Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oderQuellen - kunde weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie’s für die andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, daſs die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich aus den historikern.
Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es hat sich aber nachgerade herausgestellt, daſs dieses quellensuchen ein recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge - liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, daſs die be - deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos. ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo - sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge - schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.
Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen. was ist eine quelle? Schaefers abriſs antwortet: ein geschichtliches buch aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und1*4II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.quellen der Odyssee. o wenn sie doch griechisch dächten! πηγὴ oder κϱήνη? wenn κϱήνη, dann ist auch Tzetzes eine quelle, wenn πηγή, dann ist auch Ephoros keine. die litterarische forschung darf nicht so vornehm sein wie Kallimachos der dichter (als forscher war er auch be - scheidner), sie muſs ἀπὸ κϱήνης πίνειν, muſs sich um alle brunnen und canäle und reservoirs kümmern. die historie dagegen prüft was sie trinkt darauf, ob es πηγαῖον ὕδωϱ ist, αὐϑιγενές oder verschlämmt, durch den filter geschmacklos geworden, von der sonne halbverdunstet. auch die ὀλίγη λιβάς ist ihr genehm, wenn sie nur ἄκϱον ἄωτον ist, und was nach der quelle schmeckt, das nimmt sie, einerlei wie ver - mittelt.
Begriff der quelleEin jeder historiker ist schon vermittler, auch wenn er Thukydides heiſst. als quelle kann sein bericht nur gelten, so weit er zeuge ist; sonst geht die geschichtliche forschung über ihn weg, auf seine zeugen. die urkunden und die aussagen von zeugen, das sind erst quellen. ob sie aber ihre aussagen mit der absicht gemacht haben, geschichtliche kunde zu übermitteln, d. h. geschichte geschrieben, ist nebensache. was unserer tagespresse entspricht, reden flugschriften komoedien, alle pri - vaten documente vom pindarischen siegesliede bis zum schlichten grab - stein haben auf die geltung als quellen viel mehr anspruch als die com - pendien später zeit, die der allgemeinen bildung oder, was dasselbe ist, der allgemeinen ignoranz dienen. eine quellenkunde, die von dem richtigen begriffe der quelle ausgeht, tut der griechischen geschichte allerdings not. erst durch sie erfährt sie, was sie überhaupt wissen kann. sie erfährt sofort, daſs sie von vielen jahrhunderten aus den quellen keine geschichte schreiben kann. wenn diese forderung gestellt wird, dann sind die bekannten striche bei der Heraklidenwanderung oder der ersten Olympiade oder dem jahre des Solon noch viel zu früh: dann müssen wir uns eingestehn, daſs erst das jahr des Pythodoros, 432, das anfangsjahr der griechischen geschichte ist. denn vater Herodotos hat auch das mit vater Homer gemein, daſs seine geschichte absurd wird, wenn man sie pragmatisirt. die Hellenen sind ein eigenes volk. ihre geschichte scheint, je besser sie erkannt wird, desto später an - zufangen, während im Orient die Babylonier, von den Assyrern ganz zu schweigen, und die Aegypter mit ihren königslisten und den denksteinen ihrer siege in fabelhafte fernen reichen. die könige der Ramessiden - dynastie sind sogar leibhaft in ihren mumien vorhanden, so daſs man ihre hohlen zähne zählen und ihre leibeslänge messen kann. aber der körper ist tot, und die zahlen sind tot. leben hat allein die seele, und5Begriff der quelle. sage.die seele der hellenischen geschichte redet zu uns von den tagen Homers und der homerischen helden an. individuelle menschenseelen sind für uns erst dann kenntlich, wenn sie selbst noch zu uns von ihrem seelenleben erzählen: die gibt es auf erden nicht vor Amos und Jesaja, Archilochos und Solon. aber typische menschen, durch dichterkraft zur individua - lität erhoben, sind schon Jakob und Moses, Agamemnon und Odysseus, und die historie, die mit ihnen nichts anfangen kann, weil sie mythisch sind oder geworden sind, ist die rechte schwester der encheiresis na - turae, die ihrer selber spottet — mögen sie sich auch alle beide ein - bilden, heut zu tage zu regieren.
Wenn die methode, aus den urkunden die wahrheit pragmatisch zu ermitteln, für die alte zeit versagt und überhaupt nur so weit hinauf berechtigt ist, als die zeiten selbst für eine pragmatische auffassung und bewahrung des geschehenden reif waren, so muſs eine andere methode gefunden werden, um in die ältere zeit vorzudringen, deren gedächtnis in anderer weise erhalten ist. auch hier gilt es die quellen zu finden; die quellen sind nur anderer art. zwar die steine, die der burgen und tempel und vollends die beschriebenen, und die gräber sind in gleicher weise unmittelbare zeugen, und es fehlt auch nicht an einzelnen men - schen, die noch zu uns unmittelbar reden: die hauptquellen der alten zeit sind die dichter. nur seine poesie hat den menschen Solon im gedächtnis erhalten, und daſs dieser kenntlich ist, gibt auch die möglich - keit, über sein politisches wirken zu urteilen: das hat Aristoteles be - griffen. aber die überlieferung im ganzen ist anderer art, und ihr muſs sich notgedrungen die historische methode anpassen. nur so erfahren wir, was wir wissen können, nur so vermeiden wir die Charybdis, an jedem wissen zu verzweifeln, weil wir der Skylla, pragmatische fabeln weiter zu pragmatisiren, entgehn wollen. die quellenkunde für die ältere zeit ist in wahrheit die einsicht in das werden und die geschichte der historischen tradition.
Vieler jahrhunderte überlieferung ist nur in der sage niedergelegtSage und als solche überliefert, sehr verschieden, je nachdem sie sich nur local von mund zu mund fortpflanzte oder durch die gestaltungskraft des dichters feste form und weitere verbreitung, dann aber auch ledig - lich poetischen zwecken dienende umbildung erhielt. an realen persön - lichkeiten fehlt es fast ganz, und so weit sie zu grunde liegen, verflüch - tigt sich ihre leiblichkeit. dafür wird die summe einer geschichtlichen entwickelung gezogen und in idealer umdichtung stilisirt. wenn auch in der form einer erzählung erfahren wir mit zuverlässigkeit meist nur6II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.das ergebnis der ereignisse. dafür ist aber der sinn für das ganze und groſse vorhanden. das epos ordnet die fülle der erscheinungen und er - innerungen rückwärts schauend von dem was als resultat der geschichte vorhanden ist unter groſse gedanken und stellt einen zusammenhang her, der für die logik der zeit ein causalnexus und für die moral der zeit die theodicee ist. das stemma, mit dem die Kataloge des Hesiodos begannen, ist ein bedeutendes product von historisch weit und scharf blickendem ordnendem urteil: für uns unmittelbar verständlich und un - schätzbar als eine darstellung der völkerverhältnisse und des bewuſstseins von stammesverwandtschaft und verschiedenheit im siebenten jahrhundert. die von der poesie wenig umgestalteten sagen von den attischen königen und die eponyme der γένη φϱατϱίαι φυλαί lehren schlechthin nichts für personen und ereignisse; aber die institutionen und die geschicht - lichen resultate reden in ihnen zu uns, und so sind sie eine ergiebigere quelle als die urkundliche, in anderer art unschätzbare namenreihe der chronik. es wird der moderne immer erst nach langer vertrautheit und durch liebevolle hingabe erreichen, jenen geschlechtern nachzuempfinden, die selbst ihre eigensten erlebnisse nur in dem reflexe schauen mochten, den sie auf die heilige geschichte der lieben vorfahren warfen. lebendig aber ist diese art zu empfinden in dem mutterlande von Hellas vieler orten noch bis an das ende des fünften jahrhunderts geblieben, und in den immer mehr schematischen und ausgeklügelten eponymen und wande - rungen hat auch noch die späteste zeit sich ein surrogat der sage zu schaffen versucht. wenn die herren der pindarischen gesellschaft es ver - langen, daſs der sieg im faustkampfe, den einer der ihren erringt, mit der geschichte der stammesheroen in unmittelbare beziehung oder doch in parallele gesetzt werde, so ist ihnen und dem Pindaros das keine leere fiction. dem Euripides war es schwerlich mehr, als er am schlusse des Ion die hesiodische stammesgenealogie so umformte, daſs sie sich den machtverhältnissen des attischen Reiches anpaſste: aber die Athener waren nicht aufgeklärte sophisten wie er. es folgt hieraus, daſs die ge - schichtliche ausnutzung der sagen vorab feststellen muſs, wie alt sie in der form sind, die wir übermittelt erhalten, und daſs sie dann zunächst nur für die zeit etwas lehren, der diese form angehört. alles weitere ist ein rückschluſs, aufgebaut auf der kritik der aussagen, die jene be - stimmte zeit durch die sage über ihre vergangenheit macht.
NovelleDer sage folgt ihre jüngere schwester, die novelle; beide aber re - gieren eine weile nebeneinander, so daſs sich die grenzen ihrer reiche häufig verwischen. die sage ist heilig und wahr oder will es doch sein. 7Novelle. das erwachen der subjectivität in Ionien.ihre göttin ist die himmlische Muse, die tochter des Zeus, die später den philosophen, Parmenides und Platon, die wahrheit verkündet. dagegen die Muse der novelle ἴσκεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύμοισιν ὅμοια. irdisch wie sie ist richtet sie ihren sinn auf das menschliche und zwar auf die gegenwart, aber da sie die sage ablöst, zieht sie zunächst die götter oder doch die lieben vorfahren in ihre kreise. aber sie hat später sogar die historischen namen für ihre träger abgeworfen ohne an reiz zu verlieren. sie verhält sich dann zur sage wie das menandrische lust - spiel zu der athenischen tragoedie. auf daſs sie erstünde, muſste der glaube der väter erschüttert und die freiheit der väter verloren sein. so ist sie denn ein kind Ioniens aus der zeit der lydischen und per - sischen fremdherrschaft, aber einmal aufgekommen wandert sie mit der ionischen cultur hinüber in das mutterland. nun spiegeln sich die Wikingerzüge und handelsfahrten der Milesier und Phokaeer nicht mehr in den leiden der heimfahrenden Achaeer und dem zuge der Argo; man erzählt vielmehr von Bias und Thales, Kroisos und Periandros, Solon und Themistokles schöne geschichten: aber keineswegs um ihrer groſsen taten willen und des erfolges, den diese für das vaterland hatten, sondern um ihrer merkwürdigen schicksale und ihrer persönlichen tüchtigkeit willen, der ἀϱετή, die bis auf Sokrates keinen moralischen inhalt hat. geschichtlich lernen wir von der novelle direct kaum etwas, denn ihr ist nie zu trauen; aber wenn wir ihre träger kennen, so wird der reflex in der novelle auch ihr geschichtliches bild erhellen. wo das nicht der fall ist, können wir kaum etwas besseres tun als uns vor dem truge der zauberin hüten. zum entgelte gibt sie uns ein farbiges bild von dem denken und empfinden, leben und treiben, wünschen und träumen einer reichen zeit.
Sage und novelle sind autorlos. das heiſst nicht, daſs auf denDas er - wachen der subjectivität in Ionien dichter oder erzähler nichts ankäme, aber sie mischen ihre person nicht ein und beanspruchen nicht als personen autorität. das ändert sich, als in Ionien mit dem staate auch die andern autoritäten fielen, die der menschen wildheit und trotz gebändigt hatten. in der tat, so wie die alte gesellschaft gewesen war, im mutterlande um 500 noch zumeist war, hiengen glaube und sitte, religion und staat, das materielle und das geistige leben so unlösbar mit einander zusammen, daſs der einzelne seinen festen halt hatte, aber auch festgehalten ward. das änderte sich für den Ionier, als der staat zertrümmert war, und auf dem colonialen boden war die gesammte cultur immer mehr als eine gemachte denn als eine gewachsene empfunden worden. nun versagte die macht der auto -8II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.ritäten, und der mensch kam gar bald dahin, sich ohne bande, aber auch ohne stütze zu fühlen. er war frei; aber er muſste sich nun die grundlagen seines lebens selbst zimmern. daher sehen wir sie alle ihren selbstgesetzten zielen rücksichtslos zustreben. der tyrann und der phi - losoph, der fahrende spielmann und die hetäre treiben es ein jeder in seiner weise, und die gesellschaft gestattet es ihnen allen. jeder wird jeden rücksichtslos zur seite stoſsen, um sich selbst den weg zu bahnen, aber wer zum ziele kommt, den werden alle bewundern. damals ist es denn geschehn, so viel wir wissen, zum ersten male, daſs ein mensch sein individuelles meinen über die geschichte seines volkes rücksichtslos ausspricht, Hekataios von Miletos, ein mann der die welt gesehen und dann am staatsleben tätigen anteil genommen hatte. uns erscheint seine umformung der heldensage als altkluger rationalismus: in wahrheit ist es der überschwang jugendlichster kritik1)Er erfährt sie jetzt selbst an sich, da ihm seine Genealogien abgestritten werden, sei es weil sie absurd wären, sei es weil in ihnen widersprüche steckten: ganz so hatte er die heldensage geschulmeistert. und verdient als solcher wol einen platz neben dem eifern des Xenophanes wider die mythen Homers. wie er die zeitgeschichte behandelt hat, ob er es überhaupt ausführlicher getan hat, ist unermittelt. eine wirkliche geschichtsschreibung konnte bei den Ioniern nicht entstehen, weil sie keine geschichte erlebten. 2)Dionysios von Milet hat vielleicht sein geschichtliches buch damals ge - schrieben, das die gelehrten τὰ κατὰ Δαϱεῖον benannt haben. so gut wie der Karer Skylax für Dareios eine entdeckungsfahrt macht und in griechischer sprache darüber berichtet, konnte ein persischer untertan die persische geschichte auf grie - chisch schreiben. daſs die ionische cultur und wissenschaft in sehr vielem den ersten platz unter den völkern ihres reiches einnahm, haben die Perser nicht ver - kannt und der hellenisirende einfluſs ist vermutlich gerade damals, ehe es einen nationalen gegensatz gab, sehr stark gewesen, die kunstgeschichte beginnt bereits damit zu rechnen und wird, wie auf so vielen gebieten, auch hier die rechten pfade der allgemeinen geschichte finden und erleuchten.
Die befrei - ungskriegeDie erlebten die Athener seit 510 und alle Hellenen, auf die etwas ankommt, seit 480. die gewaltige erschütterung des kampfes um die existenz und dann die errichtung des Reiches hat in wahrheit die geister noch vielmehr als die leiber befreit. allein so unmittelbar konnte die wirkung nicht sein, daſs die überlieferung dieser jahrzehnte eine wirk - lich geschichtliche hätte werden können. sie trägt noch durchweg den stempel von sage und novelle. daſs die erste noch lebendig war, wird der glücklichen verbindung verdankt, daſs ein ernstes und frommes volk ungeheure aufgaben zu lösen erhielt und zu lösen vermochte; es9Die befreiungskriege. Herodotos.liegt aber zum teil auch an der naivetät des volkes. die groſsväter der Marathonsieger hatten noch die falsche Athena auf dem wagen des Peisistratos angebetet, und das wunder oder vielmehr der glaube hat an dem siege über die ungezählten barbaren einen starken anteil. die Perser des Aischylos haben es vermocht, die geschichte der gegenwart unmittelbar hinaufzuheben in die reine höhe der sage: das religiöse festspiel erzählt uns die geschichte in seiner sprache. es ist für den historiker der die seele der ereignisse sucht die beste quelle für die schlacht von Salamis. man denke sich aber nur die figur des listen - reichen mannes, der bei Aischylos im hintergrunde bleibt, in den mittel - punkt gerückt, so wird die sage vom siege des freien Pallasvolkes zu der novelle von Themistokles. dem entspricht die gesammte überlieferung von der älteren geschichte Athens. der bericht über Marathon und über den ersten aeginetischen krieg ist von der sage in das erhaben typische stilisirt. auch in dem sturze der tyrannen spürt man das walten der göttlichen gerechtigkeit wie in der tragoedie. weder Kleisthenes noch Miltiades tragen individuelle züge. Solon und Peisistratos waren als personen ganz verblaſst; erst die spätere forschung hat jenen auf grund seiner gedichte, diesen durch die sorgfältige verfolgung bestimmter in - dizien zu einer person gemacht. dagegen Themistokles ist der rechte held für die novelle, die nicht müde wird, mit immer neuen stückchen seine ἀϱετή zu illustriren. das hat oben eingehende erörterung ge - funden (I s. 150), und ich habe gezeigt, wie verkehrt es ist, die Themistokles - legende deshalb für historisch zu halten, weil Thukydides sie erzählt. die Athener erzeugten in den zwei menschenaltern vor dem peloponnesischen kriege tragoedie und komoedie: darin liegt, daſs sie für die pragmatische historie noch nicht reif waren. die Athener machten in derselben zeit aus ihrem ländchen, das kaum eine precäre selbständigkeit errungen hatte, die herrin des aegeischen meeres und griffen nach der herrscher - krone von Hellas: darin liegt, daſs sie noch keine zeit hatten, geschichte zu schreiben. sie dachten an das morgen, erfreuten sich des heute: da vergaſsen sie des gestern. blickten sie zurück in einem momente der sammlung, so dankten sie gott für seine hilfe, oder erzählten sich ihre oder ihrer führer heldentaten, wie es alte soldaten tun. die aristo - phanischen helden und aristophanischen chorlieder geben die belege für beides.
Aber Athen zog Ionien in seine kreise. dort waren die geistigen vorbedingungen für die historie gegeben; es fehlte nur die geschichte. die lieferte Athen: und so erstand das werk des Herodotos, so unver -Herodotos10II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.gleichlich aber auch so widerspruchsvoll wie die geschichtliche tradition war und die weltanschauung des Ioniers sein muſste, der in Athen das vaterland gefunden hatte. er selbst stammte aus einer stadt, die auf karischem grunde von Dorern erbaut längst die überlegene ionische cultur angenommen hatte; so war er losgelöst von dem was ihm als das vorurteil und die beschränktheit eines an der scholle klebenden autoch - thonentumes erscheinen mochte. er hatte die weite welt gesehen, durch - aus frei von dem bornirten hochmut, der alles barbarisch findet was nicht wie bei ihm zu hause ist, gleichermaſsen fähig die von keiner cultur gebrochene elementare naturkraft bei den freien Skythen anzuerkennen, wie im Perserreiche die überlegenheit einer älteren und reicheren materiellen cultur. ihm imponirten die aegyptischen priester mächtig, wenn sie ihm ihr Ἕλληνες ἀεὶ παῖδες entgegenriefen.3)Herodotos hat, weil er die orientalen kannte, von denen dem reisenden zumal nur recht wel[t]läufige und vorurteilslose begegneten, das urteil mit gröſster offenheit abgegeben, daſs man selbst bei den Athenern sehr viel mehr naivetät fände als bei den barbaren. 1, 60 erzählt er die list des Peisistratos mit Phye, die ihm ganz unbegreiflich ist, “da ersinnen sie etwas, worin ich nur die koloſsalste naivetät finden kann, die ich kenne. in der tat, die barbaren müssen sich schon früher von den Hellenen darin unterschieden haben, daſs sie gewitzigter und freier von kin - discher einfalt waren, wenn damals die Peisistratiden unter den Athenern, die doch für die gescheidtesten der Hellenen gelten, folgendes ersinnen durften”. der brave mann erzählt die geschichte, wie er sie gehört hat und wir sie glauben dürfen, aber wie er sie den Athenern, die er kennt, und die erst durch das letzte jahrhundert in den ruf der σοφία (der schlauheit und gescheidtheit) gelangt sind, nicht zutrauen kann. so etwas war in Memphis und Sardes nicht möglich, das weiſs er; dazu gehört eine εὐήϑεια, wie sie der sophist dem zuschreibt, der an vogelzeichen glaubt (Eur. Hel. 747), oder dem der auf ein orakel hin seine tochter opfert (Andr. 625), oder der wider die logik ἡ κάϱδοπος für ἡ καϱδόπη sagt (Ar. Wolk. 1258): ihr gegen - satz ist die δεξιότης, die alles gleich am rechten ende anpackt. δεξιόν nennt der athenische komiker sein publicum, weil es seine anspielungen versteht (Ritt. 233), δεξιός ist der Δῆμος zu hause (ἀλώπεκος ἴχνεσι βαίνει sagt schon Solon), auf der Pnyx sperrt er das maul auf (Ritt. 753), und der demagoge ist δεξιός (719), und der dichter (Fr. 1009). unter diesen σοφοὶ Ἀϑηναῖοι lebte Herodotos, darum frap - pirte ihn mit recht die veränderung seit der tyrannenzeit. aber er fand εὐήϑεια genug unter den Hellenen sonst, auch wol bei den Athenern alten schlages, und den racendünkel, den ihm jetzt der aberwitz der kritiker aufzwingt, kannte er nicht; es machte ihm vielmehr ersichtlich vergnügen, den Athenern die überlegenheit der barbaren vorzurücken. ganz dieselbe stimmung zeigt das zweite buch oft; der vater - ländische stolz auf freiheit und demokratie ist mit ihr ganz gut verträglich. aber die weite seines umblickes hatte ihn den vorzug seines vaterlandes nur richtig schätzen gelehrt. dies vaterland war das attische Reich, und sein vorzug11Herodotos. Thukydides.war die geistige und politische freiheit, ἰσονομίη, ἰσηγοϱίη. so hatte die weltgeschichte einen inhalt, die entwickelung ein ziel: er überschaute sie mit dem auge des tragischen dichters. der Ionier, der den glauben der väter verloren hatte, hatte einen reineren glauben sich selbst er - worben und den gott in der geschichte wiedergefunden. aber das war sein gott. in seinem eigenen geiste lieſs er die zeiten sich bespiegeln (was überhaupt erst den historiker macht). in sofern steht er dem Hekataios und seinen sophistischen zeitgenossen ganz gleich. es ist seine subjective erkundung, von der er rechenschaft ablegt, es ist ἱστοϱίη im ionischen sinne noch viel mehr als historie in unserm. er ist kein regestenfabrikant und kein chronikschreiber; er hält von der acten - forschung nichts und traut den augen lieber als den ohren. die kritik, deren er bei der verarbeitung von unzähligen erkundungen nicht ent - raten kann, ist schlechterdings nichts als sein subjectives für wahr oder wahrscheinlich halten. πάντων μέτϱον ἄνϑϱωπος, d. h. Ἡϱόδοτος, gilt für ihn praktisch genau so wie theoretisch für Protagoras. dieser Herodotos aber überkam hier eine anzahl sagen, dort novellen, hier ein genealogisch-chronologisches gebäude, dort schaute er wunderbare denk - male, zu denen man ihm die αἴτια berichtete. wie sollte er sich helfen? was er erkundete, war eine unübersehbare menge von einzelnen ge - schichten ohne ordnung, sich viel häufiger widersprechend als ergänzend. wie sollte er sie bewältigen? was ihm das ordnende prinzip war, war der gedanke, den er in der weltgeschichte fand: sein eigener νοῦς voll - zog die διακόσμησις; ein anderer würde in einem chronologischen ge - rüste oder einer logischen disposition ein objectives prinzip gesucht haben. das einzelne aber beurteilt und verteilt er auch nach seinem subjectiven ermessen, wo ihm denn bald die skepsis des rationellen Ioniers, bald der zwillingsbruder des rationalismus, der aberglaube, in den nacken schlägt. so ist sein buch, so bezaubernd es auf uns durch die naivetät wirkt, die wir in ihm finden, im grunde durchaus nicht naiv gemeint, sondern wird in allem durch seine individualität bedingt. er steht zu der geschichte wie die groſsen physiker Ioniens zu der natur. auch sie geben eine doppelte ἱστοϱίη, die objective darlegung des unendlich vielen das sie erkundet haben, und die subjective antwort, die sie aus sich auf die rätsel des lebens gefunden haben. vielleicht wagt jemand zu sagen, das wäre eine sehr kindliche vorstufe zu der erhabenheit wahrer wissen - schaftlichkeit, die heute zu tage regiere, seit die methode gefunden sei. ich aber meine, mit aller methode haben wir es nicht weiter gebracht. die wissenschaft als idee ist freilich weder in Hippokrates noch in12II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.Demokrit noch in Herodot incarnirt; aber auch in Aristoteles nicht, ge - schweige denn in unser einem: wer aber nicht bloſs in dem stande des famuli Wagner beharren will, der muſs sein subject in die schanze schlagen, nicht bloſs auf die gefahr hin, sondern mit der sicheren zuversicht, im drang nach wahrheit jämmerlich zu irren.
ThukydidesNoch ehe das buch des Herodotos erschien und doch durch dieses angeregt faſste der junge Thukydides den plan, den entscheidungskampf um die herrschaft in Hellas, der eben begann, darzustellen. der groſse vorgänger hatte ihn gereizt, nicht es ihm nachzumachen, sondern es anders zu machen. ihm schien die weltgeschichte erst recht anzufangen; die herodoteische tragoedie erschien ihm als eine dichtung, gut genug für die erweckung erbaulicher hochgefühle an einem festtage, aber nicht als nahrung für den geist des handelnden mannes. über dem werke Hero - dots lag der verklärende schimmer der poesie: Thukydides wollte das licht und den schatten des tages festhalten. er vermeinte, daſs des groſsen nicht eben sehr viel übrig bliebe, wenn man jenen schimmer durch ruhige kritik der vergangenheit beseitigte: groſsartig dagegen erschien ihm die cultur, die Athen besaſs und für die es stritt, deren sieg er erwartete. er selbst war ein nachkomme von barbaren zugleich und von Philaiden. weder der stolz des autochthonen noch der gegensatz gegen die Alkmeoniden noch die furcht vor tyrannen und Medern hat ihm irgendwie den blick getrübt. er fühlte sich als der moderne mensch einer neuen groſsen welt. weder die novelle noch die sage wollte er gelten lassen. weder die götter noch die individuen, sondern die poli - tischen mächte sah er auf erden regieren, und ihre kämpfe wollte er beobachten und erzählen, minder um ihrer absoluten bedeutung willen, als zu nutz und frommen der künftigen politiker. das attische Reich war auch notwendig gewesen, damit Herodotos schriebe; aber er sah in ihm den abschluſs der geschichte. für Thukydides war seine existenz die voraussetzung, denn politische geschichtsschreibung setzt einen wirk - lichen staat mit groſsem politischem leben voraus. Thukydides faſste den plan zu seinem geschichtswerke, während er sich anschickte in die politische laufbahn einzutreten. Herodotos gehörte zu den anhängern des ϑεωϱητικὸς βίος. daſs ein junger reicher Athener der herrschenden gesellschaft 432 die zeitgeschichte hat schreiben wollen, verdient in wahrheit sehr viel gröſsere bewunderung als die ausführung dieses planes, die der durch sein politisches geschick in den ϑεωϱητικὸς βίος hinab - gestoſsene nach 404 einigermaſsen geleistet hat. erst die unfreiwillige muſse hat ihn dazu getrieben, mit den mitteln der neuen rhetorik ein13Thukydides. stimmung nach dem falle des Reiches.stilistisches kunstwerk liefern zu wollen, und so ist er in die gesellschaft der kunstprosaiker geraten: nicht bloſs der historiker würde ungleich reineren genuſs von dem werke haben, wenn es fertig geworden wäre, wie es begonnen war, in der ächten attischen rede des politischen lebens. nur so weit es das programm von 432 erfüllt, ist es dem werke des Herodotos ebenbürtig, denn nur so weit steht es wie dieses einzig da; stilistisch war es eigentlich schon veraltet, als es erschien. einzig aber musste es bleiben, weil die voraussetzung des politischen geschichts - werkes, der groſse staat, nicht mehr vorhanden war. eben deshalb hat kein griechischer staatsmann mehr geschichte geschrieben, mehr als ein jahrhundert lang. erst Hieronymos mag allenfalls verglichen werden. 4)Nur in Sicilien gab es dank der energie des Dionysios einen gröſseren staat, und dort schreibt auch der staatsmann Philistos geschichte in der art des Thukydides. aber wir wissen davon nur das factum von hörensagen, da wir weder von der geschichte Siciliens noch von dem werke des Philistos eine wirkliche kenntnis gewinnen können.
Das menschenalter der kämpfe, deren ergebnis die zertrümmerungStimmung nach dem falle des Reiches des nationalen staates war, hatte in dem ringen der parteien auch die historische schriftstellerei zu einer waffe geschmiedet; es konnte auch nicht ausbleiben, daſs die scham und der zorn über den sturz des reiches und andererseits die sehnsucht und die klage um das verlorene die schriftstellerisch so unglaublich regsame zeit auf die geschichte des groſsen jahrhunderts hinführte. diese litteratur mit ihren flugschriften über die helden der guten alten zeit und die bösen demagogen, die das unheil gebracht, mit ihren epitaphien und panegyriken ist in anderem zusammenhange (I cap. 6) besprochen.
Man hatte das gefühl, unter trümmern zu wohnen, und niemand eigentlich war davon befriedigt, daſs die staaten in den alten formen weiter wirtschafteten. dennoch gelang eine reform oder revolution in Sparta und Korinth so wenig wie in Athen. alle besseren stimmten in der negation des bestehenden überein, nur fand sich nirgend auch nur ein realisirbares programm für einen neubau. weithin durch das volk gieng das gefühl, o daſs doch ein könig käme; aber dieses gefühl war von einer messia - nischen unbestimmtheit, mochten auch die litteraten bald nach Persien, bald nach Syrakus lugen. Persiens schwäche war durch den zug der Kyreer an den tag gekommen, und der diplomatische erfolg des königs - friedens konnte diesen eindruck nicht verwischen. deshalb borgte man von dort nur die romanfigur des alten Kyros. historische einkleidungen14II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.für die gebilde der speculation wurden überhaupt mode.5)Bisher sehr wenig erforscht sind die umarbeitungen der alten heroensage, und die novellen dieser zeit, werke wie das des Herodoros über Herakles, der Dreifuſs des Andron, die Nosten des Antikleides, der Abaris des Herakleides. es ist sehr wenig damit erzielt, wenn man das eine zu der historie, das andere zur phi - losophie wirft. die pragmatisirung der Heraklessage kann sehr gut eine politische tendenz wie die Kyropaedie oder eine philosophische wie der Herakles des Anti - sthenes gehabt haben. die absicht zu unterhalten braucht den philosophen auch nicht fern gelegen zu haben. der sokratische dialog und die isokrateische rede sind nicht genieſsbar ohne eine stärkere vorbildung: was hat damals das breite publicum an lesestoff erhalten? diese frage fordert auch eine antwort. gar nicht unwitzig zeichnete Isokrates einen solchen utopischen könig in dem stil - gemäſs umgebildeten Buseiris, der immer ein mehr scurriler als schreck - licher Oger gewesen war. aber derselbe Isokrates hatte noch mehr er - folg, als er mit patriotisch ernster miene ein bild des demokraten - königs Theseus entwarf. das complement der sehnsucht nach einem weltenherrscher ist die verleugnung von staat und gesellschaft, die beide dem Hellenen auf die würde des freien zum gehorchen und gebieten gleich geschickten mannes gegründet schienen. das neue evangelium, daſs der mensch erst frei und glücklich würde, wenn er wie der hund lebte, ward mit litterarisch nicht geringem erfolge verkündet; wenn die menge von den extremsten ausschreitungen am meisten gepackt ward, so ge - wann der egoistische oder auch der philanthropische individualismus bei den gebildeten sehr viel terrain. aber diese negation des staates kann sich der einzelne in wahrheit nur erlauben, so lange trotz ihm die ge - sellschaft und der staat weiter existiren und ihm die ruhige existenz sichern, auf daſs er sie negiere. Platon, gleich erhaben über die kümmer - lichen staatswesen der gegenwart wie über den schweine -6)Der schweinestaat, den er Pol. 2, 372d construirt, ist mit nichten der hunde - staat des Antisthenes: sonst würde er so heiſsen. es ist ein staat auf der grundlage des gemeinen materiellen bedürfnisses errichtet; was Platon beweist, ist daſs selbst ein solcher die herrschenden bilden muſs, und wenn sie bildung besitzen, verschiebt sich von selbst die grundlage des staates. der schweinestaat ist der staat des Manchester-liberalismus. und den hundestaat, auch den herden - oder militärstaat der speculation, scheute sich doch nicht vor den äuſsersten consequenzen, als er von einem be - griffe aus, dem der gerechtigkeit, den menschen als politisches wesen und den staat construirte. er scheute auch vor dem gedanken nicht zurück, selbst mit dem gewaltmittel der tyrannis die welt zu der besten oder bestmöglichen gesellschaftsordnung, zu tugend und glück zu zwingen. er wagte sich auch an den litterarischen versuch, die summe der weltgeschichte15Stimmung nach dem falle des Reiches. die Isokrateer.in einem epos von dem kampfe der kinder gottes mit den söhnen des fürsten dieser welt zu ziehen. der troische und der medische krieg, an denen er seine phantasie genährt hatte, sollte in diesem potenzirten idealbilde zugleich mit den heiligen sagen seiner heimat verschmolzen werden. das war ein unterfangen, dem selbst dieser dichter nicht ge - wachsen war, der doch das epos der weltschöpfung als ersatz einer be - schreibung des kosmos vollendet hat.
Eine solche zeit der speculation über die voraussetzungen des staat -Die Isokrateer lichen lebens, die sich ganz und gar in das utopische verlor, war der politischen geschichtsschreibung ihrer natur nach abgewandt. es ist auch kein auch nur leidliches geschichtswerk über die zeitgeschichte in den beiden nächsten menschenaltern nach dem falle des Reiches ge - schrieben.7)Xenophons schriftstellerei hat, so wenig originale kraft der mensch besitzt, doch den groſsen vorzug, daſs sie ganz auf seinen individuellen erlebnissen und be - strebungen beruht. da er wissenschaft in keiner form je wirklich begriffen hat, ist er auch kein historischer forscher, und wenn er geschichte schreibt, so versteht man diese erst, wenn man seine persönlichen antriebe und zwecke kennt. die Anabasis ist klärlich eine selbstrechtfertigung. was die Hellenika anlangt, so dürften auch sie zur rechtfertigung der politik verfaſst sein, der es gedient hatte, und weil das zu verschiedenen zeiten eine verschiedene war, sind sie unmöglich ein einheitliches werk. möchte doch jemand sich die aufgabe stellen, nicht Hellenika oder Memo - rabilien oder Agesilaos einzeln zu tractiren, sondern den menschen als menschen ganz zu erfassen: erst dann können die vielen unbehaglichen probleme der lösung wirklich entgegengeführt werden. aber die dichtung mag wol die historie übertreffen: ersetzen kann sie sie nimmermehr. und die phrasen der sophistik befrie - digten auf die dauer selbst die bedürfnisse des immer stoffhungrigen publicums nicht. so werden die führer der Sokratik eben so gut wie die sophisten von selbst auf die geschichte und die geschichtsschreibung hingewiesen. Platon und Isokrates lassen beide zumal in ihren späteren werken erkennen, daſs sie über unverächtliche geschichtliche kenntnisse verfügen. der sophist hat seinen bedeutendsten schülern die historio - graphie, weltgeschichte und zeitgeschichte, zur aufgabe gestellt; aus Platons schule ist der verfasser der Politien hervorgegangen. das sind leistungen, die mit nichten von einander abhängen, sondern den gegen - satz der lehrer fortsetzen.
Theopompos von Chios hat von seinem rhetorischen lehrer nur die form entlehnt, mit der er sich getraute sowol Herodotos wie Thukydides wie Platon zu überwinden. er war sophist geworden, weil er sein vater - land verloren hatte und benutzte seine kunst mit erfolg dazu eine ein -16II. 1. Die quellen der griechischen geschichte.fluſsreiche rolle zu spielen, um heimzukehren und politisch tätig zu werden. darum suchte und pflegte er den verkehr mit den königen und gewann ein entschiedenes politisches urteil. es hat sich gezeigt, daſs er die po - litischen parteischriften Athens genau wie Aristoteles auszunutzen ver - stand (oben I s. 135). mit den philosophischen richtungen seiner zeit hatte er so viel fühlung, daſs er das persönlich moralische in der schilderung und beurteilung der personen in den vordergrund rückte, bei allerhand merkwürdigen erscheinungen auch der natur gern ver - weilte und seine allgemeinen speculationen in der form von phantasti - schen märchen vortrug. aber eine entschiedene politische tendenz und eine energische individualität lassen ihn als einen stern von eigenem lichte erscheinen.8)Es ist gar nicht schwer, auf grund von einigen berührungen, wie sie die lebendige regsamkeit und der austausch der gedanken in dem Athen des vierten jahrhunderts geben muſste, Theopompos an eine philosophenschule anzugliedern: aber das ist trügerisch; man blicke nur die ganze person und das ganze werk an. man könnte das nämliche mit Ephoros versuchen, z. b. auf grund seiner erzählung vom gastmale der Sieben weisen, denen er den unverdorbenen naturmenschen Anacharsis und den spötter Aesop gesellt, auch ihn in das gefolge des modephilosophen Anti - sthenes einrücken. — seitdem dieses geschrieben war, hat Rohde ausführlicher die aufstellungen Hirzels (Rh. M. 47) über Theopompos bestritten, auf die ich zielte, aber leider hat auch Schwartz (Ind. Rostock. 93) in Ephoros den Kyniker wirklich gefunden. er ist ein mann, der ganz seiner eigenen zeit gehört und uns deshalb schon fast hellenistisch erscheint.
Ephoros von Kyme dagegen ist nichts als litterat und hat das zweifelhafte verdienst die weltgeschichte als das würdigste object epideik - tischer beredsamkeit behandelt zu haben, also der vater jener auf - fassung zu sein, die uns von Cicero und Livius her geläufig ist und den begriff der geschichte eigentlich denaturirt. denn es gehört dazu der patriotismus der panegyriken, der pragmatismus der allgemeinen bil - dung und die moral des zu beiden gehörigen bildungsphilisters. wie verschieden der inhalt jenes patriotismus auch scheinen mag, wie stark sich der ballast des toten wissens vermehrt und die moralische terminologie geändert hat: der bildungsphilister ist ganz derselbe ge - blieben, und deshalb grassirt die ephorische historiographie. es ist die zur zeit in Deutschland approbirte geisttötende und seelenvergiftende ‘geschichte’ mit zugehöriger ‘geographie’, die in naiver schamlosigkeit ihre tendenz eingesteht, gesinnungstüchtigkeit und bildung zu züchten, und streber oder socialdemokraten erzieht. die persönlichkeit des Ephoros ist gleichgiltig; auf sein urteil kommt nichts an: aber der stoff, den17Die Isokrateer. die locale tradition.wir ihm danken, ist recht beträchtlich, und mühe hat er sich wirklich gegeben. diese anerkennung müssen wir ihm zollen. sein dickleibiges buch ist ein reservoir für die wertvollste ältere überlieferung geworden; eben darin ist die analogie zu den peripatetischen sammelarbeiten un - verkennbar. sie verhalten sich in ihrem werte zu einander wie Platon und Isokrates, wissenschaft und sophistik; der geist in ihnen ist also ein sehr verschiedener. aber darin stehen sie einander gleich, daſs keine forschung im eigentlichen sinne darin ist. folglich setzt ihre zusammen - fassende tätigkeit mit zwingender notwendigkeit eine bedeutende litteratur voraus, die ihnen den stoff zur verfügung stellte.
Auf diese litteratur kommt es mir an, die hinter Ephoros und Ari -Die locale tradition stoteles steht, ganz in demselben verhältnis, wie es an der Atthis für den gröſsten teil der athenischen Politie nachgewiesen ist. diese litte - ratur kann aber meistens nur durch die qualität der berichte erkannt werden, und es kommt auch viel mehr auf die anerkennung vieler lo - caler überlieferungen an als auf die restitution bestimmter schriftwerke oder schriftsteller. gewiſs freuen wir uns, wenn auch dieses einmal ge - lingt, aber die aussicht ist gering. es stehen zwar eine anzahl schrift - stellernamen zur verfügung, mehr fast aus dem fünften jahrhundert als aus dem vierten. aber die zeit von nicht wenigen ist unsicher, und die tradition selbst darf keinesweges nach der person oder zeit des zufällig benannten gewährsmannes abgeschätzt werden. die quellenkunde, die von den namen der schriftsteller ausgeht, ist genau so unfruchtbar wie die forschung nach dem alten epos, die bis vor wenig jahren die trockenen knochen Lesches und Arktinos benagte statt die heldensagen zu ver - folgen. es gilt also die locale überlieferung aufzusuchen und vorab anzuerkennen, daſs diese vieler orten vor Ephoros und Aristoteles bereits einen litterarischen niederschlag gefunden hat. und wahrlich, wie hätte es anders sein sollen, als daſs eine litterarisch so regsame zeit das vor - handene material an geschichtlicher tradition ausgenutzt hätte? in weiten kreisen mochte das minder interessiren; zu hause freute sich doch das volk an der aufzeichnung seiner eigenen geschichte. wer bezweifelt, daſs jedes hellenische gemeinwesen ein reiches beet von sagen und novellen war? jahrhunderte lang hatten ihrer nur die einwohner selbst gewartet, ab und an ein dichter eine blüte gebrochen oder einige stauden in den groſsen garten des epos, später auch des dramas ver - pflanzt: jetzt war die zeit der prosaischen litteratur gekommen, und gerade weil die hohe poesie verstummte, muſste die bequeme form der localgeschichte sich des bunten stoffes bemächtigen. gewiſs werden vielev. Wilamowitz, Aristoteles. II. 218I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.werke geringe litterarische verdienste besessen haben; aber wenn wir z. b. die milesischen geschichten des Maiandrios oder die naxischen des Aglaosthenes lesen könnten, so würden wir schwerlich den aesthetischen genuſs vermissen. notwendiger weise hatten diese localen erzeugnisse eine sehr geringe lebenskraft als einzelnes litterarisches product: das epos hatte sich ja auch lange zeit fortwährend umgestaltet. so ver - drängte auch hier die spätere bearbeitung bald ihre eigene vorlage, und als die sammelwerke erschienen, taten sie ihnen wieder abbruch. der proceſs der aufzeichnung und sammlung ist auch an verschiedenen orten zu verschiedener zeit geschehen; die stilisirten geschichtswerke machen dieser litteratur so wenig ein ende, wie Aristoteles und Ephoros die Atthiden beseitigen. gar manches ortes überlieferungen mögen zuerst oder maſsgebend erst im dritten jahrhundert aufgezeichnet sein: das ändert nicht viel an dem allgemeinen bilde und an dem charakter dieser gattung von nachrichten.
Sie selbst sind so verschiedener art, wie ihre natur mit sich bringt. was wir vernehmen, ist die localtradition, wie sie in den einzelnen orten im vierten jahrhundert vorhanden war; setzen wir einmal diese zeit, obwol wir an manchen orten hoch hinauf darüber emporsteigen, manch - mal bis in das dritte sinken; ich möchte selbst späteres nicht überall ausschlieſsen. in dieser localtradition steckt sehr viel sage, steckt novelle; das also ist in dem sinne auszunutzen, wie oben kurz ausgeführt. daneben aber ist eine groſse menge antiquarischer tatsachen vorhanden, culte und riten, staatliche organisationen, überlieferung von geschlechtern und örtlichkeiten, orakel, volksgebräuche, sprüchwörter und lieder.9)In den resten der aristotelischen Politien sind diese spuren noch vielfach kenntlich. ich will proben geben, die fragmente nach Rose, nach demselben die capitel des Herakleides, durch H. unterschieden. verschen, die man sei es als volks - lieder, sei es als sprüchwörter auffassen kann 485, 496, 545, 553, 557, 571, 574, 576, H. 71, orakel 544, 561, 565, 596, H. 25. citirt werden Homer (H. 14. 15, beziehungen auf ihn viel öfter), Hesiodos (H. 38), Archilochos (H. 14. 50 ), Simonides (H. 55), volks - tümliche lieder eines später verschollenen Theodoros (515). das persönliche inter - esse für die litterarischen berühmtheiten, Homer Hesiod Archilochos Pherekydes Aesop, ist auch nicht erst aristotelisch, wie Herodotos lehrt. ganz dasselbe bild bieten die reste des Ephoros, mögen wir sie bei Diodor lesen oder in den frag - menten, namentlich bei Strabon. diese führen zu den urkunden über, deren es in wahrheit (unsere eigenen funde lehren es) sehr viel mehr gab als ausgenutzt worden sind, und endlich, was das wichtigste ist, es fehlte an vielen orten keines - weges an chroniken oder chronikartigen aufzeichnungen. hartnäckig19Die locale tradition. Hellanikos.sträuben sich die historiker dagegen, obwol die titel ὧϱοι in vielen ioni - schen und aeolischen orten, ἱέϱειαι Ἥϱας, Ὀλυμπιονῖκαι, Καϱνεοινῖκαι ganz unzweideutig sind. dafür gefällt sich die quellenkunde darin, den durch ein längst durchschautes misverständnis aufgebrachten namen logographen gedankenlos weiter zu geben, oder mit dem hintergedanken, daſs es mit der überlieferung durch diese leute nicht viel mehr auf sich hätte als mit den fabeln des λογοποιός Aesop. die dumme fabel von den logographen ist so entstanden, daſs die ungerechte und unfreund - liche wendung des Thukydides gegen Herodotos zum glaubensartikel gemacht und der name logograph auf die schriftsteller übertragen ward, die Dionysios von Halikarnass, ohne sie zu kennen, vor Herodotos rückt. λογοποιός oder λογογϱάφοι heiſst erzähler in prosa, und Hekataios Herodot und Thukydides sind λογογϱάφοι so gut wie wir. die ionische schriftstellerei ist den litteraten der späteren hellenistischen zeit fast durchweg vorattisch erschienen, weil sie einen archaischeren eindruck machte als die attische kunstprosa. dafür liefert die hippokratische sammlung den beweis noch jetzt. es ist also auf jene zeitansätze wenig verlaſs: gerade Hellanikos lehrt das, den die modernen meistens als logo - graphen mit an erster stelle führen, und der in wahrheit seine hohe bedeutung gerade darin hat, daſs er viel eher mit Ephoros und Ari - stoteles verglichen werden muſs als mit den epichorischen autoren oder den beiden groſsen λογογϱάφοι Herodotos und Thukydides.
Hellanikos ist von diesen schon dadurch verschieden, daſs er vieleHellanikos bücher über viele gegenstände verfertigt, ferner daſs er als der rechte antipode Herodots an dem fremden materiale klebt, das er verarbeitet, den chroniken seiner heimat, von Argos, von Athen, der siegerliste der lakonischen Karneen. obwol er kein festes chronologisches system überall durchgeführt hat, hat er doch nach synchronismen gestrebt und wirklich die grundlage der zeitrechnung gegeben: wir sind nun wol ziemlich alle der ansicht, daſs Thukydides ihm die ansätze der boeotischen und hera - klidischen wanderung entlehnt hat. mit ihm hat sich Ephoros denn auch ganz besonders auseinander gesetzt. natürlich hat er auch volks - tümliche novellistische erzählungen mitgeteilt, muſste sehr viel die für ihn bedeutendste geschichte, die wir heroensage nennen, wiedergeben und dabei zur ausgleichung am gewaltsamsten verfahren, aber er war mehr ein compilator als ein λογοποιός, wie er denn auch den Hero - dotos beträchtlich ausgenutzt hat. 10)Er verdankt ihm namentlich Σκυϑικά, denn da sein fragment 173 Müll. (Et. M. Suid. Ζάμολξις) aus Herod. IV 93 ist, so ist damit auch das urteil über dieThukydides däuchte sich schrift -2*20I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.stellerisch mit fug und recht weit über ihn erhaben; aber er hat ihn doch benutzt. er ist allerdings ein eckstein für die geschichte der tradition. denn wenn in dem letzten viertel des fünften jahrhunderts ein solcher compilator auftreten konnte, der chroniken des festlandes herausgibt oder schreibt, so bezeugt er einmal direct die existenz dieser chroniken, indirect aber, daſs die ihm viel näher liegenden ionischen ὧϱοι bereits edirt waren, wie ja auch überliefert ist. es versteht sich ganz von selbst, daſs genau wie wir die prosaische erzählung an die stelle des epos überall treten sehen, so auch die gründungssagen der ionischen städte in prosaischen büchern umlaufen muſsten11)Epische κτίσεις werden in den schriftenkatalogen z. b. des Xenophanes genannt. sie sind an sich sehr glaublich, nur wimmeln diese kataloge von fäl - schungen und irrtümern., und es ist sehr bezeichnend, daſs selbst die autornamen zum teil von den epen auf die prosaischen κτίσεις und ὧϱοι übergehn. 12)Die milesische chronik trägt den namen des Kadmos, des erfinders der buchstaben, die ephesische den des epikers Kreophylos. das sind weder homonyme menschen von fleisch und blut noch ihre angeblichen bücher fälschungen. es sind nur recht bezeichnende beispiele für dieselbe erscheinung, die den nachlaſs der Homeros Hesiodos Hippokrates ins unendliche vermehrt hat. Amelesagoras oder Me - lesagoras von Athen und Eumelos von Korinth sind gleichen schlages. über das alter der bücher, die in Alexandreia oder sonst wo diese autornamen trugen, ist nicht mehr ausgesagt, als daſs sie sehr alt zu sein beanspruchten. Delphika des Melisseus (Tzetzes in der vorrede zu den Erga 29 Gaisf., aus seiner allegorischen quelle) sind wol ganz apokryph. Melisseus ist der vater der μέλισσαι, Amaltheia
Die weisheitslehrer des fünften jahrhunderts zogen herum, traten auf und erklärten sich bereit auf alles rede zu stehn. wie sollte es ausbleiben, daſs ihnen historische fragen, über die herkunft und das alter der städte und geschlechter, die bedeutung von namen und monu - menten gestellt wurden? mochten sie sich oft mit autoschediasmen helfen oder die kenntnis Homers und anderer anerkannter dichter ge -Hippias schickt benutzen: sie brauchten doch eine gewisse geschichtliche kennt - nis. so sehen wir denn einen von ihnen, Hippias von Elis, auch in der altertumskunde erfahren (Hipp. I 285d), der name ἀϱχαιολογία fällt hier zuerst. und derselbe Hippias hat die olympische chronik zuerst ver - öffentlicht. so fühlt und befriedigt selbst die modernste bildung das be - dürfnis geschichtlicher studien.
Doch die forschung nach büchern und autoren ist endlos und ziem - lich unergiebig: nützlich aber wird ein umblick über Hellas sein, zu zeigen, wo eine solche ἀϱχαιολογία nachweisbar scheint, wo die historie constatiren oder vermuten kann, daſs eine quelle auch für uns noch wasser gespendet hat. dabei wird mein auge immer auch auf die aristo - telischen Politien gerichtet sein, deren kümmerliche reste durch das licht, das von dem nunmehr vorliegenden ersten buche auf sie fällt, beträchtlich verständlicher geworden sind.
Die Atthis ist oben (I 8) eingehender behandelt. litterarische dar - stellung hat sie erst erhalten, als die attische sprache vollkommen aus - gebildet war. nicht viel später hat Megara in Dieuchidas, dann in HereasMegara eine sehr bedeutende leistung der art auf den markt gebracht, reich an wirk - lich geschichtlicher überlieferung, kostbarer antiquarischer belehrung aus localsagen und legenden, und getragen von einer kräftigen politischen tendenz.
Für die allgemeine geschichte ist Euboia ganz besonders wichtig;Euboia eine gröſsere anzahl von schriftstellernamen sind bekannt, und ent - sprechend der colonisatorischen bedeutung von Chalkis wächst sich die localgeschichte zu büchern aus, die man κτίσεις oder πεϱὶ πόλεων nennt.13)Die titel dieser ganzen gattung von büchern sind natürlich nicht authen - tischer als die der werke von Xenophon und Kleidemos. ὧϱοι Σιφνίων, Ἀτϑίς, Ἀττικὴ ξυγγϱαφή, Μιλησιακά, Ἰωνίας, Χίου κτίσις sind nicht falsch, aber darum durchaus nicht von den verfassern gegeben. jünger scheint nur die form πεϱὶ Θεσ - σαλονίκης u. dgl. zu sein. die pflanzstädte der Chalkidike gehören naturgemäſs mit der mutterstadt zusammen; aber auch das benachbarte Keos dürfte hinzu - gerechnet werden können, da Aristoteles recht viel über die insel weiſs, und mir wenigstens kein keischer localschriftsteller bekannt ist. ob es eine chronik gegeben hat, die feste zeitangaben in alte zeit hinauf ge - stattete, mag fraglich sein. aber artige verschen14)Plutarch Erot. 17. und alte documente15)Urkunde aus dem heiligtum der Artemis in Amarynthos bei Apollodor (Strab. 448). sind sogar für uns noch nachweisbar.
Dagegen ist in Boeotien Phokis Lokris, in Thessalien und selbstver -Nord - griechen - land ständlich bei den wilden stämmen der berge und des westens16)Uncivilisirt ist auch die südküste des korinthischen busens, Achaia. und hier hat nicht einmal die zeit der politischen bedeutung den versuch einer stammes -, so12)und ihrer schwestern. Delphi aber hat keine alte chronik gehabt. die Pythioniken sind erst vom heiligen kriege ab glaubwürdig.22I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.reich die mythen sind, nirgend auch nur eine spur einer älteren ge - schichtlichen überlieferung. auch die specialschriften, wie Kineas und Suidas über Thessalien, Aristophanes und Krates die Boeoter, sind schwerlich älter als das dritte jahrhundert. und Delphi, das dem Herodotos so reiches material geliefert hatte, dessen Pythioniken Aristoteles selbst bearbeitete, ist bis in die spätere hellenistische zeit illitterat geblieben.
ArgosIm Peloponnes erweist sich Argos durch die Herapriesterinnen und eine groſse zahl von chroniken in versen und prosa als die alte capi - tale; die übrigen orte der Argolis dürften von ihm abhängen, nur Trozen hat eine reichere antiquarische und genealogische tradition. daſs die bedeutung des Asklepios von Epidauros verhältnismäſsig jung ist, haben die ausgrabungen gelehrt. immerhin besaſs selbst ein minder bedeutendes heiligtum wie das des Poseidon von Kalaureia eine so wichtige urkunde wie die von Ephoros (Strab. 374) benutzte, die unsere geschichte zur zeit noch ganz unvermögend ist zeitlich einzuordnen.
ArkadienArkadien ist ganz barbarisch bis auf die hochebene des ostens. doch hier hütete Tegea in seinem reichen tempel einen schatz von ur - kunden und traditionen; das früh demokratisirte Mantineia kam vielleicht mehr noch für νόμοι als für die πολιτεία in betracht. Aristoteles konnte tegeatische urkunden bereits benutzen (Plut. qu. Gr. 5)17)Epigramm eines Sodamos aus Tegea. schol. Eurip. Hipp. 264., auch machen die reste der tegeatischen schriftsteller Ariaithos (oder Araithos) und Aristippos oder wenigstens der erste den eindruck des alters. 18)Teutiaplos, Komarchos, Ekephylidas, Apellas, Iollas, Agaklytos, Istros, Aristodemos, Polemon.
ElisElis besaſs, seit es Olympias herr und durch seine bauerndemo - kratie zu macht gelangt war, eine groſse bedeutung und auffallend starke geistige regsamkeit. seit Hippias die festchronik, die höher als jede andere hinaufreichte, zuerst bearbeitet hat, gibt es eine so groſse zahl von schriftstellern wie kaum über eine andere landschaft.19)Die Arkadika des Pausanias geben eine geschlossene, aber besonders junge und geringhaltige genealogie. wie früh dagegen von Tegea aus eine auf ganz Ar - kadien berechnete aufgebracht war, lehrt das epigramm in Delphi, Pausan. X 9, Pomtow Beitr. zur Topogr. von Delphi t. XIV 39. Aristoteles stellte neben die einzelpolitien die neue organisation des Epaminondas, die κοινὴ πολιτεία, die gar keine historische einleitung hatte (Harpokr. μυϱίοι). von der Μαντινέων ist zu - fällig nichts erhalten, aber die Politik (Z 4) bezeugt sie. und16)geschichte erzeugt. Pausanias sah sich genötigt, die lücke zu verdecken, indem er die ionische wanderung erzählte. ein par schriftsteller πεϱὶ Ἀχαίας sind obscur und sicherlich nicht alt.23Elis. Korinth.durch die urkunden des tempels muſste Olympia für alle Hellenen, insbesondere die Peloponnesier, eine schatzkammer der wertvollsten über - lieferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der städtischen jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine zählung statt einer benennung der jahre ermöglichte, und darum hat sie Eratosthenes befolgt. im übrigen hat diese einführung einer rech - nung, die strenggenommen statt des jahres das quadriennium als einheit einführt, die chronologie mehr verwirrt als vereinfacht. 20)Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen chronik auf stein publicirt (CIA II 978), erst eine übersicht der kampfspiele, nach der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die olym - piaden genannt, keine synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht gewirkt.
Eine ähnliche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechendSikyon wesentlich musischen inhaltes, besaſs Sikyon, und sie ist schon vor Ari - stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene königsliste zeigt, daſs eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der reichen novellistischen überlieferung, die Herodotos wiedergibt, scheint nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein.
Auch für Korinth bezeugen die listen der könige, die stemmata derKorinth Bakchiaden, treffliche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen der Kypseliden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine familie hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar angesetzt. nachdrücklich hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides) das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die Herodotos gibt, in schutz genommen, und wir werden ihm zu glauben verpflichtet sein.21)Sprüchwörter wie Διὸς Κόϱινϑος, Μεγαϱέων δάκϱυα, δέχεται καὶ βῶλον Ἀλήτης sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk - lich aus korinthischer tradition. aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie sie die kunstwerke des sechsten jahrhunderts lehren, entspricht, steht das fehlen jeder korinthischen schrift aus den jahrhunderten 5 — 3 schroff gegenüber.22)Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos Κοϱινϑιακά von Diodoros und schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher. ein weiſser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge - dächtnis ausschlieſslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö. ) erhalten ist. es war eine reiche groſse stadt der krämer und der huren. 24I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.οὐ παντὸς ἀνδϱὸς εἰς Κόϱινϑόν ἐσϑ̕ ὁ πλοῦς: Aristippos geht dahin zu Lais, und Diogenes. natürlich: der Kapuziner gehört in die stadt der sünde. Byzantion und Tarent, auch dorische handelsstädte, zeigen das - selbe abstoſsende gesicht. wir wissen denn auch so gut wie nichts über die spätere korinthische geschichte.
SpartaÜber Sparta würde sich um 400 ein sehr schönes buch haben schreiben lassen; die liste der ephoren war seit der mitte des achten jahrhunderts aufgezeichnet, und daſs sie bloſs aus den nakten namen bestanden hätte, wird nicht leicht jemand probabel machen. alte ur - kunden fehlten nicht, wie die rhetra beweist23)Unsere jetzige kenntnis zwingt uns, bei einem von diesen pamphletisten die rhetra und die inschrift des diskos zuerst aufgezeichnet zu glauben, dem sie dann Aristoteles verdankt. jene pamphlete waren, nachdem Aristoteles und Ephoros sie benutzt hatten, genau so verschollen wie der συμβουλευτικὸς des Theramenes. wer das excerpt des Herakleides genau interpretirt, sieht, daſs Aristoteles damit anhob, die streitfrage zu erörtern, in wie weit die verfassung lykurgisch wäre; dabei muſs gelegentlich Alkman erwähnt sein, vermutlich bei einem citate. dann ward das per - sönliche des Lykurgos behandelt, wobei seine zeit durch den diskos bestimmt ward, und vorsichtig abgehandelt, was man ihm von speciellen bestimmungen zuschrieb. die ephoren waren nicht mehr darunter. endlich folgte eine schilderung des βίος Λακωνικός. an welcher stelle die rhetra stand, kann ich nicht mehr erkennen., eine reiche epichorische poesie war erhalten, der cultus und die sitten selbst zeugten von der ältesten zeit. aber, wie Thukydides klagt, wollten die herren des ver - knöcherten adelsstaates das spartanische prestige durch das tiefste ge - heimnis erhalten. Herodotos hat nur wenig in Pitane erfahren; dem Hellanikos überlieſs man die liste der Karneensieger24)Trotz E. Meyer kann ich nicht umhin diese für ein sehr altes actenstück zu halten, die voraussetzung der elegischen metaphrase, und Babyka und Knakion sollten das zu beweisen genug sein. erfand die verschollenen locale ein delphischer schwindler? mit dem dialekte zu operiren vermag ich nicht; daſs er nichts spe - cifisch lakonisches oder delphisches hat, liegt auf der hand. eben so steht es mit den elegien, für die schon ihre variirende fassung die herkunft aus dem volksmunde garantirt. wenn vollends ‘junge’ wörter wie δουλεία (Solon) ἐλευϑεϱία (Pindar, Simonides) ὁμόνοια (Antiphon der sophist) orakel discreditiren sollen, so hört der spaſs auf., sonst ist auch er kärglich abgespeist. man spürt es in den lücken der spartiatischen geschichte nur zu deutlich, daſs der adel das licht, das er selbst zu scheuen grund hatte, auch seinen würdigeren ahnen entzogen hat. dafür trat seit 400 die polemische litteratur der pamphlete ein, die für und wider die oligarchie geschrieben wurden: das ist die quelle für unsere kenntnis der spartiatischen verfassung, und sie war es schon für Ephoros25Sparta. Kreta.und Aristoteles.25)Hellanikos hatte als Lesbier an seinem landsmanne Terpandros ein beson - deres interesse und hat wol die verantwortung der hohen schätzung desselben zu tragen, in der ihn die neueren noch weit übertreffen. diese haben sich nicht klar gemacht, daſs so ziemlich alles was sie von ihm hören auf combination beruht. seine verse sind schon im altertum athetirt, über seine musikalischen compositionen, die allein der berufene νόμος angeht, können wir nicht urteilen, weder was seine ur - heberschaft noch was seine verdienste angeht. die διαδοχή der musiker kann gar keinen höheren wert beanspruchen als die der dichter oder philosophen. seine poli - tische tätigkeit ist erweislich fabel. was bleibt? es ist bezeichnender weise hier wirklich fast nur die πολιτεία, um die sich alles dreht, von der geschichte erfahren wir kaum etwas: denn Lykurgos und Theopompos kommen eben für die verfassung in betracht. erst im dritten jahrhundert hat Sosibios26)Ich kann noch eben den irrtum berichtigen, daſs der Lakone Sosibios mit dem lytiker identisch gewesen wäre, dank Wachsmuth (de Erat. Apoll. Sosibio Leipzig 93). aber ihn für jünger als Eratosthenes zu halten, ist mir unmöglich. nach der losreiſsung der Eleutherolakonen, in dem verfallenen Sparta nach Nabis scheint er mir undenkbar, und ich vermag auch keinen zwang in Wachsmuths wahr - scheinlichkeitsbeweisen zu sehen. Sosibios paſst vielmehr vortrefflich in die zeit des Kleomenes. dagegen stimme ich in der beurteilung des sosibischen gutes bei Pausanias mit Wachsmuth überein, denke eher noch etwas skeptischer, namentlich über die ersten capitel des dritten buches. directe benutzung wird er selbst nicht annehmen. seines vater - landes altertümer in sehr dankenswerter weise erläutert und auch die geschichte zu ordnen versucht. aber die fehlende geschichtliche über - lieferung vermochte der gelehrte sammler nicht mehr zu ergänzen. ich wenigstens betrachte selbst die königsliste als ein unzuverläſsiges ge - mächte auf grund der herodoteischen genealogien.
Noch sehr viel mehr als Sparta hatte Kreta die fühlung mit derKreta hellenischen cultur verloren. die insel, welche weder das attische Reich noch die lakonische vorherrschaft in ihre kreise gezogen hatten, war von der tyrannis und der demokratie, von der ionischen und sicilischen auf - klärung verschont geblieben; Platon wuſste, daſs die Kreter noch um 360 den Homer kaum kannten. sie hatten aber auch keine eigene poesie, wenigstens keine, die den Hellenen bekannt oder verständlich war.27)Dieser mangel an contact mit der hellenischen cultur genügt allein dazu, daſs man in dem verfasser der Theogonie des Epimenides nicht einen wirklichen Kreter suche. den kretischen Zeus, den sie verherrlichte, hatte doch Hesiodos auf dem Helikon schon gekannt, und die figur des propheten sammt der fiction, die das gedicht zu - sammenhielt, ist nach Kreta versetzt eben um des Zeus willen; übrigens stellen barbarische gegenden, wie Akarnanien und Epeiros gerne die seher. Karnos (dessen name nichts als der eponymos der Akarnanen ist) war ja auch ein seher. man26I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.möchte wol den forschungsreisenden kennen, der einmal dorthin gezogen ist und von den halbbarbaren gastlich aufgenommen28)Die gastfreiheit hebt Aristoteles in der kretischen Politie hervor (Herakl. am ende); in der Politik (B 1272b) gibt er mit feiner wendung die begründung, ξενηλασίας τὸ πόϱϱω πεποίηκεν. in den sitten und der gesellschaftsordnung zustände fand, die er sich berechtigt hielt für das originale Dorertum zu halten. mit ächt hellenischer beobachtungs - gabe hat er geschildert was er mit eben so ächter auffaſsungsgabe beobachtet hatte, und sein werk hat dem greisen Platon die anregung zu der fiction seiner Gesetze gegeben und dann dem Ephoros und Ari - stoteles das material zu ihren schilderungen geliefert. ich rede von einem berichterstatter, da die nachrichten, so weit sie die kretischen zustände angehn, einen einheitlichen eindruck machen, mag es auch mehrere darstellungen gegeben haben, den Atthiden analog.29)Ephoros verweist auf mehrere entgegenstehende meinungen, operirt mit σημεῖα, mit sprüchwörtern (ὁ Κϱὴς τὴν ϑάλασσαν), Homerexegese u. dgl., ganz wie die Atthis des Aristoteles. da für ihn die vergleichung der kretischen verfassung mit der lakonischen ein hauptgesichtspunkt war, und er beide ziemlich gleich dar - stellte (Polybios VI 45), so liegt nahe zu glauben, daſs das interesse für Spartas verfassung, das in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts so rege war, auch jenen forschungsreisenden nach Kreta getrieben hat. aber wer war es? kretische ge - schichte konnte jener mann freilich nicht geben30)Aristoteles und Ephoros operiren mit den epischen traditionen, Rhada - manthys Minos Idomeneus. Althaimenes stammt aus argeiischer sage, Thaletas aus lakonischer. die fragmente 518. 519 hat Rose ohne grund in die kretische Politie gerückt. das erste geht dem chalkidisch thebanischen Rhadamanthys an, der den Herakles erzogen hat, das andere erklärt eine angeblich heroische sitte (die pyr - rhiche) aus einer kretischen, wie die Poetik (25) eine epische vocabel durch ihre kretische epichorische bedeutung erläutern will. die εὑϱέται Κούϱης und Πύϱϱιχος (Strab. 480) wird Ephoros selbst erfunden haben., und als die Ptole - maeer Kreta mit gewalt aus seiner vereinzelung aufrüttelten, sahen sich die nun erstehenden kretischen localhistoriker, Dosiadas und andere, genötigt die lücke mit mythischen fabeleien zu füllen, denn selbst helden - sage wuſsten sie nicht zu finden. die insel aber gieng von der archaischen naiven barbarei unheimlich schnell in die abscheulichste culturbarbarei über. ihre wirkliche bedeutung liegt nur in der zeit des Minos.
Die dorischen inselnDie kleinen dorischen inseln Kythera Melos31)Die angabe über das alter der kolonie Melos kann Thukydides (5, 84) sehr wol aus der peloponnesischen tradition, also der von Argos, haben. Thera Anaphe32)Die Argonautensage von Anaphe (Isyll. 92 Knaack Callimachea Stettin 87) stammt nicht aus epichorischer aufzeichnung, sonst würde der gott wie in Anaphe27Die dorischen inseln. Groſsgriechenland.Astypalaia haben weder eine originale noch eine nachgewachsene chronik und stellen sich so von selbst unter die kleinsten ionischen eilande, Ikos Leros Sikinos. Aigina war zu Pindars zeit die blühendste stätte der archaischen cultur; damals war für prosaische schriftstellerei noch nicht die zeit. dann aber zerstörte Athen die gefährliche rivalin, und die herstellung des staates 403 ist nicht im stande gewesen, ihn lebens - fähig zu machen. die geschlechter, auf denen er beruhte, waren zer - schlagen und zerstreut.33)Die Pindarscholiasten haben über die aeginetischen familien und heilig - tümer die ersichtlich spätgrammatischen schriften von Theagenes und Pythainetos πεϱὶ Αἰγίνης mit wenig nutzen consultirt. wenn ein Römer Bassus sich als nach - komme der alten Βασσίδαι auſspielt (Kaibel epigr. 892), so kannte er sie aus dem Pindar. die groſsen dorischen inseln an der karischen und lykischen küste sind geistig ionisirt; aber wie für ihre politische so auch für ihre geistige bedeutung war die centralisation die not - wendige vorbedingung, die 411 die stadt Rhodos, 366 die stadt Kos schuf. erst beträchtlich später hat die gelehrsamkeit den reichtum von antiqua - rischen altertümern, der in den älteren orten erhalten war, erschlossen: eine höher hinauf reichende geschichtliche uberlieferung hat es nicht gegeben. 34)Aristoteles (Herakleides) kennt das auftauchen der insel Rhodos, das bei Pindar steht, und einen nicht epichorischen namen Ὀφιοῦσσα. diese fabelhaften ur - namen, die es für die meisten inseln und manche städte gibt, und die bei den geo - graphen ein zähes leben führen, müssen einmal mit einem schlage aufgebracht sein, keinesfalls sind sie ein jeder an seinem orte gewachsen. fgm. 569 hat Rose ohne grund in die Politie der Rhodier gesetzt; da es Diagoras angeht (wenn auch das nähere nicht mehr kenntlich ist), so gehört es vielmehr in die olympische tradition, was die Politik über Kos und Rhodos bringt (E 1302 und 1304) ist bisher un - genügend erklärt, scheint aber das vierte jahrhundert anzugehn. die bedeutung der synoikismen hat Aristoteles nicht politisch gewürdigt.
Auch das dorische Kyrene hätte wol eine localgeschichte habenKyrene können, hat sie aber nicht erzeugt. 35)Aristoteles hat in dieser Politie vorwiegend den Herodotos benutzt, wie der auszug lehrt. die schriften πεϱὶ Κυϱήνης haben geschichtlich kaum etwas brauchbares hinterlassen.
