisf., aus seiner allegorischen quelle) sind wol ganz apokryph. Melisseus ist der vater der μέλισσαι, Amaltheia

Die weisheitslehrer des fünften jahrhunderts zogen herum, traten auf und erklärten sich bereit auf alles rede zu stehn. wie sollte es ausbleiben, daſs ihnen historische fragen, über die herkunft und das alter der städte und geschlechter, die bedeutung von namen und monu - menten gestellt wurden? mochten sie sich oft mit autoschediasmen helfen oder die kenntnis Homers und anderer anerkannter dichter ge -Hippias schickt benutzen: sie brauchten doch eine gewisse geschichtliche kennt - nis. so sehen wir denn einen von ihnen, Hippias von Elis, auch in der altertumskunde erfahren (Hipp. I 285d), der name ἀϱχαιολογία fällt hier zuerst. und derselbe Hippias hat die olympische chronik zuerst ver - öffentlicht. so fühlt und befriedigt selbst die modernste bildung das be - dürfnis geschichtlicher studien.

10)geographischen coincidenzen gesprochen. athetiren wird die bruckstücke oder das buch aus dem sie stammen, die νόμιμα βαϱβαϱικά, niemand, der nicht im banne der falschen überlieferung über die lebenszeit des Hellanikos steht.
10)21Hippias. Nordgriechenland.

Doch die forschung nach büchern und autoren ist endlos und ziem - lich unergiebig: nützlich aber wird ein umblick über Hellas sein, zu zeigen, wo eine solche ἀϱχαιολογία nachweisbar scheint, wo die historie constatiren oder vermuten kann, daſs eine quelle auch für uns noch wasser gespendet hat. dabei wird mein auge immer auch auf die aristo - telischen Politien gerichtet sein, deren kümmerliche reste durch das licht, das von dem nunmehr vorliegenden ersten buche auf sie fällt, beträchtlich verständlicher geworden sind.

Die Atthis ist oben (I 8) eingehender behandelt. litterarische dar - stellung hat sie erst erhalten, als die attische sprache vollkommen aus - gebildet war. nicht viel später hat Megara in Dieuchidas, dann in HereasMegara eine sehr bedeutende leistung der art auf den markt gebracht, reich an wirk - lich geschichtlicher überlieferung, kostbarer antiquarischer belehrung aus localsagen und legenden, und getragen von einer kräftigen politischen tendenz.

Für die allgemeine geschichte ist Euboia ganz besonders wichtig;Euboia eine gröſsere anzahl von schriftstellernamen sind bekannt, und ent - sprechend der colonisatorischen bedeutung von Chalkis wächst sich die localgeschichte zu büchern aus, die man κτίσεις oder πεϱὶ πόλεων nennt.13)Die titel dieser ganzen gattung von büchern sind natürlich nicht authen - tischer als die der werke von Xenophon und Kleidemos. ὧϱοι Σιφνίων, Ἀτϑίς, Ἀττικὴ ξυγγϱαφή, Μιλησιακά, Ἰωνίας, Χίου κτίσις sind nicht falsch, aber darum durchaus nicht von den verfassern gegeben. jünger scheint nur die form πεϱὶ Θεσ - σαλονίκης u. dgl. zu sein. die pflanzstädte der Chalkidike gehören naturgemäſs mit der mutterstadt zusammen; aber auch das benachbarte Keos dürfte hinzu - gerechnet werden können, da Aristoteles recht viel über die insel weiſs, und mir wenigstens kein keischer localschriftsteller bekannt ist. ob es eine chronik gegeben hat, die feste zeitangaben in alte zeit hinauf ge - stattete, mag fraglich sein. aber artige verschen14)Plutarch Erot. 17. und alte documente15)Urkunde aus dem heiligtum der Artemis in Amarynthos bei Apollodor (Strab. 448). sind sogar für uns noch nachweisbar.

Dagegen ist in Boeotien Phokis Lokris, in Thessalien und selbstver -Nord - griechen - land ständlich bei den wilden stämmen der berge und des westens16)Uncivilisirt ist auch die südküste des korinthischen busens, Achaia. und hier hat nicht einmal die zeit der politischen bedeutung den versuch einer stammes -, so12)und ihrer schwestern. Delphi aber hat keine alte chronik gehabt. die Pythioniken sind erst vom heiligen kriege ab glaubwürdig.22I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge - schichtlichen überlieferung. auch die specialschriften, wie Kineas und Suidas über Thessalien, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind schwerlich älter als das dritte jahrhundert. und Delphi, das dem Herodotos so reiches material geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben.

ArgosIm Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und eine groſse zahl von chroniken in versen und prosa als die alte capi - tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. daſs die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismäſsig jung ist, haben die ausgrabungen gelehrt. immerhin besaſs selbst ein minder bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so wichtige urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen.

ArkadienArkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens. doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schatz von ur - kunden und traditionen; das früh demokratisirte Mantineia kam vielleicht mehr noch für νόμοι als für die πολιτεία in betracht. Aristoteles konnte tegeatische urkunden bereits benutzen (Plut. qu. Gr. 5)17)Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264., auch machen die reste der tegeatischen schriftsteller Ariaithos (oder Araithos) und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters. 18)Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, Iollas, Agaklytos, Istros, Aristodemos, Polemon.

ElisElis besaſs, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo - kratie zu macht gelangt war, eine groſse bedeutung und auffallend starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so groſse zahl von schriftstellern wie kaum über eine andere landschaft.19)Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar - kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9, Pomtow Beitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die einzelpolitien die neue organisation des Epaminondas, die κοινὴ πολιτεία, die gar keine historische einleitung hatte (Harpokr. μυϱίοι). von der Μαντινέων ist zu - fällig nichts erhalten, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie. und16)geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er die ionische wanderung erzählte. ein par schriftsteller πεϱὶ Ἀχαίας sind obscur und sicherlich nicht alt.23Elis. Korinth.durch die urkunden des tempels muſste Olympia für alle Hellenen, insbesondere die Peloponnesier, eine schatzkammer der wertvollsten über - lieferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der städtischen jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine zählung statt einer benennung der jahre ermöglichte, und darum hat sie Eratosthenes befolgt. im übrigen hat diese einführung einer rech - nung, die strenggenommen statt des jahres das quadriennium als einheit einführt, die chronologie mehr verwirrt als vereinfacht. 20)Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen chronik auf stein publicirt (CIA II 978), erst eine übersicht der kampfspiele, nach der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die olym - piaden genannt, keine synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht gewirkt.

Eine ähnliche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechendSikyon wesentlich musischen inhaltes, besaſs Sikyon, und sie ist schon vor Ari - stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene königsliste zeigt, daſs eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der reichen novellistischen überlieferung, die Herodotos wiedergibt, scheint nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein.

Auch für Korinth bezeugen die listen der könige, die stemmata derKorinth Bakchiaden, treffliche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen der Kypseliden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine familie hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar angesetzt. nachdrücklich hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides) das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die Herodotos gibt, in schutz genommen, und wir werden ihm zu glauben verpflichtet sein.21)Sprüchwörter wie Διὸς Κόϱινϑος, Μεγαϱέων δάκϱυα, δέχεται καὶ βῶλον Ἀλήτης sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk - lich aus korinthischer tradition. aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie sie die kunstwerke des sechsten jahrhunderts lehren, entspricht, steht das fehlen jeder korinthischen schrift aus den jahrhunderten 5 3 schroff gegenüber.22)Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos Κοϱινϑιακά von Diodoros und schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher. ein weiſser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge - dächtnis ausschlieſslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö. ) erhalten ist. es war eine reiche groſse stadt der krämer und der huren. 24I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.οὐ παντὸς ἀνδϱὸς εἰς Κόϱινϑόν ἐσϑ̕ πλοῦς: Aristippos geht dahin zu Lais, und Diogenes. natürlich: der Kapuziner gehört in die stadt der sünde. Byzantion und Tarent, auch dorische handelsstädte, zeigen das - selbe abstoſsende gesicht. wir wissen denn auch so gut wie nichts über die spätere korinthische geschichte.

SpartaÜber Sparta würde sich um 400 ein sehr schönes buch haben schreiben lassen; die liste der ephoren war seit der mitte des achten jahrhunderts aufgezeichnet, und daſs sie bloſs aus den nakten namen bestanden hätte, wird nicht leicht jemand probabel machen. alte ur - kunden fehlten nicht, wie die rhetra beweist23)Unsere jetzige kenntnis zwingt uns, bei einem von diesen pamphletisten die rhetra und die inschrift des diskos zuerst aufgezeichnet zu glauben, dem sie dann Aristoteles verdankt. jene pamphlete waren, nachdem Aristoteles und Ephoros sie benutzt hatten, genau so verschollen wie der συμβουλευτικὸς des Theramenes. wer das excerpt des Herakleides genau interpretirt, sieht, daſs Aristoteles damit anhob, die streitfrage zu erörtern, in wie weit die verfassung lykurgisch wäre; dabei muſs gelegentlich Alkman erwähnt sein, vermutlich bei einem citate. dann ward das per - sönliche des Lykurgos behandelt, wobei seine zeit durch den diskos bestimmt ward, und vorsichtig abgehandelt, was man ihm von speciellen bestimmungen zuschrieb. die ephoren waren nicht mehr darunter. endlich folgte eine schilderung des βίος Λακωνικός. an welcher stelle die rhetra stand, kann ich nicht mehr erkennen., eine reiche epichorische poesie war erhalten, der cultus und die sitten selbst zeugten von der ältesten zeit. aber, wie Thukydides klagt, wollten die herren des ver - knöcherten adelsstaates das spartanische prestige durch das tiefste ge - heimnis erhalten. Herodotos hat nur wenig in Pitane erfahren; dem Hellanikos überlieſs man die liste der Karneensieger24)Trotz E. Meyer kann ich nicht umhin diese für ein sehr altes actenstück zu halten, die voraussetzung der elegischen metaphrase, und Babyka und Knakion sollten das zu beweisen genug sein. erfand die verschollenen locale ein delphischer schwindler? mit dem dialekte zu operiren vermag ich nicht; daſs er nichts spe - cifisch lakonisches oder delphisches hat, liegt auf der hand. eben so steht es mit den elegien, für die schon ihre variirende fassung die herkunft aus dem volksmunde garantirt. wenn vollends junge wörter wie δουλεία (Solon) ἐλευϑεϱία (Pindar, Simonides) ὁμόνοια (Antiphon der sophist) orakel discreditiren sollen, so hört der spaſs auf., sonst ist auch er kärglich abgespeist. man spürt es in den lücken der spartiatischen geschichte nur zu deutlich, daſs der adel das licht, das er selbst zu scheuen grund hatte, auch seinen würdigeren ahnen entzogen hat. dafür trat seit 400 die polemische litteratur der pamphlete ein, die für und wider die oligarchie geschrieben wurden: das ist die quelle für unsere kenntnis der spartiatischen verfassung, und sie war es schon für Ephoros25Sparta. Kreta.und Aristoteles.25)Hellanikos hatte als Lesbier an seinem landsmanne Terpandros ein beson - deres interesse und hat wol die verantwortung der hohen schätzung desselben zu tragen, in der ihn die neueren noch weit übertreffen. diese haben sich nicht klar gemacht, daſs so ziemlich alles was sie von ihm hören auf combination beruht. seine verse sind schon im altertum athetirt, über seine musikalischen compositionen, die allein der berufene νόμος angeht, können wir nicht urteilen, weder was seine ur - heberschaft noch was seine verdienste angeht. die διαδοχή der musiker kann gar keinen höheren wert beanspruchen als die der dichter oder philosophen. seine poli - tische tätigkeit ist erweislich fabel. was bleibt? es ist bezeichnender weise hier wirklich fast nur die πολιτεία, um die sich alles dreht, von der geschichte erfahren wir kaum etwas: denn Lykurgos und Theopompos kommen eben für die verfassung in betracht. erst im dritten jahrhundert hat Sosibios26)Ich kann noch eben den irrtum berichtigen, daſs der Lakone Sosibios mit dem lytiker identisch gewesen wäre, dank Wachsmuth (de Erat. Apoll. Sosibio Leipzig 93). aber ihn für jünger als Eratosthenes zu halten, ist mir unmöglich. nach der losreiſsung der Eleutherolakonen, in dem verfallenen Sparta nach Nabis scheint er mir undenkbar, und ich vermag auch keinen zwang in Wachsmuths wahr - scheinlichkeitsbeweisen zu sehen. Sosibios paſst vielmehr vortrefflich in die zeit des Kleomenes. dagegen stimme ich in der beurteilung des sosibischen gutes bei Pausanias mit Wachsmuth überein, denke eher noch etwas skeptischer, namentlich über die ersten capitel des dritten buches. directe benutzung wird er selbst nicht annehmen. seines vater - landes altertümer in sehr dankenswerter weise erläutert und auch die geschichte zu ordnen versucht. aber die fehlende geschichtliche über - lieferung vermochte der gelehrte sammler nicht mehr zu ergänzen. ich wenigstens betrachte selbst die königsliste als ein unzuverläſsiges ge - mächte auf grund der herodoteischen genealogien.

Noch sehr viel mehr als Sparta hatte Kreta die fühlung mit derKreta hellenischen cultur verloren. die insel, welche weder das attische Reich noch die lakonische vorherrschaft in ihre kreise gezogen hatten, war von der tyrannis und der demokratie, von der ionischen und sicilischen auf - klärung verschont geblieben; Platon wuſste, daſs die Kreter noch um 360 den Homer kaum kannten. sie hatten aber auch keine eigene poesie, wenigstens keine, die den Hellenen bekannt oder verständlich war.27)Dieser mangel an contact mit der hellenischen cultur genügt allein dazu, daſs man in dem verfasser der Theogonie des Epimenides nicht einen wirklichen Kreter suche. den kretischen Zeus, den sie verherrlichte, hatte doch Hesiodos auf dem Helikon schon gekannt, und die figur des propheten sammt der fiction, die das gedicht zu - sammenhielt, ist nach Kreta versetzt eben um des Zeus willen; übrigens stellen barbarische gegenden, wie Akarnanien und Epeiros gerne die seher. Karnos (dessen name nichts als der eponymos der Akarnanen ist) war ja auch ein seher. man26I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.möchte wol den forschungsreisenden kennen, der einmal dorthin gezogen ist und von den halbbarbaren gastlich aufgenommen28)Die gastfreiheit hebt Aristoteles in der kretischen Politie hervor (Herakl. am ende); in der Politik (B 1272b) gibt er mit feiner wendung die begründung, ξενηλασίας τὸ πόϱϱω πεποίηκεν. in den sitten und der gesellschaftsordnung zustände fand, die er sich berechtigt hielt für das originale Dorertum zu halten. mit ächt hellenischer beobachtungs - gabe hat er geschildert was er mit eben so ächter auffaſsungsgabe beobachtet hatte, und sein werk hat dem greisen Platon die anregung zu der fiction seiner Gesetze gegeben und dann dem Ephoros und Ari - stoteles das material zu ihren schilderungen geliefert. ich rede von einem berichterstatter, da die nachrichten, so weit sie die kretischen zustände angehn, einen einheitlichen eindruck machen, mag es auch mehrere darstellungen gegeben haben, den Atthiden analog.29)Ephoros verweist auf mehrere entgegenstehende meinungen, operirt mit σημεῖα, mit sprüchwörtern ( Κϱὴς τὴν ϑάλασσαν), Homerexegese u. dgl., ganz wie die Atthis des Aristoteles. da für ihn die vergleichung der kretischen verfassung mit der lakonischen ein hauptgesichtspunkt war, und er beide ziemlich gleich dar - stellte (Polybios VI 45), so liegt nahe zu glauben, daſs das interesse für Spartas verfassung, das in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts so rege war, auch jenen forschungsreisenden nach Kreta getrieben hat. aber wer war es? kretische ge - schichte konnte jener mann freilich nicht geben30)Aristoteles und Ephoros operiren mit den epischen traditionen, Rhada - manthys Minos Idomeneus. Althaimenes stammt aus argeiischer sage, Thaletas aus lakonischer. die fragmente 518. 519 hat Rose ohne grund in die kretische Politie gerückt. das erste geht dem chalkidisch thebanischen Rhadamanthys an, der den Herakles erzogen hat, das andere erklärt eine angeblich heroische sitte (die pyr - rhiche) aus einer kretischen, wie die Poetik (25) eine epische vocabel durch ihre kretische epichorische bedeutung erläutern will. die εὑϱέται Κούϱης und Πύϱϱιχος (Strab. 480) wird Ephoros selbst erfunden haben., und als die Ptole - maeer Kreta mit gewalt aus seiner vereinzelung aufrüttelten, sahen sich die nun erstehenden kretischen localhistoriker, Dosiadas und andere, genötigt die lücke mit mythischen fabeleien zu füllen, denn selbst helden - sage wuſsten sie nicht zu finden. die insel aber gieng von der archaischen naiven barbarei unheimlich schnell in die abscheulichste culturbarbarei über. ihre wirkliche bedeutung liegt nur in der zeit des Minos.

Die dorischen inselnDie kleinen dorischen inseln Kythera Melos31)Die angabe über das alter der kolonie Melos kann Thukydides (5, 84) sehr wol aus der peloponnesischen tradition, also der von Argos, haben. Thera Anaphe32)Die Argonautensage von Anaphe (Isyll. 92 Knaack Callimachea Stettin 87) stammt nicht aus epichorischer aufzeichnung, sonst würde der gott wie in Anaphe27Die dorischen inseln. Groſsgriechenland.Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachgewachsene chronik und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande, Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste stätte der archaischen cultur; damals war für prosaische schriftstellerei noch nicht die zeit. dann aber zerstörte Athen die gefährliche rivalin, und die herstellung des staates 403 ist nicht im stande gewesen, ihn lebens - fähig zu machen. die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer - schlagen und zerstreut.33)Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen familien und heilig - tümer die ersichtlich spätgrammatischen schriften von Theagenes und Pythainetos πεϱὶ Αἰγίνης mit wenig nutzen consultirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach - komme der alten Βασσίδαι auſspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem Pindar. die groſsen dorischen inseln an der karischen und lykischen küste sind geistig ionisirt; aber wie für ihre politische so auch für ihre geistige bedeutung war die centralisation die not - wendige vorbedingung, die 411 die stadt Rhodos, 366 die stadt Kos schuf. erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua - rischen altertümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen: eine höher hinauf reichende geschichtliche uberlieferung hat es nicht gegeben. 34)Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen Ὀφιοῦσσα. diese fabelhaften ur - namen, die es für die meisten inseln und manche städte gibt, und die bei den geo - graphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein, keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen. fgm. 569 hat Rose ohne grund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition, was die Politik über Kos und Rhodos bringt (E 1302 und 1304) ist bisher un - genügend erklärt, scheint aber das vierte jahrhundert anzugehn. die bedeutung der synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt.

Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte habenKyrene können, hat sie aber nicht erzeugt. 35)Aristoteles hat in dieser Politie vorwiegend den Herodotos benutzt, wie der auszug lehrt. die schriften πεϱὶ Κυϱήνης haben geschichtlich kaum etwas brauchbares hinterlassen.

Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischenGroſs - griechen - land tradition eine sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos, daſs er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Antiochos von Syrakus nicht etwa bloſs die chronik seiner heimat, sondern die archaeo -32)Asgelatas heiſsen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.28I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.logie des neuen Hellas. er stammt aus der stadt, die von allen dorischen allein die heimische mundart in poesie und prosa ausgebildet hat, und doch schreibt er ionisch. in Westhellas sind eben die träger der geistigen cultur die chalkidischen städte, und wer die fülle der überlieferung über - schaut, wird nicht bezweifeln, daſs chalkidische chronisten dem Antiochos die anregung gegeben haben, mögen sie auch für uns verschollen sein.36)Ein solcher name ist Hippys. das buch, das um 250 unter seinem namen gieng, war aber nicht mehr original. was gegen meine kritik (Herm. 19) eingewandt ist, scheint mir einer ernsthaften widerlegung nicht zu bedürfen. die ionischen städte sind im westen gerade während des fünften jahr - hunderts erdrückt worden, aber sie haben von ihrem geiste den Achaeern und Dorern, ja auch den Italikern mitgeteilt. Sybaris, achaeisch der race nach, aber mit Milet eng durch freundschaft verbunden, ist schon im sechsten jahrhundert zerstört, und doch kennt schon das fünfte sybaritische geschichten als litteraturgattung. im westen, wohin das epos nicht mehr gedrungen ist, hat sich die prosaerzählung früher und stärker ausgebildet, und welche fülle von novellenfiguren tritt uns hier entgegen, Euthymos und Milon, Smindyrides und Amyris, Pythagoras und Empedokles, Phalaris und Malakos. deutlicher als irgend wo sonst sehen wir die mythischen gründungssagen, voll von geschichtlicher erinnerung, und die urkundlichen daten neben einander liegen. das ist direct freilich zumeist timaeisches gut, aber der gelehrte sammler fuſst auf älterer litteratur und beweist am besten, daſs die zeit der aufzeichnung für das alter der überlieferung ein unzureichendes kriterium ist. Aristoteles hat über den westen begreiflicher weise nicht viel gegeben37)Was wir von seinen Politien der Geloer und Akragantiner hören, geht vorwiegend die groſsen tyrannen an, stammt also aus der politischen geschichte. über Rhegion weiſs er ausgezeichnetes; natürlich gab es in der ionischen stadt eine chronik., und wir hören davon wesentlich durch die erbitterte kritik des Timaios. dagegen muſs er über die städte des ionischen meeres Epidamnos Apollonia Korkyra Ithaka Kephallenia ganz besonders ergiebige von niemand sonst benutzte überlieferung zur verfügung ge - habt haben; sowol die Politik wie die Politien lehren es, und selbst Timaios ist ihm hier in manchem gefolgt. die euboeischen historiker dürften die vermittler gewesen sein, da Euboeer die vorläufer der Korin - ther im ionischen meere gewesen waren, während die achaeischen und dorischen orte selbst fast culturlos waren. 38)Der Chalkidier Dionysios (Plut. de malign. Herod. 22) kennt eine korky - reische urkunde. auch bei dem Epiroten Proxenos, der zu Pyrrhos zeit schreibt,

29Massalia. Ionien.

Aber Massalia im äuſsersten westen ist eine Ionierstadt und hatMassalia sich seiner herkunft würdig bewiesen. am besten beweisen es seine groſstaten auf wissenschaftlich geographischem gebiete, der alte peri - plus, Euthymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch schriftlich fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab. 179), und es gab auch eine massaliotische geschichte. die reizende gründungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem volksmunde, und er ist auch in der Politik in der lage, über die ver - faſsungsgeschichte mehreres beizubringen. 39)In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut multa de Massaliotis, Hermocaicoxanthus qui supplicabatur dominum caelorum (so die arabische übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. Berl. Akad. 19 jan. 1888): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift Ἑϱμοκαι - κόξανϑος εὐξάμενος Διί, und weiſs nicht, wie Diels zu ἐπεύχεσϑαι und Διὶ πατϱὶ kommt. ich kann also nur glauben, daſs bei den Massalioten verdrehte dreifach componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese inschrift irgendwo in Hellas gesehen und belacht haben, oder seine schüler haben davon erzählt. der name ist verdreht, aber Εὐδάμιππος, Εὐξένιππος, Ἱππαϱμόδωϱος sind es nicht minder und geben auch drei glieder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter - pferd, die fiction des adels, gewöhnt. Κηφισόδημος Λυσίδημος Θούδημος sind auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach. die massaliotische onomatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie nicht war.

Nun endlich das östliche eigentliche Ionien, das Ionien Homers,Ionien die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten. die namentlich und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift - steller reichen bis in das sechste jahrhundert und einzelne wenigstens haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst38)weist manches nach Euboia. der localhistoriker Athanadas von Ambrakia (Anton. Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die zerstörung durch Acilius Glabrio wird er freilich sein. daſs Korkyra so ganz für die cultur ausfällt, gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert. ein weiſser rabe, der tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von Pleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden. hätte Korkyra seine schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage. aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste zu der berückenden weichen schönheit der Phaeakeninsel. ohne Αἰδώς und Δίκη wächst eben selbst im paradiese nichts als obst.30I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.gestellten die geschichte der eigenen heimat zur aufgabe wählen, Ion von Chios und noch den peripatetiker Duris von Samos. die Aeoler von Lesbos und Kyme40)Noch Menekrates von Elaia, ein schüler des Xenokrates, schreibt κτίσεις seiner aeolischen heimat (Strab. 572 u. ö., immer aus Demetrios von Skepsis). stehen den Ioniern gleich, und diese zeigen dieselbe regsamkeit auf den Kykladen, am Hellespont und im Pontos41)Schriftsteller aus älterer zeit (wie später namentlich Demetrios von Kal - latis) kenne ich nicht, aber die gründungsdaten sind zum teil erhalten, und Aristo - teles verfügt über historisches material selbst aus Phasis und Istros. wie in den zwölfstädten der küste; am Pontos nimmt aber auch die megarische pflanzstadt Herakleia einen ehrenplatz auf allen gebieten des geistigen lebens ein.42)Hier steht im dritten jahrhundert selbst die chronik des dichters Phere - timos neben der des staatsmannes Nymphis. da die stadt erst in der mitte des sechsten jahrhunderts entstanden ist und dauernde nahe beziehnung zu Athen unter - halten hatte, ist es nicht wunderbar, daſs sich gute überlieferung in geschichtlicher form erhalten hatte, bis sie aufgezeichnet ward, und schon vorher Aristoteles und andere über die herakleotischen verhältnisse orientirt waren. wie wichtig die stadt diesem erschienen ist, vgl. I 10. daſs wirklich zeitgenöſsische chronikartige auf - zeichnungen und viele alte urkunden vorhanden waren, versteht sich eigentlich von selbst. zufällig erhaltene stücke, wie über die gründung von Ephesos aus der dortigen und der siphnischen tradition43)ὧϱοι Ἐφεσίων Athen. VII 361, ὧϱοι Σιφνίων VI 267. oder die schiedssprüche im Athenatempel zu Priene, liefern auch greifbare belege. für manchen ist vielleicht bezeichnender, daſs Aristoteles in der samischen Politie das erscheinen einer weiſsen schwalbe, so groſs wie ein rebhuhn, notirt.44)Herakl. 31 ἐφάνη λευκὴ χελιδὼν οὐκ ἐλάττων πέϱδικος. der iambische trimeter ist durch zufall entstanden; es ist keiner für altionische metrik. dieselbe tatsache aus den anonymen ὧϱοι Σαμιακοί bei Antig. Karystr. Parad. 120. das er - scheinen der ersten weiſsen tauben berichtete Charon in seiner lampsakenischen chronik, Athen. IX 394. aber die lust zu fabuliren, die freude an dem spiele der phantasie und dem bunten leben, die Ionien als erbe Homers besaſs, ist für die rein geschichtliche überlieferung verhängnisvoll ge - worden. die schriftstellerei stand im zeichen der novelle, als sie die geschichtliche überlieferung zu behandeln begann, der subjectivismus und rationalismus trat hinzu, und so sind gerade die ionischen traditionen für den historiker mindestens viel schwerer verwendbar geworden als die nakten namen und daten aus anderen orten. schon wenn wir die lydische geschichte und die ionische, so weit sie herangezogen wird, bei Herodotos lesen, werden wir oft bedenklich (obwol die schlacht bei Lade31Ionien. fortleben der novelle.den eindruck einer weit gröſseren glaubhaftigkeit macht als die bei den Thermopylen). wie viel ängstlicher muſs uns nicht zu mute sein, wenn wir etwa von Pindaros und Pythagoras von Ephesos oder den Gergithes von Milet bei Aelian lesen? in der tat ist die altionische geschichte für den historiker fast verloren, und noch scheint es nicht, als wollte sie der boden uns zurückschenken. dafür ist sie in das reich der poesie übergegangen und hat dort eine lebenskraft bewiesen, vergleichbar nur der heldensage.

Ionien hat gleich nach der befreiung durch Alexandros einen neuenFortleben dieser tradition aufschwung genommen, in einem bewuſsten und berechtigten gegensatze zu der bevormundung durch Athen und seine litteratur. die schönste blüte dieser bewegung ist die erneuerung der elegie und des iambos. die elegie aber griff auf die novellistisch gewordene geschichte, auf die archaeologie zurück. diese romantische litteratur ist den πολιτεῖαι der peripatetiker genau so analog, wie die wissenschaftlich philologische arbeit des Kallimachos und Eratosthenes der wissenschaftlich aesthetischen des Aristoteles und seiner schüler. so sind denn auch ihre quellen oft geradezu dieselben.45)Die erhaltene erzählung aus dem Apollon des Alexandros von Pleuron ist geradezu ein capitel der Μιλησιακά so wol im sinne der alten königsgeschichte wie in dem der erotischen novelle. es gehn auch versuche nebenher das epos zu erneuern, und die archaeologie ganzer landschaften oder einzelner städte so zu verarbeiten. Μηϑύμνης Ῥόδου κτίσεις, Θετταλικά, Μεσσηνιακά: das verhält sich zu den αἴτια des Kallimachos wie Ephoros zu Aristo - teles. das zweite jahrhundert bringt noch viele nachzügler auf allen gebieten, Βιϑυνιακά des Demosthenes, die schriftstellerei des Nikandros über Aetoler Oetaeer u. dgl., ausgeartete πολιτεῖαι, wie seine verse aus - geartetes epos sind. im ersten jahrhundert gibt Alexandros von Milet in höchst anerkennenswerter weise groſse compilationen über die ar - chaeologie von Karern Lydern Juden und andern hellenischen und halb - hellenisirten stämmen. aber weder die poesie noch die wissenschaftliche schriftstellerei der gelehrten ist volkstümlich geworden. dagegen wuchertFortleben der novelle die novelle fort, mit dem aus einer ionischen wurzel erwachsenen Helle - nismus bis nach Seleukeia am Tigris und Ptolemais am Nil verbreitet. mitten in der schlimmsten zeit des ausgearteten barokstils begegnen uns wieder die Λυδιακά des Skytobrachion. eine zeitgemäſse bearbeitung des alten Xanthos wollten sie sein: es ist der historische roman, berechnet lediglich auf das ergetzen des publicums. auch Μιλησιακά treten wieder auf, von Aristeides, nicht mehr als geschichtsbuch, sondern als roman,32I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.mit einer erotik, die für einen derberen gaumen berechnet war als die romantische elegie, und keinesweges deren tochter. sie stammt vielmehr genau so direct und so rein von der alten novellistischen geschichte ab wie die Ephesier, die sich dem Mithradates ergaben, von dem volke, das unter den Basiliden gestanden hatte. ob sie schon durch Aristeides den entscheidenden schritt getan hat, die mythischen namen ganz abzustreifen, verstattet unsere kümmerliche überlieferung nicht zu erkennen: bald ist es jedenfalls geschehen, sonst würde Petrons matrone von Ephesos den namen einer fürstin des siebenten oder sechsten jahrhunderts tragen.46)Nachdem dieses geschrieben war, ist in den resten von Ἀσσυϱιακά, oder Βαβυλωνιακά, wie immer der titel hieſs, die Wilcken veröffentlicht hat (Hermes 28), ein erwünschter beleg hinzugetreten. da sind die träger der erotischen fabel, die den späteren recht ähnlich ist, noch Ninos, Semiramis und ihre umgebung. der roman steht innerlich wie zeitlich zwischen der älteren historie und den sophistischen ἐϱωτικαὶ διηγήσεις. ich wüſste ihm nichts besser zu vergleichen als die reste der ersten bücher des Nikolaos, die ihm auch zeitlich am nächsten stehn dürften. aber die herkunft der griechischen romane aus der alten erzählungs - litteratur ist deutlich genug. wo die alten träger geblieben sind, wie Pythagoras Aesop die Sieben weisen, liegt es auf der hand. bei den erotischen erzählungen verkennt man es leicht. die sophistik der kaiser - zeit hatte sich eingebildet, eine neue veredelnde form gefunden zu haben, und wie sie die motive der komoedie zu mehr oder minder albernen briefen von hetären parasiten bauern und fischern verbrauchte, wobei die locale attische farbe gar oft verloren geht, so bewahren ihre ero - tischen erzählungen, berechnet für den öden salon einer vorkommenden gesellschaft, nur hie und da ein par locale züge.47)Chariton fingirt die zeit des peloponnesischen krieges, der lateinische roman von Apollonius führt sogar die personen der diadochen ein: den spätlingen waren jene zeiten so ferne vorzeit wie Ninos und Kroisos der zeit des Nikolaos. das local ist meistens die hellenische ostküste des Mittelmeeres. so gerät man in regionen, die von aller historie ganz fern liegen, wenn man einen zweig der geschichtlichen überlieferung durch die jahrhunderte litterarisch ver - folgt. um so weniger wollen wir hier auf die metamorphosen einen blick werfen, die die hellenistische novelle auſserhalb von Hellas erlebt hat. zu Aristoteles zeiten waren die Μιλησιακά noch durchaus historie, λογο - γϱαφία, so gut wie das werk des Herodotos, vermutlich annalen, so gut wie die Atthis.

ErgebnisGelehrt hat dieser überblick der tradition vielleicht nur die etwas, welche in der lage waren, sich bei der einzelnen stadt oder land - schaft die hauptsachen von der über sie erhaltenen überlieferung ins33Ergebnis.gedächtnis zurückzurufen. in diesen fall aber möge sich jeder setzen, der mit der hellenischen geschichte mehr als sophistisches spiel treiben will. so weit die historie erzählung der ereignisse ist, krankt unsere überlieferung bis 432 wirklich an einem unersetzlichen mangel an ma - terial. so weit es aber die darstellung des zuständlichen und die er - klärung gilt, wie dieses geworden sei, ist der mangel an material ein mangel der methode. da muſs die wissenschaft besser suchen lernen und muſs die scheidekünste gegenüber dem gestein, das in unsern schächten bricht, vervollkommnen, statt es als taub auf die halden zu werfen. lernen wir die sagen, die novellen, die tendenzschriften besser verstehn als Aristoteles. vor allen dingen aber begreifen wir und be - herzigen wir die notwendigkeit den zugang zu den besten, den wahr - haften quellen zu eröffnen, der localen überlieferung. Aristoteles ist keine quelle mehr, er hat sich nur als ein canal herausgestellt; aber was er bietet ist zum besten teile quellwasser, und heute wie vor jahren gebe ich die parole für die griechische geschichtsforschung aus: nicht die weltgeschichte des Ephoros, sondern die Politien des Aristoteles sind das vorbild für unsere eigene arbeit.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 3[34]

2. DIE POLITIE DER ATHENER VON KEKROPS BIS SOLON. 1)Es war undurchführbar, in den darstellenden capiteln 2 4 im einzelnen auf die begründenden untersuchungen zu verweisen, die im drucke auf sie folgen. den ersatz liefern die register.

Die burg der Kekroper.Die steine der burg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren selbst die sage vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten die Kekroper in kleinen häuschen, und der palast ihres königs stand etwa da, wo die zeit Kleophons das Erechtheion gebaut hat. die burg hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlosse, und eine schmale treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg μακϱαί) und weiter zur Klepsydra. am nordfuſse des burgfelsens rann der fluſs, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein reines naſs schöpften die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem Athenatempel zusammenstöſst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand selbst, daſs der baumeister auf einen raum darunter rücksicht nahm, das grab des Kekrops. kein zweifel, daſs dieses grab die gebeine eines alten herren des schlosses barg oder birgt. noch heute kann der andächtige blick die male schauen, die der dreizack Poseidons in dem burgfelsen zurückgelassen hat, und ist auch Athenas ölbaum verschwunden, so ist doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der Agrauliden seiner wartete. auge und hand kann fühlung nehmen mit einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten tempel baute. damals sproſs noch der heilige ölbaum und stand noch der hausaltar der alten könige des schlosses. die continuität ist in Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten hatte als die tatsache der continuität.

35Die burg der Kekroper. das volk Athenas.

Die burg von Athen ist ihrer anlage und bauart nach ein erzeugnis derselben periode wie die von Tiryns, Orchomenos, Arne und viele andere, in Attika namentlich Eleusis und Thorikos. ihre herren haben die kekropische ebene beherrscht; das ist nicht wenig für jene zeit der vielen kleinen burgherren. aber wirkliche staaten oder städte kannte jene zeit noch nicht. jenseits der niederung im südwesten, die damals entweder meer oder lagune war (das ἁλίπεδον), erhob sich schon eine andere solche burg, Munichia, und an den abhängen des Parnes und Brilettos werden sie nicht gefehlt haben. es hat der zeit und der arbeit und der kämpfe vieler generationen bedurft, bis sich über den trümmern dieser burgen die stadt Athen, und über den kleinen politischen ein - heiten der staat der Athener erhob. auch diese zeiten und kämpfe sind verschollen, und auch von ihnen ist nur im gedächtnisse geblieben, daſs die continuität nie abgerissen ist, während überall ringsumher, in Boeotien und Euboia, Megara und Aigina, und im ganzen Peloponnes fremde eroberer den geschichtlichen fortschritt bringen. in langem ruhigem stillem wachstum ist das edelste reis des hellenischen gartens auf dem felsen Athenas gediehen.

In diesen zeiten des werdens ist das königtum oder vielmehr dieDas volk Athenas. monarchie zu grunde gegangen und die souveränetät der gemeinde (δῆμος) entstanden. in die gemeinde aber sind die herrschaften alle aufgegangen, die vorher neben einander in Attika bestanden, auch die der burg, und sie am entschiedensten, denn sie hat sogar ihren namen eingebüſst. sie heiſst nun wie die gemeinde; die gemeinde aber ist die der Athena - hefohlenen, und stadt und burg heiſst nur nach der hohen himmels - göttin, die ganz eigentlich in das alte fürstenschloſs eingezogen ist, die wirkliche nachfolgerin der alten könige. Ἀϑηναῖος ist nicht anders gebildet als Ἑκαταῖος Διονύσιος, und nur die gewohnheit, darin eine ortsbezeichnung zu hören, läſst die eminente bedeutung der tatsache übersehen, daſs die zugehörigkeit zu Athena zugleich die herkunft aus Athen bezeichnet. nur Platon mit seinem gefühle für die religion seiner väter empfindet Ἀϑηναῖος wegen des göttlichen namens als eine ehrende bezeichnung.2)Ges. I 626d, wo er den anonymen Ἀϑηναῖος einführt, der eben dadurch als typus charakterisirt werden soll, daſs er verdient Ἀϑηναῖος zu heiſsen, daſs Athenas geist auf ihm ruht. sehr hübsch ist es, wie hundert jahre später daraus gemacht ist, es gäbe in Athen zwei sorten einwohner, die Ἀϑηναῖοι, die dem ruhme des alten namens entsprächen, und die Ἀττικοί, die alle übeln eigenschaften hätten, die man den Athenern nachsagte (Herakleides der Kritiker 4). das land hieſs bei dem namen der bürgerschaft entspricht der der stadt,3*36II. 2. Von Kekrops bis Solon.Ἀϑῆναι3)Die pluralbildung ist dieselbe wie in Θῆβαι Πλαταιαί, aber nur grammatisch dieselbe, denn neben diesen stehn auch die singulare in localer bedeutung, und die ortsnymphen sind gegenüber den städten secundär, während Ἀϑῆναι von Ἀϑήνη gebildet ist, dem namen, den die nicht-ionischen Hellenen als Ἀϑάνα festhalten und auch die attischen dichter in gehobener rede anwenden. die brechung des a ist jünger als sein ersatz durch Ἀϑηναία, in dem, wenn es nicht wirklich darin steckt, der Athener wenigstens nur das ethnikon finden konnte, einerlei ob ϑεός oder παϱ - ϑένος dabei zu ergänzen ist., der statt einer ableitung wie Ἡϱαία, Ἀπολλωνία nur den plural des gottesnamens verwendet, und zwar in einer form, die in Athen zu gunsten der ableitung fallen gelassen ist, so daſs die göttin von den Athenern nur göttin oder Athenerin genannt wird. keine andere stadt in Hellas hat es vermocht, in dieser weise eine der groſsen gottheiten zu ihrer vertreterin zu machen. heroen wie Korinthos und Miletos, Theba und Aigina, haben kaum etwas körperlichkeit erlangt; die Hera von Argos, die Kora von Syrakus, die götter der verschiedenen Apollonia haben nie das wesen der allgemeinen götter beeinfluſst, die vielmehr alle nur nebenher diese und jene stadt besonders vertreten. Athena ist die jungfräuliche und streitbare stadtgöttin vieler orten rings um Athen, in Aigina, Korinth, ja selbst bei den eingewanderten Boeotern.4)Sie haben ihr bundesheiligtum am Athenatempel zu Κοϱώνεια, das am Κωϱάλιος liegt, das ist stadt und fluſs der κόϱη, κοϱώνη. denn ich meine sowol κοϱώνη wie Κοϱωνίς richtiger als früher zu fassen, wenn ich es nur als weiter - bildung betrachte. παϱϑένος heiſst Athena oft, und παλλάs bedeutet auch nur das mädchen und ist wol bei Homer noch nicht toter eigenname. es gehört zu πάλλαξ πάλληξ παλλακή παλλακῖνος. die Athenabilder heiſsen παλλάδια, weil sie κόϱαι sind, und auch andere weibliche idole können passend so heiſsen. es ist wie κόϱη auch nur ein femininum zu ἀνδϱιάς. wenn sie zu Athen ein so viel näheres verhältnis gewonnen hat, so vermag man sich der vermutung nicht zu erwehren, daſs dabei ein be - wuſster wille tätig gewesen sei. die einigung der landschaft Attika ist die voraussetzung der athenischen geschichte, und sie ist erzielt, ehe unsere2)den umwohnern Ἀκτή (darüber mehr zu cap. 5), davon ist Ἀττικός gebildet, und die die gesinnung oder sprache Athens drauſsen teilen ἀττικίζουσιν, und wie die weiterbildungen sonst sind. weil das ττ aus κτ entstanden ist, tritt nirgend σσ dafür ein auſser bei solchen, die der sprache gewalt antun wie Euphorion 27. der lautwandel fordert eine erläuterung, denn er ist anomal. ganz ebenso steht τϱιττύς τϱιττόα für τϱικτύς, ὡς τετϱακτύς, dies unter dem einflusse von τϱιττός τϱισσός, ἀττικός unter dem von Ἀτϑίς, einem ganz correcten hypokoristikon von Ἀϑηναίς, das sehr alt sein muſs, da der letzte radical noch verdoppelt ist, als mädchenname bei Sappho belegt, für athenisch, wie es scheint, erst bei Euripides. Thukydides nennt die Ἀττικὴ συγγϱαφή des Hellanikos so, nicht Ἀτϑίς. bei Hesych steht Ἀττίς Ἀϑῆναι: das hat wol ein künstelnder poet gesagt.37Das volk Athenas.geschichtliche überlieferung beginnt. es erscheint trotz allen regionalen gegensätzen und kämpfen undenkbar, daſs sich der Aphidnaer oder Brauronier anders denn als Athener fühlte. sie wollen wol alle herrschen, aber über Athen und Attika. diesen ungeheuren fortschritt der politi - schen empfindung, den in Boeotien und Ionien höchstens einzelne be - deutende männer wie Epaminondas oder Hekataios für sich machen, hat das attische volk so früh erreicht. das festjahr, das von den Κϱόνια, dem gedächtnis der staatlosen zeit, zu den συνοίκια und Παναϑήναια fortgeht, legt von ihm zeugnis ab, und das heiligtum der burg ist wirk - lich das gemeinsame für das ganze volk. sie glauben alle, daſs Athena die göttin dieses volkes und dieses volk ihr auserwähltes ist, was die so zu sagen universale potenz der himmlischen jungfrau und tochter des Zeus noch nicht beeinträchtigt. diesem höheren einigenden glauben, der Athenareligion, hat sich die gesonderte verehrung sowol der einzelnen ortsgottheiten wie der noch so bedeutenden andern götter, selbst der Nemesis von Rhamnus, der Athena von Pallene, der Artemis von Brauron untergeordnet. wenn Athena von alters her die stadtgöttin der burg über dem Eridanos war, so hat ein localcult über alle andern triumphirt. sie wohnt dort so lange, bis ihr Peisistratos ein eigenes haus baut, in dem alten königspalast; sie hat um das land streiten müssen, und ihr priestertum wird von dem geschlechte versehen, das in erster linie dem Poseidon Erechtheus, ihrem gegner, dient. das alles und nicht zum wenigsten, daſs die sage geflissentlich die berechtigung ihrer herrschaft nachweist, führt zu der annahme, daſs sie von der burg wirklich erst besitz ergriffen hat, als herrin des landes, als vertreterin des gesammt - staates, als die trägerin der neuen empfindung, der dann der alte local - cult der burg und ihr alter name weichen muſste. 5)Ein spiel, auch mit sehr scheinbaren einfällen, will ich nicht spielen, will weder Κϱανααί aus Aristophanes als alten namen hervorholen noch der verlockung raum geben, daſs die Athena von Pallene, also auch die herren von Pallene ihren cult auf die burg verpflanzt haben und demnach die einiger Attikas sind. aber daſs Athena von der burg und von Attika erst als landesgöttin besitz er - griffen hat, scheint mir nachweisbar. die sage vom streite mit Poseidon setzt ihre besitzergreifung und die pflanzung der olive in das achte jahr des Kekrops, den streit mit Poseidon in das sechsundzwanzigste (so bei Eusebius, dessen vorlage in der attischen mythologie ganz mit der apollodorischen bibliothek geht. beiläufig: dies zeugnis entscheidet unzweideutig für die auffassung Roberts von der pflanzung der olive wider Petersen), aber wir werden nicht bestreiten, daſs der felsspalt eher da war als die fremde olive. Erechtheus ist eine person von ganz anderer consistenz als Erichthonios, der pflegling Athenas, und die legende von dem kästchen, das die

38II. 2. Von Kekrops bis Solon.

Die er - werbung von Eleusis.Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig war. und die erinnerung ist nicht vergessen, daſs es schon polemarchen gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer - sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen, die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht bloſs die priestertümer in Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h. eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen geschlechter vorsteht.6)Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so sehr anerkannt, daſs der ἐξηγητὴς ἐξ Εὐμολπιδῶν noch für Perikles autorität war; der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist. die vermögensverwaltung der beiden göttinnen ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, daſs sie je für all - gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension, die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äuſserst wertvoll, weil sie beweisen, daſs der anschluſs von Eleusis statt - gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon so complicirte verträge schloſs, daſs die schrift nicht wol entbehrt werden5)Ἀγϱαυλίδες κόϱαι öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd erfunden; immerhin liegt das richtige darin, daſs Athenas verbindung mit Hephaistos, die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt - gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere Palladia und die ἀϱχηγέτις ist sogar die Ἡφαιστία. Athena ist nicht in Athen geboren wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an - spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes. daſs die alte burg dann auch nicht von anfang Ἀϑῆναι geheiſsen hat, folgt mit not - wendigkeit.39Die erwerbung von Eleusis.konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach norden7)Die kleisthenische[kreisordnung], die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet, zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpaſs ist dann noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfaſste, denn er muſs dort den riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen und hieſs ὀϱγάς, ein wort, das nichts mit ἀεϱγός zu tun hat, sondern die ὀϱγῶσα γῆ bezeichnet: wenn die ὀϱγάς gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der bebauung entzogen. unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den groſsen erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570 562), ein vorläufiges ende fanden.

Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen. daſs die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an - zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen in das östliche und westliche meer teilnahmen8)Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias., ist eine durchaus glaub - hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter. die bevölkerung Attikas ist gewiſs von vorn herein nicht eines stammes gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer40II. 2. Von Kekrops bis Solon.race, einem wirklich einheitlichen und seiner einheit sich bewuſsten volke mit ganz bestimmter sprache und sinnesart vollzogen, bevor der nebel der sage sich lichtet; auch Eleusis macht keine ausnahme. es ist die einheit des Athenervolkes, des δῆμος Ἀϑηναίων.

Die alte verfassung.Dem entspricht die verfassung. wer sich an das wort hält, muſs behaupten, daſs die demokratie Athens einzige verfassung ist, muſs dann aber dasselbe von Sparta sagen9)Isokrates (9, 61) hat es fertig gebracht, den ruhm Spartas darin zu finden, ὅτι μάλιστα δημοκϱατούμενοι τυγχάνουσιν. im Menexenos wird Athen als muster der ἀϱιστοκϱατία hingestellt. mit worten geht alles. in der tat ist die souverä - netät auch in Sparta bei dem δᾶμος. aber dieser δᾶμος ist der stand, beschränkt durch die forderung sowol des blutes wie der standesgemäſsen lebensführung, womit auch ein gewisser besitz gefordert war. der δᾶμος übt seine souveränetät fast nur durch die wahlen einiger behörden; könige und rat sind lebenslängliche amts - stellen. die gesetze sind nicht aufgeschrieben, die beamten an keinen beirat ge - bunden. die wurzel ist also sehr ähnlich wie in Athen, aber das gewächs ist ein anderes, und dem entsprechen die früchte.. die verfassungskämpfe drehen sich darum, wer zum demos gehören soll, und in wie weit der demos seine souveränetät selbst in der executive betätigen will oder auf die männer seiner wahl, einzelbeamte oder collegien, übertragen. die entwickelung geht dahin, den begriff des demos möglichst weit, seine regierung immer unmittelbarer zu machen. die beamten aber, ursprünglich einzelne, be - fugt sich ihre subalternen selbst zu ernennen10)Das hat gedauert für die beisitzer der drei oberbeamten und für die sub - alternofficiere, die der oberst ernennt. die ersteren aber haben beamtenqualität sie zeugen also für das alte recht der oberbeamten. die vom Areopag ernannten beamten waren mindestens zumeist auch wirklich seine organe, später die des rates der 500., werden immer mehr gebunden und beschränkt durch die collegialität, durch die annuität, durch die prüfung vor dem antritte auf ihre qualification, die prüfung nach dem abtritte vor dem übergange in den Areopagitenrat, durch die aufzeichnung ihrer instruction, der gesetze, endlich durch die bindung ihrer richterlichen entscheidung an den wahrspruch eines beirates. diese entwickelung hat schon manchen schritt zurückgelegt, aber um dem wesen gerecht zu werden, müssen wir die verfassung alles andere eher als demokratisch nennen. denn der demos, der träger der souveränetät, ist ein stand, der adel, und zwar bereits ein denaturirter adel, nicht auf dem blute, sondern auf dem grundbesitze begründet. die formen des staates sind jedoch immer noch die des reinen geschlechterstaates. der zeitpunkt, wo staat und gesellschaft leidlich klar vor uns liegen, kann zur zeit noch nicht wol früher angesetzt werden als auf 683 / 2,41Die alte verfassung. der könig.das jahr der entscheidenden revolution. von da ab sind die drei ober - ämter jährig und dürfen nur einmal bekleidet werden. es tritt zu ihnen ein collegium von 6 rechtssetzern für die civiljudicatur. der rat wird durch die abtretenden neun beamten ergänzt, also mittelbar von der gemeinde besetzt, die die beamten wählt, hat aber das recht jeden ein - zelnen vor dem eintritte einer prüfung zu unterziehen. daſs diese neuerungen alle auf einmal eingeführt seien, wird man billig bezweifeln; sie bestehen nur sicherlich seit 683, dem jahre der ersten jährigen ober - beamten. aus der älteren zeit sind eine reihe wichtiger angaben er - halten, aber zu wenig, um diese periode gesondert darzustellen oder gar eine geschichtliche erzählung zu versuchen. wir können heute zu - frieden sein, wenn wir die vorsolonischen institutionen einigermaſsen verstehn; hatte es doch weder die Atthis noch Aristoteles auch nur so weit gebracht.

Obwol der archon vornehmer ist, hat doch der könig anspruchDer könig. auf den ersten platz, denn er ist der träger der continuität von der urzeit her: mit recht dürfen sich die Athener rühmen, niemals königs - los gewesen zu sein.11)βασιλῆς ἀεὶ ἡμῖν εἰσίν sagt der platonische Menexenos 238d in einer vor - züglichen schilderung der πάτϱιος πολιτεία. noch bis gegen ende des achten jahrhunderts war das königtum dem angestammten fürstengeschlechte, den Medon - tiden, erblich verblieben, in der weise wie auch später noch die ge - schlechterpriestertümer. aber schon damals war der könig nur ein be - amter, der sein amtshaus unterhalb der burg neben denen der anderen gewählten beamten hatte. die zeit, da könig Akastos das regiment an den regenten abgab, und feierlichste eide diese constitution befestigten, lag in unbestimmter ferne. nur den verkehr mit den göttern des staates, die von alters her öffentlichen cult erfuhren, hat der könig behalten, denn die menschen konnten an diesem rechte nichts ändern. das war immer noch sehr viel auch von dem was uns profan erscheint, da die abgaben zum teil an die götter gezahlt wurden und das heilige recht sehr weit griff. aber längst nicht mehr entschied der könig nach eigenem ermessen, sondern es stand ihm der rat zur seite, die ver - tretung der gemeinde, und der wahrspruch des rates unter vorsitz des königs richtete den mörder, den brandstifter, den gottesfrevler. um des verkehrs mit den göttern willen kommt auch die königin für den staat in betracht, und daraus folgt die forderung rechtmäſsiger ehe für den könig. eine anzahl adlicher matronen steht als γεϱαιϱαί12)Wir sollten eigentlich γέϱαιϱαι schreiben ὡς μάκαιϱαι, denn wie die form neben der42II. 2. Von Kekrops bis Solon.königin, wie der rat neben dem könige. sie greift, so viel wir wissen, nur in den Dionysoscultus ein, des gottes stier, den die rinderhirten im Βουκολεῖον üben.13)ϑεὸς Ταῦϱος ist in Thespiai geradezu bezeugt, Bull. Corr. Hell. 15, 629, wie in dem liede aus Elis, dessen Diouysoscult dem attischen sehr ähnlich ist. der Dionysoscult stammt auch in dieser älteren form aus Boeotien wie der jüngere Eleuthereus. in Theben war der Thalamos der Semele das βουκολεῖον; ein holz, das man später mit erz bekleidete, war das symbol des gottes. Pausan. 9, 12, 4. Clemens Strom. 418, der aus Euripides Antiope 203 citirt ἔνδον (εἶδον?) δὲ ϑαλά - μοις βουκόλων υ-υ - κισσῷ κομῶντα στῦλον εὐίου ϑεοῦ. denn daſs ich βουκόλον richtig verbessere, kann nicht zweifelhaft sein. der redende berichtet die epiphanie des gottes, die den zug der Dirke in das gebirge, vielleicht schon die flucht der Antiope motivirt. dieser cultus ist also nicht mehr familiencult, sondern, wie früh auch immer, von der gemeinde aufgenommen; Dionysos kommt zu schiffe oder zu wagen, in beidem liegt nur, daſs er überhaupt gekommen ist. sein fest ist im vorfrühling, das Blumenfest, und es ist für uns uralt, da es auch in Ionien begangen wird. aber auch das fest am Kelterplatze, im winter begangen, steht unter dem könige und kann nicht für jünger gelten.14)Der monatsname Ληναιών ist in Athen durch den hochzeitsmond ver - drängt, aber er besteht bei den vettern in Asien fort. daſs der Dionysoscult reci - pirt ist, ehe Attika geeinigt war, zeigen die demensagen von seiner einkehr in der Epakria. staatsfest sind auch die μυστήϱια, sowol in Athen wie in Eleusis gefeiert: es hat eben der staat Athen seinen beamten mit der oberaufsicht des eleusinischen festes betraut, als er die stadt annectirte. aber eine religiöse bedeutung hat die mitwirkung des königs hier nicht; sie ist den eleusinischen ge - schlechtern geblieben. die Athenareligion ist in den händen der priester - schaft. an Plynteria und Skira ist die beamtenschaft nicht beteiligt; das staatsfest der Panathenaeen ist von der tyrannis und demokratie so sehr geändert, daſs seine alte form unkenntlich ist. auch die athenische verehrung des götterpares, Mutter und Tochter, vollzieht sich so, daſs keine königin über dem δῆμος γυναικῶν mehr steht. aber die geist - liche machtvollkommenheit des königs ist mit dem was er später be - halten hat mit nichten erschöpft. wenn wir hören, dass er in Pallene nach dem dortigen gebrauche an der spitze einer geistlichen körper - schaft, zu der auch frauen gehörten, amtirt, wenn er die Apollonopfer12)γεϱαϱαί secundär ist, ist es die anknüpfung an γεϱαϱός. ein γέϱαϱ oder γέϱαϱς liegt zu grunde. die γέϱα sind die praecipua des königs oder des adels, ehrenrechte, ehrengeschenke. davon heiſsen diese frauen, nicht etwa die verehrenden. denn γεϱαίϱειν gilt nicht einem gotte.43Der könig. der kriegsherr.der Acharnischen parasiten überwacht, und diese einen ἑκτεύς gerste nach der ernte (als Thargelia) zu zinsen haben, auch in verbindung mit der βουκολία stehn15)Athen. VI 234. 235 aus den urkunden, die leider schwer entstellt sind. in den fassungen, die den grammatikern allein zugänglich waren, sind sie nicht älter als die demokratie, aber sie zeugen selbst für das höhere alter der institutionen. wie recht ich habe, ϑέσμιον ἐν Παλληνίδος für Θεμίσων ἐν Παλληνίδι zu schreiben, hat Aristoteles gelehrt 16, 10 ϑέσμια τάδε Ἀϑηναίοις (so richtig von Kontos er - gänzt) κατὰ τὰ πάτϱια: so richtig wir, denn ϑέσμια καὶ πάτϱια ist falsch und widersinnig, einerlei ob es überliefert ist., so ahnen wir, wie vielerlei in der instruction des königs über alte cultverhältnisse zu lernen war, weil die Athener die früh angeschlossenen landesteile noch unter die oberaufsicht des königs gestellt hatten. wir sehen einen schimmer von den maſsnahmen, die die einheit des δῆμος Ἀϑηναίων durch die religion bewirkt haben. wenn wir nur wüſsten, ob die culte der Tetrapolis, der Epakria, von Brauron ohne königliche controlle geblieben sind, so könnten wir die sichersten und wichtigsten schlüsse ziehen. aber aus dem schweigen der tradition darf nichts gefolgert werden.

Der kriegsherr, der die dritte stelle unter den oberbeamten hat, kannDer kriegsherr. unmöglich jemals lebenslänglich ernannt worden sein, da er doch die führung im kriege hatte. aus der beute hat einst einer das amtshaus neu gebaut und nach sich Epilykoshaus benannt, wie in Rom die curia Hostilia und viele ähnlich erbaute und benannte häuser standen. der name war wol durch die weihinschrift erhalten. schwerlich ist das amt älter als die mitte des achten jahrhunderts. der name πολέμαϱχος begegnet in Boeotien und auf Euboia; er bezeichnet dort die oberbeamten, und es gibt in den boeotischen städten drei, in Eretria zwei. in jenen, die niemals könige gehabt haben16)Die könige der einzelnen orte gehen immer die vorboeotische bevölkerung an, deshalb finden wir sie in verhältnismäſsig junge zeit nur in Plataiai herab - geführt, wo diese am längsten widerstand geleistet hat., ist für den sacralen und eponymen aber unpolitischen beamten der name ἄϱχων verwandt; die polemarchen scheinen die executivbeamten überhaupt in älterer zeit gewesen zu sein. es dürften sich dort, in Athen und in Eretria die verhältnisse sehr ver - schieden aus sehr ähnlichen anfängen entwickelt haben. die bedeutung des athenischen polemarchen ist durch die demokratie ganz besonders geschmälert. die aufsicht über die landfremde eingesessene bevölkerung, die ihm blieb, konnte ihn ehedem nicht viel beschäftigen; aber vielleicht hatte er die judicatur über alle μὴ μετέχοντες τῆς πολιτείας. im kriege stand er an der spitze des ganzen heeres; aber die bürgerschaft war so44II. 2. Von Kekrops bis Solon.groſs, daſs ihr heer sich gliedern muſste, und die führer der στϱατοί waren immer schon sehr ansehnliche beamte, die reiterführer ebenso, denn das ritterpferd machte zwar nicht den adlichen geradezu, wie auf Euboia, aber es war der sehnlichste wunsch jedes bauern, eins zu halten und den ritter zu spielen. die reiterobersten waren sicherlich immer ständige beamte, da die cavallerie ihrer natur nach eine stehende truppe ist. namentlich mit rücksicht auf die aushebung werden es auch die strategen gewesen sein. daſs diese stellen durch wahl besetzt wurden, des volkes oder des heeres, ist nach hellenischer anschauung nicht zu bezweifeln. Peisistratos hat Nisaia als stratege erobert, und schon im ersten heiligen kriege führt nicht der polemarch das athenische con - tingent.

Der regent.Der eigentlich politische beamte, der regent, mag einst ein wahl - könig gewesen sein; jetzt waren ihm neben den hohenpriesterlichen auch die kriegsherrlichen functionen des monarchen entzogen. für die chrono - logie der culte ist es vom höchsten werte, daſs eine anzahl gemeindefeste dem archon unterstehen und somit, auch nach der tradition, relativ jung sind. von den groſsen Dionysien können wir absehen, da sie erst Peisistratos, als er Athens herrschaft sicher besaſs, 537 gestiftet hat. sonst stehen unter dem archon die Apollonfeste, und dieser gott ist in Athen zwar der väterliche geworden, aber daſs er durch einen be - stimmten act dazu gemacht ist, hat man dadurch immer eingestanden, daſs sein athenischer cult als eine filiale von Delphi und von Delos gilt. 17)Apollon ist ein gott, den die alte bevölkerung von Mittelgriechenland ver - ehrte, von der küste oder besser dem vorgebirge (Ἄκτιον, Λευκάς) Akarnaniens bis zur Διϱφύς Delph Euboias, von den bergen um die Tempe bis zum Ptoion. er ist ein gott des hochgebirges; grotten sind seine alten heiligtümer. Δελφοί, ein stammname, und Διϱφύς gehen zusammen, Δελφίνιος ist eine bereits misdeutende fortbildung; als seine verehrer über die see fahren, geleitet er sie als delphin. das tut er aber auch in der delphischen tradition, die gern diesen fremden zug aufnahm. die wanderung der alten bevölkerung jener gegenden hat den gott in den osten getragen und in Delos, auf einem armseligen inselchen, weil es in der mitte lag und an sich armselig war, das wichtigste heiligtum gegründet. an der küste, in Klaros, bei den Branchiden (einem geschlechte, das aus Delphi stammen will), am Triopion, in Lykien, auf Kypros haben wol ältere barbarische götter sich in den zuwandernden verwandelt. dasselbe gilt sicherlich vom Peloponnes, dessen eigene götter zum teil noch vor unsern augen die groſsen namen annehmen, wie die blinde göttin Ἀλέα von Tegea und Mantineia Athena wird, der Pan des Lykaion Zeus, Maleatas Apollon. der gott der grotte an der Kyllene hat sich Apollons erwehrt, ist aber Hermes geworden. auſserdem ist von den einwanderern, weil sie in apol - linischer gegend längere zeit gewohnt hatten, der akarnanische gott der Κάϱνεια45Der regent.es tritt also Athen durch seine reception zugleich in die wichtigsten internationalen beziehungen der alten zeit. das älteste dürfte die feier der Thargelien sein, das groſse sühnfest der gemeinde, dem in folge dessen der archon als gemeindehaupt vorsteht. zum sühnfeste ist es ge - worden, als der dienst des Φοῖβος sich nach der kathartischen seite entwickelte; da ϑαϱγήλια die ersten ährenbüschel bedeutet, die der gott erhält, ist ein ursprünglich rein agrarisches fest zu tieferer ethischer bedeutung erhoben. Thargelien feiern die Ionier im weitesten sinne; da sie über Kyme auch nach Rom gekommen sind, dürfen wir sie auch den Euboeern zutrauen. dem kreise von Delphi sind sie fremd. gleich - wol sind sie in Athen mit dem pythischen Apollon verbunden worden, der in dem volksbewuſstsein der sühnung heischende und lehrende gott ist18)Daſs der Thargeliengott den Athenern später der pythische war, ist da - durch sicher, daſs die dreifüſse der sieger in das Pythion kommen. die modernen waren geneigt, den delischen vorzuziehn, was mit der falschen datirung des delischen festes im Thargelion ohne weiteres fortfällt.; er ist der πατϱῷος der Athener geworden, der vater der vier phylenheroen, als solcher in den phratrien verehrt.19)Damit dürfte die stiftung so vieler Pythien in Attika zusammenhängen. wenn die Ikarier in ihrem abgelegenen talkessel ein Πύϑιον Ἰκαϱιέων haben, so ist die annahme unhaltbar, daſs die Πύϑια mit den landstraſsen gegründet wären. ich zweifele nicht, daſs die grotte in den Μακϱαί am burgfelsen schon früher dem groſsen fremden gotte zugewiesen war: aber erst durch die einführung des py - thischen gottes, dessen blitze man von dort beobachtete, als des väter - lichen ist Apollon ein staatsgott geworden. wir finden die archonten an dem culte in der grotte beteiligt: die vertreter des volkes.20)Köhler Mitteil. III 144. mit seiner reception trat Athen in die delphische Amphiktionie, für die es einen eigenen hohen beamten schuf, den ἱεϱομνήμων, und für die delphische religion, die dem staate immer die wichtigste künderin der zukunft ge - blieben ist, trat nun ein besonderer exeget ein, vergleichbar den Πύϑιοι Spartas. auch die beschickung des delischen festes, durch die Athen mit dem meere und den Ioniern in verbindung tritt, besorgt der archon. da mit Delos das älteste stück der städtischen Theseussage zusammen - hängt, die feste der ὀσχοφόϱια und πυανόψια, so wird dieser wichtige17)und der Πυϑαεύς, Πύϑιος, mitgebracht worden; so steht es noch in Kreta. um aufschluſs über das wesen des gottes und seine wurzel zu erhalten, muſs man also in seiner heimat nachfragen. die delphische tradition, die ihn dem Dionysos sehr nahe rückt, hat hohe bedeutung. die korykische grotte hat Dionysos von ihm geerbt, als Apollon in die kastalische schlucht hinabzog.46II. 2. Von Kekrops bis Solon.religiöse und politische fortschritt sehr früh getan sein, eher als die wendung nach Delphi. denn es sind die delischen beziehungen der ost - küste von der hauptstadt übernommen. 21)Töpffer Herm. 23 über Pythaisten und Deliasten. die verfolgung der local - culte gehört nicht hierher. störend würde es sein, wenn Hypereides, wie Töpffer behauptet, den Delier als πατϱῷος bezeichnet hätte. aber das durfte Töpffer dem rhetor Aristides nicht glauben: der allein sagt es.Athena ist die vermittlerin zwischen den cultstätten ihres bruders in Delphi und Delos: das war etwas groſses, was der adelsstaat schon im siebenten jahrhundert erreicht hat. im heiligen kriege hat Solon die delphischen, später Peisistratos die delischen verbindungen ausgenutzt. 22)An den Isthmien besitzt Athen die proedrie, und seine beziehungen zu Korinth sind im sechsten jahrhundert sehr gut. aber in höhere zeit hinauf als die restitution der Isthmien kann man das schwerlich verfolgen.

Die politischen obliegenheiten des archons sind die eines schirm - herrn und vertreters des herrschenden standes: er ist der πϱοστάτης τοῦ δήμου im sinne des damaligen demos. seine erste amtshandlung ist die proclamation, daſs er jeden einzelnen in seinem besitze lassen und erhalten werde (66, 3). die fürsorge für die herrschenden familien und ihren besitz ist der inhalt seiner aufsicht und judicatur. er ist der vormund der erbtöchter und der waisen von amts wegen, er entscheidet in allen erbschaftssachen, und das familienrecht im weitesten umfange steht unter ihm. in Athen aber hat der staat in diese verhältnisse über - aus tief eingegriffen. wenn er die entmündigung eines greises, der nicht mehr im stande ist, sein vermögen zu verwalten, aussprechen darf, den einzelnen zur verantwortung zieht, so er sein vermögen durch untätigkeit (ἀϱγία) verkommen läſst, auf die anklage eines beliebigen bürgers die schlechte behandlung (κάκωσις) von eltern oder gattin ahndet, so hat selbst in unserer zeit der sich unfehlbar und allmächtig dünkende staat es noch nicht so weit gebracht, und die spätere attische demokratie macht von diesen bestimmungen, obwol sie gelten, nicht leicht gebrauch. in der tat muſs es eine sehr eigentümliche gesellschafts - ordnung sein, die sich diesen beamten gesetzt hat. ihr liegt an der individuellen freiheit ungleich weniger als an der erhaltung des standes, und die fürsorge des archons gilt weit weniger dem vater oder sohne als dem κλῆϱος, der frau und erbtochter als der mitgift, der πϱοίξ. auch noch in der aristotelischen zeit läſst sich das volk regelmäſsig über die erledigten κλῆϱοι meldung machen, und heiſst die bürgerrolle nach den λήξεις, den erbanfällen. im attischen dient dasselbe wort für47Der regent. der herrschende stand.erbe landgut und los, und wenn der älteste sohn des vaters erbe antritt, so bezeichnet dasselbe wort λαγχάνειν diese natürlichste art der besitzergreifung, wie wenn er bei einer verteilung eroberter bauern - stellen ein los gezogen hätte. die gutsbesitzer zu Drakons zeiten sind κληϱοῦχοι wie die colonisten in Mytilene 427.

Wir haben keinerlei überlieferung über die entstehung des privat -Der herr - schende stand. besitzes an grund und boden in Attika, und es wird kaum danach ge - fragt. und doch deutet alles darauf hin, daſs dieser erst spät entstanden ist, und daſs der herrschende stand der grundbesitzer und adlichen sich eben dadurch von der stammverwandten niederen bevölkerung abgelöst hat, daſs er einen teil des bodens zu seinem privatbesitze machte, wäh - rend vorher das land gemeindebesitz war. in sehr ausgedehntem maſse ist das land in Athen immer noch in dem besitze ideeller personen, der götter, phylen, phratrien, geschlechter, nicht zum mindesten der politischen gemeinden und der gesammtgemeinde, des staates, geblieben. was nicht nachweislich einem einzelnen gehört, ist des staates.23)Die ödländereien, z. b. die kaum als ziegentrift nutzbare kuppe des Bri - lettos, waren sicherlich res nullius; wer wollte, mochte sie nutzen. aber als man den marmor zu brechen anfieng, wurden die brüche staatsgut. die schätze in der erde gehören diesem.24)Er ist durchaus besitzer der bergwerke, und privatbesitz hat sich an ihnen nicht herausgebildet. daſs aber die ganze superficies in den laureotischen bergen dem staate gehört hätte, ist schwer zu glauben. es hat vielmehr dem eigentümer des bodens nur die superficies gehört. auf vielen privaten grundstücken hat der staat noch fruchtbäume stehen, und er greift überhaupt stark in die freiheit der bewirtschaftung ein. privatbesitz gibt es strenggenommen nur durch eine rechtsgiltige zuweisung von seiten des staates, und der besitz bleibt gewissermaſsen prekär, da etwaige bessere ansprüche immer vom staate berücksichtigt werden können.25)Die interessante abhandlung von G. Leist über den attischen Eigentums - streit (Jena 86) verdient eine grammatische ergänzung. es reicht nicht aus zu sagen, die Athener haben kein wort für eigentum, man muſs fragen, wie sie den gedanken ausdrücken, und die bedeutungen von νέμειν, οἰκειοῦν, κτῆμα, Ζεὺς κτήσιος, κύϱιος, καϱτεϱός, κϱατεῖν erwägen. das zweite ist eine historische ergänzung, aber in agrargeschichtlicher richtung: denn erst das immobiliarvermögen schafft ein wirk - liches eigentumsrecht. das bewuſstsein, daſs der privatbesitz an grund und boden durch occupation von ager publicus entstanden ist, herrscht unter den demokraten, die von Solon eine neue landverteilung, γῆς ἀναδασμοί, verlangen. im gegensatze dazu verlangen die besitzenden, deren vorfahren einst ein gutes oder überhaupt ein los erhalten haben,48II. 2. Von Kekrops bis Solon.daſs der archon ihnen gleich am ersten tage den gegenwärtigen besitz - stand garantire.

Die sorge für den besitz hat in der edleren für den stand ihre ergänzung. der adel des blutes ist ein würdigerer als der des gutes. die vorstellungen von der heiligkeit des blutadels haben den Athener eigentlich immer beherrscht, und sie begleiten jeden einzelnen von der wiege bis zur bahre. nicht als eine göttliche ordnung um der mensch - lichen gesittung willen (wie Kekrops sie nach Philochoros gestiftet hat) ist die ehe heilig, sondern um des rechtes der familie und des erbes willen, und nur weil das alte recht eine form der religion ist, hat sie eine religiöse weihe. die bruderschaft erkennt den knaben als geschlechts - genossen, die jungfrau als tochter eines solchen an, fähig ebenbürtige zu gebären. nicht leicht verletzt ein Athener die sorge für die erhaltung des hauses (οἶκος, so genannt, statt γένος, seit auch die nicht adlichen sich als adlich gebärden, weil sie gleich empfinden). die form der freien vererbung ist die adoption, bei der die bruderschaft mitwirkt. in dem culte der verstorbenen hausgenossen sieht der einzelne die garantie, daſs auch er des grabcultes nicht entbehren werde, die garantie der eigenen grabesruhe. das liegt allen am herzen, und der privatbesitz an grund und boden muſs die zahllosen grabhügel und brandstätten (πυϱκαιαί) schonen. noch zu Aristoteles zeit muſs jeder archon zwar kein ver - mögen, geschweige denn grundbesitz, aber wol ein erbbegräbnis nach - weisen. das institut der erbtochter, im rechte von Gortyn denaturirt zur emancipirung der weiber (wie es in dorischen staaten zu gehn pflegte), ist von dem athenischen gesetze ängstlich geschützt; sie wird als die kostbare blume behandelt, aus der dem hause neuer same er - weckt werden soll. wir müssen aber auch anerkennen, daſs der stand das geistige und sittliche wolergehn und wolverhalten seiner genossen ins auge gefaſst hat, und auch nach dieser seite den staat und seine organe, archonten und rat, zum einschreiten autorisirt und verpflichtet hat. der standesgenosse hat als kind anspruch auf eine anständige er - ziehung, als greis auf die pflege bei seinen nachkommen.26)Kürzlich ist ein sehr merkwürdiges document für dieses seltsame familien - recht in Mykene ans licht getreten (Ἐφ. αϱχ. 92, 67). es steht um eine runde basis, auf der wol kein anderer stein, sondern ein anathem stand, εἰ μὲ δαμιοϱγία εἴε, τὸς ἱαϱομνάμονας τὸς ἐς Πεϱσε̃ τοῖς (verschrieben in τοσι) γονεῦσι κϱιτε̃ϱας ε῏μεν κα (τ) τὰ ϝεϝϱεμένα. falls kein ortsvorstand da ist, sollen die hieromnemonen die zum Perseus gehn den eltern richter sein gemäſs dem was verordnet ist. also die eltern sind in der lage wider ihre kinder (nur im verhältnis zu denen sind sie eltern) man hat49Der herrschende stand. der rat.wol den müſsiggang nicht bloſs, weil er den κλῆϱος verfallen lieſs, ge - ahndet, sondern auch weil er den stand entehrte, ganz wie ehebruch und vergewaltigung in jeder form. mag auch erst die tyrannis und die demokratie die staatlichen turnplätze, badstuben, chöre u. a. eingerichtet haben: ein analogon zu der jugenderziehung der Spartiaten hat schwer - lich in Altathen gefehlt, wie denn trotz der stammesverschiedenheit der adelsstaat bei beiden völkern ähnliches hervorbringen muſste.

Jederzeit und erst recht, wenn er seine vorrechte bedroht sieht,Der rat. wird ein stand sich nicht gern durch einzelbeamte vertreten lassen, deren persönliche vorzüge er fürchten muſs. ein collegium, womöglich eine vertretung der geschlechter, ist die aristokratische form der magi - stratur. die geronten stehn neben Agamemnon, die gerusia neben den königen Spartas. so hatte auch der athenische adel dem könige, schon als dieser noch ein wirklicher könig war, den rat zur seite gestellt, der von dem amtshause auf dem Areshügel, wo er über mord zu ge - richte saſs, später benannt wird. dieser rat war der wahre herr Athens gewesen, da seine mitglieder lebenslänglich blieben, sein recht der coer - cition und multirung sich über bürger und beamte erstreckte, er die niedern beamten selbst anstellte und controllirte und die finanzen ganz in seiner hand hatte. aber die macht dieses rates ist zwar nicht ge - setzlich, aber factisch im siebenten jahrhundert bereits so geschwächt, dass er bei keiner gelegenheit eine rolle in unserer überlieferung spielt; das Kylonische attentat, die gesetzgebungen Drakons und Solons, die tyrannis des Peisistratos nimmt er scheinbar teilnahmlos hin. schon die einsetzung der thesmotheten, die der epheten, und noch mehr die schriftliche fixirung des geltenden rechtes durch Drakon und Solon muſste die lediglich auf dem herkommen beruhende gewalt des rates beeinträchtigen, und man wird nicht bezweifeln, daſs die neuerungen auch diesem zwecke gedient haben. nichts desto weniger lehrt die ver - fassung selbst, daſs der rat eine bedeutende rolle in der laufenden ver - waltung gespielt hat: denn die sphaeren der 9 beamten sind fest um -26)zu klagen, und es gibt dafür eine mündliche instruction. recht spricht die politische behörde: der name δαμιοϱγοί gilt in Argos, Achaia und häufig. hier wird nun für die politische behörde im notfalle eine religiöse deputation substituirt, die zu dem heros von Mykene gebt. ersichtlich ist die inschrift gesetzt, als Mykene rechtlich nicht mehr existirte, die alten bürger argivische πεδάϝοικοι geworden waren, aber ihre familienrechte weiter pflegten. der örtliche cult war mit dem orte zerstört: es giengen nur noch ἱαϱομνάμονες zum Perseus, und diese durften die alten εἰϱη - μένα zu gunsten der klagenden eltern anwenden. man gedenkt auch dessen, daſs die attischen Εὐπατϱίδαι an Orestes den Mykenaeer angeknüpft wurden, den εὐπάτωϱ.v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 450II. 2. Von Kekrops bis Solon.grenzt, das volk und später dessen rat treten erst recht nicht hervor, und die niederen beamten bleiben durch die dokimasie und nomophylakie des Areopages bis auf Ephialtes in dessen händen. somit vermochte er noch in der demokratie der groſsen zeit wieder eine ausschlaggebende rolle zu spielen. daſs er das im siebenten und sechsten jahrhundert nicht tat, ist eine folge seiner ergänzung aus den archonten. denn so lange diese je nach der gerade überwiegenden parteirichtung gewählt wurden, trugen sie die parteiungen des volkes in den rat hinein, zog also eine katastrophe wie die der Alkmeoniden den rat in mitleiden - schaft, machte ihn die tyrannis, die die wahlen beherrschte, zu ihrem gefügigen werkzeuge. andererseits brachten die archontenwahlen 508 487 alle bedeutenden männer hinein. aber die schwäche des Areopages in der zeit 683 594 ist allerdings die beste legitimation der bestrebungen, die auf eine reform an haupt und gliedern hinzielten.

Die phylenEs war der souverän selbst, der δῆμος, dessen organismus sich überlebt hatte. der adel hat nur sinn, solange er ächt ist und auf götterblut beruht. die adlichen sind ϑεῶν παῖδες (Eur. Med. 825). ἴκταϱ ήμενοι Διός (A. Eum. 977 vgl. Niob. 162), διογενεῖς. ich habe stellen attischer dichter des fünften jahrhunderts angeführt, die allen Athenern gelten. dieselbe zeit ist stolz auf ihr autochthonentum: alle Athener sind kinder der Erde, die für sie allein im eigentlichen sinne mutter ist, wie der platonische Menexenos rühmt. in der demokratie sind alle Athener gleich, alle erdgeboren und alle gottgeboren. aber das soll uns nicht darüber täuschen, daſs einst die göttersöhne stolz auf die terrae filii herabsahen, wie es die Römer immer getan haben. die autochthonie ist durchaus nicht als adel erdacht. aber wir erreichen die zeit nur in fernster ferne, wo wirklich götterblut die zugehörigkeit zum δῆμος bedingte, der staat aus ächten patriciern bestand. abgesehen von den zuwanderungen fremder, vielleicht wirklich adlicher geschlechter muſste die einigung Athens, der staatsbegriff, die legitimation ausschlieſs - lich durch das blut untergraben. so weit wir die attischen bruderschaften kennen, ist ihnen sogar der begriff des namens bruderschaft fast ver - loren, ihre namen sind nicht mehr alle gentilicisch, und cultverbände (ὀϱγεῶνες) stehn neben den geschlechtern. die cultgenossenschaft, eine form der vereinigung die ebensowol eine gilde wie ein geschlecht um - schlieſsen kann, ist ein ersatz des adels, wie der religiöse begriff der Ἀϑηναῖοι ein ersatz des stammbegriffes der Kekroper. entsprechend der ausdehnung des staates hat man einmal den künstlichen schema - tismus der vier adelsphylen und ihrer drittelungen (τϱιττύες) eingeführt,51Die phylen. die steuerclassen.der bis auf Kleisthenes gilt, aber seltsam wenig hervortritt, eben weil er ganz künstlich war, während die alten geschlechter ihre lebendige macht bewahrten. man hatte an die spitze der vier phylen könige gestellt, die neben dem könige von Athen an mehreren blutgerichtshöfen sassen, ur - sprünglich sein beirat sein sollten, im prytaneion vielleicht nicht bloſs für sein gericht, sondern überhaupt für seine regierung. aber diese könige haben in der tradition, über die wir verfügen, ihre rolle schon ausgespielt. die vier phylen, die keinen rangunterschied haben, waren wol schon dazu bestimmt, innerhalb des adels die unterschiede der vornehmheit auszugleichen. wir hören auſserdem von drei ständen, adlichen, grund - besitzern und handwerkern, εὐπατϱίδαι, γεωμόϱοι oder ἀγϱοῖκοι, δημιουϱγοί, und der zweite stand muſs wol die besitzer eines landloses bezeichnen. alle diese drei stände stellen 580 archonten27)Unsere überlieferung von den drei ständen ist so ärmlich, daſs man fast auf den verdacht kommt, die chroniknotiz über die archonten von 590 wäre ihre einzige erwähnung auch im altertum gewesen. dem ist schwerlich so, da die namen γεωμόϱοι und ἀγϱοῖκοι neben einander stehn, aber wir empfinden die lücken unserer kenntnis recht, wenn wir die drei stände, die 580 noch so viel bedeuteten, gar nicht weiter handelnd antreffen. da sie weder eponyme noch sagen aufweisen können, noch spätere genossenschaften im anschlusse an sie bestehn, mögen sie allerdings 580 zum letzten male aufgetreten sein., besitzen also vier ahnen, grundbesitz und adel. mit andern worten, die namen allein schieden noch die gentes minores: patricii sind sie alle, dem staate gegenüber gleichen rechtes. wenn wir mit fug und recht sagen, daſs Kleisthenes die demokratie dadurch vollendet hat, daſs er durch eine legalfiction alle Athener adlich machte, so hat dieser proceſs früher be - gonnen als die uns kenntliche geschichte Athens. die gentilicische fiction aber ist auch nach Kleisthenes niemals aufgegeben worden, sondern hat für den bürgerbegriff immer gegolten.

Wenn der adel eigentlich schon durch die einführung der phylen -Die steuer - classen. teilung eine sehr wirksame, aber doch eine fiction ward, hinter der sich der bürgerbegriff zunächst in der form der gemeinsamen her - leitung von dem väterlichen patricischen Apollon barg, so ward der besitz, der census, allmählich das kriterium, das statt des blutes den fictiven adel bestimmte. der besitz aber war grundbesitz: die quali - fication des vollbürgers ward an den gott des eignen herdes, den Zeus ἑϱκεῖος, neben dem Apollon πατϱῷος gebunden. diese ordnung setzt den privaten grundbesitz voraus. damit stieſs die sammtgemeinde die besitzlosen ohne ansehn ihres blutes in die rechtlosigkeit der erden -4*52II. 2. Von Kekrops bis Solon.söhne hinab. wer ein landlos hatte, konnte den heerdienst leisten: so - fort aber erhob sich als ein stand im stande der ritter empor, der zu pferde zu dienen begütert genug war. und wenn gegenüber dem ge - burtsadel der militärische, gegenüber dem grundbesitz der privatbesitz ein unvermeidlicher culturfortschritt sein mag, so sah es vielleicht wie eine art von gerechtigkeit aus, dass die höchstbegüterten zu den ge - meindelasten stärker herangezogen wurden. dann blieb aber die im laufe der zeiten unvermeidliche compensation von rechten und pflichten nicht aus: die höchstbesteuerte classe, eine elite der ritter, qualificirte sich für die gemeindeämter in erster linie. als alle die welche 500 scheffel ernteten aus den rittern ausgesondert wurden, die über den spannfähigen bauern und den proletariern sich vorher erhoben hatten, war der staat auf den adel des gutes gegründet. es war nur noch eine frage der zeit, daſs die beiden mittleren stände auch an einen festen census gebunden wurden. wann das geschehen ist, in welcher reihenfolge diese verschiedenen fort - schritte der phylen -, stände -, classenteilung gemacht sind, entzieht sich unserer kenntnis: um 650 war alles längst vollzogen.

Wir sehen im siebenten jahrhundert in Athen die rücksichtslose herrschaft des adels am ruder, und dieser adel ist auf den besitz, schon nicht mehr den grundbesitz, sondern ganz einfach auf das geld be - gründet. diese herrschaft besteht zu recht, aber sie ist faul im kerne und vermag nur geringen widerstand zu leisten. zwei mächte streben darnach, sie zu stürzen, die demokratie und die tyrannis. diese beiden sind einander feindlich, aber welche auch immer einen schritt vorwärts tut, immer geschieht es auf kosten des bestehenden vorrechtes der be - sitzenden. der alte staat ist dem Solon und dem Peisistratos ruhm - los erlegen.

Die reform von 683.Einen sieg des demokratischen prinzipes stellt schon die reform von 683 dar, indem die gemeinde, wenn auch irgendwie in der aus - wahl gebunden28)Da die archonten der demokratie die phylen vertreten und aus einer vor - schlagsliste derselben ausgewählt oder gelost werden, muſs ein analogon für die ältere zeit bestanden haben. aber wir wissen nichts als die verteilung auf die stände im jahre 580. selbst das los ist keineswegs undenkbar. Platon sagt von dem alten Sparta, daſs das doppelkönigtum, das ihren staat begründet hat (wie er im einklange mit Hellanikos angibt, 686), durch eine gnädige fügung die monar - chische härte ausgeschlossen hätte, dann als gegengewicht der erblichen herrschaft die gerusia zugetreten wäre (durch Lykurg, dessen namen er meidet, den er aber durch φύσις τις ἀνϑϱωπίνη μεμειγμένη ϑείᾳ τινὶ δυνάμει deutlich bezeichnet), endlich ein τϱίτος σωτήϱ den zügel der ephoren dem staate angelegt hätte, ἐγγὺς, neun jährige beamte erwählte und vermittelst dieser53Die reform von 683. die naukrarien.sogar die ratsstellen besetzte. für den hieromnemon29)Die delphischen urkunden kennen nur ἱεϱομνήμονες; dagegen Herodot (8, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla - goren aber werden direct vom volke erwählt. erlost ist schon Hyperbolos zum hiero - mnemon (Ar. Wolk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgend wie durch eine πϱόκϱισις corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge - wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte., der nach Del - phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä - rischen chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden. das neugeschaffene amt der 6 rechtssetzer war vielleicht ursprünglich als ein collegium gedacht, das unter vorsitz eines der drei oberbeamten das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen, sonst würde ihre zahl ungerade sein. die forderung, daſs der einzelne magistrat nur unter zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen ver - waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise befriedigt. das collegium der elf für die aburteilung manifester todes - würdiger verbrechen, die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen - könige unter vorsitz des königs, wol schon die beiden beisitzer der drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr groſser schritt vor - wärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshöfe Palladion und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht - bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stande gehörigen. die zahl ist ungerade: der vorsitzende könig stimmte also nicht mehr mit. es kann nicht bezweifelt werden, daſs auch die civile judicatur der neun beamten schon im siebenten jahrhundert an die zuziehung von geschwornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansicht der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte. der ausbildung einer mächtigen magistratur war das standesinteresse der aristokratie gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst starken beteiligung aller.

Den eigentlichen anstoſs zur sprengung der ständischen vorrechteDie nau - krarien. gab die örtliche verwaltung Attikas, das für das bloſse hinterland der hauptstadt zu groſs war. die stadt muſste wol der sitz der regierung sein, und wer beamter ward, also in den rat auf lebenszeit trat, konnte28)τῆς κληϱωτῆς ἀγαγὼν δυνάμεως (692). so selbstverständlich ist für ihn das los im besten staate. er weiſs, daſs die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann.54II. 2. Von Kekrops bis Solon.kaum vermeiden, in die stadt zu ziehen, um seines amtes zu walten.30)Der bürger heiſst in der älteren sprache ἀστός, in der jüngeren πολίτης, und der spätere Hellene hört in ersterem die stadt, in diesem den staat. aber es wäre ein arger irrtum, wollte man das auf die alte zeit übertragen, denn πολίτης ist der bürger freilich, aber von der burg benannt. höchstens ein engerer lo - caler begriff liegt ihm zu grunde. Polites ist ein alter eigenname; es führt ihn der Priamossohn, der den wachtdienst übt, im B als späher auf einem hügel. im Ω späht Kassandra von einem turme. es leuchtet ein, daſs der eigenname nur den burgwart, nicht den staatsbürger angehen kann. aber die landwirtschaft war doch die grundlage der gesammten wirt - schaft, den reichtum bildete wesentlich der grundbesitz, auch die vor - nehmen wohnten gern auf dem lande. somit bedurfte man einer orga - nisation localer art, zunächst für die aushebung, dann für die frohnden, die steuern und den dienst mindestens der flotte. die gentilicische ordnung der phylen und trittyen reichte dazu nicht hin, und so hat man sehr früh, wol noch im achten jahrhundert, die 48 kreise geschaffen und an die spitze eines jeden bereits eine collegialische behörde gestellt, die gesammtheit der kreise aber nicht mehr unter die vier phylenkönige, sondern unter die kreishauptleute, die ναυκϱάϱων πϱυτάνεις. der name ναύκϱαϱοι sammt seinen ableitungen lehrt, daſs die flotte den anstoſs zu dieser gründung gegeben hat: so hat die see schon von anbeginn Athen zur demokratie getrieben. wir hören nicht viel von den leistungen jener flotte, aber die Dipylonvasen zeigen uns ihre schiffe, sogar dieren, im kampfe, und der aufschwung des attischen handels und die verbindung mit Delos sind nicht ohne sie denkbar. auch von den prytanen der naukraren und von diesen selbst wissen wir allzuwenig: aber ihre existenz genügt um zu zeigen, daſs sich neben den patricischen behörden hier eine ganz anderer art erhob, der vorläufer der gemeindeordnung und gemeinde - vertretung des kleisthenischen staates. die drakontische verfassung führt auch bereits einen rat ein, gesondert von dem adelsrate des Areshügels, den beirat der prytanen. mag nun Drakon diese locale vertretung erst geschaffen haben, mag sie älter sein: in diesem rate lag die gefahr, daſs eine völlige sociale umwälzung, wie sie in Megara vor Theognis, in Ionien an manchen orten vorgekommen ist, den herrschenden stand zu boden würfe. denn sobald der flottendienst eingeführt war, lieſs sich die wehrhaftigkeit in Drakons sinne, das ὅπλα παϱέχεσϑαι, als erfor - dernis der politischen rechte nicht mehr auf die dauer halten. in den 48 naukrarien lieſs sich die herrschaft der wenigen reichsten nicht so zur geltung bringen wie in der wahlversammlung des ganzen demos. 55Die naukrarien. Drakon.wenn Drakon den rat in der weise zu bilden versucht, daſs jeder be - rechtigte in bestimmtem turnus hineinkommen muſs, und die active be - teiligung aller durch schwere ordnungsstrafen erzwungen wird, so hat er die aufstrebende demagogie der einzelnen wol eher schon erfahren als vorausgesehen.

Die tyrannis war die Skylla, der der staat unentrinnbar zutrieb,Versuche der ty - rannis. wenn er nicht von der demokratischen Charybdis verschlungen werden sollte. aller voraussicht nach konnte Athen dem geschicke von Sikyon Korinth und Megara nicht entgehn. die groſsen geschlechter innerhalb des adels hatten das prestige des groſsen grundbesitzers, auch wol das früherer selbständiger herrschaft, und die moderne gesellschafts - ordnung sicherte und mehrte ihre macht, als die wirtschaft capitalistisch ward. in der chronik steht, daſs schon vor der mitte des achten jahr - hunderts ein Alkmeon zwei jahre archon war, der dann verschwindet, während gleichzeitig das amt zehnjährig ward. darin mag die erinne - rung an einen tyrannischen versuch bewahrt sein. ein Alkmeonide Megakles war archon, als Kylon, ein junger schöner mann, der 640 in Olympia im dauerlaufe gesiegt hatte, sich durch einen gewaltstreich der burg bemächtigte. es gelang dem archon den aufstand niederzuschlagen. er scheute sich nicht die führer umbringen zu lassen, obwol sie sich gegen zusicherung des lebens ergeben hatten, und er hatte die macht, so lange er lebte, die rechenschaft für diesen gottesfrevel zu hinter - treiben. schlieſslich erzwang die gemeinde doch eine abrechnung; aber sie geschah bereits durch ein groſses ausnahmegericht von 300 standes - genossen: der rat auf dem Areshügel hat sich um die blutschuld nicht gekümmert. nun ward das ganze geschlecht der Alkmeoniden verjagt und bildete im auslande eine gefahr für die herrschende partei. ledig - lich weil die bedeutung der Alkmeoniden und ihre anfeindung als ver - fluchte noch bis in das fünfte jahrhundert dauerte, sind diese ereignisse im gedächtnisse geblieben, so daſs Kylons attentat das einzige scheint. wir können aber unmöglich bezweifeln, daſs das siebente jahrhundert viele der art gesehn hat, da im sechsten trotz der solonischen verfassung die macht und begehrlichkeit der groſsen geschlechter um nichts ge - mindert erscheint, Damasias kurze zeit, Peisistratos dauernd die tyrannis erreicht, und die kämpfe, die Athen befreien, noch sehr stark den charakter des ringens der geschlechter um die herrschaft tragen. erst nach Marathon hat sich das volk wirklich von ihnen frei gemacht.

Ein versuch aus den kreisen der regierung, durch eine reform desDrakon. staates sich vor diesen gefahren zu retten, ist die gesetzgebung Drakons,56II. 2. Von Kekrops bis Solon.die dieser vielleicht als thesmothet vornahm. schon die aufzeichnung des rechtes war eine bedeutende concession, und durch die auslosung des rates und der niederen beamten aus der bürgerschaft ward der rat des Areshügels weiter beschränkt, mochte er auch noch die controlle der beamten behalten, also, wenn er einen einigen und festen willen besaſs, die eigentliche herrschaft behaupten können. durch künstliche mittel sollte der rat der 401 und sein vorstand, die prytanen, gebunden werden, und vor allem wurden die wahlbeamten auf die höchsten classen in der art beschränkt, daſs das schuldenfreie vermögen statt des einkommens den maſsstab des census abgab. dadurch trug diese reform lediglich zu der verschärfung der socialen gegensätze bei und trieb die verschuldeten grundbesitzer, denen sie die höchsten stellen entzog, notwendig in das lager der umstürzler. erst in dieser umbildung ward die einteilung der classen nach dem census eine plutokratische. es dauerte nicht lange, da ward Solon zum archon gewählt, nicht sowol um verfassungsgesetze zu geben, als um die unerträgliche sociale not zu beseitigen; die meisten erwarteten eine confiscation und neuaufteilung des landes.

Der wirt - schaftliche notstand.Es ist nicht leicht, die ursachen dieser wirtschaftlichen not anzu - geben, die vornehmlich in der verschuldung oder vertreibung der kleineren grundbesitzer bestanden hat. die erscheinung wiederholt sich in vielen staaten des altertums, aber nirgend in einer zeit, die wir durch hin - reichende directe zeugnisse mit eignen augen kennen lernen könnten. die erste voraussetzung ist in der verwandelung des gemeinbesitzes in den privaten gegeben. dann führt schon die natürliche vermehrung der bevölkerung zu schweren krisen, sobald eine verteilung von neuen landlosen nicht mehr möglich ist. in Athen war dieser zustand erreicht, nachdem Eleusis erworben war. die par bergschluchten, die man den nördlichen nachbarn abnehmen konnte, machten wenig aus; Salamis begehrte man vergeblich; man muſste auch noch oft den eleusinischen besitz verteidigen; Tellos ist in einem solchen kampfe gefallen. ein anderes hilfsmittel ist die colonisation, und sie hatte früher geholfen. auch jetzt noch ist ge - wiſs ein teil der überschüssigen bevölkerung hinausgezogen, aber fast immer unter fremder führung, so daſs sie die machtstellung des vater - landes nicht stärkte. eigene athenische colonien von bedeutung sind im siebenten jahrhundert nicht gegründet worden; selbst Sigeion war von den Mytilenaeern so stark umstritten, daſs es nicht gedieh. die planmäſsige verbesserung des landbaus, um die rentabilität der güter zu steigern, wird der moderne der vorsolonischen zeit nicht leicht zutrauen; und doch ist gerade diese merkwürdige tatsache sicher. der adel hat57Der wirtschaftliche notstand.in dieser richtung sehr viel mehr geleistet als die ganze zeit der demo - kratie. die einführung und überwachung des ölbaus durch den Areo - pagitenrat ist eine tat, deren folgen bis auf den heutigen tag währen, und wir vermögen uns Attika ohne dieses geschenk seiner göttin gar nicht zu denken. das wasserrecht in hinsicht auf brunnen cisternen und vorflut ist von Solon geordnet: wer wollte bezweifeln, daſs er nur das geltende recht aufzeichnete? mit den schuſspraemien für die erlegung der raubtiere steht es ebenso; schaf und ziegenzucht muſs in den attischen bergen den landbau ergänzen. daneben gehen die versuche durch ausfuhrverbote dem eigenen volke die erzeugnisse des heimischen feld - und gartenbaues zu erhalten, doch wol eine im interesse der con - sumenten getroffene maſsregel; der name der sykophanten deutet freilich mehr auf ein verbot der einfuhr fremder früchte, und prohibitiv - maſsregeln dieser art pflegen zum schutze der heimischen production ersonnen zu werden. doch vermögen wir nicht abzuschätzen, welche versuche die verschiedenen parteien in Athen gemacht haben: das wich - tige ist, daſs der alte staat auch auf wirtschaftlichem gebiete so vielerlei unternommen hat.

Wichtiger als alles andere war der übergang von der naturalwirt - schaft zu der herrschaft des geldes. die hypothek sagt noch heute durch ihren namen, daſs sie eine erfindung der athenischen capitalisten oder auch des attischen adels ist: das ist dasselbe. das gemünzte geld der nachbarn, in Chalkis oder Aigina geschlagen, cursirte in Attika; das metall war aber wol schon lange vorher das gesetzliche tauschmittel geworden, und der staat hatte das aeginetische gewicht angenommen. während zu der zeit, da die steuerclassen eingeführt wurden, die steuern von dem bruttoeinkommen gewiſs eben so in natura abgeliefert wurden, wie der könig noch im fünften jahrhundert die gefälle der rinderhirtenschaft von den parasiten der Acharner eintrieb, ward nun die zahlung in silber vorgeschrieben. auf dem markte drängte sich das metall als vermittler zwischen die producte des landmanns und des handwerkers. der bauer braucht das bare geld an jedem markttage; die einnahmen flieſsen ihm im jahre nur an ein par terminen zu. sehr rasch kommt er in den fall zu borgen, und sehr bequem erscheint es ihm, sein gut zum pfande zu setzen. ein beschriebener stein auf dem acker, das ist zuerst nichts gefährliches. aber der zinsfuſs steht im belieben des gläubigers, und wenn der handel, der zuerst das gebären des geldes gelehrt hat, mit ungeheurem risico und entsprechendem gewinne rechnen muſs und daher einen sehr hohen zinsfuſs verträgt, so erliegt die landwirtschaft nur zu58II. 2. Von Kekrops bis Solon.rasch einer solchen belastung. der staat aber erkennt eine jede hypo - thekarische schuld an und bietet seine organe zur beitreibung, und das recht erstreckt die haftpflicht des gläubigers auf sein landlos und weiter auf seinen leib und den der seinen. die capitalisten im lande sind in erster linie die götter, die bruderschaften und sonstigen ideellen personen. aber über diese cassen verfügen die herrschenden kreise, das sind eben die capitalisten, die gläubiger. die vornehmen nützen nun ihren gol - denen und silbernen hausrat besser aus als ihre ahnen, die ihn zu toten - masken und allerlei zierrat verbrauchten. sie ziehen ein landlos nach dem anderen an sich. wie rasch ist bei einer verzinsung von 20 procent der bauer gelegt; er muſs zufrieden sein, wenn er nicht als sclave übers meer verkauft wird, sondern auf dem erbe seiner väter weiter arbeiten darf, fünf garben für den herrn, die sechste für sich. der herr aber erhält so eine ganze schar von hörigen, trabanten für die gewaltherr - schaft, die er hofft. die verteilung des grundbesitzes scheint wieder zu schwinden. sehr bedeutende teile müssen auch wieder gemeinbesitz in irgend welcher form geworden sein; aber die gemeinde, die jetzt davon nutzen zieht, ist auf die reichen beschränkt. der druck wäre kaum zu ertragen, wenn das harte recht allein bestünde. aber Solon spricht un - umwunden von den veruntreuungen und der habgier der herrschenden. die grausamkeit, die dem capitale von natur inne wohnt, pflegt von der unredlichkeit begleitet zu sein, zur φιλαϱγυϱία gehört die ὑπεϱηφανία. τίκτει γὰϱ κόϱος ὕβϱις, ἐπὴν πολὺς ὄλβος ἕπηται. diese erfahrungen sind in dieser zeit gemacht. wenn dann vollends eine verfassung ge - geben wird, die die höchsten stellen der regierung den besitzern schulden - freier güter vorbehält, so kann das geschrei nach einer neuen aufteilung des ackers kaum für unberechtigt erklärt werden.

Wenn die landwirtschaft wenigstens im kleinbetriebe sich nicht mehr halten kann, so sollte handwerk und handel und jeder städtische beruf um so besser seinen mann nähren. so sollte man meinen. wirklich ist Athen durch den peloponnesischen krieg, der die attische landwirt - schaft zerstörte, zu einer industriestadt geworden. aber der handel er - forderte in folge des risicos damals noch mehr als heute ein starkes an - lagecapital. ihn trieben die besitzenden herren selbst, wie Solons beispiel zeigt. das handwerk in dem weiten sinne, den das wort δημιουϱγός umfaſst, war in Attika so lange schon heimisch, daſs die δημιουϱγοί im geschlechterstaate es zu der anerkennung als adliche gebracht hatten, und alte gilden wie Δαιδαλίδαι Αἰϑαλίδαι zu geschlechtern geworden waren. Hephaistos hatte sich zu Athena gesellt. der köstliche ton war59Der wirtschaftliche notstand. Solon.die erste gabe des attischen bodens, die entdeckt ward: wir bewundern die riesengefässe, die auf den gräbern des siebenten jahrhunderts standen, und erkennen die echt attische typische auffassung des wirklichen lebens in den schildereien des Dipylonstiles. der treffliche Ergotimos trägt die ehre der attischen arbeit im namen; aber Klitias, der für ihn malte, war kein Athener, wie wieder der name lehrt31)Man kann nur κλιτύς vergleichen, das ein fremdwort der attischen dichter - sprache ist., und zu Kleisthenes zeiten stehen neben wolhabenden attischen sehr viele fremde leute dieses hand - werkes. es kann in der industrie der capitalist durch billige sclaven - arbeit nur zu leicht den freien handwerker niederhalten. die hoffart der dorischen weltanschauung kam dazu, die den hesiodischen spruch ἔϱγον οὐδὲν ὄνειδος in sein gegenteil verkehrt hatte. Drakon hat den töpfer und den gerber ohne zweifel für einen banausen gehalten; Aristoteles tut es ja auch. also schied der bauer, wenn er in die stadt zog um als handwerker seine familie vor der sclaverei zu schützen, aus der ge - sellschaft aus. an dieser anschauung hat selbst die demokratie wenig geändert.

So war der staat und die gesellschaft Athens um 600, schwach nach auſsen, schwach nach innen, die verfassung durch vielfache ver - änderungen erschüttert, das erwerbsleben schwer krank, die gesellschaft durch die gegensätze der ehrgeizigen parteiführer unter sich, des adels und des volkes, der armen[und] der reichen zerklüftet. die götter schienen Athen verlassen zu haben; auch wer noch für sich hoffte, rechnete mit dem untergange mindestens des staates Athen.

Da erweckte ihnen gott einen propheten: so würde es von IsraelSolon. heiſsen. da erstand ihnen ein dichter, heiſst es in der stadt Athenas. Solon, des Exekestides sohn aus dem blute des alten königshauses, war ein wolhabender mann32)Er ist unter der geltung von Drakons verfassung archon geworden, gehörte also zur classe der höchstbesteuerten. wenn Aristoteles ihn einen μέσος auch nach dem vermögen nennt, so ist das seiner eigenen angabe nach aus den gedichten ge - nommen, in denen Solon wirklich übertriebenen reichtum nicht wünscht. er war freilich kein mann von tyrannischem vermögen wie Kallias oder Hippokleides, er hatte kein haus von überwältigender macht hinter sich wie Kleisthenes, aber nach den anschauungen der späteren demokratie war er gewiſs ein reicher und vor - nehmer, und ein anderer hätte auch den staatsstreich nicht in den gesetzlichen formen durchführen können., der die erziehung seiner standesgenossen er - halten und anteil an ihren vergnügungen genommen hatte. daſs der handel ihn über das meer führte, hob ihn auch noch nicht über60II. 2. Von Kekrops bis Solon.ihre vorurteile. aber er hat allerdings das ihnen zumeist fremde ionische wesen in sich aufgenommen. wie er die aeginetische währung mit der chalkidischen vertauscht hat, so wendet er den attischen sinn von den dorischen zu den ionischen νομιζόμενα überhaupt. er wird ein dichter in der ionischen form der elegie und des iambus; er bemäch - tigt sich dieses neuen organs, mit dem der Ionier seine gedanken und urteile und seinen willen dem publicum zu übermitteln gelernt hatte. damit gewinnt er über die massen die herrschaft, zwingt sie wie er zu empfinden und ihm zu folgen. die mundart der Athener stand der homerischen kunstsprache, die der Ionier in den neuen maſsen der rede seines mundes anpaſste, gewiſs damals nicht näher als ein jahr - hundert später: die leistung des dichters Solon ist also eine bedeutende, beginnt er doch die attische litteratur. aber ganz abgesehen von dem formalen studium, das seine gedichte zur voraussetzung haben, hat er sein ganzes denken und empfinden ionisch machen müssen, menschlich, modern für seine zeit. halten wir doch die attischen werke etwa der gleichen periode neben ihn: wie groſs ist der abstand. die köstliche darstellungsfreude, mit der der bildner des Typhongiebels seine scheusale in aller derbheit aus seinem weichen stein schnitzt, das ist das alte Athen, dasselbe, das ein par generationen früher leichenzüge und seeschlachten mit kind - lichen mitteln auf die tonkrüge pinselte, ungeschlacht autochthonisch, aber mit ächt attischer ἐνάϱγεια. wir werden diese in den solonischen schilderungen des lebens nicht verkennen; der Athener ist dem trotz aller caricatur schematischen Semonides weit überlegen. aber er hat einen gebildeten stil, seine sprache ist überhaupt nicht archaisch. die Françoisvase entzückt uns durch die epische erzählungskunst ihrer bilder; der abglanz der ganzen grossen sagenherrlichkeit ruht auf ihr, die im mutterlande noch alle herzen beherrschte. in Ionien war sie schon verblaſst; die demokratie hatte die nachkommen der heroen zurückge - drängt, und Mimnermos konnte die sage bereits, ein vorläufer der Alexan - driner, zu spielendem schmucke verwenden. bei Solon tritt sie ganz und gar zurück. dem pompösen wesen des rittertumes ist sein ein - facher sinn vollends abgeneigt: er hat es in der beschänkung des gräberluxus bewiesen, und in denselben gesetzen dem aberglauben ge - steuert, über den er durchaus erhaben ist. aber die einfache attische frömmigkeit hat er sich bewahrt, trotz allem menschlichen denken und aller modernen weisheit: auch für ihn hält die göttin schirmend ihre hand über ihrem Athen, so daſs der himmlische vater es gar nicht untergehen lassen kann. und das vertrauen auf die gerechtigkeit des61Solon.weltenregiments ist ihm vollkommen unerschüttert. gott hält sein auge über dem ausgange aller dinge; er ist nicht rasch mit seinem zorne, aber seine strafe suchet den schuldigen heim, sei es auch erst in seinen kindern oder kindeskindern. so denkt er, wie hundert jahre später Aischylos, und dieses denken gibt ihm die kraft und den mut zu seinem groſsen werke. der rechte nachfolger Homers und der rechte Athener ist er vollends in dem was ihn von dem Ionier Archilochos scheidet, dem unvergleichlich gröſseren aber an dem persönlichsten irdischen klebenden dichter: der sinn für die durcharbeitung der zufälligen wirklichkeit zur typischen wahrheit. wer in das Akropolismuseum tritt, der sieht in der gewaltigen bunten gruppe des stieres das schönste werk altathenischer plastik und ruft das ist das verkörperte home - rische gleichnis. da kündet sich die kunst an, die im Parthenonfriese das attische volk, das ideal ihrer zeit, zu der für alle zeit typischen darstellung eines sich seiner gottheit am festlichen tage nahenden volkes vergeistigen konnte. als V. Hehn die darstellung der naturformen des menschenlebens bei Goethe veranschaulichen will, greift er nach ihrer schilderung in Solons grosser elegie. 33)Gedanken über Goethe 213. Hehn vergreift sich aber, wenn er Solon einen vielerfahrenen und darum düsteren menschenkenner nennt. die erfahrung, daſs des menschen kraft und kunst kein sicheres glück zimmern kann, sondern gott allein das gedeihen gibt, hat seinen sinn nicht verdüstert, denn gott gibt das gedeihen, wenn der mensch gerecht bleibt. Solon genoſs das leben gern, aber der schönste lebensgenuſs war ihm das lernen, und darum bat er den Mimnermos, der nur den sinnengenuſs kannte und mit 60 jahren sterben wollte, flugs 80 zu schreiben. der verachtete wahrlich die menschen nicht, der betrauert sterben wollte. er hat selbst die politische enttäuschung durch seine poesie und sein reines gewissen überwunden.

So war der dichter und der weise, der seinen Athenern zu predi - gen wagte: haltet inne, kehret um auf eurem wege, sonst stürzt ihr wider gottes willen euer vaterland in den abgrund. was er geiſselte war die begehrlichkeit, sowol der von unten drängenden masse wie die der auf ihren besitz pochenden standesgenossen. diesen, die mit dem gute des staates und der götter unredlich umgehn, die macht zu der vergewaltigung der rechtlosen misbrauchen, gilt sein zorn überwiegend. gerechtigkeit in der verteilung des besitzes, menschlichkeit und gleichheit fordert er, frieden, eintracht und gesetzlichkeit (εὐνομίη, worin sowol die befolgung der gesetze, wie die herrschaft guter gesetze liegt) verheiſst er. von bestimmten praktischen vorschlägen hören wir nichts; das gehört nicht in die poesie. aber der so redete, war kein δημιουϱγός der dicht - kunst, sondern ein angesehener und lebenserfahrener angehöriger des62II. 2. Von Kekrops bis Solon.herrschenden standes, der kein hehl daraus machte, daſs er seine ge - danken praktisch verwirklichen wollte. sein volk vertraute ihm, wählte ihn zum archon und gab ihm die vollmacht die verfassung neu zu machen und das volk zu versöhnen. 34)Den titel διαλλακτής gibt die Atthis ausdrücklich, bei Ar. 5, 2 und Plut. Sol. 14, 2. er kehrt 403 für die spartiatische versöhnungcommission wieder. die unumschränkte macht bezeichnet Aristoteles 6, 1 mit κύϱιος τῶν πϱαγμάτων.

Was er dem volke brachte, entschied sich schon am tage seines amtsantrittes.35)Sowol bei Aristoteles wie bei Plutarch sind die beiden acte, seisachthie und gesetzgebung, deutlich gesondert. das wird durch das edictum praetoris 56, 2 ganz verständlich. er hatte als archon die proclamation zu erlassen, daſs er jedermann in seinem besitze schützen und erhalten wolle. statt dessen erklärte er alle bestehenden hypothekenschulden für hinfällig und die verpfändung eines athenischen leibes überhaupt für ungesetz - lich, dies letztere mit rückwirkender kraft. er verfügte auch über mittel, obwol wir nicht wissen woher, die er zu dem rückkaufe der in das ausland verkauften Athener verwandte.36)Da Solon selbst sich dieser befreiung der längst verkauften sclaven rühmt (Ar. 12, 4), so ist nur die modalität fraglich. öffentliche mittel können nicht gefehlt haben, sowol in staatsdomänen wie im schatze Athenas. aber die auslösung von bürgern, die in der sklaverei waren, galt auch für eine menschenpflicht, die viele übten. Λύσανδϱος und Λυσίϑεος sind leute, die für einen menschen und einen gott (dessen bild oder gut oder schatz λύτϱα brauchte) die λύτϱα gezahlt haben, und Λυσικϱάτης Λυσικλῆς Λύσιππος Λυσιφῶν sind gedankenlos gebildete composita, in denen doch dieses λύειν stecken muſs. Λυσίμαχος Λυσανίας Λυσίστϱατος sind anderer art; das letztere nicht einmal notwendig. so wurden denn die hypothekensteine, die sie belasteten, auf allen attischen äckern zer - schlagen, und in allgemeinem jubel eine festfeier der abgeschüttelten bürde begangen.37)Ar. 6, 1 ist überliefert σεισάχϑεια καλοῦσιν ὡς ἀποσεισάμενοι τὸ βάϱος. bei den änderungen, mit denen der corrector angefangen hat, und denen wir auch gefolgt sind, ist mir nie sehr zuversichtlich zu sinn gewesen. ich möchte nicht für unmöglich erklären, daſs die Athener der gegenwart den namen brauchten, weil sie die befreiung von der last als eine ihnen selbst, dem unsterblichen δῆμος, zu teil gewordene erleichterung empfanden. und die form τὰ σεισάχϑεια kann ich nicht be - anstanden, freilich nicht für den act der legislative, aber wol für das dafür gebrachte dankopfer, das Plutarch Sol. 16 erwähnt. dieses opfer könnte ich mir als eine dau - ernde institution denken, so daſs das praesens ganz eigentlich richtig wäre. es war ein sehr gewaltsamer eingriff in wolerwor - bene privatrechte, aber es ist kein versuch gemacht ihn zu hindern oder zu redressiren; die besitzenden mochten auf diese concession gefaſst ge - wesen sein und sich zu ihr verstehen um der drohenden confiscation ihres63Solon.grundbesitzes zu entrinnen. immer noch konnten sie hoffen, daſs Solon, ihr standesgenosse und ein maſsvoller mann, die standesherrschaft eher befestigen als schmälern würde. aber die gesetzgebung, die er natür - lich erst am ende seines amtsjahres vor den souveränen demos bringen konnte, beseitigte nicht bloſs die verfassung Drakons, sondern begrün - dete die demokratie.

Alle Athener (Ἀϑηναῖοι ἅπαντες, wie der ausdruck wol schon jetzt lautete) erhielten an der staatsverwaltung anteil. für die volksver - sammlungen, den rat und die geschwornenstellen ward hinfort kein census gefordert, für die beiden letzteren nur die zurücklegung des dreiſsigsten lebensjahres; für den rat gieng auſserdem noch eine persön - liche prüfung der würdigkeit dem eintritte vorher. eine ausnahme bil - deten die geschwornenstellen in den mordgerichten, wo die adligen epheten Drakons blieben, weil der sacrale charakter dieser richtstätten die älteren formen sicherte. die teilnahme des ganzen volkes an den volksversammlungen verlieh diesem das active wahlrecht für die wahl - ämter, aber auch die wirksamste controlle selbst der archonten. denn die prytanen des rates, (über deren bestellung wir weiter nichts wissen) waren gehalten, in bestimmten (uns unbekannten) fristen eine volks - versammlung zu berufen, in der alle selbständig, nicht unter aufsicht eines der räte, fungirenden magistrate neu bestätigt werden muſsten; im falle ihrer suspension kamen sie vor die thesmotheten, die ein ge - richt von geschwornen zu berufen hatten. dasselbe hatte unbedingt mit der rechenschaftsablage der feldherren zu geschehen. gegen die anderen beamten konnte jeder bürger nach ablauf ihres amtsjahres an eine commission des rates, die euthynen, eine beschwerde einreichen, die erforderlichen falles von den thesmotheten in der nämlichen weise vor ein volksgericht gebracht ward. die competenzen aller beamten wurden in bestimmter weise abgegrenzt, so daſs sie höhere strafen, ins - besondere leibesstrafen, nur unter zuziehung eines gerichtes zuerkennen konnten. die bestellung der beamten, so weit sie nicht direct gewählt wurden, geschah durch das los auf grund einer vorschlagsliste, über deren aufstellung genaueres nicht bekannt ist, als daſs sie durch wahl in unterabteilungen des volkes, phylen oder (für den rat) naukrarien zu stande kam. als qualification ward ein census, abgestuft nach den alten drei classen, gefordert, die nun wieder ihre vordrakontische bedeu - tung nach dem einkommen erhielten. ob an der competenz der einzelnen beamten oder des oberen rates geändert worden ist, wissen wir nicht; der überlieferung nach ist da ziemlich alles beim alten geblieben.

64II. 2. Von Kekrops bis Solon.

Solons augenmerk war offenbar zunächst nur auf die schulden - tilgung gerichtet gewesen, und im übrigen auf die beseitigung der dra - kontischen schranken, die durch die forderung der selbstequipirung die proletarier principiell ausschlossen. das schien ihm ein widerspruch mit der herrschaft des demos, und er spricht es selbst aus, daſs er diesem seine rechte weder geschmälert noch vermehrt hätte: er hielt Drakons ordnung also für eine ungerechte neuerung. wirklich können wir wol nicht anders urteilen, als daſs Solon in der verfassung auſser diesem demokratischen prinzipe kaum etwas bedeutendes erfunden hat, da ja die ausdehnung des loses auf die archonten kein neues princip war, und dessen bedeutung kann man nicht umhin, gerade für die wichtigsten ämter gering anzuschlagen. Solon selbst und sein nachfolger Dropides sind trotz dem lose so gut wie gewählt: es hat sich die macht des volkswillens so stark fühlbar gemacht, daſs andere candidaten gar nicht zur losung präsentirt wurden. wenn in den folgenden jahren so häufig gar keine archonten vorhanden sind, so muſs die losung aus der vor - schlagsliste durch den terrorismus der parteien verhindert sein, oder aber es hat sich die majorität der tyrannei des zufalls nicht unter - worfen. wir haben schlechthin keine mittel uns vorzustellen, wie es in Athen in solchen jahren der anarchie aussah38)Selbst das ist nicht bekannt, ob in jahren der anarchie gar keine beamte waren, oder etwa nur kein archon, oder ungesetzliche und cassirte archonten. der fall, daſs ein archon fehlte und der könig für ihn eintrat, ist später vorgekommen.; aber die kritik muſs sich Solon schon gefallen lassen, daſs er zwar das princip der demo - kratie zum siege geführt hat, aber gerade dadurch, daſs er die macht der beamten möglichst vinculirte, zunächst seinem vaterlande den kräftigen arm gelähmt hat, der es allein vor der tyrannis schützen konnte, die der vertrauensmann des volkes, der in directer wahl von allen erhobene stratege, und der πείϑων τὸν στϱατόν, der demagoge der zum ganzen volke sprechen konnte, errungen hat.

Das denkwürdige amtsjahr lief ab. Solon stellte das geltende at - tische recht auf vielen riesigen holztafeln verzeichnet aus, lieſs es vom demos nicht nur annehmen, sondern in feierlicher weise beschwören, brachte am jahresschlusse das opfer an Zeus den erretter (die letzte regelmäſsige amtshandlung des beamten39)Der cult des Zeus gehört zum markte als ᾽γοϱαῖος, dem wesen des markt - rechtes entsprechend. aber auch als σωτήϱ darf er für alt gelten; nur ἐλευϑέϱιος heiſst er erst seit 480. und trat in das privatleben zurück oder vielmehr in den Areopag hinüber. seine Athener werden65Solon.zuerst die bewunderung seiner leistung, zu der die aufzeichnung der gesetze, der kalender und die ordnung von maſs und gewicht auch gehörte, und die höhere bewunderung seiner selbstlosigkeit und gesetz - lichkeit haben vorwalten lassen. in der tat hat ihn niemand persönlich angegriffen. aber wenn der dichter und der patriot geglaubt hatte, er brauchte nur dem demos in den sattel zu helfen, reiten würde er von selbst können, so folgte schlimme enttäuschung. daſs der bisher herr - schende stand über die beseitigung der drakontischen verfassung grollte, mehr noch als über die capitalverluste der einzelnen, ist ebenso natür - lich, wie daſs die theten, denen er zwar die freiheit und damit poli - tische rechte, aber keinen materiellen gewinn und mit den rechten pflichten gegeben hatte, nach dem ersten freudenrausche stark ver - stimmt waren, weil sie arbeiten sollten wie immer. die neue maschine functionirte mit einer allzustarken reibung und stockte hier und da. so rief man den werkmeister sie wieder in gang zu bringen. er vertraute seinem werke und der zeit, idealist wie er war; aber eben weil er es war, konnte ihm keine herbere kritik werden, als daſs von rechts und links ihm zu verstehen gegeben ward, er hätte die tyrannis selbst übernehmen sollen, wie es in der tat Pittakos von Mytilene in ähnlicher stellung getan hatte. das verekelte ihm seine vaterstadt, und nachdem er mit seiner einzigen waffe, der poesie, sich lebhaft aber ver - geblich verteidigt hatte, zog er auf lange jahre hinaus in die fremde. in Athen aber brachen die politischen kämpfe mit erneuter heftigkeit los. die vorwahlen für die losung zu den höchsten ämtern trugen die politischen kämpfe auf das land; die präsentation der candidaten für den neuen rat fielen ohne zweifel den örtlichen kreisen zu. so bil - deten sich innerhalb des volkes parteien, die sich nach den landesteilen nannten, nicht etwa alten vortheseischen städten, sondern den wirtschaft - lichen interessen der gegenwart entsprechend. die solonische demo - kratie fand anklang in der küstenbevölkerung, die immer demokratischer gesonnen war, und ihre führung ergriff Megakles, das haupt der Alkme - oniden, die dem Solon die heimkehr dankten. in der ebene Athens saſsen die ältesten herrengeschlechter und war die vom Areopage be - schützte landwirtschaft maſsgebend: sie wollte von der solonischen wirt - schaftspolitik nichts wissen, die Athen zu Ionien hinwies, und das haupt der Butaden stritt für die reaction. das bergige land, im nordosten und osten, sehr stark bevölkert von einem wehrhaften bauernstande und stolz auf seine eigenart, drängte weiter auf der bahn der decentralisation, durch die allein das land der stadt gebieten konnte; es stellte den bestenv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 566II. 2. Von Kekrops bis Solon.truppen einen geschickten führer: hier war man für einen krieg, der neue landlose den bauernsöhnen schaffte, und die führer, Peisistratos von Brauron und Miltiades der Philaide, haben sie ihnen auch verschafft. wir wissen im einzelnen fast nichts über das menschenalter nach Solons gesetzgebung, aber gerade soviel, um zu sagen, daſs es um den innern frieden traurig stand, und um den wolstand nicht besser als zuvor, bis Peisistratos erst Salamis eroberte und dann sich zum herrn machte. und das zweite wissen wir, daſs Solon heimgekehrt ist und in Athen un - behelligt und verehrt aber einfluſslos bis 560 / 59 gelebt hat. er hat noch gedichtet, sein volk gemahnt um Salamis zu kämpfen und vor Peisistratos sich zu hüten; sie hörten wol seine verse, aber es waren ihnen nur die verse eines dichters: politisch war Solon ein toter mann, seit er dem Zeus σωτήϱ am letzten skirophorion 593 das dankopfer gebracht hatte.

Die götter verwöhnen ihre lieblinge nicht; der frühe tod ist der preis, um den die schönste krone des heldentumes feil ist, für Kleobis und Biton, für Achilleus und Alexandros. die krone der weisheit aber erhält der greis für ein leben voller enttäuschung, und entsagung lehren auch die weisesten, die das vollste menschenleben gelebt haben, Platon und Goethe. als Solon zu sterben kam, war sein Athen in der hand des tyrannen, und der stifter der demokratie hatte eingesehen, daſs seine Athener jeder einzeln ein schlauer fuchs, aber auf der pnyx eine herde schafe wären. nach den wolken des demagogischen weihrauchs, die ihm im vierten jahrhundert von denen gespendet wurden, die be - sagte herde hüteten und schoren, wird den weisen wenig gelüstet haben; daſs er ein groſser staatsmann gewesen wäre, wird sein gewissen ver - neint haben, so gut wie wir es verneinen müssen. und doch hat Ari - stoteles ihn einen einzigen unter allen staatsmännern genannt, der allein das wol des ganzen zur richtschnur sich genommen. und doch hat er in der tat die demokratie Athens, wenn auch nur als vorläufer des Kleisthenes, und die athenische poesie, wenn auch nur als vorläufer des Aischylos begründet. daſs er beides vermochte, daſs seine person sowol den Drakon wie den Peisistratos, ja noch den Kleisthenes in den schat - ten gestellt hat, das dankt er der Muse. ihn allein von ihnen hörte die nachwelt und hören auch wir noch. ein groſser dichter war er nicht, aber ein weiser und frommer und guter mensch, was denn doch mehr ist.

Verblaſst ist sein bild gar bald in den büchern der geschichte; aber die poesie ist ihm gerecht geworden. nicht daheim, aber in Ionien hat sie67Solon.die schönste novelle gedichtet, in der er dem Hellenen seine σωφϱοσύνη repräsentirt. auf dem güldenen throne sitzt der barbar in seiner ma - teriellen herrlichkeit mit all dem dünkel abergläubischer gottwolgefällig - keit und ruft sehet mich an, ich bin glücklich und gottgesegnet (ὄλβιος und εὐδαίμων). der weise im schlichten bürgerkleide belehrt ihn, daſs das höchste menschenglück das des schlichten bürgers ist, wie es die natur dem menschen gewähret, mit weib und kind, acker und vieh, gesundheit und gedeihen, und zur krönung dem seligsten tode, dem tode des kriegers fürs vaterland. vergebens belehrt er den bar - baren, vergebens mahnt er ihn, daſs den tag vor dem abend niemand loben dürfe. Kroisos verlacht die mahnung, das schicksal ereilt ihn, und das gedächtnis an des weisen wort ist das einzige was ihn errettet.

So steht Solon da, der typus des Hellenentums, des Athener - tumes, sich bewuſst der menschenschwäche und des menschenadels, de - mütig vor der natur, demütig vor gott, aber nur vor dem ewigen demütig. so lernen unsere kinder den weisen Solon kennen: nicht den vater der demokratie, aber den hellenischen propheten, den dichter und den weisen. die unsterbliche seele Solons und seines volkes ruft uns alle noch heute auf zu der seisachthie des götzendienstes dieser welt.

Doch ich vergesse, unsere kinder sollen den weisen Solon nicht mehr kennen lernen. die moderne selbstgerechtigkeit und hoffart sitzt als ein protziger barbar auf ihrem throne, opfert götzendienerisch ihrer eigenen herrlichkeit und ihren lüsten und weist den hellenischen mahner an selbstbescheidung und demut unwillig von sich. soll sie auch erst auf den scheiterhaufen steigen, um sich auf die hellenische weisheit zu besinnen? vielleicht. aber schwerlich wird ihr zerstörer ein Kyros sein, der sie um des verzweiflungsrufes Solon, Solon begnadige.

5*[68]

3. DIE POLITIE DER ATHENER VON PEISISTRATOS BIS EPHIALTES.

Athen in der tyrannen - zeit.Wer jetzt auf der burg von Athen wandelt, dem stellt sich als eine schöne lösbare aufgabe dar, das Athen der tyrannenzeit in seiner zu - ständlichkeit zu schildern. leibhaft sieht man die menschen jener gesell - schaft vor sich, und, was mehr bedeutet, man kann empfinden, wofür sie leben, wo sie ihren schatz und ihr herz haben. es geht ihnen gut und sie genieſsen ihr leben. sie haben an ihrer eignen existenz freude und suchen die εὐδαιμονία im ὄλβος. es ist eine zeit, geschlagen in enge fesseln der convention und der mode; vielleicht merkt man nur ex eventu, daſs vieles überlebte da ist, und ein neues leben sich zu regen beginnt, das diese fesseln sprengen wird. den ungeheuren umschwung der Perserkriege und der demokratischen ἀϱετή schätzt man nirgend so richtig, wie wenn man im sechsten jahrhundert wandelt. schon die heroische naktheit des Harmodios erscheint wie ein protest gegen die ceremoniöse toilette eines Aristion. daſs die jünglinge und mädchen des Parthenonfrieses groſsmütter und väter gehabt haben sollen, die sich anzogen wie die κόϱαι, die unsere archaeologische jugend so hübsch als tanten bezeichnet hat, sich einen lockenkranz um die schläfen frisiren lieſsen und die arme mit ekelhafter grazie weit vom leibe hielten, damit die geknifften fältchen der mantillenkanten nicht zerknautscht würden, muſs man sich mühsam klar machen. es riecht alles nach τϱυφὴ Ἰωνική, nach μύϱα und ἁβϱὸς βίος.1)Das zwölfte buch des Athenaeus handelt über die τϱυφή; historiker schon des vierten jahrhunderts, peripatetiker und andere philosophen sind die hauptquellen. wer genauer zusieht, wird in sehr vielem lediglich den niederschlag der sinnesart finden, die mit den Perserkriegen aufkommt und der ganz besonders die tracht, aber überhaupt die lebensführung der archaischen zeit als τϱυφή erscheint. in der tracht gewisser stände, wie der priester und der musiker, im costume der tragoedie, dann und doch wie sauber und69Athen in der tyrannenzeit.solide baute jene zeit, wie gewaltig sind die fortschritte der bildenden künste, und wie tief im volke geht jene anspruchsvolle lebensführung, da töpfer walker und schuster an ihr teil nahmen. man sieht, wie viel da war, das die Perser zerschlagen und rauben konnten: die opfer von 480 lernt man schätzen, und es wächst sowol die achtung vor Peisistratos wie die bewunderung der freien bürgerschaft.

Doch das ist eine aufgabe, die wirklich nur ein archaeologe lösen kann, einer dem die funde auch in allen einzelheiten rede stehn, und weil die aufgabe gestellt ist, wird sich auch die archaeologische jugend über die unfruchtbaren stilriechereien und die wirklich antiquirte suche nach künstlernamen erheben. in um so mislicherer lage ist jeder der die ereignisse jener zeit zu schildern unternimmt und nicht den Herodot paraphrasiren will. sie sind verschollen, und was man einzelnes hört, belehrt wenig, eben weil es nichts als nakte facta bringt. wir wissen es nicht, wie sich die situation Athens um 520 v. Chr. gebildet hat: aber von dieser situation kann man sich einigermaſsen ein bild machen.

Als nach der gesetzgebung Solons statt des gehofften friedens der parteihader nur gehässiger entbrann, war es das gröſste glück, daſs sich der zum herrn machte, der seine tüchtigkeit durch die erwerbung von1)bei einzelnen personen oder in abgelegenen gegenden hat sich die mode des sechsten jahrhunderts noch mehrere generationen oder auch dauernd erhalten, nicht ohne daſs misverständnisse in derselben richtung vorkamen. Asien hat sich den neuen athenischen mustern immer erst in einigem abstande gefügt, und deshalb den vor - wurf der τϱυφή schon von den Athenern des fünften jahrhunderts erfahren. inner - lich hat es den umschwung des empfindens nie mitgemacht. so haben sich falsche werturteile über die archaische zeit gebildet. nun trieb aber der gegensatz zu den barbaren dazu die einfachheit von haar und barttracht, des kurzen hemdes und des simplen überwurfes für echthellenisch auszugeben, also für uralt, und dann für do - risch, ein wort, das den accent ins tüchtige, derbe, altangestammte zuerst in der musik erhalten hatte (schon vor 500): das hat dann auch falsche geschichtliche ur - teile erzeugt. die besten zeugen für die volksstimmung sind immer die dichter, um so besser, je gröſser sie sind. in dem bilde, das das sechste jahrhundert schon von Dionysos geschaffen hatte, und das die tragoedie, sein spiel, fest hielt, war jene alte tracht an haar und bart und kleidung festgehalten, und die art, wie der gott sich offenbarte und seine verehrer sich benehmen hieſs, schien die τϱυφή nur noch mehr zu bestätigen. diesen conflict mit den modernen, kräftigen, dorischen anschauungen empfand Aischylos innerlich, und doch war er dionysischer dichter. so verkörperte er diese gegensätze in seiner Lykurgie; die alte fabel hatte eine neue bedeutung gewonnen. da zuerst nimmt der götterfeind an der weibischen tracht des gottes anstoſs, zieht freche folgerungen und muſs es büſsen. Euripides hat das schon als etwas fertiges überkommen; für ihn hat es keine innerliche bedeu - tung mehr.70II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.Salamis bewiesen hatte, und der nicht den durch Solon gestürzten groſs - grundbesitz, sondern die kleinen leute und die wehrhafte bauernschaft der Diakria hinter sich hatte. Peisistratos ward zwar alt und grau, ehe er aus zehnjähriger verbannung heimkehrend auf dem throne fest ward (541). dafür brachte er die anerkennung durch die bedeutendsten nachbarstaaten, Boeotien und Euboia, ein bündnis mit Argos und eignen besitz an der thrakischen küste mit. so konnte er frieden und wolstand, ordnung und fortschritt auf sein panier schreiben, und mit ausnahme der überwundenen adelsgeschlechter hatte er bald die sympathie des volkes gewonnen, so daſs sich bei seinem tode 528 nichts änderte, sondern seine beiden ehelichen söhne die nicht festumschriebene oder beschworene aber tatsächlich anerkannte herrschergewalt fortführten. Hippias, schon ein reifer mann, war längst ein mitarbeiter an der politik des vaters gewesen; Hipparchos, auch kein jüngling mehr, ergänzte ihn für das prestige der tyrannis auf das glücklichste. denn seine beziehungen zu den dichtern der zeit hatten eine sehr reale bedeutung. diese leisteten, was heute die presse besorgt, die beherrschung der öffentlichen meinung. orakelsprüche, wie sie damals besonders beliebt waren, haben mindestens eben so oft die ereignisse vorbereitet und bewirkt, wie sie später ex eventu verfertigt und umgeformt sind. weltkundige und allerorten wol - gelittene litteraten, wie Lasos und Simonides, formulirten dem durch - schnittshellenen, was er schön und gut finden sollte, und lebten davon, sich von den mächtigen die parole dazu geben zu lassen, was sie also den leuten darstellen sollten. sie sind die vorläufer der sophisten. die breite masse aber bewunderte den herren von Athen, dessen lieblinge die lieder eines Anakreon verherrlichten wie die des Polykrates. das ist der lauf der welt; sie beugt sich dem glücklichen und nimmt an seinem glücke anteil. es muſste die sittliche erhebung einer groſsen zeit kommen, damit das glück des Polykrates im sinne des Herodotos, nicht in dem des Anakreon sprüchwörtlich werden konnte.

Der attische bauer saſs leidlich zufrieden unter seinem feigen - baum und weinstock und schaute mit andacht auf das geschenk seiner göttin, die olive, deren anbau der staat jetzt wie von alters her beförderte, so daſs dies wichtigste product der heimischen landwirt - schaft immer mehr eintrug. dazu tat der friede das beste: es hieb eben kein feind die ölbäume um. ordnung war auch im lande und die rechtsprechung nahe und rasch zu haben. eine steuer von fünf procent lag allerdings auf dem ertrage, und das war eine mah - nung, daſs ein herr da war. aber der bauer durfte doch alljährlich zu71Athen in der tyrannenzeit. Äuſsere politik der tyrannen.den wahlen gehn, wol auch allmonatlich zur volksversammlung; die formen der selbstverwaltung in der naukrarie, auch der rat in der stadt, waren gewahrt, und so stimmte man gern für die candidaten der regie - rung. es verdient alle anerkennung, daſs die Peisistratiden für den ackerbau sorgten; dennoch ist die schilderung des Aristoteles schief, die diese seite ausschlieſslich hervorhebt. um keine agrarier zu sein, dazu besaſsen sie schon genug wirtschaftliche einsicht: der mächtige auf - schwung von industrie und handel, der unter ihnen statt fand, ist für uns selbst noch in seinen erzeugnissen kenntlich, und das friedliche menschenalter 540 10 hat erst die ionische höhere cultur, zum teil auch die von Argos und Aigina nach Athen geführt und das attische wesen erzeugt, das allen andern eben deshalb überlegen ward, weil es alle anregungen aufgenommen und innerlich sich zu eigen gemacht hatte. handel und industrie setzen eine starke nicht angesessene, zum teil nicht einmal eingeborene bevölkerung voraus, die wir denn auch antreffen, und sie haben die städtische centralisation im gefolge. das prestige der tyrannis erforderte neue tempel und neue feste. die Peisistratiden haben ein neues Athen geschaffen, und nur daſs die Perser es verbrannten und dann neue gebäude sich erhoben, hat bewirkt, daſs Athen nicht dauernd die züge der tyrannenzeit getragen hat.

Daſs die tyrannen Athen diese friedliche zeit und dieses gedeihenÄuſsere po - litik der tyrannen. verschaffen konnten, lag wesentlich darin begründet, daſs sie selbst nach keiner seite übergreifen konnten noch wollten und durch persönliche und familienverbindungen ein gutes einvernehmen mit den meisten staaten erhielten. mit der hilfe von Theben Eretria und Argos war Peisistratos heimgekehrt; an der thrakischen küste besaſs er eigenen besitz; ein vertriebener adlicher von Naxos, dem er zum danke die herrschaft in seiner heimat verschaffte, hatte sich an seiner seite be - funden; auch die beziehungen zu dem thessalischen adel werden so alt sein. diese verbindungen sind zum teil noch über den sturz des Hippias hinaus erhalten geblieben. es liegt freilich in dieser gruppirung der mächte, daſs es eine gruppe ihnen gegenüber gab. wer nahe zu Argos stand, war den Spartiaten und ihrem bunde verdächtig, wer Eretria unterstützte, dem war Chalkis feind, und Korinth, mit Chalkis und Sparta zumeist verbunden, hat später seine feindliche gesinnung wider die Peisistratiden bewiesen. es ist augenfällig, daſs die herren Athens sich von diesen hauptmächten des festlandes nicht nur fern halten, sondern sich zu emanzipiren trachten. sie lassen keine pferde in Olympia und Delphi rennen und stiften dort keine weihgeschenke, sie gründen viel -72II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.mehr in Athen filialen der dortigen culte, schmücken diese reichlich und erweisen so zwar den hochgeehrten göttern ihre ehrfurcht, aber entziehen sich dem einflusse ihrer priester. Delphi hat es ihnen nicht vergessen. aber offiziell sind die beziehungen zu dem peloponnesischen staatenbunde durchaus freundlich. die tyrannen sind gastfreunde Spartas: die proxenie war auch zwischen Athen und Dionysios, Athen und Phi - lippos die form der offlciellen anerkennung, nicht mehr bedeutend, als wenn die herrscher der alten monarchien einen Napoleon als bruder angeredet haben.

Gestützt auf diese besonnene politik des friedens, glaubten die herren Athens weder eines stehenden heeres (auſser einer leibwache) noch einer kriegsflotte zu bedürfen. die sicherung der see, deren handel und industrie um so mehr bedurfte, als die front Athens jetzt nach osten gerichtet war, ward auf anderem wege erreicht. Athen, das doch Naxos und Rheneia erobert hatte, behielt keine insel in besitz, sondern versicherte sich des wolwollens des delischen Apollon und der seemächtigen staaten. nur auf den wichtigsten punkt, den Hellespont, legten die tyrannen ihre feste hand, auch das nicht unmittelbar, aber durch befreundete oder verwandte herrscher. in Sigeion, dem vielumstrittenen, saſs ein halb - bruder des Hippias; ein schwiegersohn von ihm in Lampsakos, das sich vorher lange mit allen mitteln der attischen colonisation der gegenüber - liegenden halbinsel widersetzt hatte. der Chersones mit den nächsten thra - kischen inseln gehörte dem Philaiden Miltiades, der Athener geblieben war, mindestens in einvernehmen mit den tyrannen.

Die groſsen adels - häuser.Die Philaiden waren eines der uralten geschlechter Attikas, selbst dazu zu vornehm, sich wie das alte königshaus und die Alkmeo - niden auf die Pylischen heroen zurückzuführen, geschweige wie jeder schuster auf die phylenheroen. mit dem adel des Peisistratos ist es schwerlich weit her gewesen; wir kennen den namen des ge - schlechtes nicht, denn die überlieferung des dialoges Hipparchos, die es zu Philaiden macht, ist mit Herodot nicht vereinbar. ein Peisi - stratos erscheint als archon von 669 / 68 in der chronik2)Pausan. II 24, 7 sicher ergänzt, da die olympiade durch ihren sieger fixirt ist.: älter dürfte der name nicht sein, da er aus dem späten epos stammt.3)Es folgt daraus, daſs vor 700 die Telemachie in Athen bekannt war. denn ihr dichter hat diesen Nestorsohn erfunden und ihm den namen gegeben, weil der vater ἔπεισε στϱατίν. namen von Neleuskindern wie Πεισιδίκη Πεισήνωϱ sind erst nachbildungen dieses redenden namens; dessen erfinder schuf ein analogon zu Τηλέμαχος. jener Pei -73Die groſsen adelshäuser.sistratos, wol der groſsvater des tyrannen, legte also wert auf seine pylische herkunft, und anders als Peisistratiden heiſst das tyrannen - geschlecht später nie. sie wohnten dicht neben den Philaiden in der gegend von Brauron und beide gehörten also von haus aus zu derselben partei der Diakrier. fünf jahre nur vor der ersten tyrannis des Peisi - stratos war ein Philaide Hippokleides archon gewesen und hatte den agon der Panathenaeen gestiftet. aber er war kein gefährlicher con - current, weil es ihm an ernst und stätigkeit fehlte. darum keine sorgen, sagt Hippokleides blieb ein geflügeltes wort. ein bedeutenderer herr aus demselben hause hatte, wie es heiſst unter mitwirkung des delphischen orakels, die besetzung des Chersones unternommen und dort die wichtige herrschaft gegründet, im wesentlichen auf kosten von bar - baren, denen er auch Lemnos und Imbros abnahm, unter allgemeiner sympathie der öffentlichen meinung von Hellas, weil es eben barbaren - land war.4)Diese erwerbung richtig datirt und richtig beurteilet zu haben, ist das ver - dienst von E. Meyers aufsatz über die Pelasger (Philol. N. F. 2). im übrigen ge - hört seine hypothese nicht zu denen, die mich so weit blenden, daſs ich aller überlieferung ins gesicht schlage. falsche conjecturen gemacht zu haben kann ich nicht leugnen und suche mich zu bessern, gern bereit sie zurückzunehmen. aber das conjiciren werde ich nie lassen, weil es nötig ist: und jede conjectur ist ihrer natur nach eine abweichung von der überlieferung, ob man einen text oder einen geschichtlichen zusammenhang von einem glossem befreit, ist für diese procedur einerlei. die hypothese Πελαϱγικὸν = storchnest ist ein einfall, der nicht längeres leben hat als eine seifenblase. ἀϱγός weiſs, ἄσγλα, αἴγλα (ein episches, in keiner lebenden sprache nachgewiesenes wort) gehören alle zusammen. Πελασγοί sind an sehr vielen orten die urbewohner genannt (vgl. Schwartz quaest. Herod. Rostock 1890), so auch in Athen. ihnen hat man den bau der burgmauer zugeschrieben, die in die unvordenkliche zeit gehörte, wie anderwärts den riesen oder hundertarmen. die gegner im osten, die den stadtathenern auch sonst als wilde riesen erscheinen, führen in einer geschichte den Pelasgernamen. diese geschichte ist dazu da, die Pelasger aus Athen zu vertreiben, d. h. den zustand der gegenwart zu erklären, welche keine mehr in Attika kennt; um so sicherer waren sie in der älteren vor - stellung gegeben. schon Hekataios hat das erzählt; aber von der ansiedelung der vertriebenen Pelasger auf Lemnos hat er nichts gewuſst. diese ist (wer hätte das je verständigermaſsen anders ansehn dürfen) nicht älter als die eroberung von Lemnos durch den attischen herrn der Chersones. und so haben in der tat nach Lemnos erst die Athener den Pelasgernamen gebracht. die dortigen barbaren wurden von den Ioniern Tyrsener genannt, auch mit einem namen, der keine ethnologische bedeutung hatte, wie denn der italische Ionier in den burgbauenden Rasenern die Τυϱσηνοί sah und ihnen, selbst für die Italiker maſsgebend, diesen namen gab; daſs sie damit gleich hieſsen wie die feinde seiner alten heimat, die Lyder oder Meoner, war ihm höchstens erfreulich, muſste dann aber genau so sicher eine wandersage erzeugen, wie es ist zwar zwischen den Philaiden und Peisistratos nicht74II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.immer freundschaft gewesen (Herod. 6, 103), aber das ende war gegen - seitige anerkennung. und selbst als das haupt der athenischen Phi - laiden auf der straſse ermordet ward, und das gerücht die tyrannen ver - antwortlich machen wollte, ist es nicht zum bruche gekommen.

Von den vertretern des städtischen adels hört man kaum etwas; die Butaden, welche an der spitze der schroffen aristokraten 560 ge - standen hatten, verschwinden. in der schlacht von Pallene ist Leogoras stratege, aus einem unbekannten, aber auf Odysseus und Hermes zurück - geführten, zweifellos hochvornehmen hause5)Die vita des s. g. Plutarch führt Andokides auf die Keryken zurück, und diese ansicht wird von Dittenberger und Töpffer (Ath. geneal. 85) vertreten, während Blaſs und Lipsius sie verwerfen. für mich ist entscheidend, daſs Andokides über Odysseus und Autolykos auf Hermes zurückgeführt wird, schon von Hellanikos, während die genealogie der Keryken über Keryx auf Herse und Hermes zurückgeht. das ist doch zweierlei, nur der göttliche ahnherr ist derselbe, und daher war ein irrtum leicht möglich. daſs μυῶν Andok. 1, 132 auch lediglich dasselbe bedeuten kann wie bei Apollodor gegen Neaira 21 wird man nicht leugnen können, wenn es auch nicht durchschlägt. und daſs weder der ankläger des Andokides (Lys. 6, wie ich glaube und einmal zu zeigen hoffe, Meletos), so viel er, der Eumolpide, sich auch in hieratischen dingen bewegt, noch Andokides in der verteidigung dieses bedeut - same moment erwähnt haben sollte, wird mir auch schwer zu denken. er würde eben nicht bloſs οἰκία πασῶν ἀϱχαιοτάτη sagen (1, 147), wenn er zum eleusinischen adel gehörte. sein gegner sagt nicht nur, daſs er Eumolpide ist (wo wüſsten wir’s sonst her?), sondern er trieft von priesterlicher salbung. und sollte wol ein Keryke gesagt haben ἐψηφίσαντο Κήϱυκες κατὰ τὸν νόμον ὅς ἐστιν αὐτοῖς (1, 127, sicher von Bekker aus ἐστιν αὐτὸς hergestellt)? der Eumolpide redet (10) nicht selbst in dritter person von den Eumolpiden, sondern citirt worte des Perikles. (beiläufig, schon um dieses citates willen ist die rede keine späte rhetorenfälschung). der name Ἀνδοκίδης zeigt sein alter schon in der grammatischen form; er dürfte eigent - lich der geschlechtsname gewesen sein, denn ἀνδοκίδαι kann wol nur die es auf sich genommen haben bedeuten; die tempelbauenden Alkmeoniden sind ἀνδοκίδαι., und er kehrt erst mit den4)daſs die Himeraeer ihre nachbarn, die Elymer, um des epos willen zu Troern machten. die bewohner von Lemnos waren, wie ihre schrift lehrt und wie im Homer steht, Thra - ker, Sintier, verwandte der Saier von Samos nebenan. mit recht fand man ihre sprachverwandten in manchem thrakischem winkel. weil sie nun aber von den Athenern mit den Pelasgern ihrer sage, von den Ioniern mit den Tyrsenern identi - ficirt waren, so gab es das knäuel von hypothesen, indem sie mit andern auto - chthonen, die den Pelasgernamen, mit andern turmvölkern, die den Tyrsenernamen führten, identificirt wurden. analog steht es mit diesen und andern namen an den meisten orten. denn meine bezeichnung, die Pelasger sind ein relativer volksbegriff, ist klar und richtig: deshalb bleibt jedes einzelne volk, das so genannt wird, für sich ein concretum, und ich bezweifle auch nicht, daſs die schwarzweiſsen irgend wo einmal ein concreter volksbegriff gewesen sind, vielleicht in Thessalien, wie es die Tyrsener auch gewesen sein werden, meinethalben die Turuscha.75Die groſsen adelshäuser. sturz der tyrannis.Alkmeoniden heim. auch der Keryke Kallias steht feindlich zu Peisi - stratos. aber man spürt nachher nichts von dieser opposition; einzelne mögen geflohen sein, die meisten duckten sich und frondirten höchstens im stillen.

