PRIMS Full-text transcription (HTML)
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[I]
SPIELE ZUR UEBUNG UND ERHOLUNG DES KÖRPERS UND GEISTES, FÜR DIE JUGEND, IHRE ERZIEHER UND ALLE FREUNDE UNSCHULDIGER JUGENDFREUDEN.

Ihr könnt fröhlich ſeyn und ſcherzen; Doch verſcherzt die Unſchuld nicht.

Mit einem Titelkupfer und ſechzehn kleinen Riſſen.
SCHNEPFENTHAL,IMVERLAGE DER BUCHHANDLUNG DER ERZIEHUNGSANSTALT.1796.
[II][III]

Vorrede.

Erholung iſt dem Menſchen, beſonders im jugendlichen Alter, durchaus nothwen - dig. Wenn demnach die Jugend, deren Zahl allein in unſerm Vaterlande Millionen beträgt, täglich nur zwey Stunden ſpielt: ſo beträgt dieſs viele Millionen Stunden menſchlicher Exiſtenz. Sollte es denn da einer groſsen Nation wohl gleichgültig ſeyn, ob ein ſo beträchtlicher Theil der Zeit, ja was noch mehr ſagen will, der Bildungszeit, verlohren geht, oder ge - nutzt wird; ob man ihn zum leidigen Zeit - vertreibe, oder zur nöthigen Ausbildung der Kräfte; unſittlich, geſchmacklos, kurz ſchädlich, oder unſchuldig, anſtändig und nützlich verwendet? Dieſs iſt der ernſt -* 2IVhafte Geſichtspunckt, aus dem ich dieſs Buch zu betrachten bitte. Wahrlich ich wollte mit dieſen mühſam geſchriebenen Tändeleyen nicht tändeln.

Seit Tranquillus Suetonius, der ein, für uns verlornes, Buch über die Spiele der Griechen ſchrieb, ſind unglaublich viel Bücher über Spiele abgefaſst. Den - noch übergebe ich hier dem Publikum das meinige mit der Ueberzeugung, daſs es noch kein vollkommenes Spielbuch ſey; ob es aber für den beabſichtigten Gebrauch beſſer, ob es zweckmäſsiger, und ſyſtema - tiſcher als die bisherigen ſey, daran zwei - fle ich keinen Augenblick. Möchte doch jeder Schriftſteller, der davon nicht deutlich und mit Gründen überzeugt iſt, ſeine[Schrift] lieber zerreiſsen als drucken laſſen. Alle Bücher über Spiele zerfallen in zwey Claſſen; ſie ſind entweder philo - logiſch-hiſtoriſch, wie die ſchätzbaren klei - nen Werke des Meurſius, Bulengerus, Hy - de und kommen folglich hier gar nicht in Betracht; oder ſie ſind in praktiſcher Hin -V ſicht geſchrieben, um im geſellſchaftli - chen Kreiſe danach zu ſpielen. Ich ken - ne davon eine anſehnliche Menge, aber kein einziges, das mit gehöriger Auswahl, nach einem beſtimmten Zwecke, für be - ſtimmte Subjecte, mit geläutertem Ge - ſchmacke, und durchdachter Schätzung des Werths jedes einzelnen Spiels, nach ei - nem nur etwas gründlichen Syſteme ab - gefaſst wäre. Daher ſind alle dieſe Bücher auf gut Glück gleichſam zuſammen gewür - felt, theils entſetzlich ſchlecht, nicht nur geſchmacklos, ſondern oft pöbelhaft, un - ſittlich, voll Zweydeutigkeiten und Zoten. Sollte mans wohl glauben, daſs in einem kleinen, 1792 in Leipzig verlegten, ſehr be - liebten Buche Sachen abgedruckt wurden, die aus einer der elendeſten Schmierereyen, die 1757 in Frankfurt erſchien, entlehnt ſind? Spielformeln wie dieſe: Mit Gunſt ihr Meiſter und Geſellen, der Teufel iſt in der Höllen, der Meiſter giebt wenig Lohn und viel Knochen, mit Gunſt ihm ſey etc. oder wie in Dreiſsigs, des Zuſammenſchrei - bers, Machwerke, dem Angenehmen Ge -* 3VIsellschafter 1792: Auf einem meiner Bäume, den ich habe daheime, hab ich 2, 3 etc. Blätter, auf dem dritten Blatte war eine Schnecke, die hatte ein Haus zur Decke, die kroch unter 2, 3, Zweige, ſie wollte fitzen träuge, mit ihren zwey Hör - nern, kroch ſie auf zwey Dörnern, und da kamen behende, 2, 3, 4 Hände und nah - men die Schnecke, mit 5 Fingern hin - wecke.

In Paedagogischer Hinſicht iſt noch gar keine Sammlung von Spielen veran - ſtaltet. Hielt man Spiele für nichtswürdi - ge Poſſen, die der Zeit, der Mühe und des Papiers nicht werth ſind? Schämten ſich Gelehrte ſie zu beſchreiben? Ach wie viel Tauſend ſeicht - und tief-gelehrte Nichtswürdigkeiten hätte man dann unge - druckt laſſen müſſen! Bey Büchern iſt es nur Nebenſache, ob die Buchmanufactur im Gange bleibt oder nicht, ob Papier - müller, Buchhändler und Gelehrte dabey gewinnen oder nicht, ob ſie grundgelehrt ſind oder nicht, die Hauptfrage bleibt da -VII bey immer, und ſollten fie auch nur über die Stoppeln des Feldes geſchrieben ſeyn, können ſie merklichen Einfluſs auf die phyſiſche oder geiſtige Vervollkommnung des Menſchen haben? Wahrlich eine böſe Frage; man thue ſie an manches dick - leibiges, grundgelehrtes Werk, da er - ſcheints wie eine Seifenblaſe, die trefflich glänzt, ſich prächtig aufblähet und ohne Folgen bleibt.

Dieſs Buch enthält Spiele für die Ju - gend, aber es iſt nicht für die Jugend ge - ſchrieben, ſondern für ihre Eltern, Erzie - her und Freunde; daher nicht nur Be - ſchreibungen, ſondern auch Beurtheilun - gen der einzelnen Spiele; daher die Blicke auf das alte Griechenland als hiſtoriſche Erläuterungen und als angenehme Erinne - rungen an ein liebenswürdiges Volk; da - her der Ton, welcher mehr trocken be - ſchreibend als unterhaltend iſt. Ich hätte leicht einige Familien erdichten, ihre ver - gnügten Zuſammenkünſte ſchildern und ſo die Spiele einweben können; dem Tone* 4VIIImag dieſs gemäſs ſeyn; allein ich haſſe al - le Papierverſchwendung und ſchrieb nie, um Bogen zu füllen. Daher endlich die Einleitung, die, wie der erſte Blick lehrt, nicht für die Jugend beſtimmt iſt. Damit will ich jedoch nicht geſagt haben, daſs junge Leute die meiſten Spiele dieſer Sammlung nicht ſollten verſtehn und nach - ſpielen können; ich wollte mich nur be - ſtimmt erklären, für wen das Buch geſchrie - ben ſey. Spiele ſind Blumenbänder, durch welche man die Jugend an ſich feſſelt; da - her übergebe ich ſie lieber ihren Erziehern, als ihr ſelbſt. Was ſoll aber die Jugend machen, die ach es iſt wahrhaftig lei - der oft, ſehr oft der Fall! entweder kei - nen Erzieher, oder wenigſtens keinen für die Zeit hat, wo ſie nicht ſtudirt, deren Eltern entweder keine Zeit oder keine Luſt haben, ſich mit ihr zu beſchäfftigen? Ich bin bis jetzt noch unſchlüſſig, ob ich einſt ein leichtfaſsliches, wohlfeiles Spielbuch für dieſe ausarbeite und erwarte darüber erſt die Winke des Publikums.

IX

Von jedem Spiele findet man im vor - liegenden Buche eine möglichſt ge - naue und umſtändliche Beſchreibung, die bey den Bewegungsſpielen faſt ohne alle Ausnahme, bey den Sitzenden gröſsten - theils auf wirkliche Experimente gegrün - det iſt. Sollte ſie manchen bey dieſem und jenem Spiele zu umſtändlich ſchei - nen, ſo bitte ich zu bedenken, daſs man auch auf ſolche Leſer Rückſicht nehmen müſſe, die das nicht gleich finden, was ſich ſchon von ſelbſt verſteht, ſondern de - nen es erſt geſagt werden muſs; und daſs der Zweck des Buchs, der auf praktiſche Anwendung geht, umſtändliche Auseinan - derſetzung erforderte, weil ſich nach all - gemeinen Angaben gewöhnlich nichts aus - führen läſst. Man wird dem ungeachtet bey den etwas verwickeltern, namentlich bey den Ballſpielen, immer noch genug zu thun haben, ſie im jugendlichen Kreiſe bis zu der Geläufigkeit zu bringen, daſs ſie in ihrer angenehmen Geſtalt völlig her - vortreten. So lange man dieſe Geläufig - keit noch nicht erlangt hat, iſt jedes Spiel,* 5Xzumal jungen Perſonen ſehr widrig; man muſs daher kein Spiel nach den erſten Eindrücken beurtheilen, die es bey noch unvollkommener Rutine macht.

Die Beurtheilungen der einzelnen Spie - le ſind zwar nicht umſtändlich denn ich hatte eben ſo wenig Luſt, mehrere Bände zu ſchreiben, als meine Leſer haben, ſie zu leſen aber doch hinreichend, auf den Gehalt derſelben aufmerkſamer zu machen, als man bisher wohl geweſen iſt.

Alle, etwa drey ausgenommen, wel - che mir mitgetheilt wurden, ſind entwe - der aus eigener Erfahrung niedergeſchrie - ben, oder aus verſchiedenen deutſchen und fremden Gegenden, wozu meine La - ge ſehr günſtig war, zuſammengetragen, verſucht, beſchrieben, ergänzt und hin und wider verbeſſert. Es ſind 106, weil die beſtimmte Bogenzahl nicht mehr faſſen konnte und mich nöthigte, bey den Brett - ſpielen abzubrechen. Ich hoffe man wird damit zufrieden ſeyn, bezahlt man dochXI einzeln herausgekommene Spiele häufig mit 6, 12, 24 und mehr Groſchen.

Obgleich die Zahl ſchon ziemlich an - ſehnlich iſt und ob ich gleich ſelbſt noch einen ziemlichen Vorrath beſitze, ſo wäre es mir doch ſehr angenehm, wenn man mir aus nahen und fernen Gegenden Spie - le mittheilte; Alter und Geſchmack, - higkeiten und Kenntniſſe, häusliche Lage und Geſellſchaften der Jugend; der beſon - dere Geſchmack der Eltern und Erzieher, Tags - und Jahrszeiten, häusliche Umſtän - de u. ſ. w. machen eine groſse Zahl von Spielen nöthig. Ich werde daher Nachträ - ge liefern und mich bemühen, nach und nach eine Spielbibliothek zu Stande zu bringen, wie ſie noch keine Nation hat.

Die treffliche Ausführung meiner Idee im Basrelief des Titels verdanke ich der Meiſterhand unſers Rambergs und dem einſichtsvollen und treuen Künſtler Stöl - zel. Die Erziehung, in ſchöner weiblicher Geſtalt, an den Altar der Natur gelehnt,XII neben ihrer Rechten das Symbol der Bil - dung, in ihrer linken Hand das der Lei - tung, wacht über die Spiele der unſchuldi - gen Kleinen. Möchten doch Eltern dieſen einfachen Gedanken beherzigen. Schne - pfenthal bey Gotha, April 6. 1796.

[XIII]

Ueberſicht.

  • EinleitungSeite 1 46
  • Erſte Claſſe. Bewegungsſpiele. S. 50 284.
  • A Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des ſinnlichen Beurtheilungsvermögens. 50-258
  • a Ballſpiele50-122.
  • 1. Das Ballonſpiel52.
  • 2. Das deutſche Ballſpiel57.
  • Dreyball72.
  • Freyball73.
  • 3. Ball mit Freyſtäten, das engl. Baſe-ball78.
  • 4. Das deutſch engliſche Ballſpiel84.
  • 5. Thorball oder das engl. Cricket85.
  • 6. Handball ein engl. Spiel. 96.
  • 7. Prellball103.
  • 8. Kreisball104.
  • 9, Treibball, oder das Geyerſpiel108.
  • 10. Schnurball113.
  • 11. Fangball114.
  • 12. Steht Alle! 116.
  • 13. Federball121.
  • b Scheibenſpiele122-139.
  • 14. Das Scheibenſpiel, le Palet122.
  • 15. Das Fuſsſcheibenſpiel, la Merelle126.
  • 16. Das Steinſpiel134.
  • c Kugelſpiele139-183.
  • 17. Das Kugelſchlagen oder Mail139.
  • 18. Das Schottiſche Mail oder Golf154.
  • 19. Das groſse Kugelſpiel; Jeu de Boules158.
  • 20. Das kleine Kugelſpiel161.
  • 21. Das Billard165.
  • Das befeſtigte Billard166.
  • Das Kegelbillard, Piroli175.
  • 22. Das Kugelwerfen, Ihs boſseln180.
  • d Kegelſpiele183-194.
  • 23. Das gewöhnliche deutſche Kegelſpiel183.
  • XIV
  • 24. Das Kegelwerfen. 187.
  • 25. Der Kegeltiſch191.
  • e Pfahl - Ring - und andere Spiele194-212.
  • 26. Das Pfahlſpiel oder der Kindaliſmus194.
  • 27. Das Ringrennen198.
  • 28. Das Ringwerfen200.
  • 29. Das Topfſchlagen201.
  • 30. Der Drache204.
  • 31. Das Klinkholz oder Kliſchſpiel209.
  • f Winterſpiele212-221.
  • 32. Schneeſpiele213.
  • 33. Eisſpiele217.
  • g Geſellſchaftsſpiele221-255.
  • 34. Blindekuh221.
  • Stille Blindekuh, Colin Maillard224.
  • 35. Jacob wo biſt du, oder die beyden Blinden226
  • 36. Marcus und Lucas229.
  • 37. Das böſe Ding, oder der Plumpſack etc. 230.
  • 38. Das Mattmachen232.
  • 39. Foppen und Fangen235.
  • 40. Die Jagd239.
  • Nachtſpiele243.
  • 41. Die Wächter und die Diebe247.
  • 42. Miau! 253.
  • 43. Die Jagd im Dunkeln254.
  • h Einſame Spiele255-258.
  • 44 Kreiſel und Reifentreiben255.
  • 45. Das Solo-Ballſpiel257.
  • B Spiele der Aufmerkſamkeit 258. Alle Ge - ſellſchaftsſpiele, bis280.
  • 46. Der ſchwarze Mann259.
  • 47. Das Plumpſack-Verſtecken262.
  • 48. Tag und Nacht264.
  • 49. Fuchs zu Loche266.
  • 50. Vögelverkaufen269.
  • 51. Der Bildhauer270.
  • 52. Das Verwechſeln der Plätze272.
  • 53. Das Kämmerchen vermiethen273.
  • 54. Wie gefällt dir dein Nachbar274.
  • 55. Der Laſtträger275.
  • 56. Das Drittenabſchlagen276.
  • 57. Die Glucke und der Geyer277.
  • XV
  • C Spiele der Phantaſie und des Witzes280.
  • 58. Das Handwerksſpiel281.
  • D Reine Körperſpiele283.
  • Zweyte Claſſe, ſitzende oder Ruheſpiele285
  • A Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des ſinnlichen Beurtheilungsvermögens287 -309.
  • a Geſellſchaftsſpiele288-306.
  • 59. Wer wars, oder die warme Hand288.
  • 60. Der Gerichtshof oder das Amtmannsſpiel290.
  • Vexierſpiele293.
  • 61. Das Suchen der Pfeife295.
  • 62. Die Kelle296.
  • 63. Wer das nicht kann etc. 298.
  • 64. Das Augenräthſel299.
  • 65. Der Ringſucher300.
  • 66. Die Freunde oder der Wahrheitsſpiegel302.
  • 67. Das Federſpiel304.
  • b Einſame Spiele306.
  • 68. Das Bilboquet307.
  • 69. Das Bullenſpiel, Joujou308.
  • B Spiele der Aufmerkſamkeit309-334.
  • a Geſellſchaftsſpiele309-331.
  • 70 Der Rechenmeiſter309.
  • 71 Die Orthographiſche Lehrſtunde311.
  • 72. Kaufmann314.
  • 73. Das Advokatenſpiel und Parlament317.
  • 74. Die Reiſe nach Ieruſalem318.
  • 75. und 76. Das Tauben und Farbenſpiel322.
  • 77. Alle Vögel fliegen323.
  • 78. Der König iſt nicht zu Hauſe325.
  • 79. Das Commandirſpiel326.
  • 80. Nachſprecheſpiele328.
  • b Einſame Spiele331.
  • 81. Das Ringſpiel oder Nürnberger Tant331.
  • XVI
  • C Spiele des Gedächtniſſes334 -356. alle Geſellſchaftlich.
  • 82. Das Reiſeſpiel336.
  • 83. Das Geographiſche Kartenſpiel342.
  • 84. Hiſtoriſch-Chronologiſches Spiel349.
  • 85. Regentenſpiel353.
  • 86. Phyſikaliſches Kartenſpiel354.
  • D Spiele der Phantaſie und des Witzes356 -391. Alle ſind geſellſchaftlich.
  • 87. Das Spiel der Aehnlichkeit356.
  • 88. Sprichwörter361.
  • 89. Die Erzähler368.
  • 90. Die Zeichnungswürfel378.
  • 91. Die ſtummen Spieler oder Pantomine379.
  • 92. Die Mimik381.
  • 93. Das Wortverbergen383.
  • 94. Das Ritterſchlagen ein Vexirſpiel389.
  • E Spiele des Geſchmacks391-394.
  • 95. Das Täfeleyſpiel oder Parquet391.
  • 96. Bauſpiele393.
  • F Spiele des Verſtandes und der höhern Be - urtheilungskraft394.
  • a Geſellſchaftsſpiele395-440.
  • 97. Die Akademie der Wiſſenſchaften395.
  • 98. Action nach Muſik402.
  • 99. Die Kauflente408.
  • 100. Das Arithmeriſche Spiel410.
  • 101. Das Ringſpiel412.
  • 102. Das Frageſpiel421.
  • 103. Das Sylbenräthſel oder Charaden431.
  • 104. Das Geſellſchafts-Räthſel437.
  • 105. Das Anwendungsſpiel438.
  • b Brettſpiele106.
  • 106. Das Schachſpiel440.
  • Anhang I. Ueber Wählen und Loſen.
  • Anhang II. Ueber Pfänderſpiele.
[XVII]

