PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Eleuſinien des neunzehnten Jahrhunderts
Oder Reſultate vereinigter Denker uͤber Philoſophie und Geſchichte der Freimaurerei.
Erſtes Baͤndchen.
Berlin1802.Bei Heinrich Froͤlich.
[II][III]

Vorrede.

Die Frei-Maurerei hat in unſern Tagen die Aufmerkſamkeit der Maͤnner von Geiſt und Herz erweckt. Der Denker, der Freund der Geſchichte des menſchlichen Verſtandes, ſo wie der Theilnehmer an der Sache der Menſchheit, kann ſie ihr nicht verſagen. Sie ſelbſt iſt zur Wiſſenſchaft geworden; ſie iſt, wie jede menſchliche Anſtalt, der Reinigung, der Er - leuchtung, der Erweiterung und der Verbeſſe - rung faͤhig; ſie verdient naͤher gekannt, unter - ſucht, und auch außer den Logen bearbeitet zu werden.

Wenn man betrachtet: Wie und was die k. Kunſt im Ganzen und im Einzelnen nach Zeit - und Ortbeſtimmungen iſt oder war, ſo ergiebt ſich eine Geſchichte ; und wenn man unterſucht: Wie und was ſie nothwendig und uͤberall ſeyn ſoll, eine Philoſophie und Kritik der Frei-Maurerei.

* 2IV

Dazu Beitraͤge zu liefern iſt der Zweck einer Schrift, welche unter dem Titel: Eleuſinien des neunzehnten Jahrhunderts erſcheinen wird, und welche auf die Theilnahme der Maurer aller Art und Kunſt beſcheidne Anſpruͤche macht.

Nur Wahrheit und Vielſeitigkeit kann ihr Augenmerk und ihr Karakter ſeyn, wenn ſie den Namen einer maureriſchen Schrift tra - gen will; aber ſie wird, grade um deswillen, eben ſo wenig Maurern irgend eines Syſtems das Wort verſagen, als ſie ſelbſt von einem feſten Standpunkte wanken wird.

So kuͤndigte der Herausgeber dieſe maure - riſche Schrift an, und nun beginnt er ſein Ver - ſprechen zu leiſten. Dies iſt der Inhalt des erſten Baͤndchens:

  • No. 1. Philoſophie der Maurerei, Briefe an Conſtant. Es ſind die Ideen eines der erſten Phi - loſophen und allgemein geachteten Denkers, welche er vor einiger Zeit in der FormV muͤndlicher Vortraͤge aufgeſtellt, und wo - durch er die Maurerei, auch fuͤr Nicht - Maurer, philoſophiſch begruͤndet hat. Er hat ſie dem Herausgeber der Eleuſinien unbedingt uͤberlaſſen. Dieſem gehoͤren nur einige Erweiterungen, z. B. der zweite Brief, einige erlaͤuternde Zuſaͤtze, und was die gewaͤhlte Einkleidung forderte; nicht die Schaͤrfe der Deduktion und die Neu - heit und Fruchtbarkeit der Ideen, die beſon - ders in den folgenden Briefen jeden den - kenden Leſer uͤberraſchen wird. Gewiß bleiben ſie nicht ohne wohlthaͤtige Wirkun - gen; auch iſt es eine auffallende Erſchei - nung, daß im Weſentlichen die Reſultate einer kritiſchen Geſchichtsforſchung mit denen einer rein-philoſophiſchen Deduktion faſt in einem Punkte zuſammen treffen.
  • No. 2. Ueberſicht der Geſchichte der Mau - rerei. 1. Alte Geſchichte. 2. Des achtzehnten Jahrhunderts, beſon - ders in Deutſchland.

In dem Vorbericht zum Bibliothek-Kata - logus der LL. Z. z. N. und Fr. z. g. K. in K. ſteht folgende merkwuͤrdige Stelle: Bis jetzt haben wir noch keine GeſchichteVI der Maurerei, inſofern dieſe aus oͤffent - lich bekantgewordenen Quellen ge - ſchrieben werden kann; und doch waͤre es nicht bloß fuͤr die Bruͤder des Ordens, ſondern uͤberhaupt fuͤr jeden denkenden Weltbuͤrger eine ſehr wichtige Sache, daß dieſe geſchrieben wuͤrde. Denn eine Geſell - ſchaft, die in allen chriſtlichen Laͤndern in und außer Europa ausgebreitet iſt; die gewiß in unſern Tagen eine Million Mit - glieder zaͤhlt; deren Wirkſamkeit von ſo vielen Seiten fuͤr die Menſchheit ſo wich - tig und wohlthaͤtig geweſen iſt; und deren Freunde und Feinde mit gleichem Eifer fuͤr und wider ſie geſtritten haben, ver - dient unleugbar eine philoſophiſche Dar - ſtellung aller derjenigen Thatſachen, die von ihr bekannt geworden ſind. Sie ver - dient, daß die verſchiedenen Sekten, in welche ſie zerfallen iſt, die Grundſaͤtze, wovon dieſe ausgegangen ſind, der Ein - fluß, den ſie auf den Geiſt des Zeitalters entweder wirklich oder angeblich gehabt haben, mit ſtrenger Unpartheilichkeit, aber auch mit gehoͤriger Sachkenntniß gepruͤft, gewuͤrdigt und dargeſtellt werden. Dies kann aber nur von einem Manne geſche -VII hen, dem alle, oder die meiſten zerſtreuten Huͤlfsmittel zu Geboten ſtehen.

Dieſe ſo beſchriebene, hoͤchſt wuͤnſchens - werthe Geſchichte der Maurerei, als eines Thei - les der Geſchichte des menſchlichen Verſtandes und ſeiner Verirrungen, wollte der Herausgeber der Eleuſinien nicht ſchreiben. Er ſetzte ſich keinen andern Zweck, als: aus den gedruckten Buͤchern, die ihm vor Augen kamen, alle ange - gebenen Data zu einer Geſchichte der Maurerei, ohne Auswahl und Kritik zu ſammlen, und ruhig, ſelbſt mit den Worten der verſchied - nen Verfaſſer, neben einander zu ſtellen; alle Quellen aber, die ihm perſoͤnlich offen ſtanden, ſo wie ſeine eignen Ideen und Kenntniſſe bei dieſem Sammlergeſchaͤfte zu beſeitigen. Es iſt nicht ſeine Schuld, wenn die Frucht deſſelben mager und vielleicht unſchmackhaft ausgefallen iſt. Er verbuͤrgt, weder vor Maurern noch vor Nicht-Maurern, die dieſe Blaͤtter leſen, ein einziges Factum, da er blos als Referent das zerſtreute Bekannte nach der Zeitfolge zuſammen geſtellt hat; aber er glaubt, daß dieſe Ueber - ſicht fuͤr den erfahrnen Maurer in vielem Be - tracht eine fruchtbare Anſicht gewaͤhren koͤnne, wenn er die aufgeſtellten Thatſachen in ihrer Folge, mit einem durch anderweitige Kenntniſſe geſchaͤrften Auge anſieht; abſondert, hinzuſetzt,VIII berichtiget. Er glaubt, daß ſie fuͤr dieſen reich an bedeutenden Winken, und fuͤr den Un - erfahrnen und Nicht-Maurer in der Art beleh - rend ſeyn werde, daß er einſieht, er koͤnne aus den oͤffentlichen Quellen nichts Befrie - digendes uͤber dieſen Gegenſtand ſchoͤpfen.

Aber es iſt der Maurerwelt eine kritiſche Geſchichte der Freimaurer-Bruͤder - ſchaft, wie ſie der Vorredner zu dem ange - fuͤhrten Katalog beſchreibt, und als dringendes Beduͤrfniß aufſtellt, verſprochen. Es hat dies ein Mann gethan, der alle, an eine ſolche Ge - ſchichte gemachten Anforderungen kennt, dem wirklich die meiſten und wichtigſten Huͤlfsmittel zu Gebote ſtehen, der mit der tiefſten Sach - kenntniß, den ruhigen Blick des Forſchers, den Scharfſinn der Kritik und die Kaͤlte der ſtreng - ſten Unpartheilichkeit verbindet, der erſte maureriſche Schriftſteller, Br. Feßler, in der Vorrede zu ſeinen ſaͤmmtlichen Schriften uͤber Freimaurerei, wirklich als Ma - nuſkript fuͤr BB. gedruckt Berlin 1801. S. III.

Aber und er hat den Herausgeber zu dieſer Erklaͤrung ſelbſt autoriſirt er wird dieſe kritiſche Geſchichte der Freimau - rer-Bruͤderſchaft von ihrem erſten Urſprunge an, bis auf die neuſten Zeiten, aus entſchei -IX denden, ihm von vielen BB. und Logen vor - gelegten Gruͤnden, nie dem Drucke uͤber - geben, ſondern nur an Logen-Archive im Manuſkript uͤberlaſſen, wenn der LMſtr, mit zwei ſeiner vertrauteſten BB., ſich mit ihm ſelbſt uͤber die nothwendig zu ſetzenden Bedin - gungen vereinigt hat.

BB, welche den Gang und Stand der Maurerei kennen, werden wiſſen, welche Auf - ſchluͤſſe ſie aus dieſen hoͤchſtwichtigen Ueberlie - ferungen, und gerade von dieſer Art der Mit - theilung, zu erwarten haben. Es iſt noch nicht die Zeit, daß die maureriſche Geſchichte, als ein Zweig der Geſchichte des Geiſtes und der Menſchheit uͤberhaupt auftrete; aber es iſt hohe Zeit, daß die Maurer ſelbſt uͤber den Urſprung und den Fortgang der Bruͤderſchaft, ins helle Licht kommen, und dadurch feſtſtehende Krite - rien ihres Urtheils erhalten.

  • No. 3. Maureriſcher Lebenslauf des Bru - ders t, im Orden a*** genannt. Moͤchten doch alte und erfahrne Maurer ihren juͤngern Bruͤdern oft ſolche Vermaͤcht - niſſe hinterlaſſen! Sie wuͤrden durch die Aufſtellung ihrer Erfahrungen gewiß fuͤr Viele wohlthaͤtig wirken, wenn ſie auch nicht immer einen ſo merkwuͤrdigen BeitragX zur Aufklaͤrung ſpecieller Ordens-Geſchich - ten, als der gegenwaͤrtige Lebenslauf, lie - fern ſollten. Die Bruͤderſchaft zaͤhlt in ihrer Mitte viel merkwuͤrdige Maͤnner, und das Leben derer, die fuͤr ſie beſonders thaͤtig geweſen ſind, hat immer etwas aus - gezeichnetes, man moͤchte ſagen, roman - tiſches. Eine Gallerie merkwuͤrdiger Mau - rer muͤßte ſehr unterhaltend und unter - richtend ſeyn.
  • No. 4. Hoͤhere Grade. Das Daſeyn hoͤherer Grade iſt, ſelbſt in der nicht-maureriſchen Welt, bekannt genug, eben ſo der Unfug, der hie und da mit ihnen getrieben worden iſt und wird; es iſt daher Zeit, ein bedeutendes und vernuͤnftiges Wort daruͤber oͤffentlich zu ſagen, damit Profane und uͤbelunter - richtetete Maurer ſich nicht laͤnger durch ein vornehmes Achſelzucken von einem ern - ſten Urtheile losmachen koͤnnen; es iſt Zeit ihnen anzudeuten, daß die Maurerei nie hinter ihrem Zeitalter zuruͤckbleiben koͤnne, und daß der Unterſchied zwiſchen h. Gra - den, wie man ſie gewoͤhnlich aus alter Praxis und ſelbſt aus Druckſchriften kennt, und h. maureriſchen Erkenntnißſtufen,XI ein hoͤchſt bedeutender und weſentlicher Un - terſchied ſey. Der Herausgeber hat alſo nicht Anſtand genommen, die beiden Stimmen, wovon die eine die gerechten Klagen uͤber jene referirt, die andre die Wichtigkeit dieſer darthut, hier ſprechen zu laſſen. Die Aufſaͤtze ſind von zwei verſchiedenen Verfaſſern.
  • No. 5. u. 6. ſpricht fuͤr ſich ſelbſt. (Kuͤnftig Worte von dem ehrwuͤrdigen Bode ſelbſt.)
  • No. 7. Reden und Gedichte. Der Zweck maureriſcher Reden iſt Beleh - rung und Erbauung der BB. Wo dieſe nicht die Wirkung einer ſtehenden Anſtalt iſt, dort ſpielen die Reden eine wichtigere Rolle. Doch ſollte man nicht unterlaſſen, die Mau - rerei als eine Schule wahrer Beredſamkeit zu benutzen. Leere Deklamationen, Vortraͤge uͤber ganz allgemeine Wahrheiten, ſo wie Einwirkung auf Gefuͤhle und ſogenannte Her - zenserſchuͤtterungen, haben den maureriſchen Karakter nicht. Es kann nur Vorleſun - gen (die den Zweck der Belehrung haben) und Feſt-Reden geben; von beiden liefert der Herausgeber eine Probe, und er dankt beſonders dem verdienten Verfaſſer der erſte -XII ren, fuͤr die Erlaubniß ſeine, bisher nur als Manuſkript gedruckte Vorleſung, einem groͤßern Publikum mittheilen zu duͤrfen. Das Gebiet der maureriſchen Poeſie iſt lange noch nicht kultivirt genug. Selbſt an vollkommnen Liedern (in deren Ruͤckſicht die Freimaurerei doch ein großes Verdienſt um das geſellige Leben hat) ſind die Maurer noch arm; und ſie wuͤrden noch aͤrmer ſeyn, wenn ſie ſich die Lieder der beſten Dichter, die moraliſchen Inhalts ſind, nicht angeeig - net haͤtten. Eine ſolche Aneignung iſt auch mit den hier abgedruckten Gedichten geſche - hen. Der Herausgeber wird jeden Beitrag maureriſcher Poeſie gern aufnehmen.
  • No. 8. Memorabilien. Vermiſchten Inhalts.

Der Herausgeber wuͤnſcht dieſer Unterneh - mung die Theilnahme ſeiner BB. Er gehoͤrt als ſolcher keiner Parthei an, und wird jede noͤthig - ſcheinende Berichtigung, ſo wie uͤberhaupt jeden Beitrag zu den Eleuſinien, der in wahrem mau - reriſchen Geiſte geſchrieben iſt, (eingeſandt unter Addreſſe der Verlags-Buchhandlung) mit Ver - gnuͤgen aufnehmen. Vielleicht in einem halben Jahre erſcheint das zweite Baͤndchen; die weitere Fortſetzung wird von dem Beifalle des maure - riſchen Publikums abhaͤngen. Die Abſicht des Herausgebers iſt allein, ſeinen BB. und der guten Sache der Maurerei nuͤtzlich zu werden.

Geſchrieben den 9. Maͤrz 1802.

[1]

I. Briefe an Konſtant.

Erſter Brief.

Ich nehme Deine Frage auf, Konſtant, und will Dir mit aller mir moͤglichen Strenge beantwor - ten, was Du nur fragen kannſt. Du wirſt ent - weder mich noͤthigen, durch eine vollſtaͤndige Be - leuchtung der Sache, meine Vorliebe fuͤr ſie auf - zugeben, oder Dich, ihr Deine Achtung zu ſchen - ken. Laß es uns Beide auf dieſe Gefahr immer wagen; wir werden an Wahrheit gewinnen, was wir etwa an vorgefaßten Meinungen verlieren ſollten. Ich werde dabei nicht vergeſſen, daß Du ein Ungeweihter biſt, und ſonach alle die kleinen Vortheile verlieren, die meine Deduktion durch dein Gefuͤhl haben koͤnnte; vergiß auch Du nur Deine maureriſche Gelehrſamkeit und Deine Buͤ - cher, und gieb dadurch die vermeinten Vortheile auf, die Du durch etwanige hiſtoriſche Kennt -Erſtes Baͤndch. A2niß, uͤber den bloß philoſophirenden Maurer zu haben vermeineſt.

Du kannſt billiger Weiſe nicht fordern, daß ich Dir eine andre Kenntniß vom Orden zuge - ſtehen ſoll, als: daß er exiſtirt. Was Du aus Deinen Buͤchern von der Art ſeiner Exiſtenz wiſ - ſen willſt, kann ich ſchon um deswillen nicht aner - kennen, weil alle dieſe Leſereien kein Wiſſen in Dir erzeugt und Dich allein in Widerſpruͤche und Zweifel verwickelt haben. Welchem Deiner Schrift - ſteller ſollſt Du denn auch trauen, da Du kei - nen Maasſtab haſt, ſie zu pruͤfen, und kein Medium, ſie zu vereinigen? Und ſo viel Du auch glauben, oder, wie Du ſprichſt, nach hi - ſtoriſcher Kritik wahrſcheinlich oder wahr - ſcheinlicher finden magſt: ſo berufe ich mich doch auf Dein eignes Gefuͤhl, wenn ich behaupte, daß Deine wahre Kenntniß der Sache, ſtreng genommen, nicht uͤber ihre Exiſtenz hinausgeht.

Dies iſt mir aber auch vollkommen genug, und ich lade Dich nur ein, an dieſe ſichre Kennt - niß, eben ſo ſichre Schluͤſſe anzureihen; und wir wollen doch finden, was der Freimaurer - Orden an und fuͤr ſich ſelbſt iſt? Das nun wohl eben nicht, aber doch das: was er an und fuͤr ſich ſelbſt ſeyn kann, oder, wenn Du willſt, ſeyn ſoll.

Dieſe Frage wird Dich uͤberraſchen, weil Du ſie noch nie gethan haſt, aber ſie iſt, nach dem Obigen, die einzige, die Du thun kannſt. Was der Orden iſt, das lerne meinetwegen aus dem3 zerſchmetterten Frei-Maurer, wenn es Dir ge - nuͤgt; was er ſeyn kann, vermagſt Du aus ei - ner beſſeren Quelle zu ſchoͤpfen, aus Deiner Ver - nunft. Aber wenn Du es weißt, ſo wirſt Du, bei einiger Konſequenz, nicht glauben, daß er an und fuͤr ſich ſelbſt wirklich ſo ſey, als er es, nach Deiner folgerichtigen Ueberzeugung, ſeyn kann; Du wirſt es wenigſtens nicht behaupten (aber auch nicht verneinen) koͤnnen, weil Du um deswillen ein Eingeweihter ſeyn muͤßteſt. Du wuͤrdeſt eher mit vollem Rechte ein maureriſcher Geſetzgeber ſeyn, als dieſe Behauptung mit eini - gem Rechte wagen koͤnnen.

Laß uns auf dieſem Felde, wo alles ſchwankt, nach einem feſten Punkte ſuchen, auf welchem unſer Fuß ſicher ſtehen kann, und uns von un - beſtrittenen Thatſachen ausgehen.

Du weißt, daß in den erſten Decennien des achtzehnten Jahrhunderts, und zwar in London, eine Geſellſchaft oͤffentlich hervortritt, die wahrſcheinlich ſchon fruͤher entſtanden iſt, von der aber keiner zu ſagen weiß, woher ſie komme, was ſie ſey und was ſie wolle? Sie verbreitet ſich, ohnerach - tet deſſen, unbegreiflich ſchnell und wandert uͤber Frankreich und Deutſchland in alle Staaten des chriſtlichen Europa, ja ſelbſt nach Amerika. Maͤn - ner aus allen Staͤnden, Regenten, Prinzen, Adliche, Gelehrte, Kuͤnſtler, Kaufleute, treten in ihren Bund, Katholiken, Lutheraner und Kalvi - niſten laſſen ſich einweihen, und nennen ſich Bruͤder untereinander.

A 24

Die Geſellſchaft, die, man weiß nicht warum, wenigſtens, wie ich Dich zu glauben bitte, ſehr zufaͤllig, ſich Frei-Maurer-Geſellſchaft nennt, zieht die Aufmerkſamkeit der Regierungen auf ſich, ſie wird in den meiſten Reichen, z. B. in Frank - reich, in Italien, den Niederlanden, in Polen, Spanien, Portugall, Oeſterreich, Bayern, Nea - pel, verfolgt, mit dem Banne zweier Paͤbſte be - legt, uͤberall mit den widerſprechendſten Beſchul - digungen uͤberhaͤuſt und jeder Verdacht, der dem großen Haufen verhaßt iſt, und bei ihm verhaßt macht, auf ſie geworfen. Aber ſie erhaͤlt ſich un - ter allen dieſen Stuͤrmen; ſie breitet ſich in neue Reiche aus und wird aus den Hauptſtaͤdten in Pro - vinzialſtaͤdte verpflanzt, wo man ſie vorher kaum dem Namen nach kannte. Sie findet unerwar - tet an dem einen Orte Schutz und Unterſtuͤtzung, wenn ſie an dem andern unterzugehen in Ge - fahr iſt. Sie wird dort als die Feindin der Throne und die Anſtifterin der Revolutionen verſchrieen, und gewinnt hier das Vertrauen der beſten Re - genten.

So gelangt ſie herauf bis zu unſern Tagen. Du ſiehſt, wie in dieſem Zeitalter die Mitglie - der dieſer Geſellſchaft, ſich endlich einmal ernſt - lich fragen: woher kommen wir doch? was ſind wir und was wollen wir? Du ſiehſt, wie ſie von allen Orten her ſich verſammlen, um ſich dieſe Fragen zu beantworten; wie ſie mit ern - ſten Mienen einander anblicken, jeder von ſeinem Nachbar die Antwort erwartet, und endlich alle5 entweder laut oder ſtillſchweigend, geſtehen, daß keiner von ihnen, den Zuſammengekommenen, es wiſſe. Was thun ſie nun? Sie reiſen nach Hauſe, erklaͤren ihren Bruͤdern die allgemeine Unwiſſenheit, entlaſſen ſich gegenſeitig ihrer Ver - pflichtungen und gehen, mit einiger Scham, aus - einander? Keinesweges! der Orden dauert fort und verbreitet ſich, nach wie vor.

Die Geſellſchaft erleidet noch haͤrtere Dinge. Die Frage nach ihrem Geheimniß wird dringen - der, es wird in oͤffentlichen Schriften, z. B. dem entdeckten Geheimniß der Freimaurer, der geſtuͤrz - ten, der verrathenen Freimaurerey, zur allgemei - nen Kenntniß gebracht; man erhebt die Abſicht einiger maureriſchen Sekten zur vollkommnen Ge - wißheit, andrer zur Wahrſcheinlichkeit; man fin - det, daß hie und da die Maurerei nur zur Huͤlle verwerflicher Zwecke gedient habe und zieht dieſe Zwecke in ihr, ſie toͤdtendes, Licht. Was wird nun geſchehen? Die Freimaurer werden ſich von dem verrathenen Geheimniſſe losſagen und, um ſich von allem Verdacht unredlicher Zwecke auf einmal zu befreien, die Logen ſchließen und den zerſchmetterten Freimaurer in ihre Biblio - thek ſtellen. Nein! die Geſellſchaft dauert fort, als ob nie ein Wort uͤber ſie geſprochen, kein Buchſtabe uͤber ſie gedruckt waͤre und das Still - ſchweigen in ihr unverbruͤchlich gehalten wuͤrde.

Endlich zerreißt ſich die Geſellſchaft ſelbſt in ihrem Innern, alle Einheit hoͤrt auf, ſie ſpalten ſich in Sekten, die ſie Syſteme nennen, verketzern6 ſich gegenſeitig, thun ſich in den Bann, und wie - derholen das Spiel mit einer allein ſeligmachen - den Kirche. Der ehrliche Servati fragt: Und wollte ich ein Freimaurer werden, wo ſind die aͤch - ten Meiſter zu Hauſe? und weiß in ſeinem dicken Buche keine Antwort zu geben; indeß die Mau - rer aller Farben und Zeichen einmuͤthig antwor - ten: Nirgends! nirgends, als bei uns.

Was erfolgt nun? Der Ungeweihte, der doch ſonſt noch, wenigſtens vor dem Brudernamen Ehrfurcht hatte, findet jetzt die ſich verfolgenden und verketzernden Maurer laͤcherlich, und es faͤllt auf die Maurerei etwas, das ſchlimmer iſt, als alle Verfolgung kalter Spott und Hohn der feinen Welt. Nun wird doch ohne Zweifel die Aufloͤſung der wunderbaren Geſellſchaft erfol - gen? Wiederum Nein! ſie erhaͤlt und verbrei - tet ſich wie immer, und mancher feige Bruder, der uͤber und uͤber erroͤthen wuͤrde, wenn man in einem feinen Zirkel ſagte: er ſei Freimaurer, geht nach wie vor gewiſſenhaft in die Loge.

Sieh, Konſtant, ſo ſteht es mit dem Orden, deſſen Geheimniß du ergruͤnden willſt; uͤber den Verfolgung und Spott, Unwiſſenheit und Verrath nichts vermoͤgen. So wie man zuweilen im Spaß geſagt hat: das groͤßte Geheimniß der Frei - maurer iſt, daß ſie keins haben; ſo kann man mit Recht ſagen: das offenbarſte und dennoch geheimſte Geheimniß der Freimaurer iſt, daß ſie ſind und daß ſie fortdauren. Denn was iſt es doch, was kann es doch ſeyn, das alle dieſe Menſchen7 von der verſchiedenſten Denkart, Lebensweiſe und Bildung zuſammen verbindet und unter tauſend Schwierigkeiten, in dieſer Zeit der Erleuchtung und Erkaltung, bei einander erhaͤlt?

Laß uns weiter gehen, und dieſe Maͤnner ſelbſt naͤher betrachten. Es ſind vielleicht lauter Schwach - koͤpfe, Schwaͤrmer, Heuchler, Intriguanten oder Herrſchſuͤchtige, die ſich untereinander verbunden haben. Nun dann, ſo iſt es begreiflich, wie ſich der unredliche Schlaukopf mit Narren verbinden kann, um ſie zu ſeinen Abſichten zu lenken oder wenigſtens, ſich an ihrer Thorheit zu beluſtigen; begreiflich, wie der Herrſchſuͤchtige den Schwaͤr - mer bei ſeiner Geheimnißſucht fangen und ſeinem Stolze zu gefallen, den Mann, der ſonſt an Rang und Anſehn uͤber ihm ſteht, unter ſeine Befehle nehmen kann; begreiflich, wie der Intri - guant ſich mit Schwachkoͤpfen verbinden kann, um dieſe ſagen und zahlen zu laſſen, was ihm gefaͤllt. Aber Nein! in allen Zeitaltern finden ſich die weiſeſten, redlichſten, durch Talent, Kennt - niſſe, und Charakter ehrwuͤrdigſten Maͤnner im Orden, uͤberall ſind Mehrere iſt gewiß Einer unter den Bruͤdern, dem Du Dich mit vollem Vertrauen als dem Fuͤhrer und Leiter Deines Le - bens in die Arme werfen wuͤrdeſt.

Doch ich laſſe keinen moͤglichen Einwurf zur Seite liegen dieſer weiſe und redliche Mann kann durch irgend einen Zufall und in irgend ei - ner Jugendlaune in einen Orden gerathen ſeyn, der ihm nach ſeinem innern Weſen unbekannt war. 8Er wird mit ihm bekannt, findet, daß es Nichts ſey, und auf eine kindiſche Spielerei hinauslaufe. Er kann nicht zuruͤck, eine gewiſſe Eitelkeit verhin - dert ihn, ſich als einen Getaͤuſchten darzuſtellen; ſeine innere Schaam aber verleitet ihn, ſich der leeren Sache hinzugeben, und er zieht ſich ohne Aufſehen in aller Stille zuruͤck. Iſt dies die wahre Geſchichte aller redlichen und weiſen Maͤn - ner im Orden, ſo ſtehen wir hier, am Ende unſerer Unterſuchungen, wir ſchaͤmen uns, daß wir den Orden auch nur ſo weit unſerer Aufmerkſam - keit gewuͤrdigt haben, und uͤberlaſſen ihn mit be - daurendem Laͤcheln den gutmuͤthigen Schwaͤrmern und den ſelbſtſuͤchtigen Intriguanten.

Aber das iſt ſie nicht, ſo wahr Deine Erfahrun - gen ſind, und die meinen. Die wahrhaft weiſen und redlichen Maͤnner, die wir kennen, ſind im Orden vorwaͤrts geſchritten, haben ſich ernſtlich mit ihm beſchaͤftigt, fuͤr ihn ſich abgearbeitet, und ſogar andre wichtige Zwecke aufgeopfert.

Und nun ſtehe ich auf dem Punkte, den ich fuͤr Dich, den Nicht-Maurer, und fuͤr jede konſe - quente Vernunft, fuͤr feſt und ſicher halte: So wahr auch nur Ein ohnſtreitig weiſer und tugendhafter Mann ſich ernſthaft mit dem Frei-Maurer-Orden beſchaͤftigt, ſo wahr iſt er kein Spiel, ſo gewiß hat er einen, und zwar ern - ſten und erhabenen Zweck. So haͤtten wir denn den Standpunkt gefunden,9 von welchem aus wir alles uͤbrige uͤberblicken, und unſern Fuß mit Bedacht weiter ſetzen koͤnnen.

Doch ehe wir dies thun, hoͤre ich dich ſo ſpre - chen: Es iſt wahr, weiſe und tugendhafte Maͤn - ner beſchaͤftigen ſich ernſthaft mit dem Orden; es iſt Faktum. Aber womit beſchaͤftigen ſie ſich? mit dem Orden, wie er iſt, oder wie und was er, und zwar durch ſie, werden kann? Arbeiten ſie vielleicht nur dahin, aus ihm etwas zu machen, und auf die tabula rasa der Frei-Maurerei etwas zu ſchreiben, das ihrer wuͤrdig iſt? Iſt dies, ſo haſt Du durch deine Deduktion nur das Bekannte bewieſen, daß der Weiſe und Tugendhafte nicht ſpielt, fuͤr die Frei-Maurerei aber nichts gewonnen. Alles, Konſtant, was ich bei Dir fuͤr ſie gewinnen kann; und ich faſſe, da ich Dir nicht anders ant - worten kann, ob es gleich fuͤr meinen Endzweck vollkommen hinreichend iſt, meinen Satz ſo: So gewiß ſich weiſe und tugendhafte Maͤn - ner je ernſthaft mit dem Frei-Maurer-Orden beſchaͤftigten, ſo gewiß kann er einen ver - nuͤnftigen, guten, erhabener Zweck haben. Dieſen moͤglichen oder wirklichen Zweck wol - len wir nun finden, indem wir auf dieſem Wege fortwandeln. Was nehmlich der weiſe und tugend - hafte Mann wollen koͤnne, was er nothwendig wollen muͤſſe, das koͤnnen wir wiſſen, ſo gewiß die Weisheit und Tugend nur Eine iſt, und be - ſtimmt durch ewige Geſetze der Vernunft. Wir duͤrfen ſonach nur unterſuchen:10 was der weiſe und gute Mann in einer ſolchen Verbindung beabzwecken koͤnne und wir haben den einzig moͤglichen Zweck des Frei-Maurer-Ordens mit demonſtrativer Gewiß - heit gefunden.

Erwaͤge dies, mein theurer Freund, und ſage mir, ob Du dich mit mir auf dieſe Entdeckungs - reiſe einſchiffen willſt. Du wirſt ſchon wachen helfen, daß unſre Fahrt ohne Umwege und Ver - irrungen in grader Richtung bis ans Ziel gehe. Lebe wohl.

Zweiter Brief.

Du biſt mit mir zufrieden, Konſtant, aber Du meinſt doch, daß ich zu Anfange meines Briefs die Geſellſchaft in Abſicht ihrer Fortdauer zu wun - derbar, und gegen das Ende des Briefs ſie, in Abſicht ihres Zwecks, beinahe zu natuͤrlich dargeſtellt habe; Du meinſt, es habe den Anſchein, als wenn wir beide den Frei-Maurer-Orden erſt erfinden wollten. Fuͤr deine Zufriedenheit danke ich Dir, auf das uͤbrige antworte ich Dir mit Kurzem. Ich habe die Fortdauer des Ordens we - der wunderbar, noch ſein Weſen natuͤrlicher als natuͤrlich darſtellen wollen; willſt Du Dich uͤber jene verwundern, ſo habe ich ſo lange nichts dagegen, bis Du nicht mit mir ſein Daſeyn na -11 tuͤrlich gefunden, bis Du nicht erwogen haſt, daß eben das Etwas, was der Weiſe im Orden beabzwecken kann, wohl allein ſeine Exiſtenz, trotz aller jener Schwierigkeiten und Gefahren, er - halten und geſichert habe. Erfinden wollen wir den Orden eben nicht; nur finden, unter welchen Bedingungen ſeine Exiſtenz fuͤr den Weiſen und Tugendhaften zureichend begruͤndet werde; und wenn dies hie und da ein Frei-Maurer oder ein ganzes Syſtem nicht wiſſen ſollte, ſo wollen wir es fuͤr ſie finden; und in dieſem Falle koͤnn - teſt Du nicht ganz unrecht haben, wenn Du ſag - teſt: Wir haͤtten fuͤr dieſe Frei-Maurer den Frei - Maurer-Orden erfunden.

Du haſt geſehen, daß ich geneigt bin, nur das fuͤr Zweck des Ordens anzuerkennen, was der Weiſe und Tugendhafte als ſolchen anerkennen kann. Laß uns doch zufoͤrderſt zuſehen, was nach dieſer Vorausſetzung der Zweck des Frei-Maurer - Ordens nicht ſeyn koͤnne. Fuͤrchte nicht, daß dies eine unnuͤtze Digreſſion ſeyn werde; dieſe Un - terſuchung wird uns nicht nur alles abſchneiden, worauf wir unſern Blick nicht zu richten haben, ſondern nebenher auf alles das hindeuten, was man zu gewiſſen Zeiten, dem Orden als Zweck untergeſchoben, oder auch als ſolchen angenommen oder angegeben hat. Dieſe Ruͤckſicht, ſoll mich leiten und einſchraͤnken, damit ich nicht in Ge - fahr gerathe alle Moͤglichkeiten erſchoͤpfen zu wol - len; wie denn auch von notoriſch boͤſen Zwecken uͤberhaupt gar nicht die Rede ſeyn ſoll.

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Nach meiner Vorausſetzung kann ſonach der Frei-Maurer-Orden nicht eine Anſtalt ſeyn, die zur Abſicht hat, gewiſſe einzelne Seelenkraͤfte des Menſchen, z. B. ſein Gedaͤchtniß, ſeine Urtheils - kraft, ſeinen Verſtand, oder ſeinen Geſchmack zu uͤben. Es waͤre uͤberfluͤſſig dergleichen zu un - ternehmen, da in Schulen, auf Univerſitaͤten und in oͤffentlichen Schriften und Anſtalten genug da - fuͤr geſorgt iſt; es waͤre laͤcherlich, bei erwach - ſenen Maͤnnern in einigen Stunden des Monats thun zu wollen, was zur Zeit der Erziehung, oder durch eigne Geiſtesthaͤtigkeit geſchehen muß, es waͤre abentheuerlich, ſich zu dieſem Zwecke von der oͤffentlichen Geſellſchaft abzuſondern und in einen geheimen Bund zu treten. Und unſer Weiſe will nichts Ueberfluͤſſiges, nichts Laͤcherliches, nichts Abentheuerliches. Eben ſo geht er nicht darauf aus, (wie man ſpricht) Aufklaͤrung zu ver - breiten, (wie man von den Illuminaten behaup - tete), weil das, was an dieſem Geſchaͤfte taugt, nach der Lage der Dinge und des Zeitalters, oͤffentlich gethan werden kann und ſoll.

Die Frei-Maurerei kann ferner nicht ſeyn eine Schule ſeltner Kunſte und geheimer Wiſſenſchaften, in welcher uͤbernatuͤrliche und uͤbermenſchliche Geheimniſſe gelehrt und mitge - theilt werden. Nicht blos, weil es unmoͤglich iſt, Dinge, von deren Exiſtenz wir nichts wiſſen, zu einem Gegenſtande der Lehre und der Tradition zu machen; ſondern auch, weil es unredlich iſt,13 die Geiſtestraͤgheit, die Habſucht, die Wunder - ſucht und andre verderbliche Leidenſchaften durch dergleichen Vorſpiegelungen zu naͤhren, den Ver - ſtand zu verblenden und die Sittlichkeit in ihrem Grunde zu verderben. Sonach kann unſer weiſe und gute Mann nie zugeben, daß der Orden, dem Er ſich hingiebt, ſich mit Bereitung von Wunderarzneien, Lebensbalſamen und Uni - verſaltinkturen beſchaͤftige, ſchon deswegen, weil er einen ehrenvollen Tod hoͤher achtet, als ein ſchaͤndliches Leben, welches er durch ſolche Kuͤnſte zu Jahrhunderten ausdehnen koͤnnte; daß er durch geheime Operationen, die ſich dem Auge der Che - miker entziehen, den Stein der Weiſen ſuche nicht blos, weil er weiß, daß dieſer Meſſias nie erſcheinen und allen Zauberformeln ewig trotzen wird, ſondern weil er alle die Kuͤnſte der traͤgen Habſucht verachtet, in der Kraft ſeines Geiſtes, ſo lange er ſie fuͤhlt, den wahren Stein der Wei - ſen gefunden hat, und ihm eine wahrhaft gute Geſinnung mehr werth iſt, als wenn er alles Metall der Erde in Gold verwandeln koͤnnte; endlich wird er ſich nicht einer Geſellſchaft wid - men, die nach der traurigen Kunſt forſcht, ſich mit ſogenannten Geiſtern in Verbindung zu ſetzen, und durch ihre Huͤlfe ſich dem Ewi - gen naͤher zu bringen, oder ſich die Kraͤfte der Na - tur unterthan zu machen, weil er von dieſen Gei - ſtern uͤberall nichts weiß, weil er ihre Huͤlfe in allen Dingen verachtet, und ihm eine gewon - nene Wahrheit, ein abgelegter Irrthum, mehr gilt,14 als wenn er alle Engel und Erzengel nennen*) Auch das ſanfte Loblied der Maurer toͤnt har - moniſch in dem Donnergeſang der Erzengel, denn er, der Maurer, kennt ſie, und ruft ihrer Etliche mit Namen. Die Thronen, die Herrſchaften, die Fuͤr - ſtenthuͤmer, die Gewaltigen, die ganze Rangordnung der Heerſcharen des Gottes Zebaoth unterſcheidet er, obgleich noch mit Sterblichkeit umhuͤllt. Seine Kunſt lehrt ihn dies. (!) ꝛc. Mein Gott! der Maurer iſt ein ſterblicher Menſch, und die goͤttliche Kunſt erhebt ihn uͤber die ganze Natur. Der traͤge Erdball und der hellglaͤnzende Seraph ſind die beiden Grenzen ſeiner anſchauen - den Kenntniſſe und ſeiner Macht. Ich wag es, ſie zu nennen. Er will, und die Materie gehorcht. Koͤrper verwandeln ſich, und Geiſter zittern vor ihm. Ich falle ſtaunend auf mein Antlitz zur Erde, und kuͤſſe voll Ehrfurcht den Staub unter meinen Fuͤßen. (Aus einer unge - druckten Rede eines ſehr beruͤhmten Mannes, die wir vielleicht einmal ganz liefern.) und mit ihnen converſiren koͤnnte. Wahrlich, ſo wahr irgend ein Weiſer und Tugendhafter ſich irgend in einem Zeitalter mit Frei-Maurerei beſchaͤftigt hat dies kann nicht Maurerei ſeyn! Roſenkreuzerei und *** iſt ſo wenig, als Illuminatismus Freimaurerei.

Eben ſo wenig iſt ſie eine verborgene kirch - liche oder myſtiſche Sekte. Was die Kirche leiſten ſoll, und was die kirchlichen Sekten leiſten wollen, das iſt bekannt, und der vernuͤnftige Mann15 wird ſich in dieſes Geſchaͤft nicht einmiſchen. Dieſe oͤffentlichen Anſtalten ſie moͤgen nun vollkom - men oder unvollkommen ſeyn koͤnnen durch eine geheime Geſellſchaft nicht gefoͤrdert werden, und es waͤre gelind geſprochen, eine Albernheit, ihnen dadurch entgegenarbeiten zu wollen. Die Aufklaͤrung, die ſich damit beſchaͤftigt, dieſe oder jene Dogmen einer kirchlichen Sekte zu widerle - gen, oder die Falſchheit einer ganzen Religions - parthei zu demonſtriren, iſt Verfinſterung. Der weiſe und gute Mann wird auf keine Weiſe fuͤr oder wider irgend eine Sekte Parthei neh - men, nie die kirchlichen Gegenſtaͤnde (wenn er nicht beſondern Beruf dazu hat) zu denen ſeines Sinnens und Handelns waͤhlen, noch weniger aber ſich in die Untiefen eines ſinnleeren und irreligioͤſen Myſticismus verſenken. Wenn Du alſo hoͤrſt, daß irgend eine Maureriſche Sekte ſich irgend einmal die Ausbreitung der Roͤmiſch-Katholi - ſchen Kirche und Hierarchie zum Zweck gemacht habe, oder noch mache: ſo glaube mit feſter Zuverſicht, daß dies nicht Maurerei ſey; wenn Du, als Frei-Maurerei alten Syſtems dar - geſtellt, folgendes liefeſt: Die Natur wurde dem Moſes als das Hintertheil der Gottheit gezeiget. Das Licht der innern Welt iſt der Abglanz von Jeſu. Die innere Welt gebahr die aͤußere. Die Verwandſchaft zwiſchen beiden iſt dahero innig und groß. Der Uebergang vom Untern zum Obern geſchieht durch Mittel-Subſtanzen. Jeſu verklaͤrte Menſchheit iſt die erſte dieſer Subſtanzen von16 oben herab, wie das Naturlicht von unten hin - auf. Die Vereinigung beider, nebſt der Thron - folge des goͤttlichen Geiſtes iſt Zweck der Wieder - geburt, und dieſe der Weg zum Kleinod der aͤußern Natur *)Stelle aus dem Vorbericht zu dem Hirten - Briefe an die wahren und aͤchten Frei-Maurer alten Syſtems, (neue Auflage 1785.) welche den Plan zu dem ganzen Werke enthalten ſoll. Die Frechheit uͤberſteigt allen Glauben, mit welcher dieſer myſtiſch-theologiſche Unſinn vor Kurzem noch, als das Schiboleth der allein wahren Maurerei, und als gruͤndliche Widerlegung der neuſten Schritte zur Regeneration des Ordens, oͤffentlich aufgeſtellt wurde. Das iſt aber voͤllig unglaublich, daß dieſes Buch wirklich den Weisheitskern einer gewiſſen Mau - reriſchen Sekte, die durch ihre aͤchtpapiſtiſche In - toleranz beruͤchtigt iſt, enthalten ſolle. Es wird noͤthig ſeyn, kuͤnftig dieſe ſeltne Erſcheinung, die durch jene Zeitungsannonce eine Art von Bedeu - tung erhalten hat, naͤher zu charakteriſiren. und wenn Dir dies ſelbſt im Hamburger unpartheiiſchen Korreſpon - denten als einzig wahre Maurerei, mit Aengſt - lichkeit angeprieſen wuͤrde, denke an Deinen Wei - ſen, und entſcheide mit Sicherheit, ob dies Mau - rerei ſeyn koͤnne.

Eben ſo kann Politik in keiner Ruͤckſicht ihr Gegenſtand ſeyn; ſey es um der beſtehendenOrdnung17Ordnung und Staatsgewalt entgegen zu arbeiten oder ihr durch geheime Mittel zu Huͤlfe zu kom - men, ſei es, die Staatsverfaſſung oder den Re - genten*)Anſpielung auf die engliſche Geſchichte, z. B. Cromvell, Ritter St. George ꝛc. zu veraͤndern oder in die Raͤder der Verwaltung mit unſichtbarer Hand einzugreifen. Niemand als unſer Weiſer iſt entfernter von dem Duͤnkel, durch Einwirkung auf Staatsverfaſſung etwas fuͤr die Menſchheit fordern zu wollen; er weiß, daß es Verbrechen iſt, von dem Standpunkte des Privatmanns aus, ihr in irgend einer Art entgegen zu wirken und ihre hoͤchſte Autoritaͤt zu ſchwaͤchen, oder ihr anders, als durch ſtrenge Pflicht - erfuͤllung, in Handhabung der Gerechtigkeit und Beſchuͤtzung des Eigenthums und andrer Rechte der Staatsbuͤrger zu Huͤlfe zu kommen; er iſt von der Vergangenheit belehrt, daß ein Namens - wechſel kein Gluͤckswechſel iſt, und daß große Um - wandelungen nur durch große und allgemeine Ur - ſachen hervorgebracht worden ſind. Er weiß was gut iſt, aber nicht, was gluͤcklich macht; und iſt frei von dem Duͤnkel, tauſende gluͤcklich machen oder erziehen zu wollen. Die Politik liegt außer ſeinen Kreiſen;**)Man hat hin und wieder dieſe Entfernung der Maurerei von Politik ſtark und oͤffentlich er - klaͤrt, und hat daran, in Ruͤckſicht des Zeital - ters und der Eingeweihten, wohl gethan; man hat dieſe Proteſtation aller politiſchen Zwecke ſtatt der Lenker vonErſtes Baͤndch. B18Staatsangelegenheiten, will er nur guter Buͤrger und Menſch ſeyn; ſtatt der Sorge um allgemeine Wohlfahrt, fuͤhlt er nur die fuͤr ſeine Pflicht und die Wohlfahrt der Seinen. Wo man Dir irgend, offenbar oder kuͤnſtlich verſteckt, politiſche Zwecke fuͤr den maureriſchen verkaufen will, da ſchuͤttle den Staub von Deinen Fuͤßen. Du haſt es dort mit Unkundigen, mit Schwaͤrmern, mit Selbſtſuͤchtigen zu thun, nicht mit Deinem Wei - ſen, nicht mit Maurerei.

Vielleicht aber koͤnnte Befoͤrderung des aͤußeren Gluͤcks der Zweck des Ordens ſein? Vielleicht wollen die Bruͤder ſich gegenſeitig zu Aemtern empfehlen, vielleicht errichtet man Ton - tinen, oder vielleicht erhalten die Aeltern und Oberen Penſionen aus dem Schatze, nach welchen die Juͤngeren ſtreben. Das erſtere mag ehe - mals, hin und wieder zufaͤllig geſchehen ſeyn, denn bei der groͤßeren Verbreitung des Ordens iſt ganz natuͤrlich hier nichts mehr zu hoffen oder zu fuͤrch - ten, aber es waͤre thoͤricht, ſich dies als Zweck der Verbindung zu denken; das andre iſt verſucht und vergeſſen; das dritte ſoll in einem gewiſſen Syſtem uͤblich ſein, an andern Orten herrſcht vollkommne Gleichheit der Leiſtungen; und glaubſt Du denn, daß der Mann der uns fuͤr den Orden garantirt, ſich ſo weit erniedrigen wuͤrde, eine Penſion aus Beitraͤ - gen anzunehmen oder darauf zu lauren?

**)ſogar in Rituale aufgenommen und dadurch wenigſtens etwas ſehr uͤberfluͤßiges gethan.
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Aber ſo wird es endlich doch Befoͤrderung des innern Gluͤcks ſein? Das, wonach St. Nicaiſe rang, wohin er nach tauſend Irrwegen, Taͤu - ſchungen und Leiden gefuͤhrt wurde und woran er S. 272 des bekannten Buches ſchreibt: Ich ſahe mich am Ziel aller meiner Wuͤnſche, und ich ward vollkommen uͤberzeugt, daß der Orden weit mehr gewaͤhrt, als er verſpricht, daß von ihm in einem weit vollkommneren Grade geſagt werden kann, was die Heiden ehedem von ihren Geheimniſſen ſagten: daß man dadurch lerne, mit Ver - gnuͤgen leben, und mit einer beſſeren Hoffnung ſterben oder wie er S. 382. ſpricht: Auch die hoͤchſte Stufe der Geheimniſſe hat nichts anders zur Abſicht, als die Menſchen beſſer zu machen. *)Dies glauben die meiſten und die beſten Bruͤ - der; indeß die andre große Haͤlfte nur die Ge - legenheit ſich zu vergnuͤgen, Bekanntſchaften zu machen, und alte Bekannte zu treffen, in den Logenhaͤuſern ſucht.Wahrlich! das iſt doch ein großer, erhabener Zweck, fuͤr den ja der Weiſe und Tugendhafte durch ſein ganzes Leben arbei - tet, nach dem alle Menſchen ſtreben, und fuͤr den es ſich wohl verlohnt

In eine geheime oder wenigſtens geſchloſſene Geſellſchaft zu treten? Wird denn die Tugend gelehrt? oder wenn ſie gelehrt wird, thun dies nicht unſre Prediger und Philoſophen hinlaͤng -B 220lich und vollſtaͤndig? Kann die Tugend erleich - tert und wie bei einem Leiden oder Ungluͤck, ihre Laſt durch Theilnahme vermindert werden? Oder iſt die Tugend nicht vielmehr, das eigenſte, ge - heimſte Geſchaͤft des Menſchen, welches er kaum mit Einem geliebten Herzen, geſchweige denn mit einer Geſellſchaft von Bekannten theilen kann? Er kann in der Geſellſchaft mehr Schicklichkeit, A〈…〉〈…〉 ndigkeit und Scheu lernen, ſich zu einem geſetzten, und rechtlichen Betragen gewoͤhnen; er kann viel ſchoͤne und ſogenannte nuͤtzliche Spruͤche und Reden hoͤren, aber nicht tugend - haft werden; und wenn er mit Vergnuͤgen zu leben und mit einer beſſeren Hoffnung zu ſterben nicht anderswo und vor ſeiner Aufnahme gelernt hat im Orden moͤchte er’s ſchwerlich lernen. Gewiß, in eine moraliſch-aſcetiſche Geſellſchaft, die es auf die Tugend und das Beſſerwerden, als einzigen und letzten Zweck angelegt, moͤchte unſer weiſe und gute Mann, wohl eben ſo wenig ſich einweihen laſſen, als Socrates in die Eleu - ſiniſchen Myſterien.

Nun ſo bleibt als Zweck dieſes wunderbaren Ordens nichts uͤbrig, als Nichts! und er hat nur nebenher die Vortheile einer guten und froͤh - lichen Geſellſchaft. So wahr, antwortet unſer Weiſer und Tugendhafter, ich mit dieſem, uͤbrigens ganz natuͤrlichen, Orden mich beſchaͤftige, und mich ihm hingebe, ſo wahr iſt ſein Zweck und Ziel Etwas, und die gute Geſellſchaft iſt und bleibt ein Nebenher.

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Es bleibt uns nun nichts anders uͤbrig, Kon - ſtant, als dieſes Etwas zu ſuchen und alle uͤbri - gen Nebenher, vom Goldmachen und Geiſterſe - hen an, bis auf die Tafellogen, dort liegen zu laſſen, wohin ſie gehoͤren. Sollten Dir uͤbrigens noch andre ſolche Dinge einfallen, die irgend ein - mal und von irgend einem muͤßigen Kopfe als Ordenszweck angegeben und aufgeſtellt worden ſind, ſo laß Dir Deine Fragen, nur von unſerm Garant beantworten.