Nur die Alkmeoniden blieben auch in der verbannung tätig und gefährlich. sie waren an besitz macht und ansehn den Philaiden gleich. hatten sich jene den korinthischen tyrannen verschwägert, so war Megakles, der rival des Peisistratos, der eidam des fürsten von Sikyon, dessen namen sein sohn führte. obwol am nordrande der attischen ebne angesessen, führte Megakles die partei der Paraler und trat für die solonische ver - fassung ein, hatte auch versucht mit Peisistratos sich zu vertragen, aber eine schwere persönliche kränkung hatte den zwist unversönlich gemacht. ein attisches lied, nicht von einem der höfischen poeten, sondern ein schlichtes volkslied, wie man sie beim weine improvisirte, hat die er - innerung an einen versuch der Alkmeoniden erhalten, mit gewaffneter hand Attika den tyrannen zu entreiſsen. aber der versuch mislang, da das volk sich nicht erhob. für eine adelsfaction erwärmten sich nur ihresgleichen, und wie man damals über die Alkmeoniden dachte, lehrt eben das lied:

Weh Leipsydrion, verräterfeste,
hast verraten unsre kameraden,
wackre streiter, adlich blut:
fochten, fielen würdig ihrer ahnen.

So lange sie ihre popularität behielt, war die tyrannis sicher, dieSturz der tyrannis. ja alles andere als eine gewaltherrschaft war. sie verscherzte sie durch eine an sich gleichgiltige reiberei, die der bastardbruder der tyrannen mit ein par adlichen aus Aphidna angefangen hatte. Harmodios und Aristogeiton waren Diakrier wie die herrscher und verkehrten mit ihnen: demokratische ideale lagen ihnen sehr fern. aber als sie beleidigt waren, zettelten sie eine verschwörung an, die zwar den tod der herrscher und die revolution plante, aber schwerlich zu gunsten der demokratie. sie kostete, obwol sie mislang, dem beliebten Hipparchos das leben und ver - bitterte den Hippias, der sein leben bedroht sah und zu scharfen maſs - regeln schritt. das wandte die bevölkerung von ihm ab, vollends als er5)der vater des feldherrn von Pallene Leogoras steht als schatzmeister Athenas CIA IV p. 199: er hat die an sich lächerliche behauptung ad absurdum geführt, daſs das geschlecht erst durch seinen letzten sproſs, der es vielmehr in schande brachte, no - bilitirt wäre. der töpfer Andokides ist natürlich ein client des vornehmen hauses. sonst kenne ich den namen nur aus Thessalien Bull. Corr. Hell. XIV 243.76II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.miene machte, sich auſserhalb der stadt in Munichia ein schloſs zu bauen. immerhin erwehrte er sich ohne mühe einer peloponnesischen expedition, die ihn zu stürzen kam, und wenn er nicht selbst die sache verloren gegeben hätte und sich lieber auf seine sichere herrschaft Sigeion zu - rückziehen mochte, würde er wol auch der zweiten invasion lange haben widerstehn können.

Kleisthenes.Es war die energie und rücksichtslosigkeit des Kleisthenes gewesen, die die autorität Delphis und die waffen Spartas gegen Hippias aufge - boten hatte. den gott hatte er durch eine geschickte finanzoperation auf seine seite gebracht. daſs er Sparta den eintritt in dessen bund versprochen hatte und gewähren muſste, wenn der Peloponnes ihm helfen und ihn halten sollte, ist selbstverständlich. es scheint aber durchaus nicht, daſs die Athener mit Kleisthenes stark sympathisirten. die wirren nach dem abzuge des Hippias, der friedlich von statten gieng, endeten nach jahresfrist damit, daſs ein mann der reactionären adelspartei zum archon gewählt ward6)Isagoras hatte unter Hippias in Athen gelebt, und schon weil er gegen Kleisthenes war, muſsten die anhänger der Peisistratiden zu ihm stehn. es ist also begreiflich, daſs er von Aristoteles ein freund der tyrannen genannt wird (20 1). aber eine besondere überlieferung wird das nicht sein: die parteigegensätze, die Herodot gab, führten von selbst auf diesen schluſs. sein geschlecht ist unbekannt; da sein familiencult der Ζεὺς Κάϱιος war, der boeotisch ist, möchte man an dia - krische heimat denken; am liebsten möchte ich ihn den tyrannenmördern verwandt glauben. sein vater hieſs Τείσανδϱος, ein vornehmer aber viel verbreiteter name; einen aus Aphidna nennt Platon Gorg. 487c. von den parteigängern der tyrannen kennen wir den Rhamnusier Antiphon, des redners groſsvater, auch einen Diakrier (Antiph. fgm. 1)., der ein regiment ganz in Spartas sinne einzu - richten sich anschickte, die Alkmeoniden wieder vertrieb, und eine groſse masse von familien, die unter den tyrannen zum bürgerrechte gelangt waren, in den metökenstand zurückstieſs. Kleomenes von Sparta kam seinem freunde Isagoras zu hülfe: Sparta schien gewonnen spiel zu haben. jetzt erst erhob sich das volk, denn jetzt erst handelte es sich um mehr als den hader der geschlechter. alles gute was Solon und Peisistratos gebracht hatten stand auf dem spiele. da rief der rat der 400 die bauern und die handwerker auf, die schmierigen Peloponnesier aus der burg der Jungfrau hinauszuwerfen7)Wundervoll gibt Aristophanes die stimmung wieder, Lysistr. 275, unbeschadet seiner eignen tendenz, die auf versöhnung mit Sparta hinarbeitet. man denke sich die hemdlosen zottelbärte Spartas zwischen den geschniegelten Ioniern: die farbe hat nicht der dichter ein jahrhundert später erst aufgetragen. und nun tat Kleisthenes77Kleisthenes. Athen nach 507.den entscheidenden schritt und erhob die fahne der demokratie. 8)Die zeitrechnung und die verknüpfung der ereignisse gestatten beide nicht, Kleisthenes vor dem jahre des Isagoras die demokratische phylenreform durchführen zu lassen, vielmehr ist er zunächst bei dem versuche unterlegen, wie die wahl des Isagoras beweist. Herodots darstellung ist, wie immer, läſslich im chronologischen detail und ohne würdigung des politischen zusammenhanges. bei Aristoteles steht es richtig; man müſste es aber auch ohne ihn finden.Kleo - menes muſste die burg räumen; Isagoras ward vertrieben: der adel hielt sich noch eine weile in Eleusis, das Kleomenes auf dem rückmarsch besetzt hatte. aber das volk war unwiderstehlich. Athen ward frei, die geschlechterphylen fielen und mit hilfe Apollons, dessen er sicher war, begründete Kleisthenes das staatswesen, das für alle zukunft mit dem begriffe Athens verwachsen sollte. dieser aristokrat erst ist der vater der demokratie.

Frei war Athen; aber seine lage kann wol die vergleichung mitAthen nach 507. der Tiberstadt herausfordern, die ziemlich zur gleichen zeit ihre etrus - kischen herren verjagte, aber damit zunächst auch ihre politische stellung verlor. die auswärtigen besitzungen waren in den händen von Philaiden und Peisistratiden. die nachbarn aber, jeder alten rücksicht quitt, fielen über Attika her, Theben und Chalkis von der einen seite, Aigina von der andern, und Sparta führte die Peloponnesier in die eleusinische ebene, deren hauptstadt vielleicht noch in den händen der adlichen emi - granten war. es war nur die hälfte der gefahr abgewendet, als dieses heer ohne geschlagen zu haben wieder abzog: in der damaligen hellenischen schätzung muſsten Theben und Chalkis einzeln den Athenern weit über - legen dastehn. aber diese bewährten sich als der freiheit würdig. sie zogen gegen die Boeoter und Chalkidier zu feld, schlugen sie am Euripos und erwarben sich mit Oropos und Chalkis selbst einen ersatz für die verlornen gebiete in der ferne. Aiginas konnte man sich freilich nicht erwehren, so lange man keine flotte hatte. doch vergieng den nachbarn zunächst die lust mit Athen anzubinden; Sparta verfiel sogar darauf, nun die tyrannen zurück zu führen, was an dem widerspruche Korinths gescheitert sein soll.9)Herod. 5, 72. 73. 90. Krateros im schol. Ar. Lysistr. 273. die vertreibung des Kleomenes von der burg, die in das jahr des Isagoras notwendig fällt, wird man 507 ansetzen: denn erst muſs Isagoras eine weile geherrscht haben. dann fällt in das nächste frühjahr der zug der Peloponnesier in die eleusinische ebene, der resultatlos verläuft, also 506, in denselben sommer die schlacht am Euripos. im nächsten frühjahr setzt Sparta überhaupt keinen zug gegen Athen mehr durch; das ist also 505. drei frühjahrsfeldzüge der Spartaner, das paſst zu ihrer bekannten die Korinther hatten allen grund trotz der alten freundschaft78II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im interesse ihres see - handels zu begrüſsen und gönnten den Aegineten den hader mit Athen, das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten. es kann keinem zweifel unterliegen, daſs Athen aus dieser neuen und viel schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, daſs es in den peloponnesischen bund eintrat.10)Ich habe das früher aus den tatsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis mehr. Thukydides läſst den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) ἡμεῖς Πελο - ποννησίοις ἐσκεψάμεϑα ὅτῳ τϱόπῳ ἥκιστα ὑπακουσόμεϑα. καὶ μετὰ τὰ Μη - δικὰ ναῦς κτησάμενοι τῆς μὲν Λακεδαιμονίων ἀϱχῆς καὶ ἡγεμονίας ἀπηλλάγημεν, und er setzt dies verhältnis dem gleich, in das die Ionier zu Athen traten. bei - läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139: deshalb ist dieser zum sprecher in Sicilien ausersehn. übrigens ist er von Anti - sthenes (Athen 220d) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt. erst so wird verständlich, daſs die ge - schädigten nachbarn ihm ruhe lieſsen. wie viele jahre diese consolidirung der neuen demokratie nach auſsen gedauert hat, ist unbekannt. für die innere ist das jahr des Hermokreon (wahrscheinlich 501 / 0) der abschluſs, in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifel die aus - drückliche verpflichtung auf die demokratie und die verfluchung der tyrannis, wahrscheinlich[auch] des anschlusses an Persien enthielt. gleich - zeitig beschloſs man auch in dem collegium der strategen die volksver - tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heiſst das, daſs die bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des volkes erst jetzt eingeführt ward. es war das eine sehr bedeutende stärkung der demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr, wie sie in richtiger wiedergabe der alten zeit Euripides einführt, son - dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat - terem abglanze in den leichenreden: aber schon unsere berichte über die schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos der atthidograph hat die besonderen verdienste der Aiantis bei Marathon und Plataiai so stark hervorgehoben, daſs man annehmen muſs, er hat9)kriegführung. daran schlieſst Herodot die übersiedelung des Hippias nach Sigeion und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählung von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502 / 1 war.79Athen nach 507. verwickelung mit Persien.in ihr gedient. geschätzt hat man diese empfindungen schon früher richtig; das aber haben wir erst durch Aristoteles erfahren, daſs die schönen siege über die Boeoter und Chalkidier noch von den alten, uns unbekannten, heerverbänden geschlagen sind.

Die demokratie hat vielleicht schon 501 sich verschworen, mit denVerwicke - lung mit Persien. Persern keinen vertrag zu schlieſsen, und es mag sein, daſs sie durch das ansinnen, das ihr von jener seite gestellt war, den Hippias wieder aufzunehmen, gereizt war. man vergaſs es gern, daſs man im drange der not von 507 selbst zuerst dort hilfe gesucht und die gesandten sogar die unterwerfung Athens angeboten hatten. jenes vorgehn war ganz begreiflich gewesen, als Athen von allen seiten bedrängt, von Sparta sogar mit der rückführung des Hippias bedroht war. eben so begreif - lich war es, daſs man die gesandten desavouirte, sobald man zu Sparta wieder leidlich stand. die politik des staates Athen hatte eben binnen wenig jahren eine volle axendrehung gemacht. erst mit Sparta und den Alkmeoniden gegen Hippias, dann mit Sparta gegen die Alkmeoniden, dann mit den Alkmeoniden gegen Sparta und Hippias. jetzt war man wieder auf dem standpunkte von 510, Hippias aber hatte seinen rück - halt an seinem lehnsherrn dem Perserkönig. das wies den Athenern für ihr verhalten gegen Persien die wege. es kam hinzu, und das war ungleich wirksamer, daſs die demokratie sich gegen den beschützer aller zwingherren, das hohe nationalgefühl der ältesten Ionierstadt sich den bedrückten stammesgenossen drüben zuwandte. und Persien drohte wirklich, das begriff man im nördlichen Hellas eher als im Peloponnes, wo Sparta und Argos ihre alten händel ausfochten, ohne viel in die ferne zu sehen. die parteien begannen sich zu scheiden. wenn Euboia und Athen durch die sympathie und auch durch ihr handelsinteresse zu den städten Thrakiens und Asiens gewiesen waren, so muſsten Thessaler und Boeoter mit den Persern gehn, und dann wieder die Phoker auf die seite, wo die bedrücker nicht waren, zwischen denen eingeklemmt sie kaum leben konnten.

Erst könig Dareios hat die Perserherrschaft den Hellenen drückend gemacht, weil er ihnen mit kraftvoller machtentfaltung eine wirkliche Reichsgewalt vor augen stellte. und bald gieng er planmäſsig zu der unterwerfung Europas vor. der zug gegen die Skythen mislang zwar, aber das machte nicht viel aus; Aischylos hat ihn ganz und gar ver - gessen können. um 515 dachte man noch wenig an Persien, und was die ionischen stadtherren an der brücke geredet haben mochten, kam nicht ins publicum, das in der tat auch nicht viel interesse daran hatte, ob dieser80II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.oder jener tyrann aufstieg oder fiel. aber das gieng alle an, daſs die Hellespontische gegend ganz und gar persisch ward, eine insel nach der anderen unterworfen ward, feste zwingburgen in der satrapie Thrakien sich erhoben, am Strymon, wo die Hellenen nie vermocht hatten, handels - städte zu gründen. die erzeugnisse des Pontos erhielt Hellas fortan nur durch die gnade der Perser11)Die anekdote (Herod. 7, 147) spricht das gut so aus, daſs sie Xerxes die getreideschiffe den Hellespont passiren läſst, weil sie in seine provinz Hellas führen.: zumal Athen muſste diese veränderte sach - lage bitter empfinden. der Philaide Miltiades war vasall des groſsherrn so gut wie Hippias. diese tyrannen empfanden das straffere regiment des Dareios am peinlichsten, die tributzahlung auf grund einer landvermes - sung durch königliche beamte, die ständige controlle durch die satrapen, die nicht selten einzelne personen scharf treffende königliche allgewalt. so machten sie den versuch, sich des steigenden nationalen bewuſstseins zu bedienen, das sie selbst nur heuchelten, und Aristagoras von Milet kam selbst nach Europa um hilfe. Sparta, der vorort des bundes, wies ihn ab. es verdient weder lob noch tadel, noch soll man nach andern motiven suchen: Asien lag ganz auſserhalb seines gesichtskreises12)Vollends eine unmöglichkeit ist, daſs die Skythen sich um seine beihilfe bemüht haben sollen, Herod. 6, 84. die entstehung dieser fabel hat Nöldeke richtig beurteilt (Gesch. Irans 36). sie richtet sich schon dadurch, daſs sie in der erzählung des Skythenkrieges selbst nicht berücksichtigt wird.: das hat es noch nach Salamis bewiesen. aber die ionischen städte, Athen und Eretria13)Eretria hat mindestens einen teil von Euboia beherrscht. die Perser nehmen ja auch 490 zunächst Karystos, das durch den fall Eretrias frei wird und sich gegen das attische Reich sträubt. aber auch die nächstliegenden Kykladen werden unter Eretrias hoheit gestanden haben; Simonides hat zuerst für Eretrier gedichtet. daſs es mit Athen gegen Chalkis gestanden hat und einen teil von der beute erhalten, ist eine ganz sichere folgerung., lieſsen sich verführen, und eine kleine schar ihrer bürger beteiligte sich an der verbrennung von Sardes (wahrscheinlich 499). nach der niederlage bei Ephesos gab Athen die sache Ioniens verloren und glaubte wol, daſs das unüberlegte vorgehen keine folgen haben würde. die einsichtigen aber wuſsten nun, daſs die existenz des staates auf des messers schneide stand.

Die demokratische zeit leitet sich in der besten und vornehmsten weise damit ein, daſs die personen der führer hinter dem volke ver - schwinden. die ersten glänzenden siege sind an keines feldherrn namen geknüpft; von leitenden staatsmännern hört man nichts. für die ein - sicht in die zeitgeschichte ist das bedauerlich, denn so wenig wie auch81Verwickelung mit Persien.die demokratie der führer entraten kann, so wenig verschwand die macht der geschlechter damit, daſs sie im aufbau des staates durch die gemeinde ersetzt wurden. und ein staat mag in ein par jahren die verschiedenste politische richtung versuchen: der einzelne wechselt nicht so rasch seine stimmung und seine ansicht. Kleisthenes zumal muſste immer ein todfeind Spartas bleiben, seit dieses darüber aufgeklärt war, von ihm glänzend dupirt zu sein. es hat das, wenigstens im hasse con - sequent, den Alkmeoniden nie vergessen. er wird auch die annäherung an Persien, deren man sich nachher so sehr schämte, zu verantworten haben. was weiter aus ihm geworden ist, ist gänzlich unbekannt. die führung des geschlechtes gieng vielleicht zunächst auf seinen bruder Hippokrates über, der geboren sein muſs, als der ältere Megakles mit Peisistratos freundliche beziehungen suchte, denn er ist nach dem vater des Peisistratos benannt. als er auch starb, übernahm sein junger sohn Megakles die führung der partei, und dieser trat den alten freun - den des Hippias wirklich nahe. das war begreiflich. oligarchische ten - denzen hatten beide parteien nicht, und das gefühl, hoch über dem demos zu stehn, obwol sie ihn beschützten, hatten sie beide. und wenn die tyrannenfreunde vielleicht am ehesten mit Persien sympathi - sirten, so gieng das mit der alkmeonidischen verfeindung mit Sparta gut zusammen. wenn wir die archontenliste wenigstens noch vollstän - dig besäſsen, so lieſse sich hoffen, aus den namen etwas zu lernen. denn seit dem sturze der tyrannen waren die wahlen directe, und noch immer galt der beamte, der das jahr benannte, für den einfluſsreichsten. Isagoras hat seine revolution als archon gemacht; daſs sich Kleisthenes an seinen platz gestellt hat, ist eine kaum abweisbare vermutung, und das nächste jahr scheint einem Alkmeon zu gehören, dem vater jenes Leobotes, der den Themistokles beim Areopage denunzirt hat. aber dann fehlen viele namen und die bekannten sind für uns leer.14)504 / 3 Ἀκεστοϱίδης. der name kehrt 474 / 3 wieder. das war also ein vor - nehmes haus damals. der name Ἀκέστωϱ steht in dem pherekydeischen stemma der Philaiden; zu Aristophanes zeit heiſst ein tragiker so, der in vornehmen clubs ver - kehrt, aber für einen Skythen gilt (Wesp. 1221 mit schol.). es ist ein name von zweifelhafter vornehmheit, denn er bedeutet flickschneider; aber die gentilicische endung macht ihn vornehm. 501 / 0 Ἑϱμοκϱέων klingt sehr ionisch. 500 / 499 ἐπ̕ ἀϱχόντος Μύϱου oder Σμύϱου ist corrupt (Dionys 5, 50. ἀπολογία ὑπὲϱ Μύϱϱου ist titel einer antiphontischen rede, aber auch diese form ist seltsam). vielleicht gehört in diese zeit der erste Phainippos, denn der archon der Marathonschlacht führt das distinctiv τὸ δεύτεϱον. der name erinnert an den vater des daduchen Kallias (Herod. 6, 121). ferner Lakrateides (schol. Ar. Ach. 220), aus dem geschlechte der auch denv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 682II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.führer der asiatischen expedition Melanthios kennen wir nicht weiter.15)Man denkt an den atthidographen (vgl. oben I 8), und den tragiker, aber es ist überhaupt ein gut attischer name und sicher ein alter, denn es ist ein ad - jektiv, von Μέλανϑος gebildet wie Διονύσιος Ἀπολλώνιος Δίος Δημήτϱιος von den götternamen. Μέλανϑος aber ist der vater des Kodros in der attische legende, in wahrheit der Dionysos von Melainai. erst 496 wird es licht. da wählte das volk den Hipparchos zum archon und sprach damit entschieden aus, daſs es mit dem ionischen aufstande nichts zu thun haben wollte, der von Aristagoras verloren gegeben war, aber von den städten, namentlich Byzantion, Chios, Miletos, um so energischer geführt ward. die stimmung des volkes schlug erst um, als Milet gefallen und zerstört war. im frühjahr 493 war die regierung (der rat) freilich noch stark genug, den tragiker Phrynichos in geld - buſse zu nehmen, weil er mit seiner kunst für das gefallene Milet ge - wirkt hatte.16)Vgl. über die juristische und politische berechtigung dieser maſsregel Herakl. I 91. als aber der tyrann Miltiades um aufnahme in seinen alten bürgerverband nachsuchte, ward ihm das trotz lebhaften wider - spruchs bewilligt, und zum archon ward Themistokles aus Phrear ge - wählt, der mann der action.

Miltiades.Miltiades hatte die thrakischen inseln verloren, aber im Chersones sich behauptet, wenn auch mühsam17)495 hatte ihn eine invasion der Skythen auf kurze zeit vertrieben. Herod. 6, 40. die faselei des Nepos 3 kann nichts gegen Herodot ausmachen., und an dem aufstande kaum anteil genommen. dennoch wuſste er, daſs die Perser mit den compromittirten stadtherren aufräumten, und zog es vor, seine ungeheuren schätze18)Sie ertrugen ohne sich zu erschöpfen eine geldstrafe von 50 talenten, Herod. 6, 136. [Demosth.] 26, 6. auch hier darf die spätere fabel nicht beirren. das eingreifen des reichen Kallias ist in dieser geschichte eben so fabelhaft wie in der des Aristeides; erfunden hat es vermutlich der Sokratiker Aischines. Ephoros hat den Kimon das geld durch eine andere heirat gewinnen lassen, ἐκτῖσαι αὐτὸν τὰ ν΄ τάλαντα γήμαντα ἐπίκληϱον πλουσίου βίου habe ich in der einleitung zum Kimon des Aristides für γ. γυναῖκα πλουσίαν aus einer römischen handschrift notirt. die worte befriedigen noch nicht; die geschichte ist zweifelhaft, obwol weder die ehen noch die descendenz Kimons meines erachtens zuverlässig bekannt sind. in sicherheit zu bringen, gewillt, wenn die Perser ihn verfolgten, in Athen widerstand zu leisten. auch in Athen konnte man sich nicht verhehlen, daſs seine aufnahme consequenzen hatte. aber der reiche tatkräftige14)Eumolpiden (Isaios 7, 9, wo trotz der rasur der handschrift die falsche form Λακϱα - τίδης edirt wird, Ἐφ. ἀϱχ., 86 πίν. 3. beiläufig: das geschlecht bewahrt also eine vorattische namenform, wie Λάμαχος und Λαχάϱης). endlich Κέβϱις, unter dem der Ἑϱμῆς ἀγοϱαῖος geweiht ward (vgl. Herm. 21, 600).83Miltiades. Themistokles.mann imponirte dem volke, mit der partei der alten tyrannenfreunde verbanden ihn die traditionen seines hauses, der actionspartei war der Perserfeind lieb. so trat er in den bürgerverband ein, in den demos der Lakiaden, in dessen gemarkung sein vorstädtisches gut gelegen haben wird: bezeichnend, daſs man ihn dem diakrischen demos, der nach dem Philaidengeschlechte hieſs, nicht zuschreiben mochte. die furcht vor dem tyrannen war gewiſs nicht unberechtigt; aber daſs Miltiades die führung der antidemokratischen partei sofort übernommen hätte, ist gewiſs nichts als schematische geschichtsconstruction.

Der neue archon Themistokles hatte nur sein politisches genieThemi - stokles. einzusetzen, aber das war der höchste einsatz. gewiſs hatte er die forderung längst aufgestellt und wuſsten seine wähler, was seine wahl bedeutete: die gründung einer flotte und eines hafens. als archon hat er den hafen gebaut, der als kriegshafen von vorn herein ge - gedacht war, also die gründung der flotte prinzipiell einschloſs. in der tat war Athen von der seeseite ganz offen: mit dem täglichen seewinde konnten die Aegineten in ein par stunden auf der rhede von Phaleron sein; man hatte es noch jüngst erfahren. und da die stadt Athen längst den alten mauerring gesprengt hatte, auch die befestigungen der burg nach 507 nicht wieder hergestellt waren19)480 muſsten die verteidiger sich mit türflügeln und balken die berufene hölzerne mauer herstellen (Herod. 8, 51): also war die steinerne nicht im stande., so muſste viel geschehen. Themistokles fieng mit dem hafen an. die schiffe gehörten dazu, denn die sollstärke der kriegsmarine belief sich nur auf die alten 50 offenen kähne, von einer construction, die schon in gebrauch war, als Theseus nach Delos segelte oder, wie wir moderner sagen können, als man die Dipylonvasen bemalte. die seestaaten waren aber längst zum bau von trieren fortgeschritten oder hatten doch wenigstens gedeckte schiffe, auf denen schützen und lanzenkämpfer über den köpfen der ruderer fechten konnten. diese galeeren verlangten eine groſse zahl von menschen, ihr bau also eine sehr bedeutende steigerung der wehrpflicht und damit eine ungeahnte belastung der finanzen. und wenn die menschen auch überreichlich zur verfügung standen, weil ja die hopliten nur aus den drei oberen steuerclassen genommen wurden, so bedingte die einstellung der theten auf der flotte doch zweierlei: eine belastung der besitzen - den; denn man darf annehmen, daſs die trierarchie als öffentliche last mit dem trierenbau von vorn herein verbunden war; und eine steige - rung des selbstgefühles, also auch der politischen aspirationen der theten. 6*84II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.in der volksversammlung hatten diese das stimmrecht; bei den wahlen wirkten sie mit: sobald sie sich zu gemeinsamen wollen vereinten, konnten sie hier ihren willen durchsetzen, wurden dann aber auch ihrer macht sich bewuſst. so ward der staat durch die sorge für seine existenz gezwungen, sich dem meere zuzuwenden. damit war die demokratie notwendig verbunden. sie allein konnte Athen retten und hat es ge - rettet, aber die rücksichten auf die staatsfinanzen und auf die forde - rungen der unbemittelten bürger muſste sie früher oder später auf die bahn einer expansiven politik treiben. denn so lagen die verhältnisse immer noch, daſs das ideal, dem der unbemittelte zustrebte, ein eigner bauernhof war. wie der demos sofort, als er Chalkis besetzte, 4000 land - lose gemacht hat, so ist schon 476 die colonisation der Strymontales ver - sucht worden. es gehörte keine sehergabe dazu, diese consequenzen der maritimen politik Athens zu ziehen; aber gerade darum scheuten sich viele davor, und dem klar erkannten ziele festen schrittes zuzustreben ist kein kleiner ruhm. der moderne betrachter muſs in Themistokles den fortsetzer des kleisthenischen werkes bewundern und wird ihm den nächsten platz unter den attischen staatsmännern zugestehn, den er in der schätzung seines volkes durch habsucht, eigenliebe und verrat ver - scherzt hat. daſs er seine pläne nicht ohne heftige parteikämpfe durch - gesetzt hat, sagt uns mehr die natur der sache und die langsamkeit des fortschritts als die überlieferung. aus seinem amtsjahre wissen wir nichts als den hafenbau. Miltiades, der sein gegner genannt wird, war es hierin schwerlich20)Das erzählt Stesimbrotos (Plut. Th. 4), weiter nichts. denn Plutarch fügt diesen wie den Platon aus eigner lecture in eine eigne betrachtung über den nutzen oder schaden der flottengründung. diese aber ist, wie das detail lehrt, die von 483, kann also mit Miltiades nichts zu tun haben. daſs Stesimbrotos den πϱοστάτης τῶν γνωϱίμων dem πϱοστάτης τοῦ δήμου in diesem cardinalen punkte widerstreben läſst, ist natürlich, und Marathon war ja auch eine landschlacht. aber die πϱο - στασία τῶν γνωϱίμων ist von Kimon auf seinen vater übertragen, der kaum drei jahre in Athen gelebt hat.: denn ohne flotte war ein widerstand gegen Persien undenkbar.

Die schlacht bei Mara - thon.Im sommer 490 kam der Perser. Miltiades, den man wol in der vor - aussicht zum strategen für die Oineis gewählt hatte21)Daſs Aristeides und Themistokles strategen ihrer phylen Antiochis und Leontis gewesen wären, wie die spätere überlieferung behauptet, ist unverbürgt, glaubhafter noch von dem ersteren. die jugendgeschichte von beiden ist völlig wertlos., erzwang den aus - marsch und erzwang die schlacht, als offensivschlacht, weil die Perser den85Die schlacht bei Marathon.angriff auf die in den defilées vorteilhaft postirten Athener nicht wagten. es ist der unverstand und die misgunst allein, die diesem tage abstrei - ten, daſs das schlichte vertrauen auf gott und die eigene tüchtigkeit wider alle voraussicht menschlicher kleingläubigkeit den tapfern den sieg gegeben hat.22)ηὕϱισκον καταφυγὴν αὑτοῖς εἰς αὑτοὺς μόνους εἶναι καὶ τοὺς ϑεούς sagt Platon Ges. 699b von den Athenern von 480. zehn jahre früher paſst es noch besser. das ist die hauptsache; ob die feinde alle in schlachtreihe standen, wo die (fabelhafte) reiterei blieb, ob die Athener im sturmschritt oder im laufschritt vorgiengen23)Der fabelhafte lauf sollte niemanden quälen: Artemis hat ihnen die kraft zu den βοηδϱόμια gegeben und erhält zum danke das ziegenopfer, vermutlich auch einen festlichen δϱόμος in waffen. vgl. I 7, anm. 132., und wann das signal marsch! marsch! gegeben ward, das sind schlieſslich bagatellen. die Perser fuhren ab, geschlagen, aber natürlich materiell im stande an einem andern punkte Attikas mit überlegnen streitkräften zu landen. aber es ist mit dem moralischen eindruck etwas eigentümliches. sie versprürten nach dieser erfahrung keine lust, wieder gegen Athener zu fechten, noch 479 war es so. die Athener aber konnten die tragweite ihres erfolges so bald nicht ermessen. als das lakonische heer, das aus jener bequemen religiosität, die immer einen starken beigeschmack von furcht und von bösem willen hat, zu spät eintraf und sich die ge - fürchteten herren Asiens in pumphosen mit krummen säbeln und silbernen feldbetten betrachtete, da entschuldigten sich die attischen bürgertruppen bei den hochedlen Spartiaten, die nach dem glauben der zeit den waffen - ruhm allein ächt und unverfälscht zu führen berechtigt waren, beinahe wie klein Roland ach edler vater, zürnt mir nicht, daſs ich erschlug den groben wicht, dieweil ihr eben schliefet. 479 aber meinten dieselben Spartaner kämpft ihr lieber mit den Persern; ihr kennt sie ja. vor den Persern hatte man verlernt sich zu fürchten, aber vor verrat fürch - tete man sich vielleicht schon auf dem schlachtfelde24)Die famose geschichte, daſs ein schild von verrätern aufgesteckt wäre, um die abfahrenden Perser nach der wehrlosen stadt zu locken (Herod. VI 115, 127), richtet sich selbst. welche verabredung sollte denn vorhergegangen sein, welche voraussetzungen gemacht, daſs die schilderhebung den Persern verständlich geworden wäre? und wohin ist der verräter geklettert? etwa auf den Brilettos? die Perser fuhren nach süden ab, die stadt war wehrlos: da war der rückmarsch für die sieger ein gebot der klugheit und der not. es war ein hartes gebot, und es ist ein schönes zeichen für die disciplin, daſs es erfüllt ward. wenn sich dann die sorge um die heimat und der unwillen über den gewaltmarsch (einerlei, wie lange er dauerte) und die wut wider die verräter, deren treiben sie fürchteten, zu dem glauben verdichtet hat, den Persern hätte ein abscheulicher mensch die fahrt eingegeben, und der oder, und schwerlich86II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.ohne grund; war doch eben Eretria durch verrat gefallen. da der kampf mit Marathon unmöglich zu ende sein konnte, war allerdings eine consequentere politik notwendig, als man sie 499 94 getrieben hatte.Die besei - tigung der groſsen adels - häuser. in der ersten freude war Miltiades herr der lage und er nutzte sie in tyrannenart aus. sich selbst lieſs er eine flotte mitgeben; was er mit ihr machte, war seine sache. das ist der weg zur tyrannis, man kann’s nicht anders nennen. sein zug gegen Paros, an sich wider das interesse Athens, scheiterte; geschlagen und schwer verwundet kehrte er heim. aber die Athener waren keine thrakischen Dolonker, die ihren herrn freudig wieder aufgenommen hatten, als er von der flucht zurück - kehrte. Xanthippos, Ariphrons sohn, aus einem vornehmen paralischen geschlechte25)Der name Ἀϱίφϱων war den Athenern unverständlich; die ostraka haben Ἀϱϱίφϱων (wie der Athener für Ἀϱσίφϱων ὡς Ἀϱσίνοος Ἀϱσίππη gesprochen hat). in der tat ist diese vorsylbe nicht mehr attisch. es ist also einer der altererbten namen. er steht auch unter den ältesten archonten oder königen. Perikles nannte seinen zweiten sohn Paralos, daher habe ich seine heimat immer in der Paralia gesucht; Παϱάλιος erscheint wirklich als name eines Anagyrasiers CIA II 660. sicherlich mit unrecht hat Töpffer das geschlecht in den Buzygen gesucht, was städtischen adel ergeben würde. sein einziger beweis ist schol. Aristid. pro IV viris 472, 73 Ddf. der scholiast aber hat einen offenbaren irrtum begangen, da er den vers des Eupolis Βουζύγης ἄϱιστος ἁλιτήϱιος auf Perikles deutet, während er den Buzygen Demo - stratos angeht. der vers ist zudem eine antwort auf eine frage des Perikles, für die eine bezeichnung herzlich schlecht passen würde, die auf Perikles selbst zuträfe., der schwager des Megakles, belangte ihn vor dem volke als ἐξαπατήσας τὸν δῆμον in der nächsten regelmäſsigen versamm - lung. das volk war so erbittert, daſs es wie später an den feldherren im Arginusenprocesse selbst richter spielte, und nur das eingreifen des vorsitzenden bewahrte ihn vor der hinrichtung. die buſse von 50 ta - lenten konnte das vermögen des tyrannen tragen; sein sohn ist ein reicher mann geblieben. Miltiades selbst starb an der wunde.26)Wir sind gehalten, nur auf Herodot und Platon zu hören. datirt wird der tod des Miltiades auf zwei jahre nach der schlacht in der einleitung der rede des Aristides auf ihn. das ist trug, gemacht um des schuldgefängnisses willen. zum24)der hätte da oder da einen erhobnen schild gesehn, gewiſs hätte das was zu be - deuten, u. s. w., so ist das ganz der situation gemäſs. natürlich haben sie auch gleich bestimmte personen bezichtigt, lediglich weil sie auf diese verdacht hatten. aber damit ist die geschichte zu ende. eine sehr verkehrte kritik, aber ganz in seinem sinne, ist die des Herodotos, der das factum zugibt und die Alkmeoniden von der schande reinwäscht, lediglich auf die probabilität hin, daſs die befreier un - möglich mit den tyrannen conspiriren konnten. jetzt werden wir wol erleben, daſs die Alkmeoniden bezichtigt werden, aber der schild preisgegeben wird: denn wer selbst von Sunion heraufgefahren ist, selbst auf Brilettos und Lykabettos gestanden und die augen aufgemacht hat, muſs diese fabel durchschauen.87Die beseitigung der groſsen adelhäuser. die reform der archontenwahl.archon für 489 / 8 ward Aristeides gewählt, auch er aus städtischem adel27)Das folgt nicht aus dem demos Alopeke, in dem er ja nur 507 gewohnt zu haben braucht, aber wol daraus, daſs er sein landgut und sein familiengrab in Phaleron hatte (Demetrios bei Plut. 1), den namen seines vaters Lysimachos führt ein college des schatzmeisters Andokides um 600 (CIA IV p. 199). daſs Aristeides sich dem Kleisthenes angeschlossen hätte, ist erstens ein zug der jugendgeschichte, die bei diesen männern allen nichts anderes als freie fiction sein kann, zweitens soll er damit im gegensatze zu Themistokles als conservativer staatsmann bezeichnet werden, wie diese grundfalsche charakteristik in alter und neuer zeit mode ist. in wahrheit ist er πϱοστάτης τοῦ δήμου, das zeigt seine politik., ein entschiedener demokrat, der mit Philaiden und Alkmeoniden gleich wenig zu tun hatte. welche stellung er sonst in dieser zeit einnahm, ist nicht ersichtlich. es müssen aber jahre lebhaftester er - regung gewesen sein, denn das volk griff zu der äuſsersten waffe, zum scherbengericht, um einen festen curs zu bekommen. es war noch Kleisthenes gewesen, der diese institution geschaffen hatte, die er ohne zweifel fremdem vorbild, vielleicht den Argivern, entnahm, und die solche wirren, wie sie 510 507 Athen fast um seine existenz gebracht hatten, beseitigen sollte.28)Daſs Kleisthenes den ostrakismos mit einer spitze gegen die Peisistratiden und speciell gegen Hipparchos eingeführt hätte, wie Aristoteles erzählt (22, 3), ist falsch geschlossen. weder war diese gefahr 507 dringend, noch hätte Kleisthenes dann sich gescheut, die gefährliche person so oder so anzugreifen. der ostrakismos ist eine rohe aber praktische entscheidung des volkes, ob es eine bestimmte person noch haben will; er entspricht den mistrauensvota parlamentarisch regierter länder. deshalb ist immer, wo wir es controlliren können, einer da, für den der ostrakismos die unbestrittene macht bedeutet. und die erfahrung mit Isagoras konnte dem Kleisthenes allerdings dieses mittel empfehlen. aber bislang war man so ausgekommen: jetzt bejahte das volk die vorfrage, und gleich mehrere jahre hinter ein - ander. Hipparchos war der erste, der aus dem lande verwiesen wurde, dann ein oder der andere seiner anhänger, dann Megakles, den die chronik zu den tyrannenfreunden rechnet, dann dessen schwager Xan - thippos. so wurden nach einander die alten groſsen geschlechter besei - tigt, Philaiden, Peisistratiden, Alkmeoniden. die welche blieben müssen als die treibenden kräfte bei diesem vorgehn angesehn werden, die beiden demokratischen führer, Aristeides und Themistokles. als sie das feld für sich frei hatten, wurden sie natürlich rivalen, und Aristeides muſste weichen.

Aber man stritt nicht nur um personen und dachte nicht nur anDie reform der archon - tenwahl. Dareios. die demokratie machte in demselben jahre, wo der erste ostra - kismos statt fand, einen groſsen schritt vorwärts. der archon und seine88II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.collegen hatten, seit sie durch directe wahl bestellt wurden, eine über - wiegende macht besessen; die wahlen selbst müssen den zwist der parteien alljährlich brennend gemacht haben. nun griff man auf den solonischen wahlmodus zurück, die erlosung aus einer durch wahl festgesetzten can - didatenliste. diese wahl der candidaten ward den gemeinden überwiesen, ähnlich wie es beim rate geschah; man fragt vergeblich, wie denn die 50 candidaten, die auf eine phyle kamen, auf die gemeinden verteilt wurden; vermutlich ist die präsentation durch phylenwahl bald eingetreten, die der später üblichen erlosung von 10 präsentanden in der phyle vorher - gegangen sein muſs. der erfolg der neuerung ist sofort ersichtlich. der einfluſs eines mannes, der sonst das volk bestimmt haben mochte, konnte nun nicht einmal die phyle beherrschen. das amt, das so hoch gehalten worden war, behielt den nimbus der höchsten stellung noch lange, hatte damals natürlich noch viele wichtige geschäfte, vor allem eröffnete es die dauernde teilnahme an der regierung allein, weil es die stufe zum Areopage war; aber die führenden männer verschwinden mit einem schlage aus der archontenliste, und wenn der polemarch Kalli - machos bei Marathon noch eine wichtige person ist, so hört man schon 480 und 479 nichts mehr von dem polemarchen. der tag der strategenAenderung der stra - tegie. und rhetoren ist angebrochen. die strategen mochten damals noch die führung der zehn regimenter haben, obwol ihre verwendung als flottenführer und als deputirte Athens im Hellenenrate schlecht damit vereinbar ist. dann hat es doch nicht lange gewährt, bis man den fol - genreichen schritt tat, die führung der regimenter der neugeschaffenen charge der taxiarchen zu übertragen, die strategen aber zu den exe - cutivbeamten des volkes zu machen.29)Die reform ist immer noch nach unten nur durch die anführung der taxi - archen bei Aischylos frgm. 186 begrenzt. damit war eine magistratur ge - schaffen, vergleichbar den consuln der römischen republik im zweiten jahrhundert v. Chr., und die vornehmen männer, die sich nicht gern mit den handwerkern in den rat der 500 setzen mochten, fanden eine legitime art dem volke zu dienen und doch ihr standesgefühl zu be - haupten.

483 stand Themistokles ohne rivalen da. er vollendete jetzt seine pläne für die gründung einer flotte; es muſs aber in dem jahrzehnt seit seinem archontenjahre mancher schritt vorwärts getan sein. die notwendigkeit hatte sich auch sehr bitter fühlbar gemacht, in einem un - glücklichen kriege, den Athen mit Aegina geführt hatte. daſs dieser den89Aenderung der strategie. der aeginetische krieg.hauptanlaſs zu der flottengründung gegeben hat, wird allgemein berichtet. wir können den krieg aber nur ungefähr datiren und hören wenig, weil Athen ungern von ihm sprach. 30)Vgl. die beilage der erste krieg mit Aegina.

Seit Athen an eine seemacht dachte, war ihm die damals als eineDer aegine - tische krieg. hochburg des Dorertums blühende stadt, die dem Pindaros die liebste gewesen ist, ein dorn im auge, und 491 hatte es eine günstige gelegenheit gefunden, Aegina im Hellenenbunde zu discreditiren, weil seine herren, an deren hellenischem patriotismus seit Aiakos und Telamons zeiten kein zweifel war, dem könig Dareios gehuldigt hatten oder gehuldigt haben sollten. die herren hatten auch an ihren handel zu denken, und der Perser war weit; sie mochten die sache als eine leere höflichkeit ansehen, und es war vielleicht nicht mehr. aber der vorwand war vor - züglich, und man meint das diplomatische geschick des Themistokles zu spüren, wenn man hört, wie Sparta auf die attische anzeige hin ein - schreitet und nach einigen weiterungen durchsetzt, daſs eine anzahl der angesehensten Aegineten nach Athen als geiseln für das wolverhalten der stadt, die ja zum peloponnesischen bunde gehörte, ausgeliefert wur - den. Athen behielt dieses wertvolle pfand auch, als Kleomenes starb, und in Sparta der wind umschlug. und es versuchte nun einen ent - scheidenden schlag zu tun. auch in Aegina gab es, wie überall, eine dem herrschenden adel abgeneigte partei, die unter der flagge der de - mokratie zur herrschaft zu kommen strebte. mit dieser knüpfte Athen an; es ward eine combinirte action verabredet, aufstand in der stadt Aegina und landung eines athenischen heeres. Athen verschaffte sich zu dem behufe 20 schiffe von Korinth, da sein bestand für den transport der hopliten nicht reichte. aber der plan mislang, weil der aufstand zu früh losbrach. gleichwol konnten die Aegineten in der verwirrung die landung der Athener nicht hindern, die sich zu der belagerung der stadt von der landseite anschickten. und die sache wäre vielleicht doch noch gelungen, wenn nicht ein freiwilligencorps von Argos gekommen wäre. da die Korinther von dem zuge wuſsten, konnte er auch in Argos leicht bekannt werden, und der todfeind Spartas stand diesmal auch wider Athen. die Argiver schnitten die Athener von ihren schiffen ab; die Aegineten benutzten deren verwirrung zu einem seegefecht. und wenn auch die meisten attischen schiffe heil nach hause kamen, so konnten sich doch von dem heere nur ganz wenige retten. es war ein starker schlag, den man namentlich im ehrgefühle noch lange90II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.nicht verwand. daſs man nun die gefangenen losgeben muſste, zumal die Aegineten schon vorher eine attische festgesandtschaft aufgegriffen hatten, und sich mit den übermütigen nachbarn einigermaſsen vertragen, war nicht zu vermeiden. man dachte aber, aufgeschoben ist nicht auf - gehoben, siedelte die aeginetischen demokraten, so viel ihrer hatten fliehen können, in Sunion an und lieſs sie auf eigene faust ihre lands - leute durch seeraub belästigen. vor allem aber ward man nicht etwa an den demokratischen führern irre, die zweifelsohne die sache ange - stiftet hatten, sondern sah nur ihre alte forderung durch die tat ge - rechtfertigt: Athen muſste eine flotte haben.

Die grün - dung der flotte.Die zeit der niederlage von Aegina begränzt sich von selbst durch 489 und 484; daſs sie 30 jahre vor dem fall Aeginas, 457, stattgefunden hat, ist überliefert und stimmt hierzu, aber die zahl ist rund. da auch die zahl der attischen schiffe, 50, die normale der naukrarien ist, so hilft auch das nicht. doch wird man nicht unter 487 hinabgehen, da man doch für den flottenbau eine längere zeit braucht, und die hef - tigkeit des parteikampfes in Athen sich gut erklärt, wenn die gemüter durch eine solche niederlage erbittert waren. Themistokles hatte eben manchen harten strauſs zu fechten, aber 483 war er herr der situation: daſs er es war, verdankte er nicht zum mindesten der mahnung, welche den Athenern der anblick des Zeusberges von Aegina täglich vor augen hielt.

Es wird in der neunten prytanie, mai 482, gewesen sein, daſs dem staate aus den pachtgeldern einer neu erschlossenen silbermine ein groſses capital zur verfügung stand. da setzte er durch, daſs man dies geld in dem bau von 100 trieren anlegte: sie sind es gewesen, die bei Salamis die freiheit gerettet haben. die chronik, der Aristoteles folgt, hat die merkwürdige, auch von Herodot (7, 144) nicht übergangene tatsache in der form einer anekdote überliefert, von der die geschichte absehen muſs. aber der beschluſs des trierenbaues auf antrag des Themistokles ist ihre notwendige voraussetzung. wir werden allerdings der voraus - sicht und der energie des Themistokles unsere bewunderung nicht ver - sagen: er benutzte die erbitterung Athens gegen Aegina um waffen wider Xerxes zu schmieden, dessen rüstungen 482 längst begonnen hatten. es war die höchste zeit gewesen. 481 schon gruben hunderte an dem Athoscanal, schleppten die lastschiffe den proviant für tausende in die festungen an der thrakischen etappenstraſse. im frühjahr 480 kamen die schiffe und die zimmerleute, um den Hellespont zu über - brücken; der groſskönig an der spitze des ungeheuren heeres durchzog91Die gründung der flotte. die vorherrschaft des Areopages.Asien: unaufhaltsam, unentrinnbar wälzte sich die barbarenmasse gegen das kleine Hellas, und Apollon verkündete den untergang der freiheit.

In der stunde der not (frühsommer 480) riefen die Athener dieThemisto - kles und Aristeides. landesverwiesenen zurück: wer nicht kam, war ein verräter, und dazu ward nun der anhang der Peisistratiden. Aristeides, Xanthippos, Megakles kehrten heim und ordneten sich dem Themistokles unter, der die seele der verteidigung war. seine autorität entschied im kriegsrate des Hellenen - bundes ebenso wie im rate des Areopages, und wo sie es nicht tat, fand er meist mittel und wege, dennoch seinen willen durchzusetzen: er hat sowol den Xerxes wie die Hellenen zur schlacht bei Salamis gezwungen. im herbst 480 konnte er wirklich das gefühl haben, das ihm die anek - dote leiht: weiſst du, daſs du über die Hellenen herrschest, sagte er zu seinem buben; was du willst, tut die mutter, was die mutter will, ich, und was ich will, Hellas. aber schon im frühjahre 479 konnte er es nicht mehr sagen. seine rivalen waren wieder da, und seine aller - dings ungeheure eigenwilligkeit und rücksichtslosigkeit muſs das volk kopfscheu gemacht haben. sie wählten Aristeides und Xanthippos zu feldherrn, Myronides und Kimon zu gesandten nach Sparta. Themisto - kles tritt 479 gar nicht auf, und daſs ohne ihn nicht minder glänzende siege gelangen, in Aristeides aber das volk einen führer gewann, der bei den Hellenen allerorten die vollste sympathie erweckte und frei von der αὐϑάδεια des Themistokles war, muſste trotz Salamis diesen noch mehr in den schatten stellen. nur als es gilt, seinen alten plan der hafenbefestigung zu vollenden und die stadt hineinzuziehen, ist er neben Aristeides berater und ausführer; vielleicht reizte ihn noch mehr die aufgabe, die Spartaner, seine wärmsten verehrer, zu dupiren. sonst zehrte er von seinem ruhme und verbrauchte ihn. vielleicht war er gar nicht mehr so gefährlich, wie er sich stellte. aber er spielte min - destens den gefährlichen und den verräter. männer dieses schlages lassen sich nicht kalt stellen. er war allen unheimlich und auf seinen ostrakismos folgte bald die acht.

Die aufgaben der auswärtigen politik, die erfolge, welche bald be -Die vorherr - schaft des Areopages. wirkten, daſs die beziehungen zu den ehemals dem Perser dienenden Hellenen innerpolitische wurden, die einrichtung in dem eigenen neuen hause und in dem weiten reiche, das Aristeides 478 / 7 gegründet hatte, lieſsen dem demos lange zeit keine muſse, über die verfassung nachzu -31)Xanthippos verschwindet mit dem jahre 479; lange hat er wol nicht mehr gelebt. sein sohn leistet mitte der sechziger jahre die choregie, weitere anhalts - punkte fehlen. Megakles führt eine dunkele existenz.92II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.denken. in den kriegen, glücklichen und unglücklichen, waren Kimon und andere wesentlich militärisch begabte oder doch tätige männer, wie Leagros, Leokrates, Myronides, dauernd die führer; in den bundesan - gelegenheiten Aristeides. wir hören von keinerlei parteiungen oder verfassungsänderungen. die leitenden männer gehören meistens den alten familien an, aber die geschlechter - und clientelpolitik ist der ge - meindeordnung fast erlegen. nur die Philaiden mit ihrem reichtum bilden noch eine partei im alten sinne, und der feldherr, der im aus - lande über das geschick von vielen gemeinden und unzähligen indivi - duen verfügen kann, gewinnt dadurch eine neue mächtige position, schlieſst gastverträge, wird proxenos, vemittelt die entsprechenden ehren in Athen, schlieſslich zieht er fremde nicht bloſs als metöken, sondern selbst als bürger in die heimat. 32)Vgl. die Θουκυδίδαι, Κέφαλος Θουϱιεύς. beiläufig, wenn man auf die funde schon einen negativen schluſs bauen kann, so sind bürger abhängiger Reichs - städte zu der würde des πϱόξενος Ἀϑηναίων nicht mehr zugelassen. und das ist in der ordnung, da sie ja ihren gerichtsstand in Athen so wie so haben, und nicht der untertan den vorort beschützen kann. für Lesbos Samos Chios gilt das natür - lich so wenig wie für Thessalien oder Akarnanien.

Die gröſse des horizontes, den jetzt die attische staatsleitung um - spannen muſste, forderte mehr einsicht, als der bauer sich füglich zu - traute. selbst der feldherr, der auf einem punkte drauſsen tätig war, konnte nicht wol mehr als der arm Athens sein. die archonten saſsen nun zwar zu hause, aber sie hatten ihre festen verwaltungsgeschäfte; die groſse politik gieng sie nichts mehr an. das hirn Athens war der Areopag, der zwar nicht die verhandlungen mit den bündnern führte, aber die controlle der beamten hatte, für ihre amtshandlungen be - schwerdeinstanz war, in die meisten gebiete der verwaltung eingriff, kurz wächter und bewahrer der verfassung war. aber die qualität dieses hohen rates sank in folge des gesetzes von 486 immer tiefer. damals saſsen alle bedeutenden männer darin, die das vertrauen des volkes einmal zu beamten gewählt hatte; damals entsprach er dem sullanischen senate, oder vielmehr erst ein etwa nur aus den gewesenen curulischen beamten bestehender senat würde ihm entsprechen. das verschob sich notwendiger weise von jahr zu jahr mehr. die namhaften mitglieder wurden überständig oder starben, die neueintretenden hatten weder die fähigkeit noch die autorität, die gegenüber der steigenden schwierigkeit der regierung und der steigenden bedeutung der strategen allein die stellung dieses rates hätte behaupten können. es waren zwar93Die vorherrschaft des Areopages. Ephialtes.leute der beiden obersten steuerclassen, und die erforderlichen sechs ahnen schlossen die gesammten neubürger immer noch aus; aber es lieſs sich doch niemand mehr so leicht zum archon praesentiren, der die strategen oder demagogencarriere einschlagen wollte, kein namhafter mann begegnet in der liste mehr, wol aber die angehörigen der alten adelshäuser; Praxiergos (471 / 70) und Demotion (470 / 69) werden den ge - schlechtern angehören, deren namen sie führen. Konon (462 / 61) ist doch wol der groſsvater des siegers von 394 aus Anaphlystos. Habron (458 / 7) führt den namen von verwandten des Butaden Lykurgos. über andere mag ich nichts vermuten. es war also natürlich und berechtigt, daſs misstände fühlbar wurden, und es so nicht weitergieng: die reform des Areopagitenrates war eine notwendigkeit geworden. auf der andern seite gewann der rat der 500 an selbstgefühl und an bedeutung. mit ihm verhandelten die gesandten der vielen untertänigen städte, er sorgte für die flotte, die dem volke diese macht verschafft hatte, und die einnahmen aus den zöllen giengen durch seine hand. er empfand die concurrenz des in so vielen stücken über oder nebengeordneten rates der Areopagiten als einen unberechtigten druck. die demokratie konnte nicht wol anders als die beseitigung des Areopages anstreben. es ist nicht schwer sich manche modalitäten auszudenken, wie man dies oberhaus hätte erhalten oder erneuern können, was für die stetigkeit und besonnenheit der po - litik dringend erwünscht gewesen wäre. aber das ist spielerei: der weg, der der entwickelung Athens vorgezeichnet war, gieng dahin, den oberen rat durch den unteren zu ersetzen. Athen war eine demokratie: der demos wollte selbst den herren spielen.

Die herrschaft des Areopags, oder vielmehr der gesellschaftskreise, die seit den Perserkriegen die regierung in den händen hatten, war nicht so leicht zu stürzen. sie hatten den erfolg der politik für sich, deren programm, krieg wider die barbaren und einvernehmen mit Sparta, see - herrschaft aber verzicht auf die herrschaft in Hellas, einfach und ver - ständlich war. und sowol die kleinen leute, die er durch seine libera - lität an sich fesselte, wie die alten soldaten, die er stets zum siege ge - führt hatte, hiengen an dem loyalen feldherrn der herrschenden partei, an Kimon. die demokraten eröffneten den kampf durch eine reihe von rechenschaftsprocessen gegen mitglieder des Areopagitenrates, und es wird nicht bestritten, daſs diese des unterschleifes schuldig waren, noch auch daſs ihr ankläger, Ephialtes des Sophonides sohn, ein mann, dessenEphialtes. herkunft und vorleben uns gänzlich unbekannt ist, persönlich flecken - los war. wir empfinden unsere mangelhafte kenntnis des geltenden94II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.rechtes sehr deutlich, denn wir müssen uns eingestehn, daſs weder er - sichtlich ist, wie einzelne Areopagiten staatsgelder zu verwalten hatten, noch bei welcher gelegenheit und in welcher form sie von Ephialtes zur rechenschaft gezogen wurden. wir müssen uns mit der allgemeinen aufsicht des Areopages, wie sie später der rat ausübt, über den schatz und die kolakretencasse begnügen; übrigens konnten die schuldigen Areopagiten selbst noch finanzämter bekleiden, da der eintritt in diesen rat nicht zu andern ämtern disqualificirte. genug, es gelang dem Ephialtes das ansehen des regierenden rates zu erschüttern. dann machte man sich an Kimon, als er wegen seines thasischen krieges rechnung legte. das erneute scheitern der colonisation Thrakiens mag die bürger schwer verstimmt haben, und es mag sein, daſs der sohn einer thraki - schen fürstentochter mit den barbaren des Pangaion zu sanft verfahren war. aber die beschuldigung, daſs er geld genommen hätte, war doch zu absurd bei dem manne, der geld nicht bedurfte und auch in bösen dingen kein Themistokles war. aber vielleicht hatten auch die ankläger seine freisprechung vorausgesehen. jedenfalls erlitten sie dadurch keinen rückschlag, vielmehr gieng unmittelbar darauf das gesetz des Ephialtes durch, das den Areopag prinzipiell aller verwaltungsgeschäfte entkleidete. und in dem processe selbst hatte sich in Perikles nicht ein gehässiger ankläger compromittirt, sondern in durchaus vornehmen formen ein über - legner staatsmann eine neue und klare politik entwickelt. der sohn des Xanthippos und neffe des Megakles war der geborne gegner der Phila - iden: der aber hier auftrat, wollte sein, was seine ahnen aus überzeugung nie gewesen waren, πϱοστάτης τοῦ δήμου. er versprach dem volke der jungen, die den Mederkrieg als etwas vergangenes, das Reich als etwas gegebenes ansahen, ihre politischen forderungen zu erfüllen: ihm gehörte die zukunft. das mochten sich viele sagen. daſs aber der de - mokratie schon im folgenden jahre die gegenwart zufallen würde, ge - schah seltsamer weise eben dadurch, daſs für einen augenblick Kimon das übergewicht erlangte und die hilfe, um die die Spartaner flehentlich baten, nach Ithome führen durfte. Sparta hat gewiſs nichts weniger gewünscht als die Athener zu brüskiren, aber ihre anwesenheit im Pelo - ponnes war für sein prestige und die treue seiner bündner ungleich ge - fährlicher als der aufstand der heloten. wir können auch glauben, daſs nur die athenische überlieferung die heimsendung Kimons als einen schimpf darstellt, und Kimon selbst anders gedacht hat. für den erfolg war das gleich. die spartanerfreundliche politik hatte abgewirtschaftet, Kimon selbst verfiel dem scherbengericht, und nun nahmen die allzu -95Ephialtes. die vollendung der demokratie.lange aufgestauten demokratischen wasser einen nur zu stürmischen lauf. es sind die eigentlich entscheidenden jahre für Hellas, in denen sowol die athenische demokratie ihre vollendung erhalten hat wie auch das attische Reich: beides ewig denkwürdige gebilde; gleichzeitig aber hat Athen soDie vollen - dung der demokratie. viele und so schwere kämpfe nach auſsen geführt, daſs es sowol dem ruin wie dem vollsten triumphe ganz nahe gekommen ist. es sind wie die entscheidenden, so leider auch die am schwersten kenntlichen jahre; obwol die zeitrechnung der kriegerischen ereignisse sich mit befriedigen - der sicherheit feststellen läſst und eine anzahl politischer reformen nun - mehr auch an bestimmte jahre gebunden werden kann, fehlt es nur zu sehr an concreten tatsachen und gänzlich an einem zusammenhängenden berichte. nur die grundlinien der entwickelung lassen sich ziehen.

An die stelle des Areopages trat als centralinstanz der verwaltung der rat der 500, die gemeindevertretung Athens. erst jetzt sind für ihn die diaeten eingeführt, die einfach notwendig waren, wenn die ratsherren das ganze jahr in der stadt leben33)Wenn man dem rate diaeten zugestand, so war das bedürfnis dazu hervor - getreten, d. h. es hatten die ratsherren in folge der vermehrten geschäftslast zu häufig gefehlt. die prytanen, die doch wol schon eher in permanenz gewesen sind, werden naturalverpflegung erhalten haben. es folgt, daſs der rat in älterer zeit nicht nur nicht täglich, wie später, sondern selten plenarsitzungen hielt. auch das volk wird erst jetzt regelmäſsig in jeder der drei zehntägigen wochen eine sitzung gehalten haben. sollten. im rate lag die gesammte finanzverwaltung; nach wenig jahren zog man auch die reichscasse nach Athen. dem rate fiel die controlle der beamten zu, aller mit ausnahme der feldherren: die magistratur war zu einem organe des rates geworden. die archonten, die candidaten zum Areopag, ver - loren auch die letzte beschränkung durch den census: jeder waffen - fähige, jeder bauer, der ein joch ochsen im stalle hatte, konnte sich zur losung melden. diese neuerung hat besonders viel erregung verursacht, aber sie war eine ganz gerechtfertigte consequenz der degradation der magistratur und des Areopags. auch für die geschworenen ward ein bescheidener sold bewilligt: das war die notwendige consequenz davon, daſs man die privatprocesse der bündner nach Athen zog, und daſs die grenze, bei welcher der magistrat nicht ohne zuziehung von geschwornen das urteil finden durfte, immer tiefer gesteckt ward; das einzelne ist uns unbekannt. aber wol sehen wir, daſs ein neues gerichtshaus nach dem andern gebaut werden muſs, und daſs in den statuten, die Athen bei der oder jener gelegenheit den einzelnen Reichstädten aufzwingt, die96II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.bestimmungen über die rechtspflege durch attische geschworne ein wich - tiges capitel werden. man hat damals eine besondere behörde für die ein - bringung bestimmter befristeter processe geschaffen (die εἰσαγωγῆς), eine andere für die processe der seeleute, die nicht warten konnten (die ναυτοδίκαι), denen man dann, wol für die zeit, wo die schiffer nicht processiren konnten, auch andere beschäftigungen gab. man hat auf die demenrichter des Peisistratos zurückgegriffen, um auf dem lande eine rasche erledigung der rechtshändel zu gewähren[und] die städtischen tribunale zu entlasten. daſs die gemeinden im ganzen 6000 männer für den geschwornendienst praesentirten, aus denen in jedem falle die notwendigen ausgelost wurden34)Die leute vom lande muſsten in die stadt gehn, auch auf die gefahr hin, daſs die thesmotheten keine gerichte hielten, und dann war es nichts mit dem solde: so schildert es beweglich der Wespenchor 304. damals hatte das keine gefahr. wenn kein festtag war, oder volksversammlung, konnten die ausgelosten auf den sold rechnen, und mit der üblen chance, daſs ihn das los nicht träfe, rechnet auch der chor nicht. also fanden in der regel die erschienenen alle ver - wendung. die spätere complicirte procedur der losung existirte natürlich nicht. nun denke man sich die ältere zeit, ohne diaeten, mit wenig processen. da kann doch nur der einzelne heliast, der im album stand, von dem archon seiner phyle citirt sein, oder es sind feste gerichtstage gehalten. daſs wir das nicht wissen, ist ein deutliches zeichen, wie wenig man die alten verhältnisse später sich auch nur denken konnte; daſs man jetzt danach so wenig fragt, zeigt, wie wenig man sich die dinge lebendig macht., ist sicherlich eine ältere einrichtung (mag auch die zahl erst jetzt so hoch gebracht sein), denn die auslosung ist sache der archonten, die bestimmung der gerichtstage und höfe der thesmotheten. aber es wird erst jetzt der schritt getan sein, aus dem richteralbum für eine reihe obliegenheiten beamte zu erlosen, die dann nur eine bestimmte kürzere zeit, aber mit fester besoldung tätig waren. noch ganz anders als durch die magistrate führte so das volk selbst seine geschäfte. die städtische centralisation bezweckte man nicht, so wenig es Peisistratos getan hatte, aber der wirtschaftliche aufschwung brachte sie mit sich, jetzt wie damals. und an eines gieng man mit äuſserster energie, sobald man nach auſsen zu activer politik sich entschlossen hatte. man vollendete das niemals fallen gelassene, aber von der frü - heren regierung absichtlich verschleppte werk des Themistokles, verband Athen mit dem hafen und der see durch schenkelmauern, machte es zu einer uneinnehmbaren festung, aber auch zu einer groſsstadt und zu einer seestadt. nicht ohne grund sahen gerade hierin die ansehnlichen leute den untergang von Altathen. die leidenschaft in dieser durch97Die vollendung der demokratie.Kimons landesverweisung geschlagenen partei scheute nicht vor dem meuchelmord zurück, der den Ephialtes beseitigte, noch vor der con - spiration mit dem landesfeinde, den sie freilich in den Spartiaten nicht sehen mochten und noch nicht zu sehen brauchten. aber die vater - landsliebe überwog denn doch im entscheidenden momente. als bald nach der änderung der archontenwahl, kurz vor der vollendung der schenkelmauern ein peloponnesisches heer bei Tanagra an der grenze Attikas erschien, hat die attische aristokratische partei, bei der Kimon selbst in ritterlicher weise seinen einfluſs geltend machte, in kampf und tod den flecken von ihrem ehrenschilde abgewaschen. aber auf die inneren verhältnisse hat sie keinen einfluſs gehabt. ihre söhne, nicht mehr aristokraten, sondern oligarchen, sind minder zurückhaltend ge - wesen; sie führten 411 und 404 dieselben schlagwörter im munde. aber es waren phrasen geworden; die väterliche verfassung war tot, und die sie herzustellen versprachen haben nur die geschichte Athens mit dem blute vieler und mit dem eigenen befleckt.

Leider, so muſs man sagen, waren die kimonischen traditionen nicht eben so machtlos in der äuſseren politik. freilich als er aus Athen wich, nahm man den kampf mit Sparta, oder da dieses zur zeit macht - los schien, mit seinen verbündeten, Korinth an der spitze, nicht nur auf, sondern schuf sich durch den bund mit Argos eine operationsbasis für die bezwingung des Peloponneses, und gelangte auch dazu, Aegina endlich ganz in eigne hand zu bringen und an mehreren ecken des Peloponneses fuſs zu fassen. gleichzeitig gieng man gegen die delphische Amphiktionie vor, die ein äuſseres band um die nordgriechischen stämme schlang, und hier gelang trotz dem für die peloponnesischen waffen ruhmvollen tage von Tanagra die unterwerfung fast völlig. die eine hälfte des programms der jungen, herrschaft in Hellas, schien sich zu verwirklichen, ja sie hätte sich verwirklicht, so gut wie sie es im Reiche tat, wenn die jungen in allem die majorität gehabt hätten. aber das notwendige complement, friede mit Persien, wagte man nicht einmal laut zu fordern. dazu waren die erinnerungen an 479 noch zu stark, und wenn auch bürgerkrieg kein griechisches wort ist, mit dem die modernen rasch bei der hand sind um die athenische politik zu stigma - tisiren, so hatte der kampf wider die barbaren doch einen ganz andern reiz als der wider die Boeoter. so kam es zu dem unverantwortlichen wagnis, mitten in dem schwersten hellenischen kriege den abtrünnigen vasallen des Groſskönigs in Kypros und Persien zu hilfe zu kommen. einmal engagirt, fand man nicht den entschluſs zum rückzuge, und sov. Wilamowitz, Aristoteles. II. 798II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.hat man die entsetzlichen verluste herbeigeführt, die Athen zwangen mitten im siege zu hause inne zu halten, während doch schon selbst in Sicilien sich günstige anknüpfungspunkte für fernere unternehmungen zu bieten schienen. das athenische volk mochte sich freilich den eigent - lichen grund des miserfolges nicht eingestehn, es vertraute sich noch einmal dem Kimon an, als dieser nach ablauf des zehnjährigen bannes heimkehrte. er war der alte geblieben. er sicherte sich notdürftig den rücken durch ein abkommen mit Sparta, das neuerstarkt nur einen waffenstillstand mit kurzer frist zugestand, segelte in das ferne kyprische meer, schlug die Perser und erreichte doch nichts als einen nur äuſser - lich militärisch ruhmvollen abschluſs seines lebens. trotzdem, daſs mit ihm die perserfeindliche politik zu grabe gieng, gelang es Athen nur mit äuſserster not und dank dem diplomatischen geschick des Perikles, bei dem zusammenbrechen seiner festländischen herrschaft für diesen verzicht die anerkennung des Reiches und der seeherrschaft zu sichern.

Perikles.Perikles, der führer der demokratie, hat die verantwortung für die reformen der funfziger jahre zu tragen, auch die für das programm, dem er vierzig jahre lang treu geblieben ist. an den unternehmungen wider Persien hat er sich nie beteiligt, vielmehr, sobald Kimons tod ihm freie hand lieſs, ein einvernehmen mit Artaxerxes herbeigeführt, das bis zu dessen tode angehalten hat. es kann ihm nicht nachgewiesen werden, daſs er nach westen in abenteuerlicher weise überzugreifen jemals ge - dacht hat, nicht einmal nach den dorischen inseln, Kreta oder Thera und Melos, hat er die hand ausgestreckt. er hat nur das Reich mit be - wuſster consequenz als ein object der athenischen herrschaft behandelt, nicht mit tyrannischer gewalt, aber mit energie. bedrückt hat er die bundesgenossen nicht, aber zu untertanen hat er sie gemacht. es ist ihm nie in den sinn gekommen, Athen in das Reich oder in Hellas auf - gehn zu lassen. gerade nach den verlusten in Aegypten hat er das attische bürgerrecht beschränkt, um das eindringen der halbschlächtigen zu verhindern, das Peisistratos und Kleisthenes befördert hatten. er hat nachdrücklich damit ernst gemacht, auf dem boden der bundesstädte auſserhalb Asiens (wo ihn wol die rücksicht auf Persien band) athenische gemeinden zu gründen und so dem vordringen des bürgerlichen pro - letariats zu steuern. aber er hat sein volk, das über Rhodos und Mi - letos gebot, allerdings zum herrn auch über Sparta und Korinth machen wollen: die herrschaft in Hellas war sein programm 462; er hat es trotz den zwischenstreichen der kimonischen politik und trotz dem schweren frieden von 445 nicht geändert. ruhige überlegung, aber ohne furcht99Perikles.vor den klar erfaſsten consequenzen, zeichnet seine politik ebenso aus wie die vornehme, etwas hartnäckige unempfindlichkeit gegen hemmnisse und störungen. er ist nicht der mann der genialen experimente wie The - mistokles; er verschmäht das blendwerk der glänzenden coups, das sonst die politiker in demokratischen staaten meist nötig haben; er rechnet mit den ziffern des schatzes, den beständen der arsenale und den summen der wehrpflichtigen lieber als mit den imponderabilien der volksgunst und volksstimmung. er ist nicht officier und nicht finanzmann, nicht volksredner und nicht parteihaupt, oder auch er ist dies alles, nämlich so weit es der politiker, der vertrauensmann des attischen volkes sein muſste. er ist kein liebenswürdiger mann, was die leute so nennen, zecht nicht mit seinesgleichen und noch viel weniger mit den litteraten, singt keine verse und läſst auch keine auf sich machen; er buhlt nicht um das lob der dichter und kauft es auch nicht, aber der komoedie hätte er gern den mund gestopft. er hat genug tüchtige und hingebende männer um sich gehabt, die unter ihm an seinen werken schafften, und von denen keinem der gedanke mit ihm zu rivalisiren kam, aber einen freund hat er nicht gehabt. sein leben ist einsam gewesen.35)Das perikleische zeitalter mit seinen heiteren dem cultus der schönheit hingegebenen Griechen, in der mitte der Maecen oder Mediceer Perikles, die geistig ebenbürtige, ihm durch eine gewissensehe verbundene Aspasia am arme, ist eine er - findung des deutschen romantischen philhellenismus, hat aber so viel wert wie Kaul - bachs Blüte Griechenlands. und Aspasia ist das widerlichste darin. Perikles hat in standesmäſsiger ehe zwei söhne erzeugt, sich dann von seiner frau geschieden und etwa als mann von funfzig jahren in sein einsames haus, das auch keine gäste sah, eine concubine genommen, ganz wie Aristoteles. die beiden frauenzimmer zeigen ihren stand genügend durch ihre namen Ἀσπασία und Ἑϱπυλλίς. in Athen heiſst keine anständige frau Aspasia; in Ionien ist man mit den namen nicht so streng, aber ein beliebter hetaerenname war es auch da, und der tradition, die Aspasia einen vater gibt (Axiochos von Milet), steht gleichberechtigt die andere zur seite, daſs sie eine kriegsgefangene Karerin war (schol. Aristid. 464). nun haben die armen geschöpfe es gut genug gehabt bei ihren herren, die auch für ihre kinder gesorgt haben. aber natürlich muſste Aspasia manchen unglimpf leiden um des platzes willen, den Perikles in der welt einnahm, noch mehr als dieser den unehelichen sohn nach dem tode seiner ehelichen kinder legitimirte; sie mag sich auch nach des herren tode anspruchsvoll benommen haben. zum entgelte verfiel der sokratiker Aischines darauf, in einem dialoge sie als eine Ninon einen salon halten zu lassen, ja er mochte sie so weit idealisiren, daſs er anständige frauen bei ihr einführen konnte, wie Xenophon und gemalin, der leider zu Aspasias lebzeiten weder verheiratet war noch es sein konnte. trotzdem gefiel ihm das compliment; und er erwiderte es nach der sitte der zeit in den zwei er - wähnungen Aspasias, die sein nachlaſs bietet. so ist die geistreiche hetaere, die keine spur führt darauf,7*100II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.daſs für irgend eine kunst eine ader in ihm geschlagen hätte: daſs er den Parthenon und die Propylaeen hat bauen lassen, beweist das nur dann, wenn die bauten Schinkels für den geschmack Friedrich Wilhelms III. beweisen.36)Naiv ist vollends sich Perikles in menschlichem verkehr mit Pheidias zu denken, der gesellschaftlich und nach seiner bildung (einen hexameter konnte er nicht machen) ein βάναυσος war und blieb. vereinzelt kommt es ja vor, daſs ein mann aus besseren kreisen wie Kephisodotos eine bildhauerwerkstatt hat, aber die regel ist, daſs solche leute zum handwerk gehören und in ihren kreisen bleiben. das altertum ist von der verkehrtheit, die bewunderung ihrer werke auf ihre per - sonen zu übertragen, völlig frei. meiner meinung nach liegt die vortrefflichkeit der antiken kunst zum guten teile daran, daſs man sich um die künstler so wenig kümmerte, keine kunstakademien und künstlerheime hatte, und von keinem ge - sandten forderte, daſs er mit seinen einladungen bis hinab zum künstler gienge. diese meinung ist gleichgiltig: aber wer von der ideengemeinschaft zwischen Peri - kles und Pheidias redet, beweise erst, daſs staatsmann und bildhauer eine gemein - schaft und Pheidias ideen hatten. augen hatte er und hände, das sieht man, und das ist genug, die ideen empfieng er wie sein volk von den dichtern und weisen. er gab ihnen gestalt: darin liegt seine gröſse. aber an den politischen und juristischen speculationen des Pro - tagoras hat er anteil genommen, mit dem exegeten des väterlichen rechtes Lampon hat er verkehrt, dem sophistischen städtegründer Hippodamos hat er die anlage der hafenstadt anvertraut. und wenn er als geborner ehrenmann vielleicht vor dem dienste der götzen dieser welt gefeit war, so daſs geld ehre und genuſs ihn nicht verlockten: daſs er über aber - glauben erhaben war und von den schlägen der Tyche niemals gebeugt worden ist, dankte er dem einflusse der physik und noch mehr der selbst -35)Egeria des Perikles lancirt worden, die denn auch der verfasser des Menexenos (oder doch der rahmenerzählung dieser rede) aufgriff. diesen schriftsteller nennen sie jetzt wieder Platon: sie bedenken wol nicht, daſs der dichter Diotimas nicht der mann war, sich eine hure zur heldin zu wählen. πόϱνη hat sie Eupolis ge - nannt, nicht zum hohn; als er die Demen schrieb, war das weib verstorben oder verdorben, sondern in bittrem ernste: Myronides braucht das auch in Athen harte wort gegenüber dem Perikles, dem er sagen muſs, sein sohn würde längst eine politische rolle spielen, wenn er nicht den makel des hurensohnes trüge. Eupolis hat als einziger neben Thukydides und noch schöner, weil er ein dichter war, den Perikles gewürdigt: was er von Aspasia sagt, hat gewicht, und kein zeuge des fünften jahrhunderts urteilt anders. ich bin nicht so albern, dem toten frauenzimmer zu grollen, aber man soll es lassen wie es ist, tot und ein frauenzimmer. leute, die ohne weibliches parfum keine geschichte riechen mögen und ihre helden nicht menschlich finden, wenn sie nicht unterweilen girren oder meckern, mögen Hamer - ling statt Thukydides lesen. aber es ist kein kleines zeichen von der würde der attischen geschichte, daſs nur ein weib in ihr vorkommt, das aber beherrscht sie: die jungfrau von der burg.101Perikles.losen forschernatur des Anaxagoras, der einsam lebte, wie er selbst. bei dem lernte er die weltauffassung, die den zweck des lebens in die anschau - ung des unendlichen κόσμος, der ordnung und der schönheit des alls, ver - legt, und dem entsprechend dem individuum gebeut, zugleich sich in die eigene sterblichkeit zu schicken und die ewigkeit in der seele zu tragen (ἀϑάνατα φϱονεῖν). weil sie aus der tiefe einer denkgewohnten seele quoll, riſs seine ernste beredsamkeit die menge fort, auch wo sie sie nicht verstand, und die fassung, die er bei seinem trüben einsamen ende bewahrte, hat dem Protagoras worte der bewunderung abgenötigt. aber er war doch weit entfernt von diesen männern des ϑεωϱητικὸς βίος, und der κόσμος, dem er diente, und den er zu verwirklichen strebte, war die freiheit und die herrschaft seines volkes. an die logik der de - mokratie hat er geglaubt, an die macht der ἰσονομίη, und an die ma - xime ἐν τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα (Herod. 3, 80). die logische ge - schlossenheit des demokratischen majoritätssystemes hat seinen dem ab - stracten zugewandten sinn eingenommen, und radical, wie die mathe - matiker sind, hat er keine consequenz des prinzipes gescheut. freilich nur für seine Athener galt das ἴσον. daſs sie zum herrschen über Hellas berufen seien, weil sie tüchtiger wären, durch ihre freiheit und gleichheit tüchtiger, hat ihn mit fug Thukydides sagen lassen. daſs sie die machtmittel hätten, die herrschaft zu erringen, wenn sie sie nur an der rechten stelle brauchen wollten, hatte er 462 schon begriffen; daran ist er nicht irre geworden, wie an nichts. wer sich seine überzeugung zu einem exempel gemacht hat, das nun einmal richtig ist, kann sie nimmermehr aufgeben. und so hat er 432 dasselbe ziel zu erreichen versucht, das er sich dreiſsig jahre vorher gesteckt hatte. man wird ihn von der verantwortung nicht freisprechen dürfen, den krieg gewollt zu haben, denn er hätte ihn hinausschieben können, wie es sein alters - genosse, der brave könig Archidamos wollte. vielleicht ist es vor dem richterstuhle der höchsten moral ὕβϱις, überhebung und sünde, einen solchen schritt zu tun: die ἄτη, die jede überhebung demütigt, ist ja auch nicht ausgeblieben. indessen Perikles, der rechner, durfte sich sagen, daſs aller berechnung nach der sieg nicht zweifelhaft sein könnte, daſs niemand so wie er befähigt wäre, sein volk in dem kampfe zu führen, und daſs es hohe zeit wäre, falls er diese rolle noch spielen sollte. aber es zeigte sich, daſs rechnen nicht genügt für die politik, weil menschenseelen ein anderes sind als trieren hopliten und talente, ganz ungerechnet die tücke des zufalles, das δαιμόνιον φϑονεϱὸν καὶ ταϱαχῶδες, das die pest sandte. und weiter zeigte sich, daſs die ab -102II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.straction, das demokratische gleichheits - und majoritätsprincip, wiederum die menschenseele mit in rechnung zu stellen vergessen hatte. die ge - neration, die 430 jung war, verlangte stürmisch die tyrannis über die bündner, über Hellas, über die welt, und verlangte für jeden Athener die gleiche summe von vorrechten, auf daſs jeder so eine art tyrann würde, εὐδαίμων, ἰσόϑεος.

Platon hat schon recht, wenn er in Perikles den gröſsten διάκονος des volkes sieht, den groſsen volksverführer: aber er steht auf der hohen warte seines Staates, und er schreibt unter den trümmern von 403. Herodotos hat auch recht, wenn er den höhepunkt der weltentwickelung in dem demokratischen Athen des Perikles sieht. die athenische demo - kratie, wie Perikles sie vollendet hat, ist ein gebilde, zu fein für men - schen, und darum denen selbst verderblich, die sie zur herrschaft beruft; an der politik des Perikles ist Hellas zu grunde gegangen. aber was wäre schön, das für die menschen nicht zu fein wäre? Platons Staat ist es erst recht. und der staatsmann, der in der grauenhaften folge von wüsten und blutigen jahrhunderten, die wir weltgeschichte nennen, einen augenblick geschaffen hat, zu dem wir sagen mögen, verweile doch, du bist so schön, ist trotz allem ein groſser zauberer gewesen.

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4. ΠΑΤΡΙΟΣ ΠΟΛΙΤΕΙΑ.

Das volk der Athener, das seit dem frieden mit den PeloponnesiernDie ver - fassung der blütezeit. 445 ein zwar gegenüber den hoffnungen von 460 beschränktes, aber dafür von den andern mächten anerkanntes reich beherrschte, konnte mit fug und recht sagen, daſs die souveränetät bei ihm selbst stünde, τὸ κϱάτος oder τὸ κῦϱος ἐπὶ τῷ δήμῳ. die vorstellung herrschte, daſs alle Athener gleichberechtigt wären, und der wille der majorität der wille der gesammtheit. ἐν γὰϱ τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα, wie Herodot sagt. so wird τὸ πλῆϑος τὸ Ἀϑηναίων identisch mit δῆμος Ἀϑη - ναίων. jeder Athener galt als zu allen regelmäſsigen ämtern befähigt; er sollte es verstehn sowol zu gehorchen wie zu befehlen, und die gleich - berechtigung aller forderte demnach einen turnus für die bekleidung der ämter. δῆμος δ̕ ἀνάσσει διαδοχαῖσιν ἐν μέϱει ἐνιαυσίαισιν, wie Theseus sagt. die classenbeschränkung galt zwar noch dem buchstaben nach; an die finanzämter kamen nur leute aus der ersten classe, die letzte hatte auf gar kein wirkliches amt anspruch. aber trotz den ver - änderten besitzverhältnissen war der census der alte geblieben; was wollten 500 scheffel sagen? die kleruchien machten immer mehr theten zu grundbesitzern; giengen sie dorthin, so waren sie faktisch von der staatsleitung ausgeschlossen; blieben sie zu hause, so machten die zinsen ihres pächters sie wahlfähig. auſserdem verdienten sie bei dem dienste auf der so gut wie stehenden flotte, als schützen, wächter und in ähn - lichen stellungen, und zu den körperschaften, die gerade besonders ein - fluſsreich waren, den 6000 geschworenen und dem rate, hatten sie recht -1)Aus der notorischen zersplitterung des grundbesitzes folgt bewirtschaftung durch unfreies gesinde. von den preisen und dem ertrage wissen wir zu wenig. aber lohnend war auch dieses gewerbe, und über die concurrenz des pontischen getreides hört man keine klage.104II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.lich zutritt, und seit für beide ein mäſsiger sold gezahlt ward, konnten sich auch unbemittelte zur losung melden. die hauptsache freilich tat der allgemeine wolstand dazu, daſs die beteiligung an der staatsverwal - tung für die ungeheuren anforderungen leidlich ausreichte, und der census nicht fühlbar war. steuern wurden nicht gezahlt; der weg, die bemittelten für das allgemeine zu den nötigen opfern zu bewegen, war in der ausbildung der persönlichen leistungen für das allgemeine (λῃ - τουϱγίαι) gefunden, die ursprünglich ein analogon zu dem persönlichen hand -, spann - und kriegsdienst gewesen waren, aber seit für den letzteren sold gezahlt ward, hand - und spanndienst vorwiegend nur noch für die einzelgemeinde und phyle in betracht kam, war die liturgie das mittel, den reichtum in einer weise zur steuer heranzuziehen, die in einer vermögenssteuer erst dann ein volles analogon finden würde, wenn diese eine höhe erreichte, die uns für unerträglich gilt. zum ent - gelt für sein opfer war der trierarch officier, und zwar ein hoher und im Reiche aller orten angesehener. der grundbesitzer, der die last der pferdezucht trug, diente auch bei der cavallerie, was an sich schon für eine auszeichnung galt. die vielen liturgien, die der belustigung und annehmlichkeit, zum teil auch der unterstützung des demos dienten, brachten nur ehre und höchstens einfluſs auf die stimmung und die stimmen des volkes. daſs dies system nicht versagte, lag erstens und vornehmlich an dem wolstand, den die machtstellung des Reiches und Athens im Reiche den einzelnen verlieh, dem kaufherrn und industri - ellen eben so gut wie dem grundbesitzer. zweitens aber war diese art munificenz von alters her in den herrschenden familien geübt worden, und wer durch jungen reichtum in diese reihe aufstieg, durfte und mochte mit ihm nicht knausern. der staat aber hatte eine gefahr glück - lich beseitigt, als er die private munificenz in ein ziemlich festes steuer - wesen verwandelt hatte: noch Peisianax und Kimon hatten den markt mit hallen und bäumen als private geschmückt; das haus des polemarchen trug den namen dessen, der es erbaut hatte, am giebel. so etwas ist in der perikleischen zeit abgestellt; weder er noch Nikias haben den staat beschenkt. das volk hat den Parthenon gebaut, und es wachte, wie auch in an sich unverbürgten anekdoten durchklingt, eifersüchtig darüber, daſs kein einzelner ihm die ehre dieser bauten entzöge.

Der souverän war selbstverständlich unverantwortlich und gebunden nur an die gesetze, die er selbst festgestellt hatte, also wol zu ändern die macht hatte, aber nicht zu übertreten. der souverän besaſs aber schlechthin keine initiative. er stimmte in jedem einzelnen falle nur zu105Die verfassung der blütezeit.oder lehnte ab. somit war immer ein individuum da, das die verant - wortung für den souverän rechtlich und factisch trug. wer den sou - verän zu ungesetzlichem verleiten wollte, konnte deswegen gerichtlich belangt werden, und schon ein einzelner in der volksversammlung konnte durch seinen einspruch, in der form einer klaganmeldung, einen antrag oder beschluſs wenigstens suspendiren. falls aber das ungesetzliche oder auch schädliche schon beschlossen oder geschehen war, so konnte der belangt werden, der den demos betrogen hatte. auch konnte jeder den antragsteller verklagen, weil er ein unpassendes gesetz beantragt hätte.

Da es factisch undurchführbar war, daſs jeder einzelne bürger in jedem falle von dem teile souveränetät, der auf ihn kam, gebrauch machte, so war das volk oder auch die majorität der Athener durch legalfiction vorhanden, wenn eine durch gesetz bestimmte vertretung der gesammtheit factisch die souveränetät übte. das galt in wahrheit schon von der volksversammlung, für deren sitzungen es keine numerische beschrän - kung der beschluſsfähigkeit gab, auſser für besondere fälle, wo schrift - liche abstimmung gefordert ward (νόμοι ἐπ̕ ἀνδϱί). aber davon zieht man vor nicht zu reden. dagegen gilt der satz, daſs die richterliche, schlecht - hin infallible und inappellable (ἀνυπεύϑυνος), übung der souveränetät, ganz besondere ausnahmen abgerechnet, immer vom volke nur ideell, factisch aber von einer vertretung desselben ausgeübt wird, deren stärke das gesetz vorsah. das gericht ist rechtlich immer identisch mit dem volke, sonst hätte sich seine unverantwortlichkeit gar nicht aufrecht halten lassen. auch das gericht muſs berufen werden, entbehrt also der initia - tive, und zwar geschieht dies, weil es eine sehr alte, spätestens solonische einrichtung ist, durch die archonten, an die sich die übrigen beamten zu wenden haben, wenn sie eine sache vor das volk zur richterlichen entscheidung zu bringen wünschen. die archonten aber sind nicht frei in der auswahl der volksvertretung, sondern erlosen die gesetzliche zahl von volksvertretern, und sie tun das nicht aus der ganzen summe der teilnehmer an der souveränetät, sondern aus einer alljährlich von ihnen in bestimmter gesetzlicher form aufgestellten summe von 6000 unbe - scholtenen über 30 jahre alten bürgern. diese 6000 im ganzen sind nur so viel wie zur beschluſsfassung in sachen, die wie die processe einen einzelnen bürger angehn, für die volksversammlung erfordert sind. sie vertreten das ganze volk, sind aber selbst in jedem einzelnen pro - cesse durch einen manchmal sehr geringen bruchteil (201) vertreten. die legalfiction geht also sehr weit. die gerichte entscheiden oft nur die schuldfrage, so daſs damit nach maſsgabe des gesetzes die strafe ge -106II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.geben ist. öfter noch bestimmen sie mit der vollen freiheit des sou - veräns auch das strafmaſs. aber die strafvollstreckung steht nicht in ihrer hand. auch sie entbehren durchaus der executive.

Die 6000 richter sind eine vertretung der bürgerschaft wirklich, in sofern sie nach den gemeinden erlost sind, in die das attische land und die attische bürgerschaft zerfällt, wahrscheinlich aus einer candi - datenliste, welche diese aufstellten. dieses selbe princip der repraesen - tation beherrscht die magistratur und den rat. aber sobald der vertreter einer gemeinde oder phyle richter oder beamter wird, hört er auf seinen kleinen teil zu vertreten: er ist vielmehr träger der souveränetät der sammtgemeinde. in ekklesia und heliaea gibt es in folge dessen keinerlei berücksichtigung der unterabteilungen des volkes.

Das hauptorgan, durch welches der souverän die executive übt, ist der rat. rat heiſst er und ist er, da er dem souverän alle seine be - schlüsse vorzubereiten und ihm in erster linie seine vorschläge zu unter - breiten hat. er ist aber längst eine und zwar die vornehmste handelnde behörde geworden. er besteht aus 500 vertretern der gemeinden, für welche dieselbe qualification wie für die richter gilt, nur daſs man richter zeitlebens, ratsherr höchstens zweimal auf ein jahr sein kann. durch den rat allein verkehrt das volk mit dem auslande, mit jeder fremden person und sogar mit den eigenen beamten. in allen fällen, wo eine gesandt - schaft oder sonst ein ausländer oder auch ein beamter als solcher mit der volksversammlung direct verkehren will oder soll, führt ihn der rat bei dem volke ein. verantwortlich ist der rat natürlich seinem souverän, aber der einzelne ratsherr unterliegt als solcher nicht der rechenschaftspflicht. der rat verfügt über die höchsten souveränetäts - rechte, denn er kann selbst einen bürger an leib und leben strafen, ohne daſs diesem wie gegenüber allen andern beamten die ἔφεσις εἰς δικαστήϱιον, die athenische form der provocatio ad populum zustünde. aber er ist nicht mit dem souverän ideell identisch wie die gerichte: er kann vielmehr selbst an diese eine sache überweisen; dagegen kann er kein gericht selbst berufen, sondern bedarf der vermittelung der ar - chonten: die gerichte sind eben mindestens nicht jünger als der rat.

Die civilbeamten werden, so weit sie jährig sind, in der weise er - lost, daſs sie die phylen oder auch deren unterabteilungen, die trittyen, vertreten; daneben kommen für einzelne vorübergehende amtliche tätig - keiten commissionen in betracht, die aus den 6000 richtern genommen werden. die beamten werden erst auf ihre würdigkeit von dem gerichte geprüft: so corrigirt der souverän die willkür des loses. sie stehn zum107Die verfassung der blütezeit.gröſsten teile, insbesondere so weit sie staatsgeld verwalten, unter der controlle des rates; dieser und das gericht besorgen ihre rechenschafts - abnahme. auſserdem entscheidet der souverän in jeder der 10 verwal - tungsperioden des jahres, ob sie sein vertrauen noch besitzen. sie haben eine durch feste instruction eng begrenzte sphaere der tätigkeit und sind gehalten, so bald sich ein bürger, von bagatellen abgesehen, ihrem spruche nicht unterwerfen will, die entscheidung des souveräns anzurufen, d. h. sie berufen ein gericht, dem sie vorsitzen: nur dieser vorsitz in eigner sache ist noch ein rest ihrer ehemaligen selbständigkeit, sonst ist die magistratur der civilbeamten zu einem werkzeuge des souveräns, in praxi des rates herabgedrückt. politische bedeutung hat von ihnen schlecht - hin keiner.2)Der einzige schreiber hätte sie bekommen können, weil er die protokolle führte und die schriftstücke des rates und volkes redigirte. wählen muſste man ihn deshalb schon, denn federgewandt war nicht jeder, und mancher hätte leicht proxenien erfinden oder peinliche paragraphen unterschlagen können. aber damit er nur ja nicht einfluſsreich würde, wählte man ihn nur auf eine prytanie. reste alter macht, wie sie die einzelnen archonten noch besitzen, sind für den ganzen charakter der verfassung und verwaltung so wenig bedeutend, wie die gerichte des Areopages und der epheten neben den heliasten.

Die religion durchdringt zwar alles, aber es gibt keine kirche, oder vielmehr sie deckt sich mit dem staate, und so können wir sagen, daſs die weltliche bürgerliche demokratische verfassung mit vollkommener logik und consequenz durchgeführt ist.

Das militär fügt sich dem demokratischen gleichheitsprincip nie und nirgend, sintemal gar zu deutlich vor augen liegt, daſs nicht jeder zum officier paſst, und auch die eifersüchtigste demokratie läſst sich gern dazu herbei, zu officieren nur die zu machen, die fähigkeit und lust haben. für die hauptmacht Athens, die flotte, war zwar zur zeit des Reiches gut gesorgt, da die trierarchie capitäne zur verfügung stellte, die erstens die erfahrung besaſsen, zweitens in der kriegsmarine den steuerleuten und matrosen als geborene vorgesetzte gegenüber standen, da sie meist der handelsmarine in gleicher eigenschaft angehörten, drittens die die würde mit der steuer bezahlten. auch in der reiterei war die bevorzugte geltung dieses dienstes durch die last der pferdehaltung aufgewogen; die truppe entwickelte aber immerhin ein starkes standesbewuſstsein, ward von radikalen demokraten wie Kleon scheel angesehen und rechtfertigte 404 dieses mistrauen durch entschieden aristokratische tendenzen. aber sie war zu schwach, als daſs die zehn schwadronchefs und die beiden108II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.reiterführer, die das volk erwählte, eine politische rolle hätten spielen können. daſs für diese äuſserlich der volle rang galt wie für die stra - tegen, also auch das scharfe schwert der epicheirotonie über ihnen hieng, war wol mehr aus der alten zeit der adelsherrschaft geblieben, wo die reiterei, die ritterschaft, sehr viel mehr zu bedeuten gehabt hatte. flotte und reiterei waren beide unter die ständige controlle des rates gestellt: der souverän also behielt sie selbst in der hand.

Der heerbann mit seinen zehn obersten, die das volk wählte und die ihre subalternofficiere selbst bestellten, gieng gut in die demo - kratische organisation auf. es war das volk in waffen, mit allen vor - zügen und mängeln eines volksheeres und einer landwehr. aber die zehn strategen waren, seit die groſsen verhältnisse des Reiches dazu ge - zwungen hatten, ihnen das commando der regimenter zu nehmen, denen sie einst vorgestanden hatten, zu einer stellung gelangt, welche schlechter - dings nicht in den engen rahmen der attischen magistratur paſst. wenn sie zu hause gesessen hätten, die aushebung besorgt, den sicherheits - dienst im lande und an den grenzen überwacht und nur im falle des krieges das heer geführt hätten, so hätte man sie unter den rat stellen können; aber dann wäre die schaffung der taxiarchen nicht nötig ge - wesen. die verwaltung des Reiches aber machte nicht nur den kriegs - zustand so gut wie ständig, sondern sie erforderte auch höchstcomman - dirende an mehreren orten, die selbst träger des imperiums sein muſsten, also selbst den souverän vertraten. und die flotte hatte zwar schiffs - führer, aber sie brauchte flottenführer. so wurden die strategen nicht sowol generale als tribuni militares consulari potestate. es waren noch immer 10, und die phylen sollten in ihnen vertreten sein, wenn sie das volk auch in directer wahl bestellte. aber da die iteration und sogar die continuation für die militärischen ämter gestattet war, konnte es gar zu leicht unbillig und widersinnig werden, wenn die wahl eines geeigneten mannes aus einer phyle alle andern geeigneten derselben dauernd ausschloſs. so erlaubte sich das volk einzeln von dem principe abzuweichen. die zehn waren rechtlich gleichgestellt, aber das volk be - stimmte frei, wen es für jeden einzelnen auftrag geeignet hielt, und so rangirten sie factisch sehr verschieden; es bekamen einige die ziemlich ständigen, den römischen provinzialpraetoren vergleichbaren stellungen im Reiche und an dessen grenzen (die flottenstationen in den provinzen), andere die aushebungsgeschäfte; die bedeutendsten aber blieben zur ver - fügung des volkes, immer in contact mit ihm, da sie in der volks - versammlung anwesend sein konnten, und diese erschienen als seine109Die verfassung der blütezeit.wahren vertrauensmänner. die strategen waren wol gehalten, an den rat zu berichten, der ja die auswärtige politik leitete, aber sie muſsten doch drauſsen sehr oft verbindlichkeiten eingehn, die zwar der ratifi - cirung durch den souverän bedurften, aber mindestens so viel gewicht hatten, wie ein ratsvorschlag. ja man gieng so weit, daſs die strategen einen antrag beim rate einbringen konnten, auch den auf berufung einer volksversammlung, und somit wenigstens den directen amtlichen verkehr mit dem souverän und die initiative erhielten. in kriegszeiten konnten sie andererseits durch das aufgebot der bürger die abhaltung einer volksversammlung factisch verhindern.3)Thukydides II 22 sagt ausdrücklich, daſs der stratege Perikles während der anwesenheit der Peloponnesier in Attika 431 keine volksversammlung hielt. ver - fassungsmäſsig muſs in eine so lange zeit mindestens eine gefallen sein. nur unter dem drucke des belagerungszustandes kann er sie verhindert haben. der stratege Alkibiades stellt direct, nicht über den rat, einen antrag vor dem volke, CIA IV p. 19. endlich eludirten sie im falle der wiederwahl factisch sehr häufig die rechenschaftsablage, obwol für diese unter allen umständen unter übergehung des rates gerichtliche prüfung vorgeschrieben war. gewiſs war es sehr gut möglich, das gleich - gewicht der gewalten aufrecht zu erhalten, und der souverän war durch diese männer seines vertrauens in seiner gewalt nicht gefährdet. aber es waren doch einzelne männer, die durch ihre dauernde amtliche stellung, ihre erfahrung und ihren einfluſs aus der gleichberechtigten und auf gleiches niveau niedergedrückten masse des volkes hervorragten. die strategen waren die eigentlich einzigen wirklichen magistrate Athens. wir sehen sie einzeln selbst mit dictatorischer gewalt bekleidet, αὐτο - κϱάτοϱες, wie den rat, natürlich nur auſserhalb der stadt. wäre es einer in der stadt geworden, so war der tyrann da.

Die bürgerlichen beamtenstellen durften nicht iterirt werden; im rate durfte jeder bürger nur zweimal sitzen. da der ganze rat alljähr - lich neu erlost ward, so konnte trotz dem vorschlagsrechte der gemeinden für die ratsstellen und trotz der prüfung, die der alte rat an den erlosten vornahm und keinesweges auf die formale gesetzlichkeit der wahl be - schränkte, eine stätige politik in dieser wichtigsten körperschaft nicht getrieben werden. eine wirkliche geschäftserfahrung war im staats - dienste überhaupt nur unvollkommen zu erlangen. als geschworne lernten die bürger vielerlei von den gesetzen und der verwaltung kennen; aber doch nur gelegentlich, und direct konnte die heliaea auf die politik nicht einwirken. ein advocatenstand begann sich erst allmählich zu bilden. dagegen in der volksversammlung konnte jeder bürger, wenn110II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.er nur wollte, jahraus jahrein erscheinen, zuhören und reden, schon zehn jahre lang, ehe er beamter ratsherr und richter werden konnte. das volk wählte auch gar nicht selten direct commissionen, selbst für so wichtige dinge wie die ausarbeitung von gesetzen, die gesandten, die vertreter des fiscus vor gericht4)Aristophanes wird nicht müde über diese bevorzugungen zu schelten; daſs sie zu den gesandtschaften nicht herankommen wie Pyrilampes, Diotimos, Morychos ärgert die Acharner am meisten; auch ein ξυγγϱαφεύς, Antimachos, wird als solcher angegriffen, und die noch dazu gut bezahlten συνήγοϱοι machen den Philokleon an der herrlichkeit seines heliastentumes irre.: da kamen also leute hinein ohne die beschränkungen aller art, denen die beamten unterlagen, nicht auf präsen - tation durch die phylen oder gemeinden, sondern als vertrauensmänner des volkes, der ekklesia. die ekklesia war berechtigt, sich als der souve - rän zu fühlen, sie sollte im gegensatze zu den abteilungen des volkes das ganze, im gegensatze zu den wechselnden beamten die dauer und stetig - keit des regiments vertreten. und wirklich, es fanden sich ständige besucher, das gros der abstimmenden, und es bildeten sich berufsmäſsige parlamentarier, die ῥήτοϱες, die aus der versammlung das wort ergriffen. daſs diese leute die geschäftsordnung und die regelmäſsigen geschäfte und die künste der debatte sehr bald besser als das präsidium begriffen, daſs sie auch wirklich sehr oft über einsicht und erfahrung verfügten, die den beamten und selbst dem rate abgiengen, ist natürlich. wer sich als ratsherr oder schatzmeister etwa in die finanzen oder einen teil derselben hineingearbeitet hatte, konnte seine erfahrung später nur als redner geltend machen; aber es trat in diesen unverantwortlichen5)Von den auf die redner besonders gemünzten gesetzlichen bestimmungen, die in der demosthenischen zeit auch mehr beredet als beachtet werden, ist im fünften jahrhundert nicht einmal die rede. rednern ein nicht bloſs fremdes, sondern gefährliches element in den verfassungsmäſsigen organismus des staates ein. die redner übten kritik an den vorlagen des rates und der strategen, ohne doch selbst in den ge - schäften zu stehn, gaben ihnen den befehl es so oder so zu machen, ohne doch zu der ausführung selbst hand anzulegen. sie hatten das ohr des sou - veräns, ohne doch für das einstehn zu müssen, wozu sie ihn bestimmten. der souverän selbst aber ward tatsächlich in sehr vielen sitzungen durch die habitués der ekklesia repräsentirt, die leute, die zeit und lust hatten, auf die pnyx zu gehn. es konnte gar nicht anders sein, als daſs das die leute aus der stadt und ihrer nächsten umgebung waren, und daſs die besten vertreter des demos, die bauern, die kaufleute, die industriellen unter -111Die verfassung der blütezeit.nehmer, die handwerker nur selten die zeit daran wandten. so ward die volksversammlung statt das ganze volk zu vertreten geradezu die einseitigste vertretung und die ungerechteste. sie vertrat die stadt, die es rechtlich gar nicht gab, trotz dem ganzen lande, und die drohnen trotz den arbeitsbienen. die unerfahrene jugend konnte das höchste souveränetätsrecht eher üben, als sie selbst irgendwie die eigene ver - antwortlichkeit an einem teile zu kosten bekommen hatte. die besitz - lose bürgerliche bevölkerung, die am kriege profitirte, wenn sie auf die schiffe gieng, sonst gar keinen feind zu sehn bekam oder höchstens waffenlos zum beutemachen mitlief, konnte die vorlagen der strategen niederstimmen und gar die strategen selbst wählen und absetzen.

Wenn eine verfassung wirklich wie eine maschine functionirte, so würde es wesentlich auf ihre construction ankommen. aber da ihre träger beseelte menschen sind, so kommt es auf diese seelen viel mehr an. die demokratie die die Athener um 460 vollendeten hat ein menschen - alter vorzüglich functionirt, weil ihre träger den geist bewahrten, dem sie in ihrer verfassung ausdruck gegeben hatten. die autorität der männer, die dem volke diese freiheit und herrschaft gewonnen hatten, hielt vor, sie blieben die vertrauensmänner des souveräns, und so er - hielt sich die stetigkeit der politik. die tradition war noch so mächtig, daſs der demos sich eben so willig unter die ansehnlichen leute, die männer aus den guten familien, stellte, wie die matrosen unter die trierarchen. die groſsen verhältnisse des Reiches (die in alles factisch viel mehr bestimmend eingreifen, als diese betrachtung der dinge von dem gesichtspunkte der verfassung aus erkennen läſst) führten von selbst dazu, daſs die strategen das starke handelnde organ des staates sein durften, wirklich ein magistrat im römischen sinne. und das lebendige sonderleben der gemeinden, die sich die stadt noch nicht über den kopf wachsen lieſsen, garantirte, daſs der rat eine vertretung des ganzen volkes war und demgemäſs die ihm gebührende autorität besaſs. 6)Die modernen haben die strategenwahlen zu einseitig als entscheidend für die politik angesehen; das moderne politische leben hat sie dabei nicht ganz richtig geführt. gewiſs sind sie wichtig, und wir kennen die strategen besser als die rats - herren, aber die entscheidende politik macht doch der rat, und daſs in ihm die friedensfreunde 422 / 21 und schon die jahre vorher die majorität hatten, hat dem Nikias erst den friedensschluſs ermöglicht. andererseits ist es der rat, den Kleon bei der erhöhung der tribute hinter sich hat. die entscheidenden wahlen sind also die in den gemeinden für die praesentation zum lose für die ratsherrenstellen. daſs sich uns das einzelne notwendigerweise entzieht, mindert die bedeutung nicht. so lange die gemeindemitglieder wesentlich noch in der gemeinde wohnten, kam dabei

112II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.

Der krieg und seine folgen.Aber es kam der krieg, der die landbevölkerung zum groſsen teile beschäftigungslos in die stadt trieb. gleichzeitig hörte der abfluſs der armen bürger in die colonien auf, die pest beschleunigte den notwen - digen proceſs, daſs eine neue generation für den staat bestimmend wer - den muſste. die sorge für das Reich und den krieg lenkte zwar das interesse von kämpfen um die verfassung selbst zunächst ab; aber die schweren proben, denen sie dadurch unterworfen ward, hat sie nicht be - standen.

Wir hören noch die entrüstung der leute vom alten schlage, daſs in der volksversammlung jeder elende kerl aufstehn kann und eine rede halten, natürlich nicht im interesse der ordnung, aber im wolverstan - denen interesse des demos, dem an der ordnung nichts liegen kann, aber wol an demokratischer gesinnung. noch Perikles selbst hatte erleben müssen, daſs ein reicher industrieller aus Kydathenaion, der freilich eine claque von gemeindegenossen leicht auf die pnyx bringen konnte, als redner in der volksversammlung ihm sehr unangenehm ward. Nikias ward es schlieſslich zu arg, daſs dieser parvenu, der vom kriege keine erfahrung hatte, unter dem jubel des volkes ihm immer wieder über den feldzugs - plan vorhaltungen machte. so tat er den unbedachten ruf so sei du feldherr an meiner statt und mache es besser. Kleon aber nahm ihn beim worte und machte es besser. das wäre sehr schön gewesen, wenn es mehr als eine gelungene improvisation gewesen wäre. denn feldherr konnte der brave bürgersmann wirklich nicht sein, so tüchtig er als ratsherr gewesen war. als er es zum zweiten male versuchte, kostete es ihm das leben, Nikias bekam das übergewicht zurück, und der staat schloſs einen faulen frieden.

Kleon hatte schon als ratsherr verschwörungen gewittert, vor der tyrannis gewarnt und ein wachsames auge über die jüngsten politiker gehalten, die schüler der neuen bildung. damals lachte man ihn aus. aber bald nach seinem tode offenbarte sich, wie scharf er gesehen hatte. der staat stand wirklich in einer krisis, und die entgegengesetzten unter -6)das land zu seinem rechte. nach 431 saſsen nur zu viele auch aus Thria Kephisia und Marathon in der stadt, und nur zu leicht wird man diese leute, sowol weil sie wollten, wie weil die bauern zu hause bleiben wollten, praesentirt haben. die ge - meindeordnung ist eben denaturirt dadurch, daſs die freizügigkeit mit der quasi - gentilicischen gemeindeangehörigkeit verbunden ward. die Marathonier, die in die stadt oder den hafen verzogen waren, hatten an Marathon gar kein wirkliches inter - esse mehr, und sie werden doch überwiegend Marathon in rat, heliaea und beamten - schaft vertreten haben.113Der krieg und seine folgen. die revolution von 411.strömungen giengen gegeneinander an, während äuſserlich die verfassung und das Reich in vollster blüte standen. es war eigentlich allen un - heimlich und unwohnlich geworden in dem stolzen hause. die poeten des tages flüchteten sich nach Wolkenkukuksheim oder prophezeiten den untergang, wie er Ilios und seinen besieger ereilt hatte. das volk wagte dennoch, trotz den Hermokopiden7)Ich glaube, daſs sich ziemlich sicher zeigen läſst, was es mit dem hermen - frevel auf sich gehabt hat. es war eine action, berechnet[auf] den religiösen sinn der Athener, die abfahrt der flotte zu hemmen, und die anregung stammte von den Korinthern, die sehr verständig damit ihrer tochterstadt Syrakus helfen wollten: so berichtet Philochoros. dazu kam die feindschaft der adlichen jugend gegen den abtrünnigen Alkibiades und die nicht unberechtigte furcht vor diesem zweiten Peisi - stratos. aber auf eine verschwörung gegen die demokratie war es durchaus nicht abgesehn., die sicilische fahrt, machte aus den strategen dictatoren und gab zugleich aus furcht vor der tyrannis dem rate die dictatur: so stürzte es hals über kopf dem abgrund zu, den es doch ahnte. das unheil von Syrakus übte sofort auf die verfassung den rückschlag, daſs der rat, das wichtigste demokratische organ, beschränkt ward. zehn bejahrte erfahrene männer der wahl des volkes sollten die vorberatung und zum teil wenigstens auch die finanzverwaltung über - nehmen.8)Das folgt aus der Lysistrate des Aristophanes; wie die competenzen der probulen gegen den rat abgegrenzt waren, ist durchaus unbekannt. daſs dieser die polizei behielt, zeigen die Thesmophoriazusen. gemeint waren die probulen wol als eine ständige commission ähnlich den ξυγγϱαφῆς, und sicherlich waren sie den oligarchen als institution gar nicht recht. aber die alten herren, Hagnon und So - phokles, waren natürlich nicht radikal, sondern der πάτϱιος πολιτεία geneigt, und waren den energischen verschwörern so wenig gewachsen wie es der probulos der Lysistrate ist. an den sitz des übels, die unberechenbare und unzulängliche volksversammlung, in der zumal in den kriegszeiten die besten kräfte der bürgerschaft, die soldaten, fehlten, wagte niemand zu rühren. der rat des jahres 412 / 11 war dem entsprechend eingeschüchtert und schwach und zudem schwerlich sehr demokratisch gesonnen. der feldzug des jahres 412 und der folgende winter steigerten die entmutigung. die richtige erkenntnis, daſs Athen mit seinen mitteln nach dem abfalle von Chios Miletos Rhodos das Reich nicht mehr behaupten konnte, führte nun endlich die bisher fast verborgenen männer an das ruder, die mit einer verfassungsänderung ernst zu machen wagten.

Es war eine revolution, obwol zunächst äuſserlich alles in den formenDie revolu - tion von 411. des rechtes blieb. die oligarchischen führer mochten von vorn herein sehr weit gehende tendenzen haben: um eine majorität zu finden, be -v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 8114II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.schränkten sie sich zunächst darauf, zwei hauptprincipien durchzubringen, die offenbar in sehr weiten kreisen beifall fanden, die ausschlieſsung der theten von den politischen rechten, und die aufhebung des soldes. beides konnte mit fug und recht als eine rückkehr zur väterlichen ver - fassung bezeichnet werden. der sold war erst durch Perikles eingeführt, und man war maſsvoll genug, ihn, wenn auch in der geringen höhe von ½ dr., für den ratsausschuſs und die archonten bestehn zu lassen; er war wol sicher in beiden fällen ersatz für ältere naturalverpflegung. die beschränkung der politischen rechte auf die hopliten, d. h. die ὅπλα παϱεχόμενοι, gieng allerdings über Solon hinaus, aber die formel selbst war genau die drakontische, und da es mindestens 5000 sein sollten, und die auswahl einer starken vertretung der phylen anheimgegeben ward, so mochte der demos mit grund annehmen daſs diese neue bürger - schaft nicht für die oligarchie zu haben sein würde. übrigens sollte sie zunächst nur für die dauer des krieges bestehn.

Als sie ausgemustert war und zusammentrat, führten die oligarchen den zweiten streich und setzten eine commission für den entwurf einer verfassung durch. sie war zwar 100 leute stark, aber in dem entwurfe weht so sehr ein geist, er ist so woldurchdacht und verbindet in so eigentümlicher weise die drakontische verfassung mit den anforderungen der gegenwart, ist auch so rasch zur annahme in der commission ge - langt, daſs wir wol schlieſsen dürfen, er habe für die leiter der bewe - gung vorher festgestanden. wer ihn gemacht hat erstrebte keineswegs eine oligarchische tyrannei (δυναστεία, wie schon Platon sagt.)

Die neue bürgerschaft nahm den entwurf an; aber er konnte nicht unmittelbar in kraft treten, dazu war er viel zu radikal, die not des krieges zu dringend, und vor allem die verständigung mit dem heere in Samos nötig. also muſste man zu einem provisorium greifen. und nun wagte sich die oligarchie schon minder verhüllt an das licht, wenn sie auch noch immer geflissentlich den anschluſs an die verfas - sung der väter, die πάτϱια, zur schau trug, um die 5000 zur zustim - mung zu bewegen. es ward wirlich eine behörde mit dictatorischer gewalt geschaffen, aber dieser urkunde merkt man deutlich an, daſs sie auf einem compromiſs beruht.

Als dieser rat der 400 am ruder war, gewannen in ihm die tyranni - schen gelüste die oberhand, bis die gemäſsigte minorität selbst den ge - horsam kündigte und die gewaltherrschaft brach. sie wollten dabei we - nigstens die principien festhalten, die noch die alte weite ekklesia beschlossen hatte, und zunächst gelang es auch. aber da das sehr bald auch im115Die revolution von 411. das provisorium von 411.felde erfolgreiche heer der alten demokratie immer treu geblieben war, konnte nicht fehlen, daſs diese die oberhand gewann. trotzdem waren die anhänger der beschränkung der politischen rechte sehr zahlreich, diese gedanken waren nicht vergessen und haben mit sehr bemerkens - werter modification noch 403, zum schaden Athens wiederum vergeblich, den kampf mit dem allgemeinen stimmrecht aufgenommen.

Die provisorische verfassung (cap. 31) hat als solche ein geringesDas provi - sorium von 411. interesse, obwol sie geschichtlich allein bedeutung hat, während für den verfassungsentwurf (cap. 30) das umgekehrte gilt. träger der ge - walt ist ein rat von 400 mitgliedern; in dieser zahl und in der art seiner bestellung durch vorwahl der phylen (die jedoch nicht inne ge - halten ward) sollte der schein der rückkehr zu den formen der alten zeit liegen. die 400 wurden mit der vollsten souveränetät ausgestattet, selbst dem rechte die beamten zu ernennen dabei mochte ein redner an das alte recht des Areopages erinnern. zur beruhigung der gemüter fügte man bei, daſs der rat an den verfassungsgesetzen, die beschlossen würden, nichts ändern dürfte. darin lag, daſs die legislatur bei der bürger - schaft stünde; nur war der rat weder verpflichtet noch gewillt diese bürgerschaft zu berufen, und mit absoluter gewalt regiert man besser ohne verfassungsgesetze. nun bedurfte der rat einer militärischen exe - cutivbehörde; da ist es sehr bezeichnend, daſs die ernennung derselben ihm in der allgemeinen berechtigung, die beamten zu ernennen, noch nicht zugesprochen sein sollte. es wird vielmehr gesagt, für diesmal sollte der rat die 10 strategen aus der gesammten bürgerschaft der 5000 auswählen, und zwar so, daſs er dafür eine musterung aller in waffen veranstaltete (das ist eine controlle, daſs alle bürger wirklich ὅπλα παϱεχόμενοι sind). in zukunft aber sollte nach dem vorher beschlos - senen verfassungsentwurfe verfahren werden. in der sache ist das genau dasselbe, wie wenn die strategen mit unter die andern ämter gerechnet wären; aber es schien den 5000 eine beruhigung, direct auszusprechen, daſs das nur einmal passiren sollte. die strategen erhielten selbst dicta - torische gewalt: mit andern worten, die 400 konnten wieder aus sich die energischsten männer mit vollem imperium ausrüsten und so die oligarchie vollenden. daſs die übrigen militärischen ämter dann auch durch den rat bei derselben musterung ernannt wurden, hatte weiter nichts auf sich.9)Hier, 31, 2, ist noch ein textfehler zu beseitigen, ἑλέσϑαι δὲ καὶ ἵππαϱχον ἕνα καὶ ταξιάϱχους δέκα καὶ φυλάϱχους δέκα. die taxiarchen können nicht gefehlt haben, und es wird ein taxiarch, kein geringerer als Aristokrates, erwähnt (Thuk. 8, 92). wie wenig die 5000 aber ständisch aristokratische8*116II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.neigungen hatten, zeigt sich darin, daſs sie der not der zeit gemäſs nur einen hipparchen wählen lieſsen, obwol der verfassungsentwurf an mehreren festgehalten hatte. auch das war eine beruhigung der dem provisorium wenig geneigten stimmung, daſs die von den 400 eingesetzten beamten mit ausnahme der ratsherren und strategen nicht wieder wählbar sein sollten. der rat war auf ein jahr eingesetzt und dem folg - ten die andern ämter selbstverständlich. es war ganz unsicher, wann das definitivum eintreten würde; denn das hieng von der vereinigung mit dem heere in Samos ab, wie der schluſssatz (der erst durch die verfassung, auf die er verweist, verständlich wird) verblümt andeutet. man hoffte wol, es würde bald sein, aber man muſste doch vorsorge treffen. so mögen die braven bürger unter den 5000 gedacht haben: die oligarchen wie Antiphon und die eigennützigen streber wie Phry - nichos bewilligten ihnen gern die worte, wenn sie nur die macht zu handeln endlich erhielten.

Der verfassungsentwurf selbst (cap. 30) ist ein unschätzbares docu - ment; der ihn verfaſst hat war ein eben so von den traditionen der väter wie von der abstracten speculation der sophisten genährter geist. was er schuf, war trotz allem anschlusse an die alten vorbilder etwas ganz neues, und trotz seiner klugen berechnung auf die schäden der gegenwart ein schlechthin lebensunfähiges ding.

Der verfas - sungsent - wurf von 411.Die gesammte bürgerschaft soll durch einen einmal, gleich jetzt von den 100 καταλογῆς, die sie überhaupt erst contituirt haben, nach bestem wissen und gewissen in vier teile (λήξεις) geteilt werden.10)Der ausdruck (30, 3) ist mehrdeutig, νεῖμαι καὶ τοὺς ἄλλους πϱὸς τὴν λῆξιν ἑκάστην. die andern können sowol die mitglieder der 5000 zwischen 20 und 30 jahren sein, die noch nicht ratsfähig sind, wie auch alle Athener. da jedoch die nicht zu den 5000 gehörigen politisch schlechthin rechtlos sind, hat ihre verteilung unter die viertel gar keine bedeutung. wie es werden sollte, wenn ein Athener den census erreichte, also vom theten in die classe der berechtigten aufstieg, ist nicht vorgesehen. wir müssen immer festhalten, daſs wir nur eine skizze vor uns haben, grundzüge, die ein theoretiker aufgestellt hat. die männer über 30 jahre eines viertels bilden für ein jahr den rat, und zu dem rate gehören die wichtigen namentlich aufgeführten beamten. diese werden so erwählt, daſs zunächst aus dem ganzen viertel eine vorwahl von mehrerern candidaten, (deren zahl der entwnrf offen läſst), und aus dieser liste die definitive wahl geschieht.11)Wer die wahl vollzieht, wird nicht gesagt; da aber die gesammte bürger - schaft niemals zusammentritt, so kann man nur an einen rat denken. ob aber die niederen beamten werden117Der verfassungsentwurf von 411.aus den andern drei vierteln erlost. der rat ist für sein amtsjahr der träger der regierung in jeder richtung, insbesondere in der finanzver - waltung. die beamten, die aus ihm genommen sind, nehmen an seinen sitzungen teil, mit ausnahme der gerade amtirenden hellenotamien.12)Aus dieser beschränkung τοὺς ἑλληνοταμίας οἳ ἂν διαχειϱίζωσιν τὰ χϱή - ματα μὴ συμβουλεύειν folgt, daſs die hellenotamien in einem turnus die geschäfte führen sollen. über sie handelt der verdorbene satz vorher ἑλληνοταμίας καὶ τῶν ἄλλων ὁσίων χϱημάτων εἴκοσι οἳ διαχειϱιοῦσι. darin bezieht sich διαχειϱίζειν wegen des späteren satzes sicher auf die hellenotamien. also ist ἑλληνοταμίας καὶ τῶν ἄλλων ὁσίων χϱημάτων (in bekanntem gegensatze zu dem vorher erwähnten heiligen gelde fast gleich δημοσίων) sprachlich kräftig und gut so gesagt, daſs das in ἑλληνοταμίας empfundene ταμίας den genetiv regiert. die centralcasse für alles öffentliche geld, inclusive des Reichsgeldes, wird von einer behörde verwaltet, die den namen von den Hellenotamien bewahrt, aber kolakreten und apodekten auch ersetzt. was dann von dem satze übrig ist, οἳ διαχειϱιοῦσι, ist an sich un - genügend, weil es gar nichts sagt, und die spätere stelle lehrt, daſs eine nähere bestimmung des turnus, in dem diese groſse zahl von rendanten die casse führen sollte, ausgefallen ist. ein ratsausschuſs, den prytanen entsprechend, existirt nicht mehr. viel - mehr tritt jeden fünften tag das plenum zusammen, wenn die geschäfte nicht häufigere sitzungen fordern. in permanenz ist der rat also nicht, wie er es durch die prytanen gewesen war. folglich muſs eine behörde da sein, die ihn berufen kann und bis zu seiner constituirung den vorsitz führt. das kann nur eine der ständig auf dem markte vorhandenen sein: so erhalten die archonten den auftrag, wie es am passendsten war und noch dazu recht archaisch aussah.13)Wer sich die verfassung einmal wirklich überlegt hat, kann an der ände - rung πληϱοῦν τὴν βουλὴν τοὺς ϑ΄ ἄϱχοντας für κληϱοῦν (§ 4) gar nicht zweifeln. zu meiner freude hat sie auch Weil gefunden. der schriftfehler, der auch sonst häufig ist, kehrt in unserer handschrift selbst öfters wieder, vgl. unsere anmerkung zu 43, 1. für den vorsitz in der sitzung selbst werden fünf ratsherrn ausgelost, den prytanen oder den späteren proedren entsprechend, und aus ihnen wieder einer, der abstimmen läſst, dem epistaten entsprechend. eine tagesordnung kann nun nicht vor - bereitet sein. also müssen die fünf vorsitzenden des tages die einge - gangenen oder jetzt angemeldeten sachen ordnen, die im anschluſs an die tagesordnung der alten ekklesia in der reihenfolge 1) heiliges, 2) herolde, 3) gesandte, 4) alles andere, zur verhandlung kommen sollen, so daſs innerhalb einer der vier abteilungen die reihenfolge durch das11)derselbe, dem die gewählten angehörten, oder sein vorgänger, oder der eine für die πϱόκϱισις, der zweite für die definitive wahl, ist nicht bezeichnet.118II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.los bestimmt wird.14)Damit sind die sämmtlichen privilegien, εἶναι δὲ αὐτῷ πϱόσοδον πϱὸς τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον dann und dann, beseitigt, und ebenso kann weder eine verschleppung noch eine bevorzugung durch die willkür der prytanen herbeigeführt werden. dieser oligarch wollte also die beschwerden beseitigen, die sein gesinnungs - genosse in der Πολιτεία Ἀϑηναίων so beweglich erhebt. nur was den krieg angeht, hat ohne los den vor - tritt, und die strategen (die dem rate ja angehören) bringen es selbst zur vorlage.15)Das hatte in der praxis der demokratie zwar seine analogie, aber es ist doch ein groſser fortschritt, daſs die strategen regelmäſsig unmittelbar mit dem souverän verhandeln. für besonders wichtige sitzungen kann beschlossen wer - den, daſs jeder ratsherr einen an sich ratsfähigen bürger aus einem an - dern viertel des volkes mitbringen darf. in diesen fällen ist also möglich, daſs im maximum die hälfte der gesammten bürger über 30 jahre zu - sammen ist. die ratsherrn erhalten nicht nur keinen sold16)Die noch eben beschlossene besoldung der prytanen ist mit diesen selbst fortgefallen. der sold der archonten wird geblieben sein; das war ein πάτϱιον., sondern es steht eine drachme strafe auf der unentschuldigten versäumnis einer sitzung. 17)Da der rat, der doch über das urlaubsgesuch entscheiden muſste, nicht permanent war, konnte der ratsherr der verhindert ward nicht anders als wegbleiben und die gefahr laufen, daſs sein gesuch, das er gleichzeitig einreichte, verworfen ward, so daſs er zahlen muſste. wer für μη εὑϱισκόμενος ἄφεσιν ἀπῇ unbedacht εὑϱόμενος schreibt, zwingt die leute fünf tage vorher um urlaub zu bitten, und ge - rade in den dringendsten fällen plötzlicher verhinderung zu zahlen.

Der verfasser dieses entwurfs hatte die fehler der geltenden ver - fassung klar erkannt. das zweikammersystem, so zu sagen, das durch rat und volk selbst in den psephismen sich ausspricht, wollte er beseiti - gen. den berufsparlamentariern, den rhetoren, sollte ihr handwerk ge - legt werden. dazu muſste die ekklesia überhaupt verschwinden. aber der rat wie er gewesen war, ein regiment bloſs durch eine vertretung, schien doch als alleiniger träger der souveränetät nicht autoritativ genug. und wenn diese repräsentation gewählt oder auf vorschlag erlost ward, so kamen gerade die besten elemente, die ἀπϱάγμονες, nicht zur gel - tung. also war ein mittelweg zu suchen, und den zeigte Drakon, der turnus. die souveränetät übt jedesmal ein viertel des volkes durch seine reifen männer. jedes vierte jahr nur kam der bürger zur ausübung seiner rechte, aber dann kam er sicher dazu, ja dann ward er durch geld - strafen gezwungen, sie auszuüben; auch das hatte Drakon bereits verordnet. so muſsten alle bürger genau die gleiche geschäftskenntnis erhalten.

Ein zweiter übelstand war die trennung der magistrate von dem119Der verfassungsentwurf von 411.rate, die in der tat die attische verwaltung sehr übel von der römischen unterscheidet. dadurch, daſs diese selbst aus dem viertel der bürger - schaft gewählt werden und mit im rate sitzen sollten, war nicht nur dies, sondern zugleich die continuirung selbst der militärischen ämter, also die gefahr einer perikleischen demagogie vermieden. es mag sein, daſs in anderen staaten die ἀϱχαί oder συναϱχίαι an den sitzungen des rates teilnahmen: jedenfalls verdient der verfasser hohes lob, daſs er diesesmal eine sehr wenig attische neuerung ins auge gefaſst hat.

Die finanzen lagen ihm offenbar sehr am herzen, und er er - strebte eine sehr nötige vereinfachung. die beiden schätze, die im opisthodomos der Athena verwaltet wurden, waren schon so stark zu - sammengeschmolzen, daſs selbst die 10 schatzmeister, die er, vorahnend der späteren zeit, für sie schuf, nicht mehr viel zu tun gehabt haben würden; es war gewiſs überhaupt praktisch, das dem staate unterstellte kirchengut centralisirt zu verwalten: hat es doch auch die lykurgische zeit wieder so gemacht. ganz ebenso sollten die reichscasse und die staatscassen in eine verschmolzen werden, und auf deren verwalter die gesammten cassengeschäfte übergehn. dazu bedurfte man vielleicht nicht einmal sehr vieler beamten; aber hier erschien es praktisch, den rat ohne zuziehung der rendanten verhandeln zu lassen, deren anwesenheit zu leicht gerade ihre beaufsichtigung hindern konnte. so ward der ausweg ersonnen, daſs die hellenotamien zwar ratsherrn sein sollten, aber nicht alle das ganze jahr die geschäfte führen, so weit sie das aber täten, den sitzungen des rates fern bleiben sollten. dem entsprechend ward ihre gesammtzahl auf 20 angesetzt.

Die beamten werden in zwei classen gesondert, je nach dem sie dem rate angehören sollen oder nicht. ist die sonderung selbst schon interessant, so wird sie es dadurch doppelt, daſs eine aufzählung der ersten classe gegeben wird, so daſs wir sehen können, welche beamte in so hoher schätzung standen. das sind an erster stelle die strategen, deren wiederwal zu beseitigen die hauptsache war, erst an zweiter die archonten: das ist für das fünfte jahrhundert äuſserst charakteristisch. ihnen folgt der hieromnemon, dessen bedeutung wir hiernach wesentlich höher veranschlagen müssen, als die geschichte und Aristoteles erkennen lassen, und die übrigen militärischen chargen, unter denen die comman - danten der festen plätze erscheinen18)Diese muſsten freilich einen dauernden dispens von den sitzungen erhalten. überhaupt ist nicht geordnet, in wie weit die beamten verpflichtet waren, jeden fünften tag ihre geschäfte zu versäumen., eine rücksicht auf die verhältnisse des120II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.dekeleischen krieges. sodann die dreiſsig finanzbeamten, 10 ἱεϱοποιοί, 10 ἐπιμεληταί; beides müssen cultbeamte sein. da aber keine nähere be - stimmung dabei steht, so kann man weder unter den ἱεϱοποιοί bloſs die jährigen (oben I 228) noch unter den ἐπιμεληταί etwa nur die der Diony - sien verstehn, sondern es sollte ein collegium alle ἱεϱά, ein anderes die ἐπιμέλεια für alle feste, die der staat besorgte, übernehmen. es war auch dies eine maſsregel, die die verwaltung vereinfachen und verbilligen sollte. die gesammten polizeibeamten, agoranomen, astynomen, elf, hafenmeister u. dgl. gehören zu den niederen. poleten sollte es vielleicht gar nicht mehr geben, obwol sie solonisch waren. denn in diesen anordnungen waltet nichts von reaction, sondern ein energischer praktischer sinn. aber gänzlich fehlen die richterlichen behörden, εἰσαγωγῆς, ναυτοδίκαι, τϱιάκοντα. die gerichte kommen überhaupt nicht vor. es war viel - leicht nur klugheit, wenn der sicherlich der heliaea abgeneigte oligarch über sie schwieg; für uns ist der mangel sehr bedauerlich, zumal wir so nicht erraten können, wie er sich zu der ἔφεσις εἰς δικαστήϱιον und dem τιμωϱεῖν τὸν βουλόμενον τῷ ἀδικουμένῳ stellte. bezeich - nend für den geist der zeit ist es immerhin, daſs man eine verfassung Athens entwerfen und annehmen konnte, die von dem ideale des Philo - kleon gar nichts enthält. es hat sie ein ἀφηλιαστής gemacht, mit dem Peithetairos und Euelpides sympathisiren konnten.

Die schluſs - clausel 31, 3.Überhaupt trägt der entwurf den charakter einer skizze darin zur schau, daſs manche punkte gar nicht behandelt sind (kommt doch auch die flotte nicht vor), anderes wie die geschäftsordnung des rates ausführlich. der rat muſste eben zunächst in kraft treten und war dann in der lage alles übrige zu ordnen. aber damit er es könnte, muſsten die bürger in Samos ihren widerstand aufgeben. die 5000, oder die sie vertretende summe der ὅπλα παϱεχόμενοι zu hause, waren doch nur ein teil der wirklich berechtigten, zu denen mindestens alle hopliten, schiffssoldaten, officiere, trierarchen drauſsen gehörten. es kam den braven 5000 ge - wiſs schwer an, die strategenwahl für das nächste jahr auf die in Athen anwesenden zu beschränken, also Thrasyllos, Leon, Thrasybulos und überhaupt die tüchtigsten officiere auszuschlieſsen. die maſsregel war wirklich mehr als ein vorspiel des bürgerkrieges. so wird uns die oben berührte beschränkung verständlich, obwol sie sehr wenig praktischen wert besaſs. für die zukunft soll der rat die wahl nach den aufgezeich - neten vorschriften vornehmen (31, 3), d. h. nach der verfassung aus allen bürgern des viertels. die 5000 fügten sich nur widerstrebend der allerdings unabweisbaren notwendigkeit des momentes: daher der ab -121Die schluſsclausel 31, 3. die kritik des verfassungsentwurfes.sichtlich auf schrauben gestellte schluſspassus (31, 3) für die zukunft; damit die 400 (der provisorische rat) unter die vier viertel verteilt wer - den, sobald die städter mit den anderen den rat bilden können, sollen sie die hundert καταλογῆς verteilen. der sehnliche wunsch der bürger - schaft (der 5000) ist, daſs die verfassung in kraft trete, also ihr rat, ein viertel der bürgerschaft, an die stelle des provisorischen rates der 400. dazu ist die eigentliche vorbedingung der anschluſs der bürger im heere drauſsen, der anschluſs der andern an die städter (οἱ ἐν ἄστει muſste jeder diese partei nennen und nennt sie Thukydides), damit beide par - teien im rate sitzen können.19)Wenn man uns zugetraut hätte, wir wüſsten, was βουλεύειν bedeutet, würde man unsere ausnahmsweise von einem worte der erklärung begleitete text - gestaltung, d. h. die überlieferung, verstanden haben, und dann auch die vorher - gehende verfassung. auf diese vorbedingung hat die hier be - schlieſsende bürgerschaft keinen einfluſs; sie wagt auch nicht geradezu zu verordnen das provisorium hört auf, sobald die mitbürger in Samos zugetreten sind. darum bestimmt sie etwas äuſserliches, das eine di - rective in jener richtung gibt. die 400 sollen immer schon auf die vier viertel (die im prinzipe eingeführt, tatsächlich noch gar nicht existiren) verteilt werden, damit sie später in dieselben eintreten können, wenn die versöhnung das definitivum ermöglicht. darin liegt so schüchtern, wie eine terrorisirte versammlung redet, ausgesprochen, daſs keine zeit später verloren gehn soll, und zugleich wird einem viertel des jetzigen rates die sicherheit gewährt, sofort weiter zu fungiren. darin mochte mancher ein mittel sehen, den übergang den jetzigen ratsherren an - nehmbar zu machen.

Dieser letzte paragraph der provisorischen verordnung konnte erstKritik des verfas - sungsent - wurfes. hier erläutert werden, weil er das verständnis der verfassung voraus - setzt. er zeigt auch am deutlichsten, daſs sie ein totgeborenes kind war. trotzdem ist ein werturteil über sie nur möglich, wenn wir sie uns in tätigkeit vorstellen. ihr verfasser hatte mit klarer logik statt des complicirten mechanismus der vielen behörden Athens ein einziges organ für die regierung geschaffen, das rat und volk zugleich vorstellte, und mit dem die beamten in einen festen zusammenhang gebracht waren. alles hieng davon ab, wie dieses organ functionirte. dafür ist das wich - tigste, wie stark dieser rat werden muſste, und das muſs der gesetzgeber sich überlegt haben. die bürgerschaft im ganzen hat er auf mindestens 5000 geschätzt, sehr obenhin, denn wir hören nicht, daſs zwischen den 5000 in der stadt und der notwendig sehr viel höheren zahl, die durch122II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.den anschluſs des heeres sich ergeben muſste, unterschieden wird, und es kann sich Polystratos von Deirades, einer der καταλογῆς, darauf be - rufen, daſs er eine liste von 9000 bürgern aufgestellt hätte. je zahl - reicher die bürgerschaft wird, um so unbehilflicher wird der rat, der ein viertel von ihr ist, nach abrechnung der jahrgänge 20 30. für die intention des oligarchisch gesonnenen gesetzgebers muſs sein ansatz zu grunde gelegt werden, also 5000, von denen ein fünftel für die zehn jahrgänge der jugend in abrechnung kommt. der rat würde also 1000 köpfe stark gewesen sein; oberbeamte, die aus dem rate genommen sind, gibt es etwa 100. das zahlenverhältnis wird dem abstrakt denkenden theoretiker wol vorgeschwebt haben. es ist nicht ungerecht, wenn trotz diesem niedrigsten ansatze die kritik einem so starken rate die fähigkeit abspricht, sachlich und ruhig die geschäfte zu führen. das collegialische regiment ist an sich gar nicht verwerflich, und eine so wenig geschäftserfahrene beamtenschaft wie die attische würde durch die beratung mit einem senate ganz wie die römische erst recht leistungs - fähig geworden sein. aber dann muſs die beratung wirklich zu einem ruhigen austausche und einer ausgleichung der meinungen führen können. das ist unter 1000 leuten unmöglich. hier trat noch das erschwerende hinzu, daſs der regelmäſsige besuch der sitzungen durch alle mitglieder erzwungen werden sollte, wovon man für den römischen senat weise genug abgesehen hatte. dem gesetzgeber, wie oligarchisch er auch ge - sonnen war, lag doch das hellenische prinzip allzusehr im blute, daſs der δῆμος, das plenum der politisch berechtigten, selbst regieren müſste. das repraesentativsystem, wie es Kleisthenes doch eingeführt hatte, wie es in den 6000 richtern und dem rate der demokratie ausgebildet war, hätte sich sehr wol zur grundlage einer auf die wirklich für die poli - tische arbeit fähigen bürger berechneten verfassung machen lassen: die einzelgemeinde hätte ein wirklich schöpferischer staatsmann zur grund - lage der selbstverwaltung nehmen müssen. aber da steht der gesetz - geber wieder nicht nur im banne seiner demokratischen gegenwart, sondern noch mehr in dem der politischen theorie: haben doch weder Platon noch Aristoteles von der centralisirung des staatslebens abzusehen vermocht. dieser oligarch vollends abstrahirt von den phylen und demen ganz und gar, ohne sie doch zu beseitigen. er hat die vier alten phylen im kopfe: aber der geschlechterstaat existirt doch gar nicht mehr für ihn. ihn hat Drakon mit der einführung eines turnus in der ausübung der souveränetätsrechte und mit dem prinzip, daſs jeder bürger ver - pflichtet sein solle an dem regimente mitzutun und nötigenfalls dazu123Die kritik des verfassungsentwurfes.gezwungen werden müsse, völlig befangen; Aristoteles ist solchen schönen aber nach zwei jahrtausenden noch eben so wenig realisirten ideen auch sehr zugänglich. so schafft dieser theoretiker seine viertel und seinen rat; aber den Areopag, die stabile und nicht zu zahlreiche und geschäfts - erfahrene behörde, die bei Drakon wirklich regierte, hat er doch ganz vergessen. er richtet einen staat ein, der in dem ländchen Attika viel - leicht existiren konnte, aber mit dem Reiche schlechthin unvereinbar war. da mag man sagen, er mochte das Reich für verloren ansehen und den verlust für einen segen. so täuschte er sich doch über die gesellschaft, die in Athen regieren sollte. grundbesitzer oder capitalisten, die um den erwerb nicht zu sorgen brauchten, mochten jedes vierte jahr so ziemlich ganz dem politischen leben opfern können: die Athener, die als kauf - leute den sommer abwesend waren oder eine fabrik leiteten oder selbst ihr landgut bewirtschafteten, hatten unmöglich dazu die zeit. zwanzig bis dreiſsigmal im jahre konnte wol der bauer aus Kephale oder Tri - korythos zur stadt gehn und hören, was im staate vorkam, und stimmen: ein ratsherr der neuen verfassung hatte ziemlich so viel zu tun wie ein ratsherr der alten; dazu waren diese μέσοι πολῖται, der kern des volkes, auſser stande.

So müssen wir dem verfassungsentwurfe nachsagen, daſs er so wenig zu leben verdiente, wie er ins leben zu treten vermocht hat. er ist die arbeit eines theoretikers und trägt davon die spuren in der eigen - tümlichen mischung von reaction und radicalismus, die ziemlich allen verfassungen gemeinsam ist, die nur auf papier existirt haben, nicht zum wenigsten, wenn sie von männern herrühren, die geschichtliche kenntnisse und abstracte speculation mit einem scharfen kritischen blicke für die schäden des politischen lebens verbinden, an dem sie selbst praktisch nicht teil nehmen. als kritik der perikleischen demokratie ist das schrift - stück sehr wertvoll. es könnte sich vielleicht auch noch heute mancher für den gedanken erwärmen, die berufsparlamentarier auszurotten und die beschluſsfähigkeit der versammlungen durch strafen für die ver - säumnis statt durch diaeten herbeizuführen. wertvoller vielleicht noch als in dem, was er an ihr tadelt, wird die übereinstimmung dieses oli - garchen mit der demokratie, denn auch er hat den adel, die solonischen classen und den Areopagitenrat zu den toten geworfen. für die zeit - geschichte ist das document wesentlich deshalb von wert, weil wir im gegensatze zu Aristoteles die unmöglichkeit daraus abnehmen, Athen oligarchisch zu reformiren, im gegensatze zu der gemeinen tradition des altertumes aber anerkennen müssen, daſs die oligarchen, die nur so124II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.weit giengen, auf den namen guter patrioten anspruch haben ebenso gut wie ihre demokratischen gegner. ein weiterer wert liegt darin, daſs wir einerseits den anschluſs dieser leute an die solonische oder vorsolonische verfassung deutlich wahrnehmen, also auch über jene mancherlei erschlieſsen, was die demokratische tradition der chronik nicht bewahrt hat. andererseits aber entfernt sich diese verfassung so weit von der wirklich alten, daſs sie, so entrüstet ihre urheber auch über diese kritik sein würden, der demokratie in wahrheit immer noch näher steht. sie schlieſst sich an die verfassung Drakons an, aber nur so weit, daſs sie für uns deren echtheit beweist, die wir bezweifeln würden, wenn der anschluſs enger wäre. die verfassung der väter, das war der schlachtruf der oligarchen viel mehr um das brave volk zu ge - winnen, als weil sie reactionär waren. die verfassung der väter war auch für die demokraten der schlachtruf und ist es geblieben. diese fragten nach der wirklichen verfassung Solons noch viel weniger, aber sie rechtfertigten doch auch ihre ansprüche durch diesen titel, über - trumpften wol noch gar die gegner, weil ihre demokratie schon the - seisch wäre. in wahrheit lag in dem rufe nach der πάτϱιος πολιτεία 412 403, den alle erhoben und bei dem sie sich so verschiedenes dachten, das gemeinsame gefühl, daſs die gegenwart nur zu traurig ver - schieden sei von der groſsen zeit der väter.

Ein richtig empfundener gegensatz zwischen der solonischen und perikleischen verfassung liegt nur in dem was das volk als prinzip an - genommen hatte, ehe die oligarchie eingeführt ward. das konnte niemand bestreiten, daſs die besoldungen des rates und der richter eine neuerung waren, von der die väter nichts gewuſst hatten, und daſs die politischen rechte der besitzlosen bürgerschaft zur zeit der väter nicht bestanden hatten. Solon hatte den theten zwar die volksversammlung geöffnet; die hatte aber eine viel geringere bedeutung gehabt. er hatte sie auch von den gerichten nicht ausgeschlossen; aber einmal hatten diese un - gleich weniger bedeutet, und zum andern schloſs sich jeder von selbst aus, der seine tage dazu bedurfte, brot für sich und die seinen zu schaffen. wenn der sold fortfiel, fiel die herrschaft, die das städtische proletariat zu üben begann. es erschien aber mit fug und recht, gerade wenn der census sonst nichts mehr bedeutete, die beschränkung des bürgerrechtes, die in den forderungen für den hoplitendienst lag, vollends zur zeit des krieges durchaus billig. darum versuchte man 411 nach dem sturze der 400 diese beschlüsse zu halten. diese beschränkungen sind es um derentwillen Thukydides und im anschluſse an ihn Aristoteles die125Die kritik des verfassungsentwurfes.ephemere verfassung von 411 / 10 so hoch schätzen. mit fug und recht konnte sie als verfassung der väter in einen gegensatz zu der demokratie des Kleophon gestellt werden, die denn auch bis zur soldzahlung an das ganze proletariat, die diobelie, fortzuschreiten consequent und radikal genug war.20)Vgl. das capitel Διωβελία. als die stadt sich schlieſslich den Peloponnesiern ergeben muſste, war es wieder die πάτϱιος πολιτεία, für deren erhaltung sich die patrioten oligarchischer färbung wie Theramenes und Phormisios mit demokraten wie Archinos und Agyrrhios zusammenfanden. diesmal waren es die oligarchischen clubbisten, die mit Lysandros (wol schon damals im gegensatze zu der spartanischen regierung) in einverständnis waren, denen ein gewaltstreich gelang. so kam über Athen das elend eines dictatorischen collegiums von 30 männern, die eigentlich eine verfassung ausarbeiten sollten und einen nur zu willfährigen rat unter sich hatten. als sie aber mit hilfe der spartanischen regierung von diesem joche be - freit waren, wiederholte sich der kampf zwischen der πάτϱιος πολιτεία, der demokratie der besitzenden, für die Phormisios eintrat, und der radikalen demokratie, die natürlich auch anspruch machte, die verfassung der väter zu sein.21)Vgl. das capitel τιμήματα παϱεχόμενοι. und wiederum war diese letztere siegreich, bewies auch bald, wie sie die traditionen der väter als die traditionen Kleophons verstand, indem sie durch diaeten das proletariat in die volksversamm - lung lockte. aber trotz der kritik, die nicht nur der dichter in den Ekklesiazusen lieferte, sondern die alle einsichtigen und vaterlandslieben - den männer, wenn sie nicht durch den demos herrschen wollten, aus - zusprechen nicht müde wurden, hat diese ἐσχάτη δημοκϱατία, die sich den vater Solon nur anlog, fortbestanden und ist, wie nicht fehlen konnte, der πάτϱιος πολιτεία immer unähnlicher geworden, bis Aristoteles ihre kritik schrieb und Antipatros auf die pläne des Theramenes und Phor - misios zurückgriff, auch er vergeblich. so hat schlieſslich Kleophon den sieg davongetragen: wer von der athenischen verfassung redet, denkt wirklich dabei zunächst nur an die ἐσχάτη δημοκϱατία.

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5. DIE KÖNIGE VON ATHEN.

Die mythi - schen - nige.Über die mythischen könige Athens bedarf es nur weniger worte. auf ihre einordnung in eine liste kommt geschichtlich gar nichts an; die füllfiguren der chronographen sind überhaupt nicht der rede wert. Ogygos ist ein spätling aller orten, eponym der ogygischen, d. h. okea - nischen flut, erwachsen aus dem adjectiv ὠγύγιος. Amphiktion ist auch nicht von attischem ursprunge, setzt die zugehörigkeit Athens zu der delphischen Amphiktionie voraus und entstammt der abstraction, wenn auch nicht sehr junger. 1)Nach 445 hat die Amphiktionie die für die schaffung einer solchen figur nötige bedeutung nicht mehr, aber zu Solons oder Kleisthenes zeiten lag der an - schluſs Athens an Delphi vor. Amphiktion ist mit der einführung des Dionysoscultes verbunden, so erzählt Philochoros (Athen. 38c = 179e), und Pausanias erwähnt im Kerameikos eine terracottagruppe, die Amphiktions ϑεοξένια darstellte. eine le - gende, gegen die Philochoros stillschweigend polemisirt, setzt in der tat für die einführung des Dionysoscultes die intervention von Delphi in bewegung (schol. Ar. Ach. 242), und sie ist nicht schlecht, da sie Eleutherai als landfremd faſst. der cult des Eleuthereus geht die groſsen Dionysien an, eine stiftung des Peisistratos: daſs diese ihren reflex in der königszeit fand und einen könig Amphiktion schuf, ist sehr glaublich.Kranaos ist aus dem adjectivum κϱαναός er - wachsen, das in nachepischer zeit glossematisch war. Aristophanes nennt Athen selbst nicht nur κϱαναὰ πόλις (Ach. 75), sondern geradezu Κϱα - νααί (Vög. 123). aber schon Aischylos sagt für Ἀϑηναῖοι παῖδες Κϱα - ναοῦ (Eum. 1011), Herodotos Κϱαναοί (8, 44). der so entstandene Kranaos hatte ein grab in Lamptra (Paus. 1, 31, 3), und ein eponym, der sonst keine gentilicische verbindung hatte, erhielt ihn zum vater, Κϱαναοῦ παῖς ᾽Ρᾶϱος bei Hesych. Aktaios oder Aktaion ist seinerseits erst von der ἀκτή abgeleitet, und da die Athener mit ἀκτή nicht ihr ganzes land, sondern die jetzt sog. Peiraieushalbinsel benennen, Attika überhaupt als das vorgebirge (das ist ἀκτή) nur von dem127Die mythischen könige.standpunkte, sei es des seefahrers drauſsen, sei es des hinterliegen - den continentes bezeichnet werden kann, so ist der ursprung dieses namens auſserhalb Athens zu suchen, wie denn auch Aktaios - Aktaion in Attika keine locale oder gentilicische verbindung hat.2)Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes (Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt auch die eigentliche ἀκτή. dagegen ist Aktaion sohn des Aristaios in der kadmeischen genealogie, Aristaios ist der vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: daſs sein sohn der mann der Akte ist, ein vorwitziger mensch, der die Artemis oder die Semele freien will und zu grunde geht, ist vom standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich. 3)Der Bakchiade Aktaion, den die liebhaber zerreiſsen wie die hunde den sohn des Aristaios, illustrirt den übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b. Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein wild - schwein erschlägt.