Verzeichniſs der Subſcribenten in der Ordnung, in welcher ſie ſubſcribirt haben.

  • Herr Cammerhr. u. O, Steuereinnehmer Baron von Frieſen zu Rötha bey Leipzig. 1 Exempl.
  • Heyne der jüngere, Erzieher der Barone von Lorenz zu Leipzig. 2
  • Frau von Malapert in Frankf. a. M. 3
  • Herr Joh. Georg Hausknecht Predig. in Frankf. a. M, 2
  • Kaufm. Jacob Eichel in Eiſenach. 2
  • Frau Soph. de Neufville in Frankf. a. M. 2
  • Herr Prediger Wichmann in Zelle. 10
  • Kriegsregiſtrat. Schenk in Gotha. 1
  • Cand. Walther in Rammelburg. 1
  • Joh. Fr Greiner in Breitenbach. 1
  • Dr. u. Burgem. Krügelſtein in Ohrdruf. 1
  • Secretair Fr. Chr. Kypke in Wiederau bey Leipzig. 1
  • Hofrath Loder in Jena. 1
  • Hauptm. von Pufendorf beym 5ten Churhänn. Infant. Reg. zu Ver - den 1
  • Kaufm. Fr. Meſſow in Calbe. 1
  • Kaufm, Frölich in Copenhagen. 3
  • Kaufm, Gottl. Graeſer in Laugenſalze. 1
  • Ioh. Chr. Weiſs daſ. 1
  • Carl Weiſs jun. daſ. 1
  • Kupſerfrech. Stölzel in Dresden. 1
  • Cand. Reinhardt Privaterz. zu Sondershauſen. 1
  • Joh. Wolf Lehrer am Büchnerſchen Erziehungsinſt zu Nürnberg. 1
  • Regierungsr. von Boyneburg in Weilar. 1
  • Fräul. Caroline von Ketelhodt in Rudolſtadt. 1
  • Conferenz Rath von Heinrich in Copenhagen. 2
  • Lexmund von Heinrich in Schnepfenthal. 1
  • [XVIII]
  • Herr[Landſchuleninſpector] Haun in Gotha. 1
  • Mlle Böck daſ. 1
  • Herr E. C. F. Oberländer, dritter Schulkollege in Hildburghauſen. 1

Durch Herrn Wendland Rector in Thorn:

  • Major von Krajewsky in Thorn. 1
  • Pred. Kleſel daſ 1
  • Mag. Pred. Arnold daſ. 1
  • Mag. Pred. Degenkolb daſ. 1
  • Stadtrath Kannenberg daſ 1
  • Bürger Pannenberg daſ. 1
  • Kaufm. Krambitz daſ. 1
  • Kaufm. Wede aus Strzellnow in Weſtpreuſsen. 1
  • Frz Von Huſarzewsky d. ſ. W. Befl. in Thorn. 1
  • Apothek. Witt daſ. 1
  • Steuer. -Inſp. Hennig daſ. 1
  • Capt. von Pfau daſ. 1
  • R. C. G. Aſſeſſor von Oetinger in Wetzlar. 1
  • C. F. Perlet in Ohrdruf. 1
  • Buchhändl. Hammerich in Altona. 12
  • Die Durchlauchtigſte verwittwete Fürſtin Frau Joſina Eliſabetha von Ho - henlohe. 1
  • Herr Major von Witzleben zu Liebenſtein. 1
  • D. Fr. Caeſar Cand. zu Delitzſch bey Leipzig. 1
  • Prediger Suhr in Ploen. 1

Durch ihn:

  • Cand. Harder zu Brahetrollenburg. 1
  • Graf Reventlau daſ. 2
  • Subr. Schröder in Kiel. 1
  • Cam. Rath Haſſelmann in Ploen. 1
  • Cam. Rath Moritzen in Ahrensböck. 1
  • Prof. Müller in Kiel. 1
  • Rittmeiſt. Fries in Ploen. 1
  • Ober Gerichtsadvok. Jenſen in Glückſtadt. I
  • Prof. Jenſen in Kiel. 1
  • Regier. Rath Chop in Sondershauſen. 1
  • von Truchſeſs in Wetzhauſen. 1
  • Kaufm. Feldmeyer in Gotha. 1
  • Buchhändl. Ettinger in Gotha. 9
  • Kaufm. Joh. Fried. Danneil in Quedlinburg. 1
  • Gotthelf Albert Wippermann daſ. 1.
  • Paul Heinr. Krage daſ. 1
  • Buchbinder Meuſel in Coburg. 4
  • Pred. Joh. Traugott Aſchenberg in Göllingen. 1
  • von Sybery zu Buſch in der Grafſchaft Mark. 1
  • [XIX]
  • Herr Reg. Referend. Bölling zu Bochum. 1
  • Cant. Joh. Heinr. Schrikel zu Friedrichswerth. 1.
  • A. G. Peters Hofmeiſter bey dem Herrn Erbgrafen von Iſenburg Meerholz zu Meerholz. 1
  • Die Buchhandlung des Waiſenhauſes zu Halle. 8
  • Herr Buchhändl. Schöps in Zittau. 6
  • Buchhändl. Gerhard Fleiſcher in Leipzig. 3
  • Dieter. Herrmann Stud. der Phil. zu Ulm. 1

Durch ihn:

  • Dan. von Beſſerer Garniſonslieut. daſ. 1
  • Kriegsſekret. Faulhaber daſ. 1
  • Fiſcher, Lehrer am Ulmiſchen Gymnaſ. 1
  • geh. Secretär Frick zu Ulm. I
  • Heilbronner des Raths Bau und[Holzherr] daſ. 1
  • Heinkel Stud. der Phil. daſ. 1
  • Kaufm. Miller daſ. 1
  • Miller J. U. D. und Rathsconſul daſ: 1
  • Joh. Jac. Schad. von Mittelbiberach des Raths und Pflegeherr daſ. 1
  • M. C. Beſſerer von Thalſingen des Raths und Steuerdeputatus daſ. 1
  • Sautter Handelsmann daſ. 1
  • Stud. Kröner daſ. 2
  • Buchhändler Nauck in Berlin. 1

Durch ihn:

  • Cand. Schulz in Crome. 1
  • Fried. Hevelke in Culm. 2
  • Baron Schulz von Aſcherade zu Ludwigsluſt. 1
  • Fr. Fiſcher Conrect. am Lyceum zu Hirſchberg. 1
  • Hofbuchhändl. Michaelis in Neuſtreulitz. 4
  • Buchhändl. Palm in Erlangen. 2
  • Hofrichter Bierling in Lübenau 2
  • Buchhändl. Danner in Mühlhauſen. 1
  • Die Rengerſche Buchhandl. in Halle. 3
  • Herr Buchhändl. Troſchel in Danzig. 1
  • Die Hellwingſche Buchhandl in Hannover. 1
  • Herr Paſt. M. Heiligenſchmidt in Münchenbernsdorf. 1
  • Gerichts-Direct. Lindner daſ. 1
  • Heinr. May daſ. 1
  • Geleits-Einnehm. Alander in Groſsebersdorf. 1
  • Hofrath v. Welek in Meiſsen. 1
  • Pred. I. G. Piper in Reinshagen im Mecklenburg. I

Durch ihn:

  • Bollbrügge Erbgeſeſſener auf Niendorf. 1
  • K. F. Franke Präpoſitus zu Sternberg. 1
  • Cand. Hermes in Vietgeſt. 1
  • [XX]
  • Herr Cand. I. H. S. Piper in Relnshagen. 1
  • Kaufm. Woltersdorf in Roſtock. 1
  • Rönnberg in Güſtrow. 1
  • Paſtor primar, Dieterich in Nordhauſen. 1

Durch ihn:

  • Secretair Riemann daſ. 1
  • Senator Seidler daſ. 1
  • Kaufm. Arens daſ. 1
  • Juſtitz Comm. Lange daſ. 1
  • Cand. Dilthey daſ. 1
  • Amtsrath Smalian in Lohra. 1
  • Mag. Rötting zu Bendleben. 1
  • Paſt. Plieth zu Salze und Herröden. 1
  • Paſt. Steiger zu Windehauſen. 1
  • Cand. Söllig zu Heringen. 1

Durch Herrn Bertels in Flensburg:

  • Mad. Chriſtianſen daſ. 1
  • Stuhr daſ. 1
  • Herr Paft. Claufen in Bau. 1
  • Kaufm. Pet. Hennigfen daſ. 1
  • Kaufm. Jo〈…〉〈…〉 as Lork daſ. 1
  • Cand. Greif daſ. 1
  • Cand. Frieſe daſ. 1
  • Nicolaiſen daſ. 1
  • Kaufm. Paul Hanſen daſ. 1
  • Kaufm. Gorriſen daſ. 1
  • Paſt. Broderſen daſ. 1
  • Kaufm. Jürgen Fries daſ. 1
  • Kaufm. Pet. Jevers daſ. 1
  • Nicol. Hallenlen daſ. 1
  • Kaufm. D. Harries daſ. 1
  • Buchdrucker Jäger daſ. 3
  • Canzleyrath Cirſovius in Kiel. 2
  • Prof. Jenſen daſ. 1
  • Kaufm. Schulz daſ. 1
  • Rittmeiſter von Hopfgarten in Geuſitz bey Zeitz. 1
  • Cand. Lorenz in Schloſs Annaburg. 1
  • Kaufm. Lorenz zu Arnau in Böhmen. 3
  • Rect. Starke in Bernburg. 1
  • Pfarrer Günther daſ. 1
  • [XXI]
  • Eine Leſegeſellſchaft von Gymnaſiaften in Bernburg. 1

Durch Hrn. Contrib. Einnehm. Kunze in Leipzig:

  • Herr Auditeur Eſchke in Torgau. 1
  • Kaufm. Fr. Gottl. Meiſsner in Leipzig. 1
  • Studioſ. Suhl daſ. 1
  • Kaufm. P. W. Kraft daſ. 1
  • Ober-Einnehm. Ritterich daſ. 1
  • Dr. Junghans Beyſitzer der Juriſtenfacultät daſ. 1
  • Ober-Poſt. Commiſſ. Dörrien daſ 1
  • Plato, Direct. der Freyſchule daſ. 1
  • Prof. Eck daſ. 1
  • Buchhalter Thieleke daſ. 1
  • Sr. Exellenz der Hr. Landmarſchall von Sacken Erbhr. auf Brozen etc. in Kurland. 12

Durch denſelben:

  • Sr. Exellenz der Hr. Landrath von Fircks Erbhr. auf Waldegahlen in Kurland. 1
  • Sr. Exellenz der Hr. Präſident von Behr Erbhr. auf Edwahlen in Kur - land. 1
  • Sr. Exellenz der Hr. Staroſt von Korff, Erbhr. der Nerſtſchen Güter in Kurland. 1
  • Herr Capitain von Sacken Erbhr. auf Paddern in Kurland. 1
  • von Heyking Erbhr. auf Gatten in Kurland. 1
  • Kirchenviſitator von Heyking in Kurland. 1
  • von Koſchkul Erbhr. auf Adſern in Kurland. 1
  • Burſi. Paſtor zu Blieden in Kurland. 1
  • Tiling, Erzieher im Hauſe des Hrn. Landmarſchall von Sacken Exell. in Kurland. 2

Durch ihn:

  • Prof. Tiling in Mirau. 1
  • Frau Majorinn von den Brinken in Kurland. 1
  • Herr Superint. Ockel in Mitau. 1
  • Actuar. Brettſchneider in Kurland. 2.
  • Die Leſegeſellſchaft in Mitau. 2
  • Herr Candidat Böhm in Mitau. 1
  • Kaufm. Erdm. Pieſchel in Magdeburg. 1
  • Superint. J. Ch. Geudner in Eisfeld. 1
  • Buchhändl. Kummer in Leipzig. 1
  • Buchhändl. Monath und Kuſsler in Nürnberg. 6
  • Porzellanmahler Kieſewetter in Lichte bey Wallendorf. 1
  • [XXII]
  • Herr[Stiftsſyndic]. Schmidt in Merſeburg. 1

Durch Hrn. Crecelius Erzieher in Frankfurt a. M.:

  • Fr. Hollweg in Frankf. a. M. 1
  • Deluze daſ. 1
  • Herr Schreibmeiſter Höflich daſ. 1
  • Erzieher Hofmann daſ. 1
  • Erzieher Melsheimer daſ. 1
  • Collab. Hänle in Idſtein. 1
  • Freyburg aus Ungarn. 1
  • G. H. Gwinner aus Stuttgardt. 1
  • M. F. Gwinner aus Stuttgardt. 1
  • Erzieher Mieg in Frankf. 1
  • D. Rieſe Erzieher daſ. 2
  • Muck Erzieher daſ 1
  • Kaufm. Reſpinger in Baſel. 1
  • Fr. Johannot in Offenbach. 1
  • Erzieher Bertelsmann in Frankf. 1
  • Cand. Enzelman aus der Pfalz. 1
  • Erzieher Reck in Kirchheim Poland. 1
  • Erzieher Stein in Frankf. 1
  • Kämmeter Direct. eines Inſtituts daſ. 1
  • Erzieher Zeyſs in Offenbach. 3
  • Piſtorius, Hofm. der Grafen zu Wittgenſtein. 1
  • Heyder Arledter in Frankf. 1

Durch Hrn. Treudt Praeceptor am Gymnaſ. in Heilbronn:

  • Handelsm. Auguſt Orth daſ. 1
  • Handelsm. Jac. Gſell daſ. 1
  • Aſſeſſor Hauber daſ 1
  • Amtm. Moſer in Kirchheim. 1
  • Gruis in Heilbronn. 1
  • Poſtſekret. Cludius daſ. 1
  • Dr. Irnſinger daſ 1
  • Conſulent Reuſs daſ. 1
  • Handelsm. Kubach daſ. 1
  • Poſthalter Schmalzigaug daſ. 1
  • Steuerverwalt. Schüoler daſ. 1
  • Aſſeſſ. Hoppelt daſ. 1
  • Senat. Schreiber daſ. 1
  • Lederhändl. Müller daſ 1
  • Actuar. Kübel daſ. 1
  • Senat. Titot daſ. 1
  • Landkommiſſar Schreiber daſ. 1
  • Privatorzieher Stephan daſ. 1
  • [XXIII]
  • Herr Hofin. Zainüjer daſ. 1
  • Kaufin. Gmehlin daſ. 1
  • Cand. H. G. Wahn zn Neuſtadt bey Dresden. 2
  • Joh. Ph. Broſendt in Uelzen. 2
  • Nochmals durch Hrn. Pred. Piper:
  • Kammerrath Pommereſche in Stralſund. 1
  • Cand. Kray in Roſtock. 1
  • Cand Jur. I. Wuesthof zu Marnitz. 1
  • Herr G. von Rüdt zn Eberſtadt. 1
  • Buchhändl. Thomas in Braunſchweig. 2
  • Rector Brende in Eiſenberg. 1
  • Leibarzt Collenbuſch daſ. 1
  • Graf Emerich von Bethlen. 1
  • Stiehl Erzieher der Prinzeſſinnen zu Naſſau Uſingen. 1

Durch ihn:

  • van Herzeele aus Amſterdam. 1
  • Maas zu Hamburg vor d. H. 1
  • Banſa daſ. 1
  • Carl Geuke Privaterzieher zu Torgau. 3
  • Prediger Stolterſoht in Lübeck. 1

Durch ihn:

  • Kaufm. von Bartels daſ. 1
  • Pred. Becker daſ. 1
  • Kaufm. Blohm daſ. 1
  • Cand. Brandes daſ. 1.
  • Kaufm. Mart. Joach. Brandt daſ. 2
  • Kaufm. Bruhns. daſ. 1
  • Kaufm. Gädecke daſ. 1
  • Lic. Hach daſ. 1
  • Cand. Haſſe jun. daſ. 1
  • Kaufm. Joh. Mart Heusler daſ. 2
  • Pred von der Hude daſ. 1
  • Kaufm. Hin. Nölting daſ. 1
  • Kaufm. Joh. Peters daſ. 1
  • Pred. Peterſen daſ. 1
  • Kaufm. Joh. Andr. Peterſen daſ. 1
  • Cand. Rechlin daſ. 1
  • Kaufm. Sager daſ. 1
  • [XXIV]
  • Herr Gaſtwirth Schultz daſ. 1
  • Schreibm. Tanck daſ. 1
  • Pred. Weſterwick daſ. 1
  • Kaufm. Weſtphal daſ. 1
  • Lic. Zeller daſ. 1
  • Cand. Zietz daſ. 1
  • Schmidt Erzieher des Erbgrafen zu Schaumburg Lippe. 2
  • Erzieher Groſse in Prag. 1
  • Comiſſ. Rath Hänel in Pegau. 1
  • Banquier Küſtner in Leipzig. 1
  • Buchhändl. Wilh. Opitz in Torgau. 2
[1]

Einleitung.

Über den Begriff des Spiels und über den moraliſchen, politiſchen und pädagogi - ſchen Werth der Spiele; über ihre Wahl, Eigenſchaften und Claſſification.

Als die Langeweile zuerſt die Hütten der Men - ſchen beſuchte, trat das Vergnügen zugleich herein, bot ihnen die Hand und forderte dieſe Naturkinder zum Tanz auf. So entſtanden die natürlichſten, unſchuldigſten Spiele, nämlich die Bewegungsſpiele. Die Hütten verwandelten ſich in Palläſte, auch hier erſchien die Langeweile; aber man verbat ſich die Bewegung, das Vergnü - gen verband ſich den Mund und praſentirte die Karten.

Langeweile iſt immer nur die Veranlaſſung zum Spiele; der natürliche Trieb der Thätigkeit ihr Schöpfer. Die Äuſerung dieſes Triebes zeiget ſich bey den Spielen, nach dem Grade der Cultur und der Verfeinerung der Völker und einzelnen Menſchen, bald körperlich, bald gei -Aſtig2ſtig, bald aus beyden gemiſcht. Daher die ver - ſchiedenen Spielgattungen. Beym Spiele im ſtrengen Sinne hat der Spieler keinen Zweck, als den der Beluſtigung an der freyen Wirkſam - keit ſeiner Thätigkeit*)In der Zeitſchrift die Horen findet man hierüber einen ſehr durch - dachten Aufſatz., davon iſt hier die Rede nicht; denn wo ſind die Spiele der Art, wo bloſs äſthetiſche Gröſsen nämlich Form und Ge - ſtalt das Materiale derſelben machten? Ich ken - ne nur Ein Spiel, was hierher zu gehören ſcheint, nämlich das ſogenannte Parquet. Es iſt nun einmal gewöhnlich, alle, wenn auch ſpielende Beſchäfftigungen mit Formen und Geſtalten nicht Spiel zu nennen. Beym Spiele im gewöhnli - chen Sinne iſt der nächſte Zweck Beluſtigung, der entferntere Erholung oder Schutz gegen Lan - geweile. Daſs dieſe Beluſtigung ebenfalls aus der Wirkſamkeit unſerer Thätigkeit geſchöpft werde, iſt gewiſs. Die Mittel dieſe Thätigkeit wirkſam zu machen, ſind erſtlich das Materiale des Spiels, welches ſich bald als träge, bald als active Maſſe unſerer Thätigkeit widerſetzt. Da aber das Materiale faſt bey keinem einzigen unſe - rer Spiele allein ſchon Intereſſe genug für unſere Thätigkeit hat und ſie folglich nicht hinläng - lich reizt; ſo wird zweytens irgend ein, Affect vor -3 züglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als Sporn der Thätigkeit gebraucht, drittens dem Zufalle bald mehr bald minder Herrſchaft über das Materiale eingeräumt, wodurch die Erwar - tung geſpannt und die Thätigkeit rege erhalten wird. Allein der Grund des Vergnügens beym Spiele liegt doch nicht allein in unſrer Thätig - keit, ſondern auch in der Anſchauung der Form des Spieles, d. i. der verabredeten ſyſtemati - ſchen Ordnung unſerer Thätigkeit; wird dieſe geſtört, ſchmiegt ſich unſere Action dem Syſte - me des Spiels nur unvollkommen an: ſo min - dert ſich die Beluſtigung. Spiele ſind alſo Belu - ſtigungen zur Erholung geſchöpft aus der Wirk - ſamkeit und verabredeten Form unſerer Thä - tigkeit.

Auf Haſardſpiele paſst ſich dieſe Definition nicht, ſie ſind die Kette, an welcher der Zufall den Spieler nach Belieben an der Naſe herum - führt, indem er ihn mit der Geiſsel der Affecten bald ſtreichelt bald züchtiget.

Nach dem obigen läſſt ſich der moraliſche Werth der Spiele an ſich ſelbſt im allgemeinen nun leicht beſtimmen. Er richtet ſich nach der Natur des Affects, der zur Spannung unſerer Thä - tigkeit hineingezogen wird. Je unſchuldiger dieſer iſt, deſto unſchuldiger iſt das Spiel. Sein Werth iſt daher ſo verſchieden als die Natur derA 24Ehrliebe, der phyſiſchen Liebe, der Habſucht. Nach dem Grade des Affectes, denn jede Steige - rung macht ihn nicht nur bedeutender, ſondern mindert auch die Freyheit unſerer Thätigkeit; das Spiel würde aber am unſchuldigſten ſeyn, wenn dieſe ganz frey dabey bliebe und durch gar kei - nen Affect rege erhalten würde[. ]Endlich nach dem Grade der Herrſchaft, welche dem Zufalle beym Spiele zugeſtanden wird; geht dieſe nur ſo weit, als es nöthig iſt zur mäſsigen Spannung der Erwartung und der Thätigkeit: ſo wird das Spiel mehr Werth haben, verſchwindet aber die - ſe völlig daraus, bewegt ſie nur höchſtens noch die Fingerſpitzen zum Umſchlagen der Karte, zum Hinrollen der Würfel, überlaſſen wir uns bloſs dem Zufalle, der uns durch unſere eigene Affecten geiſselt und das Spiel dadurch pikant wie Brenneſſel macht: ſo entſtehen die Haſard - ſpiele, die ſchlechteſten von allen unmoraliſchen.

Aber es iſt Zeit den Weg trockner Beſtim - mung der Begriffe zu verlaſſen; man hält jetzt nicht viel von Definitionen, es ſey denn die der Liebe in einen Roman ausgeſponnen. Viel - leicht bin ich im Stande, einen weniger be - ſchwerlichen Weg zu finden.

Spiele ſind wichtige Kleinigkeiten; denn ſie ſind zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bey Jung und Alt Bedürfniſſe geweſen, weil Freude und5 Vergnügen zur Erholung von Arbeit, leider auch wohl zum Schuz gegen Langeweile, eben ſo gut Bedürfniſſe ſind, als Befriedigung der Verdau - ungs - und Denkkraft. Spiele ſind daher über den ganzen Erdkreis verbreitet; Alles ſpielt, der Menſch und ſein Kind nicht nur, ſondern auch das Thier und ſein Junges, der Fiſch im Waſſer, der Hund, das Pferd, der Löwe und ihre Jungen ſpielen. Wer hat die Geheimniſſe der Pflanzen, die Dunkelheiten der Elemente, die Myſterien des Wärmeſtoffs, der Electrici - tät des Magnetiſmus, die endloſen Entfernungen der Weltkörper durchſchauet, um hier alles Spiel geradezu verneinen zu können*)Neque homines neque bruta in perpetua corporis et animi con - tentione esse possunt, non magis quam fides in cithara aut nervus in arcu. Ideo ludu egent. Ludunt inter ſe catuli, equulei - leunculi, ludunt in aquis pisces, ludunt homines labore fracti et aliquid remittunt ut animos reſiciant. Jul. Caes. Bulengerus de ludis Veterum. Gronov. thes. T. VII. pag. 906.. Spie - len, ſagt der unvergleichliche Wieland: iſt die er - ſte und einzige Beſchäfftigung unſerer Kindheit und bleibt uns die angenehmſte unſer ganzes Le - ben hindurch. Arbeiten wie ein Laſtvieh iſt das traurige Loos der niedrigſten, unglück - lichſten und zahlreichſten Claſſe der Sterbli - chen; aber es iſt den Abſichten und Wünſchen der Natur zuwider. Die ſchönſten KünſteA 36der Muſen ſind Spiele und ohne die keuſchen Grazien ſtellen auch die Götter, wie Pindar ſingt, weder Feſte noch Tänze an. Nehmt vom Le - ben hinweg, was erzwungner Dienſt der eiſer - nen Nothwendigkeit iſt; was iſt in allem übri - gen nicht Spiel? Die Künſtler ſpielen mit der Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft, die Philoſophen mit Ideen, die Schönen mit unſern Herzen und die Könige, leider! mit unſern Köpfen?

Die Tradition trug ſie von jeher in alle Win - kel der Welt und es mag ſchwerer ſeyn, eine nützliche Erfindung, die Verbeſſerung eines landwirthſchaftlichen Inſtruments, aus einem Lande in das andere zu verpflanzen, als ein Spiel Polyneſiens in Deutſchland einzuführen. Unſere kleinen Mägdchen wiſſen es nicht, daſs ihr Spiel mit[fünf] Steinchen griechiſchen,*)πενταλιϑα. Pollux lib. IX. cap. 7. auch Meursius de ludis Graecor. oder wer weiſs was für Urſprungs iſt, und unſere Kna - ben nennen das Pflöcken, was die Griechiſchen Kindalismos hieſsen. Die Bauern in Ströbke ſpielen mit denen am Ganges, am Seïnde-rud, am Tigris und an den Jökeln von Island ein Spiel, ich meine das Schach; und der Lappe mahlt ſich Kartenblätter mit Rennthierblut auf7 Fichtenrinde, weil bey ihm weder Pariſer noch Berliner Fabrik iſt. Dieſe Verbreitung durch ſo lange Zeiten, die ſo allgemein und oft ſo ſchell geſchah, iſt eben ein Zeichen des allge - meinen Bedürfniſſes. War es nicht eben der Fall mit den Kartoffeln? Und wenn auch der heil. Antonin, Erzb. von Florenz an den Wür - feln ſo viel Sünden als Punkte findet*)Quot in taxillis ſunt puncta, tot ſcelera ex eo procedunt. und der heil. Bernard dem Abte von Clairvaux die Leh - re gab, jeden Biſſen Brod mit Thränen zu be - netzen, weil der Hauptzweck der Klöſter Thrä - nenvergieſsung ſey, über die Sünden des Volks und der Kloſterbewohner; ſo tritt doch ein gewiſser Abt Abraham**)In einer ſeiner Conferences de Caſſien, Collat. 24. C. 20 u. 22. auf die andere Seite und erſtreitet ſogar den Einſiedlern Zeitvertrei - be, troz ihrer ſolideſten Pietät und äuſserſten Pönitenz. Er führt ſogar das Beyſpiel des heilgen Evangel. Johannes an. Ich weiſs nicht, aus welcher Legende er das hat; allein er ſagt auch nur on dit, und geſunder Menſchenverſtand gilt in jedem Kleide. Seine Worte ſind lang, ich will ſie ab - kürzen. Der Evangeliſt Johannes ſpielte einſt mit einem Rebhuhne, das er mit ſeiner Hand ſtreichelte. Da kam ein Mann, ein Jäger von Anſehen, und betrachtete den Evangeliſten mitA 48Verwunderung, weil er ſich auf eine nach ſeiner Idee ſo unwürdige Art an dem Thier - chen beluſtigte; Naturgeſchichte war damals noch nicht Mode. Biſt du denn wirklich der Apoſtel, von dem alle Welt redet und deſſen Ruhm mich hier herzog, wie paſst ſich dieſe Be - luſtigung zu deinem Ruhme? Guter Freund, antwortete der ſanfte Johannes, ganz ſocratiſch: Was ſeh ich da in deiner Hand? Einen Bo - gen, erwiderte der Fremdling. Und warum haſt du ihn nicht geſpannt und immer bereit zum Schuſs? Ey das darf nicht ſeyn; wäre er immer geſpannt, ſo würde er ſeine Kraft ver - lieren und bald untüchtig ſeyn. Nun ſo wun - dre dich denn nicht über mich, fuhr Johannes fort: doch meine Leſer wiſſen ſchon die Anwen - dung von einem Bogen.

