Das nachſtehende Werk wurde in den Jahren 1810 und 1811 zu Wienentworfen. Die große, in Deutſchlandbey der damaligen Sperrung des Con - tinentes faſt ganz unbeachtet gebliebene, Streitfrage uͤber die Depreciation der Londner Banknoten, und eine meiſterhafte practiſche Eroͤrterung derſelben von Herrn Hofrath und Ritter von Gentzwaren die un - mittelbaren Veranlaſſungen meiner Schrift.
Als die weſentlichen Grundlegungen meiner Theo - rie, welche ich hiermit dem Publikum uͤbergebe, voll - endet und bereits abgedruckt waren, wurde ich durch die Gnade Sr. Maj. des Kaiſers von Oeſterreichzu einer practiſchen Laufbahn berufen. Unter den Er - fahrungen eines reichhaltigen Dienſtlebens in TyrolVIund Italien, in Frankreichund Deutſchlandiſt das innerliche Weſen meiner Anſicht der Staatswirthſchaft von keiner Seite erſchuͤttert worden: ich trage daher kein Bedenken meine fleißige und wohlgemeinte Arbeit, auch in ihrer fragmentariſchen Form, aus Licht tre - ten zu laſſen.
Mit Gottes Huͤlfe gedenke ich nach einigen Jah - ren eine vollſtaͤndige Darſtellung des unzertrennlichen Ganzen der Staatswiſſenſchaften nach den hier an - gedeuteten Grundzuͤgen erſcheinen zu laſſen.
Die vorhandenen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien ſind durch untergeordnete Probleme veranlaßt worden. Es war insbe - ſondere die große Aufgabe einer ordentlichen und gerechten Beſteurung, welche um die Mitte des letztverfloſſenen Jahr - hunderts, eine naͤhere Unterſuchung der Quellen des Staats - reichthums herbey fuͤhrte. Hierauf ſind nach Maaßgabe der einzelnen Beduͤrfniſſe, die ſich mit aͤußerer Zudringlichkeit an - meldeten, auch die einzelnen Hauptmaterien der Wiſſenſchaft bearbeitet worden; ſo die Lehre vom Getreidehandel in Folge des Mißwachſes von 1772 in Frankreich, und des großen Mangels in Großbrittanienim Anfange dieſes Jahrhunderts; ſo die Lehre vom Gelde insbeſondere in Folge der durch ge - bietheriſche Umſtaͤnde im Jahre 1797 bewirkten Reſtriction der baaren Zahlungen an der Bank von England.
Bey allen dieſen Gelegenheiten ergaben ſich neue und glaͤn - zende Reſultate: es war natuͤrlich, daß man eine ganz unbe - kannte Wiſſenſchaft entdeckt zu haben glaubte. Ungluͤcklicher Weiſe fiel dieſer Wahn in eine Zeit gaͤnzlichen Verfalls aller geſellſchaftlichen Anſichten: die rechtlichen Grundlagen der Staaten wurden von der oͤffentlichen Meinung in Zweifel gezogen, und ſo konnte es nicht fehlen, daß die VerkuͤndigerA 24des neuen oͤkonomiſchen Lichtes alles Unheil aus den oͤkonomi - ſchen Einrichtungen der blinden Vorfahren herleiteten. Nichts deſto weniger hat niemand einſehen wollen, daß eine ſolche Zeit der Zerruͤttung aller politiſchen Verhaͤltniſſe und Mei - nungen am wenigſten zur Erfindung einer Wiſſenſchaft von der Staatshaushaltung geeignet ſey: in der gereitzten Stim - mung aller Gemuͤther, und bey dem Drange der Gegenwart war eine unbefangene Wuͤrdigung des bisher Geweſenen un - moͤglich. Dieſe politiſche Gegenwart war bloßer Zwiſchenzu - ſtand, Uebergang aus einem Zuſtand in den andern, oder vielmehr, wie ſich nunmehr ausgewieſen hat, Uebergang der natuͤrlichen aber bewußtloſen oͤkonomiſchen Weisheit der Vaͤter, durch den Vorwitz der Kinder, zu der verſtaͤndigen Anerkennung jener Weisheit von Seiten der Enkel: und den - noch wurden alle Vorſtellungen von den Beduͤrfniſſen und der Beſtimmung der einzelnen Menſchen, wie der Staaten und der ganzen Menſchheit, mit Verlaͤugnung jedes anderen Mu - ſters, ausſchließend aus dieſer verwirrten Gegenwart herge - nommen. Es iſt auch von andern Seiten her bekannt genug, wie breit ſich gerade dieſes Geſchlecht gemacht, mit welchem Hohn es auf die Vergangenheit, mit welchem Eigenduͤnkel es auf die Zukunft herabgeſehen; ſo daß dann, wie es ſich gebuͤhrt, die groͤßte Unſicherheit der Zeit mit den frechſten Anmaßungen der Menſchen, und dem uͤbermuͤthigſten Selbſt - vertrauen der Wiſſenſchaft zuſammen getroffen.
Demnach ſieht jedermann ein, daß von den allgemeinen Principien der politiſchen Wiſſenſchaften dieſer letztverfloſſenen Zeit wenig zu brauchen iſt, wie lehrreich auch die Geſchichte5 dieſer hochmuͤthigen Irrthuͤmer fuͤr uns alle geweſen ſeyn moͤchte. Wir gehen alſo in der nachfolgenden Darſtellung von der natuͤrlichen Haushaltung der Europaͤiſchen Staaten un - ſeren eigenen Gang, und erwarten von den Unbefangenen der Zeitgenoſſenſchaft wie der Nachwelt das Zeugniß, daß wir uns gehorſam gegen die wahren Lehren der Geſchichte erwieſen, und das ewige Beduͤrfniß des Menſchen treu beach - tet haben.
6Der Leſer denke ſich ein mit allen Beduͤrfniſſen und An - nehmlichkeiten des Lebens wohlverſehenes Haus: Hausherr, Kinder, Dienſtbothen an ihrer natuͤrlichen Stelle. Das Ganze macht den Eindruck der Wohlhabenheit, des Reichthums; jedes einzelne Glied des Hauſes, wie niedrig auch ſeine Func - tionen ſeyn moͤgen, genießt das Selbſtgefuͤhl des Ganzen. Setzen wir den Fall: der Hausherr ſterbe, und das ganze bisherige Gemeinvermoͤgen werde getheilt unter Kinder und Dienſtbothen, in eben ſo viele Vermaͤchtniſſe und Legate. Jeder von uns wird ſich eines ſolchen Falles erinnern, und (obgleich die Subſtanz des bisherigen Vermoͤgens zwar getheilt, doch dieſelbe geblieben) dennoch das Gefuͤhl gehabt haben, als beſaͤſſen nunmehr die einzelnen Nachgelaſſenen zuſammen ge - nommen weniger, als alle vereinigt im Vaterhauſe beſeſſen haben. Es wird uns vorkommen, als ſey des Reichthums durch die Auseinanderſetzung wirklich weniger geworden; und unſer Gefuͤhl hat Recht. Alle Familienglieder hatten im Va - terhauſe, außer ihrem beſondern Beſitz, noch eine Eigen - thums-Empfindung vom Ganzen; jetzt iſt zwar ihre beſondere Portion vermehrt, aber das Selbſtgefuͤhl im Reichthum des Ganzen iſt dahin; jeder iſt der Zahl nach reicher, dem Gefuͤhl und dem Weſen nach, aͤrmer geworden. —
7Die rechten Kinder dieſer Zeit werden ſagen: dafuͤr ſeyen auch alle dieſe einzelnen Familienglieder frey geworden, ſie haͤtten die unbedingte Dispoſition uͤber ihr Erbtheil erhalten; jenes Gefuͤhl ſey ein Vorurtheil, dieſe Unabhaͤngigkeit ſey das einzige wahre Gut. Wenn ſie alſo den in ſeiner Grundherr - lichen Familie bisher auf aͤhnliche Weiſe geſtellten Bauer, aus dem Familienzuſammenhange herausreißen, oder, wie ſie ſich ausdruͤcken, befreyen koͤnnen; wenn ſie den in dem großen Vaterhauſe der buͤrgerlichen Geſellſchaft bisher als Familienglied eingeſchloſſenen Staatsbuͤrger emancipiren, und zu einem abgeſonderten Privatetabliſſement verleiten koͤnnen, ſo glauben ſie das Nationalgluͤck wahrhaft befoͤrdert zu haben.
Das nun iſt das wahre Verhaͤltniß der alten Europaͤiſchen Staats-Haushaltung, zu der neuen, die auf allen Gaſſen gepredigt wird. In der ehemahligen Oekonomie der Staaten wurden alle Privathaushaltungen im Zuſammenhange ge - dacht; jeder Einzelne fuͤhlte ſeinen Beſitz, aber noch außer - dem fuͤhlte er ſich theilnehmend an einem groͤßeren Beſitz; es war dem Einzelnen weniger zugetheilt, aber die Gemeinde deren Glied er war, und die große Corporation aller Ge - meinden der Staat, beſaß mehr, und da dieß Gemeinde - vermoͤgen durch die Jahrhunderte und durch weiſe Geſetze befeſtiget war, und da der Hausvater dieſer großen Familie durch dieſelben Geſetze unſterblich gemacht worden, ſo verlor die Verſchiedenheit der individuellen Gluͤcksumſtaͤnde ihre ganze Gehaͤßigkeit; der Einzelne war nur deßhalb mehr8 beguͤnſtigt als der andere, damit der das Gemeindevermoͤgen, deſſen Gefuͤhl wieder dem Niedrigſten zu Gute kam, beſſer er - halten, vermehren und vertheidigen konnte. —
Fehlt dieſes Ganze, wie die neuen Theorien wirklich dar - auf keine Ruͤckſicht nehmen, ſo entſteht derjenige Wetteifer und Wettlauf unter den Einzelnen, woraus, zu Folge jener Theo - rien, ſich die hoͤchſte Wohlhabenheit aller, unſerer Anſicht nach ſich das unvermeidlichſte Verderben aller entwickeln muß. Keiner, wie hoch er auch ſtehe, wie ſehr er auch vom Gluͤcke beguͤnſtigt ſeye, kann nunmehr mit dem ihm zugekommenen Erbtheile zufrieden ſeyn; jeder will leben wie er im Vater - hauſe gelebt hat, desſelben Gefuͤhles theilhaftig ſeyn; jeder will in eigener Perſon und auf eigene Hand die Wohlhaben - heit des Ganzen darſtellen, und ſo zerſtoͤren ſich natuͤrlich die einzelnen Reichthuͤmer untereinander: die allgemeine Armuth iſt nothwendiges Reſultat.
Alſo das rechte Verlangen des Menſchen, ſeinen Wir - kungskreis durch Beſitz, durch Mittel des Lebens zu erwei - tern, iſt doppelter Art: zuerſt will er beſonderes beſitzen; dann aber will er auch wenigſtens im Geiſte wieder alles beſitzen; er will im Einzelnen leben, und doch nur, damit ihm das Ganze, worin er lebt, und deſſen er theilhaftig iſt, deſto deutlicher einleuchte. Schneidet ihr ihm das Ganze weg, hebt ihr den Staat auf, wenigſtens das Gemeinweſentliche am Staate, ſo muß der Einzelne durch die Ausdehnung ſei - ner Perſon und ſeines Beſitzes, ſich ein Surrogat fuͤr das Ganze zu verſchaffen ſtreben, ſo entſteht eine natuͤrliche aber9 menſchenfeindliche Begierde nach ausſchließendem Beſitz, die kein Eigenthum, wie groß es auch ſey, und zuletzt auch keine Krone befriedigen kann. Es offenbart ſich dann, wie - wohl auf falſchem Wege, das richtige Verlangen nach dem Ganzen; und es iſt nichts abgeſchmackter, als wenn ein Philoſoph die Gemeinguͤter der Menſchheit zerſtoͤren hilft, und hinterher uͤber den Eigennutz und Egoismus der Menſchen klagt. —
Wenn ihr den Einzelnen aus feinem Vaterhauſe emanci - pirt, und darauf laufen doch eure Freyheitsproclamationen hinaus, ſo habt ihr ſein Schickſal dem Zufall anheim ge - ſtellt, der feindſeligen Begierde die Welt preis gegeben, die Ungleichheit aller vor dem Schickſal anſtatt der Gleichheit vor dem Geſetze conſtituirt, und von Staatsordnung iſt nicht wei - ter die Rede. Die Schranken, die ihr ihm hinterher durch den Buchſtaben eines Geſetzes ſtellt, habt ihr im Voraus durch den Widerſpruch ſchon aufgehoben, daß ihr ihm erlaubt, nach allem Beſitze uͤberhaupt zu ſtreben. Wenn der vater - haͤusliche Geiſt verſchwunden, der befriedigend in die ge - heimſten Falten des Herzens drang, dann wollen wir ſehen, wie weit ihr mit eurem Privatrecht und euren Polizeygeſetzen kommt, die an der Außenſeite des Menſchen umherſpielen, und die er, der Einzelne auch wieder ſpielend abzufertigen wiſſen wird. Wenn der Einzelne erſt die gehoͤrige Macht er - reicht hat, ſo wird er alle privatrechtlichen Schranken zu ſchonen, und dennoch alle eure Beſitzthuͤmer ſich anzueignen wiſſen.
10Der Unterſchied groͤßerer und geringerer Gluͤcksumſtaͤnde, groͤßeren und geringeren Privatreichthums iſt nothwendig, wenn eine buͤrgerliche Ordnung, eine Disciplin und Subordi - nation moͤglich ſeyn ſoll. Dieſe Disciplin nun unter den einzelnen Reichthuͤmern macht es moͤglich, daß alle oͤkonomi - ſchen Functionen der buͤrgerlichen Geſellſchaft, zuſammen - haͤngend, eine die andere unterſtuͤtzend vor ſich gehen koͤnnen. Dieſe Ungleichheit und daraus conſtruirte Disciplin muß dauerhaft ſeyn, weil das Geſchick zur Verwaltung des groͤ - ßeren wie des geringeren Vermoͤgens, der auf allgemeine wie auf beſondere, gemeinnuͤtzige Geſchaͤfte gewendeten Kraft, Zeit braucht, um erlangt zu werden, und weil die meiſten beſonderen Kraͤfte innerhalb des Staates ſich nur erſt im Fortgang langer Jahre in ihrer vollen Wirkſamkeit bewieſen. Wenn eine ſolche Disciplin alſo moͤglich ſeyn ſoll, ſo muß jeder Einzelne in ſeiner Station, und wenn es auch der Aermſte waͤre, fuͤr die Dauer befriedigt werden koͤnnen: die jedem Einzelnen angeborne Begierde das Ganze zu umfaſſen, muß im Voraus fuͤr immer bedacht ſeyn.
Nun aber zeigt ſich, daß, wer zum Beyſpiel, die Luft ſich ausſchließend aneignen wollte, in ſie zerfließen muͤßte, und doch nichts beſitzen wuͤrde; wer hingegen ſie als Ge - meingut an ſeinem beſondern Ort, und mit ſeinem beſondern Organe gebrauchte und athmete, auch aller Wohlthaten und Segnungen dieſes Elements theilhaftig werden wuͤrde. So auch, wer ſich an ſeinem beſondern Ort und in ſeinem beſon - dern Geſchaͤft eines gewiſſen ewigen Eigenthums nicht der einzelnen Dinge, aber des Ganzen, welches ſie durch die11 buͤrgerliche Ordnung mit einander ausmachen, bewußt waͤre, und mit jedem Athemzuge dieſes geiſtige Element empfaͤnde, der wuͤrde durch den wirklichen Beſitz aller Dinge im Umkreiſe des Staates nicht fuͤr den Verluſt dieſes Elementes entſchaͤdigt werden koͤnnen; denn er muͤßte ja erſt die beſonderen durch Geburt, Gewohnheit, Erziehung entwickelten Organe auf - geben, um den neuen Beſitz zu empfinden. In ſolche Lage werden die Menſchen durch unvernuͤnftige Emancipationen und Freyheitsproclamationen verſetzt; man nimmt ihnen das Gluͤck, wofuͤr ſie Organe haben, und erweckt die Begierde nach einem andern, wofuͤr die Organe fehlen.
Jeder alſo braucht beſondere Organe, beſonderes Eigen - thum, beſonderes Gluͤck, um des Allgemeinen theilhaftig zu werden; aber nur dadurch, daß er des Allgemeinen wirklich theilhaftig wird, kann er ſich bey ſeinem beſondern Gluͤck dauerhaft beruhigen. Wer alſo das Gefuͤhl des Ganzen, welches alle einzelnen Beſitzthuͤmer in ſich ſchließt, dem Ein - zelnen verſagt, der entzieht dem Einzelnen zugleich auch ſei - nen beſondern Beſitz, und jede Erweiterung dieſes Beſitzes iſt ſchon im Weſen verloren, ehe ſie noch dieſem Einzelnen ſcheinbar zu Theil wird.