Sicilien und Italien nehmen wie in allem auch in der historischenGroſs - griechen - land tradition eine sonderstellung ein. so kurz nach dem tode des Herodotos, daſs er ihn nicht mehr benutzt haben kann, schreibt Antiochos von Syrakus nicht etwa bloſs die chronik seiner heimat, sondern die archaeo -32)Asgelatas heiſsen. das hat ein ionischer forschungsreisender aufgebracht, ebenso wie Herodotos die theräischen traditionen über Kyrenes gründung überliefert.28I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.logie des neuen Hellas. er stammt aus der stadt, die von allen dorischen allein die heimische mundart in poesie und prosa ausgebildet hat, und doch schreibt er ionisch. in Westhellas sind eben die träger der geistigen cultur die chalkidischen städte, und wer die fülle der überlieferung über - schaut, wird nicht bezweifeln, daſs chalkidische chronisten dem Antiochos die anregung gegeben haben, mögen sie auch für uns verschollen sein.36)Ein solcher name ist Hippys. das buch, das um 250 unter seinem namen gieng, war aber nicht mehr original. was gegen meine kritik (Herm. 19) eingewandt ist, scheint mir einer ernsthaften widerlegung nicht zu bedürfen. die ionischen städte sind im westen gerade während des fünften jahr - hunderts erdrückt worden, aber sie haben von ihrem geiste den Achaeern und Dorern, ja auch den Italikern mitgeteilt. Sybaris, achaeisch der race nach, aber mit Milet eng durch freundschaft verbunden, ist schon im sechsten jahrhundert zerstört, und doch kennt schon das fünfte sybaritische geschichten als litteraturgattung. im westen, wohin das epos nicht mehr gedrungen ist, hat sich die prosaerzählung früher und stärker ausgebildet, und welche fülle von novellenfiguren tritt uns hier entgegen, Euthymos und Milon, Smindyrides und Amyris, Pythagoras und Empedokles, Phalaris und Malakos. deutlicher als irgend wo sonst sehen wir die mythischen gründungssagen, voll von geschichtlicher erinnerung, und die urkundlichen daten neben einander liegen. das ist direct freilich zumeist timaeisches gut, aber der gelehrte sammler fuſst auf älterer litteratur und beweist am besten, daſs die zeit der aufzeichnung für das alter der überlieferung ein unzureichendes kriterium ist. Aristoteles hat über den westen begreiflicher weise nicht viel gegeben37)Was wir von seinen Politien der Geloer und Akragantiner hören, geht vorwiegend die groſsen tyrannen an, stammt also aus der politischen geschichte. über Rhegion weiſs er ausgezeichnetes; natürlich gab es in der ionischen stadt eine chronik., und wir hören davon wesentlich durch die erbitterte kritik des Timaios. dagegen muſs er über die städte des ionischen meeres Epidamnos Apollonia Korkyra Ithaka Kephallenia ganz besonders ergiebige von niemand sonst benutzte überlieferung zur verfügung ge - habt haben; sowol die Politik wie die Politien lehren es, und selbst Timaios ist ihm hier in manchem gefolgt. die euboeischen historiker dürften die vermittler gewesen sein, da Euboeer die vorläufer der Korin - ther im ionischen meere gewesen waren, während die achaeischen und dorischen orte selbst fast culturlos waren. 38)Der Chalkidier Dionysios (Plut. de malign. Herod. 22) kennt eine korky - reische urkunde. auch bei dem Epiroten Proxenos, der zu Pyrrhos zeit schreibt,
29Massalia. Ionien.Aber Massalia im äuſsersten westen ist eine Ionierstadt und hatMassalia sich seiner herkunft würdig bewiesen. am besten beweisen es seine groſstaten auf wissenschaftlich geographischem gebiete, der alte peri - plus, Euthymenes und Pytheas. die altionischen gesetze waren auch schriftlich fixirt und standen bis in späte zeit auf dem markte (Strab. 179), und es gab auch eine massaliotische geschichte. die reizende gründungsnovelle hat Aristoteles (bei Athen. XIII 576) nicht aus dem volksmunde, und er ist auch in der Politik in der lage, über die ver - faſsungsgeschichte mehreres beizubringen. 39)In der Poetik 21, wo Aristoteles von einfachen und zusammengesetzten nomina handelt, sagt er, es gäbe auch viele zusammengesetzte namen sicut multa de Massaliotis, Hermocaicoxanthus qui supplicabatur dominum caelorum (so die arabische übersetzung zur ergänzung unseres lückenhaften textes, Diels Ber. Berl. Akad. 19 jan. 1888): darin kann ich nichts finden als eine weihinschrift Ἑϱμοκαι - κόξανϑος εὐξάμενος Διί, und weiſs nicht, wie Diels zu ἐπεύχεσϑαι und Διὶ πατϱὶ kommt. ich kann also nur glauben, daſs bei den Massalioten verdrehte dreifach componirte namen bestanden, und Aristoteles wird diese inschrift irgendwo in Hellas gesehen und belacht haben, oder seine schüler haben davon erzählt. der name ist verdreht, aber Εὐδάμιππος, Εὐξένιππος, Ἱππαϱμόδωϱος sind es nicht minder und geben auch drei glieder; wir sind nur an diesen lächerlichen stolz auf das ritter - pferd, die fiction des adels, gewöhnt. Κηφισόδημος Λυσίδημος Θούδημος sind auch an sich sinnlos, aber der athenische bürger hatte den demos gern in dem namen seines kindes, weiter fragte er nicht dem namen nach. die massaliotische onomatologie ist uns unbekannt, und wir können unmöglich a priori sagen, wie sie nicht war.
Nun endlich das östliche eigentliche Ionien, das Ionien Homers,Ionien die heimat des epos, der novelle, der philosophie. da braucht man nicht zu suchen, da wird es vielmehr überflüssig auf einzelnes hinzudeuten. die namentlich und wenigstens zum teile zeitlich bekannten schrift - steller reichen bis in das sechste jahrhundert und einzelne wenigstens haben sich in einer mehr als epichorischen geltung behauptet, wie Charon und Maiandrios. wir sehen auch die berühmtesten und höchst38)weist manches nach Euboia. der localhistoriker Athanadas von Ambrakia (Anton. Liber. 4) schmeckt nach der art des Nikandros; älter als die zerstörung durch Acilius Glabrio wird er freilich sein. daſs Korkyra so ganz für die cultur ausfällt, gleich seiner mutterstadt Korinth, ist sehr beherzigenswert. ein weiſser rabe, der tragiker Philiskos, beweist so wenig für seine cultur wie Alexandros für die von Pleuron, und die gelehrte Agallis ist auch nicht zu hause ein blaustrumpf geworden. hätte Korkyra seine schuldigkeit getan, so gäbe es heute keine albanesische frage. aber die entsetzlichen greuel, die Thukydides erzählt, stehen in grellem contraste zu der berückenden weichen schönheit der Phaeakeninsel. ohne Αἰδώς und Δίκη wächst eben selbst im paradiese nichts als obst.30I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.gestellten die geschichte der eigenen heimat zur aufgabe wählen, Ion von Chios und noch den peripatetiker Duris von Samos. die Aeoler von Lesbos und Kyme40)Noch Menekrates von Elaia, ein schüler des Xenokrates, schreibt κτίσεις seiner aeolischen heimat (Strab. 572 u. ö., immer aus Demetrios von Skepsis). stehen den Ioniern gleich, und diese zeigen dieselbe regsamkeit auf den Kykladen, am Hellespont und im Pontos41)Schriftsteller aus älterer zeit (wie später namentlich Demetrios von Kal - latis) kenne ich nicht, aber die gründungsdaten sind zum teil erhalten, und Aristo - teles verfügt über historisches material selbst aus Phasis und Istros. wie in den zwölfstädten der küste; am Pontos nimmt aber auch die megarische pflanzstadt Herakleia einen ehrenplatz auf allen gebieten des geistigen lebens ein.42)Hier steht im dritten jahrhundert selbst die chronik des dichters Phere - timos neben der des staatsmannes Nymphis. da die stadt erst in der mitte des sechsten jahrhunderts entstanden ist und dauernde nahe beziehnung zu Athen unter - halten hatte, ist es nicht wunderbar, daſs sich gute überlieferung in geschichtlicher form erhalten hatte, bis sie aufgezeichnet ward, und schon vorher Aristoteles und andere über die herakleotischen verhältnisse orientirt waren. wie wichtig die stadt diesem erschienen ist, vgl. I 10. daſs wirklich zeitgenöſsische chronikartige auf - zeichnungen und viele alte urkunden vorhanden waren, versteht sich eigentlich von selbst. zufällig erhaltene stücke, wie über die gründung von Ephesos aus der dortigen und der siphnischen tradition43)ὧϱοι Ἐφεσίων Athen. VII 361, ὧϱοι Σιφνίων VI 267. oder die schiedssprüche im Athenatempel zu Priene, liefern auch greifbare belege. für manchen ist vielleicht bezeichnender, daſs Aristoteles in der samischen Politie das erscheinen einer weiſsen schwalbe, so groſs wie ein rebhuhn, notirt.44)Herakl. 31 ἐφάνη λευκὴ χελιδὼν οὐκ ἐλάττων πέϱδικος. der iambische trimeter ist durch zufall entstanden; es ist keiner für altionische metrik. dieselbe tatsache aus den anonymen ὧϱοι Σαμιακοί bei Antig. Karystr. Parad. 120. das er - scheinen der ersten weiſsen tauben berichtete Charon in seiner lampsakenischen chronik, Athen. IX 394. aber die lust zu fabuliren, die freude an dem spiele der phantasie und dem bunten leben, die Ionien als erbe Homers besaſs, ist für die rein geschichtliche überlieferung verhängnisvoll ge - worden. die schriftstellerei stand im zeichen der novelle, als sie die geschichtliche überlieferung zu behandeln begann, der subjectivismus und rationalismus trat hinzu, und so sind gerade die ionischen traditionen für den historiker mindestens viel schwerer verwendbar geworden als die nakten namen und daten aus anderen orten. schon wenn wir die lydische geschichte und die ionische, so weit sie herangezogen wird, bei Herodotos lesen, werden wir oft bedenklich (obwol die schlacht bei Lade31Ionien. fortleben der novelle.den eindruck einer weit gröſseren glaubhaftigkeit macht als die bei den Thermopylen). wie viel ängstlicher muſs uns nicht zu mute sein, wenn wir etwa von Pindaros und Pythagoras von Ephesos oder den Gergithes von Milet bei Aelian lesen? in der tat ist die altionische geschichte für den historiker fast verloren, und noch scheint es nicht, als wollte sie der boden uns zurückschenken. dafür ist sie in das reich der poesie übergegangen und hat dort eine lebenskraft bewiesen, vergleichbar nur der heldensage.
Ionien hat gleich nach der befreiung durch Alexandros einen neuenFortleben dieser tradition aufschwung genommen, in einem bewuſsten und berechtigten gegensatze zu der bevormundung durch Athen und seine litteratur. die schönste blüte dieser bewegung ist die erneuerung der elegie und des iambos. die elegie aber griff auf die novellistisch gewordene geschichte, auf die archaeologie zurück. diese romantische litteratur ist den πολιτεῖαι der peripatetiker genau so analog, wie die wissenschaftlich philologische arbeit des Kallimachos und Eratosthenes der wissenschaftlich aesthetischen des Aristoteles und seiner schüler. so sind denn auch ihre quellen oft geradezu dieselben.45)Die erhaltene erzählung aus dem Apollon des Alexandros von Pleuron ist geradezu ein capitel der Μιλησιακά so wol im sinne der alten königsgeschichte wie in dem der erotischen novelle. es gehn auch versuche nebenher das epos zu erneuern, und die archaeologie ganzer landschaften oder einzelner städte so zu verarbeiten. Μηϑύμνης Ῥόδου κτίσεις, Θετταλικά, Μεσσηνιακά: das verhält sich zu den αἴτια des Kallimachos wie Ephoros zu Aristo - teles. das zweite jahrhundert bringt noch viele nachzügler auf allen gebieten, Βιϑυνιακά des Demosthenes, die schriftstellerei des Nikandros über Aetoler Oetaeer u. dgl., ausgeartete πολιτεῖαι, wie seine verse aus - geartetes epos sind. im ersten jahrhundert gibt Alexandros von Milet in höchst anerkennenswerter weise groſse compilationen über die ar - chaeologie von Karern Lydern Juden und andern hellenischen und halb - hellenisirten stämmen. aber weder die poesie noch die wissenschaftliche schriftstellerei der gelehrten ist volkstümlich geworden. dagegen wuchertFortleben der novelle die novelle fort, mit dem aus einer ionischen wurzel erwachsenen Helle - nismus bis nach Seleukeia am Tigris und Ptolemais am Nil verbreitet. mitten in der schlimmsten zeit des ausgearteten barokstils begegnen uns wieder die Λυδιακά des Skytobrachion. eine zeitgemäſse bearbeitung des alten Xanthos wollten sie sein: es ist der historische roman, berechnet lediglich auf das ergetzen des publicums. auch Μιλησιακά treten wieder auf, von Aristeides, nicht mehr als geschichtsbuch, sondern als roman,32I. 1. Die quellen der griechischen geschichte.mit einer erotik, die für einen derberen gaumen berechnet war als die romantische elegie, und keinesweges deren tochter. sie stammt vielmehr genau so direct und so rein von der alten novellistischen geschichte ab wie die Ephesier, die sich dem Mithradates ergaben, von dem volke, das unter den Basiliden gestanden hatte. ob sie schon durch Aristeides den entscheidenden schritt getan hat, die mythischen namen ganz abzustreifen, verstattet unsere kümmerliche überlieferung nicht zu erkennen: bald ist es jedenfalls geschehen, sonst würde Petrons matrone von Ephesos den namen einer fürstin des siebenten oder sechsten jahrhunderts tragen.46)Nachdem dieses geschrieben war, ist in den resten von Ἀσσυϱιακά, oder Βαβυλωνιακά, wie immer der titel hieſs, die Wilcken veröffentlicht hat (Hermes 28), ein erwünschter beleg hinzugetreten. da sind die träger der erotischen fabel, die den späteren recht ähnlich ist, noch Ninos, Semiramis und ihre umgebung. der roman steht innerlich wie zeitlich zwischen der älteren historie und den sophistischen ἐϱωτικαὶ διηγήσεις. ich wüſste ihm nichts besser zu vergleichen als die reste der ersten bücher des Nikolaos, die ihm auch zeitlich am nächsten stehn dürften. aber die herkunft der griechischen romane aus der alten erzählungs - litteratur ist deutlich genug. wo die alten träger geblieben sind, wie Pythagoras Aesop die Sieben weisen, liegt es auf der hand. bei den erotischen erzählungen verkennt man es leicht. die sophistik der kaiser - zeit hatte sich eingebildet, eine neue veredelnde form gefunden zu haben, und wie sie die motive der komoedie zu mehr oder minder albernen briefen von hetären parasiten bauern und fischern verbrauchte, wobei die locale attische farbe gar oft verloren geht, so bewahren ihre ero - tischen erzählungen, berechnet für den öden salon einer vorkommenden gesellschaft, nur hie und da ein par locale züge.47)Chariton fingirt die zeit des peloponnesischen krieges, der lateinische roman von Apollonius führt sogar die personen der diadochen ein: den spätlingen waren jene zeiten so ferne vorzeit wie Ninos und Kroisos der zeit des Nikolaos. das local ist meistens die hellenische ostküste des Mittelmeeres. so gerät man in regionen, die von aller historie ganz fern liegen, wenn man einen zweig der geschichtlichen überlieferung durch die jahrhunderte litterarisch ver - folgt. um so weniger wollen wir hier auf die metamorphosen einen blick werfen, die die hellenistische novelle auſserhalb von Hellas erlebt hat. zu Aristoteles zeiten waren die Μιλησιακά noch durchaus historie, λογο - γϱαφία, so gut wie das werk des Herodotos, vermutlich annalen, so gut wie die Atthis.
ErgebnisGelehrt hat dieser überblick der tradition vielleicht nur die etwas, welche in der lage waren, sich bei der einzelnen stadt oder land - schaft die hauptsachen von der über sie erhaltenen überlieferung ins33Ergebnis.gedächtnis zurückzurufen. in diesen fall aber möge sich jeder setzen, der mit der hellenischen geschichte mehr als sophistisches spiel treiben will. so weit die historie erzählung der ereignisse ist, krankt unsere überlieferung bis 432 wirklich an einem unersetzlichen mangel an ma - terial. so weit es aber die darstellung des zuständlichen und die er - klärung gilt, wie dieses geworden sei, ist der mangel an material ein mangel der methode. da muſs die wissenschaft besser suchen lernen und muſs die scheidekünste gegenüber dem gestein, das in unsern schächten bricht, vervollkommnen, statt es als taub auf die halden zu werfen. lernen wir die sagen, die novellen, die tendenzschriften besser verstehn als Aristoteles. vor allen dingen aber begreifen wir und be - herzigen wir die notwendigkeit den zugang zu den besten, den wahr - haften quellen zu eröffnen, der localen überlieferung. Aristoteles ist keine quelle mehr, er hat sich nur als ein canal herausgestellt; aber was er bietet ist zum besten teile quellwasser, und heute wie vor jahren gebe ich die parole für die griechische geschichtsforschung aus: nicht die weltgeschichte des Ephoros, sondern die Politien des Aristoteles sind das vorbild für unsere eigene arbeit.
Die burg der Kekroper.Die steine der burg von Athen erzählen uns von einer zeit, deren selbst die sage vergessen hat. hinter der gewaltigen ringmauer wohnten die Kekroper in kleinen häuschen, und der palast ihres königs stand etwa da, wo die zeit Kleophons das Erechtheion gebaut hat. die burg hatte keineswegs nur den zugang von westen, sondern es führte von nordosten ein steiler aber breiter weg zum schlosse, und eine schmale treppe stieg zur späteren Pansgrotte hinab (Euripides nennt diesen weg μακϱαί) und weiter zur Klepsydra. am nordfuſse des burgfelsens rann der fluſs, an dem dieses Athen lag, der Eridanos, und sein ‘reines naſs schöpften’ die mädchen. an der ecke, wo das Erechtheion mit dem Athenatempel zusammenstöſst, den Peisistratos erbaut hat, zeigt die wand selbst, daſs der baumeister auf einen raum darunter rücksicht nahm, das grab des Kekrops. kein zweifel, daſs dieses grab die gebeine eines alten herren des schlosses barg oder birgt. noch heute kann der andächtige blick die male schauen, die der dreizack Poseidons in dem burgfelsen zurückgelassen hat, und ist auch Athenas ölbaum verschwunden, so ist doch die umfriedigung des gärtchens unverkennbar, in dem der tau der Agrauliden seiner wartete. auge und hand kann fühlung nehmen mit einer zeit, die eine verschollene urzeit war, als Peisistratos den alten tempel baute. damals sproſs noch der heilige ölbaum und stand noch der hausaltar der alten könige des schlosses. die continuität ist in Athen niemals abgerissen, obwol die erinnerung nichts fest gehalten hatte als die tatsache der continuität.
35Die burg der Kekroper. das volk Athenas.Die burg von Athen ist ihrer anlage und bauart nach ein erzeugnis derselben periode wie die von Tiryns, Orchomenos, Arne und viele andere, in Attika namentlich Eleusis und Thorikos. ihre herren haben die kekropische ebene beherrscht; das ist nicht wenig für jene zeit der vielen kleinen burgherren. aber wirkliche staaten oder städte kannte jene zeit noch nicht. jenseits der niederung im südwesten, die damals entweder meer oder lagune war (das ἁλίπεδον), erhob sich schon eine andere solche burg, Munichia, und an den abhängen des Parnes und Brilettos werden sie nicht gefehlt haben. es hat der zeit und der arbeit und der kämpfe vieler generationen bedurft, bis sich über den trümmern dieser burgen die stadt Athen, und über den kleinen politischen ein - heiten der staat der Athener erhob. auch diese zeiten und kämpfe sind verschollen, und auch von ihnen ist nur im gedächtnisse geblieben, daſs die continuität nie abgerissen ist, während überall ringsumher, in Boeotien und Euboia, Megara und Aigina, und im ganzen Peloponnes fremde eroberer den geschichtlichen fortschritt bringen. in langem ruhigem stillem wachstum ist das edelste reis des hellenischen gartens auf dem felsen Athenas gediehen.
In diesen zeiten des werdens ist das königtum oder vielmehr dieDas volk Athenas. monarchie zu grunde gegangen und die souveränetät der gemeinde (δῆμος) entstanden. in die gemeinde aber sind die herrschaften alle aufgegangen, die vorher neben einander in Attika bestanden, auch die der burg, und sie am entschiedensten, denn sie hat sogar ihren namen eingebüſst. sie heiſst nun wie die gemeinde; die gemeinde aber ist die der ‘Athena - hefohlenen’, und stadt und burg heiſst nur nach der hohen himmels - göttin, die ganz eigentlich in das alte fürstenschloſs eingezogen ist, die wirkliche nachfolgerin der alten könige. Ἀϑηναῖος ist nicht anders gebildet als Ἑκαταῖος Διονύσιος, und nur die gewohnheit, darin eine ortsbezeichnung zu hören, läſst die eminente bedeutung der tatsache übersehen, daſs die ‘zugehörigkeit zu Athena’ zugleich die herkunft aus Athen bezeichnet. nur Platon mit seinem gefühle für die religion seiner väter empfindet Ἀϑηναῖος wegen des göttlichen namens als eine ehrende bezeichnung.2)Ges. I 626d, wo er den anonymen Ἀϑηναῖος einführt, der eben dadurch als typus charakterisirt werden soll, daſs er ‘verdient Ἀϑηναῖος zu heiſsen’, daſs Athenas geist auf ihm ruht. sehr hübsch ist es, wie hundert jahre später daraus gemacht ist, es gäbe in Athen zwei sorten einwohner, die Ἀϑηναῖοι, die dem ruhme des alten namens entsprächen, und die Ἀττικοί, die alle übeln eigenschaften hätten, die man den Athenern nachsagte (Herakleides der Kritiker 4). das land hieſs bei dem namen der bürgerschaft entspricht der der stadt,3*36II. 2. Von Kekrops bis Solon.Ἀϑῆναι3)Die pluralbildung ist dieselbe wie in Θῆβαι Πλαταιαί, aber nur grammatisch dieselbe, denn neben diesen stehn auch die singulare in localer bedeutung, und die ortsnymphen sind gegenüber den städten secundär, während Ἀϑῆναι von Ἀϑήνη gebildet ist, dem namen, den die nicht-ionischen Hellenen als Ἀϑάνα festhalten und auch die attischen dichter in gehobener rede anwenden. die brechung des a ist jünger als sein ersatz durch Ἀϑηναία, in dem, wenn es nicht wirklich darin steckt, der Athener wenigstens nur das ethnikon finden konnte, einerlei ob ϑεός oder παϱ - ϑένος dabei zu ergänzen ist., der statt einer ableitung wie Ἡϱαία, Ἀπολλωνία nur den plural des gottesnamens verwendet, und zwar in einer form, die in Athen zu gunsten der ableitung fallen gelassen ist, so daſs die göttin von den Athenern nur ‘göttin’ oder ‘Athenerin’ genannt wird. keine andere stadt in Hellas hat es vermocht, in dieser weise eine der groſsen gottheiten zu ihrer vertreterin zu machen. heroen wie Korinthos und Miletos, Theba und Aigina, haben kaum etwas körperlichkeit erlangt; die Hera von Argos, die Kora von Syrakus, die götter der verschiedenen Apollonia haben nie das wesen der allgemeinen götter beeinfluſst, die vielmehr alle nur nebenher diese und jene stadt besonders vertreten. Athena ist die jungfräuliche und streitbare stadtgöttin vieler orten rings um Athen, in Aigina, Korinth, ja selbst bei den eingewanderten Boeotern.4)Sie haben ihr bundesheiligtum am Athenatempel zu Κοϱώνεια, das am Κωϱάλιος liegt, das ist stadt und fluſs der κόϱη, κοϱώνη. denn ich meine sowol κοϱώνη wie Κοϱωνίς richtiger als früher zu fassen, wenn ich es nur als weiter - bildung betrachte. παϱϑένος heiſst Athena oft, und παλλάs bedeutet auch nur das mädchen und ist wol bei Homer noch nicht toter eigenname. es gehört zu πάλλαξ πάλληξ παλλακή παλλακῖνος. die Athenabilder heiſsen παλλάδια, weil sie κόϱαι sind, und auch andere weibliche idole können passend so heiſsen. es ist wie κόϱη auch nur ein femininum zu ἀνδϱιάς. wenn sie zu Athen ein so viel näheres verhältnis gewonnen hat, so vermag man sich der vermutung nicht zu erwehren, daſs dabei ein be - wuſster wille tätig gewesen sei. die einigung der landschaft Attika ist die voraussetzung der athenischen geschichte, und sie ist erzielt, ehe unsere2)den umwohnern Ἀκτή (darüber mehr zu cap. 5), davon ist Ἀττικός gebildet, und die die gesinnung oder sprache Athens drauſsen teilen ἀττικίζουσιν, und wie die weiterbildungen sonst sind. weil das ττ aus κτ entstanden ist, tritt nirgend σσ dafür ein auſser bei solchen, die der sprache gewalt antun wie Euphorion 27. der lautwandel fordert eine erläuterung, denn er ist anomal. ganz ebenso steht τϱιττύς τϱιττόα für τϱικτύς, ὡς τετϱακτύς, dies unter dem einflusse von τϱιττός τϱισσός, ἀττικός unter dem von Ἀτϑίς, einem ganz correcten hypokoristikon von Ἀϑηναίς, das sehr alt sein muſs, da der letzte radical noch verdoppelt ist, als mädchenname bei Sappho belegt, für athenisch, wie es scheint, erst bei Euripides. Thukydides nennt die Ἀττικὴ συγγϱαφή des Hellanikos so, nicht Ἀτϑίς. bei Hesych steht Ἀττίς Ἀϑῆναι: das hat wol ein künstelnder poet gesagt.37Das volk Athenas.geschichtliche überlieferung beginnt. es erscheint trotz allen regionalen gegensätzen und kämpfen undenkbar, daſs sich der Aphidnaer oder Brauronier anders denn als Athener fühlte. sie wollen wol alle herrschen, aber über Athen und Attika. diesen ungeheuren fortschritt der politi - schen empfindung, den in Boeotien und Ionien höchstens einzelne be - deutende männer wie Epaminondas oder Hekataios für sich machen, hat das attische volk so früh erreicht. das festjahr, das von den Κϱόνια, dem gedächtnis der staatlosen zeit, zu den συνοίκια und Παναϑήναια fortgeht, legt von ihm zeugnis ab, und das heiligtum der burg ist wirk - lich das gemeinsame für das ganze volk. sie glauben alle, daſs Athena die göttin dieses volkes und dieses volk ihr auserwähltes ist, was die so zu sagen universale potenz der himmlischen jungfrau und tochter des Zeus noch nicht beeinträchtigt. diesem höheren einigenden glauben, der Athenareligion, hat sich die gesonderte verehrung sowol der einzelnen ortsgottheiten wie der noch so bedeutenden ‘andern götter’, selbst der Nemesis von Rhamnus, der Athena von Pallene, der Artemis von Brauron untergeordnet. wenn Athena von alters her die stadtgöttin der burg über dem Eridanos war, so hat ein localcult über alle andern triumphirt. sie wohnt dort so lange, bis ihr Peisistratos ein eigenes haus baut, in dem alten königspalast; sie hat um das land streiten müssen, und ihr priestertum wird von dem geschlechte versehen, das in erster linie dem Poseidon Erechtheus, ihrem gegner, dient. das alles und nicht zum wenigsten, daſs die sage geflissentlich die berechtigung ihrer herrschaft nachweist, führt zu der annahme, daſs sie von der burg wirklich erst besitz ergriffen hat, als herrin des landes, als vertreterin des gesammt - staates, als die trägerin der neuen empfindung, der dann der alte local - cult der burg und ihr alter name weichen muſste. 5)Ein spiel, auch mit sehr scheinbaren einfällen, will ich nicht spielen, will weder Κϱανααί aus Aristophanes als alten namen hervorholen noch der verlockung raum geben, daſs die Athena von Pallene, also auch die herren von Pallene ihren cult auf die burg verpflanzt haben und demnach die einiger Attikas sind. aber daſs Athena von der burg und von Attika erst als landesgöttin besitz er - griffen hat, scheint mir nachweisbar. die sage vom streite mit Poseidon setzt ihre besitzergreifung und die pflanzung der olive in das achte jahr des Kekrops, den streit mit Poseidon in das sechsundzwanzigste (so bei Eusebius, dessen vorlage in der attischen mythologie ganz mit der apollodorischen bibliothek geht. beiläufig: dies zeugnis entscheidet unzweideutig für die auffassung Roberts von der pflanzung der olive wider Petersen), aber wir werden nicht bestreiten, daſs der felsspalt eher da war als die fremde olive. Erechtheus ist eine person von ganz anderer consistenz als Erichthonios, der pflegling Athenas, und die legende von dem kästchen, das die
38II. 2. Von Kekrops bis Solon.Die er - werbung von Eleusis.Diese Athena herrschte schon bis an das euboeische meer, als Eleusis mit seinem gebiete, der ebene jenseits des Aigaleos, noch selbständig war. und die erinnerung ist nicht vergessen, daſs es schon polemarchen gab, als es überwunden ward. so ist denn auch Eleusis nicht so fest wie alles übrige mit dem gesammtstaate verwachsen, und in den schwer - sten krisen setzt der regionalismus sich dort fest. die bevorzugungen, die der annexionsvertrag den herrschenden geschlechtern von Eleusis zugestanden hatte, sind ihnen geblieben, nicht bloſs die priestertümer in Eleusis, sondern auch ein platz an der öffentlichen tafel Athens, d. h. eine pension für die abgelösten königlichen ehrengeschenke, und die teilnahme an der ausrichtung der feste, der mysterien, denen der könig von Athen mit zwei Athenern (die in der uns kenntlichen zeit frei vom volke gewählt werden) und zwei angehörigen der alten eleusinischen geschlechter vorsteht.6)Die geistlichen traditionen, deren hüter das Eumolpidenhaus ist, sind so sehr anerkannt, daſs der ἐξηγητὴς ἐξ Εὐμολπιδῶν noch für Perikles autorität war; der exeget aus dem städtischen hause der Eupatriden steht ihm in der schätzung nach, weil die Demeterreligion früh in den ruf besonderer geheimnisse gekommen ist. die vermögensverwaltung der beiden göttinnen ist auch in Eleusis geblieben, und wir hören nicht, daſs sie je für all - gemeine staatszwecke etwas gezahlt oder geborgt hätten. dagegen hat ihnen ganz Attika von seinen körnerträgen gezehntet. das ist die pension, die ihnen Athena für die verlorene souveränetät zahlt. diese rudimente früherer ordnung mitten in dem demokratischen Athen sind äuſserst wertvoll, weil sie beweisen, daſs der anschluſs von Eleusis statt - gefunden hat, als die geschlechterherrschaft bestand, nicht mehr das königtum, als man noch in naturalien, nicht in geld zahlte, aber schon so complicirte verträge schloſs, daſs die schrift nicht wol entbehrt werden5)Ἀγϱαυλίδες κόϱαι öffnen, ist, schon weil sie so ganz falsch das Aglaurion unter der burg motivirt, jung. Athenas verbindung mit Hephaistos, die zu der schmutzigen erzeugung des Erichthonios führt, kann erst aus der zeit stammen, wo die industrie der töpfer von bedeutung war. Apollon patroos als beider sohn ist vollends absurd erfunden; immerhin liegt das richtige darin, daſs Athenas verbindung mit Hephaistos, die nur die stadt angeht, älter ist als die reception des Apollon, der die sammt - gemeinde der Athener angeht. neben der Athena der burg stehn unten mehrere Palladia und die ἀϱχηγέτις ist sogar die Ἡφαιστία. Athena ist nicht in Athen geboren wie Apollon in Delos, Artemis in Ephesos, Hermes in Tanagra; ihr fest gilt durchaus dem staat, ihr schatz ist der staatsschatz. so hat Athena wirklich erst einen an - spruch auf Athen, seit sie landesgöttin ist, seit sie die olive schenkt. das liegt weit vor der geschichtlichen zeit, aber schwerlich weiter als die einigung des landes. daſs die alte burg dann auch nicht von anfang Ἀϑῆναι geheiſsen hat, folgt mit not - wendigkeit.39Die erwerbung von Eleusis.konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach norden7)Die kleisthenische[kreisordnung], die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet, zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpaſs ist dann noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfaſste, denn er muſs dort den riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen und hieſs ὀϱγάς, ein wort, das nichts mit ἀεϱγός zu tun hat, sondern die ὀϱγῶσα γῆ bezeichnet: wenn die ὀϱγάς gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der bebauung entzogen. unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den groſsen erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570 — 562), ein vorläufiges ende fanden.
Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen. daſs die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an - zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen in das östliche und westliche meer teilnahmen8)Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias., ist eine durchaus glaub - hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter. die bevölkerung Attikas ist gewiſs von vorn herein nicht eines stammes gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer40II. 2. Von Kekrops bis Solon.race, einem wirklich einheitlichen und seiner einheit sich bewuſsten volke mit ganz bestimmter sprache und sinnesart vollzogen, bevor der nebel der sage sich lichtet; auch Eleusis macht keine ausnahme. es ist die einheit des ‘Athenervolkes’, des δῆμος Ἀϑηναίων.
Die alte verfassung.Dem entspricht die verfassung. wer sich an das wort hält, muſs behaupten, daſs die demokratie Athens einzige verfassung ist, muſs dann aber dasselbe von Sparta sagen9)Isokrates (9, 61) hat es fertig gebracht, den ruhm Spartas darin zu finden, ὅτι μάλιστα δημοκϱατούμενοι τυγχάνουσιν. im Menexenos wird Athen als muster der ἀϱιστοκϱατία hingestellt. mit worten geht alles. in der tat ist die souverä - netät auch in Sparta bei dem δᾶμος. aber dieser δᾶμος ist der stand, beschränkt durch die forderung sowol des blutes wie der standesgemäſsen lebensführung, womit auch ein gewisser besitz gefordert war. der δᾶμος übt seine souveränetät fast nur durch die wahlen einiger behörden; könige und rat sind lebenslängliche amts - stellen. die gesetze sind nicht aufgeschrieben, die beamten an keinen beirat ge - bunden. die wurzel ist also sehr ähnlich wie in Athen, aber das gewächs ist ein anderes, und dem entsprechen die früchte.. die verfassungskämpfe drehen sich darum, wer zum demos gehören soll, und in wie weit der demos seine souveränetät selbst in der executive betätigen will oder auf die männer seiner wahl, einzelbeamte oder collegien, übertragen. die entwickelung geht dahin, den begriff des demos möglichst weit, seine regierung immer unmittelbarer zu machen. die beamten aber, ursprünglich einzelne, be - fugt sich ihre subalternen selbst zu ernennen10)Das hat gedauert für die beisitzer der drei oberbeamten und für die sub - alternofficiere, die der oberst ernennt. die ersteren aber haben beamtenqualität sie zeugen also für das alte recht der oberbeamten. die vom Areopag ernannten beamten waren mindestens zumeist auch wirklich seine organe, später die des rates der 500., werden immer mehr gebunden und beschränkt durch die collegialität, durch die annuität, durch die prüfung vor dem antritte auf ihre qualification, die prüfung nach dem abtritte vor dem übergange in den Areopagitenrat, durch die aufzeichnung ihrer instruction, der gesetze, endlich durch die bindung ihrer richterlichen entscheidung an den wahrspruch eines beirates. diese entwickelung hat schon manchen schritt zurückgelegt, aber um dem wesen gerecht zu werden, müssen wir die verfassung alles andere eher als demokratisch nennen. denn der demos, der träger der souveränetät, ist ein stand, der adel, und zwar bereits ein denaturirter adel, nicht auf dem blute, sondern auf dem grundbesitze begründet. die formen des staates sind jedoch immer noch die des reinen geschlechterstaates. der zeitpunkt, wo staat und gesellschaft leidlich klar vor uns liegen, kann zur zeit noch nicht wol früher angesetzt werden als auf 683 / 2,41Die alte verfassung. der könig.das jahr der entscheidenden revolution. von da ab sind die drei ober - ämter jährig und dürfen nur einmal bekleidet werden. es tritt zu ihnen ein collegium von 6 ‘rechtssetzern’ für die civiljudicatur. der rat wird durch die abtretenden neun beamten ergänzt, also mittelbar von der gemeinde besetzt, die die beamten wählt, hat aber das recht jeden ein - zelnen vor dem eintritte einer prüfung zu unterziehen. daſs diese neuerungen alle auf einmal eingeführt seien, wird man billig bezweifeln; sie bestehen nur sicherlich seit 683, dem jahre der ersten jährigen ober - beamten. aus der älteren zeit sind eine reihe wichtiger angaben er - halten, aber zu wenig, um diese periode gesondert darzustellen oder gar eine geschichtliche erzählung zu versuchen. wir können heute zu - frieden sein, wenn wir die vorsolonischen institutionen einigermaſsen verstehn; hatte es doch weder die Atthis noch Aristoteles auch nur so weit gebracht.
Obwol der archon vornehmer ist, hat doch der könig anspruchDer könig. auf den ersten platz, denn er ist der träger der continuität von der urzeit her: mit recht dürfen sich die Athener rühmen, niemals königs - los gewesen zu sein.11)βασιλῆς ἀεὶ ἡμῖν εἰσίν sagt der platonische Menexenos 238d in einer vor - züglichen schilderung der πάτϱιος πολιτεία. noch bis gegen ende des achten jahrhunderts war das königtum dem angestammten ‘fürstengeschlechte’, den Medon - tiden, erblich verblieben, in der weise wie auch später noch die ge - schlechterpriestertümer. aber schon damals war der könig nur ein be - amter, der sein amtshaus unterhalb der burg neben denen der anderen gewählten beamten hatte. die zeit, da könig Akastos das regiment an den ‘regenten’ abgab, und feierlichste eide diese constitution befestigten, lag in unbestimmter ferne. nur den verkehr mit den göttern des staates, die von alters her öffentlichen cult erfuhren, hat der könig behalten, denn die menschen konnten an diesem rechte nichts ändern. das war immer noch sehr viel auch von dem was uns profan erscheint, da die abgaben zum teil an die götter gezahlt wurden und das heilige recht sehr weit griff. aber längst nicht mehr entschied der könig nach eigenem ermessen, sondern es stand ihm der rat zur seite, die ver - tretung der gemeinde, und der wahrspruch des rates unter vorsitz des königs richtete den mörder, den brandstifter, den gottesfrevler. um des verkehrs mit den göttern willen kommt auch die königin für den staat in betracht, und daraus folgt die forderung rechtmäſsiger ehe für den könig. eine anzahl adlicher matronen steht als γεϱαιϱαί12)Wir sollten eigentlich γέϱαιϱαι schreiben ὡς μάκαιϱαι, denn wie die form neben der42II. 2. Von Kekrops bis Solon.königin, wie der rat neben dem könige. sie greift, so viel wir wissen, nur in den Dionysoscultus ein, des gottes ‘stier’, den die ‘rinderhirten’ im Βουκολεῖον üben.13)ϑεὸς Ταῦϱος ist in Thespiai geradezu bezeugt, Bull. Corr. Hell. 15, 629, wie in dem liede aus Elis, dessen Diouysoscult dem attischen sehr ähnlich ist. der Dionysoscult stammt auch in dieser älteren form aus Boeotien wie der jüngere Eleuthereus. in Theben war der Thalamos der Semele das βουκολεῖον; ein holz, das man später mit erz bekleidete, war das symbol des gottes. Pausan. 9, 12, 4. Clemens Strom. 418, der aus Euripides Antiope 203 citirt ἔνδον (εἶδον?) δὲ ϑαλά - μοις βουκόλων υ-υ - κισσῷ κομῶντα στῦλον εὐίου ϑεοῦ. denn daſs ich βουκόλον richtig verbessere, kann nicht zweifelhaft sein. der redende berichtet die epiphanie des gottes, die den zug der Dirke in das gebirge, vielleicht schon die flucht der Antiope motivirt. dieser cultus ist also nicht mehr familiencult, sondern, wie früh auch immer, von der gemeinde aufgenommen; Dionysos kommt zu schiffe oder zu wagen, in beidem liegt nur, daſs er überhaupt gekommen ist. sein fest ist im vorfrühling, das ‘Blumenfest’, und es ist für uns uralt, da es auch in Ionien begangen wird. aber auch das fest am ‘Kelterplatze’, im winter begangen, steht unter dem könige und kann nicht für jünger gelten.14)Der monatsname Ληναιών ist in Athen durch den ‘hochzeitsmond’ ver - drängt, aber er besteht bei den vettern in Asien fort. daſs der Dionysoscult reci - pirt ist, ehe Attika geeinigt war, zeigen die demensagen von seiner einkehr in der Epakria. staatsfest sind auch die μυστήϱια, sowol in Athen wie in Eleusis gefeiert: es hat eben der staat Athen seinen beamten mit der oberaufsicht des eleusinischen festes betraut, als er die stadt annectirte. aber eine religiöse bedeutung hat die mitwirkung des königs hier nicht; sie ist den eleusinischen ge - schlechtern geblieben. die Athenareligion ist in den händen der priester - schaft. an Plynteria und Skira ist die beamtenschaft nicht beteiligt; das staatsfest der Panathenaeen ist von der tyrannis und demokratie so sehr geändert, daſs seine alte form unkenntlich ist. auch die athenische verehrung des götterpares, Mutter und Tochter, vollzieht sich so, daſs keine königin über dem δῆμος γυναικῶν mehr steht. aber die geist - liche machtvollkommenheit des königs ist mit dem was er später be - halten hat mit nichten erschöpft. wenn wir hören, dass er in Pallene nach dem dortigen gebrauche an der spitze einer geistlichen körper - schaft, zu der auch frauen gehörten, amtirt, wenn er die Apollonopfer12)γεϱαϱαί secundär ist, ist es die anknüpfung an γεϱαϱός. ein γέϱαϱ oder γέϱαϱς liegt zu grunde. die γέϱα sind die praecipua des königs oder des adels, ehrenrechte, ehrengeschenke. davon heiſsen diese frauen, nicht etwa ‘die verehrenden’. denn γεϱαίϱειν gilt nicht einem gotte.43Der könig. der kriegsherr.der Acharnischen parasiten überwacht, und diese einen ἑκτεύς gerste nach der ernte (als Thargelia) zu zinsen haben, auch in verbindung mit der βουκολία stehn15)Athen. VI 234. 235 aus den urkunden, die leider schwer entstellt sind. in den fassungen, die den grammatikern allein zugänglich waren, sind sie nicht älter als die demokratie, aber sie zeugen selbst für das höhere alter der institutionen. wie recht ich habe, ϑέσμιον ἐν Παλληνίδος für Θεμίσων ἐν Παλληνίδι zu schreiben, hat Aristoteles gelehrt 16, 10 ϑέσμια τάδε Ἀϑηναίοις (so richtig von Kontos er - gänzt) κατὰ τὰ πάτϱια: so richtig wir, denn ϑέσμια καὶ πάτϱια ist falsch und widersinnig, einerlei ob es überliefert ist., so ahnen wir, wie vielerlei in der instruction des königs über alte cultverhältnisse zu lernen war, weil die Athener die früh angeschlossenen landesteile noch unter die oberaufsicht des königs gestellt hatten. wir sehen einen schimmer von den maſsnahmen, die die einheit des δῆμος Ἀϑηναίων durch die religion bewirkt haben. wenn wir nur wüſsten, ob die culte der Tetrapolis, der Epakria, von Brauron ohne königliche controlle geblieben sind, so könnten wir die sichersten und wichtigsten schlüsse ziehen. aber aus dem schweigen der tradition darf nichts gefolgert werden.
Der kriegsherr, der die dritte stelle unter den oberbeamten hat, kannDer kriegsherr. unmöglich jemals lebenslänglich ernannt worden sein, da er doch die führung im kriege hatte. aus der beute hat einst einer das amtshaus neu gebaut und nach sich ‘Epilykoshaus’ benannt, wie in Rom die curia Hostilia und viele ähnlich erbaute und benannte häuser standen. der name war wol durch die weihinschrift erhalten. schwerlich ist das amt älter als die mitte des achten jahrhunderts. der name πολέμαϱχος begegnet in Boeotien und auf Euboia; er bezeichnet dort die oberbeamten, und es gibt in den boeotischen städten drei, in Eretria zwei. in jenen, die niemals könige gehabt haben16)Die könige der einzelnen orte gehen immer die vorboeotische bevölkerung an, deshalb finden wir sie in verhältnismäſsig junge zeit nur in Plataiai herab - geführt, wo diese am längsten widerstand geleistet hat., ist für den sacralen und eponymen aber unpolitischen beamten der name ἄϱχων verwandt; die polemarchen scheinen die executivbeamten überhaupt in älterer zeit gewesen zu sein. es dürften sich dort, in Athen und in Eretria die verhältnisse sehr ver - schieden aus sehr ähnlichen anfängen entwickelt haben. die bedeutung des athenischen polemarchen ist durch die demokratie ganz besonders geschmälert. die aufsicht über die landfremde eingesessene bevölkerung, die ihm blieb, konnte ihn ehedem nicht viel beschäftigen; aber vielleicht hatte er die judicatur über alle μὴ μετέχοντες τῆς πολιτείας. im kriege stand er an der spitze des ganzen heeres; aber die bürgerschaft war so44II. 2. Von Kekrops bis Solon.groſs, daſs ihr heer sich gliedern muſste, und die führer der στϱατοί waren immer schon sehr ansehnliche beamte, die reiterführer ebenso, denn das ritterpferd machte zwar nicht den adlichen geradezu, wie auf Euboia, aber es war der sehnlichste wunsch jedes bauern, eins zu halten und den ritter zu spielen. die reiterobersten waren sicherlich immer ständige beamte, da die cavallerie ihrer natur nach eine stehende truppe ist. namentlich mit rücksicht auf die aushebung werden es auch die strategen gewesen sein. daſs diese stellen durch wahl besetzt wurden, des volkes oder des heeres, ist nach hellenischer anschauung nicht zu bezweifeln. Peisistratos hat Nisaia als stratege erobert, und schon im ersten heiligen kriege führt nicht der polemarch das athenische con - tingent.
Der regent.Der eigentlich politische beamte, der ‘regent’, mag einst ein wahl - könig gewesen sein; jetzt waren ihm neben den hohenpriesterlichen auch die kriegsherrlichen functionen des monarchen entzogen. für die chrono - logie der culte ist es vom höchsten werte, daſs eine anzahl gemeindefeste dem archon unterstehen und somit, auch nach der tradition, relativ jung sind. von den groſsen Dionysien können wir absehen, da sie erst Peisistratos, als er Athens herrschaft sicher besaſs, 537 gestiftet hat. sonst stehen unter dem archon die Apollonfeste, und dieser gott ist in Athen zwar der ‘väterliche’ geworden, aber daſs er durch einen be - stimmten act dazu gemacht ist, hat man dadurch immer eingestanden, daſs sein athenischer cult als eine filiale von Delphi und von Delos gilt. 17)Apollon ist ein gott, den die alte bevölkerung von Mittelgriechenland ver - ehrte, von der ‘küste’ oder besser dem ‘vorgebirge’ (Ἄκτιον, Λευκάς)’ Akarnaniens bis zur Διϱφύς ‘Delph’ Euboias, von den bergen um die Tempe bis zum Ptoion. er ist ein gott des hochgebirges; grotten sind seine alten heiligtümer. Δελφοί, ein stammname, und Διϱφύς gehen zusammen, Δελφίνιος ist eine bereits misdeutende fortbildung; als seine verehrer über die see fahren, geleitet er sie als delphin. das tut er aber auch in der delphischen tradition, die gern diesen fremden zug aufnahm. die wanderung der alten bevölkerung jener gegenden hat den gott in den osten getragen und in Delos, auf einem armseligen inselchen, weil es in der mitte lag und an sich armselig war, das wichtigste heiligtum gegründet. an der küste, in Klaros, bei den Branchiden (einem geschlechte, das aus Delphi stammen will), am Triopion, in Lykien, auf Kypros haben wol ältere barbarische götter sich in den zuwandernden verwandelt. dasselbe gilt sicherlich vom Peloponnes, dessen eigene götter zum teil noch vor unsern augen die groſsen namen annehmen, wie die ‘blinde göttin’ Ἀλέα von Tegea und Mantineia Athena wird, der Pan des Lykaion Zeus, Maleatas Apollon. der gott der grotte an der Kyllene hat sich Apollons erwehrt, ist aber Hermes geworden. auſserdem ist von den einwanderern, weil sie in apol - linischer gegend längere zeit gewohnt hatten, der akarnanische gott der Κάϱνεια45Der regent.es tritt also Athen durch seine reception zugleich in die wichtigsten internationalen beziehungen der alten zeit. das älteste dürfte die feier der Thargelien sein, das groſse sühnfest der gemeinde, dem in folge dessen der archon als gemeindehaupt vorsteht. zum sühnfeste ist es ge - worden, als der dienst des Φοῖβος sich nach der kathartischen seite entwickelte; da ϑαϱγήλια die ersten ährenbüschel bedeutet, die der gott erhält, ist ein ursprünglich rein agrarisches fest zu tieferer ethischer bedeutung erhoben. Thargelien feiern die Ionier im weitesten sinne; da sie über Kyme auch nach Rom gekommen sind, dürfen wir sie auch den Euboeern zutrauen. dem kreise von Delphi sind sie fremd. gleich - wol sind sie in Athen mit dem pythischen Apollon verbunden worden, der in dem volksbewuſstsein der sühnung heischende und lehrende gott ist18)Daſs der Thargeliengott den Athenern später der pythische war, ist da - durch sicher, daſs die dreifüſse der sieger in das Pythion kommen. die modernen waren geneigt, den delischen vorzuziehn, was mit der falschen datirung des delischen festes im Thargelion ohne weiteres fortfällt.; er ist der πατϱῷος der Athener geworden, der vater der vier phylenheroen, als solcher in den phratrien verehrt.19)Damit dürfte die stiftung so vieler Pythien in Attika zusammenhängen. wenn die Ikarier in ihrem abgelegenen talkessel ein Πύϑιον Ἰκαϱιέων haben, so ist die annahme unhaltbar, daſs die Πύϑια mit den landstraſsen gegründet wären. ich zweifele nicht, daſs die grotte in den Μακϱαί am burgfelsen schon früher dem groſsen fremden gotte zugewiesen war: aber erst durch die einführung des py - thischen gottes, dessen blitze man von dort beobachtete, als des väter - lichen ist Apollon ein staatsgott geworden. wir finden die archonten an dem culte in der grotte beteiligt: die vertreter des volkes.20)Köhler Mitteil. III 144. mit seiner reception trat Athen in die delphische Amphiktionie, für die es einen eigenen hohen beamten schuf, den ἱεϱομνήμων, und für die delphische religion, die dem staate immer die wichtigste künderin der zukunft ge - blieben ist, trat nun ein besonderer exeget ein, vergleichbar den Πύϑιοι Spartas. auch die beschickung des delischen festes, durch die Athen mit dem meere und den Ioniern in verbindung tritt, besorgt der archon. da mit Delos das älteste stück der städtischen Theseussage zusammen - hängt, die feste der ὀσχοφόϱια und πυανόψια, so wird dieser wichtige17)und der Πυϑαεύς, Πύϑιος, mitgebracht worden; so steht es noch in Kreta. um aufschluſs über das wesen des gottes und seine wurzel zu erhalten, muſs man also in seiner heimat nachfragen. die delphische tradition, die ihn dem Dionysos sehr nahe rückt, hat hohe bedeutung. die korykische grotte hat Dionysos von ihm geerbt, als Apollon in die kastalische schlucht hinabzog.46II. 2. Von Kekrops bis Solon.religiöse und politische fortschritt sehr früh getan sein, eher als die wendung nach Delphi. denn es sind die delischen beziehungen der ost - küste von der hauptstadt übernommen. 21)Töpffer Herm. 23 über Pythaisten und Deliasten. die verfolgung der local - culte gehört nicht hierher. störend würde es sein, wenn Hypereides, wie Töpffer behauptet, den Delier als πατϱῷος bezeichnet hätte. aber das durfte Töpffer dem rhetor Aristides nicht glauben: der allein sagt es.Athena ist die vermittlerin zwischen den cultstätten ihres bruders in Delphi und Delos: das war etwas groſses, was der adelsstaat schon im siebenten jahrhundert erreicht hat. im heiligen kriege hat Solon die delphischen, später Peisistratos die delischen verbindungen ausgenutzt. 22)An den Isthmien besitzt Athen die proedrie, und seine beziehungen zu Korinth sind im sechsten jahrhundert sehr gut. aber in höhere zeit hinauf als die restitution der Isthmien kann man das schwerlich verfolgen.
Die politischen obliegenheiten des archons sind die eines schirm - herrn und vertreters des herrschenden standes: er ist der πϱοστάτης τοῦ δήμου im sinne des damaligen demos. seine erste amtshandlung ist die proclamation, daſs er jeden einzelnen in seinem besitze lassen und erhalten werde (66, 3). die fürsorge für die herrschenden familien und ihren besitz ist der inhalt seiner aufsicht und judicatur. er ist der vormund der erbtöchter und der waisen von amts wegen, er entscheidet in allen erbschaftssachen, und das familienrecht im weitesten umfange steht unter ihm. in Athen aber hat der staat in diese verhältnisse über - aus tief eingegriffen. wenn er die entmündigung eines greises, der nicht mehr im stande ist, sein vermögen zu verwalten, aussprechen darf, den einzelnen zur verantwortung zieht, so er sein vermögen durch untätigkeit (ἀϱγία) verkommen läſst, auf die anklage eines beliebigen bürgers die ‘schlechte behandlung’ (κάκωσις) von eltern oder gattin ahndet, so hat selbst in unserer zeit der sich unfehlbar und allmächtig dünkende staat es noch nicht so weit gebracht, und die spätere attische demokratie macht von diesen bestimmungen, obwol sie gelten, nicht leicht gebrauch. in der tat muſs es eine sehr eigentümliche gesellschafts - ordnung sein, die sich diesen beamten gesetzt hat. ihr liegt an der individuellen freiheit ungleich weniger als an der erhaltung des standes, und die fürsorge des archons gilt weit weniger dem vater oder sohne als dem κλῆϱος, der frau und erbtochter als der mitgift, der πϱοίξ. auch noch in der aristotelischen zeit läſst sich das volk regelmäſsig über die erledigten κλῆϱοι meldung machen, und heiſst die bürgerrolle nach den λήξεις, den ‘erbanfällen’. im attischen dient dasselbe wort für47Der regent. der herrschende stand.‘erbe’ ‘landgut’ und ‘los’, und wenn der älteste sohn des vaters erbe antritt, so bezeichnet dasselbe wort λαγχάνειν diese natürlichste art der besitzergreifung, wie wenn er bei einer verteilung eroberter bauern - stellen ein los gezogen hätte. die gutsbesitzer zu Drakons zeiten sind κληϱοῦχοι wie die colonisten in Mytilene 427.
Wir haben keinerlei überlieferung über die entstehung des privat -Der herr - schende stand. besitzes an grund und boden in Attika, und es wird kaum danach ge - fragt. und doch deutet alles darauf hin, daſs dieser erst spät entstanden ist, und daſs der herrschende stand der grundbesitzer und adlichen sich eben dadurch von der stammverwandten niederen bevölkerung abgelöst hat, daſs er einen teil des bodens zu seinem privatbesitze machte, wäh - rend vorher das land gemeindebesitz war. in sehr ausgedehntem maſse ist das land in Athen immer noch in dem besitze ideeller personen, der götter, phylen, phratrien, geschlechter, nicht zum mindesten der politischen gemeinden und der gesammtgemeinde, des staates, geblieben. was nicht nachweislich einem einzelnen gehört, ist des staates.23)Die ödländereien, z. b. die kaum als ziegentrift nutzbare kuppe des Bri - lettos, waren sicherlich res nullius; wer wollte, mochte sie nutzen. aber als man den marmor zu brechen anfieng, wurden die brüche staatsgut. die schätze in der erde gehören diesem.24)Er ist durchaus besitzer der bergwerke, und privatbesitz hat sich an ihnen nicht herausgebildet. daſs aber die ganze superficies in den laureotischen bergen dem staate gehört hätte, ist schwer zu glauben. es hat vielmehr dem eigentümer des bodens nur die superficies gehört. auf vielen privaten grundstücken hat der staat noch fruchtbäume stehen, und er greift überhaupt stark in die freiheit der bewirtschaftung ein. privatbesitz gibt es strenggenommen nur durch eine rechtsgiltige zuweisung von seiten des staates, und der besitz bleibt gewissermaſsen prekär, da etwaige bessere ansprüche immer vom staate berücksichtigt werden können.25)Die interessante abhandlung von G. Leist über den attischen Eigentums - streit (Jena 86) verdient eine grammatische ergänzung. es reicht nicht aus zu sagen, die Athener haben kein wort für eigentum, man muſs fragen, wie sie den gedanken ausdrücken, und die bedeutungen von νέμειν, οἰκειοῦν, κτῆμα, Ζεὺς κτήσιος, κύϱιος, καϱτεϱός, κϱατεῖν erwägen. das zweite ist eine historische ergänzung, aber in agrargeschichtlicher richtung: denn erst das immobiliarvermögen schafft ein wirk - liches eigentumsrecht. das bewuſstsein, daſs der privatbesitz an grund und boden durch occupation von ager publicus entstanden ist, herrscht unter den demokraten, die von Solon eine neue landverteilung, γῆς ἀναδασμοί, verlangen. im gegensatze dazu verlangen die besitzenden, deren vorfahren einst ein gutes oder überhaupt ein los erhalten haben,48II. 2. Von Kekrops bis Solon.daſs der archon ihnen gleich am ersten tage den gegenwärtigen besitz - stand garantire.
Die sorge für den besitz hat in der edleren für den stand ihre ergänzung. der adel des blutes ist ein würdigerer als der des gutes. die vorstellungen von der heiligkeit des blutadels haben den Athener eigentlich immer beherrscht, und sie begleiten jeden einzelnen von der wiege bis zur bahre. nicht als eine göttliche ordnung um der mensch - lichen gesittung willen (wie Kekrops sie nach Philochoros gestiftet hat) ist die ehe heilig, sondern um des rechtes der familie und des erbes willen, und nur weil das alte recht eine form der religion ist, hat sie eine religiöse weihe. die bruderschaft erkennt den knaben als geschlechts - genossen, die jungfrau als tochter eines solchen an, fähig ebenbürtige zu gebären. nicht leicht verletzt ein Athener die sorge für die erhaltung des ‘hauses’ (οἶκος, so genannt, statt γένος, seit auch die nicht adlichen sich als adlich gebärden, weil sie gleich empfinden). die form der freien vererbung ist die adoption, bei der die bruderschaft mitwirkt. in dem culte der verstorbenen hausgenossen sieht der einzelne die garantie, daſs auch er des grabcultes nicht entbehren werde, die garantie der eigenen grabesruhe. das liegt allen am herzen, und der privatbesitz an grund und boden muſs die zahllosen grabhügel und brandstätten (πυϱκαιαί) schonen. noch zu Aristoteles zeit muſs jeder archon zwar kein ver - mögen, geschweige denn grundbesitz, aber wol ein erbbegräbnis nach - weisen. das institut der erbtochter, im rechte von Gortyn denaturirt zur emancipirung der weiber (wie es in dorischen staaten zu gehn pflegte), ist von dem athenischen gesetze ängstlich geschützt; sie wird als die kostbare blume behandelt, aus der dem hause neuer same er - weckt werden soll. wir müssen aber auch anerkennen, daſs der stand das geistige und sittliche wolergehn und wolverhalten seiner genossen ins auge gefaſst hat, und auch nach dieser seite den staat und seine organe, archonten und rat, zum einschreiten autorisirt und verpflichtet hat. der standesgenosse hat als kind anspruch auf eine anständige er - ziehung, als greis auf die pflege bei seinen nachkommen.26)Kürzlich ist ein sehr merkwürdiges document für dieses seltsame familien - recht in Mykene ans licht getreten (Ἐφ. αϱχ. 92, 67). es steht um eine runde basis, auf der wol kein anderer stein, sondern ein anathem stand, εἰ μὲ δαμιοϱγία εἴε, τὸς ἱαϱομνάμονας τὸς ἐς Πεϱσε̃ τοῖς (verschrieben in τοσι) γονεῦσι κϱιτε̃ϱας ε῏μεν κα (τ) τὰ ϝεϝϱεμένα. “falls kein ortsvorstand da ist, sollen die hieromnemonen die zum Perseus gehn den eltern richter sein gemäſs dem was verordnet ist”. also die eltern sind in der lage wider ihre kinder (nur im verhältnis zu denen sind sie eltern) man hat49Der herrschende stand. der rat.wol den müſsiggang nicht bloſs, weil er den κλῆϱος verfallen lieſs, ge - ahndet, sondern auch weil er den stand entehrte, ganz wie ehebruch und vergewaltigung in jeder form. mag auch erst die tyrannis und die demokratie die staatlichen turnplätze, badstuben, chöre u. a. eingerichtet haben: ein analogon zu der jugenderziehung der Spartiaten hat schwer - lich in Altathen gefehlt, wie denn trotz der stammesverschiedenheit der adelsstaat bei beiden völkern ähnliches hervorbringen muſste.
Jederzeit und erst recht, wenn er seine vorrechte bedroht sieht,Der rat. wird ein stand sich nicht gern durch einzelbeamte vertreten lassen, deren persönliche vorzüge er fürchten muſs. ein collegium, womöglich eine vertretung der geschlechter, ist die aristokratische form der magi - stratur. die geronten stehn neben Agamemnon, die gerusia neben den königen Spartas. so hatte auch der athenische adel dem könige, schon als dieser noch ein wirklicher könig war, den rat zur seite gestellt, der von dem amtshause auf dem Areshügel, wo er über mord zu ge - richte saſs, später benannt wird. dieser rat war der wahre herr Athens gewesen, da seine mitglieder lebenslänglich blieben, sein recht der coer - cition und multirung sich über bürger und beamte erstreckte, er die niedern beamten selbst anstellte und controllirte und die finanzen ganz in seiner hand hatte. aber die macht dieses rates ist zwar nicht ge - setzlich, aber factisch im siebenten jahrhundert bereits so geschwächt, dass er bei keiner gelegenheit eine rolle in unserer überlieferung spielt; das Kylonische attentat, die gesetzgebungen Drakons und Solons, die tyrannis des Peisistratos nimmt er scheinbar teilnahmlos hin. schon die einsetzung der thesmotheten, die der epheten, und noch mehr die schriftliche fixirung des geltenden rechtes durch Drakon und Solon muſste die lediglich auf dem herkommen beruhende gewalt des rates beeinträchtigen, und man wird nicht bezweifeln, daſs die neuerungen auch diesem zwecke gedient haben. nichts desto weniger lehrt die ver - fassung selbst, daſs der rat eine bedeutende rolle in der laufenden ver - waltung gespielt hat: denn die sphaeren der 9 beamten sind fest um -26)zu klagen, und es gibt dafür eine mündliche instruction. recht spricht die politische behörde: der name δαμιοϱγοί gilt in Argos, Achaia und häufig. hier wird nun für die politische behörde im notfalle eine religiöse deputation substituirt, die zu dem heros von Mykene gebt. ersichtlich ist die inschrift gesetzt, als Mykene rechtlich nicht mehr existirte, die alten bürger argivische πεδάϝοικοι geworden waren, aber ihre familienrechte weiter pflegten. der örtliche cult war mit dem orte zerstört: es giengen nur noch ἱαϱομνάμονες zum Perseus, und diese durften die alten εἰϱη - μένα zu gunsten der klagenden eltern anwenden. man gedenkt auch dessen, daſs die attischen Εὐπατϱίδαι an Orestes den Mykenaeer angeknüpft wurden, den εὐπάτωϱ.v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 450II. 2. Von Kekrops bis Solon.grenzt, das volk und später dessen rat treten erst recht nicht hervor, und die niederen beamten bleiben durch die dokimasie und nomophylakie des Areopages bis auf Ephialtes in dessen händen. somit vermochte er noch in der demokratie der groſsen zeit wieder eine ausschlaggebende rolle zu spielen. daſs er das im siebenten und sechsten jahrhundert nicht tat, ist eine folge seiner ergänzung aus den archonten. denn so lange diese je nach der gerade überwiegenden parteirichtung gewählt wurden, trugen sie die parteiungen des volkes in den rat hinein, zog also eine katastrophe wie die der Alkmeoniden den rat in mitleiden - schaft, machte ihn die tyrannis, die die wahlen beherrschte, zu ihrem gefügigen werkzeuge. andererseits brachten die archontenwahlen 508 — 487 alle bedeutenden männer hinein. aber die schwäche des Areopages in der zeit 683 — 594 ist allerdings die beste legitimation der bestrebungen, die auf eine reform an haupt und gliedern hinzielten.
Die phylenEs war der souverän selbst, der δῆμος, dessen organismus sich überlebt hatte. der adel hat nur sinn, solange er ächt ist und auf götterblut beruht. die adlichen sind ϑεῶν παῖδες (Eur. Med. 825). ἴκταϱ ήμενοι Διός (A. Eum. 977 vgl. Niob. 162), διογενεῖς. ich habe stellen attischer dichter des fünften jahrhunderts angeführt, die allen Athenern gelten. dieselbe zeit ist stolz auf ihr autochthonentum: alle Athener sind kinder der Erde, die für sie allein im eigentlichen sinne mutter ist, wie der platonische Menexenos rühmt. in der demokratie sind alle Athener gleich, alle erdgeboren und alle gottgeboren. aber das soll uns nicht darüber täuschen, daſs einst die göttersöhne stolz auf die terrae filii herabsahen, wie es die Römer immer getan haben. die autochthonie ist durchaus nicht als adel erdacht. aber wir erreichen die zeit nur in fernster ferne, wo wirklich götterblut die zugehörigkeit zum δῆμος bedingte, der staat aus ächten patriciern bestand. abgesehen von den zuwanderungen fremder, vielleicht wirklich adlicher geschlechter muſste die einigung Athens, der staatsbegriff, die legitimation ausschlieſs - lich durch das blut untergraben. so weit wir die attischen bruderschaften kennen, ist ihnen sogar der begriff des namens bruderschaft fast ver - loren, ihre namen sind nicht mehr alle gentilicisch, und cultverbände (ὀϱγεῶνες) stehn neben den geschlechtern. die cultgenossenschaft, eine form der vereinigung die ebensowol eine gilde wie ein geschlecht um - schlieſsen kann, ist ein ersatz des adels, wie der religiöse begriff der Ἀϑηναῖοι ein ersatz des stammbegriffes der Kekroper. entsprechend der ausdehnung des staates hat man einmal den künstlichen schema - tismus der vier adelsphylen und ihrer drittelungen (τϱιττύες) eingeführt,51Die phylen. die steuerclassen.der bis auf Kleisthenes gilt, aber seltsam wenig hervortritt, eben weil er ganz künstlich war, während die alten geschlechter ihre lebendige macht bewahrten. man hatte an die spitze der vier phylen könige gestellt, die neben dem könige von Athen an mehreren blutgerichtshöfen sassen, ur - sprünglich sein beirat sein sollten, im prytaneion vielleicht nicht bloſs für sein gericht, sondern überhaupt für seine regierung. aber diese könige haben in der tradition, über die wir verfügen, ihre rolle schon ausgespielt. die vier phylen, die keinen rangunterschied haben, waren wol schon dazu bestimmt, innerhalb des adels die unterschiede der vornehmheit auszugleichen. wir hören auſserdem von drei ständen, adlichen, grund - besitzern und handwerkern, εὐπατϱίδαι, γεωμόϱοι oder ἀγϱοῖκοι, δημιουϱγοί, und der zweite stand muſs wol die besitzer eines landloses bezeichnen. alle diese drei stände stellen 580 archonten27)Unsere überlieferung von den drei ständen ist so ärmlich, daſs man fast auf den verdacht kommt, die chroniknotiz über die archonten von 590 wäre ihre einzige erwähnung auch im altertum gewesen. dem ist schwerlich so, da die namen γεωμόϱοι und ἀγϱοῖκοι neben einander stehn, aber wir empfinden die lücken unserer kenntnis recht, wenn wir die drei stände, die 580 noch so viel bedeuteten, gar nicht weiter handelnd antreffen. da sie weder eponyme noch sagen aufweisen können, noch spätere genossenschaften im anschlusse an sie bestehn, mögen sie allerdings 580 zum letzten male aufgetreten sein., besitzen also vier ahnen, grundbesitz und adel. mit andern worten, die namen allein schieden noch die gentes minores: patricii sind sie alle, dem staate gegenüber gleichen rechtes. wenn wir mit fug und recht sagen, daſs Kleisthenes die demokratie dadurch vollendet hat, daſs er durch eine legalfiction alle Athener adlich machte, so hat dieser proceſs früher be - gonnen als die uns kenntliche geschichte Athens. die gentilicische fiction aber ist auch nach Kleisthenes niemals aufgegeben worden, sondern hat für den bürgerbegriff immer gegolten.
Wenn der adel eigentlich schon durch die einführung der phylen -Die steuer - classen. teilung eine sehr wirksame, aber doch eine fiction ward, hinter der sich der bürgerbegriff zunächst in der form der gemeinsamen her - leitung von dem ‘väterlichen’ patricischen Apollon barg, so ward der besitz, der census, allmählich das kriterium, das statt des blutes den fictiven adel bestimmte. der besitz aber war grundbesitz: die quali - fication des vollbürgers ward an den ‘gott des eignen herdes’, den Zeus ἑϱκεῖος, neben dem Apollon πατϱῷος gebunden. diese ordnung setzt den privaten grundbesitz voraus. damit stieſs die sammtgemeinde die besitzlosen ohne ansehn ihres blutes in die rechtlosigkeit der erden -4*52II. 2. Von Kekrops bis Solon.söhne hinab. wer ein landlos hatte, konnte den heerdienst leisten: so - fort aber erhob sich als ein stand im stande der ritter empor, der zu pferde zu dienen begütert genug war. und wenn gegenüber dem ge - burtsadel der militärische, gegenüber dem grundbesitz der privatbesitz ein unvermeidlicher culturfortschritt sein mag, so sah es vielleicht wie eine art von gerechtigkeit aus, dass die höchstbegüterten zu den ge - meindelasten stärker herangezogen wurden. dann blieb aber die im laufe der zeiten unvermeidliche compensation von rechten und pflichten nicht aus: die höchstbesteuerte classe, eine elite der ritter, qualificirte sich für die gemeindeämter in erster linie. als alle die welche 500 scheffel ernteten aus den rittern ausgesondert wurden, die über den spannfähigen bauern und den proletariern sich vorher erhoben hatten, war der staat auf den adel des gutes gegründet. es war nur noch eine frage der zeit, daſs die beiden mittleren stände auch an einen festen census gebunden wurden. wann das geschehen ist, in welcher reihenfolge diese verschiedenen fort - schritte der phylen -, stände -, classenteilung gemacht sind, entzieht sich unserer kenntnis: um 650 war alles längst vollzogen.