Nascitur ex assiduitate laborum animorum hebetudo quaedam et languor. danda eſt remiſſio animis: meliores acrioresque requieti resurgent*)Seneca de tranquill. animi. cap. XV. d. i. anhaltende Arbeit wird Schwächung und Abſtumpfung des Geiſtes. Gieb ihm Er - holung, ſie wird Schärfung ihm ſeyn und Stärkung..

An den Bedürfniſſen, oft ſchon an einem einzigen erkennt man den Charakter des ein - zelnen Mannes, ſo wie oft ganzer Nationen; aus9 der kindiſchen Begierde nach Nürnberger Tant blickt der ungebildete kindiſche Geiſt des Ne - gers; der Branntwein, ſo wie das Fluchen, verra - then den halb oder ganz rohen Menſchen; Putz und Schminke den ehemaligen ewig Cour ma - chenden Franzoſen und die alabaſternen Heili - genbilder, die der Spanier aus Nürnberg zieht, verkündigen ſeinen Aberglauben. Eben ſo läſst ſich aus den Spielen auf den Charakter eines Volkes ſchlieſsen. Sie ſind ein ſehr ſicherer Probierſtein, auf welchem ſich, wie beym Silber, der Grad der Roheit und Verfeinerung eines Volkes ziemlich unzweydeutig erkennen läſst. Rohe Nationen lieben in allen Zeiten und Welt - gegenden die Spiele des Krieges und des Zufalls (Haſardſpiele), deren Abwechſelung von dem[Bedürfniſſe] der Bewegung und Ruhe des Kör - pers geleitet wird. Heftige und gefährliche Bewe - gungen, die Nachahmungen kriegeriſcher Vor - fälle, wobey man ſich zu durchbohren und die Köpfe zu zerſchmettern droht, begleitet von einer wilden, harmonieloſen Muſik bezeichnen in jenen den rohen noch ganz unverfeinerten und ungeſchwächten Heldengeiſt; ſo wie die Ergebung in die Fügung des blinden Zufalls bey dieſen Unaufgelegtheit zum Denken und Man - gel an Kultur des Geiſtes ankündigen, der unter der Binde des Aberglaubens gern in der ödenA 510Finſterniſs des Ungefährs umhertappt, wo er zwiſchen Furcht und Hoffnung den böſen oder guten Einfluſs der Geiſter erwartet und in dieſer Erwartung allein das gröſste Intereſſe findet, deſſen ſein kindiſcher Geiſt fähig iſt. Die krie - geriſchen Spiele unſerer älteſten Vorfahren, ſo wie ihr raſender Hang zu Glücksſpielen ſind be - kannt. Vom Gebrauche der Waffen gegen Menſchen oder Thiere ermüdet, kehrte man zur Hütte zurück und verſchlief die läſtige Zeit, oder verſpielte ſie wie Habe, Gut und Frey - heit mit Würfeln. Durch Ruhe wieder geſtärkt, griff man, wenn Noth, Magen oder Thätigkeits - trieb es geboten, wieder zu den Waffen, zum Jagdgewehr oder begann kriegeriſche Spiele. Würfel und Waffen waren die Lieblinge der Hunnen, man kannte faſt keine Geſetze als die des Haſardſpiels. Ganz germaniſch lebt man in dem nordamerikaniſchen Germanien bey den Delawaren und Irokeſen; Krieg oder Jagd, Eſ - ſen oder Schlafen, Haſardſpiel oder kriegeriſche Spiele. Auch hier iſt die Spielſucht unerſätt - lich. Pflaumenkernen, die auf der einen Seite ſchwarz gefärbt, auf der andern gelb gelaſſen ſind, machen die Würfel. In eine Schüſſel ge - legt, ſtöſst ſie der Spieler gegen den Boden, dem Zufalle entgegen, und erwartet leidenſchaftlich den Aufſchwung und das Niederfallen derſelben. 11Er zählt fünf, wenn er die gröſste Zahl von der Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er achtmal fünf zählt. Ein gewältiges Geſchrey der Zuſchauer, das ſich bey jedem Wurfe unter das Gepraſſel der Kerne miſcht, verräth ihre lebhafte Theilnahme, ſo wie die fürchterliche Geſichtsverzerrung der Spielenden und ihr af - fectvolles Murren gegen die böſen Geiſter, die Roheit ihres Kopfes, die Ungezähmtheit ihrer Leidenſchaften ankündigt. So ſpielen oft gan - ze Dörfer, ja ganze Stämme gegen einander. Der Inſtinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu bewegenden Spielen, beſonders zu Tänzen, die zur Tagesordnung gehören. Eine Hirſchhaut über ein Faſs, einen Keſſel oder über ein Stück eines hohlen Baumes geſpannt, giebt in dum - pfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen voran, von ihren Stampfen erzittert der Boden, von ihrem Geſchrey die Luft. Das ſittſame Weib folgt mit wenigen Bewegungen ſprach - und ſcherzlos nach. Heldenmäſsiger wird der Tanz für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit Kühnheit und Leichtigkeit, ſeine eigenen oder die Thaten ſeiner Vorfahren beſingend, indem die herumſtehenden mit einem rauhen, zu gleicher Zeit ausgeſtoſsenen Tone das Zeitmaaſs angeben. Noch fürchterlicher iſt der Kriegs - tanz, die Nachahmung eines allgemeinen krie -12 geriſchen Gemetzels. Wem liegen nicht durch das Erzählte die Hauptzüge dieſer Nationen unverholen und offen vor Augen? Laſst uns auf einige Augenblicke den Culturzuſtand der alten Thracier vergeſſen; ein artiges Spiel, das bey ihnen gewöhnlich war und von dem Athe - naeus*)Lib. IV. Nach ihm erzählt Meursius de ludis Graec. in Gronovii Thesaur. Tom. VII. p. 943. Es hieſs Ανχονη. Nachricht giebt, wird uns ſogleich dar - auf zurück führen. Man trat auf einen leicht umzuwerfenden Stein, in der Hand eine Sichel. Den Hals ſteckte man durch eine von der Dek - ke herabhängende Schlinge. Unverſehens ſtieſs ein anderer von der Geſellſchaft den Stein um; da hieng der Arme, der durchs Loos dazu ge - wählt worden war. Hatte er nicht Gegenwart genug, den Strick ſogleich mit der Sichel ab - zu ſchneiden, ſo zappelte er ſich unter dem Ge - lächter der Zuſchauer zu Tode. Niemand wür - de mir glauben, wenn ich dieſs Spiel den feinen, gebildeten Griechen oder nur den ſanften Ota - heiten zueignen wollte; weit wahrſcheinlicher könnte ichs nach Neuſeeland verſetzen; ein Zeichen, daſs Volkscharakter und Volksſpiele in ſehr naher Verbindung mit einander ſtehen. Dem Geſchichtsforſcher, welchem es nicht bloſs darauf ankommt, Regenten - ſondern vielmehr13 Volksbiographien zu bearbeiten, ſollten daher dieſe verrätheriſchen Kleinigkeiten nicht ent - wiſchen. Ein aufgeklärter Geiſt verachtet nichts. Nichts, was den Menſchen angeht, nichts was ihn bezeichnet, nichts was die verborgenen Federn und Räder ſeines Herzens aufdeckt, iſt dem Philoſophen unerheblich. Und wo iſt der Menſch weniger auf ſeiner Hut, als wenn er ſpielt? Worin ſpiegelt ſich der Charakter einer Nation aufrichtiger ab, als in ihren herrſchen - den Ergötzungen? Was Plato von der Mu - ſik eines jeden Volkes ſagt, gilt auch von ſeinen Spielen; keine Veränderung in dieſen (wie in dieſer) die nicht die[Vorbedeutung] oder die Folgen einer Veränderung in ſeinem ſittlichen oder politiſchen Zuſtande ſey! *)Wieland in d. Merkur 1781. Febr. Seite 140.

Ich habe geſagt, Spiele ſeyen wichtige Klei - nigkeiten; denn wenn man von der einen Sei - te aus den Spielen auf den ſittlichen und poli - tiſchen Zuſtand einer Nation ſchlieſsen kann: ſo darf man von einer andern, aus jener genauen Verbindung, den Schluſs machen, daſs die Spiele auf den Charakter merklichen Einfluſs haben werden, daſs ſie daher zu den Erziehungsmit - teln ganzer Nationen gehören. Es liegt frey - lich in der Natur der Sache, daſs ſie oft nach14 dem ſchon ſtattfindenden Charakter erſt ge - wählt werden, daſs dieſer alſo ſchon eher da iſt als jene. Dann werden ſie ihn wenigſtens im - mer mehr befeſtigen und ausbilden helfen. Al - lein es iſt dem ungeachtet nicht zu läugnen, daſs ſie oft vor dieſem und jenem Zuge des Cha - rakters da waren und ihn mit hervorbringen halfen. Es bedarf hierzu oft nur des ſehr zufäl - ligen Beyſpiels irgend eines Angeſehenen. Gien - ge irgend ein König, von Regierungsſorgen er - mattet, aus dem Kabinette gewöhnlich auf den Schloſshof und ſpielte daſelbſt Ballon oder Ball, ſo würden in ſeiner Reſidenz der Ballon und Ball bald die Karten verdrängen, die Provin - zialſtädte würden bald nachfolgen und beyde Spiele würden einen ganz merklichen Einfluſs auf den Charakter und den Geſundheitszuſtand ſeines Volkes haben, wenn zumal der Kronprinz nicht verweichlichet würde und da fortführe, wo ſein Vater aufhörte. Am Ende des vierzehn - ten Jahrhunderts erfand man das Kartenſpiel und führte es zur Unterhaltung des faſt 30 Jahre lang verrückten Königs Carls VI bey Hofe ein. Die Folgen dieſes klein ſcheinenden Umſtandes ſind ſchlechterdings nicht zu berechnen. Ganz Europa hat ſie gefühlt und fühlt ſie noch, ja ſie nagen in gewiſſer Rückſicht an den Wurzeln[künftiger] Generationen. Die Hofluft blieſs dieKar -15Karten nach und nach über ganz Frankreich, über Spanien, Italien, über ganz Europa! Die Karten waren es, welche nach und nach die beſ - ſern Uebungsſpiele verdrängen und die Ver - weichlichung der Nationen, beſonders der vor - nehmern Klaſſen befördern halfen. Die Pro - ſcriptionen der Kriegs - und Jagdübungen, der Turniere, des Mail, Ball und Kugelſpiels u. ſ. w. waren beſonders mit von den Kartenkönigen unterſchrieben; ſie halfen ſtark zur Umwand - lung der mannbaren Ritterſchaft in Nobleſſe, der nervigten Bürger in Muscadins.

Regenten, Geſetzgeber, Philoſophen, die den wichtigen Einfluſs der Ergötzlichkeiten auf den Volkscharakter und auf das Wohl und Weh der Nationen einſahen, hielten von jeher die Spiele ihrer Aufmerkſamkeit ſehr werth; Lycurg ordnete die Leibesübungen, Geſellſchaften und Tänze der Spartaner; Plato die der Bewohner ſeiner Republik; Kaiſer Juſtinian hob die Haſard - ſpiele auf und ſetzte Bewegungsſpiele an ihre Stelle*)Sie waren: das Springen, das Stockſpringen, der Wurfſpieſs doch ohne Spitze, das Wettrennen zu Pferde und das Ringen.. Carl der Groſse und Ludwig der Heilige gaben Spielgeſetze; Carl V. von Frank - reich gab[Befehle] gegen alle Haſardſpiele und empfahl reine Bewegungsſpiele und Uebun -16 gen*)Voulons et ordonnons que nos ſujets apprennent et entendent à ap - prendre les jeux et ébattemens à cux exerciter et habileter au fait de trait d’arc ou d’arbalête en beaux lieux et places convenables à ce, en villes et terroirs; faſſent leur don de prix au mieux traïant et leurs fêtes et jouës pour ce, ſi comme bon leur ſem - blera. In ſeiner Ordonnance de 1369. Bey uns hat der Geiſt der Induſtrie ſchon angefangen, über die bürgerlichen Scheiben - ſchieſsen Bemerkungen anzuſtellen. Unter dem Volke möchte ich; Peter der Groſse nahm ſich der Volks - beluſtigungen an, um ſein Volk geſelliger zu machen u. ſ. w. kurz man könnte mit ſolchen Befehlen einen guten Quartanten anfüllen und wenn man auch die unendliche Menge, die von Concilien und Synoden gegeben wurden, über - gienge. Oft waren die Befehle unbilliger Köni - ge wie die Axt des Holzſpalters, ſie zerſplitterten ganze Länder; haben ſie aber je die Kartenkö - nige ganz bezwingen können? Oft trugen ſie Aufruhr in benachbarte Staaten; aber brachten ſie je die Unterthanen der Kartenkönige zur Rebellion? Geh in Städte, in Geſellſchaften in Familien, wo der Geiſt der Glücks - und der Kartenſpiele herrſchend iſt, und unterſuch die daſige Denkungsart, ſo wie den wirthſchaftlichen und körperlichen Zuſtand: der Satz: an den Spielen ſollſt du ſie erkennen, wird ſich bewährt fin - den. Dieſs bleiche, gramvolle Geſicht hat Spadille entfärbt; dieſe Zerſtreuung hat Baſta verurſacht; Baſta gällts in den Ohren des Schrei -17 bers, da liegt die Feder; Baſta in denen des Richters, da liegen die Acten u. ſ. w. Vom Lotto will ich nichts erzählen, dies ſey die Sa - che der Pfänder in den Leihhäuſern. Schade, ewig Schade! daſs meine Spiele nie Finanzſache werden können, dann machte ich damit Cour; ſie erhielten allen möglichen Vorſchub und be - wirkten dann wahrſcheinlich ein Plus von Ge - ſundheit und Stärke, das leicht ſo groſs wäre, als das Minus im Beutel beym Lotto. Doch genug hier nur Winke; die Materie betref - fend den ſittlichen und politiſchen Werth der Spiele erſchöpft kaum ein ganzes Buch.

