PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Die Lebensfrage der Civiliſation. (Fortſetzung.) Oder: Ueber das Verderben auf den deutſchen Univerſitaͤten.
Dritter Beitrag zur Loͤſung der Aufgabe dieſer Zeit.
Die Licht - und Schattenſeiten des Alten und des Neuen ſoll man erforſchen, entwickeln, reformiren; aber weder rückwärts noch vor - wärts revolutioniren. (v. Raumer, England im Jahre 1835. S. 168.)
Eſſen,bei G. D. Bädeker. 1836.
[II][III]

Vorwort.

Die naͤchſte Veranlaſſung zur Abfaſſung der vorlie - genden kleinen Schrift brachte Franz Theremin’s Wort uͤber die deutſchen Univerſitaͤten . So ſehr ich den Vorſchlag des Hrn. Verfaſſers billigen muß, ſo kann ich doch die fuͤr nothwendig erklaͤrte Verbeſſerung oder Umgeſtaltung der Univerſitaͤten von einem ſo verein - zelten, partiellen Mittel nicht erwarten. Wie kann eine einzige Maßregel ſo große Dinge thun? Die Maͤngel und Gebrechen auf den deutſchen Univerſitaͤten ſind dafuͤr viel zu zahlreich, zu umfaſſend. Man muß ſie, ſollen ſie weichen, von vielen Seiten angreifen; ſonſt flickt man mit einem neuen Lappen ein Gewand, das ſehr alt iſt. Vor dreihundert Jahren hat man es angefertigt. Der Riß koͤnnte noch aͤrger werden.

Die Zeit, in der wir leben, kommt mir wie eine ungeheure Zeit vor; ungeheuer wegen ihrer Wich - tigkeit fuͤr die naͤchſten Jahrhunderte, weil ſie an dem1*IVFundament fuͤr dieſelben arbeitet; ungeheuer wegen der Kraͤfte, die ihr zu Gebote ſtehen, wenn man ſie fuͤr die Grundlegung und fuͤr die Anbahnung einer wirklich neuen Zeit zu benutzen verſtehen moͤchte; un - geheuer wegen der Verantwortung, die diejenigen un - ter uns, deren Finger den langen Hebel der morali - ſchen und phyſiſchen Kraͤfte der Gegenwart lenkt, zu uͤbernehmen haben. Es kommt mir vor, als waͤre jeder Tag, jede Stunde von ſchwerem Gewicht. Die - ſes Gefuͤhl beherrſcht mich oft in ſolchem Grade, daß mir der Leichtſinn der Zeitgenoſſen wie eine ungeheure Ironie des Schickſals erſcheint. Wir ſollten, meine ich, Tag und Nacht darauf ſinnen, wie wir die Auf - gabe der Zeit, ich meine jene Fundamentirung fuͤr Jahrhunderte, loͤſen koͤnnten; wir ſollten nur den ſchweren Ernſt auf der Stirne, die Gediegenheit auf der Zunge, die Gewiſſenhaftigkeit im Herzen haben und der Leichtſinn iſt den Zeitgenoſſen auf die Stirne geſchrieben, ihre Zunge theilt nur Anekdoten und Witzworte mit, und ihr Herz haͤngt an den ſinn - lichen Freuden der Welt, die voruͤberrauſchen wie ein Gaſtmahl, eine Carnevalsluſt und ein Ballet, und nichts in dem Herzen zuruͤcklaſſen als eine ſchauerliche Oede, die man durch neue raffinirte Luſt zu verſcheu - chen ſucht. Als haͤtte das Horn des Huͤon alle im Sinnenrauſch mit ſich fortgeriſſen, oder Mephiſtophe - les durch die ſophiſtiſchen Lehren des praktiſchen Ma -V terialismus und verfeinerten Epikuraͤismus alle ver - nuͤnftige Beſinnung den Zeitgenoſſen geraubt, ſo ren - nen ſie, die ich meine, in Leichtſinn, Beſinnungslo - ſigkeit und Haſt den kommenden Zeiten entgegen, daß man fuͤrchten muß, die Beſinnung wird erſt kommen, daruͤber, was man haͤtte thun ſollen, wenn es zu ſpaͤt iſt. Dieſes furchtbare Wort: es iſt zu ſpaͤt! wird es ertoͤnen? Gott wolle uns davor bewahren. Ungeachtet des Leichtſinnes der Zeit, dieſer ſo weit verbreiteten Peſt, waͤhnet man, ihm zu entgehen oder es auf ewig hinauszuſchieben, gleich Carl X., der am Whiſttiſche ſaß, waͤhrend des Ablaufes der letzten 24 Stunden ſeiner Herrſchaft. Als dieſe verfloſſen waren und er ſich beſinnen wollte, mußte er von ſeinen Un - tergebenen das gewichtige Wort hoͤren: Sire, es iſt zu ſpaͤt! Sire es iſt zu ſpaͤt! kann eine groͤ - ßere Ironie des Schickſals gedacht werden? Moͤchte es fuͤr uns nie zu ſpaͤt werden! Darum thue man bei Zeiten, was die Zeit fordert, man beſſere an ſich, man geſtalte um, was ſchlecht iſt. Ich erinnere darum hier nochmals an zwei der nach meinem Ermeſſen dringendſten Zeitbeduͤrfniſſe: Bildung corporativer Inſtitutionen durch alle Staͤnde des Vol - kes hindurch, und geregelte, geſetzliche Sorge fuͤr die unteren Klaſſen, in phyſiſch-oͤkonomiſcher, wie in moraliſch-intellectueller Hinſicht. Das Erſte habe ich in den beiden vorhergehenden Broſchuͤren angedeutet,VI das Zweite darin als begruͤndet nachgewieſen. Das Dritte, das ich nun vorſchlage, iſt weniger wichtig, weniger weit greifend, aber wichtig genug.

Es iſt ein trauriges Geſchaͤft, den Anklaͤger der Zeit zu machen. Wie viel gluͤcklicher ſind diejenigen, welche aus Ueberzeugung die Zeit, in der ſie le - ben, loben, die Perſonen, die als bewegende Factoren daſtehen, als die Heroen der Zeit preiſen koͤnnen! Der Beifall der Welt entgeht ihnen nicht, und die Guͤter derſelben ſammeln ſich bei ihnen zu Hauf. Nach die - ſem Gluͤcke kann ich nicht ſtreben; meine Ueberzeugung laͤßt es nicht zu. Mir faͤrbt ſich Vieles, was Andern ſchneeweiß leuchtet, grau in grau oder grau in ſchwarz. Das Alles zu nennen und zu bezeichnen, verbieten Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe. Aber was man ſagt, es ſei wahr, d. h. der ſubjectiven Ueberzeugung gemaͤß: fuͤr mehr kann der irrende Sterbliche nicht einſtehen.

Es iſt ein reales Ungluͤck fuͤr jeden Menſchen, wenn ſein Intereſſe ihn auf Gegenſtaͤnde hinlenkt, de - ren richtige Beurtheilung uͤber (unter) ſeinem Hori - zonte liegt. Denn Nicht-Wiſſen iſt beſſer als Irr - thum, und Schweigen beſſer als Reden des Schiefen oder Falſchen. Ob dieſes Ungluͤck mir begegnet iſt, es iſt moͤglich. Ich wuͤrde es dem danken, der mich davon uͤberzeugte. Ich wuͤrde mein Nachdenken dann andern Gegenſtaͤnden, in denen ich gluͤcklicher zu ſein hoffen duͤrfte, zuwenden.

VII

Ich war einſt auf Univerſitaͤten. Ich habe in den Vorleſungen nicht viel gelernt, nicht viel mehr mitgenommen, als ich mit hingebracht. Sie waren darnach. Monotoner Vortrag, mechaniſcher Pedantis - mus, geiſtloſes Weſen! Aber ich liebe die Univerſitaͤ - ten, weil es deutſche Inſtitute ſind; unſere Hochſchu - len, weil ich Erziehung und Bildung uͤber Alles ſchaͤtze. Aber die Liebe verbirgt mir ihre Fehler nicht. Ver - nuͤnftige Eltern ſind nicht blind gegen die Fehler ihrer Kinder, vielmehr kennen ſie dieſelben am beſten. Gleich ihnen will ich dieſe Fehler beſehen, aufdecken, beſpre - chen. Nicht aus Liebe zum Tadel, ſondern aus Liebe zur Sache ſage ich, daß die Univerſitaͤten mir nicht viel gebracht, weil ſie darnach waren, meinend, daß ſie An - dern, wenn man ſie danach einrichtete, viel mehr lei - ſten koͤnnten. Dazu will ich nach meinen Kraͤften und Einſichten beitragen. Was geht es Dich an? moͤgen Einige wieder ſprechen. Ich laſſe mich nicht ſchrecken. Es geht mich an, weil es meine Seele beruͤhrt. Wenn es falſch iſt, daß der Freund des Vaterlandes, der thaͤtige Genoſſe ſeiner Freuden und Leiden, von Allem, was das Vaterland betrifft, beruͤhrt werde; ſo weiß ich nicht mehr, was wahr iſt. Auf dieſem Stand - punkte kann ich nur wuͤnſchen, daß Alle an Allem Theil nehmen moͤchten. Dann ſtaͤnde es beſſer um die Gemeinſchaft, als bei den herrſchenden Maximen, un - ter deren Herrſchaft ſich der Einzelne nur bekuͤmmertVIII um die Seinigen und um den Acker, der ihm zur Bearbeitung uͤbergeben iſt, unbekuͤmmert um die Ge - meinſchaft.

Nach meinem Beduͤnken ſind die Univerſitaͤten ver - altete Inſtitute. Sie beduͤrfen einer Reform. Ich ſuche die Nothwendigkeit derſelben nachzuweiſen. Ich erhebe zum Theil eine Anklage gegen ſie, in ernſter, directer Rede. Waͤre auch der Humor mir eigen, ich wuͤrde ſeinen Gebrauch im vorliegenden Falle verſchmaͤ - hen. Er paßt nicht zu einer ſo ernſten Sache. Ich will nicht unterhalten, nicht beluſtigen, ſtrebe nicht nach der Eitelkeit, daß man ſich einige Abende von den Hiſtoͤrchen, die ich mittheile, unterhalte ich will nuͤtzen. Ich wuͤnſche, daß man die inhaltſchwere Sa - che, von der die Rede iſt, wie eine centnerſchwere Maſſe fuͤhle, wie einen Alp, der uns zu erdruͤcken droht, wie ein Gift, daß unſer reinſtes Herzblut, die Bluͤthe der Nation, vergiften kann. Die ſchwerſte Anklage, die auf Sokrates ruhte, war: er verderbe die Jugend. Dieſelbe Anklage erhebe ich gegen unſre Univerſitaͤten. Sie werden ſich ſchwerlich ſo rein wa - ſchen koͤnnen, als jener es konnte.

Ich habe Staatswiſſenſchaften nicht ſtudirt, mich auf Politik nicht gelegt. Darum traue ich mir kein ſicheres Urtheil uͤber allgemeine Angelegenheiten zu. Es ſind dieß ſehr ſchwere Dinge. Aber ich kann michIX des Gedankens nicht erwehren, daß in ihnen Manches ſchlecht beſtellt ſein muͤſſe, weil ein Inſtitut wie die Univerſitaͤt, das von den oͤffentlichen Angelegenheiten beſtimmt und geregelt wird, an ſo großen Gebrechen leidet. Ich meine, daß wenn jene Quelle reines Waſ - ſer lieferte, ſich hier nicht ſo viel Schlamm abgeſetzt haben koͤnnte. Denn von den oͤffentlichen Angelegen - heiten gilt doch auch als Maßſtab das Wort: an ihren Werken ſollt ihr ſie erkennen! Darum und auch aus einigen andern Gruͤnden, deren Aufzaͤhlung nicht dieſes Ortes iſt, ſchließe ich, daß das Verderben eine groͤßere Sphaͤre habe, als die Univerſitaͤten. Dies ſage ich offen, weil ich es denke. Wenn Jemand, ſo wuͤnſchte ich, daß es anders ſich verhalten, daß ich im Irrthum befangen ſein moͤchte. Denn ich wuͤnſche das Beſſere, und dieſes Verlangen fuͤhrt mir die Fe - der. Es iſt ſchmerzlich, Wunden beruͤhren, und ſich der Gefahr preis geben zu muͤſſen, ſich, trotz des lau - teren Willens, Feinde zu erwecken. Aber die Ueber - zeugung iſt maͤchtiger als alle dieſe Hinderniſſe. Es iſt moͤglich, daß man mir, wenn ich von der Noth - wendigkeit der Umaͤnderung der Univerſitaͤten und deſ - ſen, was ſeitwaͤrts und daruͤber hinaus liegt, rede, demagogiſche Abſichten zutraut. Aber meine Rede iſt ja der Cenſur unterworfen. Streiche ſie, was ihr nicht gefaͤllt! Ich will nichts ſagen, was Schaden ſtiften kann; ich will nuͤtzen. Und die Cenſur ſollX mir eine Buͤrgſchaft fuͤr die Meinung ſein, daß meine Worte nicht fuͤr eitel unnuͤtz und nichtig erklaͤrt werden.

In dem Abſchnitte, in welchem ich von den Uni - verſitaͤtslehrern rede, ſage ich: ſie, die Profeſſo - ren, d. h. ich rede ſo, als wenn ich alle meinte. Aber das iſt nicht meine Meinung.

Wie koͤnnte ich die trefflichen, hochſtehenden, ver - ehrungswuͤrdigen Maͤnner mit Vorwuͤrfen belaſten wol - len, die wir noch zu beſitzen das Gluͤck haben? Ich beuge mich vor ihnen, ich verehre ſie, ihr Streben und Wirken. Mit jenem ſie meine ich nur die, die es trifft, diejenigen, die zu der Kategorie, die ich charakteriſire, gehoͤren. Darum mißverſtehe, verdrehe man meine Worte, meine Abſicht nicht!

Ob wenn anders die Anklage, die ich erhebe, wahr iſt, ganz, oder auch nur zum Theil die Ur - ſache dieſer Verdorbenheit in ihrer letzten Ableitung den Lehrern ſelbſt zugeſchrieben werden muͤſſe, oder ob ſie Einfluͤſſen unterliegen, die zu maͤchtig ſind, als daß ſie ihnen zu widerſtehen vermoͤchten; ob das Uebel in den Univerſitaͤten ſelbſt liegt, oder ob es ein tiefer lie - gendes, allgemeineres, in der ſonderbaren Sprache der neueſten Schule ein geſchichtlich nothwendiges iſt, dieſes zu beurtheilen uͤberlaſſe ich dem Beobachter der Lebenserſcheinungen, demjenigen, der es weiß, daß es keine iſolirte Erſcheinung im Leben eines Volkes giebt. XIIch halte das Verderbliche auf den Univerſitaͤten fuͤr das Symptom eines viel allgemeineren Verderbens. In dieſer Anſicht finde ich eine Entſchuldigung der an - geklagten Anſtalt, aber keine Rechtfertigung. Denn die Profeſſoren ſind die natuͤrlichen Vertreter der hohen Intereſſen, die ihrer Fuͤrſorge anvertraut ſind. Von ihnen fordert man es mit Recht, auf die Abſtellung der Maͤngel und Gebrechen zu dringen, die innerhalb und außerhalb ihrer Sphaͤre liegen.

Vom Leben oder vom Zeitgeiſte ſind auch die Ge - lehrten zum Theil abhaͤngig. Was die Zeit nicht hat, kann man auch von ihnen nicht fordern. Aber mit Recht erwartet man, daß ſie, bekannt und vertraut mit dem Beſten aller Zeiten, und wegen ihrer Be - ſtimmung, das Muſterguͤltige und Klaſſiſche feſtzuhal - ten und in die Gegenwart einzufuͤhren, am letzten den falſchen Richtungen und Beſtrebungen der Zeit huldi - gen, und durch Intelligenz und Beiſpiel einen Damm bilden gegen das Verderben in Wiſſenſchaft und Kunſt, Religion und Sitte. Das Amt eines akademiſchen Lehrers iſt bis heute von der deutſchen Nation fuͤr ein Ehrenamt gehalten worden. Darum erklaͤrt man es auch mit Recht fuͤr ſie fuͤr eine Ehrenſache, hinter den Anforderungen der Zeit nicht zuruͤckzubleiben und zu Reformen die Hand zu bieten, deren Erſpießlichkeit und Nothwendigkeit nicht laͤnger wird geleugnet wer - den koͤnnen.

XII

Nun empfehle ich dem Leſer noch vorurtheilloſe, unpartheiiſche Betrachtungsweiſe sine ira et stu - dio!

Thue nichts, als was du wuͤnſcheſt, daß Andre dir wieder thun! Nach dieſem Grundſatze handle ich, bei der Veroͤffentlichung dieſes Aufſatzes. Spraͤche Einer ſo uͤber die Schullehrer-Seminarien, wie ich uͤber die Univerſitaͤten ſpreche, ich wuͤrde es ihm dan - ken, und wenn ich nur eine einzige Wahrheit, die mir unbekannt geblieben, darin entdeckte. Dieſelbe Ge - ſinnung wuͤnſche ich meinen Leſern. Amicus Plato etc.

Uebrigens aber hoffe ich vertreten zu koͤnnen, was ich geſagt habe.

Der Verfaſſer.

[1]

I. Der an die deutſchen Univerſitäten anzulegende Maßſtab.

Vor allen Dingen wird anzugeben ſein, welches die Vor - ſtellungen ſeien, nach denen wir das Weſen und den Werth unſerer Hochſchulen beurtheilen welche Bedingungen wir fuͤr die gluͤckliche Wirkſamkeit derſelben vorausſetzen welche Anforderungen wir an ſie machen nach welchem Maß - ſtabe wir ſie meſſen. Alles dieſes koͤnnte zwar auch in die Beurtheilung ſelbſt verwoben werden; aber es beſeitigt, wenn es vorausgeſchickt wird, allzu viele Wiederholungen, und es foͤrdert die Klarheit, wenn ich mich ſpeciell daruͤber erklaͤre.

Ich frage daher: Welche allgemeine Anforderungen muͤſ - ſen an die Anſtalten gemacht werden, welche die Aufgabe ha - ben, die Maͤnner zu bilden, durch welche ſich vorzugsweiſe der Geiſt einer Nation fortpflanzen ſoll, oder welche als die Lenker und Vertreter der Intelligenz und der Humanitaͤt an - zuſehen ſind?

Der letzte Theil dieſer Frage deutet ſchon auf die Ant - wort hin, die ich im Sinne habe. Denn auch hier geht es,2 wie wohl ſonſt: die Antwort war fruͤher da als die Frage, die nur zur Einkleidung dient.

Ich verlange zweierlei von einer Hochſchule:

  • 1) aͤchte Wiſſenſchaftlichkeit;
  • 2) paͤdagogiſche Bildung oder Erziehung.

1.

Unſre Univerſitaͤten ſind nicht Kunſt -, ſondern wiſſenſchaft - liche Anſtalten, und ſelbſt wenn ſie uͤber Kunſt handeln, ſo verbreiten ſie das Wiſſen uͤber die Kunſt, die Theorie, nicht das Koͤnnen. Darum ſchließe ich die Kunſt von ihrer prakti - ſchen Seite von den Zwecken einer Univerſitaͤt aus, und be - zeichne ihren erſten, wenn auch nicht hoͤchſten, Zweck durch das Wort: Wiſſenſchaftlichkeit, hier einerlei mit Gruͤndlichkeit des Lehrens und Lernens. Der Zuſatz aͤchte , deutet ſo - wohl auf den Mißbrauch des Wortes Wiſſenſchaftlich - keit, als auch auf die falſche Richtung, in welcher die Gruͤndlichkeit faͤlſchlich geſucht worden iſt und geſucht wird, hin. Ich muß mich daher naͤher uͤber dieſen Gegenſtand er - klaͤren. Zuerſt ſage ich in negativer Hinſicht:

  • 1) Der wiſſenſchaftliche Geiſt, das wahre Wiſſen, die Gruͤndlichkeit der Erforſchung des Lehrens und Lernens iſt nicht zu ſuchen in der Maſſe des Wiſſens, nicht in hiſtoriſcher Erſchoͤpfung, nicht in ſo - genannter Gelehrſamkeit.

Zur eigentlichen Gelehrſamkeit gehoͤrt nicht bloß die Wiſ - ſenſchaft, ſondern auch eine gruͤndliche Kenntniß der geſchicht - lichen Entwicklung derſelben; je genauer und tiefer, deſto gelehrter. Je weniger einem Gelehrten irgend eine Notiz, ir - gend eine literariſche Erſcheinung der Geſchichte ſeiner Wiſſen -3 ſchaft entgangen iſt, deſto mehr gebuͤhrt ihm in herkoͤmmlicher Bezeichnung der Name eines Gelehrten. Ein Solcher muß nach einem moͤglichſt erſchoͤpfenden Wiſſen ſtreben, im guten Sinne des Wortes ein Viel -, wo moͤglich (auf ſeinem Ge - biete) ein Alleswiſſer ſein.

Den Zweck, ſolche Gelehrte zu bilden, haben die Univer - ſitaͤten vorzugsweiſe nicht. Schon darum nicht, weil er ſich nicht mit Sicherheit erreichen laͤßt. Zu einem Gelehr - ten wird man nicht gebildet, ſondern man bildet ſich ſelbſt dazu. Die Beſtimmung zum Gelehrten muß man ſich ſelbſt geben. Auch hat der Staat oder die Geſellſchaft kein unmit - telbares Intereſſe daran, ob ſich unter den Staatsangehoͤrigen viele große Gelehrte befinden. Als Solche gehoͤren ſie auch nicht eigentlich dem Staate an, ſondern der Menſchheit. Eigentliche Gelehrte leben nicht dem Leben, ſondern der Wiſ - ſenſchaft, und ſie bilden die europaͤiſche oder allgemein menſch - liche (cosmopolitiſche) Gelehrten-Republik. Ein Gelehrter iſt kein Englaͤnder, Franzoſe, Deutſcher, ſondern ein Gelehrter, kein Staatsdiener, ſondern ein Prieſter der Wiſſenſchaft. Wohl macht es der Intelligenz eines auf Bildung Anſpruch machen - den Staates Ehre, wenn er auch die Gelehrſamkeit, die Er - forſchung der Wiſſenſchaft foͤrdert und Opfer dafuͤr bringt; auch fungiren unſre heutigen (großen)[Univerſitaͤten] fuͤr dieſen Zweck; aber ihr Hauptzweck iſt es nicht. Von 100 Studen - ten widmen ſich in der Regel kaum 5, oft nicht Einer der eigentlichen Gelehrſamkeit. Aber alle ſollen zu gruͤndlich wiſ - ſenſchaftlicher Bildung gelangen. Wenn dieſe nun nicht in hiſtoriſcher Erſchoͤpfung ihrer Wiſſenſchaft, nicht in gelehrtem Kram oder Wuſte, nicht in der Unendlichkeit des Wiſſens, deſſen Unfruchtbarkeit faſt zum Sprichworte geworden, beſteht, ſo ſage ich poſitiv:

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  • 2) Die aͤchte Wiſſenſchaftlichkeit beſteht in der (von den Akademikern) errungenen Selbſtthaͤtigkeit des Denkens.

