PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Homers Oduͤßee
Hamburg,auf Koſten des Verfaſſers. 1781.
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An Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. 1780.

Stolberg, uͤber der Stadt am ſchiffbaren Buſen der Oſtſee, Wo du, mich einſt zur Seite der Braut im Schatten des Fruͤhlings Gruͤßend, des Liebenden Gluͤck durch Freundſchaft gluͤcklicher machteſt: Kraͤnzt den Bord, der vor Alters die hoͤheren Fluten zuruͤckzwang, Hoch und verwachſen, ein Wald voll Kuͤhlung und ahndender Schauer. Alda ruht 'ich vom ſinnenden Gang', am beſchatteten Bergquell, Horchend der lockenden Wachtel im gruͤnlichen Rauche der Aehren, Und dem Wogengeraͤuſch, und dem fernherſaͤuſelnden Suͤdwind. Ueber mir wehten mit aͤnderndem Gruͤn die verſchlungenen Buchen; Und es ſtralte verſtohlen ein fluͤchtiger Schimmer der Sonne Jezt auf den finſtern Quell, und jezt auf die blinkende Stechpalm, Jezo mir blendend aufs Lied des grauen ioniſchen Saͤngers. Aber mit Einmal, ſiehe! da leuchtet 'es: Hain und Gefilde[4] Schwanden in Licht; es erſcholl, wie von tauſend Nachtigallchoͤren; Und ein Geduͤft, wie der Roſen, doch duftender, athmete ringsum. Und nun trat aus dem Licht ein Unſterblicher: ſeine Geſtalt war Morgenglanz, ſein Gewand ein feurigwallender Nordſchein. Zitternd verhuͤllt' ich mein Antliz; allein der Unſterbliche nahm mich Sanft bei der Hand, und Wonne durchſchauerte meine Gebeine. Und er begann zu reden, und ſprach mit melodiſcher Stimme:

Fuͤrchte nicht, o Juͤngling, den Maioniden Homaͤros, Welchen du Einſamer oft mit herzlicher lauter Entzuͤckung Nannteſt! Ich komme zu dir, nicht aus dem ſtuͤgiſchen Abgrund; Denn kein Aïdaͤs herſcht, kein Minos richtet die Todten Drunten in ewiger Nacht: ich komm 'aus dem lichten Gefilde, Wo auch mein Geſang zum Vater aller emporſteigt. Als mit himmliſcher Harfe der iſaïdiſche Seher Gott den Unſichtbaren im Allerheiligſten feirte, Sang ich mit irdiſcher Harfe den ſchwacherleuchteten Voͤlkern Stammelnd den ſichtbaren Gott im Heiligthume der Schoͤpfung; Und, gleich Davids, lohnte der Vater mein kindliches Stammeln. Sorgſam pfluͤckte mein Lied die Blume jeglicher Tugend, Wie ſie am ſchwaͤcheren Strale der goͤttlichen Wahrheit entbluͤhte: Unſchuld, goldene Treu und Einfalt; dankende Ehrfurcht Vor der Natur und der Kunſt wohlthaͤtigen Kraͤften, der Urkraft[5] Genien! flammende Liebe des Vaterlandes, der Eltern, Und des Gemahls und des Herrn; und menſchenerhaltende Kuͤhnheit. Dieſe ſchimmernden Blumen, erfriſcht vom Thaue des Himmels, Gab ich, in Kraͤnze geflochten, der jungen ioniſchen Sprache. Und zur Prieſterin weiht' ich die keuſche heilige Jungfrau Im Orakel der hohen Natur: daß ſie taͤglich, mit Nektar Sprengend die ſternenhellen und toͤneduftenden Kraͤnze, Aus dem Getoͤn weißagte; und Voͤlker von Morgen und Abend Beteten an die Natur, des Unendlichen ſichtbare Gottheit. Aber nun ſtuͤrmte der Schwarm des barbariſchen Wahns und der Dummheit Wuͤtend daher, und zerſchlug den Altar, und vertilgte der Kraͤnze Viele; die Prieſterin floh mit den uͤbrigen kaum in des Felſens Kluft, und ſtarb. Und ſiehe! die Kraͤnze meines Geſanges, Unerfriſcht vom Nektar der Jungfrau, dufteten welkend Leiſeren Laut, gleich fernverhallenden Harfentoͤnen. Oft zwar ſtieg in die Kluft ein Beſchwoͤrer, vom Geiſte der Jungfrau Nektar zu heiſchen; allein ſie erſchien, ein teuſchendes Unbild, Und antwortete nicht dem ungeheiligten Schwaͤzer. Auch ſtieg manche hinab der lebenden Sprachen, der todten Prieſterin Kraͤnze zu rauben; doch ſchnell verſchwanden die Kraͤnze Unter der Buhlerin Hand: dann pfluͤckte ſie heimiſche Blumen, Aehnlich jenen, und flocht weißagende Kraͤnze; mit Opfern[6] Stroͤmte das Volk in den Tempel, und horchte der Afterprofetin. Sohn der edleren Sprache Teutonia, die mit der juͤngern Schweſter Ionia einſt auf thraziſchen Bergen um Orfeus Spielte, von einerlei Koſt der Nektartraube genaͤhret; Dann im Bardenhain, mit dem keuſchen Volke der Freiheit, Frei und keuſch, die Geſpielen verachtete, welche des Auslands Klirrende Feſſel trugen, von jedem Sieger geſchaͤndet: Deine goͤttliche Mutter Teutonia, welche mein Klopſtock, Von Siona gefuͤhrt, mit Engelpalmen und Blumen Vom edeniſchen Strome bekraͤnzt 'und zur Seherin Gottes Weihete: ſie nur verdient der Natur weißagende Kraͤnze. Auf! und heilige dich, daß du, ihr wuͤrdiger Herold, Einen der Kraͤnze, beſprengt mit erfriſchendem Nektar, herauf bringſt. Fleuch der Ehre vergoldeten Saal, des ſchlauen Gewinſtes Laͤrmenden Markt, und die Gaͤrten der Ueppigkeit, wo ſie in bunter Muſchelgrotte ruht, und an der geſchnittenen Laubwand. Suche den einſamen Nachtigallhain, den roſenumbluͤhten Murmelnden Bach, und den See, mit Abendroͤthe bepurpert, Und im reifenden Korne den haſelbeſchatteten Raſen; Oder den glatten Kriſtall des Winterſtroms, die Gebuͤſche, Bluͤhend von duftigem Reif, und in hellfrierenden Naͤchten Funkelnde Schneegefilde, von Mond und Sternen erleuchtet. [7]Siehe da wird mein Geiſt dich umſchweben mit lispelnder Ahndung, Dich die ſtille Pracht der Natur und ihre Geſeze Lehren, und meiner Sprache Geheimniſſe: daß in der Felskluft Freundlich erſcheinend dir die Jungfrau reiche den Nektar. Furchtbar iſt, o Juͤngling, die Laufbahn, welche du wandelſt; Aber zittere nicht: denn ſiehe! dich leitet Homaͤros! Wie von der Sonne gefuͤhrt am goldenen Bande, die Erde Tanzet den wirbelnden Tanz; im Schmuck der Blumen und Fruͤchte Laͤchelt ſie jezt, und ſingt mit tauſend Stimmen; doch jezo Huͤllt ſie ihr Antliz in Wolken, umheult von Orkanen, des Weltmeers Steigender Flut, und dem Feuer, das hinſtroͤmt; aber ſie wandelt Ruhig fort, und ſegnet mit Licht und Waͤrme die Voͤlker: Alſo wandle auch du, vom Kuſſe der Braut erheitert, Und dem Lallen des Sohns am Buſen des laͤchelnden Weibes; Oder gehuͤllt in Schmerz, wann dir dein redlicher Vater Starb, und die einzige Schweſter, die friſchaufbluͤhende Roſe! Dreißig Monden daure die heilige Weihe; dann ſteige Kuͤhn und demutsvol in die ſchaudrichte Hoͤhle des Felſens. Unerſchreckt vom Gekraͤchze der Raben, die dich umflattern, Flehe der Prieſterin Geiſt, empfang' in goldener Schale Ihren ſprudelnden Nektar, und ſprenge den Kranz, der Oduͤßeus Tugenden toͤnt; den andern gebuͤhrt ein anderer Herold. [8]Dieſen trag 'in der hohen Teutonia Tempel. Der Welt nicht, Aber der Nachwelt Dank ſei dir Lohn, und uͤber den Sternen Unter Palmen ein Siz zur Seite deines Homaͤros.

Alſo ſprach er. Da ward mir, als ob mein Leben in Schlummer Sanft hinfloͤße. Ein Meer von Morgenroth umrauſchte Wiegend meinen Geiſt mit toͤnenden Harmonien. Als ich endlich geſtaͤrkt der ſanftumwallenden Kuͤhlung Schaudernd entſtieg; da erwacht 'ich; und ſiehe! Hain und Gefilde Gruͤnten wie vor; allein die niedergeſunkene Sonne Schien mir unter den Zweigen mit roͤthlichem Schimmer ins Antliz.

Freudig und ernſtvoll ging ich durch thauende Rockengefilde Heim, und erreichte bald die kleine Pforte der Mauer, Wo mir Erneſtine mit ausgebreiteten Armen Laͤchelnd entgegen ſprang, und zuͤrnete, daß ſie ſo lange Mir umſonſt in der Laube die ſuͤßen Kirſchen geſparet. Aber du ſiehſt ja ſo bleich, mein Lieber! Sage, was fehlt dir? Sprach ſie, und ſah mich an. Allein ich wandte des Tages Brennende Hize vor, und ſagte nicht, was geſchehn war.

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Oduͤßee. Erſter Geſang.

Sage mir, Muſe, die Thaten des vielgewanderten Mannes,V. 1.vielgewanderten. Die Gruͤnde, warum ich hier und anderswo von den angenommenen Erklaͤrungen abweiche, werde ich den Kennern der griechiſchen Sprache an einem ſchicklichern Orte vorlegen. Welcher ſo weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerſtoͤrung, Vieler Menſchen Staͤdte geſehn, und Sitte gelernt hat, Und auf dem Meere ſo viel 'unnennbare Leiden erduldet, Seine Seele zu retten, und ſeiner Freunde Zuruͤckkunft. 5Aber die Freunde rettet 'er nicht, wie eifrig er ſtrebte; Denn ſie bereiteten ſelbſt durch Miſſethat ihr Verderben: Thoren! welche die Rinder des hohen SonnenbeherſchersV. 8.Der Sonnengott hieß bei den alten Griechen Haͤlios, und nicht Foͤbos. Schlachteten; ſiehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zuruͤckkunft. Sage hievon auch uns ein weniges, Tochter Kronions. V. 10.Kronion hieß Zeus, ein Sohn des Kronos oder Saturnus.10

Alle die andern, ſo viel dem verderbenden Schickſal entflohen, Waren jezo daheim, dem Krieg 'entflohn und dem Meere: Ihn allein, der ſo herzlich zur Heimat und Gattin ſich ſehnte, Hielt die unſterbliche Nuͤmfe, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, In der gewoͤlbeten Grotte, und wuͤnſchte ſich ihn zum Gemahle. 15Selbſt da das Jahr nun kam im kreiſenden Laufe der Zeiten,10Oduͤßee. Da ihm die Goͤtter beſtimmt, gen Ithaka wiederzukehren;V. 17.Ithaka, eine kleine Inſel an der Weſtſeite von Griechenland, wo Oduͤßeus wohnte. Die Roͤmer nennen ihn Ulyßes und Ulyxes. Hatte der Held noch nicht vollendet die muͤdende Laufbahn, Auch bei den Seinigen nicht. Es jammerte ſeiner die Goͤtter; Nur Poſeidon zuͤrnte dem goͤttergleichen OduͤßeusV. 20.Poſeidon oder Poſeidaon, der Gott des Meers, bei den Roͤmern Neptunus.20 Unablaͤßig, bevor er ſein Vaterland wieder erreichte. V. 21.Aithiopen, die aͤußerſten Voͤlker in Aſien und Afrika, wovon die Grie - chen damals nur die naͤchſten Kuͤſten, ungefaͤhr von Kolchis bis Sizilien, kannten.

Dieſer war jezo fern zu den Aithiopen gegangen: Aithiopen, die zwiefach getheilt ſind, die aͤußerſten Menſchen, Gegen den Untergang der Sonnen, und gegen den Aufgang: Welche die Hekatombe der Stier 'und Widder ihm brachten. 25Alda ſaß er, des Mahls ſich freuend. Die uͤbrigen Goͤtter Waren alle in Zeus des Oluͤmpiers Hauſe verſammelt. V. 27.Oluͤmpos, ein Berg zwiſchen Theßalien und Mazedonien, der Goͤt - ter Wohnſiz.

Unter ihnen begann der Vater der Menſchen und Goͤtter; Denn er gedachte bei ſich des tadelloſen Aigiſthos,V. 29.Aigiſthos, ein Bruderſohn Agamemnons, des Heerfuͤhrers vor Troja. Den Agamemnons Sohn, der beruͤhmte Oreſtaͤs, getoͤdtet;30 Deſſen gedacht 'er jezo, und ſprach zu der Goͤtter Verſammlung:

Welche Klagen erheben die Sterblichen wider die Goͤtter! Nur von uns, wie ſie ſchrein, kommt alles Uebel; und dennoch Schaffen die Thoren ſich ſelbſt, dem Schickſal entgegen, ihr Elend. So nahm jezo Aigiſthos, dem Schickſal entgegen, die Gattin35 Agamemnons zum Weib ', und erſchlug den kehrenden Sieger,11Erſter Geſang. Kundig des ſchweren Gerichts! Wir hatten ihn lange gewarnet, Da wir ihm Hermaͤs ſandten, den wachſamen Argosbeſieger,V. 38.Hermaͤs oder Hermeias war, einige Geſchaͤfte abgerechnet, der Roͤ - mer Merkur. Seine Geſchichte mit dem hundertaͤugichten Argos iſt bekannt. Weder jenen zu toͤdten, noch um die Gattin zu werben. Denn von Oreſtaͤs wird einſt das Blut Agamemnons gerochen,40 Wann er, ein Juͤngling nun, des Vaters Erbe verlanget. So weißagte Hermeias; doch folgte dem heilſamen Rathe Nicht Aigiſthos, und jezt hat er alles auf Einmal gebuͤßet.

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:V. 44.Pallas Athaͤnaͤ, Minerva. Unſer Vater Kronion, der herſchenden Koͤnige Herſcher,45 Seiner verſchuldeten Strafe iſt jener Verraͤther gefallen. Moͤchte doch jeder ſo fallen, wer ſolche Thaten beginnet! Aber mich kraͤnkt in der Seele des weiſen Helden Oduͤßeus Elend, welcher ſo lang ', entfernt von den Seinen, ſich abhaͤrmt, Auf der umfloßenen Inſel, der Mitte des wogenden Meeres. V. 50.Kaluͤpſos Inſel Oguͤgia dachte man ſich in dem unbekannten Meere unter Sizilien.50Eine Goͤttin bewohnt das waldumſchattete Eiland, Atlas Tochter, des Allerforſchenden, welcher des Meeres Dunkle Tiefen kennt, und ſelbſt die ragenden Seulen Aufhebt, welche die Erde vom hohen Himmel ſondern. Deſſen Tochter haͤlt den aͤngſtlich harrenden Dulder,55 Immer ſchmeichelt ſie ihm mit ſanft liebkoſenden Worten, Daß er des Vaterlandes vergeße. Aber Oduͤßeus Sehnt ſich, auch nur den Rauch von Ithaka's heimiſchen Huͤgeln Steigen zu ſehn, und dann zu ſterben! Iſt denn bei dir auch12Oduͤßee. Kein Erbarmen fuͤr ihn, Oluͤmpier? Brachte Oduͤßeus60 Nicht bey den Schiffen der Griechen in Troja's weitem Gefilde Suͤhnender Opfer genung? Warum denn zuͤrneſt du ſo, Zeus?

Ihr antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen? O wie koͤnnte doch ich des edlen Oduͤßeus vergeſſen? 65Sein, des weiſeſten Mannes, und der die reichlichſten Opfer Uns Unſterblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern? Poſeidaon verfolgt ihn, der Erdumguͤrter, mit heißer Unaufhoͤrlicher Rache; weil er den Kuͤklopen geblendet, Poluͤfaͤmos, den Rieſen, der unter allen Kuͤklopen,70 Stark wie ein Gott, ſich erhebt. Ihn gebar die Nuͤmfe Thooſa, Forkuͤns Tochter, des Herſchers im wuͤſten Reiche der Waſſer,V. 72.Forkuͤn, einer von den Untergoͤttern des Meers Welche Poſeidon einſt in daͤmmernder Grotte bezwungen. Darum trachtet den Helden der Erderſchuͤttrer Poſeidon, Nicht zu toͤdten, allein von der Heimat irre zu treiben. 75Aber wir wollen uns alle zum Rath vereinen, die Heimkehr Dieſes Verfolgten zu foͤrdern; und Poſeidaon entſage Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle, Uns unſterblichen Goͤttern allein entgegen zu kaͤmpfen!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:80 Unſer Vater Kronion, der herſchenden Koͤnige Herſcher, Iſt denn dieſes im Rathe der ſeligen Goͤtter beſchloſſen, Daß in ſein Vaterland heimkehre der weiſe Oduͤßeus; Auf! ſo laßt uns Hermeias, den ruͤſtigen Argosbeſieger, Senden hinab zu der Inſel Oguͤgia: daß er der Nuͤmfe85 Mit ſchoͤnwallenden Locken verkuͤnde den heiligen Rathſchluß,13Erſter Geſang. Von der Wiederkehr des leidengeuͤbten Oduͤßeus. Aber ich will gen Ithaka gehn, den Sohn des Verfolgten Mehr zu entflammen, und Mut in des Juͤnglings Seele zu gießen: Daß er zu Rath berufe die hauptumlockten Achaier,V. 90.Achaier, die alten Beherſcher Griechenlands.90 Und den Freiern verbiete, die ſtets mit uͤppiger Frechheit Seine Schafe ſchlachten, und ſein ſchwerwandelndes Hornvieh; Will ihn dann ſenden gen Sparta, und zu der ſandigen Puͤlos:V. 93.Sparta, Menelaos Reich, lag an der oͤſtlichen, und Puͤlos, wo Neſtor herſchte, an der weſtlichen Seite Morea's. Daß er nach Kundſchaft forſche von ſeines Vaters Zuruͤckkunft, Und ein edler Ruf ihn unter den Sterblichen preiſe. 95

Alſo ſprach ſie, und band ſich unter die Fuͤße die ſchoͤnen Goldnen ambroſiſchen Solen, womit ſie uͤber die Waſſer Und das unendliche Land im Hauche des Windes einherſchwebt; Faßte die maͤchtige Lanze mit ſcharfer eherner Spize, Schwer und groß und ſtark, womit ſie die Schaaren der Helden100 Stuͤrzt, wenn im Zorn ſich erhebt die Tochter des ſchrecklichen Vaters. Eilend fuhr ſie hinab von den Gipfeln des hohen Oluͤmpos, Stand nun in Ithaka's Stadt, am Thore des Helden Oduͤßeus, Vor der Schwelle des Hofs, und hielt die eherne Lanze, Gleich dem Freunde des Hauſes, dem Fuͤrſten der Tafier Mentaͤs. V. 105.Tafos, eine Inſel nahe bei den echinadiſchen, die am Ausfluß des Acheloos lagen, und jezt mit dem feſten Lande verbunden ſind.105

Aber die mutigen Freier erblickte ſie an des Palaſtes Pforte, wo ſie ihr Herz mit Steineſchieben ergoͤzten, Hin auf Haͤuten der Rinder geſtreckt, die ſie ſelber geſchlachtet. Herold 'eilten umher und fleißige Diener im Hauſe:14Oduͤßee. Jene miſchten fuͤr ſie den Wein in den Kelchen mit Waſſer;110 Dieſe ſaͤuberten wieder mit lockern Schwaͤmmen die Tiſche, Stellten in Reihen ſie hin, und theilten die Menge des Fleiſches.

Pallas erblickte zuerſt Taͤlemachos, aͤhnlich den Goͤttern. Unter den Freiern ſaß er mit traurigem Herzen; denn immer Schwebte vor ſeinem Geiſte das Bild des treflichen Vaters:115 Ob er nicht endlich kaͤme, die Freier im Hauſe zerſtreute, Und, mit Ehre gekroͤnt, ſein Eigenthum wieder beherſchte. Dem nachdenkend, ſaß er bei jenen, erblickte die Goͤttin, Und ging ſchnell nach der Pforte des Hofs, unwillig im Herzen, Daß ein Fremder ſo lang 'an der Thuͤre harrte; empfing ſie,120 Druͤckt 'ihr die rechte Hand, und nahm die eherne Lanze, Redete freundlich ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Freue dich, fremder Mann! Sei uns willkommen; und haſt duV. 123.Freue dich! war der gewoͤhnliche Gruß. Dich mit Speiſe geſtaͤrkt, dann ſage, was du begehreſt.

Alſo ſprach er, und ging; ihm folgete Pallas Athaͤnaͤ. 125Als ſie jezt in den Saal des hohen Palaſtes gekommen; Trug er die Lanz 'in das ſchoͤngetaͤfelte Speerbehaͤltniß, An die hohe Seule ſie lehnend, an welcher noch viele Andere Lanzen ſtunden des leidengeuͤbten Oduͤßeus. Pallas fuͤhrt' er zum Thron, und breitet 'ein Polſter ihr unter,130 Schoͤn und kuͤnſtlichgewirkt; ein Schemel ſtuͤzte die Fuͤße. Neben ihr ſezt 'er ſich ſelbſt auf einen praͤchtigen Seßel, Von den Freiern entfernt: daß nicht dem Gaſte die Mahlzeit Durch das wuͤſte Getuͤmmel der Trozigen wuͤrde verleidet; Und er um Kundſchaft ihn von ſeinem Vater befragte. 135

15Erſter Geſang.

Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne, Ueber dem ſilbernen Becken, das Waſſer, beſtroͤmte zum Waſchen Ihnen die Haͤnd ', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf, Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. 140Hierauf kam der Zerleger, und bracht 'in erhobenen Schuͤßeln Allerlei Fleiſch, und ſezte vor ſie die goldenen Becher. Und ein geſchaͤftiger Herold verſorgte ſie reichlich mit Weine.

Jezo kamen auch die mutigen Freier, und ſaßen All' in langen Reihen auf praͤchtigen Thronen und Seßeln. 145Herolde goßen ihnen das Waſſer uͤber die Haͤnde. Aber die Maͤgde ſezten gehaͤufte Koͤrbe mit Brod auf. Juͤnglinge fuͤllten die Kelche bis oben mit dem Getraͤnke, Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war,150 Dachten die uͤppigen Freier auf neue Reize der Seelen, Auf Geſang und Tanz, des Mahles liebliche Zierden. Und ein Herold reichte die ſchoͤngebildete Harfe Faͤmios hin, der an Kunſt des Geſangs vor allen beruͤhmt war, Faͤmios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu ſingen. 155Pruͤfend durchrauſcht 'er die Saiten, und hub den ſchoͤnen Geſang an.

Aber Taͤlemachos neigte das Haupt zu Pallas Athaͤnaͤ, Und ſprach leiſe zu ihr, damit es die andern nicht hoͤrten:

Lieber Gaſtfreund, wirſt du mir auch die Rede verargen? Dieſe koͤnnen ſich wohl bei Saitenſpiel 'und Geſange160 Freun, da ſie ungeſtraft des Mannes Habe verſchwelgen, Deßen weißes Gebein vielleicht ſchon an fernem Geſtade Modert im Regen, vielleicht von den Meereswogen gewaͤlzt wird.

16Oduͤßee.

Saͤhen ſie jenen einmal zuruͤck in Ithaka kommen; Alle wuͤnſchten gewiß ſich lieber noch ſchnellere Fuͤße,165 Als noch groͤßere Laſt an Gold 'und praͤchtigen Kleidern. Aber es war ſein Verhaͤngniß, ſo hinzuſterben; und keine Hoffnung erfreuet uns mehr, wenn auch zuweilen ein Fremdling Sagt, er komme zuruͤck. Der Tag iſt auf immer verloren! Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit. 170Wer, wes Volkes biſt du? und wo iſt deine Geburtſtadt? Und in welcherlei Schiff kamſt du? wie brachten die Schiffer Dich nach Ithaka her? was ruͤhmen ſich jene vor Leute? Denn unmoͤglich biſt du doch hier zu Fuße gekommen! Dann erzaͤhle mir auch aufrichtig, damit ich es wiße:175 Biſt du in Ithaka noch ein Neuling, oder ein Gaſtfreund Meines Vaters? Denn unſer Haus beſuchten von jeher Viele Maͤnner, und er mocht 'auch mit Leuten wohl umgehn.

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Dieſes will ich dir alles, und nach der Wahrheit, erzaͤhlen. 180Mentaͤs, Anchialos Sohn, des kriegserfahrenen Helden, Ruͤhm 'ich mich, und beherſche die ruderliebende Tafos. Jezo ſchifft' ich hier an; denn ich ſteure mit meinen Genoßen Ueber das dunkle Meer zu unverſtaͤndlichen Voͤlkern, Mir in Temeſa Kupfer fuͤr blinkendes Eiſen zu tauſchen. V. 185.Temeſa, eine Stadt in Unteritalien.185Und mein Schiff liegt auſſer der Stadt am freien Geſtade, In der reithriſchen Bucht, an des waldichten Naͤion Fuße. Lange preiſen wir, ſchon von den Zeiten unſerer Vaͤter, Uns Gaſtfreunde. Du darfſt nur zum alten Helden LaertaͤsV. 189.Laertaͤs, Oduͤßeus Vater.17Erſter Geſang. Gehn und fragen; der jezt, wie man ſagt, nicht mehr in die Stadt kommt,190 Sondern in Einſamkeit auf dem Lande ſein Leben vertrauret, Bloß von der Alten bedient, die ihm ſein Eßen und Trinken Vorſezt, wann er einmal vom fruchtbaren Rebengefilde, Wo er den Tag hinſchleicht, mit muͤden Gliedern zuruͤckwankt. Aber ich kam, weil es hieß, dein Vater waͤre nun endlich195 Heimgekehrt; doch ihm wehren vielleicht die Goͤtter die Heimkehr. Denn noch ſtarb er nicht auf Erden der edle Oduͤßeus; Sondern er lebt noch wo in einem umfloßenen Eiland Auf dem Meere der Welt; ihn halten grauſame Maͤnner, Wilde Barbaren, die dort mit Gewalt zu bleiben ihn zwingen. 200Aber ich will dir anizt weißagen, wie es die Goͤtter Mir in die Seele gelegt, und wie's wahrſcheinlich geſchehn wird; Denn kein Seher bin ich, noch Fluͤge zu deuten erleuchtet. Nicht mehr lange bleibt er von ſeiner heimiſchen Inſel Ferne, nicht lange mehr, und hielten ihn eiſerne Bande;205 Sinnen wird er auf Flucht, und reich iſt ſein Geiſt an Erfindung. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit. Biſt du mit dieſer Geſtalt ein leiblicher Sohn von Oduͤßeus? Wundergleich biſt du ihm, an Haupt und Glanze der Augen! Denn oft haben wir ſo uns zu einander geſellet,210 Eh er gen Troja fuhr mit den uͤbrigen Helden Achaia's. Seitdem hab 'ich Oduͤßeus, und jener mich nicht geſehen.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Dieſes will ich dir, Freund, und nach der Wahrheit, erzaͤhlen. Meine Mutter die ſagt es, er ſei mein Vater; ich ſelber215 Weiß es nicht: denn von ſelbſt weiß niemand, wer ihn gezeuget. B18Oduͤßee. Waͤr 'ich doch lieber der Sohn von einem gluͤcklichen Manne, Den bei ſeiner Habe das ruhige Alter beſchliche! Aber der Ungluͤckſeligſte aller ſterblichen Menſchen Iſt, wie man ſagt, mein Vater; weil du mich darum befrageſt. 220

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Nun ſo werden die Goͤtter doch nicht den Namen des Hauſes Tilgen, da ſolchen Sohn ihm Paͤnelopeia geboren. V. 223.Paͤnelopeia, Oduͤßeus Gemahlin.Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit. Was vor ein Schmaus iſt hier, und Geſellſchaft? Giebſt du ein Gaſtmahl,225 Oder ein Hochzeitfeſt? Denn keinem Gelag 'iſt es aͤhnlich! Dafuͤr ſcheinen die Gaͤſte mit zu unbaͤndiger Frechheit Mir in dem Saale zu ſchwaͤrmen. Ereifern muͤßte die Seele Jedes vernuͤnftigen Manns, der ſolche Graͤuel mit anſaͤh!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:230 Fremdling, weil du mich fragſt, und ſo genau dich erkundeſt; Ehmals konnte dies Haus vielleicht beguͤtert und glaͤnzend Heißen, da jener noch im Vaterlande verweilte: Aber nun haben es anders die grauſamen Goͤtter entſchieden, Welche den herlichen Mann vor allen Menſchen verdunkelt! 235Ach! ich trauerte ſelbſt um den Tod des Vaters nicht ſo ſehr, Waͤr 'er mit ſeinen Genoßen im Lande der Troer gefallen, Oder den Freunden im Arme, nachdem er den Krieg vollendet. Denn ein Denkmal haͤtt' ihm das Volk der Achaier errichtet, Und ſo waͤre zugleich ſein Sohn bei den Enkeln verherlicht. 240Aber er ward unruͤhmlich ein Raub der wilden Harpuͤen;V. 241.Harpuͤen hießen die Stuͤrme, die man ſich als gefluͤgelte raͤubriſche Goͤttinnen vorſtellte.19Erſter Geſang. Weder geſehn, noch gehoͤrt, verſchwand er, und ließ mir zum Erbtheil Jammer und Weh! Doch jezo bewein 'ich nicht jenen allein mehr; Ach! es bereiteten mir die Goͤtter noch andere Leiden. Alle Fuͤrſten, ſo viel in dieſen Inſeln gebieten,245 In Dulichion, Samaͤ, der waldbewachſnen Zakuͤnthos,V. 246.Samaͤ, jezt Cefalogna; Zakuͤnthos, Zante; Ithaka, Theaki. Dieſe Inſeln gehoͤrten nebſt der Halbinſel Naͤrikos, oder der jezigen Inſel St. Maura, zu Oduͤßeus Reiche. Dulichion hatte mit den uͤbrigen echinadiſchen Inſeln einen beſondern Koͤnig. Und ſo viele hier in der felſichten Ithaka herſchen: Alle werben um meine Mutter, und zehren das Gut auf. Aber die Mutter kann die aufgedrungne Vermaͤhlung Nicht ausſchlagen, und nicht vollziehn. Nun verpraßen die Schwelger250 All mein Gut, und werden in kurzem mich ſelber zerreißen!

Und mit zuͤrnendem Schmerz antwortete Pallas Athaͤnaͤ: Goͤtter, wie ſehr bedarfſt du des langabweſenden Vaters, Daß ſein furchtbarer Arm die ſchamloſen Freier beſtrafe! Wenn er doch jezo kaͤm ', und vorn in der Pforte des Saales255 Stuͤnde, mit Helm und Schild und zwoen Lanzen bewaffnet; So an Geſtalt, wie ich ihn zum erſtenmale geſehen, Da er aus Efuͤra kehrend von Ilos, Mermeros Sohne,V. 258.Efuͤra, hier das korinthiſche. Sich in unſerer Burg beim gaſtlichen Becher erquickte! Denn dorthin war Oduͤßeus im ſchnellen Schiffe geſegelt,260 Menſchentoͤdtende Saͤfte zu holen, damit er die Spize Seiner gefiederten Pfeile vergiftete. Aber ſie gab ihm Ilos nicht, denn er ſcheute den Zorn der unſterblichen Goͤtter; Aber mein Vater gab ihm das Gift, weil er herzlich ihn liebte:20Oduͤßee. Wenn doch in jener Geſtalt Oduͤßeus den Freiern erſchiene! 265Bald waͤr 'ihr Leben gekuͤrzt, und ihnen die Heirat verbittert! Aber dieſes ruhet im Schooße der ſeligen Goͤtter, Ob er zur Heimat kehrt, und einſt in dieſem Palaſte Rache vergilt, oder nicht. Dir aber gebiet' ich, zu trachten, Daß du der Freier Schaar aus deinem Hauſe vertreibeſt. 270Lieber, wohlan! merk auf, und nim die Rede zu Herzen. Fodere morgen zu Rath die Edelſten aller Achaier, Rede vor der Verſammlung, und rufe die Goͤtter zu Zeugen. Allen Freiern gebeut, zu dem Ihrigen ſich zu zerſtreuen; Und der Mutter: verlangt ihr Herz die zwote Vermaͤhlung,275 Kehre ſie heim in das Haus des wohlbeguͤterten Vaters. V. 276.Paͤnelopeiens Vater Ikarios war Fuͤrſt eines Theils von Akarnanien.Dort bereite man ihr die Hochzeit, und ſtate ſie reichlich Ihrem Braͤutigam aus, wie lieben Toͤchtern gebuͤhret. Fuͤr dich ſelbſt iſt dieſes mein Rath, wofern du gehorcheſt. Ruͤſte das treflichſte Schiff mit zwanzig Gefaͤhrten, und eile,280 Kundſchaft dir zu erforſchen vom langabweſenden Vater; Ob dirs einer verkuͤnde der Sterblichen, oder du Oßa,V. 282.Oßa, ungefaͤhr die Fama der Lateiner. Zeus Geſandte, vernehmeſt, die viele Geruͤchte verbreitet. Erſtlich fahre gen Puͤlos, und frage den goͤttlichen Neſtor, Dann gen Sparta, zur Burg Menelaos des braͤunlichgelockten,285 Welcher zulezt heim kam von den erzgepanzerten Griechen. Hoͤrſt du, er lebe noch, dein Vater, und kehre zur Heimat; Dann, wie bedraͤngt du auch ſeiſt, erduld 'es noch ein Jahr lang. Hoͤrſt du, er ſei geſtorben, und nicht mehr unter den Menſchen;21Erſter Geſang. Siehe dann kehre wieder zur lieben heimiſchen Inſel,290 Haͤufe dem Vater ein Mal, und opfere Todtengeſchenke Reichlich, wie ſichs gebuͤhrt, und gieb einem Manne die Mutter. Aber haſt du dieſes gethan und alles vollendet, Siehe dann denk 'umher, und uͤberlege mit Klugheit, Wie du die uͤppige Schaar der Freier in deinem Palaſte295 Toͤdteſt, mit heimlicher Liſt, oder oͤffentlich! Fuͤrder geziemen Kinderwerke dir nicht, du biſt dem Getaͤndel entwachſen. Haſt du nimmer gehoͤrt, welch ein Ruhm den edlen Oreſtaͤs Unter den Sterblichen preiſt, ſeitdem er den Meuchler Aigiſtos Umgebracht, der ihm den herlichen Vater ermordet? 300Auch du, Lieber, denn groß und ſtatlich biſt du von Anſehn, Halte dich wohl, daß einſt die ſpaͤteſten Enkel dich loben! Ich will jezo wieder zum ſchnellen Schiffe hinabgehn, Und den Gefaͤhrten, die mich, vielleicht unwillig, erwarten. Sorge nun ſelber fuͤr dich, und nim die Rede zu Herzen. 305

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Freund, du redeſt gewiß mit voller herzlicher Liebe, Wie ein Vater zum Sohn, und nimmer werd 'ichs vergeßen. Aber verweile bei uns noch ein wenig, wie ſehr du auch eileſt; Lieber, bade zuvor, und gieb dem Herzen Erfriſchung:310 Daß du mit froherem Mut heimkehreſt, und zu dem Schiffe Bringeſt ein Ehrengeſchenk, ein ſchoͤnes koͤſtliches Kleinod Zum Andenken von mir, wie Freunde Freunden verehren.

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Halte nicht laͤnger mich auf; denn dringend ſind meine Geſchaͤfte. 315Dein Geſchenk, das du mir im Herzen beſtimmeſt, das gieb mir,22Oduͤßee. Wann ich wiederkomme, damit ich zur Heimat es bringe; Und empfange dagegen von mir ein wuͤrdiges Kleinod.

Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter, und eilend Flog wie ein Vogel ſie durch den Kamien. Dem Juͤnglinge goß ſie320 Kraft und Mut in die Bruſt, und fachte des Vaters Gedaͤchtniß Heller noch an, wie zuvor. Er empfand es im innerſten Herzen, Und erſtaunte darob; ihm ahndete, daß es ein Gott war.

Jezo ging er zuruͤck zu den Freiern, der goͤttliche Juͤngling. Vor den Freiern ſang der beruͤhmte Saͤnger; und ſchweigend325 Saßen ſie all', und horchten. Er ſang die traurige Heimfahrt, Welche Pallas Athaͤnaͤ den Griechen von Troja beſchieden.

Und im oberen Stock vernahm die himmliſchen Toͤne Auch Ikarios Tochter, die kluge Paͤnelopeia. Eilend ſtieg ſie hinab die hohen Stufen der Wohnung,330 Nicht allein; ſie wurde von zwo Jungfrauen begleitet. Als das goͤttliche Weib die Freier jezo erreichte, Stand ſie ſtill an der Schwelle des ſchoͤnen gewoͤlbeten Saales; Ihre Wangen umwallte der feine Schleier des Hauptes, Und an jeglichem Arm ſtand eine der ſtatlichen Jungfraun. 335Thraͤnend wandte ſie ſich zum goͤttlichen Saͤnger, und ſagte:

Faͤmios, du weißt ja noch ſonſt viel reizende Lieder, Thaten der Menſchen und Goͤtter, die unter den Saͤngern beruͤhmt ſind; Singe denn davon eins vor dieſen Maͤnnern, und ſchweigend Trinke jeder den Wein. Allein mit jenem Geſange340 Quaͤle mich nicht, der ſtets mein armes Herz mir durchboret. Denn mich traf ja vor allen der unausſprechlichſte Jammer! Ach den beßten Gemahl bewein 'ich, und denke beſtaͤndig23Erſter Geſang. Jenes Mannes, der weit durch Hellas und Argos beruͤhmt iſt! V. 344.Hellas, eine Stadt in Theßalien, hier das ganze noͤrdliche Grie - chenland; Argos, eine Stadt im Peloponnes, hier die ganze Halbinſel.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:345 Meine Mutter, warum verargſt du dem lieblichen Saͤnger, Daß er mit Liedern uns reizt, wie ſie dem Herzen entſtroͤmen? Nicht die Saͤnger ſind des zu beſchuldigen, ſondern allein Zeus, Welcher die Meiſter der Kunſt nach ſeinem Gefallen begeiſtert. Zuͤrne denn nicht, weil dieſer die Leiden der Danaer ſinget;350 Denn der neuſte Geſang erhaͤlt vor allen Geſaͤngen Immer das lauteſte Lob der aufmerkſamen Verſammlung: Sondern ſtaͤrke vielmehr auch deine Seele, zu hoͤren. Nicht Oduͤßeus allein verlor den Tag der Zuruͤckkunft Unter den Troern; es ſanken mit ihm viel andere Maͤnner. 355Aber gehe nun heim, beſorge deine Geſchaͤfte, Spindel und Webeſtuhl, und treib an beſchiedener Arbeit Deine Maͤgde zum Fleiß! Die Rede gebuͤhret den Maͤnnern, Und vor allen mir; denn mein iſt die Herſchaft im Hauſe!

Staunend kehrte die Mutter zuruͤck in ihre Gemaͤcher,360 Und erwog im Herzen die kluge Rede des Sohnes. Als ſie nun oben kam mit den Jungfraun, weinte ſie wieder Ihren trauten Gemahl Oduͤßeus; bis ihr Athaͤnaͤ Sanft mit ſuͤßem Schlummer die Augenlieder bethaute.

Aber nun laͤrmten die Freier umher in dem ſchattichten Saale,365 Denn ſie wuͤnſchten ſich alle, mit ihr das Bette zu theilen. Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſprach zur Verſammlung:

Freier meiner Mutter, voll uͤbermuͤtiges Trozes,24Oduͤßee. Freut euch jezo des Mahls, und erhebt kein wuͤſtes Getuͤmmel! Denn es fuͤllt ja mit Wonne das Herz, dem Geſange zu horchen,370 Wann ein Saͤnger, wie dieſer, die Toͤne der Himmliſchen nachahmt! Morgen wollen wir uns zu den Sizen des Marktes verſammeln; Daß ich euch allen dort freimuͤtig und oͤffentlich rathe, Mir aus dem Hauſe zu gehn! Sucht kuͤnftig andere Maͤhler; Zehret von euren Guͤtern, und laßt die Bewirtungen umgehn. 375Aber wenn ihr es ſo bequemer und lieblicher findet, Eines Mannes Hab ', ohn alle Vergeltung, zu freßen; Schlingt ſie hinab! Ich werde die ewigen Goͤtter anflehn, Ob euch nicht endlich einmal Zeus eure Thaten bezahle, Daß ihr in unſerm Hauſ' auch ohne Vergeltung dahinſtuͤrzt! 380

Alſo ſprach er; da bißen ſie ringsumher ſich die Lippen, Ueber den Juͤngling erſtaunt, der ſo entſchloßen geredet. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:

Ei! dich lehren gewiß, Taͤlemachos, ſelber die Goͤtter, Vor der Verſammlung ſo hoch und ſo entſchloßen zu reden! 385Daß Kronion dir ja die Herſchaft unſeres Eilands Nicht vertraue, die dir von deinem Vater gebuͤhret!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: O Antinoos, wirſt du mir auch die Rede verargen? Gerne naͤhm 'ich ſie an, wenn Zeus ſie ſchenkte, die Herſchaft! 390Oder meinſt du, es ſei das Schlechteſte unter den Menſchen? Wahrlich, es iſt nichts Schlechtes, zu herſchen; des Koͤniges Haus wird Schnell mit Schaͤzen erfuͤllt, er ſelber hoͤher geachtet! Aber es wohnen ja ſonſt genung achaiiſche Fuͤrſten In dem umfluteten Reiche von Ithaka, Juͤngling 'und Greiſe;395 Nehm 'es einer von dieſen, wofern Oduͤßeus geſtorben! 25Erſter Geſang. Doch behalt 'ich fuͤr mich die Herſchaft unſeres Hauſes, Und der Knechte, die mir der edle Oduͤßeus erbeutet!

Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſagte dagegen: Dies, Taͤlemachos, ruht im Schooße der ſeligen Goͤtter,400 Wer das umflutete Reich von Ithaka kuͤnftig beherſchet; Aber die Herſchaft im Hauſ 'und dein Eigenthum bleiben dir ſicher! Komme nur keiner, und raube dir je mit gewaltſamen Haͤnden Deine Habe, ſo lange noch Maͤnner in Ithaka wohnen! Aber ich moͤchte dich wohl um den Gaſt befragen, mein Beßter. 405Sage, woher iſt der Mann? und welches Landes Bewohner Ruͤhmt er ſich? Wo iſt ſein Geſchlecht und vaͤterlich Erbe? Bracht 'er dir etwa Botſchaft von deines Vaters Zuruͤckkunft? Oder kam er hieher in ſeinen eignen Geſchaͤften? Warum eilt' er ſo ploͤzlich hinweg, und ſcheute ſo ſichtbar410 Unſre Bekanntſchaft? Gewiß, unedel war ſeine Geſtalt nicht!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Hin, Euruͤmachos, iſt auf immer des Vaters Zuruͤckkunft! Darum trau 'ich nicht mehr Botſchaften, woher ſie auch kommen, Kuͤmmre mich nie um Deutungen mehr, wen auch immer die Mutter415 Zu ſich ins Haus berufe, um unſer Verhaͤngniß zu forſchen! Dies war ein taſiſcher Mann, mein angeborener Gaſtfreund. Mentaͤs, Anchialos Sohn, des kriegserfahrenen Helden, Ruͤhmt er ſich, und beherſcht die ruderliebende Tafos.

Alſo ſprach er; im Herzen erkannt 'er die heilige Goͤttin. 420Und ſie wandten ſich wieder zum Tanz und frohen Geſange, Und beluſtigten ſich, bis ihnen der Abend herabſank. Als den Luſtigen nun der dunkle Abend herabſank; Gingen ſie alle heim, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen.

26Oduͤßee. Erſter Geſang.

Aber Taͤlemachos ging zu ſeinem hohen Gemache,425 Auf dem praͤchtigen Hof ', in weitumſchauender Gegend: Dorthin ging er zur Ruh mit tiefbekuͤmmerter Seele. Vor ihm ging mit brennenden Fackeln die tuͤchtige Alte Euruͤkleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peiſaͤnors, Welche vordem Laertaͤs mit ſeinem Gute gekaufet,430 In jungfraͤulicher Bluͤte, fuͤr zwanzig Rinder: er ehrte Sie im hohen Palaſt, gleich ſeiner edlen Gemahlin, Aber beruͤhrte ſie nie, aus Furcht vor dem Zorne der Gattin. Dieſe begleitete ihn mit brennenden Fackeln; ſie hatt 'ihn Unter den Maͤgden am liebſten, und pflegt' ihn, als er ein Kind war. 435

Und er oͤffnete jezt die Thuͤre des ſchoͤnen Gemaches, Sezte ſich auf ſein Lager, und zog das weiche Gewand aus, Warf es dann in die Haͤnde der wohlbedaͤchtigen Alten. Dieſe fuͤgte den Rock geſchickt in Falten, und haͤngt 'ihn An den hoͤlzernen Nagel zur Seite des zierlichen Bettes,440 Ging aus der Kammer, und zog mit dem ſilbernen Ringe die Thuͤre Hinter ſich an, und ſchob den Riegel vor mit dem Riemen.

Alſo lag er die Nacht, mit ſeiner Wolle bedecket, Und umdachte die Reiſe, die ihm Athaͤnaͤ gerathen.

27

Oduͤßee. Zweiter Geſang.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Sprang er vom Lager empor der geliebte Sohn von Oduͤßeus, Legte die Kleider an, und haͤngte das Schwert um die Schulter, Band die ſchoͤnen Solen ſich unter die zierlichen Fuͤße, Trat aus der Kammer hervor, geſchmuͤckt mit goͤttlicher Hoheit,5 Und gebot den Herolden, ſchnell mit toͤnender Stimme Zur Verſammlung zu rufen die hauptumlockten Achaier. Toͤnend riefen ſie aus, und flugs war alles verſammelt. Als die Verſammelten jezt in geſchloßener Reihe ſich draͤngten, Ging er unter das Volk, in der Hand die eherne Lanze,10 Nicht allein, ihn begleiteten zween ſchnellfuͤßige Hunde. Siehe mit himmliſcher Anmut umſtralt 'ihn Pallas Athaͤnaͤ, Daß die Voͤlker alle dem kommenden Juͤnglinge ſtaunten. Und er ſaß auf des Vaters Stuhl, ihm wichen die Greiſe.

Jetzo begann der Held Aiguͤptios vor der Verſammlung,15 Dieſer gebuͤckte Greis voll tauſendfacher Erfahrung. Deßen geliebter Sohn war ſamt dem edlen Oduͤßeus Gegen die Reiſigen Troja's im hohlen Schiffe geſegelt, Antifos, tapfer und kuͤhn; den hatte der arge Kuͤklope In der Hoͤhle zerfleiſcht, und zum lezten Schmauſe bereitet. 2028Oduͤßee. Noch drei andere hatt 'er: der eine, Euruͤnomos, lebte Unter den Freiern, und zween beſorgten des Vaters Geſchaͤfte; Dennoch bejammert' er ſtets des verlorenen Sohnes Gedaͤchtniß. Thraͤnend begann der Greis, und redete vor der Verſammlung:

Hoͤret mich jezt, ihr Maͤnner von Ithaka, was ich euch ſage! 25Keine Verſammlung ward und keine Sizung gehalten, Seit der edle Oduͤßeus die Schiffe gen Troja gefuͤhrt hat. Wer hat uns denn heute verſammelt? Welcher der Alten Oder der Juͤnglinge hier? Und welche Sache bewog ihn? Hoͤret 'er etwa Botſchaft von einem nahenden Kriegsheer,30 Daß er uns allen verkuͤnde, was er am erſten vernommen? Oder weiß er ein Andres zum Wohl des Landes zu rathen? Bieder ſcheinet er mir und ſegenswuͤrdig! Ihm laße Zeus das Gute gedeihn, ſo er im Herzen gedenket!

Sprachs '; und Taͤlemachos, froh der heilweißagenden Worte,35 Saß nicht laͤnger; er trat, mit heißer Begierde zu reden, In die Mitte des Volks. Den Zepter reichte Peiſaͤnor Ihm in die Hand, der Herold, mit weiſem Rathe begabet. Und er wandte zuerſt ſich gegen den Alten, und ſagte:

Edler Greis, nicht fern iſt der Mann, gleich ſollſt du ihn kennen:40 Ich verſammelte euch; mich druͤckt am meiſten der Kummer! Keine Botſchaft hoͤrt 'ich von einem nahenden Kriegsheer, Daß ich euch allen verkuͤnde, was ich am erſten vernommen; Auch nichts anderes weiß ich zum Wohl des Landes zu rathen: Sondern ich rede von mir, von meines eigenen Hauſes45 Zwiefacher Noth. Zuerſt verlor ich den guten Vater, Euren Koͤnig, der euch mit Vaterliebe beherſchte. Und nun leid 'ich noch mehr: mein ganzes Haus iſt vielleicht bald29Zweiter Geſang. Tief ins Verderben geſtuͤrzt, und all mein Vermoͤgen zertruͤmmert! Meine Mutter umdraͤngen mit ungeſtuͤmer Bewerbung50 Freier, geliebte Soͤhne der Edelſten unſeres Volkes. Dieſe ſcheuen ſich nun, zu Ikarios Hauſe zu wandeln, Ihres Vaters, daß Er mit reichem Schaze die Tochter Gaͤbe, welchem er wollte, und wer ihm vor allen gefiele; Sondern ſie ſchalten von Tage zu Tag 'in unſerm Palaſte,55 Schlachten unſere Rinder und Schaf 'und gemaͤſteten Ziegen Fuͤr den uͤppigen Schmaus, und ſchwelgen im funkelnden Weine Ohne Scheu; und alles wird leer; denn es fehlt uns ein ſolcher Mann, wie Oduͤßeus war, die Plage vom Hauſe zu wenden! Wir vermoͤgen ſie nicht zu wenden, und ach auf immer60 Werden wir huͤlflos ſein, und niemals Tapferkeit uͤben! Wahrlich ich wendete ſie, wenn ich nur Staͤrke beſaͤße! Ganz unertraͤglich begegnet man mir, ganz wider die Ordnung Wird mir mein Haus zerruͤttet! Erkennt doch ſelber das Unrecht, Oder ſcheuet euch doch vor andern benachbarten Voͤlkern,65 Welche rings uns umwohnen, und bebt vor der Rache der Goͤtter, Daß ſie euch nicht im Zorne die Uebelthaten vergelten! Freunde, ich fleh euch bei Zeus, dem Gott des Oluͤmpos, und Themis,V. 68.Themis, die Goͤttin der Gerechtigkeit, waltete anfangs uͤber alle oͤf - fentlichen Geſchaͤfte. Welche die Menſchen zum Rath verſammelt, und wieder zerſtreuet: Haltet ein, und begnuͤgt euch, daß mich der traurigſte Kummer70 Quaͤlt! Hat etwa je mein guter Vater Oduͤßeus Euch vorſaͤzlich beleidigt, ihr ſchoͤngeharniſchten Griecheu, Daß ihr mich zum Vergelt vorſezlich wieder beleidigt;30Oduͤßee. Warum reizet ihr dieſe? Mir waͤre beſſer gerathen, Wenn ihr ſelber mein Gut und meine Heerden hinabſchlaͤngt! 75Thaͤtet ihrs, ſo waͤre noch einſt Erſtatung zu hoffen! Denn wir wuͤrden ſo lange die Stadt durchwandern, ſo flehend Wiederfodern das Unſre, bis alles waͤre verguͤtet! Aber nun haͤuft ihr mir unheilbaren Schmerz auf die Seele!

Alſo ſprach er im Zorn, und warf den Zepter zur Erde,80 Thraͤnenvergießend, und ruͤhrte die ganze Verſammlung zum Mitleid. Schweigend ſaßen ſie all' umher, und keiner im Volke Wagte Taͤlemachos Rede mit Drohn entgegen zu wuͤten. Aber Eupeithàs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:

Juͤngling von troziger Red 'und verwegenem Mute, was ſprachſt du85 Da vor Laͤſterung aus? Du machteſt uns gerne zum Abſcheu! Aber es haben die Freier an dir des keines verſchuldet; Deine Mutter iſt ſchuld, die Liſtigſte unter den Weibern! Denn drei Jahre ſind ſchon verfloſſen, und bald auch das vierte, Seit ſie mit eitlem Wahne die edlen Achaier verſpottet! 90Allen verheißt ſie Gunſt, und ſendet jedem beſonders Schmeichelnde Botſchaft; allein im Herzen denket ſie anders! Unter anderen Liſten erſann ſie endlich auch dieſe: Truͤglich zettelte ſie in ihrer Kammer ein feines Uebergroßes Geweb ', und ſprach zu unſrer Verſammlung:95 Juͤnglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Oduͤßeus, Dringt auf meine Vermaͤhlung nicht eher, bis ich den Mantel Fertig gewirkt, (damit nicht umſonſt das Garn mir verderbe!) Welcher dem Helden Laertaͤs zum Leichengewande beſtimmt iſt, Wann ihn die finſtre Stunde mit Todesſchlummer umſchattet:100 Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,31Zweiter Geſang. Laͤg 'er uneingekleidet, der einſt ſo vieles beherſchte! Alſo ſprach ſie mit Liſt, und bewegte die Herzen der Edlen, Und nun webete ſie des Tages am großen Gewebe; Aber des Nachs, dann trennte ſies auf, beim Scheine der Fackeln. 105Alſo teuſchte ſie uns drei Jahr, und betrog die Achaier. Als nun das vierte Jahr im Geleite der Horen herankamV. 107.Horen, die Goͤttinnen der Jahrszeiten. Und mit dem wechſelnden Mond viel Tage waren verſchwunden; Da verkuͤndet 'uns eine der Weiber das ſchlaue Geheimniß, Und wir fanden ſie ſelbſt bey der Trennung des ſchoͤnen Gewebes. 110Alſo mußte ſies nun, auch wider Willen, vollenden. Siehe nun deuten die Freier dir an, damit du es ſelber Wißeſt in deinem Herzen, und alle Achaier es wiſſen! Sende die Mutter hinweg, und gebeut ihr, daß ſie zum Manne Nehme, wer ihr gefaͤllt, und wen der Vater ihr waͤhlet. 115Aber denkt ſie noch lange zu hoͤhnen die edlen Achaier, Und ſich der Gaben zu freun, die ihr Athaͤnaͤ verliehn hat, Wundervolle Gewande mit klugem Geiſte zu wirken, Und der erfindſamen Liſt, die ſelbſt in Jahren der Vorwelt Keine von Griechenlands ſchoͤnlockigen Toͤchtern gekannt hat,120 Tuͤro nicht, noch Alkmaͤnaͤ, und nicht die ſchoͤne Muͤkaͤnaͤ; (Keine von allen war der erfindſamen Paͤnelopeia Gleich an Verſtand!) ſo ſoll ihr doch dieſe Erfindung nicht gluͤcken! Denn wir ſchmauſen ſo lange von deinen Heerden und Guͤtern, Als ſie in dieſem Sinne beharrt, den jezo die Goͤtter125 Ihr in die Seele gegeben! Sich ſelber bringet ſie freilich Großen Ruhm, dir aber Verluſt an großem Vermoͤgen! 32Oduͤßee. Eher weichen wir nicht zu den Unſrigen oder zu andern, Ehe ſie aus den Achaiern ſich einen Braͤutigam waͤhlet!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:130 Ganz unmoͤglich iſt mirs, Antinoos, die zu verſtoßen, Die mich gebahr und erzog; mein Vater leb 'in der Fremde, Oder ſei todt! Schwer wuͤrde mir auch des Gutes Erſtatung An Ikarios ſein, verſtieß' ich ſelber die Mutter. Denn hart wuͤrde gewiß ihr Vater mich druͤcken, und haͤrter135 Noch die goͤttliche Rache, wenn von uns ſcheidend die Mutter Mich den grauſen Erinnen verfluchte! dann waͤr 'ich ein AbſcheuV. 137.Erinnen, Furien. Aller Menſchen! O nein! ich kann ihr das nicht gebieten! Haltet ihr euch dadurch in eurem Herzen beleidigt, Nun ſo geht aus dem Hauſ ', und ſucht euch andere Maͤhler! 140Zehret von eurem Gut, und laßt die Bewirtungen umgehn! Aber wenn ihr es ſo bequemer und lieblicher findet, Eines Mannes Hab 'ohn alle Vergeltung zu freßen; Schlingt ſie hinab! Ich werde die ewigen Goͤtter anflehn, Ob euch nicht endlich einmal Zeus eure Thaten bezahle,145 Daß ihr in unſerm Hauſ 'auch ohne Vergeltung dahinſtuͤrzt!

Alſo ſprach er, da ſandte der Gott weithallender Donner Ihm zween Adler herab vom hohen Gipfel des Berges. Anfangs ſchwebten ſie ſanft einher im Hauche des Windes, Einer nahe dem andern, mit ausgebreiteten Schwingen;150 Jezo uͤber der Mitte der ſtimmenvollen Verſammlung, Flogen ſie wirbelnd herum, und ſchlugen ſtark mit den Schwingen, Schauten auf aller Scheitel herab, und drohten Verderben, Und zerkrazten ſich ſelbſt mit den Klauen die Wangen und Haͤlſe,33Zweiter Geſang. Und ſie wandten ſich rechts, und ſtuͤrmten uͤber die Stadt hin. 155Alle ſtaunten dem Zeichen, das ihre Augen geſehen, Und erwogen im Herzen das vorbedeutete Schickſal.

Unter ihnen begann der graue Held Halitherſaͤs, Maſtors Sohn, beruͤhmt vor allen Genoßen des Alters, Voͤgelfluͤge zu deuten, und kuͤnftige Dinge zu reden;160 Dieſer erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und ſagte:

Hoͤret mich jezt, ihr Maͤnner von Ithaka, was ich euch ſage! Aber vor allen gilt die Freier meine Verkuͤndung! Ihre Haͤupter umſchwebt ein ſchreckenvolles Verhaͤngniß! Denn nicht lange mehr weilet Oduͤßeus fern von den Seinen;165 Sondern er nahet ſich ſchon, und bereitet Tod und Verderben Dieſen allen; auch droht noch vielen andern das Ungluͤck, Uns Bewohnern der Huͤgel von Ithaka! Laßt uns denn jezo Ueberlegen, wie wir ſie maͤßigen; oder ſie ſelber Maͤßigen ſich, und gleich! zu ihrer eigenen Wohlfahrt! 170Euch weißaget kein Neuling, ich red 'aus alter Erfahrung! Wahrlich das alles geht in Erfuͤllung, was ich ihm damals Deutete, als die Argeier in hohlen Schiffen gen TrojaV. 173.Argeier hießen die Griechen, von Argos, einem maͤchtigem Reiche im Peloponnes. Fuhren, mit ihnen zugleich der erfindungsreiche Oduͤßeus: Nach unendlicher Truͤbſal, entbloͤßt von allen Gefaͤhrten,175 Allen Seinigen fremd, wuͤrd 'er im zwanzigſten Jahre Wieder zur Heimat kehren. Das wird nun alles erfuͤllet!

Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſagte dagegen: Hurtig zu Hauſe mit dir, o Greis, und deute das SchickſalC34Oduͤßee. Deinen Soͤhnen daheim, daß ihnen kein Uebel begegne! 180Dieſes verſteh ich ſelber, und beßer als du, zu deuten! Freilich ſchweben der Voͤgel genung in den Stralen der Sonne, Aber nicht alle verkuͤnden ein Schickſal! Wahrlich Oduͤßeus Starb in der Fern '! O waͤreſt auch du mit ihm ins Verderben Hingefahren! Dann ſchwazteſt du hier nicht ſo viel von der Zukunft,185 Suchteſt nicht Taͤlemachos Groll noch mehr zu erbittern, Harrend, ob er vielleicht dein Haus mit Geſchenken bereichre! Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet! Wo du den Juͤngling dort, kraft deiner alten Erfahrung, Durch dein ſchlaues Geſchwaͤz aufwiegelſt, ſich wild zu gebehrden;190 Dann wird er ſelber zuerſt noch tiefer ſinken in Drangſal, Und im geringſten nichts vor dieſen Maͤnnern vermoͤgen. Und du ſollſt es, o Greis, mit ſchwerer kraͤnkender Buße Uns entgelten, damit du es tief in der Seele bereueſt! Aber Taͤlemachos hoͤre ſtatt aller nun meinen Rath an:195 Zwing 'er die Mutter zum Hauſe des Vaters wiederzukehren! Dort bereite man ihr die Hochzeit, und ſtate ſie reichlich Ihrem Braͤutigam aus, wie lieben Toͤchtern gebuͤhret! Eher werden gewiß der Achaier Soͤhne nicht abſtehn, Paͤnelopeia zu draͤngen; denn ſiehe! wir zittern vor Niemand,200 Selbſt vor Taͤlemachos nicht, und waͤr 'er auch noch ſo geſpraͤchig! Achten auch der Deutungen nicht, die du eben, o Alter, So in den Wind hinſchwazteſt! Du wirſt uns nur immer verhaßter! Unſer ſchwelgende Schmaus ſoll wieder beginnen, und niemals Ordnung im Hauſe beſtehn, bis jene ſich den Achaiern205 Wegen der Hochzeit erklaͤrt; wir wollen in ſteter Erwartung, Kuͤnftig wie vor, um den Preis wetteifern, und nimmer zu andern35Zweiter Geſang. Weibern gehn, um die jedwedem zu werben erlaubt iſt!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Hoͤr, Euruͤmachos, hoͤrt ihr andern glaͤnzenden Freier! 210Hierum werd ich vor euch nicht weiter flehen noch reden; Denn das wißen ja ſchon die Goͤtter und alle Achaier. Aber gebt mir ein ruͤſtiges Schiff und zwanzig Gefaͤhrten, Welche mit mir die Pfade des weiten Meeres durchſegeln. Denn ich gehe gen Sparta und zu der ſandigen Puͤlos,215 Um nach Kunde zu forſchen vom langabweſenden Vater; Ob mirs einer verkuͤnde der Sterblichen, oder ich Oßa, Zeus Geſandte, vernehme, die viele Geruͤchte verbreitet. Hoͤr 'ich, er lebe noch, mein Vater, und kehre zur Heimat; Dann, wie bedraͤngt ich auch ſei, erduld' ichs noch ein Jahr lang. 220Hoͤr 'ich, er ſei geſtorben, und nicht mehr unter den Menſchen; Siehe, dann kehr' ich wieder zur lieben heimiſchen Inſel, Haͤufe dem Vater ein Mal, und opfere Todtengeſchenke Reichlich, wie ſichs gebuͤhrt, und geb 'einem Manne die Mutter.

Alſo ſprach der Juͤngling, und ſezte ſich. Jezo erhub ſich225 Mentor, ein alter Freund des tadelloſen Oduͤßeus, Dem er, von Ithaka ſchiffend, des Hauſes Sorge vertrauet, Daß er dem Greiſe gehorcht ', und alles in Ordnung erhielte. V. 228.Dem Greiſe, Laertaͤs.Dieſer erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und ſagte:

Hoͤret mich jezt, ihr Maͤnner von Ithaka, was ich euch ſage! 230Kuͤnftig befleiße ſich keiner der zepterfuͤhrenden Herſcher, Huldreich, mild und gnaͤdig zu ſein, und die Rechte zu ſchuͤzen; Sondern er wuͤte nur ſtets, und frevle mit grauſamer Seele! 36Oduͤßee. Niemand erinnert ſich ja des goͤttergleichen Oduͤßeus Von den Voͤlkern, die er mit Vaterliebe beherſchte! 235Aber ich eifere jezt nicht gegen die trozigen Freier, Die ſo gewaltſame Thaten mit tuͤckiſcher Seele beginnen; Denn ſie weihen ihr Haupt dem Verderben, da ſie Oduͤßeus Habe wie Raͤuber verpraſſen, und waͤhnen, er kehre nicht wieder. Jezo ſchelt 'ich das uͤbrige Volk, daß ihr alle ſo gaͤnzlich240 Stumm daſizt, und auch nicht mit Einem ſtrafenden Worte Dieſe Freier, die wenigen, zaͤhmt, da euer ſo viel ſind!

Aber Euaͤnors Sohn Leiokritos ſagte dagegen: Mentor, du Schadenſtifter von thoͤrichtem Herzen, was ſprachſt du Da vor Laͤſterung aus, und befahlſt, uns Freier zu zaͤhmen? 245Schwer, auch mehreren, iſt der Kampf mit ſchmauſenden Maͤnnern! Wenn auch ſelbſt Oduͤßeus, der Held von Ithaka, kaͤme, Und die glaͤnzenden Freier, die ſeine Guͤter verſchmauſen, Aus dem Palaſte zu treiben gedaͤchte; ſo wuͤrde ſich dennoch Seine Gemahlin nicht, wie ſehr ſie auch ſchmachtet, der Ankunft250 Freun! Ihn traͤfe gewiß auf der Stelle das Schreckenverhaͤngniß, Wenn er mit mehreren kaͤmpfte! Du haſt nicht kluͤglich geredet! Aber wohlan! ihr Maͤnner, zerſtreut euch zu euren Geſchaͤften! Dieſem beſchleunigen wohl Halitherſaͤs und Mentor die Reiſe, Welche von Alters her Oduͤßeus Freunde geweſen! 255Aber ich hoffe, er ſizt noch lang ', und ſpaͤhet ſich Botſchaft Hier in Ithaka aus; die Reiſe vollendet er niemals!

Alſo ſprach der Freier, und trennte ſchnell die Verſammlung. Alle zerſtreueten ſich, ein jeder zu ſeinen Geſchaͤften; Aber die Freier gingen zum Hauſe des edlen Oduͤßeus. 260

Und Taͤlemachos ging beiſeit ans Ufer des Meeres,37Zweiter Geſang. Wuſch in der grauen Flut die Haͤnd ', und flehte Athaͤnen:

Hoͤre mich, Gott, der du geſtern in unſerm Hauſe erſchieneſt, Und mir befahlſt, im Schiffe das dunkle Meer zu durchfahren, Und nach Kunde zu forſchen vom langabweſenden Vater:265 Himmliſcher, ſiehe! das alles verhindern nun die Achaier, Aber am meiſten die Freier voll uͤbermuͤtiger Bosheit!

Alſo ſprach er flehend. Ihm nahte ſich Pallas Athaͤnaͤ, Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme. Und ſie redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:270

Juͤngling, du mußt dich hinfort nicht feige betragen noch thoͤricht! Haſt du von deinem Vater die hohe Seele geerbet, Biſt du, wie jener einſt, gewaltig in Thaten und Worten; Dann wird keiner die Reiſe dir hindern oder vereiteln. Aber biſt du nicht ſein Samen und Paͤnelopeiens;275 Dann verzweifl 'ich, du wirſt niemals dein Beginnen vollenden. Wenige Kinder nur ſind gleich den Vaͤtern an Tugend, Schlechter als ſie die meiſten, und nur ſehr wenige beßer. Wirſt du dich aber hinfort nicht feige betragen noch thoͤricht, Und verließ dich nicht voͤllig der Geiſt des großen Oduͤßeus;280 Dann iſt Hoffnung genug, du wirſt das Werk noch vollenden. Darum kuͤmmre dich nicht das Sinnen und Trachten der Freier: Thoren ſind ſie, und kennen Gerechtigkeit weder noch Weisheit, Ahnden auch nicht einmal den Tod und das ſchwarze Verhaͤngniß, Welches ſchon naht, um ſie alle an Einem Tage zu wuͤrgen. 285Aber dich ſoll nichts mehr an deiner Reiſe verhindern. Ich, der aͤlteſte Freund von deinem Vater Oduͤßeus, Will dir ruͤſten ein hurtiges Schiff, und dich ſelber begleiten. Gehe nun wieder zu Hauſ ', und bleib in der Freier Geſellſchaft;38Oduͤßee. Dann bereite dir Zehrung, und hebe ſie auf in Gefaͤßen:290 Wein in irdenen Kruͤgen, und Mehl, das Mark der Maͤnner, In dichtnaͤthigen Schlaͤuchen. Ich will jezt unter dem Volke Dir Freiwillige ſammlen zu Ruderern. Viel ſind der Schiffe An der umfluteten Kuͤſte von Ithaka, neue bei alten; Hiervon will ich fuͤr dich der treflichſten eines erleſen. 295Hurtig ruͤſten wir dieſes, und ſteuren ins offene Weltmeer.

Alſo ſprach Athaͤnaia, Kronions Tochter: und laͤnger Saͤumte Taͤlemachos nicht; er gehorchte der Stimme der Goͤttin, Und ging wieder zu Hauſe mit tiefbekuͤmmertem Herzen. Alda fand er die Schaar der ſtolzen Freier: im Hofe300 Streiften ſie Ziegen ab, und ſengten gemaͤſtete Schweine. Und Antinoos kam ihm lachend entgegen gewandelt, Faßte Taͤlemachos Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Juͤngling von troziger Red 'und verwegenem Mute, ſei ruhig, Und bekuͤmmre dich nicht um boͤſe Thaten und Worte! 305Laß uns, kuͤnftig wie vor, in Wolluſt eßen und trinken: Dieſes alles beſorgen dir ſchon die Achaier, ein ſchnelles Schiff und erleſne Gefaͤhrten; damit du die goͤttliche Puͤlos Bald erreichſt, und Kunde vom treflichen Vater erforſcheſt!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:310 O wie ziemte mir das, Antinoos, unter euch Stolzen Schweigend am Mahle zu ſizen, und ruhig im Taumel der Freude? Iſt es euch nicht genung, ihr Freier, daß ihr ſo lange Meine koͤſtlichen Guͤter verſchwelgt habt, da ich ein Kind war? Jezt da ich groͤßer bin, und tuͤchtig, Anderer Reden315 Nachzuforſchen, und hoͤher der Mut im Buſen mir ſteiget, Werd 'ich ſtreben, auf euch des Todes Rache zu bringen,39Zweyter Geſang. Ob ich gen Puͤlos geh, oder hier in Ithaka bleibe! Reiſen will ich, und nichts ſoll meinen Entſchluß mir vereiteln, Im gedungenen Schiffe! Denn weder Schiffe noch Rudrer320 Hab 'ich in meiner Gewalt: ſo ſchien es euch freilich am beßten!

Alſo ſprach er, und zog die Hand aus der Hand des Verraͤthers Leicht. Die Freier im Saale bereiteten aͤmſig die Mahlzeit. Und ſie ſpotteten ſeiner, und redeten hoͤhnende Worte. Unter dem Schwarme begann ein uͤbermuͤtiger Juͤngling:325

Wahrlich, Taͤlemachos ſinnt recht ernſtlich auf unſre Ermordung! Gebt nur Acht: er holet ſich Huͤlf 'aus der ſandigen Puͤlos, Oder ſogar aus Sparta! Er treibts mit gewaltigem Eifer! Oder er lenkt auch jezo nach Efuͤra's fruchtbarem Lande Seine Fahrt, und kauft ſich toͤdtende Gifte; die miſcht er330 Heimlich in unſeren Wein, dann ſind wir alle verloren.

Und von neuem begann ein uͤbermuͤtiger Juͤngling: Aber wer weiß, ob dieſer nicht auch mit dem Leben die Schiffahrt, Fern von den Seinen, bezahlt, umhergeſtuͤrmt wie Oduͤßeus? Denkt, dann macht 'er uns hier noch ſorgenvollere Arbeit! 335Theilen muͤßten wir ja das ganze Vermoͤgen, und raͤumen Seiner Mutter das Haus, und ihrem jungen Gemahle!

Aber Taͤlemachos ſtieg ins hohe weite Gewoͤlbe Seines Vaters hinab, wo Gold und Kupfer gehaͤuft lag, Praͤchtige Kleider in Kaſten, und Faͤßer voll duftendes Oeles. 340Alda ſtanden auch Tonnen mit altem balſamiſchen Weine, Welche das lautre Getraͤnk, das ſuͤße, das goͤttliche, faßten, Nach der Reihe gelehnt an die Mauer, wenn jemals Oduͤßeus Wieder zur Heimat kehrte, nach ſeiner unendlichen Truͤbſal. Feſt verſchloß das Gewoͤlbe die wohleinfugende Thuͤre,34540Oduͤßee. Mit zween Riegeln verwahrt. Die Schaffnerin ſchaltete drinnen Tag und Nacht, und bewachte die Guͤter mit ſorgſamer Klugheit, Euruͤkleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peiſaͤnors. Und Taͤlemachos rief ſie hinein ins Gewoͤlb ', und ſagte:

Muͤtterchen, eil und ſchoͤpfe mir Wein in irdene Kruͤge,350 Mild und edel, den beßten nach jenem, welchen du ſchoneſt Fuͤr den duldenden Koͤnig, den goͤttergleichen Oduͤßeus, Wenn er einmal heimkehret, dem Todesſchickſal entronnen. Hiermit fuͤlle mir zwoͤlf, und ſpuͤnde ſie alle mit Deckeln. Ferner ſchuͤtte mir Mehl in dichtgenaͤhete Schlaͤuche;355 Zwanzig Maaße gieb mir des feingemalenen Mehles. Aber thu es geheim, und lege mir alles zuſammen. Denn am Abende komm 'ich und hol' es, wenn ſich die Mutter In ihr oberes Zimmer entfernt, und der Ruhe gedenket. Denn ich gehe gen Sparta und zu der ſandigen Puͤlos,360 Um nach Kunde zu forſchen von meines Vaters Zuruͤckkunft.

Alſo ſprach er. Da ſchluchzte die Pflegerin Euruͤkleia; Lautwehklagend begann ſie, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Liebes Soͤhnchen, wie kann in dein Herz ein ſolcher Gedanke Kommen? Wo denkſt du denn hin in die weite Welt zu gehen,365 Einziger liebſter Sohn? Ach ferne vom Vaterlande Starb der edle Oduͤßeus bei unbekannten Barbaren! Und ſie werden dir gleich, wenn du gehſt, nachſtellen, die Meuchler! Daß ſie dich toͤdten mit Liſt, und alles unter ſich theilen! Bleibe denn hier, und ſiz auf dem Deinigen! Lieber, was zwingt dich,370 Auf der wuͤtenden See in Noth und Kummer zu irren?

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Muͤtterchen, ſei getroſt! ich handle nicht ohne die Goͤtter. 41Zweiter Geſang. Aber ſchwoͤre mir jezo, es nicht der Mutter zu ſagen, Ehe der elfte Tag vorbei iſt oder der zwoͤlfte,375 Oder mich jene vermißt, und hoͤrt von meiner Entfernung: Daß ſie nicht durch Thraͤnen ihr ſchoͤnes Antliz entſtelle.

Alſo ſprach er; da ſchwur ſie bei allen unſterblichen Goͤttern. Als ſie es jezo gelobt, und vollendet den heiligen Eidſchwur; Schoͤpfte ſie ihm alsbald des Weines in irdene Kruͤge,380 Schuͤttete ferner das Mehl in dichtgenaͤhete Schlaͤuche. Und Taͤlemachos ging in den Saal zu der Freier Geſellſchaft.

Aber ein Neues erſann die heilige Pallas Athaͤnaͤ: In Taͤlemachos Bildung erſcheinend, eilte ſie ringsum Durch die Stadt, und ſprach mit jedem begegnenden Manne,385 Und befahl, ſich am Abend beim ruͤſtigen Schiffe zu ſammeln. Hierauf bat ſie Fronios Sohn, den edlen Noaͤmon, Um ein ruͤſtiges Schiff; und dieſer verſprach es ihr willig.

Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade. Siehe nun zog die Goͤttin das Schiff in die Wellen, und brachte390 Alle Geraͤthe hinein, die Ruͤſtung ſegelnder Schiffe; Stellt 'es darauf am Ende der Bucht. Die tapfern Gefaͤhrten Standen verſammelt umher, und jeden ermahnte die Goͤttin.

Und ein Neues erſann die heilige Pallas Athaͤnaͤ: Eilend ging ſie zum Hauſe des goͤttergleichen Oduͤßeus,395 Ueberthauete ſanft mit ſuͤßem Schlafe die Freier, Machte die Saͤufer berauſcht, und den Haͤnden entſanken die Becher. Muͤde wankten ſie heim durch die Stadt, und konnten nicht laͤnger Sizen, da ihnen der Schlaf die Augenlieder bedeckte.

Aber Taͤlemachos rief die heilige Pallas Athaͤnaͤ400 Aus dem Saale hervor des ſchoͤngebauten Palaſtes,42Oduͤßee. Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme:

Jezo, Taͤlemachos, ſizen die ſchoͤngeharniſchten Freunde Alle am Ruder bereit, und harren nur deiner zur Abfahrt. Laß uns zu Schiffe gehn, und die Reiſe nicht laͤnger verſchieben! 405

Als ſie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athaͤnaͤ Eilend voran; und er folgte den Schritten der wandelnden Goͤttin. Und da ſie jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Fanden ſie an dem Geſtade die hauptumlockten Genoßen. Unter ihnen begann Taͤlemachos heilige Staͤrke:410

Kommt, Geliebte, mit mir, die Zehrung zu holen. Sie liegt ſchon Alle beiſammen im Hauſ '; und nichts argwoͤhnet die Mutter, Noch die uͤbrigen Maͤgde; nur Eine weiß das Geheimniß.

Alſo ſprach er, und eilte voran; ſie folgten dem Fuͤhrer, Brachten alles, und legtens im ſchoͤngebordeten Schiffe415 Nieder, wie ihnen befahl der geliebte Sohn von Oduͤßeus. Und Taͤlemachos trat in das Schiff, gefuͤhrt von Athaͤnen. Dieſe ſezte ſich hinten am Steuer; nahe der Goͤttin Sezte Taͤlemachos ſich. Die andern loͤſten die Seile, Traten dann ſelber ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke. 420Einen guͤnſtigen Wind ſandt 'ihnen Pallas Athaͤnaͤ, Leiſe ſtreifte der Weſt das rauſchende dunkle Gewaͤſſer. Aber Taͤlemachos trieb und ermahnte die lieben Gefaͤhrten, Schnell die Geraͤthe zu ordnen. Sie folgeten ſeinem Befehle: Stellten den fichtenen Maſt in die mittlere Hoͤhle des Bodens,425 Richteten hoch ihn empor, und banden ihn feſt mit den Seilen; Spannten die weißen Segel mit ſtarkgeflochtenen Riemen. Hochauf woͤlbte der Wind das volle Segel, und donnernd43Zweiter Geſang. Wogte die purpurne Flut um den Kiel des gleitenden Schiffes;V. 429.Purpurn heißt bei den Alten dunkelbraun. Schnell durchlief es die Wogen in unaufhaltſamer Eile. 430

Als ſie nun die Geraͤthe des ſchwarzen Schiffes befeſtigt, Stellten ſie Kelche hin, bis oben mit Weine gefuͤllet. Und ſie goßen des Weins fuͤr alle unſterblichen Goͤtter, Aber am meiſten fuͤr Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ, Welche die ganze Nacht und den Morgen die Waſſer beſchiffte. 435

44

Oduͤßee. Dritter Geſang.

Jezo erhub ſich die Sonn 'aus ihrem ſtralenden Teiche Auf zum ehernen Himmel, zu leuchten den ewigen Goͤttern Und den ſterblichen Menſchen auf lebenſchenkender Erde. Und die Schiffenden kamen zur wohlgebaueten Puͤlos, Naͤleus Stadt. Dort brachten am Meergeſtade die MaͤnnerV. 5.Naͤleus, Neſtors Vater, war der Erbauer von Puͤlos.5 Schwarze Stiere zum Opfer dem blaͤulichgelockten Poſeidon. Neun war der Baͤnke Zahl, fuͤnfhundert ſaßen auf jeder; Jede von dieſen gab neun Stiere. Sie koſteten jezo Alle der Eingeweide, und brannten dem Gotte die Lenden. Jene ſteurten ans Land, und zogen die Segel herunter,10 Banden das gleichgezimmerte Schiff, und ſtiegen ans Ufer. Auch Taͤlemachos ſtieg aus dem Schiffe, gefuͤhrt von der Goͤttin. Ihn erinnerte Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:

Jezo, Taͤlemachos, brauchſt du dich keinesweges zu ſcheuen! Darum biſt du die Wogen durchſchifft, nach dem Vater zu forſchen,15 Wo ihn die Erde verbirgt, und welches Schickſal ihn hinnahm. Auf denn! und gehe gerade zum Roßebaͤndiger Neſtor; Daß wir ſehen, was etwa ſein Herz vor Rath dir bewahre. 45Dritter Geſang. Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkuͤnde. Luͤgen wird er nicht reden; denn er iſt viel zu verſtaͤndig! 20

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Mentor, wie geh ich doch, und wie begruͤß 'ich den Koͤnig? Unerfahren bin ich in wohlgeordneten Worten; Und ich ſcheue mich auch, als Juͤngling den Greis zu befragen!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:25 Einiges wird dein Herz dir ſelber ſagen, o Juͤngling; Anderes wird dir ein Gott eingeben. Ich denke, du biſt nicht Ohne waltende Goͤtter geboren oder erzogen.

Alſ ſie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athaͤnaͤ Eilend voran; und er folgte den Schritten der wandelnden Goͤttin. 30Und ſie ereichten die Size der puͤliſchen Maͤnner, wo Neſtor Saß mit ſeinen Soͤhnen, und rings die Freunde zur Mahlzeit Eilten das Fleiſch zu braten, und andres an Spieße zu ſtecken. Als ſie die Fremdlinge ſahn, da kamen ſie alle bei Haufen, Reichten gruͤßend die Haͤnd ', und noͤthigten beide zum Size. 35Neſtors Sohn vor allen, Peiſiſtratos, nahte ſich ihnen, Nahm ſie beid 'an der Hand, und hieß ſie ſizen am Mahle, Auf dickwollichten Fellen, im Kieſelſande des Meeres, Seinem Vater zur Seit' und Thraſuͤmaͤdaͤs dem Bruder; Legte vor jeden ein Theil der Eingeweide, und ſchenkte40 Wein in den goldenen Becher, und reicht 'ihn mit herzlichem Handſchlag Pallas Athaͤnen, der Tochter des wetterleuchtenden Gottes:

Bete jezt, o Fremdling, zum Meerbeherſcher Poſeidon, Denn ihr findet uns hier an ſeinem heiligen Mahle. Haſt du, der Sitte gemaͤß, dein Opfer gebracht und gebetet,45 Dann gieb dieſem den Becher mit herzerfreuendem Weine46Oduͤßee. Zum Trankopfer. Er wird doch auch die Unſterblichen gerne Anflehn; denn es beduͤrfen ja alle Menſchen der Goͤtter. Aber er iſt der Juͤngſte, mit mir von einerlei Alter; Darum bring 'ich dir zuerſt den goldenen Becher. 50

Alſo ſprach er, und reicht 'ihr den Becher voll duftendes Weines. Und Athaͤnaͤ ward froh des gerechten verſtaͤndigen Mannes, Weil er ihr zuerſt den goldenen Becher gereichet; Und ſie betete viel zum Meerbeherſcher Poſeidon:

Hoͤre mich, Poſeidaon, du Erdumguͤrter! Verwirf nicht55 Unſer frommes Gebet; erfuͤlle, was wir begehren! Neſtorn kroͤne vor allen und Neſtors Soͤhne mit Ehre; Und erfreue dann auch andern Maͤnner von Puͤlos Fuͤr ihr herliches Opfer mit reicher Wiedervergeltung! Mich und Taͤlemachos laß heimkehren als frohe Vollender60 Deßen, warum wir hieher im ſchnellen Schiffe gekommen!

Alſo betete ſie, und erfuͤllte ſelber die Bitte, Reichte Taͤlemachos drauf den ſchoͤnen doppelten Becher. Eben ſo betete jezt der geliebte Sohn von Oduͤßeus. Als ſie das Fleiſch nun gebraten, und von den Spießen gezogen,65 Theilten ſies allen umher, und feirten das praͤchtige Gaſtmahl. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war; Sprach der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor:V. 68.Geraͤnia war eine Stadt im Peloponnes, wo Neſtor war erzog[en]worden.

Jezo ziemt es ſich beſſer, die fremden Gaͤſte zu fragen, Wer ſie ſein, nachdem ſie ihr Herz mit Speiſe geſaͤttigt. 70Fremdlinge, ſagt, wer ſeid ihr? Von wannen traͤgt euch die Woge? 47Dritter Geſang. Habt ihr wo ein Gewerb ', oder ſchweift ihr ohne Beſtimmung Hin und her auf der See: wie kuͤſtenumirrende Raͤuber, Die ihr Leben verachten, um fremden Voͤlkern zu ſchaden?

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen,75 Ohne Furcht; denn ihm goß Athaͤnaͤ Mut in die Seele, Daß er nach Kundſchaft forſchte vom langabweſenden Vater, Und ſich ſelber ein gutes Geruͤcht bei den Menſchen erwuͤrbe:

Neſtor, Naͤleus Sohn, du großer Ruhm der Achaier Fragſt, von wannen wir ſein; ich will dir alles erzaͤhlen. 80Siehe von Ithaka her am Naͤion ſind wir gekommen, Nicht in Geſchaͤften des Volks, im eigenen; dieſes vernim jezt. Meines edlen Vaters verbreiteten Ruhm zu erforſchen, Reiſ 'ich umher, Oduͤßeus des leidengeuͤbten, der ehmals, Sagt man, ſtreitend mit dir, die Stadt der Troer zerſtoͤrt hat85 Von den uͤbrigen allen, die einſt vor Ilion kaͤmpften, Hoͤrten wir doch, wie jeder dem grauſamen Tode dahinſank; Aber von jenem verbarg ſogar das Ende Kronion. Niemand weiß uns den Ort zu nennen, wo er geſtorben: Ob er auf feſtem Lande von feindlichen Maͤnnern vertilgt ſei,90 Oder im ſtuͤrmenden Meere von Amſitritens Gewaͤßern. V. 91.Amſitritaͤ, die Gemahlin Poſeidons.Darum fleh ich dir jezo, die Knie 'umfaßend, du wolleſt Seinen traurigen Tod mir verkuͤndigen; ob du ihn ſelber Anſahſt, oder vielleicht von einem irrenden Wandrer Ihn erfuhrſt: denn ach! zum Leiden gebar ihn die Mutter! 95Aber ſchmeichle mir nicht, aus Schonung oder aus Mitleid; Sondern erzaͤhle mir treulich, was deine Augen geſehen. 48Oduͤßee. Flehend beſchwoͤr 'ich dich, hat je mein Vater Oduͤßeus Einen Wunſch dir gewaͤhrt mit Worten oder mit Thaten, In dem troiſchen Lande, wo Noth euch Achaier umdraͤngte:100 Daß du, deßen gedenkend, mir jezo Wahrheit verkuͤndeſt!

Ihm antwortete drauf der Roßebaͤndiger Neſtor: Lieber weil du mich doch an jene Truͤbſal erinnerſt, Die wir tapfern Achaier im troiſchen Lande geduldet; Wann wir jezt mit den Schiffen im dunkelwogenden Meere105 Irrten nach Beute umher, wohin Achilleus uns fuͤhrte; Jezt um die große Stadt des herſchenden Priamos kaͤmpften: Dort verloren ihr Leben die tapferſten aller Achaier! Dort liegt Aias, ein Held gleich Araͤs; dort auch Achilleus;V. 109.Araͤs, Mars. Dort ſein Freund Patroklos, an Rath den Unſterblichen aͤhnlich;110 Dort mein geliebter Sohn Antilochos, tapfer und edel, Ruͤſtig vor allen Achaiern im Lauf, und ruͤſtig im Streite! Und wir haben auch ſonſt noch viele Leiden erduldet! Welcher ſterbliche Menſch vermoͤchte ſie alle zu nennen? Bliebeſt du auch fuͤnf Jahr 'und ſechs nacheinander, und forſchteſt115 Alle Leiden von mir der edlen Achaier; du wuͤrdeſt Ueberdruͤßig vorher in deine Heimat zuruͤckgehn. Denn neun Jahre hindurch erſchoͤpften wir, ihnen zu ſchaden, Alle Liſten des Kriegs; und kaum vollbracht 'es Kronion! Da war keiner im Heere, der ſich mit jenem an Klugheit120 Maß; alluͤberſehend erfand der edle Oduͤßeus Alle Liſten des Kriegs, dein Vater; woferne du wuͤrklich Seines Geſchlechtes biſt. Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick! 49Dritter Geſang. Auch dein Reden gleichet ihm ganz; man ſollte nicht glauben, Daß ein juͤngerer Mann ſo gut zu reden verſtuͤnde! 125Damals ſprachen wir nie, ich und der edle Oduͤßeus, Weder im Rath verſchieden, noch in des Volkes Verſammlung; Sondern Eines Sinns rathſchlagten wir beide mit Klugheit Und mit Bedacht, wie am beßten das Wohl der Achaier gediehe. Als wir die hohe Stadt des Priamos endlich zerſtoͤret,130 Gingen wir wieder zu Schiff; allein Gott trennte die Griechen. Damals beſchloß Kronion im Herzen die traurigſte Heimfahrt Fuͤr das argeiiſche Heer; denn ſie waren nicht alle verſtaͤndig,V.133Der Lokrer Aias hatte bei der Eroberung von Troja Priamos Toch - ter Kaßandra in Athaͤnens Tempel geſchaͤndet. Noch gerecht; drum traf ſo viele das Schreckenverhaͤngniß. Siehe des maͤchtigen Zeus blauaͤugichte Tochter entzweite,135 Zuͤrnender Rache voll, die beiden Soͤhne von Atreus. Dieſe beriefen das Heer zur allgemeinen Verſammlung; Aber verkehrt, nicht der Ordnung gemaͤß, da die Sonne ſich neigte; Und es kamen, vom Weine berauſcht, die Soͤhne der Griechen. Jezo trugen ſie vor, warum die Voͤlker verſammelt. 140Menelaos ermahnte das ganze Heer der Achaier, Ueber den weiten Ruͤcken des Meers nach Hauſe zu ſchiffen. Aber ſein Rath misfiel Agamemnon gaͤnzlich: er wuͤnſchte, Dort das Volk zu behalten, Hekatomben zu opfern, Daß er den ſchrecklichen Zorn der beleidigten Goͤttin verſoͤhnte. 145Thor! er wußte nicht, daß ſein Beginnen umſonſt war! Denn nicht ſchnell iſt der Zorn der ewigen Goͤtter zu wandeln. D50Oduͤßee. Alſo ſtanden ſie beid ', und wechſelten heftige Worte; Und es erhuben ſich die ſchoͤngeharniſchten Griechen Mit unendlichem Lerm, getheilt durch zwiefache Meinung. 150Beide ruhten die Nacht, voll ſchadenbruͤtendes Grolles; Denn es bereitete Zeus den Achaiern die Strafe des Unfugs. Fruͤhe zogen wir Haͤlfte die Schiff 'in die heilige Meersflut, Brachten die Guͤter hinein, und die ſchoͤngeguͤrteten Weiber. Aber die andere Haͤlfte der Heerſchaar blieb am Geſtade155 Dort, bei Altreus Sohn Agamemnon, dem Hirten der Voͤlker. Wir indeß in den Schiffen entruderten eilig von dannen, Und ein himmlicher baͤhnte das ungeheure Gewaͤßer. Als wir gen Tenedos kamen, da opferten alle den Goͤttern, Heimverlangend; allein noch hinderte Zeus die Heimfahrt;160 Denn der Zuͤrnende ſandte von neuem verderbliche Zwietracht. Einige lenkten zuruͤck die gleichberuderten Schiffe, Angefuͤhrt von dem tapfern erfindungsreichen Oduͤßeus, Daß ſie ſich Altreus Sohn 'Agamemnon gefaͤllig erwieſen. Aber ich flohe voraus mit dem Schiffsheer, welches mir folgte;165 Denn es ahndete mir, daß ein Himmliſcher Boͤſes verhaͤngte. Tuͤdeus kriegriſcher Sohn floh auch, und trieb die Gefaͤhrten. Endlich kam auch zu uns Menelaos der braͤunlichgelockte, Als wir in Lesbos noch rathſchlagten wegen der Laufbahn:V. 169.Lesbos, jezt Metellino; Chios; Scio; Mimas, ein Vorgebirge in Aſien. Ob wir oberhalb der bergichten Chios die Heimfahrt170 Lenkten auf Pſuͤria zu, und jene zur Linken behielten; Oder unter Chios, am Fuße des ſtuͤrmiſchen Mimas. 51Dritter Geſang. Und wir baten den Gott, uns ein Zeichen zu geben; und dieſer Deutete uns, und befahl, gerade durchs Meer nach EuboͤaV. 174.Euboͤa, jezt Negroponte. Geraiſtos, eine Stadt darin. hinzuſteuren, damit wir nur ſchnell dem Verderben entfloͤhen. 175Jezo blies ein ſaͤuſelnder Wind in die Segel der Schiffe; Und ſie durchliefen in Eile die Pfade der Fiſche, und kamen Nachts vor Geraiſtos an. Hier brannten wir Poſeidaon Viele Lenden der Stiere zum Dank fuͤr die gluͤckliche Meerfahrt. Jezt war der vierte Tag, als in Argos mit ſeinen Genoßen180 Landete Tuͤdeus Sohn, Diomaͤdaͤs der Roßebezaͤhmer. Aber ich ſezte den Lauf nach Puͤlos fort, und der Fahrwind Hoͤrte nicht auf zu wehn, den uns der Himmliſche ſandte. Alſo kam ich, mein Sohn, ohn alle Kundſchaft, und weiß nicht, Welche von den Achaiern geſtorben ſind, oder noch leben. 185Aber ſo viel ich hier im Hauſe ſizend erkundet, Will ich, wie ſichs gebuͤhrt, anzeigen, und nichts dir verhehlen. Gluͤcklich kamen, wies heißt, die ſtreitbaren Muͤrmidonen, Angefuͤhrt von dem treflichen Sohne des großen Achilleus; Gluͤcklich auch Filoktaͤtaͤs, der glaͤnzende Sohn des Poͤas. 190Auch Idomeneus brachte gen Kraͤta alle Genoßen, Welche dem Krieg 'entflohn, und keinen raubte das Meer ihm Endlich von des Atreiden Zuruͤckkunft habt ihr Entfernten Selber gehoͤrt, wie Aigiſthos den traurigſten Tod ihm bereitet. Aber wahrlich er hat ihn mit ſchrecklicher Rache gebuͤßet! 195O wie ſchoͤn, wenn ein Sohn von einem erſchlagenen Manne Nachbleibt! Alſo hat jener am Meuchelmoͤrder Aigiſthos Rache geuͤbt, der ihm den herlichen Vater ermordet! 52Oduͤßee. Auch du, Lieber, denn groß und ſtatlich biſt du von Anſehn, Halte dich wohl, daß einſt die ſpaͤteſten Enkel dich preiſen! 200

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Neſtor, Naͤleus Sohn, du großer Ruhm der Achaier, Schreckliche Rache hat jener geuͤbt, und weit in Achaia Wird erſchallen ſein Ruhm, ein Geſang der ſpaͤteſten Enkel. O beſchieden auch mir ſo viele Staͤrke die Goͤtter,205 Daß ich den Uebermut der raſenden Freier beſtrafte, Welche mir immer zum Troz die ſchaͤndlichſten Graͤuel erſinnen! Aber verſagt ward mir ein ſolches Gluͤck von den Goͤttern, Meinem Vater und mir! Nun gilt nichts weiter, als dulden!

Ihm antwortete drauf der Roßebaͤndiger Neſtor:210 Lieber, weil du mich doch an jenes erinnerſt; man ſagt ja, Daß um deine Mutter ein großer Haufe von Freiern, Dir zum Troz, im Palaſte ſo viel Unarten beginne. Sprich, ertraͤgſt du das Joch freiwillig, oder verabſcheun Dich die Voͤlker des Landes, gewarnt durch goͤttlichen Ausſpruch? 215Aber wer weiß, ob jener nicht einſt, ein Raͤcher des Aufruhrs, Kommt, er ſelber allein, oder auch mit allen Achaiern. Liebte ſie dich ſo herzlich, die heilige Pallas Athaͤnaͤ, Wie ſie einſt fuͤr Oduͤßeus den hochberuͤhmten beſorgt war, In dem troiſchen Lande, wo Noth uns Achaier umdraͤngte;220 (Niemals ſah ich ſo klar die Zeichen goͤttlicher Obhut, Als ſich Pallas Athaͤnaͤ fuͤr ihren Geliebten erklaͤrte!) Liebte ſie dich ſo herzlich, und waltete deiner ſo ſorgſam: Mancher von jenen vergaͤße der hochzeitlichen Gedanken!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:225 Edler Greis, dies Wort wird ſchwerlich jemals vollendet;53Dritter Geſang. Denn du ſagteſt zu viel! Erſtaunen muß ich! O nimmer Wuͤrde die Hoffnung erfuͤllt, wenn auch die Goͤtter es wollten!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Welche Rede, o Juͤngling, iſt deinen Lippen entflohen? 230Leicht bringt Gott, wenn er will, auch Fernverirrte zur Ruhe! Und ich moͤchte doch lieber nach vielem Jammer und Elend Spaͤt zur Heimat kehren und ſchaun den Tag der Zuruͤckkunft, Als heimkehrend ſterben am eigenen Heerde, wie jener Durch Aigiſthos Verrath und ſeines Weibes dahinſank. 235Nur das gemeine Loos des Todes koͤnnen die Goͤtter Selbſt nicht wenden, auch nicht von ihrem Geliebten, wenn jezo Ihn die finſtere Stunde mit Todesſchlummer umſchattet.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Mentor, rede nicht weiter davon, wie ſehr wir auch trauren! 240Jener wird nimmermehr heimkehren; ſondern es weihten Ihn die Unſterblichen laͤngſt dem ſchwarzen Todesverhaͤngniß. Jezo will ich Neſtorn um etwas anderes fragen, Ihn, der vor allen Menſchen Gerechtigkeit kennet und Weisheit. Denn man ſaget, er hat drei Menſchenalter beherſchet;245 Darum ſcheinet er mir ein Bild der unſterblichen Goͤtter. Neſtor, Naͤteus Sohn, verkuͤnde mir lautere Wahrheit! Wie ſtarb Atreus Sohn, der große Held Agamemnon? Wo war denn Menelaos? Und welchen liſtigen Anſchlag Fand der Meuchler Aigiſthos, den ſtaͤrkeren Mann zu ermorden? 250War er etwa noch nicht im achaiiſchen Argos, und irrte Unter den Menſchen umher, daß der ſich des Mordes erkuͤhnte?

Ihm antwortete drauf der Roßebaͤndiger Neſtor: Gerne will ich, mein Sohn, dir lautere Wahrheit verkuͤnden. 54Oduͤßee. Siehe, du kannſt es dir leicht vorſtellen, wie es geſchehn iſt. 255Haͤtt 'er Aigiſthos noch lebendig im Hauſe gefunden, Als er von Ilion kehrte, der Held Menelaos Atreidaͤs: Niemand haͤtte den Todten mit lockerer Erde beſchuͤttet; Sondern ihn haͤtten die Hund' und die Voͤgel des Himmels gefreſſen, Liegend fern von der Stadt auf wuͤſtem Gefild ', und es haͤtte260 Keine Achaierin ihn, den Hochverraͤther! beweinet. Waͤhrend wir andern dort viel blutige Schlachten beſtanden, Saß er ruhig im Winkel der roßenaͤhrenden Argos, Und liebkoſte dem Weib 'Agamemnons mit ſuͤßem Geſchwaͤze. Anfangs hoͤrte ſie zwar den argen Verfuͤhrer mit Abſcheu,265 Kluͤtaimnaͤſtra die edle; denn ſie war gut und verſtaͤndig. Auch war ein Saͤnger bei ihr, dem Agamemnon beſonders, Als er gen Ilion fuhr, ſein Weib zu bewahren vertraute. Aber da ſie die Goͤtter in ihr Verderben beſtrickten, Fuͤhrt 'Aigiſthos den Saͤnger auf eine verwilderte Inſel,270 Wo er ihn zur Beute dem Raubgevoͤgel zuruͤckließ; Fuͤhrte dann liebend das liebende Weib zu ſeinem Palaſte; Opferte Rinder und Schaf 'auf der Goͤtter geweihten Altaͤren, Und behaͤngte die Tempel mit Gold' und feinem Gewebe, Weil er das große Werk, das unverhoffte, vollendet. 275Jezo ſegelten wir zugleich von Ilions Kuͤſte, Menelaos und ich, vereint durch innige Freundſchaft. Aber am attiſchen Ufer, bei Sunions heiliger Spize,V. 278.Sunion, ein Vorgebirge von Attika. Siehe da ward der Pilot des menelaïſchen Schiffes Von den ſanften Geſchoſſen Apollons ploͤzlich getoͤdtet,28055Dritter Geſang.Haltend in ſeinen Haͤnden das Steuer des laufenden Schiffes: Frontis, Onaͤtors Sohn, der vor allen Erdebewohnern Durch der Orkane Tumult ein Schiff zu lenken beruͤhmt war. Alſo ward Menelaos, wie ſehr er auch eilte, verzoͤgert, Um den Freund zu begraben, und Todtengeſchenke zu opfern. 285Aber da nun auch jener, die dunkeln Wogen durchſegelnd, Seine geruͤſteten Schiffe zum hohen Gebirge MaleiaV. 287.Maleia, ein Vorgebirge im lakoniſchen Gebiete, war immer wegen ſeines ſtuͤrmiſchen Meers beruͤchtigt. Hatte gefuͤhrt; da verhaͤngte der Gott weithallender Donner Ihm die traurigſte Fahrt, ſandt 'ihm lautbrauſende Stuͤrme, Und hoch wogten, wie Berge, die ungeheuren Gewaͤſſer. 290Ploͤzlich zerſtreut 'er die Schiffe; die meiſten verſchlug er gen Kraͤta, Wo der Kuͤdonen Volk des Jardanos Ufer umwohnet. An der gortuͤniſchen Grenz', im dunkelwogenden Meere, Thuͤrmt ſich ein glatter Fels den draͤngenden Fluten entgegen, Die der gewaltige Suͤd an das linke Gebirge vor Faiſtos295 Stuͤrmt; und der kleine Fels hemmt große brandende Fluten. Dorthin kamen die meiſten; und kaum entflohn dem Verderben Noch die Maͤnner, die Schiffe zerſchlug an den Klippen die Brandung. Aber die uͤbrigen fuͤnfe der blaugeſchnaͤbelten Schiffe Wurden von Sturm und Woge zum Strom Aiguͤptos getrieben. V. 300.Aiguͤptos hieß damals der Nilſtrom.300Alda fuhr Menelaos bei unverſtaͤndlichen Voͤlkern Mit den Schiffen umher, viel Gold und Schaͤze gewinnend. Unterdeßen veruͤbte zu Hauſ 'Aigiſthos die Schandthat, Bracht' Agamemnon um, und zwang das Volk zum Gehorſam. Sieben Jahre beherſcht 'er die ſchaͤzereiche Muͤkaͤnaͤ. 30556Oduͤßee.Aber im achten kam zum Verderben der edle Oreſtaͤs Von Athaͤnai zuruͤck, und nahm von dem Meuchler Aigiſthos Blutige Rache, der ihm den herlichen Vater ermordet; Brachte dann mit dem Volk ein Opfer bei der Begraͤbniß Seiner abſcheulichen Mutter und ihres feigen Aigiſthos. 310Eben den Tag kam auch der Rufer im Streit Menelaos, Mit unendlichen Schaͤzen, ſo viel die Schiffe nur trugen. Auch du, Lieber, irre nicht lange fern von der Heimat, Da du alle dein Gut und ſo unbaͤndige Maͤnner In dem Palaſte verließeſt: damit ſie nicht alles verſchlingen,315 Deine Guͤter ſich theilend, und fruchtlos ende die Reiſe! Aber ich rathe dir doch, zu Atreus Sohn Menelaos Hinzugehen, der neulich aus fernen Landen zuruͤckkam, Von entlegenen Voͤlkern, woher kein Sterblicher jemals Hoffen duͤrfte zu kommen, den Sturm und Woge ſo weithin320 Ueber das Meer verſchlugen, woher auch ſelbſt nicht die Voͤgel Fliegen koͤnnen im Jahre: ſo furchtbar und weit iſt die Reiſe! Eil und gehe ſogleich im Schiffe mit deinen Gefaͤhrten! Oder willſt du zu Lande, ſo fodere Wagen und Roße, Meine Soͤhne dazu: ſie werden dich ſicher gen Sparta325 Fuͤhren, der praͤchtigen Stadt Menelaos des braͤunlichgelockten. Aber du mußt ihm flehn, daß er die Wahrheit verkuͤnde. Luͤgen wird er nicht reden; denn er iſt viel zu verſtaͤndig!

Alſo ſprach er. Da ſank die Sonn ', und Dunkel erhob ſich. Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:330

Wahrlich, o Greis, du haſt mit vieler Weisheit geredet. Aber ſchneidet jezo die Zungen, und miſchet des Weines, Daß wir Poſeidaon und allen unſterblichen Goͤttern57Dritter Geſang.Opfern, und ſchlafen gehn; die Stunde gebeut uns zu ruhen; Denn ſchon ſinket das Licht in Daͤmmerung. Laͤnger geziemt ſichs335 Nicht, am Mahle der Goͤtter zu ſizen, ſondern zu gehen.

Alſo die Tochter Zeus, und jene gehorchten der Rede. Herolde goßen ihnen das Waßer uͤber die Haͤnde; Juͤnglinge fuͤllten die Kelche bis oben mit dem Getraͤnke, Theilten dann rechts herum die vollgegoßenen Becher. 340Und ſie verbrannten die Zungen, und opferten ſtehend des Weines. Als ſie ihr Opfer vollbracht, und nach Verlangen getrunken, Machte Athaͤnaͤ ſich auf und Taͤlemachos, goͤttlich von Bildung, Wieder von dannen zu gehn zu ihrem geraͤumigen Schiffe. Aber Neſtor verbot es mit dieſen ſtrafenden Worten:345

Zeus verhuͤte doch dieſes und alle unſterblichen Goͤtter, Daß ihr jezo von mir zum ſchnellen Schiffe hinabgeht, Gleich als waͤr 'ich ein Mann in Lumpen, oder ein Bettler, Der nicht viele Maͤntel und weiche Decken beſaͤße, Fuͤr ſich ſelber zum Lager, und fuͤr beſuchende Freunde! 350Aber ich habe genug der Maͤntel und praͤchtigen Decken! Wahrlich nimmer geſtat 'ich des großen Mannes Oduͤßeus Sohne, auf dem Verdeck des Schiffes zu ruhen, ſo lang' ich Lebe! Und dann auch werden noch Kinder bleiben im Hauſe, Einen Gaſt zu bewirten, der meine Wohnung beſuchet! 355

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Edler Greis, du haſt ſehr wohl geredet, und gerne Wird Taͤlemachos dir gehorchen, denn es gebuͤhrt ſich! Dieſer gehe denn jezo mit dir zu deinem Pallaſte, Dort zu ruhn. Allein ich muß zum ſchwaͤrzlichen Schiffe360 Gehen, unſere Freunde zu ſtaͤrken, und alles zu ordnen. 58Oduͤßee.Denn von allen im Schiffe bin ich der einzige Alte; Juͤnglinge ſind die andern, die uns aus Liebe begleiten, Alleſamt von des edlen Taͤlemachos bluͤhendem Alter. Alda will ich die Nacht am ſchwarzen gebogenen Schiffe365 Ruhn, und morgen fruͤh zu den großgeſinnten KaukonenV. 366.Dieſe Kaukonen wohnten nicht weit von Puͤlos, in Arkadien. Gehen, daß ich die Schuld, die weder neu noch gering 'iſt, Mir einfodre. Doch dieſen, den Gaſtfreund deines Palaſtes, Send' im Wagen gen Sparta, vom Sohne begleitet, und gieb ihm Zum Geſpanne die ſchnellſten und unermuͤdlichſten Roße. 370

Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter, und ſchwebte, Ploͤzlich ein Adler, empor; da erſtaunte die ganze Verſammlung. Wundernd ſtand auch der Greis, da ſeine Augen es ſahen, Faßte Taͤlemachos Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Lieber, ich hoffe, du wirſt nicht feige werden noch kraftlos;375 Denn es begleiten dich ſchon als Juͤngling waltende Goͤtter! Siehe kein anderer wars der himmelbewohnenden Goͤtter, Als des allmaͤchtigen Zeus ſiegprangende Tochter Athaͤnaͤ, Die auch deinen Vater vor allen Achaiern geehrt hat! Herſcherin, ſei uns gnaͤdig, und kroͤn 'uns mit glaͤnzendem Ruhme,380 Mich und meine Kinder und meine theure Genoßin! Dir will ich opfern ein jaͤhriges Rind, breitſtirnig und fehllos, Unbezwungen vom Stier, und nie zum Joche gebaͤndigt: Dieſes will ich dir opfern, mit Gold die Hoͤrner umzogen!

Alſo ſprach er flehend; ihn hoͤrete Pallas Athaͤnaͤ. 385Und der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor, Fuͤhrte die Eidam 'und Soͤhne zu ſeinem ſchoͤnen Palaſte. 59Dritter Geſang.Als ſie den hohen Palaſt des Koͤnigs jezo erreichten, Sezten ſich alle in Reihn auf praͤchtige Thronen und Seßel. Und den Kommenden miſchte der Greis von neuem im Kelche390 Suͤßen balſamiſchen Wein; im elften Jahre des Alters Waͤhlte die Schaffnerin ihn, und loͤſte den ſpuͤndenden Deckel. Dieſen miſchte der Greis und flehete, opfernd des Trankes, Viel zu der Tochter des Gottes mit wetterleuchtenden Schilde. Als ſie ihr Opfer vollbracht, und nach Verlangen getrunken,395 Gingen ſie alle heim, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen. Aber Taͤlemachos hieß der Roßebaͤndiger Neſtor Dort im Palaſte ruhn, den Sohn des edlen Oduͤßeus, Unter der toͤnenden Hall ', im ſchoͤngebildeten Bette. Neben ihm ruhte der Held Peiſiſtratos, welcher allein noch400 Unvermaͤhlt von den Soͤhnen in Neſtors Hauſe zuruͤckblieb. Aber er ſelber ſchlief im Innern des hohen Palaſtes, Und die Koͤnigin ſchmuͤckte das Ehbett ihres Gemahles.

Als nun die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Da erhub ſich vom Lager der Roßebaͤndiger Neſtor,405 Ging hinaus, und ſezte ſich auf gehauene Steine, Vor der hohen Pforte des ſchoͤngebauten Palaſtes, Weiß und glaͤnzend wie Oel. Auf dieſen pflegte vor Alters Naͤleus ſich hinzuſezen, an Rath den Unſterblichen aͤhnlich. Aber er war ſchon todt und in der Schatten Behauſung. 410Nun ſaß Neſtor darauf, der geraͤniſche Huͤter der Griechen, Seinen Stab in der Hand. Da ſammelten ſich um den Vater Eilend aus den Gemaͤchern, Echefron, Stratios, Perſeus, Und Araͤtos der Held, und der goͤttliche Thraſuͤmaͤdaͤs. Auch der ſechſte der Bruͤder Peiſiſtratos eilte zu Neſtor. 41560Oduͤßee.Und ſie ſezten den ſchoͤnen Taͤlemachos neben dem Vater. Unter ihnen begann der Roßebaͤndiger Neſtor:

Hurtig, geliebteſte Kinder, erfuͤllt mir dieſes Verlangen, Daß ich vor allen Goͤttern Athaͤnens Gnade gewinne, Welche mir ſichtbar erſchien am feſtlichen Mahle Poſeidons! 420Gehe denn einer aufs Feld, damit in Eile zum Opfer Komme die Kuh, gefuͤhrt vom Hirten der weidenden Rinder. Einer gehe hinab zu des edlen Taͤlemachos Schiffe, Seine Gefaͤhrten zu rufen, und laße nur zween zur Bewahrung. Einer heiße hieher den Meiſter in Golde Laerkaͤs425 Kommen, daß er mit Gold des Rindes Hoͤrner umziehe. Aber ihr uͤbrigen bleibt hier alleſamt, und gebietet Drinnen im hohen Palaſte den Maͤgden, ein Mahl zu bereiten, Und uns Seßel und Holz und friſches Waſſer zu bringen.

Alſo ſprach er, und aͤmſig enteilten ſie alle. Die Kuh kam430 Aus dem Gefild '; es kamen vom gleichgezimmerten Schiffe Auch Taͤlemachos Freunde: es kam der Meiſter in Golde, Alle Schmiedegeraͤthe, der Kunſt Vollender, in Haͤnden, Seinen Hammer und Ambos und ſeine gebogene Zange, Auszubilden das Gold. Es kam auch Pallas Athaͤnaͤ435 Zu der heiligen Feier. Der Roßebaͤndiger Neſtor Gab ihm Gold; und der Meiſter umzog die Hoͤrner des Rindes Kuͤnſtlich, daß ſich die Goͤttin am prangenden Opfer erfreute. Stratios fuͤhrte die Kuh am Horn und der edle Echefron. Aber Araͤtos trug im blumigen Becken das Waſſer440 Aus der Kammer hervor, ein Koͤrbchen voll heiliger Gerſte In der Linken. Es ſtand der kriegriſche Thraſuͤmaͤdaͤs, Eine geſchliffene Axt in der Hand, die Kuh zu erſchlagen. 61Dritter Geſang.Perſeus hielt ein Gefaͤß, das Blut zu empfangen. Der Vater Wuſch zuerſt ſich die Haͤnd ', und ſtreute die heilige Gerſte,445 Flehte dann viel zu Athaͤnen, und warf in die Flamme das Stirnhaar.

Als ſie jezo gefleht und die heilige Gerſte geſtreuet, Trat der mutige Held Thraſuͤmaͤdaͤs naͤher, und haute Zu; es zerſchnitt die Axt die Sehnen des Nackens, und kraftlos Stuͤrzte die Kuh in den Sand. Und jammernd beteten jezo450 Alle Toͤchter und Schnuͤr 'und die ehrenvolle Gemahlin Neſtors, Euruͤdikaͤ, die erſte von Kluͤmenos Toͤchtern. Aber die Maͤnner beugten das Haupt der Kuh von der Erde Auf; da ſchlachtete ſie Peiſiſtratos, Fuͤhrer der Menſchen. Schwarz entſtroͤmte das Blut, und der Geiſt verließ die Gebeine. 455Jene zerhauten das Opfer, und ſchnitten, nach dem Gebrauche, Eilig die Lenden aus, umwickelten dieſe mit Fette, Und bedeckten ſie drauf mit blutigen Stuͤcken der Glieder. Und ſie verbrannte der Greis auf dem Scheitholz, ſprengte daruͤber Dunkeln Wein; und die Juͤngling 'umſtanden ihn mit dem Fuͤnfzack. 460Als ſie die Lenden verbrannt, und die Eingeweide gekoſtet, Schnitten ſie auch das Uebrige klein, und ſtecktens an Spieße, Drehten die ſpizigen Spieß 'in der Hand, und brietens mit Vorſicht.

Aber den bluͤhenden Juͤngling Taͤlemachos badet 'indeßen Poluͤkaſtaͤ die ſchoͤne, die juͤngſte Tochter des Neſtor. 465Als ſie ihn jezo gebadet, und drauf mit Oele geſalbet, Da umhuͤllte ſie ihm den praͤchtigen Mantel und Leibrock. Und er ſtieg aus dem Bad ', an Geſtalt den Unſterblichen aͤhnlich, Ging und ſezte ſich hin bei Neſtor, dem Hirten der Voͤlker.

Als ſie das Fleiſch nun gebraten, und von den Spießen gezogen,470 Sezten ſie ſich zum Mahle. Die edlen Juͤnglinge ſchoͤpften62Oduͤßee. Dritter Geſang.Aus dem Kelche den Wein, und vertheilten die goldenen Becher. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Sprach der geraͤniſche Greis, der Roßebaͤndiger Neſtor:

Eilt, geliebteſte Kinder, und bringt ſchoͤnmaͤhnichte Roße;475 Spannt ſie ſchnell vor den Wagen, Taͤlemachos Reiſe zu foͤrdern!

Alſo ſprach er; ihn hoͤrten die Soͤhne mit Fleiß, und gehorchten. Eilend ſpannten ſie vor den Wagen die hurtigen Roße. Aber die Schaffnerinn legt 'in den Wagen die koͤſtliche Zehrung, Brot und feurigen Wein und goͤttlicher Koͤnige Speiſen. 480Und Taͤlemachos ſtieg auf den kuͤnſtlichgebildeten Wagen. Neſtors mutiger Sohn Peiſiſtratos, Fuͤhrer der Menſchen, Sezte ſich neben ihn, und hielt in den Haͤnden die Zuͤgel; Treibend ſchwang er die Geißel, und willig enteilten die Roße In das Gefild ', und verließen die hochgebauete Puͤlos. 485Alſo ſchuͤttelten ſie bis zum Abend das Joch an den Nacken.

Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade. Und ſie kamen gen Faͤrai, zur Burg des edlen Dioklaͤs,V. 488.Faͤrai lag in Meßaͤnien. Welchen Alfeios Sohn Orſilochos hatte gezeuget, Ruhten bei ihm die Nacht, und wurden freundlich bewirtet. 490

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Ruͤſteten ſie ihr Geſpann, und beſtiegen den praͤchtigen Wagen, Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs und der toͤnenden Halle. Treibend ſchwang er die Geißel, und willig enteilten die Roße, Und durchliefen behende die Weizenfelder, und jezo495 War die Reiſe vollbracht: ſo flogen die hurtigen Roße. Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade.

63

Oduͤßee. Vierter Geſang.

Und ſie erreichten im Thale die große Stadt Lakedaimon, Lenkten darauf zur Burg Menelaos des ehregekroͤnten. Und Menelaos feirte mit vielen Freunden die Hochzeit Seines Sohnes im Hauſe, und ſeiner lieblichen Tochter. Dieſe ſandt 'er dem Sohne des Schaarentrenners Achilleus. 5Denn er gelobte ſie ihm vordem im troiſchen Lande; Und die himmliſchen Goͤtter vollendeten ihre Vermaͤhlung. Jezo ſandt 'er ſie hin, mit Roßen und Wagen begleitet, Zu der beruͤhmten Stadt des Muͤrmidonenbeherſchers. Aber dem Sohne gab er aus Sparta die Tochter Alektors,10 Megapenthaͤs dem ſtarken, den ihm in ſpaͤterem Alter Eine Sklavin gebar. Denn Helenen ſchenkten die Goͤtter Keine Frucht, nachdem ſie die liebliche Tochter geboren, Hermione, ein Bild der goldenen Afroditaͤ. V. 14.Afroditaͤ, Venus.

Alſo feierten dort im hochgewoͤlbten Saale15 Alle Nachbarn und Freunde des herlichen Menelaos Froͤhlich am Mahle das Feſt. Es ſang ein goͤttlicher Saͤnger In die Harfe ſein Lied. Und zween nachahmende Taͤnzer64Oduͤßee.Stimmten an den Geſang, und dreheten ſich in der Mitte.

Aber die Roße hielten am Thore des hohen Palaſtes,20 Und Taͤlemachos harrte mit Neſtors glaͤnzendem Sohne. Siehe da kam Eteoneus hervor, und ſahe die Fremden, Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos. Schnell durchlief er die Wohnung, und brachte dem Koͤnige Botſchaft, Stellte ſich nahe vor ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte:25

Fremde Maͤnner ſind draußen, o goͤttlicher Held Menelaos, Zween an der Zahl, von Geſtalt wie Soͤhne des großen Kronions! Sage mir, ſollen wir gleich abſpannen die hurtigen Roße; Oder ſie weiter ſenden, damit ſie ein andrer bewirte?

Voll Unwillens begann Menelaos der braͤunlichgelockte:30 Ehmals warſt du kein Thor, Boaͤthos Sohn Eteoneus; Aber du plauderſt jezt, wie ein Knabe, ſo thoͤrichte Worte! Wahrlich wir haben ja beid 'in Haͤuſern anderer Menſchen So viel Gutes genoßen, bis wir heimkehrten! Uns wolle Zeus auch kuͤnftig vor Noth bewahren! Drum ſpanne die Roße35 Hurtig ab, und fuͤhre die Maͤnner zu unſerem Gaſtmahl!

Alſo ſprach er; und ſchnell durcheilete jener die Wohnung, Rief die geſchaͤftigen Diener zuſammen, daß ſie ihm folgten. Und nun ſpanneten ſie vom Joche die ſchaͤumenden Roße, Fuͤhrten ſie dann in den Stall, und banden ſie feſt an die Krippen,40 Schuͤtteten Haber hinein, mit gelblicher Gerſte gemenget, Stellten darauf den Wagen an eine der ſchimmernden Waͤnde, Fuͤhrten endlich die Maͤnner hinein in die goͤttliche Wohnung.

Staunend ſahn ſie die Burg des goͤttergeſegneten Koͤnigs. Gleich dem Strale der Sonn ', und gleich dem Schimmer des Mondes,45 Blinkte die hohe Burg Menelaos des ehregekroͤnten. 65Vierter Geſang.Und nachdem ſie ihr Herz mit bewunderndem Blicke geſaͤttigt, Stiegen ſie beide zum Bad 'in ſchoͤngeglaͤttete Wannen. Als ſie die Maͤgde gebadet, und drauf mit Oele geſalbet, Und mit wollichtem Mantel und Leibrock hatten bekleidet;50 Sezten ſie ſich auf Throne bei Atreus Sohn Menelaos. Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen Ihnen die Haͤnd ', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf,55 Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. Hierauf kam der Zerleger, und bracht 'in erhobenen Schuͤßeln Allerlei Fleiſch, und ſezte vor ſie die goldenen Becher. Beiden reichte die Haͤnde der Held Menelaos, und ſagte:

Langt nun zu, und eßt mit Wohlgefallen, ihr Freunde! 60Habt ihr euch dann mit Speiſe geſtaͤrkt, dann wollen wir fragen, Wer ihr ſeid. Denn wahrlich aus keinem verſunknen Geſchlechte Stammt ihr, ſondern ihr ſtammt von edlen zeptergeſchmuͤckten Koͤnigen her; denn gewiß Unedle zeugen nicht ſolche!

Alſo ſprach er, und reichte den fetten gebratenen Ruͤckgrat65 Von dem Rinde den Gaͤſten, der ihm zur Ehre beſtimmt war. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Neigte Taͤlemachos ſein Haupt zum Sohne des Neſtor, Und ſprach leiſe zu ihm, damit es die andern nicht hoͤrten:70

Schaue doch, Neſtoride, du meines Herzens Geliebter, Schaue den Glanz des Erzes umher in der hallenden Wohnung,E66Oduͤßee.Und des Goldes und Ambra's und Elfenbeines und Silbers! V. 73.Ambra, Bernſtein.Alſo glaͤnzt wohl von innen der Hof des oluͤmpiſchen Gottes! Welch ein unendlicher Schaz! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick! 75

Seine Rede vernahm Menelaos der braͤunlichgelockte, Wandte ſich gegen die Fremden, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Liebe Soͤhne, mit Zeus wetteifre der Sterblichen keiner; Ewig beſteht des Unendlichen Burg und alles, was ſein iſt! Doch von den Menſchen mag einer mit mir ſich meßen an Reichthum,80 Oder auch nicht! Denn traun! nach vielen Leiden und Irren Bracht 'ich ihn in den Schiffen am achten Jahre zur Heimat; Ward nach Kuͤpros vorher, nach Foͤnikaͤ geſtuͤrmt und Aiguͤptos,V. 83.Kuͤpros, Cypern. Foͤnikaͤ, Phoͤnicien; Sidon war ein eigener Staat darin. Erember, wahrſcheinlich die noͤrdlichen Araber. Libuͤa, die Kuͤſte von Afrika, die an Aiguͤptos grenzte. Sahe die Aithiopen, Sidonier dann und Erember, Libuͤa ſelbſt, wo ſchon den Laͤmmern Hoͤrner entkeimen. 85Denn es gebaͤren dreimal im Laufe des Jahres die Schafe. Nimmer gebricht es dort dem Eigner, und nimmer dem Hirten, Weder an Kaͤſe noch Fleiſch noch ſuͤßer Milch von der Heerde, Welche das ganze Jahr mit vollen Eutern einhergeht. Alſo durchirrt 'ich die Laͤnder, und ſammelte großes Vermoͤgen. 90Aber indeſſen erſchlug mir meinen Bruder ein Andrer Heimlich, mit Meuchelmord, durch die Liſt des heilloſen Weibes: Daß ich gewiß nicht froh dies große Vermoͤgen beherſche! Doch dies habt ihr ja wohl von euren Vaͤtern gehoͤret, Wer ſie auch ſein. Denn viel, ſehr vieles hab 'ich erlitten,9567Vierter Geſang.Und mein praͤchtiges Haus voll koͤſtlicher Guͤter zerruͤttet! Koͤnnt 'ich nur jezo darin mit dem dritten Theile der Guͤter Wohnen, und lebten die Maͤnner, die im Gefilde vor Troja Hingeſunken ſind, fern von der roßenaͤhrenden Argos! Aber dennoch, wie ſehr ich ſie alle klag' und beweine;100 (Oftmal hab 'ich hier ſo in meinem Hauſe geſeßen, Und mir jezo mit Thraͤnen das Herz erleichtert, und jezo Wieder geruht; denn bald ermuͤdet der ſtarrende Kummer!) Dennoch, wie ſehr ich traure, bewein' ich alle nicht ſo ſehr, Als den Einen, der mir den Schlaf und die Speiſe verleidet,105 Denk 'ich ſeiner! Denn das hat kein Achaier erduldet, Was Oduͤßeus erduldet' und trug! Ihm ſelber war Ungluͤck Von dem Schickſal beſtimmt, und mir unendlicher Jammer, Seinethalben des lang abweſenden, weil wir nicht wißen, Ob er leb 'oder todt ſei. Vielleicht beweinen ihn jezo110 Schon Laertaͤs der Greis, und die keuſche Paͤnelopeia, Und Taͤlemachos, den er als Kind im Hauſe zuruͤckließ!