Können die Spiele auf ganze Nationen wir - ken und in ihrem Zuſtande eine merkliche Ver - änderung hervorbringen, ſo ſind ſie auch ein Erziehungsmittel für die Jugend, und ich getraue mir, wenn auch die Erziehung nach den neue -*)leben, das nur wie ein Laſtvieh arbeitet und bürgerliche Freuden nicht kennt. Sein Geiſt verſchrumpft und wird in ſich gekehrt ſo wie ſeine Hände und Finger; Magen und Geldbeutel werden ſeine Abgötter, Eigenliebe wird bey ihm die Nächſtenliebe bald ganz verdrängen; denn das ſchönſte Band, das den Bürger an Bürger feſthält, die öffentliche Bürgerfreude, iſt zerriſſen. Kurz wenn man Armuth durch Aufopferung der Volksfreuden ab - kaufen will, ſo iſt der Verluſt gröſſer als der Gewinn. O, es giebt ganz andere Seiten im Verhältniſſe der Staatsökonomie zur Oekonomie des Bürgers, wo man Verbeſſerungen machen könnte!B18ſten Hannöverſchen Entdeckungen weder Wiſ - ſenſchaft noch Kunſt, ſondern wer weiſs was iſt, aus zwey Knaben von völlig gleichen Anlagen durch entgegen geſetzte Behandlung in Spielen zwey, in Rückſicht ihres körperlichen und gei - ſtigen Zuſtandes, ganz verſchiedene Geſchöpfe zu machen. Oder läſst ſichs denn von vornher ſo ſchwer einſehen, daſs ein Knabe, den man zehn Jahre hindurch in vernünftiger Abwechſe - lung zwiſchen geiſtigem Ernſte und körperlichen Scherze, ich meine zwiſchen geiſtiger Ausbildung und geſunden körperlichen Uebungen und Spie - len erhält, daſs ein ſolcher Knabe weit beſſer gedeihen müſſe, als wenn man ihn bey derſelben Bildung ſeines Geiſtes in Karten und Würfeln Erholung finden läſst? So lange man mir nicht das Gegentheil darthun kann, halte ich dieſe Tändeleyen für Sachen von pädagogiſcher Wich - tigkeit. Ich muſs hier einiges über den päda - gogiſchen Nutzen und die Nothwendigkeit der Spiele ſagen.

Wenn das gröſste Geheimniſs der Erziehung darin beſteht, daſs die Uebungen des Geiſtes und Körpers ſich gegenſeitig zur Erholung dienen: ſo ſind Spiele, beſonders Bewegungsſpiele, ſo wie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche Sachen. Stünde dieſer Satz auch nicht im Emil, ſo würde ihn ja ſchon jeder Schulknabe verkün -19 digen, wenn er nach der Lection die Bücher wegwirft. Dergleichen allgemein von der Ju - gend geäuſserte Triebe beweiſen ſo ſcharf als das ſchärfſte Vernunftſchlieſsen. Allein es giebt demungeachtet Leute, die auf obigen Satz durch - aus nicht Rückſicht nehmen. Aber ſagen ſie mit Cicero

ad ſeveritatem potius et ad ſtudia quaedam graviora atque majora facti ſumus

Ich bin ſelbſt herzlich davon überzeugt, glau - be aber, daſs es für Jung und Alt kein ernſteres Studium nach der Geiſtesbildung geben könne, als das, was auf Geſundheit, Ausbildung des Körpers und Heiterkeit des Geiſtes hinzielt, weil ohne dieſe die Geiſtesbildung wenig nützt, ſondern als ein[todtes] Kapital da liegt, an dem der Roſt nagt; und wer wirklich der Meynung iſt, daſs man die Stunden, wo es mit ernſter An - ſtrengung des Geiſtes nicht mehr fort will, ſtets zu irgend etwas[nützlichem] z. B. zum Zeichnen, Clavierſpielen, zum Ordnen der Inſecten und Mineralien u. dergl. anwenden müſſe, der hat von der Oekonomie, ſowohl des jugendlichen als erwachſenen, menſchlichen Körpers keine richtige Vorſtellung, er weiſs das nützliche nicht gegen das nützlichere gehörig abzuwägen, er zieht den Mond der Sonne vor, weil er ſo ſanft iſt und das Oel der Gaſſenerleuchtung erſpart. B 220Es iſt freylich lehr gut möglich, alles eigentli - che Spiel gänzlich zu vermeiden und ſich durch bloſse Abwechslung zwiſchen ernſtlicher Anſtren - gung des Geiſtes und jenen ſpielenden Beſchäf - tigungen hinzuhalten; allein ich glaube nicht, daſs ſich auf dieſe Art beſonders bey der Jugend eine gewiſſe weibiſche Weichlichkeit, Unthä - tigkeit und Schlaffheit des Körpers vermeiden laſſe. Kurz man beweiſe erſt ſtreng und red - lich, daſs die Bildung des Körpers eine Poſſe ſey, die für uns nichts werth iſt, daſs unſer Geiſt des Körpers nicht bedürfe, daſs dieſer auf unſre Thätigkeit, auf unſern Charakter und auf Bele - bung oder Erſtickung des göttlichen Funken, der in uns glimmt, gar keinen Einfluſs habe: wenn man das gethan, die Forderungen der Natur, der gröſsten Aerzte und der denkendſten Männer widerlegt haben wird, dann will ich ſchweigen und einſehen lernen, daſs ich Thorheit gepredigt habe, dann will ich gern behaupten, daſs man die Zeit zur Erholung wohl edler als zu Spielen und Leibesübungen verwenden kön - ne. Kann man das aber nicht, ſo will ich nicht bloſs Aerzte und Denker ſondern ſogar die Hei - ligen zu Hülfe rufen und mit Franz von Sales*)St. François de Sales ſogar in ſeiner introduction à la vie devote part. III. ch. 31.21 behaupten: qu’il est force de relacher quelque fois notre ésprit et notre corps encore à quel - que ſorte de recreation; et que c’eſt un vice ſans doute que d’être ſi rigoureux, agreste et ſauvage qu’on n’en veille prendre aucune ſur ſoi, ni en permettre aux[ autres. " ]Sollten aber junge oder alte Gelehrte und Jugendbildner ein Scandal da - rin finden, mit der Jugend zu ſpielen; ſo verwei - ſe ich ſie auf Heraclit, der am Dianen Tempel zu Epheſus die Knabenſpiele als Mitſpieler ordnete; auf Socrates wie er mit der Jugend ſpielt, auf Scaevola, Julius Caeſar und Octavius die Stu - dioſiſſime Ball ſpielten, auf Coſmus von Medicis, der ſeinem kleinen Enkel auf öffentlichem Plaz - ze die Pfeife verbeſſerte, auf Guſtav Adolph, der mit ſeinen Officieren Blindekuh ſpielte u. ſ. w. Nur durch eine unbegreifliche Folgefalſchheit iſt es möglich das Billard, die Kugelbahn und die Kar - ten in öffentlichen Häuſern für wohlanſtändig, öffentliches Spielen mit Kindern für unanſtändig zu halten.

2. Langeweile iſt eins der drückenſten Übel, ſie macht, wie manche Krankheit, aus dem Patien - ten ein unleidliches Geſchöpf. Die Jugend, die in der Vergangenheit noch wenig Stoff zur Un - terhaltung findet, in die Zukunft wenig oder gar nicht hinſiehet, ſondern faſt immer nur für denB 322gegenwärtigen Augenblick empfindet, denkt und handelt, leidet auch öfter und gewöhnlicher an dieſer Krankheit, als der gebildete Mann. Die Vergangenheit und Zukunft nehmen ihn in ihre Mitte und machen Geſellſchaft mit ihm, und wenn jene ihn mit Leiden und Freuden und ihren Ur - ſachen unterhalten hat: ſo giebt ihm dieſe Stoff zu Berechnungen, Planen, Luftſchlöſſern und Sorgen, bis die unverdrängliche Gegenwart das Wort nimmt und befehlsweiſe von dem ſpricht, was jetzt zu laſſen und zu thun ſey. So fehlen der Jugend zwey Geſellſchafter, denen an Un - terhaltung nichts gleich kommt. Wer ſoll ſie er - ſetzen als ihre erwachſenen Freunde; von ihnen erwirbt ſie Stoff zur Thätigkeit, bald durch ern - ſte Beſchäfftigungen, bald durch Spiel.

3) Arbeiten, ernſte Beſchäfftigungen und Umgang mit Erwachſenen ſind künſtliche Rollen der Jugend, in welchen ſie auf dem groſsen Schauplatze allmählich debitirt; Spiele ſind na - türliche Rollen derſelben in ihrem jugendlichen Paradieſe. Dort erſcheint ſie im verſtellenden Bühnengewande, hier in klarer Nacktheit; da - her iſts dort oft ſchwer, hier immer leicht ihren wahren Charakter zu erkennen. Selbſt die Nei - gung zur künftigen Lebensart ſcheint hier und dort beym Spiele durch.

4) Gleichgültigkeit gegen alles Wiſſenſchaft -23 liche iſt dem Erzieher in ſeinem Zöglinge ein Fehler, der alle ſeine Geduld auf die Probe ſtellt. Er arbeitet an einem Bäumchen, das weder Blüthe noch Frucht verſpricht; er ſieht am Ende keine Folge von dem was er gethan hat; ſeine Gehülfin, die natürliche Wiſsbegierde der Jugend iſt abweſend. Er verliert bald alle Hoffnung, weil er den Grund dieſer Gleichgül - tigkeit im Temperamente des Kindes zu finden glaubt. Er laſſe es ſpielen; iſt es hierbey theil - nehmend, eifrig und thätig: ſo liegt die Schuld der Gleichgültigkeit nicht im Kinde, ſondern in einer Veranlaſſung von auſsen her. Aber auch ſelbſt dann, wann es von der Natur Opium erhielt, müſste ſich, dächt ich, durch Spiele, beſonders durch Bewegungsſpiele viel ausrichten laſſen.

5) Es giebt eine gewiſſe Empfindlichkeit, die es macht, daſs wir leicht jede Kleinigkeit übel neh - men und dieſs ſogleich durch unſer Betragen äu - ſern. Wie ſchlecht man damit in Geſellſchaften fortkomme iſt bekannt; wer faſst ein Gefäſs gern an, das gleich zerberſten will, wenn man es berührt. Es giebt Leute, die aus Unempfind - lichkeit und gutem Humor Jedermann gern zum Ball dienen, und in das Gelächter über ſich mit einſtimmen. Geſchieht dieſs aus Mangel an Delikateſſe oder vermöge einer gewiſſen Stumpf -B 424heit, ſo iſt es zwar ein bedeutender Fehler, aber ein gröſserer, wenigſtens weit unerträglicherer, iſt jene Empfindlichkeit. Der Unempfindlichere be - findet ſich überall wohl und ſeine Geſellſchaft ſieht ihn immer gern, er heiſst ein Mann mit dem ſich gut auskommen läſt, der nichts übel nimmt; die - ſer der übertrieben Empfindliche leidet bey je - dem kleinen Anlaſſe, die Züge des Miſsvergnü - gens und der Beſtürzung drücken ſich ſchon auf ſein Geſicht, wenn er wegen eines kleinen Ver - ſehens, wegen einer kleinen Ungeſchicklichkeit und dergleichen nur im mindeſten belächelt wird, es iſt ihm unmöglich, dieſs zurückzuhalten und eben dadurch wird er unangenehm. Dieſe Art von Empfindlichkeit abzuſtumpfen, das Ausla - chen im gehörigen Falle mit einer gewiſſen männ - lichen Faſſung und Freymüthigkéit ertragen zu lernen, ſind manche Spiele ſehr gut. Sie gewöh - nen durch Spaſs zum Ernſte, lernt man das Nek - ken und Belachen erſt in der ſcherzenden Spiel - welt ertragen, ſo übernimmt man es auch mit mehr Leichtigkeit in der ernſtlichen Welt. Hat jener Fehler ſeinen Grund in einer zu groſsen Reizbar - keit der Nerven, folglich im Körper, ſo können Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele im Freyen, durch ihren Einfluſs auf jenen ihn oft ganz wegſchaffen, wenigſtens vermindern; ent - ſtand er durch eine zu zarte und zu iſolirte Er -25 ziehung, wobey ſich jedes Kind leicht an ei - ne gewiſſe beſtimmte Behandlung gewöhnt und jede andere ſehr übel findet und aufnimmt; ſo iſt das Spiel das vortrefflichſte und ſichtbar wirk - ſamſte Mittel. Dieſer Fehler weicht nicht der ver - nünftigen Vorſtellung und Überredung, ſondern bloſs der Übung und Erfahrung; Knaben der Art müſſen häufig aufgezogen, belacht, über ihre Empfindlichkeit beſonders von ihres Gleichen ge - tadelt und geneckt werden, nicht vorſetzlich, aber wohl durch den natürlichen Anlaſs eines Spiels.

6. Um die Herzen der Kinder zu gewinnen, ſpiele man mit ihnen; der immer ernſte, ermah - nende Ton kann wohl Hochachtung und Ehr - furcht erwecken, aber nicht ſo leicht das Herz für natürliche, unbefangene Freundſchaft und Of - fenherzigkeit aufſchlieſsen. Am offenſten iſt man immer nur gegen ſeines Gleichen; die eigen - thümliche Geſinnung der Aeltern und der höhern Claſſe machen uns zurückhaltender, darum ge - ſellt ſich Gleich ſo gern zu Gleichem. Durch Spiele nähert ſich der Erzieher der Jugend, ſie öffnet ihm ihr Herz um ſo mehr, je näher er kommt, ſie handelt freyer, wenn ſie in ihm den Geſpielen erblickt, und er findet Gelegenheit zu Erinnerungen die beym Studiren nicht ver - anlaſst werden würden. Überdem aber ſind Er - innerungen um ſo fruchtbringender je gleicherB 526an Alter und Stande der uns iſt, welcher ſie giebt. Wir hören dann in ihm die Stimme unſerer eige - nen ganzen Claſſe, darum beſſert die Ermahnung, die ein Zögling dem andern im Stillen und im Bunde der Freundſchaft und Gleichheit giebt, ge - wöhnlich mehr, als die des Lehrers; im Munde des letztern klingt ſie zu erwachſen zu alt, in dem des andern juſt jung genug, um befolgt zu werden.

7) Spiele bilden auf die mannichfaltigſte Art den Gang des menſchlichen Lebens mit einer Lebhaftigkeit im Kleinen nach, die ſich auf keinem andern Wege, durch keine andere Beſchäfftigung und Lage der Jugend errei - chen läſst. Denn nirgends iſt die Jugend in ih - ren Handlungen, in ihrem ganzen Betragen ſo wenig von Seiten der Erwachſenen beſchränkt, nirgends handelt ſie daher natürlicher, freyer und dem Gange des menſchlichen Lebens gleichlau - tender, als hier. Hier iſt eine kleine Beleidigung, Übereilung, Unbilligkeit, Pralerey, Überliſtung, die Fehlſchlagung einer Hoffnung, ein unange - nehmer Charackter, ein langſamer Kopf, ein Pin - ſel, ein Geck eine Überlegenheit an Geiſtes - und Körperkräften zu ertragen; hier iſt Anlaſs zum Schmerz und Kummer, ſo wie zur Freude und Fröhlichkeit, hier iſt Gelegenheit zur Schäz - zung der Gefälligkeit, Geſchicklichkeit, Güte27 u. ſ. w. im Nebenmenſchen. Der junge Menſch wird abgerieben, wie ein Kieſel im Bach; immer beſſer geſchieht es früher als ſpät, nur ſey der Strom nicht ganz verdorben und modrig. El - tern, die ihr eure Kinder eyländlich im kleinen häuslichen Kreiſe erzieht und ſie von der übri - gen Kinderwelt zurückhaltet, eure Meynung iſt gut, aber euer Erziehungsplan gewiſs ſehr übel berechnet; ihr ſeyd in Gefahr eigenſinnige, un - duldſame, unerfahrne, und zu empfindliche Nachkömmlinge zu haben.