Es bleiben also nur die vier den dichtern des fünften jahrhunderts geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht kommt, von den Πάνδια abgeleitet ist und die sammlung aller Athener, die einen Ζεὺς ἑϱκεῖος haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet. wie dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt.4)Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolation der Ilias seinen namen gegeben, M 372, Homer. Unters. 245. mit einer Homerkritik, die das nicht begreift, kann ich nicht disputiren. die beurteilung des Aigeus ist von uns modernen einseitig und falsch lediglich darauf ge - baut worden, daſs er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und daſs in seinem namen wie in dem von Αἰγαί die wogen stecken können. aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn überhaupt ein sterblicher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht, und Tyndareos oder Amphitryon sind wahrlich keine hypostasen des Zeus. Αἰγεύς ist der ahnherr des geschlechtes der Αἰγεῖδαι, und dieses existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger zu diesem geschlechte ist Theseus Αἰγεΐδης, wie Herakles Ἀλκεΐδης ist, und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist.5)A 265, denn die athetese des verses im Heraklesschilde 184 ist E. Meyer (Herm. 27, 374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin, wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? daſs Theseus Aegide ist, discreditirt den vers vollends nur unter der voraussetzung, daſs die sterblichen väter jünger als die himmlischen wären. der vers ist das älteste zeugnis für Theseus, und hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert. als dieser128II. 5. Die könige von Athen.nach Athen kam, zog er den ahn nach sich, den man als vater faſste. von einem geschlechte von Aegiden ist gleichwol keine spur. Aigeus als sohn Pandions ist erst die späteste anknüpfung; als man ihm sein haus in der unterstadt anwies, kann er nicht der sohn des königs auf der burg gewesen sein. in der tat kennen wir noch die genealogie, die ihn zum sohne des Aigikores macht, also zum enkel des Ion, und eine andere, 475 in der Theseuslegende anerkannte6)Die abstammung von Aigikores, erhalten in einem scholion zu Demosthenes 24, 18 hat Maaſs (Gött. Anz. 1889, 806) hervorgezogen. das ist dankenswert; ebenso seine sonderung der traditionen über den zweikampf des Melanthos mit Xanthos und die intervention des Dionysos. aber alle seine folgerungen halte ich für phan - tasmen. die abstammung von Skyrios (Apollodor bibl. III 15, 5) ist durch Aristo - teles fgm. 4 gesichert. eine dritte, die die scholien zu Lykoph. 1324 geben, indem sie dessen rätselwort Φημίου παῖς = Theseus erklären, nennt den vater des Aigeus Phemios, was Lykophron nicht notwendig gemeint haben muſs. sie verstehe ich nicht. auch die Atthis (Plut. Thes. 13) betrachtet Aigeus nur als adoptivsohn des Pandion. Androtion hat ihn an die Aigeiden von Theben angeschlossen, da er ihn einen Sparten nannte (Tzetzes zu Lyk. 495, aus den vollständigeren scholien): die leute, die an deren existenz zweifeln, sind so mit einem weiteren zeugnisse geschlagen. damit gab er eine ältere tradition wieder, denn sein eigener rationalismus sah in den Sparten keine erdgebornen, sondern die zusammengelaufene gefolgschaft des Kadmos., die seinen vater Skyrios nennt. wie bei jener deutlich ein namensanklang gewirkt hat, so dürfte der erfinder von dieser an die berühmten αἶγες Σκύϱιαι ge - dacht haben. wertlos ist das alles, und an Aigeus in Athen nur wichtig, daſs er fremd ist und fremdes mitzubringen allein geeignet, wie den cult der Urania.

Κέκϱοψ ist der name eines volksstammes; daher gibt nur Κεκϱο - πία einen landesnamen, wie Πελοπία von Πέλοψ, der genau ebenso zu beurteilen ist. die Κϱωπίδαι im nordwestwinkel der ebene gehören offenbar zu den Κέκϱοπες. so ist uns der stammesnamen der ältesten eingebornen bevölkerung erhalten. der attische urmensch ist als γηγενής ganz oder halb schlange und hat keine irdische descendenz auſser den Κεκϱοπίδαι im allgemeinen.

Ἐϱεχϑεύς Ἐϱιχϑόνιος sind wir längst gewohnt zu identificiren, die form Ἐϱιχϑεύς auf der parischen chronik schlägt die brücke. man kann den kürzeren namen als hypokoristikon des längeren fassen, und die Ἐϱιχϑῴ der Würzburger Phineusschale ist schwerlich etwas anderes als Ἐϱιχϑονίη, die Χϑονίη von Mykonos und Syros. dann wäre auch Ἐϱεχ - ϑεύς nur der γηγενής; so ist Ἐϱιχϑόνιος überall gefaſst, in Athen Sikyon Ilios. aber auf der burg verehrt das geschlecht der Butaden vielmehr129Die mythischen könige. Kodros.den Ποσειδὼν Ἐϱεχϑεύς, und für diesen paſst ἐϱιχϑόνιος kaum. hin - zutritt ἐϱυσίχϑων, das man in späterem griechisch mit σωσίπολις wieder - geben kann. in anderen und zwar triopischen sagen ist Erysichthon in der tat dem Poseidon verwandt; aber in Attika ist er nur dürftig an Kekrops angeschlossen, eigentlich in Prasiai zu hause und mit Delos verbunden. auf der burg dagegen lebt Erechtheus als schlange bei Athena fort, ist also der heros, der geist des alten königsgeschlechtes, das in jenem hause mit Athena wohnte. so durchdringen sich die eigentlich nicht ver - einbaren vorstellungen des Ποσειδὼν ἐϱυσίχϑων und des ἥϱως ̕ϱι - χϑόνιος, und sie lassen sich ohne gewalt nicht mehr scheiden. eine descendenz hat auch Erechtheus nicht; Ἐϱεχϑεῖδαι sind nur die Athener. aber es gibt doch ein geschlecht, das seinen cult pflegt und auf Po - seidon zurückgeht, die Butaden, und dieses geschlecht, das den cult des Poseidon mit dem Athenas vereinigt, erscheint dadurch mit den alten königen Athens am nächsten verbunden.

Die Athener kennen keine könige aus dem geschlechte der Butaden. sie kennen nur die urmenschen, die zugleich den anfang der welt und Athens bedeuten, und pflegen dann den fremden Theseus einzuschieben, der noch ein par söhne erhält, die an sich, aber nicht als Theseussöhne bedeutung haben, denn Demophon stammt aus Eleusis, Thymoites ist der eponymos des dorfes der Thymaitaden, vom thymian, Apheidas (der milde, der nicht knausert) ist der ahn eines fortlebenden geschlechts; Oxyntes ist bisher nicht nachgewiesen. über Akamas mag ich noch nicht aussprechen was ich vermute; der name ist im epos nicht selten. in allen diesen stecken keine alten fürsten Athens. dagegen Menestheus sammt seinem vater, die den homerischen dichtern Athen vertraten und möglicherweise menschen und könige gewesen sein könnten, waren zu hause vergessen und wurden erst durch Homer wieder bekannt.

Nun tritt Kodros ein, der sohn des Melanthos des sohnes des Andro -Kodros. pompos des Neliden, und er wird der ahnherr des königlichen geschlechtes. Melanthos als eponymos von Melainai scheidet aus; er sammt seiner hübschen sage setzt die erwerbung des Δϱυμός oberhalb der eleusini - schen ebene voraus.7)Herm. 21, 112. 22, 244. wenn das local nicht bei Oinoe, sondern bei Pa - nakton ist, kann die legende älter als 504 sein. von den andern namen ist Ἀνδϱόπομπος der die männer auf die fahrt bringt, am durchsichtigsten: diesen groſsvater hat Kodros als der vater der ionischen auswanderer. 8)Daſs Pausanias IX 5, 16 den vater statt des sohnes als den helden der Apaturienlegende nennt, ist nur eine seiner gewöhnlichen flüchtigkeiten.Κοδϱίδαι warenv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 9130II. 5. Die könige von Athen.die könige in den ionischen städten, und so nennt Aristoteles die atti - schen auch. jene hieſsen daneben Βασιλίδαι, und in Athen hat Ko - dros ein kleines stück geweihten landes, das ein annex eines groſsen gartens ist, der dem Neileus und der Basile gehört (CIA IV p. 67). Neleus aber ist der ahn sowol der ionischen wie der attischen Kodriden. es bedeutet also Βασιλίδαι und Κοδϱίδαι dasselbe; Βασίλη ist der gött - liche exponent für die βασίλεια, die ihre enkel auf erden üben, Νηλεύς ist der heroische ahn, Nestors vater, eine wirkliche sagengestalt. das führt darauf, in Κόδϱος9)Κόδϱος ist nicht anders gebildet als ἕδϱα ὕδϱος ἴδϱις. neben κόδϱος steht κόδμος κόσμος κεκαδμένος κάδμος καδμίλος, andererseits κύδος neben κῦδος in Κυδαϑήναιον Κύδϱηλος, sohn des Kodros, gründer von Myes in Ionien, auch sonst in Asien mehrfach begegnend, Κύδων Κυδωνία, Κυδϱοκλῆς Κῷος CIA II 3124. zum vocalwechsel vgl. βάϑος βύϑος βόϑϱος. κόλος κυλλός, davon Κύλλων, in welchem namen nur die alte haplographie des consonanten getreulich bewahrt ist. ῥέμβεσϑαι ῥόμβος ῥύμβος. ῥάμφος ῥομφαία ῥύγχος ῥέγκεσϑαι u. dgl. m. Hesych hat die glossen Κόδϱους· οὓς ἡμεῖς λέγομεν Κϱονικούς τινας, τὸ ἀϱχαῖον αὐτῶν ἐμφανί - ζοντες. Κόδϱος Ἀϑηναῖος, λαμπϱὸς τῷ γένει. zu dem ersten gehört κϱονικός, κϱονόληϱος, πϱεσβύτεϱος Κόδϱου Pollux 2, 15, wo vor Bekker Κϱόνου für Κόδϱου gelesen ward. das ist eine Komikerglosse, Mein. IV p. 680. das zweite zeigt eine halbadjectivische verwendung, meint aber nicht Lykophr. 1389, der in seiner weise, unmittelbar nachdem er die ionische wanderung erzählt hat, die dorischen besiedler der hexapolis Κυτίνιοι Κόδϱοι nennt. die bedeutung des wortes war aber damals noch unvergessen. nicht mehr zu suchen als in Βασίλη10)CIA II 1573 ist ein weihgeschenk an Zeuxippos und Basileia. Zeuxippos steht am kopfe einer genealogie (Phot. Μύϱμηκος ἀτϱαποί vgl. Kydath. 147), die hesiodisch zu sein scheint. Zeuxippe ist die gattin des fluſsgottes Eridanos (comment. gramm. II 12). der gatte der Basileia muſs ein urkönig sein; der rosseanschirrer deutet auf Erichthonios, der als solcher der fuhrmann am himmel ist, auch kehrt sowol Erichthonios wie Zeuxippos in der sikyonischen königsliste wieder.: er ist nichts als der personificirte adel der herrschergeschlechter. was in Athen von Kodros erzählt wird, ist einmal, daſs er durch eine heldentat sich die herrschaft erworben hat11)Aristoteles Politik Ε 1310b, κατὰ πόλεμον κωλύσας δουλεύειν kommt er und sein geschlecht zur herrschaft. bei dieser tat wird ihn sich Aristoteles und seine vorlage, die chronik, als polemarchen gedacht haben, denn diese würde gibt es nach ihnen seit Ion. auch die zeit, ein par generationen nach der dorischen wanderung, wie sie Herodotos 5, 76 kennt, und die beseitigung der Thesiden durch Kodros kann für diese tradition unbedenklich in anspruch genommen werden.: das soll motiviren, wie der Nelide und sein haus über Athen haben herrschen können; oder daſs er fürs vater - land als könig stirbt: das hat ursprünglich nur seinen cult motivirt; Euripides konnte jedoch den tod fürs vaterland noch von Erechtheus erzählen. die wendung, daſs nach Kodros die königswürde abgeschafft wird, ist eine verschlechterung und kann für die sage nicht in betracht kommen, erfordert aber eine erklärung, die sie bisher nicht gefunden hat. das grundstück des Kodros ist ein annex zu dem garten seiner ahnen; die attische poesie nennt ihn nicht, die bildliche überlieferung nicht vor der schönen schale, die wir nach ihm nennen. schon des -131Kodros. die Medontiden.halb muſs man geneigt sein, ihn für einen eindringling zu halten; aber entscheidend ist erst, daſs sein sohn Medon neben ihm steht. Kodriden und Medontiden ist dasselbe geschlecht, die Medontiden aber bestehen wirklich fort und haben grundbesitz in oder unfern der stadt. 12)CIA I 497. dazu kommt eine verschollene und, so viel ich sehe, im CIA II vergessene inschrift aus Kypseli (dicht bei Athen nördlich) Töpffer Att. Geneal. 229. Solon heiſst Κοδϱίδης, Platon auch, der durch seine mutter auf Dropides den bruder Solons zurückgeführt wird. daſs er vom vater her auch Kodride gewesen sei, wie Thrasyllos behauptet hat (Diog. Laert. 3, 1), ist nicht genügend bezeugt. von Me - dontiden wird dabei nicht geredet; auch Aristoteles kennt nur Kodriden.Μέ - δων ist auch ein redender name, Μεδοντίδαι auch nichts weiter als das fürstengeschlecht. das ergibt die verschiedenen stadien der ent - wickelung: erst wollen die athenischen könige Pylier und Neliden sein, Βασιλίδαι Μεδοντίδαι. dann, als sie mit den Ioniern in so nahe be - ziehung treten, daſs sie auf den Kodros beschlag legen wollen, schieben sie Kodros vor Medon ein und heiſsen auch Kodriden.

Der nachfolger des Medon ist Akastos, in der aristotelischen wieDie Medon - tiden. in unsern listen. damit betreten wir den geschichtlichen boden, da der archonteneid die constitution Athens wie sie besteht und das ritual der vereidigung auf ihn zurückführt (3, 3 vergl. I s. 46). in dieser con - stitution ist der archon der oberste beamte, daraus folgt, daſs er es unter Akastos geworden ist. so schlieſst auch die Atthis des Aristoteles; die differenz ist wirlich irrelevant, die den mythischen Medon an seine stelle setzt. die macht haben die Medontiden-Kodriden also schon unter Aka - stos eingebüſst. wer sich das klar machte, muſste ins gedränge kom - men, da vor Akastos nur die namen Medon und Kodros standen. eine lösung der schwierigkeit ist die angabe, daſs das königtum mit Kodros erloschen sei. eine consequenz ist, daſs die namen der liste als namen von archonten angesehen werden. wir würden demnach gar keine wirklichen Medontidenkönige kennen. in widerspruch hiermit scheint zu stehn, daſs Aristotetes selbst an einer früheren stelle (Herakleides 3) den übergang des königtumes von den Medontiden-Kodriden auf an - dere, also den ersatz des erblichen durch das wahlkönigtum berichtet hat. der anlaſs dazu war, daſs die Kodridenkönige zu schlaff schienen. da9*132II. 5. Die könige von Athen.zeigte Hippomenes, einer aus dem hause, aber ersichtlich kein könig mehr, daſs auf ihn der vorwurf nicht zutraf, durch die maſslos strenge bestrafung seiner tochter und ihres buhlen. so Aristoteles; und Aischines (1, 182), dessen überlieferung auch hier der aristotelischen nahe steht, nennt diesen Hippomenes einfach einen Athener. aber in anderen be - richten wird er als der letzte Kodridenkönig bezeichnet13)Phot. παϱ̕ ἵππον καὶ κόϱην zurückgehend auf ein scholion zu der Aischinesstelle. die Atthis hat die deutung des monumentes παϱ̕ ἵππον καὶ κόϱην ohne zweifel richtig gegeben; die umbildung, daſs die dort begrabenen ein sodo - mitisches liebespar wären (Dion Chrys. 32, 78), ist nichts wert., und einen Medontiden nennt ihn ausdrücklich Pausanias (IV 13, 7), wo er nach seinen jahren datirt; er steht auch in unseren chronographischen listen als zehnjähriger archon. sehen wir zunächst von dieser differenz ab, so bleibt für Aristoteles selbst ein widerspruch, wenn wir nicht scharf unterscheiden und also sagen: unumschränkte Kodridenkönige gibt es freilich nicht, denn schon unter Akastos ist der archon über sie getreten, aber könige sind sie geblieben bis auf die zeit kurz vor Hip - pomenes. sie haben also die gesammte rechtsprechung im heiligen rechte gehabt, also auch im blutrechte, und sind erst abgesetzt, als sie schlaff wurden. gerade in einer sache, wo es sich um φόνος δίκαιος handelte, übt Hippomenes in demonstrativer weise die äuſserte strenge. diese construction hat in der tat hand und fuſs; königtum seit Kekrops, dazu tritt die polemarchie seit Ion, das archontenamt seit Akastos, aber die könige bleiben erbkönige aus diesem alten geschlechte, während ihnen wahlkönige in den archonten zur seite stehen, auch sie auf lebens - zeit gewählt. endlich wird dem geschlechte das vorrecht des königtumes genommen, und bald wird die zehnjährige wahl der drei oberbeamten durch die einjährige ersetzt. die namenliste kann bei dieser annahme bis auf die zeit des Hippomenes noch ganz gut Kodriden und könige enthalten, denn warum ist es notwendig, daſs die eponymie bereits unter Akastos auf die archonten übergegangen wäre? dicht neben Athen, in Megara, ist trotz allen revolutionen der könig bis an das ende des vierten jahrhunderts eponym geblieben. aber ein in einem geschlechte vererbtes königtum schlieſst allerdings die zehnjährige befristung aus. bei einer vererbung in der descendenz von vater auf sohn schon wegen der zeit, bei einer solchen vom ältesten geschlechtsgenossen auf den nächstältesten, weil der vorsitzende des Areopagitenrates vor einem jüngeren weichen müſste, übrigens auch, weil so dieses geschlecht in dem rate unverhält - nismäſsig bevorzugt würde. aber denkbar ist sehr gut, daſs neben133Die Medontiden.befristeten amtsperioden der beamten ein lebenslänglicher könig stünde. die parische chronik bezeichnet in der tat die sämmtlichen namen der liste, die sie bis auf die zeit der neun einjährigen archonten an - führt, als könige; von den zehnjährigen kommt leider keiner vor. die liste des Pausanias (I 3, 3) enthielt sogar das stemma dieser Medontiden - könige bis auf den vorgänger des Hippomenes, und er gibt gelegent - lich eine probe davon.14)IV 5, 10 heiſst Aisimides, der zweite der zehnjährigen archonten, sohn des Aischylos, von dem ihn sein vorgänger Charops und der könig Alkmeon trennen. bei Kastor (Euseb. I 187 Sch.) folgen sich die älteren könige alle als sohn dem vater, nur Alkmeon ist nicht sohn des Aischylos. das stimmt also. daſs Pausanias im vierten buche eine andere liste als im ersten habe, glaube ich nicht; Hippomenes stand nur in keinem kindlichem verwandtschaftsverhältnis zu einem seiner vorgänger. übrigens hat sich Pausanias IV 13, 7 u. ö. um eine olympiade versehen, oder seine liste war durch einen schreibfehler entstellt, denn an eine andere tradition kann ich nicht glauben (so Gelzer Hist. Aufs. für Curtius 18. 19). das datum für Kreon ist durch Marmor Parium, Dionysios, Africanus völlig gesichert, seitdem Gutschmid auch das erste richtiger als Boeckh behandelt hat. man darf nur nicht vergessen, daſs in der rechnung des Pariers ein jahr kein jahr ist. die auszüge des Kastor bei Eusebius stimmen mit ihm in allem wesentlichen, und daſs sie trotz der gentilicischen verwandtschaft ihrer träger die namen auf ἄϱχοντας διὰ βίου und εἰς δεκαέτειαν beziehen, ist so verkehrt in sich, daſs es nicht be - irren kann.

Dürfen wir die namenliste als authentisch anerkennen? abgesehen von Hippomenes15)Wenn dieser in der liste fehlte, aber wirklich Aisimides und Kleidikos noch könige aus dem Medontidenhause, also lebenslängliche waren, so konnte die rechnung der lebenszeiten unmöglich die erforderliche zahl decennien geben. Hippo - menes war durch ein monument, das grab seiner tochter, und dessen αἴτιον im ge - dächtnis erhalten: sehr leicht also konnte ein Atthidograph sich seiner bedienen, um eine lücke zu füllen. dies unter der voraussetzung, daſs die namenliste zuver - lässig ist und Kodriden gibt. sind in ihr keine schwankungen nachweisbar, im gegenteil, die übereinstimmung der parischen chronik sichert gerade die älteren namen und selbst die zahlen für die letzten zwei lebensläng - lichen archonten oder vielmehr könige. daſs die archontenliste von unten bis Kreon 683 / 2 = ol. 24, 3 mit einer relativ groſsen zuverlässig - keit lief, kann niemand ernsthaft leugnen. damals wurden die thesmo - theten eingesetzt und schriftliche verordnungen gab es bereits: so Ari - stoteles, und es ist lächerlich, daran zu zweifeln, da unsere inschriften wol selbst so hoch hinauf reichen, die Eleer und Spartaner schon viele jahrzehnte früher mit der führung von officiellen listen begonnen hatten. 134II. 5. Die könige von Athen.minder sicher sind die sieben zehnjährigen archonten, sowol wegen des Hippomenes, wie auch weil die zahl 70 ganz rund ist. das datum 753 / 2 ist also nur mit einer etwas gröſseren reserve als fest zu betrachten. das beeinfluſst auch die jahreszahlen der beiden letzten könige Aischylos und Alkmeon, die sonst zuverlässiger scheinen, insbesondere die zweijährige herrschaft des Alkmeon, die den anlaſs zu der verfassungsänderung offen - bar gegeben hat, sei es daſs er ohne erben so früh starb, sei es daſs man ihn, worauf die genealogie seiner nachfolger (anm. 14) deutet, als usurpator stürzte. damit kommen wir bis an das jahr 800, und mir fehlt der mut zu bestreiten, daſs noch eine ganze reihe namen aus älterer zeit überliefert sein könnten. die zahlen ihrer regierungen sind selbstverständ - lich nicht nur an sich wertlos, sondern nicht einmal durch eine beson - dere athenische rechnung gefunden. sie sind dazu bestimmt, die brücke zu der zeit der ionischen wanderung, oder, da diese nur ein relatives datum ist, zu dem falle von Ilios zu schlagen; diese punkte aber waren den Athenern durch andere chronologische systeme gegeben. immerhin gelangen wir, wenn wir auch nur die geschlechterfolge rechnen, mit Akastos, der als geschichtlicher könig durch den eid seiner nachfolger gesichert ist, über das jahr 1000 hinauf.

Ich habe diesen weg bis zu ende verfolgt, um zu zeigen, daſs er gangbar ist. aber ich halte ihn doch für irreführend. denn die namen - liste ist nicht die eines griechischen geschlechtes. die Miltiades Alkmeon Damasias Dropides, die wir in der beglaubigten archontenliste bis hoch in das siebente jahrhundert finden, zeigen, daſs damals dieselbe sitte herrschte wie später, und die geschlechter ihre bestimmten eigennamen mit vorliebe vererbten. aber in dieser angeblichen liste von Medontiden kehrt kein einziger name wieder, und nur zwei (Archippos und Ther - sippos) könnten allenfalls auf gentilicische verbindung führen, wenn das ritterpferd nicht allzuvulgär in den namen wäre. dagegen Megakles Alkmeon Ariphron weisen auf andere später bedeutende geschlechter. Phorbas hatte in der stadt ein heiligtum und kommt als begleiter des The - seus und sonst in genealogien und sagen vor. ich bezweifele gar nicht, daſs es in alten zeiten einen leibhaften träger dieses namens in Athen gegeben hat, der sich durch seine taten ein heroisches gedächtnis erhalten hat: aber ein könig und ein Medontide ist der heros nicht gewesen. die liste selbst sagt also, daſs sie höchstens die namen von archonten enthalten kann. wenn die eponymie schon unter Akastos den königen genommen ist, das königtum aber im hause der Medontiden bis auf den archon Kleidikos verblieben, so ergibt das an sich keinen widerspruch;135Die Medontiden.es ist dann nur der irrtum der chronographen anzuerkennen, die in ihr könige und Medontiden suchen.

Aber auch dieser gangbare weg führt in die irre. es ist nicht wol zu verlangen, daſs man den Akastos, auf den sich ein alter eid um 600 bezieht, für einen könig aus dem zweiten jahrtausend halte. der Akastos des eides war sei es könig, sei es archon, als die herrschaft der archonten eingesetzt ward. eine solche verfassung in vorhomerischer zeit ist nicht glaublich, und die dauer einer verfassung durch vier jahrhunderte noch weniger. dagegen stellten die herren, welche im archon den höchsten be - amten hatten, ihre verfassung naturgemäſs als eine uralte hin, rückten also den könig, unter dem sie eingeführt war, an den anfang der reihe. das ist dieselbe manipulation, wie wenn die demokratie den Theseus als stifter verehrt und zuerst den ostrakismos leiden läſst. dann ist die liste zwar nicht authentisch, aber sie ist älter als die demokratie des Kleisthenes, ein erzeugnis des sechsten jahrhunderts. dieses hatte das gute recht, die vorzeit in seinem sinne umzuformen, und ganz von selbst suchte es in ihr archonten, denn die waren jetzt in Athen die entscheidenden be - amten; auf die könige kam wenig mehr an. damals verfügte man ohne zweifel noch über viele überlieferung, die später mit dem sturze der geschlechterherrschaft verschollen ist, und von der die liste in ihren namen einen niederschlag enthält.16)Rätselhaft sind besonders die namen Θεσπιεύς und Ἄψανδϱος. diesen wage ich nicht zu deuten; ein ethnikon als eigenname in so alter zeit ist erst recht anstöſsig. sie ist nicht gedankenlos zusam - mengestoppelt oder frischweg erlogen; aber sie ist zurecht gemacht, ist keine königsliste und ist authentisch erst etwa seit 800. wir aber sind nur ganz ausnahmsweise im stande, eine einzelheit in ihr mit sicherheit zu glauben oder zu verwerfen. die liste ist eben ein stück Atthis des sechsten jahrhunderts. die kritik des fünften und vierten, die nament - lich mit recht das königliche geschlecht suchte, hat sie umgedeutet und hie und da zurechtgestutzt; die namen selber aber, das hauptgerüst, hat sie stehn lassen müssen.17)Der athenische könig Epainetos in der sechsunddreiſsigsten olympiade aus Hippon von Rhegion (Antig. Kar. parad. 121) ist gänzlich unverständlich und kann sicherlich nicht zugleich könig und Athener sein. wenn man sie so beurteilt, so kennen wir gar keine Medontidenkönige; das stemma bei Pausanias ist ein auto - schediasma, aber Hippomenes kann ganz wol zehnjähriger archon ge - wesen sein. übrigens verhehle ich mir nicht, daſs das urteil schwanken kann, und daſs jedes glied, je nach dem es beurteilt wird, die ganze136II. 5. Die könige von Athen.rechnung verschiebt. ich fürchte nur, daſs dialektik hier nicht weiter hilft: aber die fixirung irgend einer person der reihe kann das ganze feststellen; das ist mir leider nicht gelungen.

Ion und seine söhne.Einen ganz anderen charakter als die einzelfiguren der alten my - thischen könige und die königsliste der chronik hat die genealogie Apollon-Ion-Geleon18)Euripides (Ion 1579) und Apollonios der Rhodier (1, 95) schreiben Τελέων, und wenigstens bei diesem kann es kaum ein schreibfehler sein. auch bei Pollux 8, 109 steht es. so ist es wol eine bereits absichtlich τοὺς ἐν τέλει hineintragende änderung. aber dann muſsten die Geleonten schon recht obscur geworden sein. sonst ist Geleon als vater des Butes, zumal seine gattin tochter des Eridanos ist (Comment. grammat. II 12), immer noch die beste dieser figuren. die Butaden sind Geleonten gewesen und sind städtischer adel; weiter liegt nichts darin. Hoples19)ὁπλῆτες ὡς γυμνῆτες. es ist das gegenteil aller methode, von dem namen des herrn Ὅπλης auszugehn, dies angebliche hypokoristikon zu einem vollnamen nach belieben zu machen und dann aus diesem weitere schlüsse zu ziehn. Argadeus Aigikores, die ersten vier phylenkönige.20)Herodot setzt die genetive Ἀϱγαδέος und Αἰγικόϱεω neben einander und diese form gibt auch das Demosthenesscholion 24, 18. die bildung auf - ευς greift in der alten zeit sehr weit; nur damals ist sie auch hypokoristisch. Τετϱαπολῆς Τϱιτοπατϱῆς Εἰκαδῆς, die phratrien Δυαλῆς Φιλιῆς, die ephesischen phylen Βωϱεῖς, Ἐφεσεῖς sind am ehesten vergleichbar. die weiterbildung von gentilicia, ἀηδονιδεύς, λυκιδεύς u. s. w. (Aristoph. Byz. 114 N.), und spielend danach gebildete Μαιαδεύς, (der kleine Hermes), Χαιϱιδῆς βομβαύλιοι bei Aristophanes, Αἰακιδεύς (gewiſs auch singulär, Philoxenos im EM. s. v.), können hier nichts helfen. Ἀϱγαδεύς mit Argos zu verbinden verwehrt die grammatik: wo käme denn das a her? ich könnte mehr geben, aber dies dürfte genügen, um die versuche, aus diesen namen capital zu schlagen, so lange auf sich beruhen zu lassen, wie sie mit nichts weiterem als den namen ope - riren. dafür will ich das so viel besprochene βασιλεύς in diese reihe stellen. in ihm ist der singular offenbar abusiv, die βασιλῆες sind so gut wie die Φιλιῆς und Ἰκαϱιῆς das ursprüngliche. angestammte könige, wie die der Spartiaten, sind keine βασιλεῖς sondern ἀϱχαγέται, erst aus der ionischen panhellenischen sprache nehmen sie den fremden titel an. abgeleitet ist das wort von βασίλη, und βασιλίδαι steht daneben (so auch wider den Regius A bei Platon Kritias 116c zu schreiben); dieses wort steht vereinzelt in der griechischen sprache, genauer der ionischen, stammend aus einer der mundarten, die in sie aufgegangen sind. es kann also aus dem grie - chischen nicht erklärt werden, und eine gleichsetzung mit irgend einem ganz fremden wird niemals seine wirkliche bedeutung erklären. das dagegen lehrt das griechische, daſs die βασιλῆες keine monarchen mehr waren, und der einzelne βασιλεύς nur primus inter pares, wie Odysseus in Ithaka. es ist sehr bezeichnend, daſs Ζεὺς βασιλεύς sowol als anrufung wie als cultname nicht alt ist. die vier namen sind als singulare und personen so erbärmlich erfunden wie etwa aus den Εἰκαδῆς, die an der εἰκάς ein festmal halten, der heros Εἰκαδεύς. und wenn einmal Aigeus sohn des Aigikores heiſst, um des anklanges der namen willen, und eine tochter137Ion und seine söhne.des Hoples heiratet, ohne nachkommenschaft, so ist das so kümmerlich, daſs man ruhig behaupten kann: die vier personen sind weder etwas ge - wesen noch geworden als die singulare der 4 phylennamen, nicht einmal deren rechte eponyme. Ion ist ihr vater, weil die phylen die der Ionier sind; aber er hat mit Athen nichts zu tun. Euripides hat ihm zwar die tochter des Erechtheus zur mutter gegeben, aber das erst im Ion: im Erechtheus hat sicherlich keine tochter desselben den vater über - lebt, und im Ion selbst war dem publicum der name Kreusa so wenig vertraut, daſs er ihn besonders einschärfen muſs. 21)Der prolog nennt den namen sechsmal und 57 würde er gewiſs nicht stehn, wenn er nicht eingeschärft werden sollte. auch vieles in dem gespräche zwischen Ion[und] Kreusa dient der belehrung des publicums über den neuen mythos. die interpolationsjäger sind besonders darauf aus, den namen Ions zu vertreiben, und die stellen sind zum teil anstöſsig, d. h. nicht die abstracte poesie, sondern die praktische rücksicht hat den dichter bestimmt.Kleidemos aber kennt zwar eine Kreusa als frau des Xuthos, also vermutlich auch mutter des Ion, aber sie ist die tochter des Kreon von Korinth (schol. Eur. Med. 19). 22)Schwerlich mit recht folgt Panzer (de mythographo Homerico Greifswald 1892, s. 26) einer überlieferung, die Κϱέουσα Ἐϱεχϑέως als mutter Agamemnons einführt, und sollte er mit der beurteilung der handschriften recht haben, so würde es ein wertloses autoschediasma sein. wer die buhlerische Aerope nicht duldete, holte eine beliebige prinzessin Kreusa vor; aber mit Athen hatte sie nichts zu tun.Xuthos ist dem Herodotos der vater Ions (8, 44), wie er es jedem sein muſste, der der maſsgebenden hesiodischen genealogie folgte. auch nach dem beschlusse des Apollon bei Euripides soll er es vor der welt bleiben. mit andern worten: Euripides hat die hesiodische genealogie mit der attischen verbunden und den Ion durch Kreusa gewaltsam zu einem Erechthiden gemacht. Ion der sohn Apollons und vater der vier heroen muſs ja wol eine mutter gehabt haben, und es wird eine Athenerin gewesen sein, aber einen namen scheint sie nicht besessen zu haben; die mutter der vier ist überhaupt unbekannt. ein weiterer schluſs ist, daſs Xuthos erst durch die hesiodische genealogie importirt ist, so daſs sich die schwierigkeit der beiden väter ergab, die Euripides lösen will.23)Mit den doppelten vätern wirklicher heroen hat dieser fall keine ähn - lichkeit; an denen nimmt niemand anstoſs. denn es ist ein anderes, wenn der pater quem nuptiae demonstrant einen himmlischen neben sich hat, als wenn über die vaterschaft eines unehelichen kindes disputirt wird. oder besser gesagt: in Athen ist Ion sohn des Apollon, und da giebt es keinen Xuthos; in Ionien ist es umgekehrt. in der tat hat Xuthos in Athen keine stätte24)Xuthos in der tetrapolis (Strab. 383, mich dünkt, aus Ephoros), steht in, und in der he -138II. 5. Die könige von Athen.siodischen genealogie wieder hat Ion, der eponym der Ionier, keinen gött - lichen vater.

Zur zeit des adelsstaates ist Athen in die vier ionischen phylen geteilt, betrachtet es sich als die πϱεσβυτάτη γαῖα Ἰαονίης, müssen die beamten den besitz des Ἀπόλλων πατϱῷος nachweisen. eigentlich sollten die eponyme der zwölf phratrien und weiter die der geschlechter von den vier söhnen Ions stammen. aber diese consequenz ist nicht gezogen. weder stammen die eponyme der geschlechter von denen der phratrien, noch diese von denen der phylen. in einer anzahl ionischer städte haben dieselben phylen bestanden; erst hier ist der Ioniername, also auch der eponymos Ion, und zwar zunächst für die zwölf städte, die an dem Panionion des Poseidon teil nahmen, aufgekommen. hier heiſsen die könige Kodriden Basiliden Neleiden. wie sollen wir das verstehen? die alte antwort ist: die vier phylen bestanden in Athen, als dieses seine colonisten aussandte, und seine könige waren Nelei - den und Kodriden. so sagen Herodotos und Euripides, so würde Solon ohne zweifel auch sagen. wenn wir das annehmen, so haben sich die phylen in Athen gebildet, und zwar vor der ionischen wanderung, diese aber ist ein von Athen geplanter zug, nicht anders als die gründung von Amphipolis oder Brea. das ist alles undenkbar. die Ionier leiten sich aus Pylos oder Achaia oder von Abanten Kadmeern u. s. w. her, vor Herodotos führt sich keiner von ihnen auf Athen zurück, und auch dieser weiſs sie über Athen in ihre wirkliche heimat zu bringen. auch nach Herodotos stammen die Ionier nicht aus Attika. Kodros ist in Athen ein eindringling, und das königliche geschlecht heiſst Medon - tiden. ein teil des attischen adels will freilich pylisch und neleisch sein wie die Ionier, aber darin liegt nichts für die abhängigkeit der letzteren von Athen. die phylenheroen sind in Athen eine so künst - liche pflanze, daſs sie wahrlich nicht vor Homer schon eine so wich - tige rolle in der gliederung des volkes gespielt haben können. wie soll man sich ihre genesis überhaupt vorstellen? es saſsen in der Ke - kropia familien, sagen wir einmal 300, die sich in vier phylen teilten. 24)einer sehr schön pragmatisirten geschichte der wanderungen, die die Ionier erst von Athen nach Achaia, dann von da über Athen nach Ionien bringt. aber diese ge - schichte setzt den Ion des Euripides voraus. übrigens mag in der tetrapolis wirk - lich eine spur des ionischen heros gewesen sein, aus Euboia stammend; haben ihn die Chalkidier doch auch nach Sicilien gebracht. er ist ein wirklicher heros unter bloſsen eponymen im hesiodischen kataloge. allerdings könnte der braune neben dem bunten Aiolos mit absicht stehn.139Ion und seine söhne.nun schlossen sich die Diakrier an, etwa 200 familien, aber nicht auf einmal, sondern stadt für stadt. die wurden in die vier phylen aufgeteilt, und als Attika geeinigt war und den zug nach Ionien unternahm, giengen die heerhaufen der colonisten nach diesen vier phylen geteilt ab. soll das jemand glauben? wozu überhaupt in dem kleinen kekropischen Athen die phyle über geschlechtern und brüderschaften? und wenn es deren vier gab, fehlten sie denn in Aphidna und Pallene? oder wurden die dor - tigen mit gewalt bei der annexion zerschlagen? sobald man s[i]ch die mühe gibt, die dinge sich werdend vorzustellen, kommt man auf absurditäten. man ist gewohnt die dorischen phylen zu vergleichen. aber vergleiche man nur, auf daſs die unterschiede hervortreten. die Dorer sind ein staatloses wandervolk, wie die Germanen in der völkerwanderung. sie gliedern sich in stämme, das sind ihre einzigen körperschaften. Hylleer sind ein volk; als illyrischer stamm sind sie in Epirus sitzen geblieben. Dymanes zeigen durch ihren namen, daſs sie ein stamm sind, und Pam - phyloi sind alle, die keins der beiden andern sind. diese drei siedeln sich mancher orten an; aber sie finden sich gar nicht überall alle, und vieler orten auch andere neben ihnen.25)῾ϒϱνηϑώ ist z. b. offenkundig erst aus dem ῾ϒϱνάϑιοι gemacht, nicht um - gekehrt. als sie dann seſshaft werden, bilden sich die alten volksstämme freilich zu gliedern der neuen staaten um, und wenn sie dann colonien aussenden, können diese die alten stämme als natürliche oder künstliche glieder mitnehmen oder übertragen. in Ionien wird durch die wanderung, deren resultat die Ionier sind, eine gliederung in phylen ganz analog erfolgt sein, indem sich die ein - zelnen bestandteile der einwanderer zunächst gesondert hielten, und neue gruppen hinzutraten.26)In Ephesos haben wir die phylen Ἐφεσεῖς Βεμβιναῖοι Εὐώνυμοι und die zugewanderten Τήιοι Καϱηναῖοι. unter den Ἐφεσεῖς erscheinen als χιλιαστύες drei in andern orten für phylen begegnende namen Ἀϱγαδεῖς Βωϱεῖς Οἴνωπες, daneben Λεβέδιοι. unter den Βεμβιναῖοι finden wir Ἀἰγωτεύς (geschrieben Αἰγωτεός Inscr. Br. Mus. CCCCLV, von Hicks verkannt und daher DLXXXVIII 26 falsch ergänzt) und Πελασγηος (ob aus Πελασγεύς entstanden?). andere heiſsen ersichtlich nach menschen, wie die ϑίασι, Ἡγητόϱειος, oder nach orten Λαβανδηος (Πεῖος gehört wol auch zum Πίων). so wächst eine stadt auf neuem boden zusammen, hier ein splitter alten stammes, dort leute aus einem anderen orte, dort ein trupp unter der führung eines häuptlings, endlich die ansiedler oder eingeborenen eines fleckens der occu - pirten gemarkung. an den phylen von Neapolis kann man ähnliches bemerken. aber wie in aller welt ist das auf dem boden von Athen denkbar, oder vielmehr von Attika, denn die vier phylen vor der einigung dieses landes sind monströs. eine andere entstehung wieder140II. 5. Die könige von Athen.zeigen die tegeatischen phylen, die lediglich vier gesonderte siedelungen sind; das hätten die athenischen sein können, aber sie sind es nun einmal nicht gewesen. man sieht es am besten an den windigen constructionen der Atthidographen.27)Pollux 8, 108. Apollodor bei Strab. 397 gibt alte landesnamen, die nicht mehr wert haben. und die kastenteilung, an die auch schon das altertum gedacht hat, ist vollends erträumt. für Ionien passen die phylen, für Athen passen sie nicht. für Ionien paſst Ion, für Athen paſst er nicht. die inseln und Euboia sind doch auch ionisch in demselben sinne wie Athen: weshalb fehlen dort beide? da muſs man sich ein herz fassen und die geschichte umkehren.

507 hat Kleisthenes in Athen 10 phylen mit hilfe des delphischen gottes gemacht. es war ein act der willkür, aber es gieng sehr bequem. die alten vier mochten als cultverbände weiter existiren, das kümmerte ihn nicht28)Wenn die vier aber grundbesitz gehabt hatten, so haben sie den den neuen abgetreten, denn diese besitzen land, die alten nicht.; den Ion behielt er aber natürlich bei, denn Ionier wollten die Athener bleiben.29)Das lehrt der grenzstein eines grundstückes, das er sogar auf Samos von den Athenern erhalten hat, Bull. Corr. Hell. 8, 160. die vier phylen sind nicht mehr wert als die zehn. also schlieſse ich, daſs sie ebenso künstlich gemacht sind. wenn jeder Athener einen Ἀπόλλων πατϱῷος haben muſs, trotz seinem geschlechte und dessen ahnherrn, so ist der ihnen allen einmal verliehen, künstlich, durch einen act. als Attika eine einheit geworden war, bedurfte es allerdings einer gliederung; der regionalismus war damals ungleich ge - fährlicher als 507, die bestehenden geschlechterverbände ungleich macht - voller. die ideelle einheit lag im dienste Athenas, aber die jungfrau bot keine bequeme gentilicische anknüpfung. da hat man die vier phylen erfunden und die phratrien dazu, oder besser die trittyen; denn phra - trien, d. h. gruppen engverbundener geschlechter, haben gewiſs vorher nicht gefehlt. die geschlechter aber wurden in diese fächer eingereiht; es ist ganz gut möglich, daſs man für sie eine schematische zahl we - nigstens prinzipiell aufgestellt hat, wie die Atthis 360 zählt. bewerk - stelligt konnte eine solche maſsregel noch 507 nur durch die sanction eines gottes werden. daſs die vier phylen von demselben pythischen Apollon gemacht sind wie die zehn, folgt aus der reception seines cultes als πατϱῷος, den die Ionier doch auch haben müssten, wenn sie die phylen aus Athen mitgenommen hätten.30)Die Apaturien sind ein geschlechterfest, kein phylenfest. sie sind wirklich es wird am klarsten sein,141Ion und seine söhne.wenn ich erzählend darlege, wie ich mir die tatsachen geworden denke. das geeinigte Attika braucht eine organisation, die den formen des ge - schlechterstaates gemäſs in φυλὰς φυλάξαι und ὠβὰς ὠβάξαι be - stehen muſs. über das prinzip hat man sich geeinigt, ganz wie durch die rhetra in Sparta. die ausführung wird gemacht wie 507; man fragt den gott, und ein staatsmann, der ihm soufflirt, wird auch diesmal nicht gefehlt haben. der gott sagt ihr habt vergessen meines lieben sohnes Ion und seiner vier söhne, die doch zuerst euer volk zusammen wohnen gelehrt haben (συνῴκισαν sagt auch Aristoteles), durch sie seid ihr meine kinder, und wenn ihr nach ihnen euch gliedert, wird es euch wol ergehen. und so führen die Athener die vierteilung durch und darunter die zwölfteilung; es ist ein ganz äuſserlicher auf die verwaltung berechneter schematismus, das leben war und ist nur in den einzelnen gliedern, den geschlechtern und allenfalls den phratrien.

Wenn der gott auf Ion geriet, so war darin ausgesprochen, daſs die Athener den Ioniern verwandt waren, die also ein deutlich erkenn - barer volksbegriff sein muſsten. wenn anders der gott a und e unter - scheiden konnte, muſste er das wissen; wer weiſs, ob es so sehr viel früher war als die entstehung der hesiodischen Kataloge. auf die vier phylen als etwas allgemein ionisches konnte freilich der gott nicht verfallen, da sie das nicht sind31)Die verbreitete ansicht, daſs die vierzahl für Ionien charakteristisch sei, ist gar nichts als die verallgemeinerung der vier attischen phylen., sondern er muſste sie aus einer einzelnen stadt nehmen, und nahm sie aus Milet; wenn er Ephesos oder Chios gewählt hätte, würde ganz etwas anderes heraus gekommen sein. Milet aber war nicht nur die erste stadt Ioniens und dem Apollon besonders wert, sondern auch wirklich mit Athen in einigen beziehungen. sobald Ionier und Athener sich ihrer verwandtschaft bewuſst wurden, muſste das sich ihnen so dar - stellen, daſs die stadt der autochthonen den vorrang des alters vor den colonien erhielt und mehr oder minder ihre mutterstadt ward. wenn es trotzdem nur zu der erzählung gekommen ist, daſs die Ionier über Athen gezogen wären, aber eigentlich aus dem Peloponnese stammten, so kann in wahrheit an der attischen colonisation nur herzlich wenig sein. es ist unvermeidlich, daſs auch ein par Athener unter den colo - nisten gewesen sind, Rhamnusier und Thorikier auch, (den staat Attika gab es noch nicht), aber die gentilicischen verbindungen fehlen30)ionisch, d. h. bei dem volke verbreitet, zu dem die Athener und die Ionier Asiens gehören. aber der gott der Apaturien ist keineswegs immer und überall derselbe, und er ist nicht einmal in Athen der pythische Apollon.142II. 5. Die könige von Athen.gänzlich. das einzige auſser den phylen sind die Kodriden, und diese sind in Athen eben so secundär wie Ion und seine söhne. dafür, daſs fürstengeschlechter und ganze städte in Ionien sich aus Pylos und von den Neliden herleiten, und in Athen manche geschlechter, darunter das der Medontiden, dasselbe tun, muſs allerdings ein geschichtlicher anlaſs gesucht werden. wenn es gelingt ihn zu finden (und ich meine ihn in der vertreibung der älteren bevölkerung aus dem südwesten des Peloponneses durch Spartiaten und Eleer zu sehen), so wird dadurch viel - leicht sogar ein relatives datum für die einführung der älteren phylen - ordnung in Athen ermittelt werden. hier beschränke ich mich darauf, die hypothese vorzulegen, die die phylenordnung und die ionische ab - stammung der Athener zugleich mit der athenischen abstammung der Ionier erklärt.

Ein corollar ist die antwort auf das verhältnis des geschlechtes der Ἰωνίδαι, das aus der existenz des so benannten demos am Brilettos folgt. denn dessen lage wird durch die erkenntnis der kleisthenischen kreisteilung fixirt. der ahnherr des geschlechtes war sohn des Gargettos (Paus. VI 22, 7), und wenn ein local in Elis mit diesem verbunden wird, so hat der urheber dieser verbindung mit überlegung von Ion dem ahnherrn aller Athener abgesehen. auf die anklänge von namen und traditionen in Elis und Attika hat man mit recht in letzter zeit mehr geachtet32)Kirchner Attica et Peloponnesiaca Greifswald 1890.; es ist sehr wol möglich, daſs wirklich Ioniden aus dem Pe - loponnes nach Athen ausgewandert sind, als die Eleer ihnen zu mächtig wurden. ich glaube selbst, daſs die Ionier ihren namen am letzten ende einem verschollenen stamme verdanken, der eben in jener gegend des Peloponneses und in dem namen des geschlechtes der Ioniden seine spuren hinterlassen hat; aber das liegt jenseits der geschichte, die für Athen in betracht kommt. für sie sind der sohn des Xuthos oder des Apollon und der sohn des Gargettos zwei personen, die einander nichts angehen. im demos Potamos sollte Ion, natürlich der staatsgründer, begraben liegen (Paus. I 31, 3, von ihm wiederholt VII 1): die bloſse existenz eines Ἴωνος τύμβος scheint mir aber für keinen weiteren schluſs eine zu - reichende basis. eine letzte frage gilt dem Ion, der als polemarch im kriege wider Eleusis hilft, den schon Herodotos kennt und wol auch Euripides.33)Herodot 8, 44, statt seines allgemeinen ausdruckes στϱατάϱχης gibt die Atthis und die auf sie gebaute mythographische tradition durchaus den attischen amtstitel. Euripides formt das im Ion so um, daſs Xuthos den hilfszug macht, und er kann nur unter der bedingung der staatsgründer sein,143Ion und seine söhne.daſs die sage ersonnen ist, um den sohn des Xuthos herbeizuholen, mit anderen worten, wenn die sage nicht mehr rein attisch ist: der sohn des Apollon muſste ja Athener sein. befremdlich ist für diesen die charge des polemarchen, durch die selbst Aristoteles zu der ungeheuer - lichkeit gezwungen wird, die polemarchie neben dem königtume in die urzeit zu rücken. die eroberung von Eleusis fällt so spät, daſs die er - innerung an einen polemarchen sich sehr wol erhalten konnte, und ein Ionide oder gar ein Ion aus diesem geschlechte könnte also als con - current des heros auftreten. ich wüſste zwischen den vielen möglich - keiten nicht zu entscheiden.

Wie aber kommt es, daſs die Atthis, die doch die reform der ver - fassung 683 geschichtlich festgehalten hat, von der einführung der vier phylen gar nichts weiſs? sie konnte es nicht; für ihre anschauung waren sie, wie der gott gesagt hatte, höchstens wieder eingeführt. die söhne Ions hatten ja doch in der urzeit gelebt. ganz so, wie sie nur einen abfall von Eleusis oder den einfall eines Thrakerheeres erzählen kann, wie Kekrops bereits könig von ganz Attika ist, trotz den synoi - kismen des Ion und des Theseus, muſste auch hier das resultat der ent - wicklung in die urzeit projicirt werden. die Atthis hat aber überhaupt so ganz auf dem boden des demokratischen kleisthenischen Athens gestan - den, daſs sie für die alten phylen, ja selbst die phratrien und geschlechter, die doch fortbestanden, fast gar kein interesse hat. in ihrer urgeschichte weht derselbe geist wie in der hohen poesie des fünften jahrhunderts. man schiert sich wenig um den eben überwundenen adel, freut sich um so mehr an dem stolzen bau der jungen demokratie. so schlägt man kühn von ihr die brücke unmittelbar zu der urzeit. könig Theseus schafft ordnung in der anarchie und legt den grund zu der freiheit und gleichheit. für die schilderung der anarchie braucht man selbständige πόλεις, und sie boten sich in den lebendigen traditionen der Aphi - dnaeer Epakrier Palleneer. bequem bot sich die zwölfzahl der alten trittyen, die man durch solche namen örtlich fixirte. damit ist noch gar nicht gesagt, daſs man wirklich 12 aufzählte oder mit überlegung wählte: die aufzählung ist erst ein act der forschung.34)Strab. 397 gibt die liste nach Philochoros. der fehlende name dürfte hinter eben so bequem33)läſst ihn wider Euboia ziehn (wo Xuthos doch zu hause ist), weil seine chronologie den kampf mit Eleusis, in dem Kreusas schwestern geopfert sind, nicht verträgt. wie er im Erechtheus gedichtet hatte, ist leider nicht sicher zu erkennen. in ihm wird Erechtheus kinderlos und adoptirt, wie es scheint, am ende einen sohn: ich kann nur an Ion denken; aber ein wirklicher beweis ist mir nicht möglich.144II. 5. Die könige von Athen.bot sich die vierzahl, und so entstand die auch von Aristoteles ruhig neben den vier phylen gegebene tradition von den vier söhnen des Pandion. denn wenn auch Nisos schon zu der zeit annectirt ist, wo Nisaia von Peisistratos occupirt war, so konnte doch jene zeit, in der factisch die Diakrier über Athen geboten, unmöglich Lykos und Pallas als abtrünnige und aufständige schildern, die der städter Theseus zu paaren triebe. auch diese sophokleische erzählung ist noch poesie der groſsen zeit, aus ihr verständlich. erst die forschung, verführt durch das bestreben, die vier phylen und die zwölf trittyen örtlich zu fixiren, baut darauf vergeblich geschichtliche combinationen. die combinationen helfen uns nicht: nur die elemente, die sie combiniren, nehmen wir dankbar an, um unsererseits zu versuchen, ob es uns besser glücke als unsern vorgängern, Philochoros und Apollodoros.

34)Κηφισία als Μουνιχία zu ergänzen sein. es fehlt allerdings auch Παλλήνη, aber dessen eponymos ist sohn Pandions; dagegen hat Munichia einen eigenen könig als eponymos, und man sollte meinen, es hätte sich als πόλις dem blicke des forschers aufdrängen müssen.
34)
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6. TRITTYEN UND DEMEN.

Ohne die phylen und demen des Kleisthenes kann man sich Athen,Die reform des Klei - sthenes. oder doch ein demokratisches Athen, gar nicht vorstellen. demgemäſs sollte der gründer der gemeindeordnung der populärste name in seinem volke sein.1)Die komoedie hat den namen Kleisthenes für den καταπύγων zu einem typischen gemacht. gegeben hat es den menschen ( Σιβυϱτίου Acharn. 118), aber unmöglich hat er von 425 405 sein handwerk so treiben können, daſs er den frischen spott herausforderte; er ist auch in der Lysistrate viel mehr typus als in - dividuum; mit Kleonymos, dem dicken feigen demagogen steht es ähnlich. um so klarer ist, daſs der name des groſsen Alkmeoniden dem volke kein heiliger war, ja daſs man an ihn bei diesem namen gar nicht dachte. dem stand seine hochadliche abkunft hindernd entgegen, und der name des volksmannes Solon hat den seinen fast verdrängt. als man bald nach den Perserkriegen den staatsfriedhof anlegte, erhielt Kleisthenes noch ein ehrengrab2)Pausan. I 29, 7. nebenan war das grab der Thessaler, die bei dem siege über Anchimolos 511 gefallen waren. so wird dem Kleisthenes das ehrengrab wol auch wesentlich zum danke für die vertreibung der tyrannen errichtet sein.: damals lebten noch die zeugen seiner reform. 411 wird eine berücksichtigung seiner gesetze wenigstens in einem amendement vorgesehn (29, 3); aber schon 403 redet man nur von Drakons und Solons gesetzen, und im vierten jahrhundert pflegt Kleisthenes höchstens als annex Solons aufzutreten.3)Isokrates rechnet ihn sowol im Areopagitikos 16 wie im Panathenaikos 232. 306 einfach unter die vertreter der guten demokratie. Plut. Kim. 15 redet gar von der ἐπὶ Κλεισϑένους ἀϱιστοκϱατία. sonst kennen ihn weder die redner noch Platon. die chronik hatte wenigstens die änderung der phylen und demen sehr eingehend be - handelt, auf grund von reichem urkundenmateriale; aber ihr grundstock gehörte doch einer zeit an, die so vollkommen durchdrungen war von den gewaltsamen neuerungen des reformators, daſs sie das ältere,v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 10146II. 6. Trittyen und demen.den geschlechterstaat, gar nicht mehr verstand. wir können die beiden berichte, über die wir verfügen, bei Herodotos und Aristoteles, leider durch sonstige reste der chronik nicht sehr stark ergänzen. Herodot hat auſser den mündlichen traditionen des Alkmeonidenhauses, die das persönliche angehn, das ihn vorwiegend interessirt, einen der chronik analogen mündlichen oder schriftlichen bericht benutzt; aber er hatte für die verfassung, abgesehen von dem demokratischen prinzipe, kein interesse. so ist das kurze capitel des Aristoteles (21) eine wahre offen - barung für uns und erfordert eine eingehende erläuterung. wir erfahren lange nicht alles was wir wünschten, über den rat z. b. nichts als die gleichgiltige vermehrung der zahl, über die beamten nichts, wo doch die Atthis des Androtion wenigstens die schöpfung der apodekten angab, über die demarchen nur, daſs sie die naukraren ersetzten, wo die Atthis des Kleidemos sehr viel genaueres gab. daſs die archonten im gegen - satze zu Solon gewählt wurden, kommt später gelegentlich zur sprache (22, 5); daſs die strategen erst einige jahre nach 507 auf 10 erhöht wurden, ebenfalls (22, 5), woraus wir schlieſsen dürfen, daſs wir unter dem namen der kleisthenischen verfassung etwas zusammenfassen was nicht ein act, sondern das ergebnis einer reform war, die aus einer wurzel allmählich mit notwendigkeit erwuchs. diese wurzel ist die er - setzung des geschlechterstaates durch die gemeindeordnung. und über sie wenigstens teilt uns Aristoteles einige grundsätze mit, deren trag - weite sehr viel gröſser ist, wahrscheinlich selbst als das was ich daraus hier entwickele. schmerzlich bedauert man wieder, daſs Aristoteles selbst so gar kein interesse für das leben der einzelgemeinden gehabt hat, denn hier müſste stehen, was aus anderer überlieferung einigermaſsen zu er - setzen eine hauptaufgabe künftiger forschung ist, welche grenze der einzelgemeinde für ihre selbstverwaltung gezogen war. aber seien wir dankbar auch für das wenige was wir erfahren: es ist alles eitel gold.

Das erste ist die vermehrung der bürgerschaft durch die aufnahme von neuen elementen, wozu als ergänzung die ungestörte fortexistenz der nun für den staat bedeutungslosen verbände des geschlechterstaates gehört. das hat namentlich bedeutung, weil es die richtige auffassung der beiden stellen der Politik (Γ 1275b Ζ 1319b) sicher stellt; es ist von mir an anderen stellen behandelt. wir hören dann die verände - rung des attischen namenswesens durch die einführung des demotikons; das ist nichts neues, hat aber bisher seine volle würdigung nicht er - halten, und ich habe ihm das nächste capitel gewidmet. endlich aber wird uns nun erst die bildung der phylen und der gemeinden klar: das147Die reform des Kleisthenes.soll hier erörtert werden.4)Da mir dieser gegenstand in folge meiner früheren studien über die demen - ordnung besonders nahe lag, hatte ich dieses capitel schon 1891 fertig gestellt. mittlerweile hat Milchhöfer dasselbe behandelt (Untersuchung über die Demenordnung des Kleisthenes 1892). ich werde dasjenige in anmerkungen nachtragen, was er mich gelehrt hat, auf jede polemik verzichten und die übereinstimmung nicht no - tiren. ich will auch auf eine kritik der Milchhöferschen arbeit verzichten. wir geben beide nur provisorisches; wenn ich das attische land genauer kennte, würde ich es besser machen. wer die wichtige aufgabe gut lösen will, muſs sowol orts - kenntnis wie philologisches und historisches urteil besitzen. als diese zweite be - arbeitung schon in der druckerei war, ist der tief eingreifende aufsatz von R. Loeper (Ath. Mitteil. 17) erschienen: es ist mir unmöglich, mich mit ihm auseinander - zusetzen. so muſs ich einiges tatsächlich überholte notgedrungen stehn lassen. wenn wir Aristoteles sagen, so gilt das natür - lich nur, weil wir sein buch lesen: daſs er auch hier lediglich die Atthis wiedergibt ist sowol durch directe berührungen wie durch den inhalt klar. nur einige gelegentlich angeschlossene bemerkungen dürften allen - falls sein eigen sein, über ein specifisch attisches wort (φυλοκϱινεῖν), die dem ausländer auffällige verbreitung der demotika in der attischen nomen - clatur, endlich der versuch, ein motiv dafür zu finden, weshalb Klei - sthenes nicht zwölf phylen eingerichtet habe. daſs Aristoteles danach fragt, kommt aus dem sehr richtigen gefühle, daſs die zwölfzahl der pry - tanien für die verwaltung wirklich viel praktischer gewesen wäre. das haben die Athener durch die praxis gelernt und deshalb 307 und wieder 200 die zahl eingeführt, durch die das geschäftsjahr in eben so viele perioden zerfiel wie das kalenderjahr in monate (nur daſs man sich vor dem verständigen schritte gescheut hat, auch das sonnenjahr einzuführen). Aristoteles hat aber diese beobachtung doch nicht selbst gemacht, son - dern in der platonischen schule gehört: denn Platon selbst hat für den staat seiner Gesetze zwölf phylen vorgesehn (828). übrigens hatte schon die zahlenspeculation, die Aristoteles im eingange seines buches reproducirte (frgm. 3), den alten geschlechterstaat mit der gliederung des jahres ver - glichen. eben in der absicht, sich von dem geschlechterstaate zu ent - fernen, glaubt Aristoteles das motiv zu finden, das den Kleisthenes dazu vermocht habe, die zehnzahl der phylen vorzuziehen. er meint, sie wären sonst mit den alten trittyen zusammengefallen. das ist nicht richtig; die alten trittyen waren ja drittelungen der adelsphylen, hatten also so wenig wie diese einen localen charakter, der vielmehr erst in den naukrarien hervortrat; wir wissen nur nicht, wie diese mit dem gen - tilicischen prinzipe ausgeglichen waren.5)Da die alten trittyen zugleich die phratrien sind, kann man auf den einfall kommen, daſs in der tat die drittel der adelsstämme mit einem drittel des landes es zeigt sich wieder, daſs Ari -10*148II. 6. Trittyen und demen.stoteles so wenig wie die Atthis sich den geschlechterstaat wirklich klar gemacht hat.

Die teilung des landes.Kleisthenes machte also zehn phylen und benannte sie nach den zehn eponymen, die die Pythia aus der liste von hundert alten fürsten (ἀϱχηγέται) auswählte. unter sie verteilte er das land so, daſs jede von ihnen einen strich landes in der nähe der stadt, einen im binnenlande, einen an der küste erhielt.

Das ist das neue. Attika zerfiel fortan in drei geschlossene massen, stadt -, land -, küstenprovinz, um bequeme namen zu stiften; jede pro - vinz zerfiel in zehn kreise; für die verwaltung gehört aber nicht die provinz zusammen, sondern je ein kreis jeder provinz. diese einheit führt den dem geschlechterstaat entlehnten namen phyle, stamm; und die kreise heiſsen von ihrem verhältnisse zu dem stamme drittel, trittyen. die absicht des gesetzgebers muſste sein, für die phylen eine möglichst gleiche leistungsfähigkeit, sowol militärisch wie finanziell, zu erzielen; minder nötig war das schon für die kreise. auf die räumliche aus - gleichung kam nichts an, und in Attikas bergen und ödländereien war sie gar nicht einmal anzustreben. wie viele gemeinden endlich in einem kreise oder einer phyle waren, machte für die organisation sehr wenig aus. es konnten dafür die praktischen rücksichten auf die ansiedelung und bevölkerungsdichtigkeit innerhalb des kreises ganz ausschlieſslich maſsgebend sein; darum sind auch auf diesem gebiete veränderungen vorgekommen, ohne daſs sie die verfassung berührten, so daſs wir über so etwas wie die teilung einer gemeinde oder auch die verleihung des gemeinderechtes an eine neue siedelung niemals etwas hören, es sei denn in verbindung mit der phylenverfassung. wichtig ist nach dieser seite nur die rechtliche zerstörung der hauptstadt, an deren stelle eine pro - vinz tritt. darüber brauche ich meine früheren ausführungen weder zu ändern noch zu wiederholen.

Die zahl der demen.Aber sonst ist es gut zunächst irrtümer einzugestehn und zu be - richtigen. es hat also niemals hundert demen gegeben, überhaupt keine5)ausgeglichen wären, was dann freilich tiefeinschneidende umgestaltungen des reinen geschlechterstaates voraussetzen würde. dann wären bereits in jeder adelsphyle die drei landesteile, stadt, binnenland und küste, vertreten gewesen, also zwölf compacte massen als grundlage für die dreiſsig trittyen der neuen ordnung. und mit den drei landesteilen könnte man die drei parteien, von denen die küstenbevöl - kerung wirklich eine ist, oder die drei stände, von denen die eupatriden städtisch sein könnten, auszugleichen versuchen. allein ich scheue mich vor solchen ledig - lich auf die zahl gebauten combinationen.149Die zahl der demen.runde zahl, da auf die zahl nichts ankam. es war schon peinlich em - pfunden worden, daſs wir die vermehrung der demen über hundert hinaus nicht nur nirgends überliefert hatten, sondern auch so sehr bald nach Klei - sthenes, noch in themistokleischer zeit, ansetzen muſsten. aber wir ver - harrten doch auf dem wege, weil wir die trittyen verkannten. und wir verlieſsen uns auf die angabe über die hundert eponyme, die wir um des Kephalos und Araphen willen für die der demen hielten. wenn wir jetzt die überlieferung ansehen, müssen wir wol zugestehn, daſs wir den fehlschluſs durch schärfere interpretation hätten vermeiden können7)Das zeugnis der Atthis, das wir zu der stelle angeführt haben (vgl. auch oben I 225), zählte die 10 phylenheroen auf: τούτους γὰϱ ἐξ ὀνομάτων ἑκατὸν ϑεὸς ἐξελέξατο. unmöglich könnten den übrig bleibenden 90 die hundert demen entsprechen., und daſs ein zeugnis wie Πάνοψ· ἥϱως Ἀττικός, καὶ ἐν τοῖς ἐπω - νύμοις8)Phot. Hesych s. v. haben dies nicht, aber sonst mehr. die glosse ist be - stimmt für den anfang von Platons Lysis, wo die Πάνοπος κϱήνη erwähnt wird. Πάνοψ ist nebenform von Πανοπεύς: denn die Πανοπηὶς Αἴγλη, die geliebte des Theseus, werden wir lieber in Athen als in Phokis, in Panopeus, suchen. eigentlich ausreichen sollte, jene combination zu verbieten, da Panops ja der eponymos eines brunnens, nicht eines demos ist. wenn die Pythia anders gewählt hätte, würden wir etwa statt einer Antiochis und Oineis eine Panopis und Araphenis haben. daſs einzelne von der Pythia verworfene namen für gemeindeheroen verwandt sind, kann nicht befremden; stehen doch neben einem Oineus als phylenheros noch zwei demenheroen gleichen namens, und ob das schon vor 507 drei ver - schiedene personen waren, ist sehr fraglich. beherzige man aber, daſs die chronik in der lage war, die vorschlagliste mitzuteilen, die Kleisthenes nach Delphi geschickt hatte. das ist sowol für die güte ihres materiales ein wichtiges document wie für die bedeutung, die man diesen personen beilegte, die uns doch zumeist leere namen sind. auſser der falschen auffassung der hundert heroen hat die corruptel der Herodotstelle irre geführt, und es trifft sich glücklich, daſs sie gerade jetzt mit hilfe einer attischen urkunde verbessert ist, ein ziel, nach dem viele gute schützen vergeblich geschossen hatten. Herodotos hat von Kleisthenes erzählt (5, 69) τὰς φυλὰς μετουνόμασε καὶ ἐποίησε πλεῦνας ἐξ ἐλασσόνων, δέκα τε δὴ φυλάϱχους ἀντὶ τεσσέϱων ἐποίησε, δέκα χα δὲ καὶ τοὺς δήμους κατένεμεν ἐς τὰς φυλάς.9)Die ergänzung oder besser wiederholung von zwei buchstaben hat das schöne psephisma von 405 für Samos gelehrt (z. 31, Δελτ. ἀϱχ. 89, 26) νεῖμαι darin liegt nur, daſs er die demen150II. 6. Trittyen und demen.in zehn teilen den phylen zuwies; die demen dachte Herodot als vor Kleisthenes bereits vorhanden. das wuſste die Atthis, wie natürlich, besser; aber die einfache wahrheit zu sagen konnte sie sich nicht mehr entschlieſsen. wir sehen, daſs Kleisthenes teils wirkliche dörfer mit orts - namen zu demen machte, Aixone, Rhamnus, Acharnai, teils alte geschlechter - namen für gemeinden wählte, gewiſs weil dort angehörige der geschlechter wohnten oder gewohnt hatten, Kothokidai Aithalidai Ionidai, dies sogar in einzelnen fällen trotzdem, daſs die geschlechter einen ortsnamen neben sich hatten, wie Paionia neben Paionidai, Kropeia neben Kropidai.10)Die alten römischen tribus können uns am besten lehren, wie ein ge - schlecht und ein stück der flur homonym sein können. in Attika sind selbst - verständlich gar nicht alle solche localgentilicischen namen zu gemeinden geworden, z. b. die Ἐχελίδαι, so wenig wie alle dörfer, Μουνιχία, Βϱαυϱών, oder fluren, Ἀκαδήμεια, die einen heros besaſsen. bei den stattlicheren dörfern, wie den beiden genannten, fragen wir natürlich nach dem grunde und finden ihn auch, da die er - klärung in der kleisthenischen zeit selbst gesucht werden muſs. in diesen letzteren fällen war eine feste siedelung vielleicht sehr oft nicht vorhanden; die gemeinde, δῆμος, verlangt sie so wenig wie die κώμη. dafür war ein eponymer ahnherr des geschlechtes im namen gegeben, wenn auch sehr oft ein fictiver. die alten dörfer hatten vielfach einen längst zu einer wirklichen person ausgebildeten eponymos, wie Kephale Melite Gargettos, andere wie Rhamnus oder Halimus schwerlich, Dorn und Stranddistel passen dazu recht schlecht. als sie zu gemeinden wurden, bedurften sie eines gemeinsamen cultes. der träger des re - ligiös gefaſsten gefühles der zusammengehörigkeit war der ἥϱως κτίστης, und da diese gemeinschaft so sehr bedeutend ward, ist auch der heros an bedeutung gewachsen; doch war es zu spät, als daſs die sage noch kräftig wucherte, und in Rhamnus z. b. hat er es nicht einmal zu einem wirklichen namen gebracht.11)ClA II 1191, inschrift eines sesselpares ἱεϱεύς ἥϱω ἀϱχηγέτου. so war in Daulis ein heiligtum eines ἥϱως ἀϱχηγέτης, den man sich bewaffnet dachte wie alle heroen, aber unbenannt gelassen hatte. dann kamen die mythographen und suchten nach einem namen, Pausan. X 4, 10. so sehen wir die dinge an. aber weder der glaube noch der rationalismus konnte das tun. für sie alle beide war der heros uralt, hatte längst vor Kleisthenes gelebt und die gemeinde gegründet; wenn Kleisthenes notorisch sie nicht mehr als existirend vor - gefunden hatte, so hatte er sie doch nur restituirt. es traf sich dafür gut, daſs die neugründungen meistens gentilicische namen trugen, so9)αὐτοὺς .. εἰς τοὺς δήμους καὶ τὰς φυλὰς δέκαχα. Lolling, der nur die gramma - tische bildung (ὡς τϱίχα τέτϱαχα) verkannte, gebührt das verdienst der emendation.151Die zahl der demen. Pandionis.daſs für sie der heros vorhanden war; daſs er eigentlich der ahnherr eines geschlechtes war, das möglicherweise noch bestand, davon mochte man nichts wissen. Aristoteles, der ja an der historischen existenz selbst von Theseus und Herakles nicht gezweifelt hat, giebt diese erklärung getreulich wieder er benannte die demen zum teil nach den örtlich - keiten (Rhamnus Peiraieus Eleusis), zum teil nach den gründern (den eponymen, Titakos, Paion, Butes), denn local bestanden sie nicht mehr alle.

Der zweite hauptirrtum, der berichtigt wird, geht mich ganz per -Die städtischen demen. sönlich an. auch in der modification, die ich ihr gegeben habe, ist Sauppes lehre von den zehn städtischen demen nicht richtig. aber es steckte in ihr doch etwas richtiges. es sind nur nicht zehn städtische demen gewesen, sondern zehn städtische trittyen; ich hatte eine davon auch schon ganz richtig bestimmt (Herm. 22, 124), und hätte wol das wahre gefunden, wenn ich den bericht des Psellos (d. h. den auszug aus der aristotelischen stelle) nicht übersehen hätte. natürlich ist nun aber nicht mehr nötig, daſs jeder stadtkreis ein stück des landes umfasse, das Themistokles in seinen mauerring gezogen hat.

Hinfort stellt sich die topographische aufgabe so, daſs eine karteTopogra - phische auf - gabe. von Attika hergestellt werde, auf der die drei provinzen und die je zehn kreise deutlich hervortreten, und innerhalb dieser die gemeinden. die aussichten auf deren fixirung sind stark gewachsen. so will ich denn den versuch wagen, den ersten anhieb zu diesem werke zu tun, sicher überzeugt, manchen fehlhieb zu tun, wie ich es bisher getan. es kommt mir aber mehr aüf das gröſsere, die kreise an, als auf die gemeinden. wenn Aristoteles ganz genau geredet hätte, so müſste jede gemeinde, die wir fixiren, zugleich auch einen kreis an einem punkte fest legen; es wird sich aber sogleich zeigen, daſs er nur die regel angegeben hat, von der es sehr bedeutende abweichungen gab.

Von der Pandionis sind die trittyen alle drei überliefert durch diePandionis. prytanenliste II 871 und den grenzstein des hafens IV p. 120, 517a. Paiania Myrrhinus K (ydathenaion): daſs der letzte name so richtig er - gänzt ist, folgt aus der forderung eines städtischen demos. Paiania und Myrrhinus liegen beide im binnenlande; aber es braucht ja nicht der vorort eines kreises am meere zu liegen, wenn es nur der kreis tut, und neben Myrrhinus liegen Steiria und Prasiai. zwei prytanenlisten der phyle, II 865 und Δελτ. 89, 18 sind nach trittyen geordnet, denn 865 wird am kopfe der ersten columne Μυϱϱινούσιοι, im Δελτ. Κυ - δαϑηναιῆς am kopfe der letzten sicher ergänzt. danach können wir152II. 6. Trittyen und demen.Oa und Konthyle neben Paiania, Angele neben Myrrhinus mit sicherheit ansetzen.12)Für dessen lage fehlten auch bisher nicht ganz die anhaltspunkte, Milch - höfer, text zu den karten III 10. aber aus der umgegend der stadt gibt es keinen zweiten demos der Pandionis, und zu ihrer trittys gehört Probalinthos aus der tetrapolis.13)So auf der liste des Δελτίον und 863 nach einer schönen emendation Köhlers. damit ist sofort eine ausnahme der regel festgestellt.14)Die liste 873 hatte mehr als drei columnen. sie beginnt mit 13 männern des landkreises, richtig mit Paiania anfangend, dann folgen 13 des küstenkreises, aber Myrrhinus folgt erst nach Prasiai und Angele, dann 4 Probalisier (hergestellt von Wilhelm Herm. 24, 173): die ordnung war also gestört. eine andere bilden die Graes in dem stücke der Γϱαική, das Athen nicht mit Oropos verloren und dann zu den gemeinden Γϱαῆς und Ψαφίς gemacht zu haben scheint, von denen dieses zu dem benachbarten küsten - kreise der Aiantis kam, jenes zur Pandionis. diese kleinen demen scheinen nämlich nicht kleisthenisch zu sein. endlich wird Kytherros, nach Apollo - doros bei Strabon eine der zwölf städte, also sicher eine alte burg, so unbedeutend die gemeinde auch war, in dem landkreise zu suchen sein; da muſs die ortsforschung ansetzen.

Oineis.Sicher sind auch die kreise der Oineis, denn Lakiadai gibt der grenzstein I 500, Thria IV 517b, und daſs Acharnai der vorort des land - kreises ist, oder vielmehr ihn so gut wie ganz darstellt, folgt aus der ganz einzigen gröſse dieser gemeinde, die im jahre 360 / 59 mit 22 mann im rate saſs, also viel mehr als einem drittel der phyle zukommt (II 868, nicht nach trittyen geordnet). 15)Die köhler von Acharnai belehren uns darüber mit sicherheit, daſs das gemeindeland nördlich bis an den Parnes hinauf reicht, denn in der ebene war kein wald.Thria repraesentirt den küstenkreis, zu dem sicher Oie und Phyle gehören, so daſs er sehr wenig küste und auch nicht einmal einen schlechten hafen hat, aber bis in das hoch - gebirge reicht. zu den Lakiaden gehören noch als gemeinden des stadt - kreises die Butaden Kothokiden16)Da diese beiden zu derselben phratrie gehören, die phratrien auch einiger - maſsen localen charakter haben, und ein grundstück des königs Apheidas in Kotho - kidai liegt (CIA II 785), die Butaden selbstverständlich städtisch sind, so habe ich diesen ansatz schon früher vertreten; nur local können wir nunmehr erst diesen kreis festlegen, da die Lakiaden an der Kephisosbrücke sicher gewohnt haben. Epikephisia17)Diese lage hatte Dittenberger zu Syll. 298 bestimmt; ich habe deshalb den gedanken an den thriasischen Kephisos aufgegeben. und Lusia18)II 834b II 59 werden für einen bau im städtischen Eleusinion 3 trachten γῆ Σκιϱάς verrechnet, à dr. inclusive transport, und 40 trachten γῆ Λουσιάς zu demselben preise. also war Lusia schwerlich weiter als das σκίϱον in Lakiadai.; in die thriasische ebene wol noch die Perithoiden. 19)Nach einer schönen vermutung Töpffers (Att. Geneal. 109) war ein mann Πεϱιϑοίδης τῶν δήμων, Φιλιεὺς τὴν φϱατϱίαν, Κοιϱωνίδης τὸ γένος und die Koi - roniden scheinen an die ῥειτοί zu gehören. sicher ist das freilich nicht; man möchte nur lieber auf die weite strecke im westen einen demos mehr bringen als auf das fleckchen neben der stadt.

153Hippothontis.

Von der Hippothontis gibt der grenzstein des hafens I 517 die trit -Hippo - thontis. tyen Eleusis und Peiraieus. an diesen grenzen Koile Keiriadai Thymai - tadai Korydallos: das ist der stadtkreis; von der künftigen bedeutung des hafens konnte Kleisthenes nichts ahnen. immerhin war Thymaitadai ein alter hafenplatz, und Munichia, dessen namen er durch Peiraieus ersetzte, eine alte inselburg, die so viel maritime bedeutung gehabt haben muſs, wie der hauptort des küstenkreises Eleusis, der sich wie der thriasische neben ihm, bis auf den kamm des gebirges erstreckte, denn Oinoe ge - hört dazu; dazwischen wird noch ein oder der andere geringe demos liegen20)Von diesen weist Milchhöfer s. 33 die Αὐϱίδαι auf ländlichen grabsteinen nach, an der heiligen straſse gefunden. ich weiſs nicht, ob sie demselben demos angehören können wie das dorf Magula, nördlich von Eleusis: dort ist ein phylen - beschluſs gefunden (Mitteil. Ath. X 111), natürlich der Hippothontis. der heros, Kerkyons sohn, gehört in diese gegend. weil sein heiligtum hier war, haben wir keine prytanenlisten und phylenbeschlüsse seiner phyle aus der stadt. II 567b ist ein solcher, im Asklepieion gefunden; es steht aber auch darin, daſs er dort und in dem Hippothontion[aufgestellt] werden sollte; Pausanias erwähnt dieses an der heiligen straſse noch vor der Kephisosbrücke (l 38, 4). der stein war also sicher nach Magula verschleppt.: das alteleusinische reich war ungleich stärker centralisirt als das kekropische Athen. den charakter des küstenkreises hat Kleisthenes in dieser phyle durch eine sehr starke abweichung von der localen zu - sammengehörigkeit bewirkt, indem er Azenia, nahe bei Sunion, zu Eleusis in dieselbe trittys versetzte. die landtrittys wird durch Dekeleia, nach dem wir sie benennen können, sammt seinem Oion und Sphendale sicher bestimmt; auch hier müssen noch ein par kleine gemeinden gelegen haben, zu denen die der wilden birnbäume, Acherdus, wol sicher gezählt werden darf. 21)Die vermutung von Dragumis Anakaia in der flur Anakasa nördlich der stadt zu finden (Ἀϑήν. X 50) ist beseitigt.

Von der Akamantis ist die städtische trittys der Kerameer bezeugt (I 500); das andere ist aber so schwer, daſs die antwort erst nach be - sprechung aller anderen phylen versucht werden kann.

154II. 6. Trittyen und demen.

Aigeis.Überliefert ist noch ein trittyenname, Ἐπακϱῆς22)I 617b hergestellt von Dittenberger aus dem nur all zu verstümmelten pachtvertrage II 1053. die herstellung von τϱιττύαϱ] χοι ist unsicher, z. b. δή - μαϱ] χοι auch möglich, so daſs ich im folgenden von ihr absehe., nicht identisch mit einem demos, sondern mit einem alten cultverbande, an dem drei spätere gemeinden teil nahmen, von denen wir Plotheia aus der Aigeis und Semachidai aus der Antiochis kennen. Plotheias lage ist bei Palaeosta - mata gesichert, für beide demen als hauptcult der des Dionysos, und so wird man als dritten demos der Epakria das unweit Plotheia gelegene Ikaria anerkennen, das noch heute nach Dionysos heiſst. 23)Demenstatut von Plotheia II 570. die z. 30 erwähnten Ἐπακϱῆς sind nicht die trittys, sondern die tripolis, denn sie haben ἱεϱά. von z. 33 ist zu schreiben (ich bezeichne nur weitere ergänzungen) καὶ ἐς τὰ ἱεϱὰ τὰ κοινά, ἐν ὅσοισιν ἑστι - ῶνται Πλωϑῆς οἶνον παϱέχεν ἡδὺν ἐκ το̃ κοινο̃, ἐς μὲν τὰ ἄλλα ἱεϱὰ μέχϱι [ἡμίχο, so Wilhelm] ἑκάστωι τοῖς παϱο̃σι Πλωϑέων, [ἐς Διονύσια δὲ] διδασκάλωι κά [δον. es handelt sich um die spiele, die wir aus den demenurkunden von Ikaria kennen. die zugehörigkeit der Semachiden zur Epakria und ihre dionysische legende gibt Philochoros bei Steph. Byz. s. v. daſs die Epakria eine dreistadt war, sagt die sicher aus der Atthis stammende glosse Et. M. Suidas (quelle das Photiusglossar) Ἐπακϱία. Strabon 397 tritt bestätigend hinzu.Ikaria gehört auch zur Aigeis, und so werden die Epakres den landkreis dieser phyle bezeichnen. von dem cultverbande hat Kleisthenes eine gemeinde ab - gerissen, ganz wie er es mit der tetrapolis von Marathon und der des Peiraieus gethan hat. der küstenkreis der Aigeis ist sehr deutlich; er setzt südlich an die tetrapolis (Probalinthos) an und reicht bis zu der alten Peisistratidenburg Brauron, die als gemeinde zerschlagen ward wie die hauptstadt. Philaidai, Araphen mit seinen lagunen (Ἁλαί) Phegaia, Myrrhinutte stehn hier fest; hinzutritt Otryne, von dem nur die lage am meere bekannt war.24)Durch seine hechte, Antiphanes im Timon. ich muſs mich anschuldigen lediglich im vertrauen auf eine alte karte Kieperts Otryne an den Korydallos gesetzt zu haben; das hat keine gewähr. es wird aber schwer diesen küstenkreis von dem landkreise zu scheiden, weil sie aneinanderstoſsen. denn fest localisirte demen der Aigeis sind noch Herchia (Spata) und Gargettos mit Ionidai.25)Man wird jetzt nicht zweifeln, daſs der eponymos Ἴων Γαϱγηττοῦ war (Pausan. VI 22, 7). der vater der vier phyleneponyme paſst auch so wenig zum demenheros wie der phyleneponymos Oineus mit den demenheroen gleichen namens gleichgesetzt wird. wenn Λύκων Αὐτολύκου Θοϱίκιος im schol. Plat. Apolog. 23c Ἰων γένος heiſst, so kann ich darin nur die insinuation der fremden herkunft sehn, nicht das geschlecht, das Ἰωνίδης lauten müſste. da Gargettos am südabhange des Brilettos liegt, Plotheia nordöstlich von ihm, Herchia weit südöstlich, an Araphen etwa stoſsend, so ist hier ein155Aigeis. Kekropis.bedeutender bezirk für die phyle festgelegt, zum teil im gebirgslande, wo das dorf des haidekrautes Ἐϱίκεια sehr gut paſst, zum teil in frucht - barem lande gelegen: da mag man sich die heimat der Teithrasier und der Kydantiden, also des Nikias, denken. die städtischen demen sind bekannt; Kolonos hippios Bate Diomeia Ankyle26)Aus Alkiphron II 43 folgt nur, daſs Ankyle vorstädtisch war, nichts für die lage. die briefe des albernen rhetors sind pasticci von redner und komikerstellen., das sich bis an den Hymettos zog, sehr passend das wellige unfruchtbare land bezeichnend, durch das man jetzt vom Engelskloster nach Kaesariani geht. das ist ein strich, von der Akademie an die nordseite und nordostseite der themisto - kleischen stadt umfassend. hinzutritt aber der innerhalb der mauern, wenigstens zumeist, gelegene Kollytos. 27)Die prytanenlisten II 329. 870. 872 helfen nicht weiter. ich hatte übersehen und trage, gemahnt durch Milchhöfer s. 15 nach, daſs Roſs durch die verbesserung eines Isaiosbruchstückes (Harp. Suid. τϱικέφαλος) Hestiaia neben Ankyle richtig angesetzt hatte.

Nun ist nur noch ein zweifelhafter trittyenname überliefert, Ῥωπῖτις, der nichts lehrt.28)Hesych ῥωπῖτις· τῶν τϱιττυῶν τις καὶ πατϱιῶν οὕτω καλεῖται. als wirk - licher name ist es der form nach nicht recht glaublich. als spitzname könnte es wol bei einem komiker stehn. aber die sonderung der kreise geht gerade in einigen phylen, von denen nichts direct überliefert ist, sehr leicht. so hat die Aiantis nur das eine Phaleron als städtische gemeinde und städtischenAiantis. kreis, alle andern gemeinden liegen im nordosten, Aphidna mit Titakidai Thyrgonidai Perrhidai mag den landkreis, Rhamnus mit Psaphis, Marathon mit Oinoe und Trikorythos den küstenkreis bilden; doch ist die sonderung dieser beiden, die aneinander stoſsen, nicht sicher.

Die Kekropis hat als stadtkreis Melite und Xypete, als landkreisKekropis. den fruchtbaren strich nördlich und östlich von Turkovuni nach dem südwestabhange des Brilettos zu, doch so hoch hinauf, daſs die quelle des Kephisos noch dazugehört, denn sie war in Trinemeia29)Strabon 400. da wir nun Trinemeia (den ort wo drei weideplätze zu - sammenstoſsen) in contact mit Athmonon bringen müssen, folgt, daſs im altertum nicht der längste und geradeste bach den namen des Kephisos trug, denn der kommt vom Parnes, nicht vom Brilettos. dasselbe folgt aus dem namen Kephisia, denn dieser ort liegt jetzt nicht am Kephisos.; die demen sind Athmonon Phlya Pithos Sypalettos (CIA IV p. 134), vielleicht auch Daidalidai.30)Der steinmetz Daidalos konnte sowol am Brilettos wie am Turkovuni ar - beit finden; hier möchte ich ihn lieber unterbringen, weil Sokrates von Alopeke irgendwelche gentilicische beziehungen zu ihm hat Plat. Euthyphr. 11. den küstenkreis bildet Aixone mit seinen Halai. 31)Die prytanenliste II 866 kann die trittyennamen geben; sie beginnt die columnen mit Φλυῆς Ἁλαιῆς Μελ [ιτῆς], wie sicher ergänzt werden muſs.

156II. 6. Trittyen und demen.

Erechtheis.Die Erechtheis hat als stadtkreis Agryle und südlich davon Pergase32)πϱὶν γὰϱ εἶναι Πεϱγασῆσιν ἔνεον ἐν ταῖς ἐμβάσιν, sagt der sclave in den Rittern 321. der ort muſs also der stadt ganz nahe sein; das ziel des sclaven ist selbst dem dichter unbekannt gewesen., die wie das nördlich daranstoſsende Ankyle in eine obere und untere gemeinde sich sondern; als landkreis Kephisia mit Euonymon33)Die ephesische phyle Εὐώνυμοι hat mit Athen natürlich nichts zu tun; sie sind die boni nominis; die gemeinde heiſst nach dem linken ufer. die win - dige combination hat Ephoros bloſs auf den namen hin ersonnen (bei Steph. Byz. Βέννα; der name des lemmas ist corruptel von Βέλβινα, wie die ephesischen steine gelehrt haben), weder für Ephesos noch für die attische gemeinde hat das irgend welchen wert. die genealogien bei Steph. Byz. Εὐωνύμεια hat Geffcken de Steph. Byz. 51 geordnet.; als küstenkreis Lamptra und Anagyrus. an eine dieser gruppen müssen sich die wenig bedeutenden unbestimmten gemeinden angliedern. 34)Milchhöfer s. 13 versucht localisirungen, von denen die von Kedoi und Pambotadai in dem küstenkreise einige wahrscheinlichkeit haben.

Leontis.Von der Leontis war der landkreis als ein zusammenhängendes stück, der nordwesten der attischen ebene an den abhängen des Aigaleos, be - kannt, da Kropia durch Thukydides (II, 19) als die einsattelung bestimmt war, durch die jetzt die eisenbahn geht, woran dann östlich Paionidai (mit Leipsydrion am Parnes), südlich Aithalidai Eupyridai Pelekes ansetzen; ob hieher noch das Oion (ὄϝιον die schafhürde, die καλύβια) der Kerameer gehört oder schon zur stadt, muſs unsicher bleiben. den städtischen kreis kennen wir durch Skambonidai und Halimus. der küstenkreis setzt den der Pandionis südlich fort, Potamos mit Deirades bis Sunion; doch sitzt Thorikos von der Akamantis eingesprengt. notwendig haben hier noch wichtige demen gelegen, da es der hauptdistrict der bergwerke ist. es stehen auch noch namen zur verfügung, Phrear, Cholleidai, Leukonoe; aber ich finde keine sicherheit; die listen (II 864 prytanen; 943 diaeteten. Mitt. Ath. X, 105; II 1001, 1040, 1049) sind nicht nach trittyen geordnet. 35)Milchhöfer s. 21 hat auf grund der entdeckung Töpffers, daſs die Kephalos - sage auſser bei Thorikos auch am Aigaleos localisirt war (Att. Geneal. 258), meine entdeckung, daſs die eponymen von Leukonoe und Ptelea in diese sage verflochten sind, die ich deshalb in die nähe von Thorikos brachte, so verwandt, daſs er Leu - konoe auf die ostseite des Aigaleos bringt, Ptelea auf die westseite, und da dieser demos der Oineis gehört, paſst er in der tat in das thriasische gefilde. ich schlieſse mich dieser combination an. auch seine vermutungen, daſs Cholleidai, die heimat des Dikaiopolis, in den landkreis, Phrear, die heimat des Themistokles (der157Leontis. Antiochis.eine abweichung von dem prinzipe der localen kreise ist zudem sicher: Hekale gehört zur Leontis und lag, wir wissen nicht wo, aber so, daſs Theseus auf dem wege von der stadt nach Marathon dort nachtquartier machen konnte, also sicherlich auſser contact mit den übrigen demen. den Kleisthenes hat hier wieder die tendenz geleitet die alte cultgenossen - schaft des Zeus, deren centrum Hekale war, zu sprengen.36)Zu Hekale kann der Kolonos der Leontis gehören, denn bei Kallimachos sagte jemand ἔκ με Κολωνάων τις ὁμέστιος ἤγαγε δήμου τῶν ἑτέϱων, fgm. 428. wir wissen nur noch nicht, welche gemeinden sonst an ihr teil hatten.

Schwieriger stellt sich die Antiochis.37)Die prytanenliste II 869 ist nicht nach trittyen geordnet. zwar für den stadtkreisAntiochis. haben wir Alopeke und den Kolonos des marktes, und der küstenkreis ist durch Thorai38)Strabon 398 setzt zwischen Thorai und Aigilia in seiner aufzählung der küstenplätze Lamptra. in der tat öffnet sich die küste zwischen Vari-Anagyrus und Phinikia-Aigilia zweimal, zwischen den bergen Keramoti und H. Dimitrios und bei dem kirchlein des heiligen dieses namens, wo eine alte ansiedelung bemerkt ist. nur kann man diese schlecht für das untere Lamptra halten und Thorai westlich von ihr unterbringen, und sicherlich hatte die alte phylenordnung diese durch - brechung nicht beabsichtigt, wenn nicht gar ein irrtum vorliegt. Aigilia Anaphlystos gegeben, mit denen man bequem die landeinwärts anstoſsenden Besa Atene und Amphitrope verbindet. aber wo bleibt der landkreis? Melainai am Kithairon, vereinzelt an dem küstenkreis der Hippothontis klebend, betrachte ich als eine schöpfung der zeit nach Kleisthenes, wie Graes und Psaphis. Semachidai in der Epakria ist mit absicht von dieser losgetrennt, und muſs so angesetzt werden, daſs es Pentele, die steinbrüche des Brilettos, also seine kuppe, angliedern kann. beides sind kleine gemeinden.39)Die existenz der gemeinde Pentele für das vierte jahrhundert beweist der metöke Menes Πεντελῆσι οἰκῶν II 834c 37. die hauptfrage ist hier die ansetzung von Pallene, um die durch Brückners gedankenreichen aufsatz (Mitteil. Ath. XVI) ein streit entbrannt ist, den leider die kreistei - lung nicht sicher entscheidet. immerhin ist der platz in der nähe von Gargettos durch die Aigeis occupirt, eine lage im anschluſs an Pentele und Semachidai nicht wol angängig. dagegen gelingt es Brückners ansatz von Pallene in Koropi mit der südlichen demengruppe der Antiochis zu vereinen, da ein vorkleisthenischer Eroiade ein denkmal erhalten hat, das in den Kalyvia von Kuvaraes gefunden ist.40)Auf dem rätselhaften steine I 492 = IV p. 118 ist wenigstens hιεϱός εἰμι το̃ hεϱοιάδο sicher. und nach dem ge -35)also die bergwerke von der heimat her kannte) in den küstenkreis gehöre, sind mir sehr ansprechend, doch nur so weit als ich sie hier reproducire. fester anhalt fehlt.158II. 6. Trittyen und demen.schlechte der Eroiaden ist ein demos der Antiochis benannt, wodurch für die ansetzung des gleichnamigen der Hippothontis nichts gesagt ist; das geschlecht mochte in jeder beliebigen andern ecke des landes ein anderes landgut haben. so unerfreulich es ist, daſs die wichtige frage mit zuversicht nicht erledigt werden kann, bleibt es doch wahrscheinlich, daſs die zahlreichen gemeinden, die in dieser gegend der laureotischen halbinsel zur Antiochis gehören, teilweise ihrem landkreise zufallen.

Akamantis.Nun endlich zu dem schwersten probleme, der Akamantis. auſser dem Kerameikos müssen wir zu dem stadtkreise noch Hermos rechnen, bestimmt an der heiligen straſse westlich von Lakiadai um den jetzigen bach von Chaidari, der nach Hermos hieſs, gelegen. auſserdem sind Eiresidai und Iphistiadai für den landkreis durch Platons testament ge - sichert, noch auf das linke Kephisosufer mindestens übergreifend, am wege nach Kephisia, also etwa wo jetzt die eisenbahn (station Arakli und vorher) läuft. der landkreis der Kekropis engt dieses stück durch Sypalettos und Athmonon von norden und osten ein, im nordwesten drängt sich Acharnai heran, von süden die städtische provinz; nach westen allerdings kann noch ein kurzer streifen als frei gelten. ein anderes zusammenliegendes stück landes gehört im osten der Akamantis, Agnus41)Dies eröffnet eine columne in dem verstümmelten prytanenverzeichnis II 867. Prospalta Kephale Sphettos42)Brückner Mitt. Ath. XVI 200. für die kreisteilung kommt nichts wesent - liches darauf an, ob Milchhöfer mit der bestreitung dieses ansatzes recht hat; er hat einige beachtenswerte einwände erhoben. entweder in die umgegend von Agnus oder in die von Eiresidai gehört Kikynna: also hat es mit Kynnes nichts zu tun. die darauf gerichtete vermutung von Kirchner (Att. et Peloponn. 52) ist auch an sich falsch, erstens weil Kynnes nach Ἁλαὶ Αἰξωνίδες gehört, nicht nach Κίκυννα, zweitens weil zwar Κύννης und Κίκυννα mit κύων verbunden werden können, aber wenn sie mit einander zusammenhiengen, würde nicht bloſs eines von beiden reduplicirt sein., und stöſst mit Thorikos an das meer. so scheint es, und man weiſs dann wieder nicht, soll man diese landschaft, die zum teil ganz binnenländischen charakter trägt, um Thorikos willen zum küstenkreise machen, oder so entlegene stücke wie Agnus und Eiresidai zum landkreise vereinen. es kommt hinzu, daſs der küsten - kreis der Leontis sowol Potamos wie Sunion umfaſst, also entweder Thorikos von seinen nachbarn gleicher phyle, Prospalta Kephale, ab - drängt, doch nur durch einen schmalen streifen, wo es dann eine enclave wird, wie Azenia im küstenkreise der Antiochis, oder aber dem demos Thorikos die küstenqualität nimmt, indem etwa die dem burgberge von159Akamantis. ergebnis.Theriko vorgelagerte halbinsel diesem nicht gehörte. und um das übel voll zu machen, ist die wichtige heimatgemeinde des Perikles Cholargos ganz unbestimmt. so muſs ich hier die aporie leider offen lassen. 43)Milchhöfer s. 24 setzt Cholargos nordwestlich von der stadt auf grund der inschrift des cultverbandes der Mesogeer II 604, die im Heraklesheiligtum von Cho - largos aufgestellt war. das ist unwidersprechlich, so weit es die zugehörigkeit der gemeinde zu den Mesogeern angeht; sie kann allerdings noch weiter östlich, nach Eiresidai zu, angesetzt werden. ich hätte das wissen sollen. Χόλαϱγος oder Χό - λαϱγον ist gallweiſs, also gelblichweiſs; der Buzyge Demostratos wird nach der μέλαινα χολή Χολοζύγης genannt Ar. Lysistr. 397; aber hier wird man nur an die χλωϱά denken. der name wird die farbe des gesteins angeben, auf dem das dorf lag und aus dem es gebaut war. das deminutivum davon mit verdoppeltem end - consonanten dürfte dem ahnherrn der Χολλεῖδαι gegeben sein; der demos ist nicht weiter bestimmt als für den landkreis der Leontis, kann also sogar nachbar von Cholargos gewesen sein.

So viele einzelheiten auch noch fraglich bleiben, in der hauptsacheErgebnis. ist die organisation klar. die drei landesteile entsprechen ihrem namen nur so ungefähr. die stadtprovinz ist westlich durch den Korydallos bis ziemlich an den paſs des Pythion hinan, östlich durch den Hymettos begränzt; doch ist Aixone an dessen südfuſse schon nicht mehr hinein - gezogen. nach norden ist die grenze, weil sie keine natürliche mehr ist, unsicherer, doch läuft sie noch nördlich vom Kolonos und Lykabettos. da diese provinz an das meer reicht, unterbricht sie die küstenprovinz. dieser gehört das ganze eleusinische gebiet bis an den Kithairon, auf - geteilt an zwei phylen, VIII und VI, dann läuft sie als ein ziemlich schmaler streifen rings um Attika bis an die oropische grenze; die phylen folgen sich von Aixone an in der folge VII, I, X, IV, V, III, II, IX. es ist ganz klar, daſs diese Παϱαλία weder mit dem cultverbande gleichen namens, zu dem gerade Munichia gehörte, noch mit der paralischen partei der tyrannenzeit identificirt werden kann. die Diakria gehört ihr ja selbst zum teile an. das binnenland hat ebenso wenig mit dem cultverbande der Mesogeer zu tun, in dem leute aus der städtischen gemeinde Bate sind; sie umfaſst die kekropische ebene, gehörig den phylen (von west nach ost) IV, VI, I, südlich von diesen ein stück von V und dann VII; das bergland des Parnes bis an die küste VIII und IX, und das berg - land des östlichen Brilettos und die jetzt so genannte μεσόγεια bis zum innern der laureotischen spitze II, III, das andere stück von V, und X. Auch hier ist, schon um des gegensatzes der öden berge und des ackerlandes willen, dann aber auch durch den willkürlichen schnitt, der die stadt absondert und in der jetzigen mesogia die häfen von dem hinter -160II. 6. Trittyen und demen.lande trennt, ein provinzielles sondergefühl gar nicht denkbar. wo ein alter cultverband bedenklich schien, sind einzelne seiner glieder ge - waltsam selbst auf kosten der örtlichen continuität der kreise losgetrennt; so sind die befremdlichen enclaven Xypete in der stadtprovinz, Proba - linthos und Azenia (hier ohne nachweisbares religiöses centrum) in der küstenprovinz, Hekale und Semachidai mit Pentele in der landprovinz entstanden: die neuen phylen könnten aber dem beschauer der karte einige furcht vor localen aspirationen erwecken. denn die ganze Oineis liegt zwischen dem eleusinischen und attischen Kephisos, die ganze Kekropis (auſser Xypete) zwischen der innern stadt und der linie Bri - lettos Hymettos. fast der ganze nordosten gehört der Aiantis, die süd - spitze der Antiochis, von denen beiden je zwei kreise sich berühren; dasselbe geschieht, wenn auch auf schmalerem striche, von der Aigeis und vielleicht auch der Akamantis. beabsichtigt kann Kleisthenes dies schwerlich haben; es wird die tücke des zufalls, des loses sein. 44)Diesem möchte ich auch selbst die zuteilung von Kydathenaion an die Pandionis zutrauen. hätte man für die burg einen phylenheros gewählt, so würde es doch nur Kekrops haben sein können. die Kekropiden und Erechthiden haben sich nicht abhalten lassen, ihre eponyme an ihren heimstätten auf der burg zu ver - ehren; das würde nicht anders gewesen sein, wenn Antiochos der phylenheros von Kydathenaion geworden wäre.

Gleichheit der phylen und kreise.In der stadt Athen hilft die neue erkenntnis nur wenig dazu, die schwebenden fragen zu entscheiden. einzelne phylen, wie die Pandionis mit Kydathenaion, die Kekropis mit Melite, die Aiantis mit Phaleron sind nur mit einem demos beteiligt, machen also keine schwierigkeit. die Hippothontis hat in der südwestecke eine compacte masse, die Oineis nördlich von ihr (Xypete wieder nicht gerechnet), die Erechtheis im osten. die Aigeis zieht sich am nordrande der provinz in einem streifen vom Kolonos bis zum Hymettos, und ich kann nicht bestreiten, daſs dies dafür spricht, Kollytos nördlich und nordöstlich vom Eridanos an - zusetzen. aber sieht man dann, daſs Skambonidai und Halimus, Kera - meikos und Hermos, Alopeke und der Marktkolonos zusammengehören, die wirklich nicht aneinanderstoſsen, so verliert man das zutrauen, und trotz allem guten willen umzulernen, kann ich hier die fragen nur stehen lassen wie sie standen. 45)Halimus Hermos Alopeke sitzen allerdings alle am rande der provinz; man könnte wol glauben, daſs sie bei einer schlieſslichen correctur der provinzialgrenzen oder auch zur ausgleichung der phylen innerhalb der stadt, sei es von den auſsen anstoſsenden provinzen, sei es von den innen anstoſsenden kreisen, abgetrennt wären.

Die natürlichste annahme ist, daſs Kleisthenes beabsichtigt hat, die161Gleichheit der phylen und kreise.drei provinzen an steuercapital und bevölkerung gleich zu machen; selbst dann würde die einteilung für die wirtschaftliche übermacht be - weisen, die trotz den landfreundlichen maſsnahmen der tyrannis die hauptstadt gewonnen hatte. die demokratie hat diesen prozeſs mit oder ohne absicht ungemein beschleunigt, denn in den meisten phylen und so überhaupt in der bürgerschaft überwiegen die angehörigen der stadt - provinz relativ ganz bedeutend. man sollte zwar meinen, das verhältnis der demoten könnte sich gar nicht verschieben, weil trotz dem wechsel des wohnsitzes die gemeindezugehörigkeit immer weiter vererbt wird. aber das gilt nur in abstracto. wenn ein bauerndorf im gebirge ver - ödet, so mögen sich seine bewohner zunächst in die stadt ziehen und sich ein brot suchen; eine menge von ihnen wird schon sogleich aus - wandern. die kleruchien des fünften jahrhunderts haben sehr viele bürger hinausgelockt, die gewiſs zum teile dem vaterlande verloren gegangen sind; im vierten sind athenische söldner in fremdem dienste recht zahl - reich. aber die demokratie vermag auch mit allen largitionen nicht zu verhindern, daſs die verarmte bevölkerung keinen hausstand gründet oder keine legitime nachkommenschaft erzeugt, und so gehen diese ge - meinden an bevölkerung zurück. andererseits ist die vermehrung der bürgerschaft durch die aufnahme von fremden und metöken recht stark gewesen und vorwiegend den städtischen gemeinden zu gute gekommen. da erwiesen ist, daſs die metöken auf verhältnismäſsig sehr wenige fast ausschlieſslich städtische gemeinden beschränkt waren, ist der schluſs unab - weisbar, daſs das gleiche für die neubürger gilt, denen das privileg die wahl des demos freistellte. wer auf unrechtmäſsigem wege sich in die bürgerschaft einschleichen wollte, mochte sich nach Halimus oder zu den Titakiden wenden: der reiche kaufmann des hafens, dem das volk das bürgerrecht verlieh, kaufte sich dort ein haus und trat in die ge - meinde des Peiraieus. so ist die Aiantis tatsächlich schwächer als die übrigen phylen geworden, weil das nordöstliche bergland verödete und ihr städtischer demos Phaleron seit Themistokles verkam: zu Kleisthenes zeit muſs gerade dort das regste leben geherrscht haben.

Die organisation hätte eine dauernde ausgleichende kontrolle des staates erfordert. diese ist aber nicht eingetreten, es sei denn durch die für das ganze unwesentliche errichtung neuer gemeinden. 307 schritt man freilich zu der schaffung zweier neuer phylen, aber die art, wie man diese schuf, lehrt deutlich, daſs die kleisthenische ordnung nur noch als division des volkes durch zehn erschien, die man mit der zwölftelung vertauschte. auf die kreise und die provinzen hat man wederv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 11162II. 6. Trittyen und demen.damals noch später rücksicht genommen.46)Ich unterdrücke einen genaueren nachweis, weil er von Kirchner Rh. M. 47, 550 vollständiger geliefert ist. dieser hat freilich auf die kreisteilung selbst gar nicht geachtet, aber das kann der leser durch vergleichung der obigen ausführung mit Kirchners demenverzeichnis leicht sich selbst ergänzen. das verzeichnis der demen, wol aus dem jahre 200, das wir besitzen (II 991), kennt die trittyen gar nicht mehr.

Bedeutung der kreis - ordnung.Mögen sie denn auch verfallen sein, so gehören sie zu den ein - richtungen, die in der groſsen zeit Athens lebendig waren, und selbst wenn wir zugeben müſsten, daſs die organisation sich praktisch nicht bewährt hätte, so würde sie an interesse nicht verlieren. der groſse staatsmann hätte höchstens zu groſses für seine zeit geplant. denn mit nichten ist der erfolg allein der gradmesser für die bedeutung eines staatsmännischen gedankens. die einzelgemeinde als selbstverwaltungs - körper ist das eine und gröſste was Kleisthenes geschaffen hat. sie hat sich lebenskräftig bewiesen, obwol wir zugestehn müssen, daſs in den kleinsten demen die verwaltung willkürlich und corrupt ward, wie in Halimus, in dem groſsen Peiraieus aber sogar der staat soweit gegangen ist, die ernennung des bürgermeisters für sich in an - spruch zu nehmen. der staat hat auch das repraesentative princip be - schnitten, das eingeführt zu haben das zweite überraschend groſse ver - dienst des Kleisthenes ist. Aristoteles findet das in der ordnung, weil οἱ δῆμοι ἐπώλουν, wie er es derb ausdrückt, und die begründung ist triftig. aber muſste es dazu kommen? zwei momente, die dazu drängten, konnten wir schon immer schätzen, einmal die demokratische centralisation, die übergriffe des plenums der volksversammlung, sodann die künstlichen gebilde der zehn phylen, die den formen des geschlechter - staates nachgebildet waren und niemals zu leistungsfähigen verwaltungs - körpern, zu provinzen, werden konnten. nun aber lernen wir das neue, daſs Kleisthenes in den kreisen ein an sich sehr wohl lebensfähiges mittelglied zwischen der einzelgemeinde und der sammtgemeinde ge - schaffen hat: der kreis konnte sehr gut seine vertretung und seinen beamten haben, also die misstände der verwaltung in den einzelgemeinden durch seine kontrolle beseitigen, denn er besass dafür die vorbedingung der lokalen geschlossenheit. ja man träumt gern weiter; wenn der kreis mit staatlich eingesetzten trittyarchen an der spitze und einem aus den vertretern seiner gemeinden gebildeten rate daneben das ausgebildet hätte, wozu der keim in ihm lag, so hätte er sehr wol dasselbe leisten können wie ein römisches municipium, ohne doch eine eigene πόλις163Bedeutung der kreisordnung.zu werden. dann war auch ein kreis Karystos oder Naxos möglich, und wie so ganz anders würde die hellenische geschichte geworden sein.

Doch auch abgesehen von solchen träumen verlohnt es sich wol, die stellung der trittyen im organismus des staates auf das anzusehen, was sie wirklich gewesen sind. das erste was wir da zu constatiren haben, ist, daſs sie für das bewuſstsein des volkes gar keine wirklichen realitäten geworden sind: sie haben keinen göttlichen vertreter, trotz ihrer realen körperlichkeit keine ideelle. das unterscheidet sie von phyle und demos, und der moderne rationalismus kann recht deutlich daran lernen, daſs die existenz eines eponymos mehr als eine ornamentale bedeutung hat: er zeigt an, daſs in dem was er benennt eine seele ist, und die seele gibt das leben, nicht die materie. das fehlen des eponymos bringt es mit sich, daſs der trittys das eigene vermögen abgeht, das phyle und phratrie, gemeinde und geschlecht besitzen.

Im finanzwesen kann die trittys für die directe steuer keine rolle spielen, da die phylen unter einander vielleicht, die trittyen derselben phyle unmöglich das gleiche steuercapital besitzen konnten. das gleiche gilt für die persönlichen auf das vermögen gelegten munera, die λῃτουϱγίαι, die zwar phylenweise (und nicht einmal das durchweg), aber nicht trittyen - weise verteilt werden. wol aber ist das noch im demosthenischen zeit - alter mit den frohnden geschehen, die das volk auf die phylen über - trug.47)Aisch. 3, 30 οἳς αἱ φυλαὶ καὶ αἱ τϱιττύες καὶ οἱ δῆμοι ἐξ ἑαυτῶν αἱϱοῦνται τὰ δημόσια χϱήματα διαχειϱίζειν. es handelt sich um solche frohnden, wie sie oben genannt sind. das geschah bei bauten, z. b. von straſsen, mauern, schiffen. in der regel freilich besorgte auch diese sachen das volk selbst, durch den rat (wie gewöhnlich den schiffsbau), oder durch besondere beamte (wie die wegecommissare) oder durch specielle commissionen (wie die τειχοποιοί), die dann wieder die phylen vertreten konnten. es leuchtet aber ein, daſs es z. b. für den wegebau häufig praktisch sein konnte, die arbeit kreisweise zu verteilen, oder auch zum festungsbau die phylen - genossen kreisweise heranzuziehen.

Im heerwesen ist der dienst zu pferde eine persönliche last der besitzenden, eine λῃτουϱγία. wenn demnach auch die reiterei in die 10 phylen gegliedert ist, so ist doch die archaische einrichtung, daſs die naukrarie so und so viel pferde und reiter zu stellen hat, wenn nicht von Kleisthenes48)Pollux 8, 108 in der ausgezeichneten schilderung der vorkleisthenischen verhältnisse, ναυκϱαϱία ἑκάστη δέκα (δύο codd. ) ἱππέας παϱεῖχε καὶ ναῖν μίαν., so doch von der demokratie bald beseitigt. das volk11*164II. 6. Trittyen und demen.übt die recrutirung, unterhaltung und controlle dieser stehenden truppe selbst durch sein centralorgan, den rat.

Trittyen im heere.Die schwergerüsteten infanteristen bilden kein stehendes heer, aber sie sind, wenn wir sie mit unsern verhältnissen vergleichen wollen, alle reserveofficiere. sie gehören alle den drei oberen steuerclassen an, müssen sich selbst equipiren, haben als πεϱίπολοι militärische ausbildung er - halten, das volk kann jeden von ihnen zum taxiarchen und strategen wählen, wer aber nicht zum officier gewählt ist, tritt ruhig in das glied, mag er auch noch so oft das regiment geführt haben. die aushebung und mobilmachung wird auf grund der musterrolle besorgt, die wieder auf den bürgerlisten beruht, deren führung bei den gemeinden ist. bei der einstellung der dienstpflichtigen jugend wirkt der rat mit; die aus - hebung ist sache der strategen, ihnen aus der zeit geblieben, wo sie phylenweise gewählt wurden. hier lag es nun nahe, für die aushebung sich der kreise zu bedienen, und wenn die phyle das regiment bildete, so sollte man meinen, daſs die trittys sich als die geeignete gröſse für die taktische einheit von selbst geboten hätte. liest man nun bei Platon (Staat 475), daſs die ehrgeizigen, ὅταν μὴ στϱατηγῆσαι δύνωνται, τϱιτ - τυαϱχοῦσι, so kann man kaum umhin, anzunehmen, daſs diese gliede - rung einmal beabsichtigt war und trittyarchen als tribuni militum be - standen haben. wir wissen fast nichts von den niederen chargen des militäres, aber doch so viel, daſs wir die taktische einheit in den λόχοι erkennen, an deren spitze λοχαγοί stehn, die der taxiarch ernennt. da das bei den Dorern auch so ist und der name λοχαγός dorisch ist (λοχη - γέτης würde er attisch heiſsen), so hat die demokratische gliederung sich für das heer weder bewährt noch behauptet.49)Wenn die trittys der Acharner 3000 hopliten stellte, wenn auch nur auf dem papier, so war sie in der tat auch nicht mehr geeignet unserer compagnie zu entsprechen, aber immer noch einem bataillone. da es doch aber trittyarchen mit militärischer competenz gegeben haben muſs, wenn Platon sie nennt, so mögen sie bei der aushebung beschäftigt worden sein.

48)96 reiter sind eine lächerliche ungereimtheit, 480 entsprechen den verhältnissen. die demokratie verdoppelt diese zahl: die adlichen legten früher zwar den höchsten wert auf den dienst zu pferde, aber sie mochten nicht, daſs die bauern mit ihnen ritten. da die 10 strategen von Kleisthenes noch nicht eingesetzt sind, die alte kümmerliche flotte auch noch bis auf Themistokles bestanden hat, ist wol auch die reform der cavallerie erst nach 507 eingerichtet; doch war der name φύλαϱχος für die schwadronsführer verbraucht, als man die taxiarchen an die stelle der stra - tegen setzte, also στϱατός durch τάξις verdrängte, wo φυλή doch näher gelegen haben würde als für die schwadron.
48)165Trittyen bei der flotte.

Ganz anders steht das alles bei der flotte. in ihr waren die leuteTrittyen bei der flotte. ohne steuercapital grundbesitz und militärische vorbildung dienst - pflichtig; eine stammrolle gab es nicht, man fand die leute vielmehr durch subtraction der hopliten von der bürgerliste; also konnte die aus - hebung der leute füglich nur in den gemeinden stattfinden und ist dem - gemäſs aufgabe der demarchen. ein anderes aber war die einstellung der leute, die man möglichst früh unter militärisches commando bringen muſste, schon damit man ihrer habhaft würde, und ihre zuweisung an die schiffe und trierarchen, die erst im hafen erfolgen konnte.50)Die verwahrlosten zustände, die sich in den demosthenischen und apollo - dorischen reden zeigen, zumal in denen über den trierarchischen kranz und wider Po - lykles, haben für das fünfte jahrhundert natürlich keine geltung. um 360 gab es in wahrheit so wenig für die flotte wie für das landheer eine effective dienstpflicht. der trierarch mochte sehen, wo er seine leute anftrieb. mit dem beginn des eigentlichen dienstes hörte die bedeutung des kreises notwendigerweise auf, aber so lange war in der tat die trittys ganz be - sonders geeignet die dienstpflichtigen zusammen zu bringen und zu halten, und hier mögen die trittyarchen Platons auch eingegriffen haben. da hören wir nun, wie Demosthenes in seiner Symmorienrede (22) vor - schlägt, der platz hinter den schiffshäusern sollte von den strategen in zehntel geteilt und unter die phylen verlost, die anteile der phylen von den taxiarchen den einzelnen trittyen zugewiesen und an diese wieder die schiffe und symmorien zugeteilt werden. die funde von grenzsteinen der trittyen am hafen51)CIA I 517. 518 mit den nachträgen in IV. C. Schaefer Mitt. Ath. IV 85, Köhler VII 108. haben den beweis geliefert, daſs Demosthenes in wahrheit auf die ordnung zurückgreifen wollte, die Themistokles wirk - lich eingeführt hatte, was ihm, obwol er sein vorbild verschweigt, zur ehre gerechnet werden soll. um 493 oder 483 war die trittys noch ein lebendiges glied des volkskörpers, und Themistokles bediente sich ihrer, als er die flotte gründete und die alten naukrarien abschaffte, die eben auch, wie der name sagt und die geschichte bestätigt, für den flottenbau zunächst geschaffen und von Kleisthenes, trotzdem er sie sonst durch die gemeinden ersetzte, für diesen zweck belassen waren.52)Daſs die naukrarie ein schiff stellte, bezeugt die chronik bei Pollux 8, 108 (oben anm. 48); auf diese darstellung der kleisthenischen oder vorkleisthenischen zeit gehen auch die anderen grammatikerglossen über τϱιττύς und τϱιττύαϱχοι zurück, Phot. Et. M. Bekk. An. 300, schol. Aisch. 3, 30 u. a., alle wertlos. zu den 48 schiffen der naukrarien treten die zwei, welche der gauverband der Παϱαλία (Mitt. Ath. VII taf. XIV vgl. XIII 321) und die kleruchen von Salamis zu stellen da166II. 6. Trittyen und demen.die Epakrier von der Aigeis mit den Thriasiern von der Oineis zu - sammenstoſsen (IV 517b), sind die gestellungsplätze der phylen auch damals verlost worden. aber die grenzsteine sind niemals erneuert: die einrichtung hat eine weile vorgehalten, dann ist sie verfallen.

Trittyen in der ekklesie.Steine mit trittyennamen sind auch auf der Pnyx gefunden.53)CIA I 500. 502; auf die standplätze gedeutet von C. Schaefer. der gedanke liegt nahe, sie auch auf versammlungsplätze der kreisangehörigen zu beziehen. man darf aber nicht so weit gehen, den Athenern comitia centuriata oder tributa zuzuschreiben, die es nie gegeben hat. der demos ist eine einheit, jeder bürger hat seine virilstimme, die gliederung des volkes als heerbann oder nach seinen kreisen und gemeinden hat für die sammtgemeinde und deren beschluſsfassung keinerlei bedeutung. es reicht hin, an die scenen des Aristophanes zu erinnern, die eine volksversammlung darstellen. aber wol war eine controlle der besucher auf ihre berechtigung notwendig, und die zeit, die noch keinen sold ausgab, hatte noch nicht die controllmarken. im vierten jahrhundert controlliren den besuch die 30 aus dem rate genommenen συλλογῆς τοῦ δήμου54)Ueber diese commission hat Köhler (Mitt. Ath. VII 103) licht verbreitet, wesentlich mit hilfe des steines II 872. auch er hält sie für älter als die sold - zahlung und meint, sie hätten im fünften jahrhundert οἱ τϱιάκοντα geheiſsen. dies letzte ist nicht glaublich, da die demenrichter und logisten auch 30 sind. unterstützt von den kanzlisten, die die bürgerlisten führen (ληξίαϱχοι). dreiſsig, das ist die zahl der trittyen, die, wie wir gleich sehen werden, im rate fortbestanden. in ihnen also wird man die ver - treter der kreise sehen. ein ratsherr aus dem kreise controllirt seine kreisgenossen, und ein stein auf der pnyx bezeichnet die stelle, wo er zu finden ist und sie sich zu melden haben. so scheinen mir jene steine eine befriedigende erklärung zu finden. aber gleichzeitig muſs ich52)gehalten waren. das ergibt 50. und daſs es nach Kleisthenes so viel blieben, bezeugt das wertvolle bruchstück des Kleidemos bei Phot. ναυκϱαϱία, das so zu verbessern ist Κλεισϑένους δέκα φυλὰς ποιήσαντος ἀντὶ τῶν τεττάϱων, συνέβη καὶ εἰς πεντήκοντα μέϱη διαταγῆναι αὐτοὺς, (δ̕ cod. ) ἐκάλουν ναυκϱαϱίας (ναυ - κϱάϱια cod. ), ὥσπεϱ νῦν εἰς τὰ ἑκατὸν μέϱη διαιϱεϑέντες (- τα cod. ) καλοῦσι συμ - μοϱίας. für die verbesserung ist entscheidend, daſs man sich überlegt, wer verteilt wird, unmöglich etwas anderes als die bürgerschaft. dann heilt sich der wichtigste satz mit geringster änderung. der ausdruck ist in dem zweiten nicht schön, aber verständlich. Kleisthenes hat also 50 naukrarien gemacht, d. h. fünf auf jede neue phyle, lediglich decimal und duodecimalsystem ausgleichend. Themistokles beseitigt diese gänzlich antiquirten gebilde zu gunsten der trittyen im sinne der kleistheni - schen ordnung. das volk aber, das im dritten jahrhundert auf die symmorien zu - rückgriff, hat offenbar von der kleisthenischen ordnung kenntnis gehabt.167Trittyen in der ekklesia. trittyen im rate.zugeben, daſs die institution verkümmert war. denn die συλλογῆς der Aigeis sind auf dem steine 872 aus Gargettos Ikaria Herchia, also alle drei aus dem landkreise. die trittys war zum drittel geworden. übrigens sind auch diese steine der Pnyx niemals erneuert; der zweck, dem sie dienten, war fortgefallen.

Gehalten haben sich die trittyen im rate, da noch Aristoteles (44, 1)Trittyen im rate. angibt, daſs immer eine trittys der prytanen im rathause anwesend sein muſste. diese bestimmung wird sich auch gehalten haben, als es 600 ratsherren gab, denn in den jahren 299 94 begegnen uns, zum letzten male in den inschriften, trittyarchen, die mit einem sonst unerhörten ἐξεταστής zusammen die kleinen ausgaben besorgen, die sonst der ταμίας τῆς βουλῆς καὶ τοῦ δήμου zu leisten hat.55)Zu den psephismen ist ein neues getreten Δελτ. ἀϱχ. 88, 112, wo etwa so zu schreiben ist μεϱίσαι τὸ ἀνάλωμα ε [ἰς ταῦτα τὸν ἐξεταστὴ] ν καὶ τοὺς τϱιτ - τυάϱχους. das wird also ein aus - schuſs des täglich amtirenden teiles der prytanen sein.56)C. Schaefer hat diesen ausschuſs mit den συλλογῆς τοῦ δήμου identificiren wollen; dem hat Köhler widersprochen, und in der tat scheint mir die obige deu - tung vorzuziehen. aber damals bestanden schon Antigonis und Demetrias, die in räumlich geschlossene kreise nicht zerfallen sind. somit sind aus ihren demen trittyen wol schwerlich formirt, und die des rates sind nichts als drittel. dann kann es gut und gerne auch 340 schon ebenso gewesen sein. aber ehedem hat man den trittyen gröſsere bedeutung beigemessen. die prytanen - listen konnten oben zur ortsbestimmung der trittyen vielfach benutzt werden, weil sie zum teil nach ihnen geordnet sind, und noch viel mehr haben wenigstens noch drei columnen, wenn auch die aufzählung der demoten nicht mehr der trittys folgt.57)Die ratsherren saſsen im ratshause seit 409 auf festen plätzen (Philochoros schol. Ar. Pl. 972). aber wenn dabei auch die trittyenordnung beobachtet sein kann, so hatte das doch keine praktische bedeutung. so wird es eine zeit gegeben haben, wo wirklich die trittys ein drittel der fünfzig ratsherrn präsentirte, und das war nicht unwesentlich, sondern ein schutz der minoritäten. die Acharner mochten eine ganze trittys sein und an zahl sehr viel mehr als ein drittel der Oineis: wenn auf die trittys ein drittel kam, konnten sie nie - mals 22 ratsstellen occupiren wie auf der liste II 868.

In der beamtenschaft entsprechen die meisten collegien den phylenTrittyen in der beamten - schaft. und haben deshalb zehn mitglieder. aber das fünfte jahrhundert zeigt mehrere von 30 männern, die also den trittyen entsprechen können. die 30 συλλογῆς τοῦ δήμου haben wir schon kennen gelernt, und für sie168II. 6. Trittyen und demen.war die bestellung nach den kreisen praktisch. noch viel einleuchtender ist dasselbe von den 30 demenrichtern, die Perikles 453 / 2 einführte, denn das sollten landrichter sein, also war ihre bestellung für einen räumlich geschlossenen bezirk durchaus praktisch. die restaurirte demo - kratie hat ihnen diesen ländlichen charakter genommen und ihre zahl auf 40 erhöht, wie es heiſst, weil die nomotheten von 404, die tyrannen, 30 gewesen waren. bei diesen kann von einer vertretung der trittyen kaum die rede sein, und auch bei den 30 logisten, die unter Eukleides auf 10 reducirt wurden, schwerlich. aber die häufigkeit der zahl 30 beweist soviel, daſs das fünfte jahrhundert noch bis zu ende der 30 kreise lebhaft gedachte.

Es ist praktisch wenig mit dem gedanken der kreisteilung Attikas erreicht worden; aber würdig ist er des groſsen gesetzgebers, und die ansätze zu seiner verwertung werden bei eindringender forschung gewiſs noch zahlreicher ans licht gezogen werden.

[169]

7. DER ATHENISCHE NAME.

Aristoteles (21, 4) berichtet aus der chronik, daſs die bezeichnungDie ordnung des Kleisthenes. des athenischen bürgers durch den demosnamen von Kleisthenes einge - führt sei, und zwar mit der absicht, die neubürger vollkommen gleich zu stellen, welche die bezeichnung durch den vatersnamen kenntlich gemacht haben würde. daher käme es daſs sich die Athener selbst mit dem demotikon nennten.1)Man muſs nur scharf die officielle bezeichnung ἀναγοϱεύειν, die anrede πϱοσαγοϱεύειν und die selbstbezeichnung καλεῖν σφᾶς αὐτούς unterscheiden, dann ist der satz weder der zusätze, auch nur des wörtchens νῦν, das wir eingefügt haben, noch der abstriche, die von anderen beliebt sind, bedürftig. die uns geläufige attische sitte vereinigt die bezeichnungen nach dem vater und dem demos, die hier einander gegen - über gestellt werden, und das ist im vierten jahrhundert auch die offi - zielle bezeichnung, z. b. auf den richtertäfelchen (Ar. 63, 4). aber der aristotelische bericht hat keinen sinn, wenn nicht Kleisthenes den vaters - namen durch den demos hat ersetzen wollen. denn wenn die bezeich - nung nach dem vater die neubürger überhaupt kenntlich machen konnte, so tat der zusatz Ἀλωκεκῆϑεν weder etwas davon noch dazu, solange der vatersname in offiziellem gebrauche war. Kleisthenes hat also den vatersnamen abschaffen wollen.

Wie aber konnte der vater die neubürger kenntlich machen? ihre väter hieſsen doch nicht alle Manes oder Skythes, und barbarische oder doch fremde namen sind auch in ächt bürgerlichen familien durchaus nicht unerhört.2)Z. b. Sibyrtios ist im fünften jahrhundert verbreitet und gar nicht niedrig, und doch gehört er ersichtlich mit dem frauennamen Σίβυλλα zusammen, dessen berühmteste trägerin, die ihn erst zu einem gattungsnamen gemacht hat, aus Erythrai war; der name ist also mysisch. CIA IV p. 86 nennt ein Kriton seinen vater Skythes, auch hier ist nur eine antwort möglich: die neubürger hatten gar keinen vater.

170II. 7. Der athenische name.

Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich. der sclave kann keine ehe eingehen, also entbehrt der im hause geborene des vaters und der aus der fremde eingeführte barbar erst recht. der metöke genieſst in Athen des vorrechtes, in einem quasigentilicischen verbande zu stehen und nach dem attischen familienrechte behandelt zu werden, er hat also einen vater. aber das gilt eben erst seit Kleisthenes, der die private clientel durch die des staates ersetzt hat. ich habe das früher aufgeführt und gezeigt, daſs die officielle bezeichnung Δᾷος ἐν Μελίτῃ οἰκῶν ist. das ist das genaue analogon zu Εὐϑύδομος Μελιτεύς, und in der tat führen die metöken auch später officiell keinen vaters - namen. bevor der attische staat die metöken in seine clientel nahm, war für sie der patron was der herr für den sclaven und freigelassenen, der vater für den bürger war. trat aber vollends der metöke oder auch der peregrine, der noch ein anderes vaterland gehabt hatte, in die ge - meinde der Athener, so verlor er damit notwendigerweise seine frühere familienverbindung, er konnte also ihre bezeichnung entweder nicht mehr führen, oder aber er muſste dem vater die bezeichnung seiner heimat geben, also sein neubürgertum eingestehn. die römische analogie macht das sofort deutlich. der freigelassene führt den namen des patrons, der neubürger kann gar keinen vatersnamen führen, oder aber er gesteht seinen stand ein, indem er den unrömischen vatersnamen einsetzt, was in der griechischen welt nicht selten geschieht. Λεύκιος Σολπίκιος Λυσι - μάχου υἱός auf Delos, L. Tarquinius Demarati f. in der legende, das ist eine bezeichnung, die wirklich ἐξελέγχει τοὺς νεοπολίτας.

Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durch diese maſsregel ganz besonders sinnfällig. aber die hellenische sinnesart2)schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hieſs auch Skythinos. in den spätern zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr rasch der attischen onomatologie anschlieſsen. da liest man z. b. Σήϱαμβος II 1978, Ἐμαφυς, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jahre 333 heiſst der sophronist der Kekropis Ἄδειστος (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein Ἄδειστος fremder oder sclave, und 2781 steht Ἄδιστος Ἀμφιπολίτης, den für einen Ἅδιστος zu halten die mundart von Amphipolis verhütet. der name wird also makedonisch sein, und zu ihm der makedonische kurzname Ἀδαῖος mit dem femininum Ἀδαία gehören; so hat die königin Eurydike wol eher geheiſsen als Ἀδέα, wie bei Photius bibl. 70b 6 steht. beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 Ἀτὼ Ἀϱχιδάμου in Ἀγώ: das ist nicht nötig, Ἀτώ ist kurzname zu dem paphlagonischen Ἀτωτος, das ich auch nicht accentuiren kann.171Die ordnung des Kleisthenes. der gebrauch des lebens.war so durchaus mit den alten adelsvorstellungen durchwachsen, daſs der vatersname nicht nur, sondern die ganze terminologie des adels von den neubürgern möglichst rasch und vollständig übernommen worden ist, die neubürger ihre οἶκοι bald ganz im stile der alten auszubilden suchten, und seit 403 der vatersname überwiegend gebräuchlich und vielfach sogar obligatorisch ward. Δημοσϑένης Δημοσϑένους Παιανιεύς ist eigentlich einem M. M. f. Corn. gleich: lauter teilen des römischen namens, die als nebensächlich abgekürzt werden. dem Demosthenes aber ent - sprach es vielmehr einem M. Tullius M. f. der demos hatte das ge - schlecht ersetzt.

Wer die steine des fünften jahrhunderts kennt, der weiſs, daſs dieDer ge - brauch des lebens. offizielle bezeichnung sich an das kleisthenische gesetz gebunden hat: sie gibt nur den eigennamen und den demos. in den rechnungen werden die obmänner der schatzmeister, die hellenotamien, die strategen so be - zeichnet, nicht minder die handwerker und kaufleute. auf den verlust - listen fehlt das demotikon, weil das militär nur mit der phyle rechnet3)Darum finden wir die verherrlichung der phylenheroen ausschlieſslich in den militärischen leichenreden; die unter Demosthenes namen erhaltene hat dadurch hren wert. es ist durchaus ungewöhnlich in andern als militärischen verhältnissen die phyle zu nennen. CIA II 2338 nennt sich ein Καλλίμαχος Καλλιστϱάτου φυλῆς Κεκϱοπίδος Μελιτεύς, aber das geschieht im verse, den es bequem füllt; ich weiſs kein zweites beispiel. daſs ein kleruche auf Melos sich Ἐπόνφες Ἀϑεναῖος Παν - διονίδος φυλὲς Κυϑέϱϱιος nennt (IGA 9), macht für den heimischen gebrauch nichts aus, sondern ist auf die untertanen berechnet, denen der ausgewanderte thete durch alle titel imponiren will. niemand redet jemanden als Pandioniden an. aber Xenophon Hell. 2, 4, 27 erzählt von einem reitergefechte dabei fiel Kallistratos aus der Leontis, und die Acharner rufen den Lamachos φυλέτα, weil er sie als taxiarch oder stra - tege der Oineis zu commandiren pflegte. sehr seltsam ist, daſs Nikias bei Thuky - dides (7, 69) in der letzten seeschlacht bei Syrakus τῶν τϱιηϱάϱχων ἕνα ἕκαστον ἀνεκάλει πατϱόϑεν τε ἐπονομάζων καὶ αὐτοὺς ὀνομαστὶ καὶ φυλήν, ἀξιῶν τό τε καϑ̕ ἑαυτὸν ὑπῆϱχε λαμπϱότητός τι μὴ πϱοδιδόναι τινά, καὶ τὰς πατϱικὰς ἀϱετὰς ὧν ἐπιφανεῖς ἦσαν οἱ πϱόγονοι μὴ ἀφανίζειν, πατϱίδος τε τῆς ἐλευϑεϱω - τάτης ὑπομιμνῄσκων καὶ τῆς ἐν αὐτῇ ἀνεπιτάκτου πᾶσιν ἐς τὴν δίαιταν ἐξουσίας. die dreigliederung zeigt, daſs die phyle dem demokratischen vaterlande entsprechen soll. sie hat aber mit den trierarchen nichts zu tun: Thukydides hat wol die sitte der regimenter des landheeres auf die flotte übertragen. der scholiast schreibt aus der Dolonie (69) dazu πατϱόϑεν ἐκ γενεῆς ὀνομάζων ἄνδϱα ἕκαστον, wo Aristarch u. a. bemerken, das wäre also in der heroenzeit die volle anrede gewesen διογενὲς Λαεϱτιάδη Ὀδυσσεῦ. das geschlecht geht dann auf Zeus zurück. richtig ist das letzte nicht; διογενής ist standesbezeichnung., dafür wird hier die charge der höheren officiere beigefügt. dagegen die privaten nennen den vater gerne. so verfahren die schreiber, die die172II. 7. Der athenische name.offiziellen urkunden redigiren, mit ihrem eigenen namen, im gegensatze zu den personen, die sie in den protokollen anführen. in der komoedie, die wir allerdings erst aus dem peloponnesischen kriege kennen, als die demenordnung schon länger als zwei menschenalter bestand, stellen sich die leute mit dem demotikon vor4)Z. b. Ar. Ach. 406. 1028. Wolk. 134. Fried. 190. Lys. 852. Thesm. 898., aber in der anrede erscheint es beinahe nie, während Platons dialoge zeigen, daſs in der vornehmen gesellschaft die anrede παῖ Ἀκουμενοῦ gar nicht selten war.5)Mir ist aus Aristophanes nur Wesp. 232 Στϱυμόδωϱε Κονϑυλεῦ bekannt, und das ist sicher ein witz, denn der ganz obscure demos wird, so viel ich weiſs, sonst Κονϑυλῆϑεν bezeichnet. ein witz ist auch in Platons Symposion Φαληϱεὺς οὗτος Ἀπολλόδωϱος, wenn auch die erklärung noch nicht gefunden ist. im pelo - ponnesischen kriege haben schon viele demen, Prospalta, Aixone, Titakidai, ihr be - sonderes renommee. nicht anders ist es in der litteratur. Thukydides ignorirt den demos in der namengebung ganz. bei Herodotos sind ein par demotika vorhanden, einmal sogar ohne vatersnamen, offenbar aus officieller attischer über - lieferung.6)8, 93 erhalten den preis für tapferkeit in der salaminischen schlacht Εὐ - μένης τε [, wie kann man den artikel dulden?] Ἀναγυϱάσιος καὶ Ἀμεινίης Παλλη - νεύς. 9, 73 erhält dieselbe auszeichnung bei Plataiai Σωφάνης Εὐτυχίδεω ἐὼν δήμου Δεκελεῆϑεν, Δεκελέων δὲ τῶν κοτε ἐϱγασαμένων u. s. w. weil der mann berühmt war und Herodot mehr von ihm erzählen will, fügt er den vatersnamen bei, den demos lieferte die officielle angabe, und an ihn knüpft er die geschichte von den Dekeleern, die in Sparta atelie und proedrie besitzen. daſs Sophanes zu diesen gehörte, sagt Herodot, darin kann er irren: aber daſs in Sparta nicht eine kleisthenische gemeinde, sondern ein älterer gentilicischer oder quasigentilicischer verband, die nachkommen des Dekelos, so geehrt worden sind, sollte doch von selbst einleuchten. sonst wird kein Athener anders als mit dem vater bezeichnet, auch die beiden brüder Κυνέγειϱος und Αἰσχύλος Εὐφοϱίωνος, von denen jener sich bei Marathon auszeichnet 6, 114. wie sehr sonst bei ihm die berücksichtigung des geschlechtes vorwiegt, weiſs jeder leser. noch wir unterscheiden die beiden Thuky - dides nach ihren vätern, reden von den Kallias und Hipponikos, kennen Ephialtes des Sophonides, Lamachos des Xenophanes7)So Thuk. 6, 8; Ξενοφάντου schol. Ar. Thesm. 840. übrigens war er wol aus Oe, denn da gibt es innerhalb der Oineis einen Lamachos II 772b, der sogar seinen sohn Tydeus genannt hat. sohn, ohne von ihrem demos zu wissen: aber die beiden Thrasybulos unterscheiden wir nach Steiria und Kollytos, reden von Kallistratos von Aphidna, Ari - stophon von Azenia, Eubulos von Anaphlystos, und in der späteren ge - lehrten schriftstellerei wird ein Ammonios von Lamptra und ein Apol -173Der gebrauch des lebens.lonios von Acharnai geführt, obwol doch der demos eigentlich allein für das innerattische gilt.

Man wird von den inschriften unter diesen umständen nicht viel erwarten, und doch liefern sie zu der aristotelischen nachricht im ganzen die erwünschte illustration. es ist zwar für mich nicht möglich, die der Peisistratidenzeit von denen der jahre 507 480 zu scheiden, die als übergangszeit besonders interessant sein müſsten, allein es bleibt die hauptsache, daſs so ziemlich die ersten drei menschenalter nach einfüh - rung des demotikons seine vereinigung mit dem vatersnamen der termi - nologie fremd ist. die menschen nennen sich vielmehr ganz überwiegend, wie sie es früher getan haben, nach dem vater. ich finde auf privaten monumenten nur CIA IV p. 205 Φαῖδϱος Πϱοϑυ-Κεφαλῆϑεν und Διο - γένης ἀνέϑηκεν Αἰσχύλο hυῦς Κεφαλεός8)I 398. es ist kein verfehlter hexameter, sondern es sind zwei regelrechte glieder archilochischer gattung. im IV p. 182 τἀϑηναίαι δεκάτην χοϱίο Ἀϑμονόϑεν. Χαιϱεδέμο, Φιλέα, steht selbstverständlich kein demotikon. die beiden besitzer oder pächter stehn im genetiv unter dem nur von dem schreiber entstellten pentameter., und dieser mann ionisirt be - denklich in seiner schrift, macht zudem einen vers. den grabschriften insbesondere fehlt die später normale form πατϱόϑεν καὶ τοῦ δήμον gänz - lich. den frauen wird der demos ihres vaters oder gatten ganz selten bei - gefügt ( Εὐμηλίδου γυνὴ Σφηττόϑεν IV p. 99, Ἀχαϱνέως ϑυγάτηϱ p. 205). auch bei männern ist er ungleich seltener, ich schätze, im ver - hältnis 1: 4, als der vatersname, und ein Μυϱτίλος Πϱασιεύς IV p. 190 oder gar ein Χναιάδης Παλληνεύς IV p. 102 werden wol neubürger sein. vornehme leute verhalten sich gegen den demos fast ganz ablehnend, deswegen z. b. ein Aristokrates der sohn des Skellias, der hipparch Pytho - doros des Epizelos sohn8)I 398. es ist kein verfehlter hexameter, sondern es sind zwei regelrechte glieder archilochischer gattung. im IV p. 182 τἀϑηναίαι δεκάτην χοϱίο Ἀϑμονόϑεν. Χαιϱεδέμο, Φιλέα, steht selbstverständlich kein demotikon. die beiden besitzer oder pächter stehn im genetiv unter dem nur von dem schreiber entstellten pentameter., ein mann wie Kallias Hipponikos9)IV p. 186. vgl. Ar. 29, 1. mir scheint die lesung des facsimiles immer noch eher auf Ἐπιζήλου zu führen als auf Ἀναφλυστίου, wie Blaſs jetzt will. die urkunde hat, wie jeder wissen soll, weder den vater noch den demos bei dem an - tragsteller angegeben; Aristoteles auch nicht von sich aus, wie sollte er einen Pytho - doros identificiren? also kommt es auf seinen berichterstatter an, und bei dem ist der vatersname ungleich wahrscheinlicher. übrigens war der mann seiner zeit recht bekannt, wenn meine combination über ihn zutrifft. die ist nicht einmal für das reiterdenkmal zwingend, aber doch wol wahrscheinlich: für die Aristotelesstelle hängt alles von der lesung ab. der name Pythodoros ist sehr gewöhnlich. 411 / 10 fiel ein mann des namens als phylarch der Hippothontis CIA I 448, 3, 59. aus dieser phyle ist Πύϱϱος Πυϑοδώϱου Ἀχεϱδούσιος ende des vierten jahrhunderts II 948. sohn haben ihn wirklich nicht nötig. aber auch geringe leute nennen sich Ὀνήσιμος (ein sclavenname) Σμικύϑου, Κϱίτων Σκύϑου, Φίλων Ἀϱεσίου. wenn ein polemarch in einem gedichte sich Aphidnaeer nennt (IV p. 153), so174II. 7. Der athenische name.mochte gerade in der ersten zeit nach der vertreibung der tyrannen oder auch nach der schlacht von Marathon, wo der polemarch Kalli - machos von Aphidna commandirt hatte und gefallen war, dieser ortsname einen besondern klang haben.10)IV p. 153. es ist kaum auszudenken, wie der bei Marathon gefallene polemarch Kallimachos ein weihgeschenk darbringen sollte, das der Meder erwähnte. sehen wir dann folgende grabschriften IV p. 117 Ἀϱιστέας Ἰφιστιάδης, Τιμαϱίστη Θεοφῶντος Λαμπτϱέως, Ἀϱιστώνυμος Ἀϱισταίου Ἰφιστιάδου, Ἀϱιστόμαχος Ἀϱιστέου Ἰφι - στιάδης, vater, mutter und söhne, aus dem ende des fünften jahrhun - derts. II 1685 Ξενοκλέης Ἀγγελῆϑεν, Πολυχάϱης Ξενοκλέους Ἀγγελῆϑεν, Ἀϱιστοκλέης Ξενοκλέους Ἀγγελῆϑεν, anfang des vierten jahrhunderts. II 2002 Αἰχμέας Ἐλευσίνιος, Εὔφϱων Αἰχμέου Ἐλευσίνιος, Ἀϱχίππη Στησιππίου (d. i. Στησίππου oder Στησιππίδου) Ἀχαϱνέως. II 2330 Ἄλκιππος Μελιτεύς, Διοφάνης Ἀλκίππου Μελιτε (ύς) und vier nur mit dem eigennamen bezeichnete töchter. in diesen vier fällen führt der vater nur den demos, der sohn folgt der sitte des vierten jahrhunderts: entweder also, der vater war neubürger, oder aber die sitte hatte mit dieser generation gewechselt; so viel ich sehe, würden wir dann bei dem vater eher das fehlen des demos erwarten.