Natuͤrlich iſt ſie ohne Wiſſen, ohne Gruͤndlichkeit des Wiſſens gar nicht moͤglich; aber dennoch thut es noth, daran zu erinnern, daß die Gruͤndlichkeit nicht objectiv in der hiſto - riſchen Erſchoͤpfung, ſondern ſubjectiv in der Hoͤhe und Energie der entwickelten Denkkraft beſteht. In dem Maße und Grade, als die Univerſitaͤten dieſen Zweck erreichen, in demſelben Grade erreichen ſie ihre Beſtimmung; und je nach - dem ein akademiſcher Lehrer dazu die akademiſche Jugend er - regt und veranlaßt, je nachdem erfuͤllt er die Zwecke ſeines hohen Berufes. Er ſoll nicht die Gelehrſamkeit verbreiten, ſondern wiſſenſchaftlichen Geiſt.

Dieſe beiden Bedingungen, jene negative und dieſe poſi - tive, muͤſſen in ihrer Zuſammengehoͤrigkeit betrachtet werden; ſonſt geraͤth man auf Irrwege.

Ich ſage daher: der akademiſche Lehrer braucht als ſolcher kein Forſcher, aber er muß ein Lehrer ſein. Vereinigt ſich Beides in derſelben Perſon, deſto beſſer; aber es iſt nicht noͤthig, ſo wie es auch ſehr ſelten iſt. In den meiſten Faͤllen ſchließen beide Richtungen einander aus. Der gelehrte For - ſcher liebt die Einſamkeit des Denkens, die ſtille Betrachtung, indem er die Graͤnzen des menſchlichen Erkennens zu erweitern ſtrebt. Er hat es mit der Sache, nicht mit der Form, nicht mit der Art der Entwicklung des Geiſtes zu thun, er denkt nicht an die Methode.

Der Lehrer dagegen richtet ſein Hauptaugenmerk auf die Geſetze der Entfaltung des jugendlichen Geiſtes, auf die Art und Weiſe, wie derſelbe erregt und gerichtet werden muß,5 damit er zur ſelbſtſtaͤndigen, freien Entwickelung gelange. Er liebt daher das laute Denken, und er ſucht die Gemeinſchaft mit ſtrebenden Juͤnglingen, die das Beduͤrfniß der Entwick - lung lebendig in ſich empfinden. Die Umgebung, in welcher das Geſchaͤft des Forſchens allein gedeiht, iſt die abgeſchiedene Stille, ein einſames Landhaus oder eine Buͤcherburg; das Geſchaͤft des Lehrens dagegen gedeiht nur in dem Lehr - und Hoͤrſaale bei der lauten, moͤglichſt lebendigen Rede und Ge - genrede. Zur Erweiterung der Wiſſenſchaften wird eine Samm - lung des Geiſtes und eine Muße erfordert, wie ſie dem in lebendigem Verkehr mit heiteren Juͤnglingen ſtehenden Lehrer nicht zu Theil wird. Darum ziehen ſich alle eigentlichen ge - lehrten Forſcher gern vom Leben zuruͤck, und darum ſind die tuͤchtigſten akademiſchen Lehrer ſelten oder nie in demſelben Maße, als ſie Lehrer ſind, zugleich wiſſenſchaftliche Forſcher.

Offenbar hat man dieſe meiſt entgegengeſetzten Beſtimmun - gen nicht immer gehoͤrig von einander geſchieden. Man hat die Gelehrſamkeit mit der Lehrkunſt verwechſelt, und den Mann fuͤr den beſten akademiſchen Lehrer gehalten, der der gelehrteſte war. Ich wiederhole es, es giebt keinen guten Lehrer ohne gruͤndliches Wiſſen; aber dieſes allein ſtempelt keinen zum Lehrer. In der Regel fuͤhrt es allein von der Lehrkunſt ab. Denn ſie iſt ein Koͤnnen, zu dem ſich der Ge - lehrte bei ſeiner ausſchließlich theoretiſchen, unpraktiſchen und abſtrakten Richtung nicht gern herablaͤßt. Die groͤßten Ge - lehrten ſind darum meiſt unwillige, ungeſchickte, ungewiſſen - hafte d. h. ſchlechte Lehrer, und die tuͤchtigſten Lehrer darum meiſt keine Forſcher. Das Erforſchen des Neuen erfordert Genie, das Lehren Talent. Der akademiſche Lehrer braucht daher kein Genie zu ſein, aber er darf des (Lehr -) Talents nicht entbehren.

26

Zur Befeſtigung dieſes hoͤchſt wichtigen Unterſchiedes hat, wenn ich nicht irre, Jemand den Vorſchlag gethan, die Aka - demien von den Univerſitaͤten zu ſcheiden, jenen die eigentlichen gelehrten Forſcher, dieſen die eigentlichen Leh - rer der Wiſſenſchaften zuzuweiſen. Ein Vorſchlag, welcher im hoͤchſten Grade der weiteren Ueberlegung wuͤrdig iſt. Vie - len großen Uebeln der heutigen Univerſitaͤten wuͤrde dadurch vorgebeugt werden. Ich mache nur auf folgende aufmerkſam:

  • 1) Es wuͤrden nicht Maͤnner zum akademiſchen Lehramte berufen werden, die weder inneren Beruf, noch aͤußeres Talent zum Lehren be - ſitzen.

Welche Marter iſt es fuͤr die Studenten, tagtaͤglich zu den Fuͤßen eines Mannes zu ſitzen, der die Gabe des Lehrens nicht beſitzt, ſelbſt wenn er der ausgezeichneteſte, beruͤhmteſte Gelehrte ſein ſollte. Sie ſitzen da mit lernbegierigen Ohren, ſie ſchreiben die Worte nach, die ſie hoͤren, aber ſie verſtehen den Mann nicht. Leider gilt dieß in Deutſchland noch fuͤr den Beweis der Meiſterſchaft, fuͤr einen untruͤglichen Beweis der Gruͤndlichkeit und der Tiefe. Von Hegel hat man ge - ſagt, daß ihn Einer verſtanden habe. Doch wir wollen hof - fen, daß ihn in jedem Semeſter zehn verſtanden haben. Aber ſtets hoͤrten ihn Hunderte! Was iſt nun aus dieſen gewor - den? Welchen Gewinn haben ſie gezogen von den Stunden, die ſie aufopferten, von der Geiſtesqual, die ſie empfunden? Oder wird man etwa dadurch fuͤr die Wiſſenſchaften, fuͤr die Wiſſenſchaft der Wiſſenſchaften, die Philoſophie, oder fuͤr phi - loſophiſche Behandlung gewonnen, wenn man nichts verſteht? So viel iſt gewiß, Hegel mag ein tiefer Forſcher geweſen ſein, er war einer der ſchlechteſten Lehrer, die es jemals gegeben hat. Jenes kann ich nicht beurtheilen, denn ich gehoͤre auch7 zu denen, die ihn nicht verſtanden haben, und ich verſtehe auch die nicht, die ihn verſtanden zu haben behaupten; aber dieſes weiß ich aus Erfahrung. Im Jahre 1825 hospitirte ich bei ihm einige Stunden. Er quaͤlte ſich damit ab, den Unterſchied des Discurſiven und Intuitiven deutlich zu ma - chen. Aber von ihm konnte man dieſen Unterſchied, den man einem Secundaner leicht deutlich machen kann, nicht lernen. Wer ihn vorher nicht kannte, lernte ihn gewiß durch ihn nicht kennen. Hegel gehoͤrte daher in die Akademie, d. h. in die ſtille Kammer, nicht auf den Lehrſtuhl. Denn die Deutlich - keit iſt die erſte Eigenſchaft jedes Lehrers. Ohne ſie giebt es keine Lehrergroͤße. Wer ein Lehrer Anderer ſein will und fuͤr Andere berufen iſt, hat ſich zu dieſen hinabzulaſſen und ſie von ihrem Standpunkte aus zu ſeiner Hoͤhe hinaufzuziehen. Dieſes iſt ſeine Pflicht, und darin beſteht ſein Ruhm. Mag er ſich fuͤr ſeine neuen Begriffe einen neuen Sprachgebrauch waͤhlen, er hat dieſen an die Begriffe und den allgemeinen Sprachgebrauch, die er ohne Unbilligkeit bei den ihm uͤber - wieſenen Schuͤlern vorausſetzen kann, anzuſchließen. Kann er dieſes nicht, ſo paßt er nicht zum Lehrer, und will er es nicht, ſo handelt er gewiſſenlos.

Es giebt einen falſchen und einen wahren Scharfſinn. Der wahre iſt gerichtet auf die Erforſchung des Wahren; dem falſchen iſt es nicht um die Wahrheit, ſondern um die Aufſpuͤ - rung bisher uͤberſehener Verhaͤltniſſe und Beziehungen und um den Schein der Conſequenz zu thun. Nicht das (ſcheinbar) ſcharfſinnigſte Syſtem verdient den Vorzug, ſondern das wahrſte. Der Scharfſinn, geuͤbt und angewandt auf falſche Vorderſaͤtze, und im Beſitz blendender Conſequenzmacherei iſt fuͤr Juͤnglinge, die nicht pruͤfen koͤnnen, wahrhaft gefaͤhrlich. Dieſer falſche Scharfſinn liebt das Gewand der Dunkelheit;2*8er huͤllt ſich in Unverſtaͤndlichkeit ein, dem Wahne huldigend, daß ſie ein Merkmal der Tiefe der Forſchung ſei. Aber die wahre Tiefe iſt klar und, weil ſie klar iſt, verſtaͤndlich und dem aufmerkſamen Bewußtſein Gebildeter zugaͤnglich. Die Unklarheit iſt entweder ein Mangel tiefer Forſchung, oder der Methode, oder der Verſchrobenheit der Sprache, alſo jederzeit ein Fehler. Wohin iſt nicht unſre Philoſophie gerathen, die Philoſophie, von der es bis zum heutigen Tage ungewiß iſt, ob ein Menſch ſie verſtanden, ja die vielleicht der Erfinder ſelbſt nicht ganz verſtand! Geſtand doch ſchon Fichte ſpaͤter in ſeiner Offenheit ſelbſt, daß er manchen Satz ſeiner Wiſſen - ſchaftslehre nicht mehr verſtehe, und der mit der Sprachwiſ - ſenſchaft vertraute, wiſſenſchaftliche Bernhardi, daß er, ungeachtet ſiebenmaligen Hoͤrens und Studirens der Fichte - ſchen Wiſſenſchaftslehre, ſie nicht verſtanden habe. Und dieſe Philoſophie, der ſogar ein Schelling, der Schoͤpfer der Naturphiloſophie, dem man das Praͤdicat der durchſichti - gen, lichten Verſtaͤndlichkeit, wie Leſſing und Kant ſie be - ſaßen, nicht beilegen kann, den Vorwurf der Unverſtaͤndlich - keit macht, traͤgt man unſern unphiloſophiſchen Juͤnglingen vor! Wohin ſind wir in dieſer Beziehung gerathen, wohin werden wir noch gerathen, wenn es ſo fortgeht in die Unklar - heit, Unverſtaͤndlichkeit, Myſtik hinein!

  • 2) Man wuͤrde es nicht erleben, daß akademi - ſche Lehrer ungepruͤfte Neuerungen ihren Schuͤlern als ewige Wahrheit vorlegten.

Es iſt eine ſehr merkwuͤrdige Erſcheinung, daß man Dinge duldet, wie ſie alle Tage auf unſeren Univerſitaͤten paſſiren.

Es ſind Staatsanſtalten unſre Univerſitaͤten, ihre Lehrer vom Staate berufen, reifenden Juͤnglingen die Wahrheit der9 Wiſſenſchaft vorzutragen und ihren Geiſt durch die Erforſchung dieſer Wahrheit zu bilden. Was iſt Wahrheit? fragen wir heute noch wie vor Jahrtauſenden. Das iſt ganz richtig. Aber daraus kann doch nur die hoͤchſte Sophiſtik oder die ſtumpfeſte Gleichguͤltigkeit gegen das durch Jahrhunderte hin - durch erbeutete Gemeingut der Wahrheit den Schluß ziehen, daß es recht und billig oder auch nur erlaubt oder wohl gar zweckmaͤßig ſei, unſern akademiſchen Juͤnglingen, d. h. Leuten, denen man in der Regel die Gabe tieferer Pruͤfung nicht zu - trauen kann, funkelnagelneue Wahrheiten, wie ſie vielleicht in der vorhergehenden Nacht in einem, wenn auch noch ſo begeiſterten Hirne entſprungen ſind, vorzutragen und vorzule - gen als ewige Wahrheit. Unſre akademiſchen Juͤnglinge ſind in den Wiſſenſchaften Neulinge, die wenigſten ſind zur freien Forſchung befaͤhigt, ihre Lehrer, beſonders die mit Ruhm umgebenen, gefeierten, ſind fuͤr ſie Autoritaͤten. Sie nehmen an, was man ihnen ſagt, ſie ſprechen nach, was ſie hoͤren, ſie lernen, was man ſie lehrt. Die natuͤrlichſte Forderung waͤre daher doch wohl die, daß man ſie zuerſt mit dem bishe - rigen Ertrage der Wiſſenſchaft, mit dem, was in ihr als all - gemein guͤltig angeſehen wird, bekannt mache, nicht aber ihren Kopf mit Saͤtzen anfuͤlle, die vielleicht unmittelbar nachher als grundlos und falſch nachgewieſen werden. Wohl, auch von Jenem bleibt ihnen der formale Gewinn, wenn nur die Lehrmethode geiſtweckend geweſen; aber wie ſelten iſt dieß! Und wenn es iſt, iſt es dann nicht viel beſſer, daß die bil - dende Methode ſich mit feſtem, bleibenden Inhalt beſchaͤftige? Nein, es iſt ein unverzeihlicher, in der That faſt unbegreifli - cher Mißgriff, daß man jungen Leuten von 18 20 Jahren Dinge vortraͤgt, welche noch gar keine Pruͤfung beſtanden, oft nur in der Einbildung ihres Urhebers Grund haben, aber in10 dem Nebel der Einkleidung oder in der Unverſtaͤndlichkeit der Darſtellung den Schein der Wahrheit gewinnen. Das Neue gehoͤrt vor das Forum urtheilsfaͤhiger, ruhig erwaͤgender Maͤn - ner, nicht vor die Ohren unreifer Juͤnglinge, in die Akademie, nicht in den Hoͤrſaal der Studenten.

Darum muß ich den Begriff der Lehrfreiheit in der Ausdehnung, die man ihm gegeben hat, bekaͤmpfen. Ver - ſteht man darunter die Freiheit, jedes Ergebniß wiſſenſchaftli - cher Forſchung vor das Publikum uͤberhaupt bringen zu duͤrfen, ich ſtimme bei. Denn den Geiſt ſoll man nicht ban - nen. Daſſelbe gilt, wenn man verlangt, daß der akademiſche Lehrer nicht ſclaviſch an die bisherige Ausbeute fruͤherer For - ſchungen gebunden ſei. Daß ein Solcher aber vor Juͤnglingen lehren duͤrfe, was er fuͤr wahr haͤlt, im Widerſpruche mit Allem, was bisher fuͤr allgemein guͤltig angeſehen wurde, das iſt offenbar recht eigentlich ein Extrem. Nur bis dahin darf der Begriff der akademiſchen Lehrfreiheit ausgedehnt werden, daß der Lehrer, beſonders der einer poſitiven Wiſſenſchaft, die Einwendungen gegen dieſelbe, die Andere zu machen haben oder er ſelbſt, auch mittheile, mit den tieferen Gruͤnden pro und contra. Eine Verpflichtung auf ſymboliſche Buͤcher kann kein die freie Entwickelung Liebender wollen; aber eine unbe - ſchraͤnkte Ausdehnung des vagen Begriffs der Lehrfreiheit kann auch eine Willkuͤr erzeugen, welche eine Erſcheinung her - beifuͤhrt, von der wir heut zu Tage in der Philoſophie nicht ſehr fern ſind, die, daß junge Philoſophen wohl die aller - neueſte Philoſophie kennen oder zu kennen glauben, aber mit dem Inhalte des philoſophiſchen Bewußtſeins aus allen fruͤ - heren Jahrhunderten faſt durchweg unbekannt ſind. Zuerſt muß man den Lernenden auf den Standpunkt zu ſtellen ſu - chen, auf dem man in Betreff einer Wiſſenſchaft im Allge -11 meinen ſteht. Dann iſt er fuͤr ſeine Zeit gebildet. Iſt dann noch ein Ueberfluß von Zeit und Kraft vorhanden, dann ſtrebe er weiter. Aber nur bei ſehr Wenigen wird dieſe Be - dingung eintreten.

Man wird gegen dieſen Vorſchlag den Einwand erheben, daß eben der Ertrag der bisherigen Erforſchung der Wiſſen - ſchaften nicht feſt ſtehe, und derſelbe zu den beſtrittenen Din - gen gehoͤre. Aber daruͤber iſt eine Vereinigung im Allge - meinen moͤglich. Ich erinnere nur, um ein Beiſpiel aus dem ſchwankendſten Gebiete, der Philoſophie, zu waͤhlen, an die platoniſch-ariſtoteliſche Philoſophie und ihre Fortbildung durch Kant. Dieſe iſt zur Kenntniß jeder Philoſophie unent - behrlich; ſie muͤßte daher auch zuerſt, als allgemeine Baſis, dem Philoſophie Studirenden zur Kenntniß gebracht werden.

Endlich darf die Lehrfreiheit auch nicht bis dahin, wie es auf mancher Univerſitaͤt der Fall iſt, ausgedehnt werden, daß die Herren Profeſſoren leſen duͤrfen, woruͤber ſie wollen, in dem ganzen Umfange ihrer Facultaͤt. Dieſe freie Wahl pflegt natuͤrlich nicht immer nach dem Beduͤrfniß der Schuͤler zu geſchehen, ſondern aus andern, oft ſehr unreinen Beweg - gruͤnden. Dabei kommen denn die Studenten ſchlecht weg. Drei, vier, und mehr Docenten leſen uͤber denſelben Gegen - ſtand, und andere, vielleicht an und fuͤr ſich viel wichtigere Vorleſungen bleiben unangekuͤndigt, weil ein falſcher Zeitge - ſchmack nicht eine Maſſe von Zuhoͤrern hineintreibt. So iſt auf einer norddeutſchen Univerſitaͤt die philoſophiſche Moral faſt ganz aus den Lectionscatalogen verſchwunden, eins der wichtigſten, einflußreichſten Collegien, weil die Myſtik in der Philoſophie und in der Naturkunde die Moral mit dem Ver - ſtand und der ganzen Reflexion in (ſicherlich voruͤbergehenden) Mißkredit gebracht hat. Darum darf man den Profeſſoren12 allein es nicht uͤberlaſſen, was ſie zu leſen Luſt haben. Das iſt nicht Freiheit, das iſt Willkuͤr. Wahre Freiheit richtet ſich nach hoͤheren Geſetzen.

So iſt demnach der falſch verſtandene Begriff der Lehr - freiheit ſowohl in Betreff des Gegenſtandes als in Betreff des Inhaltes aus dem Geſichtspunkte der wahren Bildung der Schuͤler in angemeſſener Weiſe zu beſchraͤnken.

Der Lehrfreiheit ſteht die Lernfreiheit gegenuͤber, die Befugniß der Studenten, die Vorleſungen, die ſie beſuchen, die Lehrer, die ſie hoͤren wollen, ſich auszuwaͤhlen.

Mit Grund laͤßt ſich nach meinem Ermeſſen gegen dieſe Freiheit nichts ſagen. Sind ſaͤmmtliche Lehrer tuͤchtige Maͤn - ner, nun ſo laſſe man in der Auswahl das Geſetz der Sym - pathie walten. Es wird den Lehrer noͤthigen, ſich um die Zuneigung der Herren Commilitonen zu bewerben und ein in mancher Beziehung heilſamer Wettſtreit entſtehen. Freilich hat es auch ſeine Bedenklichkeiten. Aber der Vortheil, daß der Student ſich frei fuͤhlt und reine Zuneigung zu dem Leh - rer die Schritte leitet, erſcheint als uͤberwiegend. Nur wird eine wohlwollende Staatsbehoͤrde oder jede Facultaͤt die Rei - henfolge der Vorleſungen fuͤr die 6 oder 8 auf einander fol - genden Semeſter, zwar nicht als eine unabaͤnderliche Norm, aber als wohlzuuͤberlegenden Rathſchlag und Fuͤhrer oͤffentlich bekannt machen, damit der Juͤngling oder deſſen Vater nicht in Gefahr gerathe, ganz zu irren. In gewiſſen Facultaͤten giebt es auch Collegia, die Jeder, der ſich zum Staatsexamen meldet, gehoͤrt haben muß. Ein Zeugniß vom Profeſſor iſt daruͤber nachzuweiſen. Dergleichen Beſtimmungen koͤnnen ſehr heilſam ſein; nur muß man dann auch darauf halten, daß die vorgeſchriebenen Collegien nicht bloß teſtirt, ſondern auch wirklich beſucht worden ſeien, d. h. nicht ein oder einige Mal,13 ſondern anhaltend. Denn nichts iſt ſchaͤdlicher, verderblicher fuͤr den Charakter in’s Leben tretender, ihrer Selbſtſtaͤndigkeit ſich bewußt werdender junger Maͤnner, als wenn ſie erfahren und lernen, daß zwar Geſetze beſtehen, dieſelben aber nicht gehalten werden, weder von den Lehrern noch von den Schuͤ - lern. Dieſe Erfahrung und die Meiſterſchaft, die Einige oder Viele darin erlangen, wirkt auf die Geſinnung und den Cha - rakter junger Leute wie ein Gift. Die, welche dergleichen dulden, laden eine ſchwere Verantwortung auf ſich. Sie un - tergraben das Fundament der Achtung gegen die geſetzgebenden Behoͤrden und den Staat.

2. Paͤdagogiſche Bildung oder Erziehung.

Ich komme nun zum zweiten Requiſit an eine Anſtalt, welche die Bluͤthe der Nation zu erziehen die Aufgabe hat. Ich ſage zu erziehen. Eine Univerſitaͤt iſt eine paͤdago - giſche Anſtalt, und alle ihre Maßregeln muͤſſen von dem paͤdagogiſchen, nicht von dem polizeilichen, juridiſchen, finan - ziellen oder anderm Standpunkte aus beurtheilt werden. Wir verlangen daher von der Hochſchule nicht bloß Entwickelung der Intelligenz in den ihr Uebergebenen, Wiſſenſchaftlichkeit und Ausbildung der Selbſtthaͤtigkeit im Denken, ſondern in hoͤherem und umfaſſenderem Sinne Vollendung der Erziehung der zu Maͤnnern heranreifenden Juͤnglinge. Dieſe Anforde - rung wird Jedermann gerecht und nothwendig finden. Sie iſt die hoͤchſte, umfaſſendſte, und die Foͤrderung der Wiſſenſchaft - lichkeit iſt nur ein Zweig derſelben, nur in dem Maße ſchaͤtz - bar, als ſie die allgemeine Aufgabe der Hochſchule, Vollen - dung der Erziehung der kuͤnftigen erſten Maͤnner des Staats, einleitet und beguͤnſtigt.

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Welche Anforderungen ſind in dieſer Beziehung an eine Hochſchule zu machen? Wir nennen die weſentlichſten Stuͤcke.

  • 1) Zuerſt negativ: Wegraͤumung aller die Sitt - lichkeit junger Maͤnner gefaͤhrdenden Dinge, Perſonen, Einrichtungen, Sitten u. ſ. w.