Alſo ſprach er, und ruͤhrte Taͤlemachos herzlich zu weinen. Seinen Wimpern entſtuͤrzte die Thraͤne, als er vom Vater Hoͤrte; da huͤllt 'er ſich ſchnell vor die Augen den purpurnen Mantel,115 Faßend mit beiden Haͤnden; und Menelaos erkannt 'ihn. Dieſer dachte darauf umher in zweifelnder Seele: Ob er ihn ruhig ließe an ſeinen Vater gedenken; Oder ob er zuerſt ihn fragt', und alles erforſchte.

Als er ſolche Gedanken in zweifelnder Seele bewegte;120 Wallte Helena her aus der hohen duftenden Kammer,68Oduͤßee.Artemis gleich an Geſtalt, der Goͤttin mit goldener Spindel. V. 122.Artemis, Diana.Dieſer ſezte ſofort Adraſtaͤ den zierlichen Seßel; Und Alkippaͤ brachte den weichen wollichten Teppich. Fuͤlo brachte den ſilbernen Korb, den ehmals Alkandraͤ125 Ihr verehrte, die Gattin des Poluͤbos, welcher in Thaͤbai Wohnte, Aiguͤptos Stadt voll ſchaͤzereicher Palaͤſte. Dieſer gab Menelaos zwo Badewannen von Silber, Zween dreifuͤßige Keßel, und zehn Talente des Goldes. Aber Helenen gab Alkandraͤ ſchoͤne Geſchenke,130 Eine goldene Spindel im laͤnglichgeruͤndeten Korbe, Der, aus Silber gebildet, mit goldenem Rande geſchmuͤckt war. Dieſen ſezte vor ſie die fleißige Dienerin Fuͤlo, Angefuͤllt mit geknaͤueltem Garn, und uͤber dem Garne Lag die goldene Spindel mit violettener Wolle. 135Helena ſaß auf dem Seßel; ein Schemel ſtuͤzte die Fuͤße. Und ſie fragte ſogleich den Gemahl nach allem, und ſagte:

Wiſſen wir ſchon, Menelaos du goͤttlicher, welches Geſchlechtes Dieſe Maͤnner ſich ruͤhmen, die unſere Wohnung beſuchen? Irr 'ich, oder ahndet mir wahr? Ich kann es nicht bergen! 140Niemals erſchien mir ein Menſch mit ſolcher aͤhnlichen Bildung, Weder Mann, noch Weib; (mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick!) Als der Juͤngling dort des edelgeſinnten Oduͤßeus Sohne Taͤlemachos gleicht, den er als Saͤugling daheimließ, Jener Held, da ihr Griechen, mich Ehrvergeßne zu raͤchen,145 Hin gen Ilion ſchifftet, mit Tod und Verderben geruͤſtet!

69Vierter Geſang.

Ihr antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte: Eben ſo denke auch ich, o Frau, wie du jezo vermuteſt. Denn ſo waren die Haͤnd ', und ſo die Fuͤße des Helden, So die Blicke der Augen, das Haupt und die lockigten Haare. 150Auch gedacht 'ich jezo des edelgeſinnten Oduͤßeus, Und erzaͤhlte, wie jener fuͤr mich ſo mancherlei Elend Duldete; ſiehe da drang aus ſeinen Augen die Thraͤne, Und er verhuͤllete ſchnell mit dem Purpurmantel ſein Antliz.

Und der Neſtoride Peiſiſtratos ſagte dagegen:155 Atreus Sohn, Menelaos, du goͤttlicher Fuͤhrer des Volkes, Dieſer iſt wuͤrklich der Sohn Oduͤßeus, wie du vermuteſt. Aber er iſt beſcheiden, und haͤlt es fuͤr unanſtaͤndig, Gleich, nachdem er gekommen, ſo dreiſt entgegen zu ſchwazen Deiner Rede, die uns, wie eines Gottes, erfreuet. 160Und mich ſandte mein Vater, der Roßebaͤndiger Neſtor, Dieſen hieher zu geleiten, der dich zu ſehen begehrte, Daß du ihm Rath ertheilteſt zu Worten oder zu Thaten. Denn viel leidet ein Sohn des langabweſenden Vaters, Wenn er, im Hauſe verlaßen, von keinem Freunde beſchuͤzt wird:165 Wie Taͤlemachos jezt! Sein Vater iſt ferne, und Niemand Regt ſich im ganzen Volke, von ihm die Plage zu wenden!

Ihm antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte: Goͤtter, ſo iſt ja mein Gaſt der Sohn des geliebteſten Freundes. Welcher um meinetwillen ſo viele Gefahren erduldet! 170Und ich hoffte, dem kommenden einſt vor allen Argeiern Wohlzuthun, haͤtt 'uns der Oluͤmpier Zeus Kronion Gluͤckliche Wiederkehr in den ſchnellen Schiffen gewaͤhret! Eine Stadt und ein Haus in Argos wollt' ich ihm ſchenken,70Oduͤßee.Und ihn aus Ithaka fuͤhren mit ſeinem ganzen Vermoͤgen,175 Seinem Sohn und dem Volk, und raͤumen eine der Staͤdte, Welche Sparta umgrenzen, und meinem Befehle gehorchen. Oft beſuchten wir dann als Nachbarn einer den andern, Und nichts trennt 'uns beid' in unſerer ſeligen Eintracht, Bis uns die ſchwarze Wolke des Todes endlich umhuͤllte! 180Aber ein ſolches Gluͤck misgoͤnnte mir einer der Goͤtter, Welcher jenem allein, dem Armen, raubte die Heimkehr!

Alſo ſprach er, und ruͤhrte ſie alle zu herzlichen Thraͤnen. Argos Helena weinte, die Tochter des großen Kronions, Und Taͤlemachos weinte, und Atreus Sohn Menelaos. 185Auch Peiſiſtratos konnte ſich nicht der Thraͤnen enthalten; Denn ihm trat vor die Seele des edlen Antilochos Bildniß, Welchen der glaͤnzende Sohn der Morgenroͤthe getoͤdtet. V. 188.Memnon, der Koͤnig der oͤſtlichen Aithiopen, war ein Sohn von Tithonos und der Morgenroͤthe.Deßen gedacht 'er jezo, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Atreus Sohn Menelaos, vor allen Menſchen verſtaͤndig190 Ruͤhmte dich Neſtor der Greis, ſo oft wir deiner gedachten In des Vaters Palaſt, und uns mit einander beſprachen. Darum, iſt es dir moͤglich, gehorche mir jezo. Ich finde Kein Vergnuͤgen an Thraͤnen beim Abendeßen; auch morgen Daͤmmert ein Tag fuͤr uns. Ich tadele freilich mitnichten,195 Daß man den Todten beweine, der ſein Verhaͤngniß erfuͤllt hat. Iſt doch dieſes allein der armen Sterblichen Ehre, Daß man ſcheere ſein Haar, und die Wange mit Thraͤnen beneze. Auch mein Bruder verlor ſein Leben, nicht der geringſte71Vierter Geſang.Im argeiiſchen Heer! Du wirſt ihn kennen; ich ſelber200 Hab 'ihn nimmer geſehn: doch ruͤhmen Antilochos alle, Daß er an Schnelle des Laufs und an Kriegsmut andre beſieget.

Ihm antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte: Lieber, du redeſt ſo, wie ein Mann von reifem Verſtande Reden und handeln muß, und waͤr 'er auch hoͤheres Alters. 205Denn du redeſt als Sohn von einem verſtaͤndigen Vater. Leicht erkennt man den Samen des Mannes, welchen Kronion Schmuͤckte mit himmliſchem Segen bei ſeiner Geburt und Vermaͤhlung. Alſo kroͤnet er nun auch Neſtors Tage mit Wohlfahrt; Denn er freut ſich im Hauſe des ſtillen behaglichen Alters,210 Und verſtaͤndiger Soͤhne, geuͤbt die Lanze zu ſchwingen. Laßt uns alſo des Grams und unſerer Thraͤnen vergeßen, Und von neuem das Mahl beginnen! Wohlauf, man begieße Unſere Haͤnde mit Waßer! Auch morgen wird Zeit zu Geſpraͤchen Mit Taͤlemachos ſein, uns beiden das Herz zu erleichtern! 215

Sprachs, und eilend begoß Asfalion ihnen die Haͤnde, Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereitetem Mahle.

Aber ein Neues erſann die liebliche Tochter Kronions:V. 219.Helena war eine Tochter von Zeus und Leda. Siehe ſie warf in den Wein, wovon ſie tranken, ein Mittel220 Gegen Kummer und Groll und aller Leiden Gedaͤchtniß. Koſtet einer des Weins, mit dieſer Wuͤrze gemiſchet; Dann benezet den Tag ihm keine Thraͤne die Wangen, Waͤr 'ihm auch ſein Vater und ſeine Mutter geſtorben, Wuͤrde vor ihm ſein Bruder, und ſein geliebteſter Sohn auch22572Oduͤßee.Mit dem Schwerte getoͤdtet, daß ſeine Augen es ſaͤhen. Siehe ſo heilſam war die kuͤnſtlichbereitete Wuͤrze, Welche Helenen einſt die Gemahlin Thons Poluͤdamna In Aiguͤptos geſchenkt. Dort bringt die fruchtbare Erde Mancherlei Saͤfte hervor, zu guter und ſchaͤdlicher Miſchung;230 Dort iſt jeder ein Arzt, und uͤbertrifft an Erfahrung Alle Menſchen; denn wahrlich ſie ſind vom Geſchlechte Paiaͤons. V. 232.Paiaͤon oder Paion hieß der Goͤtter Arzt. Die neuere Fabellehre verwechſelt ihn mit Apollon.Als ſie die Wuͤrze vermiſcht, und einzuſchenken befohlen; Da begann ſie von neuem, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Atreus goͤttlicher Sohn Menelaos, und ihr geliebten235 Soͤhne tapferer Maͤnner; es ſendet im ewigen Wechſel Zeus bald Gutes bald Boͤſes herab, denn er herſchet mit Allmacht. Auf, genießet denn jezo in unſerem Hauſe des Mahles, Euch mit Geſpraͤchen erfreuend! Ich will euch was frohes erzaͤhlen. Alles kann ich euch zwar nicht nennen oder beſchreiben,240 Alle mutigen Thaten des leidengeuͤbten Oduͤßeus; Sondern nur eine Gefahr, die der tapfere Krieger beſtanden In dem troiſchen Lande, wo Noth euch Achaier umdraͤngte. Seht, er hatte ſich ſelbſt unwuͤrdige Striemen gegeißelt, Und nachdem er die Schultern mit ſchlechten Lumpen umhuͤllet,245 Ging er in Sklavengeſtalt zur Stadt der feinlichen Maͤnner. Ganz ein anderer Mann, ein Bettler ſchien er von Anſehn, So wie er wahrlich nicht im achaiiſchen Lager einherging. Alſo kam er zur Stadt der Troer; und ſie verkannten Alle den Helden; nur ich entdeckt 'ihn unter der Huͤlle,25073Vierter Geſang.Und befragt 'ihn: doch er fand immer liſtige Ausflucht. Aber als ich ihn jezo gebadet, mit Oele geſalbet, Und mit Kleidern geſchmuͤckt, und drauf bei den Goͤttern geſchworen, Daß ich Oduͤßeus den Troern nicht eher wollte verrathen, Bis er die ſchnellen Schiff' und Zelte wieder erreichet;255 Da verkuͤndet 'er mir den ganzen Entwurf der Achaier. Als er nun viele der Troer mit langem Erze getoͤdtet, Kehrt' er zu den Argeiern, mit großer Kunde bereichert. Laut wehklageten jezo die andern Weiber in Troja; Aber mein Herz frohlockte: denn herzlich wuͤnſcht 'ich die Heimkehr,260 Und beweinte den Jammer, den Afroditaͤ geſtiftet, Als ſie mich dorthin, fern vom Vaterlande gefuͤhret, Und von der Tochter getrennt, dem Ehbett, und dem Gemahle, Dem kein Adel gebricht des Geiſtes oder der Bildung!

Ihr antwortete drauf Menelaos der braͤunlichgelockte:265 Dieſes alles iſt wahr, o Helena, was du erzaͤhlteſt. Denn ich habe ſchon Mancher Geſinnung und Tugend gelernet, Hochberuͤhmter Helden, und bin viel Laͤnder durchwandert; Aber ein ſolcher Mann kam mir noch nimmer vor Augen, Gleich an erhabener Seele dem leidengeuͤbten Oduͤßeus! 270Alſo beſtand er auch jene Gefahr, mit Kuͤhnheit und Gleichmut, In dem gezimmerten Roße, worin wir Fuͤrſten der Griechen Alle ſaßen, und Tod und Verderben gen Ilion brachten. Dorthin kameſt auch du, gewiß von einem der Goͤtter Hingefuͤhrt, der etwa die Troer zu ehren gedachte;275 Und der goͤttergleiche Daͤifobos war dein Begleiter. Dreimal umwandelteſt du das feindliche Maͤnnergehaͤuſe, Rings betaſtend, und riefſt der tapferſten Helden Achaia's74Oduͤßee.Namen, indem du die Stimme von aller Gemahlinnen annahmſt. Aber ich und Tuͤdeus Sohn und der edle Oduͤßeus280 Saßen dort in der Mitte, und hoͤreten, wie du uns riefeſt. Ploͤzlich fuhren wir auf, wir beiden andern, entſchloßen, Auszuſteigen, oder von innen uns hoͤren zu laßen. Aber Oduͤßeus hielt uns zuruͤck von dem raſchen Entſchluße. Jezo ſaßen wir ſtill, und alle Soͤhne der Griechen. 285Nur Antiklos wollte dir Antwort geben; doch eilend Sprang Oduͤßeus hinzu, und druͤckte mit nervichten Haͤnden Feſt den Mund ihm zuſammen, und rettete alle Achaier; Eher ließ er ihn nicht, bis Athaͤnaͤ von dannen dich fuͤhrte.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:290 Atreus Sohn Menelaos, du goͤttlicher Fuͤhrer des Volkes, Deſto betruͤbter! Denn alles entriß ihn dem traurigen Tode Nicht, und haͤtt 'er im Buſen ein Herz von Eiſen getragen! Aber laßet uns nun zu Bette gehen, damit uns Jezo auch die Ruhe des ſuͤßen Schlafes erquicke. 295

Als er dieſes geſagt, rief Helena eilend den Maͤgden, Unter die Halle ein Bette zu ſezen, unten von Purpur Praͤchtige Polſter zu legen, und Teppiche druͤber zu breiten, Hierauf wollige Maͤntel zur Oberdecke zu legen. Und ſie enteilten dem Saal, in den Haͤnden die leuchtende Fackel,300 Und bereiteten ſchnell das Lager. Aber ein Herold Fuͤhrte Taͤlemachos hin, ſamt Neſtors glaͤnzendem Sohne. Alſo ruhten ſie dort in der Halle vor dem Palaſte. Und der Atreide ſchlief im Innern des hohen Palaſtes; Helena ruhte bei ihm, die ſchoͤnſte unter den Weibern. 305

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,75Vierter Geſang. Sprang er vom Lager empor, der Rufer im Streit Menelaos, Legte die Kleider an, und hing das Schwert um die Schulter, Band die ſchoͤnen Solen ſich unter die zierlichen Fuͤße, Trat aus der Kammer hervor, geſchmuͤckt mit goͤttlicher Hoheit,310 Ging und ſezte ſich neben Taͤlemachos nieder, und ſagte:

Welches Geſchaͤft, o edler Taͤlemachos, fuͤhrte dich hieher, Ueber das weite Meer, zur goͤttlichen Stadt Lakedaimon? Deines, oder des Volks? Verkuͤnde mir lautere Wahrheit!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:315 Atreus Sohn Menelaos, du goͤttlicher Fuͤhrer des Volkes, Darum kam ich zu dir, um Kunde vom Vater zu hoͤren. Ausgezehrt wird mein Haus, und Hof und Aecker verwuͤſtet; Denn feindſelige Maͤnner erfuͤllen die Wohnung, und ſchlachten Meine Ziegen und Schaf 'und mein ſchwerwandelndes Hornvieh,320 Freier meiner Mutter, voll uͤbermuͤtiges Trozes. Darum fleh ich dir jezo, die Knie 'umfaßend, du wolleſt Seinen traurigen Tod mir verkuͤndigen; ob du ihn ſelber Anſahſt, oder vielleicht von einem irrenden Wandrer Ihn erfuhrſt: denn ach! zum Leiden gebar ihn die Mutter! 325Aber ſchmeichle mir nicht, aus Schonung oder aus Mitleid; Sondern erzaͤhle mir treulich, was deine Augen geſehen. Flehend beſchwoͤr 'ich dich, hat je mein Vater Oduͤßeus Einen Wunſch dir gewaͤhrt mit Worten oder mit Thaten, In dem troiſchen Lande, wo Noth euch Achaier umdraͤngte:330 Daß du, deßen gedenkend, mir jezo Wahrheit verkuͤndeſt!

Voll Unwillens begann Menelaos der braͤunlichgelockte: O ihr Goͤtter, ins Lager des uͤbergewaltigen Mannes Wollten jene ſich legen, die feigen verworfenen Menſchen! 76Oduͤßee. Aber wie wenn in den Dickicht des ſtarken Loͤwen die Hirſchkuh33[5] Ihre ſaugenden Jungen, die neugeborenen, hinlegt, Dann auf den Bergen umher und kraͤuterbewachſenen Thaͤlern Weide ſucht; und jener darauf in ſein Lager zuruͤckkehrt, Und den Zwillingen beiden ein ſchreckliches Ende bereitet: So wird jenen Oduͤßeus ein ſchreckliches Ende bereiten! 34[0]Wenn er, o Vater Zeus, Arhaͤnaͤ und Foͤbos Apollon! Doch in jener Geſtalt, wie er einſt in der fruchtbaren Lesbos Sich mit Filomaͤleidaͤs zum Wetteringen emporhub,V. 343.Filomaͤleidaͤs, Koͤnig in Lesbos, dem heutigen Matelino. Und auf den Boden ihn warf, daß alle Achaier ſich freuten; Wenn doch in jener Geſtalt Oduͤßeus den Freiern erſchiene! 34[5]Bald waͤr 'ihr Leben gekuͤrzt, und ihnen die Heirat verbittert! Aber warum du mich fragſt und bitteſt, das will ich geradaus Ohn Umſchweife dir ſagen, und nicht durch Luͤgen dich teuſchen; Sondern was mir der wahrhafte Greis des Meeres geweißagt, Davon will ich kein Wort dir bergen oder verhehlen. 35[0]

Noch in Aiguͤptos hielten, wie ſehr ich nach Hauſe verlangte, Mich die Unſterblichen auf, denn ich verſaͤumte die Opfer; Und wir ſollen nimmer der Goͤtter Gebote vergeßen. Eine der Inſeln liegt im wogenſtuͤrmenden Meere Vor des Aiguͤptos Strome; die Menſchen nennen ſie Faros:35[5] Von dem Strome ſo weit, als wohlgeruͤſtete Schiffe Tages fahren, wenn rauſchend der Wind die Segel erfuͤllet. V. 357.Dieſe Entfernung gilt nicht von dem naͤchſten Ufer, ſondern von de[m]damaligen Ausfluße des Aiguͤptos oder Nils unter Memfis.Dort iſt ein ſicherer Hafen, alwo die Schiffer gewoͤhnlich Friſches Waßer ſich ſchoͤpfen, und weiter die Wogen durchſegeln. 77Vierter Geſang. Alda hielten die Goͤtter mich zwanzig Tage; denn niemals360 Wehten guͤnſtige Wind 'in die See hinuͤber, die Schiffe Ueber den breiten Ruͤcken des Meeres hinzugeleiten. Und bald waͤre die Speiſ' und der Mut der Maͤnner geſchwunden, Haͤtte mich nicht erbarmend der Himmliſchen eine gerettet. Aber Eidothea, des grauen Wogenbeherſchers365 Proteus Tochter bemerkt 'es, und fuͤhlte herzliches Mitleid. Dieſe begegnete mir, da ich fern von den Freunden umherging; Denn ſie ſtreiften beſtaͤndig, vom nagenden Hunger gefoltert, Durch die Inſel, um Fiſche mit krummer Angel zu fangen. Und ſie nahte ſich mir, und ſprach mit freundlicher Stimme:370

Fremdling, biſt du ſo gar einfaͤltig, oder ſo traͤge? Oder zauderſt du gern, und findeſt Vergnuͤgen am Elend: Daß du ſo lang auf der Inſel verweilſt? Iſt nirgends ein Ausweg Aus dem Jammer zu ſehn, da das Herz den Genoßen entſchwindet?

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte:375 Ich verkuͤndige dir, o Goͤttin, wie du auch heißeſt, Daß ich mitnichten gerne verweile; ſondern geſuͤndigt Hab 'ich vielleicht an den Goͤttern, des weiten Himmels Bewohnern. Aber ſage mir doch, die Goͤtter wißen ja alles! Wer der Unſterblichen haͤlt mich hier auf, und hindert die Reiſe? 380Und wie gelang 'ich heim auf dem fiſchdurchwimmelten Meere?

Alſo ſprach ich; mir gab die hohe Goͤttin zur Antwort: Gerne will ich, o Fremdling, dir lautere Wahrheit verkuͤnden. Hier am Geſtade ſchaltet ein grauer Bewohner des Meeres, Proteus, der wahrhafte Gott aus Aiguͤptos, welcher des Meeres385 Dunkle Tiefen kennt, ein treuer Diener Poſeidons. Dieſer iſt, wie man ſagt, mein Vater, der mich gezeuget. 78Oduͤßee. Wuͤßteſt du dieſen nur durch heimliche Liſt zu erhaſchen; Er weißagte dir wohl den Weg und die Mittel der Reiſe, Und wie du heimgelangſt auf dem fiſchdurchwimmelten Meere. 390Auch verkuͤndigt 'er dir, Zeus Liebling, wenn du es wollteſt, Was dir Boͤſes und Gutes in deinem Hauſe geſchehn ſei, Weil du ferne warſt auf der weiten gefaͤhrlichen Reiſe.

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte: Nun verkuͤnde mir ſelber, wie fang 'ich den goͤttlichen Meergreis,395 Daß er mir nicht entfliehe, mich ſehend oder auch ahndend? Wahrlich ſchwer wird ein Gott vom ſterblichen Manne bezwungen!

Alſo ſprach ich; mir gab die hohe Goͤttin zur Antwort: Gerne will ich, o Fremdling, dir lautere Wahrheit verkuͤnden. Wann die Mittagsſonne den hohen Himmel beſteiget,400 Siehe dann kommt aus der Flut der graue untruͤgliche Meergott, Unter dem Wehn des Weſtes, umhuͤllt vom ſchwarzen Gekraͤuſel, Legt ſich hin zum Schlummer in uͤberhangende Grotten, Und floßfluͤßige Robben der lieblichen HaloſuͤdnaͤV. 404.Haloſuͤdnaͤ, eine Meergoͤttin, Naͤreus Tochter. Ruhn in Schaaren um ihn, dem grauen Gewaͤßer entſtiegen,405 Und verbreiten umher des Meeres herbe Geruͤche. Dorthin will ich dich fuͤhren, ſobald der Morgen ſich roͤthet, Und in die Reihe dich legen. Du aber waͤhle mit Vorſicht Drei von den kuͤhnſten Genoßen der ſchoͤngebordeten Schiffe. Alle furchtbaren Kuͤnſte des Greiſes will ich dir nennen. 410Erſtlich geht er umher, und zaͤhlt die liegenden Robben; Und nachdem er ſie alle bei Fuͤnfen gezaͤhlt und betrachtet, Legt er ſich mitten hinein, wie ein Schaͤfer zwiſchen die Heerde. 79Vierter Geſang. Aber ſobald ihr ſeht, daß er zum Schlummer ſich hinlegt; Dann erhebet euch mutig, und uͤbet Gewalt und Staͤrke,415 Haltet den ſtreubenden feſt, wie ſehr er auch ringt zu entfliehen! Denn der Zauberer wird ſich in alle Dinge verwandeln, Was auf der Erde lebt, in Waßer und loderndes Feuer. Aber greift unerſchrocken ihn an, und haltet noch feſter! Wenn er nun endlich ſelbſt euch anzureden beginnet,420 In der Geſtalt, worin ihr ihn ſaht zum Schlummer ſich legen; Dann laß ab von deiner Gewalt, und loͤſe den Meergreis, Edler Held, und frag 'ihn, wer unter den Goͤttern dir zuͤrne, Und wie du heimgelangſt auf dem fiſchdurchwimmelten Meere.

Alſo ſprach ſie, und ſprang in die hochaufwallende Woge. 425Aber ich ging zu den Schiffen, wo ſie im Sande des Ufers Standen; und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. Als ich jezo mein Schiff und des Meeres Ufer erreichte, Da bereiteten wir das Mahl. Die ambroſiſche Nacht kam; Und wir lagerten uns am rauſchenden Ufer des Meeres. 430Als die heilige Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Ging ich laͤngſt dem Geſtade des weithinflutenden Meeres Fort, und betete viel zu den Himmliſchen. Von den Genoßen Folgten mir drei, bewaͤhrt vor allen an Kuͤhnheit und Staͤrke.

Aber indeßen fuhr Eidothea tief in des Meeres435 Weiten Buſen, und trug vier Robbenfelle von dannen, Welche ſie friſch abzog; und entwarf die Teuſchung des Vaters. Jedem hoͤhlete ſie ein Lager im Sande des Meeres, Saß und erwartete uns. Sobald wir die Goͤttin erreichten, Legte ſie uns nach der Reih, und huͤllte jedem ein Fell um. 440Wahrlich die Lauer bekam uns fuͤrchterlich! Bis zum Erſticken80Oduͤßee. Quaͤlt 'uns der thranichte Dunſt der meergemaͤſteten Robben! Denn wer ruhte wohl gerne bei Ungeheuern des Meeres? Aber die Goͤttin erſann zu unſerer Rettung ein Labſal: Denn ſie ſtrich uns allen Ambroſia unter die Naſen,445 Deßen lieblicher Duft des Thranes Geruͤche vertilgte. Alſo lauerten wir den ganzen Morgen geduldig. Schaarweis kamen die Robben nun aus dem Waßer, und legten Nach der Reihe ſich hin am rauſchenden Ufer des Meeres. Aber am Mittag kam der goͤttliche Greis aus dem Waßer,45[0] Ging bei den feiſten Robben umher, und zaͤhlte ſie alle. Alſo zaͤhlt er auch uns fuͤr Ungeheuer, und dachte Gar an keinen Betrug; dann legt 'er ſich ſelber zu ihnen. Ploͤzlich fuhren wir auf mit Geſchrei, und ſchlangen die Haͤnde Schnell um den Greis; doch dieſer vergaß der betrieglichen Kunſt nicht. 45[5]Erſtlich ward er ein Leu mit fuͤrchterlichwallender Maͤhne, Drauf ein Pardel, ein blaͤulicher Drach ', und ein zuͤrnender Eber, Floß dann als Waßer dahin, und rauſcht' als Baum in den Wolken. Aber wir hielten ihn feſt mit unerſchrockener Seele. Als nun der zaubernde Greis ermuͤdete ſich zu verwandeln,46[0] Da begann er ſelber mich anzureden, und fragte:

Welcher unter den Goͤttern, Atreide, gab dir den Anſchlag, Daß du mit Hinterliſt mich fliehenden faͤngſt? Was bedarfſt du?

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte: Alter, du weißt es, (warum verſtellſt du dich, dieſes zu fragen?) 46[5]Daß ich ſo lang 'auf der Inſel verweil', und nirgends ein Ausweg Aus dem Jammer ſich zeigt, da das Herz den Genoßen entſchwindet! Drum verkuͤndige mir, die Goͤtter wißen ja alles! Wer der Unſterblichen haͤlt mich hier auf, und hindert die Reiſe? 81Vierter Geſang. Und wie gelang ich heim auf dem fiſchdurchwimmelten Meere? 470

Alſo ſprach ich; der Greis antwortete wieder, und ſagte: Aber du ſollteſt auch Zeus und den andern unſterblichen Goͤttern Opfern, als du die Schiffe beſtiegſt, damit du geſchwinder Deine Heimat erreichteſt, die dunkle Woge durchſteurend! Denn dir verbeut das Schickſal, die Deinigen wieder zu ſehen475 Und dein praͤchtiges Haus und deiner Vaͤter Gefilde, Bis du wieder zuruͤck zu des himmelernaͤhrten Aiguͤptos Waßern ſegelſt, und dort mit heiligen Hekatomben Suͤhnſt der Unſterblichen Zorn, die den weiten Himmel bewohnen: Dann verleihn dir die Goͤtter die Heimfahrt, welche du wuͤnſcheſt. 480

Alſo ſagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betruͤbniß, Weil er mir wieder befahl, auf dem dunkelwogenden Meere Nach dem Aiguͤptos zu ſchiffen, die weite gefaͤhrliche Reiſe. Aber ich faßte mich doch, und gab ihm dieſes zur Antwort:

Goͤttlicher Greis, ich will ausrichten, was du befiehleſt. 485Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Sind die Danaer all' unbeſchaͤdigt wiedergekehret, Welche Neſtor und ich beim Scheideu in Troja verließen? Oder ward einer im Schiffe vom bittern Verderben ereilet, Oder den Freunden im Arme, nachdem er den Krieg vollendet? 490

Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte: Warum fragſt du mich das, Sohn Atreus? Du mußt nicht alles Wiſſen, noch meine Gedanken erforſchen! Du moͤchteſt nicht lange Dich der Thraͤnen enthalten, wenn du das alles erfuͤhreſt! Siehe, gefallen ſind viele davon, und viele noch uͤbrig;495 Aber nur zween Heerfuͤhrer der erzgepanzerten GriechenF82Oduͤßee. Raffte die Heimfahrt hin; in der Feldſchlacht wareſt du ſelber. Einer der Lebenden wird im weiten Meere gehalten. Aias verſank in die See mit den langberuderten Schiffen. Anfangs rettete zwar den Scheiternden Poſeidaon500 Aus den Fluten des Meers an die großen guͤraiſchen Felſen. Dort waͤr 'Athaͤnens Feind dem verderbenden Schickſal entronnen, Haͤtte der Laͤſterer nicht voll Uebermutes gepralet, Daß er den Goͤttern zum Troz den ſtuͤrmenden Wogen entfloͤhe. Aber Poſeidon vernahm die ſtolzen Worte des Pralers,505 Und ergriff mit der nervichten Fauſt den gewaltigen Dreizack, Schlug den guͤraiiſchen Fels; und er ſpaltete ſchnell von einander. Eine der Truͤmmern blieb; die andre ſtuͤrzt 'in die Fluten, Wo der Achaier ſaß, und die Gotteslaͤſterung ausſtieß; Und er verſank ins unendliche hochaufwogende Weltmeer. 510So fand Aias den Tod, erſaͤuft von der ſalzigen Welle. Zwar dein Bruder entfloh der ſchrecklichen Rache der Goͤttin Samt den gebogenen Schiffen; ihn ſchuͤzte die maͤchtige Haͤraͤ. V. 513.Haͤraͤ, Juno.Aber als er ſich jezo dem Vorgebirge Maleia Naͤherte, rafft 'ihn der wirbelnde Sturm, und ſchleuderte ploͤzlich515 Ihn, den Jammernden, weit in das fiſchdurchwimmelte Weltmeer, An die aͤußerſte Kuͤſte, alwo vor Zeiten Thuͤeſtaͤs Hatte gewohnt, und jezo Thuͤeſtaͤs Sohn Aigiſthos. Aber ihm ſchien auch hier die Heimfahrt gluͤcklich zu enden; Denn die Goͤtter wandten den Sturm, und trieben ihn heimwaͤrts. 520Freudig ſprang er vom Schiff ans vaterlaͤndiſche Ufer, Kuͤßt 'und umarmte ſein Land, und heiße Thraͤnen entſtuͤrzten83Vierter Geſang. Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu ſehen. Ihn erblickte der Waͤchter auf einer erhabenen Warte, Von Aigiſthos beſtellt, der zwei Talente des Goldes525 Ihm zum Lohne verſprach. Ein Jahr lang hielt er ſchon Wache, Daß er nicht heimlich kaͤm ', und ſtuͤrmende Tapferkeit uͤbte. Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Koͤnige Botſchaft; Und Aigiſthos gedachte ſogleich des ſchlauen Betruges. Zwanzig tapfere Maͤnner erlas er im Volk, und verbarg ſie;530 Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten. Jezo ging er, und lud Agamennon, den Hirten der Voͤlker, Prangend mit Roßen und Wagen, ſein Herz voll arger Entwuͤrfe; Fuͤhrte den nichts argwoͤhnenden Mann ins Haus, und erſchlug ihn Unter den Freuden des Mahls: ſo erſchlaͤgt man den Stier an der Krippe! 535Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg 'Agamennons, Und von Aigiſthos keiner; ſie ſtuͤrzten im blutigen Saale.

Alſo ſagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betruͤbniß: Weinend ſaß ich im Sande des Meers, und wuͤnſchte nicht laͤnger Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu ſchauen. 540Aber als ich mein Herz durch Weinen und Waͤlzen erleichtert, Da erhub er die Stimme, der graue untruͤgliche Meergott:

Weine nicht immerdar, Sohn Atreus, hemme die Thraͤnen; Denn wir koͤnnen damit nichts beßern! Aber verſuche Jezt, aufs eiligſte wieder dein Vaterland zu erreichen. 545Jenen findeſt du noch lebendig, oder Oreſtaͤs Toͤdtet ihn ſchon vor dir: dann kommſt du vielleicht zum Begraͤbniß.

Alſo ſprach er, und ſtaͤrkte mein edles Herz in dem Buſen, So bekuͤmmert ich war, durch ſeine frohe Verheißung. Und ich redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:550

84Oduͤßee.

Dieſer Schickſal weiß ich nunmehr. Doch nenne den dritten, Welchen man noch lebendig im weiten Meere zuruͤckhaͤlt, Oder auch todt. Verſchweige mir nicht die traurige Botſchaft!

Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte: Das iſt der Sohn Laertaͤs, der Ithaka's Fluren bewohnet. 55[5]Ihn ſah ich auf der Inſel die bitterſten Thraͤnen vergießen, In dem Hauſe der Nuͤmfe Kaluͤpſo, die mit Gewalt ihn Haͤlt; und er ſehnt ſich umſonſt nach ſeiner heimiſchen Inſel: Denn es gebricht ihm dort an Ruderſchiffen und Maͤnnern, Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten. 56[0]Aber dir beſtimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos, Nicht das Schickſal den Tod in der roßenaͤhrenden Argos; Sondern die Goͤtter fuͤhren dich einſt an die Enden der Erde, In die eliſiſche Flur, wo der braͤunliche Held RadamanthusV. 564.Eliſium dachte man ſich damals in der Gegend der kanariſchen Inſeln Wohnt, und ruhiges Leben die Menſchen immer beſeligt:56[5] (Dort iſt kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen; Ewig wehn die Geſaͤuſel des leiſeathmenden Weſtes, Welche der Ozean ſendet, die Menſchen ſanft zu kuͤhlen:) Weil du Helena haſt, und Zeus als Eidam dich ehret.

Alſo ſprach er, und ſprang in des Meeres hochwallende Woge. 5[70]Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genoſſen, Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Da bereiteten wir das Mahl. Die ambroſiſche Nacht kam; Und wir lagerten uns am rauſchenden Ufer des Meeres. 5[75]Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,85Vierter Geſang. Zogen wir erſt die Schiffe hinab in die heilige Meersflut, Stellten die Maſten empor, und ſpannten die ſchwellenden Segel, Traten dann ſelber ins Schiff, und ſezten uns hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern. 580Und ich fuhr zum Strome des himmelgenaͤhrten Aiguͤptos, Landete dort, und brachte den Goͤttern heilige Opfer. Und nachdem ich den Zorn der unſterblichen Goͤtter geſuͤhnet, Haͤuft 'ich ein Grabmal auf, Agamemnon zum ewigen Nachruhm. Als ich dieſes vollbracht, entſchifften wir. Guͤnſtige Winde585 Sandten mir jezo die Goͤtter, und fuͤhrten mich ſchnell zu der Heimat. Aber ich bitte dich, Lieber, verweil in meinem Palaſte, Bis der elfte der Tage vorbei iſt, oder der zwoͤlfte. Alsdann ſend 'ich dich heim, und ſchenke dir koͤſtliche Gaben: Drei der mutigſten Roße, und einen praͤchtigen Wagen;590 Auch ein ſchoͤnes Gefaͤß, damit du den ewigen Goͤttern Opfer gießeſt, und dich beſtaͤndig meiner erinnerſt,

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Atreus Sohn, berede mich nicht, hier laͤnger zu bleiben. Denn ich ſaͤße mit Freuden bei dir ein ganzes Jahr lang,595 Ohne mich jemals heim nach meinen Eltern zu ſehnen: Siehe mit ſolchem Entzuͤcken erfuͤllt mich deine Erzaͤhlung Und dein Geſpraͤch! Allein unwillig harren die Freunde In der goͤttlichen Puͤlos; und du verweilſt mich noch laͤnger. Haſt du mir ein Geſchenk beſtimmt, ſo ſei es ein Kleinod. 600Roße nuͤzen mir nicht in Ithaka; darum behalte Selber dieſe zur Pracht: du beherſcheſt flache Gefilde, Ueberwachſen mit Klee und wuͤrzeduftendem Galgan, Und mit Weizen und Spelt und weißer fruchtbarer Gerſte. 86Oduͤßee. Aber in Ithaka fehlt es an weiten Ebnen und Wieſen;605 Ziegen naͤhrt ſie: doch lieb 'ich ſie mehr, als irgend ein Roßland. Keine der Inſeln im Meer' iſt mutigen Roßen zur Laufbahn Oder zur Weide bequem, und Ithaka minder als alle.

Laͤchelnd hoͤrte den Juͤngling der Rufer im Streit Menelaos, Faßte Taͤlemachos Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme:610

Edles Gebluͤtes biſt du, mein Sohn; das zeuget die Rede! Gerne will ich dir denn die Geſchenke veraͤndern; ich kanns ja! Von den Schaͤzen, ſoviel ich in meinem Hauſe bewahre, Geb 'ich dir zum Geſchenk das ſchoͤnſte und koͤſtlichſte Kleinod: Gebe dir einen Kelch von kuͤnſtlicherhobener Arbeit,615 Aus gelaͤutertem Silber, gefaßt mit goldenem Rande; Und ein Werk von Haͤfaiſtos! Ihn gab der Sidonier KoͤnigV. 617.Haͤfaiſtos, Vulkanus. Faidimos mir, der Held, der einſt in ſeinem Palaſte Mich heimkehrenden pflegte. Den will ich jezo dir ſchenken.

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. 620Aber die Koͤche gingen ins Haus des goͤttlichen Koͤnigs, Fuͤhreten Ziegen und Schaf ', und trugen ſtaͤrkende Weine. Ihre Weiber, geſchmuͤckt mit Schleiern, brachten Gebacknes. Alſo bereiteten ſie im hohen Saale die Mahlzeit.

Aber vor dem Palaſt Oduͤßeus ſchwaͤrmten die Freier,625 Und beluſtigten ſich, die Scheib 'und die Lanze zu werfen, Auf dem geebneten Plaz, wo ſie ſonſt Muthwillen veruͤbten. Nur Antinoos ſaß und Euruͤmachos, goͤttlich von Anſehn, Beide Haͤupter der Freier, und ihre tapferſten Helden. Aber Fronios Sohn Noaͤmon nahte ſich ihnen,63087Vierter Geſang. Redet 'Antinoos an, den Sohn Eupeithaͤs, und fragte:

Iſt es uns etwa bekannt, Antinoos, oder verborgen, Ob Taͤlemachos bald aus der ſandigen Puͤlos zuruͤckkehrt? Mir gehoͤret das Schiff; und jezo brauch 'ich es ſelber, Nach den Anen von Aelis hinuͤber zu fahren. Es weiden635 Dort zwoͤlf Stuten fuͤr mich, mit jungen laſtbaren Maͤulern: Davon moͤcht 'ich mir eins abholen, und zaͤhmen zur Arbeit.

Sprachs; da erſtaunten die Freier, daß er die Reiſe vollendet Zur naͤlaͤiſchen Puͤlos: ſie glaubten, er waͤr 'auf dem Lande, Wo ihn die weidende Heerd' erfreute, oder der Sauhirt. 640Und Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:

Sage mir ohne Falſch: Wann reiſt 'er? Welche Genoßen Folgten aus Ithaka ihm; Freiwillige, oder Gedungne, Und leibeigene Knechte? Wie konnt' er doch dieſes vollenden! Dann erzaͤhle mir auch aufrichtig, damit ich es wiſſe:645 Brauchte der Juͤngling Gewalt, dir das ſchwarze Schiff zu entreißen; Oder gabſt du es ihm gutwillig, als er dich anſprach?

Aber Fronios Sohn Noaͤmon ſagte dagegen: Selber gab ich es ihm! Wie wuͤrd 'ein Anderer handeln, Wenn ihn ein ſolcher Mann, mit ſo bekuͤmmertem Herzen,650 Baͤte? Es waͤre ja ſchwer, ihm ſeine Bitte zu weigern! Aber die Juͤnglinge waren die Tapferſten unſeres Volkes, Die ihm folgten; es ging mit dieſen, als Fuͤhrer des Schiffes, Mentor, oder ein Gott, der jenen gleich an Geſtalt war. Aber das wundert mich: ich ſah den treflichen Mentor655 Geſtern Morgen noch hier, und damals fuhr er gen Puͤlos!

Alſo ſprach Noaͤmon, und ging zum Hauſe des Vaters. Aber den beiden wuͤhlte der Schmerz in der ſtolzen Seele. 88Oduͤßee. Und die Freier verließen ihr Spiel, und ſezten ſich nieder. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung,660 Gluͤhend vor Zorn; ihm ſchwoll von ſchwarzer ſtroͤmender Galle Hoch die Bruſt, und den Augen entfunkelte ſtralendes Feuer:

Wahrlich ein großes Werk hat Taͤlemachos kuͤhnlich vollendet! Dieſe Reiſe! Wir dachten, er wuͤrde ſie nimmer vollenden; Und troz allen entwiſcht er, der junge Knabe, wie ſpielend,665 Ruͤſtet ein Schiff, und waͤhlt ſich die tapferſten Maͤnner im Volke! Der verſpricht uns hinfort erſt Unheil! Aber ihm tilge Zeus die mutige Kraft, bevor er uns Schaden bereitet! Auf! und gebt mir ein ruͤſtiges Schiff und zwanzig Gefaͤhrten, Daß ich dem Reiſenden ſelbſt auflaure, wann er zuruͤckkehrt,670 In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos; Daß die Fahrt nach dem Vater ein jaͤmmerlich Ende gewinne!

Alſo ſprach er; ſie lobten ihn all', und reizten ihn ſtaͤrker, Standen dann auf, und gingen ins Haus des edlen Oduͤßeus.

Paͤnelopeia blieb nicht lang 'unkundig des Rathes,675 Welchen die Freier jezt in tuͤckiſcher Seele beſchloßen. Denn ihr verkuͤndete Medon, der Herold, welcher den Rathſchluß Außer dem Hauſe belauſcht, als jene ſich drinnen beſprachen. Schnell durcheilt 'er die Burg, und brachte der Koͤnigin Botſchaft. Als er die Schwelle betrat, da fragt' ihn Paͤnelopeia:680

Herold, ſage, warum dich die ſtolzen Freier geſendet! Etwa daß du den Maͤgden des hohen Oduͤßeus befehleſt, Von der Arbeit zu ruhn, und ihnen das Mahl zu bereiten? Moͤchten die trozigen Freier ſich niemals wieder verſammeln, Sondern ihr leztes Mahl, ihr leztes! heute genießen! 685Die ihr hier taͤglich in Schaaren das große Vermoͤgen hinabſchlingt,89Vierter Geſang. Alle Guͤter des klugen Taͤlemachos! Habt ihr denn niemals, Als ihr noch Kinder wart, von euren Vaͤtern gehoͤret, Wie ſich gegen ſein Volk Oduͤßeus immer betragen, Wie er keinem ſein Recht durch Thaten oder durch Worte690 Jemals gekraͤnkt? da ſonſt der maͤchtigen Koͤnige Brauch iſt, Daß ſie einige Menſchen verfolgen, und andre hervorziehn? Aber nie hat Oduͤßeus nach blindem Duͤnkel gerichtet; Und ihr zeiget euch ganz in eurer boͤſen Geſinnung, Da ihr mit Undank nun ſo viel Wohlthaten vergeltet! 695

Ihr antwortete drauf der gute verſtaͤndige Medon: Koͤnigin, waͤre doch dieſes von allen das aͤußerſte Uebel! Aber ein groͤßeres noch und weit furchtbareres Ungluͤck Hegen die Freier im Sinne, das Zeus Kronion verhuͤte! Deinen Taͤlemachos trachten ſie jezt mit dem Schwerte zu toͤdten,700 Wenn er zur Heimat kehrt. Er forſcht nach Kunde vom Vater In der heiligen Puͤlos, und Lakedaimon der großen.

Sprachs; und Paͤnelopeien erzitterten Herz und Kniee. Lange vermochte ſie nicht, Ein Wort zu reden; die Augen Wurden mit Thraͤnen erfuͤllt, und athmend ſtockte die Stimme. 705Endlich erholte ſie ſich, und gab ihm dieſes zur Antwort:

Sage mir, Herold, warum mein Sohn denn reiſet! Was zwingt ihn, Sich auf die hurtigen Schiffe zu ſezen, auf welchen die Maͤnner, Wie mit Roßen des Meers, das große Waßer durcheilen? Will er, daß auch ſein Name vertilgt ſei unter den Menſchen? 710

Ihr antwortete drauf der gute verſtaͤndige Medon: Fuͤrſtin, ich weiß es nicht, ob ihn ein Himmliſcher antrieb, Oder ſein eigenes Herz, nach Puͤlos zu ſchiffen, um Kundſchaft Von dem Vater zu ſuchen, der Heimkehr oder des Todes.

90Oduͤßee.

Als er dieſes geſagt, durcheilt 'er die Wohnung Oduͤßeus. 715Seelenangſt umſtroͤmte die Koͤnigin: ach! ſie vermochte Nicht auf den Stuͤhlen zu ruhn, ſo viel in der Kammer auch waren; Sondern ſank auf die Schwelle des ſchimmerreichen Gemaches Lautwehklagend dahin; und um ſie jammerten alle Maͤgde, jung und alt, ſo viel im Hauſe nur waren. 720Und mit heftigem Schluchzen begann izt Paͤnelopeia:

O Geliebte, mich waͤhlten vor allen Weibern der Erde, Welche mit mir erwuchſen, die Goͤtter zum Ziele des Jammers! Erſt verlor ich deu tapfern Gemahl, den loͤwenbeherzten, Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geſchmuͤckt war,725 Tapfer und weitberuͤhmt von Hellas bis mitten in Argos! Und nun raubten mir meinen geliebten Sohn die Orkane Unberuͤhmt aus dem Hauſ ', und ich hoͤrte nichts von der Abfahrt! Ungluͤckſelige Maͤdchen, wie konntet ihr alle ſo hart ſein, Daß ihr nicht aus dem Bette mich wecktet, da ihr es wußtet,730 Als er von hinnen fuhr im ſchwarzen gebogenen Schiffe! Haͤtt 'ich es nur gemerkt, daß er die Reiſe beſchloßen; Wahrlich er waͤre geblieben, wie ſehr auch ſein Herz ihn dahintrieb, Oder er haͤtte mich todt in dieſem Hauſe verlaßen! Aber man rufe geſchwinde mir meinen Diener, den alten735 Dolios, welchen mein Vater mir mitgab, als ich hieherzog, Und der jezo die Baͤume des Gartens huͤtet; damit er, Hin zu Laertaͤs eilend, ihm dieſes alles verkuͤnde! Jener moͤchte vielleicht ſich eines Rathes beſinnen, Und wehklagend zum Volke hinausgehn, welches nun trachtet,740 Sein und des goͤttlichen Helden Oduͤßeus Geſchlecht zu vertilgen!

Ihr antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia:91Vierter Geſang. Liebe Tochter, toͤdte mich gleich mit dem grauſamen Erze, Oder laß mich im Hauſ '; ich kann es nicht laͤnger verſchweigen! Alles hab' ich gewußt! Ich gab ihm, was er verlangte,745 Speiſe und ſuͤßen Wein. Doch mußt 'ich ihm heilig geloben, Dir nichts eher zu ſagen, bevor zwoͤlf Tage vergangen, Oder du ihn vermißteſt, und hoͤrteſt von ſeiner Entfernung: Daß du nicht durch Thraͤnen dein ſchoͤnes Antliz entſtellteſt. Aber bade dich jezo, und leg' ein reines Gewand an,750 Geh hinauf in den Soͤller mit deinen Maͤgden, und flehe Pallas Athaͤnen, der Tochter des wetterleuchtenden Gottes. Dieſe wird ihn gewiß, auch ſelbſt aus dem Tode, erretten! Aber den Greis, den betruͤbten, betruͤbe nicht mehr! Unmoͤglich Iſt den ſeligen Goͤttern der Same des ArkeiſiadenV. 755.Laertaͤs Vater war Arkeiſios, ein Sohn von Zeus.755 Ganz verhaßt; ihm bleibt noch jemand, welcher beherſche Dieſen hohen Palaſt und rings die fetten Gefilde!

Alſo ſprach ſie, und ſtillte der Koͤnigin weinenden Jammer. Und ſie badete ſich, und legt 'ein reines Gewand an, Ging hinauf in den Soͤller, von ihren Maͤgden begleitet,760 Trug die heilige Gerſt 'im Korb', und flehte Athaͤnen:

Unbezwungene Tochter des wetterleuchtenden Gottes, Hoͤre mein Flehn: wo dir im Palaſte der weiſe Oduͤßeus Je von Rindern und Schafen die fetten Lenden verbrannt hat, Daß du, deßen gedenkend, den lieben Sohn mir erretteſt,765 Und zerſtreueſt die Freier voll uͤbermuͤtiger Bosheit!

Alſo flehte ſie jammernd; ihr Flehn erhoͤrte die Goͤttin. Aber nun laͤrmten die Freier umher in dem ſchattichten Saale. 92Oduͤßee. Unter dem Schwarme begann ein uͤbermuͤtiger Juͤngling:

Sicher bereitet ſich jezo die ſchoͤne Fuͤrſtin zur Hochzeit,770 Und denkt nicht an den Tod, der ihrem Sohne bevorſteht!

Alſo ſprachen die Freier, und wußten nicht, was geſchehn war. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:

Ungluͤckſelige, meidet die uͤbermuͤtigen Reden Allzumal, damit uns im Hauſe keiner verrathe! 775Laßt uns jezo vielmehr ſo ſtill aufſtehen, den Rathſchluß Auszufuͤhren, den eben die ganze Verſammlung gebilligt!

Alſo ſprach er, und waͤhlte ſich zwanzig tapfere Maͤnner. Und ſie eilten zum ruͤſtigen Schiff am Strande des Meeres: Zogen zuerſt das Schiff hinab ins tiefe Gewaͤßer,780 Trugen den Maſt hinein und die Segel des ſchwaͤrzlichen Schiffes; Haͤngten darauf die Ruder in ihre ledernen Wirbel, Alles wie ſichs gebuͤhrt, und ſpannten die ſchimmernden Segel. Ihre Ruͤſtungen brachten die uͤbermuͤtigen Diener. Und ſie ſtellten das Schiff im hohen Waßer des Hafens,785 Stiegen hinein, und nahmen das Mahl, und harrten der Daͤmmrung.

Aber Paͤnelopeia im oberen Soͤller des Hauſes Legte ſich hin, nicht Trank noch Speiſe koſtend, bekuͤmmert: Ob ihr treflicher Sohn entfloͤhe dem Todesverhaͤngniß, Oder ob ihn die Schaar der trozigen Freier beſiegte. 790Wie im Getuͤmmel der Maͤnner die zweifelnde Loͤwin umherblickt, Voller Furcht, denn rings umgeben ſie laurende Jaͤger: Alſo ſann ſie voll Angſt. Doch ſanft umfing ſie der Schlummer, Und ſie entſchlief hinſinkend, es loͤſten ſich alle Gelenke.

Aber ein Neues erſann die heilige Pallas Athaͤnaͤ:795 Siehe, ein Luftgebild erſchuf ſie in weiblicher Schoͤnheit,93Vierter Geſang. Gleich Iſthimen, des großgeſinnten Ikarios Tochter, Deren Gemahl Eumaͤlos die Flur um Ferai beherſchte. Dieſe ſandte die Goͤttin zum Hauſe des edlen Oduͤßeus, Daß ſie Paͤnelopeia, die jammernde, herzlichbetruͤbte,800 Ruhen ließe vom Weinen, und ihrer zagenden Schwermut. Und ſie ſchwebt 'in die Kammer hinein beim Riemen des Schloßes, Neigte ſich uͤber das Haupt der ruhenden Fuͤrſtin, und ſagte:

Schlaͤfſt du, Paͤnelopeia, du arme herzlichbetruͤbte? Wahrlich ſie wollen es nicht, die ſeligen Goͤtter des Himmels,805 Daß du weinſt und traureſt! Denn wiederkehren zur Heimat Soll dein Sohn; er hat ſich mit nichts an den Goͤttern verſuͤndigt.

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia, Aus der ſuͤßen Betaͤubung im ſtillen Thore der Traͤume:

Warum kamſt du hieher, o Schweſter? Du haſt mich ja nimmer810 Sonſt beſucht; denn fern iſt deine Wohnung von hinnen! Jezo ermahnſt du mich, zu ruhn von meiner Betruͤbniß, Und von der ſchrecklichen Angſt, die meine Seele belaſtet: Mich, die den tapfern Gemahl verlor, den loͤwenbeherzten, Der mit jeglicher Tugend vor allen Achaiern geſchmuͤckt war,815 Tapfer und weitberuͤhmt von Hellas bis mitten in Argos! Und nun ging mein Sohn, mein geliebter, im Schiffe von hinnen, Noch unmuͤndig, und ungeuͤbt in Thaten und Worten! Dieſen bejammre ich jezo noch mehr, als meinen Oduͤßeus! Dieſem erzittert mein Herz, und fuͤrchtet, daß ihn ein Unfall820 Treffe, unter dem Volk, wo er hinfaͤhrt, oder im Meere! Denn es lauren auf ihn viel boͤſe Menſchen, und trachten Ihn zu ermorden, bevor er in ſeine Heimat zuruͤckkehrt!

Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort:94Oduͤßee. Vierter Geſang. Sei getroſt, und entreiße dein Herz der bangen Verzweiflung! 825Eine ſolche Gefaͤhrtin begleitet ihn, deren Geſellſchaft Andere Maͤnner gewiß gern wuͤnſchten, die maͤchtige Goͤttin Pallas Athaͤnaͤ, die ſich, o Traurende, deiner erbarmet! Dieſe ſendet mich jezo, damit ich dir ſolches verkuͤnde.

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:830 Biſt du der Goͤttinnen eine, und hoͤrteſt die Stimme der Goͤttin; O ſo erzaͤhle mir auch das Schickſal jenes Verfolgten! Lebt er noch irgendwo, das Licht der Sonne noch ſchauend? Oder iſt er ſchon todt, und in der Schatten Behauſung?

Und die dunkle Geſtalt der Schweſter gab ihr zur Antwort:835 Dieſes kann ich dir nicht genau verkuͤnden, ob jener Todt ſei, oder noch lebe; und Eitles ſchwazen iſt unrecht.

Alſo ſprach die Geſtalt, und verſchwand beim Schloße der Pforte In ſanftwehende Luft. Da fuhr Ikarios Tochter Schnell aus dem Schlummer empor, und freute ſich tief in der Seele,840 Daß ihr ein deutender Traum in der Morgendaͤmmrung erſchienen.

Aber die Freier im Schiffe befuhren die fluͤßigen Pfade, Um den grauſamen Mord Taͤlemachos auszufuͤhren. Mitten im Meere liegt ein kleines felſichtes Eiland, In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos,845 Aſteris wird es genannt, wo ein ſicherer Hafen die Schiffe Mit zween Armen empfaͤngt. Hier laurten auf ihn die Achaier.

95

Oduͤßee. Fuͤnfter Geſang.

Und die roſige Fruͤhe entſtieg des edlen Tithonos Lager, und brachte das Licht den Goͤttern und ſterblichen Menſchen. Aber die Goͤtter ſaßen zum Rathe verſammelt; mit ihnen Saß der Donnerer Zeus, der alle Dinge beherſchet. Und Athaͤnaͤ gedachte der vielen Leiden Oduͤßeus,5 Welchen Kaluͤpſo hielt, und ſprach zu der Goͤtter Verſammlung:

Vater Zeus, und ihr andern, unſterbliche ſelige Goͤtter, Kuͤnftig befleiße ſich keiner der zepterfuͤhrenden Herſcher, Huldreich, mild und gnaͤdig zu ſein, und die Rechte zu ſchuͤzen; Sondern er wuͤte nur ſtets, und frevle mit grauſamer Seele! 10Niemand erinnert ſich ja des goͤttergleichen Oduͤßeus Von den Voͤlkern, die er mit Vaterliebe beherſchte! Sondern er liegt in der Inſel, mit großem Kummer belaſtet, In dem Hauſe der Nuͤmfe Kaluͤpſo, die mit Gewalt ihn Haͤlt; und wuͤnſchet umſonſt, die Heimat wiederzuſehen:15 Denn es gebricht ihm dort an Ruderſchiffen und Maͤnnern, Ueber den breiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten. Jezo beſchloßen ſie gar des einzigen Sohnes Ermordung, Wann er zur Heimat kehrt; er forſcht nach Kunde vom Vater In der goͤttlichen Puͤlos und Lakedaimon der großen. 20

96Oduͤßee.

Ihr antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen? Haſt du nicht ſelber den Rath in deinem Herzen erſonnen, Daß heimkehrend jenen Oduͤßeus Rache vergelte? Aber Taͤlemachos fuͤhre mit Sorgfalt, denn du vermagſt es:25 Daß er ohne Gefahr ſein heimiſches Ufer erreiche, Und die Freier im Schiffe vergebens wieder zuruͤckziehn.

Sprachs, und redete drauf zu ſeinem Sohne Hermeias: Hermaͤs, meiner Gebote Verkuͤndiger, melde der Nuͤmfe Mit ſchoͤnwallenden Locken der Goͤtter heiligen Rathſchluß30 Ueber den leidengeuͤbten Oduͤßeus! Er kehre von dannen Ohne der Goͤtter Geleit, und ohne der ſterblichen Menſchen! Einſam, im vielgebundenen Floß, von Schrecken umſtuͤrmet, Komm 'er am zwanzigſten Tage zu Scheria's fruchtbaren Auen,V. 34.Scheria iſt der alte Name von Corcyra oder Korſu. In das gluͤckliche Land der goͤtternahen Faiaken! 35Dieſe werden ihn hoch, wie einen Unſterblichen, ehren, Und ihn ſenden im Schiffe zur lieben heimiſchen Inſel, Reichlich mit Erz und Golde beſchenkt und praͤchtigen Kleidern, Mehr als jemals der Held von Ilion haͤtte gefuͤhret, Waͤr 'er auch ohne Schaden mit ſeiner Beute gekommen! 40Alſo gebeut ihm das Schickſal, die Freunde wiederzuſchauen, Und den hohen Palaſt und ſeiner Vaͤter Gefilde!

Alſo ſprach Kronion. Der ruͤſtige Argosbeſieger Eilte ſofort, und band ſich unter die Fuͤße die ſchoͤnen Goldnen ambroſiſchen Solen, womit er uͤber die Waßer45 Und das unendliche Land im Hauche des Windes einherſchwebt. 97Fuͤnfter Geſang. Hierauf nahm er den Stab, womit er die Augen der Menſchen Zuſchließt, welcher er will, und wieder vom Schlummer erwecket. Dieſen hielt er und flog, der tapfere Argosbeſieger, Stand auf Pieria ſtill, und ſenkte ſich ſchnell aus dem AetherV. 50.Pieria, ein Berg in Mazedonien.50 Nieder aufs Meer, und ſchwebte dann uͤber die Flut, wie die Mewe, Die um furchtbare Buſen des ungebaͤndigten Meeres Fiſche faͤngt, und ſich oft die fluͤchtigen Fittige nezet: Alſo beſchwebte Hermeias die weithinwallende Flaͤche. Als er die ferne Inſel Oguͤgia jezo erreichte,55 Stieg er aus dem Gewaͤßer des dunkeln Meeres ans Ufer, Wandelte fort, bis er kam zur weiten Grotte der Nuͤmfe Mit ſchoͤnwallenden Locken, und fand die Nuͤmfe zu Hauſe. Vor ihr brannt 'auf dem Heerd' ein großes Feuer, und fernhin Wallte der liebliche Duft vom brennenden Holze der Zeder60 Und des Zitronenbaums. Sie ſang mit melodiſcher Stimme, Aemſig ein ſchoͤnes Gewebe mit goldener Spule zu wirken. Rings um die Grotte wuchs ein Hain voll gruͤnender Baͤume, Pappelweiden und Erlen und duͤftereicher Zipreßen. Unter dem Laube wohnten die breitgefiederten Voͤgel,65 Eulen und Habichte und breitzuͤngichte Waßerkraͤhen, Welche die Kuͤſte des Meers mit gierigem Blicke beſtreifen. Um die gewoͤlbete Grotte des Felſens breitet 'ein Weinſtock Seine ſchattenden Ranken, behaͤngt mit purpurnen Trauben. Und vier Quellen ergoßen ihr ſilberblinkendes Waßer,70 Eine nahe der andern, und ſchlaͤngelten hierhin und dorthin. Wieſen gruͤnten umher, mit Klee bewachſen und Eppich. G98Oduͤßee. Selbſt ein unſterblicher Gott verweilete, wann er vorbeiging, Voll Verwunderung dort, und freute ſich herzlich des Anblicks. Voll Verwunderung ſtand der ruͤſtige Argosbeſieger;75 Und nachdem er alles in ſeinem Herzen bewundert, Ging er eilend hinein in die ſchoͤngewoͤlbete Grotte. Ihn erkannte ſogleich die hehre Goͤttin Kaluͤpſo: Denn die unſterblichen Goͤtter verkennen nimmer das Antliz Eines anderen Gottes, und wohnt 'er auch ferne von dannen. 80Aber nicht Oduͤßeus den herlichen fand er zu Hauſe; Weinend ſaß er am Ufer des Meers. Dort ſaß er gewoͤhnlich, Und zerquaͤlte ſein Herz mit Weinen und Seufzen und Jammern, Und durchſchaute mit Thraͤnen die große Wuͤſte des Meeres. Aber dem Kommenden ſezte die hehre Goͤttin Kaluͤpſo85 Einen praͤchtigen Thron von ſtralender Arbeit, und fragte:

Warum kamſt du zu mir, du Gott mit goldenem Stabe, Hermaͤs, geehrter, geliebter? Denn ſonſt beſuchſt du mich niemals. Sage, was du verlangſt; ich will es gerne gewaͤhren, Steht es in meiner Macht, und ſind es moͤgliche Dinge. 90Aber komm doch naͤher, daß ich dich gaſtlich bewirte.

Alſo ſprach Kaluͤpſo, und ſezte dem Gotte die Tafel Voll Ambroſia vor, und miſchte roͤthlichen Nektar. Und nun er und trank, der ruͤſtige Argosbeſieger. Und nachdem er gegeßen, und ſeine Seele gelabet;95 Da begann er und ſprach zur hehren Goͤttin Kaluͤpſo:

Fragſt du, warum ich komme, du Goͤttin den Gott? Ich will dir Dieſes alles genau verkuͤndigen, wie du befiehleſt. Zeus gebot mir hieher, ohn 'meinen Willen, zu wandern! Denn wer ginge wohl gern durch dieſes ſalzigen Meeres10099Fuͤnfter Geſang. Unermeßliche Flut? Ringsum iſt keine der Staͤdte, Wo man die Goͤtter mit Opfern und Hekatomben begruͤßet! Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln. Dieſer ſagt, es weile der Ungluͤckſeligſte aller105 Maͤnner bei dir, die Priamos Stadt neun Jahre bekaͤmpften, Und am zehnten darauf mit Ilions Beute zur Heimat Kehreten, aber Athaͤnaͤ durch Mißethaten erzuͤrnten, Daß ſie die Goͤttin mit Sturm und hohen Fluten verfolgte. Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund;110 Aber er ſelbſt kam hier, von Sturm und Woge geſchleudert. Jezo gebeut dir der Gott, daß du ihn eilig entlaßeſt. Denn ihm ward nicht beſtimmt, hier fern von den Seinen zu ſterben; Sondern ſein Schickſal iſt, die Freunde wiederzuſchauen, Und ſein praͤchtiges Haus, und ſeiner Vaͤter Gefilde. 115

Als er es ſprach, da erſchrak die hehre Goͤttin Kaluͤpſo. Und ſie redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Grauſam ſeid ihr vor allen und neidiſches Herzens, o Goͤtter! Jeglicher Goͤttin verargt ihr die oͤffentliche Vermaͤhlung Mit dem ſterblichen Manne, den ſie zum Gatten erkohren. 120Als den ſchoͤnen Orion die roſenarmige Aeos Raubte, da zuͤrnetet ihr ſo lang ', ihr ſeligen Goͤtter, Bis in Ortuͤgia ihn die goldenthronende Jungfrau Artemis ploͤzlich erlegte mit ihrem ſanften Geſchoße. Als in Jaſions Arm die ſchoͤngelockte Daͤmaͤtaͤr,V. 125.Daͤmaͤtaͤr, Ceres125 Ihrem Herzen gehorchend, auf dreimalgeackertem Saatfeld100Oduͤßee. Seliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die Umarmung Zeus, und erſchlug ihn im Zorne mit ſeinem flammenden Donner! Alſo verargt ihr auch mir des ſterblichen Mannes Gemeinſchaft, Den ich vom Tode gewann, als er auf zertruͤmmertem Kiele130 Einſam trieb; denn ihm hatte der Gott hochrollender Donner Mitten im Meere ſein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert. Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken ihm dort in den Abgrund; Aber er ſelbſt kam hier von Sturm und Woge geſchleudert. Freundlich nahm ich ihn auf, und reicht 'ihm Nahrung, und ſagte135 Ihm Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend. Aber kein Himmliſcher mag dem wetterleuchtenden Gotte Zeus entgegen ſich ſtellen, noch ſeinen Willen vereiteln. Moͤg 'er denn gehn, wo ihn des Herſchers Wille hinwegtreibt, Ueber das wilde Meer! Doch ſenden werd' ich ihn nimmer;140 Denn mir gebricht es hier an Ruderſchiffen und Maͤnnern, Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten. Aber ich will ihm mit Rath beiſtehn, und nichts ihm verhehlen; Daß er ohne Gefahr die Heimat wieder erreiche.

Ihr antwortete drauf der ruͤſtige Argosbeſieger:145 Send 'ihn alſo von hinnen, und ſcheue den großen Kronion, Daß dich der Zuͤrnende nicht mit ſchrecklicher Rache verfolge!

Alſo ſprach er und ging, der tapfere Argosbeſieger. Aber Kaluͤpſo eilte zum großgeſinnten Oduͤßeus, Als die heilige Nuͤmfe Kronions Willen vernommen. 150Dieſer ſaß am Geſtade des Meers, und weinte beſtaͤndig. Ach! in Thraͤnen verrann ſein ſuͤßes Leben, voll Sehnſucht Heimzukehren: denn lange nicht mehr gefiel ihm die Nuͤmfe; Sondern er ruhte des Nachts in ihrer gewoͤlbeten Grotte101Fuͤnfter Geſang. Ohne Liebe bei ihr, ihn zwang die liebende Goͤttin;155 Aber des Tages ſaß er auf Felſen und ſandigen Huͤgeln, Und zerquaͤlte ſein Herz mit Weinen und Seufzen und Jammern Und durchſchaute mit Thraͤnen die große Wuͤſte des Meeres. Jezo nahte ſich ihm und ſprach die herliche Goͤttin:

Armer, ſei mir nicht immer ſo traurig, und haͤrme dein Leben160 Hier nicht ab; ich bin ja bereit, dich von mir zu laßen. Haue zum breiten Floß dir hohe Baͤume, verbinde Dann die Balken mit Erz, und oben befeſtige Bretter; Daß er uͤber die Wogen des dunkeln Meeres dich trage. Siehe dann will ich dir Brot und Waßer reichen, und rothen165 Herzerfreuenden Wein, damit dich der Hunger nicht toͤdte; Dich mit Kleidern umhuͤllen, und guͤnſtige Winde dir ſenden: Daß du ohne Gefahr die Heimat wieder erreicheſt, Wenn es die Goͤtter geſtaten, des weiten Himmels Bewohner, Welche hoͤher als ich an Weisheit ſind und an Staͤrke. 170

Als ſie es ſprach, da erſchrak der herliche Dulder Oduͤßeus. Und er redte ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Wahrlich du denkſt ein andres, als mich zu ſenden ', o Goͤttin, Die du mich heißeſt, im Floße des unermeßlichen Meeres Furchtbare Flut zu durchfahren, die ſelbſt kein kuͤnſtlichgebautes175 Ruͤſtiges Schiff durchfaͤhrt, vom Winde Gottes erfreuet! Nimmer beſteig 'ich den Floß ohn deinen Willen, o Goͤttin, Du willfahreſt mir denn, mit hohem Schwur zu geloben, Daß du bei dir nichts andres zu meinem Verderben beſchließeſt!

Sprachs; und laͤchelnd vernahm es die hehre Goͤttin Kaluͤpſo,180 Streichelte ihn mit der Hand, und ſprach die freundlichen Worte:

Wahrlich du biſt doch ein Schalk, und unermuͤdet an Vorſicht:102Oduͤßee. So bedachtſam und ſchlau iſt alles, was du geredet! Nun mir zeuge die Erde, der weite Himmel dort oben, Und die ſtuͤgiſchen Waßer der Tiefe; welches der groͤßte185 Furchtbarſte Eidſchwur iſt fuͤr alle unſterblichen Goͤtter: Daß ich bei mir nichts anders zu deinem Verderben beſchließe! Sondern ich denke ſo und rede, wie ich mir ſelber Suchen wuͤrde zu rathen, waͤr 'ich in gleicher Bedraͤngniß! Denn ich denke gewiß nicht ganz unbillig, und trage190 Nicht im Buſen ein Herz von Eiſen, ſondern voll Mitleid!

Alſo ſprach ſie, und ging, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, Eilend voran, und er folgte den Schritten der wandelnden Goͤttin. Und ſie kamen zur Grotte, die Goͤttin und ihr Geliebter. Alda ſezte der Held auf den Thron ſich nieder, auf welchem195 Hermaͤs hatte geſeßen. Ihm reichte die heilige Nuͤmfe Allerlei Speiſ 'und Trank, was ſterbliche Maͤnner genießen; Sezte ſich dann entgegen dem goͤttergleichen Oduͤßeus, Und Ambroſia reichten ihr Dienerinnen und Nektar. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. 200Als ſie jezo ihr Herz mit Trank und Speiſe geſaͤttigt; Da begann das Geſpraͤch die hehre Goͤttin Kaluͤpſo:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Alſo willſt du mich nun ſo bald verlaßen, und wieder In dein geliebtes Vaterland gehn? Nun Gluͤck auf die Reiſe! 205Aber wuͤßte dein Herz, wie viele Leiden das Schickſal Dir zu dulden beſtimmt, bevor du zur Heimat gelangeſt; Gerne wuͤrdeſt du bleiben, mit mir die Grotte bewohnen, Und ein Unſterblicher ſein: wie ſehr du auch wuͤnſcheſt, die Gattin Wiederzuſehn, nach welcher du ſtets ſo herzlich dich ſehneſt! 210103Fuͤnfter Geſang. Glauben darf ich doch wohl, daß ich nicht ſchlechter als ſie bin, Weder an Wuchs noch Bildung! Wie koͤnnten ſterbliche Weiber Mit unſterblichen ſich an Geſtalt und Schoͤnheit vergleichen?

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Zuͤrne mir darum nicht, ehrwuͤrdige Goͤttin! Ich weiß es215 Selber zu gut, wie ſehr der klugen Paͤnelopeia Reiz vor deiner Geſtalt und erhabenen Groͤße verſchwindet; Denn ſie iſt nur ſterblich, und dich ſchmuͤckt ewige Jugend. Aber ich wuͤnſche dennoch und ſehne mich taͤglich von Herzen, Wieder nach Hauſe zu gehn, und zu ſchaun den Tag der Zuruͤckkunft. 220Und verfolgt mich ein Gott im dunkeln Meere, ſo will ichs Dulden; mein Herz im Buſen iſt laͤngſt zum Leiden gehaͤrtet! Denn ich habe ſchon vieles erlebt, ſchon vieles erduldet, Schrecken des Meers und des Kriegs: ſo mag auch dieſes geſchehen!

Alſo ſprach er; da ſank die Sonne, und Dunkel erhob ſich. 225Beide gingen zur Kammer der ſchoͤngewoͤlbeten Grotte, Und genoßen der Lieb ', und ruheten neben einander.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Da bekleidete ſich Oduͤßeus mit Mantel und Leibrock. Aber die Nuͤmfe zog ihr ſilberfarbnes Gewand an,230 Fein und zierlichgewebt; und ſchlang um die Huͤfte den Guͤrtel, Schoͤn mit Golde geſtickt; und ſchmuͤckte das Haupt mit dem Schleier. Eilend beſorgte ſie jezo die Reiſe des edlen Oduͤßeus: Gab ihm die maͤchtige Axt, von gehaͤrteten Erze geſchmiedet, Unten und oben geſchaͤrft, und ſicheres Schwunges, und drinnen235 War ein zierlicher Stiel von Olivenholze befeſtigt; Gab ihm auch ein geſchliffenes Beil, und fuͤhret 'ihn jezo An der Inſel Geſtade voll hoher ſchattender Baͤume,104Oduͤßee. Pappelweiden und Erlen und wolkenberuͤhrender Tannen. Viele waren von Alter verdorrt, und leichter zur Schiffahrt. 240Als ſie den Ort ihm gezeigt, voll hoher ſchattender Baͤume; Kehrte ſie heim zur Grotte, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo.

Und er faͤllte die Baͤum ', und vollendete hurtig die Arbeit. Zwanzig ſtuͤrzt' er in allem, umhaute mit eherner Axt ſie, Schlichtete ſie mit dem Beil, und nach dem Maaße der Richtſchnur. 245Jezo brachte ſie Bohrer, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo. Und er bohrte die Balken, und fuͤgte ſie wohl an einander, Und verband nun den Floß mit ehernen Naͤgeln und Klammern. Von der Groͤße, wie etwa ein kluger Meiſter im Schiffbau Zimmern wuͤrde den Boden des breiten geraͤumigen Laſtſchiffs,250 Baute den breiten Floß der erfindungsreiche Oduͤßeus. Nun umſtellt 'er ihn dicht mit Pfaͤlen, heftete Bohlen Ringsherum, und ſchloß das Verdeck mit langen Brettern. Drinnen erhob er den Maſt, von der Segelſtange durchkreuzet. Endlich zimmert' er ſich ein Steuer, die Fahrt zu lenken. 255Beide Seiten des Floßes beſchirmt 'er mit weidenen Flechten Gegen die rollende Flut; und fuͤllte den Boden mit Ballaſt. Jezo brachte ſie Tuͤcher, die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, Segel davon zu ſchneiden; auch dieſe bereitet' er kuͤnſtlich; Band die Taue des Maſtes und ſegelwendenden Seile;260 Waͤlzte darauf mit Hebeln den Floß in die heilige Meersflut.

Jezt war der vierte Tag, an dem ward alles vollendet. Und am fuͤnften entließ ihn die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, Friſchgebadet, und angethan mit duftenden Kleidern. Und ſie legt 'in den Floß zween Schlaͤuche, voll ſchwaͤrzliches Weines265 Einen, und einen großen voll Waßer; und gab ihm zur Zehrung105Fuͤnfter Geſang. Einen geflochtenen Korb voll herzerfreuender Speiſen; Ließ dann leiſe vor ihm ein laues Luͤftchen einherwehn. Freudig ſpannte der Held im Winde die ſchwellenden Segel. Und nun ſezt 'er ſich hin ans Ruder, und ſteuerte kuͤnſtlich270 Ueber die Flut. Ihm ſchloß kein Schlummer die wachſamen Augen, Auf die Pleiaden gerichtet, und auf Bootaͤs, der langſam Untergeht, und den Baͤren, den andre den Wagen benennen, Welcher im Kreiſe ſich dreht, den Blick nach Orion gewendet, Und allein von allen ſich nimmer im Ozean badet. 275Denn beim Scheiden befahl ihm die hehre Goͤttin Kaluͤpſo, Daß er auf ſeiner Fahrt ihn immer zur Linken behielte. Siebzehn Tage befuhr er die ungeheuren Gewaͤßer. Am achzehnten erſchienen die fernen ſchattigen Berge Von dem faiakiſchen Lande, denn dieſes lag ihm am naͤchſten;280 Dunkel erſchienen ſie ihm, wie ein Schild, im Nebel des Meeres.

Jezo kam aus dem Lande der Aithiopen Poſeidon, Und erblickte fern von der Soluͤmer Bergen Oduͤßeus,V. 283.Die Soluͤmer waren die alten Bewohner Piſidiens in Kleinaſien. Welcher die Wogen befuhr. Da ergrimmt 'er noch ſtaͤrker im Geiſte, Schuͤttelte zuͤrnend ſein Haupt, und ſprach in der Tiefe des Herzens:285

Himmel, es haben gewiß die Goͤtter ſich uͤber Oduͤßeus Anders entſchloßen, da ich die Aithiopen beſuchte! Siehe da naht er ſich ſchon dem faiakiſchen Lande, dem großen Heiligen Ziele der Leiden, die ihm das Schickſal beſtimmt hat! Aber ich meine, er ſoll mir noch Jammer die Fuͤlle beſtehen! 290

Alſo ſprach er, verſammelte Wolken, und regte das Meer auf, Mit dem erhobenen Dreizack; rief izt allen Orkanen Aller Enden zu toben, verhuͤllt 'in dicke Gewoͤlke106Oduͤßee. Meer und Erde zugleich; und dem duͤſtern Himmel entſank Nacht. Unter ſich ſtuͤrmten der Oſt und der Suͤd und der ſauſende Weſtwind,295 Auch der hellfrierende Nord, und waͤlzte gewaltige Wogen. Und dem edlen Oduͤßeus erzitterten Herz und Kniee; Tiefaufſeufzend ſprach er zu ſeiner erhabenen Seele:

Weh mir, ich elender Mann! Was werd 'ich noch endlich erleben! Ach ich fuͤrchte, die Goͤttin hat lauter Wahrheit geweißagt,300 Die mir im wilden Meere, bevor ich zur Heimat gelangte, Leiden die Fuͤlle verhieß! Das wird nun alles erfuͤllet! Ha! wie fuͤrchterlich Zeus den ganzen Himmel in Wolken Huͤllt, und das Meer aufregt! Wie ſauſen die wuͤtenden Stuͤrme Aller Enden daher! Nun iſt mein Verderben entſchieden! 305Dreimal ſelige Griechen und viermal, die ihr in Troja's Weitem Gefilde ſankt, der Atreiden Ehre verfechtend! Waͤr 'ich doch auch geſtorben, und haͤtte die traurige Laufbahn An dem Tage vollendet, als mich, im Getuͤmmel der Troer, Eherne Lanzen umflogen, um unſern erſchlagnen Achilleus! 310Dann waͤr 'ich ruͤhmlich beſtatet, dann ſaͤngen mein Lob die Achaier! Aber nun iſt mein Loos, des ſchmaͤhlichen Todes zu ſterben!

Alſo ſprach er; da ſchlug die entſezliche Woge von oben Hochherdrohend herab, daß im Wirbel der Floß ſich herumriß: Weithin warf ihn der Schwung des erſchuͤtterten Floßes, und raubte315 Ihm aus den Haͤnden das Steur; und mit Einmal ſtuͤrzte der Maſtbaum Krachend hinab vor der Wut der fuͤrchterlich ſauſenden Windsbraut. Weithin flog in die Wogen die Stang 'und das flatternde Segel. Lange blieb er untergetaucht, und ſtrebte vergebens, Unter der ungeſtuͤm rollenden Flut ſich empor zu ſchwingen;320 Denn ihn beſchwerten die Kleider, die ihm Kaluͤpſo geſchenket. 107Fuͤnfter Geſang. Endlich ſtrebt 'er empor, und ſpie aus dem Munde das bittre Waßer des Meers, das ſtroͤmend von ſeiner Scheitel herabtroff. Dennoch vergaß er des Floßes auch ſelbſt in der ſchrecklichen Angſt nicht, Sondern ſchwung ſich ihm nach durch reißende Fluten, ergriff ihn,325 Sezte ſich wieder hinein, und entfloh dem Todesverhaͤngniß. Hiehin und dorthin trieben den Floß die Stroͤme des Meeres. Alſo treibt im Herbſte der Nord die verdorreten Dieſteln Durch die Gefilde dahin; ſie entfliehn in einander geklettet: Alſo trieben durchs Meer ihn die Winde bald hiehin bald dorthin. 330Jezo ſtuͤrmte der Suͤd ihn dem Nordſturm hin zum Verfolgen; Jezo ſandte der Oſt ihn dem brauſenden Weſte zum Spiele.

Aber Leukothea ſah ihn, die ſchoͤne Tochter des Kadmos, Ino, einſt ein Maͤdchen mit heller melodiſcher Stimme,V. 334.Ino, die Tochter Kadmos, hieß als Meergoͤttin Leukothea. S. Ramlers Kantate. Nun in den Fluten des Meers der goͤttlichen Ehre genießend. 335Und ſie erbarmete ſich des umhergeſchleuderten Mannes, Kam wie ein Waſſerhuhn empor aus der Tiefe geflogen, Sezte ſich ihm auf den Floß, und ſprach mit menſchlicher Stimme:

Armer, beleidigteſt du den Erderſchuͤttrer Poſeidon, Daß er ſo ſchrecklich zuͤrnend dir Jammer auf Jammer bereitet? 340Doch verderben ſoll er dich nicht, wie ſehr er auch eifre! Thu nur, was ich dir ſage; du ſcheinſt mir nicht unverſtaͤndig. Ziehe die Kleider aus, und laße den Floß in dem Sturme Treiben; ſpring in die Flut, und ſchwimme mit ſtrebenden Haͤnden An der Faiaken Land, alwo dir Rettung beſtimmt iſt. 345Da, umhuͤlle die Bruſt mit dieſem heiligen Schleier, Und verachte getroſt die drohenden Schrecken des Todes. 108Oduͤßee. Aber ſobald du das Ufer mit deinen Haͤnden beruͤhreſt, Loͤſe den Schleier ab, und wirf ihn ferne vom Ufer In das finſtere Meer, mit abgewendetem Antliz. 350

Alſo ſprach die Goͤttin, und gab ihm den heiligen Schleier; Fuhr dann wieder hinab in die hochaufwallende Woge, Aehnlich dem Waßerhuhn, und die ſchwarze Woge verſchlang ſie. Und nun ſann er umher, der herrliche Dulder Oduͤßeus; Tiefaufſeufzend ſprach er zu ſeiner erhabenen Seele:355

Weh mir! ich fuͤrchte, mich will der Unſterblichen einer von neuem Hintergehn, der mir vom Floße zu ſteigen gebietet! Aber noch will ich ihm nicht gehorchen; denn eben erblickt 'ich Ferne von hinnen das Land, wo jene mir Rettung gelobte. Alſo will ich es machen, denn dieſes ſcheint mir das Beßte! 360Weil die Balken noch feſt in ihren Banden ſich halten, Bleib 'ich hier, und erwarte mit duldender Seele mein Schickſal. Aber wann mir den Floß die Gewalt des Meeres zertruͤmmert, Dann will ich ſchwimmen; ich weiß mir ja doch nicht beßer zu rathen!

Als er ſolche Gedanken im zweifelnden Herzen bewegte,365 Siehe da ſandte Poſeidon, der Erdumſtuͤrmer, ein hohes Steiles ſchreckliches Waßergebirg '; und es ſtuͤrzt' auf ihn nieder. Und wie der ſtuͤrmende Wind in die trockene Spreu auf der Tenne Ungeſtuͤm faͤhrt, und im Wirbel ſie hiehin und dorthin zerſtreuet; Alſo zerſtreute die Flut ihm die Balken. Aber Oduͤßeus370 Schwung ſich auf einen, und ſaß, wie auf dem Roße der Reuter; Warf die Kleider hinweg, die ihm Kaluͤpſo geſchenket, Und umhuͤllte die Bruſt mit Ino's heiligem Schleier. Vorwaͤrts ſprang er hinab in das Meer, die Haͤnde verbreitet, Und ſchwamm eilend dahin. Da ſah ihn der ſtarke Poſeidon,375109Fuͤnfter Geſang. Schuͤttelte zuͤrnend ſein Haupt, und ſprach in der Tiefe des Herzens:

So, durchirre mir jezo, mit Jammer behaͤuft, die Gewaͤßer, Bis du die Menſchen erreichſt, die Zeus vor allen beſeligt! Aber ich hoffe, du ſollſt mir dein Leiden nimmer vergeſſen!

Alſo ſprach er, und trieb die Roße mit fliegender Maͤhne,380 Bis er gen Aigai kam, zu ſeiner glaͤnzenden Wohnung. V. 381.Aigai, wo Poſeidon verehrt wurde, lag an der Kuͤſte von Euͤb[]a.

Aber ein neues erſann Athaͤnaͤ, die Tochter Kronions. Eilend feßelte ſie den Lauf der uͤbrigen Winde, Daß ſie alle verſtummten, und hin zur Ruhe ſich legten; Und ließ ſtuͤrmen den Nord, und brach vor ihm die Gewaͤßer:385 Bis er zu den Faiaken, den ruderliebenden Maͤnnern, Kaͤme, der edle Oduͤßeus, entflohn dem Todesverhaͤngniß.

Schon zween Tage trieb er und zwo entſezliche Naͤchte In dem Getuͤmmel der Wogen, und ahndete ſtets ſein Verderben. Als nun die Morgenroͤthe des dritten Tages emporſtieg,390 Siehe da ruhte der Wind; von heiterer Blaͤue des Himmels Glaͤnzte die ſtille See. Und nahe ſah er das Ufer, Als er mit forſchendem Blick von der ſteigenden Welle dahinſah.

So erfreulich den Kindern des lieben Vaters Geneſung Kommt, der lange ſchon an brennenden Schmerzen der Krankheit395 Niederlag und verging, vom feindlichen Daͤmon gemartert; Aber ihn heilen nun zu ihrer Freude die Goͤtter: So erfreulich war ihm der Anblick des Landes und Waldes. Und er ſtrebte mit Haͤnden und Fuͤßen, das Land zu erreichen. Aber ſo weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden ſchallet,400 Hoͤrt 'er ein dumpfes Getoͤſe des Meers, das die Felſen beſtuͤrmte. 110Oduͤßee. Graunvoll donnerte dort an dem ſchroffen Geſtade die hohe Fuͤrchterlich ſtrudelnde Brandung, und weithin ſprizte der Meerſchaum. Keine Buchten empfingen, noch ſchirmende Reeden, die Schiffe; Sondern trozende Felſen und Klippen umſtarrten das Ufer. 405Und dem edlen Oduͤßeus erzitterten Herz und Kniee; Tiefaufſeufzend ſprach er zu ſeiner erhabenen Seele:

Weh mir! nachdem mich Zeus dies Land ohn alles Vermuten Sehen ließ, und ich jezo die ſtuͤrmenden Waßer durchkaͤmpfet; Oeffnet ſich nirgends ein Weg aus dem dunkelwogenden Meere! 410Zackichte Klippen thuͤrmen ſich hier, umtobt von der Brandung Brauſenden Strudeln, und dort das glatte Felſengeſtade! Und das Meer darunter iſt tief; man kann es unmoͤglich Mit den Fuͤßen ergruͤnden, um watend ans Land ſich zu retten! Wagt 'ich durchhin zu gehn, unwiderſtehliches Schwunges415 Schmetterte mich die rollende Flut an die zackichte Klippe! Schwimm 'ich aber noch weiter herum, abhaͤngiges Ufer Irgendwo auszuſpaͤhn und ſichere Buſen des Meeres; Ach dann fuͤrcht' ich, ergreift der Orkan mich von neuem, und ſchleudert Mich ſchwerſeufzenden weit in das fiſchdurchwimmelte Weltmeer! 420Oder ein Himmliſcher reizt auch ein Ungeheuer des Abgrunds Wider mich auf, aus den Schaaren der furchtbaren Amfitritaͤ! Denn ich weiß es, mir zuͤrnt der gewaltige Kuͤſtenerſchuͤttrer!

Als er ſolche Gedanken im zweifelnden Herzen bewegte, Warf ihn mit Einmal die rollende Wog 'an das ſchroffe Geſtade. 425Jezo waͤr 'ihm geſchunden die Haut, die Gebeine zermalmet, Haͤtte nicht Pallas Athaͤnaͤ zu ſeiner Seele geredet. Eilend umfaßte der Held mit beiden Haͤnden die Klippe, Schmiegte ſich keuchend an, bis die rollende Woge vorbei war. 111Fuͤnfter Geſang. Alſo entging er ihr jezt. Allein da die Woge zuruͤckkam,430 Raffte ſie ihn mit Gewalt, und ſchleudert 'ihn fern in das Weltmeer. Alſo wird der Poliep dem feſten Lager entrißen; Kieſel haͤngen und Sand an ſeinen aͤſtigen Gliedern: Alſo blieb an dem Fels von den angeklammerten Haͤnden Abgeſchunden die Haut; und die rollende Woge verſchlang ihn. 435Jezo waͤre der Dulder auch wider ſein Schickſal geſtorben, Haͤtt 'ihn nicht Pallas Athaͤnaͤ mit ſchnellem Verſtande geruͤſtet. Aber er ſchwung ſich empor aus dem Schwalle der ſchaͤumenden Brandung, Schwamm herum, und ſah nach dem Land', abhaͤngiges Ufer Irgendwo auszuſpaͤhn und ſichere Buſen des Meeres. 440Jezo hatt 'er nun endlich die Muͤndung des herlichen Stromes Schwimmend erreicht. Hier fand er bequem zum Landen das Ufer, Niedrig und felſenleer, und vor dem Winde geſichert. Und er erkannte den ſtroͤmenden Gott, und betet' im Herzen:

Hoͤre mich, Herſcher, wer du auch ſeiſt, du Sehnlicherflehter! 445Rette mich aus dem Meer vor dem ſchrecklichen Grimme Poſeidons! Heilig ſind ja, auch ſelbſt unſterblichen Goͤttern, die Menſchen, Welche von Leiden gedraͤngt um Huͤlfe flehen! Ich winde Mich vor deinem Strome, vor deinen Knieen, in Jammer! Herſcher, erbarme dich mein, der deiner Gnade vertrauet! 450

Alſo ſprach er. Da hemmte der Gott die wallenden Fluten, Und verbreitete Stille vor ihm, und rettet 'ihn freundlich An das ſeichte Geſtade. Da ließ er die Kniee ſinken Und die nervichten Arme; ihn hatten die Wogen entkraͤftet: Alles war ihm geſchwollen, ihm floß das ſalzige Waßer455 Haͤufig aus Naſ 'und Mund; der Stimme beraubt und des Athems, Sank er in Ohnmacht hin, erſtarrt von der ſchrecklichen Arbeit. 112Oduͤßee. Als er zu athmen begann, und ſein Geiſt dem Herzen zuruͤckkam, Loͤſt 'er ab von der Bruſt den heiligen Schleier der Goͤttin, Warf ihn eilend zuruͤck in die ſalzige Welle des Flußes;460 Und ihn fuͤhrte die Welle den Strom hinunter, und Ino Nahm ihn mit ihren Haͤnden. Nun ſtieg der Held aus dem Fluße, Legte ſich nieder auf Binſen, und kuͤßte die fruchtbare Erde; Tiefaufſeufzend ſprach er zu ſeiner erhabenen Seele:

Weh mir Armen, was leid 'ich, was werd' ich noch endlich erleben! 465Wenn ich die grauliche Nacht an dieſem Strome verweilte, Wuͤrde zugleich der ſtarrende Froſt und der thauende Nebel Mich entkraͤfteten, noch ohnmaͤchtigen, gaͤnzlich vertilgen; Denn kalt wehet der Wind aus dem Strome vor Sonnenaufgang! Aber klimm 'ich hinan zum waldbeſchatteten Huͤgel,470 Unter dem dichten Geſtraͤuche zu ſchlafen, wenn Froſt und Ermattung Anders geſtaten, daß mich der ſuͤße Schlummer befalle: Ach dann werd 'ich vielleicht den reißenden Thieren zur Beute!

Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte, Hinzugehn in den Wald, der den weitumſchauenden Huͤgel475 Nah am Waßer bewuchs. Hier gruͤneten, ihn zu umhuͤllen, Zwei verſchlungne Gebuͤſche, ein wilder und fruchtbarer Oelbaum. Nimmer durchſtuͤrmte den Ort die Wut naßhauchender Winde, Ihn erleuchtete nimmer mit warmen Stralen die Sonne, Selbſt der gießende Regen durchdrang ihn nimmer: ſo dicht war480 Sein Gezweige verwebt. Hier kroch der edle Oduͤßeus Unter, und bettete ſich mit ſeinen Haͤnden ein Lager, Hoch und breit; denn es deckten ſo viele Blaͤtter den Boden, Daß zween Maͤnner darunter und drei ſich haͤtten geborgen Gegen den Winterſturm, auch wann er am ſchrecklichſten tobte. 113Fuͤnfter Geſang. Freudig ſahe das Lager der herliche Dulder Oduͤßeus, Legte ſich mitten hinein, und haͤufte die raßelnden Blaͤtter.

Alſo verbirgt den Brand in grauer Aſche der Landmann; Auf entlegenem Felde, von keinem Nachbar umwohnet, Hegt er den Samen des Feuers, um nicht in der Ferne zu zuͤnden:490 Alſo verbarg ſich der Held in den Blaͤttern. Aber Athaͤnaͤ Deckt 'ihm die Augen mit Schlummer, damit ſie der ſchrecklichen Arbeit Qualen ihm ſchneller entnaͤhme, die lieben Wimper verſchließend.

H114

Oduͤßee. Sechſter Geſang.

Alſo ſchlummerte dort der herliche Dulder Oduͤßeus, Ueberwaͤltigt von Schlaf und Arbeit. Aber Athaͤnaͤ Ging hinein in das Land zur Stadt der faiakiſchen Maͤnner. Dieſe wohnten vordem in Huͤpereiens Gefilde,V. 4.Huͤpereia, eine Stadt in Sizilien. Nahe bei den Kuͤklopen, den uͤbermuͤtigen Maͤnnern,5 Welche ſie immer beraubten, und maͤchtiger waren und ſtaͤrker. Aber ſie fuͤhrte von dannen Nauſithoos, aͤhnlich den Goͤttern, Brachte gen Scheria ſie, fern von den erfindſamen Menſchen,V. 8Scheria, jezt Korfu. Das adriatiſche Meer war damals den Grie - chen noch unbekannt. Und umringte mit Mauren die Stadt, und richtete Haͤuſer, Baute Tempel der Goͤtter, und theilte dem Volke die Aecker. 10Dieſer war jezo ſchon todt und in der Schatten Behauſung; Und Alkinoos herſchte, begabt von den Goͤttern mit Weisheit. Deßen Hauſe nahte ſich jezo Pallas Athaͤnaͤ, Auf die Heimkehr denkend des edelgeſinnten Oduͤßeus. Und ſie eilte ſofort in die praͤchtige Kammer der Jungfrau,15 Wo Nauſikaa ſchlief, des hohen Alkinoos Tochter, Einer Unſterblichen gleich an Wuchs und reizender Bildung. 115Sechſter Geſang. Und zwei Maͤdchen ſchliefen, geſchmuͤckt mit der Grazien Anmut, Neben den Pfoſten, und dicht war die glaͤnzende Pforte verſchloßen. Aber ſie ſchwebte, wie wehende Luft, zum Lager der Jungfrau,20 Neigte ſich uͤber ihr Haupt, und ſprach mit freundlicher Stimme, Gleich an Geſtalt der Tochter des ſegelkundigen Duͤmas, Ihrer liebſten Geſpielin, mit ihr von einerlei Alter; Dieſer gleich an Geſtalt erſchien die Goͤttin, und ſagte:

Liebes Kind, was biſt du mir doch ein laͤßiges Maͤdchen! 25Deine koſtbaren Kleider, wie alles im Wuſte herumliegt! Und die Hochzeit ſteht dir bevor! Da muß doch was ſchoͤnes Sein fuͤr dich ſelber, und die, ſo dich zum Braͤutigam fuͤhren! Denn durch ſchoͤne Kleider erlangt man ein gutes Geruͤchte Bei den Leuten; auch freun ſich deßen, Vater und Mutter. 30Laß uns denn eilen und waſchen, ſobald der Morgen ſich roͤthet! Ich will deine Gehuͤlfin ſein, damit du geſchwinder Fertig werdeſt; denn Maͤdchen, du bleibſt nicht lange mehr Jungfrau. Siehe, es werben ja ſchon die edelſten Juͤngling 'im Volke Aller Faiaken um dich; denn du ſtammſt ſelber von Edlen. 35Auf! erinnere noch vor der Morgenroͤthe den Vater, Daß er mit Maͤulern dir den Wagen beſpanne, worauf man Lade die ſchoͤnen Gewande, die Guͤrtel und praͤchtigen Decken. Auch fuͤr dich iſt es ſo bequemer, als wenn du zu Fuße Gehen wollteſt; denn weit von der Stadt ſind die Spuͤlen entlegen. 40

Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter, und kehrte Wieder zum hohen Oluͤmpos, der Goͤtter ewigem Wohnſiz, Nie von Orkanen erſchuͤttert, vom Regen nimmer beflutet, Nimmer beſtoͤbert vom Schnee; die wolkenloſeſte Heitre Wallet ruhig umher, und deckt ihn mit ſchimmerndem Glanze:45116Oduͤßee. Dort erfreut ſich ewig die Schaar der ſeligen Goͤtter. Dorthin kehrte die Goͤttin, nachdem ſie das Maͤdchen ermahnet.

Und der goldene Morgen erſchien, und weckte die Jungfrau Mit den ſchoͤnen Gewanden. Sie wunderte ſich des Traumes. Schnell durcheilte ſie jezo die Wohnungen, daß ſie den Eltern,50 Vater und Mutter, ihn ſagte; und fand ſie beide zu Hauſe. Dieſe ſaß an dem Heerd ', umringt von dienenden Weibern, Drehend die zierliche Spindel mit purpurner Wolle; und jener Kam an der Pfort' ihr entgegen: er ging zu der glaͤnzenden Fuͤrſten Rathsverſammlung, wohin die edlen Faiaken ihn riefen. 55Und Nauſikaa trat zum lieben Vater, und ſagte:

Lieber Papa, laß mir doch einen Wagen beſpannen, Hoch, mit hurtigen Raͤdern; damit ich die koſtbare Kleidung, Die mir im Schmuze liegt, an den Strom hinfahre zum Waſchen. Denn dir ſelber geziemt es, mit reinen Gewanden bekleidet60 In der Rathsverſammlung der hohen Faiaken zu ſizen. Und es wohnen im Hauſ 'auch fuͤnf erwachſene Soͤhne, Zween von ihnen vermaͤhlt, und drei noch bluͤhende Knaben; Dieſe wollen beſtaͤndig mit reiner Waͤſche ſich ſchmuͤcken, Wenn ſie zum Reigen gehn; und es kommt doch alles auf mich an. 65

Alſo ſprach ſie, und ſchaͤmte ſich, von der lieblichen Hochzeit Vor dem Vater zu reden; doch merkt 'er alles, und ſagte:

Weder die Maͤuler, mein Kind, ſein dir geweigert, noch ſonſt was. Geh, es ſollen die Knechte dir einen Wagen beſpannen, Hoch, mit hurtigen Raͤdern, und einem geflochtenen Korbe. 70

Alſo ſprach er, und rief; und ſchnell gehorchten die Knechte, Ruͤſteten außer der Halle den Wagen mit rollenden Raͤdern, Fuͤhrten die Maͤuler hinzu, und ſpanneten ſie an die Deichſel. 117Sechſter Geſang. Und Nauſikaa trug die koͤſtlichen feinen Gewande Aus der Kammer, und legte ſie auf den zierlichen Wagen. 75Aber die Mutter legt 'ihr allerlei ſuͤßes Gebacknes Und Gemuͤſ' in ein Koͤrbchen, und gab ihr des edelſten Weines Im geißledernen Schlauch; (und die Jungfrau ſtieg auf den Wagen;) Gab ihr auch geſchmeidiges Oel in goldener Flaſche, Daß ſie ſich nach dem Bade mit ihren Gehuͤlfinnen ſalbte. 80Und Nauſikaa nahm die Geißel und purpurnen Zuͤgel; Treibend ſchwang ſie die Geißel: und hurtig mit lautem Gepolter Trabten die Maͤuler dahin, und zogen die Waͤſch 'und die Jungfrau, Nicht ſie allein, ſie wurde von ihren Maͤgden begleitet.

Als ſie nun das Geſtade des herlichen Stromes erreichten,85 Wo ſich in rinnende Spuͤlen die nimmerverſiegende Fuͤlle Schoͤner Gewaͤßer ergoß, die ſchmuzigſten Flecken zu ſaͤubern; Spannten die Jungfraun ſchnell von des Wagens Deichſel die Maͤuler, Ließen ſie an dem Geſtade des ſilberwirbelnden Stromes Weiden im ſuͤßen Klee, und nahmen vom Wagen die Kleidung,90 Trugen ſie Stuͤck vor Stuͤck in der Gruben dunkles Gewaͤßer, Stampften ſie drein mit den Fuͤßen, und eiferten unter einander. Als ſie ihr Zeug nun gewaſchen und alle Flecken gereinigt, Breiteten ſies in Reihen am warmen Ufer des Meeres, Wo die Woge den Strand mit glatten Kieſeln beſpuͤlet. 95Und nachdem ſie gebadet und ſich mit Oele geſalbet, Sezten ſie ſich zum Mahl am gruͤnen Geſtade des Stromes, Harrend, bis ihre Gewand 'am Strale der Sonne getrocknet. Als ſich Nauſikaa jezt und die Dirnen mit Speiſe geſaͤttigt, Spieleten ſie mit dem Ball, und nahmen die Schleier vom Haupte. 100Unter den Froͤhlichen hub die ſchoͤne Fuͤrſtin ein Lied an. 118Oduͤßee. Wie die Goͤttin der Jagd durch Eruͤmanthos GebuͤſcheV. 102.Eruͤmanthos und Taͤugetos, zwei Berge im Peloponnes. Oder Tauͤgetos Hoͤhn mit Koͤcher und Bogen einhergeht, Und ſich ergoͤzt, die Eber und ſchnellen Hirſche zu faͤllen; Um ſie ſpielen die Nuͤmfen, Bewohnerinnen der Felder,105 Toͤchter des furchtbaren Zeus; und herzlich freuet ſich Laͤto;V. 106.Laͤto, Latona, Dianens Mutter. Denn vor allen erhebt ſie ihr Haupt und herliches Antliz, Und iſt leicht zu erkennen im ganzen ſchoͤnen Gefolge: Alſo ragte vor allen die hohe bluͤhende Jungfrau.

Aber da ſie nunmehr ſich ruͤſtete, wieder zur Heimfahrt110 Anzuſpannen die Maͤuler, und ihre Gewande zu falten; Da rathſchlagete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ, Wie Oduͤßeus erwachte, und ſaͤhe die liebliche Jungfrau, Daß ſie den Weg ihn fuͤhrte zur Stadt der faiakiſchen Maͤnner. Und Nauſikaa warf den Ball auf eine der Dirnen;115 Dieſer verfehlte die Dirn ', und fiel in die wirbelnde Tiefe; Und laut kreiſchten ſie auf. Da erwachte der edle Oduͤßeus, Sizend dacht' er umher im zweifelnden Herzen, und ſagte:

Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen? Sinds unmenſchliche Raͤuber und ſittenloſe Barbaren;120 Oder Diener der Goͤtter, und Freunde des heiligen Gaſtrechts? Eben umtoͤnte mich ein Weibergekreiſch, wie der Nuͤmfen, Welche die ſteilen Haͤupter der Felſengebirge bewohnen, Und die Quellen der Fluͤße und grasbewachſenen Thaͤler! Bin ich hier etwa nahe bei redenden Menſchenkindern? 125Auf! ich ſelber will hin, und zuſehn, was es bedeute!

119Sechſter Geſang.

Alſo ſprach er, und kroch aus dem Dickicht, der edle Oduͤßeus, Brach mit der ſtarken Fauſt ſich aus dem dichten Gebuͤſche Einen laubichten Zweig, des Mannes Bloͤße zu decken; Ging dann einher, wie ein Leu des Gebirgs, voll Kuͤhnheit und Staͤrke,130 Welcher durch Regen und Sturm hinwandelt; die Augen im Haupte Brennen ihm; furchtbar geht er zu Rindern oder zu Schafen, Oder zu fluͤchtigen Hirſchen des Waldes; ihn ſpornet der Hunger Selbſt in verſchloßene Hoͤf ', ein kleines Vieh zu erhaſchen: Alſo ging der Held, in den Kreis ſchoͤnlockiger Jungfraun135 Sich zu miſchen, ſo nackend er war; ihn ſpornte die Noth an. Furchtbar erſchien er den Maͤdchen, vom Schlamm des Meeres beſudelt; Hiehin und dorthin entflohn ſie, und bargen ſich hinter die Huͤgel. Nur Nauſikaa blieb. Ihr hatte Pallas Athaͤnaͤ Mut in die Seele gehaucht, und die Furcht den Gliedern entnommen. 140Und ſie ſtand, und erwartete ihn. Da zweifelt 'Oduͤßeus: Ob er flehend umfaßte die Kniee der reizenden Jungfrau, Oder, ſo wie er war, von ferne mit ſchmeichelnden Worten Baͤte, daß ſie die Stadt ihm zeigt', und Kleider ihm ſchenkte. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte,145 So wie er war, von ferne mit ſchmeichelnden Worten zu flehen; Daß ihm das Maͤdchen nicht zuͤrnte, wenn er die Kniee beruͤhrte. Schmeichelnd begann er ſogleich die ſchlau erſonnenen Worte:

Hohe, dir fleh ich; du ſeiſt eine Goͤttin, oder ein Maͤdchen! Biſt du eine der Goͤttinnen, welche den Himmel beherſchen;150 Siehe ſo ſcheinſt du mir der Tochter des großen Kronions Artemis gleich an Geſtalt, an Groͤße und reizender Bildung! Biſt du eine der Sterblichen, welche die Erde bewohnen; Dreimal ſelig dein Vater und deine trefliche Mutter,120Oduͤßee. Dreimal ſelig die Bruͤder! Ihr Herz muß ja immer von hoher155 Ueberſchwenglicher Wonne bei deiner Schoͤne ſich heben, Wenn ſie ſehn, wie ein ſolches Gewaͤchs zum Reigen einhergeht! Aber keiner ermißt die Wonne des ſeligen Juͤnglings, Der, nach großen Geſchenken, als Braut zu Hauſe dich fuͤhret! Denn ich ſahe noch nie ſolch einen ſterblichen Menſchen,160 Weder Mann noch Weib! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick! Ehmals ſah ich in Daͤlos, am Altar Foͤbos Apollons, Einen Sproͤßling der Palme von ſo erhabenem Wuchſe. Denn auch dorthin kam ich, von vielem Volke begleitet, Jenes Weges, der mir ſo vielen Jammer gebracht hat! 165Und ich ſtand auch alſo vor ihm, und betrachtet 'ihn lange Staunend; denn ſolch ein Stamm war nie dem Boden entwachſen. Alſo bewundre ich dich, und ſtaun', und zittre vor Ehrfurcht, Deine Kniee zu ruͤhren! Doch groß iſt mein Elend, o Jungfrau! Geſtern am zwanzigſten Tag 'entfloh ich dem dunkeln Gewaͤßer;170 Denn ſo lange trieb mich die Flut und die wirbelnden Stuͤrme Von der oguͤgiſchen Inſel. Nun warf ein Daͤmon mich hieher, Daß ich auch hier noch dulde! Denn noch erwart 'ich des Leidens Ende nicht; mir ward viel mehr von den Goͤttern beſchieden! Aber erbarme dich, Hohe! Denn nach unendlicher Truͤbſal175 Fand ich am erſten dich, und kenne der uͤbrigen Menſchen Keinen, welche die Stadt und dieſe Gefilde bewohnen. Zeige mich hin zur Stadt, und gieb mir ein Stuͤck zur Bedeckung, Etwa ein Wickeltuch, worin du die Waͤſche gebracht haſt! Moͤgen die Goͤtter dir ſchenken, ſo viel dein Herz nur begehret,180 Einen Mann und ein Haus, und euch mit ſeliger Eintracht Segnen! Denn nichts iſt beßer und wuͤnſchenswehrter auf Erden,121Sechſter Geſang. Als wenn Mann und Weib, in herzlicher Liebe vereinigt, Ruhig ihr Haus verwalten: den Feinden ein kraͤnkender Anblick, Aber Wonne den Freunden; und mehr noch genießen ſie ſelber! 185

Ihm antwortete drauf die lilienarmige Jungfrau: Keinem geringen Manne noch thoͤrichten gleichſt du, o Fremdling. Aber der Gott des Oluͤmpos ertheilet ſelber den Menſchen, Vornehm oder geringe, nach ſeinem Gefallen ihr Schickſal. Dieſer beſchied dir dein Loos, und dir geziemt es zu dulden. 190Jezt, da du unſerer Stadt und unſern Gefilden dich naheſt, Soll es weder an Kleidung, noch etwas anderm, dir mangeln, Was ungluͤcklichen Fremden, die Huͤlfe ſuchen, gebuͤhret. Zeigen will ich die Stadt, und des Volkes Namen dir ſagen: Wir Faiaken bewohnen die Stadt und dieſe Gefilde. 195Aber ich ſelber bin des hohen Alkinoos Tochter, Dem des faiakiſchen Volkes Gewalt und Staͤrke vertraut iſt.

Alſo ſprach ſie, und rief den ſchoͤngelockten Geſpielen: Dirnen, ſteht mir doch ſtill! Wo fliehet ihr hin vor dem Manne? Meinet ihr etwa, er komme zu uns in feindlicher Abſicht? 200Wahrlich der lebt noch nicht, und niemals wird er geboren, Welcher kaͤm 'in das Land der faiakiſchen Maͤnner, mit Feindſchaft Unſre Ruhe zu ſtoͤren; denn ſehr geliebt von den Goͤttern, Wohnen wir abgeſondert im wogenrauſchenden Meere, An dem Ende der Welt, und haben mit keinem Gemeinſchaft. 205Nein, er kommt zu uns, ein armer irrender Fremdling, Deßen man pflegen muß. Denn Zeus gehoͤren ja alle Fremdling 'und Darbende an; und kleine Gaben erfreun auch. Kommt denn, ihr Dirnen, und gebt dem Manne zu eßen und trinken; Und dann badet ihn unten im Fluß, wo Schuz vor dem Wind' iſt. 210

122Oduͤßee.

Alſo ſprach ſie. Da ſtanden ſie ſtill, und riefen einander, Fuͤhrten Oduͤßeus hinab zum ſchattigen Ufer des Stromes, Wie es Nauſikaa hieß, des hohen Alkinoos Tochter; Legten ihm einen Mantel und Leibrock hin zur Bedeckung, Gaben ihm auch geſchmeidiges Oel in goldener Flaſche,215 Und geboten ihm jezt, in den Wellen des Flußes zu baden. Und zu den Jungfraun ſprach der goͤttergleiche Oduͤßeus:

Tretet ein wenig beiſeit, ihr Maͤdchen, daß ich mir ſelber Von den Schultern das Salz abſpuͤl ', und mich ringsum mit Oele Salbe; denn wahrlich ſchon lang entbehr' ich dieſer Erfriſchung! 220Aber ich bade mich nimmer vor euch; ich wuͤrde mich ſchaͤmen, Nackend zu ſtehn, in Gegenwart ſchoͤnlockiger Jungfraun.

Alſo ſprach er; ſie gingen beiſeit, und ſagtens der Fuͤrſtin. Und nun wuſch in den Strom der edle Dulder das Meerſalz, Welches den Ruͤcken ihm und die breiten Schultern bedeckte,225 Rieb ſich dann von dem Haupte den Schaum der wuͤſten Gewaͤßer. Und nachdem er gebadet, und ſich mit Oele geſalbet; Zog er die Kleider an, die Geſchenke der bluͤhenden Jungfrau. Siehe da ſchuf ihn Athaͤnaͤ, die Tochter des großen Kronions, Hoͤher und jugendlicher an Wuchs, und goß von der Scheitel230 Ringelnde Locken herab, wie der Purpurlilien Bluͤthe. Alſo umgießt ein Mann mit ſeinem Golde das Silber, Welchen Haͤfaiſtos ſelbſt und Pallas Athaͤnaͤ die Weisheit Vieler Kuͤnſte gelehrt, und bildet reizende Werke: Alſo umgoß die Goͤttin ihm Haupt und Schultern mit Anmut. 235Und er ging ans Ufer des Meers, und ſezte ſich nieder, Stralend von Schoͤnheit und Reiz. Mit Staunen ſah ihn die Jungfrau. Leiſe begann ſie, und ſprach zu den ſchoͤngelockten Geſpielen:

123Sechſter Geſang.

Hoͤret mich an, weißarmige Maͤdchen, was ich euch ſage! Nicht von allen Goͤttern verfolgt, die den Himmel bewohnen,240 Kam der Mann in das Land der goͤttergleichen Faiaken! Anfangs ſchien er gering 'und unbedeutend von Anſehn; Jezo gleicht er den Goͤttern, des weiten Himmels Bewohnern. Wuͤrde mir doch ein Gemahl von ſolcher Bildung beſcheret, Unter den Fuͤrſten des Volks; und gefiel es ihm ſelber zu bleiben! 245Aber, ihr Maͤdchen, gebt dem Manne zu eßen und trinken.

Alſo ſprach ſie; ihr hoͤrten die Maͤgde mit Fleiß, und gehorchten: Nahmen des Tranks und der Speiſ ', und brachtens dem Fremdling am Ufer. Und nun er und trank, der herliche Dulder Oduͤßeus, Voller Begier, denn er hatte ſchon lange nicht Speiſe gekoſtet. 250

Und ein Neues erſann die lilienarmige Jungfrau: Lud auf den zierlichen Wagen die wohlgefalteten Kleider, Spannte davor die Maͤuler mit ſtarken Hufen, beſtieg ihn, Und ermunterte dann Oduͤßeus, rief ihm und ſagte:

Fremdling, mache dich auf, in die Stadt zu gehen! Ich will dich255 Fuͤhren zu meines Vaters, des weiſen Helden, Palaſte, Wo du auch ſehen wirſt die edelſten aller Faiaken. Thu nur, was ich dir ſage; du ſcheinſt mir nicht unverſtaͤndig. Siehe, ſo lange der Weg durch Felder und Saaten dahingeht, Folge mit meinen Maͤgden dem maͤulerbeſpanneten Wagen260 Hurtig zu Fuße nach, wie ich im Wagen euch fuͤhre. Aber ſobald wir die Stadt erreichen, welche die hohe Mauer umringt: (An jeglicher Seit 'iſt ein treflicher Hafen, Und die Einfahrt ſchmal; denn gleichgezimmerte Schiffe Engen den Weg, und ruhn, ein jedes auf ſeinem Geſtelle. 265Alda iſt auch ein Markt um den ſchoͤnen Tempel Poſeidons,124Oduͤßee. Ringsumher mit großen gehauenen Steinen gepflaſtert; Wo man alle Geraͤthe der ſchwarzen Schiffe bereitet, Segeltuͤcher und Seile und ſchoͤngeglaͤttete Ruder. Denn die Faiaken kuͤmmern ſich nicht um Koͤcher und Bogen;270 Aber Maſten und Ruder und gleichgezimmerte Schiffe, Dieſe ſind ihre Freude, womit ſie die Meere durchfliegen.) Siehe, da mied 'ich gerne die boͤſen Geſchwaͤze, daß Niemand Uns nachhoͤhnte; man iſt ſehr uͤbermuͤtig im Volke! Denn es ſagte vielleicht ein Niedriger, der uns begegnet:275 Seht doch, was folgt Nauſikaen dort vor ein ſchoͤner und großer Fremdling? Wo fand ſie den? Der ſoll gewiß ihr Gemahl ſein! Holte ſie dieſen vielleicht aus ſeinem Schiffe, das fernher Sturm und Woge verſchlug? Denn nahe wohnet uns Niemand. Oder kam gar ein Gott auf ihr inbruͤnſtiges Flehen280 Hoch vom Himmel herab, bei ihr zeitlebens zu bleiben? Beßer wars, daß ſie ſelber hinausging, ſich aus der Fremde Einen Gemahl zu ſuchen; denn unſre faiakiſchen Freier Sind ihr wahrlich zu ſchlecht, die vielen Soͤhne der Edeln! Alſo ſagten die Leut ', und es waͤr' auch wider den Wohlſtand. 285Denn ich tadelte ſelber an andern ſolches Verfahren, Wenn man, der Eltern Liebe mit Ungehorſam belohnend, Sich zu Maͤnnern geſellte vor oͤffentlicher Vermaͤhlung. Aber vernim, o Fremdling, was ich dir rathe; wofern du Wuͤnſcheſt, daß bald mein Vater in deine Heimat dich ſende. 290Nah am Weg 'iſt ein Pappelgehoͤlz, Athaͤnen geheiligt. Ihm entſprudelt ein Quell, und traͤnkt die gruͤnende Wieſe, Wo mein Vater ein Haus mit fruchtbaren Gaͤrten gebaut hat, Nur ſo weit von der Stadt, wie die Stimme des Rufenden ſchallet. 125Sechſter Geſang. Alda ſeze dich nieder im Schatten des Haines, und warte,295 Bis wir kommen zur Stadt, und des Vaters Wohnung erreichen. Aber ſobald du meinſt, daß wir die Wohnung erreichet; Mache dich auf, und gehe zur Stadt der Faiaken, und frage Dort nach meines Vaters, des hohen Alkinoos, Wohnung. Leicht iſt dieſe zu kennen, der kleinſte Knab 'auf der Gaße300 Fuͤhret dich hin. Denn nicht auf gleiche Weiſe gebauet Sind der Faiaken Palaͤſte; des Helden Alkinoos Wohnung Stralt vor allen. Und biſt du im ringsumbaueten Vorhof, Dann durcheile den Saal, und geh zur inneren Wohnung Meiner Mutter. Sie ſizt am glaͤnzenden Feuer des Heerdes,305 Drehend die zierliche Spindel mit purpurfarbener Wolle, An die Seule gelehnt; und hinter ihr ſizen die Jungfraun. Neben ihr ſteht ein Thron fuͤr meinen Vater, den Koͤnig, Wo er, wie ein Unſterblicher, ruht, und mit Weine ſich labet. Dieſen gehe vorbei, und umfaße mit flehenden Haͤnden310 Unſerer Mutter Kniee; damit du den Tag der Zuruͤckkunft Freudig ſeheſt und bald, du wohneſt auch ferne von hinnen. Denn iſt dieſe dir nur in ihrem Herzen gewogen, O dann hoffe getroſt, die Freunde wiederzuſehen, Und dein praͤchtiges Haus, und deiner Vaͤter Gefilde! 315

Alſo ſprach die Fuͤrſtin, und zwang mit glaͤnzender Geißel Ihre Maͤuler zum Lauf; ſie enteilten dem Ufer des Stromes, Trabten hurtig von dannen, und bogen behende die Schenkel. Aber ſie hielt ſie im Zuͤgel, damit ihr die Gehenden folgten, Ihre Maͤgd 'und Oduͤßeus, und ſchwang die Geißel mit Klugheit. 320Und die Sonne ſank; und ſie kamen zum ſchoͤnen Gehoͤlze, Pallas heiligem Hain: hier ſezt 'Oduͤßeus ſich nieder. 126Oduͤßee. Sechſter Geſang. Und er betete ſchnell zur Tochter des großen Kronions:

Hoͤre mich, ſiegende Tochter des wetterleuchtenden Gottes! Hoͤre mich endlich einmal, da du vormals nimmer mich hoͤrteſt,325 Als der geſtadumſtuͤrmende Gott mich zuͤrnend umherwarf! Laß mich vor dieſem Volk Barmherzigkeit finden und Gnade!

Alſo ſprach er flehend; ihn hoͤrete Pallas Athaͤnaͤ. Aber noch erſchien ſie ihm nicht; ſie ſcheute den Bruder Ihres Vaters: er zuͤrnte dem goͤttergleichen Oduͤßeus330 Unablaͤßig, bevor er die Heimat wieder erreichte.

127

Oduͤßee. Siebenter Geſang.

Alſo betete dort der herliche Dulder Oduͤßeus. Aber Nauſikaa flog in die Stadt mit der Staͤrke der Maͤuler. Als ſie die praͤchtige Burg des Vaters jezo erreichte, Hielt ſie ſtill an der Pforte des Hofs. Da kamen die Bruͤder Ringsumher, an Geſtalt den Unſterblichen aͤhnlich; ſie ſpannten5 Von dem Wagen die Maͤuler, und trugen die Waͤſch 'in die Kammer. Jezo ging ſie hinein, und ihre Kammerbediente Zuͤndete Feuer an, die alte Euruͤmeduſa. Einſt entfuͤhrten die Schiffer ſie aus Epeiros, und waͤhlten Fuͤr Alkinoos ſie zum Ehrengeſchenke, den Koͤnig,10 Welcher hoch, wie ein Gott, im faiakiſchen Volke geehrt ward; Und ſie erzog ihm die ſchoͤne Nauſikaa in dem Palaſte. Als das Feuer nun brannte, beſorgte ſie hurtig die Mahlzeit.

Aber Oduͤßeus ging in die Stadt; und Pallas Athaͤnaͤ Huͤllt 'ihn in finſtere Nacht, aus Sorge fuͤr ihren Geliebten:15 Daß ihn nicht auf dem Wege der hochgeſinnten Faiaken Einer mit Schmaͤhungen kraͤnkte, noch fragte, von wannen er kaͤme. Als er die ſchoͤne Stadt der Faiaken jezo erreichte, Da begegnet 'ihm Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ. Wie ein bluͤhndes Maͤdchen mit einem Waßergefaͤße,20128Oduͤßee. Stand ſie nahe vor ihm. Da ſprach der edle Oduͤßeus:

Liebe Tochter, willſt du mir nicht Alkinoos Wohnung Zeigen, welchem dies Volk als ſeinem Koͤnig gehorchet? Denn ich komme zu euch, ein armer irrender Fremdling, Ferne von hier aus dem apiſchen Land '; und kenne der MenſchenV. 25.Apia war der alte Name vom Peloponnes.25 Keinen, welche die Stadt und dieſe Gefilde bewohnen.

Ihm antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Gerne will ich dir, Vater, das Haus, wohin du verlangeſt, Zeigen; denn nahe dabei wohnt mein rechtſchaffener Vater. Gehe ſo ruhig fort, und folge mir, wie ich dich fuͤhre;30 Schaue nach keinem Menſchen dich um, und rede mit Niemand. Denn die Leute ſind hier den Fremden nicht alzu gewogen, Und bewirten ſie nicht ſehr freundlich, woher ſie auch kommen. Sie bekuͤmmern ſich nur um ſchnelle hurtige Schiffe, Ueber die Meere zu fliegen: denn dies gab ihnen Poſeidon. 35Ihre Schiffe ſind hurtig wie Fluͤgel, und ſchnell wie Gedanken.