Grabsteine von fremden mit vater und vaterland sind im fünftenMetöken und fremde. jahrhundert nicht selten. die metöken verschmähen die officielle be - zeichnung nach dem demos so gut wie ganz11)Herm. 22, 251.. die isotelen nennen sich im vierten jahrhundert mit stolz so auf den steinen; etwa ein drittel fügt den vater zu: darin liegt, daſs der vater bereits diesem bevorzugten stande angehört hat.12)CIA II 2723 2734. die amme einer Hippostrate erhält von dieser ihr grab und den namen in der form Ἀπολλοδώϱου ἰσοτέλου ϑυγάτηϱ Μέλιττα τίτϑη; 2729. Gerys, der einen sclavennamen führt wie Δϱόμων und Πάταικος, ist zusammen be - graben mit Νικώ seiner frau, die er als solche bezeichnet, und Θεόφιλος ἰσοτέλης, dem sohne, der den eltern den stein setzt, denn beide erhalten einen entsetzlichen vers. die mutter geht an (was Köhler verkannt hat) καὶ ἐγὰ τοῦδ̕ ἀνδϱὸς ἔφυν καὶ πάντα ὁμοία γήϱαι καὶ φϱοντίδι εὐσεβίας ἕνεκα, wo das letzte stammelnd be - zeichnet, daſs sie aus frömmigkeit im alter den alten gut gepflegt hat. für dieselbe zeit darf man als eine regel, von der es aus - nahmen geben wird, aber doch als eine regel, an die wir uns zunächst halten, aufstellen, daſs die grabsteine, die nur den vater nennen ohne vaterland und demos, von metöken herrühren. äuſserst merkwürdig sind folgende grabsteine des fünften jahrhunderts IV p. 115 Ἀϱχίας Νέβϱο Ἀνδϱίο; Εὐφϱαντίδης Μάνδϱωνος Ἀστυπαλαιέως; Ἀϑηνό - δοτος Ἰατϱοκλέος Φασηλίτο; die leute haben das vaterland ihrer väter175Metöken und fremde. sclaven.verloren; aber sie wollen es nicht verläugnen, da sie den ersatz, die attische clientel, nicht in der officiellen weise bezeichnen können, ohne zugleich den vater aufzugeben. die steine bezeichnen also das metöken - verhältnis in der für die redenden ehrenvollsten weise auf das schärfste; später wünschten diese, indem sie ganz über ihren stand schwiegen, fälschlich für bürger gehalten zu werden. ganz neuerdings ist noch ein verwandtes beispiel bekannt geworden. Εὔφϱων Ἁδέα Σικυώνιος er - hielt im december 323 das attische bürgerrecht. es war nur eine deco - ration, denn er war führer der nationalen partei in seiner heimat und erlitt bald dafür den tod. seine ehren wurden in Athen cassirt. im winter 318 war dann in Athen die demokratie wieder am ruder, resti - tuirte dem toten seine ehren und beschloſs sich seines verwaisten kindes anzunehmen, dessen namen man noch nicht einmal kannte: damals heiſst er Εὔφϱων Ἁδέα τοῦ Σικυωνίου (Δελτ. ἀϱχ. 92, 58). da er nie von seinem bürgerrechte gebrauch gemacht hatte, besaſs er kein demotikon, aber ein Sikyonier war er für die Athener rechtlich auch nicht mehr. es erinnert diese terminologie an Ἀϱγειάδας Ηαγελαίδα τἀϱγείο IGA 42, den ich neben dem paphlagonischen (II 3260b) sclaven Ἄτωτος, der sich als Ἀϱγεῖος bezeichnet, weil er es zum bürgerrecht gebracht hatte, für einen sclaven erklärt habe und noch erkläre. wer die bekundung des personenstandes nicht als die gelegenheit zur fabrication archaeologischer märchen be - trachtet, kann nur so erklären es sei denn, er meine, Argeiadas hätte das bürgerrecht seines vaters verwirkt gehabt; das ist auch möglich. allein Ἀϱγειάδας ist, darin hat Röhl recht gesehn, von dem stammnamen der makedonischen könige nicht zu trennen: griechisch ist ein s. g. patro - nymikon von einem adjectiv überhaupt nicht.13)Habron πεϱὶ γενῶν bei Steph. Byz. Ἄϱγος führt zwar unter dem patro - nymischen namen von Argos Ἀϱγειάδαι καὶ Φοϱωνεῖδαι an, bezieht es also auf Ἄϱγος Φοϱωνέως, aber von dem könnte es nur Ἀϱγιάδαι lauten. da er sich auf die dichter beruft, so hat ein künstelnder poet den makedonischen namen im sinne der Makedonen verwandt, wenn die lesart überhaupt verläſslich ist. man kann von Θήβη Θηβᾰ́δης bilden wie von πύλη πυλάδης, aber nicht Θηβαιίδης oder von Ἠλεῖος Ἠλειάδης oder Γελῳάδης u. s. w. der könig Alexandros hat seinen stammnamen wol oder übel gräcisirt um an Argos und Herakles anzuknüpfen. so ist Ἀϱγειάδης entstanden. das war also für einenSclaven. freien menschen überhaupt kein name. aber für einen makedonischen sclaven war es so gut wie für einen lydischen Κϱοῖσος14)Auſser dem viel für das Erechtheion tätigen maurer Κϱοῖσος ἐν Σκαμβ. οἰκ. (I 324. IV p. 75), und einem metöken 3883 und sclaven 3882 ist der name noch, einen persi -176II. 7. Der athenische name.schen Δαϱεῖος, oder Γωβϱύας, einen aegyptischen Ἄμασις, einen phry - gischen Μίδας, einen thrakischen Τήϱης, eine karische sclavin Ἀϱτε - μισία (wie die bordellmutter in den Thesmophoriazusen heiſst). Das allerdings bin ich gezwungen zuzugeben, daſs ich die dem lateinischen Quintipor entsprechende terminologie nicht belegen kann. die attische humanität hat ihnen gestattet auf den grabsteinen als menschen aufzu - treten, einerlei ob sie noch sclaven oder freigelassen waren. und den sclavenstand merken wir am deutlichsten durch das freundliche zeugnis des herrn, der das grab bezahlt, χϱηστός: es ist für die socialen ver - hältnisse wahrlich ein hübscher zug, daſs in Athen der brave für den sclaven auf dem friedhofe die bezeichnung ist. oft tritt, namentlich bei den ammen (τίτϑη und μαμμία), aber auch bei den paedagogen die stellung des sclaven hinzu, die in diesen fällen ein persönliches ver - hältnis herbeiführt; die tragoedie mehr als die komoedie und dann die epi - gramme der Anthologie geben weitere illustrationen. aber das rechtliche verhältnis ist dadurch wol gelockert, nicht gelöst. sclaven, die nicht brav waren, sind ohne grab und gedächtnis geblieben. natürlich ist das sclavengrab nicht anders zu beurteilen als das von hunden und pferden. und der sclavenname ist auch mit nichten mit dem menschennamen ver - gleichbarer als mit denen von tieren, in denen ihr herr eine gewisse individualität sieht. Ξανϑίας Μέλας Σῖμος Δϱόμων Παϱάμονος Ἐπί - κτητος15)Das hindert nicht, daſs eine Ἐπικτήτα auf Thera in einem hochadlichen geschlechte erscheint: so wenig die Sulpicii sich des namens Servius geschämt haben, und doch zeugen beide für das sclavenblut eines vorfahren. in dem geschlechte, für das Epikteta ihr testament macht, erscheint Ἵμεϱτος Ἱμεϱοφῶντος, an den ich erinnere, weil der in Boeotien und in Athen (hier bei dem bruder des Phalereers Demetrios) vorkommende name Ἱμεϱαῖος auf Himera gedeutet worden ist. es ist aber ein kurz - name von Ἱμεϱο-κλῆς etwa, wie Θεαῖος Διαῖος Εὐφϱαῖος u. dgl. Πίστος Θϱανίων (bei Plautus, der rudersclave) Μαμμία Μαμ - μάϱιον Κϱῖος Λαμία Μόσχος sind nicht anders gebildet als die pferde - namen Ξάνϑος Βαλίος Κόϱαξ[ Ϙοππατίας] Κύλλαϱος (lahmfüſschen, eigentlich kein compliment für ein pferd, das Hera schenkt), oder die hundenamen auf der Françoisvase und bei Xenophon. dazu treten die bezeichnungen der herkunft Φϱύξ Κίλισσα Γέτης Δᾷος Καϱίων Λυδή16)Dahin gehört auch Μῦς, höchstens im scherze vom Myser an die maus angeähnelt, und Βῖϑυς, ganz ebenso den Bithyner bezeichnend., oder ein par gewöhnliche barbarische fremdnamen wie Τίβειος Μάνης14)bei Aristophanes Wesp. 1221 für Χϱυσέ herzustellen, was weder überhaupt noch für einen sclaven ein name ist: παῖ παῖ, τὸ δεῖπνον Κϱοῖσε συσκεύαζε νῷν.177Sclaven. spitznamen.Ἄτωτος Γῆϱυς Βαγώας17)Μασυντίας Ar. Wesp. 433, Μαϱικᾶς, Παϱδόκας Σκεβλίας Ar. Frösch. 608. endlich ῾ϓλας Ritt. 8. es muſs dort ein beliebiger sclavenname sein, und das ist der name des schönen knaben, den Herakles liebte, wol für Rom aber nicht für das alte Athen. wo aber hat jener Hylas den namen her? nicht aus dem griechischen, denn die erste silbe ist kurz, und wenn er den Dryoper Theiodamas zum vater erhielt, so braucht man nur die sage etwas genauer anzusehen, damit man diese verknüpfung löse. Hylas ist ein Mariandyner, den erst die Herakleoten annectirt und in die heimat versetzt haben: nur die Mariandyner klagen um ihn. so findet sich denn auch der sclavenname ῞ϒλλας CIA II 4202. ich möchte aber ebenso deuten den bisher rätselhaften Ὄλας ἀνέϱ I 274. mariandynisch dürfte der name Vola ge - lautet haben., zu denen die obenangeführten königsnamen treten. wenn der Athener der Peisistratidenzeit seinen aegyptischen knecht Amasis ruft, so verwendet der Römer für seine sclaven die namen der griechischen sage und geschichte; heute heiſsen die köter Hektor und Diana und die gäule Caesar und Vesta.18)Rohe menschen haben auch in unseren tagen ihre hunde Napoleon und Bismarck gerufen, um in ihrer weise ihren ohnmächtigen haſs auszulassen. das gemeinsame aller dieser namen ist, daſs sie spitznamen sind, nicht von der für die Hellenen -Spitznamen. namen verbindlichen bildung aus zwei stämmen. der mann kann ja auch den spitznamen Widder, Kalb, Wolf führen, und die verbeiteten kurz - namen werden diesem häufig äuſserlich gleich, wie denn Δϱόμων auch verkürzung von Δϱομοκλείδης sein kann. eine ganze menge von guten menschennamen, die auf ort und zeit und art der geburt gehen, Νου - μήνιος Ἐνατίων Εἰκάδιος Τϱιτίος (in Arkadien, wo diese namen nach dem kalendertage beliebt sind) Ἑβδομίας, Ἀπατούϱιος Ἑόϱτιος Θυίων Ὁμολῴων, Ἔνδιος, Ἀϱεϑούσιος Εὐϱιπίδης Σκαμάνδϱιος Καϱνεάδης, sind so gebildet, und sie führen zu den adjectiven über, die von götter - namen gebildet sind, Ἀπολλώνιος Διονύσιος Δημήτϱιος Ἰσμηνίας Κηφισίας, aber auch von menschen Εὐφϱόνιος Φιλύλλιος Μελάνϑιος. das sind die griechischen namen, die den römischen vornamen allein ähnlich sind19)Tiberius ist ganz wie Σκαμάνδϱιος gebildet, Marcus Mamercus nur mit anderem suffixe als die griechischen, Lucius ist Ἔνδιος; Manius Ἠϱιγόνη, den act der geburt wie mit Agrippa Kaeso haben die Griechen nicht bezeichnet. ob die von zahlen genommenen namen, von denen nur ein paar als vornamen in gebrauch geblieben sind, aber die meisten durch abgeleitete stammnamen, Septimius Octavius Nonius bezeugt sind, auf die tage der zehntägigen woche gehen, wie die grie - chischen, wage ich nicht zu entscheiden. Titus ist von der griechischen decenz verbannt: aber die Boeoter lassen sich Σάϑων Σαϑῖϖος nennen, sonst führt nur ein kuppler den sclavennamen Βαλλίων von den βαλλία, die durch Herodes bekannt geworden sind, es ist ein kosewort im ammenjargon wie πόσϑων. Publius und, während der spitzname genau dem cognomen entsprichtv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 12178II. 7. Der athenische name.und M. M. f. Corn. Cicero einem Ἡγήσιππος Ἡγησίου Σουνιεὺς καὶ Κϱωβύλος gleichgesetzt werden muſs. aber unter den männern sind solche namen immerhin ausnahmen20)Der spitzname erhält erst im dritten jahrhundert nach Christo seine feste bildung, weil die sprache mit den alten formen nicht mehr zufrieden ist und nach bedeutsamen wahlnamen sucht. die namen von barbaren, Aegyptern z. b. und Juden, arbeiten dieser sitte vor, auch die seltsame adoption des vaternamens im nominativ (Ἄϱειος Δίδυμος, Ἡϱῴδης Ἄττικος) gehört dahin. die bildungen aber auf - ιος (dessen schreibung einerlei ist, auch in Βασίλειος ist es ein unbetontes i, und die aussprache Basilῑos ist ganz unberechtigt) sind den alten Διονύσιος Δημήτϱιος ganz analog. der Diogenes, der sich nach Διογενὲς Λαεϱτιάδη den Laertier nannte, oder wer nach Platon oder Nestor oder Caesar oder dem purpur seiner heimat oder nach irgend welchen vorhandenen oder gewünschten eigenschaften den zunamen erhielt, Εὐσέβειος Γϱηγόϱιος Εὐτέκνιος, Pulcheria Prudentius Constantius, sie alle sind wieder bedeutungsvoll und individuell: es ist ein zeichen davon, daſs die alte cultur und sprache tot ist, wenn man eine neue onomatologie braucht, aber daſs man sie sich schaffen konnte, ist ein unverächtliches zeugnis für die leistungsfähigkeit jener zeit. natürlich tritt der beiname, so lange er nur das ist, an das ende der namen - reihe. nur die modernen wollen das nicht gelten lassen.; die frauen dagegen sind sehr viel mehr wie sclaven behandelt, und Πλαγγών (puppe), Μαμμάϱιον, Φιλουμένη, Ἡδύλη Κόϱιννα Γλύκη Γοϱγώ Μυϱϱίνη Ἤϱιννα (was attisch Ἐαϱίνη wäre) heiſsen auch matronen; nur in der höheren attischen gesellschaft und demgemäſs im fünften jahrhundert in der ganzen gut - bürgerlichen sphaere ist man darauf aus männern und frauen volle namen zu geben. doch sind die kosenamen natürlich bei den frauen verbrei - teter und nicht immer von den eigentlichen spitznamen zu trennen. 21)Ganz den weiblichen menschennamen stehen die der schiffe gleich; das sind die einzigen unbelebten wesen, werke von menschenhand, die der Hellene in - dividualisirt; er tut es, weil er sie wirklich als beseelt empfindet, wie am besten die reizende erfindung des Aristophanes oder vielmehr Eupolis Ritt. 1300 zeigt. der widersinn, ein stück geschmiedetes metall zu benamsen, den die erfinder des schwertes Durandarte u. dgl. begangen haben, offenbar im gefühle ihrer barbarischen unfähigkeit, so etwas zu machen, liegt den Hellenen selbst in der ritterzeit fern. von wilden bestien der sage führen ein par drachen einen namen, Ladon, der die Hesperidenäpfel bewacht, aber eigentlich der arkadische fluſs ist, Porkis und Chariboia, die die söhne des Laokoon töten (ὀνόματα ὄφεων paraphrase zu Lykophron 347), Sthennis, der drache von Aulis (Porphyr. zu B 308). sonst empfindet der Hellene das individuelle im tiere spärlich. weil er das typische in ihm erfaſst, hat er die fabel erfunden und den fuchs Κεϱδώ, den affen Καλλίας benannt, nicht einen Reinhard und Isegrimm. auch die vögel pflegen keinen indi -

19)Trebius kehren als Φυλεύς Φῦλλις, Λάιος, Φυλλίδας Λᾴδας wieder. in Athen heiſst ein geschlecht Φυλλίδαι, mit dessen ableitung sich Töpffer 309 unnötige mühe macht: die verdoppelung des λ ist ganz in der ordnung. aber was die bedeutung dieser namen zugehöriger des volkes, stammes sein soll, ist mir unklar.
19)179Das recht am namen.

Allein der reizvolle und viel zu wenig behandelte gegenstand locktDas recht am namen. mich vom wege ab. die onomatologie selbst darf ich hier nicht ver - folgen; nur das ist rechtlich von bedeutung, daſs der sclave von des herrn gnade und durch des herrn willkür den namen hat, auf den recht - lich nichts ankommt; ein in sclaverei geratener Hellene kann ihn ebenso gut führen wie verlieren, je nach dem belieben des herrn.22)Μεσσένιος ἀνέϱ steht unter dem confiscirte besitze des Hermokopiden Axiochos CIA I 274. ebenda Κυδίμαχον δο̃λον Ἀδειμάντου; jener hatte zu hause gewiſs einen namen gehabt, der nun nicht mehr galt. Kydimachos war ein vor - nehmer menschenname, deshalb fügt der protokollirende schreiber δοῦλον hinzu. ein grund das wort anders zu deuten liegt nicht vor. die frau steht rechtlich ebenfalls unter dem κύϱιος, und ihr bürgerrecht beruht ausschlieſslich auf dem des mannes, in dessen hand sie ist. in Athen ist jedoch der genetiv ohne zusatz von γυνή bereits dem vatersnamen vorbehalten.23)Das folgt mit sicherheit aus II 1708, 2056, 2166, 2216, 2547, 2648. ich behaupte natürlich nicht, daſs keine ausnahmen vorkämen, da das recht notwendig ehedem weiter gieng. aber ich kenne keine. die hetaeren führen wahlnamen, auch wenn sie freie sind, und keineswegs bloſs als tituli: es scheint nicht, daſs der frauenname im schutze des gesetzes steht, während der mann um seinen namen klagen kann, wie der rechtshandel des Μαντίϑεος Μαντίου Θοϱίκιος wider Μαντίϑεος Μαντίου Θοϱίκιος beweist, in dem der erste vergeblich dem zweiten die führung des namens bestreitet.24)Die vergleichung der demosthenischen rede 39 mit der eines unbekannten 40 ist sehr lehrreich. Demosthenes führt eine schlechte sache und verliert sie, aber die rede ist sehr geschickt. der andere sachwalter hat eine, wie es scheint, gute sache; den erfolg vermag ich nicht zu erkennen. die sache war wol die. der po - litiker Mantias von Thorikos hatte eine ehefrau Plangon, die er liebte, von der er kinder hatte, die er aber doch verstieſs, als ihr vermögen verloren gieng. nun nahm er sich eine reiche wittwe und zeugte mit der einen andern sohn. aber als diese starb, kehrte er zu der ersten liebe zurück, wollte nur von den kindern der Plangon nichts wissen. doch diese war geschickt genug, den alten in den letzten tagen zur gerechtigkeit zu bestimmen. und der nunmehr geprellte angeblich einzig echtbürtige sohn dang sich vergebens den besten redner für seine häſsliche sache und ist mit einem schlechtern redner für eine anscheinend begründete geldforderung kaum besser gefahren. aber der eigenname21)vidualnamen zu erhalten, sondern Lesbia sagte passer und Corinna psittacus. die italienischen hunde pflegen noch heute auf cane zu hören. bei uns ist jeder schwan ein Hans und jeder kleine vogel ein Matz: darin liegt jetzt keinerlei individuali - sirung mehr. von ortsnamen sind ganz individuell die der flüsse: das sind aber meist auch götter und ahnherren, minder schon die der berge, noch weniger die der städte, die sehr vielfach derivata sind. sie bedürfen einer neuen untersuchung. daſs es keine straſsennamen uralter zeit gab, habe ich Herakl. II 199 ausgeführt.12*180II. 7. Der athenische name.ist allerdings nur ein privatbesitz, der den staat als solchen nicht kümmert. wollte aber jemand sich das demotikon beilegen, ohne den nachweis der berechtigung führen zu können, so durfte jeder Athener klagen, denn darin lag die anmaſsung des bürgerrechts, die der staat so bestrafte, daſs er den schuldigen als sich verfallen betrachtete und als sclaven verkaufte.

Der name im ge - schlechter - staate.Das führt zu der unabweisbaren frage, wie denn der volle athe - nische name vor Kleisthenes gelautet habe. πατϱόϑεν allein reicht un - möglich aus, weil dann gerade das distinctivum des bürgerrechtes fehlt: der vater bezeichnet nur den freien mann. wir haben bisher alle teile des römischen namens angetroffen, nur den wichtigsten nicht, den gentil - namen, dem zu liebe die Römer den eigennamen völlig haben verkommen lassen, wie die Athener ihrerseits den gentilnamen. was entspricht dem M. Tullius M. f.?25)Die gleichung des gentilnamens mit dem demotikon ist unzulässig, erstens weil dieses eine junge demokratische neuerung ist, dann aber auch, weil der gentil - name unmöglich eine örtliche bedeutung haben kann. die 20 ältesten tribus haben nicht den geschlechtern, die in ihnen saſsen, ihren namen gegeben, sondern um - gekehrt von jenen empfangen. die tribus Fabia verhält sich zu der gens Fabia wie der demos Βουτάδαι zu dem geschlechte Βουτάδαι. und Quintius kommt von Quintus, Iulius von Iullus, Claudius von Claudus, Valerius von Valerus, ganz wie die boeotischen patronymika Λύκιος von Λύκιος, Φίλλιος von Φίλλις, Μολώνιος von Μόλων. der demokratie geht der adelsstaat vorher, dessen ordnung Rom bewahrt hat; die phyle, das kunstproduct, erwarten wir auch in ihm nicht, aber wol wie in Rom das geschlecht. πατϱόϑεν ἐκ γενεῆς erwarten wir die bezeichnung, wie es in der Dolonie heiſst. aber wir finden nicht was wir suchen; wenigstens die inschriften versagen zunächst.

Geschlechts - namen.Es muſs erst über eines klarheit werden, die s. g. patronymika auf - ιδης - αδης. gewiſs, Τυδεΐδης Ἀτϱεΐδης Πηλεΐδης Λαεϱτιάδης be - zeichnen im epos hundertmal den sohn des Tydeus u. s. w. gewiſs haben das die dichter mit dem homerischen stile tausendfach nachgebildet. und doch zeigt der gebrauch schon des epos, daſs das patronymikon eigentlich nicht mehr gilt, sondern ein gentilicium wird. die Odyssee feiert noch den Λαεϱτιάδης, die Telemachie kennt keinen Ὀδυσσεΐδης mehr. wir sind an den Peliden gewöhnt: Πύϱϱος Ἀχιλλεΐδης gieng schön genug in den vers; aber das ist nicht formelhaft geworden. gött - liche väter gibt es im epos genug, aber das wird niemals mit dieser ab - leitung bezeichnet, weil der gott kein geschlecht gründet.26)οὐϱανίωνες schlieſst zumeist alle götter des himmels ein, weil sie da zu hause sind, ganz wie sie später οὐϱανίδαι heiſsen. nur E 898 wird das geschlecht Πϱιαμίδης181Geschlechtsnamen.Τελαμώνιος Πηλεΐων. 27)Δωϱιῆς Είκαδῆς Φιλιῆς weisen zwar auf einen eponymen des κοινόν zurück, aber sie sind in wahrheit nicht von ihm gebildet oder doch nicht wirklich gentilicisch. ἀηδονιδῆς Αἰγικοϱῆς βασιλῆς sind ebensolche gattungsnamen, aber keine geschlechtsnamen.Τελαμώνιος ist das einfache adjectiv; in ihm spricht sich am deutlichsten das rechtsverhältnis aus, daſs der sohn des vaters ist wie das roſs und die waffe. Νηλήιος ὑιός (B 20), N. ἵπποι Λ 537. diese bildung ist von den Thessalern, Boeotern und Aeolern lange beibehalten, bis sie dem gemeingriechischen genetive wich, zuerst für die männer, dann für die frauen, wie man auf den assischen steinen gut verfolgen kann. sie entspricht ganz genau dem italischen gentilnamen, aber zu einem gentilicium ist sie nicht geworden. die lesbischen ge - schlechter heiſsen Πενϑιλίδαι, Ἀϱχεανακτίδαι.28)Daſs dies die richtige form ist, folgt aus dem femininum Ἀϱχεάνασσα, metrisch gesichert Diog. Laert. 3, 31. es ist freilich so sonderbar gebildet wie Ἀνάξαϱχος, aber beide sollen den regierenden fürsten bezeichnen. die bildung auf - ων - ιων ist im leben ausgestorben, für eigennamen aber sehr viel gebraucht, ebenso wie die zugehörige weibliche auf ονη.29)Ἀμφίων Ἀμφιόνα (diese auf Kreta), Δηίων Δηιόνη, Μολίων Μολιόνη, Ἠπιόνη· Ἡσιόνη die mutter des Τεῦκϱος und die frau des Prometheus sind beide die Asiatin, zu der dem vocalismus nach die Ἠσιονῆες gehören; der Ἄσιος ῾ϒϱτα - κίδης und der Ἀσίου λειμών der Ilias haben den alten vocalismus bewahrt. die eigennamen Ἀϑη - νάδης Φοιβίδας Ἡϱακλείδης geben nicht anders die zugehörigkeit zu dem bestimmten gotte an als Ἑστιαῖος Ἀϑήναιος Ποσειδώνιος. 30)So weit wir sehen, bedeutet ein solcher name nur, daſs der vater das kind unter den schutz einer gottheit stellt (Plut. de def. orac. 21); vielleicht war es ehedem ein ausdruck der hörigkeit. übrigens kommen auch die anderen ableitungen vor, wenn jene unbequem war, Δαλίων heiſst nach dem Apollon Δήλιος, Πτοίων nach dem Πτοῖος.Πυ -26)der οὐϱανίως den söhnen des Zeus, des πατὴϱ ϑεῶν, entgegengesetzt. Zeus selbst heiſst Κϱονίων Κϱονίδης, was eben deshalb ein rätsel ist, weil sonst auch kein gott nach seinem vater heiſst. Pindar nennt die götter öfter Κϱονίδαι, als wäre das ihr gentilname, auch βασιλῆες und Κϱόνου παῖδας βασιλῆας (P. 3, 94), wo die βασιλῆες ganz in dem sinne gefaſst sind, der oben s. 136 anm. 20 erläutert ist. Ἰαπετιονίδης ῾ϒπεϱιονίδης (ὑπεϱίων ist nichts als der oben wie οὐϱανίων der im himmel) Νηϱηίνη Δηωίνη bei späteren besagen nicht viel. aber sehr merkwürdig ist Λητοΐδης von Apollon und Asklepios (Hesiod fgm. 109), alt, wenn auch nicht homerisch. da Leto nichts als die mutter ihrer kinder ist, aber nicht die gattin des himmelsgottes, so ist sie eben so rätselhaft wie der zu Κϱονίων stehende Κϱόνος. νηϱηίδες ist gebildet wie ναιάδες δϱυάδες, und hier ist deutlich, daſs es νεϱαίδες, νηϱηίδες νύμφαι wassermädchen sind, gehörig zu dem ἅλιος γέϱων, für den νηϱεύς ein auch nur die herkunft bezeichnender name ist, noch weniger bezeichnend als Πόϱκος Φόϱκυς der fisch, zu dem als frau die auster Τηϑύς gehört.182II. 7. Der athenische name.λάδης Θηβάδης geht höchstens die herkunft an, Καϱνεάδης ist der an dem feste des Κάϱνειος geborne. sehr seltsam hat Ibykos Ἑλένα Μενε - λαίς gesagt für Ἑλένη Μενελάου, als ob es ganz possessivisch wäre, und vollends Ἀλϑαία Μελεαγϱίς, so singulär, aber allerdings so ver - ständlich wie Cornelia Gracchorum. aber weiterhin ist die ableitung ganz und gar gentilicisch. Ἐϱεχϑεῖδαι Κεκϱοπίδαι sind die Athener, nicht die kinder des Erechtheus, Θησεύς ist Αἰγείδης als Aegide, wie wir ge - sehen haben. Ἡϱακλεῖδαι heiſsen die Herakleskinder nie, immer seine ganze descendenz. Helena kommt nach Troia δυσόμιλος συμένα Πϱια - μίδαισι: doch wahrlich nicht bloſs für ihre schwäger, sondern für das geschlecht im ganzen (A. Agam. 447). Ἀσκληπιάδαι Ὁμηϱίδαι sind viel - leicht schon eher gilden als geschlechter, aber sie fingiren den geschlechts - verband. Πεισιστϱατίδαι sind das tyrannenhaus, Ἑϱμοκοπίδαι die arge sippschaft der Hermenfrevler. wenn ein mann Καλλιάδης oder Ξαν - ϑιππίδης heiſst, so liegt darin, daſs er zu einem geschlechte gehört, in dem der name Καλλίας oder Ξάνϑιππος gewöhnlich ist, daher wechselt der einfache name mit dem geschlechtsnamen. und weil der name genti - licisch ist, ist er vornehmer; wol im anschluſs an eine alte vorlage läſst Lucian den parvenu sich Σιμωνίδης für Σίμων nennen (gall. 14). damit hätten wir also eine bezeichnung für den gesuchten gentilicischen begriff.

Sehen wir nun das epos an. Πϱιαμίδην νόϑον υἱόν Λ 490 ist noch dasselbe wie υἱὸν Πϱιάμοιο νόϑον E 70, κούϱην Πϱιάμοιο νόϑην N 173. aber Εὐϱυσϑεὺς Σϑενέλοιο πάις Πεϱσηιάδαο T 123, Ἀμφί - νομος Νίσου υἱὸς Ἀϱητιάδαο31)Ob dies von Ἄϱητος kommt, ist sehr fraglich, schon weil die erste sylbe kurz ist. denn im hesiodischen schilde heiſst Kyknos der sohn des Ares Ἀϱητιάδης, 57, und die pontische Aresinsel heiſst immer Ἀϱητιάς, wenn auch die grammatiker die flexion Ἄϱης Ἄϱητος nur aus der ableitung kennen. in ordnung ist es damit nicht, da ein patronymikon von einem gotte, wie oben bemerkt, nicht gebräuch - lich ist. Ἄϱης Ἄϱητος ist ein hypokoristikon wie Μέγης Τέλης Μύνης. erst in dem zugehörigen vollnamen könnte der gott stecken. ϝάνακτος Π 395, Πολύξεινος υἱὸς Ἀγασϑένεος Αὐγηιάδαο ϝάνακτος B 624, Σχεδίος καὶ Ἐπίστϱοφος υἱέες Ἰφίτου μεγαϑύμου Ναυβολίδαο 518. da mag noch immer der vater allein patronymisch nach dem groſsvater benannt sein. aber wenn wir Ψ 514 Ἀντίλοχος Νηλήιος lesen, so ist der gentilicische begriff um so weniger zu verkennen, als der heros gerade aus dem geschlechte ist, das für die meisten ionischen städte das königliche war. vollends Αἰακίδης als name des Achilleus in der Patroklie mit anhängen ist gar183Geschlechtsnamen.nicht anders verständlich. Hesiod Katal. 37 Ἀμαϱυγκεΐδης Ἱππόστϱα - τος ὄζος Ἄϱηος Φυκτέος ἀγλαὸς υἱός: da ist die gentilicische termi - nologie vorhanden, und wie die an die patronymika gewöhnte grammatik irre geht, lehrt die apollodorische bibliothek, die es mit Ἱπποστϱάτου τοῦ Ἀμαϱυγκέως wiedergibt. es konnte gar nicht fehlen, das sich in der tradition der sage gentilicische bildungen fanden, die in der genealogie gar nicht oder nur mit gewalt untergebracht werden konnten. so ist es mit Ἀλκείδης für Herakles den sohn der Alkmene gegangen, so mit Πλεισϑενίδαι als name für das geschlecht der könige, die von den Dorern aus irgend einem hauptorte vertrieben wurden und mit den heerkönigen der Ilias identificirt wurden, deren ahnenreihe doch keinen Pleisthenes enthielt32)Πλεισϑενίδαι ganz gentilicisch braucht Aischylos Ag. 1569, Πλεισϑένου γένος entspricht dem 1602. daſs er nebenher auch die Pelopiden nennt (1600), ist eine inconsequenz. Stesichoros (42) sagt von Klytaimestra τᾷ δὲ δϱάκων ἐδόκησεν μολεῖν κάϱα βεβϱοτωμένος ἄκϱον· ἐκ δ̕ ἄϱα τοῦ βασιλεὺς Πλεισϑενίδας ἐφάνη, was bedeutet (wenn man die fundstelle bei Plutarch de sera num. vind. 10 nachliest, ist es unzweifelhaft) sie sah ein traumgesicht, daſs ein blutiger drache käme. und in dessen erfüllung erschien der könig aus dem Pleisthenidenhause, d. h. der legi - time erbe., der dann kümmerlich irgendwie eingeflickt ward. das ergibt den namen Ὀϱέστης Ἀγαμέμνονος Πλεισϑενίδης; dem entsprechend könnte man aus den pindarischen gedichten die Aegineten Τιμάσαϱχος Τιμοκϱίτου Θεανδϱίδας (Nem. 4) Λάμπων Κλεονίκου Ψαλυχίδας (N. 5) Δεινίας Μέγα Χαϱίαδας (N. 7) u. a. gewinnen, ja sogar einen Athener Τιμόδημος Τιμόνου Τιμοδημίδης (N. 2), der neben dem geschlechte auch seinen demos Acharnai und seinen wohnsitz Salamis verherrlichen läſst. mit dem adel des kleruchen war es schwerlich weit her; der Alkmeonide Megakles (Pyth. 7) läſst nur sein geschlecht und seinen staat verherrlichen. von dem dichter Simonides aus Keos kennen wir sogar zuverlässig den vollen namen Σιμωνίδης Λεωπϱέπευς Ὑλιχίδης33)Vgl. O. Schneider zu Kallimachos fgm. 77, dessen urteil freilich schief ist. und so liegt es nahe, sich vorzustellen, daſs die ältere attische nomenclatur der spätern ganz ähnlich gewesen wäre, nur mit dem geschlechtsnamen statt des demotikons hinter dem vatersnamen. Λυκοῦϱγος Ἀϱιστολή - δου Βουτάδης würde dann sogar 507 den namen gar nicht gewechselt haben, da das geschlecht in der gemeinde blieb, der es den namen gab. es existiren zwei attische steine, die in der tat eine solche bezeichnung zeigen. IV p. 81 ein bruchstück zweier zeilen και χϱεμα κολλυτίδ , das nur lehrt, daſs neben den Κολλυτῆς auch Κολλυτίδαι gestanden184II. 7. Der athenische name.haben, und IV p. 102 Λεόβιος ἐποίεσεν Πυϱετιάδες, aus einem ge - schlechte, dessen ahn Πύϱης geheiſsen hatte. 34)Πύϱης Πύϱητος, das die herausgeber meistens falsch Πυϱῆς accentuiren, kennen wir als namen für den sohn des Achilleus, den man später Πύϱϱος nennt, in einer variante T 327, die starke beachtung verdient, und aus der unterschrift eines werkes von Kresilas, Kaibel epigr. 751.Vorgekommen ist also eine solche bezeichnung; aber ob Leobios ein Athener war, ist fraglich. sitte war dort die nennung des geschlechtes jedenfalls nicht, und da viele geschlechter gar keine gentilicisch geformten namen hatten, Κήϱυκες Βουζύγαι Δεκελεῖς, formen, wie Κηϱυκίδης in Thasos, nicht bestanden, so genügte diese bildung nicht. die schriftsteller führen auch auf eine andere bezeichnung. Καλλίης τῶν Ἰαμιδέων Ἠλεῖος (Her. 5, 44), Τεισαμενὸς Ἀντιόχου γένεος τῶν Ἰαμιδέων Κλυτιάδης (Her. 9, 33, vgl. Isyll 180), τῶν Σκοπαδέων Διακτοϱίδης Κϱαννώνιος (Her. 6, 127), Ἀϱχῖνος Ἀμπϱακιώτης τῶν Κυψελιδῶν (Ar. 17, 4), Πεισιστϱάτου υἱεῖ τοῦ ἐκ Φιλαιδῶν Ἱππάϱχῳ (Pl. Hipparch. 228b) Φαιστίδος ἦν μητϱὸς καὶ Νικομάχου γενετῆϱος τῶν Ἀσκλη - πιαδῶν δῖος Ἀϱιστοτέλης (vit. Ar. 420 R.). das ist eine bezeichnung, die zwar nicht in Rom, aber wol in dem mittelalterlichen Italien ihre analogie hat, Lorenzo di Cosmo dei Medici, und die pindarischen namen können wir uns ebenso gut in diese weise umsetzen.

Ueberhaupt ist die gentilicische bezeichnung eigentlich nur eine ver - kürzte angabe des stammbaumes. der vater ist nur das minimum von dem was für den freien mann gefordert wird. wie die römische nomenclatur in den Fasten und der Kaisertitular, wo sie nur kann, noch mehr ahnen nennt, so fordert Athen von seinen archonten den nachweis des groſs - vaters und selbst der groſsmutter, vier ahnen, wie noch heute manche adlichen stifter. auch die inschriften nennen zuweilen den groſsvater35)Z. b. IGA 483 nennen sich fünf leute Ὠϱίωνος παῖδες το̃ Ἀϱχήγο, was man fortfährt für einen titel zu erklären: man hütet sich aber wol, zu sagen, was er bedeute. 503 στάλ] α ̕πὶ Σϑενείαι τῶ Νικιαίωι τῶ Γαυκίω. wie der groſsvater hieſs ist nicht festzustellen; weshalb er in Kebrene nicht einen barbarennamen ge - habt haben könne, verstehe ich nicht. Ἀϱίστα Ἑϱμοκλειδαία τῶ Σαυναιάδα Anth. Pal. 6, 269., und Herodotos gibt z. b. 7, 204 die ganze ahnenreihe von Leonidas bis Herakles, 5, 59 die von Laios bis Kadmos, und dieselbe fand Sophokles und sein volk dem stile einer feierlichen proclamation ganz ange - messen (O. T. 267): seine kritiker freilich dulden das nicht. die euri - pideischen prologe sind wegen der stammbäume uns langweilig, die Athener lachen allenfalls darüber, daſs sich die redenden so ausführlich185Geschlechtsnamen.selbst vorstellen, wie sich Dikaiopolis über die ahnen des Amphitheos ärgert, aber dieser dingt sich doch den berufenen friedensstifter, und die prologe haben sich auch behauptet. der Athener hat eben die gesin - nung des adelsstaates, die uns kaum noch verständlich ist, nie verloren, und wenn seine demokratie jenen staat zertrümmert hat, so hat sie ge - rade in der ordnung des namenwesens eine eigentlich gentilicische form mit viel gröſserer consequenz durchgeführt, als es die zeit je erreicht hatte, in welcher die geschlechter herrschten.

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8. DER AREOPAG VOR EPHIALTES.

Aristoteles schildert uns den Areopag vor Solon und unter Solon mehrfach als die eigentlich maſsgebende behörde, aber in ziemlich all - gemeinen wendungen, so daſs wir zunächst nicht viel weiter zu kommen scheinen. die vormacht des Areopages, die er für die jahre 480 462 angibt, ist eine effective, nicht durch eine verfassungsänderung ihm neu verliehene. Ephialtes nimmt ihm diese macht durch bestimmte gesetze,ἐπίϑετα und πάτϱια. deren stelen die dreiſsig umreiſsen (35, 2): damals sind also ganz be - stimmte competenzen dem Areopage entzogen. Aristoteles bezeichnet sie als ἐπίϑετα in übereinstimmung mit der officiellen terminologie1)Harpokration erklärt das wort so: ὁπόσα μὴ πάτϱια ὄντα ἐξ Ἀϱείου πάγου βουλὴ ἐδίκαζεν, ὡς σαφὲς ποιεῖ Λυσίας ἐν τῷ πϱὸς τὴν Μειξιδήμου γϱαφήν. in diesem rechtsfalle handelte es sich, wie mit recht aus Aristoteles rhet. 2, 23 geschlossen wird, darum, daſs Meixidemos (oder Meixidemides) die competenz des Areopages bestritt. daher spricht der erklärer nur von dem richten des Areo - pages. auszüge aus derselben glosse sind Bekk. An. 252, wo πάτϱια durch οὐκ ἐκ τῶν νόμων πϱοστεϑέντα τῇ βουλῇ ἐξ ἀϱχῆς ersetzt ist, und Hesych ἐπίϑετα. dies wort bezeichnet natürlich denselben gegensatz, auch wenn es sich um eine andere behörde handelt, z. b. den archon Ar. 3, 3., im gegensatze zu den πάτϱια, die dem rate blieben, d. h. dem blutgerichte. daraus ergibt sich zunächst ein vollkommener widerspruch. entweder Ephialtes hat dem Areopage nur ἐπίϑετα genommen, dann gehörte was er ihm nahm nicht zu seinen ursprünglichen rechten. er nahm ihm die eigentlich politische macht: also kann diese nicht ursprünglich ge - wesen sein, also kann der Areopag nicht φύλαξ καὶ ἐπίσκοπος τῆς πολιτείας gewesen sein, wie doch cap. 3 u. s. w. steht. oder aber diese nachricht ist richtig, dann hat Ephialtes dem Areopag πάτϱια und nicht ἐπίϑετα genommen. von diesem widerspruche können wir den Aristo - teles nicht befreien. aber wol können wir ihn als einen für die officielle187ἐπίϑετα und πάτϱια.geschichte Athens schlechthin unvermeidlichen erkennen. die partei des Ephialtes hat gesiegt, und sie hat selbstverständlich sich nicht selbst als revolutionär betrachtet, muſste also was sie dem Areopag nahm als von rechtswegen diesem gar nicht zustehend bezeichnen, so daſs sie nur einen übergriff beseitigt hätte. aber die consequenz haben sie zunächst glücklicherweise nicht gehabt, nun auch die ganze geschichtliche tradition so umzugestalten, daſs der Areopag nur noch als blutgerichtshof in ihr erschiene. so stellt es zwar 458 der dichter in den Eumeniden dar, der die stiftung selbst berichtet und nur von dem blutgerichtshof handelt. und später muſs diese tendenz noch mächtiger geworden sein, sonst hätte die von Plutarch behandelte streitfrage nicht entstehen können, ob der Areopag wirklich vorsolnisch wäre.2)Aufgeworfen war diese schon vor Aristoteles in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts. vgl. oben I 53 anm. 21. aber die Atthis, der Aristoteles folgt, ist zum glück noch unbefangen genug, die ächte tradition über die alte zeit festzuhalten, trotzdem sie die officielle version über Ephialtes auch gibt. den gedanken faſst aber verwirft man bald, daſs etwa der bericht über das eigentliche gesetz des Ephialtes (25, 2) mit seiner umgebung aus oligarchischer tendenziöser überlieferung stammte. die oligarchen hatten ja nicht die entfernteste veranlassung, den Ephialtes so zu rechtfertigen, wie es die bezeichnung ἐπίϑετα tut; ihre absicht gieng mindestens dem namen nach darauf, die alte verfassung herzustellen und die demokratischen neuerungen zu beseitigen. folglich ist diese terminologie ihrem inhalte nach demokratisch und paſst für die Atthis, nicht für Theramenes.

Die verfassungsänderungen von 462 haben einen so starken erfolg gebabt, daſs niemals, selbst nicht von den Dreiſsig, die diese gesetze selbst beseitigten, ein ernsthafter versuch praktisch gemacht ist, den alten Areopag wieder herzustellen, wenigstens nicht vor Demetrios von Phaleron. so ist es denn sehr schwierig zu erkennen, was denn eigentlich in den gesetzen des Ephialtes gestanden hat, und die directe überlieferung ver - sagt vollkommen. seit Ephialtes ist der Areopag fast nur noch ein blut - gerichtshof; vorher hatte er eine in der ganzen politik ausschlaggebende stellung, aber diese beruhte nicht auf bestimmten gesetzlich fixirten rechten, konnte ihm also auch nicht durch gesetze direct genommen werden. genommen müssen ihm die rechte sein, die er von alters her geübt hatte; aber eben über sie hört man zumeist nur etwas so vages wie σχεδὸν ἁπάντων κύϱιος, oder φύλαξ καὶ ἐπίσκοπος τῆς πολιτείας. 188II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.das kann Ephialtes unmöglich so geändert haben, daſs er lediglich negativ beantragte, τὴν βουλὴν μὴ εἶναι φύλακα, wol aber kann und wird er als bleibende dienstinstruction beantragt haben, πεϱὶ δὲ τῶν φονικῶν δικάζειν τὴν βουλὴν τὴν ἐν Ἀϱείῳ πάηῳ κατὰ τὰ πάτϱια. das ist auch unvergessen geblieben. im übrigen konnte die neuerung nur darin bestehen, daſs eine anzahl von obliegenheiten, die bisher der Areopag gehabt hatte, anderen organen des staates zugewiesen ward. sie fanden also ihren platz je in den einzelnen dienstinstructionen dieser organe, und so ist nach der art unserer überlieferung nicht wunderbar, daſs bald das gedächtnis an den concreten inhalt der gesetze des Ephialtes völlig verschwunden war. daneben blieb die sehr unbestimmte angabe der chronik, daſs der Areopag einst Athen beherrscht hätte, und nicht viel mehr, kaum irgend etwas concretes, weiſs Isokrates im Areopagitikos zu sagen. es ist immer noch das beste was Aristoteles aus der Atthis ge - rettet hat, daſs der rat der 500, die volksversammlung und die gerichte die amtspflichten übernommen hätten, die Ephialtes den Areopage entzog. damit ist wenigstens eine aussicht gegeben, einiges zu erschlieſsen. denn wenn wir einerseits die bekannten competenzen dieser organe betrachten, andererseits was wir dank Aristoteles über die ältere competenz des Areopages erfahren, so muſs diese vergleichung einigermaſsen lehren, was er durch Ephialtes und Archestratos eingebüſst hat.

γϱαφαὶ ἀσεβείαςDie volksgerichte können die entscheidung in einer anzahl von pro - cessen geerbt haben, die früher der könig vor den Areopag brachte, namentlich ἀσεβείας, da die streitigkeiten um priestertümer und sporteln der priester (Ar. 57, 2) wol der könig unmittelbar (αὐτοτελῶς) entschieden haben wird, und das volksgericht lediglich durch das prinzip der ἔφεσις εἰς δικαστήϱιον, die provocatio ad iudicium hinzugetreten ist. wenn die eine art der gottlosigkeit, die in der zerstörung eines heiligen ölbaumes gefunden ward, dem Areopage immer geblieben ist, so darf man für ältere zeit ihm diese ganze gattung zuschreiben. die eine singularität blieb ihm, weil seine aufsicht über die ölbäume nicht angetastet ward. der Areopag besaſs aber früher auch ein coercitionsrecht über alle ἀκοσμοῦν - τες (3, 4), also eine unmittelbare sittencontrolle. diese collidirt mit den thesmothetenprocessen ὕβϱεως μοιχείας u. dgl., deren bedeutung oben I 247 erörtert ist. indessen möchte ich nicht wagen, diese sachen vor den Areopag zu ziehen, da ein verkehr irgend eines andern beamten als des königs mit diesem rate nicht bezeugt ist.

δοκιμασία.Die niederen beamten, d. h. alle mit ausnahme der par excellence so genannten (und wol der militärischen), wurden in alter zeit vom189δοκιμασία. εἰσαγγελία.Areopage bestellt. seit Solon werden sie aus einer vorschlagsliste der phylen erlost, und zur correctur des loses ist die prüfung vor gericht ein - geführt. nur die archonten und die ratsherren werden vom rate geprüft, und für die ersteren ist noch eine prüfung vor dem gerichte hinzugefügt.3)Die von Aristoteles als späterer zusatz bezeichnete freiheit, von dem ab - weisenden entscheide des rates an das gericht zu appelliren, ist eine logische con - sequenz des grundrechtes der ἔφεσις, aber sie machte die prüfung im rate tatsäch - lich überflüssig. diese ist also nur als rudiment der alten ordnung erhalten. das wird sowol rechtlich wie geschichtlich erst verständlich, wenn man annimmt, daſs der Areopag die prüfung der übrigen von Solon bis Ephialtes gehabt hat. dann ist Solons ordnung, oder vielmehr Drakons schon, nicht ein schwerer eingriff in die macht des Areopages, sondern be - seitigt nur das willkürprinzip der ernennung durch die erlosung auf vorschlag und die prüfung durch die behörde, die früher unmittelbar ernannte.4)Es gibt noch ein beispiel für diese ordnung. 343 hat das volk einen σύν - δικος gewählt, der seine sache vor den Amphiktionen führen sollte, aber dem Areo - page die prüfung des gewählten und sogar den ersatz desselben durch eigne wahl übertragen. so erzählt Demosthenes 18, 134. das geschah damals natürlich nur im specialfalle und auf besonderes gesetz hin. aber über die heilige sache hat man wol auf grund von praecedenzfällen entschieden. der rat unten sollte selbstverständlich von dem oben unab - hängig sein, besorgte also selbst die prüfung seines nachfolgers. die archonten aber, die künftigen Areopagiten, unterlagen einer prüfung durch diesen oberen rat nach ablauf ihres amtes, was nie geändert worden ist: der Areopag brauchte also verfassungsmäſsig die archonten, die das volk sich gesetzt hatte, nicht aufzunehmen. um so weniger aber konnte er sie schon vor dem amtsantritt prüfen. diese prüfung war das recht des volkes, und seine ausübung fiel passend dem organe des volkes, dem rate unten zu. so war das weise geordnet. einmal ist dann die prüfung der beamten überhaupt dem Areopage genommen und den gerichten gegeben: das kann füglich nur durch Ephialtes oder im anschluſs an seine reform geschehen sein. die prüfung der archonten aber lieſs man daneben dem rate: man verlangte noch immer besondere garantien für diese, und es ist zu bedenken, daſs die herabsetzung des census für dieses amt mit dem sturze des Areopages zeitlich zusammenfällt: da mochte man die dokimasie des rates als garantie nicht missen.

Die volksversammlung tut kaum etwas ohne die vermittelung desεἰσαγ - γελία. rates, aber sie hat das recht, denuntiationen von ganz besonders staats - gefährlichen verbrechen anzunehmen und wenn sie auf sie eingeht, an die gerichte abzugeben, ja in ausnahmefällen selbst zu gerichte zu190II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.sitzen. das gefährliche institut der εἰσαγγελία εἰς τὸν δῆμον hat in alter zeit die εἰσαγγελία εἰς Ἄϱειον πάγον zum gegenstücke, die sowol gegen beamtenwillkür galt, wie Drakon es vorgeschrieben hatte (4, 4), wie gegen hochverrat: gegen diesen schreitet noch in der anekdote von Themistokles der Areopag ein. dies ist also sicher durch Ephialtes vom Areopage auf das volk übertragen. dagegen hat das volk allerdings die beamten auch schon vorher auf seine weise controllirt, durch die ἐπιχει - ϱοτονία, und hat die macht selbst urteilssprüche abzugeben besessen, in den formen, welche die feste tagesordnung der versammlungen durch die anklage wegen ἀπάτη τοῦ δήμου und συκοφαντία bot. so ist Miltiades 490 gefallen. da haben wir, wie so oft in Athen und im alten Rom, neben einander stehend dieselbe competenz verschiedener staat - licher organe.

Der eigentliche erbe des alten rates ward der neue: statt des aus der magistratur hervorgegangenen senates sollte die vertretung der einzel - gemeinden die verwaltung führen. klar mit einem worte bezeichnet würde der inhalt der reform gelautet haben: der Areopag hört auf eine verwaltungsbehörde zu sein; die geschäfte übernimmt der rat der 500. aber wir müssen das im einzelnen zu erfassen suchen, entsprechend dem wie die gesetze nach attischer weise wirklich gelautet haben.

μίσϑωσις τεμενῶν.Da haben wir gleich eine einzelheit. die verpachtung des heiligen gutes besorgt der könig, aber er übergibt die pachtverträge dem rate und dieser besorgt die eincassirung und verrechnung der pachten selbst oder durch seine beamten, die apodekten (Ar. 47, 4). so war es schon 418. es versteht sich von selbst, daſs der könig früher denjenigen rat zugezogen hat, dem er vorsitzt; sein verkehr mit dem rate der 500 ist eine anomalie, die lediglich die rücksicht auf die heiligkeit dieser ein - nahmen geschaffen hat.

Casse des Areopages.Die bergwerke waren schon 483 unter der verwaltung des volkes, was die des rates, der ja die vorschläge für das volk vorberät und formulirt, in sich schlieſst. es gab ja auch seit Kleisthenes die apodekten. trotzdem hat 480 der Areopag über sehr bedeutende geldmittel verfügt, da er, aus eigener initiative oder auf die anregung seines mitgliedes Themistokles hin, in der lage war, den auswanderern ein zehrgeld zu zahlen (oben I 140). also hatte der Areopag eine casse und cassenbeamten. er hatte aber auch nach Solon (8, 4) das recht geldstrafen zu verhängen und einzuziehen und brachte sie selbst auf die burg, d. h. in die casse der göttin. zu den uralten behörden gehören die schatzmeister der göttin, die poleten und die kolakreten. die letzteren verfügen zwar noch in der zweiten191Casse des Areopages. νομοφυλακία.hälfte des fünften jahrhunderts über so viel geld, daſs ihre casse die schwere ausgabe für den richtersold getragen hat5)Daraus folgt, daſs in diese casse die gerichtssporteln flossen, denn die oli - garchische Πολ. Αϑ. 1, 16 nennt als ersten vorteil, den der demos aus dem ge - richtszwange der bündner zieht, ἀπὸ τῶν πϱυτανείων τὸν μισϑὸν δι̕ ἐνιαυτοῦ λαμβάνειν., sind aber im organis - mus des staates nur noch so wenig berechtigt, daſs selbst die reform der 400 sie beseitigen wollte. die schatzmeister und die poleten stehen später unter der controlle des rates der 500. daraus erschlieſsen wir mit sicherheit, daſs diese beiden behörden ursprünglich dem alten rate untergeben waren, der sie ja auch ernannt hatte: die kolakreten aber waren die einnehmer der alten ratscasse. Kleisthenes hat in den apodekten 10 einnehmer neben die kolakreten, deren zahl wir nicht kennen, gestellt. die zahl der schatzmeister und poleten ward auch auf 10 gebracht, d. h. auch sie vertraten nunmehr die neuen phylen. schon damals also ist eine casse unter verwaltung des rates der 500 gestellt, schon damals der Areopag, der notwendigerweise aus leuten, die mit der tyrannis mindestens freundlich gestanden hatten, noch lange jahre vorwiegend bestehen muſste, stark beschränkt. aber noch standen beide räte nebeneinander: Ephialtes tat den zweiten wichtigsten schritt und gab die finanzen dem rate der 500; die kolakreten und somit die vereinnahmung und verrechnung starker mittel durch den Areopag hat er noch bestehen lassen. daran liegt es, daſs wir über diese behörde so wenig klar sehn. aber wenn Perikles den richtersold einführte und seine zahlung der kolakretencasse auferlegte, so zeigt sich darin eine sehr wirksame beschränkung des Areopages durch ihn.

Drakon hatte dem Areopage das recht gegeben, die amtsführung derνομοφυ - λακία. beamten auf ihre gesetzmäſsigkeit hin zu controlliren, und ihn auch zur instanz für beschwerden über die beamten gemacht. auch Solon, der doch dem volke die eigentliche rechenschaftsabnahme, wenn auch noch nicht den regelmäſsigen logistenprocess, sicherte und durch die epichei - rotonie und andere mittel die directe beschwerde bei dem volke er - möglichte, endlich die ἔφεσις εἰς τὸ δικαστήϱιον durchführte, hat den - noch dem Areopage die sorge für die beobachtung der gesetze gelassen, die νομοφυλακία. diese hat gar keinen sinn, wenn der Areopag nicht die möglichkeit hatte einzuschreiten, die beamten vor sich zu fordern und zu richten. ebenso notwendig folgt aus dieser befugnis, daſs die bürger beschwerden wider die beamten bei dem Areopage einreichen konnten. erst hierdurch, aber hierdurch sehr energisch, wird der Areopag192II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.zu dem eigentlichen träger der inneren politik. es liegt so viel darin, daſs ich voraussehe, die modernen werden sich dagegen sträuben, es zu glauben; aber die analogie zwingt. der rat der 500 hat ja diese selbe controlle über alle beamte rechtlich besessen, und auch bei ihm konnten beschwerden eingereicht werden (45, 2). einen beleg liefert Lysias wider die kornhändler. natürlich war später auch von der ent - scheidung des rates appellation an das gericht möglich, ganz wie bei der dokimasie der archonten. aber daſs von dem urteil von 500 an das von 501, von ratsherrn an richter, d. h. leute die genau eben so qualificirt und genau eben so gewählt sind, appellirt wird, ist eigentlich in sich verkehrt, ist prinzipienreiterei, und kann nur als eine ausartung an - gesehen werden. wenn nun der rat der 500 in der demokratie die nomophylakie besitzt, der Areopag sie einst besessen hat, so kann man gar nicht zweifeln, daſs eben diese es gewesen ist, die Ephialtes ihm genommen hat.

νομο - ϑεσία.Man hat bei dieser gelegenheit an eine veränderung in der legis - lative gedacht, hat die γϱαφὴ παϱανόμων herangezogen und noch anderes vermutet, hatte allerdings auch die auf keinen geringeren als Philochoros gestellte überlieferung, daſs zum ersatze für den Areopag eine besondere behörde von νομοφύλακες eingesetzt wäre.6)Lex. Cant. νομοφύλακες. der fehler beschränkt sich darauf, daſs die ein - setzung mit der reform des Ephialtes verbunden wird; sein anlaſs ist mir auch noch jetzt rätselhaft, aber ich kann ihn nicht mehr leugnen. die schilderung des amtes stammt in diesem lexicon aus derselben quelle wie bei Photius οἱ νομοφύλακες τίνες ἦσαν, und dieses lemma erweist als quelle das onomastikon, dessen wertvollste aus - züge im fünften Bekkerschen lexicon stehn. hinzu tritt Poll. 8, 94, der die schilde - rung im praesens gibt, während sie jenes onomastikon im praeteritum gab. wie Philo - choros geredet hat, ist also nicht sicher. die sieben gesetzeswächter sitzen neben den proedren in den versammlungen: so etwas ist zur zeit der demokratie unerhört. sie sind durch ausgezeichnete tracht und religiöse functionen möglichst würdig ge - macht: das paſst für die zeit der restauration. sie sind bestimmt, in den Areopag zu treten: der vermehrte sich also jährlich um 16 statt um 9 personen, muſste binnen kurzem durch diesen nachschub eine andere majorität erhalten, so daſs ich die maſsregel gut mit einem pairsschub in modernen ersten kammern verglichen habe, und sollte offenbar frisches blut und neue würde erhalten. alles paſst auf das beste für die verwaltung des Phalereers. da wir auf den steinen durchaus nichts von den gesetzeswächtern finden, sind sie wol 307 der demokratischen reaction so gut wie die γυναικονόμοι u. a. erlegen. dies letztere ist durch das schweigen des Aristoteles, so wenig das im ganzen be - deutet, und durch die in einem falle (fgm. 6) nunmehr erwiesene unzu - verlässigkeit des lexicons, das uns die angeblich philochoreische notiz193νομοϑεσία.gerettet hat, beseitigt. es beruhte aber auch alles auf ungenügender einsicht in das attische staatswesen.

Formal ist zwischen einem volksbeschlusse und einem gesetze gar kein unterschied. was das volk beschlieſst, ist recht und ist gesetz. ein jeder volksbeschluſs schafft neues recht; er darf nur nicht implicite altes recht umstoſsen und muſs selbst auf gesetzmäſsigem wege zu stande gekommen sein. darin liegt, daſs der rat unter allen umständen über den gegenstand verhandelt haben muſs, mindestens so weit, daſs er ihn auf die tagesordnung gesetzt hat.7)Die nomothesie rechnet der oligarch der Πολ. Αϑ. 3, 2 zu den regelmäſsigen amtspflichten des rates. in den meisten fällen ist ein einzelner antragsteller vorhanden, sei es daſs er ratsherr ist, sei es daſs er, dann aber im anschluſs an eine ratsvorlage, im volke seinen antrag durchgesetzt hat. daneben erscheinen im fünften jahrhundert ad hoc eingesetzte commissionen, συγγϱαφῆς. so redet man denn von gesetzen des Perikles, Archestratos, Kannonos, und besitzen wir in dem s. g. eleusinischen psephisma ein gesetz, das zur gröſseren hälfte von einer commission ausgearbeitet ist, aber einen nachtrag enthält, den Lampon vor dem volke durchgebracht hat. das volk, das selbst all - jährlich die gesetze neu beschwört, die es sich gegeben hat, sichert diese vor verletzung und sich selbst dagegen, daſs es sie nicht un - wissentlich verletzt, durch die klage παϱανόμων. diese gilt wesentlich den antragstellern im rate und volke, ist aber auch einer commission gegenüber denkbar, die einen antrag stellte. sie gehört mit ihrer schwester, der klage ein schädliches gesetz gegeben zu haben, und den klagen wegen amtsmisbrauch wider die vorsitzenden des rates und volkes vor die thesmotheten (59, 2). die eidliche versicherung, sie erheben zu wollen (ὑπωμοσία), muſste in der versammlung geleistet werden und besaſs dann suspensive kraft. jeder bürger, der ja jedes unrecht (παϱά - νομον) das irgend wem geschah zu ahnden berechtigt war (τιμωϱεῖν τῷ ἀδικουμένῳ), hatte vollends das recht den geschädigten gesetzen bei - zustehen. er tat das wie immer so auch hier durch die anrufung des gerichtes, das hieſs, er belangte den schuldigen bei den thesmotheten. dies tun zu wollen, erklärte er vor dem volke. das ist die ὑπωμοσία, ein analogon zur ἀφαίϱεσις εἰς ἐλευϑεϱίαν. es ist gar nicht anders denkbar, als daſs dieses recht, sogar schon in dieser form, bestanden haben muſs, seit es rat und volk gab: war doch ein hauptanlaſs zu klagen wegen gesetzwidrigkeit der, daſs der vorbereitende ratsbeschluſsv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 13194II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.fehlte (45, 4). das war in anbetracht der sehr ausgedehnten zulassung von amendements oft gar keine einfache frage. solonisch ist die klage also mindestens. aber um so deutlicher wird, daſs sie mit dem Areopage trotz seiner gesetzescontrolle nichts zu tun hat. sie geht eben an die rechtssetzer, die die gesetze aufzuzeichnen und zu bewahren haben, also die berufenen richter darüber sind, ob ein antrag mit diesen in widerspruch stehe. die thesmotheten haben darüber ehedem selbst, später unter zuziehung eines volksgerichtes entschieden: das entspricht der allgemeinen rechtsentwickelung. eine beteiligung des Areopages ist schon deshalb nicht denkbar, weil er, um einen gesetzwidrigen be - schluſs zu hindern, eine controlle der volksversammlung hätte ausüben müssen, d. h. eine controlle des souveränes.

Damit sind die gesetze gegen die willkür der einzelnen oder auch des volkes geschützt. um so dringender wird die frage, wie konnten sie denn überhaupt geändert werden, wie hat Ephialtes selbst seine anträge durchgebracht, die die ganze verfassung umgestaltet haben? das ist geschehen durch die ἐπιχειϱοτονία νόμων. seit Schöll das document gerechtfertigt hat, das in der Timokratea 20 23 steht, dürfen wir nach dieser analogie für das fünfte jahrhundert annehmen, daſs in der ersten volksversammlung jedes jahres die gesetze selbst beraten wurden, d. h. die anträge auf abänderung des geltenden rechtes einge - bracht werden muſsten. wie dann das volk über die behandlung ent - schied, ob es die anträge a limine abwies oder dem rate oder einer commission zur beratung übergab (von der überweisung an ein gericht, was die νομοϑέται der Timokratea tatsächlich sind, kenne ich kein beispiel aus dem fünften jahrhundert), das stand bei dem volke, das nach dieser vorberatung abstimmte, genau eben so wie über jeden antrag. die sache ist einfach und verständig geordnet, aber für den Areopag ist kein platz. unsere geschichtliche überlieferung zeigt ihn auch nie - mals mitwirkend bei verfassungsänderungen.

Also die dokimasie der beamten hat der Areopag an die gerichte, die annahme der eisangelieen an das volk, die nomophylakie und über - haupt die verwaltung an den rat der 500 verloren.

Polizei - gewalt.Die anekdote von Themistokles und Ephialtes zeigt ihn uns aber auch im besitze des rechtes, einen bürger zu verhaften. dies gehört mit zu dem allgemeinen aufsichts - und strafrecht, das der Areopag von der urzeit her besaſs. er übt es in der anekdote auf den antrag eines mitgliedes, das ein staatsgefährliches complott entdeckt haben wollte. er ist aber ohne zweifel auch auf grund der meldungen von executiv -195Polizeigewalt. macht des rates der 500.beamten eingeschritten, deren competenz über die verhängung niedriger geldstrafen nicht hinausgieng. denn wenn wir nach dem gesetze Lampons den könig eine meldung an den rat erstatten sehen, damit dieser eine polizeiliche contravention stärker ahnde, als der könig selbst kann (CIA IV p. 61), so fordert die logik, daſs ehedem in solchen fällen der könig an den Areopag gegangen ist. diese ganze strafgewalt hat der Areopag durch Ephialtes bis auf rudimente, wie die sorge für die ölbäume, ver - loren. das geschah in consequenz seines verlustes der nomophylakie; es brauchte kaum ausdrücklich beseitigt zu werden.

Der rat der oligarchie hat sowol 411 wie 404 die volle gerichts -Macht des rates der 500. hoheit selbst über leben und tod ausgeübt, und niemand hat ihm daraus den vorwurf eines übergriffes gemacht. schon daraus folgt, daſs die Athener des fünften jahrhunderts mit dem begriffe des rates den besitz dieser vollen gewalt verbanden, die keiner ihrer beamten, selbst der feldherr nicht, besaſs. die Thesmophoriazusen zeigen den prytanen, der den rat vertritt, wie er einen Athener in den block spannen läſst; es hat eine meldung genügt, um die polizei zu so scharfer maſsregel zu bringen. die verhaftung erlaubt sich der rat auch 406, sogar gegen die feldherrn (Xen. Hell. I 7, 3). vor der verhängung der todesstrafe scheute er bei dieser gelegenheit zurück, und so auch der rat des nächsten jahres, als er den Kleophon verhaftete (Lys. 30, 11).8)In diesem falle brachte ein ratsherr im rate das gesetz durch, daſs der rat mit zu gerichte sitzen sollte. so erzählt Lysias. derselbe sagt jedoch, daſs dieses gesetz an dem tage des gerichtes selbst erst angenommen ward, und beschwert sich über ungesetzlichkeit. freilich konnte ein wirkliches gesetz nur vom volke beschlossen werden, also war dieses keines. also hat wol vielmehr der rat zwar nicht den mut ge - habt, selbst das todesurteil zu sprechen, aber auf seinem rechte bestanden, über die ἔνδειξις λιποταξίου, die bei ihm erfolgt war, zu richten. was herauskam, ein ge - mischtes gericht, war etwas anomales, aber schwerlich wider den geist oder buch - staben der alten verfassung. das formelle recht aber besaſs er ohne zweifel.9)Das gesetz auf dem steine CIA I 57, das todesstrafe erwähnt, scheint durch den zusatz ἄνευ τοῦ δήμου πληϑύοντος die instruction des rates für den vorsitz in der volksversammlung zu enthalten; spätere zeilen handeln von der tagesordnung. übrigens ist es allzu verstümmelt. er besaſs es auch nach der her - stellung der demokratie. 403 hat er auf den antrag des Archinos ein todesurteil sogar ohne gerichtsverhandlung vollstrecken lassen (41, 2). damals war die demokratie noch beschränkt, aber in dem ratseide stand auch später οὐ δέξομαι ἔνδειξιν οὐδὲ ἀπαγωγὴν ἕνεκα τῶν πϱότεϱον γεγενημένων πλὴν τῶν φυγόντων (Andok. 1, 91). es gab also noch13*196II. 8. Der Areopag von Ephialtes.eine ἀπαγωγὴ πϱὸς βουλήν, und wenn einer der verbannten Dreiſsig so abgeführt ward, konnte das nur geschehen, damit der rat ihn seiner verwirkten strafe überantwortete. ja noch 386 wird im rate der antrag gestellt, daſs eine gesellschaft von kornhändlern, allerdings metöken, ohne gericht den elf zur hinrichtung übergeben werden sollten (Lys. 22, 2). dagegen 352 kann der demokratische stolz schon behaupten, daſs Solon dem rate nicht erlaubt habe einen Athener zu verhaften (Demosth. 24, 144 147). damals stand in dem eide, daſs der rat haft nur über einen hochverräter (wider das vaterland oder die demokratie) oder einen säu - migen steuerpächter verhängen dürfte. die ersten waren dem strengen rechte nach vogelfrei, und das recht die steuerpächter zu verhaften be - zeugt noch Aristoteles ausdrücklich (48, 1, vgl. Andok. 1, 93). damit haben wir wenigstens einigermaſsen die zeit der reform bestimmt, die den rat in seiner selbständigkeit beschränkt hat, so daſs er auſser der auferlegung einer geldstrafe bis zu einer bestimmten höhe (der ἐπιβολή) nur ein vorurteil (κατάγνωσις) oder einen antrag auf höhere geldstrafe, eine zusatzstrafe (ἐπιζημίωσις 45, 1; das wort ist dafür gebildet) fassen konnte, das urteil aber natürlich in voller freiheit der schätzung bei dem gerichte stand, das die thesmotheten auch schon früher in den fällen, wo der rat nicht selbst entscheiden mochte, zu berufen gehabt hatten. Aristoteles würde die zeit vielleicht selbst uns noch genauer angeben, wenn nicht der anfang seiner erzählung verloren wäre. da berichtete er den specialfall, der den rat um seine macht gebracht hat. als ein gewisser Lysimachos, dessen vollen namen wir in folge der textverderbnis auch nicht mehr kennen, schon da saſs um den streich des henkers zu empfangen10)καϑήμενος ἤδη μέλλων ἀποϑνῄσκειν sagt Aristoteles sehr anschaulich, vorausgesetzt, daſs es ein solches armesünderstühlchen gab, so daſs das sitzen ein bild für die phantasie gibt. die todesart war ἀποτυμπανισμός. Lysimachos war sicherlich ein armer schächer, sonst würde der rat nicht so kurzen process gemacht, und der gerettete nicht den unerfreulichen spitznamen ἀπὸ τοῦ τυπάνου be - halten haben., übte Eumelides von Alopeke11)Auch dieser mann ist unbekannt. der name ist nicht selten, weil Eumelos häufig ist; mit Philomelos und Philomelides ist es ebenso. daſs Blaſs den ortho - graphischen fehler Εἰμηλείδης conserviren muſs um der responsion der satzglieder willen, ist für diesen aberglauben bezeichnend. er beruft sich auf Φιλομηλείδης, wie in der tat der dichter der Telemachie δ 343 (ϱ 134 ist eine wertlose entlehnung des bearbeiters) einen lesbischen heros genannt hat. die alten grammatiker haben sich über die form gewundert, haben ein metronymikon von Φιλομήλη ersonnen, das andere mit recht verwarfen, schlieſslich ihr bedenken mit richtigen, aber von ihnen nicht richtig gedeuteten, bildungen wie Θαϱϱελείδης (von Θαϱσίλεως) Λυσιϑείδης (von das197Macht des rates der 500. abschluſs.demokratische recht der intercessio und provocatio ad iudicium, und das volk änderte die gesetze. die geschichte hat offenbar jemand aufge - zeichnet, dem sie noch ganz frisch im gedächtnisse war; Androtion, dem Demosthenes seine grausamen polizeimaſsregeln so schwer zum verbrechen macht, kannte das landrecht besser als der advocat. Ari - stoteles aber erzählt das ganze nach, weil es ein guter beleg für seinen allgemeinen satz ist, daſs das volk sich zu ungunsten des rates immer mehr der verwaltung bemächtigt hat. hier geht uns die folgerung an, daſs dieses recht des rates der 500 notwendigerweise auch dem Areo - page gehört hat, so lange er mit der verwaltung zu tun hatte.

Es ist aber gut das capitel 45 überhaupt zu betrachten, in dem die rechte des rates aufgezählt werden, die er nur noch verkümmert besaſs. das ist erstens das eben besprochene, an geld freiheit und leben zu strafen, zweitens die controlle und aburteilung der beamten, vornehm - lich der finanzbeamten, drittens die annahme und erledigung von be - schwerden privater über die beamten, viertens die dokimasie der rats - herrn und archonten.

Übertragen wir das auf den Areopag, so kam ihm bis auf Ephialtes 1 3 ganz zu, 4 für alle übrigen losbeamten. was der rat der 500 im vierten jahrhundert verloren hat, hatte er im fünften zum guten teile dem Areopage abgewonnen.

Wir finden in der zeit des Aristoteles selbst den rat der 500 schonAbschluſs. beschränkt, allein dessen machtfülle tritt uns doch noch in so vielen lebendigen betätigungen entgegen, und die überlieferung gibt auch an -11)Λυσίϑεος) Ἀϱιστείδης (in wahrheit ἀϱιστ-ειδής) beschwichtigt. vgl. auſser den scho - lien zum δ und Eustathius Et. M. p. 166, wo die wichtige notiz Ἐπαφϱόδιτος ἐν ὑπο - μνήσει εἰς κεφάλαιον ξ Ὀδυσσείας bei Gaisford unten steht. auch an Φιλομηλεύς haben sie gedacht. es gibt eine anzahl schwieriger formen der art, sowol auf - ευς, trotz zwei stämmen im namen, wie auf - ειδης, selbst mit - ιδης wechselnd, wie Κηδίδης Κηδείδης Ἐκεφυλίδας und Ἐκεφυλλείδης, um bei solchen zu bleiben, die die alten nennen. der art ist der aus der sage unbekannte Φιλομηλείδης: denn was Hella - nikos in den scholien angibt, wird lesbische erzählung seiner zeit schon gewesen sein, aber es ist auf grund der Homerstellen erfunden. ob die überlieferung zuver - lässig ist, ob der dichter sich etwa erlaubt hat, ein unbequemes Φιλομηλίδης me - trisch zu vergewaltigen, das bleibt zweifelhaft: den Athener Eumelides und den Aristoteles geht es nichts an es sei denn, dieser hätte auch sprachfehler gemacht, damit seine versfüſse stimmten. aber amusant ist, daſs ein Φιλομηλίδης aus Kyda - thenaion, der 95 / 94 v. Chr. herold für Delos war, mit jener ungrammatischen sucht vornehm zu scheinen, die eigennamen so oft schädlich wird, um des homerischen namensvetters willen sich Φιλομηλείδας geschrieben hat (CIA II 985 Ε), noch mit einer dorischen endung dazu: wie heroisch sah das aus!198II. 8. Der Areopag von Ephialtes.halt genug, seine alte macht zu erkennen; ist er doch im fünften jahr - hundert der wirkliche träger des regimentes, und das volk scheut sich nicht, ihm in der angst vor der tyrannis 416 die dictatur zu über - tragen (Andok. 1, 15), was dem entsprechend fünf jahre später dem oligarchischen rate der 400 zugestanden wird. diese zeit hat vom Areo - page viel weniger gehalten als die von 338 und 318, wie sie ja auch von Solon viel weniger hielt. es ist bezeichnend, daſs der Areopag bei Thukydides gar nicht, bei Herodotos nur als ortsname vorkommt und die sagen der Atthis schlechthin nur den gerichtshof angehn. die bedeu - tende macht des Areopagitenrates und die kämpfe, die zu seiner besei - tigung nötig gewesen waren, muſsten erst vergessen sein, damit er mit der aureole der guten alten zeit umkleidet würde. worin bis auf Ephialtes die macht gelegen hatte, war, wie sich gezeigt hat, gar nicht so schwer zu finden. welche einzelnen stücke von Ephialtes 462 beseitigt sind, welche von seinem demokratischen nachfolger, um welche von ihnen so leidenschaftlich gestritten ward, das ist dagegen die entwickelung des rechtes auſser stande zu ergänzen. weit schwieriger als zu sagen, was vor 462 der Areopag war, ist es, zu sagen, was der rat der 500 und gar der der 400 seit Drakon war. der der 500 hat wenigstens einen teil der finanzen unter sich gehabt und seit Themistokles die sorge für die flotte; auſserdem gehört die vorbereitung der volksbeschlüsse, also die legislative im weitesten sinne, und die vertretung des souveränen volkes nach auſsen, mithin die äuſsere politik, so weit sie in Athen gemacht wird, dem rate an. das ist etwas und für die zeit um 600 genug. aber es ist wol wahrscheinlich, daſs die demokratie seit 507, die den ratseid einführte, ihm also die wahrung der demokratie ans herz legte, einen teil der poli - zeilichen gewalt, der nomophylakie, die der Areopag besaſs, dem volks - rate auch verliehen hat. die zwei räte, ein patricischer und ein plebe - jischer, so zu sagen, standen doch schon nebeneinander; die geschicht - liche entwickelung muſste die macht des letztern immer mehr steigern; eine weile giengen beide neben einander her, dann kam der unvermeid - liche conflict, dessen ausgang nicht minder unvermeidlich war.

So verwegen das auch sein mag, man kann doch nicht umhin, auch über die zeit nachzudenken, wo nur ein rat in Athen bestand. von seiner tätigkeit als rat erfahren wir nur durch die wenigen sätze der Politie etwas, insbesondere daſs er die niederen ämter besetzte, die cura legum et morum übte, und aus den gewesenen beamten bestand. dies letzte kann erst seit 683 gelten, wo jedes jahr neun Areopagiten schuf. über die ältere zeit hat man also nichts gewuſst. das gericht199Abschluſs.wird in den sagen auf die urzeit zurückgeführt, und Aischylos läſst Athena die Areopagiten auswählen. es geht aber nicht an, daraus das recht der lectio senatus für den könig abzuleiten, denn einmal stand der dichter unter dem zwange der poetischen erfindung, und dann ist es ihm viel - mehr um die einsetzung des geschwornengerichtes überhaupt zu tun als um die stiftung der βουλή. der streit der götter um Athen ist in der Atthis auch in die form einer διαδικασία γεϱῶν vor dem könige ge - kleidet, und da erfolgt die entscheidung gar durch ein plebiscit des ganzen volkes. die frage spitzt sich nun so zu: ist die richterliche tätigkeit wirklich das prius, so daſs der beirat des königs in den schwersten mordsachen allmählich die macht eines rates gewonnen hat, oder ist dem rate schlieſslich nur diese richterliche function geblieben. schon die analogie der reform von 462 spricht für dies letztere. aber die sagen von Orestes und Halirrhothios gehen φόνος δίκαιος an, die von Prokris φόνος ἀκούσιος. diese sachen, die doch in der sage vom Areopage ent - schieden werden, sind seit Drakon dem könige unter dem beirate von 51 adlichen richtern überantwortet und werden an andern heiligen stätten verhandelt. darin kann weder eine neuerung erst des Drakon erblickt werden, noch ist es irgend glaublich, daſs das ausgehende siebente jahr - hundert erst die richtstätten des Delphinion und Palladion aufgebracht hätte. in diesen sagen kann somit der Areopag nicht den ort bezeichnen, wo gerichtet ward, sondern nur die richter. mit andern worten, die sagen bezeugen einen zustand, wo Areopagiten überhaupt die blutsachen neben dem könige entschieden, einerlei an welchem flecke. daſs 51 epheten in den leichteren fällen für die Areopagiten eintreten, ist dem gegen - über eine neuerung, sei es dazu bestimmt, den Areopagitenrat zu ent - lasten, sei es (was wol jeder vorziehen wird) eine beschränkung seiner allgewalt. die einsetzung der thesmotheten und die aufzeichnung erst einzelner ϑέσμια, dann aller ϑεσμοί, dient demselben zwecke. wir er - reichen so eine zeit, wo der Areopag unter vorsitz des königs alle blut - sachen entschied, und diese zeit ist zugleich die, wo er unmöglich aus den gewesenen beamten bestehen konnte. das local des Areshügels ist wichtig nur als distinctivum für die mordsachen, weil sie je nach ihrer qualification an verschiedenen localen zur aburteilung kamen, und nur bei dieser gelegenheit und in diesem sinne ist eine erwähnung des Areopages in Solons gesetzen (axon 13, 8) nachgewiesen. wenn gleichwol der rat nach dem hügel heiſst, und eine formel wie ἀναβαίνειν εἰς Ἄϱειον πάγον (z. b. Ar. 60, 3) für den eintritt in den rat besteht, so folgt daraus, daſs sein amtslocal auf dem hügel des Ares in connex mit dem200II. 8. Der Areopag von Ephialtes.Arestempel lag, aber unmöglich kann die terminologie βουλὴ ἐξ Ἀϱείου πάγου aufgekommen sein, ehe eine andere βουλή die unter - scheidung nötig machte; die anrede βουλή an den Areopag ist geblieben. vordrakontische gesetze können, falls sie nicht das blutrecht angiengen, unmöglich anders als einfach von der βουλή geredet haben. es ist nicht wunderbar, daſs man sie später verkannte und den Areopag vermiſste. die bezeichnung nach dem hügel ist in wahrheit secundär. da stehn wir wieder vor einer alternative, entweder ist ein Arestempel errichtet, wo das rathaus war, weil der rat über blut richtete, oder der rat hat sich sein haus da gebaut, wo er über blut richten muſste. auch hier ist die entscheidung nicht zweifelhaft. die religion, die λίϑοι ὕβϱεως καὶ ἀναιδείας, sind das ältere. das scheint dem blutgerichtshofe doch das prius zu vindiciren. allein es scheint nur so. freilich ist der er - satz der blutrache durch die strafe des staates ein ungemein wichtiger schritt, und die gesellschaft hat die entscheidung nicht in die hand des einzelnen, des königs, legen wollen, sondern ein gericht von standes - genossen gefordert. die religion hat dieses gericht an bestimmte hei - lige stätten gewiesen. aber zu einem ständigen gerichtshofe, zu einer behörde, einer βουλή führt das nicht. wenn die βουλή in Athen dieses wichtige gericht übernommen hat, so mag sie ihr amtslocal mit rück - sicht auf eine gerichtsstätte gewählt haben, deren lage im verhältnis zu den andern amtshäusern bequem war, aber sie war vorhanden und angesehen, ehe die blutrache beseitigt ward. Agamemnon und Alkinoos haben ihre βουλή bei Homer, bei dem doch von einem blutgerichte nichts zu finden ist. der rat, der die magistratur durch seine euthyna gebändigt hat, ist notwendiger weise eine so alte institution, daſs wir uns Athen ohne ihn gar nicht zu denken vermögen, so wenig wie Sparta ohne die geronten. aber über seine zusammensetzung, ob durch beru - fung des königs auf lebenszeit oder durch volkswahl oder durch ge - schlechtervertretung, können wir nichts wissen. wenn er einstmals dem könige zur seite getreten ist, wenn er die willkür der einzelnen be - amten gebändigt hat, so ist er einstmals der träger des fortschritts zur demokratie gewesen, die 462 in ihm ihren hemmschuh sah. er ist der vorgänger des rates der 400 und 500 gewesen, seit wann? seit Kekrops: wir haben keine andere antwort als die Atthis. was ihm nach 462 geblieben ist, entspricht dem was dem könige geblieben ist: wie der könig nicht zuerst ein priester war, ist auch der rat nicht von anfang ein religiöses tribunal gewesen.

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9. 3000 HOPLITEN VON ACHARNAI.

Aus seiner oligarchischen quelle hat Aristoteles die specificirte be -20000 kost - gänger des Reiches. rechnung herübergenommen, daſs in Athen 20000 bürger ihren unterhalt durch den staat fanden (24, 3 vgl. I s. 153). er hat dabei vieles einfach hingestellt was im fünften jahrhundert unmittelbar verständlich war, aber zum teil uns selbst zweifelhaft bleibt, die wir doch die älteren insti - tutionen besser kennen als die Athener der demosthenischen zeit. er - schwert wird das urteil durch die verderbnisse und lücken des textes; aber die rechnung ist so merkwürdig, daſs ein versuch gemacht werden muſs. bequemer ist es freilich, das ganze als ungereimt wegzuwerfen.

Die erste reihe von zahlen ist heil und verständlich; 6000 richter, 1600 schützen, 1200 reiter, 500 ratsherren, 500 werftwächter, 50 burg - wächter. die posten steigen vom höheren zum niederen herab und ergeben 9850 mann. die schützen und die reiter beziffert auch Thuky - dides (2, 13) so hoch; es ist die etatsmäſsige stärke dieser stehenden truppen. 1200 reiter schlieſst, wie Thukydides genauer angibt, die (selbstverständlich bürgerlichen) schützen zu pferde ein; später hat Athen niemals wieder eine so starke cavallerie gehabt, früher aber, als es drei hipparchen gab (CIA IV p. 184) vielleicht eine noch höhere. die schützen sind von uns früher mit den gekauften Skythen notwendig verwechselt worden, weil das vierte jahrhundert diese stehende truppe des bürger - heeres nicht mehr kennt; aber jetzt sind die inschriftlichen belege nicht mehr vereinzelt.1)CIA I 54. 79. IV 26a. wir besaſsen auch die überlieferung von 1200 reitern und eben so vielen schützen, Andok. 3, 7: aber weil die bürgerlichen schützen un - bekannt waren, ward ihr der glaube versagt. Andokides hat vielmehr die stärke etwas zu niedrig geschätzt. die theten haben also zu Perikles zeit ihre den vor -202II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.nehmen rittern analoge militärische vertretung gefunden; wir werden nunmehr keine veranlassung haben bei militärischen operationen unter schützen andere als die bürgerlichen zu verstehen2)Nun möchte man die schützen, die als huissiers in der volksversammlung auftreten, auch für bürger halten, weil fremde dahin wirklich nicht gehören. daſs die grammatiker (schol. Ar. Ach. 54) nur die Skythen kennen, tut nichts dagegen. aber das bürgerliche schützencorps müſste dann auch noch zur zeit der Ekklesia - zusen existirt haben. es bleiben noch mehr offene detailfragen.; geleistet hat die truppe wenig. neu sind für uns die werftwächter, die mit den νεωϱοί, später νεωϱίων ἐπιμεληταί nicht verwechselt werden dürfen.3)CIA IV p. 144, Δελτ. ἀϱχ. 89, 26. ihre tätigkeit ist genau die aus den see - urkunden des vierten jahrhunderts bekannte. da über 400 trieren in den docks lagen, was eine entsprechende ausdehnung der arsenale fordert, so war eine starke wache allerdings nötig, aber die 500 repraesentiren eine garnison der hafenstadt. das war eine sehr angemessene einrichtung; in der demosthenischen zeit commandiren im hafen zwei strategen und ist die caserne der epheben dort, in der wol vorher φϱουϱοί gelegen haben werden (oben I 198). die burgwache ist ebenfalls neu; wir kennen sie sonst erst aus viel späterer zeit.4)CIA III 1284 ffg. 3906. aber die schätze und cassen der burg forderten sie eigentlich notwendig. 5)Als die bauhütte für den Parthenon aufgeschlagen ward, also etwa 447 oder wenig später (auch an den Propylaeenbau kann man denken), hat man ein wachthaus dabei errichtet und drei bürgerliche schützen aus der vorsitzenden phyle zu wächtern gesetzt; der rat, also die prytanen, behielt die oberauſsicht. das lehrt der seltsame stein CIA IV p. 140. mit der ständigen wache hat das nichts zu tun; es ist eine vorübergehende maſsregel. die inschrift schlieſst φύλακας δὲ ἐ̃ναι τϱε̃ς μὲν τοχσότας ἐκ τε̃ς φυλε̃ς τε̃ς πϱυτανευόσες. es ist eben so verkehrt, hier spi - nöse syntaktische feinheiten zu suchen wie gewalt zu brauchen. ein psephisma kommt in der regel zu stande, indem ein ratsantrag vor das volk gebracht und mit mehr oder weniger änderungen angenommen wird. unsere steinschriften sind aus - züge aus dem protokolle, das der schreiber führt. ihre ganze gestalt lehrt das, wenn es auch eine gedankenlose sammelei wie das nur durch das rohmaterial brauchbare buch von Swoboda verkennt. der ratsantrag hatte in diesem falle auſser den 3 schützen noch eine weitere wache gefordert; aber sein zweiter teil ward abgelehnt. da hat der protokollführer den letzten absatz gestrichen, aber das μέν vergessen. die nieder - schrift ist nicht officiell; das volk hatte sie nicht verordnet (das müſste am schlusse stehn), und für eine solche verwaltungsmaſsregel hatte sie auch keinen zweck. der stein ist auch nicht auf der burg gefunden. es hat also ein unfindbarer specialanlaſs diese aufzeichnung herbeigeführt.

Die zweite kategorie bilden die beamten, 700 in Attika; die zahl der ὑπεϱόϱιοι, wie mit dem terminus des fünften jahrhunderts gesagt20320000 kostgänger des Reiches.wird6)Psephisma für Leonidas von Halikarnaſs CIA IV p. 165. [Xen.] Πολ. Αϑ. 1, 19: Xen. Symp. 4, 31. gesetz bei Aischines 1, 21., ist verdorben: denn daſs nicht zwei gleiche zahlen mit μέν und δέ einander gegenübergestellt werden können, sollte sich jeder selbst sagen. obwol die beamten dem namen nach für unbesoldet gelten, rechnet dieser schriftsteller ganz unbefangen mit dem grundsatze, daſs das amt den mann nährt (vgl. I s. 196). die zahl scheint ungeheuer. ich lege eine berechnung vor, obwol das ergebnis unbefriedigend ist, weil ich von mir selbst weiſs, daſs man gewöhnt ist, zu niedrig zu rechnen. dreiſsiger collegien gibt es für demenrichter und logisten; als drittes können hellenotamien mit beisitzern zutreten, denn nach der ana - logie von archonten und euthynen dürfen auf einen hellenotamias zwei beisitzer gerechnet werden. zehnercollegien sind es mindestens 14 (στϱα - τηγοί, ταξίαϱχοι, φύλαϱχοι, ταμίαι τῆς ϑεοῦ, ταμίαι τῶν ἄλλων ϑεῶν, ἀγοϱανόμοι, ἀστυνόμοι, σιτοφύλακες, νεωϱοί, ἱεϱῶν ἐπισκευασταί, ἀποδέκται, πωληταί, πϱάκτοϱες, ἱεϱοποιοὶ εἰς ἐνιαυτόν), 9 archonten mit 1 schreiber, 6 beisitzern, 1 herold und 1 pfeifer, 11 ἕνδεκα, 1 (oder 2) schreiber, 2 hipparchen, κωλακϱέται, εἰσαγωγῆς, ναυτοδίκαι in un - bestimmter zahl. dazu der ganze troſs von ὑπηϱέται bürgerlichen stan - des, herolde, schreiber, unterschreiber. gerade diese besoldeten sub - alternen beamten durften in dieser berechnung nicht fehlen. und welche behörde wäre ohne ein bureau gewesen? daſs eine schäfzung der bisher aufgezählten auf 350 unter dem effectivbestande bleibt, ist mir nicht zweifelhaft. gar nicht in anschlag gebracht sind bisher die offiziere der flotte. einstellen müssen wir mindesten 30 trittyarchen, die vielleicht besser überhaupt als beamte gezählt würden. den befehl auf der galeere führt der trierarch. es ist wahr, die trierarchie ist eine last, aber sie ist dennoch ein amt, und die oligarchen rechnen den trierarchen unter die beamten, die von den bündnern geehrt werden (Πολ. Αϑ. 1, 18): das konnte auch mit geschenken geschehen, durch ein ϑεϱαπεύειν, wie die Lesbier sagen (Thuk. 3, 11) und wie es Alkibiades an den Olym - pien 420 vor allen Hellenen erfuhr. wer also eine möglichst hohe ziffer zu erzielen suchte, konnte die trierarchen unter die beamten, die von den bündnern lebten, recht gut zählen. es waren ihrer 400 ([Xen.] Πολ. Αϑ. 3, 4), von denen nur ein kleiner teil alljährlich verwen - dung fand. aber wir dürfen auch nicht alle einrechnen, sonst wird die zahl 700 überschritten. ferner sind alle cultusbeamten bisher unge - rechnet. das priestertum der staatlich anerkannten culte nährt seinen204II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.mann: in Asien hat man vieler orten die pfründen an den meistbietenden vergeben. aber das ist allerdings eine betrachtungsweise, die dem Athener fern liegt. dagegen solche commissionen wie die verwaltung des eleu - sinischen tempels können gar nicht auſser betracht gelassen sein. ἐπι - μεληταὶ μυστηϱίων, Διονυσίων, ἀϑλοϑέται, auch wol βοῶναι πϱοϑέν - ται οἰνόπται fungiren nur eine beschränkte zeit, die verschiedenen ἱεϱοποιοί sind aus den richtern genommen (oben I 201. 233), also in der zahl 6000 bereits einbegriffen: aber wie sollen wir den grad der genauig - keit und ehrlichkeit in einer solchen rechnung abschätzen? endlich sind die gemeindebeamten ἀϱχαί; rechnen wir auch nur den demarchen und einen schatzmeister[auf] den demos, so sind gleich wieder nah an 300 mann da. die phylen haben auch vermögen im inlande; in den kleru - chien, selbst auf Samos besitzen sie grundstücke, etwas laufende arbeit hat auch ihr vorstand. ob dieser schriftsteller ihn unter die ἀϱχαί ge - rechnet hat, ist gänzlich ungewiſs: aber wie immer er gerechnet hat, 700 beamte konnte er ganz ohne übertreibung herausbekommen. selbst - verwaltung braucht nun einmal sehr viel menschen, weil sie nebenher alle mehr oder weniger privatgeschäfte zu besorgen haben. wenn wir den jährlichen menschenbedarf für die verwaltung Athens schätzen, also den rat mitzählen, die Areopagiten auch, aber die richter nicht, so sind 1200 eher zu tief als zu hoch gegriffen.

Die ἀϱχαὶ ὑπεϱόϱιοι sind die vögte in den kleruchien und ab - hängigen städten, φϱούϱαϱχοι, ἐπίσκοποι, ἐπιμεληταί, ἐκλογῆς, Ἑλλη - σποντοφύλακες, die delischen amphiktionen, ἄϱχων ἐς Σαλαμῖνα u. s. w. die können wir gar nicht schätzen, aber wenn 700 eine viel zu hohe zahl für sie ist, so sind es doch wieder ein par hunderte gewesen.

Darauf wird mit einem im einzelnen entstellten satze der übergang zu der zeit gemacht, wo Athen gegen den jährlichen tribut den städten das militär abnahm. der übergang war nötig, weil der verfasser die rechnung an den namen des Aristeides anknüpfte; in wahrheit ist die beschönigung schwach, denn auch die vorigen posten sind auf die spätere zeit berechnet, etwa 445 432. da es sich nun um das ordinarium handelt, kann von kriegszeiten nicht die rede sein. der erste posten 2500 hopliten muſs also alljährlich verwendung finden und tut das auch: es sind die garnisonen, die unter den φϱούϱαϱχοι stehen, in Thrakien, am Hellespont, in manchen städten Asiens, in Naupaktos u. s. w. auch die garnisonen der attischen grenzfestungen dürften hier eingerechnet sein. dann erscheinen schiffe, 20 wachtschiffe, von denen wir zwei der milesischen station speciell kennen (CIA IV p. 6), und die schiffe für20520000 kostgänger des Reiches.die abholung der tribute. wir haben bisher den fehler gemacht, an den transport dieser hohen summen gar nicht zu denken, da sie, wie sich gebührte, von gesandtschaften der städte in Athen an die hellenotamien gezahlt wurden. das war gedankenlos; denn mit 10 talenten im koffer reist ein gesandter unsicher, und die talente mit ihm auch nicht immer sicher. es entspricht der tüchtigen Reichsverwaltung, daſs sie, wenn im frühjahre das meer aufgieng, ein par kriegsschiffe mobil machte und in die provinzen schickte um die gesandtschaften sammt den fälligen tributen zu holen. das erscheinen des schiffes beförderte ohne frage die geneigt - heit zu zahlen, verspätungen und unglücksfälle des transportes wurden vermieden, und es machte sich noch dazu sehr vornehm, wenn die ge - sandten auf den galeeren des vororts befördert wurden. ihre anwesen - heit an den städtischen Dionysien und die procession, bei der die gelder selbst als ein zwar profanes aber sehr eindrucksvolles stück paradirten, gehört in die selbe richtungslinie der politik. was trotzdem an tributen rückständig blieb, ward im laufe des sommers durch νῆες ἀϱγυϱολόγοι eingetrieben, was denn schon den minder freundlichen charakter der execution trug.

Die zahl dieser schiffe ist schon von einer lücke in der handschrift verschlungen, und es folgte ein accusativ, der schlechterdings nicht con - struirt werden kann7)Ganz verwerflich ist die conjectur νῆες αἱ τοὺς φϱουϱοὺς (für φόϱους) ἄγουσαι τοὺς ἀπὸ τοῦ κυάμου δισχιλίους ἄνδϱας. denn sie renkt den satz zwar ein, aber sinn gibt sie schlechterdings nicht. da die φϱουϱοί an den ort gehören, den sie bewachen, so könnten dieses nur transportschiffe sein, von denen also nur die schiffsmannschaft gerechnet werden könnte, die φϱουϱοί sind ja in den 2500 hopliten vorher enthalten. was soll also ihre zahl hier, und wo bleiben die schiffsmannschaften in der berechnung? zu dem transporte der φϱουϱοί, z. b. nach Byzantion, eignen sich trieren schlecht, da die soldaten, weil sie nicht heimkehren, nicht selbst rudern können. wie soll aber überhaupt neben den wachtschiffen, die als solche in rech - nung gestellt sind, ein posten stehn, der zwar schiffe nennt, aber nicht rechnet, und dafür leute rechnet, die nur gelegentlich, als auf jenen schiffen überfahrend, erwähnt werden?, 2000 ausgeloste bürger. die erlosung ist für mili - tärische verwendung seltsam; andererseits müſste man eine sehr beträcht - liche lücke annehmen, wenn die 2000 nicht mehr unter die militärischen institutionen fallen sollten, und man möchte auch neben 2500 hopliten eine entsprechende beteiligung von theten erwarten. wenn die phyle oder ihre demen für 200 stellen, deren obliegenheiten keine besondere mili - tärische ausbildung forderten, candidaten präsentirten, aus denen dann die losung vorgenommen ward, wie später für ratsherren und wächter, so206II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.wäre das wol denkbar. die berechnung aus der zahl versagt. denn daſs 20 wachtschiffe 4000 ruderer, zu denen dann noch die soldaten kommen müſsten, ergeben sollten, würde voraussetzen, daſs wie auf der Paralos und Salaminia nur bürger auf ihnen gerudert hätten. das ist weder bezeugt noch glaublich. so müssen wir uns eingestehen, daſs wir immer noch nicht genug von dem verhältnissen des fünften jahrhunderts wissen, um von 2000 ausgelosten männern zu sagen wer sie sind.8)Nur schüchtern wage ich eine vermutung. nach Plutarch Per. 11 fuhren alljährlich 60 trieren, ἐν αἷς πολλοὶ τῶν πολιτῶν ἔπλεον ὀκτὼ μῆνας ἔμμισϑοι, μελετῶντες ἅμα καὶ μανϑάνοντες τὴν ναυτικὴν ἐμπειϱίαν. das paſst vorzüglich, denn zur ausbildung konnte man aus der von den demen praesentirten zahl von bewerbern gut und gerne die nötige zahl auslosen. und aufgeführt wird die maſs - regel von Plutarch unter den maſsregeln, mit denen Perikles dem volke durch zu - wendung von sold gefällig war. damit ist zu - gleich eingestanden, daſs die aufstellung der 20000 soldempfänger nicht ganz nachgerechnet werden kann. immerhin darf dieser posten, die all - jährlich für militärische zwecke in friedenszeiten tätigen, auf 6000 mann veranschlagt werden.

Der letzte abschnitt umfaſst die staatspensionäre, die ἐν πϱυτανείῳ σιτούμενοι und die waisen der im kriege gefallenen, zu denen wir die arbeitsunfähigen fügen können, die der verfasser vergessen hat (oben I 213)9)Oder sollten diese unterstützungen dem fünften jahrhundert fremd gewesen sein, im vierten als ein überbleibsel der diobelie eingerichtet? ich neige mich jetzt dieser auffassung zu. das ist dann für die zeit wichtig, in der diese aufstellung der 2000 erfolgt war., und die wächter der kriegsgefangenen oder sonst internirten10)Die φυλακαὶ δεσμωτῶν rechnet die oligarchische Politie[unter] die stän - digen geschäfte des rates dicht neben der dokimasie der waisen, 3, 4. es werden immer auſser kriegsgefangenen namentlich geiseln aus einer oder der andern stadt auf den kleinen inseln internirt gewesen sein, wie die Samier 440 auf Lemnos, Thuk. 1, 115.. eine zahl ist für diese classe nicht angegeben und ist auch für uns unerreichbar. das hindert nicht, daſs wir dem verfasser das zeugnis der glaubwürdigkeit für seine einzelnen posten zugestehn. verwerflich ist nur seine tendenz, in diesen 20000 kostgänger des Reiches zu er - blicken, da der überwiegend gröſsere teil für seinen sold, so er den erhielt, auch etwas leistete; ganz abgesehen davon daſs die ganze summe nicht jahraus jahrein in dem genusse ihrer bezüge war. sie sollen sie ἀπὸ τῶν φόϱων καὶ τῶν τελῶν καὶ τῶν συμμάχων erhalten haben. davon haben wir das letzte glied getilgt, weil die bündner auch den tribut ganz und die zölle zum groſsen teile zahlen. aber es ist richtig. 20720000 kostgänger des Reiches. stärke der athenischen bürgerschaft.die garnisonen Athens in den städten werden ihren sold ganz gewiſs nicht aus Athen nachgeschickt noch überhaupt aus anderen mitteln erhalten haben als von den städten selbst, die sie bewachten.11)Nachtragen kann ich hier einen schönen beleg: hinter dem rescript Ale - xanders an Chios steht ein nachtrag, offenbar eine mitteilung des königlichen be - vollmächtigten. μέχϱι ἂν διαλλαγῶσι Χῖοι, φυλακὴν εἶναι παϱ̕ αὐτοῖς παϱ̕ Ἀλε - ξάνδϱου τοῦ βασιλέως, ὅση ἂν ἱκανὴ ἦι, τϱέφειν δὲ ταότην Χίους. (Ἀϑηνᾶ V 10). und das geld der bündner, das in die hände der von Athen ausfahrenden beamten geht, oder das die rechtssuchenden in Athen etwa an die herolde zahlen ([Xen.] Πολ. Αϑ. 1, 18), macht nicht den umweg durch die attische Reichscasse. alle ehrenämter konnten in dieser liste nur stehn, wenn sie nebeneinnahmen brachten.

Wir teilen die parteitendenz des Theramenes nicht, seine angabeStärke der athenischen bürger - schaft. dient uns vielmehr dazu, die gröſse der leistungen der Athener und die stärke ihrer bürgerschaft zu schätzen. 1600 schützen, 1200 reiter12)Von diesen beiden classen können angehörige auch unter beamten und richtern sich befinden, weil sie stehende truppen bedeuten, die nicht ständig im dienste sind., 6000 hopliten und flottenmannschaften, 500 ratsherren, 1000 weitere beamte sind jahr für jahr zur regelmäſsigen verwaltung herangezogen: das macht 10300, sagen wir 10000. richter sind 6000 ausgelost, die auch die meisten werkeltage im öffentlichen dienste stehn. wie sollen wir das verhältnis dieser 16000 zu der gesammtbürgerschaft ansetzen? es ist noch nicht lange her, daſs sie im ganzen ziemlich eben so hoch ver - anschlagt worden ist, und wer hoch greift, geht auch jetzt noch nicht leicht über 30 35000 köpfe. ich halte es für ganz illusorisch mit statistischen wahrscheinlichkeitsrechnungen zu operiren. die zahlen, die wir vor uns haben, gelten der körperlich und geistig rüstigen männlichen bevölkerung; leute über 60 jahre sind von vielen kategorien ausgeschlossen, von andern die jahrgänge 20 30. verhältniszahlen für die greise, für die erwerbsunfähige bevölkerung, für die kinder, endlich für die weiber überhaupt sind mit keinen wissenschaftlichen künsten zu erzielen. aber das sollte sich von selbst verstehen, daſs es Athener gab, die das land bestellten, die töpfe und röcke und panzer machten, das brot buken und das öl preſsten, handel trieben und ins ausland fuhren, den Par - thenon bauten, die Poikile malten, bei Protagoras hörten und für Sopho - kles tanzten. soldat muſste jeder werden, aber als mann nur in kriegs - zeiten; zu allen andern stellen kam nicht leicht jemand, der es nicht wollte, und die ruhigen leute waren noch nicht ausgestorben. es ist208II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.eine bare lächerlichkeit, auch nur zu meinen, daſs die gesammte bürger - schaft jedes vierte jahr wieder im turnus herangekommen wäre: so etwas träumten die staatsverbessernden oligarchen. lassen wir also die 6000 richter fort, die mochten alle aus Philokleonen bestehen und zeit - lebens richten, lassen wir schützen und reiter als ständig fort, so bleiben noch 1500 beamte und 6000 soldaten. wenn wir darauf hin die ent - sprechende gesammtbevölkerung auf 60000 schätzen, so ist das immer noch zu niedrig.

Wir haben nur eine leidlich verläſsliche zahl, 21000 bürger (d. h. epitime Athener über 30 jahre) unter Demetrios von Phaleron.13)Ktesikles bei Athen. VI 272c. alle beweisstellen bei Böckh Sthh. I 48 ffg. sie sind so allbekannt, daſs ich sie nicht alle wiederholen mag. daſs das ein drittel der entsprechenden bevölkerung unter Perikles ist, paſst sehr gut. damals forderte seit mehr als zwei menschenaltern ein eng - herziges gesetz die bürgerliche abkunft beider eltern für den bürger, die auswärtigen besitzungen und mit ihnen ein groſser teil der colonisten (z. b. ganz Salamis) waren verloren. die auswanderung muſs schon längst den überschuſs der geburten über die todesfälle verschlungen haben, und die ehen der neuen komoedie sind nicht mehr fruchtbar. die katastrophen von 322 / 20 hatten zudem erst kürzlich eine menge bürger in die fremde getrieben. daſs auch die patriotischen männer sich über den abstand von der groſsen zeit täuschten und gerne täuschten, ist nicht wun - derbar. aber das griechische mit seiner runden zahl μυϱίοι und ihren steigerungen ist auch genaueren angaben sehr wenig günstig. τϱισμυϱίοι ist etwas ganz ungeheures dem Hesiodos, der so viel wächter des Zeus zählt (Erg. 252), und als eine ungeheure zahl braucht es Herodot (5, 97) von den Athenern in der volksversammlung (wo niemals auch nur 10000 waren), Platon (Symp. 175) von den zuschauern im theater, und Aristo - phanes von den bürgern seines staates, der streng genommen die weiber einschlieſst (Ekkles. 1132). aber δισμυϱίοι tut es auch. so hoch be - ziffert Platon die waffenfähigen seines Urathens (Kritias 112c) und Philo - choros (schol. Pind. Ol. 9, 68) die Athener zu Kekrops zeit, bei einer gelegenheit, wo er eigentlich auch die weiber mitzählen müſste. die an - schauung, daſs die bürgerschaft sich so hoch beliefe, scheint im vierten jahr - hundert verbreitet gewesen zu sein. aber selbst μυϱίοι kommt früher vor. so viele Athener sollen bei Marathon gefochten haben, wohin sie παν - δημεὶ gezogen waren, daneben 1000 Plataeer: die zweite zahl ist viel zu hoch, die erste zu niedrig. ernsthaft von ihr zu reden kann nicht209Stärke der athenischen bürgerschaft. stärke des heeres 432.verlangt werden. die sehr alte verordnung, welche 6000 stimmen für die beschluſsfähigkeit eines νόμος ἐπ̕ ἀνδϱί verlangt, hat damit offen - bar die beteiligung der majorität vorschreiben wollen.14)Das gesetz kann sehr gut aus einer zeit stammen, wo die πολιτεία ἀπεδέ - δοτο τοὶς ὅπλα παϱεχομένοις. aber daſs das zu wenig war, lehrte die Athener sehr bald der katalog ihrer wehr - fähigen, und so verschwindet diese schätzung.

Im jahre 445 / 4 haben 14240 Athener von einer getreidespende von 40000 scheffeln ihr teil bekommen; 4760 sind in die sclaverei als παϱέγγϱαφοι verkauft. so hat Philochoros berichtet, (schol. Ar. Wesp. 718): erst Plutarch (Per. 37) hat die empfänger mit der gesammtbürgerschaft identificirt: als ob Kleon und Sophokles und die ratsherrn und Areopagiten mit einem scheffelsack in das Odeion zu den getreidemessern gelaufen wären. daſs die beiden zahlen die runde summe 19000 ergeben, ist allerdings verdächtig, und die höhere dürfte durch rechnung gefunden sein: aber bezeugt wird hier nur eine zahl vergleichbar den zahlen der römischen largitionenempfänger, nicht eine censuszahl. wenn 19000 oder auch 14000 Athener einen sack mehl nahmen, gehn wir fehl, wenn wir die gesammtbürgerschaft auf das vierfache schätzen?

Ein besonderes gewicht hat man immer auf die angaben des Thuky -Stärke des heeres 432. dides gelegt; es läſst sich aber sehr leicht zeigen, daſs sie auf einer ebenso durchsichtigen wie unzuverlässigen rechnung beruhen. er sagt 2, 31, daſs bei dem ersten einfalle in Megara wenigstens 10000 hopliten waren, zu denen er noch 3000 vor Poteidaia zählt, auſserdem 3000 hopliten aus dem metökenstande und die nicht gezählten theten. ver - gessen hat er dabei sämmtliche hopliten in den garnisonen, die wir nun mit 2500 vermutlich zu niedrig, da es krieg war, in anschlag bringen können. das hat er in der allgemeinen übersicht 2, 13 richtiger mit in anschlag gebracht, wo er die hopliten eben nach der zahl von cap. 31 auf 13000 ἄνευ τῶν ἐν τοῖς φϱουϱίοις angiebt. dazu fügt er als wächter der städtischen befestigung 16000 ἀπό τε τῶν πϱεσβυτάτων καὶ τῶν νεωτάτων καὶ μετοίκων ὅσοι ὁπλῖται ἦσαν. die letzte zahl kennen wir schon als 3000. es bleiben also 13000 für die hopliten unter 20 und über 60 jahren; eine recht oberflächliche schätzung, denn sie beruht auf der gleichsetzung mit den 13000 zwischen 20 und 60. endlich gibt er die etatsmäſsigen zahlen für schützen und reiter ganz wie der oligarch des Aristoteles. somit bleibt das einzige brauchbare, daſs 432 effectiv 15500 hopliten zur verwendung gekommen sind. so vielev. Wilamowitz, Aristoteles. II. 14210II. 9. 3000 hopliten von Acharnai.waren eine zeit lang von hause abwesend, die theten waren es auch, reiter und schützen auch, über 100 trieren auch: soll damals Attika ver - ödet gewesen sein, oder nur von den sclaven und weibern, greisen und kindern bewohnt? wo nicht, kann man die bevölkerung unter 60000 schätzen?

Bevölke - rung von Acharnai.Und nun endlich zu der angabe, die ich diesem capitel zur über - schrift gegeben habe, den berufenen 3000 hopliten von Acharnai (Thuk. 2, 20). als Müller-Strübing vor zwanzig jahren sie als absurd darzutun versuchte, hat er so gut wie allgemeinen beifall gefunden. jetzt stürzt auch diese letzte säule seines baues von seinen andern positiven aufstellungen ist längst nichts mehr übrig; die nützliche wirkung seines buches hat nur in der negation gelegen. daſs es mit seiner änderung, 300 für 3000, nichts ist, hat man schon eingesehen. aber wenn jemand 1500 vorschlägt, so ist das verzweiflung, da damit jede probabilität der verderbnis aufgegeben ist. das verhältnis der Acharner zu den Athenern ist auf grund des prytanenverzeichnisses II 868 wol zu schätzen. wenn sie 22 ratsherrn der Oineis stellen, so sind sie rechtlich eine trittys, factisch wol die hälfte der phyle, also ein zwanzigstel der Athener, μέγα μέϱος τῆς πόλεως, wie sie bei Thukydides sagen. 300 würden also 6000 hopliten ergeben, eine lächerlichkeit. 3000 aber ergeben 60000, das ist immer noch zu viel. ich habe vor jahren einmal die ὁπλῖται in πολῖται zu ändern versucht, wie mittlerweile jemand öffentlich vorgeschlagen hat, aber der zusammenhang verlangt bei Thu - kydides gebieterisch die soldaten. jetzt gibt sich die lösung einfach. im kataloge haben keine 3000 gestanden; da standen nur die 40 jahrgänge 20 60, und die haben schwerlich 60000 Athener enthalten. aber gegen Perikles schrien die greise, die bei Aristophanes den chor bilden, herzhaft mit. die zahl beruht also auf einer schätzung, nicht auf zählung. so hoch taxirte sie die öffentliche meinung damals; Thukydides hat es mit erlebt. sie schrien um ihre weingärten und kohlenmeiler: es waren die besitzenden, die geschädigt wurden. wenn sie zum dienste zu pferde berechtigt waren oder gar trierarchisches vermögen hatten, so wurden ihnen nur mehr äcker verwüstet, sie schrien also nicht minder. mit andern worten, τϱισχίλιοι ὁπλῖται sind es schon, aber δυνάμει ὁπλῖται, ὅπλα παϱεχόμενοι. wir könnten 3000 hopliten allein stellen, laſs uns marschiren, Perikles, wir jagen die Peloponnesier weg. wir wollen marschiren, keine quantité négligeable, sondern 3000 hopliten. das ergibt 60000 ὅπλα παϱεχόμενοι für das ganze volk. an sich zu viel. bringt man aber in anschlag, daſs die zeit die des höchsten wolstandes211Bevölkerung von Acharnai.ist, Acharnai besonders wolhabend (durch den krieg dann stark verarmt) und die zahl besonders hoch gegriffen, so wird man zwar zugeben, daſs sie zum fundamente genauerer berechnung sehr wenig taugt, aber daſs Thukydides sie geschrieben hat, muſs man auch zugeben.

Die überlieferung ist besser, aber Athen ist auch gröſser gewesen, als vor 20 jahren angenommen ward. τϱώσας ἰάσεται; aber nur wer verwunden kann, kann heilen. nicht die buchstabengläubige im - potenz, sondern die kritik und die fortschreitende geschichtliche forschung restituirt die überlieferung und die gröſse Athens.

14*[212]

10. DIOBELIE.

Die institution der diobelie1)Die richtige auffassung der diobelie hat mir zuerst vor jahren ein schüler, J. Christ, derselbe der zuerst die tributlisten richtig auf die hellenotamien bezogen hat, als thesis mitgeteilt und die inschriften richtig verwertet., die diesen festen namen führt, ist durch Kleophon eingeführt; das sagt Aristoteles 28, 3 und damit sind ihre antiken und modernen deutungen auf den richtersold oder die schau - gelder beseitigt, sintemal diese längst bestanden: es ist nur ein beweis für die macht des trägheitsgesetzes, daſs sie selbst zur erklärung des Aristoteles weiter vorgebracht werden.

Für die diobelie begegnen uns bedeutende zahlungen in der schuld - urkunde aus dem jahre des Glaukippos 410 / 9 und einem der folgenden 408 / 7 oder 407 / 6 (CIA I 188, 189); das geld ist von den schatzmeistern der göttin an die hellenotamien gezahlt. die posten sind zum teile sehr niedrig, dann wird aber fast täglich der schatz in anspruch genommen. 2)189a am 13, 17, 18, 19, 22, 23, 24, 26, 30, 36 tage der prytanie. manchmal gibt es freilich nur 12 drachmen. es wird offenbar jeder tropfen, der in den schatz einströmt (aus weihungen, opfergefällen und ἐπιδέκατα) sofort ausgeschöpft: wenn der kleine schatz der Athena Nike einmal auch etwas hat (am 13, 17, 30 und, wie man sicher ergänzen kann, 36 tage), so wird aus beiden schätzen entliehen. der name der göttin steht hier im dativ, wie man dem zeugnisse Waddingtons glauben muſs, obwol Fröhner mehrfach anderes angibt (CIA IV p. 35). der genetiv, den man erwartet, steht 188. der dativ dagegen dürfte auf dem bruchstück 190 gestanden haben, und zwar in einer überschrift, wie die gröſseren buchstaben zeigen. Ἀϑε - ναί] αι Πολιά [δι ist gewiſs probabler als Kirchhoffs Ἀϑηναίας Νίκης κ] αὶ Πολιά [δος. wie dem auch sei: daſs das geld für die göttin verausgabt wäre, ist gar nicht aus - zudenken, und wer gab es denn? etwa die Parthenos der Nike? nicht sachlich son - dern nur formell können sich die vermerke unterscheiden; die grammatische erklärung wird nur ein stein geben, der die formel vollständig liefert. inhaltlich müssen wir das unklare nach dem klaren beurteilen. so mit recht Beloch Rh. M. 39, 242, der im übrigen die sache nicht gefördert hat.213II. 10. Diobelie.für die verteilung des geldes gab es eine behörde, denn Xenophon Hell. I 7, 2 nennt den Archedemos τοῦ δήμου πϱοεστηκὼς καὶ τῆς διω - βελίας ἐπιμελόμενος. aber der ausdruck führt auf ein collegium von ἐπιμεληταί, das wir der weise des fünften jahrhunderts entsprechend nicht über den beamten stehend denken dürfen wie im vierten die ἐπὶ τῷ ϑεωϱικῷ, sondern unter ihnen, also nicht befugt, selbst das geld aus dem schatze zu entleihen. aber der erste demagoge (τὰ πϱῶτα τῆς ἐκεῖ μοχϑηϱίας, sagen die seligen der Frösche von Archedemos 418), ein mann, der sich von Kriton gegen tantième zum schutze seines vermögens vor den sykophanten anstellen lieſs (Xen. Memor. II 3), bekleidete doch dieses amt, in dem wir also Kleophon und Kallikrates auch denken müssen. als eine volkstümliche einrichtung hat das diobolon Theseus bereits im schattenreiche verbreitet, so scherzt Aristophanes 405 (Frösch. 140). mit dem sturze der demokratie ist die diobelie verschwunden.

Sie hat anderen für eine groſse vergeudung gegolten. Aischines sagt von Kleophon 2, 76, wo er dieselbe tradition wiedergibt, die Aristoteles in seinem passus über die diobelie vor augen hat, διεφϑαϱκὼς νομῇ χϱη - μάτων τὸν δῆμον, und Aristoteles selbst sagt in der Politik (B. 1267 b) um die unersättlichkeit des demos zu kennzeichnen, zuerst wäre er mit der διωβελία zufrieden, wenn die aber erst herkömmlich (πάτϱιον) ge - worden wäre, verlange er mehr; was keinesweges im hinblick auf die gegenwart gesagt sein muſs, ja überhaupt nicht als geschichtliches exempel angeführt wird. wol aber steht es in der auseinandersetzung, daſs die herbeiführung der gleichheit des vermögens kein radicales heilmittel wäre, schlieſst also jede deutung der diobelie auf sold für wirkliche oder angebliche leistungen aus.

Was die diobelie gewesen ist, sagt Aischines eigentlich genugsam: bürgersold, verteilung von geld an den demos, geradezu staatspension. so erklärt auch das rhetorische lexicon, das im fünften Bekkers und im Et. M. vorliegt: διωβελία · ὀβελοὶ δύο οὓς δῆμος καϑ̕ ἡμέϱαν ἐμι - σϑοφόϱει. gedruckt wird zwar für καϑ̕ ἡμέϱαν an beiden orten καϑή - μενος, aber ich freue mich die emendation nicht als solche geben zu müssen, da ich bei Gaisford in der anmerkung finde, daſs der codex Marcianus 530 das richtige hat; dem ächten Etymologicum ist die glosse fremd. es ist ganz begreiflich, daſs diese tägliche ausgabe zu einer fast täg - lichen anleihe bei Athena führte, begreiflich auch, daſs der sold dem volke sehr behagte und für theseisch ausgegeben ward. daſs ein solcher sold gezahlt ward, hat Xenophon aus seinen jugenderinnerungen nicht ver - gessen, wenn er es auch nur durch einen starken anachronismus in sein214II. 10. Diobelie.Symposion hineingebracht hat. da sagt Charmides, Platons onkel, den er nicht ohne bosheit mit der rolle ausgestattet hat, die armut zu loben als ich reich war, φόϱον ἀπέφεϱον τῷ δήμῳ (wie ein δοῦλος χωϱὶς οἰκῶν, nämlich durch die liturgien, wie er vorher ausgeführt hat), νῦν δὲ πόλις τέλος φέϱουσα τϱέφει με (4, 32). die sache ist vollkommen evident.

Das ist der rückschlag gegen die aufhebung des soldes von 411, und schon vom jahre des Glaukippos 410 / 9 ab hat die allgemeine be - soldung bestanden, die doch noch etwas ganz anderes ist als das ekkle - siastikon des Agyrrhios. und als der demos eine drittel drachme hatte, fand sich bald ein demagoge, der ihm eine halbe versprach, und als er das nicht halten konnte, mit dem kopfe zahlte.3)Das gedächtnis dieses unglücksmenschen, Kallikrates aus Paiania, ist auſser durch Aristoteles noch in zwei sprüchwörtern erhalten, ὀβολὸν ηὗϱε Παϱνοπίς (Zenob. II 91 des Athous, im Parisinus nicht erhalten, daher im Göttinger Corpus Append. 4, 11; ein par wertlose worte bei Hesych παϱνόπη aus Zenobius), richtig behandelt von Meineke Com. IV 700, dessen emendation Παϱνοπίς durch Παϱνοίτης des Athous, Παϱνόπη des Hesych gesichert ist, und ebenso seine herstellung von Καλλικϱάτης für Καλλίστϱατος durch Aristoteles. er stützte sich auf das sprüch - wort ὑπὲϱ τὰ Καλλικϱάτους, Zenob. Ath. III 151, Paris. VI 29, Phot. Suid., das Klearchos auf einen Karystier des namens falsch, irgend jemand anderes nach unserer Aristotelesstelle richtig, aber indem er diese falsch deutete, auf den Athener be - zogen hat. daſs darnach nicht etwa die diobelie dauernd beseitigt ist, wie der ungenaue ausdruck des Aristoteles nahe legt, folgt aus den Fröschen.

So sehr man das princip verdammen mag: die billigkeit fordert für jene schreckliche zeit den demagogen einige berechtigung zuzuerkennen. die armen Athener saſsen in einer belagerten stadt; ihre äcker konnten sie nicht bestellen, handel und gewerbe lagen darnieder, wer die waffen tragen konnte, muſste dienen, und dann hatte er wenigstens anspruch auf sold und verpflegung. aber der landsturm auf den mauern bekam schwerlich sold wie die hopliten, und die greise und jünglinge, und weiber und kinder? die menge des volkes, auch der proletarier, hat wahrhaftig damals nicht geschlemmt (das imputirt ihnen die haltlose deu - tung der diobelie auf spielgelder), sondern bitter gedarbt, und hat 404 bewiesen, daſs sie für die freiheit gern hungerte. die politischen rechte mochte an der zeit sein ihnen zu nehmen: daſs sie sich nicht nur nicht das bischen brot, das sie bisher für ihre dienste erhielten, haben entziehen lassen, sondern brot von dem vaterlande gefordert haben, soll ihnen niemand verdenken. Kleophon mag nicht gut haben attisch reden215II. 10. Diobelie.können, und durch seinen terrorismus, der den krieg bis aufs äuſserste fortführte, hat er seinem vaterlande schwer geschadet, aber wie er selbst sein leben für die demokratie gelassen hat, so verdient er für die ein - führung der diobelie mehr als entschuldigung, verdient er anerkennung: das Erechtheion haben die Athener auch in der schlimmen zeit gebaut, und seine pracht scheint auch zunächst mit dem staatlichen elende übel zu contrastiren. aber es ist mit recht bemerkt worden, daſs der staat den bau nur fortführte um der brotlosen bevölkerung, hier zumeist der nichtbürgerlichen, arbeit zu schaffen, die schlecht genug bezahlt ward. eine maſsregel, die von einem wirtschaftlichen notstande aufgezwängt wird, ist kein muster für normale zeiten, sie muſs lediglich aus dem zustande erklärt und beurteilt werden, der sie erzeugt hat.

Ganz anders muſs der staatsmann beurteilt werden, der den bürger als bürger in ruhigen zeiten mit staatsgeldern füttern will. der gedanken - gang ist auch da, wie es bei den radikalen zu sein pflegt, sehr schön logisch. der staat ist eine actiengesellschaft und verteilt die dividenden an die actionäre. so hatte schon 483 eine verteilung der überschüsse aus den pachtgeldern der bergwerke an die bürger statt finden sollen, und wenn das damals von Themistokles verhindert worden ist, so wird es doch zu andern zeiten sowol in der sammtgemeinde wie in den demen vorgekommen sein.4)Plaut. Aulul. 107 noster nostrae qui est magister curiae dividere argenti dixit nummos in viros. da das original aus der zeit nach 279 stammt, kann man an einen phratriarchen schwerlich denken, wird also annehmen, daſs der demarch gemeint ist. die theorika des Eubulos gehören sachlich in diese kategorie, und Demosthenes hat diese vergeudung der staatsmittel bitter empfunden, wenn er auch demagoge genug war sie zu zeiten zu verteidigen.5)In der vierten Philippika 35 ffg. die ächtheit dieser rede und der wider den brief des Philippos mache ich mich anheischig zu erweisen; nur sind es aller - dings keine reden, sondern politische flugschriften, die letzte ein ebenso geschickter wie perfider zeitungsartikel, bestimmt, den eindruck zu verwischen, den der sachlich und formell meisterhafte brief des Philippos machen muſste. die moderne verwer - fung ist eine ausgeburt der fanatischen bewunderung, die dem redner staatsmann und menschen Demosthenes nur oratorisch und moralisch unsträfliche meisterwerke zuzuschreiben wagte. Weil hätte die reden nur energisch als geschichtliche auf den moment berechnete erzeugnisse anfassen sollen, dann würde er sie zuversichtlich für ächt erklärt haben. wenn er die rede πεϱὶ συντάξεως nicht selbst verfaſst haben sollte, (was ich glaube, wenn ich’s auch nicht beweisen kann), so ist diese doch keineswegs von dem dummen rhetor, dem man sie seit216II. 10. Diobelie.F. A. Wolf zuschreibt. denn weder inhalt noch form verweist sie aus dem demosthenischen zeitalter.6)Vgl. Foucart Bull. de Corr. Hell. XII 437. dieser redner also schlägt für die wehr - fähigen bürger einen sold als στϱατιωτικόν vor, für die greise ein ἐξε - ταστικόν oder wie man das nennen wolle (4). er will dafür gegen - leistungen verlangen, insbesondere den persönlichen kriegsdienst, und wenn wir jetzt nur ziemlich vage gedanken lesen, so hat er das früher ausführlicher dargelegt (9), aber die übele erfahrung gemacht, daſs das volk für alles taube ohren hatte, nur nicht für die zwei obolen (10). man kann das nicht wol anders verstehen, als daſs er die diobelie in etwas anderer form vorgeschlagen hatte. schlimm genug; und doch dürfte fraglich sein, ob sie unter gleichzeitiger beseitigung der ungleich höheren diäten für die volkversammlung und unter beschränkung der spiel - gelder nicht ein vorschlag war, der wenn auch praktisch kaum discutir - bar, theoretisch sogar einen finanziellen vorteil für die staatskasse in aus - sicht stellte. ich für mein teil traue ihn dem Demosthenes in der zeit, wo er von brennendem ehrgeiz verzehrt in der opposition stand und jede innere und äuſsere frage als sprungbrett in die regierung versuchte, ohne bedenken zu. wie dem aber auch sei: für die diobelie des Kleophon ist der vorschlag der rede aus eubulischer zeit eine sehr belehrende parallele.

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11. TIMHMATA PARECOMENOI.

In dem vertrage, durch den die versöhnung zwischen stadt und hafen 403 herbeigeführt ward, sind die Dreiſsig, die zehn (d. h. die ersten, zu denen Pheidon, nicht die διαλλακταί, zu denen Rhinon gehörte1)Lysias wagt bereits 403 auf die confusion beider zehnercollegien zu rechnen. er sagt von Pheidon 12, 58 αἱϱεϑεὶς ὑμᾶς διαλλάξαι καὶ καταγαγεῖν: das war nur der auftrag der zweiten zehn, wenn auch bei der wahl der ersten viele gehofft haben mochten, daſs es zu einer versöhnung käme. um so begreiflicher ist es, daſs spätere die zehnercollegien verwechseln., die elf und die zehn im Peiraieus von der amnestie ausgenommen, und auch sie nicht, wenn sie rechenschaft ablegen und decharge erhalten. rechen - schaft wird abgelegt von den beamten der partei des hafens vor dieser, von denen der städter aber nicht vor diesen, sondern vor den τιμήματα παϱεχόμενοι. so steht es in dem documente 39, 6. die demokraten des hafens sind sieger, hinter ihnen steht die macht der spartanischen regierung; sie sind bevorzugt, denn sie nehmen ihren beamten selbst die rechenschaft ab. die gegenpartei ist nicht so günstig gestellt; da werden die richter aus einer classe genommen, sind also sowol städter aus -, wie leute des hafens eingeschlossen. es fragt sich, was heiſst τιμήματα παϱέχεσϑαι. oder eigentlich fragt es sich nicht, denn nach ὅπλα παϱέ - χεσϑαι, das Drakon und die 400 und Thukydides so oft gebrauchen, sind es die welche in der lage sind, die τιμήματα zu leisten, zu prae - stiren, und τιμήματα sind die eingeschätzten stufen des einkommens seit Solon. also sind die τιμήματα παϱεχόμενοι die steuerfähigen bürger, die bürger der drei oberen classen. in der tendenz, der aus - schlieſsung des proletariates, deckt sich diese bezeichnung mit der be - schränkung der politischen rechte auf die ὅπλα παϱεχόμενοι; aber der218II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.ausdruck ist ein anderer. daſs in jener schweren zeit die directe steuer, die εἰσφοϱά, oft erhoben worden war, also die grenzlinie zwischen dem der das eingeschätzte leistete oder leisten konnte und den theten eine effective bedeutung hatte, also auch die berechtigung constatirt werden konnte, ist durchaus glaublich. dennoch wundert man sich über die veränderte terminologie, die unmöglich bloſs in dem worte bestehen kann, und wundert sich über ein solches tribunal.

Aufklärung verschaffen uns nicht die dürftigen geschichtlichen be -Lysias wider Erato - sthenes. richte2)Diodor 14, 33 und Nepos im Thrasybul geben nur das schlieſsliche resultat, obwol ihre worte noch den anschluſs an das versöhnungsdecret zeigen. Xenophon Hell. 2, 4, 38 43 hat auch die hauptbestimmungen der amnestie vor augen (38 ist zu schreiben εἰ δέ τινες φοβοῖντο τῶν ἐξ ἄστεως, ἔδοσαν αὐτοῖς Ἐλευσῖνα κατοι - κιεῖν; überliefert ist ἔδοξεν für ἔδοσαν), aber er hat es für wirkungsvoll gehalten, dem Thrasybulos eine schöne versöhnungsrede zu geben, in der er den städtern ihren mangel an δικαιοσύνη ἀνδϱεία und γνώμη zu gemüte führt, den demos mahnt die eide zu halten. das ist eine sehr wenig versöhnliche rede, die überhaupt mehr für Xenophons Kyros paſst. dann folgt als erzählung, daſs sie die altangestammten gesetze bewahrten, beamte wählten und also verfassungsmäſsig und einträchtig lebten. das sind redensarten. er hat die Dreiſsig gehaſst und Thrasybulos verehrt; das war ganz brav, aber gewuſst hat er herzlich wenig, und hier beherrscht selbst ihn die demokratische phrase.; eine übergangszeit, die für die radicale demokratie wenig rühm - lich war, ward sehr rasch und gern vergessen. aber zum glücke sind eine anzahl documente erhalten, eben aus jener übergangszeit, die durch den hinzutritt der neuen urkunde erst vollkommen verständlich werden.

Das erste ist die zwölfte rede des Lysias, die wir nach der hand - schrift κατ̕ Ἐϱατοσϑένους τοῦ γενομένου τῶν τϱιάκοντα nennen, für die aber Pseudoplutarch den titel κατὰ τῶν τϱιάκοντα angibt. es ist über die zeit der rede und den rechtsfall sehr viel geschrieben worden; die sache lieſs sich in der tat bisher nicht erledigen, nun aber brauchen wir nur noch die rede selbst zu verhören.

Mir wird es nicht schwer mit meiner anklage anzufangen, aber wol aufzuhören: so schwer und so zahlreich sind ihre verbrechen. wer so anhebt, richtet sich gegen viele, nicht gegen einen, und die er an - greift sind nicht zur stelle, sonst würde das pronomen οὗτος stehn, nicht αὐτοῖς. der paragraph 21 zählt in einer durch die endreime der glieder gorgianisch geschmückten periode die schandtaten der Dreiſsig auf, und darauf geht es weiter καὶ εἰς τοσοῦτόν εἰσι τόλμης ἀφιγ - μένοι ὥσϑ̕ ἥκουσιν ἀπολογησόμενοι καὶ λέγουσιν ὡς οὐδὲν κακὸν οὐδ̕ αἰσχϱὸν εἰϱγασμένοι εἰσίν. da stimmt die mehrzahl, aber sie219Lysias wider Eratosthenes.scheinen zur stelle zu sein. daſs die anklage sich gegen die Dreiſsig richtet, ist allerorten klar. bürger und fremde sind zusammengekommen, um zu erfahren τίνα γνώμην πεϱὶ τούτων ἕξετε 35, und in dem epiloge dieses teiles (37 40) οὐκ οἶδ̕ τι δεῖ πολλὰ κατηγοϱεῖν τοιούτων ἀνδϱῶν. und schlieſslich wird es ganz ausdrücklich ausgesprochen, jetzt wäre die gelegenheit παϱὰ Ἐϱατοσϑένους καὶ τῶν τουτουὶ συναϱχόν - των δίκην λαβεῖν (79), und κατηγόϱηται Ἐϱατοσϑένους καὶ τῶν τούτου φίλων (81). also die bezeichnung κατὰ τῶν τϱιάκοντα ist richtig. die andere κατ̕ Ἐϱατοσϑένους ist aber auch richtig. denn die διήγησις (4 34)3)Es ist sehr zu beachten, daſs Lysias bei den richtern voraussetzen darf, sie wüſsten mit seiner familie, seinem hause im Peiraieus und dergleichen schon be - scheid. er war schon ein bekannter sophist, das haus des Kephalos sehr ansehnlich, die familie im verkehre mit der guten gesellschaft, ganz wie es Platon schildert., in der ein lebendiges directes verhör mit dem angeklagten steht (25), der auch wiederholt angeredet wird, geht des einen mannes schuld, eine ganz bestimmte tat, an. und der beweis, der allein durch zeugenaussagen geführt wird (41 61), geht lediglich den Eratosthenes und sein verhalten an, die vita ante acta und die unter den Dreiſsig. aber wenn dies zwei teile sind, von denen der eine die einzelne tat, die tötung des Polemarchos, deren Eratosthenes geständig ist, der andere sein politisches verhalten angeht, so ist damit genügend gesichert, daſs es sich um beides handeln muſs. wenn wir da hören τὸ δὲ τελευταῖον εἰς τὴν ἀϱχὴν καταστάς (48), so läſst die rede im ganzen zwar keinen zweifel, daſs es sich um den platz unter den Dreiſsig handelt: aber der bestimmte artikel weist genugsam darauf hin, daſs es sich eben um dieses amt auch vor gericht jetzt handelt. nimmt man dazu das ἥκουσιν ἀπο - λογησόμενοι 22 und ἥκει ἀπολογησόμενος 84, so ist jeder zweifel aus - geschlossen, daſs sich Eratosthenes dem gerichte freiwillig gestellt hat, mit andern worten, daſs er von der clausel der versöhnungsurkunde gebrauch gemacht hat, die den Dreiſsig amnestie verhieſs, wenn sie sich der rechenschaftsablage unterzogen. so urteilten denn auch die vertei - diger desselben, man sollte ihn freilassen, weil er am wenigsten übles von den Dreiſsig getan hätte (89), was Lysias von seinem standpunkte nennt διὰ τὸ ὑμέτεϱον πλῆϑος ἀδεῶς τοὺς τϱιάκοντα σῴζειν (87). es ist also in der tat ein rechenschaftsproceſs eines der Dreiſsig. in ihm steht der isotele Lysias auf und führt die klage, wie jeder es konnte.4)Die juristische selbständigkeit des metöken tritt hier allerdings deshalb so grell hervor, weil er sich immer als bürger benimmt, und er rechnete wol sicher auf den erwerb des bürgerrechtes. aber daſs der metöke vor gericht den bürgern es220II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.ist nicht ersichtlich, in welcher form die verhandlung eingeleitet ward. ob durch die constituirung eines logistenprocesses oder durch die ein - reichung der privaten anklagen vor den ratseuthynen. da ein rat sofort constituirt ward, ist das letztere wahrscheinlich; der vorsitz ist dann den thesmotheten zugefallen, die auch gleich mit dem archon Eukleides eingesetzt sein müssen. Lysias konnte eigentlich nur über seine eigene sache beschwerde führen, aber da es sich für Eratosthenes um die ganze amtsführung handelte, so verschob sich das fast notwendigerweise. da - gegen ist es bare sykophantie, wenn der redner fortwährend die rechen - schaft des einen, der eben persönlich beurteilt sein wollte, mit der der Dreiſsig überhaupt zusammenwirft. mit groſsem geschicke sagt er gleich im eingange (2) ich muſs ja zugestehn, daſs ich durch die mir persön - lich angetane unbill veranlaſst bin, hier zu reden5)Diese stelle schlieſst allerdings besonders entschieden den gedanken aus, daſs die rede wegen mordes gehalten wäre, denn dann zwang ihn allein die pflicht des bluträchers aufzutreten. gleich als ob es in der ordnung wäre, daſs er über das allgemeine in erster linie spräche, und sein persönlicher handel höchstens einen schatten auf seine ob - jectivität würfe: in wahrheit gieng ihn die amtsführung des Erato - sthenes im übrigen gar nichts an; ihren staat mochten die Athener allein gut oder schlecht verwalten. sie waren liberal und gerecht, wenn sie ihm verstatteten seine private beschwerde über ihren beamten vor - zubringen.

Wenn es sich denn um die rechenschaft handelt, so müssen die richter aus den τιμήματα παϱεχόμενοι genommen sein, also aus beiden par - teien. Lysias sagt 84 von Eratosthenes, daſs er νυνὶ οὐχ ἑτέϱων ὄντων τῶν δικαστῶν ἀλλ̕ αὐτῶν τῶν κακῶς πεπονϑότων ἥκει ἀπο - λογησόμενος πϱὸς αὐτοὺς τοὺς μάϱτυϱας τῆς τούτου πονηϱίας. darin liegt nur, daſs leute aus der stadt beteiligt sind, wenn es auch besser paſst bei gemischten richtern. aber der schluſs entscheidet, denn da wendet er sich zunächst an die städter, und sagt ihnen, jetzt als besiegte hätten sie mit den siegern das gleiche recht (92) und wären bürger mit den tapferen demokraten, hätten die souveränetät, die entscheidung über krieg und frieden, und nähmen an den politischen beratungen (94) teil, alles im gegensatze zu der zeit der Dreiſsig, wo es keine ekklesie4)so gut wie gleich steht, soll man eben wissen und schätzen. die sykophanten in diesem stande, für die Lysias unser hauptexempel ist, waren so zahlreich, daſs die geschäftsordnung der volksversammlung ihre πϱοβολή ganz in gleicher ausdehnung wie die der bürger vorsah (43, 5).221Lysias wider Eratosthenes.gab, die souveränetät von jenen geübt ward, der kampf aber gegen die tapferen demokraten gieng. über die art der jetzt geltenden verfassung ist nichts gesagt als daſs die städter gleichberechtigt sind. dann folgt der appell an die demokraten, der über die politische lage der gegenwart nichts lehrt und in den allgemeinen epilog, die aufforderung zur ver - urteilung der Dreiſsig, übergeht. aber das wesentliche bleibt bestehen, daſs beide parteien im gerichtshofe vertreten sind; also das was am an - stöſsigsten schien, die euthyna, ist ganz sicher.

Für die zeit der rede ergibt sich direct kaum etwas, und es reicht hin zu constatiren, daſs sie für die notwendig bald nach der versöhnung eingetretene euthyna eines der Dreiſsig in jedem zuge paſst. so wild der redner gegen die Dreiſsig loszieht, so schweigsam ist er über Sparta. er vermeidet es die garnisonen auf der burg als solche zu bezeichnen, sondern redet von ἐπίκουϱοι (94), gleich als ob es gedungene reisläufer gewesen wären. ebenso wird der staat Eleusis, in dem die ausgewan - derten städter zu recht herrschen, dadurch respectirt, daſs er mit still - schweigen übergangen wird. daſs die überlebenden der Dreiſsig und ihre meist compromittirten helfer alle dort untergekommen wären, ist weder bezeugt noch wahrscheinlich, da gegen die Dreiſsig der widerwille schon nach dem gefechte auf Munichia so stark in der stadt gewesen war, daſs sie abgesetzt wurden. so brauchen wir uns nicht zu wun - dern, wenn Lysias erzählt, daſs einzelne staaten einzelne flüchtlinge der tyrannen auswiesen (35); die verallgemeinerung des sykophanten streichen wir leicht ab. aber die wendung ἀποῦσι μὲν τοῖς τϱιάκοντα ἐπιβουλεύετε (80) mag vielleicht als ein unbeabsichtigtes zugeständnis aufgefaſst werden, daſs der demos gern der leute habhaft werden wollte, gegen die ihm allein die rache erlaubt war. doch wozu die einzelheiten durchsprechen, die doch zumeist so oder so verstanden werden können: der nachweis, daſs irgend etwas in der rede verböte, sie auf den rechen - schaftsprocess zu beziehen, dem Eratosthenes sich freiwillig unterwerfen wollte, kann getrost abgewartet werden.

Es war dem Lysias gewiſs darum zu tun, seinen bruder zu rächen; das war seine pflicht, und es war ein abscheuliches verbrechen an ihm begangen. er nahm die gelegenheit wahr, die sich ihm bot, und man wird ihm bei seiner politischen richtung nicht verargen, daſs er aus dem hasse gegen die Dreiſsig so viel wie möglich capital für seine anklage herausschlug. aber die rede will allerdings mehr: sie greift durchaus nicht etwa die Dreiſsig um des Eratosthenes willen an, sondern viel eher umgekehrt. die bedeutung der rede für die zeitgeschichte liegt222II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.darin, daſs es ein vorstoſs der radikalen demokratie ist, der das versöhnungs - werk durchaus nicht recht war; diesmal galt es die clausel des versöhnungs - instrumentes unwirksam zu machen, die den Dreiſsig und ihren haupt - helfern die möglichkeit der amnestie eröffnete. Eratosthenes scheint nicht der einzige gewesen zu sein, der sich der rechenschaft stellen wollte; ob es auch andere getan haben und mit welchem erfolge etwa, ist unbekannt. dem sollte seine hinrichtung einen riegel vorschieben. und der demokratische terrorismus regt sich schon recht stark; nicht nur die verteidiger des Eratosthenes werden eingeschüchtert (86), sondern auch die zeugen, deren viele gekommen waren, und die sich durch die verteidigung der Dreiſsig compromittiren sollen (88 89), und endlich die richter, denen sogar gedroht wird, sie sollten sich nicht auf die ge - heime abstimmung verlassen (91), sie sollen vielmehr beweisen, daſs sie ὀϱγίζονται τοῖς πεπϱαγμένοις (90). ἔλεος und συγγνώμη soll aus der seele der richter verbannt sein (79): so faſst der radikale die ver - söhnung auf. er gesteht hier ein, daſs die öffentliche meinung in Erato - sthenes den harmlosesten der Dreiſsig sehe (89), und vorher, daſs dieser als freund und anhänger des Theramenes auf sympathien zu rechnen hatte. das dient dem redner aber nur zu dem vom wildesten hasse ein - gegebenen und gröbste lüge nicht scheuenden6)Es genügt dafür zu constatiren, daſs Theramenes den antrag gestellt haben soll, die Dreiſsig einzusetzen und die verfassung des Drakontides anzunehmen (73), während Theramenes wider die einsetzung der Dreiſsig, in deren beantragung die angebliche verfassung des Drakontides bestand, gesprochen hat. angriffe auf den toten, von eben den Dreiſsig getöteten Theramenes (62 79). erst hier offen - bart sich, wohin das ganze zielt. der tod hatte dem Theramenes in sehr weiten kreisen jene sympathie geweckt, die selbst Xenophon, den ver - ehrer Thrasybuls, zu einer wirklich packenden erzählung begeistert hat. die Dreiſsig selbst hatten erst verspielt, als die kreise sich von ihnen abwandten, die mit Theramenes eine ganz entschiedene antipathie gegen die radicale demokratie hatten. und andererseits hatten die leute aus dem Peiraieus erst gewonnen, als eben diese kreise mit ihnen giengen. Rhinon war gewiſs kein demokrat, und mit der gesellschaft die Lysias vertritt würde Sparta niemals transigirt haben. die anhänger der πάτϱιος πολιτεία waren von beiden seiten angefeindet, aber sie haben in wahr - heit Athen gerettet: die radicalen fürchteten sie ungleich mehr als die extremen oligarchen. daher geht der hauptstoſs des Lysias gegen den toten Theramenes. die radicale demokratie macht die kraftprobe, hier223Lysias wider Eratosthenes. die provisorische verfassung von 403.noch auf formell gesetzlichem boden, und so hat der process des Erato - sthenes eine erhöhte bedeutung erhalten. der gerichtshof bestand nur aus den besitzenden; sie haben freilich den Eratosthenes nicht verurteilt, aber die partei des Lysias war durchaus nicht entmutigt, und seine rede war ein so ausgezeichnetes schriftstück, daſs er sie als pamphlet ver - öffentlicht hat, gewiſs nicht ohne erfolg für seine sache.

Ein zweiter vorstoſs war der antrag des Thrasybulos, alle die, dieThrasybulos und Archinos. aus dem Peiraieus gekommen waren, als bürger anzuerkennen.7)Thrasybulos zeigt sich sowohl durch die protection des Lysias wie durch seinen gesetzwidrigen antrag viel mehr als πϱοστάτης τοῦ δήμου denn als staats - mann. er ist gewiſs ein patriot gewesen, das hat er 411, 403 und 390 bewiesen, aber seine innere wie seine äuſsere politik beweist nicht mehr, als daſs er die ideale des Reiches und seiner demokratie begriffen hatte und zäh an ihnen fest hielt. seine eigene zeit hat er dagegen nicht mehr begriffen. weil die demokratie herrschte, hat sie ihm den höchsten ruhmeskranz gespendet; nichts ist dafür bezeichnender, als daſs der panegyrikos, den Nepos übersetzt, geradezu die verdienste des Archinos auf Thrasybul überträgt. das war freilich so flagrant ungesetzlich, daſs der antrag fiel, da die νόμοι ἐπ̕ ἀνδϱί notwendigerweise ganz persönlich behandelt werden muſsten. ein kräftiger rückschlag von der gegenseite war, daſs Archinos den rat dazu vermochte, einen radikalen heiſssporn wegen einer für uns nicht genau erkennbaren verletzung der amnestie ohne weiteres zum tode zu verurteilen, und später gegen die anschuldigungen, für die die amnestie galt, das rechtsmittel der παϱαγϱαφή zu gestatten8)Vgl. die beilage die paragraphe und Lysias wider Pankleon.. offenbar sind der rat und das volk von 403 / 2 für die partei des Lysias nicht zu haben gewesen.

Aber wer war 403 das volk und wie war der rat gebildet? mitDie proviso - rische ver - fassung von 403. anderen worten, welche verfassung ist vom könig Pausanias concedirt und zwischen stadt und hafen vereinbart worden? es bedarf nur geringer überlegung, um zu schlieſsen, daſs es die demokratie von 405 unmöglich gewesen sein kann, obwol wir wissen, daſs diese demokratie, im prinzip wenigstens, noch unter Eukleides eingeführt worden ist. aber wir brauchen keinen indicienbeweis, denn die documente liegen vor.

Andokides (1, 81) erzählt im jahre 399, daſs nach der versöhnung zuerst eine provisorische regierung von 20 leuten, vermutlich strategen9)Wenn man auf die lückenhafte stelle Xenophons 2, 4, 39 so viel geben darf, wo die strategen, zu denen Thrasybul gehört, die versammlung des volkes (eine contio, keine comitia, denn sie hören nur eine ansprache) berufen und entlassen., je 10 von jeder partei gewählt, die geschäfte führte, bis ein rat ein -224II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.gesetzt war, und im übrigen vorläufig die solonischen und drakontischen gesetze galten. da der rat auf der praesentation durch die gemeinden beruht, war es nicht besonders schwierig, 500 ratsherren auszulosen; die demoten wuſsten ja in ihrer gemeinde bescheid. auch die archonten, deren man sofort bedurfte, lieſsen sich leicht bestellen, da man für sie immer eine vor - schlagsliste der phylen zu grunde legte, und selbst der appell an die gemein - den 487 vorgekommen war. dann ward, nach Andokides, ein weiterer aus - schuſs von 500 gesetzgebern von den gemeinden gewählt, und diese beiden körperschaften haben die factisch jetzt, 399, geltenden gesetze gegeben, d. h. natürlich dem volke vorgelegt, das selbst allein competent war, ihre vor - schläge zu gesetzen zu machen. Andokides hütet sich wol, jenes volk, das die gesetze gegeben hat, von dem jetzt herrschenden zu unterscheiden, allein er selbst unterscheidet sehr wol zwischen den gesetzen Drakons und Solons, die während des provisoriums galten, und den jetzigen, die von den nomotheten gegeben waren. sehr viel unzweideutiger redet das gesetz des Teisamenos, durch welches jene nomotheten in function getreten sind. es beginnt πολιτεύεσϑαι Ἀϑηναίους κατὰ τὰ πάτϱια, νόμοις δὲ χϱῆσϑαι τοῖς Σόλωνος καὶ μέτϱοις καὶ σταϑμοῖς. darin ist die geltung der väterlichen verfassung und der solonischen gesetze ausgesprochen, also das provisorium dauert fort, bis die neuen gesetze in der weise constituirt sind, die eben durch Teisamenos verordnet wird. welcher geist in dem volke lebte, das dieses gesetz angenommen hat, lehrt der schluſsparagraph, der dem Areopag die nomophylakie für die zukunft zuweist, woran doch nicht einmal die 400 gedacht hatten, und was denn auch von den gesetzgebern alsbald beseitigt worden ist. der rat und die gesetzgeber standen vor der aufgabe, eine wirkliche verfassung praktisch zu entwerfen und bei dem volke, wie immer es auch begrenzt war, durchzubringen. da halfen die schönsten theorien nicht; die ver - fassung von 593 war 403 wahrhaftig unmöglich, und wenn ein so anti - demokratischer kopf wie der verfasser des entwurfes von 411 so weit von Solon abgekommen war, trotzdem er ins blaue decretiren konnte, wie viel mehr muſste sich den 1000 vertretern der gemeinden die demo - kratie, die ihnen allen allein vertraut war, sich aufnötigen. sie haben die πάτϱιος πολιτεία als die auf die gleichberechtigung aller Athe - ner gegründete demokratie definirt und darauf hin ihren antrag ge - stellt. dagegen war im plenum, über dessen zusammensetzung wir erst etwas zu erfahren streben, die stimmung keineswegs überwunden, die im anschlusse an die tendenzen des Theramenes und die wünsche Spartas für absolut richtig und politisch geboten hielt, die proletarier auszu -225Die provisorische verfassung von 403. Lysias rede 34.schlieſsen. den antrag formulierte für diese partei Phormisios, und zwar wollte er die politischen rechte an den grundbesitz binden; die demokratie bediente sich wieder der feder des Lysias. sie hat gesiegt, und Sparta, in dem die parteien des Pausanias und Lysandros selbst einen geheimen krieg führten, hat sich dabei beruhigt, zumal Athen ihm die den Dreiſsig vorgeschossenen gelder abzahlte und auch sonst botmäſsig blieb.