Es iſt alſo klar, daß alle einzelnen Buͤrger im Staat nur in ſo fern viel haben, beſitzen, ruhig und dauerhaft produciren koͤnnen, in wie fern ſie mit einander ein großes, wohlhabendes und ſicheres Haus ausmachen, das heißt: in wie fern jeder als unzertrennliches Glied des Ganzen, ein un - wandelbares Gefuͤhl von der dauerhaften Wohlhabenheit des12 auch ihm zugehoͤrigen Ganzen hat. Stirbt der Hausherr, geht das alte Gemeinweſen und das lebendige Geſetz desſelben unter, ſo muͤſſen alle Einzelnen, und wenn ſie vor der Hand auch allen beſondern Beſitz behielten, und wenn auch das ganze Staatsvermoͤgen verhaͤltnißmaͤßig getheilt wuͤrde, und jedem einzelne Beſitze zuwuͤchſen, ſich aͤrmer fuͤhlen, weil die Buͤrgſchaft fehlt fuͤr die Dauer und fuͤr das Recht, weil der Einzelne nichts Allgemeines empfindet, weil die Luft fehlt, die allen Lebensgenuß anfriſchte und belebte, weil Jeder nun - mehr nur das ſieht was ihm fehlt, nicht mehr das, was er beſitzt. —
Der Reichthum eines Staates iſt alſo unendlich mehr, als die Summe der einzelnen Reichthuͤmer im Staate; es iſt ein großes Weſen darin, welches ſich durchaus nicht in Zahlen beſtimmen laͤßt, durch deſſen Mangel alle Zahlen zu Nichte werden, und durch deſſen Hinzukunft alle Zahlen wachſen. Koͤnnt ihr bey den Vorſtellungen des Reichthums und der Oekonomie durchaus nicht die Zahlen entbehren, ſo merkt euch, daß es eine Rechenkunſt gibt, nach der 1 und 1, auf lebendige Weiſe zuſammen geſetzt, 3 und mehr als 3, auf todte Weiſe zuſammen geſetzt, nur 2 und weniger als 1 geben. Verbindet ihr 1 und 1 auf productive Weiſe, wie Mann und Frau in der Ehe, wie eure Arbeitskraft mit dem Capital in jedem moͤglichen Gewerbe, ſo koͤmmt zu den beyden bleiben - den Weſen ein Drittes dazu. Soll aber ein ſolches Drittes hinzu kommen, ſo muͤſſen 1 und 1 auf dauerhafte Weiſe ver - bunden ſeyn, denn alle Production braucht Zeit. Es muß alſo außer den beyden producirenden Weſen noch eine Kraft13 geben, welche ihre Verbindung verbuͤrgt. Da nun aber auch im Großen das Weſen der buͤrgerlichen Geſellſchaft darin be - ſteht, daß ſie wachſe, daß allenthalben aus 1 und 1 drey wurde, ſo muß in der buͤrgerlichen Geſellſchaft eine die Summe aller einzelnen Kraͤfte uͤberwiegende Kraft vorhanden ſeyn, welche, da ſie die productiven Verbindungen aller Ein - zelnen verbuͤrgt, und ſie alſo erſt productiv macht, durch ihr Vorhandenſeyn alle Werthe erhoͤht, durch ihre Abweſenheit alle Werthe vernichtet.
Wenn ich die in einer wahren und ordentlichen, vater - haͤuslichen Staatswirthſchaft enthaltenen ſaͤmmtlichen beſon - deren Reichthuͤmer addire, ſo hat dieſe Summe freylich eine wahre Bedeutung, weil in den gleichfoͤrmigen Preiſen aller Dinge innerhalb ſolcher Haushaltung die Werthe, welche die allgemeine Staatskraft hinzu thut, ſchon enthalten ſind. Fehlt hingegen die gemeinſchaftliche Kraft, ſo ſchwanken und ſinken alle Werthe; die Zahlenbeſtimmungen, die wie Traum - bilder wechſeln, geben durchaus kein Reſultat, und waͤre die Summe der Privatreichthuͤmer in ſolchem Zuſtande der Ge - ſellſchaft noch ſehr betraͤchtlich, ſo ließe ſich daraus nur der Schluß ziehen, daß dieſe Reichthuͤmer ſich unter einander um ſo lebhafter verzehren, und, da ſie eine um ſo groͤßere Lockung fuͤr den auswaͤrtigen Feind ſeyn moͤchten, auch um ſo unver - meidlicher untergehen wuͤrden.
Aller Reichthum, oder da dieſer Ausdruck vielen Miß - verſtaͤndniſſen unterworfen ſeyn moͤchte, alles Vermoͤgen hat nothwendiger Weiſe zwey Elemente: die Kraft des Einzelnen14 und die Kraft des Staates: ich nenne dieſe beyden Kraͤfte Elemente, weil eine ohne die andere nicht beſteht, ja nicht einmahl wirklich da iſt. Alles Einzelne im Umkreiſe eines Staates Vorhandene, iſt nur thaͤtig und productiv vorhanden, in wie fern es in beſtaͤndiger Wechſelwirkung mit dem Allge - meinen und Gemeinſchaftlichen ſteht.
Das Staatsvermoͤgen iſt alſo der geſammte Inbe - griff derjenigen Kraͤfte, unter deren[ſichtbarem] und[unſichtbarem] Einfluß[das][Privatvermoͤgen] entſteht, waͤchſt, ſich vertheidigt und behauptet. Es beſteht alſo keineswegs allein in den Er - traͤgniſſen des Staatseigenthums und der verſchiedenen Abga - ben, oder in dem Capitalwerth dieſer Einkuͤnfte; die ge - ſammten Vertheidigungskraͤfte der Menſchen wie des Bodens, Armeen, Feſtungen, Waffen, die adminiſtrative Kunſt des geſammten Civiletats, ja die Verfaſſung, die Geſetze, alle großen Nationalerinnerungen ſind Beſtandtheile des Staats - vermoͤgens. Ja, aus dem Standpuncte des Einzelnen muß die Geſammtkraft aller uͤbrigen Individuen, als integriren - der Theil des Staatsvermoͤgens angeſehen werden, denn auch dieſe beſchraͤnkt, alſo befeſtiget und verbuͤrgt dem Einzelnen ſeine beſondere Exiſtenz, mit allem derſelben untergeordneten Beyweſen. Alle dieſe Dinge muͤſſen beharren und wachſen, wenn der Einzelne mit dem Seinigen beharren und wachſen ſoll, und jede Veraͤnderung die ſich auf ihrer Seite zutraͤgt, reagirt nothwendig auf der Seite des Einzelnen.
So nun beginnt alle Einſicht in die Haushaltung einer Nation, mit der deutlichen und ſichern Erkenntniß der von der Vorſehung in allen menſchlichen Geſchaͤften angeordneten,15 unendlichen Gegenſeitigkeit, Bezuͤglichkeit und Bedinglichkeit. Wer alſo uͤber die Nationalhaushaltung gruͤndlich reden, ſicher urtheilen, oder ſie foͤrderlich regieren will, der muß zufoͤrderſt einſehen, daß er es uͤberall mit Verhaͤlt - niſſen und Wechſelwirkungen zu thun hat, daß er nichts Einzelnes thun kann, ohne zugleich das Ganze zu officiren, daß er den ſaͤchlichen Reichthum oder den reinen Ertrag der einzelnen Productionen nicht veraͤndern kann, ohne zugleich auch auf der andern Seite die perſoͤnliche und productive Kraft des Staates zu veraͤndern; kurz, daß er zuerſt und vor allen Dingen ſtreben muͤſſe, nach einer beſtaͤndigen, umſichtigen und allſeitigen Gerechtigkeit gegen alle gleich weſentlichen und unter einander innig verſchraͤnkten Glieder der großen Familie.
Man erwaͤge die Forderung, welche an die Wiſſenſchaft der Nationaloͤkonomie gewoͤhnlich gemacht wird: ſie ſoll die Quellen erforſchen, aus denen diejenigen Erſcheinungen her - fließen, die man mit dem Worte Nationalreichthum zuſam - men zu faſſen pflegt, und ihre beſte Benutzung nachweiſen. Nationalreichthum in der allgemein angenommenen Bedeutung, iſt aber nicht mehr, als eine gewiſſe Fuͤlle derjenigen Mittel oder Sachen, die zur Erhaltung, Erleichterung, Verſchoͤnerung des aͤußeren Lebens der Menſchen weſentlich gehoͤren. Da nun der Werth dieſer Sachen einerſeits nur relativ iſt, und durch die Natur, wie durch das Beduͤrfniß derjenigen Menſchen be - ſtimmt wird, die ſich derſelben bedienen ſollen; da anderer - ſeits die geſammte und fortgeſetzte Thaͤtigkeit aller Glieder der buͤrgerlichen Geſellſchaft in Anſpruch genommen werden muß, um dieſe Sachen zu gewinnen und herbey zu ſchaffen; da endlich alle dieſe Thaͤtigkeiten nicht bloß durch ihre abgeſon - derte Anſtrengung, ſondern nur durch eine gewiſſe gliederartige Verſchraͤnkung unter einander, oder durch einen zuſammen - haͤngenden Organismus den beabſichtigten Zweck erreichen, ſo ſieht man leicht ein, daß die Herbeyſchaffung der Sachen nur der ſcheinbare Zweck der Nationaloͤkonomie ſey.
17Immer wird es eben ſo ſehr darauf ankommen, daß die gewonnenen Sachen wieder die productive Kraft der Perſonen erhoͤhen, alſo koͤnnte man eben ſo einſeitig, jedoch mit nicht minderem Rechte die Productionskraft der Perſonen zum Zweck der Nationaloͤkonomie erheben. Wir wollen alſo dem am Ende des erſten Kapitels aufgeſtellten Grundſatze gemaͤß, die Nationaloͤkonomie ſo definiren, daß ſie die Wiſſenſchaft der Erhaltung, Belebung, Verinnigung, erſtlich, des Ver - haͤltniſſes der Perſonen und Sachen zu einander, zweytens, des Verhaͤltniſſes der Perſonen und Sachen zu dem Staate ſey.
Es kann nicht fehlen, daß wir wegen dieſer Erklaͤrung den Vorwurf hoͤren werden, was wir meinten, ſey die Staatslehre uͤberhaupt, und unſere Definition koͤnnte eben ſo gut fuͤr die Wiſſenſchaft des Rechtes, als fuͤr die National - oͤkonomie gelten. Darauf erwiedern wir: die Oekonomie, das Recht, ja auch die militaͤriſche Vertheidigung des Ganzen, und die Religion wie die Erziehung, treffen alle in hoͤchſter Inſtanz zuſammen. Nur in wie fern der Gelehrte oder der Staatsmann ſich auf den Standpunct hin begibt, wo ſie alle zuſammen treffen, und wo ſich eine abgeſonderte Defini - tion einer von ihnen nicht weiter geben laͤßt, kann er das oͤkonomiſche, juriſtiſche, militaͤriſche, diplomatiſche Intereſſe des Ganzen wahrhaft uͤberſehen und beſorgen, nur in ſo fern kann er das religioͤſe Band, welches alle dieſe Intereſſen un - aufloͤslich verknuͤpft, feſthalten und ſchuͤtzen.
Das Recht und die Waffen, haben wir oben geſagt, muͤſſen als integrirende Theile des Staatsvermoͤgens angeſehenTheoret. Theil B18werden: auch die Zeit iſt nicht mehr fern, wo man die Religion als letzte und hoͤchſte Quelle allen Credits und aller Macht, und als die maͤchtigſte Gewaͤhrleiſterinn alles Beſitzes oͤffentlich anerkennen wird. Es waͤre ein ganz hoffnungsloſes Geſchaͤft, irgend eines dieſer Intereſſen darzuſtellen oder zu beſorgen, wenn man nicht des Beyſtandes der uͤbrigen gewiß waͤre; es waͤre unmoͤglich von der Staatswirthſchaft zu han - deln, wenn es nicht erlaubt waͤre, alle Dinge innerhalb des Staats, Perſonen und Sachen, ja den Staat ſelbſt als eben ſo viele oͤkonomiſche Werthe zu betrachten.
Der Menſch begehrt Dinge, um ſeine Unvollkommenheit zu ergaͤnzen, um der Vergaͤnglichkeit abzuhelfen, die er an ſich ſpuͤrt: der roheſte Hunger und Durſt, und die ausgebil - detſte Begierde nach dem raffinirteſten Lebensgenuß, ſind nur Offenbarungen jenes Triebes. Er begehrt Perſonen von ent - gegengeſetztem Geſchlecht, um die Einſeitigkeit ſeines Ge - ſchlechts zu ergaͤnzen, um die Vorſtellung eines vollſtaͤndigen und dauerhaften Menſchen, die er in ſeiner Seele traͤgt, zu verwirklichen. Der Menſch von einer gewiſſen Gewerbsgattung begehrt Menſchen von der entgegengeſetzten Gewerbsgattung, der Producent den Fabrikanten, der Gelehrte den Kuͤnſtler, jeder um ſich zu vervollſtaͤndigen, um ſich abzurunden, um ſich zu einem Ganzen zu erheben. Er ſtrebt ſich zu verbinden mit Perſonen und Dingen; er ſtrebt nach Eigenthum und nach Verpflichtungen; um etwas Hoͤheres hervorzubringen als er ſich ſelbſt fuͤhlt, um weiter zu ſehen, zu greifen, zu wirken, als ſeine iſolirten Kraͤfte reichen.
19Es ſcheint freylich, daß ſich die Sachen bloß durch die Willkuͤhr einſeitig aneignen laſſen, indeſſen gegen Perſonen, die ſelbſt an ſich, und dann auch zur Behauptung und Er - haltung der Sachen unentbehrlich ſind, gilt nur Verpflich - tung, gegenſeitige Aneignung. Wenn alſo auch nur nach dem Eigenthume geſtrebt wuͤrde, ſo muͤßten die Menſchen ſich deßhalb ſchon wie in ein großes Gewebe gegenſeitig ver - ſchraͤnken; jeder muͤßte in eine Wechſelverpflichtung zu allen Uebrigen treten: das Eigenthum ließe ſich nicht erweitern, ohne dieſe perſoͤnlichen Verpflichtungen zu vermehren. Wer dieſe Verpflichtungen zerriſſe, ſchwaͤchte auch das Eigenthum und verurſachte eine Werthverminderung desſelben.
Geſetzt nun alſo, die Nationaloͤkonomie haͤtte es bloß mit dem Eigenthum zu thun, und nicht mit der wechſelſeitigen Verſchraͤnkung und Verbuͤrgung des Eigenthums, welche durch perſoͤnliche Verpflichtungen vollzogen wird, ſo wuͤrde ſie eben ſo wenig von der oͤkonomiſchen Erweiterung des Eigenthums Rechenſchaft geben koͤnnen, als eine Rechtslehre, die nur von den perſoͤnlichen Verpflichtungen handelte, aber die Realrechte verſaͤumte, uͤber die juriſtiſche Sicherſtellung der Contracte Rechenſchaft geben koͤnnte. Wie alſo die Juris - prudenz Perſonen und Sachen als Subjecte des Rechts be - handelt, ſo ſoll die Staatswirthſchaft Perſonen und Sachen als oͤkonomiſche Objecte betrachten. Der erſte Zweck der Nationaloͤkonomie iſt alſo Erhaltung, Bele - hung, Vereinigung des Verhaͤltniſſes der Perſonen und Sachen zu einander.
B 220Wenn nun alſo Perſonen und Sachen beyde als oͤkono - miſche Werthe ſich in einander gewoben, und durch einander verbuͤrgt haben, ſo entſteht die Fuͤlle, die Ganzheit, der dauerhafte und vollſtaͤndige Menſch, wornach alle Einzelnen geſtrebt haben. Alle muͤſſen zuſammen treten, zuſammen wir - ken, ſich zuſammen verpflichten, damit er fuͤr jeden Einzelnen wirklich werde. Dieſer vollſtaͤndige Menſch, an dem ſich alle Einzelnen erheben, durch den ſich alle Einzelne vervollſtaͤndi - gen, iſt der Staat, iſt dasjenige, was wir oben unter dem Bilde des Vaterhauſes dargeſtellt. So waͤre nun die Vorſtel - lung von einem vollſtaͤndigen und unvergaͤnglichen Menſchen, welche die Seele mit ſich umher trug, realiſirt. Aber wie kann man dieſes Weſen, welches immer außerhalb des Men - ſchen bleibt, und das er ſich nie vollſtaͤndig anzueignen ver - mag, eine Verwirklichung ſeines Ideals nennen? Ich antworte: alles was der Menſch ſich aneignet, iſt nur in ſo fern ſein eigen, als er ſelbſt dafuͤr Verpflichtungen eingegangen, als er durch Verpflichtungen gegen Perſonen ſein Eigenthum ſelbſtthaͤ - tig verbuͤrgt hat. Der Staat, dieſe groͤßte unter allen Sachen und zugleich dieſe groͤßte unter allen Perſonen, iſt als Sache in ſo fern wirklich ſein eigen, als er ſich ihm in ſeiner perſoͤnli - chen Qualitaͤt perſoͤnlich und ſelbſtthaͤtig verpflichtet hat. Der andere Zweck der Nationaloͤkonomie iſt dem - nach, da der Staat unaufhoͤrlich die oͤkonomi - ſche Exiſtenz des Einzelnen garantirt, in wie fern der Einzelne fuͤr die oͤkonomiſche Erhaltung des Ganzen lebt, die Belebung des Verhaͤltniſ - ſes der Perſonen und Sachen zum Staate.