Fuͤr jetzt will ich noch gleichſam als Nach - ſchrift zu dieſem Briefe, ein allgemeines maure - riſches Vorurtheil andeuten, welches beſonders meine Bruͤder in Deutſchland grauſam irre gefuͤhrt hat. Wer ſich von dieſem Vorurtheil nicht los - machen kann, der iſt wahrlich fuͤr den Ordens - zweck verloren. Man glaubt: das Ordensgeheimniß ſey an irgend einem Orte oder bei gewiſſen Perſonen verwahrt und man duͤrfe nur recht emſig ſuchen, oder (wie St. Nicaiſe lehrt) recht großes Gluͤck haben, ſo wuͤrden einem die Augen aufge - than und das erhabne Geheimniß ſei gefunden. Bald hat man es in Londen bei der Großen Mutterloge, bald in Schottland, bald in Frank - reich z. B. bei den Vaͤtern von Clermont in Auvergne, auf dem Berge Heredon u. ſ. w., bald (wie Herr v. Waͤchter) in Italien, bald in Schweden, bald bei zwoͤlf oder ſechzehn Auser - waͤhlten, die in allen Laͤndern zerſtreut leben und ſich nur untereinander kennen und cooptiren, geſucht. 22Was man gefunden hat, ſind vielleicht einige Bei - traͤge zur Geſchichte oder zu den Mythen des Ordens; aber nach ſeinem Geheimniß ſchauen die Meiſter der Kunſt noch immer vergeblich aus. Quod quaeris, hic est, es liegt Dir nahe, feſt verwahrt, allen Kuͤnſten der Liſt und der Gewalt trotzend. Dort wollen wir es aufſuchen.

Dritter Brief.

Was der Weiſe und Tugendhafte uͤberhaupt wollen koͤnne, was er nothwendig wollen muͤſſe, das wiſſen wir; wollen wir nun auch den Zweck des Frei-Maurer-Ordens wiſſen, ſo haben wir zu unterſuchen, was jener in einer ſolchen (von der oͤffentlichen großen Geſellſchaft abgeſonderten) Verbindung beabzwecken koͤnne: ſo ſagte ich am Schluſſe meines erſten Briefs, und Du warſt uͤber die Konſequenz dieſer Folgerung mit mir einverſtanden. Laß es uns nun naͤher erwaͤgen.

Das, was der Weiſe und Tugendhafte will, was ſein Zweck iſt, iſt der Endzweck der Menſch - heit. Der einzige Zweck des menſchlichen Da - ſeyns auf der Erde iſt, weder Himmel noch Hoͤlle; ſondern allein die Menſchheit, die wir hier an uns tragen, und ihre hoͤchſtmoͤgliche Ausbil - dung. Etwas anders kennen wir nicht; und was23 wir goͤttlich, teufeliſch, thieriſch nennen, iſt nichts als menſchlich. Was nicht in dem Zwecke der moͤglichſt groͤſten Ausbildung enthalten iſt, was ſich auf ihn nicht bezieht, oder ſich zu ihm ent - weder als Theil oder als Mittel verhaͤlt, kann der Zweck keines Menſchen ſeyn, kann ſich der Weiſe und Tugendhafte weder im Allgemein - ſten noch im beſonderſten Falle, als Zweck, ſetzen; was uͤber oder unter der Menſchheit liegt, liegt außer den Kreiſen ſeines Denkens, Strebens und Thuns.

In irgend einem Maaße wird jener Zweck in allen Menſchen, ohne daß ſie ihn deutlich denken und abſichtlich befoͤrdern, blos durch ihre Geburt zum Lichte des Tages, und durch ihr Leben in der Geſellſchaft erreicht. Es ſcheint, als ob es nicht ihr Zweck, ſondern ein Zweck mit ihnen waͤre. Aber der Beſonnene denkt ſich ihn deut - lich, es iſt ſein Zweck, ihn macht er ſich zum be - dachten Ziele alles ſeines Thuns.

Wie wird er in der großen menſchlichen Ge - ſellſchaft befoͤrdert? Wirkt alles gradezu und ohne Umwege, mit vereinigten Kraͤften auf ihn hin? So ſcheint es nicht. Sie denkt und arbeitet nicht mit der Klarheit und Beſonnenheit, wie der ein - zelne Weiſe; auf ihr laſten die Schulden der Vor - welt, und mit dieſer Suͤhne beſchaͤftigt, hat ſie kaum Zeit, fuͤr eine Nachkommenſchaft zu arbei - ten, die wieder fuͤr eine andere zu arbeiten haben wird. Sie muß den großen Kampf beſtehen, mit der widerſpenſtigen Natur und der traͤgen Zeit;24 ſie will uͤber beide den Vortheil gewinnen und hat ihr Geſchaͤft einer nachtheiligen, aber unvermeid - lichen Bedingung unterworfen:

Sie hat das Ganze der menſchlichen Ausbildung in Theile getrennet, die Zweige und Geſchaͤfte derſelben unter ſich vertheilt, und jedem Stande ſein beſonderes Feld der Mitwirkſamkeit an - gewieſen. Wie in einer Fabrik Zeit und Ko - ſten dadurch erſpart werden, daß der eine Arbei - ter ſein Leben hindurch nur dieſe Art von Feder, Stift, Rad oder Gefaͤß macht, nur dieſe Farbe auftraͤgt, nur dieſe Maſchine treibt und lenkt: und ein andrer ebenfalls ſein ganzes Leben hin - durch dieſe andere Art von Arbeit verrichtet, die zuletzt ein ihnen allen unbekannter Werkmeiſter zu einem Ganzen vereinigt: eben ſo ergeht es in der großen Werkſtaͤtte der menſchlichen Aus - bildung. Jeder Stand arbeitet und ſchafft etwas fuͤr alle uͤbrigen, das außerdem jeder fuͤr ſeinen Antheil und fuͤr ſeine Perſon ſelbſt thun muͤßte; und dieſe ſchaffen nunmehr wieder fuͤr ihn, wozu der fuͤr ihr Wohl anderweitig Beſchaͤftigte, weder Zeit noch Geſchick hat.

Zum Heile und zur Ausbildung des Ganzen leitet alle Arbeiten der Einzelnen die unſichtbare Hand der Vorſehung. So ſteigt der Gelehrte hinab in die Tiefen des Geiſtes und der Wiſſen - ſchaft, um zu Tage zu foͤrdern, was nach einigen Zeitaltern, allen gelaͤufig und nuͤtzlich ſeyn wird, indeß der Landmann und der Handwerker ihn25 ſpeiſen und kleiden; der Staatsbeamte verwaltet das Recht, das ohne ihn die Gemeine ſelbſt ver - walten muͤßte, und der Krieger vertheidigt den Wehrloſen, der ihn ernaͤhrt, gegen fremde Gewalt.

Jeder Einzelne bildet ſich nun vorzuͤg - lich nur fuͤr den Stand, den er gewaͤhlt hat. Von Jugend auf wird er durch Wahl oder Zufaͤlligkeiten ausſchließlich fuͤr eine Lebensart be - ſtimmt, die Erziehung wird fuͤr die beſte gehal - ten, die den Knaben am zweckmaͤßigſten auf ſei - nen kuͤnftigen Beruf vorbereitet; alles das bleibt zur Seite liegen, was mit dieſem nicht in der naͤchſten Beziehung ſteht, oder was in ihm, wie man ſagt, nicht gebraucht werden kann. Der zum Gelehrten beſtimmte Juͤngling verwendet ſeine ganze Zeit auf Erlernung der Sprachen und Wiſſenſchaften, und zwar mit Auswahl derer, die zum kuͤnftigen Broderwerb erforderlich ſind, ſogar mit ſorgfaͤltiger Beſeitigung derer, die die Bil - dung zum Gelehrten im allgemeinen erfordert. Alle uͤbrigen Lebensarten und Geſchaͤfte ſind ihm fremd, wie dieſe ſich unter einander fremd ſind. Der Arzt hat ſeine ganze Aufmerkſamkeit nur auf die Medicin, der Juriſt auf die Geſetzgebung ſei - nes Landes, der Kaufmann auf den beſtimmten Zweig ſeines Handels, der Fabrikant nur auf die Hervorbringung ſeines Fabrikats gerichtet. In ſeinem Fache weiß er das Noͤthige, und zwar mit groͤßerer Klarheit und Gruͤndlichkeit; es iſt ihm dies alſo beſonders lieb, er betrachtet es als ſein erworbnes Eigenthum; er lebt in ihm, wie in ei -26 ner Heimath. Und dies alles iſt gut, jeder thut daran ſeine Schuldigkeit, das Gegentheil wuͤrde nicht nur alle Vortheile der Geſellſchaft aufheben, ſondern auch dem Einzelnen, wie dem Ganzen, verderblich ſeyn.

Aber daraus entſteht bei allen noth - wendig eine gewiſſe Halbheit und Einſeitigkeit, welche, zwar nicht nothwendig, aber doch gewoͤhnlich in Pedanterei uͤbergeht. Pedanterei, die man gewoͤhnlich (vielleicht weil ſie hier ſichtbarer, vielleicht weil man hier intoleranter iſt) nur dem gelehrten Stande beimißt, herrſcht in allen Staͤn - den und ihr Grundprinzip iſt allenthalben daſſelbe, nehmlich folgendes: die ſeinem beſonderen Stande eigenthuͤmliche Bildung fuͤr gemein menſchliche Bildung zu halten und dahin zu ſtreben, daß ſie es wirklich werde. So achtet der pedantiſche Gelehrte nur Wiſſenſchaft und ſetzt allen andern Werth herab; ſeine Vortraͤge und Geſpraͤche in gemiſchten Geſellſchaften gehen darauf hinaus, ſeinen Zuhoͤrern einige Partikel ſeiner Gelehrſam - keit beizubringen und ſie nach ſeiner Praͤciſion im Denken luͤſtern zu machen. Der pedantiſche Kauf - mann verachtet dagegen den Gelehrten und ruft: Nur Rechnen und Geld! Geld iſt die Loſung des vernuͤnftigen und gluͤcklichen Lebens. Der Krieger verachtet beide, preißt allein koͤrperliche Staͤrke und Gewandtheit, kriegeriſchen Muth und Be - hauptung der Ehre nach ſeinem Begriffe, und haͤtte nicht uͤbel Luſt, einen jeden, der das Maaß27 haͤlt, zu enrolliren. Die Theologen vorzuͤglich (denn ihr Stand hat, aus Liebe zum Himmel oder aus Furcht vor der Hoͤlle, unter allen den meiſten Einfluß erhalten) beſtreben ſich ſeitdem ſie ſind, alle Menſchen, bis zu den Dorfkindern herab, zu gruͤndlichen Theologen und taktfeſten Dogmatikern zu erziehen. Trachtet vor allem nach dem Reiche Gottes, das uͤbrige iſt Kleinig - keit! ſagen die Theologen und mit ihnen alle uͤbrigen Staͤnde, und wir wiſſen, was ſie un - ter dem Gottesreiche verſtehen!

So herrſcht uͤberall eine, hier nuͤtzliche dort ſchaͤdliche, Einſeitigkeit, ſo iſt jedes Individuum nicht blos ein Gelehrter, ſondern ein Theolog oder Juriſt oder Arzt, nicht blos ein Religioſer, ſondern ein Katholik, ein Lutheraner, ein Jude oder ein Muhamedaner; nicht blos ein Menſch, ſondern ein Politiker, ein Kaufmann, ein Krie - ger; und ſo wird uͤberall durch die hoͤchſtmoͤgliche Standesbildung, die hoͤchſtmoͤgliche Ausbildung der Menſchheit (der hoͤchſte Zweck des menſchli - chen Daſeyns) gehemmt; ja ſie muß gehemmt werden, weil jeder die unerlaͤßliche Pflicht auf ſich hat, ſich fuͤr ſein abgeſondertes Geſchaͤft, ſo vollkommen als moͤglich zu bilden, und dieſes ohne die Gefahr der Einſeitigkeit beinah unmoͤglich iſt.

Nach dieſen Vorausſetzungen kehren wir nun zur Frei-Maurerei zuruͤck, um uns nicht mehr von ihr zu trennen, und bauen darauf einige be - deutende Folgerungen. Was ich Dir in meinem zweiten Briefe in Beiſpielen, zu einem andern28 Zwecke, darlegte, wird Dir nun als konſequente Folgerung aus dem Geſagten klarer hervorgehen.

Die Maurerei nehmlich kann keinen der Zwecke beabſichtigen, mit denen noto - riſch und offenbar irgend ein in der menſchlichen Geſellſchaft beſtehender Stand, Einrichtung oder Ordnung ſchon beſchaͤftigt iſt; ſie kann keiner andern Verbin - dung in den Weg treten oder zur Seite gehen wollen; denn dann waͤre ſie uͤberfluͤßig, indem ſie thun wollte, was ſchon ohne ſie geſchieht. Sie duͤrfte ſich nicht damit entſchuldigen, daß die oͤffentliche Anſtalt, der ſie zur Seite gehen und deren Zweck ſie adoptiren wollte, mangelhaft und fehlerhaft waͤre. Es iſt leere Anmaßung, das als Nebengeſchaͤft beſſer machen zu wollen, was an - dre, als Hauptgeſchaͤft nicht beſſer machen koͤnnen; es iſt Thorheit, uͤber Anſtalten ein Verdammungs - Urtheil zu ſprechen, die man vielleicht nur nach ihrem Aeußeren, nicht nach den unumgaͤnglichen Schwierigkeiten kennt, die ſie in dem Objekt ih - rer Wirkſamkeit finden. Jede dieſer Anſtalten im Staate traͤgt den Keim des Beſſeren in ſich und ſtrebt nach der Vollkommenheit, und es kann fuͤr die Maurerei uͤberall nur die Frage ſeyn: Ob eine Anſtalt fuͤr einen gewiſſen Zweck da iſt, nicht, wie gut ſie iſt; denn dafuͤr haben andre zu ſor - gen. Wollte ſie in einen fremden Plan thaͤtig ein - greifen, ſo wuͤrde ſie nur Unordnung verbreiten, indem ſie die Ausfuͤhrung deſſelben ſtoͤrte und ver - wirrte; ſie waͤre hoͤchſtſchaͤdlich, indem ſie29 dies noch dazu im Geheim thun muͤßte, da ja oͤffentlich kein einzelner Zweig der menſchlichen Bildung bekannt iſt, den ſie uͤbernommen haͤtte.

Eine ſolche Geſellſchaft, ſie moͤchte ſich nun mit kirchlichen oder politiſchen, philoſophiſchen, ge - lehrten oder merkantiliſchen Gegenſtaͤnden beſchaͤf - tigen, koͤnnte der Weiſe und Tugendhafte nicht unterſtuͤtzen, er muͤßte vielmehr, nachdem ihm ihr verwirrendes Daſeyn bekannt worden waͤre, ſie zu Grunde richten. Und dazu wuͤrde es keiner wei - teren Muͤhe beduͤrfen, als der, ſie nur anzu - zeigen; denn es iſt das hoͤchſte Intreſſe der gan - zen menſchlichen Geſellſchaft und jedes Zweiges derſelben, des Staats, der Kirche, des gelehrten und handelnden Publikums, eine ſolche Verbin - dung zu vernichten, ſo bald ſie ihr bekannt wird.

So waͤre denn jeder Zweck, mit dem irgend ein Stand in der Geſellſchaft ſchon beſchaͤftigt iſt, von der Maurerei gaͤnzlich und unbedingt ausge - ſchloſſen; und es waͤre eben ſo thoͤricht und laͤcher - lich, wenn ſich ihre Glieder im Geheim damit beſchaͤftigen wollten, gute Schuhe zu machen, als, den Staat im Ganzen oder im Einzelnen zu re - formiren. Jeder Maurer, der dies laͤugnen wollte, wuͤrde nicht nur ſeinen guten Willen und ſeine maureriſche Einſicht, ſondern ſeinen geſunden Ver - ſtand in Verdacht ſetzen.

Aber irgend einen Zweck muß ſie doch ha - ben; denn ſonſt waͤre ſie eine eitle, leere Spiele - rei und der Weiſe und Tugendhafte koͤnnte ſich eben ſo wenig mit ihr befaſſen, als wenn ſie ſich30 den obengenannten ſchaͤdlichen Zweck ſetzte. Dies aber koͤnnte nur ein ſolcher Zweck ſeyn fuͤr den die groͤßere menſchliche Ge - ſellſchaft gar keine beſondre Anſtalt hat, ein Zweck, fuͤr den ſie ſeiner (des Zwecks) und ihrer (der Geſellſchaft) Na - tur nach, gar keine beſondre Anſtalt haben kann. Denn koͤnnte ſie eine ſolche Anſtalt haben, ſo kaͤme es dem Weiſen und Tugendhaften viel - mehr zu, dieſe Anſtalt in dem Schooße der gro - ßen Geſellſchaft zu veranlaſſen, und ſie aus ihm hervorgehen zu laſſen, als ſein Ziel durch Abſon - derung von dieſer Geſellſchaft befoͤrdern zu wol - len. Die Natur der großen Geſellſchaft und die Natur des in ihren Kreis gehoͤrigen Zwecks, erforderte es unbedingt, daß er den Staat auf dieſen, faſt unbegreiflicher Weiſe, bisher vergeſſe - nen Zweig ſeiner Wirkſamkeit aufmerkſam machte; dieſem muͤßte er es dann wieder unbedingt uͤber - laſſen, ob er die Anſtalten dafuͤr treffen wolle oder nicht; auf keinen Fall duͤrfte er mit einer Geſell - ſchaft ſich abſondern, um fuͤr dieſen Zweck thaͤtig zu ſeyn, weil er auf keinen Fall fuͤr dieſe Art der Wirkſamkeit gehoͤrt.

Es iſt nun die Frage, ob es einen ſolchen, vernuͤnftigen und guten Zweck geben koͤnne, fuͤr welchen die groͤßere Geſellſchaft, ihrer Natur nach, keine beſondre Anſtalt haben kann, und welches dieſer Zweck ſey und der einzig moͤgliche Zweck31 der Maurerei, (rein, als abgeſonderte Geſell - ſchaft betrachtet) waͤre gefunden. Wir wollen ſehen.

Vierter Brief.

Ich werde ſogleich deine Vermuthung: ob ich etwa die Frei-Maurerei als Selbſtzweck auf - zuſtellen gedenke, naͤher beleuchten, wenn ich dir die zweite Folgerung aus unſrer obigen Betrach - tung uͤber die groͤßere menſchliche Geſellſchaft, als den Schlußſtein dieſer Gedankenreihe, werde vor - gelegt haben.

Wir haben es als ein Uebel erkannt, daß die Bildung in der groͤßeren Geſellſchaft und fuͤr ſie, zugleich immer mit einer gewiſſen Einſeitigkeit und Halbheit verbunden ſei, die der hoͤchſtmoͤglichen, d. i. rein menſchlichen Ausbildung im Wege ſtehe und den einzelnen Menſchen, wie die geſammte Menſchheit, am gluͤcklichen Fortſchreiten zum Ziele hindre. Nur nachdem Du dies erkannt und Dich von dem einſeitigen Gedanken von der Nuͤtz - lichkeit der Einſeitigkeit in der Geſchaͤftsbetreibung los gemacht haſt, kann ich hoffen, daß Du mei - nen Schluß konkludent finden, und die Sache mit Deinem Gefuͤhl umfaſſen werdeſt.

Es iſt uns nun ein Zweck gegeben, den die groͤßere menſchliche Geſellſchaft gar nicht beab -32 ſichtigen kann, indem er uͤber ſie hinausliegt und durch die Exiſtenz der Geſellſchaft erſt auf - geſtellt wird, ein Zweck, der nur durch Ausge - hen von der Geſellſchaft und Abſonde - rung von ihr erreicht werden kann, der Zweck: die Nachtheile der Bildungsweiſe in der groͤßeren Geſellſchaft wieder auf - zuheben und die einſeitige Bildung fuͤr den beſonderen Stand in die gemein menſchliche Bildung, in die allſeitige des ganzen Menſchen, als Menſchen zu verſchmelzen. Dieſer Zweck iſt groß, denn er hat das zum Gegenſtande, was dem Menſchen das intereſ - ſanteſte iſt; er iſt vernuͤnftig, denn er druͤckt eine unſrer heiligſten Pflichten aus; er iſt moͤg - lich, denn alles iſt moͤglich, was wir ſollen; er iſt in der großen Geſellſchaft zu erreichen faſt unmoͤglich, wenigſtens aͤußerſt ſchwer, da Stand, Lebensart, Verhaͤltniſſe, den Menſchen mit feinen, aber feſten Banden verſtricken und ihn, oft ohne daß er ſie gewahr wird, in einem Kreiſe herum - ziehen, ſtatt daß er vorwaͤrts gehen ſollte; er iſt ſonach nur durch Abſonderung von ihr zu errei - chen. Nicht durch immerwaͤhrende Abſonderung, weil daraus eine neue Einſeitigkeit entſtehen, weil dadurch die Vortheile der etwa gewonnenen rein menſchlichen Bildung fuͤr die Geſellſchaft verlo - ren gehen wuͤrde, und weil es allein darauf abge - ſehen iſt, beide Bildungsarten zu verſchmelzen, und die noͤthige Standesbildung dadurch zu erhoͤ -hen.33hen. Nicht durch Zuruͤckziehen in die Einſamkeit denn dieſe verſtaͤrkt unſre Einſeitigkeit mehr, als daß ſie ſie aufhebt und uͤberzieht unſer Herz mit einer egoiſtiſchen Rinde. Alſo allein durch Zutritt zu einer von der groͤßeren abgeſonderten Ge - ſellſchaft, die keinem unſrer Verhaͤltniſſe in jener ſchadet, und welche die Veranſtaltung getrof - fen hat, uns zu Zeiten den Zweck der Menſch - heit vor Augen und ans Herz zu legen, ihn zu dem gedachten Unſrigen zu machen, und welche durch tauſend Mittel dahin arbeitet, uns von unſern Standes - und Geſellſchaftsunarten zu ent - woͤhnen und unſre Bildung zu einer rein-menſch - lichen zu erheben.

Dieß oder keiner iſt der Zweck der Frei-Mau - rer-Geſellſchaft, ſo gewiß Weiſe und Tugendhafte ſich mit derſelben befaſſen. Der Maurer, der als Menſch gebohren ward, und durch die Bildung ſeines Standes, durch den Staat und durch ſeine uͤbrigen geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe hindurchging, ſoll auf dieſem Boden wieder ganz und durchaus zum Menſchen gebildet werden. Dies kann allein die Abſicht einer abgeſonderten Geſellſchaft ſein; und dies beantwortet uns die aufgeſtellte Frage: Was iſt der Frei-Maurer-Or - den an und fuͤr ſich ſelbſt oder, wenn Du lieber willſt, was kann er ſeyn?

Aber, ſagſt Du, Dieſer Zweck iſt theils zu weit, theils zu enge. Jenes, weil er auch auf andern Wegen, durch Nachdenken, Reiſen, Um - hertreiben unter Menſchen und im geſelligen Le -Erſtes Baͤndch. C34ben erreicht werden kann; dieſes, weil keine Ge - ſellſchaft irgend einer Art, ihrer Natur nach, die vollkommne Erreichung deſſelben bewirken kann. Auf jenes, woruͤber in der Folge erſt das erfor - derliche Licht kommen wird, antworte ich fuͤr jetzt nur kurz dieſes: Der Menſch kann ſich auf den angegebenen Wegen abſchleifen und eine Tournure erhalten, die uͤber ſeinen Stand hinausgeht; er kann den Pedantismus aus ſeinem Aeußeren zu verwiſchen lernen, und ſeine Denkungsart zu einer groͤßern Allgemeinheit erheben, als zuvor. Aber ſein Juneres bleibt durch dieſes alles unbe - ruͤhrt; er geht fort auf ſeinen alten Wegen, nur hinter Zaͤunen und eleganten Waͤnden. Durch bloßes Nachdenken kann er vielleicht den Stan - desgeiſt in ſich verwiſchen, aber ſeinem individuellen Charakter, der vom Charakter der reinen Menſch - heit noch ſehr verſchieden iſt, deſto groͤßere Hart - naͤckigkeit geben. Das, was hier in allem Ernſte ge - wirkt werden ſoll, kann nur in einer abgeſonderten Geſellſchaft geſchehen wie wir ſie deducirt haben, und wie Du ſie Dir bald, mit mir, nach ihrer ganzen Wirkſamkeit denken wirſt. Der zweite Einwurf, den Du angedeutet haſt, iſt wichtiger; und ich ſetze zu meiner obigen Angabe des Zwecks ſogleich die bedeutende Einſchraͤnkung hinzu: in wie fern eine ſolche Bildung durch eine ausdruͤcklich fuͤr dieſen Zweck er - richtete Geſellſchaft moͤglich iſt. Es giebt nehmlich eine gemeinmenſchliche Art der Bildung, uͤber welche jeder nur ſich ſelbſt, ſein35 Gewiſſen und Gott zum Zeugen und Richter nimmt, die fuͤr die ſittliche Freiheit. Du kennſt daruͤber meine Ueberzeugung. Jeder, der es redlich mit ſich ſelbſt meint, ſo ſchrieb ich vor einigen Jahren an einem andern Orte, muß ſich unablaͤßig ſelbſt beobachten, und an ſeiner Veredelung arbeiten; dies muß ihm durch Uebung gleichſam natuͤrlich geworden ſeyn. Aber dies Ge - ſchaͤft ſcheint, ſeiner Natur nach, keiner Mitthei - lung faͤhig zu ſeyn. Ich kam zu einem Maler, den ich arbeiten ſehen wollte, er zeigte mir alle ſeine Gemaͤlde, ſelbſt die noch nicht vollendeten; aber, ſo ſehr ich ihn auch darum bat, ſo wollte er doch vor meinen Augen nicht daran arbeiten, er verſicherte: die Werke des Genies gelaͤngen nur in der Einſamkeit. Dies fuͤhrte mich auf das Werk des moraliſchen Genius in uns, und ich ahnete die Wahrheit, daß man auch dabei al - lein ſeyn muͤſſe. Ich fand es immer mehr be - ſtaͤtigt, daß das wahre Beſtreben, ſich zu vered - len, ſehr zart und ſchamhaft ſey, daß es ſich in ſelbſt zuruͤckziche und ſich gar nicht mittheilen koͤnne. Nie hatte ich meine Verbeſſerung in Worte vor mir ſelbſt gebracht: wie wollte ich ſie doch vor andern in Worte kleiden! Genug, ich handelte anders, und meine Freunde, wie ich ſelbſt, erkannten das Wachsthum der Pflanze nur an ihren Fruͤchten. Sonach ſoll man nie ſeine Verbeſſerung zur Schau tragen, ſich nie zu einem bloßen Bekenntniß ſeiner Fehler erniedrigen, ſon - dern ſie ablegen. Ekeln ſoll uns vor ihnen; dannC 236werden wir ſie nicht gleichſam hin und herwen - den, um ſie recht beſtimmt und zierlich auszu - druͤcken. Wollte man ſich, aus mißverſtandnem Pflichtgefuͤhl, einem gewiſſen Heldengeiſte in der Freundſchaft (oder zu Gunſten eines Geſellſchafts - zwecks) doch dazu zwingen, ſo wuͤrde man ſich nur mit ihnen vertraut machen, ſie lieb gewinnen, we - nigſtens das Daſeyn von Fehlern nicht mehr fuͤrch - ten, die man ſo laut verdammt hat, wenigſtens ſich ſelbſt mit dem Geſtaͤndniſſe beſtechen, indem man es ſich als Verbeſſerung ſelbſt anrechnete. Und ſo iſt es. Seine Bildung fuͤr ſittliche Frei - heit zu einer geſellſchaftlichen Angelegenheit zu machen, daruͤber mit andern zu ſprechen, ſich von ihnen zur Rechenſchaft ziehen zu laſſen und ihnen zu beichten oder ſich beichten zu laſſen, zerruͤttet das Gemuͤth von Grund aus; denn es verletzt die heilige Schaam, es macht zum ſchaͤndlichſten Heuchler, dem, vor ſich ſelbſt; und eine Geſellſchaft, die ſich damit befaßte, fuͤhrte in der That zur fin - ſterſten Moͤnchsaſcetik. Alſo mit dieſer Bildung zur reinen Menſchheit hat es die Maurerei nicht zu thun, ſo wie keine Geſellſchaft, die nicht aus Schwaͤrmern beſteht, und welche das Horaziſche Insani sapiens nomen ferat, aequus iniqui, Ultra, quam satis est, virtutem si petat ipsam*)Der Weiſe zieht den Namen eines Thoren ſich zu, und Ariftid wird ungerecht, verſtanden hat.

37

Alles was nach irgend einem Unterſchiede unter den Menſchen, ſei es an Kunſtfertigkeit, ſei es an Kenntniſſen oder an Tugend ausſieht, iſt gegen die Maurerei profan; was aber die ſittliche Freiheit betrifft, dagegen iſt ſelbſt die Maurerei profan und unheilig; denn jene iſt das Allerheiligſte, wo - gegen ſogar das Heilige gemein iſt. Dieſen fe - ſten und durchaus beſtimmten und in ſich klaren Begriff muͤſſen wir allerdings zum Kanon der Maurerei und zu einem Princip einer Kritik al - les Maureriſchen machen, wenn wir eine ſolche Kritik aufzuſtellen haͤtten.

Ein anderes iſt freilich, um auch dies kurz anzudeuten, die Bildung des Geiſtes und der Triebe zur Empfaͤnglichkeit fuͤr Moralitaͤt, die Bildung der aͤußeren Sitten und der aͤußeren Geſetzmaͤßigkeit. Dieſe gehoͤrt allerdings zur Mau - rerei.

Nun wird das Bild der Maurerei, wie ſie an und fuͤr ſich ſelbſt iſt, oder einzig ſeyn kann und ſoll, vor Deiner Seele ſtehen. Ich zeichne dies Bild noch mit einigen Zuͤgen. Hier treten Maͤnner aus allen Staͤnden frei zuſammen und*)ſobald er ſelbſt die Tugend weiter treibt als recht iſt. (Wieland. )oder: wenn er die Tugend ſelbſt mit Aengſtlichkeit auf falſchen Wegen ſucht.38 bringen die Bildung, die jeder nach ſeiner Indi - vidualitaͤt, in ſeinem Stande, erwerben konnte, auf einen Haufen. Jeder bringt und giebt, was er hat: der denkende Kopf, beſtimmte und klare Begriffe, der handelnde Mann Fertigkeit und Leichtigkeit in der Kunſt des Lebens, der Reli - gioͤſe ſeinen religioͤſen Sinn, der Kuͤnſtler ſeinen kuͤnſtleriſchen Enthuſiasmus. Aber keiner giebt es auf dieſelbe Weiſe, wie er es in ſeinem Stande erhalten hat und in ſeinem Stande fortpflanzen wuͤrde. Jeder laͤßt gleichſam das Einzelne und Specielle liegen, und holt das heraus, was es als Reſultat in ſeinem Innern gewirkt hat; er beſtrebt ſich, ſeinen Beitrag ſo zu geben, daß er an jedes Mitglied der Geſellſchaft gelangen koͤnne; und die ganze Geſellſchaft bemuͤht ſich, dieſes ſein Beſtreben zu unterſtuͤtzen und eben dadurch ſeiner bisher einſeitigen Bildung allgemeine Brauchbar - keit und Allſeitigkeit zu geben. In dieſer Ver - bindung empfaͤngt jeder in demſelben Maaße, als er giebt; grade dadurch, daß er giebt, wird ihm gegeben, nehmlich die Fertigkeit, geben zu koͤnnen.

Halte dies Bild feſt in Deiner Seele, Kon - ſtant! und es werden ſich Dir entzuͤckende Aus - ſichten uͤber die Wirkſamkeit einer ſolchen Geſell - ſchaft eroͤffnen. Lebe wohl.

39

Fuͤnfter Brief.

Jetzt erſt beantworte ich Dir Deine Frage: Kann man die Freimaurerei nicht als Selbſtzweck auf - ſtellen? ob Du ſie gleich ſchon zuruͤckgenommen haſt; blos weil es mir zu einigen Nebenbeſtim - mungen Anlaß giebt.

Du biſt, wie Du auch geſtehſt, auf dieſe Idee durch Vergleichung der Frei-Maurerei mit der Religion gefallen. Was iſt der Zweck der Kirche, kann man fragen. Die Befoͤrderung der Re - ligion. Was iſt der Zweck der Religion? Ohne Zweifel ſie ſelbſt, denn ſie iſt blos das Reſultat, die Forderung des harmoniſchen Geiſtes und Her - zens, das Produkt unſrer Beſonnenheit, die hoͤchſte Bluͤthe unſrer Vernunft, der Wuͤrde unſrer Na - tur. Wozu ſoll ſie noch gut ſeyn oder als Mittel dienen, was beendzwecken? So iſt der Orden der Freimaurer da, um die Freimaurerei zu erhalten, zu cultiviren; ſie ſelbſt iſt nicht zu et - was gut, ſie iſt an und fuͤr ſich ſelbſt gut, nicht Mittel zu irgend einem Zwecke. Was ſoll ſie noch weiter beabſichtigen? Was ſie wirkt und wir - ken kann, was ſie in ihm hervorgebracht hat und in andern hervorbringen ſoll, das muß der wahre Maurer kennen; und dies iſt Frei-Maurerei.

Sonach waͤre es uͤberhaupt vergeblich nach ei - nem Zwecke derſelben zu fragen, dieſe Frage zu beantworten und den Begriff eines ſolchen Zweckes (wie wir gethan haben) aufzuſtellen; ſie waͤre40 um ihrer ſelbſt willen da, ſie ſollte ſchlechthin ſeyn und waͤre ein Beſtandtheil des Abſoluten.

Es giebt einen gewiſſen Sinn, in welchem dieſe Behauptung gar wohl gedacht werden kann, in welchem ſie wahr und wichtig iſt. Aber ſie ſcheint nicht beſtimmt genung ausgedruͤckt zu ſeyn. Man ſpricht oft, ob mit philoſophiſcher Praͤciſion, will ich hier nicht beſtimmen, von einem weite - ſten und weiten, engen und engſten Sinne der Worte und Saͤtze in der Philoſophie. So koͤnnte jemand ſagen: Wenn ich die Maurerei Selbſt - zweck nenne, ſo meine ich die Maurerei in der engſten Bedeutung. Dies aber iſt mir grade jene gemeinſame, reinmenſchliche Bildung, die Du als den Zweck der Maurerei aufgeſtellt haft. Sonach iſt mir ihr Zweck ſie ſelbſt.

Die Sache iſt richtig, aber die Worte ſind et - was unverſtaͤndlich. Der Menſch iſt Selbſt - zweck und jene rein menſchliche Bildung iſt eine ſchlechthin geforderte Weiſe des Menſchen, da zu ſeyn, ſonach ein Beſtandtheil deſſen, was Selbſtzweck iſt, oder des Abſoluten. Aber ſollte wohl jemand Maurerei und gemeinmenſch - liche Bildung fuͤr gleichbedeutende Ausdruͤcke anerkennen? Die maureriſche Geſinnung, (nach - dem man nehmlich vors erſte den Ausdruck auf die ſo eben angegebne Weiſe erklaͤrt hat) kann Selbſtzweck genannt werden, aber heißt denn Maurerei oder Frei-Mauerorden, ſo viel als mau - reriſche Geſinnung? Die Maurerei iſt keine Bil - dung oder Geſinnung, ſondern eine Geſellſchaft41 oder Verbindung. Ich kann nicht ſprechen: der Bruder NN. hat nach ſeiner Freimaurerei dieſe loͤbliche That gethan, ſondern ſie iſt ein Beweis ſeiner guten maureriſchen Geſinnung; oder: der Herr NN. hat die Frei-Maurerei in ſich, ohne in den Orden aufgenommen zu ſeyn, obwohl er die wahre (maureriſche) Geſinnung einer gemein - menſchlichen Bildung haben kann. Da nun aber das Wort Maurerei die Verbindung anzeigt, ſo kann ſie nicht Selbſtzweck, ſondern nur Mittel genannt werden, denn die Verbindung fuͤr den angegebnen Zweck, iſt nur Mittel und ſoll nicht ſchlechthin ſeyn, ſondern nur unter der Bedingung eines gewiſſen Zuſtandes der Welt, wie er nun eben gegenwaͤrtig iſt.

Denn, nur weil der Zweck, den die abgeſon - derte Geſellſchaft ſich vorſetzt, in der groͤßeren wie ſie gegenwaͤrtig iſt, nicht erreicht werden kann, wird die abgeſonderte Geſellſchaft geſtiftet. Aber die groͤßere Geſellſchaft iſt nicht nothwendig ſo, wie ſie iſt. Sie kann im Vernunftgebiete ganz anders, zum wenigſten ohne die oben ange - gebne Bedingung in der Bildung der Individuen gedacht werden; ſie ſoll vielmehr ſtets zum Beſ - ſeren fortſchreiten, und dieſes Beſſere beſteht ganz beſonders auch in der Gleichheit und Harmonie der Ausbildung aller Individuen. Thut ſie dies, ſo wird in eben dem Maaße, als ſie darin fort - ſchreitet, die abgeſonderte Geſellſchaft weniger noth - wendig; und wie ſie ihr Ziel erreicht hat, uͤber - fluͤßig und unſtatthaft. Kann man nun von ei -42 ner ſo relativen Sache ſagen, ſie ſei ein Beſtand - theil des Abſoluten?

Man koͤnnte ſagen, es ſey Zweck der geſamm - ten Menſchheit, eine einzige große Verbindung zu bilden, wie gegenwaͤrtig die Maureriſche ſeyn ſollte. *)Darauf ſcheinen auch gewiſſe Maureriſche Sym - bole hinzudeuten.Aber ſelbſt die bloße Exiſtenz der Mau - rerei beweißt, daß das, was wir Selbſtzweck ge - nannt haben, noch gar nicht erreicht ſey.

Das Beiſpiel, deſſen man ſich fuͤr jene Be - hauptung bedient, ſoll das Gegentheil derſelben in ein helleres Licht ſetzen. Man ſagt: man koͤnne nicht nach einem Zwecke der Religion (oder be - ſtimmter: der Religioſitaͤt, der religioͤſen Geſin - nung) wohl aber nach einem Zwecke der Kirche fragen. Ganz richtig! aber dem Begriffe der Religioſitaͤt entſpricht ja eben nicht der Begriff der Maurerei, ſondern vielmehr der, der reinmenſch - lichen Bildung; dem der Kirche aber grade der der Maurerei oder (welches einerlei iſt) des Frei - maurer-Ordens. Maurerei bedeutet alſo (um alles kurz zuſammen zu faſſen) nicht die Geſin - nung, ſondern die Verbindung; dieſe aber, um die Geſinnung hervorzubringen, iſt bedingt durch etwas Zufaͤlliges, das eben ſo wohl auch nicht ſeyn koͤnnte und in der That nicht ſeyn ſollte. Die Maurerei iſt ſonach nicht Selbſtzweck, ſo wenig, als, nach jener eignen Meinung, die Kirche;43 und man kann bei beiden, mit allem philoſophi - ſchen Rechte, nach ihren Zwecken fragen und ſie deutlich und beſtimmt angeben.

Ich hoffe dies in Anſehung der Maurerei ge - than zu haben. Aber wir ſind noch nicht am Ende. Wir haben nicht nur noch zu unterſu - chen, was und wie die Maurerei ſowohl auf ihre Glieder, als auf die Welt wirke; ſondern auch die oben aufgeſtellten Grundſaͤtze ausfuͤhrlicher auseinander zu ſetzen und weiter anzuwenden, da - mit ſie zur Beurtheilung des gegenwaͤrtigen Zu - ſtandes der Maurerei und des maureriſchen Be - tragens faͤhiger und hinreichend werden.

Ich rechne darauf, daß Dich dies alles, als Weltbuͤrger und Menſch, intereſſirt, Konſtant, und hoffe von Dir, daß Du Dir die (maureri - ſche). Geſinnung, nach welcher alles, was die Menſchheit und ihre Ausbildung betrifft, Auf - merkſamkeit und Theilnahme erweckt, und welche Dich mir ſo lieb macht, erhalten werdeſt, auch wenn Du nie in eine Loge eingehen ſollteſt. Lebe wohl.

[44]

2. Ueberſicht der Geſchichte der Maurerei.

I. Alte Geſchichte.

287.

St. Alban fuͤhrt die erſten Baumeiſter und Maurer in Groß-Brittannien ein, und vereinigt ſie zu einer Geſellſchaft. Bei der Ankunft des Keiſers Carauſius (Caracalla) in Brittannien (287.), erhielten die Maurer durch einen ofnen Brief die Freiheit, ein General-Concilium zu verſamm - len, welchem St. Alban perſoͤnlich als Groß-Mei - ſter vorſaß, und mehreren Aufnahmen beiwohnte.

Free-Masons Calendar. for 1775.

600.

Stand Auguſtin, Erzbiſchof von Canterbury, (der nach England gekommen war, um Ethelbert, Koͤnig von Kent zu taufen) an der Spitze der45 Maurer, als der Grund zu der alten Kathe - dralkirche zu Canterbury und 602 zu der zu R[o]che - ſter gelegt wurde.

Free-Mas. Cal. for 1775.

680.

Verſchiedene erfahrne Maurer und Baumei - ſter kommen aus Frankreich nach England, welche ſich unter ſich ſelbſt in Logen vertheilen, unter Anfuͤhrung Bennets, Abts zu Wirral, den Kenred, Koͤnig von Mercia ernannte, die Auf - ſicht uͤber die Arbeiten zu fuͤhren. l. c.

856.

Kam die Maurerei, unter Beguͤnſtigung des heiligen Swithin, welchem der ſaͤchſiſche Koͤnig Ethelwolph auftrug, einige heilige Gebaͤude zu renoviren, wieder in Flor. (nachdem ſie unter der Heptarchie gelegen hatte. ) l. c.

872.

Die Kunſt erhaͤlt an Koͤnig Alfred Greg. von 872 900) einen eifrigen Befoͤrderer und Beſchuͤtzer. Er ſtiftete auch die Univerſitaͤt zu Oxford. l. c.

900.

Edward, Alfreds Nachfolger, uͤberließ die Sorge fuͤr die Kunſt dem Gemahl ſeiner Schwe - ſter Ethred und ſeinem gelehrten Bruder Ethel - ward, welche die Univerſitaͤt Cambridge ſtifteten. l. c.

46

924.

Athelſtane, Sohn und Nachfolger Ed - wards, ernennt ſeinen Bruder Edwin zum Patron der befreiten Maurer, welchem er auch einen Freiheitsbrief fuͤr ſie ertheilt, vermoͤge deſ - ſen ſie jaͤhrlich zu Yorck eine allgemeine Verſamm - lung halten durften. l. c.

925.

[Athelſtan, Enkel Alfreds und Eduard I. laͤßt aus Frankreich Maurer und Baumeiſter nach England kommen, ſtellt ſeinen Bruder Edwin an ihre Spitze, und giebt ihnen Freiheiten und eigne Jurisdiktion.]

926.

Prinz Edwin haͤlt als Großmeiſter zu York die erſte große Loge der befreiten Maurer, und laͤßt Konſtitution und Geſetze entwerfen. Hier wurden (nach dem erwaͤhnten Frei-Maurer-Ca - lender) viele alte Schriften in griechiſcher, lateini - ſcher und andern Sprachen zuſammen gebracht, aus denen die Konſtitution der engliſchen Logen ein Auszug ſeyn ſoll.

960.

Die Kunſt der freien Maurer bluͤht unter dem Schutze Edgars, und dem Groß-Meiſter - thum Dunſtan’s. Nach dem Tode Edgars (975) ſank ſie auf beinah 50 Jahre zuruͤck.

Free M. A. 1775.

47

1041.

Die Kunſt bluͤhte auf unter Edward, mit dem Beinamen Confeſſor. Er baute die Weſt - minſter-Abtei von neuem, und machte den Leo - frik, Carl of Coventry zum Oberaufſeher der Arbeiten. Unter dieſem trefflichen Architekten kam auch die Abtei zu Coventry und verſchiedne andre Gebaͤude zu Stande. l. c.

1066.

Wilhelm der Eroberer gelangt zur engliſchen Krone. Er ernannte den Biſchof von Rocheſter, Gundulph und Roger de Montgomery zu gemeinſchaftlichen Schutzherrn der Maurer, welche um dieſe Zeit ſowohl in der Civil - als Kriegsbau - kunſt große Meiſter waren. Unter ihrer Aufſicht wurde die Bruͤderſchaft gebraucht, den Tower zu London zu bauen, welcher unter der folgenden Regierung zu Stande kam. l. c.

1087.

William Rufus erbaut die Londner Bruͤcke von neuem, ſo wie den Pallaſt und die große Halle zu Weſtminſter.

1135.

Koͤnig Stephanus ließ durch die Bruͤder - ſchaft eine Kapelle zu Weſtminſter erbauen, wor - inn ſich jetzt das Haus der Gemeinen verſamm - let; unter Direktion Gilberts de Clara,48 Marquis von Pembrocke, der damals die Auf - ſicht uͤber die Logen fuͤhrte. l. c.

1155.

Der Groß-Meiſter der Tempel-Ritter, der damals die Aufſicht uͤber die freien Maurer hatte, bedient ſich derſelben, um den Tempelhof in Fleet - Street zu errichten. l. c.

1199.

Bis zu dieſem Jahre ſtand die Bruͤderſchaft unter dem Patronat des Tempelherrn-Ordens; Peter de Colechurch ward nun zum Groß - Meiſter der Maurer ernannt. Er fing an die Londner Bruͤcke von Steinen aufzufuͤhren, welche

1209.

von William Alcmain vollendet ward.

Unter Peter de Rupibus und ſeinem De - putirten Geoffrey Fitz-Peter, bluͤht die Kunſt zur Zeit Heinrichs des II. und ſeines Nach - folgers.

1220.

Waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit Heinrichs III. ward der Anfang mit Erbauung der Weſtminſter - Abtei gemacht.

1272.

Bei der Thronbeſteigung Eduard’s I. ſtan - den an der Spitze der Bruͤderſchaft: Walther Giffard, Erzbiſchof v. York, Gilbert de Clare,Carl49Carl of Glouceſter, und Ralph Lord of Monthermer, welche auch den Bau der Weſt - Muͤnſter-Abtei dirigirten.

1307.

Ward Walther Stapleton, Biſchof von Exeter zum Patron der Bruͤderſchaft ernannt, unter deſſen Direktion die Collegien Exeter und Oriel zu Oxford, Clare-Hall zu Cambridge u. a. Gebaͤude aufgefuͤhrt wurden.

1314.

Einige fluͤchtige Bruͤder des Tempelherrn Or - den muͤſſen ſich in den Brittiſchen Inſeln verber - gen und eine Zeitlang als gemeine Maurer arbei - ten um ihr Leben zu erhalten.

Si Fabula vera est!

1357.

William a Wickham, nachmaliger Biſchof von Wincheſter erbaut an der Spitze von 400 freien Maurern das Schloß zu Windſor.

1358.

Eduard III. ſtudirt und verbeſſert die Ein - richtung und die alten Geſetze der Geſellſchaft, und fuͤgt dem alten Originalgeſetzbuche verſchiedne weiſe Verordnungen bei. Die Logen waren zu zahlreich geworden. Eduard, als Groß-Mei - ſter verſammlete daher die große Loge, wobei die Lords des Reichs (beinah alle Maurer) gegen -Erſtes Baͤndch. D50waͤrtig waren, und ließ Verordnungen, Geſetze fuͤr die Logen und die Bruͤder entwerfen.

1375.

Robert a Barham erbaut mit 250 Mau - rern St. Georges Hall u. a.

1377.

Richard II. (der ſeinem Großvater Edward III. folgt) beſtaͤtigt William a Wickham in der Groß-Meiſterſchaft, der darauf Weſtminſter - Hall in der heutigen Geſtalt und zu Oxfort zwei neue Kollegien (dieſe auf eigne Koſten) erbaute.

1413.

Starb Heinrich IV., welcher Thomas Fitz-Allen, Earl of Surrey zum Groß - Meiſter ernannt hatte. Unter ſeinem Nachfolger Heinrich V., hatte Heinrich Chicheley, Erzbiſchof von Canterbury die Direktion der Logen.

1425.

Das Parlament in den buͤrgerlichen Unruhen (waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit Heinrichs VI. ) verbietet alle Verſammlungen der freien Mau - rer in Logen und Kapiteln, bei Gefaͤngnißſtrafe. Aber die Acte wird nicht in Kraft geſetzt, und die Verfolgungen hoͤren mit der Aufnahme Hein - richs VI. auf. Er ernannte William Wane - fleet, Biſchof von Wincheſter zum Groß - Meiſter, und ließ viele Colledges erbauen.

51

1441

William St. Clair, Earl of Orkney and Cathneß, Baron of Roslin, wird von Jacob II. K. von Schottland zum Landes - Groß-Meiſter der Frei-Maurer in dieſem Koͤ - nigreiche ernannt, und kurz hernach dieſe Stelle ſogar ſeiner Familie erblich gegeben. Die erſte, oder Mutterloge, war dazumal zu Kilwinning in Weſtſchottland, welche die große Loge dieſes Koͤnigreichs noch jetzt mit dem Namen ihrer Mutterloge beehrt.

Sammlung fuͤr die fr. u. ang. Mau - rer in Deutſchland 1776. S. 6.

1442.

Heinrich VI. von England wird in die Bruͤ - derſchaft aufgenommen; er verbeſſert ihre Ver - ordnungen und beſchuͤtzt ſie. Eine Menge der vornehmſten Englaͤnder folgt ſeinem Beiſpiele.

1471.

Kam durch den Groß-Meiſter Richard Beauchamp, Biſchof von Sarum, die Bruͤder - ſchaft wieder in Aufnahme, da ſie in den vorheri - gen buͤrgerlichen Unruhen ſehr zerruͤttet gewe - ſen war.

1473. Den 16. Auguſt

werden durch eine Akte die Frauenzimmer aus den Logen ausgeſchloſſen.

D 252

1485.

Kommt Heinrich VII. auf den Thron. Die Bruͤderſchaft kommt unter dem Patronat des Heermeiſters und der Ritter vom heil. Johan - nes zu Rhodus (Maltha) wieder in Achtung.

Der Groß-Meiſter der Maltheſerritter haͤlt eine groß Verſammlung; ſie waͤhlten K. Hein - rich zu ihrem Protektor.

1502. Den 24. Januar

wird im koͤnigl. Pallaſte eine große Loge errichtet, der Koͤnig dirigirt als Groß-Meiſter die Arbeit, und legt in feierlicher Prozeßion den Grundſtein zu der beruͤhmten Kapelle an der Oſtſeite der Weſtminſter-Abtei, die von ihm den Namen hat.

1509.

Heinrich VIII. beſtellt den Kardinal Wol - ſey zum Groß-Meiſter; er baut Hamptoncourt, Whitehall, das Chriſtchurch-Collegium zu Oxfort, welche, nebſt andern Gebaͤuden bei ſeinem Fall 1530 der Krone anheim fielen.

1530.

Thomas Cromwell, Carl of Eſſex wird Groß-Meiſter und beſchaͤftigt die Bruͤderſchaft bei Auffuͤhrung des St. James Pallaſts, Chriſts - Hoſpital und des Kaſtels zu Greenwich.

53

1540.

Unter Direktion des John Touchet, Lord Audley, welcher nach Cromwells Enthaup - tung die Groß-Meiſter-Wuͤrde uͤbernommen hatte, blieb die Frei-Maurerei im Flor, und die Bruͤ - derſchaft hatte Arbeit bei der Erbauung des Magdalenen-Collegii zu Cambridge und andrer Werke.

1552.

Nach Eduard Seymour, Herzog von Sommerſet, welcher enthauptet wurde, ward John Poynet, Biſchof von Wincheſter Patron oder Groß-Meiſter der Bruͤderſchaft, bis 1553. (der letzte bis auf Eliſabeth.)

1561.

Die Koͤnigin Eliſabeth verfolgt die befrei - ten Maurer, und ſendet Bewaffnete am Johan - nistage (den 27. December) nach York, um die Loge zu zerſtoͤren. Der Groß-Meiſter Thomas Sackville ladet einige der vornehmſten Officiere zur Loge ein, welche ſodann durch ihren Bericht, die Koͤnigin fuͤr die Maurer gewinnen. Er ſelbſt ſtellt der Koͤnigin vor, daß die Maurer nichts anders, als eine Geſellſchaft geſchickter Architekten und Kuͤnſtler waͤren, die in vollkommner Ein - tracht und bruͤderlicher Freundſchaft lebten, ohne ſich in Staats - und Kirchenangelegenheiten zu miſchen.

