PRIMS Full-text transcription (HTML)
ΓΝΩΘΙ ΣΑΥΤΟΝ
oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde
als ein Lesebuch fuͤr Gelehrte und Ungelehrte.
Zweiten Bandes erstes Stuͤck.
BerlinbeiAugust Mylius1784.
[1]

Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Zweiten Bandes erstes Stuͤck.

Zur Seelenkrankheitskunde.

I.Fortsetzung von Robert G. .s Lebensgeschichte oder die Folgen einer unzweckmaͤßigen oͤffentlichen Schulerziehung.

1

So durchlief Robert einen großen Theil der Stadt, und ward von so vielen Empfindungen bestuͤrmt, daß er unmoͤglich zu einigen Nachdenken uͤber das, was er gethan hatte, oder uͤber2 das, was er nun anfangen sollte, kommen konnte. Endlich entschloß er sich zu seinem Vetter, dem er empfohlen war, dem Kriegsrath G. zu gehn, und diesem die Lage der Sachen vorzustellen, und sich bei ihm Raths zu erholen. Nur wenig Menschen sind geschickt oder auch wohlwollend genug, die Gruͤnde aufzusuchen, wornach junge Leute handeln. Es stoͤrt ihre Bequemlichkeit zu sehr und befoͤrdert ihr Jnteresse zu wenig, als daß sie sich die Muͤhe geben sollten zu untersuchen, wie sich Jrrthuͤmer in junge Gemuͤther einschleichen, und wie man den nachtheiligen Folgen vorbeugen koͤnne. Man verlaͤßt sich auf Zeit und Umstaͤnde, und glaubt zur Befoͤrdrung seiner Ruhe, daß diese doch alles so fuͤgen werden, wie es einmal erfolgen soll. So erwaͤhlte auch der Kriegsrath G. das ihm bequemste und sicherste Mittel, gab dem Schuͤler geradezu unrecht, verwieß ihm seine Unbesonnenheit und rieth ihm, wieder aufs Waisenhaus zu gehn, wo er es durch seine Vermittlung dahin bringen wolle, daß er, ohne Strafe, wieder aufgenommen wuͤrde. Da aber Robert diesem Vorschlage kein Gehoͤr geben wollte, wies er ihn, als einen eigensinnigen und verstockten Menschen, von sich, ließ sich von dem Jnspektor des Waisenhauses eine Beschreibung seines Betragens schicken, und schickte diese, mit Zusaͤtzen, die ihm der Verdruß uͤber seinen verworfnen Vorschlag eingab, an seine Mutter. Roberten verdroß die Behandlungsart dieses Mannes,3 der seine Auffuͤhrung aus einem so ganz andern Gesichtspunkte ansah, verwarf ihn als einen Mann, der ihn gar nicht kennte, und wunderte sich uͤber sich selbst, daß er sich nicht gleich bei dem Rektor des Gymnasiums hatte einschreiben lassen. Seiner Mutter, glaubte er, wolle er diesen ganzen Verlauf so vorstellen, daß sie nicht anders, als das, was er gethan, billigen sollte. So zog er auf das Gymnasium in die Wohnung des Rektors. Freilich vertrug dieser Aufenthalt und die Behandlung, die er hier genoß, sich ehr mit seiner Gesinnung. Er lebte ohne kindische Aufsicht, mehr fuͤr sich; die Schuͤler waren gegen ihn weit hoflicher, die Lehrer gingen feiner mit ihm um, und er schien uͤberhaupt mehr uͤber sein Thun und Lassen frei beschließen zu koͤnnen, als an allen bisherigen Orten. Dieß gefiel ihm, und that auch gewiß auf einen solchen Charakter, als Roberts Charakter war, den besten Effekt. Das ungebundne, freie Leben munterte ihn so zur eignen Thaͤtigkeit auf, daß er mit so vieler Lust nie gearbeitet hatte. Durch sein ernstes und gesetztes Betragen erwarb er sich gleich in der ersten Zeit das Zutrauen aller Lehrer, und die Freundschaft