Als ſie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athaͤnaͤ Eilend voran, und er folgte den Schritten der wandelnden Goͤttin. Ihn bemerkte keiner der ſegelberuͤhmten Faiaken, Als er die Stadt durchging: die ſchoͤngelockte Athaͤnaͤ40 Ließ es nicht zu, die furchtbare Goͤttin, die heiliges Dunkel Ueber ſein Haupt hingoß, aus Sorge fuͤr ihren Geliebten. Wundernd ſah er die Haͤfen und gleichgezimmerten Schiffe, Und die Verſammlungsplaͤze des Volks, und die thuͤrmenden Mauren, Lang und hoch, mit Pfaͤlen umringt, ein Wunder zu ſchauen! 45Als ſie die praͤchtige Burg des Koͤniges jezo erreichten,129Siebenter Geſang. Siehe da redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:

Fremder Vater, hier iſt das Haus, wohin du verlangteſt, Daß ich dich fuͤhrte. Du wirſt die goͤttergeſegneten Fuͤrſten Hier am feſtlichen Schmauſe verſammelt finden; doch gehe50 Dreiſt hinein, und fuͤrchte dich nicht! Dem Kuͤhnen gelinget Jedes Beginnen am beßten, und kaͤm 'er auch aus der Fremde. Aber ſuche zuerſt die Koͤnigin drinnen im Saale. Dieſe heißt Araͤtaͤ mit Namen, und ward von denſelben Eltern gezeugt, von welchen der Koͤnig Alkinoos herſtammt. 55Denn Nauſithoos war des Erdumſtuͤrmers Poſeidon Und Periboͤens Sohn, der ſchoͤnſten unter den Weibern, Und des hochgeſinnten Euruͤmedons juͤngſten Tochter. Dieſer beherſchte vordem die ungeheuren Giganten; Aber er ſtuͤrzte ſich ſelbſt und ſein frevelndes Volk ins Verderben. 60Seine Tochter bezwang der Gott, und aus ihrer Gemeinſchaft Wuchs Nauſithoos auf, der edle Faiakenbeherſcher. Und Nauſithoos zeugte Alkinoos und Raͤxaͤnor. Dieſer ſtarb ohne Soͤhne vom ſilbernen Bogen Apollons, Neuvermaͤhlt im Palaſt; die einzige Tochter Araͤtaͤ65 Seines Bruders nahm Alkinoos drauf zur Gemahlin: Welcher ſie ehrt, wie nirgends ein Weib auf Erden geehrt wird, Keines von allen, die jezo das Haus der Maͤnner verwalten. Alſo wird Araͤtaͤ mit herzlicher Liebe geehret Von Alkinoos ſelbſt, und ihren bluͤhenden Kindern,70 Und dem Volke, das ſie wie eine Goͤttin betrachtet, Und mit Segen begruͤßt, ſo oft ſie die Gaßen durchwandelt. Denn es fehlet ihr nicht an koͤniglichem Verſtande,J130Oduͤßee. Und ſie entſcheidet ſelbſt der Maͤnner Zwiſte mit Weisheit. Fremdling, iſt dieſe dir nur in ihrem Herzen gewogen;75 O dann hoffe getroſt, die Freunde wiederzuſehen, Und dein praͤchtiges Haus und deiner Vaͤter Gefilde!

Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter, und eilte Ueber das wuͤſte Meer aus Scheria's lieblichen Auen, Bis ſie gen Marathon kam, und den weiten Gaßen Athaͤnais,V. 80.Athaͤnai, Athen.80 In die praͤchtige Wohnung Erechtheus. Aber Oduͤßeus Ging zu Alkinoos hohem Palaſt. Nun ſtand er, und dachte Vieles im Herzen, bevor er der ehernen Schwelle ſich nahte.

Gleich dem Strale der Sonn ', und gleich dem Schimmer des Mondes Blinkte des edelgeſinnten Alkinoos praͤchtige Wohnung. 85Eherne Waͤnde liefen an jeglicher Seite des Hauſes Tief hinein von der Schwelle, gekroͤnt mit blauem Geſimſe. Eine goldene Pforte verſchloß die innere Wohnung; Silberne Pfoſten, gepflanzt auf ihrer ehernen Schwelle, Trugen den ſilbernen Kranz; der Ring der Pforte war golden. 90Jegliche Seit 'umſtanden die goldnen und ſilbernen Hunde, Welche Haͤfaiſtos ſelbſt mit hohem Verſtande gebildet, Um des edelgeſinnten Alkinoos Wohnung zu huͤten: Drohend ſtanden ſie dort, unſterblich und nimmer veralternd. Innerhalb reihten ſich Seßel um alle Waͤnde des Saales95 Tief hinein von der Schwell '; und Teppiche deckten die Seßel, Fein und zierlichgeſtickt, der Weiber kuͤnſtliche Arbeit. Alda ſaßen ſtets der Faiaken hohe Beherſcher Feſtlich bei Speiſ' und Trank, und ſchmauſten von Tage zu Tage. 131Siebenter Geſang. Goldene Juͤnglinge ſtanden auf ſchoͤngebauten Altaͤren100 Ringsumher, und hielten in Haͤnden brennende Fackeln, Um den Gaͤſten im Saale beim naͤchtlichen Schmauſe zu leuchten, Funfzig Weiber dienten im weiten Palaſte des Koͤnigs. Dieſe bei raßelnden Muͤhlen zermalmeten gelbes Getreide; Jene ſaßen und webten, und dreheten aͤmſig die Spindel,105 Anzuſchaun, wie die Blaͤtter der hohen wehenden Pappel: Und es glaͤnzte wie Oel die ſchoͤngewebete Leinwand. Denn gleichwie die Faiaken vor allen uͤbrigen Maͤnnern Hurtige Schiffe zu lenken verſtehn; ſo ſiegen die Weiber In der Kunſt des Gewebes: ſie lehrete ſelber Athaͤnaͤ,110 Wundervolle Gewande mit klugem Geiſte zu wirken.

Außer dem Hofe liegt ein Garten, nahe der Pforte, Eine Huf 'ins Gevierte, mit ringsumzogener Mauer. Alda ſtreben die Baͤume mit laubichtem Wipfel gen Himmel, Voll balſamiſcher Birnen, Granaten und gruͤner Oliven,115 Oder voll ſuͤßer Feigen, und roͤthlichgeſprenkelter Aepfel. Dieſe tragen beſtaͤndig, und mangeln des lieblichen Obſtes Weder im Sommer noch Winter; vom linden Weſte gefaͤchelt, Bluͤhen die Knospen dort, hier zeitigen ſchwellende Fruͤchte: Birnen reifen auf Birnen, auf Aepfel roͤthen ſich Aepfel,120 Trauben auf Trauben erdunkeln, und Feigen ſchrumpfen auf Feigen. Alda prangt auch ein Feld, von edlen Reben beſchattet. Einige Trauben dorren auf weiter Ebne des Gartens, An der Sonne verbreitet, und andere ſchneidet der Winzer, Andere keltert man ſchon. Hier ſtehen die Herling 'in Reihen,125 Dort entbluͤhen ſie erſt, dort braͤunen ſich leiſe die Beeren. An dem Ende des Gartens ſind immerduftende Beete,132Oduͤßee. Voll balſamiſcher Kraͤuter und tauſendfarbiger Blumen. Auch zwo Quellen ſind dort: die eine durchſchlaͤngelt den Garten; Und die andere gießt ſich unter die Schwelle des Hofes130 An den hohen Palaſt, alwo die Buͤrger ſie ſchoͤpfen. Siehe ſo reichlich ſchmuͤckten Alkinoos Wohnung die Goͤtter.

Lange ſtand bewundernd der herliche Dulder Oduͤßeus. Und nachdem er alles in ſeinem Herzen bewundert, Eilet 'er uͤber die Schwell', und ging in die ſtralende Wohnung. 135Und er fand der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger. Dieſe goßen des Weines dem ruͤſtigen Argosbeſieger;V. 137.Hermaͤs oder Merkur. Denn ihm opferte man zulezt, der Ruhe gedenkend. Schnell durchging er den Saal, der herliche Dulder Oduͤßeus, Rings in Nebel gehuͤllt, den ihm Athaͤnaͤ umgoßen,140 Bis er Alkinoos fand und ſeine Gemahlin Araͤtaͤ. Und Oduͤßeus umſchlang mit den Haͤnden der Koͤnigin Kniee; Und mit Einmal zerfloß um ihn das heilige Dunkel. Alle verſtummten im Saale, da ſie den Fremdling erblickten, Und ſahn ſtaunend ihn an. Jezt flehte der edle Oduͤßeus:145

O Araͤtaͤ, du Tochter des goͤttergleichen Raͤxaͤnors, Deinem Gemahle fleh ich und dir, ein bekuͤmmerter Fremdling, Und den Gaͤſten umher! Euch allen ſchenken die Goͤtter Langes Leben und Heil, und jeder laße den Kindern Reichthum im Hauſe nach, und die Wuͤrde, die ihm das Volk gab! 150Aber erbarmet euch mein, und ſendet mich eilig zur Heimat; Denn ich irre ſchon lang ', entfernt von den Freunden, in Truͤbſal!

Alſo ſprach er, und ſezt 'am Heerd' in die Aſche ſich nieder133Siebenter Geſang. Neben dem Feur; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen. Endlich brach die Stille der graue Held Echenaͤos,155 Welcher der aͤlteſte war der hohen faiakiſchen Fuͤrſten, An Beredſamkeit reich, und geuͤbt in der Kunde der Vorzeit. Dieſer erhub anizo die Stimme der Weisheit, und ſagte:

Koͤnig, es ziemet ſich nicht, und iſt den Gebraͤuchen entgegen, Einen Fremdling am Heerd 'in der Aſche ſizen zu laßen. 160Dieſe Maͤnner ſchweigen, und harren deiner Befehle. Auf, und fuͤhre den Fremdling zum ſilberbeſchlagenen Seßel, Daß er bei uns ſich ſeze; und laß die Herolde wieder Fuͤllen mit Weine den Kelch; damit wir dem Gotte des Donners Opfer bringen, der uͤber die Huͤlfeflehenden waltet. 165Und die Schaffnerin ſpeiſe von ihrem Vorrat den Fremdling.

Als die heilige Macht Alkinoos ſolches vernommen; Faßt 'er die Hand des tapfern erfindungsreichen Oduͤßeus, Richtet' ihn auf aus der Aſch ', und fuͤhrt' ihn zum ſchimmernden Seßel Nahe bei ſich, und hieß den edlen Laodamas aufſtehn,170 Seinen mutigen Sohn, den er am zaͤrtlichſten liebte. Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen Ihm die Haͤnd ', und ſtellte vor ihn die geglaͤttete Tafel. Auch die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf,175 Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. Und nun er und trank, der herliche Dulder Oduͤßeus. Aber die heilige Macht Alkinoos ſprach zu dem Herold:

Miſche Wein in dem Kelche, Pontonoos; reiche dann allen Maͤnnern im Saal 'umher: damit wir dem Gotte des Donners180 Opfer bringen, der uͤber die Huͤlfeflehenden waltet.

134Oduͤßee.

Sprachs; und Pontonoos miſchte des ſuͤßen Weines im Kelche. Und vertheilte von neuem, ſich rechtshin wendend, die Becher. Als ſie des Trankes geopfert, und nach Verlangen getrunken, Hub Alkinoos an, und ſprach zur edlen Verſammlung:185

Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger, Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet. Jezo, nachdem ihr geſpeiſt, geht heim, und legt euch zur Ruhe. Morgen wollen wir hier noch mehr der Aelteſten laden, Und den Fremdling im Hauſe bewirten, mit heiligen Opfern190 Uns die Goͤtter verſoͤhnen, und dann die gefoderte Heimfahrt Ueberdenken: damit er, vor Noth und Kummer geſichert, Unter unſerm Geleit, in ſeiner Vaͤter Gefilde Freudig komme, und bald, er wohn 'auch ferne von hinnen; Und ihm nicht auf dem Weg' ein neues Uebel begegne,195 Eh er ſein Vaterland erreicht hat. Dort begegn 'ihm, Was ihm das Schickſal beſtimmt, und die unerbittlichen Schweſtern Ihm bei ſeiner Geburt in den werdenden Faden geſponnen. Aber kam vielleicht der Unſterblichen einer vom Himmel, Wahrlich dann haben mit uns die Goͤtter ein Andres im Sinne! 200Sonſt erſcheinen uns ſtets die Goͤtter in ſichtbarer Bildung, Wann wir mit feſtlicher Pracht der Hekatomben ſie gruͤßen; Sizen mit uns in Reihen, und eßen von unſerem Mahle. Oft auch, wann ihnen irgend ein einſamer Wandrer begegnet, Huͤllen ſie ſich in Geſtalt: denn wir ſind ihnen ſo nahe,205 Wie die wilden Kuͤklopen und ungezaͤhmten Giganten.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: O Alkinoos, hege nicht ſolche Gedanken! Ich ſehe Keinem Unſterblichen gleich, die den weiten Himmel bewohnen,135Siebenter Geſang. Weder an Kleidung noch Wuchs; ich gleiche ſterblichen Menſchen. 210Kennt ihr einen, der euch der ungluͤckſeligſte aller Sterblichen ſcheint; ich bin ihm gleich zu achten an Elend! Ja ich wuͤßte vielleicht noch groͤßere Leiden zu nennen, Welche der Goͤtter Rath auf meine Seele gehaͤuft hat! Aber erlaubt mir nun zu eßen, wie ſehr ich auch traure. 215Denn nichts iſt unbaͤndiger, als der zuͤrnende Hunger, Der mit tiranniſcher Wut an ſich die Menſchen errinnert, Selbſt den leidenden Mann mit tiefbekuͤmmerter Seele. Alſo bin ich von Herzen bekuͤmmert; aber beſtaͤndig Fodert er Speiſ 'und Trank, der Wuͤterich! und ich vergeße220 Alles, was ich gelitten, bis ich den Hunger geſaͤttigt. Aber eilet, ihr Fuͤrſten, ſobald der Morgen ſich roͤthet, Mich ungluͤcklichen Mann in meine Heimat zu ſenden! Denn ſoviel ich erlitten, ich ſtuͤrbe ſogar um den Anblick Meiner Guͤter und Knechte und meines hohen Palaſtes! 225

Alſo ſprach er; da lobten ihn alle Fuͤrſten, und riethen, Heimzuſenden den Gaſt, weil ſeine Bitte gerecht war. Als ſie des Trankes geopfert, und nach Verlangen getrunken; Gingen ſie alle heim, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen. Aber im Saale blieb der goͤttergleiche Oduͤßeus;230 Neben ihm ſaß der Koͤnig und ſeine Gemahlin Araͤtaͤ; Und die Maͤgde raͤumten des Mahls Geraͤthe von hinnen. Jezo begann Araͤtaͤ, die lilienarmige Fuͤrſtin; Denn ſie erkannte den Mantel und Rock, die ſchoͤnen Gewande, Welche ſie ſelber gewirkt mit ihren dienenden Jungfraun;235 Und ſie redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Hierum muß ich dich, Fremdling, vor allen Dingen befragen:136Oduͤßee. Wer, und von wannen biſt du? Wer gab dir dieſe Gewande? Sagteſt du nicht, du kaͤmeſt hieher vom Sturme verſchlagen?

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:240 Schwer, o Koͤnigin, iſt es, dir alle Leiden von Anfang Herzunennen, die mir die himmliſchen Goͤtter geſendet. Dennoch will ich dir dieſes, warum du mich frageſt, erzaͤhlen. Fern auf dem Meere liegt Oguͤgia, eine der Inſeln, Wo des Atlas Tochter, die liſtenreiche Kaluͤpſo245 Wohnet, die ſchoͤngelockte, die furchtbare Goͤttin. Es pfleget Keiner der Goͤtter mit ihr, und keiner der Menſchen, Gemeinſchaft. Mich Ungluͤcklichen nur, mich fuͤhrte zu ihrer Behauſung Irgend ein Daͤmon, nachdem mir der Gott hochrollender Donner Mitten im Meere mein Schiff mit dem dampfenden Strale zerſchmettert! 250Alle tapfern Gefaͤhrten verſanken mir dort in den Abgrund. Aber ich, der den Kiel des zertruͤmmerten Schiffes umſchlungen, Trieb neun Tage herum. In der zehnten der ſchrecklichen Naͤchte Fuͤhrten die Himmliſchen mich gen Oguͤgia, wo Kaluͤpſo Wohnet, die ſchoͤngelockte, die furchtbare Goͤttin. Sie nahm mich255 Freundlich und gaſtfrei auf, und reichte mir Nahrung, und ſagte Mir Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend. Dennoch vermochte ſie nimmer mein ſtandhaftes Herz zu bewegen. Sieben Jahre blieb ich bei ihr, und nezte mit Thraͤnen Stets die ambroſiſchen Kleider, die mir Kaluͤpſo geſchenket. 260Als nun endlich das achte der rollenden Jahre gekommen, Da gebot ſie mir ſelber die Heimfahrt; weil es Kronion Ordnete, oder ihr Herz ſich geaͤndert hatte. Sie ſandte Mich auf vielgebundenem Floß, und ſchenkte mir reichlich Speiſe und ſuͤßen Wein, und gab mir ambroſiſche Kleider;265137Siebenter GeſangLieß dann leiſe vor mir ein laues Luͤftgen einherwehn. Siebzehn Tage befuhr ich die ungeheuren Gewaͤßer. Am achzehnten erblickt 'ich die hohen ſchattigen Berge Eures Landes von fern, und freute mich herzlich des Anblicks. Ich Ungluͤcklicher! Ach noch viele ſchreckliche Truͤbſal270 Stand mir bevor, vom Zorne des Erderſchuͤttrers Poſeidon! Ploͤzlich hemmt 'er die Fahrt mit reißenden Stuͤrmen, nnd hochauf Schwoll das unendliche Meer; und die rollende Woge verbot mir, Daß ich laͤnger im Floße mit bangem Seufzen dahinfuhr: Ihn zerſchmetterte ſchnell die Gewalt der kommenden Windsbraut. 275Aber ſchwimmend durchkaͤmpft 'ich die ungeheuren Gewaͤßer, Bis mich der Sturm und die Wog' an euer Geſtade hinanwarf. Alda haͤtte mich faſt ergriffen die ſtrudelnde Brandung, Und an die drohenden Klippen, den Ort des Entſezens, geſchmettert. Aber ich eilte zuruͤck, und ſchwamm herum, bis ich endlich280 Kam an den Strom. Hier fand ich bequem zum Landen das Ufer, Niedrig und felſenleer, und vor dem Winde geſichert. Und ich ſank ohnmaͤchtig ans Land. Die ambroſiſche Nacht kam. Und ich ging vom Geſtade des goͤttlichen Stromes, und legte Mich in ein dichtes Gebuͤſch, und haͤufte verdorrete Blaͤtter285 Um mich her; da ſandte mir Gott unendlichen Schlummer. Unter den Blaͤttern dort, mit tiefbekuͤmmerter Seele, Schlief ich die ganze Nacht, bis zum andern Morgen und Mittag. Als die Sonne ſich neigte, verließ mich der liebliche Schlummer. Und am Ufer des Meers erblickt 'ich die ſpielenden Jungfraun290 Deiner Tochter, mit ihnen ſie ſelbſt, den Unſterblichen aͤhnlich. Dieſer fleht 'ich, und fand ein Maͤdchen voll edler Geſinnung. Wahrlich ſie handelte ſo, wie kaum ihr jugendlich Alter138Oduͤßee. Hoffen ließ; denn ſelten ſind juͤngere Leute verſtaͤndig. Speiſe reichte ſie mir und funkelnden Wein zur Erquickung,295 Badete mich im Strom, und ſchenkte mir dieſe Gewande. Dieſes hab 'ich Betruͤbter dir jezt aufrichtig erzaͤhlet.

Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und ſagte: Fremdling, doch Eine Pflicht hat meine Tochter verabſaͤumt! Daß ſie dich nicht zu uns mit ihren dienenden Jungfraun300 Fuͤhrte. Du hatteſt ja ihr zuerſt um Huͤlfe geflehet.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Edler, enthalte dich, die trefliche Tochter zu tadeln! Denn ſie gebot mir zu folgen mit ihren dienenden Jungfraun; Aber ich weigerte mich, aus Scheu, und weil ich beſorgte,305 Daß ſich etwa dein Herz ereiferte, wenn du es ſaͤheſt. Denn wir ſind argwoͤhniſch, wir Menſchenkinder auf Erden!

Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und ſagte: Fremdling, ich trage kein Herz im Buſen, welches ohn Urſach Brennte von jaͤhem Zorn. Doch beßer iſt immer der Wohlſtand. 310Schaffte doch Vater Zeus, Athaͤnaͤ und Foͤbos Apollon, Daß ein Mann, ſo wie du, ſo aͤhnlich mir an Geſinnung, Meine Tochter begehrte, ſich mir erboͤte zum Eidam, Und hier bliebe! Ich wollte dir Haus und Habe verehren, Bliebeſt du willig hier. Doch wider Willen ſoll Niemand315 Von den Faiaken dich halten: das wolle Gott nicht gefallen! Deine Heimfahrt aber beſtimm 'ich di[r], daß du es wißeſt, Morgen. Allein du wirſt indeßen liegen und ſchlafen, Da ſie die Stille des Meers durchrudern, bis du erreicheſt Deine Heimat, dein Haus, und was dir irgendwo lieb iſt;320 Waͤr 'es auch von hinnen noch weiter, als ſelbſt Euboͤa. 139Siebenter Geſang. Denn das liegt ſehr ferne: ſo ſagen unſere Leute, Die es ſahn, da ſie einſt Radamanthus den braͤunlichgelockten Fuhren, der Tituͤos dort, den Sohn der Erde, beſuchte; Und ſie kamen dahin, und vollbrachten an Einem Tage325 Ohne Muͤhe die Fahrt, und brachten ihn wieder zur Heimat. Lernen ſollſt du es ſelber, wie ſehr ſie vor allen geuͤbt ſind, Meine Juͤngling 'und Schiffe, mit Rudern das Meer zu durchfliegen!

Sprachs; und freudig vernahm es der herliche Dulder Oduͤßeus. Drauf begann er zu reden, und brach in ein lautes Gebet aus:330

Vater Zeus, o gieb, daß Alkinoos alles vollende, Was er verheißt! Dann ſtralt auf lebenſchenkender Erde Unausloͤſchlich ſein Ruhm; ich aber kehre zur Heimat!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Aber den Maͤgden befahl die lilienarmige Fuͤrſtin,335 Unter die Hall 'ein Bette zu ſezen, unten von Purpur Praͤchtige Polſter zu legen, und Teppiche druͤber zu breiten, Hierauf wollige Maͤntel zur Oberdecke zu legen. Und ſie enteilten dem Saal', in den Haͤnden die leuchtende Fackel. Als ſie jezo geſchaͤftig das warme Lager bereitet,340 Gingen ſie hin, und ermahnten den goͤttergleichen Oduͤßeus:

Fremdling, gehe nun ſchlafen; dein Lager iſt ſchon bereitet. Alſo die Maͤgd '; und ihm war ſehr willkommen die Ruhe. Alſo ſchlummerte dort der herliche Dulder Oduͤßeus, Unter der toͤnenden Hall', im ſchoͤngebildeten Bette. 345Aber Alkinoos ſchlief im Innern des hohen Palaſtes, Und die Koͤnigin ſchmuͤckte das Ehbett ihres Gemahles.

140

Oduͤßee. Achter Geſang.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Stand die heilige Macht Alkinoos auf von dem Lager. Auch Oduͤßeus erhub ſich, der goͤttliche Staͤdtebezwinger. Und die heilige Macht Alkinoos fuͤhrte den Helden Zu der Faiaken Markte, der bei den Schiffen erbaut war. 5Alda ſezten ſie ſich auf ſchoͤngeglaͤttete Steine Neben einander. Die Stadt durchwandelte Pallas Athaͤnaͤ, Gleich an Geſtalt dem Herold des weiſen Faiakenbeherſchers; Auf die Heimkehr denkend des großgeſinnten Oduͤßeus, Ging ſie umher, und ſprach zu jedem begegnenden Manne:10

Auf, und kommt, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger, Zu dem Verſammlungsplaz, des Fremdlings Bitte zu hoͤren, Welcher neulich im Hauſe des weiſen Alkinoos ankam, Hergeſtuͤrmt von dem Meer, an Geſtalt den Unſterblichen aͤhnlich.

Alſo ſprach ſie, das Herz in aller Buſen erregend. 15Und es wimmelten ſchnell die Gaͤng 'und Size des Marktes Von dem verſammelten Volk. Da ſchaueten viele bewundernd Auf Laertaͤs erfindenden Sohn; denn Pallas Athaͤnaͤ Hatte mit goͤttlicher Hoheit ihm Haupt und Schultern umgoßen, Hatt' ihn hoͤher an Wuchs und jugendlicher gebildet:20141Oduͤßee. Achter Geſang. Daß bei allen Faiaken Oduͤßeus Liebe gewoͤnne, Ehrenvoll und hehr, und aus den Spielen der Kaͤmpfer Siegreich ginge, womit die Faiaken ihn wuͤrden verſuchen. Als die Verſammelten jezt in geſchloßener Reihe ſich draͤngten, Hub Alkinoos an, und redete zu der Verſammlung:25

Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger, Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet. Dieſer Fremdling, (ich kenn 'ihn nicht,) iſt, irrend vom Morgen Oder vom Abendlande, zu meinem Hauſe gekommen, Und verlangt nun weiter, und fleht um Beſtimmung der Abfahrt. 30Laßt uns denn jezo die Reiſe beſchleunigen, wie wir gewohnt ſind. Denn kein Fremdling, der Schuz in meinen Wohnungen ſuchet, Harret lange mit Seufzen, daß man zur Heimat ihn ſende. Auf! wir wollen ein ſchwaͤrzliches Schiff von den neuſten am Strande Waͤlzen ins heilige Meer, und zweiundfunfzig der beßten35 Juͤngling 'im Volk erleſen, die ſich ſchon vormals gezeiget! Habt ihr die Ruder gehoͤrig an euren Baͤnken befeſtigt, Dann ſteigt wieder ans Land, und ſtaͤrkt euch in unſerm Palaſte Schnell mit Speiſe zur Fahrt; ich will euch allen bereiten. Dieſes iſt mein Befehl an die Juͤnglinge. Aber ihr andern40 Zeptertragenden Fuͤrſten, verſammelt euch zu dem Palaſte, Daß wir den Fremdling zuvor in meinem Saale bewirten. Niemand weigere ſich! Ruft auch den goͤttlichen Saͤnger, Unſern Daͤmodokos her; denn ihm gab Gott uͤberſchwaͤnglich Suͤßen Geſang, wovon auch ſein Herz zu ſingen ihn antreibt. 45

Alſo ſprach er, und ging. Die Zeptertragenden alle Folgten ihm; und der Herold enteilte zum goͤttlichen Saͤnger. Aber die zweiundfunfzig erleſenen Juͤnglinge gingen,142Oduͤßee. Nach des Koͤnigs Befehl, ans Ufer der wuͤſten Gewaͤßer. Als ſie jezo das Schiff am Strande des Meeres erreichten,50 Zogen ſie eilig das ſchwaͤrzliche Schiff ins tiefe Gewaͤßer, Trugen den Maſt hinein und die Segel des ſchwaͤrzlichen Schiffes, Haͤngten darauf die Ruder in ihre ledernen Wirbel, Alles, wie ſichs gehoͤrt, und ſpannten die ſchimmernden Segel. Und ſie ſtellten das Schiff im hohen Waßer des Hafens,55 Gingen dann in die Burg des weiſen Faiakenbeherſchers.

Alda wimmelten ſchon die Saͤle, die Hallen und Hoͤfe Von den verſammelten Gaͤſten; es kamen Juͤngling 'und Greiſe. Aber Alkinoos gab der Schaar zwoͤlf Schafe zum Opfer, Acht weißzahnichte Schwein', und zween ſchwerwandelnde Stiere. 60Dieſe zogen ſie ab, und bereiteten hurtig das Gaſtmahl.

Jezo kam auch der Herold, und fuͤhrte den lieblichen Saͤnger, Dieſen Vertrauten der Muſe, dem Gutes und Boͤſes verliehn ward; Denn ſie nahm ihm die Augen, und gab ihm ſuͤße Geſaͤnge. Und Pontonoos ſezt 'ihm den ſilberbeſchlagenen Seßel,65 Mitten unter den Gaͤſten, an eine ragende Seule; Haͤngte darauf an den Nagel die lieblichklingende Harfe Ueber des Saͤngers Haupt, und fuͤhrt 'ihm die Hand, ſie zu finden. Vor ihn ſtellte der Herold den ſchoͤnen Tiſch und den Eßkorb, Und den Becher voll Weins, zu trinken, wann ihm beliebte. 70Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle.

Aber als die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Trieb die Muſe den Saͤnger, das Lob der Helden zu ſingen. Aus dem Liede, deß Ruhm damals den Himmel erreichte, Waͤhlt 'er Oduͤßeus Zank und des Paͤlaͤiden Achilleus:75 Wie ſie einſt mit einander am feſtlichen Mahle der Goͤtter143Achter Geſang. Heftig ſtritten, und ſich der Fuͤhrer des Heers Agamemnon Herzlich freute beim Zwiſte der tapferſten Helden Achaias. Denn dies Zeichen war ihm von Foͤbos Apollon geweißagt, In der heiligen Puͤtho, da er die ſteinerne SchwelleV. 80.Puͤtho hieß nachmals Delfi.80 Forſchend betrat; denn damals entſprang die Quelle der Truͤbſal Fuͤr die Achaier und Troer, durch Zeus des Unendlichen Rathſchluß.

Dieſes ſang der beruͤhmte Daͤmodekos. Aber Oduͤßeus Faßte mit nervichten Haͤnden den großen purpurnen Mantel, Zog ihn uͤber das Haupt, und verhuͤllte ſein herliches Antliz;85 Daß die Faiaken nicht die thraͤnenden Wimper erblickten. Als den Trauergeſang der goͤttliche Saͤnger geendigt, Trocknet 'er ſchnell die Thraͤnen, und nahm vom Haupte den Mantel, Faßte den doppelten Becher, und goß den Goͤttern des Weines. Aber da jener von neuem begann, und die edlen Faiaken90 Ihn zum Geſang 'ermahnten, vergnuͤgt durch die reizenden Lieder; Huͤllt' Oduͤßeus wieder ſein Haupt in den Mantel, und traurte. Allen uͤbrigen Gaͤſten verbarg er die ſtuͤrzende Thraͤne; Nur Alkinoos ſah aufmerkſam die Trauer des Fremdlings, Welcher neben ihm ſaß, und hoͤrte die tiefen Seufzer. 95Und der Koͤnig begann zu den ruderliebenden Maͤnnern:

Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger. Schon hat unſere Herzen das gleichvertheilete Gaſtmahl Und die Harfe gelabt, des feſtlichen Mahles Geſpielin; Laßt uns denn jezt aufſtehen, und alle Kaͤmpfe beginnen:100 Daß der Fremdling davon bei ſeinen Freunden erzaͤhle, Wann er zu Hauſe kommt, wie wir vor allen geuͤbt ſind,144Oduͤßee. In dem Kampfe der Fauſt, im Ringen, im Sprung und im Wettlauf.

Alſo ſprach er, und ging; es folgten ihm alle Faiaken. Aber der Herold haͤngt 'an den Nagel die klingende Harfe,105 Faßte Daͤmodokos Hand, und fuͤhrt 'ihn aus dem Palaſte, Ging dann vor ihm einher des Weges, welchen die andern Edlen des Volkes gingen, zu ſchauen die Spiele der Kaͤmpfer. Und ſie eilten, verfolgt vom großen Getuͤmmel des Volkes, Auf den Markt. Da erhuben ſich viele der Edlen zum Wettkampf,110 Stand Akroneos auf, Okuͤalos dann, und Elatreus, Nauteus dann, und Pruͤmneus, Anchialos dann, und Eretmeus, Anabaͤſineos dann, und Ponteus, Proreus, und Thoon, Auch Amfialos, Sohn von Tektons Sohn Poluͤnaͤos, Und Euruͤalos, gleich dem menſchenvertilgenden Kriegsgott;115 Auch Naubolidaͤs kam, an Wuchs und Bildung der ſchoͤnſte Aller ſchoͤnen Faiaken; Laodamas einzig war ſchoͤner. Drauf erhuben ſich drei von Alkinoos treflichen Soͤhnen: Erſt Laodamas, Halios dann, und der Held Kluͤtonaͤos. Dieſe verſuchten zuerſt mit einander die Schnelle der Fuͤße. 120Ihnen ward von dem Stande das Ziel gemeßen, und eilend Flogen ſie alle mit Einmal dahin durch die ſtaͤubende Laufbahn. Aber alle beſiegte der edle Held Kluͤtonaͤos. So viel Raum vor den Stieren die pfluͤgenden Maͤuler gewinnen, So weit eilte der Held vor den uͤbrigen Laͤufern zum Ziele. 125Andre verſuchten darauf im muͤhſamen Ringen die Kraͤfte, Und Euruͤalos ging von allen Siegern ein Sieger. Aber Amfialos war im Sprunge von allen der beßte; Und die Scheibe zu werfen der beßte von allen Elatreus; Und im Kampfe der Fauſt beſiegte Laodamas alle. 130

145Achter Geſang.

Als die Kaͤmpfer ihr Herz mit den edlen Spielen erfreuet, Sprach Alkinoos Sohn Laodamas zu der Verſammlung:

Freunde, kommt und fragt den Fremdling, ob er auch ehmals Kaͤmpfe gelernt und verſteht. Unedel iſt ſeine Geſtalt nicht, Seine Lenden und Schenkel, und beide nervichten Arme,135 Und die hohe Bruſt, und der ſtarke Nacken; auch Jugend Mangelt ihm nicht! Doch hat ihn vielleicht ſein Leiden entkraͤftet; Denn nichts ſchrecklichers iſt mir bekannt, als die Schrecken des Meeres, Einen Mann zu verwuͤſten, und waͤr 'er auch noch ſo gewaltig.

Ihm antwortete drauf Euruͤalos wieder, und ſagte:140 Wahrlich mit großem Rechte, Laodamas, haſt du geredet. Gehe nun ſelbſt, und fodre ihn auf, und reiz 'ihn mit Worten!

Als der trefliche Sohn Alkinoos ſolches vernommen, Ging er ſchnell in die Mitte des Volks, und ſprach zu Oduͤßeus!

Fremder Vater, auch du mußt dich in den Kaͤmpfen verſuchen,145 Haſt du deren gelernt; und ſicher verſtehſt du den Wettkampf. Denn kein groͤßerer Ruhm verſchoͤnt ja das Leben der Menſchen, Als, den ihnen die Staͤrke der Haͤnd 'und Schenkel erſtrebet. Auf denn, verſuch es einmal, und wirf vom Herzen den Kummer. Deine Reiſe, die wird nicht lange mehr dauren; das Schiff iſt150 Schon ins Waßer geſenkt, und bereit ſind deine Gefaͤhrten.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Warum fodert ihr mich, Laodamas, hoͤhnend zum Wettkampf? Meine Truͤbſal liegt mir naͤher am Herzen, als Kaͤmpfe. Denn ich habe ſchon vieles erduldet, ſchon vieles erlitten;155 Und nun ſiz 'ich hier in eurer Heldenverſammlung, Heimverlangend, und flehe dem Koͤnig' und allen Faiaken.

K146Oduͤßee.

Und Euruͤalos gab ihm dieſe ſchmaͤhende Antwort: Nein wahrhaftig! o Fremdling, du ſcheinſt mir kein Mann, der auf Kaͤmpfe Sich verſteht, ſo viele bei edlen Maͤnnern bekannt ſind;160 Sondern ſo einer, der ſtets vielrudrichte Schiffe befaͤhret, Etwa ein Fuͤhrer des Schiffs, das wegen der Handlung umherkreuzt, Wo du die Ladung beſorgſt, und jegliche Waare verzeichneſt, Und den erſcharrten Gewinnſt! Ein Kaͤmpfer ſcheinſt du mitnichten!

Zuͤrnend ſchaute auf ihn und ſprach der weiſe Oduͤßeus:165 Fremdling, du redeſt nicht fein; du ſcheinſt mir ein troziger Juͤngling. Wiße, Gott verleiht nicht alle vereinigte Anmut Allen ſterblichen Menſchen: Geſtalt und Weisheit und Rede. Denn wie mancher erſcheint in unanſehnlicher Bildung; Aber es kroͤnet Gott die Worte mit Schoͤnheit; und alle170 Schaun mit Entzuͤcken auf ihn; er redet ſicher und treffend, Mit anmutiger Scheu; ihn ehrt die ganze Verſammlung; Und durchgeht er die Stadt, wie ein Himmliſcher wird er betrachtet. Mancher andere ſcheint den Unſterblichen aͤhnlich an Bildung; Aber ſeinen Worten gebricht die kroͤnende Anmut. 175Alſo prangſt auch du mit reizender Bildung; nicht ſchoͤner Bildete ſelber ein Gott: doch dein Verſtand iſt nur eitel. Siehe du haſt mir das Herz in meinem Buſen empoͤret, Weil du nicht billig ſprachſt! Ich bin kein Neuling im Wettkampf, Wie du eben geſchwazt; ich ruͤhmte mich einen der Erſten,180 Als ich der Jugend noch und meinen Armen vertraute. Jezt umringt mich Kummer und Noth; denn vieles erduldet Hab 'ich in Schlachten des Kriegs, und den ſchrecklichen Wogen des Meeres. Aber auch jezt, ſo entkraͤftet ich bin, verſuch' ich den Wettſtreit! Denn an der Seele nagt mir die Red ', und du haſt mich gefodert! 185

147Achter Geſang.

Sprachs; und mitſamt dem Mantel erhub er ſich, faßte die Scheibe, Welche groͤßer und dicker und noch viel ſchwerer an Wucht war, Als womit die Faiaken ſich unter einander ergoͤzten. Dieſe ſchwung er im Wirbel, und warf mit der nervichten Rechte; Und hinſauſte der Stein. Da buͤckten ſich eilig zur Erden190 Alle Faiaken, die Fuͤhrer der langberuderten Schiffe, Unter dem ſtuͤrmenden Stein. Weit uͤber die Zeichen der Andern Flog er, geſchnellt von der Fauſt. Und Athaͤnaͤ ſezte das Merkmal, Eines Mannes Geſtalt nachahmend, und ſprach zu Oduͤßeus:

Selbſt ein blinder Mann mit tappenden Haͤnden, o Fremdling,195 Faͤnde dein Zeichen heraus; denn nicht vermiſcht mit der Menge, Weit vor den uͤbrigen iſt es! In dieſem Kampfe ſei ſicher! Kein Faiake wird dich erreichen, oder beſiegen.

Alſo rief ihm die Goͤttin. Der herliche Dulder Oduͤßeus Freute ſich, einen gewogenen Mann im Volke zu ſehen;200 Und mit leichterem Herzen begann er zu den Faiaken:

Schleudert jezo mir nach, ihr Juͤnglinge! Bald ſoll die andre, Hoff 'ich, eben ſo weit, vielleicht noch weiter, entfliegen! Jeden anderen Kampf, wem Herz und Mut ihn gebietet, Komm' und verſuch 'ihn mit mir; denn ihr habt mich hoͤchlich beleidigt! 205Auf die Fauſt, im Ringen, im Lauf, ich weigre mich keines! Jeder faiakiſche Mann, nur nicht Laodamas, komme! Denn er iſt mein Wirt! Wer kaͤmpfte mit ſeinem Beſchuͤzer? Wahrlich vernunftlos iſt und keines Wehrtes der Fremdling, Welcher in fernem Lande den Freund, der ihn ſpeiſet und herbergt,210 Zum Wettkampfe beruft; er opfert ſein eigenes Wohl hin. Sonſt werd 'ich Keinen von euch ausſchlagen oder verachten, Sondern jeden erkennen, und ſeine Staͤrke verſuchen,148Oduͤßee. So gar ſchlecht bin ich, traun! in keinem Kampfe der Maͤnner! Wohl verſteh 'ich die Kunſt, den geglaͤtteten Bogen zu ſpannen;215 Ja ich traͤfe zuerſt im Haufen feindlicher Maͤnner Meinen Mann mit dem Pfeil, und ſtuͤnden auch viele Genoßen Neben mir, und zielten mit ſtraffem Geſchoß auf die Feinde. Filoktaͤtaͤs allein uͤbertraf mich an Kunde des Bogens, Als vor Ilions Stadt wir Achaier im Schnellen uns uͤbten. 220Doch vor den uͤbrigen Schuͤzen behaupt 'ich ſelber den Vorrang, So viel Sterbliche jezo die Frucht des Halmes genießen. Denn mit der Vorzeit Helden verlang' ich keine Vergleichung, Weder mit Euruͤtos, dem Oechalier, noch mit Haͤraklaͤs,V. 224.Oechalia, ein beruͤhmter Staat in Theßalien. Haͤraklaͤs, Herkules. Die den Unſterblichen ſich an Bogenkunde verglichen. 225Drum ſtarb Euruͤtos auch ſo ploͤzlich, ehe das Alter Ihn im Hauſe beſchlich; denn zuͤrnend erſchoß ihn Apollon, Weil er ihn ſelbſt, der Vermeßne, zum Bogenſtreite gefodert. Und mit dem Wurfſpieß treff 'ich ſo weit, als kein andrer mit Pfeilen. Bloß an Schnelle der Fuͤße beſorg' ich, daß der Faiaken230 Einer vielleicht mich beſiege. So uͤber die Maßen entkraͤftet Hat mich das ſtuͤrmende Meer! Denn ich ſaß nicht eben mit Zehrung Reichlich verſorgt im Schiff; drum ſchwand die Staͤrke den Gliedern.

Alſo ſprach er, und alle verſtummten umher, und ſchwiegen. Endlich hub Alkinoos an, und ſprach zu Oduͤßeus. 235

Fremdling, wir ſagen dir Dank, daß du uns ſolches verkuͤndeſt, Und die glaͤnzende Tugend uns aufhuͤllſt, die dich begleitet; Zuͤrnend, weil dieſer Mann dich vor den Kaͤmpfern geſchmaͤht hat. Kuͤnftig ſoll deine Tugend gewiß kein Sterblicher tadeln,149Achter Geſang. Welcher Verſtand beſizt, anſtaͤndige Worte zu reden! 240Aber hoͤre nun auch mein Wort, damit du es andern Helden erzaͤhlen kannſt, wann du in deinem Palaſte Sizeſt bei deinem Weib 'und deinen Kindern am Mahle, Und dich unſerer Tugend und unſerer Thaten erinnerſt, Welche beſtaͤndig Zeus von der Vaͤter Zeiten uns anſchuf. 245Denn wir ſuchen kein Lob im Fauſtkampf, oder im Ringen; Aber die hurtigſten Laͤufer ſind wir, und die treflichſten Schiffer, Lieben nur immer den Schmaus, den Reigentanz, und die Laute, Oft veraͤnderten Schmuck, und warme Baͤder, und Ruhe. Auf denn, und ſpielt vor uns, ihr beßten faiakiſchen Taͤnzer:250 Daß der Fremdling davon bei ſeinen Freunden erzaͤhle, Wann er zu Hauſe kommt, wie wir vor allen geuͤbt ſind, In der Lenkung des Schiffes, im Lauf, im Tanz und Geſange. Einer gehe geſchwind ', und hole die klingende Harfe Fuͤr Daͤmodokos her, die in unſerem Hauſe wo lieget. 255

Alſo ſagte der Held Alkinoos. Aber der Herold Eilte zur Koͤnigsburg, die klingende Harfe zu holen.

Jezo erhuben ſich auch die neun Kampfrichter vom Size, Welche das Volk beſtellt die edlen Spiele zu ordnen, Maßen und ebneten ſchnell die ſchoͤne Flaͤche des Reigens. 260

Aber der Herold kam und brachte die klingende Harfe Fuͤr Daͤmodokos her. Er trat in die Mitte, und um ihn Standen die bluͤhenden Juͤngling ', erfahren im bildenden Tanze; Und mit gemeßenen Tritten entſchwebten ſie. Aber Oduͤßeus Sah voll ſtiller Bewundrung die fliegende Eile der Fuͤße. 265

Lieblich rauſchte die Harfe; dann hub der ſchoͤne Geſang an. Araͤs Liebe beſang und Afroditens der Meiſter. 150Oduͤßee. Wie ſich beide zuerſt in Haͤfaiſtos praͤchtiger Wohnung Heimlich vermiſcht. Viel ſchenkte der Gott, und entehrte des hohen Feuerbeherſchers Lager. Doch ploͤzlich bracht 'ihm die Botſchaft270 Haͤlios, der ſie geſehn in ihrer geheimen Umarmung. Aber ſobald Haͤfaiſtos die kraͤnkende Rede vernommen, Eilet 'er ſchnell in die Eße, mit rachevollen Entwuͤrfen: Stellt auf den Block den gewaltigen Ambos, und ſchmiedete ſtarke Unaufloͤsliche Ketten, um feſt und auf ewig zu binden. 275Und nachdem er das truͤgliche Werk im Zorne vollendet, Ging er in das Gemach, wo ſein Hochzeitbette geſchmuͤckt war, Und verbreitete rings um die Pfoſten kreiſende Bande; Viele ſpannt er auch oben herab vom Gebaͤlke der Kammer, Zart wie Spinnengewebe, die keiner zu ſehen vermoͤchte,280 Selbſt von den ſeligen Goͤttern: ſo wunderfein war die Arbeit! Und nachdem er den ganzen Betrug um das Lager verbreitet, Ging er gleichſam zur Stadt der ſchoͤngebaueten Lemnos,V. 283.Lemnos, jezt Stalimene, brannte vordem von unterirdiſchem Feuer. Die er am meiſten liebt von allen Laͤndern der Erde. Araͤs ſchlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zuͤgeln,285 Als er verreiſen ſahe den kunſtberuͤhmten Haͤfaiſtos. Eilend ging er zum Hauſe des klugen Feuerbeherſchers, Hingerißen von Liebe zu ſeiner ſchoͤnen Gemahlin. Afroditaͤ war eben vom maͤchtigen Vater Kronion Heimgekehrt und ſaß. Er aber ging in die Wohnung,290 Faßte der Goͤttin Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Komm, Geliebte, zu Bette, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen! Denn Haͤfaiſtos iſt nicht daheim; er wandert vermutlich151Achter Geſang. Zu den Sintiern jezt, den rauhen Barbaren in Lemnos.

Alſo ſprach er, und ihr war ſehr willkommen die Ruhe. 295Und ſie beſtiegen das Lager, und ſchlummerten. Ploͤzlich umſchlangen Sie die kuͤnſtlichen Bande des klugen Erfinders Haͤfaiſtos; Und ſie vermochten kein Glied zu bewegen oder zu heben. Aber ſie merkten es erſt, da ihnen die Flucht ſchon gehemmt war. Jezo nahte ſich ihnen der hinkende Feuerbeherſcher. 300Dieſer kehrte zuruͤck, bevor er Lemnos erreichte, Denn der lauſchende Gott der Sonne ſagt 'ihm die That an. Eilend ging er zu Hauſe, mit tiefbekuͤmmerter Seele, Stand in dem Vorſaal ſtill; und der raſende Eifer ergriff ihn. Fuͤrchterlich ruft' er aus, und alle Goͤtter vernahmens:305

Vater Zeus, und ihr andern, unſterbliche ſelige Goͤtter! Kommt und ſchaut den abſcheulichen unausſtehlichen Frevel: Wie mich lahmen Mann die Tochter Zeus Afroditaͤ Jezo auf immer beſchimpft, und Araͤs den Boͤſewicht herzet; Darum, weil jener ſchoͤn iſt und grade von Beinen, ich aber310 Solche Kruͤppelgeſtalt! Doch keiner iſt ſchuld an der Laͤhmung. Als die Eltern allein! O haͤtten ſie nimmer gezeuget! Aber ſeht doch, wie beid 'in meinem eigenen Bette Ruhn, und der Wolluſt pflegen! Das Herz zerſpringt mir beim Anblick! Kuͤnftig moͤchten ſie zwar, auch nicht ein Weilchen, ſo liegen! 315Wie verbuhlt ſie auch ſind, ſie werden nicht wieder verlangen, So zu ruhn! Allein ich halte ſie feſt in der Schlinge, Bis der Vater zuvor mir alle Geſchenke zuruͤckgiebt, Die ich als Braͤutigam gab fuͤr ſein ſchamloſes Gezuͤchte! Seine Tochter iſt ſchoͤn, allein unbaͤndiges Herzens! 320

Alſo ſprach er. Da eilten zum ehernen Hauſe die Goͤtter:152Oduͤßee. Poſeidaon kam, der Erdumguͤrter; und Hermaͤs Kam, der Bringer des Heils; es kam der Schuͤze Apollon. Aber die Goͤttinnen blieben vor Scham in ihren Gemaͤchern. Jezo ſtanden die Goͤtter, die Geber des Guten, im Vorſaal;325 Und ein langes Gelaͤchter erſcholl bei den ſeligen Goͤttern, Als ſie die Kuͤnſte ſahn des klugen Erfinders Haͤfaiſtos. Und man wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Boͤſes gedeihet doch nicht; der Langſame haſchet den Schnellen! Alſo ertappt Haͤfaiſtos, der Langſame, jezo den Araͤs,330 Welcher am hurtigſten iſt von den Goͤttern des hohen Oluͤmpos, Er der Lahme, durch Kunſt. Nun buͤßt ihm der Ehebrecher!

Alſo beſprachen ſich die Himmliſchen unter einander. Aber zu Hermaͤs ſprach Zeus Sohn, der Herſcher Apollon:

Hermaͤs, Zeus Geſandter und Sohn, du Geber des Guten,335 Haͤtteſt du auch wohl Luſt, von ſo ſtarken Banden gefeßelt, In dem Bette zu ruhn bei der goldenen Afroditaͤ?

Ihm erwiederte darauf der geſchaͤftige Argosbeſieger: O geſchaͤhe doch das, ferntreffender Herſcher Apollon! Feßelten mich auch dreimal ſo viel unendliche Bande,340 Und ihr Goͤtter ſaͤhet es an, und die Goͤttinnen alle: Siehe ſo ſchlief 'ich doch bei der goldenen Afroditaͤ!

Alſo ſprach er; da lachten laut die unſterblichen Goͤtter. Nur Poſeidon lachte nicht mit; er wandte ſich bittend Zum kunſtreichen Haͤfaiſtos, den Kriegsgott wieder zu loͤſen. 345Und er redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Loͤſ 'ihn! Ich ſtehe dafuͤr: er ſoll, wie du es verlangeſt, Vor den unſterblichen Goͤttern dir alles bezahlen, was recht iſt.

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherſcher:153Achter Geſang. Fodere ſolches nicht, du Erdumguͤrter Poſeidon! 350Elende Sicherheit giebt von Elenden ſelber die Buͤrgſchaft. Sage, wie koͤnnt 'ich dich vor den ewigen Goͤttern verbinden, Floͤhe nun Araͤs fort, der Schuld und den Banden entrinnend?

Ihm erwiederte drauf der Erderſchuͤttrer Poſeidon: Nun Haͤfaiſtos, wofern denn auch Araͤs fliehend hinwegeilt,355 Um der Schuld zu entgehn; ich ſelbſt will dir dieſes bezahlen!

Drauf antwortete jenem der hinkende Feuerbeherſcher: Unrecht waͤr 'es und grob, dir deine Bitte zu weigern.

Alſo ſprach er, und loͤſte das Band, der ſtarke Haͤfaiſtos. Und kaum fuͤhlten ſich beide der maͤchtigen Feßel entledigt,360 Sprangen ſie hurtig empor. Der Kriegsgott eilte gen Thraͤkaͤ. V. 361.Thraͤkaͤ, Thrazien.Aber nach Kuͤpros ging Afroditaͤ, die Freundin des Laͤchelns, In den paſiſchen Hain, zum weihrauchduftenden Altar. Alda badeten ſie die Charitinnen, und ſalbten Sie mit ambroſiſchem Oele, das ewige Goͤtter verherlicht;365 Schmuͤckten ſie dann mit ſchoͤnen und wundervollen Gewanden.

Alſo ſang der beruͤhmte Daͤmodokos. Aber Oduͤßeus Freute ſich des Geſangs von Herzen; es freuten ſich mit ihm Alle Faiaken, die Fuͤhrer der langberuderten Schiffe.

Und Alkinoos hieß den mutigen Halios einzeln370 Mit Laodamas tanzen, weil keiner mit ihnen ſich wagte. Dieſe nahmen ſogleich den ſchoͤnen Ball in die Haͤnde, Welchen Poluͤbos kuͤnſtlich aus purpurner Wolle gewirket. Einer ſchleuderte dieſen empor zu den ſchattigen Wolken, Ruͤckwaͤrts gebeugt; dann ſprang der andere hoch von der Erde375154Oduͤßee. Auf, und fing ihn behend ', eh ſein Fuß den Boden beruͤhrte. Und nachdem ſie den Ball gradauf zu ſchleudern verſuchet, Tanzten ſie ſchwebend dahin auf der allernaͤhrenden Erde, Mit oft wechſelnder Stellung; die andern Juͤnglinge klappten Rings im Kreiſe dazu; es ſtieg ein lautes Getoͤſ' auf. 380Und zu Alkinoos ſprach der goͤttergleiche Oduͤßeus:

Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig! Siehe du ruͤhmteſt dich der treflichſten Taͤnzer auf Erden, Und du behaupteſt den Ruhm! Mit Staunen erfuͤllt mich der Anblick.

Aber die heilige Macht Alkinoos freute ſich innig. 385Und er redete ſchnell zu den ruderliebenden Maͤnnern:

Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger! Dieſer Fremdling ſcheint mir ein Mann von großem Verſtande. Laßt uns ihm ein Geſchenk, wie das Gaſtrecht fodert, verehren. Denn in unſerm Volke ſind zwoͤlf ehrwuͤrdige Fuͤrſten,390 Welche Gerechtigkeit uͤben; und mir gehorchen die Zwoͤlfe. Jeder von dieſen hole nun einen Mantel und Leibrock, Sauber und fein, ſamt einem Talente des koͤſtlichen Goldes. Dieſes wollen wir alle zugleich dem Fremdlinge bringen, Daß er froͤhliches Mutes zum Abendſchmauſe ſich ſeze. 395Aber Euruͤalos ſoll mit Worten und mit Geſchenken Ihn verſoͤhnen; denn nicht anſtaͤndig hat er geredet.

Alſo ſprach der Koͤnig, und alle riefen ihm Beifall. Schnell, die Geſchenke zu holen, entſandte jeder den Herold. Aber Euruͤalos gab dem Koͤnige dieſes zur Antwort:400

Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig! Gerne will ich den Gaſt verſoͤhnen, wie du befiehleſt, Und dies Schwert ihm verehren. Die Kling 'iſt von Erze geſchmiedet,155Achter Geſang. Und von Silber das Heft, die elfenbeinerne Scheide Neu vom Kuͤnſtler geglaͤttet. Es wird nicht wenig ihm wehrt ſein. 405

Alſo ſprach er, und reicht 'ihm das Schwert mit ſilbernen Buckeln; Und er redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Freue dich, Vater und Gaſt! Und fiel ein kraͤnkendes Wort hier Unter uns vor, ſo moͤgen es ſchnell die Stuͤrme verwehen! Dir verleihn die Goͤtter, die Heimat und deine Gemahlin410 Wieder zu ſehn, nachdem du ſo lang 'in Truͤbſal umherirrſt!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Auch du freue dich, Lieber; dich ſegnen die Goͤtter mit Heile! Und du muͤßeſt hinfort des Schwertes nimmer beduͤrfen, Welches du mir anjezt mit verſoͤhnenden Worten gereicht haſt! 415

Sprachs, und haͤngt 'um die Schulter das Schwert mit ſilbernen Buckeln. Und die Sonne ſank; da kamen die ſchoͤnen Geſchenke. Edle Herolde trugen ſie ſchnell zu Alkinoos Wohnung. Hier empfingen und legten Alkinoos trefliche Soͤhne Bei der Mutter ſie hin, die koͤſtlichen Ehrengeſchenke. 420Aber die heilige Macht Alkinoos fuͤhrte die andern; Und ſie kamen und ſezten auf hohen Thronen ſich nieder. Und die heilige Macht Alkinoos ſprach zu Araͤtaͤ:

Komm, Geliebte, und bring die beßte der zierlichen Laden; Lege darein den ſchoͤngewaſchenen Mantel und Leibrock. 425Dann ſezt Waßer zum Sieden im ehernen Keßel aufs Feuer, Daß er, wenn er zuvor ſich gebadet, und neben einander Alle Geſchenke geſehn der tadelloſen Faiaken, Froher genieße des Mahls, und froher horche dem Liede. Dieſes ſchoͤne Gefaͤß von Golde will ich ihm ſchenken. 430Daß er in ſeinem Palaſte fuͤr Zeus und die uͤbrigen Goͤtter156Oduͤßee. Opfer gieße, und ſich beſtaͤndig meiner erinnre.

Alſo ſprach er; und ſchnell gebot Araͤtaͤ den Maͤgden, Eilend ein groß dreifuͤßig Geſchirr aufs Feuer zu ſezen. Und ſie ſezten das Badegeſchirr auf das lodernde Feuer,435 Goßen Waßer hinein, und legten Holz an die Flamme; Rings umſchlug ſie den Bauch des Geſchirrs, und es kochte das Waßer.

Aber die Koͤnigin brachte dem Fremdling die zierliche Lade Aus der Kammer hervor, und legte die ſchoͤnen Geſchenke, Gold und Kleider, hinein, was ihm die Faiaken gegeben,440 Legte darauf den Mantel hinein, und den praͤchtigen Leibrock. Und ſie redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Siehe nun ſelbſt den Deckel, und ſchuͤrze behende den Knoten; Daß dich keiner beraub 'auf der Heimfahrt, waͤhrend du etwa In dem ſchwaͤrzlichen Schiffe des ſuͤßen Schlummers genießeſt. 445

Als er dieſes vernommen, der herliche Dulder Oduͤßeus, Fuͤgt 'er den Deckel auf, und ſchuͤrzte behende den Knoten, Deßen geheime Kunſt ihn die maͤchtige Kirkaͤ gelehret. Und die Schaffnerin kam, und bat ihn, eilig zum Baden In die Wanne zu ſteigen. Ein herzerfreuender Anblick450 War ihm das warme Bad; denn keiner Pflege genoß er, Seit er die Wohnung verließ der ſchoͤngelockten Kaluͤpſo; Dort ward ſeiner beſtaͤndig wie eines Gottes gepfleget. Als ihn die Maͤgde jezo gebadet, mit Oele geſalbet, Und ihm die Kleider umhuͤllt, den Mantel und praͤchtigen Leibrock,455 Stieg er hervor aus dem Bad ', und ging zu den trinkenden Maͤnnern.

Aber Nauſikaa ſtand, geſchmuͤckt mit goͤttlicher Schoͤnheit, An der hohen Pforte des ſchoͤngewoͤlbeten Saales, Und betrachtete wundernd den goͤttergleichen Oduͤßeus;157Achter Geſang. Und ſie redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:460

Lebe wohl, o Fremdling, und bleib 'in der Heimat auch meiner Eingedenk, da du mir zuerſt dein Leben verdankteſt.

Ihr antwortete darauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: O Nauſikaa, Tochter des edlen Faiakenbeherſchers, Laße mich jezo nur Zeus, der donnernde Gatte der Haͤraͤ,465 Gluͤcklich zur Heimat kehren, und ſchaun den Tag der Zuruͤckkunft! Taͤglich werd 'ich auch dort, wie einer Goͤttin, voll Ehrfurcht Dir dankſagen; du haſt mein Leben gerettet, o Jungfrau!

Alſo ſprach er, und ſezte ſich hin zur Seite des Koͤnigs. Jene theileten ſchon das Fleiſch, und miſchten des Weines. 470Aber der Herold kam, und fuͤhrte den lieblichen Saͤnger, Welchen die Voͤlker verehrten, Daͤmodokos, naͤher, und ſezte Ihn in die Mitte des Saals, an die hohe Seule gelehnet. Und dem Herolde rief der erfindungsreiche Oduͤßeus, Und zertheilte den Ruͤcken, ſein großes ehrendes Antheil475 Vom weißzahnichten Schweine, mit friſchem Fette bewachſen:

Herold, reiche dies Fleiſch Daͤmodokos hin, daß er eße. Gerne moͤcht 'ich ihm Liebes erweiſen, wie ſehr ich auch traure. Alle ſterblichen Menſchen der Erde nehmen die Saͤnger Billig mit Achtung auf und Ehrfurcht; ſelber die Muſe480 Lehrt ſie den hohen Geſang, und waltet uͤber die Saͤnger.

Alſo ſprach Oduͤßeus. Der Herold reicht 'es dem edlen Helden Daͤmodokos hin; er nahms, und freute ſich herzlich. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Jezo war die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillet,485 Und zu Daͤmodokos ſprach der erfindungsreiche Oduͤßeus:

Wahrlich vor allen Menſchen, Daͤmodokos, achtet mein Herz dich! 158Oduͤßee. Dich hat die Muſe gelehrt, Zeus Tochter, oder Apollon! So zum Erſtaunen genau beſingſt du das Schickſal der Griechen, Alles was ſie gethan und erduldet im muͤhſamen Kriegszug,490 Gleich als haͤtteſt du ſelbſt es geſehen oder gehoͤret. Fahre nun fort, und ſinge des hoͤlzernen Roßes Erfindung, Welches Epeios baute mit Huͤlfe der Pallas Athaͤnaͤ, Und zum Betrug 'in die Burg einfuͤhrte der edle Oduͤßeus, Mit bewaffneten Maͤnnern gefuͤllt, die Troja bezwangen. 495Wenn du mir dieſes auch mit ſolcher Ordnung erzaͤhleſt; Siehe dann will ich ſofort es allen Menſchen verkuͤnden, Daß ein waltender Gott den hohen Geſang dir verliehn hat.

Sprachs; und eilend begann der gottbegeiſterte Saͤnger, Wie das Heer der Achaier in ſchoͤngebordeten Schiffen500 Von dem Geſtade fuhr, nach angezuͤndetem Lager. Aber die andern, gefuͤhrt vom hochberuͤhmten Oduͤßeus, Saßen, von Troern umringt, im Bauche des hoͤlzernen Roßes, Welches die Troer ſelbſt in die Burg von Ilion zogen. Alda ſtand nun das Roß, und ringsum ſaßen die Feinde,505 Hin und her rathſchlagend. Sie waren dreifacher Meinung: Dieſe, das hohle Gebaͤude mit grauſamem Erze zu ſpalten; Jene, es hoch auf den Felſen zu ziehn, und herunter zu ſchmettern; Andre, es einzuweihen zum Suͤhnungsopfer der Goͤtter. Und der Lezteren Rath war beſtimmt erfuͤllet zu werden. 510Denn das Schickſal beſchloß Verderben, wann Troja das große Hoͤlzerne Roß aufnaͤhme, worin die tapferſten Griechen Alle ſaßen, und Tod und Verderben gen Ilion brachten. Und er ſang, wie die Stadt von Achaia's Soͤhnen verheert ward, Welche dem hohlen Bauche des truͤglichen Roßes entſtuͤrzten;515159Achter Geſang. Sang, wie ſie hier und dort die ſtolze Veſte beſtuͤrmten; Und wie Oduͤßeus ſchnell zu des edlen Daͤifobos Wohnung Eilte, dem Kriegsgott gleich, ſamt Atreus Sohn Menelaos, Und wie er dort voll Mutes dem ſchrecklichſten Kampfe ſich darbot, Aber zulezt obſiegte, durch Huͤlfe der hohen Athaͤnaͤ. 520

Dieſes ſang der beruͤhmte Daͤmodokos. Aber Oduͤßeus Schmolz in Wehmut, Thraͤnen benezten ihm Wimper und Wangen. Alſo weinet ein Weib, und ſtuͤrzt auf den lieben Gemahl hin, Der vor ſeiner Stadt und vor ſeinem Volke dahinſank, Streitend, den grauſamen Tag von der Stadt und den Kindern zu fernen;525 Jene ſieht ihn jezt mit dem Tode ringend und zuckend, Schlingt ſich um ihn, und heult laut auf; die Feinde von hinten Schlagen wild mit der Lanze den Ruͤcken ihr und die Schultern, Binden und ſchleppen als Sklavin ſie fort zu Jammer und Arbeit; Und im erbaͤrmlichſten Elend verbluͤhn ihr die reizenden Wangen:530 So zum Erbarmen entſtuͤrzt 'Oduͤßeus Augen die Thraͤne. Allen uͤbrigen Gaͤſten verbarg er die ſtuͤrzende Thraͤne; Nur Alkinoos ſah aufmerkſam die Trauer des Fremdlings, Welcher neben ihm ſaß, und hoͤrte die tiefen Senfzer. Und der Koͤnig begann zu den ruderliebenden Maͤnnern:535

Merket auf, der Faiaken erhabene Fuͤrſten und Pfleger, Und Daͤmodokos halte nun ein mit der klingenden Harfe; Denn nicht alle horchen mit Wohlgefallen dem Liede. Seit wir ſizen am Mahl, und der goͤttliche Saͤnger uns vorſingt, Hat er nimmer geruht von ſeinem traurenden Grame,540 Unſer Gaſt; ihm druͤckt wohl ein ſchwerer Kummer die Seele. Jener halte denn ein! Wir wollen alle vergnuͤgt ſein, Gaſt und Wirte zugleich; denn ſolches fodert der Wohlſtand. 160Oduͤßee. Fuͤr den edlen Fremdling iſt dieſe Feier, des Schiffes Ruͤſtung, und die Geſchenke, die wir aus Freundſchaft ihm geben. 545Lieb wie ein Bruder iſt ein huͤlfeflehender Fremdling Jedem Manne, deß Herz auch nur ein wenig empfindet! Drum verhehle mir nicht durch ſchlauerſonnene Worte, Was ich jezo dich frage. Auch dieſes fodert der Wohlſtand. Sage, mit welchem Namen benennen dich Vater und Mutter,550 Und die Buͤrger der Stadt, und welche rings dich umwohnen? Denn ganz namenlos bleibt doch unter den Sterblichen Niemand, Vornehm oder gering, wer einmal von Menſchen gezeugt ward; Sondern man nennet jeden, ſobald ihn die Mutter geboren. Sage mir auch dein Land, dein Volk und deine Geburtſtadt;555 Daß, dorthin die Gedanken gelenkt, die Schiffe dich bringen. Denn der Faiaken Schiffe beduͤrfen keiner Piloten, Nicht des Steuers einmal, wie die Schiffe der uͤbrigen Voͤlker; Sondern ſie wißen von ſelbſt der Maͤnner Gedanken und Willen, Wißen nah und ferne die Staͤdt 'und fruchtbaren Laͤnder560 Jegliches Volks, und durchlaufen geſchwinde die Fluten des Meeres, Eingehuͤllt in Nebel und Nacht. Auch darf man nicht fuͤrchten, Daß das ſtuͤrmende Meer ſie beſchaͤdige oder verſchlinge. Nur erzaͤhlete mir mein Vater Nauſithoos ehmals, Daß uns Poſeidaon der Erderſchuͤtterer zuͤrne,565 Weil wir ohne Gefahr jedweden zu Schiffe geleiten; Dieſer wuͤrde dereinſt ein ruͤſtiges Schiff der Faiaken, Das vom Geleiten kehrte, im dunkelwogenden Meere Ploͤzlich verderben, und rings um die Stadt ein hohes Gebirg ziehn. So weißagte der Greis; der Gott vollende nun ſolches,570 Oder vollend 'es nicht; wie es ſeinem Herzen geluͤſtet! 161Achter Geſang. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Welche Laͤnder biſt du auf deinen Irren durchwandert, Und wie fandeſt du dort die Voͤlker und praͤchtigen Staͤdte? Welche ſchwaͤrmten noch wild als ſittenloſe Barbaren? 575Welche dienten den Goͤttern, und liebten das heilige Gaſtrecht? Sage mir auch, was weinſt du, und warum traurſt du ſo herzlich, Wenn du von der Achaier und Ilions Schickſale hoͤreſt? Dieſes beſchloß der Unſterblichen Rath, und beſtimmte der Menſchen Untergang; daß er wuͤrd 'ein Geſang der Enkelgeſchlechter. 580Sank vielleicht auch dir in Ilions blutigen Schlachten Irgend ein edler Verwandter, ein Eidam oder ein Schwaͤher, Welche die naͤchſten uns ſind, nach unſerem Blut und Geſchlechte? Oder etwa ein tapferer Freund von gefaͤlligem Herzen? Denn fuͤrwahr nicht geringer, als ſelbſt ein leiblicher Bruder,585 Iſt ein treuer Freund, verſtaͤndig und edler Geſinnung.

L162

Oduͤßee. Neunter Geſang.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:

Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig, Wahrlich es fuͤllt mit Wonne das Herz, dem Geſange zu horchen, Wenn ein Saͤnger, wie dieſer, die Toͤne der Himmliſchen nachahmt. Denn ich kenne gewiß kein angenehmeres Leben,5 Als wenn ein ganzes Volk ein Feſt der Freude begehet, Und in den Haͤuſern umher die gereiheten Gaͤſte des Saͤngers Melodieen horchen, und alle Tiſche bedeckt ſind Mit Gebacknem und Fleiſch, und der Schenke den Wein aus dem Kelche Fleißig ſchoͤpft, und ringsum die vollen Becher vertheilet. 10Siehe das nennet mein Herz die hoͤchſte Wonne des Lebens!

Jezo gefaͤllt es dir, nach meinen klaͤglichen Leiden Mich zu fragen, damit ich noch mehr mein Elend beſeufze. Aber was ſoll ich zuerſt, was ſoll ich zulezt dir erzaͤhlen? Denn viel Elend haͤuften auf mich die himmliſchen Goͤtter! 15Sagen will ich zuerſt, wie ich heiße: damit ihr mich kennet, Und ich hinfort, ſo lange der grauſame Tag mich verſchonet, Euer Gaſtfreund ſei, ſo fern ich von hinnen auch wohne. Ich bin Oduͤßeus, Laertaͤs Sohn, durch mancherlei Klugheit Unter den Menſchen bekannt; und mein Ruhm erreichet den Himmel. 20163Oduͤßee. Neunter Geſang. Ithaka's ſonnige Hoͤhn ſind meine Heimat; in dieſer Thuͤrmet ſich Naͤritons Haupt mit rauſchenden Wipfeln; und ringsum, Dicht an einander geſaͤt, ſind viele bevoͤlkerte Inſeln, Samaͤ, Dulichion und die waldbewachſne Zakuͤnthos. Ithaka liegt in der See am hoͤchſten hinauf an die Veſte,25 Gegen den Nord; die andern ſind oͤſtlich und ſuͤdlich entfernet. Rauh iſt dieſe, doch naͤhret ſie ruͤſtige Maͤnner; und wahrlich Suͤßer als Vaterland iſt nichts auf Erden zu finden! Siehe mich hielt bei ſich die hehre Goͤttin Kaluͤpſo In der gewoͤlbeten Grotte, und wuͤnſchte mich zum Gemahle;30 Eben ſo hielt mich auch die aiaiiſche Zauberin Kirkaͤ Truͤglich in ihrem Palaſt, und wuͤnſchte mich zum Gemahle: Aber keiner gelang es, mein ſtandhaftes Herz zu bewegen. Denn nichts iſt doch ſuͤßer, als unſere Heimat und Eltern, Wenn man auch in der Fern 'ein Haus voll koͤſtlicher Guͤter,35 Unter fremden Leuten, getrennt von den Seinen, bewohnet!

Aber wohlan! vernim izt meine traurige Heimfahrt, Die mir der Donnerer Zeus vom troiſchen Ufer beſchieden. Gleich von Ilion trieb mich der Wind zur Stadt der KikonenV. 39.Die Kikonen wohnten in Thrazien, und waren Bundsgenoßen der Trojaner. Ismaros hin. Da verheert 'ich die Stadt, und wuͤrgte die Maͤnner. 40Aber die jungen Weiber und Schaͤze theilten wir alle Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging. Jezo warnet 'ich zwar die Freunde, mit eilendem Fuße Weiter zu fliehn; allein die Unbeſonnenen blieben. Und nun ward in dem Weine geſchwelgt, viel Ziegen und Schafe45 An dem Ufer geſchlachtet, und viel ſchwerwandelndes Hornvieh. 164Oduͤßee. Aber es riefen indeß die zerſtreuten Kikonen die andern Nahen Kikonen zu Huͤlfe, die tapferer waren und ſtaͤrker, Aus der Mitte des Landes. Sie waren geuͤbt, von den Wagen, Und wenn es noͤthig war, zu Fuß mit dem Feinde zu kaͤmpfen. 50Zahllos ſchwaͤrmten ſie jezt, wie die Blaͤtter und Blumem des Fruͤhlings, Mit dem Morgen daher. Da ſuchte Gottes Verderben Uns Ungluͤckliche heim, und uͤberhaͤuft 'uns mit Jammer. Bei den ruͤſtigen Schiffen begann die wuͤtende Feldſchlacht, Und von Treffen zu Treffen entſchwirrten die ehernen Lanzen. 55Weil der heilige Tag noch mit dem Morgen emporſtieg, Wehrten wir uns, und trozten der Uebermacht der Kikonen. Aber da nun die Sonne zur Stunde des Stierabſpannens Sank, da ſiegte der Feind, und zwang die Achaier zum Weichen. Jedes der Schiffe verlor ſechs wohlgeharniſchte Maͤnner;60 Und wir andern entflohn dem ſchrecklichen Todesverhaͤngniß.

Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen, Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten. Doch nicht eher enteilten die gleichgeruderten Schiffe, Ehe wir dreimal jedem der armen Freunde gerufen,65 Welche der ſiegende Feind auf dem Schlachtgefilde getoͤdtet. Aber nun ſandt 'auf die Schiffe der Wolkenverſammler des Nordwinds Fuͤrchterlich heulenden Sturm, verhuͤllt in dicke Gewoͤlke Meer und Erde zugleich; und dem duͤſtern Himmel entſank Nacht. Schnell mit geſunkenen Maſten entflogen die Schiff'; und mit Einmal70 Raßelte rauſchend der Sturm, und zerriß die flatternden Segel. Eilend zogen wir ſie, aus Furcht zu ſcheitern, herunter, Und arbeiteten uns mit dem Ruder ans nahe Geſtade. Zwo graunvolle Naͤchte und zween langwierige Tage165Neunter Geſang. Lagen wir mutlos dort, von Arbeit und Kummer entkraͤftet. 75Aber da nun die dritte der Morgenroͤthen emporſtieg, Richteten wir die Maſten, und ſpannten die ſchimmernden Segel, Sezten uns hin, und ließen vom Wind 'und Steuer uns lenken. Jezo hofften wir ſicher den Tag der froͤhlichen Heimkehr. Aber als wir die Schiff' um Maleia lenkten, da warf uns80 Ploͤzlich die Flut und der Strom und der Nordwind fern von Kuͤthaͤra. V. 81.Kuͤthaͤra, Cerigo.Und neun Tage trieb ich, von wuͤtenden Stuͤrmen geſchleudert, Ueber das fiſchdurchwimmelte Meer; am zehnten gelangt 'ich Hin zu den Lotofagen, die bluͤhende Speiſe genießen. V. 84.Die Lotofagen oder Lotoseßer wohnten auf der Inſel Maͤninx, die jezo Gerbi oder Zerbi heißt, in der Gegend der kleinern Syrte.

Alda ſtiegen wir an das Geſtad ', und ſchoͤpften uns Waßer. 85Eilend nahmen die Freunde das Mahl bei den ruͤſtigen Schiffen. Und nachdem wir uns alle mit Trank und Speiſe geſaͤttigt, Sandt 'ich einige Maͤnner voran, das Land zu erkunden, Was vor Sterbliche dort die Frucht des Halmes genoͤßen: Zween erleſene Freund'; ein Herold war ihr Begleiter. 90Und ſie erreichten bald der Lotofagen Verſammlung. Aber die Lotofagen beleidigten nicht im geringſten Unſere Freunde; ſie gaben den Fremdlingen Lotos zu koſten. Wer nun die Honigſuͤße der Lotosfruͤchte gekoſtet, Dieſer dachte nicht mehr an Kundſchaft oder an Heimkehr;95 Sondern ſie wollten ſtets in der Lotofagen Geſellſchaft Bleiben, und Lotos pfluͤcken, und ihrer Heimat entſagen. Aber ich zog mit Gewalt die Weinenden wieder ans Ufer, Warf ſie unter die Baͤnke der Schiff ', und band ſie mit Seilen. 166Oduͤßee. Drauf befahl ich und trieb die uͤbrigen lieben Gefaͤhrten,100 Eilend von dannen zu fliehn, und ſich in die Schiffe zu retten, Daß man nicht, vom Lotos gereizt, der Heimat vergaͤße. Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern.

Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen. 105Und zum Lande der wilden geſezeloſen KuͤklopenV. 106.Die Kuͤklopen waren einaͤugige Rieſen an der weſtlichen Spize Sizi - liens. Die neuere Fabel verſezt ſie. Kamen wir jezt, der Rieſen, die im Vertraun auf die Goͤtter Nimmer pflanzen noch ſaͤn, und nimmer die Erde beackern. Ohne Samen und Pfleg 'entkeimen alle Gewaͤchſe, Weizen und Gerſte dem Boden, und edle Reben, die tragen110 Wein in geſchwollenen Trauben, und Gottes Regen ernaͤhrt ihn. Dort iſt weder Geſez, noch oͤffentliche Verſammlung; Sondern ſie wohnen all' auf den Haͤuptern hoher Gebirge In gehoͤhleten Felſen, und jeder richtet nach Willkuͤhr Seine Kinder und Weiber, und kuͤmmert ſich nicht um den andern. 115

Gegenuͤber der Bucht des Kuͤklopenlandes erſtreckt ſich, Weder nahe noch fern, ein kleines waldichtes Eiland, Welches unzaͤhlige Schaaren von wilden Ziegen durchſtreifen. Denn kein menſchlicher Fuß durchdringt die verwachſene Wildniß; Und nie ſcheuchet ſie dort ein ſpuͤrender Jaͤger, der muͤhſam120 Sich durch den Forſt arbeitet, und ſteile Felſen umklettert. Nirgends weidet ein Hirt, und nirgends ackert ein Pfluͤger; Unbeſaͤet liegt und unbeackert das Eiland Ewig menſchenleer, und naͤhret nur meckernde Ziegen. Denn es gebricht den Kuͤklopen an rothgeſchnaͤbelten Schiffen,125167Neunter Geſang. Auch iſt unter dem Schwarm kein Meiſter, kundig des Schiffbaus, Schoͤngebordete Schiffe zu zimmern, daß ſie mit Botſchaft Zu den Voͤlkern der Welt hinwandelten: wie ſich ſo haͤufig Menſchen uͤber das Meer in Schiffen einander beſuchen; Welche die Wildniß bald zu bluͤhenden Auen ſich ſchuͤfen. 130Denn nicht karg iſt das Land, und ſchmuͤckte jegliche Jahrszeit. Laͤngſt des grauen Meeres Geſtade winden ſich Wieſen, Reich an Quellen und Klee. Dort rankten die edelſten Reben; Und leicht pfluͤgte der Pflug, und dicke Saatengefilde Reiften jaͤhrlich der Ernte; denn fett iſt unten der Boden. 135Und der Hafen ſo ſicher! Kein Schiff bedarf da der Feßel, Weder geworfener Anker, noch angebundener Seile; Sondern es laͤuft auf den Sand, und ruhet, bis es dem Schiffer Weiter zu fahren beliebt, und guͤnſtige Winde ſich heben. Oben am Ende der Bucht entrieſelt der felſichten Grotte140 Silberblinkend ein Quell, von Pappelweiden umſchattet. Alda landeten wir. Ein Gott war unſer Geleiter Durch die finſtere Nacht: wir ſahn nicht, wohin wir uns wandten. Dickes Dunkel umdraͤngte die Schiff '; es leuchtet' am Himmel Weder Mond noch Stern, in ſchwarze Wolken gehuͤllet. 145Niemand erblickte daher mit ſeinen Augen die Inſel; Selbſt die langen Wogen, die hin ans Ufer ſich waͤlzten, Sahen wir nicht, bevor die ſtarken Schiffe gelandet. Und nachdem wir gelandet, da zogen wir nieder die Segel, Stiegen dann aus den Schiffen ans krumme Geſtade des Meeres,150 Schlummerten dort ein wenig, und harrten der heiligen Fruͤhe.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Wanderten wir umher, und beſahen wundernd das Eiland. 168Oduͤßee. Und es trieben die Nuͤmfen, Kronions liebliche Toͤchter, Kletternde Ziegen uns hin, zum Schmauſe meiner Gefaͤhrten. 155Eilend holten wir Bogen und langgeſchaftete Spieße Aus den Schiffen hervor, und in drei Geſchwader geordnet Schoßen wir friſch; und Gott erfreut 'uns mit reichlichem Wildpret. Zwoͤlf war die Zahl der Schiffe, die mir gehorchten; und jedem Theilte das Loos neun Ziegen, und zehn erlas ich mir ſelber. 160Alſo ſaßen wir dort den Tag, bis die Sonne ſich neigte, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. Denn noch war in den Schiffen der rothe Wein nicht verſieget, Sondern wir hatten genung; denn reichlich ſchoͤpften wir alle In die Eimer, da wir die Stadt der Kikonen beraubten. 165Und wir ſahen den Rauch des Kuͤklopenlandes, und hoͤrten Ihre murmelnde Stimm ', und die Stimme der Ziegen und Schafe. Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauſchenden Meeres.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,170 Rief ich alle Gefaͤhrten zur Rathsverſammlung, und ſagte:

Bleibt ihr uͤbrigen jezt, ihr meine lieben Gefaͤhrten. Ich und meine Genoßen wir wollen im Schiffe hinuͤber Fahren, und Kundſchaft holen, was dort vor Sterbliche wohnen: Ob unmenſchliche Raͤuber, und ſittenloſe Barbaren;175 Oder Diener der Goͤtter, und Freunde des heiligen Gaſtrechts.

Alſo ſprach ich, und trat ins Schiff, und befahl den Gefaͤhrten, Einzuſteigen, und ſchnell die Seile vom Ufer zu loͤſen. Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern. 180

Als wir das nahe Geſtad 'erreichten, ſahn wir von ferne169Neunter Geſang. Eine Felſenhoͤhl 'am Meer in der Spize des Landes, Hochgewoͤlbt und umſchattet mit Lorberbaͤumen. Hier pflegten Viele Ziegen und Schafe des Nachts zu ruhen; und ringsum War ein hohes Gehege von Felſenſtuͤcken gebauet,185 Von erhabenen Fichten und himmelanwehenden Eichen. Alda wohnt 'auch ein Mann von Rieſengroͤße, der einſam Stets auf entlegene Weiden ſie trieb, und nimmer mit andern Umging, ſondern fuͤr ſich auf arge Tuͤcke bedacht war. Graͤßlich geſtaltet war das Ungeheuer, wie keiner,190 Welchen der Halm ernaͤhrt: er glich dem waldichten Gipfel Hoher Kettengebirge, der einſam vor allen emporſteigt.

Eilend befahl ich jezo den uͤbrigen lieben Gefaͤhrten, An dem Geſtade zu bleiben, und unſer Schiff zu bewahren; Und ging ſelber mit zwoͤlf der Tapferſten, die ich mir auskohr,195 Einen ziegenledernen Schlauch auf der Achſel, voll ſchwarzes Suͤßes Weines, den mir einſt Maron, der Sohn Euanthaͤs, Schenkte, der Prieſter Apollons, der uͤber J[s]maros waltet. Dieſen verſchoneten wir, und ſeine Kinder und Gattin, Ehrfurchtsvoll; denn er wohnete dort in Foͤbos Apollons200 Heiligem Schattenhain. Drum ſchenkt 'er mir koͤſtliche Gaben: Schenkte mir ſieben Talente des ſchoͤngebildeten Goldes; Schenkte mir einen Kelch von lauterem Silber; und endlich Schoͤpft' er mir dieſes Weines in zwoͤlf gehenkelte Kruͤge: Suͤß und unverfaͤlſcht, ein Goͤttergetraͤnk! Auch wußte205 Keiner der Knecht 'im Hauſe darum, und keine der Maͤgde; Nur er ſelbſt, und ſein Weib, und die einzige Schaffnerin wußtens. Gab er ihn Preis, dann fuͤllt' er des ſuͤßen funkelnden Weines Einen Becher, und goß ihn in zwanzig Becher voll Waßer. 170Oduͤßee. Und den ſchaͤumenden Kelch umhauchten balſamiſche Duͤfte,210 Goͤttlicher Kraft: da war es gewiß nicht Freude zu durſten! Hiermit fuͤllt 'ich den großen Schlauch, den Ranzen mit Speiſe; Denn mir ahndete ſchon im Heldengeiſte, wir wuͤrden Einen Mann beſuchen, mit großer Staͤrke geruͤſtet, Grauſam und ungerecht, und durch keine Geſeze gebaͤndigt. 215

Eilig wanderten wir zur Hoͤhl ', und fanden den Rieſen Nicht daheim; er weidete ſchon auf der Weide die Heerden. Und wir gingen hinein, und beſahen wundernd die Hoͤhle. Alle Koͤrbe ſtrozten von Kaͤſe; Laͤmmer und Zicklein Draͤngeten ſich in den Staͤllen, und jede waren beſonders220 Eingeſperrt: die Fruͤhling 'allein, allein auch die Mittlern, Und die zarten Spaͤtling' allein. Es ſchwammen in Molken Alle Gefaͤße, die Wannen und Eimer, worinnen er melkte. Anfangs baten mich zwar die Freunde mit dringenden Worten, Nur von den Kaͤſen zu nehmen, und wegzuſchleichen; dann wieder,225 Hurtig zu unſerm Schiff 'aus den Staͤllen die Laͤmmer und Zicklein Wegzutreiben, und uͤber die ſalzigen Fluten zu ſteuern. Aber ich hoͤrete nicht; (ach beßer, haͤtt' ich gehoͤret!) Um ihn ſelber zu ſehn, und ſeiner Bewirtung zu harren: Ach fuͤr meine Gefaͤhrten ein unerfreulicher Anblick! 230

Und wir zuͤndeten Feuer, und opferten; nahmen dann ſelber Von den Kaͤſen und aßen, und ſezten uns voller Erwartung, Bis er kam mit der Heerd '. Er trug eine maͤchtige Ladung Trockenes Scheiterholz, das er zum Mahle geſpaltet. Und in der Hoͤhle ſtuͤrzt' er es hin: da krachte der Felſen;235 Und wir erſchraken, und flohn in den innerſten Winkel der Hoͤhle. Aber er trieb in die Kluft die fetten Ziegen und Schafe171Neunter Geſang. Alle zur Melke herein; die Widder und baͤrtigen Boͤcke Ließ er draußen zuruͤck, im hochummaurten Gehege. Hochauf ſchwenkt 'er und ſezte das große Spund vor den Eingang:240 Fuͤrchterlich groß! die Geſpanne von zweiundzwanzig ſtarken Und vierraͤdrigen Wagen, ſie ſchleppten ihn nicht von der Stelle, Jenen gewaltigen Fels, den das Ungeheuer emporhub. Jezo ſaß er, und melkte die Schaf 'und meckernden Ziegen Nach der Ordnung, und legte den Muͤttern die Saͤugling' ans Euter;245 Ließ von der weißen Milch die Haͤlfte gerinnen, und ſezte Sie zum Trocknen hinweg in dichtgeflochtenen Koͤrben; Und die andere Haͤlfte verwahrt 'er in weiten Gefaͤßen, Daß er beim Abendſchmauſe den Durſt mit dem Tranke ſich loͤſchte. Und nachdem er ſeine Geſchaͤft' in Eile verrichtet,250 Zuͤndet 'er Feuer an, und ſah uns ſtehen, und fragte:

Fremdlinge, ſagt, wer ſeid ihr? Von wannen traͤgt euch die Woge? Habt ihr wo ein Gewerb ', oder ſchweift ihr ohne Beſtimmung Hin und her auf der See: wie kuͤſtenumirrende Raͤuber, Die ihr Leben verachten, um fremden Voͤlkern zu ſchaden? 255

Alſo ſprach der Kuͤklop. Uns brach das Herz vor Entſezen Ueber das rauhe Gebruͤll, und das ſcheusliche Ungeheuer. Dennoch ermannt 'ich mich, und gab ihm dieſes zur Antwort:

Griechen ſind wir, und kommen von Troja's fernem Geſtade, Ueber das große Meer von mancherlei Stuͤrmen geſchleudert,260 Als wir ins Vaterland hinſteuerten: andere Fahrten, Andere Bahnen verhaͤngt 'uns Kronions waltende Vorſicht! Siehe wir preiſen uns Voͤlker von Atreus Sohn Agamemnon, Welchen der groͤßte Ruhm izt unter dem Himmel verherlicht, Weil er die maͤchtige Stadt und ſo viele Voͤlker vertilgt hat! 265172Oduͤßee. Jezo fallen wir dir zu Fuͤßen, und flehen in Demut: Reich 'uns eine geringe Bewirtung, oder ein andres Kleines Geſchenk, wie man gewoͤhnlich den Fremdlingen anbeut! Scheue doch, Beßter, die Goͤtter! Wir Armen flehn dir um Huͤlfe! Und ein Raͤcher iſt Zeus den huͤlfeflehenden Fremden,270 Zeus der Gaſtliche, welcher die heiligen Gaͤſte geleitet!

Alſo ſprach ich; und drauf verſezte der grauſame Wuͤtrich: Fremdling, du biſt ein Narr, oder kommſt auch ferne von hinnen! Mir befiehlſt du, die Goͤtter zu fuͤrchten, die Goͤtter zu ehren? Wir Kuͤklopen kuͤmmern uns nicht um den Koͤnig des Himmels,275 Noch um die ſeligen Goͤtter; denn wir ſind beßer, als jene! Nimmer verſchon 'ich euer aus Furcht vor der Rache Kronions, Dein und deiner Geſellen, wofern es mir ſelbſt nicht geluͤſtet! Sage mir an: wo biſt du mit deinem Schiffe gelandet? Irgendwo in der Fern', oder nahe? damit ich es wiße! 280

Alſo ſprach er voll Tuͤck '; allein ich kannte dergleichen. Eilend erwiedert' ich ihm die ſchlauerſonnenen Worte:

Ach mein Schiff hat der Erderſchuͤtterer Poſeidaon Mir an den Klippen zerſchmettert, indem er ans ſchroffe Geſtade Eures Landes es warf, und der Sturm aus dem Meer es verfolgte! 285Ich nur und dieſe Gefaͤhrten entflohn dem Schreckenverhaͤngniß!

Alſo ſprach ich; und nichts verſezte der grauſame Wuͤtrich; Sondern fuhr auf, und ſtreckte nach meinen Gefaͤhrten die Haͤnd 'aus, Deren er zween anpackt', und wie junge Hund 'auf den Boden Schmetterte: blutig entſprizt' ihr Gehirn, und nezte den Boden. 290Dann zerſtuͤckt 'er ſie Glied vor Glied, und tiſchte den Schmaus auf, Schluckte darein, wie ein Leu des Felſengebirgs, und verſchmaͤhte Weder Eingeweide, noch Fleiſch, noch die markichten Knochen. 173Neunter Geſang. Weinend erhuben wir die Haͤnde zum Vater Kronion, Als wir den Jammer ſahn, und ſtarres Entſezen ergriff uns. 295Doch kaum hatte der Rieſe den großen Wanſt ſich geſtopfet Mit dem Fraße von Menſchenfleiſch und dem lauteren Milchtrunk; Siehe da lag er im Fels weithingeſtreckt bei dem Viehe. Jezo ſtieg der Gedank 'in meine zuͤrnende Seele: Naͤher zu gehn, das geſchliffene Schwert von der Huͤfte zu reißen,300 Und ihm die Bruſt zu durchgraben, wo Zwerchfell und Leber ſich treffen, Mit nachborender Fauſt; doch ein andrer Gedanke verdraͤngt 'ihn. Denn ſo haͤtt' ich uns ſelbſt dem ſchrecklichen Tode geopfert: Unſere Haͤnde vermochten ja nicht, von der hohen Pforte Abzuwaͤlzen den maͤchtigen Fels, den der Rieſe davorſchob. 305Drum erwarteten wir mit Seufzen die heilige Fruͤhe.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Zuͤndet 'er Feuer an, und melkte die Ziegen und Schafe Nach der Ordnung, und legte den Muͤttern die Saͤugling' ans Euter. Und nachdem er ſeine Geſchaͤft 'in Eile verrichtet,310 Packt 'er abermal zween, und tiſchte die Stuͤcke zum Schmauſ' auf. Nach dem Fruͤhſtuͤck trieb er die feiſte Heerd 'aus der Hoͤhle. Spielend enthob er die Laſt des großen Spundes, und ſpielend Sezt' er ſie vor, als ſezt 'er auf ſeinen Koͤcher den Deckel. Und nun trieb der Kuͤklop mit gellendem Pfeifen die Heerde315 Auf das Gebirg '. Ich blieb in der Hoͤhle mit tauſend Entwuͤrfen, Rache zu uͤben, wenn mir Athaͤnaͤ Huͤlfe gewaͤhrte. Aber von allen Entwuͤrfen gefiel mir dieſer am beßten.

Neben dem Stalle lag des Kuͤklopen gewaltige Keule, Gruͤn, aus Olivenholze gehaun. Zum kuͤnftigen Stabe320 Dorrte ſie hier an der Wand, und kam uns vor nach dem Anſehn,174Oduͤßee. Wie der ragende Maſt des zwanzigrudrichten Laſtſchiffs, Welches mit breitem Bauch auf dem großen Waßer dahinfaͤhrt: Dieſem ſchien ſie an Laͤng ', und dieſem an Dicke zu gleichen. Und ich haute davon, ſoviel die Klafter umſpannet,325 Reichte meinen Gefaͤhrten den Pfahl, und hieß ihn mir glaͤtten; Und ſie ſchabten ihn glatt. Ich ſelber ſchaͤrfte die Spize Oben, und haͤrtete ſie in der lodernden Flamme des Feuers. Drauf verbarg ich den Knittel bedachtſam unter dem Miſte, Welcher dick und breit durch die ganze Hoͤhle geſaͤt war. 330Jezo befahl ich den andern, durchs heilige Loos zu entſcheiden, Wer ſich wagen ſollte, mit mir den gehobenen Knittel Jenem ins Auge zu drehn, ſobald ihn der Schlummer befiele. Und es traf gerade das Loos, die ich heimlich mir wuͤnſchte, Vier von meinen Gefaͤhrten; ich ſelbſt war der fuͤnfte mit ihnen. 335

Und am Abende kam er mit ſeiner gemaͤſteten Heerde, Und trieb ſchnell in die weite Kluft die Ziegen und Schafe, Muͤtter und Boͤcke zugleich, und ließ nichts draußen im Vorhof: Weil er etwas beſorgt ', oder Gott es alſo geordnet. Hochauf ſchwenkt' er und ſezte das große Spund vor den Eingang. 340Und nun ſaß er, und melkte die Schaf 'und meckernden Ziegen Nach der Ordnung, und legte den Muͤttern die Saͤugling' ans Euter. Und nachdem er ſeine Geſchaͤft 'in Eile verrichtet, Packt' er abermal zween, und tiſchte die Stuͤcke zum Schmauſ 'auf. Jezo trat ich naͤher, und ſagte zu dem Kuͤklopen,345 Einen hoͤlzernen Becher voll ſchwarzes Weines in Haͤnden:

Nim, Kuͤklop, und trink eins; auf Menſchenfleiſch iſt der Wein gut! Daß du doch lernſt, welch ein Trunk in unſerem Schiffe ruhte! Dieſen rettet 'ich dir zum Opfer, damit du erbarmend175Neunter Geſang. Heim mich ſendeteſt. Aber du wuͤteſt ja ganz unertraͤglich! 350Boͤſer Mann, wer wird dich hinfort von den Erdebewohnern Wieder beſuchen wollen? Du haſt nicht billig gehandelt!

Alſo ſprach ich. Er nahm und trank, und ſchmeckte gewaltig Nach dem ſuͤßen Getraͤnk, und bat noch Einmal zu fuͤllen:

Lieber, ſchenk mir noch eins, und ſage mir gleich, wie du heißeſt;355 Daß ich dich wieder bewirt ', und deine Seele ſich labe! Wiß, auch uns Kuͤklopen gebiert die fruchtbare Erde Wein in geſchwollenen Trauben, und Gottes Regen ernaͤhrt ihn. Aber der iſt ein Saft von Ambroſia oder von Nektar!

Alſo ſprach er; ich bracht ihm von neuem des funkelnden Weines. 360Dreimal ſchenkt 'ich ihm voll, und dreimal leerte der Dumme. Aber da jezo der geiſtige Trank in das Hirn des Kuͤklopen Stieg; da ſchmeichelt' ich ihm mit glatten Worten, und ſagte:

Meinen beruͤhmten Namen, Kuͤklop? Du ſollſt ihn erfahren. Aber vergiß mir auch nicht die Bewirtung, die du verhießeſt! 365Niemand iſt mein Name; denn Niemand nennen mich alle, Meine Mutter, mein Vater, und alle meine Geſellen.

Alſo ſprach ich; und drauf verſezte der grauſame Wuͤtrich: Niemand will ich zulezt nach ſeinen Geſellen verzehren; Alle die andern zuvor! Dies ſei die verheißne Bewirtung! 370

Sprachs, und ſtreckte ſich hin, fiel ruͤcklings, und lag mit geſenktem Feiſtem Nacken im Staub '; und der allgewaltige Schlummer Ueberwaͤltiget' ihn: dem Rachen entſtuͤrzten mit Weine Stuͤcke von Menſchenfleiſch, die der ſchnarchende Trunkenbold ausbrach.

Und nun hielt ich die Spize des Knittels in glimmende Aſche,375 Bis ſie Feuer fing, und ſtaͤrkte mit herzhaften Worten Meine Gefaͤhrten, daß keiner ſich feig 'im Winkel verkroͤche. 176Oduͤßee. Aber da eben jezo der Oelbaumknittel im Feuer Drohte zu brennen, ſo gruͤn er auch war, und fuͤrchterlich gluͤhte; Zog ich ihn eilend zuruͤck aus dem Feuer, und meine Gefaͤhrten380 Standen um mich; und ein Himmliſcher haucht 'uns Mut in die Seele. Und ſie faßten den ſpizen Olivenknittel, und ſtießen Ihn dem Kuͤklopen ins Aug', und ich, in die Hoͤhe mich reckend, Drehete. Wie wenn ein Mann, den Bohrer lenkend, ein Schiffholz Bohrt; die Unteren ziehn an beiden Enden des Riemens,385 Wirbeln ihn hin und her; und er flieget in dringender Eile: Alſo hielten auch wir in das Auge den gluͤhenden Knittel, Drehten, und heißes Blut umquoll die dringende Spize. Alle Wimper und Augenborſten verſengte die Lohe Seines entflammten Sterns; es praßelten brennend die Wurzeln. 390Wie wenn ein kluger Schmied die Holzaxt oder das Schlichtbeil Aus der 'in den kuͤhlenden Trog, der ſprudelnd emporbrauſt, Wirft und haͤrtet; denn dieſes erſezt die Kraͤfte des Eiſens: Alſo ziſchte das Aug' um die feurige Spize des Oelbrands. Fuͤrchterlich heult 'er auf, daß rings die dumpfige Kluft ſcholl. 395Und wir erſchraken und flohn in den innerſten Winkel. Doch jener Riß aus dem Auge den Knittel, mit vielem Blute beſudelt, Schleudert 'ihn ferne von dannen mit ungeberdigem Grimme; Und nun ruft er mit Zetergebruͤll den andern Kuͤklopen, Welche ringsum die Kluͤfte des ſtuͤrmiſchen Felſen bewohnten. 400Und ſie vernahmen das Bruͤllen, und draͤngten ſich dorther und daher, Standen rund um die Hoͤhl ', und fragten, was ihn betruͤbte:

Was geſchah dir vor Leid, Poluͤfaͤmos, daß du ſo bruͤllteſt Durch die ambroſiſche Nacht, und uns vom Schlummer erweckteſt? Raubt der Sterblichen einer dir deine Ziegen und Schafe? 405177Neunter Geſang. Oder wuͤrgt man dich ſelbſt, argliſtig oder gewaltſam?

Ihnen erwiederte drauf aus der Felſenkluft Poluͤfaͤmos: Niemand wuͤrgt mich, ihr Freund ', argliſtig! und keiner gewaltſam!

Drauf antworteten ſie, und ſchrien die gefluͤgelten Worte: Wenn dir denn keiner Gewalt anthut in der einſamen Hoͤhle;410 Gegen Schmerzen, die Zeus dir ſchickt, iſt kein anderes Mittel: Flehe zu deinem Vater, dem Meerbeherſcher Poſeidon!

Alſo ſchrien ſie, und gingen. Mir lachte die Seele vor Freude, Daß ſie mein falſcher Name geteuſcht und mein treflicher Einfall. Aber aͤchzend vor Quaal, mit jammervollem Gewinſel415 Tappte der blinde Kuͤklop, und nahm den Stein von der Pforte, Sezte ſich dann in die Pforte, mit ausgebreiteten Haͤnden, Taſtend, ob nicht vielleicht mit den Schafen einer entwiſchte. So einfaͤltig hielt mich in ſeinem Herzen der Rieſe. Aber ich ſann umher, das ſicherſte Mittel zu finden,420 Wie ich meine Gefaͤhrten und mich von dem ſchrecklichen Tode Rettete. Tauſend Entwuͤrf 'und Liſten wurden erſonnen; Denn es galt das Leben; und fuͤrchterlich drang die Entſcheidung! Doch von allen Entwuͤrfen gefiel mir dieſer am beßten.

Seine Widder waren ſehr feiſt, dickbuſchichter Vließe,425 Groß und ſtattlich von Wuchs, mit brauner Wolle bekleidet. Dieſe band ich geheim mit ſchwanken Ruten zuſammen, Wo der Kuͤklop auf ſchlief, das gottloſe Ungeheuer! Drei und drei: der mittelſte Bock trug einen der Maͤnner, Und zween gingen beiher, und ſchirmten meine Gefaͤhrten. 430Alſo trugen jeglichen Mann drei Widder. Ich ſelber Waͤhlte mir einen Bock, den treflichſten unter der Heerde. M178Oduͤßee. Dieſen ergriff ich ſchnell beim Ruͤcken, waͤlzte mich nieder Unter den wollichten Bauch, und lag mit duldendem Herzen, Beide Haͤnde feſt im Gekraͤuſel der Flocken verwickelt. 435Alſo erwarteten wir mit Seufzen die heilige Fruͤhe.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Eilten die Maͤnner der Heerde mit Ungeſtuͤm auf die Weide. Aber es bloͤckten am Stalle die ungemelkten Muͤtter; Denn die Euter ſtrozten von Milch. Der grauſame Wuͤtrich440 Saß von Schmerzen gefoltert, und taſtete ſorgſam die Ruͤcken Aller ſteigenden Widder, und ahndete nicht in der Dummheit, Daß ich ſie unter die Bruſt der wollichten Boͤcke gebunden. Langſam folgte nun der uͤbrigen Heerde mein Widder, Schwerbeladen mit Wolle, und mir, der mancherlei dachte. 445Streichelnd betaſtet 'auch ihn das Ungeheuer, und ſagte:

Suͤßes Boͤckchen, wie gehts? Du kommſt zulezt aus der Hoͤhle? Ei du pflegſt mir ja ſonſt nicht hinter der Heerde zu bleiben! Trabſt ja ſo hurtig voran, und pfluͤckſt dir zuerſt auf der Weide Graͤschen und Bluͤmelein; eilſt auch zuerſt in die Wellen der Fluͤße;450 Trachteſt auch immer zuerſt in den Stall zu kommen des Abends! Nun der lezte von allen? Ach geht dir etwa das Auge Deines Herren ſo nah? Der Boͤſewicht hat mirs entrißen, Er ſamt ſeinem Geſindel, indem er mit Wein mich berauſchte, Niemand! Ich mein ', er iſt mir noch nicht dem Verderben entronnen! 455Haͤtteſt du nur Gedanken wie ich, und verſtuͤndeſt die Sprache; Daß du mir ſagteſt, wo jener vor meiner Staͤrke ſich hinbirgt! Ha! auf den Boden geſchmettert, wie ſollte ſein Hirn durch die Hoͤhle Hiehin und dahin zerſprizen! Wie wuͤrde mein Herz von dem Jammer Sich erlaben, den mir der Taugenicht machte, der Niemand! 460

179Neunter Geſang.

Alſo ſprach er, und ließ den Widder von ſich hinausgehn. Als wir uns von der Hoͤhl 'und dem Hof' ein wenig entfernet, Macht 'ich zuerſt vom Widder mich los, und loͤſte die andern. Eilend trieben wir jezo die wohlgemaͤſteten großen Hochgeſchenkelten Boͤcke durch mancherlei Kruͤmmen zum Schiffe. 465Und mit herzlicher Freud 'empfingen die lieben Gefaͤhrten Uns Entflohne des Todes, und klagten ſchluchzend die andern. Aber ich ließ es nicht zu; ich deutete jedem mit Blicken, Nicht zu weinen; befahl dann, die ſchoͤne wollichte Heerde Hurtig ins Schiff zu werfen, und uͤber die Wogen zu ſteuern. 470Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern. Als ich ſo weit nun war, wie die Stimme des Rufenden ſchallet, Da begann ich, und rief dem Kuͤklopen mit ſchmaͤhenden Worten:

Ha, Kuͤklope, ſo recht! Nicht eines Feigen Gefaͤhrten475 Haſt du, wuͤtiger Rieſ ', in der dunkeln Hoͤhle gefreßen! Lange hatteſt du das mit deinen Suͤnden verſchuldet! Grauſamer, weil du die Gaͤſte nicht ſcheuteſt in deiner Behauſung Aufzuſchlucken; drum ſtrafte dich Zeus und die uͤbrigen Goͤtter!

Alſo rief ich, Noch wuͤtender tobte der blinde Kuͤklope,480 Riß herunter und warf den Gipfel des hohen Gebirges. Aber er fiel jenſeits des blaugeſchnaͤbelten SchiffesV. 482.Oduͤßeus fuhr von der Spize, wo er gelandet war, ſo weit nach der andern Spize des Meerbuſens, daß er den Kuͤklopen abrufen konnte, und hatte das Vordertheil des Schiffes nach der Hoͤhle gewandt. Nieder, und wenig gefehlt, ſo traf er die Spize des Steuers. Hochauf wogte das Meer von dem ſtuͤrzenden Felſen, und ploͤzlich Rafte mit Ungeſtuͤm der ſtrudelnde Schwall der Gewaͤßer,485180Oduͤßee. Landwaͤrts flutend, das Schiff, und warf es zuruͤck an das Ufer. Aber ich nahm mit den Haͤnden geſchwind 'eine maͤchtige Stange, Stieß es vom Land', und trieb und ermahnete meine Gefaͤhrten, Hurtig die Ruder zu regen, daß wir dem Verderben entroͤnnen, Deutend und nickend; ſie flogen ans Werk, und ruderten keuchend. 490

Als wir nun doppelt ſo weit in das hohe Meer uns gerettet, Siehe da rief ich von neuem dem Wuͤterich. Aber die Freunde Sprangen umher, und ſchweigten mich alle mit freundlichen Worten:

Waghals! willſt du noch mehr den grauſamen Rieſen erbittern, Welcher mit ſeinem Geſchoß in die See hinſpielet, und eben495 Wieder ans Ufer uns warf, wo Tod und Verderben uns drohte? Haͤtt 'er von dir nur ein Wort, nur deine Stimme vernommen; Wahrlich mit Einem geſchleuderten Fels haͤtt' er unſere Schaͤdel Samt den Balken des Schiffes zerſchellt! Er verſteht ſich aufs Schleudern!

Aber ſie ſtrebten umſonſt, mein edles Herz zu bewegen. 500Und ich rief dem Kuͤklopen von neuem mit zuͤrnender Seele:

Hoͤr, Kuͤklope! Sollte dich einſt von den ſterblichen Menſchen Jemand fragen, wer dir dein Auge ſo ſchaͤndlich geblendet; Sag 'ihm: Oduͤßeus, der Sohn Laertaͤs, der Staͤdteverwuͤſter, Der in Ithaka wohnt, der hat mein Auge geblendet! 505

Alſo rief ich ihm zu; und heulend gab er zur Antwort: Weh mir! es trifft mich jezo ein laͤngſtverkuͤndetes Schickſal! Hier war einſt ein Profet, ein Mann von Schoͤnheit und Groͤße, Taͤlemos, Euruͤmos Sohn, bekannt mit den Zeichen der Zukunft, Und bis ins Alter beſchaͤftigt, ſie uns Kuͤklopen zu deuten;510 Der weißagte mir alles, was jezt nach Jahren erfuͤllt wird: Durch Oduͤßeus Haͤnde wuͤrd 'ich mein Auge verlieren. Doch erwartet' ich immer, ein großer und ſtattlicher Rieſe181Neunter Geſang. Wuͤrde mich hier beſuchen, mit großer Staͤrke geruͤſtet! Und nun kommt ſo ein Ding, ſo ein elender Wicht, ſo ein Weichling,515 Und verbrennt mir das Auge, nachdem er mit Wein mich berauſchet! Komm doch her, Oduͤßeus! Ich will dich herlich bewirten, Und dir ein ſicher Geleit vom hohen Poſeidon verſchaffen. Denn ich bin ſein Sohn, und ruͤhmend nennt er ſich Vater! Dieſer kann mich auch heilen, wenns ihm geluͤſtet; kein andrer520 Unter den ſeligen Goͤttern, noch unter den ſterblichen Menſchen!

Alſo ſprach der Kuͤklop; ich gab ihm dieſes zur Antwort: Koͤnnt 'ich nur ſo gewiß auch deines Geiſtes und Lebens Dich entledigen, und in die Schattenwohnungen ſenden, Als dein Auge ſelbſt der hohe Poſeidon nicht heilet! 525

Alſo ſprach ich. Da ſtreckt 'er empor zum ſternichten Himmel Seine Haͤnd', und flehte dem Meerbeherſcher Poſeidon:

Hoͤre mich, Erdumguͤrter, du blaͤulichgelockter Poſeidon, Bin ich wirklich dein Sohn, und nennſt du ruͤhmend dich Vater! Gieb, daß Oduͤßeus, der Sohn Laertaͤs, der Staͤdteverwuͤſter,530 Der in Ithaka wohnt, nicht wiederkehre zur Heimat! Oder ward ihm beſtimmt, die Freunde wiederzuſehen, Und ſein praͤchtiges Haus, und ſeiner Vaͤter Gefilde; Laß ihn ſpaͤt, ungluͤcklich, und ohne Gefaͤhrten, zur Heimat Kehren auf fremdem Schiff ', und Elend finden im Hauſe! 535

Alſo ſprach er flehend; ihn hoͤrte der Blaͤulichgelockte. Und nun hub er von neuem noch einen groͤßeren Fels auf, Schwung ihn im Wirbel, und warf mit unermeßlicher Staͤrke. Aber er fiel dießeits des blaugeſchnaͤbelten Schiffes Nieder, und wenig gefehlt, ſo traf er die Spize des Steuers. 540Hochauf wogte das Meer von dem ſtuͤrzenden Felſen; und vorwaͤrts182Oduͤßee. Neunter Geſang. Trieben die Fluten das Schiff, und warfen es an das Geſtade.

Alſo erreichten wir des Eilands Bucht, wo die andern Schoͤngebordeten Schiffe beiſammen ruhten, und ringsum Traurend die Freunde ſaßen, und uns beſtaͤndig erwartend. 545Jezo landeten wir am ſandigen Ufer des Eilands, Stiegen dann aus dem Schiff ans krumme Geſtade des Meeres, Nahmen vom hohlen Schiffe die Heerd ', und theilten ſie alle Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging. Aber den Widder ſchenkten die ſchoͤngeharniſchteu Freunde550 Mir bei der Theilung voraus. Ihn opfert 'ich an dem Geſtade Zeus Kronion, dem Wolkenverſammler, der alles beherſchet, Und verbrannte die Lenden. Doch er verſchmaͤhte das Opfer; Unverſoͤhnt beſchloß er in ſeinem Rathe Vertilgung Aller ruͤſtigen Schiff' und meiner lieben Gefaͤhrten. 555

Alſo ſaßen wir dort den Tag, bis die Sonne ſich neigte, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauſchenden Meeres. Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte,560 Trat ich ſelber ins Schiff, und ermahnete meine Gefaͤhrten, Einzuſteigen, und ſchnell die Seile vom Ufer zu loͤſen. Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern.

Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen,565 Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten.

183

Oduͤßee. Zehnter Geſang.

Und wir kamen zur Inſel Aiolia. Dieſe bewohnteV. 1.Dieſe ſchwimmende Inſel lag diesmal unter der ſuͤdlichen Spize Sizi - liens; das zweitemal hinter der weſtlichen. Ihr Koͤnig Aiolos verſtand die Kunſt, Winde wehn und ruhn zu laſſen. In der neuern Fabel iſt er ein Gott, und ſeine Inſel die Wohnung der Winde. Aiolos, Hippotes Sohn, ein Freund der unſterblichen Goͤtter Undurchdringlich erhebt ſich rings um das ſchwimmende Eiland Eine Mauer von Erz, und ein glattes Felſengeſtade. Kinder waren ihm zwoͤlf in ſeinem Palaſte geboren,5 Lieblicher Toͤchter ſechs, und ſechs der bluͤhenden Soͤhne. Und er hatte die Toͤchter den Soͤhnen zu Weibern gegeben. Bei dem geliebten Vater und ihrer herlichen Mutter Schmauſen ſie ſtets, bewirtet mit tauſend koͤſtlichen Speiſen. Und das duftende Haus erſchallt von Toͤnen der Floͤte10 Tages, aber des Nachts ruht neben der zuͤchtigen Gattin Jeder auf praͤchtigen Decken im ſchoͤngebildeten Bette. Und wir kamen zu ihrer Stadt und ſchoͤnem Palaſte. Einen Monat bewirtet 'er mich, und forſchte nach allem, Ilions Macht, der Achaier Schiffen, und unſerer Heimfahrt;15 Und ich erzaͤhlt 'ihm darauf umſtaͤndlich die ganze Geſchichte. 184Oduͤßee. Als ich nun weiter verlangte, und ihn um ſichre Geleitung Bat; verſagt 'er mir nichts, und ruͤſtete mich zu der Abfahrt.

Und er gab mir, verſchloßen im dichtgenaͤheten Schlauche Vom neunjaͤhrigen Stiere, das Wehn lautbrauſender Winde. 20Denn ihn hatte Kronion zum Herſcher der Winde geordnet, Sie durch ſeinen Befehl zu empoͤren oder zu ſchweigen. Und er knuͤpfte den Schlauch mit glaͤnzendem ſilbernen Seile Feſt in dem hohlen Schiffe, daß auch kein Luͤftchen entwehte. Vor mir ließ er den Hauch des freundlichen Weſtes einherwehn,25 Daß ſie die Schiff 'und uns ſelbſt heimfuͤhreten. Aber dies ſollte Nicht geſchehn; denn wir ſanken durch eigene Thorheit in Ungluͤck.

Schon durchſegelten wir neun Tag 'und Naͤchte die Wogen; Und in der zehnten Nacht erſchien uns das heimiſche Ufer, Daß wir ſchon in der Naͤhe die Feuerwachen erblickten. 30Jezo ſchlummert 'ich ein, ermuͤdet von langer Arbeit; Denn ich lenkte beſtaͤndig das Steur, und ließ der Gefaͤhrten Keinen dazu, um geſchwinder das Vaterland zu erreichen. Und die Genoßen beſprachen ſich heimlich unter einander, Waͤhnend, ich fuͤhrte mit mir viel Gold und Silber zur Heimat,35 Aiolos Ehrengeſchenke, des hippotadiſchen Koͤnigs. Und man wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Wunderbar! Dieſer Mann gewinnt die Achtung und Liebe Aller Menſchen, wohin er auch kommt, in Staͤdten und Laͤndern! Aus der troiſchen Beute wie manches unſchaͤzbare Kleinod40 Bringet er mit! und wir, die alle Gefahren getheilet, Kehren am Ende doch mit leeren Haͤnden zur Heimat. Nun hat Aiolos dieſes Geſchenk aus beſonderer Freundſchaft Ihm verehrt! Auf, laßt uns denn eilen und ſehen, was dies ſei,185Zehnter Geſang. Wie viel Silber und Gold in dieſem Schlauche doch ſtecke. 45

Alſo ſprach man. Es ſiegte der boͤſe Rath der Genoßen; Und ſie loͤſten den Schlauch, und mit Einmal entſauſten die Winde. Ploͤzlich ergriff ſie der Sturm, und ſchleuderte weit in das Weltmeer Hin die Weinenden, ferne vom Vaterlande. Da fuhr ich Schnell aus dem Schlaf, und erwog in meiner unſtraͤflichen Seele;50 Ob ich vom Schiffe hinab in die tobenden Wogen mich ſtuͤrzte, Oder es ſchweigend erduldet ', und noch bei den Lebenden bliebe; Aber ich duldet' und blieb, und lag mit verhuͤlletem Antliz Auf dem Verdeck; und es warf der Orkan lautbrauſend die Schiffe Nach der aioliſchen Inſel zuruͤck; es ſeufzten die Maͤnner. 55

Alda ſtiegen wir aus an den Strand, und ſchoͤpften uns Waßer. Schnell bereiteten uns die Gefaͤhrten ein Mahl bei den Schiffen. Und ſobald wir das Herz mit Trank und Speiſe geſtaͤrket, Eilt 'ich, von unſerem Herold' und einem Gefaͤhrten begleitet, Zu der herlichen Burg des Aiolos. Dieſen erblickt 'ich60 Sizend mit ſeinem Weib 'und ſeinen Kindern beim Schmauſe. Und wir gingen ins Haus, und ſezten uns neben den Pfoſten Auf die Schwelle dahin; ſie erſchracken im Herzen, und fragten:

Siehe woher, Oduͤßeus? Welch boͤſer Daͤmon verfolgt dich? Haben wir doch die Fahrt ſo ſorgſam gefoͤrdert, damit du65 Heim in dein Vaterland, und wohin dirs beliebte, gelangteſt!

Alſo ſprach man; und ich antwortete, trauriges Herzens: Meine boͤſen Gefaͤhrten, die ſind mein Verderben, mit dieſen Ein unſeliger Schlaf! Ach helft mir, Freunde! Ihr koͤnnt es.

Alſo wollt 'ich ſie mir mit ſchmeichelnden Worten gewinnen. 70Aber ſie ſchwiegen ſtill; der Vater gab mir zur Antwort:

Hebe dich eilig hinweg von der Inſel, du Aergſter der Menſchen! 186Oduͤßee. Denn es geziemet mir nicht, zu bewirten, noch weiter zu ſenden Einen Mann, den die Rache der ſeligen Goͤtter verfolget. Hebe dich weg, denn du koͤmmſt mit dem Zorne der Goͤtter beladen! 75

Alſo ſprach er, und trieb mich Seufzenden aus dem Palaſte. Und wir ſteuerten jezo mit trauriger Seele von dannen. Aber den Maͤnnern entſchwand das Herz am ermuͤdenden Ruder, Unſerer Thorheit halben, weil weiter kein Ende zu ſehn war.

Als wir nun ſechs Tag 'und Naͤchte die Wogen durchrudert,V. 80.Die Laiſtruͤgonen wohnten an der fabelhaften Weſtſeite Siziliens.80 Landeten wir bei der Veſte der Laiſtruͤgonen, bei Lamos Stadt Taͤlepuͤlos an. Hier wechſeln Hirten mit Hirten; Welcher heraustreibt, hoͤrt das Rufen deß, der hereintreibt. Und ein Mann ohne Schlaf erfreute ſich doppeltes Lohnes, Eines als Rinderhirte, des andern als Hirte der Schafe;85 Denn nicht weit ſind die Triften der Nacht und des Tages entfernet. Jezo erreichten wir den treflichen Hafen, den ringsum Himmelanſtrebende Felſen von beiden Seiten umſchließen, Und wo vorn in der Muͤndung ſich zwo vorragende Spizen Gegen einander drehn; ein enggeſchloßener Eingang! 90Meine Gefaͤhrten lenkten die gleichgezimmerten Schiffe Alle hinein in die Bucht, und banden ſie dicht bei einander Feſt; denn niemals erhob ſich eine Welle darinnen, Weder groß noch klein; rings herſchet ſpiegelnde Stille. Ich allein blieb draußen mit meinem ſchwaͤrzlichen Schiffe,95 An dem Ende der Bucht, und band es mit Seilen am Felſen, Kletterte dann auf den zackichten weitumſchauenden Gipfel. Aber es zeigte ſich nirgends die Spur von Stieren und Pfluͤgern;187Zehnter Geſang. Sondern wir ſahn nur Rauch von der Erd 'am Himmel hinaufziehn. Jezo ſandt' ich Maͤnner voraus, das Land zu erkunden,100 Was vor Sterbliche dort die Frucht des Halmes genoͤßen, Zween erlesne Gefaͤhrten; ein Herold war ihr Begleiter. Und ſie ſtiegen ans Land, und gingen die Straße, worauf man Holzbeladene Wagen vom hohen Gebirge zur Stadt faͤhrt. Ihnen begegnete dicht vor der Stadt ein Maͤdchen, das Waßer105 Schoͤpfte, des Laiſtruͤgonen Antifataͤs ruͤſtige Tochter. Dieſe ſtieg zu der Nuͤmfe Artakia ſprudelnder Quelle Nieder; denn daraus ſchoͤpften die Laiſtruͤgonen ihr Waßer. Und ſie traten hinzu, begruͤßten das Maͤdchen, und fragten, Wer dort Koͤnig waͤre, und welches Volk er beherſchte. 110Jene wies ſie ſogleich zum hohen Palaſte des Vaters. Und ſie gingen hinein in die Burg, und fanden des Koͤnigs Weib, ſo groß wie ein Gipfel des Bergs und ein Grauen befiel ſie. Jene rief den beruͤhmten Antifataͤs aus der Verſammlung, Ihren Gemahl, der ihnen ein ſchreckliches Ende beſtimmte. 115Ungeſtuͤm packt 'er den einen Gefaͤhrten, und tiſchte den Schmaus auf. Aber die uͤbrigen zween enteilten, und flohn zu den Schiffen. Und er erhub ein Gebruͤll durch die Stadt; und ſiehe! mit Einmal Kamen hieher und dorther die ruͤſtigen Laiſtruͤgonen Zahllos zuhauf; ſie glichen nicht Menſchen, ſondern Giganten. 120Dieſe ſchleuderten jezt von dem Fels unmenſchliche Laſten Steine herab; da entſtand in den Schiffen ein ſchrecklich Getuͤmmel, Sterbender Maͤnner Geſchrei und das Krachen zerſchmetterter Schiffe. Und man durchſtach ſie, wie Fiſche, und trug ſie zum ſcheuslichen Fraß hin. Waͤhrend dieſe die Maͤnner im tiefen Hafen vertilgten,125 Eilt 'ich geſchwind, und riß das geſchliffene Schwert von der Huͤfte,188Oduͤßee. Und zerhaute die Seile des blaugeſchnaͤbelten Schiffes. Dann ermahnt 'ich und trieb aufs aͤußerſte meine Genoßen, Hurtig die Ruder zu regen, daß wir dem Verderben entroͤnnen; Keuchend ſchlugen ſie alle die Flut, aus Furcht vor dem Tode. 130Aber gluͤcklich enteilte mein Schiff von den hangenden Klippen Ueber das Meer; die andern verſanken dort all' in den Abgrund. Alſo ſteuerten wir mit trauriger Seele von dannen, Froh der beſtandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefaͤhrten.

Und wir kamen zur Inſel Aiaia. V. 135.Aiaia lag, nach Homers Meinung, unter der Mitte Italiens, das ſich von der ſiziliſchen Meerenge zwei Tagereiſen gegen Suͤdweſt bis zur Muͤndung des Ozeans erſtreckte.Dieſe bewohnte135 Kirkaͤ, die ſchoͤngelockte, die hehre melodiſche Goͤttin, Eine leibliche Schweſter des allerfahrnen Aiaͤtaͤs. Beide ſtammten vom Gotte der menſchenerleuchtenden Sonne; Ihre Mutter war Perfaͤ, des großen Okeanos Tochter. V. 139.Aiaͤtaͤs, Koͤnig in Kolchis.Alda liefen wir ſtill mit unſerm Schiff 'ans Geſtade140 In die ſchirmende Bucht; ein Gott war unſer Geleiter. Und wir ſtiegen ans Land, wo wir zween Tag 'und zwo Naͤchte Ruhten, zugleich von der Arbeit und von dem Kummer entkraͤftet. Als nun die Morgenroͤthe des dritten Tages emporſtieg, Nahm ich die Lanz' in die Hand, und haͤngte das Schwert um die Schulter,145 Eilte vom Schiff, und beſtieg den Huͤgel, ob ich vielleicht wo Spuren von Menſchen erblickte, und ihre Stimme vernaͤhme. Als ich jezt von der Hoͤhe des ſchroffen Felſen umherſah, Kam es mir vor, daß Rauch von der weitumwanderten Erde Hinter dem dicken Gebuͤſch aus Kirkaͤs Wohnung emporſtieg. 150189Zehnter Geſang. Jezo ſann ich umher, und erwog den wankenden Vorſaz, Hin nach dem dunkeln Rauche zu gehn, und weiter zu forſchen. Dieſer Gedanke ſchien mir Zweifelnden endlich der beßte: Erſt zu dem ſchnellen Schiffe zu gehn am Strande des Meeres, Meine Genoßen mit Speiſe zu ſtaͤrken, und Spaͤher zu ſenden. 155Als ich ſchon nahe war dem gleichberuderten Schiffe, Da erbarmte ſich mein, des Einſamen, einer der Goͤtter. Und es lief ein gewaltiger Hirſch mit hohem Geweihe Mir auf den Weg; er ſprang aus der Weide des Waldes zum Bache Lechzend hinab, denn ihn brannten bereits die Stralen der Sonne. 160Dieſen ſchoß ich im Lauf, und traf ihm die Mitte des Ruͤckgrats, Daß die eherne Lanz 'am Bauche wieder herausfuhr; Schreiend ſtuͤrzt' er dahin in den Staub, und das Leben entflog ihm. Hierauf zog ich, den Fuß anſtemmend, die eherne Lanze Aus der Wunde zuruͤck, und legte ſie dort auf den Boden165 Nieder. Dann brach ich am Bache mir ſchwanke weidene Ruten, Drehete links und rechts ein klafterlanges Geflechte, Und verband die Fuͤße des maͤchtigen Ungeheuers, Haͤngt 'es mir uͤber den Hals, und trug es zum ſchwaͤrzlichen Schiffe, Auf die Lanze geſtuͤzt; denn Einer Schulter und Hand war170 Viel zu ſchwer die Laſt des rieſenmaͤßigen Thieres. Vor dem Schiffe warf ich es hin, und redete jedem Meiner Genoßen zu mit dieſen freundlichen Worten:

Lieben, wir werden ja doch, troz unſerm Grame, nicht fruͤher Sinken in Aïdaͤs Reich, eh der Tag des Schickſals uns abruft! V. 175.Aïdaͤs, Pluto.175Auf denn, ſo lange das Schiff noch Trank und Speiſe verwahret,190Oduͤßee. Eßt nach Herzensbegier, damit uns der Hunger nicht toͤdte!