21Da nun aus dem Verhaͤltniſſe des Menſchen zu den Sachen, ſich die zu den Perſonen, und die zum Staate ganz von ſelbſt und nothwendig ergeben: da der Menſch an allen Orten und zu allen Zeiten in oͤkonomiſcher Ruͤckſicht zu den Sachen in dreyfacher Relation ſteht, zuerſt um ihrer ſelbſt Willen, dann um der Perſonen, und endlich um des Staates Willen, wie er in juriſtiſcher Ruͤckſicht in dreyfachem Verhaͤltniß zu den Perſonen ſteht, zuerſt um der Perſonen Wil - len (in dem jure personarum) dann um der Sache Willen (in dem jure rerum im weiteſten Sinne des Wortes, wohin dann das jus obligationum und actionum gleichfalls ge - hoͤrt) und endlich um des Staates Willen (in dem jure publico) — ſo entſtehen drey große Grundformen des Eigen - thums, die allenthalben, wenn der natuͤrliche Zuſtand der Dinge keine Stoͤrung erlitten, auf der gleichen Stufe der Ausbildung ſtehen werden, weil ſie ſich alle unter einander verbuͤrgen: zufoͤrderſt reines Privateigenthum oder Verhaͤltniß des Menſchen zu den Sachen um ihrentwillen, dann corporatives Eigenthum, da der Menſch ver - mittelſt perſoͤnlicher Verpflichtungen in einem Verhaͤltniſſe zu den Sachen ſteht, wohin alle Arten des Familien - und Gemeinde-Eigenthums, und das Fideicommiſſariſche, das Lehen, kurz alle die Formen des Eigenthums gehoͤren, die von perſoͤnlichen und Dienſt-Verpflichtungen unzertrennlich ſind, endlich Staatseigenthum, da der Menſch im Verhaͤltniß zu den Sachen um der Erhaltung des Ganzen Willen ſteht.
22Wenn wir die Sache wiſſenſchaftlich ſtreng nehmen, ſo tritt dieſe dreyfache Relation bey jedem einzelnen Eigenthume ein, und da ſich alle drey unter einander verbuͤrgen und be - dingen, ſo hat der Einzelne uͤberhaupt nur ein Eigenthum, in wie fern er das Object desſelben zugleich als Privateigen - thum, als corporatives und als Staatseigenthum betrachtet und behandelt, mit andern Worten, in wie fern er die ihm eigenthuͤmliche Sache mit den Perſonen zu theilen, und dem Staate hinzugeben, allezeit bereit iſt. In dieſem Sinne nur hat er auch das Eigenthum ſeiner eigenen Perſon, und das fuͤhrt ſeine ganze Stellung als Glied eines großen Ganzen unaufhoͤrlich mit ſich, daß er ſeine ſaͤchliche und perſoͤnliche Eigenthuͤmlichkeit zu theilen und aufzuopfern an allen Orten bereit ſey. Das wird das Kennzeichen ſeyn, ob er ſich jenes Ideal eines vollſtaͤndigen und dauerhaften Menſchen, das er in ſich trug, und das nur die Geſellſchaft im Ganzen reali - ſiren kann, tuͤchtig und innig angeeignet hat; ob ſein Stre - ben nach Fuͤlle und Unvergaͤnglichkeit, worin ſein menſchlicher Charakter und ſeine Vernunft ſich offenbart, wirklich befrie - digt iſt; und ob er das einzig ſichere Eigenthum erlangt hat, zu dem er nur herangelockt wurde, durch den vergaͤnglichen Schein des Privateigenthums, wie er uͤberhaupt zu allen hoͤheren Befriedigungen ſeines Daſeyns, durch den gemeinen Hunger und Durſt herangewoͤhnt worden iſt.
Dem gemeinen Auge erſcheint nur da, wo ihm Privat - eigenthum zugeſtanden wird, wirkliche Befriedigung; wo es theilen muß, oder mit dem Ganzen beſitzt, ſieht es nur Nieß - brauch — gerade wie dem kindiſchen Auge die Erde zu ruhen,23 und der Himmel ſich zu bewegen ſcheint. Dringt aber dieſes Auge in die Weſenheit der Verhaͤltniſſe, ſo ſieht es das wirk - liche Eigenthum nur in dem gemeinſchaftlichen Beſitz, und in allem Privateigenthume nur Nießbrauch und Vergaͤnglichkeit, obwohl einen fuͤr das Ganze ſehr weſentlichen Nießbrauch, und eine unentbehrliche Vergaͤnglichkeit, weil das hoͤhere wirkliche und dauerhafte Eigenthum dadurch erſt moͤglich und ſichtbar wird. Nun iſt es entdeckt, daß der Himmel ruhe, und ſich die Erde bewege, daß das wahre Eigenthum des nach Sicherheit und Ruhe ſtrebenden Geiſtes dort hinuͤber fallen muͤſſe, und nicht hierher, und daß durch den fruͤheren Schein einer ruhenden Erde, die Seele nur an ein Beduͤrfniß der Ruhe herangewoͤhnt werden ſollte, welches aber die Erde allein nicht befriedigen konnte.
Vielleicht gibt es noch eine hoͤhere Stufe des Eigenthums, wo, wenn die bewegte Erde in ihrem Verhaͤltniß zu dem ruhen - den Himmel, der vergaͤngliche Einzelne in ſeinem Verhaͤlt - niſſe zu dem bleibenden Staate lange betrachtet worden, nun auch die Bewegung des Himmels wie die des Staates wahr - genommen wird, und die mit dem Beduͤrfniß der Ruhe und des ſicheren Eigenthums nun ganz verwachſene Seele, ein ganz unbedingtes Eigenthum und eine ganz ungeſtoͤrte Ruhe entdeckt. — Hier iſt nur eine Andeutung moͤglich, aber eine zur Vollſtaͤndigkeit meiner Darſtellung ſehr weſentliche An - deutung: denn das iſt die Gruͤndlichkeit der Behandlung eines ſolchen Gegenſtandes, daß er an alle hoͤheren Beduͤrfniſſe des Menſchen, an ſeine vollſtaͤndige Natur angeknuͤpft werde, und nicht bloß durch ſeine innere Fuͤlle und Ordnung gelte,24 die, wie die Unzugaͤnglichkeit der bisherigen vorwitzig abge - ſchloſſenen Theorie zeigt, auch nur in Verbindung mit der uͤbrigen aͤußeren Weltordnung zu zeigen iſt.
Ich kann nicht, wie es bisher geſchehen, in der National - oͤkonomie die Sachen und ihre Herbeyſchaffung von den Per - ſonen trennen; denn das ganze Leben der Sachen, ihr ſich vermaͤhlen unter einander und produciren, koͤmmt ja aus den Perſonen: deßhalb muß ich ſo gut wie der Juriſt vor allen Dingen vom Eigenthum handeln; er betrachtet das Eigen - thum vielmehr wie es durch den Willen der Menſchen iſt, der Oekonom vielmehr, wie es durch die Natur der Sache und der Verhaͤltniſſe wird. Der ganze Nationalreichthum aber iſt in letzter Inſtanz nur in ſo fern etwas werth, als er einer beſtimmten Nation natuͤrlich und ſicher und unauf - loͤslich angeeignet iſt, wie auch von ihr behauptet werden koͤnne: da nun der gegenwaͤrtige Juriſt nur nach dem Willen fragt, der das Geſetz gegeben, und das Eigenthum conſti - tuirt hat; die Macht hingegen, welche die Geſetze ausfuͤhrt, und das Eigenthum behauptet, nur praͤſumirt, ſo begreift ein Kind, daß die ſichere Aneignung, von der alle Werthe unſeres Reichthums, und alle Buͤrgſchaft unſeres oͤkonomi - ſchen Erwerbes abhaͤngen, nicht von der dermahligen Rechts - lehre garantirt werden koͤnne. Demnach muͤſſen wir uns dieſe Garantie ſelbſt ſchaffen, und unſern Reichthum ſo entſtehen und wachſen laſſen, daß er ſich ſelbſt behaupten koͤnne.
25Es kommt eine Zeit, und ſie iſt nicht entfernt, denn der Motive ihre Ankunft zu beſchleunigen gibt es unzaͤhlige, wo auch die Rechtslehre ſich mit einer bloßen Praͤſumtion der Macht, oder mit einem bloß idealiſchen Rechte nicht mehr begnuͤgen, und wo ſie, wie wir, einſehen wird, daß ſie nur beſtehen koͤnne, in wie fern ſie ſich mit uns in den Mittel - punct alles politiſchen Lebens begibt.
Indeß merke der Leſer wohl die bedeutende Abweichung unſerer Lehre von der des Locke, Hume, Adam Smithund der Oekonomiſten, daß wir naͤhmlich vor allen Dingen von der Idee des Eigenthums ausgehen, die bey jenen Autoren ohne weiteren Anſpruch der Jurisprudenz hoͤflichſt uͤberlaſſen worden iſt.
Die Inſtitutionen des Mittelalters bezeugen alle, daß man in jenen Zeiten zwey Hauptgattungen des Eigenthums aner - kannte, das Feod und Allod, unbeſchraͤnktes und auf[Treu] und Glauben uͤberlaſſenes Eigenthum. Das Feod hat nach aller Geſchichte und allen Rechtsanſichten jener Zeit die Prioritaͤt, die ihm von wegen Gott und der Natur der Dinge an allen Orten zukommt; das Allod kennt man nur als er - wachſend aus dem ſparſamen Nießbrauch des Feod, und von allen Seiten bedingt und beſchraͤnkt durch dieſes. Das lau - fende Jahrhundert erklaͤrt hingegen, daß es dem Feod, dem Eigenthum, welches auf die Bedingungen dafuͤr zu leiſtender Dienſte und eventuellen Heimfalls uͤberlaſſen wurde, und, welches in der Kindheit der Staaten zur Befeſtigung der - ſelben beygetragen haben moͤge, nunmehr entwachſen ſey; daß es die reichen und in alles politiſche Leben (wie alle Jugendeindruͤcke) tief verwachſenen Spuren des Feod, oder den ſogenannten Feudalismus, verfolge und zerſtoͤre wo es koͤnne; daß es nur Eine Form des Eigenthums, naͤhmlich das nach Maaßgabe des Roͤmiſchen Privatrechts umgeformte Allod anerkenne, und, weil die Kunſt, vermittelſt einer bloßen27 Subordination der Individuen, einer Concentrirung der Macht, und der trefflichen Erfindungen des Pulvers und der ſtehenden Heere, alles Privateigenthum zu beſchuͤtzen und in ſeinen Schranken zu erhalten, von den Fortſchritten der Zeit herbeygefuͤhrt worden, nun auch die Sanktion des Glaubens oder einer gegenſeitigen Dienſtverpflichtung nicht weiter von - noͤthen ſey. —
Es folgt aus meiner ganzen obigen Darſtellung, daß, wenn alles Eigenthum einſeitiger Natur iſt, wenn es gar keine Beziehung von Wechſelverhaͤltniſſen und Wechſelverpflich - tungen der Perſonen auf Sachen gibt (wie ſolche zwiſchen dem Lehnsherrn und ſeinen Vaſallen mit Beziehung auf das verliehene Grundſtuͤck exiſtirt) auch keine Wechſelverpflichtung zwiſchen den Regierenden und Unterthanen, mit Beziehung auf das große gemeinſchaftliche Eigenthum, welches Staat heißt, Statt finden koͤnne.
Wie vieles waͤre gewonnen, wenn diejenigen, welche ſich in dieſen Tagen der Zerruͤttung, zu den ſogenannten guten Grundſaͤtzen, oder den Grundſaͤtzen der Ordnung und des Rechts bekennen, einſehen moͤchten, daß ſie mit den beſten Abſichten doch nur an der Oberflaͤche verweilen, ſo lange, bis ihnen der Grundſatz, daß es nur eine Art des Eigen - thums, naͤhmlich das ganz unbedingte Privateigenthum geben koͤnne, als der oberſte oder innerſte Grundſatz der Zerſtoͤrung einleuchtet. Gibt es nur Privateigenthum, ſieht alles Eigen - thum abgeſondert fuͤr ſich um den iſolirten Eigenthuͤmer her, ſo kann die Regierung, wie liberal und wohlmeinend ſie auch ſey, ihre Beſtimmung, Eigenthum und Eigenthuͤmer zu28 ſchuͤtzen, nur durch Zwang, durch ein eiſernes Band er - reichen, welches ſie um das Buͤndel iſolirter Eigenthuͤmer, die durch keine gegenſeitigen Verpflichtungen in einander ge - wachſen ſind, umher wirft.
Alle Staatslehren unſerer Tage, haben ſich bewußtlos an ſolche Roͤmiſche Rechtsbegriffe von der Alleinherrſchaft des Privateigenthums angeſchloſſen, und ſie beſtaͤtigen die Wahr - heit meiner Folgerung, indem ſie kein Mittel der Regierung anerkennen, als den Zwang, und ſomit eingeſtehen, daß die Perſonen in den Haͤnden der Staatsgewalt nichts anderes ſind, als ihren juriſtiſchen Lehrern zu Folge, die Sachen in den Haͤnden der Perſon, naͤhmlich Privateigenthum. Sie conſtituiren die Staatsgewalt zum unbedingten Despotismus. Daß ſie das Recht erzwungen, und nach dem Geſetze die Perſonen gezwungen wiſſen wollen, aͤndert die Sache nicht: denn, wenn man eine geraume Zeit hindurch zwingen will, ſo muß man wohl nach einer gewiſſen Regel zwingen.
Die freye Anerkennung aller macht erſt das Geſetz zum Geſetz; dieſe freye Anerkennung offenbart ſich aber nicht durch eine Stimmenſammlung, der gerade in dieſem Augenblicke dem Zwange des Geſetzes unterworfenen, ſondern in dem Ur - ſprung des Geſetzes aus dem Contrakte, nicht aus dem ein fuͤr allemahl abgeſchloſſenen Contrat social, ſondern aus dem freyen und unendlichen Contrahiren und Wechſelverpflich - ten der Perſonen unter ſich, und mit dem Staate und ſeinen Repraͤſentanten, welches ich oben beſchrieben, wovon in der ganzen Weltgeſchichte nur die Staaten der neuern, der chriſt - lichen Zeit ein Beyſpiel geben. Dieß heißt: freye Anerkennung29 des Geſetzes; ſo wird erſt das Geſetz zum Rechte: und dieſes Recht mag dann auch immerhin rechtlich erzwungen werden. —
Die einzige Staatsform, welche die curſirenden Staats - lehren ſtatuiren, iſt der Despotismus, wie ſehr ſie ihn auch daͤmpfen wollen, dadurch, daß ſie die geſetzgebende Macht und ihre Mittel, die Rede - und Preßfreyheit, dem Volke anvertrauen, und ſomit die ganze Staatsgewalt wieder als ein idealiſches Privateigenthum dem Volke unterwerfen. Koͤnnte ſich das Volk auch wirklich als oberſter Privateigen - thuͤmer der Staatsgewalt, und dadurch ſeiner ſelbſt conſtitui - ren, ſo haͤtten wir nur die alte Fabel: ein Rieſe traͤgt die Erde, der Elephant den Rieſen, den Elephanten eine Schild - kroͤte u. ſ. f. und beym Despotismus bliebe es: wer ihn ausuͤbte, waͤre gleichguͤltig.
Die Freyheit iſt alſo nur, wo Wechſelverpflichtungen ſind; wo mehrere Arten des Eigenthums ſich unter einander zugleich daͤmpfen und verbuͤrgen; wo das Privatrecht an allen Stellen durch einen echten Feudalismus gemaͤßigt iſt. Denn geſetzt auch, eine milde und menſchliche, aber auf Roͤmiſchen Princi - pien beruhende Staatsgewalt, wuͤßte innerhalb des eiſernen Bandes, allen Zwang ſo zu vermenſchlichen, daß das Leben wirklich nach Freyheit ſchmeckte, ſo bleibt dieſe Freyheit vor dem Geſetz, wenn ſie auf dem unbedingten Privateigenthum errichtet wird, doch nur ein voruͤbergehender Euphemismus; bey dem erſten Stoß eines auswaͤrtigen Siegers wird die Ge - brechlichkeit der Sache weltkundig werden, und man wird das Kind bey ſeinem wahren Nahmen nennen.
30Was man dem Staat an aͤußerer Macht durch ſtehende Armeen, Feſtungen, durch eine weiſe Subordination und durch Zwang hinzu thut, iſt ſehr wichtig; aber es iſt ſehr unbedeutend gegen die uralte, durch die Beduͤrfniſſe langer Jahrhunderte befeſtigte innere Bindung des Staats, durch ein uͤber ſeine ganze Oberflaͤche hin gewachſenes Netz von Wechſel - verpflichtungen und gegenſeitigen Verbuͤrgungen, zumahl, wenn dieſe Verpflichtungen uͤber das Eigenthum aller Eigen - thume, uͤber die Erhaltung des Staates ſelbſt, oder doch uͤber das Grundeigenthum, wie beydes in dem verrufenen Verhaͤlt - niſſe des Lehnsherrn zum Vaſallen, und in dem Verhaͤltniß des Grundherrn zu ſeinem pflichtigen Bauer der Fall iſt, eingegangen worden ſind. Es bedarf ein Jahrhundert, um ſolche feudaliſtiſche Bande zu zerſtoͤren, und den darauf ge - gruͤndeten eigentlichen Freyſtaat zu unterjochen; eine kurze Zeit gehoͤrt hingegen dazu, um die in dem Roͤmiſchen Zwangsſtaat ſchon hinreichend iſolirten Privateigenthuͤmer vollends aus einander zu ſetzen, oder zu ſprengen. —
Auch ich weiß es und erkenne es an, daß in unſern Tagen an unzaͤhligen Stellen die feudaliſtiſchen Bande druͤcken, wie eiſerne Roͤmiſche: aber die feudaliſtiſchen Eigenthuͤmer, die den Fluch der Zeit theilen, die den Glauben brechen, dem ſie ihr Eigenthum verdanken, die ihre Vaſallen und Dienſtleute und das Grundſtuͤck dazu, wie Roͤmiſches Privateigenthum behan - deln, die von keiner Gegenſeitigkeit, ſondern nur von Roͤmi - ſcher Einſeitigkeit des Beſitzes wiſſen, beweiſen nichts, als was wir ſo oft erfahren, daß das Herrlichſte durch den Miß - brauch zum Verworfenſten, und das Beſte in der Entartung31 zum Schlechteſten wird. Wiſſenſchaft und Geſetzgebung muͤſ - ſen um ſo feſter an den gemißbrauchten Inſtitutionen halten, das verblendete Geſchlecht uͤber den alten Geiſt derſelben er - leuchten; zeigen, daß alle Rettung und alle Zukunft davon abhaͤngt ihn zu behaupten; thaͤtig angreifen, um ihn zuruͤck zu fuͤhren, und die unmittelbaren Spuren die er hinterlaſſen, aufrecht erhalten, wo ſie ſich vorfinden moͤgen, bis, wie es in einem Europaͤiſchen Lande der Fall iſt, der Geiſt der Wechſelverbuͤrgung ſich in alle geheimſten Adern des Staates verfloͤßt hat, und dann die aͤußeren urſpruͤnglichen Formen dieſes Geiſtes weniger nothwendig ſind.