aller Schuͤler; hierunter war besonders ein Herr von Thuͤmmen, mit dem er zusammen wohnte, ein leichtsinniger, aber dabei guter und bei ritterlichen Thaten ehrgeiziger Juͤngling. Diesen nahm Roberts maͤnnlicher Geist bis zum Enthusiasmus ein, und er glaubte in ihm gleichsam das Jdeal zu sehen,4 das er sich zu erreichen vorgesetzt hatte. V. Th. suchte alle Mittel auf, wodurch er sich ihm gefaͤllig erweisen konnte, und die Art, mit der er vieles ausschlug, was er nicht erwiedern zu koͤnnen hofte, reitzte ihn noch mehr; inzwischen sah sich doch Robert genoͤthigt, einen ihm angebotnen Vorschuß so lange anzunehmen, bis er von seiner Mutter Geld zu seiner neuen Einrichtung erhalten wuͤrde: denn er war davon, daß er bei seiner Veraͤndrung recht gehandelt haͤtte, so fest uͤberzeugt, daß es ihm gar nicht einfiel, daß er seiner Entschluͤsse wegen getadelt werden koͤnnte. Daher kann man sich sein Erstaunen und seinen trotzigen Zorn erklaͤren, als er kurz darauf einen Brief von seiner Mutter erhielt, der voll der bittersten Vorwuͤrfe war, der ihm endlich den Befehl auflegte, wieder aufs Waisenhaus zuruͤckzugehen, außerdem aber sich nicht die geringste Hofnung zu machen, von ihr je mit einem Heller in Zukunft unterstuͤtzt zu werden, und sie habe deshalb den Kriegsrath G. ersucht, sein ganzes Ansehn anzuwenden, und ihm nichts ehr auszuzahlen, als bis er seinen boshaften Eigensinn gebrochen und als ein reuiger Suͤnder wieder zuruͤckgekehrt sei. Gewalt konnte in Roberten nie etwas Gutes bewirken. Er konnte diesen Brief kaum zu Ende bringen. Er stampfte mit den Fuͤssen und schaͤumte vor Wuth. Er zerriß ihn mit den Zaͤhnen, vermaß sich und schwur fuͤrchterlich, daß er von seiner Mutter nie wieder einen Heller annehmen wolle. 5Dieß wiederholte er wohl hundertmal, lief dabei im Zimmer umher und als er von ungefaͤhr ein Stuͤck Kreide fand, schrieb ers mit großen Buchstaben an die Thuͤr: » Meine Mutter soll mir nie einen Heller wieder geben. « *)*) Ein sonderbarer Zug, den ich aber mehrmal bei ihm bemerkt habe. Ausbruͤche seines Zorns oder seiner Rache, wenn er sie oft stundenlang wiederholt hatte, fing er an, eben so oft untereinander zu schreiben, daher ich oft ganze Quartblaͤtter voll kurz ausgedruͤckter Entschluͤsse gefunden habe.4J. Endlich schrieb er einen Brief an seine Mutter, worinn er sich noch einmal kurz rechtfertigte, sich aber eben so sehr verschwur, nichts von ihr anzunehmen, und gewissermaßen ewig von ihr Abschied nahm. Zuletzt zog er sich an, gab den Brief auf die Post und suchte einsame Spatziergaͤnge, um freie Luft zu schoͤpfen. Die Menge der Empfindungen, die mit einemmale ihn bis zur Betaͤubung erschuͤttert hatten, wurden nun einzeln wiederholt. Es ward ihm angst, wenn er an die Schulden dachte, die er hatte machen muͤssen, da er kein einziges Mittel vor sich sah, diese zu bezahlen oder auch seine kuͤnftigen Ausgaben zu bestreiten. Jn Haltung seiner Versprechen war er bisher immer so puͤnktlich und so zuverlaͤßig gewesen, daß ihm der Gedanke, jemanden zu betruͤgen, gar nicht einmal einfiel. Seine Mutter wollte er schlechterdings nicht wieder um6 Huͤlfe ansprechen, es moͤchte ihm gehn, wie es wolle. So irrte er umher bis es finster