Alſo ſprach ich; und ſchnell gehorchten ſie meinem Befehle, Kamen aus ihren Huͤllen, am Ufer des wuͤſten Meeres, Und verwunderten ſich des rieſenmaͤßigen Hirſches. 180Und nachdem ſie die Augen an ſeiner Groͤße geweidet, Wuſchen ſie ihre Haͤnde, das herliche Mahl zu bereiten. Alſo ſaßen wir dort den Tag, bis die Sonne ſich neigte, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte,185 Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauſchenden Meeres. Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenſingern erwachte, Rief ich alle Gefaͤhrten zur Rathsverſammlung, und ſagte:

Hoͤret jezo mich an, ihr meine Genoßen im Ungluͤck! Freunde, wir wißen ja nicht, wo Abend oder wo Morgen;190 Nicht, wo die leuchtende Sonne ſich unter die Erde hinabſenkt, Noch, wo ſie wiederkehrt: drum muͤßen wir ſchnell uns bedenken, Iſt noch irgend ein Rath; ich ſehe keinen mehr uͤbrig. Denn ich umſchauete dort von der Hoͤhe des zackichten Felſens Dieſe Inſel, die rings das unendliche Meer umguͤrtet,195 Nahe liegt ſie am Land '; und in der Mitte der Inſel Sah ich Rauch, der hinter dem dicken Gebuͤſche hervorſtieg.

Alſo ſprach ich; und ihnen brach das Herz vor Betruͤbniß, Da ſie des Laiſtruͤgonen Antifataͤs Thaten bedachten, Und des Kuͤklopen Gewalt, des grauſamen Menſchenfreßers. 200Und ſie weineten laut, und vergoßen haͤufige Thraͤnen. Aber ſie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen.

Jezo theilt 'ich die Schaar der wohlgeharniſchten Freunde In zween Haufen, und gab jedwedem einen Gebieter. 191Zehnter Geſang. Dieſen fuͤhrte ich ſelbſt, der edle Euruͤlochos jenen. 205Eilend ſchuͤttelten wir im ehernen Helme die Looſe; Und das Loos des beherzten Euruͤlochos ſprang aus dem Helme. Dieſer machte ſich auf mit zweiundzwanzig Gefaͤhrten; Weinend gingen ſie fort, und verließen uns traurend am Ufer.

Und ſie fanden im Thal des Gebirgs die Wohnung der Kirkaͤ,210 Von gehauenen Steinen, in weitumſchauender Gegend. Ihn umwandelten rings Bergwoͤlfe und maͤhnichte Loͤwen, Durch die verderblichen Saͤfte der maͤchtigen Kirkaͤ bezaubert. Dieſe ſprangen nicht wild auf die Maͤnner, ſondern ſie ſtiegen Schmeichelnd an ihnen empor mit langen wedelnden Schwaͤnzen. 215Alſo umwedeln die Hunde den Hausherrn, wenn er vom Schmauſe Wiederkehrt; denn er bringt beſtaͤndig leckere Bißen: Alſo umwedelten ſie ſtarkklauige Loͤwen und Woͤlfe. Aber ſie fuͤrchteten ſich vor den ſchrecklichen Ungeheuern. Und ſie ſtanden am Hofe der ſchoͤngelocketen Goͤttin,220 Und vernahmen im Hauſ 'anmutige Melodieen. Singend webete Kirkaͤ den großen unſterblichen Teppich, Fein und lieblich und glaͤnzend, wie aller Goͤttinnen Arbeit. Unter ihnen begann der Voͤlkerfuͤhrer Politaͤs, Welcher der liebſte mir war und geehrteſte meiner Genoßen:225

Freunde, hier wirket jemand, und ſingt am großen Gewebe Reizende Melodieen, daß rings das Getaͤfel ertoͤnet; Eine Goͤttin, oder ein Weib! Wir wollen ihr rufen!

Alſo ſprach Politaͤs; die Freunde gehorchten, und riefen. Jene kam, und oͤffnete ſchnell die ſtralende Pforte,230 Noͤthigte ſie; und alle, die Unbeſonnenen, folgten. Nur Euruͤlochos blieb, denn er vermutete Boͤſes. 192Oduͤßee. Und ſie ſezte die Maͤnner auf praͤchtige Seßel und Throne, Mengte geriebenen Kaͤſe mit Mehl und gelblichem Honig Unter pramniſchen Wein, und miſchte bethoͤrende Saͤfte235 In das Gericht, damit ſie der Heimat gaͤnzlich vergaͤßen. Als ſie dieſes empfangen und ausgeleeret, da ruͤhrte Kirkaͤ ſie mit der Rute, und ſperrte ſie dann in die Koͤfen. Denn ſie hatten von Schweinen die Koͤpfe, Stimmen und Leiber, Auch die Borſten; allein ihr Verſtand blieb voͤllig, wie vormals. 240Weinend ließen ſie ſich einſperren; da ſchuͤttete Kirkaͤ Ihnen Eicheln und Buchenmaſt, und rothe Kornellen Vor, das gewoͤhnliche Futter der erdaufwuͤhlenden Schweine.

Und Euruͤlochos kam zu dem ſchwaͤrzlichen Schiffe geeilet, Uns das herbe Verhaͤngniß der uͤbrigen Freunde zu melden. 245Aber er konnte kein Wort ausſprechen, ſo gern er auch wollte. Denn die entſezliche Angſt beklemmte ſein Herz; die Augen Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele. Lange hatten wir all' ihn voll Erſtaunen befraget; Endlich hub er an, und erzaͤhlte der Freunde Verderben:250

Edler Oduͤßeus, wir gingen, wie du befahlſt, durch die Waldung! Fanden im Thal des Gebirgs die ſchoͤngebauete Wohnung, Von gehauenen Steinen, in weitumſchauender Gegend! Alda wirkte jemand, und ſang am großen Gewebe: Eine Goͤttin, oder ein Weib! Ihr riefen die andern! 255Jene kam, und oͤffnete ſchnell die ſtralende Pforte, Noͤthigte ſie; und alle, die Unbeſonnenen! folgten. Ich allein blieb draußen, denn ich vermutete Boͤſes! Aber mit Einmal waren die andern verſchwunden, und keiner Kehrte zuruͤck; ſolang 'ich auch ſaß, und nach ihnen mich umſah! 260

193Zehnter Geſang.

Alſo ſprach er; und ich warf eilend das ſilberbeſchlagne Große eherne Schwert um die Schulter, ſamt Bogen und Koͤcher; Und befahl ihm, mich gleich des ſelbigen Weges zu fuͤhren. Aber er faßte mir flehend mit beiden Haͤnden die Kniee, Und wehklagete laut, und ſprach die gefluͤgelten Worte:265

Goͤttlicher, laße mich hier, und fuͤhre mich nicht mit Gewalt hin! Denn ich weiß es, du kehrſt nicht wieder von dannen, und bringeſt Keinen Gefaͤhrten zuruͤck! Drum laß uns geſchwinde mit dieſen Fliehn! Vielleicht daß wir noch dem Tage des Fluches entrinnen!

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte:270 Nun ſo bleibe denn du, Euruͤlochos, hier auf der Stelle! und trink dich ſatt, bei dem ſchwarzen gebogenen Schiffe! Aber ich geh 'allein! denn ich fuͤhle die Noth, die mich hintreibt!

Alſo ſprach ich, und ging von dem Schiff 'und dem Ufer des Meeres. Jezo naͤhert' ich mich, die heiligen Thale durchwandelnd,275 Schon dem hohen Palaſte der furchtbaren Zauberin Kirkaͤ; Da begegnete mir Hermeias mit goldenem Stabe Auf dem Wege zur Burg, an Geſtalt ein bluͤhender Juͤngling, Deßen Wange ſich braͤunt, im holdeſten Reize der Jugend. Dieſer gab mir die Hand, und ſagte mit freundlicher Stimme:280

Armer, wie gehſt du hier ſo allein durch die bergichte Waldung, Da du die Gegend nicht kennſt? Bei Kirkaͤ ſind deine Gefaͤhrten Eingeſperrt, wie Schweine, in dichtverſchloßenen Staͤllen. Gehſt du etwa dahin, ſie zu retten? Ich fuͤrchte, du kehreſt Nicht von dannen zuruͤck, du bleibeſt ſelbſt bei den Andern. 285Aber wohlan! ich will dich vor allem Uebel bewahren! Nim dies heilſame Mittel, und gehe zum Hauſe der Kirkaͤ,R194Oduͤßee. Sicher, von deinem Haupte den Tag des Fluches zu wenden. Alle verderblichen Kuͤnſte der Zauberin will ich dir nennen. Weinmus ruͤhrt ſie dir ein, und miſcht ihr Gift in die Speiſe:290 Dennoch gelingt es ihr nicht, dich umzuſchaffen; die Jugend Dieſer heilſamen Pflanze verhindert ſie. Hoͤre nun weiter. Wann dich Kirkaͤ darauf mit der langen Rute beruͤhret, Siehe dann reiße du ſchnell das geſchliffene Schwert von der Huͤfte, Spring auf die Zauberin los, und drohe ſie gleich zu erwuͤrgen. 295Dieſe wird in der Angſt zu ihrem Lager dich rufen; Und nun weigre dich nicht, und beſteige das Lager der Goͤttin, Daß ſie deine Gefaͤhrten erloͤſ ', und dich ſelber bewirte. Aber ſie ſchwoͤre zuvor der Seligen großen Eidſchwur, Daß ſie bei ſich nichts anders zu deinem Schaden beſchloßen;300 Daß ſie dir Waffenloſen nicht raube Tugend und Staͤrke.

Alſo ſprach Hermeias, und gab mir die heilſame Pflanze, Die er dem Boden entriß, und zeigte mir ihre Natur an: Ihre Wurzel war ſchwarz, und milchweiß bluͤhte die Blume; Moluͤ wird ſie genannt von den Goͤttern. Sterblichen Menſchen305 Iſt ſie ſchwer zu graben; doch alles vermoͤgen die Goͤtter.

Und der Argosbeſieger enteilte zum hohen Oluͤmpos Durch die waldichte Inſel; ich ging zum Hauſe der Kirkaͤ Hin, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. Und ich ſtand an der Pforte der ſchoͤngelocketen Goͤttin,310 Stand und rief; und die Goͤttin vernahm des Rufenden Stimme, Kam ſogleich, und oͤffnete mir die ſtralende Pforte, Noͤthigte mich herein; und ich folgte mit traurigem Herzen. Hierauf fuͤhrte ſie mich zu ihrem ſilberbeſchlagnen Schoͤnen praͤchtigen Thron, mit fuͤßeſtuͤzendem Schemel,315195Zehnter Geſang. Miſchte mir dann ein Gemuͤſ 'im goldenen Becher zu trinken, Und vergiftet' es tuͤckiſch mit ihrem bezaubernden Safte. Und ſie reichte mirs hin; ich trank es, und ohne Verwandlung. Drauf beruͤhrte ſie mich mit der Zauberrute, und ſagte:

Gehe nun in den Kofen, und liege bei deinen Gefaͤhrten. 320Alſo ſprach ſie; da riß ich das ſchneidende Schwert von der Huͤfte, Sprang auf die Zauberin los, und drohte ſie gleich zu erwuͤrgen: Aber ſie ſchrie, und eilte gebuͤckt, mir die Kniee zu faßen; Lautwehklagend rief ſie die ſchnellgefluͤgelten Worte:

Wer, weß Volkes biſt du? und wo iſt deine Geburtſtadt? 325Staunen ergreift mich, da dich der Zaubertrank nicht verwandelt! Denn kein ſterblicher Menſch iſt dieſem Zauber beſtanden, Welcher trank, ſobald ihm der Wein die Zunge hinabglitt. Aber du traͤgſt ein unbezwingliches Herz in dem Buſen! Biſt du jener Oduͤßeus, der, viele Kuͤſten umirrend,330 Wann er von Ilion kehrt im ſchnellen Schiffe, auch hieher Kommen ſoll, wie der Gott mit goldenem Stabe mir ſaget? Lieber! ſo ſtecke dein Schwert in die Scheid ', und laß uns zuſammen Unſer Lager beſteigen, damit wir, beide verſoͤhnet Durch die Freuden der Liebe, hinfort einander vertrauen! 335

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte: Kirkaͤ, wie kannſt du begehren, daß ich dir freundlich begegne? Da du meine Gefaͤhrten im Hauſe zu Schweinen gemacht haſt, Und mich ſelber behaͤltſt, und mir argliſtig befiehleſt, In die Kammer zu gehn, und auf dein Lager zu ſteigen;340 Daß du mich Waffenloſen der Tugend und Staͤrke beraubeſt? Nein! ich werde nimmer dein Lager beſteigen, o Goͤttin, Du willfahreſt mir denn, mit hohem Schwur zu geloben,196Oduͤßee. Daß du bei dir nichts anders zu meinem Verderben beſchließeſt!

Alſo ſprach ich; und eilend beſchwur ſie, was ich verlangte. 345Als ſie es jezo gelobt, und vollendet den heiligen Eidſchwur; Da beſtieg ich mit Kirkaͤ das koͤſtlichbereitete Lager.

Und in dem hohen Palaſte der ſchoͤnen Zauberin dienten Vier holdſelige Maͤgde, die alle Geſchaͤfte beſorgten. Dieſe waren Toͤchter der Quellen und ſchattigen Haine,350 Und der heiligen Stroͤme, die in das Meer ſich ergießen. Eine von dieſen bedeckte die Throne mit zierlichen Polſtern: Oben legte ſie Purpur, und unten den leinenen Teppich. Und die andere ſtellte die ſchoͤnen Tiſche von Silber Vor die Throne, und ſezte darauf die goldenen Koͤrbe. 355Und die dritte miſchte in ſilberner Schale den ſuͤßen Herzerfreuenden Wein, und vertheilte die goldenen Becher. Aber die vierte Magd trug Waßer, und zuͤndete Feuer Unter dem großen Dreifuß an, das Waßer zu waͤrmen. Und nachdem das Waßer im blinkenden Erze gekochet,360 Fuͤhrte ſie mich in das Bad, und ſtroͤmt 'aus dem dampfenden Keßel Lieblichgemiſchtes Waßer mir uͤber das Haupt und die Schultern, Und entnahm den Gliedern die geiſtentkraͤftende Arbeit. Als ſie mich jezo gebadet, und drauf mit Oele geſalbet, Da umhuͤllte ſie mir den praͤchtigen Mantel und Leibrock,365 Und dann fuͤhrte ſie mich ins Gemach zum ſilberbeſchlagnen Schoͤnen kuͤnſtlichen Thron, mit fuͤßeſtuͤzendem Schemel. Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen Mir die Haͤnd ', und ſtellte vor mich die geglaͤttete Tafel. 370Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf,197Zehnter Geſang. Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat, Und befahl mir zu eßen. Doch meinem Herzen gefiels nicht; Sondern ich ſaß zerſtreut, und ahndete Boͤſes im Herzen.

Kirkaͤ bemerkte mich jezt, wie ich daſaß, ohne die Speiſe375 Mit den Haͤnden zu ruͤhren, verſunken in tiefe Schwermut; Und ſie nahte ſich mir, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Warum ſizeſt du ſo wie ein Stummer am Tiſche, Oduͤßeus, Und zerquaͤlſt dein Herz, und ruͤhreſt nicht Speiſe noch Trank an? Iſt dir noch bange vor Hinterliſt? Du mußt dich nicht fuͤrchten! 380Denn ich habe dirs ja mit hohem Eide geſchworen!

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte: Kirkaͤ, welcher Mann, dem Recht und Billigkeit obliegt, Haͤtte das Herz, ſich eher mit Trank und Speiſe zu laben, Eh er die Freunde gerettet, und ſelbſt mit Augen geſehen? 385Darum, wenn du aus Freundſchaft zum Eßen und Trinken mich noͤthigſt; Gieb ſie frei, und zeige ſie mir, die lieben Gefaͤhrten!

Alſo ſprach ich. Sie ging, in der Hand die magiſche Rute, Aus dem Gemach, und oͤffnete ſchnell die Thuͤre des Kofens, Und trieb jene heraus, in Geſtalt neunjaͤhriger Eber. 390Alle ſtellten ſich jezt vor die maͤchtige Kirkaͤ, und dieſe Ging umher, und beſtrich jedweden mit heilendem Safte. Siehe da ſanken herab von den Gliedern die ſcheuslichen Borſten Jenes vergiftenden Tranks, den ihnen die Zauberin eingab. Maͤnner wurden ſie ſchnell, und juͤngere Maͤnner, denn vormals,395 Auch weit ſchoͤnerer Bildung und weit erhabneres Wuchſes. Und ſie erkannten mich gleich, und gaben mir alle die Haͤnde; Alle huben an, vor Freude zu weinen, daß ringsum Laut die Wohnung erſcholl. Es jammerte ſelber die Goͤttin. 198Oduͤßee. Und ſie nahte ſich mir, die hehre Goͤttin, und ſagte:400

Edler Laertiad ',[erfindungsreicher] Oduͤßeus, Gehe nun hin zu dem ruͤſtigen Schiff' am Strande des Meeres; Zieht vor allen Dingen das Schiff ans trockne Geſtade, Und verwahrt in den Hoͤhlen die Guͤter und alle Geraͤthe. Dann komm eilig zuruͤck, und bringe die lieben Gefaͤhrten. 405

Alſo ſprach ſie, und zwang mein edles Herz zum Gehorſam. Eilend ging ich zum ruͤſtigen Schiff am Strande des Meeres, Und fand dort bei dem ruͤſtigen Schiffe die lieben Gefaͤhrten, Welche troſtlos klagten, und haͤufige Thraͤnen vergoßen. Wie wenn im Meierhofe die Kaͤlber den Kuͤhen der Heerde,410 Welche ſatt von der Weide zum naͤchtlichen Stalle zuruͤckgehn, Alle mit freudigen Spruͤngen entgegen eilen; es halten Keine Gehege ſie mehr, ſie umhuͤpfen mit lautem Gebloͤke Ihre Mutter: ſo flogen die Freunde, ſobald ſie mich ſahen, Alle weinend heran; und ihnen war alſo zu Mute,415 Als gelangten ſie heim in Ithaka's rauhe Gefilde Und in die Vaterſtadt, wo jeder geboren und groß ward. Und ſie jammerten laut mit dieſen gefluͤgelten Worten!

Goͤttlicher Mann, wir freun uns ſo herzlich deiner Zuruͤckkunft, Als gelangten wir jezo in Ithaka's heimiſche Fluren! 420Aber wohlan! erzaͤhl uns der uͤbrigen Freunde Verderben!

Alſo riefen ſie aus; und ich antwortete freundlich: Laßt uns vor allem das Schiff ans trockne Geſtade hinaufziehn, Und in den Hoͤhlen die Guͤter und alle Geraͤthe verwahren! Und dann machet euch auf, mich alleſamt zu begleiten,425 Daß ihr unſere Freund 'in Kirkaͤs heiliger Wohnung Eßen und trinken ſeht; denn ſie haben da volle Genuͤge!

199Zehnter Geſang.

Alſo ſprach ich; und ſchnell gehorchten ſie meinem Befehle. Nur Euruͤlochos ſuchte die uͤbrigen Freunde zu halten; Und er redte ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:430

Arme, wo gehen wir hin? Welch heißes Verlangen nach Ungluͤck Treibt euch, in Kirkaͤs Wohnung hinabzuſteigen? Sie wird uns Alle zuſammen in Schwein ', in Loͤwen und Woͤlfe verwandeln, Und uns Verwandelte zwingen, ihr großes Haus zu bewachen! Eben ſo ging es auch dort den Freunden, die des Kuͤklopen435 Felſengrotte beſuchten, gefuͤhrt von dem kuͤhnen Oduͤßeus! Denn durch deßen Thorheit verloren auch jene das Leben!

Alſo ſprach er; und ich erwog den wankenden Vorſaz, Mein geſchliffenes Schwerdt von der nervichten Huͤfte zu reißen, Und ſein Haupt, von dem Rumpfe getrennt, auf den Boden zu ſtuͤrzen,440 Ob er gleich nahe mit mir verwandt war. Aber die Freunde Sprangen umher, und hielten mich ab mit flehenden Worten:

Goͤttlicher Held, wir laßen ihn hier, wenn du es befiehleſt, Bleiben an dem Geſtad 'um unſer Schiff zu bewahren. Aber fuͤhre du uns zu Kirkaͤ's heiliger Wohnung. 445

Alſo ſprachen die Freunde, und gingen vom Strande des Meeres. Auch Euruͤlochos blieb nicht bei dem gebogenen Schiffe, Sondern folgte, geſchreckt durch meine zuͤrnende Drohung.

Aber der uͤbrigen Freund 'in der Wohnung hatte die Goͤttin Sorgſam gepflegt, ſie gebadet, mit duftendem Oele geſalbet,450 Und mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, bekleidet. Und wir fanden ſie jezo im Saal beim froͤhlichen Schmauſe. Als ſie einander geſehn, und ſich nun alles erzaͤhlet; Weinten und jammerten ſie, daß rings die Wohnung ertoͤnte. Aber ſie nahte ſich mir, die hehre Goͤttin, und ſagte:455

200Oduͤßee.

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus! Reget jezo nicht mehr den unendlichen Jammer! Ich weiß ja, Wie viel Elend ihr littet im fiſchdurchwimmelten Meere, Und wie viel ihr zu Lande von feindlichen Maͤnnern erduldet. Aber wohlan! eßt jezo der Speiſ', und trinket des Weines,460 Bis ihr ſo friſchen Mut in eure Herzen geſammelt, Als womit ihr zuerſt der vaterlaͤndiſchen Inſel Rauhe Gefilde verließt! Nun ſeid ihr entkraͤftet und mutlos, Und erinnert euch ſtets der muͤhſamen Irren, und niemals Staͤrkt euch die Freude den Mut: ihr habt ſehr vieles erlitten! 465

Alſo ſprach ſie, und zwang ihr edles Herz zum Gehorſam. Und wir ſaßen ein ganzes Jahr von Tage zu Tage, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. Als nun endlich das Jahr von den kreiſenden Horen erfuͤllt ward, Und mit dem wechſelnden Mond viel Tage waren verſchwunden;470 Da beriefen mich heimlich die lieben Gefaͤhrten, und ſagten:

Ungluͤckſeliger, denke nun endlich des Vaterlandes; Wenn dir das Schickſal beſtimmt, lebendig wieder zu kehren In den hohen Palaſt, und deiner Vaͤter Gefilde.

Alſo bewegten die Freunde mein edles Herz zum Gehorſam. 475Und wir ſaßen den ganzen Tag bis die Sonne ſich neigte, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte; Legten ſich meine Genoßen im ſchattigen Hauſe zum Schlummer. Und ich beſtieg mit Kirkaͤ das koͤſtlichbereitete Lager,480 Faßt 'ihr flehend die Knie'; und die Goͤttin hoͤrte mein Flehen. Und ich redte ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Kirkaͤ, erfuͤlle mir jezt das Geluͤbde, ſo du gelobteſt,201Zehnter Geſang. Mich nach Hauſe zu ſenden! Mein Herz verlanget zur Heimat, Und der uͤbrigen Freunde, die rings mit Weinen und Klagen485 Meine Seele beſtuͤrmen, ſobald du den Ruͤcken nur wendeſt.

Alſo ſprach ich; mir gab die hehre Goͤttin zur Antwort: Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus. Laͤnger zwing' ich euch nicht, in meinem Hauſe zu bleiben. Aber ihr muͤßt zuvor noch eine Reiſe vollenden,490 Hin zu Aïdaͤs Reich und der ſtrengen Perſefoneia,V. 491.Aïdaͤs, Pluto; Perſefoneia, Proſerpina. Um des thaͤbaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen, Jenes blinden Profeten, mit ungeſchwaͤchtem Verſtande. Ihm gab Perſefoneia im Tode ſelber Erkenntniß; Und er allein iſt weiſe: die andern ſind flatternde Schatten. 495

Alſo ſagte die Goͤttin; mir brach das Herz vor Betruͤbniß. Weinend ſaß ich auf Kirkaͤs Bett ', und wuͤnſchte nicht laͤnger, Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu ſchauen. Als ich endlich mein Herz durch Weinen und Waͤlzen erleichtert; Da antwortet' ich ihr, und ſprach die gefluͤgelten Worte:500

Kirkaͤ, wer ſoll mich denn auf dieſer Reiſe geleiten? Noch kein Sterblicher fuhr im ſchwarzen Schiffe zu Aïs. V. 502.Aïs, Pluto.

Alſo ſprach ich; mir gab die hehre Goͤttin zur Antwort: Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Kuͤmmre dich nicht ſo ſehr um einen Fuͤhrer des Schiffes! 505Sondern richte den Maſt, und ſpanne die ſchimmernden Segel; Dann ſiz ruhig, indeß der Hauch des Nordes dich hintreibt! V. 507.Des Nordoſtwindes. Homer hat keine Namen fuͤr Zwiſchenwinde.202Oduͤßee. Aber biſt du im Schiffe den Ozean jezo durchſegelt,V. 508.Der Ozean iſt hier der Ozeanfluß, oder die Meerenge zwiſchen Eu - ropa und Afrika, die ſich Homer ſo nahe hinter Sizilien dachte. Sobald man[an]das Ozeanmeer koͤmmt, das ſich nordwaͤrts bis nach dem kaspiſchen Meere erſtre[ckt]findet man eine Luͤcke in dem hohen Felſengeſtade, ein niedriges Ufer, welches der Eingang zum Schattenreiche iſt. Und an dem niedern Geſtad 'und den Hainen Perſefoneiens, Voll unfruchtbarer Weiden und hoher Erlen und Pappeln;510 Lande dort mit dem Schiff 'an des Ozeans tiefem Geſtrudel, Und dann gehe du ſelber zu Aïdaͤs dumpfer Behauſung. Wo in den Acheron ſich der Puͤriflegethon ſtuͤrzet, Und der Strom Kokuͤtos, ein Arm der ſtuͤgiſchen Waßer, An dem Fels, wo die zween lautbrauſenden Stroͤme ſich miſchen;515 Nahe bei dieſem Orte gebiet 'ich dir, edler Oduͤßeus, Eine Grube zu graben, von einer Ell' ins Gevierte. Rings um die Grube geuß Suͤhnopfer fuͤr alle Todten: Erſt von Honig und Milch, von ſuͤßem Weine das zweite, Und das dritte von Waßer, mit weißem Mehle beſtreuet. 520Dann gelobe flehend den Luftgebilden der Todten: Wenn du gen Ithaka kommſt, eine Kuh, unfruchtbar und fehllos, In dem Palaſte zu opfern, und koͤſtliches Gut zu verbrennen, Und fuͤr Teireſias noch beſonders den ſtatlichſten Widder Eurer ganzen Heerde, von ſchwarzer Farbe, zu ſchlachten. 525Haſt du den herlichen Schaaren der Todten geflehet, dann opfre Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwaͤrze, Ihre Haͤupter gekehrt zum Erebos; aber du ſelber Wende dein Antliz zuruͤck nach den Fluten des Stromes. Dann werden Viele Seelen kommen der abgeſchiedenen Todten. 530203Zehnter Geſang. Jezo ermahn 'und treib aufs aͤußerſte deine Gefaͤhrten, Beide liegenden Schafe, vom grauſamen Erze getoͤdtet, Abzuziehn, und ins Feuer zu werfen, und anzubeten Aïdaͤs ſchreckliche Macht und die ſtrenge Perſefoneia. Aber du reiße ſchnell das geſchliffene Schwert von der Huͤfte,535 Seze dich hin, und laß die Luftgebilde der Todten Sich dem Blute nicht nahn, bevor du Teireſias rathfragſt. Und bald wird der Profet herwandeln, o Fuͤhrer der Voͤlker, Daß er dir weißage den Weg und die Mittel der Reiſe, Und wie du heimgelangſt auf dem fiſchdurchwimmelten Meere. 540

Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos. V. 541.Aeos, Aurora.Und ſie bekleidete mich mit wollichtem Mantel und Leibrock; Aber ſich ſelber zog die Nuͤmfe ihr Silbergewand an, Lang, anmutig und fein; und ſchlang um die Huͤfte den ſchoͤnen Goldgetriebenen Guͤrtel, und ſchmuͤckte das Haupt mit dem Schleier. 545Aber ich ging durch die Burg, und ermunterte meine Gefaͤhrten, Trat zu jeglichem Mann, und ſprach die freundlichen Worte:

Lieget nun nicht laͤnger, vom ſuͤßen Schlummer umduftet! Laßt uns reiſen, denn ſchon ermahnt mich die goͤttliche Kirkaͤ!

Alſo ſprach ich, und zwang ihr edles Herz zum Gehorſam. 550Aber ich fuͤhrt 'auch von dannen nicht ohne Verluſt die Gefaͤhrten. Denn der juͤngſte der Schaar Elpaͤnor, nicht eben beſonders Tapfer gegen den Feind, noch mit Verſtande geſegnet, Hatte ſich heimlich beiſeit auf Kirkaͤs heilige Wohnung, Von der Hize des Weins ſich abzukuͤhlen, gelagert. 555Jezo vernahm er den Lerm und das rege Getuͤmmel der Freunde; Ploͤzlich ſprang er empor, und vergaß in ſeiner Betaͤubung,204Oduͤßee. Zehnter Geſang. Wieder hinab die Stufen der langen Treppe zu ſteigen; Sondern er ſtuͤrzte ſich grade vom Dache hinunter; der Nacken Brach aus ſeinem Gelenk, und die Seele fuhr in die Tiefe. 560

Zu der verſammelten Schaar der Uebrigen ſprach ich im Gehen: Freunde, ihr waͤhnt vielleicht, zur lieben heimiſchen Inſel Hinzugehn; doch Kirkaͤ gebeut eine andere Reiſe, Hin zu Aïdaͤs Reich und der ſtrengen Perſefoneia, Um des thebaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen. 565

Als ſie dieſes vernommen, da brach ihr Herz vor Betruͤbniß; Jammernd ſezten ſie ſich in den Staub, und rauften ihr Haupthaar: Aber ſie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen.

Waͤhrend wir nun zu dem ruͤſtigen Schiff am Strande des Meeres Herzlichbekuͤmmert gingen, und viele Thraͤnen vergießend;570 Ging auch Kirkaͤ dahin, und band bei dem ſchwaͤrzlichen Schiffe Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwaͤrze, Leicht uns voruͤberſchluͤpfend. Denn welches Sterblichen Auge Mag des Unſterblichen Gang, der ſich verhuͤllet, entdecken?

205

Oduͤßee. Elfter Geſang.

Als wir jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Zogen wir erſtlich das Schiff hinab in die heilige Meersflut, Stellten die Maſten empor und die Segel im ſchwaͤrzlichen Schiffe, Brachten darauf die Schafe hinein, und traten dann ſelber Herzlich bekuͤmmert ins Schiff, und viele Thraͤnen vergießend. 5Jene ſandte vom Ufer dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe, Guͤnſtigen ſegelſchwellenden Wind, zum guten Begleiter, Kirkaͤ die ſchoͤngelockte, die hehre melodiſche Goͤttin. Eilig brachten wir jezt die Geraͤthe des Schiffes in Ordnung, Saßen dann ſtill, und ließen vom Wind 'und Steuer uns lenken. 10Und wir durchſchifften den Tag mit vollem Segel die Waßer. Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade.

Jezo erreichten wir des tiefen Ozeans Ende. V. 13.Das Ende des Ozeanflußes, naͤmlich der Meerenge zwiſchen Afrika und der eingebildeten Spize Italiens.Alda liegt das Land und die Stadt der kimmeriſchen Maͤnner. V. 14.Die weſtliche und noͤrdliche Grenze der Welt, von dem Ozeanfluß bis uͤber das ſchwarze Meer hinauf, hielt man wegen der Entfernung der Sonne fuͤr dunkel. Denn die Sonne, meinte man, ginge von dem Ozean bei Kolchis, nicht viel hoͤher als die Wolken, uͤber das Land der Aithiopen (in Aſien und Afrika), und ſchiffte dann von dem Atlas in einem goldnen Becher hinter dem hohen Geſtade Europa's wieder nach dem oͤſtlichen Ozean.206Oduͤßee. Dieſe tappen beſtaͤndig in Nacht und Nebel; und niemals15 Schauet ſtralend auf ſie der Gott der leuchtenden Sonne; Weder wenn er die Bahn des ſternichten Himmels hinanſteigt, Noch wenn er wieder hinab vom Himmel zur Erde ſich wendet: Sondern ſchreckliche Nacht umhuͤllt die elenden Menſchen.

Und wir zogen das Schiff an den Strand, und nahmen die Schafe20 Schnell aus dem Raum; dann gingen wir laͤngſt des Ozeans Ufer, Bis wir den Ort erreichten, wovon uns Kirkaͤ geſaget. Alda hielten die Opfer Euruͤlochos und Perimaͤdaͤs. Aber nun eilt 'ich, und zog das geſchliffene Schwert von der Huͤfte, Eine Grube zu graben, von einer Ell' ins Gevierte. 25Hierum goßen wir rings Suͤhnopfer fuͤr alle Todten: Erſt von Honig und Milch, von ſuͤßem Weine das zweite, Und das dritte von Waßer, mit weißem Mehle beſtreuet. Dann gelobt 'ich flehend den Luftgebilden der Todten, Wann ich gen Ithaka kaͤm', eine Kuh, unfruchtbar und fehllos,30 In dem Palaſte zu opfern, und koͤſtliches Gut zu verbrennen, Und fuͤr Teireſias noch beſonders den ſtatlichſten Widder Unſerer ganzen Heerde, von ſchwarzer Farbe, zu ſchlachten. Und nachdem ich flehend die Schaar der Todten geſuͤhnet, Nahm ich die Schaf ', und zerſchnitt die Gurgeln uͤber der Grube;35 Schwarz entſtroͤmte das Blut: und aus dem Erebos kamen Viele Seelen herauf der abgeſchiedenen Todten. Juͤngling 'und Braͤute kamen, und kummerbeladene Greiſe, Und aufbluͤhende Maͤdchen, im jungen Grame verloren. Viele kamen auch, von ehernen Lanzen verwundet,40 Kriegerſchlagene Maͤnner, mit blutbeſudelter Ruͤſtung. Dicht umdraͤngten ſie alle von allen Seiten die Grube,207Elfter Geſang. Mit graunvollem Geſchrei; und bleiches Entſezen ergriff mich. Nun befahl ich, und trieb aufs aͤußerſte meine Gefaͤhrten, Beide liegenden Schafe, vom grauſamen Erze getoͤdtet,45 Abzuziehn und ins Feuer zu werfen, und anzubeten Aïdaͤs ſchreckliche Macht und die ſtrenge Perſefoneia. Aber ich eilt ', und zog das geſchliffene Schwert von der Huͤfte, Sezte mich hin, und ließ die Luftgebilde der Todten Sich dem Blute nicht nahn, bevor ich Teireſias fragte. 50Erſtlich kam die Seele von unſerm Gefaͤhrten Elpaͤnor. Denn er ruhte noch nicht in der weitumwanderten Erde; Sondern wir hatten den Leichnam in Kirkaͤs Wohnung verlaßen, Weder beweint noch begraben; uns draͤngten andere Sorgen. Weinend erblickt 'ich ihn, und fuͤhlete herzliches Mitleid,55 Und ich redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Sag ', Elpaͤnor, wie kamſt du hinab ins naͤchtliche Dunkel? Gingſt du ſchneller zu Fuß, als ich im ſchwaͤrzlichen Schiffe?

Alſo ſprach ich; und drauf begann er mit ſchluchzender Stimme: Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus,60 Ach ein feindlicher Geiſt und der Weinrauſch war mein Verderben! Schlummernd auf Kirkaͤs Palaſt, vergaß ich in meiner Betaͤubung, Wieder hinab die Stufen der langen Treppe zu ſteigen; Sondern ich ſtuͤrzte mich grade vom Dache hinunter; der Nacken Brach aus ſeinem Gelenk, und die Seele fuhr in die Tiefe. 65Doch nun fleh 'ich dich an bei deinen verlaßenen Lieben, Deiner Gemahlin, dem Vater, der dich als Knaben gepfleget, Und bei dem einzigen Sohne Taͤlemachos, welcher daheim blieb; Denn ich weiß es, du kehrſt zuruͤck aus Aïdaͤs Herſchaft, Und dein ruͤſtiges Schiff erreicht die Inſel Aiaia! 70208Oduͤßee. Dort, begehr 'ich von dir, gedenke meiner, o Koͤnig: Laß nicht unbeweinet und unbegraben mich liegen, Wann du ſcheideſt, damit dich der Goͤtter Rache nicht treffe! Sondern verbrenne mich, ſamt meiner gewoͤhnlichen Ruͤſtung, Haͤufe mir dann am Geſtade des grauen Meeres ein Grabmal,75 Daß die Enkel noch hoͤren von mir ungluͤcklichem Manne! Dieſes richte mir aus, und pflanz 'auf den Huͤgel das Ruder. Welches ich lebend gefuͤhrt, in meiner Freunde Geſellſchaft.

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte: Dies, ungluͤcklicher Freund, will ich dir alles vollenden. 80

Alſo ſaßen wir dort, und redeten traurige Worte; Ich an der einen Seite, der uͤber dem Blute das Schwert hielt, Und an der andern der Geiſt des kummervollen Gefaͤhrten.

Jezo kam die Seele von meiner geſtorbenen Mutter, Antikleia, des großgeſinnten Autoluͤkos Tochter,85 Welche noch lebte, da ich zur heiligen Ilios ſchiffte. Weinend erblickt 'ich ſie, und fuͤhlete herzliches Mitleid; Dennoch verbot ich ihr, obgleich mit inniger Wehmut, Sich dem Blute zu nahn, bevor ich Teireſias fragte.

Jezo kam des alten Thaͤbaiers Teireſias Seele,90 Haltend den goldenen Stab; er kannte mich gleich, und begann ſo:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Warum verließeſt du doch das Licht der Sonne, du Armer, Und kamſt hier, die Todten zu ſchaun und den Ort des Entſezens? Aber weiche zuruͤck, und wende das Schwert von der Grube,95 Daß ich trinke des Blutes, und dir dein Schickſal verkuͤnde.

Alſo ſprach er; ich wich, und ſteckte das ſilberbeſchlagne Schwert in die Scheid '. Und ſobald er des ſchwarzen Blutes getrunken,209Elfter Geſang. Da begann er und ſprach, der hocherleuchtete Seher:

Gluͤckliche Heimfahrt ſuchſt du, o weitberuͤhmter Oduͤßeus:100 Aber ſie wird dir ein Gott ſchwer machen; denn nimmer entrinnen Wirſt du dem Erderſchuͤttrer! Er traͤgt dir heimlichen Groll nach, Zuͤrnend, weil du den Sohn des Augenlichtes beraubt haſt. Dennoch kaͤmet ihr einſt, obzwar ungluͤcklich, zur Heimat, Moͤchteſt du nur dein Herz und deiner Freunde bezaͤhmen,105 Wann du jezo, den Schrecken des dunkeln Meeres entfliehend, Mit dem ruͤſtigen Schiff 'an der Inſel Thrinakia landeſt,V. 107.Thrinakia, Sizilien. Und die weidenden Rinder und feiſten Schafe da findeſt, Heilig dem Sonnengotte, der alles ſiehet und hoͤret. Denn ſo du, eingedenk der Heimkunft, dieſe verſchoneſt,110 Koͤnnet ihr einſt, obzwar ungluͤcklich, gen Ithaka kommen. Aber verlezeſt du ſie; alsdann weißag 'ich Verderben Deinem Schiff' und den Freunden. Und wenn du ſelber entrinneſt, Wirſt du doch ſpaͤt, ungluͤcklich, und ohne Gefaͤhrten zur Heimat Kommen, auf fremdem Schiff ', und Elend finden im Hauſe,115 Uebermuͤtige Maͤnner, die deine Habe verſchlingen, Und dein goͤttliches Weib mit Brautgeſchenken umwerben: Aber kommen wirſt du, und ſtrafen den Troz der Verraͤther. Haſt du jezo die Freier, mit Klugheit, oder gewaltſam Mit der Schaͤrfe des Schwerts, in deinem Palaſte getoͤdtet;120 Siehe dann nim in die Hand ein geglaͤttetes Ruder, und gehe Fort in die Welt, bis du kommſt zu Menſchen, welche das Meer nicht Kennen, und keine Speiſe gewuͤrzt mit Salze genießen,O210Oduͤßee. Welchen auch Kenntniß fehlt von rothgeſchnaͤbelten Schiffen, Und von geglaͤtteten Rudern, den Fittigen eilender Schiffe. 125Deutlich will ich ſie dir bezeichnen, daß du nicht irreſt. Wenn ein Wanderer einſt, der dir in der Fremde begegnet, Sagt, du tragſt eine Schaufel auf deiner ruͤſtigen Schulter; Siehe dann ſteck 'in die Erde das ſchoͤngeglaͤttete Ruder, Bringe ſtatliche Opfer dem Meerbeherrſcher Poſeidon,130 Einen Widder und Stier und einen mutigen Eber. Und nun kehre zuruͤck, und opfere heilige Gaben Allen unſterblichen Goͤttern, des weiten Himmels Bewohnern, Nach der Reihe herum. Zulezt wird außer dem Meere Kommen der Tod, und dich, vom hohen behaglichen Alter135 Aufgeloͤſeten, ſanft hinnehmen, wann ringsum die Voͤlker Froh und gluͤcklich ſind. Nun hab 'ich dein Schickſal verkuͤndet.

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte: Ja, Teireſias, ſelbſt die Goͤtter beſchieden mir ſolches! Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit. 140Dort erblick 'ich die Seele von meiner geſtorbenen Mutter: Dieſe ſizet ſtill bei dem Blut, und wuͤrdigt dem Sohne Weder ein Wort zu ſagen, noch grad' ins Antliz zu ſchauen. Wie beginn 'ich es, Herſcher, daß ſie als Sohn mich erkenne?

Alſo ſprach ich; und ſchnell antwortete jener, und ſagte:145 Leicht iſt, was du mich fragſt; ich will dirs gerne verkuͤnden. Wem du jezo erlaubſt der abgeſchiedenen Todten, Sich dem Blute zu nahn, der wird dir Wahres erzaͤhlen; Aber wem du es wehrſt, der wird ſtillſchweigend zuruͤckgehn.

Alſo ſprach des hohen Teireſias Seele, und eilte150 Wieder in Aïdaͤs Wohnung, nachdem ſie mein Schickſal geweißagt. 211Elfter Geſang. Aber ich blieb dort ſizen am Rande der Grube, bis endlich Meine Mutter kam, des ſchwarzen Blutes zu trinken. Und ſie erkannte mich gleich, und ſprach mit trauriger Stimme:

Lieber Sohn, wie kamſt du hinab ins naͤchtliche Dunkel,155 Da du noch lebſt? Denn ſchwer wird Lebenden dieſes zu ſchauen. Große Stroͤme fließen und furchtbare Fluten dazwiſchen; Und vor allen der Strom des Ozeans, welchen zu Fuße Niemand, ſondern allein im ruͤſtigen Schiffe durchwandert. Schweifſt du jezo hieher, nachdem du vom troiſchen Ufer160 Mit dem Schiff 'und den Freunden ſo lange geirret? Und kamſt du Noch gen Ithaka nicht, und ſahſt zu Hauſe die Gattin?

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte: Meine Mutter, mich trieb die Noth in Aïdaͤs Wohnung, Um des thaͤbaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen. 165Denn noch hab 'ich Achaia, noch hab' ich unſere Heimat Nicht beruͤhrt; ich irre noch ſtets von Leiden zu Leiden, Seit ich zuerſt in dem Heere des goͤttlichen Agamemnons Hin gen Ilion zog, zum Kampf mit den Reiſigen Troja's. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit:170 Welches Schickſal bezwang dich des ſchlummergebenden Todes? Zehrte dich Krankheit aus? Oder traf dich die Freundin der Pfeile Artemis unverſehns mit ihrem ſanften Geſchoße? Sage mir auch von dem Vater und Sohne, den ich daheim ließ. Ruht noch meine Wuͤrde auf ihnen, oder empfing ſie175 Schon ein anderer Mann; und glaubt man, ich kehre nicht wieder? Melde mir auch die Geſinnung von meiner Ehegenoßin: Bleibt ſie noch bei dem Sohn, und haͤlt die Guͤter in Ordnung; Oder ward ſie bereits die Gattin des beßten Achaiers?

212Oduͤßee.

Alſo ſprach ich; mir gab die theure Mutter zur Antwort:180 Allerdings weilt jene mit treuer duldender Seele Noch in deinem Palaſt; und immer ſchwinden in Jammer Ihre Tage dahin, und unter Thraͤnen die Naͤchte. Deine Wuͤrde empfing kein Anderer; ſondern in Frieden Baut Taͤlemachos noch des Koͤniges Erbe, und ſpeiſet185 Mit am Mahle des Volks, wie des Landes Richter gebuͤhret; Denn ſie laden ihn alle. Dein Vater lebt auf dem Lande, Wandelt nie in die Stadt, und waͤhlet nimmer zum Lager Bettgeſtelle, bedeckt mit Maͤnteln und praͤchtigen Polſtern; Sondern den Winter ſchlaͤft er, bei ſeinen Knechten im Hauſe,190 Neben dem Feuer im Staube, mit ſchlechten Gewanden umhuͤllet. Und in den milderen Tagen des Sommers und reifenden Herbſtes, Bettet er uͤberall im fruchtbaren Rebengefilde Auf der Erde ſein Lager von abgefallenen Blaͤttern. Seufzend liegt er darauf, bejammert dein Schickſal, und haͤufet195 Groͤßeren Schmerz auf die Seele; und ſchwerer druͤckt ihn das Alter. Denn ſo ſtarb auch ich, und fand mein Todesverhaͤngniß. Sohn, mich toͤdtete nicht die Freundin der treffenden Pfeile Artemis unverſehns mit ihrem ſanften Geſchoße. Auch beſiegten mich nicht Krankheiten, welche gewoͤhnlich200 Mit verzehrendem Schmerze den Geiſt den Gliedern entreißen. Bloß das Verlangen nach dir, und die Angſt, mein edler Oduͤßeus, Dein holdſeliges Bild nahm deiner Mutter das Leben!

Alſo ſprach ſie; da ſchwoll mein Herz vor inniger Sehnſucht, Sie zu umarmen, die Seele von meiner geſtorbenen Mutter. 205Dreimal ſprang ich hinzu, an mein Herz die Geliebte zu druͤcken; Dreimal entſchwebte ſie leicht, wie ein Schatten oder ein Traumbild,213Elfter Geſang. Meinen umſchlingenden Armen; und ſtaͤrker ergriff mich die Wehmut. Und ich redte ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Meine Mutter, warum entfliehſt du meiner Umarmung? 210Wollen wir nicht in der Tiefe, mit liebenden Haͤnden umſchlungen, Unſer trauriges Herz durch Thraͤnen einander erleichtern? Oder welches Gebild 'hat die furchtbare Perſefoneia Mir geſandt, damit ich noch mehr mein Elend beſeufze?

Alſo ſprach ich; mir gab die trefliche Mutter zur Antwort:215 Mein geliebteſter Sohn, ungluͤcklichſter aller, die leben! Ach! ſie teuſchet dich nicht, Zeus Tochter Perſofoneia! Sondern dies iſt das Loos der Menſchen, wann ſie geſtorben. Denn nicht Fleiſch und Gebein wird mehr durch Nerven verbunden; Sondern die große Gewalt der brennenden Flamme verzehret220 Alles, ſobald der Geiſt die weißen Gebeine verlaßen. Und die Seele entfliegt, wie ein Traum, zu den Schatten der Tiefe. Aber nun eile geſchwinde zum Lichte zuruͤck, und behalte Alles, damit du es einſt der lieben Gattin erzaͤhleſt.

Alſo beſprachen wir uns mit einander. Siehe da kamen225 Viele Seelen, geſandt von der furchtbaren Perſefoneia, Alle Gemahlinnen einſt und Toͤchter der edelſten Helden. Dieſe verſammelten ſich um das ſchwarze Blut in der Grube. Jezo ſann ich umher, wie ich jedwede befragte. Aber von allen Entwuͤrfen gefiel mir dieſer am beßten:230 Eilend zog ich das lange Schwert von der nervichten Huͤfte, Und verwehrte den Seelen, zugleich des Blutes zu trinken. Alſo nahten ſie ſich nach einander; jede beſonders Meldete mir ihr Geſchlecht; und ſo befragt 'ich ſie alle.

Jezo erblickt 'ich zuerſt die edelentſproßene Tuͤro,235214Oduͤßee. Welche ſich Tochter nannte des tadelloſen Salmoneus, Und die Ehegenoßin von Kraͤtheus, Aiolos Sohne. Dieſe liebte vordem den goͤttlichen Strom Enipeus, Der durch ſeine Gefilde, der Stroͤme ſchoͤnſter, einherwallt. Einſt luſtwandelte ſie an Enipeus ſchoͤnen Gewaͤßern;240 Siehe da nahm der Erderſchuͤtterer ſeine Geſtalt an, Und beſchlief ſie im Sand ', an der Muͤndung des wirbelnden Stromes. Rings um die Liebenden ſtand, wie ein Berg, die purpurne Woge, Hochgewoͤlbt, und verbarg den Gott und die ſterbliche Jungfrau. Schmeichelnd loͤſt' er den Guͤrtel der Keuſchheit, und ließ ſie entſchlummern. 245Und da jezo der Gott das Werk der Liebe vollendet; Druͤckt 'er des Maͤdchens Hand, und ſagte mit freundlicher Stimme:

Freue dich, Maͤdchen, der Liebe! Du wirſt im Laufe des Jahres Herliche Soͤhne gebaͤren. Denn nicht unfruchtbaren Samen Streut ein unſterblicher Gott. Du pfleg 'und naͤhre ſie ſorgſam. 250Jezo gehe zu Hauſ ', und ſchweig', und ſage dies Niemand: Ich, dein Geliebter, bin der Erderſchuͤttrer Poſeidon.

Alſo ſprach er, und ſprang in des Meers hochwallende Woge. Tuͤro ward ſchwanger, und kam mit Pelias nieder und Naͤleus, Welche beide des großen Zeus gewaltige Diener255 Wurden: Pelias einſt, der iaolkiſchen Fluren Heerdenreicher Beherſcher, und Naͤleus, der ſandigen Puͤlos. Andere Soͤhne gebar dem Kraͤtheus die Fuͤrſtin der Weiber, Aiſon und Feraͤs, und drauf Amuͤthaon, den Tummler der Roße.

Auch Antiopaͤ kam, die ſchoͤne Tochter Aſopos,260 Ruͤhmend, ſie habe geruht in Zeus des Kroniden Umarmung. Und ſie gebar dem Gott zween Soͤhne, Amfion und Zaͤthos. Dieſe bauten zuerſt die ſiebenthorichte Thaͤbai,215Elfter Geſang. Und befeſtigten ſie; denn unbefeſtiget konnten Beide, wie ſtark ſie auch waren, die große Thaͤbai nicht ſchuͤzen. 265

Hierauf kam Alkmaͤnaͤ, Amfuͤtrions Ehegenoßin, Welche den Allbeſieger, den loͤwenbeherzten Haͤraklaͤs Hatte geboren, aus Zeus, des großen Kroniden, Umarmung. Auch Megaraͤ, die Tochter des uͤbermuͤtigen Kreions, Und des nimmerbezwungnen Amfitruͤoniden Gemahlin. 270

Hierauf kam Epikaſtaͤ, die ſchoͤne, Oedipus Mutter, Welche die ſchrecklichſte That mit geblendeter Seele veruͤbet. Ihren leiblichen Sohn, der ſeinen Vater ermordet, Nahm ſie zum Mann! Allein bald ruͤgten die Goͤtter die Schandthat. Oedipus herſchte, mit Kummer behaͤuft, in der lieblichen Thaͤbai,275 Ueber Kadmos Geſchlecht, durch der Goͤtter verderblichen Rathſchluß. Aber ſie fuhr hinab zu den feſten Thoren des Todes, Denn ſie knuͤpft 'an das hohe Gebaͤlk, in der Wut der Verzweiflung, Selbſt das erdroßelnde Seil, und ließ unnennbares Elend Jenem zuruͤck, den Fluch der blutgeſchaͤndeten Mutter. 280

Jezo nahte ſich Chloris, die ſchoͤne Gemahlin von Naͤleus. Mit unzaͤhligen Gaben gewann er die ſchoͤnſte der Jungfraun, Sie, die juͤngſte Tochter des Jaſiden Amſions, Welcher der Minuͤer Stadt Orchomenos maͤchtig beherſchte. Puͤlos Fuͤrſtin gebar dem Naͤleus herliche Soͤhne,285 Neſtor gebar ſie ihm, und Chromios, und den beruͤhmten Perikluͤmenos; drauf die weitbewunderte Paͤro. Dieſe liebeten alle benachbarten Fuͤrſten; doch Naͤleus Gab ſie keinem, der nicht des maͤchtigen Koͤnigs Ifiklaͤs Breitgeſtirnete Rinder aus Fuͤlakaͤ's Auen entfuͤhrte. 290Schwer war die That, und nur der trefliche Seher Melampus216Oduͤßee. Unternahm ſie: allein ihn hinderte Gottes Verhaͤngniß, Seine grauſamen Band ', und die Hirten der weidenden Rinder. Aber nachdem die Monden und Tage waren vollendet, Und ein neues Jahr mit den kreiſenden Horen herankam;295 Siehe da loͤſte den Seher der maͤchtige Koͤnig Ifiklaͤs, Weil er ihm profezeit. So geſchah der Wille Kronions.

Jezo erblickt 'ich Laͤda, Tuͤndareos Ehegenoßin, Welche ihrem Gemahl zween mutige Soͤhne geboren: Kaſtor durch Roße beruͤhmt, und Poluͤdeikaͤs im Fauſtkampf. 300Dieſe leben noch beid 'in der allernaͤhrenden Erde. Denn auch unter der Erde beehrte ſie Zeus mit dem Vorrecht, Daß ſie beid' abwechſelnd den einen Tag um den andern Leben und wieder ſterben, und goͤttlicher Ehre genießen.

Drauf kam Ifimedeia, die Ehegenoßin Aloeus,305 Ruͤhmend, ſie habe geruht in Poſeidaons Umarmung. Und ſie gebar zween Soͤhne, wiewohl ihr Leben nur kurz war: Otos voll goͤttlicher Kraft, und den ruchtbaren Efialtaͤs. Dieſe waren die laͤngſten von allen Erdebewohnern, Und bei weitem die ſchoͤnſten, nach jenem beruͤhmten Orion. 310Denn im neunten Jahre, da maß neun Ellen die Breite Ihres Rumpfes, da maß neun Klaftern die Hoͤhe des Hauptes. Und ſie drohten ſogar den Unſterblichen, ihren Oluͤmpos Mit verheerendem Sturm und Schlachtengetuͤmmel zu fuͤllen. Oßa muͤhten ſie ſich auf Oluͤmpos zu ſezen, auf Oßa315 Pelions Waldgebirg, um hinauf in den Himmel zu ſteigen. Und ſie haͤttens vollbracht, waͤr 'ihre Jugend gereifet. Aber ſie traf Zeus Sohn, den die reizende Laͤto geboren, Beide mit Todesgeſchoß, eh unter den Schlaͤfen des Bartes217Elfter Geſang. Blume wuchs, und den Kinn die zarten Sproͤßlinge braͤunten. 320

Drauf kam Faidra und Prokris, und Ariadnaͤ die ſchoͤne, Jene Tochter Minos des allerfahrnen, die Thaͤſeus Einſt aus Kraͤta entfuͤhrte zur heiligen Flur von Athaͤnai. Aber er brachte ſie nicht; denn in der umfloßenen Dia Hielt ſie Artemis an, auf Dionuͤſos Verkuͤndung. 325

Maira und Kluͤmenaͤ kam, und das ſchaͤndliche Weib Erifuͤlaͤ, Welche den theuren Gemahl um ein goldenes Kleinod verkaufte.

Aber ich kann unmoͤglich ſie alle beſchreiben und nennen, Welche Weiber und Toͤchter beruͤhmter Helden ich ſchaute. Sonſt vergeht die ambroſiſche Nacht; und die Stunde gebeut mir,330 Schlafen zu gehn, bei den Freunden in unſerm geruͤſteten Schiffe, Oder auch hier. Die Reiſe befehl 'ich euch und den Goͤttern.

Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen, Horchten noch, wie entzuͤckt, im großen ſchattigen Saale. Endlich begann Araͤtaͤ, die lilienarmige Fuͤrſtin:335

Sagt mir doch, ihr Faiaken, was haltet ihr von dem Manne, Seiner Geſtalt und Groͤße, mit ſolchem Geiſte vereinigt? Seht, das iſt mein Gaſt! Doch jeder hat Theil an der Ehre. Darum ſendet ihn nicht ſo eilend, und ſpart die Geſchenke Bei dem darbenden Manne nicht alzu kaͤrglich; ihr habt ja340 Reiche Schaͤze daheim, durch die Gnade der Goͤtter, verwahret!

Hierauf ſprach zur Verſammlung der graue Held Echaͤneos, Welcher der aͤlteſte war von allen faiakiſchen Maͤnnern:

Freunde, nicht unſerem Wunſch, noch unſrer Erwartung entgegen, Redete jezt voll Weisheit die Koͤnigin; darum gehorchet! 345Aber Alkinoos ſelber gebuͤhrt es zu reden und handeln.

Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und ſagte:218Oduͤßee. Ja dies Wort ſoll wahrlich erfuͤllet werden, wofern ich Leben bleib ', ein Koͤnig der rudergeuͤbten Faiaken! Aber der Fremdling wolle, wie ſehr er zur Heimat verlanget,350 Noch bis morgen bei uns verweilen, bis ich das ganze Ehrengeſchenk ihm bereitet. Die Fahrt liegt allen am Herzen, Aber vor allen mir; denn mein iſt die Herſchaft des Volkes.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig! 355Zwaͤnget ihr mich alhier auch ein ganzes Jahr zu verweilen, Und betriebt nur die Fahrt, und ſchenktet mir Ehrengeſchenke; Gerne willigt 'ich ein; auch waͤre mir beßer gerathen, Wenn ich mit vollerer Hand in mein liebes Vaterland kehrte. Weit willkommener wuͤrd' ich und weit ehrwuͤrdiger allen360 Maͤnnern in Ithaka ſein, die mich Heimkehrenden ſaͤhen.

Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und ſagte: Deine ganze Geſtalt, Oduͤßeus, kuͤndet mit nichten Einen Betruͤger uns an, noch loſen Schwaͤzer; wie viele Sonſt die verbreiteten Voͤlker der ſchwarzen Erde durchſtreifen,365 Welche Luͤgen erdichten, woher ſie keiner vermutet. Aber in deinen Worten iſt Anmut und edle Geſinnung; Gleich dem weiſeſten Saͤnger, erzaͤhlteſt du die Geſchichte Von des argeiiſchen Heers und deinen traurigen Leiden. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit,370 Ob du einige ſahſt der goͤttlichen Freunde, die mit dir Hin gen Ilion zogen, und dort ihr Schickſal erreichten. Dieſe Naͤchte ſind lang, ſehr lang! und noch iſt die Stunde Schlafen zu gehn nicht da. Erzaͤhle mir Wundergeſchichten. Selbſt bis zur heiligen Fruͤhe vermoͤcht 'ich zu hoͤren, ſo lange375219Elfter Geſang. Du in dieſem Gemache mir deine Leiden erzaͤhlteſt!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig! Reden hat ſeine Stund ', und ſeine Stunde der Schlummer. Aber wenn du verlangſt, mich weiter zu hoͤren, ſo will ich380 Ohne Weigern dir jezt noch thraͤnenwehrteres Ungluͤck Meiner Freunde verkuͤnden, die nachmals ihr Leben verloren; Die den blutigen Schlachten des troiſchen Krieges entrannen, Und auf der Heimkehr ſtarben, durch Liſt des heilloſen Weibes.

Als ſich auf den Befehl der ſchrecklichen Perſefoneia385 Alle Seelen der Weiber umher in die Tiefe zerſtreuet; Siehe da kam die Seele von Atreus Sohn Agamemnon Traurend daher, umringt von anderen Seelen, die mit ihm, In Aigiſthos Palaſte, das Ziel des Todes erreichten. Dieſer erkannte mich gleich, ſobald er des Blutes gekoſtet. 390Und nun weint 'er laut, und vergoß die bitterſten Thraͤnen, Streckte die Haͤnde nach mir, und ſtrebte mich zu umarmen. Aber ihm mangelte jezo die ſpannende Kraft und die Schnelle, Welche die biegſamen Glieder des Helden vormals belebte. Weinend erblickt' ich ihn, und fuͤhlete herzliches Mitleid;395 Und ich redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Atreus ruͤhmlicher Sohn, weitherſchender Held Agamemnon, Welches Schickſal bezwang dich des ſchlummergebenden Todes? Toͤdtete dich auf der Fahrt der Erderſchuͤttrer Poſeidon, Da er den wilden Orkan lautbrauſender Winde dir ſandte? 400Oder ermordeten dich auf dem Lande feindliche Maͤnner, Als du die ſchoͤnen Heerden der Rinder und Schafe hinwegtriebſt, Oder indem ſie die Stadt und ihre Weiber verfochten?

220Oduͤßee.

Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte: Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus,405 Nein, mich toͤdtete nicht der Erderſchuͤttrer Poſeidon, Da er den wilden Orkan lautbrauſender Winde mir ſandte; Noch ermordeten mich auf dem Lande feindliche Maͤnner. Sondern Aigiſthos bereitete mir das Schickſal des Todes, Samt dem heilloſen Weibe! Er lud mich zu Gaſt, und erſchlug mich410 Unter den Freuden des Mahls: ſo erſchlaͤgt man den Stier an der Krippe! Alſo ſtarb ich den klaͤglichſten Tod; und alle Gefaͤhrten Stuͤrzten in Haufen umher, wie hauerbewaffnete Eber, Die man im Hauſe des reichen gewaltigen Mannes zur Hochzeit, Oder zum Feiergelag 'abſchlachtet, oder zum Gaſtmahl. 415Schon bei vieler Maͤnner Ermordung warſt du zugegen, Die in dem Zweikampf blieben, und in der wuͤtenden Feldſchlacht; Doch kein Anblick haͤtte dein Herz ſo innig geruͤhret, Als wie wir um den Kelch und die ſpeiſebeladenen Tiſche Lagen im weiten Gemach, und rings der Boden in Blut ſchwamm! 420Jaͤmmerlich hoͤrt 'ich vor allen Kaßandra, Priamos Tochter, Winſeln, es toͤdtete ſie die tuͤckiſche Kluͤtaimnaͤſtra Ueber mir; da erhub ich die Haͤnde noch von der Erde, Und griff ſterbend ins Schwert der Moͤrderin. Aber die Freche Ging von mir weg, ohn einmal die Augen des ſterbenden Mannes425 Zuzudruͤcken, noch ihm die kalten Lippen zu ſchließen. Nichts iſt ſcheuslicher doch, nichts unverſchaͤmter auf Erden, Als ein Weib, entſchloßen zu ſolcher entſezlichen Schandthat, Wie ſie jene veruͤbt, die Grauſame! welche den Liebling Ihrer Jugend mit Liſt hinrichtete! Ach wie entzuͤckte430 Mich die Hoffnung, daheim von meinen Leuten und Kindern221Elfter Geſang. Freudig begruͤßt zu werden! Doch jene, das Scheuſal an Bosheit! Hat ihr eignes Gedaͤchtniß, und alle Weiber der Nachwelt Ewig entehrt, wenn eine ſich auch des Guten befleißigt!

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte:435 Wehe! wie fuͤrchterlich hat Kronions waltende Vorſicht Durch argliſtige Weiber, den Samen Atreus von Anfang Heimgeſucht! Wie viele ſind Helenens halber geſtorben! Und du verlorſt, heimkehrend, durch Kluͤtaimnaͤſtra dein Leben!

Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte:440 Laß deshalben auch du von dem Weibe nimmer dich lenken, Und vertrau 'ihr nicht aus Zaͤrtlichkeit jedes Geheimniß; Sondern verkuͤndige dies, und jenes halte verborgen! Aber, Oduͤßeus, du wirſt nicht ſterben durch deine Gemahlin; Denn ſie iſt rechtſchaffen, und Weisheit adelt die Seele445 Von Ikarios Tochter, der klugen Paͤnelopeia. Ach wir verließen ſie einſt als junge Frau im Palaſte, Da wir zum Streit auszogen, und ihr unmuͤndiges Knaͤblein Lag an der Bruſt, der nun in den Kreis der Maͤnner ſich hinſezt. Gluͤcklicher Sohn! ihn ſchaut einſt wiederkehrend ſein Vater,450 Und er begruͤßt den Vater mit frommer kindlicher Liebe! Aber mir hat mein Weib nicht einmal den freudigen Anblick Meines Sohnes erlaubt; ſie hat zuvor mich ermordet. Hoͤre nun meinen Rath, und bewahr 'ihn ſorgſam im Herzen: Lande mit deinem Schiff ans vaterlaͤndiſche Ufer455 Heimlich, nicht oͤffentlich an; denn nimmer iſt Weibern zu trauen! Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Habt ihr etwa gehoͤrt von meinem noch lebenden Sohne, In Orchomenos, oder vielleicht in der ſandigen Puͤlos,222Oduͤßee. Oder bei Menelaos in Sparta's weiten Gefilden? 460Denn noch ſtarb er nicht auf Erden, der edle Oreſtaͤs.

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte: Warum fragſt du mich das, Sohn Atreus? Ich weiß nicht, ob jener Todt ſei, oder noch lebe; und Eitles ſchwazen iſt unrecht.

Alſo ſtanden wir beide, mit trauervollen Geſpraͤchen,465 Herzlichbekuͤmmert da, und viele Thraͤnen vergießend. Siehe da kam die Seele des Paͤlaͤiden Achilleus, Und die Seele Patroklos, des tapfern Antilochos Seele, Und des gewaltigen Aias, des Erſten an Wuchs und Bildung In dem achaiiſchen Heer, nach dem tadelloſen Achilleus. 470Mich erkannte die Seele des ſchnellen aiakiſchen Helden, Und ſie begann wehklagend, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Welche noch groͤßere That, Ungluͤcklicher, wageſt du jezo? Welche Kuͤhnheit, herab in die Tiefe zu ſteigen, wo Todte475 Nichtig und ſinnlos wohnen, die Schatten geſtorbener Menſchen!

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte: Paͤleus Sohn, o Achilleus, du treflichſter aller Achaier, Wegen Teireſias mußt 'ich herab, wenn etwa der Seher Mir weißagte, wie ich zur felſichten Ithaka kaͤme. 480Denn noch hab 'ich Achaia, noch hab' ich unſere Heimat Nicht beruͤhrt; ich leide noch ſtets! Doch keiner, Achilleus, Glich an Seligkeit dir, und keiner wird jemals dir gleichen. Vormals im Leben ehrten wir dich, wie einen der Goͤtter, Wir Achaier; und nun, da du hier biſt, herſcheſt du maͤchtig485 Unter den Geiſtern: drum laß dich den Tod nicht reuen, Achilleus!

Alſo ſprach ich; und drauf antwortete jener, und ſagte:223Elfter Geſang. Preiſe mir jezt nicht troͤſtend den Tod, ruhmvoller Oduͤßeus. Lieber moͤcht 'ich fuͤrwahr dem unbeguͤterten Meier, Der nur kuͤmmerlich lebt, als Tageloͤhner das Feld baun,490 Als die ganze Schaar vermoderter Todten beherſchen. Aber verkuͤndige mir von meinem treflichen Sohne, Ob an der Spize des Heers er ſchaltete, oder daheim blieb. Melde mir auch, wo du Kunde vom großen Paͤleus vernahmeſt, Ob er noch weitgeehrt die Muͤrmidonen beherſche,495 Oder ob man ihn ſchon durch Hellas und Ftia verachte, Weil vor hohem Alter ihm Haͤnd 'und Schenkel erbeben. Denn ich wandle nicht mehr ein Helfer im Lichte der Sonnen, Wie ich war, da ich einſt in Troja's weitem Gefilde, Fuͤr die Danaer ſtreitend, die tapferſten Voͤlker erlegte. 500Kaͤm 'ich in jener Kraft nur ein wenig zum Hauſe des Vaters; Schaudern vor der Gewalt der unuͤberwundenen Haͤnde Sollte, wer ihn antaſtet, des Koͤniges Ehre zu rauben.

Alſo ſprach er; und ich antwortete wieder, und ſagte: Keine Kunde hab 'ich vom großen Paͤleus vernommen. 505Aber von deinem Sohn Neoptolemos, deinem Geliebten, Will ich, wie du verlangſt, dir lautere Wahrheit verkuͤnden. Denn ich ſelber hab 'ihn im gleichgezimmerten Schiffe Her von Skuͤros gebracht zu den ſchoͤngeharniſchten Griechen. Wann wir Achaier vor Ilions Stadt uns ſezten zum Kriegsrath;510 Redet 'er immer zuerſt, und ſprach nicht flatternde Worte: Nur der goͤttliche Neſtor und ich beſiegten den Juͤngling. Wann wir Achaier vor Ilions Stadt auszogen zur Feldſchlacht; Blieb er nimmer im Schwarm, noch unter den Haufen der Heerſchaar: Sondern er eilte vorauf mit freudiger Kuͤhnheit, und ſtuͤrzte515224Oduͤßee. Viele Maͤnner dahin im ſchrecklichen Waffengetuͤmmel. Alle will ich ſie dir nicht nennen oder beſchreiben, Wie viel Volkes dein Sohn, fuͤr die Danaer ſtreitend, erlegte; Sondern Euruͤpuͤlos nur, den kriegriſchen Taͤlefiden. Dieſen durchſtach er mit ehernem Spieß, und viele Kaͤteier520 Sanken blutig um ihn, durch Weibergeſchenke verleitet. Nach dem goͤttlichen Memnon war er der ſchoͤnſte der Feinde. Als wir nun ſtiegen ins Roß, wir tapferſten Helden Achaias, Welches Epeios gebaut; und mir die Sorge vertraut ward, Unſer feſtes Gehaͤuſe zu oͤffnen, oder zu ſchließen:525 Siehe da ſaßen viele der hohen Fuͤrſten und Pfleger, Trockneten ihre Thraͤnen, und bebten an Haͤnden und Fuͤßen. Aber ich habe nie mit meinen Augen geſehen, Daß der bluͤhende Juͤngling erblaßte, oder ſein Antliz Feige Thraͤnen benezten; mit Flehen bat er mich oftmal,530 Ihn aus dem Roße zu laßen, ergriff die eherne Lanze, Legte die Hand an das Schwert, und drohte den Troern Verderben. Als wir die hohe Stadt des Priamos endlich zerſtoͤret; Stieg er, mit Ehrengeſchenken und großer Beute bereichert, Unbeſchaͤdigt ins Schiff, von keinem fliegenden Erze,535 Noch von der Schaͤrfe des Schwerts verwundet; welches doch ſelten Tapfere Streiter verſchont; denn blindlings wuͤtet der Kriegsgott.

Alſo ſprach ich; da ging die Seele des ſchnellen AchilleusV. 538.Asfodelos, Asfodilwurz, ward auf die Graͤber gepflanzt. Daher dachte man ſich in der Unterwelt die Wieſe, durch welche der Stuͤx floß, mit As - fodelos bewachſen. Zur Asfodeloswieſe mit großen Schritten hinunter,225Elfter Geſang. Freudenvoll, daß ich ihm des Sohnes Tugend verkuͤndigt. 540

Aber die andern Seelen der abgeſchiedenen Todten Standen traurend da, und ſprachen von ihrer Betruͤbniß. Nur allein die Seele des telamoniſchen Aias Blieb von ferne ſtehn, und zuͤrnte noch wegen des Sieges, Den ich einſt vor den Schiffen, mit ihm um die Waffen Achilleus545 Rechtend, gewann; ſie ſezte zum Preis die goͤttliche Mutter, Und die Soͤhne der Troer entſchieden und Pallas Athaͤnaͤ. Haͤtt 'ich doch nimmermehr in dieſem Streite geſieget! Denn ein ſolches Haupt birgt ihrenthalben die Erde: Aias, der an Geſtalt und Edelthaten der groͤßte550 Unter den Danaern war, nach dem tadelloſen Achilleus. Dieſen redet 'ich an, und ſagte mit freundlicher Stimme:

Aias, Telamons Sohn, des Herlichen! mußteſt du alſo Selbſt nach dem Tode den Groll forttragen wegen der Ruͤſtung, Welche der Goͤtter Rath zum Verderben der Griechen beſtimmte? 555Denn du ſankſt, ihr Thurm in der Feldſchlacht; und wir Achaier Muͤßen, wie um das Haupt des Paͤlaͤiden Achilleus, Stets um deinen Verluſt leidtragen! Doch keiner iſt hieran Schuldig, als Zeus, der, entbrannt vom ſchrecklichen Eifer, Achaia's Kriegerſchaaren verwarf, und dein Verhaͤngniß dir ſandte! 560Aber wohlan! trit naͤher zu mir, o Koͤnig, und hoͤre Meine Red ', und bezwinge den Zorn des erhabenen Herzens.

Alſo ſprach ich; er ſchwieg, und ging in des Erebos Dunkel Zu den uͤbrigen Seelen der abgeſchiedenen Todten. Dennoch haͤtte mich dort der Zuͤrnende angeredet,565 Oder ich ihn; allein mich trieb die Begierde des Herzens,P226Oduͤßee. Auch die Seelen der andern geſtorbenen Helden zu ſchauen.

Und ich wandte den Blick auf Minos, den goͤttlichen, Zeus Sohn! Dieſer ſaß, in der Hand den goldenen Zepter, und theilte Strafe den Todten und Lohn; ſie rechteten rings um den Koͤnig,570 Sizend und ſtehend, im weitgeoͤffneten Hauſe des Aïs.

Und nach dieſem erblickt 'ich den ungeheuren Orion. Auf der Asfodeloswieſe verfolgt' er die draͤngenden Thiere, Die er im Leben einſt auf wuͤſten Gebirgen getoͤdtet: In den Haͤnden die eherne, nie zerbrechliche Keule. 575

Auch den Tituͤos ſah ich, den Sohn der geprieſenen Erde. Dieſer lag auf dem Boden, und maß neun Hufen an Laͤnge; Und zween Geier ſaßen ihm links und rechts, und zerhackten Unter der Haut ihm die Leber: vergebens ſcheuchte der Frevler, Weil er Laͤto entehrt, Zeus heilige Lagergenoßin,580 Als ſie gen Puͤtho ging, durch Panopeus liebliche Fluren.

Auch den Tantalos ſah ich, mit ſchweren Qualen belaſtet. Mitten im Teiche ſtand er, den Kinn von der Welle beſpuͤlet, Lechzte hinab vor Durſt, und konnte zum Trinken nicht kommen. Denn ſo oft ſich der Greis hinbuͤckte, die Zunge zu kuͤhlen;585 Schwand das verſiegende Waßer hinweg, und rings um die Fuͤße Zeigte ſich ſchwarzer Sand, getrocknet vom feindlichen Daͤmon. Fruchtbare Baͤume neigten um ſeine Scheitel die Zweige, Voll balſamiſcher Birnen, Granaten und gruͤner Oliven, Oder voll ſuͤßer Feigen und roͤthlichgeſprenkelter Aepfel. 590Aber ſo bald ſich der Greis aufreckte, der Fruͤchte zu pfluͤcken; Wirbelte ploͤzlich der Sturm ſie empor zu den ſchattigen Wolken.

Auch den Siſuͤfos ſah ich, von ſchrecklicher Muͤhe gefoltert, Einen ſchweren Marmor mit großer Gewalt fortheben. 227Elfter Geſang. Angeſtemmt, arbeitet 'er ſtark mit Haͤnden und Fuͤßen,595 Ihn von der Au aufwaͤlzend zum Berge. Doch glaubt 'er ihn jezo Auf den Gipfel zu drehn: da mit Einmal ſtuͤrzte die Laſt um; Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tuͤckiſche Marmor. Und von vorn arbeitet' er, angeſtemmt, daß der Angſtſchweiß Seinen Gliedern entfloß, und Staub ſein Antliz umwoͤlkte. 600

Und nach dieſem erblickt 'ich die hohe Kraft Haͤraklaͤs, Seine Geſtalt; denn er ſelber feirt mit den ewigen Goͤttern Himmliſche Wonnegelag', und umarmt die bluͤhende Haͤbaͤ, Zeus des gewaltigen Tochter und Haͤraͤs mit goldenen Solen. Ringsum ſchrie, wie Voͤgelgeſchrei, das Geſchrei der geſcheuchten605 Flatternden Geiſter um ihn; er ſtand der graulichen Nacht gleich, Hielt den entbloͤßten Bogen geſpannt, und den Pfeil auf der Senne, Schauete drohend umher, und ſchien beſtaͤndig zu ſchnellen. Seine Bruſt umguͤrtet 'ein fuͤrchterlich Wehrgehenke, Wo, getrieben aus Gold, die Wunderbildungen ſtralten:610 Baͤren, und Eber voll Wut, und grimmig funkelnde Loͤwen, Treffen und blutige Schlachten und Niederlagen und Morde. Immer feire der Kuͤnſtler, auf immer von ſeiner Arbeit, Der ein ſolches Gehenke mit hohem Geiſte gebildet! Dieſer erkannte mich gleich, ſobald er mit Augen mich ſahe,615 Wandte ſich ſeufzend zu mir, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Armer, ruht auch auf dir ein trauervolles Verhaͤngniß, Wie ich weiland ertrug, da mir die Sonne noch ſtralte? Zeus des Kroniden Sohn war ich, und duldete dennoch620 Unausſprechliches Elend; dem weit geringeren Manne Dient 'ich, und dieſer gebot mir die fuͤrchterlichſten Gefahren. 228Oduͤßee. Elfter Geſang. Selbſt hier ſandt 'er mich her, den Hund zu holen; denn dieſes Schien dem Tirannen fuͤr mich die entſezlichſte aller Gefahren. Aber ich brachte den Hund empor aus Aïdaͤs Wohnung;625 Hermaͤs geleitete mich und Zeus blauaͤugichte Tochter.

Alſo ſprach er, und ging zuruͤck in Aïdaͤs Wohnung. Aber ich blieb, und harrete dort, ob etwa noch jemand Von den geſtorbenen Helden des Alterthumes ſich nahte. Und noch manchen vielleicht, den ich wuͤnſchte, haͤtt 'ich geſehen:630 Thaͤſeus und ſeinen Freund Peirithoos, Soͤhne der Goͤtter; Aber es ſammelten ſich unzaͤhlige Schaaren von Geiſtern Mit graunvollem Getoͤſ ', und bleiches Entſezen ergriff mich. Fuͤrchtend, es ſende mir jezo die ſtrenge Perſofoneia Tief aus der Nacht die Schreckengeſtalt des gorgoniſchen Unholds,V. 635.Gorgo; ein Weib, deßen Anblick verſteinerte.635 Floh ich eilend von dannen zum Schiffe, befahl den Gefaͤhrten, Hurtig zu ſteigen ins Schiff, und die Seile vom Ufer zu loͤſen; Und ſie ſtiegen hinein, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke. Alſo durchſchifften wir die Flut des Ozeanſtromes, Erſt vom Ruder getrieben, und drauf vom guͤnſtigen Winde. 640

229

Oduͤßee. Zwoͤlfter Geſang.

Als wir jezo die Flut des Ozeanſtromes durchſegelt, Fuhren wir uͤber die Woge, des weithinwogenden Meeres Zur aiaiiſchen Inſel, alwo der daͤmmernden Fruͤhe Wohnung und Taͤnze ſind, und Haͤlios leuchtender Aufgang. V. 4.Wir kamen aus dem dunkeln Lande der Kimmerier jenſeits des Ozean - ſtromes zu der naͤchſten Inſel im Mittelmeere zuruͤck, wo die Morgenroͤthe und die Sonne ſcheint.Jezo landeten wir am ſandigen Ufer der Inſel,5 Stiegen alsdann aus dem Schiff 'ans krumme Geſtade des Meeres, Schlummerten dort ein wenig, und harrten der heiligen Fruͤhe.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Sandt 'ich einige Freunde zur Wohnung der goͤttlichen Kirkaͤ, Unſers todten Gefaͤhrten Elpaͤnors Leichnam zu holen. 10Eilig faͤllten wir Holz auf der hoͤchſten Spize des Landes, Und beſtateten ihn mit vielen Thraͤnen und Seufzern. Als der Todte nunmehr und des Todten Ruͤſtung verbrannt war, Haͤuften wir ihm ein Grab, und errichteten druͤber ein Denkmal, Pflanzten dann hoch auf das Grab ſein ſchoͤngeglaͤttetes Ruder. 15

Alſo beſtellten wir dies nach der Ordnung. Doch unſre Zuruͤckkunft230Oduͤßee. Aus dem Reiche der Nacht blieb Kirkaͤ nicht lange verborgen; Denn bald kam ſie geſchmuͤckt, und ihre begleitenden Jungfraun Trugen Gebacknes und Fleiſch ſamt rothem funkelnden Weine. Und ſie trat in die Mitte, die hehre Goͤttin, und ſagte:20

Arme, die ihr lebendig in Aïdaͤs Wohnung hinabfuhrt! Zweimal ſchmeckt ihr den Tod, den andre nur Einmal empfinden. Aber wohlan, erquickt euch mit Speiſ 'und funkelndem Weine Hier, bis die Sonne ſinkt; und ſobald der Morgen ſich roͤthet, Schifft! Ich will euch den Weg, und alle Gefahren des Weges25 Selbſt verkuͤnden, damit nicht hinfort unſelige Thorheit, Weder zu Waßer noch Land ', euch neuen Jammer bereite.

Alſo ſprach ſie, und zwang der Edlen Herz zum Gehorſam. Alſo ſaßen wir dort den Tag, bis die Sonne ſich neigte, An der Fuͤlle des Fleiſches und ſuͤßen Weines uns labend. 30Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten ſich jene zur Ruh am feſtgebundenen Schiffe. Aber mich nahm bei der Hand die Goͤttin, fuͤhrte mich abwaͤrts, Legte ſich neben mir nieder, und fragete, was mir begegnet; Und ich erzaͤhlte darauf umſtaͤndlich die ganze Geſchichte. 35Jezt antwortete mir die hohe Kirkaͤ, und ſagte:

Dieſes haſt du denn alles vollbracht; vernim nun, Oduͤßeus, Was ich dir ſagen will: deß wird auch ein Gott dich erinnern. Erſtlich erreichet dein Schiff die Sirenen; dieſe bezaubernV. 39.An der fabelhaften Suͤdſeite Italiens. Alle ſterblichen Menſchen, wer ihre Wohnung beruͤhret. 40Welcher mit thoͤrichtem Herzen hinanfaͤhrt, und der Sirenen Stimme lauſcht, dem wird zu Hauſe nimmer die Gattin231Zwoͤlfter Geſang. Und unmuͤndige Kinder mit freudigem Gruße begegnen; Denn es bezaubert ihn der helle Geſang der Sirenen, Die auf der Wieſe ſizen, von aufgehaͤuftem Gebeine45 Modernder Menſchen umringt und ausgetrockneten Haͤuten. Aber du ſteure vorbei, und verkleibe die Ohren der Freunde Mit dem geſchmolzenen Wachſe der Honigſcheiben, daß Niemand Von den andern ſie hoͤre. Doch willſt du ſelber ſie hoͤren; Siehe dann binde man dich an Haͤnden und Fuͤßen im Schiffe,50 Aufrecht ſtehend am Maſte, mit feſtumſchlungenen Seilen: Daß du den holden Geſang der zwo Sirenen vernehmeſt. Flehſt du die Freunde nun an, und befiehlſt die Seile zu loͤſen; Eilend feßle man dich mit mehreren Banden noch ſtaͤrker!

Sind nun deine Gefaͤhrten bei dieſen voruͤber gerudert,55 Dann beſtimm 'ich den Weg nicht weiter, ob du zur Rechten Oder zur Linken dein Schiff hinſteuren muͤßeſt; erwaͤg' es Selber in deinem Geiſt. Ich will dir beide bezeichnen.

Hier ſtuͤrmt gegen den Fuß der uͤberhangenden KlippenV. 59.Auf der einen Seite, naͤmlich Oduͤßeus zur Rechten, ſind die irren[-]den feuerſpeienden Klippen, (man meinte die lipariſchen Inſeln;) und auf der an[-]dern, zur Linken, V. 73. Skuͤlla und Charuͤbdis. Hochaufbrauſend die Woge der blaͤulichen Amſitritaͤ. 60Irrende Klippen nennt ſie die Sprache der ſeligen Goͤtter. Selbſt kein fliegender Vogel, noch ſelbſt die ſchuͤchternen Tauben Eilen vorbei, die Zeus dem Vater Ambroſia bringen;V. 63.Die Ambroſia quoll nicht weit vom Ozeanſtrom in Eliſium, und wurde von Tauben nach dem Berge Oluͤmpos gebracht. Sondern der glatte Fels raubt eine von ihnen beſtaͤndig! Aber der Vater erſchafft eine andre, die Zahl zu ergaͤnzen. 65232Oduͤßee. Und noch nimmer entrann ein Schiff, das ihnen ſich nahte; Sondern zugleich die Truͤmmer des Schiffs und die Leichen der Maͤnner Wirbelt die Woge des Meers und verzehrende Feuerorkane. Eins nur ſteurte vorbei von den meerdurchwandelnden Schiffen, Argo, die allbeſungne, da ſie von Aiaͤtaͤs zuruͤckfuhr;70 Und bald haͤtte die Flut auch ſie an die Klippe geſchmettert, Doch ſie geleitete Haͤraͤ, die waltende Goͤttin Jaſons.

Dorthin drohn zween Felſen: der eine beruͤhret den Himmel Mit dem ſpizigen Gipfel, vom duͤſterblauen Gewoͤlke Rings umhuͤllt, das nimmer zerfließt; und nimmer erhellen75 Heitere Tage den Gipfel, im Sommer oder im Herbſte. Keiner vermoͤchte hinauf, und keiner hinunter zu ſteigen, Wenn er auch zwanzig Haͤnd 'und zwanzig Fuͤße bewegte; Denn der Stein iſt ſo glatt, als waͤr' er ringsum behauen. In der Mitte des Felſen iſt eine benachtete Hoͤhle,80 Abendwaͤrts, gewandt nach des Erebos Gegend, alwo ihr Euer gebogenes Schiff vorbeilenkt, edler Oduͤßeus. Von dem Boden des Schiffes vermoͤchte der fertigſte Schuͤze Nicht den gefiederten Pfeil bis an die Hoͤhle zu ſchnellen. Dieſe Hoͤhle bewohnt die fuͤrchterlich bellende Skuͤlla,85 Deren Stimme hell, wie der jungen ſaugenden Hunde Winſeln toͤnt, ſie ſelbſt ein graͤuliches Scheuſal, daß Niemand Ihrer Geſtalt ſich freut, wenn auch ein Gott ihr begegnet. Siehe das Ungeheuer hat zwoͤlf abſcheuliche Klauen, Und ſechs Haͤlſ 'unglaublicher Laͤng', auf jeglichem Halſe90 Einen graͤßlichen Kopf, mit dreifachen Reihen geſpizter Dichtgeſchloßener Zaͤhne voll ſchwarzes Todes bewaffnet. Bis an die Mitte ſteckt ihr Leib in der Hoͤhle des Felſens,233Zwoͤlfter Geſang. Aber die Koͤpfe bewegt ſie hervor aus dem ſchrecklichen Abgrund, Blickt heißhungrig umher, und fiſcht ſich rings um den Felſen95 Meerhund 'oft und Delfine, und oft noch ein groͤßeres Seewild, Aus der unzaͤhlichen Schaar der brauſenden Amfitritaͤ. Noch kein kuͤhner Pilot, der Skuͤlla's Felſen vorbeifuhr, Ruͤhmt ſich verſchont zu ſein; ſie ſchwinget in jeglichem Rachen Einen geraubeten Mann aus dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe. 100

Doch weit niedriger iſt der andere Felſen, Oduͤßeus, Und dem erſten ſo nahe, daß ihn dein Bogen erreichte. Dort iſt ein Feigenbaum mit großen laubichten Aeſten; Drunter lauret Charuͤbdis, die waßerſtrudelnde Goͤttin. Dreimal gurgelt ſie taͤglich es aus, und ſchlurfet es dreimalV. 105.Es geſchieht nur zweimal; Homer redet nach einem dunkeln Geruͤcht.105 Schrecklich hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden naheſt! Selbſt Poſeidaon koͤnnte dich nicht dem Verderben entreißen: Darum ſteure du dicht an Skuͤlla's Felſen, und rudre Schnell mit dem Schiffe davon. Es iſt doch beßer, Oduͤßeus, Sechs Gefaͤhrten im Schiff zu vermißen, als alle mit Einmal! 110

Alſo ſprach ſie; und ich antwortete wieder, und ſagte: Goͤttin, ich flehe dich an, verkuͤnde mir lautere Wahrheit: Kann ich nicht dort dem Strudel der wilden Charuͤbdis entfliehen, Aber Skuͤlla beſtrafen, ſobald ſie die Meinigen anfaͤllt?

Alſo ſprach ich; mir gab die hohe Goͤttin zur Antwort:115 Ungluͤckſeliger, denkſt du auch hier der kriegriſchen Thaten Und der Gewalt, und weichſt nicht einmal unſterblichen Goͤttern? Denn nicht ſterblich iſt jene; ſie iſt ein unſterbliches Scheuſal, Furchtbar und ſchreckenvoll und grauſam und unuͤberwindlich. 234Oduͤßee. Nichts hilft Tapferkeit dort; entfliehn iſt die einzige Rettung. 120Denn verweilſt du am Felſen, zum Kampfe geruͤſtet; ſo fuͤrcht 'ich, Daß dich das Ungeheuer von oben herunter noch Einmal Mit ſechs Rachen ereil', und dir ſechs Maͤnner entreiße. Rudre denn hurtig voruͤber, und rufe die Goͤttin Krataiis, Skuͤlla's Mutter an, die die Plage der Menſchen geboren:125 Dieſe wird ſie bezaͤhmen, daß ſie nicht ferner dir ſchade.

Jezo erreichſt du die Inſel Thrinakia. Siehe da weiden Viele fette Rinder und Schafe des Sonnenbeherſchers: Sieben Heerden der Rinder, und ſieben der treflichen Schafe, Funfzig in jeglicher Heerd '; und dieſe vermehren ſich niemals,130 Noch vermindern ſie ſich. Zwo Goͤttinnen pflegen der Weide, Lieblichgelockte Nuͤmfen, Lampetia und Faetuſa, Die mit der ſchoͤnen Neaira der Hochhinwandelnde zeugte. Denn die goͤttliche Mutter, ſobald ſie die Toͤchter erzogen, Sandte ſie fern hinweg in Thrinakia's Inſel, des Vaters135 Fette Schafe zu huͤten und ſein ſchwerwandelndes Hornvieh. Wenn du nun, eingedenk der Heimfahrt, dieſe verſchoneſt; Siehe dann moͤgt ihr, obzwar ungluͤcklich, gen Ithaka kehren. Wenn du ſie aber beraubſt; alsdann weißag 'ich Verderben Deinem Schiff' und den Freunden; und ſo du auch ſelber entrinneſt,140 Kehrſt du doch ſpaͤt, ungluͤcklich, und ohne Gefaͤhrten, zur Heimat.

Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos; Und die hohe Goͤttin verließ mich, und ging durch die Inſel. Aber ich eilte zum Schiff ', und ermahnete meine Gefaͤhrten, Einzuſteigen, und ſchnell am Ufer die Seile zu loͤſen. 145Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke, Saßen in Reihn, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern. 235Zwoͤlfter Geſang. Jene ſandte vom Ufer dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe Guͤnſtigen ſegelſchwellenden Wind, zum guten Begleiter, Kirkaͤ, die ſchoͤngelockte, die hehre melodiſche Goͤttin. 150Eilig brachten wir jezt die Geraͤthe des Schiffes in Ordnung, Saßen dann ſtill, und ließen vom Wind 'und Steuer uns lenken. Jezo begann ich, und ſprach zu den Freunden mit inniger Wehmut:

Freunde, nicht Einem allein, noch Zweenen, gebuͤhrt es zu wißen, Welche Dinge mir Kirkaͤ, die hohe Goͤttin, geweißagt. 155Drum verkuͤnd 'ich ſie euch, daß jeder ſie wiße; wir moͤgen Sterben, oder entfliehn dem ſchrecklichen Todesverhaͤngniß. Erſt befiehlt uns die Goͤttin, der zauberiſchen Sirenen Suͤße Stimme zu meiden, und ihre blumige Wieſe. Mir erlaubt ſie allein, den Geſang zu hoͤren; doch bindet160 Ihr mich feſt, damit ich kein Glied zu regen vermoͤge, Aufrecht ſtehend am Maſte, mit feſtumſchlungenen Seilen. Fleh 'ich aber euch an, und befehle die Seile zu loͤſen; Eilend feßelt mich dann mit mehreren Banden noch ſtaͤrker.

Alſo verkuͤndet 'ich jezo den Freunden unſer Verhaͤngniß. 165Und wie gefluͤgelt entſchwebte, vom freundlichen Winde getrieben, Unſer geruͤſtetes Schiff zu der Inſel der beiden Sirenen. Ploͤzlich ruhte der Wind; von heiterer Blaͤue des Himmels Glaͤnzte die ſtille See; ein Himmliſcher ſenkte die Waßer. Meine Gefaͤhrten gingen, und falteten eilig die Segel,170 Legten ſie nieder im Schiff, und ſezten ſich hin an die Ruder; Schaͤumend enthuͤpfte die Woge den ſchoͤngeglaͤtteten Tannen. Aber ich ſchnitt mit dem Schwert 'aus der großen Scheibe des Wachſes Kleine Kugeln, knaͤtete ſie mit nervichten Haͤnden; Und bald weichte das Wachs, vom ſtarken Drucke bezwungen,175236Oduͤßee. Und dem Strale des hochhinwandelnden Sonnenbeherſchers. Hierauf ging ich umher, und verkleibte die Ohren der Freunde. Jene banden mich jezo an Haͤnden und Fuͤßen im Schiffe, Aufrecht ſtehend am Maſte, mit feſtumſchlungenen Seilen; Sezten ſich dann, und ſchlugen die graue Woge mit Rudern. 180Als wir jezo ſo weit, wie die Stimme des Rufenden ſchallet, Kamen im eilenden Lauf; da erblickten jene das nahe Meerdurchgleitende Schiff, und huben den hellen Geſang an:

Komm, beſungner Oduͤßeus, du großer Ruhm der Achaier! Lenke dein Schiff ans Land, und horche unſerer Stimme. 185Denn hier ſteurte noch keiner im ſchwarzen Schiffe voruͤber, Eh er dem ſuͤßen Geſang 'aus unſerem Munde gelauſchet; Und dann ging er von hinnen, vergnuͤgt und weiſer wie vormals. Uns iſt alles bekannt, was ihr Argeier und Troer Durch der Goͤtter Verhaͤngniß in Troja's Fluren geduldet:190 Alles, was irgend geſchieht auf der lebenſchenkenden Erde!

Alſo ſangen jene voll Anmut. Heißes Verlangen Fuͤhlt 'ich weiter zu hoͤren, und winkte den Freunden Befehle, Meine Bande zu loͤſen; doch hurtiger ruderten dieſe. Und es erhuben ſich ſchnell Euruͤlochos und Perimaͤdaͤs,195 Legten noch mehrere Feßeln mir an, und banden mich ſtaͤrker. Alſo ſteuerten wir den Sirenen voruͤber; und leiſer, Immer leiſer, verhallte der Singenden Lied und Stimme. Eilend nahmen ſich nun die theuren Genoßen des Schiffes Von den Ohren das Wachs, und loͤſten mich wieder vom Maſtbaum. 200

Als wir jezo der Inſel entruderten, ſah ich von ferne Dampf und brandende Flut, und hoͤrt 'ein dumpfes Getoͤſe. Schnell entflogen den Haͤnden der zitternden Freunde die Ruder;237Zwoͤlfter Geſang. Rauſchend ſchleppten ſie alle dem Strome nach, und das Schiff ſtand Still, weil keiner mehr das lange Ruder bewegte. 205Aber ich eilte durchs Schiff, und ermahnete meine Gefaͤhrten, Trat zu jeglichem Mann, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Freunde, wir ſind ja bisher nicht ungeuͤbt in Gefahren; Und nicht groͤßere drohet uns jezt, als da der Kuͤklope Mit unmenſchlicher Kraft im dunkeln Felſen uns einſchloß;210 Dennoch entflohn wir auch jener durch meine Tugend und Weisheit; Und ich hoffe, wir werden uns einſt auch dieſer erinnern. Auf denn, Geliebteſte, thut, was ich euch jezo befehle! Ihr, ſchlagt alle des Meers hochſtuͤrmende Woge mit Rudern, Sizend auf euren Baͤnken! Vielleicht verſtatet Kronion215 Zeus, daß wir, durch die Flucht, doch dieſem Verderben entrinnen. Aber dir, o Pilot, befehl 'ich dieſes; verſchleuß es Tief im Herzen, denn du beſorgſt das Steuer des Schiffes! Lenke das Schiff mit aller Gewalt aus dem Dampf und der Brandung, Und arbeite gerad' auf den Fels zu; daß es nicht dorthin220 Unverſehens ſich wend ', und du ins Verderben uns ſtuͤrzeſt!

Alſo ſprach ich, und ſchnell gehorchten ſie meinem Befehle. Aber von Skuͤlla ſchwieg ich, dem unvermeidlichen Ungluͤck! Daß nicht meine Gefaͤhrten, aus Furcht des Todes, die Ruder Sinken ließen, und all' im Schiffe zuſammen ſich draͤngten. 225Jezo dacht 'ich nicht mehr des ſchreckenvollen Gebotes, Welches mir Kirkaͤ geboten, mich nicht zum Kampfe zu ruͤſten; Sondern ich guͤrtete mich mit ſtatlichen Waffen, und faßte Zween weitſchattende Speer' in der Hand, und ſtieg auf des Schiffes Vorderverdeck; denn ich hoffte, die Felſenbewohnerin Skuͤlla230 Dorther kommen zu ſehn, um mir die Freunde zu rauben. 238Oduͤßee. Aber ich ſchaute ſie nirgends, obgleich die Augen mir ſchmerzten, Da ich nach jeder Kluft des braunen Felſen emporſah. Seufzend ruderten wir hinein in die ſchreckliche Enge: Denn hier drohete Skuͤlla, und dort die wilde Charuͤbdis,235 Welche die ſalzige Flut des Meeres fuͤrchterlich einſchlang. Wenn ſie die Flut ausbrach; wie ein Keßel auf flammendem Feuer, Brauſte mit Ungeſtuͤm ihr ſiedender Strudel, und hochauf Sprizte der Schaum, und bedeckte die beiden Gipfel der Felſen. Wenn ſie die ſalzige Flut des Meeres wieder hineinſchlang;240 Senkte ſich mitten der Schlund des reißenden Strudels, und ringsum Donnerte furchtbar der Fels, und unten blickten des Grundes Schwarze Kieſel hervor. Und bleiches Entſezen ergriff uns. Waͤhrend wir nun, in der Angſt des Todes, alle dahinſahn, Neigte ſich Skuͤlla herab, und nahm aus dem Raume des Schiffes245 Mir ſechs Maͤnner, die ſtaͤrkſten an Mut und nervichten Armen. Als ich jezt auf das eilende Schiff und die Freunde zuruͤckſah; Da erblickt 'ich ſchon oben die Haͤnd' und Fuͤße der Lieben, Die hoch uͤber mir ſchwebten; ſie ſchrien und jammerten alle Laut, und riefen mir, ach! zum leztenmale! beim Namen. 250Wie am Vorgebirge mit langer Rute der Fiſcher Laurend den kleinen Fiſchen die koͤdertragende Angel, An dem Horne des Stiers, hinab in die Fluten des Meeres Wirft, und die zappelnde Beute geſchwind 'ans Ufer hinaufſchwenkt: Alſo wurden ſie zappelnd empor an dem Felſen gehoben. 255Dort an der Hoͤhle fraß ſie das Ungeheuer, und ſchreiend Streckten jene nach mir, in der grauſamſten Marter, die Haͤnd 'aus. Nichts erbaͤrmlichers hab' ich mit meinen Augen geſehen, So viel Jammer mich[auch] im ſtuͤrmenden Meere verfolgte!

239Zwoͤlfter Geſang.

Als wir jezo die Felſen der Skuͤlla und wilden Charuͤbdis260 Flohn, da erreichten wir bald des Gottes herliche Inſel, Wo die Heerden des hochhinwandelnden Haͤlios weiden, Viele trefliche Schaf 'und viel breitſtirniges Hornvieh. Als ich noch auf dem Meer' im ſchwarzen Schiffe heranfuhr; Hoͤrt 'ich ſchon das Gebruͤll der eingeſchloßenen Rinder,265 Und der Schafe Gebloͤck. Da erwacht 'in meinen Gedanken Jenes thaͤbaiiſchen Sehers, des blinden Teireſias Warnung, Und der aiaiiſchen Kirkaͤ, die mir aufs ſtrengſte befohlen, Ja die Inſel zu meiden der menſchenerfreuenden Sonne. Und mit trauriger Seele begann ich zu meinen Gefaͤhrten:270

Hoͤret meine Worte, ihr theuren Genoßen im Ungluͤck, Daß ich euch ſage, was mir Teireſias Seele geweißagt, Und die aiaiiſche Kirkaͤ, die mir aufs ſtrengſte befohlen, Ja die Inſel zu meiden der menſchenerfreuenden Sonne; Denn dort wuͤrden wir uns den ſchrecklichſten Jammer bereiten. 275Auf denn, Geliebteſte, lenkt das Schiff bei der Inſel voruͤber!

Alſo ſprach ich, und jenen brach das Herz vor Betruͤbniß. Aber Euruͤlochos gab mir dieſe zuͤrnende Antwort:

Grauſamer Mann, du ſtrozeſt von Kraft, und nimmer ermuͤden Deine Glieder; ſie ſind aus hartem Stale gebildet! 280Daß du den muͤden Freunden, von Arbeit und Schlummer entkraͤftet, Nicht ans Land zu ſteigen erlaubſt, damit wir uns wieder Auf der umfloßenen Inſel mit lieblichen Speiſen erquicken; Sondern befiehlſt, daß wir die Inſel meiden, und blindlings Durch die dickeſte Nacht im duͤſtern Meere verirren! 285Und die Stuͤrme der Nacht ſind fuͤrchterlich; Schiffe zertruͤmmert Ihre Gewalt! Wo entfloͤhn wir dem ſchrecklichen Todesverhaͤngniß,240Oduͤßee. Wenn nun mit Einmal im wilden Orkan der gewaltige Suͤdwind Oder der ſauſende Weſt herwirbelte, welche die Schiffe Oft auch gegen den Willen der herſchenden Goͤtter zerſchmettern? 290Laßt uns denn jezo der Nacht aufſteigenden Schatten gehorchen, Und am Ufer ein Mahl bei dem ſchnellen Schiffe bereiten. Morgen ſteigen wir ein, und ſteuren ins offene Weltmeer.

Alſo ſprach er; und laut rief jeder Euruͤlochos Beifall. Und ich erkannte jezt, daß ein Himmliſcher Boͤſes verhaͤngte;295 Drauf antwortet 'ich ihm, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Freilich, Euruͤlochos, zwingt ihr mich Einzelnen leicht zum Gehorſam. Aber wohlan! jezt ſchwoͤret mir alle den heiligen Eidſchwur: Wenn wir irgendwo Heerden von Rindern oder von Schafen Finden, daß keiner mir dann, durch ſchreckliche Bosheit verblendet,300 Weder ein Rind noch ein Schaf abſchlachte, ſondern geruhig Eße der Speiſe, die uns die unſterbliche Kirkaͤ gereicht hat!

Alſo ſprach ich; und ſchnell beſchwuren ſie, was ich verlangte. Als ſie es jezo gelobt, und vollendet den heiligen Eidſchwur; Landeten wir in der Bucht mit dem ſtarkgezimmerten Schiffe,305 Nahe bei ſuͤßem Waßer; und meine Gefaͤhrten entſtiegen Alle dem Schiff ', und bereiteten ſchnell am Ufer die Mahlzeit. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war; Da beweineten ſie der lieben Freunde Gedaͤchtniß, Welche Skuͤlla geraubt, und vor der Hoͤhle verſchlungen;310 Auf die Weinenden ſank almaͤhlich der ſuͤße Schlummer.

Schon war die dritte Wache der Nacht, und es ſanken die Sterne; Siehe da ſendete Zeus, der Wolkenverſammler, der Windsbraut Fuͤrchterlich zuckenden Sturm, verhuͤllt 'in dicke Gewoͤlke Meer und Erde zugleich; und dem duͤſtern Himmel entſank Nacht. 315241Zwoͤlfter Geſang. Als nun die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Zogen wir unſer Schiff in die felſenbeſchattete Grotte, Welche die ſchoͤnen Reigen und Size der Nuͤmfen verbirget. Jezo rief ich die Freunde zur Rathsverſammlung, und ſagte:

Freunde, wir haben ja noch im Schiffe zu eßen und trinken;320 Darum ſchonet der Rinder, daß uns kein Boͤſes begegne! Dieſe Rinder und Schafe ſind[jenes] furchtbaren Gottes Haͤlios Eigenthum, der alles ſiehet und hoͤret.

Alſo ſprach ich, und zwang ihr edles Herz zum Gehorſam. Aber der Suͤd durchſtuͤrmte den ganzen Monat, und niemals325 Hub ſich ein anderer Wind, als der Oſt und der herſchende Suͤdwind. Doch ſolang 'es an Speiſ' und rothem Weine nicht fehlte, Schoneten jene der Rinder, ihr ſuͤßes Leben zu retten. Und da endlich im Schiffe der ganze Vorrat verzehrt war, Streiften ſie alle aus Noth, vom nagenden Hunger gefoltert,330 Durch die Inſel umher, mit krummer Angel ſich Fiſche Oder Voͤgel zu fangen, was ihren Haͤnden nur vorkam. Jezo ging ich allein durch die Inſel, um einſam die Goͤtter Anzuflehn, ob einer den Weg mir zeigte zur Heimkehr. Als ich, die Inſel durchgehend, mich weit von den Freunden entfernet,335 Am windfreien Geſtade; da wuſch ich die Haͤnd ', und flehte Alle Goͤtter an, die Bewohner des hohen Oluͤmpos. Und ſie deckten mir ſanft die Augen mit ſuͤßem Schlummer.

Aber Euruͤlochos reizte die andern Freunde zum Boͤſen: Hoͤret meine Worte, ihr theuren Genoßen im Ungluͤck. 340Zwar iſt jeglicher Tod den armen Sterblichen furchtbar; Aber ſo jammervoll iſt keiner, als Hungers ſterben. Q242Oduͤßee. Auf denn, und treibt die beßten der Sonnenrinder zum Opfer Fuͤr die Unſterblichen her, die den weiten Himmel bewohnen. Kommen wir einſt zuruͤck in Ithaka's heimiſche Fluren,345 Seht dann weihen wir ſchnell dem hohen Sonnenbeherſcher Einen praͤchtigen Tempel, mit koͤſtlichem Schmucke gezieret. Aber beſchließt der Gott, um gehoͤrnete Rinder entruͤſtet, Unſer Schiff zu verderben, und ihm willfahren die Goͤtter; Lieber will ich mit Einmal den Geiſt in den Fluten verhauchen,350 Als noch lang 'hinſchmachten auf dieſer einſamen Inſel!

Alſo ſprach er, und laut rief jeder Euruͤlochos Beifall. Und ſie trieben die beßten der Sonnenrinder zum Opfer Eilend daher; denn nahe dem blaugeſchnaͤbelten Schiffe Weideten jezt, breitſtirnig und ſchoͤn, die heiligen Rinder. 355Dieſe umſtanden die Freunde, den Goͤttern flehend, und ſtreuten Zarte Blaͤtter, gepfluͤckt von der hochgewipfelten Eiche; Denn an Gerſte gebrach es im ſchoͤngebordeten Schiffe. Alſo fleheten ſie, und ſchlachteten, zogen die Haut ab, Schnitten die Lenden aus, umwickelten dieſe mit Fette,360 Und bedeckten ſie drauf mit blutigen Stuͤcken der Glieder. Auch an Weine gebrach es, das brennende Opfer zu ſprengen; Aber ſie weihten mit Waßer die roͤſtenden Eingeweide. Als ſie die Lenden verbrannt, und die Eingeweide gekoſtet, Schnitten ſie auch das Uebrige klein, und ſtecktens an Spieße. 365

Meinen Augen entfloh nunmehr der liebliche Schlummer, Und ich ging zu dem ruͤſtigen Schiff am Ufer des Meeres. Aber ſobald ich mich nahte dem gleichgeruderten Schiffe, Kam mir der ſuͤße Duft des Opferrauches entgegen. Da erſchrack ich, und rief wehklagend den ewigen Goͤttern:370

243Zwoͤlfter Geſang.

Vater Zeus, und ihr andern, unſterbliche ſelige Goͤtter! Ach! ihr habt mir zum Fluche den grauſamen Schlummer geſendet, Daß die Gefaͤhrten indeß den entſezlichen Frevel veruͤbten!

Und Lampetia ſtieg zu Haͤlios leuchtendem Size Schnell mit der Botſchaft empor, daß jene die Rinder getoͤdtet;375 Dieſer entbrannte vor Zorn, und ſprach zu den ewigen Goͤttern:

Vater Zeus, und ihr andern, unſterbliche ſelige Goͤtter, Raͤcht mich an den Gefaͤhrten Oduͤßeus, des Sohnes Laertaͤs, Welche mir uͤbermuͤtig die Rinder getoͤdtet, die Freude Meiner Tage, ſo oft ich den ſternichten Himmel hinanſtieg,380 Oder wieder hinab vom Himmel zur Erde mich wandte! Buͤßen die Frevler mir nicht vollguͤltige Buße des Raubes; Steig 'ich hinab in Aïdaͤs Reich, und leuchte den Todten!

Ihm antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Haͤlios, leuchte forthin den unſterblichen Goͤttern des Himmels,385 Und den ſterblichen Menſchen auf lebenſchenkender Erde. Bald will ich jenen das ruͤſtige Schiff mit dem flammenden Donner, Mitten im dunkeln Meer, in kleine Truͤmmer zerſchmettern!

Dieſes erfuhr ich hernach von der ſchoͤngelockten Kaluͤpſo, Die es ſelbſt von Hermeias, dem Goͤttergeſandten, erfahren. 390

Als ich jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichte, Schalt ich die Mißethaͤter vom erſten zum lezten; doch nirgends Fand ich Rettung fuͤr uns, die Rinder lagen ſchon todt da. Bald erſchienen darauf die ſchrecklichen Zeichen der Goͤtter: Ringsum krochen die Haͤute, es bruͤllte das Fleiſch an den Spießen,395 Rohes zugleich und gebratnes, und laut wie Rindergebruͤll ſcholls. Und ſechs Tage ſchwelgten die ungluͤckſeligen Freunde Von den beßten Rindern des hohen Sonnenbeherſchers. 244Oduͤßee. Als nun der ſiebente Tag von Zeus Kronion geſandt ward, Siehe da legten ſich ſchnell die reißenden Wirbel der Windsbraut;400 Und wir ſtiegen ins Schiff, und ſteurten ins offene Weltmeer, Aufgerichtet den Maſt, und geſpannt die ſchimmernden Segel.

Als wir das gruͤne Geſtade Thrinakia's jezo verlaßen, Und ringsum kein Land, nur Meer und Himmel zu ſehn war; Breitete Zeus Kronion ein dunkelblaues Gewoͤlk aus405 Ueber das laufende Schiff, und Nacht lag uͤber der Tiefe. Und nicht lange mehr eilte das laufende Schiff; denn mit Einmal Kam lautbrauſend der Weſt mit fuͤrchterlich zuckenden Wirbeln. Ploͤzlich zerbrach der Orkan die beiden Taue des Maſtbaums; Aber der Maſt fiel krachend zuruͤck, und Segel und Stange410 Sanken hinab in den Raum; die Laſt des fallenden ſtuͤrzte Hinten im Schiff dem Piloten aufs Haupt, und zerknirſchte mit Einmal Alle Gebeine des Haupts; da ſchoß er, aͤhnlich dem Taucher, Koͤpflings herab vom Verdeck, und der Geiſt entwich den Gebeinen. Und nun donnerte Zeus; der hochgeſchleuderte Stral ſchlug415 Schmetternd ins Schiff: und es ſchwankte, vom Donner des Gottes erſchuͤttert; Alles war Schwefeldampf, und die Freund 'entſtuͤrzten dem Boden. Aehnlich den Waßerkraͤhn, bekaͤmpften ſie, rings um das Schiff her, Steigend und ſinkend die Flut; doch Gott nahm ihnen die Heimkehr. Einſam durchwandelt' ich jezo das Schiff; da trennte der Wogen420 Sturz von den Seiten den Kiel, und trug die eroberte Truͤmmer; Schmetterte dann auf den Kiel den Maſtbaum nieder; an dieſem Hing noch das Segeltau, von Ochſenleder geflochten. Eilend ergriff ich das Tau, und verband den Kiel und den Maſtbaum; Sezte mich drauf, und trieb durch den Sturm und die tobenden Fluten. 425

Jezo legten ſich ſchnell die reißenden Wirbel des Weſtes;245Zwoͤlfter Geſang. Doch es erhub ſich der Suͤd, der, mit neuen Schrecken geruͤſtet, Wieder zuruͤck mich ſtuͤrmte zum Schlunde der wilden Charuͤbdis. Und ich trieb durch die ganze Nacht; da die Sonne nun aufging, Kam ich an Skuͤlla's Fels und die ſchreckenvolle Charuͤbdis. 430Dieſe verſchlang anjezo des Meeres ſalzige Fluten; Aber ich hob mich empor, an des Feigenbaumes Gezweige Angeklammert, und hing, wie die Fledermaus, und vermochte Nirgendwo mit den Fuͤßen zu ruhn, noch hoͤher zu klimmen. Denn fern waren die Wurzeln, und nieder ſchwankten die Aeſte,435 Welche, lang und groß, Charuͤbdis mit Schatten bedeckten. Alſo hielt ich mich feſt an den Zweig, bis der Kiel und der Maſtbaum Wieder dem Strudel entfloͤgen; und endlich nach langem Harren Kamen ſie. Wann zum Mahle der Richter aus der Verſammlung Kehrt, der viele Zwiſte der hadernden Juͤngling 'entſchieden;440 Zu der Stund 'entſtuͤrzten Charuͤbdis Schlunde die Balken. Aber ich ſchwung mich von oben mit Haͤnden und Fuͤßen hinunter, Und ſprang rauſchend hinab in den Strudel neben die Balken, Sezte mich eilend darauf, und ruderte fort mit den Haͤnden. Aber Skuͤlla ließ mich der Vater der Menſchen und Goͤtter445 Nicht mehr ſchaun; ich waͤre ſonſt nie dem Verderben entronnen!

Und neun Tage trieb ich umher; in der zehnten der Naͤchte Fuͤhrten die Himmliſchen mich gen Oguͤgia, wo Kaluͤpſo Wohnet, die ſchoͤngelockte, die hehre melodiſche Goͤttin; Huldreich nahm ſie mich auf ... Doch warum erzaͤhl 'ich dir dieſes? 450Hab 'ich es doch ſchon dir und deiner edlen Gemahlin Geſtern in dieſem Gemach erzaͤhlt; und es iſt mir zuwider, Einmal erzaͤhlete Dinge von neuem zu wiederholen.

246

Oduͤßee. Dreizehnter Geſang.

Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen, Horchten noch, wie entzuͤckt, im großen ſchattigen Saale. Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und ſagte:

Da du zu meiner hohen mit Erz gegruͤndeten Wohnung Kamſt; ſo hoff 'ich, Oduͤßeus, dich ſollen doch jezt von der Heimfahrt5 Keine Stuͤrme verwehn, wie ſehr du auch immer geduldet! Aber gehorchet nun, ihr alle, meiner Ermahnung, Die ihr beſtaͤndig alhier, in meinem Palaſte, des rothen Ehrenweines genießt, und des Saͤngers Begeiſterung anhoͤrt. Kleider liegen bereits in der ſchoͤngeglaͤtteten Lade10 Fuͤr den Fremdling, auch Gold von kuͤnſtlicher Arbeit, und andre Reiche Geſchenke, ſo viel die faiakiſchen Fuͤrſten ihm brachten. Laßt uns noch jeden ein groß dreifuͤßig Geſchirr und ein Becken Ihm verehren. Wir fodern uns dann vom verſammelten Volke Wieder Erſaz; denn Einen belaͤſtigten ſolche Geſchenke. 15

Alſo ſprach er; und allen gefiel die Rede des Koͤnigs. Hierauf gingen ſie heim, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen. Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Eilten ſie alle zum Schiffe mit maͤnnerehrendem Erze. Aber die heilige Macht Alkinoos legte das alles,20247Oduͤßee. Dreizehnter Geſang. Selber das Schiff durchgehend, mit Sorgfalt unter die Baͤnke; Daß es die Ruderer nicht an der Arbeit moͤchte verhindern.

Hierauf gingen ſie alle zur Burg, und beſorgten das Gaſtmahl. Ihnen verſoͤhnte der Koͤnig mit einem geopferten Stiere Zeus den donnerumwoͤlkten Kroniden, der alles beherſchet. 25Und ſie verbrannten die Lenden, und feirten das herliche Gaſtmahl, Froͤhliches Muts; auch ſang vor ihnen der goͤttliche Saͤnger, Unter den Voͤlkern geehrt, Daͤmodokos. Aber Oduͤßeus Wandte zur ſtralenden Sonn 'oft ungeduldig ſein Haupt auf, Daß ſie doch unterginge; denn herzlich verlangt' ihn zur Heimat. 30Alſo ſehnt ſich ein Pfluͤger zur Mahlzeit, welcher vom Morgen Bis zum Abend die Brache mit roͤthlichen Stieren geackert; Freudig ſieht er, wie ſich die leuchtende Sonne hinabſenkt, Eilet zur Abendkoſt, und dem Gehenden wanken die Kniee: Alſo freute ſich jezt Oduͤßeus der ſinkenden Sonne. 35Schnell begann er darauf zu den rudergeuͤbten Faiaken, Aber vor allen wandt 'er ſich gegen den Koͤnig, und ſagte:

Weitgeprieſener Held, Alkinoos, maͤchtigſter Koͤnig, Sendet mich jezt, nach geopfertem Trank, in Frieden; und lebt wohl! Denn ich habe nun alles, was meine Seele gewuͤnſcht hat:40 Eine ſichere Fahrt und wehrte Geſchenke. Die Goͤtter Laßen mir alles gedeihn! daß ich unſtraͤflich die Gattin Wiederfinde daheim, und unbeſchaͤdigt die Freunde. Ihr, die ich jezo verlaße, begluͤckt noch lange die Weiber Eurer Jugend, und Kinder! Euch ſegnen die Goͤtter mit Tugend45 Und mit Heil, und nie heimſuche die Inſel ein Ungluͤck!

Alſo ſprach er; es lobten ihn alle Fuͤrſten, und riethen, Heimzuſenden den Gaſt, weil ſeine Bitte gerecht war. 248Oduͤßee. Aber die heilige Macht Alkinoos ſprach zu dem Herold:

Miſche Wein in dem Kelche, Pontonoos; reiche dann allen50 Maͤnnern im Saal 'umher: daß wir dem Vater Kronion Flehn, und unſeren Gaſt zu ſeiner Heimat befoͤrdern.

Sprachs; und Pontonoos miſchte des herzerfreuenden Weines, Ging umher, und vertheilte die vollen Becher. Sie goßen Flehend den Goͤttern des Tranks, die den weiten Himmel bewohnen,55 Jeder von ſeinem Siz. Da erhub ſich der edle Oduͤßeus, Gab in Araͤtens Hand den ſchoͤnen doppelten Becher, Redete freundlich ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lebe beſtaͤndig wohl, o Koͤnigin, bis dich das Alter Sanft beſchleicht und der Tod, die allen Menſchen bevorſtehn! 60Jezo ſcheid 'ich von dir. Sei gluͤcklich in dieſem Palaſte, Samt den Kindern, dem Volk, und Alkinoos, deinem Gemahle!

Eilend ging nun der Held Oduͤßeus uͤber die Schwelle. Und die heilige Macht Alkinoos ſandte den Herold, Ihn zu dem ruͤſtigen Schiff ans Meergeſtade zu fuͤhren. 65Auch die Koͤnigin ließ ihn von drei Jungfrauen begleiten: Eine trug ihm den ſchoͤngewaſchenen Mantel und Leibrock; Dieſe ſandte ſie mit, die zierliche Lade zu bringen; Jene folgte dem Zuge mit Speiſ 'und roͤthlichem Weine.

Als ſie jezo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,70 Nahmen eilig von ihnen die edlen Geleiter Oduͤßeus Alles, auch Speiſ 'und Trank, und legten es nieder im Schiffe; Betteten jezt fuͤr Oduͤßeus ein Polſter und leinenen Teppich Auf dem Hinterverdeck des hohlen Schiffes, damit er Ruhig ſchliefe. Dann ſtieg er hinein, und legte ſich ſchweigend75 Auf ſein Lager. Nun ſezten ſich alle hin auf die Baͤnke. 249Dreizehnter Geſang. Nach der Ordnung, und loͤſten das Seil vom durchloͤcherten Steine, Beugten ſich vor und zuruͤck, und ſchlugen das Meer mit dem Ruder. Und ein ſanfter Schlaf bedeckte die Augen Oduͤßeus, Unerwecklich und ſuͤß, und faſt dem Tode zu gleichen. 80

Wie wenn auf ebener Bahn vier gleichgeſpannete HengſteV. 81.Die Alten ſpannten die Pferde alle neben einander. Alle zugleich hinſtuͤrzen, umſchwirrt von der treibenden Geißel, Hoch ſich erhebend, und hurtig zum Ziele des Laufes gelangen: Alſo erhob ſich das Steuer des Schiffs, und es rollte von hinten Dunkel und groß die Woge des lautaufrauſchenden Meeres. 85Schnell und ſicheres Laufes enteilten ſie; ſelber kein Habicht Haͤtte ſie eingeholt, der geſchwindeſte unter den Voͤgeln. Alſo durcheilte der ſchneidende Kiel die Fluten des Meeres, Heimwaͤrts tragend den Mann, an Weisheit aͤhnlich den Goͤttern. Ach! er hatte ſo viel unnennbare Leiden erduldet,90 Da er die Schlachten der Maͤnner und tobende Fluten durchkaͤmpfte; Und nun ſchlief er ſo ruhig, und alle ſein Leiden vergeßend.

Als nun oͤſtlich der Stern mit funkelndem Schimmer emporſtieg, Welcher das kommende Licht der Morgenroͤthe verkuͤndet; Schwebten ſie nahe der Inſel im meerdurchwallenden Schiffe. 95Forkuͤs, dem Greiſe des Meers, iſt eine der Buchten geheiligt, Gegen der Ithaker Stadt, wo zwo vorragende ſchroffe Felſenſpizen der Reede ſich an der Muͤndung begegnen. Dieſe zwingen die Flut, die der Sturm lautbrauſend heranwaͤlzt, Draußen zuruͤck; inwendig am ſtillen Ufer des Hafens100 Ruhn unangebunden die ſchoͤngebordeten Schiffe. Oben gruͤnt am Geſtad 'ein weitumſchattender Oelbaum. 250Oduͤßee. Eine Grotte, nicht fern von dem Oelbaum, lieblich und dunkel, Iſt den Nuͤmfen geweiht, die man Naiaden benennet. Steinerne Kruͤge ſtehn und zweigehenkelte Urnen105 Innerhalb; und Bienen bereiten drinnen ihr Honig. Aber die Nuͤmfen weben auf langen ſteinernen Stuͤhlen Feiergewande, mit Purpur gefaͤrbt, ein Wunder zu ſchauen. Unverſiegende Quellen durchſtroͤmen ſie. Zwo ſind der Pforten: Eine gen Mitternacht, durch welche die Menſchen hinabgehn;110 Mittagwaͤrts die andre geheiligte: dieſe durchwandelt Nie ein ſterblicher Menſch; ſie iſt der Unſterblichen Eingang.