Im guten Verlauf der fruͤheren Erziehung, der hier vor - ausgeſetzt werden muß, iſt der zur Univerſitaͤt abgehende Juͤng - ling von ſeinen Eltern und auf dem Gymnaſien behuͤtet und bewacht worden. Als ein reiner Juͤngling wird er von allen Seiten mit Segenswuͤnſchen entlaſſen. Hoch ſchlaͤgt beim Ab - ſchiede dem Vater, der Mutter das Herz und Thraͤnen fuͤllen das Auge. Wird der behuͤtete, reine, edle Menſch aus dem verſuchungsvollen Leben eben ſo rein und lauter zuruͤckkommen? Oder oder? Gewiß, es iſt erklaͤrlich, treue Eltern entlaſ - ſen mit Zittern und Zagen den Liebling des Herzens. Acht - zehn und mehr Jahre der treuen Sorgfalt und unendlicher Muͤhen, die ſchoͤne Ausſicht fuͤr den Mittag oder Abend ihres Lebens vielleicht ſehen ſie Alles verſinken, und was bis dahin ihnen roth und gruͤn erſchien, verwandelt ſich in Nacht und Graus. Schwarz ſteht die Moͤglichkeit vor den Augen der Eltern: unſer Sohn kann ein Wuͤſtling werden. Die Leidenſchaften werden ihn ergreifen, boͤſes Beiſpiel ihn ver - locken, die graſſirenden Vorurtheile von Ehre ſich ſeiner be - meiſtern, ſein Koͤrper wird durch wildes Leben verwuͤſtet, ſeine Seele vergiftet werden. Es iſt entſetzlich, aber es iſt wahr!

Denken wir uns nur den kraftvollen Juͤngling! Mark und Saft in den Knochen, Lebhaftigkeit der Phantaſie, gluͤ - hend erwachende, fruͤher ungekannte Triebe, aufſtrebender Sinn, der Beſitz aͤußerer Mittel aller Art, die goldene Frei -15 heit, und dieſen gegenuͤber luſtige Kameraden, bemooſte Burſche, heiteres Wirthshausleben und Kneipen, Duellwuth und liederliche Dirnen nein, wenn dieſe Verhaͤltniſſe die Aufmerkſamkeit der Staatsbehoͤrden nicht ſchaͤrfen, ſie nicht bis zur Gewiſſenhaftigkeit und Wachſamkeit ſteigern, es waͤre nicht zu verantworten. Nur die Gleichguͤltigkeit gegen alles Reine und Edle kann hier von den ſtrengſten Forderungen ab - gehen. Der ungepruͤfte Juͤngling kommt an den Scheideweg, er muß ihn betreten und ſich entſcheiden, ſonſt wird er kein Mann; aber die Verſuchungen des Lebens ſteigern durch ver - ſuchende Haͤuſer und Menſchen, durch mittelalterliche Vorur - theile von Ehre und Tuͤchtigkeit, durch eine Freiheit, wie ſie kein Mann genießet das iſt vor Gott und Menſchen nicht zu verantworten. Der Staat richtet die Univerſitaͤten ein, und es giebt keinen andern Weg, ſich zum hoͤheren geiſtigen Leben emporzuſchwingen dieß legt ihm die große Pflicht auf, dafuͤr zu ſorgen, daß als Regel angenommen werden muß: der ſeiner Anſtalt vertrauensvoll uͤbergebene Juͤngling werde nicht an Leib und Seele verdorben, ſondern veredelt zuruͤckkehren. Darum iſt die ſtrenge Forderung, daß verlok - kende und verfuͤhreriſche Dinge auf der Univerſitaͤt nicht ge - duldet werden, das Minimum, was im Namen der Menſch - heit gefordert werden muß.

Dieſes iſt ſchon ſehr viel, aber es reicht nicht hin. Denn auf dem Acker waͤchſt noch kein Weizen, wenn man nichts weiter thut, als daß man ihn von boͤſem Unkraut reinigt und Suͤmpfe und Kloaken entfernt. Poſitive Einrichtungen muͤſſen hinzukommen. Nicht von ſelbſt macht ſich eine tuͤchtige Er - ziehung. Es gehoͤren Potenzen dazu, machtvoll erregende, energiſch ergreifende. Welches ſind ſie?

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Fuͤrchte man nicht, wir werden die Strenge der Schul - disciplin fordern. Nur in der Freiheit reift man zur Freiheit. Und es iſt beſſer, daß Einer zu Grund gehe, als daß alle unter kleinlicher Bewachung klein bleiben. Aber man unter - ſcheide auch zwiſchen vernuͤnftiger Freiheit, die man leiden - ſchaftlichen Juͤnglingen geſtattet, und Libertinage. Darum poſitive Hebel und Kraͤfte. Von ihnen nennen wir zuerſt:

  • 2) Entwicklung der Selbſtthaͤtigkeit des Den - kens.

Oben iſt dieſe ſchon namhaft gemacht worden; hier muß ſie wieder auftreten, weil der Wille, der Charakter durch das Denken bemeiſtert und geleitet werden ſoll bei intelligenten Weſen. Weg darum mit aller Paſſivitaͤt im Lernen und Den - ken, mit blind todtem Annehmen gegebener Stoffe des Wiſſens! Nicht das Wiſſen kraͤftigt, ſondern das Verſtehen; nicht die Aufſammlung im Gedaͤchtniß, ſondern das Verarbeiten mit dem Verſtande; nicht das Aufſpeichern der Maſſen, ſondern das Aſſimiliren; nicht das Betrachten, ſondern das Suchen; nicht das Glauben, ſondern das Pruͤfen; nicht das Lernen, ſondern das Ueben; nicht das Fertige, ſondern das Zuberei - ten; nicht das Vorkauen, ſondern das Zergliedern; nicht das Nehmen, ſondern das Machen. Die darin liegende Wahrheit iſt laͤngſt von den Elementarlehrern eingeſehen und angenom - men worden; ſie muß nun auch mit Strenge und Unbedingt - heit unſern Hochſchullehrern gepredigt werden. Veraͤchtlich blicken ſie meiſt auf das Wiſſen und die Kuͤnſte der Schul - meiſter hinab; aber, beim Jupiter, ſehr viele koͤnnen von die - ſen verachteten, oft hungernden Schulmeiſtern Etwas lernen, die große Wahrheit: daß es bei der Geiſtes - und Charakter - bildung weit mehr ankommt auf das Wie als das Was,17 weit mehr auf die Form als den Inhalt, Alles auf die Me - thode.

Darum verlangen wir eine geiſtweckende, geiſtbildende Lehrmethode.

  • 3) Die zweite Forderung in dem Gebiete der poſitiven Veranſtaltungen der akademiſchen Jugend verlangt als hoͤchſten Inhalt der Vortraͤge belebende Ideen Hochbilder, Hochgedanken, Ideale.

Mit der Gruͤndlichkeit des Unterrichts, mit einer geiſt - ſtaͤhlenden Methode iſt es nicht genug. Die Form muß er - fuͤllt werden von dem rechten Gehalt. Der reifende Juͤngling ſtrebt nach dem Realen, das ſich in ſeiner Phantaſie zum Idealen, Hoͤchſten, Vollendeteſten verklaͤrt. Das eigentliche, innere Gluͤck dieſer Zeit beſteht in dem Ergriffenſein von Ideen, darin, daß dem Juͤngling die hoͤchſten Gedanken in ihrer Er - habenheit erſcheinen, und daß er ſo von ihnen gefaßt wird, daß er nicht nur auf Augenblicke, ſondern fuͤr immer von dem großen Entſchluſſe, der Verwirklichung derſelben ſein Le - ben zu widmen, ſich beſeelt und begeiſtert fuͤhlt. Wohl, das Leben ſtreift von dieſen Hochgedanken und Hochgefuͤhlen Man - ches ab; aber in dem wahrhaft durch das akademiſche Leben Verklaͤrten halten ſie das Leben hindurch vor, nimmer ver - ſchwindend. Die Hochſchule hat die Beſtimmung, dieſe Hoch - gedanken, dieſes hoͤhere Leben in ihren Zoͤglingen zu begruͤn - den, den Geiſt der Juͤnglinge fuͤr die Ideale reif zu machen. Die wichtigſten ſind: wiſſenſchaftliche Ausbildung, Foͤrderung geiſtiger Intereſſen der Nation, die erhabenen Gedanken der Tugend - und Pflicht - uͤbung in geiſtigem Berufsleben, Entwicklung der Nationalitaͤt in Aufopferungsfaͤhigkeit, Ehre18 und Freiheit. Dem aͤchten Juͤngling brauchen dieſe Worte nur um’s Ohr zu klingen, und ſeine Bruſt fuͤhlt ſich gehoben und ſeine Pulſe ſchlagen raſcher. Wehr dem tageloͤhnernden Heftſchreiber, der nur lernt, um ſein jaͤmmerliches Leben zu friſten, und durch das Amt eine verſorgende Milchkuh ſich zu verſchaffen. Unwerth, aus der Quelle der Wiſſenſchaften zu trinken, ſchoͤpft er aus abgeleiteten Brunnen, und anſtatt frei zu werden durch die Forſchung nach Wahrheit, ſchleppt er die Ketten des Geiſtes muͤhſam durch das Leben.

Sehet, werthe Leſer, das iſt das Ziel, der Preis und der Ruhm einer Hochſchule und ihrer Lehrer, wenn ſie es ver - ſtehen, in den Juͤnglingen die Funken des Geiſtes zu wecken, in ihnen eine Reihe von Alles belebenden und begeiſternden Ideen aufſteigen zu laſſen und ſie fuͤr Alles, was die Vor - und Mitwelt Großes hervorgebracht hat in Religion, Wiſſen - ſchaft und Leben, fuͤr alle kuͤnftigen Tage des Wirkens nach - haltigſt zu begeiſtern. Ein Lehrer, der Solches verſteht, nicht weil er ſich in kuͤnſtliche, ekſtatiſche Begeiſterung auf Augen - blicke zu verſetzen weiß, ſondern weil er ſelbſt in Ideen lebt, und Alles, was er ſagt oder verſchweigt, die Juͤnglinge mit belebendem Hauche anweht, ein Solcher iſt wahrhaft ein Leh - rer der hohen Schule. Jeder Andere aber iſt ein banauſiſcher Sacktraͤger, unwuͤrdig der hohen Wuͤrde, ein Prieſter der Ideen zu ſein.

  • 4) Aber der Menſch iſt nicht bloß Geiſt, er iſt auch Leib, und als Sinnenweſen iſt ſeine Entwickelung und ſeine Wirkſamkeit an irdiſche Bedingungen geknuͤpft. Wir verlangen darum von der Hochſchule nicht bloß Pflege des Geiſtes, ſondern auch Pflege des Leibes, nicht bloß Erhaltung der Geſundheit, ſondern Entwick -19 lung und Ausbildung des Leibes zum freien Dienſt fuͤr den Geiſt.

Scheuen wir uns nicht, mißdeutete Woͤrter zu gebrau - chen, deren Bedeutung aber einen guten Klang hat, wir mei - nen Gymnaſtik und Turnkunſt.

Nicht bloß in die Reitbahn, ſondern auch auf die Renn - bahn gehoͤrt der Juͤngling. Seinen Leib ſoll er nach altgrie - chiſchem Ideale tuͤchtig machen in allerhand Kuͤnſten und Uebungen. Es iſt nicht genug, daß er fechten, hauen oder ſtechen lerne, oft nur um eitler Ehre willen, ſondern er ſoll ſeinen Leib uͤberhaupt gewandt und ſtark machen. Auch der einjaͤhrige Kriegsdienſt bringt nicht, was wir verlangen: freie geſellig-gymnaſtiſche Uebungen und Spiele.

Wie, Ihr glaubt, das ſei geſunde, allſeitige Bildung, wenn Ihr den Juͤngling taͤglich vier, ſechs, acht Stunden auf die Bank in dem Hoͤrſaale feſſelt, wenn er keine andre Waffe ergreift als die Feder, und ſeine Kraft nur uͤbt in dem Tra - gen der Mappe?

Unſelig ſind die Folgen koͤrperlicher Verwahrloſung in den Jahren, in welchen der Leib ſeiner Vollendung entgegen reift, ſtrotzend von gaͤhrenden Saͤften. Einen Ausweg, eine An - wendung verlangen, ſuchen und finden ſie. Sollen ſie ſich auf’s Gehirn, in den Unterleib werfen, dort Ueberreizung und Nervenſchwaͤche, hier Entmannung bewirken? Tretet Ihr nicht mit Euch ſelbſt in Widerſpruch, wenn Ihr in den Bil - dungsanſtalten der Jugend fuͤr die Entwickelung der Leiber in keiner Art Sorge traget? Denn wir ſagen es Euch, eine Hochſchule, die nicht fuͤr die Koͤrperbildung vollkommene Ver - anſtaltungen trifft, leidet und ſiecht an einem unverzeihlichen Mangel. Nicht um ihrer ſelbſt willen verlangen wir Gym -20 naſtik, Turnkunſt und heitere maͤnnliche Spiele, ſondern um der Allſeitigkeit der Bildung willen. Wahre Geiſtesbildung, d. h. Mannhaftigkeit der Geſinnung und des Charakters ge - deiht und reift nur in gekraͤftigten Leibern.

  • 5) Wir verlangen ferner Anſtalten zur geſell - ſchaftlichen Entwicklung und Bildung unſe - rer Juͤnglinge.

Ueberall, wo junge Leute auf ſich ſelbſt beſchraͤnkt ſind, nur mit einander umgehen, reißt ein Geiſt der Rohheit ein, rohe Sitten, Verachtung aͤußerlicher, feiner Sitte und Erſchei - nung. Solches kann man ſogar in den Schullehrer - und Prieſter-Seminarien lernen. Natuͤrlich. Der junge, kraͤftige, frei ſich fuͤhlende Menſch durchſchaut bald die Leere aͤußerer Ceremonien und geſellſchaftlicher Uebertreibungen. Indem ſein Sinn auf das Weſen gerichtet iſt, verwirft er, was ihm ein hohler Schemen zu ſein duͤnkt, und gerade der Tuͤchtigſte ge - faͤllt ſich leicht in der Verachtung aͤußerer Freiheit und ſchoͤ - ner Sitte. Um ſolcher rohen Erſcheinungsweiſe vorzubeugen, hat man in manche Schullehrer - und Prieſter-Seminarien die Myſtik, den Pietismus eingefuͤhrt. Gewiß, ein herrliches Mittel fuͤr dieſen Zweck! Denn aller Orten auf dem weiten Erdenrund gleichen die Froͤmmler ſich in aͤußerer Ehrbarkeit und ſtiller Geſittung. Der Schein ſoll das Weſen erſetzen. Aber unſre Leſer werden es uns nicht zutrauen, daß wir die - ſes Mittel geiſtiger Entmannung anempfehlen. Den wildeſten, wuͤſteſten Burſchencomment ziehen wir dem Heuchler - und Froͤmmlerweſen vor. Aber wir wuͤnſchen daneben, daß den Juͤnglingen feine Sitten und Geſittung angebildet werde. Denn auch ſie gehoͤren zur Bildung, und mancher Juͤngling hat in21 ſeinem fruͤheren Leben keine Gelegenheit gehabt, ſie von ihrer ſchoͤnen und edlen Seite kennen zu lernen.

Unmoͤglich iſt die Erreichung dieſes Zweckes, wenn man die Juͤnglinge ſich ſelbſt uͤberlaͤßt. Auch erzielen die Thee - kraͤnzchen einzelner Profeſſoren mit ihren Disputationen uͤber ſcholaſtiſche Spitzfindigkeiten nicht, was wir meinen. Fuͤr Einzelne iſt geſorgt, die ſo gluͤcklich ſind, in der Univerſitaͤts - ſtadt Eintritt in gebildete Familien zu finden. Aber dieſer gluͤcklichen ſind wenige. Die meiſten ſind beſchraͤnkt auf das Beſuchen der Hoͤrſaͤle, der Stubenburſchen, der Reſtauratio - nen und Kneipen.

Nur in geſelligen Kreiſen gemiſchter Geſellſchaft, d. h. von Maͤnnern und Frauen, lernt ſich feine, zarte Sitte und liebliche Erſcheinung. Von Courtoiſie und Schmeichelkuͤnſten iſt nicht die Rede. Die Turnkunſt wird unſre Juͤnglinge da - von fern halten. Aber Gewandtheit im Umgange und Liebe zu edler Geſelligkeit in erheiternden Geſpraͤchen, in Spielen des Witzes und der Laune, wie in den Bewegungen des Tan - zes ſollen unſre Juͤnglinge lieben und uͤben lernen. Wahrlich mancher edle Juͤngling iſt dadurch allein zu Grund gegangen, daß es ihm an dem Hebel, der in dem Umgange und in der Achtung edler Frauen liegt, fehlte. Sein Herz verlangte mehr, als der Fechtſaal oder der Commerſch ihm brachte, und er fiel, oder was noch ſchlimmer iſt er ſank.

Wie dieſes zu veranſtalten, ſolches anzugeben, iſt nicht unſre Aufgabe. Wir nennen die Bedingungen, unter welchen die Bildung auf der Univerſitaͤt eine allſeitige werden kann. Die Ausfuͤhrung liegt denen ob, die zu Leitern und Lehrern der Hochſchulen beſtellt ſind. Einzelnes iſt auf einzelnen in ſchoͤner Weiſe ſchon geleiſtet. So in Heidelberg, dieſer be -322geiſternden, in mancher Hinſicht einzigen Univerſitaͤtsſtadt, durch das dortige Muſeum. Es geht Alles, wenn man nur will. Nur auf das deutſche Theater weiſe man nicht hin als auf eine Schule der Hoͤflichkeit und der Geſittung. Ja da - mals, als man noch den großen Gedanken eines deutſchen Nationaltheaters verfolgte, damals hoffte man, es wuͤrde werden und es haͤtte werden koͤnnen. Bei der jetzigen Entar - tung der Buͤhne aber muß man eher den Wunſch ausſprechen, daß die Juͤnglinge es nicht kennen lernen. Oder ſollte wirklich in den gewoͤhnlichen Luſtſpielen, in den Opern und Balleten eine geheim bildende Kraft liegen? Ja wohl, wir vermuthen und fuͤrchten es. Denn es bedarf des Beweiſes nicht, daß das Theater geſunken iſt. Dieſe Wahrheit liegt klar vor Jedermanns Augen da. Verloren gegangen iſt ſeine hohe Beſtimmung, darin beſtehend, den Sinn fuͤr ideale Schoͤnheit und Kunſt in den Zuhoͤrern zu wecken, und die ideale Groͤße menſchlicher Charactere mit lebendigeren Farben in die Einbil - dungskraft hinein zu legen, als die Geſchichte es vermag. Dieſes fuͤr aͤchte, hoͤhere Cultur unendlich wichtige Inſtitut iſt zu einer Anſtalt fuͤr Unterhaltung und Amuͤſement hinab - geſunken, und nicht bloß den Puritanern, ſondern ſelbſt frei - ſinnigen Menſchen draͤngt ſich die Frage auf, ob das heutige Theater nicht mehr ſchade als nuͤtze, und ob es nicht an der Zeit ſei, ein ſo zweideutiges Inſtitut ganz aufzuheben. Je - denfalls aber wird der haͤufige Beſuch des Theaters einem Studenten kein guͤnſtiges Vorurtheil erwecken.

Wie jeder Menſch in der Achtung von Perſonen, die ihm achtungswuͤrdig erſcheinen, einen Talisman beſitzt, der ihn von dem Schlechten und Gemeinen abhaͤlt, ſo zumal der Juͤngling, der ja noch nicht, wie der gereifte Mann, auf der feſten Baſis thatenreich zuruͤckgelegter Jahre oder oͤffentlichen23 Ruhmes ſteht, darum vor Allen der Stuͤtzen durch ſo edle Hebel, als Achtung und Vertrauen ſind, bedarf. In dieſer Hinſicht iſt das Leben der Studenten in großen Staͤdten nicht zu loben. Man bedenke ſich daher wohl, ehe man die Uni - verſitaͤten aus kleinen in große Staͤdte verlegt. Hier ver - ſchwindet der Einzelne, in kleinen iſt Jeder gekannt. Freilich, in großen Staͤdten gelangt der Corporationsgeiſt der Studen - ten zu keiner Macht, und wenn er der Uebel groͤßtes iſt, ſo darf man ſich nicht beſinnen; aber es bedarf dieſes einer ern - ſten Unterſuchung. So viel bleibt gewiß, in kleinen Staͤdten geht der Einzelne nicht ſo leicht zu Grund, als in großen, wo er mit ſeinen Schandthaten verſchwindet. Wir gehen wei - ter. Das Wort Corporationsgeiſt weckt den naͤchſten Gedanken.

  • 6) Zur Erziehung und Bildung der akademiſchen Jugend gehoͤren Genoſſenſchaften, Corpo - rationen.

Der regierende Geiſt der juͤngſten Vergangenheit und Ge - genwart und ſeine abſolute Unfaͤhigkeit zum Zeugen und Ge - baͤren zeigt ſich auch in der Aufhebung und Vernichtung aller geſchloſſenen Gemeinſchaften und Verbruͤderungen unter den Studenten.

Wir wollen zugeben, Ungehoͤrigkeiten mancherlei Art hat - ten ſich in ſie eingeſchlichen, man mußte einſchreiten. Aber daß Alles dieſer Art aufgehoͤrt hat, bleibt im hoͤchſten Grade zu bedauern. Man wird nicht einmal dadurch den Zweck er - reichen, den man anſtrebte. Das Schlechte vertilgt man nicht dadurch, daß man es verbietet, ſondern dadurch, daß man das Beſſere hervorruft. Mit einer reinen Negation und einer tabula rasa iſt es nicht gethan. Es entſteht gleich, wo Le - ben und Bewegung iſt, ein Anderes, oft ein Schlimmeres.

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Zuſammenſchaarung und Vereinigung des Gleichartigen[iſt] ein allgemeines Geſetz der lebenden Natur, in dem Thier - reiche wie unter den Menſchen. Ohne ſie iſt eine Organiſation undenkbar. Sie verlangt nicht Aufhebung des Differenten und Ununterſcheidbarmachung deſſelben. Das waͤre die heilloſe Maxime der Gleichmacherei ſondern ſie verlangt Vereini - gung des Gleichartigen zur Verrichtung einer Function in dem organiſch zu gliedernden Koͤrper und Ergaͤnzung derſelben durch alle uͤbrigen. Man hat alle Corporationsverhaͤltniſſe und da - mit alle Staͤnde der buͤrgerlichen Geſellſchaft aufgehoben, ſo weit ſolches von Menſchen abhing zu wahrem Unſegen fuͤr das Ganze*)v. Raumer, England 1856, I. S. 550: Die Wichtigkeit und Nothwendigkeit des Corporativen macht ſich in einer Zeit wieder geltend, welche demſelben viel zu uͤbereilt einen allgemeinen Krieg erklaͤrt hatte Mißbraͤuche der Zuͤnfte, der geſchloſſenen Buͤrgerſchaften, der monopoliſirenden Univerſitaͤten ꝛc. liegen ſo deutlich zu Tage, daß kein Unbefan - gener ſie leugnen kann; hieraus folgt aber auf keine Weiſe, ein Staat beſtehe lediglich aus einer hoͤchſten, centraliſirten Regie - rung, und dann aus lauter Einzelheiten, welche man, zuſam - men addirt, Volk zu nennen beliebe. Es folgt eben ſo wenig, daß alle zahlreichen Vereine der Einzelnen zu einem groͤßeren Ganzen ſchaͤdliche Staaten im Staate waͤren. Umgekehrt; jeder hoͤher entwickelte Staat bedarf mannigfaltiger, groͤßerer Organe: alſo Genoſſenſchaften der Handwerker, Kuͤnſtler, Gelehrten, Geiſt - lichen, Doͤrfer, Staͤdte, Landſchaften ꝛc. Und wie ſich auch die Zeit, wie ſich auch die Geſtaltung und der Zweck aͤndern moͤgen: es wird das Corporative, dieſe Wahlverwandtſchaft und Wech - ſelwirkung immer wieder hervortreten, und wie ein Phoͤnix aus der Aſche des Fruͤheren wieder hervorwachſen. , zur Verzweiflung fuͤr die Einzelnen, in denen ein organiſirender Geiſt lebt; wenn man in gleicher Richtung auch die landsmannſchaftlichen Genoſſenſchaften der Studen - ten aufgehoben hat, ſo moͤchte der augenblickliche Vortheil fuͤr die aͤußere Ruhe auf den Univerſitaͤten leicht durch den dauern - den Nachtheil fuͤr das innere Lebensprincip in den gebildeten25 Staͤnden der buͤrgerlichen Geſellſchaft uͤberwogen werden. Was iſt natuͤrlicher, als daß ſich in fremder Stadt die Heimaths - genoſſen zuſammenſchaaren, die ſich durch daſſelbe Gefuͤhl, dieſelbe Sitte, dieſelben Erinnerungen angezogen fuͤhlen? Man will nicht einmal die Verbindung der Commilitonen derſelben Facultaͤt. Man will ein reines Nichts, Iſolirung des Ein - zelnen von allen Andern. Die Feindſchaft gegen das Cor - porative erſtreckt ſich ſogar auf die Kleidung und die Farben. Alles ſei eine Maſſe, Jeder gleiche dem Andern, Nichts ſteche hervor. So wird das Leben eine Wuͤſte, die Langweiligkeit fuͤhrt das Scepter. Denn was iſt langweiliger als die Unter - ſchiedsloſigkeit!