wurde, und warf sich innerhalb der Mauer an einer Gartenwand nieder, ohne zu wissen, ob er diesen Abend zu Hause gehn oder hier liegen bleiben sollte. Jn solchen Stunden floh er jeden Menschen, selbst seine vertrautesten Freunde*)*) Dieß ist wohl sehr natuͤrlich. Sobald wir andern unsre Empfindungen mittheilen, ist immer unser Wunsch, andre sollen uns Recht geben, und wir sind uͤberzeugt, daß man uns Recht geben wird, sobald wir andern unsre eigne Empfindung so lebhaft mittheilen koͤnnen, als wir sie empfinden. Ein Mensch aber, der von einer heftigen Leidenschaft getrieben wird, hat durch die Erfahrung gelernt, daß er andern das Gefuͤhl, das die Leidenschaft in ihm wirkt, niemals so lebhaft mittheilen kann, als er es empfindet, und daß also auch das Urtheil jener nie zu seiner Zufriedenheit ausfaͤllt. Er glaubt immer, man werde ihm Unrecht thun, weil man sich nicht in seine Lage zu versetzen wisse. Daher handelt der Mensch bei aufwallenden Leidenschaften gewoͤhnlich versteckt und heimlich, nicht als ob er glaubte, er handele unrecht, sondern bloß, weil er glaubt, er koͤnne andern, die mit ihm in gleicher Lage stuͤnden, die Rechtmaͤßigkeit so begreiflich machen.6J.; er fuͤrchtete daher, jemanden zu begegnen, mit dem er reden muͤßte, und ließ sich lieber hier allein von der Angst foltern. Ein Geraͤusch, das auf der andern Seite der Mauer entstand, unterbrach seine Unruhe; er blickte in die7 Hoͤhe, und sah in der Dunkelheit nichts, als daß sich eine große Maschiene an der Mauer herunterließ. Er sprang erschrocken auf, und rief so laut er konnte: *)*) Wenn ein Mensch so von den Dingen um sich abgezogen, und durch seine Leidenschaften oder Phantasien auf einen Punkt hingerissen wird, wie hier Robert, so moͤchte ich wohl wissen, ob es moͤglich waͤre, daß er bei einer aͤhnlichen unerwarteten und ganz unerklaͤrbarscheinenden Erscheinung nicht erschrecken wuͤrde. Denn daß es Schreck war, daß Robert die Worte: Was ist das? so heftig aussprach, glaub 'ich gewiß. Denn eben durch diesen heftigen Ausruf, und durch sein rasches Aufspringen, erhielt er Muth, das Ding weiter zu verfolgen, obgleich seine erste Anwandlung Furcht seyn mochte. Der Furchtsame haͤtte sich gewiß entweder aͤngstlich verkrochen, oder er haͤtte geweint und gebetet.8J. was ist das? und sogleich fiel ein großer Sack vor seinen Fuͤssen nieder, und dabei hoͤrte er einige Ausrufungen des Schreckes. Er lief auf einen Huͤgel, wo er uͤber die Wand sehen konnte, und erblickte drei bis vier Menschen, die in der schnellsten Flucht begriffen waren. Er hielt sie also fuͤr Gartendiebe, und schrie, bis er endlich den Sack anfuͤhlte, und entdeckte, daß Kaffeebohnen drinn waren. Diese Entdeckung bewirkte augenblicklich den schnellsten Uebergang von der Verzweiflung zu der groͤßten Freude und Zufriedenheit. O herrlich! rief er einmal uͤber das andre aus,8 das ist herrlich! Er glaubte nun auf einmal ein Mittel gefunden zu haben, wie er aus seiner Verlegenheit herauskommen koͤnnte. Er wollte Schleichhaͤndler werden und das schien ihm auch so leicht und so vortheilhaft, daß er sich keine einzige Schwierigkeit als Hinderniß dachte, und daß er schon hundert verschiedne Wege vor sich sah, wie er sich bereichern