Jn der Einleitung zu dieſem Stuͤck kann ich mich kuͤrzer faſſen, da es mir weniger an’s Herz gewachſen iſt als jedes der anderen. Der Stoff dazu wurde von außen geboten, der Plan ſchnell gefaßt, die Abfaſſung ſchnell be - werkſtelligt. Jch will damit nicht ſagen, daß mich Stoff und Plan und Abfaſſung gleichguͤltig gelaſſen habe, o nein, ich bin mit allen Kraͤften lebhaft dabei betheiligt geweſen. Aber fuͤr uns Geſchoͤpfe der Zeit iſt auch die laͤngere oder kuͤrzere Dauer der Zeit ein Hauptbeſtandtheil fuͤr das was wir Treue nennen. Was ſich in uns nicht laͤngere Zeit hindurch angeſiedelt hat, das laͤßt auch nicht einen dauernden Eindruck zuruͤck, und ſo kommt mir jetzt ſchon nach Verlauf weniger Jahre dieſes ganze Thema der Bernſteinhexe und die Dramatiſirung deſſelben wie ein Paroxysmus vor, den ich nicht verlaͤugnen moͤchte, fuͤr den ich aber auch keine ausgedehnte Theilnahme in Anſpruch nehmen will. Jch erinnere mich ganz gern der ſechs Wo - chen, waͤhrend welcher ich der Altweiberſagen ſchleſiſcher10Einleitung.Jugend ſtandhaft eingedenk und mit nichts beſchaͤftigt war als mit dem ſtarren Hinlauſchen und Hinhorchen, ob nicht außer dem Bereiche unſerer Sinne noch eine an - dere, unſrer Menſchenwelt uͤberlegene Exiſtenz webe und ſchaffe, mit dem ſtarren Hinhorchen nach dem Fluͤſtern und Murmeln waͤhrend des Mondesdaͤmmers, waͤhrend der Kaminſtunden im Vaterhauſe und im einſamen Forſt - hauſe, waͤhrend der ſchauerlichen Nachtſtunden auf abge - legenen Jagdplaͤtzen der Haide. Der alte ernſthafte Jaͤ - ger hatte mir in trockener Grube leiſe entwickelt, daß es kindiſch ſei, die alten Geheimniſſe zu laͤugnen und hatte neben mir alle die aberglaͤubiſchen Formen beutegierigen Jaͤgerthumes erfuͤllt, und hatte ſo oft triumphirt, wenn das erwuͤnſchte und ſeltne Wild im weißen Mondenſcheine gerade an uns voruͤber ſeinen Weg genommen, obwohl doch die Haide ſo breit war und hundert Wege außerhalb unſeres Geſichtskreiſes und Schuſſes uͤbrig blieben. Vor allem Anderen aber war ich aus dem ſchwarzen Brau - hauſe meiner Vaterſtadt nicht mehr heraus gekommen in jenen ſechs Wochen. Dies Brauhaus, der ſchwarze Hei - dentempel meiner Hexenerinnerungen, lag abſeit von den Hinterhaͤuſern der Stadt, ganz einſam dicht an der ver - fallenden Stadtmauer, und ich mußte als zehn - bis zwoͤlf - jaͤhriger Bube des Jahres wohl ein Dutzend Mal in die - ſem Brauhauſe wachen helfen, daß von dem friſch gebrau - ten Biere aus den Buͤtten nichts entwendet wuͤrde. Mein einziger Gefaͤhrte bei dieſer wunderlichen Wacht war ein11Einleitung.altes Muͤtterchen von kleiner viereckiger Geſtalt, genannt Mutter Schoͤnknechten, runzlig und garſtig und von un - gezaͤhlten Jahren. Sie ſelbſt wußte am Wenigſten Aus - kunft zu geben, wie lange ſie ſchon auf der Welt ſei, ſie wußte nur daß Niemand in der Stadt jemals Bier ge - trunken, bei deſſen Siedung und Brauung ſie nicht be - hilflich geweſen waͤre. Mutter Schoͤnknechten galt fuͤr ungewoͤhnlich begabt. Obwohl ſo alt und ſo klein, wuſch ſie doch ſaͤmmtliche Faͤſſer zu einem Gebraͤude binnen ei - nem halben Tage rein und blank mit drahtdurchflochtenen Lappen und ſchwenkte trotz ihrer kurzen Arme die großen Faͤſſer umher als ob es Bierglaͤſer waͤren. Man reſpek - tirte das ſtille Muͤtterchen ungemein, man traute ihr, wie geſagt, Ungewoͤhnliches zu, aber Niemand dachte dabei an Hexenweſen und Hexenkraͤfte. Mutter Schoͤnknechten ward zur guten Sorte gerechnet, die Frau des Brauers aber galt fuͤr eine Hexe, und dieſe Frau des Brauers, Brauer-Lene genannt, galt fuͤr die toͤdtliche Feindin der Mutter Schoͤnknechten. Da war alſo gutes und boͤſes Prinzip des Geheimnißvollen fuͤr den aufmerkſamen Kna - ben. Zwiſchen jenen beiden Weibern figurirte als Jn - differenzpunkt der alte lange Brauer, der mit ſeinem als Hexe verſchrieenen Weibe lauter ſtarke Jungen zeugte, der immerdar ſo gewiß uͤberlegen lachte, wenn man der Hexe - rei in ſeiner Gegenwart erwaͤhnte, und der uͤbrigens die Mutter Schoͤnknechten ſo wohlwollend und ſchonend be - handelte, als ob er ſie einmal geliebt habe in juͤngeren12Einleitung.Jahren. Ach was, pflegte meine Mutter zu rufen, er weiß wie noͤthig er ſie braucht, denn es geht kein Bier ordentlich zuſammen ohne den Segen und die Gegenwart und vor allen Dingen ohne die Wuͤrze der Mutter Schoͤn - knechten! Er ſoll nur einmal die Wuͤrze von Jemand Anderem kochen laſſen, da werdet Jhr’s ſchale Bier er - leben! Aber das weiß er gar gut, der alte Suͤnder, daß er ohne den Zauber der guten Kraͤfte im Brauhauſe trotz aller Hexerei ſeiner Lene im Malzhauſe kein klares, wohl - ſchmeckendes Bier zu Stande bringt!
Zwiſchen dem Brauhauſe und Malzhauſe, welche an - einander ſtießen, erſchien er mir denn auch immer, jener alte Brauer mit ſeinem furchtbar altmodiſchen Geſichte, oben auf dem ſchwarzen Treppen-Altan. Altmodiſch war das Geſicht, weil es uͤberaus grobe Zuͤge, große Naſe und großes Kinn hatte. Sein Erſcheinen geſchah faſt immer mitten in der Nacht. Abends ward ich hin - uͤber geſchickt in’s Brauhaus, wo die Mutter Schoͤnknech - ten allein die Wuͤrze kochte in einem tiefen Loche, welches vor der Ofenthuͤr ausgemauert und mit zwei bretternen Wandbaͤnken verſehen war. Jch fand ſie ſtets beſchaͤftigt und gluͤhend roth wegen des großen Feuers unter dem Wuͤrzekeſſel, und zunaͤchſt gab es nichts Einſames und Schauerliches, denn es kam wohl auch noch unſere Koͤchin mit Kaffeekannen von Bunzlauer Geſchirr, die mit Wuͤrze gefuͤllt und an ein Paar Specialfreundinnen der Mutter als beſondere Delikateſſe noch am ſpaͤten13Einleitung.Abende warm verſchickt wurden. Gegen zehn Uhr Abends erſt ward es ganz ſtill; Mutter Schoͤnknechten war fer - tig und ſetzte ſich zu mir auf die hoͤlzerne Bank und ſtarrte lange Zeit ſchweigend in den verglimmenden Brand unter dem Keſſel. Der Schweiß troff ihr von der Stirn und ſie trocknete ſich ihn mit einer Schuͤrze von grober Sack - leinwand, welche gar nicht weich genug war, um alle Schweißtropfen in den Runzeln des Geſichtes aufzuſuchen. Uebrigens war es kalt in dem finſtern, hohen und weiten Brauhauſe, und ich mußte oͤfters an’s Ofenloch fluͤchten, um mich zu erwaͤrmen. Mutter Schoͤnknechten ſah das ganz gern, und ſagte zuweilen: junges maͤnnliches Blut bringe der Bierwuͤrze guten Geſchmack, ich ſollte mich nur waͤrmen und in die Waͤrme hineinathmen. Dies war die Zeit, in welcher ſie anfing Geſchichten zu erzaͤhlen, Hexen - und Geſpenſtergeſchichten. Mit Geſpenſterge - ſchichten machte ſie keine großen Umſtaͤnde, die alte Frau ſchien ſich gar nicht zu fuͤrchten und tiſchte mir den aͤrg - ſten Spuk auf ſo gleichguͤltig, als ob ſie mir ein Butter - brot reichte. Kam ſie aber an eine Hexengeſchichte, ſo mußte ich immer erſt aus dem Loche hinaufſteigen und an die Thuͤr gehen, welche unten in’s Malzhaus hinein fuͤhrte. Dieſe Thuͤr ſollte ich oͤffnen, um mich zu ver - ſichern, daß Niemand von der Brauersfamilie an den Malzhaufen beſchaͤftigt ſei. Jch hatte nicht immer den Muth zum Oeffnen, denn von Geſpenſter-Eindruͤcken voll war es mir gar zu ſchauerlich, in einen ſo weiten, unab -14Einleitung.ſehbar langen, nur von einem Laͤmpchen oder dem Mond - lichte erhellten Raum duͤnſtender Getraidehaufen den Kopf hineinzuſtecken. Jch klapperte gewoͤhnlich mit der Klinke und begnuͤgte mich, durch’s Schluͤſſelloch und in die Hoͤhe nach der Bodenthuͤr zu kucken. Zu dieſer Malz - bodenthuͤr fuͤhrte eine hoͤlzerne, von Rauch ganz ge - ſchwaͤrzte Freitreppe, und oben auf dem altanartigen Ab - ſatze derſelben pflegte der gefuͤrchtete Brauer zu erſchei - nen. Hoͤrte ich nichts von dem Schluͤrfen ſeiner Pantoffeln und ſah ich nichts von ihm, ſo ſchluͤpfte ich wieder in’s Loch hinab und verſicherte die Mutter Schoͤnknechten: der Hexenmeiſter ſei nicht in der Naͤhe. — Nicht doch, erwi - derte ſie, ein Hexenmeiſter iſt er nicht, kaum ein Lehr - junge; er naſcht nur davon, weil er ſein Weib zum Maͤl - zen braucht. — Und iſt die Brauer-Lene wirklich eine Hexe, Mutter Schoͤnknechten? — Stille, ſo was darf man nicht laut ſagen! Oben in den offnen Fenſtern ſitzen die Fledermaͤuſe, die hier in’s Brauhaus nicht her - ein duͤrfen, denen wir aber das Horchen nicht wehren koͤnnen, und die der Lene Alles zu wiſſen thun. Wenn Du die Lene geſehn haͤtteſt vor zwanzig Jahren, Du wuͤr - deſt gar nicht fragen. Damals war ſie ſchoͤn wie ein Engel und an den blauen Kuckaugen hatte der heikelſte Burſch nichts auszuſetzen. Jetzt ſind die Augenraͤnder dick geſchwollen und roth. Das kommt nur vom Wach - holderfeuer auf dem Blocksberge in der Walpurgisnacht — Du haſt doch die zwei abgekehrten Beſen wieder kreuz -15Einleitung.weis vor die Thuͤr oben gelegt? — Ja! — Das ſind ihre Reitpferde in der Walpurgisnacht, und in der Nacht haben wir auch mein Lebtag nicht gebraut. Das kann ich ihr nicht wehren; aber ſie iſt auch nicht im Stande, in der uͤbrigen Jahreszeit uͤber die Beſen hin - wegzuſteigen, denn ſie ſind halt fuͤr ſie ſo groß wie Reit - pferde. Und der Brauer nimmt ſie auch nicht weg, nicht oben, nicht unten, denn er weiß gar gut, daß das Bier nur geraͤth, wenn die boͤſen Geiſter in’s Brauhaus ſelbſt nicht herein ſchluͤpfen duͤrfen. Zum Malz braucht er ſie, das Bier verderben ſie —
Dieſen Dualismus entwickelte nun das Muͤtterchen in allerlei grauslichen Geſchichten, welche ich hier nicht auftiſchen will. Ploͤtzlich ſchlief ſie ein, ohne Kopf oder Schulter irgendwo anzulehnen. Sie war ſo kurz zuſam - mengebaut, daß ſie keinerlei Stuͤtze beim Schlafen zu brauchen ſchien; ich habe nie geſehen, daß ſie ſich nieder - gelegt und daß ſie anders als kerzengerad ſitzend, die kurzen Haͤnde im Schooß gefaltet, geſchlafen haͤtte. Von dieſem Momente des Einſchlafens begann meine Noth. Voll ſolcher Geſchichten und verworrener Anſchauungen fuͤrch - tete ich mich nun, wenn dies das richtige Wort iſt, in dem hohen wuͤſten Raume, deſſen hoch oben angebrachte Fen - ſter ſaͤmmtlich offen und uͤberhaupt nur Loͤcher waren. Der Wind ſpielte mit den alten Brettlaͤden, der Mond kuckte mitunter neugierig herein, und der Hund, welcher im naͤchſten Hofe zuweilen raſſelte oder bellte, gehoͤrte in16Einleitung.die Scharfrichterei, wo es nach meiner Wiſſenſchaft auch lauter unheimliche Kuͤnſte gab, wenigſtens eine unbegreif - liche Macht uͤber die Thierwelt.
Die Eindruͤcke jener Stunde vor Mitternacht habe ich nie vergeſſen, und im Gedaͤchtniſſe derſelben bin ich jederzeit bereit, Geſpenſter - und Hexengeſchichten bis auf einen gewiſſen Grad andaͤchtig anzuhoͤren.
Um Mitternacht kam gewoͤhnlich Erloͤſung, eine Er - loͤſung, vor der ich mich auch fuͤrchtete bis ſie eintrat. All mein Nervenleben kroch in den Ohren zuſammen und lauſchte, ob ſich des Brauers ſchluͤrfende Pantoffeln ganz fern oben auf den Malzboͤden hoͤren ließen. Ja! zitternd klang es in mir Ja! und die Beklemmung ſteigerte ſich, bis oben an der ſchwarzen Treppe die Thuͤr knarrte und quietſchte und der Alte hervortrat im weißen Schafpelze. Sobald ich den weißen Schafpelz ſah, wußte ich, es war der Brauer, ein wirkliches Menſchenkind, und athmete auf. Gleichzeitig oͤffnete auch immer die Mutter Schoͤn - knechten ihre kleinen Augen: es ſchien eine Sympathie zu herrſchen zwiſchen den beiden Leuten. Nun fragte der Brauer von oben, ob Alles in Ordnung ſei, und ſie antwortete unten, ohne ſich umzukehren: Freilich! Dann verſuchte er einen Scherz, den ſie nicht beantwortete, und dann fragte er mich, ob „ mir nicht graute “, worauf ſie ſtatt meiner patzig erwiderte: Warum nicht gar! Der Brauer ſchlug nun eine kurze Lache auf, welche von da oben durch das leere Haus garſtig widerhallte; dann trat17Einleitung.den Malzboden, wir hoͤrten ihn fortſchluͤrfen, und je fer - ner dies wurde, deſto tiefer fielen die Augenlider der Mutter Schoͤnknechten, und wenn man ihn nicht mehr hoͤrte, dann ſchlief ſie wieder feſt, und ich ſank ebenfalls in Schlummer, eine Wacht wie die Garantie einer Staats - verfaſſung: ein altes Muͤtterchen und ein kleiner Bub, Gott muß fuͤr Alles ſtehen!
Dieſe daͤmoniſchen Verhaͤltniſſe im Brau - und Malz - hauſe haben nach der Verſicherung meiner Mutter an die dreißig Jahre geſpielt, und dabei hat die Stadt immer gu - tes Bier gehabt. Ploͤtzlich iſt einmal des Morgens die Mutter Schoͤnknechten ein wenig angelehnt gefunden wor - den; man hat ſich gewundert, iſt in ihr Loch hinabgeſtie - gen, um ſie zu wecken und hat erkennen muͤſſen, daß ſie todt ſei. Von dem Tage an iſt die Brauer-Lene zum erſten Male im Brauhauſe geſehn worden, und von dem Tage an iſt trotz aller Hexereien kein Bier mehr gerathen. Der alte Brauer iſt aus Kummer daruͤber erkrankt und geſtorben; einer ſeiner Soͤhne, ein ſehr geſchickter Brauer, iſt an ſeine Stelle getreten und hat auch nichts zu Stande gebracht als die Schwindſucht am eigenen ſonſt ſo ſtarken Leibe. Die Brauer-Lene iſt alle Tage magerer geworden und hat am Ende wie eine trockne Schindel mit rothen Raͤndern ausgeſehn. Man hat der Familie das Amt ab - nehmen muͤſſen, und ſie hat ſich zerſtreut in alle Winde — vom Tode der Lene haben ſich die wunderlichſten Sagen verbreitet, wohlunterrichtete alte Weiber aber ſagen, ſieLaube, dram. Werke. III. 218Einleitung.lebe heute noch und koͤnne nicht ſterben, bis die Mutter Schoͤnknechten ſich zum erſten Male im Grabe umwenden werde.
Wie abgeſchmackt dergleichen Dinge am heutigen lich - ten Tage erſcheinen, ſie wurden doch in mir lebendig, als ich, von einer Reiſe heimkehrend, das Meinhold’ſche Buch von der „ Marie Schweidler “auf meinem Tiſche fand und in das Leſen deſſelben hineingerieth. Wir koͤnnen ja doch die Eindruͤcke unſrer Lebensgeſchichte nicht verlieren, wie wenig auch eine ſpaͤter erworbene Bildung dazu ſtimmen mag. Sie gehoͤren zu unſerm Koͤrper, welchen keine Me - dizin oder Brunnenkur jemals ganz aͤndern kann, ſie ge - hoͤren zu unſern Anlagen, die niemals ganz uͤberbaut werden koͤnnen. Jedermann hat ſolch einen Punkt in ſich welcher Wahnſinn genannt wird, ſobald er ſich einmal unbekuͤmmert um die herrſchenden Grundſaͤtze ausbreitet und geltend macht. Wenigſtens wird, er fixe Jdee, wenn das Jndividuum paſſiver Natur iſt und nicht ſein Leben zum geſetzgeberiſchen Leben durchſetzen will, was eine ener - giſche Natur alle Zeit zu thun getrieben iſt.
So weit trieb es denn nun wohl die Hexen-Erinne - rung mit mir nicht, eben weil es nur eine ferne Erinne - rung ſein konnte. Jch hatte ja ohne Zuthun nur zuge - ſchaut und zugehoͤrt in fruͤher Jugend, ich hatte alſo nur Empfaͤnglichkeit, nicht aber ein Organ der Thaͤtigkeit dafuͤr. Ein einziges Mal im ſpaͤteren Leben hatte der kurioſe Ver - kehr mit der Geiſterwelt ein Pfoͤrtchen zu thaͤtiger Theil -19Einleitung.nahme fuͤr mich geoͤffnet. Das geſchah einmal im Fruͤh - jahr tief im Walde: Jch ſtrich mit dem Gewehr umher auf der Pirſch und hoͤrte aus einem tiefen Thale einen Schuß fallen. Auf einer Meile Rund wenigſtens durfte Niemand ſchießen in dieſem Forſte, der Schuß mußte alſo von einem Wilddiebe ausgegangen ſein, und ich ſchlich vorſichtig in das Thal hinab, eines Wildſchuͤtzens gewaͤr - tig, den ich uͤber Zerlegung des geſchoſſenen Thiers finden wuͤrde. Statt ſeiner fand ich einen Steinſprenger, der ſich mir bei laͤngerer Unterhaltung fuͤr einen Geiſterbeſchwoͤrer und Schatzgraͤber ausgab. Heutiges Tages begegnet Einem Dies nur noch in der Wildniß, dort nimmt ſich Dies aber ganz anders aus, und es machte mir denn auch wirklich einen Eindruck, als ich den ganz verſtaͤndigen Mann mit der ruhigſten Sicherheit von ſeiner Macht uͤber die Gei - ſterwelt reden hoͤrte. Er beſchrieb ſo genau, wie wir eine Reiſe beſchreiben, in welcher Weiſe und Geſtalt die Gei - ſter auf ſeine Beſchwoͤrung erſchienen, als dicke Nebel, bald grau, bald gelblich, bald ſchwaͤrzlich. Dazu nannte er ſie alle mit wunderlichen Namen und ſchien mit jedem einzelnen perſoͤnlich bekannt zu ſein. Jn Boͤhmen wollte er das Beſchwoͤren gelernt haben und behauptete ruhig, dieſe geheime Wiſſenſchaft werde noch durch die ganze Welt von einer verborgenen, eng zuſammenhaͤngenden Kette kundiger Leute betrieben. Er ſelbſt habe es nur bis zum zweiten Grade gebracht, und koͤnne noch keinen Schatz he - ben, weil er die Formel des dritten Grades nicht erlernt2*20Einleitung.habe. Geiſter wolle er mir indeſſen citiren ſo viel ich haben wollte, und wenn ich das wuͤnſchte, ſo werde er zum Abende des bevorſtehenden Pfingſtſonnabends auf’s Waldſchloͤßchen hinaufkommen, welches ich mutterſeelen allein bewohnte und welches ſehr geeignet ſei zu ſolchem Werke. Von den Wieſen und aus den hohen Fichtenbe - ſtaͤnden wuͤrden die Nebel praͤchtig aufſteigen und ſich zu Geſtalten mit langen Schleppen formiren, und durch die Fenſter und Ritzen hineinſchluͤpfen in mein Zimmer zwi - ſchen elf und zwoͤlf Uhr in der Nacht. — Nicht zwiſchen zwoͤlf und eins? — Nein, zwiſchen elf und zwoͤlf iſt die Geiſterſtunde! — Kurz, es wurde abgemacht zwiſchen uns. Er wollte vorher einmal hinkommen, und ein Paar Buͤcher bringen. Dabei fragte er mich, ob ich ihm ein gewiſſes Buch verſchaffen koͤnnte — er nannte den Titel — in dieſem ſolle die Formel des dritten Grades ſtehen. Jch verſprach, mich umzuthun und wir ſchieden.
Er kam richtig und brachte ein Paar alte Scharteken mit gemalten Geiſterkreiſen und betrieb unſer Werk mit ſolcher Ruhe und Ernſthaftigkeit, als ob es ſich um das Aufſchichten einer Klafter Holz handle. Dabei verſchwieg er indeſſen nicht, daß es ſeine Gefahr habe, wenn die For - mel nicht ſtark genug ſei oder man aus dem Kreiſe hinaus gerathe, denn die Geiſter ſeien grauſam.
Der Pfingſtſonnabend ruͤckte naͤher, und ich geſtehe offen, daß ich mich ganz gehoͤrig fuͤrchtete. Am Donner - ſtage indeſſen trat der Foͤrſter zu mir und fragte mich,21Einleitung.was ich denn mit dem Steinſprenger vorhaͤtte? Derſelbe ſei eben auf ein entferntes Revier beordert worden und habe eingewendet, daß er uͤbermorgen eine Arbeit fuͤr mich uͤbernommen. Ob dem ſo waͤre, und ob ich den Mann wirklich brauchte? — Aus innerer Scheu vor dem Aben - teuer beſtand ich nicht auf Freigebung des Steinſprengers, und ich hab’ ihn nicht wieder geſehen.
Er ſelbſt war alſo doch nicht zuruͤckgetreten und ver - traute alſo auf ſeine Macht! Das war ein Jahr vor dem Augenblicke geſchehn, da ich die „ Marie Schweidler “auf meinem Tiſche fand. Wer konnte alſo geneigter ſein als ich, auf die Hexengeſchichte dieſes Buches einzugehen! Man ſpielt ja ſo gerne mit dem Stolze der Aufklaͤrung, deren Epoche wir angehoͤren, wenn dies Spielen auf dem dunklen Hintergrunde der Hamletworte geſchehen kann: „ Es giebt Dinge zwiſchen Himmel und Erde, von denen ſich unſre Philoſophie nichts traͤumen laͤßt. “ Man laͤßt ſich gar ſo gerne auslachen von denen, welche die ganze ſichtbare und unſichtbare Welt als einen kleinen Knaͤuel von Kategorien auf der Zunge mit ſich herumfuͤhren zu jeder Zeit. Man macht ſo gerne gegen ſich ſelbſt Oppo - ſition. Jch wenigſtens muß von mir ſelbſt geſtehen, daß ich niemals an die Dauer und Fertigkeit der eben herr - ſchenden Anſchauungen glaube, und daß mir der Glaͤubige mit den eben beliebten Figuren ſeiner Phantaſie wie der Philoſoph mit der eben entdeckten Abſolutheit ſeiner Fol - gerungen gleichmaͤßig nur Gegenſtaͤnde der Curioſitaͤt22Einleitung.ſind. Die grell verſchiedenen Richtungen dramatiſch ge - gen einander in Bewegung zu ſetzen, das iſt ein Trieb, der aller Orten und Enden mich bewegt und leicht das Wunderlichſte und Verwirrendſte zum Vorſchein braͤchte, wenn man nicht nebenher ein wohlerzogener Staatsbuͤr - ger und Praktikant zu ſein und nur das Brauchbare zu veroͤffentlichen befliſſen waͤre. Jene Dialektik, welche ſich durch Perſoͤnlichkeiten und Handlungen bethaͤtigt und welche dem Autor ſelbſt unerhoͤrte Reſultate erzeugt, jene Dialektik des Schachſpiels mit Menſchen iſt ja der tiefſte Reiz dramatiſcher Thaͤtigkeit, ein Reiz, der nicht zu theuer bezahlt wird mit manchem Mißgriffe. Wer keinem Miß - griff ausgeſetzt ſein will, der verſchreibt ſich der Mittel - maͤßigkeit.
Jch bereue es auch deshalb ganz und gar nicht, daß ich mich den Spielereien der Phantaſie in Hexen - und Zaubergeſchichten einige Wochen wieder ſo lebhaft hin - geben konnte, als ob ich wieder ein Knabe neben dem alten Muͤtterchen, oder nur ein traͤumeriſcher Jaͤgersmann neben dem Koͤhler des Waldes waͤre. Was an dieſer Hinge - bung fehlerhaft war, das wird ſich bald zeigen, und es wird ſich auch zeigen, daß es von Vortheil iſt, uͤber den Grund und den Umkreis eines Fehlers auf’s Reine zu kommen.
Die Darſtellung einer Hexengeſchichte an ſich kann heute noch einen ſtarken und ſchoͤnen Reiz ausuͤben, das hat Meinholds „ Marie Schweidler “dargethan. Jn der23Einleitung.lebhaften Theilnahme an dieſem Reize uͤberſah ich nur, daß die Form den ſtaͤrkſten Antheil hatte an Erſchaffung dieſes Reizes. Meinholds Buch giebt ſich als treue Dar - ſtellung „ nach einer defecten Handſchrift des Pfarrers Abraham Schweidler in Coſerow auf Uſedom. “ Dieſer Paß oͤffnet ihm alle Thore. Man hat mich, verwundert uͤber meinen Mangel an Exegeſe, gefragt: aber haben Sie denn nicht an dieſem und jenem Zeichen gemerkt, daß es eine gemachte Chronik war? Darauf haͤtte ich ganz einfaͤltig zu erwidern: Nein! wenn ich nicht beizufuͤgen haͤtte: darum habe ich mich gar nicht gekuͤmmert! Die blanke Aechtheit oder Unaͤchtheit in Betreff der geſchicht - lichen Quelle war mir vollkommen gleichguͤltig, und ich muß auf alle Gefahr hin ſogar hinzufuͤgen, daß ſie mir dies unter ſolchen Umſtaͤnden immer iſt, daß mir das wirklich Geſchehene verhaͤltnißmaͤßig unwichtig iſt neben dem Wah - ren. Jch ſehe ſeit zwanzig Jahren Geſchichte entſtehen, und habe hinreichend erfahren, daß die einzelnen Wirklichkei - ten nicht nur unwichtig, ſondern ſogar neben der aus Mannigfaltigkeit entſtehenden Wahrheit geradezu unwahr werden koͤnnen, wenn man ſie realiſtiſch betont. Außer - dem aber bilde ich mir ein, von kuͤnſtleriſcher Natur zu ſein, und inſofern iſt es meine geringſte Sorge und Frage vor dem Reize einer Geſchichte, ob ſie geradeſo paſ - ſirt iſt wie ſie mir erzaͤhlt wird. Jede gut erzaͤhlte Ge - ſchichte iſt mir auch eine wahre Geſchichte.
Endlich glaube ich auch heute noch nicht, daß Mein -24Einleitung.hold die ganze Geſchichte erfunden habe, ſondern ich bin feſt uͤberzeugt, daß er Theile des Torſo vorgefunden und ſie im Style deſſelben zuſammengeſetzt hat. Das wird freilich ſchwer aufzuklaͤren ſein, wenn er ſelbſt daruͤber nichts mittheilen will, ſondern auf der wunderlichen Grille beharrt, durch ſolche Taͤuſchung und Enttaͤuſchung einen Beweis geliefert zu haben, daß die Zweifler an der Aecht - heit der Evangelien kein Vertrauen in Anſpruch nehmen duͤrften. Jeder natuͤrliche Verſtand entgegnet ihm, daß ja grade ſeine Taͤuſchung von vielen Leuten glaͤubig hinge - nommen, dadurch alſo von Neuem der Beweis geliefert worden ſei: man koͤnne recht wohl etwas kuͤnſtlich zuſam - menſetzen und fuͤr wirklich Erlebtes oder direkt Ueberlie - fertes ausgeben, ohne Augen - und Ohrenzeuge, ja ohne im Beſitz einer direkten Ueberlieferung geweſen zu ſein. Es iſt wohl nicht leicht wider Willen den Evangeliſten ein uͤbleres Kompliment gemacht worden, als mit dieſer Logik und in Achtung vor dem Talente Meinholds duͤrfen wir vorausſetzen, dieſe verneinende Wendung ſei nur der zweite Akt ſeines logiſchen Drama’s gegen die Rationali - ſten. Jm dritten, die Komoͤdie ſchließenden Akte wird er ſagen: Siehe da, Jhr habt denn auch die Verneinung wie - der kurzſichtig hingenommen. Sie erſchien blos, um die Nichtigkeit Eurer Kritik zum zweiten Male darzuthun; jetzt ward etwas fuͤr ein kuͤnſtliches Machwerk ausgegeben, es ward Euch ein Trug wahrſcheinlich gemacht, das war Etwas nach Eurem Sinn, und Jhr riefet: „ Freilich! frei -25Einleitung.lich! das hatten wir wohl gemerkt, Dergleichen iſt ja immer Machwerk! “ Jetzt erſt kommt die Aufloͤſung: die Ueber - lieferung von der Marie Schweidler iſt wirklich aͤcht, ich habe nur die auseinander geriſſenen Theile aneinander ge - fuͤgt. Da habt Jhr das mitſprechende Beiſpiel fuͤr alte Ueberlieferungen und fuͤr Eure Kritik!
Doch genug uͤber einen abſonderlichen Scherz, welcher die kritiſchen Leute laͤnger intereſſiren mag als die kuͤnſt - leriſchen. Dieſen wird Meinholds Buch unter allen Um - ſtaͤnden werth bleiben, und mich perſoͤnlich entzuͤckte es der - maßen, daß ich, erfuͤllt von lauter dramatiſchen Formen, nicht Raſt noch Ruhe hatte, bis ich es als Theaterſtuͤck vor mir ſah. Jch war mitten in der Abfaſſung des Stru - enſee begriffen, und alſo nicht nur nicht verlegen um ei - nen Stoff, ſondern im Gegentheil geſtoͤrt durch das bereits ausgebreitete Leben eines ganz andern Stoffes, welcher nach Erledigung ungeſtuͤm in meinem Jnnern pochte. Der Drang war ſo groß, daß ich weſentliche Uebelſtaͤnde, welche ſich meinem Verſtande aufdraͤngten, durchaus uͤberſehen wollte. Der Verſtand ſagte mir: der Hauptreiz in der „ Schweidlerin “ſind die naiven Ausbreitungen im Detail, ſind die leiſen Toͤne und Striche in der Charakteriſtik der Perſonen, in der Fuͤhrung der Begebenheit, und eine wich - tige Hilfe fuͤr den Hauptreiz iſt die alte Sprache! Das Alles geht Dir fuͤr’s Drama verloren, denn dieſes ver - traͤgt die Ausbreitung des Details, vertraͤgt die leiſen Wendungen, vertraͤgt die alte Sprache nicht, es fordert raſch26Einleitung.zum Ziele ſchreitende Handlung — umſonſt, ich war eben im Paroxismus, ich zwang den Struenſee nieder, ich ſchrieb in fuͤnf Wochen „ die Bernſteinhexe “und ſagte getroſt: Das ſoll und wird den meiſten Kritikern als alter Stoff und derbe Geſtalt nicht gefallen, aber es wird ein kraͤftiges Theaterſtuͤck ſein, welches ein tief nationales Thema deutſchen Lebens zur Anſchauung bringt, und welches auf eine ungeſchminkte Schilderung hiſtoriſchen Lebens Anſpruch machen kann.