Das document, dem wir diese tatsachen verdanken, ist die rede desLysias rede 34. Lysias, von der Dionysios ein groſses bruchstück gerettet hat (rede 34). dieser läſst es unbestimmt, ob die rede wirklich gehalten sei, und natürlich hat sie als pamphlet mindestens so stark gewirkt wie durch den mund des sprechers. aber da sie sicherlich einer bestimmten person in den mund gelegt ist (3), so haben wir keine veranlassung zu be - zweifeln, daſs es wirklich eine volksrede ist10)E. Schwartz (Rh. Mus. 44, 625) verweist die rede vor die nomotheten, aber die ausführungen Schölls, auf die er sich bezieht, zeigen gerade, daſs χειϱοτονία auch von der abstimmung des volkes über antrag und gegenantrag gebraucht wird, und wie sollte es anders sein? dagegen konnte die anrede ἄνδϱες Ἀϑηναῖοι und die durchgehende identification der angeredeten versammlung mit dem volke einer commission gegenüber nicht gebraucht werden, zumal von einem mitgliede derselben, und den ἰδιῶται ist durch das gesetz des Teisamenos nur der zutritt zum rate aus - nahmsweise gestattet.: als schriftsteller konnte doch nicht wol ein athenischer staatsmann mit fremdem kalbe pflügen. die rede hat durch Usener (Fleckeisens Jahrb. 1873, 145), als er ihren urkund - lichen text feststellte, auch eine geschichtliche erläuterung erfahren, die nur noch in den zusammenhang eingereiht zu werden braucht. die sophistik des redners dürfte freilich noch weiter gehn, als Usener an - genommen hat.

Das volk, vor dem der redner steht, sind mit nichten die Ἀϑηναῖοι ἅπαντες, für die er spricht. ihr wiſst daſs unter den früheren oli - garchien (d. i. 411 und 404) nicht die grundbesitzer die souveränetät besaſsen (für die sie Phormisios beantragt), sondern viele von ihnen getötet oder vertrieben wurden. diese hat der demos zurückgeführt und hat euch eure souveränetät verliehen, selbst aber auf seinen anteil an ihr verzichtet (4). er erhebt die insinuation gegen die für die oligarchie kämpfenden, d. i. Phormisios, daſs sie es in wahrheit auf den besitz der leute, die er anredet, abgesehen hätten. das heiſst so viel, als daſs die jetzt berechtigten, wenn Phormisios durchdränge, sehr bald den besitz und mit dem natürlich die berechtigung verlieren würden. er insinuirt, daſs der antrag des Phormisios in wahrheit von den Lake -v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 15226II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.daimoniern käme (6) und spielt mit dem kleophontischen gedanken des krieges bis auſs äuſserste (6). das bedeutet doch wol so viel, daſs Sparta, die vormacht des bundes, jenen antrag gutheiſsen wird, was bei dem des redners unwahrscheinlich ist. von wert sind noch zwei einzelne behauptungen, einmal daſs die annahme des antrages des Phormisios, also die beschränkung der politischen rechte auf die grundbesitzer, dem staate viele ritter hopliten und schützen entziehen wird (4). dabei ist streng genommen notwendig, daſs diese jetzt noch in der bürgerschaft sind, also Phormisios den kreis noch enger ziehen will, als er jetzt ist; doch kann man dem rhetor auch zutrauen, den nach ihm normalen zustand der vollen gleichberechtigung aller in gegensatz zu dem vor - schlage des Phormisios gesetzt zu haben. auſserdem hat er in dem teile seiner rede, den Dionysios nur auszieht, die durch Phormisios aus - geschlossenen bürger auf 5000 veranschlagt. nun hat bereits Usener11)Was Usener weiter ausführt, über eine verfassung des Drakontides, eine umfängliche bürgerliste, die von den 30 erst auf 3000 reducirt und von dem demos für das provisorium wieder acceptirt wäre, ist durch den bericht des Aristoteles über das zustandekommen der liste der 3000 erledigt. es hat 403 eine brauchbare bürgerliste weder bestanden noch bestehen können. die maſsgebenden listen sind überhaupt immer in den einzelgemeinden geführt worden; auf sie griff man deshalb auch jetzt zurück, als man die nomotheten bestellen wollte. und den gemeinden fiel ja auch (was Usener 1873 nicht wissen konnte) die ernennung der candidaten für den rat zu. hervorgehoben, daſs die bürgerschaft, die jetzt zusammengetreten ist, weder aus den Ἀϑηναῖοι ἅπαντες noch auch aus den γῆν κεκτημένοι besteht, obwol letztere darin sind. das war damals sehr scharfsinnig, konnte aber kein positives ergebnis liefern. jetzt löst sich alles ein - fach: die bürgerschaft, die hier berät, sind die τιμήματα παϱεχόμενοι, dieselben, aus denen das gericht bestand, vor dem Lysias wider die Dreiſsig geredet hat. diese also haben während des provisoriums das volk gebildet.

Antrag des Phormisios.Die steuerzahler umfassen die grundbesitzer, das muſs im allge - meinen wenigstens gelten; die grundbesitzer repraesentiren aber nicht alle steuerzahler. wenigstens theoretisch kann man nicht bestreiten, daſs selbst in den höheren classen leute von groſsem vermögen, die sogar unter den rittern dienten, sich befinden konnten ohne immobiliar - besitz. und mit der theorie darf der gesetzgeber füglich rechnen. tat - sächlich ist es eine übertreibung. weder decken sich die begriffe τιμή - ματα παϱεχόμενοι und γῆν κεκτημένοι, noch sind es concentrische227Antrag des Phormisios.kreise. zu klarem urteil verhilft am besten die vergleichung der zahlen, so wenig genau sie auch sind. durch die beschränkung auf die grund - besitzer sollen 5000 ausgeschlossen werden; durch die beschränkung auf die ὅπλα παϱεχόμενοι sollten 411 nur 5000 berechtigte bleiben. das führt zu dem überraschenden schlusse, daſs eine groſse anzahl von grundbesitzern sich nicht equipiren konnten, also theten waren. und die behauptung des Lysias, daſs die ausschlieſsung der capitalisten vom bürgerrecht den staat um viele reiter und hopliten bringen müſste, erweist sich als eine theoretisch richtige, tatsächlich nichtige behaup - tung.12)Useners ausweg, an die seit 412 aufgekommene einstellung der theten als hopliten zu denken, denen dann der staat die waffen lieferte, ist nicht gangbar: das konnte der staat auch, wenn die theten der politischen rechte entbehrten. er hatte ja selbst sclaven bewaffnet. um das befremdliche zu verstehn, müssen wir zunächst die formel γῆν κεκτημένοι in γῆν οἰκίαν κεκτημένοι erweitern. die formelsprache aller Hellenen unterscheidet beides, aber dem rhetor können wir die abgekürzte, seinen zwecken dienliche ausdrucksweise verzeihen. damit verschwindet der gröſste teil des anstoſses. ein haus ist in Athen ein sehr wenig wertvoller besitz, darum haben es so gut wie alle bürger, wenn sie nicht wirklich proletarier sind und als solche leben. zur miete wohnen wesentlich nur fremde und metöken, weil sie vom erwerbe von grund und boden ausgeschlossen sind.13)Die besitzer der mietshäuser (συνοικίαι) profitiren deshalb von dem ge - richtszwange der bündner, [Xen.] Πολ. Αϑ. 1, 17. wir kennen ja den hausbesitzer Sokrates von Alopeke, der doch nur ein vermögen von 100 drachmen hatte14)Plat. Apol. 38b. daſs Sokrates, der als hoplit gedient hatte, verarmt ge - wesen sein muſs, habe ich schon früher bemerkt. von dem ertrag von 100 drachmen konnte er nicht leben, mit weib und kindern noch dazu. gleichwol erwarb er nichts. also hat er sich nicht gescheut, dem grundsatze κοινὰ τὰ τῶν φίλων als empfangender zu huldigen, und Kriton wird sich der braven Xanthippe angenommen haben. aber eine bezahlung für den unterricht war das nicht, und ich bedauere, daſs ein Aristoxenos wider Platon ins feld geführt wird, um den Sokrates wol gar als schulstifter hinzustellen., also wirklich keine rüstung mehr halten und keine steuern zahlen konnte. selbst der besitz eines gärt - chens oder wingerts, wie wir ihn bei der ungemeinen zersplitterung des grundbesitzes allerdings sehr vielen bürgern zutrauen dürfen, muſs, zumal in der kriegszeit, wo so viele äcker, selbst dicht bei der stadt, wüst lagen, sehr oft kein steuerfähiges einkommen abgeworfen haben. andererseits konnte es nicht fehlen, daſs durch den verlust ihrer kleru -15*228II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.chien eine masse gänzlich verarmter bürger in die heimat zurückströmten, die auszuschlieſsen ein hartes gebot der not schien, und die durch diese formulirung der qualification entweder sicher die politischen rechte verloren oder zur ansiedelung, an der dem gesetzgeber liegen muſste, angetrieben wurden. Phormisios konnte sich mit fug und recht darauf berufen, daſs er dem städtischen demos einen starken antrieb gäbe, sich dem landbau zu widmen, der seit 431 heruntergekommen war aber einst die macht des demos begründet hatte.

Eine letzte frage ist noch, wie die verschiedenen männer auf die verschiedenen lösungen der frage gekommen sind, das proletariat von der staatsverwaltung auszuschlieſsen, und doch alle den anschluſs an die väterliche verfassung und die gesetze Solons gesucht und vermeintlich gefunden haben.

Die alten classen bestanden nominell, hatten aber praktisch ihre bedeutung verloren. die rückkehr zu Solon und Drakon war die parole; aber bei jedem versuche erwies sich die gegenwart stärker als das ideal. 411 hatte man es mit Drakon versucht und durch die forde - rung, sich selbst zu equipiren, die bürger auszusondern gehofft, die den staat sicher leiten könnten. der erfolg hatte gelehrt, daſs diese forderung, obwol sie eigentlich die grenze zog, die Solon dem passiven wahlrechte auch gezogen hatte, viel zu stark war. als die oligarchie in der stadt gebot, aber entmutigt und zur verständigung geneigt, im hafen eine revolutionäre und mit bedenklichen elementen fremder herkunft ver - mischte demokratie trotzig ihr gegenüber stand, sah Pausanias ein, daſs die oligarchie nur durch die unterhaltung einer garnison in Athen ge - schützt werden konnte, und die demokratie, gestützt auf die sympathie der Hellenen und die beihilfe nicht bloſs von Argos, sondern auch von Theben, selbst wenn er den Peiraieus nahm, gefährlich bleiben muſste; die herrschaft des scheinbar allmächtigen Sparta stand auf allzuschwachen füſsen. so förderte er einsichtig einen compromiſs auf der basis, die Theramenes 404 vereinbart hatte oder doch vereinbaren wollte. die amnestie, die zuweisung von Eleusis an die attischen oligarchen, die übernahme der verpflichtungen der oligarchen gegen Sparta durch die neue regierung schienen ihm mit recht aussreichend, um das neue Athen untertänig zu halten. aber die schrankenlose demokratie durfte er nicht einsetzen, und darauf konnten auch die städter nicht eingehn. da stieg also wieder die πάτϱιος πολιτεία auf, die solonischen gesetze. man hätte auf die forderungen von 411 zurückgreifen können und die selbstequipirung als qualification für das volle bürgerrecht verlangen. 229Antrag des Phormisios.aber schon der äuſsere umstand, daſs die Dreiſsig den städtern ihre waffen confiscirt hatten (37, 1), lieſs das nicht angängig erscheinen, und so verfiel man auf den ausweg, die steuer an die stelle der bewaffnung zu setzen: im sinne Solons, das muſs man zugeben, kam das auf das - selbe heraus. so schuf man ein provisorium, führte die gesetze Solons für dieses ein, und es gieng gut, dank der energie des Archinos trotz dem ansturme der radicalen. aber ein definitivum konnte daraus nicht werden. die steuer ward weder regelmäſsig gezahlt, noch gab es eine staatliche controlle der einschätzung. wenn man die politischen rechte mit der steuerdeclaration für die dritte classe verband, so muſste der erfolg sein, daſs es damit gienge wie bei der meldung zur ämter - losung, wo sich niemals einer als thete bekannte (Ar. 7, 4). da geriet Phormisios auf den ausweg, den grundbesitz zu verlangen. die solo - nischen classen selbst waren ihren namen nach auf diesen berechnet, denn man hatte sich gewöhnt, auch ritter und zeugiten durch einen festen satz von geernteten scheffeln bestimmt zu glauben. diese classen - einteilung selbst würde nun freilich in praktischer anwendung Attika nicht auf die solonischen zeiten zurückgeführt haben, sondern auf die weit zurückliegende urzeit, der diese classen entstammen, als es noch ein reiner ackerbaustaat war und dem entsprechend an bedeutung noch hinter Megara zurückstand. diese reaction lag dem Phormisios fern; was er forderte, war nur die durchführung der forderung, die theoretisch für alle Athener immer noch galt, daſs sie eine eigene heimstätte, einen Ζεὺς ἑϱκεῖος hätten. diese forderung war nicht schwer; sie lieſs solche leute wie Sokrates, der weder waffen noch steuern zu praestiren im stande war, im genusse der politischen rechte, schloſs nach der sicher - lich übertreibenden schätzung des Lysias nur 5000 proletarier aus, und das in der zeit der schwersten calamität, so daſs auf eine sehr starke verminderung dieser zahl schon für die nächste zukunft zu hoffen war. wenn das volk, d. h. damals die τιμήματα παϱεχόμενοι trotzdem sich für die volle demokratie entschieden haben, so können wir nicht umhin anzuerkennen, daſs sie dem wirklichen Solon und der wirklichen πάτϱιος πολιτεία lieber haben folgen wollen als den noch so geschickt ausge - dachten vorschlägen der gegenwart. denn in den gesetzen Solons waren die volksversammlung und das active wahlrecht und die geschwornen - stellen den theten zugänglich gemacht. daſs darin tatsächlich 403 die radicale demokratie, 593 eine sehr bescheidene gewalt lag, verschlug für das prinzip nichts, aber hier am deutlichsten kommt es an den tag: der keim zu der radicalen demokratie war durch Solon gelegt. so hat230II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.man damals geurteilt, so hat Aristoteles geurteilt. die demokraten, die ihn als den δημοτικώτατος für sich beanspruchten, haben nicht nur recht behalten, sondern auch recht gehabt. wenn Theramenes in ihm den vater alles übels gesehen hat, so war das auch nicht bloſs von seinem stand - punkte aus berechtigt. es war das verhängnis Athens, daſs es von der radikalen demokratie nicht loskommen konnte. aber die geschichte muſs gegen alle billig sein und darf weder den Solon nach den verhältnissen von 403 beurteilen, noch von der not jener revolutionszeit eine billige beurteilung Solons fordern.

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12. ΛΟΓΟΣ UND ΕΥΘΥΝΑ.

Da wir jung waren, lernten und glaubten wir, daſs die überlegen - heit der Boeckhschen altertumswissenschaft über die Hermannsche philo - logie sich nirgend glänzender offenbare als in der abhandlung über euthynen und logisten, die zu diesem nachweise geschrieben ist. da wir älter wurden, sahen wir mit überraschung, daſs Hermanns conjec - turen zu CIA I 32 auf dem steine standen mit ausnahme von einer minder wichtigen stelle, wo Boeckh aber auch nicht richtiger geurteilt hatte. und nun stellt sich heraus, daſs über die sache beide irr ge - gangen sind, daſs auch gerade die behandlung, die am meisten metho - disch vorgieng und allein wirklich vorwärts kam (Schöll de synegoris), irr gehn muſste, weil ihr fundament ein gefälschtes zeugnis war.1)Fgm. 6 in unserer ausgabe. die unzulänglichkeit unseres combinirens ungenügender daten zeigt sich handgreiflich, ebenso aber, daſs die wirkliche kenntnis der sprache in ihrem gebiete mit sicherheit vorgeht und daſs ihr die logik des rechtlichen gedankens auch wol zu hilfe kommen kann: beide vereint hätten das falsche zeugnis wol entlarven und aus dem sprachgebrauche und dem rechte der wahrheit näher kommen können. aber diese ist uns jetzt durch Aristoteles (48, 3 5. 54, 2) gegeben: wir wollen bei der sache bleiben, von den modernen absehn und auch die angaben der lexico - graphen, die aus Aristoteles abgeleitet oder durch misverständnis seiner worte entstanden sind, sollen fortfallen. dagegen mag was ihn ergänzt und ohne weiteres sich einordnet, gleich mit vorgeführt werden: wir wissen ja, daſs er nur der reinste und reichste canal derselben überlieferung vom attischen staate ist.

232II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.

λόγος.Jeder abtretende beamte, einerlei welcher kategorie, reicht seine rechnungen bei den logisten ein2)Wer kein öffentliches geld verwaltet hat, gibt eine dahin gehende erklärung ab, Aisch. 3, 22.; wo nicht, unterliegt er der anklage wegen unterlassener rechnungsablage, ἀλογίου.3)Lex. Cantabr. ἀλογίου. die logisten, zehn erloste beamte, haben binnen 30 tagen4)Die frist gibt Harp. λογισταί. über die quelle seiner nachrichten und ihren irrtum vgl. I 7 anm. 82. die rechnungen zu revidiren, was sie natürlich nicht als collegium tun, sondern in arbeitsteilung: daher gibt es mehrere bureaus, λογιστήϱια5)Den plural gibt Harp. λογισταί mit belegen, von denen einer das erhaltene psephisma des Patrokleides (Andok. 1, 78) ist. da die nur je für eine phyle am - tirenden euthynen sich dieser rechnungskammer bedienen, und da in der einzel - gemeinde nur ein logist ist (CIA II 578), so wird jede phyle ihr λογιστήϱιον ge - halten haben., vermutlich 10. nach der revision lassen sie sich von den archonten die nötige anzahl gerichtshöfe zulosen, denen sie praesidiren6)Nach Phot. εὔϑυναι hätten die logisten die auslosung der richter selbst be - sorgt. dem grammatiker ist nicht bewuſst gewesen, welchen widerspruch gegen attische praxis er damit behauptete; getäuscht hat ihn der vorsitz der logisten, während andere beamte die von eben diesen logisten erhobenen anklagen führten. beseitigt wird der irrtum durch Ar. 59, 1. 63, 1., während die von ihnen erhobenen anstände durch die ihnen beigegebenen 10 anwälte, συνήγοϱοι7)Die beschränkung ihrer tätigkeit auf das συνηγοϱεῖν liegt im namen der συνήγοϱοι. dazu stimmt das gemeindestatut von Myrrhinus CIA II 578., vertreten werden. nach diesen öffentlichen klägern kann aber jeder bürger als ankläger auftreten, wozu der herold des gerichtes durch proclamation auffordert.8)Aisch. 3, 26. ohne zweifel stellt schon jeder kläger die strafanträge nach maſsgabe des gesetzes, welches durchaus nur geld - strafe kennt, die entsprechend der qualification als unterschlagung (κλοπή), bestechung (δώϱων), amtsmisbrauch (ἀδικίου), in den beiden ersten fällen in zehnfältigem, im letzten in einfachem betrage zu entrichten ist. übrigens haben die gesetze eine sehr groſse anzahl von geldstrafen für beamte, die dies oder jenes unterlassen, bereits fixirt, in der sammt - gemeinde wie in den einzelgemeinden (Rede gg. Makart. 58), phratrien und überhaupt allen κοινά. wer eine solche unterlassung nachweist, hat damit die höhe der strafe ἀδικίου von selbst normirt. wenn die strafe nicht am verfalltage (in der neunten prytanie) gezahlt wird, so treten die legalen folgen ein, execution, schuldhaft, confiscation des233λόγος.vermögens, verlust der bürgerlichen rechte.9)Im gegensatze zu Aristoteles gibt Andokides 1, 74 an, daſs auf einer ver - urteilung δώϱων oder κλοπῆς atimie des schuldigen sammt seiner kinder stand, aber keine geldstrafe. κλοπῆς und δώϱων nebeneinander führt auf den logisten - proceſs; die εὔϑυναι sind indessen in dem nächst vorhergehenden paragraphen er - wähnt. an eine änderung des rechtes nach 403 könnte man vielleicht denken, allein sie wird durch den process des Perikles ausgeschlossen, der wegen κλοπή zu einer geldstrafe verurteilt worden ist. wir werden also wol gezwungen sein, an die γϱαφαὶ δώϱων und κλοπῆς zu denken, die sogleich zur besprechung kommen. aber be - fremdlich ist mir die sache auch so. wie soll man dem diebe seinen raub lassen? Deinarchos (1, 60) vermischt die strafe im rechenschaftsproceſs mit der der eisan - gelie, wenn er behauptet, daſs auf bestechung zehnfacher ersatz der bestechungs - summe oder der tod stünde. der amtsmisbrauch (ἀδί - κιον) der gelegentlich der rechnungsprüfung zu tage tritt, kann nur in unerlaubter oder gemeinschädlicher verwendung des öffentlichen geldes bestehn; er ist also das geringste und demnach am gelindesten bestrafte vergehen. die richter sind an den strafantrag selbstverständlich nicht gebunden, da sie zuerst die schuldfrage absolut entscheiden und dann selbst abschätzen.10)Aristot. pag. 38. am deutlichsten wird das verfahren durch Platons Apologie. ihr urteil ist wie immer entscheidend und inappellabel.

Diebstahl, der in der griechischen terminologie von unterschlagung, auch an heiligem und öffentlichem gute, nicht unterschieden wird10)Aristot. pag. 38. am deutlichsten wird das verfahren durch Platons Apologie., und bestechung sind vergehen, die keineswegs bloſs von beamten begangen werden können, also auch nicht bloſs in den rechenschaftsprocessen ge - ahndet werden dürfen. insbesondere volksredner und richter sind der bestechung sehr ausgesetzt, daher gibt es eine besondere γϱαφὴ δώϱων, die bei den thesmotheten anhängig gemacht wird und bezeichnender weise neben der συκοφαντίας steht (Ar. 59, 3). diebstahl an öffent - lichem oder heiligem gute kann in der groben form auftreten, daſs ἀπα - γωγή möglich ist, es kann die ἀπογϱαφή gewählt werden; es hat aber ohne zweifel auch eine γϱαφή dafür gegeben, obwohl sie bei Aristoteles nicht vorkommt.11)Sie wird zu den klagen gehören, die cap. 59 fehlen, nämlich die der thes - motheten, für die kein succumbenzgeld eingezahlt wird. vgl. oben I 244. das würde die logik des rechtes fordern, auch wenn keine concreten fälle bekannt sein sollten.12)Demosthenes sagt zu Eubulos (19, 293) Κηφισοφῶντα γϱαφὴν ἱεϱῶν χϱη - μάτων ἐδίωκες εἰ τϱισὶν ὕστεϱον ἡμέϱαις ἐπὶ τὴν τϱάπεζαν ἔϑηκεν ἑπτὰ μνᾶς. das ist eigentlich nur ein amtsvergehn: dem schatze sind durch schuld des Kephi - sophon 3 tage zinsen entgangen. es ist also keine κλοπή, für die Lipsius Att. Pr. 445 die stelle anführt. die sache kann auch bei der εὔϑυνα anhängig gemacht sein. Antiph. tetr. 1, α, 6 fingirt eine anklage κλοπῆς ἱεϱῶν χϱημάτων, ohne zu aber der unterschied zwi -234II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.schen beamten, gewesenen beamten und privaten wird dadurch mindestens verdunkelt. gerade gegen beamte aber hat die der magistratur gegen - über immer argwöhnische attische verfassung andere wege, die rascher und wirksamer zum ziele führen. die meisten behörden die gelder ver - walten stehen unter ratscontrolle, so daſs aus dem rate heraus ein straf - antrag in der form eines vorurteils (κατάγνωσις) an die thesmotheten gehn kann. auch kann jeder bürger eine denuntiation (εἰσαγγελία) beim rate einreichen und so eine κατάγνωσις desselben provociren.13)Ar. 45, 2. eine solche εἰσαγγελία beim rate wegen unterschlagung durch beamte hatte der sprecher von Antiphons sechster rede eingereicht, 35. die wichtigsten behörden unterliegen in der hauptversammlung jeder pry - tanie der bestätigung (ἐπιχειϱοτονία), und wenn jemand durch erhebung einer beschwerde ihre suspension erwirkt, so kommt die sache vor ge - richt. endlich lieſsen sich alle schwereren fälle von unterschleif und bestechung durch eisangelie beim volke ahnden.

Wenn die gerichtsverhandlung vor den logisten vorbei ist, ist die rechnung gelegt: λόγος δέδοται. aber die rechenschaftsablage ist noch nicht erledigt. es folgt vielmehr die eigentliche εὔϑυνα. diese hat mit dem gelde zunächst nichts zu tun, richtet sich vielmehr auf die ganze ausübung der in dem amte liegenden macht. deshalb wird die rechnungs - legung auch von solchen gefordert, die keine εὔϑυνα leisten, z. b. dem rate des Areopages und dem der 500 für ihre geringen cassen, von den ἐπιμεληταί, d. h. den auſserordentlichen commissionen, den trierarchen u. dgl. umgekehrt kann die εὔϑυνα einem beamten, der gar kein geld verwaltet hat, noch sehr peinlich werden, z. b. den polizeibeamten, die unter dem rate stehen. ganz scharf unterscheidet Lysias 24, 26 οὔτε χϱήματα διαχειϱίσας τῆς πόλεως δίδωμι λόγον αὐτῶν, οὔτε ἀϱχὴν ἄϱξας οὐδεμίαν εὐϑύνας ὑπέχω νῦν αὐτῆς. in der überwiegenden menge von fällen fand aber beides statt, in der reihenfolge, die Lysias auch angibt. wir fragen nun nach der εὔϑυνα des beamten.

εὔϑυνα.Der rat hat aus jeder seiner phylen einen εὔϑυνος und zwei bei - sitzer ausgelost14)Daſs es ratsherren waren, konnte man bisher gar nicht ahnen. es folgt aus dem zusammenhang der aristotelischen darstellung. daſs man da nicht an ver - wirrung denke, erwäge man, daſs der λογιστὴς die ἡγεμονία δικαστηϱίου hat, der εὔϑυνος nicht., und diese müssen während der nächsten 3 tage nach12)bestimmen, ob der verklagte beamter war oder bei der εὔϑυνα belangt ward. Platon (Ges. XII anf. ) unterscheidet κλοπὴ δημοσίων χϱημάτων von dem gewöhnlichen diebstahl und setzt für bürger unter allen umständen den tod darauf. aber das ist sein gedanke und zeigt in nichts anschluſs an das wirkliche recht.235εὔϑυνα.der gerichtsverhandlung über den λόγος jedes beamten in den stunden des marktverkehrs15)So kann man ταῖς ἀγοϱαῖς nur verstehn, einmal wegen der kurzen frist von 3 tagen (30 könnte man die ratsherrn doch wirklich nicht entbehren), sodann weil die gewöhnliche bedeutung der phyletenekklesie nicht möglich ist, da die euthynen auf dem athenischen markte neben den eponymen sitzen, während die phylen natürlich bei ihrem phylenheros zusammenkommen, da wo ihr archiv ist. die lesung [γοϱ] αῖς muſs ich wie Kenyon als fast unzweifelhaft bezeichnen; εὐϑύναις hat nicht da gestanden und ist sachlich falsch; ἀναδικίαις erst recht. neben der statue ihres phylenheros sitzen und jede schriftlich von einem bürger eingereichte beschwerde gegen den beamten in empfang nehmen. der beschwerdeführer muſs sich nennen und selbst - verständlich, wenn es zur gerichtlichen verhandlung kommt, seine sache führen; er hat die verpflichtung den strafantrag zu stellen16)48, 4 γϱάψας εἰς πινάκιον λελευκωμένον τοὔνομα τό τε αὑτοῦ καὶ τὸ τοῦ φεύγοντος καὶ τὸ ἀδίκημ̕ τι ἂν ἐγκαλῇ καὶ τίμημα [πιγϱαφό] μενος. von dem letzten worte ist mir jetzt der erste buchstabe leidlich sicher auf dem facsimile, wie ihn Wyse nach Aisch. 1, 16 gefordert hatte. die formeln kehren wieder bei der φάσις Poll. 8, 47 ἐδίδοσαν ἐν γϱαμματείῳ γϱάψαντες τὴν φάσιν τά ϑ̕ ἑαυτῶν καὶ τὸ τοῦ κϱινομένου ὄνομα πϱοσγϱάψαντες καὶ τίμημα ἐπιγϱαψάμενοι. ob praesens oder aorist vorzuziehen sei, kann ich nicht sagen. in § 5 ist mir unfaſs - bar, wie Blaſs τοῖς κατὰ δήμ [ους τοῖς] τὴν φ., in der folgenden ϑεσμοϑέτα [ις ἀνα - γ] ϱάφει lesen will: das erste haben wir als zu lang, das zweite als zu kurz mit überlegung verworfen. dagegen hatte ich die notwendigkeit, in der vorletzten zeile des capitels mehr zu ergänzen, auch bemerkt und billige seine ergänzung πάλιν εἰσάγουσι [ταύτην τὴν ε] ὔϑυναν., für den keine schranke gesetzt ist (ὅτι χϱὴ παϑεῖν ἀποτεῖσαι). aber der euthynos ist nicht verpflichtet, jeder solchen beschwerde folge zu geben. er hat sie vielmehr zu prüfen, wozu ihm die beisitzer mitgegeben sind, und da er zu dieser prüfung einsicht mindestens in die acten der logisten bedarf, vor denen ja sehr vieles schon erledigt sein kann, so scheint es, daſs er sich mit den beisitzern zu dieser prüfung in die rechnungskammer der phyle begeben hat.17)Psephisma des Patrokleides 78 ὅσων εὔϑυναί τινές εἰσι κατεγνωσμέναι ἐν τοῖς λογιστηϱίοις ὑπὸ τᾶν εὐϑύνων καὶ τῶν παϱέδϱων, μήπω εἰσηγμέναι εἰς τὸ δικαστήϱιον γϱαφαί τινές εἰσι πεϱὶ τῶν εὐϑυνῶν. die ersten sind solche, gegen die beschwerden zwar von den euthynen angenommen sind, aber noch nicht weiter gegeben, die zweiten solche, gegen die beschwerden von den euthynen an die thesmotheten weiter gegeben sind, auch von diesen schon angenommen, aber noch nicht zur verhandlung gebracht. die vor den logisten verurteilten befinden sich vielleicht unter den ἄτιμοι vgl. anm. 9. die stelle stimmt also zu Aristoteles und wird erst jetzt ganz klar: so muſs man die erwähnung der λογιστήϱια im ein - klange mit ihm erläutern. führt diese prüfung zur annahme der beschwerde, so vermerkt er seine κατάγνωσις und gibt die privatsachen an die236II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.seiner phyle angehörigen mitglieder der demenrichter, die sie dann den ordnungsmäſsigen weg gehen lassen, so daſs also die bagatellsachen von ihnen kurzer hand entschieden werden, sonst zunächst ein schiedsrichter gesetzt wird. die öffentlichen sachen kommen den thesmotheten zu18)Diese stelle ist noch nicht erledigt, da Kenyon und Blaſs zu wenig, wir zu viel ergänzt zu haben scheinen. vgl. anm. 16, diese aber haben wieder das recht ungeeignete beschwerden ohne wei - teres unter den tisch fallen zu lassen. der so möglicherweise geschädigte beschwerdeführer konnte dann nur noch den weg der beschwerde gegen die thesmotheten beschreiten oder als bittflehender in der dafür be - stimmten volksversammlung vor dem volke auftreten. nehmen die thes - motheten aber die beschwerde an, so instruiren sie den proceſs, und erst mit dem erkenntnisse dieses gerichtes hat die sache ein ende, und ist der ὑπεύϑυνος frei von den beschränkungen seiner wartezeit19)Aisch. 3, 21. wie man sich denken soll, daſs Aischines drei jahre lang verhindert gewesen sein soll zu verreisen, zu testiren, eine weihung vorzunehmen und geld ins ausland zu bringen, weil sein proceſs verschleppt ward, ist mir unver - ständlich.: λόγον καὶ εὐϑύνας δέδωκεν.

In diesen formeln hat sich der unterschied der rechnunglegung vor dem gerichte und den rechnern einerseits, der correctur von amtsver - fehlungen auf grund der beschwerde beim corrector immer erhalten.20)Aisch. 3, 12 πϱὶν λόγον, πϱὶν εὐϑύνας δοῦναι. CIA II 444, 20 (vom jahre 164 / 3) πεϱὶ ἁπάντων ὧν ᾠκονόμηκεν ἀπενήνοχεν λόγους εἰς τὸ μητϱῷον καὶ πϱὸς τοὺς λογιστὰς καὶ τὰς εὐϑύνας δέδωκεν. Gorgias Palam. 28 ἐν ὑμῖν λόγον καὶ εὐϑύνας ὑπέχω τοῦ παϱοιχομένου βίου ist also nicht gut gesagt, denn von einem rechnunglegen ist bei Palamedes keine rede. wenn diese rede von Gorgias ist (was ich nicht wie bei der Helene mit zuversicht leugnen kann), so hat der ausländer eine attische rechtliche formel nicht ganz correct gebraucht. λόγον ὐπέχειν rede stehen für etwas, z. b. für eine behauptung die man hingeworfen hat, ist freilich gewöhnlich, aber das kann es neben εὐϑύνας ὑπέχειν nicht sein. daſs λόγον ὑπέχειν τοῦ βίου bei dem falschen Andokides 4, 37 steht, sei für den Palamedes noch bemerkt. die sprache läſst auch an sich keinen zweifel. λόγος λογιστής λογίζεσϑαι, λόγον ἐγγϱάφεσϑαι, ὑποσημαίνεσϑαι, das geht alles die schriftliche rechnung an. εὔϑυνος ist der, der die σκολιαὶ ϑέμιστες gerade macht, εὔϑυνα ist zunächst die procedur dieses gerademachens, doch nicht von seiten des correctors aus, sondern dessen, der sich der prüfung auf die geradheit unterzieht, εὔϑυναν δίδωσιν oder ὑπέχει; erst weil es meist zur ausgleichung des geldes bedarf, heiſst εὔϑυνα auch geldstrafe.

Aber eben so sehr war es unvermeidlich, daſs man die gesammte procedur, der ein abtretender beamter sich unterwerfen muſste, mit237εὔϑυνα.einem kurzen worte bezeichnete, und daſs sowol λόγον wie εὐϑύνας διδόναι im leben gesagt ward ohne das complement auszuschlieſsen, vollends aber für die befristung ἐπειδὰν τὰς εὐϑύνας δῷ stehend ward: das war ja der schluſsact.21)Doch findet sich natürlich auch ἐπειδὰν λόγον καὶ εὐϑύνας δῷ Aisch. 3, 11. wenn er in der formel notwendig vorwog, so tat es in der praxis eben so notwendig die erste gerichtsverhandlung vor den logisten. denn das war gleich die erste gelegenheit, wo der angriff losgehen konnte, da war mündliches verfahren, da saſsen die souveränen richter und lieſs sich schleunigst ein urteil erstreiten. wie sollte dem gegenüber der weitläufige instanzenzug des euthynenverfahrens reizen? die privaten mochten allerdings von ihm notgedrungen ge - brauch machen; davon hören wir kaum etwas. für die haupt - und staats - processe war der weg der eisangelie beim volke wirksamer und beliebter; nur selten mag jemand den vorteil, auch leibesstrafen beantragen zu können, durch die weiterungen des verfahrens bei dem euthynos er - kauft haben. man kann allerdings auch nicht verbürgen, daſs die Athener das recht sorgfältig gewahrt haben und nicht etwa auch in logistenver - handlungen strafanträge auf tod zugelassen oder gar zuerkannt haben, seitdem die amtsführung, nicht bloſs die rechnungsführung hineingezogen ward, wozu die buſsen ἀδικίου veranlassung boten. tatsache ist, daſs die meisten schweren anklagen im vierten jahrhundert durch eisangelie erhoben sind, die logisten manchmal erwähnt werden, die euthynen nur einmal, in einem volksbeschlusse, dessen antragsteller die alte formel nicht ohne unklarheit verwendet.22)CIA II 809b ἐὰν δέ τις μὴ ποήσει οἷς ἕκαστα πϱοστέτακται ἄϱχων ἰδιώτης κατὰ τόδε τὸ ψήφισμα, ὀφειλέτω μὴ ποήσας μυϱίας δϱαχμὰς ἱεϱὰς τῆι Ἀϑηνᾶι καὶ εὔϑυνος καὶ οἱ πάϱεδϱοι ἐπάναγκες αὐτῶν καταγιγνωσκόντων αὐτοὶ ὀφειλόντων. vorgeschrieben ist also, daſs der euthynos jede beschwerde un - bedingt annehmen muſs, also das recht der vorprüfung verliert. verständlich ist das auch erst durch das aristotelische capitel. wie ein privatmann beim euthynos denunzirt werden konnte, ist allerdings unverständlich. der ganze tenor klingt sehr archaisch, und die ganze coloniegründung, zu der dieses psephisma gehört, ist ein ausfluſs der lykurgischen restaurationspolitik. so dürfte auch hier die formel eben nur formel sein. aber die gesandtschaftsreden der beiden groſsen redner sind vielleicht vor den thesmotheten gehalten, also auf dem wege einer von Demosthenes (und vorher auch von Timarchos) eingereichten denuntiation bei dem euthynos. 23)Die landläufige ansicht, daſs die logisten vorsaſsen, ist mit Dem. 19, 211 nicht bewiesen: da steht nur, daſs Aischines vor den logisten das λόγον διδόναι der zweiten gesandschaft verhindern wollte, da sie ja schon εὐϑύνας δεδωκότες wären. die formeln werden so unterschieden. ob Aischines dann λόγον δέδωκε,

238II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.

Im fünften jahrhundert bestehen beide prüfungen in voller kraft neben einander24)Deutlich insbesondere das gesetz über die schatzmeister der andern götter CIA I 32 καὶ λόγον διδόντων πϱὸς τοὺς λογιστάς, καὶ εὐϑύνας διδόντων, καὶ ἐκ Παναϑηναὶων εἰς Παναϑήναια τὸν λόγον διδόντων. die etatsperiode ist vier - jährig: die εὔϑυνα natürlich jährig. CIA IV p. 63 (n. 34) ist von Schöll sicher hergestellt hόστις δ̕ ἂν λα τοῖν] ἀνάκοιν πϱότεϱον ἐγγϱ] αφόν - τον αὐτὸν hοι hι [εϱοποιοὶ , τοῖ] ν ἀνάκοιν εὐϑυνόσ [ϑον] μ [υϱίασι δϱαχμε̃σι hέκαστος· hο δὲ εὔϑυνος καὶ hο] ι πάϱhεδϱοι κατ [αγι] γνο [σκόντον αὐτο̃ ἐπάναγκες αὐτοὶ ὀφλόντων. die opfercommission ist bei strafe verpflichtet gegen einen zur zeit uns noch unbekannten beamten eine beschwerdeschrift bei dem euthynos ein - zureichen, und dieser darf sie nicht unberücksichtigt lassen., insbesondere sind der euthynos und seine beisitzer in lebhafter tätigkeit. aber die logisten haben daneben eine andere aufgabe, die lediglich rechnerische, wenn es gilt die quoten der tribute oder die zinsen der staatsanleihen u. dgl. zu berechnen.25)CIA I 32. 226 ffg. 273; 189b ist unverständlich. dem ent - sprechend ist ihre zahl nicht 10 sondern 30.26)CIA I 32, die berufenen οἱ λογισταὶ οἱ τϱιάκοντα οἵπεϱ νῦν u. ö. die ver - suche zwischen den 30 und den späteren 10 zu vermitteln sind alle gescheitert; es liegt auch gar keine veranlassung vor mehr zu wollen als die verminderung der zahl zu constatiren. es liegt in der natur23)läſst Demosthenes eben so unentschieden, wie beide über den vorsitzenden beamten schweigen. es ist kaum auszudenken, wie die logisten vorsitzen sollten: welche denn? die vom jahre des Themistokles oder die vom jahre des Pythodotos? da die logisten doch eine sachliche prüfung der rechnungen vornehmen sollen, ist bei ihnen die überweisung einer anhängigen sache an ihre nachfolger viel we - niger glaublich als bei lediglich formell tätigen gerichtsvorständen. wo bleiben auſserdem die synegoren? und da es sich um geld wirklich nicht handelte, konnte der λόγος des Aischines immer schon abgemacht sein, ohne daſs die hauptsache damit erledigt war. Demosthenes redet aber immer von tod und atimie als strafe, beide immer von εὔϑυναι, und man kann nur eine schriftlich formulirte an - klageschrift annehmen, wie man auch immer getan hat. im logistenproceſs fordert der herold zum reden auf, fällt die γϱαφή also fort. alles paſst also zu dem verfahren vor den thesmotheten auf grund einer beschwerdeschrift beim euthynos. aber immerhin wird der euthynos auch nirgend erwähnt, und man muſs überhaupt die reden ein par mal durchlesen und neun zehntel als ungehörig absondern, um sich den rechtsfall klar zu machen, und dann tut man etwas was weder richter noch redner gewollt noch getan haben. hier wie bei dem processe des Demosthenes 330 ist die verschleppung unverständlich, ist der rechtshandel ganz nebensache geworden. das politische duell geht um den einfluſs bei dem souverän, wie zwischen dem Paphlagonier und dem Wursthändler; und das oratorische duell um die gunst des publicums überwiegt alles andere. der rechtliche maſsstab (nach dem Demosthenes in beiden fällen unterliegen müſste) und der moralische (nach dem der tugendstolz des Aischines noch unerträglicher ist als die gehässigkeit des Demosthenes) sind beide unberechtigt, da sie den rednern und den richtern ganz fern gelegen haben.239εὔϑυνα. alter der beiden formen der rechenschaft.der ganzen finanzverwaltung, daſs sie diese arbeiten im auftrage des rates vornehmen27)CIA I 32 συναγωγῆς τῶν λογιστῶν βουλὴ αὐτοκϱάτωϱ ἔστω.: wie sollten sie auch anders zu den acten kommen, an wen anders die rechnungen abgeben? die gesammten finanzbehörden handeln ja nur im einverständnis und auf grund einer ermächtigung des rates, der allein initiative hat. daſs man 403 die zahl der logisten ver - ringerte, geschah in der richtigen einsicht, daſs sie auch nicht von fern so viel wie früher zu berechnen hatten; so giengen ja auch die schatz - meisterstellen der anderen götter ein.28)Über die zahl der συνήγοϱοι im fünften jahrhundert wissen wir nichts; sicher ist nur, daſs ihre stellung ebenfalls eine andere war als im vierten. von den veränderungen der späteren zeit ist noch bemerkenswert, daſs die rechnungen in duplo aus - zufertigen waren, und ein exemplar in das archiv kam. 29)Aisch. 3, 15 λόγον καὶ εὐϑύνας ἐγγϱάφειν πϱὸς τὸν γϱαμματέα καὶ τοὶς λογιστάς. CIA II 444 λόγον δέδωκεν εἰς τὸ μητϱῷον καὶ πϱὸς τοὶς λογιστάς. der schreiber hat eben die aufsicht im metroon. so kann denn der euthynos die acten im metroon eben so gut wie im logisterion einsehen, und selbst die verhandlung gegen Lykurg ist dort geführt. Ps. Plutarch vita Lyc. 842e. da sieht man die centralisation der archivverwaltung, sieht auch, daſs wirklich das metroon ratsarchiv gewesen und geblieben ist. nur ist zwischen rat und volk, also auch staat, kein unterschied. die archive der einzelnen beamten bestanden daneben und blieben be - stehn; nur kamen immer mehr documente, teils im original, teils in copien in das metroon. daſs die anklageschriften aufgehoben wurden und sich 600 jahre erhielten, glaube ich freilich einem Favorinus nicht.

Logisten und Euthynen gehören beide der groſsen zeit des attischenAlter der beiden for - men der rechen - schaft. demokratie an: wir können sie nicht für jünger als die kleisthenische organisation ansehen, kehren sie doch auch beide in der einzelgemeinde wieder.30)Wichtig würde CIA II 571 sein, wenn es sich ergänzen lieſse; es wird nach Aixone oder Ἁλαί gehören. τοὺς ταμίας τὸν λόγ [ον τῶν λημμάτων] καὶ τῶν ἀναλωμάτων ε εἰς] κιβωτὸν κατὰ τὸν μῆνα [ἕκαστον?] und später τὰς δὲ εὐϑύνας ἐν τῷ ὑστέϱῳ ἔτει πϱὸ [τῆς τοῦ ] ῶνος μηνός. und später ἐξοϱκούτω [δὲ δήμαϱχος τὸν εὔ] ϑυνον καὶ τοὺς πα [ϱέδϱους. da sind jeden - falls zwei acte, λόγος noch im amtsjahr; es scheint, daſs die rechnungen in eine kiste geworfen werden sollen, im neuen jahre die εὔϑυνα stattfindet. II 578 schwört der euthynos zu Myrrhinus gerecht zu schätzen: er hat also dazu wie der staatliche das recht. ihm ist verwehrt ἐξελεῖν τὴν δίκην, wenn nicht die majorität der zehn von der gemeinde gewählten männer in geheimer abstimmung sich dahin entschieden hat. das muſs also das verwerfen der beschwerde sein, die er aus dem kasten nimmt und damit cassirt. in Myrrhinus gibt es keine beisitzer; für sie tritt ein zehner - collegium ein; sie schwören ψηφιεῖσϑαι ἄν μοι δοκῆι δικαιότατα εἶναι: sie stehn also auch dem euthynos zur seite. beiläufig z. 25 scheint mir die corruptel eher so zu heilen πϱὶν ἂν δῶ [ι τὰς ἐ| (γγ) ύας als ε|ὐ (ϑύν) ας. in der constituirenden ver - und doch kommen sie dem modernen wie dubletten vor. es240II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.ist darum nötig, sich ihre stellung in dem organismus der verfassung klar zu machen.

Die finanzen der demokratie besorgt der rat; so weit beamte daran beteiligt sind, stehn sie unter ihm. die einnahmen des staates kommen in der gestalt von pachtgeldern ein, sind also fest und auf bestimmte termine fällig. der besitz des staates, die grundstücke, häuser, berg - werke u. s. w. sind verpachtet, ebenso die zölle und die steuern (wenig - stens alle beträchtlichen31)Ob nicht z. b. das ἀγοϱαστικόν direct von den steuerpflichtigen an die behörde gezahlt ward, stehe dahin., und diese verpachtungen besorgt zwar eine eigene behörde, die danach heiſst (πωληταί), aber es geschieht im rat - haus, unter assistenz, zuweilen sogar auf beschluſs des rates, und die con - tracte sind in der verwahrung des rates. die verpachtung des vom staate verwalteten kirchengutes wird zwar von dem könige selbständig besorgt; aber er übergibt dem rate den contract und hat weiter nichts damit zu schaffen; auch diese einnahme ist eine feste staatseinnahme.32)Es folgt, daſs dieses kirchengut einmal saecularisirt ist, indem der staat mit den einkünften die verpflichtung für die unterhaltung des cultes und seiner ge - bäude übernahm: CIA IV p. 66 flieſst allerdings das pachtgeld des Neleus u. s. w. auf dem umweg über die apodekten ungeschmälert in den schatz der andern götter; die unterhaltungskosten werden vorweg von der tempelcasse bestritten, die ohne zweifel auch andere einnahmen hatte (die umzäunung soll ἐκ τοῦ τεμένους besorgt werden). mit aufhebung jenes schatzes muſste das geld natürlich staatsgeld werden. ein über - schlag der sichern einnahmen ist also sehr gut möglich, ganz ebenso einer der laufenden ausgaben: also ein budget, und in gewissem sinne hat es in lykurgischer zeit wenigstens bestanden.33)Das folgt aus den festen posten der ausgabe, wie den κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῷ δήμῳ, oder den fünf talenten für die ἱεϱῶν ἐπισκευασταί, denen der einnahme, wie den δέκα τάλαντα τῶν ξένων, und aus dem πϱοσνομοϑετῆσαι als ausdruck für die creirung eines neuen postens unter den laufenden ausgaben. aber die geldver - waltung ist auch so organisirt, daſs sie sich einfach und sicher leisten lieſs. die zahlungen an den staat finden im rathause an wenigen be - stimmten terminen statt, die meisten in der neunten prytanie, mitte mai. 34)Das ist also die zeit, wo die neue ernte beginnt; es entspricht dem land - wirtschaftlichen rechnungsjahre bei uns, das mit johanni schlieſst: die grundlage für diese verhältnisse hat eben die wirtschaft der domänenpächter gebildet, und zwar als der landbau wesentlich in cerealien bestand.30)sammlung, wo der neue demarch die geschäfte übernimmt und die rechenschafts - beamten vereidigt, kann nicht wol die euthyna des alten demarchen schon perfect werden: aber bürgen kann er stellen, als ὑπεύϑυνος, wie in der verfassung Drakons. CIA I 2 von Skambonidai lehrt nichts besonderes; ein gemeindebeamter, der öffent - liches gut verwaltet, soll in bestimmter frist das angemessene an den euthynos abgeben.241Alter der beiden formen der rechenschaft.die vereinahmung besorgen die 10 einnehmer, ἀποδέκται, auf grund der contracte, die vorher im rate festgestellt sind. nun ist die casse voll; schon am folgenden tage wird sie geleert. denn da haben die einnehmer einen anschlag für die verteilung der gelder unter die beamten im rate vorzulegen und genehmigen zu lassen, wobei alle einzelnen monita berück - sichtigt werden können, nötigenfalls durch eine κατάγνωσις τῆς βουλῆς. sie würden hierzu nicht im stande sein, wenn nicht die forderungen der beamten vorlägen. aber diesen steht ein ratsausschuſs von 10 calcula - toren, λογισταί35)Ar. 48, 3. Lys. 30, 5 οἱ μὲν ἄλλοι τῆς αὑτῶν ἀϱχῆς κατὰ πϱυτανείαν λόγον ἀναφέϱουσι (früher falsch auf die epicheirotonie gedeutet). Poll. 8, 99. wenn derselbe 100 sagt οἱ δὲ εὔϑυνοι ἅσπεϱ οἱ πάϱεδϱοι τοῖς ἐννέα ἄϱχουσι πϱοσαι - ϱοῦνται, so sieht man noch die verwirrung, da ursprünglich gesagt war, daſs die euthynen ὣσπεϱ οἱ ϑ΄ ἄϱχοντες β΄ παϱέδϱους πϱοσαιϱοῦνται. was folgt οὗτοι δ̕ εἰσπϱάσσουσι καὶ τοὺς ἔχοντας ist bis zur sinnlosigkeit entstellt. schol. Plat. Ges. 12, 945 stammt aus dem vollständigeren Pollux oder aus seiner vorlage, ist aber um nichts besser εὔϑυνοί εἰσιν ἄϱχοντές τινες οἱ τὰς εὐϑύνας λαμβάνοντες παϱὰ τῶν ἀϱχόντων ὥσπεϱ καὶ οἱ λογισταί· καὶ πάϱεδϱοι ἐφ̕ ἑκάστῃ ἀϱχῇ (καὶ γὰϱ τῷ ἄϱ - χοντι εὔϑυνος ἦν καὶ πάϱεδϱος καὶ τῷ βασιλεῖ ὁμοίως καὶ τῷ πολεμάϱχῳ καὶ τοῖς ϑεσμοϑέταις. ) ἐκπϱάσσει δὲ εὔϑυνος ὅσα τῆς ἀϱχῆς πϱοστέτακται ὦφλόν τινες εἰς τὸ δημοσίον. daſs die πάϱεδϱοι der 3 archonten die ἐπιβολαί und was sonst die archonten rechtskräftig an buſsen verhängen konnten, beizutreiben hatten, ist an sich möglich; aber ein so verwirrtes zeugnis kann überhaupt nichts beweisen., zur seite, welche für sie die rechnungen führen, so daſs die bedürfnisse längst bekannt sind, übrigens zum teil durch ge - setze oder specielle zahlungsanweisungen vom volke vorab fixirt. so ist um den 20 Thargelion der groſse cassenumschlag in Athen. da kommen die steuerpächter und die bergwerkbesitzer, die domänenpächter und die staatsschuldner: sie alle müssen bar geld aufgetrieben haben, und ein gewaltiger schatz liegt an dem abend des zahlungstages der neunten prytanie im rathause. aber nur eine kurze nacht. schon am folgenden tage flieſst der strom wieder ab und verteilt sich unter das volk. jetzt bekommen die bauern, die das opfervieh gestellt haben, die steinmetzen, die die inschriftsteine geliefert haben, ihre bezahlung, handwerker und kaufleute, die für die einzelnen behörden tätig gewesen sind, werden befriedigt; man mag sich das weiter ausmalen. in kleineren verhält - nissen ist dasselbe an dem zahlungstage jeder prytanie der fall, wo auch viele gehälter und pensionen abgehoben sein müssen.36)Die invaliden und die staatspensionäre wie Peisitheides (CIA II 115b), von dem es ausdrücklich gesagt wird, haben so ihr auf den tag berechnetes geld er - halten. vermutlich doch auch die ratsherren und die bezahlten beamten, so weit sie ortsanwesend waren, insbesondere die subalternen, freie und sclaven. für in sehr sinn -v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 16242II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.fälliger weise hat sich dabei herausgestellt, ob der ordentliche etat des staates37)ἐγκύκλιος διοίκησις Ar. 43, 1. richtig ergänzt von Dittenberger in CIA II 117, 9. balancirte. ein staatsschatz wie im fünften jahrhundert bestand nicht mehr, wenn auch die staatsgelder bei der göttin deponirt waren.38)Ar. 44, 1. 47, 1. da der obmann des rates den schlüssel hat, so ist das anderes geld als die cassen für ϑεωϱικά und στϱατιωτικά. denn die reformen des Eubulos und Lykurgos haben diese vom rate emanzipirt. da die casse des zweiten seebundes keine besonderen verwalter hat, ist die scheidung von Reichs - und Staats - casse aufgegeben, die das fünfte jahrhundert in der guten zeit eingeführt, aber schon vor 411 der not weichend nicht mehr behauptet hatte. an seiner statt muſsten die cassen der spielgelder und der kriegsgelder die überschüsse aufnehmen oder das deficit decken.

Wer sich diesen geschäftsgang klar macht, muſs einsehen, daſs die behörden, die mit den staatsgeldern zu tun haben, allesammt sehr wenig zu besagen haben39)Die ταμίαι und ἑλληνοταμίαι des fünften jahrhunderts hatten so groſse schätze unter sich, daſs dadurch ihre bedeutung und insbesondere ihre verantwortung gröſser war. aber selbständiger sind sie gewiſs nicht gewesen; denn die demokraten vertrauten damals ihrem ausschusse, dem rate, vollkommen. und der initiative ermangeln. der rat ganz aus - schlieſslich ist für die finanzverwaltung verantwortlich. es ist also durch - aus berechtigt, daſs die beamten unter ihm stehn und beschwerden über sie während des jahres an ihn gehn (46, 2). es ist aber eben so not - wendig, daſs neben ihm eine unabhängige rechenkammer besteht, welche nach ablauf des jahres die ganze verwaltung prüft, aber natürlich über den ausschuſs des volkes nicht selbst entscheiden kann. dazu ist nur sein auftraggeber das volk competent, und es entscheidet in der ideellen vertretung seiner gesammtheit, die ein heliastisches gericht bildet. somit sind die logisten ein ganz unentbehrliches glied in dem organismus der ausgebildeten demokratie, die wir nach Kleisthenes nennen dürfen, einerlei ob sie 507 oder ein par jahr später ins leben gerufen sind.40)Daſs sie seit 454 die procente der wirklich eingegangenen tribute be - rechnet haben, kann man nicht bezweifeln. 462 / 1 erst ist der Areopag in seiner verwaltungstätigkeit beschränkt: nicht leicht würde man glauben, daſs die logisten in der zwischenzeit geschaffen wären. sie setzen36)die sehr starken bedürfnisse an heliasten und ekklesiastensold muſste freilich vor - sorge getroffen sein, daſs er täglich zur verfügung stand. das fünfte jahrhundert hatte für den ersteren, den es allein kannte, die aus unbekannten quellen gespeiste kolakretencasse, die selbst für bauten noch überschüsse abwarf. das vierte hat sie zu gunsten der allgemeinen staatscasse aufgehoben; woher und wie der richtersold gezahlt ward, wird aufklären, wer die reste des vierten τόμος ergänzen kann. wie die diobelie gezahlt ward, darüber vgl. das betreffende capitel.243Alter der beiden formen der rechenschaft. εὔϑυνα στϱατηγῶν.die ausgebildete volksherrschaft durch rat und gerichte voraus, setzen auch eine vollkommen schriftliche staatsverwaltung voraus: das wird man der themistokleischen zeit gern, schwerlich der solonischen zu - trauen.

Einen total verschiedenen charakter trägt die εὔϑυνα der beamten. daſs der beamte ὑπεύϑυνος ist, mandatar des souveränen volkswillens, darin liegt die herrschaft des volkes. dadurch hat Solon die demokratie begründet, und Aristoteles, der dies nachdrücklichst hervorhebt, erklärt die euthyna schlechthin für unerläſslich. aber er sagt nicht, wie sie von Solon angeordnet war. da tritt nun die schilderung der verhandlung vor dem euthynos ein. dieser mit seinen zwei beisitzern ist ein analogon des archons, der vor Solon das recht des εὐϑύνειν, des strafens hat. aber er ist ein mitglied des aus der sammtgemeinde durch das los auf praesentation der unterabteilungen ausgewählten rates. daſs wir bisher weder sicher wissen, in welcher weise vor Kleisthenes der rat aus den unterabteilungen der phylen besetzt ward, noch das zahlenverhältnis seiner ausschüsse und der phylenweise besetzten collegien kennen, beein - trächtigt die hauptsache nicht, daſs ein volksvertreter die prüfung der beschwerden über die abtretenden beamten für seine phyle vornimmt. und wenn wir auch nicht wissen, wie die civilklagen vor der einsetzung der demenrichter entschieden sind, so bleibt doch das für die solonische ordnung, daſs der euthynos die ihm billig scheinenden öffentlichen be - schwerden dem thesmotheten zur gerichtlichen verhandlung überweisen kann. mag auch der thesmothet noch das recht der abwerfung haben: bei einem starken druck des volkswillens konnte er dies recht nicht leicht ausüben, und damit war die sache vor dem volksgericht. gerade in den mannigfachen cautelen, welche noch die appellation an das gericht beschränken, erkennt man, daſs hier eine institution vorliegt, die so alt ist wie die demokratie; wie ja auch die procedur selbst höchst alter - tümlich ist. sehr begreiflich also, daſs das vierte jahrhundert den umweg scheute und die euthyna zu gunsten der anklage vor dem logistengerichte verkümmern lieſs. beschwerdeinstanz gegen die beamten ist in der ver - fassung Drakons der Areopag, und das ist er bis 462 geblieben; es liegt in seiner competenz der nomophylakie. das ergibt zwar für die zeit der zwei räte auch zwei beschwerdeinstanzen nebeneinander. aber deshalb ist es nicht unglaublich, im gegenteil, es ist eine notwendige folge davon, daſs neben den senat eine volksvertretung gesetzt war.

Ganz scharf hebt sich von diesem regelmäſsigen gange die rechen -εὔϑυνα στϱατη - γῶν. schaft der strategen ab, die von den thesmotheten vor gericht gebracht16*244II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.wird (59, 2).41)Ich ersetze mit dieser behandlung meine frühere, Kydath. 60; mein haupt - fehler war, die ἐπιχειϱοτονία für jung zu halten. was das bedeutet ist jetzt ganz klar. für dieses verant - wortungsvollste amt ist der umweg über den euthynos vermieden und generell verordnet, was in andern fällen durch die specielle bestimmung bewirkt wird, daſs der euthynos jede beschwerde annehmen und durch seine κατάγνωσις vor die thesmotheten bringen muſste. es ist auch der willkür der thesmotheten die niederschlagung einer beschwerde entrückt. das volk selbst εὐϑύνει, d. h. die heliasten die es vertreten. ob nun wie vor dem εὔϑυνος eine schriftliche beschwerde einzureichen war, ob münd - liche verhandlung auf heroldsruf wie vor den logisten, macht nichts aus; so viel ist sofort klar, daſs in diesem falle λόγος und εὔϑυνα einander so nahe berühren, daſs es eine doppelte verhandlung gegeben hätte, und wenn die Athener praktisch gewesen sind, so haben sie die logisten in diesem falle nicht bemüht, oder höchstens zum nachrechnen, aber dann würde man das eingreifen eines συνήγοϱος in solchen processen er - warten.

Der hunde - proceſs der Wespen.Wir kennen nur ein komisches bild einer στϱατηγῶν εὔϑυνα in dem hundeprocess der Wespen. daſs Laches von Kleon wegen erpressung belangt werden soll, sagt der chor 240, und der dichter hat so den process, den Philokleon in wahrheit versäumt, im spiele entscheidet, selbst angegeben. der process wird von Kleon geführt, den vorsitz hat der thesmothet (935), es handelt sich um κλοπή zu ungunsten des staates und besonders der flottensoldaten (917, 909), das vergehen ist schätzbar, und der unwillige richter ruft ich wollte, nicht mal schreiben hätte er gelernt, damit er nicht seine rechnungen gefälscht hätte, ἵνα μὴ κακουϱ - γῶν ἐνέγϱαφ̕ ἡμῖν τὸν λόγον, 961.42)Cobet decretirt freilich (Var. Lect. 104) corrige sodes ἔγϱαφεν pro ἐνέ - γϱαφ̕, nisi quid sit λόγον ἐγγϱάφειν in tali re expedire potes. und Meineke ist dem befehl gehorsam gewesen. andere werden sich wundern, daſs der hund ein logograph gewesen sein soll. was λόγον ἐγγϱάφειν bedeute, konnte Cobet z. b. aus Demosth. 24, 199 lernen. verstanden hat es allerdings auch der scholiast nicht, und dem ist sogar Droysen gefolgt. das ist also ein rechenschafts - process, aber mit einer anklageschrift und unter vorsitz des thesmo - theten.

Laches war feldherr 427 / 26, ist aber erst im frühjahr 425 heim - gekehrt. denn erst eine gesandschaft von dem sicilischen kriegsschauplatze, im winter 426 / 5, bewog die Athener verstärkungen dorthin abgehen zu lassen, und trotz der jahreszeit muſste Pythodoros wenigstens den Laches245Der hundeproceſs der Wespen. der proceſs des Perikles.sofort ablösen (Thuk. 3, 115). Laches verschwindet darauf für ein par jahre von der politischen bühne. man würde auch ohne Aristophanes annehmen, daſs er auf jene gesandtschaft hin in ungnade abberufen ist, und da diese nicht vor dem spätherbst 426 in Athen eingetroffen ist, so wird man schlieſsen, daſs Laches 426 / 5 zum strategen wiedergewählt, aber abgesetzt ward.43)Beloch (Att. Polit. 337), der sonst richtig urteilt, nur über die parteien, wie meistens, zu viel weiſs, läſst Laches über sein amtsjahr hinaus fungiren. ge - wiſs ist das möglich; aber dann würde man seine ablösung früher erwarten als im december. die apocheirotonie ergibt genau dasselbe ge - richtliche verfahren wie die euthyna der strategen, und jeder andere weg auch, der ein vorurteil des volkes herbeiführt. der πϱοστάτης τοῦ δήμου, der die sache im volke angeregt hatte, ist von diesem zum an - kläger ernannt, wie Perikles in dem analogen falle bei der εὔϑυνα des Kimon. nun dürfen wir mit zuversicht sagen, daſs Aristophanes, als er 423 die Wespen dichtete, den process von 425, der mit der freisprechung des Laches endete, vor augen hatte.44)Das führt weiter; die parodie des processes zwischen Kleon und Laches als hundeproceſs vor dem Φιλο-κλέων, der von Βδελυ-κλέων überlistet wird und so die gestrenge heliaea und den Kleon zugleich blamirt, ist die keimzelle der komoedie. Aristophanes hat sie 425 concipirt, in der zeit des lebhaften hasses wider Kleon, der in den namen noch durchbricht, im stücke sonst nicht mehr wirkt. damals hatte er keine zeit, die idee auszuführen, und als er es tat, in stark veränderter stimmung nach dem miserfolge der Wolken, ist alles vortrefflich ausgefallen was aus diesem keime gewachsen ist; alles andere ist ziemlich eilfertig angeflickt. für die analyse des gedichtes und die beurteilung der art, wie dieser dichter schuf, ist das exempel sehr belehrend. der gedanke soll bei anderer gelegenheit auch für andere seiner werke verwertet werden. für die rechenschaft der strategen ist übrigens die fiction des zeitgenössischen dichters genau so beweisend wie der einzelne reale fall.

Noch ein zweiter vielbehandelter proceſs kann nun völlig klar ge -Der proceſs des Perikles. stellt werden. 45)Über den process des Perikles haben erst Beloch (Att. Polit. 330) und Krech (de Cratero 86) mit richtiger beurteilung der überlieferung gehandelt. aber das juristische erheischt noch einige worte.Perikles ist 15 jahre hinter einander stratege gewesen. aber im sommer 430 brach unter dem eindrucke des zweiten einfalls der Peloponnesier und der pest sein einfluſs zusammen. er ward abgesetzt und das volk beriet über die behandlung seines processes. man zog ihn zur rechenschaft, εὐϑύνας ἐδίδου. in der versammlung stellte Δϱα - κοντίδης Λεωγόϱου Θοϱαιεύς46)Stratege 433, 2. Stahl Rh. M. 40, 439. den antrag, seine rechnungen sollten246II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.dem rate überwiesen werden; für den fall, daſs dieser eine κατάγνωσις ausspräche, sollte das gericht in besonders feierlicher weise auf der burg abstimmen.47)Krateros bei Plut. Per. 32 ψήφισμα κυϱοῦται Δϱ. γϱάψαντος, ὅπως οἱ λόγοι τῶν χϱημάτων ὑπὸ Πεϱικλέους εἰς τοὺς πϱυτάνεις ἀποτεϑεῖεν, οἱ δὲ δικα - σταὶ τὴν ψῆφον ἀπὸ τοῦ βωμοῦ φέϱοντες ἐν τῇ πόλει κϱίνοιεν. die sprache hat Plutarch abscheulich verdorben. daſs die prytanen mit den acten doch etwas tun müssen, also ein mittelglied zwischen den beiden handlungen weggelassen ist, ist eben so klar, wie daſs man jetzt die lücke ergänzen kann. den vorsitz würden wieder die thesmotheten gehabt haben. dieser teil des antrages fiel zu gunsten eines amendements von Hagnon, der 431 / 0 mit Perikles stratege gewesen war48)Ἅγνων δὲ τοῦτο μὲν ἀφεῖλε τοῦ ψηφίσματος, κϱίνεσϑαι δὲ τὴν δίκην ἔγϱαψεν ἐν δικασταῖς χιλίοις καὶ πεντακοσίοις, εἴτε κλοπῆς δώϱων εἴτ̕ ἀδικίου βούλοιτό τις ὀνομάζειν τὴν δίωξιν. das hat doch wol gelautet τὰ μὲν ἄλλα κα - ϑάπεϱ Δϱακοντίδης, κϱίνεσϑαι δὲ τὴν δίκην κτἑ., so daſs nur der gerichtshof anders constituirt ward, die κατάγνωσις des rates blieb (die ja vom volke vorab verordnet werden konnte). es ist ganz müſsig zu ventiliren, was für Perikles gün - stiger oder ungünstiger war. das zweite war in der ordnung, hielt sich an den normalen geschäftsgang, und war dem Perikles günstig, weil er nicht gestohlen hatte. Drakontides mag durch sein ausnahmegericht auch nichts anderes beabsichtigt haben als einen möglichst wahrhaften spruch der geschwornen; ob der für den an - geklagten günstig oder ungünstig ausfiel, hieng von dessen schuld ab, was Drakon - tides wünschte, nicht bloſs von seiner parteistellung, sondern auch von seiner beur - teilung der schuldfrage. daſs Hagnon 1500 (oder vielmehr 1501) richter beantragte, nicht bloſs 501, wie gewöhnlich war und hier durch eine bloſs von fern leicht scheinende conjectur hineingetragen werden soll, ist darin begründet, daſs ein beson - ders wichtiger fall vorliegt und ein noch viel weiter gehender antrag ersetzt wird. und jetzt durchsetzte, daſs die sache des Perikles einem besonders starken gerichte überwiesen wurde, vor dem die anträge auf κλοπή, δώϱων, ἀδικίου zu erheben wären: noch also lagen formulirte strafanträge nicht vor. so geschah es. es erfolgte die verurteilung wegen κλοπή.49)Plat. Gorg. 515e κλοπὴν αὐτοῦ κατεψηφίσαντο, ὀλίγου δὲ καὶ ϑανατου ἐτίμησαν, nämlich wenn sie strengere maſsregeln ergriffen hätten als den von Hagnon beantragten rechenschaftsproceſs. das unter - schlagene gut muſste also zehnfältig ersetzt werden. das ist geschehen50)Wenn Thukydides sagt χϱήμασιν ἐζημίωσαν, so sind wir verpflichtet zu glauben, daſs die strafe bezahlt worden ist: eine niederschlagung, wie sie bei Phormion ein par jahre später stattfand, hätte als deutliches zeichen der wetterwendischen volks - stimmung erwähnung gefunden. zu zahlen brauchte Perikles allerdings erst in der neunten prytanie, frühsommer 429. aber den anstand können wir ihm und seinen freunden schon zutrauen, daſs er den bettel sofort bezahlte. er selbst hatte freilich keine 50 talente, aber wie viele reichsstädte werden sich nicht beeifert haben, wie viele zahlungsfähige clienten wie Kephalos konnte er nicht aufbieten. es ist auch im gedächtnisse geblieben, daſs er gezahlt hat, denn der gar nicht verächtliche, bei,247Der proceſs des Perikles.also war die strafe erschwinglich. die angaben schwanken, 50 talente ist das höchste bezeugte51)Plut. 32 gibt als minimum 15, als maximum 50 an, also ist 80 bei Diodor 12, 45 schreibfehler, Π für Ν; denn das rechnen mit attischen ziffern, das Krech (p. 86) versucht, hat für diese handschriften und schriftsteller keine berechtigung. natürlich ist die höchste zahl mit nichten die glaubwürdigste., also war die unterschlagene summe höchstens auf 5 talente geschätzt, eine wahre lappalie für den leitenden staats - mann, der mit tausenden von talenten gewirtschaftet hatte. also war es ein moralischer sieg des Perikles, und wir begreifen, daſs er gleich darauf wieder zum strategen gewählt ward.

Den ruf der notorisch reinen hände hat Perikles behalten: wir verstehn jetzt, daſs es geschehen ist, gerade weil er diese buſse bezahlt hat. natürlich insinuirt Strepsiades mit εἰς τὸ δέον ἀπώλεσα die κλοπή, aber den heliasten hat εἰς τὸ δέον ἀνήλωσα bei dieser ver - handlung, wo es gesprochen ist, doch imponirt.52)Das apophthegma ist ächt, Aristophanes bezeugt es ja. aber wofür die 10 talente, über die Perikles keine nachweisungen hatte und die aussage verweigerte, wirklich verwandt waren, das getraut sich heute nur zu wissen, wer so kritiklos ist wie die athenischen philister, die an unterschlagung glaubten, oder zu der sorte histo - riker gehört, die alles wissen, wie Ephoros oder Duncker. gesprochen hat Perikles das wort natürlich in dem rechenschaftsproceſs, den er allein ausgehalten hat. so viel sah Theophrast wenigstens ein und erzählte daher von einer jährlichen sub - vention an die friedenspartei in Sparta weil die bestechung des Pleistoanax 445, von der man gewöhnlich erzählte, zu lange her war. die erinnerung, daſs es die rechenschaftsablage war, um die der jahrzehnte lang unge - prüfte stratege vor die richter treten muſste, ist nicht vergessen worden. 54)Plut. Alkib. 7, 2 u. ö.

Für die rechtliche beurteilung des processes ist es wichtig die chronologie festzustellen. das jahr des Euthydemos lief vom 3 august 431 bis zum 22 / 23 juli 430. die strategenwahlen für 430 / 29 muſsten in einer der vier letzten prytanien stattfinden. die Peloponnesier fielen sogleich mit sommers anfang ein und blieben 40 tage. während dieser zeit brach die pest aus, zog Perikles mit der flotte gegen den Peloponnes, kehrte heim, als jene wieder aus Attika fort waren, und sofort gieng mit dieser selben flotte Hagnon nach Poteidaia, trug in das belagerungs - heer die ansteckung und kehrte dann unverrichteter sache heim. diese expedition hatte wieder 40 tage gedauert. das war also 90 tage etwa nach sommers anfang: man wird doch nicht anders rechnen können50)Isokrates gebildete verfasser der zweiten rede gegen Aristogeiton (die ich im gegen - satze zu der ersten als wirklich gehalten anerkenne) bezeugt die zahlung (7); er nennt 50 talente.248II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.als am ende des attischen jahres, mitte juli, ja der jahreswechsel wird die rückkehr des Hagnon bestimmt haben. er ist in der versammlung gegenwärtig, die über Perikles berät. während dieser letzten drei monate des jahres kann die strategenwahl nicht wol stattgefunden haben, weder während der feind im lande stand, noch während die elite der mili - tärisch interessirten bürgerschaft im auslande war. verständigermaſsen muſste in kriegszeiten die wahl vor dem beginn der expeditionen ab - gehalten werden, zumal wenn ein feindlicher einfall in aussicht stand. dann ist sie aber 430 gehalten worden, ehe die pest ausbrach, ehe die landbevölkerung der laureotischen halbinsel durch die verwüstung ihrer felder erbittert war, in der stimmung des ersten kriegsjahres, und es ist ganz undenkbar, daſs Perikles nicht wiedergewählt wäre. der groll gegen ihn brach los, während Hagnon in Thrakien war. Thukydides erzählt das nachher, aber mit ἔτι δ̕ ἐστϱατήγει II 59 deutet er, dem ja doch die reihenfolge der ereignisse lebendig vor der seele steht, sein zurückgreifen an. nun erzählt er den versuch des Perikles, die volksstim - mung zu bändigen, wie sie ihm darauf in der groſsen politik folgten, aber doch nicht umhin konnten, ihn in geldbuſse zu nehmen, und οὐ πολλῷ ὕστεϱον zum strategen wieder wählten. es kann das nicht im frühjahr 429 geschehen sein: das wäre in einem leben, das nur nach monaten noch zählte (er starb um den 1 september 429), nicht οὐ πολλῷ ὕστεϱον. die zwischenzeit seiner ungnade und amtlosigkeit beläuft sich nur auf ein par monate. wenn er also für 430 / 29 gewählt war und für eben dasselbe jahr nachher wieder gewählt ward, so ist er ab - gesetzt oder besser suspendirt worden. und wie sollte auch sonst eine wiederwahl im jahre möglich sein, da doch keine stelle frei war noch frei gemacht werden konnte. wir werden also lediglich durch die zeit - rechnung zu demselben geführt wie durch die vorzüglichen nachrichten über die formen des processes: Perikles ist abgesetzt worden, ἀπεχειϱο - τονήϑη, in der letzten prytanie des Euthydemos oder in der ersten des Apollodoros. es kann auch bei dem jahreswechsel geschehen sein, wo doch irgend welche formen der erneuten übernahme auch für den continuirten magistrat bestanden haben müssen.

Der proceſs ist nicht die einfache rechnungslegung gewesen, denn das volk selbst hat seine form festgestellt. er ist auch keine eisangelie beim volke gewesen, denn dann hätte ein kläger und eine formulirte anklage da sein müssen55)Den kläger, der nachher vor den heliasten auftrat, konnte Plutarch bei Krateros (cap. 32) nicht finden. er nennt cap. 35 Kleon, nach Idomeneus: der kommt, während das volk die verschiedenen anklagen249Der proceſs des Perikles. εὔϑυνα στϱατηγῶν.des logistenprocesses frei läſst. so bleibt nur das eingreifen des souveräns gegen seinen vertrauensmann. wenn das volk den Perikles nicht mehr zum strategen haben wollte, ihn für seine leiden verantwortlich machte, ihn sie büſsen lassen wollte, so war das ein unwiderstehlicher drang: der minister muſste fallen. aber dieser minister war ein ordnungsmäſsig für ein weiteres jahr gewählter beamter; der lieſs sich nicht so leicht wie ein minister beseitigen. da half nur amtsentsetzung, eine ausnahme - maſsregel, und das genügte weder der volkswut noch dem selbstgefühle des Perikles noch der gerechtigkeit besonnener verfassungsfreunde. das gericht muſste sprechen. aber worüber? wo kein kläger ist, ist kein richter. nach εὔϑυνα rief man, εὔϑυνα erhielt man, sogar λόγος und εὔϑυνα zugleich. aber die εὔϑυνα des strategen ist eine hoch - politische action, und der hochpolitische angriff gegen den strategen wird in die formen der euthyna gekleidet. 56)In folge der späteren redeweise ist nicht immer gut zu unterscheiden, was wirklich euthyna war. doch nennt so Aristoteles 27, 1 die anklage des Kimon durch Perikles, Plutarch (Per. 10. Kim. 14) redet von πϱοβολή und bezeichnet Perikles als einen der drei vom volke bestimmten συνήγοϱοι. das ist sehr glaublich und stammt wahrscheinlich von Stesimbrotos, da eine hämische anekdote anklebt. der verlauf ist dem processe des Perikles ganz analog zu denken. natürlich existiren daneben capitalprocesse (wol εἰσαγγελίαι) πϱοδοσίας wie gegen Thukydides, Pytho - doros der Isolochos sohn, und gar der der Arginusen.

Es muſs jetzt, wo man bei Aristoteles gelernt hat, daſs für alleεὔϑυνα στϱατη - γᾶν. magistrate mit ausnahme der officierstellen die iteration verboten war, noch viel bedeutsamer erscheinen, als es zuvor für jeden der fähigkeit und guten willen zum denken hatte schon war, daſs die strategie wie alle militärischen ämter continuirt werden kann. damit ist die rechen - schaftsablage tatsächlich hinausgeschoben, so lange die volksgunst dem strategen bleibt. denn es ist weder rechtlich noch praktisch möglich, daſs der stratege, dessen amt vom skirophorion in den hekatombaion55)nicht in betracht, denn er ist aus den versen des Hermippos (cap. 33) vorschnell erschlossen; Simmias, nach Theophrast, Lakrateides, (den Eumolpidan, oben s. 82) nach dem Pontiker Herakleides. es können ganz gut mehrere, z. b. als συνήγοϱοι beteiligt gewesen sein. aber bezeichnend ist, daſs kein namhafter politiker es ge - wagt hat, den Perikles des diebstahls zu zeihen. was Ephoros und die neueren von den parteien erzählen, ist zum gröſsten teile falsch oder ganz ungewiſs. ins - besondere die angebliche pfaffenpartei, die über die Propylaeen entrüstet gewesen sein soll, verträgt eine ruhige prüfung kaum. mit den Eumolpiden hat Perikles schwerlich feindlich gestanden; wir kennen unter den wenigen authentischen worten von ihm eins voll ehrfurcht über die ἄγϱαφα Εὐμολπιδῶν, Ps. Lysias (Meletos) gegen Andok. 10.250II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.übergeht, statt vor den feind vor die heliasten zöge. darum hat man die strategen von der gewöhnlichen verpflichtung, λόγος und εὔϑυνα zu praestiren, ein für alle mal befreit. mit dem rate stehen sie so wie so nicht in verbindung; sie erhalten ihre zahlungen direct aus den cassen, verausgaben sie auſser landes, unter verhältnissen, die jede specificirte rechnungsführung ausschlieſsen. und für die militärische disciplin ist das alte Athen auch nicht unempfindlich gewesen; zumal da phyle und regiment zwei concentrische kreise sind, wäre es anstöſsig gewesen, daſs drei ratsmitglieder einen ausschuſs bildeten und über die beschwerden jedes trainknechts gegen den general ein vorurteil abgäben. also weder logisten noch euthynen für die strategen. um so weniger dürfen sie tyrannen, ἀνυπεύϑυνοι, werden. daher die εὔϑυνα vor den thesmotheten, aber auch diese erst, wenn der rechenschaftspflichtige nicht mehr im amte ist. das gibt verzögerungen; aber die wichtigen cassenbeamten, ταμίαι τῆς ϑεοῦ und τῶν ἄλλων ϑεῶν geben ja auch ihre rechnungen nur in vierjährigen perioden ab, obwol die collegien jährlich ohne iteration wechseln. es ist auch unvermeidlich, daſs der λόγος zurücktritt: die thesmotheten haben keine συνήγοϱοι. und leicht vermutet man, daſs diese ordnung ihre wurzeln in der zeit hat, wo die strategen noch nicht die politischen executivbeamten waren, dafür aber die logisten noch nicht bestanden.57)Wir erreichen zwar die zeit, wo die strategen nicht den oberbefehl haben, aber nicht die, wo die aushebung ihnen fehlt. damals mögen die archonten wirklich die controlle über die strategen gehabt haben, deren rechen - schaft so bedeutungslos war wie später die der taxiarchen.58)Von den hipparchen möchte man annehmen, daſs sie in allem den stra - tegen gleichgestellt waren, auch in der rechenschaftsablegung. weil sie wenig für das ganze bedeuteten, wissen wir darüber nichts. aber diese zeit liegt für uns im nebel. um so deutlicher ist der praktische erfolg: die euthyna der strategen ist ohne bedeutung, wenn die leute keine führenden politiker sind; sind sie es aber, so wird sie jedesmal zu einem groſsen proceſs. sie ist nicht die ursache der politischen systemwechsel, aber sie bietet die gelegenheit zum austrage von politischen kämpfen, ähnlich wie der ostrakismos. das was in parlamentarisch regierten ländern jetzt die vertrauensfrage ist, ist die epicheirotonie noch mehr als die wahlen. aber in der entscheidung des souveränen gerichtes liegt eine möglichkeit, sowol die übereilungen der abstimmung des plenums gut zu machen, wie den gestürzten politiker durch atimie auf immer zu beseitigen.

Das vierte jahrhundert ändert rechtlich nichts, aber die demagogen,251εὔϑυνα στϱατηγῶν.die trotz allen gesetzlichen cautelen (συκοφαντίας, ἀπάτης τοῦ δήμου, ἑταιϱήσεως, παϱανόμων, εἰσαγγελία ῥητόϱων) ziemlich unverantwortlich bleiben, reiſsen das regiment an sich. ein teil der strategen sind con - dottieri, ein anderer friedliche verwaltungsbeamte, die sehr gut unter ratscontrolle gestellt werden könnten und λόγος und εὔϑυνα liefern wie die andern beamten. da auch bei diesen allen die εὔϑυνα vor dem λόγος zurücktrat, so wird der unwesentliche unterschied allein geblieben sein, daſs für die strategen der vorsitz des rechenschaftsgerichts bei den thesmotheten statt bei den logisten stand: das schwert, das die Timotheos und Iphikrates schlieſslich fällte, war jetzt die eisangelie. aber die be - zeichnung als εὔϑυνα στϱατηγῶν ist misbräuchlich auch diesen processen beigelegt59)So nennt Isokrates 15, 129 den berühmten proceſs des Timotheos und genossen vom jahre 355 εὔϑυναι, während es notorisch ein eisangelieproceſs war.: sachlich war diese richterliche entscheidung unter vorsitz der thesmotheten von der verfassungsmäſsigen εὔϑυνα στϱατηγῶν, die dieselben ausübten, wirklich kaum verschieden.

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13. ΠΡΟΧΕΙΡΟΤΟΝΙΑ.

Die verteilung der geschäfte auf die vier volksversammlungen, die es zu Aristoteles zeit gab, läſst deutlich erkennen, daſs die solonische ordnung nur eine regelmäſsige, die κυϱία, gekannt hat. wie viel es damals im jahre waren, ist unbekannt, weil wir das analogon der prytanien nicht kennen. seit Kleisthenes waren es zehn. zehnmal also kam die souveräne bürgerschaft zusammen, bestätigte ihre beamten, wenn sie mit ihnen zufrieden war, beriet die für die verpflegung und die sicher - heit des landes zu treffenden maſsregeln, nahm die denuntiationen über hochverrat und sonstige majestätsverbrechen entgegen, lieſs sich über die veränderungen im besitzstande ihrer mitglieder unterrichten, welche grundstücke durch confiscation dem souverän zugefallen waren, welche durch todesfälle vacant geworden des rechtmäſsigen erben harrten und entschied schlieſslich über denuntiationen gegen bürger, die das ver - trauen des souveräns verwirkt oder getäuscht hatten (43, 4 5). damit ist erschöpft, was der souverän regelmäſsig zu erledigen hat. hinzu - kommt die versammlung für die wahlen, für die dem rate ein terminus ante quem non in der siebenten prytanie gesetzt ist; das nähere steht bei diesem, weil ein günstiger tag für dieses wichtige geschäft gewählt werden muſs (44, 4). es hat ferner jeder bürger das recht, vor die gesammtheit zu bringen, was er auf dem herzen hat; doch ist dafür die form beliebt, daſs er als bittflehender das gesuch stellt. diesem muſs innerhalb jeder prytanie einmal folge gegeben und dafür eine besondere versammlung berufen werden, natürlich vom rate, der die gesuche also gesammelt haben muſs. darin liegt, daſs diese versammlung keine regelmäſsige ist, sondern nach bedürfnis ausgeschrieben wird. das geschieht auch im übrigen, so oft stoff zu verhandlungen vorhanden ist, insbesondere mitteilungen fremder staaten durch herolde oder ge - sandte vom rate vor das volk gebracht werden müssen. das ist alles nicht mit sicherheit im voraus zu übersehen.

253II. 13. Πϱοχειϱοτονία.

Die geschäftsordnung, wie sie Aristoteles gibt (43, 4 6), läſst diese solonische oder besser kleisthenische ordnung noch ganz klar er - kennen; selbst die längst obsolet gewordene vorfrage nach dem scherben - gerichte war auf dem papiere erhalten. geändert ist nur, daſs in anbe - tracht der regelmäſsigen geschäftslast auſser der κυϱία ἐκκλησία noch drei versammlungen für die prytanie gesetzlich vorgeschrieben sind, von denen für eine die verhandlung über die bittgesuche allein als not - wendiger gegenstand der verhandlung auf der tagesordnung steht, für die beiden andern ist die ganze tagesordnung dem belieben des vor - sitzenden frei gegeben, da heiliges und profanes und verhandlung mit herolden und gesandten alles mögliche umfaſst. in wahrheit sind auch bittgesuche kaum noch vorgekommen; der rat hatte also auch die zweite versammlung frei zu seiner verfügung. denn die geschäftsordnung schrieb nur vor, was behandelt werden sollte, schloſs aber damit nichts aus. die steine lehren bekanntlich, daſs man die drei versammlungen zweiter ordnung gar nicht in der terminologie unterschieden hat, da - gegen in der κυϱία auch alles mögliche verhandelt, was nicht unter die rubriken ihrer geschäftsordnung fällt, selbstverständlich nachdem deren gegenstände erledigt waren. die durch religiöse rücksichten ge - forderten sitzungen nach den groſsen festen, Dionysien, Mysterien, doch wol auch Panathenaeen, die sicherlich zunächst über diese bestimmten gegenstände zu verhandeln hatten, sind von Aristoteles seiner gewohnheit gemäſs übergangen, weil nur das religiöse an ihnen etwas besonderes war. die steine haben auſserdem gelehrt, daſs der rat völlig frei war, in welcher ordnung er die versammlungen einer prytanie anberaumen wollte, dagegen bestimmte tage der prytanie fast regelmäſsig versamm - lungstage des volkes waren, während bestimmte monatstage aus religiösen rücksichten frei zu bleiben pflegten. 1)Die vortreffliche arbeit von Reusch (de dieb. contion. ordinar. ) verdient bereits einen nachtrag aus dem zugewachsenen materiale.

Die aufstellung der tagesordnung ist ausschlieſslich sache des rates, soweit nicht das volk ihm vorher gesetzliche weisung erteilt hat. das sehen wir in verschiedenster weise geschehen. bald wird er angewiesen, eine sache in der nächsten sitzung vorzubringen, bald wird einem künftigen prytanencollegium diese weisung gegeben, bald wird ein gegen - stand oder der noch unbekannte antrag einer person einmal oder für alle zeit unter die bevorzugten der geschäftsordnung eingereiht, so daſs darüber verhandelt wird ἐν τοῖς ἱεϱοῖς, εὐϑὺς μετὰ τὰ ἱεϱά, oder er254II. 13. Πϱοχειϱοτονία.wird auf die verhandlung der κυϱία gleich zu anfang der sitzung ge - schoben, ταῦτα δὲ εἶναι εἰς φυλακὴν τῆς χώϱας, u. dgl. m. für diese ziemlich allbekannten dinge lehrt Aristoteles nichts neues. wol aber erfahren wir hier, wie man dem misstande vorbeugte, daſs durch diese bevorzugungen und durch die sonstige freiheit des rates in der aufstellung der tagesordnung einzelne gegenstände zwar regelmäſsig hinten auf dem programme figurirten, aber niemals zur erledigung kamen. es war nämlich vorgesehen, daſs in den versammlungen 3 und 4 von den drei kategorien der heiligen, auswärtigen und profanen gegen - stände je drei nummern2)Es ist möglich, daſs die schematische dreizahl für alle kategorien beliebt ward, aber dann war man gegen die eigentlichen laufenden geschäfte der verwal - tung, die ὅσια, sehr unbillig. nun steht über τϱία δ̕ ὁσίων in der handschrift συϱακοσίων; ich kann das nicht für eine entstellung dieser einfachen worte an - sehen, komme also immer auf die vermutung zurück, daſs vielmehr die variante τέσσαϱα δ̕ ὁσίων zu grunde liege. in dieser reihenfolge erledigt werden sollten. wenn danach noch zeit war, mochten die vorsitzenden und das volk weiter sehen.3)Das volk wird aber wol meistens nach dem schlusse gerufen haben: sie hatten sich ihren tagessold abverdient. die bestimmung, daſs neun gegenstände erledigt werden sollten, hatte auch als minimum wert: so viel wenigstens sollte der demos für seine diaeten leisten. nun fragte es sich, welche nummern aus dem programme, das gleichzeitig mit der berufung der sitzung veröffentlicht ward, zur ver - handlung ausgewählt werden sollten. wenn das nach der reihenfolge gieng, die ihnen der rat auf dem programme gegeben hatte, so stand jede bevorzugung oder verschleppung ganz in dessen hand. dem steuerte die einführung einer debatte über die geschäftsordnung. das volk wählte die nummern selbst durch einen vorbeschluſs aus. Aristoteles, der sehr kurz, aber für die erfahrenen leser verständlich redet, erwähnt diese vorabstimmung nur in der sarkastischen bemerkung sie verhandeln aber auch manchmal ohne vorabstimmung. ihm liegt daran, die gesetzesver - letzung zu notiren; wir entnehmen aus der ausnahme die regel, die er in seiner compilation unterdrückt hat.

Die πϱοχειϱοτονία erwähnt Aischines 1, 23 in einer schilderung des gesetzlichen verlaufes der volksversammlung wenn das volk durch die herumtragung des opfers entsühnt ist und der herold fluch und255II. 13. Πϱοχειϱοτονία.segen gesprochen hat, dann müssen die vorsitzenden die vorabstim - mung vornehmen πεϱὶ ἱεϱῶν τῶν πατϱίων4)πεϱὶ τῶν ἱεϱῶν hat der Coislinianus; der artikel ist falsch, da es sich nicht um bestimmte ἱεϱά handelt, bestimmt ist nur, daſs sie πάτϱια sind. ein antrag im interesse der Isis oder der kitischen Urania genieſst nicht die bevorzugung. die ge - ringeren handschriften haben in diesem falle recht. καὶ κήϱυξι καὶ πϱεσβείαις καὶ ὁσίων und dann wird die debatte eröffnet. die stelle ist unmittelbar verständlich. erst feststellung der tagesordnung, dann debatte. die drei kategorien der gegenstände und ihre reihenfolge stimmen genau zu Aristoteles.

In ähnlicher weise, um die ganz gesetzmäſsige behandlung einer be - stimmten sache darzulegen, erwähnt Demosthenes 24, 11 die procheirotonie. es ist durch volksbeschluſs eine auſserordentliche commission eingesetzt, bei der denuntiationen eingereicht werden sollen gegen solche, die dem staate geld hinterzogen haben. Euktemon macht eine solche meldung, es kommt vor den rat5)Die ζητηταί sind also nicht in der lage selbst mit dem volke zu verkehren (das versteht sich von selbst), aber sie können auch nicht einmal selbst eine unter - suchung führen: der rat hat sowol als finanz - wie als polizeibehörde mitzuwirken, nur verlangt das volk, selbst zu entscheiden. es verletzt die verfassungsmäſsige mitwirkung des rates nicht, aber es eludirt sie. der ratsantrag hat gelautet: πϱοσαγαγεῖν Εὐκτήμονα πϱὸς τὸν δῆμον εἰς τὴν ἐπιοῦσαν ἐκκλησίαν, τὸν δὲ δῆμον ἀκούσαντα Εὐκτήμονος βουλεύσασϑαι ὅτι ἂν αὐτᾷ δοκῇ ἄϱιστον εἶναι., der rat setzt seine meldung auf die tagesordnung, eine versammlung wird berufen, das volk beschlieſst durch vorabstimmung den gegenstand zu behandeln (πϱοὐχειϱοτόνησεν δῆμος), Euktemon bringt seine anzeige vor u. s. w. die absicht des redners ist ausschlieſs - lich darauf gerichtet, den eindruck der peinlichsten genauigkeit zu er - wecken, daher verweilt er bei jeder station, die ein antrag zu passiren hat, nicht weil auf sie in diesem falle etwas besonderes ankäme, sondern zum beweise, daſs keine überschlagen ist.

Die dritte stelle besitzen wir nicht mehr selbst, sondern lesen nur bei Harpokration πϱοχειϱοτονία · ἔοικεν Ἀϑήνησι τοιοῦτό τι γίνεσϑαι ·〈…〉〈…〉 πόταν τῆς βουλῆς πϱοβουλευσάσης εἰσφέϱηται εἰς τὸν δῆμον γνώμη, πϱότεϱον γίνεται χειϱοτονία ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ πότεϱον δοκεῖ πεϱὶ τῶν βουλευϑέντων σκέψασϑαι τὸν δῆμον ἀϱκεῖ τὸ πϱο - βούλευμα. ταῦτα δ̕ ὑποσημαίνεται ἐν τῷ Λυσίου πϱὸς τὴν Μειξι - δήμου γϱαφήν. die erklärung ist unsinnig, denn darum dreht sich die debatte jedesmal, ob man es bei dem ratsantrage bewenden lassen will oder nicht. aber die debatte dreht sich darum, nicht eine bloſse χειϱοτονία oder gar πϱοχειϱοτονία. der grammatiker hat seine mit aller reserve vorgetragene deutung darauf aufgebaut, daſs Lysias den antrag des Meixi - demides für ungesetzlich erklärte, weil ihn die prytanen ohne πϱοχει - ϱοτονία zur abstimmung gebracht hatten. man kann sich sehr gut denken, wie dann ein solches misverständnis entstehen konnte.

256II. 13. Πϱοχειϱοτονία.

Das sind die erwähnungen der procheirotonie. sie erledigen sich nun leicht. in das fünfte jahrhundert führen sie nicht hinein. in dem verfassungsentwurfe der 400 wird die geschäftsordnung für die versamm - lung bestimmt, die kategorien sind dieselben, ihre ordnung auch, aber innerhalb derselben entscheidet das los über die reihenfolge der gegen - stände, deren zahl nicht beschränkt ist (30, 5). für die demokratie ist anzunehmen, zumal in hinblick auf die klagen des oligarchen der πολι - τεία Αϑηναίων, daſs der rat die reihenfolge und zahl der gegenstände feststellte. die procheirotonie ist also eine institution der restaurirten demokratie; die Lysiasrede ist frühestens ende der neunziger jahre ge - halten.

Aber ein praecedens gab es allerdings, die vorabstimmung der sechsten prytanie, ob ein ostrakismos stattfinden sollte oder nicht. das hat M. H. E. Meier verführt, den passendsten namen πϱοχειϱοτονία durch conjectur im lexicon von Cambridge einzusetzen, wo die Aristotelesstelle 43, 5 citiert war, und wir haben durch meine nachläſsigkeit diese con - jectur als überlieferung angesehen und danach geändert. obwol es rechtlich eine procheirotonie war, dürfen wir doch nicht die spätere terminologie für die zeit des Kleisthenes fordern, können das überlieferte ἐπιχειϱοτονίαν abstimmung, ohne frage in dem sinne debattenlose abstimmung gelten lassen, sehen dann aber um so deutlicher, daſs die procheirotonie eine spätere institution ist.

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DRITTES BUCH. Beilagen.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 17[258][259]

1. DIE PHRATRIE DER DEMOTIONIDEN.

Ich möchte nicht die ganze urkunde zum abdruck bringen, die uns allein einen einblick in das leben einer phratrie gewährt, bin aber über - zeugt, daſs die erklärer deshalb nicht richtige folgerungen gezogen haben, weil sie die urkunde aus den meinungen über die phratrien erklärt haben, die doch alle ungewiſs sind, statt dies wie jedes schriftstück erst aus sich zu erklären. ich bitte also den leser, meine paraphrase selbst zu con - trolliren, indem er den text zur hand nimmt. 1)Majuskelpublication des zweiten teiles von Pantazidis Ἐφ. ἀϱχ. 88, 1. an ein par stellen (67. 79) berichtigt von Lolling Δελτ. 88, 161, der das letzte pse - phisma vollständiger gibt. der früher schon bekannte erste teil steht schon CIA II 841b.

Der stein stand in Dekeleia vor dem altar des Zeus phratrios (65. 1).Paraphrase der ur - kunde. er enthält zuerst den tarif für die beiden opfer, die für die anmeldung und einführung eines mitgliedes in die bruderschaft zu leisten sind, d. h. den anteil, den der priester erhält. darauf die überschrift beschluſs der brüder unter dem archon Phormion, bruderschaftsvorsteher Panta - kles.2)Man erwarte nicht den namen der bruderschaft: ἔδοξεν τοῖς φυλέταις, δη - μόταις ist die regel. so sagt auch die demokratie ἔδοξεν τῷ δήμῳ: die alte weise war gewesen ϑέσμια τάδε Ἀϑηναίοις. genaure praescripta fehlen, es muſs also dahin stehn, ob der beschluſs in der einmaligen ordentlichen versammlung (ἀγοϱά) der bruder - schaft an den Apaturien stattgefunden hat, oder auſserordentlich. auch ist nicht bezeichnet, wie weit das folgende zu demselben beschluſse von 396 gehört; das letzte gesetz (von 113 ab) ist der schrift und ortho - graphie nach mehrere jahrzehnte jünger. es ist auch durch alinea ge - trennt. da das alles für die beiden andern nicht gilt, auch die identität des steinmetzen von Lolling angemerkt wird, so muſs ich alles für gleich -17*260III. 1. Die phratrie der Demotioniden.zeitig halten. unter dieser voraussetzung werde ich interpretiren; es verschlägt wenig, wenn es doch ein späterer beschluſs sein sollte, da er nur ganz kurze zeit später fallen könnte.

Hierokles beantragt 1) sofort soll eine abstimmung der brüder in feierlicher form über alle statt finden, deren bruderrecht noch nicht nach dem gesetze der Demotioniden festgestellt ist, und die sich doch als brüder gerirt haben. wer verurteilt wird, scheidet aus, sein name wird im album gelöscht, sowol im originale wie in der controllabschrift3)Wer die copie hat und wo sie liegt, wuſsten die brüder; wir können es nicht erraten. natürlich war sie zur controlle des beamten da, wie so oft ein schreiber ἀντιγϱάφεται, testamente συμβόλαια u. dgl. in duplo ausgefertigt werden., und der bruder der ihn eingeführt hat, wird mit 100 dr. in strafe genommen, für deren beitreibung der priester und der brudermeister haften (12 26). diese energische maſsregel ist sofort vollzogen worden. die abstimmung geschieht durch die ganze bruderschaft endgiltig, wo - bei dahingestellt bleiben muſs, wie viele vorverhandlungen gespielt haben; sicherlich nicht wenige. jede moderne erklärung ist ohne weiteres hin - fällig, die diese ausnahmemaſsregel mit den folgenden dauernden in - stitutionen vermischt. 2) für die zukunft vom jahre Phormions ab (45) soll die prüfung jedesmal im nächsten jahre nach der einführung eines bruders statt finden (die durch das opfer κούϱειον geschieht). die abstimmung soll so erfolgen, daſs die stimmsteine vom altar genommen werden (26 29). daraus ergibt sich, daſs die abstimmung in Dekeleia stattfinden wird, und daſs für sie als novum diejenige feierliche form eingeführt wird, die diesesmal ausnahmsweise verordnet war. aber die abstimmung selbst war kein novum und sie wird durch den zusatz einer neuen ceremonie nicht beeinträchtigt. nur hat es der antrag - steller nicht nötig sie zu beschreiben, läſst vielmehr zu φέϱειν (29) das subject fort, so daſs ungesagt bleibt, wer in diesem falle abstimmt: der vorige ausnahmefall kann dafür nichts lehren. der antragsteller setzt eben hier denselben νόμος Δημοτιωνιδῶν voraus, den er 14 citirt hat. welchen sie verurteilen (sie, die ungenannten, die die stimmsteine vom altare nahmen), der darf an die Demotioniden appelliren. in diesem falle hat das haus der Dekeleer fünf anwälte zu wählen in der und der form und so und so verpflichtet (das detail ist unwesentlich; diese anwälte verfechten also die sache derer, die den appellanten verurteilt haben, vor den Demotioniden). unterliegt der appellant, so hat er 1000 dr. zu zahlen, für welche der priester des hauses der Dekeleer haftet; doch darf261Paraphrase der urkunde. verfassung der Demotioniden.sie auch jeder bruder für die genossenschaft eintreiben.4)Die buſse verfällt dem Zeus der bruderschaft, was identisch ist mit der casse der genossenschaft (τὸ κοινόν), z. 40. 44. 50. 52. wenn der priester des hauses der Dekeleer nicht das recht des Zeus der bruderschaft wahrt, muſs er die buſse zahlen; damit ist aber der schuldner nicht frei, sondern jeder bruder kann ihn be - langen. Zeus bekommt also das doppelte. in dem gegenwärtigen ausnahmefalle (25) ist dem priester sogleich der phratriarch beigeordnet. diese prüfung (d. h. die obligatorische, nicht die der appellanten) alljährlich vornehmen zu lassen, wird der brudermeister durch ordnungsstrafen angehalten, die jeder bruder zu gunsten der gemeinschaft eintreiben kann. in zukunft sollen die einführungsopfer nur in Dekeleia stattfinden, wofür der priester haftbar ist, der in ausnahmefällen ein anderes local bestimmen darf, dann aber die ankündigung fünf tage vor dem anfange der Apaturien in der stadt am rendezvousplatz der Dekeleer (d. h. der angehörigen des demos Dekeleia) anzuschlagen hat. endlich wird die errichtung des er - haltenen inschriftsteines verordnet (30 67).

Resumiren wir hier was sich mit sicherheit erschlieſsen läſst. dieVerfassung der Demo - tioniden. bruderschaft sind die Demotioniden: niemand anders als das plenum kann über die appellation richten, und die liste der brüder ἐν Δημο - τιωνιδῶν kann nur im hause der bruderschaft liegen. jede andere auf - fassung ist in sich verkehrt. eine unterabteilung der bruderschaft ist das haus der Dekeleer, denn von ihm wird an die Demotioniden appellirt. aber es ist so wichtig, daſs es die prüfung der neu einge - schriebenen brüder hat. das steht nicht da, aber es muſs sie haben, da es die anwälte wählt, die das urteil im falle der appellation vor der bruderschaft vertreten. und es muſs sie schon früher nach dem ge - setze der Demotioniden gehabt haben, denn darin hat sich durch dieses psephisma nichts geändert, und nur weil alles beim alten geblieben ist, steht an der entscheidenden stelle kein subject. dasselbe folgt daraus, daſs der priester des hauses der Dekeleer die geldstrafen für eine ab - gewiesene appellation einzieht, die doch dem Zeus der bruderschaft zufallen (42). nur hier steht der volle titel des priesters; wo sonst ein priester erwähnt wird, hat er kein distinctiv. aber da der name des Zeus der bruderschaft an der spitze dieser inschrift steht, die neben seinem altare in Dekeleia stand, und da der priester des Dekeleerhauses Zeuspriester ist, so kommt man mit notwendigkeit zu der ansicht, daſs das haus der Dekeleer das vorrecht in der bruderschaft hatte, den priester zu stellen, so daſs also überall derselbe priester zu verstehen ist.5)Es kommt also nichts darauf an, ob 57, wie üblich, ergänzt wird ἐσπϱατ - was262III. 1. Die phratrie der Demotioniden.das haus der Dekeleer war, mögen wir wissen oder nicht wissen: nur bei dieser construction seiner rechte hat der beschluſs sinn. die bruder - schaft der Demotioniden hat ihr heiligtum in Dekeleia, sie besteht aus dem bevorrechteten hause der Dekeleer und einer unbestimmten hier nicht weiter gegliederten menge von andern brüdern. die gemeinde Dekeleia muſs tatsächlich in einer nahen beziehung zu der bruderschaft stehn, da der rendezvousplatz ihrer bürger in der stadt für eine proclamation der bruderschaft benutzt wird.

Auch auf die anordnungen, die zu dem neuen beschluſse veranlassung gegeben haben, ist ein rückschluſs möglich. die opfer und somit die einführungen neuer bürger haben an beliebigen andern orten auſser Deke - leia stattgefunden. man mistraut dem brudermeister, ob er auch die jährlichen prüfungen vornehmen wolle, die durch das Dekeleerhaus gehn. man mistraut noch mehr dem Dekeleerhause, denn die feierlichkeit seiner abstimmung wird erhöht, und vor allem, es wird von seiner prüfung, wenn sie eine verwerfende ist, eine appellation an die bruderschaft gestattet: das ist ein novum gegen das alte gesetz. aber die zulassung steht aller - dings noch ganz bei dem Dekeleerhause. und der antragsteller ist diesem in sofern nicht feindlich, als er seinem priester die opfer und die opfer - gefälle sichert.

Ein ganz anderes bild gibt das unmittelbar folgende psephisma des Nikodemos. im übrigen soll es mit der einführung und prüfung bleiben, wie früher beschlossen ist. aber 1) soll ein jeder die zeugen, drei an der zahl, die schon früher bei der einführung gefordert worden sind, aus seinem thiasos stellen, sie sollen die (offenbar solennen, früher ver - ordneten) fragen beantworten, so wahr ihnen Zeus phratrios helfe, die hand auf dem altare (67 75); eine neue eidesformel für sie wird am schluſse nachgetragen (107 112); nur für den fall, daſs der thiasos keine drei leute enthält, dürfen die zeugen aus der übrigen bruderschaft genommen werden. 2) bei der prüfung soll der brudermeister das plenum der brüder nicht eher abstimmen lassen, als bis die thiasoten des einge - führten geheim in feierlicher weise über diesen abgestimmt haben. die zählung der stimmen und verkündigung des resultates hat der bruder - meister in der versammlung vor dem plenum der bruderschaft vorzu - nehmen (76 8). 3) hier hat Nikodemos seine im einzelnen klaren verordnungen ziemlich durch einander gewürfelt; er muſs sich also die5)τέτω δὲ ἱεϱ [εὺς το͂ Δεκελειῶν οἴκο ] αὐτὸς ὀφειλέτω, oder wie ein schüler von mir, Th. Teusch, vorschlägt ἱεϱ [εὺς τὸ ἀϱγύϱιον τοῦτο ], aber dies ist richtig, wie die parallelen lehren, deren keine ein object zu εἰσπϱάττειν wegläſst.263Verfassung der Demotioniden.redactionellen änderungen gefallen lassen, die ich mit ihnen vornehme (87 105). unmittelbar nach dieser abstimmung des thiasos stimmt das plenum der bruderschaft ab; doch dürfen sich die thiasoten wol an der debatte, aber nicht an der abstimmung des plenums über diejenigen be - teiligen, über die sie als thiasoten abgestimmt haben. es ergeben sich nun folgende möglichkeiten, a) die thiasoten für zulassung, plenum auch: zuzulassen (dies als selbstverständlich nicht gesagt). b) die thiasoten für, das plenum gegen. dann ist er natürlich abgewiesen, aber die thiasoten zahlen eine buſse, es sei denn daſs einzelne in der debatte (ἐν τῇ δια - δικασίᾳ) als redner oder sonst offenbar gemacht haben, daſs sie gegen die aufnahme waren. 6)So ist das notwendig zu verstehn. vor der abstimmung der thiasoten findet keine debatte statt, auch ist die abstimmung geheim. die minorität muſste nachher im plenum ihren standpunkt verfechten.c) die thiasoten gegen; dann kann es bei deren vorurteil sein bewenden haben, und der ausschluſs ist giltig. aber d) wenn derjenige, der den candidaten angemeldet hat, von den thiasoten an das plenum appellirt, so erfolgt durch dessen zustimmung aufnahme, durch dessen ablehnung aber nicht bloſs ausschluſs, sondern eine geld - strafe für den appellanten. 4) diesen beschluſs soll der priester hinzu - schreiben, natürlich zu dem, der jetzt davor steht, dem des Hierokles.

Der nachtrag, ein antrag eines Menexenos, der sich ebenso wie das psephisma des Nikodemos als solchen bezeichnet, hat für die organisation der phratrie kein interesse. er verordnet nur den anschlag der namen der candidaten für jede versammlung in der stadt durch den bruder - meister an demselben orte wie oben, auſserdem durch den priester im heiligtume der Leto, ungewiſs wo.

Aber welches bild gibt Nikodemos von der bruderschaft? sie zer - fällt ganz offenbar in thiasoi, so daſs jeder bruder auch thiasot ist. von einer andern einteilung weiſs Nikodemos nichts oder will er nichts wissen: neben den thiasoi, diese ausschlieſsend, kann es gar nichts gegeben haben. aber diese thiasoi sind zum teil so verkümmert, daſs man ihnen keine vier köpfe zutrauen kann. dagegen ist sicher, daſs ihre mitglieder ein - ander gut kennen. darum wird der einführende verpflichtet aus ihnen die zeugen zu wählen und wird ihnen das im ordnungsmäſsigen wege entscheidende vorurteil zugeschoben, das sie freilich vor den augen und unter der superrevision der bruderschaft fällen müssen. ganz offenbar hat es zwar die thiasoi längst gegeben, aber sie haben als organe der bruderschaft in diesen dingen bisher nicht fungirt.

Stellen wir nun die ordnungen nach Hierokles und Nikodemos neben264III. 1. Die phratrie der Demotioniden.einander, so sollte ich meinen, daſs es evident sei, wie sie sich verhalten, nicht als ergänzungen, sondern als dubletten. nach beiden findet eine vorprüfung statt, aber Hierokles läſst sie in übereinstimmung mit der älteren praxis dem Dekeleerhause: Nikodemos kennt das nicht, sondern weist jeden vor seinen thiasos. das plenum, das der eine Δημοτιωνίδαι, der andere ἅπαντες φϱάτεϱες nennt, was nur ein anderer name ist, hat die entscheidung nach Hierokles nur in dem falle, daſs ein abge - wiesener von dem urteile des Dekeleerhauses appellirt; Nikodemos macht seine befragung obligatorisch. er hat eine strafe für den thiasos, wenn er nach ansicht des plenums unrechtmäſsig auf zulassung erkannt hat: daſs Hierokles dem Dekeleerhause die zulassung völlig frei gibt, ist aller - dings ein seltsamer miſsbrauch. dagegen ist Nikodemos in der strafe für eine abgewiesene appellation milder, die er auf 100, Hierokles auf 1000 drachmen bemiſst. letzteres ist so hoch, daſs nicht leicht jemand riskirt haben würde, von der entscheidung des Dekeleerhauses zu appel - liren. darin stimmen endlich beide überein, daſs den ausgeschlossenen, der sich dabei beruhigt, keine strafe trifft.

Wie stehen nun beide beschlüsse zu einander? wenn sie gleich - zeitig aufgezeichnet sind, so ist der zweite ein amendement zu dem ersten, das er zum guten teile aufhebt. wenn Nikodemos etwas später erst auf - getreten ist, so ist es ein verbesserungsantrag: denn mit τὰ μὲν ἄλλα κατὰ τὰ πϱότεϱα ψηφίσματα fängt Nikodemos an. allerdings tragen beide den vermerk, daſs sie aufgeschrieben werden sollen, am schlusse, der zweite, daſs er daneben aufgeschrieben werden solle, so daſs die formen des attischen amendements nicht ganz gewahrt sind; doch be - denke man, daſs Nikodemos wirklich nicht sagen konnte τὰ μὲν ἄλλα καϑάπεϱ Ἱεϱοκλῆς, da ja jener selbst das alte gesetz voraussetzte, und er dasselbe sofort mit ὃς εἴϱηται citirte. es wird also wol so zu - gegangen sein.

Als nach dem kriege, in dem Dekeleia das feindliche hauptquartier ge - wesen war, nach den revolutionen und der einführung strenger gesetze über das bürgerrecht die phratrie der Demotioniden sich wieder zusammen - fand, ihr heiligtum herstellte und die acten, so weit sie noch da waren, wieder hinauf brachte, zeigten sich sehr groſse schwierigkeiten, da es genug brüder gab, die entweder selbst zweifelhafter herkunft waren oder doch geneigt, solche elemente zu dulden. so zog es sich bis 396 hin: da hatte Hierokles eine neuordnung vorbereitet, die dem priester seine von alters herkömmlichen aber natürlich seit 412 in verfall geratenen gefälle und seinem heiligtume das cultvorrecht wahrte, die vorherrschende265Verfassung der Demotioniden.bedeutung des alten dörflichen heiligtums herstellen wollte, und dem Dekeleerhause, dem von alters her die prüfung der neueintretenden zufiel, zwar dies vorrecht erhalten, aber gröſsere garantien für die pünktliche ausübung der prüfung schaffen wollte. darunter befand sich für einen fall die übrigens durch die gefahr einer sehr hohen strafe stark erschwerte appellation an das plenum der bruderschaft. für den augenblick ordnung zu schaffen, war eine summarische aburteilung der noch restierenden un - geprüft eingeführten brüder durch das plenum nicht zu umgehn gewesen. es war alles fertig; Hierokles hatte seinem wolstilisirten antrage sogar schon die verordnung der publication angehängt. aber auf der ver - sammlung gieng es nicht so glatt; sie mochte durch die prüfung, die so - fort nach Hierokles antrage erfolgte, lust bekommen haben, die sache selbst in der hand zu behalten. Nikodemos stand auf, schloſs sich zwar in allem übrigen dem vorredner an, aber mit dem alten rechte des Deke - leerhauses räumte er auf, obwol er selbst aus dem demos Dekeleia war.7)CIA II 1982 84. 4213 stehn träger des namens aus Dekeleia. es sollten gar keine vorrechte mehr bestehn, am wenigsten für die leute, die mit Sparta sich gut gestanden hatten. die beste garantie war schon in der alten bestimmung gegeben, daſs 3 zeugen bei der einführung zu nennen waren: wenn das nicht beliebige leute, sondern die nächsten bekannten des einzuführenden waren, muſsten sie unterrichtet sein. und die vorprüfung fiel wieder diesen wolunterrichteten, an die man sich in fällen sträflicher nachsicht halten konnte, weit besser zu als dem Deke - leerhause. so beseitigte er dieses und ersetzte es durch die thiasoi. das fand den beifall der bruderschaft, ward mit dem beschlusse des Hierokles, von dem ja noch sehr viel gültig blieb, aufgezeichnet, und danach haben die Demotioniden gewirtschaftet, so lange die phratrie nicht in vergessen - heit geriet.

Die urkunden sind vollkommen verständlich, sollte ich meinen. daſs wir lediglich durch sie eine sichere kenntnis aller bruderschaften er - langen sollten, ist zu viel verlangt. aber einiges ist doch sicher, anderes läſst sich vermuten. die Demotioniden zerfielen schon vor 396 in cult - genossenschaften unbestimmter zahl und verschiedener gröſse. ohne jede spur gentilicischer verbindung, auch nur in der fiction, wurden sie aus - schlieſslich durch die verehrung desselben gottes oder heros zusammen - gehalten. wie sie zu diesen überirdischen mächten in beziehung ge - treten waren, wie sie sie pflegten, ist vollkommen dunkel: wir können auch eine urkunde eines solchen thiasos von irgend einer beliebigen266III. 1. Die phratrie der Demotioniden.solchen verbindung, die freie und unfreie bürger und nichtbürger jeder - zeit bilden konnten, schlechthin nicht unterscheiden, wenigstens zur zeit nicht. dafür wäre das wichtigste, wenn man wenigstens die verehrten götter kennte.8)Nach dem letzten beschlusse der inschrift möchte man glauben, daſs Leto irgendwie für diese bruderschaft, einen oder mehrere thiasoi, in betracht kam. das alte gentilicische wort φϱατϱία hatte also keine andere bedeutung mehr als in dem aristophanischen φϱατέϱες τϱιω - βόλου oder in den ἀδελφοί der alten kirche, den bruderschaften Buddhas und Benedicts. seit 396 erkannten die Demotioniden nur noch diese glie - derung in thiasoi an. aber es bestand bis dahin eine andere. da hatte in ihr die vorstandschaft ein haus, das der Dekeleer; dies stellte den priester und controllirte den bestand der ganzen bruderschaft, die somit aus leuten höheren und minderen rechtes bestand. ob dieses haus einen thiasos bildete oder mehrere umfaſste, ist unbekannt. haus, οἶκος, ist ein gentilicischer begriff und kann hier nicht anders gefaſst werden. die im attischen rechte sonst geltende bedeutung, daſs er den einzelnen hausstand innerhalb eines geschlechtsverbandes bezeichnet (οἶκοςἀπόλ - λυται, ἐξεϱημοῦται), paſst nicht, wol aber redet Pindar (Ol. 13, 2) von einem τϱισολυμπιόνικος οἶκος, dem des Xenophon von Korinth, und Phylakidas Lampons sohn von Aigina erhebt durch seinen sieg die πάτϱα Ψαλυχιδᾶν und den οἶκος Θεμιστίου (Isthm. 5, 63): das ist dieselbe gliederung. die vorstellung ist deutlich in der rede gegen Makar - tatos, die verschiedene οἶκοι unterscheidet, deren jeder auf einen sohn der Buselos zurückgeht, und die allesammt demgemäſs Βουσελίδαι heiſsen. so müſste der οἶκος Δεκελέων auf einen ahn zurückgehn, der der sohn des Demotion wäre, und auf Demotion müſsten über andere söhne die übrigen genossen der bruderschaft auch zurückgehn. aber für die andern ist selbst diese fiction aufgegeben, und der οἶκος heiſst nicht mehr nach dem ahn Δεκελίδαι, sondern nach dem orte, wo das heiligtum der bruderschaft ist, dem attischen dorfe Dekeleia, und der ort in der stadt, wo sich die mitglieder der staatlichen gemeinde Dekeleia zu treffen pflegen, wird für die publicationen der bruderschaft benutzt. folglich müssen die gemeindemitglieder und die angehörigen jenes hauses in der phratrie im groſsen ganzen wenigstens identisch sein, und damit ist gesagt, daſs οἶκος zwar noch ein gentilicischer terminus ist, aber schon keine genti - licische bedeutung mehr hat, ja nicht mehr fingirt.

Verfassung der anderen phratrien.In der sonstigen überlieferung hören wir von orgeonen und genneten und homogalakten als mitgliedern der phratrie. diese ordnung der Demo -267Verfassung der anderen phratrien.tioniden weiſs nichts von ihnen allen, und es ist willkür, die thiasoten mit den orgeonen, die Dekeleer mit den genneten gleichzusetzen, ja dies letztere ist sogar falsch. sollen wir nun unserer urkunde zu liebe den Philochoros preisgeben, oder aber dem Philochoros die urkunde, da es doch mit den harmonistischen kunststücken nicht geht? keines von beiden. das erste ist, daſs wir uns selbst kein x für ein u machen, sondern die wahrheit eingestehn: es stimmt nicht. das zweite ist, daſs wir folgern, was unumgänglich ist, wenn die zeugnisse neben einander bestehen sollen: es war in den phratrien nicht immer und gleichzeitig nicht in allen dieselbe ordnung. erst das dritte ist die erklärung dieser verschieden - heit. aber auch diese läſst sich sofort sicher geben, seit Aristoteles wieder da ist. er belehrt uns, daſs schon zu Drakons zeit nicht mehr der adel für das bürgerrecht bestimmend war, sondern das vermögen; Klei - sthenes läſst denn auch die ganze ordnung von phratrien und priester - tümern ruhig fortbestehn, obwol er den staat nur auf die gemeinden gründet, und er knüpft das staatsbürgerrecht an das gemeindebürger - recht ausschlieſslich: so hat der staat an den phratrien jedes interesse verloren. sie existiren dagegen ruhig fort. aber sie verändern sich doch. nach bekanntem attischem rechte sind alle vom staate anerkannten ge - nossenschaften berechtigt sich selbst ihre gesetze zu geben; das gilt von den phratrien natürlich, und wie sehr es tatsächlich galt, lehrt die rück - sichtslose neuerung des Nikodemos in der phratrie der Demotioniden. gerade solche gemeinschaften, in denen die form den inhalt überdauert hat, sind der willkür stark ausgesetzt. rudimente ältester ordnung con - secrirt hier der fanatismus der altertümler, während dort die flache gleich - macherei alles nach dem jeweiligen zeitgeschmacke modelt. uns sind die phratrien, wie wir sie allein kennen, als opfer - und schmausgenossen - schaften wenig interessant, aber nur durch sie können wir eine ahnung von den bruderschaften des adelsstaates gewinnen. um 396 schon mögen die zwölf phratrien zwölf verschiedene statuten gehabt oder erhalten haben. hundert jahre später waren sie zum teil vielleicht schon ganz verkümmert, interessirten jedenfalls nur noch den exegeten Philochoros; aber wenn er sich über eine oder zwei informirte, wuſste er mit nichten das allgemein giltige noch das uralte gemeinsame.

Von der verwaltung der phratrien wissen wir nur etwas über die Demotioniden und die Dyaleer (CIA 600), und sofort ist die verschieden - heit da: jene haben einen, diese zwei phratriarchen. das ist ein unter - schied, wie er zwischen gemeinden unerhört ist. greifbarer noch ist die verschiedenheit im cultus. trotzdem, daſs Ζεὺς φϱάτϱιος und Ἀϑηνᾶ268III. 1. Die phratrie der Demotioniden.φϱατϱία, die den begriff religiös ausdrücken, der profan φϱατϱία oder κοινόν ist, weiter nichts, notwendiger weise überall verehrt wurden, war es unvermeidlich, daſs die geschlechter sowol wie die cultverbände, die wir innerhalb der phratrien finden, je nach ihrer bedeutung und der entwicklung der phratrie ihre götter zu dem range von gemeinsamen phratriegöttern erhoben. namentlich Ἀπόλλων πατϱῷος, der den be - griff des attischen adels bedeutet, konnte vorwalten, wenn die altadlichen die oberhand hatten, oder durch eine andere auffassung allgemeiner potenz noch weitern kreisen der brüder genehm gemacht werden. so finden wir denn den Ἀπόλλων πατϱῷος bei den Thersikleiden9)CIA II 1652. von dem namen ist erhalten Θεϱϱικ-ων, und es fehlen etwa vier buchstaben. also war der name ein gentilicischer, dessen erster bestandteil ohne attischen rhotacismus Θεϱσι - ist. man hat auf Θεϱσικῶν und Θεϱσικίας ge - raten. beides ist unglaublich. Θεϱσικίας ist ein falscher kurzname, der Θεϱσίας lauten würde, Θεϱσικῶν ὡς Ἡϱακῶν Συλοσῶν Ἀπελλικῶν ist wenigstens nicht attisch. also Θεϱσικλῆς oder Θεϱσικϱάτης, und für ersteres spricht der raum., den Ἑβδόμειος, dem der siebente als geburtstag heilig ist, bei den Achniaden10)CIA II 1653. Apollodoros des Thrasyllos sohn führt einen sohn an den Thargelien, also am siebenten, dem geburtstage des Apollon, in seine bruderschaft ein (Isaios 7, 15): er dürfte ein Achniade gewesen sein. ein grenzstein von dem grundstücke dieser phratrie Mitt. Ath. XII 287., die τϱιτοπατϱῆς bei den Zakyaden11)CIA II 1062. der name kann eben so gut auf ein geschlecht bezogen werden. der ahn Ζάκυς führt auf eine ungriechische wurzel ζακ, hat aber auch keine in Athen geläufige endung. ist es ein pseudhypokoristikon, so daſs κ anlaut des zweiten gliedes ist, so bietet sich z. b. ζάκοϱος als vollname. das ist wieder nicht attisch. die Zakyaden für eine phratrie zu halten bestimmt mich ihr cult, die τϱι - τοπατϱῆς (denn τϱιτοπατϱεύς kann allein der singular sein). diese dunkelen wesen sind selbst eine sippe, mögen sie so heiſsen, wie Δυαλῆς Κηφισιῆς Τετϱαπολῆς, oder Τϱιτοπάτοϱες, wie die grammatiker sagen (Harp. epitome, daraus Phot). es sind solche, die die dritten väter haben. die grammatik erlaubt nicht darin die dritten väter zu sehn, was τϱίτοι πατέϱες heiſsen würde, so gern man die vor - fahren vom groſsvater aufwärts verstünde, und obwol so Aristoteles verstanden haben soll (Pollux 3, 17). es bleibt also bei der deutung, die Lobeck im anschluſs an die attischen exegeten gegeben hat die dritten vom urwesen abwärts. am anfang stehn himmel und erde, dann ein attischer autochthon, einerlei wie er heiſst, dann seine kinder, die repraesentanten der teile des attischen volkes, das jener als ganzes repraesentirt. anders ausgedrückt, weitester kreis: mensch als gattungs - wesen, engerer: Athener, engster: der bezirk der τϱιτοπατϱῆς. das führt nicht auf das geschlecht, sondern die söhne jenes autochthonen, die dritten von allvater sind brüder. auſserdem heiſst der cult dieser wesen ein athenischer, und der exeget gab über ihn unterweisung, also war es kein geschlechtscult. und das gebet für die fruchtbarkeit der ehe, das an die τϱιτοπάτοϱος gerichtet wird, weist auf die bruderschaft, der die γαμηλία zukam., die Leto bei den Demotioniden, den269Verfassung der anderen phratrien.Ποσειδῶν Ἐϱεχϑεύς in der phratrie, der der Kothokide Aischines an - gehört.12)2, 147 φϱατϱίας τῶν αὐτᾶν βωμῶν μετέχει Ἐτεοβουτάδαις, ὅϑεν τῆς Ἀϑηνᾶς τῆς Πολιάδος ἐστὶν ὶέϱεια. das ist sehr plump renommirt, denn daſs seine phratrie vornehmer als andere phratrien war, sagt er zwar eigentlich, aber es ist doch eine behauptung, die man nicht ernst nehmen soll. wenn die plebejer überhaupt in den phratrien waren, so bewies die phratrie eines Atheners für den adel gar nichts, und die nähere zugehörigkeit seines hauses zu den Eteobutaden, etwa in demselben thiasos, wagt er nicht zu behaupten. alle mitglieder jener phratrie waren zu jenem culte zugelassen, der eigentlich den Eteobutaden gehörte. das war also deren geschlechtscult, den wir als den des Erechtheus kennen. ehedem war er innerhalb der phratrie eine praerogative jenes geschlechtes gewesen, das immer noch den priester stellte, und einstmals hat es sicherlich noch mehr vorrechte besessen. aber nun war der geschlechtscult phratriecult geworden, und in so weit hatte Aischines an ihm teil. der cult Athenas dagegen war in ganz analoger weise δημοτελής geworden, ohne doch das geschlecht um seinen anspruch auf die stelle der priesterin zu bringen. von den Dyaleern und Philieern kennen wir keine culte13)Die Φιλιεῖς (Harp. Κοιϱωνίδαι) hat Töpffer (Att. geneal. 110) mit wahr - scheinlichkeit für eine phratrie erklärt. über die Ἐλασίδαι (Class. Rev. III 188), die den Apollon Patroos bei Kephisia verehren, will ich nicht urteilen. Töpffer (Rh. M. 45, 383) erklärt sie für ein geschlecht, was möglich ist. aber der Troer Ἔλασος beweist nicht mehr, als daſs Ἔλασος ein name ist (kurzname von Ἐλά - σιππος), den ein rhapsode so gut erfinden wie ein heros tragen konnte. denn sein homerischer träger (Π 696) ist eine füllfigur, die der dichter (allerdings der der alten Patroklie) in einem rudel anderer mit einem wort erfindet und erschlägt, und aus dem Π hat ihn Polygnot genommen, auch als einen beliebigen namen. ich verzichte darauf, noch mehr namen zu nennen, die möglicherweise phratrien bedeuten könnten.; aber der Διόνυσος Δύαλος (den Hesych aus den ἐπικλήσεις als den Paeonern eigentümlich anführt) und irgend ein als φίλιος verehrter gott können doch ansprüche erheben.

Wenn wir uns somit hüten, jede einzelerscheinung zu generalisiren, so erkennen wir über die gliederung der einzelnen phratrien folgendes: in den Demotioniden gibt es weder geschlechtsgenossen, γεννῆται, noch cultgenossen, die den namen ὀϱγεῶνες führten, sondern lediglich ϑίασοι. in diese wird durch das gesetz des Nikodemos der früher maſsgebende οἶκος der Dekeleer aufgelöst, in welcher weise, ist nicht klar. unmög - lich kann auf alle phratrien gehen was Philochoros im vierten buche, also über dieselbe zeit berichtend, der der Demotionidenbeschluſs an - gehört, citirt: τοὺς δὲ φϱατέϱας ἐπάναγκες δέχεσϑαι καὶ τοὶς ὀϱγεῶνας καὶ τοὺς ὁμογάλακτας, οὓς γεννήτας καλοῦμεν.14)Phot. ὀϱγεῶνες. die buchzahl gibt auſser dem patmischen lexikon Harp. οϱγεῶνες, der auch beweist, daſs οὓς γεννήτας καλοῦμεν zu dem citate gehört. wie das folgt eigentlich270III. 1. Die phratrie der Demotioniden.schon daraus, daſs er selbst den ausdruck ὁμογάλακτας von sich aus erklärt: in seiner terminologie, wie in der des Aristoteles (fgm. 3) war der name γεννῆται eingeführt, und er constatirte, daſs dafür in der urkunde, die er mitteilt, ein anderes wort gebraucht war. dann war dies kein beschluſs des athenischen volkes, sondern ein analogon zu dem Demotionidenbeschlusse, den wir im originale besitzen. in jener andern phratrie hatte man nach Eukleides liberal genug die beiden kategorien, milchbrüder und orgiengenossen, ohne weitere prüfung auf den nach - weis hin, daſs sie von den genossen ihrer körperschaft aufgenommen waren, als brüder anerkannt. dem würde es entsprechen, wenn in den Demotioniden der οἶκος Δεκελέων über seine angehörigen, die ϑίασοι über die übrigen definitiv abstimmten; aber weder Hierokles noch Niko - demos hat es so gehalten. auſser milchbrüdern und orgiengenossen muſs es in jener phratrie noch andere leute gegeben haben, die sich als brüder gerirten: es ist aber möglich, daſs man das für ungesetzlich hielt, und demgemäſs diejenigen, die sich nicht als einer von beiden kategorien angehörig ausweisen konnten, ausschloſs, worüber in streitigen fällen die gesamtphratrie sehr wol abgestimmt haben kann. das würde einige analogie mit dem gesetze des Hierokles bieten; aber wir vermögen das nicht mehr zu entscheiden.

In der phratrie, der Menekles angehörte, um dessen erbschaft sich die zweite rede des Isaios dreht, gab es orgeonen. welche andere kate - gorie neben ihnen stand, ist nicht zu sagen: Menekles war eben selbst orgeon. aber die verantwortung für die aufnahme eines bruders tragen sowol orgeonen wie phrateren, deren zeugnis verlesen wird (16): die ausdrücke εἰσάγειν εἰς τοὺς φϱατέϱας, ἐγγϱάφειν εἰς τοὺς ὀϱγεῶνας, neben denen die demoten erscheinen, entsprechen der procedur, wie sie Hierokles voraussetzt; die einführung geschieht nach ihm erst an den Apaturien, dem phratrienfest, die einschreibung bei dem οἶκος Δεκελέων, ein jahr nachher, und dies erst ist das entscheidende.

In der phratrie, der Apollodoros angehörte, um dessen erbschaft sich die siebente rede des Isaios dreht, werden nur genneten erwähnt, weil er ein geschlecht hatte. hier war die procedur so, daſs der ein - führende das kind an die altäre führte und seine echtbürtigkeit beschwor; darauf fand eine abstimmung der anwesenden statt, und auf grund deren ward der neue bruder in die register eingetragen (16). diese einfüh -14)sollte auch ein später grammatiker die erste person von den Athenern gebrauchen? der grammatiker hat den commentar des Seleukos zu Solons gesetzen benutzt, ge - hört also der kaiserzeit an.271Verfassung der anderen phratrien.rung geschah, wie es scheint, zugleich zu den genneten und phrateren; aber wer abstimmte, ist nicht ganz deutlich.

In der phratrie, zu der Phrastor von Aigilia aus dem geschlechte der Brytiden gehörte, entschied die abweisung der genneten endgiltig über die abweisung eines einzuführenden, wenigstens eines adlichen. Phrastor strengte gegen einen solchen beschluſs einen privatproceſs an, der über den schiedsmann nicht hinauskam. 15)Apollodor gg. Neaira 59. die als zeugen vernommenen Brytiden gehören alle nicht nur verschiedenen demen, sondern auch phylen an, Hekale (IV) Eroiadai (VIII oder X) Phaleron (IX) Lakiadai (VI) Aigilia (X) Kephale (V). also erstreckte sich diese phratrie über die mehrzahl der phylen mindestens, und es sind demen in ihr, die dem asty angehören (Lakiad. Phaler. ), der Mesogeia (Hekal. Kephal. ), der Paralia (Aigil. ), so daſs auch mit den trittyen keine ausgleichung denkbar ist.

In der phratrie des Makartatos entschied sofort, wenigstens über diesen, ein beschluſs der gesamten bruderschaft; eine unterabteilung wird nicht erwähnt (Rede gg. Makart. 13).

In dem adlichen geschlechte der Keryken entschied der eid des ein - führenden vaters über die aufnahme eines kindes. er ward am altare unter handauflegung am Apaturienfeste geschworen, ganz wie Hierokles es fordert, der aber die handauflegung erst als neuerung einführt. eine debatte der genneten fand statt, aber sie war zwecklos, da sie durch den νόμος gebunden waren, den eid des vaters zu respectiren (Andok. 1, 126). die phrateren werden gar nicht erwähnt. sie werden den durch genneten - beschluſs anerkannten Keryken ohne weiteres aufgenommen haben.

Die rede gegen Leochares (42. 44) erzählt als zwar ungehörig aber möglich, daſs jemand ohne weiteres durch einen einführenden bruder in das register der phratrie eingetragen ward, und deutet darauf hin, daſs in der regel die aufnahme in die phratrie der aufnahme in die bürgerliche gemeinde vorhergehen muſste: was allerdings tatsächlich sitte gewesen sein wird, da man das kind möglichst früh zu den altären der brüder brachte16)Ohne die ganze rituelle frage nach den opfern in der phratrie zu erörtern (γαμηλία μεῖον κούϱειον), stelle ich doch als das natürliche und durchaus probable hin, daſs eigentlich das geringere opfer bei der ersten vorstellung des neugeborenen, das harschuropfer bei der aufnahme des erwachsenen knaben, das heiratsopfer in der neuen phratrie, deren göttern die junge frau nun untertan ward, stattfinden sollte. κούϱειον kommt notwendiger weise von κείϱειν, nicht von κόϱος., während die gemeinde sich erst für die heerespflich - tigen knaben interessirt. aber ein gesetzlicher zusammenhang zwischen beiden eintragungen existirt nicht.

Euxitheos von Halimus beweist sein bürgerrecht unter anderm durch272III. 1. Die phratrie der Demotioniden.das zeugnis der phrateren und genneten, daneben durch das der ver - wandten (συγγενεῖς) und demoten (rede gg. Eubulides 23), das sind alle, die einen Athener zu prüfen pflegen (24). es führt das nicht mit not - wendigkeit darauf, daſs der arme teufel selbst einem geschlechte angehörte: aber die genneten müssen allerdings seine echtbürtigkeit geprüft haben. und mit berufung auf diese stelle gibt der kundige grammatiker, dem wir auch des Philochoros bruchstück verdanken, ausdrücklich an, daſs die genneten τοὺς ἐγγϱαφομένους εἰς τοὺς φϱάτοϱας διακϱίνοντες καὶ δοκιμάζοντες εἰ πολῖταί εἰσιν ξένοι ἐδέχοντο ἀπέβαλλον.17)Bull. Corr. Hell. I 152, wo das letzte von mir ausgeschriebene wort ἐπέ - βαλλον geschrieben ist. auf diese stelle hat mich mein schüler Teusch aufmerksam gemacht, der ihre verwendbarkeit für die Demotionideninschrift bemerkt hat. das ist also genau das verhältnis, wie es die Demotionideninschrift für die thiasoten zeigt; appellation ist dabei immer noch möglich.

Brüder höheren und niederen rechtes.Das sind die einzelfälle, die wir nicht ausgleichen dürfen, obwol sich eine anzahl gut vertragen, da wir ja die phratrien nicht bestimmen können, denen die leute angehörten. aber allerdings zeigt sich eine analoge gliederung überall, in brüder erster und zweiter classe, und die aufnahme neuer brüder wird nicht immer von der ganzen bruder - schaft vorgenommen. die einfachste und deshalb von Philochoros als normal angesehene teilung unterscheidet adliche geschlechtsgenossen von plebejern, die statt des cultes eines ahnherrn eine cultgenossenschaft um irgend einen gott oder heros gebildet haben, γεννῆται und ὀϱγεῶνες. statt dessen liefern die Demotioniden thiasoten: die umfassen später beide, und es ist auch nichts dagegen zu erinnern, wenn die Keryken z. b. als ein thiasos von Keryx - oder auch Hermesverehrern aufgefaſst werden. ob dieser name vorher, als der οἶκος der Dekeleer bevorzugt war, die plebejer allein bezeichnete, also mit den orgeonen identisch war, möchte ich nicht entscheiden. man konnte auch ältere γεννῆται und ὀϱγεῶνες unter einem neuen namen ϑιασῶται zusammenfassen; und wer kann sagen, ob das haus der Dekeleer nur adliche umfaſste? in der phratrie, deren statut Philochoros mitteilt, gab es statt der genneten ὁμογάλακτες; er setzt sie ausdrücklich gleich, und Aristoteles leitet von der familie das dorf ab, οὓς καλοῦσί τινες ὁμογάλακτας, παῖδάς τε καὶ παίδων παῖδας (Pol. A 1252b 13).18)Die grammatiker, die das wort haben, hängen von Philochoros ab oder erklären ἀδελφὸς ἐκ τῆς αὐτῆς μητϱός. Pollux 3, 23. Hesych. aber wie in aller welt kann milchbruderschaft die descendenz bedeuten? da müſste man ja das zur zeit moderne matriarchat für Altathen construiren, das so scheuſslich wie sein name und, seit273Brüder höheren und niederen rechtes.Zeus im himmel herrscht, auf erden undenkbar ist.19)Es ist schmachvoll, daſs historiker dieses wort brauchen, das wert wäre in der chemischen retorte gemacht zu sein: denn wer es braucht bekennt damit erstens, daſs er jedes griechischen sprachgefühles bar ist, zweitens daſs er in pa - triarchen erzväter statt stammhäupter sieht: πατϱιάϱχαι ὡς φϱατϱίαϱχοι, ὡς ἐϑνάϱχαι. πατϱία, in Elis (IGA 112) um 600 oder früher lebendig, ist gebildet wie φϱατϱία, eine jüngere parallelbildung zu πάτϱα ὡς φϱήτϱη. da die bedeutung von φϱατήϱ verscholl, hat sich aus beiden das hybride φατϱία entwickelt, das um 400 auſser Athen wol ziemlich überall die φϱατϱία verdrängt hatte. es kann milch - brüder unter brüdern nur in zwei bedeutungen geben. entweder be - zeichnet es die kinder derselben mutter den stiefbrüdern gegenüber: dann könnte man wol einen gleichen vorzug darin finden, wie ihn die γεννῆται haben, z. b. unter den stammheroen Israels die söhne Leas und die Rahels je als ὁμογάλακτες zusammenfassen, denen dann wieder die bastarde des volksheros als brüder minderen rechtes zur seite träten. oder aber die milchbruderschaft bedeutet was wir darunter verstehen, was den adlichen herrn mit den leiblichen kindern seiner amme ver - bindet.20)Andromache, die frau des Hektor, reicht freilich seinen bastarden, die ihm die haussclavinnen geboren haben, die brust (Eur. Andr. 223): das ergibt eine umgekehrte milchbruderschaft, welche die eheliche und uneheliche descendenz des hausherrn, also des geschlechtseponymos, bilden würde. aber Homer zeigt, daſs die bastarde ohne weiteres, wie im mittelalter, dem stande des vaters folgen; die un - ehelichen kinder seiner töchter pflegt der vater als die seinen zu erziehen, oder sie werden ausgesetzt. es entscheidet also immer der selbstherrliche wille des κύϱιος. und erst diese milchbruderschaft macht den übergang von dem hause zum dorfe, das mit nichten bloſs aus den descendenten eines hauses besteht, sondern ihre οἰκῆς und οἰκέται einschlieſst. wenn eine attische phratrie also die ὁμογάλακτες in den rang der γεννῆται ge - stellt hatte, so war das bei dieser bedeutung nicht eine exclusive maſs - regel, die unter den geschlechtern nur die vom ächtesten adel aussuchte, sondern eine liberale, die einen kreis von plebejern die den adlichen am nächsten standen als milchbrüder zuzog. ich neige mehr hierher, um der analogie willen, die in Rom die ansehnlichen plebejischen häuser bieten, die mit adlichen den namen teilen. noch mehr freilich bestimmt mich der οἶκος Δεκελέων, denn dieser steht den genneten in andern phratrien völlig analog, aber er ist kein geschlecht, ist vielmehr von einer gemeinde oder besser von einem dorfe benannt. den demos Dekeleia hat es freilich erst seit 507 gegeben, aber Dekeleia sicher und den οἶκος Δεκελέων gut und gerne auch schon vorher. in der phratrie der Demotioniden war kein geschlecht mehr so mächtig, daſs es die be - vorzugung von γεννῆται erzwang, obwol ein träger des phratriennamensv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 18274III. 1. Die phratrie der Demotioniden.noch 470 archon gewesen ist. aber denjenigen brüdern, die in Dekeleia ansässig waren, hatte man die stellung der genneten übertragen; sie rech - neten sich innerhalb der phratrie als einem hause angehörig. natürlich hat Kleisthenes alle die 507 dort noch ansässigen in die gemeinde auf - genommen, die er nach dem dorfe benannte; die damals schon in die stadt verzogenen dagegen nicht, die doch auch in der phratrie blieben. anderer - seits werden manche bürger 507 in Dekeleia gewohnt haben, die zu anderen phratrien gehörten, aber nun dort demoten wurden. ganz geht also der demos in die phratrie nicht auf, ganz abgesehen von nachbar - demen, die auch erst Kleisthenes schuf, wie den ῾καλύβια τῆς Δεκε - λείας᾽, Οἶον Δεκελεικόν.

Die brüder erster classe, mögen sie geschlechtsgenossen oder milch - brüder oder das haus so und so heiſsen, sind der alte bestand der bruder - schaft und gehören ihr der fiction nach durch ihre abkunft ipso facto an. es ist das natürliche, daſs die anerkennung durch den vater sein kind in das geschlecht und damit auch in die phratrie einführt: die Apaturien sind ja das fest der ὁμοπάτοϱες. dagegen die cultgenossen sind irgendwann wie auch immer hinzugetreten, aufgenommen: es sind conscripti neben den patres oder patricii. für sie ist diese aufnahme mindestens formell an einen beschluſs der alten echten brüder gebunden gewesen. so geht durch die verschiedenen ordnungen dieselbe er - scheinung hindurch, daſs die prüfung und zulassung zuerst bei den brüdern erster classe steht, aber die fortschreitende entwickelung den unterschied immer mehr aufhebt, sei es daſs die orgeonen neben den genneten zwar bestehen bleiben, aber eine prüfung durch jene eben so viel gilt wie durch diese, sei es daſs eine andere gruppe an die stelle der genneten tritt, sei es daſs die gesammtbrüderschaft als höhere instanz über die vorprüfung durch jene entscheidet, sei es end - lich, daſs die gesammtbruderschaft in gleichartige und gleichberechtigte kleinere gruppen geteilt wird, so daſs genneten und orgeonen gleicher - maſsen verschwinden. diesen letzten schritt haben die Demotioniden durch das gesetz des Nikodemos getan.

Die bruderschaften waren genossenschaften (κοινά); wie diese hatten sie einen vorstand, und für die alte zeit werden wir die monarchische spitze erwarten, die in den meisten genossenschaften vorhanden ge - wesen ist. so haben auch die Demotioniden einen phratriarchen; aber die Dyaleer haben zwei. es ist unsicher etwas zu vermuten, aber da in der gemeinschaft der brüder zwei classen vorhanden sind, so ist die entwickelung wol denkbar, daſs die niedrigere einmal auch für sich275Die bruderschaft im verhältnis zum staate.einen vertreter als collegen des adlichen brudermeisters durchgesetzt hat. denn so lange der bestand der mitglieder lediglich durch die adlichen brüder controllirt ward, muſs der vorsteher ihnen allein angehört haben: so war es schwerlich zufällig bei den Demotioniden 396. viel länger dürfte sich ein vorrang wie der des οἶκος Δεκελέων im passiven wahl - recht kaum irgendwo gehalten haben. Euxitheos von Halimus, ein mann der niedersten lebensstellung, ist in seiner phratrie phratriarch gewesen; ob an ihrer spitze einer oder mehrere standen, ist nicht deutlich. mit der phratriarchie ist die vermögensverwaltung verbunden; indessen kann auch jeder thiasos seine casse haben, und wir sahen schon in dem ge - setze des Hierokles, wie die casse der gesamtheit (des κοινόν) sich an die stelle der casse des οἶκος setzt. die Dyaleer verpachten die grund - stücke ausschlieſslich für das κοινόν. daſs dieser name statt der φϱατϱία erscheint, beweist am besten, daſs ehedem eine kleinere unterabteilung über das vermögen der gesamten phratrie verfügte.

Natürlich sind die priestertümer der phratrie erst recht ein vorrecht der adlichen, und der priester der Demotioniden heiſst geradezu der des Dekeleerhauses. dieser cult ist nur der des persönlich gefaſsten rechts - begriffes der gemeinschaft: als sich in ihr die rangunterschiede ver - wischten, mag das priestertum, das zudem etwas einbrachte, allen brüdern zugänglich geworden sein. im übrigen haben die von der phratrie um - schlossenen gemeinschaften, geschlechter wie thiasen, ihre sonderculte, und da ist es schon etwas, wenn die teilnahme an den sacra den brüdern insgesamt verstattet wird: von da bis zur ausübung derselben, vom ἱεϱὰ δέχεσϑαι zum δϱᾶν, ist ein weiter schritt, der vielfach wol gar nicht getan ist. die phratrie, der der Kothokide Aischines angehörte, war berechtigt an dem geschlechtsculte der Eteobutaden teil zu nehmen; aber dieser cult, des Poseidon Erechtheus, ist immer geschlechtscult ge - blieben, und Aischines hätte sich nie einfallen lassen, auf das priestertum ansprüche zu erheben. es hat denn auch dieses geschlecht und sein priesterlicher vorrang die phratrie lange überdauert. aber auf diesem gebiete müſsten wir sehr viele einzelne concrete erscheinungen kennen, um allgemeine schlüsse wagen zu dürfen.