Wir sehen im siebenten jahrhundert in Athen die rücksichtslose herrschaft des adels am ruder, und dieser adel ist auf den besitz, schon nicht mehr den grundbesitz, sondern ganz einfach auf das geld be - gründet. diese herrschaft besteht zu recht, aber sie ist faul im kerne und vermag nur geringen widerstand zu leisten. zwei mächte streben darnach, sie zu stürzen, die demokratie und die tyrannis. diese beiden sind einander feindlich, aber welche auch immer einen schritt vorwärts tut, immer geschieht es auf kosten des bestehenden vorrechtes der be - sitzenden. der alte staat ist dem Solon und dem Peisistratos ruhm - los erlegen.
Die reform von 683.Einen sieg des demokratischen prinzipes stellt schon die reform von 683 dar, indem die gemeinde, wenn auch irgendwie in der aus - wahl gebunden28)Da die archonten der demokratie die phylen vertreten und aus einer vor - schlagsliste derselben ausgewählt oder gelost werden, muſs ein analogon für die ältere zeit bestanden haben. aber wir wissen nichts als die verteilung auf die stände im jahre 580. selbst das los ist keineswegs undenkbar. Platon sagt von dem alten Sparta, daſs das doppelkönigtum, das ihren staat begründet hat (wie er im einklange mit Hellanikos angibt, 686), durch eine gnädige fügung die monar - chische härte ausgeschlossen hätte, dann als gegengewicht der erblichen herrschaft die gerusia zugetreten wäre (durch Lykurg, dessen namen er meidet, den er aber durch φύσις τις ἀνϑϱωπίνη μεμειγμένη ϑείᾳ τινὶ δυνάμει deutlich bezeichnet), endlich ein τϱίτος σωτήϱ den zügel der ephoren dem staate angelegt hätte, ἐγγὺς, neun jährige beamte erwählte und vermittelst dieser53Die reform von 683. die naukrarien.sogar die ratsstellen besetzte. für den hieromnemon29)Die delphischen urkunden kennen nur ἱεϱομνήμονες; dagegen Herodot (8, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla - goren aber werden direct vom volke erwählt. erlost ist schon Hyperbolos zum hiero - mnemon (Ar. Wolk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgend wie durch eine πϱόκϱισις corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge - wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte., der nach Del - phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä - rischen chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden. das neugeschaffene amt der 6 ‘rechtssetzer’ war vielleicht ursprünglich als ein collegium gedacht, das unter vorsitz eines der drei oberbeamten das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen, sonst würde ihre zahl ungerade sein. die forderung, daſs der einzelne magistrat nur unter zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen ver - waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise befriedigt. das collegium der elf für die aburteilung manifester todes - würdiger verbrechen, die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen - könige unter vorsitz des königs, wol schon die beiden ‘beisitzer’ der drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr groſser schritt vor - wärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshöfe Palladion und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht - bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stande gehörigen. die zahl ist ungerade: der vorsitzende könig stimmte also nicht mehr mit. es kann nicht bezweifelt werden, daſs auch die civile judicatur der neun beamten schon im siebenten jahrhundert an die zuziehung von geschwornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansicht der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte. der ausbildung einer mächtigen magistratur war das standesinteresse der aristokratie gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst starken beteiligung aller.
Den eigentlichen anstoſs zur sprengung der ständischen vorrechteDie nau - krarien. gab die örtliche verwaltung Attikas, das für das bloſse hinterland der hauptstadt zu groſs war. die stadt muſste wol der sitz der regierung sein, und wer beamter ward, also in den rat auf lebenszeit trat, konnte28)τῆς κληϱωτῆς ἀγαγὼν δυνάμεως (692). so selbstverständlich ist für ihn das los im besten staate. er weiſs, daſs die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann.54II. 2. Von Kekrops bis Solon.kaum vermeiden, in die stadt zu ziehen, um seines amtes zu walten.30)Der bürger heiſst in der älteren sprache ἀστός, in der jüngeren πολίτης, und der spätere Hellene hört in ersterem die stadt, in diesem den staat. aber es wäre ein arger irrtum, wollte man das auf die alte zeit übertragen, denn πολίτης ist der ‘bürger’ freilich, aber von der ‘burg’ benannt. höchstens ein engerer lo - caler begriff liegt ihm zu grunde. Polites ist ein alter eigenname; es führt ihn der Priamossohn, der den wachtdienst übt, im B als späher auf einem hügel. im Ω späht Kassandra von einem turme. es leuchtet ein, daſs der eigenname nur den ‘burgwart’, nicht den ‘staatsbürger’ angehen kann. aber die landwirtschaft war doch die grundlage der gesammten wirt - schaft, den reichtum bildete wesentlich der grundbesitz, auch die vor - nehmen wohnten gern auf dem lande. somit bedurfte man einer orga - nisation localer art, zunächst für die aushebung, dann für die frohnden, die steuern und den dienst mindestens der flotte. die gentilicische ordnung der phylen und trittyen reichte dazu nicht hin, und so hat man sehr früh, wol noch im achten jahrhundert, die 48 kreise geschaffen und an die spitze eines jeden bereits eine collegialische behörde gestellt, die gesammtheit der kreise aber nicht mehr unter die vier phylenkönige, sondern unter die kreishauptleute, die ναυκϱάϱων πϱυτάνεις. der name ναύκϱαϱοι sammt seinen ableitungen lehrt, daſs die flotte den anstoſs zu dieser gründung gegeben hat: so hat die see schon von anbeginn Athen zur demokratie getrieben. wir hören nicht viel von den leistungen jener flotte, aber die Dipylonvasen zeigen uns ihre schiffe, sogar dieren, im kampfe, und der aufschwung des attischen handels und die verbindung mit Delos sind nicht ohne sie denkbar. auch von den prytanen der naukraren und von diesen selbst wissen wir allzuwenig: aber ihre existenz genügt um zu zeigen, daſs sich neben den patricischen behörden hier eine ganz anderer art erhob, der vorläufer der gemeindeordnung und gemeinde - vertretung des kleisthenischen staates. die drakontische verfassung führt auch bereits einen rat ein, gesondert von dem adelsrate des Areshügels, den beirat der prytanen. mag nun Drakon diese locale vertretung erst geschaffen haben, mag sie älter sein: in diesem rate lag die gefahr, daſs eine völlige sociale umwälzung, wie sie in Megara vor Theognis, in Ionien an manchen orten vorgekommen ist, den herrschenden stand zu boden würfe. denn sobald der flottendienst eingeführt war, lieſs sich die wehrhaftigkeit in Drakons sinne, das ὅπλα παϱέχεσϑαι, als erfor - dernis der politischen rechte nicht mehr auf die dauer halten. in den 48 naukrarien lieſs sich die herrschaft der wenigen reichsten nicht so zur geltung bringen wie in der wahlversammlung des ganzen demos. 55Die naukrarien. Drakon.wenn Drakon den rat in der weise zu bilden versucht, daſs jeder be - rechtigte in bestimmtem turnus hineinkommen muſs, und die active be - teiligung aller durch schwere ordnungsstrafen erzwungen wird, so hat er die aufstrebende demagogie der einzelnen wol eher schon erfahren als vorausgesehen.
Die tyrannis war die Skylla, der der staat unentrinnbar zutrieb,Versuche der ty - rannis. wenn er nicht von der demokratischen Charybdis verschlungen werden sollte. aller voraussicht nach konnte Athen dem geschicke von Sikyon Korinth und Megara nicht entgehn. die groſsen geschlechter innerhalb des adels hatten das prestige des groſsen grundbesitzers, auch wol das früherer selbständiger herrschaft, und die moderne gesellschafts - ordnung sicherte und mehrte ihre macht, als die wirtschaft capitalistisch ward. in der chronik steht, daſs schon vor der mitte des achten jahr - hunderts ein Alkmeon zwei jahre archon war, der dann verschwindet, während gleichzeitig das amt zehnjährig ward. darin mag die erinne - rung an einen tyrannischen versuch bewahrt sein. ein Alkmeonide Megakles war archon, als Kylon, ein junger schöner mann, der 640 in Olympia im dauerlaufe gesiegt hatte, sich durch einen gewaltstreich der burg bemächtigte. es gelang dem archon den aufstand niederzuschlagen. er scheute sich nicht die führer umbringen zu lassen, obwol sie sich gegen zusicherung des lebens ergeben hatten, und er hatte die macht, so lange er lebte, die rechenschaft für diesen gottesfrevel zu hinter - treiben. schlieſslich erzwang die gemeinde doch eine abrechnung; aber sie geschah bereits durch ein groſses ausnahmegericht von 300 standes - genossen: der rat auf dem Areshügel hat sich um die blutschuld nicht gekümmert. nun ward das ganze geschlecht der Alkmeoniden verjagt und bildete im auslande eine gefahr für die herrschende partei. ledig - lich weil die bedeutung der Alkmeoniden und ihre anfeindung als ‘ver - fluchte’ noch bis in das fünfte jahrhundert dauerte, sind diese ereignisse im gedächtnisse geblieben, so daſs Kylons attentat das einzige scheint. wir können aber unmöglich bezweifeln, daſs das siebente jahrhundert viele der art gesehn hat, da im sechsten trotz der solonischen verfassung die macht und begehrlichkeit der groſsen geschlechter um nichts ge - mindert erscheint, Damasias kurze zeit, Peisistratos dauernd die tyrannis erreicht, und die kämpfe, die Athen befreien, noch sehr stark den charakter des ringens der geschlechter um die herrschaft tragen. erst nach Marathon hat sich das volk wirklich von ihnen frei gemacht.
Ein versuch aus den kreisen der regierung, durch eine reform desDrakon. staates sich vor diesen gefahren zu retten, ist die gesetzgebung Drakons,56II. 2. Von Kekrops bis Solon.die dieser vielleicht als thesmothet vornahm. schon die aufzeichnung des rechtes war eine bedeutende concession, und durch die auslosung des rates und der niederen beamten aus der bürgerschaft ward der rat des Areshügels weiter beschränkt, mochte er auch noch die controlle der beamten behalten, also, wenn er einen einigen und festen willen besaſs, die eigentliche herrschaft behaupten können. durch künstliche mittel sollte der rat der 401 und sein vorstand, die prytanen, gebunden werden, und vor allem wurden die wahlbeamten auf die höchsten classen in der art beschränkt, daſs das schuldenfreie vermögen statt des einkommens den maſsstab des census abgab. dadurch trug diese reform lediglich zu der verschärfung der socialen gegensätze bei und trieb die verschuldeten grundbesitzer, denen sie die höchsten stellen entzog, notwendig in das lager der umstürzler. erst in dieser umbildung ward die einteilung der classen nach dem census eine plutokratische. es dauerte nicht lange, da ward Solon zum archon gewählt, nicht sowol um verfassungsgesetze zu geben, als um die unerträgliche sociale not zu beseitigen; die meisten erwarteten eine confiscation und neuaufteilung des landes.
Der wirt - schaftliche notstand.Es ist nicht leicht, die ursachen dieser wirtschaftlichen not anzu - geben, die vornehmlich in der verschuldung oder vertreibung der kleineren grundbesitzer bestanden hat. die erscheinung wiederholt sich in vielen staaten des altertums, aber nirgend in einer zeit, die wir durch hin - reichende directe zeugnisse mit eignen augen kennen lernen könnten. die erste voraussetzung ist in der verwandelung des gemeinbesitzes in den privaten gegeben. dann führt schon die natürliche vermehrung der bevölkerung zu schweren krisen, sobald eine verteilung von neuen landlosen nicht mehr möglich ist. in Athen war dieser zustand erreicht, nachdem Eleusis erworben war. die par bergschluchten, die man den nördlichen nachbarn abnehmen konnte, machten wenig aus; Salamis begehrte man vergeblich; man muſste auch noch oft den eleusinischen besitz verteidigen; Tellos ist in einem solchen kampfe gefallen. ein anderes hilfsmittel ist die colonisation, und sie hatte früher geholfen. auch jetzt noch ist ge - wiſs ein teil der überschüssigen bevölkerung hinausgezogen, aber fast immer unter fremder führung, so daſs sie die machtstellung des vater - landes nicht stärkte. eigene athenische colonien von bedeutung sind im siebenten jahrhundert nicht gegründet worden; selbst Sigeion war von den Mytilenaeern so stark umstritten, daſs es nicht gedieh. die planmäſsige verbesserung des landbaus, um die rentabilität der güter zu steigern, wird der moderne der vorsolonischen zeit nicht leicht zutrauen; und doch ist gerade diese merkwürdige tatsache sicher. der adel hat57Der wirtschaftliche notstand.in dieser richtung sehr viel mehr geleistet als die ganze zeit der demo - kratie. die einführung und überwachung des ölbaus durch den Areo - pagitenrat ist eine tat, deren folgen bis auf den heutigen tag währen, und wir vermögen uns Attika ohne dieses geschenk seiner göttin gar nicht zu denken. das wasserrecht in hinsicht auf brunnen cisternen und vorflut ist von ‘Solon’ geordnet: wer wollte bezweifeln, daſs er nur das geltende recht aufzeichnete? mit den schuſspraemien für die erlegung der raubtiere steht es ebenso; schaf und ziegenzucht muſs in den attischen bergen den landbau ergänzen. daneben gehen die versuche durch ausfuhrverbote dem eigenen volke die erzeugnisse des heimischen feld - und gartenbaues zu erhalten, doch wol eine im interesse der con - sumenten getroffene maſsregel; der name der sykophanten deutet freilich mehr auf ein verbot der einfuhr fremder früchte, und prohibitiv - maſsregeln dieser art pflegen zum schutze der heimischen production ersonnen zu werden. doch vermögen wir nicht abzuschätzen, welche versuche die verschiedenen parteien in Athen gemacht haben: das wich - tige ist, daſs der alte staat auch auf wirtschaftlichem gebiete so vielerlei unternommen hat.
Wichtiger als alles andere war der übergang von der naturalwirt - schaft zu der herrschaft des geldes. die hypothek sagt noch heute durch ihren namen, daſs sie eine erfindung der athenischen capitalisten oder auch des attischen adels ist: das ist dasselbe. das gemünzte geld der nachbarn, in Chalkis oder Aigina geschlagen, cursirte in Attika; das metall war aber wol schon lange vorher das gesetzliche tauschmittel geworden, und der staat hatte das aeginetische gewicht angenommen. während zu der zeit, da die steuerclassen eingeführt wurden, die steuern von dem bruttoeinkommen gewiſs eben so in natura abgeliefert wurden, wie der könig noch im fünften jahrhundert die gefälle der ‘rinderhirtenschaft’ von den parasiten der Acharner eintrieb, ward nun die zahlung in silber vorgeschrieben. auf dem markte drängte sich das metall als vermittler zwischen die producte des landmanns und des handwerkers. der bauer braucht das bare geld an jedem markttage; die einnahmen flieſsen ihm im jahre nur an ein par terminen zu. sehr rasch kommt er in den fall zu borgen, und sehr bequem erscheint es ihm, sein gut zum pfande zu setzen. ein beschriebener stein auf dem acker, das ist zuerst nichts gefährliches. aber der zinsfuſs steht im belieben des gläubigers, und wenn der handel, der zuerst das ‘gebären’ des geldes gelehrt hat, mit ungeheurem risico und entsprechendem gewinne rechnen muſs und daher einen sehr hohen zinsfuſs verträgt, so erliegt die landwirtschaft nur zu58II. 2. Von Kekrops bis Solon.rasch einer solchen belastung. der staat aber erkennt eine jede hypo - thekarische schuld an und bietet seine organe zur beitreibung, und das recht erstreckt die haftpflicht des gläubigers auf sein landlos und weiter auf seinen leib und den der seinen. die capitalisten im lande sind in erster linie die götter, die bruderschaften und sonstigen ideellen personen. aber über diese cassen verfügen die herrschenden kreise, das sind eben die capitalisten, die gläubiger. die vornehmen nützen nun ihren gol - denen und silbernen hausrat besser aus als ihre ahnen, die ihn zu toten - masken und allerlei zierrat verbrauchten. sie ziehen ein landlos nach dem anderen an sich. wie rasch ist bei einer verzinsung von 20 procent der bauer gelegt; er muſs zufrieden sein, wenn er nicht als sclave übers meer verkauft wird, sondern auf dem erbe seiner väter weiter arbeiten darf, fünf garben für den herrn, die sechste für sich. der herr aber erhält so eine ganze schar von hörigen, trabanten für die gewaltherr - schaft, die er hofft. die verteilung des grundbesitzes scheint wieder zu schwinden. sehr bedeutende teile müssen auch wieder gemeinbesitz in irgend welcher form geworden sein; aber die gemeinde, die jetzt davon nutzen zieht, ist auf die reichen beschränkt. der druck wäre kaum zu ertragen, wenn das harte recht allein bestünde. aber Solon spricht un - umwunden von den veruntreuungen und der habgier der herrschenden. die grausamkeit, die dem capitale von natur inne wohnt, pflegt von der unredlichkeit begleitet zu sein, zur φιλαϱγυϱία gehört die ὑπεϱηφανία. τίκτει γὰϱ κόϱος ὕβϱις, ἐπὴν πολὺς ὄλβος ἕπηται. diese erfahrungen sind in dieser zeit gemacht. wenn dann vollends eine verfassung ge - geben wird, die die höchsten stellen der regierung den besitzern schulden - freier güter vorbehält, so kann das geschrei nach einer neuen aufteilung des ackers kaum für unberechtigt erklärt werden.
Wenn die landwirtschaft wenigstens im kleinbetriebe sich nicht mehr halten kann, so sollte handwerk und handel und jeder städtische beruf um so besser seinen mann nähren. so sollte man meinen. wirklich ist Athen durch den peloponnesischen krieg, der die attische landwirt - schaft zerstörte, zu einer industriestadt geworden. aber der handel er - forderte in folge des risicos damals noch mehr als heute ein starkes an - lagecapital. ihn trieben die besitzenden herren selbst, wie Solons beispiel zeigt. das handwerk in dem weiten sinne, den das wort δημιουϱγός umfaſst, war in Attika so lange schon heimisch, daſs die δημιουϱγοί im geschlechterstaate es zu der anerkennung als adliche gebracht hatten, und alte gilden wie Δαιδαλίδαι Αἰϑαλίδαι zu geschlechtern geworden waren. Hephaistos hatte sich zu Athena gesellt. der köstliche ton war59Der wirtschaftliche notstand. Solon.die erste gabe des attischen bodens, die entdeckt ward: wir bewundern die riesengefässe, die auf den gräbern des siebenten jahrhunderts standen, und erkennen die echt attische typische auffassung des wirklichen lebens in den schildereien des Dipylonstiles. der treffliche Ergotimos trägt die ehre der attischen arbeit im namen; aber Klitias, der für ihn malte, war kein Athener, wie wieder der name lehrt31)Man kann nur κλιτύς vergleichen, das ein fremdwort der attischen dichter - sprache ist., und zu Kleisthenes zeiten stehen neben wolhabenden attischen sehr viele fremde leute dieses hand - werkes. es kann in der industrie der capitalist durch billige sclaven - arbeit nur zu leicht den freien handwerker niederhalten. die hoffart der dorischen weltanschauung kam dazu, die den hesiodischen spruch ἔϱγον οὐδὲν ὄνειδος in sein gegenteil verkehrt hatte. Drakon hat den töpfer und den gerber ohne zweifel für einen banausen gehalten; Aristoteles tut es ja auch. also schied der bauer, wenn er in die stadt zog um als handwerker seine familie vor der sclaverei zu schützen, aus der ge - sellschaft aus. an dieser anschauung hat selbst die demokratie wenig geändert.
So war der staat und die gesellschaft Athens um 600, schwach nach auſsen, schwach nach innen, die verfassung durch vielfache ver - änderungen erschüttert, das erwerbsleben schwer krank, die gesellschaft durch die gegensätze der ehrgeizigen parteiführer unter sich, des adels und des volkes, der armen[und] der reichen zerklüftet. die götter schienen Athen verlassen zu haben; auch wer noch für sich hoffte, rechnete mit dem untergange mindestens des staates Athen.
Da erweckte ihnen gott einen propheten: so würde es von IsraelSolon. heiſsen. da erstand ihnen ein dichter, heiſst es in der stadt Athenas. Solon, des Exekestides sohn aus dem blute des alten königshauses, war ein wolhabender mann32)Er ist unter der geltung von Drakons verfassung archon geworden, gehörte also zur classe der höchstbesteuerten. wenn Aristoteles ihn einen μέσος auch nach dem vermögen nennt, so ist das seiner eigenen angabe nach aus den gedichten ge - nommen, in denen Solon wirklich übertriebenen reichtum nicht wünscht. er war freilich kein mann von tyrannischem vermögen wie Kallias oder Hippokleides, er hatte kein haus von überwältigender macht hinter sich wie Kleisthenes, aber nach den anschauungen der späteren demokratie war er gewiſs ein reicher und vor - nehmer, und ein anderer hätte auch den staatsstreich nicht in den gesetzlichen formen durchführen können., der die erziehung seiner standesgenossen er - halten und anteil an ihren vergnügungen genommen hatte. daſs der handel ihn über das meer führte, hob ihn auch noch nicht über60II. 2. Von Kekrops bis Solon.ihre vorurteile. aber er hat allerdings das ihnen zumeist fremde ionische wesen in sich aufgenommen. wie er die aeginetische währung mit der chalkidischen vertauscht hat, so wendet er den attischen sinn von den dorischen zu den ionischen νομιζόμενα überhaupt. er wird ein dichter in der ionischen form der elegie und des iambus; er bemäch - tigt sich dieses neuen organs, mit dem der Ionier seine gedanken und urteile und seinen willen dem publicum zu übermitteln gelernt hatte. damit gewinnt er über die massen die herrschaft, zwingt sie wie er zu empfinden und ihm zu folgen. die mundart der Athener stand der homerischen kunstsprache, die der Ionier in den neuen maſsen der rede seines mundes anpaſste, gewiſs damals nicht näher als ein jahr - hundert später: die leistung des dichters Solon ist also eine bedeutende, beginnt er doch die attische litteratur. aber ganz abgesehen von dem formalen studium, das seine gedichte zur voraussetzung haben, hat er sein ganzes denken und empfinden ionisch machen müssen, menschlich, modern für seine zeit. halten wir doch die attischen werke etwa der gleichen periode neben ihn: wie groſs ist der abstand. die köstliche darstellungsfreude, mit der der bildner des Typhongiebels seine scheusale in aller derbheit aus seinem weichen stein schnitzt, das ist das alte Athen, dasselbe, das ein par generationen früher leichenzüge und seeschlachten mit kind - lichen mitteln auf die tonkrüge pinselte, ungeschlacht autochthonisch, aber mit ächt attischer ἐνάϱγεια. wir werden diese in den solonischen schilderungen des lebens nicht verkennen; der Athener ist dem trotz aller caricatur schematischen Semonides weit überlegen. aber er hat einen gebildeten stil, seine sprache ist überhaupt nicht archaisch. die Françoisvase entzückt uns durch die epische erzählungskunst ihrer bilder; der abglanz der ganzen grossen sagenherrlichkeit ruht auf ihr, die im mutterlande noch alle herzen beherrschte. in Ionien war sie schon verblaſst; die demokratie hatte die nachkommen der heroen zurückge - drängt, und Mimnermos konnte die sage bereits, ein vorläufer der Alexan - driner, zu spielendem schmucke verwenden. bei Solon tritt sie ganz und gar zurück. dem pompösen wesen des rittertumes ist sein ein - facher sinn vollends abgeneigt: er hat es in der beschänkung des gräberluxus bewiesen, und in denselben gesetzen dem aberglauben ge - steuert, über den er durchaus erhaben ist. aber die einfache attische frömmigkeit hat er sich bewahrt, trotz allem menschlichen denken und aller modernen weisheit: auch für ihn hält die göttin schirmend ihre hand über ihrem Athen, so daſs der himmlische vater es gar nicht untergehen lassen kann. und das vertrauen auf die gerechtigkeit des61Solon.weltenregiments ist ihm vollkommen unerschüttert. “gott hält sein auge über dem ausgange aller dinge; er ist nicht rasch mit seinem zorne, aber seine strafe suchet den schuldigen heim, sei es auch erst in seinen kindern oder kindeskindern. ” so denkt er, wie hundert jahre später Aischylos, und dieses denken gibt ihm die kraft und den mut zu seinem groſsen werke. der rechte nachfolger Homers und der rechte Athener ist er vollends in dem was ihn von dem Ionier Archilochos scheidet, dem unvergleichlich gröſseren aber an dem persönlichsten irdischen klebenden dichter: der sinn für die durcharbeitung der zufälligen wirklichkeit zur typischen wahrheit. wer in das Akropolismuseum tritt, der sieht in der gewaltigen bunten gruppe des stieres das schönste werk altathenischer plastik und ruft “das ist das verkörperte home - rische gleichnis. ” da kündet sich die kunst an, die im Parthenonfriese das attische volk, das ideal ihrer zeit, zu der für alle zeit typischen darstellung eines sich seiner gottheit am festlichen tage nahenden volkes vergeistigen konnte. als V. Hehn die darstellung der naturformen des menschenlebens bei Goethe veranschaulichen will, greift er nach ihrer schilderung in Solons grosser elegie. 33)Gedanken über Goethe 213. Hehn vergreift sich aber, wenn er Solon einen vielerfahrenen und darum düsteren menschenkenner nennt. die erfahrung, daſs des menschen kraft und kunst kein sicheres glück zimmern kann, sondern gott allein das gedeihen gibt, hat seinen sinn nicht verdüstert, denn gott gibt das gedeihen, wenn der mensch gerecht bleibt. Solon genoſs das leben gern, aber der schönste lebensgenuſs war ihm das lernen, und darum bat er den Mimnermos, der nur den sinnengenuſs kannte und mit 60 jahren sterben wollte, flugs 80 zu schreiben. der verachtete wahrlich die menschen nicht, der betrauert sterben wollte. er hat selbst die politische enttäuschung durch seine poesie und sein reines gewissen überwunden.
So war der dichter und der weise, der seinen Athenern zu predi - gen wagte: “haltet inne, kehret um auf eurem wege, sonst stürzt ihr wider gottes willen euer vaterland in den abgrund. ” was er geiſselte war die begehrlichkeit, sowol der von unten drängenden masse wie die der auf ihren besitz pochenden standesgenossen. diesen, die mit dem gute des staates und der götter unredlich umgehn, die macht zu der vergewaltigung der rechtlosen misbrauchen, gilt sein zorn überwiegend. gerechtigkeit in der verteilung des besitzes, menschlichkeit und gleichheit fordert er, frieden, eintracht und gesetzlichkeit (εὐνομίη, worin sowol die befolgung der gesetze, wie die herrschaft guter gesetze liegt) verheiſst er. von bestimmten praktischen vorschlägen hören wir nichts; das gehört nicht in die poesie. aber der so redete, war kein δημιουϱγός der dicht - kunst, sondern ein angesehener und lebenserfahrener angehöriger des62II. 2. Von Kekrops bis Solon.herrschenden standes, der kein hehl daraus machte, daſs er seine ge - danken praktisch verwirklichen wollte. sein volk vertraute ihm, wählte ihn zum archon und gab ihm die vollmacht die verfassung neu zu machen und das volk zu versöhnen. 34)Den titel διαλλακτής gibt die Atthis ausdrücklich, bei Ar. 5, 2 und Plut. Sol. 14, 2. er kehrt 403 für die spartiatische versöhnungcommission wieder. die unumschränkte macht bezeichnet Aristoteles 6, 1 mit κύϱιος τῶν πϱαγμάτων.
Was er dem volke brachte, entschied sich schon am tage seines amtsantrittes.35)Sowol bei Aristoteles wie bei Plutarch sind die beiden acte, seisachthie und gesetzgebung, deutlich gesondert. das wird durch das edictum praetoris 56, 2 ganz verständlich. er hatte als archon die proclamation zu erlassen, daſs er jedermann in seinem besitze schützen und erhalten wolle. statt dessen erklärte er alle bestehenden hypothekenschulden für hinfällig und die verpfändung eines athenischen leibes überhaupt für ungesetz - lich, dies letztere mit rückwirkender kraft. er verfügte auch über mittel, obwol wir nicht wissen woher, die er zu dem rückkaufe der in das ausland verkauften Athener verwandte.36)Da Solon selbst sich dieser befreiung der längst verkauften sclaven rühmt (Ar. 12, 4), so ist nur die modalität fraglich. öffentliche mittel können nicht gefehlt haben, sowol in staatsdomänen wie im schatze Athenas. aber die auslösung von bürgern, die in der sklaverei waren, galt auch für eine menschenpflicht, die viele übten. Λύσανδϱος und Λυσίϑεος sind leute, die für einen menschen und einen gott (dessen bild oder gut oder schatz λύτϱα brauchte) die λύτϱα gezahlt haben, und Λυσικϱάτης Λυσικλῆς Λύσιππος Λυσιφῶν sind gedankenlos gebildete composita, in denen doch dieses λύειν stecken muſs. Λυσίμαχος Λυσανίας Λυσίστϱατος sind anderer art; das letztere nicht einmal notwendig. so wurden denn die hypothekensteine, die sie belasteten, auf allen attischen äckern zer - schlagen, und in allgemeinem jubel eine festfeier “der abgeschüttelten bürde” begangen.37)Ar. 6, 1 ist überliefert ἃ σεισάχϑεια καλοῦσιν ὡς ἀποσεισάμενοι τὸ βάϱος. bei den änderungen, mit denen der corrector angefangen hat, und denen wir auch gefolgt sind, ist mir nie sehr zuversichtlich zu sinn gewesen. ich möchte nicht für unmöglich erklären, daſs die Athener der gegenwart den namen brauchten, weil sie die befreiung von der last als eine ihnen selbst, dem unsterblichen δῆμος, zu teil gewordene erleichterung empfanden. und die form τὰ σεισάχϑεια kann ich nicht be - anstanden, freilich nicht für den act der legislative, aber wol für das dafür gebrachte dankopfer, das Plutarch Sol. 16 erwähnt. dieses opfer könnte ich mir als eine dau - ernde institution denken, so daſs das praesens ganz eigentlich richtig wäre. es war ein sehr gewaltsamer eingriff in wolerwor - bene privatrechte, aber es ist kein versuch gemacht ihn zu hindern oder zu redressiren; die besitzenden mochten auf diese concession gefaſst ge - wesen sein und sich zu ihr verstehen um der drohenden confiscation ihres63Solon.grundbesitzes zu entrinnen. immer noch konnten sie hoffen, daſs Solon, ihr standesgenosse und ein maſsvoller mann, die standesherrschaft eher befestigen als schmälern würde. aber die gesetzgebung, die er natür - lich erst am ende seines amtsjahres vor den souveränen demos bringen konnte, beseitigte nicht bloſs die verfassung Drakons, sondern begrün - dete die demokratie.
Alle Athener (Ἀϑηναῖοι ἅπαντες, wie der ausdruck wol schon jetzt lautete) erhielten an der staatsverwaltung anteil. für die volksver - sammlungen, den rat und die geschwornenstellen ward hinfort kein census gefordert, für die beiden letzteren nur die zurücklegung des dreiſsigsten lebensjahres; für den rat gieng auſserdem noch eine persön - liche prüfung der würdigkeit dem eintritte vorher. eine ausnahme bil - deten die geschwornenstellen in den mordgerichten, wo die adligen epheten Drakons blieben, weil der sacrale charakter dieser richtstätten die älteren formen sicherte. die teilnahme des ganzen volkes an den volksversammlungen verlieh diesem das active wahlrecht für die wahl - ämter, aber auch die wirksamste controlle selbst der archonten. denn die prytanen des rates, (über deren bestellung wir weiter nichts wissen) waren gehalten, in bestimmten (uns unbekannten) fristen eine volks - versammlung zu berufen, in der alle selbständig, nicht unter aufsicht eines der räte, fungirenden magistrate neu bestätigt werden muſsten; im falle ihrer suspension kamen sie vor die thesmotheten, die ein ge - richt von geschwornen zu berufen hatten. dasselbe hatte unbedingt mit der rechenschaftsablage der feldherren zu geschehen. gegen die anderen beamten konnte jeder bürger nach ablauf ihres amtsjahres an eine commission des rates, die euthynen, eine beschwerde einreichen, die erforderlichen falles von den thesmotheten in der nämlichen weise vor ein volksgericht gebracht ward. die competenzen aller beamten wurden in bestimmter weise abgegrenzt, so daſs sie höhere strafen, ins - besondere leibesstrafen, nur unter zuziehung eines gerichtes zuerkennen konnten. die bestellung der beamten, so weit sie nicht direct gewählt wurden, geschah durch das los auf grund einer vorschlagsliste, über deren aufstellung genaueres nicht bekannt ist, als daſs sie durch wahl in unterabteilungen des volkes, phylen oder (für den rat) naukrarien zu stande kam. als qualification ward ein census, abgestuft nach den alten drei classen, gefordert, die nun wieder ihre vordrakontische bedeu - tung nach dem einkommen erhielten. ob an der competenz der einzelnen beamten oder des oberen rates geändert worden ist, wissen wir nicht; der überlieferung nach ist da ziemlich alles beim alten geblieben.
64II. 2. Von Kekrops bis Solon.Solons augenmerk war offenbar zunächst nur auf die schulden - tilgung gerichtet gewesen, und im übrigen auf die beseitigung der dra - kontischen schranken, die durch die forderung der selbstequipirung die proletarier principiell ausschlossen. das schien ihm ein widerspruch mit der herrschaft des demos, und er spricht es selbst aus, daſs er diesem seine rechte weder geschmälert noch vermehrt hätte: er hielt Drakons ordnung also für eine ungerechte neuerung. wirklich können wir wol nicht anders urteilen, als daſs Solon in der verfassung auſser diesem demokratischen prinzipe kaum etwas bedeutendes erfunden hat, da ja die ausdehnung des loses auf die archonten kein neues princip war, und dessen bedeutung kann man nicht umhin, gerade für die wichtigsten ämter gering anzuschlagen. Solon selbst und sein nachfolger Dropides sind trotz dem lose so gut wie gewählt: es hat sich die macht des volkswillens so stark fühlbar gemacht, daſs andere candidaten gar nicht zur losung präsentirt wurden. wenn in den folgenden jahren so häufig gar keine archonten vorhanden sind, so muſs die losung aus der vor - schlagsliste durch den terrorismus der parteien verhindert sein, oder aber es hat sich die majorität der tyrannei des zufalls nicht unter - worfen. wir haben schlechthin keine mittel uns vorzustellen, wie es in Athen in solchen jahren der anarchie aussah38)Selbst das ist nicht bekannt, ob in jahren der anarchie gar keine beamte waren, oder etwa nur kein archon, oder ungesetzliche und cassirte archonten. der fall, daſs ein archon fehlte und der könig für ihn eintrat, ist später vorgekommen.; aber die kritik muſs sich Solon schon gefallen lassen, daſs er zwar das princip der demo - kratie zum siege geführt hat, aber gerade dadurch, daſs er die macht der beamten möglichst vinculirte, zunächst seinem vaterlande den kräftigen arm gelähmt hat, der es allein vor der tyrannis schützen konnte, die der vertrauensmann des volkes, der in directer wahl von allen erhobene stratege, und der πείϑων τὸν στϱατόν, der demagoge der zum ganzen volke sprechen konnte, errungen hat.
Das denkwürdige amtsjahr lief ab. Solon stellte das geltende at - tische recht auf vielen riesigen holztafeln verzeichnet aus, lieſs es vom demos nicht nur annehmen, sondern in feierlicher weise beschwören, brachte am jahresschlusse das opfer an Zeus den erretter (die letzte regelmäſsige amtshandlung des beamten39)Der cult des Zeus gehört zum markte als ᾽γοϱαῖος, dem wesen des markt - rechtes entsprechend. aber auch als σωτήϱ darf er für alt gelten; nur ἐλευϑέϱιος heiſst er erst seit 480. und trat in das privatleben zurück oder vielmehr in den Areopag hinüber. seine Athener werden65Solon.zuerst die bewunderung seiner leistung, zu der die aufzeichnung der gesetze, der kalender und die ordnung von maſs und gewicht auch gehörte, und die höhere bewunderung seiner selbstlosigkeit und gesetz - lichkeit haben vorwalten lassen. in der tat hat ihn niemand persönlich angegriffen. aber wenn der dichter und der patriot geglaubt hatte, er brauchte nur dem demos in den sattel zu helfen, reiten würde er von selbst können, so folgte schlimme enttäuschung. daſs der bisher herr - schende stand über die beseitigung der drakontischen verfassung grollte, mehr noch als über die capitalverluste der einzelnen, ist ebenso natür - lich, wie daſs die theten, denen er zwar die freiheit und damit poli - tische rechte, aber keinen materiellen gewinn und mit den rechten pflichten gegeben hatte, nach dem ersten freudenrausche stark ver - stimmt waren, weil sie arbeiten sollten wie immer. die neue maschine functionirte mit einer allzustarken reibung und stockte hier und da. so rief man den werkmeister sie wieder in gang zu bringen. er vertraute seinem werke und der zeit, idealist wie er war; aber eben weil er es war, konnte ihm keine herbere kritik werden, als daſs von rechts und links ihm zu verstehen gegeben ward, er hätte die tyrannis selbst übernehmen sollen, wie es in der tat Pittakos von Mytilene in ähnlicher stellung getan hatte. das verekelte ihm seine vaterstadt, und nachdem er mit seiner einzigen waffe, der poesie, sich lebhaft aber ver - geblich verteidigt hatte, zog er auf lange jahre hinaus in die fremde. in Athen aber brachen die politischen kämpfe mit erneuter heftigkeit los. die vorwahlen für die losung zu den höchsten ämtern trugen die politischen kämpfe auf das land; die präsentation der candidaten für den neuen rat fielen ohne zweifel den örtlichen kreisen zu. so bil - deten sich innerhalb des volkes parteien, die sich nach den landesteilen nannten, nicht etwa alten vortheseischen städten, sondern den wirtschaft - lichen interessen der gegenwart entsprechend. die solonische demo - kratie fand anklang in der küstenbevölkerung, die immer demokratischer gesonnen war, und ihre führung ergriff Megakles, das haupt der Alkme - oniden, die dem Solon die heimkehr dankten. in der ebene Athens saſsen die ältesten herrengeschlechter und war die vom Areopage be - schützte landwirtschaft maſsgebend: sie wollte von der solonischen wirt - schaftspolitik nichts wissen, die Athen zu Ionien hinwies, und das haupt der Butaden stritt für die reaction. das bergige land, im nordosten und osten, sehr stark bevölkert von einem wehrhaften bauernstande und stolz auf seine eigenart, drängte weiter auf der bahn der decentralisation, durch die allein das land der stadt gebieten konnte; es stellte den bestenv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 566II. 2. Von Kekrops bis Solon.truppen einen geschickten führer: hier war man für einen krieg, der neue landlose den bauernsöhnen schaffte, und die führer, Peisistratos von Brauron und Miltiades der Philaide, haben sie ihnen auch verschafft. wir wissen im einzelnen fast nichts über das menschenalter nach Solons gesetzgebung, aber gerade soviel, um zu sagen, daſs es um den innern frieden traurig stand, und um den wolstand nicht besser als zuvor, bis Peisistratos erst Salamis eroberte und dann sich zum herrn machte. und das zweite wissen wir, daſs Solon heimgekehrt ist und in Athen un - behelligt und verehrt aber einfluſslos bis 560 / 59 gelebt hat. er hat noch gedichtet, sein volk gemahnt um Salamis zu kämpfen und vor Peisistratos sich zu hüten; sie hörten wol seine verse, aber es waren ihnen nur die verse eines dichters: politisch war Solon ein toter mann, seit er dem Zeus σωτήϱ am letzten skirophorion 593 das dankopfer gebracht hatte.
Die götter verwöhnen ihre lieblinge nicht; der frühe tod ist der preis, um den die schönste krone des heldentumes feil ist, für Kleobis und Biton, für Achilleus und Alexandros. die krone der weisheit aber erhält der greis für ein leben voller enttäuschung, und entsagung lehren auch die weisesten, die das vollste menschenleben gelebt haben, Platon und Goethe. als Solon zu sterben kam, war sein Athen in der hand des tyrannen, und der stifter der demokratie hatte eingesehen, daſs seine Athener jeder einzeln ein schlauer fuchs, aber auf der pnyx eine herde schafe wären. nach den wolken des demagogischen weihrauchs, die ihm im vierten jahrhundert von denen gespendet wurden, die be - sagte herde hüteten und schoren, wird den weisen wenig gelüstet haben; daſs er ein groſser staatsmann gewesen wäre, wird sein gewissen ver - neint haben, so gut wie wir es verneinen müssen. und doch hat Ari - stoteles ihn einen einzigen unter allen staatsmännern genannt, der allein das wol des ganzen zur richtschnur sich genommen. und doch hat er in der tat die demokratie Athens, wenn auch nur als vorläufer des Kleisthenes, und die athenische poesie, wenn auch nur als vorläufer des Aischylos begründet. daſs er beides vermochte, daſs seine person sowol den Drakon wie den Peisistratos, ja noch den Kleisthenes in den schat - ten gestellt hat, das dankt er der Muse. ihn allein von ihnen hörte die nachwelt und hören auch wir noch. ein groſser dichter war er nicht, aber ein weiser und frommer und guter mensch, was denn doch mehr ist.
Verblaſst ist sein bild gar bald in den büchern der geschichte; aber die poesie ist ihm gerecht geworden. nicht daheim, aber in Ionien hat sie67Solon.die schönste novelle gedichtet, in der er dem Hellenen seine σωφϱοσύνη repräsentirt. auf dem güldenen throne sitzt der barbar in seiner ma - teriellen herrlichkeit mit all dem dünkel abergläubischer gottwolgefällig - keit und ruft “sehet mich an, ich bin glücklich und gottgesegnet” (ὄλβιος und εὐδαίμων). der weise im schlichten bürgerkleide belehrt ihn, daſs das höchste menschenglück das des schlichten bürgers ist, wie es die natur dem menschen gewähret, mit weib und kind, acker und vieh, gesundheit und gedeihen, und zur krönung dem seligsten tode, dem tode des kriegers fürs vaterland. vergebens belehrt er den bar - baren, vergebens mahnt er ihn, daſs den tag vor dem abend niemand loben dürfe. Kroisos verlacht die mahnung, das schicksal ereilt ihn, und das gedächtnis an des weisen wort ist das einzige was ihn errettet.
So steht Solon da, der typus des Hellenentums, des Athener - tumes, sich bewuſst der menschenschwäche und des menschenadels, de - mütig vor der natur, demütig vor gott, aber nur vor dem ewigen demütig. so lernen unsere kinder den weisen Solon kennen: nicht den vater der demokratie, aber den hellenischen propheten, den dichter und den weisen. die unsterbliche seele Solons und seines volkes ruft uns alle noch heute auf zu der seisachthie des götzendienstes dieser welt.
Doch ich vergesse, unsere kinder sollen den weisen Solon nicht mehr kennen lernen. die moderne selbstgerechtigkeit und hoffart sitzt als ein protziger barbar auf ihrem throne, opfert götzendienerisch ihrer eigenen herrlichkeit und ihren lüsten und weist den hellenischen mahner an selbstbescheidung und demut unwillig von sich. soll sie auch erst auf den scheiterhaufen steigen, um sich auf die hellenische weisheit zu besinnen? vielleicht. aber schwerlich wird ihr zerstörer ein Kyros sein, der sie um des verzweiflungsrufes “Solon, Solon” begnadige.
Athen in der tyrannen - zeit.Wer jetzt auf der burg von Athen wandelt, dem stellt sich als eine schöne lösbare aufgabe dar, das Athen der tyrannenzeit in seiner zu - ständlichkeit zu schildern. leibhaft sieht man die menschen jener gesell - schaft vor sich, und, was mehr bedeutet, man kann empfinden, wofür sie leben, wo sie ihren schatz und ihr herz haben. es geht ihnen gut und sie genieſsen ihr leben. sie haben an ihrer eignen existenz freude und suchen die εὐδαιμονία im ὄλβος. es ist eine zeit, geschlagen in enge fesseln der convention und der mode; vielleicht merkt man nur ex eventu, daſs vieles überlebte da ist, und ein neues leben sich zu regen beginnt, das diese fesseln sprengen wird. den ungeheuren umschwung der Perserkriege und der demokratischen ἀϱετή schätzt man nirgend so richtig, wie wenn man im sechsten jahrhundert wandelt. schon die heroische naktheit des Harmodios erscheint wie ein protest gegen die ceremoniöse toilette eines Aristion. daſs die jünglinge und mädchen des Parthenonfrieses groſsmütter und väter gehabt haben sollen, die sich anzogen wie die κόϱαι, die unsere archaeologische jugend so hübsch als tanten bezeichnet hat, sich einen lockenkranz um die schläfen frisiren lieſsen und die arme mit ekelhafter grazie weit vom leibe hielten, damit die geknifften fältchen der mantillenkanten nicht zerknautscht würden, muſs man sich mühsam klar machen. es riecht alles nach τϱυφὴ Ἰωνική, nach μύϱα und ἁβϱὸς βίος.1)Das zwölfte buch des Athenaeus handelt über die τϱυφή; historiker schon des vierten jahrhunderts, peripatetiker und andere philosophen sind die hauptquellen. wer genauer zusieht, wird in sehr vielem lediglich den niederschlag der sinnesart finden, die mit den Perserkriegen aufkommt und der ganz besonders die tracht, aber überhaupt die lebensführung der archaischen zeit als τϱυφή erscheint. in der tracht gewisser stände, wie der priester und der musiker, im costume der tragoedie, dann und doch wie sauber und69Athen in der tyrannenzeit.solide baute jene zeit, wie gewaltig sind die fortschritte der bildenden künste, und wie tief im volke geht jene anspruchsvolle lebensführung, da töpfer walker und schuster an ihr teil nahmen. man sieht, wie viel da war, das die Perser zerschlagen und rauben konnten: die opfer von 480 lernt man schätzen, und es wächst sowol die achtung vor Peisistratos wie die bewunderung der freien bürgerschaft.
Doch das ist eine aufgabe, die wirklich nur ein archaeologe lösen kann, einer dem die funde auch in allen einzelheiten rede stehn, und weil die aufgabe gestellt ist, wird sich auch die archaeologische jugend über die unfruchtbaren stilriechereien und die wirklich antiquirte suche nach künstlernamen erheben. in um so mislicherer lage ist jeder der die ereignisse jener zeit zu schildern unternimmt und nicht den Herodot paraphrasiren will. sie sind verschollen, und was man einzelnes hört, belehrt wenig, eben weil es nichts als nakte facta bringt. wir wissen es nicht, wie sich die situation Athens um 520 v. Chr. gebildet hat: aber von dieser situation kann man sich einigermaſsen ein bild machen.
Als nach der gesetzgebung Solons statt des gehofften friedens der parteihader nur gehässiger entbrann, war es das gröſste glück, daſs sich der zum herrn machte, der seine tüchtigkeit durch die erwerbung von1)bei einzelnen personen oder in abgelegenen gegenden hat sich die mode des sechsten jahrhunderts noch mehrere generationen oder auch dauernd erhalten, nicht ohne daſs misverständnisse in derselben richtung vorkamen. Asien hat sich den neuen athenischen mustern immer erst in einigem abstande gefügt, und deshalb den vor - wurf der τϱυφή schon von den Athenern des fünften jahrhunderts erfahren. inner - lich hat es den umschwung des empfindens nie mitgemacht. so haben sich falsche werturteile über die archaische zeit gebildet. nun trieb aber der gegensatz zu den barbaren dazu die einfachheit von haar und barttracht, des kurzen hemdes und des simplen überwurfes für echthellenisch auszugeben, also für uralt, und dann für do - risch, ein wort, das den accent ins tüchtige, derbe, altangestammte zuerst in der musik erhalten hatte (schon vor 500): das hat dann auch falsche geschichtliche ur - teile erzeugt. die besten zeugen für die volksstimmung sind immer die dichter, um so besser, je gröſser sie sind. in dem bilde, das das sechste jahrhundert schon von Dionysos geschaffen hatte, und das die tragoedie, sein spiel, fest hielt, war jene alte tracht an haar und bart und kleidung festgehalten, und die art, wie der gott sich offenbarte und seine verehrer sich benehmen hieſs, schien die τϱυφή nur noch mehr zu bestätigen. diesen conflict mit den modernen, kräftigen, dorischen anschauungen empfand Aischylos innerlich, und doch war er dionysischer dichter. so verkörperte er diese gegensätze in seiner Lykurgie; die alte fabel hatte eine neue bedeutung gewonnen. da zuerst nimmt der götterfeind an der weibischen tracht des gottes anstoſs, zieht freche folgerungen und muſs es büſsen. Euripides hat das schon als etwas fertiges überkommen; für ihn hat es keine innerliche bedeu - tung mehr.70II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.Salamis bewiesen hatte, und der nicht den durch Solon gestürzten groſs - grundbesitz, sondern die kleinen leute und die wehrhafte bauernschaft der Diakria hinter sich hatte. Peisistratos ward zwar alt und grau, ehe er aus zehnjähriger verbannung heimkehrend auf dem throne fest ward (541). dafür brachte er die anerkennung durch die bedeutendsten nachbarstaaten, Boeotien und Euboia, ein bündnis mit Argos und eignen besitz an der thrakischen küste mit. so konnte er frieden und wolstand, ordnung und fortschritt auf sein panier schreiben, und mit ausnahme der überwundenen adelsgeschlechter hatte er bald die sympathie des volkes gewonnen, so daſs sich bei seinem tode 528 nichts änderte, sondern seine beiden ehelichen söhne die nicht festumschriebene oder beschworene aber tatsächlich anerkannte herrschergewalt fortführten. Hippias, schon ein reifer mann, war längst ein mitarbeiter an der politik des vaters gewesen; Hipparchos, auch kein jüngling mehr, ergänzte ihn für das prestige der tyrannis auf das glücklichste. denn seine beziehungen zu den dichtern der zeit hatten eine sehr reale bedeutung. diese leisteten, was heute die presse besorgt, die beherrschung der öffentlichen meinung. orakelsprüche, wie sie damals besonders beliebt waren, haben mindestens eben so oft die ereignisse vorbereitet und bewirkt, wie sie später ex eventu verfertigt und umgeformt sind. weltkundige und allerorten wol - gelittene litteraten, wie Lasos und Simonides, formulirten dem durch - schnittshellenen, was er schön und gut finden sollte, und lebten davon, sich von den mächtigen die parole dazu geben zu lassen, was sie also den leuten darstellen sollten. sie sind die vorläufer der sophisten. die breite masse aber bewunderte den herren von Athen, dessen lieblinge die lieder eines Anakreon verherrlichten wie die des Polykrates. das ist der lauf der welt; sie beugt sich dem glücklichen und nimmt an seinem ‘glücke’ anteil. es muſste die sittliche erhebung einer groſsen zeit kommen, damit das glück des Polykrates im sinne des Herodotos, nicht in dem des Anakreon sprüchwörtlich werden konnte.
Der attische bauer saſs leidlich zufrieden unter seinem feigen - baum und weinstock und schaute mit andacht auf das geschenk seiner göttin, die olive, deren anbau der staat jetzt wie von alters her beförderte, so daſs dies wichtigste product der heimischen landwirt - schaft immer mehr eintrug. dazu tat der friede das beste: es hieb eben kein feind die ölbäume um. ordnung war auch im lande und die rechtsprechung nahe und rasch zu haben. eine steuer von fünf procent lag allerdings auf dem ertrage, und das war eine mah - nung, daſs ein herr da war. aber der bauer durfte doch alljährlich zu71Athen in der tyrannenzeit. Äuſsere politik der tyrannen.den wahlen gehn, wol auch allmonatlich zur volksversammlung; die formen der selbstverwaltung in der naukrarie, auch der rat in der stadt, waren gewahrt, und so stimmte man gern für die candidaten der regie - rung. es verdient alle anerkennung, daſs die Peisistratiden für den ackerbau sorgten; dennoch ist die schilderung des Aristoteles schief, die diese seite ausschlieſslich hervorhebt. um keine agrarier zu sein, dazu besaſsen sie schon genug wirtschaftliche einsicht: der mächtige auf - schwung von industrie und handel, der unter ihnen statt fand, ist für uns selbst noch in seinen erzeugnissen kenntlich, und das friedliche menschenalter 540 — 10 hat erst die ionische höhere cultur, zum teil auch die von Argos und Aigina nach Athen geführt und das attische wesen erzeugt, das allen andern eben deshalb überlegen ward, weil es alle anregungen aufgenommen und innerlich sich zu eigen gemacht hatte. handel und industrie setzen eine starke nicht angesessene, zum teil nicht einmal eingeborene bevölkerung voraus, die wir denn auch antreffen, und sie haben die städtische centralisation im gefolge. das prestige der tyrannis erforderte neue tempel und neue feste. die Peisistratiden haben ein neues Athen geschaffen, und nur daſs die Perser es verbrannten und dann neue gebäude sich erhoben, hat bewirkt, daſs Athen nicht dauernd die züge der tyrannenzeit getragen hat.
Daſs die tyrannen Athen diese friedliche zeit und dieses gedeihenÄuſsere po - litik der tyrannen. verschaffen konnten, lag wesentlich darin begründet, daſs sie selbst nach keiner seite übergreifen konnten noch wollten und durch persönliche und familienverbindungen ein gutes einvernehmen mit den meisten staaten erhielten. mit der hilfe von Theben Eretria und Argos war Peisistratos heimgekehrt; an der thrakischen küste besaſs er eigenen besitz; ein vertriebener adlicher von Naxos, dem er zum danke die herrschaft in seiner heimat verschaffte, hatte sich an seiner seite be - funden; auch die beziehungen zu dem thessalischen adel werden so alt sein. diese verbindungen sind zum teil noch über den sturz des Hippias hinaus erhalten geblieben. es liegt freilich in dieser gruppirung der mächte, daſs es eine gruppe ihnen gegenüber gab. wer nahe zu Argos stand, war den Spartiaten und ihrem bunde verdächtig, wer Eretria unterstützte, dem war Chalkis feind, und Korinth, mit Chalkis und Sparta zumeist verbunden, hat später seine feindliche gesinnung wider die Peisistratiden bewiesen. es ist augenfällig, daſs die herren Athens sich von diesen hauptmächten des festlandes nicht nur fern halten, sondern sich zu emanzipiren trachten. sie lassen keine pferde in Olympia und Delphi rennen und stiften dort keine weihgeschenke, sie gründen viel -72II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.mehr in Athen filialen der dortigen culte, schmücken diese reichlich und erweisen so zwar den hochgeehrten göttern ihre ehrfurcht, aber entziehen sich dem einflusse ihrer priester. Delphi hat es ihnen nicht vergessen. aber offiziell sind die beziehungen zu dem peloponnesischen staatenbunde durchaus freundlich. die tyrannen sind gastfreunde Spartas: die proxenie war auch zwischen Athen und Dionysios, Athen und Phi - lippos die form der offlciellen anerkennung, nicht mehr bedeutend, als wenn die herrscher der alten monarchien einen Napoleon als bruder angeredet haben.
Gestützt auf diese besonnene politik des friedens, glaubten die herren Athens weder eines stehenden heeres (auſser einer leibwache) noch einer kriegsflotte zu bedürfen. die sicherung der see, deren handel und industrie um so mehr bedurfte, als die front Athens jetzt nach osten gerichtet war, ward auf anderem wege erreicht. Athen, das doch Naxos und Rheneia erobert hatte, behielt keine insel in besitz, sondern versicherte sich des wolwollens des delischen Apollon und der seemächtigen staaten. nur auf den wichtigsten punkt, den Hellespont, legten die tyrannen ihre feste hand, auch das nicht unmittelbar, aber durch befreundete oder verwandte herrscher. in Sigeion, dem vielumstrittenen, saſs ein halb - bruder des Hippias; ein schwiegersohn von ihm in Lampsakos, das sich vorher lange mit allen mitteln der attischen colonisation der gegenüber - liegenden halbinsel widersetzt hatte. der Chersones mit den nächsten thra - kischen inseln gehörte dem Philaiden Miltiades, der Athener geblieben war, mindestens in einvernehmen mit den tyrannen.
Die groſsen adels - häuser.Die Philaiden waren eines der uralten geschlechter Attikas, selbst dazu zu vornehm, sich wie das alte königshaus und die Alkmeo - niden auf die Pylischen heroen zurückzuführen, geschweige wie jeder schuster auf die phylenheroen. mit dem adel des Peisistratos ist es schwerlich weit her gewesen; wir kennen den namen des ge - schlechtes nicht, denn die überlieferung des dialoges Hipparchos, die es zu Philaiden macht, ist mit Herodot nicht vereinbar. ein Peisi - stratos erscheint als archon von 669 / 68 in der chronik2)Pausan. II 24, 7 sicher ergänzt, da die olympiade durch ihren sieger fixirt ist.: älter dürfte der name nicht sein, da er aus dem späten epos stammt.3)Es folgt daraus, daſs vor 700 die Telemachie in Athen bekannt war. denn ihr dichter hat diesen Nestorsohn erfunden und ihm den namen gegeben, weil der vater ἔπεισε στϱατίν. namen von Neleuskindern wie Πεισιδίκη Πεισήνωϱ sind erst nachbildungen dieses redenden namens; dessen erfinder schuf ein analogon zu Τηλέμαχος. jener Pei -73Die groſsen adelshäuser.sistratos, wol der groſsvater des tyrannen, legte also wert auf seine pylische herkunft, und anders als Peisistratiden heiſst das tyrannen - geschlecht später nie. sie wohnten dicht neben den Philaiden in der gegend von Brauron und beide gehörten also von haus aus zu derselben partei der Diakrier. fünf jahre nur vor der ersten tyrannis des Peisi - stratos war ein Philaide Hippokleides archon gewesen und hatte den agon der Panathenaeen gestiftet. aber er war kein gefährlicher con - current, weil es ihm an ernst und stätigkeit fehlte. “darum keine sorgen, sagt Hippokleides” blieb ein geflügeltes wort. ein bedeutenderer herr aus demselben hause hatte, wie es heiſst unter mitwirkung des delphischen orakels, die besetzung des Chersones unternommen und dort die wichtige herrschaft gegründet, im wesentlichen auf kosten von bar - baren, denen er auch Lemnos und Imbros abnahm, unter allgemeiner sympathie der öffentlichen meinung von Hellas, weil es eben barbaren - land war.4)Diese erwerbung richtig datirt und richtig beurteilet zu haben, ist das ver - dienst von E. Meyers aufsatz über die Pelasger (Philol. N. F. 2). im übrigen ge - hört seine hypothese nicht zu denen, die mich “so weit blenden, daſs ich aller überlieferung ins gesicht schlage”. falsche conjecturen gemacht zu haben kann ich nicht leugnen und suche mich zu bessern, gern bereit sie zurückzunehmen. aber das conjiciren werde ich nie lassen, weil es nötig ist: und jede conjectur ist ihrer natur nach eine abweichung von der überlieferung, ob man einen text oder einen geschichtlichen zusammenhang von einem glossem befreit, ist für diese procedur einerlei. die hypothese Πελαϱγικὸν = storchnest ist ein einfall, der nicht längeres leben hat als eine seifenblase. ἀϱγός weiſs, ἄσγλα, αἴγλα (ein episches, in keiner lebenden sprache nachgewiesenes wort) gehören alle zusammen. Πελασγοί sind an sehr vielen orten die “urbewohner” genannt (vgl. Schwartz quaest. Herod. Rostock 1890), so auch in Athen. ihnen hat man den bau der burgmauer zugeschrieben, die in die unvordenkliche zeit gehörte, wie anderwärts den riesen oder hundertarmen. die gegner im osten, die den stadtathenern auch sonst als wilde riesen erscheinen, führen in einer geschichte den Pelasgernamen. diese geschichte ist dazu da, die Pelasger aus Athen zu vertreiben, d. h. den zustand der gegenwart zu erklären, welche keine mehr in Attika kennt; um so sicherer waren sie in der älteren vor - stellung gegeben. schon Hekataios hat das erzählt; aber von der ansiedelung der vertriebenen Pelasger auf Lemnos hat er nichts gewuſst. diese ist (wer hätte das je verständigermaſsen anders ansehn dürfen) nicht älter als die eroberung von Lemnos durch den attischen herrn der Chersones. und so haben in der tat nach Lemnos erst die Athener den Pelasgernamen gebracht. die dortigen barbaren wurden von den Ioniern Tyrsener genannt, auch mit einem namen, der keine ethnologische bedeutung hatte, wie denn der italische Ionier in den burgbauenden Rasenern die Τυϱσηνοί sah und ihnen, selbst für die Italiker maſsgebend, diesen namen gab; daſs sie damit gleich hieſsen wie die feinde seiner alten heimat, die Lyder oder Meoner, war ihm höchstens erfreulich, muſste dann aber genau so sicher eine wandersage erzeugen, wie es ist zwar zwischen den Philaiden und Peisistratos nicht74II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.immer freundschaft gewesen (Herod. 6, 103), aber das ende war gegen - seitige anerkennung. und selbst als das haupt der athenischen Phi - laiden auf der straſse ermordet ward, und das gerücht die tyrannen ver - antwortlich machen wollte, ist es nicht zum bruche gekommen.
Von den vertretern des städtischen adels hört man kaum etwas; die Butaden, welche an der spitze der schroffen aristokraten 560 ge - standen hatten, verschwinden. in der schlacht von Pallene ist Leogoras stratege, aus einem unbekannten, aber auf Odysseus und Hermes zurück - geführten, zweifellos hochvornehmen hause5)Die vita des s. g. Plutarch führt Andokides auf die Keryken zurück, und diese ansicht wird von Dittenberger und Töpffer (Ath. geneal. 85) vertreten, während Blaſs und Lipsius sie verwerfen. für mich ist entscheidend, daſs Andokides über Odysseus und Autolykos auf Hermes zurückgeführt wird, schon von Hellanikos, während die genealogie der Keryken über Keryx auf Herse und Hermes zurückgeht. das ist doch zweierlei, nur der göttliche ahnherr ist derselbe, und daher war ein irrtum leicht möglich. daſs μυῶν Andok. 1, 132 auch lediglich dasselbe bedeuten kann wie bei Apollodor gegen Neaira 21 wird man nicht leugnen können, wenn es auch nicht durchschlägt. und daſs weder der ankläger des Andokides (Lys. 6, wie ich glaube und einmal zu zeigen hoffe, Meletos), so viel er, der Eumolpide, sich auch in hieratischen dingen bewegt, noch Andokides in der verteidigung dieses bedeut - same moment erwähnt haben sollte, wird mir auch schwer zu denken. er würde eben nicht bloſs οἰκία πασῶν ἀϱχαιοτάτη sagen (1, 147), wenn er zum eleusinischen adel gehörte. sein gegner sagt nicht nur, daſs er Eumolpide ist (wo wüſsten wir’s sonst her?), sondern er trieft von priesterlicher salbung. und sollte wol ein Keryke gesagt haben ἐψηφίσαντο Κήϱυκες κατὰ τὸν νόμον ὅς ἐστιν αὐτοῖς (1, 127, sicher von Bekker aus ὅ ἐστιν αὐτὸς hergestellt)? der Eumolpide redet (10) nicht selbst in dritter person von den Eumolpiden, sondern citirt worte des Perikles. (beiläufig, schon um dieses citates willen ist die rede keine späte rhetorenfälschung). der name Ἀνδοκίδης zeigt sein alter schon in der grammatischen form; er dürfte eigent - lich der geschlechtsname gewesen sein, denn ἀνδοκίδαι kann wol nur ‘die es auf sich genommen haben’ bedeuten; die tempelbauenden Alkmeoniden sind ἀνδοκίδαι., und er kehrt erst mit den4)daſs die Himeraeer ihre nachbarn, die Elymer, um des epos willen zu Troern machten. die bewohner von Lemnos waren, wie ihre schrift lehrt und wie im Homer steht, Thra - ker, Sintier, verwandte der Saier von Samos nebenan. mit recht fand man ihre sprachverwandten in manchem thrakischem winkel. weil sie nun aber von den Athenern mit den Pelasgern ihrer sage, von den Ioniern mit den Tyrsenern identi - ficirt waren, so gab es das knäuel von hypothesen, indem sie mit andern auto - chthonen, die den Pelasgernamen, mit andern ‘turmvölkern’, die den Tyrsenernamen führten, identificirt wurden. analog steht es mit diesen und andern namen an den meisten orten. denn meine bezeichnung, die Pelasger sind ein relativer volksbegriff, ist klar und richtig: deshalb bleibt jedes einzelne volk, das so genannt wird, für sich ein concretum, und ich bezweifle auch nicht, daſs die ‘schwarzweiſsen’ irgend wo einmal ein concreter volksbegriff gewesen sind, vielleicht in Thessalien, wie es die Tyrsener auch gewesen sein werden, meinethalben die Turuscha.75Die groſsen adelshäuser. sturz der tyrannis.Alkmeoniden heim. auch der Keryke Kallias steht feindlich zu Peisi - stratos. aber man spürt nachher nichts von dieser opposition; einzelne mögen geflohen sein, die meisten duckten sich und frondirten höchstens im stillen.
Nur die Alkmeoniden blieben auch in der verbannung tätig und gefährlich. sie waren an besitz macht und ansehn den Philaiden gleich. hatten sich jene den korinthischen tyrannen verschwägert, so war Megakles, der rival des Peisistratos, der eidam des fürsten von Sikyon, dessen namen sein sohn führte. obwol am nordrande der attischen ebne angesessen, führte Megakles die partei der Paraler und trat für die solonische ver - fassung ein, hatte auch versucht mit Peisistratos sich zu vertragen, aber eine schwere persönliche kränkung hatte den zwist unversönlich gemacht. ein attisches lied, nicht von einem der höfischen poeten, sondern ein schlichtes volkslied, wie man sie beim weine improvisirte, hat die er - innerung an einen versuch der Alkmeoniden erhalten, mit gewaffneter hand Attika den tyrannen zu entreiſsen. aber der versuch mislang, da das volk sich nicht erhob. für eine adelsfaction erwärmten sich nur ihresgleichen, und wie man damals über die Alkmeoniden dachte, lehrt eben das lied:
So lange sie ihre popularität behielt, war die tyrannis sicher, dieSturz der tyrannis. ja alles andere als eine gewaltherrschaft war. sie verscherzte sie durch eine an sich gleichgiltige reiberei, die der bastardbruder der tyrannen mit ein par adlichen aus Aphidna angefangen hatte. Harmodios und Aristogeiton waren Diakrier wie die herrscher und verkehrten mit ihnen: demokratische ideale lagen ihnen sehr fern. aber als sie beleidigt waren, zettelten sie eine verschwörung an, die zwar den tod der herrscher und die revolution plante, aber schwerlich zu gunsten der demokratie. sie kostete, obwol sie mislang, dem beliebten Hipparchos das leben und ver - bitterte den Hippias, der sein leben bedroht sah und zu scharfen maſs - regeln schritt. das wandte die bevölkerung von ihm ab, vollends als er5)der vater des feldherrn von Pallene Leogoras steht als schatzmeister Athenas CIA IV p. 199: er hat die an sich lächerliche behauptung ad absurdum geführt, daſs das geschlecht erst durch seinen letzten sproſs, der es vielmehr in schande brachte, no - bilitirt wäre. der töpfer Andokides ist natürlich ein client des vornehmen hauses. sonst kenne ich den namen nur aus Thessalien Bull. Corr. Hell. XIV 243.76II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.miene machte, sich auſserhalb der stadt in Munichia ein schloſs zu bauen. immerhin erwehrte er sich ohne mühe einer peloponnesischen expedition, die ihn zu stürzen kam, und wenn er nicht selbst die sache verloren gegeben hätte und sich lieber auf seine sichere herrschaft Sigeion zu - rückziehen mochte, würde er wol auch der zweiten invasion lange haben widerstehn können.
Kleisthenes.Es war die energie und rücksichtslosigkeit des Kleisthenes gewesen, die die autorität Delphis und die waffen Spartas gegen Hippias aufge - boten hatte. den gott hatte er durch eine geschickte finanzoperation auf seine seite gebracht. daſs er Sparta den eintritt in dessen bund versprochen hatte und gewähren muſste, wenn der Peloponnes ihm helfen und ihn halten sollte, ist selbstverständlich. es scheint aber durchaus nicht, daſs die Athener mit Kleisthenes stark sympathisirten. die wirren nach dem abzuge des Hippias, der friedlich von statten gieng, endeten nach jahresfrist damit, daſs ein mann der reactionären adelspartei zum archon gewählt ward6)Isagoras hatte unter Hippias in Athen gelebt, und schon weil er gegen Kleisthenes war, muſsten die anhänger der Peisistratiden zu ihm stehn. es ist also begreiflich, daſs er von Aristoteles ein freund der tyrannen genannt wird (20 1). aber eine besondere überlieferung wird das nicht sein: die parteigegensätze, die Herodot gab, führten von selbst auf diesen schluſs. sein geschlecht ist unbekannt; da sein familiencult der Ζεὺς Κάϱιος war, der boeotisch ist, möchte man an dia - krische heimat denken; am liebsten möchte ich ihn den tyrannenmördern verwandt glauben. sein vater hieſs Τείσανδϱος, ein vornehmer aber viel verbreiteter name; einen aus Aphidna nennt Platon Gorg. 487c. von den parteigängern der tyrannen kennen wir den Rhamnusier Antiphon, des redners groſsvater, auch einen Diakrier (Antiph. fgm. 1)., der ein regiment ganz in Spartas sinne einzu - richten sich anschickte, die Alkmeoniden wieder vertrieb, und eine groſse masse von familien, die unter den tyrannen zum bürgerrechte gelangt waren, in den metökenstand zurückstieſs. Kleomenes von Sparta kam seinem freunde Isagoras zu hülfe: Sparta schien gewonnen spiel zu haben. jetzt erst erhob sich das volk, denn jetzt erst handelte es sich um mehr als den hader der geschlechter. alles gute was Solon und Peisistratos gebracht hatten stand auf dem spiele. da rief der rat der 400 die bauern und die handwerker auf, die schmierigen Peloponnesier aus der burg der Jungfrau hinauszuwerfen7)Wundervoll gibt Aristophanes die stimmung wieder, Lysistr. 275, unbeschadet seiner eignen tendenz, die auf versöhnung mit Sparta hinarbeitet. man denke sich die hemdlosen zottelbärte Spartas zwischen den geschniegelten Ioniern: die farbe hat nicht der dichter ein jahrhundert später erst aufgetragen. und nun tat Kleisthenes77Kleisthenes. Athen nach 507.den entscheidenden schritt und erhob die fahne der demokratie. 8)Die zeitrechnung und die verknüpfung der ereignisse gestatten beide nicht, Kleisthenes vor dem jahre des Isagoras die demokratische phylenreform durchführen zu lassen, vielmehr ist er zunächst bei dem versuche unterlegen, wie die wahl des Isagoras beweist. Herodots darstellung ist, wie immer, läſslich im chronologischen detail und ohne würdigung des politischen zusammenhanges. bei Aristoteles steht es richtig; man müſste es aber auch ohne ihn finden.Kleo - menes muſste die burg räumen; Isagoras ward vertrieben: der adel hielt sich noch eine weile in Eleusis, das Kleomenes auf dem rückmarsch besetzt hatte. aber das volk war unwiderstehlich. Athen ward frei, die geschlechterphylen fielen und mit hilfe Apollons, dessen er sicher war, begründete Kleisthenes das staatswesen, das für alle zukunft mit dem begriffe Athens verwachsen sollte. dieser aristokrat erst ist der vater der demokratie.