54

eod.

Veraͤnderung in den Ritualen, um der Koͤni - gin den Argwohn zu benehmen, als ob die Frei - Maurer-Ceremonien eine Verwandſchaft mit papi - ſtiſchen Gebraͤuchen haͤtten.

v. Nicolai Tempelherrn, 2. Th. S. 229.

1567.

Sir Thomas Sackville reſignirt und Francis Ruſſel, Earl of Bedford wird zum Groß-Meiſter in Norden, und Sir Tho - mas Gresham (der Erbauer der koͤniglichen Boͤrſe) zum Groß-Meiſter in Suͤden erwaͤhlt.

1603.

Jakob I., Protektor des Ordens in Schott - land und Groß-Meiſter der Logen des Reichs. Ihn zu repraͤſentiren waͤhlt die Schottiſche große Loge einen Deputirten Groß-Meiſter und jeder Meiſter giebt ihm vier Livres (de redevance.)

1607.

Inigo Jones, General-Intendant der Koͤ - niglichen Gebaͤude, errichtet als Groß-Meiſter ver - ſchiedene Logen nach einem neuen Plane, erneuert die jaͤhrlichen Feſttage der Geſellſchaft und fuͤhrt die vierteljaͤhrigen großen Zuſammenkuͤnfte ein.

Sammlung fuͤr ꝛc. S. 7.

Er legt in Gegenwart des Koͤnigs den Grund - ſtein zu Whitehall. Unter ihm kommen die erſten Architekten aus allen Gegenden nach England. 55Logen werden mit vortrefflichen Lokalgeſetzen kon - ſtituirt, und nach dem Muſter der akademiſchen Schulen der Zeichner und Maler in Italien ein - gerichtet.

Free-Mas. Alm.

1614 und 1616.

Ausgabe der: Allgemeinen und Generalre - form der ganzen weiten Welt, benebenſt der Fama fraternitatis des loͤblichen Ordens des Roſenkreu - zes und: Chymiſche Hochzeit Chriſtiani Ro - ſenkreuz. (von Valentin Andreaͤ.)

1617.

Valentin Andreaͤ giebt ſeine Invitatio fraternitatis Chriſti heraus und ſtiftet eine Ge - ſellſchaft der Verehrer des Guten zu Bewirkung ſeiner guten Abſichten. (Fraternitatem Chriſti) Zugleich erklaͤrt er ſich gegen die Roſenkreuzer in ſeinem Turris Babel, Mythologia Christiana ꝛc. und ſagt ſich von dem Unſinn ſeiner ſeynwol - lenden Anhaͤnger los.

v. Nicolai l. c. S. 176 und 186.

eod.

Erſcheinung des Buchs: Die ganze Kunſt und Wiſſenſchaft der von Gott hocherleuchten Frater - nitaͤt Chriſtiani Roſenkreuz ꝛc. durch Theophi - lum Schweighart.

1618.

Bis hieher war Inigo Jones jaͤhrlich wie -56 der zum Groß-Meiſter erwaͤhlt worden, worauf ihm William Earl of Pembrocke folgte, der bis 1630 im Amte blieb.

eod.

Erſcheinung des Buchs: Entdeckung des Col - legii und der Axiomen der erleuchteten Bruͤder - ſchaft Chriſtian Roſenkreuz.

Um dieſe Zeit: Robert Fludd in England, ein mediciniſch-theologiſcher Schwaͤrmer (theils nach Paracelſus theils nach den Gnoſtikern oder vielmehr Manichaͤern) 1637. Mlchael Mayer, Leibarzt und Alchymiſt Kaiſer Ru - dolphs 1622 Roſenkreuzer, nach eige - nem Syſteme.

v. Nic. l. c. I. Th. S. 177. 178. und Brucker’s Hist. Phil. Tom. IV. p. 691.

Baco’s Ideen, die er in der neuen Atlan - tis vorgetragen, vermiſchen ſich mit den Ideen vom Roſenkreuze.

1620.

Roſenkreuzer-Schweſtern. Die Nachricht von ihnen in dem Buche: Frauenzimmer der Schweſtern des roſenfarbnen Kreuzes, d. i. kurze Entdeckung von der Beſchaffenheit dieſes Frauenzimmers, was fuͤr Religion, Wiſſenſchaft goͤttlicher und natuͤrlicher Dinge, was fuͤr Hand - werken und Kuͤnſte, Arzney ꝛc. darinnen zu finden ſind ꝛc. Parthenopolis 1620. 8vo.

57

1622.

Geheime Geſellſchaft von Alchymiſten im Haag unter dem Namen Roſenkreuzer, deren Stifter Chriſtian Roſe genannt wird, und welche vorgeben, daß ſie in Amſterdam, Nuͤrnberg, Hamburg, Danzig, Mantua, Venedig und Er - furt Zuſammenkuͤnfte hielten.

v. Nic. l. c. I. S. 181. ꝛc.

1630.

Collegium Rosianum, geſtiftet von einem gewiſſen Roſius, an den Grenzen der Dauphine, und bekannt gemacht durch D. Peter Mor - mius, unter dem Titel: die Verborgenſten und bisher unentdeckten Geheimniſſe der ganzen Natur von dem Collegium Rosianum. Leiden 1630.

v. Servati Bruchſtuͤcke zur Geſchichte der Frei-Maurer. S. 322.

eod.

Heinrich Danwers, Earl of Danby, Groß-Meiſter.

1633.

Thomas Howard, Earl of Arundel, Groß-Meiſter.

1635

Francis Ruſſel, Earl of Bedford, Groß - Meiſter.

58

1636.

Inigo Jones wird wegen ſeiner großen Ver - dienſte um die Bruͤderſchaft aufs neue gewaͤhlt und bleibt es bis an ſeinen Tod 1646.

1640.

Wahrſcheinlich das Jahr der Entſtehung der Frei-Maurerei, nach der Vermuthung mehrerer. Von jetzt an, wie man ſagt, haͤufige Spuren der - ſelben; vorher keine.

1646

Vereinigung mehrerer Gelehrten, nach Baco’s Meinung, die philoſophiſchen und phyſikaliſchen Wiſſenſchaften exoteriſch zu betreiben; woraus nach 14 Jahren die koͤnigl. Geſellſchaft der Wiſ - ſenſchaften in London entſteht.

Gegengeſellſchaft zu London, dieſe Wiſſenſchaf - ten, nach Art der Roſenkreuzer, eſoteriſch und geheim zu cultiviren und das Salomoniſche Haus zu errichten. Sie verſammlen ſich in Maſon’s Hall, dem Zunfthauſe der Maurer, treten, nach Londner Sitte, in die Maurerzunft, bedienen ſich maureriſcher Zeichen und nennen ſich free-and accepted Masons.

Nic. l. c. I., S. 188 ꝛc. 191. 195. II, S. 197 ꝛc.

eod.

Der beruͤhmte Alterthumskenner und Roſen - kreuzer Elias Ashmole wird in den neuent -59 ſtandnen Orden aufgenommen. Er war noch, (wie er in ſeinem 1717 gedruckten Tagebuche er - zaͤhlt) 1682 d. 11. Maͤrz in einer in Maſon’s Hall zu London.

Ueber ſeine antiquariſchen Dienſte, die er der Maurerei geleiſtet v. l. c. S. 196.

1649.

Die Koͤniglich Geſinnten unter Cromwell waͤhlen die Decke der Freimaurer-Geſellſchaft fuͤr ihre Verſammlungen und errichten einen gehei - men Ausſchuß. l. c. I. S. 200 ꝛc.

1660 circa.

Die geheime Geſellſchaft der Freunde des Koͤ - nigs macht zur Zeit des ſchottiſchen Kriegs einen noch engeren Ausſchuß fuͤr die ſchottiſchen Geſchaͤfte, und waͤhlt ſich neue Sinnbilder, Zei - chen und Worte. l. c. I. 203 und 204.

1663.

Chriſtoph Wren wird Groß-Oberaufſeher der Frei-Maurer. Er iſt der eſoteriſchen Lehrart nicht geneigt. l. c. II. S. 238. u. I., 212.

Nach andern bildet er ſelbſt aus einer alten Tempelherrn Maſſoney (die ſich ſeit dem 12 und 13. Seculo immer in London erhalten haben ſoll) die Frei-Maurergeſellſchaft.

eod.

Die Freien-Maurer erhalten die Erlaubniß,60 die St. Paulskirche zu London zu erbauen. Der Bau wird nach Sir Chriſtoph Wrens Grundriß unternommen, der Grundſtein 1675 gelegt und das ganze Gebaͤude 1710 vollendet.

Sammlung fuͤr d. fr. u. ang. Maurr. P. 8.

Er baute auch mit der Bruͤderſchaft das Chel - ſeahoſpital und den Greenwich-Pallaſt.

eod.

Die Geſellſchaft der Frei-Maurer nimmt nach der (einige Jahre vorher) wieder hergeſtellten koͤ - niglichen Wuͤrde (Carl II. war ſelbſt auf ſeinen Reiſen in die Bruͤderſchaft aufgenommen worden) in einer allgemeinen Verſammlung Maasregeln zu ihrer Aufrechthaltung. Ein Graf v. St. Al - ban wird als der Urheber der neuen Einrichtung genannt.

1674.

George Villiers Duke of Buckingham, Großmeiſter; aber Wren leitete eigentlich die Arbeiter der Bruͤder.

1677.

War die Frei-Maurer-Geſellſchaft, als ge - heime Geſellſchaft, noch ſo unbekannt, daß man ſie blos als einen Theil der Maurer-Zunft be - trachtete, zu welcher ſie auch oͤffentlich gehoͤrte. Free-Maſon hieß damals auch ein zuͤnftiger Maurer, und wird in Coles engliſch-lat. Lexicon (London 1677) gradezu durch Caͤmentarius uͤber - ſetzt.

61

1680 circa.

Mißlicher Zuſtand der Geſellſchaft; ſie droht, ſich aufzuloͤſen.

1685.

Wren wird zum Groß-Meiſter erwaͤhlt.

eod.

Die Frei-Maurer vernichten viele alte Pro - tocolle und Akten, um Entdeckungen zu verhuͤten.

Freemaſon’s Almanac von 1777.

eod.

Merkwuͤrdige Veraͤnderung in der bisherigen Einrichtung, und in den Sinnbildern. Statt des Salomoniſchen Hauſes, ſetzt man den ſa - lomoniſchen Tempel; zu welcher ſymboliſchen Auslegung vielleicht der damalige Bau der St. Pauls-Kirche zu London und die vielen Verfol - gungen und Verdrießlichkeiten, die ihr Baumeiſter Cph. Wren erleiden mußte, die Veranlaſſung gegeben.

Nic. I, S. 210. 214. II, S. 199. 222.

1690.

Chriſtoph Wren errichtet, nach dem Free-Masons Calendar, for 1775, die Frei - maurer-Geſellſchaft.

1691.

Die aͤlteſte conſtituirte Loge, nach Sa -62 muel Prichard: Masonry dissected, being a universal and genuine description of all its branches from the original to this pre - sent time. London 1731. wo er ſagt: vor 1691 habe man von constitued lodges und quaterly communications nichts gehoͤrt. Als eine ſolche nennt er die zu King’s Amrs in St. Paul’s Church-Yard. (jetzt The Mitre genannt.)

l. c. II. S. 240.

1693.

Wilhelm III. Koͤnig von England wird zum Freimaurer aufgenommen. Er beſtaͤtigt Chri - ſtoph Wren als Groß-Meiſter und beguͤnſtigt die Logen, beſonders eine zu Hampton Court, welche waͤhrend des Baus des neuen Theils des Pallaſtes daſelbſt gehalten wurde. Wren baute Kenſingtons Pallaſt u. a.

1696. Den 6. Mai

fand der beruͤhmte John Locke, eine alte ſehr ſchaͤtzbare Freimaurer-Handſchrift in der Bodle - janiſchen Bibliothek, welche ihn ſelbſt bewog, ſich ſogleich in London zum Frei-Maurer aufnehmen zu laſſen. Dieſe Handſchrift iſt nach Locke’s Be - rechnung vom Jahr 1436 und hat alle Kennzei - chen des Alterthums und der Aechtheit.

Sammlung f. d. fr. u. a. M. S. 8.

63

1697.

Die Frei-Maurer halten eine Generalverſamm - lung und feiern ein großes Feſt, wobei ſich viele hohe und edle Bruͤder einfinden.

II. Data zu einer Geſchichte der Freimaurerei im 18ten Jahrhunderte, beſonders in Deutſchland.

1702.

Nach dieſem Jahr gerieth die Freimaurerei in Verfall; die Zahl der Logen verminderte ſich und die Feier des Johannisfeſtes wurde gaͤnzlich unterlaſſen. Nur die alte Loge St. Paul und einige andre, verſammleten ſich noch, beſtanden aber nur aus wenig Mitgliedern. Daher faßte man den Be - ſchluß, daß das Privilegium der freien Maurer ſich nicht laͤnger blos auf Architekten und arbei - tende Maurer einſchraͤnken, ſondern, daß man Maͤnner von allerlei Staͤnden zulaſſen wolle, welche geloben wuͤrden, die Wuͤrde des Ordens, als einer alten, ehrwuͤrdigen Geſellſchaft zu un - terſtuͤtzen.

Free-Masons Almanac for 1775.

64

1716.

Sogenannte Reſtauration der großen Loge in London. Die dort befindlichen Logen, nehm - lich: die in der Tavern zur Gans, bei der Pauls - kirche; in der zur Krone, zum Apfel und zum Koͤmer, vereinigen ſich, nach dem Abgange Wren’s, unter dem neuen Groß-Meiſter Anton Sayer.

1717. Den 24. Juni

wird die große Loge zu London wieder hergeſtellt und Anthony Sayer Esq. zum Groß-Mei - ſter erwaͤhlet. Man beſchließt, ſich zuſammen zu halten, die jaͤhrlichen großen Verſammlungen und Feſte wieder zu erneuern, die alten Gewohn - heiten und Gebraͤuche der Bruͤderſchaft in eine feſte Ordnung zu bringen und nur ſolche Ritualia feſt zu ſetzen, als ſich fuͤr diejenigen Mitglieder paßten, aus denen jetzt die Logen beſtaͤnden.

l. c.

1719.

Der erſte Groß-Meiſter nach der Reform (von einigen George Payne, von andern Joh. Theoph. Desaguiliers genannt) ſamm - let viele alte Schriften, die Maurerei betreffend.

Free. Mas. Alm. 1777.

Man nennt dieſe Zeit die Periode des groͤße - ſten Glanzes, den der Orden gehabt hat.

1720.65

1720. Den 27. December.

Das Amt eines deputirten Groß-Meiſters in England wird erneuert und dem jedesn: aligen Groß-Meiſter die Macht ertheilt, ſeinen depu - tirten Groß-Meiſter und die beiden Großaufſe - her ſelbſt zu ernennen.

eod. Mittwochs den 4. Mai

feiert die große Loge der neuen (modern) engli - ſchen Frei-Maurerei ihr jaͤhrliches Feſt.

Britt. Mercury Vol. XVII. N. 22.

eod. Den 24. Juni oder Juli

werden von aͤngſtlichen Bruͤdern verſchiedne wich - tige alte Handſchriften verbrannt. Veraͤnderung im Innern.

1721.

Das Jahr der eigentlichen Bekanntwerdung der Frei-Maurerey in ihrer jetzigen Geſtalt.

Jacob Anderſon bearbeitet die Geſchichte und Einrichtungen der Maurerei auf Befehl des Groß-Meiſters Herzogs von Montagu aus al - ten Ordensſchriften. Weil der Groß-Meiſter und die Großbeamten von 16 Logen (verſamm - let den 29. Sept. zu King’s-Arms) in allen Ab - ſchriften der alten gothiſchen Konſtitutionen Maͤn - gel fanden, ſo erhielt er Befehl, ſie in eine neueErſtes Baͤndch. E66und beſſere Methode zu bringen. Am 27. De - cember bekamen vierzehn gelehrte Bruͤder den Auftrag, des Br. Anderſon Manuſcript zu un - terſuchen und Bericht zu erſtatten.

Cf. Servati l. c. S. 294 und 304.

1722.

Den 25. Maͤrz in der vollen Verſammlung der großen Loge ward nach dem guͤnſtigen Bericht der Comitée, das Anderſonſche Werk unter Au - toritaͤt der großen Loge dem Druck uͤbergeben.

eod.

Erſte ſichre Spur von conſtituirten Logen.

Nic. l. c. II. S. 240.

Es wird feſtgeſetzt, daß jede Loge ein Konſti - tutions-Patent von der großen Loge zu London haben muͤſſe, wenn ſie fuͤr aͤcht anerkannt wer - den wolle. Doch waren außer London mehrere Logen, die an dem neuen Groß-Meiſterthum kei - nen Theil nahmen, der alten Yorker Konſtitu - tion treu blieben, und keine anderen Oberen, als ihre Logenbeamten uͤber ſich erkannten.

1723.

Erſcheinung des erſten Konſtitutions-Buches der Frey-Maurer, (gr. 4. 13½ Bogen) wodurch ſie zuerſt oͤffentlich als Geſellſchaft bekannt wer - den. Am 17. Jan. legt der Großvorſteher An - derſon das gedruckte Werk der großen Loge (be - ſtehend aus den Großbeamten und den Deputir -67 ten von 26 Logen) vor, welches, nebſt der Zu - gabe, von der alten Manier, eine Loge zu errich - ten, nochmals gebilligt wird. Der beruͤhmte Phyſiker Desaguiliers wird dabei als depu - tirter Großmeiſter genannt.

eod. Den 24. Juni.

Einſetzung der Aemter, eines Groß-Schatz - Meiſters und Groß-Sekretaͤrs in London. Groß - Stewards werden vorgeſchlagen und feſtgeſetzte Geſundheiten eingefuͤhrt.

eod. Den 16. November.

Zwoͤlf Groß-Stewards werden jaͤhrlich er - nannt. (nach andern 1728.)

1724

wird in England auf Vorſchlag des Grafen von Dalkeith, ein Hauptfond fuͤr arme und kranke Frei-Maurer errichtet. (dabei erſt, nach andern, ein Groß-Schatzmeiſter beſtellt.)

Den 24. Februar

in der Verſammlung der großen Loge unter dem Groß-Meiſter Lord Krawfurd, traͤgt Ander - ſon auf eine neue Ausgabe des Konſt. Buchs an, und erhaͤlt Befehl, ſeine Materialien dazu den Großbeamten vorzulegen.

E 268

1725.

Die drei Englaͤnder: Lord Derwentwater, Sir Maskelyne Esq., und Maſter He - guerty errichten bei dem engliſchen Speiſewirth Huͤre in Paris die erſte Loge in Frankreich und veranlaſſen dadurch die ungemeſſene Ausbreitung, ſo wie die vielen Abaͤnderungen in den Ordens - einrichtungen.

Encyclopédie. Art. Franc-Maçons.

eod.

errichten die engliſchen Frei-Maurer eine beſondre Almoſen-Deputation. Es wird eine Vorſchrift zu Austheilung der milden Beitraͤge gegeben.

1726

wird das Amt eines Provinzial-Groß-Meiſters errichtet. (Dieſer iſt in der ihm angewieſenen Provinz der unmittelbare Repraͤſentant des Groß - Meiſters mit der Macht, Logen zu konſtituiren.)

1227.

Die Autoritaͤt der großen Engliſchen Landes - Loge, unter dem Groß-Meiſterthum des Lord Coleraine allgemein anerkannt. Es wird eine Deputation nach Madrid geſandt, um daſelbſt eine Loge zu ſtiften.

Sammlung ꝛc. S. 11.

1728.

Einſetzung von (zwoͤlf) Groß-Stewards.

69

eod.

Der Groß-Meiſter Lord Kingſtone ſendet das erſte Konſtitutions-Patent nach Oſtindien.

1730.

Lord Kingſton, der in London Groß-Mei - ſter geweſen war, errichtet eine große Loge zu Dublin und wird ſelbſt zum Groß-Meiſter von Irrland gewaͤhlt. Die große Loge zu London, welche ein Univerſal-Groß-Meiſterthum projectirt, erklaͤrt das Irrlaͤndiſche fuͤr konſtitutionswidrig. kann aber gegen ihre Maurerei nichts einwenden.

eod.

Merkwuͤrdige Reiſe des Schottlaͤnders Ram - ſay nach England. Er war, nach ſeinem Ue - bertritt zur katholiſchen Religion, Hofmeiſter der zwei Prinzen des Praͤtendenten zu Rom; war Kanzler der großen Loge in Frankreich, und machte in England den Vorſchlag: daß jedes Mitglied der Geſellſchaft (die er durch ganz Europa auf 3000 ſchaͤtzte) jaͤhrlich zehn Louisd’or zur Befoͤrde - rung ihres Hauptzwecks geben ſollte.

v. Nic. l. c. S. 232 236.

eod.

Unter dem Groß-Meiſterthum des Lord King - ſton’s werden die erſten Logen in Oſtindien und Amerika geſtiftet.

Sammlung ꝛc. l. c.

70

1731. Den 29. Januar.

Der Herzog von Norfolk ſchickt von Vene - dig, nebſt 20 Pfd. Sterl. Almoſenbeitrag, an die Gr. L. zu London ein großes in Blau und Gold praͤchtig eingebundenes Logenbuch in Fol., und das alte Leibſchwerdt Guſtav Adolphs, welches nachher auch der Herzog Bernhard von Wei - mar gefuͤhrt hatte, mit beider Helden Namen auf der Klinge und dem Norfolkiſchen Wappen auf der Scheide, mit Silber eingelegt. Dieſes Schwerdt iſt gegenwaͤrtig des engliſchen Groß - Meiſters Staatsſchwerdt.

Sammlung S. 12.

eod.

Neue Konſtitutionen in den engliſchen Logen; eine Folge der Ramſayſchen Reiſe and most reasonable to think it will be expended towards the forming another System of Ma - sonry, the old Fabrik being so ruinous, that, unleß repair’d by some occult Mystery.

Prichard. l. c. S. 29.

Nic. l. c. S. 241.

eod.

Kaiſer Franz I, als reiſender Prinz, wird unter dem Groß-Meiſter Lovel, in einer außer - ordentlichen Loge, auf Robert Walpole’s Landhauſe in Norfolk mit dem Herzog von New -71 caſtle zum Meiſter befoͤrdert. (Die zwei andern Grade hatte er ſchon im Haag erhalten.)

Nach andern, z. B. Free-Mas. Alm. 1775. wird er im Haag, in einer, von der G. L. zu London geſtifteten Loge aufgenommen und noch in demſelben Jahre in London zum Mſtr. Gr. befoͤrdert.

1733.

Lord Sackwille, Duke of Middleſex, ſtiftet zu Florenz eine Loge.

1735

in der, am 31. Maͤrz gehaltetzen großen Loge, be - kommt Anderſon den Befehl, in der neuen Ausgabe des Konſt. B. auch die Patrone der alten Maurerei, ſeit dem Anfange der Zeit, ſo wie die Groß-Meiſter und Groß-Beamte, ſeit dem Groß-Meiſter Montagu aufzufuͤhren.

eod.

Die Frei-Maurerei wird in den vereinigten Niederlanden aufgehoben und ſelbſt der Name: Frei-Maurer verboten.

In Amſterdam ward eine Loge, die ſich den - noch verſammlete, aufgehoben. Der gefangene Mſtr. und die beiden A. bekraͤftigten Tags drauf vor dem Magiſtrat eidlich: daß die Frei-Maurer friedliche, dem Vaterlande und Landesherrn treu ergebne Unterthanen waͤren, daß ſie untereinan - der in der groͤſten Einigkeit lebten, Heuchelei und72 Betrug verabſcheuten, daß die Einſetzung der Bruͤderſchaft ſehr alt und hoͤchſtehrwuͤrdig waͤre ꝛc. Sie koͤnnten zwar ihre beſondere Gebraͤuche und Geheimniſſe nicht offenbaren, aber doch aufs hei - ligſte verſichern: daß ſie weder den goͤttlichen noch menſchlichen Geſetzen zuwider waͤren; daß ſie ſich erboͤten, eine der Magiſtratsperſonen unter ſich aufzunehmen, welcher ihnen hernach daſſelbe be - kraͤftigen wuͤrde. Hierauf wurden die B B. auf freien Fuß geſtellt und der Stadtſekretaͤr zur Loge geſendet. Nach ſeiner Aufnahme ſtattete er einen fuͤr die Geſellſchaft ſo vortheilhaften Bericht ab, daß kurz hernach faſt der ganze Magiſtrat ſich in dieſelbe aufnehmen lies.

Sammlung ꝛc. S. 13 und 14.

eod. circa.

Erſte deutſche Loge (St. Georg. nachher Ab - ſalom genannt, zu Hamburg) durch die ſchotti - ſchen Lords Keith und Marshall geſtiftet. Die naͤchſtaͤlteſte iſt die zu den drei Roſen zu Sachſenfeld.

1736.

Altes und neues engliſches Syſtem. unter dem Groß-Meiſterthum des Grafen v. Lou - don, entſtehen Streitigkeiten bei den Wahlen der Groß-Beamten; eine Anzahl Bruͤder ſtiften; mit Berufung auf die alte Yorker Conſtitution, neue Logen, verwerfen die Reſtauration von 1716 (oder 1717) und entziehen ſich der großen Loge von London.

73

eod.

Das Anderſonſche Conſtitut. -Buch erſcheint zu Haag, von Joh. Kuenen, deput. Groß - Meiſter der Logen in Holland, ins franzoͤſiſche uͤberſetzt.

eod.

Unter dem Groß-Meiſter Lord Loudon wird die erſte Loge in Africa errichtet.

eod. Den 15. October

reſignirt der letzte erbliche Groß-Meiſter von Schottland aus der Familie St. Clair, welcher der letzte ſeines Stammes war, und uͤberlaͤßt die neue Wahl eines Groß-Meiſters der Freiheit der B B. Saͤmmtliche vier und dreißig arbeitende Logen ſenden dazu Abgeordnete, welche aus Er - kenntlichkeit am 30. November eben denſelben William St. Clair of Roslin zu ihrem Landes-Großmeiſter waͤhlen, welchem alsdann 1737 Georg Earl of Cromarthy folgt.

1737.

Den 25. Jan. billigt die große Loge abermals die neue Ausgabe des Conſtitutions-Buchs.

eod.

Ludwig XV. Koͤnig von Frankreich, hebt in74 ſeinen Landen die Frei-Maurerei auf und erklaͤrt ſelbſt den Umgang mit Frei-Maurern fuͤr ſtrafbar.

eod. Den 5. November.

Friedrich, Prinz von Wallis, Vater K. Georg III., wird in einer dazu beſonders errichteten Loge zu Kew zum Frei-Maurer auf - genommen.

1738. Den 25. Januar.

Erſcheinung der neuen Ausgabe des Konſt. B.

eod.

Bannbulle und Exkommunikation der Frei - Maurer von Pabſt Clemens dem XII.

eod.

In Schweden werden die Frei-Maurer-Ver - ſammlungen bei Lebensſtrafe verboten.

eod.

Kaiſer Carl VI. hebt die Frei-Maurerei in Flandern auf, und verjagt die Frei-Maurer.

eod.

Friedrich II. wird in der Nacht zwiſchen dem 14. und 15. Auguſt zu Braunſchweig, im Korniſchen Hotel, durch eine Deputation von75 Hamburg, wobei der Baron v. Bielefeld, Bar. v. O. u. v. L., der regierende Graf von der Lippe-Buͤckeburg, Graf v. K. und Bar. v. A. gegenwaͤrtig waren, mit allen Feierlichkeiten in den Orden aufgenommen.

eod.

Einwanderung der Frei-Maurerei in die Preußiſchen Staaten; jedoch ins geheim weil K. Friedrich Wilhelm I. dagegen eingenom - men war.

1739.

Auguſt II., Koͤnig v. Pohlen, verfolgt die Frei-Maurer auf Veranlaſſung der Paͤbſtlichen Bulle und laͤßt die Exkommunikation an allen Kirchen anſchlagen.

eod.

Die BB., die ſich als unzufrieden 1736 aus der Londner Gr. L. entfernt hatten, erwaͤhlen ſich, als ſelbſtſtaͤndige Frei-Maurer, einen eignen Groß - Meiſter, machen ein neues Geſetzbuch, ertheilen Patente zu Errichtung neuer Logen ꝛc.

1740.

Philipp V., Koͤnig von Spanien, laͤßt Frei-Maurer, als ſolche, ins Gefaͤngniß werfen.

eod.

Staͤrkere Einfuͤhrung der Maurerei in Deutſch -76 land durch den damaligen Krieg. Stiftung der L. Abſalom.

eod.

Der Br. Luttmann bringt aus London ein Patent zu Errichtung einer Mutter-Loge in den drei Graden nach Hamburg und fuͤr ſich das Pa - tent als Groß-Meiſter von Hamburg und Nie - derſachſen.

eod. Den 13. September.

Gruͤndung der aux Trois Globes in Ber lin, unter dem Vorſitz des Br. Baron v. Bie - lefeld und der Mitſtiftung des Geh. R. Jordan. Sie erhaͤlt, als der erſte Maurer-Tempel in den - Preuß. Landen ein koͤnigl. Protektorium und ſtif - tet noch in dieſem Jahre zwei Tochterlogen.

eod.

Die Frei-Maurerei wird von der hollaͤndiſchen Geiſtlichkeit verfolgt, die Regierung aber ſteuert dem Gewiſſenszwange und verbietet alle Fragen an Beichtkinder uͤber Frei-Maurerei. Es entſtehen in wenig Jahren viel neue Logen in den verei - nigten Niederlanden, die ihre Konſtitutionen theils aus England theils aus Schottland bekommen.

Sammlung ꝛc. S. 18.

eod.

Unter dem Groß-Meiſter Earl of Kintore77 werden Provïnzial Groß-Meiſter in Barbados, Hamburg und Rußland konſtituirt.

1741.

Im Florentiniſchen, Parmeſaniſchen, auf Mal - tha und in andern Gegenden von Italien wird die Inquiſition gegen die Frei-Maurer excitirt.

eod.

Die erſte deutſche Ausg. des And. Conſt. B. Frankfurt a. M. (die zweyte ebendaſelbſt 1743. die dritte 1762. und ein zweiter Theil von Klein - ſchmidt. 1784. 8.)

eod. Den 24. Juni

feſtgeſetzt, daß der Groß-Schatz-Meiſter, Groß - Sekretaͤr und Groß-Schwerdttraͤger oder Ceremo - nien-Mejſter ordentliche Mitglieder der Gr. L. ſeyn und jaͤhrlich erwaͤhlt werden ſollen.

eod.

In Hamburg der Schottl. A. Grad durch den Grafen v. Schmettau, als erſtem Urheber des Sch. -Meiſters eingefuͤhrt und 6 Monate ſpaͤter die Judica errichtet.

1742. Den 20. Maͤrz.

Freiherr von Hund wird zu Frankfurt am Mayn in den Orden aufgenommen.

78

1743.

Johann Koͤnig von Portugall, verfolgt die Frei-Maurer und laͤßt ſie ins Gefaͤngniß ſetzen.

eod.

Freiherr v. Hund iſt Meiſter vom St. einer neuen Loge zu Paris. Erſter Urſprung des Tempelherrn-Syſtems der ſtr. Obſ.

eod.

Neue Ausgabe des Anderſonſchen Konſtitutions - Buchs.

eod.

Stiftung der L. St. George in Hamburg.

1744.

Die aux Trois Globes erhaͤlt von ihrem koͤniglichen Groß-Meiſter das Praͤdikat einer großen koͤniglichen Mutterloge zu den drei Welt - kugeln.

eod.

Die BB. zu Antigua bauen ein praͤchtiges Logenhaus und erhalten von London aus den Namen der Großen Joh. L. zu Antigua.

1746.

Die Gr. L. zu den drei Weltk. zu Berlin hat ſchon vierzehn Tochterlogen zu Berlin, Meiningen, Frankf. a. d. O., Breßlau, Dresden, Neuſchatel, Halle ꝛc.

79

1747. Den 3. April.

Die oͤffentlichen Prozeſſionen der Frei-Maurer in England an den Feſten, werden aufgehoben.

1747. Den 11. Auguſt.

Der Herzog von Holſtein (im J. 1740 von K. Friedrich II. in den O. aufgenommen) wird Vice-Groß-Meiſter der gr. aux Trois Glo - bes; er revidirt und rektificirt ihre Statuten, welche den 16. Maͤrz 1748 publicirt werden.

1748. Den 10 Juni.

Reinſtallirung der Stewards-Loge bei der gr. Mutterloge zu den drei Weltkugeln.

1749 1756.

Allmaͤhlige Einfuͤhrung des Tempelherrn-Sy - ſtems in Deutſchland durch Hr. v. Marſchall (zu Altenburg und Naumburg) und den Baron v. Hund.

1751. Junius.

Benedict XIV. beſtaͤttigt die Bann-Bulle Clemens VII., mit Aufrufung des weltlichen Arms.

In Erfolg derſelben ſtiftet Clemens Auguſt Herzog in Baiern und Kurfuͤrſt zu Koͤlln den80 Mopsorden, welcher ſich einige Zeit in Frankreich und Deutſchland verbreitet. Etwas beſſer iſt der franzoͤſiſche Orden l’Espérance, fuͤr die Frauen der Maurer geſtiftet. Er hat zwey Grade und iſt auch nach Deutſchland z. B. bis Goͤttin - gen, Braunſchweig ꝛc. gekommen.

eod. Den 2. Jul.

wird die Frei-Maurerei in Spanien, auf An - trag des Joſeph Torrubia, Reviſors des heil. Officiums ꝛc. bei der Inquiſition, durch ein koͤnigliches Dekret verbannt.

1752.

Die Loge de l’Amitié zu Berlin, vorher geſtiftet durch die von Friedrich II. berufenen franzoͤſiſchen Gelehrten und Kuͤnſtler, faͤngt an, in franzoͤſiſcher Sprache, oͤffentlich zu arbeiten.

1753.

In dieſem Jahre gab es ſchon in der ſtr. O. Priores, Subpriores, Praefecte, Comthurs; das Syſtem exiſtirte alſo ſchon vollkommen, nur im Kleinen; auch war ſchon fruͤher ein templ. Ka - pitel zu Unwuͤrde in der O. -Lauſitz.

Fortſ. des Anti. S. N. S. 80. u. 121.

1754. Den 24. September.

Stiftung der Concorde oder zur Eintracht.

Den81

eod. Den 27. Jun.

Die neue Ausgabe des Konſtitutionsbuch wird John Entick aufgetragen.

1755.

Die Loge de l’Amitié affiliirt ſich, mit Bei - behaltung ihrer eignen Verfaſſung, mit der Loge zu den drei Weltkugeln.

eod. Den 13. Maͤrz.

Hr. v. Hund laͤßt ein Praͤliminar-Regulativ zu Errichtung einer Penſionenkaſſe in ſeine Provinz provisorie ergehen.

Anti S. N. dritter Th. p. 18.

eod. Den 20. Maͤrz.

Die Engl. gr. Loge erklaͤrt verſchiedne Ver - ſammlungen von B B., die ſich fuͤr alte Frei - Maurer ausgegeben hatten und bei der Unter - ſuchung nicht richtig befunden wurden, fuͤr unaͤcht.

eod.

Eine alte Dresdner Loge nimmt das Tempel - herrn-Syſtem an, und reformirt ihre Sitten.

Servati l. c. S. 164. 65.

Auch waren ſchon dergleichen Kapitel, ohneErſtes Baͤndch. F82Wiſſen des Hr. v. Hund, zu Braunſchweig Hamburg, Coppenhagen, Roſtock, Prag, ꝛc.

Anti Saint Nicaise. S. XXXVII.

1755. Den 24. Jul.

Einfuͤhrung der großen, foͤrmlichen Certificate in England.

1756.

Epoche der Verbreitung franzoͤſiſcher hoͤherer Grade in Deutſchland, durch den ſiebenjaͤhrigen Krieg.

eod. Den 19. Juni.

Trennung der L. Concorde von ihrer Mutter - L. zu den drei Weltk.

eod.

Alle arbeitende Logen in den vereinigten Nie - derl. treten im Haag zu einer gr. Landes-Loge zuſammen.

eod. Den 27. December.

v. Hund publicirt eine Erlaͤuterung des er - waͤhnten Praͤliminar-Kaſſenregulativs mit Ab - aͤnderungen und Erweiterungen.

A. S. N. l. c.

83

1757. Den 2. May.

B. v. Prinzen wird zum vorſitzenden Mei - ſter der zu d. drei W. gewaͤhlt, unterſucht d. 17. Jun. in einer Stew. ihren Activ. -u. Paſſiv-Zuſtand und bringt alles wieder in Ordnung.

1758.

Neu franzoͤſiſche und halb engliſche Maurerei hoͤherer Grade in Berlin durch den Marquis von Lernay (nach andern Chev. Ville de Lermet) und v. Prinzen; mit Hindeutung auf die Phi - losophia arcani und den Stein der Weiſen. Der vermeinte Tempelherrn-O., welcher 1758 durch einen franzoͤſiſchen Marquis de Bernez, (im O. Eques a Turri aurea genannt) einen ausgemachten Jeſuitenfreund zuerſt eingefuͤhrt wurde, mußte auf Befehl der unbekannten Obern das Signum solis oder zum Zeichen anneh - men, unter welchem Bilde auch der O. der Je - ſuiten vorgeſtellt wird.

Prozeß zw. D. Stark und den Herausgebern der Berl. Mon. Berl. 1787. S. 17.

Dieſer Abbee Bernez zu Turin iſt an Hunds Stelle zum Heer-Meiſter gewaͤhlt und ihm in den LL. gehuldigt worden.

Ebendaſ. S. 89.

eod.

Entick’s Ausgabe des Konſtitutionsbuchs. Sie wird zum Vortheil der Armen verkauft.

F 284

1759.

Den 26. Juni. kommt Schroͤpfer, als Kuͤ - per im Hotel de Saxe, nach Leipzig.

1760.

Vollkommnere Einwanderung der franzoͤſiſchen Maurerei nach Deutſchland mit der Armee des Herzogs v. Broglio.

Soupçonnirte Einwirkung der Jeſuiten auf die Maurerei; durch die bei der Armee angeſtell - ten Mitglieder dieſer Geſellſchaft.

1761

Schroͤpfer etablirt ſich als Weinſchenk zu Leipzig.

eod. Den 12. April.

Die L. de l’Amitié aux Trois Colombes als Tochter L. der Gr. L. zu den drei Weltk. geſtiftek.

eod. Den 20. May.

Stiftung eines maureriſchen Tribunals, als einer oberſten Ordensbehoͤrde fuͤr die Preußi - ſchen Staaten, durch eine feierliche Reunions - Acte. B. v. Prinzen Groß-Meiſter.

1762.

Errichtet der Marquis de Lernais zu Ber -85 lin ein Großes Kapitel der Ritter von Jeruſalem, auf den Fuß, wie es damals zu Amiens und andern franz. Staͤdten uͤblich war.

1762 und 1763.

Streitigkeiten unter den Berliner Logen. Die de l’Amitié trennt ſich von den drei Weltku - geln und der Concorde, und arbeitet in die - ſer Zeit ſeltner, weil ein großer Theil ihrer Bruͤ - der abgegangen war.

eod.

Zu London werden 14 BB. wegen Gemein - ſchaft mit Winkellogen ausgeſtoßen.

Free Mas. Alm. 1775.

1763.

Der maureriſche Apoſtel Roſa verbreitet ſein Syſtem von Berlin aus, formt viele Logen um, und errichtet Kapitel zu Braunſchweig, Hamburg, Koppenhagen ꝛc. Er behauptet, das Ordensge - heimniß beſtehe in Alchemie, Theosophie, Cosmosophie, Mechanik ꝛc., jedoch mit dem Geſtaͤndniß, es ſelbſt nicht zu wiſſen.

vergl. oben Jahr 1755.

eod.

Auf einem ſaͤchſiſchen Convente wird B. v. Hund als Provinzial-Groß-Meiſter der deut - ſchen Frei-Maurer anerkannt.

Saint Nicaise p. 173.

Schubart’s Mißion.

86

eod.

Die Mitglieder des Maureriſchen Tribunals bei der Gr. L. zu den drei Weltk. in Berlin, legen nach dreijaͤhrigen Arbeiten ihre Aemter nieder, und es tritt eine ſechsjaͤhrige Anarchie ein.

1764. Den 16. Maͤrz

errichten einige Bruͤder der alten Loge de l’amitié zu Berlin, nach einem Patent von der Loge Pu - rita zu Braunſchweig, eine neue Loge, die ſich bald vermehrt. Mit ihr affiliiren ſich die Logen zu Bourdeaux, Aix in Provence, Eduard zu Dresden und andre, und ernennen Repraͤſentan - ten bei derſelben.

eod.

Die K. K. Maria Thereſia hebt in ihren Staaten die Frei-Maurerei auf, weil der Logen - Meiſter ſich weigert, der Regierung von ihrer in - nern Einrichtung Kenntniß zu geben.

eod.

Johnſon a Fuͤnen, der ſich fuͤr einen Eng - laͤnder ausgab und behauptete, von den Obern in Schottland abgeſchickt zu ſeyn, um alle deut - ſchen Logen zu reformiren, hatte vorzuͤglich die Idee verbreitet: die Maurerei ſei Fortſetzung des T. H. O; die Chevaliers Prétres ſeien auf die Schottiſchen Inſeln geflohen; die Miliz des Tem - pels aber ſolle nur wieder oͤffentlich auftreten,87 dann wuͤrden die Clerici ſich nicht laͤnger verber - gen, ſondern ihre geretteten Schaͤtze und hohen Wiſſenſchaften (Geiſterſehen, Goldmachen ꝛc. ) in ihren Schoos niederlegen. Zugleich gab er eine Liſte der ununterbrochnen Groß-Meiſter von Ja - cob Molai bis auf ſeine Zeiten und nannte ver - ſchiedne Weiſe in Italien und im Orient, als Mitglieder des Ordens. Er machte, beſonders in Jena, Proſelyten, ſchrieb an alle Logen, klagte, daß ſie ſich von den Berlinern irre fuͤhren ließen, behauptete, er habe, als Heer-Meiſter allein die Befugniß, Ritter zu ſchlagen, und forderte De - putirte nach Jena.

cf. Servati l. c. S. 449. ꝛc.

Er wird durch v. Hund (der nun unter dem Ordensnamen Eques ab ense auftritt und ſich mit v. Schubart vereinigt) nach Altenberg bei Jena berufen, um ſich zu legitimiren. Dort ent - deckt (1764) v. Hund, daß dieſer ſogenannte Johnſon, ehmals Sekretaͤr in Bernburg gewe - ſen ſey, und den Fuͤrſten betrogen habe; ſich im ſiebenjaͤhrigen Kriege bald als Jude, bald unter dem Namen Leucht, in Sachſen herum getrie - ben habe; Bedienter bei dem Br. ab aquila ru - bra geweſen und deſſen Papiere entwandt, auch damit den v. H. eine Zeitlang getaͤuſcht habe; daß ſein wahrer Name Becker und ſeine Ab - ſicht Betrug ſey. Er ergreift die Flucht, wird in Magdeburg eingeholt und als Kaſſenpluͤndrer, falſcher Muͤnzer ꝛc. auf die Wartburg geſetzt.

88

eod.

Um dieſe Zeit ſpielen die Franzoſen und Hol - laͤnder mit einer ungeheuren Menge von Graden fort, ohne weiter etwas Ernſthaftes dabei zu ſu - chen. Andre deutſche Logen, beſonders die Frankfurter, arbeiten ungeſtoͤrt nach dem engli - ſchen Syſtem.

eod.

Joh. Chriſtian Schubart v. Kleefeld, erklaͤrt, in der Qualitaͤt eines beſtaͤndig abgeordne - ten Groß-Meiſters, der Mutter-Loge zu den drei Weltkugeln in Berlin dieſen Johnſon oͤffentlich fuͤr einen Betruͤger.

Anti S. Nic. S. 180.

1765. Den 27. Juli

wird der Herzog von York in der de l’ami - tie zum Frei-Maurer aufgenommen. Die Loge nimmt ihm zu Ehren den Namen: La Royale York de l’amitié an.

eod.

Die Hamburger und Braunſchweiger L. L. verlaſſen das engliſche Syſtem und treten zur ſtrikten Obſervanz.

1766.

Die Loge R. Y. de l’a erhaͤlt von der großen Loge89 zu London eine feierliche Konſtitution, und wird unter dem 24. Junius 1767, als Nro. 330 des Londner Verzeichniſſes eingetragen.

eod.

Der D. Medicinaͤ Ellermann, durch Adoption ſeiner Mutter Bruder von Zinnendorff ge - nannt, im ſiebenjaͤhrigen Kriege Stabsmedicus und hernach General-Stabs-Medicus in Berlin, bei der ſtrikten Obſervanz Eques a Lapide Ni - gro genannt, auch altſchott. Ober-Meiſter der zu den drei Weltkugeln, erklaͤrt die ſtr. Obſ. fuͤr Betrug, und ſich fuͤr den Stifter eines neuen Syſtems, wozu er die Rituale (Acten) durch den Sekretaͤr der ſchwediſchen Loge, Eklef, heim - lich erhalten. Er laͤßt ſich ein engliſches Privile - gium geben, und erklaͤrt alle uͤbrige Maurerei fuͤr unaͤcht. Mehrere Logen von der ſtr. Obſ. treten zu ſeiner Parthei.

cf. Servati S. 462 ꝛc.

eod.

Einfuͤhrung der Intoleranz in die Maurerei.

eod. Den 9. Auguſt.

Die gr. L. zu den drei W. nebſt ihrer Tochter L. Concorde treten der ſtrikten Obſervanz bei.

eod.

Den Obern der ſtr. O. wird ein Plan vorge -90 legt, nach welchem durch Geldbeitraͤge der B B. binnen fuͤnf Jahren Leibrenten entſtehen koͤnnten, um, beſonders aͤrmere B B. zu unterſtuͤtzen. Er wurde von den meiſten Logen verworfen.

1767.

Erſcheinung der Clericorum Ordinis Tem - plar und Erbieten, die Geheimniſſe von den Vaͤ - tern in Auvergne dem Syſtem der ſtrikten Obſer - vanz mitzutheilen.

v. d. Brief des Br. J. A. St. an den B. v. Hund. Wismar d. 31. Maͤrz 1767 im Anti St. Nicaise II. Th. S. 10. f.

eod.

Vierte Ausgabe des Konſtitutions-Buchs. Der Anhang dazu 1776.

eod.

Erſte Gruͤndung des Illum. O. durch Weis - haupt.

1768.

Schroͤpfer etablirt ſein beruͤchtigtes Kaffee - haus.

eod.

v. Schubart zieht ſich ganz von der Maurerei zuruͤck.

eod. Den 29. October.

Der Riß zu einem neuen Hauſe wird in der91 Engl, großen Loge vorgelegt und der Bau deſſel - ben beſchloſſen; jedoch erſt 1774 der Bauplatz dazu erkauft.

1769.

Die große franzoͤſiſche Landesloge ſchließt mit der engliſchen einen Vereinigungs-Vertrag.

1770. Den 25. April.

Die große Loge im Haag ſchließt einen Verei - nigungstraktat mit der oberſten großen Loge von England, wodurch jene die Macht erhaͤlt, in ganz Holland und den davon abhaͤngigen Kolonien neue Logen zu ſtiften und zu konſtituiren.

eod. Den 27. December.

Herr v. Zinnendorff errichtet aus zwoͤlf Logen eine große Loge zu Berlin, macht den Br. K. zum Groß-Meiſter und ſich zum deputirten Groß-Meiſter ſeines Syſtems.

1771.

Herr von Zinnendorff begehrt, unterm 29. Maͤrz und 29. October anhaltend, eine Kon - ſtitution von London.

1772.

Konvent zu Kohlo (einem dem Generalfeld - zeugmeiſter Gr. v. Bruͤhl gehoͤrigen Ritter-Gu -92 the in der Nieder-Lauſitz, ohnweit Pfoͤrten), auf welchem der H. F. v. B. zum generellen Obern aller Logen der ſtrikten Obſ. und der Eques ab ense zum ſpeciellen Oberen der Ober - und Nieder - ſaͤchſiſchen, daͤniſchen und kurlaͤndiſchen Logen der ſtr. Obſ. ernannt wird.

Die Clerici machen auf dieſem Konvent nicht den gewuͤnſchten Fortſchritt.

eod.

Erbauung eines Logenhaufes zu Barbados.

eod.

Schroͤpfer faͤngt an Loge zu halten.

eod. Den 8. Januar.

v. Zinnendorff haͤlt unter Berufung auf eine ſchwediſche, in Chiffern geſchriebene Konſtitu - tution, eine deutſche Loge im Locale der franz. Loge Royale York de l’amitié, um die in London verſagte maureriſche Anerkennung durch das Zeug - niß dieſer Loge zu bewirken; zu welchem Ende er das Original-Protokoll der Loge R. Y. heimlich wegnimmt und nach London ſendet.

eod.

Ausarbeitung der Zinnendorffiſchen Acten (Ri - tuale, Verordnungen) durch die Bemuͤhung eini - ger Bruͤder zu Berlin.

93

eod. Den 5. Juli.

Herzog Friedrich wird Groß-Meiſter der Preußiſchen Staaten bei der gr. L. zu d. 3 W.; das Altſchott. Directorium der ſtr. Obſ. nimmt ſeinen Sitz in Braunſchweig und Br. Woͤllner wird Ober-Meiſter deſſelben.

1773. Den 30. November.

Die Zinnendorfiſche große Loge erhaͤlt durch ihren gegenwaͤrtigen Groß-Meiſter Prinzen Lud - wig Georg Carl von Heſſen Darmſtadt, die geſuchte Anerkennung von London und nimmt die Firma einer großen Landesloge von Deutſchland an.

eod.

Leucht ſtirbt ploͤtzlich auf der Wartburg.

1774. Den 19. Mai.

Vereinigung der Royale York mit der Zinnend. großen Loge, auf Vorſchlag der großen Loge zu London; worauf bald (d. 6. October) deſto heftigere Inſulten von der einen Seite er - folgen.

eod.. Den 16. Juli.

In Erfolg der Londner Konſtitution erhaͤlt die94 große Landes-Loge ein Allerh. Koͤnigl. Protecto - rium.

eod. Den 8. October.

Schroͤpfer erſchießt ſich im Roſenthal, in ſei - nem 35. Jahre.

eod. circa.

Verfolgung der Frei-Maurer in Danzig.

1775.

Konvent zu Braunſchweig. Legitimation des Eq. ab Ense.

v. Servati l. c. S. 468. ꝛc.

eod. Den 1. Mai.

Legte der engl. Groß-Meiſter Lord Petre, nach einer feierlichen Prozeſſion in Great-Queen Street, Lincoln’s Innfields, den Grundſtein zu dem Hauſe der gr. Loge, wobei eine Kollekte ge - ſammlet und Reden gehalten wurden.

eod. Den 30. Juni.

Der regierende Herzog Ernſt zu Sachſen - Gotha und Altenburg wird zum Groß-Meiſter der Zinnendorfiſchen gr. Loge erwaͤhlt.

eod.

Das Amt eines Groß-Kapellans wird bei der engl. gr. L. wieder erneuert und beſetzt.

95

eod.

Die Kleriker trennen ſich von der ſtrikten Ob - ſervanz.

eod.