Ehemals kannte man an der Kleidung und den Manieren den Handarbeiter, den Handwerker, den Kaufmann, den Ge - lehrten, den Studenten. Und warum ſoll der Student ſich nicht anders tragen, geberden als der Philiſter? Oder ſoll er auch nur ein Philiſter ſein? Liebt man ja bei den Solda - ten die Verſchiedenheit der Jacken und Treſſen. Die Solda - ten ſind aber die Menſchenwelt nicht allein. Auch wir ſind Menſchen, auch wir haben Launen, auch in uns leben Eigen - thuͤmlichkeiten. Der hollaͤndiſche Geſchmack der Gartenkunſt, der allen Gewaͤchſen unter der Scheere dieſelbe Geſtalt gab, iſt laͤngſt in ſeiner Unnatur anerkannt. In der Erziehung der Menſchen iſt man ſo weit noch nicht vorgeruͤckt. Wenn die Burſchenſchaft die Burſchenſchaft iſt, ſo iſt und bleibt auch der Student ein Student. Man laſſe ihm ſeine unſchaͤdlichen Eigenthuͤmlichkeiten, man leite und regle ſie. Nur der Schlechte ſondert ſich ab; der Gute ſchaart ſich mit Gleichgeſinnten zu - ſammen. Ohne dieß keine Freude, kein Gluͤck.

Es giebt zwei Principien, nach denen man die Studen - ten vereinigen kann: das fachmaͤßige und das lands -26 mannſchaftliche. Beide muͤſſen in Anwendung gebracht werden. Jeder tuͤchtige Student lebt in zwei Richtungen und Strebungen: die eine geht nach dem Wiſſen, die andere nach dem Leben. Jene zieht ihn zu Juͤnglingen deſſelben Fachs, dieſes vereinigt ihn mit ſeinen Landsleuten. Von beiden Trie - ben iſt der von lebendigen Kraͤften Erregte influencirt. In rechter Weiſe benutzt fuͤhren ſie, wie alle Triebe der Menſchen - natur, zum Guten. Der wiſſenſchaftliche Trieb findet ſeine Befriedigung durch geiſtige Beruͤhrung des Theologen mit den Theologen, des Juriſten mit den Juriſten u. ſ. w. Der ge - ſellige ſchaart zuſammen: die Schleſier, die Pommern, die Sachſen, die Wuͤrtemberger, die Baiern u. ſ. w.

Der ſtudirende Juͤngling iſt kein Kind mehr, das Geſetz behandelt ihn wie einen Muͤndigen, Freien, und der Lehrer nennt ihn einen Herrn. Darum iſt ihm der Staat eine oͤffent - liche Stellung im Leben ſchuldig, ſie gebuͤhrt ihm, und zu allen Zeiten ſtrebt der Student, dieſelbe zu gewinnen. Er fuͤhlt ſich einen Andern, als die uͤbrigen, die er Philiſter be - namſet, er will auch aͤußerlich ein Anderer erſcheinen. Dieſe Beſtrebungen ſind natuͤrlich, folglich heilſam und gut. Man befriedige ſie! Darum Vereinigung der Strebenden nach dem Princip des Faches, der Lebenden nach dem Eintheilungsgrund der Heimath! Soll das geiſtige Princip erſcheinen, ſo treten die Theologen, die Juriſten, die Mediciner, die Philoſophen zuſammen auf, die erſten etwa in ſchwarzer, die zweiten in rother, die dritten in gruͤner, die vierten in blauer Farbe. Soll das Leben des Gefuͤhls und der Geſinnung zur Erſcheinung kommen, ſo ſieht man zuſammen die derben Pommern, die gutmuͤthigen Sachſen, die breitſchulterigen Weſtphalen, die hei - teren Rheinlaͤnder, die ſchweren Baiern.

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So verlangt es das Leben, das auf den Hochſchulen herrſchen ſoll, nicht der Tod, der durch die Iſolirung entſteht. Dieß fuͤhrt uns zur folgenden Bedingung, die wir zu ſtellen haben:

  • 7) Bewegung und Erregung durch den Geiſt des oͤffentlichen Lebens und lebendige Theil - nahme an demſelben.

Wo oͤffentliches Leben iſt und ein Geiſt deſſelben, da wird von ſelbſt jeder Einzelne von ihm erregt und ergriffen. Es wirkt wie der Odem Gottes, der alle Kreatur durchdringt. Fuͤr dieſe Erregung bedarf es keiner beſonderen Veranſtaltung.

Das oͤffentliche Leben bedarf beſtimmter Organe und Ver - richtungen, hervorgerufen durch die Organiſation der Maſſen, wie ich ſie im zweiten Beitrag zur Lebensfrage verlangt habe. Die Organiſation geſchieht nach doppeltem Princip, weil Jeder von zwiefachem Intereſſe beſtimmt wird. Die In - tereſſen naͤmlich ſind zu vertreten. Das erſte iſt das Stan - desintereſſe, das zweite iſt das der Heimath, des Wohnortes, des Viertels, der Straße u. ſ. w.

Die Beſchaͤftigung des Mannes beſtimmt den Stand, dem er angehoͤrt, nichts Anderes. Er gehoͤrt zu den Genoſſen deſſelben Standes, zur Erreichung der Zwecke deſſelben und zur Vertretung ſeiner Intereſſen gegen die uͤbrigen Staͤnde. So wie in der Natur die Pappeln zuſammengehoͤren und die Eichen, ſo die Handwerker, die Kaufleute und die Gelehrten u. ſ. w. Und ſo wie die Arten der Pappeln und der Eichen eine Unterabtheilung unter ſich bilden, ſo die Arten der Hand - werker, der Kaufleute, der Gelehrten. Dadurch entſteht der compacte Corporationsgeiſt der Staͤnde, der ohnedieß da iſt, aber auch ſeine Anerkennung, ſeine Conſtitution verlangt. Noth -28 wendig iſt er ein einſeitiger. Seine Ergaͤnzung, Verallgemei - nerung und Beſchraͤnkung findet er durch das zweite Princip der Gliederung, durch die Zuſammenſchaarung aller Maͤnner, die denſelben Wohnort haben, oder in großen Staͤdten daſſelbe Viertel bewohnen. Hier wird jeder Einzelne durch die allge - meinen Intereſſen Aller influencirt, und die Einſeitigkeit wird durch die Allſeitigkeit, der moͤgliche Standesegoismus durch die univerſelle patriotiſche Geſinnung Aller verklaͤrt. Natuͤr - lich entſtehen zur Durchfuͤhrung dieſer Organiſation Verſamm - lungen der Genoſſen deſſelben Standes und derſelben Heimath. Die Glieder ſollen durch perſoͤnliche Gemeinſchaft, durch Rede und That in Wechſelwirkung treten, und alle bewegt werden von dem Geiſte der Gemeinſchaft des oͤffentlichen Lebens.

Den Studenten gebuͤhrt, ſagte ich oben, eine beſtimmte Stellung im Leben. Sie bilden den Stand der Studenten, und man gewaͤhrt ihnen, in weiſer Abmeſſung ihrer Beduͤrf - niſſe und Zwecke, beſtimmte Rechte. Auf die Freiheit der uͤbrigen Staͤnde haben ſie keinen Anſpruch, denn ſie produci - ren noch nicht, ſondern ſie lernen. Aber damit ſie lernen, muß man ſie ſich ausleben und ſich uͤben laſſen. Darum fuͤgt man den Stand der Studenten zu dem der Gelehrten als einem Appendix, die Theologen in abgeſonderter Gliede - rung zu der Kategorie der Profeſſoren der theologiſchen Facul - taͤt u. ſ. w. Auch ſollen die Einzelnen Zutritt haben zu den allgemeinen Vereinen derer, mit welchen ſie zuſammenwohnen. Der Juͤngling muß von dem Geiſt des oͤffentlichen Lebens er - regt und ergriffen werden. Denn nur dadurch entſteht fuͤr die in ihm erregten Hochgedanken eine Staͤtte praktiſcher Wirk - ſamkeit. Ohne dieſe Beziehung der Ideen auf das Leben glei - chen jene hohlen Schemen, oder ſie ſpuken gleich Geſpen - ſtern in dem Gehirne der Menſchen.

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Die Glanzpunkte des Lebens ſind die vaterlaͤndiſchen Feſte, großen geſchichtlichen Begebenheiten, Epochen und Ideen, und der erhabenen Natur und ihrem Schoͤpfer geweiht. Ohne großartige Nationalfeſte iſt kein erregtes, kein gehobenes Volksleben denkbar. Wir beſitzen kaum noch einen Schatten von ihnen. Ein ſicheres Zeichen, daß das Volk als Volk oder lebendige Nation zu exiſtiren aufgehoͤrt hat. Es vegetirt, oder der Einzelne ſpinnt ſein Netz in ſeiner ſtillen Behauſung, gleich der Spinne in ihrem Fangwinkel. Aber Geduld, die Furcht vor dem Mißbrauche wird verſchwinden, die deutſche Nation wird wieder erwachen und die Regierungen werden dieſes Erwachen gern befoͤrdern, wenn aus der gaͤhrenden Maſſe der verderbliche Stoff ausgeſchieden ſein wird. Die deutſche Nation in voller Reinheit der Geſinnung iſt nicht zur Leiche erſtarrt; der Puls geht zwar langſam, aber das Herz ſchlaͤgt noch, und wenn friſche Lebensluft ſie anhaucht, wird ſie ihren vegetirenden Zuſtand verlaſſen und aus dem Winterſchlafe zu neuem Leben erſtehen. Dieſe Entwicklungs - zeit wird vor Allen der Jugend zu gut kommen, der Hoff - nung fuͤr kuͤnftige beſſere Zeiten. Man wird dann mit Freu - den die friſche Kraft in ihren Armen und den Glanz ihrer funkelnden Augen wahrnehmen, und ihr die Stelle im oͤffent - lichen Leben anweiſen, die ihr gebuͤhrt. Und bei den Feſten wird ſie in ihrer Einheit und ihrer bunten Mannigfaltigkeit erſcheinen, und je nachdem das Feſt vorzugsweiſe eine geiſtige oder eine national-geſchichtliche Bedeutung hat, je nachdem wird ſie in den Farben der Facultaͤten oder in den landsmann - ſchaftlichen erſcheinen. Ein goldener Morgen fuͤr die Univer - ſitaͤten und fuͤr die ganze Nation!

  • 8) Ich komme zur letzten Bedingung, an welche das Heil der Erziehung der hoͤheren Jugend geknuͤpft iſt: die30 Tuͤchtigkeit der akademiſchen Lehrer in gei - ſtiger, ſittlicher und patriotiſcher Hinſicht.

Von einem Lehrer der Hochſchule, der eins der erſten Ehrenaͤmter des Staats bekleidet, daher ſeine Loͤhnung auch nicht Biergeld, ſondern mit Recht Ehrenſold (Honorar) genannt wird, verlange ich drei Eigenſchaften: Geiſt (Lehr - talent), ethiſche Geſinnung und Patriotismus, da - mit er als Lehrer, als Menſch, als Glied der Nation den Juͤnglingen, die ihn umgeben, als ſtrahlendes Muſter vor - leuchte. Denn das lebendige Beiſpiel wirkt maͤchtiger als Lehre und Unterricht.

Die erſte Eigenſchaft des akademiſchen Lehrers iſt das Lehrtalent, welches in einem durchgebildeten Verſtand, in hel - len Einſichten, in der Kenntniß der menſchlichen Natur und ihrer Entwicklungsgeſetze und in der Faͤhigkeit, Andere zu geiſtiger Thaͤtigkeit machtvoll und energiſch anzuregen, beſteht. Das eigentliche Lehrgeſchaͤft iſt ein ſtilles, innerliches, unhoͤr - bares und unſichtbares Geſchaͤft. Die Worte ſind es nicht, die geſprochen werden, die Saͤtze nicht, die mitgetheilt wer - den, die Mienen und Geberden auch nicht; es iſt vergleichbar dem Lichte des Himmels und dem Thau der Erde, und das Lernen iſt das Wurzeln der Pflanze in die Tiefe und ihr ſtilles Wachsthum. Wie der Odem Gottes weht uͤber den Waſſern, ſo haucht der Geiſt eines wahren Lehrers die ſchlummernden Geiſter der Schuͤler an, und ſie erwachen und freuen ſich. Es iſt belebend und erheiternd, wenn zuweilen von des Leh - rers Geiſt Raketen in die Luft ſteigen und Leuchtkugeln die ſchwarze Nacht recht ſichtbar machen; aber noͤthig iſt es nicht; wenn er nur, gleich dem Diamanten, mit eignem Lichte leuch - tet. In geheimer Anziehung beruͤhren ſich die Geiſter, und es ſind ſelige, geheimnißvolle Augenblicke, wo die Fluͤgelſchlaͤge31 und Schwingen des Geiſtes des Lehrers und der Schuͤler ſich beruͤhren. Solch Lehren iſt ein ſtilles, heiliges Geſchaͤft der Zeugung und Befruchtung, und die Nachkommen erfreuen ſich, wenn der lehrende Geiſt laͤngſt heimgegangen, der un - endlichen Erndte.

Solche tiefe Innerlichkeit beſteht nicht ohne Tugendgeſin - nung, ohne die geheime Freude an dem Edeln und Rechten. Sie iſt ſelbſt eine der groͤßten Tugenden. Aber uͤberhaupt ſei jeder Lehrer, zumal der der Hochſchule, ein ſittlich ernſter, tugendhafter Mann, der das Gleiche wirkt in ſeiner Umge - bung, ohne daß er ſpricht und ohne daß er es will, bloß weil er iſt. Worte ſind gut, aber ſie ſind nicht das Beſte; das Beſte wird nicht klar durch Worte. (Goͤthe.)

Und dann verlangen wir vom Lehrer, daß er ſich eng im Herzen anſchließe an das Vaterland, das ihn geboren, ſein Weh mitfuͤhlend in des Herzens Geiſt und Empfindung und fuͤr ſein Theil mitwirkend zu ſeiner Erneuerung und friſchen Bluͤthe. Wie ſind unſere Juͤnglinge darum die Hoffnung des Vaterlandes empfaͤnglich fuͤr die Selbſtſtaͤndigkeit und Ehre des Vaterlandes, wie hell erklingen ihre patriotiſchen Geſaͤnge und mit welcher Begeiſterung ſingen ſie den Lan - desvater . Ja, wuͤßtet ihr dieſe Keime zu befruchten, und truͤget ihr, Hochſchullehrer! den Geiſt des Vaterlandes und die Ehre der Nation in eurem Charakter, wahrlich wir wuͤr - den bald die Fruͤchte davon aͤrndten, und eine Zeit entſtehen, von der man nur mit Schmerz ſcheiden wuͤrde. Gott hat das deutſche Land auch dadurch geſegnet, daß er ſeine Juͤnglinge mit tiefen Grundanlagen und mit dem Keime heiliger Liebe zum Vaterlande begabte.

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Dieß ſind die Bedingungen, an welche die Bluͤthe deut - ſcher Univerſitaͤten nach meinem Ermeſſen geknuͤpft iſt; dieſes die Forderungen, die ich an ſie mache; dieß der Maßſtab, mit dem ich ſie meſſe. Nicht engherzigen Schuͤlergeiſt will ich in die Juͤnglinge gepflanzt wiſſen, nicht ſpaͤhende, auflauernde Bewachung, ſondern freie, heitere Entwicklung und weite Rennbahn zur Entwicklung aller Kraͤfte. Darum aber noch nicht Nichtsthun, Vernichtung aller poſitiv wirkenden Inſti - tute, ſondern Anlegung machtvoller Hebel und Kraͤfte, deren Einfluß ſich zu entziehen Jedem ſchwer werden wird. Fallen und ſinken muß auch der akademiſchen Jugend moͤglich ſein, aber man muß es ihr erſchweren, nicht durch Befehle, Macht - gebote und Strafen, die ſich uͤberall in ihrer Ohnmaͤchtigkeit erweiſen, ſondern durch innere Factoren und Kraͤfte.

Darum um zuſammenzufaſſen Entfernung aller gefaͤhrlichen Verlockungen und Reize von dem Sitze der Uni - verſitaͤt; denn da Gott Niemand verſuchet, ſo ſollen auch die Menſchen einander nicht verſuchen, und wir wiſſen es, wer die Jugend verfuͤhrt, oder zugiebt, daß ſie verfuͤhrt werde, dem waͤre es beſſer, daß man ihn mit einem Muͤhlſteine im Meere erſaͤufe; und neben dieſer negativen Wirkſamkeit ener - giſche Potenzen zur Entwicklung des poſitiv Guten, darum: Entwicklung der ſelbſtthaͤtigen Kraft im Denken, Belebung des Geiſtes durch erhabene Ideen, koͤrperliche Gewandtheit und Staͤrke, Ausbildung zu feiner Geſelligkeit und edler Sitte, ſichere Gliederung und Organiſation, wie des ganzen Volkes, ſo der akademiſchen Jugend zur Entwicklung eines charakte - riſtiſch beſtimmten Corporationsgeiſtes, Gemeingeiſt und Kraft des oͤffentlichen Lebens und Lehrer voll Geiſt, Tugendgeſin - nung und Patriotismus.

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II. Würdigung unſerer Univerſitäten nach dem vorgelegten Maßſtabe.

Ich glaube nicht, daß es noͤthig waͤre, die Rede weiter fort - zuſetzen, naͤmlich nicht fuͤr diejenigen, welche die deutſchen Univerſitaͤten kennen. Fuͤr Solche ſchreibe ich eigentlich nur. Denn die ſie nicht kennen, werden auch durch das Nachfol - gende nur eine einſeitige Kenntniß von ihnen erlangen. Aber auch fuͤr jene iſt zwiſchen kennen und kennen ein Unterſchied. Der Eine betrachtet dieſelbe Sache von ganz anderer Seite als der Andere. Beide ſehen in und an demſelben Dinge Verſchiedenes. So muß denn auch ich ſagen, was ich ſehe. Ich werde es mit der Offenheit und mit der Ruͤckhaltloſigkeit thun, die eine ſo wichtige Sache Jedem, der daruͤber ſprechen will, zur Pflicht macht. Ich werde die Sache bei ihrem Namen nennen, von dem Schlechten nicht mit beſchoͤnigenden Worten ſprechen. Aber ich werde mich kurz faſſen und nicht von Allem reden. Beides verlangt meine Neigung und meine Lage. Zu einer gruͤndlichen Erſchoͤpfung fehlt mir die Zeit und die Kraft. Statt daher die einzelnen Seiten des oben34 vorgezeichneten Maßſtabes an die Univerſitaͤten anzulegen, hebe ich nur einige Hauptſeiten hervor. Jenes waͤre langwei - lig, und die Langweiligkeit iſt auch bei einer Schrift einer der ſchlimmſten Fehler. Jede Art, ſagt ein franzoͤſiſches Sprich - wort, iſt gut, mit Ausnahme der langweiligen Art. Ich be - ſchraͤnke mich auf die Beſprechung der Lehrer und einige oͤffentliche Verhaͤltniſſe. Daraus wird dann hervor - gehen, ob die Univerſitaͤten das Lob verdienen , das An - dere ihnen geſpendet haben.

A. Die Univerſitätslehrer.

Was ich von ihnen zu ſagen habe, will ich unter den drei Rubriken zuſammenſtellen: wiſſenſchaftliche Rich - tung, Lehrmethode, Geſinnung.

1. Die wiſſenſchaftliche Richtung der Univer - ſitätslehrer.

Sie geht aus auf die Allheit des Wiſſens. Moͤglichſt vollſtaͤndige Erſchoͤpfung der Wiſſenſchaft, der ſie ſich widmen, iſt ihr Ziel, Gelehrſamkeit mit einem Worte. In dieſe ſetzen ſie ihre Beſtimmung, ſie iſt ihre Ehre, ihr Triumph. Sie wuͤrdigen die Wiſſenſchaften ſelten nach ihrem Einfluß auf den menſchlichen Geiſt oder auf die ſocialen Verhaͤltniſſe, ſondern die Wiſſenſchaft iſt ihnen Zweck. Einmal das objec - tive Wiſſen an ſich, dann ſeine ſyſtematiſche Gliederung. Das Letztere iſt ſehr wichtig und nothwendig, aber es iſt nicht das Hoͤchſte, und die dadurch entſtehende Richtung iſt eine einſei - tige. Nirgends ſoll das Wiſſen Zweck an ſich ſein, ſondern nur Mittel. Wo es als Zweck aufgeſtellt wird, da herrſcht eine verkehrte Anſicht, und es entſteht Goͤtzendienſt des Wiſ - ſens, der auf unſern Univerſitaͤten herrſcht. Der eigentliche35 Zweck des Wiſſens iſt die durch daſſelbe zu erzielende geiſtige Bildung. Natuͤrlich exiſtirt keine Geiſtesbildung ohne Wiſſen, und jede Uebung der Kraͤfte geſchieht an einem Stoffe. Aber dieſen Stoff vollkommen zu beherrſchen, die Geiſteskraͤfte all - ſeitig an ihnen zu uͤben, das iſt der wahre Zweck der Be - ſchaͤftigung mit den Wiſſenſchaften. Auf Sammlung von Kenntnißmaſſen, Aufſpeicherung gelehrter und ſubtiler Begriffe kommt es daher nicht an. Sucht der Gelehrte darin ſeine Beſtimmung, ſo entſteht die unfruchtbare, todte Gelehrſamkeit. Als Lehrer wird er dann in der Mittheilung eines moͤglichſt reichen Materials ſeine Vollendung erblicken. Er wird nicht fragen, was das Wiſſen, das er vortraͤgt, nuͤtzt, was fuͤr Fruͤchte es dem Geiſte oder dem Leben bringt, in wie weit es zur Befreiung und Erſtarkung des Geiſtes und zur Be - herrſchung der Natur beitraͤgt, er ſetzt ſeinen Zweck in das Wiſſen ſelbſt. Dieſe Richtung iſt bei vielen, bei den meiſten unſrer Gelehrten vorherrſchend.