Kaum war es beendigt und an einige Buͤhnen ver - ſendet, ſo ward angekuͤndigt, daß auch in Darmſtadt Herr Nodnagel mit Dramatiſirung dieſes Stoffes beſchaͤftigt ſei, ein Zeichen, wie nahe die dramatiſche Verſuchung gelegen. Uebrigens ſei beilaͤufig bemerkt, daß dieſes Stuͤck bei den Theatern kein Hinderniß fand, und daß es der Wiener Cenſur allein vorbehalten blieb, auch in dieſem Thema des Hexenprozeſſes einen Anſtoß und Anlaß zum Verbote zu entdecken: ein hoher Beamter (der Amtshaupt - mann) werde darin bloßgeſtellt!
Das Hamburger Stadttheater brachte die erſte Auf - fuͤhrung des Stuͤcks, und dort ſah ich es ſelbſt zum erſten Male auf den Brettern. Einer unſrer erſten Kuͤnſtler, Herr Grunert, hatte demſelben ſeine beſondere Theil - nahme zugewendet und die Rolle des Amtshauptmann mit derjenigen Sorgfalt und gruͤndlichen Umſicht ein - ſtudirt, welche ihm eigen ſind und ihn ſo vortheilhaft aus - zeichnen. Das Daͤmoniſche des Charakters reizte ihn zur Entwickelung all der feinen Wendungen im Vortrage und27Einleitung.Mienenſpiel, vermittelſt deren die aͤngſtliche Scheu des Zuſchauers geſteigert wird bis zu Furcht und Schrecken vor unterirdiſchen Gewalten. Er wurde vom Publikum durch wiederholten Hervorruf ausgezeichnet, und neben ihm wirkte das ſchoͤne Feuer der Entruͤſtung, welchem ſich Herr Hendrichs als Ruͤdiger mit hinreißender Natuͤrlich - keit hingab ſo hilfreich, daß die Vorſtellung uͤberſchuͤttet wurde mit aͤußeren Zeichen des Beifalls. Einen Augen - blick nur ſchien das Publikum vom Gange des Stuͤcks be - troffen zu werden: als Schweidler ſelbſt ſein Kind aufzu - geben ſcheint, um es zu retten. Dieſe Spannung wirkte zu peinlich, und nach Verlauf der halben Minute, welche ſie andauert und nach welcher ſie in’s Gegentheil aufge - loͤſ’t wird, brach das Publikum in neuen Beifall aus, gleichſam zum Ausdruck der Genugthuung. Jn dieſer guͤnſtigen Stimmung der Zuſchauer ward das Stuͤck zu Ende geſpielt und ward der endliche Tod Wittichs und der gluͤckliche Ausgang mit voͤlligem Jubel aufgenommen.
Die Wirkung war alſo nicht nur außerordentlich ſtark, ſondern ſie war auch dem Ausdrucke nach außerordentlich guͤnſtig geweſen beim Theaterpublikum, und in Betreff des Theaters ſelbſt hatte mich alſo meine Erwartung bei Ab - faſſung des Stuͤckes nicht getaͤuſcht. So iſt es auch bei allen Vorſtellungen auf andern Theatern geworden: der Theatererfolg iſt uͤberall guͤnſtig geweſen und was die Zeitungsberichte Gegentheiliges geſagt, das haben ſie ge - logen. Jch erinnere mich zum Beiſpiele, daß ein Bericht28Einleitung.in der Europa von der zweiten Vorſtellung des Stuͤckes in Berlin erzaͤhlte: am Schluſſe habe ſich keine Hand ge - regt und das Publikum ſei ſtill und mißvergnuͤgt hinweg - gegangen. Zufaͤllig bin ich ſelbſt zugegen geweſen, und habe geſehen und gehoͤrt, daß am Schluß der zweiten wie am Schluß der erſten Vorſtellung allgemein applaudirt und das ſpielende Perſonal in ſeinen Hauptvertretern ge - rufen wurde. Dieſe Nebenſache erwaͤhne ich nicht bloß, um in einer vergeſſenen Angelegenheit unnuͤtz zu wider - ſprechen, und auch nicht bloß um die Gewiſſenloſigkeit in Berichterſtattungen nachzuweiſen — was wuͤrde das hel - fen bei einem viel tiefer liegenden Uebel?! — Nein, ich erwaͤhne ſie, um auf den Eindruck zu kommen, welchen mir ſelbſt die erſte Vorſtellung in Hamburg gemacht hatte, und um beilaͤufig einen Fehler der Berichterſtatter, wel - chen ſie ablegen koͤnnen, einleuchtend zu ruͤgen. Jch bin naͤmlich weit entfernt, unwahre Berichte uͤber meine Stuͤcke immer nur perſoͤnlicher Feindſchaft und unlauterer Par - teiung zuzuſchreiben und ich habe bei dieſer Gelegenheit deutlich eingeſehn, wie ſolche Luͤgenberichte entſtehen. Das Stuͤck hatte dem Berichterſtatter ſelbſt mißfallen, und er war eitel und oberflaͤchlich genug, ſeinen Eindruck fuͤr den allgemeinen auszugeben — in der naͤchſten Zeile ſpricht er von der Wuͤrde oͤffentlicher Meinung, nachdem er ſie eben in Verlaͤugnung oͤffentlicher Thatſache miß - handelt hat. Solche Berichterſtatter haben zu lernen, daß getreue Darſtellung des Thatbeſtandes eine Pflicht29Einleitung.und Kunſt an ſich iſt und eben ſo viel nuͤtzt als die bei - gefuͤgte Kritik, wenn dieſe Kritik einſichtig iſt. Falſche Berichte verwirren unſer Theaterweſen mindeſtens eben ſo als ſchiefe Kritiken, denn ſie verfaͤlſchen die Urtheils - ſpruͤche des großen Publikums, deren Kenntnißnahme fuͤr die Entwickelung des Theaters mindeſtens eben ſo wichtig iſt als die Kenntnißnahme des Urtheilsſpruches, welchen der Einzelne faͤllen zu muͤſſen glaubt.
Und warum glaub’ ich ſo bereitwillig, daß mein Stuͤck einem luͤgenhaften Berichterſtatter mißfallen haben muͤſſe? Weil es mir ſelbſt in der Auffuͤhrung nicht gefallen hatte.
Tieck hat ein ſehr richtiges Wort geſagt: das Stuͤck ſei zu grauſam. Und dabei hat er nicht einmal wie ich zu meinem Schrecken mit angeſehn, daß eine Dame inmitten der erſten Vorſtellung in Hamburg ohnmaͤchtig wurde. Solche Wirkungen ſind keineswegs wuͤnſchenswerth.
Dieſe Grauſamkeit iſt es aber nicht allein, welche mir meine eigne Arbeit verleidete. Mich peinigte noch ein an - derer Fehler, ein Fehler, welchen die herkoͤmmliche Kri - tik wahrſcheinlich einen Vorzug nennen wuͤrde, mich pei - nigte die hiſtoriſche Treue. Die Kunſt des Theaters iſt nicht dazu vorhanden, bloße Portraits von geſchichtlichen Perſonen und Zuſtaͤnden zu geben, nein, ſie iſt eine ganz beſtimmte und abgegrenzte Ueberlieferung der Vergangen - heit an die lebendige Gegenwart, ſie hat die Vergangen - heit nicht als einen Leichnam voruͤberzutragen, nein, ſie hat ihn mit dem Hauche der Gegenwart zu beleben. Das30Einleitung.ſoll ſie nicht thun bei Perſonen und Zuſtaͤnden, welche den Hauch der Gegenwart abſolut nicht vertragen wuͤrden, ohne entſtellt zu werden, ſie ſoll die Geſchichte nicht ver - faͤlſchen, nein, aber ſie ſoll eben deshalb ſolche mit der Gegenwart unvertraͤgliche Perſonen und Zuſtaͤnde nicht waͤhlen fuͤr das Theater. Sie ſoll nur ſolche waͤhlen, welche in beſtimmten Nerven fortleben bis in die Gegen - wart, und an dieſe fortlebenden Nerven ſoll ſie die Wie - dergeburt der Vergangenheit knuͤpfen. So nur ent - ſteht wirkliches Leben in hiſtoriſchen Dramen. Einen Hexenprozeß getreulich auf die heutige Buͤhne bringen iſt eben ſo ſehr ein Mißgriff, als Karl dem Fuͤnften prote - ſtantiſchen Liberalismus in den Mund legen. Der Hexen - prozeß iſt durch keinen Nerv mehr mit unſrer Zeit ver - knuͤpft. Das hatte ich uͤberſehn in meiner Liebhaberei fuͤr wunderliche oder wunderbare Erſcheinungen und Geheim - niſſe. Anderes Geiſter - und Geſpenſterthum mag noch mit uns zuſammenhaͤngen und wird wohl dem Menſchenthume, welches ſo viel Veranlaſſung und ſo wenig Auskunft er - haͤlt, immer bis auf einen gewiſſen Grad lebendig bleiben, vielleicht auch das Hexenweſen ſelbſt mit ſeinen lockenden und ſchreckenden Geheimniſſen der eigenthuͤmlich maͤchti - gen Perſoͤnlichkeit — aber der Hexenprozeß ſelbſt nicht. Er iſt nur ein brutales Anfaſſen der geheimnißvollen Per - ſonen, wie es eben nur eine beſtimmte rohe Zeit mit ſich brachte, welche dem Henker uͤberantwortete was ihr un - verſtaͤndlich blieb; er iſt nur ein Akt, welchen die Aufklaͤ -31Einleitung.rung zwar nicht aus unſerm Gedaͤchtniſſe aber doch aus unſerer Auffaſſungsweiſe geſtrichen, ein Akt, welcher in keinen Nerven mehr fortlebt. Wird er auf’s Theater ge - bracht ſo kann er wohl durch die ihm inwohnende Furcht - barkeit und durch eine ſpannende Technik des Stuͤckes Furcht und Schrecken im alltaͤglichen Sinne, alſo auch Jntereſſe in trivialer Bedeutung des Wortes erregen, er kann alſo ganz wohl einen lebhaften und ſcheinbar guͤn - ſtigen Theatererfolg erringen, aber Furcht und Schrecken im hoͤheren Sinne erregt er nicht, denn er iſt kein Ergeb - niß einer bedeutenden ſondern nur einer rohen Weltan - ſchauung, er erregt alſo eigentlich Empoͤrung unſrer beſſe - ren Faͤhigkeiten, und deshalb iſt er als Mittelpunkt eines Theaterſtuͤcks aͤſthetiſch zu verwerfen.
Das war der Grund meines Mißbehagens beim Zu - ſehn geweſen, und als ich mir hinterher entwickelte, wo - her dieſes Mißbehagen gekommen ſei, da entwickelte ſich mir das obige Raiſonnement. Die berichterſtattende Kri - tik hat mir leider nicht dazu verholfen, ſie zaus’te nur an den Symptomen des Grundes.
Warum dann aber, kann man fragen, das Stuͤck noch drucken laſſen und den Leſern aufnoͤthigen? Ei, was ich da gegen mein Stuͤck vorgebracht, das gilt dem Theater - ſtuͤcke, dem durch Fleiſch und Blut und durch den ganzen ſceniſchen Apparat bis zur Taͤuſchung lebendig gemachten Stuͤcke, und nur dieſem. Nur die Buͤhne hat der Ge - ſchichte gegenuͤber ſo empfindliche Nerven, nur ſie iſt trotz32Einleitung.aller Verhuͤllungen innerlich ſo ganz und gar Gegenwart, daß ſie nichts Todtes verwerthen kann. Denn ſie iſt nicht allein und unnahbar wie das Buch. Sie ſteht in unmit - telbarem Zuſammenhange mit dem Publikum. Jeder Pulsſchlag, den ſie thut, weckt auf der Stelle ein ent - ſprechendes Leben und, was die Hauptſache iſt, ein han - delndes, ein entſcheidendes Leben im Publikum. Sie ge - biert alſo ſofort lebendige Mißgeburten, wenn ſie eine Handlung aus wirklich uͤberlebter Vergangenheit ent - wickelt.
Das Buch hat einen ganz andern Wirkungskreis, denn es macht nicht den Anſpruch, ein unmittelbares, unabweisliches Leben zu ſein. Zwiſchen dem Buche und dem Leſer bleibt eine hundertfaͤltige Vermittelung offen, ſelbſt eine ergiebige Vermittelung, wenn Buch und Leſer einander gar nicht gefallen.
Aus ſolchen Gruͤnden hab’ ich ſelbſt meinem Stuͤcke das weitere Theaterleben abgegraben, indem ich nach er - lebter eigner Anſchauung vielen Directionen abrieth, das Stuͤck aufzufuͤhren; aus ſolchen Gruͤnden nehm ich aber auch gar keinen Anſtand, das grauſame Stuͤck als Buch dem Leſepublikum vorzulegen. Das wuͤrde ich thun, auch wenn ich nicht zahlreiche Beweiſe haͤtte, daß kundige Lite - raten nach der Lectuͤre des Manuſcriptes von jenen Feh - lern des Theaterſtuͤcks ganz und gar unberuͤhrt geblieben waren und mir dadurch ein Zeugniß geliefert hatten, daß33Einleitung.ſich die geruͤgten Umſtaͤnde eben in der Lectuͤre ganz an - ders ausnehmen.
Aus ſolchen Gruͤnden endlich moͤge Herr Grunert mir die Verſicherung geſtatten, daß ich bei der Widmung des Buches gehofft habe, etwas Jntereſſantes an ſeinen Na - men zu knuͤpfen. Die Widmung ſoll oͤffentlich von mei - ner Dankbarkeit zeugen fuͤr die thaͤtige Hingebung des aus - gezeichneten Schauſpielers an ein neues Drama, deſſen Theatergeburt uns ſo lebhaftes Geſpraͤch, ſo mannigfaches Jntereſſe bereitet hat, und deſſen Theaterleben er heute noch mit liebenswuͤrdiger Hartnaͤckigkeit gegen mich ſelbſt in Schutz nimmt. Moͤge er als ſtrenger Vertreter des Schauſpiels nicht ſchelten, wenn ich ſchließlich gerade her - aus ſage, daß das folgende Schauſpiel — eine Oper wer - den mußte. Die Muſik verhuͤllt und verſoͤhnt Alles, auch die unbegreifliche Vergangenheit.
Erregten Augen und Ohren iſt der Aberglaube immer bereitwillig: wie ein unerkennbarer Nachtvogel hat er mir mit lautloſem Fluͤgelſchlage um dies Stuͤck geſchwebt. Jn Berlin fand ich zur Darſtellerin der Bernſteinhexe ein ſchoͤnes, blondes Maͤdchen, ſanft und liebenswuͤrdig ganz und gar, welches auf den Proben eine wunderbare Hin - gebung zeigte an den Charakter dieſer raͤthſelhaften, ge - peinigten Marie, und welches durch ſolche Jnnigkeit und Anmuth die Vorſtellung ſo gefaͤllig machte, daß man den Schauer uͤberwinden und Beifall ſpenden konnte. Kein Menſch hielt dieſes Maͤdchen fuͤr krank, und als ſie ſichLaube, dram. Werke. III. 334Einleitung.nach der zweiten Vorſtellung unwohl fuͤhlte und die dritte deshalb aufgeſchoben werden mußte, da dachte Niemand was Arges. Dieſes Maͤdchen war Adolphine Neumann, die Schweſter der ſo grazioͤſen Kuͤnſtlerin Louiſe Neumann, die Tochter der mit Recht ſo beruͤhmten Luſtſpielzauberin Frau Neumann-Haizinger, das dritte liebliche Blatt die - ſes reizenden Kleeblatts am deutſchen Theater. Und mit den Phantaſieen der Marie Schweidlerin legte ſich Adol - phine Neumann auf’s Krankenlager und verließ es nicht eher wieder als bis man ſie hinausfuhr zum Grabe, eine wunderſchoͤne Leiche.
Das hatte mir einen ſchauerlichen Eindruck gemacht, und ich hatte mein Stuͤck nicht mehr angeſehn oder geleſen bis jetzt, da mir der Verleger ſchrieb, es harre der Druck meines dritten Dramas.
Herrn Carl Grunert Mitgliede des K. Hoftheaters zu Stuttgart gewidmet.
Amtshauptmann auf Uſedom.
deſſen Pflegeſohn.
Conſul der Stadt Uſedom.
Pfarrer in Coſerow.
Muͤllerburſch.
Buͤttel in Pudagla.
Pfarrer Schweidler’s Tochter.
deren Magd.
aus Uſedom.
Ort der Handlung: Die Jnſel Uſedom. Die erſten zwei Akte im Pfarrhauſe zu Coſerow, die letzten drei Akte auf dem Schloſſe Pudagla; die letzten Scenen des letzten Aktes auf dem Streckelberge an der Oſtſee bei Pudagla und Coſerow. Zeit der Handlung: Ende Auguſt 1630.
’Sie hat’s verſchuͤttet, ſonſt waͤr’ ſie lang’ wieder da!
Die Sonne geht zu Ruͤſte, da helfen die guten Geiſter weder Menſchen noch Vieh!
Marie!
Die Jungfer iſt noch nicht wieder ’rein!
Wo bleibt ſie denn?
Je Herr Gott, die alte gluderaͤugige Kolken-Lieſe hat ſie fortgeſchleppt, weil ihr die rothe Kuh gefallen iſt, und die Jungfer ſie beſprechen ſoll!
’s iſt aber vorbei mit dem Beſprechen!
Die Kolken-Lieſe?
Ja!
Jch hab’ aber doch der Marie geſagt, ſie ſolle ſich mit dem Weibsbilde nicht mehr einlaſſen: ’s iſt ’ne Hexe!
Hab’s auch geſagt, aber die Jungfer hat ihren Kopf aufgeſetzt und ſpricht: Hexe oder nicht, geholfen muß wer - den! — fuͤr ſich — und kann doch nicht mehr helfen!
Das kleine Buch auf dem Tiſche brauch’ ich, fix!
Gleich!
Jch will noch in die Luft hinaus!
Hier!
’s iſt mir wie ’n Ungluͤck, das ſich auf’s Dach ſetzte — die graue Kraͤhe ſchreit draußen auf dem Birnbaum gar ſo erbaͤrmlich!
Jlſe!
Herr Jeſ’!
Schrei ſie nicht ſo einfaͤltig, ’s iſt bloß der Birkhahn!
Dummer Muͤller, was huſcht er ’rum wie ein Froſch! Was will er denn? Der Herr Pfarr wird gleich ’raus kommen und wird ihm die Wege weiſen, ihm Naſeweis!
Kommt er gleich!
Freilich! Er will an die Luft gehn, hat ſich krumm geſeſſen — morgen iſt Sonntag und Predigt, und er ſagt, Kopfarbeit mache trocken — mach er, daß er fortkommt, Zabel, er weiß wohl, daß der Herr Pfarr ’nen Zahn auf ihn hat!
Weiß.
Jch weiß auch warum!
Den Teufel auch, Jlſe, weißt Du!
Gott behuͤt’ uns! Jmmer iſt der Gottſeibeiuns ſein drittes Wort!
Jlſe! merken wir’s denn nicht einen Augenblick vor - her, eh’ er heraustritt? — Jch bin wie ein Wieſel ’naus und um die Ecke —
Na, manchmal ſchlaͤgt er’s Fenſter zu und ruͤckt den Stuhl auf die Seite — aber was hat er denn hier zu ſuchen, Zabel, na! Meint er mich?
Ne.
Grobian.
Die Jungfer moͤcht’ ich ſprechen!
Das glaub’ ich! Pack er ſich fort! Der Herr Pfarr ruͤckt den Stuhl!
Hab’ gute Ohren, Jlſe!
Lange Muͤllerohren!
Grobheit hilft nicht gegen meine Neuigkeiten, Jlſe!
’s werden ſaubre Neuigkeiten ſein!
Nein, unſaubre ſind’s
Na —?
Der Amtshauptmann iſt eben in’s Dorf ’rein geritten.
Der bringt uns ſein Lebtag kein Gluͤck.
Dafuͤr iſt er auch nicht Amtshauptmann! Ungelegen - heit bringt er; der Wulf iſt bei ihm —
Der Taugenichts!
Macht zwei Taugenichtſe!
Nimm Dich in Acht, Zabel!
Nehmt Jhr Euch nur in Acht! Bei der Schmiede druͤben neben unſrer Muͤhle hielten ſie, weil dem Schim - mel ein Eiſen klapperte, und waͤhrend der Schmied nagelte und ein Regenſchauer klatſchte, trat der Herr Wittich unter unſer Schauerdach, und ich kuckte eine Elle uͤber47Die Bernſteinhexe.ihm aus dem Taubenloche, hinter dem er keinen Men - ſchen vermuthete. Und da hoͤrt’ ich Alles. Wulf! ſchrie er, laß den Geſellen Schimmels Bein halten und komm her! Und nun ſchalt er ihn, daß er hier im Pfarrhauſe noch immer nichts ausgerichtet bei der Jungfer, und ſagt’ ihm, er wuͤrde ihm fuͤr alte Suͤnden den Hals umdrehn laſſen, wenn die Jungfer Marie nicht binnen 48 Stun - den druͤben bei ihm waͤre in Pudagla —
Ach Du mein Jeſu!
Heul ſie nicht! Der Herr Wittich kann auch nicht Alles, und wir ſind auch noch da!
Das iſt was Rechts!
Und der Junker von Mellenthin?
Na der fehlte noch dazu!
Wie der Bock zum Gaͤrtner?! Das iſt, Gott ſtraf’ mich, richtig. Aber der Junker iſt wenigſtens brav. — Na, und nun ſprach der Wittich von der Kolken-Lieſe, mit der er fruͤher ſein Weſen gehabt hat —
Der Herr Pfarr kommt!
Komm an die Birken, wenn’s ſchummrig wird, ich werd’ Dir auserzaͤhlen —
Jlſe!
Ja!
Wirſt Du kommen?
Wo iſt denn mein Stock, Jlſe?
Hat das verdammte Schloß zugeſchnappt! Das iſt mein Treffer!
Er wird wohl wieder unter dem Riechkraut ſtehn, die Jungfer ſtellt ihn immer dahin — richtig!
’s iſt ein poetiſch Weſen das Kind!
Ja, ſie hat leider ihr Weſen!
Was?
Wird’s zeitig genug erfahren.
Nix!
Sie ſoll mir auf den Streckelberg nachkommen, ’s iſt ein ſchoͤner gottſeliger Auguſtus-Abend, und die See wird goldig ſchimmern — hoͤrſt Du?
Ja doch!
Warum biſt Du denn ſo verdrießlich? — Hoͤre, gieb Acht, ich hab’ geſehn, daß der Junker Ruͤdiger da druͤ - ben in den Straͤuchern mit dem Schießgewehr ’rum kriecht. ’s ſieht aus, als wollt’ er junge Haſen ſchießen, aber ’s kommt mir ſchon lange vor, als pirſcht’ er am Liebſten hier herein! Daraus kann kein Segen ſprießen —
Wo kaͤm’ der Segen her!
Ein Junker und ein Pfarrkind paſſen ſo wenig zuſam - men wie Sperber und Taube, und wenn der Herr Wit - tich davon merkt, der mir ohnedies ein abholder Mann und uͤberhaupt kein gottesfuͤrchtiger Mann iſt, ſo entſteht nur neues Aergerniß.
Als ob’s dran fehlte.
Schick’ alſo Marien gleich hinter mir drein, wenn ſie kommt, damit ſie nicht allein zu Haus betroffen werde — warum ſteht denn der Seiger ſtill?
Gott weiß! Das iſt der Jungfer Sache; es ſtockt aber jetzt allerwegs und giebt lauter ſchreckliche Zeichen!
Das Kind wird wirklich wunderlich. (Er betrachtet den Seiger und ſieht unter dem Fenſterfluͤgel Birkhahn’s Beine. Erſchreckt tritt er einige Schritte zuruͤck.) Alle guten Geiſter, da iſt wohl ein Stuͤck Teufel herein gefahren!
Ach Herr Jeſus, da geht’s los!
Beelzebub, weiche!
Ach die verlorne Jungfer, da iſt der Teufel ſchon im Hauſe!
Das iſt mein Treffer!
Beelzebub, weiche! — Er weicht nicht! — Hol’ mir51Die Bernſteinhexe.das Buͤchelchen wieder heraus, und das Tintenfaß, daß ich ihn banne!
Ach mir hat er die Beine feſtgenagelt, der Satan, ich kann nicht von der Stelle.
Mit Euren Teufeleien macht Jhr einem ſelber Angſt, und mit dem Tintenfaß obendrein.
Was? der nichtsnuͤtzige Muͤller-Zabel?!
Der Kerl iſt noch hier?!
Was macht er hier? Will er ſtehlen?
Ach was, ich ſoll wohl die Jlſe ſtehlen! Die koͤnnt’ ich umſonſt haben!
Du Luͤgenmaul!
Sprich, gottloſer Bube, was machſt Du hier?
Gottlos bin ich nicht, wenn ich auch Euer Teufels - zeug nicht glaube! und ich wollt’ Euch ſagen kommen,4*52Die Bernſteinhexe.daß Jhr Eure Jungfer in Acht nehmen ſolltet! Das dumme Volk im Dorfe ſteckt die Koͤpfe zuſammen, weil ſie dem kranken Vieh nicht mehr helfen kann, und ſie wiſcheln und ziſcheln ſchon die ſchlimmſten Dinge, und die alten Weiber klatſchen: ’s waͤr’ vorbei mit der Jungfer ihrer Kraft, und der Teufel ſteckte ſchon dahinter! Es ſteckt aber nichts dahinter als die Kolken-Lieſe, die ſich ihr Handwerk nicht verderben laſſen will durch die Jungfer, und wenn der Herr Pfarr dem Dinge nicht ein Ende macht, ſo wird er das ganze dumme Bauernvolk auf den Hals kriegen, und die Jungfer wird Schaden nehmen! Und das hab’ ich ihm ſagen wollen, und hab’ mir’s nicht getraut, weil die dumme Jlſe gethan hat, als wuͤrdet Jhr mich freſſen, und deshalb hab’ ich mich fix verkrochen, als das alte Thuͤrſchloß im unrechten Augenblick zugeſchnappt war, und das iſt die ganze Teufelei, Herr Pfarr, und deshalb bin ich noch nicht gottlos!
Gottlos iſt er doch, weil er nichts Rechtes glaubt — zieh’s Schloß wieder auf, Jlſe, ich muß an die Luft, mir iſt ſchlecht zu Muthe.
Wenn er nur nicht ſo grob waͤre, Zabel, und nicht ſo unglaͤubig, ſo haͤtt’ er ſchon recht mit der ganzen Ge - ſchichte. Aber der Jungfer iſt nicht mehr zu helfen, und das nimmt ein Ende mit Schrecken!
’s iſt wohl nicht moͤglich?! Sie wird wohl fuͤr den Schrecken ſorgen durch ihr Geſchrei, Sie Kirchendohle!
Jſt der Vater nicht da?
Richtig, da kommt ſie ſchon durch die Hinterthuͤr herein!
Wo iſt er denn?
Nach dem Streckelberge; die Jungfer ſoll ihm nach kommen.
Jch kann jetzt nicht — die Leute ſchreien hinter mir her!
Na da haben wir’s!
Aber friſche Luft brauch’ ich!
Ach, Gott ſei Dank!
Mach Sie doch der Jungfer einen friſchen Milchtrunk zurecht mit ſtarkem Gewuͤrz; ſie braucht was gegen den Schreck.
Freilich braucht ſie was!
Ach, Du biſt’s, Zabel! Gruͤß Dich Gott!
Und Euch helf Gott, Jungfer!
’s thut Noth, Zabel!
Jch mag Euch nicht ſchelten, aber geſagt hab’ ich’s Euch von fruͤh auf, Jhr ſolltet Euch nicht mit den Bauer - kunſtſtuͤcken einlaſſen; ſie nehmen immer ein ſchiefes Ende.
Du haſt aber auch Dein Lebtag nichts davon ver - ſtanden!
Das iſt auch richtig, ich war immer ein Holzklotz —
Und was fuͤr einer!
Um hart’ Holz drauf zu hacken.
Wie wir Verſteckens ſpielten, und Du von der Eiche ’runter fielſt, und das Blut ſtromweiſe von Dir floß, half’s nicht gleich, als ich’s verſprach und meine Hand drauf legte?
Ja, Jhr hattet immer eine gluͤckliche Hand; aber Jhr habt’s uͤbertrieben. Einem Menſchen, der Einen lieb hat, was Wunderbares anthun, das mag wohl geſchehen koͤn - nen, aber jedem Bauer und Ochſen, dem ganzen Coſero - wer Rindvieh zu helfen, nein, das geht uͤber die Natur!
Wiſſen wir denn, wie weit die Natur geht?
Na freilich wiſſen wir das!
Das wiſſen wir nicht!
Da ſteckt eben Euer Hochmuth.
Sei nicht garſtig, Zabel, ’s iſt nicht eitel Hochmuth. Jch bin dazu gekommen, wie man zum Wachsthum kommt. Man waͤchſt groß und man weiß nicht wie! Weißt Du noch, wie meine Mutter noch lebte, und wie uns draußen am Schmollen-See unſre bunte Kuh ploͤtzlich niederfiel?
Ob ich’s noch weiß!
Na, ich macht’ es zum erſten Male, wie ich’s von der Mutter geſehn hatte: ich zog der bunten Kuh drei Haare aus dem Schweif, ſprach ein Vater unſer druͤber und vergrub ſie, und ſtrich dann die Kuh vom Genick bis auf den Schweif mit der linken Hand, und was ge - ſchah?
Die bunte Kuh ſtand auf, und war friſch und geſund, das iſt richtig.
Siehſt Du, das war auch Natur, aber eine Natur, die wir nicht kannten.
Das iſt eben der Fehler dran — und was ſoll denn nun draus werden? Jetzt hilft’s nicht mehr, und Eure Hand iſt nicht mehr gluͤcklich, und die Bauern munkeln das niedertraͤchtigſte Zeug —
Sie ſchreien’s ſchon laut auf der Gaſſe! Zabel, ich hab’ jetzt druͤben bei der Kolken-Lieſe Dinge hoͤren muͤſ - ſen, daß mir die Haut ſchauert. Jch glaub’, ich krieg eine Krankheit!
Das waͤr’ noch’s Geringſte. Aber nun kommt noch der Wittich dazu, der Euch Tag und Nacht nachſtellt, und dem die Kolken-Lieſe Alles zu Gefallen thun muß, und der mit den Bauern umſpringt, wie der Wolf mit den Scha - fen — ’s ſollt’ mich arg verwundern, wenn der nicht einen ſiedend heißen Brei zuſammen ruͤhrte —
Der Wittich? Ach nein, der hat mich gern.
Nur allzu gern. Eben deswegen.
Meinſt Du? Garſtig begehrliche Augen hat er, der Wittich!
Und was er begehrt, das gebt Jhr ihm nicht —
Herr Gott nein! es ſchauert mir, wenn ich dran denke!
Aus dem alten Pudagla kommt doch nichts als Schwe - renoth!
Willſt Du wohl ſolche Dinge ſprechen, Birkhahn!
Herr Gott, der Junker!
Der fehlt noch! Das iſt wieder mein Treffer!
Laßt Euch nicht ſtoͤren, Jungfer! Wuͤnſch’ Euch einen guten Abend, und ſaͤh’ es gern, wenn Jhr ſitzen bliebt, wie Jhr geſeſſen,
— Jhr ſeht ſo allerliebſt ehrwuͤrdig aus in dem alten Backenſtuhle!
Jmmer ſpotten!
’s waͤr vielleicht beſſer, wenn ich ſpotten koͤnnte — ich trachte einem Wolf nach, der hier um den Streckelberg ſchleicht. Die Luft iſt trocken und da bin ich einen Augen - blick eingetreten, um von der Jungfer einen friſchen Trunk zu erbitten.
Je, mehr als einen!
Bitte, bleibt im Großvaterſtuhle! Birkhahn, hol’ mir ’nen Krug Waſſer!