Frei war Athen; aber seine lage kann wol die vergleichung mitAthen nach 507. der Tiberstadt herausfordern, die ziemlich zur gleichen zeit ihre etrus - kischen herren verjagte, aber damit zunächst auch ihre politische stellung verlor. die auswärtigen besitzungen waren in den händen von Philaiden und Peisistratiden. die nachbarn aber, jeder alten rücksicht quitt, fielen über Attika her, Theben und Chalkis von der einen seite, Aigina von der andern, und Sparta führte die Peloponnesier in die eleusinische ebene, deren hauptstadt vielleicht noch in den händen der adlichen emi - granten war. es war nur die hälfte der gefahr abgewendet, als dieses heer ohne geschlagen zu haben wieder abzog: in der damaligen hellenischen schätzung muſsten Theben und Chalkis einzeln den Athenern weit über - legen dastehn. aber diese bewährten sich als der freiheit würdig. sie zogen gegen die Boeoter und Chalkidier zu feld, schlugen sie am Euripos und erwarben sich mit Oropos und Chalkis selbst einen ersatz für die verlornen gebiete in der ferne. Aiginas konnte man sich freilich nicht erwehren, so lange man keine flotte hatte. doch vergieng den nachbarn zunächst die lust mit Athen anzubinden; Sparta verfiel sogar darauf, nun die tyrannen zurück zu führen, was an dem widerspruche Korinths gescheitert sein soll.9)Herod. 5, 72. 73. 90. Krateros im schol. Ar. Lysistr. 273. die vertreibung des Kleomenes von der burg, die in das jahr des Isagoras notwendig fällt, wird man 507 ansetzen: denn erst muſs Isagoras eine weile geherrscht haben. dann fällt in das nächste frühjahr der zug der Peloponnesier in die eleusinische ebene, der resultatlos verläuft, also 506, in denselben sommer die schlacht am Euripos. im nächsten frühjahr setzt Sparta überhaupt keinen zug gegen Athen mehr durch; das ist also 505. drei frühjahrsfeldzüge der Spartaner, das paſst zu ihrer bekannten die Korinther hatten allen grund trotz der alten freundschaft78II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im interesse ihres see - handels zu begrüſsen und gönnten den Aegineten den hader mit Athen, das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten. es kann keinem zweifel unterliegen, daſs Athen aus dieser neuen und viel schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, daſs es in den peloponnesischen bund eintrat.10)Ich habe das früher aus den tatsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis mehr. Thukydides läſst den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) ἡμεῖς … Πελο - ποννησίοις … ἐσκεψάμεϑα ὅτῳ τϱόπῳ ἥκιστα ὑπακουσόμεϑα. καὶ μετὰ τὰ Μη - δικὰ ναῦς κτησάμενοι τῆς μὲν Λακεδαιμονίων ἀϱχῆς καὶ ἡγεμονίας ἀπηλλάγημεν, und er setzt dies verhältnis dem gleich, in das die Ionier zu Athen traten. bei - läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139: deshalb ist dieser zum sprecher in Sicilien ausersehn. übrigens ist er von Anti - sthenes (Athen 220d) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt. erst so wird verständlich, daſs die ge - schädigten nachbarn ihm ruhe lieſsen. wie viele jahre diese consolidirung der neuen demokratie nach auſsen gedauert hat, ist unbekannt. für die innere ist das jahr des Hermokreon (wahrscheinlich 501 / 0) der abschluſs, in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifel die aus - drückliche verpflichtung auf die demokratie und die verfluchung der tyrannis, wahrscheinlich[auch] des anschlusses an Persien enthielt. gleich - zeitig beschloſs man auch in dem collegium der strategen die volksver - tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heiſst das, daſs die bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des volkes erst jetzt eingeführt ward. es war das eine sehr bedeutende stärkung der demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr, wie sie in richtiger wiedergabe der alten zeit Euripides einführt, son - dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat - terem abglanze in den leichenreden: aber schon unsere berichte über die schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos der atthidograph hat die besonderen verdienste der Aiantis bei Marathon und Plataiai so stark hervorgehoben, daſs man annehmen muſs, er hat9)kriegführung. daran schlieſst Herodot die übersiedelung des Hippias nach Sigeion und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählung von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502 / 1 war.79Athen nach 507. verwickelung mit Persien.in ihr gedient. geschätzt hat man diese empfindungen schon früher richtig; das aber haben wir erst durch Aristoteles erfahren, daſs die schönen siege über die Boeoter und Chalkidier noch von den alten, uns unbekannten, heerverbänden geschlagen sind.
Die demokratie hat vielleicht schon 501 sich verschworen, mit denVerwicke - lung mit Persien. Persern keinen vertrag zu schlieſsen, und es mag sein, daſs sie durch das ansinnen, das ihr von jener seite gestellt war, den Hippias wieder aufzunehmen, gereizt war. man vergaſs es gern, daſs man im drange der not von 507 selbst zuerst dort hilfe gesucht und die gesandten sogar die unterwerfung Athens angeboten hatten. jenes vorgehn war ganz begreiflich gewesen, als Athen von allen seiten bedrängt, von Sparta sogar mit der rückführung des Hippias bedroht war. eben so begreif - lich war es, daſs man die gesandten desavouirte, sobald man zu Sparta wieder leidlich stand. die politik des staates Athen hatte eben binnen wenig jahren eine volle axendrehung gemacht. erst mit Sparta und den Alkmeoniden gegen Hippias, dann mit Sparta gegen die Alkmeoniden, dann mit den Alkmeoniden gegen Sparta und Hippias. jetzt war man wieder auf dem standpunkte von 510, Hippias aber hatte seinen rück - halt an seinem lehnsherrn dem Perserkönig. das wies den Athenern für ihr verhalten gegen Persien die wege. es kam hinzu, und das war ungleich wirksamer, daſs die demokratie sich gegen den beschützer aller zwingherren, das hohe nationalgefühl der ältesten Ionierstadt sich den bedrückten stammesgenossen drüben zuwandte. und Persien drohte wirklich, das begriff man im nördlichen Hellas eher als im Peloponnes, wo Sparta und Argos ihre alten händel ausfochten, ohne viel in die ferne zu sehen. die parteien begannen sich zu scheiden. wenn Euboia und Athen durch die sympathie und auch durch ihr handelsinteresse zu den städten Thrakiens und Asiens gewiesen waren, so muſsten Thessaler und Boeoter mit den Persern gehn, und dann wieder die Phoker auf die seite, wo die bedrücker nicht waren, zwischen denen eingeklemmt sie kaum leben konnten.
Erst könig Dareios hat die Perserherrschaft den Hellenen drückend gemacht, weil er ihnen mit kraftvoller machtentfaltung eine wirkliche Reichsgewalt vor augen stellte. und bald gieng er planmäſsig zu der unterwerfung Europas vor. der zug gegen die Skythen mislang zwar, aber das machte nicht viel aus; Aischylos hat ihn ganz und gar ver - gessen können. um 515 dachte man noch wenig an Persien, und was die ionischen stadtherren an der brücke geredet haben mochten, kam nicht ins publicum, das in der tat auch nicht viel interesse daran hatte, ob dieser80II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.oder jener tyrann aufstieg oder fiel. aber das gieng alle an, daſs die Hellespontische gegend ganz und gar persisch ward, eine insel nach der anderen unterworfen ward, feste zwingburgen in der satrapie Thrakien sich erhoben, am Strymon, wo die Hellenen nie vermocht hatten, handels - städte zu gründen. die erzeugnisse des Pontos erhielt Hellas fortan nur durch die gnade der Perser11)Die anekdote (Herod. 7, 147) spricht das gut so aus, daſs sie Xerxes die getreideschiffe den Hellespont passiren läſst, weil sie in ‘seine provinz’ Hellas führen.: zumal Athen muſste diese veränderte sach - lage bitter empfinden. der Philaide Miltiades war vasall des groſsherrn so gut wie Hippias. diese tyrannen empfanden das straffere regiment des Dareios am peinlichsten, die tributzahlung auf grund einer landvermes - sung durch königliche beamte, die ständige controlle durch die satrapen, die nicht selten einzelne personen scharf treffende königliche allgewalt. so machten sie den versuch, sich des steigenden nationalen bewuſstseins zu bedienen, das sie selbst nur heuchelten, und Aristagoras von Milet kam selbst nach Europa um hilfe. Sparta, der vorort des bundes, wies ihn ab. es verdient weder lob noch tadel, noch soll man nach andern motiven suchen: Asien lag ganz auſserhalb seines gesichtskreises12)Vollends eine unmöglichkeit ist, daſs die Skythen sich um seine beihilfe bemüht haben sollen, Herod. 6, 84. die entstehung dieser fabel hat Nöldeke richtig beurteilt (Gesch. Irans 36). sie richtet sich schon dadurch, daſs sie in der erzählung des Skythenkrieges selbst nicht berücksichtigt wird.: das hat es noch nach Salamis bewiesen. aber die ionischen städte, Athen und Eretria13)Eretria hat mindestens einen teil von Euboia beherrscht. die Perser nehmen ja auch 490 zunächst Karystos, das durch den fall Eretrias frei wird und sich gegen das attische Reich sträubt. aber auch die nächstliegenden Kykladen werden unter Eretrias hoheit gestanden haben; Simonides hat zuerst für Eretrier gedichtet. daſs es mit Athen gegen Chalkis gestanden hat und einen teil von der beute erhalten, ist eine ganz sichere folgerung., lieſsen sich verführen, und eine kleine schar ihrer bürger beteiligte sich an der verbrennung von Sardes (wahrscheinlich 499). nach der niederlage bei Ephesos gab Athen die sache Ioniens verloren und glaubte wol, daſs das unüberlegte vorgehen keine folgen haben würde. die einsichtigen aber wuſsten nun, daſs die existenz des staates auf des messers schneide stand.
Die demokratische zeit leitet sich in der besten und vornehmsten weise damit ein, daſs die personen der führer hinter dem volke ver - schwinden. die ersten glänzenden siege sind an keines feldherrn namen geknüpft; von leitenden staatsmännern hört man nichts. für die ein - sicht in die zeitgeschichte ist das bedauerlich, denn so wenig wie auch81Verwickelung mit Persien.die demokratie der führer entraten kann, so wenig verschwand die macht der geschlechter damit, daſs sie im aufbau des staates durch die gemeinde ersetzt wurden. und ein staat mag in ein par jahren die verschiedenste politische richtung versuchen: der einzelne wechselt nicht so rasch seine stimmung und seine ansicht. Kleisthenes zumal muſste immer ein todfeind Spartas bleiben, seit dieses darüber aufgeklärt war, von ihm glänzend dupirt zu sein. es hat das, wenigstens im hasse con - sequent, den Alkmeoniden nie vergessen. er wird auch die annäherung an Persien, deren man sich nachher so sehr schämte, zu verantworten haben. was weiter aus ihm geworden ist, ist gänzlich unbekannt. die führung des geschlechtes gieng vielleicht zunächst auf seinen bruder Hippokrates über, der geboren sein muſs, als der ältere Megakles mit Peisistratos freundliche beziehungen suchte, denn er ist nach dem vater des Peisistratos benannt. als er auch starb, übernahm sein junger sohn Megakles die führung der partei, und dieser trat den alten freun - den des Hippias wirklich nahe. das war begreiflich. oligarchische ten - denzen hatten beide parteien nicht, und das gefühl, hoch über dem demos zu stehn, obwol sie ihn beschützten, hatten sie beide. und wenn die tyrannenfreunde vielleicht am ehesten mit Persien sympathi - sirten, so gieng das mit der alkmeonidischen verfeindung mit Sparta gut zusammen. wenn wir die archontenliste wenigstens noch vollstän - dig besäſsen, so lieſse sich hoffen, aus den namen etwas zu lernen. denn seit dem sturze der tyrannen waren die wahlen directe, und noch immer galt der beamte, der das jahr benannte, für den einfluſsreichsten. Isagoras hat seine revolution als archon gemacht; daſs sich Kleisthenes an seinen platz gestellt hat, ist eine kaum abweisbare vermutung, und das nächste jahr scheint einem Alkmeon zu gehören, dem vater jenes Leobotes, der den Themistokles beim Areopage denunzirt hat. aber dann fehlen viele namen und die bekannten sind für uns leer.14)504 / 3 Ἀκεστοϱίδης. der name kehrt 474 / 3 wieder. das war also ein vor - nehmes haus damals. der name Ἀκέστωϱ steht in dem pherekydeischen stemma der Philaiden; zu Aristophanes zeit heiſst ein tragiker so, der in vornehmen clubs ver - kehrt, aber für einen Skythen gilt (Wesp. 1221 mit schol.). es ist ein name von zweifelhafter vornehmheit, denn er bedeutet ‘flickschneider’; aber die gentilicische endung macht ihn vornehm. 501 / 0 Ἑϱμοκϱέων klingt sehr ionisch. 500 / 499 ἐπ̕ ἀϱχόντος Μύϱου oder Σμύϱου ist corrupt (Dionys 5, 50. ἀπολογία ὑπὲϱ Μύϱϱου ist titel einer antiphontischen rede, aber auch diese form ist seltsam). vielleicht gehört in diese zeit der erste Phainippos, denn der archon der Marathonschlacht führt das distinctiv τὸ δεύτεϱον. der name erinnert an den vater des daduchen Kallias (Herod. 6, 121). ferner Lakrateides (schol. Ar. Ach. 220), aus dem geschlechte der auch denv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 682II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.führer der asiatischen expedition Melanthios kennen wir nicht weiter.15)Man denkt an den atthidographen (vgl. oben I 8), und den tragiker, aber es ist überhaupt ein gut attischer name und sicher ein alter, denn es ist ein ad - jektiv, von Μέλανϑος gebildet wie Διονύσιος Ἀπολλώνιος Δίος Δημήτϱιος von den götternamen. Μέλανϑος aber ist der vater des Kodros in der attische legende, in wahrheit der Dionysos von Melainai. erst 496 wird es licht. da wählte das volk den Hipparchos zum archon und sprach damit entschieden aus, daſs es mit dem ionischen aufstande nichts zu thun haben wollte, der von Aristagoras verloren gegeben war, aber von den städten, namentlich Byzantion, Chios, Miletos, um so energischer geführt ward. die stimmung des volkes schlug erst um, als Milet gefallen und zerstört war. im frühjahr 493 war die regierung (der rat) freilich noch stark genug, den tragiker Phrynichos in geld - buſse zu nehmen, weil er mit seiner kunst für das gefallene Milet ge - wirkt hatte.16)Vgl. über die juristische und politische berechtigung dieser maſsregel Herakl. I 91. als aber der tyrann Miltiades um aufnahme in seinen alten bürgerverband nachsuchte, ward ihm das trotz lebhaften wider - spruchs bewilligt, und zum archon ward Themistokles aus Phrear ge - wählt, der mann der action.
Miltiades.Miltiades hatte die thrakischen inseln verloren, aber im Chersones sich behauptet, wenn auch mühsam17)495 hatte ihn eine invasion der Skythen auf kurze zeit vertrieben. Herod. 6, 40. die faselei des Nepos 3 kann nichts gegen Herodot ausmachen., und an dem aufstande kaum anteil genommen. dennoch wuſste er, daſs die Perser mit den compromittirten stadtherren aufräumten, und zog es vor, seine ungeheuren schätze18)Sie ertrugen ohne sich zu erschöpfen eine geldstrafe von 50 talenten, Herod. 6, 136. [Demosth.] 26, 6. auch hier darf die spätere fabel nicht beirren. das eingreifen des reichen Kallias ist in dieser geschichte eben so fabelhaft wie in der des Aristeides; erfunden hat es vermutlich der Sokratiker Aischines. Ephoros hat den Kimon das geld durch eine andere heirat gewinnen lassen, ἐκτῖσαι αὐτὸν τὰ ν΄ τάλαντα γήμαντα ἐπίκληϱον πλουσίου βίου habe ich in der einleitung zum Kimon des Aristides für γ. γυναῖκα πλουσίαν aus einer römischen handschrift notirt. die worte befriedigen noch nicht; die geschichte ist zweifelhaft, obwol weder die ehen noch die descendenz Kimons meines erachtens zuverlässig bekannt sind. in sicherheit zu bringen, gewillt, wenn die Perser ihn verfolgten, in Athen widerstand zu leisten. auch in Athen konnte man sich nicht verhehlen, daſs seine aufnahme consequenzen hatte. aber der reiche tatkräftige14)Eumolpiden (Isaios 7, 9, wo trotz der rasur der handschrift die falsche form Λακϱα - τίδης edirt wird, Ἐφ. ἀϱχ., 86 πίν. 3. beiläufig: das geschlecht bewahrt also eine vorattische namenform, wie Λάμαχος und Λαχάϱης). endlich Κέβϱις, unter dem der Ἑϱμῆς ἀγοϱαῖος geweiht ward (vgl. Herm. 21, 600).83Miltiades. Themistokles.mann imponirte dem volke, mit der partei der alten tyrannenfreunde verbanden ihn die traditionen seines hauses, der actionspartei war der Perserfeind lieb. so trat er in den bürgerverband ein, in den demos der Lakiaden, in dessen gemarkung sein vorstädtisches gut gelegen haben wird: bezeichnend, daſs man ihn dem diakrischen demos, der nach dem Philaidengeschlechte hieſs, nicht zuschreiben mochte. die furcht vor dem tyrannen war gewiſs nicht unberechtigt; aber daſs Miltiades die führung der antidemokratischen partei sofort übernommen hätte, ist gewiſs nichts als schematische geschichtsconstruction.
Der neue archon Themistokles hatte nur sein politisches genieThemi - stokles. einzusetzen, aber das war der höchste einsatz. gewiſs hatte er die forderung längst aufgestellt und wuſsten seine wähler, was seine wahl bedeutete: die gründung einer flotte und eines hafens. als archon hat er den hafen gebaut, der als kriegshafen von vorn herein ge - gedacht war, also die gründung der flotte prinzipiell einschloſs. in der tat war Athen von der seeseite ganz offen: mit dem täglichen seewinde konnten die Aegineten in ein par stunden auf der rhede von Phaleron sein; man hatte es noch jüngst erfahren. und da die stadt Athen längst den alten mauerring gesprengt hatte, auch die befestigungen der burg nach 507 nicht wieder hergestellt waren19)480 muſsten die verteidiger sich mit türflügeln und balken die berufene hölzerne mauer herstellen (Herod. 8, 51): also war die steinerne nicht im stande., so muſste viel geschehen. Themistokles fieng mit dem hafen an. die schiffe gehörten dazu, denn die sollstärke der kriegsmarine belief sich nur auf die alten 50 offenen kähne, von einer construction, die schon in gebrauch war, als Theseus nach Delos segelte oder, wie wir moderner sagen können, als man die Dipylonvasen bemalte. die seestaaten waren aber längst zum bau von trieren fortgeschritten oder hatten doch wenigstens gedeckte schiffe, auf denen schützen und lanzenkämpfer über den köpfen der ruderer fechten konnten. diese galeeren verlangten eine groſse zahl von menschen, ihr bau also eine sehr bedeutende steigerung der wehrpflicht und damit eine ungeahnte belastung der finanzen. und wenn die menschen auch überreichlich zur verfügung standen, weil ja die hopliten nur aus den drei oberen steuerclassen genommen wurden, so bedingte die einstellung der theten auf der flotte doch zweierlei: eine belastung der besitzen - den; denn man darf annehmen, daſs die trierarchie als öffentliche last mit dem trierenbau von vorn herein verbunden war; und eine steige - rung des selbstgefühles, also auch der politischen aspirationen der theten. 6*84II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.in der volksversammlung hatten diese das stimmrecht; bei den wahlen wirkten sie mit: sobald sie sich zu gemeinsamen wollen vereinten, konnten sie hier ihren willen durchsetzen, wurden dann aber auch ihrer macht sich bewuſst. so ward der staat durch die sorge für seine existenz gezwungen, sich dem meere zuzuwenden. damit war die demokratie notwendig verbunden. sie allein konnte Athen retten und hat es ge - rettet, aber die rücksichten auf die staatsfinanzen und auf die forde - rungen der unbemittelten bürger muſste sie früher oder später auf die bahn einer expansiven politik treiben. denn so lagen die verhältnisse immer noch, daſs das ideal, dem der unbemittelte zustrebte, ein eigner bauernhof war. wie der demos sofort, als er Chalkis besetzte, 4000 land - lose gemacht hat, so ist schon 476 die colonisation der Strymontales ver - sucht worden. es gehörte keine sehergabe dazu, diese consequenzen der maritimen politik Athens zu ziehen; aber gerade darum scheuten sich viele davor, und dem klar erkannten ziele festen schrittes zuzustreben ist kein kleiner ruhm. der moderne betrachter muſs in Themistokles den fortsetzer des kleisthenischen werkes bewundern und wird ihm den nächsten platz unter den attischen staatsmännern zugestehn, den er in der schätzung seines volkes durch habsucht, eigenliebe und verrat ver - scherzt hat. daſs er seine pläne nicht ohne heftige parteikämpfe durch - gesetzt hat, sagt uns mehr die natur der sache und die langsamkeit des fortschritts als die überlieferung. aus seinem amtsjahre wissen wir nichts als den hafenbau. Miltiades, der sein gegner genannt wird, war es hierin schwerlich20)Das erzählt Stesimbrotos (Plut. Th. 4), weiter nichts. denn Plutarch fügt diesen wie den Platon aus eigner lecture in eine eigne betrachtung über den nutzen oder schaden der flottengründung. diese aber ist, wie das detail lehrt, die von 483, kann also mit Miltiades nichts zu tun haben. daſs Stesimbrotos den πϱοστάτης τῶν γνωϱίμων dem πϱοστάτης τοῦ δήμου in diesem cardinalen punkte widerstreben läſst, ist natürlich, und Marathon war ja auch eine landschlacht. aber die πϱο - στασία τῶν γνωϱίμων ist von Kimon auf seinen vater übertragen, der kaum drei jahre in Athen gelebt hat.: denn ohne flotte war ein widerstand gegen Persien undenkbar.
Die schlacht bei Mara - thon.Im sommer 490 kam der Perser. Miltiades, den man wol in der vor - aussicht zum strategen für die Oineis gewählt hatte21)Daſs Aristeides und Themistokles strategen ihrer phylen Antiochis und Leontis gewesen wären, wie die spätere überlieferung behauptet, ist unverbürgt, glaubhafter noch von dem ersteren. die jugendgeschichte von beiden ist völlig wertlos., erzwang den aus - marsch und erzwang die schlacht, als offensivschlacht, weil die Perser den85Die schlacht bei Marathon.angriff auf die in den defilées vorteilhaft postirten Athener nicht wagten. es ist der unverstand und die misgunst allein, die diesem tage abstrei - ten, daſs das schlichte vertrauen auf gott und die eigene tüchtigkeit wider alle voraussicht menschlicher kleingläubigkeit den tapfern den sieg gegeben hat.22)ηὕϱισκον καταφυγὴν αὑτοῖς εἰς αὑτοὺς μόνους εἶναι καὶ τοὺς ϑεούς sagt Platon Ges. 699b von den Athenern von 480. zehn jahre früher paſst es noch besser. das ist die hauptsache; ob die feinde alle in schlachtreihe standen, wo die (fabelhafte) reiterei blieb, ob die Athener im sturmschritt oder im laufschritt vorgiengen23)Der fabelhafte lauf sollte niemanden quälen: Artemis hat ihnen die kraft zu den βοηδϱόμια gegeben und erhält zum danke das ziegenopfer, vermutlich auch einen festlichen δϱόμος in waffen. vgl. I 7, anm. 132., und wann das signal “marsch! marsch!” gegeben ward, das sind schlieſslich bagatellen. die Perser fuhren ab, geschlagen, aber natürlich materiell im stande an einem andern punkte Attikas mit überlegnen streitkräften zu landen. aber es ist mit dem moralischen eindruck etwas eigentümliches. sie versprürten nach dieser erfahrung keine lust, wieder gegen Athener zu fechten, noch 479 war es so. die Athener aber konnten die tragweite ihres erfolges so bald nicht ermessen. als das lakonische heer, das aus jener bequemen religiosität, die immer einen starken beigeschmack von furcht und von bösem willen hat, zu spät eintraf und sich die ge - fürchteten herren Asiens in pumphosen mit krummen säbeln und silbernen feldbetten betrachtete, da entschuldigten sich die attischen bürgertruppen bei den hochedlen Spartiaten, die nach dem glauben der zeit den waffen - ruhm allein ächt und unverfälscht zu führen berechtigt waren, beinahe wie klein Roland “ach edler vater, zürnt mir nicht, daſs ich erschlug den groben wicht, dieweil ihr eben schliefet. ” 479 aber meinten dieselben Spartaner “kämpft ihr lieber mit den Persern; ihr kennt sie ja. ” vor den Persern hatte man verlernt sich zu fürchten, aber vor verrat fürch - tete man sich vielleicht schon auf dem schlachtfelde24)Die famose geschichte, daſs ein schild von verrätern aufgesteckt wäre, um die abfahrenden Perser nach der wehrlosen stadt zu locken (Herod. VI 115, 127), richtet sich selbst. welche verabredung sollte denn vorhergegangen sein, welche voraussetzungen gemacht, daſs die schilderhebung den Persern verständlich geworden wäre? und wohin ist der verräter geklettert? etwa auf den Brilettos? die Perser fuhren nach süden ab, die stadt war wehrlos: da war der rückmarsch für die sieger ein gebot der klugheit und der not. es war ein hartes gebot, und es ist ein schönes zeichen für die disciplin, daſs es erfüllt ward. wenn sich dann die sorge um die heimat und der unwillen über den gewaltmarsch (einerlei, wie lange er dauerte) und die wut wider die verräter, deren treiben sie fürchteten, zu dem glauben verdichtet hat, den Persern hätte ein abscheulicher mensch die fahrt eingegeben, und der oder, und schwerlich86II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.ohne grund; war doch eben Eretria durch verrat gefallen. da der kampf mit Marathon unmöglich zu ende sein konnte, war allerdings eine consequentere politik notwendig, als man sie 499 — 94 getrieben hatte.Die besei - tigung der groſsen adels - häuser. in der ersten freude war Miltiades herr der lage und er nutzte sie in tyrannenart aus. sich selbst lieſs er eine flotte mitgeben; was er mit ihr machte, war seine sache. das ist der weg zur tyrannis, man kann’s nicht anders nennen. sein zug gegen Paros, an sich wider das interesse Athens, scheiterte; geschlagen und schwer verwundet kehrte er heim. aber die Athener waren keine thrakischen Dolonker, die ihren herrn freudig wieder aufgenommen hatten, als er von der flucht zurück - kehrte. Xanthippos, Ariphrons sohn, aus einem vornehmen paralischen geschlechte25)Der name Ἀϱίφϱων war den Athenern unverständlich; die ostraka haben Ἀϱϱίφϱων (wie der Athener für Ἀϱσίφϱων ὡς Ἀϱσίνοος Ἀϱσίππη gesprochen hat). in der tat ist diese vorsylbe nicht mehr attisch. es ist also einer der altererbten namen. er steht auch unter den ältesten archonten oder königen. Perikles nannte seinen zweiten sohn Paralos, daher habe ich seine heimat immer in der Paralia gesucht; Παϱάλιος erscheint wirklich als name eines Anagyrasiers CIA II 660. sicherlich mit unrecht hat Töpffer das geschlecht in den Buzygen gesucht, was städtischen adel ergeben würde. sein einziger beweis ist schol. Aristid. pro IV viris 472, 73 Ddf. der scholiast aber hat einen offenbaren irrtum begangen, da er den vers des Eupolis ὁ Βουζύγης ἄϱιστος ἁλιτήϱιος auf Perikles deutet, während er den Buzygen Demo - stratos angeht. der vers ist zudem eine antwort auf eine frage des Perikles, für die eine bezeichnung herzlich schlecht passen würde, die auf Perikles selbst zuträfe., der schwager des Megakles, belangte ihn vor dem volke als ἐξαπατήσας τὸν δῆμον in der nächsten regelmäſsigen versamm - lung. das volk war so erbittert, daſs es wie später an den feldherren im Arginusenprocesse selbst richter spielte, und nur das eingreifen des vorsitzenden bewahrte ihn vor der hinrichtung. die buſse von 50 ta - lenten konnte das vermögen des tyrannen tragen; sein sohn ist ein reicher mann geblieben. Miltiades selbst starb an der wunde.26)Wir sind gehalten, nur auf Herodot und Platon zu hören. datirt wird der tod des Miltiades auf zwei jahre nach der schlacht in der einleitung der rede des Aristides auf ihn. das ist trug, gemacht um des schuldgefängnisses willen. zum24)der hätte da oder da einen erhobnen schild gesehn, gewiſs hätte das was zu be - deuten, u. s. w., so ist das ganz der situation gemäſs. natürlich haben sie auch gleich bestimmte personen bezichtigt, lediglich weil sie auf diese verdacht hatten. aber damit ist die geschichte zu ende. eine sehr verkehrte kritik, aber ganz in seinem sinne, ist die des Herodotos, der das factum zugibt und die Alkmeoniden von der schande reinwäscht, lediglich auf die probabilität hin, daſs die befreier un - möglich mit den tyrannen conspiriren konnten. jetzt werden wir wol erleben, daſs die Alkmeoniden bezichtigt werden, aber der schild preisgegeben wird: denn wer selbst von Sunion heraufgefahren ist, selbst auf Brilettos und Lykabettos gestanden und die augen aufgemacht hat, muſs diese fabel durchschauen.87Die beseitigung der groſsen adelhäuser. die reform der archontenwahl.archon für 489 / 8 ward Aristeides gewählt, auch er aus städtischem adel27)Das folgt nicht aus dem demos Alopeke, in dem er ja nur 507 gewohnt zu haben braucht, aber wol daraus, daſs er sein landgut und sein familiengrab in Phaleron hatte (Demetrios bei Plut. 1), den namen seines vaters Lysimachos führt ein college des schatzmeisters Andokides um 600 (CIA IV p. 199). daſs Aristeides sich dem Kleisthenes angeschlossen hätte, ist erstens ein zug der jugendgeschichte, die bei diesen männern allen nichts anderes als freie fiction sein kann, zweitens soll er damit im gegensatze zu Themistokles als conservativer staatsmann bezeichnet werden, wie diese grundfalsche charakteristik in alter und neuer zeit mode ist. in wahrheit ist er πϱοστάτης τοῦ δήμου, das zeigt seine politik., ein entschiedener demokrat, der mit Philaiden und Alkmeoniden gleich wenig zu tun hatte. welche stellung er sonst in dieser zeit einnahm, ist nicht ersichtlich. es müssen aber jahre lebhaftester er - regung gewesen sein, denn das volk griff zu der äuſsersten waffe, zum scherbengericht, um einen festen curs zu bekommen. es war noch Kleisthenes gewesen, der diese institution geschaffen hatte, die er ohne zweifel fremdem vorbild, vielleicht den Argivern, entnahm, und die solche wirren, wie sie 510 — 507 Athen fast um seine existenz gebracht hatten, beseitigen sollte.28)Daſs Kleisthenes den ostrakismos mit einer spitze gegen die Peisistratiden und speciell gegen Hipparchos eingeführt hätte, wie Aristoteles erzählt (22, 3), ist falsch geschlossen. weder war diese gefahr 507 dringend, noch hätte Kleisthenes dann sich gescheut, die gefährliche person so oder so anzugreifen. der ostrakismos ist eine rohe aber praktische entscheidung des volkes, ob es eine bestimmte person noch haben will; er entspricht den ‘mistrauensvota’ parlamentarisch regierter länder. deshalb ist immer, wo wir es controlliren können, einer da, für den der ostrakismos die unbestrittene macht bedeutet. und die erfahrung mit Isagoras konnte dem Kleisthenes allerdings dieses mittel empfehlen. aber bislang war man so ausgekommen: jetzt bejahte das volk die vorfrage, und gleich mehrere jahre hinter ein - ander. Hipparchos war der erste, der aus dem lande verwiesen wurde, dann ein oder der andere seiner anhänger, dann Megakles, den die chronik zu den tyrannenfreunden rechnet, dann dessen schwager Xan - thippos. so wurden nach einander die alten groſsen geschlechter besei - tigt, Philaiden, Peisistratiden, Alkmeoniden. die welche blieben müssen als die treibenden kräfte bei diesem vorgehn angesehn werden, die beiden demokratischen führer, Aristeides und Themistokles. als sie das feld für sich frei hatten, wurden sie natürlich rivalen, und Aristeides muſste weichen.
Aber man stritt nicht nur um personen und dachte nicht nur anDie reform der archon - tenwahl. Dareios. die demokratie machte in demselben jahre, wo der erste ostra - kismos statt fand, einen groſsen schritt vorwärts. der archon und seine88II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.collegen hatten, seit sie durch directe wahl bestellt wurden, eine über - wiegende macht besessen; die wahlen selbst müssen den zwist der parteien alljährlich brennend gemacht haben. nun griff man auf den solonischen wahlmodus zurück, die erlosung aus einer durch wahl festgesetzten can - didatenliste. diese wahl der candidaten ward den gemeinden überwiesen, ähnlich wie es beim rate geschah; man fragt vergeblich, wie denn die 50 candidaten, die auf eine phyle kamen, auf die gemeinden verteilt wurden; vermutlich ist die präsentation durch phylenwahl bald eingetreten, die der später üblichen erlosung von 10 präsentanden in der phyle vorher - gegangen sein muſs. der erfolg der neuerung ist sofort ersichtlich. der einfluſs eines mannes, der sonst das volk bestimmt haben mochte, konnte nun nicht einmal die phyle beherrschen. das amt, das so hoch gehalten worden war, behielt den nimbus der höchsten stellung noch lange, hatte damals natürlich noch viele wichtige geschäfte, vor allem eröffnete es die dauernde teilnahme an der regierung allein, weil es die stufe zum Areopage war; aber die führenden männer verschwinden mit einem schlage aus der archontenliste, und wenn der polemarch Kalli - machos bei Marathon noch eine wichtige person ist, so hört man schon 480 und 479 nichts mehr von dem polemarchen. der tag der strategenAenderung der stra - tegie. und rhetoren ist angebrochen. die strategen mochten damals noch die führung der zehn regimenter haben, obwol ihre verwendung als flottenführer und als deputirte Athens im Hellenenrate schlecht damit vereinbar ist. dann hat es doch nicht lange gewährt, bis man den fol - genreichen schritt tat, die führung der regimenter der neugeschaffenen charge der taxiarchen zu übertragen, die strategen aber zu den exe - cutivbeamten des volkes zu machen.29)Die reform ist immer noch nach unten nur durch die anführung der taxi - archen bei Aischylos frgm. 186 begrenzt. damit war eine magistratur ge - schaffen, vergleichbar den consuln der römischen republik im zweiten jahrhundert v. Chr., und die vornehmen männer, die sich nicht gern mit den handwerkern in den rat der 500 setzen mochten, fanden eine legitime art dem volke zu dienen und doch ihr standesgefühl zu be - haupten.
483 stand Themistokles ohne rivalen da. er vollendete jetzt seine pläne für die gründung einer flotte; es muſs aber in dem jahrzehnt seit seinem archontenjahre mancher schritt vorwärts getan sein. die notwendigkeit hatte sich auch sehr bitter fühlbar gemacht, in einem un - glücklichen kriege, den Athen mit Aegina geführt hatte. daſs dieser den89Aenderung der strategie. der aeginetische krieg.hauptanlaſs zu der flottengründung gegeben hat, wird allgemein berichtet. wir können den krieg aber nur ungefähr datiren und hören wenig, weil Athen ungern von ihm sprach. 30)Vgl. die beilage ‘der erste krieg mit Aegina’.
Seit Athen an eine seemacht dachte, war ihm die damals als eineDer aegine - tische krieg. hochburg des Dorertums blühende stadt, die dem Pindaros die liebste gewesen ist, ein dorn im auge, und 491 hatte es eine günstige gelegenheit gefunden, Aegina im Hellenenbunde zu discreditiren, weil seine herren, an deren hellenischem patriotismus seit Aiakos und Telamons zeiten kein zweifel war, dem könig Dareios gehuldigt hatten oder gehuldigt haben sollten. die herren hatten auch an ihren handel zu denken, und der Perser war weit; sie mochten die sache als eine leere höflichkeit ansehen, und es war vielleicht nicht mehr. aber der vorwand war vor - züglich, und man meint das diplomatische geschick des Themistokles zu spüren, wenn man hört, wie Sparta auf die attische anzeige hin ein - schreitet und nach einigen weiterungen durchsetzt, daſs eine anzahl der angesehensten Aegineten nach Athen als geiseln für das wolverhalten der stadt, die ja zum peloponnesischen bunde gehörte, ausgeliefert wur - den. Athen behielt dieses wertvolle pfand auch, als Kleomenes starb, und in Sparta der wind umschlug. und es versuchte nun einen ent - scheidenden schlag zu tun. auch in Aegina gab es, wie überall, eine dem herrschenden adel abgeneigte partei, die unter der flagge der de - mokratie zur herrschaft zu kommen strebte. mit dieser knüpfte Athen an; es ward eine combinirte action verabredet, aufstand in der stadt Aegina und landung eines athenischen heeres. Athen verschaffte sich zu dem behufe 20 schiffe von Korinth, da sein bestand für den transport der hopliten nicht reichte. aber der plan mislang, weil der aufstand zu früh losbrach. gleichwol konnten die Aegineten in der verwirrung die landung der Athener nicht hindern, die sich zu der belagerung der stadt von der landseite anschickten. und die sache wäre vielleicht doch noch gelungen, wenn nicht ein freiwilligencorps von Argos gekommen wäre. da die Korinther von dem zuge wuſsten, konnte er auch in Argos leicht bekannt werden, und der todfeind Spartas stand diesmal auch wider Athen. die Argiver schnitten die Athener von ihren schiffen ab; die Aegineten benutzten deren verwirrung zu einem seegefecht. und wenn auch die meisten attischen schiffe heil nach hause kamen, so konnten sich doch von dem heere nur ganz wenige retten. es war ein starker schlag, den man namentlich im ehrgefühle noch lange90II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.nicht verwand. daſs man nun die gefangenen losgeben muſste, zumal die Aegineten schon vorher eine attische festgesandtschaft aufgegriffen hatten, und sich mit den übermütigen nachbarn einigermaſsen vertragen, war nicht zu vermeiden. man dachte aber, aufgeschoben ist nicht auf - gehoben, siedelte die aeginetischen demokraten, so viel ihrer hatten fliehen können, in Sunion an und lieſs sie auf eigene faust ihre lands - leute durch seeraub belästigen. vor allem aber ward man nicht etwa an den demokratischen führern irre, die zweifelsohne die sache ange - stiftet hatten, sondern sah nur ihre alte forderung durch die tat ge - rechtfertigt: Athen muſste eine flotte haben.
Die grün - dung der flotte.Die zeit der niederlage von Aegina begränzt sich von selbst durch 489 und 484; daſs sie 30 jahre vor dem fall Aeginas, 457, stattgefunden hat, ist überliefert und stimmt hierzu, aber die zahl ist rund. da auch die zahl der attischen schiffe, 50, die normale der naukrarien ist, so hilft auch das nicht. doch wird man nicht unter 487 hinabgehen, da man doch für den flottenbau eine längere zeit braucht, und die hef - tigkeit des parteikampfes in Athen sich gut erklärt, wenn die gemüter durch eine solche niederlage erbittert waren. Themistokles hatte eben manchen harten strauſs zu fechten, aber 483 war er herr der situation: daſs er es war, verdankte er nicht zum mindesten der mahnung, welche den Athenern der anblick des Zeusberges von Aegina täglich vor augen hielt.
Es wird in der neunten prytanie, mai 482, gewesen sein, daſs dem staate aus den pachtgeldern einer neu erschlossenen silbermine ein groſses capital zur verfügung stand. da setzte er durch, daſs man dies geld in dem bau von 100 trieren anlegte: sie sind es gewesen, die bei Salamis die freiheit gerettet haben. die chronik, der Aristoteles folgt, hat die merkwürdige, auch von Herodot (7, 144) nicht übergangene tatsache in der form einer anekdote überliefert, von der die geschichte absehen muſs. aber der beschluſs des trierenbaues auf antrag des Themistokles ist ihre notwendige voraussetzung. wir werden allerdings der voraus - sicht und der energie des Themistokles unsere bewunderung nicht ver - sagen: er benutzte die erbitterung Athens gegen Aegina um waffen wider Xerxes zu schmieden, dessen rüstungen 482 längst begonnen hatten. es war die höchste zeit gewesen. 481 schon gruben hunderte an dem Athoscanal, schleppten die lastschiffe den proviant für tausende in die festungen an der thrakischen etappenstraſse. im frühjahr 480 kamen die schiffe und die zimmerleute, um den Hellespont zu über - brücken; der groſskönig an der spitze des ungeheuren heeres durchzog91Die gründung der flotte. die vorherrschaft des Areopages.Asien: unaufhaltsam, unentrinnbar wälzte sich die barbarenmasse gegen das kleine Hellas, und Apollon verkündete den untergang der freiheit.
In der stunde der not (frühsommer 480) riefen die Athener dieThemisto - kles und Aristeides. landesverwiesenen zurück: wer nicht kam, war ein verräter, und dazu ward nun der anhang der Peisistratiden. Aristeides, Xanthippos, Megakles kehrten heim und ordneten sich dem Themistokles unter, der die seele der verteidigung war. seine autorität entschied im kriegsrate des Hellenen - bundes ebenso wie im rate des Areopages, und wo sie es nicht tat, fand er meist mittel und wege, dennoch seinen willen durchzusetzen: er hat sowol den Xerxes wie die Hellenen zur schlacht bei Salamis gezwungen. im herbst 480 konnte er wirklich das gefühl haben, das ihm die anek - dote leiht: “weiſst du, daſs du über die Hellenen herrschest,” sagte er zu seinem buben; “was du willst, tut die mutter, was die mutter will, ich, und was ich will, Hellas. ” aber schon im frühjahre 479 konnte er es nicht mehr sagen. seine rivalen waren wieder da, und seine aller - dings ungeheure eigenwilligkeit und rücksichtslosigkeit muſs das volk kopfscheu gemacht haben. sie wählten Aristeides und Xanthippos zu feldherrn, Myronides und Kimon zu gesandten nach Sparta. Themisto - kles tritt 479 gar nicht auf, und daſs ohne ihn nicht minder glänzende siege gelangen, in Aristeides aber das volk einen führer gewann, der bei den Hellenen allerorten die vollste sympathie erweckte und frei von der αὐϑάδεια des Themistokles war, muſste trotz Salamis diesen noch mehr in den schatten stellen. nur als es gilt, seinen alten plan der hafenbefestigung zu vollenden und die stadt hineinzuziehen, ist er neben Aristeides berater und ausführer; vielleicht reizte ihn noch mehr die aufgabe, die Spartaner, seine wärmsten verehrer, zu dupiren. sonst zehrte er von seinem ruhme und verbrauchte ihn. vielleicht war er gar nicht mehr so gefährlich, wie er sich stellte. aber er spielte min - destens den gefährlichen und den verräter. männer dieses schlages lassen sich nicht kalt stellen. er war allen unheimlich und auf seinen ostrakismos folgte bald die acht.
Die aufgaben der auswärtigen politik, die erfolge, welche bald be -Die vorherr - schaft des Areopages. wirkten, daſs die beziehungen zu den ehemals dem Perser dienenden Hellenen innerpolitische wurden, die einrichtung in dem eigenen neuen hause und in dem weiten reiche, das Aristeides 478 / 7 gegründet hatte, lieſsen dem demos lange zeit keine muſse, über die verfassung nachzu -31)Xanthippos verschwindet mit dem jahre 479; lange hat er wol nicht mehr gelebt. sein sohn leistet mitte der sechziger jahre die choregie, weitere anhalts - punkte fehlen. Megakles führt eine dunkele existenz.92II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.denken. in den kriegen, glücklichen und unglücklichen, waren Kimon und andere wesentlich militärisch begabte oder doch tätige männer, wie Leagros, Leokrates, Myronides, dauernd die führer; in den bundesan - gelegenheiten Aristeides. wir hören von keinerlei parteiungen oder verfassungsänderungen. die leitenden männer gehören meistens den alten familien an, aber die geschlechter - und clientelpolitik ist der ge - meindeordnung fast erlegen. nur die Philaiden mit ihrem reichtum bilden noch eine partei im alten sinne, und der feldherr, der im aus - lande über das geschick von vielen gemeinden und unzähligen indivi - duen verfügen kann, gewinnt dadurch eine neue mächtige position, schlieſst gastverträge, wird proxenos, vemittelt die entsprechenden ehren in Athen, schlieſslich zieht er fremde nicht bloſs als metöken, sondern selbst als bürger in die heimat. 32)Vgl. die Θουκυδίδαι, Κέφαλος Θουϱιεύς. beiläufig, wenn man auf die funde schon einen negativen schluſs bauen kann, so sind bürger abhängiger Reichs - städte zu der würde des πϱόξενος Ἀϑηναίων nicht mehr zugelassen. und das ist in der ordnung, da sie ja ihren gerichtsstand in Athen so wie so haben, und nicht der untertan den vorort beschützen kann. für Lesbos Samos Chios gilt das natür - lich so wenig wie für Thessalien oder Akarnanien.
Die gröſse des horizontes, den jetzt die attische staatsleitung um - spannen muſste, forderte mehr einsicht, als der bauer sich füglich zu - traute. selbst der feldherr, der auf einem punkte drauſsen tätig war, konnte nicht wol mehr als der arm Athens sein. die archonten saſsen nun zwar zu hause, aber sie hatten ihre festen verwaltungsgeschäfte; die groſse politik gieng sie nichts mehr an. das hirn Athens war der Areopag, der zwar nicht die verhandlungen mit den bündnern führte, aber die controlle der beamten hatte, für ihre amtshandlungen be - schwerdeinstanz war, in die meisten gebiete der verwaltung eingriff, kurz “wächter und bewahrer der verfassung” war. aber die qualität dieses hohen rates sank in folge des gesetzes von 486 immer tiefer. damals saſsen alle bedeutenden männer darin, die das vertrauen des volkes einmal zu beamten gewählt hatte; damals entsprach er dem sullanischen senate, oder vielmehr erst ein etwa nur aus den gewesenen curulischen beamten bestehender senat würde ihm entsprechen. das verschob sich notwendiger weise von jahr zu jahr mehr. die namhaften mitglieder wurden überständig oder starben, die neueintretenden hatten weder die fähigkeit noch die autorität, die gegenüber der steigenden schwierigkeit der regierung und der steigenden bedeutung der strategen allein die stellung dieses rates hätte behaupten können. es waren zwar93Die vorherrschaft des Areopages. Ephialtes.leute der beiden obersten steuerclassen, und die erforderlichen sechs ahnen schlossen die gesammten neubürger immer noch aus; aber es lieſs sich doch niemand mehr so leicht zum archon praesentiren, der die strategen oder demagogencarriere einschlagen wollte, kein namhafter mann begegnet in der liste mehr, wol aber die angehörigen der alten adelshäuser; Praxiergos (471 / 70) und Demotion (470 / 69) werden den ge - schlechtern angehören, deren namen sie führen. Konon (462 / 61) ist doch wol der groſsvater des siegers von 394 aus Anaphlystos. Habron (458 / 7) führt den namen von verwandten des Butaden Lykurgos. über andere mag ich nichts vermuten. es war also natürlich und berechtigt, daſs misstände fühlbar wurden, und es so nicht weitergieng: die reform des Areopagitenrates war eine notwendigkeit geworden. auf der andern seite gewann der rat der 500 an selbstgefühl und an bedeutung. mit ihm verhandelten die gesandten der vielen untertänigen städte, er sorgte für die flotte, die dem volke diese macht verschafft hatte, und die einnahmen aus den zöllen giengen durch seine hand. er empfand die concurrenz des in so vielen stücken über oder nebengeordneten rates der Areopagiten als einen unberechtigten druck. die demokratie konnte nicht wol anders als die beseitigung des Areopages anstreben. es ist nicht schwer sich manche modalitäten auszudenken, wie man dies oberhaus hätte erhalten oder erneuern können, was für die stetigkeit und besonnenheit der po - litik dringend erwünscht gewesen wäre. aber das ist spielerei: der weg, der der entwickelung Athens vorgezeichnet war, gieng dahin, den oberen rat durch den unteren zu ersetzen. Athen war eine demokratie: der demos wollte selbst den herren spielen.
Die herrschaft des Areopags, oder vielmehr der gesellschaftskreise, die seit den Perserkriegen die regierung in den händen hatten, war nicht so leicht zu stürzen. sie hatten den erfolg der politik für sich, deren programm, krieg wider die barbaren und einvernehmen mit Sparta, see - herrschaft aber verzicht auf die herrschaft in Hellas, einfach und ver - ständlich war. und sowol die kleinen leute, die er durch seine libera - lität an sich fesselte, wie die alten soldaten, die er stets zum siege ge - führt hatte, hiengen an dem loyalen feldherrn der herrschenden partei, an Kimon. die demokraten eröffneten den kampf durch eine reihe von rechenschaftsprocessen gegen mitglieder des Areopagitenrates, und es wird nicht bestritten, daſs diese des unterschleifes schuldig waren, noch auch daſs ihr ankläger, Ephialtes des Sophonides sohn, ein mann, dessenEphialtes. herkunft und vorleben uns gänzlich unbekannt ist, persönlich flecken - los war. wir empfinden unsere mangelhafte kenntnis des geltenden94II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.rechtes sehr deutlich, denn wir müssen uns eingestehn, daſs weder er - sichtlich ist, wie einzelne Areopagiten staatsgelder zu verwalten hatten, noch bei welcher gelegenheit und in welcher form sie von Ephialtes zur rechenschaft gezogen wurden. wir müssen uns mit der allgemeinen aufsicht des Areopages, wie sie später der rat ausübt, über den schatz und die kolakretencasse begnügen; übrigens konnten die schuldigen Areopagiten selbst noch finanzämter bekleiden, da der eintritt in diesen rat nicht zu andern ämtern disqualificirte. genug, es gelang dem Ephialtes das ansehen des regierenden rates zu erschüttern. dann machte man sich an Kimon, als er wegen seines thasischen krieges rechnung legte. das erneute scheitern der colonisation Thrakiens mag die bürger schwer verstimmt haben, und es mag sein, daſs der sohn einer thraki - schen fürstentochter mit den barbaren des Pangaion zu sanft verfahren war. aber die beschuldigung, daſs er geld genommen hätte, war doch zu absurd bei dem manne, der geld nicht bedurfte und auch in bösen dingen kein Themistokles war. aber vielleicht hatten auch die ankläger seine freisprechung vorausgesehen. jedenfalls erlitten sie dadurch keinen rückschlag, vielmehr gieng unmittelbar darauf das gesetz des Ephialtes durch, das den Areopag prinzipiell aller verwaltungsgeschäfte entkleidete. und in dem processe selbst hatte sich in Perikles nicht ein gehässiger ankläger compromittirt, sondern in durchaus vornehmen formen ein über - legner staatsmann eine neue und klare politik entwickelt. der sohn des Xanthippos und neffe des Megakles war der geborne gegner der Phila - iden: der aber hier auftrat, wollte sein, was seine ahnen aus überzeugung nie gewesen waren, πϱοστάτης τοῦ δήμου. er versprach dem volke der jungen, die den Mederkrieg als etwas vergangenes, das Reich als etwas gegebenes ansahen, ihre politischen forderungen zu erfüllen: ihm gehörte die zukunft. das mochten sich viele sagen. daſs aber der de - mokratie schon im folgenden jahre die gegenwart zufallen würde, ge - schah seltsamer weise eben dadurch, daſs für einen augenblick Kimon das übergewicht erlangte und die hilfe, um die die Spartaner flehentlich baten, nach Ithome führen durfte. Sparta hat gewiſs nichts weniger gewünscht als die Athener zu brüskiren, aber ihre anwesenheit im Pelo - ponnes war für sein prestige und die treue seiner bündner ungleich ge - fährlicher als der aufstand der heloten. wir können auch glauben, daſs nur die athenische überlieferung die heimsendung Kimons als einen schimpf darstellt, und Kimon selbst anders gedacht hat. für den erfolg war das gleich. die spartanerfreundliche politik hatte abgewirtschaftet, Kimon selbst verfiel dem scherbengericht, und nun nahmen die allzu -95Ephialtes. die vollendung der demokratie.lange aufgestauten demokratischen wasser einen nur zu stürmischen lauf. es sind die eigentlich entscheidenden jahre für Hellas, in denen sowol die athenische demokratie ihre vollendung erhalten hat wie auch das attische Reich: beides ewig denkwürdige gebilde; gleichzeitig aber hat Athen soDie vollen - dung der demokratie. viele und so schwere kämpfe nach auſsen geführt, daſs es sowol dem ruin wie dem vollsten triumphe ganz nahe gekommen ist. es sind wie die entscheidenden, so leider auch die am schwersten kenntlichen jahre; obwol die zeitrechnung der kriegerischen ereignisse sich mit befriedigen - der sicherheit feststellen läſst und eine anzahl politischer reformen nun - mehr auch an bestimmte jahre gebunden werden kann, fehlt es nur zu sehr an concreten tatsachen und gänzlich an einem zusammenhängenden berichte. nur die grundlinien der entwickelung lassen sich ziehen.
An die stelle des Areopages trat als centralinstanz der verwaltung der rat der 500, die gemeindevertretung Athens. erst jetzt sind für ihn die diaeten eingeführt, die einfach notwendig waren, wenn die ratsherren das ganze jahr in der stadt leben33)Wenn man dem rate diaeten zugestand, so war das bedürfnis dazu hervor - getreten, d. h. es hatten die ratsherren in folge der vermehrten geschäftslast zu häufig gefehlt. die prytanen, die doch wol schon eher in permanenz gewesen sind, werden naturalverpflegung erhalten haben. es folgt, daſs der rat in älterer zeit nicht nur nicht täglich, wie später, sondern selten plenarsitzungen hielt. auch das volk wird erst jetzt regelmäſsig in jeder der drei zehntägigen wochen eine sitzung gehalten haben. sollten. im rate lag die gesammte finanzverwaltung; nach wenig jahren zog man auch die reichscasse nach Athen. dem rate fiel die controlle der beamten zu, aller mit ausnahme der feldherren: die magistratur war zu einem organe des rates geworden. die archonten, die candidaten zum Areopag, ver - loren auch die letzte beschränkung durch den census: jeder waffen - fähige, jeder bauer, der ein joch ochsen im stalle hatte, konnte sich zur losung melden. diese neuerung hat besonders viel erregung verursacht, aber sie war eine ganz gerechtfertigte consequenz der degradation der magistratur und des Areopags. auch für die geschworenen ward ein bescheidener sold bewilligt: das war die notwendige consequenz davon, daſs man die privatprocesse der bündner nach Athen zog, und daſs die grenze, bei welcher der magistrat nicht ohne zuziehung von geschwornen das urteil finden durfte, immer tiefer gesteckt ward; das einzelne ist uns unbekannt. aber wol sehen wir, daſs ein neues gerichtshaus nach dem andern gebaut werden muſs, und daſs in den statuten, die Athen bei der oder jener gelegenheit den einzelnen Reichstädten aufzwingt, die96II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.bestimmungen über die rechtspflege durch attische geschworne ein wich - tiges capitel werden. man hat damals eine besondere behörde für die ein - bringung bestimmter befristeter processe geschaffen (die εἰσαγωγῆς), eine andere für die processe der seeleute, die nicht warten konnten (die ναυτοδίκαι), denen man dann, wol für die zeit, wo die schiffer nicht processiren konnten, auch andere beschäftigungen gab. man hat auf die demenrichter des Peisistratos zurückgegriffen, um auf dem lande eine rasche erledigung der rechtshändel zu gewähren[und] die städtischen tribunale zu entlasten. daſs die gemeinden im ganzen 6000 männer für den geschwornendienst praesentirten, aus denen in jedem falle die notwendigen ausgelost wurden34)Die leute vom lande muſsten in die stadt gehn, auch auf die gefahr hin, daſs die thesmotheten keine gerichte hielten, und dann war es nichts mit dem solde: so schildert es beweglich der Wespenchor 304. damals hatte das keine gefahr. wenn kein festtag war, oder volksversammlung, konnten die ausgelosten auf den sold rechnen, und mit der üblen chance, daſs ihn das los nicht träfe, rechnet auch der chor nicht. also fanden in der regel die erschienenen alle ver - wendung. die spätere complicirte procedur der losung existirte natürlich nicht. nun denke man sich die ältere zeit, ohne diaeten, mit wenig processen. da kann doch nur der einzelne heliast, der im album stand, von dem archon seiner phyle citirt sein, oder es sind feste gerichtstage gehalten. daſs wir das nicht wissen, ist ein deutliches zeichen, wie wenig man die alten verhältnisse später sich auch nur denken konnte; daſs man jetzt danach so wenig fragt, zeigt, wie wenig man sich die dinge lebendig macht., ist sicherlich eine ältere einrichtung (mag auch die zahl erst jetzt so hoch gebracht sein), denn die auslosung ist sache der archonten, die bestimmung der gerichtstage und höfe der thesmotheten. aber es wird erst jetzt der schritt getan sein, aus dem richteralbum für eine reihe obliegenheiten beamte zu erlosen, die dann nur eine bestimmte kürzere zeit, aber mit fester besoldung tätig waren. noch ganz anders als durch die magistrate führte so das volk selbst seine geschäfte. die städtische centralisation bezweckte man nicht, so wenig es Peisistratos getan hatte, aber der wirtschaftliche aufschwung brachte sie mit sich, jetzt wie damals. und an eines gieng man mit äuſserster energie, sobald man nach auſsen zu activer politik sich entschlossen hatte. man vollendete das niemals fallen gelassene, aber von der frü - heren regierung absichtlich verschleppte werk des Themistokles, verband Athen mit dem hafen und der see durch schenkelmauern, machte es zu einer uneinnehmbaren festung, aber auch zu einer groſsstadt und zu einer seestadt. nicht ohne grund sahen gerade hierin die “ansehnlichen leute” den untergang von Altathen. die leidenschaft in dieser durch97Die vollendung der demokratie.Kimons landesverweisung geschlagenen partei scheute nicht vor dem meuchelmord zurück, der den Ephialtes beseitigte, noch vor der con - spiration mit dem landesfeinde, den sie freilich in den Spartiaten nicht sehen mochten und noch nicht zu sehen brauchten. aber die vater - landsliebe überwog denn doch im entscheidenden momente. als bald nach der änderung der archontenwahl, kurz vor der vollendung der schenkelmauern ein peloponnesisches heer bei Tanagra an der grenze Attikas erschien, hat die attische aristokratische partei, bei der Kimon selbst in ritterlicher weise seinen einfluſs geltend machte, in kampf und tod den flecken von ihrem ehrenschilde abgewaschen. aber auf die inneren verhältnisse hat sie keinen einfluſs gehabt. ihre söhne, nicht mehr aristokraten, sondern oligarchen, sind minder zurückhaltend ge - wesen; sie führten 411 und 404 dieselben schlagwörter im munde. aber es waren phrasen geworden; die ‘väterliche verfassung’ war tot, und die sie herzustellen versprachen haben nur die geschichte Athens mit dem blute vieler und mit dem eigenen befleckt.
Leider, so muſs man sagen, waren die kimonischen traditionen nicht eben so machtlos in der äuſseren politik. freilich als er aus Athen wich, nahm man den kampf mit Sparta, oder da dieses zur zeit macht - los schien, mit seinen verbündeten, Korinth an der spitze, nicht nur auf, sondern schuf sich durch den bund mit Argos eine operationsbasis für die bezwingung des Peloponneses, und gelangte auch dazu, Aegina endlich ganz in eigne hand zu bringen und an mehreren ecken des Peloponneses fuſs zu fassen. gleichzeitig gieng man gegen die delphische Amphiktionie vor, die ein äuſseres band um die nordgriechischen stämme schlang, und hier gelang trotz dem für die peloponnesischen waffen ruhmvollen tage von Tanagra die unterwerfung fast völlig. die eine hälfte des programms der jungen, herrschaft in Hellas, schien sich zu verwirklichen, ja sie hätte sich verwirklicht, so gut wie sie es im Reiche tat, wenn die jungen in allem die majorität gehabt hätten. aber das notwendige complement, friede mit Persien, wagte man nicht einmal laut zu fordern. dazu waren die erinnerungen an 479 noch zu stark, und wenn auch bürgerkrieg kein griechisches wort ist, mit dem die modernen rasch bei der hand sind um die athenische politik zu stigma - tisiren, so hatte der kampf wider die barbaren doch einen ganz andern reiz als der wider die Boeoter. so kam es zu dem unverantwortlichen wagnis, mitten in dem schwersten hellenischen kriege den abtrünnigen vasallen des Groſskönigs in Kypros und Persien zu hilfe zu kommen. einmal engagirt, fand man nicht den entschluſs zum rückzuge, und sov. Wilamowitz, Aristoteles. II. 798II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.hat man die entsetzlichen verluste herbeigeführt, die Athen zwangen mitten im siege zu hause inne zu halten, während doch schon selbst in Sicilien sich günstige anknüpfungspunkte für fernere unternehmungen zu bieten schienen. das athenische volk mochte sich freilich den eigent - lichen grund des miserfolges nicht eingestehn, es vertraute sich noch einmal dem Kimon an, als dieser nach ablauf des zehnjährigen bannes heimkehrte. er war der alte geblieben. er sicherte sich notdürftig den rücken durch ein abkommen mit Sparta, das neuerstarkt nur einen waffenstillstand mit kurzer frist zugestand, segelte in das ferne kyprische meer, schlug die Perser und erreichte doch nichts als einen nur äuſser - lich militärisch ruhmvollen abschluſs seines lebens. trotzdem, daſs mit ihm die perserfeindliche politik zu grabe gieng, gelang es Athen nur mit äuſserster not und dank dem diplomatischen geschick des Perikles, bei dem zusammenbrechen seiner festländischen herrschaft für diesen verzicht die anerkennung des Reiches und der seeherrschaft zu sichern.
Perikles.Perikles, der führer der demokratie, hat die verantwortung für die reformen der funfziger jahre zu tragen, auch die für das programm, dem er vierzig jahre lang treu geblieben ist. an den unternehmungen wider Persien hat er sich nie beteiligt, vielmehr, sobald Kimons tod ihm freie hand lieſs, ein einvernehmen mit Artaxerxes herbeigeführt, das bis zu dessen tode angehalten hat. es kann ihm nicht nachgewiesen werden, daſs er nach westen in abenteuerlicher weise überzugreifen jemals ge - dacht hat, nicht einmal nach den dorischen inseln, Kreta oder Thera und Melos, hat er die hand ausgestreckt. er hat nur das Reich mit be - wuſster consequenz als ein object der athenischen herrschaft behandelt, nicht mit tyrannischer gewalt, aber mit energie. bedrückt hat er die bundesgenossen nicht, aber zu untertanen hat er sie gemacht. es ist ihm nie in den sinn gekommen, Athen in das Reich oder in Hellas auf - gehn zu lassen. gerade nach den verlusten in Aegypten hat er das attische bürgerrecht beschränkt, um das eindringen der halbschlächtigen zu verhindern, das Peisistratos und Kleisthenes befördert hatten. er hat nachdrücklich damit ernst gemacht, auf dem boden der bundesstädte auſserhalb Asiens (wo ihn wol die rücksicht auf Persien band) athenische gemeinden zu gründen und so dem vordringen des bürgerlichen pro - letariats zu steuern. aber er hat sein volk, das über Rhodos und Mi - letos gebot, allerdings zum herrn auch über Sparta und Korinth machen wollen: die herrschaft in Hellas war sein programm 462; er hat es trotz den zwischenstreichen der kimonischen politik und trotz dem schweren frieden von 445 nicht geändert. ruhige überlegung, aber ohne furcht99Perikles.vor den klar erfaſsten consequenzen, zeichnet seine politik ebenso aus wie die vornehme, etwas hartnäckige unempfindlichkeit gegen hemmnisse und störungen. er ist nicht der mann der genialen experimente wie The - mistokles; er verschmäht das blendwerk der glänzenden coups, das sonst die politiker in demokratischen staaten meist nötig haben; er rechnet mit den ziffern des schatzes, den beständen der arsenale und den summen der wehrpflichtigen lieber als mit den imponderabilien der volksgunst und volksstimmung. er ist nicht officier und nicht finanzmann, nicht volksredner und nicht parteihaupt, oder auch er ist dies alles, nämlich so weit es der politiker, der vertrauensmann des attischen volkes sein muſste. er ist kein liebenswürdiger mann, was die leute so nennen, zecht nicht mit seinesgleichen und noch viel weniger mit den litteraten, singt keine verse und läſst auch keine auf sich machen; er buhlt nicht um das lob der dichter und kauft es auch nicht, aber der komoedie hätte er gern den mund gestopft. er hat genug tüchtige und hingebende männer um sich gehabt, die unter ihm an seinen werken schafften, und von denen keinem der gedanke mit ihm zu rivalisiren kam, aber einen freund hat er nicht gehabt. sein leben ist einsam gewesen.35)Das ‘perikleische zeitalter’ mit seinen heiteren dem cultus der schönheit hingegebenen Griechen, in der mitte der Maecen oder Mediceer Perikles, die geistig ebenbürtige, ihm durch eine gewissensehe verbundene Aspasia am arme, ist eine er - findung des deutschen romantischen philhellenismus, hat aber so viel wert wie Kaul - bachs Blüte Griechenlands. und Aspasia ist das widerlichste darin. Perikles hat in standesmäſsiger ehe zwei söhne erzeugt, sich dann von seiner frau geschieden und etwa als mann von funfzig jahren in sein einsames haus, das auch keine gäste sah, eine concubine genommen, ganz wie Aristoteles. die beiden frauenzimmer zeigen ihren stand genügend durch ihre namen Ἀσπασία und Ἑϱπυλλίς. in Athen heiſst keine anständige frau Aspasia; in Ionien ist man mit den namen nicht so streng, aber ein beliebter hetaerenname war es auch da, und der tradition, die Aspasia einen vater gibt (Axiochos von Milet), steht gleichberechtigt die andere zur seite, daſs sie eine kriegsgefangene Karerin war (schol. Aristid. 464). nun haben die ‘armen geschöpfe’ es gut genug gehabt bei ihren herren, die auch für ihre kinder gesorgt haben. aber natürlich muſste Aspasia manchen unglimpf leiden um des platzes willen, den Perikles in der welt einnahm, noch mehr als dieser den unehelichen sohn nach dem tode seiner ehelichen kinder legitimirte; sie mag sich auch nach des herren tode anspruchsvoll benommen haben. zum entgelte verfiel der sokratiker Aischines darauf, in einem dialoge sie als eine Ninon einen salon halten zu lassen, ja er mochte sie so weit idealisiren, daſs er anständige frauen bei ihr einführen konnte, wie Xenophon und gemalin, der leider zu Aspasias lebzeiten weder verheiratet war noch es sein konnte. trotzdem gefiel ihm das compliment; und er erwiderte es nach der sitte der zeit in den zwei er - wähnungen Aspasias, die sein nachlaſs bietet. so ist die geistreiche hetaere, die keine spur führt darauf,7*100II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.daſs für irgend eine kunst eine ader in ihm geschlagen hätte: daſs er den Parthenon und die Propylaeen hat bauen lassen, beweist das nur dann, wenn die bauten Schinkels für den geschmack Friedrich Wilhelms III. beweisen.36)Naiv ist vollends sich Perikles in menschlichem verkehr mit Pheidias zu denken, der gesellschaftlich und nach seiner bildung (einen hexameter konnte er nicht machen) ein βάναυσος war und blieb. vereinzelt kommt es ja vor, daſs ein mann aus besseren kreisen wie Kephisodotos eine bildhauerwerkstatt hat, aber die regel ist, daſs solche leute zum handwerk gehören und in ihren kreisen bleiben. das altertum ist von der verkehrtheit, die bewunderung ihrer werke auf ihre per - sonen zu übertragen, völlig frei. meiner meinung nach liegt die vortrefflichkeit der antiken kunst zum guten teile daran, daſs man sich um die künstler so wenig kümmerte, keine kunstakademien und künstlerheime hatte, und von keinem ge - sandten forderte, daſs er mit seinen einladungen ‘bis hinab zum künstler’ gienge. diese meinung ist gleichgiltig: aber wer von der ideengemeinschaft zwischen Peri - kles und Pheidias redet, beweise erst, daſs staatsmann und bildhauer eine gemein - schaft und Pheidias ideen hatten. augen hatte er und hände, das sieht man, und das ist genug, die ideen empfieng er wie sein volk von den dichtern und weisen. er gab ihnen gestalt: darin liegt seine gröſse. aber an den politischen und juristischen speculationen des Pro - tagoras hat er anteil genommen, mit dem exegeten des väterlichen rechtes Lampon hat er verkehrt, dem sophistischen städtegründer Hippodamos hat er die anlage der hafenstadt anvertraut. und wenn er als geborner ehrenmann vielleicht vor dem dienste der götzen dieser welt gefeit war, so daſs geld ehre und genuſs ihn nicht verlockten: daſs er über aber - glauben erhaben war und von den schlägen der Tyche niemals gebeugt worden ist, dankte er dem einflusse der physik und noch mehr der selbst -35)Egeria des Perikles lancirt worden, die denn auch der verfasser des Menexenos (oder doch der rahmenerzählung dieser rede) aufgriff. diesen schriftsteller nennen sie jetzt wieder Platon: sie bedenken wol nicht, daſs der dichter Diotimas nicht der mann war, sich eine hure zur heldin zu wählen. πόϱνη hat sie Eupolis ge - nannt, nicht zum hohn; als er die Demen schrieb, war das weib verstorben oder verdorben, sondern in bittrem ernste: Myronides braucht das auch in Athen harte wort gegenüber dem Perikles, dem er sagen muſs, sein sohn würde längst eine politische rolle spielen, wenn er nicht den makel des hurensohnes trüge. Eupolis hat als einziger neben Thukydides und noch schöner, weil er ein dichter war, den Perikles gewürdigt: was er von Aspasia sagt, hat gewicht, und kein zeuge des fünften jahrhunderts urteilt anders. ich bin nicht so albern, dem toten frauenzimmer zu grollen, aber man soll es lassen wie es ist, tot und ein frauenzimmer. leute, die ohne weibliches parfum keine geschichte riechen mögen und ihre helden nicht menschlich finden, wenn sie nicht unterweilen girren oder meckern, mögen Hamer - ling statt Thukydides lesen. aber es ist kein kleines zeichen von der würde der attischen geschichte, daſs nur ein weib in ihr vorkommt, das aber beherrscht sie: die jungfrau von der burg.101Perikles.losen forschernatur des Anaxagoras, der einsam lebte, wie er selbst. bei dem lernte er die weltauffassung, die den zweck des lebens in die anschau - ung des unendlichen κόσμος, der ordnung und der schönheit des alls, ver - legt, und dem entsprechend dem individuum gebeut, zugleich sich in die eigene sterblichkeit zu schicken und die ewigkeit in der seele zu tragen (ἀϑάνατα φϱονεῖν). weil sie aus der tiefe einer denkgewohnten seele quoll, riſs seine ernste beredsamkeit die menge fort, auch wo sie sie nicht verstand, und die fassung, die er bei seinem trüben einsamen ende bewahrte, hat dem Protagoras worte der bewunderung abgenötigt. aber er war doch weit entfernt von diesen männern des ϑεωϱητικὸς βίος, und der κόσμος, dem er diente, und den er zu verwirklichen strebte, war die freiheit und die herrschaft seines volkes. an die logik der de - mokratie hat er geglaubt, an die macht der ἰσονομίη, und an die ma - xime ἐν τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα (Herod. 3, 80). die logische ge - schlossenheit des demokratischen majoritätssystemes hat seinen dem ab - stracten zugewandten sinn eingenommen, und radical, wie die mathe - matiker sind, hat er keine consequenz des prinzipes gescheut. freilich nur für seine Athener galt das ἴσον. daſs sie zum herrschen über Hellas berufen seien, weil sie tüchtiger wären, durch ihre freiheit und gleichheit tüchtiger, hat ihn mit fug Thukydides sagen lassen. daſs sie die machtmittel hätten, die herrschaft zu erringen, wenn sie sie nur an der rechten stelle brauchen wollten, hatte er 462 schon begriffen; daran ist er nicht irre geworden, wie an nichts. wer sich seine überzeugung zu einem exempel gemacht hat, das nun einmal richtig ist, kann sie nimmermehr aufgeben. und so hat er 432 dasselbe ziel zu erreichen versucht, das er sich dreiſsig jahre vorher gesteckt hatte. man wird ihn von der verantwortung nicht freisprechen dürfen, den krieg gewollt zu haben, denn er hätte ihn hinausschieben können, wie es sein alters - genosse, der brave könig Archidamos wollte. vielleicht ist es vor dem richterstuhle der höchsten moral ὕβϱις, überhebung und sünde, einen solchen schritt zu tun: die ἄτη, die jede überhebung demütigt, ist ja auch nicht ausgeblieben. indessen Perikles, der rechner, durfte sich sagen, daſs aller berechnung nach der sieg nicht zweifelhaft sein könnte, daſs niemand so wie er befähigt wäre, sein volk in dem kampfe zu führen, und daſs es hohe zeit wäre, falls er diese rolle noch spielen sollte. aber es zeigte sich, daſs rechnen nicht genügt für die politik, weil menschenseelen ein anderes sind als trieren hopliten und talente, ganz ungerechnet die tücke des zufalles, das δαιμόνιον φϑονεϱὸν καὶ ταϱαχῶδες, das die pest sandte. und weiter zeigte sich, daſs die ab -102II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.straction, das demokratische gleichheits - und majoritätsprincip, wiederum die menschenseele mit in rechnung zu stellen vergessen hatte. die ge - neration, die 430 jung war, verlangte stürmisch die tyrannis über die bündner, über Hellas, über die welt, und verlangte für jeden Athener die gleiche summe von vorrechten, auf daſs jeder so eine art tyrann würde, εὐδαίμων, ἰσόϑεος.