Daher die unendliche Verbreitung uͤber denſelben Gegen - ſtand, daher die Maſſe unfruchtbaren hiſtoriſchen Wiſſens, daher die Belaſtung und Erdruͤckung der Juͤnglinge mit Lern - ſtoffen, daher die Knechtſchaft der jugendlichen Geiſter, ſtatt ihrer Befreiung, daher ihre Anſtrengung vor dem ihnen bevor - ſtehenden Examen und ihre Ermuͤdung nach demſelben, daher die Erſcheinung, daß das Studiren bei den Meiſten aufhoͤrt, wenn ſie die Univerſitaͤt verlaſſen. Sie fuͤhlen ſich erdruͤckt, getoͤdtet.

Darum iſt die Wahrheit laut zu predigen, daß Bildung und Wiſſen zweierlei Dinge ſind; daß die Bildung nicht ein - mal mit dem Wiſſen congruirt, welches Tiefe und Umfang mit einander verbindet; vielmehr hat es nur in ſo weit Werth, als es beitraͤgt zur Kraͤftigung des Geiſtes, zur Befeſtigung36 des Willens im Guten, zur Veredlung der Perſoͤnlichkeit, zur Richtung auf das Hoͤhere. Unſere Zeit hat dieſes vergeſſen, ſie verwechſelt das Mittel mit dem Zwecke, hat vergeſſen, daß die Richtung und das Streben nach dem Hoͤheren, das keiner weiteren Charakteriſirung bedarf, die Grundlage und der Gipfel aller wahren Bildung iſt, daß dieſe Richtung den Werth des Characters des Einzelnen und einer ganzen Zeit beſtimmt. Man kann unendlich viel wiſſen, und doch ein ungeſchlachter, roher und gemeiner Menſch ſein.

2. Die Lehrmethode.

Die einſeitige Richtung auf das Wiſſen und die Gelehr - ſamkeit fuͤhrt zu der Lehrmethode, die unſere akademiſchen Lehrer uͤben. Es iſt die akroamatiſche. Der Lehrer ſpricht, die Schuͤler ſchweigen, hoͤren zu und ſchreiben nach. Jener traͤgt vor, er lieſ’t ab, oder er bedient ſich des freien Vortra - ges. Natuͤrlich iſt Letzteres das Beſſere, weil es das Leben - digere, Anregendere iſt, vorausgeſetzt, daß Ordnung in dem Vortrage herrſcht.

Ueber dieſen Gegenſtand habe ich mich in der Rede uͤber die Lehrmethode Schleiermacher’s ausgeſprochen. Ich kann mich daher um ſo kuͤrzer faſſen.

Mit Franz Theremin halte ich ſie fuͤr verkehrt. Denn ſie iſt toͤdtend. Beſteht der akroamatiſche Vortrag in Ent - wicklung, Zergliederung, Widerlegung, giebt er eine Geneſis der Gedanken, iſt es ein freier Denkproceß, wie bei dem un - erreichten Schleiermacher, ſo leiſtet er, was er zu leiſten vermag. Aber der Entwicklungsproceß verlangt gemeinſchaft - liche Thaͤtigkeit des Lehrers und des Schuͤlers. In dieſem ſoll die Entwicklung geſchehen.

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Daß der Lehrer den Proceß fuͤr ſich durchgemacht habe, muß vorausgeſetzt werden. Nun beſteht ſein Geſchaͤft darin, daß er ſeine Schuͤler dazu befaͤhige. Dazu reicht nicht hin, daß er den Denkproceß ihnen vormache; er muß denſelben in ihnen erzeugen.

Ob Solches der Fall ſei, ob die Schuͤler ihn angefangen haben und fortſetzen, Solches kann man nur erfahren, wenn die Schuͤler ihre Gedanken aͤußern. Folglich darf dieſes nicht fehlen. Mit Recht fordert daher Theremin als vorherr - ſchende Lehrform den Dialog. Dem muß ich vollkommen beiſtimmen, obgleich ich von ihm allein die Wirkungen nicht erwarte, die er ſich davon verſpricht, naͤmlich die Vernichtung aller Maͤngel und Gebrechen des Univerſitaͤtsweſens. Es muß nach dem Fruͤheren noch viel Anderes hinzukommen. Aber ich ſteigere ſeine Forderung und verlange nicht bloß dia - logiſche Unterhaltung, ſondern ſtrenge, ſokratiſche Entwicklung, beſonders der Grundideen und alles Weſentlichen, das ſolcher Behandlung faͤhig iſt.

Alles Wiſſen zerfaͤllt in zwei Arten. Entweder iſt es hiſtoriſch poſitiver Art, oder es ſtammt aus dem Geiſte. Bei - des muß ſcharf geſondert werden. Nach der Verſchiedenheit des Urſprunges iſt es verſchieden zu behandeln. Das Erſte muß gegeben werden und der Schuͤler hat es zu lernen und in ſeinem Gebrauche ſich zu uͤben, bis zur vollkommenen Fer - tigkeit. Das Zweite dagegen ſoll er ſuchen und finden. Dazu bedarf er der Leitung, der Erregung. Jenes ſoll gar nicht Gegenſtand des Lehrvortrages in den Hoͤrſaͤlen der Univerſitaͤ - ten ſein, es gehoͤrt in das Buch, das der Schuͤler ſich anzu - ſchaffen hat, um die Materialien ſich anzueignen. Solches kann man ihm, da er ein gereifter Juͤngling, kein Kind mehr iſt, uͤberlaſſen, und man muß es ihm zumuthen. Das aus438dem Geiſte ſtammende Wiſſen dagegen, das Rationale iſt aus - ſchließlich der Gegenſtand der Beſchaͤftigung. Dieß iſt meine Grundanſicht.

Durch dieſe Scheidung des hiſtoriſchen Wiſſens von dem rationalen reducirt ſich der in einer Vorleſung zu behandelnde Lehrinhalt auf ein Viertel, ein Achtel oder in noch mehr ab - nehmenden Exponenten. Dieſes iſt ein unendlicher Gewinn. Der Reſt kann nun vollſtaͤndig verarbeitet werden, worauf Alles ankommt.

Ich denke mir die Ausfuͤhrung ſo:

Dreißig bis fuͤnfzig Studenten ſitzen im Halbkreiſe, der Lehrer mitten zwiſchen ihnen. Mit der hiſtoriſchen Grundlage haben ſie ſich bereits bekannt gemacht. Nun beginnt der Leh - rer die Entwicklung in freiem Geſpraͤche, nach der Weiſe der Alten, aber zugleich mit Benutzung aller ſeitdem in der Me - thodik gemachten Fortſchritte. Ob die Schuͤler einen kurzen Leitfaden als Wegweiſer, der Haltpunkte, Fingerzeige enthaͤlt, in der Hand haben oder nicht, iſt gleichguͤltig. Es kann ſein, kann auch nicht ſein. Darauf kommt nichts an. Auch darauf kommt nichts an, ob viel oder ob wenig Stoff verarbeitet wird. Aber daß verarbeitet werde, das iſt’s. Der Student ſoll das philoſophiſche Denken lernen. Iſt dieſes geſchehen, ſo braucht er den Lehrſaal nicht mehr zu beſuchen. Er hat ausſtudirt, d. h. er wird das Studiren ewig fortſetzen. Denn der Geiſt iſt in ihm zum Leben gekommen. Und der (lebendig gewordene) Geiſt laͤßt ſich nicht bannen.

Gleich wird man mit Einwendungen bei der Hand ſein, aͤußere Schwierigkeiten aufzaͤhlend.

Man wird die Menge der Studenten nennen. Freilich wird nicht leicht ein Lehrer Hunderte zugleich im Denkproceß zu erhalten faͤhig ſein. Aber Hunderte gehoͤren auch nicht39 zuſammen. Sollten ſie nicht abzuhalten ſein, nun, ſo iſt es doch tauſendmal beſſer, daß alle der Entwicklung, an der Zwanzig bis Dreißig ſprechend Theil nehmen, zuhoͤren, die Fragen als an ſich gerichtet betrachten und ſtill mit antwor - ten, als daß Keiner antwortet und redet. So viele Lehrer man zur Erreichung des Hauptzweckes noͤthig hat, ſo viele ſind anzuſtellen. Aber ich ſagte ja ſchon, daß die Maſſe des bisherigen Lehrſtoffes ſich außerordentlich vermindere, ja daß es auf die Maſſe gar nicht ankomme.

Man wird ſagen, die Herren Studenten lieben das Ant - worten, Reden, Selbſtdenken nicht. Wirklich nicht? Sehet, wenn das wahr iſt, dann habt Ihr uͤber Eure bisherige Weiſe ſelbſt den Stab gebrochen. Gewinnen ſie durch das bisher uͤblich geweſene Verfahren keine Liebe zu ſelbſtthaͤtigem Den - ken, ſo folgt daraus, daß man die verkehrte Weiſe abſchaffe. Aber ich gebe Euch in der Behauptung recht. Unſere heuti - gen Studenten ſitzen am liebſten ſtill da, nachſchreibend wie die Maſchinen, und die Maſſe nach Hauſe ſchleppend, wie die Laſtthiere.

Man wird ſagen, die meiſten unſerer Profeſſoren ſeien der dialektiſchen Entwicklung nicht maͤchtig. Solches gebe ich auch zu, ja ich behaupte es entſchieden. Aber wer ein Pro - feſſor ſein will, hat dieſes Schwerſte zu lernen. Wer es nicht vermag, der paßt weder zum Hoch - noch zum Dorfſchulleh - rer. In ihr liegt das Weſentliche des Lehrgeſchaͤfts.

Dieſe und andere Einwuͤrfe ſind nichtig. Zaͤhlen wir dage - gen nur einige der Vortheile, der Folgen dieſer Lehrmethode auf.

1) Es verſchwindet der Tod aus den Lehrſaͤlen, ſie wer - den aus Hoͤrſaͤlen Uebungsſaͤle, Denkſtaͤtten. Unſere Juͤng - linge werden geiſtig ſelbſtſtaͤndig, ſie gelangen zur intellectuellen Emancipation.

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2) Alle impotente, ohnmaͤchtige Menſchen werden von dem Katheder abgehalten; nur die geiſtig kraͤftigſten werden Hochſchullehrer. Man wird keine gelehrten Kameele, wie die Herren Studenten gewiſſe Leute zu nennen pflegen, mehr an - ſtellen. Wer nicht ſeiner ganzen Wiſſenſchaft maͤchtig iſt, nicht jeden Einwurf zu widerlegen oder zu behandeln verſteht, nicht ſelbſt zum Denken jeden Augenblick aufgelegt iſt er wird es nicht wagen, ſich mit der geiſtgeweckten deutſchen Ju - gend einzulaſſen. Ein unendlicher Gewinn! Nur die tuͤchtig - ſten werden zur Wuͤrde eines akademiſchen Lehrers gelangen. Dafuͤr iſt dann bleibend und ſicher geſorgt.

3) Aufhoͤren wird mit einem Male das Prunken mit gelehrtem abgelernten Krame, verſchwinden der hiſtoriſche Wuſt, der wie ein Ballaſt den aufſtrebenden Geiſt erdruͤckt. Nicht mehr anſtellen wird man junge unreife Maͤnner, die, ſelbſt erſt Neulinge im Denken und im Leben, meinen, man koͤnne ein akademiſcher Lehrer ſein, wenn man ein Heft zu - ſammenzuſchreiben und vorzuleſen verſtehe. Man wird die, welche ſich auf niederen Poſten als denkende, zur entwickeln - den, geiſterregenden Lehrart faͤhige Koͤpfe bewaͤhrt haben, zu Hochſchullehrern berufen.

Doch genug; die Sache ſpricht fuͤr ſich. Halten wir nur noch den Gegenſatz, die jetzt beſtehende Einrichtung dage - gen, zur gegenſeitigen Beleuchtung.

Da ſitzen die Juͤnglinge, welche die beſte Vorbildung ge - noſſen haben, die es bis jetzt auf Erden giebt, oft zu Hun - derten ſtumm vor dem einen Mann auf der Hitſche. In monotonem geiſtloſen Vortrage leſen die Meiſten ihre Weisheit aus dem Hefte, oder, um den Stumpfſinn zu verewigen, kommen ſie der Faulheit durch Diktiren zu Huͤlfe. Machen die Herren, ſagte der alte N. N., weiland Profeſſor in Marburg,41 gefaͤlligſt ein Kommachen. Nichts wird gehoͤrt, als das Kritzeln der Federn. In gekruͤmmter Stellung legen ſie ſo taͤglich vier oder mehr Stunden ſich Sammlungen von Heften an. Mit Berſerkerwuth ſchreiben ſie Sachen auf, die in tauſend Buͤ - chern ſtehen, hiſtoriſchen Wuſt, gelehrten Kram, Minutien und Quisquilien. Mit einem zerreißenden Gefuͤhl, aus Mit - leid und Abſcheu gemiſcht, betrachte ich dieſen ſtaunenswuͤrdi - gen Vorgang. Mit Mitleiden dieſe armen Leute ſind zur abſchwaͤchendſten Sclavenarbeit verdammt; mit Abſcheu, denn ſie haͤtten doch durch die Gymnaſialbildung zu hoͤherem Sinn und hoͤherem Streben gelangen koͤnnen. Freilich wirft die Denkſcheu der Meiſten und der Umſtand, daß ſie ſich ſo all - gemein das Vorſagen und das Diktiren gefallen laſſen, ja oft es verlangen, kein guͤnſtiges Licht auf die Leiſtungen der Gym - naſien. *)Mit den Gymnaſien wird es nicht eher gut, bis man für die Bildung der Gymnaſiallehrer ſolche Anſtalten errichtet, wie für die Elementarlehrer beſtehen. Dieſe Wahrheit bedarf keines Be - weiſes. Gebe Gott, daß mein Heimathland Preußen ſich den Ruhm erwirbt, auch in dieſem Stücke voranzugehen! Dazu möchte ich noch mitwirken.Auch dort erliegen die armen Jungen oft dem ge - lehrten Wuſte. Aber auch mit Staunen betrachte ich das Schauſpiel. Ungeheure Fortſchritte hat die Methodik des Un - terrichts gemacht, ſeit drei Jahrhunderten; Tauſende von Dorf - ſchulen erfreuen ſich einer belebenden Lehrmethode, unſere Univerſitaͤten haben keine Notiz davon genommen, ſie haben ſich unveraͤndert erhalten trotz aller Reformen und Revolutio - nen in dem Leben. Es iſt eine lehrreiche Geſchichte. Soll es ſo fortgehen? Vernehmen wir uͤber den geiſtigen Zu - ſtand der Studirenden die Verſicherungen eines Mannes, der aus langer Erfahrung ſpricht.

42

Man blicke , ſagt der Profeſſor Beneke*)Siehe deſſen Erziehungs - und Unterrichtslehre, Berlin bei Mitt - ler, 1836, 2 Bände, ein geiſtvolles Werk, allen Lehrern an Gymnaſien und allen Docenten ſehr zu empfehlen!, auf die Univerſitaͤt. Statt in den Geiſt der vorgetragenen Wiſſen - ſchaften einzudringen und das Geiſtige geiſtig zu faſſen, faſſen in allen Facultaͤten die meiſten Studirenden daſſelbe bloß aͤu - ßerlich und dem todten Buchſtaben nach, bleiben auch hier an der Sprache, als dem Inbegriff aͤußerer Zeichen, oder an hi - ſtoriſchem Nebenwerk, oder an leeren Formeln, haͤngen, weß - halb ſie ſich denn auch auf die ſogenannten Brotwiſſenſchaften beſchraͤnken, und keinen Trieb fuͤhlen, dieſelben durch umfaſ - ſendere hiſtoriſche und[philoſophiſche] Erkenntniſſe tiefer lebendig zu machen. **)Wenn obige Schilderung wahr iſt, ſo taugt unſere Gymnaſial - bildung nicht. An den Früchten erkennt man auch ſie. Obige Schilderung iſt, leider! nur zu wahr. Die Gymnaſien ſind an zwei Uebeln krank, oder machen krank: 1) ſie überfüllen den Schüler mit Maſſen des verſchiedenartigſten Wiſſens; 2) ſie ſor - gen nicht für eine tüchtige Verarbeitung. Der erſte Fehler ent - ſteht aus der wunderlichen Angſt vor Einſeitigkeit, und doch zieht jeder verſtändige Menſch eine tüchtige, d. h. eine geſunde und kräftige Einſeitigkeit, mit Luſt und Liebe zur Sache, jeder mit - telmäßigen Univerſalität vor, wozu unter 100 Gymnaſiaſten 90 genöthigt werden, zu unermeßlichem Schaden für die ge - ſunde Stärke ihres Leibes und die Friſche ihres Geiſtes. Manche unſerer Gymnaſiaſten betreten als junge Greiſe die Univerſität. Natürlich können ſie keine andere Erſcheinungen darbieten, als die obigen im Texte.Die Verdauung und Verarbeitung des mannigfaltigſten Wiſſens wäre noch eher zu erwarten, wenn alle Gymnaſiallehrer Meiſter der Methodik wären. Aber hic haerat aqua. Dann könnte man auch auf eine Verminderung der Lectionen dringen. Was würde dadurch überhaupt nicht ſchon an phyſi - ſcher Geſundheit und Kräftigkeit gewonnen! Dieſe und geiſtige Friſche ſind nur dann zu erwarten:Werden ſie aͤußerlich, oder auch durch eine43 zufaͤllig und fluͤchtig begruͤndete Neigung zu dieſen gefuͤhrt, ſo ſehen wir ſie beinahe gaͤnzlich unfaͤhig, ſich daruͤber zu orien - tiren und auch nur die leichteſten Beiſpiele zu finden fuͤr die Veranſchaulichung des abſtract Vorgetragenen; und ſie geben ſich entweder einem abſtracten Formelweſen oder den unſtaͤt ſchweifenden Phantaſien poetiſirender Speculation hin. Ein nicht geringer Theil thut in dem erſten Univerſitaͤtsjahre ſo gut wie gar nichts; die Meiſten kommen wenigſtens nicht uͤber ein treues Nachſchreiben der Vorleſungen und eine todte Wie - derholung derſelben hinaus; ein angeſtrengtes Selbſtarbeiten tritt bei Vielen erſt in der letzten Zeit vor dem Examen und aus Furcht vor demſelben ein (auch dann alſo nur von mehr mechaniſcher Art und als Gedaͤchtnißwerk), und wird mit die - ſer Furcht wieder abgeworfen, ſo daß ſie ihr ganzes Leben hindurch nur durch ihre nothwendigen Berufsgeſchaͤfte mit dem allgemeinen geiſtigen Erwerbe der Menſchheit in Verbindung bleiben. Allerdings giebt es hiervon viele ehrende Ausnahmen; aber ſie ſind doch nur ein kleiner Theil des Ganzen, und es moͤchte nicht zu berechnen ſein, wie viel Unheil, auch fuͤr alle Zweige des praktiſchen Lebens, aus dieſem laͤſſigen, todten, buchſtabenartigen Treiben der Wiſſenſchaften auf der Univer - ſitaͤt hervorgehen.

Dieſes ſind die Folgen der Lehrmethode, die auf den Gymnaſien und Univerſitaͤten herrſcht.

**)
  • 1) wenn man nur Hauptgegenſtände und dieſe vollſtändig er - lernt;
  • 2) wenn es in heiterer Anſtrengung geſchieht, was von der Methode abhängt;
  • 3) wenn man dem Leib ſein volles Recht wiederfahren läßt.

Iſt dieſes in der Regel, d. h. in zehn Fällen neunmal, als Reſultat unſerer Schulbildung zu erwarten???

**)44

Am allerwenigſten paßt ſie fuͤr die, welche ſelbſt Lehrer werden wollen, ſei es an oͤffentlichen Schulen, oder Religions - lehrer. Denn wie ſie gelehrt worden ſind, ſo lehren ſie wie - der, und ſo pflanzt ſich die vorſagende, vordenkende, diktirende Methode oder vielmehr Unmethode bis in alle Ewigkeit fort. Auf keiner deutſchen Univerſitaͤt kann der kuͤnftige Lehrer die geiſtbildende Methode kennen und uͤben lernen. Natuͤrlich faͤngt der Anfaͤnger im Lehramte ſo an, wie er auf der Uni - verſitaͤt gelernt hat. Denn wie laͤßt ſich mit Billigkeit von ihm fordern, daß er das Schwerere, was er nicht geuͤbt hat, nicht hat uͤben ſehen, beginne? Daher noch immer die Sel - tenheit einer geiſtbildenden Methode in den Gymnaſien, daher die Urſache der gerechten Klagen, die Beneke fuͤhrt, daher auch, wenigſtens zum Theil, die Gemeinheit vieler Menſchen, deren Geiſt, ungeachtet der Beſchaͤftigung mit den Gegenſtaͤn - den, von welchen man ruͤhmt, daß ſie die Humanitaͤt verbrei - ten, nicht zu rechter Erkenntniß gelangt iſt. Denn die Ge - meinheit der Menſchen entſpringt aus der Gemeinheit der Arbeit, und zwar weniger in der objectiven Beſchaffenheit der - ſelben, als in der Art und Weiſe, wie ſie vollzogen wird. Leider kann man ſich ſelbſt mit Wiſſenſchaften auf eine ge - meine, handwerksmaͤßige Art beſchaͤftigen, ſo daß ſie den Geiſt nur in rein aͤußerlicher Art in Anſpruch nehmen. Zu dem Innern der Wiſſenſchaften dringt man nur durch die rechte Methode. Ich muß es daher wiederholen, daß alle Kenntniß nur in ſo weit wahren Werth fuͤr die menſchliche Bildung hat, als ſie mit Erkenntniß verbunden iſt, d. h. mit der Erkennt - niß der den Thatſachen zu Grunde liegenden Urſachen, Mo - tive, Gruͤnde, Geſetze. Nicht in der Kenntniß des Einzelnen ruht die intellectuelle Bildung, ſondern in der Erkenntniß des Allgemeinen. Darum bewegt ſich die wahre Methode von der45 Kenntniß des Einzelnen zur Erkenntniß des Allgemeinen, Tie - fen, in entwickelnder, heuriſtiſcher Art und Weiſe.

Dieſe entwickelnde Methode macht endlich auch die hei - lige Unverſtaͤndlichkeit unmoͤglich, in welche manche Docen - ten, beſonders der philoſophiſchen Facultaͤt, ihre Weisheit ein - huͤllen. Denn bei ihrer Anwendung wird der Fortſchritt nicht von dem Hefte, nicht von der Laune des Lehrers, ſondern von den Fortſchritten der Lernenden bedingt, wie es ſein muß. Nicht das ſemeſterweiſe, regelmaͤßige Abkanzeln des Heftes iſt der Zweck des Vortrages, ſondern die geiſtige Bildung der Lernenden.

Aus allen dieſen Gruͤnden muͤſſen wir von den akademi - ſchen Docenten dieſe geiſtbildende Methode fordern.

3. Die Geſinnung.

Iſt das Werk verdorben, das Product der Menſchen ſo koͤnnen die Arbeiter, die Verfertiger, die Kuͤnſtler nicht un - verdorben geblieben ſein. Die Kunſt verfaͤllt durch die Kuͤnſt - ler, die Schule durch die Lehrer, die Studenten durch die Profeſſoren. Dieß iſt ich kann es nicht bergen meine Meinung, das Verderben hat auch viele Profeſſoren ergriffen. Eben darum koͤnnen ſie allein das Verderben der Univer - ſitaͤten nicht in ſeiner Groͤße, ſeinem Umfange aufdecken. Denn ſie ſtecken mit darin.