Laß Dir von der Jlſe den Milchtrunk geben, mir iſt beſſer.
Das ſeh’ ich; und damit’s nicht noch beſſer wird, will ich den Herrn Pfarr holen!
Was knurrſt Du? — Was hat denn der Birkhahn gegen unſer Pudagla?
Er fuͤrchtet ſich vor Herrn Wittich.
Das thun alle Leute!
Warum iſt er auch ſo ſchlimm!
Na er iſt eigen und ſtreng und iſt verwoͤhnt. Hat zu lange ſchon Uſedom beherrſcht, das verdirbt ſchon ein Wenig. Mir hat er doch alles Gute angethan, ſeit er mich nach meiner Eltern Tod von Mellenthin heruͤberge - nommen, und das iſt doch ein gut’ Zeichen, was hat er von mir?
Einen ſtattlichen Sohn. Das lohnt doch der Muͤhe, da er ſonſt nicht Kind noch Kegel beſitzt.
Ach geht, Marie, das iſt ſonſt nicht Eure Art, eine gute Handlung zu verkleinern —
Das moͤcht’ ich auch um Nichts in der Welt, aber —
Doch ein Aber?
Ja, er iſt doch garſtig gegen alle anderen Menſchen und gegen meinen Vater und gegen den lieben Gott!
Was weiß denn Hinz, wie Kunz mit dem lieben Gott ſteht. Mit dem hat Jeder ſeine eigne Liebſchaft, und die Zuſchauer koͤnnen’s nicht beurtheilen.
Ja, wenn Herr Wittich nur den lieben Gott liebte, da waͤr’s ſchon recht!
Wie naͤrriſch! Ein ſo kluger Mann als Wittich, ein Mann, der in Natur und Kunſt ſo erfahren iſt, wie kaum ein Zweiter im Pommernlande, und ſoll die Groͤße Got - tes verkennen. Gott nicht zu lieben, iſt ja nicht blos Nichtswuͤrdigkeit, es iſt ja auch Dummheit.
Das mag wohl ſein, aber die Diener Gottes mißhan - delt er, das weiß ich gewiß. Damals, eh’ der Schweden - koͤnig heruͤberkam uͤber die See, und als die Kroaten ganz Uſedom aufgegeſſen hatten, als wir vor Krieg und Peſti - lenz von Brombeeren leben und Tannenrinde fuͤr Brod anſehen mußten, damals hat er’s gezeigt, daß er nicht62Die Bernſteinhexe.gottesfuͤrchtig und brav ſei. Damals ließ ihn der Vater um ein wenig Brot und um einen Kelch Wein fuͤr den Al - tar bitten, denn die armen Leute ſchmachteten noch mehr nach geiſtlicher Speiſe als nach weltlicher. Und was gab er der Jlſe fuͤr einen Beſcheid? Der Pfarr ſollte ſeine Schafe aus einem Waſſereimer traͤnken, wie er’s auch thaͤte! War das etwa nicht gotteslaͤſterlich?
Nun ja, gegen die Kirche iſt er immer barſch!
Und nun vergiebt er’s nimmermehr, daß der Vater von der Kanzel ein Wenig drauf geſcholten hat, iſt das brav und gut?
Nein, das iſt’s nicht. Aber der Trunk wird heißer eingeſchenkt, als man ihn trinkt —
Warum nicht gar heiß! Kalt iſt der Trunk, geſtrenger Herr Junker!
’s iſt gut, ’s iſt gut, Jlſe.
Wo ſoll ich denn ſpinnen, Jungfer?
Draußen, Jlſe, draußen!
So?
Wißt Jhr wohl, Jungfer, daß mit der damaligen Lan - dung des Koͤnigs von Schweden auch mein Lebensſchiff - lein zum erſten Male froͤhlich gelandet iſt?
Nun, wie denn? Jhr habt wohl wieder ſchalkhaft Zeug im Sinne!
Ei, ei! als ob ich leichtſinnig waͤre!
Nicht doch, Jhr ſeid gar ehrwuͤrdig mit Euren 24 Jah - ren und Eurem gekraͤuſelten Barte, hoͤchſt ehrwuͤrdig, Herr Junker von Mellenthin!
Nicht wahr? Da habt Jhr’s; dies geſetzte Weſen ſchreibt ſich von jenem Landungstage her!
Das waͤre!
Als ich von der hohen Schule in Wittenberg heim - kehrte und Eurem Vater druͤben im Mecklenburgiſchen bei Guͤſtrow begegnete, da hatte ich noch aͤußerſt leichtes Blut und eine aͤußerſt leichte Zunge; Alles an mir war ſchnell wie der Wind zu allerlei Thorheit —
Wie die Geſchichte bezeugt mit dem Galgengeſpenſte bei Guͤſtrow!
Mit dem Schuſter Schwelm, der Geſpenſter ſpielte, richtig. Na, ſo gar thoͤricht war das nicht, ſie riß ein großes Loch in den einfaͤltigen Geſpenſterglauben, und ſie brachte mich Abends ſpaͤt hierher in’s Pfarrhaus, und ich ſah eine ſchoͤne Jungfer zum erſten Male!
Ja doch, hattet ſie genug geſehn, eh’ Jhr nach Witten - berg gingt!
Die Schweidler Marie, ja, aber Jungfer Marie Schweidler ſah ich zum erſten Male, wie ſie an dieſem Tiſche beim Lampenlicht in dieſem großen Buche las —
Jm Ovidius Naſo!
Und wie ſie den Herrn Vater in lateiniſcher Rede be - gruͤßte!
Ach bin ich damals erſchrocken bis in’s Herz hinein! Auf Nimmerwiederſehn wart Jhr fort, und ſtandet auf einmal vor mir mit der luſtigen rothen Feder am grauen Hut! Und ſpaͤt am Abend, und der Vater hatte unbedacht Euch eingeladen, hier zu uͤbernachten!
Sehr unbedacht!
Ja wohl, denn die ſchwere Kriegszeit war kaum vor - uͤber, und wir hatten keine Betten.
Habe aber doch ein ſehr gutes Bett gekriegt damals —
Ja, das ſagtet Jhr am andern Morgen, als wir zu - ſammen fruͤhſtuͤckten — ich hatte aber gar unruhig geſchla - fen im Bett der Jlſe!
Jm Bett der Jlſe, ſo? Nun begreif’ ich, daß ich gleich in der erſten Nacht verzaubert worden war und immer wieder kommen mußte nach dem Pfarrhauſe in Coſerow. Es war mir angethan worden!
Wollt Jhr wohl ſtill ſein! Jhr glaubt ja an keine Zauberei.
Je nachdem ſie iſt! Jetzt muß ich wohl!
Jſt das Euer geſetztes Weſen, von dem Jhr anfingt?
Freilich! Mit dem 29. Juni begann es. Wißt Jhr noch?
Ob ich’s weiß! ’s war der ſchoͤnſte Dienſtag meines Lebens!
O der Montag, eh’ der Koͤnig landete, war auch nicht zu verachten. Wir ſaßen draußen auf der Altan - bank, und Jhr naͤhtet Euer ſeiden Kleid —
Das himmelblaue mit gelbem Schurzfleck; morgen zum Sonntage zieh’ ich’s wieder an!
Das waͤre!
Und das gelbe Schultertuͤchlein dazu, und die genetzte gelbe Haarhaube, eitel Blau und Gelb zu Ehren der ſchwe - diſchen Farben! ’s hat mir damals viel Schmeichelreden gekoſtet, eh’ mir der Vater das Zeug dazu in Wolgaſt kau -67Die Bernſteinhexe.fen ließ — nicht der Ausgabe wegen, denn ſeit wir den Schatz gefunden, konnten wir ſchon —
Einen Schatz habt Jhr gefunden?
Ach mein Gott, die Zunge geht mir durch! Aber bei Euch ſchadet’s ja nichts, Jhr werdet’s nicht verſchwaͤtzen, nicht wahr, Junker Ruͤdiger?
Wenn ich nur wuͤßte, wie der Schatz ausſieht! Groß oder klein?
Groß!
Blond oder ſchwarz?
Dunkelblond.
Und was hat er fuͤr Augen?
Ach Jhr treibt wieder Poſſen! Jhr meint ſonſt einen Schatz! Jhr ſeid falſch!
Nein, liebe Marie!
Nein? Na, ich will’s glauben. Kurz, der Vater gab der Hoffahrt nach, weil er den Kopf voll hatte mit dem5*68Die Bernſteinhexe.lateiniſchen Gedicht fuͤr den ſchwediſchen Koͤnig, das ich lernen und dem Koͤnige herſagen ſollte —
Und das ich Euch noch Montags draußen auf der Bank einſtudiren half —
Und ich wollt’s Euch nicht glauben, daß die Schweden das Lateiniſche ſo kurios ausſpraͤchen, und daß ſie üt ſag - ten ſtatt ut und ratscho ſtatt ratio!
Und Herr Guſtav Adolph haͤtt’ Euch doch nicht ver - ſtanden, wenn Jhr das Lateiniſche am andern Tage nicht ſchwediſch ausgeſprochen haͤttet druͤben am Huͤhnenſteine, wo er anhielt —
Gerade auf unſerem Acker! Oh, das war ſchoͤn! Aber gezittert hab’ ich wie’n Espenlaub, als immer ein Schiff nach dem andern heruͤberkam vom Ruden, und als ein Kanonenſchuß mit einer wirklichen Kugel losging wie der Koͤnig an’s Land ſtieg —
Und die Kugel in die Eichenzweige einſchlug, daß es krachte und gruͤne Reiſer regnete!
Ja, und wie er nun geritten kam der Herr Koͤnig, ganz ſchwarz angethan, auf einem pechſchwarzen Roſſe, und hatte69Die Bernſteinhexe.nichts Lichtes an ſich als das helle Geſicht mit blondem Barte und die goldne Kette auf der Bruſt —
Nun kommt’s! Die goldne Kette hat mich damals ſo ernſthaft gemacht!
O, ich hab’ ſie noch!
Glaub’s wohl! Und wie Jhr ihm tapfer das Gedicht hergeſagt hattet —
Jn elegiſchem Versmaaße!
Jn elegiſchem Versmaaße! — Und er nun laͤchelnd ſeine Kette abnahm und Euch umhing, und ſich vom Roſſe niederbeugte, Euch zu kuͤſſen als die erſte deutſche Jung - frau, die ihn auf deutſcher Erde begruͤßt —
Die erſte Deutſche, iſt das nicht ſchoͤn?
Natuͤrlich! Aber ſeht, Marie, er that doch ein Uebri - ges und kuͤßte Euch —
Ja —
Nicht auf die Stirn, wie’s bei ſo was Sitte iſt
ſon - dern auf den Mund!
Ach Gott, Junker Ruͤdiger.
Verzeiht! —
— Seht, damals, wie ſeine Hut - federn bis auf Euren Nacken herunterfielen und Euch ganz einhuͤllten, ſeht, da wurde mir ganz wunderlich —
Mir auch!
Und von dem Augenblicke an bin ich ein geſetzter Menſch geworden.
Guter Junker Ruͤdiger!
— Herr Gott, was ha - ben wir denn gemacht?
Wir haben uns was erzaͤhlt!
’s iſt richtig der Junker! Das wird ein gefaͤhrlich We -71Die Bernſteinhexe.ſen!
Zabel!
Hier, Herr Pfarr!
Schau’ Dich um im Dorfe, daß Du mir’s anſagſt, wenn der Herr Amtshauptmann hier in’s Pfarrhaus ein - treten will! —
Oho!
Das wird dem Junker ſchon Beine machen.
Guten Abend, Herr Pfarr!
Ei, ſteh’ da, ſo vornehme Herren-Geſellſchaft in mei - nem Hauſe — vergnuͤgten Abend!
Wie ich hoͤre, erwartet Jhr noch mehr Herren-Geſell - ſchaft, Herrn Wittich
, ich glaub’s nicht!
Zu dienen, Herr Junker, und darf ich fragen, wie mein Haus zu der Ehre kommt? —
Bin auf dem Anſtande, Herr Pfarr!
Ein Anſtand thaͤte Noth in allen Dingen!
Aha! — Ja, ’s iſt ein gefraͤßiger Wolf, der ſich hier herumtreibt!
Gefraͤßig? Das waͤr’ ein grobes Wort — naſchhaft vielleicht, Herr Junker, naſchhaft!
Ein ſehr hoͤfliches Wort fuͤr einen Wolf!
Ja — na, was ſteht ſie denn ſo unnuͤtz, Jungfer! Und warum iſt denn die Jlſe nicht hier? he? Haſt Du
nicht gehoͤrt, daß der Herr Amts - hauptmann jetzt gleich einſprechen will?
Leider!
Leider? Ja. Leider, nein! Sagt man „ leider, “wenn der Herr Pflegeſohn daneben ſteht? Hoͤflichkeit in allen Stuͤcken!
Keine Umſtaͤnde, Herr Pfarr! Herr Wittich vertritt mich nicht bei den Jungfern und ich vertrete ihn nicht, der Geſchmack iſt frei.
So? Verſteh’s nicht recht, und was ich verſtehe, iſt mir nicht recht; aber unnuͤtz hab’ ich geſagt, weil der Tiſch nicht gedeckt wird. Der Herr Amtshauptmann wird Hun - ger haben, der Abend wird kalt —
Gleich, lieber Vater, gleich!
Und wenn er was zu eſſen findet, ſo ſpricht er we - niger —
Und wenn er weniger ſpricht, ſo maͤkelt und marktet er weniger.
Grad’ heraus geſagt, ja, man kann wohl vom Mark - ten ſprechen; denn noch der hochſelige Herr Herzog Phi - lippus zu Wolgaſt hat mir eine Gehaltzulage verſprochen, und der Herr Wittich auf Pudagla hat ſie mir bis heute noch nicht geſtattet.
Herzog Philippus iſt leider todt!
Oh, der jetzt regierende Herr Herzog Bogislav war dabei und hat’s mit angehoͤrt, und wuͤrd’ es nicht verlaͤug - nen, wenn man einen ſo hohen Herrn mahnen koͤnnte!
74Die Bernſteinhexe.Jch hab’ die vornehmen Herrn damals auch geſpro - chen, fragt nur!
Lateiniſch hat ſie mit ihnen geſprochen, denn mein Kind hat eine klaſſiſche Erziehung und iſt nicht anzuſehn wie aller Leute Kind!
Das ſtellt ſich dar, lieber Herr Schweidler! Aber Jhr ſolltet jenes Verſprechen nicht in den Wind gejagt ſein laſſen, und vielleicht kann ich Euch dabei dienen: ich habe Herzog Bogislav erſt neulich in Stettin geſprochen und komm’ wohl wieder einmal dazu, denn er war meinem Vater und iſt mir freundlich zugethan. Wenn ich alſo die Sache richtig anbringen koͤnnte, ſo waͤr’s nicht weggewor - fen, was Euch mit den Herrſchaften begegnet iſt —
Das laͤßt ſich hoͤren. Die Sache war folgende: Von ungefaͤhr luſtwandelte ich im Schloßgarten zu Wolgaſt mit — erlaubt, daß ich mich ſetze, die Beine fangen an ſchwach zu werden —
alſo mit meinem Toͤchterlein, ſo damals ein Kind bei zwoͤlf Jahren war, und ich zeigte ihr die ſchoͤnen Blumen — bemuͤht Euch doch!
da ſahen wir unſern Herrn Herzog Phi - lippus Julius auf einem Huͤgel ſtehn, und neben ihm Herrn Herzog Bogislav, der zum Beſuche in Wolgaſt war, und wir wollten deshalb ſtracks umkehren, um nicht zudringlich zu erſcheinen. Da gingen aber die Herr - ſchaften auf die Schloßbruͤcke zu, und wir beſahen uns nun den Huͤgel, auf welchem ſie geſtanden, und mein Maͤdchen hub alsbald ein Freudengeſchrei an — warum? Sie fand einen koſtbaren Siegelring im Graſe, den die Herrſchaften zweifelsohne verloren. Nun gingen wir ihnen denn eilig nach, und ich inſtruirte mein Maͤdchen, wie ſie lateiniſch ihre Rede anbringen ſollte, denn ’s ging ihr ſchon rundweg vom Schnaͤuzchen, und wie und was wir gefunden, und Alles ſo, daß man daran ſein Wohlgefal - len haben koͤnnte. Solches verſprach ſie auch, fuͤrchtete ſich aber hinten nach, und ich mußte ihr ein neu Kleidchen ver - ſprechen, denn ſie gab ſchon damals viel auf eitlen Putz —
Oh, Du biſt ſchlimm, Vater!
Ja doch, iſt’s etwa nicht ſo? — Vergiß mir den Ho - nig nicht!
Schon da, Vater!
Na, ſie blieb aber doch bloͤdiglich ſtehn, als ſie ſchon76Die Bernſteinhexe.hinan gelaufen war, und fuͤrchtete ſich vor den Sporen der hohen Herren, die arg knarrten und raſterten, und die ganze Vorſtellung ſchien in’s Waſſer zu fallen. Da ſah die gnaͤ - dige Frau Herzogin Agnes aus dem Fenſter, und ward der Abſicht inne, und rief den Herren, ſie ſollten ſich nach dem kleinen Maͤdchen umſehn —
Und nun ging Alles gar lieblich! Die Herren ver - wunderten ſich uͤber mein Latein, und antworteten latei - niſch, und fragten wieder, und wunderten ſich wieder, daß ich antworten konnte, und nahmen mich mit in’s Schloß, und die Frau Herzogin gab mir einen Plinzenkuchen und kuͤßte mich!
Ei der tauſend!
Wahrhaftig! Die Hauptſache aber war —
Die Hauptſache war, daß der Herr Herzog ſagte, mein ſchwaches Salarium ſollte verſtaͤrkt werden aus dem Klo - ſtergute in Pudagla.
Ach nicht doch, das mein’ ich nicht.
Was denn ſonſt?
Sondern?
Nein, der eine Herr ſagte, und ich glaube, es war der von Stettin: „ Wenn Du einmal groß geworden biſt, kleine Lateiniſche, ſagte er, und einmal heirathen willſt, ſo ſag’ mir’s, dann ſollſt Du von mir wieder einen Ring haben, und was ſonſt fuͤr eine Braut gehoͤrt “— das ſagte er!
Das ſagte er?
Ja, das ſagte er.
Du lieber Gott, Sagen iſt Sagen, Herr Philippus iſt todt, und Herr Bogislav hat’s lang’ vergeſſen —
Wird ſich ſchon dran erinnern laſſen —
Aber wie iſt mir denn? Wir eſſen drauf los, und zu Dreien, und der Herr Amtshauptmann iſt ja gar nicht ge - kommen, und der Herr Junker —?
Der war ſchon da.
Ganz richtig, aber — es wird aber daruͤber doch eine ernſthafte Explikation noͤthig werden
ſehr wuͤrdiger Herr Junker, denn das geht nicht ſo weiter mit Beſuchen und vertrauli - chem Weſen, maaßen Jhr ein vornehmer Junker ſeid, und —
Ach Du gerechter Gott! da kommt der Wittich und die Kolken-Lieſe auf einem Drachenwagen und die Lieſe haͤlt einen langen Spieß gerade auf mein Herz! Helft mir, Junker, helft mir um Gotteswillen!
Um’s Himmelswillen, Marie, was iſt Euch denn!
Das iſt ein traurig Zaubergeſicht, mein Kind!
Ach, ich dank Euch fuͤr die Hilfe — da hinten zum Fenſter kamen ſie herein —
Zum Fenſter?
’s iſt Niemand am Fenſter!
Laßt’s nur gut ſein, Junker, ’s iſt ein innres Geſicht des Kindes, und wir koͤnnen’s nicht zu ſehn kriegen!
Ein Phantaſiebild!
Nicht doch, ſie hat Dergleichen von Kindheit auf ge - habt, ’s iſt eine Zauberkraft, die ihr der Herr verliehen, die ihr aber, Gott verhuͤt’ es, das groͤßte Ungluͤck bringen kann.
Aber lieber Ehren Abraham, wie koͤnnt Jhr ſolche uͤberſpannte Dinge durch ſolche Auslegung noch befoͤr - dern!
Was?
Die Jungfer iſt ohnedies in Gefahr, vor dem rohen Glauben des Volkes verlaͤumdet zu werden, und wie ich mit Schrecken ſehe, verſtaͤrkt Jhr noch mit Eurem Anſehn dieſen Kinder-Glauben.
Junger Herr Junker, was geht Euch die Zunge ſchnell! Jhr glaubt nicht an Wunder und Zauber?!
Ei, das iſt ja Alles Lug und Trug mit der Zau - berei!
Gott behuͤte Euch, junger Herr, aber ich haͤtt’ Euch fuͤr80Die Bernſteinhexe.froͤmmer und kluͤger gehalten. Wie ſchlecht ſeid Jhr in der Bibel zu Hauſe! Es iſt dieſe Eure Weisheit aus Witten - berg, mit Verlaub zu ſagen, eine Gottloſigkeit, ja baare Atheiſterei, wie man ſich ausdruͤckt.
Leſ’t einmal den Johannem Wierum, dies iſt ein nie - derlaͤndiſcher Arzt; der beweiſ’t Euch, daß alle Hexen me - lancholiſche Perſonen ſind, die ſich ſelbſt nur einbilden, einen Pakt mit dem Teufel zu haben, und die mehr er - barmens - als ſtrafwuͤrdig ſind.
Johannem Wierum? Mich duͤnkt, ich kenne eine Schrift von ihm uͤber die praestigia daemonum, worin die Beſchwoͤrung der Geiſter gelehrt und die Hoͤlle beſchrie - ben wird mit Namen und Zunamen ihrer 572 Teufels - fuͤrſten —
Ganz richtig! Solch Zeug hat er in ſeiner Jugend geſchrieben, ſpaͤter iſt er klug geworden.
Das heißt unglaͤubig und gottlos —
Jſt das Alles Euer Ernſt, Junker Ruͤdiger?
Ei freilich!
So hat Euer Herz eine harte Rinde und noch Wenig erfahren: es kennt Gottes Zauber noch nicht!
Jch kenne nur ein menſchlich Weſen, das zu zaubern verſteht —
Nun?
Das iſt ein ſchoͤnes und kluges Maͤdchen, welches die Zauberkunſt in den Augen ſitzen hat!
O geht! Jhr ſpielt mit der Rede! Was bloß in den Augen ſitzt, das verfliegt leicht —
Der Herr Wittich kommt wirklich!
Der Amtshauptmann kommt!
Da haben wir’s! Man ſoll nur den Teufel an die Wand malen!
Das wird Ernſt!
Geh’ zu Bett, Marie!
Ja, Vater!
Raſch!
Jch ſchlafe ſchon.
Es iſt ſo ſpaͤt, daß ich anſtaͤndigerweiſe dieſem Pro - konſul ebenfalls ausweichen kann — Jlſe, ich bin zu Bett, wenn Jemand kommt.
Jch auch.
Das iſt ein richtiger Taubenſchlag.
Und wir?
Wir werden gefangen wie zwei Marder — er war83Die Bernſteinhexe.mir auf den Ferſen, und Jhr rennt ihm entgegen, wenn Jhr aus der Thuͤr tretet!
Um ſo ſicherer, je laͤnger ich warte!
Was thuſt Du hier, mein Sohn?
Jch habe zur Nacht gegeſſen!
Jſt dies Dein Wirthshaus? — huͤte Dich vor dieſem Hauſe, das Auge des Gerichtes ruht darauf, und morgen ſchon kann die Stimme des Richters Wehe daruͤber rufen!
Jhr ſcherzt, Herr Vater; hier wohnen Menſchen des Friedens und der Gerechtigkeit.
Die Gerechtigkeit wird wiſſen, wo ihre Staͤtte ſei6*84Die Bernſteinhexe.und wohin ihr Friede gehoͤre — ſtoͤre mich nicht, ich bin im Amte; kehre heim nach Pudagla! Dort werd’ ich bin - nen einer Stunde des Naͤheren mit Dir ſprechen. Leuchte ihm, Wulf
bis an den Bach!
Jch finde dies Alles uͤberſpannt, lieber Vater, und ſage Jhnen voraus, daß ich kein ruhiger Zuſchauer ſein werde, wenn dieſe Ueberſpannung weiter gehen ſollte als zu drohenden Worten.
Herr Junker Ruͤdiger — Jhr faſelt! Folgt meinem Gebote und kehrt nach Pudagla.
Jch ehre Euch, Herr Vater, das wißt Jhr! Jn die - ſem Hauſe liebe und ehre ich aber ebenfalls, und was hier angerichtet werden ſollte, das faͤnde in mir einen ruͤck - ſichtsloſen Widerſacher.
Bleib!
Gehorche, Wulf!
Was willſt Du hier?
Als wie ich?
Antworte, ſtatt zu fragen!
Fragen iſt leichter als Antworten.
Schlingel!
Muͤllerburſche, Herr Amtshauptmann, weiter nichts.
Wo iſt der Schweidler und deſſen Tochter?
Der Herr Pfarrer iſt zu Bett gegangen und deſſen Jungfer Tochter desgleichen.
Weck’ die Tochter!
Jch bin ein Muͤller, Herr Amtshauptmann, und nur in meiner Muͤhle zu Hauſe.
Du biſt ein aͤchter Birkhahn, Burſche, weil Du nichts zu verlieren haſt. Jch will Dir wohl. Aber ich laſſe Dich peitſchen, wenn Du dem Junker hier in Coſerow zu Dienſten biſt, hoͤrſt Du?
Jch hoͤre wie ein Haaſe.
Der Junker iſt hier auf uͤblem Wege, und je mehr er darauf beharrt, deſto ſichrer ſtuͤrzt er dieſe Familie in’s Verderben. Darnach nimm Deine Partei. Wenn Du Dich gut auffuͤhrſt, ſoll’s Dein Vortheil ſein. Jetzt pack Dich!
Zu Befehl.
Jch will Dir ſchon was auf - fuͤhren!
Hinweg denn aus einem Hauſe, das ſich vor ſeinen Gaͤſten verſchließt!
Sie horcht gewiß, und wird wohl ausſchaun kommen, ob von den Fußtapfen des geliebten Junkers nicht ein Herzensduft aufzufangen ſei. Verliebt - heit ſchlaͤft nicht vor Mitternacht! — Er muß fort! Das Verhaͤltniß wird widerwaͤrtig; ich ſetze ſeine Anhaͤnglich - keit fuͤr mich auf’s Spiel, denn vor jugendlicher Liebe verſinken alle anderen Pflichten. — Bloß vor jugendli - cher? — Auch vor der meinigen; Liebe bewegt die Engel und bewegt die Teufel, Liebe iſt alles Verlangen, das exiſtirt, und der Haß iſt nur die Kehrſeite der Liebe, er iſt daſſelbe Gefuͤhl. — Daſſelbe Gefuͤhl — es giebt eben nur ein Gefuͤhl. — Wie thoͤricht iſt es, dagegen zu kaͤm - pfen; dies heißt ja gegen ſein Leben kaͤmpfen. Man kaͤmpfe, um zu erobern; jeder andere Kampf iſt Dummheit. — Still!
Er iſt fort! — und Ruͤdiger wird ſicherlich harren!
Die Luft iſt kalt, ich muß auf den Streckelberg und die Ader ſorgfaͤltig verſchließen!
Um Gotteswillen, wer iſt’s?
Pſt!
Ach Gott, was thut Jhr, Junker?
So weit alſo biſt Du mit meinem Junker einig?
Der Wittich!
Hier muß der Vater helfen!
Sachte, mein Taͤubchen!
Wir wollen und muͤſſen allein mit einander fertig werden. 89Die Bernſteinhexe.Wirf ab die unnuͤtzen Zeichen von Bloͤdigkeit! Wer ſo tief wie Du in die Geheimniſſe der Natur hinein getreten, der braucht die Jungfernziererei nicht mehr — ſieh’, der Mond ſteigt auf aus der See, es iſt die Nacht vom Juden - Sabbath zum Chriſten-Sabbath, die Nacht zwiſchen Toll - heit und Thorheit, vortrefflich geeignet zur Abſchließung unſers Paktes.
Jch glaube, Jhr ſeid ſuͤßen Weines trunken, Herr Wittich!
Deiner Augen bin ich trunken, Maͤdchen, ſonſt trieb ich’s nicht zum Aeußerſten, denn dahin treib ich’s — ſetze Dich zu mir, wir haben beide Platz auf dieſem Stuhle!
Jch ſetze mich nicht zu Euch, und ich bitte Euch gar ſehr, meine Hand frei zu geben!
Wirf die Sproͤdigkeit hinter Dich, Taube, ſie braͤchte Dir Ungluͤck. Du biſt doch wahrhaftig ſo weit, um die albernen Maͤdchen-Vorurtheile zu uͤberwinden. Einem unerfahrenen Kinde mag ſolch ein rothbackiger Junker ge - faͤhrlich werden, ſolch ein nuͤchterner, unkundiger Geſell! Was kann er Dir ſein, die Du mit Geiſtern verkehrſt! Wir brauchen einander, Schweidlerin, das iſt genug. Jch liebe Dich, Du wirſt mich lieben. Dies iſt unſer Heute und Morgen. Deine Hand zuckt!
Was geht Entſetzliches in mir vor!
Du wirfſt mir vor, daß ich mein Weſen habe mit der Kolken-Lieſe? Das hat gute Wege. ’s war eine rohe Kraft, die in ihr herrſchte, die Deinige iſt feiner und mir naͤher verwandt. Die Kolken-Lieſe hat kaum noch zwei mal vier und zwanzig Stunden zu leben, ihr Herz iſt ver - trocknet, ſeit ſie oben im Streckelberge ihrem Kerl dem Selden-Hinrich den Teufel auf den Hals gehetzt und ihr Geſicht dabei dem gluͤhenden Athem des Satans preis ge - geben hat, ſie lebt nur noch vom letzten Blutstropfen, hoͤrſt Du?
Jch entſetze mich vor Euch!
Du biſt abgeſchmackt! So wiſſe denn,
wenn Du nicht meine Daͤmonenbraut werden willſt gut und gerne, ſo ſoll Dich die oberflaͤchliche Welt dazu zwingen. Du biſt reif fuͤr die thoͤrichten weltlichen Richter! Die ein - faͤltigen Bauern zeigen bereits mit Fingern auf Dich, die Kinder ſchreien hinter Dir: „ Da geht die Hexe von Coſe - row! “und der abgeſchmackte Buͤrgermeiſter von Uſedom, den ich heute Nacht noch holen laſſe, verurtheilt Dich morgenden Tages zum Scheiterhaufen fuͤr Deine Hexen - kuͤnſte — glaubſt Du Dies?
Ja wohl!
Nun alſo: Schlag ein! Dann gehe hinaus auf den Streckelberg und verſchließe die Ader, welche Dich mit der Unterwelt in Verbindung ſetzt, verſchließe ſie, wie Du vorhin gewollt — ich werde Dir ein zierlich Jaͤger - haus daneben aufbauen, damit Du ſie zu gelegener Stunde mit Bequemlichkeit wieder oͤffnen magſt; mein Jaͤger, den ich Dir zum Manne angetragen habe, ſoll Dich vor der Welt leidlich in Ehren halten und im Hauſe doch nicht beruͤhren duͤrfen. Jch werd’ ihn zum Oberjaͤger ernen - nen, und ich werde ſorgen, daß es im Hauſe meines Ober - jaͤgers fein ausſehn und hergehn ſoll wie im feinſten Schloſſe. Sprich, ſind wir einig?
Verflucht ſei Euer Sabbath-Bund!
Nichtswuͤrdiges Geſchick!
Du biſt verloren, Dirne, wenn Du ihn erhoͤrſt, und biſt verloren, wenn Du ihm Dein Ohr verſchließeſt. Wenn Du ihn erhoͤrſt, ſo ergreifen Dich die Teufel, welche mein Blut ſaugen, und wenn Du ihn nicht erhoͤrſt, ſo ergreifen Dich die Richter von Wolgaſt und ſchleppen Dich zum Scheiterhaufen. Waͤhle!
Fix, Wulf! es iſt die Lieſe!
Jch find’ den Junker nicht, er muß rechts nach dem Streckelberge ſein!
Was kuͤmmert Dich die Lieſe, ſie iſt im Verſchei - den — ſo ſprich, ſind wir einig?
So mir Gott helfe, nein!
Gott wird Dir helfen zum Hexengerichte!
Herr Jeſus, Herr Jeſus, der Teufel holt die Jungfer!
Um Chriſti willen, was geht hier vor?
Meine Kraͤfte ſchwinden! Barmherzigkeit! Hilf mir, Vater, vor boͤſen Menſchen und boͤſen Geiſtern!