Nun sehen wir klarer, nun wollen wir die phratrien im verhältnisDie bruder - schaft im verhältnis zum staate. zum staate und zur bürgerschaft betrachten, rückwärtsschauend auch hier von der helleren zeit aus. Es ist selbstverständlich, daſs jeder Athener de iure einer phratrie angehören muſs, deren jede also ein zwölftel der bürgerschaft umfaſste: ein wie unförmliches ding war also das φϱατϱιακὸν γϱαμματεῖον. daſs das recht wirklich so war, zeigt18*276III. 1. Die phratrie der Demotioniden.schon allein die formel der bürgerbriefe εἶναι τὸν δεῖνα φυλῆς καὶ δήμου καὶ φϱατϱίας ὧν ἂν βούληται. in dieser liegt aber auch sofort, daſs zwischen der localen gliederung der gemeinden und der quasigenti - licischen der bruderschaften ein notwendiger zusammenhang besteht, denn der neubürger wählt sich nicht dreierlei, sondern indem er sich eines wählt, die gemeinde, die sein bürgerrecht erst effectiv macht, sind die übergeordneten gemeinschaften gegeben. andererseits ist mit der aufnahme in die gemeinde der eintritt in die phyle ipso facto gegeben. für die phratrie gilt das nicht, denn da bedarf es eines einführenden bruders, einer aufnahmeceremonie und eines aufnahmebeschlusses. der neubürger mag immerhin ein anrecht auf diese aufnahme von dem volke erhalten haben, er muſs doch erst noch schritte tun, um anschluſs an eine cultgenossenschaft und einen bruder, der ihn einführt, zu finden. er hat aber von dieser aufnahme weiter nichts, als daſs er gewisser sacra teilhaftig wird und die Apaturien mitfeiern kann. weder rechtliche noch pecuniäre vorteile stehen ihm in aussicht. er kann von der gemeinde für alle ihre ämter gewählt, für die richter - und ratstellen präsentirt werden, ganz ebenso von der phyle für die beamtenstellen des volkes, und das volk nun gar hat zu den wahlämtern sogar sehr häufig neu - bürger vorgezogen. nirgend ist die zugehörigkeit zu einer bruderschaft erfordert. der volksbeschluſs, der ihm sein bürgerrecht verlieh, war dem neubürger und seinen nachkommen allerdings ein wichtiger adelsbrief, den lieſs er meistens auf seine kosten in stein hauen und öffentlich aus - stellen, wenn das nicht das volk schon seinem privileg zugefügt hatte. allein die religiösen motive, die einem Athener vielleicht noch um 350 die bruderschaft oder den thiasos wert machen mochten, existirten für den neubürger nicht; für viele bürger schwanden sie auch, und so konnte es gar nicht ausbleiben, daſs ein immer gröſserer bruchteil der bürger - schaft factisch ohne bruderschaft lebte. wo keine greifbaren vorteile und kein zwang vorhanden sind, wird der mensch einen mit kosten und mühen verbundenen freiwilligen act sehr leicht unterlassen. so sind die bruderschaften schon zu Philochoros zeiten antiquirt gewesen und bald ganz in vergessenheit geraten. hätte man die διαψήφισις von 346 ihnen statt den gemeinden anvertraut, so würde die bürgerschaft ver - mutlich erheblich eingeschwunden sein: das φϱατϱιαϱχικὸν γϱαμματεῖον war schwerlich so unförmlich wie es hätte sein sollen. die geschlechter aber haben sich lebensfähiger bewiesen als die phratrien.

Die διαψήφισις des Isagoras 508 (oben I. 31) kann nur den phratrien anvertraut gewesen sein: damals gab es noch keine gemeinden. 277Die bruderschaft im verhältnis zum staate.allein schon damals gab es viele leute, die sich als bürger gerirt hatten, ohne den phratrien anzugehören. das war möglich, weil schon damals und schon zu Drakons zeit die staatliche gliederung nicht mehr genti - licisch war: die naukrarien waren die localen verwaltungsbehörden, und sie waren im rate vertreten. das vermögen, nicht der adel, stufte die staat - lichen rechte und pflichten ab; rechtlich dagegen hatte jeder Athener noch damals eine phratrie: es waren nur die plebejer als orgeonen den geschlechtern beigeordnet. das verhältnis war also dem späteren ganz analog; nur hatten die geschlechter eine factisch viel höhere macht, und die ὄϱγια waren den menschen ungleich wichtiger als 100 oder 200 jahre nachher. Kleisthenes aber konnte gar nicht anders als seine gemeinde - ordnung irgendwie mit den phratrien ausgleichen, gerade weil er sie lieſs wie sie waren. er muſste das eine feststellen, daſs die neubürger, deren er viele aufnahm, in ihnen zutritt fanden, nicht durch privileg im einzelnen falle, sondern durch ein gesetz, das von selbst die gemeinde mit der phratrie in ein verhältnis setzte, mit anderen worten die und die gemeinden der und der phratrie zuwies, so weit ihre angehörigen den adel lediglich in folge des gemeindebürgerrechts erhielten. das gibt den phratrien in gewissem sinne locale bedeutung, die durch die über das ganze land verstreuten, jetzt den verschiedensten gemeinden zugeteilten alten phrateren (genneten und orgeonen älterer zugehörigkeit) nicht aufgehoben wird.

Tief in das siebente jahrhundert hinein müssen wir gehn, vielleicht noch höher hinauf, um die zeit zu finden, wo der geschlechterstaat wirk - lich noch lebendig war, die ämter an den adel gebunden waren, und lediglich eine anzahl geschlechter in einer phratrie zusammengefaſst waren. damals stand die plebs völlig auſserhalb, und der adel stritt dem plebejer mindestens das geschlecht, vielleicht auch den vater ab. dürfen wir nun annehmen, daſs damals wirklich das blut oder doch die geglaubte verwandtschaft eine anzahl von geschlechtern als Demotioniden verband, so daſs ihre ahnherrn kinder Demotions gewesen wären? mit andern worten, ist die phratrie etwas gewachsenes oder gemachtes? schon die zwölfzahl gibt die antwort, die schematisch aus der vierzahl der phylen entwickelt ist. die phratrien sind mit den vier phylen zugleich gemacht. von jenen lehren es die blutlosen eponyme, auf die wirklich vornehme adelsgeschlechter sich zurückzuführen verschmähen. auch die eponyme der phratrien sind blutlose gestalten: ja die namen der phratrien Δυαλῆς Φιλιῆς sind zwar eines schlages mit Ἀϱγαδῆς Αἰγικοϱῆς, aber eben wie jene keine gentilicia. brüder die sich nach Διόνυσος Δύαλος nennen278III. 1. Die phratrie der Demotioniden.sind selbst eigentlich nichts als orgeonen. also stellt sich die adelsordnung bereits als eine künstliche organisation dar, vergleichbar der späteren gemeindeordnung. die phylen sind freilich sicherlich nicht local ge - wesen, so wenig die 4 wie die 10. aber die phylendrittel, die τϱιττῦς oder φϱατϱίαι werden es freilich nicht durchweg gewesen sein, weil es die geschlechter nicht sein konnten, aber gewiſsermaſsen waren sie es doch auch schon: man hat die neben einander wohnenden geschlechter zu einer phratrie verbunden. und durch ihren cultort schon erhält die phratrie einen localen mittelpunkt.

Wir würden also ein gutes teil alter geschichte kennen, wenn wir die centra der phratrien bestimmen könnten, und vielleicht dürfen wir das von der zukunft hoffen. Dekeleia (Hippothontis) ist der sitz der Demotioniden, Myrrhinus (Pandionis) der Dyaleer, Kephale oder Pro - spalta (Akamantis) der Achniaden, ein beschluſs einer unbekannten phra - trie ist in einer kirche zu Charvati gefunden (CIA II 599); das ist kein sicherer anhalt für den demos, aber die phyle Aigeis ist wahrscheinlich. die Butaden und Kothokiden weisen auf eine phratrie, die mit der Oineis in beziehung stand. über Therrikleiden und Zakyaden, deren steine in der stadt nur copirt sind, läſst sich nichts sagen, über die Philies, von denen wir nur das geschlecht der Koironiden kennen, auch nicht. aber wir sehen einmal wirklich schon, dass Kleisthenes die verteilung der demen auf die phylen nicht ohne berücksichtigung der phratrien voll - zogen hat, wir sehen ferner, daſs eine gleichsetzung der 12 phratrien mit den 12 alten städten nicht möglich ist,21)Der einfall, daſs die τετϱαπολῆς oder ἐπακϱῆς oder μεσόγειοι bruder - schaften wären, ist mir natürlich gekommen. die ersten beiden stehn in der liste der alten zwölf städte, die ἐπακϱῆς waren auch später eine trittys. aber die er - haltenen documente dieser genossenschaften bestätigen den einfall nicht, obwol sie ihn schwerlich verbieten. und wenn wir jetzt auch unseres nichtwissens uns bewuſst werden, so gibt der fortschritt der letzten zehn jahre fröhlicher hoffnung auf die zukunft raum.

Demotion der heros.Als postille will ich den eponymus der Demotioniden in einem wert - vollen namenregister nachweisen, dem verzeichnis der kinder, die Theseus vor dem Minotaurus gerettet hat, erhalten in einem schönen mytho - graphischen Vergilscholion zu Aen. VI, 21, das durch Haupt und Jahn zumeist bereits emendirt ist. quorum haec nomina feruntur. hi pueri: forbas (so O. Jahn, für hippo forbas. ) et libi idest arcadis antimachus euandri mnesteus sumiani phidocus ramuntis demolion cydani [puriesion celei von Haupt getilgte dittographie]. puellae haec peribea alcatim medippe279Demotion der heros.pyrii iesione celei andromache eurimedontis seupymedusa polixeni europe laodicit milita triaconi. ich will die emendationen gleich griechisch geben. Φόϱβας, dessen vatersname sammt dem nächsten knabennamen noch unsicher bleibt; Aethlios und Elatos und Idas gehören nicht nach Athen und sind andererseits zu sehr an bestimmte träger gebunden. Phorbas ist natürlich der herr des Φοϱβαντεῖον in der stadt, einst ein wolbe - kannter gefährte des Theseus, meist Poseidonsohn. wenn man aus biidest mit Leo Butes macht, was sehr erwünscht wäre, könnte etli wol etali sein: da hätten wir die eponymen der Aithaliden und Butaden. der vater des zweiten knaben ist Ἀϱγαδεύς, der eponyme der phyle, wie Jahn gesehen hat. Ἀντίμαχος Εὐάνδϱου, für mich nicht näher bestimmbare gut attische namen. Μενεσϑεύς Σουνίου, Ἀμφίδοκος ῾Ραμνοῦντος, Δημοτίων Κύδαντος. in den vätern haben wir drei demen, zwei sicher von der ostküste, die Kydantiden wahrscheinlich auch. dazu tritt Demo - tion von Dekeleia; den Kydas hatte schon Stephani erkannt. den mädchen fällt der westen zu, Πεϱίβοια Ἀλκαϑόου, die tochter des megarischen königs, mutter des Aias, wie manche sagten von Theseus: also Megara trotz seinem peloponnesischen herrscher gilt für attisch. Μηδίππη Πύϱϱου oder Πυλίου; der mädchenname ist um der Μήδα, des Μῆ - δος, Μήδειος willen gewählt, die im hause des Aigeus, auch dem Bu - tadengeschlechte vorkommen; es gibt auch einen Eteobutaden Pyrrhos, aber der name ist nicht sicher. Πυλίος paſst besser; er hat den Herakles in die Eleusinien aufgenommen, gehört also dorthin. änderungen die das y aufgeben, sind nicht wahrscheinlich. Ἡσιόνη Κελέου, das ist Eleusis, Ἀνδϱομάχη Εὐϱυμέδοντος, Εὐϱυμέδουσα Πολυξένου, Εὐϱώπη Λαοδίκου ohne kenntliche beziehung, Μελίτη aus der stadt, deren vater noch fehlt; Θϱιάγονος, wie Jahn wollte, ist keine brauchbare bil - dung: der eponymos würde Θϱῖος oder Θϱίας oder Θϱιάσιος sein. ich habe keinen plausibeln vorschlag. das ist aber wol klar, daſs der erfinder der liste (ihr überlieferer wird Istros sein) sehr überlegt ge - wählt hat, und daſs es sich verlohnt, die namen zu deuten oder zu finden.

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2. DER ERSTE KRIEG GEGEN AEGINA.

Der erste bericht des Herodotos.Wir haben über den krieg zwischen Athen und Aegina keine über - lieferung auſser bei Herodotos.1)Weil er auf Herodotos zurückgeht, muſs selbst der bericht des Duris in seiner samischen chronik unberücksichtigt bleiben, der, wie ich schon früher ge - legentlich verbessert habe, also lautet κατὰ δὲ τοῦτον τὸν χϱόνον ὑπὸ Αἰγινητῶν Ἀϑηναῖοι κατὰ ϑάλατταν ἐν οχλούμενοι πέμπουσι πεζοὺς εἰς τὴν νῆσον, ὑπο - λαμβάνοντες, ἃν φϑάσωσιν ἀποβάντες, πολλὰ ἂν βλάψαι τὴν Αἴγιναν. οἳ δὲ ἐπεξελϑόντες (ἔτυχον γὰϱ αὐτοῖς πϱοσκαταπεπλευκότες τῶν Σπαϱτιατῶν τινες) τοὺς Ἀϑηναίους ἅπαντας ἀπέκτειναν πλὴν ἑνός u. s. w. es folgt breit sein tod und dann die änderung der tracht: diese war es, welche der peripatetiker beleuch - tete, und auf ihn geht die grammatikerüberlieferung, einschlieſslich einer bemerkung über die alten gemälde und eines Anakreonverses zurück. nur ein Kallimachosvers ist grammatikerzusatz. (schol. Eur. Hek. 934). was er gibt, kann so wie es ist nicht geschichte sein. es geht aber nicht an, davon zu ignoriren, was auf den ersten blick sich als novellistisch kund gibt, und das andere wol oder übel als geschichte zuzustutzen, sondern die analyse des ganzen berichtes muſs vorhergehen.

Herodot erzählt (V 79 90) gleich nach dem siege Athens am Euripos, daſs Theben sich um hilfe nach Aegina wendet, und die Aegineten die attische küste verwüsten. die Athener werden an der aufnahme des krieges dadurch verhindert, daſs Sparta mit einer intervention zu gunsten des Hippias droht.

Das ist das bescheidene tatsächliche, was er über diese zeit beibringt. es schlieſst sich seinem berichte über die attische geschichte jener jahre sehr gut an, und man hat nicht die mindeste veranlassung, mehr daran zu zweifeln als an jenem berichte überhaupt. es ist wahr, daſs Athen281Der erste bericht des Herodotos.eigentlich hätte losschlagen können, sobald die von Sparta drohende ge - fahr verschwand. Herodot bedient sich derselben auch nur als eines stilistischen mittels, um einen übergang zu jenen planen der Spartaner zu finden.2)Solche übergänge macht er oft, und es ist ein wichtiges prinzip für seine exegese, daſs man in ihnen nicht mehr als das stilistische motiv sucht. da gehört bei dem prosaischen Homer wirklich die bemerkung hin, die im epos so oft nicht den dichter, den sie entschuldigen soll, sondern den redactor trifft, οἰκονομικῶς τοῦτο λέγει. innerlich motiviren hat er die zurückhaltung der Athener mit einem orakel wollen, das ihnen 30 jahre zu warten gebot, widrigen - falls sie einen sehr langen wechselvollen krieg führen müſsten. dies orakel dient ihm auch dazu, seine aeginetischen abschnitte zu ver - knüpfen.3)V 89 ἦλϑε μαντῇον ἐκ Δελφῶν ἐπισχόντας τϱιήκοντα ἔτεα τῷ ἑνὶ καὶ τϱιηκοστῷ Αἰακῷ τέμενος ἀποδέξαντας ἄϱχεσϑαι ταῦτα ὡς ἀπενειχ - ϑέντα ἤκουσαν οἱ Ἀϑηναῖοι, τῷ μὲν Αἰακῷ τέμενος ἀπέδεξαν τοῦτο, τὸ νῦν ἐπὶ τῆς ἀγοϱῆς ἵδϱυται, τϱιήκοντα δὲ ἔτεα οὐκ ἀνέσχοντο. VI 88 Ἀϑηναῖοι δὲ πα - ϑόντες ταῦτα οὐκέτι ἀνεβάλλοντο μὴ οὐ τὸ πᾶν μηχανήσασϑαι ἐπ̕ Αἰγινήτῃσιν. das heiligtum wird auch erwähnt in einer der topographischen glossenreihen des fünften Bekkerschen lexicons, 212 (= Hesych, nicht Diogenian), die auf Athen gehn, so daſs Αἰάκειον, τόπος οὗ φασὶν τὸν Αἰακὸν οἰκῆσαι den aeginetischen heros allerdings annectirt, wie seine nachkommen Aias und Eurysakes, wie Theseus und Neleus annectirt sind, und namentlich Nisos, der eponymos von Nisaia. auch be - deutet diese gründung (die natürlich eine restitution sein wollte) den plan, Aegina zu annectiren. also ist es eine gründung von 458: älter kann ein solcher gedanke nicht sein, wol aber jünger, doch nur bis 404. es gehört freilich zu dem was er überliefert erhalten hat, aber daſs es hier erscheint, ist auch nur Herodots anordnung, die für uns nicht maſsgebend ist. und wir bedürfen keiner besonderen motivirung dafür, daſs Athen 506 die räubereien der Aegineten, so bitter es sie empfindet, hinnehmen muſs: Athen hat ja keine flotte. da das orakel die überwindung Aeginas nach 30 jahren in sichere aussicht stellt, kann man nicht bezweifeln, daſs es nach seiner erfüllung entstanden ist. 457 ist Aegina wirklich nach einem heftigen aber kurzen kampfe überwunden; damals muſste man sich der früheren kriege, um so mehr falls sie nicht bloſs resultatlos, sondern unglücklich waren, in der form erinnern das hätten wir uns sparen sollen. damals kannte man aber auch die zeit genau genug, um mit 30 jahren, mag die zahl auch rund sein, nicht 50 zu meinen. Herodot hätte das orakel also an dieser stelle noch nicht erwähnen dürfen, sondern erst an der späteren, und, wie wir vorgreifend nun schon ermittelt haben: der krieg mit Aegina fällt um 487.

282III. 2. Der erste krieg gegen Aegina.

Noch ein anderes orakel erwähnt Herodot. Theben soll sich an Aegina gewendet haben, weil der gott ihm befahl sich an die ἄγχιστα zu halten, und das war Αἴγινα als tochter des Asopos und schwester der Θήβη. das entspricht ganz den anschauungen und der ausdrucks - form, die man bei Pindaros findet; es kann also sehr wol geschichtlich sein. richtiger freilich wird man auch hierin nur die darstellung eines zustandes durch eine einzelne geschichte sehen.

Aber die hauptgeschichte Herodots soll den alten haſs zwischen Athen und Aegina motiviren, der angeblich schon vor 506 vorhanden gewesen ist, obwol es sonst keinerlei anzeichen für ihn gibt. weil diese geschichte ganz voller novellistischer züge steckt, ist es zwar unerlaubt, sie in die jahrbücher der geschichte einzuordnen, wie z. b. O. Müller, Duncker, Studniczka getan haben; man darf sie aber auch nicht ohne weiteres über bord werfen, wie es zumeist und auch von Köhler (Rhein. Mus. 46) geschieht. ich erzähle sie nicht im ganzen nach und schreibe sie nicht aus; es muſs sie jeder doch im zusammenhange nachlesen. aber ihre einzelnen züge muſs ich betrachten.

In dem aeginetischen dorfe Oie ist ein heiligtum der Damia und Auxesia mit zwei schnitzbildern der göttinnen aus olivenholz in knieen - der stellung. wie Welcker uns gelehrt hat, sind es geburtsgöttinnen in der haltung der kreiſsenden, wie die Αὔγη ἐγγόνασιν. die frauen ver - ehren sie in ihren nöten wie die Athenerinnen die Brauronia, weihen ihr wie diese ihren schmuck, darunter um ihres metallwertes willen natürlicherweise besonders viele spangen, die nach der dorischen mode den mantel auf der schulter zusammenhalten. nach der tempelordnung darf nur einheimisches tongeschirr gebraucht werden; insbesondere ist die attische ware ausgeschlossen, die am ehesten mitgebracht werden konnte: das ist eigentlich ganz natürlich.

Die herodoteische zeit fragt bei den religiösen satzungen wie bei allem nach dem warum; sie findet in dem verbote der attischen ware den in der gegenwart brennenden haſs der Aegineten. sie wundert sich über die haltung der götterbilder und gibt die antwort, daſs sie auf die kniee gesunken wären, als feinde sie rauben wollten. diese feinde sind, auch um des gegenwärtigen hasses willen, Athener. die statuen sind aus olivenholz; die Athener sind des glaubens, daſs die olive ihnen gehöre. damit sind ihre ansprüche und ihre versuche die statuen zu rauben motivirt.

Die Athenerinnen tragen keine schulterspangen mehr wie die Dore - rinnen; aber man hat seit dem umschwunge der mode den glauben, das283Der erste bericht des Herodotos.dorische wäre ächthellenisch, und wenn die frauen gleichwol nicht zu der mode der unförmlichen spangen zurückgekehrt sind, so motivirt man das mit einem verbote wegen der gefährlichkeit dieser instrumente. von der erzählte man viel. Oidipus hatte sich mit der spange Iokastes ge - blendet (Soph. O. T. 1269), und die Troerinnen hatten es mit Polymestor ebenso gemacht (Eur. Hek. 1170): die tragiker lehren uns, zu welcher zeit diese beurteilung der dorischen spange gegolten hat; die unanstän - digkeit des dorischen frauenkleides, das die schenkel den blicken darbot, weil kein hemde darunter saſs, berührt schon Anakreon. was war nun das opfer der attischen frauen, dessen ermordung das verbot der dorischen tracht mit den spangen hervorrief? das läſst sich nicht a priori bestimmen, das konnte so oder so gedichtet werden. da lernen wir, daſs es der unheilsbote gewesen ist, der von Aegina als einzig überlebender die kunde eines groſsen unheils brachte. wie die Athener erzählen, sagt Herodot, war ein schiff hinüber gefahren um die beiden bilder aus attischem olivenholz zu holen. die mannschaft war bei dem gotteslästerlichen unterfangen von plötz - lichem wahnsinn befallen, und bis auf den einen hatten sie sich alle gegen - seitig umgebracht. dem stellt er den aeginetischen bericht gegenüber und zwar so, daſs er ihn als berichtigung des attischen gegeben annimmt, selbst aber wieder das wunderbare aus ihm zu streichen bemüht ist. nach diesem berichte ist eine attische flotte mit gewalt nach Aegina ge - kommen, gegen die haben die Aegineten hilfe von Argos gerufen, diese ist unbemerkt gelandet, hat die Athener von ihren schiffen abgeschnitten und hat sie niedergemacht bis auf einen. das ist ganz offenbar ein durch - aus nicht novellistischer oder aetiologischer bericht, sondern ein geschicht - licher. ich habe nur das novellistisch aetiologische fortgelassen. das besteht in der tempellegende, daſs die bilder sich nicht wegrücken lieſsen, und als man sie mit seilen wegzuziehen versuchte, in die knie fielen, und darin daſs gewitter und erdbeben den untergang der Athener be - gleiteten. diesen bericht hat Herodot offenbar so eingeholt, daſs er den Aegineten die attische erzählung vorlegte. wenn die Athener selbst sagten, sie hätten die bilder rauben wollen und wären alle bis auf einen um - gekommen, so hatten jene keinen grund zu widersprechen. was die bilder anlangte, so verfügten sie über eine andere aetiologische geschichte, die gar nicht damit zusammenhieng, aber sich gut damit vertrug. daſs die attische die erinnerung an eine schwere niederlage, nicht an den verlust eines schiffes, festhielt, sagten die Aegineten; wir könnten es uns auch selbst sagen, da die genesis der ganzen fehde ohne diese voraus - setzung unbegreiflich ist. es ist aber schlechthin nicht abzusehen, wes -284III. 2. Der erste krieg gegen Aegina.halb wir dem berichte der Aegineten in betreff des krieges mit Athen mistrauen sollten.

Die analyse der ersten herodoteischen erzählung hat also als ge - schichtlich glaubhaftes resultat ergeben, daſs irgend wann die Athener eine starke truppenzahl auf Aegina gelandet hatten, die aufgerieben ward, weil hilfsvölker von Argos unbemerkt auf der insel eintrafen und die Athener von ihrer flotte abschnitten. diese geschichte ist zunächst voll - kommen zeitlos, denn Herodots anordnung ist dessen eigenes werk und hat für uns nicht die mindeste verbindlichkeit.

Der zweite hericht des Herodotos.Das andere stück der kriegsgeschichte schiebt Herodot zwischen die gesandtschaften, durch die Dareios von den hellenischen staaten die unterwerfung fordert, und die schlacht bei Marathon. wer seiner er - zählung folgt, muſs alles 491 bis sommer 490 unterbringen; es ist nicht mehr nötig die unmöglichkeit zu beweisen. die hauptpunkte sind fol - gende. Aegina huldigt dem Dareios, wird deshalb von Athen in Sparta denunzirt, weigert dem könig Kleomenes die genugtuung (VI 48 50). als dieser seinen collegen Demaratos durch Leotychides ersetzt hat, er - zwingen beide die auslieferung vornehmer Aegineten und geben diese den Athenern in verwahrung (VI 73). nach dem tode des Kleomenes fordern die Spartaner die auslieferung dieser männer vergeblich von Athen (VI 85). hier ist es erst, wo in wahrheit die fortsetzung seiner früheren erzäh - lung von Herodot notirt wird (VI 87. 88); der aeginetischen geifeln, der Perser und der Spartaner geschieht keine erwähnung mehr. die ge - schichte wird völlig zeitlos, umfaſst ersichtlich eine längere, wenn auch unbestimmte frist, der übergang zu anderem wird mit Ἀϑηναίοισι μὲν δὴ πόλεμος συνῆπτο πϱὸς Αἰγινήτας (VI 99) gemacht, ohne daſs doch ein abschluſs da ist. wir brauchen also nur die beiden gesonderten stücke des herodoteischen berichtes gesondert zu behandeln, so sind wir die ver - wirrung der zeit los. daſs Aegina Persien gehuldigt hat wie die andern inseln, ist ganz glaublich; sie mochten den zunächst bedeutungslosen act für politisch halten: 480 haben sie sich den ehrenpreis der tapfer - keit verdient, und die anekdote ist wol authentisch, daſs der sohn eines der damals in Athen verhafteten männer, des wegen seines namens auch von Simonides bespöttelten Krios4)Es ist wol ein Athener gewesen, der in Nemea den Krios im ringkampf überwand und sich von Simonides das siegeslied machen lieſs, in dem darüber ge - scherzt ward wie der bock im haine des Zeus so weidlich geschoren ward. denn das lied blieb in Athen volkstümlich (Ar. Wolk. 1356 mit schol. ), und es bedurfte eines besonderen hasses, um die abweichung von der etikette zu motiviren: wie Pindar, bei Salamis dem Themistokles ein285Der zweite bericht des Herodotos. der dritte bericht des Herodotos.bitteres wort über den aeginetischen medismus zugerufen habe, als er gerade ein sidonisches schiff geentert hatte (Her. VIII, 92): auch die andern facta, die klage Athens und die verhaftung der angeblich oder wirklich perserfreundlichen führer wird so bestätigt. endlich ist die datirung des Herodotos ganz unanstöſsig, zumal die spartanische königsliste als Leo - tychides erstes jahr 491 gerechnet hat. nur muſs jedermann, der dies für sich betrachtet, annehmen, daſs 490 die aeginetischen gefangenen in attischem gewahrsam saſsen.

Gesondert davon, zusammenhängend mit der erzählung im fünftenDer dritte bericht des Herodotos. buche, steht der ausführliche bericht (VI 87 93), den Herodot nur hier - hergerückt hat, weil er in sich gar keine datirung trug. die Aegineten rauben ein attisches schiff, das zur regatta am Poseidonfest nach Sunion fährt. die Athener schlagen jetzt die warnung des orakels in den wind, das, wie wir schon gesehen haben, die zeit um 487 voraussetzt, und versuchen durch einverständnis mit einem demokratisch gesonnenen Aegineten sich der insel zu bemächtigen. dazu müssen sie sich 20 schiffe von den Korinthern schenken lassen. aber sie kommen einen tag zu spät, als der demokratische aufstand schon niedergeschlagen ist; nur der rädelsführer mit wenigen rettet sich nach Athen, wird in Sunion an - gesiedelt und treibt piraterei gegen Aegina.5)Das ist ein schöner beleg für die gestattung der caperei von privaten, die gesetzlich daraus folgt, daſs das bekannte solonische gesetz den ἐπὶ λείαν οἰχόμενοι den schutz ihrer genossenschaftlichen statuten gewährt. die athenische flotte er - zwingt sich doch die landung durch einen seesieg; da kommt zwar nicht officieller, aber doch starker zuzug von Argos. die meisten Argeier, und so ihr führer Eurybates, werden freilich von den Athenern er - schlagen, Eurybates im zweikampfe; aber die Aegineten überfallen doch die Athener, als sie einmal in unordnung sind, und nehmen vier schiffe.

So schlieſst die geschichte oder vielmehr so bricht sie ab. die dar - stellung ist offenbar athenisch, also ist von den attischen erfolgen einiges abzuziehen. noch viel sicherer aber ist, daſs das ende fehlt: das athe - nische heer kann doch nicht in Aegina sitzen bleiben, und daſs die Argeier beinahe alle erschlagen werden, sieht sehr nach einer verall - gemeinerung des einen abenteuers aus, das Herodot hier aus anderer4)zeigt, macht man sich nicht über die personen der überwundenen gegner lustig. der name Κϱιός klang den Hellenen komisch. das grabepigramm eines Atheners Krios (Kaib. 63 = CIA II 3880 saec. IV) hebt dem namen gegenüber die ψυχὴ φωτὸς δικαιοτάτου hervor: das geht auf die sprüchwörter κϱιὸς τϱοφεῖ̕ ἀπέδωκεν, κϱιοῦ διακονία.286III. 2. Der erste krieg gegen Aegina.tradition eingefügt hat: der attische held Sophanes zeichnet sich auch bei Plataiai aus und ist 464 bei Drabreskos gefallen (IX 73). man verlangt eigentlich als abschluſs eine niederlage der Athener. man verlangt sie doppelt, wenn man sich des orakels erinnert. wie kommt aber der ehr - liche Herodot dazu, sie zu unterdrücken und seine geschichte im sande verlaufen zu lassen? dafür ergibt sich die antwort, sobald man das feh - lende stück dazu nimmt: es steht ja vorher, er verweist auch selbst dar - auf, aber er kann es nicht mehr an der rechten stelle anführen, weil er es an der falschen verbraucht hat. nicht wie früher, sondern eben jetzt erst riefen die Aegineten den schutz von Argos an. man halte doch die obige erzählung der Aegineten zusammen mit den bruchstücken dieser. landung einer attischen flotte, ausschiffung eines heeres, un - erwartetes eingreifen eines corps von Argeiern, niederlage der Athener. das ist doch ein und dieselbe geschichte. der vorgang, so weit er den Herodot angeht, ist also der. die entscheidende niederlage Athens ist erstens in einem gewissen geschichtlichen zusammenhange erzählt worden, und andere traditionen und anekdoten nahmen auf den merkwürdigen ausgang vielfach bezug. daneben aber hat sich der glaube gebildet, daſs Athen den zug wider ein orakel unternahm; dieser freilich erst in der zeit, wo man Aegina von neuem, diesmal erfolgreich, zu leibe gieng. daran wieder hat sich die sage von dem unglücklichen kriege geknüpft, die sage von Damia und Auxesia; ich zweifle nicht, daſs die Athener sich wirk - lich in Oie bei jenem tempel festgesetzt hatten. ferner hat sich die sage von der ablegung der spangen, da sie einer groſsen niederlage bedurfte, auch an die auf Aegina geschlossen. den Aegineten konnte es schon recht sein, wenn die Athener nur einen einzigen der ihren gerettet werden lieſsen. nun hörte Herodot diese geschichten; er hörte in Athen mancherlei, erfragte bei den Aegineten anderes über die geschichte von den götterbildern, die ihm besonders merkwürdig war, und machte sich seinen vers daraus, so gut er konnte. das konnte er aber unmöglich gut machen. denn wie sollte er die niederlage der Athener, von der die Aegineten erzählten, zugleich mit der von 487 und mit der, welche zur abschaf - fung der spangen geführt hatte, identificiren? der aufgeklärte Ionier war an sich geneigt, eine solche wundergeschichte eben so wie die änderung der tracht möglichst weit hinaufzuschieben. der vorsehungsgläubige er - zähler suchte den haſs der beiden städte, das unrecht Aeginas und den grund des miserfolges der Athener möglichst weit zurückzuführen. und vielleicht schlug für seine kritik am meisten durch, daſs 487 mindestens Sophanes leben geblieben war. aber überhaupt hatte natürlich die ge -287Der dritte bericht des Herodotos. die halle der Athener in Delphi.schichtliche überlieferung der Athener den miserfolg möglichst gering dargestellt, während die sage, die ja nur ganz im allgemeinen eine nieder - lage als hintergrund brauchte, das sagenmotiv des einen unglücksboten forderte. so schob Herodot die kämpfe um Damia und Auxesia in un - bestimmte ferne, half sich aber über die wiederholung so gut es gieng weg, indem er den ausgang des kampfes unterdrückte. sein leser mag sich denken, es geht nun der kleine krieg weiter: der ausgang ist durch das orakel vorgezeichnet, wird auch erwähnt, ist übrigens in den tatsächlichen verhältnissen, unter denen Herodot schreibt, von selbst ge - geben. da er keine jahrbücher schreibt, läſst er den Themistokles die flotte ruhig für denselben aeginetischen krieg gründen, den er, streng interpretirt, 491 / 0 angesetzt hat: seine erzählung des themistokleischen strategems (7, 144) ist eben ein ganz anderer selbständiger bericht, der zu der wirklichen zeit, 483, vortrefflich paſst (vgl. oben I 275).

Wie sich nach dieser analyse das was an geschichte bleibt in die übrigen ereignisse einordnen läſst, ist oben s. 89 durch die tat gezeigt.

Danach haben ihre erfolge gegen Aegina den Athenern keine ver -Die halle der Athener in Delphi. anlassung gegeben, dem Apollon in Delphi eine halle zu bauen, in der sie waffen und schiffsschnäbel aufstellten und daran schrieben Ἀϑε - ναῖοι ἀνέϑεσαν τὴν στοὰν καὶ τὰ hόπλα καὶ τἀκϱοτέϱια hελόντες το῀ν πολεμίον (IGA 3a). die schrift zeigt, daſs die weihung älter als die Perserkriege ist; die dedicationsform, daſs die Athener frei sind: ganz abgesehen davon, daſs die Peisistratiden zu Delphi wahrlich kein pietätsverhältnis hatten. ich habe die halle sofort, als sie gefunden ward, auf den sieg am Euripos 504 bezogen, und da alle andern deutungen schiff - bruch gelitten haben, bin ich darin nur sicherer geworden. von einer seeschlacht steht nichts geschrieben: erbeutet müssen in Chalkis schiffe genug sein. die Athener hätten vielleicht besser getan, sie zu einer flottengründung zu verwenden als sie zu verbrennen und die ehernen vorderteile dem gotte zu weihen. aber eben deshalb wird die weihung in eine zeit fallen, wo der gedanke an eine eigene flotte ihnen noch gänzlich fern lag. für Delphi aber kann die dankbarkeit nie lebhafter gewesen sein, als nachdem der gott Athen erst zur freiheit, dann zur gemeindeordnung verholfen hatte. da die übrigens wirklich recht dürf - tige halle sich an das polygonale stylobat lehnt, muſs dieses damals schon fertig gewesen sein: der tempel nicht, und er ist es 506 nicht gewesen (vgl. oben I 35). aber man würde dann ja auch nicht nötig gehabt haben, dies kleine ding anzukleben: wenn der tempel fertig war, kamen die weihgeschenke eben in ihn hinein. seit es die288III. 2. Der erste krieg gegen Aegina.groſsen tempel gibt, sind weder in Delphi noch in Olympia thesauren mehr gebaut worden. es ist unverkennbar, daſs die fülle der weih - geschenke die erbauung der riesentempel im 6. und 5. jahrhundert her - vorgerufen hat. doch auf diese probleme der baugeschichte, die zugleich solche der geschichte des cultus sind, will ich hier nicht eingehn. es ist aber für die bestimmung der stoa von wert, daſs sie am besten für die zeit vor der vollendung des tempels paſst, also auch vor dem aegi - netischen kriege.

[289]

3. CHRONOLOGIE DER PENTEKONTAETIE.

Die Politie hat für die chronologisch dunkele periode 479 45Begrenzung der auf - gabe. einige feste punkte gegeben, durch die Themistoklesanekdote aber ge - droht, alles zu verwirren. bei der nachprüfung stellte sich mir zur eigenen überraschung heraus, daſs das mistrauen gegen die ergebnisse der zeitrechnung für diese periode, das ich bisher gehegt hatte, nur so weit berechtigt war, als es den modernen gebäuden galt, die ohne aus - nahme starke gewaltmittel gegenüber den zeugnissen brauchen. läſst man dagegen die zuverläſsige überlieferung stehn, so ergibt sich ein resultat von sehr erfreulicher einfachheit und sicherheit. obwol also neues gerade gar nichts von mir aufgestellt wird, halte ich für gut, eine zeittafel vorzulegen. die methode, dünkt mich, spricht für sich selbst, die genauen und absolut, nicht bloſs relativ, gegebenen datirungen an einander zu reihen. wenn sie stimmen, so ist es gut; die relativen an - gaben müssen sich dann fügen, und es hat historisch sogar nur ein geringes interesse, wie das bewerkstelligt wird.

Es kommt freilich darauf an, welche voraussetzungen man macht, und wie weit man exacte genauigkeit überhaupt für erreichbar hält. ich schicke deshalb die grundsätze voraus, auf deren boden ich allein de - battiren kann.

1) die zeitrechnung ist die attische. alle angaben der späteren gehen auf attische jahre zurück, abgesehen von dem persischen kanon der könige.1)Die gedichte des Pindaros sind durch die siege datirt, auf die sie sich be - ziehen, also auf Olympien und Pythien; damit ist ein spielraum von ein par mo - naten gegeben. also sind die einzig absolut verläſslichen daten die auf den attischen archon gestellten, zumal sie entweder direct in urkunden er - halten sind oder aus der chronik stammen. die angaben der späterenv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 19290III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.aber müssen auf diese rechnung, aus der sie stammen, reducirt werden, um so mehr als der attische jahreswechsel in die ereignisse selbst auf das stärkste eingreift. die olympiadenjahre haben gar keine andere be - deutung, als daſs spätere rechnungsmäſsig ein attisches amtsjahr mit dem viertel einer olympiade geglichen haben. es ist eine gänzlich unwissen - schaftliche spielerei, wenn man sich eine berechtigung zu eigener willkür dadurch zu schaffen versucht, daſs man den späteren schriftstellern künst - liche umrechnungen aus einer in die andere aera zuschreibt. es ist einfach schwindel, wenn jemand von der attischen zeitrechnung dieser periode mehr wissen will, als daſs es eine unvollkommene oktaeteris mit schaltungen war, von denen er weder das system kennt, noch die über - haupt ein system fest befolgten. praktisch sind wir gezwungen, aus - schlieſslich mit attischen jahren zu rechnen und ein solches jahr mit dem ersten neumond nach der sommersonnenwende zu beginnen, für unsere an das julianische gewöhnte vorstellung also etwa von juli bis juli zu rechnen, mit anderen worten es so zu machen wie Aristo - teles (oben I 5).

2) Absolut bindend ist für uns die relative chronologie des Thuky - dides, aber nur so weit, wie er die ereignisse ausdrücklich in relation setzt. wo er das nicht tut, hat er keine genauere bestimmung geben wollen als in der anordnung seiner erzählung liegt. ein jahr ist für ihn ein kriegsjahr, d. h. im allgemeinen eins wie er sie später rechnet, von frühling zu frühling, was praktisch ziemlich dasselbe ist wie ein julianisches, da die letzten wintermonate für die kriegerischen ereignisse selten in betracht kommen. aber er selbst hat die überlieferung in einer rechnung nach attischem kalender überkommen.

3) Die vorlage des Diodoros war nicht annalistisch in ihrer er - zählung. ob sie trotzdem attische archonten gab, oder er nur für ein - zelne ereignisse solche datirungen sonst vor sich hatte und danach selbst den stoff verteilte, macht für die sache kaum etwas aus. er selbst ist ein mensch, der durch seinen eigenen unverstand verschuldet hat, daſs seine angaben an sich sehr geringes gewicht haben, also immer nur subsidiär zugezogen werden können. aber es ergibt sich, daſs namentlich in dem späteren teile dieser periode seine daten gut sind.

4) Plutarch ist ein stilistisch hervorragender, historisch urteilsloser, chronologisch unbekümmerter mann. also erfordern seine angaben eine sehr umsichtige exegese, deren aufgabe es ist, seine eigene verarbeitung zu beseitigen, um dann die ihm vorliegenden berichte zu verwerten. diese waren ganz ausgezeichnet.

291Begrenzung der aufgabe. die jahre 466 55.

5) Iustinus und Nepos sind ganz unbrauchbar.

6) Eusebius liegt uns entstellt vor und hat die ereignisse schon so vielfach umgerechnet und verschoben überkommen, daſs er nur subsidiär herangezogen werden kann. zu grunde liegen aber die genauen attischen archontenjahre.

Die ereignisse des ersten jahrzehntes sind oben (I 142 47) geordnetDie jahre 466 55. für die folgenden bildet den absolut zuverläſsigen ausgangspunkt die niederlage bei Drabeskos im neunundzwanzigsten jahre vor Euthymenes 437 / 6, also unter Lysitheos 465 / 4. 2)Thuk. I 100, IV 102. schol. Aischin. 2, 31 von Clinton verbessert.Thukydides läſst darüber keinen zweifel, daſs dieses jahr zugleich das erste des thasischen aufstandes ist, der im dritten jahre beendigt ward, also unter Tlepolemos 463 / 2. als Kimon heimkehrt, hat er einen schweren rechenschaftsprocess zu be - stehen; freigesprochen sticht er wieder in see, und in seiner abwesen - heit wird der Areopag gestürzt, also unter Konon 462 / 1. so ergibt die rechnung nach Plutarch. die rechnung ist richtig, denn der sturz des Areopages ist auf das jahr des Konon durch Aristoteles absolut fixirt. nun gleicht sich aber ein thukydideisches kriegsjahr mit zwei attischen jahren; wir bedürfen also noch einer näheren bestimmung, ob der tha - sische krieg 465 63 oder 464 62 reicht. das entscheidet sich durch den fortgang der geschichte Kimons. als er von jenem unbestimmten zuge heimkehrt und den Areopag gestürzt findet, setzt er die hilfleistung für Sparta durch, wird dort abgewiesen und verfällt zu hause dem ostra - kismos. die vorfrage nach dem ostrakismos wird in der sechsten pry - tanie gestellt, also in dem anfange eines julianischen jahres. in dessen vorjahr, aber in dasselbe attische, fällt der zug nach Messene, davor der sturz des Areopages, unter Konon fixirt. also ist Kimon frühjahr 460 verbannt3)Der bericht Plutarchs ist wichtig und wird sehr vielfach misbraucht. eine interpretation, die den schriftsteller zunächst selbst interpretirt, ergibt aber ein gutes und verläſsliches resultat. nach dem rechenschaftsprocesse (14) geht Komon wieder wie gewöhnlich als feldherr in see (ὡς δὲ πάλιν ἐξέπλευσεν ἐπὶ στϱατείαν 15, 1), während seiner abwesenheit wird der Areopag gestürzt, Kimon kehrt heim (α῾ς ἐπανῆλϑεν 15, 2) und tritt in den parteikampf, der sich nun wider seine person richtet. bei der gelegenheit legt Plutarch eine anzahl belege für die lakonischen sympathien Kimons ein (Eupolis, Stesimbrotos u. a. 15, 3 16, 3). nun kommt er auf das spartanische erdbeben und die bittgesandtschaft, an die er wieder eine menge von schönen citaten anschlieſst (Aristophanes, Kritias, Ion). nun muſs er wieder in das historische fahrwasser einlenken (17, 2), d. h. in wahrheit an 15, 2 anschlieſsen. denn die schilderung des erdbebens selbst (16, 5 7) stammt in ihrer anschaulichen, der thasische krieg 465 63.4)Köhler (Herm. 24) hat die verlustliste I 432 richtig bezogen und datirt. sie enthält die gefallenen vom Hellespont und Thasos, und Köhler hat die ersteren aus Plut. Kim. 14 vorzüglich erläutert. das totenfest der Epitaphien fällt auf den 6. / 7. pyanopsion, und die jahre dieser listen laufen selbstverständlich von fest zu fest, sind also eben so wenig attische kalenderjahre wie die von den Panathenaeen laufenden der schatzmeister. deshalb steht auch niemals ein archon auf den ver - lustlisten. unmöglich konnte man die gebeine der in den ersten drei monaten eines jahres gefallenen über jahr und tag der grabesruhe entziehen, damit sie nach dem kalenderjahre sortirt auf dem friedhofe lägen. also ist es ganz in der ordnung, daſs auf dieser liste die toten der hellespontischen gefechte stehen, obwol sie sicher unter Lysanias, frühjahr 465, möglicherweise schon winter 466 / 65 gefallen sind, da - gegen die toten von Drabeskos nicht, obwol sie unter Lysitheos gefallen sind. denn diese schlacht hat nicht nur nach dem pyanopsion 465, sondern erst 464 statt - gefunden. die leute wollten eine colonie gründen, deren voraussetzung die erfolge Komons waren, die er durch jene gefechte errungen hatte, und das trieb andererseits die Thasier zum abfall, weil sie die nachbarschaft einer athenischen colonie nicht wünschten. also liegt zwischen jenen gefechten und dem untergange der colonisten eine längere zeit, ein winter. es ist ebenfalls ganz in der ordnung, daſs die toten von Drabeskos ihre besondere liste hatten, aufgestellt im pyanopsion des Arche - demides 464: aber das älteste grab im Kerameikos war dieses freilich nicht. Pau - sanias irrt (I 29, 4); sein irrtum wird jedoch dadurch erzeugt sein, daſs er auf das wirklich älteste grab die Herodotstelle (IX 75) bezog, weil seine inschrift eine niederlage in Thrakien erwähnte, während das grab den toten von 475 galt. daſs damals im anschlusse an die gründung des Theseusgrabes auch der staatsfriedhof eingerichtet ist, erscheint mir durchaus wahrscheinlich. wer den versuch machen19*292III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.will, die ereignisse ein jahr tiefer zu rücken, wird sich bald von der undurchführbarkeit überzeugen. 5)Bestätigt wird dieser ansatz des ostrakismos auf 460 durch die heimkehr Kimons 450.

Eine consequenz ist, daſs die Eurymedonschlacht nicht lange vor 465, spätestens 466 fällt.6)So hat Köhler mit recht geurteilt. die Athener weihten zum danke für den sieg in Delphi eine Athena, die statt auf einer säule, wie gewöhnlich, auf einer palme stand; es war ein erzbild, und der baum hat nur künstlerische bedeutung. denselben terminus ante quem gibt die revo -4)ausführlichkeit nicht aus seiner knappen historischen hauptquelle, und die bitt - gesandtschaft war sogar nach Aristophanes erzählt; Ion aber hatte ihn gar über den hilfszug hinabgeführt. da weiſs sich Plutarch nur so zu helfen, daſs er sagt οἱ δὲ Λακεδαιμόνιοι τοὺς Ἀϑηναίους αὖϑις ἐκάλουν, gleich als ob nicht er die erzählung verdoppelte, sondern es zwei hilfsgesandtschaften und sendungen gegeben hätte. den ausgang der politischen kämpfe gibt er aber nur ganz kurz, und in seiner mo - tivirung sieht man deutlich die rückkehr zu der situation und der quelle von 15, 2 (dort λακωνισμὸν ἐπικαλοῦντες, hier τοῖς λακωνίζουσι φανεϱῶς ἐχαλέπαινον). den irrweg also meide man, auf den er uns wirklich lockt, zwei hilſszüge anzunehmen. den schlimmeren irrweg, den ersten derselben mit dem ἐπὶ στϱατείαν ἐκπλεῦσαι 15, 1 zu identificiren, sind die modernen aus eigenem antriebe gegangen.293Die jahre 466 55.lution am persischen hofe; Xerxes stirbt nach dem Königskanon 465 im frühjahre. einen ganz zuverläſsigen terminus post quem oder gar eine fixirung für die schlacht gibt es nicht.

Nach Theopompos ist Kimon gleich nach der schlacht bei Tanagra zurückgerufen, ehe er noch volle fünf jahre verbannt gewesen war. die nachricht beruht aller wahrscheinlichkeit nach auf einem misverständnis7)Theopomp bei dem Aristidesscholiasten 528 Ddf. Aristides selbst II 212. Plutarch Per. 10, Kimon 17. Nepos Cim. 3. das misverständnis geht bei Diodor XI 55 so weit, daſs gar der ostrakismos auf 5 jahre befristet erscheint. Stesim - brotos (Plut. Per. 10, 4) berichtet zwar die vermittelung Elpinikes zwischen Perikles und Kimon, allein daraus folgt mit nichten, daſs dieser letztere schon 457 dauernd heimkehrte; die staatsmänner konnten eine vereinbarung auch auf die zukunft schlieſsen. die worte Theopomps selbst bezeugen übrigens auch nur, daſs Kimon heimgerufen ward, um den frieden zu schlieſsen, keinesweges, daſs er dann weiter in Athen blieb; bei Tanagra vor der schlacht ist er nach dem plutarchischen, ver - mutlich theopompischen, berichte bereits zugegen, als verbannter auſserhalb der landesgrenzen, wie es ihm zustand. nur in dieser beschränkung kann ich die sache für glaublich halten, und auch in der angabe des Andokides (3, 3) liegt nicht mehr. denn erstens gibt es keine spur von Kimons anwesenheit oder tätigkeit in Athen 457 51, dagegen läſst Plutarch (Kim. 18) sofort auf die rückberufung den zug von 450 folgen. damals ist auch nach Thukydides (I 112) ein fünfjähriger friede geschlossen, den Diodor XI 86 für ein werk Kimons ausgibt, ihn freilich auf die zeit verrückend, wo die feindseligkeiten auch nach Thukydides tatsächlich aufhörten, 453. Andokides aber rückt diesen fünfjährigen frieden an die angebliche rück - berufung Kimons. nach Tanagra ist kein friede geschlossen, auch mit Sparta nicht, denn 455 hat Tolmides Gythion verbrannt. wol aber spricht Diodor XI 80 von einem waffenstillstand gleich nach Tanagra von viermonatlicher dauer. wenn dieser historisch ist, so kann ihn Kimon vermittelt haben, ad hoc in die stadt hinein - gelassen. der waffenstillstand kann dann aber weder Aegina noch Boeotien ein - geschlossen haben, die weiter angegriffen und überwunden wurden. ihnen half niemand; das macht die sache glaublich. dann war aber wirklich Tanagra nur ein taktischer erfolg der Peloponnesier, so sehr ihn das korinthische weihgeschenk in Olympia verherrlicht, ganz wie die schlacht von Koroneia 394. in wahrheit sind die Peloponnesier schleunigst nach hause gegangen und haben den norden den Athenern geopfert. damit ist die ruhmredigkeit der attischen epitaphien ziemlich gerechtfertigt, die Tanagra für eine unentschiedene schlacht erklären. für ein stim - mungsbild aus dem jahre nach Oinophyta halte ich Pindars sechste isthmische ode. Boeckhs auseinandersetzung (p. 530 der groſsen ausgabe) erscheint mir, gerade wenn ich die andern deutungen vergleiche, geradezu meisterhaft. Dissens schlechte einzel - erklärung muſs man nur ganz auſserm spiele lassen., aber das nimmt ihr nicht die chronologische verwendbarkeit, da sie die6)an der palme waren auch früchte angebracht, die das palmobst nachahmten, d. h. datteltrauben. selbstverständlich hat auch das nur künstlerische bedeutung. Pausan. X 15, 4 6.294III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.zeitliche differenz zweier für ihren urheber fester punkte nicht falsch angeben kann. danach fällt die rückberufung Kimons unter den fünften archon von Euthippos ab gerechnet, Mnesitheides 457 / 56. darauf folgten ohne unterbrechung, wie Thukydides I 108 sicher stellt, die schlacht bei Oinophyta, die niederwerfung von Boeotien und Phokis, die capitulation von Aegina und der zug des Tolmides um den Peloponnes, der danach unter Kallias 456 / 5 zu stehen kommt. die rechnung ist richtig: den archon Kallias für den zug des Tolmides gibt schol. Aischin. 2, 75.

Genaueres zu bestimmen gibt den ersten anhalt das verhältnis der schlachten bei Tanagra und Oinophyta. zwischen beiden schlachten lagen nach Thukydides 62 tage; bei Tanagra commandirte der sieger von Oinophyta Myronides nicht. die Peloponnesier waren in demselben kriegs - jahre erst nach Phokis gezogen; sie machten die diversion nach dem nordosten Attikas erst, weil die Athener ihnen den heimweg über die megarischen berge und den korinthischen golf sperrten, marschirten aber nach dem siege schleunigst ab und fanden in Megara keine ernte mehr zu verwüsten, sondern hieben nur die oliven um. alles das gibt Thuky - dides an, und nach Plutarch (Kim. 17, 6) fürchteten die Athener ihren einfall erst für die nächste erntezeit (εἰς ὥϱαν ἔτους), die also dieses mal vorbei war. weiter liegt darin nichts. wenn man nach der art der kriegführung Spartas im archidamischen kriege rechnet, so führt das zu der annahme, daſs die schlacht bei Tanagra etwa im juni geschlagen ist, also am ende des attischen jahres, so daſs Oinophyta und schon der waffenstillstand, der mit vier monaten den rest des kriegsjahres um - faſste8)Sparta zieht entweder vor oder nach der ernte seine bündner zusammen. im ersten falle drängen sie in der erntezeit nach hause. so war es diesmal. ein zweites mal sind sie in demselben jahre schlecht mobil zu machen, während die Athener gerade im juli august sehr oft in see gehn. so war es für Sparta ein erfolg, wenn sie für den rest des kriegsjahres durch 4 monate ruhe bekamen, freilich nur, wenn sie eine ganz egoistische politik trieben. diese war für den noch so ge - schwächten staat ohne frage mindestens entschuldbar., in ein anderes fällt. das paſst vortrefflich. und daſs Diodor Tanagra unter Habron, Oinophyta unter Mnesitheides, den zug des Tolmides unter Kallias alles richtig ansetzt, ist kein beweis, aber ein recht erwünschtes bestätigendes ergebnis. 9)Die verwirrte erzählung XI 81 83 ist gerade dadurch verwirrt, daſs die richtigen jahrangaben den geschichtlichen zusammenhang zerreiſsen. nicht bei Diodor mehr wird es klar, daſs Theben sich nach dem waffenstillstande seiner haut allein wehren muſs, da Sparta ihm die boeotische suprematie wieder verschafft hat, aber man spürt es noch deutlich durch, daſs sein gewährsmann über die boeotischen

295Die jahre 466 55.

Diesen festen boden unter den füſsen können wir weiteres terrain gewinnen. die Thasier wagten 465 / 4 den abfall in der hoffnung auf spartanische hilfe. aber Sparta ward durch das erdbeben, das es be - troffen hatte, verhindert, bei welcher gelegenheit die Heloten abfielen und sich in Ithome festsetzten. so Thukydides (100), und man muſs zunächst das erdbeben mit dem thasischen aufstande gleichzeitig ansetzen. das geschieht auch von Plutarch (Kim. 16, 4), wo es auf das vierte jahr des Archidamos gesetzt wird, der unter Apsephion 469 / 8 zur regierung kam: in königslisten aber gehört das jahr des regierungsantrittes meist dem vorgänger. wenn Pausanias (IV 24) den abfall der Messenier ol. 79, 1 (464 / 3) unter den archon setzt, den er Archimedes, Diodor Archidemides nennt, so correspondirt das mit dem diodorischen ansatze des thasischen krieges auf denselben: es ist nur eine unwesentliche verschiebung um ein jahr. aber Thukydides erzählt auch, daſs Ithome im zehnten jahre der belagerung gefallen ist (102), und diese zahl ist durch Diodor XI 64 vor jeder änderung geschützt, zumal dort Thukydides nicht zu grunde liegt. wenn die zehn jahre von 465 / 4 laufen, so ist Ithome 456 / 5 unter Kallias gefallen: wirklich steht es so bei Diodor XI 84. aber Thukydides selbst straft diese auch im zusammenhange der ereignisse sinnlose berech - nung lügen, da er den fall Ithomes hinter dem systemwechsel der attischen politik erzählt, den der ostrakismos Kimons zur folge hatte, und vor dem anschluſse Megaras an Athen und der aegyptischen expedition. danach kommt der fall Ithomes 460 oder 459 zu stehen, das erdbeben also 469 oder 468. und das ist nun wieder ein mit der allerschärfsten praecision von Philochoros auf den archon Theagenides 468 / 7 bestimmtes datum (schol. Ar. Lysistr. 1144), und Diodor, unbekümmert um den wider - spruch mit seiner späteren auf falscher auslegung des Thukydides beruhenden angabe, daſs die zehn jahre 456 zu ende gegangen wären, gibt für das erdbeben 469 / 8, Apsephion, als datum. es ist sehr wol denkbar, daſs9)verhältnisse so gut informirt war, wie Ephoros zu sein pflegt. die verdoppelung der kämpfe im tanagraeischen gebiete ist einmal durch die verteilung auf die jahre, zum andern durch den eigenen kitzel Diodors hervorgerufen, aus Oinophyta eine ganz besondere heldentat zu machen. daſs er daran sofort alle weiteren taten des Myronides schlieſst, selbst den viel späteren thessalischen zug, ist vollends ganz in seiner weise. vorher hat er 78 den krieg mit Epidauros Korinth und Aegina auch ganz treffend unter Phrasikleides eingereiht, wo er wirklich begann, und man würde nichts dabei finden, wenn er nun bis zu ende erzählt würde, unbeschadet seiner dauer. allein es wird ausdrücklich eine neunmonatliche frist gezählt: das ist mit Thukydides schlechthin unvereinbar und muſs verworfen werden. richtig hat Fabricius (Theben 12) geurteilt.296III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.die lage für Sparta sich 465 besonders bedrohlich gestaltet hat, so daſs die Thasier noch kurz vorher zusicherungen erhalten hatten; es ist aber auch dem Thukydides zuzutrauen, daſs ihn eine falsche nachricht ge - täuscht hat, die Sparta einen bruch des bundes aufhalsen wollte: wir wissen von dem verlaufe des messenischen krieges ja so gut wie nichts10)Durch Herodot IX 35 kennen wir das nackte factum, daſs die Spartaner am Isthmos nach den sehersprüchen des Teisamenes über die Messenier siegten. denn überliefert ist ἐπὶ δὲ (ἀγών nämlich) Μεσσηνίων πϱὸς τῷ (R: om. A) Ἰσϑμῷ, und das hat Pausanias gelesen (III 11, 8) und, ratlos wie wir, irgend wie mit den worten des Thukydides in einklang zu bringen versucht. was ist das für eine kritik, die erst bei Herodot πϱὸς Ἰϑώμῃ conjicirt, und dann womöglich noch bei Pausanias den Isthmos vertreibt? von den andern schlachten sagt Herodot πϱὸς Τεγεήτας, πϱὸς Ἀϱκάδας, πϱὸς Ἀϑηναίους: was soll der genetiv Μεσση - νίων? offenbar hat er Μεσσηνίων πϱὸς τῷ Ἰσϑμῷ geschrieben, weil auch für ihn das wort Isthmos ohne zusatz keine deutliche ortsbestimmung war. aber die schlacht an der Messenier Isthmos war deutlich, ist es nur nicht für uns: wir müssen den ort suchen, dessen name einen gewissen anhalt gibt. doch bedenke man, daſs der westliche demos von Kos so heiſst, bloſs weil die insel eine schmale halsähnliche stelle hat.. auf jeden fall hat Thukydides sich, ganz wie wir es in der Themistokles - geschichte gefunden haben, misverständlich ausgedrückt, und dieses mis - verständnis hat weiter unheil gestiftet. mit der beseitigung dieses mis - verständnisses ist wieder ein fester punkt gewonnen, der fall von Ithome und die ansiedelung der Messenier in Naupaktos, also auch die vertrags - urkunde CIA IV p. 9 fallen in das jahr des Philokles 459, in dasselbe, den winter, der anschluſs von Megara11)Aus einem apophthegma Kimons, das Plutarch (17, 1, es gehört eng mit dem vorigen zusammen) aus Ion gibt, ersieht man, daſs der krieg mit Korinth, der Megara den Athenern in die arme trieb, schon zu der zeit im gange war, wo Kimon von Messene heimzog, also herbst 461. sobald Athen ihnen die passage im korin - thischen meerbusen sicherte, durch die besetzung von Naupaktos, fielen ihm die Megarer zu., unter Euthippos aber, 460, in dessen ersten monaten Kimons politik vom volke verworfen ward, die bündnisse mit Argos und Thessalien und die besitzergreifung von Nau - paktos.

Damit sind die ereignisse, die Thukydides 104 7 erzählt, von beiden seiten so fest eingeengt, daſs ihnen nur noch ein platz bleibt. Megara kann sich erst ende 459 an Athen angeschlossen haben; der zug der Peloponnesier nach Phokis und Boeotien fällt in das frühjahr 457. folg - lich bleibt das kriegsjahr 458 für die schlachten bei Halieis Kekryphaleia Aegina Megara. das ist viel, und man würde sich davor scheuen, aber297Die jahre 466 55.gerade da tritt als urkundliche bestätigung die verlustliste der Erechtheis I 433 ein. diese vier schlachten sind tatsächlich in demselben kriegsjahr, 458 bis zum Pyanopsion, unter Philokles und in den ersten drei monaten des Habron geschlagen.

Derselbe stein führt eine anzahl krieger auf, die in Kypros und Aegypten gefallen sind. das harmonirt mit Thukydides, der den beginn der aegyptischen expedition zwischen den anschluſs von Megara und die schlacht bei Halieis stellt, ohne eine nähere zeitliche relation zu geben. da jedoch die attische flotte schon auf Kypros war, als Athen sich für das bündnis mit Inaros entschied, so wird man den anfang der expedition noch in das jahr 459 rücken. das gestattet der stein sehr gut: denn daſs die gebeine der auf Kypros im sommer 459 gefallenen alle schon 459 anfang october zum totenfeste heimgeführt gewesen wären, ist wirklich nicht zu verlangen. der krieg dauerte sechs jahre, das sind nach Thukydides sechs sommer; da der erste 459 fest steht, so ist der letzte 454. der bericht über die letzten ereignisse auf dem aegyptischen kriegsschauplatze steht zwischen dem zuge des Tolmides um den Peloponnes, unter Kallias 456 / 5 fixirt, und dem zuge der Athener nach Thessalien12)Myronides wird als feldherr von Diodor XI 83 genannt, wol glaublich. XI 85 unter Sosistratos, also in dem jahre, wo der zug wirklich stattfand, com - mandirt Tolmides in Boeotien. allein das hängt wol damit zusammen, daſs dieser nachher in Euboia auftritt und landlose verteilt, 88. allerdings ist mittlerweile der archon Lysikrates geworden, 453 / 2, aber Diodor hat hier den zug des Perikles, zu dem der des Tolmides eine parallele action ist, auf drei seiner jahre verteilt. im ein - zelnen ist also sehr wenig verlaſs auf diese daten. übrigens scheint es fast, als hätte Perikles erst durch das scheitern der aegyptischen expedition die zügel wieder fest in die hände bekommen. unter hilfleistung der Amphiktionen; eine folge davon, ein bündnis mit den Phokern, ist urkundlich (IV p. 8) für das jahr des Ariston 454 / 3 gesichert. es bleibt einiger spielraum noch, aber da die neuordnung der mittelgriechischen verhältnisse nach Oinophyta, das in den spätsommer 457 fällt, ein jahr reichlich ausfüllen dürfte, so scheint es geratener den zug des Tolmides in die erste hälfte 455 zu rücken. im nächsten frühjahr, 454, gieng dann die entsatzflotte nach Memphis, die zu spät kam und in den untergang hineingezogen ward. gleichzeitig ward zu lande der zug nach Thessalien unternommen. 454 folgen passend die züge des Perikles gegen Sikyon und Akarnanien und dann, in dem nächsten attischen jahre, nach der Chersones. daſs die jahre 452. 451. 450 die drei von Thukydides als ereignislos bezeichneten sind, ist sicher, wenn das letzte von ihm vorher erwähnte ereignis 453 fiel, das ist der298III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.zug des Perikles, und das nächste nachher, der zug Kimons nach Kypros, den er ausdrücklich unmittelbar auf den abschluſs des fünfjährigen friedens folgen läſst, 449 statt fand. so datirt ihn Diodor, und da er mit ihm ein buch beginnt, so darf man ihm zutrauen, daſs er sich über dieses datum vergewissert hat. daſs er dem zuge zwei jahre gibt, ist für die attischen zutreffend, nur für seine chronologie verwirrend. das ganze renkt sich gut ein, und so darf man auch über die nächsten ereignisse bis zu dem festen punkte des dreiſsigjährigen friedens unter Kallimachos, winter 446 / 513)Vgl. Herm. 20, 481. den namen des archons Kallimachos nennt Diodor noch innerhalb seines wertvollen berichtes über die gründung von Thurii XII 10. das war eigentlich für ihn überflüssig, aber es ist sehr verkehrt, den namen zu streichen. denn seine vorlage für diese dinge des westens rechnete natürlich nicht nach attischen jahren, handelte aber sehr recht und in einklang mit der weise selbst des Thukydides, wenn sie bei wichtigen ereignissen auch eine fremde datirung beifügte., urteilen, hinter dem dann wieder der samische krieg vom herbst 441 bis zum sommer 440 auf die archonten Timokles und Morychides durch die chronik (schol. Wesp. 283) in übereinstimmung mit der jahr - zählung des Thukydides (115) fixirt ist. 14)Die bekannte liste der zehn feldherren, die Androtion erhalten hat, gilt den zehn, die nach Thukydides 116 alle gegen Samos aufgebrochen sind. da die drei 117 genannten zu ihnen nicht gehören, ist dazwischen jahreswechsel, beginnt also das jahr des Morychides. folglich waren jene 10 und unter ihnen Sophokles unter Timokles strategen. folglich müſste Sophokles unter Diphilos, frühjahr 441 mit der Antigone gesiegt haben, wenn sie unmittelbar den anlaſs zu seiner wahl gab. das hat er nicht: für jenes jahr steht durch die parische chronik der sieg des Euripides fest. die zahlenangaben in der Sophoklesvita sind verdorben oder ver - wirrt. im jahre vor Diphilos, unter Lysanias 443 / 2, war Sophokles Ἑλληνοταμίας und hatte viel zu tun, da eine neue schätzung stattfand. so muſs man leider zu - geben, daſs ein festes datum für die Antigone nicht vorhanden ist wenn er über - haupt mit ihr gesiegt hat. aber daſs wir das post hoc als die veranlassung zu dem propter hoc der biographen festhalten dürfen, scheint mir immer noch richtig.

Tabelle.Ich lasse nun eine tabelle folgen, die zwar nichts neues mehr liefert, aber durch die anordnung nach den attischen beamten das verständnis stark erleichtern wird; wer in attischer geschichte arbeiten will, muſs mit attischer zeit rechnen. so verkehrt der gänzlich unberechtigte pedan - tismus der olympiadenzählung ist, die den attischen quellen fremd ist, so abscheulich ist die beliebte fiction, die ein archontenjahr mit einem unserer zeitrechnung gleich setzt: der forscher muſs die chronik recon - struiren. ich habe alle archontennamen mit griechischen lettern ge - schrieben, die urkundlich oder sonst durch genügende zeugnisse ge -299Tabelle.sichert sind: man sieht dann gleich, wo etwa noch fehler stecken können. ferner habe ich die tatsachen gesperrt drucken lassen, die durch zuver - lässige datirung auf den archon als absolut sicher gelten müssen. in petit sind ein par wichtige zwischengestellt, die nicht fehlen sollten, obwohl sie auf ein jahr nicht bestimmbar schienen. es versteht sich von selbst, daſs ich sehr viel mehr relativ bestimmtes hätte eintragen können, z. b. pindarische gedichte. allein meine tendenz war wesentlich, die harmonie zwischen Thukydides und den chroniknotizen zu veranschau - lichen; das andere ist, so weit es nicht zur stütze für dieses gebäude dient, ein beiwerk, das schwerlich etwas schadet. ich würde für überaus verdienstlich halten, wenn jemand wirklich vollständige fasti Hellenici oder Attici in dieser art anlegen wollte; bis an das ende des vierten jahr - hunderts müssen die archontenjahre das gerüst bilden.

  • ΞΑΝΘΙΠΠΙΔΗΣ Ol. 75, 2
  • 479 schlachten bei Plataiai und Mykale; Sestos erobert winter, mauerbau in Athen
  • 478 Pausanias in Kypros Pindar Isthm. 7
    15)Von Pindar notire ich mit absicht nur gedichte die für die allgemeine ge - schichte von bedeutung und durch die urkundliche überlieferung oder sonst ganz unzweifelhaft datirt sind, so daſs alles auf Sicilien bezügliche oder durch combina - tion gefundene fortbleibt. sonst hätte ich ein eigenes buch schreiben müssen.
    15)
  • ΤΙΜΟΣΘΕΝΗΣ
  • 478 Pausanias in Byzantion winter, Pausanias abberufen
  • 477 Aristeides gründet das Reich; Dorkis zurückgewiesen
  • ΑΔΕΙΜΑΝΤΟΣ
  • 477 Pausanias wieder in Byzantion
  • 476 Leotychides in Thessalien Themistokles chorege für Phrynichos Simonides siegt mit dem dithyrambos (fgm. 147) errichtung der statuen für die tyrannenmörder
  • ΦΑΙΔΩΝ Ol. 76
  • 476 Leotychides abgesetzt. Kimon vertreibt den Pausanias aus Sestos und Byzantion, zieht gegen Eion
  • 475 Kimon nimmt Eion und Skyros. niederlage am Strymon
  • DROMOKLEIDES
  • 475 pyanopsion: gründung des Theseusgrabes errichtung der hermen für Eion
  • 300
  • 474 Pindar siegt mit dem dithyrambos
  • AKESTORIDES
  • 474 Pindar Pyth. 9. 11
  • 473
  • ΜΕΝΩΝ
  • 473
  • 472 Aischylos Perser
  • 474 72 Themistokles durch ostrakismos verbannt
  • ΧΑΡΗΣ Ol. 77
    • 472
    • 471
    tod des Pausanias
  • 474 71 unterwerfung von Karystos. kämpfe Spartas in Arkadien.
  • PRAXIERGOS
    • 471
    • 470
    ächtung des Themistokles. Timokreon fgm. 2. 3 synoikismos von Elis16)Diodor XI 54, aus einer zeittafel, also glaubwürdig. Pausanias V 9, 5 gibt nach probabler conjectur an, daſs die zahl der Hellanodiken schon im vorjahre ver - mehrt ward. das hieng mit dem synoikismos zusammen, aber die kleine differenz ist nicht undenkbar, natürlich ebensowenig, daſs in der datirung hier oder dort eine verschiebung stattgefunden hat.
  • Theben holt eine statue von Delos nach Delion
    17)Herodot VI 118, zwanzig jahre nach Marathon, also wol nur approximativ fixirt. die sache ist wichtig, weil sie die erste spur einer kräftigung Thebens und des anschlusses mindestens von Tanagra ist.
    17)
  • DEMOTION
  • 470 unterwerfung von Naxos
  • 469
  • Α[Ψ]ΕΦΙΩΝ
    • 469
    • 468 Sophokles siegt
    Leotychides stirbt; Archidamos könig
  • 471 69 schlacht bei Dipaia
  • ΘΕΑΓΕΝΙΔΗΣ Ol. 68
  • 468 erdbeben in Sparta
    • Pindar ol. 6
    • 467 Aischylos Thebais
    meteorstein am Ziegenflusse
  • LYSISTRATOS
  • 467
  • 466
  • 470 67 verträge mit Erythrai und Kolophon CIA I 9. 10. 11
  • LYSANIAS
  • 466 schlacht am Eurymedon (oder im vorjahr)
  • 301
  • 465 Kimon am Hellespont Xerxes stirbt
  • LYSITHEOS
  • 465 abfall von Thasos. die Messenier mächtig verlustliste 432
  • 464 schlacht bei Drabeskos Artaxerxes wird könig
  • ARCHEDEMIDES Ol. 79
  • 464 Pindar ol. 13
  • 463 30 april sonnenfinsternis
    18)Erwähnt von Eusebius, aber wie alle ereignisse dieser jahre etwas zu tief gestellt.
    18)
  • TLEPOLEMOS
  • 463 Thasos fällt
  • 462 Kimons proceſs
  • ΚΟΝΩΝ
  • 462 sturz des Areopages
  • 461
  • ΕΥΘΙΠΠΟΣ
  • 461 Kimon vor Messene
  • 460 Kimons ostrakismos. bündnis mit Argos
  • PHRASIKLEIDES19)Oder Phrasikles. die längere form bezeugt Diodor XI 77, (Φϱασικλείδου oder Φιλοκλείδου codd. ), die kürzere Dionysios Arch. 10, 1 und Ps. Plut. Lys. 241 West., wo aber ἐπὶ Φιλοκλέους τοῦ μετὰ Φϱασικλῆν (oder κλῆ) wenig gewähr hat. Ol. 80
    • 460 Pindar ol. 8
    • 459
    eroberung von Naupaktos
  • ΦΙΛΟΚΛΗΣ
  • 459 Ithome fällt; die Messenier in Naupaktos anschluſs von Megara die flotte in Kypros und Memphis
  • 458 Aischylos Orestie schlachten in der Halike und bei Kekryphaleia
  • ΑΒΡΩΝ20)Der name festgestellt durch die didaskalie Ἐφήμ. ἀϱχ. 86, 269: trotzdem druckt Vogel bei Diodor XI 79 noch Βίων. in der vita Pindars nennt Eustathius den archon, unter dem er geboren sei, Ἀβίων (p. 90 Westerm. ), Thomas aber den, unter dem er gestorben sei (p. 101 West.). verwirrt ist alles; aber der archon von 458 / 7 gehört in keine rechnung. denn zu grunde liegt die ἀκμή zur zeit der
  • 458 schlachten bei Aigina und in der Megaris verlustliste 433302III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.gesetz über die zulassung der zeugiten zu der ar - chontenwahl
  • 457 die Peloponnesier in Phokis; schlacht bei Tanagra
  • ΜΝΗΣΙΘΕΙΔΗΣ
  • 457 schlacht bei Oinophyta; unterwerfung von Nordhellas winter, Aigina fällt
  • 456
  • ΚΑΛΛΙΑΣ Ol. 81
  • 456
  • 455 Euripides Peliaden Tolmides verbrennt Gythion
  • SOSISTRATOS
  • 455 die Athener in Memphis eingeschlossen
  • 454 thessalische expedition
  • ΑΡΙΣΤΩΝ
  • 454 beginn der schatzverwaltung durch die Helleno - tamien in Athen
    • 453
    untergang des heeres in Aegypten vertrag mit Phokis CIA IV p. 8; mit Egesta IV p. 58. 139 Perikles in Sikyon und Akarnanien
  • ΛΥΣΙΚΡΑΤΗΣ
    • 453
    • 452
    Perikles im Chersones. Kleruchien dort, auf Euboia und Naxos21)Dies beruht nur auf Diodor XI 88, läſst also einigen spielraum. gesetz über die demenrichter
  • CHAIREPHANES22)Name nur bei Dionys Arch. X 53; bei Diodor ist das jahr ausgefallen. Ol. 82
  • 452 Pind. Ol. 4
  • 451
  • 460 452 einsetzung der εἰσαγωγῆς und ναυτοδίκαι
20)Πεϱσικά, die aber nur oberflächliche leute auf 480 ol. 75, 1 = Ξέϱξου στϱατεία setzen durften (so Suid.), da Pindar selbst bezeugt hatte, daſs er an den Pythien geboren war. also rechnete man genauer ol. 75, 3. das ergibt die geburt 65, 3; der tod rückt bei normaler lebensdauer von 80 jahren auf ol. 85, 3, wird wol durch frühe corruptel auf 86 angesetzt. bei Suidas steht ἐτῶν νέ ohne datum, corrupt aus ἐτῶν < π΄ ὀλ. > πέ. nun war aber das letzte olympische gedicht von ol. 82, 1, wo er also 66 jahre alt war: das ist die zweite angabe über die lebensdauer (Eust. Thom.). das lehrt sachlich alles gar nichts für Pindar. aber der archon Ἀβίων kann nur mit der geburt verbunden sein, wir dürfen ihn auf 65, 3, 518 / 7 ansetzen; der name aber wird Ἅβϱων sein, wie bei dem von 458 / 7. in Kaibels berechnung (Herm. 25, 599) sind versehen untergelaufen. mit dem datum, Pyth. 8 aus der 35 Pythiade, das sie doch überlieferten, haben die alten nicht gerechnet. erst seit ich auch dieses datum respectire, verstehe ich auch das schöne gedicht vollkommen.
20)303Tabelle.
  • ΑΝΤΙΔΟΤΟΣ
    • 451
    • 450
    gesetz über die beschränkung des bürgerrechtes dreiſsigjähriger friede zwischen Sparta und Argos
  • ΕΥΘΥΝΟΣ23)Name CIA IV p. 7, bei Diodor XII 3 Εὐϑύδημος. übrigens ist auch Εἰϑύνους als name denkbar.
  • 450 τάξις φόϱου fünfjähriger waffenstillstand mit Sparta kleruchie auf Andros
    24)Kirchhoff tributpflichtigkeit der kleruchen 29.
    24)
  • 449 Kimon zieht gegen Kypros
  • 450 / 49 vertrag mit Milet IV p. 6
  • PEDIEUS
  • 449 Kimon stirbt
  • 448 die Spartaner in Delphi
  • PHILISKOS OL. 83
  • 448 die Athener in Delphi; vertrag IV p. 8
  • 447
  • TIMARCHIDES
  • 447 beginn des Parthenonbaues schlacht bei Koroneia
  • 446 abfall von Megara und Euboia 448 46 vertrag mit Persien
  • ΚΑΛΛΙΜΑΧΟΣ
  • 446 einfall des Pleistoanax Pindar Pyth. 8 winter: dreiſsigjähriger friede
  • 445 gründung von Thurioi.
[304]

4. DIE SOLONISCHEN GEDICHTE.

Die elegie γινώσκω καί μοι.Aristoteles hat uns gelehrt, daſs Solon in einer elegie die grund - sätze dargelegt hatte, zu deren durchführung ihm seine wahl zum archon die macht gab. das gedicht gieng von einer selbstbetrachtung aus ich erkenne mit schmerzen, daſs die älteste Ionierstadt dem abgrunde zutreibt, nicht anders können wir den schwer verständlichen gedanken des ersten distichons ergänzen.1)Der eingang wird nur citirt, gewissermaſsen als überschrift des gedichtes, damit man es identificiren könne, also ist es unberechtigt, einen vollständigen ge - danken zu fordern. mich dünkt der dahin zielende versuch von. Blaſs auch sehr unglücklich, und was ich auf dem facsimile sehen kann stimmt schlecht zu seiner lesung. insbesondere muſs damit gerechnet werden, daſs hinter den solonischen worten sicherlich ein freier raum war. wir erfahren weiter, daſs im eingange des gedichtes Solon habsucht und übermut der herrschenden classe geiſselte und später diese direct anredete: bescheidet euch; denn wir dulden das nicht mehr, und nicht alles wird euch gefüge sein. da in der allge - meinen charakteristik gesagt wird, daſs Solon für beide wider beide stritt, erschlieſsen wir, daſs er in entsprechender weise auch die besitz - losen und ihre begehrlichkeit in directer ansprache gegeiſselt hat. das ganze war also eine volksrede in versen. wer elegie und iambos sich genauer ansieht, wird allerorten die directe ansprache vorfinden und dem entsprechend bemerken, daſs die führer des volkes oder kleinerer kreise in Ionien die dichter sind. in Sparta redet der repraesentant des standes zu dem heere: das ist der charakter der tyrtaeischen verse, auf deren verfasser also nichts ankommt. für das verständnis der ionischen poesie ist die anerkennung der persönlichen ansprache durch die als solche bedeutende person die wichtigste vorbedingung.

305Die elegie γινώσκω καί μοι. die elegie ἡμετέϱα δὲ πόλις.

Es liegt nahe, reste derselben wichtigen elegie unter Solons frag - menten zu suchen, und vier verse (fgm. 15 Bergk) hat ihr Br. Keil mit groſser wahrscheinlichkeit zugewiesen. sie sind auch in die Theognidea (315) geraten und werden als solonisch von Hermippos angeführt (Plut. Sol. 3), um zu belegen, daſs Solon sich selbst zur partei der armen ge - rechnet hätte. nicht anders können wir nach Aristoteles über die stim - mung ener ersten elegie urteilen, und daſs er eine mehrheit, zu der er sich rechnet, zu den reichen in gegensatz stellt, ist selbst in den wen - dungen ähnlich. ganz verständlich aber wird der politisch bedeutende inhalt dieser verse erst jetzt, seit wir wissen, daſs die geltende drakon - tische verfassung den adel, das prinzip ἀϱιστίνδην, durch den reichtum, πλουτίνδην, ersetzt und die classen auf das vermögen statt auf das ein - kommen gestellt hatte. reichtum findet sich oft bei schlechten, tüchtig - keit bei armen. wir werden ihnen nicht gestatten beide zu vertauschen, denn er ist ein wechselndes, sie ein dauerndes gut. so perhorrescirt er die plutokratie: wie kurzsichtig war es, ihm die classeneinteilung, die sog. timokratie als neue erfindung zuzuschreiben. aber die ἀϱετή ist bereits die der seele, nicht die des blutes für ihn. die moralische be - deutung der begriffe ἀγαϑός und κακός gilt bereits für Solon; deshalb stehen die verse unter denen des Theognis, die der veranstalter unserer sammlung auch im menschlich aristokratischen sinne gedeutet hat, während der Megarer sie im bornirten adelssinne gemeint hatte.

Sehr nahe mit dieser elegie berührt sich im inhalte eine andere, dieDie elegie ἡμετέϱα δὲ πόλις. wir zum gröſseren teile und am schlusse vollständig in die gesandschaftsrede des Demosthenes hinter 255 eingelegt lesen (4 Bgk.). daſs sie in mehreren der besten handschriften fehlt, beweist nichts dagegen, daſs Demosthenes sie selbst eingelegt hätte, denn in Σ sind auch urkunden ausgelassen, die erweislich ächt, also auch mit den reden sofort edirt worden sind. wol aber lehrt schon der lückenhafte text dieses gedichtes2)Auſser den zwei hexametern hinter 10 und 11 fehlt mindestens ein penta - meter, den unbegreiflicher weise Bergk und, wenn auch in klammern (bezeichnend für die halbheit seiner kritik), Hiller als 26 führen, obwol er notorisch eine den guten handschriften durchaus fremde byzantinische ergänzung ist, an der die mo - dernen je nach laune herumändern. sie verfehlt aber, von der prosodie ganz ab - gesehen, auch den sinn. Solon sagt von den armen kommen viele verkauft in das ausland; dem entspricht bei Plutarch 13 οἳ δ̕ ἐπὶ τὴν ξένην πιπϱασκόμενοι. auſser - dem steht noch bei Solon δεσμοῖσί τ̕ ἀεικελίοισι δεϑέντες, und bei Plutarch geht vorher οἳ μὲν αὐτοῦ-δουλεύοντες. danach ist also zu ergänzen. wie sollte Solon die schuldsclaven weglassen? vermutlich folgte noch in einem distichon der zwang,, daſs es nichtv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 20306III. 4. Die solonischen gedichte.immer die sorgfältige behandlung erfahren hat, die es in dem demosthe - nischen texte finden muſste. es hat also einmal ein grammatiker die von Demosthenes deutlich bezeichnete solonische stelle nachgeschlagen und von dem verse, den er so fand, ausgehend den rest der elegie ein - getragen. wir haben grund dem manne zu danken, gerade weil er nicht sehr überlegt verfahren ist, denn er hat viel mehr ausgeschrieben, als der redner verlesen lieſs. dieser leitet sein citat also ein verlies mir hier diese elegie, damit ihr seht, wie sehr Solon solche menschen wie diesen Aischines gehaſst hat. und nach der verlesung sagt er hört ihr, was Solon von solchen menschen sagt, und von den göttern, die die stadt beschützen. solche menschen, das sind menschen, die für geld alles tun, insbesondere den ruin ihrer vaterstadt herbeiführen, oder viel - mehr herbeiführen würden, wenn die götter nicht über Athen wachten. somit ist deutlich genug bezeichnet, daſs Demosthenes den ersten teil der einlage verlesen lieſs, die wir jetzt vor uns haben nach gottes willen wird Athen nicht zu grunde gehen; dafür sorgt Athena; aber die bürger wollen in ihrem unverstande den staat zu grunde richten3)Wenn es jetzt heiſst, daſs die bürger in ihrem unverstande den staat zer - stören χϱήμασι πειϑόμενοι, so ist dieser pentameterschluſs ein übles füllsel: die bürger sind nicht bestochen, und sie haben auch davon keinen vorteil, daſs das gemeinwesen zu grunde geht, im gegenteil, Solon sagt ja, daſs sie es aus unver - stand tun; vorteil habe allein die δήμου ἡγεμόνες. ergänzen kann man die lücke um so weniger, als man nicht weiſs, ob sie auf den pentameterschluſs beschränkt war., und nament - lich die führer des volkes, die in ihrem jagen nach unredlichem gewinne keine schranke kennen. aber einmal kommt allerdings auch für sie die strafende vergeltung (1 16). gerade diese letzte prophezeiung muſste dem ankläger sehr zu paſs kommen, aber es kann davon keine rede sein, daſs er auch nur einen vers weiter citirt hätte, am wenigsten den schluſs, der die segnungen eines wolgeordneten verfassungsstaates breit ausmalt.

Wenn wir nun den gedanken dieser elegie weiter nachgehn, so folgt auf den ersten abschnitt, worin die strafe für die frevel der hab - gierigen volksführer bestehn wird. das ist eine unvermeidliche krank - heit für jede stadt, daſs sie in knechtschaft gerät, so sie bürgerzwist und bürgerkrieg aufrührt, in dem die blüte der jugend erliegt. denn die feinde (d. h. die inneren feinde des staatswesens und der ordnung) zerstören sie gar bald in ihren verderblichen zusammenrottungen. 4)Daſs dies der sinn der verse ist, deren gedanken in der für die alte elegie be -2)weib und kind zu verkaufen, denn das steht bei Plutarch unmittelbar danach und bei Aristoteles 2.307Die elegie ἡμετέϱα δὲ πόλις.er meint nicht gerade die einzelherrschaft, sondern eben so gut die herr - schaft einer partei, die jetzt die oberhand hat, auf die bald eine andere eben so gewalttätige folgt; man denke an die Alkmeoniden und ihre gegner, oder an die Donati u. s. w. in Florenz. an δυναστεῖαι, mit den Sokra - tikern zu reden, denkt er, wie sie factisch bestanden. das ist das übel, das jetzt schon im demos, in der drakontischen gemeinde, im schwunge geht. die besitzlosen aber, die ὅπλα μὴ παϱεχόμενοι, geraten durch das schuldrecht in sclaverei. so kommt von dem übel der gemeinde (δημόσιον κακόν) auf einen jeden sein teil unweigerlich. diese vorhal - tung wollte ich den Athenern machen: das kommt bei der δυσνομία heraus. dagegen die εὐνομία führt zu eitel segen und wolstand. mit diesem erfreulichen bilde schlieſst er und malt es mit leuchtenden farben. natürlich liegt darin der rat, für gute gesetze zu sorgen, und wenn sie ihn beim worte nahmen und sagten wolan, schaffe uns die guten gesetze, so war ihm das recht. auch dieses gedicht ist ein pro - gramm des reformators. die art, wie er seine schilderung der beiden classen des staates und ihrer verhältnisse abschlieſst und zu der εὐνομία übergeht, insbesondere, daſs erst hier von dem adressaten seines ge - dichtes die rede ist, zeigt deutlich, was wir vor dem jetzigen abgerissenen anfange zu ergänzen haben. rings um mich sehe ich gesetzlosig - keit in Athen, und das volk weiſs sich nicht rat; da will ich ihm die zeichen der zeit künden. zwar nicht nach der götter willen, aber durch eigne schuld treibt die stadt dem untergange zu. breit oder knapp: die dem übergange 31. 32 entsprechende einleitung und die bezeichnung des volkes als des adressaten, auf die auch noch ἡμετέϱα πόλις deutet, konnte nicht fehlen.

Ich habe das ausgeführt, weil der gedanke nahe lag, daſs die von4)zeichnenden altertümlichen verschränkung nicht sofort scharf erfaſst werden, lehrt sorg - fältige überlegung. unsicher ist die verbesserung der letzten worte ἄστυ τϱύχεται ἐν συνόδοις τοῖς ἀδικοῦσι φίλοις. gemeint sind die vereinigungen, in denen sie συνίστανται τυϱαννεῖν, die vorläufer der späteren clubbs. also ist zu συνόδοις ein epitheton notwendig, und mir genügt Ahrens mit dem kühnen ταῖσ̕ ἀδικησιφί - λοις. denn solche kühnen zusammensetzungen wie πϱοδωσέταιϱον, σαλαμιναφέτης, ἀξονηλατεῖν hat das alte attisch gern; darum leben sie in der komoedie fort. eine curiosität ist, daſs Bergk die praeposition lieber εἰς als ἐς schreibt, obwol letzteres sogar noch handschriften für sich hat, und dazu bemerkt, er wolle ἐς nicht her - stellen, weil nimis incerta est paradosis; Hiller copirt ihn getreulich. wie hat denn Solon geschrieben? wendet er ἐς nicht auch als kürze an? und wie lautet die παϱάδοσις über das epos und die alte atthis? auf die lesart der handschriften kommt in solchen dingen nicht das mindeste an.20*308III. 4. Die solonischen gedichte.Aristoteles citirte elegie mit dieser identisch wäre. niemand kann ja leugnen, daſs es nur eines kleinen bindegliedes bedürfte, um von dem ersten distichon jener zu dem anfange der hier vorliegenden versreihe zu gelangen. aber die identification ist dennoch ganz ausgeschlossen. den vers, der in dem anfange jener stand τήν τε φιλαϱγυϱίαν τήν ϑ̕ ὑπεϱηφανίαν müſsten wir in dem falle hier finden. auſserdem wer - den dort die gewinnsüchtigen machthaber direct angeredet, vermut - lich also auch das arme volk; denn wir hören ausdrücklich, daſs Solon beider sache wider beide führte. von all dem ist hier keine rede, und wenn die anrede, der adressat also, in den beiden gedichten ver - schieden ist, so ist damit schon vollkommen bewiesen, daſs es zwei waren. es ist auch gar nicht wunderbar, daſs Solon vor 594 mehrere gedichte ähnlichen inhaltes verfaſst hat, ganz wie er es in den bitteren jahren gleich nach 593 getan hat, zu denen wir uns nun wenden. 5)Es liegt nahe, nach resten der elegie γινώσκω bei Theognis zu suchen. aber ich habe nichts gefunden, denn müssiges spiel will ich nicht treiben. nach - bildungen der elegie ἡμετέϱα δὲ πόλις fehlen nicht, Th. 758, wol auch 43, und zu fgm. 7 stellt sich auſser dem verglichenen 799 auch 26 u. a.

Eine elegie aus den jahren 593 91.Eines davon war eine elegie, aus der Aristoteles und andere die schönen verse δήμῳ μὲν γὰϱ ἔδωκα (5) anführen; Herodot und Aristo - teles haben derselben die erklärung Solons, auf zehn jahre nach Aegypten zu verreisen, entnommen; Plutarch das resignirte wort ἔϱγμασιν ἐν χαλε - ποῖς πᾶσιν ἁδεῖν χαλεπόν (7). das schlieſst sich alles gut zusam - men, und daſs dieses abschiedswort an das ganze volk der Athener gerichtet war, ist das natürliche. ich habe den Athenern die gesetze gegeben; nach denen mögen sie leben und ein jeder das seine tun. ich bin es müde, von allen angegangen zu werden, und gehe, die herrlich - keiten und wunder Aegyptens zu schauen. zehn jahre bleibe ich fort: lebt wol und versucht wie ihr auskommt. es allen recht zu machen, habe ich weder angestrebt noch vermocht; mein prinzip ist nur gewesen, gegen die übergriffe von beiden seiten front zu machen. es kann sein, daſs ratschläge folgten, und man ist versucht das bei Aristoteles unmittel - bar auf δήμῳ μὲν γὰϱ ἔδωκα folgende bruchstück hierher zu ziehen das volk ist dann am fügsamsten, wenn man ihm weder die zügel schieſsen läſst noch es bedrückt. denn wer nicht gesetzten sinnes ist, läſst sich durch die übersättigung an groſsem wolstande zu übergriffen ver - leiten (fgm. 6. 8, Theogn. 153). aber es ist klar, daſs diese mahnung selbst vor der gesetzgebung möglich war: sie gilt den δήμου ἡγεμόνες, die doch auch nach 593 das regiment führten.

309Die trochaeen an Phokos.

Das war also sein letztes wort vor dem scheiden. ungleich erregterDie tro - chaeen an Phokos. hatte sich seine enttäuschung und sein stolz in dem ersten affecte ge - äuſsert, und er wählte deshalb das lebhafteste maſs, über das diese dicht - gattung verfügte, die trochaeen, die er wol kein zweites mal verwandt hat. das gedicht war an einen freund oder gewesenen freund Phokos gerichtet, vielleicht einen vorfahren des Φωκίων Φώκου, dessen lebens - beschreibung allerdings von seinem adel nichts weiſs. Aristoteles hat ein neues schönes stück hinzugebracht, Plutarch aber das gedicht, von dem er eine probe citirt fand, nachgeschlagen, den adressaten am an - fange seiner auszüge namhaft gemacht und sich selbst gedanken und wendungen, auch wo er nicht direct citirt, angeeignet (14, 5 15, 1). danach kann man den aufbau sehr wol erkennen. Solon wird zuerst den Phokos angeredet haben, sei es daſs er auf dessen billigung oder misbilligung rechnete, dann führte er die öffentliche meinung, die πολλοὶ καὶ φαῦλοι, wie Plutarch sagt, redend ein Solon hat also den ruf der weisheit nicht verdient, denn er hat den kopf verloren, als der fang im netze war, und es herauszuziehen weder mut noch verstand genug ge - habt. unser einer würde sich für die wonne, auch nur einen tag herr von Athen zu sein, gern hernach mit sammt seinem ganzen hause haben schinden lassen (33).6)Eine derbe umschreibung der fluchformel ἐξώλης εἴην αὐτὸς καὶ γένος τὸ ἐμαυτοῦ. dem gegenüber erklärt Solon mag ich auf meinen ruf als weiser einen schandfleck damit gebracht haben7)Durch die beziehung von μιάνας καὶ καταισχύνας κλέος auf die kritik οὐκ ἔφυ Σόλων βαϑύφϱων wird die anordnung der versreihen sicher gestellt; Plutarch führt erst die verse an, die er citirt gefunden hatte, und benutzt dann dasselbe ge - dicht weiter, erst die vorhergehenden verse, die er ausschreibt, dann die nächsten gedanken, die er in seine worte kleidet, von sich das beliebte gleichnis des arztes einfügend: μὲν ἀϱεστόν (ἄϱιστον vulgo) ἦν, οὐκ ἐπήγαγεν ἰατϱείαν οὐδὲ καινο - τομίαν φοβηϑεὶς μὴ συγχέας παντάπασι καὶ ταϱάξας τὴν πόλιν ἀσϑενέστεϱος γένηται τοῦ καταστῆσαι πάλιν καὶ συναϱμόσασϑαι πϱὸς τὸ ἄϱιστον. wie man die durchklingenden trochaeen verkennen kann, ist mir unverständlich., daſs ich die tyrannis verschmähte: ich schäme mich dessen nicht, glaube vielmehr gerade dadurch allen menschen gegenüber den vorrang zu erhalten (32). durch den verzicht auf den eigenen vorteil ist es mir möglich geworden, ohne rücksicht auf die begehrlichkeit von beiden seiten den staat zu befestigen. hätte ich seine fundamente zerstört, so würde mir die kraft gefehlt haben, ihn ganz neu zu bauen (Plut. 15, 1). nun sind die be - gehrlichen umstürzler freilich enttäuscht, die auf groſse beute hofften und meine reden von εὐνομία für schöne phrasen hielten, und sie sehen310III. 4. Die solonischen gedichte.mich schel an, ganz mit unrecht. denn ich habe ihnen gegeben was ich ihnen versprochen hatte; sonst aber habe ich nicht unbesonnen ge - handelt: so wenig wie die tyrannis, ist mir in den sinn gekommen, durch γῆς ἀναδασμός eine gleichheit des besitzes für alle durchzu - führen. (34. 35 mit den ergänzungen bei Ar.)

Der groſse iambos.Waren die trochaeen in erster linie bestimmt, seine ablehnung der tyrannis zu verteidigen, so setzte sich Solon mit den vorwürfen der armen in dem iambos auseinander, von dem das längste bruchstück er - halten ist. weil der iambos μάλιστα λεκτικόν ist, glaubt man hier am meisten den ersten attischen redner zu hören. ergänzen muſs man die vorwürfe der volkspartei, daſs er nicht mehr für sie getan hätte und die äcker der reichen confiscirt, was ihnen nicht nur freiheit, sondern auch brot verschafft haben würde. weswegen ich, als ich den wagen des staates lenkte8)Der aufbau der gedanken wird durch die paraphrase deutlich; ἀξονηλατεῖν wird nicht bezweifeln, wer κέντϱον λαβὼν am schlusse dieser gedankenreihe 20 be - achtet. den unsinn, der über diese verse geredet und in conjecturen niedergelegt ist, mag icht nicht verfolgen., aufgehört habe, ehe der demos etwas hiervon bekam, das soll mir vor dem richterstuhle der ewigkeit die mutter Erde bezeugen, aus der ich die schuldsteine entfernt habe; und die schuldsclaven habe ich befreit und das δανείζεσϑαι ἐπὶ τοῖς σώμασιν abgeschafft. das habe ich getan und damit mein versprechen erfüllt. aber mit der ge - setzgebung habe ich gleiches recht geschaffen. und nur weil ich un - eigennützig war, ist es mir gelungen, den demos zurückzuhalten; ich brauchte ja nur einer von beiden parteien zu folgen, dann wäre der bürgerkrieg sicher gewesen. daher habe ich mich zwischen beiden hindurchgedrückt.

Ein zweiter iambos.Ein ganz ähnliches iambisches gedicht zieht Aristoteles gleich danach aus der demos sollte mir danken, denn ohne mich hätte er nicht im traume so viel bekommen wie er hat, und die reichen sollten es nicht minder, denn ohne mich hätten sie alles verloren. keinem anderen würde es an meiner stelle gelungen sein, den demos zurückzuhalten, ich aber trat zwischen beide. das ist so ähnlich, daſs man alten und neuen be - nutzern nicht verdenken kann, daſs sie es vermischt haben. der halb - vers οὐκ ἂν κατέσχε δῆμον ist identisch, der bedingungssatz vorher, der nur in der paraphrase erhalten ist, muſste es dem sinne nach auch sein: man könnte fast an eine doppelte fassung des schlusses denken, wenn nicht Aristoteles offenbar zwei vollständige gedichte vor sich hätte. so lernen wir nur, daſs elegie und iambos wie das spätere epos die wieder -311Ein zweiter iambos. gedichte wider die tyrannis.holungen sich gestattet hat: namentlich für die beurteilung der tyrtaei - schen elegien ist das beherzigenswert. die spätere demegorie in prosa hat es nicht anders gehalten.

Sechs politische gedichte kennen wir nun. daſs Solon auch andereReste an - derer ge - dichte. dichtungen verfaſst haben muſste, wenn er den ruf der weisheit besaſs, um dessentwillen sein volk auch auf seine politischen mahnungen hörte, ist klar; aber auch nicht einen vers wüſste ich mit einigem scheine auf seine jugend zu beziehen. auf seiner reise ist das gedicht an Philoky - pros von Soloi entstanden (19). ein vers, der seinen aufenthalt an der kanobischen Nilmündung erwähnt (28), kann nicht weiter bestimmt wer - den, als daſs er nach der aegyptischen reise verfaſst ist, wie denn auch Plutarch sagt. die etwa zwanzig jahre, die Solon sich zu hause noch des otium cum dignitate erfreute, haben ohne zweifel die meisten seiner poetischen früchte gebracht. aber es kann bei der art unserer über - lieferung nicht wunder nehmen, daſs wir auch hier am meisten von der politischen poesie erfahren. dazu gehört die elegie Salamis von 100 versen, also ein umfängliches stück (1 3), für die er die fiction wählte, vom heroldsteine auf dem markte zu seinem volke zu reden, und zwar in directer ansprache. vielleicht war das auch gar keine fiction. dann scheidet unsere überlieferung, die in drei arme, Diodor Plutarch Diogenes,Gedichte wider die tyrannis. gespalten doch aus einer quelle stammt, zwei politische gedichte, von denen sie das eine vor, das andere in die tyrannis des Peisistratos setzt. das eine soll eine warnung sein (9); die erhaltenen verse führen aus, daſs, wenn es übermächtige männer im staate gibt, die tyrannis so sicher zu erwarten ist wie das hagelwetter, wenn die wolke aufzieht, oder der donner, wenn es blitzt. aber das volk lasse die einzelnen männer erst so groſs werden, daſs es sie nachher nicht mehr zurück - halten könne. das zweite soll mit der vollendeten tatsache rechnen die götter sind nicht an eurer knechtschaft schuld, sondern ihr selbst, die ihr diesen leuten rückhalt und stütze (ῥύματα) gegeben habt. denn ihr seid trotz aller schlauheit der einzelnen ein volk von gimpeln (11). so wie die 3 und 4 disticha jetzt da stehn9)Plutarch. Sol. 30 hat das zweite citat zerpflückt und dabei auch die ord - nung der verse vertauscht. wenn Clemens Str. I 3, 328 dieselbe ordnung zeigt, so heiſst das nur, daſs er von Plutarch abhängig ist. diese entlehnungen aus einem erhaltenen autor festzustellen und auszusondern ist die dringendste aufgabe für die analyse des Clemens., könnten sie sehr gut in einem gedichte platz finden, und nur wenn der vers bald wird die wahrheit an den tag kommen und zeigen, ob ich verrückt bin, wie ihr wähnet312III. 4. Die solonischen gedichte.(10) in das erste gedicht notwendig gehörte, würde sicher, daſs Solon zwei, dann notwendig kurz vor und nach einer katastrophe fallende ge - dichte verfaſst hätte. das mag man glauben; sicherheit ist nur so weit zu erzielen, daſs die beziehung auf die leibwache des Peisistratos (seine ῥύματα), so nahe sie den alten erklärern lag, irrig ist. denn es handelt sich überhaupt nicht um einen einzelnen, sondern um eine mehrheit (τούτους ηὐξήσατε), die μεγάλοι ἄνδϱες. die alten sind genötigt ge - wesen von den Peisistratiden zu reden, ja es wird gar bei Diogenes ein ganzer rat von Peisistratiden daraus. aber Hippias ist doch nicht vor 561 mitregent gewesen, und das geschlecht spielt vollends keine rolle, sondern der einzelne stratege und demagoge. die solonische mahnung geht auf die verhältnisse, von denen wir nur die allgemeine schilderung der drei στάσεις und ihrer führer kennen. da herrscht in Athen weder das gesetz noch der demos, sondern die gewalt der mächtigen männer. diese kritik wird auf Damasias und schon vor ihm und nach ihm manches jahr zugetroffen haben. wenn wir die gedichte Solons vollständig besäſsen und die beamtenliste dazu, so würden wir die geschichte und die beziehung der einzelnen verse zugleich feststellen können; so müssen wir uns bescheiden, und nur froh sein, daſs wir nicht genötigt sind, diese gedichte fest auf 561 / 60 zu setzen. wie der steinalte Solon damals sich verhielt, erzählt die chronik novellistisch: sie weiſs von keinen versen (oben I 261 65).

Unpolitische gedichte des alters.Etwas kenntlicher wird seine unpolitische dichtung. er hat selbst den gegensatz gefühlt und ausgesprochen. jetzt, nämlich wo ich die politik und die arbeit des erwerbslebens los bin, kann ich mich den ge - nüssen des lebens, Aphrodite, Dionysos und den Musen hingeben (26). 10)Gomperz (Wien. stud. II 7) hat den vers auch bei Philodem aufgezeigt und mit wahrscheinlichkeit vermutet, daſs er durch den Erotikos des Aristoteles in die philosophische litteratur und zu Plutarch, der ihn liebt, gelangt ist. nur den besten bleiben die Musen bis ins alter treu, aber das noch heute. daſs Dionysos den greisen hold sein darf, ist uns schon nicht so geläufig, aber dafür genügt es an Platons regeln πεϱὶ μέϑης in den Gesetzen zu erinnern. noch mehr mag Aphrodite befremden, und an das schwärmen im maimonde des lebens denkt freilich kaum jemand in der ächthellenischen zeit. für den bürger, der einen hausstand gründet und seine kinder erzieht und versorgt, ist die regel auch nicht gegeben: das hat Solon nicht getan, von dem es keine descendenz gegeben hat. aber die erscheinung, für die die Aspasia des Perikles, die Herpyllis des Aristoteles, die Theoris des Sophokles benannte vertreterinnen sind, die313Unpolitische gedichte des alters.παλλακαὶ gar vieler greise in Athen unbenannte, zu denen auch die magd gehört, die der alte Cato heiratet, ist für das leben der alten zeit höchst charakteristisch. reizendes hindernis will die rasche jugend; ich liebe mich des versicherten guts lange bequem zu erfreun. die stim - mung Goethes in den neunziger jahren wird dem ernsthaften und ver - ständigen die beste erläuterung sein. es ist ein genuſsleben, aber bei allen den männern, die hier genannt sind, ein complement der ange - strengten geistesarbeit. wie hoch erhaben über den gemeinen sinnen - genuſs es ist, kam Solon selbst in den fall auszuführen, der Athener gegenüber dem Ionier, in dem gedichte an Mimnermos (20. 21). der hatte nichts im leben getan als genossen, und da sah er voraus, daſs er als sechzigjähriger mit dem genieſsen und dem leben fertig sein würde; auf die hefe des trankes mochte er darum verzichten. Solon führte ihm gegenüber die sache der natur zugleich und der ächten menschenweisheit. er war mit sechzig jahren weder zum genusse un - fähig noch lebensmüde und plaidirt deshalb für weitere 20 jahre. er fürchtet kein grämliches alter, ist egoist genug, zu wünschen, daſs er sterbend eine lücke lasse, wozu dann freilich gehört, daſs er so lange er lebt seinen posten ausfüllt. und er weiſs, daſs seine existenz niemals leer werden wird. γηϱάσκω δ̕ αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος (15), der schönste seiner verse, gehört offenbar hierher. nehme man dazu aus einem anderen gedichte, was er über den reichtum sagt, den er sich wünscht (24)11)γαστϱί τε καὶ πλευϱῇ καὶ ποσὶν ἁβϱὰ παϑεῖν, παιδός τ̕ ἠδὲ γυναικός, ἐπὴν καὶ ταῦτ̕ ἀφίκηται, ἥβη· σὺν δ̕ ὥϱῃ γίνεται ἁϱμόδια· ταῦτ̕ ἄφενος ϑνη - τοῖσι. Goethen ward das griechische durch Horaz Ep. I 12 vermittelt: aber wie viel näher steht er dem griechischen als selbst Horaz., so hört man so ziemlich unsern weisen meister, der von den göttern verlangt, was der dichter bedarf. mäſsiges braucht er, doch viel. erstlich freundliche wohnung, dann leidlich zu essen, zu trinken gut, der Deutsche versteht sich auf den nektar wie ihr (davon sagt der Grieche nichts besonderes). dann geziemende kleidung, und freunde, vertraulich zu schwatzen; dann ein liebchen des nachts, das ihn von herzen begehrt. diese fünf natürlichen dinge verlang ich vor allem. gebet mir ferner dazu sprachen, die alten und neu’n, daſs ich der völker gewerb und ihre geschichten vernehme, gebt mir ein reines gefühl, was sie in künsten getan.

Seine weisheit richtete Solon auch jetzt noch mehrfach an bestimmte personen; auſser dem gedichte an Mimnermos hören wir noch von einem an einen jungen mann aus verwandtem hause, den übermütigen Kritias314III. 4. Die solonischen gedichte.(22). aber an das publikum im ganzen wandte er sich verständiger - maſsen nicht mit ihr. die steifleinene theorie, die von ὑποϑῆκαι εἰς ἑαυτὸν redet, können wir auf sich beruhen lassen: wir sind nicht im stande zu wissen, wie die sammler im altertum die gedichte geordnet haben, und brauchen ihnen die verkehrtheit nicht zuzutrauen, die ord - nung nach den versmaſsen mit einer nach sachlichen kategorien ver - mischt zu haben, wie Bergk beliebt hat. die selbstansprache ist keine kunstform. wie es Solon gehalten hat, lehrt die berühmteste und schönste und zum glück vollständig erhaltene elegie (13): er hat die einkleidung eines gebetes an die Muse gewählt. damit ist nichts anderes bezeichnet, als daſs er seine gedanken in einem gedichte ausspricht. aber die helle - nische poesie verlangt nun einmal feste form: und so ist hier die an - rede für die elegie gewahrt. jenes wunderbare gedicht, in dem der fromme des lebens und des strebens summe zieht, will ich hier nicht erläutern. das würde zu viel worte fordern, denn es ist nicht leicht, falls man mehr als einzelne disticha verstehen will. dem modernen aber wird es sauer, von allem rhetorischen disponiren abzusehen, auch von allen den künsten der Kallimachos und Properz und Ovid, und sich zutraulich vor die knie des alten zu setzen und seiner Muse zu lauschen, die ihn nach greisenart bald hierhin, bald dahin lockt, aber immer wieder in die bahn zurückführt, die ihm die alles beherrschende empfin - dung weist. mensch, lerne, daſs es mit unserer macht nicht getan ist, und daſs der gott, der deine geschicke lenkt, wie es ihn beliebt, einmal abrechnung hält: mensch, lerne dich bescheiden. zum verständnis des baues hilft Tibull, der an der ächten elegie gelernt hat; bequemer noch hilft Goethe.

Unbestimm - bare trümmer.Nur noch einige wenige beziehungslose verse (12. 14. 16. 17. 23. 25 ) und die reste eines iambischen gedichtes (38 41), in dem das getriebe eines marktes mit allerhand erzeugnissen auch ferner küsten geschildert ward, sind übrig. auſserdem eine sehr hübsche, bereits dem Aristoteles (Pol. H 1335b) bekannte elegie, eigentlich nur ein merkvers, über die zehn hebdomaden des menschenlebens, den hervorragende ge - lehrte von Porson bis Usener12)Altgr. Versb. 52. seine schluſsfolgerung ist mir gänzlich unverständlich. die verbindung πᾶς τις findet sich, wenn wir eine stelle bei Theognis erst geändert haben, immer noch einmal bei Theognis, wo sie Usener wieder beseitigen will, bei Aischylos Pindar und Herodotos, auſserdem in dieser elegie. die aber wäre nicht solonisch. ja, was soll ich aus diesem tatbestande anders folgern, als das πᾶς τις seit 480 in keinem gebiete der poesie anstöſsig ist, also vorher mindestens in der dem Solon absprechen. er hat nichts315Unbestimmbare trümmer.individuelles, und daſs ein solcher spruch einem berühmten namen an - gehängt wird, ist sehr natürlich. woher sie aber wissen, daſs Solon nicht der verfasser sein könne, verstehe ich nicht: daſs hier 70 jahre als die normale grenze des lebens bezeichnet wird, und Solon als greis ein ander mal gerne 80 werden wollte, kann doch nichts ausmachen. Herodot I 32 läſst den Solon 70 jahre als normales lebensalter angeben, Diogenes I 55 auch: das erstere mag man für unsicher halten, das zweite lehrt wenigstens, daſs das gedicht in den werken Solons sich behauptete. es kommt weder für dieses etwas auf den verfasser an: alt ist es doch; noch für Solon darauf, ob er einmal ein nicht individuelles gedicht ver - fertigt hat. unter den versen der altattischen poesie, also denen Solons, steht es und wird es stehn bleiben.

12)elegie auch vorkommen konnte? was soll ich folgern, als daſs die conjecturen im Theognis und die athetese des solonischen gedichtes von dieser seite her schlecht - hin unberechtigt sind?
12)
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5. DIE ATTISCHE SKOLIENSAMMLUNG. 1)Das schöne buch von Reitzenstein, Epigramm und Skolion, habe ich nicht mehr benutzen können.

Athenaeus hat in sein fünfzehntes buch eine sammlung attischer trinklieder eingelegt, die nicht nur durch die einzelnen gedichte, un - schätzbare reste der wirklichen volkspoesie des alten Athen, sondern auch als buch von bedeutung ist. das buch muſs ich analysiren, um deut - lich zu machen, daſs die beiden von Aristoteles angeführten liedchen bei Athenaeus einlagen aus Aristoteles sind. das mag ich nicht tun, ohne über die gedichte selbst etwas zu sagen. wir können sie wirklich etwas besser verstehn als der alte Ilgen; ich bitte sie aber im Athenaeus nachzulesen, nicht bei Bergk.

Das buch ist so geordnet, daſs zuerst die gedichte in dem gewöhn - lichen skolientone stehn, einer zwar aeolischen, aber nicht mehr wirk - lich ächt aeolischen strophe. die stollen werden durch je einen phalae - ceischen elfsylbler gebildet, in dem jedoch bereits ein dreisylbiger, anapaestischer anlaut statt des aeolischen zweisylbigen, hier nie mehr doppelkurzen, vorkommt (ὑγιαί / νειν), und, allerdings unter dem drucke von unbequemen eigennamen, eine verdoppelung der zweisylbigen senkung (Ἁϱμόδιος καὶ Ἀϱιστογείτων). beides ist in der sylben - zählenden metrik von Lesbos undenkbar. der abgesang ist in den meisten fällen durch synaphie gebunden. von den vier gliedern die ihn bilden ist das zweite einmal durch hiat abgesetzt, oder vielmehr durch unerlaubten hiat, da er ein proklitikon abtrennt (ἀγαϑούς τε καὶ / εὐπατϱίδας 24), ebenso auch nur einmal das dritte (κλῄσαντα πάλιν / ἄνδϱα 6), so daſs man die vollen dativformen in der elision herzustellen berechtigt ist (ἐμαῖσ̕ / εὔφϱοσι 4, ϑυσίαισ̕ ἄνδϱα 12; ebenso natürlich im verse στεφανηφόϱοισ̕ ἐν 3, βϱομίαισ̕ οὐδέ 5,317III. 5. Die attische skoliensammlung.δειλοῖσ̕ ὀλίγη 14, ἀγαϑοῖσ̕ ἀνδϱάσι 23, βϱοτοῖσ̕ ἐν 25; die vocali - sirung der dative der ersten declination ist mir zweifelhaft). wortschluſs suchen alle dichter hinter dem zweiten gliede, etwa die hälfte hinter dem ersten, niemand zwischen den gliedern drei und vier. denn der ab - gesang in sich ist wieder eine kleine trias, von der form a + b c c. sein stollen ist das kleine sechssylbige glied, das die eine der normalformen des dochmius geworden ist, uns am geläufigsten aus dem stollen der alkaischen strophe ἐκ δ̕ ὀϱάνω μέγας, stat nive candidem. ein dichter (10) hat sich die abwechselung erlaubt, statt seiner das um eine sylbe kürzere glied zu verdoppeln, das uns aus dem abgesang der sapphischen strophe am geläufigsten ist, τὸν Ἄδωνιν, terruit urbem. schon Sappho hat es in pare verbunden stichisch wiederholt, μαψυλάκαν γλῶσσαν πεφυ - λάχϑαι; Pindar schlieſst damit die kleine strophe des liedes auf den Acharner Timodemides ἐν πολυυμνήτῳ Διὸς ἄλσει. des abgesanges abgesang ist ein seltsames ding; zwar sein zweites glied ist nur wieder um eine sylbe kürzer als der adoneus, sieht also einem choriamben gleich, aber davor steht das glied ἐκ δ̕ ὀϱάνω μέγας ohne die erste sylbe, also eine jener in Lesbos unerhörten, auch bei Pindar seltenen und in den aeolischen strophen der tragoedie wenigstens nicht häufigen glieder mit anlautender obligatorischer doppelkürze. ich fasse sie in der tat als apokopirt, wie ich die ersten glieder in dochmien, daktyloepitriten, ja selbst in ionikern vereinzelt, ansehe.

Die sprüche dieses tones beginnen mit denen εἰς ϑεούς. Ἀϑάνα (diese form hat Bergk hier richtig hergestellt) hat billig den vortritt: das politische lied; wir sind nicht in Auerbachs keller. hier weht die luft wie in den segensliedern der Hiketiden und Eumeniden. erhalte unsere stadt vor nöten (ἄλγη, die nöte einer niederlage sind gemeint, πάγ - κλαυτα ἄλγη Aisch. Sieb. 367. κακά τ̕ ἄλγη πολέμους τ̕ αἱμα - τόεντας Hik. 1044) bürgerzwist und pestilenz (ϑάνατοι ἄωϱοι wie Eum. 936), du und dein vater. der zweite spruch gilt der Mutter ἐν Ἄγϱαις und ihrer tochter; um die zeit der kleinen mysterien ist er gesungen, im Anthesterion στεφανηφόϱοισ̕ ἐν ὥϱαις, wenn der narkissos blüht, mit dem die göttinnen sich kränzen. weil es diese Mutter ist, heiſst sie Ὀλυμπία, denn dem Olympier ist jene flur am Ilisos heilig. die Γῆ Ὀλυμπία ist eigentlich dieselbe gottheit. gebetet aber wird um ge - deihen (πλοῦτος) für all das, was jetzt im frühling keimt und sproſst. die Mutter heiſst πλούτου μήτηϱ: so wenig ist dieses abstractum noch zu einer person geworden, geschweige daſs man nach dem vater des kindes fragte; noch weniger ist der höllische gott gemeint, den man um der318III. 5. Die attische skoliensammlung.schätze des erdinnern willen euphemistisch Πλούτων nennt. dann kommt Apollon, der Delier, auf dessen insel Artemis eigentlich nicht geboren ist, so daſs ἔτικτε παῖδα Λατώ (E) besser ist als τέκνα Λ. (A); an den bruder schlieſst sich Artemis, wie sie die Athener verehren, als jägerin, und noch mehr als herrin des weiblichen geschlechtes (Aisch. Hik. 676). das lied taugt nicht viel, da es erzählend anhebt und so seine herkunft aus der elegie, die weiter ausholen kann (Theogn. 1 14), verrät. der vierte ist Pan, noch kein Athener, sondern mit den dionysischen nymphen im arkadischen gebirge schwärmend. er soll sich nur am liede freuen, das so lustig ist wie er, der den himmlischen komos führt. die fremden formen (μέδων κλεεννᾶς) und die merkwürdige tatsache, daſs die ver - dorbene überlieferung durch ein cultlied geheilt werden konnte, das 600 jahre später in Oberaegypten aufgezeichnet ist, beweisen die ab - leitung dieses spruches aus den chorischen gesängen des eigentlichen gottesdienstes; für den war das chorlied Pindars (fgm. 95. 96) bestimmt, das vielleicht selbst dieses vorbild war. der fünfte spruch ist verstümmelt und verdorben. er bildet bereits den übergang zu profanen gegenständen. wir haben gesiegt und die götter haben uns den sieg von der Pandrosos her übergeben. was sie von der hüterin des heiligen ölbaumes nahmen ist entweder der ölzweig oder wol noch richtiger das öl: der trinkende gedenkt des sieges, den er oder die seinen an den Panathenaeen er - rungen haben.

Nun folgt eine reihe moralischer sprüche; an zwei hochberühmte in demselben tone ist ein aus aeolischer poesie entlehnter in alkaischer strophe und ein anderer auch aeolischer angereiht. diese vereinzelten töne hat der ordner so lieber untergesteckt, weil sie doch nirgend pas - sender standen. daſs Athenaeus ein par citate über ὑγιαίνειν aus eigner lectüre beifügte, wird keinen seiner leser beirren. der wunsch, dem menschen ins herz zu sehen, um zu erfahren, ob seine freundschaft ächt sei, schickt sich für das lied im freundeskreise; Euripides citirt diesen spruch Med. 516, Hipp. 926. das allbekannte ὑγιαίνειν hat schon Epi - charm citirt, und es war dem Simonides wegen fgm. 78 gegeben. was der dichter damit meinte, darf man nicht aus den erläuterungen der philo - sophen holen, sondern aus der situation, für die er es gemacht hat: er will nur sagen wir sind gesunde hübsche jungen und haben’s dazu: laſst uns drum lustig sein. der deutsche student pflegt beim weine (d. h. biere) seinen verkehr mit dem leihhause und dem wucherer zu besingen; auch wenn er in ehrlicher armut ehrenvoll sich durchschlägt, fingirt er die verlumptheit. eine wirkliche lebensregel gibt die alkaische strophe, nicht319III. 5. Die attische skoliensammlung.unwürdig des Alkaios. man muſs nur das erhaltene nicht weiter zer - stören, sondern sich überlegen, dann findet man die notwendig geforderte ergänzung der vorn verlornen drei sylben den graden oder den besten curs soll man sich vom lande aus aussuchen, wenn man dazu in der lage ist und sich genug darauf versteht: ist man aber erst in see, so heiſst es den curs halten. inter nitentes Cyclades wird einem das klar. wer von Troia nach Hellas will, der mag sich überlegen, ob es besser ist zwischen Euboia und Andros oder zwischen Andros und Tenos oder Tenos und Mykonos durchzufahren, oder gar erst an der asiatischen küste längs; aber auf der fahrt den curs wechseln ist verwerflich. so die metapher. was der dichter für das leben lehrt, heiſst es ist sehr schön, erst wägen dann wagen; nur kann man’s nicht immer, und nicht jeder verstehts; aber für alle gilt was du einmal begonnen hast, das tue ganz. der spruch klingt weder sympotisch noch attisch. das ist auch der fol - gende nicht. ein freund soll gerade sein und keine krummen gedanken haben, sagte der krebs und nahm die schlange zwischen die scheeren. es sagt sich jeder, daſs die lebendige schlange sich ringelt, die tote in starrer geradheit liegt; man bedarf also der aesopischen fabel 81 zum verständnis nicht, die aber mit recht citirt wird, weil ja Aesop ein schulbuch war, und der dichter an sie erinnert, indem er die freunde an aufrichtigkeit mahnt. die stollen der kleinen strophe sind von einer auch in Athen geläufigen volkstümlichen form, ὑμὴν ὑμέναι̕ ὑμήν. überliefert ist im ersten zwei - sylbiger anlaut δὲ καϱκίνος. dann könnte das gedicht nicht ächt aeolisch sein, wofür doch ἔμμεν spricht; aber die partikel am anfange des liedes ist ohne analogie in diesen sprüchen, und ihre einfügung im Athenaeustext, wo die gedichte ohne intervall stehn, ungleich wahr - scheinlicher. den abgesang bilden zwei durch synaphie gebundene gly - koneen.

Nun kommen vier strophen auf die tyrannenmörder. eigentlich sind es nur zwei, denn die dritte gibt nur zur ersten einen eben so guten abgesang (10 und 12). die demokraten mochten an der tat der befreier die herstellung der ἰσονομία hervorheben, während den leuten wie Isagoras nur die beseitigung des Hipparchos von wert war. beide sprüche sind schwerlich viel jünger als die tat; das zeigt an dem einen die ἰσονομία, wofür schon Aristophanes δημοκϱατία gesagt haben würde, an dem andern die form Ἀϑηνάα, die das versmaſs fordert, aber die vornehme dichtersprache nicht beliebt hat. der vierte (13) ist schlecht zusammengestoppelt; den abgesang borgt es vom ersten, das erste wort vom zweiten, und verdirbt im fortgang den vers; seine erste zeile αἰεὶ320III. 5. Die attische skoliensammlung.σφῶν κλέος ἔσσεται κατ̕ αἶαν ist eine epische banale reminiscenz, weder ἔσσεται noch αἶα sind attisch. wie viel schöner hatte der dichter des zweiten, der im abgesang ein etwas anderes metrum anwendet, die tyrannenmörder auf den seligen inseln mit Achilleus und Diomedes (Pind. 10) vereint.

Es folgt ein neuer ton, die alkaischen groſsen asklepiadeen, distichisch, wie Alkaios sie auch gebaut haben soll. aber hinter dem ersten distichon sind vier im Telamonton eingesprengt: wol sicher durch irrtum der schreiber. der Telamonton ist nicht so einfach; das distichon besteht nicht mehr aus zwei ganz gleichen versen, sondern der zweite ist um einen daktylus länger: ich wüſste das nicht besser als mit der schluſs - zeile der Nibelungenstrophe zu vergleichen. von der ionischen art, den κατὰ πόδα oder μέτϱον gebauten versen, muſs man natürlich absehen. und doch hat ein dichter das erste gleiche glied beider zeilen, einen s. g. ersten glykoneus, einmal wie zwei iambische oder ionische metra gebaut, d. h. die fünfte sylbe als indifferent behandelt (17). das zweite glied ist ἐκ δ̕ ὀϱάνου μέγας im ersten verse, dem dann im zweiten der daktylus vortritt. das lob der Aiakiden liegt in zwei gleich berechtigten fassungen vor; sie sind entstanden durch ein lied des Alkaios (48), das auch Pindar (Nem. 7, 27) berücksichtigt: aber wie viel mehr spricht uns die schlicht - heit an λέγουσί σε ἐς Τϱοΐαν ἄϱιστον ἐλϑεῖν μετ̕ Ἀχιλλέα als der prunk ὅν κϱάτιστον Ἀχιλέος ἄτεϱ μάχᾳ ξανϑῷ Μενέλᾳ δάμαϱτα κομίσαι ϑοαῖς ἀν ναυσὶ πόϱευσαν εὐϑυπνόου Ζεφύϱοιο πομπαὶ πϱὸς Ἴλου πόλιν. gewachsen ist diese verherrlichung der Aiakiden auf ihrer insel Aigina (vgl. Herakl. I 281); wer das attische lied sang, gehörte wol zur Aiantis. nun kommt die liebe zu worte o wäre ich die laute, die die knaben bei den kyklischen chören tragen, o wäre ich ein ge - schmeide von lauterem golde, daſs mich eine schöne frau trüge mit eben so lauterem herzen, auch sie natürlich am festtage, im Panathe - naeenzuge; die liebe ist keine hetärenliebe. diese beiden gedichte führt Dion in der zweiten rede an und verbessert im ersten φοϱοῖεν für φέϱοιεν: die knaben tragen die laute wie die frau das halsband an sich (φοϱοίη steht da), sie tragen sie nicht in den agon und geben sie ab. auſserdem ergeben sich, wie auch in der überlieferung des Athenaeus, dialektische schwankungen zwischen e und a, die die unwissenden fort - fahren für dorismen zu halten; wie weit die poesie im sechsten jahr - hundert den archaischen vocalismus noch festhielt, kann niemand sagen; die epigramme des sechsten jahrhunderts schwanken ja auch. zum aus - druck vgl. auch Theognis 89. diese erotischen verschen stehen der elegie321III. 5. Die attische skoliensammlung.sehr nah, und sie dürfen wol in den distichen der Anthologie V 83, 84 brüder anerkennen.

Von den Asklepiadeen ist das erste, jetzt verschlagene (16), an die spitze gestellt, weil es auch einen heros erwähnt freund merke dir den spruch des Admetos und halte dich nur an gute freunde. Admetos in seinem verhältnis zu Apollon ist gemeint, ὁσίου γὰϱ ἀνδϱὸς ὅσιος ὢν ἐτύγχανον sagt der gott selbst. man darf wol auch an Herakles denken, den ἀγαϑός, der ungeladen zum feste der ἀγαϑοί kommt. in anbe - tracht dieser beziehung ist von den varianten τοὺς ἀγαϑοὺς φίλει und σέβου, die die handschrift des Athenaeus zur auswahl stellt, wol σέβου vorzuziehen, obwol Aristophanes Wesp. 1237 φίλει bietet: das mochte für das profane leben passender scheinen. der scholiast hat das gedicht in einer anderen sammlung nachgeschlagen, die den namen der Praxilla trug und auch den spruch über den skorpion (20) in wenig anderer fassung enthielt. daſs sie ihn gemacht hätte, glaube ich gar nicht. aber skolien sind nun einmal weinlieder und keine jungfrauenlieder, also be - steht die überlieferung zu recht, die der Praxilla παϱοίνια gibt. und dann bleibt diese ein mädchen, das am symposion teil hat, wie ich sie Her. I 71 bezeichnet habe. das nächste (18), von Euripides Iph. Aul. 407 citirt, gibt die moral, die ehedem das geschlecht, jetzt die hetaerie fordert der rechte freund muſs in allem mittun, im trinken, lieben, schwärmen, toll sein, auch im vernünftig sein. ich bin ein mann vom geschlechte Ghazijja; wenn Ghazijja verrückt ist, bin ich mit verrückt, wenn Ghazijja das richtige tut, tue ich auch das richtige so ein Araber bei Wellhausen (Reste arab. heidentums 194). dann der bekannte spruch vom skorpion: wieder warnung vor hinterlistigen menschen. die ehrlichkeit war von jeher der Hellenen schwache seite, darum schilt schon Achilleus auf die unaufrichtigkeit; treue ohne ἔϱως ist nur zu selten unter ihnen. auch das letzte der reihe (25) gesteht bedauernd die regel ein, wenn der redner als seine meinung hinstellt, daſs götter und menschen den hoch ehren, der den freund nicht verrät: dies also ist ausnahme. dazwischen steht 21, der spruch von sau und eichel, eine lustige parodie eines unattischen spruches, erklärt Isyll 123, und eine warnung vor der liebe, die für jeden zu haben ist, der das entree bezahlt (22); etwas unhöflich gegen die für eine drachme gedungene flötenspielerin, die den takt dazu blies. so tief sind wir von Athena herabgestiegen, und doch gehört alles mit fug und recht auf das symposion und erhebt sich hoch über die ver - soffene sentimentalität, die unsere commersbücher füllt, also doch wol sänger findet.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 21322III. 5. Die attische skoliensammlung.

Daſs wir eine sammlung vor uns haben, planmäſsig angelegt, so daſs sogar verschiedene fassungen vorkommen, ist klar. solcher sammlungen gab es mehr, wie die auf Praxilla getaufte lehrt. wir kennen ja auch aus der komoedie noch eine anzahl anderer skolien, und Aristophanes läſst in den Ekklesiazusen neue improvisiren. die gedichte gehören dem sechsten und fünften jahrhundert an; nicht viel länger hat die mode die skolien festgehalten. aber kein späterer gelehrter hat die sammlung gemacht; wo sollte er denn die lieder finden? das bedürfnis hat sie erzeugt: es ist wirklich ein attisches commersbuch, bestimmt für solche teilnehmer, die sich’s nicht zutrauten einen vers zu machen. so ist ja auch die home - rische hymnensammlung (und die orphische nicht minder) ein hilfsbuch für einen rhapsoden; die grammatiker sind daran ganz unschuldig. die bücher sind nur in späterer zeit nicht mehr zu praktischem gebrauche, sondern zur lecture vervielfältigt. und erst in diesem stadium sind die beiden nummern aus der Politie des Aristoteles hineingekommen, jetzt als 23 und 24 vor dem letzten asklepiadeischen distichon eingelegt. wer die ordnung überschaut, die sonst herrscht, wird daran nicht zweifeln, zumal so das politische gedicht von den politischen, dieser einzige spruch im gewöhnlichen skolienmaſse von der ganzen reihe desselben tones ge - trennt ist.

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6. DAS SIEBENTE PYTHISCHE GEDICHT DES PINDAROS.

Pindaros selbst sagt, daſs er für den Alkmeoniden Megakles dichtet. die scholien haben den vatersnamen nicht mitgeteilt und dadurch ver - schuldet, daſs Boeckh, von dem die folgenden abhängen, einen sinn - reichen ausweg versuchen konnte, um die übrigen zeugnisse alle ver - werten zu können. jetzt steht durch Aristoteles 22 und das ostrakon CIA IV p. 192 fest, daſs Μεγακλῆς Ἱπποκϱάτους Ἀλωπεκῆϑεν im früh - jahr 486 durch den ostrakismos ausgewiesen ist. nimmt man dazu nur die bekannten stellen Herodot VI 125 131, Lysias 14, 39, Ps. Ando - kides 4, 34, so erhält man mit sicherheit das stemma Megakles der mörder Kylons Alkmeon und Agariste Kleisthenes und Hippo - krates, ersterer kinderlos, letzterer vater von Megakles aus Alopeke und Agariste der frau des Perikles Megakles wieder vater eines Megakles, schreibers der schatzmeister Athenas 428 / 7 und der Deinomache, die vor 452 den Eupatriden Kleinias aus Skambonidai geheiratet hat, dem sie Alkibiades und Kleinias gebar. allerdings hätte man diese ordnung wol fordern sollen, da sie allein Perikles und Alkibiades so nahe mit einander verbindet, wie sie gestanden haben müssen, damit die vormund - schaft möglich war. das richtige hat Kirchhoff zu dem ostrakon gesagt, aber verschwiegen, daſs ein eben so unzweideutiges zeugnis nunmehr für einfache schwindelei erklärt werden muſs: Isokrates 16, 27 nennt den gesetzgeber Kleisthenes ausdrücklich unter den vorfahren des Alkibiades. eben darum hatte Boeckh neben Μεγακλῆς Ἱπποκϱάτους, den schwieger - vater des Perikles, einen Μεγακλῆς Κλεισϑένους als vater der Deino - mache gestellt. Megakles der sohn des Hippokrates hat sich erst nach seiner heimkehr 480 verheiratet: das zeigt das alter seiner kinder. sein vater war tot, als der sohn als haupt der familie landes verwiesen ward, natürlich auch als er einen wagen rennen lieſs. auf seinen tod hat21*324III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.Pindaros bereits einen threnos gemacht, den die scholien zu Pyth. 7 erwähnen; das war nach 498, wo Pindar zu dichten anfieng. genauere grenzen vermag ich nicht zu ziehn. Agariste hat den Xanthippos etwa um die mitte der neunziger jahre geheiratet, denn ihr sohn Perikles, 462 zuerst politisch tätig, steht dreiſsig jahre später ἐν τῇ καϑεστη - κυίᾳ ἡλικίᾳ, d. h. er hat das sechzigste lebensjahr überschritten; sehr viel älter aber kann er nicht gewesen sein.

Wann ist nun das pythische gedicht verfaſst? in anbetracht seiner kürze sicherlich bald nach dem siege. wann fiel der sieg? der Vati - canus gibt die achtundachtzigste Pythiade, führt dann aus, daſs der olym - pische sieger der 47 Olympiade ein vorfahr von diesem Megakles wäre, δὲ τὴν πη΄ Πυϑιάδα ἕτεϱος δὲ ἂν εἴη ὁμώνυμος τούτῳ. das ist unsinnig. aber Tzetzes hat es allerdings gelesen. Boeckh hat aus dem Gottingensis die fünfundzwanzigste Pythiade aufgenommen, der jedoch an der zweiten stelle πς hat; andere haben anderes gemeint. die fünfundzwanzigste Pythiade fällt nach Boeckh in das jahr der Marathon - schlacht, oder vielmehr, da die Pythien auf den siebenten Bukatios - Metageitnion fallen, die schlacht bei Marathon auf den dreizehnten1)Töpffer quaest. Pisistr. 137. ganz fest möchte ich auf den tag nicht bauen, und die Pythien waren auch mehrtägig. aber das macht hierfür nichts aus., so sind die ereignisse beinahe gleichzeitig: nun, damals hatte der Alkmeo - nide zu hause zu tun. Boeckh selbst würde das nicht behauptet haben, wenn er die zeit der Pythien richtig bestimmt hätte. die zahl 25 und Boeckhs Pythienrechnung vertragen sich nicht mit einander.

Das einzig mögliche heil konnte in den scholien des Florentinus D gesucht werden. Dr. H. Graeven hat mir auf meine bitte eine ver - gleichung geschickt: sie löst die aporie wirklich γέγϱαπται ᾠδὴ Μεγακλεῖ Ἀϑηναίῳ νικήσαντι τὴν κε΄ πυϑιάδα τεϑϱίππῳ, ἔστι δὲ οὗτος οὐχ τὰ ὀλύμπια νενικηκὼς, ἀλλ̕ ἕτεϱος (dann weiter gleichlautend) τὴν γὰϱ τεσσαϱακοστὴν ἑβδόμην ἐκεῖνος Ὀλυμπιάδα ἀναγϱάφεται νενικηκὼς, δὲ τὴν κς ἕτεϱος δὲ ἂν εἴη Μεγακλῆς τούτῳ ὁμώνυμος. hinzu nehmen muſs man das in BD wesentlich gleich lautende scholion zu 11 οὐκ ἐνίκησεν οὗτος Ὀλύμπια ἀλλὰ ἄλλοι ὁμώνυμοι τούτῳ, und die durch Herodot feststehende tatsache, daſs in Olympia vielmehr Alkmeon gesiegt hat, der ol. 47, 592 auch allein siegen konnte.2)Boeckhs künstliche construction ist öfter gut, z. b. von Rutgers Iul. Afric. 145 widerlegt, der auch im schol. Ar. Wolk. 64 die verwechselung von Alkmeo - niden und Philaiden erkannt hat. dann erkennt man, daſs zwar der scholiast, der325III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.zu uns spricht, in dem Olympiasieger einen Megakles fälschlich gesucht hat, während nur ein Alkmeonide nötig war, aber der gelehrte, der diese frage wirklich untersuchte, vielmehr in verlegenheit war, weil er sowol den sieg des Alkmeon rechnen muſste, wie auch einen Μεγακλῆς Ἀϑηναῖος als sieger in der sechsundzwanzigsten olympiade fand: Pindar aber weiſs nur von einem siege der Alkmeoniden in Olympia. so hat jener gelehrte sich, vermutlich richtig, mit einer homonymie geholfen; wir müssen nur das den satz zerreiſsende δέ beseitigen. daſs die zweite zahl, 26 in D, eine Olympiade ist, keine Pythiade, ist das eine wichtige: aber Kallierges im ersten drucke der scholien, der auf B zurückgeht, hat diesen zusatz auch nicht, so daſs er vielleicht unserer guten über - lieferung überhaupt fehlt3)Meine vermutung hat sich bestätigt. Graeven bezeugt mir das fehlen von πυϑιάδα im Vaticanus.; daſs an dieser stelle B dieselbe zahl πη hat wie oben, zeigt freilich, daſs der schreiber annahm, es müſste hier der sieger dieses liedes gemeint sein. wichtiger noch ist die zahl 25 für 88. den schreibfehler πη für κε kann ich nicht erklären, aber D ist ein zeuge kaum schlechter als B, und wir sind meines erachtens gehalten ihm zu folgen. dann ist das gedicht 486 nach dem august verfaſst, vorausgesetzt, daſs wir die Pythiaden zählen wie die scholien und Bergk, nicht wie Boeckh. 486 in den monaten februar märz ist Megakles von dem ostrakismos betroffen. das nahm ihm weder die bürgerliche ehre noch schädigte es sein vermögen noch hinderte es ihn, in Delphi zu sein und ein viergespann rennen zu lassen. man war ein parteihaupt, wenn einem so etwas zustieſs, und konnte hoffen wieder an die spitze des volkes zu treten; aber es war doch zunächst ein rückschlag, und wenn ein dichter, diesmal noch kein hochberühmter, aber doch ein standes - genosse, der für die familie schon einmal tätig gewesen war, sechs monate oder weniger nach dem volksgerichte ein festlied für Megakles macht, so wird das nicht jeder beziehung auf die situation entbehren.

Pindar nun spricht also durch den mund des chores zu Megakles. Athen, die erhabene stadt, ist für das mächtige Alkmeonidengeschlecht der schönste anfang eines liedes auf einen wagensieg. denn kein vater - land und kein haus kann ich nennen4)Ἐπεὶ τίνα πάτϱαν τίνα τ̕ οἶκον ΝΑΙΩΝ ὀνυμάξομαι ἐπιφανέστεϱον Ἑλλάδι πυϑέσϑαι. die scholien lehren, daſs so wie ich geschrieben habe die über - lieferung war, die in alter und neuer zeit vergeblich angefaſst worden ist, weil für den sinn nichts fehlt. ein genetivus partitivus schadet nur, da er nicht auf πάτϱα πατϱίς, nicht πατϱιά, sonst ist es tautologisch) mit bezogen werden kann. den, dessen name in Hellas so stralend326III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.wäre. denn in allen städten erzählt man sich von den Athenern, die Apollons haus in Pytho zu einem wunderwerk gemacht haben.5)Apollon wird angeredet: das ist nicht die müssige apostrophe späterer rhe - torischer poesie, sondern das siegesfest gilt dem gotte, der den sieg gegeben hat. aber in Delphi, das daneben erwähnt wird, ist es nicht gesungen. die überlieferung οἳ τεόν τε δόμον ϑαητὸν ἔτευξαν ist unerträglich; die partikel τε muſs fort. Bergks τεὸν τέμενος ist hübsch, aber methode hat es nicht gefunden, denn mit δόμον, einem poetischen worte, glossirt kein Grieche. die voralexandrinischen corruptelen nicht zu heilen müssen wir uns gerade in den gut erhaltenen dichtern leider nur zu oft bescheiden. und von dir und deinem geschlechte, Megakles, weiſs ich fünf isthmische, einen olympischen, zwei pythische siege. über den neuen erfolg freue ich mich etwas, aber das ist mir schmerzlich, daſs neid die edlen taten vergilt. indessen das sprichwort sagt, daſs der segen, der dem manne beständig blühen soll, das eine wie das andere (leid und freude) mit sich bringt.

Das ist einfach, und wenn er einfach redet, denkt sich Pindaros immer am meisten. die Alkmeoniden haben eine ϑάλλουσα εὐδαιμονία, und daſs sie für groſse taten neid ernten, beeinträchtigt diese nicht, sondern macht sie nur beständig, weil τίκτει κόϱος ύβϱιν. ihnen bringt ihr glück τὰ καὶ τά, wie Pindar gerne sagt (Ol. 2, 53. Isthm. 5, 46), aber auch Theognis 398. die wechselvollen geschicke des geschlechtes seit 120 jahren, in denen es doch immer εὐδαίμων geblieben ist, passen wol zu dem spruche. das letzte ist der erfreuliche sieg. aber der dichter hat keine rechte freude, χαίϱω τι sagt er. er sieht mit be - kümmernis φϑόνον ἀμειβόμενον τὰ καλὰ ϝέϱγα. gewiſs sagt er ähn - liches oft, aber meist warnend, hier dagegen tröstet er. was den ruhm des pythischen sieges überwiegt, muſs mehr sein als übles gerede, unpopularität: nur wegen eines wirklichen schlages tröstet man. die scholien haben das gefühlt und darum an den tod des Hippokrates erinnert: aber in dem ist kein φϑόνος. wer möchte leugnen, daſs der ostrakismos, an den ältere erklärer auch gedacht haben, auf das treff - lichste paſst, zumal er die tyrannenvertreiber als tyrannenfreunde traf, wie wir jetzt aus der chronik wissen?

Das ist die epode. die strophen führen aus: Athens ruhm ist der Alkmeoniden ruhm, beide fallen zusammen. zum preise des Megakles schickt sich nichts so gut wie der ruhm der μεγαλοπτόλιες Ἀϑᾶναι6)Das bedeutet nichts als Athen die groſse stadt vgl. Herakl. II 182.;4)consonantischen anlaut fordert das versmaſs: es sind zwei durch synaphie gebundene glykoneen verschiedener form.327III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.Athen ist als staat so berühmt wie die Alkmeoniden als geschlecht. und das wird begründet damit, daſs die Ἐϱεχϑέος ἀστοί, die den delphischen tempel gebaut haben, in aller welt bekannt sind, und daſs die statt - liche zahl von siegen der Alkmeoniden den Pindar zum dichten antreibt. es geht nicht an, in Ἐϱεχϑέος ἀστῶν οἳ die Alkmeoniden zu verstehn und den genetiv partitiv zu fassen: sonst begründet dieser satz die be - hauptung nicht, die eine doppelte war, stadt und geschlecht wären berühmt. für das geschlecht folgen die siege als beweis: was vorher steht, geht notwendig die vaterstadt an. Athen also hat den ruhm des tempelbaus. aber den haben ja, wie wir wissen, die Alkmeoniden gebaut. ohne zweifel; aber die geschichtliche wahrheit darf uns nicht die poetische erfindung zerstören. der dichter sagt es von Athen: wenn die hörer sagen, das ist ja aber das werk der Alkmeoniden, um so besser, so ist Alkmeonidenruhm und Athenerruhm identisch, und der neid, der καλὰ ϝέϱγα ἀμείβεται ist um so ärger. in Delphi stand zudem die Athenerhalle, stand das stolze weihgeschenk für die Marathonschlacht als gaben des volkes, und gewiſs war der tempel voll von privaten geschenken, da der gott seit 510 sich der demokratie angenommen hatte. Pindaros sagt nicht sie bauten den tempel, sondern ϑαητὸν ἔτευξαν. aber freilich, was könnte gegen die marmorfaçade aufkommen, die die Alkmeo - niden errichtet hatten; marmortempel waren auf dem festlande noch selten genug. also beabsichtigt ist allerdings die wirkung, daſs der hörer sich sage das weshalb man von Athen in allen städten redet, ist ein werk der Alkmeoniden. sie haben Athen groſs gemacht, das will er den Hellenen einschärfen; Herodotos hat das ja 50 jahre später ähnlich ausgeführt. der redet allerdings von der demokratie, die Kleisthenes gebracht hat, und er hält es deshalb für undenkbar, daſs die Alkmeo - niden 490 Athen hätten verraten wollen. davon darf man bei Pindar nichts erwarten, weder um seiner selbst willen, denn er hat die demo - kratie zeitlebens gehaſst, noch um des Megakles willen, der als tyrannen - freund von den demokraten, Aristeides und Themistokles, beseitigt war. die situation erschien 486 nicht viel anders, als sie für die Alkmeoniden vor 510 gelegen hatte: das geschlecht repraesentirt eine partei, die zur zeit unterlegen ist, aber gleich mächtig in der fremde lebt, des umschlages harrend. allein auch als landflüchtiger verläugnet der Alkmeonide sein vaterland nicht: sie gehören zu einander. mochte der Philaide in der Chersones, der Peisistratide in Sigeion eine herrschaft suchen: er hält zu Athen, auch wenn er seinen boden meiden muſs. ihm ist der ruhm Athens das liebste lob für seinen sieg. das ist wahr von den Alkmeo -328III. 6. Das siebente pythische gedicht des Pindaros.niden, und schön ist es auch. das habe ich immer mit herzensfreude gelesen, da ich gern wie Herodotos und Pindaros empfinde. aber es hat doch einen ganz anderen klang, wenn Megakles so sich loben läſst, eben als er von dem φϑονεϱὸς δῆμος schlecht behandelt ist. right or wrong, my country, ist nicht vielen Hellenen aufgegangen: der enkel des Megakles wird in Sparta ganz anders reden. es liegt hier auch der ganze adelsstolz darin, daſs Athen mindestens eben so viel von dem ruhme der Alkmeoniden hat als umgekehrt. und Megakles, obwol er, wie sich gehörte, 480 unter die verteidiger seiner heimat getreten ist, war ein politisch wenig bedeutender herr; seine schwester Agariste hat mehr von dem ächten Alkmeonidensinne geerbt oder doch vererbt als er. aber der dichter, der hier zu uns spricht, allerdings in einem werke seiner unreifen jugend (erst die schweren seelenkämpfe von 481 79 haben ihn zum manne und zum dichter gereift), war ein mann mit den vorurteilen des adels, aber auch mit seinen vorzügen, jeder zoll ein ehrenmann und ein edelmann, der, so schwer es ihm gefallen ist, right or wrong my country seinem Theben gegenüber hoch gehalten hat, und über dem herben stolze auf die συγγενὴς φυά das noblesse oblige nie vergessen. er fand in sich die stimmung, wie ein patriot und ein wahr - haft vornehmer mann, stolz aber ohne groll, den ostrakismos ertragen soll. erst seit zeit und veranlassung des gedichtes feststeht, kommt dem leser voll zu bewuſstsein, was es will und was es taugt.

Aber Pindaros geht uns hier nichts an: nur das historische document wollten wir einreihen, und wir brauchten das datum. mögen die an - hänger der Pausaniaschronologie der Pythiaden sehen, wie sie diese neue instanz beseitigen.

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7. DER PROCESS DER EUMENIDEN.

Die kämpfe um den Areopag haben dem gröſsten dichter des fünften jahrhunderts sein letztes werk eingegeben; so wenig es unmittelbar für die politische geschichte ergibt, können wir doch die stimmung der zeit nur aus ihm unmittelbar auf uns wirken lassen, und es ist früher so viel auch politisches in ihm gesucht worden, daſs ich nicht umhin kann, die scene des processes der Eumeniden zu erläutern, zumal es kurz geschehen kann. ein par wichtige stellen kann ich verbessern, andere bleiben noch im einzelnen rätselhaft; die heut zu tage beliebten athetesen und umstellungen fallen von selbst weg, sobald der zusammen - hang erkannt ist.

Als der göttin Athena sowol von Orestes wie von den Erinyen die ent -Uebersicht der ganzen scene. scheidung ihres zwistes übertragen ist (als δίαιτα gewissermaſsen), lehnt sie ab in einer mordsache aus sich, αὐτοτελῶς, zu entscheiden und erklärt einen beirat aus den edelsten ihres volkes (ἀϱιστίνδην) zuziehen zu wollen, die als geschworne den spruch fällen sollen, und sie stellt schon hier in aussicht, daſs sie damit eine dauernde institution schaffen wolle, 470 89. die verse sind zum teil schwer verdorben, aber die gedanken sind unzweifelhaft. mittlerweile sollen die parteien ihre be - weismittel und ihre zeugen herbeischaffen. es entsteht also eine pause, die durch ein groſses chorlied ausgefüllt wird.