Jene lenkten hinein, denn ſie kannten den Hafen ſchon vormals. Siehe da eilte das Schiff bis an die Haͤlfte des Kieles Stuͤrmend ans Land: ſo ſtark war der Schwung von der Ruderer Haͤnden. 115Und ſie ſtiegen vom Schiffe mit zierlichen Baͤnken ans Ufer, Hoben zuerſt Oduͤßeus vom Hinterverdecke des Schiffes, Samt dem leinenen Teppich und ſchoͤnen purpurnen Polſter, Und dann legten ſie ihn, wie er ſchlummerte, nieder im Sande. Und ſie enthoben das Gut, das die edlen Faiaken beim Abſchied120 Ihm geſchenkt, durch Fuͤgung der mutigen Pallas Athaͤnaͤ. Dieſes legten ſie alles zuhauf am Stamme des Oelbaums, Außer dem Wege, daß kein voruͤbergehender Wandrer Heimlich zu rauben kaͤme, bevor Oduͤßeus erwachte. Und nun fuhren ſie heim. Doch Poſeidaon vergaß nicht125 Seiner Drohung, die er dem goͤttergleichen Oduͤßeus Ehmals hatte gedroht; er forſchte den Willen Kronions:

Vater Zeus, auf immer iſt bei den unſterblichen Goͤttern Meine Ehre dahin, da Sterbliche meiner nicht achten, Jene Faiaken, die ſelbſt von meinem Blute gezeugt ſind! 130251Dreizehnter Geſang. Sieh, ich vermutet ', es ſollte nach vielen Leiden Oduͤßeus Kommen ins Vaterland; denn gaͤnzlich haͤtt' ich die Heimkehr Nimmer gewehrt, da dein allmaͤchtiger Wink ſie verheißen: Und ſie bringen im Schlaf ihn uͤber die Wogen, und ſezen Ihn in Ithaka aus, und geben ihm theure Geſchenke,135 Erzes und Goldes die Meng ', und ſchoͤngewebete Kleider, Mehr als Oduͤßeus je aus Ilion haͤtte gefuͤhret, Waͤr er auch ohne Schaden mit ſeiner Beute gekommen!

Ihm antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Welche Red 'entfiel dir, du erderſchuͤtternder Koͤnig? 140Nimmer verachten dich die Goͤtter! vermeßene Kuͤhnheit Waͤr 'es, den aͤlteſten maͤchtigſten Gott mit Verachtung zu reizen. Weigert ſich aber ein Menſch, durch Kraft und Staͤrke verleitet, Dich, wie er ſoll, zu ehren; ſo bleibt dir ja immer die Rache. Thue jezt, wie du willſt, und deinem Herzen geluͤſtet! 145

Drauf erwiederte jenem der Erderſchuͤttrer Poſeidon: Gerne vollendet 'ich gleich, Schwarzwolkichter, was du geſtateſt; Aber ich fuͤrchte mich ſtets vor deinem eifernden Zorne. Jezo will ich das ſchoͤngezimmerte Schiff der Faiaken, Das vom Geleiten kehrt, im dunkelwogenden Meere150 Ploͤzlich verderben; damit ſie ſich ſcheun, und die Maͤnnergeleitung Laßen; und rings um die Stadt will ich ein hohes Gebirg ziehn.

Ihm antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Theuerſter, dieſer Rath ſcheint meinem Sinne der beßte. Wann die Buͤrger der Stadt dem naͤher rudernden Schiffe155 Alle entgegen ſchaun, dann verwandel 'es nahe dem Ufer Zum ſchiffaͤhnlichen Fels; daß alle Menſchen dem Wunder Staunen; und rings um die Stadt magſt du ein hohes Gebirg ziehn.

252Oduͤßee.

Als er ſolches vernommen, der Erderſchuͤttrer Poſeidon, Ging er gen Scheria hin, dem Lande der ſtolzen Faiaken. 160Alda harrt 'er; und bald kam nahe dem Ufer das ſchnelle Meerdurchgleitende Schiff. Da nahte ſich Poſeidaon, Schlug es mit flacher Hand, und ſiehe! ploͤzlich verſteinert, Wurzelt' es feſt am Boden des Meers. Drauf ging er von dannen.

Aber am Ufer beſprachen mit ſchnellgefluͤgelten Worten165 Sich die Faiaken, die Fuͤhrer der langberuderten Schiffe. Einer wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Wehe! wer hemmt im Meere den Lauf des ruͤſtigen Schiffes, Welches zur Heimat eilte? Wir ſahn es ja voͤllig mit Augen!

Alſo redeten ſie, und wußten nicht, was geſchehn war. 170Aber jezo begann Alkinoos in der Verſammlung:

Weh mir! es trifft mich jezo ein laͤngſt verkuͤndetes Schickſal. Mir erzaͤhlte mein Vater vordem, uns zuͤrne Poſeidon, Weil wir ohne Gefahr jedweden zu Schiffe geleiten. Dieſer wuͤrde dereinſt ein trefliches Schiff der Faiaken,175 Das vom Geleiten kehrte, im dunkelwogenden Meere Ploͤzlich verderben, und rings um die Stadt ein hohes Gebirg ziehn. So weißagte der Greis; das wird nun alles erfuͤllet. Aber wohlan! gehorcht nun alle meinem Befehle. Laßt die Maͤnnergeleitung, woher auch ein Sterblicher komme,180 Unſerem Volke zu flehn; und opfert jezo Poſeidon Zwoͤlf erleſene Stiere! Vielleicht erbarmt er ſich unſer, Daß er nicht rings um die Stadt ein hohes Felſengebirg zieht.

Alſo ſprach er, und bange bereiteten jene das Opfer. Alſo beteten dort zum Meerbeherſcher Poſeidon,185 Fuͤr der Faiaken Stadt, die erhabenen Fuͤrſten und Pfleger,253Dreizehnter Geſang. Stehend um den Altar. Da erwachte der edle Oduͤßeus, Ruhend auf dem Boden der lange verlaßenen Heimat. Und er kannte ſie nicht; denn eine Goͤttin umhuͤllt 'ihn Rings mit dunkler Nacht, Zeus Tochter, Pallas Athaͤnaͤ,190 Ihn unkennbar zu machen, und alles mit ihm zu beſprechen: Daß ihn weder ſein Weib noch die Freund 'und Buͤrger erkennten, Bis die uͤppigen Freier fuͤr allen Frevel gebuͤßet. Alles erſchien daher dem ringsumſchauenden Koͤnig Unter fremder Geſtalt: Heerſtraßen, ſchiffbare Haͤfen,195 Wolkenberuͤhrende Felſen, und hochgewipfelte Baͤume. Jezo erhub er ſich, ſtand; und da er ſein Vaterland anſah, Hub er bitterlich an zu weinen, und ſchlug ſich die Huͤften Beide mit flacher Hand, und ſprach mit klagender Stimme:

Weh mir! zu welchem Volke bin ich nun wieder gekommen? 200Sinds unmenſchliche Raͤuber, und ſittenloſe Barbaren; Oder Diener der Goͤtter, und Freunde des heiligen Gaſtrechts? Wo verberg 'ich dies viele Gut? und wohin ſoll ich ſelber Irren? O waͤre doch dies im faiakiſchen Lande geblieben! Und mir haͤtte dagegen ein anderer maͤchtiger Koͤnig205 Huͤlfe gewaͤhrt, mich bewirtet und hingeſendet zur Heimat! Jezo weiß ich es weder wo hinzulegen, noch kann ichs Hier verlaßen, damit es nicht andern werde zur Beute! Ach! ſo galt denn bei jenen Gerechtigkeit weder, noch Weisheit, Bei des faiakiſchen Volks erhabenen Fuͤrſten und Pflegern,210 Die in ein fremdes Land mich gebracht! Sie verſprachen ſo heilig, Mich nach Ithaka's Hoͤhn zu fuͤhren; und taͤuſchen mich dennoch! Zeus vergelt 'es ihnen, der Leidenden Raͤcher, der aller Menſchen Beginnen ſchaut, und alle Suͤnde beſtrafet! 254Oduͤßee. Aber ich will doch jezo die Guͤter zaͤhlen und nachſehn,215 Ob ſie mir etwas geraubt, als ſie im Schiffe davon flohn.

Alſo ſprach er, und zaͤhlte die Becken und ſchoͤnen Geſchirre Mit drei Fuͤßen, das Gold und die praͤchtig gewebeten Kleider; Und ihm fehlte kein Stuͤck. Nun weint 'er ſein Vaterland wieder, Wankt' umher am Ufer des lautaufrauſchenden Meeres,220 Und wehklagete laut. Da nahte ſich Pallas Athaͤnaͤ, Eingehuͤllt in Juͤnglingsgeſtalt, als Huͤter der Heerden, Zart und lieblich von Wuchs, wie Koͤnigskinder einhergehn. Dieſe trug um die Schultern ein wallendes feines Gewebe, Einen Spieß in der Hand, und Solen an glaͤnzenden Fuͤßen. 225Als ſie Oduͤßeus erblickte; da freut 'er ſich, ging ihr entgegen, Redete freundlich ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, weil du zuerſt mir an dieſem Orte begegneſt, Sei mir gegruͤßt, und nahe dich nicht mit feindlichem Herzen; Sondern beſchuͤze mich ſelbſt und dieſes. Wie einem der Goͤtter,230 Fleh 'ich dir, und umfaße die wehrten Kniee voll Demut. Auch verkuͤndige mir aufrichtig, damit ich es wiße: Wie benennt ihr das Land, die Stadt, und ihre Bewohner? Iſt dies eine der Inſeln voll ſonnenreicher Gebirge; Oder die meereinlaufende Spize der fruchtbaren Veſte? 235

Ihm antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Fremdling du biſt nicht klug, oder ferne von hinnen gebuͤrtig; Da du nach dieſem Lande mich fragſt! Ich daͤchte, ſo gaͤnzlich Waͤr 'es nicht unberuͤhmt; und ſicherlich kennen es viele: Alle die Morgenwaͤrts, und wo die Sonne ſich umdreht,V. 240.Die Gegend, uͤber welche die Sonne hingeht, iſt Aſien und Afrika; die weſtliche und noͤrdliche, die man ſich am Ozean dunkel dachte, Europa.240255Dreizehnter Geſang. Wohnen, oder da hinten, gewandt zum naͤchtlichen Dunkel. Freilich iſt es rauh, und taugt nicht Roße zu tummeln; Doch ganz elend auch nicht, wiewohl es an Ebnen ihm mangelt. Reichlich gedeihet bei uns die Frucht des Feldes, und reichlich Lohnet der Wein; denn Regen und Thau befruchten das Erdreich. 245Trefliche Ziegenweiden ſind hier, auch Weiden der Rinder; Waldungen jeglicher Art, und immerfließende Baͤche. Fremdling, Ithaka's Ruf iſt ſelbſt nach Troja gekommen; Und das, ſagen ſie, liegt ſehr fern vom achaiiſchen Lande!

Alſo ſprach er; da freute der herliche Dulder Oduͤßeus250 Sich im innerſten Herzen des Vaterlandes, das jezo Pallas Athaͤnaͤ ihm nannte, des Wetterleuchtenden Tochter. Und er redte ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte; Doch vermied er die Wahrheit mit ſchlauabweichender Rede, Und ſein erfindungsreicher Verſtand war in ſteter Bewegung:255

Ja von Ithaka hoͤrt 'ich in Kraͤta's weitem Gefilde,V. 256Die Kraͤter muͤßen damals noch nicht als Luͤgner beruͤchtiget geweſen ſein, weil Oduͤßeus der doch glauben finden wollte, ſich in allen erdichteten Maͤhr - chen fuͤr einen Kraͤter auſgiebt. Ferne jenſeit des Meers. Nun komm 'ich ſelber mit dieſem Gute hieher, und ließ den Kindern noch eben ſo vieles, Als ich entfloh. Ich nahm Idomeneus Sohne das Leben, Jenem hurtigen Helden Orfilochos, welcher in Kraͤta260 Alle geuͤbteſten Laͤufer an Schnelle der Fuͤße beſiegte. Denn er wollte mich ganz der troiſchen Beute berauben, Derenthalb ich ſo viel unnennbare Leiden erduldet, Blutige Schlachten der Maͤnner und tobende Fluten durchkaͤmpfend. Weil ich ſeinen Vater zu dienen nimmer gewillfahrt,265256Oduͤßee. In dem troiſchen Land ', und ſelbſt ein Geſchwader gefuͤhret. Aber mit ehernem Speer erſchoß ich ihn, als er vom Felde Kam; ich laurte verſteckt mit einem Gefaͤhrten am Wege. Eine duͤſtere Nacht umhuͤllte den Himmel, und unſer Nahm kein Sterblicher wahr, und heimlich raubt' ich ſein Leben. 270Dennoch, ſobald ich jenen mit ehernem Speere getoͤdtet, Eilt 'ich ans Ufer des Meers zum Schiffe der ſtolzen Foͤniker, Flehte ſie an, und gewann ſie mit einem Theile der Beute; Daß ſie an Puͤlos Geſtade mich auszuſezen verſprachen, Oder der goͤttlichen Aelis, die von den Speiern beherſcht wird. 275Aber leider! ſie trieb die Gewalt des Orkanes von dannen, Ihnen zum großen Verdruß; denn ſie dachten mich nicht zu betruͤgen. Und wir irrten umher, und kamen hier in der Nacht an. Muͤhſam ruderten wir das Schiff in den Hafen, und Niemand Dachte der Abendkoſt, ſo ſehr wir auch ihrer bedurften;280 Sondern wir ſtiegen nur ſo ans Ufer, und legten uns nieder. Und ich entſchlummerte ſanft, ermuͤdet von langer Arbeit. Jene huben indeß mein Gut aus dem Raume des Schiffes, Legten es auf dem Sande, wo ich ſanft ſchlummerte, nieder; Stiegen dann ein, und ſteurten der wohlbevoͤlkerteu Kuͤſte285 Von Sidonia zu; ich blieb mit traurigem Herzen.

Alſo ſprach er; da laͤchelte Zeus blauaͤugichte Tochter, Streichelt 'ihn mit der Hand; und ſchien nun ploͤzlich ein Maͤdchen, Schoͤngebildet und groß und klug in kuͤnſtlicher Arbeit. Und ſie redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:290

Geiſt erfoderte das und Verſchlagenheit, dich an Erfindung Jeglicher Art zu beſiegen, und kaͤm 'auch einer der Goͤtter! Ueberliſtiger Schalk voll unergruͤndlicher Raͤnke,257Dreizehnter Geſang. Alſo gebrauchſt du noch ſelbſt im Vaterlande Verſtellung Und erdichtete Worte, die du als Knabe ſchon liebteſt? 295Aber laß uns hievon nicht weiter reden; wir kennen Beide die Kunſt: du biſt von allen Menſchen der Erſte An Verſtand und Reden, und ich bin unter den Goͤttern Hochgeprieſen an Rath und Weisheit. Aber du kannteſt Pallas Athaͤnaͤ nicht, Zeus Tochter, welche beſtaͤndig300 Unter allen Gefahren dir beiſtand, und dich beſchirmte, Und dir auch die Liebe von allen Faiaken verſchaffte. Jezo komm 'ich hieher, um dir Anſchlaͤge zu geben, Und zu verbergen das Gut, ſo viel die edlen Faiaken Dir heimkehrenden ſchenkten, durch meine Klugheit geleitet;305 Auch zu verkuͤnden, daß deiner im ſchoͤngebauten Palaſte Viele Drangſal noch harrt. Doch du ertrage ſie ſtandhaft, Und entdecke dich keinem der Maͤnner oder der Weiber, Daß du von Leiden verfolgt hier ankamſt; ſondern erdulde Schweigend dein trauriges Loos und ſchmiege dich unter die Stolzen310

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Schwer, o Goͤttin, erkennt dich ein Sterblicher, dem du begegneſt, Sei er auch noch ſo geuͤbt; denn du nimſt jede Geſtalt an. Dennoch weiß ich es wohl, daß du vor Zeiten mir hold warſt, Als wir Achaier noch die hohe Troja bekriegten. 315Aber ſeit wir die Stadt des Priamos niedergerißen, Und von dannen geſchifft, und ein Gott die Achaier zerſtreuet, Hab 'ich dich nimmer geſehn, Zeus Tochter, und nimmer vernommen, Daß du mein Schiff betratſt, mich einer Gefahr zu entreißen; Sondern immer, im Herzen von tauſend Sorgen verwundet,320R258Oduͤßee. Irrt 'ich umher, bis die Goͤtter ſich meines Jammers erbarmten: Außer daß du zulezt in dem fetten faiakiſchen Eiland Mich durch Worte geſtaͤrkt, und zu der Stadt mich gefuͤhrt haſt. Jezo fleh' ich dich an bei deinem Vater: (ich fuͤrchte Immer, ich ſei noch nicht in Ithaka, ſondern durchirre325 Wieder ein anderes Land, und ſpottend habeſt du, Goͤttin, Mir dies alles verkuͤndet, um meine Seele zu teuſchen:) Sage mir, bin ich denn wirklich im lieben Vaterlande?

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Stets bewahreſt du doch im Herzen jene Geſinnung;330 Darum kann ich dich auch im Ungluͤck nimmer verlaßen, Weil du behutſam biſt, ſcharfſinnig und maͤnnliches Herzens. Jeder irrende Mann der ſpaͤt heimkehrte, wie freudig Wuͤrd 'er zu Hauſe nun eilen, ſein Weib und die Kinder zu ſehen! Aber dich kuͤmmert das nicht, zu wißen oder zu fragen,335 Eh du ſelber dein Weib gepruͤft haſt, welche beſtaͤndig So im Hauſe ſizt; denn immer ſchwinden in Jammer Ihre Tage dahin, und unter Thraͤnen die Naͤchte. Zwar ich zweifelte nie an der Wahrheit, ſondern mein Herz war Ueberzeugt, du kehrteſt ohn alle Gefaͤhrten zur Heimat;340 Aber ich ſcheuete mich, Poſeidon entgegen zu kaͤmpfen, Meines Vaters Bruder, der dich mit Rache verfolgte, Zuͤrnend, weil du das Auge des lieben Sohnes geblendet. Aber damit du mir glaubeſt, ſo zeig 'ich dir Ithaka's Lage. Forkuͤs, dem Greiſe des Meers, iſt dieſer Hafen geheiligt;345 Hier am Geſtade gruͤnt der weitumſchattende Oelbaum; Dieſes iſt die große gewoͤlbete Grotte des Felſens, Wo du den Nuͤmfen oft vollkommene Opfer gebracht haſt;259Dreizehnter Geſang. Jenes hohe Gebirg iſt Naͤritons waldichter Gipfel.

Sprachs, und zerſtreute den Nebel; und hell lag vor ihm die Gegend. 350Siehe da freuete ſich der edle Dulder Oduͤßeus Herzlich des Vaterlandes, und kuͤßte die fruchtbare Erde. Und nun fleht 'er den Nuͤmfen mit aufgehobenen Haͤnden:

Zeus unſterbliche Toͤchter, ihr hohen Najaden, ich hoffte Nimmer, euch wieder zu ſehn; ſeid nun in frommem Gebete355 Mir gegruͤßt: bald bringen wir euch Geſchenke, wie ehmals, Wenn mir anders die Gnade von Zeus ſiegprangender Tochter Jezo das Leben erhaͤlt, und den lieben Sohn mir geſegnet!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern! 360Aber wohlan, wir wollen im Winkel der heiligen Grotte Gleich verbergen das Gut, damit es in Sicherheit liege, Und uns dann berathen, was jezo das beßte zu thun ſei.

Alſo ſprach die Goͤttin, und ging in die daͤmmernde Grotte, Heimliche Winkel umher ausſpaͤhend. Aber Oduͤßeus365 Brachte das Gut hinein, die ſchoͤngewebeten Kleider, Gold und daurendes Erz, das ihm die Faiaken geſchenket, Und verbarg es behende; dann ſezte Pallas Athaͤnaͤ Einen Stein vor die Thuͤre, des Wetterleuchtenden Tochter.

Hierauf ſezten ſie ſich am Stamme des heiligen Oelbaums,370 Und beſchloßen den Tod der uͤbermuͤtigen Freier. Alſo redete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Denk izt nach, wie dein Arm die ſchamloſen Freier beſtrafe, Welche nun ſchon drei Jahr' obwalten in deinem Palaſte,375 Und dein goͤttliches Weib mit Brautgeſchenken umwerben. 260Oduͤßee. Aber mit herzlichen Thraͤnen erwartet ſie deine Zuruͤckkunft. Allen verheißt ſie Gunſt, und ſendet jedem beſonders Schmeichelnde Botſchaft; allein im Herzen denket ſie anders.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:380 Weh mir! ich waͤre gewiß, wie Atreus Sohn Agamemnon, Nun des ſchmaͤhlichſten Todes in meinem Hauſe geſtorben, Haͤtteſt du, Goͤttin, mir nicht umſtaͤndlich das alles verkuͤndigt! Aber nun gieb mir Rath, wie ich die Freier beſtrafe. Stehe du ſelber mir bei, und hauche mir Mut und Entſchluß ein,385 Wie vordem, da wir Troja die praͤchtiggethuͤrmte zerſtoͤrten! Stuͤndeſt du nun ſo eifrig mir bei, blauaͤugichte Goͤttin, Siehe ſo ging ich getroſt dreihundert Feinden entgegen, Heilige Goͤttin, mit dir, wenn du mir Huͤlfe gewaͤhrteſt!

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ:390 Gerne ſteh ich dir bei; du ſollſt mein nimmer entbehren, Wann wir die Arbeit einſt beginnen. Auch hoff 'ich, es werde Mancher mit Blut und Gehirn den weiten Boden beſudeln, Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren. Aber damit dich keiner der ſterblichen Menſchen erkenne;395 Muß einſchrumpfen das ſchoͤne Fleiſch der biegſamen Glieder, Und das braͤunliche Haar vom Haupte verſchwinden; ein Kittel Dich umhuͤllen, den jeglicher Menſch mit Ekel betrachte; Triefend und bloͤde ſein die anmutſtralenden Augen: Daß du ſo ungeſtalt vor allen Freiern erſcheineſt,400 Deinem Weib ', und dem Sohne, den du im Hauſe verließeſt. Hierauf gehe zuerſt dorthin, wo der trefliche Sauhirt Deiner Schweine huͤtet, der ſtets mit Eifer dir anhaͤngt, Und Taͤlemachos liebt und die zuͤchtige Paͤnelopeia. 261Dreizehnter Geſang. Sizend findeſt du ihn bei der Schweine weidender Heerde,405 Nahe bei Korax Felſen, am arethuſiſchen Borne. Alda maͤſten ſie ſich mit lieblichen Eicheln, und trinken Schattiges Waßer, wovon das Fett den Schweinen entbluͤhet. Bleib bei jenem, und ſeze dich hin, und frage nach allem. Ich will indeß gen Sparta, dem Lande roſiger Maͤdchen,410 Gehn, und deinen Sohn Taͤlemachos rufen, Oduͤßeus: Welcher zu Menelaos in Lakedaimons Gefilde Fuhr, um Kundſchaft zu ſpaͤhn, ob du noch irgendwo lebteſt.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Warum ſagteſt du ihm nicht alles, da du es wußteſt? 415Etwa damit auch Er, in des Meeres wuͤßten Gewaͤßern Todesgefahren durchirrte, da Fremde ſein Eigenthum freßen?

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: Sorge fuͤr deinen Sohn nicht alzu aͤngſtlich, Oduͤßeus. Ich geleitet 'ihn ſelbſt, damit er dort in der Fremde420 Ruhm ſich erwuͤrb '; auch ſizt er, ohn allen Kummer, geruhig In des Atreiden Palaſt, und hat dort volle Genuͤge. Juͤnglinge lauren zwar auf ihn im ſchwaͤrzlichen Schiffe, Daß ſie ihn toͤdten, bevor er in ſeine Heimat zuruͤckkehrt. Aber ich hoffe das nicht; erſt deckt die Erde noch manchen425 Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren.

Alſo ſprach die Goͤttin, und ruͤhrt 'ihn ſanft mit der Rute: Siehe da ſchrumpfte das ſchoͤne Fleiſch der biegſamen Glieder, Und die braͤunlichen Haare des Hauptes verſchwanden, und ringsum Hing an den ſchlaffen Gliedern die Haut des alternden Greiſes;430 Triefend und bloͤde wurden die anmutſtralenden Augen. Statt der Gewand 'umhuͤllt' ihn ein haͤßlicher Kittel und Leibrock,262Oduͤßee. Dreizehnter Geſang. Beide zerlumpt und ſchmuzig, vom haͤßlichen Rauche beſudelt. Auch bedeckt 'ihn ein großes Fell des hurtigen Hirſches, Kahl von Haaren. Er trug einen Stab und garſtigen Ranzen,435 Allenthalben geflickt, mit einem geflochtenen Tragband.

Alſo beſprachen ſie ſich, und ſchieden. Pallas Athaͤnaͤ Ging zu Oduͤßeus Sohn in die goͤttliche Stadt Lakedaimon.

263

Oduͤßee. Vierzehnter Geſang.

Aber Oduͤßeus ging den rauhen Pfad von dem Hafen Ueber die waldbewachsnen Gebirge, hin wo Athaͤnaͤ Ihm den treflichen Hirten bezeichnete, welcher am treuſten Haushielt unter den Knechten des goͤttergleichen Oduͤßeus.

Sizend fand er ihn jezt an der Schwelle des Hauſes, im Hofe,5 Welcher hoch, auf weitumſchauendem Huͤgel, gebaut war, Schoͤn und ringsumgehbar und groß. Ihn hatte der Sauhirt Selber den Schweinen erbaut, indeß ſein Koͤnig entfernt war, Ohne Paͤnelopeia, und ohne den alten Laertaͤs, Von geſammelten Steinen, und oben mit Dornen umflochten. 10Draußen hatt 'er Pfaͤhle von allen Seiten in Menge Dicht an einander gepflanzt, vom Kern der geſpaltenen Eiche. Innerhalb des Gehegs hatt' er zwoͤlf Koͤfen bereitet, Einen nahe dem andern, zum naͤchtlichen Lager der Schweine. Funfzig lagen in jedem der erdaufwuͤhlenden Schweine,15 Alle gebaͤrende Muͤtter; und draußen ſchliefen die Eber, Weit geringer an Zahl: denn ſchmauſend verminderten dieſe Taͤglich die goͤttlichen Freier, es ſandte jenen der Sauhirt Immer die beßten zum Schmauſe von allen gemaͤſteten Ebern; Und der uͤbrigen Zahl war nur dreihundert und ſechzig. 20Auch vier große Hunde, wie reißende Thiere, bewachten Stets den Hof; ſie erzog der maͤnnerbeherſchende Sauhirt. 264Oduͤßee. Jezo zerſchnitt er des Stiers ſchoͤnfarbiges Leder, und fuͤgte Solen um ſeine Fuͤße. Die untergeordneten Hirten Hatten ſich ſchon zerſtreut: drei huͤteten weidende Schweine;25 Aber der vierte war in die Stadt geſendet, ein Maſtſchwein Hinzufuͤhren, den Zoll fuͤr die uͤbermuͤtigen Freier, Daß beim feſtlichen Schmauſ 'ihr Herz an dem Fleiſche ſich labte.

Ploͤtzlich erblickten Oduͤßeus die wachſambellenden Hunde, Und ſie ſtuͤrzten auf ihn lautſchreiend. Aber Oduͤßeus30 Sezte ſich kluͤglich nieder, und legte den Stab aus den Haͤnden. Dennoch haͤtt 'er auch dort unwuͤrdige Schmerzen erduldet; Aber der Sauhirt lief aus der Thuͤre mit hurtigen Fuͤßen Hinter den bellenden her, und warf aus den Haͤnden das Leder; Scheltend verfolgt' er die Hund ', und zerſtreute ſie hierhin und dorthin35 Mit geworfenen Steinen; und jezo ſprach er zum Koͤnig:

Alter, es fehlte nicht viel, ſo haͤtten die Hunde mit Einmal Dich zerrißen, und mich haͤtt 'ewige Schande getroffen! Und mir gaben die Goͤtter vorhin ſchon Kummer und Truͤbſal. Denn um den goͤttlichen Koͤnig die bitterſten Thraͤnen vergießend,40 Siz 'ich hier, und ſende die fettgemaͤſteten Schweine Andern zum Schmauſe, da jener vielleicht des Brotes entbehret, Und die Laͤnder und Staͤdte barbariſcher Voͤlker durchwandert! Wenn er anders noch lebt, und das Licht der Sonne noch ſchauet! Aber folge mir, Greis, in meine Huͤtte, damit du,45 Wann ſich deine Seele mit Brot und Weine gelabt hat, Sageſt, von wannen du kommſt, und welche Leiden du litteſt.

Alſo ſprach er, und fuͤhrt 'ihn hinein, der trefliche Sauhirt, Hieß den folgenden Gaſt ſich auf ein laubichtes Lager Sezen, und breitete drauf der buntgeſprenkelten Gemſe50265Vierzehnter Geſang. Großes und zottichtes Fell, worauf er zu ſchlafen gewohnt war. Und Oduͤßeus freute ſich dieſes Empfanges, und ſagte:

Zeus beſchere dir, Freund, und die andern unſterblichen Goͤtter, Was du am meiſten verlangſt, weil du ſo guͤtig mich aufnimſt!

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:55 Fremdling, es ziemte mir nicht, und waͤr 'er geringer als du biſt, Einen Gaſt zu verſchmaͤhn; denn Gott gehoͤren ja alle Fremdling' und Darbende an. Doch kleine Gaben erfreun auch, Heißt es bei unſer einem; denn alſo geht es mit Knechten, Welche ſich immer ſcheun, weil ihre gebietenden Herren60 Juͤnglinge ſind. Denn ach! ihm wehren die Goͤtter die Heimkehr, Der mir Gutes gethan und ein Eigenthum haͤtte gegeben, Was auch der guͤtigſte Herr je ſeinem Diener geſchenkt hat: Naͤmlich Haus und Hof und ein liebenswuͤrdiges Ehweib: Weil er ihm treulich gedient, und Gott die Arbeit gedeihn ließ. 65Alſo gedeiht auch mir die Arbeit, welche mir obliegt; Und mein Herr, wenn er hier ſanft alterte, lohnte mirs reichlich! Aber er ſtarb! Das Geſchlecht der Helena muͤße von grundaus Stuͤrzen, die in den Staub ſo viele Maͤnner geſtuͤrzt hat! Denn auch jener zog, Agamemnons Ehre zu raͤchen,70 Gegen Ilion hin, und bekaͤmpfte die Reiſigen Troja's.

Alſo ſprach er; und ſchnell umband er den Rock mit dem Guͤrtel, Ging zu den Koͤfen, worin der Ferkel Menge geſperrt war, Und zwei nahm er heraus, und ſchlachtete beide zur Mahlzeit; Sengte ſie, haute ſie klein, und ſteckte die Glieder an Spieße,75 Briet ſie uͤber der Glut, und ſezte ſie hin vor Oduͤßeus, Braͤtelnd noch an den Spießen, mit weißem Mehle beſtreuet; Miſchte dann ſuͤßen Wein in ſeinem hoͤlzernen Becher,266Oduͤßee. Sezte ſich gegen ihm uͤber, und noͤthigt 'ihn alſo zum Eßen:

nun, fremder Mann, ſo gut wir Hirten es haben,80 Ferkelfleiſch; die gemaͤſteten Schweine verzehren die Freier,V. 81.Das Fleiſch junger Thiere ward eben ſo geringe geſchaͤzt, als Fiſche und Voͤgel; denn es war ihnen zu weichlich. Fuͤnfjaͤhrige Maſtſchweine aßen ſie, wenns hoch hergieng. Deren Herz nicht Furcht vor den Goͤttern kennet, noch Mitleid. Alle gewaltſame That misfaͤllt ja den ſeligen Goͤttern; Tugend ehren ſie nur und Gerechtigkeit unter den Menſchen! Selbſt die barbariſchen Raͤuber, die durch Kronions Verhaͤngniß85 An ein fremdes Geſtad 'anlandeten, Beute gewannen, Und mit beladenen Schiffen die Heimat gluͤcklich erreichten, Fuͤhlen dennoch im Herzen die Macht des empoͤrten Gewißens! Aber dieſen entdeckte vielleicht die Stimme der Goͤtter Jenes traurigen Tod, da ſie nicht werben, wie recht iſt,90 Und zu dem Ihrigen nicht heimkehren; ſondern in Ruhe Fremdes Gut unmaͤßig und ohne Schonen verpraßen. Alle Tag 'und Naͤchte, die Zeus den Sterblichen ſendet, Opfern die Ueppigen ſtets, und nicht Ein Opfer, noch zwei bloß! Und verſchwelgen den Wein mit ungezaͤhmter Begierde. 95Reichlich war er geſegnet an Lebensguͤtern; es hatte Keiner der Edlen ſo viel, nicht dort auf der fruchtbaren Veſte, Noch in Ithaka hier; nicht zwanzig Maͤnner zuſammen Haben ſo viel Reichthuͤmer. Ich will ſie dir jezo beſchreiben. Rinderheerden ſind zwoͤlf auf der Veſte, der weidenden SchafeV. 100.Oduͤßeus beherſchte einen Theil des feſten Landes, gegen Ithaka uͤber, naͤmlich die Halbinſel Naͤrikos oder Leukas, die nachmals zur Inſel geworden iſt, und jezt St. Maura heißt.100267Vierzehnter Geſang. Eben ſo viel, auch der Schweine ſo viel, und der ſtreifenden Ziegen. Mietlinge huͤten ſie theils, und theils leibeigene Hirten. Hier in Ithaka gehn elf Heerden ſtreifender Ziegen Auf entlegener Weide, von wackern Maͤnnern gehuͤtet. Jeder von dieſen ſendet zum taͤglichen Schmauſe den Freiern105 Immer die treflichſte Ziege der fettgemaͤſteten Heerde. Unter meiner Gewalt und Aufſicht weiden die Schweine, Und ich ſende zum Schmauſe das auserleſenſte Maſtſchwein.

Alſo ſprach er; und ſchnell jener des Fleiſches, begierig Trank er des Weins, und ſchwieg; er dachte der Freier Verderben. 110Als er jezo geſpeiſt, und ſeine Seele gelabet, Fuͤllete jener den Becher, woraus er zu trinken gewohnt war, Reichte den Wein ihm dar; und er nahm ihn mit herzlicher Freude, Redete jenen an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, wer kaufte dich denn mit ſeinem Vermoͤgen? Wie heißt er,115 Jener ſo maͤchtige Mann und beguͤterte, wie du erzaͤhleſt, Und der ſein Leben verlor, Agamemnons Ehre zu raͤchen? Nenne mir ihn; vielleicht iſt er von meiner Bekanntſchaft. Zeus und die Goͤtter des Himmels, die wißen es, ob ich von ihm nicht Botſchaft verkuͤndigen kann! Ich ſah viel Maͤnner auf Reiſen! 120

Ihm antwortete drauf der maͤnnerbeherſchende Sauhirt: Alter, kein irrender Mann, der Botſchaft von jenem verkuͤndigt, Moͤchte ſo leicht bei der Frau und dem Sohne Glauben gewinnen. Solche Wanderer ſuchen gewoͤhnlich milde Bewirtung Durch die ſchmeichelnde Luͤg ', und reden ſelten die Wahrheit. 125Jeder Fremdling, wen auch das Schickſal nach Ithaka fuͤhret, Geht zu meiner Koͤnigin hin, und ſchwazet Erdichtung. Freundlich empfaͤngt und bewirtet ſie ihn, und forſchet nach allem,268Oduͤßee. Und der Traurenden Antliz umfließen Thraͤnen der Wehmut, Wie es dem Weibe geziemt, der fern ihr Gatte verſchieden. 130Und bald wuͤrdeſt auch du, o Greis, Maͤhrchen erſinnen, Deckte dir jemand nur die Bloͤße mit Mantel und Leibrock. Aber ihm rißen vielleicht die Hund 'und die Voͤgel des Himmels Schon die Haut von dem weißen Gebein, und die Seele verließ es; Oder ihn fraßen die Fiſche des Meers, und ſeine Gebeine135 Dorren an fremdem Geſtade, vom wehenden Sande bedecket. Alſo verlor er das Leben, und ſeine verlaßenen Freunde Klagen ihm alle nach, und ich am meiſten; denn nimmer Find 'ich einen ſo guͤtigen Herrn, wohin ich auch gehe; Kaͤm' ich auch wieder ins Haus, das Vater und Mutter bewohnen,140 Wo ich geboren ward, und meine Jugend verlebte. Auch bewein 'ich die Eltern nicht ſo ſehr, da ich doch herzlich Wuͤnſche, ſie wieder zu ſehn und meiner Vaͤter Gefilde; Als Oduͤßeus Verluſt mein ganzes Leben verbittert! Ja ich ſchaͤme mich, Fremdling, ihn bloß beim Namen zu nennen,145 Ob er es zwar nicht hoͤrt; denn er pflegte mich gar zu liebreich! Sondern ich nenn 'ihn, auch fern, ſtets meinen aͤlteren Bruder.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus: Lieber, weil du es denn ganz leugneſt, und nimmer vermuteſt, Daß er zur Heimat kehrt, und ſtets unglaͤubig dein Herz bleibt;150 Siehe, ſo will ich es nicht bloß ſagen, ſondern beſchwoͤren: Daß Oduͤßeus koͤmmt! Zum Lohn fuͤr die froͤhliche Botſchaft Sollſt du ſogleich, wann jener in ſeine Wohnung zuruͤckkommt, Mich mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, bekleiden. Eher, wie ſehr ich auch jezo entbloͤßt bin, naͤhm 'ich ſie nimmer! 155Denn der iſt mir verhaßt, wie die Pforten der unterſten Tiefe,269Vierzehnter Geſang. Welcher, von Mangel verfuͤhrt, mit leeren Erdichtungen ſchmeichelt! Zeus von den Goͤttern bezeug 'es, und dieſe gaſtliche Tafel, Und Oduͤßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe: Daß dies alles gewiß geſchehn wird, wie ich verkuͤnde! 160Selbſt noch in dieſem Jahre wird wiederkehren Oduͤßeus! Wann der jezige Mond abnimt, und der folgende zunimt, Wird er ſein Haus betreten, und ſtrafen, wer ſeiner Gemahlin Und des glaͤnzenden Sohnes Gewalt und Ehre gekraͤnkt hat!

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:165 Alter, ich werde wohl nie den Lohn der Botſchaft bezahlen, Noch wird Oduͤßeus je heimkehren! Trinke geruhig Deinen Wein, und laß uns von etwas anderem reden. Hieran erinnre mich nicht; denn meine Seele durchdringet Schmerz, wann einer mich nur an den beßten Koͤnig erinnert! 170Was du geſchworen haſt, laß gut ſein; aber Oduͤßeus Komme, wie ich es wuͤnſche, und ſeine Paͤnelopeia, Und Laertaͤs der Greis, und Taͤlemachos goͤttlich an Bildung! Jezo bewein 'ich von Herzen den Sohn des edlen Oduͤßeus! Ach! Taͤlemachos naͤhrten, wie eine Pflanze, die Goͤtter;175 Und ich hofft 'ihn dereinſt nicht ſchlechter unter den Maͤnnern, Als den Vater, zu finden, an Geiſt und Bildung ein Wunder: Doch der Unſterblichen einer verruͤckt' ihm die richtigen Sinne, Oder ein ſterblicher Menſch! Er ging, den Vater zu ſuchen, Nach der goͤttlichen Puͤlos; nun ſtellen die mutigen Freier180 Ihm, wann er heimkehrt, nach: damit Arkeiſios Name Und ſein Heldengeſchlecht aus Ithaka werde vertilget! Aber laß uns davon nicht weiter reden; er moͤge Fallen, oder entfliehn, und Gottes Hand ihn bedecken. 270Oduͤßee. Auf! erzaͤhle mir jezo, von deinen Leiden, o Alter! 185Auch verkuͤndige mir aufrichtig, damit ich es wiße: Wer, wes Volkes biſt du, und wo iſt deine Geburtſtadt? Und in welcherlei Schiff kamſt du? wie brachten die Schiffer Dich nach Ithaka her? was ruͤhmen ſich jene vor Leute? Denn unmoͤglich biſt du doch hier zu Fuße gekommen! 190

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Dieſes will ich dir gern und nach der Wahrheit erzaͤhlen. Waͤren wir beide mit Speiſ 'auf lange Zeiten verſorget, Und erfreuendem Wein, und blieben hier ſtets in der Huͤtte Ruhig ſizen am Mahl, und andre beſtellten die Arbeit;195 Siehe dann koͤnnte leicht ein Jahr verfliegen, und dennoch Haͤtt 'ich nicht die Erzaͤhlung von allen Leiden vollendet, Welche der Goͤtter Rath auf meine Seele gehaͤuft hat. Aus dem weiten Gefilde von Kraͤta ſtamm' ich; mein Vater War ein beguͤterter Mann, und noch viel andere Soͤhne200 Wurden in ſeinem Hauſe geboren und auferzogen, Aechte Kinder der Frau. Doch mich gebar ein erkauftes Kebsweib; aber es ehrte mich, gleich den ehlichen Kindern, Kaſtor, Huͤlakos Sohn, aus deßen Blut 'ich gezeugt bin. Dieſer ward, wie ein Gott, im kraͤtiſchen Volke geehret,205 Wegen ſeiner Gewalt, Reichthuͤmer und ruͤhmlichen Soͤhne. Aber ihn fuͤhreten bald des Todes Schrecken in Aïs Schattenbehauſung hinab; die uͤbermuͤtigen Soͤhne Warfen darauf das Loos, und theilten das Erbe des Vaters. Mir beſchieden ſie nur ein Haus und wenige Guͤter. 210Aber ich nahm mir ein Weib aus einem der reichſten Geſchlechter, Das ich durch Tugend gewann; denn ich war kein entarteter Juͤngling,271Vierzehnter Geſang. Noch ein Feiger im Kriege! Doch nun iſt alles vergangen! Dennoch glaub 'ich, du wirſt noch aus der Stoppel die Aehre Kennen; denn ach! es druͤckte mich ſehr viel Drangſal zu Boden! 215Wahrlich, Entſchloßenheit hatte mir Araͤs verliehn und Athaͤnaͤ, Und vertilgende Kraft! Wann ich, dem Feinde zu ſchaden, Mit erleſenen Helden im Hinterhalte verſteckt lag; Schwebte mir nimmer des Todes Bild vor der mutigen Seele: Sondern ich ſprang zuerſt von allen hervor, und ſtreckte220 Jeglichen Feind in den Staub, den meine Schenkel ereilten. Alſo focht ich im Krieg ', und liebte weder den Feldbau, Noch die Sorge des Hauſes, und bluͤhender Kinder Erziehung; Aber das Ruderſchiff war meine Freude beſtaͤndig, Schlachtengetoͤſ' und blinkende Speer 'und gefiederte Pfeile:225 Lauter ſchreckliche Dinge, die andre mit Grauen erfuͤllen! Aber ich liebte, was Gott in meine Seele geleget; Denn dem einen gefaͤllt dies Werk, dem anderen jenes. Eh der Achaier Soͤhne gen Troja waren geſegelt, Fuͤhrt 'ich neunmal Maͤnner in ſchnellgeruderten Schiffen230 Gegen entlegene Voͤlker, und kehrte mit Beute zur Heimat. Hievon nahm ich zuerſt das ſchoͤnſte Kleinod, und vieles Theilte das Loos mir zu. So mehrte ſich ſchnell mein Vermoͤgen, Und ich ward geehrt und hochgeachtet in Kraͤta. Aber da Zeus Vorſehung die jammerbringende Kriegsfahrt235 Ordnete, welche das Leben ſo vieler Maͤnner geraubt hat; Da befahlen ſie mir, mit Idomeneus, unſerm Beherſcher, Fuͤhrer der Schiffe zu ſein gen Ilios; alle Verſuche Mich zu befrein mislangen; mich ſchreckte der Tadel des Volkes. Und neun blutige Jahre durchkaͤmpften wir Soͤhne der Griechen;240272Oduͤßee. Und im zehnten verheerten wir Priamos thuͤrmende Veſte, Steurten dann heim mit den Schiffen; und Gott zerſtreute die Griechen. Ueber mich Armen verhaͤngte der Rath Kronions ein Ungluͤck. Denn nur Einen Monat verweilt 'ich daheim, mit dem Weibe Meiner Jugend, den Kindern und meinem Geſinde mich freuend. 245Und mich reizte mein Herz, mit goͤttergleichen Gefaͤhrten Einige Schiffe zu ruͤſten, und nach dem Aiguͤptos zu ſegeln. Und ich ruͤſtete neun, und ſchnell war die Menge verſammelt. Hierauf ſchmauſten bei mir ſechs Tage die lieben Gefaͤhrten, Und ich ſchlachtete viele gemaͤſtete Thiere zum Opfer250 Fuͤr die ſeligen Goͤtter, und zum erfreuenden Schmauſe. Aber am ſiebenten Tage verließen wir Kraͤta, und fuhren, Unter dem lieblichen Wehn des reinen beſtaͤndigen Nordwinds, Sanft, wie mit dem Strome, dahin; und keines der Schiffe Wurde verlezt; wir ſaßen, geſund und froͤhliches Mutes,255 Auf dem Verdeck, und ließen vom Wind 'und Steuer uns lenken. Aber am fuͤnften Tag' erreichten wir des AiguͤptosV. 257.Der Ausfluß des Aiguͤptos oder Nils war damals noch nahe unter der Koͤnigsſtadt Memfis. Herlichen Strom, und ich legte die gleichen Schiffe vor Anker. Dringend ermahnt 'ich jezo die lieben Reiſegefaͤhrten, An dem Geſtade zu bleiben, und unſere Schiffe zu huͤten,260 Und verſendete Wachen umher auf die Hoͤhen des Landes. Aber ſie wurden von Troz und Uebermute verleitet, Daß ſie ohne Vorzug der Aiguͤpter ſchoͤne Gefilde Pluͤnderten, ihre Weiber gefangen fuͤhrten, die Maͤnner Und unmuͤndigen Kinder ermordeten. Und ihr Geſchrei kam265 Schnell in die Stadt. Sobald der Morgen ſich roͤthete, zogen273Vierzehnter Geſang. Streiter zu Roß und zu Fuße daher, und vom blizenden Erze Stralte das ganze Gefild. Der Donnerer Zeus Kronion Sendete meinen Gefaͤhrten die ſchaͤndliche Flucht, und es wagte Keiner dem Feinde zu ſtehn; denn ringsum drohte Verderben. 270Viele toͤdteten ſie mit ehernen Lanzen, und viele Schleppten ſie lebend hinweg zu harter ſklaviſcher Arbeit. Aber Kronion Zeus gab ſelber dieſen Gedanken Mir ins Herz: (o haͤtte mich lieber das Todes Verhaͤngniß Dort in Aiguͤptos ereilt, denn meiner harrte nur Ungluͤck!) 275Eilend nahm ich den ſchoͤngebildeten Helm von dem Haupte, Und von der Schulter den Schild, und warf den Speer aus der Rechten, Ging dem Wagen des Koͤnigs entgegen, kuͤßt 'und umarmte Seine Knie', und er ſchenkte mir voll Erbarmen das Leben, Hieß in den Wagen mich ſteigen, und fuͤhrte mich Weinenden heimwaͤrts. 280Zwar es ſtuͤrzten noch oft mit eſchenen Lanzen die Feinde Mich zu ermorden heran, denn ſie waren noch heftig erbittert; Aber er wehrte ſie ab, aus Furcht vor der Rache Kronions, Welcher die Fremdlinge ſchuͤzt, und ihre Beleidiger ſtrafet. Sieben Jahre blieb ich bei ihm, und ſammlete Reichthum285 Von dem aiguͤptiſchen Volke genung; denn ſie gaben mir alle. Doch wie das achte Jahr im Laufe der Zeiten herankam; Siehe da kam ein foͤnikiſcher Mann, ein arger Bekrieger Und Erzſchinder, der viele Menſchen ins Elend geſtuͤrzt hat. Dieſer beredete mich, mit ihm nach Foͤnikaͤ zu fahren,290 Wo der Bube ſein Haus und ſein Erworbenes hatte. Und ein volles Jahr verweilt 'ich bei ihm in Foͤnikaͤ. Aber da jezt die Monden und Tage waren vollendet,S274Oduͤßee. Und ein anderes Jahr mit den kreiſenden Horen herankam; Fuͤhrt 'er gen Libuͤa mich im meerdurchwallenden Schiffe,295 Unter dem liſtigen Schein, als braucht 'er mich bei der Ladung: Um mich dort zu verkaufen, und großen Gewinn zu erwerben. Ihn begleitet' ich zwar argwoͤhnend, aber ich mußte. Und ſie ſteurten, im Wehn des reinen beſtaͤndigen Nordwinds, Ueber Kraͤta dahin; doch Zeus beſchloß ihr Verderben. 300Als wir das gruͤne Geſtade von Kraͤta jezo verlaßen, Und ringsum kein Land, nur Meer und Himmel zu ſehn war; Breitete Zeus Kronion ein dunkelblaues Gewoͤlk aus Ueber das laufende Schiff, und Nacht lag uͤber der Tiefe. Und nun donnerte Zeus, der hochgeſchleuderte Stral ſchlug305 Schmetternd ins Schiff; und es ſchwankte vom Donner des Gottes erſchuͤttert, Alles war Schwefeldampf, und die Maͤnner entſtuͤrzten dem Boden. Aehnlich den Waßerkraͤhn, bekaͤmpften ſie, rings um das Schiff her, Steigend und ſinkend die Flut; doch Gott nahm ihnen die Heimkehr. Aber Kronion gab, in der ſchrecklichen Angſt und Betaͤubung,310 Selber den hohen Maſt des blaugeſchnaͤbelten Schiffes Mir in die Haͤnde, damit ich noch dem Verderben entfloͤhe. Dieſen umſchlang ich, und trieb durch den Sturm und die tobenden Fluten. Und neun Tage trieb ich umher; in der zehnten der Naͤchte Warf mich ans Land der Theſproten die hochherrollende Woge. V. 315.Die Theſproten wohnten Scheria gegenuͤber, an der Weſtſeite von Griechenland.315Alda nahm mich Feidon, der edle theſprotiſche Koͤnig, Freundlich und gaſtfrei auf; denn es fand ſein Sohn am Geſtade Mich von Froſt und Arbeit entkraͤfteten liegen, und fuͤhrte Mich mit ſtuͤzender Hand zu ſeines Vaters Palaſte,275Vierzehnter Geſang. Und bekleidete mich mit praͤchtigem Mantel und Leibrock. 320Jener erzaͤhlte mir dort von Oduͤßeus, welcher, zur Heimat Kehrend, ihn haͤtte beſucht, und viele Freundſchaft genoßen. Und er zeigte mir auch die geſammelten Guͤter Oduͤßeus, Erzes und Goldes die Meng 'und kuͤnſtlichgeſchmiedetes Eiſens; Daß bis ins zehnte Glied ſein Geſchlecht noch koͤnnte verſorgt ſein. 325Solch ein unendlicher Schaz lag dort im Hauſe des Koͤnigs. Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus GottesV. 327.In Dodona weißagte Zeus aus einer Eiche. Tauben, oder durch dieſes Wort angedeutete Prieſterinnen, und profetiſche Becken ſcheint Homer noch nicht zu kennen. Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hoͤren, Wie er in Ithaka ihm, nach ſeiner langen Entfernung, Heimzukehren befoͤhle, ob oͤffentlich, oder verborgen. 330Feidon beſchwur es mir ſelbſt, und beim Trankopfer im Hauſe, Segelfertig waͤre das Schiff, und bereit die Gefaͤhrten, Um ihn heimzuſenden in ſeiner Vaͤter Gefilde. Aber mich ſandt 'er zuvor: denn ein Schiff theſprotiſcher Maͤnner Ging zu dem weizenreichen Dulichion. Dieſen befahl er,335 Mich ſorgfaͤltig dahin zum Koͤnig Akaſtos zu bringen. Aber ihrem Herzen gefiel der grauſamſte Rathſchluß Ueber mir, daß ich ganz in des Elends Tiefe verſaͤnke. Als das ſegelnde Schiff nun weit von dem Ufer entfernt war, Droheten jene mir gleich mit dem ſchrecklichen Tage der Knechtſchaft. 340Meinen Mantel und Rock entrißen mir jezo die Raͤuber, Und umhuͤllten mir drauf den haͤßlichen Kittel und Leibrock, Beide zerlumpt, wie du ſelber mit deinen Augen hier ſieheſt. Und am Abend erreichten wir Ithaka's ſonnige Huͤgel. Jezo banden ſie mich im ſchoͤngezimmerten Schiffe345276Oduͤßee. Feſt mit dem ſtarkgeflochtenen Seil, und ſtiegen dann ſelber An das Geſtad ', und nahmen die ſchnellbereitete Mahlzeit. Aber die Goͤtter loͤſten mir leicht die Knoten der Feßel. Und ich band um das Haupt die zuſammengewickelten Lumpen, Ließ am geglaͤtteten Steuer mich nieder, legte mich vorwaͤrts350 Auf das Waßer, und ſchwamm, mit beiden Haͤnden mich rudernd, Hurtig von dannen, und bald war ich ferne von ihnen gekommen. Jezo ſtieg ich ans Land, kroch unter ein dickes Gebuͤſche, Schmiegte mich hin, und lag. Die andern ſuchten indeßen Mich lautkeuchend umher; allein ſie fanden nicht rathſam,355 Tiefer ins Land zu gehn. Sie kehrten zuruͤck, und beſtiegen Wieder das hohle Schiff; und mich entrißen die Goͤtter Leicht der Gefahr, und fuͤhrten zu eines verſtaͤndigen Mannes Huͤtte mich hin. Denn noch verlaͤngt das Schickſal mein Leben.

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:360 Ungluͤckſeliger Fremdling, ich fuͤhl 'es im innerſten Herzen, Was du von deinen Leiden und Irren mir alles erzaͤhlt haſt. Eins nur ſcheinet mir nicht in der Ordnung, das von Oduͤßeus; Nimmer glaub' ich es dir! Was zwingt dich, ehrlicher Alter, So in den Wind zu luͤgen? Ich weiß zu gut von der Heimkehr365 Meines Herren Beſcheid! Er iſt den Unſterblichen allen Ganz verhaßt! Nicht einmal vor Troja ließ man ihn ſterben, Noch in den Armen der Freunde, nachdem er den Krieg vollendet; Denn ein Denkmal haͤtt 'ihm das Volk der Achaier errichtet, Und ſo waͤre zugleich ſein Sohn bei den Enkeln verherlicht! 370Sondern er ward unruͤhmlich ein Raub der wilden Harpuͤen. Aber ich lebe hier bei den Schweinen ſo einſam, und komme Nie in die Stadt, wo nicht die kluge Paͤnelopeia277Vierzehnter Geſang. Mir zu kommen gebeut, wann Botſchaft irgendwoher kam. Ringsum ſizen ſie dann, und fragen den Fremdling nach allem:375 Einige graͤmen ſich um den langabweſenden Koͤnig, Andere freuen ſich drob, die ſeine Habe verpraßen. Aber mir ward die Luſt zu fragen gaͤnzlich verbittert, Seit mich juͤngſt ein aitoliſcher Mann durch Maͤhrchen geteuſcht hat. V. 379.Aitolien lag Ithaka gegen Morgen an der Muͤndung des korintiſchen Buſens, jenſeits des Acheloos.Dieſer war Todſchlages halber ſchon weit gefluͤchtet, und irrte380 Endlich zu meiner Huͤtte, wo ich mit Freundſchaft ihn aufnahm. Und er verkuͤndigte mir: Bei Idomeneus unter den Kraͤtern Hab 'er ihn beßern geſehen die ſturmzerſchlagenen Schiffe, Und er kaͤme gewiß, im Sommer oder im Herbſte, Mit dem unendlichen Schaz und den goͤttergleichen Gefaͤhrten. 385Drum, ungluͤcklicher Greis, den mir ein Himmliſcher zufuͤhrt, Trachte nicht meine Gunſt durch Luͤgen dir zu erſchmeicheln. Denn nicht darum werd 'ich dich ehren oder bewirten, Sondern aus Furcht vor dem gaſtlichen Zeus, und weil du mich jammerſt.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:390 Wahrlich, du traͤgſt ein ſehr unglaͤubiges Herz in dem Buſen, Da mir der Eidſchwur ſelbſt nicht dein Zutrauen gewinnet! Aber wohlan! wir wollen uns jezt vergleichen, und Zeugen Sein die Unſterblichen uns, des hohen Oluͤmpos Bewohner! Kehrt er wieder zuruͤck zu dieſem Hauſe, dein Koͤnig;395 Siehe dann ſollſt du mich, mit Rock und Mantel bekleidet, Gen Dulichion ſenden: denn dort verlanget mein Herz hin. Kehret er nicht zuruͤck, dein Koͤnig, wie ich verkuͤnde; Alsdann reize die Knechte, vom Felſen herab mich zu ſtuͤrzen:278Oduͤßee. Daß die Bettler hinfort ſich ſcheuen, Luͤgen zu ſchwazen. 400

Ihm antwortete drauf der edle Huͤter der Schweine: Fremdling, da waͤre mir traun! bei allen Menſchen auf Erden Großes Lob und Verdienſt fuͤr jezt und immer geſichert, Haͤtt 'ich dich erſt in die Huͤtte gefuͤhrt, und freundlich bewirtet, Und erſchluͤge dich dann, und raubte dein liebes Leben! 405Freudigkeit gaͤbe mir das, vor Zeus Kronion zu beten! Aber die Stunde zum Eßen iſt da; bald kommen die Leute Heim, mit mir in der Huͤtte das koͤſtliche Mahl zu bereiten.

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Und nun kamen die Schwein 'und ihre Hirten vom Felde. 410Dieſe ſchloßen ſie drauf in ihre Staͤlle zum Schlafen, Und laut toͤnte das Schreien der eingetriebenen Schweine. Aber ſeinen Gehuͤlfen befahl der trefliche Sauhirt:

Bringt das fetteſte Schwein, fuͤr den fremden Gaſt es zu opfern, Und uns ſelber einmal zu erquicken, da wir ſo lange415 Um weißzahnichte Schweine Verdruß und Kummer erduldet, Waͤhrend andre umſonſt all' unſere Muͤhe verpraßen!

Alſo ſprach er, und ſpaltete Holz mit dem grauſamen Erze. Jene fuͤhrten ins Haus ein fett fuͤnfjaͤhriges Maſtſchwein, Stellten es drauf an den Heerd. Es vergaß der trefliche Sauhirt420 Auch der Unſterblichen nicht, denn fromm war ſeine Geſinnung; Sondern begann das Opfer, und warf in die Flamme das Stirnhaar Vom weißzahnichten Schwein, und flehte den Himmliſchen allen, Daß ſie dem weiſen Oduͤßeus doch heimzukehren vergoͤnnten; Schwung nun die Eichenkluft, die er beim Spalten zuruͤckwarf,425 Schlugs, und ſein Leben entfloh; die andern ſchlachteten, ſengten, Und zerſtuͤckten es ſchnell. Das Fett bedeckte der Sauhirt279Vierzehnter Geſang. Mit dem blutigen Fleiſche, von allen Gliedern geſchnitten; Dieſes warf er ins Feuer, mit feinem Mehle beſtreuet. Und ſie ſchnitten das Uebrige klein, und ſtecktens an Spieße,430 Brietens mit Vorſicht uͤber der Glut, und zogens herunter, Legten dann alles zuſammen auf Kuͤchentiſche. Der Sauhirt Stellte ſich hin, es zu theilen; denn Billigkeit lag ihm am Herzen. Und in ſieben Theile zerlegt 'er alles Gebratne: Einen legt' er den Nuͤmfen, und Hermaͤs, dem Sohne der Maia,V. 435.Den Nuͤmfen als Feldgoͤttinnen, und Hermaͤs als dem Vorſteher der Hirten. Maia war Atlas Tochter, und eine von Zeus Geliebten.435 Betend den andern hin; die uͤbrigen reicht 'er den Maͤnnern. Aber Oduͤßeus verehrt' er den unzerſchnittenen Ruͤcken Vom weißzahnichten Schwein, und erfreute die Seele des Koͤnigs. Froͤhlich ſagte zu ihm der erfindungsreiche Oduͤßeus:

Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios,440 Da du mir armen Manne ſo milde Gaben verehreſt!

Drauf antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: , mein ungluͤckſeliger Freund, und freue dich deßen, Wie du es haſt. Gott giebt uns dieſes, und jenes verſagt er, Wie es ſeinem Herzen gefaͤllt; denn er herſchet mit Allmacht. 445

Sprachs, und weihte den Goͤttern die Erſtlinge, opferte ſelber Funkelnden Wein, und gab ihn dem Staͤdteverwuͤſter Oduͤßeus In die Hand; er ſaß bei ſeinem beſchiedenen Antheil. Ihnen vertheilte das Brot Meſaulios, welchen der Sauhirt Selber ſich angeſchafft, indeß ſein Koͤnig entfernt war:450 Ohne Paͤnelopeia, und ohne den alten Laertaͤs, Hatt 'er von Tafiern ihn mit eigenem Gute gekaufet. 280Oduͤßee. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Trug Meſaulios wieder das Brot von dannen; und alle,455 Von dem Brot und dem Fleiſche geſaͤttiget, eilten zur Ruhe.

Eine grauliche Nacht, unerleuchtet vom ſchwindenden Monde,V. 457.Es war im Herbſt, und kurz vor dem Neumond. Kam; es regnete Zeus, naßſtuͤrmend ſauſte der Weſtwind. Beim Entkleiden verſucht 'Oduͤßeus, ob ihm der Sauhirt Nicht den Mantel vielleicht darbieten, oder der Knechte460 Einem es wuͤrde befehlen, da er fuͤr ihn ſo beſorgt war:

Hoͤre mich jezt, Eumaios, und hoͤrt, ihr uͤbrigen Hirten! Ruͤhmend red 'ich ein Wort, vom bethoͤrenden Weine beſieget, Welcher den Weiſeſten oft anreizt zum lauten Geſange, Ihn zum herzlichen Lachen und Gaukeltanze verleitet,465 Und manch Wort ihm entlockt, das beßer waͤre verſchwiegen. Aber weil das Geſchwaͤz doch anfing, will ichs vollenden. Wollte Gott, ich gruͤnte noch jezt in der Fuͤlle der Jugend, Als da vor Troja wir uns im Hinterhalte verbargen! Fuͤhrer waren Oduͤßeus, und Atreus Sohn Menelaos,470 Und der dritte war ich; denn ſie verlangten es ſelber. Als wir jezo die Stadt und die hohe Mauer erreichten, Legten wir nahe der Burg, im dichtverwachſenen Sumpfe, Zwiſchen Weiden und Schilfen uns nieder, unter der Ruͤſtung. Eine ſtuͤrmiſche Nacht brach an; der erſtarrende Nordwind475 Stuͤrzte daher; und ſtoͤbernder Schnee, gleich duftigem Reife, Fiel anfrierend herab, und umzog die Schilde mit Glatteis. Alle die andern lagen, gehuͤllt in Mantel und Leibrock,281Vierzehnter Geſang. Mit dem Schilde die Schulter bedeckt, und ſchlummerten ruhig. Aber ich Unbeſonnener ließ den Mantel beim Weggehn480 Meinen Gefaͤhrten zuruͤck, denn ich achtete gar nicht der Kaͤlte; Und ging bloß mit dem Schild 'und ſchoͤngeguͤrteten Leibrock. Doch in der dritten Wache der Nacht, da die Sterne ſich neigten, Stieß ich Oduͤßeus, der mir zur Seiten lag, mit dem Arme, Und ſprach ſchaudernd zu ihm; und ſchnell war er munter, und hoͤrte:485

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Lange bleib' ich nicht mehr bei den Lebenden; ſondern mich toͤdtet Froſt, denn ich ließ den Mantel zuruͤck; mich verfuͤhrte mein Daͤmon, Bloß im Rocke zu gehn: und nun iſt keine Errettung!

Alſo ſprach ich, und ſchnell beſchloß er dieſes im Herzen;490 So wie immer der Held zum Rath und Kampfe bereit war: Eilend erwiedert 'er mir mit leiſefliſternder Stimme:

Schweige jezt, damit kein andrer Achaier dich hoͤre! Sprachs, und ſtuͤzte das Haupt auf den Ellenbogen, und ſagte:

Hoͤrt, ihr Lieben, ein goͤttlicher Traum erſchien mir im Schlafe. 495Wir ſind weit von den Schiffen entfernt! O ginge doch einer, Atreus Sohn 'Agamemnon, dem Hirten der Voͤlker, zu ſagen, Daß er noch mehren vom Ufer hieher zu eilen geboͤte!

Alſo ſprach er; und Thoas, der Sohn Andraimons, erhub ſich Eilend, und warf zur Erde den ſchoͤnen purpurnen Mantel,500 Und lief ſchnell zu den Schiffen; und ich umhuͤllte mir freudig Sein Gewand, und lag, bis die Morgenroͤthe heraufſtieg. Wollte Gott, ich gruͤnte noch jezt in der Fuͤlle der Jugend! Ach! dann ſchenkte mir wohl ein Sauhirt hier in der Huͤtte Einen Mantel, aus Lieb 'und Achtung gegen den Tapfern! 505Nun verachten ſie mich, weil ich ſo elend bedeckt bin!

282Oduͤßee. Vierzehnter Geſang.

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Greis, untadelich iſt das Gleichniß, ſo du erzaͤhleſt; Und kein unnuͤz Wort iſt deinen Lippen entfallen. Drum ſolls weder an Kleidung, noch etwas anderm, dir mangeln,510 Was ungluͤcklichen Fremden, die Huͤlfe ſuchen, gebuͤhret, Jezt! Doch morgen mußt du in deine Lumpen dich huͤllen. Denn nicht viele Maͤntel und oftveraͤnderte Roͤcke Haben wir anzuziehn; nur Einen hat jeglicher Sauhirt. Kehrt einſt wieder zuruͤck der geliebte Sohn von Oduͤßeus,515 Gerne wird dich dieſer mit Rock und Mantel bekleiden, Und dich ſenden, wohin es deinem Herzen geluͤſtet.

Alſo ſprach er, erhub ſich, und ſezte neben dem Feuer Ihm ein Bette, bedeckt mit Fellen von Ziegen und Schafen. Und Oduͤßeus legte ſich hin. Da bedeckte der Sauhirt520 Ihn mit dem großen wollichten Mantel, womit er ſich pflegte Umzukleiden, wenn draußen ein ſchrecklicher Winterorkan blies.

Alſo ſchlummerte dort Oduͤßeus; neben Oduͤßeus Legten die Juͤnglinge ſich zum Schlummer. Aber der Sauhirt Liebte nicht, in dem Bett ', entfernt von den Schweinen, zu ſchlafen;525 Sondern er waffnete ſich, hinauszugehn; und Oduͤßeus Freute ſich, daß er ſo treu des Entfernten Guͤter beſorgte. Erſtlich haͤngt 'er ein ſcharfes Schwert um die ruͤſtigen Schultern, Huͤllte ſich dann in den windabwehrenden wollichten Mantel, Nahm das zottichte Fell der großen gemaͤſteten Ziege,530 Nahm auch den ſcharfen Speer, den Schrecken der Menſchen und Hunde, Eilte nun hin, zu ruhn, wo die hauerbewaffneten Eber Lagen, unter dem Hange des Felſen, geſchirmt vor dem Nordwind.

283

Oduͤßee. Funfzehnter Geſang.

Pallas Athaͤnaͤ ging zu der großen Stadt Lakedaimon,

Daß ſie den ruͤhmlichen Sohn des hochgeſinnten Oduͤßeus Reizte, des Vaterlands zu gedenken, und wiederzukehren. Und Taͤlemachos lag mit Neſtors bluͤhendem Sohne Ruhend vor dem Palaſt Menelaos des ehregekroͤnten. 5Neſtors bluͤhender Sohn lag ſanft vom Schlummer gefeßelt; Aber Taͤlemachos floh der ſuͤße Schlummer; er wachte Durch die ambroſiſche Nacht, um den Vater herzlich bekuͤmmert. Vor ihn ſtellte ſich Zeus blauaͤugichte Tochter, und ſagte:

Laͤnger ziemt es ſich nicht, Taͤlemachos, ferne zu irren,10 Da du alle dein Gut, und ſo uͤbermuͤtige Maͤnner In dem Palaſte verließeſt; damit ſie nicht alles verzehren, Deine Habe ſich theilend, und fruchtlos ende die Reiſe! Auf! erinnere gleich den Rufer im Streit Menelaos, Heim dich zu ſenden, damit du die trefliche Mutter noch findeſt. 15Denn ſchon wird ſie vom Vater und ihren Bruͤdern gedraͤnget, Daß ſie Euruͤmachos nehme; denn dieſer ſchenkte das meiſte Unter den Freiern, und beut die reichſte Braͤutigamsgabe. Und man koͤnnte dir leicht, ohn deinen Dank, aus dem Hauſe Manches Gut mitnehmen; du kennſt ja des Weibes Geſinnung! 20284Oduͤßee. Immer ſucht ſie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern; Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten Kennt ſie nicht mehr, da er ſtarb, und fraget nimmer nach ihnen. Darum eile nun heim, und vertraue ſelber die Guͤter Einer Dienerin an, die dir am tuͤchtigſten ſcheinet,25 Bis die himmliſchen Goͤtter ein edles Weib dir verleihen. Noch ein andres verkuͤnd 'ich dir jezt; bewahr' es im Herzen! Wachſam lauren auf dich die Tapferſten unter den Freiern, In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos, Daß ſie dich toͤdten, bevor du die Heimat wieder erreicheſt. 30Aber ich hoffe das nicht! Erſt deckt die Erde noch manchen Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren. Steure dein ruͤſtiges Schiff, Taͤlemachos, fern von den Inſeln; Fahr auch nur in der Nacht! Dir wird der Unſterblichen einer Guͤnſtigen Wind nachſenden, der dich behuͤtet und ſchuͤzet. 35Wenn du das naͤchſte Geſtade von Ithaka jezo erreicht haſt, Siehe dann ſende zur Stadt das Schiff und alle Gefaͤhrten, Und du gehe zuerſt dorthin, wo der trefliche Sauhirt Deiner Schweine huͤtet, der ſtets mit Eifer dir anhaͤngt. Alda bleibe die Nacht, und ſende jenen zur Stadt hin,40 Um die Botſchaft zu bringen der klugen Paͤnelopeia, Daß du geſund und wohl von Puͤlos wieder zuruͤckkamſt.

Alſo ſprach die Goͤttin, und eilte zum großen Oluͤmpos. Und Taͤlemachos weckte den Neſtoriden vom Schlummer, Ihn mit der Ferſe beruͤhrend, und ſprach zu dem bluͤhenden Juͤngling:45

Neſtors Sohn, wach 'auf, Peiſiſtratos; ſpann' an den Wagen Hurtig die ſtampfenden Roße, damit wir die Reiſe vollenden.

Und der Neſtoride Peiſiſtratos gab ihm zur Antwort:

285Funfzehnter Geſang.

Ganz unmoͤglich, Taͤlemachos, waͤr 'es, wie ſehr wir auch eilten: Dieſe duͤſtere Nacht zu durchfahren! Und bald iſt es Morgen! 50Darum warte, bis uns mit Geſchenken den Wagen belade Atreus edler Sohn, der kriegriſche Held Menelaos, Und mit gefaͤlligen Worten uns freundlich von ſich entlaße. Denn es erinnert ſich ein Gaſt zeitlebens des Mannes, Welcher in fernem Lande mit Lieb und Freundſchaft ihn aufnahm. 55

Alſo ſprach er; da kam die goldenthronende Aeos. Jezo nahte ſich ihnen der Rufer im Streit Menelaos, Seiner Helena Lager, der ſchoͤngelockten, verlaßend. Als der geliebte Sohn von Oduͤßeus dieſen bemerkte, Huͤllte ſich eilend der Held in den feinen praͤchtigen Leibrock,60 Warf den großen Mantel ſich uͤber die ruͤſtigen Schultern, Ging dann hinaus, und trat zu Menelaos, und ſagte:

Atreus goͤttlicher Sohn, Menelaos, Fuͤhrer der Voͤlker, Laß mich jezo von dir ins liebe Vaterland ziehen; Denn von ganzem Herzen begehr 'ich jezo der Heimkehr. 65

Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Menelaos: Ferne ſei es von mir, Taͤlemachos, dich zu verweilen, Wenn du nach Hauſe dich ſehnſt! Ich tadle ſelber den Gaſtfreund, Deßen Hoͤflichkeit uns und uͤberzaͤrtliche Freundſchaft Plagende Feindſchaft wird. Das Beßte bei allem iſt Ordnung! 70Traun! gleich arg ſind beide: Wer ſeinem zoͤgernden Gaſte Heimzukehren gebeut, und wer den eilenden auf haͤlt. Bleibt er, ſo pflege des Gaſtes; und will er gehen, ſo laß ihn! Aber warte, bis ich ein ſchoͤnes Geſchenk auf den Wagen Leg ', und du ſelber es ſeheſt; und meinen Weibern befehle,75 Dir von des Hauſes Koſt ein reichliches Mahl zu bereiten. 286Oduͤßee. Freudigkeit fuͤhlt der Gaſt und hoͤheren Mut und Erquickung, Der, mit Speiſe geſtaͤrkt, in ferne Laͤnder verreiſet. Haſt du auch Luſt, umher durch Hellas und Argos zu reiſen; Warte, bis ich die Roß 'anſpanne, dich ſelber begleite,80 Und zu jeglicher Stadt hinfuͤhre. Keines der Voͤlker Sendet uns leer hinweg; man ſchenkt uns wenigſtens Ein Stuͤck: Ein dreifuͤßig Geſchirr von Kupfer, oder ein Becken, Oder ein Joch Maulthiere, auch wohl einen goldenen Becher.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen;85 Atreus goͤttlicher Sohn Menelaos, Fuͤhrer der Voͤlker, Jezo eil 'ich zuruͤck zu dem Unſrigen; (denn da ich abfuhr, Ließ ich Niemand im Hauſe, mein Eigenthum zu bewahren:) Daß ich, den Vater ſuchend, nicht ſelber das Leben verliere, Oder ein koͤſtliches Gut aus meinem Hauſe verſchwinde. 90

Als er ſolches vernommen, der Rufer im Streit Menelaos, Rief er ſchnell der Gemahlin und ihren Maͤgden, im Saale Hurtig ein Mahl zu bereiten vom reichlichgeſammelten Vorrat. Jezo nahte ſich auch Boaͤthos Sohn Eteoneus, Seinem Lager entſtiegen; er wohnte nicht ferne vom Koͤnig. 95Dieſem befahl der Held Menelaos, Feuer zu machen, Und des Fleiſches zu braten; und ſchnell gehorcht 'er dem Worte. Hierauf ſtieg er hinab ins duftende hohe Gewoͤlbe: Nicht er allein; mit ihm ging Helena und Megapenthaͤs. Als ſie die Kammer erreicht, wo ſeine Kleinode lagen,100 Nahm Menelaos Atreidaͤs ſich einen doppelten Becher, Reichte dann ſeines Sohns Megapenthaͤs Haͤnden zu tragen Einen ſilbernen Kelch; und Helena trat zu den Kiſten, Wo ſie die ſchoͤnen Gewande verwahrt, die ſie ſelber gewirket. 287Funfzehnter Geſang. Eines von dieſen nahm die Koͤnigin unter den Weibern,105 Welches das groͤßeſte war und reichſte an kuͤnſtlicher Arbeit: Hell wie ein Stern, ſo ſtralt 'es, und lag von allen zu unterſt. Und ſie gingen zuruͤck durch die Wohnungen, bis ſie Oduͤßeus Sohn erreichten; da ſprach Menelaos der braͤunlichgelockte:

Deine Heimkehr laße, Taͤlemachos, wie du ſie wuͤnſcheſt,110 Zeus Kronion gelingen, der donnernde Gatte der Haͤraͤ; Von den Schaͤzen, ſoviel ich in meinem Hauſe bewahre, Geb 'ich dir zum Geſchenk das ſchoͤnſte und koͤſtlichſte Kleinod: Gebe dir einen Kelch von kuͤnſtlicherhobener Arbeit, Aus geglaͤttetem Silber, gefaßt mit goldenem Rande,115 Und ein Werk von Haͤfaiſtos! Ihn gab der Sidonier Koͤnig Faidimos mir, der Held, der einſt in ſeinem Palaſte Mich heimkehrenden pflegte. Den will ich jezo dir ſchenken.

Alſo ſprach er, und reichte, der Held Menelaos Atreidaͤs, Ihm[den] doppelten Becher. Sein tapferer Sohn Megapenthaͤs120 Trug den ſchimmernden Kelch von lauterem Silber, und ſezt 'ihn Nieder vor ihm. Auch Helena kam, das Gewand in den Haͤnden, Und holdſelig begann die roſenwangichte Fuͤrſtin:

Dieſes Geſchenk will ich, mein liebes Kind, dir verehren, Zum Andenken von Helena's Hand. Bei der lieblichen Hochzeit125 Trag 'es deine Gemahlin; bis dahin lieg' es im Hauſe Deiner geliebten Mutter. Du aber kehre mit Frieden In dein praͤchtiges Haus und deiner Vaͤter Gefilde.

Alſo ſprach ſie, und reicht 'es ihm hin; und freudig empfing ers. Jezo legte der Held Peiſiſtratos alle Geſchenke130 Nieder im Wagenkorb, und bewunderte jedes im Herzen.

Und ſie fuͤhrt 'in den Saal Menelaos der braͤunlichgelockte;288Oduͤßee. Alda ſezten ſie ſich auf praͤchtige Seßel und Throne. Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen135 Ihnen die Haͤnd ', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf, Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. Aber das Fleiſch zerſchnitt und vertheilte der Sohn des Boaͤthos, Und des Koͤniges Sohn vertheilte die Becher voll Weines. 140Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle.

Jezo war die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillet, Und Taͤlemachos ſpannte mit Neſtors bluͤhendem Sohne Hurtig die Roße vor; ſie beſtiegen den kuͤnſtlichen Wagen, Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs, und der toͤnenden Halle. 145Ihnen zur Seite ging Menelaos der braͤunlichgelockte; Einen goldenen Becher voll herzerfreuendes Weines Trug er in ſeiner Rechten, um noch vor der Reiſe zu opfern, Stand vor den Roßen, und trank, reicht 'ihnen den Becher, und ſagte:

Lebt, ihr Juͤnglinge, wohl, und gruͤßt den Hirten der Voͤlker150 Neſtor von mir; denn wahrlich er liebte mich ſtets, wie ein Vater, Als wir Achaier noch die Stadt der Troer bekriegten!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Gerne wollen wir ihm, du Goͤttlicher, wie du befiehleſt, Dieſes alles verkuͤnden, ſobald wir kommen. O faͤnd 'ich,155 Heim gen Ithaka kehrend, auch meinen Vater zu Hauſe; Daß ich ihm ſagte, wie ich von dir ſo guͤtig bewirtet Wiederkomm ', und ſo viel' und koͤſtliche Kleinode bringe!

Sprachs; und zur Rechten flog ein heilweißagender Adler, Welcher die ungeheure, im Hofe gemaͤſtete, weiße160289Funfzehnter Geſang. Gans in den Klauen trug; mit uͤberlautem Geſchreie Folgten ihm Maͤnner und Weiber; er kam in ſtuͤrmendem Fluge Rechtsher nahe den Roßen der Juͤnglinge. Als ſie ihn ſahen, Freuten ſie ſich, und allen durchgluͤhete Wonne die Herzen. Neſtors bluͤhender Sohn Peiſiſtratos redete jezo:165

Denke nach, Menelaos, du goͤttlicher Fuͤhrer der Voͤlker, Ob Gott uns dies Zeichen geſendet, oder dir ſelber.

Alſo ſprach er; da ſann der kriegriſche Held Menelaos Hin und her, mit Verſtand das Wunderzeichen zu deuten. Aber Helena kam ihm zuvor; ſo ſprach die geſchmuͤckte:170

Hoͤret; ich will euch jezt weißagen, wie es die Goͤtter Mir in die Seele gelegt, und wie's wahrſcheinlich geſchehn wird. Gleichwie der Adler die Gans, die im Hauſe ſich naͤhrte, geraubt hat, Kommend aus dem Gebirge, von ſeinem Neſt 'und Geſchlechte: Alſo wird auch Oduͤßeus, nach vielen Leiden und Irren,175 Endlich zur Heimat kehren und ſtrafen; oder er kehrte Schon, und ruͤſtet ſich nun zu aller Freier Verderben.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Alſo vollend 'es Zeus, der donnernde Gatte der Haͤraͤ! O dann werd' ich auch dort, wie eine Goͤttin, dich anflehn! 180

Sprachs, und ſchwang auf die Roße die Geißel; mit hurtiger Eile Stuͤrmten ſie uͤber die Gaßen der Stadt in das freie Gefilde. Alſo ſchuͤttelten ſie bis zum Abend das Joch an den Nacken. Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade. Und ſie kamen gen Faͤrai, zur Burg des edlen Dioklaͤs,185 Welchen Alfeios Sohn Orſilochos hatte gezeuget, Ruhten bei ihm die Nacht, und wurden freundlich bewirtet.

T290Oduͤßee.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Ruͤſteten ſie ihr Geſpann, und beſtiegen den zierlichen Wagen, Lenkten darauf aus dem Thore des Hofs, und der toͤnenden Halle. 190Treibend ſchwang er die Geißel, und willig enteilten die Roße. Und ſie erreichten bald die hochgebauete Puͤlos; Und Taͤlemachos ſprach zu Neſtors bluͤhendem Sohne:

Kannſt du mir, Neſtors Sohn, wohl eine Bitte gewaͤhren? Siehe wir ruͤhmen uns ja von den Zeiten unſerer Vaͤter195 Schon Gaſtfreunde zu ſein, und ſind auch einerlei Alters; Und noch inniger wird uns dieſe Reiſe verbinden. Fahre mein Schiff nicht vorbei, du Goͤttlicher; laß mich hier bleiben! Denn mich moͤchte der Greis aufhalten in ſeinem Palaſte, Um mir Gutes zu thun; und ich muß aufs eiligſte reiſen. 200

Alſo ſprach er, und Neſtors Sohn bedachte ſich ſchweigend, Wie er mit guter Art ihm ſeine Bitte gewaͤhrte. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte: An das Geſtade des Meers zu dem Schiffe lenkt 'er die Roße; Legte dann hinten ins Schiff Taͤlemachos ſchoͤne Geſchenke,205 Sein Gewand und das Gold, ſo ihm Menelaos verehret. Und nun trieb er ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Steige nun eilend ins Schiff, und ermuntere deine Gefaͤhrten, Eh ich zu Hauſe komm ', und dem Greiſe dieſes verkuͤnde! Denn ich kenne zu gut in meinem Herzen des Vaters210 Heftigen ſtarren Sinn: er wuͤrde dich nimmer entlaßen, Sondern ſelbſt herkommen, dich einzuladen; und ſchwerlich Ging 'er dann leer zuruͤck, ſo ſehr wuͤrd' er zuͤrnen und eifern!

Alſo ſprach er, und lenkte die Roße mit wallenden Maͤhnen Heim zu der Puͤlier Stadt, und bald erreicht 'er die Wohnung. 215291Funfzehnter Geſang. Aber Taͤlemachos trieb und ermahnete ſeine Genoßen:

Freunde, bringt die Geraͤthe des ſchwarzen Schiffes in Ordnung, Und ſteigt ſelber hinein, damit wir die Reiſe vollenden!

Alſo ſprach er; ſie hoͤrten ihn alle mit Fleiß, und gehorchten: Stiegen eilend ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke. 220

Alſo beſorgt 'er dieſes, und opferte Pallas Athaͤnen Flehend hinten am Schiff. Und ſiehe, ein eilender Fremdling Nahte ſich ihm, der aus Argos entfloh, wo er jemand getoͤdtet. Dieſer war ein Profet, und ſtammte vom alten Melampus, Welcher vor langer Zeit in der ſchafegebaͤrenden PuͤlosV. 225.Man vergleiche hiermit Geſ. 11. V. 286 ff.225 Wohnete, maͤchtig im Volk, und praͤchtige Haͤuſer beherſchte. Aber ſein Vaterland verließ er,[und] floh in die Fremde, Vor dem gewaltigen Naͤleus, dem ſtolzeſten aller die lebten, Welcher ein ganzes Jahr mit Gewalt ſein großes Vermoͤgen Vorenthielt; indeß lag jener in Fuͤlakos Wohnung,230 Hartgefeßelt mit Banden, und ſchwere Leiden erduldend, Wegen der Tochter Naͤleus, und ſeines raſenden Wahnſinns, Welchen ihm die Erinnuͤs, die ſchreckliche Goͤttin, geſendet. V. 233.Erinnuͤs, Furie.Dennoch entfloh er dem Tod ', und trieb aus Fuͤlakaͤ's Auen Heim die bruͤllenden Rinder gen Puͤlos, ſtrafte den Hochmut235 Naͤleus des goͤttergleichen, und fuͤhrte dem Bruder zur Gattin Seine Tochter ins Haus. Er aber zog in die ferne Roßenaͤhrende Argos; denn dort beſtimmte das Schickſal Ihm forthin zu wohnen, ein Herſcher vieler Argeier. Alda nahm er ein Weib, und baute die praͤchtige Wohnung,240 Zeugte Antifataͤs dann und Mantios, tapfere Soͤhne! 292Oduͤßee. Aber Antifataͤs zeugte den großgeſinnten Oiklaͤs, und Oiklaͤs den Voͤlkererhalter Amfiaraos. Dieſen liebte der Donnerer Zeus und Foͤbos ApollonV. 244.Zeus Liebling war er als Koͤnig, und Apollons als Wahrſager. Mit allwaltender Huld; doch erreicht 'er die Schwelle des Alters245 Nicht; er ſtarb vor Thaͤbai, durch ſeines Weibes Geſchenke. V. 246.Durch die Geſchenke, die ſeine Gemahlin Erifuͤlaͤ bekam, ihn zu uͤberreden, daß er mit vor Theben zog, Geſ. 11. V. 326.Seine Soͤhne waren Amſilochos und Alkmaion. Aber Mantios zeugte den Poluͤfeidaͤs und Kleitos. Dieſen Kleitos entfuͤhrte die goldenthronende Aeos, Seiner Schoͤnheit halben, zum Siz der unſterblichen Goͤtter. 250Aber auf Poluͤfeidaͤs, dem hocherleuchteten, ruhte Foͤbos profetiſcher Geiſt, nach dem Tode des Amfiaraos. Zuͤrnend dem Vater, zog er gen Huͤperaͤſia, wohnte Und weißagete dort den Sterblichen allen ihr Schickſal.

Deßen Sohn, genannt Theokluͤmenos, nahte ſich jezo,255 Trat zu Taͤlemachos hin, der dort vor Pallas Athaͤnaͤ Heiligen Wein ausgoß und betete, neben dem Schiffe; Und er redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, weil ich alhier beim heiligen Opfer dich finde; Siehe, ſo fleh 'ich dich an, beim Opfer und bei der Gottheit,260 Deinem eigenen Heil ', und der Freunde, welche dir folgen: Sage mir fragenden treulich und unverholen die Wahrheit! Wer, weß Volkes biſt du? und wo iſt deine Geburtſtadt?

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Dieſes will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit verkuͤnden. 265Ich bin aus Ithaka her; mein Vater heißet Oduͤßeus,293Funfzehnter Geſang. Wenn er noch lebt; allein er ſtarb des traurigſten Todes. Darum nahm ich jezo dies Schiff und dieſe Gefaͤhrten, Kundſchaft mir zu erforſchen vom langabweſenden Vater.

Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos gab ihm zur Antwort:270 Ich bin auch aus der Heimat entflohn! denn ich toͤdtete jemand, Einen Buͤrger der Stadt; und viele Bruͤder und Vettern Hat er, gewaltig im Volke der roßenaͤhrenden Argos! Dieſen bin ich entronnen, den Tod und das ſchwarze Verhaͤngniß Fliehend! Von nun an iſt mein Schickſal, die Welt zu durchirren! 275Aber nim mich ins Schiff, den Fluͤchtling, welcher dich anfleht: Daß ſie mich nicht umbringen; denn ſicher verfolgen mich jene!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Freund, ich werde dich nicht von unſerem Schiffe verſtoßen! Folg 'uns; wir wollen dich dort bewirten, ſo gut wir es haben. 280

Alſo ſprach er, und nahm Theokluͤmenos eherne Lanze, Legte ſie auf das Verdeck des gleichgeruderten Schiffes, Stieg dann uͤber den Bord des meerdurchwallenden Schiffes, Sezte ſich hinten am Steuer, und neben dem Juͤnglinge ſezte Theokluͤmenos ſich. Die andern loͤſten die Seile. 285Aber Taͤlemachos trieb und ermahnte die lieben Gefaͤhrten, Schnell die Geraͤthe zu ordnen. Sie folgeten ſeinem Befehle: Stellten den fichtenen Maſt in die mittlere Hoͤhe des Bodens, Richteten hoch ihn empor, und banden ihn feſt mit den Seilen; Spannten die weißen Segel mit ſtarkgeflochtenen Riemen. 290Einen guͤnſtigen Wind ſandt 'ihnen Pallas Athaͤnaͤ; Stuͤrmend ſauſt' er vom Aether daher in die Segel des Schiffes, Und mit gefluͤgelter Eile durchlief es die ſalzige Woge, Segelte Krunoͤ voruͤber und Chalkis liebliche Muͤndung. 294Oduͤßee. Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade. 295Und er ſteurte gen Ferai, vom Winde Gottes erfreuet, Und zu der goͤttlichen Aelis, die von den Epeiern beherſcht wird. V. 297. Aelis hieß damals nur die aͤußerſte Spize vom Peloponnes gegen Ithaka. Die ſpizigen Inſeln waren die ſuͤdweſtlichen der Echinaden. Taͤlema - chos nahm, aus Furcht vor den Freiern, die zwiſchen Ithaka und Samaͤ auf ihn laurten, nicht den naͤchſten Weg; ſondern fuhr auf Akarnanien zu, und landete an der Nordſeite von Ithaka.Aber von dannen lenkt 'er das Schiff zu den ſpizigen Inſeln, Sorgend, ob er dem Tod' entfliehn wuͤrd ', oder erliegen.

Und in der Huͤtte genoß mit Oduͤßeus der trefliche Sauhirt300 Jezo die Abendkoſt, auch aßen die uͤbrigen Hirten. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war; Da verſuchte der Held Oduͤßeus, ob ihn der Sauhirt Noch in der Huͤtte dort herbergen und freundlich bewirten, Oder ihn treiben wuͤrd ', in die Stadt zu eilen; ſo ſprach er:305

Hoͤre mich jezt, Eumaios, und hoͤrt, ihr uͤbrigen Hirten. Morgen haͤtt 'ich wohl Luſt, in die Stadt als Bettler zu gehen; Daß ich deine Freunde und dich nicht laͤnger beſchwere. Sage mir denn Beſcheid, und gib mir einen Gefaͤhrten, Welcher den Weg mich fuͤhre. Die Stadt muß ich ſelber durchirren,310 Ob man ein Becherchen Weins und ein wenig Broſam mir biete. Gerne moͤcht 'ich auch wohl zum Hauſe des edlen Oduͤßeus Gehen, und Botſchaft bringen der klugen Paͤnelopeia, Und alsdann in die Schaar der ſtolzen Freier mich miſchen, Ob ſie mich Einmal ſpeiſen von ihrem reichlichen Gaſtmahl. 315Alles, was ſie befehlen, bin ich bereit zu verrichten. Denn ich verkuͤndige dir; merk auf, und hoͤre die Worte:295Funfzehnter Geſang. Durch Hermeias Gnade, des Goͤttergeſandten, der alles, Was die Menſchen beginnen, mit Ehre ſchmuͤcket und Anmut, Kann der Sterblichen keiner mit mir wetteifern im Dienſte:320 Feuer geſchickt zu legen, und trockene Kloͤze zu ſpalten, Wein zu ſchenken, und Fleiſch zu vertheilen oder zu braten: Was vornehme Leute vom Dienſte Geringerer fodern.

Zuͤrnend erwiederteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Wehe mir, Fremdling, wie kann in dein Herz ein ſolcher Gedanke325 Kommen? Wahrlich du eilſt, dich dort ins Verderben zu ſtuͤrzen, Iſt es dein ernſtlicher Wille, zu gehn in der Freier Geſellſchaft, Deren Troz und Gewalt den eiſernen Himmel erreichet. V. 328.Die Alten dachten ſich den Himmel als ein metallenes Gewoͤlbe, das auf Bergen ruhte.Wahrlich ſolche Leute ſind ihre Diener mitnichten; Juͤnglinge ſinds, mit Mantel und Leibrock zierlich gekleidet,330 Und ſtets duftet von Salben ihr Haar und bluͤhendes Antliz: Dieſe dienen dort; und die ſchoͤngeglaͤtteten Tiſche Sind mit Brot und Fleiſch und Weine ſtets belaſtet. Aber bleibe; du biſt hier keinem Menſchen beſchwerlich, Weder mir, noch einem der Freunde, welche mir helfen. 335Kehrt einſt wieder zuruͤck der geliebte Sohn von Oduͤßeus, Gerne wird dich dieſer mit Rock 'und Mantel bekleiden, Und dich ſenden wohin es deinem Herzen geluͤſtet.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus: Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios,340 Weil du nach ſchrecklicher Noth mir Irrenden Ruhe gewaͤhreſt! Nichts iſt kummervoller, als unſtaͤt leben und fluͤchtig! Oft zur Verzweifelung bringt der unverſoͤhnliche Hunger296Oduͤßee. Leute, die Lebensgefahr und bitterer Mangel umhertreibt, Aber weil du begehrſt, daß ich bleib 'und jenen erwarte;345 Nun ſo erzaͤhle mir von der Mutter des edlen Oduͤßeus, Und dem Vater, den er an der Schwelle des Alters daheimließ: Leben ſie etwa noch im Strale der leuchtenden Sonne, Oder ſind ſie ſchon todt und in der Schatten Behauſung?

Ihm antwortete drauf der maͤnnerbeherſchende Sauhirt:350 Dieſes will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit erzaͤhlen. Immer noch lebt Laertaͤs; doch taͤglich flehet er Zeus an, Daß in ſeinem Hauſe ſein Geiſt den Gliedern entſchwinde. Denn untroͤſtlich beweint er des fernen Sohnes Gedaͤchtniß, Und den Tod des edlen geliebten Weibes der Jugend,355 Der ihn ſo innig gekraͤnkt, und ſein herbes Alter beſchleunigt. Dieſe ſtarb vor Gram um ihren beruͤhmten Oduͤßeus, Ach! den traurigſten Tod! So ſterbe keiner der Freunde, Welcher in dieſem Lande mir Liebes und Gutes gethan hat. Als noch jene lebte, wiewohl in ſteter Betruͤbniß,360 Hatt 'ich noch etwas Luſt zu fragen und mich zu erkunden. Denn ſie erzog mich ſelbſt mit Ktimene, ihrer geſchmuͤckten Tugendreichen Tochter, der juͤngſten ihres Geſchlechtes; Dieſe erzog ſie mit mir, und ehrte mich wenig geringer. Und da wir beide das Ziel der lieblichen Jugend erreichten,365 Gaben ſie jene nach Samaͤ, und nahmen große Geſchenke. Und mich kleidete ſie, die Mutter, mit praͤchtigen Kleidern, Einem Mantel und Rock, und gab mir Schuh 'an die Fuͤße, Sandte mich her aufs Land, und that mir Gutes auf Gutes. Dieſes muß ich nun alles entbehren: aber die Goͤtter370 Segnen mit reichem Gedeihn die Arbeit, welche mir obliegt;297Funfzehnter Geſang. Hievon 'ich und trinke, und geb' auch ehrlichen Leuten. Von der Koͤnigin ſelbſt iſt keine Freude zu hoffen, Weder Wort noch That, ſeitdem die Plage das Haus traf, Jener verwuͤſtende Schwarm! Und Knechte wuͤnſchen doch herzlich,375 Vor der Frau des Hauſes zu reden, und alles zu hoͤren, Und zu eßen und trinken, und dann auch etwas zu Felde Mitzunehmen: wodurch das Herz der Bedienten erfreut wird.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Ei ſo biſt du als Kind, Eumaios, Huͤter der Schweine,380 Fern von dem Vaterland 'und deinen Eltern verirret! Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Ward die praͤchtige Stadt von Kriegesſchaaren verwuͤſtet, Welche dein Vater einſt und die trefliche Mutter bewohnten? Oder fanden dich einſam bei Schafen oder bei Rindern385 Raͤuber, und ſchleppten dich fort zu den Schiffen, und boten im Hauſe Dieſes Mannes dich feil, der dich nach Wuͤrden bezahlte?

Ihm antwortete drauf der maͤnnerbeherſchende Sauhirt: Fremdling, weil du mich fragſt und ſo genau dich erkundeſt, Nun ſo ſize ſtill, erfreue dich horchend, und trinke390 Wein. Die Naͤchte ſind lang; man kann ausruhen, und kann auch Angenehme Geſpraͤch 'anhoͤren. Es zwinget dich Niemand, Fruͤhe ſchlafen zu gehn; auch vieles Schlafen iſt ſchaͤdlich. Sehnt ſich der uͤbrigen einer in ſeinem Herzen zur Ruhe, Dieſer gehe zu Bett'; und ſobald der Morgen ſich roͤthet,395 Fruͤhſtuͤck 'er, und treibe des Koͤniges Schweine zu Felde. Aber wir wollen hier in der Huͤtte noch eßen und trinken, Um einander das Herz durch Erinnerung trauriger Leiden Aufzuheitern; denn auch der Truͤbſal denket man gerne,298Oduͤßee. Wenn man ſo vieles erduldet, ſo viele Laͤnder durchirrt iſt. 400Jezo will ich dir das verkuͤndigen, was du mich fragteſt:

Eine der Inſeln im Meer heißt Suͤria, wenn du ſie kenneſt,V. 402.Suͤria, vielleicht die Landzunge, worauf Suͤrakus ſteht, die damals eine Inſel oder Halbinſel war, oder von Homer, der dieſe Gegend nur dunkel kannte, dafuͤr gehalten ward. Die Inſel Ortuͤgia war durch Artemis Geburt unter den Griechen beruͤhmt. Hier hatten die Foͤniker vielleicht einen Sonnenweiſer, der durch den Schatten einer Seule die Sonnenwenden und Tagegleichen bemerkte. Ueber Ortuͤgia hin, wo die Sonnenwende zu ſehn iſt. Groß iſt dieſe nicht ſehr von Umfang, aber doch fruchtbar, Reich an Schafen und Rindern, an Wein und ſchoͤnem Getreide. 405Nimmer beſucht der Hunger, und nimmer eine der andern Schrecklichen Seuchen das Volk, die die armen Sterblichen hinrafft. Sondern wann in der Stadt die Menſchen das Alter erreichen, Koͤmmt die Freundin der Pfeil 'und der Gott des ſilbernen Bogens, Welche ſie unverſehens mit ſanften Geſchoßen erlegen. 410Alda ſind zwo Staͤdte, die zwiefach alles getheilet; Und von dieſen beiden war einſt mein Vater Beherſcher, Ktaͤſios, Ormenos Sohn, ein Bild der unſterblichen Goͤtter.

Einſt beſuchten uns dort Foͤniker, beruͤhmt in der Seefahrt Und Erzſchinder, und fuͤhrten im Schiff 'unzaͤhliges Spielzeug. 415Aber im Hauſe des Vaters war eine foͤnikiſche Sklavin, Schoͤngebildet und groß und klug in kuͤnſtlicher Arbeit. Dieſe verfuͤhrten mit Liſt die raͤnkegeuͤbten Foͤniker. Einer von ihnen pflog, da ſie wuſch, beim ſchwaͤrzlichen Schiffe, Heimlicher Liebe mit ihr; die das Herz der biegſamen Weiber420 Ganz in die Irre fuͤhrt, wenn eine die Tugend auch ehret. Dieſer fragte darauf, wer ſie waͤr ', und von wannen ſie kaͤme;299Funfzehnter Geſang. Und ſie zeigte ſogleich zu des Vaters hohem Palaſte:

Meine Geburtſtadt iſt die erzdurchſchimmerte Sidon. Und ich ruͤhme mich dort des reichen Aruͤbas Tochter. 425Aber mich raubeten einſt, da ich vom Felde zuruͤckkam, Tafiſche Raͤuber, und brachten mich hier, und boten im Hauſe Dieſes Mannes mich feil, der mich nach Wuͤrden bezahlte.

Ihr antwortete drauf der Mann, der ſie heimlich beſchlafen: Moͤchteſt du jezo denn nicht mit uns nach Hauſe zuruͤckgehn,430 Deiner Eltern hohen Palaſt, und Vater und Mutter Wiederzuſehn? Denn ſie leben noch beid ', und man nennt ſie beguͤtert.

Und das foͤnikiſche Weib antwortete jenem, und ſagte: Ja auch dieſes geſchehe, wofern ihr Schiffer mir eidlich Angelobt, mich ſicher und wohl nach Hauſe zu bringen. 435

Alſo ſprach ſie; und alle beſchwuren, was ſie verlangte. Als ſie es jezo gelobt, und vollendet den heiligen Eidſchwur, Hub die Foͤnikerin an, und ſprach zu der Maͤnner Verſammlung:

Seid nun ſtill, und keiner von eures Schiffes Genoßen Rede mit Worten mich an, er begegne mir auf der Straße,440 Oder beim Waßerſchoͤpfen: daß niemand zu unſerem Hauſe Gehend dem Alten es ſag ', und dieſer vielleicht mir aus Argwohn Schwere Band' anlege, und euch das Verderben bereite! Sondern haltet die Sache geheim, und beſchleunigt den Einkauf. Aber ſobald ihr das Schiff mit Lebensguͤtern beladen;445 Dann geh 'einer geſchwind' in die Burg, und bringe mir Botſchaft, Nehmen will ich, was mir an goldnem Geſchirr 'in die Hand faͤllt; Und ich moͤcht' euch gerne die Fahrt noch hoͤher bezahlen. Denn ich erziehe den Sohn des alten Herrn im Palaſte, Welcher ſchon wizig iſt, und aus dem Hauſe ſo mitlaͤuft. 450300Oduͤßee. Dieſen braͤcht 'ich gerne zum Schiff'; ihr wuͤrdet nicht wenig Fuͤr ihn loͤſen, wohin ihr ihn auch in die Fremde verkauftet.

Alſo ſprach das Weib, und kehrte zum ſchoͤnen Palaſte. Und die Foͤniker weilten ein ganzes Jahr auf der Inſel, Kauften und ſchleppten ins Schiff unzaͤhlige Guͤter zuſammen. 455Als ſie das hohle Schiff zur Heimfahrt hatten befrachtet, Sandten ſie einen Genoßen, dem Weibe die Botſchaft zu bringen. Dieſer liſtige Mann, der in des Vaters Palaſt kam, Bracht 'ein goldnes Geſchmeide, beſezt mit koͤſtlichem Bernſtein, Welches die Maͤgde des Hauſes und meine trefliche Mutter460 Mit den Haͤnden befuͤhlten und ſehr aufmerkſam beſahen. Als ſie uͤber den Preis nun handelten, winkt 'er der Sklavin Heimlich, und eilte zuruͤck zu dem hohlen Schiffe. Die Sklavin Nahm mich drauf bei der Hand, und fuͤhrte mich aus dem Palaſte. Und ſie fand in dem vorderen Saal Weinbecher und Tiſche465 Fuͤr die Gaͤſte geſtellt, die meinen Vater beſuchten; Dieſe waren anizt auf dem Markt 'in des Volkes Verſammlung. Hurtig raubte ſie drei der Gefaͤße, verbarg ſie im Buſen, Eilte dann weg, von mir einfaͤltigen Kinde begleitet. Und die Sonne ſank, und Dunkel umhuͤllte die Pfade. 470Jezo hatten wir ſchnell den beruͤhmten Hafen erreichet, Wo der Foͤniker Schiff das Meer zu durcheilen bereit lag. Dieſe beſtiegen mit uns das Verdeck des Schiffes, und ſteurten Ueber die Woge des Meers, von Gottes Winde getrieben. Alſo durchſegelten wir ſechs Tag 'und Naͤchte die Waßer. 475Als der ſiebente Tag von Zeus Kronion geſandt ward, Toͤdtete Artemis ploͤzlich das Weib mit ihrem Geſchoße. Rauſchend fiel ſie hinab in das Waßer des Raums, wie ein Seehuhn. 301Funfzehnter Geſang. Und man warf ſie, den Fiſchen und Ungeheuern zur Beute, Ueber den Bord; allein ich blieb mit traurigem Herzen. 480Wind und Woge trieben ſie jezt an Ithaka's Ufer, Wo Laertaͤs mich mit ſeinem Vermoͤgen erkaufte. Alſo hab 'ich dies Land zuerſt mit Augen geſehen.

Und der goͤttliche Held Oduͤßeus gab ihm zur Antwort: Wahrlich, Eumaios, ich fuͤhl 'es im Innerſten meines Herzens,485 Alles, was du mir jezo von deinen Leiden erzaͤhlt haſt! Aber dir hat doch Zeus bei dem Boͤſen auch Gutes verliehen, Da du, nach großen Leiden, in dieſes guͤtigen Mannes Wohnung kamſt, der dir ſorgfaͤltig zu eßen und trinken Reicht; denn du lebſt hier ganz gemaͤchlich. Aber ich Armer490 Irre, von Stadt zu Stadt vertrieben, Huͤlfe zu ſuchen!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander, Legten ſich dann zur Ruh, nicht lange, ſondern ein wenig; Denn bald roͤthete ſich der Morgen. Aber am Ufer Loͤſten Taͤlemachos Freunde die Segel, ſenkten den Maſtbaum495 Eilend herab, vollendeten dann mit Rudern die Landung, Warfen die Anker aus, und banden mit Seilen das Schiff an. Und nun ſtiegen ſie ſelbſt ans krumme Geſtade des Meeres, Eilten das Mahl zu bereiten, und miſchten des funkelnden Weines. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war,500 Sprach der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos zu der Verſammlung:

Rudert, ihr andern, jezt nach der Stadt mit dem ſchwaͤrzlichem Schiffe; Ich will erſt ein wenig zu meinen Hirten aufs Land gehn. Abends komm 'ich zur Stadt, ſobald ich das Meine beſehen. Morgen daͤcht' ich euch wohl ein gutes Mahl nach der Reiſe505 Vorzuſezen, von Fleiſch und herzerfreuendem Weine.

302Oduͤßee.

Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos gab ihm zur Antwort: Aber wohin geh ich denn, mein Sohn? Zu weßen Palaſte Unter den Maͤnnern, die hier in der felſichten Ithaka herſchen? Geh ich gerade zu deinem und deiner Mutter Palaſte? 510

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Sonſt geboͤt 'ich dir wohl, gerade zu unſerem Hauſe Hinzugehn; auch ſollt' es an nichts gebrechen: doch jezo Wuͤrd 'es dich ſelbſt beſchweren. Denn ich bin fern, und die Mutter Siehet dich nicht; ſie erſcheint nicht oft vor den Freiern im Saale;515 Abgeſondert wirkt ſie im oberen Stock 'ihr Gewebe. Aber ich will indeß dir einen anderen nennen: Geh zu Euruͤmachos hin, des Poluͤbos treflichem Sohne, Welcher jezt, wie ein Gott, in der Ithaker Volke geehrt wird. Und er iſt auch bei weitem der edelſte, wuͤnſcht auch am meiſten520 Meine Mutter zum Weib ', und Oduͤßeus Wuͤrde zu erben. Aber das weiß Kronion, der Gott des hohen Oluͤmpos, Ob vor der Hochzeit noch der boͤſe Tag ſie ereile!

Sprachs; und rechtsher flog ein heilweißagender Vogel, Foͤbos ſchneller Geſandte, der Habicht: zwiſchen den Klauen525 Hielt 'er und rupfte die Taub', und goß die Federn zur Erde Zwiſchen Taͤlemachos nieder und ſeinem ſchwaͤrzlichen Schiffe. Eilend rief Theokluͤmenos ihn von den Freunden beſonders, Faßte des Juͤnglings Hand, und erhub die Stimme der Weisheit:

Juͤngling, nicht ohne Gott flog dir zur Rechten der Vogel;530 Denn ich erkenn 'an ihm die heilweißagenden Zeichen! Außer eurem Geſchlecht' erhebt ſich nimmer ein Koͤnig In der Ithaker Volk; auf euch ruht ewig die Herſchaft!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:303Funfzehnter Geſang. Fremdling, erfuͤlleten doch die Goͤtter, was du geweißagt! 535Dann erkennteſt du bald an vielen und großen Geſchenken Deinen Freund, und jeder Begegnende prieſe dich ſelig!

Alſo ſprach er, und rief dem treuen Gefaͤhrten Peiraios: Klaͤtios Sohn, Peiraios, du biſt von allen Gefaͤhrten, Die mich nach Puͤlos gebracht, mir immer am meiſten gewillfahrt. 540Fuͤhre mir denn auch nun zu deinem Hauſe den Fremdling; Ehr 'und bewirt' ihn dort, bis ich heimkehre, mit Sorgfalt!

Und der lanzenberuͤhmte Peiraios ſagte dagegen; Wenn du auch noch ſo lange, Taͤlemachos, draußen verweileſt, Gerne bewirt 'ich den Gaſt; auch ſoll es an nichts ihm gebrechen! 545

Alſo ſprach er, und trat in das Schiff, und befahl den Gefaͤhrten, Einzuſteigen, und ſchnell die Seile vom Ufer zu loͤſen. Und ſie traten ins Schiff, und ſezten ſich hin auf die Baͤnke.

Aber Taͤlemachos band um die Fuͤße die praͤchtigen Solen, Nahm dann die maͤchtige Lanze, mit ſcharfer eherner Spize,550 Von des Schiffes Verdeck. Die andern loͤſten die Seile, Stießen ab, und fuhren zur Stadt mit dem ſchwaͤrzlichen Schiffe, Wie es Taͤlemachos hieß, der geliebte Sohn von Oduͤßeus. Dieſer eilte von dannen mit hurtigen Fuͤßen zum Hofe, Wo die Heerden der Schwein 'izt ruheten, welche der Sauhirt555 Schuͤzte, der gute Mann, der ſeinen Herren ſo treu war.

304

Oduͤßee. Sechzehnter Geſang.

Fruͤhe bereitete ſchon mit Oduͤßeus trefliche Sauhirt In der Huͤtte das Mahl bei angezuͤndetem Feuer, Sandte darauf die Hirten mit ihren Schweinen zu Felde. Und Taͤlemachos kam; ihn umhuͤpften die wachſamen Hunde Schmeichelnd, und bellten nicht. Der goͤttergleiche Oduͤßeus5 Sah die ſchmeichelnden Hund ', und hoͤrte des Kommenden Fußtritt; Wandte ſich ſchnell zu Eumaios, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Sicher, Eumaios, beſucht dich einer von deinen Geſellen, Oder auch ſonſt ein Bekannter; denn ihn umhuͤpfen die Hunde Schmeichelnd, und bellen nicht; auch hoͤr 'ich des Kommenden Fußtritt. 10

Als er noch redete, ſiehe da ſtand an der Schwelle des Hauſes Sein geliebteſter Sohn. Voll Schrecken erhub ſich der Sauhirt; Seinen Haͤnden entſank das Geſchirr, das er eben gebrauchte, Funkelnden Wein zu miſchen; er eilte dem Fuͤrſten entgegen, Kuͤßte ſein Angeſicht, und beide glaͤnzenden Augen,15 Beide Haͤnde dazu; und Thraͤnen umfloßen ſein Antliz. Wie den geliebten Sohn ein guͤtiger Vater bewillkommt, Ihn, der im zehnten Jahr 'aus fernen Landen zuruͤckkehrt, Ach! den einzigen, ſpaͤtgebornen, mit Kummer erzognen: Alſo umarmte den ſchoͤnen Taͤlemachos jezo der Sauhirt,20305Oduͤßee. Sechzehnter Geſang. Und bedeckt 'ihn mit Kuͤßen, als waͤr' er vom Tod 'erſtanden. Und lautweinend begann er, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Kommſt du, Taͤlemachos, kommſt du, mein ſuͤßes Leben? Ich hoffte Nimmer dich wiederzuſehn, da du nach Puͤlos geſchifft warſt! Komm doch herein, du trautes Kind; daß mein Herz ſich erfreue25 Deines Anblicks, du! der erſt aus der Fremde zuruͤckkommt! Oft beſuchſt du ja nicht uns Hirtenleut 'auf dem Felde, Sondern bleibſt in der Stadt; denn du findeſt ein eignes Vergnuͤgen, Stets den verwuͤſtenden Schwarm der boͤſen Freier zu ſehen!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:30 Vaͤterchen, dieſes geſchehe; denn deinethalben nur komm 'ich, Um dich wieder mit Augen zu ſehn, und von dir zu erfahren: Ob die Mutter daheim noch weile; oder der andern Einen zum Manne gewaͤhlt, und nun das Lager Oduͤßeus, Aller Betten beraubt, von Spinneweben entſtellt ſei? 35

Ihm antwortete drauf der maͤnnerbeherſchende Sauhirt: Allerdings weilt jene mit treuer duldender Seele Noch in deinem Palaſt; und immer ſchwinden in Jammer Ihre Tage dahin, und unter Thraͤnen die Naͤchte!

Alſo ſprach er, und nahm ihm die eherne Lanze, da jener40 Ueber die ſteinerne Schwell 'in ſeine Kammer hineintrat. Vor dem Kommenden wich ſein Vater Oduͤßeus vom Size; Aber Taͤlemachos hielt ihn, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Fremder Mann, bleib ſizen; wir finden in unſerer Wohnung Wohl noch anderswo Plaz; der Mann hier wird mich ſchon ſezen! 45

Sprachs; und Oduͤßeus kam und ſezte ſich. Aber der Sauhirt Breitete gruͤne Zweige fuͤr jenen, und druͤber ein Geisfell;U306Oduͤßee. Hierauf ſezte ſich dann der geliebte Sohn von Oduͤßeus. Und nun tiſchte vor ihnen der Sauhirt Schuͤßeln gebratnes Fleiſches auf, die ſie lezt von der Mahlzeit uͤbrig gelaßen;50 Eilte hinweg, und brachte gehaͤufte Koͤrbe mit Kuchen, Miſchte dann ſuͤßen Wein im großen hoͤlzernen Becher; Hierauf ſezt 'er ſich gegen den goͤttergleichen Oduͤßeus. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Jezo war die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillet;55 Und Taͤlemachos ſprach zu dem edlen Huͤter der Schweine:

Vater, woher kam dieſer Gaſt? Wie brachten die Schiffer Ihn nach Ithaka her? Was ruͤhmen ſich jene vor Leute? Denn unmoͤglich iſt er doch hier zu Fuße gekommen!

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:60 Dieſes will ich dir, Sohn, und nach der Wahrheit erzaͤhlen. Aus dem weiten Gefilde von Kraͤta ſtammet der Fremdling; Viele Staͤdte, ſagt er, der Sterblichen ſei er durchwandert, Seit ihn der Himmliſchen einer, die Welt zu durchfluͤchten, verurtheilt. Jezo entrann er vom Schiffe thesprotiſcher Maͤnner, und eilte65 Her in mein Hirtengeheg '. Ich geb' ihn dir in die Haͤnde: Thue mit ihm, wie du willſt; denn deiner Gnade vertraut er.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Was du mir jezo geſagt, Eumaios, kuͤmmert mich herzlich! Denn wie kann ich den Fremdling in meinem Hauſe bewirten70 Sieh, ich ſelber bin jung, und Staͤrke fehlet den Haͤnden, Abzuwehren den Mann, der ihn zu beleidigen wagte. Aber der Mutter Herz wankt zwiſchen beiden Entſchluͤßen: Ob ſie noch weile bei mir, und meine Guͤter bewahre, Scheuend das Lager des Ehegemahls, und die Stimme des Volkes;75307Sechzehnter Geſang. Oder jezt von den Freiern im Hauſe den tapferſten Juͤngling, Welcher das meiſte geſchenkt, zu ihrem Braͤutigam waͤhle. Aber da dieſer Fremdling zu deiner Huͤtte geflohn iſt, Will ich mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden, Ein zweiſchneidiges Schwert und tuͤchtige Solen ihm ſchenken,80 Und ihn ſenden, wohin es ſeinem Herzen geluͤſtet. Wenn du willſt, ſo behalt 'du und pfleg' ihn hier in der Huͤtte. Ich will Kleider hieher und allerlei Speiſe zum Eßen Senden, daß er nicht dich und deine Freunde beſchwere. Aber dort geſtat 'ich ihm nicht in der Freier Geſellſchaft85 Hinzugehn; ſie ſchalten mit zu unbaͤndiger Frechheit: Daß ſie ihn nicht verhoͤhnen! Es wuͤrde mich aͤußerſt betruͤben! Und ein einzelner Mann kann gegen mehrere wenig, Sei er auch noch ſo ſtark; ſie behalten immer den Vorrang!

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus:90 Lieber, erlaubſt du mir, auch meine Gedanken zu ſagen? Wahrlich mir blutet das Herz vor Mitleid, wenn ich es hoͤre, Wie unbaͤndig und frech in deinem Hauſe die Freier Unfug treiben, und dein, ſolch eines Juͤnglings! nicht achten. Sprich: ertraͤgſt du das Joch freiwillig; oder verabſcheun95 Dich die Voͤlker des Landes, gewarnt durch goͤttlichen Ausſpruch; Oder liegt die Schuld an den Bruͤdern, welchen ein Streiter Sonſt in der Schlacht vertraut, auch wann ſie am hizigſten wuͤtet? Wollten die Goͤtter, ich waͤre ſo jung mit dieſer Geſinnung, Oder ein Sohn von Oduͤßeus, dem Herlichen! oder er ſelber ... V. 100.In der Leidenſchaft, womit Oduͤßeus redet, vergißt er, daß die Worte: oder er ſelber: Verdacht erregen koͤnnen. Aber er beſinnt ſich gleich, und ſezt den folgenden Vers hinzu. Hieraus entſteht natuͤrlich etwas Verwirrung in der Rede.100308Oduͤßee. Kehrete heim der Verirrte; denn noch iſt Hoffnung zur Heimkehr: Siehe ſo ſollte mein Feind das Haupt von der Schulter mir abhaun, Wenn ich nicht zum Verderben der ganzen Raͤubergeſellſchaft Eilt 'in den hohen Palaſt des Laertiaden Oduͤßeus! Und wenn ich einzelner auch von der Menge wuͤrde beſieget;105 O ſo wollt 'ich doch lieber in meinem Hauſe des Todes Sterben, als immerfort den Graͤul der Verwuͤſtungen anſehn: Wie ſie die Fremdlinge dort mishandeln, die Maͤgde des Hauſes Zur abſcheulichen Luſt in den praͤchtigen Kammern umherziehn, Allen Wein ausleeren, und alle Speiſe verpraßen,110 Frech, ohne Maaß, ohne Ziel, mit unerſaͤttlicher Raubgier!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Dieſes will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit erzaͤhlen. Weder das ganze Volk verabſcheut oder verfolgt mich; Noch liegt etwa die Schuld an den Bruͤdern, welchen ein Streiter115 Sonſt in der Schlacht vertraut, auch wann ſie am hizigſten wuͤtet. Denn nur einzeln pflanzte Kronion unſer Geſchlecht fort: Von Arkeiſios war der einzige Erbe Laertaͤs; Und von Laertaͤs wars nur Oduͤßeus; aber Oduͤßeus Zeugte nur mich, den er noch ungenoßen daheim ließ! 120Dieſem erfuͤllen anizt unzaͤhlige Feinde die Wohnung. Alle Fuͤrſten, ſo viel in dieſen Inſeln gebieten, Samaͤ, Dulichion, und der waldbewachsnen Zakuͤnthos, Und ſo viele hier in der felſichten Ithaka herſchen; Alle werben um meine Mutter, und zehren das Gut auf. 125Aber die Mutter kann die aufgedrungne Vermaͤhlung Nicht ausſchlagen, und nicht vollziehn. Nun verpraßen die Schwelger All mein Gut, und werden in kurzem mich ſelber zerreißen! 309Sechzehnter Geſang. Aber dieſes ruhet im Schooße der ſeligen Goͤtter. Vaͤterchen, eile du ſchnell zu der klugen Paͤnelopeia;130 Sag 'ihr, daß ich geſund aus Puͤlos wieder zuruͤckkam. Ich will indeß hier bleiben, bis du heimkehreſt. Doch bring' ihr Ja die Botſchaft allein, und keiner der andern Achaier Hoͤre dich; denn es trachten mir viele das Leben zu rauben!

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:135 Gut, ich verſtehe dich ſchon; das ſind auch meine Gedanken. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Wahrheit: Soll ich auf dieſem Weg 'auch dem armen Laertaͤs die Botſchaft Bringen? welcher bisher, aus Gram um ſeinen Oduͤßeus, Selber das Land beſtellte; doch ſtets mit den Knechten des Hauſes140 und trank, ſo oft die Begierde des Herzens ihn antrieb. Aber ſeit du von hinnen zur goͤttlichen Puͤlos geſchifft warſt, Sagt man, hab 'er nicht mehr gegeßen oder getrunken, Noch auf die Wirtſchaft geſehn: in unaufhoͤrlicher Schwermut Sizt er, und haͤrmt ſich ab, daß die Haut an den Knochen verdorret. 145

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Traurig! doch muͤßen wir jezo in ſeinem Kummer ihn laßen. Denn wenn alles ſogleich, wie es Sterbliche wuͤnſchen, geſchaͤhe; Wahrlich ſo wuͤnſchten wir vor allem des Vaters Zuruͤckkunft! Aber kehre zuruͤck, ſobald du's verkuͤndet, und ſchweife150 Nicht auf dem Lande herum zu jenem. Doch ſage der Mutter, Daß ſie eilend zu ihm die treue Schafnerin heimlich Sende; ſie kann es ja auch dem alten Greiſe verkuͤnden.

Alſo ſprach er, und trieb ihn. Der Sauhirt langte die Solen, Band ſie unter die Fuͤß ', und eilete. Aber Athaͤnaͤ155 Ward des Hirten gewahr, der aus dem Gehege zur Stadt ging,310Oduͤßee. Und ſie nahete ſich, und ſchien nun ploͤzlich ein Maͤdchen, Schoͤngebildet und groß und klug in kuͤnſtlicher Arbeit, Stand an der Thuͤre des Hofs, und erſchien dem edlen Oduͤßeus. Aber Taͤlemachos ſah und merkte nichts von der Goͤttin;160 Denn nicht allen ſichtbar erſcheinen die ſeligen Goͤtter: Nur die Hunde ſahn ſie, und bellten nicht, ſondern entflohen Winſelnd und zitternd vor ihr nach der andern Seite des Hofes. Und ſie winkte; den Wink verſtand der edle Oduͤßeus, Ging aus der Huͤtte hinaus vor die hohe Mauer des Hofes,165 Stellete ſich vor die Goͤttin; da ſagte Pallas Athaͤnaͤ:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Rede mit deinem Sohn, und gieb dich ihm zu erkennen; Daß ihr beide, den Freiern ein blutiges Ende bereitend, Zu der beruͤhmten Stadt der Ithaker wandelt. Ich ſelber170 Werd 'euch nicht lange verlaſſen; mich draͤngt die Begierde des Kampfes.

Alſo ſprach die Goͤttin, und ruͤhrt 'ihn mit goldener Rute. Ploͤzlich umhuͤllte der ſchoͤngewaſchene Mantel und Leibrock Wieder Oduͤßeus Bruſt, und Hoheit ſchmuͤckt' ihn und Jugend; Brauner ward des Helden Geſtalt, und voller die Wangen;175 Und ſein ſilberner Bart zerfloß in finſtere Locken. Hierauf eilte die Goͤttin von dannen. Aber Oduͤßeus Ging zuruͤck in die Huͤtte: mit Staunen erblickte der Sohn ihn, Wandte die Augen hinweg, und fuͤrchtete, daß er ein Gott ſei; Und er redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:180

Anders erſcheinſt du mir jezt, o Fremdling, als vormals, auch haſt du Andere Kleider an; die ganze Geſtalt iſt verwandelt! Wahrlich du biſt ein Gott, des weiten Himmels Bewohner! Sei uns gnaͤdig! Wir wollen auch liebliche Opfer dir bringen,311Sechzehnter Geſang. Und Geſchenke von koͤſtlichem Gold! Erbarme dich unſer! 185

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus: Wahrlich ich bin kein Gott, und keinem Unſterblichen aͤhnlich; Sondern ich bin dein Vater, um den du ſo herzlich dich graͤmeſt, Und ſo viele Schmach von trozigen Maͤnnern erduldeſt.

Alſo ſprach er, und kuͤßte den Sohn; und uͤber die Wange190 Stuͤrzten die Thraͤnen zur Erde, die lange verhaltenen Thraͤnen.