B. v. Gugomos tritt in Oberdeutſchland auf. Er nennt ſich einen Geſandten der unbekannten Obern, oder des heiligen Stuhls, in Cypern, namentlich zu Nicoſia, Hoherprieſter, Ritter, Dux ꝛc. beruft einen Konvent, verſpricht Geiſter - Erſcheinungen, Goldmachen, Entdeckung der Tem - pelherrn-Schaͤtze, Wunder aller Art. Sein Be - trug wird entdeckt, er fluͤchtet, und thut nachher Widerruf.

v. Servati S. 265 und 473.

eod.

Bar. v. Waͤchter, (Eq. a ceraso) wird von der altſchott. Loge von Franken aus nach Ita - lien geſchickt, um das Ordens-Geheimniß aufzu - ſuchen, oder, nach andern, die B B. der ſtr. Obſ. in Italien genauer mit denen in Franken zu ver - binden. (Vorher war ſchon ein Graf C. in aͤhnlichen Abſichten dorthin gegangen.) Er errich - tete einige Kapitel in Italien, lebte am Hofe des Praͤtendenten und entdeckte den Ungrund aller Erzaͤhlungen uͤber jenen, den Kilmanrock, den Sekretaͤr Approſi ꝛc. und alle uͤbrigen Stuͤtzen des deutſchen T. H. -Syſtems. Er ſelbſt aber kam mit großem Reichthum zuruͤck, woruͤber er erklaͤrte: daß ſeine wichtigen Kenntniſſe kein Frei -96 Maurer-Geheimniß und ſein freies Eigenthum ſeyen.

l. c. S. 268. 288. 477. 487.

eod.

Roſenkreuzer bilden eine große Maurer-Par - thei. Martiniſten zu Lion und Paris. Die beiden Buͤcher: Des Erreurs et de la Verite von St. Martin und Tableau naturel.

eod.

Der Fuͤrſt-Biſchof von Hildesheim Fr. Wilh. v. Weſtphal verbietet ſeinem Klerus und feinen Beamten den Beſuch der Logen, wegen der paͤbſtl. Bullen.

1776.

Die Vereinigung der la Royale York de l’amitié mit der gr. Landes-Loge wird durch die Erkenntniſſe der gr. L. zu London vom 15. Jun. 1776 und 11. Apr. 1778 wieder aufgehoben und die Royale York, in ihren alten Gerechtſamen beſtaͤttigt.

eod. Den 23. Mai.

Der neue praͤchtige Verſammlungsſaal der gr. Loge von England wird vom Groß-Meiſter Lord Petre Baron von Writte und den uͤbrigen Groß-Officianten, in Gegenwart von 150 Da - men und 400 Bruͤdern feierlich, mit den gewoͤhn - lichen Cerimonien eingeweiht.

eod. 97

1776.

Trat der Ritter a Cygno triumphante auf, welcher Rom und Florenz, als Orte der Aufbe - wahrung goͤttlicher Geheimniſſe anwies.

Prozeß ꝛc. S. 186.

eod. Den 30. Juni.

Der Herz. Ernſt von Gotha und Altenburg wird aufs neue zum Groß-Meiſter der großen L. Loge erwaͤhlt.

eod.

Neue Ausgabe des engliſchen Konſtitutions - Buchs.

eod.

In England wird das Amt eines Groß-Ar - chitecten eingeſetzt.

eod. Den 8. November.

v. Hund ſtirbt zu Meiningen im 55. Jahre ſeines Alters, und wird zu Melrichsſtadt, einem Staͤdtchen im Biſtum Wuͤrzburg, drei Stunden von Meiningen begraben.

eod.

Anfang der Neapolitaniſchen Verfolgungen.

Erſtes Baͤndch. G98

1777.

Die große Loge von Schweden erklaͤrt durch Abgeſandte in Berlin (vermittelſt einer Akte vom 29. Julius) die Patente, welche Hr. von Zin - nendorff von ihr erhalten haben wollte, und worauf er die Befugniß, ein neues Syſtem in Deutſchland zu gruͤnden, baute, fuͤr unaͤcht.

1778.

Seit dieſem Jahré ohngefaͤhr, die heimlichen Machinationen der unbekannten Obern des O. der Gold - und Roſenkreuzer.

Nicolai Vorr. zum LVI. B. der N. A. d. B.

eod.

Die Franzoͤſiſchen Maurer verlaſſen immer mehr die alte engliſche Konſtitution und ſchwaͤr - men nach eigner Erfindung. Eine große Anzahl franzoͤſiſcher Logen, beſonders in Elſaß und Lo - thringen, haben ſich mit der ſtr. Obſ. vereinigt und ſich unter den Schutz des Duc de Chartres begeben. Aber auf dem Convent zu Lion ſchaffen ſie das T. H. Syſtem, aus Furcht ab, nennen ſich Chevaliers bienfaisants de la Sainte Cité, bleiben mit der ſtr. Obſ. als beſondre Provinz in Verbindung, haben aber eigne myſterioͤſe Grade. v. Archives Mytho hermetiques.

eod.

Die Loge Royale York, nach Zuruͤcknahme ih -99 rer alten Rechte, faͤngt (d. 14. Jan.) an, auch deutſch zu arbeiten.

1779.

Der D. St. giebt ſich Muͤhe, die zu Mitau befindlichen B B. der ſtr. O. mit den Klerikern zu vereinigen, aber vergeblich.

Fortſetzung des Anti S. Nic. S. 146.

1780.

Illuminaten in Bayern.

eod.

Anfang der Vereinigung der ſogenannten Aſia - tiſchen Bruͤder zu einem geſellſchaftlichen Koͤr - per (geſchloſſen im J. 1784); verbunden, zu Fort - pflanzung der aͤchten Erklaͤrung aller maureriſchen Symbole, Zeichen und Woͤrter.

eod.

Erſter oͤffentlicher Angriff auf das T. H. Sy - ſtem durch das Buch: der Stein des Anſtoßes und Fels der Aergerniß, von St.

eod. Den 9. September.

Erſtes Circulare des Herz. Ferdinand v. B. als Einladung zu einem Convente.

1781.

Ferdinand IV. Koͤnig von Neapel verfolgt die Frei-Maurer.

G 2100

1781.

Erſcheinung des fanatiſchen Buchs: Vom Zwecke des Fr. M. O., in welchem auf unbe - kannte Vaͤter hingewieſen wird, welche geheime Wiſſenſchaften inne haben. (Von St.)

1782.

Derſelbe Verf. giebt das Werk: Ueber alte und neue Myſterien heraus, welches voll unver - ſtaͤndlicher und heimlicher Winke iſt.

eod.

Der Eques a ceraso erklaͤrt ſich bereit, in den Schoß der Frei-Maurerei, welche jetzt gar nichts wiſſe, einen Theil ſeiner Kenntniſſe nieder - zulegen, will ſich aber nur einem kleinen Zirkel ſelbſtgewaͤhlter B B. eroͤffnen, und mit dieſen dem Orden eine neue Einrichtung geben. Wird aus Furcht vor Jeſuiten nicht angenommen.

v. Beitrag zur neuſten Geſch. des F. M. O. Berlin 1786. S. 150.

eod.

Joh. Willhelm v. Zinnendorff ſtirbt zu Berlin.

eod.

Joh. Peter Gogel zu Frankfurt a. M., Provinzial-Groß-Meiſter des Fraͤnkiſchen, Ober - und Nieder-Rheiniſchen Kreiſes, ſtirbt. Dadurch erliſcht das von London aus eingeſetzte Provin -101 zial-Groß-Meiſterthum, welches eine Nebenver - anlaſſung zur Entſtehung der eclectiſchen Maure - rei wird.

1783.

Convent zu Wilhelmsbad bei Hanau, woran die ſtr. Obſ., eine Parthei deutſcher Roſenkreuzer und (durch Freih. v. Knigge) die Illuminaten Theil nahmen; um den wahren Zweck der Frei-Maurerei zu beſtimmen und zu unterſuchen, ob ſie eine Fortſetzung des Tempelherrn-Ordens und das wahre Geheimniß bei den unbekannten Obern der heutigen Tempelherrn zu ſuchen ſey. Nach 30 Sitzungen werden jene Fragen verneint, und das Temp. -Hrn.-Syſtem abgeſchaft.

eod.

Circulare der Eclectiker, von der Prov. - Loge zu Frankfurt am Mayn (unterm 18. Maͤrz) und der Prov. -L. zum Reichs-Adler in Wetzlar. (Unterm 21. Maͤrz.)

Abgedruckt Servati S. 494.

eod. circa.

Konvent in Paris, ausgeſchrieben von der Loge des amis réunis daſelbſt, mit Einladung an alle erleuchteten Bruͤder, ihre myſtiſchen Schaͤtze mit den ihren zu vereinigen.

eod. Den 28. Januar.

Neapolitaniſches Edikt, worinn alle bisherigen102 Angaben, Strafen und Dekrete, in maureriſchen Angelegenheiten, aufgehoben, der Junta aber auf - gegeben wird, darauf ferner zu invigiliren, als auf eine Sache, die der Religion und dem Staate verdaͤchtig werden kann.

1784. Den 22. Juni.

Edikt des Churfuͤrſten Carl Theodor IV. von Bayern, gegen alle unbeſtaͤtigte und unzu - laͤſſige Kommunitaͤten.

eod.

Noorthoucks Ausgabe des Anderſonſchen Konſt. - Buchs.

eod.

Von dieſem Jahre an, die Angriffe der Berl. Monatsſchrift auf den heimlichen Katholicismus.

1785. Den 2. Maͤrz.

Neues Edikt in Baiern gegen Frei-Maurer und Illuminaten; Verbot aller Zuſammenkuͤnfte und Geldſammlungen. (In dem Edikte wird die Geſellſchaft eine, von ihrem erſten Inſtitut allzu - weit abgeartete, genannt.)

eod. Den 16. Auguſt.

Wiederholtes Edikt ebendaſelbſt, mit der Auf -103 forderung an die Praͤſidenten und Mitglieder der Collegien, ſich in acht Tagen als Illuminaten zu melden und der Geſellſchaft zu entſagen.

1785.

In Venedig wird die Frei-Maurerei verb[o]ten, und der Logen-Meiſter mit Gattin und Kindern verbannt.

eod. Den 12. December.

Cabinets-Ordre Kaiſer Joſephs II. in mau - reriſchen Angelegenheiten, worinn verordnet wird: Daß in Hauptſtaͤdten nur hoͤchſtens drei Logen ſeyn, die Liſten der Mitglieder und Anzeige der Ver - ſammlungstage eingereicht, und die Logen-Meiſter jaͤhrlich der Regierung angezeigt werden; alle Regie - rungsſtellen aber den Freimaurern vollkommne Aufnahme, Schutz und Freiheit angedeihen laſſen ſollen.

eod.

Erſcheinung des Saint-Nicaise und im fol - genden Jahre des Anti Saint-Nicaise.

eod.

Erſcheinung des Buchs: Die theoretiſchen Bruͤ - der, oder zweite Stufe der Roſenkreuzer und ihre Inſtruktion. Athen.

1786.

Der hoͤchſte Grad der engliſchen Maurerei104 (Royal Arche) faͤngt an in Deutſchland bekannt zu werden; nicht lange vorher (circa 1777) in England.

1786.

Vom 6. November 1786 bis zum 16. Auguſt 87. der Prozeß uͤber den Verdacht des heimlichen Katholizismus zwiſchen D. und Ober-Hof-Pre - diger Stark und den Herausgebern der Berl. Monatsſchrift.

1788.

Le Bauld de Nans wird Groß-Beamter der Loge Royale York, und erwirbt ſich um dieſelbe große Verdienſte.

1789.

Erſcheinung des Code Maçon ou Statuts et Reglements pour l’usage de la ꝛc. Franc. Royale York de l’Amitié; redigé par le Bauld de Nans.

eod. Den 25. October.

Wird der ſogenannte eklektiſche Bund durch den Br. Auguſt v. Graͤfe beendigt und die Prov. - L. zur Einigkeit in Frankfurt a. M. mit der gro - ßen L. in London vereinigt.

1792.

Die Loge Clarence in London erklaͤrt: daß ſie bei ihren Zuſammenkuͤnften keine aufruͤhreri - ſchen Geſpraͤche dulden wuͤrde. Da es ohnehin105 ein Grundgeſetz des Ordens iſt, alle politiſchen Materien zu verbannen, ſo werden die andern engl. Logen uͤber jene Erklaͤrung ſo empoͤrt, daß ſie erklaͤren: Die Loge Clarence ſey nicht aͤcht, ſondern gehoͤre zu einem neuen, allein in Eng - land bekannten Syſteme, deſſen Anhaͤnger von den großen Logen in Schottland und Irland nicht anerkannt wuͤrden.

1793. Den 13. December.

Joh. Joachim Chriſtoph Bode, ſtirbt zu Weimar.

1794.

Ausgabe des: Syſtems der Frei-Maurer - Loge Wahrheit und Einigkeit zu den drei gekroͤn - ten Saͤulen in Prag.

1796.

Der D. und Prof. Feßler erhaͤlt von dem Conseil ſublime der Loge R. Y. zu Berlin den Auftrag, ihre Verfaſſung und Rituale zu revidi - ren, bei welchem Geſchaͤft ihm eine Kommiſſion von ſieben Bruͤdern zugegeben wird.

eod. Den 9. Februar.

Die gr. National-Mutter-Loge zu den drei Weltk. erhaͤlt ein koͤnigl. Protektorium.

106

1797. Den 3. Junius.

Wahl des gedachten Br. Feßler’s zum Deputirten Groß-Meiſter dieſer Loge.

eod. Den 3. Auguſt.

Erſter bedeutender Schritt, die Geſellſchaft der Frei-Maurer zu einer, im vollkommenſten Verſtande rechtlichen Geſellſchaft zu erheben, durch den: Grundvertrag oder Fundamen - tal-Konſtitution der großen Mutter - Loge R. Y. zur Freundſchaft und aller mit ihr vereinigten Logen.

eod.

Die gedachte Loge legt S. Majeſtaͤt dem Koͤ - nige ihre Konſtitution pflichtmaͤßig vor und erhaͤlt unter dem 29. December dſ. J. und dem 4. Ja - nuar 1798 fuͤr ſich und ihre Tochter-Logen, alle die Rechte, welche die andern Berliniſchen Mut - ter-Logen durch Koͤnigliche Protektoria vormals erhalten haben.

1798. Den 11. Juni.

Die Loge Royale York giebt ſich die rechtliche Verfaſſung einer großen Loge.

107

1798. Den 28. October.

Feierliche Inſtallation des G. R. v. Sellen - tin als Groß-Meiſter dieſes Logenvereins.

Beſchrieben in den Jahrbuͤchern ꝛc.

eod. Den 20. October.

Koͤnigliches Edikt uͤber die geheimen Geſell - ſchaften, als Regulativ fuͤr die Frei-Maurer in den Preußiſchen Staaten; worinn nur diejenigen Logen anerkannt und geſchuͤtzt werden, welche ſich zu dem Syſtem einer der drei großen und Mut - ter-Logen: zu den drei Weltkugeln, der Zinnen - dorfiſchen Landes-Loge und Royale York bekennen, und dieſe großen Logen fuͤr ihre Tochter-Logen reſponſabel gemacht werden.

1799.

Neue Verfinſterungsverſuche durch die Z. und Roſenkreuzer. Die große L. der Frei-Maurer zu Berlin, R. Y. zur F. genannt, wird im Ham - burger Korreſpondenten Nro. 167 auf den Hirtenbrief an die wahren und aͤchten Frei-Maurer alten Syſtems 5785., ein Buch worinn der Geiſt Chryſophirons blaͤſt, ver - wieſen.

1800. Den 13. Junius.

Vollendung der rechtlichen Verfaſſung der Frei -108 Maurerei durch die: Durchaus revidirte (zweite) Ausgabe des Grundvertrags der großen Frei - Maurer-Loge R. Y. zur Freundſchaft und deren Geſetze.

1800. Den 31. December.

Die große Frey-Maurer-Loge R. Y. zur Fr. fuͤhrt bey allen Logen ihres Vereins das aͤlteſte aͤchte engliſche Ritual der drey Sct. Johannis - Grade ein.

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3. Maureriſcher Lebenslauf des Bruders a ***

Von ihm ſelbſt aufgeſetzt. *)Dieſer Lebenslauf des verſtorbenen Bru - ders t, im Orden a *** genannt, iſt ſehr merk - wuͤrdig, und wir danken ſeinem Freunde fuͤr die Mittheilung dieſes hoͤchſt wichtigen Aktenſtuͤcks. Sach - kenner werden ihm, ohne weitere Verbuͤrgung, die Authenticitaͤt anſehen. Noch leben viele der darinn vorkommenden Perſonen, daher war es noͤthig, Namen und Jahrszahlen zu verſchweigen; die Sa - chen ſind mit der groͤßten Treue erzaͤhlt und mit gewiſſenhafter Genauigkeit wiedergegeben. Die Re - flexionen daruͤber uͤberlaſſen wir den aufmerkſamen Leſern. D. H.

Im Jahr 17**, als ich mich auf meinen Rei - ſen und meiner Kunſt wegen in H. aufhielt, wo ich in die Bekanntſchaft und ich moͤchte ſagen,110 Freundſchaft mehrerer angeſehener Maͤnner, die zugleich Maurer waren, gekommen war, faßte ich den Entſchluß, mich auch einer Geſellſchaft einverleiben zu laſſen, von der ich immer viel Gutes gehoͤrt hatte. Die Bewegungsgruͤnde zu dieſem Entſchluſſe, waren eben nicht weit herge - holt. Ich glaubte, der Orden ſei eine freund - ſchaftliche Verbindung, in welcher ſich die Men - ſchen, mehr, als ſonſt gewoͤhnlich, einander naͤher - ten, ſich gegenſeitig erheiterten und unterſtuͤtzten; ja, ich hoffte, durch die Bruͤder, welche Kuͤnſtler waren, ſelbſt fuͤr meine Kunſt zu gewinnen. Daß nichts Boͤſes und Unerlaubtes bei der Sache waͤre, ſchloß ich aus der Theilnahme der wuͤrdi - gen Maͤnner, die ich als Mitglieder kannte. Dieſe Urſachen gab ich auch dem beruͤhmten D. J an, bei welchem ich mich meldete. Er hatte die Guͤte, mich ſelbſt bei der Loge vorzuſchlagen, aber als die Stimmen gezaͤhlt wurden, ſo erſtaunte er nicht wenig, daß ich mit zwei negativen Stim - men durchgefallen war. Er konnte ſich dieſen Vorfall nicht erklaͤren, er aͤußerte ſeinen Unwillen, mit dem Beiſatz: Er muͤſſe doch wohl wiſſen, wer ſich zur Aufnahme qualificire, und veranſtal - tete eine zweite Stimmenſammlung, in welcher ich durchging. Nach Verlauf der geſetzmaͤßigen Zeit ward ich in der A. vom D. W. der ſtatt des Mſtr. v. St. D. J arbeitete aufge - nommen und der in der Maurerei ſo wichtige und beruͤhmte E. a L. conv. hielt bei dieſer Gelegenheit eine vortreffliche Rede, die mir immer111 in Gedanken geblieben iſt. Als ich nach meiner Reception im Vorzimmer war, wurde mir auf einmal der Umſtand klar, den ſich der Hochw. B. J nicht hatte erklaͤren koͤnnen. Der Br. Z. mein ſehr guter Freund, der damals erſter Vorſt. war, kam zu mir, freute ſich, mich als Bruder zu begruͤßen und eroͤffnete mir, daß er die Urſach geweſen ſey, daß ich beinah durchge - fallen waͤre. Er und ein andrer B. haͤtten vor einiger Zeit einen Kandidaten gehabt, dem durch eine Kabale die Aufnahme verweigert worden waͤre; daruͤber waͤren ſie ſo boͤſe geworden, daß ſie ſich vorgenommen, es ſolle in Jahr und Tag kein andrer Kandidat durchgehen. Nun habe er ſeinen (des Br. t.) Namen uͤberhoͤrt, und es ſey ſo gekommen. *)Dieſer Vorfall lehrt die Zweckmaͤßigkeit folgen - der Geſetze: §. 8. Der Proponent uͤberreicht dem zweiten Auf - ſeher der L. ſeinen Vorſchlag ſchriftlich. §. 11. Dieſer holt zuvor die Beiſtimmung des Mſtrs v. St., des Repraͤſ., des erſten Aufſ. und der beiden Cenſoren ein. §. 12. Nach geſchehener oͤffentlicher Propoſition wird nach gegebener Einwilligung der Anweſenden, der Name des Kand. auf die Tafel geſetzt. §. 13. Weder der Groß-Meiſter, noch der Dep. Groß-Meiſter, noch irgend ein Logen-Meiſter darf einen Suchenden vorſchlagen.Ich war damit ganz wohl112 zufrieden, ob ich mich gleich wunderte, wie die beiden B B. einen ſolchen Vorſatz hatten faſſen koͤnnen.

In dem Jahre, welches ich noch in H. zubrachte, beſuchte ich fleißig die Logen, freute mich uͤber das, was ich ſah und hoͤrte, erhielt den zweiten Grad und reiſte als ein angehender, aber ſehr eifriger Maurer nach B., wohin ich von dem B., der bei meiner Aufnahme die Rede gehalten hatte, wichtige Empfehlungen mitnahm.

Die dortige L. hatte in ihrem Schoße ſehr angeſehene Mitglieder, darunter der wuͤrdige Laf bei dem ich wohnte, und der B. C.; aus deren Geſpraͤchen ich meine Begriffe und Kenntniſſe in der Maurerei ſehr erweiterte. Die vornehmſten Glieder der L., ſchienen mir damals im chymiſchen Syſtem zu arbeiten, daher ich mir auch, als ich dort durch den Mſtr. v. St. L den dritten Gr. erhielt, die Frage erklaͤrte:Ob*)§. 14. Der Name des Kandidaten ſteht 4 Wochen auf der Tafel. §. 18. In der Zeit zwiſchen dem Vorſchlage und der Ballotation theilen die B B. dem zweiten Aufſ. ihre Einwendungen mit. §. 19. Nicht eher, als nach helleuchtend ausge - fallner Kugelung darf der Name des Proponenten genannt werden. A. d. H. 113Ob dem Kandidaten ſein Leben lieb ſey? worauf die Antwort gegeben wurde: Der Ob. B. Mſter a. W. hat alle ſeine Tage gezaͤhlet.

Ich war nun Mſtr., aber ich wußte weder uͤber den gegenwaͤrtigen Zuſtand des Ordens, noch uͤber ſeine Geſchichte, noch uͤber ſein Innres, mehr, als was mir die erfahrnen BB. aus gutem Wil - len und in Privatgeſpraͤchen hatten zukommen laſſen, denn zu ihren hoͤheren Arbeiten, die ſie privatim betrieben, zogen ſie mich nicht. Ich hatte indeß mancherlei erfahren, was mir in der Folge nuͤtzlich war, hielt mich an das Gute, was ich ſah, und ließ mich um das, was ich nicht verſtand, unbekuͤmmert.

Nach dem Ende des ſiebenjaͤhrigen Krieges, gieng ich wieder nach H. zuruͤck. Um dieſe Zeit hatte die Maurerei manche Schickſale erfahren und es war viel Verwirrung in ſie gekommen. Daruͤber hoͤrte ich nun in H. von den guten und einſichtsvollen B B. große Klagen und mehrere z. B. D. v. E. D. J , B. und andre eroͤffne - ten mir, daß Anſtalten getroffen wuͤrden, die Un - ordnungen wieder aufzuheben, das Corps zu ſaͤu - bern und nur die zu behalten, welche man fuͤr aͤcht und gut finde. Man lud mich ein, der gu - ten Sache beizutreten, und ich bezeugte meine Bereitwilligkeit, wenn ich erſt gehoͤrt haͤtte, was man vorhabe. Ich ward in das Hotel St. Peters - burg beſchieden. Dort fand ich den Hochw. B Sch , (den ich vorher ſchon als hannoͤveriſchenErſtes Baͤndch. H114Kriegs-Commiſſaͤr in B. gekannt hatte) und die beiden, mir als rechtſchaffne Maͤnner bekannten B B. P. und St. Sie waren in dem Ordenshabit gekleidet; jener trug ein rothes Kleid mit goldnen Schleifen, dieſe hatten blaue Kleider und karmoi - ſin-atlaßne Weſten mit goldnen Treſſen beſetzt. Dieſe wuͤrdigen B B. ließen ſich nun weitlaͤufti - ger uͤber den Unfug in der Maurerei aus, den beſon - ders die franzoͤſiſchen Officiers mit Aufnahmen ohne Unterſchied und mit Austheilung von Graden aller Art getrieben und dadurch die aͤchte Maure - rei ſehr korrumpirt haͤtten. Es ſei daher ein Konvent zu K. gehalten worden, worauf der B. Sch. ausgeſandt worden waͤre, die Logen zur Ordnung zuruͤckzubringen und zu etwas Beſſerem zu vereinigen. Der Orden, fuhr man fort, habe allerdings groͤßere Zwecke; und außer der Morali - taͤt, richte man ſein Augenmerk auch auf irrdi - ſche Vortheile. Alsdann wurde ich gefragt: Ob ich unbekannte Obere anerkennen und einer ſtren - geren (ſtrikten) Obſervanz beitreten wolle? Ich erklaͤrte freimuͤthig; daß ich im Orden frei - lich etwas anders ſuche, als ich bis jetzt gefun - den, und ich daher ſehr gern einer ſtrengeren Ordnung beitreten wuͤrde. Wegen des oͤkonomi - ſchen Plans aber erklaͤrte ich mich dahin: daß die Sache wohl Anſtoß geben wuͤrde, weil die oͤffentliche Treue und Glaube nicht ſo befeſtigt waͤre, daß man in die unpartheiiſche Verwaltung der Einkuͤnfte und Ausſpendung der Emolumente kein Mißtrauen hegen und die Zuruͤckſetzung der115 entfernten z. B. hieſigen B B. nicht fuͤrchten ſollte. Man verſicherte mich dagegen, daß man alle ſolche Zweifel bald unſtatthaft finden werde; und ich unterzeichnete meinen Namen auf einer Liſte, wo ich ſchon viel Namen mir wohl bekann - ter und rechtſchaffner Maͤnner fand. Dann wurde ich entlaſſen.

Nach einiger Zeit ward ich auch in Thaͤtigkeit geſetzt und erhielt Arbeiten fuͤr die Loge, welche ich als Geheimniß behandeln mußte. Zur Be - lohnung dafuͤr ertheilte man mir den vierten Gr., bei welcher Gelegenheit mir die vorhergehende Feierlichkeit ſehr merkwuͤrdig war. Die ganze war verſammlet. Der Hochw. Br. J als Groß-Meiſter, mit allen moͤglichen Ordens-In - ſignien, Baͤndern und Kleinoden geziert, oͤffnete ſie und hielt eine lange Rede, ohngefaͤhr folgen - den Inhalts: Er habe in London die drei Grade der Joh. - Maurerei erhalten, und es ſei ihm bei ſeiner Abreiſe von da (circa 1718 20) das Pa - tent als Groß-Meiſter von H. und N. S. ertheilt worden. Als ſolcher habe er auch in H. eine Loge geſtiftet. Bei ſeinem maureri - ſchen Leben habe er aber gefunden, daß auf dem gewoͤhnlichen Wege der gute Zweck nicht ganz erreicht werde; er habe ſich alſo nach - her an das Roſaſche Syſtem angeſchloſſen und uͤberhaupt gefunden, daß die ganze Maurerei in Deutſchland nicht viel aͤlter ſeyn koͤnne, als von der ZeitH 2116ſeiner Miſſion in Deutſchland. So waͤre er auch mit dem bekannten Leucht, genannt Johnſon, bekannt geworden, den er um ſo eifriger kultivirt, weil er gehoͤrt habe, daß die Bereitung einer Univerſal - medicin und alchymiſtiſche Arbeiten der Zweck der hoͤheren Maurerei ſeyn ſolle. Vermittelſt ſeiner gemachten Erfahrungen aber wiſſe er, daß auch darinn nichts liege, ſondern daß der Orden vielmehr einen wichtigeren Zweck haben muͤſſe. Nun haͤtten die erfahrenſten und erleuchteſten Maurer einen Konvent zu K. gehalten, und von da aus den hier gegen - waͤrtigen Hochw. B. Sch. ausgeſandt, um nicht nur ihn, ſondern auch die angeſehen - ſten und erfahrenſten B B. in H. vom wah - ren Zweck zu unterrichten, ſie zur Theilnahme aufzufordern, in den hohen Orden aufzuneh - men, und die Loge zu reformiren. Zum Un - terſchiede haͤtten ſie den Namen der ſtr. O. angenommen.

Nun las er eine Schrift vor, welche die Be - dingungen der Aufnahme in dieſe neue Ordnung enthielt, welche ohngefaͤhr darauf hinausliefen: 1) Unbedingter Gehorſam gegen die unbekannten hohen Obern. 2) Unbedingte Erfuͤllung der Auf - traͤge des Ordens und Geheimhaltung derſelben. 3) Daß daher keiner aufgenommen werden ſolle, der nicht ſein eigener Herr ſey (das wurde dahin erklaͤrt: Der unter Subordination eines Privat - manns ſtuͤnde z. B. Kaufmanns-Diener, damit117 ſie nicht gehindert wuͤrden, die erhaltenen Befehle z. B. zu Reiſen, zu erfuͤllen). 4) Daß jeder ver - bunden ſeyn ſolle, alles, was er von maureriſchen Inſignien, Buͤchern, Manuſcripten ꝛc. beſaͤße, dem Orden einzuhaͤndigen.

Nach dieſem legte er alle ſeine Inſignien, Baͤnder und Schuͤrzen, auf den Altar, ermahnte die ihm gleich bekleideten B B., daſſelbe zu thun und von dieſem Firlefanz (wie er es nannte) Ab - ſchied zu nehmen. Nachdem dies geſchehen war, machte er bekannt, daß der Hochw. B. V. g. und C. p. Sch. eine Loge des vierten Gr. eroͤff - nen und mich befoͤrdern wuͤrde.

Ich mußte nun abtreten und meine Praͤpara - tion enthielt die Wiederholung der von dem B. J. vorgetragenen Ideen, worauf ich m. d. St. u. d. H. in die Loge eingefuͤhrt wurde. Dort

Der Hochw. B. Sch. ſchloß feinen Vortrag mit Begeiſterung und rief mit aufgehobenem H. aus: Nun, meine lieben Bruͤder! was ſagen Sie davon? Darauf antwortete der Br. B*d* mit ſeiner witzigen Art, ganz trocken: Was der Loͤwe ſagt,*)Das Symbolum des Loͤwen war in dieſem Grade: Meliora praesumo. Br. B. hatte vor - und der Hw. B. Sch. ſchien dieſe Ant - wort zu fuͤhlen.

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Einige Tage nach dieſer Begebenheit reiſte ich nach B. zuruͤck: Dorthin nahm ich ein Schreiben an den Mſtr. v. St. Br. L. mit, mit dem Auf - trage, es ihm in voller, geoͤffneter zu uͤberge - ben und den Inhalt muͤndlich, als Augenzeuge, zu beſtaͤttigen. Die Loge wurde gehalten und ich uͤbergab mein Schreiben. Darinn wurde von der neuen Reform und dem Zutritt der A. in H. zur ſtr. Obſ. Nachricht gegeben und die in B. ebenfalls dazu eingeladen. Ich beſtaͤttigte den Inhalt und verſicherte, daß ich allerdings eine groͤßere Ordnung gefunden. Nun waren die angeſehenen B B. Laf. C. und L. ſchon Mitglie - der des neuen Syſtems und hatten ſchon die In - ſignien deſſelben. Der Br. v. K. aber, welcher den Titel eines Hollaͤndiſchen Obriſten fuͤhrte und in der Loge das Amt eines Deputirten Groß - Meiſters bekleidete, war wenig mit der neuen Veraͤnderung zufrieden, weil er (wie mir es nach - her die B B. erklaͤrten) bei ſeinem Aufenthalt in B. von den Unordnungen in der Kaſſe Nutzen gezogen und nun wohl ſahe, daß bei einer neuen Ordnung die Quelle verſiegen wuͤrde. Dieſer Br. nun ſprach uͤber die ſogenannte ſtr. O., und beſon - ders uͤber die unbekannten Obern in einem ſehr anzuͤglichen Tone, ja er warf die Frage auf, ob*)her ſchon zu mir geſagt, er koͤnne noch nicht ganz durchſehen, auch hin und wieder Unzufriedenheiten mit einzelnen Punkten der Reformation geaͤußert. A. d. V. 119 ich, der ich geſtaͤndlich zu einem andern Syſteme gehoͤre, dieſer L. beiwohnen koͤnne? Worauf ihm der Hochw. B. L. unter andern mit Eifer ant - wortete: daß Er das wiſſen muͤſſe. Ueberhaupt wurde dieſe Verſammlung ſehr tumultuariſch, da der B. v. K. auch einige B B. auf ſeiner Seite hatte, und die Sache wurde noch nicht an dieſem Tage, aber doch einige Zeit darauf, durchgeſetzt.

Denn als ich darauf nach R g gegangen war und einen zuruͤckgelaſſenen Freund ſchriftlich gefragt hatte: Ob der Krieg noch fortdaure, ant - wortete er mir: Die hoͤheren B B. haͤtten eine Zuſammenkunft gehalten und im Ganzen ſei jetzt Waffenſtillſtand. Bei der zugenommenen Ord - nung aber gewinne die gute Sache immer mehr Freunde, auch habe die ſchon ein eignes Haus gekauft ꝛc.

In R g ſelbſt beſuchte ich die zu den drei Schluͤſſeln, die ſich vor kurzem erſt etablirt und durch den Br. Sch. eine hollaͤndiſche Konſti - tution von der Haager-Loge erhalten hatte. Sie war eigentlich franzoͤſiſchen Urſprungs, arbeitete aber mit vieler Anſtaͤndigkeit.

Von dort aus gieng ich auf einen groͤßeren maureriſchen Schauplatz, ich reiſte nehmlich nach L. Hier war der Uebertritt der z. d. 3. P. zur ſtrikten Obſervanz eben vollendet. D. H. war Mſtr. v. St. geweſen; da er aber verſchiedenen B B. anſtoͤßig war, er auch ein bischen in ſeinen oͤkonomi - ſchen Umſtaͤnden derangirt war und mit der Sprache nicht fort konnte: ſo mußte er dahin diſponirt120 werden, ſeinen Poſten aufzugeben. Dies hatte ſeine Schwierigkeiten. Nach der Ordenseinrichtung iſt nehmlich der Mſtr. v. St. immer zugleich Provi - sor domorum, mit welcher Charge einige Emolu - mente z. E. jaͤhrlich hundert Rthl. Gehalt, verbun - den waren. Dies iſt aber nur von den Meiſtern der Mutter-Logen zu verſtehen. Ich werde mich daher naͤher daruͤber erklaͤren. Keine Loge durſte nehmlich uͤber dreißig Mitglieder ſtark ſeyn; waren deren mehrere, ſo wurde eine neue Loge geſtiftet, ein neuer Meiſter eingeſetzt und die alte Loge mußte einige Mitglieder abgeben. Dieſe wurde aber als eine Tochter-Loge angeſehen und der Meiſter einer ſolchen, wenn er nicht Ritter war, mußte wenigſtens den vierten Grad haben, weil die oͤkonomiſchen Verhandlungen der Loge, wie der Armen-Kaſſen, alle in den vierten Grad ver - legt waren. Von hier aus gingen die Rechnun - gen ſodann in den innern O. uͤber, da der große oͤkonomiſche Plan dieſem Grade noch nicht bekannt war und man hier nur eine ohngefaͤhre, allge - meine Notiz von demſelben hatte. Die Meiſter einer ſolchen ausgeſetzten oder Tochter-Loge nun, hatten keine Cmolumente.

So ſchwuͤrig es alſo war, den B. H. zur Reſignation zu bewegen, ſo bewirkte ſie der innre Orden dennoch und ſetzte die Wahl des Hochw. B. E. als Meiſter v. St. zum Wohle der Loge, durch.

Durch einen ehmaligen Schulkameraden, den B. B r wurde ich hier wieder in die Maure -121 rei verflochten. Bald bei meiner erſten Meldung und dem dabei vorfallenden Examen ward ich vor den BB. W g (welcher engliſcher Sprach-Meiſter war) und Z ſch und ihrem Anhang, als den groͤßten Gegnern der ſtr. O. gewarnt. Ich ward ins Noviziat und ſogleich darauf als Armiger aufgenommen, arbeitete fuͤr die L. in meiner Kunſt und hatte auch Gelegenheit manches Wich - tige zu erfahren, indem ich fuͤr das bedeutende Archiv des B. Polykarpus L. ſchrieb.

Einige Jahre giengen ohne Zank, in der groͤ - ſten Ordnung hin. Der neue Meiſter v. St. machte durch ſeine vortrefflichen Vortraͤge die Ver - ſammlungen intereſſant und ſorgte uͤberhaupt auf alle Weiſe fuͤr die Wuͤrde der Loge. Man gieng ſogar damit um, hier ein unabhaͤngiges Kapitel, welches mit Klerikern verſehen waͤre, zu errich - ten. Die late Obſervanz kam damals noch im Schiff zuſammen. Da ſie aber keine Theilneh - mer fanden, ſo ſchloſſen ſie ihre Loge und behal - fen ſich ſeitdem blos mit Schimpfen.

Die erſte Stoͤrung machte jetzt der beruͤchtigte Schroͤpfer, wozu unſer Meiſter v. St. in ei - ner St. Joh. an Weihnachten die unſchuldige Veranlaſſung gab. Er gebot nehmlich bei der Tafel Stillſchweigen, lies die dienenden Bruͤ - der abtreten und ſagte ohngefaͤhr folgendes: Er muͤſſe uns etwas bekannt machen, uns Vorſicht empfehlen und uns warnen. Es ſey hier ein Koffetier, Namens Schroͤpfer aufgetreten, der ſich ruͤhme, mit den wahren Ordens-Obern in Verbin -122 dung zu ſtehen und den Auftrag haben wolle, hier eine aͤchte Loge zu etabliren. Schon ſeit ei - niger Zeit halte er hier Aufnahmen. Beſonders aber hielten ſich einige Iſerloher zur Meßzeit an ihn, ſodann unterſtuͤtze ihn ein gewiſſer B g aus Frkf. a. M., und er wiſſe, daß ſogar ver - ſchiedne hier verſammlete B B. ſeiner Loge beige - wohnt haͤtten. Er rechne, fuhr er fort, auf un - ſre Verſchwiegenheit, daher wolle er uns ſagen, auf welchem Wege er zur Kenntniß davon ge - kommen ſey. Es habe ſich nehmlich ſchon vor mehrerer Zeit ein Mann aus Iſerlohe bei ihm zur Aufnahme gemeldet, den er aber zur Geduld verweiſen muͤſſen. Da er ihn vor etlichen Tagen geſprochen und ſich an ſein damaliges Geſuch erinnert habe, ſo habe dieſer geantwortet: Seine Wuͤnſche waͤren bereits erfuͤllt, denn er ſey in Schroͤpfers Bekanntſchaft gekommen, der ihn nicht nur vor ihrer Loge gewarnt, ſondern ihm auch wichtige Dinge vom Orden, deſſen wahrer Groß-Meiſter er (Schroͤpfer) ſey, anvertraut haͤtte. Durch dieſen Umſtand habe er alſo die Sache beſtimmt erfahren; nur muͤſſe er ſich bil - lig wundern, daß die B B. unſrer Loge, die je - nen Verſammlungen beigewohnt, nicht die ſchul - dige Anzeige davon gemacht haͤtten. Dieſes machte unter den gegenwaͤrtigen B B. eine ge - waltige Senſation und als die Tafel aufgeho - ben war, fragte einer den andern: Herr! wer iſts? Man nannte mir, als ſolche, die dem Schroͤpferſchen Club beigewohnt, die B B. Sch l123 und Br r. Dieſen Angriff erfuhr Schroͤpfer ſogleich und er wurde dadurch bewogen, oͤffentlich aufzutreten. Er fuhr emſiger fort, zu werben, aufzunehmen, und die Maurerei zu profaniren. Er ſprach oͤffentlich auf ſeinem Kaffeehauſe von ihren Geheimniſſen, log unverſchaͤmt und ver - wirrte die beſten Freunde. Beſonders ruͤhmte er ſeine hoͤheren Kenntniſſe, ſchimpfte auf die geſetz - maͤßigen Logen, und unterſtuͤtzte ſeine Behaup - tungen durch die Kenntniß und Erzaͤhlung aller - hand kleiner geheimer Begebenheiten, die er durch ſeine Geiſter wiſſen wollte. Welch ein Geiſt ſeine Klique belebte, ſah man auch aus dem Beneh - men des obengenannten B. Sch l, der einige Tage nach obigem Vorfall in der (um die Neujahrs-Meſſe) zu unſerm Meiſter v. St. kam, und ihn conſtituirte: Wie er es wagen koͤnne, ei - nen ſolchen Mann, wie Schroͤpfer, als Betruͤger zu ſchildern, da er vielmehr und ſeine Loge Be - truͤger waͤren; worauf jener ihm ganz kaltbluͤtig erwiederte, daß er einen Mann von ſolchem Ka - rakter, der nur Aufſehen machen wollte, um ſein Kaffeehaus zu heben, junge Leute an ſich locke, um ſie zu pluͤndern und zu ruiniren ꝛc. nicht fuͤr einen guten Maurer, ſondern fuͤr einen Betruͤger halten muͤſſe.

Bald darauf kam mir die Schroͤpferſche An - gelegenheit perſoͤnlich naͤher. Mein Freund B r, bei dem ich wohnte, ward durch Sch l und Br r mit dem Wundermanne bekannt, und durch ſeinen Hang zum Wunderbaren bald naͤher124 an ihn attachirt. Er trat zu der Geſellſchaft, hielt ſich im Anfang ſtill, uͤbernahm aber nachher das Sekretariat, welches um ſo mehr gut beſetzt ſeyn muſte, da Schroͤpfer, ſo gut er auch ſchwatzen und raͤſonniren konnte, nicht im Stande war, eine Zeile ordentlich und zuſammenhaͤngend zu ſchreiben. Mein Freund war bisher ein ordentli - cher und wirthſchaftlicher Mann und ein guter Hausvater geweſen, der Abends regelmaͤßig zu Hauſe blieb und alle Ausſchweifungen verabſcheute. Seit jener ungluͤcklichen Bekanntſchaft aber, ward er unordentlich, ſchwaͤrmte oft halbe, ja ganze Naͤchte, und kam betrunken nach Hauſe. Seine gute Frau litt dadurch außerordentlich, und ſeine ganze Familie ward beſtuͤrzt und mißmuthig. Ich hielt es endlich fuͤr Pflicht, ihm daruͤber Vorſtel - lungen zu machen. Dies benutzte er, um ſich zu rechtfertigen, indem er mir die herrlichen Sachen ruͤhmte, welche er geſehen und gehoͤrt hatte, Wun - derdinge von Schroͤpfers Kenntniſſen erzaͤhlte und mir zu verſtehen gab, daß er ſorgen wolle, wenn ich der Geſellſchaft beitreten wollte. Dieſer Gedanke war mir ſelbſt nicht mehr fremd; ich glaubte bei naͤherer Kenntniß der Geſellſchaft und durch eine Art von Theilnahme beſſer auf meinen Freund B r wirken zu koͤnnen; und dann hatte wohl auch Schroͤpfer ſelbſt meine Neugierde ge - ſpannt. Ich ſagte alſo zu B r, daß ich ſeine Bekanntſchaft zu machen wuͤnſchte. Br. ſchien daruͤber Freude zu haben, und ſchickte mich zu Sch l, den ich ſchon lange, aber nicht von der125 vortheilhafteſten Seite kannte. Sch fuͤhrte mich in ſeine kleine finſtre Schreibſtube, wo ich auch Br r fand; ich gab ihm meinen Wunſch zu erkennen; er verſprach mir Gewaͤhrung, und erzaͤhlte mir, jedoch mit einem gewiſſen Halbdun - kel, ſo viel Außerordentliches, daß mir die Haare zu Berge ſtanden. Zugleich ſchimpfte er gewaltig auf alle Maurerei, und erzaͤhlte mir, ob er gleich, wie ich wuſte, nur den dritten Gr. hatte, alle Geheimniſſe des hohen Ordens; welche er wahr - ſcheinlich durch Schroͤpfers Geiſter wiſſen wollte, wahrſcheinlich aber von B r erfahren hatte. Als ich Abſchied nahm, ward ich auf einen Abend - beſuch eingeladen.

Einige Tage darauf bekam ich die beſtimmte Invitation nach 6 Uhr auf ein Abendeſſen, und B r kuͤndigte mir an: Schroͤpfer wuͤrde mich bei dieſer Gelegenheit unterſuchen. Da ich eben daſſelbe im Sinne hatte, ſo ſchaͤrfte ich meine Aufmerkſamkeit auf alle Gegenſtaͤnde. Ich kam hin, fand eine ordentlich aufgeputzte Stube mit einem Erker; in der Mitte ſtand ein Tiſch, auf dem Tiſche eine große Punſchterrine, italieniſcher Sallat u. d. gl. : in jeder Ecke des Tiſches noch ein brennendes Licht und unter dem Trimeaux zwei Glaͤſer mit Waſſer. Außer einigen Bekann - ten, war noch ein junger Menſch da, der als Handlungsburſche in der L hrſchen Handlung ſtand. Bald nach mir kam Schroͤpfer; ein großer, unterſetzter, wohlgebildeter, gutgewachſener und ſehr anſehnlicher Mann. Er freute ſich, mich hier126 zu finden und war uͤberhaupt ſehr artig. Im Anfang fuͤhrte man gleichguͤltige Diskurſe, dann wandte er das Geſpraͤch auf die Unſterblichkeit der Seele und das Leben nach dem Tode. Zu - gleich wurde fleißig getrunken. Waͤhrend dieſer Geſpraͤche gieng Schroͤpfer zuweilen vor den Spie - gel, nahm ein Glas Waſſer, ſah es an, koſtete, und trank oder ſpuckte aus. Durch den Sallat, Punſch und die andern ſchoͤnen Sachen ward es mir weichlich um den Magen, und da einmal die andern beſonders ſtanden, angelegentlich ſprachen und lachten, und mir es immer uͤbler wurde, trat ich unvermerkt in den Erker, machte das kleine Fenſter auf und ein Beneficium naturae machte mich wieder nuͤchtern. Ich gieng ſodann mit erneuter Beſonnenheit wieder ins Zimmer, miſchte mich unter die Geſellſchaft; worauf mich Schr. uͤber meine Meinung von der menſchlichen Seele und von Geiſtern zu examiniren anfing. Ich antwortete nach ſeinen Ideen, die er ſchon vorhin angeſtoßen hatte, gab ihm aber auch zu erkennen, daß ſein Galimathias ſo trivial waͤre, daß ich dieſe Sachen ſchon auf der Schule ge - wuſt haͤtte. Nach Mitternacht giengen wir, und ich zu meinem Gluͤck, ganz nuͤchtern, auseinander.

Am andern Tage (Freitags) fragte mich B r um mein Sentiment, worauf ich ihm blos im allgemeinen antwortete: ich koͤnne noch nicht ur - theilen, aber etwas Neues habe ich nicht erfahren. Auf meine Frage: wasdie Waſſerglaͤſer und das oͤf - tere Trinken bedeute, eroͤffnete er mir: Schroͤpfer127 koͤnne durchs Waſſer ſehen; bliebe das Waſſer rein, ſo ſey der Kandidat wuͤrdig, wuͤrde es aber truͤbe, ſo affektire er nur, und ſey der Aufnahme nicht wuͤrdig. (Woraus ich ſchloß, daß dies Expe - riment nicht ganz untruͤglich ſey). Zugleich ſetzte er hinzu, Schroͤpfer ſey von mir erbaut und habe meine Reception ſchon auf kuͤnftigen Dienſtag angeſetzt.

Eigentlich war es gar mein Ernſt nicht, mich in dieſe Geſellſchaft aufnehmen zu laſſen. Da nun B r in der Sonnabends-Nacht nicht nach Hauſe kam, und er Sonntags noch an den Fol - gen des naͤchtlichen Schwaͤrmens laborirte, ſo nahm ich Gelegenheit ihm zu ſagen: er ſolle die Sache nicht zu ſchnell treiben. Ich muͤßte vor - her wiſſen, ob ich meinen uͤbrigen maureriſchen Verbindlichkelten dadurch entgegen traͤte. Dieſe Frage machte ihn ſtutzig und er geſtand offen, daß es bei ihnen gerade auf den Untergang des Frei-Maurer-Ordens abgeſehen ſey. Eine Offen - herzigkeit war nun der andern werth, und ich ſagte mich freimuͤthig von ihnen los, weil bei ih - nen Worte und Handlungen ſo wenig uͤberein - ſtimmten; hielt ihm ſeinen unordentlichen Lebens - wandel vor und erinnerte ihn an ſeine Verpflich - tung als Socius. Er kam dadurch in Verlegen - heit, weil er mich in der Schroͤpferſchen Geſell - ſchaft vorgeſchlagen, ward ſichtbar kaͤlter gegen mich und ſagte mir: Man wuͤrde ſich zu revan - giren wiſſen. Zugleich ſchimpfte er auf die M.128 und nannte uns die rothen Bruͤder von Crom - wells Garde.

Seitdem trieb Schroͤpfer ſein Unweſen noch aͤrger und drohte, das infame Komplott von T. H. wie er es nannte, zu denunciiren. In der Stadt logen ſie uͤberall, behaupteten, durch den P. H z, welcher ihr Mitglied ſey, die An - zeige bei Hofe gemacht zu haben; beim kaiſerli - chen Hofe ſelbſt wolle man es dahin bringen, daß der Orden infam kaſſirt wuͤrde; der ihre hingegen gehe auf Tugend und Reinheit der Seele, wo - durch allein man Einfluß auf Geiſter erhalte.

Dies alles wurde dem hohen O. bekannt; man berief ein Kapitel im Hauſe des O. A. R. T.; die Drohungen wurden vorgetragen, die Bosheit der Leute in Erwaͤgung gezogen und fuͤr noͤthig befunden, die Sache den hohen O. Obern zu D. z. B. v. W., v. H l, v. H z anzuzeigen und Verhaltungsregeln einzuholen. Ich ſelbſt wurde aufgefordert, meiner Pflicht gemaͤß, ſogleich en Courier nach D. zu reiſen, das Protocoll mitzu - nehmen und muͤndlichen Rapport abzuſtatten. Da man die Wuth und Niedertraͤchtigkeit der Schroͤpferſchen Bande kannte, und nicht abzuſe - hen war, wozu ſie die Verzweiflung treiben koͤnnte, ſo muſte die Reiſe, beſonders da ich bei B r wohnte, ſchnell und heimlich unternommen werden. Wie ich gieng und ſtand, ſetzte ich mich in dem ſchlechteſten Wetter im Februar auf den Wagen, der mich vor dem Gr. Thore erwartete, fuhr die ganze Nacht hindurch und kam fruͤh um ſechsUhr129Uhr an. Sogleich gab ich meine Depeſche an den Hw. B. v. H z, an welchen ſie addreſſirt war, ab, und wurde um zehn Uhr ins K. gerufen, wo ich die angeſehenſten und erfahrenſten Mitglieder deſſelben verſammlet fand. Das Protokoll ward ver - leſen und ich erſtattete meinen muͤndlichen Bericht. Man erſtaunte uͤber die Frechheit dieſer Menſchen, hielt zwar ihre Drohungen fuͤr Schreckſchuͤſſe, ſandte aber doch eine Deputation an den Durchl. Protector den H. C. v. C. Am Abend bekam ich die Antwort, nebſt einem Kiſtgen, worinn das Portrait des genannten H. B. war. Um ſechs Uhr reiſte ich wieder ab und war am andern Morgen zu Hauſe.