Wenn wir nunmehr die oͤkonomiſchen Angelegenheiten der Voͤlker naͤher ins Auge faſſen, ſo ergibt ſich, daß nur der kleinſte Theil aller oͤkonomiſchen Geſchaͤfte privative und mit iſolirten Kraͤften getrieben werden koͤnne. Die Meiſter der oͤkonomiſchen Schulen haben uns ſelbſt von dem ungeheuren Wachsthum der Wirkung unterrichtet, die durch Theilung der Arbeit, das heißt: durch die Verbindung mehrerer zu einem Geſchaͤfte erreicht werden kann: ferner iſt, wie allge - mein bekannt, auch die Europaͤiſche Oekonomie dahin gedie - hen, daß alle fuͤr den Einzelnen, der Einzelne fuͤr alle ar - beitet, das heißt: daß alle ſich fuͤr das Geſchaͤft der oͤkonomi - ſchen Verſorgung des Einzelnen verbinden muͤſſen, und, wenn der Einzelne ſein beſonderes Geſchaͤft ſoll mit Erfolg treiben koͤnnen, ſich auch die Beduͤrfniſſe aller auf dem Markte vereinigen muͤſſen.
Dieſe Vereinigung vieler Producenten fuͤr die Befriedi - gung eines einzelnen Beduͤrfniſſes, und vieler Beduͤrfenden32 um den Productionen eines einzelnen Producenten zu genuͤ - gen, iſt freylich nur eine ganz mechaniſche Vereinigung, und auf dem erſten Blick ſcheint ſie auf dem bloßen Privateigen - thum zu beruhen. Der einzelne Arbeiter traͤgt das Privat - eigenthum ſeiner mehrſtuͤndigen Kraft taͤglich in die Manu - factur, und erhaͤlt dafuͤr ein gleichgeltendes Privateigenthum an Tag - oder Wochenlohn zuruͤck: er bleibt in allen dem, was er außer dem Privateigenthum ſeiner Kraft noch hat oder iſt, unbeſchraͤnkter Gebieter uͤber ſeine eigene Perſon. Eben ſo der Unternehmer der Manufactur, ohne ſich zu einer wei - teren perſoͤnlichen Sorge fuͤr ſeinen Arbeiter in Faͤllen von Krankheit, Ungluͤck, Alter zu verpflichten, gibt das Privat - eigenthum ſeiner Vorſchuͤſſe, Auslagen, Abloͤhnungen fuͤr das andere Privateigenthum des fabricirten Productes hin. Kurz wir ſehen nur Tauſche des Privateigenthums gegen einander: die Perſoͤnlichkeit der Tauſchenden bleibt faſt ganz außer dem Spiel, außer der Verpflichtung.
Eben ſo, ohne weitere perſoͤnliche Verbindung der Kaͤu - fer, verſammelt der Kaufmann die verſchiedenartig Be - duͤrfenden (wie der Fabrikant die verſchiedenartig Arbeitenden) vertheilt unter ihnen das Privateigenthum der verſchiedenen Waaren, und erhaͤlt dafuͤr von ihnen das, der verſchiedenen Preiſe, Auslagen, Unkoſten, Zinſen ꝛc. ohne daß weiter irgend eine perſoͤnliche Verpflichtung entſtuͤnde. — Es ſollte alſo ſcheinen, es ſey im ganzen Gebiete der ſtaͤdtiſchen Ge - werbe und Manufactur von nichts als Privateigenthum die Rede, und hier koͤnne alle weitere perſoͤnliche Gemeinſchaft mit Beziehung auf die Sachen entbehrt werden?
33Aber ſo iſt es nicht: das ganze Geheimniß ſteckt im Gelde. Im Gelde, in einer allgemein guͤltigen, jedem annehmlichen Waare verbirgt ſich die geſammte Perſoͤnlichkeit, verbirgt ſich das perſoͤnliche Band, welches dieſe Arbeiter und dieſe Beduͤrfenden unter einander verknuͤpfte. Der beſte Beweis, daß nur das Geld ſie verbunden hat, iſt, daß das Band zer - reißt, ſo bald das Geld fehlt, daß der Arbeiter alsbald ſei - nen Principal, der Kaufmann ſeinen Kunden fahren laͤßt — oder, daß unmittelbar eine perſoͤnliche Verpflichtung an die Stelle des Geldes tritt: ein Wort, ein Wechſel, eine Schuld — woraus unmittelbar folgt, daß das Band der Manufactur und des Marktes, eigentlich ein perſoͤnliches iſt, wie auch das Geld, welches nur circulirend, von einem zum andern uͤbergehend, und zwiſchen zwey Perſonen vermittelnd zu denken iſt, niemahls ein Gegenſtand des unbedingten Privat - eigenthums ſeyn kann. — So offenbart ſich dann die un - gluͤckliche Richtung aller unſerer Arbeit auf das Privateigen - thum, und die Reaction des verſaͤumten Feod auf das Allod, theils in den Stockungen des Marktes der Arbeit und der Waaren, theils in dem ſteigenden Schuldenweſen des Staats und der Privaten. —
Adam Smithgeſteht ein, daß die Theilung der Arbeit ohne Dazwiſchenkunft des Geldes nicht vollfuͤhrt werden koͤn - ne: ſehr wahr, wegen der Unendlichkeit von Crediten, die zugeſtanden werden muͤſſen. Aber die Sache liegt noch etwas tiefer: durch die Theilung der Arbeit entſtehen verfeinerte Gegenſtaͤnde des Privateigenthums; aber in den Anfaͤngen der buͤrgerlichen Geſellſchaft gibt es, wie ſchon oben bemerkt,Theoret. Theil C34meiſtentheils nur Feod, nur perſoͤnliche Verpflichtungen der Menſchen mit Beziehung auf Sachen: die Arbeit theilt ſich auch nicht, weil niemand des Produktes dieſer getheilten Ar - beit bedarf. So bald ſich aber aus und neben dem Feod ein Allod entwickelt hat, das heißt: aus und neben dem Ge - meindeeigenthum ein Privateigenthum, eben ſo bald iſt auch ein Beduͤrfniß da, das Gemeindeeigenthum in das Privat - eigenthum umzuſetzen und umgekehrt. Dieſer Umſatz geſchieht entweder vermittelſt eines perſoͤnlichen Mittels: des Wortes oder des Credits, das heißt: vermittelſt des perſoͤn - lichen Glaubens oder der perſoͤnlichen Allgemeinguͤltigkeit, die ſich ein Menſch zu verſchaffen gewußt — oder vermittelſt eines ſaͤchlichen Mittels: einer allgemein guͤltigen Waare. Dieſes Mittel, es ſey perſoͤnlicher oder ſaͤchlicher Natur, oder beydes, welches man mit dem alle dieſe verſchiedenen Natu - ren umfaſſenden Nahmen: Geld belegt, iſt im Grunde nur ein Subſtitut des Staates oder der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſelbſt. Etwas in gewiſſem Sinne Allgegenwaͤrtiges ſagt fuͤr unſere kuͤnftigen Beduͤrfniſſe, fuͤr die nicht gerade zur Stelle anweſenden Waaren, die wir brauchen, gut: wer kann dieß anders, als der an allen Orten innerhalb ſeines Bezirks, und bey allen Geſchlechtern innerhalb ſeiner Zeitdauer, gegen - waͤrtige Staat.
Die Macht der Waare, die um des Beyeinanderſeyns Willen mit Allen von Allen geſucht wird, die Macht des Wortes oder des Glaubens, worin ſich viele oder alle Mit - glieder der buͤrgerlichen Geſellſchaft vereinigen: beyde Maͤchte ſind nur Offenbarungen des Beduͤrfniſſes aller bey einander35 zu ſeyn, oder ſich doch ohne Ende auf perſoͤnlichem oder ſaͤchlichem Wege zu beruͤhren; alſo der Geſellſchaft, alſo des Staates. Das Geld demnach, wo es erſcheint, und wie es erſcheint, ob als Wort oder als Metall iſt nur Geld, in wie fern es kein Privateigenthum, ſondern in wie fern es wie der Staat ſelbſt, Gemeindeeigenthum moͤglichſt vieler, ja aller iſt. Denn noch einmahl: nur im Moment des Umſatzes oder der Circulation ſind die Subſtanzen des Geldes wirklich Geld: und in dieſem Moment ſind ſie Feod. —
Mehrerley bisher verbundene Arbeit kann ſich alſo nur theilen, in wie fern Privateigenthum moͤglich iſt, aber Pri - vateigenthum iſt nur moͤglich, in wie fern der Staat ſelbſt, oder das Beduͤrfniß der perſoͤnlichen und ſaͤchlichen Gemein - ſchaft ſchon maͤchtig genug iſt, um die verſchiedenen Gegen - ſtaͤnde desſelben perſoͤnlich, in der Geſtalt des Geldes unter einander zu vermitteln. — So wuͤrde ich die Vorſtellung des Adam Smithvon dem Verhaͤltniß des Geldes zur Theilung der Arbeit periphraſiren.
Zugleich haͤtten wir nunmehr gezeigt, daß die drey gleich nothwendigen Formen des Eigenthums, Privateigenthum (Allod) Gemeindeeigenthum (Feod) und das beyde umfaſſende Staatseigenthum, ſich nothwendig aus einander oͤkonomiſch entwickeln, und einander fortgehend bedingen; ferner, daß es eine bloße Taͤuſchung ſey, wenn man waͤhnt, daß irgend ein oͤkonomiſches Geſchaͤft, zum Beyſpiel: das ſtaͤdtiſche Ge - werbe, auf einer Baſis von bloßem und abſolutem Privateigen - thume vor ſich gehen koͤnne; endlich, daß, wenn man bey ſolchem Gewerbe, verfuͤhrt durch den Umſtand, daß das GeldC 236auch eine Waare, und, wenn es ruht, Gegenſtand des Privateigenthums iſt, allen perſoͤnlichen und feudalen Ver - pflichtungen ausweicht, und ſich bloß auf das abſolute Pri - vateigenthum ſtuͤtzt, wie es zum Beyſpiel geſchieht, wenn man in unſeren Theorien das Manufacturſyſtem durchaus an die Stelle des Zunft - und Innungsſyſtems ſetzt — dieſes Ge - werbe in ein allgemeines Schuldenweſen, und in die Brot - loſigkeit der Arbeiter ausgehen, alſo verderben muͤſſe.
Jedermann wird mir nach dieſen Betrachtungen einraͤu - men, daß, wenn alles feudaliſtiſche Weſen aufgehoben waͤre, auch das prahleriſche Syſtem unſerer Induſtrie nothwendig zuſammenſinken muͤßte. Schon in dem gegenwaͤrtigen Zu - ſtand der Dinge, wo doch noch die meiſten unſerer buͤrger - lichen Einrichtungen im Zuſammenhange mit ihrer feudaliſti - ſchen Quelle ſtehen, und eigentlich erſt in wenigen einzelnen Faͤllen die alten perſoͤnlichen Verpflichtungen in Geldpraͤſta - tionen und privatrechtliches Eigenthum verwandelt worden, iſt ein viel druͤckenderes perſoͤnliches Verhaͤltniß an die Stelle der aufgehobenen getreten: das Staats - und Privatſchulden - weſen. Keine Dienſtpflichtigkeit der Welt, weder des Vaſallen gegen ſeinen Lehnherrn, noch des Unterthanen gegen ſeinen Grundherrn, noch des Geſellen gegen ſeinen Meiſter u. ſ. f. wie dieſe Dienſtverhaͤltniſſe auch von dem alten Charakter der Gegenſeitigkeit abgefallen ſeyn mochten, iſt wohl an inner - licher Schmach und Demuͤthigung mit dem Verhaͤltniß des Schuldners gegen ſeinen Glaͤubiger zu vergleichen: und ſo iſt die Welt auf der einen Seite dem Druck natuͤrlicher Ver - pflichtungen entlaufen, um ſich auf der andern Seite nur deſto37 tiefer in ein ganzes Netz ſolcher Verpflichtungen kuͤnſtlich zu verſtricken.
Die Macht des Geldes liegt darin, daß es zwiſchen dem Privateigenthum und dem perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe (zwiſchen Sachen und Perſonen) zu vermitteln im Stande iſt: je leb - hafter die Wechſelwirkung zwiſchen dieſen beyden gleich noth - wendigen Elementen alles Verkehrs iſt, um ſo mehr hat das Geld zu vermitteln, und um ſo leichter geht dieſe Function des Geldes von ſtatten. So bald aber die Zeit, in ungluͤcklicher Verblendung, gegen eines dieſer beyden Elemente des politi - ſchen Lebens zu wuͤthen anfaͤngt, und es ihr, ſelbiges zwar nicht zu vertilgen, doch zu ſchwaͤchen gelingt, ſo laͤßt die Wechſelwirkung, alſo die Gewalt des Geldes nothwendig nach: das Privateigenthum, die Waaren, die Sachen, fangen einer - ſeits an ſich zu haͤufen, und die Arbeiten theilen ſich im Wege des Privatrechts ins Unendliche; aber da andererſeits die perſoͤnliche Kraft unterdruͤckt, und die große Wechſelge - meinſchaft unter den Perſonen und Sachen aufgehoben wird, durch die, wie oben erwieſen, erſt die Theilung der Arbeit raͤthlich und moͤglich wird, ſo muß der Markt in ſeinen Waaren erſticken, die getheilte Arbeit an allen Enden uͤber - fluͤſſig werden, unzaͤhlige Contrakte muͤſſen unſaldirt bleiben, Schulden ſich uͤber Schulden haͤufen, und das Geld in ſei - nem Werthe mehr und mehr ſinken (oder die Theurung zu - nehmen, wie man ſich im gemeinen Leben ausdruͤckt) ſchon weil die Perſoͤnlichkeit im Gelde, der ſich darin offenbarende Staat nicht mehr, und weil es nur als eine Waare unter vielen Waaren geachtet wird.
38Anſtatt des natuͤrlichen Glaubens an die Kraft der buͤr - gerlichen Geſellſchaft im Ganzen, und an die Dauer aller der einzelnen perſoͤnlichen Wechſelverpflichtungen, auf denen ſie beruht, haͤtten wir nunmehr unſer kuͤnſtliches Creditweſen, das ſich nur auf die alberne Hoffnung moͤglicher, kuͤnftiger, beſſerer Zeiten, und auf nichts Gedenkbares anderes ſtuͤtzt. Die Zahlungsunfaͤhigkeit muß weiter um ſich greifen, in dem Maaße, wie die Macht des Geldes abnimmt; die Macht des Geldes muß nachlaſſen, in dem Maaße als die Wechſel - wirkung der politiſchen Elemente durch die Unterdruͤckung eines dieſer Elemente, nachlaͤßt; denn der Staat iſt dieſe Wechſelwirkung und die ganze Macht des Geldes von ihm abgeleitet.
Die Raſerey, die auch das Grundeigenthum im Allge - meinen zum Gegenſtande des abſoluten Privateigenthum ma - chen will, und alle perſoͤnlichen daraus erwachſenen Wech - ſelverpflichtungen abzuſtreifen unternimmt, habe ich bereits an einem anderen Orte in ihr gehoͤriges Licht geſtellt. Die Familie endlich, ſollte man glauben, waͤre doch eine Zuflucht fuͤr den Feudalismus, aus der er von keiner Macht der Erde verdraͤngt werden koͤnnte; mit Beziehung auf die Familien - glieder muͤſſe das Gemeineigenthum und ein perſoͤnliches Wech - ſelverhaͤltniß aufrecht erhalten werden, wenn auch in allen andern Ruͤckſichten das Privateigenthum die Oberhand be - hielte. Sicherlich iſt die chriſtliche Vorſtellung von der Ehe eine Hauptquelle des Feudalismus, und ihre Natuͤrlichkeit und Unzerſtoͤrbarkeit die ſicherſte Buͤrgſchaft fuͤr die Fortdauer desſelben. Aber auch hier hat die moderne Theorie der39 Geſetzgebung ſchon privatiſirt und das Intereſſe iſolirt, wo ſie gekonnt hat: die Erfolgloſigkeit dieſer Verſuche leuchtet nicht deutlicher ein, als wenn man ſich mit den unendlichen Schwierigkeiten der Geſindepolizey unſerer Zeit naͤher bekannt macht.