Worin beſteht ihre Schuld?

1) Sie*)Vergl. die Vorrede. haben keine Heimath, kein Heimathsge - fuͤhl, keine Anhaͤnglichkeit an ein Land, ſie ſind Kosmopoliten, d. h. ſie gehen der Ehre nach und dem Gelde. Wer ihnen am meiſten bietet, der hat ſie. So wandern ſie von einer46 deutſchen Univerſitaͤt zur andern. Hat ſich Einer Ruhm, einen glaͤnzenden oder wenigſtens blendenden Namen erwor - ben, ſo treibt er bei einem Rufe nach auswaͤrts ſein Gehalt nach Moͤglichkeit in die Hoͤhe. Alles wird angewandt, um die rufende Behoͤrde zu ſchrauben. Kein Heimaths - oder Va - terlandsgefuͤhl legt ein Gewicht in die Wagſchale. Sie ſind Makler geworden; auch die kaufmaͤnniſchen Cursberechnungen findet man bei ihnen, und wenn z. B. die Philoſophie, zu der ſie ſich im Vortrage bekennen, hoch im Curſe ſteht, ſo weiß nicht nur jeder Adept derſelben, daß er hohe Procente fordern darf, ſondern er thut es auch. In den alten guten Zeiten wog ein Geheimer Rath oder ein Geheimer Hof - rath noch etwas auf; aber heut zu Tage ſchlagen ſelbſt die Maͤnner des Abſoluten und des Unbedingten den Werth des Realen hoͤher an, als Titel und Orden.

Wie viele Regierungsbeamten ihre Thaͤtigkeit nach der Zahl der Nummern, die in ihrem Notizbuche ſtehen, abmeſſen und nach deren Hoͤhe berechnen, ſo ſchaͤtzen unſere Profeſſo - ren ihre Wichtigkeit, ihren Einfluß und den Grad, in dem ſie ihre Beſtimmung erreicht haben, nach der Zahl ihrer Zu - hoͤrer. Wohl, ſie iſt in dem Punkte ein Maßſtab, daß man daraus erſehen kann, was junge Leute fuͤr wichtig oder noth - wendig erachten und fuͤr intereſſant halten. Aber mit der Zahl der Zuhoͤrer ſteigt die Zahl der Fritze , wie die Herren Stu - denten ſagen, oft nach dem Doppelten oder noch hoͤher. Hier liegt eine Quelle des Grundverderbens. Denn das Zahlen des Honorars verfuͤhrt ſie, darnach zu trachten, den Juͤnglingen zu gefallen; ſie ſpeculiren auf die Kuͤnſte, welche den Hoͤr - ſaal fuͤllen. Und gelingt dieſes nicht gar haͤufig? Folgen ſie, die groͤßtentheils Urtheilloſen, nicht ſehr oft dem lockenden Schein, den taͤuſchenden Kuͤnſten, der wortreichen Suade? 47Wirkt der, der einen gefuͤllten Hoͤrſaal hat, wirklich beſſer, tuͤchtiger, bildender, als der, der von einer kleineren Schaar von Juͤngern umgeben iſt? Ihr Alle ſprechet nein, denn Jedermann weiß: Auch unter den Studenten giebt es Fuͤhrer und Leithaͤmmel und Macher; die uͤbrige Maſſe folgt, verſteht nichts und lernt nichts, aber ſie ſtimmt ein in das Lob der Chorfuͤhrer.

Nein, das Beziehen des Honorars von dem Einzelnen iſt ein Grundverderben der Univerſitaͤt.

Ihr denkt, und Ihr habt den Einwand bei der Hand: wenn wir die Honorare abſchaffen, wird dann der und jener auch noch mit Eifer und Fleiß leſen? Wie, im Ernſte, Ihr denkt wirklich ſo? Nun ſehet: dann habt Ihr ein viel haͤrte - res und ſchaͤrferes Urtheil uͤber die Profeſſoren ausgeſprochen, als ich es auf hundert Bogen vermag. Aber ich glaube es, ich weiß es, Ihr denkt es wirklich. So weit ſind wir ge - kommen, d. h. geſunken, daß wir Impulſe, die man bei Dorf - ſchullehrern nicht mehr fuͤr noͤthig erklaͤrt, und die man an vielen Orten abgeſchafft hat, und zwar ſo unreine und gemeine Impulſe, wie Gold und Silber, noch fuͤr noͤthig erklaͤrt, um unſere Akademiker, die Maͤnner, die mit dem Geiſte der alten und mit dem Mark der neuen Zeit aufgenaͤhrt ſind, auf eine oder zwei Stunden am Tage in Thaͤtigkeit zu erhalten!

Vernehmt doch die Urtheile, die unſere Studenten daruͤ - ber faͤllen und welche Anekdoͤtchen ſie erzaͤhlen! Doch no - mina sunt odiosa. Sie thun auch nichts zur Sache, weil ſo viele von dieſer Peſt des Geizes und der Habſucht ange - ſteckt ſind. Andern verzeihen wir es, weil auch die Wiſſen - ſchaft leider oft nach Brot gehen muß, indem man ſelbſt auf den Univerſitaͤten eine nicht nur bedenkliche, ſondern offen - bar hoͤchſt ſchaͤdliche Concurrenz zugiebt oder veranlaßt. Von48 Monopolen kann keine Rede ſein, aber auch nicht von dem andern Extrem, einer allgemeinen Gewerbefreiheit. Schon in materiellen Dingen fuͤhrt ſie in der Regel zu unleugbaren Nachtheilen, noch mehr in geiſtigen. Denn ſie erzeugt unter den Lehrern derſelben Facultaͤt Neid und Eiferſucht, Rang - ſtreit und alle die gehaͤſſigen Rancuͤnen, von welchen ſelbſt die Studenten ſo viel zu erzaͤhlen wiſſen. Ein College ſucht dem andern den Rang abzulaufen und das Heer der Akade - miker auf ſeine Seite zu ziehen, in ſeinen Hoͤrſaal zu locken, oft vielleicht durch unwuͤrdige, aͤußerliche Kuͤnſte, welche die Menge beſtechen. So ſehen wir unſere Profeſſoren den Goͤtzen des Tages huldigen, nach Ergoͤtzung, Schein und Beluſtigung der Zuhoͤrer haſchen, das Glaͤnzende dem Ernſten und Tiefen vorziehen, das Pikante und ſogenannte Geiſtreiche dem Ein - fachen und Wahren. Die Gebrechen der Tagesliteratur drin - gen ſo in die Hoͤrſaͤle und verderben den Geſchmack der Juͤng - linge an der ſchlichten, nackten Wahrheit. Der akademiſche Lehrer muß ohne aͤußere Sorgen ſeinem geiſtigen Berufe leben koͤnnen, damit man mit Recht ihm die Forderung ſtellen koͤnne, nach der Wiſſenſchaft und Wahrheit zu trachten, und nicht nach den Dingen, die von dieſer Welt ſind. Auch die akade - miſchen Lehrer koͤnnen nicht zugleich Gott dienen und dem Mammon.

2) Sie achten nicht den Gehorſam, nicht die Sub - ordination ſie, die fuͤr den Staatsdienſt erziehen ſollen.

Es iſt weltbekannt, ſie ruͤhmen ſich dieſes Sinnes, als eines Zeichens ſelbſtſtaͤndiger Kraft und des Bewahrens cor - porativer Staͤrke, ſelbſt gegen ihre Studenten. Die bis zu 10 und 12 Wochen mißbraͤuchlich ausgedehnten Herbſtferien, nachdem das Sommerſemeſter oft nur 12 Wochen gedauert hat, ſie ſind ein Mißbrauch und ein Uebel. Denn was49 ſoll der gewoͤhnliche Student in dieſer langen Zeit machen? Schon die lange Weile, das Nichtsthun, das leere Herum - ziehen und Herumliegen macht die Baͤuche faul. Die den Univerſitaͤten vorgeſetzten Behoͤrden ſehen dieſes ſehr wohl ein, ſie befehlen: Kuͤnftig darf Keiner vor dem 15. September ſchließen. Aber ſchon den 15. Auguſt ſtehen die Hoͤrſaͤle leer. In dem Kataloge iſt der Anfang der Wintervorleſungen auf den 18. October angeſetzt; ſelten lieſ’t Einer vor dem 1. No - vember, Mancher nicht vor dem 10ten.

Daß in jedem Semeſter alle Hauptcollegien eines Faches geleſen werden, es iſt, beſonders auf einer großen Univerſitaͤt, die billigſte Forderung. Das Miniſterium befiehlt daher, die Profeſſoren einer Facultaͤt ſollen ſich daruͤber verſtaͤndigen. Aber Jeder lieſ’t nach wie vor ſeine Lieblingsgegenſtaͤnde, d. h. diejenigen, die am erſten ein volles Auditorium liefern. So wird dieſelbe Disciplin oft von drei bis ſechs Docenten an - gezeigt, waͤhrend andere, vielleicht eben ſo wichtige, leer aus - gehen.

Sie kennen den Gehorſam gegen die Vorgeſetzten nicht. Wie die Franzoſen aller Parteien darin einig ſind, daß das linke Rheinufer ihnen gehoͤre, ſo ſtimmen auch Profeſſoren aller Richtungen darin uͤberein, ſich von alten Vorrechten nichts nehmen zu laſſen, ſollte es auch Geſetz und Ordnung verlangen.

3) Sie intereſſiren ſich nicht fuͤr das Indi - viduum.

Was fuͤr herrliche Bande umſchloſſen ehemals den Mei - ſter und ſeine Juͤnger, damals, als jeder Hochbegabte eine Schule bildete: gegenſeitige Liebe, die vaͤterliche von oben, die auf Hochachtung gegruͤndete von unten die Pietaͤt. Der50 Juͤnger zehrte lebenslang daran und ſie war das Hochgefuͤhl ſeines Alters.

Heut zu Tage gelten die Zuhoͤrer gleich den Nummern. Wie in den Lankaſterſchulen haben ſie ihre Individualitaͤt ver - loren, ſie zaͤhlen nur, und ſie werden gezaͤhlt, weil ſie die Hoͤhe des Honorars bezeichnen. Wahrlich auch ein woͤchent - liches Theekraͤnzchen, mit Einigen gehalten, iſt kein Erſatz fuͤr die perſoͤnliche Gemeinſchaft der alten Zeiten.

Unſere Profeſſoren leſen, unbekuͤmmert um das, was die Anweſenden treiben, ob ſie ſchreiben und aufmerkſam ſind, oder ob ſie in Buͤchern leſen, oder inzwiſchen die Tiſche zer - ſchneiden, oder ſchlafen.

Gar Vielen, den Meiſten kommt es ungelegen, wenn ein Einzelner ſich noch privatim dieſen oder jenen Aufſchluß erbittet. Er wird ſo empfangen, daß er nicht wieder kommt. Darum gehoͤrt es zu den ſeltenen Ausnahmen, wenn Einer das Gluͤck hat, dem Profeſſor perſoͤnlich bekannt zu werden. Die Studenten wiſſen es, wie gleichguͤltig gegen ihre Perſoͤn - lichkeit die Meiſten ihrer Lehrer ſind. Darum vergelten ſie auch Gleiches mit Gleichem natuͤrlich zu ihrem eignen Schaden. Aber wie kann es anders ſein. Bleibt auch eine Urſache ohne ihre natuͤrliche Wirkung? Einen, ich moͤchte ſagen, unerhoͤrten, ja ſchauderhaften Beweis von der Gleich - guͤltigkeit der Profeſſoren gegen das Wohl und die Achtung ihrer ſelbſt vor den Studenten legen ſie ab durch die Leichtfer - tigkeit, mit der ſie amtliche Zeugniſſe ausſtellen, den Beſuch der Collegien teſtiren. Wohl, im Leben lernt man es, in unbedeutenden Dingen das eine oder das andere Wort zu ſa - gen, was mit der ſtrengen Wahrheit nicht uͤbereinſtimmt. Aber, wenn man etwas der Art ſchreiben ſoll, beſinnt man ſich doch. Das Geſchriebene hat eine hoͤhere Bedeutung, als51 das fluͤchtig verhallende Wort. Dieſe Ueberlegung wird auch bei ſonſt nicht allzu ſtreng moraliſch geſinnten Perſonen zur Gewiſſenhaftigkeit, wenn ſie ein Zeugniß, beſonders ein amtliches, ausſtellen ſollen. Nichts von allem dem bei unſe - ren Profeſſoren. Sie teſtiren: fleißig , mit lobenswerthem Fleiße , theilnehmend u. ſ. w. friſch zu, wenn ſie nur wiſſen, daß das Colleg belegt geweſen und ſie den Inhaber ein oder einige Mal geſehen haben. Ja oft moͤgen ſie ihn gar nicht geſehen haben. Es waͤren manche ſchoͤne Geſchichtchen daruͤber zu erzaͤhlen, wenn hier der Raum dazu waͤre. Aber iſt das nicht eine wahre Depravation? Koͤnnen gewiſſen - hafte Juͤnglinge vor ſolchem Unweſen Reſpekt haben?

4) Sie ſtehen feindſelig einander gegenuͤber.

Will man Orte bezeichnen, wo Gelehrſamkeit, Kenntniß - reichthum, Bildung zu finden ſind, wo ſie eigentlich reſidiren, ſo nennt man die Univerſitaͤten. Natuͤrlich. In ihnen verei - nigen ſich alle Umſtaͤnde, welche die Bluͤthe der Intelligenz befoͤrdern. Sie heißen daher auch Muſenſitze; denn die Muſen haben hier ſtabilen Aufenthalt. Nur die an Geiſt ausgezeich - netſten Juͤnglinge dieß darf angenommen, muß vorausgeſetzt werden widmen ſich dem akademiſchen Lehramte. Sie ha - ben auf Gymnaſien die humaniora ſtudirt, die artes, welche ſich mit rohen Sitten nicht vertragen, nicht nur kennen gelernt, ſondern ſich zu eigen gemacht, die Humanitaͤtsſtudien auf Uni - verſitaͤten fortgeſetzt, und betreten nun die Bahn zu dem Tem - pel der Wiſſenſchaften und des Ruhmes.

Wer ſollte es darum nicht natuͤrlich finden, daß Jeder - mann in dem Leben, in der Geſinnung der Profeſſoren als ſtrahlende Tugend die Humanitaͤt ſucht, die Vereinigung Aller, wenigſtens aller fuͤr dieſelbe Wiſſenſchaft Hinarbei -52 tenden, in großartigem, begeiſterndem, treu verbundenem Stre - ben, ſich ſelbſt vergeſſend uͤber der erhabenen Goͤttin, der ſie dienen, gleich jenem Juͤngling, der die Theilung der Erde uͤberſehen hatte. Ja, die Humanitaͤt verlangen, fordern wir mit Recht von denen, die ſich ruͤhmen, humaniora zu lehren.

Aber nun ſehe man einmal zu, wie dieſe Humani - taͤts-Profeſſoren zum Theil zu einander ſtehen, mit einander leben, ſich gegen einander betragen, ob es einem nicht iſt, als wenn man aus den Wolken fiele, und ob nicht Mancher recht hat, der ſich von ihnen und ihrer Sache wegwendet. Es iſt oft ein Skandal. Katzbalgereien, haͤmiſche Angriffe, kritiſche Bosheiten, weibiſche Klatſchſucht, hinterliſtige Ver - laͤumdung, nie aufhoͤrende Parteiſucht und gemeine Unſrigkeit und Vornehmigkeit und wie alle die heilloſeſten Tuͤcke des menſchlichen Gemuͤthes heißen moͤgen, ſie herrſchen nicht unter Staͤnden niederer Bildung, ſondern unter unſeren Ge - lehrten. Kaum gleicht eine Wuth der eines Gelehrten, wenn ein Anderer ihm die Bloͤßen, die er gegeben, aufdeckt, die Boͤcke, die er geſchoſſen, verewigt. Kaum ſtreiten boͤſe Wei - ber mit ſolcher Verwuͤnſchung mit einander, wie zwei Philo - logen uͤber verſchiedene Lesarten und Auslegungen. Sie ver - folgen einander auf ewig. Gerade hier erkennt man nicht nur die Unwahrheit der alten Behauptung, daß das Wiſſen noth - wendig veredle, ſondern auch die ungeheure Verirrung in der uͤbertriebenen Werthſchaͤtzung des oft ſo eitlen, ſo unnuͤtzen Wiſſens. Abgoͤttiſch verehren wir alten, todten Kram, beloh - nen die Aufſpuͤrung einer unentzifferten Schrift an einem alten Stein mit Schaͤtzen und mit Ehre, und bewundern kleinlichen Scharfſinn, wo wir, wenn wir jenem Alexander glichen, ſo eitle Kuͤnſte mit einem Scheffel Linſen anerkennen, d. h. ver - achten ſollten.

53

Ja, offen ſprechen wir es aus, und erwarten den auf offenem Felde, der es unternimmt, uns zu widerlegen: nir - gends auf Erden herrſcht unter Gebildeten die Humanitaͤt we - niger, als unter den Gelehrten. Das Volksſprichwort charak - teriſirt viele in Wahrheit: Je gelehrter, deſto verkehrter , in Geſinnung, im Leben. Nirgends findet man mehr Scheel - ſucht und Neid als unter denen, die aus der Cultur der Wiſ - ſenſchaften Profeſſion machen. Nirgends weniger Aneinander - ſchließen, nirgends ſo viel gegenſeitiges Iſoliren als unter ihnen. Die Maͤnner derſelben Facultaͤt ſind in der Regel gegen einander. Man ſollte denken: da ſie einer Sache, z. B. der Philoſophie, der Medicin, der Theologie ꝛc. dienen, alſo unter einer Fahne fechten, ſo wuͤrden ſie in gemein - ſchaftlichem Eifer fuͤr die Wiſſenſchaft und aus Liebe zu den fuͤr ſie zu gewinnenden Juͤnglingen zuſammenhalten und nicht durch kleinliche Perſoͤnlichkeiten auseinander gehalten werden. Aber, aber lauter Parteiſucht, Anfeindung, Haß. Der Alloͤopath ſteht dem Homoͤopathen, der Hegelianer dem Kan - tianer, der Supranaturaliſt dem Rationaliſten, der Altdeutſche dem Neudeutſchen diametral gegenuͤber. Als Parteimenſchen kennen ſie keine Humanitaͤt, Chriſtenthum, Liebe, Gemein - geiſt, und wie dieſe hohen Dinge heißen; ſuchet ſie uͤberall, wo ihr wollt, nur nicht in den Orten, die ſie Muſenſitze benamſet haben.

Und ſolche Parteimaͤnner ſollen der Bluͤthe der deutſchen Nation als Vorbilder dienen!

5) Sie leben nicht in Ideen.

Die Ideen, die das wuͤrdige maͤnnliche Leben uͤberhaupt beleben muͤſſen, ſind: der Hochgedanke der Tugend und Pflicht, die Ausbildung des Berufskreiſes, dem man ſich gewidmet hat, und die Fortentwicklung554der allgemeinen Zuſtaͤnde der Nation oder der Menſchheit uͤberhaupt. Ohne den erſten fehlt dem Da - ſein des Einzelnen die Wuͤrde, und Gemeinheit der Geſinnung und Richtung tritt an deren Stelle; ohne den zweiten iſt kein tuͤchtiges, edles Streben des Mannes moͤglich; ohne den drit - ten kann wohl energiſche Tuͤchtigkeit im engern Kreiſe beſtehen, aber ohne ihn fehlt dennoch dem Streben die hoͤchſte, allge - meinſte Beziehung. Wer von ihnen gehoben und beſeelt wird, lebt ein Leben in Ideen; wer ſie entbehrt, iſt ein ideenloſer Menſch.

Wie es in dieſer Beziehung mit ſo vielen unſerer Zeitge - noſſen, auch mit vielen unſerer Univerſitaͤtslehrer ſteht, es iſt ſchmerzlich, davon zu reden, ſchon darum, weil man dabei der Gefahr der eignen Ueberhebung oder der Eitelkeit ausge - ſetzt iſt. Aber es darf nicht verhehlt werden wen lehrte es nicht jeder Tag? daß die Ideen uns ſehr abhanden ge - kommen. Die Verkehrtheit der Richtung zeigt ſich am ſchla - gendſten in denen, die die Fuͤhrer zu ſein den Beruf haben und darum an der Spitze ſtehen. Tugend und Pflicht ſie begeiſterten den großen, unſterblichen Kant; unſer deutſch geſinnter Leſſing und der alte Voß widmeten ihnen ihr thatenreiches Leben. Wir gehen in dem Gewaͤſſer der Lob - ſucht und der Schmeichelei unter, oder erſticken in dem Dunſte myſtiſcher Nebel. Aufopferung in edlem Berufe ach es giebt ſogar unter den Hochſchullehrern welche, und nicht unberuͤhmten Namens, die nicht nur gerne moͤglichſt wenig, ſondern lieber gar nicht leſen, ja wohl gar durch Grobheiten die wenigen Zuhoͤrer aus dem Hoͤrſaale verſcheuchen. Theil - nahme an der allgemeinen Fortentwicklung des oͤffentlichen Lebens und ſeiner Zuſtaͤnde wo iſt ſie und wer bezeugt ſie?

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Was die Lehrer nicht haben, fehlt auch den Schuͤlern. Und wenn etliche von dieſen, in reinerer Luft aufgewachſen, ihrer lauteren Geſinnung folgen wollen, aber keinen Fuͤhrer, kein Vorbild finden, und darum vielleicht ſich verirren, wen nimmt Solches Wunder, der die Zeit kennt und die Menſchen!

Kenntniſſe beſitzen wir in Ueberfluß, es fehlen die Ideen. Dieß iſt die Klage, die ich erhebe.

Es giebt Profeſſoren, welche dieſen Mangel durch einen ſogenannten geiſtreichen Vortrag, durch augenblicklich rei - zende, die Einbildungskraft erregende, pikante Darſtellungs - weiſe zu erſetzen ſuchen; aber vergebens und verkehrter Weiſe. Dadurch, wie ich ſchon einmal bemerkt, verdirbt der Sinn fuͤr das Einfache, Gerade, Natuͤrliche, Tiefe, Klaſſiſche, kurz der wahrhaft wiſſenſchaftliche Geiſt, der an dem Ernſt, der Strenge, der Schaͤrfe ſeine Freude hat. Es iſt ein ganz verderblicher Wahn, zu meinen, das von der Wahrheit und Schaͤrfe des Gedankens entbloͤßte Geiſtreiche habe noch irgend welchen Werth; es ruinirt den Geiſt, verdirbt ihn fuͤr die Wiſſenſchaft, wie Marzipan den Magen verdirbt. Wo findet man in den Werken, die aus den alt-klaſſiſchen Zeiten ſtam - men und die mit Recht fuͤr alle Zeiten als Muſter gelten, wo findet ſich in Leſſing’s oder Kant’s geiſtvollen Schrif - ten auch nur eine Spur von der geruͤhmten geiſtreichen Art, ſelbſt unſerer poetiſchen Naturphiloſophen, ihrem Haſchen nach Gegenſaͤtzen, witzigen Combinationen und frappanten Verglei - chungen, die den Beweis eines geiſtreichen Kopfes liefern ſollen, und alles Andere enthalten, nur keine Wahrheit! Nim - mermehr vertraͤgt ſich dieſes eitle Streben mit dem Tiefen und Hohen. Dieſe ſogenannten Geiſtreichen verderben den Ge - ſchmack der jungen Maͤnner, die zu ihren Fuͤßen ſitzen. Dieſe verlieren, an das kuͤnſtliche Leuchten der Blitze in ſchwarzer5*56Nacht gewoͤhnt, und durch die Raketen und Leuchtkugeln ge - blendet, die Faͤhigkeit, das reine Sonnenlicht der Wahrheit und die Einfachheit des Gedankens hochzuſchaͤtzen, und das Wohlgefallen an einfacher, ſchmuckloſer Darſtellung. Darum ſollte jeder Profeſſor dieſe verderbliche Darſtellungsweiſe den Neu-Romantikern und den Novelliſten uͤberlaſſen.