Platon hat schon recht, wenn er in Perikles den gröſsten διάκονος des volkes sieht, den groſsen volksverführer: aber er steht auf der hohen warte seines Staates, und er schreibt unter den trümmern von 403. Herodotos hat auch recht, wenn er den höhepunkt der weltentwickelung in dem demokratischen Athen des Perikles sieht. die athenische demo - kratie, wie Perikles sie vollendet hat, ist ein gebilde, zu fein für men - schen, und darum denen selbst verderblich, die sie zur herrschaft beruft; an der politik des Perikles ist Hellas zu grunde gegangen. aber was wäre schön, das für die menschen nicht zu fein wäre? Platons Staat ist es erst recht. und der staatsmann, der in der grauenhaften folge von wüsten und blutigen jahrhunderten, die wir weltgeschichte nennen, einen augenblick geschaffen hat, zu dem wir sagen mögen, verweile doch, du bist so schön, ist trotz allem ein groſser zauberer gewesen.
Das volk der Athener, das seit dem frieden mit den PeloponnesiernDie ver - fassung der blütezeit. 445 ein zwar gegenüber den hoffnungen von 460 beschränktes, aber dafür von den andern mächten anerkanntes reich beherrschte, konnte mit fug und recht sagen, daſs die souveränetät bei ihm selbst stünde, τὸ κϱάτος oder τὸ κῦϱος ἐπὶ τῷ δήμῳ. die vorstellung herrschte, daſs alle Athener gleichberechtigt wären, und der wille der majorität der wille der gesammtheit. ἐν γὰϱ τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα, wie Herodot sagt. so wird τὸ πλῆϑος τὸ Ἀϑηναίων identisch mit ὁ δῆμος ὁ Ἀϑη - ναίων. jeder Athener galt als zu allen regelmäſsigen ämtern befähigt; er sollte es verstehn sowol zu gehorchen wie zu befehlen, und die gleich - berechtigung aller forderte demnach einen turnus für die bekleidung der ämter. δῆμος δ̕ ἀνάσσει διαδοχαῖσιν ἐν μέϱει ἐνιαυσίαισιν, wie Theseus sagt. die classenbeschränkung galt zwar noch dem buchstaben nach; an die finanzämter kamen nur leute aus der ersten classe, die letzte hatte auf gar kein wirkliches amt anspruch. aber trotz den ver - änderten besitzverhältnissen war der census der alte geblieben; was wollten 500 scheffel sagen? die kleruchien machten immer mehr theten zu grundbesitzern; giengen sie dorthin, so waren sie faktisch von der staatsleitung ausgeschlossen; blieben sie zu hause, so machten die zinsen ihres pächters sie wahlfähig. auſserdem verdienten sie bei dem dienste auf der so gut wie stehenden flotte, als schützen, wächter und in ähn - lichen stellungen, und zu den körperschaften, die gerade besonders ein - fluſsreich waren, den 6000 geschworenen und dem rate, hatten sie recht -1)Aus der notorischen zersplitterung des grundbesitzes folgt bewirtschaftung durch unfreies gesinde. von den preisen und dem ertrage wissen wir zu wenig. aber lohnend war auch dieses gewerbe, und über die concurrenz des pontischen getreides hört man keine klage.104II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.lich zutritt, und seit für beide ein mäſsiger sold gezahlt ward, konnten sich auch unbemittelte zur losung melden. die hauptsache freilich tat der allgemeine wolstand dazu, daſs die beteiligung an der staatsverwal - tung für die ungeheuren anforderungen leidlich ausreichte, und der census nicht fühlbar war. steuern wurden nicht gezahlt; der weg, die bemittelten für das allgemeine zu den nötigen opfern zu bewegen, war in der ausbildung der persönlichen leistungen für das allgemeine (λῃ - τουϱγίαι) gefunden, die ursprünglich ein analogon zu dem persönlichen hand -, spann - und kriegsdienst gewesen waren, aber seit für den letzteren sold gezahlt ward, hand - und spanndienst vorwiegend nur noch für die einzelgemeinde und phyle in betracht kam, war die liturgie das mittel, den reichtum in einer weise zur steuer heranzuziehen, die in einer vermögenssteuer erst dann ein volles analogon finden würde, wenn diese eine höhe erreichte, die uns für unerträglich gilt. zum ent - gelt für sein opfer war der trierarch officier, und zwar ein hoher und im Reiche aller orten angesehener. der grundbesitzer, der die last der pferdezucht trug, diente auch bei der cavallerie, was an sich schon für eine auszeichnung galt. die vielen liturgien, die der belustigung und annehmlichkeit, zum teil auch der unterstützung des demos dienten, brachten nur ehre und höchstens einfluſs auf die stimmung und die stimmen des volkes. daſs dies system nicht versagte, lag erstens und vornehmlich an dem wolstand, den die machtstellung des Reiches und Athens im Reiche den einzelnen verlieh, dem kaufherrn und industri - ellen eben so gut wie dem grundbesitzer. zweitens aber war diese art munificenz von alters her in den herrschenden familien geübt worden, und wer durch jungen reichtum in diese reihe aufstieg, durfte und mochte mit ihm nicht knausern. der staat aber hatte eine gefahr glück - lich beseitigt, als er die private munificenz in ein ziemlich festes steuer - wesen verwandelt hatte: noch Peisianax und Kimon hatten den markt mit hallen und bäumen als private geschmückt; das haus des polemarchen trug den namen dessen, der es erbaut hatte, am giebel. so etwas ist in der perikleischen zeit abgestellt; weder er noch Nikias haben den staat beschenkt. das volk hat den Parthenon gebaut, und es wachte, wie auch in an sich unverbürgten anekdoten durchklingt, eifersüchtig darüber, daſs kein einzelner ihm die ehre dieser bauten entzöge.
Der souverän war selbstverständlich unverantwortlich und gebunden nur an die gesetze, die er selbst festgestellt hatte, also wol zu ändern die macht hatte, aber nicht zu übertreten. der souverän besaſs aber schlechthin keine initiative. er stimmte in jedem einzelnen falle nur zu105Die verfassung der blütezeit.oder lehnte ab. somit war immer ein individuum da, das die verant - wortung für den souverän rechtlich und factisch trug. wer den sou - verän zu ungesetzlichem verleiten wollte, konnte deswegen gerichtlich belangt werden, und schon ein einzelner in der volksversammlung konnte durch seinen einspruch, in der form einer klaganmeldung, einen antrag oder beschluſs wenigstens suspendiren. falls aber das ungesetzliche oder auch schädliche schon beschlossen oder geschehen war, so konnte der belangt werden, der den demos ‘betrogen’ hatte. auch konnte jeder den antragsteller verklagen, weil er ‘ein unpassendes gesetz beantragt hätte’.
Da es factisch undurchführbar war, daſs jeder einzelne bürger in jedem falle von dem teile souveränetät, der auf ihn kam, gebrauch machte, so war das volk oder auch die majorität der Athener durch legalfiction vorhanden, wenn eine durch gesetz bestimmte vertretung der gesammtheit factisch die souveränetät übte. das galt in wahrheit schon von der volksversammlung, für deren sitzungen es keine numerische beschrän - kung der beschluſsfähigkeit gab, auſser für besondere fälle, wo schrift - liche abstimmung gefordert ward (νόμοι ἐπ̕ ἀνδϱί). aber davon zieht man vor nicht zu reden. dagegen gilt der satz, daſs die richterliche, schlecht - hin infallible und inappellable (ἀνυπεύϑυνος), übung der souveränetät, ganz besondere ausnahmen abgerechnet, immer vom volke nur ideell, factisch aber von einer vertretung desselben ausgeübt wird, deren stärke das gesetz vorsah. das gericht ist rechtlich immer identisch mit dem volke, sonst hätte sich seine unverantwortlichkeit gar nicht aufrecht halten lassen. auch das gericht muſs berufen werden, entbehrt also der initia - tive, und zwar geschieht dies, weil es eine sehr alte, spätestens solonische einrichtung ist, durch die archonten, an die sich die übrigen beamten zu wenden haben, wenn sie eine sache vor das volk zur richterlichen entscheidung zu bringen wünschen. die archonten aber sind nicht frei in der auswahl der volksvertretung, sondern erlosen die gesetzliche zahl von volksvertretern, und sie tun das nicht aus der ganzen summe der teilnehmer an der souveränetät, sondern aus einer alljährlich von ihnen in bestimmter gesetzlicher form aufgestellten summe von 6000 unbe - scholtenen über 30 jahre alten bürgern. diese 6000 im ganzen sind nur so viel wie zur beschluſsfassung in sachen, die wie die processe einen einzelnen bürger angehn, für die volksversammlung erfordert sind. sie vertreten das ganze volk, sind aber selbst in jedem einzelnen pro - cesse durch einen manchmal sehr geringen bruchteil (201) vertreten. die legalfiction geht also sehr weit. die gerichte entscheiden oft nur die schuldfrage, so daſs damit nach maſsgabe des gesetzes die strafe ge -106II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.geben ist. öfter noch bestimmen sie mit der vollen freiheit des sou - veräns auch das strafmaſs. aber die strafvollstreckung steht nicht in ihrer hand. auch sie entbehren durchaus der executive.
Die 6000 richter sind eine vertretung der bürgerschaft wirklich, in sofern sie nach den gemeinden erlost sind, in die das attische land und die attische bürgerschaft zerfällt, wahrscheinlich aus einer candi - datenliste, welche diese aufstellten. dieses selbe princip der repraesen - tation beherrscht die magistratur und den rat. aber sobald der vertreter einer gemeinde oder phyle richter oder beamter wird, hört er auf seinen kleinen teil zu vertreten: er ist vielmehr träger der souveränetät der sammtgemeinde. in ekklesia und heliaea gibt es in folge dessen keinerlei berücksichtigung der unterabteilungen des volkes.
Das hauptorgan, durch welches der souverän die executive übt, ist der rat. rat heiſst er und ist er, da er dem souverän alle seine be - schlüsse vorzubereiten und ihm in erster linie seine vorschläge zu unter - breiten hat. er ist aber längst eine und zwar die vornehmste handelnde behörde geworden. er besteht aus 500 vertretern der gemeinden, für welche dieselbe qualification wie für die richter gilt, nur daſs man richter zeitlebens, ratsherr höchstens zweimal auf ein jahr sein kann. durch den rat allein verkehrt das volk mit dem auslande, mit jeder fremden person und sogar mit den eigenen beamten. in allen fällen, wo eine gesandt - schaft oder sonst ein ausländer oder auch ein beamter als solcher mit der volksversammlung direct verkehren will oder soll, führt ihn der rat bei dem volke ein. verantwortlich ist der rat natürlich seinem souverän, aber der einzelne ratsherr unterliegt als solcher nicht der rechenschaftspflicht. der rat verfügt über die höchsten souveränetäts - rechte, denn er kann selbst einen bürger an leib und leben strafen, ohne daſs diesem wie gegenüber allen andern beamten die ἔφεσις εἰς δικαστήϱιον, die athenische form der provocatio ad populum zustünde. aber er ist nicht mit dem souverän ideell identisch wie die gerichte: er kann vielmehr selbst an diese eine sache überweisen; dagegen kann er kein gericht selbst berufen, sondern bedarf der vermittelung der ar - chonten: die gerichte sind eben mindestens nicht jünger als der rat.
Die civilbeamten werden, so weit sie jährig sind, in der weise er - lost, daſs sie die phylen oder auch deren unterabteilungen, die trittyen, vertreten; daneben kommen für einzelne vorübergehende amtliche tätig - keiten commissionen in betracht, die aus den 6000 richtern genommen werden. die beamten werden erst auf ihre würdigkeit von dem gerichte geprüft: so corrigirt der souverän die willkür des loses. sie stehn zum107Die verfassung der blütezeit.gröſsten teile, insbesondere so weit sie staatsgeld verwalten, unter der controlle des rates; dieser und das gericht besorgen ihre rechenschafts - abnahme. auſserdem entscheidet der souverän in jeder der 10 verwal - tungsperioden des jahres, ob sie sein vertrauen noch besitzen. sie haben eine durch feste instruction eng begrenzte sphaere der tätigkeit und sind gehalten, so bald sich ein bürger, von bagatellen abgesehen, ihrem spruche nicht unterwerfen will, die entscheidung des souveräns anzurufen, d. h. sie berufen ein gericht, dem sie vorsitzen: nur dieser vorsitz in eigner sache ist noch ein rest ihrer ehemaligen selbständigkeit, sonst ist die magistratur der civilbeamten zu einem werkzeuge des souveräns, in praxi des rates herabgedrückt. politische bedeutung hat von ihnen schlecht - hin keiner.2)Der einzige schreiber hätte sie bekommen können, weil er die protokolle führte und die schriftstücke des rates und volkes redigirte. wählen muſste man ihn deshalb schon, denn federgewandt war nicht jeder, und mancher hätte leicht proxenien erfinden oder peinliche paragraphen unterschlagen können. aber damit er nur ja nicht einfluſsreich würde, wählte man ihn nur auf eine prytanie. reste alter macht, wie sie die einzelnen archonten noch besitzen, sind für den ganzen charakter der verfassung und verwaltung so wenig bedeutend, wie die gerichte des Areopages und der epheten neben den heliasten.
Die religion durchdringt zwar alles, aber es gibt keine kirche, oder vielmehr sie deckt sich mit dem staate, und so können wir sagen, daſs die weltliche bürgerliche demokratische verfassung mit vollkommener logik und consequenz durchgeführt ist.
Das militär fügt sich dem demokratischen gleichheitsprincip nie und nirgend, sintemal gar zu deutlich vor augen liegt, daſs nicht jeder zum officier paſst, und auch die eifersüchtigste demokratie läſst sich gern dazu herbei, zu officieren nur die zu machen, die fähigkeit und lust haben. für die hauptmacht Athens, die flotte, war zwar zur zeit des Reiches gut gesorgt, da die trierarchie capitäne zur verfügung stellte, die erstens die erfahrung besaſsen, zweitens in der kriegsmarine den steuerleuten und matrosen als geborene vorgesetzte gegenüber standen, da sie meist der handelsmarine in gleicher eigenschaft angehörten, drittens die die würde mit der steuer bezahlten. auch in der reiterei war die bevorzugte geltung dieses dienstes durch die last der pferdehaltung aufgewogen; die truppe entwickelte aber immerhin ein starkes standesbewuſstsein, ward von radikalen demokraten wie Kleon scheel angesehen und rechtfertigte 404 dieses mistrauen durch entschieden aristokratische tendenzen. aber sie war zu schwach, als daſs die zehn schwadronchefs und die beiden108II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.reiterführer, die das volk erwählte, eine politische rolle hätten spielen können. daſs für diese äuſserlich der volle rang galt wie für die stra - tegen, also auch das scharfe schwert der epicheirotonie über ihnen hieng, war wol mehr aus der alten zeit der adelsherrschaft geblieben, wo die reiterei, die ritterschaft, sehr viel mehr zu bedeuten gehabt hatte. flotte und reiterei waren beide unter die ständige controlle des rates gestellt: der souverän also behielt sie selbst in der hand.
Der heerbann mit seinen zehn obersten, die das volk wählte und die ihre subalternofficiere selbst bestellten, gieng gut in die demo - kratische organisation auf. es war das volk in waffen, mit allen vor - zügen und mängeln eines volksheeres und einer landwehr. aber die zehn strategen waren, seit die groſsen verhältnisse des Reiches dazu ge - zwungen hatten, ihnen das commando der regimenter zu nehmen, denen sie einst vorgestanden hatten, zu einer stellung gelangt, welche schlechter - dings nicht in den engen rahmen der attischen magistratur paſst. wenn sie zu hause gesessen hätten, die aushebung besorgt, den sicherheits - dienst im lande und an den grenzen überwacht und nur im falle des krieges das heer geführt hätten, so hätte man sie unter den rat stellen können; aber dann wäre die schaffung der taxiarchen nicht nötig ge - wesen. die verwaltung des Reiches aber machte nicht nur den kriegs - zustand so gut wie ständig, sondern sie erforderte auch höchstcomman - dirende an mehreren orten, die selbst träger des imperiums sein muſsten, also selbst den souverän vertraten. und die flotte hatte zwar schiffs - führer, aber sie brauchte flottenführer. so wurden die strategen nicht sowol generale als tribuni militares consulari potestate. es waren noch immer 10, und die phylen sollten in ihnen vertreten sein, wenn sie das volk auch in directer wahl bestellte. aber da die iteration und sogar die continuation für die militärischen ämter gestattet war, konnte es gar zu leicht unbillig und widersinnig werden, wenn die wahl eines geeigneten mannes aus einer phyle alle andern geeigneten derselben dauernd ausschloſs. so erlaubte sich das volk einzeln von dem principe abzuweichen. die zehn waren rechtlich gleichgestellt, aber das volk be - stimmte frei, wen es für jeden einzelnen auftrag geeignet hielt, und so rangirten sie factisch sehr verschieden; es bekamen einige die ziemlich ständigen, den römischen provinzialpraetoren vergleichbaren stellungen im Reiche und an dessen grenzen (die flottenstationen in den provinzen), andere die aushebungsgeschäfte; die bedeutendsten aber blieben zur ver - fügung des volkes, immer in contact mit ihm, da sie in der volks - versammlung anwesend sein konnten, und diese erschienen als seine109Die verfassung der blütezeit.wahren vertrauensmänner. die strategen waren wol gehalten, an den rat zu berichten, der ja die auswärtige politik leitete, aber sie muſsten doch drauſsen sehr oft verbindlichkeiten eingehn, die zwar der ratifi - cirung durch den souverän bedurften, aber mindestens so viel gewicht hatten, wie ein ratsvorschlag. ja man gieng so weit, daſs die strategen einen antrag beim rate einbringen konnten, auch den auf berufung einer volksversammlung, und somit wenigstens den directen amtlichen verkehr mit dem souverän und die initiative erhielten. in kriegszeiten konnten sie andererseits durch das aufgebot der bürger die abhaltung einer volksversammlung factisch verhindern.3)Thukydides II 22 sagt ausdrücklich, daſs der stratege Perikles während der anwesenheit der Peloponnesier in Attika 431 keine volksversammlung hielt. ver - fassungsmäſsig muſs in eine so lange zeit mindestens eine gefallen sein. nur unter dem drucke des belagerungszustandes kann er sie verhindert haben. der stratege Alkibiades stellt direct, nicht über den rat, einen antrag vor dem volke, CIA IV p. 19. endlich eludirten sie im falle der wiederwahl factisch sehr häufig die rechenschaftsablage, obwol für diese unter allen umständen unter übergehung des rates gerichtliche prüfung vorgeschrieben war. gewiſs war es sehr gut möglich, das gleich - gewicht der gewalten aufrecht zu erhalten, und der souverän war durch diese männer seines vertrauens in seiner gewalt nicht gefährdet. aber es waren doch einzelne männer, die durch ihre dauernde amtliche stellung, ihre erfahrung und ihren einfluſs aus der gleichberechtigten und auf gleiches niveau niedergedrückten masse des volkes hervorragten. die strategen waren die eigentlich einzigen wirklichen magistrate Athens. wir sehen sie einzeln selbst mit dictatorischer gewalt bekleidet, αὐτο - κϱάτοϱες, wie den rat, natürlich nur auſserhalb der stadt. wäre es einer in der stadt geworden, so war der tyrann da.
Die bürgerlichen beamtenstellen durften nicht iterirt werden; im rate durfte jeder bürger nur zweimal sitzen. da der ganze rat alljähr - lich neu erlost ward, so konnte trotz dem vorschlagsrechte der gemeinden für die ratsstellen und trotz der prüfung, die der alte rat an den erlosten vornahm und keinesweges auf die formale gesetzlichkeit der wahl be - schränkte, eine stätige politik in dieser wichtigsten körperschaft nicht getrieben werden. eine wirkliche geschäftserfahrung war im staats - dienste überhaupt nur unvollkommen zu erlangen. als geschworne lernten die bürger vielerlei von den gesetzen und der verwaltung kennen; aber doch nur gelegentlich, und direct konnte die heliaea auf die politik nicht einwirken. ein advocatenstand begann sich erst allmählich zu bilden. dagegen in der volksversammlung konnte jeder bürger, wenn110II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.er nur wollte, jahraus jahrein erscheinen, zuhören und reden, schon zehn jahre lang, ehe er beamter ratsherr und richter werden konnte. das volk wählte auch gar nicht selten direct commissionen, selbst für so wichtige dinge wie die ausarbeitung von gesetzen, die gesandten, die vertreter des fiscus vor gericht4)Aristophanes wird nicht müde über diese bevorzugungen zu schelten; daſs sie zu den gesandtschaften nicht herankommen wie Pyrilampes, Diotimos, Morychos ärgert die Acharner am meisten; auch ein ξυγγϱαφεύς, Antimachos, wird als solcher angegriffen, und die noch dazu gut bezahlten συνήγοϱοι machen den Philokleon an der herrlichkeit seines heliastentumes irre.: da kamen also leute hinein ohne die beschränkungen aller art, denen die beamten unterlagen, nicht auf präsen - tation durch die phylen oder gemeinden, sondern als vertrauensmänner des volkes, der ekklesia. die ekklesia war berechtigt, sich als der souve - rän zu fühlen, sie sollte im gegensatze zu den abteilungen des volkes das ganze, im gegensatze zu den wechselnden beamten die dauer und stetig - keit des regiments vertreten. und wirklich, es fanden sich ständige besucher, das gros der abstimmenden, und es bildeten sich berufsmäſsige parlamentarier, die ῥήτοϱες, die aus der versammlung das wort ergriffen. daſs diese leute die geschäftsordnung und die regelmäſsigen geschäfte und die künste der debatte sehr bald besser als das präsidium begriffen, daſs sie auch wirklich sehr oft über einsicht und erfahrung verfügten, die den beamten und selbst dem rate abgiengen, ist natürlich. wer sich als ratsherr oder schatzmeister etwa in die finanzen oder einen teil derselben hineingearbeitet hatte, konnte seine erfahrung später nur als redner geltend machen; aber es trat in diesen unverantwortlichen5)Von den auf die redner besonders gemünzten gesetzlichen bestimmungen, die in der demosthenischen zeit auch mehr beredet als beachtet werden, ist im fünften jahrhundert nicht einmal die rede. rednern ein nicht bloſs fremdes, sondern gefährliches element in den verfassungsmäſsigen organismus des staates ein. die redner übten kritik an den vorlagen des rates und der strategen, ohne doch selbst in den ge - schäften zu stehn, gaben ihnen den befehl es so oder so zu machen, ohne doch zu der ausführung selbst hand anzulegen. sie hatten das ohr des sou - veräns, ohne doch für das einstehn zu müssen, wozu sie ihn bestimmten. der souverän selbst aber ward tatsächlich in sehr vielen sitzungen durch die habitués der ekklesia repräsentirt, die leute, die zeit und lust hatten, auf die pnyx zu gehn. es konnte gar nicht anders sein, als daſs das die leute aus der stadt und ihrer nächsten umgebung waren, und daſs die besten vertreter des demos, die bauern, die kaufleute, die industriellen unter -111Die verfassung der blütezeit.nehmer, die handwerker nur selten die zeit daran wandten. so ward die volksversammlung statt das ganze volk zu vertreten geradezu die einseitigste vertretung und die ungerechteste. sie vertrat die stadt, die es rechtlich gar nicht gab, trotz dem ganzen lande, und die drohnen trotz den arbeitsbienen. die unerfahrene jugend konnte das höchste souveränetätsrecht eher üben, als sie selbst irgendwie die eigene ver - antwortlichkeit an einem teile zu kosten bekommen hatte. die besitz - lose bürgerliche bevölkerung, die am kriege profitirte, wenn sie auf die schiffe gieng, sonst gar keinen feind zu sehn bekam oder höchstens waffenlos zum beutemachen mitlief, konnte die vorlagen der strategen niederstimmen und gar die strategen selbst wählen und absetzen.
Wenn eine verfassung wirklich wie eine maschine functionirte, so würde es wesentlich auf ihre construction ankommen. aber da ihre träger beseelte menschen sind, so kommt es auf diese seelen viel mehr an. die demokratie die die Athener um 460 vollendeten hat ein menschen - alter vorzüglich functionirt, weil ihre träger den geist bewahrten, dem sie in ihrer verfassung ausdruck gegeben hatten. die autorität der männer, die dem volke diese freiheit und herrschaft gewonnen hatten, hielt vor, sie blieben die vertrauensmänner des souveräns, und so er - hielt sich die stetigkeit der politik. die tradition war noch so mächtig, daſs der demos sich eben so willig unter die ‘ansehnlichen leute’, die männer ‘aus den guten familien’, stellte, wie die matrosen unter die trierarchen. die groſsen verhältnisse des Reiches (die in alles factisch viel mehr bestimmend eingreifen, als diese betrachtung der dinge von dem gesichtspunkte der verfassung aus erkennen läſst) führten von selbst dazu, daſs die strategen das starke handelnde organ des staates sein durften, wirklich ein magistrat im römischen sinne. und das lebendige sonderleben der gemeinden, die sich die stadt noch nicht über den kopf wachsen lieſsen, garantirte, daſs der rat eine vertretung des ganzen volkes war und demgemäſs die ihm gebührende autorität besaſs. 6)Die modernen haben die strategenwahlen zu einseitig als entscheidend für die politik angesehen; das moderne politische leben hat sie dabei nicht ganz richtig geführt. gewiſs sind sie wichtig, und wir kennen die strategen besser als die rats - herren, aber die entscheidende politik macht doch der rat, und daſs in ihm die friedensfreunde 422 / 21 und schon die jahre vorher die majorität hatten, hat dem Nikias erst den friedensschluſs ermöglicht. andererseits ist es der rat, den Kleon bei der erhöhung der tribute hinter sich hat. die entscheidenden wahlen sind also die in den gemeinden für die praesentation zum lose für die ratsherrenstellen. daſs sich uns das einzelne notwendigerweise entzieht, mindert die bedeutung nicht. so lange die gemeindemitglieder wesentlich noch in der gemeinde wohnten, kam dabei
112II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.Der krieg und seine folgen.Aber es kam der krieg, der die landbevölkerung zum groſsen teile beschäftigungslos in die stadt trieb. gleichzeitig hörte der abfluſs der armen bürger in die colonien auf, die pest beschleunigte den notwen - digen proceſs, daſs eine neue generation für den staat bestimmend wer - den muſste. die sorge für das Reich und den krieg lenkte zwar das interesse von kämpfen um die verfassung selbst zunächst ab; aber die schweren proben, denen sie dadurch unterworfen ward, hat sie nicht be - standen.
Wir hören noch die entrüstung der leute vom alten schlage, daſs in der volksversammlung ‘jeder elende kerl aufstehn kann und eine rede halten, natürlich nicht im interesse der ordnung, aber im wolverstan - denen interesse des demos, dem an der ordnung nichts liegen kann, aber wol an demokratischer gesinnung’. noch Perikles selbst hatte erleben müssen, daſs ein reicher industrieller aus Kydathenaion, der freilich eine claque von gemeindegenossen leicht auf die pnyx bringen konnte, als redner in der volksversammlung ihm sehr unangenehm ward. Nikias ward es schlieſslich zu arg, daſs dieser parvenu, der vom kriege keine erfahrung hatte, unter dem jubel des volkes ihm immer wieder über den feldzugs - plan vorhaltungen machte. so tat er den unbedachten ruf ‘so sei du feldherr an meiner statt und mache es besser’. Kleon aber nahm ihn beim worte und machte es besser. das wäre sehr schön gewesen, wenn es mehr als eine gelungene improvisation gewesen wäre. denn feldherr konnte der brave bürgersmann wirklich nicht sein, so tüchtig er als ratsherr gewesen war. als er es zum zweiten male versuchte, kostete es ihm das leben, Nikias bekam das übergewicht zurück, und der staat schloſs einen faulen frieden.
Kleon hatte schon als ratsherr verschwörungen gewittert, vor der tyrannis gewarnt und ein wachsames auge über die jüngsten politiker gehalten, die schüler der neuen bildung. damals lachte man ihn aus. aber bald nach seinem tode offenbarte sich, wie scharf er gesehen hatte. der staat stand wirklich in einer krisis, und die entgegengesetzten unter -6)das land zu seinem rechte. nach 431 saſsen nur zu viele auch aus Thria Kephisia und Marathon in der stadt, und nur zu leicht wird man diese leute, sowol weil sie wollten, wie weil die bauern zu hause bleiben wollten, praesentirt haben. die ge - meindeordnung ist eben denaturirt dadurch, daſs die freizügigkeit mit der quasi - gentilicischen gemeindeangehörigkeit verbunden ward. die Marathonier, die in die stadt oder den hafen verzogen waren, hatten an Marathon gar kein wirkliches inter - esse mehr, und sie werden doch überwiegend Marathon in rat, heliaea und beamten - schaft vertreten haben.113Der krieg und seine folgen. die revolution von 411.strömungen giengen gegeneinander an, während äuſserlich die verfassung und das Reich in vollster blüte standen. es war eigentlich allen un - heimlich und unwohnlich geworden in dem stolzen hause. die poeten des tages flüchteten sich nach Wolkenkukuksheim oder prophezeiten den untergang, wie er Ilios und seinen besieger ereilt hatte. das volk wagte dennoch, trotz den Hermokopiden7)Ich glaube, daſs sich ziemlich sicher zeigen läſst, was es mit dem hermen - frevel auf sich gehabt hat. es war eine action, berechnet[auf] den religiösen sinn der Athener, die abfahrt der flotte zu hemmen, und die anregung stammte von den Korinthern, die sehr verständig damit ihrer tochterstadt Syrakus helfen wollten: so berichtet Philochoros. dazu kam die feindschaft der adlichen jugend gegen den abtrünnigen Alkibiades und die nicht unberechtigte furcht vor diesem zweiten Peisi - stratos. aber auf eine verschwörung gegen die demokratie war es durchaus nicht abgesehn., die sicilische fahrt, machte aus den strategen dictatoren und gab zugleich aus furcht vor der tyrannis dem rate die dictatur: so stürzte es hals über kopf dem abgrund zu, den es doch ahnte. das unheil von Syrakus übte sofort auf die verfassung den rückschlag, daſs der rat, das wichtigste demokratische organ, beschränkt ward. zehn bejahrte erfahrene männer der wahl des volkes sollten die vorberatung und zum teil wenigstens auch die finanzverwaltung über - nehmen.8)Das folgt aus der Lysistrate des Aristophanes; wie die competenzen der probulen gegen den rat abgegrenzt waren, ist durchaus unbekannt. daſs dieser die polizei behielt, zeigen die Thesmophoriazusen. gemeint waren die probulen wol als eine ständige commission ähnlich den ξυγγϱαφῆς, und sicherlich waren sie den oligarchen als institution gar nicht recht. aber die alten herren, Hagnon und So - phokles, waren natürlich nicht radikal, sondern der πάτϱιος πολιτεία geneigt, und waren den energischen verschwörern so wenig gewachsen wie es der probulos der Lysistrate ist. an den sitz des übels, die unberechenbare und unzulängliche volksversammlung, in der zumal in den kriegszeiten die besten kräfte der bürgerschaft, die soldaten, fehlten, wagte niemand zu rühren. der rat des jahres 412 / 11 war dem entsprechend eingeschüchtert und schwach und zudem schwerlich sehr demokratisch gesonnen. der feldzug des jahres 412 und der folgende winter steigerten die entmutigung. die richtige erkenntnis, daſs Athen mit seinen mitteln nach dem abfalle von Chios Miletos Rhodos das Reich nicht mehr behaupten konnte, führte nun endlich die bisher fast verborgenen männer an das ruder, die mit einer verfassungsänderung ernst zu machen wagten.
Es war eine revolution, obwol zunächst äuſserlich alles in den formenDie revolu - tion von 411. des rechtes blieb. die oligarchischen führer mochten von vorn herein sehr weit gehende tendenzen haben: um eine majorität zu finden, be -v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 8114II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.schränkten sie sich zunächst darauf, zwei hauptprincipien durchzubringen, die offenbar in sehr weiten kreisen beifall fanden, die ausschlieſsung der theten von den politischen rechten, und die aufhebung des soldes. beides konnte mit fug und recht als eine rückkehr zur väterlichen ver - fassung bezeichnet werden. der sold war erst durch Perikles eingeführt, und man war maſsvoll genug, ihn, wenn auch in der geringen höhe von ½ dr., für den ratsausschuſs und die archonten bestehn zu lassen; er war wol sicher in beiden fällen ersatz für ältere naturalverpflegung. die beschränkung der politischen rechte auf die hopliten, d. h. die ὅπλα παϱεχόμενοι, gieng allerdings über Solon hinaus, aber die formel selbst war genau die drakontische, und da es mindestens 5000 sein sollten, und die auswahl einer starken vertretung der phylen anheimgegeben ward, so mochte der demos mit grund annehmen daſs diese neue bürger - schaft nicht für die oligarchie zu haben sein würde. übrigens sollte sie zunächst nur für die dauer des krieges bestehn.
Als sie ausgemustert war und zusammentrat, führten die oligarchen den zweiten streich und setzten eine commission für den entwurf einer verfassung durch. sie war zwar 100 leute stark, aber in dem entwurfe weht so sehr ein geist, er ist so woldurchdacht und verbindet in so eigentümlicher weise die drakontische verfassung mit den anforderungen der gegenwart, ist auch so rasch zur annahme in der commission ge - langt, daſs wir wol schlieſsen dürfen, er habe für die leiter der bewe - gung vorher festgestanden. wer ihn gemacht hat erstrebte keineswegs eine oligarchische tyrannei (δυναστεία, wie schon Platon sagt.)
Die neue bürgerschaft nahm den entwurf an; aber er konnte nicht unmittelbar in kraft treten, dazu war er viel zu radikal, die not des krieges zu dringend, und vor allem die verständigung mit dem heere in Samos nötig. also muſste man zu einem provisorium greifen. und nun wagte sich die oligarchie schon minder verhüllt an das licht, wenn sie auch noch immer geflissentlich den anschluſs an die verfas - sung der väter, die πάτϱια, zur schau trug, um die 5000 zur zustim - mung zu bewegen. es ward wirlich eine behörde mit dictatorischer gewalt geschaffen, aber dieser urkunde merkt man deutlich an, daſs sie auf einem compromiſs beruht.
Als dieser rat der 400 am ruder war, gewannen in ihm die tyranni - schen gelüste die oberhand, bis die gemäſsigte minorität selbst den ge - horsam kündigte und die gewaltherrschaft brach. sie wollten dabei we - nigstens die principien festhalten, die noch die alte weite ekklesia beschlossen hatte, und zunächst gelang es auch. aber da das sehr bald auch im115Die revolution von 411. das provisorium von 411.felde erfolgreiche heer der alten demokratie immer treu geblieben war, konnte nicht fehlen, daſs diese die oberhand gewann. trotzdem waren die anhänger der beschränkung der politischen rechte sehr zahlreich, diese gedanken waren nicht vergessen und haben mit sehr bemerkens - werter modification noch 403, zum schaden Athens wiederum vergeblich, den kampf mit dem allgemeinen stimmrecht aufgenommen.
Die provisorische verfassung (cap. 31) hat als solche ein geringesDas provi - sorium von 411. interesse, obwol sie geschichtlich allein bedeutung hat, während für den verfassungsentwurf (cap. 30) das umgekehrte gilt. träger der ge - walt ist ein rat von 400 mitgliedern; in dieser zahl und in der art seiner bestellung durch vorwahl der phylen (die jedoch nicht inne ge - halten ward) sollte der schein der rückkehr zu den formen der alten zeit liegen. die 400 wurden mit der vollsten souveränetät ausgestattet, selbst dem rechte die beamten zu ernennen — dabei mochte ein redner an das alte recht des Areopages erinnern. zur beruhigung der gemüter fügte man bei, daſs der rat an den verfassungsgesetzen, die beschlossen würden, nichts ändern dürfte. darin lag, daſs die legislatur bei der bürger - schaft stünde; nur war der rat weder verpflichtet noch gewillt diese bürgerschaft zu berufen, und mit absoluter gewalt regiert man besser ohne verfassungsgesetze. nun bedurfte der rat einer militärischen exe - cutivbehörde; da ist es sehr bezeichnend, daſs die ernennung derselben ihm in der allgemeinen berechtigung, die beamten zu ernennen, noch nicht zugesprochen sein sollte. es wird vielmehr gesagt, ‘für diesmal sollte der rat die 10 strategen aus der gesammten bürgerschaft der 5000 auswählen, und zwar so, daſs er dafür eine musterung aller in waffen veranstaltete (das ist eine controlle, daſs alle bürger wirklich ὅπλα παϱεχόμενοι sind). in zukunft aber sollte nach dem vorher beschlos - senen verfassungsentwurfe verfahren werden. ’ in der sache ist das genau dasselbe, wie wenn die strategen mit unter die andern ämter gerechnet wären; aber es schien den 5000 eine beruhigung, direct auszusprechen, daſs das nur einmal passiren sollte. die strategen erhielten selbst dicta - torische gewalt: mit andern worten, die 400 konnten wieder aus sich die energischsten männer mit vollem imperium ausrüsten und so die oligarchie vollenden. daſs die übrigen militärischen ämter dann auch durch den rat bei derselben musterung ernannt wurden, hatte weiter nichts auf sich.9)Hier, 31, 2, ist noch ein textfehler zu beseitigen, ἑλέσϑαι δὲ καὶ ἵππαϱχον ἕνα 〈 καὶ ταξιάϱχους δέκα 〉 καὶ φυλάϱχους δέκα. die taxiarchen können nicht gefehlt haben, und es wird ein taxiarch, kein geringerer als Aristokrates, erwähnt (Thuk. 8, 92). wie wenig die 5000 aber ständisch aristokratische8*116II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.neigungen hatten, zeigt sich darin, daſs sie der not der zeit gemäſs nur einen hipparchen wählen lieſsen, obwol der verfassungsentwurf an mehreren festgehalten hatte. auch das war eine beruhigung der dem provisorium wenig geneigten stimmung, daſs die von den 400 eingesetzten beamten mit ausnahme der ratsherren und strategen nicht wieder wählbar sein sollten. der rat war auf ein jahr eingesetzt und dem folg - ten die andern ämter selbstverständlich. es war ganz unsicher, wann das definitivum eintreten würde; denn das hieng von der vereinigung mit dem heere in Samos ab, wie der schluſssatz (der erst durch die verfassung, auf die er verweist, verständlich wird) verblümt andeutet. man hoffte wol, es würde bald sein, aber man muſste doch vorsorge treffen. so mögen die braven bürger unter den 5000 gedacht haben: die oligarchen wie Antiphon und die eigennützigen streber wie Phry - nichos bewilligten ihnen gern die worte, wenn sie nur die macht zu handeln endlich erhielten.
Der verfassungsentwurf selbst (cap. 30) ist ein unschätzbares docu - ment; der ihn verfaſst hat war ein eben so von den traditionen der väter wie von der abstracten speculation der sophisten genährter geist. was er schuf, war trotz allem anschlusse an die alten vorbilder etwas ganz neues, und trotz seiner klugen berechnung auf die schäden der gegenwart ein schlechthin lebensunfähiges ding.
Der verfas - sungsent - wurf von 411.Die gesammte bürgerschaft soll durch einen einmal, gleich jetzt von den 100 καταλογῆς, die sie überhaupt erst contituirt haben, nach bestem wissen und gewissen in vier teile (λήξεις) geteilt werden.10)Der ausdruck (30, 3) ist mehrdeutig, νεῖμαι καὶ τοὺς ἄλλους πϱὸς τὴν λῆξιν ἑκάστην. die andern können sowol die mitglieder der 5000 zwischen 20 und 30 jahren sein, die noch nicht ratsfähig sind, wie auch alle Athener. da jedoch die nicht zu den 5000 gehörigen politisch schlechthin rechtlos sind, hat ihre verteilung unter die viertel gar keine bedeutung. wie es werden sollte, wenn ein Athener den census erreichte, also vom theten in die classe der berechtigten aufstieg, ist nicht vorgesehen. wir müssen immer festhalten, daſs wir nur eine skizze vor uns haben, grundzüge, die ein theoretiker aufgestellt hat. die männer über 30 jahre eines viertels bilden für ein jahr den rat, und zu dem rate gehören die wichtigen namentlich aufgeführten beamten. diese werden so erwählt, daſs zunächst aus dem ganzen viertel eine vorwahl von mehrerern candidaten, (deren zahl der entwnrf offen läſst), und aus dieser liste die definitive wahl geschieht.11)Wer die wahl vollzieht, wird nicht gesagt; da aber die gesammte bürger - schaft niemals zusammentritt, so kann man nur an einen rat denken. ob aber die niederen beamten werden117Der verfassungsentwurf von 411.aus den andern drei vierteln erlost. der rat ist für sein amtsjahr der träger der regierung in jeder richtung, insbesondere in der finanzver - waltung. die beamten, die aus ihm genommen sind, nehmen an seinen sitzungen teil, mit ausnahme der gerade amtirenden hellenotamien.12)Aus dieser beschränkung τοὺς ἑλληνοταμίας οἳ ἂν διαχειϱίζωσιν τὰ χϱή - ματα μὴ συμβουλεύειν folgt, daſs die hellenotamien in einem turnus die geschäfte führen sollen. über sie handelt der verdorbene satz vorher ἑλληνοταμίας καὶ τῶν ἄλλων ὁσίων χϱημάτων εἴκοσι οἳ διαχειϱιοῦσι. darin bezieht sich διαχειϱίζειν wegen des späteren satzes sicher auf die hellenotamien. also ist ἑλληνοταμίας καὶ τῶν ἄλλων ὁσίων χϱημάτων (in bekanntem gegensatze zu dem vorher erwähnten heiligen gelde fast gleich δημοσίων) sprachlich kräftig und gut so gesagt, daſs das in ἑλληνοταμίας empfundene ταμίας den genetiv regiert. die centralcasse für alles öffentliche geld, inclusive des Reichsgeldes, wird von einer behörde verwaltet, die den namen von den Hellenotamien bewahrt, aber kolakreten und apodekten auch ersetzt. was dann von dem satze übrig ist, οἳ διαχειϱιοῦσι, ist an sich un - genügend, weil es gar nichts sagt, und die spätere stelle lehrt, daſs eine nähere bestimmung des turnus, in dem diese groſse zahl von rendanten die casse führen sollte, ausgefallen ist. ein ratsausschuſs, den prytanen entsprechend, existirt nicht mehr. viel - mehr tritt jeden fünften tag das plenum zusammen, wenn die geschäfte nicht häufigere sitzungen fordern. in permanenz ist der rat also nicht, wie er es durch die prytanen gewesen war. folglich muſs eine behörde da sein, die ihn berufen kann und bis zu seiner constituirung den vorsitz führt. das kann nur eine der ständig auf dem markte vorhandenen sein: so erhalten die archonten den auftrag, wie es am passendsten war und noch dazu recht archaisch aussah.13)Wer sich die verfassung einmal wirklich überlegt hat, kann an der ände - rung πληϱοῦν τὴν βουλὴν τοὺς ϑ΄ ἄϱχοντας für κληϱοῦν (§ 4) gar nicht zweifeln. zu meiner freude hat sie auch Weil gefunden. der schriftfehler, der auch sonst häufig ist, kehrt in unserer handschrift selbst öfters wieder, vgl. unsere anmerkung zu 43, 1. für den vorsitz in der sitzung selbst werden fünf ratsherrn ausgelost, den prytanen oder den späteren proedren entsprechend, und aus ihnen wieder einer, der abstimmen läſst, dem epistaten entsprechend. eine tagesordnung kann nun nicht vor - bereitet sein. also müssen die fünf vorsitzenden des tages die einge - gangenen oder jetzt angemeldeten sachen ordnen, die im anschluſs an die tagesordnung der alten ekklesia in der reihenfolge 1) heiliges, 2) herolde, 3) gesandte, 4) alles andere, zur verhandlung kommen sollen, so daſs innerhalb einer der vier abteilungen die reihenfolge durch das11)derselbe, dem die gewählten angehörten, oder sein vorgänger, oder der eine für die πϱόκϱισις, der zweite für die definitive wahl, ist nicht bezeichnet.118II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.los bestimmt wird.14)Damit sind die sämmtlichen privilegien, εἶναι δὲ αὐτῷ πϱόσοδον πϱὸς τὴν βουλὴν καὶ τὸν δῆμον dann und dann, beseitigt, und ebenso kann weder eine verschleppung noch eine bevorzugung durch die willkür der prytanen herbeigeführt werden. dieser oligarch wollte also die beschwerden beseitigen, die sein gesinnungs - genosse in der Πολιτεία Ἀϑηναίων so beweglich erhebt. nur was den krieg angeht, hat ohne los den vor - tritt, und die strategen (die dem rate ja angehören) bringen es selbst zur vorlage.15)Das hatte in der praxis der demokratie zwar seine analogie, aber es ist doch ein groſser fortschritt, daſs die strategen regelmäſsig unmittelbar mit dem souverän verhandeln. für besonders wichtige sitzungen kann beschlossen wer - den, daſs jeder ratsherr einen an sich ratsfähigen bürger aus einem an - dern viertel des volkes mitbringen darf. in diesen fällen ist also möglich, daſs im maximum die hälfte der gesammten bürger über 30 jahre zu - sammen ist. die ratsherrn erhalten nicht nur keinen sold16)Die noch eben beschlossene besoldung der prytanen ist mit diesen selbst fortgefallen. der sold der archonten wird geblieben sein; das war ein πάτϱιον., sondern es steht eine drachme strafe auf der unentschuldigten versäumnis einer sitzung. 17)Da der rat, der doch über das urlaubsgesuch entscheiden muſste, nicht permanent war, konnte der ratsherr der verhindert ward nicht anders als wegbleiben und die gefahr laufen, daſs sein gesuch, das er gleichzeitig einreichte, verworfen ward, so daſs er zahlen muſste. wer für μη εὑϱισκόμενος ἄφεσιν ἀπῇ unbedacht εὑϱόμενος schreibt, zwingt die leute fünf tage vorher um urlaub zu bitten, und ge - rade in den dringendsten fällen plötzlicher verhinderung zu zahlen.
Der verfasser dieses entwurfs hatte die fehler der geltenden ver - fassung klar erkannt. das zweikammersystem, so zu sagen, das durch rat und volk selbst in den psephismen sich ausspricht, wollte er beseiti - gen. den berufsparlamentariern, den rhetoren, sollte ihr handwerk ge - legt werden. dazu muſste die ekklesia überhaupt verschwinden. aber der rat wie er gewesen war, ein regiment bloſs durch eine vertretung, schien doch als alleiniger träger der souveränetät nicht autoritativ genug. und wenn diese repräsentation gewählt oder auf vorschlag erlost ward, so kamen gerade die besten elemente, die ἀπϱάγμονες, nicht zur gel - tung. also war ein mittelweg zu suchen, und den zeigte Drakon, der turnus. die souveränetät übt jedesmal ein viertel des volkes durch seine reifen männer. jedes vierte jahr nur kam der bürger zur ausübung seiner rechte, aber dann kam er sicher dazu, ja dann ward er durch geld - strafen gezwungen, sie auszuüben; auch das hatte Drakon bereits verordnet. so muſsten alle bürger genau die gleiche geschäftskenntnis erhalten.
Ein zweiter übelstand war die trennung der magistrate von dem119Der verfassungsentwurf von 411.rate, die in der tat die attische verwaltung sehr übel von der römischen unterscheidet. dadurch, daſs diese selbst aus dem viertel der bürger - schaft gewählt werden und mit im rate sitzen sollten, war nicht nur dies, sondern zugleich die continuirung selbst der militärischen ämter, also die gefahr einer perikleischen demagogie vermieden. es mag sein, daſs in anderen staaten die ἀϱχαί oder συναϱχίαι an den sitzungen des rates teilnahmen: jedenfalls verdient der verfasser hohes lob, daſs er diesesmal eine sehr wenig attische neuerung ins auge gefaſst hat.
Die finanzen lagen ihm offenbar sehr am herzen, und er er - strebte eine sehr nötige vereinfachung. die beiden schätze, die im opisthodomos der Athena verwaltet wurden, waren schon so stark zu - sammengeschmolzen, daſs selbst die 10 schatzmeister, die er, vorahnend der späteren zeit, für sie schuf, nicht mehr viel zu tun gehabt haben würden; es war gewiſs überhaupt praktisch, das dem staate unterstellte kirchengut centralisirt zu verwalten: hat es doch auch die lykurgische zeit wieder so gemacht. ganz ebenso sollten die reichscasse und die staatscassen in eine verschmolzen werden, und auf deren verwalter die gesammten cassengeschäfte übergehn. dazu bedurfte man vielleicht nicht einmal sehr vieler beamten; aber hier erschien es praktisch, den rat ohne zuziehung der rendanten verhandeln zu lassen, deren anwesenheit zu leicht gerade ihre beaufsichtigung hindern konnte. so ward der ausweg ersonnen, daſs die hellenotamien zwar ratsherrn sein sollten, aber nicht alle das ganze jahr die geschäfte führen, so weit sie das aber täten, den sitzungen des rates fern bleiben sollten. dem entsprechend ward ihre gesammtzahl auf 20 angesetzt.
Die beamten werden in zwei classen gesondert, je nach dem sie dem rate angehören sollen oder nicht. ist die sonderung selbst schon interessant, so wird sie es dadurch doppelt, daſs eine aufzählung der ersten classe gegeben wird, so daſs wir sehen können, welche beamte in so hoher schätzung standen. das sind an erster stelle die strategen, deren wiederwal zu beseitigen die hauptsache war, erst an zweiter die archonten: das ist für das fünfte jahrhundert äuſserst charakteristisch. ihnen folgt der hieromnemon, dessen bedeutung wir hiernach wesentlich höher veranschlagen müssen, als die geschichte und Aristoteles erkennen lassen, und die übrigen militärischen chargen, unter denen die comman - danten der festen plätze erscheinen18)Diese muſsten freilich einen dauernden dispens von den sitzungen erhalten. überhaupt ist nicht geordnet, in wie weit die beamten verpflichtet waren, jeden fünften tag ihre geschäfte zu versäumen., eine rücksicht auf die verhältnisse des120II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.dekeleischen krieges. sodann die dreiſsig finanzbeamten, 10 ἱεϱοποιοί, 10 ἐπιμεληταί; beides müssen cultbeamte sein. da aber keine nähere be - stimmung dabei steht, so kann man weder unter den ἱεϱοποιοί bloſs die jährigen (oben I 228) noch unter den ἐπιμεληταί etwa nur die der Diony - sien verstehn, sondern es sollte ein collegium alle ἱεϱά, ein anderes die ἐπιμέλεια für alle feste, die der staat besorgte, übernehmen. es war auch dies eine maſsregel, die die verwaltung vereinfachen und verbilligen sollte. die gesammten polizeibeamten, agoranomen, astynomen, elf, hafenmeister u. dgl. gehören zu den niederen. poleten sollte es vielleicht gar nicht mehr geben, obwol sie solonisch waren. denn in diesen anordnungen waltet nichts von reaction, sondern ein energischer praktischer sinn. aber gänzlich fehlen die richterlichen behörden, εἰσαγωγῆς, ναυτοδίκαι, τϱιάκοντα. die gerichte kommen überhaupt nicht vor. es war viel - leicht nur klugheit, wenn der sicherlich der heliaea abgeneigte oligarch über sie schwieg; für uns ist der mangel sehr bedauerlich, zumal wir so nicht erraten können, wie er sich zu der ἔφεσις εἰς δικαστήϱιον und dem τιμωϱεῖν τὸν βουλόμενον τῷ ἀδικουμένῳ stellte. bezeich - nend für den geist der zeit ist es immerhin, daſs man eine verfassung Athens entwerfen und annehmen konnte, die von dem ideale des Philo - kleon gar nichts enthält. es hat sie ein ἀφηλιαστής gemacht, mit dem Peithetairos und Euelpides sympathisiren konnten.
Die schluſs - clausel 31, 3.Überhaupt trägt der entwurf den charakter einer skizze darin zur schau, daſs manche punkte gar nicht behandelt sind (kommt doch auch die flotte nicht vor), anderes wie die geschäftsordnung des rates ausführlich. der rat muſste eben zunächst in kraft treten und war dann in der lage alles übrige zu ordnen. aber damit er es könnte, muſsten die bürger in Samos ihren widerstand aufgeben. die 5000, oder die sie vertretende summe der ὅπλα παϱεχόμενοι zu hause, waren doch nur ein teil der wirklich berechtigten, zu denen mindestens alle hopliten, schiffssoldaten, officiere, trierarchen drauſsen gehörten. es kam den braven 5000 ge - wiſs schwer an, die strategenwahl für das nächste jahr auf die in Athen anwesenden zu beschränken, also Thrasyllos, Leon, Thrasybulos und überhaupt die tüchtigsten officiere auszuschlieſsen. die maſsregel war wirklich mehr als ein vorspiel des bürgerkrieges. so wird uns die oben berührte beschränkung verständlich, obwol sie sehr wenig praktischen wert besaſs. “für die zukunft soll der rat die wahl nach den aufgezeich - neten vorschriften vornehmen (31, 3)”, d. h. nach der verfassung aus allen bürgern des viertels. die 5000 fügten sich nur widerstrebend der allerdings unabweisbaren notwendigkeit des momentes: daher der ab -121Die schluſsclausel 31, 3. die kritik des verfassungsentwurfes.sichtlich auf schrauben gestellte schluſspassus (31, 3) “für die zukunft; damit die 400 (der provisorische rat) unter die vier viertel verteilt wer - den, sobald die städter mit den anderen den rat bilden können, sollen sie die hundert καταλογῆς verteilen”. der sehnliche wunsch der bürger - schaft (der 5000) ist, daſs die verfassung in kraft trete, also ihr rat, ein viertel der bürgerschaft, an die stelle des provisorischen rates der 400. dazu ist die eigentliche vorbedingung der anschluſs der bürger im heere drauſsen, der anschluſs der ‘andern’ an die ‘städter’ (οἱ ἐν ἄστει muſste jeder diese partei nennen und nennt sie Thukydides), damit beide par - teien im rate sitzen können.19)Wenn man uns zugetraut hätte, wir wüſsten, was βουλεύειν bedeutet, würde man unsere ausnahmsweise von einem worte der erklärung begleitete text - gestaltung, d. h. die überlieferung, verstanden haben, und dann auch die vorher - gehende verfassung. auf diese vorbedingung hat die hier be - schlieſsende bürgerschaft keinen einfluſs; sie wagt auch nicht geradezu zu verordnen ‘das provisorium hört auf, sobald die mitbürger in Samos zugetreten sind’. darum bestimmt sie etwas äuſserliches, das eine di - rective in jener richtung gibt. die 400 sollen immer schon auf die vier viertel (die im prinzipe eingeführt, tatsächlich noch gar nicht existiren) verteilt werden, damit sie später in dieselben eintreten können, wenn die versöhnung das definitivum ermöglicht. darin liegt so schüchtern, wie eine terrorisirte versammlung redet, ausgesprochen, daſs keine zeit später verloren gehn soll, und zugleich wird einem viertel des jetzigen rates die sicherheit gewährt, sofort weiter zu fungiren. darin mochte mancher ein mittel sehen, den übergang den jetzigen ratsherren an - nehmbar zu machen.
Dieser letzte paragraph der provisorischen verordnung konnte erstKritik des verfas - sungsent - wurfes. hier erläutert werden, weil er das verständnis der verfassung voraus - setzt. er zeigt auch am deutlichsten, daſs sie ein totgeborenes kind war. trotzdem ist ein werturteil über sie nur möglich, wenn wir sie uns in tätigkeit vorstellen. ihr verfasser hatte mit klarer logik statt des complicirten mechanismus der vielen behörden Athens ein einziges organ für die regierung geschaffen, das rat und volk zugleich vorstellte, und mit dem die beamten in einen festen zusammenhang gebracht waren. alles hieng davon ab, wie dieses organ functionirte. dafür ist das wich - tigste, wie stark dieser rat werden muſste, und das muſs der gesetzgeber sich überlegt haben. die bürgerschaft im ganzen hat er auf mindestens 5000 geschätzt, sehr obenhin, denn wir hören nicht, daſs zwischen den 5000 in der stadt und der notwendig sehr viel höheren zahl, die durch122II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.den anschluſs des heeres sich ergeben muſste, unterschieden wird, und es kann sich Polystratos von Deirades, einer der καταλογῆς, darauf be - rufen, daſs er eine liste von 9000 bürgern aufgestellt hätte. je zahl - reicher die bürgerschaft wird, um so unbehilflicher wird der rat, der ein viertel von ihr ist, nach abrechnung der jahrgänge 20 — 30. für die intention des oligarchisch gesonnenen gesetzgebers muſs sein ansatz zu grunde gelegt werden, also 5000, von denen ein fünftel für die zehn jahrgänge der jugend in abrechnung kommt. der rat würde also 1000 köpfe stark gewesen sein; oberbeamte, die aus dem rate genommen sind, gibt es etwa 100. das zahlenverhältnis wird dem abstrakt denkenden theoretiker wol vorgeschwebt haben. es ist nicht ungerecht, wenn trotz diesem niedrigsten ansatze die kritik einem so starken rate die fähigkeit abspricht, sachlich und ruhig die geschäfte zu führen. das collegialische regiment ist an sich gar nicht verwerflich, und eine so wenig geschäftserfahrene beamtenschaft wie die attische würde durch die beratung mit einem senate ganz wie die römische erst recht leistungs - fähig geworden sein. aber dann muſs die beratung wirklich zu einem ruhigen austausche und einer ausgleichung der meinungen führen können. das ist unter 1000 leuten unmöglich. hier trat noch das erschwerende hinzu, daſs der regelmäſsige besuch der sitzungen durch alle mitglieder erzwungen werden sollte, wovon man für den römischen senat weise genug abgesehen hatte. dem gesetzgeber, wie oligarchisch er auch ge - sonnen war, lag doch das hellenische prinzip allzusehr im blute, daſs der δῆμος, das plenum der politisch berechtigten, selbst regieren müſste. das repraesentativsystem, wie es Kleisthenes doch eingeführt hatte, wie es in den 6000 richtern und dem rate der demokratie ausgebildet war, hätte sich sehr wol zur grundlage einer auf die wirklich für die poli - tische arbeit fähigen bürger berechneten verfassung machen lassen: die einzelgemeinde hätte ein wirklich schöpferischer staatsmann zur grund - lage der selbstverwaltung nehmen müssen. aber da steht der gesetz - geber wieder nicht nur im banne seiner demokratischen gegenwart, sondern noch mehr in dem der politischen theorie: haben doch weder Platon noch Aristoteles von der centralisirung des staatslebens abzusehen vermocht. dieser oligarch vollends abstrahirt von den phylen und demen ganz und gar, ohne sie doch zu beseitigen. er hat die vier alten phylen im kopfe: aber der geschlechterstaat existirt doch gar nicht mehr für ihn. ihn hat Drakon mit der einführung eines turnus in der ausübung der souveränetätsrechte und mit dem prinzip, daſs jeder bürger ver - pflichtet sein solle an dem regimente mitzutun und nötigenfalls dazu123Die kritik des verfassungsentwurfes.gezwungen werden müsse, völlig befangen; Aristoteles ist solchen schönen aber nach zwei jahrtausenden noch eben so wenig realisirten ideen auch sehr zugänglich. so schafft dieser theoretiker seine viertel und seinen rat; aber den Areopag, die stabile und nicht zu zahlreiche und geschäfts - erfahrene behörde, die bei Drakon wirklich regierte, hat er doch ganz vergessen. er richtet einen staat ein, der in dem ländchen Attika viel - leicht existiren konnte, aber mit dem Reiche schlechthin unvereinbar war. da mag man sagen, er mochte das Reich für verloren ansehen und den verlust für einen segen. so täuschte er sich doch über die gesellschaft, die in Athen regieren sollte. grundbesitzer oder capitalisten, die um den erwerb nicht zu sorgen brauchten, mochten jedes vierte jahr so ziemlich ganz dem politischen leben opfern können: die Athener, die als kauf - leute den sommer abwesend waren oder eine fabrik leiteten oder selbst ihr landgut bewirtschafteten, hatten unmöglich dazu die zeit. zwanzig bis dreiſsigmal im jahre konnte wol der bauer aus Kephale oder Tri - korythos zur stadt gehn und hören, was im staate vorkam, und stimmen: ein ratsherr der neuen verfassung hatte ziemlich so viel zu tun wie ein ratsherr der alten; dazu waren diese μέσοι πολῖται, der kern des volkes, auſser stande.
So müssen wir dem verfassungsentwurfe nachsagen, daſs er so wenig zu leben verdiente, wie er ins leben zu treten vermocht hat. er ist die arbeit eines theoretikers und trägt davon die spuren in der eigen - tümlichen mischung von reaction und radicalismus, die ziemlich allen verfassungen gemeinsam ist, die nur auf papier existirt haben, nicht zum wenigsten, wenn sie von männern herrühren, die geschichtliche kenntnisse und abstracte speculation mit einem scharfen kritischen blicke für die schäden des politischen lebens verbinden, an dem sie selbst praktisch nicht teil nehmen. als kritik der perikleischen demokratie ist das schrift - stück sehr wertvoll. es könnte sich vielleicht auch noch heute mancher für den gedanken erwärmen, die berufsparlamentarier auszurotten und die beschluſsfähigkeit der versammlungen durch strafen für die ver - säumnis statt durch diaeten herbeizuführen. wertvoller vielleicht noch als in dem, was er an ihr tadelt, wird die übereinstimmung dieses oli - garchen mit der demokratie, denn auch er hat den adel, die solonischen classen und den Areopagitenrat zu den toten geworfen. für die zeit - geschichte ist das document wesentlich deshalb von wert, weil wir im gegensatze zu Aristoteles die unmöglichkeit daraus abnehmen, Athen oligarchisch zu reformiren, im gegensatze zu der gemeinen tradition des altertumes aber anerkennen müssen, daſs die oligarchen, die nur so124II. 4. Πάτϱιος πολιτεία.weit giengen, auf den namen guter patrioten anspruch haben ebenso gut wie ihre demokratischen gegner. ein weiterer wert liegt darin, daſs wir einerseits den anschluſs dieser leute an die solonische oder vorsolonische verfassung deutlich wahrnehmen, also auch über jene mancherlei erschlieſsen, was die demokratische tradition der chronik nicht bewahrt hat. andererseits aber entfernt sich diese verfassung so weit von der wirklich alten, daſs sie, so entrüstet ihre urheber auch über diese kritik sein würden, der demokratie in wahrheit immer noch näher steht. sie schlieſst sich an die verfassung Drakons an, aber nur so weit, daſs sie für uns deren echtheit beweist, die wir bezweifeln würden, wenn der anschluſs enger wäre. die verfassung der väter, das war der schlachtruf der oligarchen viel mehr um das brave volk zu ge - winnen, als weil sie reactionär waren. die verfassung der väter war auch für die demokraten der schlachtruf und ist es geblieben. diese fragten nach der wirklichen verfassung Solons noch viel weniger, aber sie rechtfertigten doch auch ihre ansprüche durch diesen titel, über - trumpften wol noch gar die gegner, weil ihre demokratie schon the - seisch wäre. in wahrheit lag in dem rufe nach der πάτϱιος πολιτεία 412 — 403, den alle erhoben und bei dem sie sich so verschiedenes dachten, das gemeinsame gefühl, daſs die gegenwart nur zu traurig ver - schieden sei von der groſsen zeit der väter.
Ein richtig empfundener gegensatz zwischen der solonischen und perikleischen verfassung liegt nur in dem was das volk als prinzip an - genommen hatte, ehe die oligarchie eingeführt ward. das konnte niemand bestreiten, daſs die besoldungen des rates und der richter eine neuerung waren, von der die väter nichts gewuſst hatten, und daſs die politischen rechte der besitzlosen bürgerschaft zur zeit der väter nicht bestanden hatten. Solon hatte den theten zwar die volksversammlung geöffnet; die hatte aber eine viel geringere bedeutung gehabt. er hatte sie auch von den gerichten nicht ausgeschlossen; aber einmal hatten diese un - gleich weniger bedeutet, und zum andern schloſs sich jeder von selbst aus, der seine tage dazu bedurfte, brot für sich und die seinen zu schaffen. wenn der sold fortfiel, fiel die herrschaft, die das städtische proletariat zu üben begann. es erschien aber mit fug und recht, gerade wenn der census sonst nichts mehr bedeutete, die beschränkung des bürgerrechtes, die in den forderungen für den hoplitendienst lag, vollends zur zeit des krieges durchaus billig. darum versuchte man 411 nach dem sturze der 400 diese beschlüsse zu halten. diese beschränkungen sind es um derentwillen Thukydides und im anschluſse an ihn Aristoteles die125Die kritik des verfassungsentwurfes.ephemere verfassung von 411 / 10 so hoch schätzen. mit fug und recht konnte sie als verfassung der väter in einen gegensatz zu der demokratie des Kleophon gestellt werden, die denn auch bis zur soldzahlung an das ganze proletariat, die diobelie, fortzuschreiten consequent und radikal genug war.20)Vgl. das capitel ‘Διωβελία’. als die stadt sich schlieſslich den Peloponnesiern ergeben muſste, war es wieder die πάτϱιος πολιτεία, für deren erhaltung sich die patrioten oligarchischer färbung wie Theramenes und Phormisios mit demokraten wie Archinos und Agyrrhios zusammenfanden. diesmal waren es die oligarchischen clubbisten, die mit Lysandros (wol schon damals im gegensatze zu der spartanischen regierung) in einverständnis waren, denen ein gewaltstreich gelang. so kam über Athen das elend eines dictatorischen collegiums von 30 männern, die eigentlich eine verfassung ausarbeiten sollten und einen nur zu willfährigen rat unter sich hatten. als sie aber mit hilfe der spartanischen regierung von diesem joche be - freit waren, wiederholte sich der kampf zwischen der πάτϱιος πολιτεία, der demokratie der besitzenden, für die Phormisios eintrat, und der radikalen demokratie, die natürlich auch anspruch machte, die verfassung der väter zu sein.21)Vgl. das capitel ‘τιμήματα παϱεχόμενοι’. und wiederum war diese letztere siegreich, bewies auch bald, wie sie die traditionen der väter als die traditionen Kleophons verstand, indem sie durch diaeten das proletariat in die volksversamm - lung lockte. aber trotz der kritik, die nicht nur der dichter in den Ekklesiazusen lieferte, sondern die alle einsichtigen und vaterlandslieben - den männer, wenn sie nicht durch den demos herrschen wollten, aus - zusprechen nicht müde wurden, hat diese ἐσχάτη δημοκϱατία, die sich den vater Solon nur anlog, fortbestanden und ist, wie nicht fehlen konnte, der πάτϱιος πολιτεία immer unähnlicher geworden, bis Aristoteles ihre kritik schrieb und Antipatros auf die pläne des Theramenes und Phor - misios zurückgriff, auch er vergeblich. so hat schlieſslich Kleophon den sieg davongetragen: wer von der athenischen verfassung redet, denkt wirklich dabei zunächst nur an die ἐσχάτη δημοκϱατία.