Kein Maͤuschen regt ſich; ich glaube wahrhaftig, ſie hat ſich ein Herz gefaßt und iſt in die Fruͤhkirche gegan - gen! Jch hatte aber das Herz nicht, in die Kirche hinein zu treten; ſolch ’ne Angſt hab’ ich mein Lebtag nicht in den Gliedern gehabt! —
Halb Sechs! Hat ſie doch geſtern Abend die Ruhe noch gefun - den, den Seiger aufzuziehn, gute Jungfer, ſie iſt gewiß un - ſchuldig! Aber ’s glaubt mir’s kein Menſch. — Mag’s ſein wie’s will, und wenn mein Muͤhlſtein druͤber den Kaſten zerreißt, ich bleibe bei ihr und ſuch’ ihr zu hel -95Die Bernſteinhexe.fen. — Jn einer halben Stunde koͤnnen ſie hier ſein; — ich muß doch in die Kirche hinuͤber, und muß ſie abwin - ken, denn hier darf ſie nicht gefunden werden, wenn die Uſedomer kommen; ſie muß ’naus in die Haide uͤber den Streckelberg. Wenn der erſte Waſſerſturz abgeprallt iſt, kann ſich Vielerlei aͤndern — in der Dachkammer bei mei - ner Muhme in der Haidemuͤhle ſucht ſie kein Buͤttel — alſo fix!
Wo iſt ſie?
Jn der Kirche!
Die Richter von Uſedom kamen eben uͤber den Huͤgel nach Pudagla zu; ſie verweilen ſich hoͤchſtens zum Fruͤh - ſtuͤck in unſerm Hauſe, dann ſind ſie hier —
Drum will ich die Jungfer raſch abrufen und in ein ſicheres Mauſeloch bringen —
Das wird nicht gehn, das wird nicht gehn!
Warum denn nicht?
Erſtens wuͤrde man ihre Flucht wie ein Zugeſtaͤndniß ihrer Schuld betrachten, und dann —
Und dann?
Jſt auch die Flucht kaum noch moͤglich!
Werd’ ſie ſchon moͤglich machen —
Die Leute ſtehn in Haufen vor der Kirche, ’s iſt bei ihnen vorbei mit aller Gottesfurcht; die Kolken-Lieſe hat ſie verhetzt, ſie lauern alle auf die Jungfer, und wenn dieſe wirklich in der Kirche iſt, ſo iſt ſie nur noch mit aͤußerſter Gewalt zu befrein!
So ſchlag’ der Teufel drein, ’s iſt um kein Haar beſ - ſer — da kommt auch ſchon der Herr Amtshauptmann und die Schwerenoths-Lieſe; machen wir, daß wir fort - kommen!
Jm Gegentheil, ich will ihm in’s Gewiſſen reden!
Fuͤr mich hat er kein Gewiſſen — und wenn ich was helfen ſoll, ſo muß er denken, es ſei mir All’s einerlei — ich verſuch’ mein Gluͤck bei der Kirche!
O Menſchen, Menſchen! wie mißhandelt Jhr die ſchoͤne Welt, welche Gott Euch gegeben! Wo Jhr den wunderbaren Zuſammenhang in ihr nicht verſteht, da er - boſ’t Jhr Euch und verfolgt Euch unter einander, wie Kinder einander ſchlagen aus kindiſchem Zorne.
Jhr werdet Euch tapfer betruͤgen, Herr Wittich, nicht heut noch morgen greift mich der Tod, und ichLaube, dram. Werke. III. 798Die Bernſteinhexe.werde Kraft genug haben, Euer doppeltes Spiel zu zer - ſtoͤren.
Du biſt verruͤckt, Lieſe!
Bin nicht umſonſt Eure Schuͤlerin geweſen von meiner Jugend auf, ja, Herr Wittich, wißt Jhr wohl noch, wie alt ich war, als Jhr mich zum erſten Male bei ſchwuͤler Fruͤhlingszeit draußen in der Haide uͤberraſchtet und mir bei einbrechender Nacht die Sternbilder lehrtet? Oh, Wittich, ich war nicht beſſer und nicht ſchlimmer als dieſe Pfarrdirne, welche Du heute auf andre Manier den - ſelben Weg fuͤhren willſt, den Du mich gefuͤhrt haſt! Nicht beſſer und nicht ſchlimmer! Und ſo ſoll es ihr denn auch nicht beſſer ergehn, denn mir, aber ſchlimmer. Denn ich haſſe ſie, — und ich quaͤle Euch, indem ich ſie verderbe. Euch zu quaͤlen, ſtolzer Wittich, iſt mein letztes Vergnuͤ - gen auf Erden.
Schuͤtte Deine Galle aus, es wird Dich erleichtern — miſcheſt Du aber ein Wort von Deinem thoͤrichten, un - wahren Geſchwaͤtz vor andern Leuten ein, ſo bring’ ich Dich auf den Scheiterhaufen und befreie die Pfarr - jungfer!
Wirklich?
Zweifelſt Du etwa daran, daß ich’s im Stande ſei?
Keineswegs! Siehſt Du — daruͤber kocht eben meine Galle! Euch vornehmen Maͤnnern iſt Alles preis gegeben: der Friede eines ſchoͤnen Maͤdchens, die Ruhe und Ehre einer Familie, ja das Leben der armen Leute, die unter Euch ſtehn. Jn Wiſſenſchaften und Kuͤnſten werdet Jhr ſpielend unterrichtet und ſeid uns wißbegierigen armen Geſchoͤpfen bald in allen Stuͤcken uͤberlegen; dann kommt die große Heldenthat unſrer Verfuͤhrung, und wenn Jhr der Verfuͤhrten uͤberdruͤſſig ſeid, dann kommt der Lohn! Welcher Lohn? Hohn heißt er, vornehmer Hohn! Das iſt Euer Lebenslauf mit armen Geſchoͤpfen, und dann wundert Jhr Euch, Jhr frechen Wichte, daß ſich Gift in uns aufſammelt, toͤdtliches Gift!
Leidenſchaftliches Weib, das Du biſt! Du weißt, wie wenig Lebenskraft Dir noch zugemeſſen, und vergeudeſt ſie dergeſtalt —
Sprecht nicht weiter, Herr! Jch bin ein unwillkuͤhr - licher Zuhoͤrer!
Daß Dich die Peſt! — Welcher Satan fuͤhrt Dich7*100Die Bernſteinhexe.auf’s Neue in dies Haus — nein, mein Sohn, nein, zwiſchen uns ſollen die gemeinen Verwickelungen der Lei - denſchaft keine Macht gewinnen! Gieb mir Deine Hand —
Jch kann’s jetzt nicht mit offnem Herzen!
Du wirſt es koͤnnen, wenn Du mich nicht richten willſt nach aͤußerem Schein! Kehre nach Pudagla zuruͤck, Ruͤdiger, dort will ich Dir Aufſchluß geben uͤber Alles, was Dir jetzt raͤthſelhaft erſcheinen mag, erſcheinen muß.
O das verſteht er, Junker! Hoͤrt ihn eine Viertel - ſtunde an, und Jhr verehrt ihn auf’s Neue —
geht heim nach Pudagla, hier ſeid Jhr nur im Wege
und koͤnnt nur ſchaden! Da laͤu - tet die Glocke, die Kirche iſt aus, und das Gericht be - ginnt. Kehrt heim! Hier habt Jhr nur Glauben und Gluͤck zu verlieren!
Geh’, mein Sohn, geh’! Darin hat ſie Recht, hier kannſt Du nur ſchaden.
Jch bleibe hier, und Gott wird mir helfen, eine Schandthat zu verhindern.
Gott hilft Euch nicht, und Jhr verliert den Glauben!
Nur der Koͤhlerglaube verliert ſich ſo leicht bei jeder Gelegenheit! Wer Eure Zauberpoſſen gering anſchlaͤgt, der hat um ſo groͤßeres Vertrauen auf Gottes wunder - bare Kraft.
Wir wollen ſehen, Junker, wie viel Eure Weisheit helfen wird, und ob das Leben nicht von zaͤherem Stoffe iſt, als Eure Schulmaͤnner und Euer junges Blut Euch gelehrt! Jch ſage Euch — die naſeweiſe Jungfer, die mir durch ihre Jungfern-Kuͤnſte das Dorf und die Umgegend und dieſen erfahrenen Kenner
abwen - dig gemacht, ſie wird als Hexe auf dem Streckelberge ver - brannt.
Scheuſal!
Pfui doch, ein garſtig Wort, Herr Junker! Waͤren mir die Augen nicht entzuͤndet, und haͤtte mir nicht Krank - heit das Blut aus den Wangen getrieben, Jhr wuͤrdet mich hoͤflicher anreden, Jhr wuͤrdet finden, wie Herr Wit - tich es fand, daß ich von demſelben Teige geknetet bin, als Eure roſenrothe Pfarrjungfer —
oho, die garſtige Glocke ſtuͤrmt ordentlich und gefaͤllt mir heute zum erſten Male, und die Coſerower werden le - bendig!
Geſtrenger Herr Amtshauptmann, Jhr muͤßt befeh - len, ob die Pfarrjungfer todt geſchlagen werden darf —
Was?
Schurke!
Freilich!
Die Bauernweiber ſtuͤrzten wie raſend auf ſie, als ſie aus dem Pfarrthuͤrlein der Kirche trat, und ſie haͤtten wohl die Dirne zerriſſen, wenn nicht der Schalk der Birk -103Die Bernſteinhexe.hahn zur Hand geweſen waͤre: der hat einen Hebebaum in der Fauſt, und da er ein ſtarker flinker Burſche iſt, ſo hat er Platz um ſie gemacht. Aber der Birkhahn ſcheint wieder was Andres im Schilde zu fuͤhren: er rudert links ’naus auf den Streckelberg zu, und da muͤſſen nun Euer Geſtrengen Befehl geben, ob ich die Plazedur anfangen und die Jungfer mit meinen ſechs Knechten greifen ſoll — es ſind, wie Euer Geſtrengen befohlen, unſre hahnbuͤchen - ſten ſechs Kerle, und ſie werden fertig mit ganz Coſerow, wenn’s ſein muß.
Sie ſollen die Bauersleute abhalten von der Jungfer, und ſollen die Jungfer hierher geleiten, aber ohne ſie an - zuruͤhren. Wer ſie mit der Hand beruͤhrt, dem wird die Hand abgehauen.
Von wegen der Hexerei, das iſt ſchon richtig, aber etwas ſchwierig!
Raſch!
Raſch.
Was willſt Du thun, Ruͤdiger?
Was einem Ehrenmanne zukommt: die gemißhan - delte Unſchuld ſchuͤtzen.
Das iſt in dieſem Falle Sache des Richters, und der Richter wird ſeine Schuldigkeit thun. Sei unbeſorgt.
Jch beſchwoͤre Dich, mein Sohn, verhalte Dich als unparteiiſcher Zuſchauer in dieſer Angelegenheit: es ſind dieſe Hexenklagen zweiſchneidige Schwerter, ſie verwunden nach allen Seiten!
Um ſo unbegreiflicher iſt es, daß ein Mann von Eurem ſcharfen Geiſte und Eurer ausgebreiteten Bildung dies gefaͤhrliche Poſſenſpiel neben ſich aufkommen laͤßt, ja daß er es ſelber aufbringt.
Mein Sohn, jede Zeit hat ihre Vorurtheile und ver - langt ihren Tribut dafuͤr. Jedermann zahlt ſeinen Tribut an ſeine Zeit, und wenn er ihn an falſcher Kaſſe zahlt, ſo gilt er fuͤr dumm und gewinnt nichts dafuͤr — willſt Du mit den herrſchenden Vorurtheilen nichts zu ſchaffen haben, ſo mußt Du als Einſiedler leben, und Du brauchſt großes Gluͤck, um dies ungeſtraft zu koͤnnen. Jede Zeit will ihre Vorurtheile anerkannt ſehn und verfolgt nicht nur die Widerſacher derſelben, ſondern auch die Gleich -105Die Bernſteinhexe.guͤltigen. Dies bedenke! Du ſetzeſt Deine ganze Exiſtenz auf’s Spiel, wenn Du den Volksglauben beleidigſt, und meine Amtshauptmannſchaft, die ich Dir vererben will, iſt Dir alsdann fuͤr immer verloren.
Das moͤge ſie ſein, wenn ein ſo wichtiges Amt nur auf Koſten der Wahrheit erworben werden kann —
Der Wahrheit?! Junger Mann, was iſt Wahrheit in ſolchen raͤthſelhaften Dingen. — Das ganze Land iſt ſeit hundert Jahren im Kriege begriffen uͤber das, was goͤttliche Wahrheit auf Erden ſei. Wir ſind auf Seite derer, welche ſich ruͤhmen, kirchlicher Vorurtheile ledig zu ſein, und auf unſrer Seite iſt die Verfolgung der Hexen am Lebhafteſten — die Kirche, welche wir bekaͤmpften, wußte noch im vorigen Jahrhunderte nichts von blutiger Strenge gegen Hexen. Sie verbannte dieſelben, oder be - ſtrafte ſie gelind. Seit noch nicht funfzig Jahren erſt ver - fahren wir huͤben und druͤben mit Feuer und Schwert da - gegen. Was iſt nun Wahrheit? Wirſt Du’s mit jugend - licher Zunge erledigen?
O Vater, Vater, Dein reicher Geiſt ſpricht aus Dir, aber nicht Dein wahrer Geiſt! Du biſt ſo wenig als ich in Zweifel —
Du irrſt Dich, Ruͤdiger, irrſt Dich vollſtaͤndig. Eben weil ich mehr weiß denn Du, bin ich zweifelvoller denn Du, und achte Vorurtheile als tief begruͤndet, die Du ver - lachen zu duͤrfen glaubſt.
Sie kommen, Sie kommen! Man bringt ſie! Ja, heute fehlt das Blut in den Wangen! — Nun, Herr Wit - tich, thut Eure Schuldigkeit, ſonſt thu’ ich die meine zu Eurem Verderben!
Schweig, Hexe, bei des Teufels Haupte! ſonſt bring’ ich Dich auf den Holzſtoß!
Kommt’s mir drauf an! Sagt’ mir nicht der Bader, ich haͤtte nur noch wenig Roggen auf der Muͤhle? Und Du brennſt dann mit mir, Verfuͤhrer, dafuͤr ſorg’ ich! Holla, das wird anmuthig ſein, geſtrenger Herr!
Arme Marie!
Auch in Noth iſt es verfuͤhreriſch, dies Auge!
Nun iſt ſie dran!
Endlich, Zabel, ſind wir gerettet, endlich! Es war ein furchtbar langer Weg! — Und lauter Leute, unter deren Augen, an deren Haͤnden ich aufgewachſen bin! O wie boͤs, wie boͤs! Was hab’ ich denn verbrochen!?
Nichts, Jungfer!
Nicht wahr, Zabel? So gut wie nichts. Und auf dem Kirchgange, auf dem Ehrengange meines Vaters! 108Die Bernſteinhexe.Ach, was wird der Arme ſagen, der nichts Beſſeres hat als mich, und den ſolche Schande zur Grube treibt — iſt er ſchon heim!
Nein!
Allmaͤchtiger Himmel, und es iſt nicht vorbei!
Es geht erſt an.
Seid getroſt, Marie, ich ſteh’ Euch bei auf Noth und Tod!
O dann! — Gott lohn’ es Euch! — Moͤcht’ es nur raſch voruͤber ſein, wenn auch mit Schmerzen!
Was wollt Jhr eigentlich von mir, Herr Amts - hauptmann?
Das Gericht will Buße von Dir, verlorenes Maͤdchen!
Was ſoll ich buͤßen?
Deine Hexenkuͤnſte.
Wenn Jhr es ſagt, klingt es wie Spott!
Weich’ zuruͤck, Burſche! —
Tritt zu - ruͤck, Ruͤdiger!
Verlaßt mich nicht! Ueberlaßt mich nicht dem Feinde.
Thoͤricht Maͤdchen, ich bin nicht Dein Feind!
Freilich, er moͤchte gern was Anderes ſein — hoͤrt nur auf ihn, Jungfer, und er wird Euch retten auf einige Zeit und verderben in alle Ewigkeit.
Schweige, Weibsbild, oder ich laſſe Dich hinweg ſchaffen und in’s Loch werfen!
Oho! Braucht Jhr nicht mein Zeugniß gegen die junge Hexe? Das Zeugniß der alten Hexe gegen ſie iſt ja Eure Hauptſtuͤtze, ſonſt wird es windig ſtehn um Euren Prozeß.
Und was that ich Dir Uebles, Lieſe, daß Du bereit biſt, mich zu verlaͤſtern?
Was Jhr mir thatet?
Hat ſie Euch nicht beigeſtanden wie ein Engel in der Peſtilenz und Kriegsnoth? Hat ſie nicht ſelbſt gehungert, um Euch vom Hungertode zu erretten?
Gelbſchnabel! Schwache Herzen thun immer Der - gleichen! Was Jhr mir thatet, fragt Jhr, einfaͤltig Ge - ſchoͤpf? Habt Jhr nicht mein Vieh beſprochen?
Um es zu retten.
Um es zu Grund zu richten! Habt Jhr nicht ausge - kluͤgelt, oben im Streckelberge laͤge das Haar und das Hirn meines Mannes, und der Teufel habe ihn geholt, weil ich ihn verhext, he? habt Jhr das nicht gethan?
So hab’ ich’s nicht gethan, wie Du da redeſt.
Habt Jhr mich nicht um den Namen einer klugen Frau im Dorfe gebracht und meinen Verdienſt zu Grunde ge - richtet?
Erlogen! Du biſt heute noch die Kolkenhexe.
Die Kolkenhexe, ja! aber die Hexe, die nichts mehr kann ſeit die Jungfernhexe aufgekommen. Das ging, ſo111Die Bernſteinhexe.lang’ es mit den Jungfern geht, aber ſeit Du alle Abende in den Streckelberg gingſt, war’s vorbei, und nun konnte die alte und die junge nichts mehr, die alte aber war da - bei zu Grund gegangen, und nun fragt mich der junge Narr, was ſie mir gethan!
Genug. Vor Gericht magſt Du das wiederholen; jetzt iſt es unnuͤtz.
Du ſiehſt, Marie, Deine Sache iſt ſo eingeleitet, daß Du verloren biſt, wenn Dir meine Huͤlfe entgeht. Die Richter von Uſedom ſind unterweges und koͤnnen jede Minute eintreffen; laß ich ſie den Prozeß be - ginnen, ſo biſt Du binnen wenig Tagen zum brennenden Holzſtoße verurtheilt, und eh’ es wieder Sonntag wird, verbrannt, denn die Richter ſind in dieſen Dingen ſo ſchnell wie das Ungluͤck — willſt Du Dich aber eines Beſ - ſeren beſinnen, willſt meinen Vorſchlag von geſtern Abend annehmen und als Ausgeberin zu mir nach Pudagla ziehn oder im Waldhauſe wohnen, ſo ſchlag’ ich den Prozeß auf der Stelle nieder, und kein Haar ſoll Dir gekruͤmmt werden, es muͤßte denn mein Finger ſein, der Deine Locke auf und nieder ringelte! — Entſcheide.
Die Anweſenden moͤgen entſcheiden!
Was ſoll’s?
Hoͤrt, in welchen Haͤnden die hohe Gerichtsbarkeit liegt auf Uſedom. Unſer Herr Amtshauptmann bietet mir —
Er bietet Dir Schutz, ſo weit ihn das Geſetz geſtattet, wenn Du ihm offen und vertrauensvoll Deine Geheim - niſſe anvertrauſt — Du willſt es nicht; die Klage gehe ihren Lauf!
Die Richter von Uſedom kommen!
Der Buͤttel in meinem Hauſe, die Richter an der Schwelle, welch eine Schande auf mein graues Haar.
Mein armes Kind!
Mein armer Vater!
Und wer iſt ſchuld daran?
Die Kolkenhexe und der Herr Amtshauptmann!
Willſt Du gepeitſcht werden, Burſche?!
’s kommt mir nicht drauf an, wenn ich ein wahres Wort an den Mann bringe.
Zabel hat Recht: Herr Wittich treibt ein ſchaͤndlich Spiel mit uns.
Herr Wittich von Appelmann, Amtshauptmann auf Uſedom, ich warne Euch im Namen Eures guten Leu - munds auf Erden und im Namen Eurer Zukunft dort oben, kein gewiſſenlos Spiel zu treiben mit eines unbe - ſcholtenen Hauſes Ehre —
Welch eine Anrede erlaubt Jhr Euch, Pfarrer!
Jch erlaube mir, was mir der Geiſt meines Amtes, was mir das Herz eines bedraͤngten Vaters eingiebt. Jch ſage Euch voraus, daß ich Eure richterliche Theilnahme in ſolch einem Prozeſſe, wenn Jhr’s zu einem Prozeſſe treibt, perhorresciren muß und werde, und daß ich, um dies zu begruͤnden, Euer gehaͤſſig Weſen gegen mich und Euer Weſen gegen mein Kind, Eure Antraͤge und Prak - tiken vor aller Welt entbloͤßen werde und entbloͤßen kann!
Ehren Abraham, mit jedem Worte ſchwatzt Jhr Euer Kind tiefer in’s Verderben —
Gegen mich iſt Euer Kind rettungslos verloren, und Eure verwegenſten Anklagen prallen ab vom Schilde meines Anſehens, ja ſie zerſchellen vor einem veraͤchtlichen Laͤcheln meines Mun - des; mit mir allein kann ſie gerettet werden. Dar - nach ſtempelt Eure Worte!
Die Richter von Uſedom ſind da!
Gottes Friede ſei mit dieſem Hauſe, wenn es ein ſau - ber Haus iſt, Gottes Zorn, wenn es unſauber!
Jch gruͤße Euch, Herr Conſul!
Jch gruͤße Euch ehrfurchtsvoll, Herr Amtshaupt - mann!
Jch werd’ es ſeiner Zeit und an richtigem Orte zu ruͤhmen wiſſen, daß Jhr auch mitten in der Nacht eilig ge - weſen ſeid, dem Rufe des Amtes nachzukommen.
Schuldigkeit! Fiat justitia, pereat mundus; wo iſt die Angeklagte?
Sie ſteht vor Euch, Herr Conſul, und ich rufe Euch zu als deren geaͤngſtigter Vater und als Diener der Kirche: pruͤfet die Jndicien oder Vorwaͤnde mit unparteiiſcher Kaltbluͤtigkeit, damit nicht ohne Noth Schande komme uͤber ein bis daher gottſelig Haus und uͤber eine bis daher unbeſcholtene Jungfrau; denn Jhr wißt der unbefleckte Ruf einer Jungfrau iſt deren hoͤchſter Schatz, und der Ruf einer Jungfrau iſt wie ein kryſtallener Spiegel: jeder Hauch kann ihn truͤben.
Wohlgeſprochen, Herr Pfarrer, wenn auch unnoͤthig. Die Jndicia werden zureichend und vollwichtig ſein, da der Herr Amtshauptmann darauf hin das Gericht in Bewe - gung geſetzt, und binnen hier und einer Stunde ſoll auf Schloß Pudagla im dortigen Gerichtsſaale nach ſtrikter Form und geweihtem Herkommen das erſte Verhoͤr ge - halten werden — ſaͤumt alſo nicht, Euer Kind ſofort den Knechten des Gerichtes zum Transport nach Pudagla zu8*116Die Bernſteinhexe.uͤberantworten — die Knechte harren mit dem Wagen vor der Thuͤre.
Ohne Unterſuchung der Vorfrage?!
Sie gilt fuͤr erledigt durch Requiſition Eures Herrn Pflegevaters, werther Herr Junker, den ich achtungsvoll begruͤße.
Mit Verlaub, Herr Conſul, dagegen proteſtire ich!
Ruͤdiger!
Gott lohn’s Euch, Junker.
Endlich ein Wort!
Jn welcher Eigenſchaft, Herr Junker, proteſtirt Jhr?
Nicht blos als Edelmann, der unſerm Herzoge em - pfohlen iſt zu einſtiger Amtshauptmannſchaft, als Rechts - kundiger, Herr Conſul, proteſtire ich. Der Herr Amts - hauptmann hier iſt ſo gut wie Partei in dieſer Sache: der Angeklagten Vater, Pfarrer Schweidler, beſchwert ſich117Die Bernſteinhexe.ſeit Jahren uͤber harten Groll des Amtshauptmanns, uͤber Vorenthaltung eines Salars, welches ihm der Herzog ſel - ber zugeſchrieben, und welches ihm ohne Fug und Grund bisher von Pudagla aus verweigert worden. Die Ange - klagte ferner, deſſelben Pfarrers Tochter, erhob ihre Stimme kurz vor Eurem Eintritt, Herr Conſul, um An - erbietungen zu veroͤffentlichen, welche ihr Herr Wittich gemacht.
Schweig’, Ruͤdiger!
Nicht gegen meinen leiblichen Vater wuͤrde ich ſchwei - gen, ſtuͤnde er ſchief oder doch zweifelerregend dem Rechte gegenuͤber. Wie Herr Wittich mich jetzt unterbricht, ſo unterbrach er vorhin die Mittheilungen der Jungfer, es ſind alſo Dinge zwiſchen ihm und der Angeklagten zu ver - ſchweigen, und ſomit iſt er nicht der Mann, um die Ver - antwortung auf ſich zu nehmen, daß die Vorfrage uͤber - gangen, und daß ein tugendhaftes und liebenswuͤrdiges Maͤdchen blos auf ſeine Veranlaſſung hin den rohen Knechten des Gerichts und dem oͤffentlichen Skandale des Landes uͤberliefert werde. Nimmermehr iſt dies zu Recht. Und Eure Schuldigkeit, Herr Conſul, iſt’s, als Mann des Geſetzes dieſen Verſtoß gegen das Geſetz auf der Stelle zu beſeitigen!
Jch bin erſtaunt, Herr Amtshauptmann.
Und wenn Jhr nicht beſchraͤnkten Kopfes oder ein Lie - bediener ſeid, ſo werdet Jhr nach einer Viertelſtunde zu der Einſicht kommen, die Jungfer Marie habe keine andre Hexerei an ſich, als die Hexerei der Liebenswuͤrdigkeit, und es ſei nur durch Klatſcherei dieſes gemeinen Weibsbildes
und durch ſonſtigen gemeinen Plunder wieder einmal das nichtswuͤrdige Schauſpiel eines Hexen - prozeſſes vorbereitet worden, dem Volkswahne ein erfreu - licher und entſittlichender Spectakel, jedem Vernuͤnftigen aber ein Graͤuel!
Jhr hoͤrt, Herr Conſul, nichts als ein Prinzipienhaß gegen Hexenprozeſſe bringt dieſe Verwirrung zu Wege, laßt Euch dadurch nicht aufhalten und befehlt die Abfuͤh - rung.
Ja — ja —
die Sache iſt ſchwierig, der Junker ſoll ein Liebling des Herzogs ſein und hat nicht Unrecht, und Wittich iſt ein gewaltſamer Mann!
Das fehlte noch! —
Holla, Wulf!
Geſtrenger Herr!
Jſt Alles bereit?
Alles bereit, geſtrenger Herr! Ein friſches Gebund Stroh, und ein Schemel zum Aufſteigen, ein Sitz dahin - ter fuͤr mich und die Schreckensreiter zur Seite, ſchwarze Pferde, ſchwarze Peitſche, Alles wegaliter und in peinli - cher Ordnung.
Niemand beruͤhre die Angeklagte! Nicht Buͤttel, noch Knecht, noch Beiſtand! Und ſo nehme die Sache ihren Lauf, thoͤrichten Freunden, wie vorwitzigen Feinden zum Trotz! Lieſe Kolken als belaſtende Zeugin ſei binnen zwei Stunden auf Pudagla zum erſten Verhoͤre!
Jch wiederhole feierlich meinen Proteſt und mache den Herrn Conſul von Uſedom verantwortlich fuͤr alle Folge.
Schweig’ ſtill mit ſolchem leeren Schall! Du haſt als unbetheiligte Privatperſon weder zu proteſtiren, noch zuzu - ſtimmen.
Dieſe jaͤhe Haͤrte, Amtshauptmann von Uſedom, for - dert jeglichen Rechtsſinn heraus, auch den Eures Pflege - ſohnes, der Euch Erziehung und mannigfache Wohlthaten120Die Bernſteinhexe.dankt. Jhr werft meinen Proteſt wie ein Spielzeug bei Seite, wohl denn, nun liegt mir ob, die Pflicht der Dank - barkeit gegen Euch hintan zu ſetzen vor der hoͤheren Pflicht menſchlicher Gerechtigkeit! Was Jhr jetzt als einen Zwerg mit Fuͤßen tretet, das ſoll von Stettin aus vor Euch erſcheinen wie ein Rieſe binnen hier und acht und vierzig Stunden!
Binnen acht und vierzig Stunden ſoll es zu ſpaͤt ſein.
Wulf!
Geſtrenger Herr!
Geh’ hinaus und gieb Befehl an die Leute von Coſe - row, und an der Muͤhle, wenn Du voruͤberkommſt, und in Pudagla, wenn Du ankommſt, daß Niemand bei ſchwe - rer Leibesſtrafe ein Pferd oder ein Boot dem Junker ſtelle, binnen hier und acht und vierzig Stunden —
Zu Befehl, geſtrenger Herr!
Jch mache Euch aufmerkſam, wuͤrdigſter Herr Amts - hauptmann, daß unſer gnaͤdigſter Herr Herzog in Stettin ſich allerdings dieſer Gattung von Prozeſſen nicht ge - neigt erweiſt, daß er Anſtoß nehmen koͤnnte an dieſer jaͤh -121Die Bernſteinhexe.lingen Verfahrungsweiſe, und daß ich mich in meiner rich - terlichen Stellung verwahren muͤßte gegen dieſe —
Verwahrt Euch hinten und vorn, Herr Conſul, ich befehle als Amtshauptmann, daß unverweilt verfahren werde!
Dagegen muͤßt’ ich doch bemerken —
Jhr habt zu bemerken, ſobald der Prozeß im Gange iſt — ihn in Gang zu bringen oder nicht zu bringen, iſt meine Verantwortlichkeit. Habt Jhr das aufgeregte Volk nicht geſehn? Wollt Jhr’s beruhigen, wenn Jhr den Ge - genſtand ſeines Zornes frei gebt?
Das nicht, aber —
Jch aber muß es, das iſt meine Aufgabe. Und des Volkes Stimme —
Jſt Gottes Stimme. Jedennoch —
Wulf!
Verſchaffe mir einen raſchen Reiter nach Stettin, kannſt Du —
Freilich! den Andres!
Wulf!
Jch kann’s ſchwerlich noch, und hier iſt Alles vorbei — ich ſchreibe hier, ſchick’ ihn hierher; aber nicht auf der Straße.
Verrichte Dein Amt! — Marie Schweidler, Pfar - rerstochter zu Coſerow, angeklagt der Hexerei, ſchreite hinaus vor dem Buͤttel, um vor dem peinlichen Gerichte in Pudagla zu erſcheinen!
Allmaͤchtiger Gott, mein Kind!
Endlich! — Das boͤſe Gewiſſen!
Gott vergeb’s Euch, Herr Wittich!
Verfluchte Wirthſchaft!
Moͤge Gott billiger gegen Euch ſein, Herodes von Uſedom, als Jhr es gegen mein Kind ſeid — Jlſe, Jlſe!
Was ſoll ich denn, Herr Pfarr, ich moͤchte nicht gern was damit zu ſchaffen haben.
Bringe Waſſer, Marie iſt ohnmaͤchtig!
Gott verzeih’ mir’s gegen Euch! Aber ſeit die Jung - fer eine Hexe iſt, kann ich keine Handreichung fuͤr ſie vor meinem Gewiſſen verantworten!
O mein Gott!
Entſetzlich!
Dummes Weibsbild!
Nun, Herr Conſul, braucht es bei ſolchem Zeugniß der eignen Dienſtmagd, unter deren Augen die Jungfer aufgewachſen, noch weiterer Vorfrage?
Sie erholt ſich!
Seid tapfer, Jungfer! Jch will Euch wohl!
Meine alten Arme ſollen ſie ſtuͤtzen, und ginge es zum Aeußerſten, faſſe Muth, Kind, ich weiche nicht von Deiner Seite!
Gott lohn’s Euch, guter Vater!
Vater, verlaß mich nicht!
Gewiß nicht, mein Kind, und Gott im Himmel wird uns auch nicht verlaſſen.
Ehren Abraham, Jhr werdet nicht Eure wuͤrdige Per - ſon dem Geſpoͤtt des Volkes ausſetzen und auf dem Leiter - wagen gen Pudagla fahren —
Das werd’ ich, Herr, iſt doch unſerm Erloͤſer noch Aergeres widerfahren.