Noch denſelben Nachmittag verſammlete der H. Mſt. v. St. das ganze K. bei ſich. Man verlas die erhaltnen Depeſchen, worinn die B B. ermahnt wurden, ſich an jene Drohungen nicht zu kehren und der M. v. St. den Auftrag erhielt, das beikommende Portraͤt des erhabnen Protectors in voller zu oͤffnen, oͤffentlich aufzuhaͤngen und die Loge ſeines Schutzes zu verſichern. Dies geſchah bald darauf in einer Lehrl. mit aller Feierlichkeit, woraus auch von den B B. kein Geheimniß gemacht werden durfte.

Dies that aber eine ganz entgegengeſetzte Wir - kung, denn ſtatt, daß die Schropferſche Geſell - ſchaft ſich durch dieſen angeſehenen Namen haͤtte abſchrecken laſſen, ſo kamen ſie dadurch ſo in Wuth, daß ſie drohten, den M. v. St. zu er - morden. Ja, Schroͤpfer war ſo verwegen, zuErſtes Baͤndch. J130ihm zu gehen und ihm zu ſagen: Wenn er nicht mit allen von ihnen excludirten B B. in die gelaſſen wuͤrde, ſo wuͤrde er (der Mſtr. v. St.) und einige andre es mit dem Leben bezahlen. Sie wuͤrden gewiß Wort halten, denn aus dem Schafott machten ſie ſich nichts ꝛc. Der Praͤfect berief bei dieſer Lage der Sachen das , und da er ſelbſt eine obrigkeitliche Perſon war, ſo verbarg er ſeine Verlegenheit nicht. Er ſagte: Man muͤſſe dieſen Menſchen alles zutrauen, und um kein oͤffentliches Spektakel zu geben, ſo bat er die B B., doch dieſe Herrn einzulaſſen; er ſelbſt wolle ſein Tab. entheiligen und (da es E. ſtand - haft ausſchlug) bei dieſer traurigen Gelegenheit den H. fuͤhren. Es hielt hart, die B B. dazu zu diſponiren, aber zu der Beruhigung dieſes ge - achteten B. uͤbernahmen die determinirteſten Mit - glieder das ekelhafte Geſchaͤft, von dem man oben - drein Unannehmlichkeiten vermuthete. Der Br. v. H. und ich erklaͤrten uns, dabei die Stellen der V. einnehmen zu wollen.

Die wurde um ſechs Uhr angeſetzt. Der H. B. T. eroͤffnete ſie und ſodann wurden die vier Herren: Schroͤpfer, Sch l, B r und L k (welcher letztre als ein unmoraliſches Glied ausgeſchloſſen worden war) gemeldet. Schroͤ - pfer kam mit allen ſeinen Kreuzen und Baͤn - dern, und mit geladenen Piſtolen. Der M. v. St. ſagte ihnen: Sie waͤren eingelaſſen worden, um ihnen einen Beweis der Vertraͤglichkeit zu131 geben, und daß man nichts gegen ſie haͤtte: Die wurde bald darauf wieder geſchloſſen.

Ueber dieſe Nachgiebigkeit gloriirten ſie her - nach nicht wenig, blieben aber dabei, ſie wuͤrden ihre Plane doch verfolgen und ſtießen beſonders gegen mich ſehr harte Drohungen aus; welches mich auch bewog, nie anders, als mit Piſtolen verſehen auszugehen und endlich auch, L. wieder zu verlaſſen.

Vorher muß ich noch bemerken, daß, wie die D ner B B. zur Oſtermeſſe kamen, der hohe Or - den im eine Proteſtation gegen die Idee depo - nirte: als ob man geſonnen ſey, den alten T. O. mit allen ſeinen Beſitzungen zu retabliren. Man erklaͤrte im Gegentheil feierlichſt, daß ſie nur ad normam T riorum arbeiten wollten und als getreue Diener des Staats, fuͤr ſeine politiſche und religioͤſe Verfaſſung auch den letzten Bluts - tropfen vergießen wuͤrden.

Von L. gieng ich wieder nach H. zuruͤck, wo ich einige Wochen nach Oſtern ankam. Ich be - ſuchte ſogleich den Br. B. und erfuhr von ihm, daß D. J. entſchloſſen ſey, die indeß geſchloſſen geweſene Loge wieder zu eroͤffnen, daß ſchon eine Zuſammenkunft deshalb geweſen ſey und er naͤch - ſtens alle B B. dazu einladen laſſen werde. Auf meine Frage: Warum man ſo lange nicht gear - beitet habe, erfuhr ich folgendes: Der oͤkonomi - ſche Plan ſei an allem Schuld. Auf Veranlaſ - ſung der Zudringlichkeiten von Seiten des Con - vents zu K. nehmlich, wegen der EmolumenteJ 2132des H. M. v. H. waͤre eine ſehr ſtuͤrmiſche Ka - pitular-Verſammlung gehalten worden, in welcher der Br. D r, Vorſteher der St. G., er - klaͤrt habe: daß mit ſeinem Willen kein Pfennig mehr weggeſchickt werden ſollte und wer noch da - von ſprechen wollte, ein H fott ſey. Darauf habe der Gr. M. J. erklaͤrt: Er wolle die ſchließen, bis er ſehe, was das Ganze fuͤr einen Gang nehmen werde. Dies habe große Senſa - tion gemacht und ſei vielen unangenehm geweſen. Die an Maurerei gewoͤhnte H r Welt, habe nun eine Winkelloge beſucht, welche ein gewiſſer Ruſſiſcher Ofizier, Namens Roſenberg, zu ſeinem Nutzen, etablirt hatte. Dieſer R. haͤtte den B B. der untern Klaſſe eine ſchwediſche Konſtitution vorgezeigt, die wenigſten aber haͤtten daran geglaubt. So ſey die Sache lahm fortge - gangen; man haͤtte dort alles ohne Unterſchied, ſogar Juden aufgenommen, und ſei uͤberhaupt in der Auswahl gar nicht ekel geweſen, habe aber auch der eben keine Achtung erworben. Dies ſey ſo fortgegangen, bis der K. v. Schw. in Be - gleitung ſeines Miniſters Sch. durch H. gereiſt. Dieſen Zufall habe R. benutzt, den K. und Sch. in ſeine invitirt und alles gethan, um die recht brillant zu machen, z. B. nur die anſehnli - chen und wohlgekleideten B B. dazu genommen, andern gerathen, ſich Kleider zu borgen ꝛc. Wirk - lich ſei auch Sch. zur gekommen; die ganze Stadt ſei davon voll geweſen; man habe dieſen Beſuch als Anerkennung ihrer Rechtmaͤßigkeit ge -133 nommen und dadurch ſei alles, was Maurerei treiben wollen, dieſer zugefallen. Dies ſey, fuͤgte er hinzu, der bisherige Zuſtand der hieſigen Maurerei; jetzt aber, da ſie aus Sach - ſen, Kurland u. a. O. die Nachricht haͤtten, daß das neue Syſtem ſich hielte und verbreitete, ſo wuͤrden ſie ihre Logen wieder eroͤffnen und ſich mit Abaͤnderung des oͤkonomiſchen Plans, der ohnedies geſcheitert waͤre, wieder an das Syſtem anſchließen.

Waͤhrend dieſer Verhandlungen, wo noch ein großer Theil der B B. zweifelhaft waren und der Wiedereroͤffnung nicht ſogleich beitreten wollten, weil ſie des Gezaͤnks ſatt waͤren, war ich in H. angekommen. Es kamen auch bald einige der angeſehenſten B B. an mich z. B. Sch r, G ts, D. T f und forderten mich auf, ihnen aus Sachſen getreu zu referiren, da man ihnen von dem daſigen Flor des O. ſo viel Gutes geſagt haͤtte. Ich that das, und erzaͤhlte ihnen, wie ich alles in guter Ordnung und in Flor gefunden, und wie ich nicht zweifelte, daß ſich die Sache erhalten wuͤrde. Die Nachrichten, die ich ihnen gab, bewog auch dieſe drei bedeutenden B B., welche einen großen Anhang hatten, der bei - zutreten und die erſte Verſammlung ſchon war ſehr glaͤnzend.

In L. waren indeß ſeit der Zeit meiner Ab - reiſe, wie ich aus einem Briefe an B. erfuhr, ſonderbare Dinge vorgegangen. Der H. v. C., als Protektor des Ordens, hatte an Schroͤpfer,134 welcher waͤhrend der Oſter-Meſſe ſein Weſen ſehr arg getrieben hatte, ſchreiben und ihm befehlen laſ - ſen: er ſolle ſich aller maçonniquen Sachen ent - halten, ſich ruhig verhalten und ſeinen Namen nie nennen, ſonſt wuͤrde er ihn nachdruͤcklich zuͤch - tigen laſſen. Schroͤpfer aber trieb es ſo arg, wie zuvor. Daher bekam der Oberſt des Regi - ments der Kurfuͤrſtin Befehl, ihn aufheben zu laſſen, und dem Auditeur des Regiments Sch t zu uͤberliefern, welcher ihm durch zwei Unter-Offi - ciere funfzig Pruͤgel auf den H. ſollte zuzaͤhlen laſ - ſen. Dieſer Auftrag wurde treulich erfuͤllt; und da Schroͤpfer einmal des Abends aus dem L ſchen Garten, wo ſehr angenehm gelebt wurde, nach Hauſe gehen wollte, ward er aufgehoben und zum Auditeur gebracht. Dieſer las ihm den Be - fehl vor und ließ Schroͤpfern auf das ſchon bereit gehaltene Stroh legen. Er bat und flehte, man ſolle ſich ſeiner Kinder erbarmen ꝛc. Nach - dem er zwoͤlf Hiebe erhalten hatte, quittirte er uͤber funfzig und wurde entlaſſen. Dieſe Quittung ward an B. eingeſchickt, und man ſprach in H. viel pro und contra uͤber die Recht - und Unrecht - maͤßigkeit dieſer Procedur; (wobei B. meinte: Das einzige Unrechte dabei waͤre nur dies, daß er ſie nicht alle gekriegt haͤtte) Einige Tage darauf ſtand die Schroͤpferſche Quittung in der von Claudius herausgegebenen Zeitung mit diploma - tiſcher Genauigkeit abgedruckt.

Dadurch aber waͤre ich beinah wieder in einen verdruͤßlichen Handel verwickelt worden. Nach135 der L. Michaelis-Meſſe ließ ſich nehmlich bei mir ein Mann, der ein Uhrenhaͤndler aus Neufchatel war und den ich als Bruder kannte, bei mir melden. Da ich eben nicht zu Hauſe geweſen war, ſo beſuchte ich ihn des andern Morgens um eilf Uhr in ſeinem Logis, wobei ich jedoch, da ich mir nichts Gutes verſah, meine Piſtolen nicht vergeſſen hatte. Er empfing mich ganz artig, bald aber nach den erſten Komplimenten, fieng er mit impoſanter Miene von der verfluchten In - ſinuation in den Zeitungen (wie er es nannte) zu reden an und erklaͤrte, daß er mich fuͤr den Anſtifter dieſer Infamie hielte. Ich entgegnete ihm: daß ich ſeine Ausdruͤcke zwar fuͤr etwas ſtark hielte, glaubte aber mit einem ehrlichen Manne zu ſprechen, und hoffte, daß alles, was wir jetzt verhandelten, unter uns bleiben wuͤrde, weil ichs ſatt haͤtte, mir in der Maurerei weiter Ungelegenheiten zuzuziehen. Ueber jene Inſinua - tion aber, fuhr ich fort, ſei er in voͤlligem Irr - thum. Ich haͤtte nicht nur keinen Theil daran, ſondern hielte ſie auch fuͤr verwerflich und ich haͤtte meine Gedanken ſchon am gehoͤrigen Orte geſagt. Was uͤbrigens die ganze Schroͤpferſche Maçonnerie betraͤfe, ſo ließe ich ſie auf ihrem Werth und Unwerthe beruhen. Ich fuͤr mein Theil haͤtte nur, wegen der großen Unmoralitaͤt des Schroͤpfer und ſeiner Vertrauten, Beden - ken getragen, ihnen beizutreten.

Herr! fieng er auf einmal an Sie ſcheinen mir ein ehrlicher Mann zu ſeyn. Aber136 in L. ſprechen ſie nicht ſo von Ihnen. Und von dem Augenblick waren wir in vertrauten, freund - ſchaftlichen Geſpraͤchen. Er fragte mich um meine naͤhere Meinung von Schr., und erzaͤhlte mir manches von ihren Gebraͤuchen z. B. daß der Recipiend die Reiſen wuͤrklich uͤber Land machen und bei einem ſteinernen Kreuze, in Geſellſchaft des zuletzt Aufgenommenen, ſelbſt im groͤſten Regen, beten muͤſſe, daß die Logen knieend gehalten wuͤr - den, jeder betend ein Kruzifix in der Hand hielte, daß gewiſſe Figuren in Daͤmpfen erſchienen und ſie von außen ſonderbares Geraͤuſch hoͤrten, dabei auch viel Punſch traͤnken; daß ſie aber, als Mau - rer, bei offnen Thuͤren arbeiteten ꝛc. Wir gingen ſodann als gute Freunde auseinander und er nahm oͤffentlich zuruͤck, was er geſtern gegen mich geſprochen hatte.

Die Logen A. und St. G. gingen indeß ihren Gang fort und ich arbeitete fleißig in ihnen. Die Anhaͤnger des Roſenberg aber waren tuͤckiſch, arbeiteten gegen uns auf alle Weiſe, ſprachen oͤffentlich von T. H. und wollten bewei - ſen, daß wir keine Frei-Maurer waͤren. Die Zaͤnkereien in Berlin zwiſchen Theden und von Zinnendorf, der ſich zum Stifter einer neuen Sekte aufgeworfen hatte, kamen dazu und ver - mehrten die Verwirrung. Die ſogenannten Schwe - diſchen B B. (Roſenberger) ſuchten durch den Kaufmann H bury, der eben in London war, eine engliſche Konſtitution, als Landes-Loge von Deutſchland zu erſchleichen, und da ſie meinten,137 unſre Logen nicht beſſer ſtuͤrzen zu koͤnnen, als wenn dem Br. J. das Gr. -Mſtr. Patent abge - nommen wuͤrde, ſo trugen ſie bei der großen Loge in London darauf an, es ihm abzufordern. Dieſe gab ihnen auch wirklich ein Commissoriale, dies zu thun:*)Dieſe und andre Gefaͤlligkeiten der großen L. zu London gegen die ſchwediſchen B B. haben ihr dieſe in der Folge ſchlecht gelohnt. A. d. V. Da damals unſre Logentage immer in den Zeitungen bekannt gemacht wurden, ſo wuſten ſie alſo auch die Roſenberger, und ſie benutzten einen ſolchen Tag, um ihren Plan aus - zufuͤhren. Mitten in der Loge ward der B. J. herausgerufen; der W. h. Br. meldete zugleich, es ſeinem Notarius darein, der dieſen Hochw. Br. perſoͤnlich ſprechen muͤſſe. Unſer Br., der Licen - tiat D r, ein ſehr geſchickter Advokat, ſchoͤpfte daraus Verdacht, bat es ſich aus, an J. ſtatt hinausgehen zu duͤrfen, uͤbernahm das Schreiben, welches vom Engliſchen Geſandten kommen ſollte und brachte es zur Loge, wo es oͤffentlich verleſen wurde. Der B. D r bat ſich wieder aus, ihm die ganze Verhandlung zu uͤberlaſſen; worauf die Arbeits - und Tafell. vergnuͤgt fortging. Am andern Tage fuhr D r zum engl. Geſandten, und fragte: ob das Schreiben miniſteriell uͤbergeben ſeyn ſolle? Dieſer verneinte dies beſtimmt und ſagte, es ſei blos ein beigeſchloſſener Brief, deſſen138 Inhalt er auch nicht kenne. D r berief ſich nun auf den H. F. v. B. und gab zu erkennen, daß man ſolche Ungezogenheiten von jener Par - thei nicht laͤnger dulden wuͤrde. Darauf bekam jener Notarius ein foͤrmliches Proteſtations-Schrei - ben, und nun waren ſie ſtill.

Die Schwediſchen hatten ſich unter der Zeit durch ihre bekannten Mittel ausgebreitet, und mehrere Logen geſtiftet. Aber bei der ſtr. Obſ. waren theils die angeſehenſten und wuͤrdigſten Maͤnner, theils war bei der Gegenparthei das Reich uneinig. Dies ging ſogar ſo weit, daß zehn bis zwoͤlf ihrer beſten Mitglieder, und unter dieſen ihr Stifter Roſenberg an uns kamen, und bei uns um Aufnahme baten. Er hatte ihnen nehmlich, unter ihren Zaͤnkereien geſagt: Er werde ihnen einen Wind in die L. laſſen, der Zeitlebens ſtinken ſollte! und dieſe Drohung fuͤhrte er nun durch ſeinen Uebertritt aus. Dieſe Be - gebenheit erregte bei unſern Kapitularen eine ſtarke Senſation und man disputirte viel daruͤber, ob ſie aufgenommen werden ſollten oder nicht. Der B. v. E r war aus perſoͤnlichen Gruͤnden dawider, aber die Meinung derer, welche mein - ten, man muͤſſe die dargebotne Hand zur Ver - ſoͤhnung annehmen, drang durch. In einer Lehr - ling-Recept. L. in St. G. wurden dieſe B B. feierlich eingefuͤhrt; wobei einer aus ihnen einge - laden wurde, die Stelle aus dem (ſehr merk - wuͤrdigen) Konſtitutions-Buche, wo von Mau - rerei im Allgemeinen und uͤber den Zweck139 derſelben die Rede iſt, ſelbſt vorzuleſen. So hart uͤbrigens der Schlag fuͤr die Schwediſchen war, ſo fielen ſie doch dadurch nicht, ſondern arbeiteten nach ihrer Weiſe fort.

Ich blieb diesmal fuͤnf viertel Jahr in H., wo ich außer fleißigem Logenarbeiten, auch fuͤr das L r Archiv thaͤtig war und unter andern mehrere franzoͤſiſche Grade abſchrieb, z. B. den Esperancier, Pomme Verd, die Rituale des Schiffsordens und die ſogenannten Akten der ſchwediſchen Maurerei. Sodann ging ich wieder nach R g, und zwar uͤber L.

Dort wohnte ich wieder bei B r, welcher, nach ſeiner Ehrlichkeit alle Animoſitaͤt vergeſſen, auch ſich von Schroͤpfer getrennt hatte. Die Urſachen dieſer auffallenden Erſcheinung waren, theils weil Schr. ihm trotz ſeines Dringens kein einziges ſeiner Verſprechen erfuͤllt und ihm auf ſeine Fragen nach den Ordens-Obern nur durch Ausfluͤchte geantwortet hatte,*)Einmal hatte er ihm Beling als ſolchen genannt. D. V. theils auch weil laͤſtige Geldgeſchaͤfte unter ihnen obwalteten. In demſelben Hauſe wohnte Schroͤpfers Bru - der der Banquier Wolfgang Schr., ein bra - ver Mann, der an den Thorheiten ſeines Bruders keinen Theil nahm. Bei einem Beſuche, den ich dieſem machte, fand ich ihn ſelbſt, als Herr Obri -140 ſten, (wie er ſich ſeit einiger Zeit nennen ließ) in franzoͤſiſcher Uniform. Wider mein Vermu - then empfing er mich ſehr freundſchaftlich, ladete mich in ſeine Loge ein und war ſogar erboͤtig, da ich bald abreiſen wollte, die auf morgen angeſetzte Loge, auf heut anſagen zu laſſen. Ich lehnte es aber ab, weil ich ſeit jenem Auftritt in H. wuſte, daß darinn mit Beten und dem Namen Gottes Mißbrauch getrieben wurde. Seine Freundlichkeit erklaͤrte ich mir uͤbrigens allein aus meinem und ſeinem Verhaͤltniß zu B r, wo er wahrſchein - lich durch mich mit jenem wieder anknuͤpfen oder andre aͤhnliche Zwecke erreichen wollte.

Von R g reiſte ich nach W., wo ich durch einen daſigen Mſtr. v. St. das tragiſche Ende Schroͤpfers erfuhr, von welchem ich hier eine Erzaͤhlung einſchalten will, nachdem ich vorher die veranlaſſenden Urſachen kuͤrzlich angegeben habe.

Schroͤpfer konnte ſo ſchwatzen und raͤſonni - ren, daß die kluͤgſten Leute und ſelbſt der Mnſtr. v. W b, hintergangen wurden und in dieſem die Idee entſtand, es muͤſſe hinter ſeinem Sy - ſtem doch etwas ganz ſolides ſtecken. Um dahin - ter zu kommen, ſo uͤbernahmen es die alten und angeſehenen B B. L r und M e in L. ihn zu dechiffriren, und weil man vor den unglaub - lichen Luͤgen und Spiegelfechtereien, bei denen ſich vorzuͤglich Fr ch gebrauchen ließ, nicht hinter die Wahrheit kommen konnte, ſo machten jene beiden unter ſich aus: daß keiner von ihnen allein bei Schr. Arbeiten gegenwaͤrtig ſeyn und jeder141 auf etwas beſonders ſeine Aufmerkſamkeit richten wolle; auch ließen ſie ihn auf allen Schritten beobachten. Dies hatte aber auf ihn nicht viel Ein - fluß. Aber eine andre Begebenheit ward bedeu - tender. Er ſagte, er muͤſſe auf Befehl ſeiner Obern eine Reiſe machen und borgte dazu von du B. tauſend Stuͤck Louisd’or. Zum Unterpfande gab er ihm einen verſiegelten Kaſten, worinn alle Ordensgeheimniſſe verwahrt ſeyn ſollten. Die beſtimmte Zeit von 6 8 Wochen verfloß und Schroͤpfer kam nicht zuruͤck. Da es endlich geſchah, erſchien er als franzoͤſiſcher Obriſter, gab das Kaffeehaus auf, blieb aber dort wohnen. Da ſeine Anhaͤnger uͤber dieſe neue Erſcheinung erſtaun - ten, erzaͤhlte er ihnen, beſonders B der, auf Koſten der Ehre ſeiner Mutter, daß er der Sohn eines franzoͤſiſchen Prinzen ſey, welcher bei Hofe dafuͤr geſorgt habe, ihm dieſen Charakter zu verſchaffen. Den B B. von Adel war dieſe Ko - moͤdie willkommen, denn ſie meinten nun, in groͤßerer Vertraulichkeit mit ihm leben zu koͤnnen; ſie machten daher Miene, als ob ſie es glaubten und ſchlugen alle Wege des vertrauten Umgangs ein, ihn zur Sprache zu bringen. Als er in D. war, ſah man ſogar den H. v. C., v. L n, v. H tz u. a. mit ihm Arm in Arm auf der Straße gehen. Aber ſo ſein ſie es auch anfingen, ſo war er doch noch feiner, und hielt ſie mit dem Vorgeben hin, daß die Zeit noch nicht da waͤre, wo ſeine Obern ihn zur Mittheilung des letzten Geheimniſſes autoriſirt haͤtten. Indeß war142 bei du B. der Zahlungs-Termin der tauſend Louisd’or laͤngſt verfloſſen, und da ihm bange ward, ließ er, um ſein Unterpfand zu unterſuchen in Gegenwart eines Notarius den Kaſten oͤffnen und fand alte Waͤſche und Steine. Um ſich nicht laͤcherlich zu machen, ſo verſchmerzte er vor der Hand ſtillſchweigend dieſe Atrappe. Die Herbſtmeſſe kam unter der Zeit naͤher und da ſeinen Anhaͤngern, wie ſeinen Gegnern, die Zeit zu lang wurde, ſo addreſſirten ſie ſich an den franzoͤſiſchen Geſandten zu D., informirten ihn von der ganzen Lage der Sachen und es ward folgender Plan zu ſeiner Demaskirung gemacht: Acht Tage vor der Meſſe ſchrieb der franzoͤſiſche Geſandte an Schroͤpfer einen Brief des In - halts: Er habe gehoͤrt, daß er als Obriſt in franzoͤſiſchen Dienſten ſtaͤnde und bedaure, daß er bei ſeinem Aufenthalt in D. nicht ſeine Be - kanntſchaft gemacht habe, weil er ſonſt nicht unter - laſſen haben wuͤrde, ihm die erforderlichen Hon - neurs zu machen. Er wolle aber das Verſaͤumte nachholen. Er wuͤrde mit dem Hofe in acht Tagen zur Meſſe kommen; dort boͤte er ihn, ihm ſeine Legitimationspapiere vorzulegen, denn (ſchloß er) er wuͤrde es nimmermehr zugeben, daß die Armee ſeines Koͤnigs durch einen Avan - tuͤrier beſchimpft wuͤrde. Dieſer Brief ſetzte ihn in Schrecken, und wurde die Veranlaſſung zu ſeinem verzweifelten Entſchluſſe. Legitimiren konnte er ſich nicht, das Exempel von Leucht ſchwebte ihm vor den Augen, ſicher war er nir -143 gends, zugleich fuͤrchtete er, daß du B. alle Tage aufwachen wuͤrde, und endlich wuſte er nicht mehr, wie er den Zudringlichkeiten ſeiner Anhaͤnger ausweichen ſollte. So ſtuͤrmte alles auf ihn ein und fuͤhrte ihn zu ſeinem letzten Schritt, den er jedoch mit aller Beſonnenheit that. Am Abende verſammlete er alle ſeine Bruͤ - der, und hielt bei offnen Fenſtern und Thuͤren eine maureriſche Lehrlings-Loge. Nachdem er die uͤbrigen entlaſſen hatte, ſchwelgte er mit ſeinen Vertrauten bis nach Mitternacht. Um zwey Uhr etwa entfernte er ſich von ihnen, mit den Wor - ten: Er wolle nun die Anſtalten machen, um ihnen noch dieſen Morgen das ganze Geheimniß des Ordens aufzudecken, da der ſo ſehnlich er - wuͤnſchte Zeitpunkt erſchienen ſey. Zwiſchen ſechs und ſieben Uhr kam er ganz heiter wieder und gegen acht Uhr, nach eingenommenem Fruͤhſtuͤck, forderte er die B B. v. B der, Fr ch, P i u. a. mit den Worten: Nun will ich Euch etwas zeigen, was ihr von mir nimmer - mehr erwartet haͤttet, auf, ihn zu begleiten. Luſtig und vergnuͤgt ging er mit ihnen aufs Ro - ſenthal zu und gab unterwegs an P i ein ver - ſiegeltes Billet, mit dem Auſtrage, es beim Her - eingehen an D. M e abzugeben. Bald beim Eingange des Roſenthals, bat er ſie ſtill zu ſtehen und ſagte: Er wuͤrde ſich einen Augenblick ent - fernen; ſie moͤchten ihm aber nicht eher nachge - hen, als bis er ihnen ein Zeichen gaͤbe. Sie warteten, und hoͤrten bald nach ſeinem Weggange,144 in einem etwa zwanzig Schritte entfernten Buſche, einen dumpfen Knall. Sie hielten dies fuͤr das gegebene Zeichen, eilten hin und fanden ihn in ſeinem Blute. Seine Sorge fuͤr einen guten Anſtand, die ihn im Leben ſo ſehr beſchaͤftigte, hatte ihn auch hier nicht verlaſſen; um ſich nicht zu defiguriren, hatte er eine ſilberne Kugel genom - men und damit ſie ihm nicht den Hirnſchaͤdel zerriß, die Piſtole nur ſchwach geladen. Sie hatte ihm auch wirklich nur einen Zahn ausgeſchlagen, und die Kugel ſaß inwendig im Kopfe. Die Empfindungen ſeiner Anhaͤnger, die mit ihm auch alle ihre abentheuerlichen Hoffnungen verlohren hatten, kann man ſich wohl vorſtellen.

In W. lebte ich uͤbrigens von aller Maurerei entfernt, und gieng bald wieder nach R g zu - ruͤck. Dort beſuchte ich die ſchon genannte Loge ſehr fleißig. Sie arbeitete mit Ordnung und An - ſtand und ſchien zu dem Clermontiſchen Syſtem zu gehoͤren, in welchem Ordensbaͤnder und Bi - joux die Hauptſache ausmachten.

Im drauffolgenden Fruͤhjahr reiſte ich nach L. zuruͤck. Hier fand ich ſchon einige Verwirrung in der . Einige B B. glaubten, man habe ſich in der Schroͤpferſchen Geſchichte nicht gut ge - nommen und ſich compromittirt; andre und be - ſonders aͤltere B B., die an das Wahlſyſtem ge - woͤhnt waren und nach und nach auch an den H. zu kommen wuͤnſchten, erklaͤrten ſich beſtimmt ge - gen die perpetuirlichen Meiſter und Vorſteher. Es trennte ſich alſo ein großer Theil, ſtiftete eineneue145neue Loge und nahm die Konſtitution von den Zinnendorfiſchen in Berlin. *)Der Umſtand, daß bei den Zinnendorfern jaͤhr - lich eine Art von Wahl, wie ſie es nennen, oder vielmehr Loos, ſtatt findet, und alſo mehrere die Ausſicht haben, Mſtr. von St. werden zu koͤnnen, hat wohl das Meiſte zur Empfehlung dieſes Syſtems beigetragen. d. V. Die beiden Logen arbeiteten uͤbrigens ruhig neben einander fort.

Ueber D., wo ich alles in beſter Ordnung und vielen Eifer fand, gieng ich im Maͤrz des naͤch - ſten Jahres nach B., wo nichts merkwuͤrdiges vorfiel. Nur hatte ſich eine traurige Intoleranz in die Maurerei eingeſchlichen, da die Zinnendor - fer die B B. meines Syſtems in ihren Logen nicht zuließen, um das Compelle intrare der roͤ - miſch-katholiſchen Kirche zu beobachten. In der Folge kam durch die bekannten Hofkonnexionen die ſogenannte Vereinigung zu Stande, wo aber die Gutmuͤthigkeit und Ehrlichkeit allein auf Sei - ten der ſtrikten Obſervanz war.

Nach einiger Zeit machte ich in der Epoche des Wilhelmsbades-Konvents eine Reiſe nach F. a. M. Nach den Berichten derer hieſigen B B., die beim Konvent geweſen waren, lies ſich abneh - men, daß alle (nehmlich die dort verſammlet wa - ren) nicht gewuſt hatten, was ſie wollten. Ein gewiſſer Gugomos, der von der R r Loge dorthin geſchickt war, ſchien mit ſeinem chymiſchenErſtes Baͤndch. K146Syſtem die meiſte Aufmerkſamkeit erweckt zu ha - ben. Uebrigens hatte man auf dem Konvent, wo der Br. Sch z, im Namen des H. v. B. praͤſidirte, zwar beſchloſſen, das T. H. Syſtem einzupacken: es bleibt aber der Soupçon, daß der Orden unter wenigen, engverbundnen B B. ſtillſchweigend fortgefuͤhrt wird. In F. waren eigentlich zwei Logen, eine von der ſtr. O. und eine Zinnendorfiſche. Nun aber gieng man dar - auf aus, eine ſogenannte eklektiſche Loge zu eta - bliren, blos bis in den dritten Grad zu arbeiten, ſich um den Reſt nicht zu kuͤmmern, die Oecono - mica aber einem Ausſchuſſe zu uͤbergeben, wel - ches in der Folge auch durchgeſetzt wurde und das eklektiſche Syſtem hervorbrachte.

Von hieraus reiſete ich ſodann nach B n, wo mir die Maurerei die angenehmſten Stunden ſchenkte. Die Loge (von der ſtr. O.) war nicht nur in der ſchoͤnſten Ordnung, ſondern die B B. lebten auch untereinander in freundſchaftlicher Ge - ſelligkeit. Verſchiedne von ihnen z. B. Sch r, O s, D. Ol s hatten eine Sonnabendsge - ſellſchaft errichtet, welche einem jeden Wirth der Reihe nach nicht mehr als 2 Thlr. koſten durfte; ſobald er einen groͤßeren Aufwand machte, mußte er 10 Thlr. in die Logen-Armen-Kaſſe geben. Dabei waren ſie von 6 Uhr Abends bis 12 ſehr froͤhlich bei einander. Noch jetzt erinnere ich mich der unter dieſen guten Bruͤdern verlebten Stun - den mit Vergnuͤgen.

Nachdem ich hier vom October bis nach Jo -147 hannis geblieben war, gieng ich nach H., um von da uͤber B. L. und R. zu meinen Freunden zu reiſen und die naͤheren Anſtalten zu einem feſten Etabliſſement zu machen, nach dem ich mich ſchon ſehr ſehnte.

In H. hatte die Loge eine ſehr wohlthaͤtige Richtung genommen. In jeder mußte konſti - tutionsmaͤßig ein Mediciner ſeyn, der die Pflicht hatte, nebſt dem B. Hoſpitalier, jeden kranken B. zu beſuchen. Zugleich muſte er bei toͤdtlichen Krankheiten dem Mſtr. v. Stuhl Anzeige machen, welcher dafuͤr ſorgte, daß alle die Maurerei be - treffenden Sachen abgeholt wurden und der Wittwe, Namens der Loge, zwei bis drei Louis - d’or dafuͤr auszahlen lies. Bei einer ſolchen Ge - legenheit, wo D. T. die Pflege des kranken B. L nn hatte, ſagte dieſer den Tag vor ſeinem Tode: Er moͤchte dem Br. J. von einem Ster - benden danken, daß er ihn in den Orden aufge - nommen; denn er wuͤßte ſich in ſeinem Leben auf keine gute Handlung zu beſinnen, außer der, welche durch die Maurerei veranlaßt wor - den; welches ihm nun ſeinen Tod ſehr erleichtre.

In B. fand ich meine alten Freunde und B B. z. B. v. M l, v. B n u. a., welche mir die naͤhere Nachricht von dem in Wilhelms - bad aufgehobnen T. H. O. gaben; bei welcher Gelegenheit mir auch T n, M d u. a. ihre zum Theil zerbrochnen, zum Theil umgearbeiteten Ringe zeigten. Alle wuͤnſchten das Andenken daran zu verbannen; ſo wie auch D. v. E. inK 2148H. ſchon bitter geklagt hatte, daß ſie ſo bei der Naſe herumgefuͤhrt worden waͤren. Durch alles dieſes wurde ich auch kalt, und da ich den Som - mer uͤber zu P. lebte, ſo kam ich ſelten in eine . Im Winter war ich wieder etwas thaͤtiger und beſuchte auch einigemal die R. Y., wo Le B. de N. den H. fuͤhrte. Dieſe gehoͤrte mit zu den ordentlichſten, die ich geſehen habe.

Auf der Ruͤckreiſe hatte ich noch eine ſehr an - genehme maureriſche Unterhaltung in M gen, wo ſonſt v. H. als Regierungs-Sekretaͤr gelebt hatte, und wo er auch geſtorben war, und wo jetzt noch der ehmalige Stiftsſekretaͤr im hohen O., Br. J i lebte. Bei ihm ſah ich das rothe Buch (das Verzeichniß aller Ritter, mit ihren O. Na - men, Beſchreibung ihrer Wappen ꝛc. ); zugleich gaben uns die zwiſchen Sp n und St k aus - gebrochenen Streitigkeiten viel Stoff zu einer ernſten Unterhaltung, wobei J i es fuͤr unrecht erklaͤrte, daß man dieſe Ordens-Sachen vors große Publikum gebracht haͤtte.

Seitdem bin ich mehr Zuſchauer, als thaͤtiger Theilnehmer in der Maurerei geweſen. Meine Erfahrungen ſetzen mich in den Stand, alles ohne Verwunderung anzuſehen, und bis jetzt iſt mir noch nichts Neues auf dieſem Felde vorgekommen. Ich wuͤnſche nur das Eine, daß die B B. ſich aller unnuͤtzen Zaͤnkereien enthalten, alle Verfol - gungen untereinander, wodurch ſie ſich nur laͤ -149 cherlich und bei Profanen veraͤchtlich machen, auf - geben, blos das Weſentliche der Maurerei im Auge behalten, und ſich als Bruͤder und Kinder eines Vaters lieben moͤgen. Uebrigens wird es mich niemals reuen, Maurer geworden zu ſeyn.

[150]

4. Hoͤhere Grade.

I.

Nach den Stufen der Maurerei, die von St. J. d. T. den Namen traͤgt, folgen bei allen Lo - gen-Syſtemen (dem Eklektiſchen ausgenommen) noch andre von unbeſtimmter Zahl, welche ge - woͤhnlich im Allgemeinen die hoͤheren Grade oder (wie bei dem Syſtem der ſtr. O.) der hohe Orden genannt werden. Sie huͤllen ſich, mehr als jene, in ein heiliges Dunkel; die Pforten zu ihren Tempeln oͤffnen ſich Wenigeren; die Arbei - ten darinn ſind ſeltner; und jeder Wunſch hofft von ihnen ſeine Befriedigung. So feſt auch das Urtheil des denkenden Maurers uͤber Zweck und Verfaſſung der Bruͤderſchaft, ſo berichtigt und gruͤnd - lich es auch uͤber Symbole, Konſtruction, Ten - denz und Arbeiten der drei unteren Grade ſeyn mag: ſo ungewiß und ſchwankend iſt es doch ge - woͤhnlich in dem Felde der hoͤheren, wo es von allem verlaſſen wird, worauf es ſicher ruhen koͤnnte151 und wo es allein einer raͤthſelvollen Hiſtorie uͤber - geben wird, die wieder von andern Hiſtorien ihre Enthuͤllung erwartet. Es iſt noͤthig, das Ur - theil daruͤber zu befeſtigen und das uͤbrige, was nicht in ein folgerichtiges Urtheil paßt, der Be - gehrlichkeit der Neugier und der Eitelkeit zu uͤber - laſſen.

Wir uͤbergehen fuͤr jetzt die Fragen: Soll es H. Gr. geben? und wenn es ihrer giebt, was und wie ſollen ſie ſeyn? indem wir uns hier blos mit ihrer Hiſtorie beſchaͤftigen und unterſuchen, was ſie bisher geweſen ſind. Es iſt nicht unſre Schuld, wenn dieſe Betrachtungen nicht ſo troͤſt - lich ausfallen, als man ſie hie und da wuͤnſchen moͤchte.

Bisher waren die hoͤheren Gr. theils das Netz, mit welchem die B B. der unteren Gr. beſtrickt wurden, theils die Urſache der Zerruͤttungen und Streitigkeiten im Orden, theils die Scene der Herrſchſucht, der Schwaͤrmerei und eines gefaͤhr - lichen Aberglaubens. Ehe wir dieſe anſcheinend harte Behauptung im Einzelnen erweiſen, wer - fen wir einen Blick auf ihre Geſchichte, in ſo fern ſie allenfalls auch ein ganz Ungeweihter wiſ - ſen koͤnnte.

Ob vor Entſtehung der H. G. zwei oder drei Stufen oder nur eine, im Orden exiſtirten; ob die dritte vielleicht erſt eine Folge der vierten und die zweite ſodann eine Folge der dritten war, dieſe Unterſuchung, ſoviel Licht ſie auch uͤber die unte - ren Stufen verbreiten koͤnnte, laſſen wir hier zur152 Seite liegen, indem wir blos annehmen, daß vor Entſtehung der h. Gr., ſchon eine geheime Geſell - ſchaft, unter dem Namen der Frei-Maurer da war, und daß die neue Anſtalt die aͤltere zu ei - ner Vormauer und Deckung fuͤr ſich benutzte, ohne vielleicht mit ihr in einem weſentlichen und innern Zuſammenhange zu ſtehen.

Die erſte Spur von einem hoͤheren Grade, dem wir den Namen eines ſchottiſchen geben wollen, findet ſich in dem beruͤhmten und epoken - maͤßigen Maurerjahre 1764. Dieſer alte ſchotti - ſche Grad wurde wahrſcheinlich aber nicht in Schottland, ſondern zu Paris, in der Zeit nach Koͤnig Jacobs II. Tode geſtiftet; juͤnger war ein andrer vierter Gr., der, ob er gleich mit jenem im Ganzen einerlei Tendenz hatte, doch von ihm verſchieden iſt, und ſodann zu einem fuͤnften erhoben wurde. Sobald einmal das Signal zur Einfuͤhrung innrer Myſterien in die Maurerei gegeben war, gab es der Veranlaſſungen und Gegenſtaͤnde genung, damit fortzufahren. Im dritten Jahrzehend des achtzehnten Jahrhunderts fing man in Frankreich an, beſonders in Bezug auf die dort ſo viel Intereſſe erregenden ſchotti - ſchen politiſchen Begebenheiten, neue Grade zu erbauen und ſie hinter die ſchon vorhandenen zu ſtellen, wodurch ſie eine, vielleicht nur zufaͤllige hoͤhere Wichtigkeit erhielten. Dieſe Grade ſind es uͤbrigens, welche dem ſonderbaren, und den Mei - ſten unerklaͤrlichen Ritterweſen in der Mau - rerei den Urſprung gaben, welches ſogar hie und153 da auf eine ziemlich abentheuerliche Weiſe bis in die unteren Gr. ausgedehnt worden iſt. Alles was ſich darauf bezieht, iſt zufaͤllig und wird von denen, die einen tieferen Blick in die Geſchichte des Ordens gethan haben, mit allem Rechte be - ſeitiget.

Bis ins vierte Jahrzehend blieben dieſe Grade in Frankreich und Großbrittanien; dort wander - ten ſie, als hohes Geheimniß, durch die ſchotti - ſchen Lords Keith und Marshall in Deutſch - land ein, jedoch ohne in der deutſchen Maurer - welt eine große Senſation zu machen.

Unterdeſſen hatte ſich der Standpunkt in der Maurerei veraͤndert; der alte Zweck war theils vergeſſen, theils unſtatthaft geworden. Man fand es nuͤtzlich, bedeutende Maͤnner aus den hoͤheren Staͤnden zu gewinnen und ihnen etwas zu geben, was ihren gangbaren Ideen konform waͤre; dem großen Haufen der Maurer ſelbſt war die wahre Bedeutung der Hieroglyphen entruͤckt, die ſpaͤter eingefuͤhrte allegoriſch-moraliſche Deutung derſel - ben, die freilich mehr Ver - als Enthuͤllung war, genuͤgte ihnen nicht und ihre Erwartungen wur - den mannigfaltig geſpannt: genung, man brachte, ob zufaͤllig oder in einer nothwendigen Folge, un - terſuchen wir nicht, den alten Orden der Tem - pelherrn mit dem der Frei-Maurer in Ver - bindung; ſoviel ſcheint indeß gewiß zu ſeyn, daß dieſe Einfuͤhrung des Tempelherrn-Ordens in die Maurerei, die weit aͤlter iſt, als die, welche in Deutſchland zu unſern Zeiten geſchah, nur als154 Mittel zu andern Zwecken diente. Doch war dieſe Einfuͤhrung nicht offenbar und unverhuͤllt, und nur wenige wuſten um dies Geheimniß. Aber die Anſpielungen darauf wurden in mehre - ren Graden haͤufiger und merklicher; zu ihnen geſellten ſich, um allen alles zu werden, noch Winke und Hindeutungen von ſehr verſchiedener Art. Nebſt den Hinweiſungen auf Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, fand der Liebhaber, je nachdem ſein Geiſt lieber in hoͤheren oder niederen Regio - nen ſchwaͤrmte, Anſpielungen und Winke auf Al - chemie, Magie, Theoſophie, Politik, Geld - und Waarengeſchaͤfte, welche ihn nach den hoͤheren und hoͤchſten Aufſchluͤſſen luͤſtern machten.

So entſtand, beſonders in Frankreich, um die ungeſtuͤmen Neugierigen hinzuhalten, den Rei - chen den Ordenszweck durch die richtigen Zahlun - gen, die ſie leiſten muſten, wichtig zu machen, und den B B. etwas zu ſpielen zu geben, ein Grad nach dem andern, von allen Farben und Figu - ren; ſo daß die Uebergluͤklichen die geſehenen und gehoͤrten Herrlichkeiten nicht alle behalten konnten, und am Ende ſo viel, als am Anfange wuſten.

Zur Zeit der franzoͤſiſchen Invaſion in Deutſch - land, beſonders um das Jahr 1756, ward end - lich Deutſchland ſo gluͤcklich, dieſe Schaͤtze in ſeine Grenzen einzuſchließen. Ein franzoͤſiſcher Kriegs - kommiſſair ſoll die erhabne Speculation gemacht und auf einem Wagen die Decorationen zu fuͤnf und vierzig Graden bei ſich gefuͤhrt und ſie von155 Strasburg bis Hamburg fuͤr gutes Geld ausge - theilt haben. Von dieſer Zeit datiren ſich die hoͤheren maureriſchen Kenntniſſe der Deutſchen; jede Loge wollte hoͤhere Grade haben und der Br. Mſtr., der vorher ruhig in ſeinen drei Graden gearbeitet hatte, fing an, ſich ſeines bl. Sch. zu ſchaͤmen.

Die Verwirrung ward immer groͤßer; mit ihr das Gefuͤhl der Nichtbefriedigung bei den Beſſe - ren. Man ward lauer gegen die Johannismau - rerei, Unordnung und Zwieſpalt drang in die Lo - gen ein. Es kam Kunde des franzoͤſiſchen T. H. Syſtems nach Deutſchland; die ſtr. O. bemaͤch - tigte ſich deſſelben und erwarb ſich das große Ver - dienſt um die deutſche Maurerei: Ordnung und Zucht in die Joh. -Logen und Einheit in die Ar - beiten und ihre Tendenz zu bringen. Es haͤtte ihr gelingen koͤnnen, dem Orden ſeine Wuͤrde vorzubereiten, wenn nicht aus ihrer Mitte eine neue Sekte hervorgegangen waͤre, die, ohne ir - gend eine bedeutende Abweichung in den Ritua - len der unteren Grade aufzuſtellen, mit ihrer totalen Verſchiedenheit in den hoͤheren, den Glau - ben an Infallibilitaͤt und einen aͤcht prieſterlichen Verfolgungsgeiſt verband. Zufaͤllige Urſachen und einige Vorſchritte zu einer beſſeren Verfaſſung, unterſtuͤtzten das Gluͤck der neuen Sekte, und die Spaltung in der deutſchen Maurerwelt, war durch die hoͤheren Grade vollendet.

Auf dem letzten maurer. Konvente abrogirte, nach mancherlei vorhergegangenen Schickſalen, die156 ſtr. O. ihr adoptirtes Syſtem und ſchrenkte ſich vorlaͤufig faſt allein auf Ausuͤbung der unteren Gr. ein. Zweierlei Wirkungen hatte dieſer Schritt auf die hoͤheren Gr. Die eine, daß eine Parthei ſich ganz von ihnen losſagte, ſich nur zu den drei erſten ſymboliſchen Graden bekannte, und mit Eifer fuͤr eine rechtliche Verfaſſung, Geſetze und zweckmaͤßige, wohlthaͤtige Thaͤtigkeit arbeitete; die andre unbedeutendere, daß eine Geſellſchaft zu - ſammentrat, welche, ſtatt aller h. Gr., welche die Enthuͤllung der unteren gewoͤhnlich enthalten ſollen, ſich der einzig aͤchten Erklaͤrung der mau - reriſchen Symbole, als ihres uralten und unbe - ſtrittenen Eigenthums ruͤhmte.

Jetzt haben, außer den Hamburgiſchen verei - nigten Logen und den Eklektikern, alle Syſteme ihre hoͤheren Grade. Die Engliſchen Maurer ha - ben ihre R. A., die franzoͤſiſchen ihre alten Elus und Chevaliers, die National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln und die große Loge der Freimau - rer, genannt Royale York, feiern regenerirte und veredelte Myſterien, die große Landes-Loge ertheilt ihre hoͤheren Grade nach ihrem modificirten ſchwediſchen Ritual.

Noch immer aber fahren dieſe hoͤheren Gr. fort, ihren alten Einfluß auf die Joh. -Maurerei zu aͤußern, ſo manches Uebel, welches die Frei - Maurerei druͤckt, zu erhalten und ihre Fortſchritte zur Vollkommenheit und Eintracht zu verzoͤgern. Folgende ſind die Klagen, die gegen ſie erhoben werden:

157

1) Die h. Gr. ſpannen ungebuͤhrlicher Weiſe die Neugier der Bruͤder unterer Grade und in - dem ſie ihre Wuͤnſche auf etwas Unbekanntes rich - ten, zerſtreuen ſie die Aufmerkſamkeit auf das Dargebotene und auf die Aufforderung zum Han - deln und Denken in dem bekannten Kreiſe. Man halte die Joh. -Arbeiten fuͤr Kleinigkeit, fuͤr einen bloßen Vorhoff des Innern; man verachte ihre Symbole und Verfaſſung, und ertrage dies alles mit einem vormehmen Ekel, nur weil man es als eingefuͤhrte Stufe, zu dem Hoͤheren zu gelangen betrachte. Wer dies erreicht zu haben glaube, ſo wenig er auch befriedigt worden ſeyn mag, koͤnne ſich eines gewiſſen Duͤnkels nicht erwehren, der um ſo trauriger ſey, weil ſein Objekt ſo leer ſey, zu einer geheimen Geringſchaͤtzung der anderen B B. verleite und dadurch der bruͤderlichen Gleich - heit unter Maurern verderblich werde. Es kraͤnke entweder die Rechte der uͤbrigen B B. und erſchlaffe ihnen Eifer, wenn ſie von gewiſſen Arbeiten in ihrem Logenlokale ausgeſchloſſen werden, oder es reize ihre Eiferſucht nach eben ſolchen ausſchließen - den Vorrechten.

2) Die h. Gr. naͤhren eine unmaureriſche Herrſchaft in den Logen und verhindern jeden rein rechtlichen Zuſtand in der Maurerei. Es ſei nehm - lich bekannt, daß nicht die conſtitutionsmaͤßigen Beamten der Logen, ſondern die B. B. hoͤherer Grade die Regierung in den Haͤnden haͤtten, und daß jene entweder nur als letztere einen Macht - antheil ausuͤbten, oder die letztern unmittelbar und158 uͤber jene eine, auf unbekannte Vorrechte gegruͤn - dete Herrſchaft behaupteten. In dem einen Sy - ſtem habe jeder Schottiſche Meiſter, als ſolcher, bedeutende Vorrechte, in dem andern duͤrfe kein Logen-Meiſter ernannt werden, der nicht Mit - glied des hohen O. ſey, und ſolcher behaupte ſeine Wuͤrde deswegen auf Lebenszeit. Daher auch die Wahrheit und Einigkeit in Prag in ihrem Syſtem (Philadelphia 1594. S. 9.) ausdruͤcklich erklaͤrt habe: Daß die Verbindung der ſogenannten ſchotti - ſchen Maurerei mit der blauen nie ſo weit gehen duͤrfe, daß die Schotten, als Schot - ten, die Joh. regieren, am allerwenig - ſten das Oeconomicum eigenmaͤchtig ver - walten. woraus man ſieht, daß dieſes wohl hie und da geſchehen ſeyn muͤſſe. Daher auch Statuten folgender Art dem Geiſte der Maurerei vollkommen zuwider waͤren: (Auszug aus den Geſetzen, Rechten und Freiheiten der Schott. Mſtr.