Die mythi - schen kö - nige.Über die mythischen könige Athens bedarf es nur weniger worte. auf ihre einordnung in eine liste kommt geschichtlich gar nichts an; die füllfiguren der chronographen sind überhaupt nicht der rede wert. Ogygos ist ein spätling aller orten, eponym der ogygischen, d. h. okea - nischen flut, erwachsen aus dem adjectiv ὠγύγιος. Amphiktion ist auch nicht von attischem ursprunge, setzt die zugehörigkeit Athens zu der delphischen Amphiktionie voraus und entstammt der abstraction, wenn auch nicht sehr junger. 1)Nach 445 hat die Amphiktionie die für die schaffung einer solchen figur nötige bedeutung nicht mehr, aber zu Solons oder Kleisthenes zeiten lag der an - schluſs Athens an Delphi vor. Amphiktion ist mit der einführung des Dionysoscultes verbunden, so erzählt Philochoros (Athen. 38c = 179e), und Pausanias erwähnt im Kerameikos eine terracottagruppe, die Amphiktions ϑεοξένια darstellte. eine le - gende, gegen die Philochoros stillschweigend polemisirt, setzt in der tat für die einführung des Dionysoscultes die intervention von Delphi in bewegung (schol. Ar. Ach. 242), und sie ist nicht schlecht, da sie Eleutherai als landfremd faſst. der cult des Eleuthereus geht die groſsen Dionysien an, eine stiftung des Peisistratos: daſs diese ihren reflex in der königszeit fand und einen könig Amphiktion schuf, ist sehr glaublich.Kranaos ist aus dem adjectivum κϱαναός er - wachsen, das in nachepischer zeit glossematisch war. Aristophanes nennt Athen selbst nicht nur κϱαναὰ πόλις (Ach. 75), sondern geradezu Κϱα - νααί (Vög. 123). aber schon Aischylos sagt für Ἀϑηναῖοι παῖδες Κϱα - ναοῦ (Eum. 1011), Herodotos Κϱαναοί (8, 44). der so entstandene Kranaos hatte ein grab in Lamptra (Paus. 1, 31, 3), und ein eponym, der sonst keine gentilicische verbindung hatte, erhielt ihn zum vater, Κϱαναοῦ παῖς ᾽Ρᾶϱος bei Hesych. Aktaios oder Aktaion ist seinerseits erst von der ἀκτή abgeleitet, und da die Athener mit ἀκτή nicht ihr ganzes land, sondern die jetzt sog. Peiraieushalbinsel benennen, Attika überhaupt als das ‘vorgebirge’ (das ist ἀκτή) nur von dem127Die mythischen könige.standpunkte, sei es des seefahrers drauſsen, sei es des hinterliegen - den continentes bezeichnet werden kann, so ist der ursprung dieses namens auſserhalb Athens zu suchen, wie denn auch Aktaios - Aktaion in Attika keine locale oder gentilicische verbindung hat.2)Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes (Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt auch die eigentliche ἀκτή. dagegen ist Aktaion sohn des Aristaios in der kadmeischen genealogie, Aristaios ist der vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: daſs sein sohn der ‘mann der Akte’ ist, ein vorwitziger mensch, der die Artemis oder die Semele freien will und zu grunde geht, ist vom standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich. 3)Der Bakchiade Aktaion, den die liebhaber zerreiſsen wie die hunde den sohn des Aristaios, illustrirt den übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b. Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein wild - schwein erschlägt.
Es bleiben also nur die vier den dichtern des fünften jahrhunderts geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht kommt, von den Πάνδια abgeleitet ist und die sammlung aller Athener, die einen Ζεὺς ἑϱκεῖος haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet. wie dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt.4)Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolation der Ilias seinen namen gegeben, M 372, Homer. Unters. 245. mit einer Homerkritik, die das nicht begreift, kann ich nicht disputiren. die beurteilung des Aigeus ist von uns modernen einseitig und falsch lediglich darauf ge - baut worden, daſs er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und daſs in seinem namen wie in dem von Αἰγαί die wogen stecken können. aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn überhaupt ein sterblicher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht, und Tyndareos oder Amphitryon sind wahrlich keine hypostasen des Zeus. Αἰγεύς ist der ahnherr des geschlechtes der Αἰγεῖδαι, und dieses existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger zu diesem geschlechte ist Theseus Αἰγεΐδης, wie Herakles Ἀλκεΐδης ist, und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist.5)A 265, denn die athetese des verses im Heraklesschilde 184 ist E. Meyer (Herm. 27, 374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin, wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? daſs Theseus Aegide ist, discreditirt den vers vollends nur unter der voraussetzung, daſs die sterblichen väter jünger als die himmlischen wären. der vers ist das älteste zeugnis für Theseus, und hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert. als dieser128II. 5. Die könige von Athen.nach Athen kam, zog er den ahn nach sich, den man als vater faſste. von einem geschlechte von Aegiden ist gleichwol keine spur. Aigeus als sohn Pandions ist erst die späteste anknüpfung; als man ihm sein haus in der unterstadt anwies, kann er nicht der sohn des königs auf der burg gewesen sein. in der tat kennen wir noch die genealogie, die ihn zum sohne des Aigikores macht, also zum enkel des Ion, und eine andere, 475 in der Theseuslegende anerkannte6)Die abstammung von Aigikores, erhalten in einem scholion zu Demosthenes 24, 18 hat Maaſs (Gött. Anz. 1889, 806) hervorgezogen. das ist dankenswert; ebenso seine sonderung der traditionen über den zweikampf des Melanthos mit Xanthos und die intervention des Dionysos. aber alle seine folgerungen halte ich für phan - tasmen. die abstammung von Skyrios (Apollodor bibl. III 15, 5) ist durch Aristo - teles fgm. 4 gesichert. eine dritte, die die scholien zu Lykoph. 1324 geben, indem sie dessen rätselwort ὁ Φημίου παῖς = Theseus erklären, nennt den vater des Aigeus Phemios, was Lykophron nicht notwendig gemeint haben muſs. sie verstehe ich nicht. auch die Atthis (Plut. Thes. 13) betrachtet Aigeus nur als adoptivsohn des Pandion. Androtion hat ihn an die Aigeiden von Theben angeschlossen, da er ihn einen Sparten nannte (Tzetzes zu Lyk. 495, aus den vollständigeren scholien): die leute, die an deren existenz zweifeln, sind so mit einem weiteren zeugnisse geschlagen. damit gab er eine ältere tradition wieder, denn sein eigener rationalismus sah in den Sparten keine erdgebornen, sondern die zusammengelaufene gefolgschaft des Kadmos., die seinen vater Skyrios nennt. wie bei jener deutlich ein namensanklang gewirkt hat, so dürfte der erfinder von dieser an die berühmten αἶγες Σκύϱιαι ge - dacht haben. wertlos ist das alles, und an Aigeus in Athen nur wichtig, daſs er fremd ist und fremdes mitzubringen allein geeignet, wie den cult der Urania.
Κέκϱοψ ist der name eines volksstammes; daher gibt nur Κεκϱο - πία einen landesnamen, wie Πελοπία von Πέλοψ, der genau ebenso zu beurteilen ist. die Κϱωπίδαι im nordwestwinkel der ebene gehören offenbar zu den Κέκϱοπες. so ist uns der stammesnamen der ältesten eingebornen bevölkerung erhalten. der attische urmensch ist als γηγενής ganz oder halb schlange und hat keine irdische descendenz auſser den Κεκϱοπίδαι im allgemeinen.
Ἐϱεχϑεύς Ἐϱιχϑόνιος sind wir längst gewohnt zu identificiren, die form Ἐϱιχϑεύς auf der parischen chronik schlägt die brücke. man kann den kürzeren namen als hypokoristikon des längeren fassen, und die Ἐϱιχϑῴ der Würzburger Phineusschale ist schwerlich etwas anderes als Ἐϱιχϑονίη, die Χϑονίη von Mykonos und Syros. dann wäre auch Ἐϱεχ - ϑεύς nur der γηγενής; so ist Ἐϱιχϑόνιος überall gefaſst, in Athen Sikyon Ilios. aber auf der burg verehrt das geschlecht der Butaden vielmehr129Die mythischen könige. Kodros.den Ποσειδὼν Ἐϱεχϑεύς, und für diesen paſst ἐϱιχϑόνιος kaum. hin - zutritt ἐϱυσίχϑων, das man in späterem griechisch mit σωσίπολις wieder - geben kann. in anderen und zwar triopischen sagen ist Erysichthon in der tat dem Poseidon verwandt; aber in Attika ist er nur dürftig an Kekrops angeschlossen, eigentlich in Prasiai zu hause und mit Delos verbunden. auf der burg dagegen lebt Erechtheus als schlange bei Athena fort, ist also der heros, der geist des alten königsgeschlechtes, das in jenem hause mit Athena wohnte. so durchdringen sich die eigentlich nicht ver - einbaren vorstellungen des Ποσειδὼν ἐϱυσίχϑων und des ἥϱως ̕ϱι - χϑόνιος, und sie lassen sich ohne gewalt nicht mehr scheiden. eine descendenz hat auch Erechtheus nicht; Ἐϱεχϑεῖδαι sind nur die Athener. aber es gibt doch ein geschlecht, das seinen cult pflegt und auf Po - seidon zurückgeht, die Butaden, und dieses geschlecht, das den cult des Poseidon mit dem Athenas vereinigt, erscheint dadurch mit den alten königen Athens am nächsten verbunden.
Die Athener kennen keine könige aus dem geschlechte der Butaden. sie kennen nur die urmenschen, die zugleich den anfang der welt und Athens bedeuten, und pflegen dann den fremden Theseus einzuschieben, der noch ein par söhne erhält, die an sich, aber nicht als Theseussöhne bedeutung haben, denn Demophon stammt aus Eleusis, Thymoites ist der eponymos des dorfes der Thymaitaden, vom thymian, Apheidas (der ‘milde’, der nicht knausert) ist der ahn eines fortlebenden geschlechts; Oxyntes ist bisher nicht nachgewiesen. über Akamas mag ich noch nicht aussprechen was ich vermute; der name ist im epos nicht selten. in allen diesen stecken keine alten fürsten Athens. dagegen Menestheus sammt seinem vater, die den homerischen dichtern Athen vertraten und möglicherweise menschen und könige gewesen sein könnten, waren zu hause vergessen und wurden erst durch Homer wieder bekannt.
Nun tritt Kodros ein, der sohn des Melanthos des sohnes des Andro -Kodros. pompos des Neliden, und er wird der ahnherr des königlichen geschlechtes. Melanthos als eponymos von Melainai scheidet aus; er sammt seiner hübschen sage setzt die erwerbung des Δϱυμός oberhalb der eleusini - schen ebene voraus.7)Herm. 21, 112. 22, 244. wenn das local nicht bei Oinoe, sondern bei Pa - nakton ist, kann die legende älter als 504 sein. von den andern namen ist Ἀνδϱόπομπος ‘der die männer auf die fahrt bringt’, am durchsichtigsten: diesen groſsvater hat Kodros als der vater der ionischen auswanderer. 8)Daſs Pausanias IX 5, 16 den vater statt des sohnes als den helden der Apaturienlegende nennt, ist nur eine seiner gewöhnlichen flüchtigkeiten.Κοδϱίδαι warenv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 9130II. 5. Die könige von Athen.die könige in den ionischen städten, und so nennt Aristoteles die atti - schen auch. jene hieſsen daneben Βασιλίδαι, und in Athen hat Ko - dros ein kleines stück geweihten landes, das ein annex eines groſsen gartens ist, der dem Neileus und der Basile gehört (CIA IV p. 67). Neleus aber ist der ahn sowol der ionischen wie der attischen Kodriden. es bedeutet also Βασιλίδαι und Κοδϱίδαι dasselbe; Βασίλη ist der gött - liche exponent für die βασίλεια, die ihre enkel auf erden üben, Νηλεύς ist der heroische ahn, Nestors vater, eine wirkliche sagengestalt. das führt darauf, in Κόδϱος9)Κόδϱος ist nicht anders gebildet als ἕδϱα ὕδϱος ἴδϱις. neben κόδϱος steht κόδμος κόσμος κεκαδμένος κάδμος καδμίλος, andererseits κύδος neben κῦδος in Κυδαϑήναιον Κύδϱηλος, sohn des Kodros, gründer von Myes in Ionien, auch sonst in Asien mehrfach begegnend, Κύδων Κυδωνία, Κυδϱοκλῆς Κῷος CIA II 3124. zum vocalwechsel vgl. βάϑος βύϑος βόϑϱος. κόλος κυλλός, davon Κύλλων, in welchem namen nur die alte haplographie des consonanten getreulich bewahrt ist. ῥέμβεσϑαι ῥόμβος ῥύμβος. ῥάμφος ῥομφαία ῥύγχος ῥέγκεσϑαι u. dgl. m. Hesych hat die glossen Κόδϱους· οὓς ἡμεῖς λέγομεν Κϱονικούς τινας, τὸ ἀϱχαῖον αὐτῶν ἐμφανί - ζοντες. 〈 Κόδϱος 〉 Ἀϑηναῖος, λαμπϱὸς τῷ γένει. zu dem ersten gehört κϱονικός, κϱονόληϱος, πϱεσβύτεϱος Κόδϱου Pollux 2, 15, wo vor Bekker Κϱόνου für Κόδϱου gelesen ward. das ist eine Komikerglosse, Mein. IV p. 680. das zweite zeigt eine halbadjectivische verwendung, meint aber nicht Lykophr. 1389, der in seiner weise, unmittelbar nachdem er die ionische wanderung erzählt hat, die dorischen besiedler der hexapolis Κυτίνιοι Κόδϱοι nennt. die bedeutung des wortes war aber damals noch unvergessen. nicht mehr zu suchen als in Βασίλη10)CIA II 1573 ist ein weihgeschenk an Zeuxippos und Basileia. Zeuxippos steht am kopfe einer genealogie (Phot. Μύϱμηκος ἀτϱαποί vgl. Kydath. 147), die hesiodisch zu sein scheint. Zeuxippe ist die gattin des fluſsgottes Eridanos (comment. gramm. II 12). der gatte der Basileia muſs ein urkönig sein; der ‘rosseanschirrer’ deutet auf Erichthonios, der als solcher der fuhrmann am himmel ist, auch kehrt sowol Erichthonios wie Zeuxippos in der sikyonischen königsliste wieder.: er ist nichts als der personificirte adel der herrschergeschlechter. was in Athen von Kodros erzählt wird, ist einmal, daſs er durch eine heldentat sich die herrschaft erworben hat11)Aristoteles Politik Ε 1310b, κατὰ πόλεμον κωλύσας δουλεύειν kommt er und sein geschlecht zur herrschaft. bei dieser tat wird ihn sich Aristoteles und seine vorlage, die chronik, als polemarchen gedacht haben, denn diese würde gibt es nach ihnen seit Ion. auch die zeit, ein par generationen nach der dorischen wanderung, wie sie Herodotos 5, 76 kennt, und die beseitigung der Thesiden durch Kodros kann für diese tradition unbedenklich in anspruch genommen werden.: das soll motiviren, wie der Nelide und sein haus über Athen haben herrschen können; oder daſs er fürs vater - land als könig stirbt: das hat ursprünglich nur seinen cult motivirt; Euripides konnte jedoch den tod fürs vaterland noch von Erechtheus erzählen. die wendung, daſs nach Kodros die königswürde abgeschafft wird, ist eine verschlechterung und kann für die sage nicht in betracht kommen, erfordert aber eine erklärung, die sie bisher nicht gefunden hat. das grundstück des Kodros ist ein annex zu dem garten seiner ahnen; die attische poesie nennt ihn nicht, die bildliche überlieferung nicht vor der schönen schale, die wir nach ihm nennen. schon des -131Kodros. die Medontiden.halb muſs man geneigt sein, ihn für einen eindringling zu halten; aber entscheidend ist erst, daſs sein sohn Medon neben ihm steht. Kodriden und Medontiden ist dasselbe geschlecht, die Medontiden aber bestehen wirklich fort und haben grundbesitz in oder unfern der stadt. 12)CIA I 497. dazu kommt eine verschollene und, so viel ich sehe, im CIA II vergessene inschrift aus Kypseli (dicht bei Athen nördlich) Töpffer Att. Geneal. 229. Solon heiſst Κοδϱίδης, Platon auch, der durch seine mutter auf Dropides den bruder Solons zurückgeführt wird. daſs er vom vater her auch Kodride gewesen sei, wie Thrasyllos behauptet hat (Diog. Laert. 3, 1), ist nicht genügend bezeugt. von Me - dontiden wird dabei nicht geredet; auch Aristoteles kennt nur Kodriden.Μέ - δων ist auch ein redender name, Μεδοντίδαι auch nichts weiter als das ‘fürstengeschlecht. ’ das ergibt die verschiedenen stadien der ent - wickelung: erst wollen die athenischen könige Pylier und Neliden sein, Βασιλίδαι Μεδοντίδαι. dann, als sie mit den Ioniern in so nahe be - ziehung treten, daſs sie auf den Kodros beschlag legen wollen, schieben sie Kodros vor Medon ein und heiſsen auch Kodriden.
Der nachfolger des Medon ist Akastos, in der aristotelischen wieDie Medon - tiden. in unsern listen. damit betreten wir den geschichtlichen boden, da der archonteneid die constitution Athens wie sie besteht und das ritual der vereidigung auf ihn zurückführt (3, 3 vergl. I s. 46). in dieser con - stitution ist der archon der oberste beamte, daraus folgt, daſs er es unter Akastos geworden ist. so schlieſst auch die Atthis des Aristoteles; die differenz ist wirlich irrelevant, die den mythischen Medon an seine stelle setzt. die macht haben die Medontiden-Kodriden also schon unter Aka - stos eingebüſst. wer sich das klar machte, muſste ins gedränge kom - men, da vor Akastos nur die namen Medon und Kodros standen. eine lösung der schwierigkeit ist die angabe, daſs das königtum mit Kodros erloschen sei. eine consequenz ist, daſs die namen der liste als namen von archonten angesehen werden. wir würden demnach gar keine wirklichen Medontidenkönige kennen. in widerspruch hiermit scheint zu stehn, daſs Aristotetes selbst an einer früheren stelle (Herakleides 3) den übergang des königtumes von den Medontiden-Kodriden auf an - dere, also den ersatz des erblichen durch das wahlkönigtum berichtet hat. der anlaſs dazu war, daſs die Kodridenkönige zu schlaff schienen. da9*132II. 5. Die könige von Athen.zeigte Hippomenes, einer aus dem hause, aber ersichtlich kein könig mehr, daſs auf ihn der vorwurf nicht zutraf, durch die maſslos strenge bestrafung seiner tochter und ihres buhlen. so Aristoteles; und Aischines (1, 182), dessen überlieferung auch hier der aristotelischen nahe steht, nennt diesen Hippomenes einfach einen Athener. aber in anderen be - richten wird er als der letzte Kodridenkönig bezeichnet13)Phot. παϱ̕ ἵππον καὶ κόϱην zurückgehend auf ein scholion zu der Aischinesstelle. die Atthis hat die deutung des monumentes παϱ̕ ἵππον καὶ κόϱην ohne zweifel richtig gegeben; die umbildung, daſs die dort begrabenen ein sodo - mitisches liebespar wären (Dion Chrys. 32, 78), ist nichts wert., und einen Medontiden nennt ihn ausdrücklich Pausanias (IV 13, 7), wo er nach seinen jahren datirt; er steht auch in unseren chronographischen listen als zehnjähriger archon. sehen wir zunächst von dieser differenz ab, so bleibt für Aristoteles selbst ein widerspruch, wenn wir nicht scharf unterscheiden und also sagen: unumschränkte Kodridenkönige gibt es freilich nicht, denn schon unter Akastos ist der archon über sie getreten, aber könige sind sie geblieben bis auf die zeit kurz vor Hip - pomenes. sie haben also die gesammte rechtsprechung im heiligen rechte gehabt, also auch im blutrechte, und sind erst abgesetzt, als sie schlaff wurden. gerade in einer sache, wo es sich um φόνος δίκαιος handelte, übt Hippomenes in demonstrativer weise die äuſserte strenge. diese construction hat in der tat hand und fuſs; königtum seit Kekrops, dazu tritt die polemarchie seit Ion, das archontenamt seit Akastos, aber die könige bleiben erbkönige aus diesem alten geschlechte, während ihnen wahlkönige in den archonten zur seite stehen, auch sie auf lebens - zeit gewählt. endlich wird dem geschlechte das vorrecht des königtumes genommen, und bald wird die zehnjährige wahl der drei oberbeamten durch die einjährige ersetzt. die namenliste kann bei dieser annahme bis auf die zeit des Hippomenes noch ganz gut Kodriden und könige enthalten, denn warum ist es notwendig, daſs die eponymie bereits unter Akastos auf die archonten übergegangen wäre? dicht neben Athen, in Megara, ist trotz allen revolutionen der könig bis an das ende des vierten jahrhunderts eponym geblieben. aber ein in einem geschlechte vererbtes königtum schlieſst allerdings die zehnjährige befristung aus. bei einer vererbung in der descendenz von vater auf sohn schon wegen der zeit, bei einer solchen vom ältesten geschlechtsgenossen auf den nächstältesten, weil der vorsitzende des Areopagitenrates vor einem jüngeren weichen müſste, übrigens auch, weil so dieses geschlecht in dem rate unverhält - nismäſsig bevorzugt würde. aber denkbar ist sehr gut, daſs neben133Die Medontiden.befristeten amtsperioden der beamten ein lebenslänglicher könig stünde. die parische chronik bezeichnet in der tat die sämmtlichen namen der liste, die sie bis auf die zeit der neun einjährigen archonten an - führt, als könige; von den zehnjährigen kommt leider keiner vor. die liste des Pausanias (I 3, 3) enthielt sogar das stemma dieser Medontiden - könige bis auf den vorgänger des Hippomenes, und er gibt gelegent - lich eine probe davon.14)IV 5, 10 heiſst Aisimides, der zweite der zehnjährigen archonten, sohn des Aischylos, von dem ihn sein vorgänger Charops und der könig Alkmeon trennen. bei Kastor (Euseb. I 187 Sch.) folgen sich die älteren könige alle als sohn dem vater, nur Alkmeon ist nicht sohn des Aischylos. das stimmt also. daſs Pausanias im vierten buche eine andere liste als im ersten habe, glaube ich nicht; Hippomenes stand nur in keinem kindlichem verwandtschaftsverhältnis zu einem seiner vorgänger. übrigens hat sich Pausanias IV 13, 7 u. ö. um eine olympiade versehen, oder seine liste war durch einen schreibfehler entstellt, denn an eine andere tradition kann ich nicht glauben (so Gelzer Hist. Aufs. für Curtius 18. 19). das datum für Kreon ist durch Marmor Parium, Dionysios, Africanus völlig gesichert, seitdem Gutschmid auch das erste richtiger als Boeckh behandelt hat. man darf nur nicht vergessen, daſs in der rechnung des Pariers ein jahr kein jahr ist. die auszüge des Kastor bei Eusebius stimmen mit ihm in allem wesentlichen, und daſs sie trotz der gentilicischen verwandtschaft ihrer träger die namen auf ἄϱχοντας διὰ βίου und εἰς δεκαέτειαν beziehen, ist so verkehrt in sich, daſs es nicht be - irren kann.
Dürfen wir die namenliste als authentisch anerkennen? abgesehen von Hippomenes15)Wenn dieser in der liste fehlte, aber wirklich Aisimides und Kleidikos noch könige aus dem Medontidenhause, also lebenslängliche waren, so konnte die rechnung der lebenszeiten unmöglich die erforderliche zahl decennien geben. Hippo - menes war durch ein monument, das grab seiner tochter, und dessen αἴτιον im ge - dächtnis erhalten: sehr leicht also konnte ein Atthidograph sich seiner bedienen, um eine lücke zu füllen. dies unter der voraussetzung, daſs die namenliste zuver - lässig ist und Kodriden gibt. sind in ihr keine schwankungen nachweisbar, im gegenteil, die übereinstimmung der parischen chronik sichert gerade die älteren namen und selbst die zahlen für die letzten zwei lebensläng - lichen archonten oder vielmehr könige. daſs die archontenliste von unten bis Kreon 683 / 2 = ol. 24, 3 mit einer relativ groſsen zuverlässig - keit lief, kann niemand ernsthaft leugnen. damals wurden die thesmo - theten eingesetzt und schriftliche verordnungen gab es bereits: so Ari - stoteles, und es ist lächerlich, daran zu zweifeln, da unsere inschriften wol selbst so hoch hinauf reichen, die Eleer und Spartaner schon viele jahrzehnte früher mit der führung von officiellen listen begonnen hatten. 134II. 5. Die könige von Athen.minder sicher sind die sieben zehnjährigen archonten, sowol wegen des Hippomenes, wie auch weil die zahl 70 ganz rund ist. das datum 753 / 2 ist also nur mit einer etwas gröſseren reserve als fest zu betrachten. das beeinfluſst auch die jahreszahlen der beiden letzten könige Aischylos und Alkmeon, die sonst zuverlässiger scheinen, insbesondere die zweijährige herrschaft des Alkmeon, die den anlaſs zu der verfassungsänderung offen - bar gegeben hat, sei es daſs er ohne erben so früh starb, sei es daſs man ihn, worauf die genealogie seiner nachfolger (anm. 14) deutet, als usurpator stürzte. damit kommen wir bis an das jahr 800, und mir fehlt der mut zu bestreiten, daſs noch eine ganze reihe namen aus älterer zeit überliefert sein könnten. die zahlen ihrer regierungen sind selbstverständ - lich nicht nur an sich wertlos, sondern nicht einmal durch eine beson - dere athenische rechnung gefunden. sie sind dazu bestimmt, die brücke zu der zeit der ionischen wanderung, oder, da diese nur ein relatives datum ist, zu dem falle von Ilios zu schlagen; diese punkte aber waren den Athenern durch andere chronologische systeme gegeben. immerhin gelangen wir, wenn wir auch nur die geschlechterfolge rechnen, mit Akastos, der als geschichtlicher könig durch den eid seiner nachfolger gesichert ist, über das jahr 1000 hinauf.
Ich habe diesen weg bis zu ende verfolgt, um zu zeigen, daſs er gangbar ist. aber ich halte ihn doch für irreführend. denn die namen - liste ist nicht die eines griechischen geschlechtes. die Miltiades Alkmeon Damasias Dropides, die wir in der beglaubigten archontenliste bis hoch in das siebente jahrhundert finden, zeigen, daſs damals dieselbe sitte herrschte wie später, und die geschlechter ihre bestimmten eigennamen mit vorliebe vererbten. aber in dieser angeblichen liste von Medontiden kehrt kein einziger name wieder, und nur zwei (Archippos und Ther - sippos) könnten allenfalls auf gentilicische verbindung führen, wenn das ritterpferd nicht allzuvulgär in den namen wäre. dagegen Megakles Alkmeon Ariphron weisen auf andere später bedeutende geschlechter. Phorbas hatte in der stadt ein heiligtum und kommt als begleiter des The - seus und sonst in genealogien und sagen vor. ich bezweifele gar nicht, daſs es in alten zeiten einen leibhaften träger dieses namens in Athen gegeben hat, der sich durch seine taten ein heroisches gedächtnis erhalten hat: aber ein könig und ein Medontide ist der heros nicht gewesen. die liste selbst sagt also, daſs sie höchstens die namen von archonten enthalten kann. wenn die eponymie schon unter Akastos den königen genommen ist, das königtum aber im hause der Medontiden bis auf den archon Kleidikos verblieben, so ergibt das an sich keinen widerspruch;135Die Medontiden.es ist dann nur der irrtum der chronographen anzuerkennen, die in ihr könige und Medontiden suchen.
Aber auch dieser gangbare weg führt in die irre. es ist nicht wol zu verlangen, daſs man den Akastos, auf den sich ein alter eid um 600 bezieht, für einen könig aus dem zweiten jahrtausend halte. der Akastos des eides war sei es könig, sei es archon, als die herrschaft der archonten eingesetzt ward. eine solche verfassung in vorhomerischer zeit ist nicht glaublich, und die dauer einer verfassung durch vier jahrhunderte noch weniger. dagegen stellten die herren, welche im archon den höchsten be - amten hatten, ihre verfassung naturgemäſs als eine uralte hin, rückten also den könig, unter dem sie eingeführt war, an den anfang der reihe. das ist dieselbe manipulation, wie wenn die demokratie den Theseus als stifter verehrt und zuerst den ostrakismos leiden läſst. dann ist die liste zwar nicht authentisch, aber sie ist älter als die demokratie des Kleisthenes, ein erzeugnis des sechsten jahrhunderts. dieses hatte das gute recht, die vorzeit in seinem sinne umzuformen, und ganz von selbst suchte es in ihr archonten, denn die waren jetzt in Athen die entscheidenden be - amten; auf die könige kam wenig mehr an. damals verfügte man ohne zweifel noch über viele überlieferung, die später mit dem sturze der geschlechterherrschaft verschollen ist, und von der die liste in ihren namen einen niederschlag enthält.16)Rätselhaft sind besonders die namen Θεσπιεύς und Ἄψανδϱος. diesen wage ich nicht zu deuten; ein ethnikon als eigenname in so alter zeit ist erst recht anstöſsig. sie ist nicht gedankenlos zusam - mengestoppelt oder frischweg erlogen; aber sie ist zurecht gemacht, ist keine königsliste und ist authentisch erst etwa seit 800. wir aber sind nur ganz ausnahmsweise im stande, eine einzelheit in ihr mit sicherheit zu glauben oder zu verwerfen. die liste ist eben ein stück Atthis des sechsten jahrhunderts. die kritik des fünften und vierten, die nament - lich mit recht das königliche geschlecht suchte, hat sie umgedeutet und hie und da zurechtgestutzt; die namen selber aber, das hauptgerüst, hat sie stehn lassen müssen.17)Der athenische könig Epainetos in der sechsunddreiſsigsten olympiade aus Hippon von Rhegion (Antig. Kar. parad. 121) ist gänzlich unverständlich und kann sicherlich nicht zugleich könig und Athener sein. wenn man sie so beurteilt, so kennen wir gar keine Medontidenkönige; das stemma bei Pausanias ist ein auto - schediasma, aber Hippomenes kann ganz wol zehnjähriger archon ge - wesen sein. übrigens verhehle ich mir nicht, daſs das urteil schwanken kann, und daſs jedes glied, je nach dem es beurteilt wird, die ganze136II. 5. Die könige von Athen.rechnung verschiebt. ich fürchte nur, daſs dialektik hier nicht weiter hilft: aber die fixirung irgend einer person der reihe kann das ganze feststellen; das ist mir leider nicht gelungen.
Ion und seine söhne.Einen ganz anderen charakter als die einzelfiguren der alten my - thischen könige und die königsliste der chronik hat die genealogie Apollon-Ion-Geleon18)Euripides (Ion 1579) und Apollonios der Rhodier (1, 95) schreiben Τελέων, und wenigstens bei diesem kann es kaum ein schreibfehler sein. auch bei Pollux 8, 109 steht es. so ist es wol eine bereits absichtlich τοὺς ἐν τέλει hineintragende änderung. aber dann muſsten die Geleonten schon recht obscur geworden sein. sonst ist Geleon als vater des Butes, zumal seine gattin tochter des Eridanos ist (Comment. grammat. II 12), immer noch die beste dieser figuren. die Butaden sind Geleonten gewesen und sind städtischer adel; weiter liegt nichts darin. Hoples19)ὁπλῆτες ὡς γυμνῆτες. es ist das gegenteil aller methode, von dem namen des herrn Ὅπλης auszugehn, dies angebliche hypokoristikon zu einem vollnamen nach belieben zu machen und dann aus diesem weitere schlüsse zu ziehn. Argadeus Aigikores, die ersten vier phylenkönige.20)Herodot setzt die genetive Ἀϱγαδέος und Αἰγικόϱεω neben einander und diese form gibt auch das Demosthenesscholion 24, 18. die bildung auf - ευς greift in der alten zeit sehr weit; nur damals ist sie auch hypokoristisch. Τετϱαπολῆς Τϱιτοπατϱῆς Εἰκαδῆς, die phratrien Δυαλῆς Φιλιῆς, die ephesischen phylen Βωϱεῖς, Ἐφεσεῖς sind am ehesten vergleichbar. die weiterbildung von gentilicia, ἀηδονιδεύς, λυκιδεύς u. s. w. (Aristoph. Byz. 114 N.), und spielend danach gebildete Μαιαδεύς, (der kleine Hermes), Χαιϱιδῆς βομβαύλιοι bei Aristophanes, Αἰακιδεύς (gewiſs auch singulär, Philoxenos im EM. s. v.), können hier nichts helfen. Ἀϱγαδεύς mit Argos zu verbinden verwehrt die grammatik: wo käme denn das a her? ich könnte mehr geben, aber dies dürfte genügen, um die versuche, aus diesen namen capital zu schlagen, so lange auf sich beruhen zu lassen, wie sie mit nichts weiterem als den namen ope - riren. dafür will ich das so viel besprochene βασιλεύς in diese reihe stellen. in ihm ist der singular offenbar abusiv, die βασιλῆες sind so gut wie die Φιλιῆς und Ἰκαϱιῆς das ursprüngliche. angestammte könige, wie die der Spartiaten, sind keine βασιλεῖς sondern ἀϱχαγέται, erst aus der ionischen panhellenischen sprache nehmen sie den fremden titel an. abgeleitet ist das wort von βασίλη, und βασιλίδαι steht daneben (so auch wider den Regius A bei Platon Kritias 116c zu schreiben); dieses wort steht vereinzelt in der griechischen sprache, genauer der ionischen, stammend aus einer der mundarten, die in sie aufgegangen sind. es kann also aus dem grie - chischen nicht erklärt werden, und eine gleichsetzung mit irgend einem ganz fremden wird niemals seine wirkliche bedeutung erklären. das dagegen lehrt das griechische, daſs die βασιλῆες keine monarchen mehr waren, und der einzelne βασιλεύς nur primus inter pares, wie Odysseus in Ithaka. es ist sehr bezeichnend, daſs Ζεὺς βασιλεύς sowol als anrufung wie als cultname nicht alt ist. die vier namen sind als singulare und personen so erbärmlich erfunden wie etwa aus den Εἰκαδῆς, die an der εἰκάς ein festmal halten, der heros Εἰκαδεύς. und wenn einmal Aigeus sohn des Aigikores heiſst, um des anklanges der namen willen, und eine tochter137Ion und seine söhne.des Hoples heiratet, ohne nachkommenschaft, so ist das so kümmerlich, daſs man ruhig behaupten kann: die vier personen sind weder etwas ge - wesen noch geworden als die singulare der 4 phylennamen, nicht einmal deren rechte eponyme. Ion ist ihr vater, weil die phylen die der Ionier sind; aber er hat mit Athen nichts zu tun. Euripides hat ihm zwar die tochter des Erechtheus zur mutter gegeben, aber das erst im Ion: im Erechtheus hat sicherlich keine tochter desselben den vater über - lebt, und im Ion selbst war dem publicum der name Kreusa so wenig vertraut, daſs er ihn besonders einschärfen muſs. 21)Der prolog nennt den namen sechsmal und 57 würde er gewiſs nicht stehn, wenn er nicht eingeschärft werden sollte. auch vieles in dem gespräche zwischen Ion[und] Kreusa dient der belehrung des publicums über den neuen mythos. die interpolationsjäger sind besonders darauf aus, den namen Ions zu vertreiben, und die stellen sind zum teil anstöſsig, d. h. nicht die abstracte poesie, sondern die praktische rücksicht hat den dichter bestimmt.Kleidemos aber kennt zwar eine Kreusa als frau des Xuthos, also vermutlich auch mutter des Ion, aber sie ist die tochter des Kreon von Korinth (schol. Eur. Med. 19). 22)Schwerlich mit recht folgt Panzer (de mythographo Homerico Greifswald 1892, s. 26) einer überlieferung, die Κϱέουσα Ἐϱεχϑέως als mutter Agamemnons einführt, und sollte er mit der beurteilung der handschriften recht haben, so würde es ein wertloses autoschediasma sein. wer die buhlerische Aerope nicht duldete, holte eine beliebige ‘prinzessin’ Kreusa vor; aber mit Athen hatte sie nichts zu tun.Xuthos ist dem Herodotos der vater Ions (8, 44), wie er es jedem sein muſste, der der maſsgebenden hesiodischen genealogie folgte. auch nach dem beschlusse des Apollon bei Euripides soll er es vor der welt bleiben. mit andern worten: Euripides hat die hesiodische genealogie mit der attischen verbunden und den Ion durch Kreusa gewaltsam zu einem Erechthiden gemacht. Ion der sohn Apollons und vater der vier heroen muſs ja wol eine mutter gehabt haben, und es wird eine Athenerin gewesen sein, aber einen namen scheint sie nicht besessen zu haben; die mutter der vier ist überhaupt unbekannt. ein weiterer schluſs ist, daſs Xuthos erst durch die hesiodische genealogie importirt ist, so daſs sich die schwierigkeit der beiden väter ergab, die Euripides lösen will.23)Mit den doppelten vätern wirklicher heroen hat dieser fall keine ähn - lichkeit; an denen nimmt niemand anstoſs. denn es ist ein anderes, wenn der pater quem nuptiae demonstrant einen himmlischen neben sich hat, als wenn über die vaterschaft eines unehelichen kindes disputirt wird. oder besser gesagt: in Athen ist Ion sohn des Apollon, und da giebt es keinen Xuthos; in Ionien ist es umgekehrt. in der tat hat Xuthos in Athen keine stätte24)Xuthos in der tetrapolis (Strab. 383, mich dünkt, aus Ephoros), steht in, und in der he -138II. 5. Die könige von Athen.siodischen genealogie wieder hat Ion, der eponym der Ionier, keinen gött - lichen vater.
Zur zeit des adelsstaates ist Athen in die vier ionischen phylen geteilt, betrachtet es sich als die πϱεσβυτάτη γαῖα Ἰαονίης, müssen die beamten den besitz des Ἀπόλλων πατϱῷος nachweisen. eigentlich sollten die eponyme der zwölf phratrien und weiter die der geschlechter von den vier söhnen Ions stammen. aber diese consequenz ist nicht gezogen. weder stammen die eponyme der geschlechter von denen der phratrien, noch diese von denen der phylen. in einer anzahl ionischer städte haben dieselben phylen bestanden; erst hier ist der Ioniername, also auch der eponymos Ion, und zwar zunächst für die zwölf städte, die an dem Panionion des Poseidon teil nahmen, aufgekommen. hier heiſsen die könige Kodriden Basiliden Neleiden. wie sollen wir das verstehen? die alte antwort ist: die vier phylen bestanden in Athen, als dieses seine colonisten aussandte, und seine könige waren Nelei - den und Kodriden. so sagen Herodotos und Euripides, so würde Solon ohne zweifel auch sagen. wenn wir das annehmen, so haben sich die phylen in Athen gebildet, und zwar vor der ionischen wanderung, diese aber ist ein von Athen geplanter zug, nicht anders als die gründung von Amphipolis oder Brea. das ist alles undenkbar. die Ionier leiten sich aus Pylos oder Achaia oder von Abanten Kadmeern u. s. w. her, vor Herodotos führt sich keiner von ihnen auf Athen zurück, und auch dieser weiſs sie über Athen in ihre wirkliche heimat zu bringen. auch nach Herodotos stammen die Ionier nicht aus Attika. Kodros ist in Athen ein eindringling, und das königliche geschlecht heiſst Medon - tiden. ein teil des attischen adels will freilich pylisch und neleisch sein wie die Ionier, aber darin liegt nichts für die abhängigkeit der letzteren von Athen. die phylenheroen sind in Athen eine so künst - liche pflanze, daſs sie wahrlich nicht vor Homer schon eine so wich - tige rolle in der gliederung des volkes gespielt haben können. wie soll man sich ihre genesis überhaupt vorstellen? es saſsen in der Ke - kropia familien, sagen wir einmal 300, die sich in vier phylen teilten. 24)einer sehr schön pragmatisirten geschichte der wanderungen, die die Ionier erst von Athen nach Achaia, dann von da über Athen nach Ionien bringt. aber diese ge - schichte setzt den Ion des Euripides voraus. übrigens mag in der tetrapolis wirk - lich eine spur des ionischen heros gewesen sein, aus Euboia stammend; haben ihn die Chalkidier doch auch nach Sicilien gebracht. er ist ein wirklicher heros unter bloſsen eponymen im hesiodischen kataloge. allerdings könnte der ‘braune’ neben dem ‘bunten’ Aiolos mit absicht stehn.139Ion und seine söhne.nun schlossen sich die Diakrier an, etwa 200 familien, aber nicht auf einmal, sondern stadt für stadt. die wurden in die vier phylen aufgeteilt, und als Attika geeinigt war und den zug nach Ionien unternahm, giengen die heerhaufen der colonisten nach diesen vier phylen geteilt ab. soll das jemand glauben? wozu überhaupt in dem kleinen kekropischen Athen die phyle über geschlechtern und brüderschaften? und wenn es deren vier gab, fehlten sie denn in Aphidna und Pallene? oder wurden die dor - tigen mit gewalt bei der annexion zerschlagen? sobald man s[i]ch die mühe gibt, die dinge sich werdend vorzustellen, kommt man auf absurditäten. man ist gewohnt die dorischen phylen zu vergleichen. aber vergleiche man nur, auf daſs die unterschiede hervortreten. die Dorer sind ein staatloses wandervolk, wie die Germanen in der völkerwanderung. sie gliedern sich in stämme, das sind ihre einzigen körperschaften. Hylleer sind ein volk; als illyrischer stamm sind sie in Epirus sitzen geblieben. Dymanes zeigen durch ihren namen, daſs sie ein stamm sind, und Pam - phyloi sind alle, die keins der beiden andern sind. diese drei siedeln sich mancher orten an; aber sie finden sich gar nicht überall alle, und vieler orten auch andere neben ihnen.25)῾ϒϱνηϑώ ist z. b. offenkundig erst aus dem ῾ϒϱνάϑιοι gemacht, nicht um - gekehrt. als sie dann seſshaft werden, bilden sich die alten volksstämme freilich zu gliedern der neuen staaten um, und wenn sie dann colonien aussenden, können diese die alten stämme als natürliche oder künstliche glieder mitnehmen oder übertragen. in Ionien wird durch die wanderung, deren resultat die Ionier sind, eine gliederung in phylen ganz analog erfolgt sein, indem sich die ein - zelnen bestandteile der einwanderer zunächst gesondert hielten, und neue gruppen hinzutraten.26)In Ephesos haben wir die phylen Ἐφεσεῖς Βεμβιναῖοι Εὐώνυμοι und die zugewanderten Τήιοι Καϱηναῖοι. unter den Ἐφεσεῖς erscheinen als χιλιαστύες drei in andern orten für phylen begegnende namen Ἀϱγαδεῖς Βωϱεῖς Οἴνωπες, daneben Λεβέδιοι. unter den Βεμβιναῖοι finden wir Ἀἰγωτεύς (geschrieben Αἰγωτεός Inscr. Br. Mus. CCCCLV, von Hicks verkannt und daher DLXXXVIII 26 falsch ergänzt) und Πελασγηος (ob aus Πελασγεύς entstanden?). andere heiſsen ersichtlich nach menschen, wie die ϑίασι, Ἡγητόϱειος, oder nach orten Λαβανδηος (Πεῖος gehört wol auch zum Πίων). so wächst eine stadt auf neuem boden zusammen, hier ein splitter alten stammes, dort leute aus einem anderen orte, dort ein trupp unter der führung eines häuptlings, endlich die ansiedler oder eingeborenen eines fleckens der occu - pirten gemarkung. an den phylen von Neapolis kann man ähnliches bemerken. aber wie in aller welt ist das auf dem boden von Athen denkbar, oder vielmehr von Attika, denn die vier phylen vor der einigung dieses landes sind monströs. eine andere entstehung wieder140II. 5. Die könige von Athen.zeigen die tegeatischen phylen, die lediglich vier gesonderte siedelungen sind; das hätten die athenischen sein können, aber sie sind es nun einmal nicht gewesen. man sieht es am besten an den windigen constructionen der Atthidographen.27)Pollux 8, 108. Apollodor bei Strab. 397 gibt alte landesnamen, die nicht mehr wert haben. und die kastenteilung, an die auch schon das altertum gedacht hat, ist vollends erträumt. für Ionien passen die phylen, für Athen passen sie nicht. für Ionien paſst Ion, für Athen paſst er nicht. die inseln und Euboia sind doch auch ionisch in demselben sinne wie Athen: weshalb fehlen dort beide? da muſs man sich ein herz fassen und die geschichte umkehren.
507 hat Kleisthenes in Athen 10 phylen mit hilfe des delphischen gottes gemacht. es war ein act der willkür, aber es gieng sehr bequem. die alten vier mochten als cultverbände weiter existiren, das kümmerte ihn nicht28)Wenn die vier aber grundbesitz gehabt hatten, so haben sie den den neuen abgetreten, denn diese besitzen land, die alten nicht.; den Ion behielt er aber natürlich bei, denn Ionier wollten die Athener bleiben.29)Das lehrt der grenzstein eines grundstückes, das er sogar auf Samos von den Athenern erhalten hat, Bull. Corr. Hell. 8, 160. die vier phylen sind nicht mehr wert als die zehn. also schlieſse ich, daſs sie ebenso künstlich gemacht sind. wenn jeder Athener einen Ἀπόλλων πατϱῷος haben muſs, trotz seinem geschlechte und dessen ahnherrn, so ist der ihnen allen einmal verliehen, künstlich, durch einen act. als Attika eine einheit geworden war, bedurfte es allerdings einer gliederung; der regionalismus war damals ungleich ge - fährlicher als 507, die bestehenden geschlechterverbände ungleich macht - voller. die ideelle einheit lag im dienste Athenas, aber die jungfrau bot keine bequeme gentilicische anknüpfung. da hat man die vier phylen erfunden und die phratrien dazu, oder besser die trittyen; denn phra - trien, d. h. gruppen engverbundener geschlechter, haben gewiſs vorher nicht gefehlt. die geschlechter aber wurden in diese fächer eingereiht; es ist ganz gut möglich, daſs man für sie eine schematische zahl we - nigstens prinzipiell aufgestellt hat, wie die Atthis 360 zählt. bewerk - stelligt konnte eine solche maſsregel noch 507 nur durch die sanction eines gottes werden. daſs die vier phylen von demselben pythischen Apollon gemacht sind wie die zehn, folgt aus der reception seines cultes als πατϱῷος, den die Ionier doch auch haben müssten, wenn sie die phylen aus Athen mitgenommen hätten.30)Die Apaturien sind ein geschlechterfest, kein phylenfest. sie sind wirklich es wird am klarsten sein,141Ion und seine söhne.wenn ich erzählend darlege, wie ich mir die tatsachen geworden denke. das geeinigte Attika braucht eine organisation, die den formen des ge - schlechterstaates gemäſs in φυλὰς φυλάξαι und ὠβὰς ὠβάξαι be - stehen muſs. über das prinzip hat man sich geeinigt, ganz wie durch die rhetra in Sparta. die ausführung wird gemacht wie 507; man fragt den gott, und ein staatsmann, der ihm soufflirt, wird auch diesmal nicht gefehlt haben. der gott sagt “ihr habt vergessen meines lieben sohnes Ion und seiner vier söhne, die doch zuerst euer volk zusammen wohnen gelehrt haben (συνῴκισαν sagt auch Aristoteles), durch sie seid ihr meine kinder, und wenn ihr nach ihnen euch gliedert, wird es euch wol ergehen. ” und so führen die Athener die vierteilung durch und darunter die zwölfteilung; es ist ein ganz äuſserlicher auf die verwaltung berechneter schematismus, das leben war und ist nur in den einzelnen gliedern, den geschlechtern und allenfalls den phratrien.
Wenn der gott auf Ion geriet, so war darin ausgesprochen, daſs die Athener den Ioniern verwandt waren, die also ein deutlich erkenn - barer volksbegriff sein muſsten. wenn anders der gott a und e unter - scheiden konnte, muſste er das wissen; wer weiſs, ob es so sehr viel früher war als die entstehung der hesiodischen Kataloge. auf die vier phylen als etwas allgemein ionisches konnte freilich der gott nicht verfallen, da sie das nicht sind31)Die verbreitete ansicht, daſs die vierzahl für Ionien charakteristisch sei, ist gar nichts als die verallgemeinerung der vier attischen phylen., sondern er muſste sie aus einer einzelnen stadt nehmen, und nahm sie aus Milet; wenn er Ephesos oder Chios gewählt hätte, würde ganz etwas anderes heraus gekommen sein. Milet aber war nicht nur die erste stadt Ioniens und dem Apollon besonders wert, sondern auch wirklich mit Athen in einigen beziehungen. sobald Ionier und Athener sich ihrer verwandtschaft bewuſst wurden, muſste das sich ihnen so dar - stellen, daſs die stadt der autochthonen den vorrang des alters vor den colonien erhielt und mehr oder minder ihre mutterstadt ward. wenn es trotzdem nur zu der erzählung gekommen ist, daſs die Ionier über Athen gezogen wären, aber eigentlich aus dem Peloponnese stammten, so kann in wahrheit an der attischen colonisation nur herzlich wenig sein. es ist unvermeidlich, daſs auch ein par Athener unter den colo - nisten gewesen sind, Rhamnusier und Thorikier auch, (den staat Attika gab es noch nicht), aber die gentilicischen verbindungen fehlen30)‘ionisch’, d. h. bei dem volke verbreitet, zu dem die Athener und die Ionier Asiens gehören. aber der gott der Apaturien ist keineswegs immer und überall derselbe, und er ist nicht einmal in Athen der pythische Apollon.142II. 5. Die könige von Athen.gänzlich. das einzige auſser den phylen sind die Kodriden, und diese sind in Athen eben so secundär wie Ion und seine söhne. dafür, daſs fürstengeschlechter und ganze städte in Ionien sich aus Pylos und von den Neliden herleiten, und in Athen manche geschlechter, darunter das der Medontiden, dasselbe tun, muſs allerdings ein geschichtlicher anlaſs gesucht werden. wenn es gelingt ihn zu finden (und ich meine ihn in der vertreibung der älteren bevölkerung aus dem südwesten des Peloponneses durch Spartiaten und Eleer zu sehen), so wird dadurch viel - leicht sogar ein relatives datum für die einführung der älteren phylen - ordnung in Athen ermittelt werden. hier beschränke ich mich darauf, die hypothese vorzulegen, die die phylenordnung und die ionische ab - stammung der Athener zugleich mit der athenischen abstammung der Ionier erklärt.
Ein corollar ist die antwort auf das verhältnis des geschlechtes der Ἰωνίδαι, das aus der existenz des so benannten demos am Brilettos folgt. denn dessen lage wird durch die erkenntnis der kleisthenischen kreisteilung fixirt. der ahnherr des geschlechtes war sohn des Gargettos (Paus. VI 22, 7), und wenn ein local in Elis mit diesem verbunden wird, so hat der urheber dieser verbindung mit überlegung von Ion dem ahnherrn aller Athener abgesehen. auf die anklänge von namen und traditionen in Elis und Attika hat man mit recht in letzter zeit mehr geachtet32)Kirchner Attica et Peloponnesiaca Greifswald 1890.; es ist sehr wol möglich, daſs wirklich Ioniden aus dem Pe - loponnes nach Athen ausgewandert sind, als die Eleer ihnen zu mächtig wurden. ich glaube selbst, daſs die Ionier ihren namen am letzten ende einem verschollenen stamme verdanken, der eben in jener gegend des Peloponneses und in dem namen des geschlechtes der Ioniden seine spuren hinterlassen hat; aber das liegt jenseits der geschichte, die für Athen in betracht kommt. für sie sind der sohn des Xuthos oder des Apollon und der sohn des Gargettos zwei personen, die einander nichts angehen. im demos Potamos sollte Ion, natürlich der staatsgründer, begraben liegen (Paus. I 31, 3, von ihm wiederholt VII 1): die bloſse existenz eines Ἴωνος τύμβος scheint mir aber für keinen weiteren schluſs eine zu - reichende basis. eine letzte frage gilt dem Ion, der als polemarch im kriege wider Eleusis hilft, den schon Herodotos kennt und wol auch Euripides.33)Herodot 8, 44, statt seines allgemeinen ausdruckes στϱατάϱχης gibt die Atthis und die auf sie gebaute mythographische tradition durchaus den attischen amtstitel. Euripides formt das im Ion so um, daſs Xuthos den hilfszug macht, und er kann nur unter der bedingung der staatsgründer sein,143Ion und seine söhne.daſs die sage ersonnen ist, um den sohn des Xuthos herbeizuholen, mit anderen worten, wenn die sage nicht mehr rein attisch ist: der sohn des Apollon muſste ja Athener sein. befremdlich ist für diesen die charge des polemarchen, durch die selbst Aristoteles zu der ungeheuer - lichkeit gezwungen wird, die polemarchie neben dem königtume in die urzeit zu rücken. die eroberung von Eleusis fällt so spät, daſs die er - innerung an einen polemarchen sich sehr wol erhalten konnte, und ein Ionide oder gar ein Ion aus diesem geschlechte könnte also als con - current des heros auftreten. ich wüſste zwischen den vielen möglich - keiten nicht zu entscheiden.
Wie aber kommt es, daſs die Atthis, die doch die reform der ver - fassung 683 geschichtlich festgehalten hat, von der einführung der vier phylen gar nichts weiſs? sie konnte es nicht; für ihre anschauung waren sie, wie der gott gesagt hatte, höchstens wieder eingeführt. die söhne Ions hatten ja doch in der urzeit gelebt. ganz so, wie sie nur einen abfall von Eleusis oder den einfall eines Thrakerheeres erzählen kann, wie Kekrops bereits könig von ganz Attika ist, trotz den synoi - kismen des Ion und des Theseus, muſste auch hier das resultat der ent - wicklung in die urzeit projicirt werden. die Atthis hat aber überhaupt so ganz auf dem boden des demokratischen kleisthenischen Athens gestan - den, daſs sie für die alten phylen, ja selbst die phratrien und geschlechter, die doch fortbestanden, fast gar kein interesse hat. in ihrer urgeschichte weht derselbe geist wie in der hohen poesie des fünften jahrhunderts. man schiert sich wenig um den eben überwundenen adel, freut sich um so mehr an dem stolzen bau der jungen demokratie. so schlägt man kühn von ihr die brücke unmittelbar zu der urzeit. könig Theseus schafft ordnung in der anarchie und legt den grund zu der freiheit und gleichheit. für die schilderung der anarchie braucht man selbständige πόλεις, und sie boten sich in den lebendigen traditionen der Aphi - dnaeer Epakrier Palleneer. bequem bot sich die zwölfzahl der alten trittyen, die man durch solche namen örtlich fixirte. damit ist noch gar nicht gesagt, daſs man wirklich 12 aufzählte oder mit überlegung wählte: die aufzählung ist erst ein act der forschung.34)Strab. 397 gibt die liste nach Philochoros. der fehlende name dürfte hinter eben so bequem33)läſst ihn wider Euboia ziehn (wo Xuthos doch zu hause ist), weil seine chronologie den kampf mit Eleusis, in dem Kreusas schwestern geopfert sind, nicht verträgt. wie er im Erechtheus gedichtet hatte, ist leider nicht sicher zu erkennen. in ihm wird Erechtheus kinderlos und adoptirt, wie es scheint, am ende einen sohn: ich kann nur an Ion denken; aber ein wirklicher beweis ist mir nicht möglich.144II. 5. Die könige von Athen.bot sich die vierzahl, und so entstand die auch von Aristoteles ruhig neben den vier phylen gegebene tradition von den vier söhnen des Pandion. denn wenn auch Nisos schon zu der zeit annectirt ist, wo Nisaia von Peisistratos occupirt war, so konnte doch jene zeit, in der factisch die Diakrier über Athen geboten, unmöglich Lykos und Pallas als abtrünnige und aufständige schildern, die der städter Theseus zu paaren triebe. auch diese sophokleische erzählung ist noch poesie der groſsen zeit, aus ihr verständlich. erst die forschung, verführt durch das bestreben, die vier phylen und die zwölf trittyen örtlich zu fixiren, baut darauf vergeblich geschichtliche combinationen. die combinationen helfen uns nicht: nur die elemente, die sie combiniren, nehmen wir dankbar an, um unsererseits zu versuchen, ob es uns besser glücke als unsern vorgängern, Philochoros und Apollodoros.
Ohne die phylen und demen des Kleisthenes kann man sich Athen,Die reform des Klei - sthenes. oder doch ein demokratisches Athen, gar nicht vorstellen. demgemäſs sollte der gründer der gemeindeordnung der populärste name in seinem volke sein.1)Die komoedie hat den namen Kleisthenes für den καταπύγων zu einem typischen gemacht. gegeben hat es den menschen (ὁ Σιβυϱτίου Acharn. 118), aber unmöglich hat er von 425 — 405 sein handwerk so treiben können, daſs er den frischen spott herausforderte; er ist auch in der Lysistrate viel mehr typus als in - dividuum; mit Kleonymos, dem dicken feigen demagogen steht es ähnlich. um so klarer ist, daſs der name des groſsen Alkmeoniden dem volke kein heiliger war, ja daſs man an ihn bei diesem namen gar nicht dachte. dem stand seine hochadliche abkunft hindernd entgegen, und der name des volksmannes Solon hat den seinen fast verdrängt. als man bald nach den Perserkriegen den staatsfriedhof anlegte, erhielt Kleisthenes noch ein ehrengrab2)Pausan. I 29, 7. nebenan war das grab der Thessaler, die bei dem siege über Anchimolos 511 gefallen waren. so wird dem Kleisthenes das ehrengrab wol auch wesentlich zum danke für die vertreibung der tyrannen errichtet sein.: damals lebten noch die zeugen seiner reform. 411 wird eine berücksichtigung seiner gesetze wenigstens in einem amendement vorgesehn (29, 3); aber schon 403 redet man nur von Drakons und Solons gesetzen, und im vierten jahrhundert pflegt Kleisthenes höchstens als annex Solons aufzutreten.3)Isokrates rechnet ihn sowol im Areopagitikos 16 wie im Panathenaikos 232. 306 einfach unter die vertreter der guten demokratie. Plut. Kim. 15 redet gar von der ἐπὶ Κλεισϑένους ἀϱιστοκϱατία. sonst kennen ihn weder die redner noch Platon. die chronik hatte wenigstens die änderung der phylen und demen sehr eingehend be - handelt, auf grund von reichem urkundenmateriale; aber ihr grundstock gehörte doch einer zeit an, die so vollkommen durchdrungen war von den gewaltsamen neuerungen des reformators, daſs sie das ältere,v. Wilamowitz, Aristoteles. II. 10146II. 6. Trittyen und demen.den geschlechterstaat, gar nicht mehr verstand. wir können die beiden berichte, über die wir verfügen, bei Herodotos und Aristoteles, leider durch sonstige reste der chronik nicht sehr stark ergänzen. Herodot hat auſser den mündlichen traditionen des Alkmeonidenhauses, die das persönliche angehn, das ihn vorwiegend interessirt, einen der chronik analogen mündlichen oder schriftlichen bericht benutzt; aber er hatte für die verfassung, abgesehen von dem demokratischen prinzipe, kein interesse. so ist das kurze capitel des Aristoteles (21) eine wahre offen - barung für uns und erfordert eine eingehende erläuterung. wir erfahren lange nicht alles was wir wünschten, über den rat z. b. nichts als die gleichgiltige vermehrung der zahl, über die beamten nichts, wo doch die Atthis des Androtion wenigstens die schöpfung der apodekten angab, über die demarchen nur, daſs sie die naukraren ersetzten, wo die Atthis des Kleidemos sehr viel genaueres gab. daſs die archonten im gegen - satze zu Solon gewählt wurden, kommt später gelegentlich zur sprache (22, 5); daſs die strategen erst einige jahre nach 507 auf 10 erhöht wurden, ebenfalls (22, 5), woraus wir schlieſsen dürfen, daſs wir unter dem namen der kleisthenischen verfassung etwas zusammenfassen was nicht ein act, sondern das ergebnis einer reform war, die aus einer wurzel allmählich mit notwendigkeit erwuchs. diese wurzel ist die er - setzung des geschlechterstaates durch die gemeindeordnung. und über sie wenigstens teilt uns Aristoteles einige grundsätze mit, deren trag - weite sehr viel gröſser ist, wahrscheinlich selbst als das was ich daraus hier entwickele. schmerzlich bedauert man wieder, daſs Aristoteles selbst so gar kein interesse für das leben der einzelgemeinden gehabt hat, denn hier müſste stehen, was aus anderer überlieferung einigermaſsen zu er - setzen eine hauptaufgabe künftiger forschung ist, welche grenze der einzelgemeinde für ihre selbstverwaltung gezogen war. aber seien wir dankbar auch für das wenige was wir erfahren: es ist alles eitel gold.
Das erste ist die vermehrung der bürgerschaft durch die aufnahme von neuen elementen, wozu als ergänzung die ungestörte fortexistenz der nun für den staat bedeutungslosen verbände des geschlechterstaates gehört. das hat namentlich bedeutung, weil es die richtige auffassung der beiden stellen der Politik (Γ 1275b Ζ 1319b) sicher stellt; es ist von mir an anderen stellen behandelt. wir hören dann die verände - rung des attischen namenswesens durch die einführung des demotikons; das ist nichts neues, hat aber bisher seine volle würdigung nicht er - halten, und ich habe ihm das nächste capitel gewidmet. endlich aber wird uns nun erst die bildung der phylen und der gemeinden klar: das147Die reform des Kleisthenes.soll hier erörtert werden.4)Da mir dieser gegenstand in folge meiner früheren studien über die demen - ordnung besonders nahe lag, hatte ich dieses capitel schon 1891 fertig gestellt. mittlerweile hat Milchhöfer dasselbe behandelt (Untersuchung über die Demenordnung des Kleisthenes 1892). ich werde dasjenige in anmerkungen nachtragen, was er mich gelehrt hat, auf jede polemik verzichten und die übereinstimmung nicht no - tiren. ich will auch auf eine kritik der Milchhöferschen arbeit verzichten. wir geben beide nur provisorisches; wenn ich das attische land genauer kennte, würde ich es besser machen. wer die wichtige aufgabe gut lösen will, muſs sowol orts - kenntnis wie philologisches und historisches urteil besitzen. als diese zweite be - arbeitung schon in der druckerei war, ist der tief eingreifende aufsatz von R. Loeper (Ath. Mitteil. 17) erschienen: es ist mir unmöglich, mich mit ihm auseinander - zusetzen. so muſs ich einiges tatsächlich überholte notgedrungen stehn lassen. wenn wir Aristoteles sagen, so gilt das natür - lich nur, weil wir sein buch lesen: daſs er auch hier lediglich die Atthis wiedergibt ist sowol durch directe berührungen wie durch den inhalt klar. nur einige gelegentlich angeschlossene bemerkungen dürften allen - falls sein eigen sein, über ein specifisch attisches wort (φυλοκϱινεῖν), die dem ausländer auffällige verbreitung der demotika in der attischen nomen - clatur, endlich der versuch, ein motiv dafür zu finden, weshalb Klei - sthenes nicht zwölf phylen eingerichtet habe. daſs Aristoteles danach fragt, kommt aus dem sehr richtigen gefühle, daſs die zwölfzahl der pry - tanien für die verwaltung wirklich viel praktischer gewesen wäre. das haben die Athener durch die praxis gelernt und deshalb 307 und wieder 200 die zahl eingeführt, durch die das geschäftsjahr in eben so viele perioden zerfiel wie das kalenderjahr in monate (nur daſs man sich vor dem verständigen schritte gescheut hat, auch das sonnenjahr einzuführen). Aristoteles hat aber diese beobachtung doch nicht selbst gemacht, son - dern in der platonischen schule gehört: denn Platon selbst hat für den staat seiner Gesetze zwölf phylen vorgesehn (828). übrigens hatte schon die zahlenspeculation, die Aristoteles im eingange seines buches reproducirte (frgm. 3), den alten geschlechterstaat mit der gliederung des jahres ver - glichen. eben in der absicht, sich von dem geschlechterstaate zu ent - fernen, glaubt Aristoteles das motiv zu finden, das den Kleisthenes dazu vermocht habe, die zehnzahl der phylen vorzuziehen. er meint, sie wären sonst mit den alten trittyen zusammengefallen. das ist nicht richtig; die alten trittyen waren ja drittelungen der adelsphylen, hatten also so wenig wie diese einen localen charakter, der vielmehr erst in den naukrarien hervortrat; wir wissen nur nicht, wie diese mit dem gen - tilicischen prinzipe ausgeglichen waren.5)Da die alten trittyen zugleich die phratrien sind, kann man auf den einfall kommen, daſs in der tat die drittel der adelsstämme mit einem drittel des landes es zeigt sich wieder, daſs Ari -10*148II. 6. Trittyen und demen.stoteles so wenig wie die Atthis sich den geschlechterstaat wirklich klar gemacht hat.
Die teilung des landes.Kleisthenes machte also zehn phylen und benannte sie nach den zehn eponymen, die die Pythia aus der liste von hundert alten fürsten (ἀϱχηγέται) auswählte. unter sie verteilte er das land so, daſs jede von ihnen einen strich landes in der nähe der stadt, einen im binnenlande, einen an der küste erhielt.
Das ist das neue. Attika zerfiel fortan in drei geschlossene massen, stadt -, land -, küstenprovinz, um bequeme namen zu stiften; jede pro - vinz zerfiel in zehn kreise; für die verwaltung gehört aber nicht die provinz zusammen, sondern je ein kreis jeder provinz. diese einheit führt den dem geschlechterstaat entlehnten namen phyle, stamm; und die kreise heiſsen von ihrem verhältnisse zu dem stamme drittel, trittyen. die absicht des gesetzgebers muſste sein, für die phylen eine möglichst gleiche leistungsfähigkeit, sowol militärisch wie finanziell, zu erzielen; minder nötig war das schon für die kreise. auf die räumliche aus - gleichung kam nichts an, und in Attikas bergen und ödländereien war sie gar nicht einmal anzustreben. wie viele gemeinden endlich in einem kreise oder einer phyle waren, machte für die organisation sehr wenig aus. es konnten dafür die praktischen rücksichten auf die ansiedelung und bevölkerungsdichtigkeit innerhalb des kreises ganz ausschlieſslich maſsgebend sein; darum sind auch auf diesem gebiete veränderungen vorgekommen, ohne daſs sie die verfassung berührten, so daſs wir über so etwas wie die teilung einer gemeinde oder auch die verleihung des gemeinderechtes an eine neue siedelung niemals etwas hören, es sei denn in verbindung mit der phylenverfassung. wichtig ist nach dieser seite nur die rechtliche zerstörung der hauptstadt, an deren stelle eine pro - vinz tritt. darüber brauche ich meine früheren ausführungen weder zu ändern noch zu wiederholen.