Die Vorſtellungen, welche von der Theilung und Privati - ſirung aller oͤkonomiſchen Geſchaͤfte dermahlen in Umlauf ſind, ſtehen mit der Realitaͤt dieſer Functionen in einem ſchneidenden Widerſpruch. Ich habe bereits in meinen Elementen der Staatskunſt gezeigt, daß die weſentliche Bedingung aller Produktion in der Wechſelwirkung zweyer Kraͤfte liege: Werk - zeug und Material, die Kraft des Bodens und der Arbeit muͤſſen in ein Verhaͤltniß lebhafter Gegenſeitigkeit treten, wenn ein Produkt erfolgen ſoll, und der Prozeß der Erzeu - gung des Menſchen iſt das einzige vollſtaͤndige und allumfaſ - ſende Schema jeder gedenkbaren Produktion. Aber ſolche ent - gegengeſetzte Kraͤfte muͤſſen in eine dauerhafte und gewiſſer - maßen ausſchließende Wechſelverbindung treten, wenn die Produktion einen gewiſſen Grad der Vollkommenheit erreichen ſoll: auch von dieſer Seite iſt die Ehe nach chriſtlichen Vor - ſtellungen das genuͤgendſte Schema fuͤr alle oͤkonomiſchen Zuſtaͤnde und Functionen. Hierin wenigſtens wird uns die41 Induſtrie-Philoſophie unſerer Zeit beypflichten: auch ſie ver - langt, daß ſich der Producent auf eine beſtimmte oͤkonomiſche Function ausſchließlich und fuͤr die Dauer beſchraͤnke, oder in einer Art von Monogamie mit ſeinem Gewerbe lebe.
Erwaͤgen wir aber, daß das Weſen der Ehe nicht in dem mechaniſchen Beyeinanderſeyn und Aneinanderhalten beruhe, daß vielmehr beyde verbundene Kraͤfte entgegengeſetzter Art ſich lebendig durchdringen, beyde, die Eine hoͤhere Kraft, die ſie durch ihre Wechſeldurchdringung formiren, gruͤndlich empfinden muͤſſen, wenn etwas Menſchliches nicht bloß pro - ducirt, aber auch ausgebildet werden ſoll, ſo ergibt ſich, daß die bloß mechaniſche oder thieriſche Vereinigung, der mechaniſch oder thieriſch getheilten Kraͤfte zur Vollſtaͤndigkeit des Produkts keineswegs hinreiche. Es kommt naͤhmlich dar - auf an, daß das Produkt auch ſelbſt wieder eine dauer - hafte und fruchtbare Verbindung (eine Ehe) ſchließen koͤnne; kurz es koͤmmt darauf an, etwas Produktives zu produ - ciren. —
Die geſammten Functionen, aus welchen die Haushal - tung eines Staates beſteht, muͤſſen allerdings getheilt wer - den, und in gewiſſem Sinne ohne Ende getheilt werden; aber es iſt weſentlich nothwendig, daß ſie alle in einer eben ſo unendlichen Wechſelverbindung bleiben. Dieſer unendliche Zuſammenhang aller oͤkonomiſchen Functionen, dieſe Durch - drungenheit Aller von Allen, iſt dasjenige, was wir die Haushaltung des Staats nennen. Wenn die Theilung der Kraͤfte zunimmt, muß die Macht der Vereinigung gleichfoͤr - mig wachſen, und da keine Sache, wie allgemein beliebt ſie42 auch ſey, da nur die Lebenskraft, da nur der Geiſt dieſe Vereinigung vollziehen kann, dieſe Lebenskraft des Geiſtes aber nur in der Fuͤlle der menſchlichen Perſoͤnlichkeit zu finden iſt, ſo kann die Theilung der Kraͤfte nur fortſchreiten, in wie fern die Perſoͤnlichkeit des Menſchen, und alle die lebendigen feudaliſtiſchen Verbindungen, von denen ſie ſich naͤhrt, immer deutlicher und kraͤftiger heraustreten. So weit war unſere Darſtellung ſchon im vorigen Kapitel gelangt.
Die richtige, von keiner vorwitzigen Theorie geſtoͤrte An - ſicht unſerer Vorfahren von der weſentlichen Geſtalt des politiſchen Lebens zeigt ſich insbeſondere noch darin, daß ſie unter aller Theilung der buͤrgerlichen Gewerbe fuͤr eine kraͤf - tige Vereinigung derſelben allenthalben ſorgten. Die Kuͤnſte, die Wiſſenſchaften ſonderten ſich von einander ab, aber nur in wie fern ſie ſich in eine deſto engere Corporation zunft - maͤßig verbanden. Je mehr ſich die Functionen eines buͤrger - lichen Geſchaͤftes unter verſchiedene Haͤnde vertheilten, um ſo kraͤftiger griff der Meiſter die zertrennten Faͤden wieder in ein Ganzes zuſammen; aber er ſelbſt, der Meiſter ſtand wieder als Geſelle, als einzelner Arbeiter in dem Koͤrper der Zunft; die einzelne Zunft lebte wieder in einer Art von Ehe mit der Corporation der buͤrgerlichen Gewerbe; das buͤrgerliche Gewerbe ſtrebte wieder nach einer Wechſeldurchdringung mit dem laͤndlichen Geſchaͤft, welches der Adel repraͤſentirte, und, wenn auch dieſes hoͤchſte Verhaͤltniß der oͤkonomiſchen Gegen - ſeitigkeit im Staate, nirgends ganz und vollkommen erreicht wurde, ſo finden wir doch alle oͤkonomiſchen Functionen in einer entſchiedenen Richtung dahin begriffen.
43So nun iſt es auch in der ewigen Natur der Dinge be - gruͤndet: wie jeder einzelne Arbeiter im Kleinen ſeine Arbeit und ſein Material durch fortgeſetzte Kunſtuͤbung zu einer immer innigeren Durchbringung bringt, damit ſie ſtreitend und nachgebend, ſowohl durch ihre Trennung als durch ihre Vereinigung, mit einander ein wahrhaftes und durch ſeine Lebendigkeit anſprechendes Produkt erzeugen, ſo im Großen iſt der Staat ſelbſt der Meiſter, welcher das ſtaͤdtiſche Ge - ſchaͤft und das laͤndliche im Ganzen, ſeine Arbeit und ſein Material in eine ewige unendliche produktive Wechſelwirkung bringt, die gleichfalls von der Ehe ihr hoͤchſtes und vollkom - menſtes Schema erhalten wird.
Wie nun die geheimſten Fugen des ganzen Staatsver - bandes in der Ehe liegen; wie die geſetzliche und ſittliche Behandlung der Ehe das ſicherſte Kennzeichen von der tuͤch - tigen Ausbildung aller geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe eines gegebenen Staates darbiethet; wie der Hausvater, der Meiſter der Familie, auf der einen Seite die ganze Fami - lienvereinigung, die ganze Ehe repraͤſentirt, und auf der anderen Seite wieder als Glied einer hoͤheren Familie, als dienender Ehegatte in einer hoͤheren Ehe mit dem Allgemei - nen, mit dem Staate lebt; und wie alle Perſonen im Staate durch eine wunderbar verſchraͤnkte Gegenſeitigkeit ihr beſon - deres Hausweſen herrſchend repraͤſentiren, waͤhrend ſie wie - der dem andern groͤßeren Hausweſen als dienende Glieder unterworfen ſind — ſo coordiniren ſich auch wieder alle Ge - ſchaͤfte im Umkreiſe des Staates (ja das geſammte Staats - geſchaͤft ſelbſt nicht ausgeſchloſſen) in wie fern ſie ſich ſubor -44 diniren, und eben ſo wird man ſie auch nie fuͤr den Zweck einer gemeinſchaftlichen Wirkung ſubordiniren koͤnnen (worin ja das ganze Problem der Staatskunſt liegt) ohne ſie einan - der nach dem Geſetz einer innerlichen Gegenſeitigkeit, deren einzig richtiges Schema die Ehe darbiethet, wieder zu coordiniren. Darin daß man, ſtatt dieſes reineren Schema, das der vaͤterlichen Gewalt aus dem Roͤmiſchen Rechte ent - nommen, mit andern Worten, darin, daß man die Subor - dination durch die Subordination hat erreichen wollen, waͤh - rend ſie nur durch die Coordination bewirkt und garantirt werden kann, darin liegen alle Irrthuͤmer, alles Umher - ſchweifen der heutigen Staatskunſt.
Die Wahrheit des Grundſatzes, den wir am Schluſſe des erſten Kapitels aufſtellten, daß es naͤhmlich der Staatswirth insbeſondere mit Verhaͤltniſſen zu thun habe, und, daß eine unbefangene, gerechte Wuͤrdigung derſelben die Bedingung aller weitern oͤkonomiſchen Einſicht und Thaͤtigkeit ſey, wird nunmehr heller einleuchten, nachdem gezeigt worden, daß jedes oͤkonomiſche Geſchaͤft aus einem Verhaͤltniß zweyer wech - ſelwirkenden Elemente beſtehe, ferner, daß ſaͤmmtliche oͤkono - miſche Geſchaͤfte wieder in ſolchem Verhaͤltniſſe zu einander ſtehen, und, daß die Staatshaushaltung im Ganzen alle dieſe nach der Ordnung der Familien lebendig zuſammengrei - fende Wechſelwirkungen, die ſich zuletzt in das große einfache Verhaͤltniß der ſtaͤdtiſchen und laͤndlichen Wirthſchaft auf - loͤſen, umfaſſe.
45Alle dieſe Verhaͤltniſſe erfordern, wenn ſie produktiv ſeyn ſollen, einen gewiſſen Grad der Dauerhaftigkeit; je mehr Kraͤfte zuſammengreifen, um ſo mehr brauchen ſie Zeit ſich unter einander zu fuͤgen, und im Zuſammenhange zu ent - wickeln; je dauerhafter das Produkt ſeyn ſoll, um ſo ſicherer und beſtaͤndiger muß die Verbindung, die Ehe ſeyn, aus der es hervorgeht. So nun ſchließt ſich das vergaͤnglichere an das bleibendere Verhaͤltniß, und dieſes wieder an die ewi - ge Wechſelwirkung des laͤndlichen und ſtaͤdtiſchen Gewerbes, alles verwebt ſich in einander und verbuͤrgt einander ſeine Dauer, ſo wie die große Ehe des Staates alle die kleineren Ehen im Staate traͤgt, und von ihnen getragen wird; und dieſe Wechſelverbuͤrgung aller Geſchaͤfte mit einander und aller Perſonen mit einander verwaͤchſt im Laufe der Jahrhunderte in ſich und mit dem Boden, der ſie alle traͤgt. Die ſo entſtandene Bindung iſt die Baſis aller politiſchen Macht.
Man ſieht nunmehr was man von den oͤkonomiſchen Leh - ren zu halten hat, die unter Nationalreichthum nicht mehr meinen, als den Inbegriff einer Fuͤlle von Objecten des Pri - vateigenthums. Setzen wir den Fall, die Maſſe dieſer Objecte vermehrte ſich uͤber die in unſerem Staate obwaltenden Ver - haͤltniſſe hinaus, und wir vernachlaͤßigten uͤber das Streben nach den Sachen die perſoͤnliche Kraft, ja wir zerſtoͤrten, um vorgeblich den einzelnen Privatarbeitern fuͤr ihre iſolirten Arbeiten Luft zu verſchaffen, alle die unzaͤhligen Wechſelver - pflichtungen, unter deren vereinigten Schutz und Schirm,46 und durch deren Gegengewicht die Abſonderung und Iſolirung unzaͤhliger oͤkonomiſcher Functionen erſt moͤglich geworden — ſo wird uns vielleicht anfaͤnglich der Welthandel taͤuſchen, wir werden uns einſtweilen mit dem Ueberfluſſe unſerer Pro - duktion an die Perſoͤnlichkeit der Nachbarſtaaten anſchließen, und ein Schein uͤppigen Fortſchreitens wird uns eine Zeit lang blenden; aber die Schwankungen des Welthandels, die ewigen Wechſel der aͤußeren politiſchen Verhaͤltniſſe werden uns bald belehren, daß wir mehr verloren als gewonnen, daß wir nie ein Gut eintauſchen koͤnnen, wel - ches uns fuͤr den Verluſt unſeres inneren Gleichgewichts entſchaͤdige.
Je gewinnreicher unſer Handel iſt, je mehr und je viel - faͤltigere Gegenſtaͤnde des Privateigenthums wir uns dadurch aneignen, um ſo unſicherer und augenblicklicher wird unſer Beſitz, weil er immer mehr außer Verhaͤltniß tritt, zu der Perſoͤnlichkeit die ihn traͤgt. Der active Sechandel allein hat die gluͤckliche Eigenſchaft, daß dort die Gefahren des Elements den Lebensmuth um ſo viel ſteigern, als die Pri - vatgenuͤſſe die er verſchafft, ihn ſchwaͤchen wuͤrden. Auch liegt Englandganz außer dem Umkreiſe unſerer Betrachtung, wenn nicht gerade die ungeheure tauſendjaͤhrige unverletzte, alle Inſtitutionen und Geſetze, ja alle einzelne Buͤrger durch - dringende Perſoͤnlichkeit ſeiner Verfaſſung, mit deren Huͤlfe es die Laſt des Welthandels auf leichten Schultern traͤgt, das lehrreichſte Beyſpiel fuͤr die Wahrheit unſers Syſtems darboͤthe, wenn nicht gerade die politiſchen Verhaͤlt - niſſe ausgebildeter, und die Wechſelwirkung nach allen47 Richtungen der menſchlichen Thaͤtigkeit hin lebendiger waͤre in England, als irgend wo ſonſt. —
Aber alle dieſe Theorien haben die Vorſtellung deſſen, was dem Staate ſeine Haltung gibt, ſo ganz verloren, daß ſie dem großen Waarenlager ihres Staates nur noch ein großes Comptoir fuͤr den Welthandel hinzuzufuͤgen brauchen, um ihr ganzes Geſchaͤft zu vollenden. Freylich kann das große Waarenlager die kleinen, das große Comptoir die kleinen, die es umſchließt, weder beſchuͤtzen noch verbuͤrgen. Dieſe Sorge wird den Gerichtshoͤfen, wird der Polizey, und zu - mahl den Armeen zugewieſen. Die militaͤriſche Macht insbe - ſondere ſoll dann dieſes ſchwankende, zerriſſene, ſich nach außen hinausſehnende, nach innen unbefeſtigte, fliegende, vergaͤngliche Weſen vertheidigen, nachdem der Stoff, welcher das Heer bildet, ſelbſt entartet, von allen maͤnnlichen Gefuͤhlen abge - wendet, in wucheriſchen Friedensfaulheiten erzogen worden, und kein hoͤherer Antrieb in den Herzen zuruͤck geblieben, als die kluͤgelnde Begeiſterung, welche Waarenlager und Comptoirs einfloͤßen koͤnnen.
Entwoͤhnt euch zufoͤrderſt, den Reichthum nach bloßen Maſſen und Summen und Zahlen zu ſchaͤtzen! Erwaͤgt wie unendlich gerecht ſich dieſe Maſſen vertheilen muͤſſen, damit jeder Einzelne zu rechter Stunde, an ſeinem Ort, ſo viel und von der Art hat als er braucht! Erwaͤgt, daß ſchon die gerechte Vertheilung, und um wie viel mehr, was wir erwie - ſen, der weiſe Erwerb dieſes Nationalreichthums unzaͤhlige48 perſoͤnliche und kriegeriſche Kraͤfte in Anſpruch nimmt; wie unzaͤhlige perſoͤnliche Verhaͤltniſſe ſich fuͤgen und ordnen, wie die Jahrhunderte ſtill mitwirken mußten, damit das Fundament von Ruhe und Macht ſich aufbauen konnte, wor - auf ihr jetzt in euren merkantiliſchen Traͤumen gefuͤhllos ſchwaͤr - met, und das ihr aufreißen moͤchtet, um Raum fuͤr neue Vorraͤthe zu gewinnen! —
Wer uͤber die Oekonomie eines Staates zu reden, oder auf ſie zu wirken unternimmt, der muß die vielfaͤltigen oͤkonomi - ſchen Gebiete und Geſchaͤfte im Umkreiſe dieſes Staates wie mit einem Blicke umfaſſen. Kaͤme es bloß auf den iſolirten Werth und die abgeſonderte Bedeutung jedes Einzelnen von ihnen an, ſo waͤre kein Bild davon aufzufaſſen, ſondern hoͤchſtens eine ſummariſche Recapitalation des Ganzen in Zahlen feſt zu halten: es wuͤrde ſich bey der ganzen Opera - tion eigentlich nichts Hoͤheres ergeben, als ein mehr oder weniger, ein Hinzufuͤgen, ein Erweitern; kurz, ein Plus - machen waͤre das ganze Object der finanziellen Wirkſamkeit. So bald aber die Verhaͤltniſſe der Dinge unter einander betrachtet werden, und dieſe Verhaͤltniſſe ſich gleichfalls unter einander wieder zu groͤßeren Verhaͤltniſſen gruppiren und fuͤgen, gliederweis ſich wie die Organe des menſchlichen Koͤr - pers vor den Augen des Zeichners ordnen, und ſich zuletzt eine unendliche Symmetrie, ein gluͤckliches Gleichgewicht in allen Theilen offenbart, dann iſt ein deutliches Bild des Gan - zen moͤglich, ein Bild, wo man mit den groͤßeren Umriſſen zugleich alle die unzaͤhligen Organe wahrnimmt, aus denen ſie geformt werden.