Miſcht nicht gedankenlos das Verſchiedenartigſte durcheinander! Hier handelt ſich’s um Teufelswerke, und Jhr koͤnnt Euch nicht als Diener der Kirche oͤffentlich dazu geſellen, ohne Euer Anſehn zu gefaͤhrden und Eure Amtsſtelle auszuſetzen!
Jch werfe Alles hinter mich, wo es mein Kind gilt, und ſtelle auf Gott allein die Zukunft — fahr’ ich nicht auch mit dem armen Suͤnder zum Hochgericht? Und ſollte mein Kind allein ziehen laſſen zur Schmach, und ſollte Schaden leiden an meiner Ehre, wenn ich die heiligſte Pflicht erfuͤlle?!
Mag Alles ſein, aber Jhr gehoͤrt nicht zur Anklage, koͤnnt nicht in Gemeinſchaft bleiben mit einer Perſon, die peinlich verhoͤrt werden ſoll —
Jch ſehe unter ſolchen Umſtaͤnden kein Hinderniß! be - ſonders da die Angeklagte unmuͤndig —
Jhr uͤberſpannt’s zum Aeußerſten! Den Diener126Die Bernſteinhexe.der Kirche einer Frau entziehen zu wollen, die um Teufelswerk angeklagt iſt, das waͤre Unſinn wie Bar - barei!
Still mit den Bemerkungen! Sie ſtimmen mich nur ſtrenger, als ich ſein moͤchte! — — Jch will’s geſtatten, um Euch zu zeigen, daß ich keiner perſoͤnlichen Abneigung hierbei Raum gebe.
Von Euch, Jungfer, wird es abhaͤngen, ob die Sache zu gutem oder uͤblem Ende ge - deihe. Ueberlegt’s Euch weislich.
Es iſt nur ein Gott im Himmel und ein Recht auf Erden, wie auch der irdiſche Ausgang zeugen mag, und wehe dem Menſchenkinde, welches um truͤglicher Naͤchſten willen von dieſem Glauben weichet! Und Jhr ſeid ein truͤg - licher Naͤchſter!
Baſta! Vorwaͤrts mit der Hexe gen Pudagla!
Halloh die Hexe, Halloh die Hexe!
So wahr ein Gott im Himmel lebt, Herr Wittich, dies heißt Menſchlichkeit und Recht mit Fuͤßen treten und ſetzt den Sohn gegen den Vater in unausloͤſchliche Em - poͤrung!
Jn dieſem Fluͤgel alſo ſoll’s vor ſich gehn?
Ja, Herr Junker.
Das grauſame Puppenſpiel!
Ja, Herr —
Was, Kerl, Du ſagſt Ja?
Warum nicht? Meinetwegen kann man die Dinge nennen, wie man will, ich bin kein Gelehrter.
Und warum denn gerade hier?
’s ſoll gut gegen die Hexen ſein: die großen Fenſter liegen gegen Morgen, und das vertragen die Teufelsfrauen - zimmer nicht —
man ſieht auch ge - rade auf den Streckelberg und auf die kahle Seite, wo den Hexen das letzte Feuer an die Roͤcke gelegt wird, das hilft auch.
Welch ein reicher Blick uͤber Land und See! Und von hier aus, Gott, trachten die Menſchen nach Zerſtoͤ - rung eines Deiner ſchoͤnſten Werke!
Der Abt hat hier gewohnt, als Pudagla noch Kloſter war.
Dort ſoll ſie wohnen?
O ne! Die wohnt nicht mehr! Unten aus dem Thurm - loche wird ſie zwei oder drei Mal die Windelſtiege hier ’rauf ſteigen, und dann iſt’s abgemacht. Entweder ſie wird was Rechts, und der Herr Amtshauptmann bringtLaube, dram. Werke. III. 9130Die Bernſteinhexe.ſie durch, oder ſie bleibt ’ne Hex’, und wird auf den Stre - ckelberg ’nuͤber gefahren.
Na, ich thu’, was mein Herr befiehlt. Frauenzimmer iſt Frauenzimmer, ich frag’ nicht darnach, ein Topf heißer Wein iſt mir lieber, und fuͤr Geld kriegt man Zucker — ſeht’s Euch an, Herr Junker, ich ſoll Euch Alles zeigen weil Jhr nie auf dieſem Fluͤgel geweſen waͤrt
Zeigen ſollſt Du mir — ich denke, ich ſoll Herrn Wit - tich hier erwarten?
Nu ja, das auch. Jch weiß nur, daß ich Euch hier Alles aufſchließen, und daß hier verhoͤrt werden ſoll
Das ſieht nur ſo dunkel aus, aber hinter dem Gange kommt eine Thuͤr und dahin - ter ein gut vergittert Zimmer, das waͤr’ ein Prinzenge - faͤngniß mit ſchoͤner Ausſicht auf die Daͤcher — ’s iſt ein Glockenzug drin fuͤr dieſe Glocke hier, ’s iſt ſehr vornehm.
Was ſoll das bedeuten? Er will doch wohl einlenken und ſie ſaͤuberlich behandeln!
Hat die Jungfer was zur Staͤrkung erhalten?
Nicht doch! Sie iſt ja eben erſt angekommen, und eine131Die Bernſteinhexe.Hexe muß nuͤchtern beim Verhoͤr ſein, ſonſt ſchuͤtzt ſie der Teufel. Und’s paßt gerade. Sie war nuͤchtern in die Fruͤhkirche gegangen, dann iſt ſie nuͤchtern hier ’ruͤber ge - fahren worden, das Viertelſtuͤndchen, das ſie hier iſt, hat ſie zur Einrichtung auf ihrer Schuͤtte Stroh gebraucht, und’s wird etwa noch ein Viertelſtuͤndchen dauern, da geht’s Verhoͤr los, und ſo iſt Alles in richtiger Dispro - portion, und ſie geſteht gleich, und wir haben kurze Arbeit.
Glaubſt Du auch ein Menſch zu ſein?
Jch glaube Alles und nichts, wie’s der Herr Wittich befiehlt, ich bin ſein Diener und Buͤttel von Pudagla, und werde Euer Diener und Buͤttel, Herr Junker, wenn Herr Wittich einmal verungluͤckt und Jhr Amtshauptmann werdet.
Du mußt Dich ganz anders auffuͤhren, Burſche, wenn ich Dich nicht wie ’nen tollen Hund erſchießen laſſen ſoll, ſobald ich Amtshauptmann werde.
So? — Wie denn?
Menſchlich mußt Du werden!
Na, ’s wird auch keine Hexerei ſein.
Und’s wird jetzt darauf ankommen, wie Du Dich gegen die Jungfer benimmſt und gegen mich, der ſie be - ſchuͤtzen will.
So?
Faͤhrſt Du fort, unmenſchlich zu ſein, ſo haſt Du von mir die empfindlichſte Zuͤchtigung zu erwarten.
Das mag wohl ſein. Aber jetzt ſeid Jhr doch noch nicht Amtshauptmann, und Herr Wittich iſt noch feſt — nun iſt noch dieſe Thuͤr uͤbrig, die fuͤhrt zur Herrenſtiege
hier ſteigt Herr Wittich ’rauf und ’runter, — und hier kann der gefangene Prinz den Waͤch - tern entſchluͤpfen, wenn’s Herr Wittich geſtattet.
Was fuͤr ein Prinz?
Na, ich mein’ nur ſo, wenn da drinn Einer ſaͤße!
Andres iſt gluͤcklich fort! — Seid Jhr allein?
Wulf iſt da!
O weh! — Seid auf der Hut! Wittich fuͤhrt gegen Euch was im Schilde, ich hab’ ihn behorcht, wie er zum Conſul ſprach.
Du biſt nicht klug!
Beſtecht Wulf, er nimmt Geld und ſaͤuft gern.
So! Nun iſt Alles offen, und es kann losgehn. Nun die Tafel und das Handwerkszeug.
Der Wittich kommt, ich kann nicht mehr zuruͤck.
Jetzt kommt! Raſch! Und ſtoßt nichts entzwei!
Hierher die Tafel!
Zu Befehl, geſtrenger Herr!
Jhr habt Urſache mir zu zuͤrnen, mein Vater, und ich bitte Euch deshalb um Verzeihung; aber ich kann meine Anſicht und mein Verfahren nicht aͤndern.
Jch zuͤrne Dir nicht, und Du bedarfſt keiner Verzei - hung von mir, Ruͤdiger. Jm Gegentheile, ich bitte Dich, nicht voreilig uͤber mich abzuurtheilen. Du wirſt mich am Ende gerechtfertigt ſehn, wenn es mir gelingt, Dich von der Richtigkeit meiner Geſichtspunkte zu uͤber - zeugen. Gelingt mir dies nicht, ſo werde ich daruͤber hinſterben, ohne Dein volles Vertrauen wieder zu gewin - nen, und dies wird mir ein tiefer, mein Leben untergraben - der Schmerz ſein; denn Du biſt der einzige Menſch, den135Die Bernſteinhexe.ich liebe, und von dem ich geliebt, wenigſtens geachtet ſein moͤchte.
Mein Vater!
Es war eine Taͤuſchung, als ich glaubte Dein Vater werden zu koͤnnen, wenn ich Dich auferzoͤge. Nichts kann die Natur erſetzen! Du biſt nicht mein Blut und bleibſt mir innerlich fremd wie jeder Andere. Sage nichts dagegen; ich ſpreche dies nicht aus wie einen Vorwurf gegen Dich. Jch will Dir ſogar Deine Stellung und Handlungsweiſe gegen mich erleichtern. Sei ſelbſtſtaͤndig, ich werde Dich loben, auch wenn Deine Selbſtſtaͤndigkeit wie ein Schwert gegen mich ſelbſt gerichtet iſt.
Die Dankbarkeit, welche ich Euch ſchuldig bin. —
Sprich dieſes Wort nicht aus, es iſt das Widerwaͤr - tigſte in unſrer Lage. „ Die Dankbarkeit, welche Du mir ſchuldig biſt! “— iſt dies nicht mit anderen Worten das - ſelbe, was ich eben vor Dir ausgeſprochen? Du behan - delſt unſer Verhaͤltniß wie einen Kontrakt! So und ſo viel habeſt Du von mir bekommen, ſo und ſo viel ſeieſt Du mir dafuͤr ſchuldig. Das iſt’s. Es giebt nur Dank - barkeit, das heißt, es giebt nur eine abzuzahlende Rech - nung, wo es nicht natuͤrliche Liebe giebt. Kein Menſch,136Die Bernſteinhexe.keines Menſchen Thun kann die Natur erzwingen. Baſta. Wir ſind Sclaven der Erde. Jch aber erklaͤre Dir, daß ich Deine Rechnung an mich fuͤr bezahlt erachte.
So denke aber ich nicht.
Weil Du jung biſt, weil Du ohne Erfahrungen biſt, weil Du noch glaubſt, das Herz habe dauernde Gedanken. Das Herz hat nur Wallungen, und wenn das Blut, wel - ches dieſe Wallungen hervorbringt, uns nicht von ge - meinſchaftlicher Natur iſt, ſo iſt dieſe Wallung eben nichts weiter als ein voruͤbergehend Weſen.
Nun laß alle Ausgaͤnge von den Waͤch - tern beſetzen, daß kein Unberufener herein und hinaus kann — und vergiß die Windelſtiege nicht.
Die Richter ſollen bereit ſein; und ſobald ich rufe, bringe die Angeklagte!
Zu Befehl!
Laſſen wir dieſe allgemeinen Dinge in ihren Wuͤrden oder Unwuͤrden; es iſt nutzlos, der Jugend etwas zu leh - ren, was ihr nicht einleuchtet. Sie behaͤlt es nicht, und ſie ſoll es nicht behalten, denn ihr Lebensreiz beruht im137Die Bernſteinhexe.Genuſſe ſchoͤner Jrrthuͤmer. Wir aber muͤſſen uns uͤber das Maͤdchen aus Coſerow verſtaͤndigen — Du hegſt eine Leidenſchaft fuͤr ſie —?
Wie? Du verlaͤugneſt dieſe Leidenſchaft?
Es handelt ſich hierbei nicht um Neigung oder Ab - neigung —
Um was ſonſt? — Du wuͤrdeſt Dich den Teufel auch fuͤr eine Hexengeſchichte in Coſerow ſo lebhaft bemuͤhen, wenn die in Unterſuchung gebrachte Hexe Lieſe Kolken oder die alte Jlſe waͤre! Die Jugend beluͤgt ſich am Eifrig - ſten, wenn ſie ihre Neigungen aufputzen kann. Mir gegen - uͤber ſollſt Du das nicht thun. Jch achte Deine Neigun - gen viel hoͤher als Deine Weisheit; es giebt keine Weis - heit vor reifen Jahren, und es giebt Neigungen, die mehr werth ſind als alle Weisheit. Daß Du alſo das Maͤdchen liebſt, ſind’ ich ganz begreiflich, und faͤnde ich ganz ver - zeihlich, wenn dabei etwas zu verzeihen waͤre: ſie iſt in allen Dingen verfuͤhreriſch und uͤbt den Zauber aus, der allen jungen Hexen eigen iſt —
Vater!
Ja ſo, Du glaubſt nicht an Hexerei! Nun, das bei Seite! Jch glaube nicht nur daran, ich bin ſogar uͤberzeugt davon. Wenn ich nicht ein Mann und nicht der Amts - hauptmann waͤre, ſo wuͤrde man mich ſelbſt unfehlbar als Hexe angeklagt haben, und man haͤtte ganz recht daran gethan. Meine natuͤrlichen Anlagen haben es mit ſich gebracht, daß ich fruͤhzeitig wunderbarer Geheimniſſe der Natur maͤchtig geworden bin, und ich will Dir’s gar nicht laͤugnen, daß ich ſie heute noch uͤbe, wo ich ihrer bedarf.
Jhr ſcherzt!
Nicht im Geringſten, junger Mann, oder ſollteſt Du wirklich ſo taub geweſen ſein, niemals von den Uſedomern zu hoͤren, daß der Wittich von Pudagla mit dem Teufel verkehrt?
Wer hoͤrt auf ſolches Volksgeſchwaͤtz!
Ein Thor hoͤrt nicht darauf. Entſteht es aus dem Nichts? Entſteht die Regenwolke aus dem Nichts, weil ſie ploͤtzlich am heiteren Himmel erſcheint? Man fluͤſtert es nur, und ſchreit es nicht laut, weil ich die Macht habe, dem Schreier den Hals umzudrehn. Die Macht allein behaͤlt Recht. Was den Teufel ſelbſt dabei anbetrifft, ſo139Die Bernſteinhexe.iſt es hierbei gleichguͤltig, was darunter zu verſtehen iſt; ich glaube nicht, daß Du ihn jemals kennen lernen wirſt, denn es gehoͤren dazu feiner ausgebildete Sinne und Or - gane, als Dir zu Theil geworden ſind, kurz ich verſtehe mich darauf, und ich kenne deshalb die Marie Schweidler genau, und ich verſichere Dir: ſie wird mit vollkommenem Fug und Recht vor’s Hexengericht gefordert.
Es iſt nicht moͤglich, daß Jhr ernſthaft ſprecht —
Bleib’. Jch ſpreche vollkommen ernſthaft mit Dir, um ſo mehr, da ich vielleicht das letzte Mal zu Dir ſpreche; denn wir muͤſſen in Betreff dieſer Angelegenheit einen großen Entſchluß faſſen, und es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß uns dieſer Entſchluß Jahre lang auseinander fuͤhrt. Verſtaͤndigen wir uns alſo zunaͤchſt uͤber das Maͤdchen und uͤber das wahrſcheinliche Schickſal derſelben, alles Uebrige haͤngt davon ab. Verhehlen wir demnach einan - der nicht das Geringſte uͤber dieſen Gegenſtand, denn man kann nur mit Dingen, die man genau kennt, eine Vor - ausberechnung anſtellen. Du alſo liebſt Marie Schweid - ler, und willſt ſie retten, und ich —
Jhr wollt ſie fuͤr Euch gewinnen oder ſie verderben!
Es iſt beinahe ſo, wie Du ſagſt. Jch liebe Marie Schweidler ebenfalls und will ſie ebenfalls retten.
Nun, da iſt es alſo ausgeſprochen.
Behalte ruhiges Blut! Es iſt etwas ganz Anderes, als es dem jugendlichen Liebhaber erſcheint. Jch liebe nicht Deine Marie mit ſchmachtendem Munde und witzi - gem Herzen, und meine Liebe iſt kein eigennuͤtziges Braͤu - tigamsverlangen. Meine Liebe haͤtte nichts dagegen, daß ſie Deine Gattin wuͤrde, wenn ſie ebenbuͤrtig und nicht eine Hexe waͤre — ich liebe die kleine Zauberin, die Zau - berin in wirklicher Bedeutung des Wortes; ich will ſie um mich haben und ihren Verkehr mit unterirdiſchen Kraͤften belauſchen und beliebaͤugeln. Deshalb will ich ſie retten, wenn ſie zu retten iſt.
Und doch habt Jhr es allein dahin gebracht, daß ſie der Rettung bedarf —
Thor! Es war der aͤußerſte Augenblick, in welchem ich es noch thun konnte — man fahndet aus Wolgaſt laͤngſt auf ſie! Dorthin hat das Eitelkeitsteufelchen ſie zum Oefteren getrieben um Putz und Flitter und prahleri - ſches Aufſehn. Die niedlichſten Zauberſtuͤckchen hat ſie dort aufgefuͤhrt und Koͤpfe und Herzen verdreht, — und erſt als mir geſtern Morgen von dorther angekuͤndigt wurde, man wuͤrde die kleine Prieſterhexe in Wolgaſt ver -141Die Bernſteinhexe.hoͤren und richten laſſen, wenn ich es nicht thaͤte, erſt da hab’ ich mich zur Einleitung des Prozeſſes entſchloſſen.
Das iſt eine entſetzliche Verwirrung!
Nur in Deinem Kopfe, in welchem die Verliebtheit herrſcht ſtatt des Verſtandes. Betrachte nur einmal die Dinge, wie ſie ſind: erſt das Maͤdchen und dann Dich ſelbſt. Das Maͤdchen iſt liebenswuͤrdig in hohem Grade. Jch weiß nicht, ob es fuͤr einen einfachen Liebhaber eben ſo angenehm ſein mag, daß ſie in ſtiller Mitternacht mit allerlei Genien verkehrt, daß ſie Macht hat, allerlei Weſen an ſich zu ziehn, daß ſie dieſe Welt wie eine Nebenſache behan - deln und mit ihren Umgebungen ſpielen kann, wie ſie will. Ein Liebhaber, der nicht ſehr beſcheiden iſt, kann davon geſtoͤrt werden, denn allerdings iſt von einer ſol - chen Braut nicht die alltaͤgliche Treue zu verlangen. Mir iſt dies Alles uͤberaus angenehm und reizend, Dir ſchwer - lich! — Zweitens, das buͤrgerliche Verhaͤltniß! Dies iſt noch einfacher. Jch glaube nicht, daß Du ſo vorurtheils - frei ſein wuͤrdeſt, die Standesunterſchiede ganz mit Fuͤßen zu treten und als vornehmer Edelmann eine geringe Pfarrerstochter zu ehelichen. Geſetzt, Du waͤreſt es, ge - ſetzt, Du wagteſt Dein haͤuslich Gluͤck an die kleine betruͤg - liche Hexe — hierbei zwaͤnge mich die Pflicht des Pfle - gevaters, verbietend einzuſchreiten. Jch denke ſtreng uͤber142Die Bernſteinhexe.Standesunterſchiede, weil ich weiß, wie ſchwer die von unten nach oben gaͤhrende Menſchenmaſſe zu regieren iſt, und wie ſie ſtreng, ja unerbittlich in abgegrenzten Schich - ten erhalten werden muß. Jch habe ferner die gegen Dei - nen verſtorbenen Vater uͤbernommene Verpflichtung zu erfuͤllen, daß Du Deiner guten Familie Ehre macheſt. Jch habe endlich als Dein Pflegevater zu verhuͤten, daß Du in gemeiner Duͤrftigkeit untergeheſt. Denn Du biſt nur der Erbe meines Amtes und meiner Guͤter, wenn Du an - ſtaͤndig und ſtandesmaͤßig verfaͤhrſt — mein Amt koͤnnte nie einem Manne anvertraut werden, der ein als Hexe compromittirtes Maͤdchen zu ſeiner Gattin machte, und meine Guͤter muͤßten dem Manne entzogen werden, der gegen meinen Willen ein ſolches Maͤdchen heirathete. Eine Heirath iſt alſo nur moͤglich, wenn Du ein verſpot - teter Bettler werden wollteſt und — das iſt noch gar nicht erwaͤhnt — wenn ich das Maͤdchen vom Scheiter - haufen retten wollte. Unter ſolchen Umſtaͤnden aber wuͤrde ich mein eignes Wohlgefallen an ihr hintanſetzen und ich wuͤrde ſie lieber verbrennen laſſen,
als daß ich das Lebensgluͤck meines Pflegeſohnes zum Opfer braͤchte. —
Das iſt Dein Verhaͤltniß zu dem Maͤdchen.
Es iſt uͤbertrieben.
Um keinen Zug. Ruhige Ueberlegung wird Dich daſ -143Die Bernſteinhexe.ſelbe lehren. Was iſt von alle dem das Reſultat? Fol - gendes: Du kannſt das Maͤdchen nicht beſitzen und kannſt es nicht retten, und wenn Du fortfaͤhrſt, wie Du vorhin in Coſerow angefangen, ſo beſchaͤdigſt Du Dich ſelbſt auf das Gefaͤhrlichſte und vernichteſt das Maͤdchen unfehlbar. Denn in einem Hexenprozeſſe iſt der Angeklagten nichts ſo gefaͤhrlich als ein Zeuge oder Vertheidiger, der an kei - nerlei Hexerei glauben will. Ein ſolcher erbittert das Volk und erbittert die Richter, und dieſe Erbitterung ent - ladet ſich toͤdtlich auf die Angeklagte. Bezweifelſt Du dies? — Alſo: kein Wort, kein einziges Wort, keine Sylbe mehr darf von Dir in dieſen Prozeß hinein geſprochen werden!
Damit Jhr ungeſtoͤrt mit Marie machen koͤnnt, was Jhr wollt!
So iſt’s. Haſt Du mit Verſtand angehoͤrt, was ich Dir mitgetheilt, und haͤltſt Du mich, Deinen Vater, nicht fuͤr einen Boͤſewicht, ſo mußt Du einſehn, daß ich ihr ſo wenig als Du etwas Ungebuͤhrliches anthun laſſen werde. Sprich!
Sprecht Jhr! —
Du mußt alſo vom Schauplatze in Pudagla ver -144Die Bernſteinhexe.ſchwinden, und hierfuͤr laſſe ich Dir freie Wahl: Du magſt auf der Stelle abreiſen, wohin Du willſt, wenn Du mir Dein Ehrenwort giebſt, nicht das Geringſte zu thun oder zu veranlaſſen, was auf den Gang des Prozeſſes Einfluß haben koͤnnte.
Ein ſolches Verſprechen leiſte ich nicht.
Oder Du mußt Dir gefallen laſſen, daß ich Dich wie einen Gefangenen behandle, der mit Niemand in Verbin - dung treten kann. Dafuͤr iſt Alles vorbereitet: Das Thurmzimmer hinter dieſem Gange
ſcheidet Dich von aller Welt; dies mußt Du auf vier und zwanzig Stunden beziehn. Denn binnen vier und zwanzig Stunden wird der Prozeß entſchieden, und das Maͤdchen gerettet ſein, wenn Deine Einmiſchung auf - hoͤrt. Hier kann ich Dir auch Stunde fuͤr Stunde die Er - gebniſſe der Verhoͤre mittheilen. Waͤhle alſo! Willſt Du fort und mir Dein Ehrenwort zuruͤcklaſſen, oder willſt Du hier im Thurme im Vertrauen auf mich das Ende abwarten? Sprich!
Weder das Eine noch das Andere. Jch bin allerdings in großer Pein, Euch ſo widerſprechen zu muͤſſen, denn ich erkenne dankbar an, daß Jhr auf Eure Weiſe fuͤr mein Wohl beſorgt ſeid. Aber Eure Weiſe iſt nicht die meinige. 145Die Bernſteinhexe.Jch halte Eure Hexenwelt fuͤr die Traͤumerei des Aber - glaubens, der einen alternden Mann beſchlichen hat. Er - fahrungen haben Euern klugen Geiſt nicht bereichert, ſon - dern verwirrt.
Spricht ganz wie ein Wittenberger Profeſſor!
Deshalb kann ich das Schickſal Mariens Eurem Gut - duͤnken nicht uͤberlaſſen.
Sondern willſt es nach Deinem Gutduͤnken ver - nichten.
Ferner ſind Eure Geſichtspunkte fuͤr meine buͤrgerliche Zukunft nicht die meinigen. Eine amtliche Laufbahn, die ich auf Koſten meiner Ueberzeugung erſchleichen muͤßte, kann ich nicht brauchen. Die Armuth endlich und den Spott der Welt fuͤrchte ich nicht, wenn ich meinem Gewiſ - ſen und meinem Herzen folgen kann. Darnach werde ich handeln.
Ruͤdiger!
Mein Vater!
Du thuſt mir weh!
Das beklag’ ich innig.
Du weißt, daß ich Recht habe; nur Deine Vorur - theile lehnen ſich trotzig auf.
Jch kann nicht anders!
Du kannſt anders, wenn Du nur den Entſchluß faſ - ſeſt, zu wollen.
O Gott, in welcher ſchmerzlichen Lage bin ich!
Laßt Euch nicht uͤberreden!
Komm zu mir! Jch liebe Deinen tapfern Sinn, Ruͤ - diger, ja ich will ihm nachgeben. Du ſollſt allein ſiegen, Du kannſt es; Du biſt tuͤchtig. Wie gern wollte ich mit Dir irren, denn Dein Jrrthum iſt die Kraft der Ju - gend, welche die aͤußerlichen Vortheile der Welt verachten147Die Bernſteinhexe.zu koͤnnen glaubt. So handle denn ohne allen Zwang. Sieh’, Du biſt in meiner Hand, ich kann Dich zwingen, meinen Rathſchlaͤgen zu folgen. Alle Ausgaͤnge ſind mit bewaffneten Waͤchtern beſetzt, Du koͤnnteſt nicht von hin - nen, wenn ich nicht ſelbſt den Weg Dir bahnen wollte. Aber das will ich.
Jch achte Deine Selbſt - ſtaͤndigkeit, auch wenn ich ſehe, daß ſie Dich in’s Verder - ben fuͤhrt. Komm, ich will Dich hinaus geleiten, und thue dann, was Du nicht laſſen kannſt! Komm!
O mein Vater! Und Alles, was Jhr ſagtet, iſt Eure feſte Ueberzeugung?
Meine feſte Ueberzeugung.
Und Marie iſt verloren —?
Sie iſt verloren fuͤr ſich und fuͤr Dich, wenn Du han - delſt. Sie iſt gerettet, vielleicht auch fuͤr Dich gerettet, wenn Du unthaͤtig und abgeſchloſſen vier und zwanzig Stunden verharreſt.
So will ich Euch folgen!
Zu Deinem Gluͤck!
Und zu meinem.
Junker, Junker! — der Vogel iſt gefangen. Jch kann’s nicht aͤndern, der Vogelſteller ſchluͤg’ mich todt. Weiß ich doch, wo er ſitzt! Will ſchon uͤber die Daͤcher zu ihm klet - tern. Jetzt, Birkhahn, mach’, daß Du ſelbſt aus dem Kaͤfig kommſt!
„ Niemand paſſirt! “
Da haben wir den Teufel!
Da unten iſt der Wulf! Das iſt mein Treffer — nun bin ich auch gefangen! —
— Holla, da iſt ein ſteinerner Vorſprung hin - ter dem Fenſter!
Hu, das geht ſchwindlicht hinunter! hilft aber nichts! Bet’ ein Vater unſer, Birk - hahn!
Der iſt beſorgt!
Die Richter!
Die Hexe!
Ein Wort im Vertrauen, geſtrenger Herr Amts - hauptmann.
Was iſt?
Jch bin bis jetzt dem von Euch eingeleiteten Verfah - ren willfaͤhrig geweſen, muß Euch aber doch aufmerkſam machen, daß mir die Anklage ſehr ſchwach begruͤndet und nicht durchfuͤhrbar zu ſein ſcheint.
Scheint’s Euch?
Muß ich alſo Ew. Geſtrengen im Voraus bemerken, daß eine Enthebung der Angeklagten von der Jnſtanz150Die Bernſteinhexe.wahrſcheinlich eintreten werde, und daß ſich Ew. Geſtren - gen nicht zu weit bloßſtellen moͤchten mit Eifer und Feuer in Anklage und Beſchuldigung.
Wirklich?
Denn die Gewiſſenhaftigkeit in meinem Amte muß mir hoͤher ſtehen, als der Wunſch, Ew. Geſtrengen wohl - gefaͤllig zu ſein.
Erſtaunlicher Scharfſinn, welcher einen Prozeß abur - theilt, ehe Vorlagen und Zeugenausſagen eroͤrtert ſind! Ganz erſtaunlich! Jhr werdet dann in Kurzem allzu ge - lehrt ſein fuͤr das Conſulat in Uſedom, Herr Samuel Pieper.
Muͤßte doch auch bei dieſer Drohung Seitens Eurer Geſtrengen auf Recht und Gerechtigkeit beſtehn.
Rechts um kehr Dich, Hexe!
An unſre Plaͤtze, und wehe dem, der ſich ſchwach er - weiſ’t.
Geſtrenge Herren! Der rohe Knecht Wulf erlaubt ſich, mein Kind wie eine uͤberwieſene Hexe zu behandeln und von ihr zu heiſchen, daß ſie ihre Schuhe ausziehe und ruͤckwaͤrts in das Zimmer trete — wogegen ich Verwah - rung einlege bei Euch, Herr Conſul!
Ehren Abraham! Strenger Brauch muß eingehalten werden zum Nutzen und Frommen des Gerichtes! Eine der Hexerei angeklagte Perſon muß ruͤcklings vor den Rich - tern erſcheinen, damit ſie nicht von vornherein die Richter mit ihren Blicken bezaubern koͤnne. Es muß geſchehen, was Recht und Brauch iſt, dann nur iſt eine Verurthei - lung wie eine Freiſprechung vollguͤltig, und getroͤſtet Euch als chriſtlicher Hirt, daß auch die letztere moͤglich! — Fuͤhre ſie ein, Diener des Gerichts!
Sie ſteht vor dem Gerichte!
Jm Namen Gottes thue Sie alle boͤſen Gedanken von ſich und wende nun Jhr Antlitz zu uns.
Wie heißt Sie? — Wie alt iſt Sie? — Warum ant - wortet Sie nicht? Weiß Sie etwa nicht, warum Sie hier her gefordert iſt?
Jch weiß es, es iſt mir groͤblich genug ſeit heute Mor - gen dargethan worden. Und wozu fragt Jhr mich Dinge, die Jhr wißt?!
Sei Sie nicht hoffaͤrtig, ſondern beſcheiden und er - zaͤhle Sie ſaͤuberlich und aufrichtig, wie Sie zu dieſer er - ſchrecklichen Lage gekommen.
Dieſer Mann hier
kann Euch Alles beſſer erzaͤhlen als ich, denn er hat Alles angerichtet. Seit langer Zeit verfolgt er mich mit un - ſauberen Antraͤgen, und da ich ihn immer von mir ſtieß, und da ich nicht das verrufene Amt einer Ausgeberin in dieſem Schloſſe uͤbernehmen, auch nicht die Aftergattin ſeines Jaͤgers werden wollte, da hat er ſeinen Zorn auf mich geworfen. Noch geſtern Abend hat er ſich im Dunk - len zu uns in’s Haus geſchlichen und mich uͤberfallen, und hat mir gedroht, mich dem Gerichte zu uͤberantworten, wenn ich mich ihm nicht uͤbergaͤbe, und heute Morgen153Die Bernſteinhexe.noch, als die Richter ſchon an unſrer Schwelle ſtanden, hat er mir zugefluͤſtert: „ Wenn Du mein ſein willſt, ſo ſchlag’ ich den Prozeß auf der Stelle nieder, und kein Haar ſoll Dir gekruͤmmt werden! “— Dieſer Mann alſo, der zu Haͤupten des Gerichtes ſitzt, kann Euch am Beſten ſagen, warum ich vor Euch ſtehe! Aber Gott ſieht in die Herzen der Richter, und ich hoffe zu ihm, daß er mich erretten werde aus der Hand meiner Feinde, wie er wei - land die keuſche Suſanna gerettet hat.
Sprech Er, um Gotteswillen, ſprech Er, was muß ich von Er. Geſtrengen hoͤren?