Aber Taͤlemachos ſtand noch ſtaunend, und konnte nicht glauben, Daß es ſein Vater ſei; und nun antwortet 'er alſo:

Nein! du biſt nicht mein Vater Oduͤßeus; ſondern ein Daͤmon Teuſcht mich, daß ich noch mehr mein großes Elend beſeufze. 195Denn kein ſterblicher Mann vermoͤchte mit ſeinem Verſtande, Solch ein Wunder zu thun; ihm huͤlfe denn einer der Goͤtter, Welcher leicht, wie er will, zu Greiſen und Juͤnglingen umſchafft! Siehe nur eben warſt du ein Greis, und haͤßlich bekleidet; Jezo den Goͤttern gleich, die den weiten Himmel bewohnen! 200

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus! Deinen geliebten Vater, Taͤlemachos, welcher nun heimkehrt, Mußt du nicht alzuſehr anſtaunen oder bewundern! Wahrlich in Ithaka kommt hinfort kein andrer Oduͤßeus, Sondern ich bin der Mann, der nach vielem Jammer und Elend205 Endlich im zwanzigſten Jahr 'in ſeine Heimat zuruͤckkehrt. Aber dies iſt das Werk der ſiegenden Goͤttin Athaͤnaͤ, Welche mich, wie ſie will, verwandelt; denn ſie vermag es! Darum erſchein' ich jezo zerlumpt wie ein Bettler, und jezo Wieder in Juͤnglingsgeſtalt, mit ſchoͤnen Gewanden bekleidet. 210Denn leicht koͤnnen die Goͤtter, des weiten Himmels Bewohner, Jeden ſterblichen Mann erniedrigen oder erhoͤhen.

312Oduͤßee.

Alſo ſprach er, und ſezte ſich hin. Da umarmte der Juͤngling Seinen herlichen Vater mit Inbrunſt, bitterlich weinend. Und in beiden erhob ſich ein ſuͤßes Verlangen zu trauren. 215Ach! ſie weineten laut, und klagender noch, als Voͤgel, Als ſcharfklauichte Geier und Habichte, welchen der Landmann Ihre Jungen geraubt, bevor ſie fluͤgge geworden: So zum Erbarmen weinten ſie beide Thraͤnen der Wehmut. Ueber der Klage waͤre die Sonne niedergeſunken,220 Haͤtte Taͤlemachos nicht zu ſeinem Vater geredet:

Und in welcherlei Schiffe, mein Vater, brachten die Schiffer Dich nach Ithaka her? Was ruͤhmen ſich jene vor Leute? Denn unmoͤglich biſt du doch hier zu Fuße gekommen!

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus:225 Dieſes will ich dir, Sohn, und nach der Wahrheit erzaͤhlen. Siehe mich brachte das Schiff der ſegelberuͤhmten Faiaken, Welche jeden geleiten, der kommt und um Huͤlfe ſie anfleht. Dieſe brachten im Schlafe mich uͤber die Wogen, und ſezten Mich in Ithaka aus, und gaben mir theure Geſchenke,230 Erzes und Goldes die Meng ', und ſchoͤngewebete Kleider. Dieſes liegt, nach dem Willen der Goͤtter, in Hoͤhlen verborgen. Aber ich kam hieher auf Befehl der hohen Athaͤnaͤ, Daß wir uns uͤber den Tod der Feindlichgeſinnten berathen. Auf denn, verkuͤndige mir die Zahl der trozigen Freier:235 Daß ich wiße, wie viel 'und was vor Leute ſo trozen. Denn ich muß zuvor in meiner unſtraͤflichen Seele Ueberlegen: ob wir allein, ohn' andere Freunde, Streiten koͤnnen; oder obs noͤthig ſei, Huͤlfe zu ſuchen.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:240313Sechzehnter Geſang. Vater, ich habe viel von dem großen Ruhme gehoͤret Deines Mutes im Kampf, und deiner Weisheit im Rathe. Aber du ſprachſt zu kuͤhn! Ich erſtaune! Wie waͤr 'es doch moͤglich, Daß zween Maͤnner allein ſo viele Starke bekaͤmpften? Siehe der Freier ſind nicht zehn nur, oder nur zwanzig;245 Sondern bei weitem mehr! Berechne du ſelber die Menge: Aus Dulichions Fluren ſind zweiundfunfzig erleſne Mutige Juͤnglinge hier, von ſechs Aufwaͤrtern begleitet; Aus der bergichten Samaͤ ſind vierundzwanzig in allem; Aus Zakuͤnthos Gefilden ſind zwanzig achaiiſche Fuͤrſten;250 Und aus Ithaka ſelbſt ſind zwoͤlfe der tapferſten Maͤnner. Dieſen großen Haufen begleitet Medon der Herold, Und der goͤttliche Saͤnger, und zween erfahrene Koͤche. Wollten wir dieſen allen im Hauſe begegnen; du moͤchteſt Traurig und ſchreckenvoll die Strafe der Trozigen enden. 255Ueberlege vielmehr, ob du noch andere Freunde Finden kannſt, die uns mit freudigem Mute beſchuͤzen.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus: Nun ich verkuͤndige dir, merk auf, und hoͤre die Worte! Denke nach: wird uns Athaͤnaͤ und Vater Kronion260 Gnuͤgen; oder iſts noͤthig, noch andere Huͤlfe zu ſuchen?

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Wahrlich maͤchtige Helfer ſind jene, welche du nenneſt! Denn ſie ſizen hoch in den Wolken, und herſchen mit Almacht Ueber die Menſchen auf Erden, und alle unſterblichen Goͤtter. 265

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus: Dieſe werden gewiß in der ſchrecklichen Stunde des Kampfes Uns nicht lange verlaßen, wann nun in meinem Palaſte314Oduͤßee. Zwiſchen den Freiern und uns die Gewalt des Krieges entſcheidet. Aber gehe du jezo, ſobald der Morgen ſich roͤthet,270 Heim, und bleib 'in dem Schwarm der uͤbermuͤtigen Freier. Dorthin folg' ich dir bald, gefuͤhrt von dem Hirten Eumaios, Und wie ein muͤhebeladner bejahrter Bettler geſtaltet. Werden mich dann im Hauſe die Freier beſchimpfen, ſo dulde Standhaft dein Herz im Buſen, wie ſehr ich beleidiget werde! 275Schleppten ſie auch bei den Fuͤßen mich durch den Saal vor die Hausthuͤr, Oder wuͤrfen nach mir; du mußt geduldig es anſehn! Freilich kannſt du ſie wohl mit freundlichen Worten ermahnen, Ihr ruchloſes Verfahren zu maͤßigen; aber ſie werden Dich nicht hoͤren: denn ſchon naht ihnen der Tag des Verderbens! 280Noch[verkuͤnd ']ich dir dieſes, bewahr' es im innerſten Herzen! Wann die Goͤttin des Raths Athaͤnaͤ mir es gebietet; Siehe dann werd 'ich dir mit dem Haupte winken. So bald du Dieſes ſiehſt, dann nim aus dem Saale die Waffen des Krieges,V. 284.Die Waffen hingen an den Waͤnden des Maͤnnerſaals, und fuͤr die Spieße war ein Behaͤltniß an einer Seule. Außer dem gemauerten Heerde hatte man noch tragbare Feuerfaͤßer, auf welchen man zum Leuchten Kienhoͤlzer brannte. Und verwahre ſie alle im Winkel des oberen Soͤllers. 285Aber erkundigen ſich die Freier, wo ſie geblieben; Dann beſaͤnftige ſie mit guten Worten: Ich trug ſie Aus dem Rauche hinweg; denn ſie ſehn den alten nicht aͤhnlich, Wie ſie Oduͤßeus einſt, gen Troja ſchiffend, zuruͤckließ! Sondern ſind ganz entſtellt von dem rußichten Dampfe des Feuers. 290Und noch ein Groͤßeres gab Kronion mir zu bedenken: Daß ihr nicht etwa im Rauſch euch zankt, und einander verwundet, Und die Freuden des Mahls und die Liebe zu Penelopeia315Sechzehnter Geſang. Blutig entweiht; denn ſelbſt das Eiſen ziehet den Mann an! Aber uns beiden laß zwei Schwerter unten im Saale295 Und zween Speere zuruͤck, und zween ſtierlederne Schilde; Daß wir beim Ueberfall ſie ergreifen. Jene wird ſicher Pallas Athaͤnaͤ verblenden, und Zeus allwaltende Vorſicht! Noch verkuͤnd 'ich dir dieſes, bewahr es im innerſten Herzen! Biſt du wirklich mein Sohn, und unſers edlen Gebluͤtes;300 So erfahre von dir kein Menſch, daß Oduͤßeus daheim ſei: Nicht Laertaͤs einmal darfs wißen, oder der Sauhirt, Keiner auch von dem Geſinde, ja ſelbſt nicht Paͤnelopeia; Sondern nur ich und du: damit wir der Weiber Geſinnung Pruͤfen, auch unſere Knechte zugleich ein wenig erforſchen,305 Wo man uns beide noch mit treuem Herzen verehret, Oder wer untreu ward, und deine Ehre dir weigert.

Und ſein treflicher Sohn Taͤlemachos ſagte dagegen: Vater, ich hoffe, du ſollſt mein Herz hinfuͤhro noch naͤher Kennen lernen; ich bin nicht unvorſichtig und ſorglos! 310Aber ich glaube doch nicht, daß dieſe Pruͤfung uns beiden Auch im mindeſten nuͤze. Denn uͤberlege nur ſelber: Lange gingſt du umher, wenn du die Werke der Maͤnner Nahe belauſchen wollteſt; indeß verſchwelgen die andern Ruhig in deinem Palaſt und ohne Scheu dein Vermoͤgen. 315Zwar der Weiber Geſinnung zu pruͤfen, rath 'ich dir ſelber: Wer dich im Hauſe verachtet, und wer unſtraͤflich geblieben. Aber daß wir die Maͤnner auf allen Hoͤfen erforſchen, Dieſes wuͤnſcht' ich nicht; verſpar 'es lieber auf kuͤnftig, Wenn du wirklich ein Zeichen vom großen Kronion geſehn haſt. 320

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. 316Oduͤßee. Aber Taͤlemachos Freunde, die ihn von Puͤlos geleitet, Steurten nach Ithaka's Stadt mit dem ſchoͤngezimmerten Schiffe. Als ſie jezo die Bucht des tiefen Hafens erreichten, Zogen ſie eilend das ſchwaͤrzliche Schiff ans hohe Geſtade;325 Ihre Geraͤthe trugen die ſtolzen Diener von dannen. Und ſie brachten in Kluͤtios Haus die ſchoͤnen Geſchenke, Sandten dann einen Herold voran zu des edlen Oduͤßeus Hauſe, um Botſchaft zu bringen der klugen Paͤnelopeia, Daß ihr Sohn auf dem Lande ſei, und dem Schiffe befohlen,330 Nach der Stadt zu fahren: damit vor Kummer des Herzens Nicht die hohe Fuͤrſtin ihr Antliz mit Thraͤnen benezte. Dieſem begegnete jezo der edle Huͤter der Schweine; Beide gingen, der Mutter die ſelbige Botſchaft zu bringen.

Als ſie jezo ins Haus des goͤttlichen Koͤniges kamen,335 Hub der Herold an vor allen Maͤgden, und ſagte:

Fuͤrſtin, dein lieber Sohn iſt jezo wieder gekommen! Aber der Sauhirt trat zu Paͤnelopeia, und ſagte Alles, was ihm ihr Sohn befohlen hatte zu ſagen. Und nachdem er der Fuͤrſtin Taͤlemachos Worte verkuͤndigt,340 Eilt 'er zuruͤck zu den Schweinen, den Hof des Hauſes verlaßend.

Aber die Freier wurden beſtuͤrzt und niedergeſchlagen; Und ſie gingen hinaus vor die hohe Mauer des Hofes, Alda ſezten ſie ſich rathſchlagend nieder am Thore. Und des Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſprach zur Verſammlung:345

Lieben, ein großes Werk hat Taͤlemachos kuͤhnlich vollendet, Dieſe Reiſe! Wir dachten, er wuͤrde ſie nimmer vollenden! Aber wohlan, man ziehe das beßte der ſchwaͤrzlichen Schiffe In das Meer, und ruͤſt 'es mit Ruderern, daß ſie den andern317Sechzehnter Geſang. Schnell die Botſchaft verkuͤnden, um eilig wiederzukehren. 350

Alſo ſprach er; und ſiehe Amfinomes wandte ſein Antliz Gegen den tiefen Hafen, und ſahe das Schiff in der Muͤndung, Sahe die Segel geſenkt, und die Ruder in eilenden Haͤnden; Und mit herzlicher Lache begann er zu ſeinen Geſellen:

Keiner ferneren Botſchaft bedarf es; ſie ſind ſchon zu Hauſe! 355Ihnen verkuͤndete dieſes ein Himmliſcher; oder ſie ſelber Sahn das ſegelnde Schiff, und vermochten es nicht zu erreichen!

Sprachs; da erhuben ſie ſich, und gingen zum Ufer des Meeres, Zogen dann eilend das ſchwaͤrzliche Schiff ans hohe Geſtade; Ihre Geraͤthe trugen die ſtolzen Diener zu Hauſe. 360Aber ſie ſelber eilten zum Markt; und keinen der andern Ließen ſie unter ſich ſizen, der Juͤnglinge oder der Greiſe. Und Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:

Wunder! wie haben die Goͤtter doch den vom Verderben errettet! Tages ſtellten wir Spaͤher umher auf die luftigen Hoͤhen,365 Immer andre nach andern; und wann die Sonne ſich ſenkte, Ruhten wir nimmer die Nacht auf dem Lande, ſondern im Meere Kreuzten wir mit dem Schiff, und harrten der heiligen Fruͤhe, Auf Taͤlemachos laurend, damit wir ihn fingen und heimlich Toͤdteten. Aber ihn fuͤhrte der Himmliſchen einer zu Hauſe! 370Nun ſo wollen wir hier auf den Tod des Taͤlemachos ſinnen! Laßt ihn ja nicht entfliehn! Denn ich fuͤrchte, ſo lange der Juͤngling Lebt, wir werden nimmer zu unſerem Zwecke gelangen. Denn er ſelber kennt ſchon alle Kuͤnſte der Klugheit, Und die Voͤlker ſind uns nicht mehr ſo gaͤnzlich gewogen. 375Aber wohlan, bevor er zur allgemeinen Verſammlung Rufe das Volk der Achaier; denn ſaͤumen wird er gewiß nicht,318Oduͤßee. Sondern im heftigen Zorn aufſtehen, und allen verkuͤnden, Wie wir ihn zu ermorden geſucht, und wie er entflohn ſei. Dieſe werden die That nicht loben, wann ſie ihn hoͤren;380 Ja ſie koͤnnten uns gar mishandeln, und aus dem Lande Unſerer Vaͤter uns alle zu fremden Voͤlkern verjagen. Darum laßt uns zuvor ihn toͤdten, fern auf dem Lande, Oder auch auf dem Wege! Die Guͤter behalten wir ſelber, Alles unter uns theilend nach Billigkeit; aber die Haͤuſer385 Geben wir ſeiner Mutter, und wen ſie zum Braͤutigam waͤhlet. Misfaͤllt aber mein Rath der Verſammlung, und wuͤnſchet ihr lieber, Daß Taͤlemachos leb ', und des Vaters Erbe behalte; Nun ſo laßt uns nicht laͤnger in ſolcher großen Verſammlung Seine koͤſtlichen Schaͤze verpraßen; ſondern es werbe390 Jeder außer dem Hauſe mit Brautgeſchenken; ſie aber Waͤhle den Mann, der am meiſten ihr ſchenkt, und dem ſie beſchert iſt.

Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen. Endlich erhub ſich und ſprach Amfinomos vor der Verſammlung, Niſos ruͤhmlicher Sohn, des araͤtiadiſchen Koͤnigs;395 Der aus des weizenreichen Dulichions gruͤnen Gefilden War der erſte der Freier, und deßen Rede der Fuͤrſtin Noch am meiſten gefiel; denn edel war ſeine Geſinnung: Dieſer erhub ſich, und ſprach wohlmeinend zu der Verſammlung:

Lieben, ich wuͤnſchte nicht, daß wir Taͤlemachos heimlich400 Toͤdteten; fuͤrchterlich iſt es, ein Koͤnigsgeſchlecht zu ermorden! Aber laßt uns zuvor der Goͤtter Willen erforſchen. Wann der ewige Rath des großen Kronions es billigt, Dann ermord 'ich ihn ſelber, und rath' es jedem der andern: Aber verbieten es uns die Goͤtter, dann rath 'ich zu ruhen. 405

319Sechzehnter Geſang.

Alſo ſprach er, und allen gefiel Amfinomos Rede. Schnell erhuben ſie ſich, und gingen zur Wohnung Oduͤßeus, Kamen, und ſezten ſich nieder auf ſchoͤngebildete Throne.

Aber jezo beſchloß die kluge Paͤnelopeia, Sich zu zeigen den Freiern voll uͤbermuͤtiger Bosheit. 410Denn ſie vernahm des Sohnes Gefahr in ihren Gemaͤchern; Medon der Herold entdeckte ſie ihr, der die Freier belauſchet. Und ſie ging zu dem Saale, von ihren Maͤgden begleitet. Als das goͤttliche Weib die Freier jezo erreichte, Stand ſie ſtill an der Schwelle des ſchoͤnen gewoͤlbeten Saales;415 Ihre Wangen umwallte der feine Schleier des Hauptes. Und ſie redet 'Antinoos an mit ſcheltenden Worten:

Tuͤckiſcher frecher Empoͤrer Antinoos, nennen doch alle Dich in Ithaka's Volke den beßten deiner Geſpielen An Verſtand und Reden; allein du wareſt es nimmer! 420Raſender, ſprich, was ſuchſt du Taͤlemachos Tod und Verderben; Und verachteſt die Stimme der Leidenden, deren Kronion Waltet? Es iſt ja Suͤnde, das Ungluͤck andrer zu ſuchen! Weißt du nicht mehr, wie einſt dein Vater flehend zu uns kam, Von dem Volke geſchreckt? Denn ſie waren heftig erbittert,425 Weil er die Raͤuberſchiffe der Tafier hatte begleitet, Und die Thesproten beraubt, die Genoßen unſeres Bundes. Toͤdten wollten ſie ihn, und ſein Herz dem Buſen entreißen, Und auspluͤndern den reichen Palaſt voll koͤſtlicher Guͤter; Aber Oduͤßeus hielt ſie zuruͤck, und ſtillte den Aufruhr. 430Und nun entehrſt du ſein Haus durch Schwelgen, wirbſt um die Gattin, Toͤdteſt ſein einziges Kind, und meine Seele betruͤbſt du. Aber ich rathe dir jezt, halt ein, und zaͤhme die andern!

320Oduͤßee.

Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſagte dagegen: O Ikarios Tochter, du kluge Paͤnelopeia,435 Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern! Wahrlich er lebt nicht der Mann, und wird nicht leben noch aufſtehn, Welcher an deinen Sohn Taͤlemachos Hand anlege, Nimmer, ſo lang 'ich leb', und mein Auge die Erde noch ſchauet! Denn ich ſage hier frei, und werd 'es wahrlich erfuͤllen:440 Schnell wird ſein ſchwarzes Blut an meiner Lanze herunter Triefen! Auch mir hat oft der Staͤdteverwuͤſter Oduͤßeus, Sizend[auf] ſeinem Schooß, ein Stuͤck gebratenes Fleiſches In die Haͤnde gegeben, und rothen Wein mir gereichet. Drum iſt Taͤlemachos mir von allen Menſchen der liebſte;445 Und ich ſag 'es, er ſoll ſich durchaus vor dem Tode nicht fuͤrchten, Von den Freiern: allein von Gott iſt er unvermeidlich!

Alſo ſprach er ihr zu, und dacht 'ihn ſelbſt zu ermorden. Jene ſtieg hinauf in den praͤchtigen Soͤller, und weinte Ihren trauten Gemahl Oduͤßeus, bis ihr Athaͤnaͤ450 Sanft mit ſuͤßem Schlummer die Augenlieder bedeckte.

Abends kam zu Oduͤßeus und ſeinem Sohne der Sauhirt. Dieſe ſtanden jezt, und bereiteten aͤmſig die Mahlzeit, Da ſie ein jaͤhriges Schwein geopfert. Aber Athaͤnaͤ Hatte zuvor ſich genaht dem Laertiaden Oduͤßeus,455 Ihn mit der Rute geruͤhrt, und wieder zum Greiſe verwandelt, Und mit ſchmuzigen Lumpen bekleidet: daß ihn der Sauhirt Nicht erkennte, und dann mit uͤberwallendem Herzen Liefe, die Botſchaft zu bringen der keuſchen Paͤnelopeia.

Und Taͤlemachos rief dem kommenden Hirten entgegen:460 Kommſt du, edler Eumaios? Was hoͤrt man in Ithaka Neues? 321Sechzehnter Geſang. Ob wohl die mutigen Freier vom Hinterhalte zuruͤck ſind, Oder ob ſie noch immer auf mich heimkehrenden lauren?

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Hierum hab 'ich mich nicht bekuͤmmert, die Stadt zu durchwandern,465 Und die Leute zu fragen; es lag mir naͤher am Herzen, Da ich die Botſchaft gebracht, aufs eiligſte wiederzukehren. Doch begegnete mir von deinen Gefaͤhrten ein Herold, Der auch deiner Mutter zuerſt die Botſchaft verkuͤndet. Noch ein anderes weiß ich, das ſah ich ſelber mit Augen. 470Dießeits uͤber der Stadt, dicht an dem hermeiiſchen Huͤgel,V. 471.Die Stadt lag Samaͤ gegenuͤber am Fuße des Gebirgs Naͤion, wo - von ein Huͤgel, wie es ſcheint, Hermaͤs dem Vorſteher der Wege geweiht war. War ich bereits gekommen; da ſah ich in unſerem Hafen Landen ein hurtiges Schiff, mit vielen Maͤnnern geruͤſtet, Und mit Schilden beſchwert und langen doppelten Lanzen. Und ich meinte, ſie warens; allein ich weiß es nicht ſicher. 475

Alſo ſprach er; da blickte Taͤlemachos heilige Staͤrke Laͤchelnd den Vater an, doch unbemerkt von Eumaios. Als ſie die Arbeit jezo vollbracht, und die Speiſe bereitet, Theilten ſie alles gleich, und labten ihr Herz an dem Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war,480 Legten ſie ſich zur Ruh, und genoßen die Gabe des Schlafes.

X322

Oduͤßee. Siebzehnter Geſang.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Stand Taͤlemachos auf, der Sohn des großen Oduͤßeus, Band die ſchoͤnen Solen ſich unter die glaͤnzenden Fuͤße, Nahm dann die maͤchtige Lanze, die ſeinen Haͤnden gerecht war, Hinzugehn in die Stadt, und ſprach zum Huͤter der Schweine:5

Vaͤterchen, ich will jezt in die Stadt gehn, daß mich die Mutter Wiederſehe; denn eher, beſorg 'ich, ruhet ſie ſchwerlich Von dem bangen Gewinſel und ihrer thraͤnenden Wehmut, Bis ſie mich ſelber ſieht. Dir aber, Eumaios, befehl' ich: Fuͤhr 'ihn auch zu der Stadt, den ungluͤckſeligen Fremdling,10 Daß er ſich Nahrung bettle; ihm gebe jeder nach Willkuͤhr Etwas Broſam und Wein. Ich kann unmoͤglich mir aller Menſchen Laſt aufbuͤrden, mich druͤckt ſchon Kummer die Menge. Duͤnkt ſich der Fremdling etwa durch dieſe Worte beleidigt, Deſto ſchlimmer fuͤr ihn; ich rede gerne die Wahrheit. 15

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Lieber, ich ſelbſt begehre nicht laͤnger hier zu verweilen. Leichter wirds, in der Stadt, als auf dem Lande, dem Bettler, Seine Nahrung zu finden; mir gebe jeder nach Willkuͤhr. Denn mein Alter verſtatet mir nicht, auf dem Lande zu bleiben,20323Oduͤßee. Siebzehnter Geſang. Und die Dienſte zu thun, die mir ein Schaffner geboͤte. Gehe denn. Dieſer Mann wird mich nachfuͤhren, ſobald ich Mich am Feuer gewaͤrmt, und die Sonne hoͤher geſtiegen. Dieſe Lumpen bedecken mich nur! Die Kaͤlte des Morgens Moͤchte mir ſchaden; ihr ſagt ja, die Stadt ſei ferne von hinnen. 25

Alſo ſprach er. Taͤlemachos ging aus der Pforte des Hofes, Eilte mit hurtigen Fuͤßen, und ſann auf der Freier Verderben. Als er jezo erreichte die ſchoͤngebauete Wohnung, Stellt 'er die Lanze hin an eine ragende Seule, Ueberſchritt dann ſelber die ſteinerne Schwelle des Saales. 30

Ihn erblickte zuerſt die Pflegerin Euruͤkleia, Welche mit Fellen bedeckte die kuͤnſtlich gebildeten Throne. Weinend lief ſie gerad 'auf ihn zu; es draͤngten ſich um ihn Auch die uͤbrigen Maͤgde des leidengeuͤbten Oduͤßeus, Hießen ihn froh willkommen, und kuͤßten ihm Schultern und Antliz. 35Jezo ging aus der Kammer die kluge Paͤnelopeia, Artemis gleich an Geſtalt und der goldenen Afroditaͤ; Und mit Thraͤnen ſchlang ſie den lieben Sohn in die Arme, Kuͤßte ſein Angeſicht, und beide glaͤnzenden Augen, Und begann lautweinend, und ſprach die gefluͤgelten Worte:40

Kommſt du, Taͤlemachos, kommſt du, mein ſuͤßes Leben. Ich hoffte Nimmer dich wiederzuſehn, da du ohne mein Wißen und Wollen Warſt gen Puͤlos geſchifft, den lieben Vater zu ſuchen! Aber verkuͤndige mir, was du auf der Reiſe geſehn haſt!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:45 Mutter, erinnre mich nicht an meinen Kummer, und reize Nicht zur Klage mein Herz, da ich kaum dem Verderben entflohn bin. Sondern bade dich erſt, und lege reine Gewand 'an. 324Oduͤßee. Steig 'in das Obergemach, von deinen Maͤgden begleitet, Und gelobe den Goͤttern, vollkommene Hekatomben50 Darzubringen, wenn Zeus doch endlich Rache vergoͤlte. Aber ich ſelber will zum Markte gehen, den Fremdling Einzuladen, der mir hieher aus der Fremde gefolgt iſt. Dieſen ſandt 'ich voran mit meinen edlen Gefaͤhrten, Und befahl Peiraios, ihn mit nach Hauſe zu nehmen55 Und ſorgfaͤltig zu pflegen, bis ich heimkehrte vom Lande.

Alſo ſprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde. Jene badete ſich, und legte reine Gewand 'an, Und gelobte den Goͤttern, vollkommene Hekatomben Darzubringen, wenn Zeus doch endlich Rache vergoͤlte. 60

Aber Taͤlemachos ging, mit ſeiner Lanze geruͤſtet, Aus dem Palaſt; es begleiteten ihn ſchnellfuͤßige Hunde. Siehe mit himmliſcher Anmut umſtralt 'ihn Pallas Athaͤnaͤ, Daß die Voͤlker alle dem kommenden Juͤnglinge ſtaunten. Um ihn verſammelten ſich die uͤbermuͤtigen Freier,65 Die viel gutes ihm ſagten, und boͤſes im Herzen gedachten. Aber Taͤlemachos mied der Heuchler dichtes Gedraͤnge, Und ging hin zu Mentor und Antifos und Halitherſaͤs, Welche von Anbeginn des Vaters Freunde geweſen, Sezte bei ihnen ſich nieder; und dieſe fragten nach allem. 70

Ihnen nahte ſich jezo der lanzenberuͤhmte Peiraios, Welcher den Gaſt durch die Stadt zur Verſammlung fuͤhrte; und laͤnger Saͤumte Taͤlemachos nicht, er eilte dem Fremdling 'entgegen. Ihn ermahnte zuerſt mit dieſen Worten Peiraios:

Eile, Taͤlemachos, Maͤgde nach meinem Hauſe zu ſenden,75 Um die Geſchenke zu holen, die dir Menelaos geſchenkt hat.

325Siebzehnter Geſang.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Freund, wir wißen ja nicht, welch Ende die Sache gewinne! Wenn mich in meinem Hauſe die uͤbermuͤtigen Freier Heimlich ermorden, und dann mein vaͤterlich Erbe ſich theilen;80 Will ich doch lieber, daß du, als ein anderer, jenes beſize. Wenn es mir aber gelingt, ſie mit blutigem Tode zu ſtrafen; Siehe dann magſt du es froͤhlich zum Hauſe des Froͤhlichen bringen.

Sprachs, und fuͤhrte zu Hauſe den ungluͤckſeligen Fremdling. Als ſie jezo erreichten die ſchoͤngebauete Wohnung85 Legten ſie ihre Maͤntel auf praͤchtige Seßel und Throne, Gingen und badeten ſich in ſchoͤngeglaͤtteten Wannen. Als die Maͤgde ſie jezo gebadet, mit Oele geſalbet, Und mit wollichten Mantel und Leibrock hatten bekleidet; Stiegen ſie aus dem Bad ', und ſezten ſich nieder auf Seßel. 90Eine Dienerin trug in der ſchoͤnen goldenen Kanne Ueber dem ſilbernen Becken das Waßer, beſtroͤmte zum Waſchen Ihnen die Haͤnd ', und ſtellte vor ſie die geglaͤttete Tafel. Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf, Und der Gerichte viel aus ihrem geſammelten Vorrat. 95Gegenuͤber ſaß auf dem Ruheſeßel die Mutter An der Schwelle des Saals, und drehte die zierliche Spindel. Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle. Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speiſe geſtillt war, Da begann das Geſpraͤch die kluge Paͤnelopeia:100

Sohn, ich muß wohl wieder in meine Kammer hinaufgehn, Auf dem Lager zu ruhn, dem jammervollen, das immer Meine Thraͤnen benezen, ſeitdem der edle Oduͤßeus Mit den Atreiden gen Ilion zog; denn du findeſt Bedenken,326Oduͤßee. Ehe der Freier Schwarm zum Freudengelage zuruͤckkehrt,105 Mir zu erzaͤhlen, was du von deinem Vater gehoͤrt haſt!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Gerne will ich dir, Mutter, die lautere Wahrheit verkuͤnden. Siehe wir ſchifften gen Puͤlos, zu Neſtor, dem Hirten der Voͤlker. Freundlich empfing mich dieſer in ſeinem hohen Palaſte,110 Und bewirtete mich mit ſo geſchaͤftiger Liebe, Als ein Vater den Sohn, der ſpaͤt aus der Fremde zuruͤckkehrt: So viel Liebe genoß ich von ihm und den treflichen Soͤhnen. Doch von dem leidengeuͤbten Oduͤßeus hatte der Koͤnig Nicht das geringſte gehoͤrt; ob er todt ſei, oder noch lebe. 115Aber zu Atreus Sohn Menelaos dem lanzenberuͤhmten Sandt 'er mit Roßen mich hin und einem zierlichen Wagen: Wo ich Argos Helena ſah, um welche die Troer Und Argeier ſo viel, nach dem Rath der Goͤtter, erduldet. Und mich fragte ſogleich der Rufer im Streit Menelaos,120 Was mich zu kommen genoͤthigt zur goͤttlichen Stadt Lakedaimon. Und ich erzaͤhlte darauf umſtaͤndlich die ganze Geſchichte. Nun antwortete mir der Held Menelaos, und ſagte:

O ihr Goͤtter, ins Lager des uͤbergewaltigen Mannes Wollten jene ſich legen, die feigen verworfenen Menſchen! 125Aber wie wenn in den Dickicht des ſtarken Loͤwen die Hirſchkuh Ihre ſaugenden Jungen, die neugeborenen, hinlegt, Dann auf den Bergen umher und kraͤuterbewachſenen Thaͤlern Weide ſucht; und jener darauf in ſein Lager zuruͤckkehrt, Und den Zwillingen beiden ein ſchreckliches Ende bereitet:130 So wird jenen Oduͤßeus ein ſchreckliches Ende bereiten. Wenn er, o Vater Zeus, Athaͤnaͤ und Foͤbos Apollon! 327Siebzehnter Geſang. Doch in jener Geſtalt, wie er einſt in der fruchtbaren Lesbos Sich mit Filomaͤleidaͤs zum Wetteringen emporhub, Und auf den Boden ihn warf, daß alle Achaier ſich freuten;135 Wenn doch in jener Geſtalt Oduͤßeus den Freiern erſchiene! Bald waͤr 'ihr Leben gekuͤrzt, und ihnen die Heirat verbittert! Aber warum du mich fragſt und bitteſt, das will ich geradaus, Ohn' Umſchweife, dir ſagen, und nicht durch Luͤgen dich teuſchen; Sondern was mir der wahrhafte Greis des Meeres geweißagt,140 Davon will ich kein Wort dir bergen oder verhehlen. Jener hatt 'auf der Inſel den jammernden Helden geſehen, In dem Hauſe der Nuͤmfe Kaluͤpſo, die mit Gewalt ihn Haͤlt; und er ſehnt ſich umſonſt nach ſeiner heimiſchen Inſel: Denn es gebricht ihm dort an Ruderſchiffen und Maͤnnern,145 Ueber den weiten Ruͤcken des Meeres ihn zu geleiten.

Alſo verkuͤndigte mir Menelaos der lanzenberuͤhmte. Als ich dieſes vollendet, da kehrt 'ich von dannen: die Goͤtter Sandten mir guͤnſtigen Wind, und fuͤhrten mich bald zu der Heimat.

Alſo ſprach er; ihn hoͤrte mit inniger Ruͤhrung die Mutter. 150Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos redete jezo.

Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus, Jener wußte nicht alles; vernim, was ich dir verkuͤnde: Denn ich will dir genau weißagen, und nichts dir verhehlen. Zeus von den Goͤttern bezeug 'es, und dieſe gaſtliche Tafel,155 Und Oduͤßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe: Daß Oduͤßeus ſchon im Vaterlande verborgen Sizet, oder geheim umherſchleicht, dieſe Verwuͤſtung Unterſucht, und den Freiern ein ſchreckliches Ende bereitet. Dieſes erſah ich, ſizend im ſchoͤngebordeten Schiffe,160328Oduͤßee. Aus des Vogels Fluge, und ſagt 'es Taͤlemachos heimlich.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Fremdling, erfuͤlleten doch die Goͤtter, was du geweißagt! Dann erkennteſt du bald an vielen und großen Geſchenken Deine Freundin, und jeder Begegnende prieſe dich ſelig! 165

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Aber vor dem Palaſte Oduͤßeus ſchwaͤrmten die Freier, Und beluſtigten ſich, die Scheib 'und die Lanze zu werfen, Auf dem geebneten Plaz, wo ſie ſonſt Mutwillen veruͤbten. Jezo kam die Stunde des Mahls, und die Hirten vom Felde170 Brachten den taͤglichen Zoll des auserleſenſten Maſtviehs. Da ſprach Medon zu ihnen, der Herold, welcher am meiſten Unter den Freiern galt, und ihrer Schmaͤuſe Genoß war:

Juͤnglinge, da ihr euch alle mit edlen Spielen erfreuet, Geht nun wieder ins Haus, und bereitet die koͤſtliche Mahlzeit;175 Denn es iſt nicht uͤbel, zur rechten Stunde zu eßen.

Alſo ſprach er; da ſtanden ſie auf, und folgten dem Herold. Alſ ſie jezo erreichten die ſchoͤngebauete Wohnung, Legten ſie ihre Maͤntel auf praͤchtige Seßel und Throne, Schlachteten große Schafe zum Mahl, und gemaͤſtete Ziegen,180 Schlachteten fette Schwein 'und eine Kuh von der Weide. Und bereiteten eilig die Mahlzeit. Aber vom Landhof Eilt' Oduͤßeus zur Stadt und der edle Huͤter der Schweine. Alſo begann das Geſpraͤch der maͤnnerbeherſchende Sauhirt:

Fremdling, weil du denn doch in die Stadt zu gehen verlangeſt,185 Heute noch, wie mein Herr es dir befohlen; (ich wuͤnſchte Freilich, du waͤreſt hier als Huͤter der Hofes geblieben; Aber ich ſcheue mich, und fuͤrchte, Taͤlemachos moͤchte329Siebzehnter Geſang. Nachmals ſchelten; und kraͤnkend ſind doch die Verweiſe der Herren!) Auf denn, ſo wollen wir gehen! Die groͤßte Haͤlfte des Tages190 Iſt dahin, und die Kaͤlte wird gegen Abend noch ſtrenger.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Gut, ich verſtehe dich ſchon, das ſind auch meine Gedanken. Laß uns denn gehen, und du ſei mein Begleiter und Fuͤhrer. Haſt du auch einen Stab zurecht geſchnitten, ſo gieb ihn195 Mir zur Stuͤze; ihr ſagt ja, der Weg ſei rauh und gefaͤhrlich.

Alſo ſprach er, und haͤngt 'um die Schulter den haͤßlichen Ranzen, Allenthalben geflickt, mit einem geflochtenen Tragband; Einen bequemen Stab zur Stuͤze gab ihm Eumaios; Und ſie gingen. Den Hof bewachten indeßen die Hunde200 Und die uͤbrigen Hirten; und dieſer fuͤhrte den Koͤnig, Der, wie ein alter Mann und muͤhebeladener Bettler, Wankend am Stabe ſchlich, mit haͤßlichen Lumpen bekleidet.

Als die Wandernden jezo auf ihrem hoͤckrichten WegeV. 204.Der Weg ging uͤber das Gebirge Naͤriton oder Naͤion. Die Quelle, welche die Stadt mit Waßer verſorgte, war von Pterelaos drei Soͤhnen, den er - ſten Bevoͤlkerern der Inſel, geſchmuͤckt und geheiligt worden. Nahe kamen der Stadt, am ſchoͤngebaueten Brunnen,205 Welchem die Buͤrger der Stadt das klare Waßer entſchoͤpften; (Ithakos hatt 'ihn gebaut und Naͤritos und Poluͤktor: Ringsum war ein Hain von waßerliebenden Pappeln In die Runde gepflanzt, und hoch von Felſen herunter Schaͤumte das kalte Waßer; ein Altar ſtand auf der Hoͤhe,210 Wo die Wanderer alle den Nuͤmfen pflegten zu opfern:) Da erreichte ſie Dolios Sohn, der Hirte Melantheus, Welcher die treflichſten Ziegen der ganzen Heerde den Freiern330Oduͤßee. Brachte zum Schmaus; es begleiteten ihn zween andere Hirten. Als ſie dieſer erblickte, da ſtieß er mit ſchreiender Stimme215 Freche Schmaͤhungen aus, und reizte die Seele des Koͤnigs:

Wahrlich das heißt wohl recht, ein Taugenicht fuͤhret den andern! Wie geſellet doch Gott beſtaͤndig Gleiche zu Gleichen! Sprich, wo fuͤhrſt du den Hungrigen hin, nichtswuͤrdiger Sauhirt, Dieſen beſchwerlichen Bettler, der ſchmierigen Brocken Verſchlinger,220 Welcher von Thuͤre zu Thuͤr 'an den Pfoſten die Schulter ſich reibet, Und ſich Kruͤmchen erbettelt, nicht Schwerter noch eherne Keßel! V. 222.Edle Fremdlinge wurden anſtaͤndig bewirtet, und mit Schwertern und Keßeln beſchenket.Gaͤbeſt du mir den Kerl zum Huͤter meines Geheges, Daß er die Staͤlle fegt ', und Laub vortruͤge den Zicklein; Molken ſollt' er mir ſaufen, um Fleiſch auf die Lenden zu kriegen! 225Aber da er nun nichts als Bubenſtuͤke gelernt hat, Wird er nicht gern arbeiten, und lieber das Land durchſtreichen, Seinen gefraͤßigen Leib mit Bettelbrote zu ſtopfen. Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet: Kommt er je in das Haus des goͤttergleichen Oduͤßeus,230 Hageln werden die Schemel im Saal aus den Haͤnden der Maͤnner Rings um ſein Haupt, und die Ecken an ſeinen Rippen zerſtoßen!

Alſo ſprach er, und kam und ſtieß mit der Ferſe vor Bosheit Ihm in die Seit '; allein er wankte nicht aus dem Wege, Sondern ſtand unerſchuͤttert. Nun uͤberlegte Oduͤßeus:235 Ob er auf ihn mit dem Stab 'anrennt', und das Leben ihm raubte; Oder ihn hoch erhuͤb ', und ſein Haupt auf den Boden zerknirſchte: Doch er bezwang ſein Herz, und duldete. Aber der Sauhirt331Siebzehnter Geſang. Schalt ihn ins Antliz, und betete laut mit erhobenen Haͤnden:

Nuͤmfen des heiligen Quells, Zeus Toͤchter! Hat jemals Oduͤßens240 Lenden mit Fette bedeckt von jungen Ziegen und Laͤmmern Euch zur Ehre verbrannt; ſo erfuͤllt mein heißes Verlangen: Daß heimkehre der Held, und ihn ein Himmliſcher fuͤhre! O dann wuͤrd 'er dir bald die hohen Gedanken vertreiben, Welche du Troziger jezo hegſt, da du immer die Stadt durch245 Irrſt, indeß die Heerde von boͤſen Hirten verderbt wird!

Und der Ziegenhirte Melanthios gab ihm zur Antwort! Goͤtter, was plaudert er da, der Hund voll haͤmiſcher Tuͤcke! Ha! ich werd 'ihn noch einſt im ſchwarzen geruͤſteten Schiffe Fern von Ithaka bringen, damit ich ihn theuer verkaufe! 250Toͤdtete doch ſo gewiß der ſilberne Bogen Apollons, Oder der Freier Gewalt, Taͤlemachos heut im Palaſte; Als Oduͤßeus ferne von ſeiner Heimat dahinſank!

Alſo ſprach er, und eilte voran; ſie folgten ihm langſam. Und mit hurtigen Schritten erreicht 'er des Koͤniges Wohnung,255 Ging gerade hinein, und ſezte ſich unter die Freier, Gegen Euruͤmachos uͤber; denn dieſen liebt 'er am meiſten. Vor ihn legten ein Theil des Fleiſches die hurtigen Diener; Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tiſchte das Brot auf; Und er . Nun kam mit Oduͤßeus der trefliche Sauhirt260 Nahe; ſie ſtanden ſtill. Der hohlen Harfe Getoͤn ſcholl Ihnen melodiſch entgegen; denn Faͤmios hub den Geſang an. Und Oduͤßeus faßte die Hand des Hirten, und ſagte:

Wahrlich, Eumaios, dies iſt die praͤchtige Wohnung Oduͤßeus! Dieſe wuͤrde man leicht auch unter vielen erkennen! 265Zimmer ſtehen auf Zimmern; den Hof umſchließet die ſchoͤne332Oduͤßee. Zinnenbefeſtigte Mauer mit einem doppelten ſtarken Fluͤgelthor; ſie vermoͤchte wohl ſchwerlich ein Mann zu erobern! Auch bemerk 'ich dieſes, daß viele Maͤnner ein Gaſtmahl Drinnen begehn; denn es duftet von Speiſen umher, und die Harfe270 Toͤnet, welche die Goͤtter dem Mahl zur Freundin verliehen.

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Richtig bemerkſt du, da dirs auch ſonſt an Verſtande nicht fehlet. Aber wir wollen anizt nachdenken, wie wir es machen. Geh du entweder zuerſt in die ſchoͤngebauete Wohnung275 Unter den Haufen der Freier; ſo wart 'ich hier noch ein wenig: Oder willſt du, ſo bleib; und ich will erſtlich hineingehn. Aber zoͤgere nicht; hier draußen moͤchte dich jemand Schlagen oder auch werfen. Dies uͤberlege nun ſelber.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus:280 Gut, ich verſtehe dich ſchon, dies ſind auch meine Gedanken. Gehe denn erſt hinein; ich warte hier noch ein wenig. Denn ich verſtehe mich auf Schlaͤg 'und Wuͤrfe ſo ziemlich, Und nicht ſchwach iſt mein Herz. Ich habe ſchon vieles erduldet, Schrecken des Meers und des Kriegs; ſo mag auch dies noch geſchehen! 285Aber man kann unmoͤglich die Wut des hungrigen Magens Baͤndigen, welcher den Menſchen ſo vielen Kummer verurſacht! Ihn zu beſaͤnftigen, gehn ſelbſt ſchoͤngezimmerte Schiffe Ueber das wilde Meer, mit Schrecken des Krieges geruͤſtet!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. 290Aber ein Hund erhob auf dem Lager ſein Haupt und die Ohren, Argos: welchen vordem der leidengeuͤbte Oduͤßeus Selber erzog; allein er ſchiffte zur heiligen Troja, Eh er ſeiner genoß. Ihn fuͤhrten die Juͤnglinge vormals333Siebzehnter Geſang. Immer auf wilde Ziegen und fluͤchtige Haſen und Rehe:295 Aber jezt, da ſein Herr entfernt war, lag er verachtet Auf dem großen Haufen vom Miſte der Maͤuler und Rinder, Welcher am Thore des Hofes gehaͤuft ward, daß ihn Oduͤßeus Knechte von dannen fuͤhren, des Koͤniges Aecker zu duͤngen; Hier lag Argos der Hund, von Ungeziefer zerfreßen. 300Dieſer, da er nun endlich den nahen Oduͤßeus erkannte, Wedelte zwar mit dem Schwanz, und ſenkte die Ohren herunter; Aber er war zu ſchwach, ſich ſeinem Herren zu naͤhern. Und Oduͤßeus ſah es, und trocknete heimlich die Thraͤne, Unbemerkt von Eumaios, und fragete ſeinen Begleiter:305

Wunderbar iſt es, Eumaios, daß dieſer Hund auf dem Miſte Liegt! Sein Koͤrper iſt ſchoͤn von Bildung; aber ich weiß nicht, Ob er mit dieſer Geſtalt auch ſchnell im Laufe geweſen, Oder ſo, wie die Hund 'um der Reichen Tiſche gewoͤhnlich Sind; denn ſolche Herren erziehn ſie bloß zum Vergnuͤgen. 310

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Freilich! denn dies iſt der Hund des ferne geſtorbenen Mannes. Waͤr 'er derſelbige noch an Geſtalt und mutigen Thaten, Als wie Oduͤßeus ihn, gen Troja ſchiffend, zuruͤckließ; Sicherlich wuͤrdeſt du jezo die Kraft und die Schnelle bewundern! 315Trieb er ein Wildpret auf im dichtverwachſenen Waldthal, Nimmer entfloh es ihm; denn er war auch ein weidlicher Spuͤrhund. Aber nun liegt er im Elend hier; denn fern von der Heimat Starb ſein Herr, und die Weiber, die faulen, verſaͤumen ihn gaͤnzlich. Das iſt die Art der Bedienten: Sobald ihr Herr ſie nicht antreibt,320 Werden ſie traͤge zum Guten, und gehn nicht gern an die Arbeit. Zeus allwaltender Rath nimt ſchon die Haͤlfte der Tugend334Oduͤßee. Einem Manne, ſobald er die heilige Freiheit verlieret.

Alſo ſprach er, und ging in die ſchoͤngebauete Wohnung, Eilte dann grad 'in den Saal zu den uͤbermuͤtigen Freiern. 325Aber Argos umhuͤllte der ſchwarze Schatten des Todes, Da er im zwanzigſten Jahr 'Oduͤßeus wieder geſehen.

Jenen ſahe zuerſt Taͤlemachos, goͤttlich von Bildung, Durch den Palaſt herwandeln, den treflichen Hirten; er winkt 'ihm Eilig, und rief ihn heran. Der ringsumſchauende Sauhirt330 Nahm den ledigen Stuhl, worauf der Zerleger geſeßen, Welcher den Freiern im Saale die Menge des Fleiſches zertheilte; Dieſen trug er von dannen, und ſtellt 'ihn Taͤlemachos Tafel Gegenuͤber, und ſezte ſich drauf; dann brachte der Herold Ihm ein Theil des Fleiſches, und gab ihm Brot aus dem Korbe. 335

Lange ſaß er noch nicht; da trat in die Wohnung Oduͤßeus, Der, wie ein alter Mann und muͤhebeladener Bettler, Wankend am Stabe ſchlich, mit haͤßlichen Lumpen bekleidet. Dieſer ſezte ſich hin auf die eſchene Schwelle der Pforte, An die zipreßene Pfoſte den Ruͤcken lehnend, die vormals340 Kuͤnſtlich der Meiſter gebildet, und nach dem Maße der Richtſchnur. Und Taͤlemachos rief dem edlen Hirten der Schweine, Gab ihm ein ganzes Brot aus dem ſchoͤngeflochtenen Korbe, Und des Fleiſches ſoviel, als er mit den Haͤnden umfaßte:

Bringe dieſes dem Fremdlinge hin, und ſag 'ihm, er moͤchte345 Selber bei allen Freiern im Saale bittend umhergehn; Denn die Bloͤdigkeit iſt dem darbenden Manne nicht heilſam.

Sprachs; und der Sauhirt ging, ſobald er die Rede vernommen, Trat vor Oduͤßeus hin, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Fremdling, Taͤlemachos ſendet dir dies, und ſaget, du moͤchteſt350335Siebzehnter Geſang. Selber bei allen Freiern im Saale bittend umhergehn; Denn die Bloͤdigkeit ſei dem darbenden Manne nicht heilſam.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Segne, du herſchender Zeus, Taͤlemachos unter den Maͤnnern, Und vollend 'ihm alles, was ſeine Seele begehret! 355

Alſo ſprach er, empfing es mit beiden Haͤnden, und legt 'es Dort vor den Fuͤßen nieder auf ſeinen haͤßlichen Ranzen; Und dann er, ſolange das Lied des Saͤngers ertoͤnte. Als er jezo geſpeiſt, da ſchwieg auch der goͤttliche Saͤnger. Aber die Freier durchlaͤrmten den Saal; und Pallas Athaͤnaͤ360 Nahte ſich abermal dem Laertiaden Oduͤßeus, Und ermahnt 'ihn, ſich Broſam von allen Freiern zu ſammeln, Daß er die mildegeſinnten und ungerechten erkennte; Dennoch ſollte nicht Einen die ſchreckliche Rache verſchonen! Und er wandte ſich rechts, und trat zu jeglichem Manne,V. 365.Er ging von der Linken zur Rechten, der guten Vorbedeutung we - gen. Auch der Wein ward ſo herumgereicht, daß er den Gaͤſten, die ihr Geſicht nach dem Schenken gekehrt hatten, in eben der Richtung, wie ein gluͤcklicher Vo - gel kam.365 Reichte flehend die Hand, als haͤtt 'er ſchon lange gebettelt. Jene gaben ihm mitleidsvoll, und fragten, verwundert Ueber des Bettlers Geſtalt: wer er waͤr', und von wannen er kaͤme. Und der Ziegenhirte Melanthios ſprach zur Verſammlung:

Hoͤret mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin,370 Wegen des Fremdlings hier. Ich hab 'ihn nur eben geſehen; Denn er ging zu der Stadt, und der Sauhirt war ſein Geleiter. Aber das weiß ich nicht, von welchem Geſchlecht er ſich ruͤhme.

Sprachs; und Antinoos ſchalt den edlen Hirten der Schweine:336Oduͤßee. Warum fuͤhrteſt du dieſen zur Stadt, du beruͤchtigter Sauhirt? 375Irren nicht etwa genug Landſtreicher vor unſeren Thuͤren, Solche beſchwerliche Bettler und ſchmieriger Brocken Verſchlinger? Oder glaubſt du, hier fehl 'es an Gaͤſten, welche die Guͤter Deines Herren verſchlingen; daß du auch dieſen noch herrufſt?

Ihm antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine:380 Edel, Antinoos, biſt du; allein du redeſt nicht ſchicklich. Denn wer gehet wohl aus, und ladet ſelber den Fremdling, Wo er nicht etwa im Volk durch nuͤzliche Kuͤnſte beruͤhmt iſt, Als den erleuchteten Seher, den Arzt, den Meiſter des Baues, Oder den goͤttlichen Saͤnger, der uns durch Lieder erfreuet? 385Dieſe laden die Menſchen in allen Landen der Erde. Aber den Bettler, der nur belaͤſtiget, luͤde wohl Niemand! Doch beſtaͤndig warſt du, vor allen Freiern, Oduͤßeus Knechten hart, und mir am haͤrteſten; aber mich kuͤmmerts Nicht: denn ſiehe noch lebt die kluge Paͤnelopeia390 Und ihr goͤttlicher Sohn Taͤlemachos in dem Palaſte!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Vaͤterchen, laß das ſein! Was giebſt du ihm vieles zur Antwort? Denn das war ja beſtaͤndig Antinoos boͤſe Gewohnheit: Hart und beleidigend redet er ſelbſt, und verfuͤhrt auch die andern! 395

Und zu Antinoos ſprach er die ſchnell gefluͤgelten Worte: Traun! wie ein Vater des Sohns, Antinoos, walteſt du meiner, Da du befiehlſt, den Fremdling mit harten Worten gewaltſam Aus dem Hauſe zu treiben! Das wolle Gott nicht gefallen! Nim und gieb ihm; ich ſehe nicht ſcheel, ich heiß 'es dir ſelber! 400Scheue dich hierin auch nicht vor meiner Mutter, noch jemand Unter den Leuten im Hauſe des goͤttergleichen Oduͤßeus! 337Siebzehnter Geſang. Aber dein Herz bekuͤmmern nicht ſolche Gedanken; du willſt nur Lieber alles allein aufſchlingen, als etwas verſchenken.

Und Antinoos rief, und gab ihm dieſes zur Antwort:405 Juͤngling von troziger Red 'und verwegenem Mute, was ſagſt du? Schenkten ſo vieles, wie ich, ihm auch die uͤbrigen Freier, In drei Monden wuͤrd' er dies Haus nicht wieder beſuchen!

Alſo ſprach er, und hob den Schemel unter dem Tiſche Drohend empor, auf welchem die Fuͤße des ſchmauſenden ruhten. 410Aber die andern gaben ihm all', und fuͤllten den Ranzen Ihm mit Fleiſch und Brot. Und jezo wollte Oduͤßeus Wieder zur Schwelle gehn, der Achaier Geſchenke zu koſten; Aber er ſtellte ſich erſt vor Antinoos Tafel, und ſagte:

Lieber, beſchenke mich auch! Du ſcheinſt mir nicht der geringſte,415 Sondern ein edler Achaier, du haſt ein koͤniglich Anſehn: Darum mußt du mir auch mehr Speiſe geben, als andre; Und ich werde dein Lob in allen Landen verkuͤnden. Denn auch ich war ehmals ein gluͤcklicher Mann, und Bewohner Eines reichen Palaſtes, und gab dem irrenden Fremdling420 Oftmals, wer er auch war, und welche Noth ihn auch draͤngte; Und unzaͤhliche Knechte beſaß ich, und andere Guͤter, Die man zum Ueberfluß und zur Pracht der Reichen erfodert. Aber das nahm mir Zeus nach ſeinem heiligen Rathſchluß; Denn er verleitete mich, mit kuͤſtenumirrenden Raͤubern425 Weit nach Aiguͤptos zu ſchiffen, um mein Verderben zu finden. Und ich legte die Schiff 'im Strom Aiguͤptos vor Anker; Dringend ermahnt' ich jezo die lieben Reiſegefaͤhrten, An dem Geſtade zu bleiben, und unſere Schiffe zu huͤten,Y338Oduͤßee. Und verſendete Wachen umher auf die Hoͤhen des Landes. 430Aber ſie wurden vom Troz und Uebermute verleitet, Daß ſie ohne Verzug der Aiguͤpter ſchoͤne Gefilde Pluͤnderten, ihre Weiber gefangen fuͤhrten, die Maͤnner Und unmuͤndigen Kinder ermordeten. Und ihr Geſchrei kam Schnell in die Stadt. Sobald der Morgen ſich roͤthete, zogen435 Streiter zu Roß und zu Fuße daher, und vom blizenden Erze Stralte das ganze Gefilde. Der Donuerer Zeus Kronion Sendete meinen Gefaͤhrten die ſchaͤndliche Flucht, und es wagte Keiner dem Feinde zu ſtehn; denn ringsum drohte Verderben. Viele toͤdteten ſie mit ehernen Lanzen, und viele440 Schleppten ſie lebend hinweg zu harter ſklaviſcher Arbeit. Aber nach Kuͤpros ſchenkten ſie mich dem begegnenden Fremdling Dmaͤtor, Jaſos Sohne, dem maͤchtigen Herſcher in Kuͤpros. Und von dannen komm 'ich nun hier, mit Kummer beladen.

Und Antinoos rief, und gab ihm dieſes zur Antwort:445 Welch ein Himmliſcher ſtraft uns mit dieſer Plage des Gaſtmahls? Stelle dich dort in die Mitte, und hebe dich weg von der Tafel, Daß du mir nicht ein herbes Aiguͤptos und Kuͤpros erblickeſt! Ha du biſt mir der frechſte, der unverſchaͤmteſte Bettler! Gehſt nach der Reihe bei allen umher; und ohne Bedenken450 Geben ſie dir! Wozu auch ſo ſparſam, oder ſo aͤngſtlich, Fremdes Gut zu verſchenken, wo man ſo reichlich verſorgt iſt!

Weichend erwiederte drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Goͤtter, wie wenig gleichen dein Herz und deine Geſtalt ſich! Von dem Deinigen ſchenkſt du dem Darbenden ſchwerlich ein Salzkorn,455 Da du an fremdem Tiſche dich nicht erbarmeſt, ein wenig Mir von der Speiſe zu geben, womit du ſo reichlich verſorgt biſt!

339Siebzehnter Geſang.

Alſo ſprach er; da ward Antinoos Herz noch erboßter; Drohend blickt 'er ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Nun ſo ſollſt du gewiß aus dieſem Saale nicht wieder460 Unbeſchaͤdigt entrinnen, da du noch Schmaͤhungen redeſt!

Sprachs, und warf mit dem Schemel die rechte Schulter Oduͤßeus Dicht am Gelenke des Halſes. Er aber ſtand, wie ein Felſen, Feſt, und wankte nicht von Antinoos maͤchtigem Wurfe; Sondern ſchuͤttelte ſchweigend das Haupt, und ſann auf Verderben;465 Ging dann zur Schwelle zuruͤck, und ſezte ſich, legte den Ranzen Voll von Speiſe nieder, und ſprach zu der Freier Verſammlung:

Hoͤret mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin, Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet. Nicht der mindeſte Schmerz noch Kummer beuget die Seele470 Eines Mannes, der, ſtreitend fuͤr ſeine Guͤter, vom Feinde Wunden empfaͤngt, fuͤr die Heerden der Rinder und wollichten Schafe: Doch Antinoos warf mich wegen des traurigen Hungers, Welcher den elenden Menſchen ſo vielen Kummer verurſacht! Aber beſchuͤzt auch die Armen der Goͤtter und Goͤttinnen Rache,475 Dann ereile der Tod Antinoos vor der Vermaͤhlung!

Und Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort: Fremdling, ſize geruhig und , oder gehe von hinnen; Daß dich die Juͤnglinge nicht bei den Haͤnden und Fuͤßen, du Schwaͤzer, Durch den Palaſt fortſchleppen, und deine Glieder zerreißen! 480

Alſo ſprach er; allein die uͤbrigen zuͤrnten ihm heftig. Alſo redete mancher der uͤbermuͤtigen Freier:

Uebel, Antinoos, thatſt du, den armen Fremdling zu werfen! Ungluͤckſeliger! wenn er nun gar ein Himmliſcher waͤre! Denn oft tragen die Goͤtter entfernter Fremdlinge Bildung;485340Oduͤßee. Unter jeder Geſtalt durchwandeln ſie Laͤnder und Staͤdte, Daß ſie den Frevel der Menſchen und ihre Froͤmmigkeit ſchauen.

Alſo ſprachen die Freier; allein er verachtete ſolches. Aber Taͤlemachos ſchwoll das Herz von großer Betruͤbniß, Als er ihn warf: doch nezt 'ihm keine Thraͤne die Wangen;490 Sondern er ſchuͤttelte ſchweigend das Haupt, und ſann auf Verderben.

Auch in der Kammer vernahm es die kluge Paͤnelopeia, Als man ihn warf im Saal, und redete unter den Weibern:

Alſo treffe dich ſelbſt der bogenberuͤhmte Apollon! Aber die Schaffnerin Euruͤnomaͤ gab ihr zur Antwort:495

Ja! wenn die Sache mein Kind, nach unſern Wuͤnſchen geſchaͤhe, Keiner von dieſen erlebte die goldene Roͤthe des Morgens!

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Mutter, verhaßt ſind mir alle, denn alle trachten nach Ungluͤck! Aber Antinoos gleicht doch am meiſten dem ſchwarzen Verhaͤngniß! 500Denn es wanket im Saal ein ungluͤckſeliger Fremdling Bittend umher bei den Maͤnnern; ihn zwingt der aͤußerſte Mangel. Und die uͤbrigen fuͤllten ihm alle den Ranzen mit Gaben; Er nur warf ihm am Halſ 'auf die rechte Schulter den Schemel.

Alſo redete ſie, umringt von dienenden Weibern,505 Sizend in ihrer Kammer. Nun der edle Oduͤßeus; Und ſie berief zu ſich den edlen Hirten, und ſagte:

Eile ſchnell in den Saal, Eumaios, und heiße den Fremdling Zu mir kommen. Ich moͤcht 'ihn ein wenig ſprechen und fragen: Ob er etwa gehoͤrt von dem leidengeuͤbten Oduͤßeus,510 Oder ihn ſelber geſehn; denn er ſcheint viel Laͤnder zu kennen.

Ihr antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Schwiegen nur die Achaier, o Koͤnigin, drinnen im Saale,341Siebzehnter Geſang. Wahrlich er wuͤrde dein Herz durch ſeine Reden erfreuen! Denn ich hatt 'ihn bei mir drei Tag' und Naͤcht 'in der Huͤtte,515 Wo er zuerſt ankam, nachdem er vom Schiffe geflohn war; Und doch hat er mir nicht ſein Leiden alles erzaͤhlet. So aufmerkſam ein Mann den gottbegeiſterten Saͤnger Anſchaut, welcher die Menſchen mit reizenden Liedern erfreuet; Voller Begierde horcht die Verſammlung ſeinem Geſange:520 Eben ſo ruͤhrt 'er mein Herz, da er bei mir ſaß in der Huͤtte. Und er ſaget, er ſei durch ſeinen Vater ein Gaſtfreund Von Oduͤßeus, und wohne in Kraͤta, Minos Geburtsland; Und von dannen komm' er nun hier, durch mancherlei Truͤbſal Weiter und weiter gewaͤlzt; auch hab 'er gehoͤrt, daß Oduͤßeus525 Nahe bei uns im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner Leb ', und mit großem Gut heimkehre zu ſeinem Palaſte.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Geh, und ruf ihn hieher, damit er mir ſelber erzaͤhle. Jene moͤgen indeß vor der Thuͤre ſizen und ſcherzen,530 Oder auch dort im Saale, da ihre Herzen vergnuͤgt ſind. Denn ihr eigenes Gut liegt unverſehrt in den Haͤuſern, Speiſe und ſuͤßer Wein, und naͤhret bloß[das] Geſinde. Aber ſie ſchalten von Tage zu Tag 'in unſerem Hauſe, Schlachten unſere Rinder und Schaf' und gemaͤſteten Ziegen535 Fuͤr den uͤppigen Schmaus, und ſchwelgen im funkelnden Weine Ohne Scheu; und alles wird leer: denn es fehlt uns ein ſolcher Mann, wie Oduͤßeus war, die Plage vom Hauſe zu wenden. Kaͤm 'Oduͤßeus zuruͤck in ſeine Heimat, er wuͤrde Bald mit ſeinem Sohne den Frevel der Maͤnner beſtrafen! 540

Alſo ſprach ſie; da nieſte Taͤlemachos laut, und ringsum342Oduͤßee. Scholl vom Getoͤſe der Saal. Da laͤchelte Paͤnelopeia, Wandte ſich ſchnell zu Eumaios, und ſprach die gefluͤgelten Worte;

Gehe mir gleich in den Saal, Eumaios, und rufe den Fremdling! Siehſt du nicht, wie mein Sohn mir alle Worte benieſt hat? V. 545.Das Nieſen war vorbedeutend. Hier bekraͤftigte es Paͤnelopeiens Worte, und zwar alle, weil es ſie nicht unterbrach, ſondern gleich darauf folgte.545Ja nun werde der Tod das unvermeidliche Schickſal Aller Freier, und keiner entfliehe dem blutigen Tode! Eins verkuͤnd 'ich dir noch, bewahre dieſes im Herzen: Wann ich merke, daß jener mir lautere Wahrheit erzaͤhlet, Will ich mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden. 550

Sprachs; und der Sauhirt eilte, ſobald er die Rede vernommen, Trat vor Oduͤßeus hin, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Fremder Vater, dich laͤßt die kluge Paͤnelopeia Rufen, Taͤlemachos Mutter; denn ihre Seele gebeut ihr, Wegen des Mannes zu fragen, um den ſie ſo herzlich betruͤbt iſt. 555Wann ſie merkt, daß du ihr lautere Wahrheit erzaͤhleſt, Will ſie mit Rock und Mantel dich kleiden, die du am meiſten Noͤthig haſt. Denn Speiſe, den Hunger zu ſtillen, erlangſt du Leicht durch Betteln im Volk; es gebe dir jeder nach Willkuͤhr.

Ihm antwortete drauf der herliche Dulder Oduͤßeus:560 Gern erzaͤhlt 'ich nun gleich, Eumaios, die lautere Wahrheit Vor Ikarios Tochter, der klugen Paͤnelopeia. Denn viel weiß ich von ihm: wir duldeten gleiches Verhaͤngniß. Aber ich fuͤrchte nur der boͤſen Freier Verſammlung, Deren Troz uud Gewalt den eiſernen Himmel erreichet. 565Denn jezt eben, da jener mich warf, daß der Schmerz mich betaͤubte, Mich, der kein Boͤſes that, und bittend im Saale herumging;343Siebzehnter Geſang. Hat mich Taͤlemachos weder, noch irgend ein andrer vertheidigt. Sage denn Paͤnelopeien, ſie moͤcht 'in ihren Gemaͤchern Harren, wie ſehr ſie verlangt, bis erſt die Sonne geſunken. 570Alsdann frage ſie mich nach ihres Mannes Zuruͤckkunft, Nahe beim Feuer mich ſezend; denn meine Kleider ſind elend. Dieſes weißt du auch ſelbſt; du warſt mein erſter Beſchuͤzer.

Sprachs; und der Sauhirt eilte, ſobald er die Rede vernommen. Als er die Schwelle betrat, da fragte Paͤnelopeia:575

Bringſt du ihn nicht, Eumaios? Warum bedenkt ſich der Fremdling? Haͤlt ihn etwa die Furcht vor Gewaltthat, oder die Scham ab, Durch den Palaſt zu gehn? Ein ſchamhafter Bettler iſt elend!

Ihr antworteteſt du, Eumaios, Huͤter der Schweine: Was er ſagt, hat Grund; ſo wuͤrd 'auch ein Anderer denken,580 Um den Troz zu vermeiden der uͤbermuͤtigen Maͤnner. Darum, bittet er, harre, bis erſt die Sonne geſunken. Auch fuͤr dich ſelber iſt der Abend bequemer, o Fuͤrſtin, Daß du den fremden Mann allein befrageſt und hoͤreſt.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:585 Wer der Fremdling auch ſei, ſo denkt er nicht unvernuͤnftig; Denn an keinem Orte, den ſterbliche Menſchen bewohnen, Ueben trozige Maͤnner ſo ausgelaßene Graͤuel!

Alſo redete ſie. Drauf ging der trefliche Sauhirt Zu der Freier Verſammlung, da ſein Gewerbe beſtellt war;590 Und er neigte das Haupt zu Taͤlemachos, redete leiſe, Daß es die andern nicht hoͤrten, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, ich gehe nun weg, die Schwein 'und das Andre zu huͤten, Dein und mein Vermoͤgen; du ſorg' indeßen fuͤr dieſes. Aber vor allen erhalte dich ſelbſt, und ſiehe dich wohl vor,595344Oduͤßee. Siebzehnter Geſang. Daß dir kein Boͤſes geſchehe; denn viele ſinnen auf Ungluͤck. Doch Zeus rotte ſie aus, bevor ſie uns Schaden bereitet!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Vaͤterchen, alſo geſchehe; doch warte bis gegen den Abend. Morgen fruͤh komm wieder, und bring die gemaͤſteten Opfer;600 Fuͤr das Uebrige laß mich und die Unſterblichen ſorgen.

Sprachs; und der Sauhirt ſezte ſich auf den zierlichen Seßel. Und nachdem er ſein Herz mit Trank und Speiſe geſaͤttigt, Eilt 'er zuruͤck zu den Schweinen, den Hof des Hauſes verlaßend, Wo die ſchwelgenden Freier ſich ſchon beim Tanz und Geſange605 Freuten; denn jezo neigte der Tag ſich gegen den Abend.

345

Oduͤßee. Achzehnter Geſang.

Jezo kam ein Bettler von Ithaka, welcher die Gaßen Haus bei Haus durchlief, ein weitberuͤchtigter Vielfraß: Immer fuͤllt 'er den Bauch mit Eßen und Trinken, und hatte Weder Staͤrke noch Kraft, ſo groß auch ſeine Geſtalt war. Dieſer hieß Arnaios; denn alſo nannt' ihn die Mutter5 Bei der Geburt: allein die Juͤnglinge nannten ihn Iros, Weil er gerne mit Botſchaft ging, wenn es einer verlangte. Dieſer kam, Oduͤßeus von ſeinem eigenen Hauſe Wegzutreiben; er ſchalt ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Geh von der Thuͤre, du Greis, daß man nicht beim Fuße dich ſchleppe! 10Merkſt du nicht, wie man rings mit den Augenwimpern mir zuwinkt, Dich von hinnen zu ſchleppen? Allein ich ſcheue mich dennoch. Auf denn! oder es kommt noch zwiſchen uns beiden zum Fauſtkampf!

Zuͤrnend ſchaute auf ihn und ſprach der weiſe Oduͤßeus: Elender, hab 'ich doch nimmer mit Wort oder That dich beleidigt! 15Auch misgoͤnn 'ichs dir nicht, wie viel dir einer auch ſchenke. Und die Schwelle hat Raum fuͤr uns beide. Du mußt nicht ſo neidiſch Sehn bei Anderer Milde; du ſcheinſt mir ein irrender Fremdling, Eben wie ich; der Reichthum koͤmmt von den ſeligen Goͤttern. Aber fodre mich nicht ſo uͤbermuͤtig zum Fauſtkampf:20346Oduͤßee. Daß ich nicht zuͤrn ', und dir, troz meines Alters, mit Blute Bruſt und Lippen beſudle! Dann ſaͤß' ich morgen vermutlich Noch geruhiger hier; denn ſchwerlich kehrteſt du jemals Wieder zuruͤck in das Haus des Laertiaden Oduͤßeus!

Und mit zuͤrnendem Blick antwortete Iros der Bettler:25 All' ihr Goͤtter, wie raſch der verhungerte Bettler da plappert; Recht wie ein Heizerweib! Ich moͤcht 'es ihm uͤbel gedenken, Rechts und links ihn zerdroͤſchen, und alle Zaͤhn' aus dem Maul 'ihm Schlagen, wie einer Sau, die fremde Saaten verwuͤſtet! Auf, und guͤrte dich jezo, damit ſie alle des Kampfes30 Zeugen ſein! Wie willſt du des Juͤngeren Staͤrke beſtehen?

Alſo zankten ſie ſich vor der hohen Pforte des Saales, Auf der geglaͤtteten Schwelle, mit heftig erbitterten Worten, Ihre Worte vernahm Antinoos heilige Staͤrke, Und mit herzlicher Lache begann er unter den Freiern:35

So was, ihr Lieben, iſt uns bisher noch nimmer begegnet! Welche Freude beſchert uns Gott in dieſem Palaſte! Jener Fremdling und Iros, die fodern ſich jezo einander Zum Fauſtkampfe heraus. Kommt eilig, wir wollen ſie hezen!

Alſo ſprach er; und ſchnell erhuben ſich alle mit Lachen,40 Und verſammelten ſich um die ſchlechtgekleideten Bettler. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:

Hoͤret, was ich euch ſage, ihr edelmuͤtigen Freier! Hier ſind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefuͤllet, Die wir zum Abendſchmauſ 'auf gluͤhende Kohlen geleget. 45Wer nun am tapferſten kaͤmpft, und ſeinen Gegner beſieget; Dieſer waͤhle ſich ſelbſt die beßte der bratenden Wuͤrſte. Kuͤnftig find 'er auch immer an unſerem Mahle ſein Antheil,347Achzehnter Geſang. Und kein anderer Bettler ſoll dieſe Schwelle betreten.

Alſo ſprach er; und allen gefiel Antinoos Rede. 50Liſtenſinnend begann der erfindungsreiche Oduͤßeus:

Lieben, ich alter Mann, durch ſo viel Elend entkraͤftet, Kann unmoͤglich die Staͤrke des juͤngeren Mannes beſtehen. Aber mich zwingt der Hunger, die haͤrteſten Schlaͤge zu dulden! Nun wohlan! verheißt mir denn alle mit heiligem Eidſchwur,55 Daß nicht Iros zu Liebe mich einer mit nervichter Rechte Freventlich ſchlagen will, ihm ſeinen Sieg zu erleichtern.

Alſo ſprach er; und alle beſchwuren, was er verlangte. Und die heilige Kraft Taͤlemachos redete jezo:

Fremdling, gebeut es dein Herz und deine mutige Seele,60 Treib 'ihn getroſt hinweg, und fuͤrchte der andern Achaier Keinen! Wer dich verlezt, der hat mit mehren zu kaͤmpfen! Dein Beſchuͤzer bin ich, und beide verſtaͤndige Fuͤrſten Hegen, Antinoos dort und Euruͤmachos, gleiche Geſinnung.

Seine Rede lobten die uͤbrigen. Aber Oduͤßeus65 Guͤrtete ſich um die Scham mit ſeinen Lumpen, und zeigte Schoͤne ruͤſtige Lenden; auch ſeine nervichten Arme Wurden entbloͤßt, die Bruſt, und die breite Schulter; Athaͤnaͤ Schmuͤckt 'unſichtbar mit Kraft und Groͤße den Hirten der Voͤlker. Aber die Freier alle umſtaunten die Wundererſcheinung;70 Einer wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Iros, der arme Iros bereitet ſich wahrlich ein Ungluͤck! Welche fleiſchichte Lende der Greis aus den Lumpen hervorſtreckt!

Alſo ſprachen die Freier; und Iros ward uͤbel zu Mute. Aber es guͤrteten ihn mit Gewalt die Diener, und fuͤhrten75 Ihn wie er zitterte fort, und ſein Fleiſch umbebte die Glieder. 348Oduͤßee. Und Antinoos ſchalt ihn, und ſprach mit drohender Stimme:

Waͤrſt du doch todt, Großpraler, ja waͤrſt du nimmer geboren, Da du vor dieſem ſo bebſt, und ſo entſezlich dich anſtellſt, Vor dem alten Manne, den mancherlei Elend geſchwaͤcht hat! 80Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet: Schlaͤgt dich dieſer zu Boden, und geht als Sieger vom Kampfplaz; Siehe dann ſend 'ich dich gleich im ſchwarzen Schiffe zum Koͤnig Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menſchengeſchlechtes:V. 84.Die Epirer waren das aͤußerſte Volk, das Homer jenſeits der Thespro - ten am adriatiſchen Meerbuſen kannte, und wohin noch wenig Menſchlichkeit ge - kommen war. Man erzaͤhlt, Echetos habe ſeine Tochter, wegen einer Liebesge - ſchichte, geblendet und eiſerne Gerſtenkoͤrner malen laſſen, und ihrem Liebhaber das gethan, was hier dem Bettler gedroht wird. Daß er dir Naſ 'und Ohren mit grauſamen Erze verſtuͤmmle,85 Und die entrißene Scham den Hunden gebe zu freßen!

Sprachs; da zitterte jener noch ſtaͤrker an Haͤnden und Fuͤßen. Aber ſie fuͤhrten ihn hin; und beide erhuben die Faͤuſte. Nun rathſchlagte bei ſich der herliche Dulder Oduͤßeus: Ob er ihn ſchluͤge, daß gleich auf der Stelle ſein Leben entfloͤhe;90 Oder mit ſanftem Schlage nur bloß auf den Boden ihn ſtreckte. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte: Sanft zu ſchlagen, um nicht den Achaiern Verdacht zu erwecken. Iros ſchlug mit der Fauſt die rechte Schulter Oduͤßeus; Dieſer ihm unter das Ohr an den Hals, daß der Kiefer des Bettlers95 Knirſchend zerbrach, und purpurnes Blut dem Rachen entſtuͤrzte. Schreiend fiel er zu Boden, ihm klappten die Zaͤhn ', und die Fuͤße Zappelten ſtaͤubend im Sand. Da erhuben die mutigen Freier Jauchzend die Haͤnd', und lachten ſich athemlos. Aber Oduͤßeus349Achzehnter Geſang. Zog ihn beim Fuß aus der Thuͤr, und ſchleppt 'ihn uͤber den Vorhof100 Durch die Pforte der Halle; da lehnt 'er ihn mit dem Ruͤcken Gegen die Mauer des Hofs, und gab ihm den Stab in die Rechte; Und er redet' ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Size nun ruhig hier, und ſcheuche die Hund 'und die Schweine! Huͤte dich ferner, den Armen und Fremdlingen hier zu befehlen,105 Elender Menſch; damit dir kein groͤßeres Uebel begegne!

Alſo ſprach er, und warf um die Schulter den haͤßlichen Ranzen, Allenthalben geflickt, mit einem geflochtenen Tragband, Ging zur Schwelle zuruͤck, und ſezte ſich. Aber die Freier Gingen mit herzlichem Lachen hinein, und gruͤßten ihn alſo:110

Fremdling, dir gebe Zeus und die andern unſterblichen Goͤtter, Was du am meiſten verlangſt, und was dein Herz nur begehret: Weil du unſere Stadt von dem unerſaͤttlichen Bettler Haſt befreit! Bald werden wir ihn fortſenden zum Koͤnig Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menſchengeſchlechtes. 115

Alſo ſprachen die Freier; der vorbedeutenden Worte Freute der edle Oduͤßeus ſich herzlich. Antinoos bracht 'ihm Jezo den großen Magen, mit Fett und Blute gefuͤllet; Und Amfinomos nahm zwei Broͤt' aus dem zierlichen Korbe, Brachte ſie, trank ihm zu aus goldenem Becher, und ſagte:120

Freue dich, fremder Vater! Es muͤße dir wenigſtens kuͤnftig Wohl ergehn! denn jezo umringt dich mancherlei Truͤbſal.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Du, Amfinomos, ſcheinſt mir ein ſehr verſtaͤndiger Juͤngling, Und ein wuͤrdiger Sohn von deinem ruͤhmlichen Vater125 Niſos, der, wie ich hoͤre, ein edler und maͤchtiger Koͤnig In Dulichion iſt. Dein Blick verkuͤndiget Scharfſinn. 350Oduͤßee. Darum ſag 'ich dir jezt; nim meine Worte zu Herzen. Siehe kein Weſen iſt ſo eitel und unbeſtaͤndig, Als der Menſch, von allem, was lebt und webet auf Erden. 130Denn ſo lange die Goͤtter ihm Heil und bluͤhende Jugend Schenken; trozt er, und waͤhnt, ihn treffe nimmer ein Ungluͤck. Aber zuͤchtigen ihn die ſeligen Goͤtter mit Truͤbſal; Dann ertraͤgt er ſein Leiden mit Ungeduld und Verzweiflung. Denn wie die Tage ſich aͤndern, die Gott vom Himmel uns ſendet,135 Aendert ſich auch das Herz der erdebewohuenden Menſchen. Siehe, ich ſelber war einſt ein gluͤcklicher Mann, und veruͤbte Viel Unarten, vom Troz und Uebermute verleitet, Weil mein Vater mich ſchuͤzte und meine maͤchtigen Bruͤder. Drum erhebe ſich nimmer ein Mann, und frevele nimmer;140 Sondern genieße, was ihm die Goͤtter beſcheren, in Demut! Welchen Graͤuel erblick 'ich, den hier die Freier beginnen! Wie ſie die Guͤter verſchwelgen, und ſchmaͤhn die Gattin des Mannes, Welcher vielleicht nicht lange von ſeinen Freunden und Laͤndern Ferne bleibt, vielleicht ſchon nah iſt! Aber es fuͤhre145 Dich ein Himmliſcher heim, daß du nicht jenem begegneſt, Wann er wieder zuruͤck in ſein liebes Vaterland kehret! Denn die Freier alhier und jener trennen ſich ſchwerlich Ohne Blut von einander, ſobald er unter ſein Dach kommt!

Alſo ſprach er, und goß des ſuͤßen Weines den Goͤttern,150 Trank, und reichte den Becher zuruͤck dem Fuͤhrer der Voͤlker. Dieſer ging durch den Saal, mit tiefverwundeter Seele, Und mit geſunkenem Haupt; denn er ahndete Boͤſes im Herzen. Dennoch entrann er nicht dem Verderben; ihn feßelt 'Athaͤnaͤ, Daß ihn Taͤlemachos Hand mit der Todeslanze vertilgte. 155351Achzehnter Geſang. Und er ſezte ſich nieder auf ſeinen verlaßenen Seßel.

Aber Ikarios Tochter, der klugen Paͤnelopeia Gab Athaͤnaͤ, die Goͤttin mit blauen Augen, den Rath ein, Sich den Freiern zu zeigen: aufdaß ſie mit teuſchender Hoffnung Ihre Herzen noch mehr erweiterte, und bei Oduͤßeus160 Und Taͤlemachos ſich noch groͤßere Achtung erwuͤrbe. Und ſie erzwang ein Laͤcheln, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Jezt, Euruͤnomaͤ, fuͤhl 'ich zum erſtenmal ein Verlangen, Mich den Freiern zu zeigen, wie ſehr ſie mir immer verhaßt ſind. Gerne moͤcht' ich den Sohn zu ſeinem Beßten erinnern,165 Daß er ganz die Geſellſchaft der ſtolzen Freier vermiede; Denn ſie reden zwar gut, doch heimlich denken ſie Boͤſes.

Aber die Schaffnerin Euruͤnomaͤ gab ihr zur Antwort: Wahrlich, mein Kind, du haſt mit vielem Verſtande geredet. Gehe denn hin, und ſprich mit deinem Sohne von Herzen;170 Aber bade zuvor den Leib, und ſalbe dein Antliz. Denn du mußt nicht ſo mit thraͤnenumfloßenen Wangen Hingehn; unaufhoͤrlicher Gram vermehrt nur das Leiden! Siehe, du haſt den erwachſenen Sohn; und du wuͤnſcheſt ja herzlich, Daß dir die Goͤtter gewehrten, ihn einſt im Barte zu ſehen! 175

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: O! ſo gut du es meinſt, Euruͤnomaͤ, rathe mir das nicht, Meinen Leib zu baden, und meine Wangen zu ſalben! Denn die Liebe zum Schmuck ward mir von den himmliſchen Goͤttern Gaͤnzlich geraubt, ſeit Jener in hohlen Schiffen hinwegfuhr! 180Aber laß mir Autonoaͤ gleich und Hippodameia Kommen: ſie ſollen mich in den Saal hinunter begleiten; Denn es ziemet mir nicht, allein zu Maͤnnern zu gehen.

352Oduͤßee.

Alſo ſprach ſie; da ging die Schaffnerin aus dem Gemache, Brachte der Fuͤrſtin Befehl, und trieb die Maͤgde zu eilen. 185

Jezo erſann ein Andres die heilige Goͤttin Athaͤnaͤ: Siehe mit ſuͤßem Schlummer umgoß ſie Paͤnelopeia. Und ſie entſchlief hinſinkend; die hingeſunkenen Glieder Ruhten ſanft auf dem Seßel. Da gab die heilige Goͤttin Ihr unſterbliche Gaben, damit ſie die Freier entzuͤckte:190 Wuſch ihr ſchoͤnes Geſicht mit ambroſiſchem Oele der Schoͤnheit, Jenem, womit Afroditaͤ die ſchoͤngekraͤnzte ſich ſalbet, Wann ſie zum reizenden Chore der Charitinnen dahinſchwebt; Schuf ſie hoͤher an Wuchs, und jugendlicher an Bildung, Schuf ſie weißer, als Elfenbein, das der Kuͤnſtler geglaͤttet. 195Als ſie dieſes vollbracht, entſchwebte die heilige Goͤttin.

Laͤrmend ſtuͤrzten anjezo die Maͤgde mit Lilienarmen Aus dem Saale herein: da verließ ſie der ſuͤße Schlummer; Und ſie rieb mit den Haͤnden die ſchoͤnen Wangen, und ſagte:

Ach ein ſanfter Schlaf umhuͤllte mich Herzlichbetruͤbte! 200Einen ſo ſanften Tod beſchere die goͤttliche Jungfrau Artemis mir, jezt gleich! damit ich Arme nicht laͤnger Mich abhaͤrme, vor Gram um meines trauten Gemahles Edles Verdienſt; denn er war der Herlichſte aller Achaier!

Alſo ſprach ſie, und ſtieg vom praͤchtigen Soͤller herunter,205 Nicht allein; ſie wurde von zwo Jungfrauen begleitet. Als das goͤttliche Weib die Freier jezo erreichte, Stand ſie ſtill an der Schwelle des ſchoͤnen gewoͤlbeten Saales; Ihre Wangen umwallte der feine Schleier des Hauptes, Und an jeglichem Arm ſtand eine der ſtatlichen Jungfraun. 210Allen erbebten die Knie ', es gluͤhten die Herzen vor Inbrunſt,353Achzehnter Geſang. Und vor banger Begierde mit ihr das Lager zu theilen. Und zu Taͤlemachos ſprach die zaͤrtliche Paͤnelopeia:

Sohn, in deinem Herzen iſt weder Verſtand noch Empfindung! Weit vernuͤnftiger haſt du dich ſchon als Knabe bewieſen! 215Nun da du groͤßer biſt, und des Juͤnglings Alter erreicht haſt, Und ein Fremder ſogar aus der ſchoͤnen und treflichen Bildung Schließen kann, du ſeiſt von edlem Saamen entſproßen; Siehe nun zeigt dein Herz ſo wenig Verſtand als Empfindung! Welch unwuͤrdige That iſt hier im Saale geſchehen! 220Da man den Fremdling ſo ſehr mißhandelte, ſaßeſt du ruhig? Aber wie? wenn ein Fremdling bei uns in unſerem Hauſe Huͤlfe ſucht, und dann ſo ſchnoͤde Beleidigung duldet! Dieſes bringt dir ja Schimpf und Verachtung unter den Menſchen!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:225 Meine Mutter, ich will nicht murren, daß du mir zuͤrneſt. Freilich fehlt es mir jezo nicht mehr an Verſtand und Erfahrung, Gutes und Boͤſes zu ſehn; (denn ehmals war ich ein Knabe!) Aber ich kann nicht immer die kluͤgſten Gedanken erſinnen; Denn mich betaͤubt die Furcht vor dieſen Uebelgeſinnten,230 Welche mich rings umgeben; und niemand iſt, der mir helfe. Aber des Fremdlings Kampf mit Iros endigte gleichwohl Nicht nach der Freier Sinn; denn dieſer war ſtaͤrker als Iros. Gaͤbe doch Vater Zeus, Athaͤnaͤ und Foͤbos Apollon, Daß auch jezo die Freier, in unſerem Hauſe bezwungen,235 So ihr ſchwindelndes Haupt hinneigeten, draußen im Vorhof, Oder auch hier im Saal, an allen Gliedern gelaͤhmet: So wie dort an der Pforte des Hofs der zerſchlagene IrosZ354Oduͤßee. Jezo mit wankendem Haupt, gleich einem Betrunkenen, daſizt, Und auf ſeinen Fuͤßen nicht grade zu ſtehen, noch wieder240 Heimzukehren vermag, weil ſeine Glieder gelaͤhmt ſind!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Aber Euruͤmachos wandte ſich drauf zu Paͤnelopeia:

O Ikarios Tochter, du kluge Paͤnelopeia, Saͤhen dich die Achaier im ganzen iaſiſchen Argos,V. 245.Der Peloponnes heißt Argos, von dem maͤchtigen argeiiſchen Reiche, und zum Unterſchiede des pelasgiſchen Argos, wie Theßalien Jl. 2, 681. genannt wird, das achaiiſche von[ſeinen] Bewohnern, oder von dem alten Koͤnig Jaſos das iaſiſche.245 Wahrlich vom Morgen an erſchienen noch mehrere Freier Hier im Palaſte zum Schmaus; denn dir gleicht keine der Weiber An Geſtalt, an Groͤße, und Treflichkeiten des Geiſtes!

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Ach! die Tugend des Geiſtes, Euruͤmachos, Schoͤnheit und Bildung,250 Raubten die Himmliſchen mir am Tage, da die Argeier Schifften gen Troja, mit ihnen mein trauter Gemahl Oduͤßeus! Kehrete jener von dannen, und lebt 'in meiner Geſellſchaft; Ja dann moͤchte mein Ruhm wohl groͤßer werden und ſchoͤner. Aber jezo traur' ich; denn Leiden beſchied mir ein Daͤmon! 255Ach! da er Abſchied nahm am vaterlaͤndiſchen Ufer, Faßt 'er mich bei der Rechten, und ſprach mit freundlicher Stimme: Frau, ich vermute nicht, die ſchoͤngeharniſchten Griechen Werden alle geſund und wohl von Ilion kehren. Denn wie man ſagt, ſind auch die Troer ſtreitbare Maͤnner,260 Mit Wurfſpießen geuͤbt, und geuͤbt den Bogen zu ſpannen, Und ſchnellfuͤßige Roße der Schlacht zu lenken, die immer355Achzehnter Geſang. Hurtig den großen Kampf des blutigen Krieges entſcheiden. Darum weiß ich nicht, ob Gott von Troja mich heimfuͤhrt, Oder mich dort abfodert. Du ſorg 'hier fleißig fuͤr alles! 265Pfleg 'auch meinen Vater und meine Mutter im Hauſe, So wie bisher, ja noch ſorgfaͤltiger, wann ich entfernt bin. Siehſt du aber den Sohn im erſten Barte der Jugend; Magſt du das Haus verlaßen, und, wem du willſt, dich vermaͤhlen. Alſo ſprach er zulezt; das wird nun alles erfuͤllet! 270Kommen wird einſt die Nacht, die ſchreckliche Nacht der Vermaͤhlung! Mir ungluͤcklichen Frau, die Zeus des Heiles beraubt hat! Aber vor allen kraͤnket mich das in der Tiefe des Herzens: Unter den Freiern galt ja ſonſt nicht dieſe Begegnung! Denn die ein edles Weib und eines Beguͤterten Tochter275 Sich zur Gemahlin wuͤnſchen, und Nebenbuhler befuͤrchten, Dieſe bringen ja Rinder und fette Schafe zum Schmauſe Fuͤr die Freunde der Braut, und ſchenken ihr koͤſtliche Gaben; Aber verſchwelgen nicht ſo umſonſt ein fremdes Vermoͤgen!

Sprachs; da freuete ſich der herliche Dulder Oduͤßeus,280 Daß ſie von ihnen Geſchenke zog, und mit freundlichen Worten Ihre Herzen beſtrickte, doch anders im Herzen gedachte.

Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihr zur Antwort: O Ikarios Tochter, du kluge Paͤnelopeia, Was dir jeder Achaier an koͤſtlichen Gaben hieher bringt,285 Dieſes empfang; es waͤre nicht fein, das Geſchenk dir zu weigern. Aber wir weichen nicht eh zu den Unſrigen oder zu andern, Eh du den beßten Achaier zu deinem Braͤutigam waͤhleſt!

Alſo ſprach er, und allen gefiel Antinoos Rede. Und die Geſchenke zu bringen, entſandte jeder den Herold[.]290356Oduͤßee. Fuͤr Antinoos bracht 'er ein praͤchtiges blumengeſticktes Großes Frauengewand: zwoͤlf ſchoͤne goldene Haͤklein Waren daran, und faßten in ſchoͤngebogene Oeſen. Fuͤr Euruͤmachos bracht' er ein koͤſtliches Halsgeſchmeide, Lauteres Gold, mit Ambra beſezt, der Sonne vergleichbar. 295Fuͤr Euruͤdamas brachten zwei Ohrgehenke die Diener, Dreigeſtirnt, und kuͤnſtlich gemacht, mit ſtralender Anmut. Aus Peiſandros Palaſt, des poluͤktoridiſchen Koͤnigs Brachte der Diener ein reiches und lieblichſchimmerndes Halsband. Alſo ſchenkte jeder Achaier ein anderes Kleinod. 300

Und das goͤttliche Weib ſtieg wieder zur oberen Wohnung; Ihre Jungfraun trugen der Freier ſchoͤne Geſchenke.

Aber die Freier wandten ſich wieder zum Tanz und Geſange, Und beluſtigten ſich, bis ihnen der Abend herabſank. Als den Luſtigen nun der dunkle Abend herabſank,305 Sezten ſie alſobald drei Feuerfaͤßer im Saale Ihnen zu leuchten umher, und haͤuften trockene Splitter, Welche ſie friſch mit dem Erz aus duͤrrem Holze geſpalten, Und Kienſtaͤbe darauf. Die Maͤgde des Helden Oduͤßeus Gingen vom einen zum andern, und ſchuͤrten die ſinkende Flamme. 310Aber zu ihnen ſprach der goͤttliche weiſe Oduͤßeus:

O ihr Maͤgde Oduͤßeus, des langabweſenden Koͤnigs, Geht zu den Wohnungen hin, wo die edle Koͤnigin wohnet; Sizt bei ihr im Saale, ſie aufzuheitern, und drehet Fleißig die Spindel, oder bereitet die flockichte Wolle. 315Dieſe will ich ſchon alle mit leuchtender Flamme verſorgen. Blieben ſie auch die ganze Nacht, bis der Morgen ſich roͤthet; Mich ermuͤden ſie nicht; ich bin zum Dulden gehaͤrtet.

357Achzehnter Geſang.

Alſo ſprach er; da lachten ſie laut, und ſahn nach einander. Aber nun fuhr ihn Melantho, die roſenwangichte Tochter320 Dolios, an. Es hatte ſie Paͤnelopeia erzogen, Und wie ihr Kind gepflegt, und jeden Wunſch ihr gewaͤhret: Dennoch ruͤhrte ſie nicht der Kummer Paͤnelopeiens; Sondern ſie buhlte geheim mit Euruͤmachos, ihrem Geliebten. Dieſe laͤſterte ſchaͤndlich den edlen Dulder Oduͤßeus:325

Elender Fremdling, du biſt wohl deiner Sinne nicht maͤchtig: Daß du nicht gehſt, die Nacht in der Herberg ', oder des Schmiedes Warmer Eße zu ruhn; und hier in der großen Geſellſchaft Solcher Maͤnner ſo dreiſt, und ohne jemand zu fuͤrchten, Plauderſt! Traun dich bethoͤrt der Weinrauſch, oder du biſt auch330 Immer ein ſolcher Geck, und ſchwazeſt ſolche Geſchwaͤze! Oder ſchwindelt dein Hirn, weil du Iros, den Bettler, beſiegt haſt? Daß ſich nur keiner erhebe, der tapferer ſtreitet als Iros! Denn er moͤchte dein Haupt mit ſtarken Faͤuſten zerſchlagen, Und aus dem Hauſe dich ſtoßen, mit triefendem Blute beſudelt. 335

Zuͤrnend ſchaute auf ſie und ſprach der weiſe Oduͤßeus: Wahrlich, das ſag 'ich Taͤlemachos an, was du Huͤndin da plauderſt: (Siehſt du ihn dort?) damit er dich gleich in Stuͤcke zerhaue!

Alſo ſprach er, und ſchreckte die bangen Weiber von hinnen; Und ſie entflohn aus dem Saal, und eileten durch die Gemaͤcher,340 Zitternd vor Angſt; denn ſie meinten, er hab 'im Ernſte geredet.

Und Oduͤßeus ſtand, der leuchtenden Feuergeſchirre Flamme naͤhrend, und ſahe nach allen. Aber ſein Herz war Andrer Gedanken voll, die bald zu Handlungen reiften.

Aber den mutigen Freiern verſtatete Pallas Athaͤnaͤ345 Nicht, des erbitternden Spottes ſich ganz zu enthalten, damit noch358Oduͤßee. Heißer entbrennte das Herz des Laertiaden Oduͤßeus. Siehe Poluͤbos Sohn, Euruͤmachos, reizte den Helden Vor der Verſammlung zuerſt, und erregte der Freunde Gelaͤchter.

Hoͤret mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin,350 Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet. Wahrlich ein Himmliſcher fuͤhrte den Mann in die Wohnung Oduͤßeus! Denn wo mir recht iſt, koͤmmt der Glanz nicht bloß von dem Feuer, Sondern von ſeiner Glaze, worauf kein Haͤrchen zu ſehn iſt.

Sprachs, und wandte ſich drauf zum Staͤdteverwuͤſter Oduͤßeus:355 Fremdling, willſt du dich wohl bei mir zum Knechte verdingen, Daß du, fern auf dem Land ', (ich meine, fuͤr gute Bezahlung!) Dornenzaͤune mir flechteſt, und ſchattige Baͤume mir pflanzeſt? Siehe dann reicht' ich dir dein taͤgliches Eßen und Trinken, Und bekleidete dich, und gaͤbe dir Schuh 'an die Fuͤße. 360Aber da du nun nichts als Bubenſtuͤcke gelernt haſt, Wirſt du nicht gern arbeiten, und lieber das Land durchſtreichen, Deinen gefraͤßigen Bauch mit Bettelbrote zu ſtopfen!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: O arbeiteten wir, Euruͤmachos, beide zur Wette365 Einſt in der Fruͤhlingszeit, wann die Tage heiter und lang ſind, Auf der graſichten Wieſe; mit ſchoͤngebogener Sichel Gingen wir, ich und du, und maͤhten nuͤchtern vom Morgen Bis zur ſinkenden Nacht, ſo lang 'es an Graſe nicht fehlte! Oder trieb' ich ein Joch der treflichſten Rinder am Pfluge,370 Roͤthlich und groß von Wuchs, mit fettem Graſe geſaͤttigt, Gleich an Alter und Kraft, mit unermuͤdlicher Staͤrke, Eine Hufe zu ackern, und wiche die Erde der Pflugſchaar; Sehen ſollteſt du dann, wie grade Furchen ich zoͤge! 359Achzehnter Geſang. Oder ſendete Zeus uns heute noch Krieg, und ging 'ich375 Mit zwo blinkenden Lanzen und einem Schilde geruͤſtet, Und die Schlaͤfe geſchirmt mit einem ehernen Helme; Sehen ſollteſt du traun! mich unter den vorderſten Streitern, Und mich nicht ſo hoͤhnend an meinen Magen erinnern! Aber du biſt ſehr ſtolz und menſchenfeindliches Herzens! 380Und du duͤnkſt dir vielleicht ein großer und ſtarker Achaier, Weil du mit wenigen Leuten, und nicht den tapferſten, umgehſt! Aber kaͤm 'Oduͤßeus in ſeiner Vaͤter Gefilde; O bald wuͤrde die Thuͤre, ſo weit ſie der Zimmerer baute, Dennoch zu enge dir ſein, wann du zum Hauſe hinausfloͤhſt! 385

Alſo ſprach er; da ward Euruͤmachos Herz noch erboßter, Zuͤrnend ſchaut 'er ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Elender, gleich empfange den Lohn, daß du unter ſo vielen Edlen Maͤnnern ſo dreiſt, und ohne jemand zu fuͤrchten, Plauderſt! Traun dich bethoͤrt der Weinrauſch, oder du biſt auch390 Immer ein ſolcher Geck, und ſchwazeſt ſolche Geſchwaͤze! Oder ſchwindelt dein Hirn, weil du Iros, den Bettler, beſiegt haſt?

Alſo ſprach er, und griff nach dem Schemel. Aber Oduͤßeus Warf zu Amſinomos Knien, des Dulichiers, eilend ſich nieder, Fuͤrchtend Euruͤmachos Wurf; und der Schemel flog an des Schenken395 Rechte Hand, daß die Kanne voll Weins ihm toͤnend entſtuͤrzte, Und er ſelbſt mit Geheul auf den Boden ruͤcklings dahinſank.

Aber nun laͤrmten die Freier umher in dem ſchattichten Saale; Einer wendete ſich zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Waͤre der irrende Fremdling doch ferne geſtorben, bevor er400 Ithaka ſah; dann braͤcht 'er uns nicht dies laute Getuͤmmel! Aber wir zanken uns hier um den leidigen Bettler, und ſchmecken360Oduͤßee. Achzehnter Geſang. Nichts von den Freuden des Mahls; denn es wird je laͤnger je aͤrger!

Und die heilige Kraft Taͤlemachos ſprach zur Verſammlung: Ungluͤckſelige Maͤnner, ihr raſt, und eure Geſpraͤche405 Zeugen von Speiſ 'und Trank; euch reizet wahrlich ein Daͤmon! Aber nachdem ihr geſchmauſt, ſo geht, und legt euch zu Hauſe Schlafen, wanns euch gefaͤllt; doch treib' ich keinen von hinnen.

Alſo ſprach er; da bißen ſie ringsumher ſich die Lippen, Ueber den Juͤngling erſtaunt, der ſo entſchloßen geredet. 410Drauf erhub ſich und ſprach Amfinomos zu der Verſammlung, Niſos ruͤhmlicher Sohn, des araͤtiadiſchen Koͤnigs:

Freunde, Taͤlemachos hat mit großem Rechte geredet; Drum entruͤſte ſich keiner, noch geb 'ihm trozige Antwort! Auch mishandelt nicht ferner den armen Fremdling, noch jemand415 Von den Leuten im Hauſe des goͤttergleichen Oduͤßeus. Auf! es fuͤlle von neuem der Schenk mit Weine die Becher, Daß wir opfern, und dann nach Hauſe gehen zu ſchlafen. Aber der Fremdling bleib 'im Hauſe des edlen Oduͤßeus Unter Taͤlemachos Schuz; denn ihm vertraut' er ſein Heil an. 420

Alſo ſprach er, und allen gefiel Amfinomos Rede. Und Held Mulios miſchte den Wein im Kelche mit Waßer, Dieſer dulichiſche Herold, Amfinomos treuer Gefaͤhrte; Reichte dann allen umher die vollen Becher. Die Freier Opferten jezt, und tranken des herzerfreuenden Weines. 425Und nachdem ſie geopfert und nach Verlangen getrunken, Gingen ſie alle heim, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen.

361

Oduͤßee. Neunzehnter Geſang.

Aber im Saale blieb der goͤttergleiche Oduͤßeus, Und umdachte den Tod der Freier mit Pallas Athaͤnaͤ. Eilend wandt 'er ſich jezt mit gefluͤgelten Worten zum Sohne:

Laß uns, Taͤlemachos, gleich die Waffen im Hauſe verbergen! Aber erkundigen ſich die Freier, wo ſie geblieben;5 Dann beſaͤnftige ſie mit guten Worten: Ich trug ſie Aus dem Rauche hinweg; denn ſie ſehn den alten nicht aͤhnlich, Wie ſie Oduͤßeus einſt, gen Troja ſchiffend, zuruͤckließ; Sondern ſind ganz entſtellt von dem rußichten Dampfe des Feuers. Und noch ein Groͤßeres gab ein Himmliſcher mir zu bedenken:10 Daß ihr nicht etwa im Rauſch euch zankt, und einander verwundet, Und die Freuden des Mahls und die Liebe zu Paͤnelopeia Blutig entweiht; denn ſelbſt das Eiſen ziehet den Mann an.

Alſo ſprach Oduͤßeus. Der Sohn gehorchte dem Vater, Und rief Euruͤkleia, die Pflegerin, zu ſich, und ſagte:15

Muͤtterchen, halte die Weiber ſo lang 'in ihren Gemaͤchern, Bis ich hinauf in den Soͤller die ſchoͤnen Waffen des Vaters Bringe, die hier im Saale der Rauch ſo ſchaͤndlich entſtellet; Denn mein Vater iſt weg, und ich war ehmals ein Knabe. Jezo verwahr' ich ſie dort, wo der Dampf des Feuers nicht hinkommt. 20

362Oduͤßee.

Ihm antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia: Wenn du doch endlich, mein Sohn, zu reifem Verſtande gelangteſt, Um dein Haus zu beſorgen, und deine Guͤter zu ſchuͤzen! Aber wohlan, wer begleitet dich denn mit leuchtender Fackel, Wann die Maͤgde, die dir ſonſt leuchten, nicht duͤrfen herausgehn? 25

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Dieſer Fremdling! Denn wer von meinem Tiſche ſich naͤhret, Darf mir nicht muͤßig ſtehn, und kaͤm 'er auch fern aus der Fremde.

Alſo ſprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde: Schnell verſchloß ſie die Pforten der ſchoͤngebaueten Wohnung. 30Nun erhub ſich Oduͤßeus mit ſeinem treflichen Sohne, Und ſie trugen die Helme hinein, die gewoͤlbeten Schilde Und ſcharfſpizigen Lanzen; voran ging Pallas Athaͤnaͤ Mit der goldenen Lamp ', und verbreitete leuchtenden Schimmer. Und Taͤlemachos ſprach zu ſeinem Vater Oduͤßeus:35

Vater, ein großes Wunder erblick 'ich hier mit den Augen! Alle Waͤnde des Hauſes, und jegliche ſchoͤne Vertiefung, Und die fichtenen Balken und hocherhabenen Seulen, Glaͤnzen mir vor den Augen ſo hell als brennendes Feuer! Wahrlich ein Gott iſt hier, des weiten Himmels Bewohner! 40

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Schweig, und forſche nicht nach, und bewahre deine Gedanken! Siehe, das iſt die Weiſe der himmelbewohnenden Goͤtter! Aber lege dich ſchlafen; ich bleibe hier noch ein wenig, Um die Maͤgde hieher und deine Mutter zu locken:45 Dieſe wird mich weinend nach allen Dingen befragen.

Sprachs; und Taͤlemachos ging mit angezuͤndeten Fackeln Aus dem Saale hinaus in ſeine Kammer zu Bette,363Neunzehnter Geſang. Wo er gewoͤhnlich ruhte, wann ſuͤßer Schlummer ihn einlud: Alda ſchlief er auch jezt, und harrte der heiligen Fruͤhe. 50Aber im Saale blieb der goͤttergleiche Oduͤßeus, Und umdachte den Tod der Freier mit Pallas Athaͤnaͤ.

Jezo ging aus der Kammer die kluge Paͤnelopeia, Artemis gleich an Geſtalt und der goldenen Afroditaͤ. Neben das Feuer ſezten ſie ihren gewoͤhnlichen Seßel,55 Welcher, mit Elfenbein und Silber umzogen, ein Kunſtwerk Von Ikmalios war; der Schemel unter den Fuͤßen Hing daran, und ein zottichtes Fell bedeckte den Seßel. Alda ſezte ſich nun die kluge Paͤnelopeia. Und weißarmige Maͤgde, die aus der hinteren Wohnung60 Kamen, trugen von dannen das viele Brot und die Tiſche, Und die Trinkgefaͤße der uͤbermuͤtigen Maͤnner; Schuͤtteten aus den Geſchirren die Glut zur Erden, und haͤuften Anderes Holz darauf, zum Leuchten und zur Erwaͤrmung. Aber Melantho ſchalt von neuem den edlen Oduͤßeus:65

Fremdling, willſt du auch noch die Ruhe der Nacht uns verderben, Um das Haus zu durchwandern, und auf die Weiber zu lauren? Elender, geh aus der Thuͤr, und ſei vergnuͤgt mit der Mahlzeit; Oder ich werfe dich gleich mit dem Brande, daß du hinausfliehſt!

Zuͤrnend ſchaute auf ſie und ſprach der weiſe Oduͤßeus:70 Ungluͤckſelige, ſprich, was faͤhrſt du mich immer ſo hart an? Weil ich nicht jung mehr bin, und meine Kleider ſo ſchlecht ſind? Und weil die Noth mich zwingt, als Bettler die Stadt zu durchwandern? Dieſes iſt ja der Armen und irrenden Fremdlinge Schickſal! Siehe, ich ſelber war einſt ein gluͤcklicher Mann, und Bewohner75 Eines reichen Palaſtes, und gab dem irrenden Fremdling364Oduͤßee. Oftmals, wer er auch war, und welche Noth ihn auch draͤngte. Und unzaͤhlige Knechte beſaß ich, und andere Guͤter, Die man zum Ueberfluß und zur Pracht der Reichen erfodert. Aber das nahm mir Zeus nach ſeinem heiligen Rathſchluß! 80Darum, Maͤdchen, bedenk: wenn auch du ſo gaͤnzlich dein Anſehn Einſt verloͤrſt, womit du vor deinen Geſpielinnen prangeſt; Oder wenn dich einmal der Zorn der Koͤnigin traͤfe; Oder Oduͤßeus kaͤme: denn noch iſt Hoffnung zur Heimkehr! Aber er ſei ſchon todt, und kehre nimmer zur Heimat:85 Dennoch lebt ja ſein Sohn Taͤlemachos, welchen Apollons Gnade beſchirmt; und er weiß, wie viel Unarten die Weiber Hier im Hauſe beginnen; denn er iſt wahrlich kein Kind mehr!

Alſo ſprach er; ihn hoͤrte die kluge Paͤnelopeia. Zuͤrnend wandte ſie ſich zu der Magd mit ſcheltenden Worten:

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Unverſchaͤmteſte Huͤndin, ich kenne jegliche Schandthat, Welche du thuſt, und du ſollſt mit deinem Haupte ſie buͤßen! Alles wußteſt du ja, du hatteſt von mir es gehoͤret: Daß ich in meiner Kammer den Fremdling wollte befragen Wegen meines Gemahls, um den ich ſo herzlich betruͤbt bin! 95

Und zu der Schaffnerin Euruͤnomaͤ ſagte ſie alſo: Auf, Euruͤnomaͤ, bringe mir einen Stuhl und ein Schafsfell, Drauf zu legen, hieher; damit er ſizend erzaͤhle Und mich hoͤre, der Fremdling; ich will ihn jezo befragen.

Alſo ſprach ſie; da ging die Schaffnerin eilig, und brachte100 Einen zierlichen Stuhl, und legte druͤber ein Schafsfell. Hierauf ſezte ſich nun der herliche Dulder Oduͤßeus. Und es begann das Geſpraͤch die kluge Paͤnelopeia:

Hierum muß ich dich, Fremdling, vor allen Dingen befragen:365Neunzehnter Geſang. Wer, weß Volkes biſt du, und wo iſt deine Geburtſtadt? 105

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Keiner, o Koͤnigin, lebt auf der unermeßlichen Erde, Der dich tadle; dein Ruhm erreicht die Feſte des Himmels, Gleich dem Ruhme des guten und gottesfuͤrchtigen Koͤnigs, Welcher ein großes Volk von ſtarken Maͤnnern beherſchet,110 Und die Gerechtigkeit ſchuͤzt. Die fetten Huͤgel und Thaͤler Wallen von Weizen und Gerſte, die Baͤume hangen voll Obſtes, Haͤufig gebiert das Vieh, und die Waßer wimmeln von Fiſchen, Unter dem weiſen Koͤnig, der ſeine Voͤlker beſeligt. Aber frage mich hier im Hauſe nach anderen Dingen,115 Und erkunde dich nicht nach meinem Geſchlecht und Geburtsland: Daß du nicht mein Herz mit herberen Qualen erfuͤlleſt, Wenn ich mich alles Jammers erinnere, den ich erduldet. Denn mit Klagen und Weinen im fremden Hauſe zu ſizen, Ziemet mir nicht; und langer Gram vermehrt nur das Leiden. 120Auch moͤcht 'eine der Maͤgde mir zuͤrnen, oder du ſelber, Und, wenn ich weinte, ſagen, mir thraͤnten die Augen vom Weinrauſch.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Fremdling, die Tugend des Geiſtes und meine Schoͤnheit und Bildung Raubten die Himmliſchen mir am Tage, da die Argeier125 Schifften gen Troja, mit ihnen mein trauter Gemahl Oduͤßeus! Kehrete jener von dannen, und lebt 'in meiner Geſellſchaft, Ja dann moͤchte mein Ruhm wohl groͤßer werden und ſchoͤner! Aber jezo traur' ich; denn Leiden beſchied mir ein Daͤmon. Alle Fuͤrſten, ſo viel in dieſen Inſeln gebieten,130 Samaͤ, Dulichion und der waldbewachsnen Zakuͤnthos, Und ſo viele hier in der ſonnigen Ithaka wohnen:366Oduͤßee. Alle werben um mich mit Gewalt, und zehren das Gut auf. Darum kuͤmmern mich Fremdling 'und Huͤlfeflehende wenig, Selbſt die Herolde nicht, des Volks geheiligte Diener;135 Sondern ich haͤrme mich ab um meinen trauten Oduͤßeus. Jene treiben die Hochzeit, und ich erſinne Verzoͤgrung. Erſt gab dieſen Gedanken ein Himmliſcher mir in die Seele. Truͤglich zettelt 'ich mir in meiner Kammer ein feines Uebergroßes Geweb', und ſprach zu der Freier Verſammlung:140 Juͤnglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Oduͤßeus! Dringt auf meine Vermaͤhlung nicht eher, bis ich den Mantel Fertig gewirkt, (damit nicht umſonſt das Garn mir verderbe!) Welcher dem Helden Laertaͤs zum Leichengewande beſtimmt iſt, Wann ihn die finſtere Stunde mit Todesſchlummer umſchattet:145 Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle, Laͤg 'er uneingekleidet, der einſt ſo vieles beherſchte. Alſo ſprach ich mit Liſt, und bewegte die Herzen der Edlen. Und nun webt' ich des Tages an meinem großen Gewande; Aber des Nachts, dann trennt 'ich es auf, beim Scheine der Fackeln. 150Alſo teuſchte ich ſie drei Jahr ', und betrog die Achaier. Als nun das vierte Jahr im Geleite der Horen herankam, Und mit dem wechſelnden Mond viel Tage waren verſchwunden; Da verriethen mich Maͤgde, die Huͤndinnen ſonder Empfindung! Und mich trafen die Freier, und ſchalten mit drohenden Worten. 155Alſo mußt 'ich es nun, auch wider Willen, vollenden. Aber ich kann nicht laͤnger die Hochzeit meiden, noch weiß ich Neuen Rath zu erfinden. Denn dringend ermahnen die Eltern Mich zur Heirat; auch ſieht es mein Sohn mit großem Verdruß au, Wie man ſein Gut verzehrt: denn er iſt nun ein Mann, der ſein Erbe160367Neunzehnter Geſang. Selber zu ſchuͤzen vermag, und dem Zeus Ehre verleihet. Aber ſage mir doch, aus welchem Geſchlechte du herſtammſt; Denn du ſtammſt nicht vom Felſen, noch von der gefabelten Eiche.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus,165 Alſo hoͤrſt du nicht auf, nach meinem Stamme zu forſchen? Nun ſo will ichs dir ſagen, wiewohl du mein bitteres Leiden Mir noch bitterer machſt; denn Schmerz empfindet doch jeder, Welcher ſo lang 'als ich von ſeiner Heimat entfernt iſt, Und mit Jammer umringt ſo viele Staͤdte durchwandert. 170Aber ich will dir doch, was du mich frageſt, verkuͤnden. Kraͤta iſt ein Land im dunkelwogenden Meere, Fruchtbar und anmutsvoll und ringsumfloßen. Es wohnen Dort unzaͤhlige Menſchen, und ihrer Staͤdte ſind neunzig: Voͤlker von mancherlei Stamm und mancherlei Sprachen! Es wohnen175 Dort Achaier, Kuͤdonen und eingeborene Kraͤter, Dorier, welche ſich dreifach vertheilet, und edle Pelasger. Ihrer Koͤnige Stadt iſt Knoßos, wo Minos geherſcht hat, Der neunjaͤhrig mit Zeus, dem großen Gotte, geredet. V. 179.Der Geſezgeber ſtieg alle neun Jahre in eine Hoͤhle, wo er vorgab, daß er ſich mit Zeus, fuͤr deſſen Sohn er gehalten wurde, uͤber die Verbeßerung ſeiner Geſeze unterredete.Dieſer war des edelgeſinnten Deukalions Vater,180 Meines Vaters, der mich und den Koͤnig Idomeneus zeugte. Aber Idomeneus fuhr in ſchoͤngeſchnaͤbelten Schiffen Mit den Atreiden gen Troja; denn er iſt aͤlter und tapfrer: Ich bin der juͤngere Sohn, und mein ruͤhmlicher Namen iſt Aiton. Damals ſah ich Oduͤßeus, und gab ihm Geſchenke der Freundſchaft. 185368Oduͤßee. Denn an Kraͤta's Kuͤſte verſchlug ihn die heftige Windsbraut, Als er gen Ilion fuhr, und ſtuͤrmt 'ihn hinweg von Maleia. In des Amniſos gefaͤhrlicher Bucht entrann er dem Sturme Kaum, und ankerte dort bei der Grotte der Eileithuͤa,V. 189.Die Eileithuͤen, oder Geburtsgoͤttinnen, waren Toͤchter der Haͤraͤ. Die neuere Fabel verwechſelt ſie bald mit Haͤraͤ, bald mit Artemis. Ging dann gleich in die Stadt, um Idomeneus ſelber zu ſehen;190 Denn er nannt 'ihn ſeinen geliebten und theuerſten Gaſtfreund. Aber ſchon zehnmal ging die Sonn' auf, oder ſchon elfmal, Seit Idomeneus war mit den Schiffen gen Troja geſegelt. Und ich fuͤhrte den wehrten Gaſt in unſere Wohnung: Freundlich bewirtet 'ich ihn von des Hauſes reichlichem Vorrat,195 Und verſorgte ſein Schiff und ſeiner Reiſegefaͤhrten Reichlich, auf Koſten des Volks, mit Mehl und funkelndem Weine, Und mit gemaͤſteten Rindern, daß ihre Seele ſich labte. Und zwoͤlf Tage blieben bei uns die edlen Achaier; Denn der gewaltige Nord, den ein zuͤrnender Daͤmon geſendet,200 Wuͤtete, daß man kaum auf dem Lande zu ſtehen vermochte. Am dreizehnten ruhte der Sturm, und ſie ſchifften von dannen.

Alſo teuſcht 'er die Gattin mit wahrheitgleicher Erdichtung. Aber die horchende Gattin zerfloß in Thraͤnen der Wehmut. Wie der Schnee, den der Weſt auf hohen Bergen gehaͤuft hat,V. 205.In Jonien, wo Homer ſang, bringt der Weſt - oder Nordweſtwind aus Thrazien Froſt, und der Oſt - oder Suͤdoſtwind aus Aſien milde Witterung.205 Vor dem ſchmelzenden Hauche des Morgenwindes herabfließt; Daß von geſchmolzenem Schnee die Stroͤme den Ufern entſchwellen: Alſo floßen ihr Thraͤnen die ſchoͤnen Wangen herunter, Da ſie den nahen Gemahl beweinete. Aber Oduͤßeus369Neunzehnter Geſang. Fuͤhlt 'im innerſten Herzen den Gram der weinenden Gattin;210 Dennoch ſtanden die Augen wie Horn ihm, oder wie Eiſen, Unbewegt in den Wimpern; denn kluͤglich hemmt 'er die Thraͤne. Und nachdem ſie ihr Herz mit vielen Thraͤnen erleichtert, Da begann ſie von neuem, und gab ihm dieſes zur Antwort:

Nun ich muß dich doch ein wenig pruͤfen, o Fremdling,215 Ob du meinen Gemahl auch wuͤrklich, wie du erzaͤhleſt, Samt den edlen Genoßen in deinem Hauſe bewirtet. Sage mir denn, mit welcherlei Kleidern war er bekleidet? Und wie ſah er aus? Auch nenne mir ſeine Begleiter.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:220 Schwer, o Koͤnigin, iſt es, nach ſeiner langen Entfernung Ihn ſo genau zu beſchreiben; wir ſind ſchon im zwanzigſten Jahre, Seit er von dannen zog aus meiner heimiſchen Inſel. Dennoch will ich dir ſagen, ſo viel mein Geiſt ſich erinnert. Einen zottichten ſchoͤnen gefutterten Mantel von Purpur225 Trug der edle Oduͤßeus, mit einer zwiefachgeſchloßnen Goldenen Spange daran, und vorn gezieret mit Stickwerk. Zwiſchen den Vorderklauen des gierigblickenden Hundes Zappelt 'ein fleckichtes Rehchen; und alle ſahn mit Bewundrung, Wie, aus Golde gebildet, der Hund an der Gurgel das Rehkalb230 Hielt, und das ringende Reh zu entfliehn mit den Fuͤßen ſich ſtraͤubte. Unter dem Mantel bemerkt 'ich den wunderkoͤſtlichen Leibrock: Zart und weich, wie die Schale von einer getrockneten Zwiebel, War das feine Geweb', und glaͤnzendweiß, wie die Sonne. Wahrlich viele Weiber betrachteten ihn mit Entzuͤcken. 235Eines ſag 'ich dir noch, und du nim ſolches zu Herzen! A a370Oduͤßee. Sicher weiß ich es nicht: ob Oduͤßeus die Kleider daheim trug; Oder ob ſie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben, Oder irgend ein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele Waren Oduͤßeus hold, ihm glichen wenig Achaier. 240Ich auch ſchenkt 'ihm ein ehernes Schwert, ein gefuttertes ſchoͤnes Purpurfarbnes Gewand, und einen paßenden Leibrock, Und entließ ihn mit Ehren zum ſchoͤngebordeten Schiffe. Endlich folgte dem Helden ein etwas aͤlterer Herold Nach; auch deßen Geſtalt will ich dir jezo beſchreiben. 245Pucklicht war er, und ſchwarz ſein Geſicht, und lockicht ſein Haupthaar; Und Euruͤbataͤs hieß er; Oduͤßeus ſchaͤzte vor allen Uebrigen Freunden ihn hoch, denn er ſuchte ſein Beßtes mit Klugheit.

Alſo ſprach er; da hub ſie noch heftiger an zu weinen, Als ſie die Zeichen erkannte, die ihr Oduͤßens beſchrieben. 250Und nachdem ſie ihr Herz mit vielen Thraͤnen erleichtert, Da begann ſie von neuem, und gab ihm dieſes zur Antwort:

Nun du ſollſt mir, o Fremdling, ſo jammervoll du vorhin warſt, Jezo in meinem Hauſ 'auch Lieb' und Ehre genießen! Denn ich ſelber gab ihm die Kleider, wovon du erzaͤhleſt,255 Wohlgefuͤgt aus der Kammer, und ſezte die goldene Spange Ihm zur Zierde daran. Doch niemals werd 'ich ihn wieder Hier im Hauſe begruͤßen, wann er zur Heimat zuruͤckkehrt! Zur unſeligen Stund' entſchiffte mein trauter Oduͤßeus, Troja zu ſehn, die verwuͤnſchte, die keiner nennet ohn Abſcheu! 260

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus, Schone der holden Geſtalt und deines Lebens, und jammre Um den Gemahl nicht laͤnger! Zwar tadeln kann ich den Schmerz nicht;371Neunzehnter Geſang. Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren,265 Ihrer Jugend Gemahl, mit dem ſie Kinder gezeugt hat; Und von Oduͤßeus ſagt man, er ſei den Unſterblichen aͤhnlich. Aber maͤßige dich, und hoͤre, was ich dir ſage: Denn ich will dir die Wahrheit verkuͤnden, und nichts dir verhehlen, Was ich von deines Gemahls Zuruͤckkunft hoͤrte, der jezo270 Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotiſchen Maͤnner Lebt. Er kehret mit großem und koͤſtlichem Gute zur Heimat, Das ihm die Voͤlker geſchenkt. Doch ſeine lieben Gefaͤhrten Und ſein ruͤſtiges Schiff verlor er im ſtuͤrmenden Meere, Als er Thrinakiens Ufer verließ; denn es zuͤrnten dem Helden275 Zeus und der Sonnengott, deß Rinder die Seinen geſchlachtet. Alle dieſe verſanken im dunkelwogenden Meere. Aber er rettete ſich auf den Kiel, und trieb mit den Wellen An das gluͤckliche Land der goͤtternahen Faiaken. Dieſe verehrten ihn herzlich, wie einen der ſeligen Goͤtter,280 Schenkten ihm großes Gut, und wollten ihn unbeſchaͤdigt Heim gen Ithaka bringen. Dann waͤre vermutlich Oduͤßeus Lange ſchon hier; allein ihm ſchien es ein beßerer Anſchlag, Noch durch mehrere Laͤnder zu reiſen, und Guͤter zu ſammeln: So wie immer Oduͤßeus vor allen Menſchen auf Erden285 Wußte, was Vortheil ſchafft; kein Sterblicher gleicht ihm an Weisheit! Alſo ſagte mir Feidon, der edle thesprotiſche Koͤnig, Dieſer beſchwur es mir ſelbſt, und beim Trankopfer im Hauſe, Segelfertig waͤre das Schiff, und bereit die Gefaͤhrten, Um ihn heimzuſenden in ſeiner Vaͤter Gefilde. 290Aber mich ſandt 'er zuvor im Schiffe thesprotiſcher Maͤnner, Welches zum weizenreichen Gefilde Dulichions abfuhr. 372Oduͤßee. Feidon zeigte mir auch die geſammelten Guͤter Oduͤßeus. Noch bis ins zehnte Glied ſind ſeine Kinder verſorget: Solch ein unendlicher Schaz lag dort im Hauſe des Koͤnigs! 295Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hoͤren: Wie er in Ithaka ihm, nach ſeiner langen Entfernung, Heimzukehren befoͤhle, ob oͤffentlich oder verborgen. Alſo lebt er noch friſch und geſund, und kehret gewiß nun300 Bald zuruͤck; er irrt nicht lange mehr in der Fremde Von den Seinigen fern: und das beſchwoͤr 'ich dir heilig! Zeus bezeuge mir das, der hoͤchſte und beßte der Goͤtter, Und Oduͤßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe: Daß dies alles gewiß geſchehn wird, wie ich verkuͤnde305 Selbſt noch in dieſem Jahre wird wiederkehren Oduͤßeus, Wann der jezige Mond abnimt, und der folgende zunimt!