und wie er durch die verstecktesten Mittel eine glaͤnzende Rolle spielen koͤnnte, ohne seinem eisern Eigensinne Gewalt anzuthun. Diese vermeinte Rettung machte ihm so eine unerwartete Freude, daß er die heftigsten Ausbruͤche davon[ aͤußerte.] Er nahm den Sack auf seine Schultern, und trug ihn einigemal hin und her, so wie ein Kind, das sich schon immer durch suͤsse Spiele in der Beschaͤftigung uͤbt, welche ihm die Eltern als angenehm schildern und wozu es glaubt, daß es einmal schreiten werde. Endlich setzte er den Sack an die Wand und war darauf bedacht, die Leute wieder aufzusuchen, die er gestoͤrt hatte, und sich mit ihnen zu vereinen. Er durchsuchte also die Gaͤrten so behutsam als moͤglich, und entdeckte endlich einen, der aber floh, sobald er ihn gewahr wurde. St. rief er, ich bin kein Visitator. Jhr habt Euch geirrt. Euer Kaffee liegt noch da. Aber es hoͤrte keiner auf ihn, bis er dem einen nachsetzte, und ihn erwischte, da er eben im Begriffe war, uͤber die Wand zu klettern. Jener schrie, er aber hielt ihn fest, und bat ihn, er moͤchte ruhig seyn: er haͤtte von9 ihm nichts zu befuͤrchten. Als nun die uͤbrigen merkten, daß er ganz freundschaftlich mit ihrem Kamerad sprach, kamen sie naͤher. Er brachte sie bald auf seine Seite, um aber ganz sicher zu gehen, verabredeten sie sich auf einem benachbarten saͤchsischen Dorfe eine Zusammenkunft zu fernerer Verabredung zu halten. Diese Leute waren Handarbeiter, die sich durch diesen Nebenweg einige Groschen zu verdienen suchten. Robert aber dachte weiter. Er projektirte die ganze Nacht und den ganzen Tag und sah eine unendliche Menge Gelegenheiten, und uͤberlegte, wie er sie am besten benutzen wolle. Er wurde mit dem unterhandelnden Kaufmann bekannt. Die Unterhandlungen dauerten wohl acht Tage, ehe sie einig werden konnten. Endlich wurde festgesetzt, daß der Kaufmann Roberten jaͤhrlich zweihundert Rthlr. auszahlen wolle, wofuͤr er ihm die Waaren, die er außer Landes behandle, hereinschaffen sollte. Den Tageloͤhnern wurde auch ein gewisser Sold ausgemacht, so, daß sie gleichsam in Roberts Diensten stunden. Zuletzt schwuren sie, wenn einer von ihnen ungluͤcklich werden sollte, sich nie zu verrathen, und daß sie sich im gemeinen Leben nicht kennen wollten. Die drei Handarbeiter setzte er durch seine Versprechungen und Drohungen in ein solches Erstaunen, daß sie sich ihm gern unterwarfen, und sich freueten, von einem so muthigen Manne angefuͤhrt zu werden. Sie hielten ihn fuͤr einen Studenten, denn er hat ihnen10 nie weder Namen noch sonst etwas entdeckt, und verlangte auch eben so wenig den ihrigen zu wissen. So brachte ihn also sein unbedachtsamer Eigensinn und seine unuͤberlegte Hitze zu einem Schritte, der ihm Gluͤck, Ehre und Leben haͤtte kosten koͤnnen. Wirklich setzte er dieses Gewerbe drei Jahr mit dem gluͤcklichsten Erfolge fort. Er hatte sich vorgenommen, auch seine Universitaͤtsunkosten durch dieses Mittel zu bestreiten, wenn nicht ein Zufall alle seine Projekte zerstoͤrt haͤtte. Bisher war er noch niemals in Gefahr gekommen, ertappt zu werden. Er fuͤhrte seine Leute immer so vorsichtig, und spuͤrte die Wege vorher so genau aus, daß er immer ohne den geringsten Verdacht zu