Bleib’ Er ſitzen, Herr Conſul, ſolche Aufwallung ſteht einem Richter nicht an. Jch haͤtte auch gar nicht noͤthig, mich vor Seiner Edlen zu verantworten gegen ſolch Zeug, denn ich bin das Oberhaupt des Gerichtes, und dieſe Perſon iſt eine Hexe, die keinen Glauben ver - dient, und die natuͤrlich und ganz geſchickt damit anfaͤngt, die Richter zu entzweien, indem ſie dem Einen ſchmeichelt, den Andern aber verleumdet. Sind uns denn nicht ſolche Hexenkniffe hinreichend bekannt? — Um aber gar kein Aergerniß aufkommen zu laſſen, will ich in ein Paar Worten dieſe Verleumdung beleuchten. Allerdings bin ich einer neuen Ausgeberin benoͤthigt geweſen und bin es noch, denn meine alte Dorte iſt ſchwach, und allerdings154Die Bernſteinhexe.hab’ ich dieſem Maͤdchen den Poſten antragen laſſen. Aber ſie iſt hoffaͤrtig und will nicht dienen, das iſt die Sache. Ferner hab’ ich ihr auch wirklich geſtern Abend und heute Morgen in Coſerow in’s Gewiſſen geredet, ſie ſolle im Guten ein Geſtaͤndniß ablegen, damit ihre Strafe gemil - dert und ihre Beſſerung ermoͤglicht werden koͤnne. Denn es jammerte mich die große Jugend und die geiſtvolle An - lage dieſes Maͤdchens. Dabei iſt aber natuͤrlich kein un - artig Wort von meiner Seite gefallen, und Jhr moͤgt nun ſelbſt abnehmen, wie tief dieſe junge Perſon ſchon in den Schlingen des Satans gefangen iſt, daß ſie Gutes und Loͤbliches zu Unanſtaͤndigem und Boͤslichem verkehren kann, wie man eine Hand umkehrt.
Mit Erlaubniß, hochpeinliches Gericht, hierbei kann und muß ich alles gegen den Herrn Amtshauptmann vor - gebrachte Nachtheilige der Wahrheit gemaͤß beſtaͤtigen. Ja, Seine Geſtrengen ſind unablaͤſſig meinem Hauſe ein Herze - leid geweſen, haben mich beeintraͤchtigt, wo ſie konnten, und haben meinem Kinde auf allen Straßen und Wegen das Ungebuͤhrliche angeſonnen —
Schweig’ Er, Mann! Jch bin ihm ſtreng, weil Er mich von der Kanzel als einen unbarmherzigen Gutsherrn verleumdet, und Sein Wort gilt hier gar nichts: denn kein Vater kann fuͤr ſein Kind ein Zeugniß ablegen.
Jch aber bin kein Vater, halten zu Gnaden, geſtrenge Herren, und ich kann zu Allem ja ſagen, was gegen den Herrn Amtshauptmann ausgeſagt iſt. Ja, und dreimal ja! Denn ich hab’ ihn mehr als dreimal belauſcht, wie er der Jungfer nachgeſtellt, und hab’s gehoͤrt, wie er in den Bart geflucht hat, ſie muͤſſe ihm zufallen, und wenn er ſie als Hexe anklagen ſollte!
Wo kommt der Kerl her?
Der Teufel muß ihn durch’s Fenſter geſchmiſſen haben.
Ja, wenn Jhr Euch keinen Rath wißt, ſo muß im - mer der Teufel aushelfen.
Laßt ihn auspeitſchen und ihn in’s Loch werfen.
Schon recht, ich hab’s doch angebracht!
Gemach! Wir haben als Richter die Unverletz -156Die Bernſteinhexe.barkeit des Zeugen zu ſchuͤtzen. Herr Amtshauptmann auf ein Wort!
Das Alles wird ein ſeltſam Ding und kann fuͤr Euch zu uͤblem Ende gedeihn. Entſchließt Euch, der ganzen Verhand - lung eine freundliche und ausgleichende Wendung zu geben, widrigenfalls ich mich in einer Weiſe erklaͤren muß, welche Euch und mir nicht wohlgefaͤllig ſein wuͤrde.
Was Jhr da ſagt, Herr Conſul! Erinnert ſich der Conſul von Uſedom, daß ein reicher Buͤrgersmann aus Greifswald gegen mich klagbar wurde bei dem Gerichte in Uſedom, weil ich die Familie des Buͤrgers an Ehre und Anſehn beſchaͤdigt haben ſollte?
Was ſoll das hier?
Wird ſich finden! Stoff-Zuter hieß der Greifswal - der! Samuel Pieper hieß der junge Richter in Uſedom, und hatte der Stoff-Zuter ein gutes Recht, maaßen der Wittich ſehr gewaltſam und ruͤckſichtslos verfahren war. So ſtand es denn bevor, daß der Wittich zu ſchwerer Poͤn verurtheilt wurde durch den Richter Samuel Pieper in Uſedom. Herr Pieper ſpeiſ’te aber gern lecker, und ließ ſich ſeinen Gaumen viel Geld koſten. Daher kam’s, daß er zum Oeftern in peinlicher Geldverlegenheit war, und daß es ihm außerordentlich wohlgefiel, als am Morgen157Die Bernſteinhexe.vor dem Urtheilsſpruche ein Gericht fetter Aale in ſein Haus gebracht wurde. Dieſe Aale, hieß es, kaͤmen aus Pudagla, und ihre Baͤuche waren mit Roſenobles gefuͤllt. Es waren ſehr ſchoͤne Aale, und ſie gefielen dem Herrn Conſul dermaßen, daß an ſelbigem Morgen der Wittich gegen alles Erwarten und rechtliches Herkommen freige - ſprochen wurde auf dem Rathhauſe zu Uſedom durch den jungen Richter Samuel Pieper — ein Vorfall, der da - mals großes Aufſehn erregte, und jetzt unter dem rechts - ſtrengen Herrn Herzog Bogislav wunderliche Folgen fuͤr Herrn Samuel Pieper haben duͤrfte, wenn —
Wenn —?
Wenn er bekannt gemacht, und wenn unſer Hexen - prozeß in Pudagla niedergeſchlagen wuͤrde.
Weshalb ſollte dies Beides geſchehn?
Jch ſehe keinen hinreichenden Grund dafuͤr.
Jch auch nicht.
Baſta. —
Wulf, ruf die Kolken - Lieſe zum Zeugniſſe!
Und der Junker?
Fort!
Richtet Euch zum Guten ein, Jhr Leute von Coſerow, laßt die Winkelzuͤge fahren, die Euch nur boͤſes Blut machen koͤnnten beim Gericht. Niemand von uns will Euer Ungluͤck, aber die Wahrheit uͤber das Hexentreiben wollen wir ergruͤnden und werden wir ergruͤnden.
Weh uns, armes Kind, die Sadducaͤer haben ſich verſtaͤndigt.
Daraus ſoll einer klug werden!
Marie Schweidler, Sie hat unſre Nachſicht im Be - ginn des Verhoͤres zu abſchweifenden Dingen benutzt! Das geht nicht ſo weiter. Beſinne Sie ſich eines Beſſeren und ſei Sie aufrichtig uͤber die Hauptſache. Die Jndicia gegen Sie ſind ſchwer. Wenn Sie Gott die Ehre giebt und reuig bekennt, ſo kann dies Jhre Strafe mildern, und Sie kann um Jhrer Jugend willen mit dem Leben davon kom - men. Alſo geſtehe Sie offen: kann Sie vermittelſt des Teufels zaubern?
Nein.
So? Kurzweg? — Kann Sie entzaubern?
Nein.
Jſt Alles ſchnell geſagt. Jſt Sie nicht in der Walpur - gisnacht auf dem Blocksberge geweſen?
Jch kenne nur einen Berg, das iſt der Streckelberg da druͤben, und auf dem bin ich oͤfters geweſen.
Was hat Sie denn dort vorgenommen?
Blumen hab’ ich gepfluͤckt oder Beeren, und nach der See hinuͤber geſchaut.
Weiter nichts — hat Sie denn nicht den Teufel dort angerufen?
Jſt mir niemals in den Sinn gekommen.
Jſt Jhr alſo der Teufel ohne Anrufen dort erſchienen?
Gott wolle mich davor bewahren und hat mich be - wahrt!
Alſo, der Teufel hat Sie nicht zaubern gelehrt?
Nein.
Und wer denn ſonſt? Jch behaupte und betheure, daß dieſe Marie Schweidler Teufelskuͤnſte kann und treibt!
Weh uns, die boͤſe Perſon!
O Gott!
Das Ungeheuer!
Spreche Sie erſt, wenn Sie gefragt wird! — Nun rede Sie weiter! Womit beweiſ’t Sie die Teufelskuͤnſte dieſer armen Perſon?
Womit? Fragt die ſchoͤnſte Jungfer nur richtig, und der Beweis wird Euch in die Hand kommen.
So frage ſie!
Holla denn, ſchoͤnſte Jungfer, ſo ſteh’ Sie Rede, ob es mit rechten Dingen zugeht, daß ſie alten Herren die Koͤpfe verruͤckt, und daß Sie unſer Vieh in Coſerow todt und lebendig macht, wie man die Hand kehrt rechts oder links?!
Kein leeres Geſchrei! Fragen! Beſtimmt und nam - haft! Antworte Sie! Hat Sie durch Zauberſpruͤche kran - kes Vieh geheilt?
Mach doch kein Hehl daraus, mein Kind! derglei - chen geſchieht ja in Ehren und gutem Glauben mit Got - tes Hilfe!
Ja, ich hab’ es gethan und hab’ es vielfach vermocht.
Seht Jhr’s!
Und mit was fuͤr Zauberſpruͤchen?
Mit ein Paar frommen Worten, die mich meine ſeligeLaube, dram. Werke. III. 11162Die Bernſteinhexe.Mutter gelehrt, und indem ich das kranke Vieh beruͤhrte und ein Vater unſer betete —
Mag ein ſchoͤnes Vater unſer geweſen ſein! Und wie das vergangene Jahr um war und wie’s nicht mehr half, kam das auch vom Vater unſer?
Alſo ſeit dem neuen Jahre half es nicht mehr?
Nein.
Spreche Sie!
Der Witthahn ihr buntes Kalb iſt unter den fei - nen Haͤnden der Pfarrjungfer verſchieden, kann Sie das laͤugnen?
Warum ſollte ich’s laͤugnen! Jch hab’ es nicht in meiner Gewalt, eben weil ich keine Zauberin bin.
Aha, will Sie dahinaus? Warum ging Sie denn mit der Witthahn bei Seite und verſprach ihr, das Kalb zu erſetzen? —
That Sie das?
Das that ich, weil mich die weinende Frau heftig dauerte, und weil ich ſie troͤſten und ihr wirklich helfen wollte —
Ja doch! Weil ſie ſich fuͤrchtete, daß es herauskom - men wuͤrde, welchen Schabernack ihr der Teufel ſpiele. Das iſt’s; der Teufel half ihr nicht mehr jedes Mal, weil ſie vor der Welt die Scheinheilige ſpielen wollte! Wollte eine gottesfuͤrchtige Pfarrjungfer und doch auch eine maͤch - tige Zauberin ſein, Alles in Einem, das dankt nicht die Welt, und dankt nicht der Teufel! So iſt’s!
Spreche Sie! Warum konnte Sie nicht mehr helfen?
Jch weiß es nicht, Herr! Aber dieſe Perſon kann es am Beſten wiſſen —
Nicht wahr?
Jch will nicht Anklage mit Anklage vergelten, aber ich muß zur Entſchuldigung meines Kindes ſagen, daß Lieſe Kolken immer fuͤr eine Perſon gehalten wurde, die Hexerei treiben koͤnne.
Sagt das nicht hier, Vater!
Es muß geſagt werden, denn Niemand anders als ſie hat Deine guten Werke in neuerer Zeit immer zu Schan - den gemacht durch teufliſche Hexenſpruͤche, die ſie hinein gemiſcht!
Ei ſeht doch den gutmuͤthigen Herrn Pfarrer? Und meine eigne Kuh, die unter der ſchlechten Zauberei der jungen Hexe zu Grund gegangen, die hab’ ich mir wohl auch ſelber zu Nichte gemacht? Nicht wahr? Jch arme Perſon, die ich kaum das taͤgliche Brod habe! Wie reimt ſich denn das, Herr Pfarr’ und Herr Richter?
O, es giebt vornehme Leute, die mehr erſetzen als eine todte Kuh, wenn damit ein Unſchuldiger zu Schan - den gemacht werden kann!
Mit Verlaub, ich hab’ in vergangener Woche druͤben am Erlenbuſche im Schatten gelegen und hab’s mit ange - ſehn und angehoͤrt, wie der Herr Amtshauptmann der Kolken-Lieſe fuͤnf Roſenobel einhaͤndigte, und wie er —
Will er ſein Maul halten —
Schweig’ Er, bis Er gefragt wird!
Dieſer leichtfertige Schlingel iſt auch der richtige Zeuge fuͤr die Jungfer — der thut ihr Alles zu gefallen und wenn’s das Aergſte waͤre!
Genug davon! Was weiß Sie ſonſt noch, Lieſe Kolken?
Sonſt noch! O, eine Stunde lang koͤnnt’ ich erzaͤh - len. Die Saat hinter dem Dorfe iſt verhext worden, daß ſie umgefallen iſt und verdorrt, und das iſt daſſelbe Stuͤck Acker, an welchem dieſe junge Hexe alle Tage voruͤber - laͤuft nach dem Streckelberge. Und die Frucht im Mutter - leibe hat ſie den Frauen verhext, die ſie nicht leiden konnte!
Weib!
Nichtswuͤrdige Luͤgnerin!
Still! Wem hat ſie dies Entſetzliche angethan?
Derſelben Witthahn, der ſie das Kalb vernichtet! So wie ſie geboren hatte, iſt der Teufelsſpuk durch’s Fenſter hinausgefahren, daß ſich die Wehmutter entſetzt hat.
Was kann Sie dazu ſagen?
Lene Witthahn iſt nur zwei Jahr aͤlter als ich, wir ſind in Liebe und Freundſchaft mit einander aufgewachſen, und als ihre ſchwere Stunde kam, bat ſie mich, ihr die Hand auf die Stirn zu legen, weil ſie davon Linderung hoffte. Das hab’ ich gethan, und das war Alles, Herr!
Und der Teufelsſpuk?
Jſt mir unbekannt. Das Kind der armen Lene war todt, und die etwas heftige Wehmutter ſchrie unbeſonnen, der Teufel habe dem armen Kindlein den Lebensathem zum Fenſter hinaus entfuͤhrt.
Nun, Herr Richter, ſtimmt das nicht?
Das klingt ſehr verdaͤchtig!
Herr Conſul, ich hab’ Euch geſagt, daß ich die Lene herzlich lieb habe, und mein Vater und Jedermann wird Euch ſagen koͤnnen, daß wir ihr ſtets nach unſern Kraͤf - ten huͤlfreich geweſen ſind in ihrer kleinen verarmten Wirthſchaft. Thut man das, um Jemand ſo erſchrecklich Leid zu bereiten, wie da von mir ausgeſagt wird?
Das iſt und bleibt ſehr verdaͤchtig. Denn dabei kommt167Die Bernſteinhexe.es nun zu der wichtigen Frage: woher hat Sie denn nebſt Jhrem Vater ſolchen Reichthum, um den Leuten Vieh zu erſetzen und ſonſtige Guͤte anzuthun, und in ſeidenen Klei - dern einherzuſtolziren, wie ich da von Jhr ſehe? Woher?
Na, wo bleibt die Antwort? Der Vater ſelbſt beſchwert ſich uͤber ſein duͤrf - tiges Salarium, der ſchwere Krieg hat bekanntermaaßen alle Welt an den Bettelſtab gebracht, woher alſo die Fuͤlle der Guͤter im Coſerower Pfarrhauſe, woher?
Soll ich’s ſagen, Vater?
Ja, mein Toͤchterlein, jetzt mußt Du Alles fein auf - richtig ſagen, wenn wir dadurch auch wieder blutarme Leute wuͤrden.
Jetzt kommt’s.
Die Wahrheit iſt folgende: Wir waren in große Noth gerathen durch Krieg und Peſtilenz und hatten kaum, wo - von den Hunger zu ſtillen. Da ſucht’ ich einſt in meiner Traurigkeit unweit des Meeresſtrandes in einer Schlucht des Streckelberges nach Brombeeren, um doch etwas ge - gen den Hunger zu haben, und bei dieſem Suchen ſah ich168Die Bernſteinhexe.etwas in der Sonne glitzern. Jch trat hinzu und befuͤhlte es mit einem Stoͤcklein, das ich in der Hand trug, und fand, daß es hart war, und hart fortging links und rechts unter dem Sande, wo ihn der Wind nicht weggeweht hatte. Jch wollt’ es nicht gleich glauben, aber es war wirklich ſo, wie es mir beim erſten Anblicke in den Sinn ſchoß: es war eine ſchwarze Bernſteinader, und ſie war lang und tief und ein wirklich großer Schatz, wie ich gleich einſah, denn unter den erſten Stuͤcken, die ich haſtig in der Schuͤrze dem Vater heim brachte, war eins faſt ſo groß wie ein Mannskopf. Jch hatte Alles vorſichtig ge - macht, die Ader wieder mit Sande beſtreut, daß ſie nicht Jedermann finden koͤnne, und ein Tannenreis darauf ge - ſteckt zum Wiederfinden fuͤr uns, und war erſt in der Dunkelſtunde heimgekommen, damit mich Niemand fragen moͤchte, was ich denn ſo Schweres in der Schuͤrze truͤge, und ſo gelang denn Alles, und dies, Herr Richter, iſt die Quelle unſers Wohlſtandes.
Ja, es war Alles ſo, wie ſie ſagt. Jch bin mit ihr hingegangen, und die Bernſteinader war ſehr maͤchtig, und konnten wir in Wolgaſt, wohin wir gleich in den naͤchſten Tagen fuhren, den hollaͤndiſchen Kaufleuten um eine anſehnliche Summe Geldes die ſelten großen Bern - ſteinſtuͤcke verkaufen, und daher ſchreibt ſich unſer Wohl - ſtand, Herr Richter. Gott hat ihn mir auf unſchuldige169Die Bernſteinhexe.Weiſe durch mein vordem immer gluͤckliches und braves Toͤchterlein in’s Haus geſendet.
So? — Wie heißen denn die hollaͤndiſchen Kaufleute?
Dietrich von Pehnen und Jakob Kiekebuſch —
Sind aber leider beide, wie mir ein Schiffer berichtet, zu Stettin an der Peſt verſtorben.
Aha! Das glaub’ ich! Warum habt Jhr denn ſol - chen erſtaunlichen Fund bis Dato verſchwiegen?
Weil wir uns vor dem Amtshauptmann fuͤrchteten, der uns gewiß gern dabei zu Schaden gebracht haͤtte.
Und das mit Recht. Bildet Jhr Euch ein, daß ein vernuͤnftiger Menſch dieſe Geſchichte glauben werde?
Der Teufel allein bringt ſo viel Bernſtein!
Teufelswerk iſt ſo ein Bernſteinfund. Wo haͤtte ein Chriſtenmenſch gehoͤrt, daß ſich Bernſtein je in ſolcher Maſſe hier bei uns faͤnde!
Jhr ſollt uns ſogleich an Ort und Stelle fuͤhren!
Allerdings. Noch Eins zuvor! Solch Teufelswerk bereitet ſich nur zur Nachtzeit, wenn der Boͤſe auf Erden wandelt, wann iſt Sie in den Berg gegangen nach dieſem Bernſtein, bei Tag oder Nacht?
Bald des Tages, bald in der Nacht!
Sie verfaͤrbt ſich, Sie ſtottert?! Da ſind wir am rech - ten Fleck!
Richtig, und ich will meine fuͤnf Finger drauf legen, und Jhr ſollt ſehen, wie ſie zuckt. Des Nachts iſt ſie dort geweſen, und erſt in vergangener Nacht hat ſie dort ein Stelldichein mit dem Satan gehabt! Jch habe ſie rufen hoͤren gegen Zwoͤlf, denn ich traute ihr nicht geſtern Abend und bin ihr nachgeſchlichen. Nachdem Alles fort war aus Coſerow geſtern den ſpaͤten Abend, huſchte ſie hinaus nach dem Berge! Sie wußte, was ihr bevorſtand, und brauchte Hilfe vom boͤſen Geiſte, und wie es Zwoͤlfe ſchlug hier vom Thurme nach dem Berge hinuͤber, da ging der Mond auf, und ich ſah, wie ſie mit einem großen haarigen Rie - ſen unter den hohen Kiefern ſtand und den Rieſen um - halſ’te und herzte.
Barmherziger Gott!
Mein Kind, mein Kind!
Hab’ ich’s getroffen? Sie iſt des Teufels!
Soll uns Gott helfen!
Und es wird wahr!
Du haſt’s genau verſtanden?
Ganz deutlich, geſtrenger Herr, obwohl ſie dabei ſchluchzte und heulte, und der Alte ſchalt und tobte —
Die Geſchichte iſt erlogen!
Soll mich Gott ſtrafen, geſtrenger Herr —
Du weißt den Teufel, Baſta! — Was haſt Du mit dem Schlingel Birkhahn angefangen?
Nichts, geſtrenger Herr!
Was?
Na, bei dem Tumulte, wie die Jungfer in Ohnmacht fiel, iſt er ’naus gewiſcht, und kein Menſch will ihn ge - ſehn haben, ich kann ihn doch nicht ſuchen gehn, wenn ich hier zwei ſolche Capital-Gefangene zu bewachen und zu verſorgen habe — und der Herr Junker iſt ſo ungeduldig, der laͤutet alle Viertelſtunden!
Was will er denn!
Was wird er wollen? Nachrichten uͤber die Jungfer!
Und Du? biſt dumm wie immer.
Ja; aber eben deshalb thu’ ich’s Maul nicht auf.
’s iſt doch keine Moͤglichkeit, daß ihm der Birkhahn was zuſtecken kann?
Jch glaub’s nicht; aber Birkhaͤhnchen iſt ein Kobold; vor dem iſt die Dohle oben im Kirchthurme nicht ſicher.
Mach’ die aͤußere Thuͤr auf und laß mir den Schluͤſſel174Die Bernſteinhexe.da zur andern, dann mach’ die Runde um Thurm und Waͤchter und komm’ wieder her!
Zu Befehl.
Aber, geſtrenger Herr, ’s iſt ein ſtrapazioͤſes Le - ben — ohne Zulage und Staͤrkung halte ich das nicht lange aus.
Eine Tracht Schlaͤge ſoll Dir zugelegt werden!
Schon recht!
Wo iſt Herr Wittich?
Was ſoll der Wittich?
Um Vergebung, Herr Amtshauptmann! ’s iſt wieder Alles beim Alten, die Jungfer hat widerrufen.
Sie hat ja nichts zu widerrufen!
Ei, die Ohnmacht war ja doch die ſtaͤrkſte Ausſage, und die iſt zu nichte geworden! Eben hat mich der Pfar - rer rufen laſſen und hat mir unter Thraͤnen erzaͤhlt, ſein Kind habe ihm Alles geſtanden. Und was hat ſie ge - ſtanden?
Eine Liebesgeſchichte!
Jhr wißt’s ſchon?
Der haarige Teufel Nachts auf dem Streckelberge, der ſie umhalſ’t, das ſei der Junker Ruͤdiger im Wolfspelze geweſen —
Aber woher wißt Jhr’s denn! Das Geſtaͤndniß iſt dem verſchaͤmten Maͤdchen vom Alten muͤhſam abgepreßt worden. Das wunderliche Ding haͤtte ſich drauf hin eher verbrennen laſſen, als daß ſie ſonſt Jemand die Liebesge - ſchichte eingeſtanden haͤtte — Niemand iſt zugegen gewe - ſen, wie koͤnnt’ Jhr’s wiſſen?
Kenne die kleine Schlange auf und nieder.
Unbegreiflich! — Na, die Hauptſache bleibt aber, wir ſind auf dem alten Flecke mit unſerm Verhoͤre —
Larifari! Jch habe Euch ſchon geſagt, das kluge Maͤd - chen ſpielt Verſteckens und fuͤhrt Euch an der Naſe herum. Was war’s denn mit der Bernſteinader?
Nichts.
Haben wir nicht den halben Streckelberg umgebohrt mit Stangen und Schaufeln, und was haben wir ge - funden?
Nichts.
O, ſie iſt ſo klug, daß ich ſie gar zu gern retten moͤchte.
Jch verſteh’ Euch nicht!
Gehoͤren nicht zwei dazu zu ſolchem Stelldichein auf dem Streckelberge? Und wird’s der Junker vergeſſen ha - ben ſeit heute Nacht? Und kann er nicht Zeugniß ab - legen?
Freilich kann er das! und er wird ausſagen: Ja, ich177Die Bernſteinhexe.war’s! und damit wird er ſie retten vor dem Hexen - ſchickſale!
Das wird er nicht! Er kann nicht luͤgen. Die Sache bleibt in richtigem Gange — ordnet das zweite Verhoͤr an und laßt die Werkzeuge zur peinlichen Frage vorberei - ten. Wir werden ſie nicht brauchen, denn ich werde das Zeugniß des Junkers beibringen, daß ſie gelogen habe, und damit iſt ſie ſo gut wie uͤberfuͤhrt und wird keinen Widerſtand mehr leiſten. Baſta! Thut Eure Schuldig - keit.
Unbegreiflich!
Schwachkopf! — Ach lohnt’s wohl der Muͤhe, daß ich kluͤger bin? Wozu mach’ ich denn alle die Anſtren - gungen, und was werd’ ich denn haben, wenn das Lied zu Ende geht? Dies Maͤdchen macht mich zu Schanden! Weich iſt ſie und doch tapfer, das iſt der furchtbarſte Widerſtand, ein Widerſtand, welcher verſtrickt. Und ſie wird mich verſtricken, daß ich ſie wirklich verbrennen laſ -Laube, dram. Werke. III. 12178Die Bernſteinhexe.ſen muß! Und das Alles bloß aus Begier, mich ihrer in Wißbegier und Verlangen zu bemaͤchtigen.
Warum nicht? Man trachtet nach ſeiner Befriedi - gung, es koſte, was es wolle — auch im Untergange liegt eine Befriedigung. Das alltaͤgliche Pack begnuͤgt ſich mit Naſchen und Nippen, und laͤßt ſich abweiſen, wo es an die letzte Decke des eigentlichen Lebensbornes kommt, und wo allerdings die eigentliche Lebensgefahr beginnt — zu dieſen Hausthieren auf Erden gehoͤr’ ich nicht! — Jch muß es erzwingen, daß ſich die geheimſte Faſer dieſer Maͤdchenſeele vor mir enthuͤlle!
Ein Jnbegriff von Zauberwelt iſt in dieſem Maͤdchen - leibe verſchloſſen! Jn Liebe will ſie mir’s nicht offenba - ren — vielleicht offenbart ſie’s in Todesfurcht, und uͤber - dauert ſie auch dieſe, ſo ſtrahlt ſie es aus in der Gluth des Feuertodes!
Soll ich kleinmuͤthig ent - ſagen, um großmuͤthig zu heißen, und ſoll ſie dieſem nuͤch - ternen Ruͤdiger uͤberlaſſen, der keine Ahnung hat von der geheimnißvollen Zauberwelt dieſer feingeſponnenen Wei - besmacht! Dieſer Burſche! Wie nichtswuͤrdig lohnt er mir, wes ich an ihn gewendet! Wie tief gleichguͤltig bin ich ihm innerlich! Er kann nicht dafuͤr, unſre Naturen haben keine wohlthaͤtigen Beruͤhrungspunkte mit einander, freilich! Deshalb kuͤmmert er auch mich nicht! Jch habe weggeworfen, was ich an ihn gewendet, und ich will’s nicht noch einmal bezahlen durch neue Ruͤckſicht, die ich auf ihn nehmen koͤnnte. Wir haben reinen Tiſch, und es179Die Bernſteinhexe.ſoll mich wie ein Witz beſchaͤftigen, daß er ſeiner Liebſten ein Todeszeugniß ausſtellen und es fuͤr eine Lebensrettung halten muß.
Aha! Altes Schickſal, meldeſt du dich auf Pudagla! Er laͤutet ſelbſt, um ſeinen Verluſt zu beſchleunigen. —
Daß mir die Waͤchter nicht ſchlafen!
Holla, ſeid auf der Hut!
Seid wach!
Nun mag die wohlbe - lagerte Feſtung kapituliren!
Vor dem Birkhahn ſind wir nicht ſicher, die Lieſe hat ihn ſchon auf dem Dach geſehn
Aha, er iſt drin! Auch gut, ſo hat man endlich Zeit, eine Staͤrkung zu ſich zu nehmen. Jch krieg’s ſatt,
je tiefer man fuͤr den Wittich in’s Waſſer geht, deſto geiziger und groͤber wird er. Nun ſagt die Lieſe gar, bei der Ge - ſchichte werde ihn der Teufel holen, und die Lieſe ſieht mir verdaͤchtig aus, grad’ ſo wie ein gefangen Weibſen aus -12*180Die Bernſteinhexe.ſieht, das auf dem letzten Loche pfeift, und um die Zeit wiſſen ſie immer am Beſten, was paſſiren wird!
Dann kommt der junge Herr dran und dann wird der Wulf ’nausgeſchmiſſen. Als ob ich ein ſchlechter Diener waͤre! Jch thu’, was man befiehlt, und wenn mich der Junker nur beſtechen wollte, in meinen Taſchen hat’s Platz. — Soll mich der Teufel holen, klettert nicht da der Birkhahn wie eine Katze auf den Firſtenziegeln nach des Junkers Thurmfenſter hinauf! Schwerenoͤther! Der ſteckt ihm Nachrichten, und jetzt kommt er gerade zurecht fuͤr den Alten, oder fuͤr den Junker zu ſpaͤt. Meinetwe - gen! ’s iſt nicht mein Hals, den er bricht —
Sachte!
Sie kommen, Birk - haͤhnchen wird ſchlecht ſitzen, wenn er lange warten muß!
Perſoͤnlich will ich nun vor Gericht ausſagen, daß Marie unſchuldig iſt an dieſem Stelldichein, und daß ſie ehren - und tugendhaft!
Das wuͤrde ihr nur noch mehr ſchaden. Ausſage treibt zu neuer Frage, neue Frage treibt zu neuer Aus - ſage: ſo wird Eure Liebſchaft ſtadt - und landkundig, und der gute Ruf des Maͤdchens iſt fuͤr immer vernichtet!
Der gute Ruf! Als ob Jhr nicht dafuͤr geſorgt haͤt - tet, daß durch einen ſkandaloͤſen Hexenprozeß ihr guter Ruf fuͤr immer vernichtet waͤre!
Du irrſt Dich! Jhr Prozeß ſteht ſehr guͤnſtig, eine glaͤnzende Freiſprechung iſt ihr ſo gut wie gewiß, und er - folgt wahrſcheinlich ſchon nach dem naͤchſten Verhoͤre. Und was einem alten Weibe ſchaden koͤnnte, das nuͤtzt einem jungen Maͤdchen. Ein junges Maͤdchen, das ſieg - reich aus einem Hexenprozeſſe hervorgeht, gilt fuͤr ein gott - begabtes Weſen. Das alte Weib bleibt eine mißtrauiſch angeſehene Hexe, das junge Maͤdchen wird ein Engel!
Und doch ſagtet Jhr mir vor wenig Stunden: es waͤre unanſtaͤndig, ein als Hexe kompromittirtes Maͤdchen zu heirathen!
Fuͤr einen Edelmann, allerdings! Fuͤr unſre Kreiſe ziemt ſich das nicht, und Du ſollſt ſie auch nicht heirathen. Aber fuͤr ihren Kreis iſt ſie gerettet, wenn ſie freigeſpro -182Die Bernſteinhexe.chen wird, und an ihrer Ehre bleibt dann nichts haften als Deine Liebſchaft mit ihr, die naͤchtliche Zuſammen - kunft mit ihr auf dem einſamen Streckelberge!
Arme Marie!
Durch Dich nur wird ſie arm, und Du allein kannſt die uͤble Nachrede von ihr wenden; — aber ’s iſt auch nicht noͤthig!
Wie kann ich das, wenn ich nicht vor Gericht er - ſcheinen und die Wahrheit ausſagen darf!
Folgendermaßen kannſt Du es: Du ſtellſt ein ſchrift - lich Zeugniß aus, daß man das Maͤdchen verlaͤumde, wenn man ihr ein unſaubres Stelldichein mit Dir auf dem Streckelberge nachſage, ein ſolches habe nicht ſtatt - gefunden.