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia! Fremdling, erfuͤlleten doch die Goͤtter, was du geweißagt! Dann erkennteſt du bald an vielen und großen Geſchenken310 Deine Freundin, und jeder Begegnende prieſe dich ſelig! Aber es ahndet mir ſchon im Geiſte, wie es geſchehn wird. Weder Oduͤßeus kehrt zur Heimat wieder, noch wirſt du Jemals weiter gebracht; denn hier ſind keine Gebieter, Welche, wie einſt der Held Oduͤßeus, da er noch lebte,315 Edle Gaͤſte mit Ehren bewirteten oder entließen. Aber ihr Maͤgde, waſcht ihm die Fuͤß ', und bereitet ſein Lager: Bringet ein Bett, und bedeckt es mit Maͤnteln und praͤchtigen Polſtern, Daß er in warmer Ruhe den goldenen Morgen erwarte. Aber morgen ſollt ihr ihn fruͤhe baden und ſalben,320373Neunzehnter Geſang. Daß er alſo geſchmuͤckt an Taͤlemachos Seite das Fruͤhmahl Hier im Saale genieße. Doch reuen ſoll es den Freier, Der ihn wieder ſo frech mishandelt: nicht das geringſte Hab 'er hier ferner zu ſchaffen, und zuͤrnt' er noch ſo gewaltig! Denn wie erkennteſt du doch, o Fremdling, ob ich an Klugheit325 Und verſtaͤndigem Herzen vor andern Frauen geſchmuͤckt ſei, Ließ 'ich dich ungewaſchen und ſchlechtbekleidet im Hauſe Speiſen? Es ſind ja den Menſchen nur wenige Tage beſchieden. Wer nun grauſam denkt, und grauſame Handlungen ausuͤbt; Dieſem wuͤnſchen alle, ſo lang' er lebet, nur Ungluͤck,330 Und noch ſelbſt im Tode wird ſein Gedaͤchtniß verabſcheut. Aber wer edel denkt, und edle Handlungen ausuͤbt; Deßen wuͤrdigen Ruhm verbreiten die Fremdlinge weithin Unter die Menſchen auf Erden, und jeder ſegnet den Guten.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:335 Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus, Ach mir wurden Maͤntel und weiche praͤchtige Polſter Ganz verhaßt, ſeitdem ich von Kraͤta's ſchneeichten Bergen Ueber die Wogen fuhr im langberuderten Schiffe! Laß mich denn dieſe Nacht ſo ruhn, wie ich es gewohnt bin:340 Viele ſchlafloſe Naͤchte hab 'ich auf elendem Lager Hingebracht, und ſehnlich den ſchoͤnen Morgen erwartet. Auch gebeut nicht dieſen, mir meine Fuͤße zu waſchen; Denn ich moͤchte nicht gern verſtaten, daß eine der Maͤgde, Die im Hauſe dir dienen, mir meine Fuͤße beruͤhre. 345Wo du nicht etwa ſonſt eine alte verſtaͤndige Frau haſt, Welche ſo vielen Kummer, als ich, im Leben erduldet: Dieſer wehr 'ich es nicht, mir meine Fuͤße zu waſchen.

374Oduͤßee.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Lieber Gaſt! denn nie iſt ſolch ein verſtaͤndiger Fremdling,350 Nie ein wehrterer Gaſt in meine Wohnung gekommen: So verſtaͤndig und klug iſt alles, was du auch ſageſt! Ja, ich hab 'eine alte und ſehr vernuͤnftige Frau hier, Welche die Pflegerin war des ungluͤckſeligen Mannes, Und in die Arme ihn nahm, ſobald ihn die Mutter geboren:355 Dieſe wird, ſo ſchwach ſie auch iſt, die Fuͤße dir waſchen. Auf denn, und waſche den Greis, du redliche Euruͤkleia! Er iſt gleiches Alters mit deinem Herren. Vielleicht ſind Jezt Oduͤßeus Haͤnd 'und Fuͤße ſchon eben ſo kraftlos. Denn im Ungluͤck altern die armen Sterblichen fruͤhe. 360

Alſo ſprach ſie. Die Alte verbarg mit den Haͤnden ihr Antliz, Heiße Thraͤnen vergießend, und ſprach mit jammernder Stimme:

Wehe mir, wehe, mein Sohn! Ich Verlaßene! Alſo verwarf dich Zeus vor allen Menſchen, ſo gottesfuͤrchtig dein Herz iſt? Denn kein Sterblicher hat dem Gotte des Donners ſo viele365 Fette Lenden verbrannt und erleſene Heka[t]omben, Als du jenem geweiht, im Vertraun, ein ruhiges Alter Einſt zu erreichen, und ſelber den edlen Sohn zu erziehen! Und nun raubt er dir gaͤnzlich den Tag der froͤhlichen Heimkehr! Ach! es hoͤhnten vielleicht auch ihn in der Fremde die Weiber,370 Wann er huͤlfeflehend der Maͤchtigen Haͤuſer beſuchte; Eben wie dich, o Fremdling, die Huͤndinnen alle verhoͤhnen, Deren Schimpf und Spott zu vermeiden du jezo dich weigerſt, Daß ſie die Fuͤße dir waſchen. Doch mich, die willig gehorchet, Heißt es Ikarios Tochter, die kluge Paͤnelopeia. 375Und nicht Paͤnelopeiens, auch deinenthalben, o Fremdling,375Neunzehnter Geſang. Waſch 'ich dich gern; denn tief innerſten Herzen empfind' ich Mitleid! Aber wohlan, vernim jezt, was ich dir ſage: Unſer Haus beſuchte ſchon mancher bekuͤmmerte Fremdling; Aber ich habe noch nimmer ſo etwas aͤhnlichs geſehen,380 Als du, an Stimme, Geſtalt und Fuͤßen, Oduͤßeus gleicheſt.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Mutter, ſo ſagen alle, die uns mit Augen geſehen, Daß wir beiden, Oduͤßeus und ich, einander beſonders Aehnlich ſind; wie auch du mit Scharfſinn jezo bemerkeſt. 385

Alſo ſprach er. Da trug die Alte die ſchimmernde Wanne Zum Fußwaſchen herbei: ſie goß in die Wanne des Brunnen Kaltes Waßer, und miſcht 'es mit kochendem. Aber Oduͤßeus Sezte ſich neben den Heerd, und wandte ſich ſchnell in das Dunkel; Denn es fiel ihm mit Einmal aufs Herz, ſie moͤchte beim Waſchen390 Seine Narbe bemerken, und ſein Geheimniß verrathen. Jene kam, wuſch ihren Herrn, und erkannte die Narbe Gleich, die ein Eber ihm einſt mit weißem Zahne gehauen, Als er an dem Parnaß Autoluͤkos, ſeiner Mutter Edlen Vater, beſucht 'und Autoluͤkos Soͤhne, des Kluͤgſten395 An Verſtellung und Schwur! Hermeias ſelber gewaͤhrt 'ihmV. 396.Nach Homers Moral iſt einem Rechtſchaffenen gegen boͤſe Feinde jede Verſtellung, und im Nothfall ſelbſt ein zweideutiger Schwur erlaubt: z. E. Geſ. 20. V. 339. Dieſe Kunſt; denn ihm verbrannt 'er der Laͤmmer und Zicklein Lenden zum ſuͤßen Geruch, und huldreich ſchirmte der Gott ihn.

Dieſer Autoluͤkos kam in Ithaka's fruchtbares Eiland, Eben da ſeine Tochter ihm einen Enkel geboren. 400Euruͤkleia ſezte das neugeborene Knaͤblein,376Oduͤßee. Nach dem froͤhlichen Mahl, auf die Kniee des Koͤnigs, und ſagte:

Finde nun ſelbſt den Namen, Autoluͤkos, deinen geliebten Tochterſohn zu benennen, den du ſo herzlich erwuͤnſcht haſt.

Und Autoluͤkos ſprach zu ſeinem Eidam und Tochter:405 Liebe Kinder, gebt ihm den Namen, den ich euch ſage. Vielen Maͤnnern und Weibern auf lebenſchenkender Erde Zuͤrnend, komm 'ich zu euch in Ithaka's fruchtbares Eiland. Darum ſoll das Knaͤblein Oduͤßeus, der Zuͤrnende, heißen. Wann er mich einſt als Juͤngling im muͤtterlichen Palaſte410 Am Parnaßos beſucht, wo ich meine Guͤter beherſche; Will ihn reichlichbeſchenkt und froͤhlich wieder entlaßen.

Jezo beſucht ihn Oduͤßeus, die reichen Geſchenke zu holen. Aber Autoluͤkos ſelbſt und Autoluͤkos trefliche Soͤhne Reichten Oduͤßeus die Hand, und hießen ihn freundlich willkommen;415 Auch Amſithea lief dem Enkel entgegen, umarmt 'ihn, Kuͤßte ſein Angeſicht und beide glaͤnzenden Augen. Und Autoluͤkos rief und ermahnte die ruͤhmlichen Soͤhne, Daß ſie Oduͤßeus ein Mahl bereiteten. Dieſe gehorchten: Eilten hinaus, und fuͤhrten ein ſtark fuͤnfjaͤhriges Rind her,420 Schlachteten, zogen es ab, und hauten es ganz von einander, Und zerſtuͤckten behende das Fleiſch, und ſtecktens an Spieße, Brietens mit Vorſicht uͤber der Glut, und vertheiltens den Gaͤſten. Alſo ſaßen ſie dort den Tag bis die Sonne ſich neigte, Und erfreuten ihr Herz am gleichgetheileten Mahle. 425Als die Sonne nun ſank, und Dunkel die Erde bedeckte, Legten ſie ſich zur Ruh, und nahmen die Gabe des Schlafes.

Als die daͤmmernde Fruͤhe mit Roſenfingern erwachte, Gingen ſie auf die Jagd, Autoluͤkos trefliche Soͤhne,377Neunzehnter Geſang. Und die ſpuͤrenden Hunde; mit ihnen der edle Oduͤßeus. 430Und ſie erſtiegen die Hoͤhe des waldbewachsnen Parnaßos, Und durchwandelten bald des Berges luftige Kruͤmmen. Aus dem ſtillen Gewaͤßer des Ozeanes erhub ſich Jezo die Sonn ', und erhellte mit jungen Stralen die Gegend. Aber die Jaͤger durchſuchten das waldbewachſene Bergthal:435 Vornan liefen die ſpuͤrenden Hund ', und hinter den Hunden Gingen Autoluͤkos Soͤhne; doch eilte der edle Oduͤßeus Immer voraus, und ſchwang den weithinſchattenden Jagdſpieß. Alda lag im dichten Geſtraͤuch ein gewaltiger Eber. Nie durchſtuͤrmte den Ort die Wut naßhauchender Winde,440 Ihn erleuchtete nimmer mit warmen Stralen die Sonne, Selbſt der gießende Regen durchdrang ihn nimmer: ſo dicht war Dieſes Geſtraͤuch, und hoch bedeckten die Blaͤtter den Boden. Jener vernahm das Getoͤs von den Fuͤßen der Maͤnner und Hunde, Welche dem Lager ſich nahten, und ſtuͤrzte hervor aus dem Dickicht,445 Hoch die Borſten geſtraͤubt, mit feuerflammenden Augen, Grad 'auf die Jaͤger, und ſtand. Oduͤßeus, welcher voranging, Flog, in der nervichten Fauſt den langen erhobenen Jagdſpieß, Ihn zu verwunden, hinzu; doch er kam ihm zuvor, und hieb ihm Ueber dem Knie in die Lende: der ſeitwaͤrts maͤhende Hauer450 Riß viel Fleiſch ihm hinweg, doch drang er nicht auf den Knochen. Aber Oduͤßeus traf die rechte Schulter des Ebers, Und bis vorn durchdrang ihn die Spize der ſchimmernden Lanze: Schreiend ſtuͤrzt 'er dahin in den Staub, und das Leben verließ ihn. Um ihn waren ſogleich Autoluͤkos Soͤhne beſchaͤftigt. 455Dieſe verbanden dem edlen, dem goͤttergleichen Oduͤßeus Sorgſam die Wund ', und ſtillten das ſchwarze Blut mit Beſchwoͤrung;378Oduͤßee. Und dann kehrten ſie ſchnell zu ihres Vaters Palaſte. Als ihn Autoluͤkos dort und Autoluͤkos Soͤhne mit Sorgfalt Hatten geheilt; da beſchenkten ſie ihn ſehr reichlich, und ließen,460 Froh des Juͤnglings, ihn froh nach ſeiner heimiſchen Inſel Ithaka ziehn. Sein Vater und ſeine trefliche Mutter Freuten ſich herzlich ihn wiederzuſehn, und fragten nach allem, Wo er die Narbe bekommen; da ſagt 'er die ganze Geſchichte: Wie ein Eber ſie ihm mit weißem Zahne gehauen,465 Als er auf dem Parnaß mit Autoluͤkos Soͤhnen gejaget.

Dieſe betaſtete jezo mit flachen Haͤnden die Alte, Und erkannte ſie gleich, und ließ den Fuß aus den Haͤnden Sinken, er fiel in die Wanne; da klang die eherne Wanne, Stuͤrzt 'auf die Seite herum, und das Waßer floß auf den Boden. 470Freud 'und Angſt ergriffen das Herz der Alten: die Augen Wurden mit Thraͤnen erfuͤllt, und athmend ſtockte die Stimme. Endlich erholte ſie ſich, und faßt ihn ans Kinn, und ſagte:

Wahrlich du biſt Oduͤßeus, mein Kind! und ich habe nicht eher Meinen Herren erkannt, bevor ich dich ringsum betaſtet! 475

Alſo ſprach ſie, und wandte die Augen nach Paͤnelopeia, Willens ihr zu verkuͤnden, ihr lieber Gemahl ſei zu Hauſe. Aber die Koͤnigin konnte ſo wenig hoͤren als ſehen; Denn Athaͤnaͤ lenkte ihr Herz ab. Aber Oduͤßeus Faßte ſchnell mit der rechten Hand die Kehle der Alten,480 Und mit der andern zog er ſie naͤher heran, und ſagte;

Muͤtterchen, mache mich nicht ungluͤcklich! Du haſt mich an deiner Bruſt geſaͤugt; und jezo, nach vielen Todesgefahren, Bin ich im zwanzigſten Jahre zur Heimat wiedergekehret. Aber da du mich nun durch Gottes Fuͤgung erkannt haſt,485379Neunzehnter Geſang. Halt es geheim, damit es im Hauſe keiner erfahre! Denn ich ſage dir ſonſt, und das wird wahrlich erfuͤllet! Wenn mir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret, Siehe dann werd 'ich auch deiner, die mich geſaͤuget, nicht ſchonen; Sondern ich toͤdte dich ſelbſt mit den uͤbrigen Weibern im Hauſe! 490

Ihm antwortete drauf die verſtaͤndige Euruͤkleia: Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen? Weißt du nicht ſelbſt, wie ſtark und unerſchuͤttert mein Herz iſt? Feſt, wie Eiſen und Stein, will ich das Geheimniß bewahren! Eins verkuͤnd 'ich dir noch, und du nim ſolches zu Herzen:495 Wann dir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret, Siehe, dann will ich ſelbſt die Weiber im Hauſe dir nennen, Alle, die dich verrathen, und die unſtraͤflich geblieben.

Ihr antwortete drauf der erfindungreiche Oduͤßeus: Muͤtterchen, warum willſt du ſie nennen? Es iſt ja nicht noͤthig. 500Kann ich nicht ſelbſt aufmerken, und ihre Geſinnungen pruͤfen? Aber verſchweig die Sache, und uͤberlaß ſie den Goͤttern.

Alſo ſprach er. Da eilte die Pflegerin aus dem Gemache, Anderes Waßer zu holen; das erſte war alles verſchuͤttet. Als ſie ihn jezo gewaſchen, und drauf mit Oele geſalbet;505 Nahm Oduͤßeus den Stuhl, und zog ihn naͤher ans Feuer, Sich zu waͤrmen, und bedeckte mit ſeinen Lumpen die Narbe. Drauf begann das Geſpraͤch die verſtaͤndige Paͤnelopeia:

Fremdling, ich will dich jezo nur noch ein weniges fragen; Denn es nahet bereits die Stunde der lieblichen Ruhe,510 Wem ſein Leiden vergoͤnnt, in ſuͤßem Schlummer zu ruhen. Aber mich Arme belaſtet ein unermeßlicher Jammer! Meine Freude des Tags iſt, unter Thraͤnen und Seufzern380Oduͤßee. In dem Saale zu wirken, und auf die Maͤgde zu ſehen. Aber koͤmmt nun die Nacht, da alle Sterblichen ausruhn;515 Lieg 'ich ſchlaflos im Bett', und tauſend nagende Sorgen Wuͤhlen mit neuer Wut um meine zerrißene Seele. Wie wenn die Nachtigall, Pandareos liebliche Tochter, Ihren ſchoͤnen Geſang im beginnenden Fruͤhling 'erneuert; Sizend unter dem Laube der dichtumſchattenden Baͤume,520 Rollt ſie von Toͤnen zu Toͤnen die ſchnelle melodiſche Stimme, Ihren geliebten Sohn, den ſie ſelber ermordet, die Thoͤrin! Ihren Ituͤlos klagend, den Sohn des Koͤniges Zaͤthos:V. 523.Pandareos hatte drei Toͤchter: Aaͤdon, Kleothaͤra und Merope. Aaͤdon ward mit Zaͤthos, Amſions Bruder, vermaͤhlt, und bekam nur einen Sohn, Namens Ituͤlos. Eiferſuͤchtig auf Amſions Gemahlin Niobe, die viele Kinder hatte, beſchloß ſie, deren aͤlteſten Sohn, der mit Ituͤlos in Einem Bette ſchlief, zu ermorden. Sie traf ihren Sohn, rief die Goͤtter um Mitleid an, und ward in eine Nachtigall verwandelt. Alſo wendet ſich auch mein Geiſt bald hiehin bald dorthin: Ob ich noch weile beim Sohn, und alle Guͤter bewahre,525 Meine Hab ', und die Maͤgd', und die hohe praͤchtige Wohnung, Scheuend das Lager des Ehegemahls und die Stimme des Volkes; Oder jezt von den Freiern im Hauſe den tapferſten Juͤngling, Welcher das meiſte geſchenkt, zu meinem Braͤutigam waͤhle. Als mein Sohn noch ein Kind war und ſchwaches Verſtandes, da durft 'ich530 Ihm zu Liebe nicht waͤhlen, noch dieſe Wohnung verlaßen; Nun da er groͤßer iſt, und des Juͤnglings Alter erreicht hat, Wuͤnſcht er ſelber, ich moͤge nur bald aus dem Hauſe hinweggehn, Zuͤrnend wegen der Habe, ſo ihm die Achaier verſchwelgen. Aber hoͤre den Traum, und ſage mir ſeine Bedeutung. 535381Neunzehnter Geſang. Zwanzig Gaͤnſe hab 'ich in meinem Hauſe, die freßenV. 536.In einem Zimmer der hinteren Weiberwohnung. Weizen mit Waßer gemiſcht; und ich freue mich, wenn ich ſie anſeh. Aber es kam ein großer und krummgeſchnabelter Adler Von dem Gebirg ', und brach den Gaͤnſen die Haͤlſe; getoͤdtet Lagen ſie all' im Hauſ', und er flog in die heilige Luft auf. 540Und ich begann zu weinen, und ſchluchzt 'im Traume. Da kamen, Ringsumher, mich zu troͤſten, der Stadt ſchoͤnlockige Frauen; Aber ich jammerte laut, daß der Adler die Gaͤnſe getoͤdtet. Ploͤzlich flog er zuruͤck, und ſaß auf dem Simſe des Rauchfangs, Wandte ſich troͤſtend zu mir, und ſprach mit menſchlicher Stimme:545

Tochter des fernberuͤhmten Ikarios, froͤliches Mutes! Nicht ein Traum iſt dieſes, ein Goͤttergeſicht, das dir Heil bringt. Jene Gaͤnſe ſind Freier, und ich war eben ein Adler; Aber jezo bin ich, dein Gatte, wieder gekommen, Daß ich den Freiern allen ein ſchreckliches Ende bereite. 550

Alſo ſprach der Adler. Der ſuͤße Schlummer verließ mich; Eilend ſah ich im Hauſe nach meinen Gaͤnſen, und alle Fraßen aus ihrem Troge den Weizen, ſo wie gewoͤhnlich.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Fuͤrſtin, es waͤre vergebens, nach einer anderen Deutung555 Deines Traumes zu forſchen. Dir ſagte ja ſelber Oduͤßeus, Wie er ihn denkt zu erfuͤllen. Verderben drohet den Freiern Allzumal, und keiner entrinnt dem Todesverhaͤngniß.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Fremdling, es giebt doch dunkle und unerklaͤrbare Traͤume,560 Und nicht alle verkuͤnden der Menſchen kuͤnftiges Schickſal. 382Oduͤßee. Denn es ſind, wie man ſagt, zwo Pforten der nichtigen Traͤume:V. 562.Die Traͤume wohnen am Eingang des Schattenreichs. Der Grund zur Erdichtung dieſer Pforten war ein Wortſpiel; denn das Wort Elfenbein, hat im Griechiſchen Aehnlichkeit mit teuſchen; und Horn mit erfuͤllen. Dazu kam nun die Eigenſchaft der Materie, weil Horn durchſichtig iſt, hingegen El - fenbein zwar durch ſeine Weiße Licht verheißt, aber durch ſeine Dunkelheit teuſcht. Eine von Elfenbein, die andre von Horne gebauet. Welche nun aus der Pforte von Elfenbeine herausgehn, Dieſe teuſchen den Geiſt durch luͤgenhafte Verkuͤndung;565 Andere, die aus der Pforte von glattem Horne hervorgehn, Deuten Wirklichkeit an, wenn ſie den Menſchen erſcheinen. Aber ich zweifle, ob dorther ein vorbedeutendes Traumbild Zu mir kam. O wie herzlich erwuͤnſcht waͤr 'es mir und dem Sohne! Eins verkuͤnd' ich dir noch, und du nim ſolches zu Herzen. 570Morgen erſcheinet der Tag, der entſezliche! der von Oduͤßeus Hauſe mich trennen wird: denn morgen gebiet 'ich den Wettkampf, Durch zwoͤlf Aexte zu ſchießen, die jener in ſeinem PalaſteV. 573.Dies waren Stichaͤxte, lange Zwergaͤxte ohne Stiel, womit man die Loͤcher aushaut. Vielleicht waren ſie bloß zu dieſem Spiele beſtimmt, und daher etwas laͤnger als gewoͤhnlich. Sie wurden mit der Schaͤrfe ſo in dem Boden befeſtigt, daß die offenen Oere in grader Linie ſtunden. Pflegte, wie Hoͤlzer des Kiels, in grader Reihe zu ſtellen;V. 574.Kielhoͤlzer: die geraden, durch einen langen Balken verbundenen Pfaͤle, woran von beiden Seiten die Bretter des Kiels genagelt wurden. Bei Erbauung eines Schiffes fing man hiermit an. Ferne ſtand er alsdann, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte. 575Dieſen Wettkampf will ich den Freiern jezo gebieten. Weßen Hand von ihnen den Bogen am leichteſten ſpannet, Und mit der Senne den Pfeil durch alle zwoͤlf Aexte hindurchſchnellt;383Neunzehnter Geſang. Siehe dem folg 'ich als Weib aus dieſem wehrten Palaſte Meines erſten Gemahls, dem praͤchtigen reichen Palaſte,580 Deßen mein Herz ſich vielleicht noch kuͤnftig in Traͤumen erinnert.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Du ehrwuͤrdiges Weib des Laertiaden Oduͤßeus, Zoͤgere nicht, und gebeut in deinem Hauſe den Wettkampf. Wahrlich noch eher kommt der erfindungsreiche Oduͤßeus,585 Ehe von allen, die muͤhſam den glatten Bogen verſuchen, Einer die Senne ſpannt, und den Pfeil durch die Eiſen hindurchſchnellt.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Fremdling, wollteſt du mich, im Saale ſizend, noch laͤnger Unterhalten, mir wuͤrde kein Schlaf die Augen bedecken. 590Aber es koͤnnen ja doch die ſterblichen Menſchen nicht immer Schlaflos ſein; die Goͤtter beſtimmten jegliches Dinges Maß und Ziel den Menſchen auf lebenſchenkender Erde. Darum will ich jezo in meine Kammer hinaufgehn, Auf dem Lager zu ruhn, dem jammervollen, das immer595 Meine Thraͤnen benezen, ſeitdem Oduͤßeus hinwegfuhr, Troja zu ſehn, die verwuͤnſchte, die keiner nennet ohn Abſcheu! Dorthin geh 'ich zu ruhn; du aber bereite dein Lager Hier im Haus' auf der Erd ', oder laß ein Bette dir bringen.

Alſo ſprach ſie, und ſtieg empor zu den ſchoͤnen Gemaͤchern,600 Nicht allein, es gingen mit ihr die uͤbrigen Jungfraun. Als ſie nun oben kam mit den Jungfraun, weinte ſie wieder Ihren trauten Gemahl Oduͤßeus, bis ihr Athaͤnaͤ Sanft mit ſuͤßem Schlummer die Augenlieder bedeckte.

384

Oduͤßee. Zwanzigſter Geſang.

Aber im Vorſaal lagerte ſich der edle Oduͤßeus. Ueber die rohe Haut des Stieres breitet 'er viele Wollichte Felle der Schafe vom uͤppigen Schmauſe der Freier; Und Euruͤnomaͤ deckte den Ruhenden zu mit dem Mantel. Alda lag Oduͤßeus, und ſann dem Verderben der Freier5 Wachend nach. Nun gingen die Weiber aus dem Palaſte, Welche ſchon ehemals mit den Freiern hatten geſchaltet, Und beluſtigten ſich, und lachten unter einander. Aber dem Koͤnige ward ſein Herz im Buſen erreget; Und er bedachte ſich hin und her, mit wankendem Vorſaz:10 Ob er ſich ploͤzlich erhuͤbe, die Frechen alle zu toͤdten; Oder ihnen noch Einmal zum allerlezten erlaubte, Mit den Freiern zu ſchalten. Im Innerſten bellte ſein Herz ihm: So wie die mutige Huͤndin, die zarten Jungen umwandelnd, Jemand, den ſie nicht kennt, anbellt, und zum Kampfe hervorſpringt. 15Alſo bellte ſein Herz, durch die ſchaͤndlichen Graͤuel erbittert. Aber er ſchlug an die Bruſt, und ſprach die zuͤrnenden Worte:

Dulde, mein Herz! Du haſt noch haͤrtere Kraͤnkung erduldet, Damals, als der Kuͤklop, das Ungeheuer! die lieben Tapfern Freunde dir fraß. Du duldeſt, bis dich ein Anſchlag20385Oduͤßee. Zwanzigſter Geſang. Aus der Hoͤhle befreite, wo dir dein Tod ſchon beſtimmt war.

Alſo ſtrafte der Edle ſein Herz im wallenden Buſen; Und ſein empoͤrtes Herz ermannte ſich ſchnell, und harrte Standhaft aus. Allein er wandte ſich hiehin und dorthin. Alſo wendet der Pfluͤger am großen brennenden Feuer25 Einen Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefuͤllet, Hin und her, und erwartet es kaum, ihn gebraten zu ſehen: Alſo wandte der Held ſich hin und wieder, bekuͤmmert, Wie er den ſchrecklichen Kampf mit den ſchamloſen Freiern begoͤnne, Er allein mit ſo vielen. Da ſchwebete Pallas Athaͤnaͤ30 Hoch vom Himmel herab, und kam in weiblicher Bildung, Neigte ſich uͤber ſein Haupt, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Warum wachſt du doch, ungluͤcklichſter aller die leben? Dieſes iſt ja dein Haus, und drinnen iſt deine Gemahlin, Und ein Sohn, ſo treflich ihn irgend ein Vater ſich wuͤnſchet! 35

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Dieſes alles iſt wahr, o Goͤttin, was du geredet. Aber eines iſt, was meine Seele bekuͤmmert: Wie ich den ſchrecklichen Kampf mit den ſchamloſen Freiern beginne, Ich allein mit ſo vielen, die hier ſich taͤglich verſammeln. 40Und noch ein Groͤßeres iſt, was meine Seele bekuͤmmert: Wann ich jene mit Zeus und deinem Willen ermorde, Wo entflieh ich alsdann? Dies uͤberlege nun ſelber.

Drauf antwortete Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ: O Kleinmuͤtiger, traut man doch einem geringeren Freunde,45 Welcher nur ſterblich iſt und eingeſchraͤnktes Verſtandes; Und der Unſterblichen eine bin ich, die deiner beſtaͤndigB b386Oduͤßee. Waltet in jeder Gefahr. Vernim denn, was ich dir ſage: Stuͤnden auch funfzig Schaaren der vielfachredenden MenſchenV. 49.Eine Schaar beſtand in ſpaͤtern Zeiten aus fuͤnfundzwanzig. Um uns her, und trachteten dich im Kampfe zu toͤdten;50 Dennoch raubteſt du ihnen die fetten Rinder und Schafe. Aber ſchlummre nun ein! Die ganze Nacht zu durchwachen, Iſt ermattend; du wirſt ja der Truͤbſal jezo entrinnen!

Alſo ſprach ſie, und deckte Oduͤßeus Augen mit Schlummer. Und zum Oluͤmpos empor erhub ſich die heilige Goͤttin,55 Als ihn der Schlummer umfing, den Gram zerſtreute, die Glieder Sanft aufloͤſte. Allein Oduͤßeus edle Gemahlin Fuhr aus dem Schlafe, ſie ſaß auf dem weichen Lager, und weinte. Als ſie endlich ihr Herz mit vielen Thraͤnen erleichtert, Flehte ſie Artemis an, die treflichſte unter den Weibern:60

Hochgeprieſene Goͤttin, o Artemis, Tochter Kronions, Traͤfeſt du doch mein Herz mit deinem Bogen, und naͤhmeſt Meinen bekuͤmmerten Geiſt gleich jezo! Oder ein SturmwindV. 63.Wenn jemand weggekommen war, daß man nicht wußte, wie oder wohin; ſo glaubte man, die Harpuͤen oder Sturmwinde haͤtten ihn geraubt, und an den Ozean getragen. Paͤnepoleia redet hier von dem Ozean gegen Weſten, wo - hin der grade Weg durch das finſtere Land der Kimmerier ging. Dort war naͤm - lich der Eingang des Schattenreichs, wo die Erinnen oder Furien wohnten. Raubte durch finſtere Wege mich ſchnell von hinnen, und wuͤrfe Mich am fernen Geſtade des ebbenden Ozeans nieder:65 So wie die Stuͤrme vordem Pandareos Toͤchter entfuͤhrten! Ihrer Eltern beraubt von den Goͤttern, blieben ſie huͤlflosV. 67.Aaͤdons Schweſtern Kleothaͤra und Merope, die Toͤchter Pandareos, den Zeus wegen eines Verbrechens ſamt ſeinem Weibe getoͤdtet hatte. Aus dicker Milch, Honig und Wein machte man ein Gemuͤſe fuͤr Kinder.387Zwanzigſter Geſang. In dem Palaſte zuruͤck; da naͤhrte ſie Afroditaͤ Mit geronnener Milch und ſuͤßem Honig und Weine. Ihnen ſchenkte dann Haͤraͤ vor allen ſterblichen Weibern70 Schoͤnheit und klugen Verſtand, die keuſche Artemis Groͤße, Und Athaͤnaͤ die Kunde des Webeſtuhls und der Nadel. Aber da einſt Afroditaͤ zum großen Oluͤmpos emporſtieg, Daß der Donnerer Zeus den lieblichen Tag der Hochzeit Ihren Maͤdchen gewaͤhrte; (denn deßen ewige Vorſicht75 Lenkt allwißend das Gluͤck und Ungluͤck ſterblicher Menſchen:) Raubten indeß die Harpuͤen Pandareos Toͤchter, und ſchenkten Sie den verhaßten Erinnen zu harter ſklaviſcher Arbeit. Fuͤhrten die Himmliſchen ſo auch mich aus der Kunde der Menſchen! Oder entſeelte mich Artemis Pfeil! damit ich, Oduͤßeus80 Bild im Herzen, nur unter die traurige Erde verſaͤnke, Eh ich die ſchnoͤde Begierd 'eines ſchlechteren Mannes geſaͤttigt! Ach! zu erdulden iſt noch immer das Leiden, wenn jemand Zwar die Tage durchweint und jammert, aber die Naͤchte Ruhiger Schlummer beherſcht; denn dieſer tilgt aus dem Herzen85 Alles, Gutes und Boͤſes, ſobald er die Augen umſchattet: Doch mir ſendet auch Nachts ein Daͤmon ſchreckende Traͤume! Eben ſchlief es wieder bei mir, ganz aͤhnlich ihm ſelber, Wie er gen Ilion fuhr; und ich Arme freute mich herzlich, Denn ich hielt es nicht fuͤr ein Traumbild, ſondern fuͤr Wahrheit. 90

Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos. Und der Weinenden Stimme vernahm der edle Oduͤßeus. Aengſtlich ſann er umher; ihn daucht 'im Herzen, ſie ſtuͤnde Ihn erkennend bereits zu ſeinem Haupte. Da nahm er Hurtig Mantel und Felle, worauf er ruhte, zuſammen,95388Oduͤßee. Legte ſie ſchnell in den Saal auf einen Seßel, die Stierhaut Trug er hinaus, und flehete Zeus mit erhobenen Haͤnden:

Vater Zeus, wenn ihr Goͤtter nach vielem Jammer mich huldreich Ueber Waßer und Land in meine Heimat gefuͤhrt habt; O ſo rede nun einer der Wachenden gluͤckliche Worte100 Hier im Palaſt, und draußen geſcheh ein Zeichen vom Himmel!

Alſo flehte der Held; den Flehenden hoͤrte Kronion. Und er donnerte ſchnell vom glanzerhellten Oluͤmpos Hoch aus den Wolken herab. Da freute ſich herzlich Oduͤßeus. Ploͤzlich hoͤrt 'er ein mahlendes Weib, das gluͤckliche Worte105 Redete, nahe bei ihm, wo die Muͤhlen des Koͤniges ſtanden. Taͤglich waren alhier zwoͤlf Muͤllerinnen beſchaͤftigt, Weizen - und Gerſtenmehl, das Mark der Maͤnner, zu mahlen. Aber die uͤbrigen ſchliefen, nachdem ſie den Weizen zermalmet; Sie nur feirte noch nicht, denn ſie war von allen die ſchwaͤchſte. 110Stehen ließ ſie die Muͤhl ', und ſprach die profetiſchen Worte:

Vater Zeus, der Goͤtter und ſterblichen Menſchen Beherſcher, Wahrlich du donnerteſt laut vom Sternenhimmel, und nirgends Iſt ein Gewoͤlk; du ſendeſt gewiß jemanden ein Zeichen. Ach ſo gewaͤhr 'auch jezo mir armen Weibe die Bitte! 115Laß die ſtolzen Freier zum leztenmal heute, zum lezten! Ihren uͤppigen Schmaus in Oduͤßeus Hauſe genießen, Welche mir alle Kraft durch die ſeelenkraͤnkende Arbeit, Mehl zu bereiten, geraubt! Nun laß ſie zum leztenmal ſchwelgen!

Sprachs; und freudig vernahm Oduͤßeus ihre Verkuͤndung,120 Und Zeus Donnergetoͤn; denn er hoffte die Frevler zu ſtrafen.

Jezo verſammleten ſich die andern Maͤgde des Koͤnigs, Und es loderte bald auf dem Heerde das maͤchtige Feuer. 389Zwanzigſter Geſang. Auch der goͤttliche Juͤngling Taͤlemachos ſprang von dem Lager, Legte die Kleider an, und haͤngte ſein Schwert um die Schulter,125 Band die ſchoͤnen Solen ſich unter die ruͤſtigen Fuͤße, Faßte den maͤchtigen Speer, mit ſcharfer eherner Spize, Ging, und ſtand an der Schwelle, und ſagte zu Euruͤkleia:

Muͤtterchen, habt ihr auch fuͤr die Ruh und Pflege des Fremdlings Hier im Saale geſorgt? oder liegt er gaͤnzlich verſaͤumet? 130Meine Mutter die iſt nun ſo, (wie gut ſie auch denket,) Daß ſie den ſchlechteren Mann in ihres Herzens Verwirrung Oftmals ehrt, und den beßeren ungeehret hinwegſchickt.

Ihm erwiederte drauf die verſtaͤndige Euruͤkleia: Sohn, beſchuldige nicht die ganz unſchuldige Mutter! 135Denn er ſaß da und trank, ſo lang 'er wollte, des Weines; Speiſe, ſagte er ſelbſt, verlangt' er nicht mehr; denn ſie fragt 'ihn. Und als endlich die Stunde des ſuͤßen Schlafes herankam, Da befahl ſie den Maͤgden, ein Lager ihm zu bereiten; Aber Er, als ein ganz ungluͤcklicher leidengeuͤbter,140 Weigerte ſich im Bette auf weichen Polſtern zu ſchlafen: Auf Schafsfellen allein und der unbereiteten Stierhaut Wollt 'er im Vorſaal ruhn; wir deckten ihn noch mit dem Mantel.

Alſo ſprach ſie. Da ging, den Speer in der Rechten, der Juͤngling Aus dem Palaſt; es begleiteten ihn ſchnellfuͤßige Hunde;145 Und er ging zur Verſammlung der ſchoͤngeharniſchten Griechen.

Aber den Maͤgden befahl die Edelſte unter den Weibern, Euruͤkleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peiſaͤnors.

Hurtig, ihr Maͤgde! kehrt mir den Saal geſchwinde mit Beſen, Aber ſprengt ihn zuvor; die purpurnen Teppiche legt dann150 Auf die zierlichen Seßel! Ihr andern ſcheuret die Tiſche390Oduͤßee. Alle mit Schwaͤmmen rein; dann ſpuͤlt die kuͤnſtlichgegoßnen Doppelbecher und Kelche mir aus! Ihr uͤbrigen aber Holet Waßer vom Quell; doch daß ihr nur eilig zuruͤckkommt! Heute zoͤgern gewiß die Freier nicht lange, ſie werden155 Fruͤhe ſich hier verſammlen; denn heut iſt der heilige Neumond!

Alſo ſprach ſie; ihr hoͤrten die Maͤgde mit Fleiß, und gehorchten. Zwanzig eileten ſchnell zum Waßer der ſchattichten Quelle, Und die andern im Saale vollendeten kluͤglich die Arbeit. Jezo kamen ins Haus der Freier mutige Diener,160 Welche das Holz geſchickt zerſpalteten; und von der Quelle Kamen die Weiber zuruͤck. Auch kam der trefliche Sauhirt, Der drei Schweine, die beßten der ganzen Heerde, hereintrieb. Dieſe ließ er weidend im ſchoͤnen Hofe herumgehn, Trat dann ſelbſt zu Oduͤßeus, und ſprach die freundlichen Worte:165

Fremdling, haſt du anizt mehr Anſehn vor den Achaiern? Oder verſchmaͤhen ſie dich, wie vormals, hier im Palaſte?

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Ach, Eumaios, beſtraften doch einſt die Goͤtter den Frevel Dieſer verruchten Empoͤrer, die hier im fremden Palaſte170 Schaͤndliche Graͤuel veruͤben, und Scham und Ehre verachten!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Und es nahte ſich ihnen der Ziegenhirte Melantheus, Welcher die treflichſten Ziegen der ganzen Heerde den Freiern Brachte zum Schmaus; es begleiteten ihn zween andere Hirten. 175Dieſe banden ſie feſt dort unter der toͤnenden Halle, Aber Melanthios ſprach zu Oduͤßeus die ſchmaͤhenden Worte:

Fremdling, du willſt noch jezo in dieſem Hauſe die Maͤnner Durch dein Betteln beſchweren? und nie zur Thuͤre hinausgehn? 391Zwanzigſter Geſang. Nun wir werden uns wohl nicht wieder trennen, bevor du180 Dieſe Faͤuſte gekoſtet! Es iſt ganz wider die Ordnung, Solch ein Betteln! Es giebt ja noch andere Schmaͤuſe der Griechen!

Alſo ſprach er; und nichts antwortete jenem Oduͤßeus, Sondern ſchuͤttelte ſchweigend ſein Haupt, und ſann auf Verderben.

Auch der Maͤnnerbeherſcher Filoͤtios brachte den Freiern185 Eine gemaͤſtete Kuh und fette Ziegen zum Schmauſe. Dieſe kamen vom feſten Land 'in der Faͤhre der Schiffer, Die auch andere fahren, wenn jemand ſolches begehret. Und er knuͤpfte ſein Vieh auch unter der toͤnenden Halle Feſt; dann trat er naͤher, und fragte den edlen Eumaios:190

Huͤter der Schweine, wer iſt der neulich gekommene Fremdling Hier in unſerem Hauſe? Von welchen ruͤhmlichen Eltern Stammt er ab? Wo iſt ſein Geſchlecht und vaͤterlich Erbe? Armer! Wahrlich er traͤgt der herſchenden Koͤnige Bildung! Aber die Goͤtter verdunkeln das Anſehn irrender Menſchen,195 Auch wenn Koͤnigen ſelbſt ein ſolcher Jammer zu Theil wird.

Alſo ſprach er, und kam und reichte dem edlen Oduͤßeus Freundlich die rechte Hand, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Freue dich, fremder Vater! Es muͤße dir wenigſtens kuͤnftig Wohl ergehn! Denn jezo umringt dich mancherlei Truͤbſal! 200Vater Zeus, du biſt doch vor allen Unſterblichen grauſam! Du erbarmeſt dich nicht der Menſchen, die du gezeugt haſt, Sondern verdammſt ſie alle zu Noth und ſchrecklichem Jammer! Heißer und kalter Schweiß umſtroͤmte mich, als ich dich ſahe, Und mir thraͤnten die Augen: ich dachte gleich an Oduͤßeus,205 Der wohl auch ſo zerlumpt bei fremden Leuten umherirrt; Wo er anders noch lebt, und das Licht der Sonne noch ſchauet392Oduͤßee. Iſt er aber ſchon todt und in der Schatten Behauſung; Weh mir! wie klag 'ich Oduͤßeus, den Herlichen! der mich als Juͤngling Ueber die Rinder im Lande der Kefallaͤnier ſezte! V. 210.In dem Theile des feſten Landes, der dem kefallaͤniſchen Koͤnige Oduͤßeus gehoͤrte. Nachmals ward der Name des Reichs Kefallaͤnia auf die In - ſel Samaͤ eingeſchraͤnkt.210Dieſe werden nun faſt unzaͤhlbar; ſchwerlich hat jemand Eine ſo friſchaufwachſende Zucht breitſtirniger Rinder. Aber mich zwingen Fremde, ſie ihnen zum uͤppigen Mahle Herzufuͤhren, und achten nicht des Sohnes im Hauſe, Zittern auch nicht vor der Rache der Goͤtter; ja ihnen geluͤſtet215 Schon, die Guͤter zu theilen des langabweſenden Koͤnigs. O wie oft hat mein Herz in Verzweifelung dieſen Gedanken Hin und wieder bewegt: Sehr unrecht waͤr's, da der Sohn lebt, In ein anderes Land mit den Rindern zu fliehen, und Huͤlfe Fremder Leute zu ſuchen; doch ſchrecklicher iſt es, zu bleiben,220 Und die Rinder fuͤr andre mit innigem Kummer zu huͤten. Und ich waͤre ſchon laͤngſt zu einem maͤchtigen Koͤnig Außer dem Lande geflohn; (denn es iſt nicht laͤnger zu dulden!) Aber ich hoffe noch immer, daß mein ungluͤcklicher Koͤnig Wiederkomm ', und die Schaar der Freier im Hauſe zerſtreue! 225

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Keinem geringen Manne noch thoͤrichten gleichſt du, o Kuhirt, Und ich erkenn 'es ſelber, du denkſt vernuͤnftig und edel; Darum verkuͤnd' ich dir jezt, und betheur 'es mit hohem Eidſchwur: Zeus von den Goͤttern bezeug' es, und dieſe gaſtliche Tafel,230 Und Oduͤßeus heiliger Heerd, zu welchem ich fliehe: Du wirſt ſelber zugegen ſein, wann Oduͤßeus zuruͤckkommt,393Zwanzigſter Geſang. Und, ſo du willſt, auch ſelber mit deinen Augen es anſehn. Wie er die Freier vertilgt, die hier im Hauſe gebieten.

Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder:235 Fremdling, erfuͤllte doch Zeus, was du verkuͤndet! Du ſollteſt Sehn, was auch meine Kraft und meine Haͤnde vermoͤchten!

Auch Eumaios flehte zu allen unſterblichen Goͤttern, Daß ſie dem weiſen Oduͤßeus verſtateten wiederzukehren. Alſo beſprachen dieſe ſich jezo untereinander. 240

Und die Freier beſchloßen, Taͤlemachos heimlich zu toͤdten. Aber linksher kam ein ungluͤckdrohender Vogel, Ein hochfliegender Adler, und hielt die bebende Taube. Als ihn Amfinomos ſahe, da ſprach er zu der Verſammlung:

Freunde, nimmer gelingt uns dieſer heimliche Rathſchluß245 Ueber Taͤlemachos Tod; wohlauf! und gedenket des Mahles!

Alſo ſprach er, und allen gefiel Amfinomos Rede. Und ſie gingen ins Haus des goͤttergleichen Oduͤßeus, Legten die Maͤntel nieder auf praͤchtige Seßel und Throne, Opferten große Schafe zum Mahl, und gemaͤſtete Ziegen,250 Opferten fette Schwein 'und eine Kuh von der Weide. Brieten und reichten umher die Eingeweide; und miſchten Dann des Weines in Kelchen; die Becher vertheilte der Sauhirt; Und der Maͤnnerbeherſcher Filoͤtios reichte den Freiern Brot in zierlichen Koͤrben; Melanthios ſchenkte den Wein ein:255 Und ſie erhoben die Haͤnde zum leckerbereiteten Mahle.

Aber Taͤlemachos hieß, auf Liſten ſinnend, Oduͤßeus Sizen im ſchoͤngemauerten Saal, an der ſteinernen Schwelle, Neben dem kleinen Tiſch, auf einem der ſchlechteren Stuͤhle. Und er bracht 'ihm ein Theil der Eingeweide, und ſchenkte260394Oduͤßee. Wein in den goldenen Becher, und ſprach zu dem edlen Oduͤßeus:

Size nun ruhig hier, und trinke Wein mit den Maͤnnern. Vor Gewaltſamkeiten und Schmaͤhungen will ich dich ſelber Schuͤzen gegen die Freier! Denn hier iſt kein oͤffentlich Gaſthaus, Sondern Oduͤßeus Haus; und ich bin der Erbe des Koͤnigs! 265Aber ihr, o Freier, enthaltet euch aller Beſchimpfung Und Gewalt; damit kein Zank noch Hader entſtehe!

Alſo ſprach er; ba bißen ſie ringsumher ſich die Lippen, Ueber den Juͤngling erſtaunt, der ſo entſchloßen geredet. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:270

Freunde, wie hart ſie auch iſt, wir wollen Taͤlemachos Rede Nur annehmen; ihr hoͤrt ja des Juͤnglings ſchreckliche Drohung! Zeus Kronion verſtatet 'es nicht; ſonſt haͤtten wir lange Hier im Hauſe den Redner mit heller Stimme geſchweiget.

Alſo ſprach der Freier; doch jener verachtete ſolches. 275Und die Herolde fuͤhrten die Hekatombe der GoͤtterV. 276.Die Herolde des Volks, welches den Neumond feirte. Durch die Stadt; und die Schaar der hauptumlockten Achaier Ging in den Schattenhain des goͤttlichen Schuͤzen Apollons.

Aber die Freier brieten das Fleiſch, und zogens herunter, Theiltens den Gaͤſten umher, und feirten das praͤchtige Gaſtmahl. 280Und Oduͤßeus brachten die Diener, welche zerlegten, Eben ſo viel des Fleiſches, als jedem Gaſte das Loos gab; Weil es Taͤlemachos hieß, der Sohn des edlen Oduͤßeus.

Aber den mutigen Freiern verſtatete Pallas Athaͤnaͤ Nicht, des erbitternden Spottes ſich ganz zu enthalten, damit noch285 Heißer entbrennte das Herz des Laertiaden Oduͤßeus. 395Zwanzigſter Geſang. Unter den Freiern war ein ungezogener Juͤngling: Dieſer hieß Ktaͤſippos, und war aus Samaͤ gebuͤrtig. Stolz auf das große Gut des Vaters, warb er anizo Um die Gattin Oduͤßeus, des langabweſenden Koͤnigs. 290Dieſer erhub die Stimme, und ſprach zu den trozigen Freiern:

Hoͤret, was ich euch ſag ', ihr edelmuͤtigen Freier! Zwar empfing der Fremdling ſchon laͤngſt ſein gebuͤhrendes Antheil, Eben wie wir; denn es waͤre nicht recht, und gegen den Wohlſtand, Fremde zu uͤbergehn, die Taͤlemachos Wohnung beſuchen:295 Aber ich will ihm doch auch ein wenig verehren; damit er Etwa die Magd, die ihn badet, beſchenke, oder auch jemand Sonſt von den Leuten im Hauſe des goͤttergleichen Oduͤßeus.

Alſo ſprach er, und warf mit nervichter Rechte den Kuhfuß, Welcher im Korbe lag, nach Oduͤßeus. Aber Oduͤßeus300 Wandte behende ſein Haupt, und barg mit ſchrecklichem Laͤcheln Seinen Zorn; und das Bein fuhr gegen die zierliche Mauer. Aber Taͤlemachos ſchalt den Freier mit drohenden Worten:

Wahrlich, Ktaͤſippos, es iſt ein großes Gluͤck fuͤr dein Leben, Daß du den Fremdling nicht trafſt; denn dieſer beugte dem Wurf aus:305 Traun! ich haͤtte dich gleich mit der ſpizen Lanze durchboret, Und ſtat der Hochzeit wuͤrde dein Vater ein Leichenbegaͤngniß Hier begehn! Veruͤbe mir keiner die mindeſte Unart Hier im Palaſt! Mir fehlt nun weder Verſtand noch Erfahrung, Gutes und Boͤſes zu ſehn; denn ehmals war ich ein Knabe310 Dennoch ſchaun wir es an, und leiden alles geduldig, Wie ihr das Maſtvieh ſchlachtet, und ſchwelgend den Wein und die Speiſe Ausleert; denn was vermag ein Einziger gegen ſo viele? Aber hierbei laßt nun auch eure Beleidigung ſtillſtehn! 396Oduͤßee. Habt ihr indeß beſchloßen, mich mit dem Schwerte zu toͤdten;315 Lieber wollt 'ich doch das, und wahrlich, es waͤre mir beßer! Sterben, als immerfort den Graͤul der Verwuͤſtungen anſehn: Wie man die Fremdlinge hier mishandelt, oder die Maͤgde Zur abſcheulichen Luſt in den praͤchtigen Kammern umherzieht!

Alſo ſprach er; und alle verſtummten umher, und ſchwiegen. 320Endlich erwiederte drauf Damaſtors Sohn Agelaos:

Freunde, Taͤlemachos hat mit großem Rechte geredet; Drum entruͤſte ſich keiner, noch geb 'ihm trozige Antwort! Auch mishandelt nicht ferner den armen Fremdling, noch jemand Von den Leuten im Hauſe des goͤttergleichen Oduͤßeus! 325Aber Taͤlemachos moͤcht 'ich anizt und Taͤlemachos Mutter Dies wohlmeinend rathen, wenns ihrem Herzen gefiele. Als ihr beide noch immer mit ſehnlichharrendem Herzen Hofftet die Wiederkehr des erfindungsreichen Oduͤßeus; War es nicht tadelhaft, zu warten, und die Achaier330 Hinzuhalten im Hauſe: (denn beßer waͤr 'es geweſen, Haͤtten die Goͤtter Oduͤßeus verſtatet wiederzukehren.) Doch nun iſt es ja klar, daß Oduͤßeus nimmer zuruͤckkehrt. Drum geh hin zu der Mutter, und ſag' ihr, ſie moͤge den beßten Juͤngling, welcher das meiſte geſchenkt, zum Braͤutigam waͤhlen:335 Daß du alle Guͤter des Vaters beherſchen, und friedlich Eßen und trinken koͤnneſt, da ſie mit dem Manne hinwegzieht!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen; Nein, bei Zeus! Agelaos, und bei den Leiden des Vaters, Der von Ithaka ferne den Tod fand, oder umherirrt! 340Ich verhindre ſie nicht, ich ſelber heiße die Mutter Waͤhlen, welchen ſie will, und wer ſie reichlich beſchenket. 397Zwanzigſter Geſang. Aber ich ſcheue mich, ſie mit harten Worten gewaltſam Aus dem Hauſe zu treiben; das wolle Gott nicht gefallen!

Alſo ſprach er; Und ſiehe, ein großes Gelaͤchter erregte345 Palas Athaͤnaͤ im Saal, und verwirrte der Freier Gedanken: Und ſchon lachten ſie alle mit graͤßlichverzuckten Geſichtern. Blutbeſudeltes Fleiſch verſchlangen ſie jezo; die Augen Waren mit Thraͤnen erfuͤllt, und Jammer umſchwebte die Seele. Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos ſprach zur Verſammlung:350

Ach ungluͤckliche Maͤnner, welch Elend iſt euch begegnet! Finſtere Nacht umhuͤllt euch Haupt und Antliz und Glieder! Und Wehklagen ertoͤnt, und Thraͤnen nezen die Wangen! Und von Blute triefen die Waͤnd 'und das ſchoͤne Getaͤfel! Flatternde Geiſter fuͤllen die Flur, und fuͤllen den Vorhof,355 Zu desErebos Schatten hinuntereilend! Die Sonne Iſt am Himmel erloſchen, und rings herſcht ſchreckliches Dunkel!

Alſo ſprach er; und alle begannen herzlich zu lachen. Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſprach zu den Freiern:

Hoͤrt, wie der Fremdling raſt, der neulich von ferne hieherkam! 360Hurtig, ihr Juͤnglinge, eilt, und leitet ihn aus dem Palaſte Nach dem Verſammlungsplaz! Hier kommt ihm alles wie Nacht vor!

Und der goͤttliche Mann Theokluͤmenos gab ihm zur Antwort: Keinesweges bedarf ich, Euruͤmachos, deiner Geleiter; Denn du ſiehſt, ich habe noch Augen und Ohren und Fuͤße,365 Und mein guter Verſtand iſt auch nicht irre geworden. Hiermit will ich allein hinausgehn: denn ich erkenne Schon das kommende Graun des Todes, dem keiner entfliehn wird, Keiner von euch, ihr Freier im Hauſe des edlen Oduͤßeus, Wo ihr die Fremdlinge hoͤhnt, und ſchaͤndliche Graͤuel veruͤbet! 370

398Oduͤßee. Zwanzigſter Geſang.

Alſo ſprach er, und ging aus der ſchoͤngebaueten Wohnung Hin zum Hauſe Peiraios, und wurde freundlich empfangen.

Aber die Freier ſahen ſich all' einander ins Antliz, Hoͤhnten Taͤlemachos aus, und lachten uͤber die Gaͤſte. Unter dem Schwarme begann ein uͤbermuͤtiger Juͤngling:375

Nein, Taͤlemachos, keiner hat jemals ſchlechtere Gaͤſte Aufgenommen, als du! Denn dieſer verhungerte Bettler Sizt da, nach Speiſe und Wein heißhungrig; aber zur Arbeit Hat er nicht Luſt noch Kraft, die verworfene Laſt der Erde! Und der andere dort erhub ſich, uns wahrzuſagen. 380Aber willſt du mir folgen; (es iſt wahrhaftig das Beßte!) Laß uns die Fremdlinge beid 'im vielgeruderten Schiffe Zu den Sikelern ſenden; da kannſt du ſie theuer verkaufen. V. 383.Die Sikeler waren ein barbariſches Volk an der Oſtſeite Siziliens.

Alſo ſprachen die Freier; doch jener verachtete ſolches. Schweigend ſah er Oduͤßeus an, und harrte beſtaͤndig,385 Wann ſein maͤchtiger Arm die ſchamloſen Freier beſtrafte.

Gegenuͤber dem Saal auf einem praͤchtigen Seßel Saß Ikarios Tochter, die kluge Paͤnelopeia, Und behorchte die Reden der uͤbermuͤtigen Maͤnner. Dieſe feirten nun zwar mit lautem Lachen das Fruͤhmahl,390 Luſtig und froͤhliches Muts, denn ſie hatten die Menge geſchlachtet: Doch unlieblicher ward kein Abendſchmaus noch gefeiert, Als den bald die Goͤttin, mit ihr der ſtarke Oduͤßeus, Jenen gab, die bisher ſo ſchaͤndliche Graͤuel veruͤbten.

399

Oduͤßee. Einundzwanzigſter Geſang.

Aber Ikarios Tochter, der klugen Paͤnelopeia, Gab Athaͤnaͤ, die Goͤttin mit blauen Augen, den Rath ein, Daß ſie den Freiern den Bogen und blinkende Eiſen zum Wettkampf In dem Palaſt vorlegte, und zum Beginne des Mordens. Und ſchon ſtieg ſie empor die hohen Stufen der Wohnung,V. 5.Sie holte von ihrem Soͤller die Schluͤßel zu dem Vorrathsgewoͤlbe. Der Schluͤßel war ein Dietrich, womit man den inwendigen Riegel zuruͤckſchob.5 Faßte mit zarter Hand den ſchoͤngebogenen Schluͤßel, Zierlich von Erz gegoßen, mit elfenbeinernem Griffe, Eilete dann, und ging, von ihren Maͤgden begleitet, Zu dem innern Gemach, wo die Schaͤze des Koͤniges lagen, Erzes und Goldes die Meng ', und kuͤnſtlichgeſchmiedetes Eiſens. 10Unter den Schaͤzen war der krumme Bogen Oduͤßeus, Und ſein Koͤcher, gefuͤllt mit jammerbringenden Pfeilen. V. 12.Die Pfeile waren vergiftet, Geſ. 1 V. 260.

Beide ſchenkt 'ihm vordem in Lakedaimon ein Gaſtfreund,V. 13.Lakedaimon iſt hier der Name des Landes, wozu auch Meßaͤnaͤ, oder das Gebiet der Meßaͤnier, gehoͤrte. Orſilochos wohnte in der meßaͤniſchen Stadt Faͤrai. Ifitos, Euruͤtos Sohn, den unſterblichen Goͤttern vergleichbar. 400Oduͤßee. In Meßaͤnaͤ trafen die beiden Helden einander,15 Im Palaſte des tapfern Orſilochos. Dort war Oduͤßeus, Um die Bezahlung der Schuld vom ganzen Volke zu fodern. Denn aus Ithaka hatten die Schiffe meßaͤniſcher Maͤnner Juͤngſt dreihundert Schafe mit ihren Hirten geraubet. Darum kam als Geſandter Oduͤßeus den weiten Weg her,20 Jung wie er war, von Laertaͤs erſehn und den uͤbrigen Greiſen. Aber Ifitos kam, die verlorenen Roße zu ſuchen, Zwoͤlf noch ſaͤugende Stuten, mit Fuͤllen laſtbarer Maͤuler. Doch ſie beſchleunigten nur des Suchenden Todesverhaͤngniß! Denn als Ifitos endlich bei Zeus hochtrozendem Sohne25 Kam, dem ſtarken Haͤraklaͤs, dem Manne von großen Thaten; Toͤdtete dieſer den Gaſt in ſeinem Hauſe, der Wuͤtrich[!]Unbeſorgt um der Goͤtter Gericht, und den heiligen Gaſttiſch, Den er ihm vorgeſezt! Ihn ſelbſt erſchlug er im Hauſe, Und behielt fuͤr ſich die Roße mit malmenden Hufen! 30Dieſe ſuchend traf er den jungen Oduͤßeus, und ſchenkt 'ihm Seinen Bogen, den einſt der große Euruͤtos fuͤhrte, Aber ſterbend dem Sohn im hohen Palaſte zuruͤckließ. Und Oduͤßeus ſchenkt' ihm ſein Schwert und die maͤchtige Lanze, Zu der vertraulichſten Freundſchaft Beginn. Doch ſaßen ſie niemals35 Einer am Tiſche des andern; denn bald ſank unter Haͤraklaͤs Ifitos, Euruͤtos Sohn, den unſterblichen Goͤttern vergleichbar. Ifitos Bogen fuͤhrte der edelgeſinnte Oduͤßeus Niemals, wann er zum Krieg 'in ſchwarzen Schiffen hinwegfuhr; Sondern ließ im Palaſte des unvergeßlichen Freundes40 Angedenken zuruͤck: in Ithaka fuͤhrt 'er ihn immer.

Als das goͤttliche Weib die gewoͤlbete Kammer erreichte,401Einundzwanzigſter Geſang. Und die eichene Schwelle hinanſtieg, welche der Meiſter Kuͤnſtlich hatte geglaͤttet, und nach dem Maße der Richtſchnur, Drauf die Pfoſten gerichtet, mit ihren glaͤnzenden Fluͤgeln;45 Loͤſte ſie ſchnell vom Ringe den kuͤnſtlichen Knoten des Riemens, Steckte den Schluͤßel hinein, und draͤngte die Riegel der Pforte, Scharf hinblickend, zuruͤck: da krachten laut, wie ein Pflugſtier Bruͤllt auf blumiger Au, ſo krachten die praͤchtigen Fluͤgel, Von dem Schluͤßel geoͤffnet, und breiteten ſich aus einander. 50Und ſie trat ins Gewoͤlb ', und ſtieg auf die bretterne Buͤhne, Wo die Laden ſtanden voll lieblichduftender Kleider, Langte von dort in die Hoͤh, und nahm vom Nagel den Bogen, Samt der glaͤnzenden Scheide, die ihn umhuͤllte, herunter. Und ſie ſezte ſich, legt' auf den Schooß den Bogen des Koͤnigs,55 Hub laut an zu weinen, und zog ihn hervor aus der Scheide. Und nachdem ſie ihr Herz mit vielen Thraͤnen erleichtert, Ging ſie hinauf in den Saal zu den uͤbermuͤtigen Freiern, Haltend in ihrer Hand den krummen Bogen Oduͤßeus, Und den Koͤcher, gefuͤllt mit jammerbringenden Pfeilen. 60Hinter ihr trugen die Maͤgde die zierliche Kiſte, mit Eiſen Und mit Erze beſchwert, den Kampfgeraͤthen des Koͤnigs. Als das goͤttliche Weib die Freier jezo erreichte, Stand ſie ſtill an der Schwelle des ſchoͤnen gewoͤlbeten Saales; Ihre Wangen umwallte der feine Schleier des Hauptes,65 Und an jeglichem Arm ſtand eine der ſtatlichen Jungfraun. Und ſie ſprach zur Verſammlung der uͤbermuͤtigen Freier:

Hoͤrt, ihr mutigen Freier, die ihr in dieſem Palaſte Schaarenweiſe euch ſtets zum Eßen und Trinken verſammelt,C c402Oduͤßee. Da mein Gemahl ſo lang 'entfernt iſt; und die ihr keinen70 Einzigen Grund angebt zu dieſer großen Verwuͤſtung, Außer daß ihr mich liebt und zur Gemahlin begehret: Auf, ihr Freier, wohlan! denn jezo erſcheinet ein Wettkampf! Hier iſt der große Bogen des goͤttergleichen Oduͤßeus. Weßen Hand von euch den Bogen am leichteſten ſpannet,75 Und mit der Senne den Pfeil durch alle zwoͤlf Aexte hindurchſchnellt; Seht, dem folg 'ich als Weib aus dieſem wehrten Palaſte Meines erſten Gemahls, dem praͤchtigen reichen Palaſte, Deßen mein Herz ſich vielleicht noch kuͤnftig in Traͤumen erinnert.

Alſo ſprach ſie, und winkte dem edlen Hirten Eumaios,80 Ihnen den Bogen zum Kampf und die blinkenden Aexte zu bringen. Weinend empfing ſie Eumaios, und legte ſie nieder. Der Kuhirt Weint 'auf der andern Seite, da er den Bogen des Herrn ſah. Aber Antinoos ſchalt, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Alberne Hirten des Viehs, in den Tag hintraͤumende Thoren,85 Ungluͤckſelige, ſprecht, was vergießt ihr Thraͤnen, und reizet Unſerer Koͤnigin Herz noch mehr zu trauren, das ſo ſchon Tiefgebeugt den Verluſt des lieben Gemahles bejammert? Sizt geruhig am Tiſch, und ſchmauſet; oder entfernt euch Hurtig, und heult vor der Thuͤr, und laßt den Bogen uns Freiern:90 Daß wir den Kampf verſuchen, den furchtbaren! Denn ich vermute, Daß es ſo leicht nicht ſei, den geglaͤtteten Bogen zu ſpannen. Denn ein ſolcher Mann iſt nicht in der ganzen Verſammlung, Als Oduͤßeus war! Ich hab 'ihn ſelber geſehen, Und entſinne mich wohl: ich war noch ein ſtammelnder Knabe. 95

Alſo ſprach er; allein in ſeinem Herzen gedacht 'er, Selbſt die Senne zu ſpannen, und durch die Aexte zu treffen403Einundzwanzigſter Geſang. Aber er ſollte zuerſt den Pfeil aus den Haͤnden Oduͤßeus Koſten, weil er vordem den Herlichen, in dem Palaſte Sizend, hatte geſchmaͤht, und die uͤbrigen Freier gereizet. 100Unter ihnen begann Taͤlemachos heilige Staͤrke:

Wahrlich, Zeus Kronion beraubte mich alles Verſtandes! Meine Mutter verheißet anizt, (wie gut ſie auch denket!) Einem andern zu folgen, und dieſes Haus zu verlaßen; Und ich freue mich noch, und lache, ich thoͤrichter Juͤngling! 105Aber wohlan, ihr Freier! denn jezo erſcheinet der Wettkampf Um ein Weib, wie keines im ganzen achaiiſchen Lande, Nicht in der heiligen Puͤlos, in Argos, oder Muͤkaͤnaͤ, Selbſt in Ithaka nicht, und nicht auf der fruchtbaren Veſte! Aber das wißt ihr ſelber; was brauch 'ich die Mutter zu loben? 110Auf denn! verzoͤgert ihn nicht durch lange Zweifel, und ſpannet Ohne Geſchwaͤz den Bogen; damit wir den Sieger erkennen! Und ich haͤtte wohl Luſt, den Bogen ſelbſt zu verſuchen. Denn waͤr 'ichs, der ihn ſpannt, und durch die Aexte hindurchſchießt; Dann verließe mich Traurenden nicht die theuerſte Mutter,115 Einem anderen folgend, noch blieb 'ich einſam im Hauſe, Da ich ſchon tuͤchtig bin zu den edlen Kaͤmpfen des Vaters!

Alſo ſprach er, und warf von der Schulter den purpurnen Mantel, Seinem Seßel entſpringend, und warf ſein Schwert von der Schulter. Hierauf ſtellt 'er die Eiſen im aufgegrabenen Eſtrich120 Alle zwoͤlf nach der Reih, und nach dem Maße der Richtſchnur, Stampfte die Erde dann feſt; und alle ſtaunten dem Juͤngling, Wie gerad 'er ſie ſtellte; da ers doch nimmer geſehen. Und er trat an die Schwelle des Saals, und verſuchte den Bogen. 404Oduͤßee. Dreimal erſchuͤttert 'er ihn, und ſtrebt' ihn aufzuſpannen;V. 125.Er ſtellte das Ende des Bogens, woran die Senne befeſtigt war, auf die Erde, und kruͤmmte ihn dann mit der ganzen Laſt ſeines Koͤrpers, um die Senne auch uͤber das andere Ende zu haͤngen; aber der ſtarke Bogen ſprang immer zuruͤck.125 Dreimal verließ ihn die Kraft. Noch immer hoffte der Juͤngling, Selbſt die Senne zu ſpannen, und durch die Aexte zu treffen. Und er haͤtt 'es vollbracht, da der Starke zum viertenmal anzog; Aber ihm winkt' Oduͤßeus, und hielt den ſtrebenden Juͤngling. Und zu den Freiern ſprach Taͤlemachos heilige Staͤrke:130

Goͤtter, ich bleibe vielleicht auf immer weichlich und kraftlos; Oder ich bin noch zu jung, und darf den Haͤnden nicht trauen, Abzuwehren den Mann, der mich hohnſprechend beleidigt. Aber wohlan, ihr andern, die ihr viel ſtaͤrker als ich ſeid, Kommt, und verſucht den Bogen, und endiget hurtig den Wettkampf! 135

Alſo ſprach er, und ſtellte den Bogen nieder zur Erden, Hingelehnt an die feſte mit Kunſt gebildete Pforte, Lehnte den ſchnellen Pfeil an des Bogens zierliche Kruͤmmung,V. 138.Beide Enden des Bogens waren ein wenig gekruͤmmt, damit die Senne nicht abglitte. Ging, und ſezte ſich wieder auf ſeinen verlaßenen Seßel. Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos ſprach zur Verſammlung:140

Steht nach der Ordnung auf, von der Linken zur Rechten, o Freunde, An der Stelle beginnend, von wannen der Schenke herumgeht.

Alſo ſprach er; und allen gefiel Antinoos Rede. Und es erhub ſich zuerſt der Oenopide Leiodaͤs, Welcher, ihr Opferprofet, beſtaͤndig am ſchimmernden Kelche145 Unten im Winkel ſaß: der einzige, dem die Verwuͤſtung Nicht gefiel; er haßte die ganze Rotte der Freier. 405Einundzwanzigſter Geſang. Dieſer nahm den Bogen und ſchnellen Pfeil von der Erde, Stellte ſich drauf an die Schwelle des Saals, und verſuchte den Bogen. Aber er ſpannt 'ihn nicht; die zarten Haͤnde des Sehers150 Wurden im Aufziehn laß. Da ſprach er zu der Verſammlung:

Freunde, ich ſpann 'ihn nicht; ihn nehm' ein anderer jezo! Viele der Edeln im Volk wird dieſer Bogen des Athems Und der Seele berauben; denn das iſt tauſendmal beßer, Sterben, als lebend den Zweck zu verfehlen, um den wir uns immer155 Hier im Hauſe verſammlen, und harren von Tage zu Tage! Jezo hofft wohl mancher in ſeinem Herzen, und wuͤnſcht ſich Paͤnelopeia zum Weib ', Oduͤßeus edle Gemahlin. Aber wird er einmal den Bogen pruͤfen und anſehn; O dann ſuch' er ſich nur von Achaia's lieblichen Toͤchtern160 Eine andre, und werbe mit Brautgeſchenken; doch dieſe Nehme den Mann, der das meiſte geſchenkt, und dem ſie beſtimmt ward.

Alſo ſprach Leiodaͤs, und ſtellte den Bogen zur Erden, Hingelehnt an die feſte mit Kunſt gebildete Pforte, Lehnte den ſchnellen Pfeil an des Bogens zierliche Kruͤmmung,165 Ging, und ſezte ſich wieder auf ſeinen verlaßenen Seßel. Aber Antinoos ſchalt, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Welche Rede, Leiodaͤs, iſt deinen Lippen entflohen! Welche ſchreckliche Drohung! Ich aͤrgere mich, es zu hoͤren! Viele der Edeln im Volk ſoll dieſer Bogen des Athems170 Und der Seele berauben, weil du nicht vermagſt ihn zu ſpannen? Dich gebar nun freilich die theure Mutter nicht dazu, Daß du mit Pfeil und Bogen dir Ruhm bei den Menſchen erwuͤrbeſt; Aber es ſind, ihn zu ſpannen, noch andere mutige Freier!

Alſo ſprach er, und rief dem Ziegenhirten Melantheus:175406Oduͤßee. Hurtig, Melanthios, eil 'und zuͤnd' hier Feuer im Saal an, Stelle davor den Seßel, und breite Felle daruͤber, Hol 'aus der Kammer alsdann eine große Scheibe von Stierfett: Daß wir Juͤngling' am Feuer den Bogen waͤrmen und ſalben; Dann verſuchen wir ihn, und endigen hurtig den Wettkampf. 180

Sprachs; und Melanthios zuͤndet 'ein helles Feuer im Saal an, Stellte davor den Seßel, und breitete Felle daruͤber, Holt' aus der Kammer alsdann eine große Scheibe von Stierfett. Und die Juͤnglinge ſalbten und pruͤften den Bogen; doch keiner Konnt 'ihn ſpannen, zu ſehr gebrach es den Haͤnden an Staͤrke. 185Aber Antinoos ſelbſt und Euruͤmachos ſaßen noch ruhig, Beide Haͤupter der Freier, und ihre tapferſten Helden.

Jezo gingen zugleich aus der Thuͤre des hohen Palaſtes Beide, der Rinderhirt und der maͤnnerbeherſchende Sauhirt. Ihnen folgte ſofort der goͤttergleiche Oduͤßeus. 190Als ſie jezt aus der Thuͤr 'und dem Vorhof waren gekommen, Redet' Oduͤßeus ſie an, und ſprach die freundlichen Worte:

Hoͤrt, ich moͤcht 'euch was ſagen, du Rinderhirt und du Sauhirt! Oder verſchweig' ichs lieber? Mein Herz gebeut mir zu reden. Wen vertheidigtet ihr, wenn jezo mit einmal Oduͤßeus195 Hier aus der Fremde kaͤm ', und ihn ein Himmliſcher braͤchte? Wolltet ihr dann die Freier vertheidigen, oder Oduͤßeus? Redet heraus, wie euch das Herz im Buſen gebietet!

Ihm antwortete drauf der Oberhirte der Rinder: Vater Zeus, erfuͤllteſt du doch mein heißes Verlangen,200 Daß ein Himmliſcher jenen zur Heimat fuͤhrte! Du ſollteſt Sehn, was auch meine Kraft und meine Haͤnde vermoͤchten! Auch Eumaios flehte zu allen unſterblichen Goͤttern,407Einundzwanzigſter Geſang. Daß ſie dem weiſen Oduͤßeus verſtateten wiederzukehren. Und nachdem Oduͤßeus die Treue der Hirten gepruͤfet;205 Da antwortet 'er ihnen, und ſprach die freundlichen Worte:

Nun ich ſelber bin hier! Nach vielen Todesgefahren Bin ich im zwanzigſten Jahre zur Heimat wiedergekehret! Und ich erkenne, wie ſehr ihr beiden meine Zuruͤckkunft Wuͤnſchtet, ihr allein von den Knechten! Denn keinen der andern210 Hoͤrt 'ich flehn, daß ein Gott mir heimzukehren vergoͤnnte! Drum vernehmet auch ihr, was euch zum Lohne beſtimmt iſt: Wenn mir Gott die Vertilgung der ſtolzen Freier gewaͤhret; Dann will ich jedem ein Weib und Guͤter zum Eigenthum geben, Jedem nahe bei mir ein Haus erbauen, und kuͤnftig215 Beide wie Freund 'und Bruͤder von meinem Taͤlemachos achten, Aber daß ihr mir glaubt, und mich fuͤr Oduͤßeus erkennet; Kommt und betrachtet hier ein entſcheidendes Zeichen, die Narbe, Die ein Eber mir einſt mit weißem Zahne gehauen, Als ich auf dem Parnaß mit den Soͤhnen Autoluͤkos jagte. 220

Alſo ſprach er, und zog von der großen Narbe die Lumpen. Aber da jene ſie ſahn, und alles deutlich erkannten; Weinten ſie, ſchlangen die Haͤnd 'um den edlen Helden Oduͤßeus, Hießen ihn froh willkommen, und kuͤßten ihm Schultern und Antliz. Auch Oduͤßeus kuͤßte den Hirten Antliz und Haͤnde. 225Ueber der Klage waͤre die Sonne niedergeſunken, Haͤtt 'Oduͤßeus ſie nicht mit dieſen Worten geendet:

Hemmt anizo die Thraͤnen und euren Jammer: daß niemand Von den Leuten im Hauſ 'uns ſeh und drinnen verrathe. Geht nun einzeln wieder hinein, nicht alle mit Einmal:230 Ich zuerſt, dann ihr! Die Abred 'aber ſei dieſe:408Oduͤßee. Nimmer wird es die Schaar der uͤbermuͤtigen Freier Billigen, daß mir der Bogen und Koͤcher werde gegeben; Aber gehe nur dreiſt mit dem Bogen, edler Eumaios, Durch den Saal, und reiche mir ihn. Auch ſage den Weibern,235 Daß ſie die feſten Thuͤren des Hinterhauſes verriegeln; Und wenn eine vielleicht ein Roͤcheln oder Gepolter Drinnen im Saale der Maͤnner vernimmt, daß keine herausgeh, Sondern geruhig ſize bei ihrer beſchiedenen Arbeit. Edler Filoͤtios, dir vertrau ich die Pforte des Hofes,240 Sie mit dem Riegel zu ſchließen, und feſt mit dem Seile zu binden.

Alſo ſprach er, und ging in die ſchoͤngebauete Wohnung; Alda ſezt 'er ſich wieder auf ſeinen verlaßenen Seßel. Einzeln folgten die Knechte des goͤttergleichen Oduͤßeus.

Und Euruͤmachos wandte nunmehr in den Haͤnden den Bogen,245 Hin und wieder ihn waͤrmend im Glanze des Feuers, und dennoch Konnt 'er die Senne nicht ſpannen. Ein tiefaufathmender Seufzer Schwellte ſein ſtolzes Herz, und zuͤrnend ſprach er die Worte:

Goͤtter, wie kraͤnkt mich der Schmerz, um mich ſelber und um die Andern! Wegen der Hochzeit nicht, wiewohl mich auch dieſe bekuͤmmert;250 Denn es ſind ja noch andre Achaierinnen die Menge, Hier in Ithaka ſelbſt, und auch in anderen Staͤdten: Sondern weil unſere Kraft vor des goͤttergleichen Oduͤßeus Staͤrke ſo ganz verſchwindet, daß ſeinen Bogen nicht Einer Spannen kann! Hohnlachend wird ſelbſt der Enkel es hoͤren! 255

Aber Eupeithaͤs Sohn Antinoos, gab ihm zur Antwort: Nein, Euruͤmachos, nicht alſo! Du weißt es auch beßer! Heute feirt ja das Volk des großen Gottes Apollons Feſt; wer wollte denn heute den Bogen ſpannen? O legt ihn409Einundzwanzigſter Geſang. Ruhig nieder! Allein die Aexte koͤnnen wir immer260 Stehen laßen; denn ſchwerlich wird jemand, ſie zu entwenden, Kommen in den Palaſt des Laertiaden Oduͤßeus. Auf! es fuͤlle von neuem der Schenk mit Weine die Becher, Daß wir opfern, und dann hinlegen des Koͤniges Bogen. Aber morgen befehlt dem Ziegenhirten Melantheus,265 Uns die treflichſten Ziegen der ganzen Heerde zu bringen. Seht, dann opfern wir erſt dem bogenberuͤhmten Apollon, Und verſuchen den Bogen, und endigen hurtig den Wettkampf.

Alſo ſprach er, und allen gefiel Antinoos Rede. Herolde goßen ihnen das Waßer uͤber die Haͤnde;270 Juͤnglinge fuͤllten die Kelche bis oben mit dem Getraͤnke, Und vertheilten von neuem, ſich rechtshin wendend, die Becher. Als ſie des Trankes geopfert, und nach Verlangen getrunken; Sprach zu ihnen mit Liſt der erfindungsreiche Oduͤßeus:

Hoͤrt mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin,275 Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet! Doch vor allen fleh ich Euruͤmachos und den erhabnen Helden Antinoos an, der jezt ſo weiſe geredet. Legt den Bogen nun hin, und befehlt die Sache den Goͤttern; Morgen wird Gott, wem er will, die Kraft des Sieges verleihen. 280Aber wohlan! gebt mir den geglaͤtteten Bogen, damit ich Meiner Haͤnde Gewalt vor euch verſuche: ob jezt noch Kraft in den Nerven iſt, wie ſie ehmals die Glieder belebte; Oder ob ſie das Wandern und langes Elend vertilgt hat!

Alſo ſprach er, und rings entbrannten von Zorne die Freier,285 Fuͤrchtend, es moͤcht 'ihm gelingen, den glatten Bogen zu ſpannen. Aber Antinoos ſchalt, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

410Oduͤßee.

Ha! du elender Fremdling, es fehlt dir ganz an Verſtande! Biſt du nicht froh, daß du in unſerer ſtolzen Verſammlung Ruhig ſchmauſeſt? daß dir dein Theil von allem gereicht wird? 290Und daß du die Geſpraͤch 'und Reden der Maͤnner behorcheſt, Die kein anderer Fremdling und lumpichter Bettler behorchet? Wahrlich! der ſuͤße Wein bethoͤrt dich, welcher auch andern Schadet, wenn man ihn gierig verſchlingt, nicht maͤßig genießet: Selbſt der beruͤhmte Kentaur Euruͤtion tobte vor Unſinn,295 Von dem Weine berauſcht, in des edlen Peirithoos Hauſe. Denn er kam auf das Feſt der Lapithen; aber vom Weine Raſend, begann er im Hauſe Peirithoos ſchaͤndliche Graͤuel. Zuͤrnend ſprangen die Helden empor, und uͤber den Vorſaal Schleppten ſie ihn hinaus, und ſchnitten mit grauſamem Erze300 Naſ 'und Ohren ihm ab; und ſo in voller Betaͤubung Wankte der Tunkenbold heim, und trug die Strafe des Unſinns. Hierauf folgte der blutige Krieg der Kentauren und Maͤnner; Aber vor allen traf das Verderben den Saͤufer des Weines. Alſo verkuͤnd' ich auch dir dein Ungluͤck, wenn du den Bogen305 Spanneſt: Du ſollſt nicht mehr Almoſen in unſerem Volke Sammlen; wir ſenden dich gleich im ſchwarzen Schiffe zum Koͤnig Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menſchengeſchlechtes, Dem du gewiß nicht lebend entrinnſt! Drum ſize geruhig, Trink, und begehre nicht mit juͤngeren Maͤnnern den Wettkampf! 310

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: O Antinoos, denke, wie unanſtaͤndig, wie unrecht: Fremde zu uͤbergehn, die Taͤlemachos Wohnung beſuchen! Meinſt du, wenn etwa der Fremdling den großen Bogen Oduͤßeus Spannt, ſo wie er den Haͤnden und ſeiner Staͤrke vertrauet,315411Einundzwanzigſter Geſang. Daß er mich dann heimfuͤhre, und zur Gemahlin bekomme? Schwerlich heget er ſelbſt im Herzen ſolche Gedanken! Und auch keinen von euch bekuͤmmere dieſe Vermutung Unter den Freuden des Mahls! Unmoͤglich iſt es, unmoͤglich!

Aber Poluͤbos Sohn Euruͤmachos ſagte dagegen:320 O Ikarios Tochter, du kluge Paͤnelopeia, Daß du ihn nehmeſt, beſorgt wohl keiner; es waͤre nicht moͤglich! Sondern wir fuͤrchten nur das Gerede der Maͤnner und Weiber. Kuͤnftig ſpraͤche vielleicht der ſchlechteſte aller Achaier: Weichliche Maͤnner werben um jenes gewaltigen Mannes325 Gattin; denn keiner vermag den glatten Bogen zu ſpannen: Aber ein Anderer kam, ein armer irrender Fremdling, Spannte den Bogen leicht, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte! Alſo ſpraͤchen ſie dann, und es waͤr 'uns ewige Schande!

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:330 Ganz unmoͤglich iſt es, Euruͤmachos, daß man im Volke Gutes rede von Leuten, die jenes treflichen Mannes Haus durch Schwelgen entweihn! Doch was achtet ihr Jenes fuͤr Schande? Seht den Fremdling nur an, wie groß und ſtark er gebaut iſt; Und er ſtammt, wie er ſagt, aus einem edlen Geſchlechte. 335Aber wohlan! gebt ihm den ſchoͤngeglaͤtteten Bogen! Denn ich verkuͤndige jezt, und das wird wahrlich erfuͤllet: Spannt der Fremdling den Bogen, und ſchenkt Apollon ihm Ehre; Will ich mit ſchoͤnen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden, Einen Speer ihm verehren, den Schrecken der Menſchen und Hunde,340 Ein zweiſchneidiges Schwert, und Solen unter die Fuͤße, Und ihn ſenden, wohin es ſeinem Herzen geluͤſtet.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen:412Oduͤßee. Mutter, uͤber den Bogen hat keiner von allen Achaiern Macht, als ich: wenn ich will, ihn zu geben oder zu weigern;345 Keiner von allen, die hier in der felſichten Ithaka herſchen, Oder die nahe wohnen der roßeweidenden Aelis! Keiner von allen ſoll mit Gewalt mich hindern; und wollt 'ich Dieſen Bogen dem Fremdling auch ganz zum Eigenthum ſchenken! Aber gehe nun heim, beſorge deine Geſchaͤfte,350 Spindel und Webeſtuhl, und treib an beſchiedener Arbeit Deine Maͤgde zum Fleiß! Der Bogen gebuͤhret den Maͤnnern, Und vor allen mir; denn mein iſt die Herſchaft im Hauſe!

Staunend kehrte die Mutter zuruͤck in ihre Gemaͤcher, Und erwog im Herzen die kluge Rede des Sohnes. 355Als ſie nun oben kam mit den Jungfraun, weinte ſie wieder Ihren trauten Gemahl Oduͤßeus, bis ihr Athaͤnaͤ Sanft mit ſuͤßem Schlummer die Augenlieder bedeckte.

Jezo nahm er den Bogen und ging, der trefliche Sauhirt; Aber die Freier fuhren ihn alle mit lautem Geſchrei an. 360Unter dem Schwarme begann ein uͤbermuͤtiger Juͤngling:

Halt! wohin mit dem Bogen, du niedertraͤchtiger Sauhirt? Raſender! Ha! bald ſollen dein Aas bei den Schweinen die Hunde, Die du ſelber ernaͤhrt, von den Menſchen ferne, zerreißen; Wenn Apollon uns hilft und die andern unſterblichen Goͤtter! 365

Alſo rufte der Schwarm; und der Tragende legte den Bogen Dort auf der Stelle hin, aus Furcht vor dem Schelten der Freier. Aber Taͤlemachos rief auf der andern Seite die Drohung:

Du! bring weiter den Bogen! Du ſollſt mir nicht allen gehorchen! Oder ich jage dich gleich mit geworfenen Steinen zu Felde,370 Ob ich gleich juͤnger bin; an Kraͤften bin ich doch ſtaͤrker! 413Einundzwanzigſter Geſang. Uebertraͤf 'ich ſo ſehr, wie dich, an Staͤrke des Armes, Alle Freier, ſo viel in dieſen Wohnungen ſchalten; O bald taumelte mancher, von mir ſehr uͤbel bewirtet, Heim aus unſerm Palaſt! Denn alle treiben nur Unfug! 375

Alſo ſprach er; und alle begannen herzlich zu lachen Ueber den drohenden Juͤngling, und ließen vom heftigen Zorne Gegen Taͤlemachos nach. Da nahm den Bogen der Sauhirt, Trug ihn weiter, und reicht 'ihn dem ſtreiterfahrnen Oduͤßeus; Rief die Pflegerin dann aus ihrer Kammer, und ſagte:380

Hoͤre, Taͤlemachos will, verſtaͤndige Euruͤkleia, Daß du die feſten Thuͤren des Hinterhauſes verriegelſt; Und wenn eine vielleicht ein Roͤcheln oder Gepolter Drinnen im Saale der Maͤnner vernimt, daß keine herausgeh, Sondern geruhig ſize bei ihrer beſchiedenen Arbeit. 385

Alſo ſprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde: Eilend verſchloß ſie die Thuͤren der ſchoͤngebaueten Wohnung.

Aber Filoͤtios ſprang ſtillſchweigend aus dem Palaſte, Und verſchloß die Pforte des wohlbefeſtigten Vorhofs. Unter der Halle lag ein Seil aus dem Baſte des BuͤblosV. 390.Buͤblos, eine Pflanze, woraus man Schiffsſeile flocht.390 Vom gleichrudrichten Schiffe, mit dieſem band er die Fluͤgel; Ging, und ſezte ſich wieder auf ſeinen verlaßenen Seßel, Nach Oduͤßeus blickend. Doch dieſer bewegte den Bogen Hin und her in der Hand, auf allen Seiten verſuchend, Ob auch die Wuͤrmer das Horn ſeit zwanzig Jahren zerfreßen. 395Und es wandte ſich einer zu ſeinem Nachbar, und ſagte:

Traun! das iſt ein ſchlauer und liſtiger Kenner des Bogens! 414Oduͤßee. Sicherlich heget er ſelbſt ſchon einen ſolchen zu Hauſe; Oder er hat auch vor, ihn nachzumachen! Wie dreht er Ihn in den Haͤnden herum, der landdurchſtreichende Saudieb! 400

Und von neuem begann ein uͤbermuͤtiger Juͤngling: Daß doch jeglicher Wunſch dem Fremdling 'alſo gelinge, Wie es ihm jezo gelingt, den krummen Bogen zu ſpannen!

Alſo ſprachen die Freier. Allein der weiſe Oduͤßeus, Als er den großen Bogen gepruͤft und ringsum betrachtet:405 So wie ein Mann, erfahren im Lautenſpiel und Geſange, Leicht mit dem neuen Wirbel die klingende Saite ſpannet, Knuͤpfend an beiden Enden den ſchoͤngeſponnenen Schafdarm: So nachlaͤßig ſpannte den großen Bogen Oduͤßeus. Und mit der rechten Hand verſucht 'er die Senne des Bogens;410 Lieblich toͤnte die Senne, und hell wie die Stimme der Schwalbe. V. 411.Die ſtraffe, von dem ſtarken Bogen geſpannte Senne klang ſo fein, wie die Stimme der Schwalbe.Schrecken ergriff die Freier, und aller Antliz erblaßte. Und Zeus donnerte laut, und ſandte ſein Zeichen vom Himmel: Freudig vernahm das Wunder der herliche Dulder Oduͤßeus, Welches ihm ſandte der Sohn des unerforſchlichen Kronos. 415Und er nahm den gefiederten Pfeil, der bloß auf dem Tiſche Vor ihm lag, indeß im hohlen Koͤcher die andern Ruheten, welche nun bald die Achaier ſollten verſuchen. Dieſen faßt 'er zugleich mit dem Griffe des Bogens; dann zog er, Sizend auf ſeinem Stuhle, die Senn' und die Kerbe des Pfeils an,420 Zielte dann, ſchnellte den Pfeil, und verfehlete keine Aexte; Von dem vorderſten Oere bis durch das lezte von allen415Einundzwanzigſter Geſang. Stuͤrmte das ehrne Geſchoß. Er ſprach zu Taͤlemachos jezo:

Nun, Taͤlemachos, ſiehſt du, ob dir der Fremdling im Hauſe Schande bringt! Ich traf das Ziel, und ſpannte den Bogen425 Ohne langes Bemuͤhn! Noch hab 'ich Staͤrke der Jugend, Und bin nicht ſo veraͤchtlich, wie jene Freier mich ſchimpfen! Aber es iſt nun Zeit, den Abendſchmaus zu beſorgen,V. 428.Einen Abendſchmaus nennt er mit kalter Bitterkeit die Ermordung der Freier, die er unmittelbar darauf noch bei Tage vollendet. Noch bei Tage! Nachher erfreue die ſcherzenden Maͤnner Saitenſpiel und Geſang, die liebliche Zierde des Mahles! 430

Sprachs, und winkte mit Augen. Da warf Taͤlemachos eilend Um die Schulter ſein Schwert, der Sohn des großen Oduͤßeus; Faßte mit nervichter Hand die ſcharfe Lanze, und ſtand nun Neben dem Vater am Stuhle, mit blinkendem Erze geruͤſtet.

416

Oduͤßee. Zweiundzwanzigſter Geſang.

Jezo entbloͤßte ſich von den Lumpen der weiſe Oduͤßeus, Sprang auf die hohe Schwell ', und hielt in den Haͤnden den Bogen Samt dem gefuͤllten Koͤcher; er goß die gefiederten Pfeile Hin vor ſich auf die Erd', und ſprach zu der Freier Verſammlung:

Dieſen furchtbaren Kampf, ihr Freier, hab 'ich vollendet! 5Jezo waͤhl 'ich ein Ziel, das noch kein Schuͤze getroffen, Ob ichs treffen kann, und Apollon mir Ehre verleihet.

Sprachs, und Autinoos traf er mit bitterm Todesgeſchoße. Dieſer wollte vom Tiſch das zweigehenkelte ſchoͤne Goldne Geſchirr aufheben, und faßt 'es ſchon mit den Haͤnden,10 Daß er traͤnke des Weins; allein von ſeiner Ermordung Ahndet 'ihm nichts: und wer in der ſchmauſenden Maͤnner Geſellſchaft Haͤtte geglaubt, daß Einer, und wenn er der Tapferſte waͤre, Unter ſo vielen es wagte, ihm Mord und Tod zu bereiten! Aber Oduͤßeus traf mit dem Pfeil ihn grad' in die Gurgel,15 Daß im zarten Genick die Spize wieder hervordrang. Und er ſank zur Seite hinab; der Becher voll Weines Stuͤrzte dahin aus der Hand des Erſchoßenen; und aus der Naſe Sprang ihm ein Stral dickſtroͤmendes Bluts. Er waͤlzte ſich zuckend, Stieß mit dem Fuß an den Tiſch, und die Speiſen fielen zur Erde;V. 20.Jeder hatte einen beſondern Tiſch.20417Oduͤßee. Zweiundzwanzigſter Geſang. Brot und gebratenes Fleiſch ward blutig. Aber die Freier Schrien laut auf im Saale, da ſie den Stuͤrzenden ſahen, Sprangen empor von den Thronen, und ſchwaͤrmten wild durch einander, Schaueten ringsumher nach den ſchoͤngemauerten Waͤnden; Aber da war kein Schild, und keine maͤchtige Lanze! 25Und ſie ſchalten Oduͤßeus, und ſchrien die zuͤrnenden Worte:

Uebel bekommt dir, Fremdling, das Maͤnnerſchießen! Du kaͤmpfteſt Heute den lezten Kampf! Nun iſt dein Verderben entſchieden! Wahrlich du toͤdteteſt hier den Juͤngling, welcher der groͤßte Held in Ithaka war! Drum ſollen die Geier dich freßen! 30

Alſo rufte der Schwarm; denn ſie waͤhnten, er habe den Juͤngling Wider Willen getoͤdtet: die Thoren! und wußten das nicht, Daß nun uͤber ſie alle die Stunde des Todes verhaͤngt war. Zuͤrnend ſchaute auf ſie und ſprach der weiſe Oduͤßeus:

Ha! ihr Hunde, ihr waͤhntet, ich kehrete nimmer zur Heimat35 Aus dem Lande der Troer! Drum zehrtet ihr Schwelger mein Gut auf, Und beſchlieft mit Gewalt die Weiber in meinem Palaſte, Ja ihr warbt ſogar, da ich lebte, um meine Gemahlin: Weder die Goͤtter ſcheuend, des weiten Himmels Bewohner; Noch ob ewige Schand 'auf eurem Gedaͤchtniße ruhte! 40Nun iſt uͤber euch alle die Stunde des Todes verhaͤnget!

Alſo ſprach er. Da faßte ſie alle bleiches Entſezen; Jeder ſahe ſich um, wo er dem Verderben entfloͤhe. Nur Euruͤmachos gab aus dem Haufen ihm dieſes zur Antwort:

Biſt du denn jezt Oduͤßeus der Ithaker wiedergekommen,45 O ſo ruͤgſt du mit Recht die Thaten dieſer Achaier! Viel 'Unarten geſchahn im Palaſt, und viel' auf dem Lande:D d418Oduͤßee. Aber er liegt ja ſchon, der ſolches alles verſchuldet! Denn Antinoos war der Stifter aller Verwuͤſtung: Und ihn trieb nicht einmal die heiße Begierde der Hochzeit,50 Sondern andre Gedanken, die Zeus Kronion vernichtet: Selber Koͤnig zu ſein in Ithaka's maͤchtigem Reiche Strebt 'er, und deinen Sohn mit Hinterliſt zu ermorden. Doch nun hat er ſein Theil empfangen! Du aber verſchone Deines Volks! Wir wollen forthin dir willig gehorchen! 55Aber was hier im Palaſt an Speiſ 'und Tranke verzehrt ward, Dafuͤr bringen wir gleich, ein jeglicher zwanzig Rinder, Bringen dir Erz und Gold zur Verſoͤhnung, bis wir dein Herz nun Haben erfreut! So lang' iſt freilich dein Zorn nicht zu tadeln!

Zuͤrnend ſchaute auf ihn und ſprach der weiſe Oduͤßeus:60 Nein, Euruͤmachos, braͤchtet ihr euer ganzes Vermoͤgen, Das ihr vom Vater beſizt, und legtet von anderm noch mehr zu; Dennoch ſollte mein Arm von eurem Morde nicht eher Raſten, bevor ihr Freier mir allen Frevel gebuͤßt habt! Jezo habt ihr die Wahl: entweder tapfer zu ſtreiten,65 Oder zu fliehn, wer etwa den Schrecken des Todes entfliehn kann. Aber ich hoffe, nicht einer entrinnt dem Todesverhaͤngniß!

Alſo ſprach er; und allen erzitterten Herz und Kniee. Aber Euruͤmachos ſprach noch Einmal zu der Verſammlung:

Nimmer, o Freunde, ruhn die ſchrecklichen Haͤnde des Mannes;70 Sondern nachdem er den Bogen und vollen Koͤcher gefaßt hat, Sendet er ſeine Geſchoße herab von der zierlichen Schwelle, Bis er uns alle vertilgt! Drum auf! gedenket des Kampfes! Hurtig, und zieht die Schwerter, und ſchirmt euch alle mit Tiſchen Gegen die toͤdtenden Pfeile! Dann dringen wir alle mit Einmal75419Zweiundzwanzigſter Geſang. Gegen ihn an! Denn vertrieben wir ihn von der Schwell 'und der Pforte, Und durchliefen die Stadt; dann erhuͤbe ſich ploͤzlich ein Aufruhr, Und bald haͤtte der Mann die lezten Pfeile verſendet!

Als er dieſes geſagt, da zog er das eherne ſcharfe Und zweiſchneidige Schwert, und ſprang mit graͤßlichem Schreien80 Gegen Oduͤßeus empor. Allein der edle Oduͤßeus Schnellte zugleich den Pfeil, und traf ihm die Mitte des Buſens: Tief in die Leber fuhr der gefiederte Pfeil; aus der Rechten Fiel ihm das Schwert; und er ſtuͤrzte, mit ſtroͤmendem Blute beſudelt, Taumelnd uͤber den Tiſch, und warf die Speiſen zur Erde85 Samt dem doppelten Becher, und ſchlug mit der Stirne den Boden, In der entſezlichen Angſt; mit beiden zappelnden Fuͤßen Stuͤrzt 'er den Seßel herum, und die brechenden Augen umſchloß Nacht.

Aber Amſinomos ſprang zu dem hochberuͤhmten Oduͤßeus Stuͤrmend hinan, und ſchwung das blinkende Schwert in der Rechten,90 Ihn von der Pforte zu treiben. Doch mitten im ſtuͤrmenden Angriff Rannte Taͤlemachos ihm von hinten die eherne Lanze Zwiſchen die Schultern hinein, daß vorn die Spize hervordrang. Toͤnend ſtuͤrzt 'er dahin, und ſchlug mit der Stirne den Boden. Aber Taͤlemachos floh, und ließ in Amſinomos Schulter95 Seinen gewaltigen Speer; denn er fuͤrchtete, daß ein Achaier, Wenn er die Lanze herausarbeitete, gegen ihn ſtuͤrzend, Ihn mit geſchliffenem Schwert durchſtaͤche, oder zerhaute. Eilend lief er, und floh zu dem lieben Vater Oduͤßeus, Stellte ſich nahe bei ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte:100

Vater, ich hole geſchwinde dir einen Schild und zwo Lanzen, Und den ehernen Helm, der deiner Schlaͤfe gerecht iſt; Ruͤſte mich ſelber alsdann, und bringe den Hirten Eumaios420Oduͤßee. Und Filoͤtios Waffen. Man kaͤmpft doch beßer in Ruͤſtung.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:105 Lauf und bringe ſie, eh ich die toͤdtenden Pfeile verſchoßen: Daß ſie mich nicht von der Pforte vertreiben, wenn ich allein bin!

Sprachs; und eilend gehorchte Taͤlemachos ſeinem Gebote: Stieg in den Soͤller empor, wo die praͤchtige Ruͤſtung verwahrt lag, Waͤhlte ſich vier gewoͤlbete Schild ', acht blinkende Lanzen,110 Und vier eherne Helme, geſchmuͤckt mit wallendem Roßſchweif; Trug ſie hinab, und eilte zum lieben Vater Oduͤßeus. Jezo bedeckt 'er zuerſt den Leib mit der ehernen Ruͤſtung; Und dann waffneten ſich der Rinderhirt und der Sauhirt: Und ſie ſtanden zur Seite des weiſen Helden Oduͤßeus. 115

Dieſer, ſolang 'es ihm noch an Todesgeſchoße nicht fehlte, Streckte mit jeglichem Schuß hinzielend einen der Freier In dem Palaſte dahin, und Haufen ſtuͤrzten bei Haufen. Aber da's an Geſchoß dem zuͤrnenden Koͤnige fehlte, Lehnt' er gegen die Pfoſte des ſchoͤngemauerten Saales120 Seinen Bogen zu ſtehn an eine der ſchimmernden Waͤnde. Eilend warf er ſich jezo den vierfachen Schild um die Schulter, Deckte ſein maͤchtiges Haupt mit dem ſchoͤngebildeten Helme, Welchen fuͤrchterlich winkend die Maͤhne des Roßes umwallte, Und ergriff zwo ſtarke mit Erz geruͤſtete Lanzen. 125

Rechts in der zierlichen Wand war eine Pforte zur Treppe. V. 126.Die Treppe war auswendig im Seitenhofe, der hinten von der ver - ſchloßenen Weiberwohnung, zur Seite von einer Mauer, und vorn von einem der Fluͤgel, die den Vorhof umfaßten, eingeſchloſſen war. In dieſen Seitenhof fuͤhrten drei Thuͤren: eine aus dem Maͤnnerſaal, die andere (V. 394.) aus der Weiberwohnung, und die dritte aus dem Vorſaal, oder der Diele des Hauſes. Dieſe beſezte Eumaios.421Zweiundzwanzigſter Geſang. Und von der aͤußern Schwelle der ſchoͤngebaueten Wohnung Fuͤhrt 'ein Weg in den Gang, mit feſtverſchloßener Thuͤre. Dieſen befahl Oduͤßeus dem edlen Hirten Eumaios Nahe ſtehend zu huͤten; denn Einen nur faßte die Oeffnung. 130Und Agelaos begann, und ſprach zu der Freier Verſammlung:

Freunde, koͤnnte nicht einer zur Treppenthuͤre hinaufgehn, Und es dem Volke ſagen? Dann wuͤrde ploͤzlich ein Aufruhr, Und bald haͤtte der Mann die lezten Pfeile verſendet!

Ihm antwortete drauf der Ziegenhirte Melantheus:135 Goͤttlicher Held Agelaos, das geht nicht! Fuͤrchterlich nahe Iſt die Pforte des Hofes, und eng der Weg nach dem Vorſaal. Selbſt ein einzelner Mann, wenn er Herz hat, wehret ihn allen. Aber wohlan! ich will euch Waffen holen vom Soͤller, Daß ihr euch ruͤſten koͤnnt! Denn dort, ſonſt nirgends, vermut 'ich,140 Hat ſie Oduͤßeus verſteckt, nebſt ſeinem glaͤnzenden Sohne.

Alſo ſprach er, und ſtieg, der Ziegenhirte Melantheus, Durch die Stufen des Hauſes empor zu den Kammern des Koͤnigs. Und zwoͤlf Schilde holt 'er, und zwoͤlf weitſchattende Lanzen, Und zwoͤlf eherne Helme, geſchmuͤckt mit wallendem Roßſchweif;145 Stieg dann wieder hinab, und brachte ſie eilig den Freiern. Aber dem edlen Oduͤßeus erzitterten Herz und Kniee, Als ſie um Schultern und Haupt ſich ruͤſteten, und in den Haͤnden Lange Speere bewegten; ihm drohte die ſchrecklichſte Arbeit. Und er wandte ſich ſchnell mit gefluͤgelten Worten zum Sohne:150

Sicher, Taͤlemachos, hat uns eine der Weiber im Hauſe Jenen furchtbaren Kampf bereitet, oder Melantheus!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: O mein Vater, das hab 'ich ſelber verſehen, und niemand422Oduͤßee. Anders iſt ſchuld! Ich ließ die feſte Thuͤre des Soͤllers155 Unverſchloßen zuruͤck; und das hat ein Lauſcher bemerket. Aber, Eumaios, eil und verſchließ die Thuͤre des Soͤllers, Und gieb Acht, ob eine der Maͤgde dieſes gethan hat, Oder Dolios Sohn Melantheus, wie ich vermute.

Als ſie mit dieſen Worten ſich unter einander beſprachen,160 Stieg in den Soͤller von neuem der Ziegenhirte Melantheus, Schoͤne Waffen zu holen. Ihn merkte der trefliche Sauhirt, Eilete wieder zuruͤck, und ſprach zum nahen Oduͤßeus:

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus, Siehe, da geht er ſchon wieder, der Boͤſewicht, den wir vermutet,165 Nach dem Soͤller hinauf! Nun ſage mir eilig, Oduͤßeus: Soll ich ſelber ihn toͤdten, wenn ich mich ſeiner bemeiſtre? Oder bring 'ich ihn dir, damit er buͤße die Frevel, Deren der Bube ſo viel' in deinem Hauſe veruͤbt hat?

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:170 Ich und Taͤlemachos wollen die Schaar der trozigen Freier Hier im Saale ſchon halten, wie ſehr ſie auch gegen uns anſtuͤrmt. Aber ihr beiden dreht ihm Haͤnd 'und Fuͤß' auf den Ruͤcken, Werft ihn hinein in den Soͤller, und ſchließt von innen die Pforte; Knuͤpfet darauf an die Feßel ein ſtarkes Seil, und zieht ihn175 Hoch an die ragende Seule hinauf, bis dicht an die Balken: Daß er noch lange lebe, von ſchrecklichen Schmerzen gefoltert!

Alſo ſprach er; ihm hoͤrten ſie beide mit Fleiß, und gehorchten; Eilten zum Soͤller empor, und fanden Melanthios drinnen: Dieſer ſuchte nach Waffen umher im Winkel des Soͤllers. 180Und ſie ſtanden erwartend an beiden Pfoſten des Eingangs. Als nun uͤber die Schwelle der Ziegenhirte Melantheus423Zweiundzwanzigſter Geſang. Trat, in der einen Hand den praͤchtigen Helm, in der andern Einen großen veralterten Schild des Helden Laertaͤs, Den er als Juͤngling trug; doch jezo lag er im Winkel,185 Ganz von Schimmel entſtellt, und es barſten die Naͤthe der Riemen: Siehe da ſtuͤrzten ſie beide hervor, und ergriffen und ſchleppten Ihn bei den Haaren hinein, und warfen den Jammernden nieder, Banden ihm Haͤnd 'und Fuͤße mit ſchmerzender Feßel, gewaltſam Hinten am Ruͤcken zuſammengedreht, wie ihnen befohlen190 Hatte Laertaͤs Sohn, der herliche Dulder Oduͤßeus; Knuͤpften darauf an die Feßel ein ſtarkes Seil, und zogen Ihn an die ragende Seule hinauf, bis dicht an die Balken. Hoͤhnend ſprachſt du zu ihm, Eumaios, Huͤter der Schweine:

Jezo wirſt du hier wohl die Nacht durchſchlummern, Melantheus,195 Wann du im weichen Lager dich ausdehnſt, wie dir gebuͤhret; Und du ſieheſt gewiß die ſchoͤne Morgenroͤthe Aus des Ozeans Fluten hervorgehn, daß du den Freiern Trefliche Ziegen bringeſt, im Saale den Schmaus zu bereiten.

Alſo ließ man ihn hangen, geſpannt in der folternden Feßel. 200Jene nahmen die Ruͤſtung, und ſchloßen die ſchimmernde Pforte, Eilten dann wieder zum tapfern erfindungsreichen Oduͤßeus. Kriegsmut athmend ſtanden die Streitenden: hier auf der Schwelle Vier, und dort in dem Saale ſo viel 'und ſo ruͤſtige Maͤnner! Siehe da nahte ſich Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ,205 Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme. Freudig erblickte die Goͤttin der Held Oduͤßeus, und ſagte:

Mentor, ſtehe mir bei, und rette deinen Geliebten, Der dir Gutes gethan, und gleiches Alters mit dir iſt!

Alſo ſprach er, Athaͤnaͤ die Voͤlkererhalterin ahnend. 210424Oduͤßee. Aber die Freier erhuben ein lautes Geſchrei in dem Saale; Und vor allen droht 'ihr Damaſtors Sohn Agelaos:

Mentor, laße dich nicht durch Oduͤßeus Worte verleiten, Daß du jezt mit den Freiern zu ſeiner Vertheidigung kaͤmpfeſt! Denn wir geloben dir an, und ich meine, wir werden es halten:215 Haben wir dieſe getoͤdtet, den Vater und Sohn, dann wollen Wir mit ihnen auch dich umbringen, der du ſo mutig Hier zu ſchalten gedenkſt; mit dem Haupte ſollſt du es buͤßen! Aber nachdem wir euch mit dem Erze des Geiſtes beraubet, Wollen wir alle dein Gut, im Hauſ 'und außer dem Hauſe,220 Alles, vermiſcht mit den Guͤtern Oduͤßeus, unter uns theilen! Weder die Soͤhne ſollen, noch Toͤchter, in dem Palaſte Leben, noch deine Gemahlin im Lande von Ithaka wohnen!

Alſo ſprach er; da zuͤrnte noch heftiger Pallas Athaͤnaͤ. Und ſie ſtrafte Oduͤßeus mit dieſen zuͤrnenden Worten:225

Haſt du denn voͤllig den Mut und die Staͤrke verloren, Oduͤßeus? Du, der um Helena einſt, die lilienarmichte Tochter Zeus, neun Jahre hindurch, mit den Troern ſo tapfer gekaͤmpft hat, Und ſo viele Maͤnner getoͤdtet in ſchrecklicher Feldſchlacht? Siehe, durch deinen Rath ſank Priamos thuͤrmende Veſte! 230Und nun, da du dein Land und Erbtheil wieder erreicht haſt, Nun wehklageſt du ſo im Streite gegen die Freier? Auf! komm naͤher, mein Freund, ſteh hier, und ſchaue mein Thun an: Daß du erkenneſt, wie dir, im Kampfe mit feindlichen Maͤnnern, Mentor, Alkimos Sohn, Wohlthaten pflegt zu vergelten! 235

Alſo ſprach ſie; Allein noch ſchenkte nicht voͤllig die Goͤttin Ihm den wankenden Sieg; ſie pruͤfte noch ferner die Staͤrke Und den Mut Oduͤßeus und ſeines ruͤhmlichen Sohnes. 425Zweiundzwanzigſter Geſang. Ploͤzlich entſchwand ſie den Blicken, und gleich der Schwalbe von Anſehn Flog ſie empor, und ſaß auf dem rußichten Simſe des Rauchfangs. 240

Aber die Freier reizte Damaſtors Sohn Agelaos, Daͤmoptolemos, und Amſimedon, und der entſchloßne Poluͤbos, und Euruͤnomos an, und der edle Peiſandros: Dieſe waren die erſten und tapferſten unter den Freiern, Aller welche noch lebten und ihre Seele verfochten;245 Jene lagen getoͤdtet vom pfeileverſendenden Bogen. Und Agelaos begann, und ſprach zu der Freier Verſammlung:

Freunde, gewiß bald ruhn die ſchrecklichen Haͤnde des Mannes! Schon verließ ihn Mentor, nachdem er vergebens gepralet; Und ſie ſtehen allein an der großen Pforte des Saales! 250Darum ſendet nicht alle zugleich die langen Lanzen; Sondern wohlan! ihr ſechs werft erſtlich, ob euch Kronion Gnade verleiht, Oduͤßeus zu treffen, und Ruhm zu gewinnen! Denn mit den andern hat es nicht Noth, wenn jener nur daliegt!

Alſo ſprach er. Da warfen ſie alle, wie er befohlen,255 Wuͤtend; doch aller Wuͤrfe vereitelte Pallas Athaͤnaͤ. Einer durchborte die Pfoſte der ſchoͤngebaueten Wohnung, Jenes Lanze durchdrang die feſteinfugende Pforte, Jener traf in die Wand mit der erzgeruͤſteten Eſche. Und nachdem ſie die Lanzen der Freier hatten vermieden,260 Da begann zu ihnen der herliche Dulder Oduͤßeus:

Jezo waͤr 'es an mir, ihr Lieben, euch zu befehlen, Daß ihr die Schaar der Freier mit ſcharfen Lanzen begruͤßet, Die zu dem vorigen Frevel uns noch zu ermorden gedenken.

Alſo ſprach er; da warfen ſie alle zielend die Lanzen. 265Daͤmoptolemos traf der goͤttergleiche Oduͤßeus,426Oduͤßee. Und Euruͤadaͤs traf Taͤlemachos, aber der Sauhirt Elatos, und Peiſandros der Oberhirte der Rinder: Dieſe fielen zugleich, und bißen die weite Erde. Aber die Freier entflohn in den innerſten Winkel des Saales;270 Jene ſprangen hinzu, und zogen die Speer 'aus den Todten.

Und von neuem warfen die Freier ſchimmernde Lanzen, Wuͤtend; aber die meiſten vereitelte Pallas Athaͤnaͤ. Einer durchborte die Pfoſte der ſchoͤngebaueten Wohnung, Jenes Lanze durchdrang die feſteinfugende Pforte,275 Jener traf in die Wand mit der erzgeruͤſteten Eſche. Nur Amſimedon ſtreifte Taͤlemachos Hand an dem Knoͤchel Sanft; die obere Haut ward kaum von dem Erze verwundet. Und Ktaͤſippos rizte Eumaios uͤber dem Schilde Leicht die Schulter; der Speer flog uͤber, und fiel auf die Erde. 280Aber die Schaar des tapfern erfindungsreichen Oduͤßeus Zielte von neuem, und warf die Lanzen unter die Freier. Und Euruͤdamos traf der Staͤdteverwuͤſter Oduͤßeus, Und Amſimedon traf Taͤlemachos, aber der Sauhirt Poluͤbos und Ktaͤſippos durchborte der Hirte der Rinder285 Mit der Lanze die Bruſt, und ſprach die hoͤhnenden Worte:

O Poluͤtherſaͤs Sohn, du Spoͤtter! rede nicht ferner, Durch Muthwillen verleitet, ſo praleriſch; ſondern befiehl es Alles den Goͤttern an: denn ſie ſind ſtaͤrker als Menſchen! Nim dies Ehrengeſchenk fuͤr den Kuhfuß, welchen du neulich290 Gabſt dem edlen Oduͤßeus, der bettelnd im Saale herumging!

Alſo ſprach der Hirte der Rinder. Aber Oduͤßeus Sprang auf Damaſtors Sohn, und erſtach ihn mit eherner Lanze, Und Taͤlemachos ſprang auf Leiokritos wuͤtend, und rannt 'ihm427Zweiundzwanzigſter Geſang. Seinen Speer durch den Bauch, daß hinten die Spize hervordrang:295 Vorwaͤrts fiel er dahin, und ſchlug mit der Stirne den Boden.

Aber Athaͤnaͤ erhub an der Decke den leuchtenden dunkeln Menſchenverderbenden Schild, und ſchreckte die Herzen der Freier. V. 298.Dies war die Aigis (Aegide), oder die dunkle wetterleuchtende Sturmwolke, die der Donnergott ſtatt eines Schildes, zwar nach Bezwingung der Titanen nicht mehr zu ſeiner Vertheidigung, ſondern zum Schrecken der Menſchen erſchuͤtterte, und manchmal Apollen oder Athaͤnen anvertraute.Zitternd liefen ſie rings durch den Saal, wie die Heerde der Rinder, Welche auf graſichter Weide die raſche Bremſe verfolget,300 Im anmutigen Lenz, wenn die Tage heiter und lang ſind. Aber gleich ſcharfklauichten krummgeſchnabelten Falken, Welche von dem Gebuͤrg 'herſtuͤrmend auf fliegende Voͤgel Schießen; ſie flattern voll Angſt aus den Wolken herab auf die Felder, Doch die verfolgenden Stoͤßer ereilen ſie wuͤrgend; da gilt nicht305 Streiten oder Entfliehn; es freun ſich die Menſchen des Schauſpiels: Alſo ſtuͤrzten ſie wuͤtend ſich unter die Freier, und wuͤrgten Links und rechts durch den Saal; mit dem Krachen zerſchlagener Schaͤdel Toͤnte das Jammergeſchrei, und Blut floß uͤber den Boden.

Und nun eilte Leiodaͤs, umſchlang Oduͤßeus die Kniee,310 Jammerte laut um Erbarmen, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Flehend umfaß ich dein Knie; erbarme dich meiner, Oduͤßeus! Denn ich habe ja keine der Weiber in dem Palaſte Weder mit Worten noch Thaten verunehrt, ſondern beſtaͤndig Andere Freier gewarnt, wenn einer dergleichen veruͤbte. 315Aber ſie folgten mir nicht, die Hand vom Boͤſen zu wenden: Darum traf die Frevler das ſchreckliche Todesverhaͤngniß! Aber ſoll ich, ihr Opferprofet, der nichts gethan hat,428Oduͤßee. Sterben wie ſie; ſo iſt ja des Guten keine Vergeltung!

Zuͤrnend ſchaute auf ihn und ſprach der weiſe Oduͤßeus:320 Biſt du Opferprofet bei den Freiern geweſen, ſo haſt du Ohne Zweifel auch oft in dieſem Saale gebetet, Daß ich ferne verloͤre den Tag der froͤhlichen Heimkehr, Und daß meine Gemahlin dir folgt 'und Kinder gebaͤre! Darum wuͤnſche nur nicht, den ſchrecklichen Tod zu vermeiden! 325

Als er dieſes geſagt, da nahm er mit nervichter Rechte Von der Erde das Schwert, das Agelaos im Tode Fallen laßen, und ſchwung es, und haut 'ihm tief in den Nacken: Daß des Redenden Haupt hinrollend mit Staube vermiſcht ward.

Aber Terpios Sohn entrann dem ſchwarzen Verhaͤngniß,330 Faͤmios, der bei den Freiern gezwungen wurde zu ſingen. Dieſer ſtand, in den Haͤnden die hellerklingende Harfe, Nahe der Seitenthuͤr, und ſann in zweifelndem Herzen: Ob er heimlich entfloͤh, und an des großen Kronions Schoͤnem Altar auf dem Hofe ſich ſezte, auf welchem Laertaͤs335 Und Oduͤßeus die Lenden ſo vieler Stiere geopfert; Oder um Mitleid flehend Oduͤßeus zu Fuͤßen ſich wuͤrfe. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte, Flehend die Kniee zu ruͤhren des goͤttergleichen Oduͤßeus. Und er ſezte zur Erden die ſchoͤngewoͤlbete Harfe,340 Zwiſchen dem großen Kelch und dem ſilberbeſchlagenen Seßel; Lief dann eilend hinzu, umſchlang Oduͤßeus die Kniee, Jammerte laut um Erbarmen, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Flehend umfaß 'ich dein Knie; erbarme dich meiner, Oduͤßeus! Toͤdte mich nicht! Du wuͤrdeſt hinfort es ſelber bereuen,345 Wenn du den Saͤnger erſchluͤgſt, der Goͤttern und Menſchen geſungen! 429Zweiundzwanzigſter Geſang. Mich hat niemand gelehrt; ein Gott hat die mancherlei Lieder Mir in die Seele gepflanzt! Ich verdiene, wie einem der Goͤtter, Dir zu ſingen! Drum haue mir nicht mit dem Schwerte das Haupt ab! Siehe dein lieber Sohn Taͤlemachos kann es bezeugen,350 Daß ich nie freiwillig und wegen ſchnoͤdes Gewinſtes Kam in deinen Palaſt, den Freiern am Mahle zu ſingen; Sondern es fuͤhrten mich viele und maͤchtige hier mit Gewalt her!

Alſo ſprach er. Ihn hoͤrte Taͤlemachos heilige Staͤrke, Eilte hinzu, und ſprach zu ſeinem Vater Oduͤßeus:355

Halt, verwunde nicht dieſen; er iſt unſchuldig, mein Vater! Laß uns auch Medon verſchonen, den Herold, welcher mich immer Sorgſam in unſerem Hauſe gepflegt hat, als ich ein Kind war; Wo ihn Filoͤtios nicht ſchon toͤdtete, oder Eumaios, Oder du ſelber ihn trafſt, den Saal mit Rache durchſtuͤrmend! 360

Alſo ſprach er; ihn hoͤrte der gute verſtaͤndige Medon: Unter dem Throne ſich ſchmiegend vermied er das ſchwarze Verhaͤngniß, Eingehuͤllt in die Haut des friſchgeſchlachteten Rindes. Eilend kroch er hervor, und huͤllte ſich ſchnell aus der Kuhhaut, Sprang zu Taͤlemachos hin, umſchlang die Kniee des Juͤnglings,365 Jammerte laut um Erbarmen, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, da bin ich ſelbſt! O ſchone, und bitte den Vater, Daß mich der Wuͤtende nicht mit ſcharfem Erze vertilge, Zuͤrnend wegen der Freier, die alle Guͤter im Hauſe Ihm verſchwelgten, und dich mit thoͤrichtem Herzen entehrten! 370

Laͤchelnd erwiederte drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Sei getroſt, denn dieſer iſt dein Beſchirmer und Retter: Daß du im Herzen erkennſt, und andern Menſchen verkuͤndeſt, Wie viel beßer es ſei, gerecht als boͤſe zu handeln. 430Oduͤßee. Aber geht aus dem Saal, und ſezt euch aus dem Gewuͤrge375 Draußen im Hofe, du ſelbſt und der liederkundige Saͤnger; Bis ich alles im Hauſe vollendet, was mir gebuͤhret.

Alſo ſprach er. Da gingen ſie ſchnell aus dem blutigen Saale, Sezten ſich draußen im Hof 'am Altare des großen Kronions Nieder, und blickten umher, den Tod noch immer erwartend. 380

Jezo ſchaute Oduͤßeus umher im Saale, ob irgend Noch ein Lebender ſich dem ſchwarzen Tode verbaͤrge. Aber er ſahe ſie alle, mit Blut und Staube beſudelt, Weit den Boden bedecken: wie Fiſche, welche die Fiſcher Aus dem blaͤulichen Meer ans hohle Felſengeſtade385 Im vielmaſchichten Nez aufzogen; nun liegen ſie, lechzend Nach den Fluten des Meers, im duͤrren Sande verbreitet, Und die ſengende Hize der Sonne raubet ihr Leben: Alſo lagen im Saale die Freier Haufen bei Haufen. Und zu Taͤlemachos ſprach der erfindungsreiche Oduͤßeus:390

Auf, Taͤlemachos, rufe die Pflegerin Euruͤkleia; Denn ich habe noch was auf dem Herzen, das ich dir ſage.

Sprachs; und Taͤlemachos eilte, wie ihm ſein Vater befohlen, Pocht 'an die Thuͤr, und rief der Pflegerin Euruͤkleia:

Eile geſchwinde hieher, du alte redliche Mutter,395 Welche die Aufſicht hat der Weiber in unſerem Hauſe! Komm! dich ruft mein Vater, er hat dir etwas zu ſagen!