Theoret. Theil D50So bald man ein ſolches umfaſſendes Bild von der Haus - haltung eines Staates vor der Seele entworfen hat, ſo hat man vieles gewonnen, aber das Schwerſte iſt noch zuruͤck: um von dem Leben dieſes großen Koͤrpers Rechenſchaft geben, um das gymnaſtiſch und mediciniſch ihm Raͤthliche und Er - ſprießliche zeigen zu koͤnnen, muß man ihn in der Bewegung, in vielerley Stellungen und Zuſtaͤnden geſehen haben. Seine Organe, ſeine Muskeln, ſeine Umriſſe, werden noch eine viel tiefere Bedeutung erhalten, wir werden noch ein ganz anderes Bild vor unſerer Seele erhalten, wenn wir ihm im Laufe durch lange Jahre gefolgt ſind. Dieß iſt ſo ſchwer als uner - laͤßlich: die Geſchichte ſchweigt uͤber die oͤkonomiſchen Be - wegungen der Voͤlker, oder gibt uns wenige, unzuſammen - haͤngende[Fragmente]. Was ſie indeß gibt, muß mit Gehor - ſam und Hingebung gebraucht werden. Das Allerweſentlichſte aber kann die Seele des Betrachters, aus ſich ſelbſt, aus ihrer eigenen Haushaltung, aus der umgebenden Welt her - nehmen, die beſonders in unſern Tagen oͤkonomiſche Revolu - tionen von allen Formen und Farben darbiethet.
Es kommt alſo nicht bloß darauf an, die oͤkonomiſchen Gebiete und Geſchaͤfte unſeres Staates in ihren wahren Ver - haͤltniſſen, neben einander ſymmetriſch zu uͤberſehen; wir koͤnnen uns durch das Raͤumliche nicht zufrieden ſtellen laſſen, ſondern wir muͤſſen, weil die oͤkonomiſchen Opera - tionen Zeit brauchen, ſich zu entwickeln, weil es in der Oekonomie vielfaͤltiges ſcheinbares Gleichgewicht gibt, deſſen Weſenloſigkeit ſich nur im Fortgange der Zeit ausweiſt, kurz, weil die Dauer die Probe aller oͤkonomiſchen Werthe iſt,51 noch mehr die Zeit beachten; wir muͤſſen das oͤkonomiſche Leben in der Bewegung ſelbſt wahrnehmen.
Es waͤre ſchon viel gewonnen, wenn man den Gegen - ſtand der Nationaloͤkonomie ſtatt des mißverſtaͤndlichen Wor - tes Nationalreichthum, mit dem Worte Nationalberei - cherung bezeichnete. Man ſucht den Stein der Weiſen oder die Quadratur des Cirkels, ſo bald man in den Spekula - tionen uͤber den Staat nach der vollſtaͤndigen abgeſchloſſenen Einheit der Kraͤfte oder nach einem ein fuͤr allemahl voll - zogenen ewigen Frieden ſtrebt: da doch einmahl von der Vorſehung der irrdiſchen Dinge die Eigenſchaft der Bewe - gung oder des Lebens in der Zeit gegeben iſt, ſo kann der dieſen allgemeinen Geſetze folgende, ſich ſelbſt bewegende Denker, wohl keine Befriedigung von irgend einem ſtillſte - henden Zuſtande, wie vollkommen dieſer auch fuͤr den Augen - blick ſey, erwarten. Die Vollkommenheit des Staats nun, die den Denker, den Buͤrger, den Staatsmann befriedigen ſoll, muß ſich bewegen und wachſen, wie er ſelbſt ſich bewegt und waͤchſt. Wir druͤcken uns alſo richtiger aus, wenn wir ſagen: alles Leben und Denken fuͤr den Staat ſtrebt nach ewiger Vereinigung der Kraͤfte, und nach ewiger Be - friedigung der Verhaͤltniſſe. Der im Staate ewig ſich erneuernde Zwieſpalt der Kraͤfte, die nothwendig immer wie - derkehrende Zerruͤttung der Verhaͤltniſſe, deren wir nie maͤchtig werden konnten, ſo lange wir den Frieden und die Einheit handgreiflich erreichen wollten, werden nun eine Bedingung der immer gruͤndlicheren Einheit, des immer inni - geren Friedens; ja ſie moͤgen zunehmen: unſere Kraft wirdD 252wachſen mit der Laſt die ſie zu tragen hat. Ferner kommt es im buͤrgerlichen Leben nicht ſowohl auf Gleichheit, als auf die Moͤglichkeit einer unendlichen Ausgleichung, nicht auf die Freyheit an ſich, ſondern vielmehr auf eine ewige Befreyung, ein ununterbrochenes Freyerwerden an. Eben ſo iſt es nicht ſowohl um das Recht ſelbſt, als um die ewige Berichtigung und Rechtfertigung zu thun: das abſolut fixirte Recht waͤre das hoͤchſte Unrecht (summum jus, summa injuria) der abſolut fixirte Friede wuͤrde unmittel - bar zum abſoluten Kriege, die abſolut fixirte Einheit zum abſoluten Chaos, und was aus den abſolut fixirten Begrif - fen der Freyheit und der Gleichheit wird, hat die Welt geſehen.
Alſo durch die Umwandlung in das Wort: Bereicherung, wollten wir dem Reichthum eine Seele einhauchen; wir woll - ten dieſem verfuͤhreriſch beſtimmten Worte, das eben durch den Schein der Beſtimmtheit uns mit ſo ungluͤcklichen Er - folgen bedroht, als einſt die allzubeſtimmten Begriffe der Freyheit und Gleichheit nach ſich zogen, die Beweglichkeit mittheilen, durch die es erſt recht beſtimmt wird. Das ge - meine von den Irrthuͤmern der Zeit befangene Auge mag den aufgeſtapelten Nationalreichthum Englandsbewundern; wir halten nichts bewundernswuͤrdig, was ſich bloß in Zahlen ausdruͤcken laͤßt; auch verbuͤrgt dieſer Nationalreichthum der Brittiſchen Nation ihre Exiſtenz fuͤr keinen einzigen Tag: der ungluͤckliche Wahn dieſer calculatoriſchen Zeit, daß, wer den letzten Thaler in der Taſche haben werde, den Sieg er - ringen muͤſſe, iſt von den Weltereigniſſen gluͤcklich widerlegt;53 merkwuͤrdig aber und unendlich lehrreich finden wir, wie die Nationalhaushaltung von Großbritannienſich durch die ver - ſchiedenartigſten und ſchrecklichſten Criſen hindurch gerettet, und wie ſie bis jetzt aus dem Zwieſpalt der Kraͤfte immer einfacher, aus der Zerruͤttung der Verhaͤltniſſe immer befrie - digter hervorgegangen iſt.
Wir betreten eine neue Bahn, oder vielmehr wir kehren nach langer Verirrung auf die Bahn der Natur und der Geſchichte zuruͤck, indem wir die erhabenen Gegenſtaͤnde der Staatswiſſenſchaft nicht bloß ſo darſtellen, wie ſie ſind, ſon - dern darauf dringen, daß allenthalben darauf geachtet werde, wie ſie es geworden ſind: das haben wir in einem fruͤheren Werke genannt: ſie in der Bewegung, im Fluge, oder zu - gleich mit dem Geſetze ihrer Bewegung auffaſſen; die Dinge allenthalben darſtellen, wie ſie in der Zeit ſind; dazu gehoͤrt nichts als ein bewegliches Auge, eine bewegliche Seele, ohne die aber uͤberhaupt kein richtiges wiſſenſchaftliches oder prak - tiſches Streben zu denken iſt. Das was wir verlangen, haben große Staatsmaͤnner in ihrem Leben bewußtlos ausgeuͤbt, auch wohl Staatsgelehrte ſtellenweis, beſonders wo ſie von der Gewalt des praktiſchen Gegenſtandes, den ſie behandel - ten, gelegentlich uͤberkommen waren, bethaͤtigt. Die Har - monie der Theorie und der Praxis in Staatsſachen kann auch nicht hergeſtellt werden, als in wie fern die Beweglichkeit des praktiſchen Lebens der Wiſſenſchaft mitgetheilt wird. Wir wollen zuſammenhaͤngend und gruͤndlich wiſſen, wie die inneren Staatsverhaͤltniſſe geworden ſind, damit wir anzu - geben wiſſen mit einer hoͤheren Beſtimmtheit, was ſie fuͤr54 die Dauer ſind, und was ſie weiter werden koͤnnen und ſollen. Man verwechsle mit meiner Forderung nicht die gewoͤhnliche Vorſchrift, daß ſich der Staatsgelehrte an die Geſchichte halten ſolle: dieſe Vorſchrift ſagt weniger als ich verlange, wenn ſie nicht vielmehr die hiſtoriſche, das heißt: die kuͤnſt - leriſche Dispoſition meint, in die ſich die Seele verſetzen ſoll, als die eigentlichen niedergeſchriebenen Geſchichten. In dieſem hoͤheren Sinn freylich, kann ich es mir gefallen laſſen, wenn man mein ganzes Streben ſo erklaͤrt, als wollte ich die hoͤchſte geſchlechtsartige und produktive Durchdringung der Politik und Geſchichte, gerade ſo, wie ich oben von dem Meiſter einer Kunſt die hoͤchſte Durchdringung ſeiner mit den Werkzeugen bewaffneten Arbeit mit dem Material ver - langte.
Wie alſo eine Welt von wunderbar verſchlungenen und concentrirten, ſich gegenſeitig bedingenden und verbuͤrgenden oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſen, durch alle Stuͤrme und Wechſel der Zeiten hindurch lebe; wie ſie ſich ſelbſt unter mancherley voruͤbergehenden Geſchlechtern in ihrem Zuſammenhang er - halte, indem ſie ſich nach einem ſtetigen und natuͤrlichen Ge - ſetze ewig erneuert, verjuͤngt und kraͤftiger befeſtigt; wie ſie dem voruͤbergehenden Zeugen und Theilnehmer das Schauſpiel einer fortſchreitenden Bereicherung darbiethet, welches aber nur die Außenſeite des großen Gegenſtandes iſt, indem der wahre und innerliche Gewinn dieſer Fortſchritte die tiefere Verſchlungenheit, und die lebhaftere Wechſelwirkung aller Verhaͤltniſſe iſt, aus denen ſie beſteht — dieß iſt der Gegen - ſtand aller Unterſuchungen der Nationaloͤkonomie.
55Wir haben uns an die ſummirende Veranſchlagung auch des Privatreichthums ſo gewoͤhnt, ferner ſpielt die Umſetzbarkeit des Reichthums in Geld oder der Markt bey allen unſern Vermoͤgensabſchaͤtzungen, wegen der Unſicher - heit, Veraͤnderlichkeit und Launenhaftigkeit dieſer Zeit, eine ſo ungebuͤhrlich große Rolle, daß heut zu Tag keine Vor - urtheile ſchwerer zu bekaͤmpfen ſind, als die oͤkonomiſchen. Indeß die vielen Erfahrungen des Entſtehens und Verſchwin - dens von Privatreichthum ſelbſt an denen Stellen wo wir mit den Vermoͤgensumſtaͤnden des Beſitzers, in ſo weit Zah - len zur Beſtimmung derſelben ausreichten, vollſtaͤndig be - kannt waren und alſo um ſo empfindlicher in unſerer Anſicht der Sache getaͤuſcht wurden, muͤſſen der Verbreitung beſſerer Taxations-Grundſaͤtze zu Huͤlfe kommen.
Daß insbeſondere beym Grundeigenthum, welches man bisher insgemein fuͤr den ſicherſten Werth gehalten hat, die Taxation dieſes Werthes in Zahlen die allerunſicherſte iſt, wird ziemlich allgemein erkannt. Keine Art des Eigenthum[s]iſt ihrer Natur nach ſo wenig geeignet, Object des Privat - eigenthums zu werden; an keine Art der Guͤter hat der Staat ſelbſt einen ſo unmittelbaren Antheil als an dieſe; und ſo veranlaſſen die aͤußeren politiſchen Verhaͤltniſſe und die Veraͤnderungen in der innern Conſiſtenz des Staates be - ſtaͤndige unſichtbare Schwankungen in dem Werthe der lie - genden Gruͤnde, worauf keine der bisherigen Veranſchla - gungsmethoden Ruͤckſicht nimmt, auch nicht Ruͤckſicht neh - men kann, ſo lange bloß in Zahlen taxirt wird; ferner ſteht das Grundeigenthum allen andern beweglichen Guͤtern im56 Staate eben wegen ſeines bleibenden Charakters ſo direkt und ſo geſchlechtsartig entgegen, daß alle die ganz unbere - chenbaren Schwankungen und Stroͤmungen unter den be - weglichen Guͤtern, welche Markt und Welthandel veranlaſ - ſen, unmittelbar auf den andern Arm des Hebels empfunden werden; die leiſeſte Veraͤnderung im Zinsfuße, da dieſer die Zahl hergeben muß, womit wir die Ertraͤgniſſe des Ackers zum Capital erheben, alle Veraͤnderungen in dem hoͤchſt be - weglichen Verhaͤltniſſe zwiſchen Geld und Waaren oder in den Preiſen der Dinge, reagiren gewaltig auf den Werth des Grundeigenthums, und alle dieſe Veraͤnderungen verber - gen ſich nun noch hinter den ungeheuren Differenzen der Produktion der laͤndlichen Induſtrie ein Jahr unter den an - dern betrachtet; endlich aber iſt uͤberhaupt an keiner andern Stelle ſo viel unſichtbarer, außer aller Zahlbeſtimmung lie - gender Werth, und andererſeits wieder ſo viel ganz weſen - loſer Zahlenſchein, als im Grundeigenthume.
Ein unnatuͤrlicher Friedensſtand, eine zufaͤllige Beguͤnſti - gung des Welthandels oder aͤußerer politiſchen Conjuncturen kann alle dieſe Umſtaͤnde fuͤr eine geraume Zeit verſchleyern: mit um ſo furchtbareren Symptomen aber werden ſie zum Vorſchein kommen, wenn, wie dieſer Fall nothwendig ein - treten muß, jene aͤußern Bedingungen ploͤtzlich verſchwinden. Dann wird einleuchten, daß dieſe große Waare uͤberhaupt nicht fuͤr den Markt gehoͤrt; daß der Markt, der im Durch - ſchnitt den Werth aller andern Waaren erhoͤht, den Werth des Grundeigenthums zerſtoͤrt; und daß keine Waare in ſo hohem Grade vielmehr durch dasjenige gilt, was ſie im57 Laufe ganzer Jahrhunderte wird, als durch das, was ſie in einzelnen vergaͤnglichen Augenblicken iſt, daß folglich die Zahlenveranſchlagung des augenblicklichen Reichthums eines Landwirthes, dem Werthe den ſein Vermoͤgen in der Bewe - gung, im Fortgange der Wirthſchaft oder der Bereicherung hat, faſt durchgaͤngig widerſpricht. —
Deſſen ungeachtet iſt der Werth des Grundeigenthums, nach den Principien einer hoͤheren Veranſchlagung, der ſicherſte von allen, und es hat alſo der Inſtinkt des großen Haufens Recht, wiewohl deſſen Gruͤnde nicht viel verfangen wollen. Es iſt der ſicherſte, weil ein Mißbrauch dieſes Wer - thes fuͤr die Dauer nicht zu denken iſt, weil alle adminiſtra - tiven Verirrungen und alle ungluͤcklichen Erfahrungen, welche der Staat im Ganzen nur irgend machen kann, nothwendig auf eine gerechtere Wuͤrdigung des Grundeigenthums zuruͤck fuͤhren muͤſſen, und weil an allen anderen Stellen eine vor - eilige Theorie lange und ungeſtoͤrt ihr Weſen treiben kann, hier aber nothwendig die Natur, die Gewohnheit, die Zeit, ihre Rechte behaupten muͤſſen. Es iſt der ſicherſte Werth noch ganz beſonders deßhalb, weil die Bewirthſchaftung des Grundeigenthums ohne alle Dazwiſchenkunft des circulirenden Geldes, und der damit verbundenen Taͤuſchungen und Irr - thuͤmer vor ſich gehen kann, weil der Landwirth ſo geſtellt iſt, daß er allenthalben Verhaͤltniſſe regieren, geſchlechtsartig ge - theilte Arbeit in Wechſelwirkung fuͤhren, die Zeit aber und ihre wechſelnden Einfluͤſſe unaufhoͤrlich beachten, und ſeinen Reichthum nothwendig allezeit in der Bewegung anſchauen muß; weil er unter beſtaͤndiger und gleichwiegender Direktion58 der Natur und des Staates ſteht; kurz, weil er von den oben entwickelten erſten Grundſaͤtzen aller Wirthſchaft nicht ungeſtraft abfallen kann.
Faſſen wir alle dieſe Umſtaͤnde zuſammen, ſo ergibt ſich die Eigenthuͤmlichkeit des Grund und Bodens, daß er unter allen Guͤtern beſonders eine Buͤrgſchaft ſeines gerechten Ge - brauches mit ſich fuͤhrt, daß man bey dieſem Geſchaͤft nicht wohl fuͤr die Dauer von dem Geſetze des Staates, und von ſeinem dringendſten Intereſſe abweichen kann, ohne den Werth ſeines Eigenthums zu zerſtoͤren.