Dann erscheint Athena mit dem herold (der als κῆϱυξ τῆς ἐν Ἀϱείῳ πάγῳ βουλῆς später eine so groſse rolle gespielt hat, jetzt nur ein subalterner ist) und den richtern. sein trompetenstoſs soll dem volke, das zu dem feierlichen acte herzuströmt, das signal geben, platz zu machen und zu schweigen. denn wenn auch das volksgericht (und als solches wird dieses hier behandelt) die zuhörer nicht ausschlieſst, so fordert das blutgericht doch feierlichen ernst. Athena motivirt das, nicht bloſs für dieses mal: die verhandlung ist ja typisch, und die verordnungen der330III. 7. Der proceſs der Eumeniden.göttin werden die einzelnen acte auch weiterhin motiviren und damit für immer einsetzen. sie sagt während der Areopagitenrat zusammen - tritt, geziemt es sich zu schweigen und zu lernen, sowol für die richter wie für das ganze volk, diesmal und immerdar, auf daſs der urteils - spruch gerecht gefällt werden könne.1)Πληϱουμένου γὰϱ τοῦδε βουλευτηϱίου σιγᾶν ἀϱήγει καὶ μαϑεῖν ϑεσμούς τ̕ ἐμοὺς πόλιν τε πᾶσαν ἐς τὸν αἰανῆ χϱόνον, ἐκ τῶνδ̕ ὅπως ἂν εὖ κατα - γνωσϑῇ δίκη. im letzten verse ist καὶ τῶνδε durch den archetypus der geringeren handschriften und das scholion, das richtig die ratsherrn versteht, gesichert (καὶ τόνδ̕ Μ, ohne jede mögliche beziehung: parteien sind zwei da). das hat G. Hermann zu dem einfalle ἐκ τῶνδε geführt. vorher kann nun ϑεσμοὺς ἐμούς nicht object sein, denn weder folgen ihre gesetze, noch gilt das ganze der gegenwart allein. es kommt vor allen dingen auf das schweigen der richter an, schon weil diese tat - sächlich schweigen. nun ist grammatisch das τε beziehungslos: folglich muſs ϑεσμοί subject sein und die Areopagiten meinen. folglich muſs ein τε zugesetzt werden. Apollon sagt 614 λέξω πϱὸς ὑμᾶς, τόνδ̕ Ἀϑηναίας μέγαν ϑεσμόν, δι - καίως, wo wieder von gar keinem gesetze Athenas die rede ist, sondern einfach der gerichtshof durch den collectiven singular ϑεσμός bezeichnet wird. der gebrauch ist ungewöhnlich, hat aber an κόσμος und κόσμοι sogar in der amtlichen sprache seine analogie, und wenn Eros τῶν μεγάλων πάϱεδϱος ἐν ἀϱχαῖς ϑεσμῶν ist (Soph. Ant. 797), so ist auch dort das einfachste die ϑεσμοί persönlich zu fassen. über καταγνωσϑῇ zu Eur. Hipp. 1361. der dichter hat bei dieser bemerkung noch den nebenzweck, das schweigen seiner statisten, der Areopagiten, zu entschuldigen, die sich nun, während der herold trom - petet, einfinden und setzen. das füllt die in der rede merkliche pause nach 574. über die zahl der richter wissen wir nichts, als daſs sie un - gerade war, da die stimmenzahl durch Athenas zutritt gerade wird. die Areopagiten haben ja niemals eine feste zahl gehabt: um so weniger können wir über die zahl der statisten etwas sagen. das volk aber, an das sich der trompetenschall und später die ansprache der göttin richtet, ist vorhanden, nur nicht auf der bühne, sondern als ϑέατϱον.

Nun bemerkt Athena auf der seite des angeklagten Apollon, der mittlerweile erschienen ist, und fragt ihn sehr höflich, was er hier wolle, wo er nichts zu suchen hat, wenn er nicht zu einer partei gehört.2)Daſs die verse 574. 75 Athena gehören, haben Wieseler und Sauppe ge - sehen. die parteien haben zu schweigen und können niemand wegweisen. übrigens würde Apollon den παντομισῆ κνώδαλα ganz anders dienen. wenn Athena zwischen die anrede und die frage die worte schiebt ὧν ἔχεις αὐτὸς κϱάτει, so ist das in höflicher rede dasselbe wie hier ist mein reich oder gar μὴ τὸν ἐμὸν οἴκει οἶκον. der gott motivirt sein erscheinen und die rolle, die er ferner spielen wird, indem er sich sowol als zeugen wie als mitverklagten3)Καὶ μαϱτυϱήσων καὶ συνδικήσων αὐτός sagt er. der σύνδικος ist immer zu er -331Uebersicht der ganzen scene.kennen gibt. da somit seine gegenwart berechtigt ist, eröffnet Athena als ἡγεμὼν δικαστηϱίου die verhandlung (sie sagt es ausdrücklich) und gibt dem kläger das wort, indem sie wieder diese geschäftsordnung einsetzt und begründet.

Es folgt die verhandlung der parteien. der kläger wendet statt der rede das lebhafte verhör an, dem der verklagte rede stehen muſs. Platons Apologie und die rede des Lysias wider Eratosthenes beweisen, daſs dies vor dem attischen gerichte angängig war. selbstverständlich aber hat der tragiker, der noch nicht wie Euripides die schulmäſsige rhetorik kannte oder gar liebte, die form gewählt, die für das drama und den charakter der Erinyen paſste.4)Die narretei der modernen geht so weit, statt der einen partei der Erinyen zwölf choreuten reden zu lassen. war das etwa rechtens? natürlich wird dabei die gewohnte abgeschmacktheit erzielt, daſs der schritt vor schritt fortgehende zu - sammenhang der fragen, der vorhanden ist, zerfetzt wird; denn zwölf köpfe denken nicht in derselben linie. und der beweis? es sind elf chorpartien: wer sieht da nicht daſs zwölfe reden? die chorführerin aber sagt obwol wir viele sind, werden wir uns kurz fassen, antworte du wort für wort (vers für vers). daraus soll folgen jede von uns wird einen vers sprechen was sie dann doch nicht tun; die chor - führerin scheint auf das wort verzichtet zu haben! und dabei ist endlich vergessen, daſs 15 choreuten für den Agamemnon überliefert sind, überliefert, nicht erschlossen. dagegen Apollon hält eine wirkliche rede; er spricht zu den richtern und zu der vorsitzenden göttin (629), wird zwar von den Erinyen unterbrochen und muſs ihnen lebhaft erwidern, lenkt aber immer wieder in die bahnen wol gemessener rede ein und schlieſst mit einem epiloge, der allerdings etwas ἔξω τοῦ πϱάγματος ist (667 73), was für den Areopag nicht paſst, um so mehr aber für das attische gericht; und es dürfte im epiloge zumal auch auf dem hügel so gar genau nicht genommen worden sein. der dichter aber bedurfte dieser nur gerade für seine gegenwart bedeutsamen verse. sie bereiten den schwur des Orestes vor, der nach seiner freisprechung ein ewiges bündnis zwischen Athen und Argos in aussicht stellt, und geben diesem bündnisse die göttliche garantie. es war ja 458 der eck - stein der athenischen politik. 5)Der dichter weiſs davon noch nichts, daſs die bündnisurkunde zwischen Athen und Argos bei Apollon in Delphi wäre, also Apollon so zu sagen schwur - zeuge. dreiſsig jahre später war das aufgebracht, und als Euripides 421 dieses selbe

3)jemand der an dem rechtshandel teil hat, so sind es die Erinyen für Klytaimestra 761, denn ihnen gehört das blut des muttermörders, und ist es Zeus als schwurgott, den Iasons eidbruch verletzt hat, für Medeia 158. daher wird das wort gebraucht für die vertreter einer gemeinde oder einer anderen genossenschaft vor gericht, die ihre eigene sache mit der gemeinsamen führen.
3)332III. 7. Der proceſs der Eumeniden.

Die parteien haben gesprochen. Athena fragt zunächst im allge - gemeinen, ob sie fertig wären, die abstimmung also beginnen könne. die Erinyen bejahen. dann richtet sie diese frage an die andere partei, Orestes und Apollon; der letztere erklärt ebenfalls, daſs das urteil nun gesprochen werden möge. 6)Die richtige personenverteilung und interpunction von 674 80 hat Kirchhoff gegeben.

Die göttin beginnt denn auch hört die verordnung, volk von Athen, die ihr zum ersten male über mord richtet. aber es folgt keine ver - ordnung, sondern lose durch ein δέ angeknüpft auch für die zukunft wird es in Athen diese ratsversammlung von richtern7)Δικαστῶν für δ̕ ἑκάστων Μ, δ̕ ἑκάστω der geringeren, Canter. daſs die geschichte nur diese einfachste änderung erträgt, wird unten klar werden. geben. und nun folgt eine lange rede über den Areopag, die vielen unpassend er - schienen ist. Aischylos hat sie aber für diese stelle gedichtet, denn, wie das seine art ist, schlieſst er so zu sagen die parenthese durch die aufnahme derselben worte. ἔσται δὲ καὶ τὸ λοιπόν, hebt Athena an, ταύτην μὲν ἐξέτειν̕ ἐμοῖς παϱαίνεσιν ἀστοῖσιν ἐς τὸ λοιπόν hört sie auf (707). und nun folgt erst der befehl, den sie gleich hätte geben können steht auf8)ὀϱϑοῦσϑαι heiſst sich aufrichten, das kann ein liegender, indem er sich setzt, ein schlaff gehender indem er sich richtet, ein sitzender auch, wenn er zu - sammengefallen saſs, indem er straffe haltung annimmt. aber das einfache ist in diesem falle, daſs er sich ganz gerade macht, also aufsteht. man bedürfte wahrlich nicht der belege, die das lexikon bietet, um den wortgebrauch zu verstehen. und erhebt die stimmsteine. das geschieht dann, während Apollon und die Erinyen erst die richter mahnen, dann heftig zanken, 23 verse lang. dann haben die richter abgestimmt und Athena tut dasselbe, indem sie ihre stimmabgabe motivirt. das widerspricht dem prinzipe der geheimen stimmabgabe; aber der dichter muſste einen ausweg wählen, der das urteil sowol motivierte wie als götterwillen hinstellte: der gedanke durfte nicht aufkommen, daſs Athena überstimmt wäre. da sie erklärt, die ihre zu den stimmen für Orestes legen zu wollen, folgt, daſs die richter nur einen stimmstein haben, also zwei urnen da stehen, eine freisprechende und eine verurteilende, und die richter so zu jeder von ihnen treten, daſs sie einmal den stein hineinwerfen, das andere mal nur so tun, ganz wie es in den Wespen gehalten wird und das gleichnis des Agamemnon 815 voraussetzt. wo die urnen standen, wird nicht5)bündnis empfahl, konnte er daran erinnern, daſs das bündnis auf einem dreifuſse in Delphi zum zeugnisse für Hellas aufgezeichnet stünde, Hik. 1202. da war also eine fromme inschriftfälschung vorgenommen, wie Herodotos von einer erzählt (I 61).333Uebersicht der ganzen scene. die rolle Athenas.klar, da sie sowol vor der göttin stehend gedacht werden können, wie auch die göttin während ihrer rede sich an den tisch begeben konnte. auf jeden fall waren ziemlich viel requisiten in die orchestra gebracht. nachdem sie gestimmt hat, proclamirt Athena noch ganz kurz das gesetz, daſs stimmengleichheit freisprechung bedeuten solle und ruft die richter, denen das aufgetragen ist, herbei, den inhalt der urnen auszuschütten. die vorletzte seite des Aristotelespapyrus führt uns diese commissare auch vor, nur daſs 458 weder die ungeschlachten stimmkreisel noch der durchlöcherte tisch existirte, in den sie gesteckt wurden um gezählt zu werden. während die steine ausgeschüttet werden, rufen die parteien ein par worte der erwartung; Apollon fordert die commissare auf, richtig zu zählen. rasch ist’s getan, denn sie überreichen Athena die geordneten stimmsteine (so weit dürfen wir der späteren analogie folgen; es wäre zu töricht, wenn ein statist der göttin das ergebnis leise mitteilte), die wol auch das publikum sieht: sie proclamirt das ergebnis. der process ist beendet.

Athena ist der könig von Athen; als solcher handelt sie überhauptDie rolle Athenas. und als solcher übt sie den vorsitz des Areopages. der dichter hat durch weises schweigen dieses drama aus aller chronologie herausgerückt. Athena kommt zwar vom Skamandros, wo sie das land vermessen hat, das die Theseussöhne von Agamemnon als ehrensold erhalten haben (402), d. h. von Sigeion; aber diese Theseussöhne existiren für den dichter nicht. Athena ist, wie sie es wirklich im fünften jahrhundert geworden war, die göttin zugleich und die personification des athenischen staates. als vorsitzender des gerichts aber übt sie die functionen des jahrkönigs. sehen wir jedoch genauer zu, so ist nur die beteiligung an der abstim - mung, gewiſs etwas wichtiges und hier ganz unerläſsliches, was nicht ganz ebenso von jedem ἡγεμὼν δικαστηϱίου gelten würde. und so steht es mit dem ganzen processe. alles was wir als besonders areopagitisch kennen, ist fern gehalten. das absetzen des kranzes, das richten im freien, im heiligtume, die steine des verbrechens und der rache, die feierlichen eidschwüre der parteien, die doppelte verhandlung nichts von all dem kommt vor, und gewiſs würde manches dichterischer be - handlung sich eben so gut angepaſst haben wie das abstimmen, stimmen auswerfen und zählen. die religionen die den Areopag heilig und schauer - lich machen hat Aischylos in den liedern der Eumeniden unseren herzen nahe gebracht: aber die erhabenheit und den an die heilige vehme erinnernden schauder des gerichtes nachzuempfinden muſs man Antiphon lesen. wer für stilunterschiede empfänglich ist, dem muſs der abfall334III. 7. Der proceſs der Eumeniden.der sehr menschlich athenisch gehaltenen proceſsscene von dem epiloge in seiner strengen schönheit und dem noch herb archaischen prologe sammt parodos zum bewuſstsein kommen. es ist ein stück in polygno - tischem stile, während ringsum der stil der strengen schalenmalerei herrscht. diese Athena und dieser Areopag sind 458 für die modern empfindenden gedichtet, für die verehrer des volksgerichtes, und der ganze proceſs ist so gehalten, daſs er die formen allein hervorhebt, die diesem gerichte mit jedem gerichte gemeinsam sind. der Areopag ist nicht mehr als ein gerichtshof, und Athena erscheint viel eher als stifterin des geschwornengerichtes denn des Areopages.

Die ein - setzungs - rede.Wenden wir uns denn zu der rede, mit der sie das gericht für die zukunft einsetzt. der rat hieſs rat, aber er war keiner mehr, sondern nur noch ein gericht. um diese stellung hatten die kämpfe der jüngsten vergangenheit getobt und dies war schlieſslich gesetz ge - worden. der dichter konnte den unterschied weder übersehen noch verschweigen. seine Athena hat sich ein consilium berufen, aus freier wahl, weil sie sich nicht selbst getraute das urteil zu finden. sie macht aus diesem consilium eine dauernde institution, aber nur für die analogen fälle, zur urteilsfindung in blutsachen. mit dem worte βουλή und βουλευτήϱιον verbindet der Hellene aber etwas ganz anderes, die ver - waltung. folglich kann der dichter den namen βουλή nur mit einem distinctivum gebraucht haben und hat geschrieben ἔσται δὲ καὶ τὸ λοιπὸν Αἰγέως στϱατῷ αἰεὶ δικαστῶν τοῦτο βουλευτήϱιον.

Der schauplatz des dramas und des gerichtes ist bei Athena, auf der burg. die göttin läſst am schlusse ihre dienerinnen, die alten und die jungen, aus ihrem hause hervortreten, die priesterin sammt den κοσμώ τϱαπεζώ, ἐϱγαστῖναι ἀϱϱηφόϱοι und wie der hofstaat der göttin sonst heiſst. diese geleiten die Eumeniden hinunter in ihre woh - nung, zum Areopage. die theatralische rücksicht hatte so den dichter ver - anlaſst, den schauplatz des ersten areopagitischen processes von dem Ares - hügel selbst auf die burg zu verlegen. das war ihm auch erwünscht gewesen, weil dadurch von selbst die züge des processes sich verallgemeinerten. aber in der stiftungsrede muſste er doch den Areopag als sitz des richter - rates bezeichnen: hier liegt auf dem orte und seinem namen das haupt - gewicht. da lesen wir nun πάγον δ̕ Ἄϱειον τόνδ̕ Ἀμαζόνων ἕδϱαν σκηνάς τε9)Auf dem Areopage haben die Skythen der polizeiwache ihre zelte gehabt, nachdem sie vorher auf dem freien platze des marktes campirt hatten (schol. Ar., und dann folgt ein langer temporalsatz, der berichtet, wann335Die einsetzungsrede.der hügel sitz und lager der Amazonen gewesen war, und darauf aus - geht, daſs der name Areshügel damals aufgekommen sei. dann erst geht es fort ἐν δὲ τῷ σέβας ἀστῶν φόβος τε συγγενὴς το μὴ ἀδικεῖν σχήσει. also einfach ausgesprochen würde der gedanke sein und auf dem Areshügel wird der richterrat als hort von scheu und ehrfurcht seinen sitz haben. das dazwischen stehende gilt nur der hervorhebung des ortes, und dadurch daſs der name selbst am anfange und am ende dieser digression steht, ist in der einfachen weise des dichters die gliederung des gedankens wie der rede vollkommen deutlich gemacht. nun könnte man geneigt sein, die constructionslosigkeit der ersten eben ausgeschriebenen worte so zu entschuldigen, daſs der dichter erst eine form des satzes im sinne gehabt hätte, die den accusativ rechtfertigte, und als er darauf zurückkommt, die construction gewechselt hätte und ἐν δὲ τῷ gesagt. allein das ist falsch, denn es correspondiren not - wendigerweise die satzteile, in denen derselbe name πάγος Ἄϱειος steht. was so grammatisch sich erschlieſsen läſst, wird noch viel sinnfälliger, wenn man sich die örtlichkeiten überlegt. das pronomen πάγον Ἄϱειον τόνδε widerspricht der lage. man sieht den hügel nicht vor der front des Athenatempels; man sieht ihn auch vom theater nicht. also ist die corruptel und der sitz der corruptel erkannt. in τόνδε muſs etwas stecken das einen satz aus den worten macht, also subject und praedicat. damit ist so viel von einer sylbe gefordert, daſs eine möglichkeit zu zeigen ziemlich dasselbe ist wie das wahre gefunden zu haben.

685 πάγον δ̕ Ἄϱειον οἶδ̕ Ἀμαζόνων ἕδϱαν
σκηνάς ϑ̕, ὅτ̕ ἦλϑον Θησέως κατὰ φϑόνον
στϱατηλατοῦσαι καὶ πόλιν νεόπτολιν
τῇδ̕
10)τῇδ̕ Kirchhoff für τήνδε; daſs ein dativ fehlt, war längst gesehn. das deiktische pronomen kann nur auf das bezogen werden was man sieht.
10) ὑψίπυϱγον ἀντεπύϱγωσαν τότε
Ἄϱει τ̕ ἔϑυον, ἔνϑεν ἐστ̕ ἐπώνυμος
690 πέτϱα πάγος τ̕ Ἄϱειος· ἐν δὲ τῷ σέβας
ἀστῶν φόβος τε συγγενὴς τὸ μὴ ἀδικεῖν
σχήσει τόδ̕
11)τόδ̕ läſst sich nur halten, wenn man wagt es trotz dem zwischengescho - benen φόβος τε συγγενής auf σέβας zu beziehen, und an sich wäre sehr erwünscht, daſs deutlich gesagt würde, das σέβας läge in dem Areopagitengerichte. aber die
11) γ῏μαϱ καὶ κατ̕ εὐφϱόνην ὁμῶς,
9)Acharn. 54). da die vasenbilder lehren, daſs diese Skythen schon zur zeit der tyrannis bestanden haben, ist sehr zu bedenken, ob das lager der Skythinnen auf dem Areopage nicht ein reflex dieser verhältnisse ist. die vielbehandelte schlacht - beschreibung des Kleidemos nimmt darauf keine rücksicht.336III. 7. Der proceſs der Eumeniden.
αὐτῶν πολιτῶν μὴ ᾽πικαινούντων[ν]όμους
κακαῖς ἐπιϱϱοαῖσι·
12)Ueber die schreibung dieser zeile und die erhaltung der überlieferten inter - punction handelt Hermann vollkommen ausreichend. will man denn nicht einsehen, daſs das sprüchwort nachgeschoben wird als begründung für den speciellen satz, in diesem also das bild bereits begonnen sein muſs?
12) βοϱβόϱῳ δ̕ ὕδωϱ
695 λαμπϱὸν μιαίνων οὔποϑ̕ εὑϱήσεις ποτόν.
τὸ μήτ̕ ἄναϱχον μήτε δεσποτούμενον
ἀστοῖς πεϱιστέλλουσι βουλεύω σέβειν
καὶ μὴ τὸ δεινὸν πᾶν πόλεως ἔξω βαλεῖν.
τίς γὰϱ δεδοικὼς μηδὲν ἔνδικος βϱοτῶν;
700 τοιόνδε τοι ταϱβοῦντες ἐνδίκως σέβας
ἔϱυμα
13)Ueberliefert ist ἔϱυμα τε χώϱας; die partikel ist eben so unerträglich wie scheinbar für das versmaſs unentbehrlich, denn ἔϱυμα kann correct nur ein tribra - chys sein. aber bei Euripides Phoen. 983 ist τί δῆτ̕ ἔϱυμά μοι γενήσεται über - liefert mit der erklärung φύλαγμα, ποία με πόλις σώσει, also genau in derselben bedeutung. wer bei W. Schulze quaest. ep. 317. 325 ffg. die menge richtiger und falscher formen von den im griechischen gleichlautenden stämmen ϝεϱυ - und σεϱυ - übersieht, wird sich nicht wundern ἔϱῠμα ῥῠμα ἔϱῠμα neben einander zu finden.
13) χώϱας καὶ πόλεως σωτήϱιον
ἔχοιτ̕ ἂν οἷον οὔτις ἀνϑϱώπων ἔχει
οὔτ̕ ἐν Σκύϑῃσιν οὔτε Πέλοπος ἐν τόποις.
κεϱδῶν ἄϑικτον τοῦτο βουλευτήϱιον
705 αἰδοῖον ὀξυϑυμὸν εὑδόντων ὕπεϱ
ἐγϱηγοϱὸς φϱούϱημα γῆς καϑίσταμαι.
ταύτην μὲν ἐξέτειν̕ ἐμοῖς παϱαίνεσιν
ἀστοῖσιν ἐς τὸ λοιπόν.

die gedanken werden auch weiter noch so fortgesponnen, daſs immer die hauptwörter aufgenommen werden; man kann gar nicht fehl gehn, wenn man dem dichter nur folgen will. das σέβας, worin sowol die autorität wie der respect vor ihr liegt, hält vor dem ἀδικεῖν zurück; damit ist ein gefühl von furcht naturgemäſs verbunden, συγγενὴς φόβος. wenn dieses gefühl freilich erlösche, so würde auch seine consequenz, der respect vor der autorität und damit die gesetzlichkeit, δικαιοσύνη, schwinden. wenn dagegen diese autorität in gesetzlicher weise respectirt wird (ταϱβοῦντας ἐνδίκως σέβας, die drei hauptbegriffe kehren wieder, nur einer ist mit einem synonymon, die andern mit demselben worte bezeichnet), so hat Athen einen hort seines staates, wie ihn weder die11)härte ist wol zu groſs. ἦμαϱ wird man immer am liebsten ἀπὸ κοινοῦ von κατὰ abhängen lassen; den artikel davor zu setzen, ist kaum angängig.337Die einsetzungsrede.barbaren noch die Hellenen sonst besitzen (für die Hellenen setzt er um des krieges willen die Peloponnesier, wie Sophokles OK 695, die εὐνομούμενοι Σπαϱτιᾶται sind gedacht, und für die barbaren nicht die verachteten knechte Asiens, bei denen nur reichtum ist, keine tugend, sondern die γλακτοφάγοι ἄβιοι δικαιότατοι ἀνϑϱώπων). bis hierher die vorbereitung: hier aufhören hieſse die säule ohne capitell lassen. denn was wir gehört haben, war nur ein solcher richterrat wird in Athen immer bestehn, auf dem Areopage, und so lange er besteht, wird Athen einen unvergleichlichen hort besitzen. was aber der richterrat leisten wird, worin er sich als hort beweisen wird, das fehlt. und es fehlt das schöpferwort der königin göttin, die einsetzung selbst. beides liefern die verse die hier stehen. sie stehen asyndetisch; die göttin macht eine pause; sie holt tief atem zu dem feierlichsten schwerwiegendsten worte, sie kann sich nicht genugtun mit attributiven beiwörtern: das eine kurze entscheidende καϑίσταμαι macht den schluſs. simpel pro - saisch ist was sie sagt und so creire ich hiermit den Areopag. poetisch bedeutend sagt sie, für den gedanken durch das pronomen genügend verbindend diesen rat, den eigennutz nicht berührt,14)κεϱδῶν ἄϑικτος sagt der dichter, χϱημάτων κϱείσσων Thukydides: ἀσυν - δέκαστος würde dieser als niedrig verschmäht haben, Aischylos hat die Λύκου δεκάς schwerlich überhaupt kennen können. den träger der αἰδώς, des grimm scharf ist, der wachsam die sorge für die schlum - mernden in Athen übt, den stifte ich. aber was stiftet sie damit? den verwaltungsrat, der bis 462 Athen beherrscht hat, oder den blutgerichts - hof, der seit Ephialtes nur noch besteht? bei den modernen kann man erfahren, daſs sie den Areopag zum nachtwächter einsetze, was aller - dings eine neuerung gewesen wäre, da es erstens keine nachtwächter gab, und zweitens der Areopag mit der sicherheitspolizei niemals etwas zu tun gehabt hatte. gegen solche λωποδύται der poesie sollte wahr - lich die ἀπαγωγή noch gelten. die unbestechlichkeit ist eine tugend, die der richter so gut wie der verwaltungsbeamte besitzen soll; in der finanzverwaltung hatten die Areopagiten sie noch jüngst nicht gerade gezeigt. dies praedicat beweist nach keiner seite. wol aber ist die αἰδώς zu hause bei dem gerichte, das wo sie möglich ist die αἴδεσις zuläſst, und nur wo die ἀναίδεια klagt und rächen will, seinen ὀξὺς ϑυμός beweist, strafend und tötend: das auge der staatlichen rechtspflege wacht für die schlafenden, die toten, wie die antike erklärung einfach und richtig lautet. die schlafenden, sagt der dichter dafür, wie er sie die blinden (322) und die blödsichtigen (388) nennt, immerv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 22338III. 7. Der proceſs der Eumeniden.durch den gegensatz verdeutlicht. was Athena eingesetzt hat ist nichts als der richterrat, als der Areopag, der 458 zu rechte bestand und immer bestanden hat.

Athena warnt sehr nachdrücklich davor, durch neue schlechte ge - setze das gefühl der scheu im volke zu vertilgen, die achtung vor dem Areopage zu zerstören und die rechte mittelstraſse zwischen anarchie und knechtschaft zu verlassen. ob 458 eine strömung bestand, dem Areopag auch noch seine letzten richterlichen aufgaben zu entziehen, wissen wir nicht. aber daſs anarchie oder zuchtlosigkeit an diesem gerichte gehangen hätte, kann man schwerlich behaupten. worauf zielt also der dichter mit seinen worten, die ihm heiliger ernst sind? gegen die reform des Ephialtes hat er nichts; ob er sie empfohlen haben würde, stehe dahin, aber er stellt sich durchaus auf den boden des gesetzes. die antwort ist nicht auf dem gebiete des staatsrechtes zuDie rolle der Erinyen. suchen, sondern auf dem der religion. Aischylos ist kein politiker, sondern ein dichter, ein religiöser lehrer seines volkes, darum liegt ihm an den obliegenheiten des Areopagitenrates nichts, an den Eumeniden alles. sie sollen trotz allen reformen und trotz aller demokratie die furchtbaren zugleich und die gnädigen bleiben. wo er das aus sich direct aussprechen kann, ist die wirkung eine reine; hier aber dürfen wir ein gewiſses misverhältnis nicht beschönigen, daraus entstanden, daſs der Areopag als gerichtshof weder jenes für das sittliche gedeihen des volkes notwendige δεινόν mehr ist, noch ein ἔϱυμα σωτήϱιον Athens. die kritik ist berechtigt, allein sie wird uns das groſsartige document athenischer und aischyleischer religiosität nicht trüben, und vor allen dingen dürfen wir nicht das gedicht misdeuten, um mehr in ihm zu finden.

Dafür hat der dichter selbst gesorgt. was Athena 696 702 ihren bürgern ans herz legt ist genau dasselbe was die Erinyen 516 ffg. ge - fordert haben. ἔσϑ̕ ὅπου τὸ δεινὸν εὖ μήτ̕ ἄναϱκτον βίον μήτε δεσποτούμενον αἰνέσῃς· παντὶ μέσῳ τὸ κϱάτος ϑεὸς ὤπασεν. das singen die göttinnen vor dem processe, im anschlusse an ihre forderung, daſs der muttermörder strafe leide. es ist schlechterdings nichts anderes als dieser eine rechtshandel in frage, an dessen entscheidung die ganze sittliche weltordnung hängen soll. wenn das hier möglich ist, ist es das auch in Athenas rede, und darf man die verfassungsänderung des Ephialtes nicht hineinziehen. das sichert die erklärung von Athenas rede, aber es verschiebt zunächst nur die eigentliche lösung der schwierig - keit. also noch einen schritt weiter.

339Die rolle der Erinyen.

Die Erinyen sind im ersten teile des dramas scheusale, harpyien - artig, schweiſshundartig, blutdürstig, gottverhaſst, teuflisch. sie haben die aufgabe, die verbrecher die sich mit verwandtenblut befleckt haben zu hetzen, ihnen das blut auszusaugen und selbst in der unterwelt sie zu peinigen. sie sind unentbehrliche organe der göttlichen gerechtig - keit, aber sie verhalten sich zu den göttern wie der henker zum richter. der dichter hat sich nicht gescheut, die fratzen der rohen volksphantasie und der rohen kunst, die eigentlich schon überwunden waren, aufzu - nehmen, und so graſs ist die erscheinung, daſs er um sie zu mildern, den prolog vorgeschoben hat, damit die schilderung dem anblicke vor - aufgehend die gefühle des entsetzens und abscheus mildere. noch der δέσμιος ὕμνος gibt, wenn auch in jener graſsheit, die das abscheuliche poetisch erträglich macht, nur diese höllischen Erinyen. das zweite groſse lied, dem jene mahnungen entstammen, greift schon tief in das eigentlich ethische über. wer die gerechtigkeit aus freiem willen übt, kann nie unglücklich werden, und wird nimmer ganz zu grunde gehn, das ist eigentlich zu hoch für die blutgierigen rachegeister. dann folgt der proceſs und die freisprechung des Orestes. gegen diese bäumt sich die höllische wut der Erinyen auf; sie äuſsert sich ganz in der weise die ihrer erscheinung entspricht. worüber sie sich beschweren, ist, daſs geschehen sei, wovor sie gewarnt hatten, also der thron des rechtes umgestürzt, das δεινόν aus der weltordnung beseitigt. der zuschauer weiſs das besser, vorausgesetzt daſs er an Athena glaubt. das volks - gericht ist eingesetzt, als träger jenes δεινόν, jenes σέβας für alle zeit. der conflict ist für ihn innerlich bereits gelöst, die rache ist von den höllendämonen auf den staat übergegangen, und die gesellschaftsordnung bleibt gesichert. es ist aber vom höchsten werte dafür, daſs Athena dem Areopage dieselben sittlichen güter zu wahren ans herz legt wie die Eri - nyen, daſs das lied und die rede so genau einander entsprechen. und nicht minder wertvoll ist es, daſs diese rede dem urteilsspruche unmittel - bar vorhergeht, in dem die stimmen gleich sind und nur deshalb die mildere auffassung siegt. jene rede ist der schluſsstein des dramas: sie zu verschieben, zerstört seinen aufbau, sie zu beseitigen ist die zerstörung des ganzen. aber für die handlung ist mit der überwindung der rache - daemonen das ende noch nicht erreicht. dazu müssen sie versöhnt werden und am Areopage ihre ruhestätte finden als die göttlichen träge - rinnen des σέβας und des δεινόν, das ihn hinfort umschweben soll. sie waren bluträcherinnen, er wird blutrichter: aber das σέβας ist nun viel höher und heiliger. die segenssprüche der Eumeniden gelten der22*340III. 7. Der proceſs der Eumeniden.menschlichen gesitteten gesellschaft, gelten dem staate. der stadt, die der allmächtige Zeus und Ares (der herr des hügels) ehren als die be - schirmerin der Hellenischen gottesdienste15)ῥυσίβωμον Ἑλλάνων ἄγαλμα δαιμόνων 920. dies an Athen hervorgehoben, an so bedeutsamer stelle, gemahnt an den perikleischen antrag auf eine gemeinsame herstellung der von den Persern zerstörten heiligtümer. die zeit desselben ist auf lauter unsichere anhaltspunkte hin verschieden bestimmt worden. ich möchte nichts versichern, aber in dieser zeit, wo Athen in der amphiktionie einen anhalt zur na - tionalen einigung sucht, würde ein solcher versuch auch sehr gut denkbar sein., erflehen sie zunächst den segen der natur, das was aus dem schoſse der erde kommt, in der sie selbst wohnen, erntesegen, reiche herbste, gedeihen des viehes und finderglück in den laureotischen bergwerken. dann geht es weiter zu dem gedeihen des menschlichen jungen nachwuchses und zu den be - deutenden politischen wünschen, bewahrung vor bürgerzwist und bürger - krieg: so sollen die Athener leben ἐν αἰσιμίαισι πλούτου. um sieg wider äuſsere feinde hatte Pallas nicht erst gebeten: den kann und wird sie selber schaffen (913). wenn sie dieses alles verheiſsen können, so sind die Eumeniden selbst andere geworden; sie garantiren nicht mehr bloſs die strafe des mordes, sondern die äuſserliche und innerliche ge - sundheit des staatslebens. und in diesem sinne entspricht ihnen freilich nicht mehr der blutgerichtshof auf den Areopag, sondern nur die rechts - ordnung die Athena selbst repraesentirt, der attische staat. also was uns in der bedeutung des Areopages und in dem charakter der Eumeniden gleichermaſsen zunächst befremden mag, das löst sich so, daſs Aischylos zwar in der fabel die er dramatisirt nur den gerichtshof und nur die rachegöttinnen vorfindet, daſs er aber das nur als exempel für die höhere sittlichkeit des staatlich geordneten lebens gegenüber der blutrache ver - wendet, und wie er es immer tut, seinem volke sagt: die götter, an die wir glauben, sind andere als die der sage und sind doch dieselben; sie haben sich mit der reineren frömmigkeit in unserem herzen selbst ge - reinigt. nur so können wir sie verehren, aber so müssen und dürfen wir es tun. er setzt die Erinyen freilich gewissermaſsen zur ruhe; aber erst dadurch daſs sie Eumeniden werden, werden sie wirklich zu göttin - nen.16)Daſs in wahrheit die Σεμναί ϑεαί, die Εὐμένιδες ihrem wesen nach viel - mehr so umfassende chthonische mächte waren, wie sie der schluſs zeigt, und als Ποιναί Ἀϱαί Ἐϱινύες nur ausgeartet durch die einseitige ausbildung einer seite ihres wesens, ist zwar nicht schwer zu zeigen, führt hier aber zu weit ab. der dichter hat selbst schwerlich geahnt, daſs er die göttinnen auch historisch richtig verstehen lehren könnte. die weltordnung, in der wir leben, ist die des Zeus und der341Die tendenz des dichters.Athena: was das erste lied des Agamemnon verhieſs, ist erfüllt, die χάϱις δαιμόνων hat sich manifestirt.

Wenn die Athener aus dem theater kamen, konnten die anhängerDie ten - denz des dichters. des Ephialtes sagen der alte meister ist für uns. er ist mit unsern gesetzen ganz zufrieden. sein Areopag ist auch nur eine heliaea. und die anhänger des alten konnten sagen er ist wider die bürger, die mit üblem zuguſs die gesetze neu machen wollen und durch ihren schmutz die reine quelle verderben. er ist wider die zügellosigkeit des demos. beide hatten nicht unrecht und beide hatten doch nicht recht. der hehre meister stand über ihnen; er sah, wie sich die sitten und meinungen und gesetze und götter ewig wandeln, das eine aber ewig darunter das - selbe bleibt, recht und wahrheit, menschenadel und gottesreinheit: ἐκ δ̕ ὑγιείας φϱενῶν πᾶσιν φίλος καὶ πολύευκτος ὄλβος.

So stand er, obwol in jeder fiber seines wesens ein Athener und ein ächter sohn seiner zeit, doch als dichter hoch über den parteiungen des tages. das gedicht im ganzen ist nicht vom momente eingegeben noch für den moment berechnet; aber wol ist in ein par nebendingen eine solche berücksichtigung der gegenwart vorhanden. das eine ist allbekannt, die einführung des argivischen bündnisses, das er gewiſs nicht erst selbst in die urzeit verlegt hat; es hatte unter Peisistratos bestanden und manches deutet auf ältere bedeutsame beziehungen, zu denen vielleicht selbst der Eumenidencult gehört. das andere ist die aussicht auf gewaltige äuſsere kämpfe und die siegeszuversicht (864. 914), die gerade 458 sich erfüllt hat. aber die furcht vor bürgerzwist war vor der schlacht bei Tanagra auch gerechtfertigt. nach dieser richtung stehen zwei sehr bedeutende äuſserungen hier, die ein wort der erläuterung heischen. 909 bittet Athena die Eumeniden, die men - schen gedeihen zu lassen τῶν δυσσεβούντων δ̕ ἐκφοϱωτέϱα πέλοις· στέϱγω γὰϱ ἀνδϱὸς φιτυποίμενος δίκην τὸ τῶν δικαίων τῶνδ̕ ἀπένϑητον γένος. die unfrommen möge sie lieber entfernen, da Athena es macht wie der gärtner oder hirt? die ausleger sagen gärtner. ich weiſs nicht warum, denn φῖτυ ist nicht pflanze sondern φύτευμα, und steht von der pflanze (Soph. fgm. 803) so gut wie vom vieh (Eupol. Autol. 8). φιτυποίμην ist der hirt, der viehzucht treibt, nicht bloſs vieh weidet. und worin beruht die vergleichung? beim gärtner kann man sich gar nichts denken, und beim hirten auch nicht viel, wenn er bloſs gern hat, daſs seine gute herde nicht geschädigt wird. das hat mit dem satze, den es begründen soll, τῶν δυσσεβούντων ἐκφοϱωτέϱα πέλοις nichts zu tun. auſserdem aber ist das deiktische pronomen τῶνδε ganz342III. 7. Der proceſs der Eumeniden.verkehrt, da Athena höchstens auf das publikum zeigen könnte. hier muſs geändert werden; der genetiv ist durch angleichung an die vor - hergehenden worte entstanden, aus dem dativ. die gottlosen kannst du ruhig vertreiben, denn ich liebe es wie der viehzüchter, daſs die herde der gerechten nicht durch jene geschädigt werde. Athena wünscht die räudigen schafe ausgerottet, damit die herde nicht angesteckt werde. das ist gewiſs nicht bedeutungslos.

Die andere stelle ist heil, 980. die Eumeniden singen μηδὲ πιοῦσα πόλις μέλαν αἷμα πολιτᾶν δι̕ ὀϱγὰν ποινᾶς ἀντιφόνους ἄτας ἁϱ - παλίσαι πόλεως· χάϱματα δ̕ ἀντιδιδοῖεν κοινοφιλεῖ διανοίᾳ καὶ στυγεῖν μιᾷ φϱενί. die erde, die bürgerblut getrunken hat, möge nicht im streben nach rache sich für die stadt unheilvolle vergeltung durch blut nehmen, sondern sie mögen handlungen über die man sich freuen kann (χάϱματα, nur etwas stärker für χάϱιτας) zum entgelt geben in der gesinnung allgemeiner freundschaft und ebenso übereinstimmung im haſs. also blut ist vergossen und nicht gesühnt. aber die Eumeniden raten, statt es durch neues blut zu rächen, die beleidigten durch guttaten zu versöhnen, so daſs die gemeinsamen gefühle in haſs und liebe regieren können. das ist keine allgemeine wendung, denn es setzt den con - creten fall voraus, daſs eine ungesühnte blutschuld da ist. setzt man in rechnung, daſs Ephialtes nicht lange vorher, wol erst 460 / 59, von unbekannter mörderhand erschlagen war, daſs die erbitterung seiner anhänger wider die gegenpartei heftig entbrannt sein muſste und diese gegenpartei mit Sparta conspirirte, so wird man schwerlich ablehnen können, daſs der dichter seinem volke die mahnung gibt hadert nicht um den toten, sondern steht zusammen wider die gemeinsamen feinde, und beschwichtigt die erregung über den mord des Ephialtes durch zu - geständnisse. wieder konnten beide parteien ihn zu den ihren rech - nen; die leute Kimons mochten Ephialtes für das räudige schaf ansehen, die demokraten seine mörder. es ist des propheten recht, doppel - sinnig zu reden. ganz verständlich ist nur das göttliche urteil über das geschehene und die allgemeine mahnung für die zukunft. diese haben die Athener beherzigt: sie haben der demokratie weiter nachgegeben und in eintracht wider die äuſseren feinde zusammengestanden, bei Ta - nagra und Oinophyta.

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8. DIE ZEIT DER THESMOPHORIAZUSEN.

Wir verdanken die Thesmophoriazusen allein dem Ravennas, und in dem fehlt die hypothesis. aber die scholiasten haben die hypothesis gehabt, und die hypothesis gab die aufführungszeit des stückes auf grund der urkundlichen didaskalie. wenn sich also zeigen läſst, wie die scholien das stück datirt haben, so ist damit eine urkundliche überlieferung er - reicht.

Die scholien setzen die aufführung in das jahr des Kallias ausDas über - lieferte datum. Skambonidai 412 / 11, also, da die Lysistrate die Lenaeen occupirt, auf die Dionysien, mitte elaphebolion 411. drei stellen beweisen jede an sich dasselbe. schol. 190, Euripides war ein greis, ἕκτῳ γοῦν ἔτει ὕστεϱον τελευτᾷ. er starb unter Antigenes, winter 407 / 6. schol. 804 Χαϱμῖνος πεϱὶ Σάμον συνεστϱατήγησε κατὰ τὸν καιϱὸν τοῦτον τοῖς πεϱὶ Φϱύνι - χον.1)Es folgt ein wertloses scholion συνεμάχησε γὰϱ Φϱυνίχῳ ἐν Θϱᾴκῃ Χαϱ - μῖνος καὶ ἴσως οὐδὲν ἀξιόλογον ἔπϱαξεν. daſs dieselbe handschrift dasselbe scholion der alten ausgabe, die sie repraesentirt, in zwei fassungen gibt, nämlich durch ein - tragung aus verschiedenen exemplaren, ist ganz gewöhnlich; unsere ausgaben würden gut tun, das zu bezeichnen. in den kärglichen scholien der Thesmophoriazusen z. b. 21, 339, 346, 389, 393, 423, 560. 61, 948. die quelle der richtigen bemerkung kann Thukydides sein, braucht es aber nicht. beide waren unter Kallias strategen; Phrynichos ward im juli 411 ermordet. schol. 841 ἐπαινεῖ τὸν Λάμαχον νῦν· ἤδη γὰϱ ἐτεϑνήκει ἐν Σικελίᾳ τετάϱτῳ ἔτει πϱότεϱον. er fiel unter Charias winter 415 / 14. verdorben ist auf alle fälle schol. 52, von Agathon, οὐ πάλαι ἤϱξατο διδάσκειν, ἀλλὰ τϱισὶ πϱὸ τούτου ἔτεσι, da Agathons sieg unter Euphemos, januar 416, fällt: aber ob man aus der 3 eine 6 oder 7 machen will, ist in griechischer schrift gleich leicht.

344III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.

Zu demselben resultate führt eine andere rechnung. Aristophanes sagt selbst, daſs die Andromeda des Euripides voriges jahr (πέϱυσιν) gegeben war (1060); schol. Frösch. 53 setzt sie in das achte jahr vor diese, also unter Kleokritos, frühjahr 412. und später kann sie nicht fallen, wenn wir den scholiasten glauben, wie wir müssen, daſs der vers Lysistr. 963 einen der Andromeda parodirt.

Wir sind demnach verbunden, die urkundliche datirung zum aus - gangspunkte zu nehmen. was spricht nun dagegen? in wahrheit nur eines. 808 fragt der chor ἀλλ̕ Εὐβούλης τῶν πέϱυσιν τις βουλευτῶν ἐστὶν ἀμείνων παϱαδοὺς ἑτέϱῳ τὴν βουλείαν; ich gebe bereitwillig zu, die beste beziehung ist vorhanden, wenn wir an den rat denken, der am 14 thargelion des Kallias, mai 411, dem neuen rate der 400 platz machte. wenn der vers acht wochen vorher gesprochen ist, so hat er sich seltsam an dem rate bewahrheitet, der ihn im theater vorsitzend anhörte. aber der scholiast, der notirt τὸ ὅλον τι βούλεται οὔκ ἐστι σαφές, hat an diesen für jeden, der den Thukydides kannte, nahe - liegenden vorgang nicht gedacht, und umstoſsen kann diese deutung eines verses, die wir machen, unmöglich eine urkundliche datirung. der rat des jahres 413 / 12 hatte geduldet, daſs über ihn die probulen gesetzt wurden. darauf hat O. Müller den vers bezogen, und selbst R. Schöll (Comm. Momms. 454) bestreitet die möglichkeit dieser beziehung nicht. der rat, der zur zeit der Thesmophoriazusen im amte war, hatte die probulen über sich, er hatte also auch keine autorität und hat sich zwei monate nachher geduldig aufgelöst. auch damals schob man, wie die bekannte anekdote von Sophokles zeigt, den probulen die hauptschuld zu. es paſst also wahrlich der vorwurf gegen den rat von 412 ihr habt die praerogative eurer körperschaft an eine andere behörde über - gehen lassen, auch wenn der rat noch weiter existirte. wenn sich der nächste rat zu gunsten eines anderen rates ein par wochen vor dem ge - setzlichen παϱαδιδόναι τὴν βουλείαν aufgelöst hat, würde der vers mit veränderter bedeutung darauf noch besser passen? ich glaube es nicht, denn jeder rat gibt wie dieser die βουλεία an einen nachfolger ab, ἑτέϱῳ paſst meines erachtens besser auf eine andere behörde. aber besser oder schlechter: das stöſst keine didaskalie um.

Da sagt man aber weiter, wenn der rat zu gunsten der probulen in den hintergrund getreten war, so sollte in den Thesmophoriazusen ein probule auftreten wie in der Lysistrate, kein prytan. das ist eine durchaus ungehörige anwendung der richtigen beobachtung, daſs die beiden repraesentanten der staatsgewalt dramatisch dieselbe rolle spielen. 345Das überlieferte datum. persönliche anspielungen.in Athen haben tatsächlich probulen und rat neben einander fungirt; daſs der dichter schon um zu wechseln in zwei fast gleichzeitigen stücken zwei verschiedene beamte einführt, würde man ihm nicht verargen dürfen, auch wenn er mit einem und demselben ausgekommen wäre. aber so steht es nicht. in den Thesmophoriazusen hat ein mensch groben un - fug getrieben; davon wird der polizei, also dem permanenten ratsaus - schusse, anzeige gemacht (654). die prytanen erwirken einen ratsbeschluſs, der auf die verhaftung des schuldigen geht (943), und diesen führt ein prytan (einer, aus dramaturgischen rücksichten) mit einem polizisten aus. lediglich aus dramaturgischen rücksichten kommt der block zum arrestan - ten, statt der arrestant ins gefängnis. wie in aller welt könnte man hier die probulen bemühen? war das eine aufgabe für Sophokles den neunzigjährigen oder sonst einen der höchstgestellten und geachtetsten bürger? dagegen in der Lysistrate wird das auftreten des probulen damit motivirt, daſs er sich gerade geld von der burg holen will (421). in der streitscene mit Lysistrate handelt es sich um krieg und frieden, um die σωτηϱία τῆς πόλεως, also gerade um das, wofür das volk die probulen eingesetzt hatte. deshalb brauchte Aristophanes hier diesen be - amten, und dann erheischte wieder die dramaturgische überlegung, daſs er demselben auch das commando in dem treffen mit den weibern über - trug, das an sich eben so gut und vielleicht besser der rat gehabt haben würde. auch in der verhandlung mit den spartanischen gesandten war der probule allein am platze; übrigens bezeichnet er seine competenz sehr genau, indem er erklärt, einen antrag im rate, und zwar mit auto - ritativer gewalt, auf die erwählung von generalbevollmächtigten gesandten einbringen zu wollen (1011).2)Die wahl von gesandten steht natürlich beim volke allein. das volk ist an die tagesordnung des rates gebunden. die probulen aber sind offenbar com - petent, den rat anzuweisen, den gegenstand auf die tagesordnung zu setzen und eine versammlung des volkes zu berufen. so behandelt das volk selber im vierten jahrhundert den rat. der rat fungirt also genau so normal und genau so machtlos wie es die geschichte von 411 zeigt. Aristophanes konnte 411 in beiden fällen gar keine andere behörde einführen, als er eingeführt hat. die Lysistrate kann um des probulen willen nur 411 gespielt sein; der prytan der Thesmophoriazusen beweist überhaupt gar nichts für die zeit des stückes.

Politische personen werden sehr wenige erwähnt: niemand von denPersön - liche an - spielungen. 411 so schwer compromittirten, niemand auch von den tüchtigen männern, die durch die hellespontischen erfolge Athen unerwartete rettung aus346III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.der verzweifelten lage des sommers 411 brachten. das erzwingt nichts, darf aber nicht unbeachtet bleiben. daſs Kleophon, der für uns 410 zuerst hervortritt, dem Aristophanes schon 411 widerlich sein konnte (805), wird man nicht bezweifeln. es wäre nicht hübsch, wenn Aristophanes die mutter des Hyperbolos 410 in weiſsem festgewande eingeführt hätte (840), da der sohn im sommer 411 kläglich umgekommen war (Th. 8, 42); aber vielleicht war Aristophanes so unzart. Charminos hat durch die tat bewiesen, daſs er schlechter als Ναυσιμάχη ist (804). es ist kaum denkbar, daſs er, der für uns nach seiner strategie 412 / 11 verschwindet, in der er in den ersten zwei monaten 411 eine schlappe mit einer flottenabteilung erlitt, von Aristophanes 410 gegeiſselt worden wäre, als nicht bloſs Ναυσιμάχη, sondern Ναυσινίκη dank Thrasyllos und Alki - biades bei den attischen schiffen war. eine anspielung auf ein bestimmtes factum enthält noch 811 eine frau tut so etwas nie, daſs sie erst sum - men von 50 talenten aus dem staatsschatze stiehlt und dann noch mit einem maultiergespanne auf die burg fährt. das factum kann ich nicht aufzeigen, denn das erkennungszeichen der stolzen fahrt, das für das publikum am deutlichsten gewesen sein wird, hilft uns nichts. aber vielleicht kennen wir den dieb.

Unter dem archon Glaukippos und zwar schon von der ersten pry - tanie an, juli 410, war der staat darauf angewiesen, seine bedürfnisse durch anleihen bei der göttin zu befriedigen; aber auch diese besaſs keinen schatz mehr, sondern muſste ihre laufenden einnahmen sofort zur verfügung stellen (CIA I 188). aus dem schatze der göttin hatten die 400 rücksichtslos ihre bedürfnisse befriedigt und ende Hekatombaion 411 auf einen streich über 77 talente entnommen (CIA IV p. 162). die zeiten, wo jemand posten von 50 talenten auch nur zu gesichte bekam, waren jetzt vorüber. es ist nicht sehr vertrauenerweckend, daſs die verlegung der Thesmophoriazusen auf das frühjahr 410 diebstähle von solchen summen in eine zeit rückt, für die sie eine arge übertreibung sind, weil es gar nicht mehr so viel zu stehlen gab. ein jahr früher ist dagegen die gelegenheit durch eine bedeutende finanzoperation ge - geben gewesen und benutzt worden. auf die nachricht, daſs Alkibiades Chios zum abfalle bewogen hätte und in Ionien weiter griff, hatte das volk im frühjahr 412 beschlossen, den reservefonds von 1000 talenten anzugreifen (Thuk. 8, 15). zahlungen aus demselben begegnen in der rechnung aus der ersten prytanie des Kallias, Hekatombaion 412 (CIA I 184), und Philochoros muſs durch die menge von solchen zahlungen in diesem jahre dazu verleitet worden sein, im widerspruche zu Thuky -347Persönliche anspielungen. die stimmung in den chorliedern.dides und erweislich falsch zu berichten, daſs der reservefonds erst unter Kallias in angriff genommen wäre (schol. Ar. Lys. 173). nun hat ein ratsherr, ein uns unbekannter aber notabler politiker, der sprecher von Antiphons sechster rede, im frühjahre 412 eine eisangelie gegen eine anzahl leute, unter ihnen einen gewissen Philinos und den unterschreiber der thesmotheten, auf unterschlagung beim rate eingebracht und trotz allen versuchen der gegner, die verhandlung zu verhindern, ihre ver - urteilung erwirkt. das erzählt Antiphon sehr lebhaft 6, 35. 50. er hatte auch die rede gegen Philinos für denselben sprecher verfaſst.3)Die genaue datirung ist von Schöll in dem schönen aufsatze der Comment. Momms. gegeben. Blaſs hat von ihm keine notiz genommen und beurteilt die ganze rede falsch, aber ihre rhetorische würdigung erfordert eine besondere abhand - lung. die tendenz des redners geht viel weiter als in diesem processe zu siegen; es ist ein politischer kampf, in dem der handel φύνου ἀκουσίου nur eine episode ist. der sprecher aber, eines sinnes mit dem redner, stellt sich dar als der ver - fechter der alten ehrlichkeit und der strengen religiosität der väter, übt dagegen alle künste der modernen demagogie. so redet einer, wie wir uns die oligarchen von 411 zu denken haben. leider kann ich über seinen namen nichts vermuten. auf seiner seite hatte bei den klagen wegen unterschlagung ein Lysistratos ge - standen, den ich unter den trägern des namens auch nicht zu bestimmen wage, 36 τοῦτ̕ οὐκ ἐπ̕ ἐμοὶ πϱῶτον ἐμηχανήσαντο Φιλῖνος καὶ οἱ ἕτεϱοι ἀλλὰ καὶ ἐπὶ Λυσιστϱάτῳ πϱάτεϱον, ὡς αὐτοῦ (αὐτοί codd. ) ὑμεῖς ἠκούσατε. (die verbesserung ist notwendig: αὐτοί würde ja dasselbe gericht voraussetzen; aber vor dem Palladion war doch nicht die andere sache auch, und woher hatten die richter es gehört?). daſs die rede des Antiphon wider Philinos κλοπῆς war, bestätigt sich in wünschens - werter weise durch ein scholion BT zu Γ 368, wo als beleg für den gebrauch des genetivs als musterbeispiel steht ἐγϱαψάμην Φιλῖνον κλοπῆς. jenen Philinos hatte vielleicht Eupolis in den Städten entweder auf die bühne gebracht oder von der bühne herunter im publicum angerufen Φιλῖνος οὗτος, τί ἄϱᾳ πϱὸς ταύτην βλέ - πεις; οὐκ ἀπολιβάξεις εἰς ἀποικίαν τινά; (28 Mein. ) aber der in Athen nicht (wie in Kos) verbreitete name ist doch nicht selten genug, um die identification zu sichern. er deutet in Athen nicht auf die höheren gesellschaftskreise. das war also eine hauptaction im sommer 412, viele processe spielten sich neben und hinter einander ab; der groſse redner, das geistige haupt der um - sturzpartei, stellte seine kunst in den dienst der demagogen, welche an - geblich oder vielleicht wirklich die unterschleife der beamten, der ver - trauensmänner des volkes, an das licht zogen. eine berücksichtigung dieser dinge ist im elaphebolion 411 eben so natürlich wie 410 un - begreiflich.

Und doch sind für mein gefühl alle diese einzelheiten nicht ent -Die stim - mung in den chor - liedern. scheidend. um so mehr ist es die ganze haltung und stimmung des dramas. Aristophanes hält sich diesesmal fast ganz fern von den öffent -348III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.lichen dingen, spielt mit Euripides und den weibern und bietet eine kunst auf, die ihm sonst fremd ist: er schürzt und löst eine intrigue. das mochte er immer tun, wo es ihm die Muse eingab; es kann nicht verlangt werden, daſs er ausschlieſslich politisire. indessen ein teil seines lustigen spieles weicht davon ab und redet zwar nicht direct vom staate, aber spiegelt die hauptaction des staatlichen lebens wieder. die Thesmo - phorien werden auf der pnyx in den formen der volksversammlung ge - halten. in wie weit der wirkliche cultus dem dichter einen anhalt für diese fiction bot, ist unbekannt; er hat sie aber viel weiter ausgeführt als für die fabel seines stückes nötig war. hundert verse schildern die eröffnung, so ausführlich, daſs die modernen einen teil davon weg - geschnitten haben, weil sie nichts als wiederholungen darin fanden. die scene beginnt mit einer proclamation in prosa, einem gebete, das sich zunächst an die Thesmophoren und ihren götterkreis wendet, aber als inhalt der verhandlungen und gebete bereits neben das wol der frauen auch das des δῆμος Ἀϑηναίων stellt. die frau die diese proclamation spricht schlieſst mit dem apollinischen rufe ἰὴ παιών und dem wunsche freude sei mit uns. der chor, der sich nun gesammelt hat, nimmt den wunsch an und nimmt das gebet auf, richtet es aber an die groſsen götter Zeus Apollon Athena Artemis Poseidon und die nymphen in der see und auf den bergen des landes: sie alle, das ϑεῶν γένος, wie sie zusammenfassend genannt werden, sollen den adlichen frauen Athens gewähren eine fruchtbare verhandlung zu führen. nun geht die auf - forderung zum gebete weiter; es folgen die fluchformeln der ekklesie, durchsetzt mit höchst belustigenden weiblichen verwünschungen, sonst aber gerade die welche uns aus dem psephisma des Demophantos (giltig vom hekatombaion des Glaukippos, juli 410) und sonst geläufig sind. ver - wünscht werden, wer tyrannis für sich oder andere erstrebt, wer mit den Medern verhandelt, wer das volk betrügt (ἐξαπατᾷ τὸν δῆμον) oder die versprechungen, die er gemacht hat, nicht hält (μὴ δίδωσιν ἃν ὑπόσχηταί ποτε, vgl. Ar. 43, 5 ἐάν τις ὑπόσχομενός τι μὴ ποιήσῃ τῷ δήμῳ), wer besticht oder sich bestechen läſst, wer maſs und gewicht fälscht. wieder respondirt die gemeinde mit einem bekräftigenden liede, das wieder ganz und gar dem staate gilt. die verwünschungen treffen jetzt jeden, der die herkömmlichen eide übertritt, aus eigennütziger ab - sicht in gemeinschädlicher weise volksbeschlüsse und gesetze ändern will, den feinden die geheimnisse mitteilt oder die Meder in das land führt. dann beginnt die verhandlung mit der verlesung der tagesordnung, die höchst correct in einem probuleuma des rates besteht.

349Die stimmung in den chorliedern.

Was wollte der dichter mit diesen liedern? gar nichts, nur eine schil - derung der volksversammlung zum zeitvertreib? denn die Thesmophoren geht nicht das mindeste davon an. blicken wir erst noch auf die anderen lieder des dramas. als sich gezeigt hat, daſs ein mann eingedrungen ist, suchen sie die pnyx mit lebhaften sprüngen ab und singen dazu gar er - schreckliche worte von den heimsuchungen der göttlichen gerechtigkeit, die schlieſslich jeden frevler ereile. das ist die feierliche groſsmäuligkeit fluchender pfaffen, wie sie der eumolpidische ankläger des Andokides im munde führt; zu den sprüngen des weiberchores steht sie in ergötz - lichster weise im contraste, und gleich fängt sich Mnesilochos-Telephos einen als säugling drapirten weinschlauch: hier ist die parodische tendenz offenbar. dagegen steht an einem ruhepunkte des dramas ein groſses tanzlied, das in lauter einzelanrufungen vieler gottheiten und dem ent - sprechend in viele kleine strophen zerfällt, sehr häufig volkstümlich in rhythmen und formeln (953 1000). daſs es eine parabase ersetzt, sagt der dichter selbst, da er erklärt, auf die spottreden zu verzichten, weil die frauen im heiligtume seien (965). auch eine anrufung, an Pallas und die Thesmophoren, bietet das letzte lied (1136 59), in dem bemerkens - wert ist, daſs Pallas als die feindin der tyrannen, ὥσπεϱ εἰκός, wie sich gebührt und man ihr zutrauen muſs, bezeichnet wird und frieden bringen soll. der dichter hat also gerade im zweiten teile, wo die Thermophorien, nach denen das stück heiſst, gar keine bedeutung mehr für die hand - lung haben, dem feste und der religiösen ceremonie raum geschafft, in - dem er den für die handlung auch überflüssigen chor beschäftigte. zum entgelte fehlt der parabase die ode gänzlich, in der sonst so oft ernst - hafte gebete an die götter gerichtet werden. die bedeutung, die etwa in den Rittern die stolzen siegesfrohen oden der parabase haben, sind wir verpflichtet hier in den liedern zu suchen, die anklingend an die feierlichen formeln der volksversammlung den chor der frauen, der ohne parodos sich versammelt, als vertretung des δῆμος Ἀϑηναίων einführen. auf diese formeln legt der dichter wert. wurden sie nun 410 im früh - jahre gesprochen? schwerlich, da sie Demophantos für den sommer 410 erst neu einsetzt. gewiſs restituirt er nur das seit Solon oder vielmehr Kleisthenes herkömmliche, aber er restituirt es, weil es eine weile geruht hatte: just in diese pause setzt die moderne conjectur die nachbildung auf der komischen bühne. der fluch trifft in erster linie jeden, der die verfassung zu stürzen strebt, ὅϱκους τοὺς νενομισμένους, das sind die geltenden eide der beamten, ratsherren und richter, ψηφίσ - ματα καὶ νόμους, das ist die volksherrschaft. ein solcher versuch ist350III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.zunächst mit erfolg 411 gemacht worden: wagt Aristophanes in dieser andeutenden weise auf die revolution einen stein zu werfen? das wäre selt - sam, denn es war gänzlich ungefährlich und sehr im sinne des herr - schenden volkes, das mit directem tadel und nicht durch die warnung für die zukunft zu tun. doch sei’s drum, wenn jemand unter dieser vor - aussetzung die furcht vor der tyrannis deuten kann, die auſser in der fluchformel noch einmal im gebete an Athena erscheint. die tyrannis war 415 von den Athenern gefürchtet worden; sie haben sie wol auch 407 gefürchtet, als sie Alkibiades von neuem fallen lieſsen, aber im hin - blicke[auf] die revolution von 411 hat die erwähnung der tyrannis keinen sinn. verflucht wird ferner wer den feinden die geheimnisse des staates ver - rät. die feinde stehn in Dekeleia, der verrat war 411 zu erwarten, 410 war er begangen; das verträgt sich mit beiden ansätzen. aber auch die verhandlung mit den Medern wird verflucht. das war von alters her formel und hat auch noch nach dem königsfrieden zum hohn auf die politik der zeit sich behauptet (Isokr. Paneg. 157), aber im psephisma des Demophantos fehlt es mit gutem grunde. Athen hat den versuch, Persien zu gewinnen, im herbst und winter 411 / 10 gemacht; gerade diese hilfe brachte Alkibia - des. 410 mochte der staat die formel gedankenlos fortführen: der dichter war frei in dem was er aufnehmen oder weglassen wollte, und er handelte töricht, wenn er 410 verfluchte was seines volkes stärkste hoffnung war.

Auf medische hilfe hofften im stillen die Athener schon 411 im frühjahre, gerade deshalb gelang der sturz der angeblich hinderlichen demokratie. aber darum sind nicht etwa die verse auch 411 unschick - lich. wir müssen nur die situation so nehmen, wie sie dem dichter im momente erschien, nicht ex eventu gedeutet. die furchtbare wahrheit, daſs nicht um die herrschaft Siciliens sondern um die eigene existenz gestritten ward, war den Athenern 412 aufgegangen, als Chios abfiel. eine äuſserste anstrengung ward gemacht; allein die flotte konnte zwar den weiteren abfall Ioniens verhindern und die feinde in schach halten, aber keinen entscheidenden schlag führen. und nun war der schatz leer, die einnahmen seit der besetzung von Dekeleia verkümmert, den feinden dagegen zahlte der Perser und half das prestige des Alkibiades. da mochten die meisten sich die gute zeit des Nikiasfriedens herbeisehnen, und die wolmeinenden, die Sparta und Athen als gleich berechtigte mächte aussöhnen wollten, haben in beiden völkern nicht gefehlt. dieser alten tendenz dient mit neuer glücklichster wendung die Lysistrate. aber im stillen waren andere kräfte tätig. Alkibiades hatte immer noch einen groſsen anhang, weil man ihn bewunderte und fürchtete: er drohte351Die stimmung in den chorliedern.als tyrann, lockte als der vertrauensmann des Persers und der Ionier. der wunsch, das persische gold für die eigene schiffsmannschaft zu er - halten, leuchtete den darbenden Athenern der masse aus den augen, so chimaerisch er war. die abfällige beurteilung der demokratie durch die sophistische kritik war allbekannt; die vornehme jugend war mit der ὁμολογουμένη ἄνοια, wie Alkibiades bei Thukydides sagt, längst inner - lich fertig. die litteratur, Antiphon noch mehr als Andokides und seines gleichen, arbeitete auf einen umsturz hin. die catilinarischen existenzen, verschuldete demagogen, advocaten, die früher bündner und metoeken ge - schröpft hatten und jetzt auf dem trocknen saſsen, landleute, die durch die occupation Attikas verarmt waren, fehlten auch nicht und lauerten auf die gelegenheit, woher sie auch käme, im trüben zu fischen. man ahnte dunkel allgemein, daſs ein sturm bevorstand, mochte man auch nicht wissen, woher er wehen, wohin er treiben würde. Aristophanes war kein politiker; weder eine tiefe sittliche wirkung noch einen entschei - denden praktischen anstoſs wollte oder konnte sein spiel geben. er war ein talent und kein charakter, und sein nachen fuhr dann am kecksten und graziösesten, wenn er den wind der öffentlichen meinung in dem segel spürte. so weit er eine politische meinung besaſs, gehörte sie den gut patriotischen, aber weder wirklich demokratischen noch geradezu reactionären kreisen an, die etwa Nikias gegen Kleon und Alkibiades vertreten hatte. seine stücke gefielen, so oft er diesen ton traf: das war also die öffentliche meinung. in diesen kreisen wollte man weder von den Persern etwas wissen noch von Alkibiades noch von einer revolution; es sollte so gut gehn, wie es gegangen war, man wollte sich gern mit Sparta vertragen, aber herrschen wollte man natürlich, davon lebte man ja. wie man aus der not herauskommen sollte, das wuſste man freilich nicht, aber dafür hatte man die himmlische helferin Athena, oder minder fromm und minder resignirt geredet, man vertraute auf das prestige, die groſsen traditionen, die volkskraft, die demokratie. und so kann in einer zeit der angst und der sorge vor dem kommenden noch mehr als der not und gefahr, die rings von auſsen drohte, der dichter seine mahnung in die form kleiden, daſs er jeden verflucht, der an dem bestehenden rechte rüttelt, indem er die officielle fluchformel aufnimmt. vor der revolution, vor dem tyrannen, vor dem verrate an die feinde, vor dem transigiren mit dem Perser bewahre uns gott in gnaden. das ist gesagt, als alles dies drohte, kurz ehe alles oder fast alles dennoch hereinbrach; die lieder der Thesmophoriazusen sind ein stimmungsbild aus dem Athen des frühjahrs 411.

352III. 8. Die zeit der Thesmophoriazusen.

Die Lysistrate führt die frauen als friedensstifterinnen ein. gleich genial ist die erfindung, wo sie in derbster, natürlicher, nicht schmutziger komik spielt, und wo sie ihre heldin mit den zügen der göttin ausstattet. der δῆμος γυναικῶν betet in den Thesmophoriazusen für den staat, und seine verhandlung bildet die einkleidung für die intrigue des stückes. ist es nicht psychologisch ganz einleuchtend, daſs Aristophanes, als er die Lysistrate fertig und den gedanken concipirt hat, Euripides von den frauen zur verantwortung ziehen zu lassen, das motiv der frauenherr - schaft, das ihm das fertige stück bot, noch im kopfe eine weile fort - spinnt, d. h. die Thesmophoriazusen so wie sie sind im unmittelbaren anschluſse an die Lysistrate dichtet?

Für mein subjectives urteil besitzt eine solche beobachtung ganz be - sonderes gewicht; aber sie gehört zu denen, die man niemandem auf - zwingen kann. für mein empfinden sind die Thesmophoriazusen 411 allein denkbar. dieses empfinden will ich niemandem aufdrängen; aber um so entschiedener fordere ich, daſs der status causae nicht verrückt werde. also steht es: 411 ist das überlieferte datum für die Thesmo - phoriazusen. die aufgabe der wissenschaft ist sie unter dieser voraus - setzung zu erklären, oder aber jene überlieferung zu überwinden. dies mag ein anderer versuchen; ich habe mich auf jenes beschränkt.

Das lied 313 30.Als postille gebe ich die beiden wichtigsten lieder in metrischer abteilung und kurz erläutert; sie bedürfen und verdienen das. auf die unsinnigen personenverteilungen lasse ich mich nicht ein; es ist selbst - verständlich, daſs die chorverse der chor singt, die gemeinde, und die stücke, die sie einleiten, eine frau spricht. einen namen kann ich der nicht geben, denn sie vereinigt in sich, was in der volksversammlung der herold, der epistates der prytanen und der schreiber zu besorgen hatten: hier aber ist es eine person, sintemal der dichter nicht mehr unter - scheidet. wie die scene gespielt ward, ist im allgemeinen wenigstens vorstellbar, seitdem als local die orchestra feststeht, in der alles sich ab - spielt, aber von dem einzelnen wissen wir schlechterdings nichts und können wir nichts wissen.

δεχόμεϑα καὶ ϑεῶν γένος λιτόμεϑα ταῖσδ̕ ἐπ̕ εὐχαῖς
φανέντας ἐπιχαϱῆναι.
315 Ζεῦ μεγαλώνυμε χϱυσολύϱα τε
Δῆλον ὃς ἱεϱὰν ἔχεις,
καὶ σὺ παγκϱατὲς κόϱα γλαυκῶπι χϱυσόλογχε πόλιν οἰ -
κοῦσα πεϱιμάχητον, ἐλϑὲ δεῦϱο,
320 καὶ πολυώνυμε ϑηϱοφόνη Λατοῦς χϱυσώπιδος ἔϱνος
353
Das lied 313 30.
σύ τε πόντιε σεμνὲ Πόσειδον
ἁλίμεδον
πϱολιπὼν μυχὸν ἰχϑυόεντα
οἰστϱοδόνητον
325 Νηϱέος εἰνάλιαι τε κόϱαι Νύμφαι τ̕ ὀϱείπλαγκτοι.
χϱυσᾶ δὲ φόϱμιγξ ἰαχήσειεν ἐπ̕ εὐχαῖς
ἡμετέϱαις, τελέως δ̕ ἐκκλησιάσαιμεν Ἀϑηνῶν
εὐγενεῖς γυναῖκες.

Es steht zuerst ein katalektischer iambischer tetrameter und katalek - tischer dimeter. dieses stückchen beginnt auch das folgende chorlied, beide sprechen die zustimmung zu der proclamation vorher aus: sie respondiren. daſs nur der anfang eines liedes respondirt, ist eine erscheinung, die in der komoedie öfter vorkommt, wichtig für die kritik, aber zu weitschichtig für eine gelegentliche erledigung. das gebet ist in daktyloepitriten ge - halten, nicht pindarischen natürlich, sondern solchen, wie sie die wirk - lichen cultlieder boten. gerade ihre dem pindarischen stile fremden elemente sind die metrisch interessantesten. 4 d, 2 e. (ἱεϱὰν ἔχεις muſste statt ἔχεις ἱεϱὰν gesetzt werden) 5 e + ithyphallicus, 4 d + 2 d (die glosse παῖ hinter ϑηϱοφόνη von G. Hermann beseitigt), sehr bemerkenswert, daſs in χϱυσώπιδος eine zusammenziehung zweier kürzen zugelassen ist. das von mir enhoplisch genannte glied, e. (so braucht man ἁλίμεδον nicht anomal zu messen), enhoplisches glied, 2 d, 4 d + 2 e, das erste e mit einer, das zweite mit zwei unterdrückten senkungen, wie z. b. ἰήιε Φοῖβε σοὶ δὲ ταῦτ̕ ἀϱέστ̕ εἴη bei Sophokles (O. T. 1096) u. ö. 2 iam - ben, mit einer unterdrückten senkung, + reizianum, 3 d + 3 d, ithyph. die verwendung des ithyphallicus ist aus der tragoedie geläufig, das enhoplische glied habe ich schon bei Stesichoros aufgezeigt, mit dem ithyphallicus vereint bildet es ja erst den eigentlichen ἐνόπλιος bei Archilochos. merkwürdig aber ist, daſs auch hier das reizianum ganz wie in der komoedie und den enhoplischen dochmien vorkommt. es ist hier unverkennbar, denn χϱυσᾶ für das überlieferte χϱυσέα ist keine änderung; ein ithyphallicus χϱυσέα τε φόϱμιγξ paſst nicht für den anfang des satzes, ἰαχήσειεν in ἀχήσειεν zu ändern ist falsch, da Aristophanes ἠχεῖν gesagt haben müſste. auſserdem bedenke man das euripideische αἴλινον μὲν ἐπ̕ εὐτυχεῖ μολπᾷ Φοῖβος ἰαχεῖ τὰν κιϑά - ϱαν ἐλαύνων. hier habe ich die einzige für den sinn belangreiche ände - rung vorgenommen, nämlich δέ für τε 326. wie kann an die anrufungen angereiht werden und die goldene laute klinge zu meinen gebeten? welche laute? es wird uns wirklich zugemutet, nichts hierin zu findenv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 23354III. 8. Die zeit des Thesmophoriazusen.als und zu meinem liede soll der musicant die violine spielen. das wird der hoffentlich schon längst tun, sonst ist’s zu spät. aber eine goldene laute wird ihm der chorege schwerlich spendirt haben, die gehört nur dem χϱυσολύϱας, der eben angerufen war. nein, dies sätzchen ist in poetisch persönlich gewandter rede was der herold vorher mit ἰὴ παιὼν ἰὴ παιὼν χαίϱωμεν gesagt hat. und die goldene laute stimme ein; wenn sie einstimmt, so gewährt der gott die bitte. daſs er gerade das tun soll, wo doch das ganze göttergeschlecht gepriesen wird, liegt daran, daſs ein lied diesen preis enthält. aber es würde schwerlich unmittelbar verständlich sein, wenn nicht eine statue des Apollon auf der bühne (also wohl auch auf der pnyx) stünde: μὰ τὸν Ἀπόλλω τουτονί sagt der alte 748, wo nur die philologie, die mit parallelstellen statt mit an - schauungen wirtschaftet, an den Apollon Agyieus denken kann: ein prellstein steht vor jedem hause, aber hier gibt es kein haus, wir sind ja auf der pnyx. von den ἀνακλήσεις, die zumeist formelhaft sind, sei nur die schöne schilderung des meeres erläutert, μυχὸς ἰχϑυόεις οἰστϱο - δόνητος ist die meerestiefe, die von den fischen in der brunst - und laichzeit (wenn sie der οἶστϱος treibt) gleichsam erdröhnt, weil ihr to - bendes gewimmel die stille der meerestiefe stört. an die züge der tun - fische denkt er.

Das lied
523
353 71.
523ξυνευχόμεσϑα τέλεα μὲν πόλει, τέλεα δὲ δήμῳ
τάδ̕ εὔγματ̕ ἐκγενέσϑαι.
355 τὰ δ̕ ἄϱιστ̕ ὅσαις πϱοσήκει
νικᾶν λεγούσας, ὁπόσαι δ̕ ἐξαπατῶ -
σιν παϱαβαίνουσι τε τοὺς
ὅϱκους τοὺς νενομισμένους
360 κεϱδῶν εἵνεκ̕ ἐπὶ βλάβῃ
ψηφίσματα καὶ νόμους
ζητοῦσ̕ ἀντιμεϑιστάναι
τἀπόϱϱητα τε τοῖσιν -
χϑϱοῖς τοῖς ἡμετέϱοις λέγουσ̕
365 Μήδους ἐπάγουσι τῆ
χώϱᾳ
ἀλλ̕ παγκϱατὲς Ζεῦ,
370 σὺ ταῦτα κυϱώσειας, ὥσϑ̕ ἡμῖν ϑεοὺς παϱαστατεῖν
καίπεϱ γυναιξὶν οὔσαις.

den anfang machen die mit dem vorigen respondirenden iamben, die Dindorf durch die ergänzung von ἐκ geheilt hat. ἐκγενέσϑαι steht so355Das lied 353 71.Fried. 346, wo V die praeposition weggelassen hat. iamben bilden auch den schluſs, den ich durch eine ganz leichte ergänzung in schick ge - bracht habe: ein dochmius, vollends am anfange der letzten periode, hat keinen platz. 355 58 sind normale ioniker, 359 65 normale glykoneen, verbunden durch synaphie, wenn man nicht dem komiker zutraut, wie im trimeter auch hier den artikel vor eine pause gestellt zu haben. die glykoneen sind teils sicher verbunden, teils ist die verbindung möglich; aber einmal ist hiatus. so behandelt sie Sophokles meistens. wo ich τῇ χώϱᾳ und das zeichen einer lücke gesetzt habe, steht τῆς χώϱας οὕνεκ̕ ἐπὶ βλάβῃ ἀσεβοῦσιν ἀδικοῦσι τε τὴν πόλιν. das erste, durch mechanischen fehler aus 360 wiederholt, wird man leicht los, aber die einer glaublichen messung widerstrebenden worte kann ich auch nur als interpolirt betrachten. sie sollen einen nachsatz zu der relativischen aufzählung der frevler geben; aber was will das heiſsen wer das und das tut, begeht einen verstoſs gegen fas und ius? diese triviale decla - ration soll der chor abgeben, das und das ist sünde? und dann fährt er fort das mache wahr, allmächtiger gott. was denn? daſs das sünde ist? heller unsinn. wir haben ja die ἐπαϱά vor uns; der nachsatz muſs sein ἐξώλεις εἶεν αὐτοὶ καὶ γένος τὸ ἐκείνων. das war der sinn des fehlenden; ob man wie ich die überlieferten worte als interpolation ausweist oder irgendwie als letztes glied der aufzählung und alle sünder überhaupt einrenkt, ist ziemlich gleichgiltig. hier bin ich ganz sicher; aber daſs ich ψηφίσματα καὶ νόμους für ψ. κ. νόμον setzen muſste, war mir unbehaglich. ich kann den singular nicht verstehn und würde gern belehrt werden.

23*[356]

9. DIE REDE FÜR POLYSTRATOS.

Vergeblich hat man sich bisher bemüht, zwischen Thukydides und dem einzigen documente übereinstimmung zu schaffen, das aus der proceſs - litteratur des revolutionsjahres 411 erhalten ist. jetzt klären das die urkunden auf, die bei Aristoteles stehn, und die ich mit den I 101 ffg. gewählten nummern bezeichnen will, A der beschluſs des Pythodoros, B der der συγγϱαφῆς, C der der ἑκατόν.

Der redner für Polystratos sagt von diesem, daſs er von den phyleten zum mitgliede der vierhundert gewählt war (2), daſs er καταλογεύς war (13)1)Es ist natürlich übertreibung, was hier steht, daſs der einzelne καταλογεύς, um keinem der δημόται wehe zu tun (d. h. der leute aus dem volke, keineswegs seiner gemeindebürger aus Deirades: diese bedeutung von δημότης, in poesie und prosa des 5 jhdts nicht selten, wird oft verkannt, auch in δημοτικός, demokrat, geändert), 9000 statt 5000 wählte. er stimmte mit ja oder trug so viel ein, daſs es 9000 geworden wären, wie das nun auch war. ἵνα τὸν μὲν βουλόμενον ἐγγϱάφοι, εἰ δέ τῳ μὴ οἷόν τ̕ εἴη, χαϱίζοιτο. d. h. er lieſs nur die weg, welchen die lasten des bürgerrechtes zu schwer waren: es sollten ja die τοῖς χϱήμασι καὶ τοῖς σώμασι δυνατώτατοι sein., und besonders 14 οὗτος οὔτε ὀμόσαι ἤϑελεν οὔτε καταλέγειν ἀλλ̕ αὐτὸν ἠνάγκαζον ἐπιβολὰς ἐπιβάλλοντες καὶ ζημιοῦντες· ἐπεὶ δ̕ ἠναγκάσϑη καὶ ὤμοσε τὸν ὃϱκον, ὀκτὼ ἡμέϱας εἰσελϑὼν εἰς τὸ βουλευτήϱιον ἐξέπλει εἰς Ἐϱέτϱιαν καὶ ἐδόκει ἐκεῖ τὴν ψυχὴν οὐ πονηϱὸς εἶναι ἐν ταῖς ναυμαχίαις καὶ τετϱωμένος δεῦϱ̕ ἦλϑε καὶ ἤδη μετεπεπτώκει τὰ πϱάγματα. hält man dazu den schluſs - passus B b, wo die bestellung der καταλογῆς durch die phyleten vor - geschrieben wird, welche ihres amtes walten sollen ὀμόσαντες καϑ̕ ἱεϱῶν τελείων, so leuchtet unmittelbar ein, daſs der erwähnte dem κατα - λέγειν vorhergehende eid eben der in dem volksbeschlusse geforderte ist, daſs also die phyle Leontis den Polystratos von Deirades zum καταλογεύς357III. 9. Die rede für Polystratos.erwählt hat. das war etwa im munichion des Kallias. aber mit dem eid - schwur läſst der redner den eintritt in den rat zusammenfallen, denn 8 tage darauf geht Polystratos nach Eretria ab. es ist undenkbar unter dem hier erwähnten eide einen anderen als zwei zeilen vorher zu ver - stehen: also ist es nicht der ratsherreneid. undenkbar ist es auch, in Poly - stratos einen ersatzmann für irgend einen verstorbnen der 400 (etwa seinen nachbarn Phrynichos von Deirades) zu sehen, undenkbar seine ab - fahrt nach Eretria mit der des Thymochares und seiner flotte gleich - zusetzen (Thuk. 8, 93), der ja erst ende metageitnion des Theopompos ausfuhr. der redner spricht vor leuten, die alles eben selbst erlebt hatten, er konnte nicht die stellung als καταλογεύς mit der als ratsherr willkürlich vermischen. seine worte verlangen vielmehr die auffassung, daſs die wahl zum καταλογεύς die zum ratsherrn in sich schloſs. nach dem beschlusse B b sollen die 100 καταλογῆς aus den über 40 jahr alten bürgern durch die phyle gewählt werden; nach dem beschlusse C b die 400 ratsherren aus derselben kategorie auf dieselbe weise, nur sollen die phylen eine gröſsere anzahl als 400 praesentiren; über den modus der auswahl aus den πϱόκϱιτοι ist nichts vorgeschrieben. in wie weit der letztere beschluſs aber wirklich durchgeführt sei, sagt Aristoteles nicht: natürlich ist man zunächst verbunden zu glauben, daſs nach dem beschlusse verfahren sei, und Aristoteles mag es selbst geglaubt haben. die Athener hatten aber in den καταλογῆς bereits 100 genau ebenso qualificirte und genau eben so gewählte männer, wie sie sie für den rat wünschten. hineingekommen würde die mehrzahl von diesen wol sicher sein, auch wenn eine neuwahl stattgefunden hätte. hören wir also von einem zeitgenössischen redner, daſs die wahl zum καταλογεύς mit der zum ratsherrn gleichgesetzt wird, so scheint mir die erklärung geboten, daſs das volk, sei es in einem amendement zu C, das Aristoteles nicht gekannt hat, sei es in einem weiteren beschlusse, die aufnahme der 100 in den rat verfügt hat.2)Ich rechne mit absicht nicht mit dem was ich doch wahrscheinlich gemacht zu haben glaube, daſs Aristoteles die urkunden in einer rede des Theramenes ge - funden hat, also gar nicht mehr über die geschichte wuſste, als sie selbst auch uns bieten. in diesem falle ist alles selbstverständlich, was ich erst wahrscheinlich machen will. der irrtum des Thukydides, daſs schon in der versammlung auf dem Kolonos, wo mit B b in wahrheit nur die κατα - λογῆς eingesetzt wurden, die 400 gewählt wären, wird nun bedeutend leichter. ich wage aber noch weiter zu gehen. Thukydides erzählt, Pei - sandros hätte auf dem Kolonos durchgesetzt, daſs das volk 5 πϱόεδϱοι,358III. 9. Die rede für Polystratos.diese wiederum 100 ratsmänner, jeder von diesen drei weitere erwählte. die cooptation von je dreien durch die 100 καταλογῆς scheint mir für den späteren zeitpunkt sehr glaublich.3)Man sehe, wie viel schlagender § 2 nun wird. da wird Polystratos damit entschuldigt, daſs er von den phyleten gewählt ist. das zieht nicht, wenn alle 400 in gleichem falle waren; es ist ein kräftiger beweis, wenn es nur ein viertel war. die 5 πϱόεδϱοι sind freilich rechtlich und officiell eben so wenig vorhanden gewesen wie die 5 ἔφοϱοι 4044)Lysias 12, 43. der advocat läſst gar keinen zweifel darüber, daſs dieser von den clubbisten eingesetzte wolfahrtsausschuſs mit dem staate nichts zu schaffen hatte. wie weit er von dem revolutionären treiben der clubbs unterrichtet war, können wir nicht sagen; aber an sich ist der bericht nicht unglaubwürdig. höch - stens möchte man bezweifeln, ob Eratosthenes von der partie war.: tatsächlich mag ein actionscomité der clubbisten nicht nur existirt, sondern die wahlen geleitet haben.

In Eretria hat Polystratos, der ratsherr von Athen, so lange als die oligarchie sich hielt, das commando geführt, als φϱούϱαϱχος. die cumu - lation der ämter, die sonst unglaublich wäre, befremdet nicht unter einem regimente, das für normale verhältnisse die platzcommandanten wie alle höheren beamten aus dem rate besetzen wollte (actenstück C a) und für die übergangszeit die besetzung dieser stellen eben dem rate überlassen hatte (C b). nach der tendenz der aristokraten, wie sie Peisandros bei Thukydides verfolgt, muſsten sie in den Reichstädten schleunigst einen dem attischen analogen umsturz der verfassungen bewirken5)Thuk. 8, 69. vgl. die leider von seinen gesinnungsgenossen nicht beher - zigte maxime des schriftstellers der Ἀϑηναίων Πολιτεία 3, 10, die zu Thukydides stimmt. wenn Polystratos eine oligarchie in Eretria eingerichtet hat, so kann man ihn von der mitschuld an dem verluste von Euboia nicht freisprechen; ich würde ihn auch zu der geldbuſse verurteilt haben. von den kleruchen auf Euboia ist mit ausnahme der zu einer gemeinde zusammengeschlossenen in Oreos-Histiaia nicht die rede: sie werden zum kleinsten teile auf ihren landlosen selbst gewohnt haben und kamen in der vereinzelung nicht in betracht.; dazu brauch - ten sie einfluſsreiche und zuverlässige leute, die sie am ehesten unter sich fanden. Polystratos empfahl sich militärisch, da er im selben jahre in Oropos commandirt hatte: er muſs aber, obwol der redner es natür - lich verschleiert, auch politisch den leitenden männern garantien für seine gesinnung gegeben haben. in wahrheit waren wol die leute von 70 jahren, die einen durch den krieg entwerteten grundbesitz hatten und im staatsdienste ergraut waren, alle für die beschränkung des demos auf die 5000: das schloſs den landesverrat des Antiphon oder die ganz gemeine gesinnungslosigkeit der Peisandros und Phrynichos nicht in sich. die rechenschaftsklage hat dann Polystratos für seinen commandanten -359III. 9. Die rede für Polystratos.posten über sich ergehen lassen müssen, und daſs der commandant, der eine festung verloren hat, vor gericht dafür büſst, erscheint in Athen, und nicht bloſs da, in der ordnung. die angaben der rede, so weit sie verständlich sind, stimmen zu dieser auffassung von dem amte des Poly - stratos. 6)Entscheidend ist § 17, dessen zeugnisse sich diejenigen vergeblich haben ent - ziehen wollen, die in der ἀϱχή des Polystratos lediglich seine stellung als ratsherr sehen und seinen auszug nach Eretria erst mit der flotte des Thymochares ge - schehen lassen. εἴποι ἄν τις ὅτι κεϱδαίνειν ἐπιϑυμῶν ἐξέπλευσεν, ὥσπεϱ ἔνιοι ἥϱπαζον καὶ ἔφεϱον· οὐδεὶς τοίνυν ἂν εἴποι ὅπως τι (τις ὕπως Χ) τῶν ὑμετέϱων ἔχει, ἀλλὰ πάντα μᾶλλον κατηγοϱοῦσιν εἰς τὴν ἀϱχήν. es ist ebenso einleuch - tend, daſs die ἀϱχή in dem ἐκπλεῦσαι besteht, also nicht in der ratsherrnstelle, wie daſs jemand, der, etwa als officier, in der höchsten not ein schiff besteigt um den gegenwärtigen feind anzugreifen, nicht in den verdacht kommen kann, erpressungen und unterschlagungen zu beabsichtigen. beides paſst dagegen auf den phrurarchen. § 6 ist corrupt und wird unten besprochen.

Seine rechenschaft legte er sofort, nachdem er, in der schlacht bei Eretria verwundet, nach Athen zurückgekehrt war und die oligarchie schon beseitigt angetroffen hatte, also unter der vielbelobten gemäſsigten verfassung. der reiche mann, der zwei söhne bei den reitern dienen lassen konnte, ward zu einer hohen summe verurteilt, die er bezahlte oder vielmehr zur rechten zeit zahlen konnte und wollte.7)Es steht nur ὦφλε da, § 14. 18, und er brauchte die strafe (ἀδικίου natür - lich) erst im mai 410, vor der neunten prytanie, zu bezahlen (Ar. 54, 2). sie kann natürlich mit den χϱήματα, um die es sich jetzt in der rede dreht, 32, nichts zu tun haben. denn an dem ersten urteil ist nichts zu ändern; wenn die strafe nicht bezahlt wird, ist die execution oder die atimie[unvermeidlich]. ganz unmöglich ist es wol nicht, daſs der redner bloſs die verurteilung in die buſse angeben konnte, auch wenn sie mittlerweile bezahlt war. aber da Polystratos gesetzlich ziemlich ein halbes jahr ausstand für die zahlung frei hatte, wird die einfachste interpretation den vorzug verdienen. er hatte eine verteidigung kaum versucht, denn seine söhne waren im kriege, und der demot des Phrynichos, der phrurarch von Eretria war so un - populär, daſs er keine entlastungszeugen fand. 8)Daſs Polystratos in contumaciam verurteilt wäre, ist ein handgreifliches misverständnis von § 8. wenn ἔϱημος eine nähere bestimmung dessen, der fehlt, nötig hat, so folgt eben ein satz, der den mangel an entlastungszeugen näher anführt.

Das urteil war rechtskräftig und inappellabel. trotzdem ist es zu einer zweiten klage gekommen, in der dieselben ankläger auftraten9)Das wird nicht ausdrücklich gesagt, aber die unterscheidung der früheren und der jetzigen gegner würde sonst zweifellos gemacht werden., die ebenfalls nur geldstrafe beantragten, aber eine so hohe, daſs nicht360III. 9. Die rede für Polystratos.bloſs der verklagte, sondern auch seine erben notwendig der bürger - lichen ehrenrechte verlustig gehen muſsten, wenn die verurteilung ein - trat (§ 32). aus diesem processe besitzen wir einen teil der verteidi - gungsreden. es liegt in dieser wiederaufnahme der anklage eine schwie - rigkeit, auf deren beseitigung viel scharfsinn verwandt ist. ich kann die modernen gedanken nicht für glücklich halten10)Daſs der zweite proceſs von den logisten instruirt ist, folgt mit nichten aus § 10 οἱ μὲν τὸν βίον ἅπαντα πονηϱοὶ ὄντες χϱηστοὶ ἐν τῷ λογιστηϱίῳ γεγέ - νηνται, οἳ δὲ ἀεὶ ὑμῖν χϱηστοὶ ἦσαν, οὗτοι πονηϱοί. denn wenn man auch die bezeichnung des locales mit in den zweiten satz hineinbeziehen wird, so geht es eben nur auf den ersten proceſs. übrigens würde die sache, gesetzt es wäre eine εὔϑυνα, doch vor den thesmoteten verhandelt sein (Ar. 48, 5). der versuch von Pohl, neben den εὔϑυναι auch eine γϱαφὴ εὐϑυνῶν anzunehmen, ist rechtlich nur mit der modification Hildebrandts (Comment. philol. Monac. 179) denkbar, daſs es sich um eine private εὔϑυνα (Ar. 48, 4) gehandelt hätte. aber dort steht auch, daſs diese binnen drei tagen einzubringen war. das geht zn schnell für unsern proceſs, bei dem die drei söhne aus dem felde zurück sind. durchschlagend ist, daſs in der ganzen rede von einem rechenschaftsproceſs nicht die rede ist, im gegenteil § 22 οὗτος ὑμῖν δίκην δέδωκεν οὐδὲν ὑμᾶς ἀδικῶν εὐϑὺς μετὰ τὰ πϱάγματα steht, worin beiläufig bemerkt eine hübsche anspielung ist, wenn die verurteilung ἀδικίου erfolgt war.; dagegen entspricht die überlieferte bezeichnung δήμου καταλύσεως ἀπολογία11)Harpokrat. Πολύστϱατος. daſs in X die überschriften gänzlich wertlos sind, weil von einem unwissenden menschen aus den reden selbst abstrahirt, kann die von guten grammatikern des altertums gelieferten nicht discreditiren. durchaus der wahrscheinlichkeit. die ganze rolle, die Polystratos in der oligarchie ge - spielt hatte, gab zu einer eisangelie unter mehr als einer begründung raum: ἐάν τις τὸν δῆμον τὸν Ἀϑηναίων καταλύῃ συνίῃ ποι ἐπὶ καταλύσει τοῦ δήμου ἑταιϱικὸν συναγάγη, ἐάν τις πόλιν τινὰ πϱοδῷ ναῦς κτἑ heiſst es in dem späteren νόμος εἰσαγγελτικός, und nur das ist ungewiſs, welche form die entsprechenden gesetzlichen bestimmungen und der processgang im fünften jahrhundert hatten; schätzbar können diese vergehen sehr wol gewesen sein, da es die εὔϑυναι waren. daſs in zeiten der reaction der politische haſs und die gemeine syko - phantenberechnung trotz allen gesetzlichen cautelen, ja trotz den feier - lichsten amnestieschwüren mittel und wege gesunden hat, lediglich recri - minatorische anklagen zu erheben, dafür liefert Lysias nur zu viel un - erfreuliche belege. und daſs mitglieder der 400 lediglich auf diesen namen hin bürgerlich tot gemacht worden sind, lehrt der beschluſs des Pythokleides von 404. bei Polystratos ward die sache vollends durch seine doppelstellung als ratsherr und phrurarch erleichtert. in361III. 9. Die rede für Polystratos.wahrheit verhielt es sich wol so, daſs die ankläger von dem zahlungs - fähigen alten manne noch mehr herauszuschlagen hofften12)Wenigstens wird diese insinuation ziemlich unverblümt vorgetragen, 7. 10. 17. und als einmal ein anständiger mann sich bei Lysias eine rede bestellt hat, hat der radicale advocat selbst das treiben seiner parteigenossen gezeichnet 25, 25. bei - läufig, es steht nun fest, daſs diese rede aus den monaten mai / juni 400 ist, ganz wie Blaſs vermutet hatte. die jahreszeit folgt daraus, daſs es sich um eine dokimasie handelt. der terminus post quem ist die eroberung von Eleusis, die eben unter Xenainetos 401 / 0 fällt (Ar. 40, 4). an das folgende jahr kann man wol nicht denken: in den processen des Sokrates und Andokides weht ein ganz anderer wind., am liebsten als abfindungssumme. aber auch bei den richtern konnte sich die rück - sicht auf die leeren staatscassen sehr leicht mit der demokratischen rach - sucht vereinigen.

Als dieser proceſs zur verhandlung kam, war die demokratische strömung schon völlig herrschend, die vielbelobte herrschaft der 5000 wenigstens im prinzipe überwunden.13)§ 16 und 17 αὐτὸς αὑτῷ εὐνούστατός ἐστιν δῆμος, mit absicht mehr - deutig gesagt, so daſs man nicht erkennt, ob die volle demokratie schon in kraft getreten ist oder erst beschlossen. das decret, das jeden umsturzversuch verfehmt, ist in der ersten prytanie des neuen jahres gefaſst, Andok. I 96; (wenn der rat diesmal nicht wie im vorjahre schon vor jahresanfang antrat: das wird dadurch wahrscheinlich, daſs nicht nach dem archon datirt wird): aber die demokratische hochflut muſste schon da sein, als die demen und phylen diese candidaten für die auslosung praesentirten. dafür aber waren die drei söhne des Polystratos aus dem felde in die winterquartiere heimgekehrt, der älteste aus dem Hellespont, also nach den erfolgen des Thrasyllos. es wird also im frühling 410 gewesen sein.14)Die heldentat des jüngsten sohnes, 28, setzt eine bedrohung der stadt voraus, genau wie sie Xenoph. Hell. I 1, 33 für das frühjahr 410 beschreibt. die zeugen für die haltung des ältesten im Hellespont müssen mit Thrasyllos nach dem zweiten treffen bei Kynossema heimgekehrt sein (Xen. Hell. I 1, 9). vielleicht kann hier die conjectur eine geschichtliche tatsache entdecken. es ist überliefert οἱ συ - στϱατευσάμενοι οἵτινες ἐνϑάδε ὄντες ἦτε ἐν Ἑλλησπόντῳ. das ist unerträglich, denn niemand sagt so für οἵτινες ἐν Ἑλλησπόντῳ γενόμενοι ἐνϑάδε ἐστέ. ich denke, das war οἵτινες μετὰ Λέοντος ἦτε ἐν Ἑλλησπόντῳ. der stratege Leon war in Samos während des sommers (Thuk. 8, 73); was er weiter getan hat, ist nicht überliefert. daſs man den handel des Polystratos noch weiter herunterrückt, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil die erfolge des Alkibiades und die dadurch ganz veränderte stimmung nirgend zu spüren sind. die söhne liefen gefahr, statt eines beträchtlichen erbteils die bürgerliche ehrlosigkeit des vaters erben zu müssen und vielleicht ohne jeden persönlichen grund als volksfeinde für immer gebrandmarkt zu werden. so versuchten sie den vater zu retten, und der mittelste führte das wort, da er als einer der wenigen362III. 9. Die rede für Polystratos.überlebenden des sicilischen feldzuges auf sympathie rechnen konnte. die verteidigungsrede versucht nun in wahrheit nicht einen beweis für die unschuld des vaters, sondern führt nur billigkeits - und entschuldigungs - gründe für ihn ins feld. dagegen behandelt mehr als ein drittel der rede allein die volksfreundlichkeit der söhne, und nur hierfür werden zeugen aufgerufen. nun versteht es sich ja von selbst, daſs Polystratos auch gesprochen hat, und da uns seine rede fehlt, ist es nicht zu ver - wundern, daſs wir die verteidigung wider die eigentliche anklage nur ungenügend kennen und demgemäſs auch über die anklage nicht klar sehen. es stimmt dazu, daſs die erhaltene rede eines prooemiums ent - behrt, obwol schon die nennung des namens in § 1 beweist, daſs der redner so wie wir lesen angefangen hat. aber diese tatsache selbst will verstanden sein, daſs sich nicht mehr von der verteidigung erhalten hat, also (da an zufällige verstümmelung nicht zu denken ist) nur so viel in die öffentlichkeit kam. als rhetorisches muster ist dies stück nicht er - halten; es ist das werk eines wenig geschulten Atheners, eben deshalb für die litteraturgeschichte kostbarer als manche glatte aber leere decla - mation.15)Vielleicht lag dem redner Antiphons verteidigungsrede vor. auf sie hat Blaſs sein fragment 79 bezogen τέως μὲν γὰϱ πολὺς χϱόνος τοῦ ὀλίγου πιστό - τεϱος ἦν. denselben gedanken findet man hier 10. er lag freilich nahe genug, vgl. z. b. Gorg. Palam. 34. wenn ein solches stück veröffentlicht ist, so hat der inhalt dazu bestimmt: es ist das persönliche renommee des redenden sohnes und seiner familie, der dies plaidoyer dienen soll, so gut wie Andokides sich bald darauf mit seiner zweiten rede rehabilitiren wollte, trotzdem sie keinen praktischen erfolg gehabt hatte. mag auch der ausgang des processes gewesen sein, wie er wolle (ich glaube aber, daſs er für den verklagten günstig war): der junge mann, der für seinen vater auf - getreten war, wünschte vor dem publikum als ein unverdächtiger und hochverdienter demokrat dazustehn16)Tydeus 26, und, wenn ich recht vermutet habe, Leon 29 werden genannt; das sind namen von vollstem demokratischem klange., und die misgunst, die er wirklich ohne sie zu verdienen von den vater erbte, wo möglich von der ganzen familie, jedenfalls von sich abzuwälzen. darum hatte er einen λογοποιός gedungen, darum verbreitete er die rede, mit weglassung des seiner sache schwerlich besonders günstigen, jedenfalls für seinen zweck entbehrlichen. daſs die rede sich erhielt, war ein glücklicher zufall: als sie aber erst unter den schützenden namen des Lysias getreten war, teilte sie das schicksal von dessen reden. und daſs sie in die auswahl, von der wir363III. 9. Die rede für Polystratos.eine handschrift haben, aufnahme fand, ist ein weiterer zufall, für den wir der kritiklosigkeit des auswählenden dankbar sein müssen.

Wie gut oder schlecht der redeschreiber seine sache gemacht hat, haben wir zu lernen, nicht ihm vorzuschreiben. ich beabsichtige nicht mit den umstellungen, die modernen kritikern gefallen, mich auseinander zusetzen, von der auszugshypothese ganz zu schweigen. aber ich nehme allerdings auch daran anstoſs, daſs die beteiligung des Polystratos an dem rate der 400 und seine nichtbeteiligung an den debatten im rat - hause zweimal erzählt wird, und kann 6 8 neben 16. 17 schlecht ver - tragen, besser gesagt, ich verlange eine erklärung dafür, daſs 1 10 schon eingehend erörtert ist, daſs die zugehörigkeit zu den 400 den Polystratos nicht belastet, und doch 13 17 dieselbe sache von neuem abgehandelt wird. mir hat sich (keineswegs erst jetzt) die lösung er - geben, daſs 1 10 ein ganz anderer fürsprecher das wort hat als der sohn, der mit 11 anhebt. es hat ja gar keinen anstoſs, daſs es mehrere sind; und daſs derselbe redeschreiber ihnen die reden macht, und diese dann zusammen veröffentlicht werden, ist zugestandenermaſsen in der rede wider Phormion und in der Apollodors wider Neaira geschehen (Dem. 34 und 59).

Man fange nur an zu lesen und merke auf, wo man erfährt, daſs der sprecher ein sohn des Polystratos ist: das ist erst in § 11. von da ab geht es durch. und konnte denn dieser von den söhnen des Poly - stratos sagen μὲν ἐν Σικελίᾳ ἦν, οἳ δ̕ ἐν Βοιωτοῖς?17)Seltsam, daſs im frühjahr 411 die beiden söhne in Boeotien sind, von denen der ältere im herbst bei Kynossema gefochten hat, der jüngere in der attischen reiterei diente, die mit dem sicherheitsdienst gegen die festung Dekeleia genug zu tun hatte. daſs Athen damals einen vorstoſs gegen die Boeoter machen konnte, ist interessant genug. Thukydides hat über diesen kriegsschauplatz kaum etwas erfahren: wir kennen die niederlage der Boeoter am Kolonos, an die das drama des Sophokles anknüpft, und den sieg des hipparchen Pythodoros, dessen denkmal in den Athenischen Mitteilungen XIV veröffentlicht ist. der in Sicilien war er ja selber. der sohn sagt πῶς ἂν οὐκ ἂν δεινὰ πάσ - χοιμεν 15, δεινά τἂν18) δεινὰ ἄγαν Χ. τοι nicht γε hinter ist der stil des fünften jahr - hunderts, wie das drama lehrt; auch dort ist es meist entstellt, wie es der krasis zu gehn pflegt, wo sie von alters her bezeichnet ward. πάϑοιμεν 19, δεινὰ δ̕ ἂν πάϑοιμεν 36: hier heiſst es δεινὸν δέ μοι δοκεῖ εἶναι 10. nirgend wagt jener ein ἐγὰ δ̕ ἡγοῦμαι ἀξίους εἶναι τούτους μηδὲν πάσχειν 5: was liegt den richtern daran, wie der angeklagte über die billigkeit denkt? so spricht ein mann, dessen wort gewicht hat. und sollte wirklich der sohn mit364III. 9. Die rede für Polystratos.dem eingange glück zu machen geglaubt haben meines erachtens solltet ihr euch durch das bloſse wort, das ist einer der 400, nicht gegen jemanden einnehmen lassen. denn es hat unter ihnen auch gutgesinnte gegeben, wie diesen Polystratos. weder redet man so von seinem eignen vater, noch gibt ein junger mann den herren heliasten solche belehrung.

Nun wird man sagen, daſs die erste rede und die zweite nicht scharf abgegränzt sind. ganz gewiſs. aber da ist, urteile man sonst wie man wolle, der text nicht in ordnung ich halte es für arg, wenn je - mand, der nichts wider die demokratie im rate beantragt hat, ebenso behandelt werden soll, wie die welche das getan haben, und wenn der in acht tagen ein schurke geworden sein soll, der 70 jahre ein guter bürger war, und die ihr leben lang nichts taugten vor dem rechnungshofe biedermänner werden, und die allzeit biedermänner waren schurken.19)Es ist ganz falsch, die beiden letzten dieser sätze als selbständige fragen zu fassen. gedacht sind sie, wie der gedanke zeigt, als weitere δεινά, stehn also dem εἰ πείσεται ganz parallel. nur ist Polystratos wirklich trotz seinen siebzig jahren im rechnungshofe verurteilt wie ein schurke, also trifft die hypothetische partikel εἰ nicht zu, wenn sie, wie sie uns scheint, rein hypothetisch ist. das ist sie nicht: δεινόν μοι δοκεῖ εἶναι, εἰ οἱ πονηϱοὶ χϱηστοὶ γεγένηνται ist so gut grie - chisch wie ϑαυμάζω εἰ γεγένηνται oder oft ἐλέγχειν εἰ. die sprache empfindet etwas anders als die unsere. καίτοι20)Καίτοι ἐν [τε] ταῖς πϱότεϱον κατηγοϱίαις. natürlich ist die dittographie mit den abschriften zu tilgen, nicht in ein müssiges γε zu ändern. in der vorigen verhandlung hat man meinem vater unter andern falschen beschuldigungen auch nachgesagt, daſs er mit Phrynichos ver - wandt war. dagegen (καίτοι) erkläre ich: lege wer das beweisen kann in der für meine verteidigung mir zugemessenen frist zeugnis ab. was soll das erste καίτοι? auf jenes rhetorische enthymem δεινόν μοι δοκεῖ εἶναι kann sehr gut ein καίτοι folgen, aber der satz, der da folgt, schlieſst sich überhaupt nicht an, und am wenigsten mit καίτοι. und die beiden sätze hinter einander können vollends so nicht anfangen. ich wage darüber nicht zu entscheiden, ob wir jenes καίτοι tilgen sollen: in dem falle ist der bruch der continuität da, wie ja wirklich eine ganz neue gedankenreihe einsetzt und ein neuer ton; oder ob hinter καίτοι der schluſs der ersten rede ausgefallen ist und dann möglicherweise auch ein anfang der zweiten, was ich nicht glaube. wer eine lücke annimmt, kann freilich auch eine ergänzung ersinnen, die die beiden paragraphen 10 und 11 wirklich verbinde: die dubletten und den verschiedenen ton beseitigt er doch nicht.

Besprochen muſs noch ein paragraph der ersten rede werden, weil365III. 9. Die rede für Polystratos.er geschichtliche angaben macht. man macht ihm zum vorwurf, daſs er viele ämter bekleidete; das ist doch nichts schlimmes, sondern auf das wie kommt es an, 6. οὗτος δέ πϱῶτον μὲν ἄϱξας ἐν Ὠϱωπῷ οὔτε πϱοέδωκε καὶ ἑτέϱαν πολιτείαν κατέστησε, τῶν ἄλλων ἁπάν - των ὅσοι ἦϱχον καταπϱοδόντων τὰ πϱάγματα. οἳ δ̕ οὐχ ὑπέμειναν καταγνόντες σφῶν αὐτῶν ἀδικεῖν, δὲ ἡγούμενος μηδὲν ἠδικηκέναι δίκην δίδωσι. und die schuldigen kommen frei, weil sich die ankläger bestechen lassen; wer ihnen kein geld gibt, wird zum schuldigen ge - stempelt21)Sehr gut steht ἀδικοῦντας ἀποφαίνουσι. denn der nachweis ist in diesem falle von den anklägern erbracht; Polystratos ist ἀδικίου verurteilt., und es macht keinen unterschied, ob einer im rat einen antrag gestellt hat oder nicht u. s. w. hierin sind zwei schlimme sprachliche anstöſse: οὔτε .. καὶ ist so wie es hier steht kein griechisch. und wo wäre ein zweites glied zu πϱῶτον μέν? gewiſs braucht das nicht in der grammatischen form streng zu entsprechen, aber wer πϱῶτον μέν sagt, hat ein zweites glied im gedanken, und der gedanke muſs irgendwo zu tage kommen. wo ist er hier? es ist nicht im mindesten zweifelhaft, was der redner gewollt hat. den vorwurf, daſs Polystratos viele ämter verwaltet hat, will er dadurch entkräften, daſs er nachweist, er habe sie gut verwaltet. die ἀϱχὴ ἐν Ὠϱωπῷ ist die erste: wo sind die andern? die stellung im rate ist freilich auch eine, und in sofern paſst die fort - setzung in diese gedankenreihe, in der über des Polystratos verhalten im rate gehandelt wird, aber da ist die form der disposition fallen ge - lassen. und es fehlt ja auch gerade das wichtigste amt, das in Eretria. wegen dieses amtes hat sich Polystratos gerade gestellt, während die andern schuldigen oder verdächtigen sich fern hielten, was er, zumal als verwundeter, sehr bequem auch hätte tun können. der sohn führt das auch aus, 14. 21.22)Mit denen die sich dadurch dem strafgerichte zu hause entziehen, daſs sie im felde bleiben, wird vornehmlich der unglückliche stratege von Eretria Thymo - chares gemeint sein, der nach dem Hellespont gieng, Xen. I 1, 1, allerdings, wenn Xenophon genau ist, von Athen aus. daſs einer der δέκα αὐτοκϱάτοϱες der oligarchie sein amt fortgeführt hat, ist bemerkenswert. 22. also genau da, wo die grammatik einen schaden zeigt, fehlt für den sinn etwas. und noch mehr. ἄϱξας ἐν Ὠϱωπῷ οὔτε πϱοέδωκε, das paſst: denn Oropos gieng ende februar 411 durch verrat verloren (Thuk. 8, 60). wenn der platzcommandant bald darauf gerade nach Eretria geschickt ward, das schon damals bedroht war, so muſs er allerdings von jedem verdachte frei gewesen sein, daſs er an dem verluste schuld trug. aber das folgende καὶ ἑτέϱαν πολι -366III. 9. Die rede für Polystratos.τείαν κατέστησε paſst unmöglich auf Oropos23)Blaſs hat daran gedacht, den namen Oropos in Oreos zu ändern. aber wenn es auch in der attischen kleruchie vielleicht einen von Athen eingesetzten phru - rarchen gegeben hat, so ist Oreos eben nicht verloren gegangen, und eine änderung der πολιτεία in den kleruchien ist schlecht denkbar. da vollends zufällig bekannt ist, daſs Oropos zwei monate vor der einsetzung der 400 verloren gieng, wird man seine erwähnung in einer rede jener zeit nicht leicht für einen schreibfehler halten., das ein castell im unter - tanenlande war, wo es unter athenischer herrschaft niemals eine ver - fassung geben konnte. und τῶν ἄλλων ἁπάντων ὅσοι ἦϱχον κατα - πϱοδόντων τὰ πϱάγματα: das paſst auf Oropos auch nicht, wo doch keine mehrzahl von ἄϱχοντες gewesen sein kann, da doch selbst Imbros Skyros Salamis je unter einem beamten stehen, und der φϱούϱαϱχος in den πόλεις auch ein einzelposten ist. das können also nur die ἄϱ - χοντες ἐν Εὐβοίᾳ sein. das ergebnis ist unanfechtbar: es ist eine gröſsere lücke hinter πϱοέδωκε, in der mindestens die ἀϱχὴ ἐν Ἐϱετϱίᾳ erwähnt war; ob das καὶ mehr als eine aus der wiederholung der schluſssylbe von πϱοέδωκε schlecht gefertigte verkleisterung dieser lücke ist, muſs eben so wie ihre ergänzung dahingestellt bleiben.

Auf die vielen schweren verderbnisse, unter denen die auslassungen besonders zahlreich sind, will ich nicht näher eingehn, zumal ich be - deutendes nicht bessern kann24)Sprachlich interessant ist 23 ὅσον οὐδεμιᾶς στϱατείας ἀπελείφϑη, denn daſs ὅσων nur orthographisch zu verbessern ist, liegt auf der hand. selbst Cobet hat mit νέος ὤν durch arge gedankenlosigkeit eine unwahrheit und eine dummheit dem redner in den mund gelegt, Scheibe gar ὅσον οὐκ οὐδεμιᾶς wirklich vorgeschlagen. ὅσον οὔπω παϱῆσαν heiſst freilich sie waren nur so viel abwesend, daſs man eben sagen kann, sie waren abwesend. aber ὅσον ὅσον στιλήν heiſst nur so viel wie ein tropfen. ὅσον βϱαχύ so viel wie eine kleinigkeit. also ist ὅσον οὐδεμία στϱατεία so gut wie kein feldzug τις οὐδεμία würde es ionisch heiſsen. 5 ἀλλ̕ εἲ τις καὶ ὀλίγας ἄϱξας ἀϱχάς. 16 οὗτος δὲ [ἐν] πολλοῖς δηλοὶ ὑμῖν ὅτι οὐκ ἄν ποτε [ἐν] ὀκτὼ ἡμέϱας (ϱαις Χ) εἰσελϑών. 24 ἐπειδὴ δὲ διεφϑάϱη (das heer) καὶ ἀνεσώϑην (mich zurückrettete) εἰς Κατάνην, ἐλῃζόμην ὁϱμώμενος ἐντεῦϑεν καὶ τοὺς πολεμίους κακῶς ἐποίουν ὥστε τῇ ϑεῷ τε τὰς δεκάτας ἐξαιϱεϑῆναι πλεῖν τϱιάκοντα μνᾶς καὶ τοῖς στϱατιώταις εἰς σωτηϱίαν, ὅσοι ἐν τοῖς πολε - μίοις ἦσαν, so und so viel zur auslösung geschickt werden konnte , καὶ ἐπειδὴ Καταναῖοι ἠνάγκαζον [ἱππεύειν], ἵππευον. 29 τὸν δὲ πϱεσβύτατον ὀδελφὸν οὗτοι (αἰτοί Χ) οἱ συστϱατευόμενοι ἴσασιν οἵτινες ἦτε ἐν Ἑλλησπόντῳ. 30 ὧν μὲν πατήϱ ἀλλ̕ εἰ διὰ τὴν τούτου διαβολὴν δεῖ ἡμᾶς τι πάσχειν., nur eine stelle fordert noch ein wort. wie soll man ertragen ἀνδϱὶ ἐξαιτουμένῳ gebt ihr selbst des unter - schleiſs geständige angeklagte frei (19). weder steht ἀνήϱ jemals in - definit, noch kann man den richtern sagen, daſs sie auf die fürbitte eines beliebigen mannes, oder auch praegnant, eines mannes, verbrecher frei367III. 9. Die rede für Polystratos.lieſsen. es fehlt die nähere bestimmung. einfluſsreiche fürbitter bewirkten die milden urteile, Theramenes Kleitophon Demophantos. man kann eine lücke annehmen; aber ungleich wahrscheinlicher dünkt mich, daſs der redner einen eigennamen gesetzt und mit diesem den concreten fall bezeichnet hatte; dagegen schien es ihm, als er die rede verbreitete, klug, das persönliche zu verwischen, und so ist der eigenname durch N. N. ersetzt.25)Dasselbe scheint 26 geschehen. die attischen flüchtlinge führen kleinen krieg gegen Syrakus in Katanas diensten. da kommt Syrakosios mit einem ver - trage, den sie beschwören sollen: offenbar bietet er ihnen durchlaſs, wenn sie die insel verlassen wollen, oder ähnliches. der sprecher und zumal der bekannte Tydeus verhindern das. der nackte Συϱακόσιος ist kaum erträglich. auch hier scheint ein eigenname unterdrückt. diese beobachtung hat mich zuerst darauf gebracht, den zweck der veröffentlichung dieser rede und die möglichkeit ihrer erhaltung zu erwägen. seitdem habe ich den gesammten nachlaſs der redner darauf hin durchzumustern veranlassung gehabt; aber ich möchte meine ge - danken erst ausreifen lassen. das ergebnis ist zu hübsch, als daſs ich es durch voreilige besprechung schädigen möchte.

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10. DIE ΠΑΡΑΓΡΑΦΗ UND LYSIAS GEGEN PANKLEON.

Die rhetorische terminologie unterscheidet als eine grundform der fragstellung, die für die gerichtsrede das erste hauptstück ist, die μετά - ληψις1)R. Volkmann Rhetorik 84., die form - oder competenzfrage, ob das angezogene gesetz auf den rechtsfall paſst, oder der proceſs aus formellen gründen unzulässig ist. in dem ausgebildeten attischen rechte, wie es die demosthenischen reden zeigen, ist dies auch schon fast ganz durchgeführt. der beklagte kann den competenzconflict erheben; dann klagt er wider die klage - schrift, die im falle seines sieges beseitigt ist. es muſs aber angenommen werden, daſs derselbe gerichtshof, bei dem die erste klage erhoben war, auch über die competenzklage zu befinden zuständig ist. uns liegt es zwar nahe, eine besondere gattung von klagen, die παϱαγϱαφικαί, zu sta - tuiren, wie denn die ordner der demosthenischen reden eine gattung von diesen als παϱαγϱαφικοί ausgesondert haben, und gewiſs wären die thesmotheten ihrer ursprünglichen bestimmung nach geeignet ge - wesen, nach den bestehenden gesetzen, die sie doch kennen muſsten, jeden competenzconflict zu entscheiden, nötigenfalls darüber ein beson - deres gericht zu berufen. es ist aber zu einem besonderen processe der παϱαγϱαφή und einem besonderen gerichtshofe nicht gekommen, weil diese feinheit der juristischen distinction erst allmälich vor unsern augen durch die praxis gefunden wird.

Wir erfahren durch Isokrates (18, 2), daſs Archinos2)Archinos gab das treffliche gesetz im interesse der versöhnung: die syko - phanten, einmal zu worte gelassen, hätten ihren ganzen geifer spucken können, wie das Lysias in der rede gegen Philon am unerträglichsten tut, und die richter hätten dann dem der oligarchie bezichtigten κατάβα κατάβα entgegengeschrieen. so ist die praktische politik hier die anregende ursache; aber eine logische fortbildung des rechtlichen gedankens liegt darin, und diese hat weiter gewirkt. ein beson -369III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon.deres gesetz durchbrachte, durch welches eine παϱαγϱαφή mit berufung auf die amnestie in jedem falle zugelassen ward: also war das sonst nicht nötig, sondern stand im belieben des gerichtsherrn; und ferner der ursprünglich angeklagte, der als παϱαγϱαψάμενος kläger geworden war, das erste wort haben sollte: also war das, trotzdem es die logik fordert, noch nicht allgemeiner gebrauch.

Einen beleg hierfür liefert die rede des Lysias wider Pankleon. sie ist in einer παϱαγϱαφή gehalten, wenn auch nicht einmal dieser ter - minus, sondern der allgemeine ἀντιγϱαφή gebraucht wird, und es fällt kein wort über den gegenstand der eigentlichen klage. trotzdem hat der ursprüngliche kläger das erste wort. aber vollständig ist die rede: am schlusse sollen die richter abstimmen, natürlich, ob die klage selbst zulässig sei. wir sehen aber auch das besondere, daſs der redner sorg - fältig die wasseruhr jedesmal zumachen läſst, ehe er einen zeugen auf - ruft, was sonst bei Lysias nicht vorkommt: offenbar hatte er wenig wasser, weil diese vorfrage erst von der eigentlichen abgetrennt wor - den war.

Noch altertümlichere verhältnisse zeigt die rede Antiphons über die ermordung des Herodes. der sprecher, Euxitheos3)Es ist eine schöne entdeckung von Bohlmann, daſs Sopater dem sprecher diesen namen gibt (Walz Rhet. IV 316), eben wo er diese rede als probe der παϱα - γϱαφή benutzt, und daſs dann unsere hypothesis der rede jünger als Sopater ist, macht nichts dagegen aus. daſs die überschriften der reden namen erhalten haben, selbst die so wenig zuverlässigen des Lysias den des Mantitheos 16, oder doch zu Libanius zeit erhalten hatten, ist notorisch. aber etwas ängstlich macht mich, daſs Euxitheos auch als name des sprechers wider Eubulides eben nur von Libanius ge - nannt wird, und sehr mytilenaeisch klingt der name nicht., ist als κακοῦϱγος vor die elf geschleppt und bestreitet auf das nachdrücklichste die zuständig - keit dieser proceſsform; er hebt hervor, obwol er auf die sache selbst tief eingeht, daſs man ihn aus diesem formellen grunde freisprechen sollte, er könnte dann ja immer noch vor den zuständigen richter ge - zogen werden. damals also war die παϱαγϱαφή als besonderes rechts - mittel noch nicht im gebrauch, wenn auch das gericht aus formellen grün - den freisprechen konnte. es leuchtet aber ein, daſs eine verhandlung, wie sie hier vorliegt, die gefahr brachte, daſs die richter trotz allen formellen bedenken materiell entschieden, und wenn Euxitheos hier freikam, ein so starkes praejudiz vorlag, daſs der kläger es schwerlich von neuem vor dem Palladion versucht haben wird. ein fall, wo ein die παϱαγϱαφή begründender einspruch nicht als besondere klage, sondern ebenso wiev. Wilamowitz, Aristoteles. II. 24370III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon.in der Herodesrede innerhalb des hauptprocesses als ein verteidigungs - grund nebenher vorgebracht und widerlegt wird, kommt in der rede des Lysias wider Pankleon gelegentlich vor.

So ergibt sich ein, wie mich dünkt, eben so sicherer wie inter - essanter einblick in die entwickelung des attischen rechtes.

Da die Lysiasrede wenig verstanden und sogar athetirt ist, benutze ich die gelegenheit, sie zu erläutern. das kann mit einer erzählung des handels so kurz geleistet werden, wie die gute rede selbst ist.

Der kläger hatte, wir wissen nicht was für einen, handel mit einem walker Pankleon, der in wahrheit ein weggelaufener sklave eines Pla - taeers war, aber ein geriebener kerl, der es verstand sich in Athen herumzudrücken, bald den Plataeer, also bürger, bald den metoeken spielend, und der auch einen resoluten anhang von gesinnungsgenossen hatte. der kläger kam mit den vom gesetz geforderten ladungszeugen (κλητῆϱες) und verkündete dem Pankleon, daſs er ihn als metoeken vor den polemarchen citire. Pankleon gebrauchte die ausflucht, er wäre Plataeer, also bürger, dem demos Dekeleia zugeschrieben. darauf repli - cirte der kläger so lade ich dich auch vor die demenrichter. er be - hielt sich also die wahl des forums vor; die formalität der ladung war in jedem falle erledigt. sich selbst darüber zu entscheiden, erkundigte er sich bei den Dekeleern. sie kannten den Pankleon nicht als den ihrigen; dagegen fanden sich praecedenzfälle, in denen Pankleon vor dem polemarchen verklagt und verurteilt war.4)Wer da glaubt, daſs die metoeken ohne materielle oder formelle interven - tion eines patrons nicht rechtsfähig gewesen wären, möge gefälligst den patron des Pankleon angeben oder erklären, wieso von dessen existenz oder nichtexistenz kein wort fällt. daſs er mit dem schwindel durchkam und sich οἰκῶν ἐν Δεκελείᾳ (oder wie er gerade log) vor dem polemarchen nennen konnte, liegt daran, daſs die me - toekenprocesse nicht nach phylen verteilt wurden (oben I 249). der polemarch und die kläger hatten die behauptung auf treu und glauben angenommen. die leute, die so dessen metoekenstand beweisen konnten, stellten ihr zeugnis dem kläger zur verfügung. so belangte er also Pankleon vor dem polemarchen; jener hielt jedoch die behauptung, er wäre Plataeer, aufrecht: daher diese vor - verhandlung.

Um für sie material zu suchen, gieng der kläger die in Athen ein - gebürgerter Plataeer an und hörte hier die überraschende tatsache, daſs Pankleon ein entlaufener sclave des Plataeers Nikomedes wäre. es scheint, daſs dieser von seinem verlornen besitze erst jetzt kunde erhielt; jedenfalls benutzte er die gelegenheit, ohne zweifel im einverständnis371III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon.mit dem kläger, für den er als zeuge auftritt5)In den paragraphen 7. 8 wird er nicht genannt. dann werden zeugen auf - gerufen, und es folgt 9 ὑπὸ Νικομήδους ὃς ἐμαϱτύϱησεν αὐτοῦ δεσπότης εἶναι: das heiſst der eben als zeuge aufgetreten ist und beschworen hat, er wäre sein herr. es ist also für die wirklich vor gericht gesprochene rede berechnet. die worte, die man athetiert hat, halten die ganze rede zusammen, und weil sie nicht das leere lemma μάϱτυϱες, sondern die wirkliche zeugenaussage voraussetzen, beweisen sie am besten, daſs es eine wirkliche rede ist., ein par tage später den Pankleon mit berechtigter selbsthilfe als sclaven zu greifen. der kläger war, schwerlich zufällig, zur stelle. aber Pankleon setzte sich mit seinem anhange zur wehre, es kam zu einer prügelei, und schlieſslich giengen die leute auseinander, nachdem sie stipulirt hatten, am folgenden tage wolle Pankleon einen bruder mitbringen6)Wo diese prügeleien stattfanden, ist gleichgültig; man denkt in Athen natürlich an den markt. der wird jetzt genannt in den worten ἐπὶ τούτοις ἐγγυη - σάμενοι παϱέξειν (nämlich den bruder) εἰς ἀγοϱὰν ᾤχοντο ἀπιόντες. neben dem verbum der bewegung wird man ein εἰς ἀγοϱάν nur ungern wo anders hin beziehen, allein das ist nötig: die leute giengen nicht auf den markt, es tut nichts zur sache, wohin sie giengen, sie giengen eben weg, discedebant. also die unbequeme ver - bindung εἰς ἀγοϱὰν παϱέξειν. dabei tut wieder nichts zur sache, wohin der bruder geliefert wird, zumal sonst keinerlei bestimmung da steht. es geht aber weiter, τῇ δ̕ ὑστεϱαίᾳ. dies moment, daſs die verabredung für den nächsten morgen galt, ist wesentlich und ist nirgend ausgesprochen. also halte ich für evident, daſs παϱέξειν εἰς αὔϱιον zu schreiben ist., der ihn, sei es daſs Niko - medes freiwillig zurückträte, sei es durch anstrengung eines formellen vindicationsprocesses, frei machen würde. zu dieser verhandlung er - schien auch, vorsorglich mit zeugen, der kläger. da er keinen hatte, konnte Pankleon keinen bruder mitbringen; er half sich damit, daſs er ein weib vorschob, das dem Nikomedes sein herrenrecht bestritt, weil Pankleon vielmehr ihr gehöre. ein weib kann zwar eigentlich nicht besitzerin sein, aber durch die verhältnisse von erbtöchtern und mitgift war sie es oft genug factisch, und daſs ihr κύϱιος zunächst im hinter - grunde blieb, war für Pankleon höchstens ein schlauer kniff. natürlich verlief die verhandlung wieder resultatlos, die rotte Pankleons brauchte schlieſslich gewalt und befreite ihn. damit war dies intermezzo zu ende.

Es kam nun zu der gerichtlichen verhandlung, die sich auf den einspruch des als metoeken verklagten Pankleon bezog, daſs er Plataeer wäre. der kläger berichtet und beweist durch zeugenaussagen was ich ihm nacherzählt habe. aber er folgert nunmehr nicht was er eigent - lich zu beweisen übernommen hatte, daſs Pankleon metoeke wäre, son - dern was sich ihm wider erwarten ergeben hat, daſs er sclave ist: das24*372III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon.folgert der einzige nicht erzählende sondern raisonnirende paragraph (12) der rede. ziemlich äuſserlich angeflickt kommt noch ein beweismoment nach, das auch sachlich nicht viel besagt. ein gewisser Aristodikos und ein par andere leute bezeugen, daſs Pankleon vor 8 jahren in einem processe, den er mit Aristodikos hatte, schon dieselbe einsprache er - hoben hätte, er dürfte nicht als metoeke belangt werden, da er Plataeer wäre. es war damals aber zu keiner besondern verhandlung über die παϱαγϱαφή gekommen, sondern innerhalb der reden über den eigent - lichen gegenstand der klage hatte Pankleon seine behauptung gemacht, Aristodikos sie durch einen zeugen widerlegt. um nun das urteil zu verhindern, hatte Pankleon vor der abstimmung die klage falschen zeug - nisses wider jenen zeugen erhoben.7)Ueber die modalität der ἐπίσκηψις ψευδομαϱτυϱιῶν ist jetzt klarheit durch Aristoteles col. 37. das urteil wird natürlich trotzdem sofort gefällt, aber nur in eventum. rechtskräftig wird es erst, wenn entweder die (uns wol unbekannte) frist für die einreichung der klage verstrichen ist, oder der ἐπισκηψάμενος in ihr unter - legen. dann muſs auf antrag der obsiegenden partei formell die rechtsgiltigkeit des urteils ausgesprochen sein. das ist hier εἴασε καταδικάσασϑαι αὑτοῦ τὸν Ἀϱι - στόδικον. allein das war nur eine finte ge - wesen, um zeit zu gewinnen. er lieſs die frist verstreichen, die für die angemeldete klage gesetzt war, und so ward er rechtskräftig in der hauptsache verurteilt. statt nun dem Aristodikos zu zahlen, entwich er auf eine weile nach Theben, wo er natürlich nicht als Plataeer sondern unter irgend einer andern fingirten herkunft als metoeke lebte. schlieſs - lich zog er doch vor sich mit Aristodikos zu vergleichen, der froh sein mochte, einen teil seiner forderung zu erhalten, und kehrte nach Athen heim.

Diese ganze geschichte, die höchstens beweist, daſs Pankleon kein Plataeer ist, hat nicht viel auf sich; der kläger hatte wol, ehe er die stärkere position durch Nikomedes erhielt, schon Aristodikos als zeugen gewonnen und mochte ihn nun nicht fallen lassen. der redner findet auch nur mit einer gequälten wendung den übergang zu dem handel des Aristodikos8)13 bewiesen ist, daſs er sich nicht von fern selbst für einen Plataeer hält; nun sollt ihr erkennen, daſs er sich auch nicht einmal getraut, euch zu diesem glauben bestimmen zu können. und bricht kurz ab, mit einem wirkungsvollen das wird genügen; wenn ihr es im gedächtnis behaltet (nicht durch die winkel - züge des nun auftretenden Pankleon verwischen laſst), so werdet ihr nach recht und wahrheit entscheiden; nur darum bitte ich.9)οἶδ̕ ὅτι τά τε δίκαια καὶ τἀληϑῆ ψηφιεῖσϑε· καὶ (καὶ ἃΧ) ἐγὼ ὑμᾶν was373III. 10. Die παϱαγϱαφὴ und Lysias gegen Pankleon.werden sie entscheiden? der herold wird rufen die hohle für den ersten redner, die volle für den zweiten. das bedeutet, wer urteilt, daſs Pankleon kein Plataeer ist, gebe die hohle ab.10)Arist. pag. 37, 14. Aischines 1, 79 darf nicht den eindruck erwecken, als wäre bei dem heroldruf das materielle der klage namhaft gemacht, obwol er sagt, τὸ ἐκ τοῦ νόμου κήϱυγμα τῶν ψήφων τετϱυπημένη, ὅτῳ δοκεῖ πεποϱνεῦσϑαι Τίμαϱχον, δὲ πλήϱης, ὅτῳ μή, denn er fingirt eine abstimmung ohne reden. und wenn er kein Plataeer ist, geht dann der proceſs zu der eigentlichen klage weiter? bewahre. dann nimmt Nikomedes seinen entlaufenen sclaven beim kra - gen und zieht mit ihm ab: hier wird keiner sein, der die vindicatio in libertatem wagt, und im gerichte ist die rotte Pankleons machtlos. der vogel ist im garn: diese stimmung erheitert den redner im voraus. der sclave kann freilich nicht vor dem polemarchen belangt werden; in sofern hat der ganze ursprüngliche rechtshandel keinen zweck mehr; daher kein wort über ihn. aber der in zukunft für seinen sclaven haft - bare Nikomedes ist im einverständnis mit dem kläger, offenbar schon im einverständnis mit ihm gewesen, als er Pankleon greifen wollte. über den alten handel des klägers mit jenem haben sich die beiden längst irgendwie verständigt, und das ist ihre sache. Pankleon der schlaue war diesmal allzuschlau. er wollte sich mit der einspruchsklage um den proceſs drücken: jetzt führt sie dazu, daſs der proceſs freilich hinfällig wird, aber Pankleon seinen personalstand statt zum bürgerrecht hinauf in die sclaverei zurückschraubt. ein hübsches bild aus dem attischen eben und dem attischen gerichtswesen.

9)δέομαι. die überlieferung ist falsch, erstens weil das dritte glied kein gleichstehendes noch ein drittes sein kann, was ich bitte neben wahr und gerecht; zweitens weil dann die rede keinen klangvollen abschluſs hat. was er bittet, ist eben nur die stimmabgabe für gerechtigkeit und wahrheit. mit der bitte, direct ausgesprochen, tritt der redner von der bühne.
9)
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11. LYSIAS WIDER DIE GETREIDEHÄNDLER.

Ich habe nichts besonderes zu sagen, aber ich kann mich nicht enthalten, diese rede zu erläutern, aus der ich mehrfach für Aristoteles facta ausheben muſste. die reden sind wirklich damit nicht erschöpft, daſs man an ihnen die secundanergrammatik übt oder die sophistische rhetorik erläutert.

Die rede ist gehalten 386 in den ersten monaten, während über den Antalkidasfrieden in Sparta verhandelt ward, aber die entscheidung noch nicht gefallen war.1)Die zeit folgt aus 14 in verbindung mit der nunmehr ermittelten chrono - logie der um den frieden gruppirten tatsachen, wie sie z. b. die zeittafel in Iudeichs kleinasiatischen Studien richtig angibt. es stimmt, daſs der winter des letztver - gangenen attischen jahres (Pyrgion: es ist arg, daſs ein historiker Pyrrhon schreibt) πϱότεϱος χειμών ist, 8. übrigens muſs damit von den historikern gerechnet werden, daſs im winter 388 / 7 die teuerung schon da war. der Plutos, der anfang 388 in Athen seinen einzug gehalten hatte, ist durch Agyrrhios und seine leute rasch ver - trieben worden. der rat, der in ihr als kläger auftritt, ist der, welcher jene schmach auf Athen geladen hat, im frühjahr 387 von den demen praesentirt, und der wert, den die rede für die zeitgeschichte hat, liegt darin, daſs wir sehen, wie die teuerung, die dem attischen städter viel mehr als dem bauern, den hohe getreidepreise nicht drücken, empfindlich war, die widerstandskraft gelähmt hat, obwol nach dem sturze des Thrasybulos gerade die radicalen oben auf waren. einer von ihnen begegnet uns hier: sie haben in kürzester frist das staatsschiff zum stranden gebracht.

Der rechtshandel ist folgendermaſsen verlaufen. es gieng beim rate eine denuntiation (ἔνδειξις) wider eine gilde (ein κοινόν) von getreide - händlern ein, dahin gehend, daſs diese gröſsere bestände von korn als375III. 11. Lysias wider die getreidehändler.die vom gesetze erlaubten 50 trachten (φοϱμοί)2)Es ist nicht Boeckhs schuld, wenn ihm gedankenlos nachgeredet wird, daſs der φοϱμός so viel wie ein μέδιμνος wäre. er gibt (Sthh. I 116) seine gründe an, die darauf hinauslaufen, daſs Taylor zu Lysias φοϱμός mit cumera vergleicht, und Acro (auch ein zeuge!) diese auf 5 6 modien berechnet. beweist das etwas? ferner meint Boeckh, ein medimnos könnte wol für eine tracht gelten; 80 90 pfund sind aber wirklich für einen lastträger herzlich wenig. vor allem aber bedeutet φοϱμός eben nicht last, sondern ein instrument zum tragen, speciell einen korb, und Taylors vergleichung schwebt in der luft. damit daſs die Aegypter ein getreidemaſs haben sollen, das ein gewicht von 110 120 pf. repraesentirt (Hultsch Metrolog. 106), ist der Boeckhsche φοϱμός doch nicht gewährleistet. wir kennen das gewicht des φοϱμός nicht; übrigens war es zunächst gar kein gewicht, sondern ein maſs. daſs es nicht gleich μέδιμνος war ist an sich klar, wozu denn sonst ein neues wort? es folgt zudem aus 12, wo κατὰ μέδιμνον im gegensatze zu κατὰ ν΄ φοϱμούς steht. auf einmal gekauft hätten. als die prytanen die sache vor das plenum brachten, fanden sich einige heiſssporne, die das todeswürdige vergehn für manifest hielten und die angeklagten ohne weiteres den elf zur hinrichtung übergeben wollten. es drang aber der antrag eines ratsherrn, aus einer der nicht vorsitzenden phylen, durch, daſs der rat zunächst eine voruntersuchung (κϱίσις3)Κϱίσις selbst steht 3, also ist 2 οὐ δεῖν αὐτοὺς ἀκϱίτους ἀπολωλέναι ganz scharf technisch gesagt.) vornehmen sollte. die verklagten wurden also citirt, und in dieser verhandlung sind die aussagen gefallen, die der redeschreiber, gleich als ob sie in der hauptverhandlung schon gefallen wären, seiner rede einverleiben konnte (5). die verklagten waren der tat geständig, beriefen sich aber auf die autorisation des Anytos, der 388 / 7 σιτοφύλαξ im Peiraieus gewesen war. auch dieser sammt seinen collegen ward vernommen, konnte auch nicht leugnen (weshalb der redner seine künftige aussage vor dem ge - richte kennt), wollte aber mit der anweisung ganz etwas anderes gewollt haben. der rat sprach die κατάγνωσις aus, und nun gieng die ἔνδειξις als κατάγνωσις des rates an die thesmotheten, die ein gericht beriefen; ankläger ist formell der rat4)6 ἡμεῖς ἱμῖν παϱεσχόμεϑα τὸν νόμον. die klageschrift wies also auf 1) den vom rate festgestellten tatbestand, 2) die gesetze, gegen die der angeklagte verstoſsen hatte, 3) das vorurteil des rates. somit hatte der vertreter des rates im wesentlichen nur deshalb zu reden, weil die herren richter die acten nicht gelesen hatten, sachlich konnte die verhandlung nichts neues bringen., tatsächlich der antragsteller, dem auch als solchem bei der vorverhandlung das wort zugefallen war. der denun - tianten geschieht keine erwähnung mehr.

Die kornhändler hatten gegen das gesetz verstoſsen, also waren sie schuldig; aber sie hatten getan, was sie ein groſser volksmann und ihr376III. 11. Lysias wider die getreidehändler.nächster aufsichtsbeamter geheiſsen hatte. es war unrecht, wenn man sie büſsen lieſs, es war ein skandal, wenn man sie allein büſsen lieſs. der redner empfindet das, aber er schlüpft darüber mit der schönen phrase weg, die schuldigen müſsten unter allen umständen bestraft wer - den; übrigens würden sie sich gar nicht mit der berufung auf Anytos weiſsbrennen wollen. das ist eine offenbare unwahrheit; das von ihm selbst angeführte verhör zeigt es. die entschuldigung des Anytos ist dem redner selbst nicht sehr triftig erschienen (10), aber er gibt sie doch des breiteren wieder. sie ist allerdings sehr gewunden und wird erst in verbindung mit einigen späteren aussagen (17) ganz verständlich. das gesetz, welches den kornhändlern ein maximum für ihre einkäufe setzte, war erlassen, um die ansammlung von groſsen massen getreides in einer hand zu verhindern, um die concurrenz zu heben und die weitaussehende speculation zu unterbinden. sind es viele kleine händler, so leben mehr davon, und sie können uns nicht die preise machen, dachten diese national - oekonomen. vielleicht gieng es auch gut in den zeiten, wo überfluſs von zufuhr in den hafen kam. aber wenn nun ein lastschiff langersehnt ankam und den preis fordern konnte, wie ihm die not gestattete, da trieben sich die händler in die höhe, froh zu jedem preise ihre 50 körbe zu erhandeln und sicher dem hungrigen publikum immer noch mehr abfordern zu können. da waren die schwankungen des preises vielleicht das peinlichste, und so sehr man fluchte: der händler, der heute seine 50 körbe gut eingekauft hatte, muſste plötzlich ungemein aufschlagen, weil ihm der importeur, dessen schiff im ἐμπόϱιον lag, die nächsten 50 um so viel teurer machen konnte. da bekamen die nationaloekonomen zu fühlen, daſs nur der capitalkräftige groſshandel den preisen einige stätigkeit geben kann. und es war ganz brav, daſs der alte volksführer Anytos die stelle als σιτοφύλαξ nicht verschmähte, obgleich die volkswut in den schlechten zeiten den posten lebensgefährlich gemacht hatte. es war auch sehr verständig, wenn er den getreidehändlern den rat gab bildet einen ring gegen die importeure (συνίστασϑαι ἐπὶ τοὺς ἐμ - πόϱους 17); treibt euch nicht gegenseitig hinauf; wenn sie ankommen, und ihnen einhellig nur ein und derselbe preis für ihren weizen geboten wird, müssen sie schon zuschlagen: hinaus aus dem hafen darf das ge - treide ja nicht. aber das gesetz der 50 körbe? die sache gieng ja nur, wenn die kornhändler gröſsere lager halten konnten; sie wollten doch auch einen profit und einige sicherheit. da lieſs Anytos das gesetz schlafen, und eine weile ist es gut gegangen: es hat ihn keiner bei der euthyna belästigt. das erzählt er nun allerdings nicht vor dem rate,377III. 11. Lysias wider die getreidehändler.sondern er will ihnen nur in der teuren zeit geraten haben, sich nicht gegenseitig zu überbieten, lediglich um den consumenten billigeres korn zu schaffen: sie hätten ja nur einen obolos am scheffel profitiren sollen5)Δεῖν γὰϱ ὀβολῷ πωλεῖν τιμιώτεϱον. d. h. er sagte ihnen συνωνεῖσϑε μὴ ἀντωνούμενοι ἀλλήλοις· ἐπιτϱέπω ὑμῖν, ἀλλὰ ὀβολῷ μόνον τιμιώτεϱον πωλεῖτε. das kann er wirklich gesagt haben; bei gröſserem umsatz brauchten sie am scheffel weniger profit. er kann es auch jetzt bloſs vorgeben. der obolos kann ein starker ausdruck sein, den niemand wörtlich nehmen darf. ein gesetz aber daraus zu machen, das den geschäftsgewinn in den billigsten zeiten auf 3% setzt und mit dem steigen des wertes der waare immer tiefer sinken läſst, ist an sich sinnlos und hat weder an diesem texte noch sonst irgend welche gewähr. aber nötig ist der zusatz κἂν ὀβολῷ meines erachtens nicht. (8). damit ist die frage noch nicht beantwortet, und höchstens seine tendenz gerechtfertigt daſs sie groſse getreidelager auſspeicherten, hätte er nicht beabsichtigt, sondern lediglich billige getreidepreise (10). das wäre auch ihre intention gewesen, konnten die kläger sagen und sagten sie auch (11), aber dazu muſsten sie sich zusammentun und konnten nicht heute 50 und morgen wieder 50 körbe kaufen. die sache war klar, sollte man meinen, und der rat mitsammt seinem sprecher handeln wider jede gerechtigkeit, wenn sie den thesmotheten nur eine καταχειϱοτονία wider die denuntiirten, nicht wider Anytos übergeben haben. das formelle recht machte ihn vielleicht, als λόγον καὶ εὐϑύνας δεδωκώς, straffrei; doch darauf in - sistirt der redner nicht, sondern er wendet auch das nur wider die ver - klagten. als er Anytos schon aufgerufen hat (9), bringt er noch den gedanken vor er hat im vorjahre mit ihnen verhandelt, das delict ist aber in diesem begangen. 6)Hinter Ἄνυτον μάϱτυϱα παϱέξομαι erwarten wir, daſs auf einen wink der herold den zeugen vorführe, und Fuhr bemerkt, Lysias mache hinter solcher wen - dung keine worte mehr. es geht auch weiter καὶ οὗτος μέν, also Anytos ist jetzt da; es ist eine pause davor. deshalb aber sind doch die folgenden worte wahr - haftig nicht unecht, wer sollte sie denn interpoliren? eine rede ist kein schulaufsatz, sondern auf ὑπόκϱισις berechnet. es ist ein wirksamer gedanke in ihnen, er steht auch an einem wirksamen platze, aber es lag nicht im interesse des redners, auf ihm zu verweilen. so bringt er ihn geschickt, als fiele er ihm jetzt noch ein, in einer kunstpause nach. fasse ich ihn aber so richtig, so kann der satz nicht mit καὶ ὡς οὗτος μὲν εἶπε dem vorhergehenden μάϱτυϱα παϱέξομαι untergeordnet werden; weder soll Anytos bezeugen, daſs das delict erst nach seinem amtsjahre begangen sei, noch kann in dem satze, in dem er ideelles subject ist, οὗτος von ihm gesagt werden. also ist ὡς zu streichen. ich möchte noch ein wort beseitigen, gleich im anfang πολλοί μοι πϱοσεληλύϑασιν ϑαυμάζοντες ὅτε κατηγόϱουν, [καὶ] λέγοντες ὅτι κτἑ. die copula ist falsch, ἐϑαύμαζον γὰϱ λέγοντες ὅτι.

Wenn denn aber die maſsregel wirklich höchstens den preis ge -378III. 11. Lysias wider die getreidehändler.drückt hatte, woher der ingrimm wider die getreidehändler? das kommt hinterher heraus. den importeuren war die sache natürlich äuſserst un - erwünscht, denn wenn ihnen eine geschlossene und capitalkräftige gilde athenischer (d. h. ortsanwesender) getreidehändler gegenübertrat, der staat aber ihre frachten festhielt, sobald sie im Peiraieus lagen, so machten sie nicht mehr den preis; sie waren aber eine längst bevorrechtete gilde und waren gewohnt zwar mit groſsem risico, aber mit ganz unverhält - nismäſsigem gewinne zu arbeiten. Athens gesetzgebung zeigt, wie zart man sie behandelte; die zeit der teuerung 330 27 zeigt, welche macht sie hatten. wenn Athen politisch mächtig war, sicherte es sich die freie verbindung mit dem Pontos und, so gut es gieng, mit den andern korn - ländern. dann wohnten genug groſshändler und kleinhändler im Pei - raieus, und die preise waren entweder nicht hoch, oder das volk war doch kaufkräftig genug, sie zu zahlen. dann sind die ἔμποϱοι keine macht. aber jetzt war die zufuhr bedroht, und der frieden, der in sicht war, gab die eroberungen des Thrasybulos preis. da galt es mit den importeuren gut zu stehn, und ihnen opferte man zwar nicht den Anytos, aber wol die kleinen getreidehändler, μέτοικοι ἄνϑϱωποι (was jene auch waren) und κάπηλοι (was diese nicht waren, wenn man sie gewähren lieſs, wie Anytos). diesem interesse dient der sprecher, und für die groſshändler hat Lysias diese rede geschrieben.