Eine Univerſitaͤt iſt um der Studirenden willen da. Ihr Werth beruht auf der Wirkung auf dieſelben. Dieſe laͤßt ſich erkennen aus dem Verhaͤltniß der Geſinnung der Studirenden gegen die Lehrer. Und dieſe geht hervor aus den Aeußerungen jener uͤber dieſe. Wer weiß es nicht, wie oft ſie ohne Ach - tung, meiſt ohne Dankbarkeit, ohne Pietaͤt, ohne Vertrauen, an den Profeſſoren eine bittere Kritik uͤben, Witz und Spott uͤber ſie ergehen laſſen. Manches Anekdoͤtchen waͤre davon zu erzaͤhlen, paßte es zu dem Ernſte des Gegenſtandes. Aber ſicherlich iſt keine Kritik ſchaͤrfer und niederſchlagender (fuͤr den, der es weiß, worauf daraus zu ſchließen iſt, und daß die paͤdagogiſche Wirkung eines Menſchen auf einen Andern von der Achtung abhaͤngt, in der er bei ihm ſteht) als die der Studenten uͤber die Lehrer. Ohne Scheu wird da in oͤffentli - cher Geſellſchaft und an Wirthstafeln erzaͤhlt, wie der und der ſein altes Heft bereits ſeit zwei und mehreren Jahrzehnten ablieſet und an beſtimmten Stellen Witze reißet; wie ein An - derer bei der Bitte um Erlaſſung oder Stundung des Hono - rars ſich ſchmutzig knickerig zeigt; was Frau Fama von dem Privatleben eines Dritten zu erzaͤhlen weiß. Nein, es iſt mir oft weh um’s Herz geworden, wenn ſich mir bei ſolchen Erſcheinungen die Betrachtung aufdraͤngte, was fuͤr unſelige Folgen dieſe von einzelnen Erfahrungen nur zu leicht auf die Geſammtheit gerichtete Anſicht von dem geiſtigen Streben, der Geſinnung und dem Leben der Profeſſoren auf die Richtung57 der Juͤnglinge haben muß, die in dieſen ihren Lehrern Vor - bilder fuͤr das Leben finden ſollen. Denn unendlich wichtig iſt es fuͤr den heranreifenden Mann, ob er zu Hochbildern hinaufſchaut, oder ob ihn die, die aͤußerlich hochgeſtellt ſind und in mancher Beziehung, wenigſtens in der Ferne glaͤnzen, in der Naͤhe als Menſchen erſcheinen, die dieſer Achtung un - werth ſind. Jene bittere Kritik iſt auf der einen Seite die Rachegoͤttin, welche die Profeſſoren verfolgt, wenn ſie nicht ſind, wie ſie ſein ſollten; auf der andern Seite ein Zeichen der (durch natuͤrliche Urſachen herbeigefuͤhrten) Verderbtheit der Geſinnung der Studenten, durch deren Mittheilung ſie das Hochgefuͤhl der auf der Univerſitaͤt Ankommenden vernichten. Denn wie man von den Menſchen denkt, ſo wirken ſie auf uns. Wie kann der, der uns Nichtachtung, wo nicht gar Verachtung einfloͤßt, veredelnd auf uns wirken? Sinkt unſere Meinung von den Menſchen, beſonders von hochſtehen - den, ſo ſinken wir mit. Darum ſind im Leben nicht geach - tete, verachtete Lehrer, auch wenn ſie durch Gelehrſamkeit glaͤnzen, die Verderber der Jugend.

Die Schwaͤche, die Bodenloſigkeit des ſittlichen und er - ziehlichen Verhaͤltniſſes zwiſchen Profeſſoren und Studenten haben die heilloſen demagogiſchen Umtriebe der Studenten vollends mir aufgedeckt, und wer bis hieher der Meinung geblieben, daß die Klage, die ich gegen die Lehrer erhebe, des realen Grundes entbehre, der wird weiterhin nicht bei ſeiner Meinung beharren koͤnnen.

Ich habe Politiſch-Angeklagte in der hieſigen Hausvoigtei beſucht, Soͤhne alter Freunde und Bekannten ( denn Chri - ſtus ſpricht: Ich bin gefangen geweſen, und du haſt mich58 beſuchet! ), ich habe auf ihren Wangen die Wirkungen der Kerkerluft, in ihren Augen die Folgen moraliſcher Verir - rungen geſehen. Es iſt mir nahe gegangen; ich habe gezittert, als ich die verbauten Fenſter erblickte, hinter welchen die Juͤnglinge ſchmachten, um welche Vaͤter, Muͤtter, Bruͤder, Schweſtern und alle Freunde des Vaterlandes und der Jugend Thraͤnen vergießen. Ich habe an die Urſachen gedacht, die Solches herbeigefuͤhrt; an die Maͤnner, die vor Allen es haͤtten verhindern koͤnnen; an die, welchen die Eltern, der Staat, Amtspflicht und Eid die Juͤnglinge zur Bildung und Erziehung uͤbergeben haben. Haben dieſe nicht gewollt, oder haben ſie nicht gekonnt? Liegt es an ihrer Willen -, oder an ihrer Machtloſigkeit? An dem Einen oder dem Andern, von denen ſchwer iſt, zu ſagen, welches das Schlimmere ſei, muß es liegen, oder an Beiden. Sollten ſie nicht gewollt haben, ſo verdienten ſie eine weit haͤrtere Strafe, als die Juͤnglinge. Haben ſie nicht ge - konnt, entweder weil ſie nicht wußten, was die ihrer Pflege Empfohlenen, wenn auch im Verborgenen, doch unter ihren Augen trieben, oder weil ihr Einfluß auf dieſelben gleich Null iſt, welches beides zuſammen wir um der Milde willen an - nehmen wollen, nun ſo erkenne man die Schwaͤche und Bo - denloſigkeit des Verhaͤltniſſes zwiſchen Profeſſoren und Stu - denten!

Aus dieſer kurzen Betrachtung folgt Zweierlei: 1) So darf es nicht bleiben; 2) den unter ſolchen Umſtaͤnden verirr - ten Juͤnglingen, dieſer hirtenloſen Schaar, kann unſer Mitleid nicht entgehen.

Dieſe milden Worte uͤber einen Gegenſtand von ſolcher Schwere verdienen das wird jeder Leſer erkennen das Lob der Maͤßigung. Ich habe mich ſelbſt bezwungen. Aber59 man wird zugeben, daß der Gedanke: ſechshundert deutſche Juͤnglinge haben ſich in verbotene, zum Theil in verbrecheri - ſche Verbindungen eingelaſſen, und ſolche Plane geſchmiedet, die das Geſetz mit ſchwerem Arreſt und mit dem Tode beſtraft, und ſie buͤßen nun ihre Verirrungen und Verbrechen in den Kerkern ich ſage, dieſer Gedanke rechtfertigt auch den gluͤ - hendſten Zorn uͤber die, welche, wenn auch nur in negativer Weiſe, davon die Schuld tragen. Ob die Univerſitaͤtslehrer mit Recht damit beladen werden koͤnnen, wir laſſen es dahin geſtellt, wir wollen hoffen, daß es nicht ſei; aber das haͤtte ihnen Ehre gebracht, wenn ſie von allen Seiten und auf alle moͤgliche Weiſe, wenigſtens mehr als es geſchehen, ſich der verirrten und verfuͤhrten Juͤnglinge angenommen und Vor - ſchlaͤge gethan haͤtten, welche dieſes Unheil mit der Wurzel von den Univerſitaͤten haͤtte entfernen koͤnnen. Ein treuer Hirte bewacht die Heerde, damit der Wolf ſie nicht freſſe, und wenn ſich eins von hundert Schafen verirrt, ſo geht er ihm in die Wuͤſte nach, damit es nicht verloren gehe. Der ver - irrten Juͤnglinge ſind aber ſechshundert! Dieſe ſchreckliche Wahrheit ſollte in der Seele jedes Lehrers derſelben wie ein Mordbrand wirken. Aber ſie ſchweigen und lehren ruhig fort ihren alten, abſtracten Kram. Sind ſie Mieth - linge? Iſt es Abgeſtorbenheit und Gleichguͤltigkeit, oder Feig - heit? Ihnen aͤhnlich verharren auch die Gymnaſiallehrer in abſolutem Stillſchweigen, bis die Steine daruͤber ſchreien wer - den, daß manchem ihrer Schuͤler pſychiſch und phyſiſch der Geiſt ausgeht uͤber den Maſſen, die zu lernen ſind.

Unſere Juͤnglinge beduͤrfen dafuͤr ſprechen Thatſachen der Leitung. Alle, ihre Verhaͤltniſſe erkennenden, ſtrebenden Juͤnglinge wuͤnſchen ſie, wuͤrden dankbar ſie annehmen. Wie viele bedauern und betrauern nicht tief die Iſolirung, die60 Entfernung von den Profeſſoren, wozu ſie ſich, beſonders in großen Staͤdten, genoͤthigt ſehen! Mit welcher Freude wuͤr - den ſie eine Einrichtung begruͤßen, die nur dem Muſeum in Tuͤbingen gliche, was doch gewiß nicht viel ſagen will! Aber es iſt Zeit! Oder ſoll das Land noch einmal den Schmerz erleben, verbrecheriſche Verbindungen und deren Folgen ent - ſtehen zu ſehen, falls es dem galliſchen Hahne einfallen ſollte, zum dritten Male zu kraͤhen? Iſt es ſchon verderblich, in den ruhigſten Zeiten die Kraft der deutſchen Juͤnglinge nicht in jeder Weiſe zu erregen und zu uͤben, ſo erreicht ſolches Verderben den Gipfel in Zeiten, in welchen die Wogen der Voͤlkerbewegungen an die Graͤnzen des deutſchen Landes an - ſchlagen, wenn die Winde neuer Anſichten aus allen Welt - gegenden blaſen, wenn die Sterne des Himmels zu erblaſſen anfangen, eine neue Sonne aufgeht, und die Pole der Welt - geſchichte ſich aͤndern! Nur gebe man es iſt nicht genug zu wiederholen ſich dem Wahne nicht hin, als koͤnne man den bewegten Strom durch bloße Machtgebote und Befehle, durch Verbote aller Art oder durch kleinliche Bevormundung in ſein Bett wieder hineinlenken! Man braucht unſere Jugend nicht zu kennen, man braucht nur zu ſehen und zu hoͤren, um ſich von der Gefahr, die dieſer Wahn herbeifuͤhren koͤnnte, zu uͤberzeugen. Doch der Eintritt dieſer Gefahr iſt nicht zu beſorgen. An den Univerſitaͤtslehrern ſelbſt findet das Gegen - theil ſeine Vertheidiger. Denn eine ſtreng paͤdagogiſche Beauf - ſichtigung der Studenten wuͤrde doch das fuͤhlen ſie zu - letzt von ihnen ſelbſt gefordert werden. Vor nichts aber haben ſie eine groͤßere Scheu, als vor poſitiven Leiſtungen. Sie lie - ben das Dociren uͤber die Maßen; alles Andere iſt ihnen ein Greuel. Auch wir verabſcheuen die Knechtung freier Maͤnner durch Aufladung von kleinlicher Controlle und Anfertigung von61 Liſten; aber was der Zweck des Amtes erheiſcht, das zu uͤber - nehmen, darf ſich kein Gewiſſenhafter weigern. Dociren und Buͤcher ſchreiben iſt auch bei dem Univerſitaͤtslehrer nicht ge - nug; er ſoll in’s Leben eingreifen dadurch, daß er ſich um das Geſammtwohl ſeiner Schuͤler bekuͤmmert, ſage bekuͤm - mert, im eigentlichen Sinne des Wortes, damit nicht ihrer Hunderte zu Verbrechern werden, und damit die Thraͤnen - fluthen, die um dieſe geweint werden, verſiegen. Gott gebe es! Dazu etwas beigetragen zu haben, wuͤrde mir noch in der letzten Stunde ein Troſt ſein.

So, wie ich ſie geſchildert habe, ſind viele oder manche unſerer Profeſſoren ein Spiegel des Verderbens der Zeit. Die Groͤße deſſelben iſt darnach zu bemeſſen, daß ſie, die Hochgeſtellten ſelbſt, ihm nicht zu entrinnen vermochten. Es waren beſſere Zeiten und die Hochſchulen bluͤheten mehr, als die Gelehrten ſich noch fern hielten von der Naͤhe der Großen und den Gelagen der Reichen, und als Keiner mit der Eitel - keit behaftet war, ſein Knopfloch mit bunten Baͤndern zu ver - ſehen, jene Zeiten, in welchen der Gelehrte der Wiſſenſchaft diente und den Juͤnglingen, die ſich ihr widmen wollten. Man konnte ſie in mehrfacher Hinſicht beſchraͤnkte Zeiten nen - nen; aber ſie kannten nicht die Entartung derer, welche die Wiſſenſchaften und ihren Geiſt erniedrigen unter die Goͤtzen des Tages.

Wenn es nun wahr iſt, daß ein Theil unſerer Profeſſo - ren die Anklage, die ich gegen ihre Geſinnung erhebe, nicht von ſich zuruͤckweiſen kann, wie muß ſolche Geſinnungsloſig - keit auf die Zoͤglinge des Hochſchulen wirken? Welche Aerndte62 haben wir, unſere Nachkommen, davon zu erwarten? Ver - beſſert die Lehrmethode, die Inſtitutionen, es iſt wichtig! Bildet ſchlechte Geſinnungen um, und ihr habt Wichtigeres, ja Ihr habt das Wichtigſte fuͤr die Erziehung und Bildung kommender Geſchlechter vollbracht!

Soll, darf es ſo fortgehen, wie es bisher gegangen? Iſt Hoffnung vorhanden, daß die Sache ſich von ſelbſt zum Beſſern wenden, daß die Umgeſtaltung von den Lehrern, die ihre Kraͤfte den Hochſchulen widmen, ausgehen werde? Liegt die Grundurſache deſſen, was als verderblich nachgewieſen worden, in den Perſonen, oder in den Inſtitutionen? Sie liegt in den Inſtitutionen. Darum Reform der Uni - verſitaͤten!

B. Die übrigen Verhältniſſe auf den Univerſitäten.

Nachdem wir die Lehrer geſchildert, wie es ihrer giebt, gehen wir zu den uͤbrigen Verhaͤltniſſen, die den Studenten umfangen, uͤber. Es iſt nicht noͤthig, daß wir dabei eine logiſche Gliederung feſthalten; wir haben nur die Zuſtaͤnde zu uͤberſehen, in welchen unſere Hochſchuͤler leben. Es ſind die Hoͤrſaͤle und was daneben iſt, vor und nach dem Beſuch derſelben geſchieht. Wir werden ſehen, daß große Staͤdte die ſchlimmeren Orte ſind.

Wenn der von dem Gymnaſium Entlaſſene den Raum der Hochſchule betreten hat, ſo iſt ſein erſtes Bemuͤhen, ſich ein Quartier zu ſuchen. An haͤusliches Leben, an die Fa - milie gewoͤhnt, wuͤnſcht er ſich einen theilnehmenden Haus - wirth, gefaͤllige, gutmuͤthige Hausleute. Denn das Anſchlie - ßen an Menſchen iſt ihm Beduͤrfniß. Aber es iſt mehr, es63 iſt ein Nagel, der ſeine Sittlichkeit befeſtigt. In kleineren Staͤdten findet er dieſes Beduͤrfniß leicht befriedigt, nicht in den großen oder groͤßten. Hier ſtehen die Menſchen einander uͤberhaupt fern; in den großen Haͤuſern wohnen oft Hunderte zuſammen der Menſch faͤllt in ſeinem Preiſe; enges An - ſchließen, genaues Kennenlernen iſt nicht mehr moͤglich; Jeder laͤßt den Andern gehen; der Juͤngling iſt ſich ſelbſt uͤberlaſſen; die Bande, die ihn an den Buͤrger anſchließen, werden locke - rer, die Moͤglichkeit zum leichten Leben, zum Libertinismus groͤßer.

Es iſt Sitte geworden, daß der Student ſein Quartier monatweiſe miethe. Ehemals geſchah es auf Semeſter, als noch die akademiſchen Uhren ganze halbe Jahre liefen. Seitdem ſie aber oft ſchon in drei oder vier Monaten abge - laufen ſind, findet der Student ſeinen Vortheil bei kuͤrzeren Terminen. Gefaͤllt es ihm nicht, gefaͤllt er nicht, er zieht weiter. Natuͤrlich iſt unter ſolchen Conjuncturen an ein ge - genſeitiges Anſchließen von Student und Buͤrger gar nicht zu denken. Jener macht unbedingte Forderungen, dieſer ſucht von der kurzen Friſt des Zuſammenlebens moͤglichſt hohen Ge - winn zu ziehen. Egoismus hier, Egoismus da, natuͤrlich am potenzirteſten in großen Staͤdten. Eine zweite Quelle des Li - bertinismus.

Nachdem er ſich eingemiethet, ſucht er ſich eine Reſtau - ration. In den beſten Faͤllen tritt er mit einer Geſellſchaft von Studenten zuſammen, die regelmaͤßig zuſammen eſſen. Denn dadurch entſteht ein gegenſeitiges Anſchließen, eine Zu - ſammengehoͤrigkeit. Aber in vielen Faͤllen fehlt es den Einzel - nen dazu an Bekanntſchaft, Gelegenheit. Mancher liebt auch die Willkuͤr. Heute moͤchte er um Zwoͤlf, morgen um Drei, uͤbermorgen gar nicht eſſen. Auch iſt das Auswaͤhlen der64 Speiſen, und der Wechſel uͤberhaupt angenehm. Darum ge - hen Viele in die Reſtauration, wo à la carte geſpeiſt wird, heute in dieſe, morgen in jene. Die Geſellſchaft, die hier zuſammenkommt, iſt ſich fremd, bleibt ſich fremd. Sie iſt gemiſcht. Keine eigentliche Geſellſchaft, kein erheiterndes Ge - ſpraͤch. Natuͤrlich am wenigſten in großen Staͤdten. Eine dritte Quelle des Libertinismus.

Alles geſchieht nach Laune und Gefallen: Wahl des Quartiers, Wechſel deſſelben, wenn es ſein muß, allmonat - lich; Veraͤnderung des Speiſewirthes taͤglich, der Speiſezeit, wie es kommt Alles ad libitum libertin libertinage.

Nun iſt es Zeit, ſich die Matrikel zu verſchaffen. Er meldet ſich bei dem Quaͤſtor, dann beim Rector. Die Uni - verſitaͤt iſt groß, zahlreich beſucht; der ſich Meldenden ſind viele; Perſoͤnlichkeiten verſchwinden, die Immatriculanden wer - den nach Stuͤcken gezaͤhlt, wie in dem Schnellwagen: Drei - zehn Stuͤck, Schwager fahr zu! In 2 Stunden 49 Minu - ten mußt du auf der Station ſein. Rector magnificus iſt ein viel beſchaͤftigter, geplagter Mann. Die Herren Commili - tonen werden en masse citirt, en masse eingeſchrieben, en masse aufgefordert, zugeſprochen, die akademiſchen ſtrengen Geſetze nun auch wirklich zu halten. Sie thun es. In 2 Stunden ſind ihrer 70 80 abgefertigt.

Es geht, merkt der Neuling, Alles ſehr leicht und ſchnell. Sein Geſichtskreis erweitert ſich; er merkt mit freudigem Ge - fuͤhl, er iſt ein freier Mann, er iſt in einem Grade frei, wie er ſich Solches nicht haͤtte traͤumen laſſen; die guten Eltern, Papa und Mama, ſind weit; der Hausphiliſter bekuͤmmert ſich nicht um ihn und verſorgt ihn mit einem Hausſchluͤſſel; der Reſtaurateur iſt immer bereit; die gefuͤllte Boͤrſe gewaͤhrt65 ihm einen passe par tout. Die akademiſche Freiheit, es iſt ein herrlich Ding, vivat hoch!

Die Collegien ſollen beginnen. So ſteht im Katalog. Aber es eilt nicht ſo. Die Herren Profeſſoren fangen noch nicht an. Es iſt noch Zeit, daß ſich Bruder Studio vorher mit andern Dingen auf der Univerſitaͤt gruͤndlich bekannt mache. Die aͤlteren Bruͤder weiſen den Fuchs zurecht, und weihen ihn guͤtig und liebreich ein. Er fuͤhlt ſich uͤbergluͤcklich durch die Freundſchaft eines fidelen Hauſes , durch den Smollis mit einem bemooſten Haupte .

Inzwiſchen durchmuſtert er das Lectionsverzeichniß, na - tuͤrlich an der Hand und mit dem Beirath ſeiner erworbenen Freunde. Der Vater oder der Rector Gymnaſii, das er ver - laſſen, hat ihm gerathen, die und die Vorleſungen zu hoͤren, ſo und ſo ſeinen Studienplan einzurichten. Aber die erfahre - nen Freunde wiſſen es beſſer. Das empfohlene Collegium iſt zwar nuͤtzlich, unter Umſtaͤnden wichtig, aber der Mann, der es lieſ’t, iſt ein gruͤndlich langweiliger Geſell . Doch, das Collegium gehoͤrt zu denen, woruͤber dereinſt, nach drei oder vier, d. h. nach vielen Jahren, ein testimonium beigebracht werden muß. Alſo belegt muß es werden; dann iſt der Herr Profeſſor auch ſtets freudig bereit, zu teſtiren. Man geht darum einige Mal hinein, nachher aber beſucht man andere Lehrer, die intereſſanter leſen. Ueberall zu belegen, wo man hoͤren will, iſt nicht noͤthig. Es iſt zwar Geſetz, aber die Maſſe der Zuhoͤrer iſt ſehr groß, Controle unmoͤglich. Liber - tinage in dem Beſuchen der Vorleſungen, Libertinage in dem Bezahlen derſelben.

Doch wir ſetzen den beſten Fall: Der angehende Student hat feſte Grundſaͤtze, er iſt gewiſſenhaft und fleißig, er ſchwaͤnzt66 nicht. Auch vergißt er Mappe und Dintenfaß nicht. Letztes iſt abſolut noͤthig, denn die Vorleſungen ſind zwar nicht wohl - feil, aber das Honorar reicht nicht hin, ihn von Univerſitaͤts - wegen mit Dinte zu verſorgen. Er muß ſie ſich ſelbſt mit - bringen, es iſt nicht anders, moͤgen auch die Beinkleider darunter leiden. Dafuͤr aber darf er auch die Tiſche in dem Hoͤrſaale durchbohren, und bei langer Weile zerſchneiden. Er muß den Namen der Geliebten verewigen. Unſere Hoͤrſaͤle ſehen darum aus, daß man ſich ſchaͤmen muß, wenn ein Fremder ſie betritt. Unſre Juͤnglinge uͤben ſich waͤhrend des Zuhoͤrens und waͤhrend der langen Pauſen denn das aka - demiſche Viertel oder bisweilen auch Drittel wird niemals im Eifer des Leſens vergeſſen in der Zerſtoͤrung des Staats - eigenthums. Sie ſind in dieſer Beziehung in guter Schule.