erregen, sein Wesen getrieben hatte. Jnzwischen hatte er sich auch auf alle Faͤlle vorbereitet. Er beschaͤftigte sich die ganze Zeit uͤber beinah mit nichts, als mit koͤrperlichen Uebungen, und der Herr von Th. gab ihm hierzu noch mehr Gelegenheit. Jm Ringen und Fechten erwarb er sich eine solche Gewalt, daß er keinen finden konnte, der ihm in Geschwindigkeit und Staͤrke gleich gekommen waͤre, und er schoß mit einer solchen Akkuratesse, daß er unter zwanzigmalen den Hals einer Buteille in einer Entfernung von funfzehn Schritt kein einzigesmal verfehlte. Auf den Wegen seines Schleichhandels war er immer mit zwei Pistolen und einem Degen bewafnet, womit er sich und seine Genossen vertheidigen wollte. Hierzu wurde er nun einmal gezwungen. Ein damali -11 ger Accisinspektor half selbst oft Schleichhaͤndler mit aufsuchen, und hatte viele ertappt und in Strafe gebracht, worunter sogar sein eigner Vater war. Dieser stieß mit einer ziemlich starken Begleitung auf Roberts Gehuͤlfen; es ward Lerm; die Schuldigen flohen; sie wurden verfolgt, und man schoß nach ihnen. Robert rief den Seinigen zu: sie sollten stehen, und ihre Pistolen auf ihre Verfolger abdruͤcken. Die Verfolger stutzig; Robert schoß; man hoͤrte winseln; die Visitatoren blieben zuruͤck, und Robert konnte sich mit seiner Rotte retten. Schon fruͤh hoͤrte er das Geruͤcht, daß der Stadtinspektor gefaͤhrlich an der Huͤfte verwundet sei, und daß er wohl daran sterben wuͤrde. Robert suchte alle moͤgliche Gruͤnde auf, sich von dieser Schuld freizusprechen; aber es blieb doch eine geheime Unruhe in ihm, die die laute Freude des Poͤbels uͤber das Ungluͤck dieses Mannes, und die großen Lobspruͤche uͤber[ den unbekannten Thaͤter], ihm nicht benehmen[ konnten], zumal da dieser Mann nach sechs oder acht Wochen wirklich starb. Dieß erschuͤtterte ihn so, daß er sich vornahm, seine Lebensart zu aͤndern. Er ward immer unruhiger, suchte die Einsamkeit, und fing nun erst an zu untersuchen, ob er wohl recht gehandelt haͤtte. Verbrechen, glaubte er damals, waͤre in seiner Handlung nicht; doch konnte er sich nicht entschließen, je wieder eine verbotne Waare hereinzubringen, und wurde seit der Zeit so gewissenhaft, daß er nicht einmal mit jemanden ge -12 hen mochte, von dem er wußte, daß er nur eine Kleinigkeit verbotner Sachen bei sich fuͤhrte*)*) Was wuͤrde wohl Robert gethan haben, wenn die Gelegenheit zu kontrebandiren ihm nicht waͤre geboten worden? Haͤtte er sich aufs Bitten bei seiner Mutter gelegt? oder haͤtte er seine Glaͤubiger betrogen und waͤre Vagabund geworden? oder was wuͤrde er gethan haben?10J.. Er beschloß also nach Frankfurt auf die Universitaͤt zu gehn, wo er mit 300 Rthlr., die er sich gesammelt hatte, auszukommen hofte. Er lenkte seinen Weg uͤber Koͤnigs-Wusterhausen, um einen seiner Freunde, der in einem adelichen Hause Hofmeister war, zu sehen. Ein ungluͤcklicher Besuch fuͤr ihn, der ihn Geld, Zeit und Muͤhe kostete, der aber nothwendig mit allen Nebenumstaͤnden erzaͤhlt werden muß, wenn die Wirkungen davon nicht sollen mißgedeutet werden, und es koͤmmt auf Sie an, ob Sie die Fortsetzung dieser Geschichte zu Jhrem Zwecke dienlich finden werden. Jch bin

Jhr Freund

11J. L. H. Jakob.