8) Spiele verbreiten im jugendlichen Kreiſe Heiterkeit und Freude, Luſt und Gelächter. Wären alle Menſchen ſtets luſtig und vergnügt, ſicher würde nicht ſo viel Böſes geſchehen. Mür - riſche Laune iſt nicht die Stifterin des Guten und Angenehmen; ja ſchon ein ſtets ernſthafter Charakter iſt weniger moraliſch vollkommen, als der aus Ernſt und Scherz lieblich gemiſchte, bey gleicher Herzensreinigkeit. Die Anlage von allen dreyen wird angeboren, aber die Ausbil - dung liegt in Erziehung und in erziehenden Um - ſtänden. Immer bleibt es doch rathſam die Ju - gend in einem heitern, fröhlichen Tone zu er - halten und ſelbſt Spiele zur Beförderung deſſel - ben in die Erziehung aufzunehmen. Jemehr die Jugend, jedoch von eigentlichen Leichtſinne entfernt, ſcherzt und lacht, je mehr man ihr28 Platz läſst, ſich in ihrer natürlichen, liebenswür - digen Offenheit zu zeigen, um ſo mehr entfernt man ſie von ſtiller trauriger Verſchloſſenheit, die nirgends angenehm iſt, weil ſie ſelbſt bey der reinſten Sittlichkeit Miſstrauen einflöſst; kurz um deſto beſſer gedeihet ſie an Leib und Seele. Der heil. Bernhard, den ich oben an - führte, ſoll eben ſo wenig Erzieher ſeyn, als der heil. Baſilius, der das Lachen aller fidelen Chri - ſten für unerlaubt hielt, und damit die Zahl voll werde, die heil. Gorgonie nicht Erzieherin, weil ſie alles Lachen verabſcheuete und ſelbſt das Lächeln als eine Ausſchweifung betrachte - te*)Ihr Bruder Gregorius nazianz. lobpreiſet ſie deſshalb in ſeiner Leichenrede.. Jemehr ſie zum Lachen reitzen, ſagt Baſedow von den Spielen**)Elementarbuch 1. S. 62., deſto zweckmäſsi - ger ſind ſie. Ich wollte, daſs auch die Erwach - ſenen, ſo wohl unter den geringern als vorneh - mern Ständen mehr ſcherzten und lachten, als geſchiehet. Das Lachen iſt eine menſchliche Handlung, die ſowohl Leib als Seele übt und ſtärkt, und muſs alſo ihre Zeit haben, was auch die Blödſinnigen und gallſüchtigen Andächtler davon ſagen mögen. Er giebt ſogar einem Verleger den Rath ein Werk von 4 bis ſechs29 Alphabeten unter dem Titel: die unſchuldigen Lacher zu übernehmen.

9) Spiele ſind nöthig zur Erhaltung der Ge - ſundheit, zur Stärkung, Uebung, Abhärtung des jugendlichen Körpers. Daſs hier weder von Karten noch Würfeln und Haſardſpielen die Re - de ſey, ſondern einzig von Bewegungsſpielen im Freyen verſteht ſich von ſelbſt. Ich habe ſehr vielfältig und lange Gelegenheit gehabt, den Einfluſs dieſer Spiele, ſo wie der Leibesübungen überhaupt, auf manchen verweichlichten, furcht - ſamen, körperlich bequemen, unthätigen und ungeſchickten zu beobachten und ihn immer vortrefflich gefunden. Da ich hierüber ſchon vieles in meinem Buche über die Leibesübun - gen*)Gymnaſtick für die Jugend[enthaltend] eine praktiſche Anweiſung zu Leibesübungen. Ein Beytrag zur nöthigſten Verbeſſerung der Er - ziehung. Schnepfenthal in der Buchhandlung der Erziehungsan - ſtalt. 1793. 697 S. 8. mit Kupfern und Riſſen. 3 Rthl.[geſagt] habe: ſo fällt hier alle weitere Aus - einanderſetzung weg.

Dieſs ſey genug über den Nutzen der Spie - le, ſie haben auch ihre Nachtheile, das iſt nicht ganz zu leugnen. Plato meint, es ſey nichts ſchädlicher als den Kindern vielerley Spiele zu geben, weil ſie dadurch flatterhaft, zum Über - druſſe und zur Begierde nach Neuerungen ge -30 wöhnt werden. Ich habe das Original nicht bey der Hand*)Sondern nur Hochheimers Syſtem der griechiſchen Pädagogik I. S. 125. die Rede ſcheint mir vielmehr von Spielzeugen zu ſeyn. Dann iſt nichts wahrer**)Auch Locke erklärt ſich ganz dagegen in ſeinem 19ten Abſchnit - te, und zwar ſo vortrefflich, daſs ich ſolche Eltern bitte, dieſe Stelle zu beherzigen, welche ihre Kleinen aus Liebe mit allerley Spielſachen gleichſam überſchütten. Solche Sachen ſollten ſich die Kinder ſelbſt machen.. Es iſt indeſs nicht nöthig nach Griechenland zu gehen; ich habe ſelbſt Gelegenheit genug ge - habt den Einfluſs der Spiele auf eine Kinderge - ſellſchaft zu beobachten, die übermäſsig groſs ge - nug iſt, um ihn zu verrathen; denn eben durch die Gröſse einer ſolchen beyeinander lebenden Geſellſchaft wird der Einfluſs des Spieles ver - ſtärkt. Ich habe bemerkt, daſs bey weiten nicht alle, ſondern nur manche Kinder flatterhaft da - durch werden, dann mehr ans Spiel als an die Arbeit denken und in eine etwas zu muthwillige Stimmung gerathen. Dieſs ſind jedoch gewöhn - lich nur ſolche Knaben, deren Lebhaftigkeit oft leicht bis an Wildheit hervorſpringt. Am auf - fallendſten zeigt ſich dieſs im Frühlinge, zur Zeit wann alle Geſchöpfe in eine gewiſſe freudige Re - bellion verfallen, zur Zeit wann in Frankreich31 die Väter einer gewiſſen Congregation, die ſich vorzüglich mit Unterricht beſchäfftigte bey ihren Schulviſitationen den Rectoren zuriefen: Voila un tems orageux qui s’eleve; vos écoliers vont devenir intraitables: mettez - vous donc ſur vos gardes, armez vos bras et doublez les châtiments! Es iſt nicht bloſs wahrſcheinlich, daſs die Jahres - zeit dann mehr thut als das Spiel; eigene Beob - achtungen überzeugen hier am beſten.

Sollte denn die Jugend allein kalt bleiben, wann die Natur an der Wiedergeburt aller Ge - ſchöpfe arbeitet und aller Säfte in Wallung ge - rathen? Indeſs wenn wir auch nichts auf die Jahreszeit, alles auf die Spiele ſchieben, ſo wird ein verſtändiger Kinderfreund jene Flatterhaftigkeit theils durch Vorſtellungen, theils durch Methode zu mäſsigen willen; und überdem bleibt es auch ei - ne ſehr wahre Bemerkung, daſs ſolche lebendige Kinder häufig nur dann die gröſste Aufmerkſam - keit zum Unterrichte mitbringen, wann ihr Kör - per durch Bewegung bis zu einem gewiſſen Gra - de ermüdet iſt.

Spiele benehmen der Jugend die Luſt zu arbei - ten, ſie ſehnen ſich nach dem Spiele und ver - nachläſsigen die Arbeit. Das iſt nicht zu leugnen. Nur ein ſehr kleiner Menſchentheil arbeitet aus32 dem wahren Grundſatze der Vervollkommnung und Stiftung des Guten um ſich her; könnten die andern ihren Magen beyſeite legen, auf ihrer Oberfläche, wie Schafe, die Kleidung reprodu - ciren und in ſelbſtgewachſenen Häuſern wohnen: ſie arbeiteten wahrhaftig nichts, ſondern amuſir - ten ſich nur; denn wenn auch dem Menſchen Thä - tigkeit angeboren wurde, ſo liebt er doch nicht gleich die, welche mit trockner Anſtrengung verbunden iſt, ſondern nur die, welche ihm Ver - gnügen macht; jene gewinnt er nur erſt allen - falls durch Gewohnheit und Geläufigkeit (Rutine) lieb. Wenn Grundſatz und Nothwendigkeit die einzigen Triebfedern ſind, die Hand und Kopf der Menſchen in Action ſetzen, ſo gehören ſie auch beyde in den Plan der Jugenderziehung, weil wir für dieſe Welt erziehen. Es iſt daher nicht genug, jenen Grundſatz der Vervoll - kommnung einzuprägen, ſondern auch bare Nothwendigkeit halte den Arbeitsplan für die Ju - gend aufrecht, bleibe, ſo lange es ſeyn muſs, der Sporn ihrer Thätigkeit bis Geläufigkeit und Liebe zur Arbeit entſteht. Man hat von Spielen nichts zu beſorgen bey Kindern und Jünglingen, die von der Heiligkeit jenes Grundſatzes überzeugt ſind, nichts bey ſolchen, deren Arbeitsplan nach unabänderlichen Geſetzen feſtſteht, bey denen es Geſetz iſt: erſt Arbeit, dann Spiel. Aus dem33 bisherigen ergiebt es ſich ganz deutlich, daſs der Grund der Arbeitsſcheue nicht ſowohl in den Spielen, ſondern in einem Fehler der Erziehung liegt, der ſich auf einen[Berechnungsfehler] der na - türlichen Thätigkeit gründet.

Man hat die ſehr üble Gewohnheit, Kinder durchs Spiel zur Arbeit zu reizen: wenn du recht fleiſsig biſt, ſollſt du auch ſpielen!

Um der Spiele willen ſich anzuſtrengen, ſagt dagegen ſo gut ein ehrwürdiger Alter: und zu arbeiten, iſt thöricht und kindiſch; aber ſpie - len, um zu arbeiten, iſt recht. *)Aristor. Eth. X. 7. Σπȣδαζειν δε και πονειν παιδιμς χαριν ηλιϑιον ϕαινεται και λιαν παιδικον. παιζειν, δε ῾οπως〈…〉〈…〉 σπȣ - δαζῃ ο〈…〉〈…〉 ϑως εχειν δοκει.Es iſt unpä - dagogiſch und unverantwortlich, der Jugend den Zweck der Arbeit auf ſolche Art zu verrücken.

Was den Muthwillen beym Spiele ſelbſt be - trifft, ſo muſs die Gegenwart des Erziehers ſo viel Gewicht haben, ihn gehörig nieder zu drücken. Endlich aber bleibt es ja immer noch ein ſehr na - türliches Mittel, jedem Kinde, das, durch Ver - anlaſſung der Spiele, in jene Fehler verfällt, an - zudeuten: du kannſt nicht mitſpielen, weil das Spiel einen nachtheiligen Einfluſs auf dich hat; ſuche des Spieles Herr zu ſeyn, dann nur ſollſt du ſpielen u. ſ. w.

C34

Es giebt mehrere Arten von Spielen, Sitzen - de*)Spiele ſitzen freylich nicht, ſo wenig als Lebensart ſitzt, und doch ſagt man Sitzende Lebensart. Sitzeſpiele wäre freylich beſ - ſer, iſt aber ungewöhnlich. Bewegende, Inſtructive, Geſellſchafftsſpiele, Kar - ten - Würfel - und Haſard-Spiele. Welche Spiele ſind die beſten? welche ſoll man vorzüglich ſpielen?

Ich bin weit davon entfernt, die eigentlich ſitzenden, nämlich Würfel - und Haſardſpiele zu befördern, daſs es vielmehr bey dieſem Buche eine meiner Hauptabſichten iſt, den Geſchmack an denſelben, aus den jugendlichen Zirkeln ver - drängen zu helfen. Dieſe abſcheulichen Spiele, die weder für Körper noch Geiſt etwas leiſten, ſondern für beyde gleich ſchädlich ſind, ge - hören entweder auf die unterſte Stufe der Menſchheit, in die Hände des rohen Wilden, der nicht denken kann; oder in die des ſchwachen Verfeinerten; der nicht denken mag, ſondern nur leidend ſich vom Zufall kitzeln läſst. Beydes ſoll die gutgezogene Jugend nicht ſeyn, ſie müſſe alſo beyderley Spiele gar nicht kennen lernen. Auch die beſten Kartenſpiele gehören nicht in den Bildungsplan der Jugend. Wenn ich ſie auf der einem Seite dem Manne, deſſen Kräfte den Tag über die Handarbeiten zerbra -35 chen, am Abend nicht ganz entreiſsen mögte, ob ſich gleich weit beſſere Spiele an ihre Stelle ſetzen lieſsen: ſo bleiben ſie doch auf der andern Seite für alle die, welche nicht mit ihm im Falle des Handarbeitens ſind, verwerflich. Der Lydiſche König Atys war nach Herodot der Erfinder der meiſten altgriechiſchen Spiele. Sein Land kam in unabwendbare Hungersnoth; Noth weckt jede Kraft, bey ihm die Erfindungskraft; ſo erhielten die Spiele einen majeſtätiſchen Urſprung. Er verkürzte durch ſie ſeinem Völkchen die Zeit, welche es beym Hungern natürlicher Weiſe ſehr langweilig finden muſste. Er theilte es in zwey Theile; der erſte aſs heute, indeſs der andere ſpielte, morgen wars umgekehrt. Jederman wird mit dieſem Zuge eines königlichen Kopfs zufrieden ſeyn; wer wird aber nicht lachen, wenn er zugleich vernimt, daſs Atys auch Bewegungs - ſpiele z. E. das Ballſpiel vornehmen lieſs, das wohl bequem iſt, den Hunger zu erregen, aber nicht zu ſtillen. Im Grunde iſt doch dieſe Albernheit noch nicht ſo groſs, als eine ähnliche, wo nicht noch gröſsere, die von den kultivirteſten Claſſen der Europäer begangen wird, welche doch wohl einſichtsvoller ſeyn ſollten, als weyland König Atys zwey und ein halb Jahrhundert vor dem Trojaniſchen Kriege? Was würde denn wohl die - ſer ſagen, wenn er von ihnen hörte, daſs ſieC 236ſich, nach ſitzenden Kopfarbeiten an ſitzenden, den Kopf eben ſo ſehr angreifenden, und die fa - talſten Leidenſchaften erregenden Spielen erho - len wollen, daſs ſie in ihren Geſellſchaften, vor und nach dem Eſſen an den Spieltiſchen ſtunden - lang halb ſtumm wie angenagelt zubringen. Weh dir o Jugend, wenn du dich nach dieſer lächerli - chen Sitte richteſt, es wäre faſt beſſer, du ſpiel - teſt unter König Atys lieber bis zum Hungersto - de, als hier bis zur Verderbung deines noch ge - ſunden Geiſtes und Körpers. Im Charakter ei - ner Nation müſste es für jeden Verſtändigen ein ſehr ſchätzenswerther Zug ſeyn, wenn ſie jene Spiele, wo nicht durchaus verſchmähete, doch weit minder begünſtigte, als geſunde Uebungs - und andere unſchuldige Spiele. Wie ſchlecht kleidet es Herkules, wenn er das Symbol ſei - ner Stärke die Keule verwirft, das Spiel ſeiner rüſtigen Muſkeln hemmt und weibiſch am Spinn - rocken tändelt. Ihm gleichen die ſogenannten edlern Volksklaſſen, die urſprünglich ſtark und tapfer im Schoſse der Weichlichkeit ihre Kräfte, ſo wie ihre Waffen verroſten lieſsen. Sitzende, beſonders Karten - und Haſardſpiele haben hier - auf ſeit langer Zeit einen unglaublichen Einfluſs gehabt. Ich entlaſſe ſie hier auf immer, indem ich ihnen zum Abſchiede den Vers in den Mund lege37 Initio furiis ego ſum tribus addita quarta.