Die Vorleſung beginnt nach langem Warten. Das War - ten macht muͤde. Gluͤcklich, dreimal gluͤcklich nun der Juͤng - ling, wenn er vor einem Manne ſitzt, der Gedanken mittheilt, gleich einem Fixſterne mit eignem Lichte leuchtet und ſeine durſtige Seele zum kaſtaliſchen Quell hinleitet. Nun kann er trinken in langen und tiefen Zuͤgen, wenn die Umſtaͤnde, das Leben uͤberhaupt, das er ſeit 23 Stunden gefuͤhrt hat, es er - lauben. Gottlob, es giebt noch ſolcher Docenten. Sie ſind zwar ſo haͤufig nicht, wie die Fixſterne; aber wenn nur jede Facultaͤt, wenn nur die philoſophiſche, die allgemeine, Einen beſitzt, es iſt ein hohes, unſchaͤtzbares, leider ein ſeltenes Gluͤck. Ewige Anerkennung, Ruhm und Dank einem Manne, wie Schleiermacher, der taͤglich drei Stunden hinter ein - ander in Brillantfeuer ſtrahlte. Hier war das akademiſche Viertel einmal eine Wohlthat; man fuͤhlte das Beduͤrfniß, auszuruhen, die zu Tage gefoͤrderten Schaͤtze zu ſammeln, zu ordnen, ſich an ihrem Beſitze zu weiden.

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Aber in den meiſten Faͤllen iſt es anders. Ableſen, Dic - tiren, lahmer, matter, geiſtloſer Vortrag von der einen Nachſchreiben, Krumm - und Lahmſitzen auf der andern Seite, toͤdtliche Langeweile gelehrter Kram, deutſche d. h. unprak - tiſche Gruͤndlichkeit, hiſtoriſcher Wuſt was Wunder, daß der Juͤngling bei dem ewigen Einerlei ermuͤdet, ſtumpf und dumm wird, dann faullenzet, anfaͤngt zu ſchwaͤnzen, ſein hei - ßes Blut an andern Orten abkuͤhlt und ſeine Kraft in andern Richtungen uͤbt. Das Leben lockt, die luſtigen, fidelen Bruͤ - der, die Kneipen, die Commerſche. Es iſt notoriſch, daß fuͤr die Meiſten ein, zwei, drei oder mehr Semeſter verloren ge - hen. Aber was heißt hier: verloren gehen? Iſt nichts weiter verloren als Zeit und Geld? Iſt die Kraft, das Mark des Juͤnglings unverbraucht geblieben? Wenn nicht in geiſtiger Anſtrengung und leiblich ſtaͤrkenden Leibesuͤbungen wie dann und wo?

Nein, Ihr Guten, dieſe akademiſche Freiheit preiſet Ihr allein. Kein Beſonnener, kein Kenner, kein Freund der Ju - gend kann ſie loben. Nicht wie Schuljungen wollen wir ſie discipliniren, aber doch leiten. Die Moͤglichkeit der Verirrung muß bleiben, weil an ſie die Moͤglichkeit der Entwicklung der Freiheit gebunden iſt; aber die poſitiven Inſtitutionen duͤrfen nicht fehlen, die die Kraft des Juͤnglings in edle Richtungen mit Sicherheit hinlenken. Saget mir doch, was fuͤr Inſtitu - tionen Ihr in’s Leben gerufen, zur Erreichung dieſes Zweckes? Was haben wir, außer der Sprachkraft und Sprachunkraft der akademiſchen Docenten? Zu was fuͤr Thaͤtigkeiten veran - laßt Ihr den Juͤngling außer der Bewegung der Hand beim Nachſchreiben, der Paſſivitaͤt beim Zuhoͤren und dem Aus - wendiglernen ſeiner Hefte?! Gewiß, in vielen Faͤllen geſchieht ein Mehr bei den beſſeren Juͤnglingen; aber koͤnnt Ihr in der68 Mehrzahl der Faͤlle darauf rechnen? Gehoͤrt es zu den Aus - nahmen, wenn dieſes Mehr nicht eintritt?

Wo iſt die unmittelbare, geiſtige Wechſelwirkung des Leh - rers und des Schuͤlers? Wo die Gelegenheit, die Nothwen - digkeit dazu? Selten, oder nirgends.

Wo die Inſtitute, die den Leib der Juͤnglinge ſtaͤhlen und kraͤftigen, damit das heiße Blut ſie nicht verfuͤhre? Sie fehlen.

Wo die Veranſtaltungen, daß der Juͤngling Bekanntſchaft mache mit achtungswuͤrdigen Maͤnnern und edlen Frauen, und ſich feine Sitte und aͤußere Bildung aneigne?

Wie bildet Ihr Kameradſchaften, Zuſammenſchaarung des Gleichartigen, Standesgenoſſenſchaft und Corporationen?

Wo zeigen ſich dem Juͤngling praktiſche Ideen in dem Leben der Maͤnner und der Staͤnde?

Sehet, auf dieſe und viele andere Fragen nach Dingen, die, wie ich oben gezeigt habe, zur Erziehung derer, welche die Culturtraͤger und Foͤrderer der Nation zu ſein berufen ſind, gar nicht fehlen duͤrfen, habt Ihr gar keine Antwort. Es fehlet an Allem, uͤberall tabula rasa, Alles raſirt. Es macht ſich in manchen Faͤllen das Beſſere, aber das iſt Euer Verdienſt nicht. Und doch iſt es Eure Pflicht, dafuͤr Sorge zu tragen, daß nur der Widerſpenſtige nicht wird, was er werden kann und ſoll. Am Niederreißen, Negiren, Vernich - ten hat man ſein Gefallen gehabt, auch auf den Univerſitaͤten. Aber was iſt Poſitives geſchaffen worden? Tabula rasa.

Eure Angſt iſt, daß etwas Ungehoͤriges geſchehe; darum verhuͤtet Ihr nicht, daß nichts geſchieht. Wenn ſie nur kei - nen Tumult machen, wenn nur kein Skandal entſteht, wenn nur dieß nicht geſchieht, nur jenes nicht, wenn nur dieſes dieſes dieſes nicht, nicht, nicht eintritt; ſehet das69 iſt das Hoͤchſte, was Ihr anſtrebet, eine pure Negation, ein reiner Nihilismus. Ob die Juͤnglinge in Faulheit, Paſſivitaͤt und geiſtigen Tod verfallen, ob ſie in der Kneiperei und im Schuldenmachen untergehen, ob ſie ihr Mark in den geheimen Winkeln vergeuden und ſich entnerven, entmarken, entman - nen, dagegen habt Ihr keine durchgreifende Mittel. Es iſt entſetzlich, aber es iſt wahr.

Als ich ſtudirte, 1808 u. ſ. w., es gab auch Kneipier’s, Renommiſten, Schlaͤger und ſolche, die in Kloaken ſich her - umtrieben. Aber ſie waren gekannt und verachtet. Fra - get jetzt nach, ob Solches in .... der Fall iſt! Wenn vor 25 Jahren Einer an einer ſchaͤndlichen Krankheit laborirte, man zeigte heimlich mit Fingern auf ihn und Jeder mied ihn. Fraget jetzt darnach! Damals war dieſe Krankheit, die auf Handlungen hindeutet, die Leib und Seele vergiften, unter den Studenten, wenigſtens Suͤddeutſchlands, eine Seltenheit. Und jetzt? Iſt es eine Luͤge, eine Verleumdung, wenn ich be - haupte, daß Juͤnglinge aus den beſten Familien in einer Uni - verſitaͤtsſtadt, deren Namen ich hier verſchweige, an geheimem Gift laboriren? Fuͤr ſie iſt die Naͤhe einer andern groͤßern Stadt*) In großen Städten verſchwinden die Studenten, Alles geht vortrefflich, ruhig her, Niemand weiß von einem Skandal , ſo ſprecht Ihr lobpreiſend, aber was in den Bier - und Schnapps - kellern, in den Winkeln und Häuſern, in welche Sirenen den jungen Mann locken, was auf den Stuben geſchieht, da es Dirnen giebt, welche die Studenten beſuchen, ja die ich muß es herausſagen ſie zum Abonnement reizen, das wißt Ihr nicht, und wer es weiß, ſagt es nicht gern. Aber es iſt! eine Moͤrdergrube. Auch dort giebt es liederliche Dirnen; aber hier werden ſie geduldet, ſie ſind privilegirt. Dieſes iſt das Schreckliche. In wenigen Stunden iſt der670Juͤngling dort, wenn der Genuß des Weines ſein Blut er - hitzt hat.

Ich kann es nicht beweiſen, daß es auf Univerſitaͤ - ten, die ſich in großen Staͤdten befinden, noch ſchlimmer ſteht; aber das bedarf keines Beweiſes. Es kann nicht anders ſein. Denket z. B. an Muͤnchen, wo auf jedes eheliche Kind ein uneheliches kommt. Und dieſen Graͤuel der Verwuͤſtung dul - det man nicht bloß, nein, man verlegt auch eine hohe Schule in dieſes Sodom und preiſet es als das deutſche Athen. Wohl, es wird eine hohe Schule ſein! Es iſt ſchrecklich.

Iſt es ein Wunder, daß ein Vater, der Solches weiß, zittert, wenn er ſeinen hoffnungsvollen, behuͤteten, reinen Sohn auf die Univerſitaͤt entlaſſen will, entlaſſen muß? zit - tert, wenn derſelbe heimkehret, ehe er ihn geſehen, weil er fuͤrchtet, es moͤchte Ungeheures geſchehen ſein?

Als oͤffentlicher Anklaͤger koͤnnte ich im Namen der Vaͤter und Muͤtter und des Genius der Paͤdagogik gegen Euch auf - treten, die Ihr dem Uebel nicht kraͤftiger ſteuert, wo Ihr es koͤnnt! Aber ich thue es nicht, ich nenne nur das Verder - ben ſelbſt und ſeine Quellen, damit ſie verſtopft werden. Weiter will ich nichts, kann ich nichts wollen. Aber es iſt hohe Zeit.

In vorigen Zeiten glichen die Univerſitaͤten einem wilden Walde in Alt-Germanien. Unter himmelhohen Eichen hauſe - ten wilde Thiere mancherlei Art, zottige Baͤren, heulende Woͤlfe und Auerochſen mit gekruͤmmten Hoͤrnern. Murmelnde Baͤche ſtroͤmten von den Bergen herab und vereinigten ſich zu reißenden Stroͤmen. Friſche Nordwinde ſtrichen durch den Wald. Wer ihn betrat, ſiedelte ſich entweder an den Baͤchen und Quellen an, um poetiſch zu luſtwandeln und ſich an den ſuͤßen Liedern der Nachtigallen zu ergoͤtzen. Oder er geſellte71 ſich in wilder Kraft zu jenen Thieren, die gemeinſchaftlich kaͤmpften mit Allem, was nicht in dem Walde war, und ſich auch unter einander zerriſſen. Mancher blieb in dem Walde; wer wieder herauskam, war zottiger und wilder geworden. Aber das wilde Leben hatte ſeine Kraft geſtaͤhlt und er war ein Mann geworden, dem die ſpaͤtere Politur die Mannhaf - tigkeit nicht mehr zu rauben vermochte. Jetzt iſt der Wald ausgehauen, alle Hoͤhen ſind geebnet, alles Hervorſtehende, Characteriſtiſche iſt nivellirt, die Quellen und Baͤche ſind zu Suͤmpfen geworden, die Bewohner der ſumpfigen Flaͤchen ath - men erquickende Duͤnſte und nichts mangelt ihnen ſo ſehr als die Eigenſchaften kraͤftiger Maͤnner.

So waren die Univerſitaͤten, ſo ſind ſie jetzt.

Bemerkung. Ich habe oben keinmal ausdruͤcklich mit einem Worte der Religion gedacht. Gehoͤrt nicht auch ſie in die Reihe der unentbehrlichſten, nothwendigſten Bildungsmittel, iſt ſie nicht auch das erſte fuͤr die akademiſche Jugend? Sicher und gewiß, ſo gewiß, als ſie die Wurzel und die Bluͤ - the alles wahren Lebens iſt. Dieſes iſt fuͤrwahr ein ſchmerz - licher Gedanke, wenn wir an die Oede und Leere, welche in dieſer Beziehung in der Regel unter den Studenten herrſcht, denken. Sieht es nicht ſo aus, als waͤre die Religion, das Chriſtenthum, die Kirche gar nicht fuͤr ſie da? Erkennt man aus dem Streben und Leben der meiſten, daß ſie den Geiſt wahrer Religioͤſitaͤt in ſich empfangen und fortgebildet haben? Doch, wir wollen nicht ungerecht ſein; es iſt Manches im Innern verborgen, was nicht aͤußerlich in Mienen und Ge - berden erſcheint; auch ſuchen wir nicht die Religioͤſitaͤt in Aeu - ßerem, und wir wiſſen es, die Form und die Aeußerung der -72 ſelben iſt in jeder Altersperiode eine andere. Huͤten wir uns darum, Alles mit einer Elle, einem Maßſtabe zu meſſen, und geben wir auch in dieſer Beziehung der individuellen Ent - wicklung einen freien Spielraum! Aber bei all dieſer libera - len Geſinnung vermiſſen wir unter den Studenten im Allge - meinen lebendigen Sinn fuͤr die Religion, hier gleich viel, ob er ſich vorherrſchend durch ein Forſchen nach den religioͤſen Tie - fen, oder durch Waͤrme des Gefuͤhls, oder durch Thatkraft aͤußern moͤchte. Aber zur Aeußerung muͤßte er doch treiben, falls ein lebendiger Keim und Trieb vorhanden waͤre.

Wodurch ſoll dieſer, ſelbſt von den edleren und feineren Gemuͤthern der Studenten ſchmerzlich gefuͤhlte Mangel erſetzt werden? Welche Vorſchlaͤge waͤren in dieſer Beziehung zu thun? Ich geſtehe es, ich bin in dieſer Beziehung in Verle - genheit. Soll man eigne religioͤſe Vortraͤge und was ſich daran anſchließen moͤchte, fuͤr die Studenten vorſchlagen, oder ſoll man ſie nur hinweiſen auf fleißige Theilnahme an dem allge - meinen Gottesdienſte? Was hier zu thun ſein moͤchte, und ob von eignen Veranſtaltungen eine beſondere Wirkung fuͤr Geiſt und Herz zu erwarten ſein duͤrfte, ich weiß es nicht. Ich muß mich damit begnuͤgen, den herrſchenden Mangel angedeutet zu haben, und das Weitere Andern uͤberlaſſen, ſo wie es uͤber - haupt meine Aufgabe weniger iſt, radicale Heilmittel fuͤr die aufgedeckten Gebrechen in Vorſchlag zu bringen, als die Uebel ſelbſt zu bezeichnen. Das Heilen muß von denen ausgehen, welchen Amt und Gewiſſen Solches zur Pflicht macht. Deß - halb tadle man dieſe kleine Schrift nicht darum, weil die Rath - ſchlaͤge zur Beſeitigung der Maͤngel und Gebrechen dieſen nicht vollkommen entſprechen. Solches liegt in der Natur der Sache und des Standpunktes, den ich einnehme. Erkennt man nur einmal in rechtem Ernſte, der ja uns Deutſchen vorzuͤglich73 eigen ſein ſoll, die großen Gebrechen unſerer Univerſitaͤten, ſo wird man gewiß auch die Mittel entdecken, durch welche den - ſelben begegnet werden kann. Was der Eine nicht ſieht und weiß, erkennt und verſteht der Andere, und die freie Discuſ - ſion wird die einſeitigen Standpunkte der Einzelnen zu allſei - tiger Auffaſſung vereinigen. In großen Dingen etwas gelei - ſtet zu haben, ſelbſt wenn es bei einer zeitgemaͤßen Anregung geblieben waͤre, verdient ſchon Anerkennung. Darum ſage der, der das Beſſere weiß, dieſes Beſſere!

Schluß.

Worin ich das Verderben auf den deutſchen Univerſitaͤten finde, habe ich geſagt, unverholen und derb. Dieß war meine Abſicht. Ich ſtehe deßhalb am Schluſſe. Auch habe ich nicht verholen, was ich fuͤr eine Verbeſſerung anſehen wuͤrde. Ich will Solches zuſammenfaſſen. Vorher aber muß ich noch ein - mal auf die wichtige Wahrheit aufmerkſam machen, daß es Einzelheiten ſind, durch deren alleinige Einfuͤhrung eine voͤl - lige Umgeſtaltung in dem Grade und Maße, wie die Univer - ſitaͤten ſie beduͤrfen, nicht herbeigefuͤhrt werden kann. Dieſe haͤngt ab von der Umgeſtaltung anderer Lebensverhaͤltniſſe, mit welchen unſere Unterrichtsanſtalten verbunden ſind, ſeit - waͤrts und jenſeits derſelben. Nicht die Profeſſoren, deren Wiſſenſchaftlichkeit und Methode u. ſ. w. ſind die alleinige Hauptſache fuͤr die Bildung der Studirenden: es iſt das Le - ben des ganzen Volkes, das ganze Leben auf der Hochſchule, der Geiſt, der die Menſchen treibt, da wo jene die erſten Schritte in’s Leben thun, die Richtung auf das Gemeine oder Hoͤhere, welche vorherrſcht, die ausſchließliche Beſchaͤftigung74 mit Particularintereſſen, oder die Unterordnung derſelben unter allgemeine, hoͤhere. Keine Bildungsanſtalt, kein Vortrag, keine Methode kann erſetzen, was in dieſen wichtigſten Bezie - hungen fehlt, was nur kommen kann vom allgemeinen Leben, ſeinen Inſtitutionen, ſeinem Geiſte. Doch ich nenne Ein - zelheiten.

A.

1) Nur Solche werden zu Univerſitaͤtslehrern berufen, die ſich anderwaͤrts ſchon als Maͤnner von Geiſt und Kraft bewaͤhrt haben. Als Regel gilt: Vollendung des dreißigſten Lebensjahres als Minimum. Wer ſelbſt noch an Jahren und Richtung ein Studioſus iſt, kann Studenten nicht erziehen (in dem oben dargeſtellten Sinne. Darum keine Verdrehung der Anſicht wegen eines Wortes!)

2) Jeder Lehrer wird auf beſtimmte Lehrfaͤcher, in be - ſtimmter Zeit zu behandeln, verpflichtet. Jenſeits dieſer Ver - pflichtung beginnt der freie Spielraum, jedoch ebenfalls inner - halb beſtimmter Fachbegraͤnzung.

3) Das Hiſtoriſche des Lehrſtoffes wird den Studen - ten gedruckt uͤberliefert. (Zweckmaͤßig iſt auch die gedruckte Mittheilung eines kurzen Leitfadens des dogmatiſchen Gehalts, Andeutungen, Fingerzeige u. ſ. w.)

4) Die vorherrſchende Lehrmethode iſt die dialogiſch - entwickelnde. Unbedingt gilt ſie in allem Rationellen. Das Hiſtoriſche wird als bekannt vorausgeſetzt, das aͤußerlich Anſchauliche wird (wie bisher) vorgezeigt.

5) Die Zahl der taͤglichen Lectionen, wozu ein Lehrer verpflichtet wird, iſt hoͤchſtens drei; ſie gilt auch als Maxi - mum fuͤr den Studenten. Dieſelben ſind nicht zum paſſiven Hoͤren, nicht zum Heftſchreiben, ſondern zur Erlernung des Selbſtdenkens und Forſchens auf der Univerſitaͤt.

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6) Die leitende Behoͤrde macht die Reihenfolge der Vor - leſungen und ihre Vertheilung auf einzelne Semeſter bekannt. Es ſei ein Rathſchlag, kein Zwang.

7) Der Student muß ſich beſcheinigen laſſen, ob und wie er an einer Vorleſung Theil genommen habe. Der Leh - rer darf nur beſcheinigen, was er weiß auf Amtseid und Pflicht.

8) Stipendien werden nur dem[ertheilt], der ſich durch ſpecielle, in jeder Hinſicht glaubwuͤrdige Zeugniſſe als ein jun - ger Mann von Geiſt und Strebkraft ausweiſet.

9) Die Lehrer ſtehen auf fixem Gehalt. Keiner bezieht Honorare. (Ob die Studenten eine Zahlung [und welche] an die Univerſitaͤtskaſſe zu machen haben, wird der Weisheit der Staatsbehoͤrden uͤberlaſſen.)

U. ſ. w.

B.

1) Der akademiſche Senat, d. h. das corpus aller Leh - rer ohne Ausnahme, beraͤth alle allgemeinen, jede Facultaͤt ihre beſondern Angelegenheiten, und die Glieder derſelben theilen ſich ihre Bemerkungen uͤber die, ihrer Facultaͤt angehoͤrigen Studenten mit.

2) Angeregt werden wiſſenſchaftliche Verſammlungen un - ter ihnen.

3) Es wird ein Geſellſchaftshaus fuͤr Profeſſoren und Studenten errichtet, zu geſelliger Unterhaltung, Erheiterung und Ausbildung.

4) Fuͤr Kraͤftigung des Leibes der Studenten wird ge - ſorgt durch Gymnaſtik aller Art.

U. ſ. w.

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C.

1) Auf keiner Univerſitaͤt, nicht in ihrem Umkreiſe, wird eine Hure*)Nicht wahr, Ihr fühlt etwas bei obigem Worte, das ich ohne Rückhalt ausſpreche. Das feine Gefühl , das in Euch wohnet, wird durch meine Rede verletzet. Wie, durch ein Wort? Durch ein Wort, das die Thaten bezeichnet, die Ihr duldet und durch Duldung befördert? Aber ich gebe die Thatſache zu, Ihr ſeid verletzt. Wohl; nun ſo ſchließet daraus auf den[Ab - ſcheu], den Andere empfinden, wenn ſie an Eure Thaten denken. geduldet.

2) Auf keiner Univerſitaͤt wird ein leichtſinniger, zum Zechen und Schuldenmachen verleitender Wirth geduldet.

3) Auf keiner Univerſitaͤt wird das Duelliren geduldet.

(Eine Jury, beſtehend aus Profeſſoren und Studenten, bildet das akademiſche Gericht, welches ſchlichtet und richtet. Nur mündliches Verfahren, bei offenen Thü - ren, nach einem pädagogiſchen, nicht nach einem Crimi - nal-Codex.)

U. ſ. w.

D.

Großen Univerſitaͤten wird eine Akademie beigegeben, d. h. eine Geſellſchaft von gelehrten Forſchern, welche die neueſten Reſultate der Wiſſenſchaften vortragen. An dieſen Vortraͤgen kann jeder Student Antheil nehmen, ſobald er ſein Triennium abſolvirt, oder ſein erſtes Staatsexamen gemacht hat.

U. ſ. w.

Noch viel Verdienſt iſt übrig. Auf, hab es nur! die Welt wird’s anerkennen.

About this transcription

TextUeber das Verderben auf den deutschen Universitäten
Author Adolph Diesterweg
Extent97 images; 20837 tokens; 5210 types; 150722 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationUeber das Verderben auf den deutschen Universitäten Dritter Beitrag zur Lösung der Aufgabe dieser Zeit Adolph Diesterweg. . XII, 76 S. BädekerEssen1836.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Pädagogik; Wissenschaft; Pädagogik; Gebrauchsliteratur; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
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