Dann ſchrieb’ ich eine Luͤge!
Ei! Jſt Euer Stelldichein ein unſaubres geweſen?
Nein, bei Gott nicht, Marie iſt rein wie ein Engel!
Nun alſo! Jſt Deine Liebe ſo klaͤglich, daß ſie nicht183Die Bernſteinhexe.eine vorſichtig geſtellte Ausſage daran ſetzen mag! Jaͤm - merlicher Patron, der Du biſt! Die große Gefahr iſt ab - gewendet von Haupt und Leben des Maͤdchens, dieſen Abend vielleicht noch kann ſie heimkehren nach Coſerow, und nichts Bedenkliches haftet mehr an ihr, als die oͤffent - lich gewordene Liebesgeſchichte mit Dir, dieſen Makel, der ſpaͤter durch Nichts zu beſeitigen, kannſt Du jetzt durch zwei Zeilen fuͤr immer von ihr thun, und Du lamentirſt um dies Nichts wie ein Knabe und Du erweiſeſt einem geliebten Maͤdchen nicht dieſen wichtigſten und wohlfeil - ſten Dienſt! Pfui uͤber Dich! Genug alſo, was kommt d’rauf an!
Vergebt mir! Jch glaube, Jhr habt Recht, aber es widerſtrebt ein unerklaͤrliches Etwas in mir —
Das Etwas heißt Schwaͤche!
So ſei es denn!
— Diktirt mir’s, ich verſteh’ mich nicht auf ſo kuͤnſtliche Stellung der Worte —
„ Auf gerichtliche Anfrage verſichere ich hiermit feier - lich “—
’s kommt doch auf mich, ich muß es alſo ſagen!
Der Birkhahn, geſtrenger Herr, iſt auf den Firſtenzie - geln —
Laß mich jetzt in Ruh’ mit dem Birkhahn — „ hier - mit feierlich “
Schon recht — ich hab’s geſagt!
„ Daß nie ein unſaubres Stelldichein zwiſchen mir und der Marie Schweidler bei naͤchtlicher Weile auf dem Streckelberge ſtattgefunden hat. “
„ ſtattgefunden hat. “
Darunter Datum und Deinen Namen! So
Noch einen Augenblick!
Troͤdle nicht unnuͤtz! Eile hinein, Du biſt hier im Wege. Jch will ſogleich das letzte Verhoͤr anordnen, da - mit die Geſchichte heut’ noch zu Ende kommt, und Du ſelbſt wieder machen kannſt, was Du willſt! — Wulf!
Auf Euer Haupt, auf Euer Gewiſſen, Vater, wenn185Die Bernſteinhexe.meine traurige Ahnung nicht truͤgt, und wenn hierbei etwas geſpielt wird, was einem falſchen Spiele aͤhnlich iſt. Jch habe Niemand, den ich befragen kann; aber es iſt der Mann, welchem ich anheim gegeben bin, mein Pfle - gevater; ich muß ihm vertrauen. Die Welt waͤre ein Luͤ - genhaus und Gottes ledig, wenn ein Ehrenmann ſich mit Opfern ein Kind auferzoͤge, um dieſes Kind in Lug und Trug zu verwickeln, und dieſer Ehrenmann waͤre der groͤßte Schurke auf Erden, denn er mißbrauchte die Waffen der Tugend zum Kampfe fuͤr das Laſter. Gott verzeih’ mir’s, wenn ich Euch laͤſtere, und Jhr werdet mir dieſen abſcheu - lichen Verdacht vergeben, wenn er eine Ausgeburt meines gepeinigten Herzens und Hirnes. Waͤre dies aber nicht, waͤre ich kluͤger als ich mir zu ſein zutraue, dann, Herr Wittich, macht Euch gefaßt, in mir einen Feind zu finden, der Euch verfolgt bis vor das juͤngſte Gericht.
Ja — die unſchuldige Wahrheit hat doch eine benei - denswerthe Kraft — und ich glaube faſt, — man hat ein leichteres und genußreicheres Leben, wenn man von Ju - gend auf in ihr wandelt.
Waͤchter!
„ Holla! “
Zum Verhoͤr! —
Die Richter von Uſedom!
Die Sache muß raſch zu Ende! Sie wird mir peinlicher, als je mir eine geweſen! Warum!
Jch bin in Gefahr, mich ſelbſt zu verlieren — das Maͤdchen und der Knabe ſind mir werth, und ihre dummen ehrlichen Empfindun - gen verwirren mich. Jch bin aber doch kein alter Mann, der ſich ſelbſt aufgiebt, weil ihm ein Paar einfaͤltige Kin - der am Herzen liegen. Nein! — Um ſo harſcher muß ich handeln, damit eine ſolche Schwachheit nicht Raum ge - winne, alſo ohne Umſchweif und erbaͤrmlichen Verzug! — Aber wo bleibt der Wulf? — Sollte der graue Suͤnder untreu werden? Nicht doch? Grille auf Grille! — Da iſt er ja!
Wo bleibſt Du?
Habe dem Junker das Lager aufgeſchuͤttelt! —
Hol’ die Hexe!
Zu Befehl!
Jch habe die Magd des Pfarrers von Coſerow mitge - bracht, um ihr Zeugniß abzuhoͤren —
Denn wahrſcheinlich wird ſich die Angeklagte darauf berufen, es ſei Jemand uͤber ihrer Truhe geweſen, da auch in dieſer Truhe kein Bernſtein gefunden worden, und fuͤr dieſen Fall und uͤberhaupt iſt die eigne Magd von Wich - tigkeit. Obwohl ich
nachdem ſich, wie geſagt, das naͤchtliche Stelldichein ſo natuͤrlich aufgeklaͤrt188Die Bernſteinhexe.hat, die Anklage nicht mehr fuͤr ſtark genug begruͤndet erachte —
Dieſen Punkt werd’ ich ſelbſt verhandeln!
Was willſt Du?
Gebt das Maͤdchen auf, damit ich zuruͤcktreten kann — ich bin von Kraͤften und fuͤrchte mich.
Wovor?
Vor dem Tode.
Poſſen!
Verſprecht mir mit dem Walpurgisſchwur, das Maͤd - chen aufzugeben, ſo lang’ ich lebe, dann helf’ ich ſie retten — was nach meinem Tode geſchieht, kuͤmmert mich nicht!
Die Angeklagte, Herr Amtshauptmann!
Beginnt das Verhoͤr!
Sprecht!
Laß mich in Ruh’!
Die Zeugin, Lieſe Kolken, trete an ihren Ort!
Wehe uns, Wittich!
Ehe weiter verhandelt wird, iſt niederzuſchreiben, was die Unterſuchung an Ort und Stelle, das heißt auf dem Streckelberge und im Pfarrhauſe zu Coſerow ergeben hat. Es war weder auf dem Streckelberge die fabelhaft ge - ſchilderte Bernſteinader zu finden, noch befand ſich in der Truhe der Angeklagten das kleinſte Koͤrnchen Bernſtein — die verwunderliche Ausſage uͤber den Bernſtein-Fund muß alſo als eine luͤgneriſche Ausflucht betrachtet und der Angeklagten als eine Erſchwerniß ihrer Lage zur Laſt ge - legt werden. Hier iſt auch ihre eigene Magd, die befragt werden ſoll, und die von ihrem chriſtlichen Gewiſſen ge - trieben ohne Anſehn der Perſon antworten will!
Jlſe!
Tritt vor, Jlſe, und antworte ungeſcheut! Hat die Jungfer Dir je was zu Leide gethan?
O Gott bewahre! Sie hat mir alles Gute erwieſen.
Haſt Du ihr jemals Bernſtein oder ſonſt etwas heimlich aus der Truhe entwendet?
Nein! Nein!
Haſt Du ſie jemals mit Bernſtein vom Streckelberge kommen ſehn?
Niemals!
Niemals große Bernſteinſtuͤcke bei ihr bemerkt?
Niemals!
Das kann ſie nicht, denn wir haben unſern Schatz vor aller Welt verborgen!
Still! — Und haſt Du Zeichen und Gewiſſensſcrupel, daß die Jungfer mit Hexenkuͤnſten vertraut geweſen?
Ach Gott, ach Gott, freilich! Freilich!
Ungluͤckliche Magd!
Jch kann ja vor meinem Gewiſſen nicht anders, Herr Pfarr!
Tritt zuruͤck. Der eigene Dienſtbote alſo, der ihr ſonſt in Liebe zugethan, zeugt gegen Sie?! Was hat Sie hierauf zu bemerken?
Nichts, Herr Conſul, ’s iſt noch ein Schmerz mehr! Jch habe Euch die Wahrheit geſagt von dem Bernſtein, und hier ſteht mein Herr Vater, ein unbeſcholtener Mann, dem jegliches Gericht Glauben ſchenken wuͤrde, und er weiß um den Bernſtein ſo viel als ich, und hat’s Euch be - ſtaͤtigt. Daß keine Spur mehr zu finden war, mag ein Werk des hoͤlliſchen Feindes oder ſchlimmer Menſchen ſein — jenen kenne ich Gott ſei Dank nicht, und dieſe mag ich nicht kennen oder kann ſie wenigſtens nicht auf bloßen Verdacht hin beſchuldigen.
Daran ſpricht mein Kind wahr, ſo mir der allmaͤch - tige Gott helfe! Die Geſchichte von dem Bernſtein iſt die lautere Wahrheit, dies wiederhole ich feierlich vor Gott und Menſchen!
Beweiſ’t nichts. Jhr ſteht offenbar unter einem ver - daͤchtigen Einfluſſe der angeklagten Tochter, wie ſich ſeit192Die Bernſteinhexe.dem letzten Verhoͤre ergeben hat. Als naͤmlich das naͤcht - liche Stelldichein auf dem Streckelberge enthuͤllt und die Angeklagte von einem Schlage des Gewiſſens danieder geworfen wurde, hielten wir endlich die Welt der Hoͤlle bei Horn und Klauen. Da erſchient Jhr vor mir und ſag - tet aus, Euer Kind habe aus Schamhaftigkeit die Wahr - heit verſchwiegen, und die ſchwarze Schreckensgeſtalt, welche bei Eurem Kinde auf dem Streckelberge geſtanden, ſei Niemand anders als der Junker Ruͤdiger von Nienker - ken aus Mellenthin geweſen —
Ja, Herr!
Schweig, alter Thor, Du bieteſt Dich der Luͤge!
Das thut er nicht, Herr Amtshauptmann. Jch hab’ es verſchweigen wollen, weil ich mich ſchaͤmte, und weil dies Geheimniß nicht mir allein angehoͤrte. Da es mir aber in der Angſt des Todes entſchluͤpft iſt, ſo werd’ ich es nun, wie ſchwer es mir werde, vor aller Welt vertre - ten, und Euer Pflegeſohn wuͤrde es beſtaͤtigen, wenn Jhr ihn nicht gefliſſentlich entfernt haͤttet.
Du redeſt Dich um den Hals, Dirne, denn Junker Ruͤdiger iſt nicht ſo weit, daß er nicht Zeugniß ablegen kann —
O Gott ſei ewig Lob und Dank! So laßt ihn rufen und laßt ihn ſprechen, er wird mein Erretter werden!
Das wird er ſchwerlich! Er iſt berufen worden, er hat Zeugniß abgelegt! Kennſt Du ſeine Handſchrift? Hat er dies geſchrieben?
Ja, Herr!
Jhr hoͤrt dieſe Anerkenntniß, peinliche Richter! Nun hoͤrt auch, ob der Junker zugeſteht, daß er mit dieſer Dirne ein naͤchtliches Stelldichein auf dem Streckelberge gehabt habe! Der Junker ſchreibt: „ Auf gerichtliche Anfrage verſichere ich hiermit feierlichſt, daß nie — nie! — ein unſauberes Stelldichein zwiſchen mir und der Marie Schweidler bei naͤchtlicher Weile auf dem Streckelberge ſtattgefunden hat. “
Allmaͤchtiger Gott! Auch er!
Weh Dir, verworfenes Kind!
Der Teufel ſelber alſo iſt’s geweſen!
Vom heutigen Datum und Ruͤdiger von Nienkerken unterzeichnet. Nun iſt ſie verloren, und nun kommt des Gerichtes Recht und Pflicht, ihr Eingeſtaͤndniß auf pein - lichem Wege zu erzwingen! — Die Urgicht und peinliche Frage beginne!
Gott erbarme dich ihrer!
Auch Ruͤdiger!
Thoͤrichtes Maͤdchen, wo faſelſt Du mit Deinen Ge - danken umher, waͤhrend Dich das Schrecklichſte bedroht! Du weißt nicht, was Urgicht und peinliche Frage bedeu - tet? Richter von Uſedom, erfuͤllt Eure Amtspflicht und ſchildert der Thoͤrin, was ihr bevorſteht!
Der Uebelthaͤter wird gebunden und ſeine Haͤnde wer - den in Daumſchrauben gepreßt, bis das Blut hervorſpritzt. Dies iſt der erſte Grad. Will er noch nicht bekennen, ſo werden ihm die ſpaniſchen Stiefeln angelegt, und in dieſe engen hoͤlzernen Stiefel werden Keile eingetrieben, bis das Blut ſtromweiſe aus den Fuͤßen ſchießt. Dies iſt der zweite Grad. Will er dann noch nicht bekennen, ſo wird der gluͤhende Keſſel gebracht, in welchem Pech und Schwe -195Die Bernſteinhexe.fel brodelt. Jn dieſen Keſſel werden friſche Federpoſen getaucht, und dieſe alſo getraͤnkten Federpoſen werden ihm auf die blanken Gliedmaßen geworfen, ſo daß der gluͤ - hende Schwefel das Fleiſch bis auf die Knochen hinweg - frißt, und ein Vorſchmack von der Hoͤllenluſt erzeugt wird, welche ſeiner harret.
Hoͤrſt Du?
Jch hoͤre nichts! Was hab’ ich auf Erden zu ſuchen, was kann ich auf Erden noch leiden, nachdem mir das Theuerſte in Luͤge verkehrt worden iſt! Fuͤhrt mich zum Tode; denn mein Leben iſt nichtig fortan!
Bekenne erſt, dann wird Dir die Folter erſpart!
Bekenne, Unſelige, Dein Teufelswerk!
Jch habe kein Teufelswerk zu bekennen. Salva me, fons pietatis!
Was redet ſie da fuͤr eine Teufelsſprache!
Lateiniſch, Herr!
Wo kann ein Maͤdchen Lateiniſch, ſo’s nicht der Teufel ihr gelehrt!
Hartnaͤckiges Geſchoͤpf! Wenn Du die Marter mit uͤbermenſchlicher Geduld ertraͤgſt, ſo gilt dieſe Tapferkeit wiederum fuͤr ein Werk des Teufels und man verbrennt Dich, weil Du ein Amulet des Satans am Leibe traͤgſt!
Jſt unter den weiblichen Zeugen eine, die ausſagen kann, ob die Dirne ein ſolches Amuletzeichen des Teufels beſitze? Lieſe Kolken!
Jch kenne des Teufels Zeichen nicht!
Jlſe!
Die Jungfer hat ein braunes Mal in der Herzgrube.
Es ſtimmt Alles entſetzlich, und
ich bitte Euch ab, Herr Amtshauptmann, es iſt, Gott behuͤte uns, eine Hexe!
Laßt mich in Ruh’!
Erſticke den empfindſamen Plunder fuͤr den ſchwaͤchlichen Knaben, druͤck’ mir die Hand zum Zeichen,197Die Bernſteinhexe.Du werdeſt mir Deine Geheimniſſe anvertrauen, dann be - kenne, was Du magſt, und ich rette Dich ſicherlich dieſem Alt-Weiber-Gericht zum Trotz!
Wer haͤtte das von Ruͤdiger erwartet!
So nehmt ſie hin die kindiſche Hexe!
Fertig, Buͤttel?
Fertig!
Bekennſt Du, Hexe? —
Sie ſchuͤttelt das Haupt —
Nehmt die Sanduhr, Herr Amtshaupt - mann und achtet auf die geſetzliche Zeit!
Ungeſchickt!
Dies iſt ein Todeszeichen fuͤr Einen von uns!
Bildet Jhr Euch ein, wir muͤßten nicht ſterben?
Was iſt?
Die hoͤlliſchen Geiſter wollen helfen!
Entſetzlich!
Willſt Du be - kennen, Hexe?
Das Lamm erſchrickt nicht, denn es ſteht in der Hand des guten Hirten!
Schraube, Buͤttel!
Zuruͤck!
Mein Kind! mein Kind!
Laſſet los, ich will bekennen, was Jhr wollt!
Sterben, ſterben, Vater, aber mich nicht verſtuͤmmeln laſſen, nicht verſtuͤmmeln!
So geſtehe, daß Du zaubern kannſt!
Ja, ich kann zaubern!
Schreibt genau! — Und wer hat Dich zaubern ge - lehrt? Der leidige Satan ſelbſt?
Nein — ja, ja, der leidige Satan ſelbſt
War es nur ein Teufel?
Nur einer.
Wie heißt er?
Disidaemonia.
Das heißt Aberglaube! Bewundernswerthes Weib!
Wiederhol’ es fuͤr den Schreiber!
Disidaemonia.
Jn welcher Geſtalt iſt er Jhr erſchienen?
Jn der Geſtalt des Amtshauptmanns als ein Auerſtier mit grimmigen Hoͤrnern!
Wo hat der Satan ſie umgetauft?
Jn der See.
Wer von unſeligen Menſchenkindern war dabei?
Das wird mein Ende!
Wer war dabei? ſprech’ Sie!
Niemand.
Muß doch Zeugen der hoͤlliſchen Handlung gehabt haben.
Nur hoͤlliſche Geiſter!
Genug bekannt fuͤr den Feuertod. Fuͤhrt ſie ab; denn Lucifer ſteigt am Himmel empor. Wenn er unter - geht in der Morgenfruͤhe, wird ihr Urtheil geſprochen und ausgefuͤhrt!
Jhr habt grauſamer an mir gehandelt als die Heiden. Sie ließen doch nur von wilden Thieren die chriſtlichen Jungfrauen zerreißen, Jhr aber, Menſchen, Gottes Eben - bilder, ſpielt ſelbſt die grimmigen wilden Thiere gegen mich! Und ich bin Eure Schweſter und habe Euch nie was zu Leide gethan. Moͤgt Jhr’s verantworten koͤnnen vor Gottes Throne, dies wuͤnſch’ ich Euch aufrichtig und von Herzen!
Amen.
Hilf mir, Wittich, hilf uns, verſchaff’ uns Gnade, die Angſt zerſprengt meine Bruſt!
Biſt Du toll, Weib?
Verflucht vor Gott bin ich, und dieſe Jungfer wird ſelig, und der Tod zerrt an meinem Herzen! Schaff’ mir Hilfe, Wittich, ſchaff’ ſie ſchnell! Mach’ gut, was wir ver - brochen! Vielleicht nuͤtzt es noch, hilf mir zum Sakrament.
Gebrechlich Weib, ſchweig’ ſtill!
Der iſt noch da!
Hinweg!
Jſt er ſchon da, der Schreckliche? Oh!
Weh Euch Suͤndern, daß ich Euch ſchrecklich bin.
Der Pfarrer! Ein gutes Zeichen!
Schafft mir Vergebung meiner Suͤnden, Pfarrer, ſchafft mir das Nacht - mahl, ſeid barmherzig, vergebt, ich bin des Todes!
Wie kann ich das! Stehſt Du doch eben noch hoch auf dem Geruͤſte der Miſſethat gegen mein Kind!
Jch will Alles bekennen, will gut machen, was ich kann —
Packt Euch hinaus, Pfarrer, das Weib iſt verruͤckt geworden —
Er luͤgt, Pfarrer, er luͤgt, er iſt boͤſe vom Scheitel bis zur Zehe, er hat mich verfuͤhrt, er hat mich dem Boͤſen zugebracht, er hat mich auf dem Gewiſſen, und fuͤrchtet ſich jetzt vor meinen Entdeckungen, ſeid barmherzig, Pfar - rer, bleibt, widerſteht ihm, hoͤrt mich an, ſprecht mich frei vor Gott! —
Hinaus, Mann, oder ich werfe Dich
auf die Daͤcher hinab!
Jm Namen des ewigen Gottes, ſchweige, Du ſchlim - mer Mann!
So ſprecht, ſo ſprecht! Dagegen kann er nicht! Und hoͤrt und erloͤſ’t mich vom Boͤſen. Euer Kind iſt unſchuldig unſchuldig ganz und gar; was ſie gethan, hat ſie mit guter, frommer Hand gethan! Was ihr zur Laſt gelegt wird, alles, alles Boͤſe, ich hab’s gethan, ich allein auf Wittich’s Geheiß. Jch habe das kranke Vieh getoͤdtet, ich habe vorhin, eh’ Jhr hinkamt, auf Wittich’s Geheiß die Bern - ſteinader verſchuͤttet, ich habe gelogen, betrogen all uͤber - all, wo es zum Schaden Deines Kindes geſchehen konnte, ich hab’ es erlogen, daß ſie den Teufel neben ſich gehabt Nachts auf dem Berge — der Junker war’s, der leibhaf - tige Junker Ruͤdiger und Niemand weiter, und nun hilf mir, hilf!
O mein unſchuldiges Kind!
Sprich zu mir, zu mir, ſonſt bin ich ewig verloren wie dieſer da, der neben mir zittert.
Zittert vor Wuth! Erbaͤrmliches Weib! Der Wittich205Die Bernſteinhexe.iſt von anderem Stoff denn Du! Was ſoll’s Dir helfen, einen Augenblick lang nach einem Himmel zu flehn, dem Du ein Lebelang getrotzet! Stirb bei Deinen ſchwarzen Goͤttern, ſie allein erkennen Dich
Und ſie greifen nach mir
mit tauſend Krallen! Wer hilft? Weh mir!
Lucifer hilft!
Gott ſei der Seele gnaͤdig! — Die Fenſter ſchuͤttern, als zoͤg’ der Boͤſe im Sturmwind hindurch! — Wo kommt das Laͤuten her?
Aus der Hoͤlle!
Faßt Euch, Herr Wittich! Wir wollen Euch Alles vergeben, kehrt zum Beſſeren zuruͤck und fangt ſogleich damit an, daß Jhr mein Kind befreit, denn losgeſprochen iſt es nun doch von aller Anklage durch die ſchrecklich ent - huͤllenden Worte dieſer Sterbenden.
Grauer Thor! Wer hat die Worte gehoͤrt als Du und ich und die Unterirdiſchen! Stelle mich und ſie als Zeu - gen vor das Gericht, und hoͤre unſer Hohngelaͤchter! Dein206Die Bernſteinhexe.Zeugniß iſt nichtig, Du biſt der Vater, und bei den fin - ſtern Maͤchten dieſer Erde, ich bin, getrieben von Mißlingen auf Mißlingen, ich bin nicht in der Stimmung, weichmuͤ - thig zu ſein und ſanft! Jch bin vielmehr geſtimmt, ganz Uſedom in Feuer und Flammen zu werfen, klaͤgliches Men - ſchenkind! Sieh’ da hinaus — der Stern iſt Lucifer, ihm iſt Dein Kind verfallen! Bis zur Morgenroͤthe nur iſt er ſichtbar, und ſo lange nur ſieht Deine Tochter das Leben dieſer Erde, ſo wahr ich der Wittich bin auf Pudagla, den Jhr des Teufels Richter heißen moͤget.
Thut’s nicht, thut’s nicht, Herr! Es bringt Ungluͤck, die Lieſe hat Alles geſtanden. — Allmaͤchtiger, da kommt ſie, ſie iſt rieſengroß geworden und klapperduͤrr, und die langen Finger ſind gluͤhende Zangen —
mich nicht! mich nicht! Der Wittich hat ja Alles gethan gegen die unſchuldige Jungfer. —
Das boͤſe Gewiſſen traͤumt — ’s laͤßt ihn nicht ſo feſt208Die Bernſteinhexe.ſchlafen, wie die Waͤchter draußen. Wenn ich nur die Courage haͤtte, ihm mit dem Schlitzmeſſer
die Kehle aufzuſchneiden, dann ließe ſich Alles noch in’s Gleis bringen. Jch naͤhme ihm den Schluͤſſel ab und ſchloͤſſe dem Junker auf, und hier den Windelſtieg herauf holten wir die Jungfer; hinunter kaͤ - men wir ſchon alle drei, und dann ging’s uͤber alle Berge — dies iſt das Kuͤrzeſte und Beſte.
Aber
ich hab’ die Courage nicht! An dem verſoffenen Schufte waͤr’ nichts verloren; ich koͤnnt’ aber mein Lebtag nicht mehr ſchlafen, wenn ich ei - nen Menſchen todt gemacht haͤtte. — Wie ſich der Kerl windet, als ob er ſelbſt unter Daumſchrauben laͤge! Hunds - fott Du, der die Jungfer hat martern wollen.
Wo hat er nur den Schluͤſſel!
am Ende merkt er’s nicht! Wahrhaftig, er haͤlt ihn in der Hand, hab’ ich ſo viel gewagt, wag’ ich auch das!
— Das iſt mein Treffer!
Laß mich los, Lieſe!
Jch hab’ getraͤumt! — Nein, da ſteht was, nun iſt’s vorbei!
Jch bin’s, Wulf, der Birkhahn!
Was? Schwerenoths Hinterpommer, wie kannſt Du Dich unterſtehn —
Schrei nicht ſo, oder ich ſtoße Dir mein Schlitzmeſſer in die Gurgel —
ſiehſt Du’s? Wie ich mich noch ein Mal in die Moͤrdergrube ’rein gewagt, da hab’ ich mir vorgenommen, keine Um - ſtaͤnde zu machen, und wenn auch ein Ungluͤck geſchehen muͤßte, und hab’s zu mir geſteckt, denn in ein paar Stun - den iſt doch Alles verloren, und dem Junker hab ich’s ein - mal verſprochen, die Thuͤren aufzumachen, es koſte was es wolle —
Das kann Dir ſchoͤn bekommen! Der Wittich ſchlaͤft ſo gut wie gar nicht, und macht des Nachts die Runde. Wenn er Dich findet, ſo kannſt Du Dein Teſtament ma - chen.
Oder er! Geh’ in Dich, Wulf, und hilf uns! Du haſt mich vorhin geſehn, wie ich zum Junker ’nauf kletterte — hab’ Dich wohl erblickt dort am Fenſter! — Du haſt’s nicht verrathen, das ſoll Dir vergolten werden! Mach’ die Augen auf und erkenne, daß Wittich’s Regiment in vier - undzwanzig Stunden voruͤber iſt —
Oho, in vierundzwanzig Stunden?
Erſtlich hat’s die Lieſe geſagt, eh’ ſie der Gottſeibei - uns geholt hat —
Freilich!
Hernach kommt in vierundzwanzig Stunden unſer Bote zuruͤck von Stettin.
Was fuͤr ein Bote?
Der Andres auf Wittich’s Schimmel — kuck in den Stall, ob der lange Schimmel noch da iſt! Wie Jhr die Wirthſchaft in Coſerow anfingt, hat ihn der Junker uͤber Hals und Kopf zum gnaͤdigen Herzoge Bogislav nach Stettin geſchickt und hat dem Herrn Bogislav die ganze Betrugsgeſchichte von Eurer Hexenteufelei haarklein ge - ſchrieben. Und der Junker ſteht hoch in Gunſten bei Herrn Bogislav. Wenn der Andres zuruͤck kommt, hat’s mit dem Wittich ein Ende.
Kommt aber trotz des langen Schimmels zu ſpaͤt fuͤr die Jungfer — wenn der Morgen graut, wird ſie ver - brannt.
Eben deswegen ſollſt Du helfen, damit Dir ſpaͤter vom Junker geholfen werde. Hier ſchickt er Dir fuͤnf Roſeno - bel und laͤßt Dir ſagen: Wenn Du Dich nicht gut auf - fuͤhrſt, ſo laͤßt er Dich ſeiner Zeit ſtaͤupen und an der Co - ſerower Maaleiche aufhaͤngen — willſt Du die Roſe - nobel?
Paßt Alles nur halb! Jch kann Euch ja nicht helfen! Eh’ der Tag kommt, wird der Stab uͤber ſie gebrochen, was hilft da der Junker, auch wenn er ’raus iſt?
Hol’ die Jungfer auch herauf, dann iſt Alles beiſam - men, und wir bringen ſie auf vierundzwanzig Stunden in Sicherheit!
Ja doch! Der Wittich hat ſein Lager neben ihrer Thuͤr aufgeſchlagen — die ſoll Einer da vorbeibringen!
Verdammt! — Nun, ſo laß wenigſtens den Junker heraus, er wird ſchon Rath ſchaffen! Nimm!
Das will ich wohl, denn ich hab’ den Wittich ſatt! Und ’s iſt wahr, daß die Lieſe Alles bekannt hat, ich hab’s mit angehoͤrt. Aber jetzt kann ich’s noch nicht wagen; haͤlfe auch dem Junker gar nichts: er koͤnnte wohl gar mit verbrannt werden, denn es kommt dem Wittich nicht14*212Die Bernſteinhexe.darauf an, wenn’s Meſſer an der Kehle ſteht. Dann bliebe gar Niemand uͤbrig, wenn hinterher der Wittich ge - faßt wuͤrde, als Herr Bogislav ſelber, verſtehſt Du, und der fragt den Teufel — den Kuckuk nach dem alten Wulf! Alſo iſt jetzt nichts zu machen!
Schurke, Du willſt die Goldſtuͤcke nehmen und nichts dafuͤr thun!
Sachte! ſachte! — So mein’ ich’s nicht. Mit den naͤchſten vierundzwanzig Stunden kann’s ſeine Richtigkeit haben; aber —
Na, was Aber —?
Na, denkt Jhr denn nicht, daß mir Wittich auch den Hals umdrehen kann, wenn ich zu zeitig anfange? — Wenn’s fortgeht nach dem Streckelberge, ſo halt’ Dich an den Wagen, auf dem ich mit der Jungfer ſitze, da wird der Schluͤſſel ’runter fallen, in der Rabuſche kann Einem ſo was unverſehens paſſiren — da heb’ ihn auf und laufe her!
Dann iſt’s ja zu ſpaͤt!
Kann man nicht wiſſen — ’s geht langſam mit einer213Die Bernſteinhexe.Hexe, und was der Junker jetzt thun kann, das kann er hernach auch noch thun. Mehr kann ich nicht!
Das iſt gar nichts! Gieb die Roſenobel zuruͤck!
Stille — die Thuͤre an der Windelſtiege geht — das iſt der Wittich.
Er wird’s nicht ſein —
Stille! — Tapp, tapp! — Das iſt der Wittich, mach’, daß Du fortkommſt! —
Gieb mir die Schluͤſſel!
Mach’, daß Du fortkommſt —
Weiß Gott, er iſt’s! Wehe Dir, Spitzbube, wenn es zu ſpaͤt iſt!
Kann ſein; aber mehr kann ich nicht! Hier iſt’s Ge - wiſſe, dort das Ungewiſſe! Den Schluͤſſel kann ich verlo - ren haben, wenn’s nichts mehr ſchadet, das macht nicht Viel aus. —
Wer da?
Du wachſt?
Freilich!
Kannſt auch nicht ſchlafen, Schalksknecht!
O ja!
So? — Weck’ die Richter!
’s iſt aber noch zu fruͤh!
Das Pack ſoll wachend harren, um ſo kopfloſer wer - den ſie — wem iſt die Leuchte?
Schwerenoths-Hinterpommer!
Welche?
Dieſe da, Du haſt keine ſolche. — Sie gehoͤrt dem Junker, wie kommt ſie hierher?
Sie hat ſich heute in der Truhe der jungen Hexe ge - funden, und ich hab’ ſie mir angezuͤndet, weil ich mich fuͤrchte —
Wovor?
Vor der todten Kolken-Lieſe.
Schweig’ und warte, wenn Du von den Richtern kommſt, im Vorſaale, bis ich rufe. Sind die Musketiere, die an der Peene lagern, zur Wache auf den Streckelberg beordert?
Zu Befehl.
Wird auch dieſer alte Suͤnder wirklich verdaͤchtig? — Was ſoll’s mit der Leuchte?! — — Kein Tritt iſt mehr ſicher, und je mehr der Fußboden entweicht, deſto haſtiger ſchreitet man!
Kommt her - auf, Abraham!
Leben und Genuß fuͤr mich, oder Tod fuͤr Euch alle!
Es ſtoͤrt uns Niemand — und es iſt die letzte Stunde, die Euch zur Rettung uͤbrig bleibt. Wollt Jhr Euer Kind gerettet ſehn?
O mein Gott, wie fragt Jhr?
Um jeden Preis?