  • Art. 1. Schott. Mſtr. werden diejenigen B B. F. -Mrr. genannt, welche durch Mittheilung der erfahrnen B B. bekannte, aber den B B. der niedern Grade unbekannte Geheim - niſſe,
    *)Dieſe Geheimniſſe ſind wohl nichts anders, als die Rituale der bei ihnen uͤblichen ſchott. Grade.
    *) vermittelſt der Erhaltung dieſes Gra -159 des, von der Unterwuͤrfigkeit gegen die und Zuſammenkuͤnften der niedern Grade frei erkannt worden ſind,
    *)Alſo die uͤbrigen BB., die nicht ſchott. Mſtr. zu ſeyn das Gluͤck haben, ſind in Unterwuͤrfig - keit? Alſo, die Beſuchung der Joh. -Arbeiten iſt eine Laſt, von welcher man durch ein Privilegium frei erkannt werden kann?
    *) und Erlaubniß erhalten haben, ohne Freiheits-Brief, Fr. - Mrr. -Lehrl., Geſ. und Mſtr. auf und anzu - nehmen. Sie haben ihre beſonderen Geheim - niſſe,
    **)Sic! unter dieſen ſind wohl die Geſetze, Rechte und Freiheiten, eins der groͤßeſten!
    **) welche ihrem Grade vorbehalten ſind und nichts iſt ihnen von demjenigen ver - borgen, was bei den B B. Fr. -Mrn.-Lehrl. G. und M., desgleichen den Schott. Mitbr. und Geſ. bearbeitet wird.
  • Art. 5. Sobald man Schott. Mſtr. iſt, bedarf man keiner Konſtitution; denn man beſitzt die Gerechtigkeit aufzunehmen, und die Ge - ſellſchaft der St. Johannis zu re - gieren
    ***)Dies iſt nicht ſo boͤſe gemeint, als es ausſieht; es bedeutet nur: ſtatt des M. v. St. den H. zu fuͤh -
    ***) durch die Schottl. Mſtr-Wuͤrde ſelbſt.
    *)Geheimniß iſt ein Etwas, das vor andern ge - heim gehalten wird; das iſt gleichguͤltig. Aber darauf kommt es an, daß dieſes Etwas auch Etwas ſey. A. d. E.
    *)
  • 160
  • Art. 6. Sie ſind nicht verpflichtet, ſich in irgend einer Fr. -Mrr. L. der niedern Gr. einzufin - den, als in derjenigen, welche ſie ſelbſt re - gieren,
    *)Hier iſt dies Wort in etwas ſtrengerer Bedeu - tung zu nehmen.
    *) wo ſie eins von den gewoͤhnlichen Aemtern verrichten oder aufgenommen wor - den ſind. Doch ſind ſie gleichfalls hiervon frei erkannt, dafern der Hammer in eine Hand gefallen, welcher nicht mehr, als Meiſter iſt.
    **)Welch ein Stolz leuchtet aus dieſen undeut - ſchen Worten hervor! Welch ein veraͤchtliches Weſen muß den erhabnen Sch. M. ein Bruder ſeyn, der nicht mehr, als Mſtr. iſt! Alſo, dann hoͤrt die Verpflichtung auf, der Geſellſchaft in einem Amte zu dienen, dann hoͤrt der Dank gegen die L. auf, in der man aufgenommen iſt, ſo bald das Loos (!) einen bloßen Mſtr. auf den St. geſetzt hat? Man kann ſich bei dieſen vornehmen Mei - ſtern nicht enthalten, an den baroniſirten Buͤrger zu denken.
    **)
  • Art. 7. (Beſtimmt ihren Rang, und wem ſie nur den Vortritt zu geben haben.)
  • Art. 10. Kein Sch. M. kann in einer andern den andern fiskaliſiren, vielweniger kommtes
    ***)ren. Denn der Sch. Mſtr. ſind zu eigentlichen Re - genten zu viel; das haben ſich noch andre vorbehal - ten. Wo bleibt aber das Wahlrecht der J. ?
    ***)161es einem B. von niederen Gr. zu, einen Sch. M. zu fiskaliſiren, welcher davon frei geſprochen iſt,
    *)Auch wenn er ſich gegen die allgemeinen Geſetze der L. vergeht? In dem Geſetzbuche eines andern Syſtems heißt es (S. 83): Jeder Bruder, ohne Ausnahme, iſt verpflichtet, in Uebertretungsfaͤllen ſich der von dem Geſetze ſelbſt auf die Uebertretung geſetzten oder von dem Beamten-Kollegio ihm geſetz - lich zuerkannten Strafe willig zu unterwerfen. Offen - bare Widerſpenſtigkeit zeigt Verachtung des Geſetzes, und loͤſt das Band zwiſchen der Loge und dem Bru - der auf.
    *)und nur allein in ſeiner be - ſonderen und von Sch. Mſtrn gerichtet werden kann.
  • Art. 12. Wenn ein Sch. M. Loge formirt, hat er Gerechtigkeit, ſo lange er ſelbſt den Ham - mer fuͤhrt, von ſechzehn vorgeſchlagenen Su - chenden vier von dieſen Angemeldeten, da - fern Er es ihnen goͤnnen will, ohne Um - ſtimmung und Abgabe anzunehmen.
    **)Dieſe Gerechtigkeit iſt eine große Ungerechtig - keit gegen die uͤbrigen B B., die jene vier auch ge - gen ihren Willen, wenigſtens ohne ihre Zuſtimmung in ihre Gemeinſchaft aufnehmen muͤſſen. Wozu giebt man doch Aufnahme-Geſetze, da eine unbe - kannte Macht ſie nach Willkuͤhr aufheben kann?
    **)
  • Art. 14. Ein Sch. M. hat die Freiheit, an dem - jenigen Orte, wo eine geoͤffnet iſt, heim - lich zu halten und in eines Sch. -Mſtrs. Erſtes Baͤndch. L162Gegenwart einen Fremden anzunehmen, und ihm an einem und demſelben Tage den L. G. und M. Gr. ohne die Abgaben, welche ſonſt der zufallen muͤßten zu er - theilen.
    *)Dieſe Freiheit hebt ſich wahrſcheinlich nach dem koͤnigl. Edikte, nach welchem uͤberall keine heim - lichen maureriſchen Verſammlungen gehalten werden ſollen; man muͤßte denn glauben, daß Anordnungen des Monarchen uͤber maureriſche Gegenſtaͤnde nichts gelten!! Wie wohlthaͤtig iſt auch hier jenes Edikt! denn es iſt nicht zu berechnen, welche Ver - wirrung die Ausuͤbung jener Freiheit in dem recht - lichen Zuſtande einer L. anrichten muͤßte.
    *)
  • Art. 17. Der Sch. M. hat die Erlaubniß bei der Aufnahme in heimlicher die Abgaben zu empfangen und auf ſolche Art in allen drei Gr. Maurer aufzunehmen, bis daß er ſich die noͤthigen Werkzeuge, ordentlich zu halten, anſchaffen kann.
    **)Dies ſoll zur Ausbreitung des Reichs dienen; aber man kann leicht erachten, wie angenehm die heimliche L. der oͤffentlichen ſeyn mag. We - nigſtens aber dient doch dieſe Maasregel dazu, wie - der zu ſeinem fuͤr die ſch. Gr. ausgelegten Gelde zu kommen.
    **)

Daß es uͤbrigens mit allem dieſem Ernſt ſey, und daß die andern B B. dieſe Gerechtigkeiten in Demuth annehmen muͤſſen, ſieht man aus:

  • Art. 25. Wenn ein Sch. M. als Gr. -Mſtr. ei -163 nen H. entgegen nimmt, (uͤbernimmt) wel - cher vorher in eines bloßen Meiſters Haͤnden geweſen iſt, ſo laͤßt er, wenn er zum erſten - male den H. fuͤhrt, durch den Secretaͤr den 5., 6, 10. und 14. Artikel dieſer Rechte und Freiheiten verleſen.

Es iſt zu glauben, daß dieſe Privilegien unter B B., wo nicht ausdruͤcklich abgeſchaft, doch ver - altet und nur, wie die Bisthuͤmer in partibus infidelium, ad piam recordationem und als ein Ritualſtuͤck beibehalten ſeyn moͤgen. Wenig - ſtens waͤre es zu unſern Zeiten unerhoͤrt, wenn die reſpektable Geſellſchaft der Johannis-Maurer ſolche Eingriffe in die rechtliche Verfaſſung, auf die jede Geſellſchaft halten muß, wenn ſie rechts - beſtaͤndig ſeyn will, ohne lauten Widerſpruch dul - dete. Doch was iſt nicht alles moͤglich, wenn folgende Geſchichte wahr iſt: Die L. X. arbeitet in den drei Joh. Gr., zugleich aber ſind auch einige ihrer Mitglie - der in die hoͤheren eingeweiht und zu einem K. konſtituirt. Das geht nun eigentlich die B B. der L. X. nichts an, aber die hoͤher graduirten B B. (welche, als ſolche, auf Treu und Glauben angenommen werden muſten) haben die Muͤhwaltung uͤber ſich genommen, die St. Joh. L. zu regieren und dieſe glaubt daß es ſo ſeyn muͤſſe. Ihre maureriſche In - ſtanz findet aber, daß das nicht ſo ſeyn muͤſſe, ſagt dies den erhabnen B B., weiſt außerdem noch einige ihrer AnmaßungenL 2164zuruͤck und macht Anſtalt, ſie ein bischen zu reformiren. Daß dies die erhabnen BB. uͤbelnehmen, iſt begreiflich; ſie bringen ihre wehmuͤthigen Klagen nun vor ihre St. Joh. L. und dieſe ſagt, daß ſie eine Sache gar nichts anginge, von der ſie nichts verſtuͤnde, daß ſie zu ihrer Regierung ſchon ihren Mſtr. v. St. und ihre Beamten und ihr oberſtes Collegium habe und daß ſie allerdings nicht von einigen ihrer Mitglieder regiert ſeyn wollte, die ſie nur als ihres Gleichen kenn - ten? Nichts von alle dem: Die St. Joh. L. geraͤth in Aufruhr, ſchreit, daß ſie aller - dings von ihren erhabnen BB. regiert wer - den wolle, daß das oberſte Collegium frevel - haft handle, die wohl hergebrachten Rechte und ſchoͤne Myſterien ihrer Hochw. B., von denen ſie freilich nicht urtheilen koͤnnten, ver - aͤndern zu wollen, verlaͤumdet und verfolgt die vernuͤnftigen Mitglieder, die der Anrei - zung der Leidenſchaft kein Gehoͤr geben, und reißt ſich zur Liebe der hoͤheren Grade von ihre Mutter-Loge und deren Syſtem los, um zu einem andern uͤberzugehen, das ihnen, an ihrem Orte gar keine hoͤheren Grade zulaͤßt!!

Iſt dieſe hier nur angedeutete, aber (nach der Verſicherung des Referenten) in ihrem Detail noch dreimal wunderbarere Geſchichte, wahr, ſo fuͤhrt ſie einen ſtarken Beweis, theils, wie feſt die H. Gr. ihre Herrſchaft uͤber die Gemuͤther165 und die LL. gegruͤndet haben, theils, wie wenig die Joh. Mſtr. ihre Rechte kennen. Sie wuͤrde uͤberhaupt eine der aller-lehrreichſten in der gan - zen Geſchichte der Maurerei ſeyn und zu vielen bedeutenden Folgerungen und Winken Anlaß geben, wenn diejenigen, die es koͤnnen, ſie aktenmaͤßig bekannt machen wollten.

Wir wenden uns zur dritten Klage gegen die h. Gr. Sie ſeyen ſagt man nehmlich

3) die Urſach der Streitigkeiten im O. uͤber - haupt, die Urſach der Spaltungen in Syſteme und der Zunder, der das Feuer der Feindſchaft zwiſchen ihnen unterhaͤlt. Die B B. der drei St. Joh. Gr., welche Gelegenheit gehabt haben. die Arbeiten verſchiedner Logen zu beſuchen, ſoll - ten ſich doch einmal ernſtlich fragen: Ob doch die kleinen Unterſchiede, die ſie hie und da wahr genommen haben, im Stande waͤren, ein unter - ſchiedenes Syſtem zu begruͤnden? Ob dieſe Ab - weichungen (dergleichen man ſogar in LL. eines Syſtems findet) ſo weſentlich ſeyen, daß man daruͤber eine große Anzahl erwachſener, denkender Maͤnner und B B. verketzern, oder von ihnen verketzert werden koͤnne! Sie ſollten doch, wo dieſe Verketzerung ſtatt finde, nachforſchen, ob ſie nicht immer in Behauptungen und Zeugniſſen hoͤher graduirter B B. ihre erſte Quelle habe, und ob die andern lieben B B. dies nicht nur nach - ſpraͤchen, um ihre maureriſchen Kenntniſſe und Orthodoxie zu verrathen? Sie wuͤrden es dann wohl aus eigner Erfahrung wahrnehmen166 (wie es denn auch durch naͤhere Kenntniß der Dinge vollkommen beſtaͤttigt wird): daß die Un - terſchiede der Syſteme, die gegenſeitigen Verketze - rungen und Streitigkeiten, ob man es gleich nie oͤffentlich ſagt, keinesweges in den drei ihnen bekannten Graden, ſondern allein in den hoͤheren ihren Grund haben.

Beſucht man die Arbeiten der verſchiedenen Syſteme in den Joh. Gr., beſonders wie es jetzt iſt, ſo iſt es, als wenn die Maurer auf der gan - zen Erde nur eine Heerde waͤren und einen Hir - ten haͤtten; tritt man aber nur einen Schritt uͤber den dritten Gr. hinaus, ſo iſts, als wenn man bei jedem beſonderen Syſtem in eine andre Welt traͤte. Die B B., die hier arbeiten, muͤſ - ſen freilich einen ſehr anſchaulichen Begriff vom Unterſchiede der Syſteme haben; allein was geht dies die B B. der Joh. L L. an, die ſich ſo gern an der allgemeinen Bruderliebe erfreuen? Aber freilich, jene B B. haben die Praͤſumtion hoͤherer Kenntniſſe fuͤr ſich und wenn man dies nicht glauben wollte ſie haben groͤßeren Einfluß, ſind der Ordens-Regierung naͤher, und ſo gilt denn auch hier, wo man es vielleicht nicht ver - muthete, das Horaziſche: Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi.

Moͤchte man doch das Beiſpiel der Großen L. in London nachahmen! Sie, die keine Notiz von unſern h. G. in Deutſchland einnimmt, konſtitu - irt jede St. Joh. L., die ſich ihr als maureriſch167 manifeſtirt, laͤßt ſie, ſo abweichend es auch von dem ihrigen ſeyn mag, nach dem Ritual arbeiten, was ſie etwa hat, und, weit entfernt, ſie wegen kleiner oder großen Abweichungen, von ihrem Syſtem auszuſtoßen, vereinigt ſie alle, die nur maureriſch arbeiten, in einen großen Bruder - bund. Was aber thun die deutſchen Maurer? Wir wollen darauf wieder mit einer kurzen Ge - ſchichte antworten.

Die L. Y. lebte mit der L. Z. in dem beſten Vernehmen, obgleich die letztre von der erſteren in den Ritualen der drei St. Joh. Gr. ſo verſchieden war, als man nur ſeyn kann, und weiter von einander entfernt, als Frankreich von Schweden liegt; die L. Y. erkannte aber die B B. der L. Z. als wahre, aͤchte Maurer und liebe Bruͤder. Als jedoch die L. Z. nach einiger Zeit ihr Ritual der Joh. Arbeiten, aus Gruͤnden, beinah ganz dem Ritual der L. Y. aßi - milirt, Ordnung und Wuͤrde in ihre Ar - beiten eingefuͤhrt, und faſt allen Unterſchied aufgehoben hatte, that die L. Y. die L. Z. in den Bann! Das iſt ein Raͤthſel! Aufloͤſung: Die L. Z. hatte zu gleicher Zeit ihre h. Gr. reformirt!

Dieſe und aͤhnliche Betrachtungen bewogen wahrſcheinlich die Hochw. Gr. Landes-Loge zu Berlin in ihrem Schreiben an die Hochw. Gr.168 Loge Royale York zur Freundſchaft, folgende hoͤchſt merkwuͤrdige Worte zu ſagen:*)S. Taſchenbuch fuͤr Frei-Maurer fuͤr d. J. 1798. Koͤthen bei Aue S. 42. Es giebt faſt keinen Irrthum, keine Schwach - heit, keine Bosheit, welche nicht unter dem ehrwuͤrdigen Namen der Frei-Maurerei ver - breitet worden. Wir haben Goldmacherei, Geiſterſeherei, Fanatismus, Irreligioͤſitaͤt und Pabſtthum, Revolution und Giftmiſcherei unter dieſem Mantel erblickt; und wem anders iſt dieſer Unfug zuzuſchreiben, als denjenigen, welche mit verwegener, freveln - der Hand die Urverfaſſung des Ordens erſchuͤt - terten,**)Damit meint, wie aus dem folgenden erhellt, die h. W. Gr. L. vorzuͤglich die hoͤheren Grade u. ihre Stifter. deſſen Einrichtungen und Gebraͤuche abzuaͤndern und angeblich zu verbeſſern wag - ten, und den verderblichen (?) Grundſatz ver - breiteten, daß auch der ehrwuͤrdige Frei - Maurer Orden ſich dem Reformations-Geiſte der neuen Jahrhunderte unterwerfen muͤſſe. ***)Dies ſcheint jedoch ein ſehr alter Grundſatz des Ordens zu ſeyn.Nicht immer, jedoch leider in den mehrſten Faͤllen, lag bei ſolchen Verſuchen und Mei - nungen Bosheit zum Grunde, in den beſſe -169 ren Faͤllen aber gewiß Mangel an Kenntniß vom Orden. So entſtanden nach und nach, und noch taͤglich unter der mittelbaren oder unmittelba - ren Direction der unverſoͤhnlichſten Feinde des Ordens der Feinde der Wahrheit die unzaͤhligen Syſteme und die ungeheure Anzahl der ſogenanten hoͤheren Grade und eben da - durch der immer weiter um ſich freſſende Krebsſchaden des Ordens, den dieſe unſre unverſoͤhnlichen Feinde ſo klug und aushar - rend zu benutzen wiſſen, um ihren großen Endzweck, die Ausrottung unſers Bundes zu erreichen.

Was beduͤrfen wir weiter Zeugniß! Hier nennt eine große Loge, die in ihrem Schooße gewiß wohl unterrichtete Bruͤder hat, die h. Gr. als die Quelle der meiſten Verwirrungen im O. und die Werkzeuge, deren ſich ſeine Feinde bedie - nen, ihn in ſeinen Grundpfeilern zu untergraben. Aus eben dieſem wichtigen Grunde ſagt daher eine andre große Loge,*)In der Anmerkung zu dieſer Stelle l. c. S 44. iſt es die hoͤchſte Zeit, dieſem verderblichen Weſen durch angewieſene Geſetze entgegen zu arbeiten. Dieſe Geſetze ſelbſt aber unter dem Namen von Neuerungen zu ver - werfen, ſchiene uns, wenn man dies von uns verlangte, ein heimliches Einverſtaͤndniß mit jenen Feinden des Ordens anzuzeigen.

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Dieſe Hochw. Gr. L., welche wahrſcheinlich keinen Grund fand, die h. Gr. ganz abzuſchaffen (welches auch die andern Syſteme nicht gethan haben) fand ſich bewogen, den freſſenden Krebs - ſchaden des Ordens durch beſtimmte und ſtrenge Geſetze auszurotten, und, wenigſtens in ihrem Kreiſe, alle bisher ſo gerechte Klagen uͤber den ſchaͤdlichen Einfluß der h. Gr. mit einem kuͤh - nem Schnitt abzuſchneiden. Es ſcheint Ihr voͤl - lig gelungen zu ſeyn, indem ſie in ihrem Grund - vertrage (Th. I. Abschn. I. §. 5. pag XVII. ) folgendes Geſetz aufſtellte: Um nun das Verhaͤltniß zwiſchen der Mau - reriſchen Verfaſſung und dem Kenntnißſchatze genauer zu beſtimmen, erklaͤrt die G. F. M. L. R. Y. Z. F.

  • 1) Daß der Kenntnißſchatz oder die bei dem Syſteme der Gr. L. R. Y. anerkannten und uͤblichen hoͤheren Grade, mit der Verfaſſung und Verwaltung der großen Loge oder der beſondern St. Joh. Logen, nicht in dem geringſten innern und weſentlichen Zuſammenhange ſtehen.
  • 2) Daß die maureriſche Verfaſſung, Verwal - tung und Direktion, ſowohl der großen L., als auch der einzelnen St. Joh. Logen dieſelbe bleiben muͤſſe, wenn auch in Zu - kunft die Gr. L. durch Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe genoͤthigt wuͤrde, die Ausſpen - dung der h. Gr. bei ihrem Syſteme, fuͤr eine Zeit oder fuͤr immer einzuſtellen.
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  • 3) Daß der Beſitz hoͤherer Grade nie das Recht geben koͤnne, an den Angelegenhei - ten der Maureriſchen Verfaſſung Theil zu nehmen oder in die Direktion der St Joh. Logen einzuwirken.

Durch dieſes Geſetz ſcheint der ſchaͤdliche Ein - fluß der h. auf die niedern Gr. gaͤnzlich gehoben zu ſeyn. Nun hat die Eitelkeit der B B. keinen Spietraum mehr; ſelbſt die Neugier iſt durch anderweitige Erklaͤrungen dieſer Hochw. Gr. Loge beſchraͤnkt worden; die h. Gr. geben kein Anſe - hen, keine Macht, naͤhren ſonach die Herrſchſucht nicht und koͤnnen nicht leicht zu irgend einem Streite Gelegenheit geben. Wenn wir alſo die Nachtheile der h. Gr. vollſtaͤndig aufgezaͤhlt haben, ſo iſt ihnen hier vollſtaͤndig begegnet; denn alles uͤbrige z. B. ihre innre Wuͤrde oder Leerheit, haben ſie allein mit ſich ſelbſt auszuma - chen. Es kommt allein darauf an, daß ſie keine anderen Rechte kraͤnken und zu keinen Thorhei - heiten verleiten; und dieſes iſt durch obiges Ge - ſetz abgeſchnitten. Daher ſcheinen jene erfahrne Maurer, welche die hoͤheren Gr. unbedingt ver - werfen, in ihrem Haſſe zu weit zu gehen, und ſie nur von der einen Seite, der, ihrer bishe - rigen Geſchichte, anzuſehen.

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II. Noch eine Stimme uͤber die h. Gr.

Niederreißen iſt leicht, neu bauen lohnend; in medio virtus. Wer aus allem, was mit Fug und Recht gegen die ſogenannten h. Gr. geſagt und erwieſen werden kann und jedem erleuchteten Bruder, dem Wahrheit ehrwuͤrdiger iſt, als Taͤu - ſchung, bekannt iſt, ſchließen wollte: Wenn die ſogenannten h. Gr. nicht in dem Weſen und in der Tendenz der Frei-Maurerei liegen, ſo bedarf es auch keiner hoͤheren Erkenntniß-Stufen, der waͤre uͤberall mit ſich noch nicht einig, war - um er Frei-Maurer geworden iſt und wozu er es bleibt.

Wer da glaubt: da dieſer oder jener unterrich - tete Bruder, ſeinen Mitgenoſſen einige Reſul - tate ſeines Forſchens und Nachdenkens, eine oder die andre Anſicht, die er fuͤr ſich von der Fr -- Mri aufgefaßt hat, freundſchaftlich und bruͤderlich mittheilt, ſo hat dieſer oder jener erleuch - tete Bruder alles geſagt, was man uͤberhaupt, von dem Innern der Fr. -Mri zu wiſſen braucht, oder wiſſen kann; es iſt daher nicht noͤthig, ſich um hoͤhere Erkenntnißſtufen, welche in dieſem oder jenem Logenbunde aufgeſtellt ſind, zu bewer - ben: der beweiſt nur ſeine Vorliebe fuͤr die Ar - muth des Geiſtes, und ſucht ein Maͤntelchen, um ſeine Denk-Lern - und Arbeitſcheue zu bedecken.

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Es iſt daher noͤthig, den Begriff von den ſogenannten hoͤhern Graden und von reellen maureriſchen Erkenntniß-Stufen zu beſtim - men, und den eben ſo wichtigen, als weſentlichen Unterſchied zwiſchen beiden aufzuſtellen.

Ein hoͤherer Grad iſt eine aus verſchiede - nen Ceremonien, ſymboliſchen Formeln und hie - roglyphiſchen Bildern in neuern Zeiten zuſammen - geſetzte Myſterie, in welcher Ceremonien, Formeln und Hieroglyphen moraliſch gedeutet, die Enthuͤl - lung ihres eigentlichen Sinnes aber, und die voͤlligen Aufſchluͤſſe erſt in einem noch hoͤhe - ren Grade verheißen werden. Der darauf fol - gende hoͤhere Grad beſteht aus eben ſolchen Be - ſtandtheilen, die abermal nach einer gewoͤhnlichen trivialen Moral erklaͤrt werden, deren eigentliche Deutung aber ſofort auf einen noch hoͤheren Grad verwieſen wird; welches dann ſo lange von Grad zu Grad fortgehet, als es dieſem oder jenem Logen-Syſtem nothwendig ſcheint, ſeine letzten und hoͤchſten Aufſchluͤſſe durch mehr oder weniger hoͤhere Grade ſymboliſch vorzubilden. Dieſe letzten und hoͤchſten Aufſchluͤſſe, welche ſodann den Schlußſtein des ganzen Logen-Syſtems ausma - chen, ſind ſelbſt nichts anders, als eine erdichtete, aller Zeit - und Menſchengeſchichte widerſprechende, jede Pruͤfung der Kritik ſcheuende Hiſtorie des Ordens, von denjenigen erfunden, welche die immer hoͤher ſteigende Wißbegierde der Bruͤder nicht anders zu befriedigen wußten, oder von der traurigen Ueberzeugung geleitet wurden, daß174 die Menſchen uͤberall die Taͤuſchung mehr lieben, als die Wahrheit, und ſelbſt das Gute nur durch die Huͤlle der Taͤuſchung ſehen wollen.

Dieſe hoͤheren Grade, dieſe letzten und hoͤchſten Aufſchluͤſſe liegen außer dem Weſen und der Tendenz der Fr. -Mri, ſchaden der guten Sache der Bruͤderſchaft und entfernen endlich fruͤh oder ſpaͤt jeden helldenkenden und zugleich rechtſchaffnen Mann von ihr.

Das Verderben der Zeit oder vielmehr der Menſchen, hat die, in ihrem Weſen und in ihrer Tendenz ganz einfache Frei-Maurerei zur Wiſſen - ſchaft d. i. zu einer hoͤchſt lehrreichen und intereſ - ſanten Geſchichte der Verirrungen des menſchlichen Geiſtes gemacht. Eben darum aber iſt es auch noth - wendig, daß diejenigen dirigirenden maureriſchen Be - hoͤrden, denen es mehr um die Befriedigung, als um das Geld der Bruͤder zu thun iſt, irgend ein Verhaͤltniß fuͤr gute, wißbegierige, der Wahrheit und der guten Sache der Frei-Maurerei treuer - gebenen Bruͤder aufſtellen, in welchem die in den verſchiednen Logen und Logen-Syſtemen zu Dog - men erhobenen Dichtungen und Meinungen uͤber das Weſen und das Ziel der Maurerei geſichtet, gepruͤft, berichtiget werden; in welchem die Gene - ſis und Geſchichte der Frei-Maurer-Bruͤderſchaft entwickelt und ſie auf ihren wahren Zweck zuruͤck - gefuͤhrt wird; in welchem, mit bruͤderlicher Auf - richtigkeit, der Urſprung und die geheimen Trieb - federn der verſchiedenen Spaltungen unter den mannigfaltigen maureriſchen Syſtemen aufgedeckt,175 die verſchiedenen Verfaſſungen und Einrichtungen andrer Logen und Syſteme bekannt gemacht, be - ſcheiden beurtheilt und gerecht gewuͤrdiget werden.

Dies Verhaͤltniß heißt hoͤhere Erkenntniß. Stufe; dies Verhaͤltniß iſt wahre Wohlthat fuͤr den durch die drei St. Joh. Gr. durchgefuͤhrten Maurer, der ohne dieſe Huͤlfe vor der Menge Scheidewege, die ſich ihm jenſeits der Meiſter - ſchaft zeigen, entweder in voͤllige Gleichguͤltigkeit gegen die Bruͤderſchaft, oder in Verzweiflung gerathen muß, weil er es entehrend fuͤr den menſch - lichen Verſtand haͤlt, eher eine Parthei zu ergrei - fen, bevor er noch weiß, welche die wahre und beſte ſey.

Hoͤhere maureriſche Erkenntniß-Stufen ſind alſo: eine in Abſchnitte eingetheilte, doku - mentirte, wahre Geſchichte alles deſſen, was die verſchiedenen Logen-Syſteme aus der Frei-Mau - rer-Bruͤderſchaft gemacht haben; eine Geſchichte, in welcher die ſogenannten hoͤheren Grade, die erſt ſeit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts auf die drei St. Joh. Gr. gepflanzt worden ſind, voll - ſtaͤndig dargelegt, beurtheilt, enthuͤllt, berichtiget und mit den vorgeblichen letzten Aufſchluͤſſen oder dem ſogenannten innern und hoͤhern Orden ver - glichen werden; eine Geſchichte, welche mit einer kritiſch ausgemittelten und erwieſenen Darſtellung des Urſprungs und des Fortganges der Frei-Mau - rer-Bruͤderſchaft bis auf unſre Zeiten endiget, Dieſem in Abſchnitte eingetheilten, reellen und wahren Unterricht mag immer eine, auf die edleren176 Gefuͤhle des Menſchen berechnete Initiation von rein moraliſcher Tendenz, in der nichts ver - ſprochen, auf nichts Hoͤheres hingewieſen, nichts unerklaͤrt gelaſſen wird, vorausgeſchickt werden.

Der Unterricht der Erkenntniß-Stufen erleuch - tet den Verſtand, und verwahrt ihn vor Verir - rungen; die Initiation erwaͤrmt das des Guten empfaͤngliche Herz, legt demſelben das Weſen der Frei-Maurerei naͤher und verwahrt es vor Er - kaltung.

Einleuchtend iſt nun der weſentliche Unter - ſchied, der zwiſchen den ſogenannten hoͤheren Gra - den und den hoͤheren maureriſchen Erkenntniß - Stufen obwaltet; einleuchtend, die Ungereimtheit der Aeußerungen derjenigen, die da ſagen moͤch - ten: Gut, da es keine hoͤheren Grade mehr giebt, ſo bedarf ich auch keiner hoͤheren Erkenntniß - Stufen mehr, oder, was eben ſo viel hieße: Da man mich nicht mehr taͤuſchen will, ſo bekuͤmmre ich mich auch um die reine Wahrheit nicht; ein - leuchtend iſt es, daß diejenigen Logen nicht mit Worten ſpielen, welche den hoͤheren Graden aller Logen-Syſteme die Anerkennung und Ach - tung verſagen und dafuͤr in ihrem Innerſten Erkenntniß-Stufen in dem aufgeſtellten Sinne errichten.

Wahr bleibt es indeſſen, daß man eben dieſe hoͤheren maureriſche Erkenntniß-Stufen mit Fug, Recht und Wahrheit, die eigentlichen hoͤheren Grade nennen koͤnnte. Aber warum ſich einesWor -177Wortes, einer Benennung bedienen, welche, ihres verhaßten Nebenbegriffes wegen, in der Seele des unterrichteten Maurers einen hoͤchſt unange - nehmen Eindruck immer wieder erneuern und gleichſam verewigen muß; und den weniger Unterrich - teten ſo leicht zu einer Verwechſelung des Gleißen - den mit dem Wahren verleiten kann.

Erſtes Baͤndch. M[178]

5. Maureriſche Menſchenwuͤrdigung.

Fragment eines Briefs.

Unter andern vorzuͤglichen Einrichtungen, die mir bei der guten Loge J. z. E. beſonders gefallen haben, und die es beweiſen, daß man im Orden alles, was den Menſchen angeht, ernſt - hafter nimmt, als im gemeinen Leben, iſt auch die Art und Weiſe, wie dieſe L. ihrer verewigten Bruͤder gedenkt. Da hoͤrt man keine Panegyriken, wie in Kloͤſtern, wo jeder Moͤnch, der durch ſein ganzes Leben nur gegeſſen, getrunken, Pſalmen geſungen und geſchlafen hat, nach ſeinem Hinſter - ben zum Heiligen erhoben wird; noch die verwegne Seelenzergliederung eines nachgeaͤften Todtenge - richts der alten Aegyptier. Da iſt Wahrheit, Hu - manitaͤt, und Achtung gegen die Grenzen des menſchlichen Verſtandes in der Menſchen-Beur - theilung harmoniſch miteinander vereinigt. Ich179 enthalte mich, Dir die eindringenden, jedes fuͤhlende Herz tief ergreifenden Cerimonien zu beſchreiben, die, ohngeachtet die Maurerei ſelbſt nichts von einer Todtenfeier heimgegangner Bruͤder weiß, doch ſo hoch maureriſch ſind, um dir nur die Wuͤrdigung dreier verſtorbner Bruͤder, welche der dazu beſtimmte Redner an einem heiligen Stand - orte vorgetragen hat, vollſtaͤndig mittheilen zu koͤnnen.

Aufgefordert von dem Mſtr v. St. that und erfuͤllte er folgendermaßen ſeine Pflicht:

Nicht die Verhaͤltniſſe verklaͤrter Bruͤder, ſo ſprach er, nicht das Wichtige, Glaͤnzende, Große, was ſie durch dieſe zu faͤlligen Verhaͤltniſſe in der buͤrger - lichen Geſellſchaft und in den Kreiſen ſogenannter guter Leute waren; ſondern das Cinzige Hohe, was ſie, unabhaͤngig von Zufall und aͤußern An - trieben, durch ſich ſelbſt, durch die Selbſtthaͤ - tigkeit ihres Geiſtes und die Selbſtſtaͤn - digkeit ihres Characters geworden ſind, dieß ſoll ihr Andenken unter uns begruͤnden, dieß ſoll das Bewußtſeyn, daß wir in innigerer Ver - bindung mit ihnen geſtanden haben, in ein an - genehmes Gefuͤhl verwandeln; dieß und nur dieß ſoll uns in dem herzerhebenden Glauben beſtaͤr - ken, daß uns nur ihre Geſtalten verſchwunden ſind, keinesweges aber unſer vereinigtes Hinwirken mit ihnen auf eine moraliſche Welt abgebrochen iſt.

Darum ſoll ich nicht das Maaß ihrer Talente, ihrer Kraͤfte, ihres Gluͤckes, ſondern den Maaß - ſtab angeben, den ſie ſich ſelbſt fuͤr die Er -M 2180fuͤllung ihrer Lebenspflichten geſetzt ha - ben. Ich ſoll den Gewinn berechnen und wuͤrdigen, welchen ihre Maureri - ſche Thaͤtigkeit der Bruͤderſchaft erwor - ben hat. Ich ſoll den Verluſt beſtim - men, welchen wir Zuruͤckgebliebenen in unſerm gemeinſchaftlichen Wirken durch ihre Heimkehr in das Vaterland erlit - ten haben.

Im reinen Gefuͤhle der Liebe gegen die Ver - klaͤrten; im unbeſtechlichen Gefuͤhle der Achtung fuͤr Wahrheit und Gerechtigkeit; im tief empfun - denen Gefuͤhle meiner eigenen ſittlichen Gebrechen, gehorche ich der ſtrengen und ſchweren Aufforde - rung, als beſchraͤnkter Menſch, vor Menſchen, die oft genug uͤber ihre eigenen ſittlichen Bloͤßen er - roͤthen oder erſchrecken, drei nunmehr verklaͤrte Menſchen nach den drei vorgeſchriebenen Geſichts - puncten zu wuͤrdigen.

Den Maaßſtab fuͤr die Erfuͤllung der Lebens - pflichten ſetzt ſich jeder Menſch ſelbſt; muß ſich jeder Menſch ſelbſt ſetzen, denn jeder von Andern erborgte oder von Andern aufgedrungene Maaßſtab iſt fuͤr ihn ſchon darum unrichtig und unbrauch - bar, weil die Richtigkeit und Brauchbarkeit deſ - ſelben, von der Beſchaffenheit und dem Umfange der Einſichten, ſo wie von dem Grade der Ent - wickelung der moraiiſchen Kraft eines jedweden abhaͤngt. Der Maaßſtab alſo, nach dem jeder Menſch die Pflichten ſeines Lebens erfuͤllen ſoll oder erfuͤllet hat, iſt das Erzeugniß ſeines eigenen181 Geiſtes; er liegt in ſeinem Innerſten, kein ande - rer Sterblicher darf es wagen, uͤber den Gehalt deſſelben zu entſcheiden. Jeder hat die Richtigkeit deſſelben lediglich vor ſeinem Gewiſſen und vor Gott zu erproben.

Ob dieſes Erproben unſeren heimgegangenen Bruͤdern leicht oder ſchwer gefallen ſeyn duͤrfte; dieß, trauernde Bruͤder, laſſet uns zu unſerer ei - genen Belehrung aus dem Gehalt ihrer characte - riſtiſchen Aeußerungen und aus dem Schein ihrer Thaten folgern.

Liebreiche Schonung und Nachſicht gegen alle Menſchen war der ſtaͤrkſte Characterzug unſeres verewigten Bruders B. Es war zugleich der herr - ſchende, denn er ward unter allen Umſtaͤnden und Verhaͤltniſſen ſichtbar. Nie wagte Er es, aus ein - zelnen Thaten, ſelbſt wenn ihm ſein ſittliches Ge - fuͤhl Mißbilligung derſelben geboth, uͤber den ſitt - lichen Werth des Menſchen abzuſprechen. Der anmaßende, ſtrenge Beurtheiler ſeiner Nebenmen - ſchen fand an ihm den entſchiedenſten Gegner. Dieſer ſchoͤne und edle, in ſeine ganze Handlungs - weiſe einfließende Characterzug konnte nur, ent - weder in einer mehr als gewoͤhnlichen Geiſtes - ſchwaͤche und Stumpfſinnigkeit, oder in einer in - nigern Kenntniß ſeiner ſelbſt, und der daraus nothwendig folgenden tieferen Menſchenkenntniß, ſeinen Grund haben. Im erſtern Falle mußte ſeine Handlungsweiſe in Bezug auf andere Men - ſchen unbeſtaͤndig, ſchwankend, ſich ſelbſt wider -182 ſprechend; im letztern Falle konnte ſie nicht anders als uͤberall beſtimmt, gleichfoͤrmig, ſtandhaft und conſequent ſeyn: So aber war ſeine Handlungsweiſe gegen andere Menſchen; Wahrheit und Gerech - tigkeit weiſen uns alſo ſelbſt auf die letztere Quelle ſeiner characteriſtiſchen nachſichtsvollen Menſchen - ſchonung. Hatte es nun B. in der Kenntniß ſeiner ſelbſt, und durch dieſe in der Kenntniß des Menſchen uͤberhaupt weiter gebracht: ſo konnte der Maaßſtab ſeiner Pflichten gegen ſich ſelbſt und gegen andere weder aus Mangel an Einſich - ten unrichtig, noch durch die uͤberwiegende Macht der Eigenliebe verfaͤlſcht ſeyn. Wir wiſſen nicht, wie ſtreng Er in ſeinen Forderungen an ſich ſelbſt war, denn dieß liegt uͤberall außer dem Geſichts - kreis des Sterblichen, und nur der vermeſſene Selbſtling, der ſich ſelbſt noch durchaus ein Raͤth - ſel iſt, kann die Thorheit begehen, in das Innere ſeines Nebenmenſchenſchauen zu wollen; wir ſind aber alle Zeugen, daß er in ſeinen Forderungen und Anſpruͤchen an andere Menſchen maͤßig, be - ſcheiden und nachſichtsvoll war. Er hat die Quellen der Widerſpruͤche zwiſchen Einſichten und Gefuͤhlen, zwiſchen Verſtand und Herz, zwiſchen erkannten Grundſaͤtzen und practiſch gewordenen Antrieben in ſeinem eigenen Selbſt aufgedeckt und ausgemeſſen. In ſeinem Innern hat er die Gruͤnde gefunden, warum die Menſchen in ihrer Handlungsweiſe bald gegen ihre beſſere Ueberzeu - gung, ihren Gefuͤhlen und Leidenſchaften, bald, gegen die maͤchtigſten Regungen eines richtigen183 Gefuͤhls, einer irrigen Ueberzeugung folgen; an ſich ſelbſt hat er zu oft die Macht der Einwirkung aͤußerer Umſtaͤnde, die Staͤrke des Einfluſſes ein - ſeitiger Anſichten der Dinge, die Gewalt des Tem - peraments, der Laune, der Vorurtheile auf den Willen des Menſchen erfahren, als daß er bei der Beurtheilung und Behandlung Anderer, die Berechnung dieſer gegeneinander wirkenden Kraͤfte haͤtte außer Acht laſſen ſollen. Ihm war alſo die Welt kein Aufenthalt reißender Thiere, kein Tum - melplatz mannigfaltiger Boͤſewichter; ſondern ein großes Krankenhaus, deren einen Theil uͤber alle Hoffnung der Geneſung weggeſchrittene Wahnſin - nige, den andern mehr oder weniger der Gene - ſung ſich naͤhernde Kranke bewohnten. Fuͤr die erſtern hatte er nur Mitleiden, fuͤr die letztern ſeinen Kraͤften angemeſſene Bereitwilligkeit zu hel - fen. Menſchenhaß und Menſchenverachtung kannte der nicht, der ſich ſelbſt zu gut kannte. Wo Schonung und Nachſicht gegen Menſchen aus Selbſtkenntniß entſpringen, und eben dadurch herrſchender Charakterzug geworden iſt, dort iſt der Grund zu allen Handlungen und Aufopfe - rungen der geſellſchaftlichen Tugend gelegt. Und hierin hat B. nach Maßgabe ſeiner Einſichten in die verwickelten Verhaͤltniſſe des geſellſchaftlichen Lebens keine Forderung der Pflicht unerfuͤllt ge - laſſen. Wir kannten ihn alle als den vertraͤglich - ſten Geſellſchafter, als den bereitwilligſten Wohl - thaͤter, als einen treuen Arbeiter, als einen auf - richtigen Freund, als einen ruhigen beſcheidenen184 Vertheidiger deſſen, was er fuͤr wahr und Recht hielt. Er kannte die Pflicht, in der Ausbil - dung ſeines Geiſtes fortzuſchreiten, mithin den Grund, den Umfang und den Gehalt ſeiner mo - raliſchen Einſichten, oͤfters zu uͤberſchauen, zu pruͤ - fen, zu berichtigen: aber ein beſchwerliches und ermuͤdendes Amt beſchraͤnkte ſeine Zeit und ſeine Kraft zu dieſem hoͤchſten und heiligſten Geſchaͤft des Menſchen. Mehr alſo in ſeinen aͤußern Ver - haͤltniſſen, als in ſeinem Willen lag der Grund, aus dem Neigungen und Leidenſchaften bald uͤber die ſchwaͤchere Einſicht, bald uͤber die beſſere Ue - berzeugung in ihm bisweilen ſiegen konnten. Ließ ihm der Drang aͤußerer Umſtaͤnde ſeine voͤllige Geiſtesruhe und Beſonnenheit, ſo fand das Gute in ihm unfehlbar ſeinen warmen Anhaͤnger und Befoͤrderer, die Wahrheit ihren freimuͤthigen Be - kenner, das Recht ſeinen beherzten Vertheidiger.

Entbehren und Genießen ſind die Wen - depunkte des menſchlichen Lebens, und die beiden Grenzpunkte aller Lebensweisheit. Die Fertigkeit zu entbehren wird dem Menſchen fruͤher oder ſpaͤter von dem ſtrengen Geſetze der Nothwendigkeit auf - gedrungen. Er hat nichts weiter dabei zu thun, als ſich demſelben mit Anſtand und Wuͤrde zu unterwerfen. Und hierin koͤnnen es auch ganz gewoͤhnliche Menſchen ziemlich weit bringen. Aber die Kunſt zu genießen muß muͤhſam erlernt und anhaltend geuͤbt werden. Die Meiſter in dieſer Kunſt ſind ſo ſelten, daß nur der mit ſich ſelbſt voͤllig unbekannte Thor ſie uͤberall ſehen185 will; der Weiſe iſt froh, wenn er unter zehn Ge - nießenden auch nur einen Lehrling der Kunſt er - kennt. Der Mangel dieſer Kunſt fuͤhrt entweder, auf allmaͤhlige Zerſtoͤhrung des Koͤrpers, oder auf voͤllige Abſtumpfung des Geiſtes, oder auf beides zugleich. Welchen Grad unſer verewigter B. in dieſer Kunſt erreicht hat, geziemt uns we - der zu unterſuchen noch zu beſtimmen: aber ſo - viel iſt gewiß, daß bei allen Genuͤſſen ſeines Le - bens ſein Geiſt der Wahrheit offen, ſein Herz des Guten und ſittlich Schoͤnen empfaͤnglich blieb.

Wahrhaftigkeit war der edelſte Zug in dem Charakter unſeres verewigten Bruders K., und Wahrheit des Charakters war die erſte und uner - laͤßlichſte Bedingung, die er von jedem forderte, der auf ſeine Aufmerkſamkeit und Achtung An - ſpruch machte. Wer etwas ſcheinen wollte, was er nicht war, oder nicht ſeyn konnte, war nicht der Mann ſeines Herzens. Die Natur hatte ihn mit einer ziemlichen Anlage zur Penetration aus - geſtattet. Er lebte von ſeiner fruͤheſten Jugend an viel mit Menſchen; und in den mannigfalti - gen und verwickelten Verhaͤltniſſen des menſchli - chen Lebens entwickelte er dieſe Anlage zur Kraft. Er ſchien oft ungebildet und hart, weil er nicht ſelten lieber auf das antwortete, was die Men - ſchen dachten, als was ſie ſprachen; und ſie oͤfters mehr nach dem behandelte, was ſie waren, als was ſie ſcheinen wollten. Eben dieſe186 herrſchende Liebe zur Wahrheit aber, verbunden mit einem in den meiſten Faͤllen gluͤcklich und richtig beobachtenden Scharfſinn, ſtellte ihn oft der Gefahr bloß, jetzt in ſeinem Urtheil uͤber Menſchen, jetzt in der Art ſie zu behandeln, Un - gerechtigkeiten zu begehen, die er ſich aber immer ſelbſt am ſchwerſten verzieh. Die Ueberzeugung von ſeiner Schuld, und dafuͤr machte ihn ſeine Guthmuͤthigkeit leicht empfaͤnglich, ließ ihn nie ohne tiefe Ruͤhrung und gab ihm den Muth, ſeinen Irrthum freimuͤthig zu bekennen. Er hatte in Schulen wenig gelernt; ſeine Einſichten waren das Erzeugniß ſeiner eigenen Geiſtesthaͤtigkeit. Dieſe und ſein richtiges Gefuͤhl begruͤndete in ihm ſeine unbedingte Achtung fuͤr Wahrheit und Gerechtigkeit; ſie zeichnete ihm den Maaßſtab ſei - ner Handlungsweiſe und ſeiner Pflichterfuͤllung vor. Entruͤckte ihm denſelben auch bisweilen Nei - gung und Leidenſchaft, ſo war er doch rechtſchaf - fen genug, es ſeinen Freunden, vor allem aber ſich ſelbſt zu geſtehen. Er haͤtte ſich in ſeiner ei - genen Werthſchaͤtzung in dem Verhaͤltniß fuͤr ſchlechter gehalten, in dem er ſich auf dem Willen ertappt haͤtte, beſſer zu ſcheinen als er war. Menſchen, denen entweder die Mittel, oder die Kraft, oder der Witz zu genießen fehlte, glaubten ſich berechtigt, ihn wegen ſeines oft verrathenen Hanges zum Genuſſe geringer ſchaͤtzen zu duͤrfen; aber ſie bedachten nicht, daß alle Aeußerungen des Menſchen nichts weiter ſind, als der Wieder - ſchein ſeiner Welt, die er ſich in ſeinem Inner -187 ſten nach Maaßgabe ſeiner Einſichten, ſeiner Eigenthuͤmlichkeiten und ſeiner Beduͤrfniſſe bil - det. Zuverlaͤßig war die Welt, die ſich K. in ſei - nem Innerſten gebaut hatte, ein Reich der Ruhe, der Anmuth, der Wonne, der Freude und des Frohſinnes. Gefiel uns der ſchoͤne Abglanz die - ſer Welt, wenn K. die Thraͤne der Duͤrftigkeit trocknete, wenn er dem unſchuldig Leidenden Troſt einfloͤßte, den Verkannten oder Gekraͤnkten, mit maͤnnlicher Feſtigkeit vertheidigte und der Freund - ſchaft Opfer brachte; warum wollten wir ſchel - ſuͤchtig die Augen abwenden, wenn ſie uns in ſei - nem Beſtreben, die Freuden des Lebens zu ge - nießen, entgegenſtrahlte. Ob aber ſeine Welt, oder die, welche der ernſtere, kaͤltere Mann in ſeinem Herzen herumtraͤgt, die beſſere ſey, dar - uͤber gebuͤhrt nur dem ewigen Weltenrichter das Urtheil; und kein Sterblicher darf es wagen, ihm die Wagſchale zu entreißen. K. hat vor ihm ge - ſtanden, und er wird einen gelinden Richterſpruch erhalten haben. Denn ſeine Welt hat ihn fuͤr das Reich der Wahrheit nie gleichguͤltig, und fuͤr das Reich des Guten nie kalt und ſtumpf ge - macht.

Recht thun und Niemanden fuͤrchten, war die herrſchende Lebensmaxime unſeres heimge - gangenen Bruders S. Die aͤußere Form, in die er ſein Rechtthun einkleidete, war die eben ſo zufaͤllige, als nothwendige Wirkung der aͤußern Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe, unter welchen er zum Manne188 heranreifte. Es mußte ſich unter denſelben eine gewiſſe Strenge in ſeinem Charakter feſtſetzen; und nur durch anhaltenden maͤnnlichen Kampf, konnte er, bey der Staͤrke ſeiner Kraft und ſeines Tem - peraments, verhindern, daß dieſe Strenge nie in unerbittliche Haͤrte ausartete. Achtung und Ei - fer fuͤr das Recht gaben ihm alſo den Maaßſtab fuͤr ſeine Handlungsweiſe und ſeine Pflichten; und nie war ein Anſehen der Perſon ſo maͤchtig, oder die Ausſicht auf einen Vortheil ſo reizend, um ihn ſeinem Gewiſſen zu entreißen. Gegen nieman - den uͤbte er dieſe ſtrenge Rechtlichkeit mit wenigerer Schonung aus, als gegen ſich ſelbſt; und dies entſchuldigt ſeine ſtrengen Anforderungen an An - dere, die ihm bisweilen in ſeinem Eifer entfuh - ren. Bei voͤlliger Ruhe ſeines, durch jedes Un - recht leicht zu erſchuͤtternden Herzens kannte er aus Schonung und Nachſicht. Dafuͤr buͤrgen uns ſeine eigenen Worte, die durch ihre Kunſtloſigkeit und Nacktheit von allem Anſtrich der Kunſt und allem Schmucke der Beredſamkeit, volle Glaub - wuͤrdigkeit fordern. In einer unſerer Verſamm - lungen empfahl er uns folgende, durch ſeine ei - gene Praxis bewaͤhrte ſittliche Maßregel. Je - den Abend vor dem Cinſchlafen, ſprach er, denke man ſich alle ſeine Handlungen des vergange - nen Tages durch, unterſuche alles dabei genau, ohne ſich im geringſten dabei zu ſchonen, ob und was man fuͤr Bewegungsgruͤnde dabei gehabt, ſo und nicht anders zu handeln; welche Veran - laſſungen dies oder jenes hervorgebracht, ob man189 ſeinen Nebenmenſchen nicht beleidiget oder ge - ſchadet, und wenn dies geſchehen, wie es wieder gut zu machen, und dergleichen Selbſtbetrach - tungen mehr. Dann ſchließt ſich gewoͤhnlich das Herz auf, man findet ſich ſtrafbar oder man freuet ſich des erfochtenen Sieges uͤber ſich ſelbſt. Beides merke man ernſthaft und genau, um bei vorkommenden gleichen oder aͤhnlichen Um - ſtaͤnden richtige Anwendung davon zu machen. Man dringe immer tiefer in ſein Innerſtes ein, vielleicht kommt man auf den Grund. Endlich fuͤrchtet man ſich vor ſich ſelbſt, thut nichts ohn - bedacht, und ſo iſt man dem Ziele ſehr nahe, ein guter Menſch zu werden. Das eigenliebige Herz ſpielt einem dabei manchen Poſſen, aber an - haltender ſtrenger Eifer im Richten ſeiner eigenen Handlungen, gewaͤhrt endlich ruhige Zufrieden - heit mit ſich ſelbſt, ſogar beim Straucheln, weil man ſich daran gewoͤhnt hat, ſeine Fehler wie - der gut zu machen. Ich habe dieſen, die in - nigſte Ueberzeugung und an ſich ſelbſt gemachte Erfahrungen ankuͤndigenden Worten nichts mehr hinzuzuſetzen; und ich habe uͤberall uͤber unſere verklaͤrte Bruͤder genug geſagt, um in uns den Glauben zu begruͤnden, ſie werden die Richtigkeit des Maaßſtabes, nach welchem ſie handelten und ihre Pflichten erfuͤllten, vor dem Richterſtuhle des Ewigen erprobt haben. Ich habe durchaus nichts Unwahres geſagt. Wem es ſcheint, daß ich man - ches Wahre verſchwiegen habe, der bedenke vor - her, ehe er mich der beleidigten Wahrheit und190 Gerechtigkeit anklagt, daß die Sittlichkeit oder Unſittlichkeit aller menſchlichen Handlungen einzig und allein von der Guͤte der Geſinnung und von der Reinigkeit und Rechtſchaffenheit des Herzens abhaͤngt; uͤber die Wirklichkeit aber oder den Man - gel derſelben dem ewigen Richter die Entſcheidung ausſchließend zuſtehet. Es iſt Zeit, daß wir auf - hoͤren, in unſern Urtheilen uͤber Lebendige und Todte, in das Amt des Gewiſſens, und in die Rechte der Gottheit eingreifen zu wollen!