Nichts deſto weniger belehren uns die gegenwaͤrtigen Weltumſtaͤnde, daß alle dieſe wichtigen Ruͤckſichten auf eine Zeitlang vergeſſen werden koͤnnen, daß ein Geſchlecht, ge - blendet durch den Reitz vergaͤnglicher Guͤter, die Natur des Grundeigenthums verlaͤugnen kann, und, daß alle Theorien der Geſetzgebung ſich ausſchließend auf das abſolute Privat - eigenthum werfen, und im Gebiete der Landwirthſchaft alles Gemeinde - oder Familieneigenthum aufopfern wollen koͤnnen, durch deſſen kraͤftige und perſoͤnliche Gegenwirkung, meiner Darſtellung nach, doch erſt ein geſichertes Privateigenthum moͤglich wird. Daß ein ſolcher Irrthum ein ganzes Zeitalter ergreifen, und wenigſtens in den Koͤpfen der Philoſophen auch fortdauern kann, erklaͤrt ſich nur dadurch, daß das Geſetz der Natur und der buͤrgerlichen Ordnung, gleichguͤltig gegen die Gedanken der Menſchen ungebethen und unerfleht ſein ſegenreiches Regiment fortfuͤhrt, daß die Staatstheorien, da ſie nur die Oberflaͤche der Dinge erkennen, auch nur an der Oberflaͤche zu zerſtoͤren wiſſen, und, daß der natuͤrliche und gerechte Fleiß59 der vergangenen Jahrhunderte ſo tiefe Wirkungen, ſo vielen unſichtbaren Reichthum hinterlaſſen hat, daß keine einzelne Generation ihn verſchwelgen oder verſchwaͤrmen kann.
Wenn man nun dieſen Charakter des Grundeigenthums im Ganzen erwaͤgt, ſo muß man einſehen, daß, wiewohl es ſchon durch ſeine bloße Natur ſich als liegend, bleibend und dauernd ankuͤndigt, dieſe Eigenſchaft der Zuverlaͤßigkeit doch erſt im fortgeſetzten Gebrauch recht klar wird. Es iſt ihm die andere Eigenſchaft eines gewiſſen ruhigen Fortſchreitens, einer ſtillen Bewegung beygegeben, ein dauerhafter Gang, ein Bleiben in der Zeit, wodurch es erſt recht feſt wird. Darin ſind Grundeigenthum und Landwirthſchaft die deutlichſten Muſter der Staatshaushaltung ſelbſt: auch hier kommt alles darauf an, der Bewegung eine Gemeſſenheit, einen Rythmus mitzutheilen, und, weit die Wandelbarkeit der Dinge ſich nicht nur nicht aufheben laͤßt, ſondern weſentlich nothwendig iſt, um ihr Bleiben zu erreichen, die Ruhe durch die Bewe - gung und dieſe durch jene zu garantiren.
Der Menſch kann von den Geſetzen ſeines iſolirten wie ſeines buͤrgerlichen Daſeyns nicht ganz abfallen; auch ſeine Irrthuͤmer, ſeine Krankheiten muͤſſen ſich unter einander balanciren und zerſtoͤren. So nun wird, daß Ruhe und Bewegung die beyden Elemente der politiſchen Haushaltung, und beyde gleich nothwendig ſind, dadurch erwieſen, daß unſere Zeit einerſeits eine abſolute Feſtigkeit will, indem ſie das abſolute Privateigenthum zur Bedingung aller Haus - haltung macht, andererſeits aber auch eine Fabel von vor - geblich reißenden Fortſchritten der Menſchheit mit ſich60 umhertraͤgt und glaubt. Von dieſen beyden Weſen aber denkt ſie jedes fuͤr ſich in ſeiner beſonderen Roheit und Wildheit, waͤh - rend ſie nur ſich gegenſeitig ſanft beſchraͤnkend, bedingend und durchdringend exiſtiren; daher glaubt ſie die Feſtigkeit, da, wo die abſolute Unſicherheit und Veraͤnderlichkeit, das Fortſchreiten, da, wo ein beruhigtes Auge, wenn uͤber - haupt eine Bewegung, doch nur eine ruͤckſchreitende wahr - nimmt.
Bey der Befeſtigung des Einzelnen durch das Privat - eigenthum, indem man Perſon und Sache wie an einander nagelt und kreuziget, bliebe immer die Frage: Wozu? bey den reißenden Fortſchritten des Ganzen, auch, wenn ſie wirk - lich neben jener rohen Befeſtigung moͤglich waͤren, die Frage: Wohin? unbeantwortet. Alles aber wird klar, ſo bald man beyde gleich weſentliche und noch unter allen Irrthuͤmern ſich offenbarende Verlangen, das nach dem Bleiben und das nach der Bewegung, in der Verbindung, in der Durch - drungenheit denkt, und, wenn nunmehr der ruhig bewegte Menſch, einen ruhig bewegten Zuſtand der Dinge begehrt. Wenn man das Verſtaͤndniß dieſer großen Aufgabe auf kei - nem anderen Wege zu gewinnen weiß, wenn in der Zer - ruͤttung der irrdiſchen Dinge das Maaß und Geſetz dieſer hoͤchſt natuͤrlichen Ordnung nicht zu finden iſt, ſo wende man ſich an das große Schema, welches die Geſtirne und die Erde, welche unſere ganze Haushaltung traͤgt, taͤglich be - ſchreiben. Dadurch, daß alle Bewegung unſeres Lebens auf einen ruhigen Mittelpunct bezogen wird, dadurch beruhigt ſich das Ganze, ohne daß irgend eine Bewegung aufgeopfert61 wird*)Auf gleiche Weiſe wird die Ruhe erſt wahrhaftig ruhig, durch die Bewegung. So bedarf die friſche und natuͤrliche Ruhe des Kindes der Wiege.: jeder Punct verfolgt frey ſeine eigenthuͤmliche Bahn, und doch ſind ſie alle einem ſo gewaltigen als leichten Geſetze untergeordnet.
Ich bediene mich dieſes Bildes, nicht bloß Gleichnißweiſe, ſondern weil dasſelbe Geſetz, welches alle Kraͤfte der Natur uͤberhaupt, auch wieder die menſchliche Haushaltung ordnet. Aber auch als bloßes Bild waͤre es ſchon nothwendig, weil es darauf ankommt, ein anderes und falſches, in den Koͤpfen der heutigen Menſchen vorwaltendes Bild zu zerſtoͤren: es iſt eben jenes Fortſchreiten, jener Wettlauf nach einem un - bekannten Wohin? nach einem Ziele, welches ſich in dem Maaße entfernt, als man ſich ihm zu naͤhern glaubt, womit alſo die ewige Unruhe gegeben iſt.
Alle Geſchaͤfte des buͤrgerlichen Lebens, jedes an ſeinem beſonderen Orte, alſo in ſeiner eigenthuͤmlichen Kreisbahn, laufen um die dauerhafte Bewirthſchaftung des Grundeigen - thums her, wie alles vergaͤngliche Weſen an der Oberflaͤche der Erde um den großen gemeinſchaftlichen Traͤger: alle ſtehen in ununterbrochener Beziehung auf dieſes mittelſte Ge - ſchaͤft, fuͤgen und ordnen ſich nach ihm; ſie koͤnnen ſich aus dieſer einzig weſentlichen Wechſelwirkung nicht etwa hinaus - heben oder hinausſchwaͤrmen; ſie werden allenthalben mit ſtarkem Arme feſtgehalten, und muͤſſen uͤber kurz oder lang62 in ihr angewieſenes Bette zuruͤck kehren. Aber gemeinſchaftlich mit ihrem großen Traͤger beſchreiben ſie eine hoͤhere Kreis - bahn um einen Mittelpunct hoͤherer Ordnung, und ſie wer - den demnach durch ein noch dauerhafteres Geſetz verbuͤrgt. In der Ruhe, die das Grundeigenthum, und der darauf an allen Stellen bezogenen Bewegung, die das vergaͤngliche Eigenthum offenbart, erzeugt ſich und waltet eine Ruhe hoͤherer Ordnung: — die Nationalkraft ſelbſt, welche nun Licht und Waͤrme uͤber alle dieſe Sphaͤren unterge - ordneter Thaͤtigkeit verbreitet. Wer kann aus dieſer Ord - nung der Dinge die Ruhe oder die Bewegung einzeln her - ausſcheiden? Wo iſt hier irgend etwas feſt, durch ſich ſelbſt und außer der Bewegung und anders als durch die Bewegung?
Das heißt nun die Zeit und die Bewegung in den oͤkonomi - ſchen Calcuͤl mit aufnehmen, und ein vollſtaͤndiges lebendiges Bild der Staatswirthſchaft an die Stelle der ſummariſchen Anſchauungen ſetzen, mit denen ſich bisher die Theorie begnuͤgt hat. Glaube niemand irgend eine Bewegung im Staate, zum Beyſpiel: die Circulation des Geldes zu verſtehen, der nicht zugleich das Bleibende und Ruhende darin nach dem hier angedeuteten Geſetze erkannt hat. Eben ſo gibt es an - dererſeits in der ganzen Nationaloͤkonomie nichts Unbeweg - liches: waͤre das Grundeigenthum unbeweglich, wie man es bisher genannt, ſo wuͤrde es ſich mit dem uͤbrigen beweg - lichen Beſitz ewig nicht vertragen koͤnnen. Aber es iſt, wie ich gezeigt, beweglich in ſich; es iſt bleibendes Vermoͤgen mit Ruͤckſicht auf das bewegliche Vermoͤgen, das es traͤgt,63 und das darauf unaufhoͤrlich bezogen wird. Wir werden es daher durch den ganzen Verlauf unſerer Darſtellung, zur Vermeidung aller Mißverſtaͤndniſſe, bleibendes und nicht unbewegliches Eigenthum nennen.
Die bisherige Theorie der Nationaloͤkonomie war eine ziem - lich willkuͤhrliche Miſchung mathematiſcher und hiſtoriſcher Beſtandtheile, daher waren es auch, nach der Faͤcherabthei - lung, die bisher auf dem Felde der deutſchen Gelehrſamkeit beliebt worden, meiſtentheils Mathematiker oder Geſchichts - forſcher von Profeſſion, welche die Staatswirthſchaft zu foͤr - dern unternahmen. Es gab in unſerer Wiſſenſchaft unzaͤhlige Groͤßenanſchauungen, welche mehr in das Gebiet der Mathe - matik hinuͤberzufallen ſchienen; daß aber auch die hiſtoriſchen Bedingungen, die Localumſtaͤnde, kurz die Qualitaͤten neben den Quantitaͤten der Dinge nicht verſaͤumt werden durften, fiel leicht in die Augen. Da es aber unter den Wiſſenſchaften der Mathematik und der Geſchichte, welche, die gleichweſent - lichen hiſtoriſchen und mathematiſchen Elemente der Staats - wirthſchaft in Verbindung zu ſetzen, unternahmen, ſelbſt keine Art von Beruͤhrungspunct gab; da die mathematiſche und die geſchichtliche Wahrheit in einem Zuſtande offener Feindſeligkeiten lebten, ſo durfte man von den Verarbeitun - gen einer dritten Wiſſenſchaft, welche von einer Einzelnen65 unter jenen beyden Wiſſenſchaften unternommen wurden, ſich eben nicht bedeutende Erfolge verſprochen.
Es wuͤrde zu weit von dem ſpeziellen Gegenſtande unſerer gegenwaͤrtigen Unterſuchungen abfuͤhren, wenn wir hier zu zeigen unternaͤhmen, was an einem anderen Worte auf eine befriedigende Weiſe geſchehen ſoll, daß wir naͤhmlich dieſe Praͤliminarverhandlung, dieſe Ausgleichung aller Differenzen zwiſchen der mathematiſchen und hiſtoriſchen Wahrheit vollzo - gen, und beyde an die Eine ewige Quelle aller menſchlichen Erkenntniß zuruͤckgefuͤhrt haben. Es ſoll damit nicht etwas Großes, oder Neues, oder Außerordentliches, ſondern nur das Natuͤrliche geſchehen, und der Weisheit fruͤherer Jahrhunderte die ihr gebuͤhrende Rechtfertigung wiederfahren.
Fuͤr jetzt aber genuͤgt es mir, daß diejenigen unter mei - nen Zeitgenoſſen, die auf denſelbigen Schlußſtein aller Wiſſen - ſchaft wie alles praktiſchen Lebens geſtoßen ſind, und deren es mehrere geben muß, da dieſelbigen Nothwendigkeiten auf andere wie auf mich einwirkten, es meiner Darſtellung an - ſehen muͤſſen, daß ſie eine bereits vollzogene Verſoͤhnung und Durchdringung der mathematiſchen und hiſtoriſchen Erkenntniß vorausſetzt. — So iſt dann das ganz Eigenthuͤmliche meiner bisherigen Behandlung der Staatswirthſchaft, daß ich neben den Groͤßen, den Maſſen, den Summen, nicht etwa bloß gemeine Reſultate der hiſtoriſchen Erfahrung geltend gemacht, was viele gethan, und deßhalb eben ſo einſeitig am letzten Orte doch nur das Mehr oder Weniger, und die Quanti - taͤten des oͤkonomiſchen Ertrages und der oͤkonomiſchen Pro - duktion beachtet haben, ſondern, daß ich die Qualitaͤten derTheoret. Theil E66Dinge, ihr Geſchlechtsverhaͤltniß, ihre Wechſelwirkung unter einander vindicirt, und dadurch die Exiſtenz einer feſten und dauerhaften oͤkonomiſchen Groͤße, erſt als moͤglich erwieſen habe.