Die rede wollen wir nun betrachten, das sophistenwerk, das nicht als ein schaustück von πάϑος und ἦϑος, um der δεινότης oder χάϱις willen geschrieben oder publicirt ist, sondern um den proceſs zu ge - winnen und dann um politische stimmung zu machen. der verfasser liefert nur für gutes geld seine feder; die ihn bezahlten, hatten es: er ist ein mensch ohne jede persönliche gesinnung. darum kann er hinter dem sprecher verschwinden. dieser empfindet, daſs die denuntiation, zu deren wortführer er sich gemacht hat, etwas gehässiges hat, deshalb tut er so, als wäre er der vertreter des stricten rechtes, spreche es nun für die angeklagten oder gegen sie. das hatte er bei der vorverhandlung bewiesen, als er wider den antrag auf kurzen proceſs sprach, und bei der κϱίσις, wo man ihn, den angeblich für die angeschuldigten inter - essirten, allein auftreten sah. hoffentlich ist das erste aufrichtiger ge - meint als das zweite, denn wenn er den antrag auf eine κϱίσις gestellt hatte, so war es einfach seine sache, sie in die hand zu nehmen, wie er sie jetzt führt. dann recapitulirt er die beweisaufnahme, brüsk gegen den metoeken; aber Anytos wird mit sammtpfötchen angefaſst, wie wir ge - sehen haben. und mit groſser schlauheit wird dann die rede auf das volks -379III. 11. Lysias wider die getreidehändler.freundliche gebiet hinübergespielt, und sogleich werden die herren richter an die teuerung erinnert, bei der der preis oft an einem tage um mehr als eine drachme wechselte: als ob das nicht gerade Anytos hätte ver - meiden wollen.7)Es kann keine rede davon sein, daſs der redner für die preisschwankungen wirklich zeugen vorgeführt hätte: dann würde er auf der zeit, wo sie vorkamen, haben insistiren müssen, denn davon hieng alles ab. überliefert ist aber auch nichts als καὶ τούτων ὑμᾶς μάϱτυϱας παϱέχομαι, was Markland nicht wissen konnte und trotz Bekker bezweifelt und verworfen ist. Fuhr vermisst ὑμᾶς αὐτούς, weil es so 12, 74 steht. schwerlich ist das genügend, und dann wäre der zusatz immer noch besser als die klärlich auf einem irrtum beruhenden conjecturen. eine sichere athe - tese hat mir Kaibel mitgeteilt, 5 πλείω σῖτον συμπϱιάσϑαι [πεντήκοντα φοϱμῶν] ὧν νόμος ἀπαγοϱεύει, aus 6 eingesetzt. 18 ist mit Frohberger zu schreiben πολλῶν ἤδη ἐχόντων ταύτην τὴν αἰτίαν ἀλλ̕ ἀμφισβητούντων καὶ μάϱτυϱας παϱεχομένων, obwol ἀλλ̕ ἀμφισβητούτων für λαμβάνειν überkühn scheint: der sinn ist unzweifelhaft und von vielen anerkannt, die worte liefert das gesetz über die ἕνδεκα (Ar. 52, 1), das der redner in dieser ganzen partie im sinne hat. und nun geht es in dem breiten bette der gemeinen aufwiegelung des volkes wider die kornwucherer, von denen jeder von selbst schon weiſs, daſs sie den strang verdienen, bis zu dem gemeinen schlusse schlagt sie tot, dann wird das brot billiger. das ist häſslich: aber ganz ekelhaft wird es, wenn hinter dieser sorte volksfreundlichkeit die rücksicht auf die groſskaufleute hervortritt. was werden die sagen, wenn ihr diese hier freilaſst, die gegen sie sich zusammengetan haben. ihnen tut ihr mit der verurteilung einen gefallen.

Ob die armen teufel haben bluten müssen, wissen wir nicht. aber den Athenern ist es ergangen, wie es ein volk verdient, das solche politik macht und solche redner unter sich aufkommen läſst, wie diesen Lysias. das heiſst, gut ist die rede; sein honorar hat der advocat verdient. mehr wollte er nicht: höher dürfen wir ihn aber auch nicht taxiren.

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12. ISOKRATES PANEGYRIKOS 100 114.

Zeit der rede.Ein panegyrikos ist für eine panegyris bestimmt: das liegt im namen. Isokrates wollte den seinen freilich nicht selbst halten, aber er tat doch so, und das buch sollte zu dem feste erscheinen, und der jahr - markt gab die beste gelegenheit es unter die leute zu bringen. also haben wir, wie für eine tragoedie ein Dionysosfest, so für einen pane - gyrikos eine panegyris zu suchen, wenn wir ihn datiren wollen. mit einer so einfachen überlegung ist die schönste rede des Isokrates auf die hundertste olympiade, spätsommer 380, festgelegt. denn daſs die olympische panegyris gemeint ist, folgt daraus notwendig, daſs diese rede auf die olympischen reden des Gorgias und Lysias bezug nimmt, zu ihnen in concurrenz tritt und sie überwindet. selbstverständlich ist ein buch, das im august erscheinen soll, etliche monate vorher im manu - script abgeschlossen, und ein mühsam arbeitender schriftsteller wird ganze partien schon viel früher angelegt und ausgeführt haben, wenn auch bei der schluſsredaction alles eine gemeinsame politur erhielt. es ist selbst bei den rasch gearbeiteten komoedien gut, solche notwendigen umstände nicht zu vergessen, wenn man die einzelnen anspielungen mit dem tage der aufführung zusammenhält: wie viel mehr gilt es hier. die beabsichtigte wirkung ist dabei natürlich doch eine einheitliche, und 380, auf der höhe seiner kraft, konnte Isokrates auch die uneben - heiten ausgleichen, die er als greis ruhig stehn lieſs, als er mit der rede nicht fertig wurde, die zu den panathenaeen 342 erscheinen sollte; damals haspelte er den faden immer weiter; 338 mag die rede, wie sie ist, auch ausgegeben sein, aber da war gerade so ungeheures teils ge - schehen, teils im werke, daſs sie am feste post festum kam. 1)Der Panathenaikos, der von den verwickelungen von 338 noch gar keine spur zeigt, ist besonders belehrend: sollen wir etwa glauben, er wäre für die kleinen panathenaeen 339 bestimmt gewesen? der steinalte mann schreibt da gewisser -

381Zeit der rede.

Der Panegyrikos ist publicistisch ein werk allerersten ranges. so hat ihn seine zeit geschätzt, und wer in ihm nichts als die melodischen perioden hört, verdient den vorwurf nichts als ein rhetor zu sein (und kaum ein so melodischer) viel mehr als der verfasser. ohne diese bearbeitung der öffentlichen meinung wäre die stiftung des zweiten seebundes schlechthin undenkbar gewesen. darum ist das an sich un - erfreuliche politische leben des vierten jahrhunderts so überaus belehrend, auch für das politische urteil über moderne dinge, weil sich in ächt - hellenischer weise die ganze zerfahrene unschöne vielgeschäftige mache eines groſsen preſsmanövers in einer rede, in einem kunstwerke con - densirt. aber weil das kunstwerk in seiner geschlossenheit und seiner αὐτάϱκεια vor uns steht, läuft man so leicht gefahr zu vergessen, daſs erst die einsicht in die gesammte politische situation das preſserzeugnis wirklich verständlich macht, wozu einige kenntnisse, einige phantasie und auch einige politische einsicht nötig ist. so lange uns die steine noch nicht ermöglicht hatten, die plane und die erfolge des Thrasybulos in den alten reichsstädten zu erkennen, und die beziehungen Athens zu Chios im dunkel lagen2)Die urkunden lassen keinen zweifel daran, daſs Chios gerade wie 412 gegen, so 395 und 385 für Athen das schwerste gewicht in die wagschale gelegt hat, und 440, im samischen kriege, ist es vermutlich nicht anders gewesen. so wird die beurteilung des Isokrates gerechtfertigt, die er in sehr bedeutsamer weise 139 ab - gibt der Perserkönig hat allerdings durch seinen anschluſs an eine der beiden hellenischen groſsmächte dieser das übergewicht gegeben; aber er ist deshalb noch lange kein an sich furchtbarer gegner, da man genau dasselbe auch von einem kleinstaat (μικϱὰ δύναμις) wie Chios sagen kann. wie darin eine schmeichelei für Chios liegen soll, die gar ein angeblich zur zeit gespanntes verhältnis ins gleiche bringen sollte (Iudeich 265), ist unerfindlich, viel eher kann man darin die zurück - weisung von ansprüchen auf gleichberechtigung sehen. aber es ist ja nur die wahr - heit; Isokrates kannte diese verhältnisse gut, da er in Chios selbst gelebt hatte, was ich nicht bezweifele. es ist dies der paragraph, der das wort ἐπικυδής mit Xenoph. Hell. V 2, 36 gemein hat: weiter nichts, und das kann wirklich nichts be - weisen. ich bekenne, daſs ich mich früher durch die autorität Nitsches habe be - stimmen lassen, auf den anklang etwas zu geben., fehlten die nötigen kenntnisse. so lange der moderne beurteiler den horizont der schulstube oder des hörsaals oder eines in patriarchalischer bevormundung still lebenden gemeinwesens von sich auf den redner übertrug, fehlte die möglichkeit des politischen1)maſsen die geschichte seines buches mit dem buche zugleich. die anstöſse, die Iudeich (kleinas. stud. 137) an der herkömmlichen datirung des Panegyrikos nimmt, erledigen sich so von selbst. die kyprischen dinge aber sind mir noch nicht klar geworden.382III. 12. Isokrates Panegyrikos 100 114.urteils. es ist dieselbe ehedem notwendige jetzt nicht mehr existenz - berechtigte enge des horizonts, die für Demosthenes in einer abstracten moralischen bewunderung erstarb, in Isokrates aber nur den schönredner sah. der advocat und parlamentarier wird moralisch verlieren, der publicist an bedeutung gewinnen: dagegen der rednergröſse beider wird kein abbruch getan, wenn wir die menschen menschlich, die Hellenen hellenisch sehen.

Veran - lassung der rede.Thrasybulos von Steiria hatte es 390 versucht, das Reich zu er - neuern, mit unzulänglichen mitteln und in demselben braven aber be - schränkten glauben, daſs in der demokratischen reichspolitik des fünften jahrhunderts das alleinige heil läge, in dem er seiner meinung nach das vaterland 403 gerettet hatte. und wirklich machte es einen ge - waltigen eindruck, als endlich einmal wieder eine athenische flotte in den gewässern erschien, die sie einst beherrscht hatte. aber wenn Thrasybulos an die zeiten vor 412 anknüpfte, so beschwor er damit selbst die coalition zwischen Persien und Sparta herauf, und ein wirklicher staatsmann hätte für diesen fall gerüstet sein müssen; sein plötzlicher tod vor dem feinde war für Thrasybulos ein glück. zu hause hatte man sich den ausschweifendsten hoffnungen hingegeben, und 388 führte Aristophanes, der alt und ehrbar geworden war3)Er hat es sogar bis zum ratsherrn gebracht, denn ich sehe nicht ab, warum wir einen gleichnamigen verwandten in dem prytanen Ἀϱιστοφάνης Κυδαϑηναιεύς sehen sollen, CIA II 865. die überlieferung des steines läſst allerdings kein sicheres urteil über sein alter zu., einen alten schwank wieder auf, der die wiederkehr des Reichtums sehr verfrüht feierte. wenn der gott Plutos gekommen wäre und hätte nur dies aristophanische gesindel in Athen gefunden, das an den eigenen geldbeutel und nicht an den schatz der burg denkt, so würde er es nicht lange auf erden ausgehalten haben. aber er kam nicht. an den Olympien desselben jahres erlaubte sich der sophist Lysias die törichte demonstration, den seit jahren einander bekriegenden Hellenen eine gemeinsame intervention zu gunsten der befreiung Siciliens von dem joche des Dionysios vor - zuschlagen, des mannes, ohne dessen energie Sicilien längst karthagisch gewesen wäre. Lysias war syrakusanischer herkunft und seit 403, so weit die advocatur ihn nicht bestimmte andere töne anzuschlagen, mit der radicalen partei in Athen eng verbunden, ohne doch je eine per - sönliche geltung zu gewinnen. in wie weit er mit dieser rede be - stellte arbeit lieferte, mag dahinstehn: Dionysios hatte jedenfalls das recht, die leitende radicale partei Athens für diese tactlosigkeit ver -383Veranlassung der rede.antwortlich zu machen und sich zu den feinden Athens freundlich zu stellen. damit ward der zusammenbruch der stolzen hoffnungen vollends unvermeidlich, und es war noch das gescheidteste, daſs Athen gute miene machte und den königsfrieden freiwillig annahm (anfang 386). der verlust war materiell ohne zweifel durch den endlich erreichten frieden aufgewogen; aber moralisch muſste er unersetzlich erscheinen, denn nur Athen bekam die schmach auf sein schuldconto, daſs Asien dem könige ausgeliefert ward, die inseln aber geradezu ins leere fielen: wenn keine flotte im aegeischen meere herrscht, gehört es den piraten. 4)Isokr. 4, 115 καταποντισταὶ τὴν ϑάλατταν κατέχουσι. mit dem seeraub pflegen die historiker zu wenig zu rechnen. er verschwindet von selbst, sobald eine vormacht da ist, die eine flotte hat. das prestige von Rhodos im 2 jahrhundert beruht wesentlich auf diesem schutze des meeres, und es ist die schmach der - mischen oligarchie, daſs sie Rhodos die macht nimmt dem seeraube der Kreter und Kilikier zu steuern. von der verwüstung durch die piraten in dem jahrhundert zwischen L. Paullus und Pompeius haben die Kykladen sich bis auf den heutigen tag nicht erholt.Sparta mochte den Persern in dem verzichte auf Asien eine wertvolle concession zu machen scheinen: die Ionier wuſsten es besser, daſs die plane des Lysandros und Agesilaos begraben waren, schon als dieser Asien räumte, und sein unfähiger schwager Peisandros sich von Konon schlagen lieſs.5)Agesilaos hat sich mit viel höherem getragen, als sein leben gehalten hat, natürlich nicht mit nationalen, aber wol mit groſsen planen persönlichen ehrgeizes. und selbst als er den ephoren folgsam aus Asien umkehrte, hat er nicht auf sie ver - zichtet. das beweist das aufgebot der Ionier, das er auf dem landmarsche mitnahm. erst der schlag von Knidos und der wertlose waffenerfolg von Koroneia bricht ihn: er entläſst die Ionier und ist seitdem nichts als der oberszlachtize in Sparta. fast ist es, als hätte die wunde von Koroneia sein ἡγεμονικόν getroffen. in Hellas selbst aber erhielt Sparta freie hand, und es scheute sich nicht, von dieser freiheit jeden gebrauch zu machen. da von dem alten Spartiatenadel nur noch eine tyrannische oligarchie übrig war, und Agesilaos sich jetzt darein gefunden hatte, mit dieser oligarchie gemeinsam scrupellos jede gebotene chance auszunutzen, ohne höhere ziele zu verfolgen, so trieb man das spiel der persönlichen willkür schamloser und ideenloser als je, ohne daſs man auf mehr als localen widerstand stieſs, der leicht beseitigt werden konnte.

In Athen war unmittelbar naeh dem frieden eine völlige verwirrung, da es an führenden männern völlig gebrach, niemand den frieden als grundlage der zukunft ehrlich vertreten mochte, aber noch weniger jemand ihn zu brechen raten durfte. und doch war eben in den Hellenen, die der friede preisgab, eine von den eigenen lebensinteressen384III. 12. Isokrates Panegyrikos 100 114.auf Athen hingewiesene partei gegeben. wo anders konnten die armen Nesioten den rückhalt finden, dessen sie bedurften? wie sollten die Ionier ohne den handel Athens existiren, zumal Korinth, von dem wir nur zu wenig hören, durch den krieg vor den mauern und den bürger - zwist drinnen wirtschaftlich am meisten gelitten haben muſste. lediglich die handelsinteressen zwangen die städte, die sich zum teil schon an Konon, zum teil an Thrasybulos angeschlossen hatten, trotz dem königs - frieden mit Athen verträge zu schlieſsen oder doch die mit Thrasybulos geschlossenen nach maſsgabe des königsfriedens neu zu redigiren. es war für Athen in der tat die einzige rettung, wenn es, zunächst in der form den königsfrieden wahrend, die fäden der thrasybulischen politik vorsichtig aufnahm und die alten Reichsstädte möglichst eng sich ver - band, gleichzeitig aber in Hellas vorsichtig abwartend Sparta gewähren lieſs, damit dessen übergriffe negativ für eine neue constellation der mächte stimmung machten. dazu war zweierlei notwendig, erstens eine reorganisation der eigenen flotte, die ohne eine eröffnung neuer steuerquellen unmöglich war; zweitens eine rückeroberung der allge - meinen sympathien, die der königsfriede verscherzt hatte. und einen schatz besaſs Athen immer noch, der in Susa und Sparta nicht nur fehlte, sondern mit keinen mitteln beschafft werden konnte: seine litte - ratur. nicht umsonst durfte es die capitale der geistigen bildung sein: seine litteratur muſste die öffentliche meinung gewinnen. diese aufgabe ist dem Isokrates zugefallen, ihr dient der Panegyrikos, und er hat die aufgabe glänzend gelöst: zwei jahre später kann der zweite seebund ge - stiftet werden, wird flotte und steuerwesen reorganisirt. das wort ist hier der tat vorangeeilt; man kann auch nicht sagen, daſs Isokrates die ideen eines bestimmten staatsmannes verarbeite; das tut er auch in den reden nicht, die er in den krisen nach dem bundesgenossenkriege und dem philokratischen frieden schreibt: er hat die empfindung des publi - cisten für den kommenden wind, mit dem das staatsschiff fahren will. das ist viel weniger, als er sich selbst zutraute, denn er wähnte, dem schiffe den curs zu geben. aber es ist doch ungleich mehr als ein bloſser schönschreiber will oder kann.

Ich hätte das alles nicht gerade nötig gehabt zu sagen; aber es verdiente gesagt zu werden. wir haben es also mit einer politischen gelegenheits - schrift zu tun, die für Athens seeherrschaft, in welcher form auch immer, wirken will. die breite schilderung der freiheitskriege von 480 und die entfesselung des veralteten hasses gegen die barbaren ist allerdings zu gutem teile phrase; die tatsachen der geschichte seit 412 stehen damit385Verteidigung der reichspolitik.im grellsten widerspruch. aber die phrase maskirt sehr gut die gegner - schaft zu Sparta, die in Olympia nicht offen hervortreten durfte, übrigens in sehr wirkungsvollen partien gleichsam wider willen des redners hervor - leuchtet (122 32). dann aber lockte der ungleich berühmtere Epitaphios des Gorgias den redner noch mehr zur concurrenz als der Olympiakos, an den es zunächst anknüpfte, und für die wirkung der rede als rhetorisches kunstwerk, das man zum genusse lesen könnte, hat der panegyrische teil das meiste getan. an ihn schlieſst sich unmittelbar die partie, die ich erklären will, die verteidigung der athenischen Reichspolitik. denselben gegenstand hat Isokrates im Panathenaikos (62 73) behandelt, zwar im anschluſs an seine berühmte schrift, aber doch so, daſs er nicht nur deren verständnis sichert, sondern auch einige ergänzungen gibt.

Er beginnt mit der behauptung gewisser ankläger, daſs die see -Vertei - digung der reichs - politik. herrschaft Athens den Hellenen viel leid zugefügt hätte, wofür zum belege die vernichtung der Melier und Skionaeer angeführt wird. der Panathenaikos fügt diesen noch die Toronaeer zu und nennt auſserdem den gerichtszwang und die tribute. die widerlegung führt zuerst kurz ins feld, daſs die so hart behandelten staaten im kriege mit Athen ge - standen hätten (was von Melos in wahrheit nicht gilt), und erklärt dann, daſs sich eine so groſse herrschaft ohne harte maſsregeln erfahrungs - mäſsig nicht aufrechthalten lieſse. er stellt als kriterium für die qualität einer herrschaft das befinden der untertanen auf, dies aber in einer weise, die eine parallele herausfordert; und in der tat kann nur eine vergleichung einen solchen beweis wirksam machen. diese folgt jedoch nicht, sondern es wird die wirtschaftliche blüte der städte unter Athen lebhaft geschildert, und die herrschaft als eine durchaus die formen des bundesstaates wahrende bezeichnet, weil der vorort jedem einzelnen staate sein selbständiges leben gelassen und nur für die durchführung derselben verfassung gesorgt hätte, eben aus der volksfreundlichen rück - sicht, daſs jeder bürger auch seine angeborenen rechte ausüben sollte, statt durch die gewaltherrschaft einer minderzahl in den metökenstand hinabgestoſsen zu werden.6)Das ist mit feinem politischen urteil gesagt, τοὺς μὲν τυϱαννεῖν, τοὺς δὲ μετοικεῖν καὶ φύσει πολίτας ὄντας νόμῳ τῆς πολιτείας ἀποστεϱεῖσϑαι, denn darin liegt was Aristoteles im eingange des dritten buches der Politik behandelt, wo er den begriff bürger zu definiren sucht: ἔστι γάϱ τις ὃς ἐν δημοκϱατίᾳ πολίτης ὢν ἐν ὀλιγαϱχίᾳ πολλάκις οὔκ ἐστι πολίτης (1275a 2), und ὥσπεϱ μέτοικος τῶν τιμῶν μὴ μετέχων (1277a 38). wenn es nur gienge, würden wir wol zu hören bekommen, daſs Isokrates aristotelische gedanken gestohlen hätte; vielleicht findet sich ein ver - ein siebzigjähriger friede (rund gerechnet,v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 25386III. 12. Isokrates Panegyrikos 100 114.eigentlich 478 412) wäre denn auch das ergebnis gewesen, und dem gegenüber dürfte man nicht auf die kleruchien schelten. die wären viel eher als garnisonen in verödete städte geschickt, und Skione sogar den Plataeern abgegeben7)Das trifft auf die genannten orte und noch ein par, wie Histiaia Poteidaia Aegina zu, aber auf die mehrzahl nicht, Chersones Naxos Andros Eretria Lesbos: diese haben offenbar nicht so viel böses blut gemacht.: denn daſs Athen nicht auf annexionen aus ge - wesen wäre, sähe man an der verschonung Euboias; andere Hellenen dankten vielmehr ihren ruhm und ihr bequemes leben der vernichtung ihrer nachbarn. wohin dies letzte zielt, würde klar sein, auch wenn nicht der Panathenaikos breit und offen den vorwurf der annexion Messeniens wider Sparta erhöbe (66). der vorwurf der kleruchien ist in sehr geschickter weise in die eigene argumentation verwoben, so daſs die eintönige widerlegung der einzelnen punkte vermieden ist. aber wir warten noch auf die vergleichung einer anderen herrschaft. sie kommt formell nicht, sondern der angriff richtet sich nun persönlich gegen die ankläger Athens. angesichts dieser tatsachen haben leute die stirn uns anzuklagen, die selbst in den zehnerschaften gewesen sind und ihre eignen vaterstädte schmählich mishandelt haben. die leute behaupten lakonische gesinnung zu haben, aber ihre handlungen stehn damit in widerspruch. und nun wird ein schwall von beschuldigungen diesen ungenannten anklägern ins gesicht geworfen, die allerdings zumeist von der art sind, wie sie sich tyrannen und oligarchen immer gefallen lassen müssen, also auch die Dreiſsig von Athen. individuell sind zwei züge: sie haben einem einzelnen heloten wie sclaven gehorcht, damit er ihr eigenes vaterland unterjoche und sie haben in drei monaten mehr bürger ohne gericht getötet, als Athen während der ganzen zeit seiner herrschaft vor sein gericht gezogen hat. diese letzte antithese hat dem redner so gefallen, daſs er sie im Panathenaikos wiederholt (66), doch so, daſs die Lakedaimonier statt der unbestimmten übeltäter genannt werden. bei wege wird übrigens auch hier der gerichtszwang der bündner als anklagepunkt gestreift, der in der jüngeren rede breiter behandelt und gleich an den eingang dieser partie gerückt steht.

Man braucht sich’s nur zu überlegen, um zu sehen, daſs hier in wahrheit die erwartete parallele steht, eine andere herrschaft über die - selben städte, die allerdings geeignet war, selbst die regierungsweise6)treter der umgekehrten meinung, weil sie um der zeit willen möglich ist. in wahr - heit hat das politische leben und die gedankenarbeit der sophistenzeit beiden vor - gearbeitet, einen urheber des gedankens auch nur zu suchen ist ein müssiges spiel.387Verteidigung der reichspolitik.Kleons als milde und menschlich erscheinen zu lassen, die herrschaft der reaction unter den spartanischen harmosten und den oligarchischen dekarchien von 405 395. was man so findet, sagt der Panathenaikos mit klaren worten. aber so frei durfte die panhellenische rede 380 nicht mit der sprache herausgehn, deshalb erfahren bestimmt gemeinte und den hörern kenntliche aber ungenannte ankläger Athens all die eigentlich den Spartanern zugedachten angriffe, und es wird sogar mit einer feinen wendung zwischen den guten Lakonen und den bösen lakonisten unterschieden. daſs in der tat die zeit vom fall des Reiches bis zum königsfrieden hier geschildert werden soll, bestätigt sich in dem nächsten abschnitt, denn § 115 setzt unmittelbar so ein: auch der königsfriede mit seiner auf dem papier garantirten autonomie verdient vor unserer herrschaft nicht den vorzug. dazwischen steht, scheinbar als ein verlorner gedanke was jene getan haben, sind dinge die absolut nicht wieder gut zu machen sind: unsere härten hätte ein volks - beschluſs auszugleichen genügt. Isokrates schreibt mit einer weithin reichenden und ins einzelne verfolgbaren disposition; auch hier hält und stützt sich alles gegenseitig, nur dieser gedanke, den er selbst als einen allgemeinen (τοσοῦτον εἰπεῖν ἔχω καϑ̕ ἁπάντων), einen capitalsatz, ein κεφάλαιον8)Καϑ̕ ἁπάντων εἰπεῖν sagt er hier, 114. κεφάλαιον τῶν εἰϱημένων steht am schlusse des Nikokles 62. dort ist es die zur gnome condensirte paraenese, hier das politische schlagwort. das muſste sich ein volksredner freilich erst noch etwas ummodeln, aber ἓν ψήφισμα πάντα τἀγκλήματα διαλύσεται war doch eine gute antwort auf alle bündnerischen bedenklichkeiten. bezeichnet und an den schluſs stellt, fällt scheinbar heraus. das heiſst, er muſs eine besondere bedeutung haben. wahrlich nicht als geschichtliche wahrheit; denn die erschlagnen Melier machte kein psephisma lebendig noch die verkauften frei: so angesehen ist es eine törichte phrase. das hört sie auf zu sein, wenn wir sehen, wie ein psephisma, das des Aristoteles, wirklich alle die beschwerden, die man gegen die Reichsverfassung erhoben hatte, beseitigt: die autonomie in justiz und verwaltung wird zugestanden, die kleruchien und besatzungen werden verboten, die tribute, die nicht hier, aber im Panathenaikos be - rührt werden, als solche auch ausgeschlossen. gerade hier sieht man am deutlichsten, daſs Isokrates die tendenzen sehr wol kennt, die zwei jahre später den neuen bund begründeten, der allen befürchtungen der alten untertanen rechnung trug. auch der haſs gegen Sparta, der hier mehr oder minder versteckt ist, steht in der bundesurkunde offen aus - gesprochen: der publicist hatte die öffentliche meinung gut bearbeitet.

25*388III. 12. Isokrates Panegyrikos 100 114.

Der gegner des Isokrates.Nun zu den verkleinerern Athens, gegen die Isokrates streitet. es ist eine bestimmte person, oder vielmehr eine schrift eines mannes, den die hörer erraten sollen, wenn sie ihn noch nicht kennen. der mann hat den Athenern den vorwurf gemacht, daſs ihr Reich den bündnern zum verderben gereicht habe, wegen der gewaltsamen executionen (Skione Torone Melos), der kleruchien, der tribute, des gerichtszwanges, und (so können wir aus der verteidigung schlieſsen, obwol die anklage nicht geradezu wiedergegeben wird) wegen der durchführung der demokratie in den stadtverfassungen. natürlich war die lage der bündner als sclaverei bezeichnet: so redet ja Thukydides sogar aus eigener person (z. b. I 98). dem gegenüber pries der oligarch die Spartiaten als freiheitsbringer und bekannte sich zu ihrer partei. geschrieben kann das vielleicht schon während der letzten agonie des Reiches sein; nach unten begrenzt es die schlacht bei Knidos. aber da die begeisterung für Sparta noch so groſs ist, muſs man auf eine möglichst geringe bekanntschaft mit seinen harmosten schlieſsen. für den mann, der dies geschrieben hatte, sind die anhaltspunkte: er nannte sich einen lakonisten, hatte zu den deka - darchen in seiner vaterstadt gehört, unter einem lakonischen harmosten, der niederen standes war, so daſs ihn Isokrates einen heloten nennen durfte, und war in dieser stellung mitschuldig an einer ungeheuren menge von freveln geworden, ja selbst die frist dieser untaten wird auf drei monate genau angegeben. dieser letzte zug ist indessen nicht ganz sicher, denn es ist eigentlich absurd, in jener einen stadt mehr blut - urteile gesprochen zu glauben als bündnerprocesse in Athen während siebzig jahren geführt sind. diese vergleichung paſst nur, wenn man, wie der Panathenaikos, die ganze reactionszeit der lakonischen herrschaft, zehn jahre den siebzig, gegenüberstellt. aber die drei monate zwingen uns dazu, dem Isokrates eine solche vermischung zuzutrauen. die drei monate sind den wenigen monaten sehr ähnlich, innerhalb deren nach Aristoteles (35, 4) die Dreiſsig 1500 bürger widerrechtlich getötet haben. dieselbe zahl hat auch Isokrates (20, 11. 7, 67); es war offenbar ein sofort formulirter vorwurf.9)Das interessante scholion zu Aischin. 1, 29 über die Dreiſsig stellt neben diese zahl 2500 aus Lysias, der natürlich den mund voller nahm. und doch ist diese zahl für die antithese des Panegyrikos zu niedrig, und die zahl der monate stimmt nur, weil sie nicht genau genommen zu werden braucht. Isokrates kann also von dem vorwurfe nicht frei gesprochen werden, daſs er die person, die er angreift, von der ganzen lakonistenpartei, die er eigentlich meint,389Der gegner des Isokrates.nicht scharf gesondert hat. er schlieſst sogar in einzelnen wendungen die Athener mit ein, indem er in der ersten person des pluralis redet. die hatten zwar schwer genug unter der reaction, eben durch die Dreiſsig, zu leiden gehabt, aber der angegriffene schriftsteller war kein Athener, sinte - mal in Athen kein helot, sondern der Spartiate Kallibios harmost gewesen ist, übrigens den Dreiſsig gegenüber alles andere eher als ihr herr, und die tyrannen dreiſsig und nicht zehn gewesen sind.10)Nach dem sturze der Dreiſsig, als Kritias und Charikles tot waren, sind zwar zwei zehnercollegien eingesetzt, aber damals war das schlimmste schon ge - schehen, und es hat die spätere zeit die zehn stets über die dreiſsig vergessen, nicht umgekehrt. und wenn auch das alles nicht da stünde: diese kritik des Reiches ist ausschlieſslich vom standpunkte der untertanen aus geschrieben, denen ein Athener, und wenn er auch noch so oligarchisch war, nie nachempfinden konnte. die meisten oligarchen von 411 gaben das reich mit nichten auf, die Dreiſsig fanden es schon zertrümmert: ihr haſs galt dem κατάϱατος δῆμος zu hause.

Was wir also ermittelt haben, ist eine politische schmähschrift gegen Athen für Sparta, etwa um 404 verfaſst von einem oligarchischen Ionier (im weiteren sinne des namens) aus einer ehemals unterworfenen stadt (also nicht aus Chios; an Samos ist so wie so nicht zu denken), der in eben dieser unter einem lakonischen harmosten eine blutige herr - schaft geübt hat. der mann und die schrift waren dem publicum sehr bekannt, für das Isokrates 380 schrieb, und die vorverhandlungen, die zu der stiftung des neuen seebundes führten, haben sehr bedeutende rücksicht auf ihn genommen. ich kann ihn nicht benennen und wüſste nicht, wie ich ihn suchen sollte, halte aber nicht für ausgeschlossen, daſs jemand ihn finden kann, weil der anhaltspunkte nicht wenige sind. daſs die ionische publicistik in den zeiten der entscheidenden kämpfe solche flugschriften hat erzeugen müssen, ist von vorn herein nach dem stande des litterarischen lebens glaublich; aber diese schrift hat doch die hohe bedeutung, daſs sie die anschuldigungen der bundesstädte in erschöpfender weise zusammengestellt und maſsgebend für die zukunft formulirt hat. im Panegyrikos und Panathenaikos bekämpft sie Isokrates: in der friedensrede sieht er selbst in der seeherrschaft das unheil (64), da berührt er sich mit den gedanken des reichsfeindes, und wir würden wol noch manche anklänge finden, wenn wir eine vergleichung anstellen könnten: die bittersten vorwürfe hat er nur nicht vorzubringen gewagt (81). Aristoteles, der sowol die demokratische entwickelung der athe -390III. 12. Isokrates Panegyrikos 100 114.nischen verfassung wie die behandlung der bündner als consequenzen der seeherrschaft verwirft, hat seine ungerechte beurteilung des Reiches vielleicht nur mittelbar von jenem ionischen reactionär überkommen. Theopompos von Chios, Duris von Samos haben dasselbe lied gesungen. es kann niemand mehr einen directen litterarischen zusammenhang auf - zeigen: aber für die entstehung dieser beurteilung des Reiches in der folgezeit ist es von groſser bedeutung, daſs sie mitten in der hitze des kampfes ein praktischer staatsmann Ioniens bereits in einer litterarisch wirksamen schrift formulirt hat.

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13. DIE BRIEFE DES ISOKRATES.

Auf die stimmung, die jeden griechischen brief unbesehens verwarf, ist die entgegengesetzte gefolgt; es ist das jedoch kein fortschritt, denn stimmungen genügen für die wissenschaft nicht. ich brauchte für den prinzenerzieher Aristoteles den fünften brief, wenn er ächt war: deshalb habe ich die sache untersucht, und gerade weil das ergebnis kein ein - faches ja oder nein ist, halte ich es für richtig.

Der brief an Dionysios (1) ist durch die rede an Philippos (5, 81)Brief 1. so sicher bezeugt, daſs man, um ihn zu verwerfen, die absicht eines fälschers wahrscheinlich machen müſste, der auf grund jener stelle einen brief verfertigt hätte. das ist nicht möglich. es kommt hinzu, daſs der brief nur ein sehr schön geschriebenes prooemium enthält, das eine wichtige politische erörterung verspricht. diese zu unterdrücken konnte Isokrates alle veranlassung haben, wenn die politischen ereignisse eine für ihn unerwünschte wendung genommen hatten, und der sicilische fürst mit der entgegengesetzten politik erfolgreich gewesen war: der fälscher hätte bequem ex eventu schreiben können was ihm paſste. der brief nimmt auch auf den Panegyrikos in durchaus angemessener weise be - zug (6), etwa wie die rede an Philippos, und wenn die nachteile des briefes gegenüber dem gespräche so behandelt werden (3), daſs man die nachwirkung der schönen platonischen kritik (Phaidr. 275e) spürt, so spricht das vollends für den verfasser, der trotz aller späteren entfrem - dung den Phaidros zu viel und zu gerne gelesen hatte, um ihn je zu vergessen.

Den gleichen stempel der ächtheit tragen die beiden empfehlungsbriefeBrief 7. 8. an Timotheos von Herakleia und die Mytilenaeer. so viel detail, das wir als geschichtlich zutreffend erkennen, wo wir es controlliren können, und in sehr viel gröſserem umfange zu beurteilen gar nicht in der lage392III. 13. Die briefe des Isokrates.sind, steht nicht in fälschungen, es sei denn, daſs sie anderen zwecken dienen als sie zur schau tragen. davon ist hier keine rede. es finden sich in diesen briefen ähnliche wendungen (7, 11 = 8, 10): aber das ist nicht wunderbar. wenn er diese geschrieben hat, müssen wir dem Iso - krates doch zutrauen, daſs er solche schriftstücke sehr zahlreich hat aus - gehn lassen. sie sind viel merkwürdiger als der brief an Dionysios. denn jener war nichts anderes als der Philippos auch, ein συμβουλευτικὸς λόγος in der form einer zuschrift, also ohne die fiction der mündlichen an - sprache, nur in sofern ein brief. die kunstform ist die der rede. in diesem sinne ist das dritte pythische gedicht des Pindaros auch ein brief, in der form gleichwol von dem ersten und allen andern chorischen liedern des dichters nicht verschieden. dagegen die empfehlungsschreiben sind briefe, ἐπι - στολαί im vollen sinne des wortes. da ist es nun eine für die griechische stilistik unschätzbare tatsache, daſs Isokrates seinen rhetorischen stil auch für den brief angewandt hat. er hat nicht begriffen, daſs der brief als eine vertrauliche und improvisirte äuſserung erst dann gut geschrieben ist, wenn er für das lesen geschrieben ist, nicht das hören, wenn er von der stilisirten rede sich κατ̕ εἶδος unterscheidet. stilistisch betrachtet sind es gar keine briefe. trotzdem daſs Platon sowol in der theorie wie in der praxis gezeigt hatte, daſs selbst das gespräch als kunstform neben der älteren ansprache gleich oder höher berechtigt stünde, hat der sophist nicht begreifen wollen, daſs seine schönredekunst kein allerweltsorgan wäre. nur die dürftigkeit und stillosigkeit braucht eigentlich handwerkzeuge wie den bratspieſsleuchter und das delphische messer1)Aristoteles Politik Δ 1299b. Α 1252b οὐδὲν φύσις ποιεῖ τοιοῦτον οἷον οἱ χαλκοτύποι τὴν Δελφικὴν μάχαιϱαν, πενιχϱῶς, ἀλλ̕ ἓν πϱὸς ἕν.: so pflegt der deutsche jetzt dieselbe stillose rede mit mund und feder zu führen; er sieht darin wo möglich objectivität und biederkeit, daſs er überhaupt formlos bleibt. aber besser ist das allerdings, als der bei den Hellenen von Gorgias bis Rhangabis immer wieder auftauchende wahn, daſs eine bestimmte, allerdings bewunderungswerte, kunstform die ganze prosa be - herrschen dürfte. der ohne frage vollkommenste vertreter dieser ansicht ist Isokrates, und er ist sich dessen wol bewuſst gewesen: die in Platon verkörperte höhere auffassung, der es gelang die gesprochene rede in allen ihren tönen zu treffen, immer vollendet und immer anders stili - sirt, hat er im Panathenaikos auch zu überbieten versucht. so hat er also auch briefe geschrieben, und wir sehen ja, daſs kein geringerer als könig Philippos für seine diplomatische correspondenz sich an diese stil -393Brief 7. 8. brief 4.regeln gebunden hat: sein ultimatum an Athen ist in dem stile colto des Isokrates gekalten. natürlich haben die Hellenen trotz Isokrates vor und neben ihm wirkliche briefe geschrieben: aber so gern ich proben hätte da ich für die fälschungen auf ältere namen nicht empfänglich bin, so kenne ich keine.2)Von den staatsschriften in briefform, die von der persischen monarchie aus - gehn, sehe ich ab, vgl. I 130. wenn Platon welche schrieb, des bin ich sicher, hat er wie ein mensch, nicht wie ein rhetor geredet, freilich wie der mensch Platon, als greis also wie der greis Goethe briefe schrieb.3)Daſs ich den sechsten platonischen brief nicht von vornherein verwerfe, habe ich I 334 gestanden. aber ich weiſs nicht, ob er ächt ist: die sehr schwere untersuchung der sehr ungleichartigen und zumeist offenbar unächten platonischen briefsammlung habe ich nicht geführt. der erste künstler des ächten briefstils aber ist bekanntlich Aristoteles geworden. als junger mensch, recht sehr empfänglich für den zauber der isokrateischen perioden, hat er sich des fictiven briefes für seinen Protreptikos bedient. die reste seiner privatcorrespondenz aus den spä - teren jahren rechtfertigen durchaus das lob seiner schule: sie tragen alle vorzüge des ächten briefstils an sich. dasselbe tun die briefe des Ale - xandros und was sonst in dessen correspondenz stand4)Vgl. meine bemerkung in Kaibels Athenaeus zu XIV 659 f. die correspon - denz Alexanders war eine kostbare quelle: es ist für Arrian ein schwerer vorwurf, daſs er sie nicht aufgesucht hat. freilich hat er auch darin unbedachte nachtreter gefunden. die sehr verdienstliche sammlung von Pridik habe ich nicht mehr be - rücksichtigen können., natürlich mit dem unterschiede, daſs der könig der mutter vieles zugleich für sein getreues volk mitteilt. er schreibt nach Issos an Olympias wie könig Wilhelm an die königin. aber er schreibt nach den regeln des Aristo - teles, nicht nach denen des Isokrates.

Nun wäre es ja sehr hübsch, wenn die drei sicher ächten briefeBrief 4. die ganze sammlung retten könnten. aber so sicher sie ächt sind, gibt es auch unächte. der empfehlungsbrief an Antipatros (4) ist von Bruno Keil (Anal. Isocr. 142) durch die form so gut wie es mit solchen mitteln möglich ist geächtet worden, und Blaſs (Att. Bereds. II2 329) hat vor - gezogen, auf diesen beweis mit einer redensart zu erwidern, die nur dem leser imponiren kann, der Keils buch nicht kennt, und auch dann nicht: denn in den briefen die rede des gewöhnlichen lebens zu finden, ist eine zumutung, der nicht leicht jemand folge leisten kann; Isokrates würde über sie entrüstet sein. aber sei’s drum: ist das wort σίνος, gar im plural σίνη, etwa dem gewöhnlichen attischen leben394III. 13. Die briefe des Isokrates.angehörig? zieht etwa ein xenophontischer beleg für den atticismus eines wortes? und wenn ein in der tat gewöhnliches wort wie ἄττα hier allein in dem ganzen nachlasse des Isokrates steht, ist das keine instanz? der brief beansprucht nun von Isokrates geschrieben zu sein; die situation, die er voraussetzt, ist einfach, er ist ein empfehlungs - schreiben für einen nicht genannten sohn eines gewissen Diodotos, der nach anderen stellungen bereits bei Antipatros angekommen ist und hier nur weiter empfohlen wird; der sohn reist erst jetzt nach Makedonien. um des inhaltes willen würde es mir sehr fern liegen, den brief zu be - anstanden. jetzt, wo die form mich zur verwerfung zwingt, vermag ich doch nicht zu entscheiden, ob Diodotos oder sein sohn sich dies em - pfehlungsschreiben des berühmten mannes einmal, vielleicht als jener längst tot war, verfertigt haben, oder ob ein rhetor mitsammt dem briefe auch die ϑέσις erfunden hat. übrigens entschuldigt er am schlusse selbst die etwa im stile vorhandenen anstöſse. das würde Isokrates nur getan haben, wenn er sicher war, daſs keine darin wären.

Brief 9.Eine viel plumpere und dümmere fälschung ist der brief an Archi - damos (9), obwol ich da den stil nicht tadeln kann. ob man dem Iso - krates zutrauen will, ein so groſses stück (11 14), eine von fünf seiten, aus dem Panegyrikos abzuschreiben, dessen tendenz noch 17 paraphrasirt, stehe dahin. aber wenn der brief ächt ist, so ist er nach der rede Archidamos geschrieben, und er versetzt sich selbst in die zeit, wo Iso - krates 80 jahre war (356): den Archidamos aber kann nur die voll - kommenste verkehrung aller geschichte von der zeit losreiſsen, in die er sich selbst setzt, 366, und für die diese gut geschriebene politische brochure bestimmt ist.5)Ob er oder Alkidamas, der die gegenschrift für Messene verfaſste, früher geschrieben hat, bin ich auſser stande zu entscheiden. übrigens war Isokrates in den fünfziger jahren alles andere als παντάπασιν ἀπειϱηκώς: er stand in mitten einer eben so starken wie fruchtbaren tätigkeit. dagegen wäre es in der tat das übermaſs von abgeschmacktheit gewesen, Sparta, das sich mit mühe der Arkader erwehrte und Megalopolis erst bezwungen haben muſste, um überhaupt eine politische rolle zu spielen, auf den kampfplatz nach Asien zu rufen. dies ist also eine in jeder beziehung auſser der form kümmer - liche nachahmung, die sicherlich erst verfaſst ist, als die zeitgeschichte genügend in vergessenheit geraten war. übrigens ist es kein wirklicher brief, sondern nur in dem sinne, wie der an Dionysios; der verfasser ist auch über die einleitung nicht hinausgekommen, wozu ihm eben jener395Brief 9. brief 3.die berechtigung gegeben haben wird, als er so verstümmelt vorlag, wie wir ihn lesen.

Über den sechsten brief, an Iasons söhne, kann ich mir noch keinBrief 6. festes urteil erlauben, da die momente für und wider sich die wage halten. ich mag diese unbefriedigende rechnung nicht auflegen.

Um so sicherer bin ich, daſs der dritte brief, der neuerdingsBrief 3. mehrfach als ächt behandelt ist, eine tendenziöse fälschung, keine harmlose rhetorenfiction, aber noch weniger ein werk des Isokrates ist. der brief will geschrieben sein, nachdem Antipatros, der gesandte des Philippos, den frieden nach der schlacht von Chaironeia in Athen abgeschlossen und Philippos bereits die absicht kund getan hat, sich zum feldherrn der Hellenen gegen Asien wählen zu lassen. den ἀγὼν γεγενημένος (2), der die Hellenen alle zur raison gebracht hat und die intentionen des königs als richtschnur ihrer eigenen wünsche zu betrachten zwingt, kann nur eine interpretatorische gewalt - tat auf etwas anderes als die entscheidungsschlacht beziehen, die am siebenten metageitnion 338 bei Chaironeia wirklich die Hellenen in diese zwangslage versetzt hatte. es ist kein weiteres festes datum erhalten; zwei monate später, am totenfeste des pyanopsion, war alles vorüber. aber da in Athen zunächst die patrioten sich auf den äuſserten wider - stand rüsteten, Philippos auf dem schlachtfelde halten blieb und diplo - matische verhandlung durch die versagung der leichen zu erzwingen suchte, dann Boeotien unterwarf und neu ordnete, während die ge - sandtschaften hin und her giengen, so kann Antipatros wirklich vor an - fang boedromion Athen nicht verlassen haben. also da will der brief geschrieben sein. es ist mir sehr lieb, daſs man darüber nicht zu streiten braucht, ob Isokrates, der steinalte mann, vaterlandslos genug gewesen sei, sich darüber glücklich zu preisen, daſs er diesen tag erlebt hätte (6): mir ist die rhetorik wahrhaftig zuwider und die allgemeine bil - dung noch mehr, aber ich könnte das dem Isokrates nicht zutrauen. doch zum glück braucht man das nicht zu bereden: er war ja damals schon tot. so rede man doch nicht um die sache herum, sondern be - kenne farbe, entweder oder. entweder der brief ist gefälscht, oder die beiden zeitgenossen hahen gelogen, Aphareus, der stiefsohn des Iso - krates, und Demetrios von Phaleron, der schüler seines feindes Aristo - teles. denn nach jenem ist er vier, nach diesem neun tage6)Diese zahlen ausgeschrieben in der plutarchischen vita p. 250 West. die gewährsmänner mit denselben zahlen (nur der leichte schreibfehler ιδ΄ für δ΄) in der vita der Isokrateshandschriften 258. die zahl 4 auch noch bei dem Plutarch nach der396III. 13. Die briefe des Isokrates.schlacht freiwillig gestorben: ἀδήλου ἔτι ὄντος πῶς χϱήσεται τῇ τύχῃ Φίλιππος, wie Dionysios sagt (V 537 R.). wer das sagt, hat den brief nicht gekannt oder verworfen. nun mag einer kommen und ihm zu liebe jene beiden zeitgenossen der lüge zeihen. der sohn mochte fäl - schen, um dem vater die schande dieses briefes zu nehmen: aber der gegner? es existirt ja aber gar keine andere überlieferung über die zeit, wann Isokrates starb, und diese ist mit dem briefe in keine be - ziehung gesetzt. man erzählt nur noch von den drei euripideischen versen, die der alte in der palaestra des Hippokrates recitirte, eh er sterben gieng, von den drei barbaren, die nach Hellas kamen, zu denen Phi - lippos nun als der vierte träte. diese anekdote setzt zwar den tod gleich nach der schlacht voraus, aber sie ist durch keinen gewährsmann ge - schützt und in sich äuſserst unwahrscheinlich: weder hielt Isokrates den Philippos für einen barbaren, noch war es seine art tragische verse zu citiren. das ist also eine fabel, gemacht um den feststehenden tod im antiphilippischen sinne zu deuten.

Wie aber war die situation wirklich in der ersten woche nach der schlacht? Athen ohne heer, ein groſser teil der waffenfähigen bürger gefangen; der sieger, der über eine vorzügliche cavallerie verfügte, konnte jeden tag die pässe des Kithairon überschreiten. auf die helle - nischen bundesgenossen war kein verlaſs; der Perserkönig, auf den die patriotenpartei besondere hoffnungen gesetzt hatte, war zu weit. und trotzdem herrschten die unversöhnlichen schreier, und Hypereides gieng ernstlich daran, die sclavenschaft zu befreien und zu bewaffnen. es hatte eben alles den kopf verloren; wenn Philippos nicht kaltes blut behalten hätte und zugewartet, bis das strohfeuer dieses verspäteten opfermutes niedergebrannt war, so wäre Athen verloren gewesen. wer konnte aber wissen, wie er den wunderbar leichten erfolg ertragen würde? daſs da ein alter kranker mann, der seine letzte kraft daran gesetzt hatte, diesen könig und seine vaterstadt in ein gedeihliches verhältnis zu bringen, einer der zudem die zeiten von 405 / 3 aus eigner erinnerung kannte, nicht mehr leben mag und die speise verweigert, ist menschlich und ist glaublich. er demonstrirt weder für noch gegen Philippos, er will nur den jüngsten tag nicht mehr erleben. so hat E. Curtius bereits ganz richtig die tatsache seines todes in diesen tagen erläutert: wenn irgend6)249. auch sind beide zahlen durch den durch sie erzeugten irrtum geschützt, daſs es die tage der totenfeier für die gefallenen gewesen wären: die rituellen trauer - tage stehen ja fest. daſs die asche erst viel später nach Athen gebracht ist, weiſs wer sich um die geschichte gekümmert hat.397Brief 3. brief 2.welche überlieferung eine sache feststellen kann, so ist der tod in der ersten woche nach Chaironeia eine feste tatsache.

In den fürchterlichen tagen hat schwerlich jemand viel auf den tod des alten mannes geachtet. aber als in Korinth Philippos die stellung ein - nahm, die ihm die publicistik des Isokrates noch in dem Panathenaikos, der jetzt gerade erschien, zugedacht hatte, die stellung Agamemnons (12, 74 83), da wandte sich ihm das interesse zu, und es war natürlich, daſs man hin und her redete, wie er sich zu der neuen situation gestellt haben würde. er war an der schlacht von Chaironeia gestorben, doch so, daſs die beiden parteien ihn sich zurechnen konnten, und er war immerhin der anerkannteste redner und redelehrer der welt. die demo - kraten, so wenig er ihnen zuletzt hold gewesen war, hatten den besseren schein für sich; das lag an dem datum des todes. ihre fiction ist das apophthegma der drei verse: sterbend hat er doch den Philippos als barbaren stigmatisirt. das preſserzeugnis der makedonischen partei ist der falsche brief. falsch ist er: aus der chronologischen klemme wird ihn nur die gewalt reiſsen. aber er ist sehr merkwürdig, weil er falsch ist. er macht propaganda für die officielle hellenische politik Philipps. später ihn zu erfinden hatte keinen zweck mehr, nachdem der sohn un - endlich viel mehr erreicht hatte denn der vater geplant.7)Der brief sagt dem Philipp, wenn er den groſskönig besiegt hätte, οὐδὲν ἔσται λοιπὸν ἔτι πλὴν ϑεὸν γενέσϑαι. daraus könnte man ableiten wollen, der brief wäre geschrieben, als Alexander diesen schritt getan hatte. dem kann ich nicht folgen: das ist eben eine dem Hellenen ganz natürliche steigerung, vgl. I 337. der verfasser ist höchstens, wenn man will, ein prophet gewesen. im winter 338 / 7 war er ein guter contrecoup gegen die durch demokratische fabeln verstärkte wirkung des todes. wer zählte auch so genau die tage? Aphareus und Demetrios haben es getan; ob mit derselben absicht, wie ich hier, muſs dahingestellt bleiben.

Der falsche brief tat um so bessere wirkung, wenn bekannt war,Brief 2. daſs Isokrates an den könig öfter geschrieben hatte. seine ächtung zieht also den zweiten brief mit nichten mit ins verderben, und daſs eine wendung aus diesem (11) in dem falschen (5) wiederkehrt, discreditirt nur den letzteren. auch der falsche brief an Archidamos (6) hat den eingang des zweiten benutzt. der inhalt ist überwiegend wirklich ein persönlicher. der redner warnt, wie ihm alter, berühmtheit und die durch die groſse rede begründete persönliche beziehung wol verstatteten, den könig davor, sein leben allzusehr im kampfe auszusetzen und nicht die pflichten des königs mit denen des soldaten zu verwechseln. es ist398III. 13. Die briefe des Isokrates.bekannt, wie sehr Philippos diese mahnung verdiente. die empfehlung seiner vaterstadt steht dem Isokrates wol an; nirgends schreibt er ab, nirgends freilich verrät er tiefere einsicht in die actuelle politik, so daſs man zwischen dem frühjahr 341 und dem 340 schwanken kann: denn vor dem aufbruche aus dem winterquartiere muſs der brief verfaſst sein. ich wüſste kein moment, das wider ihn spräche.

Brief 5.Damit ist über die beilage dieses schreibens, den brief an Alexan - dros, entschieden (5), wenn anders er ist, wofür er sich ausgibt, eine beilage. daſs der könig in den winterquartieren seinen sohn bei sich hat, ist begreiflich. daſs Isokrates veranlassung nimmt, sich dem hoff - nungsvollen erben vorzustellen, nicht minder; aber wenn er das damit motivirt, er müſste doch den beweis liefern, daſs er noch einen rest seiner alten leistungsfähigkeit bewahrte, und man angesichts dieses ihm nicht nachsagen könnte, er wäre kindisch geworden, so reicht die allgemeine situation, wie sie die bekannten personen geben, nicht wol hin. der alte berühmte professor schreibt an den prinzen ganz wie sichs gehört, anerkennend und aufmunternd. wenn du so fort - fährst, wirst du auch im späteren alter dich vor den übrigen an ein - sicht so hervortun, wie es jetzt dein vater vor allen tut. das com - pliment zielt auf den vater; der es schrieb, wollte von jenem gelesen werden und hatte keine ahnung, wie ungeheuer der sohn diesen zu überflügeln berufen war. beides ist eine garantie der ächtheit; aber was Isokrates von Alexandros gehört haben will, befremdet zunächst. er treibe philosophie; nun gut, das ist im munde des alten, er lernt, wie sich für den kaum mannbaren knaben schickt. er treibe zwar auch die philosophie, die wir so nennen, Isokrates eristik schilt, aber seine neigung gelte der besseren philosophie, der rhetorik. das ist sehr wenig glaublich: von der rhetorik hat der groſse könig nachmals wenig genug gehalten, weder selbst die isokrateische kunst geübt, noch neben hof - poeten, hofphilosophen und hofkünstlern aller art hofrhetoren ange - stellt, es sei denn man rechne die historiographen Anaximenes und Kallisthenes mit, die Isokrates nicht anerkannt haben würde. die ein - fachen glockentöne Homers, nicht die künstlichen fugen und passagen des Panegyrikos haben seine heldenseele zum zuge wider die barbaren be - geistert. also muſs Isokrates schlecht berichtet gewesen sein, oder viel - mehr, er war es wol gut, und gerade deshalb schrieb er so wie er es getan hat, und weil er sich so anstellt, waren die leser in der lage die feinheit des alten zu bewundern: das ist weniger auf den prinzen als auf den hofmeister Aristoteles berechnet. der rhetor stellt was er wünscht399Brief 5.mit harmlosem gesichte so dar, als hätte er es gehört, und belobt den prinzen für das was er gern an ihn loben würde. an einen minder vornehmen würde er die form der mahnung gerichtet haben wozu die spintisierkünste der eristik und dialektik, die dir Aristoteles beibringt, wozu lernen was man gar nicht braucht. du bist für das praktische leben bestimmt, dazu hilft dir nur die schulung fürs leben, die allgemeine bildung und die rhetorik. so schwatzen ja auch jetzt die Isokratesse, nur daſs sie weder reden noch schreiben können. könig Philippos aber wuſste, wozu er beide brauchen konnte, den rhetor um die gimpel der öffentlichen meinung zu fangen, und den philosophen um dem makedo - nischen throne einen herrn von ächt hellenischer seele zu geben. dieser brief ist wirklich ein hübsches stückchen isokrateischer finesse: der ist ächt, weil er tiefer ist als er scheint und auf notorisch wahre verhält - nisse versteckt bezug nimmt.

So endet meine prüfung. es gibt also ächte und unächte stücke in der sammlung. die form zeigt, daſs sie alle, wie natürlich, recht alt sind. weil es ächte gab, lieſsen sich unächte schmieden; deren jeder seine verschiedene herkunft hat. die Alexandriner haben sie natürlich so vereinzelt überkommen, wie wir jetzt den dritten demosthenischen brief lesen. da ist also von vorn herein gar kein anderes resultat zu erwarten als ein sehr complicirtes. so viel stücke, so viel einzelne pro - bleme. ich würde es schon für einen groſsen fortschritt halten, wenn man aufhörte die schur über einen kamm für methode zu halten.

[400]

14. DEMOSTHENES PROOEMIUM 55.

In der guten alten zeit hielt das volk darauf, daſs die biedermänner auch zu den ämtern herankamen. das war sehr schön, denn die stän - digen inhaber (οἱ συνεχεῖς οἵδε) nahmen sich vor diesen anständigen collegen zusammen, und es wurden die braven leute nicht von der krippe (dem καϱποῦσϑαι τὰ κοινά) weggestoſsen, weil sie sich nicht zu einer tätigkeit drängen, die es mit sich bringt, daſs man commandirt und durch die disciplin misliebig wird (ἐνοχλεῖν καὶ παϱαγγέλλειν). jetzt besetzt ihr die ämter wie die priestertümer (das heiſst hier nicht, wie bei Iso - krates 2, 6, daſs jeder befähigt zu ihnen erscheint, sondern daſs das volk auf die person keinen wert legt und jeden der sich meldet zuläſst), und da ist es natürlich, daſs ihr, die masse, herumlauft1)πεϱίητε in correcter orthographie, die im attischen allerorten hergestellt werden muſs, wo πεϱί vor einem iota steht, ist überliefert. und zu den wenigen emporblickt, die durch die pfründen reich wurden, die sie dauernd ge - nieſsen (συνεχῶς πολλὰ λαμβάνειν). ihr seid eben so inconsequent, daſs ihr die iteration der astynomie z. b. verbietet, die der strategie ge - stattet. für die wirklich militärischen stellen (τοὺς ἐπὶ τῶν πϱάξεων, bei Aristoteles ähnlich 61, 1 πϱὸς τὰ παϱόντα πϱάγματα ἐκπέμπειν, wenns aber keine πϱάγματα gab, so hatten diese vollends sinecuren) mags noch hingehn, aber es ist eine tollheit bei denen die ohne etwas zu tun zu haben einen unbefristeten posten einnehmen, obgleich sie für einen befristeten gewählt sind. (das mag das frostige wortspiel meinen, χώϱαν ἀτέλεστον ἔχουσιν αὐτοὶ τετελεσμένοι vgl. Weil zur rede πεϱὶ συντά - ξεως 19. natürlich klingt die τελετή neben dem τέλος durch: sie sind geweiht, haben aber einen ungeweihten platz). ihr müſst auch von euch leute in diese stellen bringen.

401III. 14. Demosthenes prooemium 55.

Was ist das? erstens ist es kein prooemium, denn es fängt mit der wirklichen behandlung eines wirklichen vorschlages an. es ist ein bruchstück, denn die behandlung geht über die allgemeine tendenz des antragstellers nicht hinaus, und der letzte satz ist nicht mehr voll ver - ständlich wenn ihr gleichsam eine wage auſstellt, wird schon von selbst hervortreten (πϱόεισιν sc. ἐξ ὑμῶν) wer etwas (eine berücksichtigung) verdient dabei kann man sich nur in vager allgemeinheit etwas denken: es ist der übergang zu der speciellen behandlung. wir haben hier somit eine rede, die die unbeschränkte iteration der strategie beseitigen will und unverblümt zu verstehn gibt, zu tun hätten die meisten strategen ja doch nichts, und die emolumente dürften nicht bloſs wenigen zuflieſsen. ich muſs eingestehn, daſs ich nicht weiſs, worin diese emolumente be - standen und wieweit sie nicht bloſs usancemäſsig waren (vgl. oben I 196).

Ob man dem Demosthenes die moralische niedrigkeit zutrauen will, die in der motivierung dieses antrages liegt, mag ich nicht entscheiden: die torheit, die darin liegt, traue ich ihm nicht zu. aber für seine zeit trifft denn doch die bedeutungslosigkeit der strategie nicht zu. freilich, Phokion bekleidete sie fast ständig, und leute wie Chares und Chari - demos haben geld mit ihr genug gemacht. aber der gedanke, daſs der stratege Athens auf das niveau des archonten hinabgedrückt zu werden verdiente, konnte wahrlich erst in dem kleinstaate des dritten jahr - hunderts aufkommen oder geäuſsert werden. es muſste die ἐμπειϱία des wirklichen militärs nicht mehr notwendig sein. es fehlt mir an jedem näheren zeitlichen anhalt. denn daſs die astynomen in der ephe - meren verfassung des Antipatros unterdrückt waren (Dittenberger zu Syll. 337) macht nichts aus. aber für evident und für wichtig halte ich, daſs wir hier ein stück haben, das nicht ein rhetor zusammengestoppelt hat, um demosthenisch zu schreiben, sondern daſs wir etwas von attischer beredsamkeit aus der zeit des Demochares oder noch späterer besitzen, die denn allerdings ihren stil demosthenisch drechselte: mit hiaten und vocabeln und prosametrik kommt man solchen problemen nicht bei.

Gleich vorher steht ein stück ganz derselben art (54). das ist die formelhafte meldung eines ἱεϱοποιός, der im namen seiner collegen vor dem volke über den ausfall der opfer berichtet, die sie an Zeus Soter, Athena Soteira und Nike gebraucht haben, daneben an Peitho, Götter - mutter und Apollon (der ohne beinamen in solcher verbindung schwer denkbar ist), und demgemäſs beantragen, das volk möge die bereitwillig - keit aussprechen, das ergebnis ihrer opfer auf sich zu nehmen.

v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 26402III. 14. Demosthenes prooemium 55.

Aus der litteratur wird man diese worte, die für ein prooemium zu halten kindisch wäre, da es eine vollkommene rede ist, nicht leicht verstehn. aber die inschriften des dritten jahrhunderts belegen den ge - brauch und die formeln, z. b. CIA II 305. 307. 315. 323. Ἐφ. ἀϱχ. 87, 172, Dittenberger Syll. 382. auch Zeus Soter, Apollon, dieser wegen des Keltensieges, Athena Nike (Δελτ. 89, 58) wegen späterer siege über Kelten oder Illyrier, wenn der geehrte der archon Herakleitos von 214 / 13 ist, kommen vor. wer die steine kennt, wird über die zeit nicht im zweifel sein, wann dies formular für eine ansprache an das volk oder, mit geringer modification, vor dem rate aufgesetzt ist. es ist viel interessanter, weil es nicht von Demosthenes ist. überhaupt (wie ich es schon vor jahren formulirt habe) ist die athetese der pseud - epigrapha immer nur die hälfte von dem, was die wissenschaft zu leisten fordert: die schriften fallen doch damit nicht ins bodenlose, daſs sie den verfassernamen einbüſsen. und die auf Demosthenes namen verfertigten stücke, epitaphios, erotikos, vorreden, ein teil der briefe, die erste rede gegen Aristogeiton, Demonikos und ein teil der isokrateischen briefe, die leichenrede des Lysias, ein teil der pseudo - platonischen und pseudaristotelischen schriften sind documente für eine zeit der attischen litteratur, die uns sonst nur philosophen und die späte komödie in bruchstücken und nachbildungen repraesentiren: in wahr - heit haben wir für ihre bestrebungen, gerade die stilistischen, belege genug; man muſs sie nur an ihrem orte benutzen. erst in der über - treibung (der rede gegen Aristogeiton) hat Demosthenes vielen die δει - νότης verkörpert; erst in der unkünstlerischen anähnlichung an die gno - mische poesie und das philosophische apophthegma hat die paraenese des Isokrates auf die masse gewirkt; nicht der ächte Platon, sondern der erste Alkibiades war für den gaumen des Persius, und nicht die Politik, sondern die grobe predigt des Kleitophon ποῖ φέϱεσϑε, ἄνϑϱωποι ist populär in der kaiserzeit. erst so wie es in der diadochenzeit legirt wird, hat das gold der attischen cultur durch die jahrhunderte cursirt.

[403]

15. DIE GEDICHTE DES ARISTOTELES.

Die entrüstung über die verräterei Memnons von Rhodos, der sein freund Hermias zum opfer fiel, hat dem Aristoteles zwei gedichte ent - lockt, die wir der biographie des Hermippos verdanken. denn daſs auf diesen die darstellung des Athenaeus zurückgeht, über irgend eine musi - kalische schrift, die z. b. den Polemon citirte, wird klar durch das citat 696 f., und anders wird man auch den bericht des Diogenes (V 6) nicht beurteilen1)Diogenes schiebt seinerseits eine scheinbare variante aus Favorin ein, den namen des anklägers Demophilos statt Eurymedon, den er einem capitel über die ankläger berühmter philosophen entnahm (epist. ad Maass. 145): er hatte eben nicht mehr den ganzen Hermippos, bei dem er gefunden haben würde, daſs Demophilos das vorgeschobene werkzeug des Eurymedon war; so Athenaeus., so viele mittelglieder auch zwischen dem originale und dem letzten ausschreiber liegen. für die kritik ist also maſsgebend, daſs alles worin Athenaeus und Diogenes stimmen ohne weiteres Her - mippos ist. was wir gegen beide gewährsmänner ändern, ändern wir gegen einen zeugen des dritten jahrhunderts. vor Hermippos hatten die gedichte berücksichtigung gefunden in der von diesem selbst bezweifelten verteidigungsrede des Aristoteles (Ath. 697a), bei dem falschen Aristippos (Diog. V 4) und vielleicht dem Pythagoreer Lykon von Iasos (Aristokles bei Euseb. pr. ev. XV 792), denen man wol so viel glauben kann, daſs der schurke, der den Aristoteles wegen religionsfrevels belangte, nicht sowol die gedichte als die tatsache ihrer existenz misbraucht hatte. sie sind denn auch dem pedantismus nicht zum opfer gefallen, der dem Platon seine zum teil eben so gut bezeugten epigramme abstreitet.

Das epigramm auf Hermias stand unter einer statue desselben in Delphi; eine prosaische inschrift muſs die namen des geweihten und des weihenden getragen haben. andere weihungen von statuen verordnet das testament des Aristoteles. das gedicht lautet:

26*404III. 15. Die gedichte des Aristoteles.
Das epi -
588
gramm auf
588
Hermias.
588τόνδε πότ̕ οὐχ ὁσίως παϱάβας μακάϱων ϑέμιν ἁγνὴν
ἔκτεινεν Πεϱσῶν τοξοφόϱων βασιλεύς,
οὐ φανεϱῶς λόγχῃ φονίοις ἐν ἀγῶσι κϱατήσας,
ἀλλ̕ ἀνδϱὸς πίστει χϱησάμενος δολίου.

Gewiſs ist der gedanke und die form edel. aber für sehr poetisch wird man χϱησάμενος nicht halten, und man würde lieber πίστις δολία gleich ἀπάτη lesen, wenn nicht ἀνήϱ ohne epitheton kahl würde. μακά - ϱων ϑέμις ἁγνή ist eine conventionelle floskel. nicht mehr ist der gegen - satz des asiatischen bogenschützen zu der lanze der hellenischen hopliten, deren lanze wieder mit dem truge der hinterlist in gegensatz gebracht ist. 480, zu Simonides zeiten, waren fern - und nahwaffe freilich für barbaren und Hellenen bezeichnend; jetzt, wo die Perser längst mit griechischem fuſsvolk ihre schlachten schlugen, hier, wo eben ein griechi - scher lanzknecht der täter war, beweist die phrase nur auf das deut - lichste, daſs Aristoteles den epigrammenstil bei dem meister der gattung gelernt hat. im ersten verse ist das wortende in der hebung des dritten vierten und fünften fuſses sehr häſslich, wenn man an die kunst des dritten jahrhunderts gewöhnt ist. aber Aristoteles steht natürlich in seiner zeit. auch Platon hat metrisch seine verse nur zum teil, seinem ohre folgend, schön gebaut, sonst war die technik schon im fünften jahrhundert verwildert.2)Besonders salopp ist der sophist Euenos von Paros, den doch Platon und Aristoteles gut gekannt haben. er schlieſst einen hexameter mit καὶ δή hinter interpunction (9, 1), sehr häſslich für einen Griechen (Gerhard lect. Apollon. 228), und hat in einer elegie den hexameter τοὺς ξυνετοὺς δ̕ ἄν τις πείσειε τάχιστα λέγων εὖ, der den zweiten preis der abscheulichkeit in der wirklich griechischen poesie beansprucht: der erste gehört unbestritten dem Hesiodos Theog. 319 δὲ Χίμαιϱαν ἔτικτε πνέουσαν ἀμαιμάκετον πῦϱ. mancher der verse dieses Euenos ist nichts als zufällig der messung nach hexameter bildende prosa. nichts destoweniger war dieser poet noch um 300 vermutlich durch die schule wie Theognis bekannt. vereinzelte verse von ihm sind durch die philosophischen bücher und die auf phi - losophische anregung hin angelegten florilegien fortgepflanzt. in der anthologie steht nichts von ihm; er hat auch schwerlich epigramme gemacht. die epigrammatiker desselben namens sondern sich schon durch die form scharf und sicher von ihm, schwerer von einander. vollendete disticha bauen Archilochos und Mimnermos; dann sinkt die kunst, ganz natürlich bei leuten anderen stammes, die den hexameter homerisch zu bauen sich erlauben. und erst die erneuerer der elegie in Samos und Alexandreia, (noch nicht ihre unmittelbaren vorgänger) haben an die begründer und meister des stiles angeknüpft.

405Der hymnus auf die Tugend.

Das gedächtnisfest, das Aristoteles dem getöteten freunde ausgerichtetDer hymnus auf die Tugend. hat, ist von dem lyrischen gedichte verherrlicht worden, das wir gleichfalls dem Hermippos verdanken. für einen paean konnte es nur die verläumdung erklären, die von Hermippos mit recht durch das fehlen des charakteri - stischen ephymnions ἰὴ παιάν widerlegt wird. aber ein skolion, wie He - mippos will, oder ein ϑϱῆνος ist es auch nicht, und die aufnahme des verstorbenen in den kreis der heroen wird allerdings ausgesprochen; woran denn die klage auf gottlosigkeit ansetzte. so sicher es ist, daſs es dem dichter eigentlich auf Hermias ankommt, gilt formell doch das lied nicht ihm, sondern der Tugend, und so rückt es in die classe der rituellen religiösen lieder. von der art der aufführung wissen wir nicht mehr, als daſs es ein chor vortrug; so viel zeigt das versmaſs und der stil. aber man kann sich’s sehr gut vorstellen, daſs Aristoteles, etwa in My - tilene, sich die musiker und sänger verschaffte (die composition kann er sehr wol selbst gemacht haben), eine gedächtnisrede hielt3)Diese existirt nur in meiner vermutung, weil das lied selbst so wenig von Hermias sagt. was Himerius in seiner sechsten rede den Philippensern erzählt, ist seine eigene erfindung. Aristoteles wäre, von Alexander nach Persien berufen, in Atarneus durchgereist (wie Himerius jetzt auf der durchreise in Philippi eine gast - vorstellung gibt) und hätte die stadt und den Hermias mit einer kleinen schrift be - grüſst. wer den rhetor gelesen hat, muſs diese seine witze kennen. in eben dieser rede erzählt er von Gorgias erst das allbekannte, daſs er als gesandter der Leontiner Athen entzückte, aber das reicht ihm nicht, weil es seiner eigenen situation noch nicht ähnlich genug ist: er erfindet also flugs, Gorgias hätte auch auf der durchreise Plataeae angeredet. von Hermias geht das was er wuſste auch unmittelbar vor seiner erfindung vorher, nämlich Aristoteles hätte ihn erzogen und zur tugend gebildet καὶ ἐλεγείῳ τὸν ϑάνατον μόνου τῶν γνωϱίμων ἐκόσμησεν. so hat er geschrieben, und so kann auch in dem römischen bekanntlich verstümmelten codex gestanden haben, aus dem Wernsdorf nur ϑαλ τᾶν bezeugt. die ergänzung ϑάλαμον μόνῳ (μόνου verbessert er selbst) dürfte eben nichts als ergänzung sein. Dübners ausgabe kann man nicht entbehren, aber allein benutzt führt sie irre. wenn der tatbestand der überlieferung ihnen bekannt gewesen wäre, hätten die gelehrten viel - leicht eher das simpele und wahre gefunden, das notwendigerweise auch gegen die überlieferung hergestellt werden müſste. und mit den feierlichen klängen seines liedes dem ganzen die religiöse weihe gab. es war ein ersatz für die totenfeier, die dem Hermias entgangen war; die sitte war der zeit nicht fremd, denn Philippos hat ein solches ἐπι - τιμᾶν, wie der bezeichnende name ist, dem Platon angedeihen lassen. 4)Diog. 3, 40 aus Theopomp. Schaefer Dem. II 40.

Da die Areta keine wirkliche gottheit ist, der man opfern, zu der man beten könnte, so ist die rituelle form wiederum nichts als form. 406III. 15. Die gedichte des Aristoteles.man erinnert sich zunächst an das lied auf die Gesundheit von Ariphron, das die Hellenen nach dem essen sangen: ihre art gesegnete mahlzeit zu sagen; sie waren eben religiöser gestimmt als wir. aber die art, von der anrufung an eine gottheit auszugehn, ist der alten lyrik überhaupt eigen. so tut es Pindar mit Tyche, Theia, Eileithyia, die wenig mehr religiöse persönlichkeit haben als Hygieia und Areta. noch stärker ist die ähnlichkeit mit den liedern an das Gold und die Weisheit bei Diodor 37, 30, die eben aus später lyrik stammen. Aristoteles bewegt sich auch hier in den festen formen der zeitgenössischen poesie. das gilt für den ganzen stil; es ist der des dithyrambos, mit Aristoteles zu reden, und die probe dieser so bedauerlich wenig kenntlichen poesie ist für uns als solche interessant.

Das versmaſs in dem ganzen körper des gedichtes ist ein sehr ein - fach gehaltenes daktyloepitritisches. nur das erste und letzte glied sind aeolischer herkunft; es schlieſst, durch synaphie gebunden, der alkaische zehnsylbler, und er beginnt auch, aber um einen vorschlag von zwei kürzen vermehrt, wenn man will, eine aeolische basis. natürlich bezeichne ich so nur die erscheinungsform der zeilen, die man beliebig benennen mag. die ganze weise, solche glieder anzustücken, ist nichts befrem - dendes. sie hat in dem ithyphallikus der tragischen strophen daktylo - epitritischen maſses ihr analogon, und ich könnte leicht noch mehr bei - bringen. selbst der strenge Pindar beginnt die daktyloepitriten von Nem. 8 und 10 mit einem aeolischen gliede. abgesondert hat aber auch Ari - stoteles die erste zeile als fremdartig, denn die zweite allein hat eine vorschlagssylbe. die schluſssylben der glieder sind überwiegend lang. katalexen sind sehr selten, und wenn Pindar das daktylische glied als dimeter trimeter tetrameter gibt, so steht hier nur einmal ein katalek - tischer dimeter, der auch als anaklasis des epitriten gelten kann, sonst immer der gewöhnliche trimeter. zweifelhaft ist nur die auffassung eines gliedes in v. 12.

Ἀϱετὰ πολύμοχϑε γένει βϱοτείῳ
ϑήϱαμα κάλλιστον βίῳ,
σᾶς πέϱι παϱϑένε μοϱφᾶς
καὶ ϑανεῖν ζηλωτὸς ἐν Ἑλλάδι πότμος
5 καὶ πόνους τλῆναι μαλεϱοὺς ἀκάμαντας
τοῖον ἐπὶ φϱένα βάλλεις
καϱπὸν ἰσαϑάνατον χϱυσοῦ τε κϱείσσω
καὶ γονέων μαλακαυγήτοιό ϑ̕ ὕπνου.
σεῦ δ̕ ἕνεχ̕ οἱ Διός, Ἡϱακλέης Λήδας τε κοῦϱοι,
407
Der hymnus auf die Tugend.
10 πόλλ̕ ἀνέτλασαν, ἔϱγοις σὰν ἀγϱεύοντες δύναμιν.
σοῖς δὲ πόϑοις Ἀχιλεὺς Αἴας τ̕ Ἀίδα δόμον ἦλϑον,
σᾶς δ̕ ἕνεκεν φιλίου μοϱφᾶς καὶ Ἀταϱνέος ἔντϱοφος
ἁλίου χήϱωσεν αὐγάς.
τοιγὰϱ ἀοίδιμος ἔϱγοις, ἀϑάνατόν τε μιν αὐδήσουσι Μοῦσαι
15 Μναμοσύνας ϑύγατϱες, Διὸς ξενίου σέβας αὔξου -
σαι φιλίας τε γέϱας βεβαίου.

Mehr noch damit das διϑυϱαμβῶδες des stiles deutlich werde als zur sicherung des textes ist eine erklärung notwendig. gleich der an - fang gibt in einer sehr kühnen nominalconstruction was in einfacher prosa heiſsen würde σὲ γὰϱ ὡς τὸ βιωφελέστατον μετεϱχόμενοι πολλὰ πονοῦσιν οἱ ἄνϑϱωποι. die beiden vocative stehen für den gedanken einander keineswegs gleich, die beiden dative daneben stehen auch in verschiedener bedeutung, τὸ ἀνϑϱώπινον γένος μοχϑεῖ, aber nicht βίος ϑηϱᾷ, sondern οἱ ἄνϑϱωποι ϑηϱῶσι τὸ κάλλιστον τῷ βίῳ. endlich πολύμοχϑος für πεϱὶ οὗ πολλὰ μοχϑοῦσιν ist zwar ganz correct, aber doch recht kühn. v. 5 erwartet man die unermüdlichkeit von denen ausgesagt zu sehen, die dulden; es heiſsen aber ihre mühen μαλεϱοὶ ἀκάμαντες. denn nur ein elender stilist könnte den accusativ ἀκάμαντας von dem nachbarn μαλεϱούς trennen und zu τλῆναι ziehen: in dem falle würde ἀκάμαντα stehn. vielmehr sind die beiden adjective in mehr oder minder glossematischer bedeutung gebraucht. ἀκάμαντες oder ἀκάματοι (eine variante, die sich bei Athenaeus eingedrängt hat) heiſsen die elemente seit den zeiten des epos, der Ὠκέανος, das meer, die sonne, der aether, die erde, die zeit; auch der einzelne fluſs heiſst so, weil er rastlos rinnt: auch der strom des lebens und seiner mühen rinnt ewig, rastlos, unermüdet. und gegen diesen strom anzuschwimmen ist die lebensaufgabe der heroen. das complement ist μαλεϱοί. man muſs nur wissen, daſs die glossographen das epitheton des feuers (nur das ist es im epos) als μαϱαντικόν faſsten (schol. Apoll. Rh. 1, 734, dazu Et. M.), während die νεώτεϱοι darin λαμπϱόν gesehen haben sollen. die tragiker lassen nicht erkennen, wie sie das wort verstanden haben, so lange wie sie es nur vom feuer brauchen, obwol πυϱὸς μα - λεϱὰ γνάϑος schon gegen λαμπϱός spricht, und wenn Ares als pestgott μαλεϱός heiſst, so ist das epitheton des feuers um der πυϱετοί willen gesetzt, aber schon dies führt auf das verzehrende feuer. stellen vollends wie μαλεϱοὶ λέοντες und gar μαλεϱὸς πόϑος (Aisch. Pers. 62) lassen keinen zweifel. im gegensatze steht Pindar, der mit μαλεϱαὶ ἀοιδαί natürlich λαμπϱαί meint (Ol. 9, 22), wie auch die scholien erklären,408III. 15. Die gedichte des Aristoteles.im widerspruche zu einer perversen deutung des Didymos. Aristoteles folgt den Attikern, πόνοι μαλεϱοί ist gesagt wie πόϑος μαλεϱός. was er aber von den mühen aussagen will, das gibt erst die verbindung der beiden adjective, οὐ κοπιῶντες ἐν τῷ μαϱαίνειν würde ein antiker paraphrast erklärt haben. des lebens müh und arbeit ist ein strom, der selbst nimmer müde wird, der ungeschwächt in ewigkeit rinnt. aber er macht müde, er verzehrt die kräfte des menschen; wer gegen ihn anschwimmt, dem erlahmen die muskeln und versagt der atem. und doch stürzt der heros sich in den kampf, denn die tugend zeigt ihm (legt in seine seele) eine frucht (einen lohn) köstlicher als gold (πλοῦτος) vor - fahren (εὐγένεια, wie Rose richtig gesehen hat) und schlaf (ἡδονή). das ist ein einfacher gedanke; aber dem stile gemäſs sind schon die einzelnen glieder durch zum teile kühn gewählte exempel bezeichnet, und wahrhaft dithyrambische epitheta stehn dabei. der schlaf heiſst μαλακαύγητος. das wollen die kritiker schlechterdings nicht dulden. über die bildung neben μαλακαυγής brauche ich nichts mehr zu sagen; das ist nur ein beispiel der gattung, die Herakl. II 107 belegt ist. aber der schlaf mit dem weichen glanze scheint den kritikern unsinn. nun so mögen sie an das bett eines blühenden kindes treten und die μαλακὴ αὐγή auf seinen wangen selber sehen. glänzen die wangen nicht? οἷον ὑπνώοντος ἐϱεύϑεται ἄνϑεα μήλων sagt ein geringer dichter von Pergamon (Kaibel Ep. 243, 12). und ist das der starre glanz des erzes? sind die glieder, die der λυσιμελής in seinen weichen banden hält, nicht μαλϑακὰ γυῖα? αὐγή wird freilich überwiegend von dem lichte und dem lichte des men - schen, dem auge, gesagt; aber der dichter hat doch sein recht, und Pindar sagt es vom golde (N. 4, 22), Euripides (Hipp. 745) vom bernstein. jede mutter, die nachts sich über das bettchen ihres kleinsten beugt, wird den Aristoteles trotz seiner kühnheit verstehn: der kritiker sollte noch mehr tun, und einsehen, daſs mit überlegung nur der physische genuſs der ruhe, der erholung, am schlafe hier hervorgehoben wird, weil der phi - losoph jeden gedanken an die εὐνή (μείλιχα δῶϱα καὶ εὐνγ´ Mimnermos 1, 3 wenn man stehn läſst und versteht, was er geschrieben hat) fern halten will. das epitheton des καϱπός, den die tugend verspricht, ist bei Athenaeus zu τ̕ ἀϑάνατον, bei Diogenes zu εἰς ἀϑάνατον verdorben. denn daſs nur ein epitheton hier stehn kann ist eben so klar, wie daſs καϱπός richtig ist. wenn man das streben oder sehnen hineinbringen will, wie soll ἵμεϱος denn πλούτου εαὶ εὐγενείας κϱείσσων sein? κάϱπος ἀϑάνατος ist es was man erwartet. es ist ja doch dasselbe was die sage in den äpfeln der unsterblichkeit symbolisirt hat. aber wenn409Der hymnus auf die Tugend.die abschreiber ἀϑάνατος abgetrennt haben, so zeigen sie selbst, daſs etwas davor stand, und das versmaſs verlangt eine kürze mehr. zur emendation, oder vielmehr zur entscheidung für Diogenes, dessen über - lieferung man nur zu deuten braucht, hilft das διϑυϱαμβῶδες des stiles. ἰσαϑάνατος ist freilich neu und seltsam, aber doch nur ein synonymon zu ἰσόϑεος, wie die τυϱαννίς zu heiſsen pflegt. ἰσοδαίμων βασιλεῦσι, ἰσόδενδϱον βίου τέκμαϱ (so langes leben wie die bäume) sagt Pindar. ἰσοδαίμων βασιληὶς ἀϱχά Ariphron, ἰσολύμπιοι ἰσάκτιοι ἀγῶνες sind die im range den Olympien oder Aktien gleichstehenden. gewiſs wäre die zusammensetzung mit einem an sich negirten worte undenkbar, wenn nicht dieses wort längst zu einem positiven begriffe geworden wäre. daſs καϱπὸς ἴσος τῇ ἀϑανασίᾳ bezeichnender ist für den lohn eines strebens, das selbst zum tode führt, als wenn ἰσόϑεος dastünde, also Aristoteles zu dem wagnis berechtigt war, bedarf keines wortes. Herakles und die Dioskuren sind das erste beispiel; an sich so vulgär wie die folgenden, Achilleus und Aias. aber pretiös ist die bezeich - nung der Dioskuren als Λήδας κοῦϱοι, weil sie neben Herakles unter den begriff οἱ Διός subsummirt sind. οἱ Διός hat Aristoteles ohne zweifel geschrieben; Διὸς hat Athenaeus, ἐκ Διός Diogenes. vor der krasis οὑκ, die Brunk hineingebracht hat, wird sich das lyrische gedicht gescheut haben. daſs Hermippos Ἀίδαο δόμους für Ἀίδα δόμον ge - schrieben hat, obwol so das versmaſs ganz zu grunde geht, ist bemer - kenswert für diese art von verderbnis, die vertauschung an sich gleich - berechtigter poetischer formeln: die emendation ist simpel und sicher. das gilt auch von ἀϑάνατόν μιν αὐδήσουσι Μοῦσαι, wofür Hermippos aus dem nächsten verse αὐξήσουσι hat. daſs das gedächtnis im liede (Μοῦσαι Μνημοσύνας ϑύγατϱες) dem todten Hermias die unsterblich - keit verleiht, ist auf das treffendste so bezeichnet, daſs die Musen ihn trotz dem tode unsterblich nennen, zu ihm reden, wie sie’s zu Harmodios getan haben, φίλταϑ̕ Ἁϱμόδι̕ οὔ τί που τέϑνηκας. dabei verherr - lichen sie (αὔξουσαι) seine gastfreiheit und freundestreue; οὗτος καὶ Δία ξένιον ἐσέβετο καὶ φιλίαν βέβαιον ἐγέϱαιϱεν (wie νόμους γεϱαί - ϱειν) sagen sie: das ist wieder nominal ausgedrückt σέβας Διός, γέϱας φιλίας. schwierig ist nur um des versmaſses willen v. 12, ich habe so abgeteilt, daſs es ddee ergibt; dazu war ἀελίου in ἁλίου zu ändern, was belanglos ist, und anzunehmen, daſs d, der daktylische trimeter anomal aus drei dactylen bestehe. die anomalie ist bekanntlich im drama sehr gewöhnlich; aber für die lyrik fehlt ein beleg, und die reste vom gastmahl des Philoxenos sind für mich zu verdorben, als daſs ich zweifel -410III. 15. Die gedichte des Aristoteles.haften stellen dort irgend etwas abgewinnen möchte. es ist aber noch ein anderer weg vielleicht gangbar. wenn man ἀελίου stehn läſst, so gibt der schluſs ein tadelloses de, und d steht am anfang. es bleibt - φᾶς καὶ Ἀταϱνέος. darin können die schluſssylben zusammengezogen gesprochen werden. zwischen εο und ευ ist im ionischen der unter - schied ganz gering. man würde also einen epitriten erhalten, wenn καί elidirt werden könnte. das ist weder attisch noch in der älteren lyrik oder bei guten elegikern möglich. aber wann hat es begonnen? mir ist gerade ein beleg aus einem lyrischen gedichte gegenwärtig, das in seinem stile stark an das aristotelische erinnert (fragm. adesp. 129 Nauck; de trag. fgm. 24). die untersuchung kann ich zur zeit nicht führen; vielleicht entscheidet sie rasch einer unserer grammatiker. daſs καί in Ionien schon um 450 vor diphthongen seinen eigenen körper ganz verlor, zeigt κ̕ Οἰνοπίδης IGA 381, 19: das ist elision; in Athen würde es κᾠνοπίδης lauten, mit krasis. die elision von αι in den verbalformen ist alt und nimmt immer zu: es liegt nahe, daſs sie die häufigste par - tikel ergriff. aber hier fehlt mir die gelehrsamkeit die sache zu ent - scheiden.

Für den sinn des ganzen gedichtes ist die vorstellung wichtig, die der dichter von dem verhältnisse gibt, das der mensch zu der göttin Areta hat. er sehnt sich nach ihr (11), jagt ihr nach (2. 10), und zwar ihrer μοϱφά (3. 12). man sollte danach meinen, er liebte sie. allein das erotische ist ganz fern gehalten. die Areta ist jungfrau: παϱϑένε steht bedeutsam neben μοϱφᾶς. der mensch bemächtigt sich ihrer nicht wie Herakles der Hebe; nur ihrer μοϱφά gilt seine jagd, ihrer ἰδέα. das ist ja ein synonymes wort. wenn wir modernen den menschen der idee der tugend nachleben lassen, von seinem idealen streben reden, so ist das unsinnlich, blaſs, philosophisch. aber es klingt darin doch die πεϱὶ τὰ εἴδη φιλοσοφία nach, wie der platonische brief an Koriskos, den freund des Hermias, die lehre Platons nennt. so viel ist sicher, daſs diese philosophie, die in dem rotwälsch der philosophischen compendien, wie es die candidaten im examen reden, mehr absurd als tief klingt, sofort verständlich wird, sobald man griechisch denkt oder redet, also in dem εἶδος die form, gerade nach ihrer sinnlichen erscheinung, zunächst bezeichnet hört. umgekehrt müssen wir hier, wo wir zunächst nur die schönheit der himmlischen jungfrau hören, daran denken, daſs die form, die ἰδέα, für den dichter eine ganz übersinnliche bedeutung hat, weil er Platoniker ist und einem Platoniker zu ehren dichtet. es ist das εἶδος des höchsten gutes, nach dem die menschen streben, durch411Der hymnus auf die Tugend.dessen besitz (οὗ μεϑέξει) sie εὐδαίμονες werden, und dieses höchste gut ist das höchste gute, das καλόν. aber dann ist es nicht die Areta, nach der sie streben; die Areta ist überhaupt nicht auſser ihnen, son - dern in ihnen, und durch sie erstreben und erreichen sie, daſs sie ἀγαϑοί und εὐδαίμονες werden. nicht um tugend zu erlangen, haben die heroen ihr leben geopfert, sondern sie haben das leben das sie lebten und den tod den sie starben der tugend geopfert die sie besaſsen. das gedicht erscheint also in seiner ganzen conception widerspruchsvoll. es heiſst an einer anderen stelle, daſs die heroen viel erduldeten, mit taten jagend nach der δύναμις der tugend (10). das ist ganz aristotelisch. τὰς γὰϱ ἀϱετἀς λαμβάνομεν ἐνεϱγήσαντες πϱότεϱον ὥσπεϱ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων τεχνῶν γὰϱ δεῖ μαϑόντας ποιεῖν, ταῦτα ποιοῦντες μανϑάνομεν (Eth. II 1103a). die tugend ist in der energie eher vor - handen als in der dynamis. so weit ist es gut. aber eben da lernen wir, daſs die tugend keine δύναμις ist, denn für die bloſse potenz gibt es keine moralische werturteile. die tugend ist eine ἕξις, eine ἕξις πϱοαιϱετικὴ ἐν μεσότητι οὖσα τῇ πϱὸς ἡμᾶς. das ist die aristote - lische definition. diese seine ἀϱετή hat mit der des gedichtes nichts zu tun; an sie kann man kein lied richten, sie ist keine göttin. also auch hier zeigt sich, daſs das gedicht keine voll befriedigende erklärung zuläſst. die Areta, die wirklich eine göttin ist, für die die heroen das leben gelassen haben, weil sie nur so gewonnen werden kann, ist die ἀϱετή der Athener des fünften jahrhunderts: ψυχὴν ἀντίϱϱοπα ϑέντες ἠλλάξαντ̕ ἀϱετήν. erst der tod, der heldentod, macht den ἀνὴϱ ἀγαϑός. ἀϱηιφάτους γὰϱ ϑεοὶ τιμῶσι καὶ ἄνϑϱωποι, sagt selbst Herakleitos. so dachten sie damals, und diese ἀϱετή ist freilich mehr als tugend; sie läſst sich nicht mit einem worte übersetzen. die ehre des mannes ist sie, die mit den ehren und dem erfolge nichts zu tun hat; die men - schenwürde, die der götterhöhe nicht weicht; die treue bis in den tod zugleich mit der krone des lebens. die Sokratik hat gewiſs eben dadurch möglich gemacht, eine religion zu sein, nicht bloſs ein philosophisches system, daſs sie die sittlichen ideale des volkes nicht verleugnete, son - dern steigerte verklärte vollendete; aber weil er die philosophie erst wirklich zur wissenchaft machte, kam Aristoteles von der religion weiter ab. hier nun griff er nach den formen der attischen poesie, den me - trischen und den sprachlichen, er griff ebenso nach den formen und vorstellungen, in welche die dichter seines volkes die sittlichen ideale gefaſst hatten. die conventionellen figuren der heroensage treten auf wie in der lyrik, und die Areta wird zu der, für welche Achilleus412III. 15. Die gedichte des Aristoteles.sein leben gelassen hat. Aristoteles dachte von der tugend anders; aber er versuchte in die alten formen einen neuen inhalt zu legen, seine sittlichen ideale, seine religion. wir zollen dem klugen stilisten unsere anerkennung gern, wir freuen uns an der geschicklichkeit des durch die kritik zum dichter gewordenen gelehrten, wir beugen uns vor der erhabenheit des im edelsten sinne religiösen mannes und vor dem pietätvollen schmerze des freundes: aber die widersprüche und die unvollkommenheiten solcher poesie, die aus nachahmung und an - passung entsteht, dürfen wir nicht verkennen. wer ein wirklicher dichter ist, der schafft sich selbst seine symbolik. das konnte Aristoteles nicht. zu einem gotte, wie der des Platon und Aristoteles ist, kann man nicht beten, und das lied ist für den dienst dieses gottes keine angemessene form mehr. aber das gefühl, das einst die heroen und dann den So - krates und jetzt den Platon und den Aristoteles so leben und so sterben lehrte wie sie getan, die treibende kraft in ihrem busen, die ihnen dazu verholfen hat, gut und glücklich zu sein und die ἀϱετή zur ἕξις zu haben, sodaſs wir sie jetzt wie tausende vor und nach uns als heroen verehren dürfen, dieses gefühl, das ihnen vielmehr die tugend gab als sie die tugend suchen lehrte, und das ihnen doch immer wieder tugend und glück als unerreichtes und doch erreichbares ziel zeigte, dies gefühl empfanden sie als unmittelbar wirkende gottheit, das verdichtete sich ihnen, da sie doch Hellenen waren, zu einer göttlichen person, und diesem gotte konnten sie auch hymnen dichten: Eros ist der rechte gott oder vielmehr daemon für diese religion, der mittler zwischen der men - schenseele und der seele des universums, dem reinen νοῦς, der ἰδέα τοῦ καλοῦ. dem hat Platon seine hymnen gesungen, echte poesie, in inhalt und form ganz und einig, und ganz sein eigen.

Die elegie an Eudemos.Es kann nicht anders sein und gerade die geschichte der helle - nischen philosophie bestätigt es, daſs das bedürfnis des frommen herzens, zu verehren und anzubeten, sich den menschen zuwendet, in denen das göttliche leibhaft waltet, wenn die persönlichen götter (mögen es viele oder einer sein, die zahl ist überhaupt ganz gleichgiltig), die sich der mensch nach seinem bilde erschaffen hat, nicht mehr genügen, und der unpersönliche gott zu hoch rückt, als daſs sich der sterbliche auch nur der hoffnung eines persönlichen verhältnisses zu ihm unterfange. unschätzbar ist das document dafür, daſs Aristoteles einmal so zu Platon aufgeblickt hat, die elegie an Eudemos, die aus dem commentare des Olympiodoros zum Gorgias zuerst Menagius veröffentlicht hat. erhalten dürfte auch dieses bruchstück durch die biographen sein.

413Die elegie an Eudemos.
ἐλϑὼν δ̕ ἐς κλεινὸν Κεκϱοπίης δάπεδον
εὐσεβέως σεμνῆς φιλίης ἱδϱύσατο βωμὸν
ἀνδϱὸς ὃν οὐδ̕ αἰνεῖν τοῖσι κακοῖσι ϑέμις
ὃς μόνος πϱῶτος ϑνητῶν κατέδειξεν ἐναϱγῶς
οἰκείῳ τε βίῳ καὶ μεϑόδοισι λόγων,
ὡς ἀγαϑός τε καὶ εὐδαίμων ἅμα γίνεται ἀνήϱ
οὐ νῦν δ̕ ἔστι λαβεῖν οὐδενὶ ταῦτά ποτε.

leider ist der gewährsmann ein ignorant, und so weiſs man nicht, wie viel man auf den ausdruck πϱὸς Εὔδημον zu geben hat. ist er genau, so war das gedicht an Eudemos gerichtet; dann ist unsicher, wer darin als der genannt war, der nach Athen kam. der adressat kann der Rhodier Eudemos sein: dann gehört das gedicht der späteren zeit an; oder der Kyprier: dann ist es vor 357 verfaſst. sehr viel ansprechender ist dagegen, daſs der unbenannte, dem das gedicht galt, der Kyprier Eudemos war, und daſs das gedicht durch die freundschaft zu diesem dem Aristoteles entlockt ist, ganz wie der dialog seines namens. dann war es aber nicht an ihn gerichtet, da er in dritter person erwähnt wird, und Olympiodor hätte εἰς Εὔδημον sagen sollen. wenn ich nun auch diese zweite auffassung vorziehe, so muſs ich doch gestehn, daſs die sache keinesweges sicher ist.

Sicherlich hat dagegen Olympiodor mit der beziehung des gedichtes auf Platon recht. es war eine verirrung, diesen durch Sokrates ver - drängen zu wollen. erstens konnte Aristoteles für Sokrates kaum eine lebendige persönliche verehrung haben; der platonische, nicht der wirk - liche Sokrates würde das sein. zweitens hat Sokrates durch seine lehre gar nichts bewiesen, da er überhaupt nichts bewiesen haben wollte. wer aber seine person allerdings mit recht als einen beleg für den hier ausgesprochenen satz verwenden wollte, daſs glück und tugend unlösbar verbunden sind, der konnte gar nicht anders als statt des οἰκεῖος βίος vielmehr den tod nennen: sein sterben hat dem Phaidon seine εὐδαι - μονία offenbart, und ohne den tod würde er wirklich nur ein sophist geblieben sein. mit recht hat dagegen Bernays den letzten vers für verdorben erklärt. die stellung der negation und der adversativpartikel und die unvereinbarkeit von νῦν und ποτέ zeigt es nicht nur, sondern läſst auch an dem sitze der verderbnis in οὐ νῦν keinen zweifel. auch daſs der sinn verkehrt ist, wenn darin liegen soll, jetzt wäre niemand mehr im stande gut und glücklich zu werden, ist klar: nur als erster hat Platon das durch leben und lehre bewiesen, aber das ziel ist er - reichbar, ja leichter erreichbar muſs es sein, seit der beweis der möglich -414III. 15. Die gedichte des Aristoteles.keit erbracht ist. leider ist zur heilung des fehlers kein schritt weiter geschehen. sehr hübsch wäre es, wenn da gestanden hätte, was Bernays will und glück und tugend können gar nicht getrennt besessen werden. aber wenn er μουνάξ für οὐ νῦν setzt, so ist die palaeographische unwahrscheinlichkeit das mindeste. wo immer μουνάξ steht, ist es ge - rade von einem einzelnen pare, tänzer oder kämpfer, gesagt, nicht von einem von zweien. οὐ δίχα δ̕ ist vollends ein sprachfehler; δίχα δ̕ οὐκ ἔστι ordnet das ein Grieche, und ferner heiſst δίχα λαβεῖν trennen, und dazu paſst οὐδενί nicht. der gedanke von Bernays wird überhaupt schwerlich der wahre sein, denn der plural ταῦτα paſst schlecht, οὐδ̕ ἔστι ϑάτεϱον λαβεῖν χωϱίς würde es einfach heiſsen, und dies wie auch immer stilisirt ergibt keinen plural. so ziehe ich vor von der letzten zeile ganz abzusehen.

Der stil der elegie ist, wie zu erwarten, der conventionelle. da ist die periphrase κλεινὸν Κεκϱοπίης δάπεδον für Athen, daneben sehr viel wenig poetisches, wie μόνος πϱῶτος, wie οἰκεῖος als possessiv der dritten person, und gar das philosophisch technische μέϑοδοι λόγων. metrisch ist v. 6 ganz ohne wortende im dritten fuſse bemerkenswert; aber caesur nach der hebung des zweiten und vierten fuſses und diaerese vor dem fünften machen den vers dennoch leidlich wollautend. gerade daſs der elegiker der prosa so nahe wie kein anderer dichter damals bleiben konnte, gestattete die bedeutenden gedanken einfach auszu - sprechen.

Und nun die hauptfrage: εὐσεβέως σεμνῆς φιλίης ἱδϱύσατο βωμὸν ἀνδϱὸς (Πλάτωνος), was heiſst das? ein altar der freundschaft? das ist als metapher für backfische, aber nicht für Hellenen erträglich. gewiſs kann Philia einen altar erhalten, aber nicht die Philia eines menschen, da zur freundschaft zwei gehören, und wenn man selbst einer derselben ist, so kann man diese Philia nicht verehren. dies ist überhaupt falsch construirt. ἀνδϱός kann gar nicht von dem genetive φιλίας abhängen, sondern es bleibt die wahl, die beiden genetive ἐκ παϱαλλήλου durch σχῆμα Ἰωνικόν gestellt zu denken, dann kommt prosaisch etwas wie βωμὸν τοῦ σεμνοτάτου φίλου Πλάτωνος heraus, oder, was ungleich poetischer ist, der genetiv ist der des grundes (im griechischen durch den verlust des instrumentalen ablativs entstanden), zu dem die alten grammatiker ein λείπει ἕνεκα zu bemerken pflegen, und wir müssen paraphrasiren σεβόμενος τὴν σεμνὴν φιλίαν βωμὸν ἱδϱύσατο Πλάτωνος. so, glaube ich, hat es Aristoteles gemeint, und auf alle fälle sagt er, daſs der mann von dem er erzählt, also Eudemos,415Die elegie an Eudemos.um seiner freundschaft willen dem Platon einen altar gestiftet hat. er sagt genau das was die biographen herausgelesen haben, die geradezu βωμὸν Ἀϱιστοτέλης ἱδϱύσατο τόνδε Πλάτωνος überliefern. auch den anstoſs der modernen hat einer von ihnen genommen und σηκόν für βωμόν eingesetzt, damit nicht der göttliche cultus des Platon darin stünde. aber gerade der bleibt bestehn. weder die interpolation bringt ihn fort noch die kümmerliche ausrede, das meint er nur metaphorisch. es ist ganz gleichgiltig, ob Eudemos oder Aristoteles selbst den altar errichtet hat, das heiſst steine dazu hauen lassen und eine inschrift hin - einschneiden, oder ob wir das so metaphorisch fassen: er hat in Platon einen gott verehrt. gerade dies bleibt bestehn, ja es ist die pointe des gedichtes, sonst hat es gar keine. so hoch steht doch wol das empfinden jedes Platonikers, daſs er dem gotte Platon nichts direct hat zu liebe tun wollen, wenn er einen kranz auf den altar legte oder ein weihrauch - kerzchen ansteckte: aber legen wir etwa keine kränze mehr zu den füſsen einer ehrenstatue oder um eine gedächtnistafel? ein gott, den man um gutes wetter oder gute träume oder glückliche fahrt anflehte, war Platon gewiſs nicht; solche götter gab es für Eudemos und Aristoteles überhaupt nicht mehr. aber ein gott war er doch: sie fühlten seine macht, die befreiende und erhebende, in ihrer seele. darum widmeten sie ihm eine verehrung in der form des cultus. die sitte hatte den cult der abgeschiedenen seele längst geheiligt, und dieser teil der religion hat auch dem wechsel der formen am zähesten widerstanden, und es dürfte den zeloten von heute, den gottlosigkeitspfaffen, schwer werden totencult und totenspenden zu beseitigen. aber der totencult war für den Hellenen der gegensatz zu der gottesverehrung; ein gewesener mensch blieb für den cultus mensch, das unreine des todes und der sterb - lichkeit klebte ihm an. der tote kann keinen altar haben, βωμός und τάφος sind unvereinbar. wenn Simonides den τάφος der kämpfer von Thermopylae einen βωμός nennt, so sagt er, daſs sie durch den tod die ἀϑάνατος ἀϱετή gewonnen haben und götter geworden sind. und wenn seine schüler dem Platon einen altar errichten, so erklären sie ihn damit für einen gott. ob der mensch Platon den staubleib noch trägt, da sie es tun, oder ob staub zu staub geworden ist, macht gar keinen unterschied. gott und tod sind unvereinbare begriffe. die bedeutung des gottesbegriffes und dieser verehrung, nicht des sterblichen Platon, sondern der unvergänglichen göttlichkeit in ihm, ist dem nicht von fern aufgegangen, der wähnt, es täte etwas davon oder dazu, ob Platon der sterbliche noch am leben war. wer will, mag seiner empfindung nach416III. 15. Die gedichte des Aristoteles.eine ὕβϱις in der praedicirung der εὐδαιμονία eines menschen finden; so würden Herodotos und Aischylos und Sophokles geurteilt haben, und ich selber bin dem vielleicht sehr geneigt. und die schüler haben nun einmal so geurteilt, die tatsache darf nicht weggedeutelt werden. und wahrhaftig, wenn er vor ihnen stand, und sie ihn wirklich für ἀγαϑός und εὐδαίμων hielten, so war er ein gott, und es war eine blasphemie, wenn ein schlechter mensch selbst lobend von ihm redete. dies sagt Aristoteles von ihm aus: aber die notwendige folge daraus, daſs er ihn für einen gott erklärt, will man nicht ertragen? des menschen aufgabe ist ἐφ̕ ὅσον ἐνδέχεται ἀϑανατίζειν, sagt Aristoteles (Eth. X 1177b): wenn es einem gelungen war, das ganz zu tun, was war er dadurch geworden?

Ob der altar wirklich errichtet ist, macht für die empfindung, für die asebie, wenn’s jemand so zu nennen wagt, nichts aus. aber was soll uns dazu bringen, die worte anders zu deuten als sie dastehn? verhinderte vielleicht ein gesetz oder die polizei eine solche private weihung? schritt der staat, der den ϑεὸς ἰϑύφαλλος zulieſs, gegen den ϑεὸς Πλάτων ein? tat dieser gott dem σέβεσϑαι τοὺς πατϱίους ϑεοὺς abbruch? ob der könig eine denuntiation ἀσεβείας gegen die weihenden angenommen haben würde, wenn jemand geklagt hätte, ist müſsig zu fragen. vielleicht; vielleicht haben die jünglinge es auch darauf ankommen lassen. an Platon hat sich nicht einmal ein sykophant gewagt; so mag auch selbst der pfaffe Eurymedon diesen beweis für die asebie des Aristoteles verschmäht haben. das äuſsere zeichen ist doch immer nebensache. die empfindung aber nun ich will von Epikuros und Alexandros und Augustus gar nicht reden, aber wie haben Bettina und Rahel und recht viele andere zum alten Goethe aufgesehen? wie Paris zum greisen Voltaire? wie wir Deutsche zu unserm guten alten kaiser Wilhelm? sünde oder nicht vor den pfaffen, dummheit oder nicht vor den rationalisten: ein ächtes und ein frommes gefühl bleibt es, das den menschen in dem groſsen und guten menschen gott finden läſst gerade so gut wie in der elementaren natur, und zwar gerade den menschen, der über die formen der conventionellen religionen hinaus ist. dieses ächte und fromme, aber allerdings schwärmerische gefühl hat auch ein Aristoteles geteilt: das ist tatsache. finde sich jeder mit ihr ab wie er will; ich habe ihn lieb darum.

[417]

REGISTER.

1. Sachregister.

  • Achaia, chronik2,22
  • Acharnai2,152
  • bevölkerung2,210
  • Acherdus2,153
  • Achniaden2,268
  • Ἄδειστος2,170
  • Admetos2,321
  • aedilis ναοποιός66
  • Aelian177. 262
  • Agesilaos2,383
  • Aiakeion2,281
  • Aigikores2,128. 136
  • Aigina2,89. III cap. 2
  • chronik2,27
  • Aischines redner354.2,269
  • gesandtschaftsproceſs2,237
  • überlieferung der reden36
  • Aischines Sokratiker149.160 .183 .2,99
  • Aischylos Eumeniden III cap. 7
  • Lykurgie2,69
  • Perser143
  • Akastos, könig2,131
  • Akestorides, archon24.2,81
  • Aktaion, könig2,126
  • Ἀϰτή2,35. 127
  • alexandrinische poesie2,31
  • Alexandros336. 370
  • briefe2,393
  • Alkibiades62. 132
  • Alkidamas2,394
  • Alkmeon, archon 2, 81
    *)Ich scheine die belegstelle nirgend angeführt zu haben. Pollux 8, 110 datirt die einführung der 10 phylen auf den archon Alkmeon, quelle ist die chronik. es folgt daraus, daſs dieses das erste jahr der neuen ordnung ist, also 506 / 5; und daſs Kleisthenes einen geschlechtsgenossen wählen läſst, wahrscheinlich als seinen eigenen nachfolger (s. 6), ist ganz in der ordnung.
    *)
  • Alkmeoniden17. 3236.2,55. 325
  • Amelesagoras228.2,20
  • Ammoncult209
  • Amphiktion, könig2,126
  • Anakeion269
  • Anaphe, chronik2,26
  • Andokides2,74
  • ἀνδϱιάς46
  • Androdamas67
  • Andropompos2,129
  • Androtion42.52.123. 288
  • Angele2,152
  • Ankyle2,155
  • Antiochos v. Syrakus356.2,27
  • Antipatros339
  • Antiphon v. Rhamnus2,76
  • der redner170
  • rede52,369
  • rede62,347
  • π. ὅϱων218
  • verteidigung2,362
  • Antiphon sophist π. ὁμονοίας173
  • Antisthenes183
  • Anytos128,2,375
  • Apaturienopfer2,271
  • Apheidas, könig2,129
  • Apollon2,44
  • Apollodoros v. Kyzikos188
  • Apollonia in Epirus293
  • apotheose337.2,397
  • Ἀϱχεάναξ2,181
  • Archedemos2,213
  • Archestratos v. Phlya68
  • Archidamos v. Sparta, regierungszeit147
  • Archinos2,368
  • Archytas v. Amphissa18
  • Areta2,410
  • 418
  • Ἀϱητιάδης2,182
  • Ἀϱγειάδας2,175
  • ἀϱγὸς (σῖτος, ταϱϱός) 219
  • Ἀϱίφϱων2,86
  • Aristeides145.152. 159
  • s. g. gesetz124
  • Aristides, rhetor298
  • Aristion14. 261
  • Aristokrates, Skelias s. 100
  • Aristophanes2,382
  • ThesmophoriazusenIII cap. 8
  • Wespen2,244
  • Aristoteles leben und entwickelung I cap. 10
  • beurteilung der prosa169
  • nationalgefühl369
  • stellung zu Demosthenes349
  • zu Ephoros305
  • zum landleben357
  • zu militär und flotte209
  • zeitrechnung1
  • π. βασιλείας339
  • briefe2,393
  • διϰαιά ματα305
  • Eudemos328
  • gedichteIII cap. 15
  • Poetik321
  • Politien2,18. 22
  • Politie der Athener
  • abfassungszeit211
  • benutzung d. Androtion42
  • der AtthisI cap.1. cap.8;117
  • der attischen gesetze238. 256
  • des Herodotos. I cap. 2
  • des Theramenes62.126.161.165.
  • akademischer traditionen118.128.
  • des ThukydidesI cap. 5
  • Berliner exemplar291
  • Londoner exemplar291. 294
  • interpolationen294
  • geltung in späterer zeitI cap. 9
  • der Lakedaimonier2,24
  • Politik355
  • idealstaat356. 363
  • verurteilung der frauenarbeit235
  • Protreptikos327
  • Pythioniken13
  • Rhetorik320. 349
  • Arkadien, chronik2,22
  • Arrian122
  • Artemis132.2,318
  • Aspasia263.2,99
  • Athanadas v. Ambrakia2,29
  • Athen archontenliste7
  • bevölkerungszahlII cap. 9
  • königsliste2,131 35
  • Athen topographie des landesII cap. 6
  • der stadt270.2,160
  • geschichte: bis SolonII cap. 2
  • reform von 6832,40. 53
  • Drakon und Solon s. d.
  • erster heiliger krieg1020
  • 593 5602,308 12
  • tyrannenzeit2,68 70 vgl. Peisistratos, Hippias Klei - sthenes u. dgl.
  • kampf um Leipsydrion34
  • geschichte 507 4802,77 91280 87
  • schlacht bei Marathon112.2,84
  • aeginetischer krieg2,88 90; III cap. 2
  • 490 8025.2,327
  • 480 6215458.2,91 95
  • Eurymedonschlacht2,292
  • thasischer krieg2,295
  • 465 412,97.291 298
  • schlacht bei Tanagra2,294
  • bündnis mit Argos2,331
  • aegyptischer krieg158.2,297
  • kimonischer friede289
  • samischer krieg2,298
  • hermenfrevel2,113
  • revolution von 41197105 .164 .2,113 125. 34551.356 61
  • Arginusenprozeſs127
  • restauration 403II cap. 11
  • 390 802,374. 382
  • 370 50343
  • 3382,395
  • 338 22194. 348
  • Athena2,36. 233
  • Alea2,44
  • streit mit Poseidon2,37. 199
  • alter tempel115
  • Ἀϑηναῖος2,35
  • Atthis27. 98I cap. 8
  • Ἀττιϰός2,36
  • Ἀτώ, Ἄτωτος2,170. 175
  • Auriden2,153
  • ἀξονες45
  • ἀξονηλατεῖν2,310
  • Βαλλίων2,177
  • Βασιλεύς181.2,136
  • Basiliden2,130
  • Bekkers fünftes lexikon226. 294
  • biographica in schol. Plat. und Lu - kian263
  • Βῖϑυς2,176
  • Boeckh12. 375
  • βοηδϱόμια132
  • briefstil130.2,392
  • Brytiden2,271
  • 419
  • Bukoleion2,42
  • βουλή91
  • Butaden2,74. 128
  • Buzygen2,86
  • Chairemon v. Apollonia293
  • Charminos2,346
  • Charmos265
  • Charon v. Lampsakos152
  • Charondas65
  • Chios2,381
  • Cholargos2,159
  • χωϱία, rhetor. terminus180
  • χϱεωϰοπίδαι63
  • ChronologieI cap.1;2,289
  • Clemens Alex2,311
  • E. Curtius377
  • Daidaliden2,155
  • Damasias10
  • Damia und Auxesia2,282
  • Damon, Damonides134
  • Dekeleia2,266
  • Dekeleer2,172
  • Delos2,44
  • Demon273. 280
  • Delphi2,44
  • geschichtliche tradition285.2,20. 21
  • tempelbau3236.2,327
  • Athenerhalle2,287
  • Demades129. 208
  • Demetrios v. Phaleron362
  • Demosthenes129. 329
  • unächte staatsreden2,215
  • gegen Androtion211
  • Aristogeiton I2,402
  • Aristogeiton II2,247
  • Boiotos2,179
  • Makartatos259
  • Eubulides31
  • prooemien2,402
  • δημότης2,356
  • demotika in der anrede2,192
  • Demotion archon2,93
  • heros2,279
  • DemotionidenIII cap. 1
  • διϰαιαϱχιϰὸν γένος πολιτείας74
  • Diodoros, perieget263
  • v. Sicilien2,290
  • IX quellen266
  • XI stoffverteilung156
  • Διογένης Λαέϱτος2,178
  • Diogenes Laertius, I, quelle266
  • Dionysios v. Chalkis2,28
  • v. Milet2,8
  • Dionysos2,42. 69
  • dithyrambos2,406 10
  • DrakonI cap.4;2,55. 305
  • zeit9.57. 97
  • Dropides archon7
  • I. G. Droysen377
  • M. Duncker379
  • Dyaleer2,269
  • Eion, eroberung146. 155
  • Ἐλασίδαι2,269
  • elegie322.2,314. 414
  • Eleusis2,38
  • Elis, chronik2,22
  • synoikismos2,300
  • U. Emmius375
  • ξνος77
  • Ephesos, phylen2,139
  • Ephialtes2,93. 341
  • zeit des todes141
  • Ephoros2,16. 295
  • stellung zu Aristoteles305
  • zur Atthis277
  • Epikephisia2,152
  • Epikrates, gesetz über d. ephebie194
  • Epilykos, polemarch56.278 .2,43
  • Epimenides2,25
  • Erechtheus2,128
  • Eretria2,80
  • Erikeia2,155
  • Eroiaden2,157
  • ἔϱυμα2,336
  • Euboia, chronik2,21. 28
  • Eubulos345
  • Eudoxos333
  • Euenos v. Paros2,404
  • εὐήϑεια2,10
  • Eumelides v. Alopeke2,196
  • Eumelos v. Korinth2,20. 23
  • Eumeniden2,338
  • Eumolpiden2,52. 249
  • Euonymoi v. Ephesos2,155
  • Euphemos2,78
  • Eupolis Demen179. 181
  • Euripides Ion2,137. 142
  • scenerie35
  • Phoinix181
  • Euthydemos archon24
  • Euxitheos v. Halimus32
  • v. Mytilene2,369
  • Frauen keine rechtssubjecte190. 247
  • frauennamen2,178
  • Geleon2,136
  • gesetze und verfassung65. 238
  • anordnung257
  • γνώμων, ἐπιγνά μων241
  • Gorgias172.2,405
  • Olympiakos173
  • 420
  • Gorgias Palamedes2,236
  • Graes, demos2,252
  • Griechische geschichte der modernen375381
  • Grote378
  • grundbesitz, privater2,47. 227
  • heiliger215.2,240
  • verschuldung2,55
  • grunderwerb der neubürger364
  • Habron archon2,93. 301
  • Harmodios2,75
  • gesetz des Hegemon228
  • Hegesias archon24
  • Hekale2,157
  • Hekataios2,8
  • Hellanikos282.283 .2,19
  • Hephaistos2,38
  • Herakleia Pont. 357
  • Herakleides v. Klazomenai188
  • v. Pontos265
  • epitomator der Politieen292
  • Hermias334.2,404
  • Ἑϱμοϰοπίδαι63
  • Hermokreon archon24
  • Hermos2,158
  • Herodotos269.2,9.281 ffg.
  • abschluſs d. werkes26
  • quellen u. gewährsmänner285
  • übergänge u. verknüpfungen33
  • stellung zur Atthis30. 288
  • zu Solons gedichten15. 315
  • Ἡσιόνη2,181
  • Hestiaia2,155
  • Hesychius294
  • hetaeren216. 218
  • namen99
  • Ἱμεϱαῖος2,176
  • Himerius2,405
  • Hipparchos Charmos s. 114.2,82. 87
  • Peisistratos s. 109.273 .2,70
  • Hippias v. Elis2,20
  • Peisistratos s. 112.2,70
  • Hippokleides2,73
  • Hippomenes2,132
  • Hippys2,28
  • Ὕλας2,176
  • Ὑλιχίδης2,183
  • Hyperbolos129.130 .2,53
  • Hypereides, geburtsjahr225
  • Hypsichides archon25
  • Ὑϱυάϑιοι2,139
  • Iamblich. protr. sophistische quelle174
  • Idomeneus v. Lampsakos183
  • Ion u. söhne2,136. 154
  • Ion v. Chios145
  • Ioniden2,142
  • Ionien, chroniken2,29
  • Ionier2,141
  • Iophon Peisistratos s. 112
  • Iphikrates347
  • ἰσαϑάνατος2,409
  • Isagoras2,76
  • Isokrates72.167.318. 344
  • tod2,395
  • Buseiris2,14
  • πϱὸς τοὺς σοφιστάς320
  • Panegyrikos2,380 84
  • Panathenaikos133.2,380. 392
  • briefeIII cap. 13
  • ἰσομέτϱητος48
  • Isthmos der Messenier2,296
  • Istros2,279
  • Kadmos v. Milet2,20
  • Kallias v. Angele, archon8
  • Kalliades s. 135
  • v. Skambonidai, archon7
  • Kallibios2,389
  • Kallikrates v. Paiania2,214
  • ϰατωνάϰαι272
  • Kedon38
  • Kekrops2,128
  • ϰεφάλαιου rhetor. terminus2,387
  • Kephallenia2,39
  • Kephisos2,155
  • Kerameikos, friedhof2,292
  • Keryken2,74
  • Kikynna2,158
  • Kimon114. 13538 .180 .2,91 .97. 98
  • ostrakismos2,291 93
  • Kleidemos29.30.265. 286
  • Kleisthenes Megakles s. 6.32 .2,76. 145
  • Sibyrtios s. 2,145
  • v. Sikyon17. 272
  • Kleitophon102
  • Kleokritos180
  • Kleon129.2,248
  • Kleonymos180
  • Kleophon130.2,195. 213
  • Κλιτίας2,59
  • Kodros, Kodriden2,129
  • Κοισύϱα111
  • Kolias, naukrarie279
  • Κολλυτίδης2,183
  • Komeas archon22
  • alte komoedie182
  • Κόνων, Κόννος62
  • Konon archon2,93
  • Konthyle2,152. 172
  • ϰόϱη46
  • Korinth, chronik2,23
  • Koriskos334
  • ϰοϱώνη2,36
  • Korybanten46
  • 421
  • Kothokiden2,152
  • Kranaos2,126
  • Kreophylos2,20
  • Kreta, chronik2,26
  • Kreusa2,137
  • Krios v. Aigina2,284
  • Krisa18
  • Kritias131. 165
  • schriften174
  • Κϱοῖσος2,175
  • Kronos, Kronia119
  • Kroniden2,181
  • ἐπὶ Κϱόνου βίος119
  • Kydas, Kydantiden2,155. 279
  • Κύλλαϱος2,176
  • Κύλων2,130
  • Kylon2,55
  • ϰύϱβεις45
  • Kyrene, chronik2,27
  • Kytherros2,152
  • Laches2,244
  • Lakrateides, archon2,81
  • Eumolpide2,449
  • Lamachos2,172
  • Lampsakos151,2,72
  • Lemnos196.2,73
  • Leogoras2,74
  • Leon, stratege2,268
  • Leto2,181. 268
  • localtraditionenII cap. 1
  • los89
  • Lusia2,153
  • Lykon128.2,154
  • Lykurgos209. 352
  • Λύσανδϱος u. dgl. 2,62
  • Lysias177
  • gegen Eratosthenes2,218 22
  • für PolystratosIII cap. 9
  • gegen getreidehändlerIII cap. 11
  • PankleonIII cap. 10
  • Euandros204
  • rede 252,361
  • Olympiakos2,382
  • rede 342,225
  • Lysistratos2,347
  • μαλαϰαίγητος2,408
  • μαλεϱός2,407
  • Massalia, chronik2,29
  • Μηδιϰά26
  • Medontiden2,41. 131
  • Megakles, archon9. 57
  • Alkmeons s. 23
  • Hippokrates s. 37.2,323
  • Megakles s. 111
  • Megara, chronik2,21
  • μεῖξις πολιτείας74. 133
  • Μελάνϑιος2,82
  • Melanthios atthidograph und homonyme287
  • Melanthos2,129
  • Meletos128.2,74
  • Melisseus2,20
  • Menekrates v. Elaia2,30
  • Menon v. Pharsalos116
  • μήτηϱ Ὀλυμπία2,317
  • metrik2, 317.353.355.404. 406
  • Meursius375
  • Miletos2,141
  • Miltiades2,82
  • Mimnermos2,313
  • μνήμονες236
  • Mnesiphilos134
  • I. Möser368
  • münzprägung80
  • Myronides179.2,91. 297
  • Myros (?) archon2,81
  • Myrrhine113
  • Μῠς2,176
  • namenII cap.7;2,29
  • recht daran2,181
  • naturalwirtschaft240
  • ναύϰϱαϱος96
  • Naxos eroberung150
  • Neapel2,39
  • Nepos, Thrasybul2,223
  • νηϱηίδες2,181
  • Niebuhr376
  • Nikodemos v. Dekeleia2,265
  • nominalconstruction214
  • novelle2,6. 31
  • Oa2,152
  • Οἶον2,156
  • Ogygos2,126
  • Ὄλας2,176
  • olivencultur240
  • ὀϱγάς2,39
  • Orestes2,49
  • ἁϱογϱάφοι2,21
  • Oropos2,365
  • ὀϱϑοῦσϑαι2,332
  • οἱ τὰ ὦτα ϰατεαγότες133
  • Otryne2,154
  • παλλάδια2,36
  • Pallene2,37. 157
  • Pandion2,127
  • Pandrosos2,318
  • Panops2,149
  • πᾶς τις2,314
  • patronymica2,180
  • Pausanias v. Sparta145
  • perieget19
  • 422
  • Peisistratos179.2,69. 311
  • zeit2124
  • Pelasger2,73
  • Pellana287
  • Pentele2,157
  • Perikles68.133 .2,98 102. 297
  • antrag auf tempelherstellung2,340
  • beredsamkeit170
  • geschlecht2,86
  • gesetz über bürgerrecht125
  • prozeſs2,245
  • Perithoiden2,153
  • Phainippos archon2,81
  • Phanodemos287
  • φατίζειν48
  • Pheidias2,100
  • Philaiden2,72. 82
  • Φιλιεῖς2,269
  • Philinos2,347
  • Philippos könig340
  • briefstil2,392
  • Philistos2,13
  • Philochoros33. 288
  • φιλομηλείδης2,196
  • Phoiblas v. Samos293
  • Phokos2. 309
  • Phorbas, heros2,134. 279
  • Phormisios2,225
  • φοϱμός2,375
  • Phrasikleides archon2,301
  • Phyle2,39
  • phylen bei Dorern u. Ioniern2,139
  • Φυλλίδαι2,178
  • Pindaros lebenszeit2,301
  • Pyth. 7III cap. 6
  • Pyth. 82,301
  • Isthm. 62,293
  • Platon74.184 .237 .322 33.2,14. 415
  • Gorgias183
  • Gesetze330
  • unechte schriften342
  • Hipparchos118
  • Ion188
  • Menexenos2,100
  • Plutarchos299303
  • πόλις51
  • πολίτης2,54
  • politische literatur169.2,13. 389
  • Pollux256.257. 295
  • Polyaenus275
  • Polykrates sophist183
  • Poseidon2,37
  • Praxiergos archon2,93
  • Praxilla2,321
  • Probalinthos2,152
  • πϱοστάτης τοῦ δήμου178
  • Protagoras174
  • Proxenos v. Stagira315
  • pseudepigraphe literatur2,402
  • Πύϱης2,183
  • Pytheas, redner208
  • Pythiadenrechnung2,328
  • Pythion2,45
  • Pythodoros Epizelos s. 2,173
  • quellen d. gr. geschichte 277 ffg. II. cap. 1
  • reden, zweck der publication2,362. 367
  • eingelegte urkunden259
  • Rhodos, chronik2,27
  • roman2,14. 31
  • ῥωπῖτις2,155
  • Sage2,5
  • Salamis, erwerbung267
  • Samos293
  • seeraub2,285. 383
  • seisachthie2,62
  • Semachiden2,157
  • Sigonius375
  • Sikyon, chronik272.2,23
  • SkoliensammlungIII. cap. 5
  • Skyros erwerbung146. 157
  • Sokrates2,227
  • Solon26169.2,59 67
  • gedichte15.303. III cap. 4
  • gesetzestafeln45
  • hieromnemon14
  • legenden16.39 .2,67
  • münzreform4144
  • zeit14
  • Sophokles Antigone2,298
  • Sosibios Lakon2,25
  • Sparta2,40. 52
  • ἀγαϑοεϱγοί, στατοί225
  • chronik2,24
  • δᾶμος2,40
  • erdbeben2,295
  • rhetra2,24
  • spitznamen2,178
  • heilige steine47
  • stele der geächteten115
  • Stesimbrotos178
  • suffix ευς2,136
  • Teithras2,279
  • Telamon2,320
  • Telauges pythagorist272
  • Telemachie2,72
  • Tellos269
  • Terpandros2,25
  • Τηϑύς2,181
  • Thargelien2,45
  • Thasos150.2,295
  • Themistokles13852 .275 .2,83.88 91
  • angebl. statue263
  • Theodorus Metochita293
  • 423
  • Theopompos130.135 .168 .183 .2,15
  • Theramenes16568.2,222
  • Thersikleiden2,268
  • Theseion157. 269
  • Theseus270.2,127
  • ϑεσμός2,330
  • Thessalos Peisistratos s. 110
  • Thrasybulos2,223. 382
  • ThukydidesI cap.5;184.2,10 .290. 357
  • herkunft116
  • stellung zur Atthis289
  • Thymoites2,129
  • tiernamen2,178
  • Timokreon138
  • Tolmides2,297
  • tracht272.2,68. 282
  • Trinemeia2,155
  • Tritopatores2,268
  • τϱιττύς2,36
  • tyrannenmörder2,319
  • Tyrsener2,74
  • Verkauſstempel236
  • Westhellenen, chronik2,28
  • Xanthippos2,87. 91
  • Xeniades v. Korinth2,23
  • Xenokrates341
  • Xenophon122.2,15. 218
  • Symposion182
  • πολιτ. Ἀϑην171
  • Xuthos2,137
  • Zakyaden2,268
  • Zeuxippos2,130

2. Ἀττιϰὶ πολιτιϰὶ ἀνόματα.

  • γοϱαί2,235
  • ἀγοϱανόμοι218
  • ἀδιϰίου2,232 .246.360. 365
  • ἀδύνατοι213.2,206
  • ἀϑλοϑέται238
  • αἱϱεῖσϑαι72
  • Ἀμμωνίς209
  • ἀναϱχία6.2,64
  • ἀνδϱαπόδων245
  • ἀντιγϱαφεύς228
  • ἀποδέϰται2,241
  • ἀϱγίας255
  • Ἄϱειος πάγος91.251 .2,49 .92.333. II cap. 8
  • ἀϱχαί, μισϑός, ϰαϱπός196.2,203. 400
  • ϰλήϱωσις, ϰυάμευσις200. 203
  • ϰληϱωταὶ ἐϰ διϰαστῶν233
  • cumulirung und iteration197
  • ὑπεϱόϱιοι2,203
  • χειϱοτοτονηταί208
  • ἀϱχαιϱεσίαι210
  • ἀϱχηγέτησ2,136. 150
  • ἄϱχοντες243.2,87
  • μισϑός195
  • ὅϱϰος46
  • gemeinsame pflichten203.204. 243
  • ἄϱχων254.2,44
  • ἐπώνυμος4
  • ἄϱχων εἰς Σαλαμῖνα230
  • βασιλεύς251.2,41
  • absetzen des kranzes252
  • βασιλεύς, strafgewalt2,195
  • vertreter des archons204
  • νόμοι βασιλέως215
  • Βοηδϱόμια250
  • βούλευσις252
  • βουλὴ οἱ φ´53. 20916.2, 106.111 .195 98. 24042 .344. 375
  • ἐϰ πϱοϰϱίτων73
  • οἱ φ ϰαὶ ά53
  • antrag auf eigene bekränzung211
  • μισϑός1952,95
  • Βϱαυϱώνια230
  • γεϱαιϱαί2,41
  • γεωμόϱοι2,51
  • γνώμονες241
  • γϱαμματεῖς227.2,107
  • Δήλια230
  • δήμαϱχοι217
  • δήμαϱχος ἐν Ἀμφιαϱάου232
  • Ἐλευσῖνι232
  • εἰς Πειϱαιᾶ230
  • δημιουϱγοί2,51. 58
  • δῆμοιII cap.6;2,109
  • διαιτηταί224
  • διαψήφισις31
  • διϰασταί90.201 .2,96. 105
  • διϰασταὶ ϰατὰ δήμους124
  • διωβελίαII cap. 10
  • δοϰιμασία2,188
  • δώϱων2,233
424Register.
  • εἰσαγγελία53.2,189. 360
  • εἰσαγωγεῖς222. 234
  • ἐϰϰλησία90.210 .2,104
  • fluchformeln2,348
  • μισϑός188. 195
  • tagesordnung2,253
  • Ἐλευσίνια230
  • ἐμποϱιϰαὶ δίϰαι221
  • ἔνδειξις222.2,375
  • ἔνδεϰα222
  • ἐξηγηταί280. 281
  • ἐπιζημίωσις2,196
  • ἐπιμελητὴς ϰϱηνᾶν207
  • ἐμποϱίου220
  • ἐπισϰευασταὶ ἱεϱᾶν215
  • ἐπιτάφιος ἀγών249
  • ἐπιχειϱοτονία νόμων2,194
  • ἐπώνυμοι225
  • εὔϑυναII cap.12;71.2,244 .250. 360
  • εὐπατϱίδαι94.2,50
  • ἔφεσις εἰς διϰασήϱιον60
  • ἐφέται251.2,199
  • ἔφηβοι189. 353
  • ἔφοϱοι2,358
  • φαίστια230
  • ϑεσμοϑέται24448
  • ϑίασοι2,269
  • εϱομνήμων206.2,45. 53
  • ἱεϱοποιοί228
  • ἱϰετηϱία52
  • ἱππεῖς212.2,107
  • χαϑεστηϰυῖα τιμή220
  • ϰατάγνωσις ἐϰ βουλῆς2,375
  • ϰαταλογεῖς102.2,356
  • ϰήϱυϰες202
  • ϰοπϱολόγοι217
  • ϰούϱειον2,271
  • ϰωλαϰϱέται52.2,190
  • λῃτουϱγίαι2,105. 163
  • λογιστήϱια2,232
  • λόγοςII. cap. 12
  • μεταλλιϰαὶ δίϰαι245
  • μέτοιϰοι249.250 .2,370
  • μετϱονόμοι219
  • μισϑοί194
  • μοιχείας247
  • ναυϰϱαϱίαι279.2,53
  • ναύϰϱαϱοι51. 93
  • ναυτοδίϰαι223
  • νῖϰαι χϱυσαῖ212
  • νομοφυλαϰία2,190
  • νουμηνία210
  • δοποιοί226
  • οἶϰος2,266
  • ὁμογάλαϰτες2,273
  • ὅπλα παϱέχεσϑαι78
  • ὀϱγεῶνες2,269
  • ὁϱισταί217
  • ὀϱφανοί250
  • ὀστϱαϰισμός2,87. 256
  • Παναϑήναια239
  • παϱαγϱαφή2,368 70
  • παϱάδειγμα213
  • Παϱαλία231
  • Πάϱαλος209
  • παϱανόμων2,105. 193
  • πάϱεδϱοι2,40
  • πεντήϱεις211
  • πεϱίπολοι199
  • πολέμαϱχος249.2,43
  • πολίτης205
  • πϱάϰτοϱες196
  • πϱόβουλοι102.2,113,344
  • πϱοϰϱίνειν72
  • πϱόξενοι nicht von untertanen2,92
  • πϱοχειϱοτονίαIII cap. 13
  • πϱυτανεῖαι ιβ͘2,147
  • πϱυτάνεις ναυϰϱάϱων92
  • πυλαγόϱαι2,53
  • ϱ̔ήτοϱες2,110
  • Σαλαμινία209
  • σιτοφύλαϰες219.2,375
  • Σϰύϑαι2,334
  • στϱατηγοί86.2,44 .78.88. 108
  • εὔϑυνα2,243. 249
  • συγγϱαφεῖς104.2,110
  • συλλογεῖς τοῦ δήμου2,166
  • σύνδιϰος2,330
  • συνήγοϱοι233.2,110
  • σύνεδϱοι202
  • σφαγαί17
  • πεϱὶ σωτηϱίας102
  • σωφϱονισταί192
  • ταμίαι τῆς ϑεοῦ212
  • τῶν ἄλλων ϑεῶν212. 234
  • ταμίας τῆς βουλῆς214
  • τοῦ δήμου210
  • στϱατιωτιϰῶν198
  • ταξίαϱχοι2,88
  • τεμένη215.2,190. 240
  • τιμήματα44.78 .2,51 .102.217.228.
  • τιμωϱεῖν τῷ ἀδιϰουμένῳ60
  • τοξόται ἀστοί2,201
  • τϱαῦμα ἐϰ πϱονοίας17
  • τϱιήϱεις ἱεϱαί209
425Register.
  • τϱιττίαϱχοι2,164
  • τϱιττύεςII cap. 6
  • ιβ͘2,147
  • τυϱαννίδος54
  • πογϱαμματεῖς197
  • ὑπωμοσία2,193
  • φόνος ἄδηλος253
  • δίϰαιος255
  • φϱατϱίαι189; III cap. 1
  • φϱουϱοί198. 234
  • φυλαί δ΄2,50.138 43
  • φύλαϱχος2,163
  • φυλοβασιλεῖς94
  • χοϱηγία254
  • ψευδομαϱτυϱιῶν246
  • ψηφίσματα form52

3. Stellenregister.

  • Aelian V. H. 8, 16262
  • 10, 15177
  • Aischines 1, 232,254
  • 2, 472,269
  • 3, 13203
  • 3, 25228
  • 3, 11636
  • 3, 184 (hermenepigr.) 155
  • Aischylos Eum. 568 7082,328 37
  • 9092,341
  • 9802,342
  • Sieb. 592. 609160
  • Andokides 1, 742,233
  • 1, 782,235
  • 1, 9754
  • Bekk. Anekd. 2122,281
  • 236128
  • 2372,213
  • 298294
  • 299231
  • 345213
  • 44956
  • Antiphon 6, 362,347
  • 6, 51252
  • sophist passim173
  • Aristides pro IV vir. 276280
  • Aristophanes Frösch. 1432180
  • Ritt. 82,177
  • Thesm. 313 302,352
  • 353 712,354
  • 8082,344
  • 8112,346
  • Vög. 125100
  • Wesp. 2322,172
  • 9612,244
  • 1184217
  • 12212,176
  • Aristoteles Elegie an Eudemos2,413
  • epigramm2,403
  • Eth. Nik. 1181a359
  • Aristoteles hymnus2,406
  • Meteorol. I 343b5
  • Poet. 1456a2,29
  • Pol. Athen. 1290
  • 2, 1294
  • 3, 347. 56
  • 4, 157
  • 4, 2 4I cap. 4
  • 5, 12,304
  • 5, 28
  • 5, 3303
  • 6, 12,62
  • 6, 2 362
  • 7, 145
  • 7, 248
  • 8, 149. 198
  • 8, 2 550
  • 8, 353
  • 959
  • 104144
  • 13, 16. 10
  • 13, 2294
  • 14, 122
  • 14, 2260
  • 14, 422
  • 15, 123
  • 15, 4269
  • 16, 6272. 292
  • 16, 7119
  • 16, 1054.294 .2,43
  • 17, 121
  • 17, 227
  • 17, 3 4111
  • 18, 2274
  • 18, 4109
  • 18, 5. 6274
  • 19, 1. 2274
  • 19, 334. 37
  • 19, 433. 37
  • 19, 621
  • 426
  • Aristoteles Pol. Athen. 20, 237
  • 20, 56.31. 294
  • 21, 132
  • 21, 3 62,146 51
  • 21, 42,168
  • 21, 6225
  • 22123
  • 22, 224
  • 22, 7275
  • 22, 825. 114
  • 23139
  • 23, 2294
  • 242,201 7
  • 25140
  • 25, 22,186
  • 26, 1136
  • 26, 2 4124
  • 26, 2294
  • 27, 3139
  • 27, 4133
  • 27, 5128
  • 28, 4125
  • 29 31101
  • 29, 12. 173
  • 302,116 120
  • 312,115
  • 31, 32,120
  • 32100
  • 3398
  • 34, 1127
  • 34, 28
  • 34 40121
  • 36, 2165
  • 39, 62,217
  • 41, 1122. 294
  • 41, 2186. 187
  • 41, 3188
  • 42189
  • 43, 1207
  • 43, 24,210
  • 43, 4 62,252
  • 44, 4210
  • 45210.2,196
  • 46211
  • 47, 2243
  • 47, 4251
  • 48, 3 52,235
  • 49213
  • 50215
  • 5121820
  • 52, 1. 2222
  • 52, 3212
  • 53224
  • 5422628
  • 55 3 5256
  • 55, 546
  • 56, 1256
  • 56, 2 7254
  • Aristoteles Pol. Athen. 56, 7259
  • 57, 1251
  • 58249
  • 5924248
  • 60238
  • 61, 1207
  • 61, 7209
  • 62, 1198
  • 62, 2195
  • 62, 3197
  • 63204
  • fgm. 228
  • fgm. 42,128
  • Politik β 1267b66
  • β cap. 126471
  • Γ 1275a205
  • Γ 1284a372
  • δ 1296a71
  • Ε 1315b21
  • Ζ cap. 2187
  • Ζ cap. 8234
  • Rhetor. 2, 1397b349
  • 3, 1407a, 1411a351
  • Athenaeus 6, 235215.2,43
  • 6, 271272
  • 15, skolien37. III cap. 5
  • Deinarchos 1, 602,233
  • 3, 15193
  • Demosthenes 18, 1342,189
  • 19, 255 (Solon) 2,305
  • 19, 285192
  • 19, 2932,233
  • 24, 112,255
  • 24, 149 (heliasteneid) 201
  • 43, 57217
  • 43, 75259
  • prooem. 542,401
  • prooem. 552,400
  • Diodoros 9, 37272
  • 11, 54142
  • 11, 792,301
  • 11, 81 832,294
  • 12, 452,247
  • Diogenes Laert. I 49 52266
  • Dionysios arch. 5, 502,81
  • Etym. M. ἐπάνυμοι225
  • Eupolis Demen179
  • Städte 28 M. 2,347
  • Euripides Antiope 2032,42
  • Iphig. Aul. 935 4748
  • Phoen. 9832,336
  • Gellius 2, 10298
  • Gorgias Palam. 282,236
  • Harpokration ἀδύνατοι213
  • 427
  • Harpokration ἀποδέϰται52
  • εὐϑῦναι227
  • Ἵππαϱχος115. 123
  • λογισταί227
  • ξενίας223
  • πϱοχειϱοτονία2,255
  • Herodotos 1, 59261
  • 1, 602,10
  • 5, 63. 6532
  • 5, 692,149
  • 8, 932,172
  • 9, 352,296
  • 9, 732,172
  • Hesiodos fgm. 372,183
  • Hesychius Κλαζομένιος294
  • Κόδϱους2,130
  • Himerius or. 6, 62,405
  • Homer B 550 55239
  • Κ 692,171
  • Τ 3272,184
  • δ 3432,196
  • Iamblichus protr. 95 Pist. 174. 180
  • 103181
  • Inschriften
  • Bull. Corr. Hell. XII 164188
  • CIA I 29223
  • 572,195
  • 12268
  • 189a 1902,212
  • 2742,177. 179
  • 3982,173
  • 4322,292
  • 4332,297
  • II 228
  • 91157
  • 114214. 227
  • 5702,154
  • 5712,239
  • 5782,239
  • 809b2,237
  • 8652,382
  • 8662,156
  • 8712,151
  • 941225
  • 962196
  • 985e2,197
  • 10532,154
  • 1208200
  • 16522,268
  • 20022,174
  • 27232,174
  • 34362,170
  • 38802,285
  • IV p. 6104. 223
  • p. 82,297
  • p. 92,296
  • p. 63270.2,238
  • CIA IV p. 64228
  • p. 662,240
  • p. 1152,174
  • p. 1182,157
  • p. 12545
  • p. 1402,202
  • p. 1822,173
  • p. 1992,75
  • δελτίον ἀϱχαιολ. 88, 1122,167
  • 89, 182,151
  • 89, 47193
  • 92, 367
  • 92, 582,175
  • Ἐφημεϱίς ἀϱχαιολ. 83, 128232
  • 88, 1III cap. 1
  • 89, 16208
  • 90, 27232
  • 90, 91193
  • 92, 672,48
  • Inscript. Brit. Mus. I 455. 5882,139
  • Inscr. Graec. Antiquiss. 3a2,287
  • 432,175
  • 4832,184
  • 5042,184
  • Marmor Parium10.21. 113
  • Mitteil. Athen. X 1112,153
  • Isaios 7, 92,82
  • 7, 152,268
  • Isokrates 4, 100 114III cap. 12
  • 4, 1392,381
  • briefeIII cap. 13
  • Iustinus II 9, 1113
  • IX 1145
  • Lexicon Cantab. νομοφύλαϰες2,192
  • Lex. Patm. p. 1522,272
  • Lykurgos 117114
  • Lysias 7, 22240
  • 12, 582,217
  • 20III cap. 9
  • 22III cap. 11
  • 23III cap. 10
  • 30, 112,195
  • Marcus πϱὸς έαυτόν 5, 3242
  • Paroemiogr. App. 4, 112,215
  • Pausanias I, 29, 42,292
  • IX 5, 162,129
  • X 710. 19
  • X 19, 435
  • Photius bibl. cod. 3775
  • lex. εὔϑυναι2,232
  • ναυϰϱαϱία2,166
  • ὀϱγεῶνες2,269
  • σιτοφύλαϰες219
  • Pindaros Pyth. 7III cap. 6
  • Nem. 7, 272,320
  • 428
  • Platon Staat 2, 3722,14
  • Ges. 6922,53
  • 8282,147
  • 92363
  • brief 6334
  • Plautus Aulul. 1072,215
  • Plutarch Aristeid. 3160
  • 22124
  • 25144
  • Kimon 5136
  • 8146
  • 14 172,291. 296
  • Nik. 11115
  • Perikl. 24263
  • 322,246
  • Solon 1025
  • 1114
  • 1358
  • 14. 152,309
  • 18, 461
  • 1917. 95
  • 2547
  • 2616
  • 30265.2,311
  • 31264
  • Themist. 20143
  • 21138
  • 25150
  • Theseus 23270
  • apophth. reg. (Aristid.) 160
  • Pollux 6, 195176
  • 8, 85 127295
  • 8, 8648
  • 8, 992,241
  • 8, 107230
  • 8, 1082,163
  • 8, 13050
  • 9, 6181
  • Polyaen 1, 22. 2, 36274
  • Polybios XII 11, 2306
  • Procop. in Anastas. II 40 Vill292
  • Scholia Aeschin. 1, 39177
  • 1, 104297
  • 2, 167199
  • Aristid. 472 Ddf. 2,86
  • 5172,82
  • 536263
  • Scholia Aristoph. Lysistr. 273114
  • Ritt. 43210
  • 44929
  • Thesm. 8042,343
  • Vög. 1073287
  • 154151
  • Wesp. 598190
  • Wolk. 985288
  • Demosth. Aristokr. Patm. 113. 253
  • Eurip. Hek. 9342,280
  • Hesiod. Erg. 888280
    *)Die conjectur Ἀνδϱοτίων für Ἀμφοτεϱός wird wol falsch sein. ein seher Amphoteros ist von Herwerden bei Eupolis in den Städten 15 M. mit wahrschein - lichkeit aufgezeigt worden.
    *)
  • Pind. Pyth. einleit11
  • Pyth. 3, 112
  • 7, 12,324
  • 7, 933
  • Plat. Ges. XII2,241
  • Menex. 263
  • Vergil. Aen. 6, 212,278
  • Solon gedichteIII cap. 4
  • Stephanos Byz. βέννα2,33
  • χαιϱώνεια282
  • Stesichoros fgm. 422,183
  • Strabon 3972,143
  • 3982,157
  • Suidas διάγϱαμμα218
  • ϑηϱαμένης167
  • πίνδαϱος2,302
  • Themistokles brief 8144
  • 20152
  • Theodorus Metochita 668293
  • Thukydides 1, 20109
  • 2, 132,209
  • 2, 202,210
  • 6, 55265
  • 7, 692,171
  • 8, 9799
  • Valerius Maximus VII 2 ext. 7180
  • Xenophon Hell. I 2, 18128
  • II 3, 19166
  • II 4, 382,218
  • Kyrop. III 1, 38 41182
  • Memorab. I 4, 5241
  • Symp. 2, 22220
  • 4, 322,214
  • πολιτ. αϑ. 1, 3197

Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.

About this transcription

TextAristoteles und Athen
Author Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff
Extent441 images; 170112 tokens; 25048 types; 1184245 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationAristoteles und Athen Zweiter Band Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. . IV, 428 S. WeidmannBerlin1893.

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Zentral- und Landesbibliothek Berlin Berlin ZLB, A1485

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Antiqua

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Philologie; Wissenschaft; Philologie; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:48Z
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Holding LibraryZentral- und Landesbibliothek Berlin
ShelfmarkBerlin ZLB, A1485
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