Die zahl der demen.Aber sonst ist es gut zunächst irrtümer einzugestehn und zu be - richtigen. es hat also niemals hundert demen gegeben, überhaupt keine5)ausgeglichen wären, was dann freilich tiefeinschneidende umgestaltungen des reinen geschlechterstaates voraussetzen würde. dann wären bereits in jeder adelsphyle die drei landesteile, stadt, binnenland und küste, vertreten gewesen, also zwölf compacte massen als grundlage für die dreiſsig trittyen der neuen ordnung. und mit den drei landesteilen könnte man die drei parteien, von denen die küstenbevöl - kerung wirklich eine ist, oder die drei stände, von denen die eupatriden städtisch sein könnten, auszugleichen versuchen. allein ich scheue mich vor solchen ledig - lich auf die zahl gebauten combinationen.149Die zahl der demen.runde zahl, da auf die zahl nichts ankam. es war schon peinlich em - pfunden worden, daſs wir die vermehrung der demen über hundert hinaus nicht nur nirgends überliefert hatten, sondern auch so sehr bald nach Klei - sthenes, noch in themistokleischer zeit, ansetzen muſsten. aber wir ver - harrten doch auf dem wege, weil wir die trittyen verkannten. und wir verlieſsen uns auf die angabe über die hundert eponyme, die wir um des Kephalos und Araphen willen für die der demen hielten. wenn wir jetzt die überlieferung ansehen, müssen wir wol zugestehn, daſs wir den fehlschluſs durch schärfere interpretation hätten vermeiden können7)Das zeugnis der Atthis, das wir zu der stelle angeführt haben (vgl. auch oben I 225), zählte die 10 phylenheroen auf: τούτους γὰϱ ἐξ ὀνομάτων ἑκατὸν ὁ ϑεὸς ἐξελέξατο. unmöglich könnten den übrig bleibenden 90 die hundert demen entsprechen., und daſs ein zeugnis wie Πάνοψ· ἥϱως Ἀττικός, καὶ ἐν τοῖς ἐπω - νύμοις8)Phot. Hesych s. v. haben dies nicht, aber sonst mehr. die glosse ist be - stimmt für den anfang von Platons Lysis, wo die Πάνοπος κϱήνη erwähnt wird. Πάνοψ ist nebenform von Πανοπεύς: denn die Πανοπηὶς Αἴγλη, die geliebte des Theseus, werden wir lieber in Athen als in Phokis, in Panopeus, suchen. eigentlich ausreichen sollte, jene combination zu verbieten, da Panops ja der eponymos eines brunnens, nicht eines demos ist. wenn die Pythia anders gewählt hätte, würden wir etwa statt einer Antiochis und Oineis eine Panopis und Araphenis haben. daſs einzelne von der Pythia verworfene namen für gemeindeheroen verwandt sind, kann nicht befremden; stehen doch neben einem Oineus als phylenheros noch zwei demenheroen gleichen namens, und ob das schon vor 507 drei ver - schiedene personen waren, ist sehr fraglich. beherzige man aber, daſs die chronik in der lage war, die vorschlagliste mitzuteilen, die Kleisthenes nach Delphi geschickt hatte. das ist sowol für die güte ihres materiales ein wichtiges document wie für die bedeutung, die man diesen personen beilegte, die uns doch zumeist leere namen sind. auſser der falschen auffassung der hundert heroen hat die corruptel der Herodotstelle irre geführt, und es trifft sich glücklich, daſs sie gerade jetzt mit hilfe einer attischen urkunde verbessert ist, ein ziel, nach dem viele gute schützen vergeblich geschossen hatten. Herodotos hat von Kleisthenes erzählt (5, 69) τὰς φυλὰς μετουνόμασε καὶ ἐποίησε πλεῦνας ἐξ ἐλασσόνων, δέκα τε δὴ φυλάϱχους ἀντὶ τεσσέϱων ἐποίησε, δέκα 〈 χα 〉 δὲ καὶ τοὺς δήμους κατένεμεν ἐς τὰς φυλάς.9)Die ergänzung oder besser wiederholung von zwei buchstaben hat das schöne psephisma von 405 für Samos gelehrt (z. 31, Δελτ. ἀϱχ. 89, 26) νεῖμαι darin liegt nur, daſs er die demen150II. 6. Trittyen und demen.in zehn teilen den phylen zuwies; die demen dachte Herodot als vor Kleisthenes bereits vorhanden. das wuſste die Atthis, wie natürlich, besser; aber die einfache wahrheit zu sagen konnte sie sich nicht mehr entschlieſsen. wir sehen, daſs Kleisthenes teils wirkliche dörfer mit orts - namen zu demen machte, Aixone, Rhamnus, Acharnai, teils alte geschlechter - namen für gemeinden wählte, gewiſs weil dort angehörige der geschlechter wohnten oder gewohnt hatten, Kothokidai Aithalidai Ionidai, dies sogar in einzelnen fällen trotzdem, daſs die geschlechter einen ortsnamen neben sich hatten, wie Paionia neben Paionidai, Kropeia neben Kropidai.10)Die alten römischen tribus können uns am besten lehren, wie ein ge - schlecht und ein stück der flur homonym sein können. in Attika sind selbst - verständlich gar nicht alle solche localgentilicischen namen zu gemeinden geworden, z. b. die Ἐχελίδαι, so wenig wie alle dörfer, Μουνιχία, Βϱαυϱών, oder fluren, Ἀκαδήμεια, die einen heros besaſsen. bei den stattlicheren dörfern, wie den beiden genannten, fragen wir natürlich nach dem grunde und finden ihn auch, da die er - klärung in der kleisthenischen zeit selbst gesucht werden muſs. in diesen letzteren fällen war eine feste siedelung vielleicht sehr oft nicht vorhanden; die gemeinde, δῆμος, verlangt sie so wenig wie die κώμη. dafür war ein eponymer ahnherr des geschlechtes im namen gegeben, wenn auch sehr oft ein fictiver. die alten dörfer hatten vielfach einen längst zu einer wirklichen person ausgebildeten eponymos, wie Kephale Melite Gargettos, andere wie Rhamnus oder Halimus schwerlich, ‘Dorn’ und ‘Stranddistel’ passen dazu recht schlecht. als sie zu gemeinden wurden, bedurften sie eines gemeinsamen cultes. der träger des re - ligiös gefaſsten gefühles der zusammengehörigkeit war der ἥϱως κτίστης, und da diese gemeinschaft so sehr bedeutend ward, ist auch der heros an bedeutung gewachsen; doch war es zu spät, als daſs die sage noch kräftig wucherte, und in Rhamnus z. b. hat er es nicht einmal zu einem wirklichen namen gebracht.11)ClA II 1191, inschrift eines sesselpares ἱεϱεύς ἥϱω ἀϱχηγέτου. so war in Daulis ein heiligtum eines ἥϱως ἀϱχηγέτης, den man sich bewaffnet dachte wie alle heroen, aber unbenannt gelassen hatte. dann kamen die mythographen und suchten nach einem namen, Pausan. X 4, 10. so sehen wir die dinge an. aber weder der glaube noch der rationalismus konnte das tun. für sie alle beide war der heros uralt, hatte längst vor Kleisthenes gelebt und die gemeinde gegründet; wenn Kleisthenes notorisch sie nicht mehr als existirend vor - gefunden hatte, so hatte er sie doch nur restituirt. es traf sich dafür gut, daſs die neugründungen meistens gentilicische namen trugen, so9)αὐτοὺς .. εἰς τοὺς δήμους καὶ τὰς φυλὰς δέκαχα. Lolling, der nur die gramma - tische bildung (ὡς τϱίχα τέτϱαχα) verkannte, gebührt das verdienst der emendation.151Die zahl der demen. Pandionis.daſs für sie der heros vorhanden war; daſs er eigentlich der ahnherr eines geschlechtes war, das möglicherweise noch bestand, davon mochte man nichts wissen. Aristoteles, der ja an der historischen existenz selbst von Theseus und Herakles nicht gezweifelt hat, giebt diese erklärung getreulich wieder “er benannte die demen zum teil nach den örtlich - keiten (Rhamnus Peiraieus Eleusis), zum teil nach den gründern (den eponymen, Titakos, Paion, Butes), denn local bestanden sie nicht mehr alle”.
Der zweite hauptirrtum, der berichtigt wird, geht mich ganz per -Die städtischen demen. sönlich an. auch in der modification, die ich ihr gegeben habe, ist Sauppes lehre von den zehn städtischen demen nicht richtig. aber es steckte in ihr doch etwas richtiges. es sind nur nicht zehn städtische demen gewesen, sondern zehn städtische trittyen; ich hatte eine davon auch schon ganz richtig bestimmt (Herm. 22, 124), und hätte wol das wahre gefunden, wenn ich den bericht des Psellos (d. h. den auszug aus der aristotelischen stelle) nicht übersehen hätte. natürlich ist nun aber nicht mehr nötig, daſs jeder stadtkreis ein stück des landes umfasse, das Themistokles in seinen mauerring gezogen hat.
Hinfort stellt sich die topographische aufgabe so, daſs eine karteTopogra - phische auf - gabe. von Attika hergestellt werde, auf der die drei provinzen und die je zehn kreise deutlich hervortreten, und innerhalb dieser die gemeinden. die aussichten auf deren fixirung sind stark gewachsen. so will ich denn den versuch wagen, den ersten anhieb zu diesem werke zu tun, sicher überzeugt, manchen fehlhieb zu tun, wie ich es bisher getan. es kommt mir aber mehr aüf das gröſsere, die kreise an, als auf die gemeinden. wenn Aristoteles ganz genau geredet hätte, so müſste jede gemeinde, die wir fixiren, zugleich auch einen kreis an einem punkte fest legen; es wird sich aber sogleich zeigen, daſs er nur die regel angegeben hat, von der es sehr bedeutende abweichungen gab.
Von der Pandionis sind die trittyen alle drei überliefert durch diePandionis. prytanenliste II 871 und den grenzstein des hafens IV p. 120, 517a. Paiania Myrrhinus K (ydathenaion): daſs der letzte name so richtig er - gänzt ist, folgt aus der forderung eines städtischen demos. Paiania und Myrrhinus liegen beide im binnenlande; aber es braucht ja nicht der vorort eines kreises am meere zu liegen, wenn es nur der kreis tut, und neben Myrrhinus liegen Steiria und Prasiai. zwei prytanenlisten der phyle, II 865 und Δελτ. 89, 18 sind nach trittyen geordnet, denn 865 wird am kopfe der ersten columne Μυϱϱινούσιοι, im Δελτ. Κυ - δαϑηναιῆς am kopfe der letzten sicher ergänzt. danach können wir152II. 6. Trittyen und demen.Oa und Konthyle neben Paiania, Angele neben Myrrhinus mit sicherheit ansetzen.12)Für dessen lage fehlten auch bisher nicht ganz die anhaltspunkte, Milch - höfer, text zu den karten III 10. aber aus der umgegend der stadt gibt es keinen zweiten demos der Pandionis, und zu ihrer trittys gehört Probalinthos aus der tetrapolis.13)So auf der liste des Δελτίον und 863 nach einer schönen emendation Köhlers. damit ist sofort eine ausnahme der regel festgestellt.14)Die liste 873 hatte mehr als drei columnen. sie beginnt mit 13 männern des landkreises, richtig mit Paiania anfangend, dann folgen 13 des küstenkreises, aber Myrrhinus folgt erst nach Prasiai und Angele, dann 4 Probalisier (hergestellt von Wilhelm Herm. 24, 173): die ordnung war also gestört. eine andere bilden die Graes in dem stücke der Γϱαική, das Athen nicht mit Oropos verloren und dann zu den gemeinden Γϱαῆς und Ψαφίς gemacht zu haben scheint, von denen dieses zu dem benachbarten küsten - kreise der Aiantis kam, jenes zur Pandionis. diese kleinen demen scheinen nämlich nicht kleisthenisch zu sein. endlich wird Kytherros, nach Apollo - doros bei Strabon eine der zwölf städte, also sicher eine alte burg, so unbedeutend die gemeinde auch war, in dem landkreise zu suchen sein; da muſs die ortsforschung ansetzen.
Oineis.Sicher sind auch die kreise der Oineis, denn Lakiadai gibt der grenzstein I 500, Thria IV 517b, und daſs Acharnai der vorort des land - kreises ist, oder vielmehr ihn so gut wie ganz darstellt, folgt aus der ganz einzigen gröſse dieser gemeinde, die im jahre 360 / 59 mit 22 mann im rate saſs, also viel mehr als einem drittel der phyle zukommt (II 868, nicht nach trittyen geordnet). 15)Die köhler von Acharnai belehren uns darüber mit sicherheit, daſs das gemeindeland nördlich bis an den Parnes hinauf reicht, denn in der ebene war kein wald.Thria repraesentirt den küstenkreis, zu dem sicher Oie und Phyle gehören, so daſs er sehr wenig küste und auch nicht einmal einen schlechten hafen hat, aber bis in das hoch - gebirge reicht. zu den Lakiaden gehören noch als gemeinden des stadt - kreises die Butaden Kothokiden16)Da diese beiden zu derselben phratrie gehören, die phratrien auch einiger - maſsen localen charakter haben, und ein grundstück des königs Apheidas in Kotho - kidai liegt (CIA II 785), die Butaden selbstverständlich städtisch sind, so habe ich diesen ansatz schon früher vertreten; nur local können wir nunmehr erst diesen kreis festlegen, da die Lakiaden an der Kephisosbrücke sicher gewohnt haben. Epikephisia17)Diese lage hatte Dittenberger zu Syll. 298 bestimmt; ich habe deshalb den gedanken an den thriasischen Kephisos aufgegeben. und Lusia18)II 834b II 59 werden für einen bau im städtischen Eleusinion 3 trachten γῆ Σκιϱάς verrechnet, à 2½ dr. inclusive transport, und 40 trachten γῆ Λουσιάς zu demselben preise. also war Lusia schwerlich weiter als das σκίϱον in Lakiadai.; in die thriasische ebene wol noch die Perithoiden. 19)Nach einer schönen vermutung Töpffers (Att. Geneal. 109) war ein mann Πεϱιϑοίδης τῶν δήμων, Φιλιεὺς τὴν φϱατϱίαν, Κοιϱωνίδης τὸ γένος und die Koi - roniden scheinen an die ῥειτοί zu gehören. sicher ist das freilich nicht; man möchte nur lieber auf die weite strecke im westen einen demos mehr bringen als auf das fleckchen neben der stadt.
153Hippothontis.Von der Hippothontis gibt der grenzstein des hafens I 517 die trit -Hippo - thontis. tyen Eleusis und Peiraieus. an diesen grenzen Koile Keiriadai Thymai - tadai Korydallos: das ist der stadtkreis; von der künftigen bedeutung des hafens konnte Kleisthenes nichts ahnen. immerhin war Thymaitadai ein alter hafenplatz, und Munichia, dessen namen er durch Peiraieus ersetzte, eine alte inselburg, die so viel maritime bedeutung gehabt haben muſs, wie der hauptort des küstenkreises Eleusis, der sich wie der thriasische neben ihm, bis auf den kamm des gebirges erstreckte, denn Oinoe ge - hört dazu; dazwischen wird noch ein oder der andere geringe demos liegen20)Von diesen weist Milchhöfer s. 33 die Αὐϱίδαι auf ländlichen grabsteinen nach, an der heiligen straſse gefunden. ich weiſs nicht, ob sie demselben demos angehören können wie das dorf Magula, nördlich von Eleusis: dort ist ein phylen - beschluſs gefunden (Mitteil. Ath. X 111), natürlich der Hippothontis. der heros, Kerkyons sohn, gehört in diese gegend. weil sein heiligtum hier war, haben wir keine prytanenlisten und phylenbeschlüsse seiner phyle aus der stadt. II 567b ist ein solcher, im Asklepieion gefunden; es steht aber auch darin, daſs er dort und in dem Hippothontion[aufgestellt] werden sollte; Pausanias erwähnt dieses an der heiligen straſse noch vor der Kephisosbrücke (l 38, 4). der stein war also sicher nach Magula verschleppt.: das alteleusinische reich war ungleich stärker centralisirt als das kekropische Athen. den charakter des küstenkreises hat Kleisthenes in dieser phyle durch eine sehr starke abweichung von der localen zu - sammengehörigkeit bewirkt, indem er Azenia, nahe bei Sunion, zu Eleusis in dieselbe trittys versetzte. die landtrittys wird durch Dekeleia, nach dem wir sie benennen können, sammt seinem Oion und Sphendale sicher bestimmt; auch hier müssen noch ein par kleine gemeinden gelegen haben, zu denen die der wilden birnbäume, Acherdus, wol sicher gezählt werden darf. 21)Die vermutung von Dragumis Anakaia in der flur Anakasa nördlich der stadt zu finden (Ἀϑήν. X 50) ist beseitigt.
Von der Akamantis ist die städtische trittys der Kerameer bezeugt (I 500); das andere ist aber so schwer, daſs die antwort erst nach be - sprechung aller anderen phylen versucht werden kann.
154II. 6. Trittyen und demen.Aigeis.Überliefert ist noch ein trittyenname, Ἐπακϱῆς22)I 617b hergestellt von Dittenberger aus dem nur all zu verstümmelten pachtvertrage II 1053. die herstellung von τϱιττύαϱ] χοι ist unsicher, z. b. δή - μαϱ] χοι auch möglich, so daſs ich im folgenden von ihr absehe., nicht identisch mit einem demos, sondern mit einem alten cultverbande, an dem drei spätere gemeinden teil nahmen, von denen wir Plotheia aus der Aigeis und Semachidai aus der Antiochis kennen. Plotheias lage ist bei Palaeosta - mata gesichert, für beide demen als hauptcult der des Dionysos, und so wird man als dritten demos der Epakria das unweit Plotheia gelegene Ikaria anerkennen, das noch heute nach Dionysos heiſst. 23)Demenstatut von Plotheia II 570. die z. 30 erwähnten Ἐπακϱῆς sind nicht die trittys, sondern die tripolis, denn sie haben ἱεϱά. von z. 33 ist zu schreiben (ich bezeichne nur weitere ergänzungen) καὶ ἐς τὰ ἱεϱὰ τὰ κοινά, ἐν ὅσοισιν ἑστι - ῶνται Πλωϑῆς οἶνον παϱέχεν ἡδὺν ἐκ το̃ κοινο̃, ἐς μὲν τὰ ἄλλα ἱεϱὰ μέχϱι [ἡμίχο, so Wilhelm] ἑκάστωι τοῖς παϱο̃σι Πλωϑέων, [ἐς Διονύσια δὲ] διδασκάλωι κά [δον. es handelt sich um die spiele, die wir aus den demenurkunden von Ikaria kennen. die zugehörigkeit der Semachiden zur Epakria und ihre dionysische legende gibt Philochoros bei Steph. Byz. s. v. daſs die Epakria eine dreistadt war, sagt die sicher aus der Atthis stammende glosse Et. M. Suidas (quelle das Photiusglossar) Ἐπακϱία. Strabon 397 tritt bestätigend hinzu.Ikaria gehört auch zur Aigeis, und so werden die Epakres den landkreis dieser phyle bezeichnen. von dem cultverbande hat Kleisthenes eine gemeinde ab - gerissen, ganz wie er es mit der tetrapolis von Marathon und der des Peiraieus gethan hat. der küstenkreis der Aigeis ist sehr deutlich; er setzt südlich an die tetrapolis (Probalinthos) an und reicht bis zu der alten Peisistratidenburg Brauron, die als gemeinde zerschlagen ward wie die hauptstadt. Philaidai, Araphen mit seinen lagunen (Ἁλαί) Phegaia, Myrrhinutte stehn hier fest; hinzutritt Otryne, von dem nur die lage am meere bekannt war.24)Durch seine hechte, Antiphanes im Timon. ich muſs mich anschuldigen lediglich im vertrauen auf eine alte karte Kieperts Otryne an den Korydallos gesetzt zu haben; das hat keine gewähr. es wird aber schwer diesen küstenkreis von dem landkreise zu scheiden, weil sie aneinanderstoſsen. denn fest localisirte demen der Aigeis sind noch Herchia (Spata) und Gargettos mit Ionidai.25)Man wird jetzt nicht zweifeln, daſs der eponymos Ἴων ὁ Γαϱγηττοῦ war (Pausan. VI 22, 7). der vater der vier phyleneponyme paſst auch so wenig zum demenheros wie der phyleneponymos Oineus mit den demenheroen gleichen namens gleichgesetzt wird. wenn Λύκων Αὐτολύκου Θοϱίκιος im schol. Plat. Apolog. 23c Ἰων γένος heiſst, so kann ich darin nur die insinuation der fremden herkunft sehn, nicht das geschlecht, das Ἰωνίδης lauten müſste. da Gargettos am südabhange des Brilettos liegt, Plotheia nordöstlich von ihm, Herchia weit südöstlich, an Araphen etwa stoſsend, so ist hier ein155Aigeis. Kekropis.bedeutender bezirk für die phyle festgelegt, zum teil im gebirgslande, wo das dorf des haidekrautes Ἐϱίκεια sehr gut paſst, zum teil in frucht - barem lande gelegen: da mag man sich die heimat der Teithrasier und der Kydantiden, also des Nikias, denken. die städtischen demen sind bekannt; Kolonos hippios Bate Diomeia Ankyle26)Aus Alkiphron II 43 folgt nur, daſs Ankyle vorstädtisch war, nichts für die lage. die briefe des albernen rhetors sind pasticci von redner und komikerstellen., das sich bis an den Hymettos zog, sehr passend das wellige unfruchtbare land bezeichnend, durch das man jetzt vom Engelskloster nach Kaesariani geht. das ist ein strich, von der Akademie an die nordseite und nordostseite der themisto - kleischen stadt umfassend. hinzutritt aber der innerhalb der mauern, wenigstens zumeist, gelegene Kollytos. 27)Die prytanenlisten II 329. 870. 872 helfen nicht weiter. ich hatte übersehen und trage, gemahnt durch Milchhöfer s. 15 nach, daſs Roſs durch die verbesserung eines Isaiosbruchstückes (Harp. Suid. τϱικέφαλος) Hestiaia neben Ankyle richtig angesetzt hatte.
Nun ist nur noch ein zweifelhafter trittyenname überliefert, Ῥωπῖτις, der nichts lehrt.28)Hesych ῥωπῖτις· τῶν τϱιττυῶν τις καὶ πατϱιῶν οὕτω καλεῖται. als wirk - licher name ist es der form nach nicht recht glaublich. als spitzname könnte es wol bei einem komiker stehn. aber die sonderung der kreise geht gerade in einigen phylen, von denen nichts direct überliefert ist, sehr leicht. so hat die Aiantis nur das eine Phaleron als städtische gemeinde und städtischenAiantis. kreis, alle andern gemeinden liegen im nordosten, Aphidna mit Titakidai Thyrgonidai Perrhidai mag den landkreis, Rhamnus mit Psaphis, Marathon mit Oinoe und Trikorythos den küstenkreis bilden; doch ist die sonderung dieser beiden, die aneinander stoſsen, nicht sicher.
Die Kekropis hat als stadtkreis Melite und Xypete, als landkreisKekropis. den fruchtbaren strich nördlich und östlich von Turkovuni nach dem südwestabhange des Brilettos zu, doch so hoch hinauf, daſs die quelle des Kephisos noch dazugehört, denn sie war in Trinemeia29)Strabon 400. da wir nun Trinemeia (den ort wo drei weideplätze zu - sammenstoſsen) in contact mit Athmonon bringen müssen, folgt, daſs im altertum nicht der längste und geradeste bach den namen des Kephisos trug, denn der kommt vom Parnes, nicht vom Brilettos. dasselbe folgt aus dem namen Kephisia, denn dieser ort liegt jetzt nicht am Kephisos.; die demen sind Athmonon Phlya Pithos Sypalettos (CIA IV p. 134), vielleicht auch Daidalidai.30)Der steinmetz Daidalos konnte sowol am Brilettos wie am Turkovuni ar - beit finden; hier möchte ich ihn lieber unterbringen, weil Sokrates von Alopeke irgendwelche gentilicische beziehungen zu ihm hat Plat. Euthyphr. 11. den küstenkreis bildet Aixone mit seinen Halai. 31)Die prytanenliste II 866 kann die trittyennamen geben; sie beginnt die columnen mit Φλυῆς Ἁλαιῆς Μελ [ιτῆς], wie sicher ergänzt werden muſs.
156II. 6. Trittyen und demen.Erechtheis.Die Erechtheis hat als stadtkreis Agryle und südlich davon Pergase32)πϱὶν γὰϱ εἶναι Πεϱγασῆσιν ἔνεον ἐν ταῖς ἐμβάσιν, sagt der sclave in den Rittern 321. der ort muſs also der stadt ganz nahe sein; das ziel des sclaven ist selbst dem dichter unbekannt gewesen., die wie das nördlich daranstoſsende Ankyle in eine obere und untere gemeinde sich sondern; als landkreis Kephisia mit Euonymon33)Die ephesische phyle Εὐώνυμοι hat mit Athen natürlich nichts zu tun; sie sind die ‘boni nominis’; die gemeinde heiſst nach dem linken ufer. die win - dige combination hat Ephoros bloſs auf den namen hin ersonnen (bei Steph. Byz. Βέννα; der name des lemmas ist corruptel von Βέλβινα, wie die ephesischen steine gelehrt haben), weder für Ephesos noch für die attische gemeinde hat das irgend welchen wert. die genealogien bei Steph. Byz. Εὐωνύμεια hat Geffcken de Steph. Byz. 51 geordnet.; als küstenkreis Lamptra und Anagyrus. an eine dieser gruppen müssen sich die wenig bedeutenden unbestimmten gemeinden angliedern. 34)Milchhöfer s. 13 versucht localisirungen, von denen die von Kedoi und Pambotadai in dem küstenkreise einige wahrscheinlichkeit haben.
Leontis.Von der Leontis war der landkreis als ein zusammenhängendes stück, der nordwesten der attischen ebene an den abhängen des Aigaleos, be - kannt, da Kropia durch Thukydides (II, 19) als die einsattelung bestimmt war, durch die jetzt die eisenbahn geht, woran dann östlich Paionidai (mit Leipsydrion am Parnes), südlich Aithalidai Eupyridai Pelekes ansetzen; ob hieher noch das Oion (ὄϝιον die schafhürde, die καλύβια) der Kerameer gehört oder schon zur stadt, muſs unsicher bleiben. den städtischen kreis kennen wir durch Skambonidai und Halimus. der küstenkreis setzt den der Pandionis südlich fort, Potamos mit Deirades bis Sunion; doch sitzt Thorikos von der Akamantis eingesprengt. notwendig haben hier noch wichtige demen gelegen, da es der hauptdistrict der bergwerke ist. es stehen auch noch namen zur verfügung, Phrear, Cholleidai, Leukonoe; aber ich finde keine sicherheit; die listen (II 864 prytanen; 943 diaeteten. Mitt. Ath. X, 105; II 1001, 1040, 1049) sind nicht nach trittyen geordnet. 35)Milchhöfer s. 21 hat auf grund der entdeckung Töpffers, daſs die Kephalos - sage auſser bei Thorikos auch am Aigaleos localisirt war (Att. Geneal. 258), meine entdeckung, daſs die eponymen von Leukonoe und Ptelea in diese sage verflochten sind, die ich deshalb in die nähe von Thorikos brachte, so verwandt, daſs er Leu - konoe auf die ostseite des Aigaleos bringt, Ptelea auf die westseite, und da dieser demos der Oineis gehört, paſst er in der tat in das thriasische gefilde. ich schlieſse mich dieser combination an. auch seine vermutungen, daſs Cholleidai, die heimat des Dikaiopolis, in den landkreis, Phrear, die heimat des Themistokles (der157Leontis. Antiochis.eine abweichung von dem prinzipe der localen kreise ist zudem sicher: Hekale gehört zur Leontis und lag, wir wissen nicht wo, aber so, daſs Theseus auf dem wege von der stadt nach Marathon dort nachtquartier machen konnte, also sicherlich auſser contact mit den übrigen demen. den Kleisthenes hat hier wieder die tendenz geleitet die alte cultgenossen - schaft des Zeus, deren centrum Hekale war, zu sprengen.36)Zu Hekale kann der Kolonos der Leontis gehören, denn bei Kallimachos sagte jemand ἔκ με Κολωνάων τις ὁμέστιος ἤγαγε δήμου τῶν ἑτέϱων, fgm. 428. wir wissen nur noch nicht, welche gemeinden sonst an ihr teil hatten.
Schwieriger stellt sich die Antiochis.37)Die prytanenliste II 869 ist nicht nach trittyen geordnet. zwar für den stadtkreisAntiochis. haben wir Alopeke und den Kolonos des marktes, und der küstenkreis ist durch Thorai38)Strabon 398 setzt zwischen Thorai und Aigilia in seiner aufzählung der küstenplätze Lamptra. in der tat öffnet sich die küste zwischen Vari-Anagyrus und Phinikia-Aigilia zweimal, zwischen den bergen Keramoti und H. Dimitrios und bei dem kirchlein des heiligen dieses namens, wo eine alte ansiedelung bemerkt ist. nur kann man diese schlecht für das untere Lamptra halten und Thorai westlich von ihr unterbringen, und sicherlich hatte die alte phylenordnung diese durch - brechung nicht beabsichtigt, wenn nicht gar ein irrtum vorliegt. Aigilia Anaphlystos gegeben, mit denen man bequem die landeinwärts anstoſsenden Besa Atene und Amphitrope verbindet. aber wo bleibt der landkreis? Melainai am Kithairon, vereinzelt an dem küstenkreis der Hippothontis klebend, betrachte ich als eine schöpfung der zeit nach Kleisthenes, wie Graes und Psaphis. Semachidai in der Epakria ist mit absicht von dieser losgetrennt, und muſs so angesetzt werden, daſs es Pentele, die steinbrüche des Brilettos, also seine kuppe, angliedern kann. beides sind kleine gemeinden.39)Die existenz der gemeinde Pentele für das vierte jahrhundert beweist der metöke Menes Πεντελῆσι οἰκῶν II 834c 37. die hauptfrage ist hier die ansetzung von Pallene, um die durch Brückners gedankenreichen aufsatz (Mitteil. Ath. XVI) ein streit entbrannt ist, den leider die kreistei - lung nicht sicher entscheidet. immerhin ist der platz in der nähe von Gargettos durch die Aigeis occupirt, eine lage im anschluſs an Pentele und Semachidai nicht wol angängig. dagegen gelingt es Brückners ansatz von Pallene in Koropi mit der südlichen demengruppe der Antiochis zu vereinen, da ein vorkleisthenischer Eroiade ein denkmal erhalten hat, das in den Kalyvia von Kuvaraes gefunden ist.40)Auf dem rätselhaften steine I 492 = IV p. 118 ist wenigstens hιεϱός εἰμι το̃ hεϱοιάδο sicher. und nach dem ge -35)also die bergwerke von der heimat her kannte) in den küstenkreis gehöre, sind mir sehr ansprechend, doch nur so weit als ich sie hier reproducire. fester anhalt fehlt.158II. 6. Trittyen und demen.schlechte der Eroiaden ist ein demos der Antiochis benannt, wodurch für die ansetzung des gleichnamigen der Hippothontis nichts gesagt ist; das geschlecht mochte in jeder beliebigen andern ecke des landes ein anderes landgut haben. so unerfreulich es ist, daſs die wichtige frage mit zuversicht nicht erledigt werden kann, bleibt es doch wahrscheinlich, daſs die zahlreichen gemeinden, die in dieser gegend der laureotischen halbinsel zur Antiochis gehören, teilweise ihrem landkreise zufallen.
Akamantis.Nun endlich zu dem schwersten probleme, der Akamantis. auſser dem Kerameikos müssen wir zu dem stadtkreise noch Hermos rechnen, bestimmt an der heiligen straſse westlich von Lakiadai um den jetzigen bach von Chaidari, der nach Hermos hieſs, gelegen. auſserdem sind Eiresidai und Iphistiadai für den landkreis durch Platons testament ge - sichert, noch auf das linke Kephisosufer mindestens übergreifend, am wege nach Kephisia, also etwa wo jetzt die eisenbahn (station Arakli und vorher) läuft. der landkreis der Kekropis engt dieses stück durch Sypalettos und Athmonon von norden und osten ein, im nordwesten drängt sich Acharnai heran, von süden die städtische provinz; nach westen allerdings kann noch ein kurzer streifen als frei gelten. ein anderes zusammenliegendes stück landes gehört im osten der Akamantis, Agnus41)Dies eröffnet eine columne in dem verstümmelten prytanenverzeichnis II 867. Prospalta Kephale Sphettos42)Brückner Mitt. Ath. XVI 200. für die kreisteilung kommt nichts wesent - liches darauf an, ob Milchhöfer mit der bestreitung dieses ansatzes recht hat; er hat einige beachtenswerte einwände erhoben. — entweder in die umgegend von Agnus oder in die von Eiresidai gehört Kikynna: also hat es mit Kynnes nichts zu tun. die darauf gerichtete vermutung von Kirchner (Att. et Peloponn. 52) ist auch an sich falsch, erstens weil Kynnes nach Ἁλαὶ Αἰξωνίδες gehört, nicht nach Κίκυννα, zweitens weil zwar Κύννης und Κίκυννα mit κύων verbunden werden können, aber wenn sie mit einander zusammenhiengen, würde nicht bloſs eines von beiden reduplicirt sein., und stöſst mit Thorikos an das meer. so scheint es, und man weiſs dann wieder nicht, soll man diese landschaft, die zum teil ganz binnenländischen charakter trägt, um Thorikos’ willen zum küstenkreise machen, oder so entlegene stücke wie Agnus und Eiresidai zum landkreise vereinen. es kommt hinzu, daſs der küsten - kreis der Leontis sowol Potamos wie Sunion umfaſst, also entweder Thorikos von seinen nachbarn gleicher phyle, Prospalta Kephale, ab - drängt, doch nur durch einen schmalen streifen, wo es dann eine enclave wird, wie Azenia im küstenkreise der Antiochis, oder aber dem demos Thorikos die küstenqualität nimmt, indem etwa die dem burgberge von159Akamantis. ergebnis.Theriko vorgelagerte halbinsel diesem nicht gehörte. und um das übel voll zu machen, ist die wichtige heimatgemeinde des Perikles Cholargos ganz unbestimmt. so muſs ich hier die aporie leider offen lassen. 43)Milchhöfer s. 24 setzt Cholargos nordwestlich von der stadt auf grund der inschrift des cultverbandes der Mesogeer II 604, die im Heraklesheiligtum von Cho - largos aufgestellt war. das ist unwidersprechlich, so weit es die zugehörigkeit der gemeinde zu den Mesogeern angeht; sie kann allerdings noch weiter östlich, nach Eiresidai zu, angesetzt werden. ich hätte das wissen sollen. Χόλαϱγος oder Χό - λαϱγον ist ‘gallweiſs’, also gelblichweiſs; der Buzyge Demostratos wird nach der μέλαινα χολή Χολοζύγης genannt Ar. Lysistr. 397; aber hier wird man nur an die χλωϱά denken. der name wird die farbe des gesteins angeben, auf dem das dorf lag und aus dem es gebaut war. das deminutivum davon mit verdoppeltem end - consonanten dürfte dem ahnherrn der Χολλεῖδαι gegeben sein; der demos ist nicht weiter bestimmt als für den landkreis der Leontis, kann also sogar nachbar von Cholargos gewesen sein.
So viele einzelheiten auch noch fraglich bleiben, in der hauptsacheErgebnis. ist die organisation klar. die drei landesteile entsprechen ihrem namen nur so ungefähr. die stadtprovinz ist westlich durch den Korydallos bis ziemlich an den paſs des Pythion hinan, östlich durch den Hymettos begränzt; doch ist Aixone an dessen südfuſse schon nicht mehr hinein - gezogen. nach norden ist die grenze, weil sie keine natürliche mehr ist, unsicherer, doch läuft sie noch nördlich vom Kolonos und Lykabettos. da diese provinz an das meer reicht, unterbricht sie die küstenprovinz. dieser gehört das ganze eleusinische gebiet bis an den Kithairon, auf - geteilt an zwei phylen, VIII und VI, dann läuft sie als ein ziemlich schmaler streifen rings um Attika bis an die oropische grenze; die phylen folgen sich von Aixone an in der folge VII, I, X, IV, V, III, II, IX. es ist ganz klar, daſs diese Παϱαλία weder mit dem cultverbande gleichen namens, zu dem gerade Munichia gehörte, noch mit der paralischen partei der tyrannenzeit identificirt werden kann. die Diakria gehört ihr ja selbst zum teile an. das binnenland hat ebenso wenig mit dem cultverbande der Mesogeer zu tun, in dem leute aus der städtischen gemeinde Bate sind; sie umfaſst die kekropische ebene, gehörig den phylen (von west nach ost) IV, VI, I, südlich von diesen ein stück von V und dann VII; das bergland des Parnes bis an die küste VIII und IX, und das berg - land des östlichen Brilettos und die jetzt so genannte μεσόγεια bis zum innern der laureotischen spitze II, III, das andere stück von V, und X. Auch hier ist, schon um des gegensatzes der öden berge und des ackerlandes willen, dann aber auch durch den willkürlichen schnitt, der die stadt absondert und in der jetzigen mesogia die häfen von dem hinter -160II. 6. Trittyen und demen.lande trennt, ein provinzielles sondergefühl gar nicht denkbar. wo ein alter cultverband bedenklich schien, sind einzelne seiner glieder ge - waltsam selbst auf kosten der örtlichen continuität der kreise losgetrennt; so sind die befremdlichen enclaven Xypete in der stadtprovinz, Proba - linthos und Azenia (hier ohne nachweisbares religiöses centrum) in der küstenprovinz, Hekale und Semachidai mit Pentele in der landprovinz entstanden: die neuen phylen könnten aber dem beschauer der karte einige furcht vor localen aspirationen erwecken. denn die ganze Oineis liegt zwischen dem eleusinischen und attischen Kephisos, die ganze Kekropis (auſser Xypete) zwischen der innern stadt und der linie Bri - lettos Hymettos. fast der ganze nordosten gehört der Aiantis, die süd - spitze der Antiochis, von denen beiden je zwei kreise sich berühren; dasselbe geschieht, wenn auch auf schmalerem striche, von der Aigeis und vielleicht auch der Akamantis. beabsichtigt kann Kleisthenes dies schwerlich haben; es wird die tücke des zufalls, des loses sein. 44)Diesem möchte ich auch selbst die zuteilung von Kydathenaion an die Pandionis zutrauen. hätte man für die burg einen phylenheros gewählt, so würde es doch nur Kekrops haben sein können. die Kekropiden und Erechthiden haben sich nicht abhalten lassen, ihre eponyme an ihren heimstätten auf der burg zu ver - ehren; das würde nicht anders gewesen sein, wenn Antiochos der phylenheros von Kydathenaion geworden wäre.
Gleichheit der phylen und kreise.In der stadt Athen hilft die neue erkenntnis nur wenig dazu, die schwebenden fragen zu entscheiden. einzelne phylen, wie die Pandionis mit Kydathenaion, die Kekropis mit Melite, die Aiantis mit Phaleron sind nur mit einem demos beteiligt, machen also keine schwierigkeit. die Hippothontis hat in der südwestecke eine compacte masse, die Oineis nördlich von ihr (Xypete wieder nicht gerechnet), die Erechtheis im osten. die Aigeis zieht sich am nordrande der provinz in einem streifen vom Kolonos bis zum Hymettos, und ich kann nicht bestreiten, daſs dies dafür spricht, Kollytos nördlich und nordöstlich vom Eridanos an - zusetzen. aber sieht man dann, daſs Skambonidai und Halimus, Kera - meikos und Hermos, Alopeke und der Marktkolonos zusammengehören, die wirklich nicht aneinanderstoſsen, so verliert man das zutrauen, und trotz allem guten willen umzulernen, kann ich hier die fragen nur stehen lassen wie sie standen. 45)Halimus Hermos Alopeke sitzen allerdings alle am rande der provinz; man könnte wol glauben, daſs sie bei einer schlieſslichen correctur der provinzialgrenzen oder auch zur ausgleichung der phylen innerhalb der stadt, sei es von den auſsen anstoſsenden provinzen, sei es von den innen anstoſsenden kreisen, abgetrennt wären.
Die natürlichste annahme ist, daſs Kleisthenes beabsichtigt hat, die161Gleichheit der phylen und kreise.drei provinzen an steuercapital und bevölkerung gleich zu machen; selbst dann würde die einteilung für die wirtschaftliche übermacht be - weisen, die trotz den landfreundlichen maſsnahmen der tyrannis die hauptstadt gewonnen hatte. die demokratie hat diesen prozeſs mit oder ohne absicht ungemein beschleunigt, denn in den meisten phylen und so überhaupt in der bürgerschaft überwiegen die angehörigen der stadt - provinz relativ ganz bedeutend. man sollte zwar meinen, das verhältnis der demoten könnte sich gar nicht verschieben, weil trotz dem wechsel des wohnsitzes die gemeindezugehörigkeit immer weiter vererbt wird. aber das gilt nur in abstracto. wenn ein bauerndorf im gebirge ver - ödet, so mögen sich seine bewohner zunächst in die stadt ziehen und sich ein brot suchen; eine menge von ihnen wird schon sogleich aus - wandern. die kleruchien des fünften jahrhunderts haben sehr viele bürger hinausgelockt, die gewiſs zum teile dem vaterlande verloren gegangen sind; im vierten sind athenische söldner in fremdem dienste recht zahl - reich. aber die demokratie vermag auch mit allen largitionen nicht zu verhindern, daſs die verarmte bevölkerung keinen hausstand gründet oder keine legitime nachkommenschaft erzeugt, und so gehen diese ge - meinden an bevölkerung zurück. andererseits ist die vermehrung der bürgerschaft durch die aufnahme von fremden und metöken recht stark gewesen und vorwiegend den städtischen gemeinden zu gute gekommen. da erwiesen ist, daſs die metöken auf verhältnismäſsig sehr wenige fast ausschlieſslich städtische gemeinden beschränkt waren, ist der schluſs unab - weisbar, daſs das gleiche für die neubürger gilt, denen das privileg die wahl des demos freistellte. wer auf unrechtmäſsigem wege sich in die bürgerschaft einschleichen wollte, mochte sich nach Halimus oder zu den Titakiden wenden: der reiche kaufmann des hafens, dem das volk das bürgerrecht verlieh, kaufte sich dort ein haus und trat in die ge - meinde des Peiraieus. so ist die Aiantis tatsächlich schwächer als die übrigen phylen geworden, weil das nordöstliche bergland verödete und ihr städtischer demos Phaleron seit Themistokles verkam: zu Kleisthenes zeit muſs gerade dort das regste leben geherrscht haben.
Die organisation hätte eine dauernde ausgleichende kontrolle des staates erfordert. diese ist aber nicht eingetreten, es sei denn durch die für das ganze unwesentliche errichtung neuer gemeinden. 307 schritt man freilich zu der schaffung zweier neuer phylen, aber die art, wie man diese schuf, lehrt deutlich, daſs die kleisthenische ordnung nur noch als division des volkes durch zehn erschien, die man mit der zwölftelung vertauschte. auf die kreise und die provinzen hat man wederv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 11162II. 6. Trittyen und demen.damals noch später rücksicht genommen.46)Ich unterdrücke einen genaueren nachweis, weil er von Kirchner Rh. M. 47, 550 vollständiger geliefert ist. dieser hat freilich auf die kreisteilung selbst gar nicht geachtet, aber das kann der leser durch vergleichung der obigen ausführung mit Kirchners demenverzeichnis leicht sich selbst ergänzen. das verzeichnis der demen, wol aus dem jahre 200, das wir besitzen (II 991), kennt die trittyen gar nicht mehr.
Bedeutung der kreis - ordnung.Mögen sie denn auch verfallen sein, so gehören sie zu den ein - richtungen, die in der groſsen zeit Athens lebendig waren, und selbst wenn wir zugeben müſsten, daſs die organisation sich praktisch nicht bewährt hätte, so würde sie an interesse nicht verlieren. der groſse staatsmann hätte höchstens zu groſses für seine zeit geplant. denn mit nichten ist der erfolg allein der gradmesser für die bedeutung eines staatsmännischen gedankens. die einzelgemeinde als selbstverwaltungs - körper ist das eine und gröſste was Kleisthenes geschaffen hat. sie hat sich lebenskräftig bewiesen, obwol wir zugestehn müssen, daſs in den kleinsten demen die verwaltung willkürlich und corrupt ward, wie in Halimus, in dem groſsen Peiraieus aber sogar der staat soweit gegangen ist, die ernennung des bürgermeisters für sich in an - spruch zu nehmen. der staat hat auch das repraesentative princip be - schnitten, das eingeführt zu haben das zweite überraschend groſse ver - dienst des Kleisthenes ist. Aristoteles findet das in der ordnung, weil οἱ δῆμοι ἐπώλουν, wie er es derb ausdrückt, und die begründung ist triftig. aber muſste es dazu kommen? zwei momente, die dazu drängten, konnten wir schon immer schätzen, einmal die demokratische centralisation, die übergriffe des plenums der volksversammlung, sodann die künstlichen gebilde der zehn phylen, die den formen des geschlechter - staates nachgebildet waren und niemals zu leistungsfähigen verwaltungs - körpern, zu provinzen, werden konnten. nun aber lernen wir das neue, daſs Kleisthenes in den kreisen ein an sich sehr wohl lebensfähiges mittelglied zwischen der einzelgemeinde und der sammtgemeinde ge - schaffen hat: der kreis konnte sehr gut seine vertretung und seinen beamten haben, also die misstände der verwaltung in den einzelgemeinden durch seine kontrolle beseitigen, denn er besass dafür die vorbedingung der lokalen geschlossenheit. ja man träumt gern weiter; wenn der kreis mit staatlich eingesetzten trittyarchen an der spitze und einem aus den vertretern seiner gemeinden gebildeten rate daneben das ausgebildet hätte, wozu der keim in ihm lag, so hätte er sehr wol dasselbe leisten können wie ein römisches municipium, ohne doch eine eigene πόλις163Bedeutung der kreisordnung.zu werden. dann war auch ein kreis Karystos oder Naxos möglich, und wie so ganz anders würde die hellenische geschichte geworden sein.
Doch auch abgesehen von solchen träumen verlohnt es sich wol, die stellung der trittyen im organismus des staates auf das anzusehen, was sie wirklich gewesen sind. das erste was wir da zu constatiren haben, ist, daſs sie für das bewuſstsein des volkes gar keine wirklichen realitäten geworden sind: sie haben keinen göttlichen vertreter, trotz ihrer realen körperlichkeit keine ideelle. das unterscheidet sie von phyle und demos, und der moderne rationalismus kann recht deutlich daran lernen, daſs die existenz eines eponymos mehr als eine ornamentale bedeutung hat: er zeigt an, daſs in dem was er benennt eine seele ist, und die seele gibt das leben, nicht die materie. das fehlen des eponymos bringt es mit sich, daſs der trittys das eigene vermögen abgeht, das phyle und phratrie, gemeinde und geschlecht besitzen.
Im finanzwesen kann die trittys für die directe steuer keine rolle spielen, da die phylen unter einander vielleicht, die trittyen derselben phyle unmöglich das gleiche steuercapital besitzen konnten. das gleiche gilt für die persönlichen auf das vermögen gelegten munera, die λῃτουϱγίαι, die zwar phylenweise (und nicht einmal das durchweg), aber nicht trittyen - weise verteilt werden. wol aber ist das noch im demosthenischen zeit - alter mit den frohnden geschehen, die das volk auf die phylen über - trug.47)Aisch. 3, 30 οἳς αἱ φυλαὶ καὶ αἱ τϱιττύες καὶ οἱ δῆμοι ἐξ ἑαυτῶν αἱϱοῦνται τὰ δημόσια χϱήματα διαχειϱίζειν. es handelt sich um solche frohnden, wie sie oben genannt sind. das geschah bei bauten, z. b. von straſsen, mauern, schiffen. in der regel freilich besorgte auch diese sachen das volk selbst, durch den rat (wie gewöhnlich den schiffsbau), oder durch besondere beamte (wie die wegecommissare) oder durch specielle commissionen (wie die τειχοποιοί), die dann wieder die phylen vertreten konnten. es leuchtet aber ein, daſs es z. b. für den wegebau häufig praktisch sein konnte, die arbeit kreisweise zu verteilen, oder auch zum festungsbau die phylen - genossen kreisweise heranzuziehen.
Im heerwesen ist der dienst zu pferde eine persönliche last der besitzenden, eine λῃτουϱγία. wenn demnach auch die reiterei in die 10 phylen gegliedert ist, so ist doch die archaische einrichtung, daſs die naukrarie so und so viel pferde und reiter zu stellen hat, wenn nicht von Kleisthenes48)Pollux 8, 108 in der ausgezeichneten schilderung der vorkleisthenischen verhältnisse, ναυκϱαϱία ἑκάστη δέκα (δύο codd. ) ἱππέας παϱεῖχε καὶ ναῖν μίαν., so doch von der demokratie bald beseitigt. das volk11*164II. 6. Trittyen und demen.übt die recrutirung, unterhaltung und controlle dieser stehenden truppe selbst durch sein centralorgan, den rat.
Trittyen im heere.Die schwergerüsteten infanteristen bilden kein stehendes heer, aber sie sind, wenn wir sie mit unsern verhältnissen vergleichen wollen, alle reserveofficiere. sie gehören alle den drei oberen steuerclassen an, müssen sich selbst equipiren, haben als πεϱίπολοι militärische ausbildung er - halten, das volk kann jeden von ihnen zum taxiarchen und strategen wählen, wer aber nicht zum officier gewählt ist, tritt ruhig in das glied, mag er auch noch so oft das regiment geführt haben. die aushebung und mobilmachung wird auf grund der musterrolle besorgt, die wieder auf den bürgerlisten beruht, deren führung bei den gemeinden ist. bei der einstellung der dienstpflichtigen jugend wirkt der rat mit; die aus - hebung ist sache der strategen, ihnen aus der zeit geblieben, wo sie phylenweise gewählt wurden. hier lag es nun nahe, für die aushebung sich der kreise zu bedienen, und wenn die phyle das regiment bildete, so sollte man meinen, daſs die trittys sich als die geeignete gröſse für die taktische einheit von selbst geboten hätte. liest man nun bei Platon (Staat 475), daſs die ehrgeizigen, ὅταν μὴ στϱατηγῆσαι δύνωνται, τϱιτ - τυαϱχοῦσι, so kann man kaum umhin, anzunehmen, daſs diese gliede - rung einmal beabsichtigt war und trittyarchen als tribuni militum be - standen haben. wir wissen fast nichts von den niederen chargen des militäres, aber doch so viel, daſs wir die taktische einheit in den λόχοι erkennen, an deren spitze λοχαγοί stehn, die der taxiarch ernennt. da das bei den Dorern auch so ist und der name λοχαγός dorisch ist (λοχη - γέτης würde er attisch heiſsen), so hat die demokratische gliederung sich für das heer weder bewährt noch behauptet.49)Wenn die trittys der Acharner 3000 hopliten stellte, wenn auch nur auf dem papier, so war sie in der tat auch nicht mehr geeignet unserer compagnie zu entsprechen, aber immer noch einem bataillone. da es doch aber trittyarchen mit militärischer competenz gegeben haben muſs, wenn Platon sie nennt, so mögen sie bei der aushebung beschäftigt worden sein.
Ganz anders steht das alles bei der flotte. in ihr waren die leuteTrittyen bei der flotte. ohne steuercapital grundbesitz und militärische vorbildung dienst - pflichtig; eine stammrolle gab es nicht, man fand die leute vielmehr durch subtraction der hopliten von der bürgerliste; also konnte die aus - hebung der leute füglich nur in den gemeinden stattfinden und ist dem - gemäſs aufgabe der demarchen. ein anderes aber war die einstellung der leute, die man möglichst früh unter militärisches commando bringen muſste, schon damit man ihrer habhaft würde, und ihre zuweisung an die schiffe und trierarchen, die erst im hafen erfolgen konnte.50)Die verwahrlosten zustände, die sich in den demosthenischen und apollo - dorischen reden zeigen, zumal in denen über den trierarchischen kranz und wider Po - lykles, haben für das fünfte jahrhundert natürlich keine geltung. um 360 gab es in wahrheit so wenig für die flotte wie für das landheer eine effective dienstpflicht. der trierarch mochte sehen, wo er seine leute anftrieb. mit dem beginn des eigentlichen dienstes hörte die bedeutung des kreises notwendigerweise auf, aber so lange war in der tat die trittys ganz be - sonders geeignet die dienstpflichtigen zusammen zu bringen und zu halten, und hier mögen die trittyarchen Platons auch eingegriffen haben. da hören wir nun, wie Demosthenes in seiner Symmorienrede (22) vor - schlägt, der platz hinter den schiffshäusern sollte von den strategen in zehntel geteilt und unter die phylen verlost, die anteile der phylen von den taxiarchen den einzelnen trittyen zugewiesen und an diese wieder die schiffe und symmorien zugeteilt werden. die funde von grenzsteinen der trittyen am hafen51)CIA I 517. 518 mit den nachträgen in IV. C. Schaefer Mitt. Ath. IV 85, Köhler VII 108. haben den beweis geliefert, daſs Demosthenes in wahrheit auf die ordnung zurückgreifen wollte, die Themistokles wirk - lich eingeführt hatte, was ihm, obwol er sein vorbild verschweigt, zur ehre gerechnet werden soll. um 493 oder 483 war die trittys noch ein lebendiges glied des volkskörpers, und Themistokles bediente sich ihrer, als er die flotte gründete und die alten naukrarien abschaffte, die eben auch, wie der name sagt und die geschichte bestätigt, für den flottenbau zunächst geschaffen und von Kleisthenes, trotzdem er sie sonst durch die gemeinden ersetzte, für diesen zweck belassen waren.52)Daſs die naukrarie ein schiff stellte, bezeugt die chronik bei Pollux 8, 108 (oben anm. 48); auf diese darstellung der kleisthenischen oder vorkleisthenischen zeit gehen auch die anderen grammatikerglossen über τϱιττύς und τϱιττύαϱχοι zurück, Phot. Et. M. Bekk. An. 300, schol. Aisch. 3, 30 u. a., alle wertlos. zu den 48 schiffen der naukrarien treten die zwei, welche der gauverband der Παϱαλία (Mitt. Ath. VII taf. XIV vgl. XIII 321) und die kleruchen von Salamis zu stellen da166II. 6. Trittyen und demen.die Epakrier von der Aigeis mit den Thriasiern von der Oineis zu - sammenstoſsen (IV 517b), sind die gestellungsplätze der phylen auch damals verlost worden. aber die grenzsteine sind niemals erneuert: die einrichtung hat eine weile vorgehalten, dann ist sie verfallen.
Trittyen in der ekklesie.Steine mit trittyennamen sind auch auf der Pnyx gefunden.53)CIA I 500. 502; auf die standplätze gedeutet von C. Schaefer. der gedanke liegt nahe, sie auch auf versammlungsplätze der kreisangehörigen zu beziehen. man darf aber nicht so weit gehen, den Athenern comitia centuriata oder tributa zuzuschreiben, die es nie gegeben hat. der demos ist eine einheit, jeder bürger hat seine virilstimme, die gliederung des volkes als heerbann oder nach seinen kreisen und gemeinden hat für die sammtgemeinde und deren beschluſsfassung keinerlei bedeutung. es reicht hin, an die scenen des Aristophanes zu erinnern, die eine volksversammlung darstellen. aber wol war eine controlle der besucher auf ihre berechtigung notwendig, und die zeit, die noch keinen sold ausgab, hatte noch nicht die controllmarken. im vierten jahrhundert controlliren den besuch die 30 aus dem rate genommenen συλλογῆς τοῦ δήμου54)Ueber diese commission hat Köhler (Mitt. Ath. VII 103) licht verbreitet, wesentlich mit hilfe des steines II 872. auch er hält sie für älter als die sold - zahlung und meint, sie hätten im fünften jahrhundert οἱ τϱιάκοντα geheiſsen. dies letzte ist nicht glaublich, da die demenrichter und logisten auch 30 sind. unterstützt von den kanzlisten, die die bürgerlisten führen (ληξίαϱχοι). dreiſsig, das ist die zahl der trittyen, die, wie wir gleich sehen werden, im rate fortbestanden. in ihnen also wird man die ver - treter der kreise sehen. ein ratsherr aus dem kreise controllirt seine kreisgenossen, und ein stein auf der pnyx bezeichnet die stelle, wo er zu finden ist und sie sich zu melden haben. so scheinen mir jene steine eine befriedigende erklärung zu finden. aber gleichzeitig muſs ich52)gehalten waren. das ergibt 50. und daſs es nach Kleisthenes so viel blieben, bezeugt das wertvolle bruchstück des Kleidemos bei Phot. ναυκϱαϱία, das so zu verbessern ist Κλεισϑένους δέκα φυλὰς ποιήσαντος ἀντὶ τῶν τεττάϱων, συνέβη καὶ εἰς πεντήκοντα μέϱη διαταγῆναι αὐτοὺς, ἅ (δ̕ cod. ) ἐκάλουν ναυκϱαϱίας (ναυ - κϱάϱια cod. ), ὥσπεϱ νῦν εἰς τὰ ἑκατὸν μέϱη διαιϱεϑέντες (- τα cod. ) καλοῦσι συμ - μοϱίας. für die verbesserung ist entscheidend, daſs man sich überlegt, wer verteilt wird, unmöglich etwas anderes als die bürgerschaft. dann heilt sich der wichtigste satz mit geringster änderung. der ausdruck ist in dem zweiten nicht schön, aber verständlich. Kleisthenes hat also 50 naukrarien gemacht, d. h. fünf auf jede neue phyle, lediglich decimal und duodecimalsystem ausgleichend. Themistokles beseitigt diese gänzlich antiquirten gebilde zu gunsten der trittyen im sinne der kleistheni - schen ordnung. das volk aber, das im dritten jahrhundert auf die symmorien zu - rückgriff, hat offenbar von der kleisthenischen ordnung kenntnis gehabt.167Trittyen in der ekklesia. trittyen im rate.zugeben, daſs die institution verkümmert war. denn die συλλογῆς der Aigeis sind auf dem steine 872 aus Gargettos Ikaria Herchia, also alle drei aus dem landkreise. die trittys war zum drittel geworden. übrigens sind auch diese steine der Pnyx niemals erneuert; der zweck, dem sie dienten, war fortgefallen.
Gehalten haben sich die trittyen im rate, da noch Aristoteles (44, 1)Trittyen im rate. angibt, daſs immer eine trittys der prytanen im rathause anwesend sein muſste. diese bestimmung wird sich auch gehalten haben, als es 600 ratsherren gab, denn in den jahren 299 — 94 begegnen uns, zum letzten male in den inschriften, trittyarchen, die mit einem sonst unerhörten ἐξεταστής zusammen die kleinen ausgaben besorgen, die sonst der ταμίας τῆς βουλῆς καὶ τοῦ δήμου zu leisten hat.55)Zu den psephismen ist ein neues getreten Δελτ. ἀϱχ. 88, 112, wo etwa so zu schreiben ist μεϱίσαι τὸ ἀνάλωμα ε [ἰς ταῦτα τὸν ἐξεταστὴ] ν καὶ τοὺς τϱιτ - τυάϱχους. das wird also ein aus - schuſs des täglich amtirenden teiles der prytanen sein.56)C. Schaefer hat diesen ausschuſs mit den συλλογῆς τοῦ δήμου identificiren wollen; dem hat Köhler widersprochen, und in der tat scheint mir die obige deu - tung vorzuziehen. aber damals bestanden schon Antigonis und Demetrias, die in räumlich geschlossene kreise nicht zerfallen sind. somit sind aus ihren demen trittyen wol schwerlich formirt, und die des rates sind nichts als drittel. dann kann es gut und gerne auch 340 schon ebenso gewesen sein. aber ehedem hat man den trittyen gröſsere bedeutung beigemessen. die prytanen - listen konnten oben zur ortsbestimmung der trittyen vielfach benutzt werden, weil sie zum teil nach ihnen geordnet sind, und noch viel mehr haben wenigstens noch drei columnen, wenn auch die aufzählung der demoten nicht mehr der trittys folgt.57)Die ratsherren saſsen im ratshause seit 409 auf festen plätzen (Philochoros schol. Ar. Pl. 972). aber wenn dabei auch die trittyenordnung beobachtet sein kann, so hatte das doch keine praktische bedeutung. so wird es eine zeit gegeben haben, wo wirklich die trittys ein drittel der fünfzig ratsherrn präsentirte, und das war nicht unwesentlich, sondern ein schutz der minoritäten. die Acharner mochten eine ganze trittys sein und an zahl sehr viel mehr als ein drittel der Oineis: wenn auf die trittys ein drittel kam, konnten sie nie - mals 22 ratsstellen occupiren wie auf der liste II 868.
In der beamtenschaft entsprechen die meisten collegien den phylenTrittyen in der beamten - schaft. und haben deshalb zehn mitglieder. aber das fünfte jahrhundert zeigt mehrere von 30 männern, die also den trittyen entsprechen können. die 30 συλλογῆς τοῦ δήμου haben wir schon kennen gelernt, und für sie168II. 6. Trittyen und demen.war die bestellung nach den kreisen praktisch. noch viel einleuchtender ist dasselbe von den 30 demenrichtern, die Perikles 453 / 2 einführte, denn das sollten landrichter sein, also war ihre bestellung für einen räumlich geschlossenen bezirk durchaus praktisch. die restaurirte demo - kratie hat ihnen diesen ländlichen charakter genommen und ihre zahl auf 40 erhöht, wie es heiſst, weil die nomotheten von 404, die tyrannen, 30 gewesen waren. bei diesen kann von einer vertretung der trittyen kaum die rede sein, und auch bei den 30 logisten, die unter Eukleides auf 10 reducirt wurden, schwerlich. aber die häufigkeit der zahl 30 beweist soviel, daſs das fünfte jahrhundert noch bis zu ende der 30 kreise lebhaft gedachte.
Es ist praktisch wenig mit dem gedanken der kreisteilung Attikas erreicht worden; aber würdig ist er des groſsen gesetzgebers, und die ansätze zu seiner verwertung werden bei eindringender forschung gewiſs noch zahlreicher ans licht gezogen werden.
Aristoteles (21, 4) berichtet aus der chronik, daſs die bezeichnungDie ordnung des Kleisthenes. des athenischen bürgers durch den demosnamen von Kleisthenes einge - führt sei, und zwar mit der absicht, die neubürger vollkommen gleich zu stellen, welche die bezeichnung durch den vatersnamen kenntlich gemacht haben würde. daher käme es daſs sich die Athener selbst mit dem demotikon nennten.1)Man muſs nur scharf die officielle bezeichnung ἀναγοϱεύειν, die anrede πϱοσαγοϱεύειν und die selbstbezeichnung καλεῖν σφᾶς αὐτούς unterscheiden, dann ist der satz weder der zusätze, auch nur des wörtchens νῦν, das wir eingefügt haben, noch der abstriche, die von anderen beliebt sind, bedürftig. die uns geläufige attische sitte vereinigt die bezeichnungen nach dem vater und dem demos, die hier einander gegen - über gestellt werden, und das ist im vierten jahrhundert auch die offi - zielle bezeichnung, z. b. auf den richtertäfelchen (Ar. 63, 4). aber der aristotelische bericht hat keinen sinn, wenn nicht Kleisthenes den vaters - namen durch den demos hat ersetzen wollen. denn wenn die bezeich - nung nach dem vater die neubürger überhaupt kenntlich machen konnte, so tat der zusatz Ἀλωκεκῆϑεν weder etwas davon noch dazu, solange der vatersname in offiziellem gebrauche war. Kleisthenes hat also den vatersnamen abschaffen wollen.
Wie aber konnte der vater die neubürger kenntlich machen? ihre väter hieſsen doch nicht alle Manes oder Skythes, und barbarische oder doch fremde namen sind auch in ächt bürgerlichen familien durchaus nicht unerhört.2)Z. b. Sibyrtios ist im fünften jahrhundert verbreitet und gar nicht niedrig, und doch gehört er ersichtlich mit dem frauennamen Σίβυλλα zusammen, dessen berühmteste trägerin, die ihn erst zu einem gattungsnamen gemacht hat, aus Erythrai war; der name ist also mysisch. CIA IV p. 86 nennt ein Kriton seinen vater Skythes, auch hier ist nur eine antwort möglich: die neubürger hatten gar keinen vater.
170II. 7. Der athenische name.Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich. der sclave kann keine ehe eingehen, also entbehrt der im hause geborene des vaters und der aus der fremde eingeführte barbar erst recht. der metöke genieſst in Athen des vorrechtes, in einem quasigentilicischen verbande zu stehen und nach dem attischen familienrechte behandelt zu werden, er hat also einen vater. aber das gilt eben erst seit Kleisthenes, der die private clientel durch die des staates ersetzt hat. ich habe das früher aufgeführt und gezeigt, daſs die officielle bezeichnung Δᾷος ἐν Μελίτῃ οἰκῶν ist. das ist das genaue analogon zu Εὐϑύδομος Μελιτεύς, und in der tat führen die metöken auch später officiell keinen vaters - namen. bevor der attische staat die metöken in seine clientel nahm, war für sie der patron was der herr für den sclaven und freigelassenen, der vater für den bürger war. trat aber vollends der metöke oder auch der peregrine, der noch ein anderes vaterland gehabt hatte, in die ge - meinde der Athener, so verlor er damit notwendigerweise seine frühere familienverbindung, er konnte also ihre bezeichnung entweder nicht mehr führen, oder aber er muſste dem vater die bezeichnung seiner heimat geben, also sein neubürgertum eingestehn. die römische analogie macht das sofort deutlich. der freigelassene führt den namen des patrons, der neubürger kann gar keinen vatersnamen führen, oder aber er gesteht seinen stand ein, indem er den unrömischen vatersnamen einsetzt, was in der griechischen welt nicht selten geschieht. Λεύκιος Σολπίκιος Λυσι - μάχου υἱός auf Delos, L. Tarquinius Demarati f. in der legende, das ist eine bezeichnung, die wirklich ἐξελέγχει τοὺς νεοπολίτας.
Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durch diese maſsregel ganz besonders sinnfällig. aber die hellenische sinnesart2)schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hieſs auch Skythinos. in den spätern zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr rasch der attischen onomatologie anschlieſsen. da liest man z. b. Σήϱαμβος II 1978, Ἐμαφυς, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jahre 333 heiſst der sophronist der Kekropis Ἄδειστος (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein Ἄδειστος fremder oder sclave, und 2781 steht Ἄδιστος Ἀμφιπολίτης, den für einen Ἅδιστος zu halten die mundart von Amphipolis verhütet. der name wird also makedonisch sein, und zu ihm der makedonische kurzname Ἀδαῖος mit dem femininum Ἀδαία gehören; so hat die königin Eurydike wol eher geheiſsen als Ἀδέα, wie bei Photius bibl. 70b 6 steht. — beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 Ἀτὼ Ἀϱχιδάμου in Ἀγώ: das ist nicht nötig, Ἀτώ ist kurzname zu dem paphlagonischen Ἀτωτος, das ich auch nicht accentuiren kann.171Die ordnung des Kleisthenes. der gebrauch des lebens.war so durchaus mit den alten adelsvorstellungen durchwachsen, daſs der vatersname nicht nur, sondern die ganze terminologie des adels von den neubürgern möglichst rasch und vollständig übernommen worden ist, die neubürger ihre οἶκοι bald ganz im stile der alten auszubilden suchten, und seit 403 der vatersname überwiegend gebräuchlich und vielfach sogar obligatorisch ward. Δημοσϑένης Δημοσϑένους Παιανιεύς ist eigentlich einem M. M. f. Corn. gleich: lauter teilen des römischen namens, die als nebensächlich abgekürzt werden. dem Demosthenes aber ent - sprach es vielmehr einem M. Tullius M. f. der demos hatte das ge - schlecht ersetzt.
Wer die steine des fünften jahrhunderts kennt, der weiſs, daſs dieDer ge - brauch des lebens. offizielle bezeichnung sich an das kleisthenische gesetz gebunden hat: sie gibt nur den eigennamen und den demos. in den rechnungen werden die obmänner der schatzmeister, die hellenotamien, die strategen so be - zeichnet, nicht minder die handwerker und kaufleute. auf den verlust - listen fehlt das demotikon, weil das militär nur mit der phyle rechnet3)Darum finden wir die verherrlichung der phylenheroen ausschlieſslich in den militärischen leichenreden; die unter Demosthenes namen erhaltene hat dadurch hren wert. es ist durchaus ungewöhnlich in andern als militärischen verhältnissen die phyle zu nennen. CIA II 2338 nennt sich ein Καλλίμαχος Καλλιστϱάτου ‘φυλῆς Κεκϱοπίδος Μελιτεύς’, aber das geschieht im verse, den es bequem füllt; ich weiſs kein zweites beispiel. daſs ein kleruche auf Melos sich Ἐπόνφες Ἀϑεναῖος Παν - διονίδος φυλὲς Κυϑέϱϱιος nennt (IGA 9), macht für den heimischen gebrauch nichts aus, sondern ist auf die untertanen berechnet, denen der ausgewanderte thete durch alle titel imponiren will. niemand redet jemanden als Pandioniden an. aber Xenophon Hell. 2, 4, 27 erzählt von einem reitergefechte “dabei fiel Kallistratos aus der Leontis”, und die Acharner rufen den Lamachos ὦ φυλέτα, weil er sie als taxiarch oder stra - tege der Oineis zu commandiren pflegte. sehr seltsam ist, daſs Nikias bei Thuky - dides (7, 69) in der letzten seeschlacht bei Syrakus τῶν τϱιηϱάϱχων ἕνα ἕκαστον ἀνεκάλει πατϱόϑεν τε ἐπονομάζων καὶ αὐτοὺς ὀνομαστὶ καὶ φυλήν, ἀξιῶν τό τε καϑ̕ ἑαυτὸν ᾧ ὑπῆϱχε λαμπϱότητός τι μὴ πϱοδιδόναι τινά, καὶ τὰς πατϱικὰς ἀϱετὰς ὧν ἐπιφανεῖς ἦσαν οἱ πϱόγονοι μὴ ἀφανίζειν, πατϱίδος τε τῆς ἐλευϑεϱω - τάτης ὑπομιμνῄσκων καὶ τῆς ἐν αὐτῇ ἀνεπιτάκτου πᾶσιν ἐς τὴν δίαιταν ἐξουσίας. die dreigliederung zeigt, daſs die phyle dem demokratischen vaterlande entsprechen soll. sie hat aber mit den trierarchen nichts zu tun: Thukydides hat wol die sitte der regimenter des landheeres auf die flotte übertragen. der scholiast schreibt aus der Dolonie (69) dazu πατϱόϑεν ἐκ γενεῆς ὀνομάζων ἄνδϱα ἕκαστον, wo Aristarch u. a. bemerken, das wäre also in der heroenzeit die volle anrede gewesen ‘διογενὲς Λαεϱτιάδη Ὀδυσσεῦ’. das geschlecht geht dann auf Zeus zurück. richtig ist das letzte nicht; διογενής ist standesbezeichnung., dafür wird hier die charge der höheren officiere beigefügt. dagegen die privaten nennen den vater gerne. so verfahren die schreiber, die die172II. 7. Der athenische name.offiziellen urkunden redigiren, mit ihrem eigenen namen, im gegensatze zu den personen, die sie in den protokollen anführen. in der komoedie, die wir allerdings erst aus dem peloponnesischen kriege kennen, als die demenordnung schon länger als zwei menschenalter bestand, stellen sich die leute mit dem demotikon vor4)Z. b. Ar. Ach. 406. 1028. Wolk. 134. Fried. 190. Lys. 852. Thesm. 898., aber in der anrede erscheint es beinahe nie, während Platons dialoge zeigen, daſs in der vornehmen gesellschaft die anrede ὦ παῖ Ἀκουμενοῦ gar nicht selten war.5)Mir ist aus Aristophanes nur Wesp. 232 ὦ Στϱυμόδωϱε Κονϑυλεῦ bekannt, und das ist sicher ein witz, denn der ganz obscure demos wird, so viel ich weiſs, sonst Κονϑυλῆϑεν bezeichnet. ein witz ist auch in Platons Symposion ὦ Φαληϱεὺς οὗτος Ἀπολλόδωϱος, wenn auch die erklärung noch nicht gefunden ist. im pelo - ponnesischen kriege haben schon viele demen, Prospalta, Aixone, Titakidai, ihr be - sonderes renommee. nicht anders ist es in der litteratur. Thukydides ignorirt den demos in der namengebung ganz. bei Herodotos sind ein par demotika vorhanden, einmal sogar ohne vatersnamen, offenbar aus officieller attischer über - lieferung.6)8, 93 erhalten den preis für tapferkeit in der salaminischen schlacht Εὐ - μένης τε [ὁ, wie kann man den artikel dulden?] Ἀναγυϱάσιος καὶ Ἀμεινίης Παλλη - νεύς. 9, 73 erhält dieselbe auszeichnung bei Plataiai Σωφάνης ὁ Εὐτυχίδεω ἐὼν δήμου Δεκελεῆϑεν, Δεκελέων δὲ τῶν κοτε ἐϱγασαμένων u. s. w. weil der mann berühmt war und Herodot mehr von ihm erzählen will, fügt er den vatersnamen bei, den demos lieferte die officielle angabe, und an ihn knüpft er die geschichte von den Dekeleern, die in Sparta atelie und proedrie besitzen. daſs Sophanes zu diesen gehörte, sagt Herodot, darin kann er irren: aber daſs in Sparta nicht eine kleisthenische gemeinde, sondern ein älterer gentilicischer oder quasigentilicischer verband, die nachkommen des Dekelos, so geehrt worden sind, sollte doch von selbst einleuchten. sonst wird kein Athener anders als mit dem vater bezeichnet, auch die beiden brüder Κυνέγειϱος und Αἰσχύλος Εὐφοϱίωνος, von denen jener sich bei Marathon auszeichnet 6, 114. wie sehr sonst bei ihm die berücksichtigung des geschlechtes vorwiegt, weiſs jeder leser. noch wir unterscheiden die beiden Thuky - dides nach ihren vätern, reden von den Kallias und Hipponikos, kennen Ephialtes des Sophonides, Lamachos des Xenophanes7)So Thuk. 6, 8; Ξενοφάντου schol. Ar. Thesm. 840. übrigens war er wol aus Oe, denn da gibt es innerhalb der Oineis einen Lamachos II 772b, der sogar seinen sohn Tydeus genannt hat. sohn, ohne von ihrem demos zu wissen: aber die beiden Thrasybulos unterscheiden wir nach Steiria und Kollytos, reden von Kallistratos von Aphidna, Ari - stophon von Azenia, Eubulos von Anaphlystos, und in der späteren ge - lehrten schriftstellerei wird ein Ammonios von Lamptra und ein Apol -173Der gebrauch des lebens.lonios von Acharnai geführt, obwol doch der demos eigentlich allein für das innerattische gilt.