Ich ſoll nun den Gewinn berechnen, welchen die Maureriſche Thaͤtigkeit unſerer verklaͤrten Bruͤ - der der Bruͤderſchaft erworben hat.

Ordnung und Geſetz waren dem Bruder B. heilige Worte, deren volle Bedeutung tief in ſei - nem Herzen lag. Mochte ein von ihm gemachter Vorſchlag noch ſo viele Gruͤnde fuͤr ſich haben, mochte er noch ſo ſehr fuͤr denſelben eingenommen ſeyn, er vertheidigte ihn nicht laͤnger, als bis er von der Mehrheit angenommen oder verworfen war: im letztern Falle hatte Er weder den Eigen - duͤnkel, ihn durch allerhand Social-Kuͤnſte durch - ſetzen zu wollen, noch die kindiſche Eitelkeit, ſich daruͤber gekraͤnkt zu zeigen. Oft erklaͤrte Er: Nicht das iſt das Gut der Bruͤderſchaft, was mir gut ſcheint; ſondern das, was der durch die Mehrheit der Stimmen angekuͤndigte allge - meine Wille fuͤr das Gut der Geſellſchaft er - klaͤrt. Mochte ein Geſetz noch ſo ſehr ſei -191 nen Wuͤnſchen oder Neigungen entgegengeſetzt ſeyn, er wagte es nie gegen daſſelbe zu handeln, wenn es ihm bekannt war; und unterwarf ſich demſelben unbedingt, wenn es ihm verkuͤndiget wurde. Autoritaͤt und perſoͤnliche Ruͤckſichten, die den gemeinen Logenbruder oft einzig und al - lein in ſeinen Urtheilen und Handlungen leiten, kannte B. nicht; denn er war freier Maurer. Mochte ſich an den Geſetzen, dem heiligen Palla - dium wahrer Maureriſchen Freiheit vergreifen, wer da wollte; Bruder B. erhob ſeine Stimme wider ihn, ohne zu erwaͤgen, wie nahe oder wie fern der Angreifer ſeinem Herzen oder ſeinen ander - weitigen Verbindungen war. Nie widerſprach er er einer Meinung, weil er etwa der Perſon, die ſie[äuße]rte, nicht guͤnſtig war; nie gab er einem Vorſchlag ſeinen Beifall, weil er in manchen an - dern Dingen der Autoritaͤt oder dem Verdienſte des Vorſchlagenden die Anerkennung nicht verſagen konnte. Wahrer Superioritaͤt des Geiſtes und Characters leiſtete er mit Freuden, was er ihr ſchuldig war; er glaubte ſich ſelbſt dadurch zu er - heben, wenn er das aͤchte Verdienſt anderer an - erkannte, und war fern von jener republicaniſchen Frechheit, die eine Feindin jeder Groͤße, ſelbſt der - jenigen, die zur Erhaltung des Ganzen unentbehr - lich iſt, nicht ehe ruhet, als bis ſie dieſelbe ſich gleich, das iſt klein und nichtswuͤrdig gemacht hat. Die Geſetze waren ihm zu ehrwuͤrdig, als daß er ſie jemals zum Mittel herabgewuͤrdigt haͤtte, ſei - nen Witz ſpielen zu laſſen, oder Bruͤder, die etwa192 ſeinen Abſichten haͤtten entgegen ſeyn koͤnnen, zu chikaniren. Die Logenverſammlungen beſuchte er ſeit dem Jahre 17 ſo fleißig und anhaltend - daß ich ihm das Zeugniß geben muß: er hat un - geachtet der Rauhigkeit der Witterung, und der Kraͤnklichkeit ſeines Koͤrpers nicht eine einzige ander - weitigen Gemuͤthserholungen nachgeſetzt. Hier fand er Nahrung fuͤr ſeinen Geiſt und ſein Herz; was er hier ſammelte, hielt er fuͤr die Ewigkeit gewonnen. So war Br. B. in unſern Kreiſen ein Muſter der Ordnung, der Geſetzlichkeit, der unpartheiſchen Freimuͤthigkeit, der Beſcheidenheit und der thaͤtigen Anhaͤnglichkeit an das Gute. Die Geſetze hatten an ihm einen aufrichtigen Verehrer und unermuͤdeten Vertheidiger, die juͤn - gern Bruͤder einen ſichern Wegweiſer, die aͤltern einen eifrigen Mitarbeiter. Die Bruͤderſchaft hat durch ihn gewonnen.

Thaͤtiger war Bruder K. in fruͤhern Zeiten als in ſpaͤtern. Mit ſeinem richtigen Verſtande, ſeinen Erfahrungen und Einſichten, ſeinem ſchnel - len Durchblicke unterſtuͤtzte er damals die Vorſte - her der Bruͤderſchaft unermuͤdet, und half ihnen ſo manchen boͤſen Anſchlag gegen dieſelbe verei - teln, ſo manches Hinderniß des Wohlſtandes aus dem Wege raͤumen, ſo manchen Vortheil er - reichen und feſt halten. Die Formen, unter wel - chen die Frei-Maurerei damals ausgeuͤbt wurde, waren nicht ſo beſchaffen, daß ſie ſeinen Verſtandbefrie -193befriedigen, ſein Herz intereſſiren, und ihm den Glauben an eine hoͤhere Realitaͤt der Koͤniglichen Kunſt einfloͤßen konnten. Um ſo geſpannter war ſeine Aufmerkſamkeit, als der allgemeine Wille der Bruͤderſchaft im Jahre 17 eine an - dere Geſtalt und Ordnung der Dinge einzufuͤh - ren begann. Bruder K. ſollte wieder anfangen zu lernen, ſollte dort Realitaͤt anerkennen, wo er bis dahin nur leere Formen gefunden hatte; blinder Glauben und der Autoritaͤt nachbeten, war nie ſeine Sache; er wollte ſehen, pruͤfen, vergleichen; Er forderte Pruͤfung ſeiner Gruͤnde und offene Darlegung der Gegengruͤnde. Die Vorſteher der Bruͤderſchaft fanden daher an ihm bei jeder ihrer neuern Verfuͤgungen einen beherz - ten Gegner; er blieb es aber nur ſo lange, bis er von der Guͤte ihrer Sache uͤberzeugt war, oder wenigſtens ihnen keine Gruͤnde mehr entgegen ſetzen konnte. Dieſes Streben und Entgegenſtre - ben, dieſer Kampf des Verſtandes gegen Verſtand war reichhaltig an Belehrung fuͤr die Bruͤder - ſchaft, gruͤndete die gute Sache feſter, und befoͤr - derte nicht nur die allgemeine Annehmung, ſon - dern bei vielen auch die richtige Erkenntniß der - ſelben. Indeſſen ganz zufrieden war Bruder K. mit der Form der Bruͤderſchaft nie; der Grund davon lag theils darin, daß er ſeine Individuali - taͤt gar zu leicht auf andere uͤbertrug, mithin glaubte, was ſeinetwegen zur Erhaltung der gu - ten Ordnung nicht noͤthig war, waͤre auch fuͤr alle Andere uͤberfluͤßig; theils darinn, daß er denErſtes Baͤndch. N194Werth der Sache beinahe immer von dem Werthe der Perſon abhaͤngig machte. Seine Unzufrieden - heit floß alſo nur aus reinem Irrthume des Ver - ſtandes, nicht aus boͤſer Geſinnung oder Verir - rung des Herzens. Dieß war immer offen, ge - rade, bieder und theilnehmend, und ſo war auch ſeine Maureriſche Laufbahn fuͤr die Bruͤderſchaft fruchtbar an Gewinn.

Bruder S. gehoͤrte zu den wuͤrdigen aͤlteſten Bruͤ - dern dieſer Loge, durch deren tiefe Einſichten in das Weſen der Freimaurerei, reife Erfahrungen und thaͤtige Mitwirkung der gegenwaͤrtige Zuſtand der Bruͤderſchaft einzig und allein herbeigefuͤhrt, begruͤndet und erhalten werden konnte; wie Er dabei dachte und handelte moͤgen uns abermahl ſeine eigenen Worte, als die ſicherſten Buͤrgen fuͤr ſeine Geſinnung, offenbaren. Bruͤder, ſprach er in einer unſerer Verſammlungen, die ihr mit dieſem oder jenem Bruder, mit dieſer oder je - ner Anordnung unzufrieden ſeid; muß man denn gleich zu dem aͤußerſten ſchreiten, alles verach - ten, alles tadeln, gar nichts gut heißen, nie mehr zur Loge kommen oder gar ſeinen Abſchied fordern? Auf was Art und Weiſe ſeid ihr denn von den guten Abſichten der arbeitenden Bruͤder zu uͤberzeugen, oder wie wollt ihr ſie von eu - rem guten Willen uͤberfuͤhren, wenn ihr euch den Arbeiten entziehet; wie wollt ihr von dieſer oder jener vorgefaßten Meinung zuruͤckkommen, wenn195 ihr die thaͤtigen Bruͤder fliehet, Ihr wuͤnſcht gewiß alle, daß das Ganze beſtehe, wie iſt dieß moͤglich, wenn ihr nicht alle Hand anleget, und es nur Wenigen uͤberlaſſet, die Stuͤtzen zu hal - ten? Wie koͤnnt ihr dabei noch ſo unbillig ſeyn, und auch dieſe wenigen verſchreien, wenn ſie ganz andere Maßregeln genommen, als welche euch, ohne Kenntniß der Sache, die richtigen ſchie - nen? Wenn ihr nicht zur Arbeit kommt und eure Gedanken mitgetheilt habt, ſo iſt es eine wahre Ungerechtigkeit, die arbeitenden Bruͤder zu tadeln, bitter zu beurtheilen, und ſie wohl gar uͤberall anzufeinden. Lieben Bruͤder, werft die Feſſeln der Vorurtheile ab, beſonders, da ſeit kurzem mancher Grund dazu ſich nicht mehr vorfindet. Folget meinem gut gemeinten Rath, uͤberleget im Stillen die Beweggruͤnde eurer Entfernung, pruͤfet ſie mit Strenge, fraget euch ernſtlich, ob es eurer Wuͤrde nicht angemeſſener iſt, durch Eifer und Anhaͤnglichkeit das gluͤcklich angefangene Gebaͤude zu unterſtuͤtzen, als das - ſelbe aus Mangel an Bruderliebe und Vertrauen unvollendet einſtuͤrzen zu laſſen, Worte die der reine Abdruck eines rechtſchaffenen Herzens ſind, verfehlen ſelten ihren Zweck; und ſo erklaͤrte ſich denn auch unſer Bruder nie ohne den er - wuͤnſchten Erfolg fuͤr die gute Sache. Man wußte, daß ſeinen Augen vor der Majeſtaͤt derſelben jede perſoͤnliche Ruͤckſicht verſchwand; man war von ſeiner Unfaͤhigkeit, Nebenabſichten unter die Sorge fuͤr das allgemeine Wohl zu verſtecken, gewiß;N 2196man war zum voraus uͤberzeugt, daß er ſo wie er ſprach, dachte und handelte: man hoͤrte ihn mit Achtung und folgte ihm mit Bereitwilligkeit. Die Bruͤderſchaft gewann durch ihn an Wohl - ſtand, Feſtigkeit und Ordnung.

Endlich ſoll ich den Verluſt beſtimmen, den wir Zuruͤckgebliebenen durch das Heimkehren un - ſerer Bruͤder in unſerm gemeinſchaftlichen Wirken erlitten haben.

Die Maureriſche Wirkſamkeit wird hier nur angefangen; dort, wo unſere Bruͤder jetzt ſind, wird ſie raſcher fortgeſetzt und vollendet. Der Tod unterbricht zwiſchen den Zuruͤckgebliebenen und Heimgekehrten nur die Erſcheinung des Wir - kens, nicht die moraliſche Wirkſamkeit ſelbſt; dieſe iſt eben ſo hoch uͤber den kleinen Raum zwiſchen der Wiege und dem Sarge erhaben, als die mo - raliſche Welt unendlich uͤber denſelben ausgedehnt iſt. So viel alſo unſer Herz und unſere geſelligen Kreiſe durch das Verſchwinden unſerer geliebten Bruͤder an Genuß und Freude verlohren haben: ſo iſt fuͤr unſer gemeinſchaftliches, nicht fuͤr die Zeit, ſondern fuͤr die Ewigkeit berechnet es, nicht auf dieſe Sinnenwelt beſchraͤnktes, ſondern auf eine hoͤhere Welt hingerichtetes, moraliſches Wir - ken, ihr Hinſcheiden in das Reich des Lichtes und der Erkenntniß, mehr ein Gewinn als ein Verluſt. Die Verklaͤrten haben, zu der Aufnahme von Maͤnnern ihre Zuſtimmung gegeben, an de -197 nen Wahrheit und Recht, Ordnung und Geſetz nicht minder aufrichtige Verehrer nnd beherzte Vertheidiger finden werden. Sie aber werden dort fortſchreiten an Erkenntniß und Liebe des Wahren und des Guten; ſie werden mit Se - gen uͤber uns die Fruͤchte unſerer Maureriſchen Wirkſamkeit aufnehmen, und uns den Genuß derſelben vorbereiten. Sie werden die Bluͤthen unſeres Glaubens in Fruͤchte des Wiſſens und Erkennens verwandeln; ſie werden dort fortſetzen und ausbilden, was wir hier, in die Grenzen der Sinnlichkeit eingeſchloſſen, unvollendet und un - vollkommen laſſen muͤſſen.

Wollen wir in heiliger Verbindung mit ih - nen bleiben, ſo ſei uns ihr Andenken ehrwuͤrdig. So wie ſie jetzt ununterbrochen und der Gewalt der Sinnlichkeit entbunden, dort im Reiche des Lichtes zur Vollendung fortſchreiten, ſo ſollen ſie uns hier als Vorbilder vorſchweben, wenn Pflicht uns ruft, wenn Leidenſchaft und Willkuͤhr von der graden Bahn der Geſetzmaͤßigkeit uns abfuͤh - ren wollen. Sie ſind nun von den Irrthuͤmern des Verſtandes befreyet, an denen wir hienieden noch oft kraͤnkeln. Wollen wir uns mit Recht Bruͤder der Verklaͤrten nennen, ſo laſſet uns ar - beiten, daß wir der Offenheit, Aufrichtigkeit und Rechtſchaffenheit ihres Herzens gleich kommen.

Ich ſetze nichts hinzu, gel. Br.! Du wirſt des Stoffs zum Nachdenken in dieſem trefflichen Vortrage genung gefunden; du wirſt dir ein voll -198 ſtaͤndiges, ſcharf abgeſchnittenes Bild von den drei verewigten Bruͤdern, ohne ſie ſelbſt perſoͤnlich ge - kannt zu haben, in deiner Seele entworfen, du wirſt die Kunſt der Menſchenkenntniß, die Deli - kateſſe in der Menſchenbeurtheilung und zugleich die Achtung fuͤr Menſchenwerth und die Grenzen menſchlicher Einſicht, erkannt und bewundert und fuͤr deine eigne Menſchenkenntniß viel gewonnen haben. Es iſt ein Muſter, welches der wuͤrdige Redner der Bruͤderſchaft gegeben hat, und wel - ches die Bruͤderſchaft der Welt giebt, denn nur in ihrem Schooße konnte ſich ein ſolches Muſter erzeugen. Moͤchten ſo alle Lo - gen ihre verſtorbenen Bruͤder wuͤrdigen und feiern!

M.

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6. Johann Joachim Chriſtoph Bode.

Wenn es unſere Pflicht iſt, das Andenken derer zu feiern, die ſich um den Orden verdient machten, ſo muͤſſen wir zuerſt des Mannes gedenken, der (wie Herder von ihm ſagte) mit dem Kopfe eines Mannes und dem Herzen eines Kindes auch ihn umfaßte, fuͤr ſeine Reinigung und Ver - beſſerung raſtlos arbeitete, und durch Rath und That auf eine große Anzahl von Bruͤdern einen wohlthaͤtigen Einfluß hatte. Niemand kannte die ſpecielle Geſchichte des Ordens beſſer, als er, kein Privatmann war je mit einem ſo reichen Archive verſehen, niemand war thaͤtiger, ſeine Kenntniſſe zu vermehren und ſich ſeltene und koſtbare Quellen des Wiſſens zu eroͤffnen. Er war einer der thaͤ - tigſten Befoͤrderer des neueingefuͤhrten Syſtems, ſo lang er an ſeine Realitaͤt glaubte; er ward ſein ruͤſtigſter Zerſtoͤrer, als er dieſen Glauben aufge - geben hatte. Ob er uͤberhaupt bis zur wahren Hoͤhe des Ordens-Zwecks gedrungen ſey, ob er ſich nur begnuͤgt habe, die Hiſtorie zu ergruͤnden200 und ſeine daruͤber aufgeſtellte, ſehr ſcharfſinnige Hypotheſe zu befeſtigen, das wiſſen wir nicht: aber das wiſſen wir, daß er ſich mit aller Kraft und auf mannigfachen Wegen dem eingeſchlichnen Aberglauben, dem Pfaffenthum, der Geiſterſeherei und allen dieſen klaͤglichen Verirrungen des menſch - lichen Geiſtes und des ehrw. O. widerſetzte und dieſe uͤppig aufgeſchoßne Hyder bis in ihre letzten Schlupfwinkel verfolgte.

Seine Lebensgeſchichte iſt ſonderbar (noch ſonder - barer iſts, daß dies der Fall bei den meiſten Lebens - geſchichten merkwuͤrdiger Maͤnner im O. iſt). Sie iſt noch ſehr wenig bekannt; in der Denkſchrift auf ihn, (die wir zugleich benutzen wollen) iſt ſie nur mit einigen, obgleich kraftvollen Strichen bezeichnet. Wir geben die folgenden Beitraͤge, die wir aus dem Munde eines ſeiner alten Be - kannten erhalten haben, und die manche indivi - duelle Zuͤge liefern, mehr, mit dem Wunſche an ſeine noch lebenden Freunde, ſie zu vermehren und (wo es noͤthig ſeyn ſollte) zu berichtigen, als in der Meinung, etwas Vollſtaͤndiges und Be - friedigendes uͤber ihn zu liefern.

Er ward 1730 den 16. Januar bei Braun - ſchweig in der Huͤtte ſeines Vaters, der Hand - langer bei der Ziegelbrennerei war, gebohren. Als er etwas erwachſen war, nahm ihn ſein Groß - vater auf einem benachbarten Dorfe zu ſich und lies ihn ſeine Schafe huͤten. Aber man ſchalt ihn ungelehrig (ſagt die Denkſchrift) weil er zu ehrgeizig war, um Anſtelligkeit zur Landarbeit zu201 zeigen. Man ſchickte ihn in die Stadt zuruͤck, weil man verzweifelte, einen guten Bauer aus ihm zu ziehen. Was er Jahre lang von ſeiner frommen Mutter gebeten hatte, ward ihm gewaͤhrt. Er kam in die Lehre zu dem Stadt-Muſikus W. in Braunſchweig, wo er ſechs traurige Lehrjahre auszuſtehen hatte.

Auch hier zog er ſich den Vorwurf der Untaug - lichkeit zu, und ſein Lehrmeiſter empfahl ihn nach der Lehrzeit an das hannoͤveriſche Regiment Prinz Karl, welches zu Stade in Garniſon lag. Dort erſt entwickelten ſich ſeine muſikaliſchen Talente; er uͤbte ſich unermuͤdet, beſonders auf Inſtrumen - ten, zu denen er als Hautboiſt nicht verpflichtet war, und bildete ſich bald zum Virtuoſen. Auch verheuratete er ſich hier zum erſtenmale.

Auf einer Reiſe nach Hamburg kam er zufaͤl - liger Weiſe in die Bekanntſchaft des Syndicus Schubak, eines ſehr gebildeten Mannes und eines Freundes der Muſik. Dieſer veranſtaltete zu ſeiner Unterſtuͤtzung ein Concert, worinn er ſich produci - ren ſollte. Da dies in der Regimentsuniform nicht wohl geſchehen konnte, ſo borgte er ſich einen Rock von Bruͤſſeler Kammelot mit Aufſchlaͤgen von drap d argent und eine dergleichen Weſte vom Kleider - ſoͤller, und ſpielte vortrefflich. Das ſieht man ſchon aus dem Rocke, antwortete S., daß er ein Virtuos iſt als ihn Schubak gefragt hatte: Wie er ihm gefiele?

Er ward bekannt in Hamburg und glaubte hier ſein Fortkommen zu finden. Daher nahm er202 den Abſchied vom Regimente, zog nach Hamburg, gab Muſikſtunden und fing an ernſtlich zu ſtudiren. Beſonders ſchnelle Fortſchritte machte er in den neueren Sprachen.

Seine Liebe zu den Wiſſenſchaften erweckte in ihm den Wunſch, ſich ihnen auf einer Univer - ſitaͤt ganz zu widmen. Sein Goͤnner und Freund veranſtaltete es, daß er nach Helmſtaͤdt gehen konnte. Frau und Kinder nahm er mit, ließ ſie aber auf einem Dorfe bei der Stadt, und beſuchte ſie nur alle Sonnabend. Er ernaͤhrte ſich und die Seinen groͤſtentheils durch Muſikſtunden die er gab. *)Nach der Denkſchrift fuͤhlte er in Helm - ſtaͤdt zuerſt das Beduͤrfniß der Wiſſenſchaften, auch ſagt ſie nichts von ſeinem fruͤheren Aufenthalt zu Stade und Hamburg.Der edle Stockhauſen, ſagt die Denkſchrift, ward ſein Lehrer, Rathgeber, Freund; Helmſtaͤdt die Saͤugamme ſeines wißbegierigen Geiſtes.

Eben dieſe Schrift faͤhrt fort mit einer Nach - richt, von der unſere Traditionen ſchweigen: Den in Braunſchweig Verkannten nahm Celle auf; was Helmſtaͤdt angefangen hatte, vollendete Celle. Frankreichs, Italiens und Brittaniens Sprachen oͤffneten dem Durſtigen nie verſiegende Quellen; arbeitſam durchwachte Naͤchte lehrten ihn die Schaͤtze ſeiner Mutterſprache finden, und bereite - ten, was er ſelbſt nicht ahnete, den Schriftſteller der Nation. Celle horchte mit Wohlgefallen ſei -203 ner Muſik, wenn er bei Schulfeierlichkeiten den ernſten Muſen die hold, zaͤrtlich-verſchwiſterte Ton - kunſt zufuͤhrte.

Bode ging nach Hamburg zuruͤck, und gab Unterricht auf der Floͤte, Violine, dem Klavier und in der franzoͤſiſchen Sprache. Frau und Kin - der waren geſtorben. In dieſer Zeit fing er an, die Engliſche Sprache zu ſtudieren. Sein heitrer Genius zauberte in ſeinen Geſellſchaften die Froͤh - lichkeit um ihn her; ſeine Genialitaͤt verſchmaͤhte die Genauigkeit im Verhaͤltniſſe zwiſchen Einnahme und Ausgabe. Mehrere tauſend Mark Schulden ſetzten ihn in nicht geringe Verlegenheiten.

Ein nuerwarteter Zufall riß ihn heraus. Fuͤr den jungen Grafen Schimmelmann ward ein Hofmeiſter geſucht, der ihn auf Reiſen begleiten ſollte. Bode ward dazu vorgeſchlagen; er nahm es an und gab ſeine Informationen auf. Die ihm beſtimmte Stelle erhielt aber ein Hr. v. P l, und er ward durch 1000 daͤniſche Dukaten ent - ſchaͤdigt.

Seine engliſche Sprachkunde brachte ihn in die Bekanntſchaft eines vornehmen Hauſes in Ham - burg. Er gewann die Liebe einer reichen Erbin; ohngeachtet aller Anſtrengungen ihrer Familie heu - rathete er ſeine zweite Frau, und verſchmaͤhte die 2000 Dukaten, die man ihm, im Fall ſeines Ab - ſtehens, geboten hatte.

Obgleich ſeine Gattin ein Vermoͤgen von 100000 Mk. hatte, ſtudierte und arbeitete er doch ſo fort, als wenn er keinen Pfennig gehabt haͤtte. In204 dieſer Periode uͤberſetzte er den Triſtram Shandy, lernte ſpaniſch, und verdeutſchte den Gil Blas.

Nach etwa zwei Jahren einer gluͤcklichen Ehe ſtarb ſeine Gattin an den Folgen eines Sturzes vom Pferde. Er war ihr Univerſalerbe, gab aber der Familie den groͤßten Theil ihres Vermoͤgens zuruͤck.

Ein Verdruß, den er mit ſeinem Verleger hatte, gab ihm Gelegenheit, eine eigne Buchdruckerei an - zulegen, in welcher er unter andern den Wands - becker Boten druckte.

Auch ſeine dritte Ehe mit der Tochter des Buchhaͤndler Bohn, ward bald durch den Tod getrennt.

In ſchneller Aufeinanderfolge, ſagt die Denk - ſchrift, ward der arme eingewanderte Buͤrger, Buchdrucker, Buchhaͤndler, Schriftſteller, Vorſte - her eines zahlreichen zu edlen Zwecken verbruͤderten Bundes, Rathgeber, Freund, Liebling der Edlen Hamburgs. So verlebte er zwanzig thaͤtige Jahre.

Raſtlos arbeitete er in der Maurerei, die ſeine Aufmerkſamkeit erweckt hatte und verdiente. Von ſeiner beſonderen Thaͤtigkeit zeigen die Reiſen, die er, allein um ihrentwillen, nach Paris, Leip - zig u. a. O. machte.

Ueber ſeine Reiſe nach Paris ſagt der Recenſ. von Mounier’s Buche de l influence attribuée aux Philosophes, aux francs Maçons, et aux Illumi - nés sur la revol. de Fr. A. L. Z. n. 344. 1801.

Die Verbindung der Illuminaten mit den205 Jacobinern in Paris, iſt ein abgeſchmacktes Hirngeſpinſt. Bode und Buſch reiſten nach Paris im J. 1787, als der Illuminanten - Orden ſchon voͤllig getrennt war, zufolge ei - ner Einladung der Loge des Philathes an die deutſchen Frei-Maurer, um ihnen zur Entdeckung des Urſprungs der Freimauerei zu helfen. Bode mag vielleicht der Illuminaten hier in der Abſicht erwaͤhnt haben, um die Geſinnungen der Mitglieder der Loge zu erfor - ſchen; aber er dachte nicht daran, Proſelyten zu machen; vielweniger nahmen die Pariſer Logen das Illuminaten-Syſtem an, das kei - neswegs in ihrem Geſchmacke war. Bode hielt ſich auch nur einige Wochen in Paris auf und aͤußerte bei ſeiner Zuruͤckkunft Miß - vergnuͤgen uͤber ſeine Verhaͤltniſſe mit den dortigen Frei-Maurern.

An der deutſchen Union nahm er ſo we - nig Theil, daß er vielmehr in der bekannten, aber anonym herausgegebnen Schrift Mehr Noten als Text den Plan angriff und in der Geburt vereitelte.

Seine Bekanntſchaft mit der Graͤfin v. Bern - ſtorff ward innige Freundſchaft. Ihr folgte er nach Weimar, in den Kreis der auserwaͤhlteren Lieblinge der Muſen.

Hier, in wohlthaͤtiger Unabhaͤngigkeit, pfluͤckte er die lieblichſten Bluͤthen des Geiſtes fremder Na - tionen und band ſie zum Kranze fuͤr ſein Vater - land; wirkte in ſtiller Thaͤtigkeit fuͤr Tugend, Auf -206 klaͤrung und Menſchenwohl; griff, wo die liebreiche Warnung nicht fruchtete, nach der Geißel des Spotts; entlarvte die Gaukler und Betruͤger; ſprach, ſchrieb und reiſete zur Ausbreitung des Reiches der Wahrheit.

Seine literariſchen Arbeiten, wodurch er fuͤr eine zahlreiche Schriftſteller-Klaſſe Muſter und Vorbild geworden iſt, waren ihm nur Nebenge - ſchaͤft und Spiel muͤßiger Stunden. Arbeit war ihm die Auffindung verborgener Lehre, und die Verkuͤndigung der aufgefundenen durch Wort und Schrift. Nie hatte er vom Staate ein Amt be - gehrt, ſtets das ihm angetragne verbeten. Aber er hatte ſich ſelbſt ein Amt geſchaffen. Feind aller hierarchiſchen Taͤuſchung*)Unterrichtete Maurer werden dieſen Ausdruck in Bezug auf Bode verſtehen. und aller im Dun - keln ſchleichender Geheimnißjagd, blieb er dreyßig Jahre der unbeſtochne, unerſchuͤtterliche Prediger der aus den Irrgaͤngen des betrogenen Betrugs hervorgegrabenen Wahrheit. Mit kraftvoller Hand zerbrach er die Goͤtzen, vor welchen tauſend Leicht - glaͤubige die Kniee beugten, achtete weder das Kraͤchzen der Raben, noch den Grimm der Adler, die am Raube ſich weideten; geißelte die Bosheit, belehrte die Schwachheit. Was er zertruͤm - merte, wird keine Gewalt ergaͤnzen, keine Liſt wieder umſchmelzen koͤnnen. Eingeſunken ſind die mitternaͤchtlichen Hallen der truͤgeriſchen Geheimniſſe. Amen!

Er ſtarb den 13. December 1793.

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7. Reden und Gedichte.

a Klugheit und Gerechtigkeit, die Grundfeſten einer Loge. Eine Vorleſung. vom Br. Feßler. Vorgetragen den 15. Juni 1800.

Zum zweiten Mahle, meine Bruͤder, feiern wir den großen Tag, deſſen Andenken uns Allen in eben dem Verhaͤltniſſe erfreulich ſeyn muß, in dem jedem unter uns ſeine Wuͤrde als Maurer heilig iſt. Dieſen Augenblick habt ihr die Ge - ſchichte dieſes Tages gehoͤrt: es war zugleich die Geſchichte Eures feſten und freien Maurer-Sin - nes, es war die Geſchichte des herrlichſten Sie - ges nach einem Kampfe, der mit der hoͤchſten Anſtrengung vereinigter Kraͤfte gefuͤhrt, und mit unerſchuͤtterlicher Standhaftigkeit ausgehalten wor - den war. Die Feier dieſes Tages, die Feier die - ſes Sieges iſt unſerm edlern Selbſtgefuͤhle ganz208 vorzuͤglich nahe gelegt; denn wir ſind es, die fuͤr die Aufſtellung und Begruͤndung des hoͤhern Ordens-Verhaͤltniſſes gekaͤmpft haben, welches der Reinheit und Rechtlichkeit unſers maureriſchen Syſtems angemeſſen, welches der Kraft und der Wuͤrde der meiſten Mitglieder unſers Bruder - Bundes geziemend war. Wir ſind noch hier; nur wenige Mitgenoſſen unſerer Arbeit und unſe - res Kampfes ſind ihrer Vollendung naͤher geruͤckt. Aber auch wir Zuruͤckgebliebenen werden heim gehen: Wird dann das Werk, das wir ge - baut haben, noch ſtehen? Werden auch unſre Nachkommen mit Segnung unſe - res Namens dieſen Tag noch feyern? So, meine Bruͤder, fragte ich heute vor einem Jahre; und Euer ungetheilter Beifall ward mir, als ich mit Ja, antwortete: wenn wir den Muth haben, uns in unſerer wahren Ge - ſtalt zu ſehen, und das feine Gewebeder Selbſttaͤuſchung zu zerreißen; wenn wir redlich genug ſind, uns ſelbſt zu geſtehen, daß wir bis jetzt nur aufgeſtellt haben, was wir ſeyn ſollen, nicht was wir ſind.

Werden auch unſere Nachkommen dieſen Tag noch feyern? So frage ich heute wieder auf dieſer heiligen Staͤtte, nachdem die Arbeiten eines Jahres unſer Werk dem Ziele der Vollkom - menheit naͤher gebracht haben. Sie werden ihn mit ſegnendem Andenken unſerer Verdienſte feyern, und unſer Werk wird beſtehen, ſo lange Klugheit die Maßregeln zurErhal -209Erhaltung deſſelben erfindet. Unſer Werk wird beſtehen, ſo lange Gerechtig - keit die Ausfuͤhrung der erfundenen Maßregeln leitet.

Der Weiſe der Ideenwelt weiß, wie Alles ſchlechthin ſeyn ſoll: der Weiſe der wirklichen Welt uͤberſchaut in dem Lichte ſeines Ideals, wie Alles dem gegebenen Stoffe gemaͤß allmaͤhlig werden kann, und nimmt aus dem Heiligthume der Klugheit, was das ausgedehnte Reich der ſtrengen Spekulation nicht geben kann. Der Erſtere loͤſt Geſellſchaften auf, wenn er ſie zu ſich hinaufreißen will: der Letztere bildet und befeſtiget ſie, wenn er Reſignation genug beſitzt, ſie mit ſeiner Kraft nur unterſtuͤtzen zu wollen. Die Erfindungen der Klugheit werden in der Ausfuͤhrung zu elenden Raͤnken einer gemeinen Seele, wenn die Ausfuͤhrenden den Maßſtab der Gerechtigkeit zerbrechen: die Herrſchaft der Ge - rechtigkeit wird erniedrigender Zwang, wenn der gerechte Mann die Fackel der Klugheit von ſich wirft. Raͤnke und Zwang muͤſſen nothwendig ein Werk zerſtoͤren, welches nur durch die Wirk - ſamkeit freier Kraͤfte entſtanden iſt, nur durch die Selbſtthaͤtigkeit freier Kraͤfte beſtehen kann.

Unſer Werk alſo wird beſtehen, ſo lange Klugheit die Maßregeln zur Er - haltung deſſelben erfindet.

Wenn ich von dieſer heiligen Stelle zu Euch, Geweihte der Wahrheit, von Klugheit ſpreche, und die feſte Fortdauer des maureriſchen SyſtemesErſtes Baͤndch. O210der Großen Freym. Loge R. Y. z. Freundſchaft nur von den Maßregeln derſelben abhaͤngig erklaͤre, ſo kann wohl nicht die Rede ſeyn von dem Sy - ſteme jener vorſichtigen, wohlberechneten Betruͤge - rei, durch welches der gewandte Kluͤgling die Menſchen zur freiwilligen Befoͤrderung ſeines Ei - gennutzes fortzieht. Verſchlagenheit, Schlauheit, Liſt und Tuͤcke ſind das unzertrennliche Gefolge dieſer Afterklugheit, die nur dem Feigen und Nichtswuͤrdigen geziemt, der die beherzte Offen - heit erſt betruͤgen muß, um ſie zur Dienerin ſei - ner niedrigen Abſichten herab zu wuͤrdigen. Fern ſei von dem Heiligthume der Maurerei alles ſchein - bar Gute und Nuͤtzliche, was nur ſo bewirkt werden koͤnnte! Ich ſpreche von der aͤchten Klug - heit des Maurers, welche ihn die Menſchen ſo behandeln lehrt, daß ſie ſich mit freiem Willen und vernuͤnftigem Vertrauen zur Befoͤrderung moraliſcher Zwecke hingeben. Sie iſt die groͤßte aͤußere Kultur, die hoͤchſte Stufe der reinmenſch - lichen Bildung, das untruͤgliche Certifikat des Berufes, auf freie Menſchen zu wirken, und menſchliche Anſtalten ſicher und gewiß zu ihrem Zwecke zu leiten.

Dieſe aͤchte Klugheit giebt dem Maurer die Wagſchale der Ueberlegung in die Hand, um den Zweck ſeiner Handlungen mit der Zulaͤſſigkeit, Tauglichkeit und Wirkſamkeit der Mittel gegen einander abzuwiegen. Sie leihet ihm das Fern - glas der Vorſichtigkeit, um alle Hinderniſſe und Folgen ſeiner Entwuͤrfe ſchnell und beſtimmt211 zu erforſchen. Sie verſieht ihn mit dem Richt - ſcheit der Behutſamkeit, um alles Zweckwi - drige in ſeinen Anordnungen oder Handlungen zu bemerken. So ausgeruͤſtet tritt er auf und handelt: kein Schein, kein Glanz blendet ſeinen praktiſchen Beobachtungs-Geiſt; keine Furcht, kein Erſtaunen, keine Begierde, kein Unmuth reißt ihn aus dem Zuſtande der klarſten Beſon - nenheit. Weniger mit ſeinen eigenen Ideen und Entwuͤrfen, als mit der wirklichen Lage der Dinge beſchaͤftigt, ergreift und bemaͤchtigt er ſich des Sichtbaren und Gegenwaͤrtigen, ohne das Un - ſichtbare und Zukuͤnftige ſeinem Blicke entſchwin - den zu laſſen. Er haͤlt es fuͤr die Energie einer edeln Seele, ſich uͤber die immer kraͤnkelnde Wirk - lichkeit zu erheben, und ſich Ideale des unbedingt Guten und ſchlechthin Großen zu ſchaffen. Er haͤlt es des Weiſen wuͤrdig, in einſamen und Geſchaͤfts-leeren Stunden ſich an der Beſchauung ſelbſtgeſchaffener Ideale zu weiden; aber er iſt zu ernſthaft und zu weiſe, um gegen die Unmoͤg - lichkeit zu kaͤmpfen, und dem gegebenen, tauſen - derlei Bedingungen unterworfenen Stoffe ſeine Ideale auch nur Theilweiſe aufflicken zu wollen. Pflegen, Bilden und Erhalten, nicht Zerſtoͤren und Schaffen iſt ſein Geſchaͤft. Das goldene Zeit - alter der allgemein herrſchenden Weisheit iſt das Ziel ſeiner Wuͤnſche, die Sehnſucht darnach be - zeichnet ſeine ganze Handlungsweiſe; aber wenn das ſtolze Kind ruft: mach mich zum Schoͤp - fer deines Reiches! betet er nur mit maͤnn -O 2212licher Ergebenheit: Dein Reich komme zu uns. Ihm genuͤgt es, wenn man ſich unter ſei - ner Leitung, doch ſelbſt gehend, auch nur kurzen Schrittes demſelben naͤhert.

Hier ſteht das Bild des aͤcht klugen Maurers, freilich nur in einigen Hauptzuͤgen, fluͤchtig hin - gezeichnet, doch kennbar genug, um auf die Wirk - ſamkeit der Maßregeln zu ſchließen, welche er zur Erhaltung unſeres Werkes erfinden wird. Er wird unſere Kraͤfte wecken, und die freien Regun - gen derſelben durch Herbeiſchaffung der mannig - faltigſten Umſtaͤnde beguͤnſtigen; der unkluge Mau - rer wird ſie erſticken, und uns unter dem zerſtoͤ - renden Spiel ſeiner uͤberſpannten Kraft vernich - ten. Der Erſtere wird die verſchiedene, jedem unter uns eigenthuͤmliche Handlungsweiſe in Har - monie zu bringen, und zum Zwecke des großen Ganzen zu benutzen wiſſen; der Letztere wird die ihm eigenthuͤmliche Handlungsart fuͤr die ſchlecht - hin richtige erklaͤren, wird ſie uns aufdringen, und uns aus Perſonen in Sachen verwandeln wollen. Jener wird unſern Verſuchen im Hin - aufklettern zu den Hoͤhen der Weisheit mit fro - hem wohlwollenden Lacheln zuſehen; Dieſer kann uns nur mit ernſter, ſteifer, pedantiſcher Miene jetzt rechts, dann links befehlen, oder mit eitler Selbſtgenuͤgſamkeit unſeres noch ſchwachen Vermoͤgens ſpotten. Der Erſtere wird vor dem Opferaltare der Weisheit das Gold annehmen, welches die wenigen Auserwaͤhlten unter uns der Goͤttin darbringen konnten, ohne das Silber213 oder Kupfer zu verachten, welches wir uͤbrigen unſerer duͤrftigen, doch muͤhſam erworbenen Habe entzogen haben. Er weiß, wozu jedes zu brau - chen iſt, und wird, großherzig, jedes an ſeinem Orte zum Schmucke oder zum Nutzen des Hei - ligthumes anwenden. Der Letztere wird haſtig nach dem Golde greifen, und, von dem Glanze deſſelben bezaubert, unſer Silber und Kupfer fuͤr elende Kothklumpen erklaͤren, und ſie wegwerfen. Jener wird uns belehren, ohne uns unſere Unwiſſenheit oder unſern Irrthum vorzuwerfen, oder uns mehr als einen theilnehmenden Freund in ſich ahnden zu laſſen. Dieſer wird mit der Forderung, ſeine Ueberlegenheit anzuerkennen, anfangen, mit Vorwuͤrfen der Unwiſſenheit und des Irrthumes fortfahren, und mit verachtender Zurechtweiſung endigen. Wir werden dieſen fliehen: entruͤſtet uͤber ſeine abgewieſenen Forde - rungen, wird er ſich zuruͤckziehen, und uͤber un - ſere Verderbtheit klagen. Um jenen werden wir uns ſammeln, unſer Herz jeder ſeiner Einwir - kungen oͤffnen, ihn lieben, und ihm die Beloh - nung ſeiner Selbſtverlaͤugnung in der unaus - loͤſchlichen Erkenntlichkeit einer ſchoͤnen Seele dar - bringen.

So lange alſo noch mehrere ſo aͤcht kluge Maurer unter uns und unſern Nachkommen leben, ſo lange wir und die Erben unſerer Arbeiten ihnen mit Achtung begegnen, und mit edlem Vertrauen ihnen die Leitung unſerer Angelegen - heiten uͤbertragen, ſo lange wir und die uns fol -214 genden Diener dieſes Heiligthumes nur ſelbſt faͤhig ſeyn werden, den Werth der aͤchten Klug - heit anzuerkennen, ſo lange es unſern im Lichte des fl. St adoptirten Soͤhnen und Enkeln gluͤckt, ſolche Repraͤſentanten und Vollzieher des Geſetzes zu waͤhlen, wie diejenigen ſind, zu wel - chen ich vorzuͤglich ſpreche, und die gegenwaͤr - tig dies Heiligthum erleuchten, waͤhrend die Bruͤder zum Zwecke des Ordens arbeiten: ſo lange wird ein dicht geſchloſſener Kreis wuͤrdiger Mau - rer in dieſem Tempel unverruͤckt ſtehen bleiben; Liebe, Thaͤtigkeit und Selbſtbeherrſchung werden den Mittelpunkt ausmachen, aus dem ſich alles zu einem weiſen Zuſammenhange, zu einer feſten Eintracht, und zu einer ſchoͤnen Ueber - einſtimmung vereinigen ſoll. So lange wird un - ſer Werk fortdauern, denn aͤchte Klugheit wird immer die Maßregeln zur Erhal - tung deſſelben erfinden. Aber die Erfin - dungen der Klugheit werden in der Ausfuͤhrung zu elenden Raͤnken einer gemeinen Seele, wenn die Ausfuͤhrenden den Maßſtab der Gerechtigkeit zerbrechen. Unſer Werk alſo wird beſte - hen, ſo lange Gerechtigkeit die Ausfuͤh - rung der erfundenen Maßregeln leitet.

Was Einer oder Wenige zur Erhaltung unſers Bundes erfinden, ſoll immer von Mehrern oder von Allen ausgefuͤhrt werden, und dieſe Ausfuͤh - rung frommet dem Ganzen nur dann, wenn ſie von der Gerechtigkeit geleitet wird. Wenn alſo auch Eure und Eurer Nachkommen Wahl zu215 Vorſtehern und Bundeswaͤchtern, uͤberall nur den aͤcht klugen Maurer trifft, ſo iſt immer noch we - nig oder gar nichts geſchehen, wenn Eure und Eurer Nachkommen Gerechtigkeit die Gewaͤhlten nicht unterſtuͤtzt, und ihnen die Erfuͤllung ihrer Pflicht moͤglich macht. Man kann Niemanden ſagen, ſey klug! als dem, der es ſchon iſt. Na - tur, Gluͤck und Verdienſt muͤſſen ſich zu Gunſten desjenigen vereinigt haben, der mit Recht den Nahmen eines aͤcht klugen Mannes fuͤhrt. Man kann aber jedem ſagen, ſei gerecht, denn er darf nur ernſtlich wollen, und er iſt es.

Die Gerechtigkeit welche zur Erhaltung aller Geſellſchaften unentbehrlich iſt, beſteht in der Faͤ - higkeit und Bereitwilligkeit, jedem das Seinige zu geben: ſie muß der Beurtheilung, der Wuͤrdigung und der Behandlung Anderer die Form geben. Sie muß gerade in der Geſell - ſchaft der Maurer, der es an allen Zwangsmit - teln fehlt, zum uͤberall thaͤtigen Lebensprincip er - hoben werden.

Ich fordere daher als unerlaͤßliche Bedingung der Fortdauer unſers Bundes Erſtens Gerechtig - keit in der Beurtheilung derjenigen, die ihre Kraͤfte mit den unſrigen zur Erhaltung des Ganzen vereinigen ſollen. Dieſe Beurtheilung erſtreckt ſich auf ihre Faͤhigkeiten und Kraͤfte, auf ihre Maximen, Abſichten, Aeußerungen und Hand - lungen. Jede Ungerechtigkeit, die in Beurtheilung derſelben begangen wird, untergraͤbt allmaͤhlig die Grundfeſten unſers Werkes, und bereitet die ge -216 wiſſe Aufloͤſung deſſelben vor. Ungerechte Beur - theilung der Faͤhigkeiten und Kraͤfte Anderer be - wirkt diejenige Zuruͤckſetzung, durch welche ſo man - cher beſcheidene und doch kraftvolle Mann in das Dunkel der Unthaͤtigkeit verwieſen, und der guten Sache an ihm eine maͤchtige Stuͤtze entzogen wird.

Ungerechte Beurtheilung der Maximen, Ab - ſichten, Aeußerungen und Handlungen begruͤndet in dem Beurtheiler erniedrigendes Mißtrauen, und rechtfertigt in dem Beurtheilten die Verach - tung. Der rechtſchaffene, kraftvolle Mann giebt ſich mit edler Offenheit und ohne Eigennutz den Dienſten anderer hin. Die Region, in der er lebt, und aus der er wirkt, iſt zu hoch, als daß der Opferrauch des Dankes zu ihm hinaufſteigen koͤnnte. Mit voͤlliger Verzichtleiſtung auf Dank findet er ſeine Belohnung in dem Bewuſtſeyn, Menſchen ſich hingegeben zu haben, die ſeiner wuͤrdig ſind. Nur Ungerechtigkeit nennt er Un - dank, und empfindet denſelben weniger in Bezie - hung auf ſich, als um derentwillen, denen er dienen ſoll, und denen er nur unter der Bedin - gung, ſie achten zu koͤnnen, dienen darf. Da aber Ungerechtigkeit von der einen Seite noth - wendig von der andern Verachtung erzeugt, ſo wuͤrde ungerechte Beurtheilung der Maximen, Abſichten, Aeußerungen und Handlungen immer gerade die wuͤrdigſten und kraftvolleſten Mitar - beiter von uns entfernen, und unſer Werk in ſei - ner eigentlichen Grundfeſte zerſtoͤren.

Ich fordere als unerlaͤßliche Bedingungen der217 Fortdauer unſeres Bundes Zweytens: Gerech - tigkeit in der Wuͤrdigung des Verdien - ſtes derjenigen, die ihre Kraͤfte mit den unſrigen zur Begruͤndung und Erhaltung des Ganzen ver - einiget haben.

Die vorzuͤglichen Quellen, aus welchen die Ungerechtigkeit in der Wuͤrdigung des Verdienſtes fließt, ſind: Ueberſchaͤtzung ſeines verdienſt - loſen Selbſtes; entſchiedene Vorliebe fuͤr das Neue; einſeitige Anhaͤnglich - keit an das Außerordentliche und Glaͤn - zende. Der verdienſtloſe Selbſtling ſieht uͤberall nichts, als ſich. Sein Auge iſt ein erhaben ge - ſchliffenes Glas, welches ihm ſein naͤchſtes Ich unendlich vergroͤßert, aber alles, was in einiger Entfernung vor ihm liegt, unkenntlich macht. Die ganze Welt iſt ihm ein ungeheurer Hohlſpiegel, in dem er nur ſeine eigene Geſtalt groß und ge - rade, alles uͤbrige aber, was uͤber, neben und hinter ihm liegt, verkehrt, verkleinert, verunſtal - tet ſieht. Die entſchiedene Vorliebe fuͤr das Neue wuͤrde die Maurergeſellſchaft einer Klicke aberglaͤubiſcher Moͤnche gleich machen, denen der neue Heilige immer der Heiligſte iſt. Nur ihm erſchallen nun ihre ſchwaͤrmeriſchen Lobgeſaͤnge, nur ihm duftet der Weihrauch ihrer Anbetung; der aͤltere Heilige iſt vergeſſen, Staub und Un - rath decken ſeine Bildſaͤule. Die einſeitige Anhaͤnglichkeit an das Außerordentliche und Glaͤn - zende verraͤth Einſeitigkeit der Bildung und des Charakters. Aus welcher dieſer drei Quellen218 auch die Ungerechtigkeit der Wuͤrdigung des Ver - dienſtes fließen, und durch Ueberſchaͤtzung oder durch Geringſchaͤtzung begangen werden mag, immer ſchreckt ſie den verdienſtvollen Mann zuruͤck, ſchneidet die Sehnen ſeiner Wirkſamkeit ab, macht ſeinen Wirkungskreis zu einem todten un - fruchtbaren Moorgrund, aus welchem ſich nach einem heißen Tage nur des Nachts bisweilen ein Flaͤmmchen empor ſchwingt, welches aber den auf ihm wandernden Fremdling nur irre fuͤhrt.

Ich fordere als unerlaͤßliche Bedingung der Fortdauer unſeres Bundes endlich Gerechtig - keit in der Behandlung derjenigen, die ihre Kraͤfte mit den unſrigen zur Begruͤndung und Erhaltung des Ganzen vereiniget haben.