Alſo ſprach er zu ihr, und redete nicht in die Winde. Als ſie die Pforten geoͤffnet der ſchoͤngebaueten Wohnung, Ging ſie hinaus, und folgte Taͤlemachos, welcher ſie fuͤhrte. 400Und ſie fanden Oduͤßeus, umringt von erſchlagenen Leichen, Ganz mit Blut und Staube beſudelt, aͤhnlich dem Loͤwen,431Zweiundzwanzigſter Geſang. Der, vom ermordeten Stiere geſaͤttiget, ſtolz einhergeht; Seine zottichte Bruſt, und beide Backen des Wuͤrgers Triefen von ſchwarzem Blut, und fuͤrchterlich gluͤhn ihm die Augen:405 Alſo war auch Oduͤßeus an Haͤnden und Fuͤßen beſudelt. Als ſie die Todten nun ſah und rings die Stroͤme des Blutes, Da frohlockte ſie jauchzend; denn ſchrecklich und groß war der Anblick. Aber Oduͤßeus hielt ſie, und zaͤhmt 'ihr lautes Entzuͤcken; Und er redte ſie an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:410

Freue dich, Mutter, im Herzen; doch halte dich, daß du nicht frohlockſt! Ueber erſchlagene Menſchen zu jauchzen, iſt grauſam und Suͤnde! V. 412.Wir Chriſten ſingen das Te Deum.Dieſe vertilgte der Goͤtter Gericht und ihr boͤſes Beginnen: Denn ſie ehrten ja keinen von allen Erdebewohnern, Vornehm oder geringe, wer auch um Erbarmen ſie anſprach. 415Darum traf die Frevler das ſchreckliche Todesverhaͤngniß. Aber nenne mir jezo die Weiber in dem Palaſte, Alle, die mich verachten, und die unſtraͤflich geblieben.

Ihm antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia: Gerne will ich dir, Sohn, die lautere Wahrheit verkuͤnden. 420Funfzig ſind der Weiber in deinem hohen Palaſte, Welche wir alle die Kunſt des Webeſtuhls und der Nadel Lehrten, und Wolle zu kaͤmmen, und treu und fleißig zu dienen. Aber zwoͤlfe veruͤben die unverſchaͤmteſten Graͤuel, Und verachten mich ganz, ja ſelber Paͤnelopeia. 425Zwar ſeit kurzem erwuchs Taͤlemachos; aber die Mutter Wollte nimmer geſtaten, daß er den Maͤgden befoͤhle. Jezo geh 'ich hinauf, und bringe deiner Gemahlin432Oduͤßee. Botſchaft; eben erquickt ſie ein Gott mit lieblichem Schlummer.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:430 Wecke ſie jezo noch nicht; laß erſt die Weiber des Hauſes Kommen, welche bisher ſo viel 'Unarten veruͤbten.

Alſo ſprach er; da ging die Pflegerin aus dem Gemache, Brachte des Koͤnigs Befehl, und trieb die Maͤgde zu eilen. Aber Taͤlemachos und die beiden treflichen Hirten435 Rief er zu ſich heran, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Traget jezo die Todten hinaus, und befehlt es den Weibern; Und dann reiniget wieder die zierlichen Seßel und Tiſche Von der Erſchlagenen Blute mit angefeuchteten Schwaͤmmen. Aber ſobald ihr alles umher im Saale geordnet,440 Fuͤhrt die Weiber hinaus vor die ſchoͤngebauete Wohnung, Zwiſchen das Kuͤchengewoͤlb 'und die feſte Mauer des Hofes, Und erwuͤrgt ſie dort mit der Schaͤrfe des Schwertes, bis aller Seelen entfliehn, und vergeßen der ungebaͤndigten Luͤſte, Welche ſie oft gebuͤßt, in geheimer Umarmung der Freier. 445

Alſo ſprach er; da kamen die Weiber alle bei Haufen Lautwehklagend herein und heiße Thraͤnen vergießend. Und ſie trugen hinaus die abgeſchiedenen Todten Unter die toͤnende Halle des feſtverſchloßenen Hofes, Legten uͤber einander ſie hin; es trieb ſie Oduͤßeus450 Hurtig zu eilen, und traurig vollendeten jene die Arbeit. Hierauf reinigten ſie die zierlichen Seßel und Tiſche Von der Erſchlagenen Blute mit angefeuchteten Schwaͤmmen. Aber Taͤlemachos, der Rinderhirt und der Sauhirt Saͤuberten eilig mit Schaufeln des ſchoͤnen gewoͤlbeten Saales455 Eſtrich; den Unrat trugen die Maͤgde hinaus vor die Thuͤre. 433Zweiundzwanzigſter Geſang. Und nachdem ſie alles umher im Saale geordnet, Fuͤhrten ſie jene hinaus vor die ſchoͤngebauete Wohnung Zwiſchen das Kuͤchengewoͤlb 'und die feſte Mauer des Hofes, Trieben ſie dort in die Enge, wo nirgends ein Weg zum Entfliehn war. 460Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſprach zu den Hirten:

Wahrlich den reinen Tod des Schwertes ſollen die Weiber Mir nicht ſterben, die mich und meine Mutter ſo lange Schmaͤheten, und mit den Freiern ſo ſchaͤndliche Graͤuel veruͤbten!

Sprachs; da band er ein Seil des blaugeſchnaͤbelten Schiffes465 An den ragenden Pfeiler, und knuͤpft 'es hoch am Gewoͤlbe Feſt, daß die Hangenden nicht mit den Fuͤßen die Erde beruͤhrten. Und wie die fliegenden Voͤgel, die Droßeln oder die Tauben, In die Schlingen gerathen, die im Gebuͤſche geſtellt ſind; Muͤde eilten ſie heim, und finden ein trauriges Lager:470 Alſo hingen ſie dort mit den Haͤuptern neben einander, Alle die Schling 'um den Hals, und ſtarben des klaͤglichſten Todes, Zappelten noch mit den Fuͤßen ein wenig, aber nicht lange.

Jezo holten ſie auch den Ziegenhirten Melantheus; Und ſie ſchnitten ihm Naſ 'und Ohren mit grauſamem Erze475 Ab, entrißen und warfen die blutige Scham vor die Hunde, Hauten dann Haͤnd 'und Fuͤße vom Rumpf, mit zuͤrnendem Herzen.

Und nun wuſchen ſie ſich die Haͤnd 'und Fuͤße, und gingen Wieder hinein zu Oduͤßeus im Saal; und das Werk war vollendet. Aber Oduͤßeus ſprach zu der Pflegerin Euruͤkleia:480

Alte, bringe mir Feuer und fluchabwendenden Schwefel,V. 481Das Feuer des Schwefels ward fuͤr heilig gehalten, weil es mit dem Blize, dem Feuer des Himmels, Aehnlichkeit hat. Daß ich den Saal durchraͤuchre. Dann ſage Paͤnelopeien, Daß ſie geſchwind 'herkomme mit ihren begleitenden Jungfraun;E e434Oduͤßee. Zweiundzwanzigſter Geſang. Auch die uͤbrigen Weiber im Hauſe rufe mir eilig.

Ihm antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia:485 Gut, mein geliebter Sohn, du haſt mit Weisheit geredet. Aber ich will dir ein Kleid herbringen, Mantel und Leibrock; Daß du nicht, mit den Lumpen die ruͤſtigen Schultern umhuͤllet, Hier in dem Saale ſtehſt. Wie haͤßlich wuͤrde das ausſehn!

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:490 Erſtlich bringe mir Schwefel, und zuͤnde Feuer im Saal an.

Alſo ſprach er. Da eilte die Pflegerin Euruͤkleia; Und nun brachte ſie Feuer und Schwefel. Aber Oduͤßeus Raͤucherte rings im Saal, im Vorhauſ 'und in dem Hofe.

Und die Alte ſtieg aus Oduͤßeus praͤchtiger Wohnung,495 Brachte des Koͤnigs Befehl, und trieb die Maͤgde zu eilen. Und ſie gingen hervor, in den Haͤnden die leuchtende Fackel. Jezo umringten ſie alle den wiedergekommenen Koͤnig, Hießen ihn froh willkommen, und kuͤßten ihm Schultern und Antliz, Kuͤßten und druͤckten die Haͤnde mit Inbrunſt. Aber Oduͤßeus500 Weint 'und ſchluchzte vor Freude; ſein Herz erkannte noch alle.

435

Oduͤßee. Dreiundzwanzigſter Geſang.

Aber das Muͤtterchen ſtieg frohlockend empor in den Soͤller, Um der Fuͤrſtin zu melden, ihr lieber Gemahl ſei zu Hauſe: Jugendlich ſtrebten die Knie ', und hurtiger eilten die Schenkel; Und ſie trat zu dem Haupte der ſchlafenden Fuͤrſtin, und ſagte:

Wach auf, Paͤnelopeia, geliebte Tochter, und ſchau es5 Selber mit Augen, worauf du ſo lange geharret: Oduͤßeus Iſt gekommen, Oduͤßeus! und wieder zu Hauſe, nun endlich! Und hat alle Freier getoͤdtet, die hier im Palaſte Trozten, ſein Gut verſchlangen, und ſeinen Taͤlemachos hoͤhnten!

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:10 Liebe Mutter, dich haben die Goͤtter bethoͤret, die oftmal Selbſt die verſtaͤndigſten Menſchen in Unverſtaͤndige wandeln, Und Einfaͤltige oft mit hoher Weisheit erleuchten! Dieſe verruͤckten gewiß auch deine richtigen Sinne! Warum ſpotteſt du meiner, die ſo ſchon herzlich betruͤbt iſt,15 Und verkuͤndeſt mir Luͤgen, und weckſt mich vom lieblichen Schlummer, Welcher mir, ach ſo ſanft! die lieben[Wimpern] bedeckte? Denn ich ſchlief noch nimmer ſo feſt, ſeit Oduͤßeus hinwegfuhr, Troja zu ſehn, die verwuͤnſchte, die keiner nennet ohn Abſcheu! Aber nun ſteige hinab, und geh in die untere Wohnung! 20436Oduͤßee. Haͤtte mir eine der andern, ſo viel auch Weiber mir dienen, Solch ein Maͤhrchen verkuͤndet, und mich vom Schlummer erwecket; Fuͤrchterlich haͤtt 'ich ſie gleich, die unwillkommene Botin, Heimgeſandt in den Saal! Dich rettet diesmal dein Alter!

Ihr antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia:25 Liebe Tochter, ich ſpotte ja nicht! Wahrhaftig, Oduͤßeus Iſt gekommen, und wieder zu Hauſe, wie ich dir ſage! Jener Fremdling, den alle ſo ſchaͤndlich im Saale verhoͤhnten! Und Taͤlemachos wußte ſchon lange, daß er daheim ſei; Aber mit weiſem Bedacht verſchwieg er des Vaters Geheimniß,30 Bis er den Uebermut der ſtolzen Maͤnner beſtrafet.

Alſo ſprach ſie; und freudig entſprang die Fuͤrſtin dem Lager, Und umarmte die Alte, und Thraͤnen umſtroͤmten ihr Antliz. Weinend begann ſie jezo, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Liebes Muͤtterchen, ſage mir doch die lautere Wahrheit! 35Iſt er denn wuͤrklich zu Hauſe gekommen, wie du erzaͤhleſt; O wie hat er den Kampf mit den ſchamloſen Freiern vollendet, Er allein mit ſo vielen, die hier ſich taͤglich ergoͤzten?

Ihr antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia: Weder geſehn hab 'ichs, noch ſonſt erfahren; ich hoͤrte40 Bloß der Erſchlagnen Geaͤchz. Denn hinten in unſerer Wohnung Saßen wir alle voll Angſt, bei feſtverriegelten Thuͤren; Bis mich endlich dein Sohn Taͤlemachos aus dem Gemache Rief, denn dieſen hatte ſein Vater geſandt, mich zu rufen. Und nun fand ich Oduͤßeus, umringt von erſchlagenen Leichen,45 Stehn, die hochgehaͤuft, das ſchoͤngepflaſterte Eſtrich Weit bedeckten. O haͤtteſt du ſelbſt die Freude geſehen, Als er mit Blut und Staube beſudelt ſtand, wie ein Loͤwe! 437Dreiundzwanzigſter Geſang. Jezo liegen ſie alle gehaͤuft an der Pforte des Hofes; Und er reinigt mit Schwefel bei angezuͤndetem Feuer50 Seinen praͤchtigen Saal; und ſendet mich her, dich zu rufen. Folge mir denn, damit ihr die lieben Herzen einander Wieder mit Freuden erfuͤllt, nachdem ihr ſo vieles erduldet. Nun iſt ja endlich geſchehn, was ihr ſo lange gewuͤnſcht habt: Lebend kehret er heim zum Vaterheerde, und findet55 Dich und den Sohn im Palaſt; und alle, die ihn beleidigt, Alle Freier vertilgt die ſchreckliche Rache des Koͤnigs.

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Liebe Mutter, du muſt nicht ſo frohlocken und jauchzen! Ach! du weißt ja, wie herzlicherwuͤnſcht er allen im Hauſe60 Kaͤme, vor allen mir, und unſerm einzigen Sohne! Aber es iſt unmoͤglich geſchehen, wie du erzaͤhleſt! Einer der Himmliſchen hat die ſtolzen Freier getoͤdtet, Durch die Graͤuel gereizt und die ſeelenkraͤnkende Bosheit! Denn ſie ehrten ja keinen von allen Erdebewohnern,65 Vornehm oder geringe, wer auch um Erbarmen ſie anſprach: Darum ſtrafte ſie Gott, die Freveler! Aber Oduͤßeus, Fern von Achaia verlor er die Heimkehr, ach! und ſein Leben!

Ihr antwortete drauf die Pflegerin Euruͤkleia: Welche Rede, mein Kind, iſt deinen Lippen entflohen! 70Dein Gemahl, der ſchon unten am Heerde ſizt, der kehret Nimmer nach Hauſe zuruͤck? O wie gar unglaͤubig dein Herz iſt! Nun ſo ſag 'ich dir jezt ein entſcheidendes Merkmal, die Narbe, Die ein Eber ihm einſt mit weißem Zahne gehauen. Beim Fußwaſchen nahm ich ſie wahr, und wollt' es dir ſelber75 Sagen; allein er faßte mir ſchnell mit der Hand an die Gurgel;438Oduͤßee. Und verhinderte mich mit weiſem Bedachte, zu reden. Komm denn, und folge mir jezt. Denn ich verbuͤrge mich ſelber, Hab 'ich dir Luͤgen geſagt, des klaͤglichſten Todes zu ſterben.

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:80 Liebe Mutter, den Rath der ewiglebenden Goͤtter Strebſt du umſonſt zu erforſchen, obgleich du vieles verſteheſt. Aber wir wollen doch zu meinem Sohne hinabgehn, Daß ich die Leichname ſehe der Freier, und wer ſie getoͤdtet.

Alſo ſprach ſie, und ſtieg hinab. Der Gehenden Herz ſchlug,85 Zweifelnd, ob ſie den lieben Gemahl von ferne befragte, Oder entgegen ihm floͤg ', und Haͤnd' und Antliz ihm kuͤßte. Als ſie nun uͤber die Schwelle von glattem Marmor hineintrat, Sezte ſie fern an der Wand, im Glanze des Feuers, Oduͤßeus Gegenuͤber, ſich hin. An einer ragenden Seule90 Saß er, die Augen geſenkt, und wartete, was ſie ihm ſagen Wuͤrde, die edle Gemahlin, da ſie ihn ſelber erblickte. Lange ſaß ſie ſchweigend; ihr Herz war voller Erſtaunens. Jezo glaubte ſie ſchon ſein Angeſicht zu erkennen, Jezo verkannte ſie ihn in ſeiner haͤßlichen Kleidung. 95Aber Taͤlemachos ſprach unwillig zu Paͤnelopeia:

Mutter, du boͤſe Mutter, von unempfindlicher Seele! Warum ſonderſt du dich von meinem Vater, und ſezeſt Dich nicht neben ihn hin, und fragſt und forſcheſt nach allem? Keine andere Frau wird ſich von ihrem Gemahle100 So halsſtarrig entfernen, der nach unendlicher Truͤbſal Endlich im zwanzigſten Jahre zum Vaterlande zuruͤckkehrt! Aber du traͤgſt im Buſen ein Herz, das haͤrter als Stein iſt!

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:439Dreiundzwanzigſter Geſang. Lieber Sohn, mein Geiſt iſt ganz in Erſtaunen verloren;105 Und ich vermag kein Wort zu reden, oder zu fragen, Noch ihm gerad 'ins Antliz zu ſchaun! Doch iſt er es wuͤrklich, Mein Oduͤßeus, der wiederkam; ſo werden wir beide Uns einander gewiß noch beßer erkennen: wir haben Unſre geheimen Zeichen, die keinem andern bekannt ſind. 110

Sprachs; da laͤchelte ſanft der herliche Dulder Oduͤßeus, Wandte ſich drauf zum Sohn ', und ſprach die gefluͤgelten Worte:

O Taͤlemachos, laß die Mutter, ſo lange ſie Luſt hat, Mich im Hauſe verſuchen; ſie wird bald freundlicher werden. Weil ich ſo haͤßlich bin, und mit ſchlechten Lumpen bekleidet,115 Darum verachtet ſie mich, und glaubt, ich ſei es nicht ſelber. Aber wir muͤßen bedenken, was nun der ſicherſte Rath ſei. Denn hat jemand im Volk nur einen Menſchen getoͤdtet, Welcher, arm und geringe, nicht viele Raͤcher zuruͤcklaͤßt; Fluͤchtet er doch, und verlaͤßt die Heimat und ſeine Verwandten:120 Und wir erſchlugen die Stuͤze der Stadt, der edelſten Maͤnner Soͤhne in Ithaka's Reich. Dies uͤberlege nun ſelber.

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Lieber Vater, da mußt du allein zuſehen; du biſt ja Unter den Menſchen beruͤhmt durch deine Weisheit, und Niemand125 Wagt es ſich dir zu vergleichen von allen Erdebewohnern! Aber wir ſind zu folgen bereit; und ich hoffe, du werdeſt Mut in keinem vermißen, ſo viel die Kraͤfte gewaͤhren.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Nun ſo will ich denn ſagen, was mir das Beßte zu ſein duͤnkt. 130Geht nun erſtlich ins Bad, und ſchmuͤckt euch mit feſtlichem Leibrock; Laßt dann die Weiber im Hauſe mit ſchoͤnen Gewanden ſich ſchmuͤcken;440Oduͤßee. Aber der goͤttliche Saͤnger entlocke der klingenden Harfe Melodien, und befluͤgle den froͤhlichhuͤpfenden Reigen: Daß die Nachbarn umher, und die auf der Gaße vorbeigehn,135 Sagen, wann ſie es hoͤren, man feire der Koͤnigin Hochzeit; Und damit nicht eher der Ruf von dem Morde der Freier Durch die Stadt ſich verbreite, bevor wir das ſchattige Luſtgut Fern auf dem Land 'erreicht. Dort wollen wir ferner bedenken, Welchen nuͤzlichen Rath uns Zeus der Oluͤmpier eingiebt. 140

Alſo ſprach er. Sie hoͤrten ihm alle mit Fleiß, und gehorchten: Gingen ins Bad, und ſchmuͤckten ſich dann mit feſtlichem Leibrock. Auch die Weiber kamen geſchmuͤckt. Der goͤttliche Saͤnger Nahm die gewoͤlbete Harf ', und reizte mit lieblichen Toͤnen Alle zum ſuͤßen Geſang' und ſchoͤnnachahmenden Tanze:145 Daß der hohe Palaſt ringsum von dem ſtampfenden Fußtritt Froͤhlicher Maͤnner erſcholl und ſchoͤngeguͤrteter Weiber. Und wer voruͤberging, blieb horchend ſtehen, und ſagte:

Wahrlich ein Freier macht mit der ſchoͤnen Koͤnigin Hochzeit! Konnte die boͤſe Frau nicht ihres erſten Gemahles150 Hohen Palaſt bewahren, bis er aus der Fremde zuruͤckkehrt?

Alſo ſprachen die Leute, und wußten nicht, was geſchehn war. Aber den edelgeſinnten Oduͤßeus in ſeinem Palaſte Badet 'Euruͤnomaͤ jezt, die Schaffnerin, ſalbte mit Oel ihn, Und umhuͤllt' ihm darauf den praͤchtigen Mantel und Leibrock. 155Siehe ſein Haupt umſtralt 'Athaͤnaͤ mit goͤttlicher Anmut, Schuf ihn hoͤher und ſtaͤrker an Wuchs; und goß von der Scheitel Ringelnde Locken herab, wie der Purpurlilien Bluͤthe. Alſo umgießt ein Mann mit feinem Golde das Silber, Welchen Haͤfaiſtos ſelbſt und Pallas Athaͤnaͤ die Weisheit160441Dreiundzwanzigſter Geſang. Vieler Kuͤnſte gelehrt, und bildet reizende Werke: Alſo umgoß die Goͤttin ihm Haupt und Schultern mit Anmut. Und er ſtieg aus dem Bad ', an Geſtalt den Unſterblichen aͤhnlich; Kam, und ſezte ſich wieder auf ſeinem verlaßenen Seßel, Gegenuͤber dem Siz der edlen Gemahlin, und ſagte:165

Wunderliche, gewiß vor allen Weibern der Erde Schufen die Himmliſchen dir ein Herz ſo ſtarr und gefuͤhllos! Keine andere Frau wird ſich von ihrem Gemahle So halsſtarrig entfernen, der nach unendlicher Truͤbſal Endlich im zwanzigſten Jahre zum Vaterlande zuruͤckkehrt! 170Aber bereite mein Bett ', o Muͤtterchen, daß ich allein mich Niederlege: denn dieſe hat wahrlich ein Herz von Eiſen!

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Wunderlicher, mich haͤlt ſo wenig Stolz wie Verachtung Oder Befremden zuruͤck; ich weiß recht gut, wie du ausſahſt,175 Als du von Ithaka fuhrſt im langberuderten Schiffe. Aber wohlan! bereite ſein Lager ihm, Euruͤkleia, Außerhalb des ſchoͤnen Gemachs, das er ſelber gebauet. Sezt das zierliche Bette hinaus, und leget zum Ruhen Wollichte Felle hinein, und praͤchtige Decken und Maͤntel. 180

Alſo ſprach ſie zum Schein, den Gemahl zu verſuchen. Doch zuͤrnend Wandte ſich jezt Oduͤßeus zu ſeiner edlen Gemahlin:

Wahrlich, o Frau, dies Wort hat meine Seele verwundet! Wer hat mein Bette denn anders geſezt? das koͤnnte ja ſchwerlich Selbſt der erfahrenſte Mann; wo nicht der Unſterblichen einer185 Durch ſein allmaͤchtiges Wort es leicht von der Stelle verſezte: Doch kein ſterblicher Menſch, und trozt 'er in Kraͤften der Jugend, Koͤnnt' es hinwegarbeiten! Ein wunderbares Geheimniß442Oduͤßee. War an dem kuͤnſtlichen Bett '; und ich ſelber baut' es, kein Andrer! Innerhalb des Gehegs war ein weitumſchattender Oelbaum,190 Stark und bluͤhendes Wuchſes; der Stamm glich Seulen an Dicke. Rings um dieſen erbaut 'ich von dichtgeordneten Steinen Unſer Ehegemach, und woͤlbte die obere Decke, Und verſchloß die Pforte mit feſteinfugenden Fluͤgeln. Hierauf kappt' ich die Aeſte des weitumſchattenden Oelbaums,195 Und behaute den Stamm an der Wurzel, glaͤttet 'ihn ringsum Kuͤnſtlich und ſchoͤn mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtſchnur; Schnizt' ihn zum Fuße des Bettes, und bort 'ihn rings mit dem Borer, Fuͤgete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette, Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geſchmuͤckt war;200 Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut. Dies Wahrzeichen ſag 'ich dir alſo. Aber ich weiß nicht, Frau, ob es noch ſo iſt, wie vormals; oder ob Jemand Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette verſezt hat.

Alſo ſprach er. Der Fuͤrſtin erzitterten Herz und Kniee,205 Als ſie die Zeichen erkannte, die ihr Oduͤßeus verkuͤndet: Weinend lief ſie hinzu, und fiel mit offenen Armen Ihrem Gemahl um den Hals, und kuͤßte ſein Antliz, und ſagte:

Sei mir nicht boͤſ ', Oduͤßeus! Du warſt ja immer ein guter Und verſtaͤndiger Mann! Die Goͤtter gaben uns Elend;210 Denn zu groß war das Gluͤck, daß wir beiſammen in Eintracht Unſerer Jugend genoͤßen, und ſanft dem Alter uns nahten! Aber du mußt mir jezo nicht darum zuͤrnen noch gram ſein, Daß ich, Geliebter, dich nicht beim erſten Blicke bewillkommt! Siehe mein armes Herz war immer in Sorgen, es moͤchte215 Irgend ein Sterblicher kommen, und mich mit teuſchenden Worten443Dreiundzwanzigſter Geſang. Hintergehn; es giebt ja ſo viele ſchlaue Betrieger! Nimmer haͤtte der Fremdling die ſchoͤne argeiiſche Fuͤrſtin Helena, Tochter von Zeus, zur heimlichen Liebe verleitet; Haͤtte ſie vorbedacht, daß die kriegriſchen Soͤhne Achaia's220 Wuͤrden mit Feuer und Schwert ſie zuruͤck aus Ilion fodern. Aber gereizt von der Goͤttin, erlag ſie der ſchnoͤden Verfuͤhrung,V. 222.Von Afroditaͤ, die dem Paris fuͤr den goldenen Apfel das ſchoͤnſte Weib verſprochen hatte. Und erwog nicht vorher in ihrem Herzen das nahe Schreckengericht, das auch uns ſo vielen Jammer gebracht hat! Jezo, da du, Geliebter, mir ſo umſtaͤndlich die Zeichen225 Unſerer Kammer nennſt, die doch kein Sterblicher ſahe, Sondern nur du und ich, und die einzige Kammerbediente Aktoris, welche mein Vater mir mitgab, als ich hieher zog: Jezo beſiegſt du mein Herz, und alle Zweifel verſchwinden. 230

Alſo ſprach ſie. Da ſchwoll ihm ſein Herz von inniger Wehmut: Weinend hielt er ſein treues geliebtes Weib in den Armen. So erfreulich das Land den ſchwimmenden Maͤnnern erſcheinet, Deren ruͤſtiges Schiff der Erdumguͤrter Poſeidon Mitten im Meere durch Sturm und geſchwollene Fluten zerſchmettert;235 Wenige nur entflohn dem dunkelwogenden Abgrund, Schwimmen ans Land, ringsum vom Schlamme des Meeres beſudelt, Und nun ſteigen ſie freudig, dem Tod 'entronnen, ans Ufer: So erfreulich war ihr der Anblick ihres Gemahles; Und feſt hielt ſie den Hals mit weißen Armen umſchlungen. 240Und ſie haͤtten vielleicht bis zur Morgenroͤthe gejammert; Aber ein Andres beſchloß die heilige Pallas Athaͤnaͤ. 444Oduͤßee. Denn ſie hemmte die Nacht am Ende des Laufes, und weilte An des Ozeans Fluten die goldenthronende Aeos: Und noch ſpannte ſie nicht die ſchnellen leuchtenden Roße245 Lampos und Faethon an, das Licht den Menſchen zu bringen. Aber zu ſeiner Gemahlin begann der weiſe Oduͤßeus:

Liebes Weib, noch haben wir nicht der furchtbaren Kaͤmpfe Ziel erreicht; es droht noch unermeßliche Arbeit, Viel und gefahrenvoll, und alle muß ich vollenden! 250Alſo verkuͤndigte mir des großen Teireſias Seele, Jenes Tages, da ich in Aïs Wohnung hinabſtieg, Forſchend nach der Gefaͤhrten und meiner eigenen Heimkehr. Aber nun laß uns, Frau, zu Bette gehen: damit uns Beide jezo die Ruhe des ſuͤßen Schlafes erquicke. 255

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: Jezo wird dein Lager bereit ſein, wann du es wuͤnſcheſt; Da dir endlich die Goͤtter verſtateten, wiederzukehren In dein praͤchtiges Haus und deiner Vaͤter Gefilde. Aber weil dich ein Gott daran erinnert, mein Lieber,260 Sage mir auch den Kampf! Ich muß ihn, denk 'ich, doch einmal Hoͤren; ſo iſt es ja wohl nicht ſchlimmer, ihn gleich zu erfahren.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Armes Weib, warum verlangſt du, daß ich dir dieſes Sage? Ich will es dir denn verkuͤnden, und nichts dir verhehlen. 265Freilich wird ſich darob dein Herz nicht freuen; ich ſelber Freue mich nicht. Denn mir gebeut der erleuchtete Seher, Fort durch die Welt zu gehn, in der Hand ein geglaͤttetes Ruder, Immerfort, bis ich komme zu Menſchen, welche das Meer nicht Kennen, und keine Speiſe gewuͤrzt mit Salze genießen,270445Dreiundzwanzigſter Geſang. Welchen auch Kenntniß fehlt von rothgeſchnaͤbelten Schiffen, Und von geglaͤtteten Rudern, den Fittigen eilender Schiffe. Deutlich hat er ſie mir bezeichnet, daß ich nicht irre. Wenn ein Wanderer einſt, der mir in der Fremde begegnet, Sagt, ich trag 'eine Schaufel auf meiner ruͤſtigen Schulter;275 Dann ſoll ich dort in die Erde das ſchoͤngeglaͤttete Ruder Stecken, und Opfer bringen dem Meerbeherſcher Poſeidon, Einen Widder und Stier und einen mutigen Eber; Drauf zur Heimat kehren, und opfern heilige Gaben Allen unſterblichen Goͤttern, des weiten Himmels Bewohnern,280 Nach der Reihe herum. Zulezt wird außer dem Meere Kommen der Tod, und mich, von hohem behaglichem Alter Aufgeloͤſeten, ſanft hinnehmen, wann ringsum die Voͤlker Froh und gluͤcklich ſind. Dies hat mir der Seher verkuͤndet.

Ihm antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:285 Nun wenn dir von den Goͤttern ein frohes Alter beſtimmt iſt; Koͤnnen wir hoffen, du wirſt dein Leiden gluͤcklich vollenden.

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Euruͤkleia indeß und Euruͤnomaͤ breiteten aͤmſig Weiche Gewande zum Lager, beim Scheine leuchtender Fackeln. 290Und nachdem ſie in Eile das warme Lager gebettet, Ging die Alte zuruͤck in ihre Kammer, zu ruhen. Aber Euruͤnomaͤ fuͤhrte den Koͤnig und ſeine Gemahlin Zu dem bereiteten Lager, und trug die leuchtende Fackel; Als ſie die Kammer erreicht, enteilte ſie. Jene beſtiegen295 Freudig ihr altes Lager, der keuſchen Liebe geheiligt.

Aber Taͤlemachos, der Rinderhirt und der Sauhirt Ruhten jezo vom froͤhlichen Tanz, es ruhten die Weiber;446Oduͤßee. Und ſie legten ſich ſchlafen umher im dunkeln Palaſte.

Jene, nachdem ſie die Fuͤlle der ſeligen Liebe gekoſtet,300 Wachten noch lang ', ihr Herz mit vielen Geſpraͤchen erfreuend. Erſt erzaͤhlte das goͤttliche Weib, wie viel ſie im Hauſe Von dem verwuͤſtenden Schwarme der boͤſen Freier erduldet, Wie ſie um ihrentwillen die fetten Rinder und Schafe Schaarenweiſe geſchlachtet, und frech im Weine geſchwelget. 305Dann erzaͤhlte der Held, wie vielen Jammer er andern Menſchen gebracht, und wie viel er ſelber vom Schickſal erduldet. Und die Koͤnigin horchte mit inniger Wonne; kein Schlummer Sank auf die Augenlieder, bevor er alles erzaͤhlet.

Und er begann, wie er erſt die Kikonen bezwungen, und hierauf310 An der fruchtbaren Kuͤſte der Lotofagen gelandet. Was der Kuͤklope gethan, und wie er der edlen Gefaͤhrten Tod beſtraft, die er fraß, der unbarmherzige Wuͤtrich. Und wie Aiolos ihn, nach milder Bewirtung, zur Heimfahrt Ausgeruͤſtet; allein die Stunde der froͤhlichen Heimkehr315 War noch nicht; denn er trieb, von dem wilden Orkane geſchleudert, Lautwehklagend zuruͤck ins fiſchdurchwimmelte Weltmeer. Wie er Taͤlepuͤlos dann und die Laiſtruͤgonen geſehen, Wo er die ruͤſtigen Schiffe und ſchoͤngeharniſchten Freunde Alle verlor; nur er ſelber entrann mit dem ſchwaͤrzlichen Schiffe. 320Auch von Kirkaͤ's Betrug 'und Zauberkuͤnſten erzaͤhlt' er; Und wie er hingefahren in Aïdaͤs dumpfe Behauſung, Um des thaͤbaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen, Im vielrudrigen Schiff ', und alle Freunde geſehen, Auch die Mutter, die ihn gebar und als Knaben ernaͤhrte. 325Wie er dann den Geſang der holden Sirenen gehoͤret;447Dreiundzwanzigſter Geſang. Dann die irrenden Klippen geſehn, und die wilde Charuͤbdis, Und die Skuͤlla, die keiner noch unbeſchaͤdigt vorbeifuhr. Dann, wie ſeine Gefaͤhrten die Sonnenrinder geſchlachtet; Und wie ſein ruͤſtiges Schiff der Gott hochrollender Donner330 Zeus mit dem Blize zerſchmettert; es ſanken die tapfern Genoßen Allzumal, nur er ſelber entfloh dem Schreckenverhaͤngniß. Wie er drauf gen Oguͤgia kam, zur Nuͤmfe Kaluͤpſo, Die ihn ſo lang 'aufhielt in ihrer gewoͤlbeten Grotte, Und zum Gemahl ihn begehrte: ſie reicht' ihm Nahrung, und ſagte335 Ihm Unſterblichkeit zu und nimmerverbluͤhende Jugend; Dennoch vermochte ſie nicht ſein ſtandhaftes Herz zu bewegen. Wie er endlich, nach großer Gefahr, die Faiaken erreichet, Welche von Herzen ihn hoch, wie einen Unſterblichen, ehrten, Und ihn ſandten im Schiffe zur lieben heimiſchen Inſel,340 Reichlich mit Erz und Golde beſchenkt und praͤchtigen Kleidern. Und kaum hatt 'er das lezte geſagt, da beſchlich ihn der ſuͤße Sanftaufloͤſende Schlummer, den Gram der Seele vertilgend.

Aber ein Neues erſann die heilige Pallas Athaͤnaͤ: Als ſie glaubte, der Held Oduͤßeus habe nun endlich345 Seine Seele in Lieb 'und ſuͤßem Schlafe geſaͤttigt; Rief ſie vom Ozean ſchnell die goldenthronende Fruͤhe, Daß ſie die finſtere Welt erleuchtete. Aber Oduͤßeus Sprang vom ſchwellenden Lager, und ſprach zu ſeiner Gemahlin:

Frau, wir haben bisher der Leiden volle Genuͤge350 Beide geſchmeckt: da du ſo herzlich um meine Zuruͤckkunft Weinteſt, und mich der Kronid 'und die andern Goͤtter durch UngluͤckV. 352.Der Kronide, Zeus, Kronos Sohn.448Oduͤßee. Dreiundzwanzigſter Geſang. Stets, wie ſehr ich auch ſtrebte, von meiner Heimat entfernten. Jezo, nachdem wir die Nacht der ſeligen Liebe gefeiret, Sorge du fuͤr die Guͤter, die mir im Palaſte geblieben;355 Aber die Rinder und Schafe, die mir die Freier verſchwelget, Werden mir theils die Achaier erſezen, und andere werd 'ich Beuten von fremden Voͤlkern, bis alle Hoͤfe gefuͤllt ſind. Jezo geh ich hinaus, den guten Vater Laertaͤs Auf dem Lande zu ſehn, der mich ſo herzlich bejammert. 360Dir befehl 'ich, o Frau; zwar biſt du ſelber verſtaͤndig: Gleich wenn die Sonn' aufgeht, wird ſicher der Ruf von den Freiern Durch die Stadt ſich verbreiten, die ich im Hauſe getoͤdtet; Darum ſteig 'in den Soͤller, und ſize dort unter den Weibern Ruhig; ſiehe nach keinem dich um, und rede mit keinem. 365

Alſo ſprach er, und panzerte ſich mit ſchimmernder Ruͤſtung, Weckte Taͤlemachos dann und beide Hirten vom Schlummer, Und gebot, in die Haͤnd die Waffen des Krieges zu nehmen. Dieſe gehorchten ihm ſchnell, und ſtanden in eherner Ruͤſtung, Schloßen die Pforte dann auf, und gingen, gefuͤhrt von Oduͤßeus. 370Schon umſchimmerte Licht die Erde. Doch Pallas Athaͤnaͤ Fuͤhrte ſie ſchnell aus der Stadt, mit dichtem Nebel umhuͤllet.

449

Oduͤßee. Vierundzwanzigſter Geſang.

Aber Hermaͤs, der Gott von Kuͤllaͤnaͤ, nahte ſich jezo,V. 1.Kuͤllaͤnaͤ, ein Berg in Arkadien, wo Hermaͤs verehrt wurde. Rief den Seelen der Freier, und hielt in der Rechten den ſchoͤnen Goldenen Herſcherſtab, womit er die Augen der Menſchen Zuſchließt, welcher er will, und wieder vom Schlummer erwecket: Hiermit ſcheucht 'er ſie fort, und ſchwirrend folgten die Seelen. 5So wie die Fledermaͤuſ 'im Winkel der graulichen Hoͤhle Schwirrend flattern, wenn eine des angeklammerten Schwarmes Nieder vom Felſen ſinkt, und drauf an einander ſich hangen: Alſo ſchwirrten die Seelen, und folgten in draͤngendem Zuge Hermaͤs, dem Retter in Noth, durch dumpfe ſchimmlichte Pfade. 10Und ſie gingen des Ozeans Flut, den leukadiſchen Felſen,V. 11.Sie fuhren nicht gleich unter die Erde, ſondern ſchwebten uͤber das Meer nach dem gewoͤhnlichen Eingange des Schattenreichs, jenſeit des Ozeanflußes an der kurmeriſchen Kuͤſte. Gingen das Sonnenthor, und das Land der Traͤume voruͤber, Und erreichten nun bald die graue Asfodeloswieſe, Wo die Seelen wohnen, die Luftgebilde der Todten.

Und ſie fanden die Seele des Paͤlaͤiden Achilleus,15Ff450Oduͤßee. Und die Seele Patroklos, des tapfern Antilochos Seele, Und des gewaltigen Aias, des Erſten an Wuchs und Bildung In dem achaiiſchen Heer, nach dem tadelloſen Achilleus: Dieſe waren ſtets um den Paͤleionen verſammelt. Eben kam auch die Seele von Atreus Sohn Agamemnon20 Traurend daher, umringt von anderen Seelen, die mit ihm, In Aigiſthos Palaſte, das Ziel des Todes erreichten. Zu den Kommenden ſprach die Seele des Paͤleionen:

Atreus Sohn, wir dachten, der donnerfrohe Kronion Haͤtte dich unter den Helden auf immer zum Liebling erkoren;25 Weil du das große Heer der tapferſten Sieger beherſchteſt, In dem troiſchen Lande, wo Noth uns Achaier umdraͤngte. Aber es mußte auch dich ſo bald des Todes Verhaͤngniß Treffen, welchem kein Menſch, vom Weibe geboren, entfliehet. Haͤtteſt du doch, umringt von den glaͤnzenden Ehren der Herſchaft,30 Dort im Lande der Troer, das Ziel des Todes erreichet! Denn ein Denkmal haͤtte der Griechen Volk dir errichtet, Und ſo waͤre zugleich dein Sohn bei den Enkeln verherlicht. Aber es war dein Loos, des traurigſten Todes zu ſterben!

Ihm antwortete drauf die Seele des großen Atreiden:35 Gluͤcklicher Paͤlaͤide, du goͤttergleicher Achilleus, Der du vor Ilion ſtarbſt, von Argos ferne! Denn ringsum Sanken die tapferſten Soͤhne der Troer und der Achaier, Kaͤmpfend um deine Leiche: du lagſt in der Wolke des Staubes, Groß, weithingeſtreckt, ausruhend vom Wagengetuͤmmel! 40Aber wir kaͤmpften den ganzen Tag, und kaͤmpften noch immer Brennend vor Wut, bis Zeus durch Sturm und Wetter uns trennte. Jezo trugen wir dich aus der Schlacht zu unſeren Schiffen,451Vierundzwanzigſter Geſang. Wuſchen den ſchoͤnen Leib mit lauem Waßer, und legten Ihn mit Balſam geſalbt auf praͤchtige Betten; und ringsum45 Weinten und jammerten laut die Achaier, und ſchoren ihr Haupthaar. Auch die Mutter entſtieg mit den heiligen Nuͤmfen dem Meere, Als ſie die Botſchaft vernahm; von lautwehklagenden Stimmen Hallte die Flut: und Entſezen ergriff das Heer der Achaier. Zitternd waͤren ſie ſchnell zu den hohlen Schiffen geflohen;50 Aber es hielt ſie der Mann von alter und großer Erfahrung, Neſtor, deßen Rath wir auch ehmals immer bewundert; Dieſer erhub im Heere die Stimme der Weisheit, und ſagte:

Haltet ein, Argeier, und flieht nicht, Soͤhne Achaia's! Dies iſt ſeine Mutter mit ihren unſterblichen Nuͤmfen,55 Welche dem Meer 'entſteigt, den todten Sohn zu bejammern!

Alſo ſprach er, und hemmte die Flucht der edlen Achaier. Lautwehklagend ſtanden um dich des alternden Meergotts Toͤchter, und kleideten dich mit ambroſiaduftenden Kleidern. Gegen einander ſangen mit ſchoͤner Stimme die Muſen60 Alle neun, und weinten: da ſahe man keinen Argeier Thraͤnenlos; ſo ruͤhrten der Goͤttinnen helle Geſaͤnge Siebzehn Tag 'und Naͤchte beweinten wir unaufhoͤrlich Deinen Tod, der Unſterblichen Chor und die ſterblichen Menſchen. Am achzehnten verbrannten wir dich, und ſchlachteten ringsum65 Viele gemaͤſtete Schaf 'und krummgehoͤrnete Rinder. Aber du lagſt umhuͤllt mit Goͤttergewanden, und um dich Standen Gefaͤße mit Oel und ſuͤßem Honig; und viele Helden Achaia's rannten geruͤſtet, zu Fuß und zu Wagen, Rings um das lodernde Feuer; es ſtieg ein lautes Getoͤſ' auf. 70Als dich Haͤfaiſtos Flamme verzehrt; da goßen wir Morgens452Oduͤßee. Lauteren Wein in die Aſche, und ſammelten, edler Achilleus, Deine weißen Gebeine, mit zwiefachem Fette bedeckend. Aber die Mutter brachte die goldne gehenkelte Urne, Dionuͤſos Geſchenk, und ein Werk des beruͤhmten Haͤfaiſtos. 75Hierin ruht dein weißes Gebein, ruhmvoller Achilleus, Mit dem Gebeine vermiſcht des Menoͤtiaden Patroklos, Und geſondert die Aſche Antilochos, den du vor allen Anderen Freunden ehrteſt, nach deinem geliebten Patroklos. Und das heilige Heer der ſieggewohnten Achaier80 Haͤufte daruͤber ein großes und weitbewundertes Denkmal Auf der Spize des Landes am breiten Hellaͤspontos,V. 82.Man betrachtete den Hellespont nicht als eine Meerenge, ſondern als einen breiten Fluß. Daß es fern im Meere voruͤberſchiffende Maͤnner Saͤhen, die jezo leben, und ſpaͤt in kommenden Jahren. Aber die Mutter bracht 'auf den Kampfplaz koͤſtliche Preiſe,85 Von den Goͤttern erfleht, fuͤr die Tapferſten aller Achaier. Schon bei vieler Helden Begraͤbniß warſt du zugegen, Sahſt die Juͤnglinge oft am Ehrenhuͤgel des Koͤnigs Zum Wettkampfe ſich guͤrten um manches ſchimmernde Kleinod; Dennoch haͤtteſt du dort mit tiefem Erſtaunen betrachtet,90 Welche koͤſtliche Preiſe die ſilberfuͤßige Thetis Dir zu Ehren geſezt: denn du warſt ein Liebling der Goͤtter! Alſo erloſch auch im Tode nicht dein Gedaͤchtniß, und ewig Glaͤnzet bei allen Menſchen dein großer Namen, Achilleus. Aber was frommte mir des ruͤhmlichen Krieges Vollendung? 95Selbſt bei der Heimkehr weihte mich Zeus dem ſchrecklichſten Tode453Vierundzwanzigſter Geſang. Unter Aigiſthos Hand und der Hand des heilloſen Weibes.

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Jezo nahte ſich ihnen der ruͤſtige Argosbeſieger, Und ihm folgte zur Tiefe die Schaar der erſchlagenen Freier. 100Voll Verwunderung gingen die Koͤnige ihnen entgegen. Und der hohe Schatten von Atreus Sohn Agamemnon Kannte des Melaniden, des tapfern Amfimedons Seele, Welcher ſein Gaſtfreund war in Ithaka's felſichtem Eiland. Zu dem Kommenden ſprach die Seele des großen Atreiden:105

Was, Amfimedon, fuͤhrt euch ins unterirdiſche Dunkel? Lauter erleſene Maͤnner von gleichem Alter! Man wuͤrde Schwerlich in Einer Stadt ſo trefliche Maͤnner erleſen! Toͤdtet 'euch etwa in Schiffen der Erderſchuͤttrer Poſeidon, Da er den wilden Orkan und die ſteigenden Wogen empoͤrte? 110Oder ermordeten euch auf dem Lande feindliche Maͤnner, Als ihr die ſchoͤnen Heerden der Rinder und Schafe hinwegtriebt, Oder indem ſie die Stadt und ihre Weiber verfochten? Lieber, ſage mir dies; ich war ja im Leben dein Gaſtfreund. Weißt du nicht mehr, wie ihr mich in eurem Hauſe bewirtet,115 Als ich Oduͤßeus ermahnte, dem goͤttlichen Menelaos Mit gen Troja zu folgen in ſchoͤngebordeten Schiffen? Erſt nach einem Monat entſchifften wir eurem Geſtade, Und beredeten kaum den Staͤdteverwuͤſter Oduͤßeus.

Alſo ſprach er; ihm gab Amfinomos Seele zur Antwort:120 Atreus ruͤhmlicher Sohn, weitherſchender Held Agamemnon, Dieſes weiß ich noch alles, und will umſtaͤndlich erzaͤhlen, Wie uns ſo ploͤzlich die Stunde des ſchrecklichen Todes ereilt hat. Siehe, wir liebten die Gattin des langentfernten Oduͤßeus. 454Oduͤßee. Nimmer verſagte ſie uns, und vollendete nimmer die Hochzeit,125 Heimlich uns allen den Tod und das ſchwarze Verhaͤngniß bereitend. Unter anderen Liſten erſann ſie endlich auch dieſe. Truͤglich zettelte ſie in ihrer Kammer ein feines Uebergroßes Geweb ', und ſprach zu unſrer Verſammlung: Juͤnglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen Oduͤßeus! 130Dringt auf meine Vermaͤhlung nicht eher, bis ich den Mantel Fertig gewirkt, (damit nicht umſonſt das Garn mir verderbe!) Welcher dem Helden Laertaͤs zum Leichengewande beſtimmt iſt, Wenn ihn die finſtre Stunde mit Todesſchlummer umſchattet: Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,135 Laͤg 'er uneingekleidet, der einſt ſo vieles beherſchte. Alſo ſprach ſie mit Liſt, und bewegte die Herzen der Edlen. Und nun webete ſie des Tages am großen Gewebe, Aber des Nachts, dann trennte ſies auf, beim Scheine der Fackeln. Alſo teuſchte ſie uns drei Jahr' und betrog die Achaier. 140Als nun das vierte Jahr im Geleite der Horen herankam, Und mit dem wechſelnden Mond viel Tage waren verſchwunden; Da verkuͤndet 'uns eine der Weiber das ſchlaue Geheimniß, Und wir fanden ſie ſelbſt bei der Trennung des ſchoͤnen Gewebes. Alſo mußte ſies nun, auch wider Willen, vollenden. 145Als ſie den großen Mantel gewirkt und ſauber gewaſchen, Und er hell, wie die Sonn 'und der Mond, entgegen uns glaͤnzte; Siehe da fuͤhrte mit Einmal ein boͤſer Daͤmon Oduͤßeus Draußen zum Meierhof, den der Schweine Huͤter bewohnte. Dorthin kam auch der Sohn des goͤttergleichen Oduͤßeus,150 Der von der ſandigen Puͤlos im ſchwarzen Schiffe zuruͤckfuhr. Dieſe bereiteten ſich zum ſchrecklichen Morde der Freier,455Vierundzwanzigſter Geſang. Gingen dann in die praͤchtige Stadt: der edle Oduͤßeus War der lezte, ſein Sohn Taͤlemachos kam zuerſt an. Aber der Sauhirt fuͤhrte den ſchlechtgekleideten Koͤnig,155 Der, wie ein alter Mann und muͤhbeladener Bettler, Wankend am Stabe ſchlich, mit haͤßlichen Lumpen bekleidet. Keiner konnte von uns den ploͤtzlich erſcheinenden Fremdling Fuͤr Oduͤßeus erkennen, auch ſelbſt von den Aelteſten keiner; Sondern alle verſpotteten wir und warfen den Fremdling. 160Und Oduͤßeus ertrug zuerſt in ſeinem Palaſte Unſre kraͤnkenden Reden und Wuͤrfe mit duldender Seele. Aber als ihn der Geiſt des Donnergottes erweckte, Nahm er mit ſeinem Sohn aus dem Saale die zierliche Ruͤſtung, Trug ſie hinauf in den Soͤller, und ſchloß die Pforte mit Riegeln;165 Ging dann hin, und befahl argliſtig ſeiner Gemahlin, Uns den Bogen zu bringen und blinkende Eiſen, zum Wettkampf Uns ungluͤcklichen Freiern, und zum Beginne des Mordens. Aber es konnte von uns nicht Einer des maͤchtigen Bogens Senne ſpannen; zu ſehr gebrach es allen an Staͤrke. 170Doch wie der Sauhirt jezo den großen Bogen Oduͤßeus Brachte; da zuͤrnten wir alle, und ſchalten mit drohenden Worten, Daß er den Bogen ihm nicht darreichte, was er auch ſagte; Aber Taͤlemachos rief, und befahl ihm, weiter zu gehen. Und nun nahm er den Bogen, der herliche Dulder Oduͤßeus,175 Spannt 'ihn ohne Bemuͤhn, und ſchnellte den Pfeil durch die Aexte; Sprang auf die Schwelle, die Pfeile dem Koͤcher entſchuͤttend, und blickte Drohend umher, und ſchoß; und Antinoos ſtuͤrzte zu Boden. Und nun flog auf die andern des ſcharf hinzielenden Koͤnigs Schreckliches Todesgeſchoß; und Haufen ſanken bei Haufen. 180456Oduͤßee. Und man erkannte leicht, daß ihnen ein Himmliſcher beiſtand. Denn bald ſtuͤrzten ſie wuͤtend ſich unter den Haufen, und wuͤrgten Links und rechts durch den Saal: mit dem Krachen zerſchlagener Schaͤdel Toͤnte das Jammergeſchrei, und Blut floß uͤber den Boden. Alſo kamen wir um, Agamemnon, und unſere Leiber185 Liegen noch unbeſtatet im Hauſe des edlen Oduͤßeus. Denn noch wißen esnicht die Freund 'in unſeren Haͤuſern, Daß ſie das ſchwarze Blut aus den Wunden waſchen, und klagend Unſere Bahr' umringen: die lezte Ehre der Todten!

Ihm antwortete drauf die Seele des großen Atreiden:190 Gluͤcklicher Sohn Laertaͤs, erfindungsreicher Oduͤßeus, Wahrlich dir ward ein Weib von großer Tugend beſchieden! Welche trefliche Seele hat doch Ikarios Tochter Paͤnelopeia! Wie treu die Edle dem Manne der Jugend, Ihrem Oduͤßeus, blieb! O nimmer verſchwindet der Nachruhm195 Ihrer Tugend; die Goͤtter verewigen unter den Menſchen Durch den ſchoͤnſten Geſang die keuſche Paͤnelopeia! Nicht wie Tuͤndareos Tochter veruͤbte ſie ſchaͤndliche Thaten,V. 198.Agamemnons Gemahlin Kluͤtaimnaͤſtra war Tuͤndareos Tochter, und Helenens Schweſter. Welche den Mann der Jugend erſchlug, und ein ewiges Schandlied Unter den Sterblichen iſt; denn ſie hat auf immer der Weiber200 Namen entehrt, wenn eine ſich auch des Guten befleißigt!

Alſo beſprachen ſich jezo die Luftgebilde der Todten, Unter der Erde ſtehend, in Aïdaͤs dunkler Behauſung.

Jene gingen den Weg von der Stadt hinunter, und kamen Bald zu dem wohlbeſtellten und ſchoͤnen Hofe Laertaͤs,205457Vierundzwanzigſter Geſang. Welchen er ſelber vordem durch Heldenthaten erworben. Alda hatt 'er ſein Haus; und wirtſchaftliche Gebaͤude Liefen rings um den Hof: es ſpeiſeten, ſaßen und ſchliefen Hier die noͤthigen Knechte, die ſeine Geſchaͤfte beſtellten. Auch war dort eine alte Sikelerin, welche des Greiſes210 Fern von der Stadt auf dem Lande mit treuer Sorge ſich annahm. Aber Oduͤßeus ſprach zu Taͤlemachos und zu den Hirten:

Geht ihr jezo hinein in die ſchoͤngebaute Wohnung, Und bereitet uns ſchnell zum Mahle das treflichſte Maſtſchwein. Ich will indeß hingehen, um unſern Vater zu pruͤfen:215 Ob er mich wohl noch kennt, wenn ſeine Augen mich ſehen; Oder ob ich ihm fremd bin, nach meiner langen Entfernung.

Alſo ſprach er, und gab den Hirten die kriegriſche Ruͤſtung. Dieſe gingen ſogleich in die Wohnung. Aber Oduͤßeus Eilte zu ſeinem Vater im obſtbeladenen Fruchthain. 220Und er fand, da er eilig den langen Garten hinabging, Weder Dolios dort, noch Dolios Knechte und Soͤhne. Dieſe waren aufs Feld gegangen, und ſammleten Dornen Zu des Gartens Geheg ', und der alte Mann war ihr Fuͤhrer. Nur Laertaͤs fand er im ſchoͤngeordneten Fruchthain,225 Um ein Baͤumchen die Erd 'auflockern. Ein ſchmuziger Leibrock Deckt' ihn, geflickt und grob; und ſeine Schenkel umhuͤllten Gegen die rizenden Dornen geflickte Stiefeln von Stierhaut; Und Handſchuhe die Haͤnde der Dieſteln wegen; die Scheitel Eine Kappe von Ziegenfell: ſo traurte ſein Vater. 230Als er ihn jezo erblickte, der herliche Dulder Oduͤßeus, Wie er vom Alter entkraͤftet und tief in der Seele betruͤbt war; Sah er ihm weinend zu im Schatten des ragenden Birnbaums. 458Oduͤßee. Dann bedacht 'er ſich hin und her, mit wankendem Vorſaz: Ob er ihn kuͤßend umarmte, den lieben Vater, und alles235 Sagte, wie er nun endlich zur Heimat wiedergekehrt ſei; Oder ihn erſt ausfragte, um ſeine Seele zu pruͤfen. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte: Erſt mit ſanftem Tadel des Vaters Seele zu pruͤfen. Dieſes beſchloß Oduͤßeus, und eilte hin zu Laertaͤs,240 Der, mit geſenktem Haupte, des Baumes Wurzel umhackte; Und der trefliche Sohn trat nahe zum Vater, und ſagte:

Alter, es fehlet dir nicht an Kunſt den Garten zu bauen! Schoͤn iſt alles beſtellt; kein einziges dieſer Gewaͤchſe, Keine Rebe vermißt, kein Oelbaum, Feigen - und Birnbaum,245 Keines der Beet 'im Garten vermißt die gehoͤrige Pflege! Eins erinnere ich nur; nim mirs nicht uͤbel, o Vater! Du wirſt ſelber nicht gut gepflegt! Wie kuͤmmerlich gehſt du, Schwach vor Alter, und ſchmuzig dabei, und haͤßlich bekleidet! Wegen der Faulheit gewiß kann dich dein Herr nicht verſaͤumen! 250Selbſt der Gedank 'an Knechtſchaft verſchwindet einem Betrachter Deiner Geſtalt und Groͤße; du haſt ein koͤniglich Anſehn: Gleich als ob dir gebuͤhrte, dich nach dem Bad' und der Mahlzeit Sanft zur Ruhe zu legen; denn das iſt die Pflege der Alten. Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Warheit:255 Welcher Mann iſt dein Herr, und weßen Garten beſorgſt du? Auch verkuͤndige mir aufrichtig, damit ich es wiße: Sind wir denn wuͤrklich hier in Ithaka, wie mir ein Mann dort Sagte, welchem ich begegnete, als ich hieher ging? Aber der Mann war nicht ſo artig, mir alles zu ſagen,260 Oder auf meine Frage zu achten, wegen des Gaſtfreunds,459Vierundzwanzigſter Geſang. Den ich in Ithaka habe: ob dieſer noch lebt und geſund iſt; Oder ob er ſchon ſtarb, und zu den Schatten hinabfuhr. Denn ich ſage dir an; merk auf, und hoͤre die Worte! Einen Mann hab 'ich einſt im Vaterlande bewirtet,265 Welcher mein Hauſ beſuchte; ſo viel 'ich auch Fremde beherbergt, Iſt kein wehrterer Gaſt in meine Wohnung gekommen! Dieſer ſagte, er ſtammt' aus Ithaka's felſichtem Eiland, Und Arkeiſios Sohn Laertaͤs waͤre ſein Vater. Und ich fuͤhrte den wehrten Gaſt in unſere Wohnung. 270Freundlich bewirtet 'ich ihn von des Hauſes reichlichem Vorrat, Und verehrt' ihm Geſchenke zum Denkmal unſerer Freundſchaft: Schenkt 'ihm ſieben Talente des kuͤnſtlichgebildeten Goldes; Einen ſilbernen Kelch mit ſchoͤnerhobenen Blumen; Feiner Teppiche zwoͤlf, und zwoͤlf der einfachen Maͤntel;275 Zwoͤlf Leibroͤcke dazu, mit praͤchtigen Purpurgewanden; Ueber dieſes ſchenkt 'ich ihm vier untadliche Jungfraun, Kunſtverſtaͤndig und ſchoͤn, die er ſich ſelber gewaͤhlet.

Ihm antwortete drauf ſein Vater, Thraͤnen vergießend: Fremdling, du biſt gewiß in dem Lande, nach welchem du frageſt! 280Aber hier wohnen freche und uͤbermuͤtige Maͤnner! Und vergeblich haſt du die vielen Geſchenke verſchwendet! Haͤtteſt du ihn lebendig in Ithaka's Volke gefunden, Dann entließ 'er gewiß dich reichlich wiederbeſchenket Und anſtaͤndig bewirtet; denn Pflicht iſt des Guten Vergeltung. 285Aber verkuͤndige mir, und ſage die lautere Warheit. Wie viel Jahre ſind es, ſeitdem dich jener beſuchte? Dein ungluͤcklicher Freund, mein Sohn, ſo lang 'ich ihn hatte! Armer Sohn, den fern von der Heimat und ſeinen Geliebten460Oduͤßee. Schon die Fiſche des Meers verzehreten, oder zu Lande290 Voͤgel und Thiere zerrißen! Ihn hat die liebende Mutter Nicht einkleidend beweint, noch der Vater, die wir ihn zeugten; Noch ſein edles Weib, die keuſche Paͤnelopeia, Schluchzend am Sterbebette des lieben Gemahles gejammert, Und ihm die Augen geſchloßen: die lezte Ehre der Todten! 295Auch verkuͤndige mir aufrichtig, damit ich es wiße: Wer, wels Volkes biſt du? und wo iſt deine Geburtſtadt? Und wo liegt das Schiff, das dich und die tapfern Genoßen Brachte? Kamſt du vielleicht in einem gedungenen Schiffe, Und die Schiffer ſezten dich aus, und fuhren dann weiter? 300

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Gerne will ich dir dieſes und nach der Wahrheit erzaͤhlen. Ich bin aus Aluͤbas her, und wohn 'im beruͤhmten PalaſteV. 303.Aluͤbas, eine Stadt in Unteritalien. Sikania hieß damals die ſuͤd - oͤſtliche Kuͤſte Siziliens. Meines Vaters Afeidas des maͤchtigen Sohns Poluͤpaͤmons. Und mein Namen iſt Epaͤritos. Aber ein Daͤmon305 Trieb mich durch Stuͤrme hieher, als ich gen Sikania ſteurte. Und mein Schiff liegt außer der Stadt am freien Geſtade. Jezo ſinds fuͤnf Jahre, ſeitdem der edle Oduͤßeus Wieder von dannen fuhr, und Aluͤbas Ufer zuruͤckließ. Armer Freund! Und ihm flogen doch heilweißagende Voͤgel,310 Als er zu Schiffe ging: drum ſah ich freudig ihn ſcheiden, Und er freute ſich auch; denn wir hofften, einer den andern Kuͤnftig noch oft zu bewirten, und ſchoͤne Geſchenke zu wechſeln.

Sprachs; und den Vater umhuͤllte die ſchwarze Wolke des Kummers. 461Vierundzwanzigſter Geſang. Siehe, er nahm mit den Haͤnden des duͤrren Staubes, und ſtreut 'ihn315 Ueber ſein graues Haupt, und weint 'und jammerte herzlich. Aber Oduͤßeus ergrimmte im Geiſt, und es ſchnob in der Naſe Ihm der erſchuͤtternde Schmerz, beim Anblick des liebenden Vaters. Kuͤßend ſprang er hinzu mit umſchlingenden Armen, und ſagte:

Vater, ich bin es ſelbſt, mein Vater, nach welchem du frageſt,320 Bin im zwanzigſten Jahre zur Heimat wiedergekehret! Darum trockne die Thraͤnen, und hemme den weinenden Jammer! Denn ich ſage dir kurz: (uns dringt die aͤußerſte Eile!) Alle Freier hab 'ich in unſerem Hauſe getoͤdtet, Und ihr Trozen beſtraft und die ſeelenkraͤnkenden Graͤuel! 325

Ihm antwortete drauf ſein alter Vater Laertaͤs: Biſt du denn wuͤrklich, mein Sohn Oduͤßeus, wiedergekommen; Lieber, ſo ſage mir doch ein Merkmal, daß ich es glaube!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus: Erſtlich betrachte hier mit deinen Augen die Narbe,330 Die ein Eber mir einſt mit weißem Zahne gehauen, Ferne von hier am Parnaßos: denn du und die trefliche Mutter Sandtet mich dort zu Autoluͤkos hin, die Geſchenke zu holen, Die mir bei der Geburt ihr beſuchender Vater verheißen. Jezo will ich dir auch die Baͤume des lieblichen Fruchthains335 Nennen, die du mir einſt auf meine Bitte geſchenkt haſt; Denn ich begleitete dich als Knab 'im Garten; wir gingen Unter den Baͤumen umher, und du nannteſt und zeigteſt mir jeden. Dreizehn Baͤume mit Birnen, und zehn voll roͤthlicher Aepfel Schenkteſt du mir, und vierzig der Feigenbaͤume; und nannteſt340 Funfzig Rebengelaͤnder mit lauter fruchtbaren Stoͤcken, Die du mir ſchenken wollteſt: ſie hangen voll mancherlei Trauben,462Oduͤßee. Wenn ſie der Segen Gottes mit mildem Gewitter erfreuet.

Alſo ſprach er; und jenem erzitterten Herz und Kniee, Als er die Zeichen erkannte, die ihm Oduͤßeus verkuͤndet. 345Seinen geliebteſten Sohn umarmend, ſank er in Ohnmacht An ſein Herz; ihn hielt der herliche Dulder Oduͤßeus. Als er zu athmen begann, und ſein Geiſt dem Herzen zuruͤckkam; Da erhub er die Stimme, und rief mit lautem Entzuͤcken:

Vater Zeus! ja noch lebt ihr Goͤtter im hohen Oluͤmpos,350 Wenn doch endlich die Graͤuel der uͤppigen Freier beſtraft ſind! Aber nun fuͤrcht 'ich ſehr in meinem Herzen, daß ploͤzlich Alle Ithaker hier uns uͤberfallen, und Botſchaft Ringsumher in die Staͤdte der Kefallaͤnier ſenden! V. 354.Kefallaͤnier hießen allgemein die Unterthanen Oduͤßeus in Ithaka, Samaͤ, Zakuͤnthos und der Halbinſel Naͤrikos oder Leukas, die nachher eine In - ſel ward, und jetzt Maura heißt.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:355 Sei getroſt, und laß dich dieſe Gedanken nicht kuͤmmern! Folge mir jetzt in das Haus, hier nahe am Ende des Gartens: Dort iſt Taͤlemachos auch, und der Rinderhirt und der Sauhirt; Denn ich ſandte ſie hin, uns eilend das Mahl zu bereiten.

Alſo beſprachen ſie ſich, und gingen zur praͤchtigen Wohnung. 360Und ſie traten jezt in die ſchoͤnen Zimmer des Hauſes, Wo Taͤlemachos ſchon, und der Rinderhirt und der Sauhirt, Theilten die Menge des Fleiſches, und Wein mit Waßer vermiſchten. Aber den edelgeſinnten Laertaͤs in ſeinem Palaſte Badete jezo die treue Sikelerin, ſalbte mit Oel ihn,365 Und umhuͤllt 'ihn dann mit dem praͤchtigen Mantel; Athaͤnaͤ Schmuͤckt' unſichtbar mit Kraft und Groͤße den Hirten der Voͤlker,463Vierundzwanzigſter Geſang. Schuf ihn hoͤher an Wuchs, und jugendlicher an Bildung. Und er ſtieg aus dem Bade. Mit Staunen erblickte der Sohn ihn, Wie er gleich an Geſtalt den unſterblichen Goͤttern einherging. 370Und er redet 'ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Wahrlich, o Vater, es hat ein unſterblicher Gott des Oluͤmpos Deine Geſtalt erhoͤht, und deine Bildung verſchoͤnert!

Und der verſtaͤndige Greis Laertaͤs ſagte dagegen: Wollte doch Vater Zeus, Athaͤnaͤ und Foͤbos Apollon,375 Daß ich ſo, wie ich einſt, am Vorgebirge der Veſte, Naͤrikos Mauren erſtieg, die Kefallaͤnier fuͤhrend; Daß ich in jener Geſtalt dir geſtern in unſerm Palaſte, Um die Schultern gepanzert, zur Seite haͤtte geſtritten Gegen der Freier Schaar! Dann haͤtt 'ich ihrer wohl manchen380 Hingeſtreckt in den Saal, und dein Herz im Buſen erfreuet!

Alſo beſprachen dieſe ſich jezo unter einander. Aber da jene das Mahl in Eile hatten bereitet, Sezten ſie ſich nach der Reih auf praͤchtige Seßel und Throne, Und erhoben die Haͤnde zum Eßen. Siehe da nahte385 Dolios ſich, der Greis, und Dolios Soͤhne: ſie kamen Muͤde vom Felde zuruͤck; denn die Mutter hatte ſie ſelber Heimgeholt, die alte Sikelerin, die ſie erzogen, Und ſorgfaͤltig des Greiſes in ſeinem Alter ſich annahm. Dieſe, ſobald ſie Oduͤßeus ſahn und im Herzen erkannten,390 Standen ſtill an der Schwell ', und ſtauneten. Aber Oduͤßeus Wandte ſich gegen den Greis mit dieſen freundlichen Worten:

Seze dich, Alter, zu Tiſch, und ſehet mich nicht ſo erſtaunt an; Denn wir haben ſchon lange, begierig der Speiſe zu koſten, Hier im Saale geharrt, und euch beſtaͤndig erwartet. 395

464Oduͤßee.

Alſo ſprach er. Da lief mit ausgebreiteten Armen Dolios grad 'auf ihn zu, und kuͤßte die Haͤnde des Koͤnigs, Redete freundlich ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Lieber, kommſt du nun endlich, nach unſerem herzlichen Wunſche, Aber ohn alles Vermuten, und fuͤhrten dich Goͤtter zur Heimat;400 Nun ſo wuͤnſch 'ich dir Freude, Geſundheit und Segen der Goͤtter! Aber ſage mir doch aufrichtig, damit ich es wiße: Weiß es deine Gemahlin, die kluge Paͤnelopeia, Daß du zu Hauſe biſt? oder ſollen wirs eilig verkuͤnden?

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Oduͤßeus:405 Alter, ſie weiß es ſchon; du brauchſt dich nicht zu bemuͤhen.

Alſo ſprach er, und ſezte ſich hin auf den zierlichen Seßel. Dolios Soͤhne traten nun auch zum beruͤhmten Oduͤßeus, Hießen ihn froh willkommen, und druͤckten ihm alle die Haͤnde, Sezten ſich dann nach der Reihe bei Dolios, ihrem Vater. 410Alſo waren ſie hier mit dem froͤhlichen Schmauſe beſchaͤftigt.

Aber Oßa, die ſchnelle Verkuͤnderin, eilete ringsum Durch die Stadt mit der Botſchaft vom traurigen Tode der Freier. Und nun erhuben ſich alle, und ſammleten hieher und dorther, Lautwehklagend und laͤrmend, ſich vor dem Palaſte des Koͤnigs,415 Trugen die Todten hinaus, und beſtateten jeder den Seinen; Aber die andern, die rings von den Inſeln waren gekommen, Legten ſie heimzufahren in ſchnelle Kaͤhne der Fiſcher. Und nun eilten ſie alle zum Markte, mit großer Betruͤbniß. Als die Verſammleten jezt in geſchloßener Reihe ſich draͤngten;420 Da erhub ſich der Held Eupeithaͤs vor den Achaiern, Der mit unendlichem Schmerz um den todten Antinoos traurte, Seinen Sohn, den zuerſt der edle Oduͤßeus getoͤdtet;465Vierundzwanzigſter Geſang. Weinend erhub ſich dieſer, und redete vor der Verſammlung:

Freunde, wahrlich ein Großes bereitete jener den Griechen! 425Erſt entfuͤhrt 'er in Schiffen ſo viel' und tapfere Maͤnner, Und verlor die geruͤſteten Schiff ', und verlor die Gefaͤhrten; Und nun kommt er, und toͤdtet die Edelſten unſeres Reiches. Aber wohlan! bevor der Fluͤchtende Puͤlos erreichet, Oder die heilige Aelis, die von den Epeiern beherſcht wird;430 Eilet ihm nach! Sonſt werden wir nimmer das Antliz erheben! Schande braͤcht 'es ja uns, und noch bei den ſpaͤteſten Enkeln, Wenn wir die Moͤrder nicht ſtraften, die unſere Kinder und Bruͤder Toͤdteten! Ha! ich koͤnnte nicht laͤnger mit froͤhlichem Herzen Leben; mich foͤrderte bald der Tod in die Schattenbehauſung! 435Auf denn, und eilt! damit ſie uns nicht zu Waßer entfliehen!

Weinend ſprach ers, und ruͤhrte die ganze Verſammlung zum Mitleid. Jezo kam zu ihnen der goͤttliche Saͤnger und Medon Aus Oduͤßeus Palaſte, nachdem ſie der Schlummer verlaßen; Und ſie traten beid 'in die Mitte des ſtaunenden Volkes. 440Und nun ſprach zur Verſammlung der gute verſtaͤndige Medon.

Hoͤret mich an, ihr Maͤnner von Ithaka! Wahrlich, Oduͤßeus Hat nicht ohne den Rath der Unſterblichen dieſes vollendet! Denn ich ſah ihn ſelbſt, den unendlichen Gott, der Oduͤßeus Immer zur Seite ſtand, in Mentors Bildung gehuͤllet. 445Dieſer unſterbliche Gott beſeelete jezo den Koͤnig, Vor ihm ſtehend, mit Mut, und jezo ſtuͤrmt 'er vertilgend Unter die Freier im Saal; und Haufen ſanken bei Haufen.

Als er es ſprach, da ergriff ſie alle bleiches Entſezen. Unter ihnen begann der graue Held Halitherſaͤs,450G g466Oduͤßee. Maſtors Sohn, der allein Zukunft und Vergangenes wahrnahm; Dieſer erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und ſagte:

Hoͤret mich an, ihr Maͤnner von Ithaka, was ich euch ſage! Eurer Traͤgheit halben, ihr Freund ', iſt dieſes geſchehen! Denn ihr gehorchtet mir nicht, noch Mentor dem Hirten der Voͤlker,455 Daß ihr eurer Soͤhn 'unbaͤndige Herzen bezaͤhmtet, Welche mit Unverſtand die entſezlichen Graͤuel veruͤbten, Da ſie die Guͤter verſchwelgten, und ſelbſt die Gemahlin entehrten Jenes treflichen Manns, und waͤhnten, er kehre nicht wieder. Nun iſt dieſes mein Rath; gehorcht mir, wie ich euch ſage:460 Eilt ihm nicht nach, daß keiner ſich ſelbſt das Verderben bereite!

Alſo ſprach er. Da ſtanden die Griechen mit lautem Geſchrei auf, Mehr als die Haͤlfte der Schaar; allein die uͤbrigen blieben, Welche den Rath Halitherſaͤs nicht achteten, ſondern Eupeithaͤs Folgten. Sie eilten darauf zu ihrer ehernen Ruͤſtung. 465Und nachdem ſie ſich alle mit blinkendem Erze gepanzert, Kamen ſie vor der Stadt im weiten Gefilde zuſammen. Und ſie fuͤhrte Eupeithaͤs, der Thoͤrichte! denn er gedachte, Seines Antinoos Tod zu raͤchen; aber ihm war nicht Heimzukehren beſtimmt, ſein harrte des Todes Verhaͤngniß. 470Aber Athaͤnaͤ ſprach zum Donnerer Zeus Kronion:

Unſer Vater Kronion, der herſchenden Koͤnige Herſcher, Sage mir, welchen Rath du jezo im Herzen verbirgeſt. Wirſt du hinfort verderbenden Krieg und ſchreckliche Zwietracht Senden? oder beſchließeſt du Freundſchaft unter dem Volke? 475

Ihr antwortete drauf der Wolkenverſammler Kronion: Warum fragſt du mich, Tochter, und forſcheſt meine Gedanken? Haſt du nicht ſelber den Rath in deinem Herzen erſonnen. 467Vierundzwanzigſter Geſang. Daß heimkehrend jenen Oduͤßeus Rache vergoͤlte? Thue, wie dirs gefaͤlt; doch will ich das Beßte dir ſagen. 480Da der edle Oduͤßeus die Freier jezo beſtraft hat, Werde das Buͤndniß erneut: er bleib 'in Ithaka Koͤnig; Und wir wollen dem Volke der Soͤhn' und Bruͤder Ermordung Aus dem Gedaͤchtniß vertilgen; und beide lieben einander Kuͤnftig wie vor, und Fried 'und Reichthum bluͤhen im Lande! 485

Alſo ſprach er, und reizte die ſchon verlangende Goͤttin: Eilend fuhr ſie hinab von den Gipfeln des hohen Oluͤmpos.

Jene hatten ſich nun mit lieblicher Speiſe geſaͤttigt. Unter ihnen begann der herliche Dulder Oduͤßeus:

Gehe doch einer, und ſeh, ob unſere Feinde ſchon annahn. 490Alſo ſprach er; und ſchnell ging einer von Dolios Soͤhnen, Stand auf der Schwelle des Hauſes, und ſahe ſie alle herannahn. Eilend rief er Oduͤßeus, und ſprach die gefluͤgelten Worte:

Nahe ſind ſie uns ſchon; wir muͤßen uns eilig bewaffnen! Alſo rief er; da ſprangen ſie auf, und ergriffen die Ruͤſtung:495 Vier war Oduͤßeus Zahl, und ſechs von Dolios Soͤhnen. Auch der alte Laertaͤs und Dolios legten die Ruͤſtung An, ſo grau ſie auch waren, durch Noth gezwungene Krieger! Und nachdem ſie ſich alle mit blinkendem Erze geruͤſtet; Oeffneten ſie die Pforte, und gingen, gefuͤhrt von Oduͤßeus. 500

Jezo nahte ſich Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ, Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme. Freudig erblickte die Goͤttin der herliche Dulder Oduͤßeus. Und zu dem lieben Sohne Taͤlemachos wandt 'er ſich alſo:

Jezo wirſt du doch ſorgen, Taͤlemachos, wenn du dahin kommſt:505 Daß du im Streite der Maͤnner, wo ſich die Tapfern hervorthun,468Oduͤßee. Deiner Vaͤter Geſchlecht nicht ſchaͤndeſt, die wir von Anfang Immer durch Kraft und Mut der Menſchen Bewundrung erwarben!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen; Sehen wirſt du es ſelbſt, mein Vater, wenn du es wuͤnſcheſt:510 Daß dies Herz dein Geſchlecht nicht ſchaͤndet! Wie kannſt du das ſagen?

Alſo ſprach er; da rief mit herzlicher Freude Laertaͤs: Welch ein Tag iſt mir dieſer! Ihr Goͤtter, wie bin ich ſo gluͤcklich! Sohn und Enkel ſtreiten den edlen Streit um die Tugend!

Siehe da nahte ſich Zeus blauaͤugichte Tochter, und ſagte:515 O Arkeiſios Sohn, geliebteſter meiner Geliebten, Flehe zu Vater Zeus und Zeus blauaͤugichter Tochter, Schwinge dann mutig, und wirf die weithinſchattende Lanze!

Alſo ſprach die Goͤttin, und haucht 'ihm unſterblichen Mut ein. Eilend flehte der Greis zur Tochter des großen Kronions,520 Schwung dann mutig, und warf die weithinſchattende Lanze. Und er traf Eupeithaͤs am ehernwangichten Helme, Und den weichenden Helm durchdrang die ſtuͤrmende Lanze: Toͤnend ſank er dahin, von der ehernen Ruͤſtung umraßelt. Aber Oduͤßeus fiel und Taͤlemachos unter die Feinde,525 Hauten und ſtachen mit Schwertern und langgeſchafteten Spießen. Und nun haͤtten ſie alle vertilgt und zu Boden geſtuͤrzet; Aber die Tochter des Gottes mit wetterleuchtendem Schilde, Pallas Athaͤnaͤ rief, und hemmte die ſtreitenden Schaaren:

Ruht, ihr Ithaker, ruht vom ungluͤckſeligen Kriege! 530Schonet des Menſchenblutes, und trennet euch ſchnell von einander!

Alſo rief die Goͤttin; da faßte ſie bleiches Entſezen: Ihren zitternden Haͤnden entflogen die Waffen, und alle Fielen zur Erd ', als laut die Stimme der Goͤttin ertoͤnte. 469Vierundzwanzigſter Geſang. Und ſie wandten ſich fliehend zur Stadt, ihr Leben zu retten. 535Aber fuͤrchterlich ſchrie der herliche Dulder Oduͤßeus, Und verfolgte ſie raſch, wie ein hochherfliegender Adler. Und nun ſandte Kronion den flammenden Stral vom Oluͤmpos, Dieſer fiel vor Athaͤnaͤ, der Tochter des ſchrecklichen Vaters. Und zu Oduͤßeus ſprach die heilige Goͤttin Athaͤnaͤ:540

Edler Laertiad ', erfindungsreicher Oduͤßeus. Halte nun ein, und ruhe vom allverderbenden Kriege; Daß dir Kronion nicht zuͤrne, der Gott weithallender Donner!

Alſo ſprach ſie, und freudig gehorcht 'Oduͤßeus der Goͤttin. Zwiſchen ihm und dem Volk erneuete jezo das Buͤndniß545 Pallas Athaͤnaͤ, die Tochter des wetterleuchtenden Gottes, Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme.

Gedruckt bei Gottlieb Friedrich Schniebes.

[470]

Druckfehler.

S. 76. unten, Matelino l. Metelino. S. 118. unten, l. Tauͤgetos. S. 317. V. 351. l. ſiehe. S. 348. V. 91. l. ihn. Die uͤbrigen ſind leicht zu erkennen.

Der Buchbinder beliebe die Blaͤtter S. 73. 111. 157. 299 und 425 auszuſchneiden, und die auf dem Bogen G g. umgedruckten dafuͤr einzukleben.

[471]

Verzeichniß der Praͤnumeranten und Subſkribenten.

A. bedeutet alte Subſkribenten, N. neue; die unbezeichneten ſind Praͤnumeranten.

Altona 8.

Die Herren Conſiſtorialrath Ahlemann. Juſtizrath und Profeßor Duſch. Juſtizrath und Profeßor Henrici. Leibmedicus Hensler. Subrector Muͤller. Inſpector Reiche. Madam Speth. Die Gymnaſienbibliothek.

Amberg 65.

Die Herren Arnold, kurpfalzbaierſcher Rentkammerrath. Auerbach, d. G. G. B. Baron v. Bartels, d. W. W. B. v. Bayer, d. W. W. B. Brandmayr, d. W. W. B. Braun, Kapelan zu Roding. Bucher, Pfarrer zu Englbrechtsmuͤnſter. Dorner, d. W. W. B. v. Faber, Forſim. zu Freyhoͤls. Fleiſchmann, d. ſch. W. B. Foͤrtſch, d. W. W. B. Frank, d. G. G. B. v. Frank, d. W. W. B. Fridl, d. W. W. B. v. Geienagl, d. ſch. W. B. Geiger, d. G. G. B. Baron v. Gemingen auf Maßen - bach. Gerhardinger, Pfarrer zu Weng. Gerhardinger, Rect. d. kurf. Oberpfaͤlz. Schulen. Gerngros, der W. W. Befl. Profeßor Goͤring. Habbach, Hofmeiſter bei Sr. Exc. Grafen von Kreith. von Haller, des Fraͤnk. Kreiſes Obriſtlieut. Pflegs zu Herſchbruck. Profeßor Haͤring. Hauptmann Herbſt. Profeßor Hofmann. Hopfner, Kapelan zu Stab - burg. Hutſchenreuter, d. W. W. B. v. Kamerpau, kurpfalzbaierſcher Rgrath. v. Klieber, Rgkanzler. Lautenſchlaͤger, d. W. W. B. v. Lin - brun, kurpfalzbaierſcher Hofkammerrath, Landrichter zu Bernau. Lipowsky, d. W. W. B. Mois, d. W. W. B. Moſer, d. G. G. B. Murr, d. G. G. B. Baron v. Obermayr. Baron v. Obermayr, kurpfalzbairſcher Hofrath. Baron v. Pauli, Hofkaſtner zu Kemnath. Plazer, d. ſch. W. B. Pleyſteiner, Kapelan zu Lauterhofen. Poſchinger, Kapelan zu Ot - terskuͤrchen. Rodler, d. G. G. B. Roͤkl, Stadtſyndicus. Ruͤth, Li - centiat. Schmalzl, d. G. G. B. Schobler, Kapelan zu Aicha. Schre - ger, d. W. W. B. Heinr. v. Stabburg. v. Stadler, kurpfalzbairſcher Rentkammerrath. v. Stiller, d. ſch. W. B. Stoͤbel, d. G. G. Kandid. Stoy, Pfarrer zu Henfenfeld. Stroͤhl, Oberlieutenant. Graf v. Tauf - kuͤrch, Lieutenant. Thumſer, d. G. G. Kandidat. Ulzſchneider. Utz, Kapelan zu Alterſpurg. Valcher, Diaconus. Profeßor Vedl. v. Veik - mann, d. W. W. B. v. Weiß, d. W. W. B. Winkler, d. W. W. B. Zahnmeßer, d. G. G. B. Ziegler, d. W. W. B.

Amſterdam 1.

Hr. Paſtor Mutzenbecher.

*[472]

Anſpach 7.

Se. Exc. Graf von Platen und Hallermuͤnde. N. Frau Kammer - herrin von Reitzenſtein geb. v. Woͤllwarth. Frau Generalin von Secken - dorf zu Unternzenn. Die Herren Obriſtlieutenant von Werneck in Kaiſerl. Dienſten. J. C. Wetzel hochfuͤrſtl. Hofkammerrath und Bibliothekar. Die hochfuͤrſtliche Bibliothek.

Arolſen 3.

N. Se. Durchl. der regierende Fuͤrſt von Waldeck. Se. Durchl. Prinz Ludwig zu Nimwegen. Hr. Geh. Sekretaͤr Frensdorf.

Auguſtenburg 1.

A. Hr. Hofprediger Jeßen.

Aurich 2.

A. Die Herren Baron von Appel in Midlum. Poſtſekretaͤr Rothhauſen.

Bareuth 24.

N. Die Herren Kammerjunker von Aufſeeß. Rgrath Barth. Kammer - regiſtrator Brunner. Kammerherr von Flotow. Rgrath Goͤckel. Hof - richter von der Kettenburg. Miniſter von der Kettenburg, Rgrath von Kuͤnßberg. Conſiſtorialrath Lang. Kammerherr von Oberlender. Conſi - ſtorial-Vice-Praͤſident Petermann. Archivſekretaͤr Pfeiffer. Rgrath. Poͤhl - mann. Hofmeiſter Reichold. Vice-Rgpraͤſident von Roͤder. Rgrath Schegk. Rgrath von Schoͤnfeld. Se. Exc. der dirig. Miniſter Freiherr von Seckendorff. Geh. Rath Spiegel von Pickelsheim 5 Exempl. Kammer - junker von Voͤlderndorf.

Berlin 16.

Die Herren Dr. Bieſter. Bankobuchhalter Cramer. Oberkonſiſtorial - rath Ditrich. Kriegsrath Dohm. Kammergerichtsrath Gauſe. Director Gedike. Feldprediger Loͤfler 2 Exempl. J. W. Meil, Kupferſtecher. Geh. Rath Ransleben. Prediger Schmidt in Neudamm. Oberkonſiſtorialrath Spalding. Prediger Troſchel an der Nikolaikirche. Staatsminiſter Frei - herr von Zedliz. Prediger Zieſemer. N. Cammeraliſt von Schweinichen.

Bielfeld 1.

Hr. Sekretaͤr Hofbauer.

Brandenburg 1.

Hr. von Mandelsloh, Lieut. des Kleiſtiſchen Infanterieregiments.

Braunſchweig 17.

Die Herren Pagenhofmeiſter Brumley. Schazeinnehmer Reiche. A. Se. Durchl. Herzog Ferdinand 2 Exempl. Die Herren Canonikus Ebert. Sekretaͤr Leiſewiz. N. Die Herren Aſſeſſor Biele. Oberhauptmann v. Doͤring. Prof. Eſchenburg. Dompred. Fedderſen. Etatsrath Schwarz. Die Waiſenhaus Buchhandlung 6 Exempl.

[473]

Bremen 6.

A. Die Herren Paſt. Behn in Rhade. Paſt. Heeren. Conr. Luͤlmann. Paſt. Nicolai. N. Hr. Buchhaͤndler Cramer 2 Exempl.

Breſe bei Dannenberg 1.

A. Se. Exc. Freiherr von Grote, Churkoͤln. Geh. Rath und bevolm. Miniſt. im Niederſaͤchſ. Kreiſe.

Breslau 10.

A. Hr. Muͤnzmeiſter Leßing. N. Die Herren Kriegsrath Balde. Cam - mer-Referendar Berger. General-Landſchafts-Syndicus Boͤrner. Probſt Hermes. Ober-Amts-Regiernngs-Referendar von Loen. Kammer-Cal - culator Sandmann. Kammerſekretaͤr Streit. Georg Friedrich Wehowsky, hochfuͤrſtl. Kammer-Aſſeſſor in Pleß. Sekretaͤr Borpahl.

Brunsbuͤttel 10.

Die Herren Paſtor Lindemann. J. C. Martens. Kirchſpielvogt Mes - ner in Buchholz. J. Peterſen, Cand. d. Rechte. Kirchſpielv. Piehl d. A. Kirchſpielv. Piehl d. J. H. C. Piehl. Landesgevollm. Schlichting in Menghuſen. J Wiborg, Kaufmann. Die Marner Leſegeſellſchaft.

Buchsweiler im Elſaß 3.

Die Herren Mag. Koͤnig, Lehrer am Gymnaſium. Prof. Seybold. Die Gymnaſiumsbibliothek.

Burghauſen 6.

Die Herren Aichbauer, Benedictiner zu Varnbach. Deumayr, Endl, und Reuter, Studenten. Schrank, kurf. geiſtl. Rath, Dir. der oͤkonom. Geſellſchaft. Prof. Spitz.

Buͤzow 2.

Hr. Paſtor Moͤller. Ein Ungenannter.

Carlsruhe 5.

N. Die Herren Kirchenrath Buginé. Rath Griesbach. Prof. Hau - der. Prorect. Sander. Die fuͤrſtl. oͤffentl. Bibliothek.

Carolath 1.

N. Hr. Rgrath Weſtphal.

Caßel 3.

Die Herren Prof. G. Forſter. General und Etatsminiſter von Schlif - fen. Freih. von Truchſeß.

Celle 2.

Se. Durchlaucht Prinz Ernſt von Meklenburg. Ein ungenannter Bedienter.

* 2[474]

Colding 1.

Hr. Zollverwalter Memmert.

Colmar 2.

A. Hr. Hofr. Pfeffel, Direct. der Koͤnigl. Militaͤrſchule 2 Exempl.

St. Croix in Weſtindien 1.

Hr. General Major von Schimmelmann.

Cuͤſtrin 1.

Hr. von Muͤhlenheim.

Danzig 6.

A. Die Herren Prof. Coſack 2 Exempl. H. J. de la Motte, Med. D. und Pract. C. H. Roͤhr, Prediger an der Bartholomaͤikirche. Prof. J. G. Trendelenburg. Eine Geſellſchaft ſtudirender Juͤnglinge.

Deßau 22.

Se. Durchl. der regierende Fuͤrſt zu Anhalt Deßau 3 Exempl. Ihre Koͤnigliche Hoheit die regierende Fuͤrſtin 2 Exempl. Se. Durchl. der Erb - prinz. Se. Durchlaucht Prinz Hans Guͤrge. Se. Durchlaucht Prinz Albert. Die Herren Prinzenhofm. Behriſch. von Berenhorſt. Probſt Coͤler in Woͤrlitz. von Erdmannsdorf. Hofr. Hermann. Kolbe, Lehrer am Erziehungs-Inſtitut. Dokt. de Marees. Hofm. Rode. Le Roi aus Luͤttich. Sander, Lehrer am Erz. Inſt. G. W. Steinacker. Tamm, Inſpector des Seminars fuͤr Land-Schullehrer. Duͤ Toit, Prof. am Erz. Inſt. Wolke, Direktor des Erz. Inſt.

Dermold 4.

A. Die Herren Hofmedicus Barkhauſen. Rgrath Funk von Senftenau. Hofrath Kerſten. Rgrath Koͤnig.

Donauſchingen 10.

A. Se. Exc. Freiherr von Anfenberg, Hauptmann. Die Herren Land - ſchaftsphyſicus Armbruſter. Hofkammerrath Baur. Hofrath und Leib - medicus Boſch. Hofkaplan Eggſtein. Se. Exc. Freih. von Freiberg, Hauptmann. Hof - und Rgrath auch Oberamtmann Merlet. Hofkammer - rath Neuffer. Se. Exc. Carl Freih. von Neuſtein, Obriſtwachtmeiſter. Hofkammerſekretaͤr Renn.

Donauwoͤrth 1.

Hr. Reiner, Hofkammerſekr. und Stadtſchreiber.

Dorpatt 1.

Hr. Rector und Magiſter Ewers.

Dresden 1.

Hr. A. G. Meißner.

[475]

Duͤßeldorf 60.

Hr. Geheime Rath Jacobi 60 Exempl.

Eisleben 7.

Hr. Juſtiziar Buͤttner. N. Die Herren Conrect. Dienemann. Sub - conr. Herold. Rector M. Jani. Stadtſchreiber le Petit. Advocat Vo - gel. Bergrichter Ziegenhain.

Ellrich 4.

Hr. Kanzleidir. Goͤkingk. 3 Ungenannte.

Emden 1.

Hr. Wenthin d. J. Buchdrucker.

Eutin 22.

Se. Durchl. der Biſchof von Luͤbeck, regierender Herzog von Holſtein Oldenburg. Ihre Durchl. die regierende Herzogin von Holſtein Olden - burg. Die Herren Rector Eckermann 2 Ex. Phyſicus D. Hargens. Sekr. Hoffmann. Se. Exc. F. L. Graf v. Holmer. Amadeus Graf v. Jahnke zu Stralſund. C. H. Ivens. M. Kark aus Heiligenhafen. Praͤſident v. Lowtzow. Baron v. Meſtmacher, Rußiſch. Kaiſerl. Miniſter. Se. Exc. F. L. Graf v. Moltke, Koͤnigl. Daͤniſcher Miniſter 3 Ex. J. G. Schmidt aus Hamburg. Juſtizrath Trede. Hofprediger Uckert. Z. Vogel aus Hamburg. Frau Praͤſidentin v. Wedderkopp 2 Ex. Hr. Legationsrath Willgaard.

Flensburg 14.

A. Die Herren Candidat Balsloͤv in Preez. Candidat Boie. R. J. Boie. Candidat Chriſtiani in Kiel. C. F. Poßelt aus Sundwitt. C. A. v. Rumohr auf Rundhoft. N. Die Herren C. A. Dithmer auf Auenbuͤll - gaard. Paſtor Dithmer in Satrup. Fr. Fedderſen. Cand. Hinrichſen auf Seegaard. D. Lilie. Cand. Niſſen in Huͤrup. Rathsverwandter Franz von der Pahlen. Conferenzrath v. Waſchersleben.

Frankfurt am Main 4.

N. Die Herren J. G. Baldewein, Negociant. J. C. Hermann, Buchh. 2 Ex. Hofmeiſter Rieſe.

Frankfurt an der Oder 1.

Hr. Philip Neuſon.

Freyſing 1.

Hr. Mutſchelle, geiſtl. Rath und Korherr.

Goͤrz 2.

Die Herren Innocenz Lang. Reinhold Miller.

Gotha 3.

Se. Durchl. der Prinz Auguſt von Sachſen Gotha. Die Herren Legationsſekretaͤr Gotter. Rector F. A. Stroth.

* 3[476]

Goͤttingen 9.

Die Herren Hofrath Heyne. Doctor Weis. Zwei Damen. N. Die Herren Schnobel. Vandenhocks Wittwe 3 Ex. Hr. Weſtwerdt.

Greifswalde 1.

A. Hr. P. H. Haſelberg, b. R. B.

Haag 1.

A. Hr. Euler, Hofmeiſter des Prinzen von Oranien.

Haarburg 1.

Hr. G. J. H. Roͤhrs, der G. G. B. in Goͤttingen.

Halberſtadt 38.

Die Herren Commißionsrath Beyer. Kriegsrath Culemann. Kriegs - rath Eichholtz. Rector Fiſcher. Canonicus Gleim 20 Ex. Kriegsrath Graßhoff. Stadtrichter Heyer. Hildebrand. Rgſekretaͤr Lucanus. Audi - teur Michaelis. Prorector Nachtigall. v. Rochow. v. Roͤßing. v. Schack. Candidat Spitzbarth. M. Weſtphal. Criminalrath Wolff. Zwei Un - genannte.

Hamburg 140.

Die Herren Abendroth, gerichtl. Anwald. Guſtav Alberti. J. H. Bartels d. G. G. B. in Goͤttingen. Graͤfin v. Baudißin. Die Herren H. C. F. Boͤtefeur 2 Ex. J. H. Brodermann. William Campbell. M. Claudius in Wandsbeck. v. Drateln. Lic. Dreßer. J. H. M. Faͤrber. Hieron. Faͤrber. Madam Godefroy geb. Mattießen. Die Herren E. F. Groot. Charles Hanbury. Apotheker Haße. F. C. Hermann. Paſtor Hink in Oberndorf. C. A. H. Hoffmann. C. M. Hudtwalker, d. G. G. B. in Goͤttingen. J. M. Hudtwalker. Legationsrath Klopſtock. Baron v. Kotwitz. J. D. Kreep, d. G. G. B. in Goͤttingen. Paſtor Krohn. Lienau. H. J. Lienau, der R. B. in Goͤttingen. Mannes. Sekretaͤr Dr. Matſen. Sekr. Mau. J. V. Meyer. J. F. Muͤller. Madame A. Mumßen, geb. Boͤtefeur. Die Herren Dr. D. Mumßen. Dr. J. Mum - ßen. Neckelmann. Prof. Noͤlting 2 Ex. Ph. H. Nolte. Subconr. Noodt 2 Ex. Fraͤulein v. Oberg, Stiftsdame zu Ueterſen. Die Herren H. C. Olde 2 Ex. Paſt. Palm. Prof. Pitiſcus. Lic. Prinzhauſen. C. J. R. Ridel, d. R. B. in Goͤttingen. Dr. Rieſenberger. C. Ruͤhl. Paſt. Ruͤter. J. G. Schade 2 Ex. Schazmeiſter Graf v. Schimmelmann 2 Ex. Kammerherr Graf Ernſt v. Schimmelmann 2 Ex. Graͤfin Juliane v. Schimmelmann. Die Herren J. C. Sinapius. J. B. Schult. Senator v. Spreckelſen. Starkloff. A. L. Graͤfin zu Stolberg, Stiftsdame zu Ueterſen. C. Graf zu Stolberg, Amtmann in Tremsbuͤttel. F. L. Graf zu Stolberg, Holſtein Oldenb. Oberſchenk. H. C. Graͤfin zu Stolberg, Stiftsdame zu Wallooͤ. Die Herren J. F. Tonnies, d. G. G. B. in Goͤt - tingen. S. W. Tveht. Wiederſprecher. Paſt. Winkler. M. Zimmer - mann. Die Stadtbibliothek. A. Die Herren J. H. Bartels. Rath

[477]

Campe. C. G. Knauth. Paſt. Milow in Wandsbeck. Paſt. Rambach. Dr. Reimarus. Sieveking 4 Ex. C. Voght. J. L. Vorichen. Kaufm. Zange. N. Die Herren Geheimſekretaͤr Bertram. Buchh. Bohn 12 Ex. Butſchani, d. W. W. Doctor. Grimm, Stud. in Goͤttingen. Buchh. Herold 24 Ex. F. Kieweg. Kuͤhl, Stud. in Goͤttingen. Milius. Rector Muͤller 8 Ex. Rudolphi 2 Ex. Paſt. Wolf in Weßlingburen. P. Zaune.

Hanau 1.

N. Hr. Prof. und Conſiſtorialaßeßor Bergſtraͤßer.

Hannover 32.

Se. Durchl. Prinz Carl von Meklenburg. Die Herren Agent Alberti. Apotheker Andreaͤ. Kriegsſekretaͤr Bock. Hofrath Brandes. v. Bremer. Graf Ernſt v. Hardenberg, Kammerrath. Geh. Kanzleiſekretaͤr Hoͤpfner. Amtsſchreiber Keſtner zu Blumenau. Archivſekretaͤr Keſtner. Conrect. Kohlrauſch. Zollverwalter Kruckenberg in Polle. Frau v. Lenthe, geb. v. Muͤnchhauſen. Die Herren Hofjunker v. Lenthe. Hauptmann und Ober - adjutant v. Loͤw. Demoiſelle Luiſe Mejer. Die Herren Kammerſekr. Mejer. Adv. Oſtermeyer. Ramberg. Hofgerichtsaſſeſſor v. Ramdohr. Kriegs - rath v. Reden. Rehberg. Kammerſekr. Seip. Major von Wangenheim b. d. Leibgarde zu Pferde. Schloßhauptmann v. Wangenheim. Hofrath Zimmermann 2 Exempl. A. Hauptmann v. Gruͤter bei der Fußgarde. Rit - terſch. Deputirter v. Hugo zu Stolzenau. Markuſe. Rittmeiſter v. Schulte b. d. Leibgarde zu Pferde. Droſt v. Uslar zu Ilten.

Helmſtaͤdt 10.

N. Die Herren H. M. U. Bante, Mitgl. des paͤd. Inſtituts. F. C. Geller d. R. B. J. K. S. Germar, Mitgl. des paͤd. Inſt. J. H. Goͤ - dekke, Collaborator im paͤd. Inſt. J. M. F. Lademann d. G. G. B. J. H. A. Overlach auf dem Paͤdagogium. J. E. L. Paulmann d. G. G. B. C. D. Voß, Mitgl. des paͤd. Inſtituts. K. F. C. Wagner, Mitgl. des paͤd. Inſt. F. A. Wiedeburg, Prof. der Philoſophie.

Herford 2.

N. Die Herren Kriegsrath Baron v. Hohenhauſen. Dechant Konsbruch.

Hildesheim 3.

Die Herren J. D. Schrage d. ſch. W. B. Domherr und Geh. Rath Freih. v. Spiegel zum Dieſenberg. J. H. Witting d. G. G. C. in Goͤttingen.

Holzmuͤnden 3.

N. Die Herren Grotian, Collaborator. Haͤſeler. Hinuͤber.

Hoya 1.

Hr. Kammerherr v. Behr.

* 4[478]

Jena 3.

N. Hr. Prof. Eichhorn 2 Ex. Hr. Mag. J. W. Schmidt, Adj. d. phil. Fak. und Diaconus.

Jngolſtadt 10.

Die Herren Graf, Academicus. Baron v. Grießenbeck. Grundner und Kallenbucher, Academici. Krems, der Theol. Licentiat. Muͤller Acad. Baron v. Prielmayr. Schleibinger, Prof. d. Weltweisheit. Seel, Acad. Graf v. Seyboltsſtorf.

Kiel 12.

A. Die Herren Prokanzler Cramer. Prof. Cramer. Rect. Danielſen. Prof. Ehlers. Juſtizrath Eitzen in Izehoe. Kammeraßeßor Eitzen. Brand - director Evers. Prof. Geyſer. Graf Holk. Conrect. Lange. Prof. Mol - denhawer. Prof. Tetens.

Koͤnigsberg 11.

Die Herren v. Barzko in Stablacken. Candid. Boͤttiher zu Steinort. Negociant Bernhard Friedlaͤnder. Negociant Meyer Friedlaͤnder. Negoc. Wolff Friedlaͤnder. Packhofverwalter Hamann. Kriegsrath Hippel. Prof. Kreuzfeld 2 Ex. Juſtizamtmann Machenau in Pr. Eylau. Negociant Seiff.

Kopenhagen 40.

A. Die Herren Conferenzrath Adeler. Hofmeiſter Broderſen. Gehei - merath Carſtens. Juſtizr. Colbidruſen. Dr. Colsmann. General und Staatsminiſter Eichſtedt. C. H. Esmarch 13 Ex. Juſtizrath Frelſen. Hauptmann v. Grube. Geheimerath und Geheime Staatsſecretair Hoͤgh Guldberg 2 Ex. Juſtizrath zum Hagen. Kammerrath Johannſen. Hof - meiſter Koͤnigsmann. Paſtor Lorck. Kammerrath Malling. Candidat Muͤnter in Goͤttingen. Conferenzrath Nielſen. Georg Niſſen. Geh. Rath Scheel Pleßen. Radbeck. Geheimerath und Oberhofmarſchal Schack. Graf Schack, Ritter. Conferenzrath Schleth. Geheimerath Stampe. Geheimerath Stemann. Kammerherr Suhm. Etatsrath Trant.

Landshut in Baiern 10.

Die Herren Adami, Pfarrer zu H. Bluet. Amtſcherger, d. ſch. W. B. Beda im Kloſter Oberaltach. Frau Verwalterin Denkin. Die Herren For - ſter, Repetitor. Prof. Miller. Schulrector Rapp. Prof. Schopfer. Prof. Spitzenberger. Prof. Stoͤckel.

Landshut in Schleſien 1.

A. Hr. Rector Maͤzke.

Leipzig 3.

Die Herren Mag. W. G. Becker. Prof. Morus. N. Hr. Baron v. M.

Lemgo 2.

A. Die Herren Sekretaͤr Benzler. Rector Menſching.

[479]

Liegniz 3.

A. Die Herren Feldprediger Enkelmann. Prof. Schmit. Profeßor Schummel.

Lindau am Bodenſee. 4.

N. Die Herren J. M. Hummler, Rechtsgelehrter. J. H. Schatter, Kanzleiverwalter. Lic. J. Schlielin. Ph. J. Schwartz.

Luͤbeck 3.

Hr. Procur. Overbeck 2 Ex. N. Hr. Subrect. L. Suhl.

Luͤneburg 11.

Die Herren Garniſonprediger B. F. D. Ballhorn. Conrect. C. C. Krako. Stadtſyndicus A. J. Kraut. Stadtſecretaͤr G. C. Meyer. Candidat C. E. Rein. Garniſonauditeur G. A. Roſcher. Hofmedicus J. D. Schaͤfer. Die Leſegeſellſchaft. N. Die Herren Senator Kneiſen. Syndicus O. F. Kraut Dr. Die Rathsbibliothek.

Magdeburg 34.

Die Herren Kriegsrath Barkhauſen. C. W. Blume. J. E. Bock. J. F. Borſch. J. L. Buſch. Praͤdikant Caͤſar. Rathmann Delbruk. J. A. Eckſtein. Prorect. M. Ferber. Actuar Gimnig. F. W. Goßler. C. A. v. Hanſen. Actuar Hartrott auf dem Amte Dreyleben. F. Herrlaß. C. F. Horn. J. P. Kruͤger. Auditeur Lohmann in Schoͤnebek. Juſtiz - amtmann Maizier zu Stasfurth. J. A. Matthias. J. W. Meier. Rect. Muͤnnich am Paͤdag. des Kloſt. U. l. Fr. Subconr. Neide. F. G. Ni - thack. C. F. Oden. F. W. Perlberg. J. G. Roſenfeld. J. G. Schotte. F. L. Schulze. C. F. Stambke. Kammeraßeßor v. Vogelſang. J. F. Weidemann. C. Willing. Die Bibliothek des Kloſters U. l. Fr. (Die Namen ohne Character ſind Scholaren des Kloſters U. l. Fr.) N. Hr. Aßiſtenzrath Friedel.

Mansfeld 2.

Die Herren Juſtiziar L. Stelzer. Kriegsrath Stelzer.

Marburg in Steyermark 3.

Die Herren Burkhard Boͤck, Eberhard Exinger, Otto Wiſer: Pro - feßoren an den frommen Schulen.

Marrin bei Colberg 1.

Hr. Juſtizrath Wißmann.

Meldorf 5.

A. Die Herren Juſtizrath und Landvogt Boie. Rector Jaͤger. Etats - rath v. Jeßen. Juſtizrath und Landſchreiber Niebuhr. Conſiſtorialrath Jochims.

* 5[480]

Melk in Niederoͤſterreich 1.

A. Hr. Anton Reuberger.

Mitau 20.

Ihre Durchl. die regierende Herzogin Dorothea 2 Ex. Hr. Hofgerichs - advocat Andreaͤ. Demoiſelle Sophia Becker zu Neuautz. Die Herren v. Grotthuß, Erbherr auf Gedutzſchen. v. Grotthuß, Erbherr auf Komod - dern. Phil. v. Hahn zu Plahnen. Fried. Kaſ. v. Kayſerling, Oberhaupt - mann und Erbh. auf Ilſen. Fried. v. Kleiſt, Erbh. auf Legen. Fraͤulein Laura v. Korff zu Nerfft. Fraͤulein Louiſe v. Korff zu Nerfft. Hr. Karl v. Manteufel genannt Szoͤge. Frau Agneſa Eliſabeth Reichsgraͤfin v. Me - dem, geb. v. Brucken genannt Fock, Erbfrau auf Altautz, Remten und Elley. Die Herren Joh. Fried. Reichsgraf v. Medem. Karl Fried. Reichs - graf v. Medem. Friedrich v. Oelſen. Frau Charlotte Eliſabeth Conſtantia Kammerherrin v. d. Recke, geb. Reichsgraͤfin v. Medem. Die Herren Schwenkner, Sekretaͤr Sr. Durchl. des reg. Herzogs v. Kurland. Karl Edler v. Simolin, Erbherr auf Weitenfeld und Oſelſen. Slevogt, Koͤ - nigl. Polniſcher Sekretaͤr und Notar.

Muͤnden 1.

Hr. P.

Muͤnchen 50.

Die Herren Baron v. Aſch, kurfuͤrſtl. Edelknabe. Edl. v. Branca. Danzer, kurpfalzbair. geiſt. R. und Canon. bei U. L. Frauen. v. Delling, d. W. W. B. Doppel, d. ſch. W. B. Baron v. Frauenberg, kurf. Edelknabe. Fronhofer, Hofrathsſekr. Gall, d. W. W. B. Prof. Ger - hartinger. Gleich von Kloſter Steingaden. Hauptmann, Verwalter. Haͤring, Pfarrer zu Roſenheim. Hoffmann, d. ſch. W. B. Hoͤlzl, d. W. W. B. Kappler, d. W. W. B. v. Kler, Kaufmann. Kohlmann, Stadtkapelan in Aichach. Kyrein, Handelsmann von Toͤlz. v. Kyrein 4 Ex. v. Labermayr, kurf. R. u. Salzfertiger. Leibl, Kooperator in Schaͤrding. Liebl, Student. Max. Graf v. Lodron, kurf. Hofrath. Loi, der W. W. B. v. Mayr, d. ſch. W. B. Pezl, d. W. W. B. Graf v. Pocci, und Graf v. Porcia, kurf. Edelknaben. v. Preßl, d. ſch. W. B. Roth, d. W. W. B. Schart, Dr. der Rechte. v. Schneweiß, geiſtl. Rath. Schollweck, d. ſch. W. B. Schroͤfel von Kloſter Steinga - den. Graf v. Spreti und Baron v. Staͤhl, kurf. Edelknaben. Profeßor Steiner. Se. Exc. v. Stubenrauch, kurf. Geh. Rath. Voͤlter Hof - und landſch. Buchdrucker. Waltl, d. ſch. W. B. Winter, Hofmeiſter. von Zech, Hofkammerrath. Zehetmeyer, d. ſch. W. B. Zellner, Beneficiat in Schaͤrding. Zollner, d. ſch. W. B. Zuber, Hofmeiſter. Zuͤntl, Profeßor.

Neuburg an der Donau 6.

Die Herren Baron v. Hartmann, Geh. Rath. Graf v. Leiningen Weſterburg, Rgrath. Se. Exc. Graf v. Pappenheim. Schmitts, Geh. Rath. Seidl. Landſchaftsrath. Troͤgele, Rgrath.

[481]

Neubrandenburg 13.

Die Herren Bodinus, zweiter Lehrer an der Schule. Dr. Bruͤckner. Paſt. Bruͤckner in Großen Vielen. Graͤfin v. Eickſtaͤdt auf Loblenz. Die Herren Fr. Wilh. v. le Fort auf Marien. Kamerj. v. Kampfs auf Kl. Lu - kow. Etatsrath v. Klinggraf auf Varchentien. C. U. v. Holſtein zu Mal - chien. Frau Maiorin v. Oldenburg. Demoiſ. Rudolphi zu Trollenhagen. Hr. Advocat Schroͤder. Demoiſ. Dorothea Siemerling. Hr. Rector Walter.

Kloſter Niederaltaich 11.

Die Herren Prof. Deutmayr. Hueb, Landrichter zu Pernſtein. Prof. Jungbauer. Kaſtenauer, Ciſterzienſer zu Gottszell. Maichl, Direct. des Seminars. Prof. Moͤſel. Pichelmayr, Kapelan zu Eichendorf. Prof. Schubauer, Mitgl. der bair. Akad. zu Muͤnchen. Schwegerl. Stuben - baͤck. Prof. Wolf.

Nuͤrnberg 14.

Die Herren v. Holzſchuher auf Thalheim und Harlach. Oye, Pred. im Halleriſchen Pilgram-Spital zum H. Kreuz. Conrector Sattler 12 Ex.

Oedenburg in Niederungarn 1.

A. Hr. Probſt v. Keltz.

Odenſee 1.

N. Herr Dr. Theol. Prof. und Stiftsprobſt Anker.

Oldenburg 22.

Die Herren Rgadvoc. Bunnemann. Paſt. Clauſſen. Cand. Friſius. Kammeraßeßor Gaͤhler. Rgadvoc. Gether. Hofmedicus Gramberg. Paſt. Greverus. Kanzleyrath v. Halem. Kammerherr v. Hendorff. Kammer - rath Herbart. Kanzleirath Herbart. Kammeraß. Knochenhauer. Subconr. Kruſe. Amtsvogt Kunſtenbach. Kanzleirath Lentz. Juſtitzr. v. d. Loo. Kanzleiaß. v. Mouck. Dr. Jur. Roͤmer. Dr. Med. Stein. Rgadv. Tenge. Paſt. Wiggers. Paſt. Zwerg.

Osnabruͤck 9.

Hr. Rector Kleuker. Frau Jenny v. Voigts geb. Moͤſer. A. Die Herren v. d. Busſche zu Bruche. Hoffiskal Friederici. v. Horſt zu Haal - den. v. Monſter zu Langelage. Juſtizrath Moͤſer. Doctor und Gogref Stuͤhle zu Melle. Actuar Warneke.

Otterndorf 48.

Die Herren F. A. Bernhardi, Quartiermeiſter bei der v. Bremerſchen Leibcomp. in Neuhaus. Organiſt Boͤſe 2. Ex. Gerichtsdirector Bremer. Fr. Burgemeiſterin Bruͤtt. Die Herren Dr. Buhr. Faͤhnrich v. d. De - cken in Neuhaus. Dr. und Phyſicus Dethlef. Superintendent Dethloff

[482]

in Nordleda. Oberamtmann v. Engelbrechten in Neuhaus. Schultheiß Erich in Oberndorf. Einnehmer Geisler in Bedderkeſa. Kirchſpielſchrei - ber Goͤtze in Neuenkirchen. Conrect. Groͤger. W. H. Freih. Grote, Land - droſt in Bedderkeſa. Superintendent Hackmann. Paſtor Hackmann in Neuenkirchen. Adv. Hackmann in Altenbruch. Adv. Hebel in Neuhaus. H. H. Henrici. Heydorn. Rittmeiſter Hoyer in Cadenbergen. Commi - ßaͤr Huͤbbe. Cand. G. W. Jaͤger zu Ottersberg. P. Kann, d. G. G. B. in Goͤttingen. v. Klenck Erb - und Gerichtsherr auf Wellingsbuͤttel. Teich - inſpector Klippe zu Cadenbergen. Adv. Krohn. Oberamtmann Lodemann. Praͤtor Meyer. M. Meyer, Kaufmann in Altenbruch. Muͤhlenhoff. Landſchoͤpfe Niebuhr. Lieutenannt v. d. Oſten. Kaufm. Paulſen. Paſt. Penke in Neuhaus. Rathsverwandter Radiek. Cant. Rauſchelbach. Rathsverw. Riemann. Proviſor Rohde. Apotheker Ruge in Neuhaus. Burgemeiſter Schmeelke. Commißaͤr v. Spreckelſen. Paſt. Stegmann in Luͤdingworth. Rathsverw. Sturm. W. M. Timm, d. G. G. B. in Goͤt - tingen. Wiſch. Paſt. Woͤlmer in Geversdorf.

Ploͤn 1.

Hr. Graf Schmettau.

Ratenau 2.

Die Herren Blum. v. Rochow, Ritter des Johanniterordens.

Regensburg 5.

Die Herren Bachmayr, Praͤmonſtratenſer und Pfarrer zu Oſterhofen 2 Ex. Doter, Poſtſekr. Kalkenegger und Machermeyer, regulirte Kor - herren zu Suben.

Reinsberg 3.

N. Hr. Kapellmeiſter Schulz. 2 Ungenannte.

Riga 11.

N. Hr. Mag. Snell, Rektor der Domſchule. 10 Ungenannte.

Ripen 1.

N. Hr. Dr. Med. Fritſch.

Rotenburg im Hannoͤvriſchen 1.

A. Hr. Candidat Hedemann.

Salzburg 51.

Hr. Profeßor Sturm. Hr[***]50 Ex.

Schleswig 2.

N. Die Herren Conferenzrath v. Cronſtern. Kammerherr und Ober - jaͤgermeiſter v. Warnſtedt.

[483]

Schwerin 1.

Hr. Dr. C. F. Kuͤtemeyer.

Segeberg 1.

Hr. Probſt und Hauptpaſtor Haße.

Stade 8.

Die Herren Elbzollcontrolleur Dunker zu Brunshauſen. Rgſekretaͤr Haltermann. Paſtor Inſelmann zu Eſtebrugge. Schiffscapitaine Muͤller. Generalſuperintendent Pratje. Hofgerichtsaßeßor v. Uffeln. Conſiſtorial - rath Watermeyer. Paſt. Weber zu Borſtel.

Stockholm 1.

Hr. Graf Fried. v. Reventlov, Koͤn. Daͤniſcher Geſandter.

Stralſund 15.

Die Herren Biederſtaͤdt, Gymnaſiaſt. Sekretaͤr Buſchmann. Kam - merſekr. Colberg. Burgemeiſter Dinnies. Adv. Fabricius. Paſtor Fabri - cius zum heil. Geiſt. Landr. und Burgem. Fiſcher. Conr. Fiſcher. Rect. Groskurd. Cammerar. und Rathsh. Hercules. Cand. Koch, Privatleh - rer zu Semlow. Syndicus Kuͤhl. Adv. Stegemann, Altermann des Ge - wandhauſes. Mag. Stenzler, Paſtor zu Garz auf Ruͤgen. Hofr. und Kammerbuchhalter Toͤpfer.

Stuttgard 2.

Se. Exc. Freih. v. Knieſtaͤdt, Miniſter. Die Leſebibliothek.

Sulzbach 4.

Die Herren Baron v. Fick, kurf. Geh. Rath und Stadtdechant. Kruͤck, Poſtverwalter. Trezel, Hofkammerrath und Generalkaßier. Trezl, Stadtprediger.

Toͤnning 10.

N. Die Herren Janſen, Rechtsgelehrter. Juſtizr. und Staller Momme. Apotheker Schwarz. Rathmann Tetens. Rector Thode nebſt einigen Schuͤlern 6 Ex.

Trieſt 10.

N. Die Herren Franz Karl Berchtold. David Buͤhelin, Boͤrſenkauf - mann. J. L. Fiſcher, Paſt. der evangel. Gemeinde. Joſ. Kienboͤck, Gaſt - wirt. v. Moll 4 Ex. Se. Exc. Graf Karl v. Zinzendorf, Gouverneur. Das Priv. Lecturkabinett.

Ulm 4.

A. Ihre Exc. die regierende Frau Graͤfin Fugger zu Kirchberg. Die Herren Paſtor J. M. Miller. A. Th. Schad von Mittelbiberach, Ober - amtmann zu Langenau. Ihre Exc. die reg. Fr. Graͤfin von Stadion zu Warthauſen.

[484]

Varel im Oldenburgiſchen 5.

Die Herren Kammeraßeßor Bruͤnings. Adv. Janſen. Cant. Kuͤhl - mann. Dr. Med. Toel. Hofrath Toel.

Weimar 12.

Se. Durchl. der regierende Herzog von Weimar. Ihre Durchl. die regierende Herzogin von Weimar. Ihre Durchl. die verwittibte Herzogin von Weimar. Se. Durchl. der Prinz Conſtantin von Weimar. Ihre Exc. die verw. Fr. Graͤfin von Bernſtorff. Die Herren Hofrath Bode. Kammerherr von Einſidel. Fraͤulein Luiſe von Goͤchhauſen. Die Herren Baron v. Knebel. Hofrath Wieland. Se. Exc. der Hr. Obermarſchall und Geh. Rath v. Witzleben 2 Ex.

Wernigerode 4.

Die Herren Subconr. Buͤnger. Conr. Kallenbach. Studioſus Rich - ter. Quintus Veſterling.

Wien 98.

Die Herren Emil Alaunia. Reichshofagent v. Alt. Alxinger. von Barbolan. Joſ. Edl. v. Baumeiſter, b. R. D. v. Begontina, Medicus. Joſ. v. Bloddig. Seraphin Edl. v. Bolza, N. O. Rgrath. Brockmann, Mitgl. d. Direct. v. K. K. Nat. Hoftheater. J. G. Graf v. Browne. Chr. Edl. v. Catharin, N. O. Rgſekr. Dauer, Nat. Hofſchauſp. Ant. v. Dornfeld, Rgſekr. Graf Falkenhaim. v. Feuerle. Fieſſinger, Kupfer - ſtecher 2 Ex. Fiſcher, Bildhauer. Franzoni, Handelsmann. v. Gaßner. Freih. v. Gebler, Staatsrath und Ritter des heil. Stephansordens. Joh. Nep. v. Geißlern. Frau Karoline v. Greiner, geb. Hieronymus. Die Herren Franz Sales v. Greiner, des heil. R. R. Ritter, K. K. wirkl. Hofrath. Haſchka 3 Ex. v. Hayd, Hofſekr. bei der Hof. u. Staatskanzlei. Joh. v. Haͤring. Joſ. Graf v. Herberſtein-Molkte. Phil. Graf v. Her - berſtein, Kaͤmmerer und O. Rgrath. Franz Edl. v. Heufeld, K. K. wirkl. Rath und Kontrol. b. Univerſaldepoſitenamt. Karl v. Heufeld, K. K. Rath und Hofkontrol. Hofſtaͤter, Lehr. d. ſch. W. und bild. K. am Thereſian 10 Ex. Graf Holnſtein. Jacquet, Nat. Hofſchauſp. Moriz Kallmuͤnzer. Theod. Kauchich. Br. Kick. Frau Marianna Freyin v. Kirnmair, geb. v. Simons. Die Herren G. Edl. v. Kreß, K. K. Hofrath. Lange, Mitgl. d. Dir. v. Nat. Hofth. Gottlieb Leon. Ign. v. Matt, K. K. wirkl. Rath bei der N. O. Reg. Engelb. Mayer. Ign. Edl. v. Mengßhengen, K. K. Truchſeß und N. O. Rgrath. Franz Graf Montecucculi. Muͤller, Mitgl. d. Dir. v. Nat. Hofth. Konr. Freih. v. Nefzern, wirkl. Hofkommißions - rath. von der Null. v. Pelſer, Hofr. b. d. oberſten Juſtiz. Joſ. v. Pelſer. v. Pelzel im K. K. Bankal. v. Pfahler, K. K. Kontrol. im Kupferamt. Ign. Freih. v. Prandaa, N. O. Rgrath. J. B. Ratſchky. v. Rezer. Ben. Rittmanſperger. v. Roſcio, K. K. Rgrath. Schletter, Soufleur des K. K. Nat. Hofth. Franz v. Schoͤnfeld. Ant. Edl. v. Spielmann, K. K. Hofrath und Ritter des heil. Stephansordens. Stephanie d. A. und Stephanie d. J. Mitglieder der Dir. v. Nat. Hofth. Achaz Stiber. Baron v. Stirn, K. K. Rath. Andr. Edl. v. Stock, N. O. Rgſekr. Franz[485] Graf v. Stockhammer, N. O. Rgrath. Maximilian Stoll, K. K. Rath, der prakt. Arzneikunde Lehrer. Felix Freih. v. Stupan, N. O. Rgrath. v. Schwarzer, K. K. Hofſekr. Graf v. Welſperg-Reitenau, K. K. wirkl. Geh. Rath. Siegfr. Wiſer, Prof. an den fr. Schulen. Jak. Freih. v. Woͤder, N. O. Rgrath. Raym. Zobel. Joh. Bapt. v. Zollern, b. R. D. Wieneriſch-erzbiſchoͤfl. Konſiſtorialrath und Kanzler 6 Ex. 2 Unge - nannte. Das adl. Loͤwenburgiſche Kollegium der frommen Schulen. A. Die Herren Heilmann, K. K. Niederlagsverw. und N. O. Mercantil - und Wechſelgerichts-Aßeßor. Chr. Regelsberger, K. K. Lehrer der Dicht - kunſt. N. Hr. Hofmeiſter Jakob Steiner 2 Ex.

Wieneriſch Neuſtadt 2.

Die Herren Pichler. Praͤmonſtratenſer.

Wolſenbuͤtrel 1.

A. Hr. Droſt v. Doͤring.

Zeiz 1.

R. Hr. Benj. Gottl. Gaͤrtner.

Nachgeſchickte.

Halle 22.

Die Herren C. F. Bertelsmann aus Weſtphalen, d. G. G. B. J. A. Eberhard, Prof. der Philoſophie. C. A. R. Freymann aus Kurland, d. G. G. Kand. L. F. G. E. Gedike aus d. Prignitz, d. Philol. u. G. G. B. J. F. W. Hornejus, Feldprediger in Schwedt. G. C. Knapp, Prof. d. Theo - logie. F. W. Knuͤppel aus Pommern, d. R. Kand. S. Kupfer aus Kur - land, d. G. G. Kand. A. F. Luͤder aus Weſtphalen, der Philol. Befl. J. C. Menkhoff aus Weſtphalen, d. G. G. B. S. D. Mentzel aus Schleſien, d. G. G. B. A. H. Niemeyer, Prof. der Theologie. F. W. Offelsmeyer aus Weſtphalen, d. G. G. Kand. J. G. Schmidt aus Berlin, d. G. G. Kand. G. L. Spalding aus Berlin, d. G. G. Kand. E. C. Trapp, Prof. d. Paͤ - dagogik. J. H. Waeber aus Kurland, d. G. G. B. J. A. Weinſchenk aus Wernigerode, d. G. G. Kand. D. F. A. Willmans aus Weſtphalen, d. G. G. K. K. C. G. Woltersdorf aus Berlin, d. G. G. Befl. G. L. Wolters - dorf aus Berlin, d. G. G. Kand.

[486][487][488][489]

About this transcription

TextHomers Odüssee
Author Homerus
Extent495 images; 119679 tokens; 16286 types; 797516 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationHomers Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß Homerus. Johann Heinrich Voß (ed.) . 469 S., [8] Bl. SelbstverlagHamburg1781.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Epos; Belletristik; Epos; core; ready; mts

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