Wie naͤhmlich in der Geometrie, die in neuerer Zeit mit großer Blindheit behandelt, und als Magd zu bloß arith - metiſchen Zwecken gemißbraucht worden, eine ganz andere Idee einheimiſch iſt als die Groͤße, und wie die Mathematik, in ſo fern ſie die Geometrie in ſich begreift, unendlich mehr iſt, als bloße Groͤßenlehre; wie das Verhaͤltniß und das Zu - ſammentreten zweyer verſchiedenartig gerichteten Linien, oder der Winkel, urſpruͤnglich nichts mit der Groͤße zu ſchaffen hat — ſo haben auch die verſchiedenen, alle nach einer Ver - einigung ſtrebenden und ſie vollziehenden Richtungen der menſchlichen Thaͤtigkeit, an und fuͤr ſich nichts mit der Groͤße oder der quantitativen Extenſion dieſer Richtungen zu ſchaffen. Ihr Verhaͤltniß unter einander iſt etwas von der Groͤße durchaus Unabhaͤngiges. Die Landwirthſchaft und die Stadtwirthſchaft koͤnnen auf einem ſehr kleinen Gebiete in gerechtem Verhaͤltniſſe ſtehen, waͤhrend auf einem unendlich groͤßeren Gebiete jene dieſe, wie im ehemahligen Polen, oder dieſe jene, wie im ehemahligen Hamburg, bey weitem uͤber - wiegt. Da nun in dieſen drey Faͤllen die Frage nicht ſeyn kann, wo der dauerhaftere Nationalreichthum und die bedeu - tendſten oͤkonomiſchen Werthe werden gefunden werden, und da, bey der Entſcheidung dieſer Frage die Richtung der Kraͤfte vielmehr in Anregung kommt, als die Groͤße derſelben, ſo fuͤhlt man das voͤllig Ungenuͤgende einer ſtaatswirthſchaftlichen67 Anſicht, bey der die Lehre von den Richtungen oder den Verhaͤltniſſen der oͤkonomiſchen Kraͤfte nur ſubſidiariſch um der Groͤße Willen, nur als Magd wie die Geometrie in der bisherigen Mathematik auftritt. Dieſe Lehre von der Rich - tung der Kraͤfte zur Wuͤrde der Hausfrau, neben die Lehre von der Groͤße der oͤkonomiſchen Kraͤfte (die bisher allein und ausſchließend das Regiment im Hauſe gefuͤhrt hat) zu erheben, iſt der Zweck meines gegenwaͤrtigen Werkes, wie ich ſpaͤterhin der Geometrie denſelben Dienſt zu erzeigen hoffe. —
Dasjenige was bisher mit hoͤchſter Unbeſtimmtheit Werth genannt worden, wollen wir durch den ganzen Fortgang unſerer Unterſuchungen von dem was Preis heißt, aufs ſtrengſte unterſchieden wiſſen. Der Werth einer Sache iſt die Bedeutung, welche ſie durch die groͤßere oder geringere Ge - rechtigkeit des Verhaͤltniſſes, aus dem ſie hervorgegangen, oder worin ſie ſelbſt zu den uͤbrigen Sachen ſteht, erhaͤlt. Die Gerechtigkeit dieſer Verhaͤltniſſe iſt die Bedingung ihrer Dauer, und die Werthe der Dinge ſollen nur durch die Dauer beſtimmt werden. Der Preis einer Sache iſt die ſum - mariſche Groͤße, die Maſſe von Kraft die ſich fuͤr den Augenblick darin verbirgt, und die ſie fuͤr den Augenblick auszuuͤben im Stande iſt. Da nun alle Verhaͤltniſſe der oͤkono - miſchen Objecte untereinander, wie oben gezeigt wor - den, ſich mit einander, wie die verſchiedenen Familien, nothwendig verſchraͤnken und verketten, und zuletzt ein gro - ßes Hauptverhaͤltniß bilden, welches der Staat ſelbſt regiert, und worin er ſelbſt immerdar verjuͤngt wieder ausgeborenE 268wird; ſo folgt daraus, daß, in wie fern die Bedeutung ei - nes oͤkonomiſchen Objectes mit Ruͤckſicht auf ein Verhaͤltniß, oder den Werth desſelben richtig beſtimmt wird, auch zugleich die Bedeutung dieſes Objects mit Ruͤckſicht auf alle dieſe Verhaͤltniſſe, oder den Staat ſelbſt abgeſchaͤtzt werde. Der Werth einer Sache iſt alſo die Bedeutung derſelben im Staat und fuͤr die ewige Verjuͤngung des Staates. —
Wird der Werth eines oͤkonomiſchen Objects beſtimmt, ſo denken wir uns ſelbiges lebendig, perſoͤnlich und produc - tiv; wir denken uns eigentlich nur das in dem Object ver - borgene, ewige Leben, die darin verborgene Kraftrichtung, das heißt: das Verhaͤltniß zu andern Kraftrichtungen, und da alle dieſe Richtungen nach der Vereinigung ſtreben, die Richtung nach dem Mittelpunct. — An dem unendlich ſym - boliſchen Schema der Kugel wird ſich die Sache am be - ſten verdeutlichen laſſen. Denken wir uns alle oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten als Linien, die bekanntlich weder breit, noch dick, ſondern nur lang ſind. Wir wiſſen daß je zwey oͤkono - miſche Thaͤtigkeiten zuſammen ſtreben muͤſſen, wenn nicht nur ein Produkt herauskommen, ſondern wenn ſie uͤberhaupt nur fortdauern ſollen. In dem Material eines Handwerkes, zum Beyſpiel: in dem Leder das der Schuhmacher gebraucht, iſt die Anlage zu einer oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit; in ſeinem mit Werkzeugen bewaffneten Haͤnden ſchlummert gleichſam die andere oͤkonomiſche Thaͤtigkeit. Noch arbeitet er nicht; actu ſind die beyden oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten noch nicht vorhanden. Man uͤberſehe nicht daß das Leder, wenn die Arbeit anfangen wird, ſich wehren wird, gegen die69 Angriffe des Pfriemens, daß es ſeine eigenthuͤmliche Kraft hat, die nachgiebig behandelt, ja ſogar geſchont werden muß, wenn der Schuh zu Stande kommen ſoll; kurz die nicht etwa roh zu erzwingen iſt, wie ja auch dieß beſtimmte Leder durch anderweite vorhergehende Arbeit erſt herbeyge - reitzt werden mußte. Jeder tuͤchtige Meiſter dieſer edeln Kunſt wuͤrde mich verſtehen; denn er zeigt ſchon durch die wach - ſende Liebe, die er zu dem Materiale traͤgt, daß mit demſel - ben eine andere Kraft der Kraft ſeiner Haͤnde und Werk - zeuge (die ja nichts anders ſind als die kuͤnſtlich zugerichtete und erweiterte Hand) huͤlfreich entgegen kommt. Die Arbeit faͤngt alſo an, ſobald die Kraft der bewaffneten Hand und die andere Kraft des Materials ſich einander entgegen nei - gen. Dieſe Convergenz der beyden Kraͤfte aͤußert ſich darin, daß ein Schuh entſteht, zufoͤrderſt ein ſehr unvollkommener Schuh, aber in der fortgehenden Verbeſſerung des Produktes zeigt ſich, daß ſich die beyden Kraftrichtungen mehr und mehr ihrem Vereinigungspuncte naͤhern. —
Kurz die Bedingung der fortgehenden Schuhmacher-Pro - duktion und jedes moͤglichen gedenkbaren Gewerbes einzeln genommen, iſt die fortgehende Convergenz zweyer entgegen - geſetzter Thaͤtigkeiten. Da nun aber jedes einzelne Gewerbe nicht bloß aus zwey convergirenden Kraftrichtungen beſteht und entſteht, ſondern auch wieder der beſtaͤndigen huͤlfreichen Entgegenkunft anderer Gewerbe, anderer Kraftrichtungen be - darf; ja, da es den Beyſtand aller uͤbrigen vorausſetzt — ſo ſind alle dieſe verſchiedenen Kraftrichtungen nur zu den - ken, in wie fern ſie von allen verſchiedenen Seiten her nach70 einem gemeinſchaftlichen Mittelpunct convergiren*)Eine gerade Linie individualiſirt ſich, wird zur be - ſtimmten Linie, nur durch eine andere auf ſie in Beziehung geſetzte, das heißt: mit ihr in der Verlaͤngerung convergi - rende Linie. Meiſtentheils vergeſſen wir, daß der Rand der Tafel oder des Papiers, worauf wir unſere Linie verzeichnen, dieſe Linie ſchon individualiſirt, oder die Antilinie darbiethet, durch die ſie erſt zu einer Linie wird, und ſo uͤberſehen wir den wichtigſten Umſtand in der Geometrie, daß es naͤhmlich zwey Linien geben muͤſſe, damit eine. Daher die Unmoͤglichkeit die Parallellinien auf dem gewoͤhnlichen Wege zu demonſtri - ren. Es ſind identiſche Linien, wie ſich ausweiſt, wenn ſie, wie beym Euklidesgeſchehen, durch eine dritte convergirende Linie individualiſirt werden.. Derge - ſtalt werden nun alle dieſe verſchiedenen Linien zu den Ra - dien einer Kugel, welche die Haushaltung eines Staates unter allen gedenkbaren Figuren am richtigſten abbildet. Wenn es dagegen erlaubt iſt, den Theorien unſerer Zeit, die in ihren durcheinander ſchwelgenden Widerſpruͤchen ei - gentlich kein einziges bleibendes und feſtzuhaltendes Kenn - zeichen aufkommen laſſen, ein mathematiſches Schema un - terzulegen, ſo moͤchte ich in ihren vorwalteten Grundſaͤtzen uͤber die Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten die Pa - rallellinien des Euklideswieder erkennen: die Kraͤfte koͤnnten nach ihnen in alle Ewigkeit neben einander fortlaufen und wettlaufen, ohne ſich je zu beruͤhren oder in dem praͤſumirten Ziele zuſammen zu treffen.
Jedermann ſteht hierbey ein, daß die Groͤße und die Menge der Thaͤtigkeiten gar nicht in Betracht kam. Sind die71 Richtungen aller in einander greifender oͤkonomiſchen Kraͤfte wirklich convergirend, ſo wird ſich die Groͤße aller dieſer Kraͤfte von ſelbſt ſchon verhaͤltnißmaͤßig, und ſo, daß die geſammten Richtungen der Thaͤtigkeiten dabey beſtehen koͤn - nen, ergeben. Hingegen folgt umgekehrt aus der augenblick - lichen Groͤße der einzelnen Kraͤfte die gerechte und convergi - rende Richtung derſelben noch nicht. Die einzelne Kraft kann heraustreten aus dem concentriſchen Vereine, in dem ſie ſich entwickelte, ſie kann in Beziehung treten auf einen Mittel - punct der außerhalb dieſes Vereines, oder des Staates liegt, und augenblickliche große Wirkungen hervorbringen, wie die - jenigen Kraͤfte eines Staates, die an dem Welthandel Theil nehmen: wer moͤchte aber aus der Groͤße dieſer Wirkungen einen Schluß auf die dauerhafte Richtung ſolcher oͤkonomi - ſcher Thaͤtigkeit ziehen. Was aber waͤre von einem Ge - ſchlecht zu halten, das, berauſcht durch den augenblicklichen Glanz dieſer Wirkungen, den beſtimmten vaterlaͤndiſchen Mit - telpunct ganz außer Acht ließe, die Erhaltung der alten concentriſchen Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit (ich darf mich jetzt des Ausdrucks bedienen) des geometriſchen Verhaͤltniſſes der Kraͤfte unter einander fuͤr unweſentlich hielte, oder die Bedeutung dieſer Richtungen nur anerkennen wollte, in wie fern ſie einem ſolchen divergenten Streben nach dem Weltmarkt hinderlich waͤren. — Dieß iſt der innerſte Sinn der Klagen uͤber den Feudalismus und der Verfolgungen desſelben: es war allerdings in allen oͤkono - miſchen Kraͤften des Mittelalters eine gewiſſe innere Rich - tung nach einem Mittelpunct, nach einer von allen Einzelnen72 empfundenen hoͤchſten Kraft, nach einem hoͤchſten Gute; aller - dings widerſtrebt dieſe Richtung hartnaͤckig und dauerhaft jenem leichtfertigen Umherſchweifen nach augenblicklicher Groͤße und vergaͤnglichem Glanze, und die hoͤhere bewaͤhr - tere Macht wird den Sieg davon tragen, wie auch dieſer Augenblick widerſprechen mag, eben weil er Augenblick iſt. —
So wenig ſich aus der Groͤße einer oͤkonomiſchen Thaͤ - tigkeit der Schluß ziehen laͤßt, daß auch die Richtung der - ſelben die natuͤrliche und gemeinweſentliche ſey, ſo wenig laͤßt ſich aus den Preiſen der Dinge auf ihre Werthe ſchlie - ßen. Vielmehr, wie eine augenblickliche jaͤhe Steigerung der oͤkonomiſchen Kraͤfte bey einer Verwirrung aller Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit ſehr wohl moͤglich iſt, ſo kann auch eine Steigerung aller Preiſe ſehr wohl mit einem Sin - ken aller Werthe zuſammen treffen.
Dieſe Werthe nun, die Bedeutungen der Dinge, in wie fern ſie leben und Leben erzeugen, in wie fern ſie ſich durch eine Wechſelverbuͤrgung der Ewigkeit des Staates theil - haftig machen, ſind es, welche der vollſtaͤndige Menſch, oder auch nur der Inſtinkt eines vollſtaͤndigen Menſchen, den jeder Einzelne mit ſich umher traͤgt, begehrt. Wenn ein oͤkonomi - ſches Object in dem Organismus des Staates durch wirkliche Wechſelwirkung eintritt, und nunmehr beſtimmt wird, was es, als mehr oder minder weſentliches Organ des Ganzen fuͤr das Beſtehen, und die hoͤhere Belebung dieſes Organis - mus gilt, ſo wird ſein Werth beſtimmt. Da begreift nun jeder, daß eine gemeinweſentliche Sache in ſehr vielen Faͤllen73 unendlich mehr werth ſeyn kann, als eine egoiſtiſche Perſon; und, daß den Staatswirth dieſe Werthe der Dinge vielmehr als die Preiſe, und, daß eigentlich nur allein ſie ihn intereſ - ſiren koͤnnen.
Alle oͤkonomiſche Produktion zerfaͤllt in zwey Theile: in die Produktion des zur Conſumtion beſtimmten, und in die andere, des zur Fortpflanzung der oͤkonomiſchen Produktion, oder zu weiterer Produktion beſtimmten. Die Kornproduktion eines Gutes theilt ſich in Wirthſchaftskorn und Saatkorn: das Wirthſchaftskorn nehme ich in dem weiteren Sinne des Worts, nach welchem nicht bloß das in der Wirthſchaft con - ſumirte Korn, ſondern auch das fuͤr die Anſchaffung von anderweiten wirthſchaftlichen Conſumtibilien verkaufte Korn, dahin gerechnet wird: eben ſo Saatkorn in dem umfaſſenderen Sinne, da alles zu Ameliorations - oder anderen productiven Zwecken verkaufte Korn dem Saatkorne beygezaͤhlt wird. Mit andern Worten: ein Theil der Produktion wird fuͤr die Beduͤrfniſſe des Augenblicks angewendet, der andere Theil fuͤr die bleibende Erhaltung und das Wachsthum der Wirthſchaft ſelbſt, oder fuͤr die Fortdauer der Produktion uͤberhaupt.
Man verſteht aber dieſe Eintheilung nur, in wie fern man auch wieder alles Producirte, einmahl als Gegenſtand der Conſumtion, und dann als Producirendes zu betrachten im Stande iſt. In dieſem Verſtande der Sache wird zuerſt alles, was die Produktion erzeugt hat, im Laufe der Zeit75 conſumirt, und dieſe conſumtiblen Produkte ſind nur ver - ſchieden nach den laͤngeren und kuͤrzeren Zeitraͤumen, in denen ſie verzehrt werden. Ob der Magen der Producirenden und der Kaͤufer des Wirthſchaftkorns, oder ob die Erde und der Magen der Kaͤufer des Saatskorns die Conſumtion vollzieht, iſt aus dieſem Standpuncte gleichguͤltig; eben ſo gleichguͤltig iſt es, ob die Conſumtion unmittelbar wie bey den meiſten Nahrungsmitteln, oder ob ſie im lange fortge - ſetzten Gebrauch allmaͤhlich vollzogen wird, wie Kleidungs - ſtuͤcke, Mobilien u. ſ. f. Kurz die geſammte oͤkonomiſche Thaͤtigkeit der Geſellſchaft kann zuerſt gedacht werden, als ein Allverzehrendes, als eine unendliche Conſumtion. Dann aber kann auch alles von der Produktion Erzeugte gedacht werden, als ein weiter Producirendes, und dann ſind alle dieſe produktiven Produkte nur verſchieden, je nachdem ſie unmittelbar produktiv wieder eingreifen in den allgemeinen Erzeugungsprozeß, oder mittelbar dasſelbe bewirken, indem ſie durch die Conſumtion neue Produktion und Reproduktion der oͤkonomiſchen Kraͤfte veranlaſſen, oder uͤberhaupt auch nur moͤglich machen. So wuͤrde dann die geſammte oͤkono - miſche Thaͤtigkeit andererſeits als ein Allerzeugendes erſchei - nen. Es kaͤme bloß auf eine leichte Veraͤnderung des Stand - punctes an, ſo wuͤrde das vorherige Reich des Todes ſich als ein allgemeines Reich des Lebens darſtellen. Jede Con - ſumtion, ſelbſt die luxurioͤſeſte waͤre eine Steigerung der produktiven Lebenskraft, wie in der vorherigen Anſicht jede neue Produktion dem verzehrenden Feuer der buͤrgerlichen Geſellſchaft nur neue Nahrung geben wuͤrde. —
76Wie nun der aufmerkſame Forſcher der Natur durch alle Erſcheinungen, die ſich ihm darbiethen, auf einen Doppel - geſichtspunct geleitet wird, und ihm, wenn er ſein Urtheil frey und unbefangen erhaͤlt, bald eine allgemeine Wechſel - wirkung, ein unendliches gegenſeitiges Sichbedingen des Ver - zehrens und des Erzeugens, des Lebens und des Todes ein - leuchten muß; wie er allenthalben im Tode die hoͤchſten und lebhafteſten Vorbereitungen neuen Lebens wahrnehmen, und wie ſich gerade in den bluͤhendſten uͤppigſten Lebenser - ſcheinungen ihm die unmittelbare Nachbarſchaft des Todes aufdringen muß — ſo wird der Oekonom in aͤhnlicher Unter - ſuchung auf dieſelbe Wechſelwirkung auch der oͤkonomiſchen Kraͤfte geleitet werden, und er wird die beyden entgegen - geſetzten Offenbarungen derſelben Erſcheinung zufoͤrderſt mit Ruhe erwaͤgen lernen, da ſie beyde ſich mit gleicher Noth - wendigkeit bedingen. Er wird einſehen, daß, da das Ver - zehren und Erzeugen in einer Wechſelabhaͤngigkeit ſtehe, und ſich wie Avers und Revers derſelben Muͤnze verhalte, das Reſultat der Oekonomie durchaus nicht durch ein bloßes Vermeiden und Beſchraͤnken des Verzehrens zu foͤrdern; eben ſo, daß ein bloßes Antreiben und Ermuntern und Befoͤrdern des Erzeugens gleichfalls unzulaͤnglich ſey.
Nun aber ſind die beyden Hauptoperationen aller bisherigen Syſteme der Oekonomie: Verminderung der Conſumtion (Spar - ſamkeit) und Vermehrung der Produktion (Induſtrie) es zeigt ſich alſo auch hier, daß man nur mit Zahlbegriffen, mit Summen, mit Maſſen, mit dem Mehr und Weniger zu handthieren gewußt, dagegen die Qualitaͤten und Verhaͤltniſſe77 der Dinge durchaus verſaͤumt hat. Der Erfolg mußte unge - faͤhr derſelbe ſeyn, als wenn man in der Naturforſchung dem Zwecke der Natur durch ein bloßes Ausdemwegegehen des Todes, und durch ein Haͤufen der Lebenserſcheinungen haͤtte auf die Spur kommen wollen; wie ſolches dann, da die Corruption einer Wiſſenſchaft allezeit auch in die uͤbrigen Wiſſenſchaften einzugreifen pflegt, mit der Naturforſchung des vorigen Jahrhunderts wirklich der Fall geweſen iſt.
Dem Leſer koͤnnte nunmehr die unendliche Bedinglichkeit der Conſumtion und Produktion, und die Unzulaͤnglichkeit der Theorien, welche in dieſem erhabenen Verhaͤltniß nur mit gemeiner Addition, oder Subtraktion zu manoͤvriren wiſ - ſen, klar ſeyn, und doch die Frage aufſtoßen: was denn, wenn in letzter Inſtanz alle Produktion und Conſumtion ein - ander aufheben, und, wenn nichts dem allgemeinen Schick - ſal der Conſumtion entgehe, zuletzt fuͤr ein Reſultat der ganzen Haushaltung uͤbrig bleibe? — Die gewoͤhnliche Theorie, conſequent in der Inconſequenz, haͤtte darauf etwa folgende Antwort: es ſey von der Natur eine gewiſſe Ueber - legenheit der Produktionsfaͤhigkeit des oͤkonomiſchen Staats, uͤber