Um jeden Erdenpreis! Mein Kopf iſt verwirrt, aber mein Herz ſchreit nach Hilfe! Um jeden Erdenpreis, Herr!
Jhr ſeid ein Schwachkopf, Abraham. Um einen wohl - feilen Erdenpreis hat die Rettung fortwaͤhrend vor Euch gelegen, und Jhr habt ſie nicht gemocht — ſetzt Euch hier an den Tiſch, Jhr zittert ja wie ein Espenlaub —
Jch uͤberlebe den Tod meines Kindes nicht!
Das glaub’ ich auch — und eben deshalb find’ ich Euch ſo thoͤricht!
Ja, Jhr ſeid laſterhaft.
Und das ſagt Jhr?
Das ſage ich! Antwortet! Was iſt eine groͤßere Suͤnde: ſein Kind einer Liebesneigung zu uͤberlaſſen, oder zwei Menſchen um’s Leben zu bringen?
Jch verſteh’ Euch nicht.
Das iſt’s eben. Nun, habt Jhr nicht fortwaͤhrend links und rechts geſchrien, ich haͤtte ein begehrlich Auge218Die Bernſteinhexe.auf die Marie geworfen? Ja doch, ja, hier ſoll’s denn endlich geſagt ſein, ich liebe ſie mit unbeſchreiblicher Hef - tigkeit, und ich muß ſie beſitzen, oder ich muß ſie vernichten. So weit ſind wir jetzt. Leichtlich zuruͤck kann ich auch nicht mehr, ſeit ſie bekannt hat. Aber wenn ich will, muß Alles biegen. Waͤhlt alſo: Ueberlaßt mir Euer Kind, oder ſchickt es zum Tode und Euch hinterher! Toͤdtet zwei Menſchen um einer Grille halber, und nennt das tugend - haft!
O mein Gott, verlaß mich nicht!
Nun, wie rechnet Eure fromme Weisheit?
Ach, ich bin unweiſe in meiner Todesangſt. Aber, Herr, es iſt doch ſuͤndhaft, ſein Kind einem ungeweihten Liebeswandel zu uͤberantworten!
Was iſt’s gegen Todtſchlag! Wird nicht in der Bibel der Ehebrecherin vergeben? Wie handelte David am Urias? Und ward doch ein gottſeliger Mann! Aber wo leſet Jhr, daß ein Menſch ſelig geworden, der muthwillig ſich und ſeinem Vater das Leben genommen? Und das thut Eure Marie in einem falſch-tugendhaften Hochmuthe — ſeht Jhr das nicht ein?!
Jch glaube faſt —
Nun ſo geht hinab und redet Eurer Tochter zu, daß ſie den vernuͤnftigen Theil erwaͤhle.
Ach, Herr, ich ſchaͤme mich, ihr mit ſolchem An - trage unter die Augen zu treten —
So ſchreibt es ihr denn, ſchwacher Mann, Jhr ſitzt beim Schreibzeuge! Schnell!
Ja — ja — ich bin wie trunken — die Beweisfuͤh - rung iſt aber doch richtig! Wer in Liebesdingen ſuͤndigt, dem kann vergeben werden, wer aber toͤdtet —
Schreibt, ſchreibt!
Ja, Herr — ja!
Jſt’s fertig? — Genug. Schreibt noch dazu: ſie brauche blos Ja darunter zu ſchreiben, dann waͤre es ab -220Die Bernſteinhexe.gemacht, und die Rettung wuͤrde augenblicklich in’s Werk geſetzt.
Nimm dieſe Feder mit und reich’ ſie der Jungfer, und ſpute Dich! —
So, Ehren Abraham, koͤnnen wir noch zum Frieden kommen!
Glaubt Jhr wirklich?
Es wird auch in mir eine große Aenderung hervor - bringen, Ehren Abraham, denn Marie iſt wirklich ein reich geſegnetes Weſen, und bei mir iſt’s bis dato etwas gar wuͤſt hergegangen und einer Beſſerung beduͤrftig —
Vielleicht iſt mir auch noch Ruhe und ſtilles Gluͤck beſchie - den! Jch ſehne mich manchmal darnach!
Da geht die Thuͤr unten! Er tritt ein. — Es ſteht Alles auf dem Spiele, es iſt der letzte Wurf!
Die Thuͤr geht ſchon wieder! Sie wird Ja geſchrieben haben, weil es ſo raſch geht, nicht wahr, Abraham?
Jch weiß nichts mehr, Herr!
Wulf kommt raſcher als ſonſt die Treppe herauf! —
Marie!
Marie!
Die Jungfer wollte muͤndlich Antwort bringen.
Ungluͤcklicher Vater! Du verlaͤſſeſt Dein Kind in der hoͤchſten Noth?! Du verbindeſt Dich mit den Feinden?! Du raͤthſt mir zur Schande? Ein Leben in Schande iſt ja dreimal ſchlimmer als ein Tod in Unſchuld! — Wenn Gott in der Schrift den Guͤnderinnen vergiebt, ſo ge - ſchieht’s ihrer Reue und Buße wegen. Und ich ſollte ſuͤn - digen ohne Drang meiner Sinne und ohne Ausſicht auf Reue und Umkehr?! Ungluͤcklicher Vater! So hab’ ich denn Niemand mehr! Niemand! Und weiß doch ſelbſt kaum noch, was Gott, was Teufel in uns ſei! — Erin - nere Dich, Vater, was Du mir erzaͤhlt haſt von den chriſt -222Die Bernſteinhexe.lichen Jungfrauen unter den Heiden! Sie gaben ihr Le - ben dahin, um Leib und Ehre unbefleckt zu bewahren! Hab ich nicht ſchon meinem ſchwachen Koͤrper zu viel ge - opfert, daß ich die Marter nicht ertragen, und ein fal - ſches, den Boͤſen wohlgefaͤlliges Bekenntniß ausgeſtoßen habe? Vater! Soll ich von Gott weichen, um ein ver - worfenes Leben zu friſten?!
Hoͤr’ auf, hoͤr’ auf, mein Kind! Die Todesfurcht hat mich verblendet! Du biſt ſtaͤrker denn ich; Gott ſegne Dich und vergebe mir!
O Vater, Jhr habt mich verſucht — ach wie gerne lebt’ ich, koͤnnt’ es in Ehren ſein!
Hinaus, Wulf!
Da iſt er! — Wittich! Erweicht Euer Herz. Es muß ja doch innerlich einen guten Kern haben, da es einen Sohn auferzogen und eine Neigung fuͤr mich gefaßt hat, welche von ſo ſchrecklicher Ausdauer iſt!
Gefaͤhrliches Weib! Gieb Dich! Oeffne mir Deines Herzens Schrein! verbinde Dich mit mir; wir lachen dann der mittelmaͤßigen Menſchen!
O laßt mich Euch lieb und werth ſein, nehmt mich zum Fuͤhrer in eine ſtille, Gott gefaͤllige Lebensweiſe. Fuͤr immerdar ſei vergeſſen, was uns ſo entſetzlich entzweit hat, und wenn Jhr in’s Coſerower Pfarrhaus tretet, ſo empfange Euch der Friede des Gerechten. Jch will Euch erzaͤhlen, was meine Seele bewegt; ich will Euch die Lie - der der Hirten, die Lieder der Fiſcher ſingen, ich will Euch geleiten unter die Wenden-Eichen des Streckelberges, und Jhr werdet mir lehrreich ſchildern im Angeſichte der ewi - gen See, was Jhr erlebt und erfahren und gedacht in die - ſer unermeßlichen Welt des guten Gottes!
Und die Zauberwelt? Sprich, ſprich, ich wage zur Noth den Tod mit Dir, wenn Du mich einweih’ſt —
Uns trennt ein Gott. Jch kann nicht zu Euch! Jhr muͤßt zu mir kommen!
Wer, was iſt Dein Gott?
Der Gott der Liebe.
Bloßer Liebe?
Bloßer Liebe.
Frommer Kram?
Goͤttlich Weſen!
Daß Dich der Sat — Genarrt! — Gehoͤrſt zu Ruͤdiger.
O ſtill! — Er hat ſich von mir gewendet, er wird anderswo ſeinen Troſt und ſein Genuͤge ſuchen.
Und Du wirſt ihn lieben nach wie vor!
Fragt nicht darnach! Vergiebt nicht die Liebe Alles?! — Und ich bin ja auch nicht ſchuldlos, und habe Gott ver - ſucht!
Baſta!
Jhr ſeid erweicht?
Und Jhr ſtimmt ein?
Empfindſames Volk mit Herzen von Brei! Jn ruhi - ger Kaͤlte ſchließ’ ich die Rechnung ab, und Jhr bildet225Die Bernſteinhexe.Euch ein, die Summe ſei Euch guͤnſtig, weil ich nicht laͤrme. Jhr rechnet falſch. Jch bin nicht mehr Anfaͤnger genug, Juͤngferlein, um die beſcheidnen kleinen Entſchaͤdi - gungen, die Du mir zugedacht, genießen zu koͤnnen! Vielleicht waͤr’ es noch Zeit, aus meiner gefaͤhrlichen Le - bensbahn in Eure unſchuldige hinuͤber zu ſpringen, viel - leicht, wenn ein Herz wie das Deine mir ſtuͤrmiſch ent - gegenſchluͤge! Eines Maͤdchens Liebe iſt, wie wir ſehen, unverwuͤſtlich und ſchafft immer neu. Sie iſt mir aber nicht beſchieden, und ſo werde kein Wort mehr darum ver - loren. So bleib’ ich aber auch unerſchuͤtterlich in meiner Bahn. Denn ich fuͤhle es wohl, ich geriethe in’s Schwan - ken der alten Weiber, wenn ich halb hierhin neigen wollte nach dieſen Empfindſamkeiten, halb dorthin nach der Stur - mesſaat, unter welche ich mein Leben gepflanzt habe. Jch will der Wittich bleiben ganz und gar. Der Satan hat mich betrogen mit Dir: Reiz und geheimes Wunder wollt’ ich aus Dir erpreſſen, und ein verliebtes, thoͤricht-from - mes Juͤngferlein hab’ ich entdeckt, ſonſt nichts. Ein furcht - bar Geruͤſt von Lug und Trug aber hab’ ich zu dem Ende erbaut, und dies koͤnnte mich zerſchmettern, wenn es nicht benutzt wird als Dein Schaffot — ſo werde es denn Schaffot, wie der Teufel es gewollt hat. Als eine Spie - gelfechterei begann das Spiel, Satan hat’s zum unver - meidlichen Ernſte gedreht, und er muß Recht behalten, damit ich mein Erdenleben ungeſtoͤrt behalte.
Dies iſt der Ausgang, Maͤdchen, nun berathe DichLaube, dram. Werke. III. 15226Die Bernſteinhexe.mit Deinem Gott zum Tode, denn binnen einer Stunde umarmt er Dich.
Die Richter moͤgen eintreten!
Barmherziger Gott, was heißt das Alles?
Der Boͤſe laͤßt ihn nicht los! Es heißt „ Sterben “, Vater, helft mir, gebt mir Eure Hand, daß ich ſtandhaft bleibe — nun iſt Alles vorbei!
Der Tag graut uͤber die See herauf, es iſt Zeit! — Die frommen Menſchen kommen in Schaaren, ſie wollen ja nicht das erbauliche Schauſpiel verſaͤumen, und
das nennen ſie Froͤmmigkeit. —
Rich -227Die Bernſteinhexe.ter von Uſedom, wir haben nicht mehr noͤthig, uns nie - derzuſetzen, die Lage der Hexe iſt geblieben wie ſie war, und wenn der Conſul von Uſedom die letzte Beſtaͤtigung der Angeklagten vernommen, ſo iſt das aufgeſetzte Urtheil zu verleſen und der Stab zu brechen.
Maria Schweidlerin, der Hexerei Angeklagte, ſo gieb noch einmal Antwort auf die Hauptfragen! — Jſt es wahr, daß Du vom lebendigen Gott abgefallen und Dich dem leidigen Satan ergeben?
So ſage jetzt die Wahrheit, Kind, ſie allein kann Dich retten!
O mein Vater, wenn ich die Wahrheit ſage, ſo ſchnuͤ - ren ſie meine Glieder von Neuem auf die Folter, und lie - ber will ich ſterben!
O barmherziger Gott!
Antworte, Maria Schweidlerin, ob Du wirklich vom lebendigen Gott abgefallen und Dich dem leidigen Satan ergeben?
Ja.
Jſt es wahr, daß Du einen Geiſt gehabt, der Dich in der See umgetauft und Dich unterworfen?
Ja.
Wahr, daß Du Acker und Vieh allerhand Uebles zu - gefuͤgt?
Ja.
Wahr, daß Dir der Satanas auf dem Streckelberge als ein haarigter Rieſe erſchienen?
Ja.
So hoͤre jetzt Dein Urtheil. Nach obigem, ſo eben vernommenen guͤtlichen Bekenntniß erkennen und ſprechen wir fuͤr Recht: daß die Schuldige zur wohlverdienten Strafe und Andern zum Exempel billig mit vier gluͤhen - den Zangenriſſen an ihren Bruͤſten zu belegen und nach -229Die Bernſteinhexe.mals mit dem Feuer vom Leben zum Tode zu bringen ſei. Dieweil wir aber in Betrachtung ihres Alters und auf Fuͤrſprache Seiner Geſtrengen des Herrn Amtshaupt - manns ſie mit den Zangenriſſen aus Gnaden zu verſcho - nen gewilligt, alſo ſoll ſie nur durch die einfache Feuer - ſtrafe vom Leben zum Tode gebracht werden. Von pein - lichen Rechts wegen. Und ſomit breche ich den Stab uͤber Dich, Maria Schweidlerin.
O Gott, o Gott verlaß mich nicht!
Mein Kind, mein Kind!
Muth, Vater, Muth!
Dem peinlichen Gerichte zu wiſſen, daß ich als Buͤt - tel von Pudagla das Zetergeſchrei ausrufe!
230Die Bernſteinhexe.Schmach uͤber Schmach!
Geduld, Geduld — wenn nur die Glieder halten! Dem Geiſte thut’s nicht wehe!
Zeter uͤber die vermaledeite Hexe Maria Schweidle - rin, daß ſie vom lebendigen Gotte abgefallen!
Zeter uͤber die vermaledeite Hexe!
Der letzte Augenblick iſt da, ungluͤcklich Maͤdchen, und laut gerichtlichem Herkommen ſteht Dir, der armen Suͤn - derin, eine Rede und eine Bitte frei. So rede denn und ſprich, was Dir noch wuͤnſchenswerth auf dieſer Erde — das Arme-Suͤnder-Gloͤcklein laͤutet zum Zeichen und zum Troſte Dir, daß jeglicher Fromme Dich ohne Dein Ver - dienſt in ſein Gebet einſchließen werde.
Sprich, ſage aus Deine Unſchuld, und daß Du nur231Die Bernſteinhexe.der Folter halber Dich unrecht angeklagt, und daß Du Appellation verlangeſt an den Landesherrn.
Das waͤre unſtatthaft, Ehren-Abraham.
Seid unbeſorgt; ich will nichts mehr dergleichen. Gott ſieht in mein Herz, und weiß, wie bitter mir der Tod; ach ich bin jung, und hoffte noch vor wenig Stunden ſo Liebliches vom Leben! Vorbei! Sterben iſt beſſer als Leben unter ſo rauhen und grauſamen Haͤnden. Euer Glaube von den Wunderthaten in dieſer Welt iſt roh, und Euer Wiſſen uͤber mich iſt irrthuͤmlich. Gott verzeiht Euch, denn Jhr wißt’s nicht beſſer, und der Eine unter Euch, dieſer da!
der es beſſer weiß, den moͤge Gott —
Verfluche mich, es ſteht Dir frei!
Den moͤge Gott erleuchten!
Und was erbitteſt Du Dir?
O, wenn’s geſchehen koͤnnte!
Sprich getroſt.
Den Junker Ruͤdiger moͤcht’ ich noch einmal ſehn!
Beneidenswerther Junker!
Der Dich unwuͤrdig verrathen und angeſchwaͤrzt.
Es wird ihm wohlthun, wenn ich ihm vergebe.
Der Junker iſt ſeit geſtern unſichtbar, und nur der Herr Amtshauptmann kann entſcheiden, ob er ſo nahe iſt, um binnen einer Viertelſtunde herbeigeholt zu werden, denn laͤngere Friſt iſt Dir nicht mehr geſtattet.
Daran iſt nicht zu denken; der Junker Ruͤdiger iſt un - erreichbar weit!
Das thut ſehr weh! Das hatt’ ich noch gehofft! O Gott, o Gott! — Verzicht’, verzicht’ o Herz! — Sonſt hab’ ich nichts zu bitten!
Barmherzigkeit, Barmherzigkeit! ich muß meine Jungfer noch einmal ſehen.
Wer laͤßt das Weib herein!
Gute Jlſe!
Du ungerechte Magd!
Jch hab’ Euch zum Tode geholfen, aber ich kann nicht dafuͤr!
Beruhige Dich, Jlſe, Du weißt es nicht beſſer und liebſt mich doch!
Ach, ob ich Euch liebe! Jch will mit Euch verbrannt234Die Bernſteinhexe.ſein! Der Zabel hat mir vom Tode der Lieſe geſagt, und wie die an Allem ſchuld geweſen, ach Gott, ach Gott, am Ende hab’ ich falſch gezeugt!
Du wußteſt es nicht beſſer.
Baſta! Es graut der Tag und Lucifer geht unter! Vorwaͤrts zum Scheiterhaufen auf dem Streckelberge!
Mein Kind, mein Kind, ich uͤberſteh’ es nicht!
Seid ſtandhaft — ſtandhaft — Vater! Damit ich vor dem Volk nicht — wanke!
Vorwaͤrts!
Vorwaͤrts! — Und Gott vergeb’ uns Allen. — Dir auch Wittich!
Oh! Oh! — Endlich! — Und nun doch zu ſpaͤt! — Wozu ſoll ich nun noch den — Junker in den Waſſerſchuß hineinſtuͤrzen! helfen kann er auch nicht mehr, und nur ſelbſt noch Schaden leiden! Mag er! Was ſind wir nuͤtze, wenn die Jungfer fehlt!
Jch thu’, was ich kann, er mag auch thun
was er kann!
Endlich! Und wie weit iſt der Frevel gediehen, Birkhahn?
Zu weit!
Alles leer! War es das Arme-Suͤnder-Gloͤckchen!
Es war das Arme-Suͤnder-Gloͤckchen!
Sie iſt verurtheilt?
Freilich!
Allmaͤchtiger Gott, und Du duldeſt dieſen Frevel!
Wo iſt ſie?
Seht hin!
Dieſe Menſchenmaſſe — nach dem Streckelberge?!
Jhr habt ja gute Augen! Seht Jhr auf der Seeſeite den Scheiterhaufen?
Sie iſt dabei? — Sie wird zum Scheiterhaufen ge - fuͤhrt?
Jn einer Viertelſtunde iſt ſie verbrannt.
Das iſt nicht moͤglich!
Was waͤr’ dem Wittich nicht moͤglich! Der Wulf hat uns nur zur Haͤlfte gedient, und jetzt koͤnnt auch Jhr nichts mehr nuͤtzen! Der Andres kann vor Abend nicht zuruͤck ſein, und ſo habt Jhr nichts in der Hand —
Als mein Schwert —
Was nuͤtzt uns das — ich dachte auch, ’s waͤr’ immer noch was zu machen und hatte Euer Pferd geſattelt, aber ſeht nur hin! Tauſend und aber tauſend Menſchen ver -238Die Bernſteinhexe.ſtopfen den Kloſterdamm zum Streckelberge, es iſt nicht durchzukommen, und das Volk iſt grimmig wie der Auer - ochſe, es zerriſſe uns, wenn es merkte, daß wir der Jung - fer beiſtehn wollten — und der Umweg an der Seeſeite iſt zu weit und das Schmollenwaſſer iſt zu breit, und wenn das Alles nicht waͤre, was kann ein Einzelner gegen Urtel und gebrochenen Stab!
Dieſen Richtern ſelber den Stab brechen, ſo mir Gott im Himmel helfe!
Mir iſt’s ſchon recht! ’s iſt an uns Allen nichts mehr gelegen! Hoͤrt nur, was vorgegangen!
Habt Acht!
Kein Menſch darf uͤber das Seil hinuͤber!
Der Herr Amtshauptmann, ſa - lutirt!
Die Hexe macht Wetter, zum Brande, zum Brande!
Wer uͤber das Seil tritt und heran will, wird todt geſchoſſen! —
Hoͤrt Jhr!
Wer uͤber das Seil tritt, wird todtgeſchoſſen!
Es iſt dem Volk nicht zu verargen, geſtrenger Herr, das Wetter wird immer entſetzlicher, und das Volk ſchreit mit Recht, die Hexe ſei an dieſem Hoͤllenwetter ſchuld!
Mit welcher geheimnißvollen Kraft, Weib, biſt Du im Bunde? Und warum willſt Du ein ſo ungeheures Ge - heimniß mit in’s Grab nehmen und uns Allen entziehn?
Rex tremendae majestatis, Qui salvandos salvas gratis, Salva me, fons pietatis!
Rufe Gott an, ſtatt des Teufels, Dein letzter Augen - blick iſt da!
Das iſt’s ja eben, Narr, ſie ruft nicht zum Teufel, ſie ſpricht ein altes Kirchen-Lied! Sie narrt Euch und hoͤh - net mich! Bleibt Jhr die Narren, ich will fuͤr den Hohn mich raͤchen! Holla, Waͤchter, macht Euch fertig!
Noch ſchaff’ ich Rath, Maͤdchen, wenn Du Dei - nen Zauber mir wahrhaft enthuͤllſt und mir ihn mitthei - leſt! Willſt Du? ſprich!
Ja, ich will fuͤr Dich beten, daß Dir Gott vergebe, wie er mir gnaͤdig ſei anjetzt in meinem letzten Stuͤndlein!
So fahr zu Deinen Goͤtzen!
Hal - loh!
Herr, es iſt bei dem Hoͤllenwetter nicht moͤglich, das Holz in Brand zu ſtecken! Es trieft vom Regen; Jhr muͤßt Euch einen Augenblick gedulden!
Schweig’, Schurke, Du biſt mir verdaͤchtig! Jch will mich nicht gedulden, und der Teufel wird ſorgen, daß naſ - ſes Holz brenne und dieſe Feindin langſam daran ver - gehe — auf den Holzſtoß mit ihr!
Ein Reiter mit weißem Tuche wehend dringt durch’s Volk!
Ein Poſſenſtreich!
Er zieht ſein Schwert und bricht ſich Bahn!
Der Junker! Der Junker!
Wer iſt’s?
Das Volk ſchreit: der Junker!
Ha Schurke! — Laßt Eure Leute anſchlagen, und ihn niederſchießen wie einen tollen Hund!
Macht Euch fertig!
Um Gotteswillen, Euren eignen Sohn!
Jch habe keinen Sohn!
Er kann ja Nachricht bringen vom Obergerichte oder dem Landesherrn!
Das kann er Alles nicht, denn er hat Pudagla nicht verlaſſen — er widerſetzt ſich meiner Macht; das ſoll kein Menſchenkind, ſo lang’ ich athmen kann.
Jm Namen Gottes haltet ein!
Jn’s Teufels Namen, ſchießt ihn todt!
Schlagt an!
Barmherziger Gott, der Amtshauptmann iſt er - ſchlagen!
Gott hat gerichtet zwiſchen ihm und mir!
So gehorcht Gott und gebt ſie augenblicklich frei, die Ungluͤckliche, die unter Euren Haͤnden unſchuldig gemartert und geaͤngſtigt, unrecht gerichtet und verurtheilt worden, ja von einem abſcheulich ungerechten Tode be - droht iſt —
Hinweg, Henker!
Halt da! Strecke Dein Schwert vor, Buͤttel, und ſchuͤtze das Gericht!
Wahrt Euch, Herr Conſul! Wahrt Euer Leben beſ - ſer als Eure Amtsehre, denn ich ſchwoͤr’ es Euch beim Geiſte meiner ſeligen Mutter, wer mir in den Weg tritt, wer mit einem Finger die Befreiung dieſes von Euch nichts - wuͤrdig gemißhandelten Maͤdchens hindern will, der iſt des Todes, ſtirbt von meiner Hand!
So ſeht doch um Euch, Junker, viele tauſende ſind245Die Bernſteinhexe.da zum Schutze des Gerichts und ſchreien nach dem Tode der Hexe.
Und waͤren ihrer wie Sand am Meere, bis ich bewaͤl - tigt bin, ſtirbt jeder, der mir in den Weg tritt, und Du, thoͤrichter Hexen-Richter, zuerſt. Dies wiſſe voraus, nun hoͤre, welches Rechtsganges Euer Verfahren geweſen, und haſt Du’s gehoͤrt, dann weiche ſchleunig, willſt Du nicht fruͤher ſterben als jenes Opfer. Was war Euer Verfahren? Die Laune dieſes Mannes war’s,
den Gott der Herr erſchlagen zur Warnung Eures Bloͤdſinnes.
Er begehrte Marie zu ſeinen Luͤſten, deshalb ver - folgte er ſie, um ſie durch Furcht zu gewinnen. Jch pro - teſtirte dagegen und ſchrieb allen Grund der Klage un - ſerm Herzoge Bogislav und ſchickte einen Reiter nach Stettin mit meinem Briefe, als Jhr das ungluͤckliche Maͤd - chen aus dem Pfarrhauſe hinweggeſchleppt hattet. Dieſer Reiter wird jetzt ſchon auf dem Ruͤckwege ſein und wuͤrde Euch ein Schreckensbote werden, wenn Euer frevelhafter Richterſpruch voreilig ausgefuͤhrt waͤre.
Dies iſt das Erſte, was Jhr wiſſen ſollt.
Das zweite iſt das falſche Zeugniß der Kolken-Lieſe, die in der Todesangſt Alles widerrufen hat in Gegenwart Wittich’s und des Pfarrers Schweidler; ſogar Wulf der Henker hat’s angehoͤrt — Wittich hat es verſchwiegen,246Die Bernſteinhexe.dafuͤr liegt er zerſchmettert am Boden, den Pfarrer habt Jhr nicht angehoͤrt, und was alle Leute erfahren haben von ihm, das weiß nur dies Gericht nicht, welches uͤber Leben und Tod richtet. Wehe Euch!
Endlich! Mich ſelbſt hat Wittich gefangen gehalten waͤhrend des Prozeſſes, weil meine Ausſage das Luͤgen - gewebe vernichtet haͤtte. Mir hat er eine zweideutige ſchriftliche Ausſage abgenoͤthigt, welche Euch irre gefuͤhrt und das Maͤdchen zu Grunde gerichtet hat. So wiſſet denn: ich bin der ſogenannte Teufel geweſen, der hier zur Nachtzeit neben der Jungfer geſtanden, ich in einen Wolfspelz vermummt war Euer haariger Teufelsrieſe. —
Gott lohn’s Euch! —
Jch Junker Ruͤdiger von Nienkerken, dies bezeuge ich hier vor maͤnniglich auf Ritterwort und Ehre, ja bei meiner Seelen Seligkeit! —
Nun denn, wer hebt den Stein auf gegen mich und meine Liebſte?! — Vergieb, Marie. —
Zuruͤck, Herr Junker!
Du willſt kein Einſehn nehmen, frecher Conſul!
Beruhigt Euch und ſcheltet nicht! Vor meinen Augen liegt die Sache anders. Der Herzog Bogislav zuerſt miſcht ſich nicht leicht in den Hexenprozeß eines unbekannten Maͤdchens. Da haͤtt’ er Viel zu thun, denn jede Paro - chie hat wie Jhr wißt in jedem Vierteljahre wenigſtens eine Hexe zu richten und zu verbrennen!
Gott ſei’s geklagt.
Der Widerruf der Kolken-Lieſe ferner iſt unerwieſen und Eure Ausſage betrifft nur eine einzelne Thatſache — ich war ſelbſt zu Anfang nicht geneigt, an die Hexerei des Maͤdchens zu glauben, jetzt bin ich uͤberzeugt davon und jedenfalls kann ich nicht die Verantwortung auf mich neh - men, einen in aller Form Rechtens gefaͤllten Urtheils - ſpruch aufheben zu laſſen, weil Jhr auf dem Richtplatze einen lebhaften Einſpruch erhebt. So liegt die Sache. Außerdem
iſt’s ja unmoͤglich Junker, und wenn Jhr Euer Leben lieb habt, ſo ſteht davon ab. Wir ſind Alle des Todes und werden von dem Volke in Stuͤcke zerriſſen, wenn wir ihm dies248Die Bernſteinhexe.Schlachtopfer entziehn. —
Hoͤrt Jhr wohl? Volkes Haß, ein ſchneidend Glas!
Volkes Gunſt ein blauer Dunſt! Nun denn, ſo ſprecht Euer Vater unſer, denn Jhr ſterbt zuerſt, ſo Jhr in mei - nem Wege bleibt!
Zuruͤck, wer nicht ſterben will!
Der Amtshauptmann auf dem langen Schimmel kommt den Berg herauf — der Wittich ſpukt!
Dies iſt mein Bote Andres, den der Herzog ſendet! Weh’ uns, er kann nur unverrichteter. Sache ſchon zu - ruͤck ſein!
Nein, ’s iſt der Birkhahn Zabel, der einen großen Brief in die Luft haͤlt!
Eine Kriegsliſt des Burſchen.
Die uns retten kann —
Er ſteigt ab — macht Platz!
Da iſt des Herzogs Brief! —
Wahrhaftig?
Wahr und wahrhaftig Herr; denn Gott kann mehr als alle Eure Teufel! Jch konnt’ Euch
ja nicht ſo fix nach wie Jhr von dannen rittet, und als ich auf’s Freie aus Pudagla ’raus trete, da ſeh ich von Wolgaſt her den langen Schimmel getrabt kommen mit Andres — holla! nun winkt ich, winkt ich! Fixer, Andres, fixer! Und ſtieg ab, und ich ſtieg auf, und wie biſt Du ſchon da! Na, da iſt Gottes Finger! Der Her -250Die Bernſteinhexe.zog iſt eben von Stettin in Wolgaſt angekommen zur Feiſt - jagd der Hirſche. — Eben wollte er in den Pener-Wald hinaus rum, num! Andreas iſt ein gewuͤrfelter Kerl, ſprengt hin, uͤberreicht, abgemacht, der Herr Herzog ant - wortet auf der Stelle, und ruft aus: Sind die Uſedomer des Teufels! Wollen meine kleine lateiniſche Pfarrjungfer um’s Leben bringen; das allerliebſte, gottgefaͤllige Maͤd - chen. Das ſollen ſie ſich bei Leibe nicht unterſtehn!
Der Herr Herzog ſchreibt: Jhr waͤrt wohl des Teufels, daß Jhr die fromme Jungfer verbrennen wollt!
Bring’s aus, bring’s aus!
Freilich!
Hier macht’s bekannt. —
Und nun zu Dir mein Engelskind!
Bin ich gerettet!
Wir ſind gerettet.
O, mein Glaube! — Gerettet, Vater!
Mein Kind! Gott lohn’ es Euch in Ewigkeit, Herr Junker!
Herr Herzog Bogislav ſchreibt, daß er die Jungfer Marie Schweidler ſehr gut kenne, daß ſie um ihrer ſelt - nen Gaben willen irrthuͤmlich angeklagt ſein muͤſſe, und daß wir inne halten ſollten mit dem peinlichen Verfahren.
Salutirt dem Landesherrn!
Und bin ich Deines Herzens noch verſichert?
Das war’t Jhr ſtets, auch da ich weinen mußte.
Ueber mich! —
Noch Eins! Leute von Uſedom!
Sie ſind jetzt alle ſtill.
Jhr habt’s geſehn, daß ich an Gott, doch nicht an Euren Hexenteufel glaube —
Um Gotteswillen, wenn ſie den Teufel nicht mehr fuͤrchten, ſo fuͤrchten ſie auch unſern Herrgott nicht mehr —
Und nun ſollt Jhr in Zukunft ſehn, daß ich doch fer - tig werde mit Eurer ſchlimmen Bernſteinhexe, die ich hier - mit vor Gott und allem Volk zu meinem ehelichen Weib begehre —
Ruͤdiger!
Herr Junker, wie?!
Das iſt mein Treffer!
Jhr uͤbereilt Euch, Junker, ſie iſt nicht von Adel.
Nein, Gott hat ſie geadelt, armer Mann!
Brav iſt er doch!
Und brav biſt Du!
Und willſt Du’s mit mir wagen?
Von ganzem Herzen, ja!
So ſegne Euch der alte gute Gott!
Druck der Teubner’ſchen Offizin in Leipzig.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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