Jetzt bleiben uns, in Rückſicht der obigen Fra - ge, noch eine ganze Menge verſchiedenartiger Spiele übrig. Manche von ihnen ſind vorzüglich auf Übung des Körpers, andere auf Übung des Geiſtes, entweder ganz allein bey völliger Ruhe des Körpers abgezweckt, oder ſie laſſen bald mehr bald weniger Bewegung des Körpers zu. Die Entſcheidung jener Fragen wird ſich am beſten aus dem Zwecke des Spielens überhaupt erge - ben. Warum ſpielt man? Der Zweck iſt immer

  • a) Unterhaltung gegen Langeweile oder
  • b) Gewinn oder
  • c) Erholung von Arbeit.

a) Wer Langeweile empfindet, ſucht ſich zu unterhalten. Hat er bloſs dieſen einzigen Zweck, ſo ſind alle Arten der Spiele gleich gut, für die ſein Geſchmack, im Vertrage mit Zeit und Ort, entſcheidet. Hier iſt mithin gar kein Maſs - ſtab zur allgemeinen Entſcheidung. Uberdem aber gehöret Langeweile nicht in das Leben des thätigen Menſchen und eben ſo wenig in die Er - ziehung.

b) Vom Gewinn iſt hier eben ſo wenig die Rede als von Eroberung der Haſelnüſſe und Man - deln; aber der Gewinn an Geiſtesvervollkomm - nung an Bildung und Stärkung des Körpers kommt hier ſchon mehr in Betrachtung; denn dasC 338Leben iſt kurz und die Reihe der Glieder in der Kette der Ausbildung lang. Allein zur Entſchei - dung der obigen Frage kann dieſs wenig bey - tragen, denn alle an ſich guten Spiele, ſowohl die ſitzenden als bewegenden, gewähren dieſen Vortheil und für die Anwendung der verſchiede - nen Spielarten wird dadurch nichts entſchieden.

c) Erholung iſt der rechtmäſsigſte Zweck bey allem Spiel. Nach ihm wird die Entſcheidung der obigen Frage äuſserſt leicht. Erholung iſt Bedürfniſs, ſo wie Schlaf. Sie gründet ſich immer auf Abwechſelung der Beſchäfftigungen. Dieſe ſind hauptſächlich von zweyerley Art geiſtig und kör - perlich. Wäre der menſchlichen Natur, beſonders der Jugend ſtete ernſte Beſchäfftigung erträglich: ſo würde in der Abwechslung geiſtiger und kör - perlicher Arbeiten ſchon die vollkommenſte Er - holung liegen. Allein ſie will auch Abwechſe - lung zwiſchen Ernſt und Scherz, weil hierdurch die Erholung zu einem weit höhern Grade geſtei - gert wird. Aus dieſem natürlichen Geſetze der Abwechſelung flieſst die Beantwortung der obi - gen Fragen; alle Spielarten ſowohl die ſitzenden als bewegenden ſind an ſich gleich gut, ſo wie ſich dieſs auch ſchon aus a und b ergab. Ihre An - wendung beruht auf den[vorhergegangenen] ern - ſten Beſchäfftigungen; waren dieſe geiſtig, ſo ſey das Spiel körperlich und ſo umgekehrt. Dieſer Grundſatz39 iſt ſo einleuchtend, daſs ſich ſchwerlich etwas gründliches dagegen einwenden läſst. Sitzende Spiele gehören folglich hauptſächlich nur denen zu, die wenig mit dem Geiſte, alles mit dem Kör - per unter viel Bewegung arbeiten; bewegende dem ruhigen, ſitzenden Handarbeiter, ſo wie dem Freunde der Wiſſenſchaften und Künſte. Aber Dank ſey es unſerer widernatürlichen Lebensart unſre Gelehrten, Künſtler, unſre Vornehmen, kurz die, welche in China lange Nägel tragen würden, ſpielen wie Krieger, Fechter und Pflü - ger; vom Schreibtiſche gehts zum Schach, aus dem Kabinette oder vom langen Gaſtmale zur Karte.

Die geiſtige Ausbildung bleibt bey der Er - ziehung das Hauptwerk, weil der Geiſt eigent - lich den Menſchen macht. Man habe Nachſicht mit dieſem ſehr bekannten aber hier ſehr brauch - baren Gedanken. Muſs man die Wahrheit deſ - ſelben anerkennen, ſo ſollte geiſtige Ausbildung, nach Maaſsgabe des zu bildenden Gegenſtandes, immer mit Ernſt getrieben, nie zum Spiele ge - macht werden, um dadurch Erholung für Arbei - ten des Geiſtes zu verſchaffen; einmal, weil die - ſe Erholung nicht ächt iſt, zweytens weil man dadurch aus der natürlichen Ordnung heraus tritt und dem Körper in ſeine Rechte fällt; je we - niger dieſer aber noch ausgebildet iſt, um deſtoC 440mehr ſollte man auf ſeine Rechte halten. Be - wegende Spiele ſind folglich für die Jugend zur Erholung ihres noch ſchwachen Geiſtes die zweckmäſsigſten und vorzüglichſten. Allein die - ſer an ſich wahre Satz leidet doch ſehr häufige Ausnahmen, die durch Zeit, Ort und Umſtän - de veranlaſst werden. Die Jugend ſitzt nicht im - mer, ſie hat oft den Tag über hinlängliche Be - wegung gehabt, Zeit und Ort verbieten Bewe - gungsſpiele, dann ſind alle andere Arten zweck - mäſsig.

Man findet in dieſem Buche eine groſse Men - ge Spiele; eine noch gröſsere habe ich verwor - fen. Ich bin meinen Leſern Rechenſchaft ſchul - dig, dieſe will ich jetzt geben, indem ich meine Gedanken über die nöthigen Eigenſchaften der Spiele überhaupt darlege.

Wir überlaſſen den frivolen Geſellſchaften der Erwachſenen alle Spiele, die mit Zweydeu - tigkeiten, Anſpielungen auf Liebe, Küſſen u. ſ. w. gewürzt ſind. Die Jugend ſpiele nur unſchuldig, nichts ſchmückt ſie ſo ſehr, als Unſchuld.

Kein Spiel für ſie ſey unehrbar, führe etwas Un - ſittliches mit ſich; doch ſetze ich hinzu, daſs in mei - ner Moral für Kinder Lachen, Lermen, lautes Rufen, Laufen und Springen am rechten Orte und zur rechten Zeit, nicht zu den Unſittlichkei - ten gehören.

41

Kein Spiel enthalte etwas gegen das Gefühl des Edlen und Schönen, wenn es auch nicht zur Verſtärkung dieſes Gefühls beyträgt. Ich hoffe, man ſoll hier kein Spiel der Art finden. Hinein tragen kann man freylich jede Unſittlichkeit, das wird nicht meine Schuld ſeyn, ſondern die des Tones der Geſellſchaft. Knaben ſpielen oft Dieb, ſie verurtheilen und hängen, das iſt häſslich und thraciſch roh wie die Anchonä.

Ein Spiel kann kindiſch ſeyn, das iſt kein Feh - ler, wenn es für Kinder iſt; aber ein Spiel kann nach dem feinen Tone ehrbar, oder angemeſſener geſprochen, reizend und ſchön ſeyn, und iſt für Kinder noch unehrbarer als für Erwachſene. Dieſs ſey meine kurze Schutzrede für kleine Tän - deleyen, die man hier und dort finden wird.

Gefährliche Spiele taugen nichts, denn mit Ge - ſundheit und Leben iſt kein Scherzen. Ich habe daher manches Spiel, das durch ſeine Neuheit gefallen haben würde, unterdrückt. Doch gebe ich noch zu bedenken, daſs gefährlich ein ſehr be - ziehender (relativer) Begriff ſey; man iſt ſelbſt im Sofa nicht ſicher.

Kein Spiel ſey endlich leer von allem Gehal - te, von allem Nutzen; Niemand handelt gern ohne Abſicht. Spiele müſſen daher Uebungen ſeyn, die für die Jugend (für die Alten auch) auf irgend eine Art vortheilhaft ſind. Sie müſſen denC 542Körper bald mehr bald minder bewegen und ſeine Geſundheit befördern, es geſchehe nun durch Lau - fen, Springen u. ſ. w. oder durch fröhliches La - chen und ſanftere Bewegung. Sie müſſen Schnellig - keit, Kraft und Biegſamkeit in die Glieder brin - gen, den Körper bald zufällig, bald abſichtlich gegen Schmerz abhärten und bald dieſen, bald je - nen Sinn in lebhafte Thätigkeit ſetzen. Sie müſ - ſen für die Jugend unterhaltend ſeyn, bald ihre Erwartung, bald ihre Ehrliebe, bald ihre Thä - tigkeit ſpannen, bald ihre zu groſse Empfind - lichkeit abſtumpfen, ihre Geduld prüfen, ihre Beſonnenheit und ihren jugendlichen Muth ge - wiſſermaſsen auf die Probe ſtellen. Sie ſeyen endlich Übungen für Beobachtungsgeiſt, Ge - dächtniſs, Aufmerkſamkeit, Phantaſie, Verſtand u. ſ. w.

Wir haben kein Spiel, daſs dieſen vielſagen - den Forderungen allein und vollkommen Gnü - ge leiſtet, aber doch viele, die ſich dieſem Bilde ſehr nähern, wenigſtens bald dieſer bald jener Forderung entſprechen.

Der menſchliche Geiſt iſt in Spielen ſehr ſinn - reich, denn ſagt Leibnitz: il ſ’y trouve à ſon aiſe. Das iſt eine groſse Lobrede auf die Spiele in wenig Worten. Die Zahl der Spiele iſt wirklich Legion. 43Jener groſse Mann bringt[ſie] unter drey Claſ - ſen, er theilt ſie a) in ſolche, die bloſs auf Zahlen beruhen, b) bey denen es noch auf eine beſtimmte Lage der Dinge ankommt, ( entre encore la ſituation ) und c) in be - wegende*)In einem Briefe an den Mathematiker Remond. Oevres Tome 5. p. 28.. Mir gefällt dieſe Abtheilung nicht, theils weil ſie nicht alle Spiele umfaſst, theils, weil ſie bloſs nach dem Materiale des Spiels gemacht iſt, welches bey den Spielen bey wei - ten nicht die Hauptſache iſt. Nach der ge - wöhnlichen Claſſification zerlegt man die Spie - le in ſitzende **) und bewegende, das iſt gut, wenn man aber ferner von Geſellſchafts, belehrenden und Haſardſpielen redet, ſo iſt hier nichts als Ver - wirrung der Begriffe.

Die einzige richtige Abtheilung der Spiele, muſs, ſo ſcheint es mir, von ihrem Hauptprin - cipe, nämlich von der Thätigkeit hergenommen werden, indem man ſie nach den verſchiedenar - tigen Aeuſerungen derſelben ordnet. Im Körper iſt nicht der Quell der Thätigkeit, daher giebt es gar keine reine Körperſpiele, man müſste denn paſſive Bewegungen des[Körpers] dafür anneh - men; ſondern allein im Geiſte. Eben daher ſind44 alle bewegenden Spiele mit Uebungen der Geiſtes - kräfte verbunden. Allein der Trieb zur Thätigkeit äuſert ſich oft mehr durch den Körper, daher körperliche oder Bewegungsſpiele;[oft] mehr und oft ganz allein durch geiſtige Kräfte, daher Spiele des Geiſtes, die man ſitzende, beſſer Ruheſpiele nennt,[weil] der Körper dabey weniger, gleichſam nur beyläufig oder auch gar nicht in Bewegung ge - ſetzt wird. So entſtehen zwey Klaſſen der Spie - le. Eine[ſcharfabſchneidende] Theilungslinie, die durch die Natur der Sache ſelbſt ſich zöge, ſcheint beym erſten Anblicke zwiſchen beyden Klaſſen nicht Statt zu finden, ſie iſt aber allerdings da zwiſchen dem gröſsten Theile der Spiele. Nur bey manchen hält es ſchwerer, ihre Claſſifi - cation zu entſcheiden. Bey dieſen, ſo wie über - all, unterſuche man den Werth der Uebung, die ſie auf der einen Seite für den Körper, auf der an - dern für den Geiſt gewähren. Iſt jene bedeuten - der als dieſe, ſo gehören ſie unter die Bewe - gungsſpiele und ſo umgekehrt. So iſt z. E. das Spiel, der König iſt nicht zu Hauſe mit körperli - cher Bewegung verbunden, allein die Uebung der Aufmerkſamkeit iſt doch überwiegender und bedeutender als die wenige Bewegung im Zim - mer, ich rechne es daher zu den Ruheſpielen; ſo bald aber daſſelbe Spiel, unter dem Namen der Bildhauer iſt fort, im Freyen getrieben, mit45 mancherley Körperſtellungen, auch mit Laufen und Springen verbunden wird: ſo hat die Kör - perbewegung hier mehr Werth als die Uebung der Aufmerkſamkeit, folglich gehört es dann un - ter die Bewegungsſpiele.

Die Thätigkeit des Geiſtes, die ohne Ausnah - me bey allen Spielen ſtatt findet, wirkt durch die verſchiedenen Erkenntniſskräfte, bald durch die Phantaſie, bald durch das Gedächtniſs, bald durch den Witz u. ſ. w. Wenn auch dieſe Kräfte in ih - ren Aeuſerungen nie völlig getrennt erſcheinen, ſondern, wie die Theile einer Maſchine, immer in einer gewiſſen Verbindung wirken: ſo zeigt ſich doch bald dieſe bald jene allein, oder mit ei - ner andern gemeinſchaftlich vorzüglich wirk - ſam. Hierdurch entſtehen die verſchiedenen Ord - nungen der Spiele, nämlich:

  • 1 Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des ſinnlichen Beurtheilungsvermögens
  • 2 der Aufmerkſamkeit.
  • 3 des Gedächtniſſes.
  • 4 der Phantaſie und des Witzes.
  • 5 des Verſtandes und der höhern Beur - theilungskraft.
  • 6 des Geſchmacks.

Endlich iſt bey einem Syſteme der Spiele wegen der Methode im Vortrage noch Rück - ſicht zu nehmen auf das Materiale dieſes be -46 ſteht in Kugeln, Bällen, Scheiben, u. ſ. w. oft ſelbſt in den ſpielenden Perſonen. Hierdurch entſtehen die verſchiedenen Arten der Spiele, als Ballſpiele, Kugelſpiele, Scheibenſpiele und Geſell - ſchafftsſpiele, zu welchen letztern alle diejenigen gehören, bey denen die Perſonen ſelbſt das Ma - teriale ausmachen.

[47]

Erſte Claſſe Bewegungsſpiele.

[48] (SENECA. )
Indulgendum est animo, dandum ſubinde etium, quod alimen - ti et virium loco ſit; et in ambulationibus apertis vagandum, ut coelo libero et multo ſpiritu augeat attollatque ſe animus de tranquill. animi.

das iſt

Dem Geiſte gebühret Nachſicht und öſtere Muſse zur Nahrung und Stärkung; ſtreif im Freyen umher, daſs er unter offenem Himmel durch freyes Athmen ſich ſtärk und erhebe.

[49]

A. Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des ſinnlichen Beurtheilungsvermögens.