Man wird von den inschriften unter diesen umständen nicht viel erwarten, und doch liefern sie zu der aristotelischen nachricht im ganzen die erwünschte illustration. es ist zwar für mich nicht möglich, die der Peisistratidenzeit von denen der jahre 507 — 480 zu scheiden, die als übergangszeit besonders interessant sein müſsten, allein es bleibt die hauptsache, daſs so ziemlich die ersten drei menschenalter nach einfüh - rung des demotikons seine vereinigung mit dem vatersnamen der termi - nologie fremd ist. die menschen nennen sich vielmehr ganz überwiegend, wie sie es früher getan haben, nach dem vater. ich finde auf privaten monumenten nur CIA IV p. 205 Φαῖδϱος Πϱοϑυ-Κεφαλῆϑεν und Διο - γένης ἀνέϑηκεν Αἰσχύλο hυῦς Κεφαλεός8)I 398. es ist kein verfehlter hexameter, sondern es sind zwei regelrechte glieder archilochischer gattung. im IV p. 182 τἀϑηναίαι δεκάτην χοϱίο Ἀϑμονόϑεν. Χαιϱεδέμο, Φιλέα, steht selbstverständlich kein demotikon. die beiden besitzer oder pächter stehn im genetiv unter dem nur von dem schreiber entstellten pentameter., und dieser mann ionisirt be - denklich in seiner schrift, macht zudem einen vers. den grabschriften insbesondere fehlt die später normale form πατϱόϑεν καὶ τοῦ δήμον gänz - lich. den frauen wird der demos ihres vaters oder gatten ganz selten bei - gefügt (— Εὐμηλίδου γυνὴ Σφηττόϑεν IV p. 99, — Ἀχαϱνέως ϑυγάτηϱ p. 205). auch bei männern ist er ungleich seltener, ich schätze, im ver - hältnis 1: 4, als der vatersname, und ein Μυϱτίλος Πϱασιεύς IV p. 190 oder gar ein Χναιάδης Παλληνεύς IV p. 102 werden wol neubürger sein. vornehme leute verhalten sich gegen den demos fast ganz ablehnend, deswegen z. b. ein Aristokrates der sohn des Skellias, der hipparch Pytho - doros des Epizelos sohn8)I 398. es ist kein verfehlter hexameter, sondern es sind zwei regelrechte glieder archilochischer gattung. im IV p. 182 τἀϑηναίαι δεκάτην χοϱίο Ἀϑμονόϑεν. Χαιϱεδέμο, Φιλέα, steht selbstverständlich kein demotikon. die beiden besitzer oder pächter stehn im genetiv unter dem nur von dem schreiber entstellten pentameter., ein mann wie Kallias Hipponikos9)IV p. 186. vgl. Ar. 29, 1. mir scheint die lesung des facsimiles immer noch eher auf Ἐπιζήλου zu führen als auf Ἀναφλυστίου, wie Blaſs jetzt will. die urkunde hat, wie jeder wissen soll, weder den vater noch den demos bei dem an - tragsteller angegeben; Aristoteles auch nicht von sich aus, wie sollte er einen Pytho - doros identificiren? also kommt es auf seinen berichterstatter an, und bei dem ist der vatersname ungleich wahrscheinlicher. übrigens war der mann seiner zeit recht bekannt, wenn meine combination über ihn zutrifft. die ist nicht einmal für das reiterdenkmal zwingend, aber doch wol wahrscheinlich: für die Aristotelesstelle hängt alles von der lesung ab. der name Pythodoros ist sehr gewöhnlich. 411 / 10 fiel ein mann des namens als phylarch der Hippothontis CIA I 448, 3, 59. aus dieser phyle ist Πύϱϱος Πυϑοδώϱου Ἀχεϱδούσιος ende des vierten jahrhunderts II 948. sohn haben ihn wirklich nicht nötig. aber auch geringe leute nennen sich Ὀνήσιμος (ein sclavenname) Σμικύϑου, Κϱίτων Σκύϑου, Φίλων Ἀϱεσίου. wenn ein polemarch in einem gedichte sich Aphidnaeer nennt (IV p. 153), so174II. 7. Der athenische name.mochte gerade in der ersten zeit nach der vertreibung der tyrannen oder auch nach der schlacht von Marathon, wo der polemarch Kalli - machos von Aphidna commandirt hatte und gefallen war, dieser ortsname einen besondern klang haben.10)IV p. 153. es ist kaum auszudenken, wie der bei Marathon gefallene polemarch Kallimachos ein weihgeschenk darbringen sollte, das der Meder erwähnte. sehen wir dann folgende grabschriften IV p. 117 Ἀϱιστέας Ἰφιστιάδης, Τιμαϱίστη Θεοφῶντος Λαμπτϱέως, Ἀϱιστώνυμος Ἀϱισταίου Ἰφιστιάδου, Ἀϱιστόμαχος Ἀϱιστέου Ἰφι - στιάδης, vater, mutter und söhne, aus dem ende des fünften jahrhun - derts. II 1685 Ξενοκλέης Ἀγγελῆϑεν, Πολυχάϱης Ξενοκλέους Ἀγγελῆϑεν, Ἀϱιστοκλέης Ξενοκλέους Ἀγγελῆϑεν, anfang des vierten jahrhunderts. II 2002 Αἰχμέας Ἐλευσίνιος, Εὔφϱων Αἰχμέου Ἐλευσίνιος, Ἀϱχίππη Στησιππίου (d. i. Στησίππου oder Στησιππίδου) Ἀχαϱνέως. II 2330 Ἄλκιππος Μελιτεύς, Διοφάνης Ἀλκίππου Μελιτε (ύς) und vier nur mit dem eigennamen bezeichnete töchter. in diesen vier fällen führt der vater nur den demos, der sohn folgt der sitte des vierten jahrhunderts: entweder also, der vater war neubürger, oder aber die sitte hatte mit dieser generation gewechselt; so viel ich sehe, würden wir dann bei dem vater eher das fehlen des demos erwarten.
Grabsteine von fremden mit vater und vaterland sind im fünftenMetöken und fremde. jahrhundert nicht selten. die metöken verschmähen die officielle be - zeichnung nach dem demos so gut wie ganz11)Herm. 22, 251.. die isotelen nennen sich im vierten jahrhundert mit stolz so auf den steinen; etwa ein drittel fügt den vater zu: darin liegt, daſs der vater bereits diesem bevorzugten stande angehört hat.12)CIA II 2723 — 2734. die amme einer Hippostrate erhält von dieser ihr grab und den namen in der form Ἀπολλοδώϱου ἰσοτέλου ϑυγάτηϱ Μέλιττα τίτϑη; 2729. Gerys, der einen sclavennamen führt wie Δϱόμων und Πάταικος, ist zusammen be - graben mit Νικώ seiner frau, die er als solche bezeichnet, und Θεόφιλος ἰσοτέλης, dem sohne, der den eltern den stein setzt, denn beide erhalten einen entsetzlichen vers. die mutter geht an (was Köhler verkannt hat) καὶ ἐγὰ τοῦδ̕ ἀνδϱὸς ἔφυν καὶ πάντα ὁμοία γήϱαι καὶ φϱοντίδι εὐσεβίας ἕνεκα, wo das letzte stammelnd be - zeichnet, daſs sie aus frömmigkeit im alter den alten gut gepflegt hat. für dieselbe zeit darf man als eine regel, von der es aus - nahmen geben wird, aber doch als eine regel, an die wir uns zunächst halten, aufstellen, daſs die grabsteine, die nur den vater nennen ohne vaterland und demos, von metöken herrühren. äuſserst merkwürdig sind folgende grabsteine des fünften jahrhunderts IV p. 115 Ἀϱχίας Νέβϱο Ἀνδϱίο; Εὐφϱαντίδης Μάνδϱωνος Ἀστυπαλαιέως; Ἀϑηνό - δοτος Ἰατϱοκλέος Φασηλίτο; die leute haben das vaterland ihrer väter175Metöken und fremde. sclaven.verloren; aber sie wollen es nicht verläugnen, da sie den ersatz, die attische clientel, nicht in der officiellen weise bezeichnen können, ohne zugleich den vater aufzugeben. die steine bezeichnen also das metöken - verhältnis in der für die redenden ehrenvollsten weise auf das schärfste; später wünschten diese, indem sie ganz über ihren stand schwiegen, fälschlich für bürger gehalten zu werden. ganz neuerdings ist noch ein verwandtes beispiel bekannt geworden. Εὔφϱων Ἁδέα Σικυώνιος er - hielt im december 323 das attische bürgerrecht. es war nur eine deco - ration, denn er war führer der nationalen partei in seiner heimat und erlitt bald dafür den tod. seine ehren wurden in Athen cassirt. im winter 318 war dann in Athen die demokratie wieder am ruder, resti - tuirte dem toten seine ehren und beschloſs sich seines verwaisten kindes anzunehmen, dessen namen man noch nicht einmal kannte: damals heiſst er Εὔφϱων Ἁδέα τοῦ Σικυωνίου (Δελτ. ἀϱχ. 92, 58). da er nie von seinem bürgerrechte gebrauch gemacht hatte, besaſs er kein demotikon, aber ein Sikyonier war er für die Athener rechtlich auch nicht mehr. es erinnert diese terminologie an Ἀϱγειάδας Ηαγελαίδα τἀϱγείο IGA 42, den ich neben dem paphlagonischen (II 3260b) sclaven Ἄτωτος, der sich als Ἀϱγεῖος bezeichnet, weil er es zum bürgerrecht gebracht hatte, für einen sclaven erklärt habe und noch erkläre. wer die bekundung des personenstandes nicht als die gelegenheit zur fabrication archaeologischer märchen be - trachtet, kann nur so erklären — es sei denn, er meine, Argeiadas hätte das bürgerrecht seines vaters verwirkt gehabt; das ist auch möglich. allein Ἀϱγειάδας ist, darin hat Röhl recht gesehn, von dem stammnamen der makedonischen könige nicht zu trennen: griechisch ist ein s. g. patro - nymikon von einem adjectiv überhaupt nicht.13)Habron πεϱὶ γενῶν bei Steph. Byz. Ἄϱγος führt zwar unter dem ‘patro - nymischen’ namen von Argos Ἀϱγειάδαι καὶ Φοϱωνεῖδαι an, bezieht es also auf Ἄϱγος Φοϱωνέως, aber von dem könnte es nur Ἀϱγιάδαι lauten. da er sich auf die dichter beruft, so hat ein künstelnder poet den makedonischen namen im sinne der Makedonen verwandt, wenn die lesart überhaupt verläſslich ist. man kann von Θήβη Θηβᾰ́δης bilden wie von πύλη πυλάδης, aber nicht Θηβαιίδης oder von Ἠλεῖος Ἠλειάδης oder Γελῳάδης u. s. w. der könig Alexandros hat seinen stammnamen wol oder übel gräcisirt um an Argos und Herakles anzuknüpfen. so ist Ἀϱγειάδης entstanden. das war also für einenSclaven. freien menschen überhaupt kein name. aber für einen makedonischen sclaven war es so gut wie für einen lydischen Κϱοῖσος14)Auſser dem viel für das Erechtheion tätigen maurer Κϱοῖσος ἐν Σκαμβ. οἰκ. (I 324. IV p. 75), und einem metöken 3883 und sclaven 3882 ist der name noch, einen persi -176II. 7. Der athenische name.schen Δαϱεῖος, oder Γωβϱύας, einen aegyptischen Ἄμασις, einen phry - gischen Μίδας, einen thrakischen Τήϱης, eine karische sclavin Ἀϱτε - μισία (wie die bordellmutter in den Thesmophoriazusen heiſst). Das allerdings bin ich gezwungen zuzugeben, daſs ich die dem lateinischen Quintipor entsprechende terminologie nicht belegen kann. die attische humanität hat ihnen gestattet auf den grabsteinen als menschen aufzu - treten, einerlei ob sie noch sclaven oder freigelassen waren. und den sclavenstand merken wir am deutlichsten durch das freundliche zeugnis des herrn, der das grab bezahlt, χϱηστός: es ist für die socialen ver - hältnisse wahrlich ein hübscher zug, daſs in Athen ‘der brave’ für ‘den sclaven’ auf dem friedhofe die bezeichnung ist. oft tritt, namentlich bei den ammen (τίτϑη und μαμμία), aber auch bei den paedagogen die stellung des sclaven hinzu, die in diesen fällen ein persönliches ver - hältnis herbeiführt; die tragoedie mehr als die komoedie und dann die epi - gramme der Anthologie geben weitere illustrationen. aber das rechtliche verhältnis ist dadurch wol gelockert, nicht gelöst. sclaven, die nicht brav waren, sind ohne grab und gedächtnis geblieben. natürlich ist das sclavengrab nicht anders zu beurteilen als das von hunden und pferden. und der sclavenname ist auch mit nichten mit dem menschennamen ver - gleichbarer als mit denen von tieren, in denen ihr herr eine gewisse individualität sieht. Ξανϑίας Μέλας Σῖμος Δϱόμων Παϱάμονος Ἐπί - κτητος15)Das hindert nicht, daſs eine Ἐπικτήτα auf Thera in einem hochadlichen geschlechte erscheint: so wenig die Sulpicii sich des namens Servius geschämt haben, und doch zeugen beide für das sclavenblut eines vorfahren. in dem geschlechte, für das Epikteta ihr testament macht, erscheint Ἵμεϱτος Ἱμεϱοφῶντος, an den ich erinnere, weil der in Boeotien und in Athen (hier bei dem bruder des Phalereers Demetrios) vorkommende name Ἱμεϱαῖος auf Himera gedeutet worden ist. es ist aber ein kurz - name von Ἱμεϱο-κλῆς etwa, wie Θεαῖος Διαῖος Εὐφϱαῖος u. dgl. Πίστος Θϱανίων (bei Plautus, der rudersclave) Μαμμία Μαμ - μάϱιον Κϱῖος Λαμία Μόσχος sind nicht anders gebildet als die pferde - namen Ξάνϑος Βαλίος Κόϱαξ[ Ϙοππατίας] Κύλλαϱος (‘lahmfüſschen’, eigentlich kein compliment für ein pferd, das Hera schenkt), oder die hundenamen auf der Françoisvase und bei Xenophon. dazu treten die bezeichnungen der herkunft Φϱύξ Κίλισσα Γέτης Δᾷος Καϱίων Λυδή16)Dahin gehört auch Μῦς, höchstens im scherze vom Myser an die maus angeähnelt, und Βῖϑυς, ganz ebenso den Bithyner bezeichnend., oder ein par gewöhnliche barbarische fremdnamen wie Τίβειος Μάνης14)bei Aristophanes Wesp. 1221 für Χϱυσέ herzustellen, was weder überhaupt noch für einen sclaven ein name ist: παῖ παῖ, τὸ δεῖπνον Κϱοῖσε συσκεύαζε νῷν.177Sclaven. spitznamen.Ἄτωτος Γῆϱυς Βαγώας17)Μασυντίας Ar. Wesp. 433, Μαϱικᾶς, Παϱδόκας Σκεβλίας Ar. Frösch. 608. endlich ῾ϓλας Ritt. 8. es muſs dort ein beliebiger sclavenname sein, und das ist der name des schönen knaben, den Herakles liebte, wol für Rom aber nicht für das alte Athen. wo aber hat jener Hylas den namen her? nicht aus dem griechischen, denn die erste silbe ist kurz, und wenn er den Dryoper Theiodamas zum vater erhielt, so braucht man nur die sage etwas genauer anzusehen, damit man diese verknüpfung löse. Hylas ist ein Mariandyner, den erst die Herakleoten annectirt und in die heimat versetzt haben: nur die Mariandyner klagen um ihn. so findet sich denn auch der sclavenname ῞ϒλλας CIA II 4202. ich möchte aber ebenso deuten den bisher rätselhaften Ὄλας ἀνέϱ I 274. mariandynisch dürfte der name Vola ge - lautet haben., zu denen die obenangeführten königsnamen treten. wenn der Athener der Peisistratidenzeit seinen aegyptischen knecht Amasis ruft, so verwendet der Römer für seine sclaven die namen der griechischen sage und geschichte; heute heiſsen die köter Hektor und Diana und die gäule Caesar und Vesta.18)Rohe menschen haben auch in unseren tagen ihre hunde Napoleon und Bismarck gerufen, um in ihrer weise ihren ohnmächtigen haſs auszulassen. das gemeinsame aller dieser namen ist, daſs sie spitznamen sind, nicht von der für die Hellenen -Spitznamen. namen verbindlichen bildung aus zwei stämmen. der mann kann ja auch den spitznamen ‘Widder, Kalb, Wolf’ führen, und die verbeiteten kurz - namen werden diesem häufig äuſserlich gleich, wie denn Δϱόμων auch verkürzung von Δϱομοκλείδης sein kann. eine ganze menge von guten menschennamen, die auf ort und zeit und art der geburt gehen, Νου - μήνιος Ἐνατίων Εἰκάδιος Τϱιτίος (in Arkadien, wo diese namen nach dem kalendertage beliebt sind) Ἑβδομίας, Ἀπατούϱιος Ἑόϱτιος Θυίων Ὁμολῴων, Ἔνδιος, Ἀϱεϑούσιος Εὐϱιπίδης Σκαμάνδϱιος Καϱνεάδης, sind so gebildet, und sie führen zu den adjectiven über, die von götter - namen gebildet sind, Ἀπολλώνιος Διονύσιος Δημήτϱιος Ἰσμηνίας Κηφισίας, aber auch von menschen Εὐφϱόνιος Φιλύλλιος Μελάνϑιος. das sind die griechischen namen, die den römischen vornamen allein ähnlich sind19)Tiberius ist ganz wie Σκαμάνδϱιος gebildet, Marcus Mamercus nur mit anderem suffixe als die griechischen, Lucius ist Ἔνδιος; Manius Ἠϱιγόνη, den act der geburt wie mit Agrippa Kaeso haben die Griechen nicht bezeichnet. ob die von zahlen genommenen namen, von denen nur ein paar als vornamen in gebrauch geblieben sind, aber die meisten durch abgeleitete stammnamen, Septimius Octavius Nonius bezeugt sind, auf die tage der zehntägigen woche gehen, wie die grie - chischen, wage ich nicht zu entscheiden. Titus ist von der griechischen decenz verbannt: aber die Boeoter lassen sich Σάϑων Σαϑῖϖος nennen, sonst führt nur ein kuppler den sclavennamen Βαλλίων von den βαλλία, die durch Herodes bekannt geworden sind, es ist ein kosewort im ammenjargon wie πόσϑων. Publius und, während der spitzname genau dem cognomen entsprichtv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 12178II. 7. Der athenische name.und M. M. f. Corn. Cicero einem Ἡγήσιππος Ἡγησίου Σουνιεὺς ὁ καὶ Κϱωβύλος gleichgesetzt werden muſs. aber unter den männern sind solche namen immerhin ausnahmen20)Der spitzname erhält erst im dritten jahrhundert nach Christo seine feste bildung, weil die sprache mit den alten formen nicht mehr zufrieden ist und nach bedeutsamen wahlnamen sucht. die namen von barbaren, Aegyptern z. b. und Juden, arbeiten dieser sitte vor, auch die seltsame adoption des vaternamens im nominativ (Ἄϱειος Δίδυμος, Ἡϱῴδης Ἄττικος) gehört dahin. die bildungen aber auf - ιος (dessen schreibung einerlei ist, auch in Βασίλειος ist es ein unbetontes i, und die aussprache Basilῑos ist ganz unberechtigt) sind den alten Διονύσιος Δημήτϱιος ganz analog. der Diogenes, der sich nach Διογενὲς Λαεϱτιάδη den Laertier nannte, oder wer nach Platon oder Nestor oder Caesar oder dem purpur seiner heimat oder nach irgend welchen vorhandenen oder gewünschten eigenschaften den zunamen erhielt, Εὐσέβειος Γϱηγόϱιος Εὐτέκνιος, Pulcheria Prudentius Constantius, sie alle sind wieder bedeutungsvoll und individuell: es ist ein zeichen davon, daſs die alte cultur und sprache tot ist, wenn man eine neue onomatologie braucht, aber daſs man sie sich schaffen konnte, ist ein unverächtliches zeugnis für die leistungsfähigkeit jener zeit. natürlich tritt der beiname, so lange er nur das ist, an das ende der namen - reihe. nur die modernen wollen das nicht gelten lassen.; die frauen dagegen sind sehr viel mehr wie sclaven behandelt, und Πλαγγών (puppe), Μαμμάϱιον, Φιλουμένη, Ἡδύλη Κόϱιννα Γλύκη Γοϱγώ Μυϱϱίνη Ἤϱιννα (was attisch Ἐαϱίνη wäre) heiſsen auch matronen; nur in der höheren attischen gesellschaft und demgemäſs im fünften jahrhundert in der ganzen gut - bürgerlichen sphaere ist man darauf aus männern und frauen volle namen zu geben. doch sind die kosenamen natürlich bei den frauen verbrei - teter und nicht immer von den eigentlichen spitznamen zu trennen. 21)Ganz den weiblichen menschennamen stehen die der schiffe gleich; das sind die einzigen unbelebten wesen, werke von menschenhand, die der Hellene in - dividualisirt; er tut es, weil er sie wirklich als beseelt empfindet, wie am besten die reizende erfindung des Aristophanes oder vielmehr Eupolis Ritt. 1300 zeigt. der widersinn, ein stück geschmiedetes metall zu benamsen, den die erfinder des schwertes Durandarte u. dgl. begangen haben, offenbar im gefühle ihrer barbarischen unfähigkeit, so etwas zu machen, liegt den Hellenen selbst in der ritterzeit fern. von wilden bestien der sage führen ein par drachen einen namen, Ladon, der die Hesperidenäpfel bewacht, aber eigentlich der arkadische fluſs ist, Porkis und Chariboia, die die söhne des Laokoon töten (ὀνόματα ὄφεων paraphrase zu Lykophron 347), Sthennis, der drache von Aulis (Porphyr. zu B 308). sonst empfindet der Hellene das individuelle im tiere spärlich. weil er das typische in ihm erfaſst, hat er die fabel erfunden und den fuchs Κεϱδώ, den affen Καλλίας benannt, nicht einen Reinhard und Isegrimm. auch die vögel pflegen keinen indi -
Allein der reizvolle und viel zu wenig behandelte gegenstand locktDas recht am namen. mich vom wege ab. die onomatologie selbst darf ich hier nicht ver - folgen; nur das ist rechtlich von bedeutung, daſs der sclave von des herrn gnade und durch des herrn willkür den namen hat, auf den recht - lich nichts ankommt; ein in sclaverei geratener Hellene kann ihn ebenso gut führen wie verlieren, je nach dem belieben des herrn.22)Μεσσένιος ἀνέϱ steht unter dem confiscirte besitze des Hermokopiden Axiochos CIA I 274. ebenda Κυδίμαχον δο̃λον Ἀδειμάντου; jener hatte zu hause gewiſs einen namen gehabt, der nun nicht mehr galt. Kydimachos war ein vor - nehmer menschenname, deshalb fügt der protokollirende schreiber δοῦλον hinzu. ein grund das wort anders zu deuten liegt nicht vor. die frau steht rechtlich ebenfalls unter dem κύϱιος, und ihr bürgerrecht beruht ausschlieſslich auf dem des mannes, in dessen hand sie ist. in Athen ist jedoch der genetiv ohne zusatz von γυνή bereits dem vatersnamen vorbehalten.23)Das folgt mit sicherheit aus II 1708, 2056, 2166, 2216, 2547, 2648. ich behaupte natürlich nicht, daſs keine ausnahmen vorkämen, da das recht notwendig ehedem weiter gieng. aber ich kenne keine. die hetaeren führen wahlnamen, auch wenn sie freie sind, und keineswegs bloſs als tituli: es scheint nicht, daſs der frauenname im schutze des gesetzes steht, während der mann um seinen namen klagen kann, wie der rechtshandel des Μαντίϑεος Μαντίου Θοϱίκιος wider Μαντίϑεος Μαντίου Θοϱίκιος beweist, in dem der erste vergeblich dem zweiten die führung des namens bestreitet.24)Die vergleichung der demosthenischen rede 39 mit der eines unbekannten 40 ist sehr lehrreich. Demosthenes führt eine schlechte sache und verliert sie, aber die rede ist sehr geschickt. der andere sachwalter hat eine, wie es scheint, gute sache; den erfolg vermag ich nicht zu erkennen. die sache war wol die. der po - litiker Mantias von Thorikos hatte eine ehefrau Plangon, die er liebte, von der er kinder hatte, die er aber doch verstieſs, als ihr vermögen verloren gieng. nun nahm er sich eine reiche wittwe und zeugte mit der einen andern sohn. aber als diese starb, kehrte er zu der ersten liebe zurück, wollte nur von den kindern der Plangon nichts wissen. doch diese war geschickt genug, den alten in den letzten tagen zur gerechtigkeit zu bestimmen. und der nunmehr geprellte angeblich einzig echtbürtige sohn dang sich vergebens den besten redner für seine häſsliche sache und ist mit einem schlechtern redner für eine anscheinend begründete geldforderung kaum besser gefahren. aber der eigenname21)vidualnamen zu erhalten, sondern Lesbia sagte passer und Corinna psittacus. die italienischen hunde pflegen noch heute auf cane zu hören. bei uns ist jeder schwan ein Hans und jeder kleine vogel ein Matz: darin liegt jetzt keinerlei individuali - sirung mehr. von ortsnamen sind ganz individuell die der flüsse: das sind aber meist auch götter und ahnherren, minder schon die der berge, noch weniger die der städte, die sehr vielfach derivata sind. sie bedürfen einer neuen untersuchung. daſs es keine straſsennamen uralter zeit gab, habe ich Herakl. II 199 ausgeführt.12*180II. 7. Der athenische name.ist allerdings nur ein privatbesitz, der den staat als solchen nicht kümmert. wollte aber jemand sich das demotikon beilegen, ohne den nachweis der berechtigung führen zu können, so durfte jeder Athener klagen, denn darin lag die anmaſsung des bürgerrechts, die der staat so bestrafte, daſs er den schuldigen als sich verfallen betrachtete und als sclaven verkaufte.
Der name im ge - schlechter - staate.Das führt zu der unabweisbaren frage, wie denn der volle athe - nische name vor Kleisthenes gelautet habe. πατϱόϑεν allein reicht un - möglich aus, weil dann gerade das distinctivum des bürgerrechtes fehlt: der vater bezeichnet nur den freien mann. wir haben bisher alle teile des römischen namens angetroffen, nur den wichtigsten nicht, den gentil - namen, dem zu liebe die Römer den eigennamen völlig haben verkommen lassen, wie die Athener ihrerseits den gentilnamen. was entspricht dem M. Tullius M. f.?25)Die gleichung des gentilnamens mit dem demotikon ist unzulässig, erstens weil dieses eine junge demokratische neuerung ist, dann aber auch, weil der gentil - name unmöglich eine örtliche bedeutung haben kann. die 20 ältesten tribus haben nicht den geschlechtern, die in ihnen saſsen, ihren namen gegeben, sondern um - gekehrt von jenen empfangen. die tribus Fabia verhält sich zu der gens Fabia wie der demos Βουτάδαι zu dem geschlechte Βουτάδαι. und Quintius kommt von Quintus, Iulius von Iullus, Claudius von Claudus, Valerius von Valerus, ganz wie die boeotischen patronymika Λύκιος von Λύκιος, Φίλλιος von Φίλλις, Μολώνιος von Μόλων. der demokratie geht der adelsstaat vorher, dessen ordnung Rom bewahrt hat; die phyle, das kunstproduct, erwarten wir auch in ihm nicht, aber wol wie in Rom das geschlecht. πατϱόϑεν ἐκ γενεῆς erwarten wir die bezeichnung, wie es in der Dolonie heiſst. aber wir finden nicht was wir suchen; wenigstens die inschriften versagen zunächst.
Geschlechts - namen.Es muſs erst über eines klarheit werden, die s. g. patronymika auf - ιδης - αδης. gewiſs, Τυδεΐδης Ἀτϱεΐδης Πηλεΐδης Λαεϱτιάδης be - zeichnen im epos hundertmal den sohn des Tydeus u. s. w. gewiſs haben das die dichter mit dem homerischen stile tausendfach nachgebildet. und doch zeigt der gebrauch schon des epos, daſs das patronymikon eigentlich nicht mehr gilt, sondern ein gentilicium wird. die Odyssee feiert noch den Λαεϱτιάδης, die Telemachie kennt keinen Ὀδυσσεΐδης mehr. wir sind an den Peliden gewöhnt: Πύϱϱος Ἀχιλλεΐδης gieng schön genug in den vers; aber das ist nicht formelhaft geworden. gött - liche väter gibt es im epos genug, aber das wird niemals mit dieser ab - leitung bezeichnet, weil der gott kein geschlecht gründet.26)οὐϱανίωνες schlieſst zumeist alle götter des himmels ein, weil sie da zu hause sind, ganz wie sie später οὐϱανίδαι heiſsen. nur E 898 wird das geschlecht Πϱιαμίδης181Geschlechtsnamen.Τελαμώνιος Πηλεΐων. 27)Δωϱιῆς Είκαδῆς Φιλιῆς weisen zwar auf einen eponymen des κοινόν zurück, aber sie sind in wahrheit nicht von ihm gebildet oder doch nicht wirklich gentilicisch. ἀηδονιδῆς Αἰγικοϱῆς βασιλῆς sind ebensolche gattungsnamen, aber keine geschlechtsnamen.Τελαμώνιος ist das einfache adjectiv; in ihm spricht sich am deutlichsten das rechtsverhältnis aus, daſs der sohn des vaters ist wie das roſs und die waffe. Νηλήιος ὑιός (B 20), N. ἵπποι Λ 537. diese bildung ist von den Thessalern, Boeotern und Aeolern lange beibehalten, bis sie dem gemeingriechischen genetive wich, zuerst für die männer, dann für die frauen, wie man auf den assischen steinen gut verfolgen kann. sie entspricht ganz genau dem italischen gentilnamen, aber zu einem gentilicium ist sie nicht geworden. die lesbischen ge - schlechter heiſsen Πενϑιλίδαι, Ἀϱχεανακτίδαι.28)Daſs dies die richtige form ist, folgt aus dem femininum Ἀϱχεάνασσα, metrisch gesichert Diog. Laert. 3, 31. es ist freilich so sonderbar gebildet wie Ἀνάξαϱχος, aber beide sollen den regierenden fürsten bezeichnen. die bildung auf - ων - ιων ist im leben ausgestorben, für eigennamen aber sehr viel gebraucht, ebenso wie die zugehörige weibliche auf ονη.29)Ἀμφίων Ἀμφιόνα (diese auf Kreta), Δηίων Δηιόνη, Μολίων Μολιόνη, Ἠπιόνη· Ἡσιόνη die mutter des Τεῦκϱος und die frau des Prometheus sind beide ‘die Asiatin’, zu der dem vocalismus nach die Ἠσιονῆες gehören; der Ἄσιος ῾ϒϱτα - κίδης und der Ἀσίου λειμών der Ilias haben den alten vocalismus bewahrt. die eigennamen Ἀϑη - νάδης Φοιβίδας Ἡϱακλείδης geben nicht anders die zugehörigkeit zu dem bestimmten gotte an als Ἑστιαῖος Ἀϑήναιος Ποσειδώνιος. 30)So weit wir sehen, bedeutet ein solcher name nur, daſs der vater das kind unter den schutz einer gottheit stellt (Plut. de def. orac. 21); vielleicht war es ehedem ein ausdruck der hörigkeit. übrigens kommen auch die anderen ableitungen vor, wenn jene unbequem war, Δαλίων heiſst nach dem Apollon Δήλιος, Πτοίων nach dem Πτοῖος.Πυ -26)der οὐϱανίως den söhnen des Zeus, des πατὴϱ ϑεῶν, entgegengesetzt. Zeus selbst heiſst Κϱονίων Κϱονίδης, was eben deshalb ein rätsel ist, weil sonst auch kein gott nach seinem vater heiſst. Pindar nennt die götter öfter Κϱονίδαι, als wäre das ihr gentilname, auch βασιλῆες und Κϱόνου παῖδας βασιλῆας (P. 3, 94), wo die βασιλῆες ganz in dem sinne gefaſst sind, der oben s. 136 anm. 20 erläutert ist. Ἰαπετιονίδης ῾ϒπεϱιονίδης (ὑπεϱίων ist nichts als der ‘oben’ wie οὐϱανίων der ‘im himmel’) Νηϱηίνη Δηωίνη bei späteren besagen nicht viel. aber sehr merkwürdig ist Λητοΐδης von Apollon und Asklepios (Hesiod fgm. 109), alt, wenn auch nicht homerisch. da Leto nichts als die mutter ihrer kinder ist, aber nicht die gattin des himmelsgottes, so ist sie eben so rätselhaft wie der zu Κϱονίων stehende Κϱόνος. νηϱηίδες ist gebildet wie ναιάδες δϱυάδες, und hier ist deutlich, daſs es νεϱαίδες, νηϱηίδες νύμφαι ‘wassermädchen’ sind, gehörig zu dem ἅλιος γέϱων, für den νηϱεύς ein auch nur die herkunft bezeichnender name ist, noch weniger bezeichnend als Πόϱκος Φόϱκυς ‘der fisch’, zu dem als frau die ‘auster’ Τηϑύς gehört.182II. 7. Der athenische name.λάδης Θηβάδης geht höchstens die herkunft an, Καϱνεάδης ist der an dem feste des Κάϱνειος geborne. sehr seltsam hat Ibykos Ἑλένα Μενε - λαίς gesagt für Ἑλένη Μενελάου, als ob es ganz possessivisch wäre, und vollends Ἀλϑαία Μελεαγϱίς, so singulär, aber allerdings so ver - ständlich wie Cornelia Gracchorum. aber weiterhin ist die ableitung ganz und gar gentilicisch. Ἐϱεχϑεῖδαι Κεκϱοπίδαι sind die Athener, nicht die kinder des Erechtheus, Θησεύς ist Αἰγείδης als Aegide, wie wir ge - sehen haben. Ἡϱακλεῖδαι heiſsen die Herakleskinder nie, immer seine ganze descendenz. Helena kommt nach Troia δυσόμιλος συμένα Πϱια - μίδαισι: doch wahrlich nicht bloſs für ihre schwäger, sondern für das geschlecht im ganzen (A. Agam. 447). Ἀσκληπιάδαι Ὁμηϱίδαι sind viel - leicht schon eher gilden als geschlechter, aber sie fingiren den geschlechts - verband. Πεισιστϱατίδαι sind das tyrannenhaus, Ἑϱμοκοπίδαι die arge sippschaft der Hermenfrevler. wenn ein mann Καλλιάδης oder Ξαν - ϑιππίδης heiſst, so liegt darin, daſs er zu einem geschlechte gehört, in dem der name Καλλίας oder Ξάνϑιππος gewöhnlich ist, daher wechselt der einfache name mit dem geschlechtsnamen. und weil der name genti - licisch ist, ist er vornehmer; wol im anschluſs an eine alte vorlage läſst Lucian den parvenu sich Σιμωνίδης für Σίμων nennen (gall. 14). damit hätten wir also eine bezeichnung für den gesuchten gentilicischen begriff.
Sehen wir nun das epos an. Πϱιαμίδην νόϑον υἱόν Λ 490 ist noch dasselbe wie υἱὸν Πϱιάμοιο νόϑον E 70, κούϱην Πϱιάμοιο νόϑην N 173. aber Εὐϱυσϑεὺς Σϑενέλοιο πάις Πεϱσηιάδαο T 123, Ἀμφί - νομος Νίσου υἱὸς Ἀϱητιάδαο31)Ob dies von Ἄϱητος kommt, ist sehr fraglich, schon weil die erste sylbe kurz ist. denn im hesiodischen schilde heiſst Kyknos der sohn des Ares Ἀϱητιάδης, 57, und die pontische Aresinsel heiſst immer Ἀϱητιάς, wenn auch die grammatiker die flexion Ἄϱης Ἄϱητος nur aus der ableitung kennen. in ordnung ist es damit nicht, da ein patronymikon von einem gotte, wie oben bemerkt, nicht gebräuch - lich ist. Ἄϱης Ἄϱητος ist ein hypokoristikon wie Μέγης Τέλης Μύνης. erst in dem zugehörigen vollnamen könnte der gott stecken. ϝάνακτος Π 395, Πολύξεινος υἱὸς Ἀγασϑένεος Αὐγηιάδαο ϝάνακτος B 624, Σχεδίος καὶ Ἐπίστϱοφος υἱέες Ἰφίτου μεγαϑύμου Ναυβολίδαο 518. da mag noch immer der vater allein patronymisch nach dem groſsvater benannt sein. aber wenn wir Ψ 514 Ἀντίλοχος Νηλήιος lesen, so ist der gentilicische begriff um so weniger zu verkennen, als der heros gerade aus dem geschlechte ist, das für die meisten ionischen städte das königliche war. vollends Αἰακίδης als name des Achilleus in der Patroklie mit anhängen ist gar183Geschlechtsnamen.nicht anders verständlich. Hesiod Katal. 37 Ἀμαϱυγκεΐδης Ἱππόστϱα - τος ὄζος Ἄϱηος Φυκτέος ἀγλαὸς υἱός: da ist die gentilicische termi - nologie vorhanden, und wie die an die patronymika gewöhnte grammatik irre geht, lehrt die apollodorische bibliothek, die es mit Ἱπποστϱάτου τοῦ Ἀμαϱυγκέως wiedergibt. es konnte gar nicht fehlen, das sich in der tradition der sage gentilicische bildungen fanden, die in der genealogie gar nicht oder nur mit gewalt untergebracht werden konnten. so ist es mit Ἀλκείδης für Herakles den sohn der Alkmene gegangen, so mit Πλεισϑενίδαι als name für das geschlecht der könige, die von den Dorern aus irgend einem hauptorte vertrieben wurden und mit den heerkönigen der Ilias identificirt wurden, deren ahnenreihe doch keinen Pleisthenes enthielt32)Πλεισϑενίδαι ganz gentilicisch braucht Aischylos Ag. 1569, Πλεισϑένου γένος entspricht dem 1602. daſs er nebenher auch die Pelopiden nennt (1600), ist eine inconsequenz. Stesichoros (42) sagt von Klytaimestra τᾷ δὲ δϱάκων ἐδόκησεν μολεῖν κάϱα βεβϱοτωμένος ἄκϱον· ἐκ δ̕ ἄϱα τοῦ βασιλεὺς Πλεισϑενίδας ἐφάνη, was bedeutet (wenn man die fundstelle bei Plutarch de sera num. vind. 10 nachliest, ist es unzweifelhaft) ‘sie sah ein traumgesicht, daſs ein blutiger drache käme. und in dessen erfüllung erschien der könig aus dem Pleisthenidenhause’, d. h. der legi - time erbe., der dann kümmerlich irgendwie eingeflickt ward. das ergibt den namen Ὀϱέστης Ἀγαμέμνονος Πλεισϑενίδης; dem entsprechend könnte man aus den pindarischen gedichten die Aegineten Τιμάσαϱχος Τιμοκϱίτου Θεανδϱίδας (Nem. 4) Λάμπων Κλεονίκου Ψαλυχίδας (N. 5) Δεινίας Μέγα Χαϱίαδας (N. 7) u. a. gewinnen, ja sogar einen Athener Τιμόδημος Τιμόνου Τιμοδημίδης (N. 2), der neben dem geschlechte auch seinen demos Acharnai und seinen wohnsitz Salamis verherrlichen läſst. mit dem adel des kleruchen war es schwerlich weit her; der Alkmeonide Megakles (Pyth. 7) läſst nur sein geschlecht und seinen staat verherrlichen. von dem dichter Simonides aus Keos kennen wir sogar zuverlässig den vollen namen Σιμωνίδης Λεωπϱέπευς Ὑλιχίδης33)Vgl. O. Schneider zu Kallimachos fgm. 77, dessen urteil freilich schief ist. und so liegt es nahe, sich vorzustellen, daſs die ältere attische nomenclatur der spätern ganz ähnlich gewesen wäre, nur mit dem geschlechtsnamen statt des demotikons hinter dem vatersnamen. Λυκοῦϱγος Ἀϱιστολή - δου Βουτάδης würde dann sogar 507 den namen gar nicht gewechselt haben, da das geschlecht in der gemeinde blieb, der es den namen gab. es existiren zwei attische steine, die in der tat eine solche bezeichnung zeigen. IV p. 81 ein bruchstück zweier zeilen και χϱεμα ‒ ‒ κολλυτίδ ‒ ‒, das nur lehrt, daſs neben den Κολλυτῆς auch Κολλυτίδαι gestanden184II. 7. Der athenische name.haben, und IV p. 102 Λεόβιος ἐποίεσεν Πυϱετιάδες, aus einem ge - schlechte, dessen ahn Πύϱης geheiſsen hatte. 34)Πύϱης Πύϱητος, das die herausgeber meistens falsch Πυϱῆς accentuiren, kennen wir als namen für den sohn des Achilleus, den man später Πύϱϱος nennt, in einer variante T 327, die starke beachtung verdient, und aus der unterschrift eines werkes von Kresilas, Kaibel epigr. 751.Vorgekommen ist also eine solche bezeichnung; aber ob Leobios ein Athener war, ist fraglich. sitte war dort die nennung des geschlechtes jedenfalls nicht, und da viele geschlechter gar keine gentilicisch geformten namen hatten, Κήϱυκες Βουζύγαι Δεκελεῖς, formen, wie Κηϱυκίδης in Thasos, nicht bestanden, so genügte diese bildung nicht. die schriftsteller führen auch auf eine andere bezeichnung. Καλλίης τῶν Ἰαμιδέων Ἠλεῖος (Her. 5, 44), Τεισαμενὸς Ἀντιόχου γένεος τῶν Ἰαμιδέων Κλυτιάδης (Her. 9, 33, vgl. Isyll 180), τῶν Σκοπαδέων Διακτοϱίδης Κϱαννώνιος (Her. 6, 127), Ἀϱχῖνος ὁ Ἀμπϱακιώτης τῶν Κυψελιδῶν (Ar. 17, 4), Πεισιστϱάτου υἱεῖ τοῦ ἐκ Φιλαιδῶν Ἱππάϱχῳ (Pl. Hipparch. 228b) Φαιστίδος ἦν μητϱὸς καὶ Νικομάχου γενετῆϱος τῶν Ἀσκλη - πιαδῶν δῖος Ἀϱιστοτέλης (vit. Ar. 420 R.). das ist eine bezeichnung, die zwar nicht in Rom, aber wol in dem mittelalterlichen Italien ihre analogie hat, Lorenzo di Cosmo dei Medici, und die pindarischen namen können wir uns ebenso gut in diese weise umsetzen.
Ueberhaupt ist die gentilicische bezeichnung eigentlich nur eine ver - kürzte angabe des stammbaumes. der vater ist nur das minimum von dem was für den freien mann gefordert wird. wie die römische nomenclatur in den Fasten und der Kaisertitular, wo sie nur kann, noch mehr ahnen nennt, so fordert Athen von seinen archonten den nachweis des groſs - vaters und selbst der groſsmutter, vier ahnen, wie noch heute manche adlichen stifter. auch die inschriften nennen zuweilen den groſsvater35)Z. b. IGA 483 nennen sich fünf leute Ὠϱίωνος παῖδες το̃ Ἀϱχήγο, was man fortfährt für einen titel zu erklären: man hütet sich aber wol, zu sagen, was er bedeute. 503 στάλ] α ̕πὶ Σϑενείαι τῶ Νικιαίωι τῶ Γαυκίω. wie der groſsvater hieſs ist nicht festzustellen; weshalb er in Kebrene nicht einen barbarennamen ge - habt haben könne, verstehe ich nicht. Ἀϱίστα Ἑϱμοκλειδαία τῶ Σαυναιάδα Anth. Pal. 6, 269., und Herodotos gibt z. b. 7, 204 die ganze ahnenreihe von Leonidas bis Herakles, 5, 59 die von Laios bis Kadmos, und dieselbe fand Sophokles und sein volk dem stile einer feierlichen proclamation ganz ange - messen (O. T. 267): seine kritiker freilich dulden das nicht. die euri - pideischen prologe sind wegen der stammbäume uns langweilig, die Athener lachen allenfalls darüber, daſs sich die redenden so ausführlich185Geschlechtsnamen.selbst vorstellen, wie sich Dikaiopolis über die ahnen des Amphitheos ärgert, aber dieser dingt sich doch den berufenen friedensstifter, und die prologe haben sich auch behauptet. der Athener hat eben die gesin - nung des adelsstaates, die uns kaum noch verständlich ist, nie verloren, und wenn seine demokratie jenen staat zertrümmert hat, so hat sie ge - rade in der ordnung des namenwesens eine eigentlich gentilicische form mit viel gröſserer consequenz durchgeführt, als es die zeit je erreicht hatte, in welcher die geschlechter herrschten.
Aristoteles schildert uns den Areopag vor Solon und unter Solon mehrfach als die eigentlich maſsgebende behörde, aber in ziemlich all - gemeinen wendungen, so daſs wir zunächst nicht viel weiter zu kommen scheinen. die vormacht des Areopages, die er für die jahre 480 — 462 angibt, ist eine effective, nicht durch eine verfassungsänderung ihm neu verliehene. Ephialtes nimmt ihm diese macht durch bestimmte gesetze,ἐπίϑετα und πάτϱια. deren stelen die dreiſsig umreiſsen (35, 2): damals sind also ganz be - stimmte competenzen dem Areopage entzogen. Aristoteles bezeichnet sie als ἐπίϑετα in übereinstimmung mit der officiellen terminologie1)Harpokration erklärt das wort so: ὁπόσα μὴ πάτϱια ὄντα ἡ ἐξ Ἀϱείου πάγου βουλὴ ἐδίκαζεν, ὡς σαφὲς ποιεῖ Λυσίας ἐν τῷ πϱὸς τὴν Μειξιδήμου γϱαφήν. in diesem rechtsfalle handelte es sich, wie mit recht aus Aristoteles rhet. 2, 23 geschlossen wird, darum, daſs Meixidemos (oder Meixidemides) die competenz des Areopages bestritt. daher spricht der erklärer nur von dem richten des Areo - pages. auszüge aus derselben glosse sind Bekk. An. 252, wo πάτϱια durch οὐκ ἐκ τῶν νόμων πϱοστεϑέντα τῇ βουλῇ ἐξ ἀϱχῆς ersetzt ist, und Hesych ἐπίϑετα. dies wort bezeichnet natürlich denselben gegensatz, auch wenn es sich um eine andere behörde handelt, z. b. den archon Ar. 3, 3., im gegensatze zu den πάτϱια, die dem rate blieben, d. h. dem blutgerichte. daraus ergibt sich zunächst ein vollkommener widerspruch. entweder Ephialtes hat dem Areopage nur ἐπίϑετα genommen, dann gehörte was er ihm nahm nicht zu seinen ursprünglichen rechten. er nahm ihm die eigentlich politische macht: also kann diese nicht ursprünglich ge - wesen sein, also kann der Areopag nicht φύλαξ καὶ ἐπίσκοπος τῆς πολιτείας gewesen sein, wie doch cap. 3 u. s. w. steht. oder aber diese nachricht ist richtig, dann hat Ephialtes dem Areopag πάτϱια und nicht ἐπίϑετα genommen. von diesem widerspruche können wir den Aristo - teles nicht befreien. aber wol können wir ihn als einen für die officielle187ἐπίϑετα und πάτϱια.geschichte Athens schlechthin unvermeidlichen erkennen. die partei des Ephialtes hat gesiegt, und sie hat selbstverständlich sich nicht selbst als revolutionär betrachtet, muſste also was sie dem Areopag nahm als von rechtswegen diesem gar nicht zustehend bezeichnen, so daſs sie nur einen übergriff beseitigt hätte. aber die consequenz haben sie zunächst glücklicherweise nicht gehabt, nun auch die ganze geschichtliche tradition so umzugestalten, daſs der Areopag nur noch als blutgerichtshof in ihr erschiene. so stellt es zwar 458 der dichter in den Eumeniden dar, der die stiftung selbst berichtet und nur von dem blutgerichtshof handelt. und später muſs diese tendenz noch mächtiger geworden sein, sonst hätte die von Plutarch behandelte streitfrage nicht entstehen können, ob der Areopag wirklich vorsolnisch wäre.2)Aufgeworfen war diese schon vor Aristoteles in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts. vgl. oben I 53 anm. 21. aber die Atthis, der Aristoteles folgt, ist zum glück noch unbefangen genug, die ächte tradition über die alte zeit festzuhalten, trotzdem sie die officielle version über Ephialtes auch gibt. den gedanken faſst aber verwirft man bald, daſs etwa der bericht über das eigentliche gesetz des Ephialtes (25, 2) mit seiner umgebung aus oligarchischer tendenziöser überlieferung stammte. die oligarchen hatten ja nicht die entfernteste veranlassung, den Ephialtes so zu rechtfertigen, wie es die bezeichnung ἐπίϑετα tut; ihre absicht gieng mindestens dem namen nach darauf, die alte verfassung herzustellen und die demokratischen neuerungen zu beseitigen. folglich ist diese terminologie ihrem inhalte nach demokratisch und paſst für die Atthis, nicht für Theramenes.
Die verfassungsänderungen von 462 haben einen so starken erfolg gebabt, daſs niemals, selbst nicht von den Dreiſsig, die diese gesetze selbst beseitigten, ein ernsthafter versuch praktisch gemacht ist, den alten Areopag wieder herzustellen, wenigstens nicht vor Demetrios von Phaleron. so ist es denn sehr schwierig zu erkennen, was denn eigentlich in den gesetzen des Ephialtes gestanden hat, und die directe überlieferung ver - sagt vollkommen. seit Ephialtes ist der Areopag fast nur noch ein blut - gerichtshof; vorher hatte er eine in der ganzen politik ausschlaggebende stellung, aber diese beruhte nicht auf bestimmten gesetzlich fixirten rechten, konnte ihm also auch nicht durch gesetze direct genommen werden. genommen müssen ihm die rechte sein, die er von alters her geübt hatte; aber eben über sie hört man zumeist nur etwas so vages wie σχεδὸν ἁπάντων κύϱιος, oder φύλαξ καὶ ἐπίσκοπος τῆς πολιτείας. 188II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.das kann Ephialtes unmöglich so geändert haben, daſs er lediglich negativ beantragte, τὴν βουλὴν μὴ εἶναι φύλακα, wol aber kann und wird er als bleibende dienstinstruction beantragt haben, πεϱὶ δὲ τῶν φονικῶν δικάζειν τὴν βουλὴν τὴν ἐν Ἀϱείῳ πάηῳ κατὰ τὰ πάτϱια. das ist auch unvergessen geblieben. im übrigen konnte die neuerung nur darin bestehen, daſs eine anzahl von obliegenheiten, die bisher der Areopag gehabt hatte, anderen organen des staates zugewiesen ward. sie fanden also ihren platz je in den einzelnen dienstinstructionen dieser organe, und so ist nach der art unserer überlieferung nicht wunderbar, daſs bald das gedächtnis an den concreten inhalt der gesetze des Ephialtes völlig verschwunden war. daneben blieb die sehr unbestimmte angabe der chronik, daſs der Areopag einst Athen beherrscht hätte, und nicht viel mehr, kaum irgend etwas concretes, weiſs Isokrates im Areopagitikos zu sagen. es ist immer noch das beste was Aristoteles aus der Atthis ge - rettet hat, daſs der rat der 500, die volksversammlung und die gerichte die amtspflichten übernommen hätten, die Ephialtes den Areopage entzog. damit ist wenigstens eine aussicht gegeben, einiges zu erschlieſsen. denn wenn wir einerseits die bekannten competenzen dieser organe betrachten, andererseits was wir dank Aristoteles über die ältere competenz des Areopages erfahren, so muſs diese vergleichung einigermaſsen lehren, was er durch Ephialtes und Archestratos eingebüſst hat.
γϱαφαὶ ἀσεβείαςDie volksgerichte können die entscheidung in einer anzahl von pro - cessen geerbt haben, die früher der könig vor den Areopag brachte, namentlich ἀσεβείας, da die streitigkeiten um priestertümer und sporteln der priester (Ar. 57, 2) wol der könig unmittelbar (αὐτοτελῶς) entschieden haben wird, und das volksgericht lediglich durch das prinzip der ἔφεσις εἰς δικαστήϱιον, die provocatio ad iudicium hinzugetreten ist. wenn die eine art der gottlosigkeit, die in der zerstörung eines heiligen ölbaumes gefunden ward, dem Areopage immer geblieben ist, so darf man für ältere zeit ihm diese ganze gattung zuschreiben. die eine singularität blieb ihm, weil seine aufsicht über die ölbäume nicht angetastet ward. der Areopag besaſs aber früher auch ein coercitionsrecht über alle ἀκοσμοῦν - τες (3, 4), also eine unmittelbare sittencontrolle. diese collidirt mit den thesmothetenprocessen ὕβϱεως μοιχείας u. dgl., deren bedeutung oben I 247 erörtert ist. indessen möchte ich nicht wagen, diese sachen vor den Areopag zu ziehen, da ein verkehr irgend eines andern beamten als des königs mit diesem rate nicht bezeugt ist.
δοκιμασία.Die niederen beamten, d. h. alle mit ausnahme der par excellence so genannten (und wol der militärischen), wurden in alter zeit vom189δοκιμασία. εἰσαγγελία.Areopage bestellt. seit Solon werden sie aus einer vorschlagsliste der phylen erlost, und zur correctur des loses ist die prüfung vor gericht ein - geführt. nur die archonten und die ratsherren werden vom rate geprüft, und für die ersteren ist noch eine prüfung vor dem gerichte hinzugefügt.3)Die von Aristoteles als späterer zusatz bezeichnete freiheit, von dem ab - weisenden entscheide des rates an das gericht zu appelliren, ist eine logische con - sequenz des grundrechtes der ἔφεσις, aber sie machte die prüfung im rate tatsäch - lich überflüssig. diese ist also nur als rudiment der alten ordnung erhalten. das wird sowol rechtlich wie geschichtlich erst verständlich, wenn man annimmt, daſs der Areopag die prüfung der übrigen von Solon bis Ephialtes gehabt hat. dann ist Solons ordnung, oder vielmehr Drakons schon, nicht ein schwerer eingriff in die macht des Areopages, sondern be - seitigt nur das willkürprinzip der ernennung durch die erlosung auf vorschlag und die prüfung durch die behörde, die früher unmittelbar ernannte.4)Es gibt noch ein beispiel für diese ordnung. 343 hat das volk einen σύν - δικος gewählt, der seine sache vor den Amphiktionen führen sollte, aber dem Areo - page die prüfung des gewählten und sogar den ersatz desselben durch eigne wahl übertragen. so erzählt Demosthenes 18, 134. das geschah damals natürlich nur im specialfalle und auf besonderes gesetz hin. aber über die heilige sache hat man wol auf grund von praecedenzfällen entschieden. der rat unten sollte selbstverständlich von dem oben unab - hängig sein, besorgte also selbst die prüfung seines nachfolgers. die archonten aber, die künftigen Areopagiten, unterlagen einer prüfung durch diesen oberen rat nach ablauf ihres amtes, was nie geändert worden ist: der Areopag brauchte also verfassungsmäſsig die archonten, die das volk sich gesetzt hatte, nicht aufzunehmen. um so weniger aber konnte er sie schon vor dem amtsantritt prüfen. diese prüfung war das recht des volkes, und seine ausübung fiel passend dem organe des volkes, dem rate unten zu. so war das weise geordnet. einmal ist dann die prüfung der beamten überhaupt dem Areopage genommen und den gerichten gegeben: das kann füglich nur durch Ephialtes oder im anschluſs an seine reform geschehen sein. die prüfung der archonten aber lieſs man daneben dem rate: man verlangte noch immer besondere garantien für diese, und es ist zu bedenken, daſs die herabsetzung des census für dieses amt mit dem sturze des Areopages zeitlich zusammenfällt: da mochte man die dokimasie des rates als garantie nicht missen.
Die volksversammlung tut kaum etwas ohne die vermittelung desεἰσαγ - γελία. rates, aber sie hat das recht, denuntiationen von ganz besonders staats - gefährlichen verbrechen anzunehmen und wenn sie auf sie eingeht, an die gerichte abzugeben, ja in ausnahmefällen selbst zu gerichte zu190II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.sitzen. das gefährliche institut der εἰσαγγελία εἰς τὸν δῆμον hat in alter zeit die εἰσαγγελία εἰς Ἄϱειον πάγον zum gegenstücke, die sowol gegen beamtenwillkür galt, wie Drakon es vorgeschrieben hatte (4, 4), wie gegen hochverrat: gegen diesen schreitet noch in der anekdote von Themistokles der Areopag ein. dies ist also sicher durch Ephialtes vom Areopage auf das volk übertragen. dagegen hat das volk allerdings die beamten auch schon vorher auf seine weise controllirt, durch die ἐπιχει - ϱοτονία, und hat die macht selbst urteilssprüche abzugeben besessen, in den formen, welche die feste tagesordnung der versammlungen durch die anklage wegen ἀπάτη τοῦ δήμου und συκοφαντία bot. so ist Miltiades 490 gefallen. da haben wir, wie so oft in Athen und im alten Rom, neben einander stehend dieselbe competenz verschiedener staat - licher organe.
Der eigentliche erbe des alten rates ward der neue: statt des aus der magistratur hervorgegangenen senates sollte die vertretung der einzel - gemeinden die verwaltung führen. klar mit einem worte bezeichnet würde der inhalt der reform gelautet haben: der Areopag hört auf eine verwaltungsbehörde zu sein; die geschäfte übernimmt der rat der 500. aber wir müssen das im einzelnen zu erfassen suchen, entsprechend dem wie die gesetze nach attischer weise wirklich gelautet haben.
μίσϑωσις τεμενῶν.Da haben wir gleich eine einzelheit. die verpachtung des heiligen gutes besorgt der könig, aber er übergibt die pachtverträge dem rate und dieser besorgt die eincassirung und verrechnung der pachten selbst oder durch seine beamten, die apodekten (Ar. 47, 4). so war es schon 418. es versteht sich von selbst, daſs der könig früher denjenigen rat zugezogen hat, dem er vorsitzt; sein verkehr mit dem rate der 500 ist eine anomalie, die lediglich die rücksicht auf die heiligkeit dieser ein - nahmen geschaffen hat.
Casse des Areopages.Die bergwerke waren schon 483 unter der verwaltung des volkes, was die des rates, der ja die vorschläge für das volk vorberät und formulirt, in sich schlieſst. es gab ja auch seit Kleisthenes die apodekten. trotzdem hat 480 der Areopag über sehr bedeutende geldmittel verfügt, da er, aus eigener initiative oder auf die anregung seines mitgliedes Themistokles hin, in der lage war, den auswanderern ein zehrgeld zu zahlen (oben I 140). also hatte der Areopag eine casse und cassenbeamten. er hatte aber auch nach Solon (8, 4) das recht geldstrafen zu verhängen und einzuziehen und brachte sie selbst auf die burg, d. h. in die casse der göttin. zu den uralten behörden gehören die schatzmeister der göttin, die poleten und die kolakreten. die letzteren verfügen zwar noch in der zweiten191Casse des Areopages. νομοφυλακία.hälfte des fünften jahrhunderts über so viel geld, daſs ihre casse die schwere ausgabe für den richtersold getragen hat5)Daraus folgt, daſs in diese casse die gerichtssporteln flossen, denn die oli - garchische Πολ. Αϑ. 1, 16 nennt als ersten vorteil, den der demos aus dem ge - richtszwange der bündner zieht, ἀπὸ τῶν πϱυτανείων τὸν μισϑὸν δι̕ ἐνιαυτοῦ λαμβάνειν., sind aber im organis - mus des staates nur noch so wenig berechtigt, daſs selbst die reform der 400 sie beseitigen wollte. die schatzmeister und die poleten stehen später unter der controlle des rates der 500. daraus erschlieſsen wir mit sicherheit, daſs diese beiden behörden ursprünglich dem alten rate untergeben waren, der sie ja auch ernannt hatte: die kolakreten aber waren die einnehmer der alten ratscasse. Kleisthenes hat in den apodekten 10 einnehmer neben die kolakreten, deren zahl wir nicht kennen, gestellt. die zahl der schatzmeister und poleten ward auch auf 10 gebracht, d. h. auch sie vertraten nunmehr die neuen phylen. schon damals also ist eine casse unter verwaltung des rates der 500 gestellt, schon damals der Areopag, der notwendigerweise aus leuten, die mit der tyrannis mindestens freundlich gestanden hatten, noch lange jahre vorwiegend bestehen muſste, stark beschränkt. aber noch standen beide räte nebeneinander: Ephialtes tat den zweiten wichtigsten schritt und gab die finanzen dem rate der 500; die kolakreten und somit die vereinnahmung und verrechnung starker mittel durch den Areopag hat er noch bestehen lassen. daran liegt es, daſs wir über diese behörde so wenig klar sehn. aber wenn Perikles den richtersold einführte und seine zahlung der kolakretencasse auferlegte, so zeigt sich darin eine sehr wirksame beschränkung des Areopages durch ihn.
Drakon hatte dem Areopage das recht gegeben, die amtsführung derνομοφυ - λακία. beamten auf ihre gesetzmäſsigkeit hin zu controlliren, und ihn auch zur instanz für beschwerden über die beamten gemacht. auch Solon, der doch dem volke die eigentliche rechenschaftsabnahme, wenn auch noch nicht den regelmäſsigen logistenprocess, sicherte und durch die epichei - rotonie und andere mittel die directe beschwerde bei dem volke er - möglichte, endlich die ἔφεσις εἰς τὸ δικαστήϱιον durchführte, hat den - noch dem Areopage die sorge für die beobachtung der gesetze gelassen, die νομοφυλακία. diese hat gar keinen sinn, wenn der Areopag nicht die möglichkeit hatte einzuschreiten, die beamten vor sich zu fordern und zu richten. ebenso notwendig folgt aus dieser befugnis, daſs die bürger beschwerden wider die beamten bei dem Areopage einreichen konnten. erst hierdurch, aber hierdurch sehr energisch, wird der Areopag192II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.zu dem eigentlichen träger der inneren politik. es liegt so viel darin, daſs ich voraussehe, die modernen werden sich dagegen sträuben, es zu glauben; aber die analogie zwingt. der rat der 500 hat ja diese selbe controlle über alle beamte rechtlich besessen, und auch bei ihm konnten beschwerden eingereicht werden (45, 2). einen beleg liefert Lysias wider die kornhändler. natürlich war später auch von der ent - scheidung des rates appellation an das gericht möglich, ganz wie bei der dokimasie der archonten. aber daſs von dem urteil von 500 an das von 501, von ratsherrn an richter, d. h. leute die genau eben so qualificirt und genau eben so gewählt sind, appellirt wird, ist eigentlich in sich verkehrt, ist prinzipienreiterei, und kann nur als eine ausartung an - gesehen werden. wenn nun der rat der 500 in der demokratie die nomophylakie besitzt, der Areopag sie einst besessen hat, so kann man gar nicht zweifeln, daſs eben diese es gewesen ist, die Ephialtes ihm genommen hat.
νομο - ϑεσία.Man hat bei dieser gelegenheit an eine veränderung in der legis - lative gedacht, hat die γϱαφὴ παϱανόμων herangezogen und noch anderes vermutet, hatte allerdings auch die auf keinen geringeren als Philochoros gestellte überlieferung, daſs zum ersatze für den Areopag eine besondere behörde von νομοφύλακες eingesetzt wäre.6)Lex. Cant. νομοφύλακες. der fehler beschränkt sich darauf, daſs die ein - setzung mit der reform des Ephialtes verbunden wird; sein anlaſs ist mir auch noch jetzt rätselhaft, aber ich kann ihn nicht mehr leugnen. die schilderung des amtes stammt in diesem lexicon aus derselben quelle wie bei Photius οἱ νομοφύλακες τίνες ἦσαν, und dieses lemma erweist als quelle das onomastikon, dessen wertvollste aus - züge im fünften Bekkerschen lexicon stehn. hinzu tritt Poll. 8, 94, der die schilde - rung im praesens gibt, während sie jenes onomastikon im praeteritum gab. wie Philo - choros geredet hat, ist also nicht sicher. die sieben gesetzeswächter sitzen neben den proedren in den versammlungen: so etwas ist zur zeit der demokratie unerhört. sie sind durch ausgezeichnete tracht und religiöse functionen möglichst würdig ge - macht: das paſst für die zeit der restauration. sie sind bestimmt, in den Areopag zu treten: der vermehrte sich also jährlich um 16 statt um 9 personen, muſste binnen kurzem durch diesen nachschub eine andere majorität erhalten, so daſs ich die maſsregel gut mit einem pairsschub in modernen ersten kammern verglichen habe, und sollte offenbar frisches blut und neue würde erhalten. alles paſst auf das beste für die verwaltung des Phalereers. da wir auf den steinen durchaus nichts von den gesetzeswächtern finden, sind sie wol 307 der demokratischen reaction so gut wie die γυναικονόμοι u. a. erlegen. dies letztere ist durch das schweigen des Aristoteles, so wenig das im ganzen be - deutet, und durch die in einem falle (fgm. 6) nunmehr erwiesene unzu - verlässigkeit des lexicons, das uns die angeblich philochoreische notiz193νομοϑεσία.gerettet hat, beseitigt. es beruhte aber auch alles auf ungenügender einsicht in das attische staatswesen.
Formal ist zwischen einem volksbeschlusse und einem gesetze gar kein unterschied. was das volk beschlieſst, ist recht und ist gesetz. ein jeder volksbeschluſs schafft neues recht; er darf nur nicht implicite altes recht umstoſsen und muſs selbst auf gesetzmäſsigem wege zu stande gekommen sein. darin liegt, daſs der rat unter allen umständen über den gegenstand verhandelt haben muſs, mindestens so weit, daſs er ihn auf die tagesordnung gesetzt hat.7)Die nomothesie rechnet der oligarch der Πολ. Αϑ. 3, 2 zu den regelmäſsigen amtspflichten des rates. in den meisten fällen ist ein einzelner antragsteller vorhanden, sei es daſs er ratsherr ist, sei es daſs er, dann aber im anschluſs an eine ratsvorlage, im volke seinen antrag durchgesetzt hat. daneben erscheinen im fünften jahrhundert ad hoc eingesetzte commissionen, συγγϱαφῆς. so redet man denn von gesetzen des Perikles, Archestratos, Kannonos, und besitzen wir in dem s. g. eleusinischen psephisma ein gesetz, das zur gröſseren hälfte von einer commission ausgearbeitet ist, aber einen nachtrag enthält, den Lampon vor dem volke durchgebracht hat. das volk, das selbst all - jährlich die gesetze neu beschwört, die es sich gegeben hat, sichert diese vor verletzung und sich selbst dagegen, daſs es sie nicht un - wissentlich verletzt, durch die klage παϱανόμων. diese gilt wesentlich den antragstellern im rate und volke, ist aber auch einer commission gegenüber denkbar, die einen antrag stellte. sie gehört mit ihrer schwester, der klage ein schädliches gesetz gegeben zu haben, und den klagen wegen amtsmisbrauch wider die vorsitzenden des rates und volkes vor die thesmotheten (59, 2). die eidliche versicherung, sie erheben zu wollen (ὑπωμοσία), muſste in der versammlung geleistet werden und besaſs dann suspensive kraft. jeder bürger, der ja jedes unrecht (παϱά - νομον) das irgend wem geschah zu ahnden berechtigt war (τιμωϱεῖν τῷ ἀδικουμένῳ), hatte vollends das recht den geschädigten gesetzen bei - zustehen. er tat das wie immer so auch hier durch die anrufung des gerichtes, das hieſs, er belangte den schuldigen bei den thesmotheten. dies tun zu wollen, erklärte er vor dem volke. das ist die ὑπωμοσία, ein analogon zur ἀφαίϱεσις εἰς ἐλευϑεϱίαν. es ist gar nicht anders denkbar, als daſs dieses recht, sogar schon in dieser form, bestanden haben muſs, seit es rat und volk gab: war doch ein hauptanlaſs zu klagen wegen gesetzwidrigkeit der, daſs der vorbereitende ratsbeschluſsv. Wilamowitz, Aristoteles. II. 13194II. 8. Der Areopag vor Ephialtes.fehlte (45, 4). das war in anbetracht der sehr ausgedehnten zulassung von amendements oft gar keine einfache frage. solonisch ist die klage also mindestens. aber um so deutlicher wird, daſs sie mit dem Areopage trotz seiner gesetzescontrolle nichts zu tun hat. sie geht eben an die ‘rechtssetzer’, die die gesetze aufzuzeichnen und zu bewahren haben, also die berufenen richter darüber sind, ob ein antrag mit diesen in widerspruch stehe. die thesmotheten haben darüber ehedem selbst, später unter zuziehung eines volksgerichtes entschieden: das entspricht der allgemeinen rechtsentwickelung. eine beteiligung des Areopages ist schon deshalb nicht denkbar, weil er, um einen gesetzwidrigen be - schluſs zu hindern, eine controlle der volksversammlung hätte ausüben müssen, d. h. eine controlle des souveränes.
Damit sind die gesetze gegen die willkür der einzelnen oder auch des volkes geschützt. um so dringender wird die frage, wie konnten sie denn überhaupt geändert werden, wie hat Ephialtes selbst seine anträge durchgebracht, die die ganze verfassung umgestaltet haben? das ist geschehen durch die ἐπιχειϱοτονία νόμων. seit Schöll das document gerechtfertigt hat, das in der Timokratea 20 — 23 steht, dürfen wir nach dieser analogie für