Jede ungerechte Behandlung erniedriget weni - ger den Behandelten, als den Behandelnden. Un - gerechte Behandlung nenne ich das tuͤckiſche Auf - lauern auf die Worte und Handlungen des Recht - ſchaffenen, und das willkuͤhrliche Deuten derſel - ben. Ferner Schmeicheleien und Vergoͤtterungen, die den Mann, der mit ſeiner Kraft auch ſeine Beſchraͤnktheit fuͤhlt, empoͤren, und die entweder nur von der wirklichen Dummheit des Schmeich - lers, oder von der, bei dem Geſchmeichelten nur vorausgeſetzten Dummheit eingegeben werden kann; Verſagung endlich der Anerkennung des dargeleg - ten Werthes, aus dem armſeligen Grunde, den Mann von Verdienſt nicht eitel, nicht ſtolz zu machen. Die Ungerechtigkeit in der Behandlung219 iſt fuͤr die Erhaltung des Ganzen die nachtheiligſte, gerade weil die gerechte Behandlung durch Erzie - hung, durch Verhaͤltniſſe und durch Umgang mit der Welt zur leichteſten gemacht wird, mithin die Verſagung derſelben immer eine auffallende Be - ſchraͤnktheit des Geiſtes und Niedrigkeit des Her - zens vorausſetzt. Wo aber dieſe die Handlungs - weiſe mehrerer Glieder eines Ganzen beſtimmen, dort iſt der rechtſchaffene kraftvolle Mann ſich es ſelbſt ſchuldig, ſich zuruͤckzuziehen.

So lange alſo der Geiſt der Klugheit die Vorgeſetzten unſers Bundes beleben, und der Geiſt der Gerechtigkeit alle Mitglieder deſſelben beherr - ſchen wird, ſo lange trotzt unſer Werk der Ver - gaͤnglichkeit und der Aufloͤſung. Wir, geliebte Bruͤder, die wir hier in dieſer feierlichen Stunde verſammelt ſind, werden nicht alle auf einmahl heimgehen; die wir zuruͤcklaſſen, werden die Zahl der Aechtklugen vermehren, und die Ihnen an - vertraute Bruͤderſchaft dem Heiligthume einer unbeſtechlichen Gerechtigkeit immer naͤher fuͤhren. Wird der humane Ton unter den Beſſern immer herrſchender, aͤußert ſich die Indignation gegen alles Unſchickliche, Beleidigende, und die Wuͤrde des Maurers Erniedrigende, immer ernſter und edler, ſo iſt es ein gewiſſes Zeichen, daß die Herrſchaft der Klugheit und der Gerechtigkeit feſter gegruͤndet, und unſer Werk, das Syſtem unſers großen Bundes, des Beifalls, der Ach - tung und der Verehrung wuͤrdiger, ſo wie ſeiner Fortdauer gewiſſer geworden iſt. Brruͤder! Ihr220 habt Euern Geiſt der Wahrheit, Euer Herz dem Rechte geweiht, unſer Werk wird beſtehen, denn die Klugheit wird immer die Maßregeln zur Erhaltung deſſelben erfinden, und die Gerechtigkeit wird die Ausfuͤhrung der erfundenen Maßregeln leiten.

II. Rede am letzten Abende des Jahres 1799 in der allgemeinen Verſammlung gehal - ten v. Br. GrR.

So ſtehen wir denn an dem offnen Grabe eines Jahres, wie an dem Grabe eines Koͤnigs, der durch 365 Tage uͤber eine ganze Welt regierte. Sein Lauf iſt geſchloſſen, ſein Scepter zerbrochen, und immer hoͤrbarer toͤnen durch die furchtbare Stille der Nacht, die ermattenden Athemzuͤge des Sterbenden. Angethan mit unſerm Schmuck, erleuchtet von den drei gr. L. ꝛc. wollen wir den Scheidenden, als Maurer begraben.

Wie viel iſt geſchehen, als dieſer Koͤnig regierte! Seinen Namen wird die Geſchichte nicht vergeſſen; unter ihm wird ſie die Staats-Veraͤnderungen ganzer Reiche, die Schickſale ganzer Nationen, die Tode von Tauſenden, die in Einem Tage fielen, den Untergang ganzer Staͤdte, die Ver -221 wuͤſtungen bluͤhender Laͤnder erzaͤhlen. Sei - nen Namen nennen die Jahrbuͤcher der Familien, die Tagbuͤcher der Einzelnen, mit Trauer und Freude. Dort ſteht er unter den Anzeigen vom Tode des Vaters, der der Beſchuͤtzer und Ernaͤh - rer einer großen Familie war; des einzigen Kin - des, das die einzige Freude der Mutter ſeyn ſollte; der Gattin, mit der ihr Freund ſeine ganze Welt begrub: Dort iſt er unter die Anzeigen einer gluͤcklich geſchloſſenen Ehe, der froͤhlichen Ge - burt eines langerſehnten Kindes, unter dem Dank eines durch thaͤtige Menſchlichkeit Geretteten, unter der Urkunde, die dem Talent und der Red - lichkeit Unterhalt, Ehre und zweckmaͤßige Wirk - ſamkeit ſichert, die Jubilaͤen langer, gluͤcklicher Ehen und redlicher Amtsfuͤhrung verzeichnet. Einſt ſpricht noch nach langen Jahren mancher (und ſein Auge glaͤnzt im Feuer der Erinnerung): Im Jahr 1799 ward ich gluͤcklich! Mancher (und ſein Auge fuͤllt ſich mit nie verſiegenden Thraͤnen): Dort ward ich elend!

Welch ein Lebenslauf des Sterbenden! Mit wie viel Verdienſt, mit welchen Seegnun - gen ſeiner Unterthanen, mit welchen Freudenthraͤ - nen ſeiner Kinder geſchmuͤckt: aber auch, mit wel - cher Schuld, mit welchem Jammer, mit welchen Verwuͤnſchungen belaſtet, geht dieſer Koͤnig zu Grabe!

Aber wie? Iſt es denn die Geſchichte eines Fremden, die wir erzaͤhlen, iſt es das Grab eines uns fernen Mannes das gegraben iſt? Nein!222 es iſt unſere Geſchichte, es iſt unſer Grab! Wir uͤbergeben unſer Schickſal, unſer Verdienſt, und unſre Schuld, unſere Freude und unſern Jammer von 365 Tagen der Nachwelt; fuͤr uns ſchließt die Vergangenheit ihr ehernes Thor, un - ſere Rechnung der Ehre und der Schande, des Verdienſtes und der Schuld, des Gluͤcks und des Ungluͤcks, fuͤr einen langen Zeitraum, iſt in dem Buche des Ewigen geſchloſſen, und wir ſind (nichts iſt gewiſſer) um ein Jahr dem Tode und dem gaͤnzlichen Abſchluſſe unſerer irdiſchen Rechnung naͤher geruͤckt.

So ſtehen wir denn hier auf dem ernſten Standpunkte zwiſchen Vergangenheit und Zukunft. So feſſelt das tiefe Grab unſern Blick, das bald verſchuͤttet wird, um dicht neben dem aufgeworfe - nen Huͤgel ein neues zu beginnen, das taͤglich tiefer wird. Iſt es ſtolze Freude, oder ſtra - fende Reue, was unſre Bruſt erfuͤllt?

Reue ermattet. Wer unter der Verſchul - dung nicht auch ſeine Kraft verlohr, wer da weiß, wie der uͤber Vergehungen trauernde Genius der Menſchheit zu verſoͤhnen iſt, der hebt, im Ver - trauen auf ſeine zwar verletzte, aber unverlorne Wuͤrde, die Augen maͤnnlich empor, und ver - ſchmaͤht die Reue, die das Herz erſchlafft und die Arme zur That laͤhmt.

Mit feyerlichem Ernſt auf der Stirn, mit frei erhobnem Auge, das Gefuͤhl der Thatkraft in ſei - ner Bruſt, ſteht der M. an ſeinem immer offnen Grabe; er fragt, was er verloren, was er zu223 gewinnen hat, und was ſeine Wuͤrde fordert. Unter die hoͤrbaren Fluthen der Zeit, denkt er an das allein Stetige in ſeinem Innern; und unter dem Schwanken einer ganzen Welt, ſucht er ſeinen Standpunkt auf unerſchuͤtterlichem Grunde. So ſteht er auf der Grenze zweyer Jahre mit Ernſt und unter großen Erwaͤgungen; aber auch mit Freude?

Koͤnnen wir uns freuen, wenn dieſer Augen - blick uns ſtaͤrker, als irgend ein anderer, an die Kuͤrze des Lebens erinnert? Ein kom - mendes Jahr, wie weit hin dehnt ſich ſein Raum vor uns aus, und ach! wie ſchwindet er, wenn wir zuruͤck ſehn! Es ſcheint der Raum einer Stunde, wenn wir es nach den Thaten meſſen, deren wir uns heller erinnern. Noch einige ſolcher Stunden, und unſere Laufbahn auf der bekannten Erde iſt geſchloſſen! Kurz iſt das Leben, aber lang die Pflicht, lang unſere Wuͤn - ſche, Plane und Hoffnungen. Oder ſind wir ſo ſtolz, zu glauben, daß wir in ſo kurzer Zeit, die uns noch bevorſteht, die Vollkommenheit errei - chen werden, die wir nach Maßgabe unſrer Kraft und Voruͤbung erreichen ſollen?

Koͤnnen wir uns freuen, wenn wir am Schluſſe des Jahres berechnen, wie viel dieſes Zeitraums wir uns zugeeigenet, wie viel wir davon unſerm Leben hinzugeſetzt und wie viel wir da - von verloren haben? Die Zeit iſt das einzige Gut mit dem es ehrenvoll iſt zu geizen; und mit welchem ſind wir verſchwenderiſcher! Nicht genug,224 daß wir der Natur einen großen Theil unſers Tages fuͤr die Ernaͤhrung und Erhaltung unſers Koͤrpers hingeben muͤſſen; wir verwenden einen noch groͤßern auf ſelbſt gewaͤhlte Kleinigkeiten, Geſchaͤfte ohne Gewinn fuͤr Geiſt und Herz, auf die Thorheiten einer ſelbſtgeſchaffenen Schicklich - keits-Pflicht, die Langeweile gehaltloſer Konver - ſation und leerer Gaſtmaͤhler, auf Krankheiten, die wir uns ſelbſt zugezogen, auf unnuͤtzen Kum - mer, thoͤrichte Freude und kindiſche Begierlich - keit. *)Dieſe, und andre Stellen, nach Seneka. So vergeht uns ein Tag nach dem andern, und ſelten kommt einer, an deſſen Schluſſe wir mit frohem Selbſtbewuſtſein ſagen koͤnnen: Wir haben gelebt, nicht bloß geathmet.

Koͤnnen wir uns freuen, wenn traurige, bit - tre Erinnerungen uns am Ende des Jahres zuſtroͤmen, wenn wir auf der Schwelle des Neuen fuͤhlen, daß wir den geheimen Kummer, der ſich um unſer Herz lagerte, das Elend, was in den verfloſſenen Tagen das Schickſal ſchwer auf unſern Nacken legte, mit hinuͤber in das anbrechende Jahr, und in unſere ganze irdiſche Zukunft neh - men werden? Wie Mancher ſteht heut arm und einſam auf dieſer Schwelle, der noch vor einem Jahre reich und gluͤcklich am Herzen der Liebe und Freundſchaft lag! Wie Mancher, der noch bei dem letzten Jahresſchluſſe ſtolz ſich ineignem225eignem Fahrzeuge auf ſanften Wellen wiegte, ſpielt jetzt in ſtiller Verzweiflung auf der nakten Klippe mit den letzten Truͤmmern des zerſchellten Schiffes! Wie Mancher ward in wenig Tagen dieſes Jah - res um ſein ganzes Gluͤck und alle ſeine Hoff - nungen betrogen!

Sollen wir endlich uns freuen, wenn wir mit Gewißheit fuͤhlen: wir ſind um den langen Zeitraum von 365 Tagen, dem gewiſſen Tode naͤher gekommen? Oder haben wir alle es in den hoͤhern Myſterien des Lebens gelernt, das Leben zu lieben, ohne den Tod zu fuͤrchten? Iſt die Gewißheit ſeiner unaufhaltſamen Annaͤherung einem Jeden im Genuſſe des Lebens angenehm, der Verluſt eines ſo koſtbaren Zeitraums fuͤr ſein Leben, ſeine Geſchaͤfte und Genuͤſſe, erfreulich?

Aber, meine Bruͤder, mag uns die gegenwaͤr - tige Stunde immer an die Kuͤrze des Lebens erinnern. Wir wiſſen es, daß es lang genug, daß es uns reichlich genug zur Vollendung der groͤßeſten Thaten der Freundſchaft, des Edelmuths, der Aufopferung, zugetheilt iſt; daß deſſen Leben das laͤngſte iſt, der, was ihm davon zu Theil ward, gebraucht. Wir athmen nicht durch uns ſelbſt, aber wir leben durch uns ſelbſt; den Jahren koͤnnen wir nicht gebieten, ſich den unſrigen zuzugeſellen, aber wir koͤnnen das kuͤr - zeſte Leben zu dem laͤngſten machen; und wenn wir kurz leben, ſind wir nicht Duͤrftige, ſondern Verſchwender. Nicht Runzeln, nicht weiße Haare, nicht Urenkel bezeichnen ein langes Leben,Erſtes Baͤndch. P226nur eine lange Exiſtenz. Der iſt nicht weit ge - ſchifft, den bald nach dem Auslaufen die Stuͤrme auf lange Irrfahrten, und von dieſen zuruͤck an den alten Strand jagten; der iſt kein Meiſter der Tonkunſt geworden, der nur die immer wie - derkehrenden Toͤne einer gemeine Melodie hervor - zubringen gelernt hat. Mag alſo uns immer - hin ein verſchwundenes Jahr an die Kuͤrze der Zeit erinnern; wir verſtehen es, durch Erforſchung der Wahrheit, durch die Kultur des Schoͤnen, durch gute Geſinnungen und durch Thaten un - ſer Leben zu verlaͤngern. Mag der Strom der Zeiten brauſend daherſtuͤrzen, und in ſeinen Wir - beln das bunte Spielwerk bejahrter Kinder, die Monumente der Eitelkeit und der Thorheit, die ſchwer errungenen Trophaͤen der klugen Liſt und der ſtolzen Gewalt, in den ewigen Abgrund fort - reißen: wir ſtehn ruhig am Ufer, und wandern ſtill und uͤber die Macht ſeiner Wellen erhaben, unſerm Ziele zu. Wir gebieten der Zeit, uns ihre Schaͤtze zu oͤffnen; wir wiſſen, daß ſie unter allen irdiſchen Guͤtern, das allertheilbarſte iſt; und, indem wir keine Viertelſtunde fuͤr klein achten, indem wir nicht der naͤchſten Stunde zutheilen, was die gegenwaͤrtige leiſten kann, indem wir keinen Augenblick uns ſelbſt und unſere Pflicht aus den Augen verlieren: legen wir eine ſchoͤne Geſinnung, eine gewonnene Wahrheit, ein erhebendes Gefuͤhl und eine gute That, nach der andern, in den Schatz unſers Lebens; und ſo haben wir vielleicht funfzig Jahre geathmet227 und gelebt, wenn Andere achtzig Jahre geathmet und kaum fuͤnfe gelebt haben.

Wir haben viel von unſerer Zeit verloren, was wir dem Koͤrper, der an die blinde Natur gefeſſelt iſt, hingeben mußten; aber noch mehr haben wir gewonnen. Wir haben manche Stunde fuͤr unſern Geiſt und unſer Herz ungenutzt vor - uͤbergehen laſſen, aber wir haben keinen ganzen Tag verſchwendet. Wir haben nicht taͤglich neue Wahrheiten entdeckt, alte Zweifel vernichtet, Tha - ten des Heroismus und der Seelengroͤße geuͤbt, und Anſtalten begruͤndet, die auf ganze Menſchen - alter hinaus gluͤckliche und ſeegensvolle Wirkun - gen verbreiten; aber wir haben taͤglich in unſe - rer inneren Geſchichte eine Linie gezogen, die einen Fortſchritt bezeichnet, haben mit Beſonnenheit unſre moraliſche Kraft verſtaͤrkt, uns im Guten feſter begruͤndet, und durch unſer Beiſpiel, durch unſre zur Humanitaͤt veredelte Guͤte, durch ein herzliches Wort und eine freundliche That, unſern Kindern, Gattinnen und Freunden die Tugend liebenswuͤrdiger, und uns ſelbſt achtenswerther gemacht. So haben wir, unter der Beobachtung unſerer Pflicht, leben, und, was noch mehr iſt, ſterben gelernt; und wer dieſe erhabne Tugend verſteht, dem iſt der Tag nicht zu lang, das Jahr nicht zu kurz, der berechnet ſein Leben nicht nach Zahlen, ſondern nach dem ſelbſterworbenen Gewinn, den ihm keine Zeit und kein Schickſal entreißen kann. Der ſieht ohne Furcht ſein Haar bleichen, ſeine Kniee wanken und ohne ZitternP 2228ein Jahr nach dem andern uͤber ſeinem Scheitel dahinſchwinden; dem iſt jeder neue Morgen, als neuer Ruf zur Pflichtuͤbung, ein frohes Geſchenk des Ewigen, der begruͤßt jeden Abend mit hei - term Muthe, als waͤr es ſein letzter. Nein, der feiert unter Zagen und heimlichen Vorwuͤrfen den Schluß der Jahre nicht.

Fuͤhrt die letzte Stunde des Jahres uns die Trauerbilder verlorner Freuden, und bitterer Schickſale vor unſer matt geweintes Auge; o ſo wollen wir ſie feſt und ernſt anblicken: aber ſie ſollen uns nicht als furchtbare Geſpenſter ver - folgen, die eine feindſeelige Gottheit aus dem Orkus rief, uns mit ihren Schrecken niederzu - ſchlagen. War der Verluſt, der uns im Laufe des ſcheidenden Jahres traf, nur klein und traf er nur unſer Aeußeres; nun, ſo fuͤhlen wir gewiß ſchon am Schluſſe deſſelben die heilende Hand der Zeit; ſo iſt das, was im erſten Augenblick des Schmerzes uns unertraͤglich ſchien, in der min - derlebhaften und verſchoͤnernden Erinnerung, uns zur wehmuͤthigen Freude geworden; ſo hat uns ein guter Gott ſchon auf mannigfachen Wegen ſeinen reichen Erſatz zugefuͤhrt; ſo hat das Gefuͤhl unſerer verſtaͤrkten Kraft uns fuͤr den erſetzlichen oder unerſetzlichen Verluſt getroͤſtet. Wir haben vielleicht an der Achtung der wenigen Edlen gewonnen, was wir an der Schaͤtzung der Menge verloren; an Genuͤgſamkeit, haͤuslicher Ruhe und ſtiller Zufriedenheit doppelt wieder erhalten, was uns die Laune des Gluͤcks an Bequemlichkeit,229 Glanz und Ueberfluß entzog; unſer Freund hat uns ſchon mit doppelten Gaben ſeines Herzens erſetzt, was der Undank, die Falſchheit, die Ver - kennung, die kalte Herzloſigkeit uns entzog; un - ſere Kinder und Zoͤglinge, wenn wir kaum mehr hofften, ſie nach unſerer Weiſe gut zu ſehen, haben vielleicht ſchon uns belehrt, daß unſere Wege nicht immer die einzigen ſind, und ſo un - ſere Hoffnung durch eigene Guͤte aufs neue erweckt. Unſere Bruͤder haben uns ſchon das Vertrauen an die Menſchheit wiedergegeben, das traurige Erfahrungen auf dem Schauplatze des Eigennutzes und des Undanks uns entreißen woll - ten; die Maurerei ſelbſt hat uns an geheiligten Altaͤren fuͤr den Unmuth, der uns auf den un - fruchtbaren Heerſtraßen, die durch die große Wuͤſte der Welt ziehen, ergriff, ſchon reichlich entſchaͤ - digt. Und ſo wird das Leid des Jahres uns zur Freude, und, bereichert an Erfahrungen und wahrer Lebensweisheit, treten wir mit verſtaͤrktem Muthe in das neue. War aber das Lei - den, das uns begegnete, anderer Art, traf es unſer innerſtes Weſen, und fuͤhlen wir, daß es nicht mit irgend einem Jahre, ſondern erſt mit unſerm Leben enden werde; fuͤhlen wir, daß die Bande, die unſer Herz mit der Welt verknuͤpften, zerriſſen ſind, und daß wir nur haltlos, ohne innere Theilnahme und voll Sehnſucht nach dem Einzigen auf ihr wandeln: o ſo wollen wir glauben, daß der ewige Vater grade dies Schickſal zu unſerer hoͤheren Bildung herbeifuͤhrte, daß230 grade dieſer endloſe Kummer, dieſe unaustilgbare Sehnſucht, die uns in Disharmonie mit unſerm Platze und unſerm Herzen ſetzt, nothwendig ſei, uns auf den herrlichſten Standpunkt unſers Le - bens hinzuleiten. Unter dieſen Gefuͤhlen gedeiht die Groͤße der Geſinnung; dieſe Leiden loͤſen ſanft die Bande, die den unſterblichen Geiſt ans Irrdiſche knuͤpfen; dieſe Schmerzen erhalten das Herz weich und gut, verknuͤpfen es mit dem Him - mel, und bereiten es fuͤr ſeine Seeligkeit.

Wir ſind endlich um 365 Tage dem Tode naͤher geruͤckt ; alſo auch unſerm Vaterlande, dem wahren Leben, dem Fortſchreiten vom Scheine zur Wirklichkeit, dem Lichte des Geiſtes, der Ruhe unſers Herzens und unſern Vorangegange - nen. Wohin uns der fl. St. winkt, wo das Ziel unſerer Reiſen ſteht, wohin der ganze Adel unſrer Natur uns draͤngt, wonach unſer Herz in ſeinen edelſten Regungen ſich ſehnt, wo unſere Freunde uns erwarten: dorthin zu gehen ſoll - ten wir uns ſcheuen, dieſem Himmel um einen ſo großen Schritt naͤher gekommen zu ſeyn, ſoll - ten wir zittern? Nein, ein anderes Todtenop - fer ſind wir den heiligen Manen unſerer Ver - klaͤrten ſchuldig, und unſere Feſte, wenn Theil - nahme ihnen vergoͤnnt iſt, ſollen ihre Seeligkeit nicht truͤben.

Mit ſolchem Muthe ſteht der M. am Grabe eines geſtorbenen Jahres, ſo hat er mit wohl - geſchliffener K. ſein Herz gegen irrdiſche Begier verwahrt, ſo hat er ſeinen Geiſt mit dem W. M.231 des Guten und Wahren nach dem Himmel ge - richtet, und ſeine Kl. weiß und rein von niedri - gem Schmutze erhalten. So erwartet er den ernſten Schl. des gr. Mſtrs, der ihm eine neue L. der Arbeit, des Denkens und der That eroͤf - net, und ihn in der Reihe der Geiſter in Ord - nung ſtellt.

Als ein treuer Haushalter uͤbernimmt er den neuen Schatz der ihm zu weiſer Verwaltung an - vertraut ward; er ſorgt dafuͤr, mehr einzuſam - meln, als er ausgiebt; er ſorgt, an Leben zu ge - winnen, was er an Zeit ausgeben muß. Er weiß, daß das erſt ſein iſt, was er wirklich zuruͤck - gelegt hat. Die Gegenwart iſt kurz, und nur in Augenblicken uns zugetheilt, die Zukunft zwei - felhaft; nur die Vergangenheit iſt gewiß, uͤber ſie hat das Schickſal ſeine Macht verloren, und kein Gott fuͤhrt fie zuruͤck oder aͤndert ſie. So ſorgt er denn durch weiſen und emſigen Gebrauch der Zeit fuͤr ſein wahres, ewig ſichres Eigenthum. So iſt die ganze Zeit ſein: die Vergangenheit durch Thaten und Erinnerung, die Gegenwart durch den Gebrauch, die Zukunft durch das Geſetz ſeines Willens; ſo tritt er durch See - lengroͤße heraus aus den Schranken menſch - lichen Schwaͤche; ſo bahnt ihm die der Weisheit den Weg zur Unſterblichkeit, und ſetzt ihn auf den Platz, von dem ihn Niemand vertreiben kann. Thoͤricht iſt es, zu leben, als wuͤrden wir ewig hier ſeyn; thoͤricht, zu leben, als muͤß -232 ten wir morgen davon. Darum begehrt der Weiſe das Irrdiſche nicht als ein Unſterblicher, und haͤlt es nicht feſt, als ein Sterblicher. Er verachtet nicht, was der andere Theil ſeiner Na - tur fordert, aber er giebt ſich ihm nicht hin; er umfaßt die Pflichten, die ihm ſeine Verhaͤltniſſe im Einzelnen auflegen, aber er vergißt ihren Grund nicht, der ihn auf das Hoͤhere leitet; er horcht in den großen Akkorden der Natur nur den Harmonien mit Wonne, die aus einer andern Welt in ſie heruͤber toͤnen. So nimmt er die Gabe der Freude mit dankbarer Hand an, ſo genießt er das Gute und Schoͤne mit Maͤßigung und Wuͤrde, ſo ertraͤgt er das Unabwendbare und gebietet frei, wie ein Koͤnig in ſeinem Kreiſe. Und wenn auch ihm die letzte Stunde im letzten Tage des letzten Jahres ſchlaͤgt, ſo reicht er freu - dig dem kommenden Engel die Hand entgegen, und uͤbt als Meiſter die Kunſt, die er durch ſein ganzes Leben voruͤbte, die ihm die Lehrerin des wahren Lebens war, die Kunſt zu ſterben.

Auch von uns, meine Bruͤder, ſagen vielleicht einſt unſere Kinder, unſere Freunde, oder die Jahrbuͤcher des O.: im Jahr 1800 ſtarb unſer Vater, unſer Freund, unſer Bruder. Wie ſoll der Nekrolog ihrer Herzen unſere Namen bezeichnen? Unſere Herzen antworten darauf; und froͤhlich ergreifen wir aus des Ewigen Va - terhand das Geſchenk eines neuen Jahres, in dem wir durch neuen Eifer der Liebe, die Liebe unſe -233 rer Bruͤder, unſerer Freunde, Gattinnen und Kinder verdienen koͤnnen.

Auch unſern Namen nennt vielleicht inner - halb Jahresfriſt ein ernſter Bothe des Todes; auch wir liegen vielleicht bald, wie jetzt einer der Unſrigen, der noch vor Kurzem unter uns wan - delte, auf dem Lager, mit ſterbendem Auge, und wollen entſchlummern; und gewiß! uns Alle ver - eint die Feier des neuen Jahrhunderts nicht in dieſem Tempel, die heut die Feier des Jahres rief. Moͤge uns, wenn wir unſern Sch. und unſere K. abgelegt haben, die Hand der Liebe und der Gerechtigkeit einen frohen Kranz win - den! Sey uns willkommen neues Jahr, wo wir ihn durch Fleiß im Guten, durch reinen Willen, durch Werke der Wohlthaͤtigkeit, der Hin - gebung und aͤchten Bruderliebe verdienen koͤnnen.

So ſey auch mir willkommen. So ſchmerz - haft, als dein Vorgaͤnger wirſt du und keiner deiner Nachfolger mir ſeyn. Keiner deiner Mon - den wird in ſeinem beſchraͤnkten Raume die hoͤchſte menſchliche Freude und das hoͤchſte irrdiſche Elend ſo zuſammen draͤngen, als es der Junius des bald vergangenen that; keiner wird, wie dieſer, mich die Thraͤnen der Wonne kennen lehren, um fuͤr ſie mein Auge auf immer zu vertrocknen. Sey auch du mir in deinem Grabe geſegnet! das groͤſte Opfer meines Lebens iſt gebracht; du haſt mich gelehrt, die Zukunft, wenn nicht zu wuͤn - ſchen, doch nicht zu fuͤrchten, und ſie dem Schick - ſale mit Reſignation zu uͤbergeben, ſie nach Ge -234 fallen zu ordnen. Sey mir in dieſer ernſten Stunde geſegnet; einſt werde ich deinen Gang ganz verſtehn! Du haſt mir ja ſchon Viel gegeben. In dieſen heiligen Kreis von Maͤnnern und Bruͤdern haſt du mich gefuͤhrt, die mich mit warmem Herzen und mit einem Vertrauen em - pfingen, das edlen Maͤnnern ziemt, und die Ge - weihten der hoͤheren Myſterien des Lebens ehrt: Darum ſei mir in deinem Grabe geſegnet! Mein Schmerz ſoll deinen Schlaf nicht ſtoͤren. Dort, wo wir uns und unſere Verklaͤrten wiederſehen, werde ich auch dich (ich hoff es zu Gott!) einſt wiederfinden.

235

III. An einen jungen Freund, als er ſich in den Orden aufnehmen laſſen wollte. *)Dieſes und das folgende Gedicht von Schil - ler iſt aus den Horen. Jahrgang 1785. 11. St. Beide ſind ſo vollwichtigen Inhalts, ſo ganz auf unſern Gegenſtand, mit kleinen Veraͤnderungen, an - wendbar, daß wir uns nicht enthalten koͤnnen, ſie den Maurern, als fuͤr ſie geſchrieben, vorzulegen. Das erſte iſt uͤberſchrieben: Einem jungen Freunde, als er ſich der Weltweisheit widmete. d. H.

Schwere Pruͤfungen mußte der griechiſche Juͤng -
ling beſtehen,
Eh das Eleuſiſche Haus nun den Bewaͤhrten
empfing.
Biſt du bereitet und reif, das Heiligthum zu be -
treten,
Wo den verdaͤchtigen Schatz Pallas-Lato -
mia birgt?
Weißt du ſchon, was deiner dort harret? Wie
theuer du kaufeſt?
Daß du ein ungewiß Gut mit dem gewiſſen
bezahlſt?
Fuͤhlſt du dir Staͤrke genug, der Kaͤmpfe ſchwer -
ſten zu kaͤmpfen,
Wenn ſich Verſtand und Herz, Sinn und
Gedanken entzweyn,
236
Muth genug, mit des Zweifels unſterblicher Hy -
dra zu ringen,
Und dem Feind in dir ſelbſt maͤnnlich
entgegen zu gehn,
Mit des Auges Geſundheit, des Herzens heiliger
Unſchuld
Zu entlarven den Trug, der dich als Wahr -
heit verſucht?
Fliehe, biſt du des Fuͤhrers im eigenen
Buſen nicht ſicher,
Fliehe den lockenden Rand, ehe der Schlund
dich verſchlingt.
Manche gingen nach Licht, und ſtuͤrzten in tie -
fere Nacht nur;
Sicher im Daͤmmerſchein wandelt die
Kindheit dahin.

IV. Archimedes und der Schuͤler.

Zu Archimedes kam ein wißbegieriger Juͤngling:
Weihe mich, ſprach er zu ihm, ein in die
goͤttliche Kunſt,
Die ſo herrliche Fruͤchte dem Vaterlande getragen,
Und die Mauren der Stadt vor der Sam -
buca
*)Name einer Belagerungsmaſchine, deren ſich Marcellus gegen Syrakus bediente.
*) beſchuͤtzt.
237
Goͤttlich nennſt du die Kunſt? Sie iſt’s, ver -
ſetzte der Weiſe,
Aber das war ſie mein Sohn, eh ſie dem
Staat noch gedient.
Willſt du nur Fruͤchte, die kann auch eine
Sterbliche zeugen,
Wer um die Goͤttinn freyt, ſuche
in ihr nicht das Weib.

V. Trauerlied. *)Aus Jacobi’s Taſchenbuch fuͤr das Jahr 1802.

Ruhe ſanft beſtattet,
Du von Schmerz ermattet;
Allen Kummer tilgt das Grab.
Wir, die letzten Blicke ſenkend,
Stehn am Rand; und dein gedenkend,
Streun wir Blumen dir hinab.
Wohl dir! ruh in Frieden!
Deinen Lauf hienieden
Haſt du, Guter, wohl gelebt.
Redlich haſt du nach Vermoͤgen,
238
Schnoͤder Eitelkeit entgegen,
Gottes Licht und Recht erſtrebt.
Wohl dir! ahnde leiſe,
Was im ſtillen Kreiſe
Du geduldet und gethan.
Jetzt am hohen Ziel gewanneſt
Du den Palmkranz, und beganneſt
Dort des hoͤhern Kampfes Bahn.
Aber wir, die Deinen,
Stehn am Grab, und weinen,
Daß ſo fruͤh der Gute ſchied!
Du, ſo liebreich und geſellig,
Du, zu Wort und That gefaͤllig,
Liegſt im Sarge nun verbluͤht.
Seelenhuͤll, o werde,
Was du wareſt, Erde,
Von des Raſens Blumen ſchoͤn.
In verklaͤrtem Schimmer hebet
Staunend ſich der Geiſt, und ſchwebet
Engelflug zu Gottes Hoͤhn.
Zwar gen Himmel eilend,
Haucht der Geiſt, noch weilend,
Troͤſtung uns, dem Luͤftchen gleich:
Weinet nicht zu ſehr, ihr Lieben!
Laßt den Erdenſtaub zerſtieben;
Dort in Wonn erwart ich euch.
239
Ruhe, Staub bey Staube!
Unſers Bruders Glaube
Soll auch uns das Herz erhoͤhn.
Thraͤnend ſcheiden wir von hinnen;
Doch wir kommen oft, und ſinnen
Ach, ein frohes Wiederſehn.

Voß.

[240]

8. Memorabilien.

I. Stelle zur Beherzigung, aus einem ver - geſſenen Flugblatte.

Folgende Stelle aus einem vergeſſenen Flugblatte (Hingeworfene Gedanken eines freien Mannes uͤber den in der Voßiſchen Blumenleſe fuͤr das Jahr 1776. befindlichen Anhang, die Freimaurerei betreffend. 12. pag. 29 f.) verdient der Vergeſſen - heit entriſſen und den Freimaurern, beſonders den Verketzerern unter ihnen, zur Beherzigung em - pfohlen zu werden, damit ſie wiſſen, was unbe - fangene Nichtmaurer uͤber ſie denken und unbefangne Maurer mit tiefem Schmerze fuͤhlen.

Es gab gutherzige Leute, die ſich ſonſt nach Eurem Orden draͤngten, weil ſie ihn in allen Euren Schriften immer als den ſtillen Zu - fluchtsort aller verkannten Tugend, als denheili -241heiligen Tempel der Bruderliebe ruͤhmen hoͤr - ten. Dieſe guten Menſchen waren ſo treu - herzig, daß ſie ſich ſogar nicht einmal durch das aͤußerliche, ſehr unzweideutig nichtswuͤr - dige Betragen einer großen Anzahl Eurer Ordensglieder abhalten ließen, doch immer zu glauben, daß die Ordensverfaſſungen dennoch ſehr loͤblich und vertrefflich ſeyn koͤnnten, ob ſich die Glieder deſſelben gleich die Freiheit erlaubten, nichts weniger, als loͤblich gegen einander ſelbſt, im buͤrgerlichen Leben zu han - deln. Und ſo vermehrte ſich die Anzahl Eu - rer Glieder doch immer und demnach auch wohl Euer innerer Wohlſtand *)Darinn iſt keine Konſequenz.. Aber nun, da ihr ſelbſt geſteht, Ihr koͤnntet Euch ſpalten, ſo faͤllt der ganze Nimbus Eurer Vortrefflichkeit, und der Begriff, den gute Seelen ehedem noch von der ſeeligen Abgeſchiedenheit hatten, in welcher Ihr in Euren Logen lebtet, dahin. Nun wirds bald die ganze Erde wiſſen, daß Aſtraͤens Zeiten, wovon Ihr in all Euren Liederchen dudeltet, eine ſchoͤne Schimaͤre iſt, die vielleicht dem Jahre 2440 aufbehalten iſt. Und was ſollen wir nun zu der Parthei unter Euch ſagen, welche verfolgen will? und die ſeyd Ihr! **)Der Verf. ſpricht uͤberall nur von der Zinnendor - fiſchen Parthei oder den BB. der ſogenannten großen Landes-Loge.Erſtes Baͤndch. Q242Nicht einmahl fuͤr gewoͤhnliche Menſchen, ſondern vielmehr fuͤr ſehr ſchlimme Leute muͤſ - ſen wir Euch halten. Es kann keinen Fall geben, wo Verfolgung einer Sekte, die der großen Geſellſchaft der Erde keinen Ein - trag thut, (und daß ihn die Sekte, die Ihr zerſtoͤhren wollt,*)Dies galt damals der ſtrikten Obſervanz, die jetzt unter der Direction der hw. gr. L. zu den drei Weltkugeln in Berlin arbeitet. Da aber die gr. L. L. dieſes Syſtem nun anſcheinend tolerirt, ſo hat ſie dafuͤr geſorgt, die Wahrheit dieſer Stelle nicht un - tergehen zu laſſen, indem ſie fuͤr jetzt die große Loge Royale York zur Freundſchaft verketzert und verfolgt. thue, das habt Ihr gleich - wohl noch nicht bewieſen) ſich rechtfertigen ließe. Was haben andre Menſchen von Euch zu gewarten, wenn Ihr gegen eine von Euch abtruͤnnig gewordene Sekte, wie Ihr ſie nennt, Euch ausdruͤcklich zum Zerſtoͤhren verbindet? Und das alles wollt Ihr obendrauf im Ange - ſicht der ganzen Erde thun? In den Staaten des allerduldendſten Fuͤrſten? **) Nach dem Edict vom 20. October 1798? In einem Koͤnigreich, wo Ihr kein Mauſeneſt zu zerſtoͤ - ren das Recht habt, wollt Ihr gute Buͤrger (die keiner Seele unter uns was arges thun, die ſelbſt Euch nicht, wenigſtens nicht ſo un - verſchaͤmt oͤffentlich wie Ihr, Haß und Ver - folgung drohen) unter dem Titel: Sekte zerſtoͤhren? Zeigt uns zufoͤrderſt das Gefaͤhr -243 liche derſelben; das heißt, zeigt uns, in wie fern ſie, als von Euren, uns unbekannten Gebraͤuchen abgehend, der menſchlichen Ge - ſellſchaft ſchaͤdlich ſey. Denn, wenn ſie wei - ter nichts gethan hat, als daß ſie ſich von ſo ehrlichen Bruͤdern mit der Inquiſitions - Fackel in der Hand und der Domini - kanermoral im Herzen, getrennt hat; und ſich nichts um Eure Lord ſchaften, Groß - und Landes-Logenſchaften kuͤmmert: ſo iſt das noch lange kein Verbrechen, weshalb Ihr ſie vor der deutſchen Nation belangen, oder gar mitten in ihrem Schoos, unter dem Schutz ſo vieler Fuͤrſten,*)Hier nur und zwar ſtatt aller: Unter dem wie - derholten landesvaͤterlichen Schutz des gerechteſten Regenten, deſſen Unterthanen alle dieſe verfolgenden und verfolgten Maurer ſind. feindlich behandeln koͤnnt. Dieſen und uns iſt ſie, trotz ihrer Ketzerei, ganz recht, und wirds auch wohl bleiben, ſo lange ſie ſich ſo friedfertig und duldend, auch uͤberhaupt, als Buͤrger betrachtet, ſo wie bis - her betragen hat. Ihr haͤttet demnach weiſe gethan, wenn Ihr uns das Maul mit Eu - rer Fehde nicht aufgeſperrt haͤttet;**)Geht auf die Inſinuation in der obenangef. Voſſiſchen Blumenleſe. denn was wiſſen wir nun im Grunde mehr, als daß Ihr Euch den allerlaͤcherlichſten Gedanken244 habt beigehen laſſen, Eure Großlogenſchaft allenthalben hin zu traͤtſchen, wo Ihr nichts zu befehlen habt, und dadurch auf Eure Un - koſten was zu lachen zu geben? Und das koͤn - nen wir auf allen Fall geſchehen laſſen. Ob wir ein ander Poſſenſpiel ſehen, oder das Eurige, das gilt uns am Ende gleich.

Wer uͤbrigens ein Menſchenfeind waͤre, dem gaͤbt Ihr eine treffliche Gelegenheit, eine Schandſchrift auf die menſchlichen Tugenden zu machen und Euch zum Muſter zu nehmen, da Ihr die letzten unter allen Sterblichen aus Klugheit ſchon die letzten! haͤttet ſeyn ſollen, die Grundſaͤtze aller Sittlichkeit und aller geſellſchaftlichen Sicherheit und Gluͤckſe - ligkeit zu untergraben und Euch obendrein damit viel zu wiſſen. ꝛc. ꝛc.

II. Trinkt, den Orden zu erheben, Nach euch (nurwohl) bekanntem Maas.

Dieſe beiden Verſe, aus dem Liede: Maurer, aͤchter Weisheit Kinder, welches in einigen Lo - gen als Schlußlied pflegt geſungen zu werden, ſind den meiſten BB. unverſtaͤndlich. Es iſt nehm -lich245lich nirgends in den LL. von einem vorgeſchriebnen Maaße im Trinken die Rede, jeder ſchenkt ſich nach Gefallen ein und iſt nur an die allgemeinen Regeln, welche Geſundheit und Anſtaͤndigkeit vor - ſchreiben, gebunden. Dieſe Undeutlichkeit wird noch durch die Variante: Nur, vermehrt, und man ſieht nicht ein, wie das Maaß im Trinken, welches nur dem Trunkenbolde ein Geheimniß iſt, auf ein - mal unter die Freimaurer-Geheimniſſe kommt. Den Aufſchluß dieſer Dunkelheit glaube ich in einer Stelle von Erich Servati’s Bruchſtuͤcken zur Geſchichte der deutſchen Freimauerei gefunden zu haben. Er macht S. 211 zu einer Stelle des Anti-St. Nicaiſe, wo er von der ſtrikten Obſer - vanz ſpricht, folgende Anmerkung: Dieſe Reform der alten Freimaurerei, beſtand bloß in der Einbildung, daß die aͤchte Mau - rerei die geheime Fortſetzung des T. H. O. ſey, in Vermehrung der Stufen durch neue Ehrenſtellen der Ritter und Komthure, in Forderung mehrerer Receptionsgelder, und im Gebrauch kleinerer Geſundheits - Glaͤſer. Denn faſt ſchien es, erzaͤhlt er ſelbſt A. St. N. S. 28., daß die Art maureriſch zu trinken, das groͤßte Geheimniß des Ordens ausmachte. Man kann ſich leicht vorſtellen, daß, da das ſtarke Trinken bis gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts unter den Deut - ſchen noch ſehr gebraͤuchlich war, das Geheim - niß maureriſch zu trinken, von den deutſchen Maurern ſehr kultivirt wurde; und es ſahenErſtes Baͤndch. R246daher die meiſten deutſchen Logen den engli - ſchen, wie ſie St. Nicaiſe beſchrieben, ganz aͤhnlich. Baron von Hund (faͤhrt Servati fort) ein denkender Kopf und Feind des Trunks, verbeſſerte dieſen Fehler; aber gewißlich nicht durch Einfuͤhrung eines Ritterordens, indem man eher wohlthaͤtige als nuͤchterne Ritter findet. Dafuͤr ſind wir ihm un[d]ſeinen Mitreformatoren war - men Dank ſchuldig, daß ſie durch Zerſtoͤrung der maureriſchen Trinkgelage, die Nuͤchtern - heit, ſelbſt in der profanen Welt, befoͤrdert haben. Gewiß, von den vierziger Jahren, koͤnnte man ganze Baͤnde Toaſts oder maure - riſcher Geſundheiten aufweiſen.

Sonach wuͤrde obenangefuͤhrtes Lied der ſtrik - ten Obſervanz zugehoͤren und jener Vers ein Aus - druck der von ihr eingefuͤhrten groͤßeren Nuͤchtern - heit bei den Tafellogen ſeyn. Jetzt hat er freilich ſeine (geſchichtliche) Bedeutung verlohren, und das Trinken der Freimaurer ſteht jetzt eben ſo we - nig in ſchlimmem Ruſe, als das der Deutſchen. Auch haben jene, beſonders unſere Landsleute, es vorzuͤglich noͤthig, ſich in dem Rufe der Nuͤchtern - heit zu erhalten; nicht, weil ſie als Deutſche den Verdacht leichter erwecken koͤnnen, ſondern weil die Meinung des profanen Publikums von ihrer Sache, eine andre iſt, als in andern Laͤn - dern z. B. in England, wo die Freimaurer-Klubbs nur fuͤr Trinkgelage gehalten werden. Dies wird247 klar durch eine hierher gehoͤrige Stelle in Kants Anthropologie S. 73. wo er ſagt: Weiber, Geiſtliche und Juden betrinken ſich gewoͤhnlich nicht, wenigſtens vermeiden ſie ſorgfaͤltig allen Schein davon, weil ſie buͤr - gerlich ſchwach ſind und Zuruͤckhaltung noͤthig haben, (wozu durchaus Nuͤchternheit erfor - dert wird). Denn ihr aͤußerer Werth beruht bloß auf dem Glauben Anderer an ihre Keuſchheit, Froͤmmigkeit und ſeparatiſtiſche Geſetzlichkeit. Denn was das letztere betrifft ſo ſind alle Separatiſten, d. i. ſolche, die ſich nicht bloß einem oͤffentlichen Landesgeſetz, ſondern noch einem be - ſonderen (ſektenmaͤßig) unterwerfen, als Sonderlinge und vorgeblich aus - erleſene, der Aufmerkſamkeit des Ge - meinweſens und der Schaͤrfe der Kritik vorzuͤglich aus geſetzt; koͤnnen alſo auch in der Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt nicht nachlaſſen, weil der Rauſch, der dieſe Behutſamkeit weg - nimmt, fuͤr ſie ein Skandal iſt.

Man ſieht, wie genau dieſe Stelle auf die Freimaurer paßt, die von ihren Arbeiten bei dem profanen Publikum gern eine gute Meinung, daß ſie nehmlich ſich mit etwas Ernſthaftem und nicht bloß mit geſelligen Vergnuͤgungen beſchaͤftigen, erhalten wollen. Indeſſen herrſcht unter ihnen daruͤber nur eine ſtillſchweigende Konvention und ich kenne keine maureriſchen Trinkgeſetze in Ruͤck -248 ſicht des Maßes und der Enthaltſamkeit; wenn man nicht Tit. VI. Abſchn. 2. der engliſchen Old - Marks hieher rechnet, der alſo lautet: Nach dem Schluſſe der Loge mbget ihr froͤh - lich und mit allem Anſtande vergnuͤgt ſeyn; ihr moͤgt euch einander nach Vermoͤgen und mit Vermeidung alles Uebermaßes bewirthen; keinen Bruder aber ſollt ihr noͤthigen, uͤber ſein Beduͤrfniß zu eſſen oder zu trinken, oder mit euch zu bleiben, wenn er weggehen will. Denn ob ihr gleich nach den Logenſtunden wie andre Menſchen zu betrachten ſeyd, ſo koͤnnte doch der uͤble Nachruf eures Betra - gens, der Bruͤderſchaft, wiewohl unbilliger Weiſe, beigemeſſen werden. *)Die Naivetaͤt des letzten Satzes wird keinem entgehen.

Uebrigens ſteht ein ſehr leſenswerther Aufſatz: Ueber den Zweck und Werth der Tafello - gen uͤberhaupt, vom Br. Rhode in den Jahr - buͤchern der Gr. L. R. Y. zur Freundſchaft vom Jahre 179 8 / 9. Er ſchließt ſeine Betrachtungen uͤber die Geſundheiten und Geſaͤnge bei den mau - reriſchen Mahlen, mit folgenden ſchoͤnen Worten: Ich werde mich huͤten, nun noch das Bild einer Maurertafel zu entwerfen, wie ſie nicht ſeyn ſollte; von der der gute Genius der Nuͤchternheit und der Maͤßigkeit entflicht, und dem Daͤmon der Schwelgerei Platz macht. 249Wozu ſollte dies auch bei Maͤnnern nutzen, die laͤngſt beim Genuſſe der Weisheit, und bei der Freude den Grazien huldigten, und von ſelbſt denen ihr Misfallen bezeigen werden, die ſich an beiden verſuͤndigen. Und ſo iſt wohl alles erklaͤrt, was bei den Worten: Trinkt, den Orden zu erheben, Nach euch wohl bekanntem Maas. gedacht werden koͤnnte.

r.

III. Maureriſche Unwiſſenheit.

Es exiſtirt eine ſonderbare Schrift, die den Titel fuͤhrt: Die Freimaͤurerei, der Weg zur Hoͤlle. Eine Predigt, worinn deutlich aus Schrift und Vernunft gezeigt wird, daß alle, die zu dieſem Orden gehoͤren, in einem Stande der Verdammniß ſind. 1768. 8. (Text aus Offenb. Joh. 17, 5.)

Dieſe Predigt iſt leider nicht einmal ſo poſſirlich, daß man daruͤber lachen koͤnnte, ſie erweckt eben ſo wenig Ernſt, und alſo einen reinen Ekel, ſie enthaͤlt aber eine Stelle die manchen gelehrten und ununterrichteten Maurer ſtutzig machen koͤnnte. Es heißt S. 29.

250

Betrachten wir ſie, (die Frei-Maurer) von der Seite der wiſſenſchaftlichen Erkenntniſſe, ſo werden wir ſie in der klaͤglichſten Unwiſ - ſenheit finden. Sie ſagen uns, daß eine L. drei Thuͤren hat, eine nach Oſten, die andre nach Weſten und die dritte nach Suͤden, aber keine nach Norden, warum? Weil, ſa - gen ſie, die Sonne nie in der Gegend ſchei - net. Sie wiſſen nicht, daß jenſeits des Wendecirkels des Steinbocks die Sonne eben ſo gut aus Norden ſcheint, als ſie an dieſer Seite des Wendezirkels des Krebſes aus Suͤ - den ſcheint. Ein andres Beiſpiel ihrer Un - wiſſenheit iſt noch merkwuͤrdiger, da es ſich auf einen der einfachſten Erfahrungsſaͤtze in der Meßkunſt bezieht. Sie ſagen, (wo?) daß die Peripherie der Saͤulen des Tempels zwoͤlf Ellenbogen waren, und ihre Dicke vier Dau - men, wodurch ſie die Peripherie eines Cir - kels hundertmal groͤßer, als ſeinen Diameter machen, ob es gleich bekannt iſt, daß das Verhaͤltniß nicht groͤßer iſt, als etwa drei gegen eins

Und ein drittes Beiſpiel von Unwiſſenheit iſt noch merkwuͤrdiger, das: daß ein Mann, der uͤber Maurerei ſchreibt, nicht einmal weiß, daß die maureriſche Sprache ſymboliſch verſtanden und erklaͤrt werden muͤſſe. Die Kenntniß der Hiſtorie, welche dieſen ſymboliſchen Ausdruͤcken zum Grunde liegt, wollen wir uͤbrigens ſo wenig251 verlangen, als wir die Wichtigkeit dieſer Hiſtorie zu betheuren gedenken. Darauf aber kann man ſich verlaſſen, daß die Sonne, die in jenen Aus - druͤcken gemeint iſt, wirklich nie aus Norden ge - ſchienen hat.

Gedruckt, bei M. L. Pauli.

About this transcription

TextEleusinien des neunzehnten Jahrhunderts
Author Ignaz Aurelius Fessler
Extent273 images; 46885 tokens; 9691 types; 331358 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationEleusinien des neunzehnten Jahrhunderts Oder Resultate vereinigter Denker über Philosophie und Geschichte der Freimaurerei Erstes Bändchen Ignaz Aurelius Fessler. . XII, 251 S. FrölichBerlin1802.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Nb5751-1/2http://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=602596831

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Philosophie; Wissenschaft; Philosophie; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:30:19Z
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Holding LibraryStaatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
ShelfmarkSBB-PK, Nb5751-1/2
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