Zu dieſer Ordnung gehören die meiſten Arten der Bewegungsſpiele. Der Beobachtungsgeiſt be - ſchäfftiget ſich mit den Eindrücken, welche die Sinne ihm zuführen; er iſt die Kraft der Seele, ſie genau zu betrachten, ihr Mannigfaltiges, ih - re Aehnlichheit, ihre Verſchiedenheit auch bis ins Unmerkliche zu verfolgen, zu vergleichen. Bewegungsſpiele ſind ganz dazu geeignet, ihn ſtets zu beſchäfftigen, weil ſie auf ſinnliche Ein - drücke berechnet ſind, nach deren richtiger Vor - ſtellung und Beurtheilung ſich der Spieler in ſei - ner Action richten muſs; daher die Abſtraction von allen Eindrücken, die nicht zur Sache gehö - ren und die geſpannte Aufmerkſamkeit auf die entgegengeſetzten. Das Beurtheilungsvermö - gen äuſert ſich gröſstentheils nur im Betreff der ſinnlichen Eindrücke, es vergleicht und miſst unaufhörlich Richtungen, Entfernungen, Töne, Gefühle, Schwere des Spielmaterials und Ver -D50hältniſſe der Spieler ſelbſt. So muſs das Aufſtei - gen eines Balles genau beobachtet, der Bogen deſſelben gemeſſen werden, wenn man ihn fan - gen will; ſo muſs die Richtung der Billardku - geln zu dieſem oder jenem Loche genau bemerkt, die Kraft des Stoſses nach den Entfernungen be - urtheilt, d. i. abgemeſſen werden u. ſ. w. Be - wegende Spiele ſind daher kein bloſses Durch - ſchütteln des Körpers, ſondern ſtets in einem ho - hen Grade verbunden, mit Uebungen der un - tern Erkenntniſskräfte. Man redet und denkt daher von ihnen viel zu eingeſchränkt, wenn man ſie bloſs körperliche Spiele nennt und keinen andern Nutzen von ihnen anerkennt, als Bewe - gung des Körpers. Ich rechne zu dieſer Ord - nung die folgenden Gattungen und Arten.

a) Ballſpiele.

Bey Griechen und Römern war das Ballſpiel eines der beliebteſten Spiele. Lacedaemon, Si - cyon und Lydien ſtritten ſich um ſeine Erfindung. Die Griechen hatten in ihren Gymnaſien einen beſondern Platz (Σϕαιρηςηριον) zum Ballſpiel und beſondere Ballmeiſter dafür. Ja der Carier Ari - ſtonicus, Ballſpieler des weyland groſsen Alexan - ders, erhielt von den Athenern nicht nur das Bürgerrecht, ſondern ſogar eine Statüe. Bey den Römern ſpielten es die angeſehenſten Per - ſonen. Jedermann hat wenigſtens von den gro -51 ſsen nun leider verſchloſſenen Ballhäuſern der neuern Europäer gehört, und in Italien ſieht man noch Leute vom Stande auf öffentlichen Plätzen Ballon ſchlagen. So iſt das Ballſpiel von jeher geſchätzt, bis ihm die Kartenkönige den Krieg ankündigten. Die Alten ſchätzten es auch be - ſonders in diätetiſcher Hinſicht. Die Sinnbilder an der Bildſäule des Arztes Herophilus beſtanden in gymnaſtiſchen Inſtrumenten und darunter war auch der Ball; Galens Buch vom kleinen Balle enthält eine ſehr warme Lobrede auf dieſes Spiel, die auch noch auf unſere jugendlichen Ballſpiele paſst. Mercurialis zählt vier griechiſche und eben ſo viel römiſche Hauptarten des Ballſpiels (μεγα - λην, μικραν, κενην σϕαιραν und den etwas gewaltſam herbey gezogenen κωρυκον) den groſsen und kleinen mit mehrern Unterarten, den leeren mit Luft ge - füllten und den Korykus; ferner bey den - mern war der follis unſer Ballon, der trigonalis ein kleiner Ball zum Zuwerfen und Fangen, der pa - ganica von Leder mit Federn geſtopft und der Harpaſtum. Anſchauliche Begriffe von ihren Spielarten fehlen uns, aber ohne Zweifel iſt in unſern jetzigen Ballſpielen noch viel Klaſſiſches, ohne daſs wir es wiſſen, ſo wie der Korykus, ein Gefecht mit einem von der Decke herabhängen - den Sacke, der mit Feigenkernen, Mehl oder Sande gefüllt war, noch jetzt in China üblich iſt.

D 252

1. Das Ballonſpiel. (Jl Giuoco del Ballon groſſo.)

In Italien iſt das Ballonſpiel zum Nationalſpiel geworden, und wahrſcheinlich mögte man es wohl nirgends in der Vollkommenheit ſpielen, als dort, wo es in den drey ſchönen Jahrszeiten das Lieblingsſpiel in allen Städten iſt. Hier for - dern ſich die vornehmſten Spieler verſchiedener Städte oft auf 50 Stunden weit heraus, für einen beſtimmten Preis, oder bloſs aus Ruhmbegierde mit einander zu ſpielen. Die Bürger nehmen den lebhafteſten Antheil, unzähliges Volk ver - ſammelt ſich hinter den Mauern der Stadt, wo man gewöhnlich ſpielt, und ſitzt auf Gerüſten ſtufenweiſe umher, um dieſe nationelle Feyer - lichkeit mit anzuſehn. Man ſchreyet ſeinen Spie - lern Muth zu: bravi, braviſſimi e viva, man klatſcht Beyfall, man wettet dabey. Hier ſieht man Edel - leute und Perſonen von Charakter öffentlich mit jedem Handwerksmann ſpielen, der geſchickt darin iſt und der fertige Spieler kann ſich dadurch durch halb Italien berühmt machen. Ich werde daher bey der Beſchreibung dieſes Spiels das ganz benutzen, was Bareti und Jagemann davon er - zählen.

53

Was ein Ballon ſey, weiſs bey uns Jedermann, ich will alſo nur erinnern, daſs man eine recht runde Blaſe wählen müſſe, damit der lederne Ueberzug nicht länglicht auseinander getrieben werde. Das Schlagen dieſes Balls geſchieht bey uns mit der Fauſt, die bloſs mit einem ledernen Handſchuhe bekleidet wird; da aber die Fauſt ein ganz irregulärer Körper iſt: ſo können die Schläge nicht die regelmäſsige Richtung erhal - ten, die das Spiel erfordert; ferner kann die Hand leicht Schaden nehmen, und es iſt nichts ungewöhnliches, daſs man ſich einen Finger auf einige Zeit lähmt. In beyden liegt vielleicht die Urſache, daſs die Italiener den Arm mit einer hölzernen Schiene bewaffnen, welche ſie Braccia - le nennen. Dieſes Inſtrument hat einige Aehn - lichkeit mit einem Muffe. Der Spieler ſteckt die Hand faſt bis an den Ellenbogen hinein und hält es an einem Pflocke feſt, der inwendig im Braccia - le in die Quere befeſtigt iſt. Aeuſserlich iſt das In - ſtrument über und über wie ein Igel mit kurzen ſpitzigen Hölzern verſehen, die viereckigt ge - ſchnitten ſind.

Man ſpielt am liebſten an einer hohen Mauer oder langen Reihe von Gebäuden. Zum voll - kommenen Spiele müſſen wenigſtens 6 Spieler ſeyn, 3 auf jeder Parthey; gemeiniglich aber istD 354die Zahl der Spieler 12, ſo daſs jede Parthey aus 6 beſteht.

Anfangs iſt der Mittelpunkt der Spielbahn die Gränzſcheidung der beyden Partheyen, in der Folge aber jede Linie, welche dieſen Punkt durch - ſchneidet; denn ſo wie ſich die beyden Par - theyen in den Umkreiſen des Platzes herumtrei - ben, ſo muſs ſich jene Gränzlinie mit herum - drehen.

Beym Anfange des Spieles wird der Ballon den Spielern von einer dazu beſtimmten Perſon vorgeworfen und von dieſem Augenblicke kömmt es darauf an, ihn aus ſeinem Felde in das der Gegenparthey zu ſchlagen. Dieſs wird ſo lange fortgeſetzt, bis er zur Erde fällt und liegen bleibt, dann verliert die Parthey, auf deren Fel - de er liegt, weniger oder mehr Punkte (points), je nachdem er mehr oder minder weit in daſſel - be hineingetrieben iſt. Dieſs kann jede Geſell - ſchaft bey uns leicht ausmachen; ſie kann ent - weder überhaupt nur für das Liegenbleiben im Felde der Gegner Points zählen, ohne auf die Weite zu ſehn, in welcher er von der Gränzli - nie liegt, oder wirklich die Entfernung meſſen und für jede 10 Schuh einen Point mehr rech - nen. Streift der Ballon eine Perſon, ſo wird ſie um einen Punkt geſtraft. Man ſpielt gewöhn - lich bis zu 60 Punkten.

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Dieſes Spiel hat faſt alles, was zu einer guten körperlichen Uebung gehört. Es gewährt viel Vergnügen, giebt dem Körper viel Bewegung im Freyen und befördert ſeine Geſundheit und Schnelligkeit; es übt und ſtärkt den Arm, ſo wie das Augenmaaſs, zumal wenn man ſich auf wirkli - che Meſſungen der Weiten einläſst, auf welcher der Ballon im Felde der Gegner liegt. Nichts iſt hier natürlicher, als vor der Meſſung erſt zu ſchätzen. Dadurch bekommt die Jugend aber bald das Maaſs von 10 Schuhen als fixirtes Maaſs in den Kopf, und das iſt allerdings ſehr nützlich. Auf die obige Art verdient das Spiel alle Em - pfehlung unter der Jugend; nur muſs ſie es nicht auf die bey uns gewöhnliche Art ſpielen, wo man ſich ohne Partheyen in einem Kreis ſtellt, den Ballon ſchlägt, ohne weiter einen Zweck zu ha - ben, als ihn in der Luft zu erhalten, und wo jeder ſucht, ihn zum ſchlagen recht oft für ſich zu bekommen und zu behalten.

Das in England gewöhnliche Foodball iſt auch ein Ballonſpiel, wobey der Ball bloſs mit den Füſsen geſchlagen wird, ſo wie beym Giuoco del Calcio der Italiener, die es aber nur bey groſsen Freudenfeſten ſpielen.

Schon bey den alten Griechen findet man das Ballonſpiel unter der Benennung Επισκυρος und Επι -D 456κοινος*)Bulengerus leitet den Namen von der Linie ab, die zwiſchen den beyden ſpielenden Partheyen gezogen wurde und Σκυρος hieſs. Daſſelbe Spiel hieſs auch Σφαιρομαχια deſswegen, weil es nach gewiſſen Regeln mit Fauſtkampf verbunden war. Dann muſs man es nicht mit der wirklichen Sphaeromachie verwechſeln, wobey die Fauſtkämpfer ſtatt der Caeſtus Metallkugeln in die Hän - de nahmen. Daſs aber die Sphäromachie mit dem Epiſcyrus einer - ley geweſen ſey, ſagt Pollux Lib. 9. εξεςι δε και Σϕαιρομα - χιαν ειπειν την επισκυροττης σϕαιρας παιδ ιαν. Es führte auch den Nahmen des Harpaſtonſpiels von dem Balle (ἁρπαςον) mit welchem es geſpielt wurde. Mercurialis iſt aber anderer Meinung, er rechnet den Harpaſton zu der kleinen Ballart. und bey den Römern war es ebenfalls ſehr gewöhnlich. Von ihnen verbreitete es ſich, als ein klaſſiſches Spiel, über den gröſten Theil von Europa und iſt noch überall bekant. Bey den Alten theilte ſich die Geſellſchaft in 2 Partheyen und dieſe ſtellten ſich gleichweit von einer Linie (σκυρος) die mitten durchgezogen wurde. Im Rücken der Partheyen wurde wieder eine Linie gezogen und beym Spielen kam es dann darauf an, den Ball in das Gebiet der Gegner zu ſchla - gen, vermittelſt der Hände und Füſse. Hier - bey kam es zu heftigen Stöſsen und Schlägen, ſo wie beym engliſchen Food-ball, wo jeder den ſchlägt, welcher den Ballon mit den Händen aufhebt. Daher der Nahme Sphäromachie. **)Bulengerus de lud. Vet. in Gronov. Theſaur. antiq. graec. Tom. VII.

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2. Das deutſche Ballſpiel.

Dieſes noch nirgends bearbeitete Spiel ver - dient ganz vorzüglich eine genaue Beſchrei - bung. Unterhaltend zu ſeyn, iſt hier mein Zweck nicht; man ſuche dieſe trocknen Sa - chen zu verſtehen, die Unterhaltung liegt in der Praxis.

Spielplatz. (Zeichnung 1.) Man bezeichne auf ebenem Raſen den Anfangs und Endpunkt X und Y der Spielbahn, etwa 30 bis 40 Schritte von einander, ſo iſt die Vorbereitung fertig; will man aber genauer ſeyn, ſo werden die bey - den Linien A B und C D etwa 30 Schritt lang mit einem Stabe in den Boden geriſſen und ihre Enden ſo wie auch die Stellen 4 und 5 mit Stä - ben bezeichnet. Hierdurch wird auch zugleich die Breite der Spielbahn beſtimmet.

Die Linie A B heiſt das Schlag - C D aber das Fangemal.

Ball. Man macht ihn von ſehr haltbarem wol - lenen Garne, ohne alle Zuthat, ſo feſt und rund als möglich gewickelt, und mit durchnäſſten**)p. 913 und 14 und Sabbathier in ſeinen Exercices du Corps chez les Anciens Tom. I. p. 114 beſchreiben dieſes Spiel.58 weiſsem oder Däniſchen Handſchuhleder, ſo ſtraff als möglich überzogen. Dieſer Ueberzug wird nicht aus mehreren Stücken zuſammengeſetzt, ſondern man nimmt dazu nur ein einziges, das beym Nähen nach und nach durch die Schere in 2 runde Klappen geſchnitten wird, die durch eine Nath vereinigt werden, welche nicht ganz um den Ball geht. Ein guter Ball von 2 Zoll Leipz. im Durchmeſſer ſpringt, ſtark niedergewor - fen 25 Fuſs hoch und iſt neu faſt wie Gummi elaſticum. Auch erhält man ſehr elaſtiſche Bäl - le, wenn man das locker gewickelte Garn ſo lan - ge in Waſſer legt bis es untergeht, dann den Ball davon[äuſserſt] feſt wickelt, ihm flüchtig einen Ueberzug von Papier giebt, welches man mit Bindfaden darum bindet und dann dieſen Knaul im Backofen ſo lange bäckt, bis das Papier dun - kelgelb geſengt iſt. Hierauf wird nach abgemach - ten Papier dem Knaul der obige Ueberzug gege - ben. Die Bälle für die Ballhäuſer werden von kleinen Stückchen wollenen Zeug gewickelt, mit weichem Bindfaden regelmäſsig umwunden und mit weiſsem Tuche überzogen. Die erſte Art halte ich für die beſte zu dieſem Spiele.

Ballſtock (Racquette). Man hat Unrecht ein breites Holz dazu zu nehmen; denn es wider - ſetzt ſich der Luft und man kann daher nie ſo ſtarke Schläge thun, als mit einem völlig run -59 den, nach dem Griffende zu etwas verjüngten Stocke, der von einem jungen Fichtenſtämm - chen gemacht iſt. Nur mit ſolchen iſt man im Stande den Ball 80 bis 100′ hoch und bis an 100 Schritt weit zu ſchlagen. Das Griffende wird, um das Ausfliegen zu vermeiden, da, wo die Hand es umſpannt, etwas ausgeſchnitten, ſo daſs am Ende ein kleiner Knopf ſtehen bleibt. Dieſe dünne geſchnittene Stelle umwickele man entweder mit Bindfaden und überſtreiche ihn ein Paarmal mit Leim, der nach dem Trocknen die nur wenig gefeuchteten Hände ſtark anhält, oder man verſehe den Stab mit einem Riemen, durch welchen die Hand beym Anfaſſen greift.

Spiel. Auf unſerm Platze verſammelt ſich eine Geſellſchaft von