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II. Ein Kindermoͤrder aus Lebensuͤberdruß.

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Jm Jahr 1757 arbeitete ein Raschmacher-Geselle, Nahmens L.. bei einem Raschmacher in Berlin. Er war in die Funfzig, hatte vorher als Kavallerist in der Armee gedient, und wegen eines Bruchs, der ihm nur bei heftiger Bewegung austrat, seinen ehrenvollen Abschied erhalten. Dieser Bruch unterdes mußte doch einige andere Zerruͤttungen in seinem Koͤrper verursacht haben, denn der Mensch hatte oft solche Aufwallungen von Hitze, die ihm unbeschreibliche Angst verursachten, so, daß er sich oft in der Nacht im Bette herumwaͤlzte, weinte, und sein Ungluͤck durchs Gebet zu vertreiben suchte. Uebrigens fuͤhrte er ein ordentliches Leben, war weder ein Saͤufer noch Schlaͤger, und entschuldigte sich auf Vorhaltung seines heftigen Fluchens bei gewissen Gelegenheiten, daß er es nicht boͤse meine, und sich solches nur so bei den Soldaten angewoͤhnet habe. Er hatte bereits in Berlin bei zwei Meistern gearbeitet, die nicht die geringste Klage wieder ihn fuͤhrten. Von dem einen war er bloß aus der Absicht weggegangen, weil derselbe Kinder hatte, die oft schrieen, welches der Geselle nicht gut vertragen konnte. Als er einst daruͤber aͤrgerlich ward und fluchte, und ihm der Meister solches verwieß, sagte er ebenfalls, daß es ja nichts zu bedeuten haͤtte, wenn es unterdes der Meister uͤbel nehme, so wolle14 er lieber wo anders in Arbeit gehen, um Unheil zu vermeiden, weil, da sie beide hitzig waͤren, leicht einmal ein ernstlicher Streit daraus entstehen koͤnnte. Bei seinem dritten Meister kamen seine Beaͤngstigungen oͤfter. Man rieth ihm, sich zur Ader zu lassen, aber er scheute die Ausgabe von vier Groschen, und thats nicht. Kam seine bange Stunde waͤhrend der Arbeit, so rissen ihm viel Faͤden, und der fuͤr den Meister daraus erwachsende Nachtheil ging ihm so nah, und die Furcht, vielleicht bald zu keiner Arbeit mehr tauglich zu sein, war ihm so schrecklich, daß er einst den Wunsch bei sich aͤußerte: wenn du doch nicht mehr waͤrst! Diese so schnell gefaßte Jdee verleitete ihn in dieser ungluͤcklichen Stunde einen Mordanschlag zu fassen, um seinem Leben ein Ende zu machen. Da der Meister eben nicht zu Hause war, schickt 'er dessen Frau, unter dem Vorwand: ihm Kaͤse zu holen, gleichfalls fort. Seine Meisterin hatte ein Kind von ohngefaͤhr anderthalb Jahren, welches sie, da sie wegging, ihrer blinden Mutter zu tragen gab. Der Ungluͤckliche wollte zwar das Kind in der Zeit selbst warten, welches ihm aber die Meisterin verweigerte; weil sich solches fuͤr ihn nicht schicke. Kaum war die Frau fort, so ergrif er einen bei der Werkstat noͤthigen Hammer, und schlug das Kind mit aller Gewalt auf den Kopf, so, daß es in den Armen der blinden Großmutter verschied. Seine Angst war so groß, daß er sich, wie er hernach im Verhoͤr bezeugte, nicht ein -15 mal erinnern konnte, auch der blinden Frau einige Schlaͤge gegeben zu haben, und er also in einem wahren Paroxismus von Raserei gewesen. Sogleich nach der That ging er zu einem Nachbar, erzaͤhlte ihm die Ermordung des Kindes, und daß er nunmehr auf die Wache gehen, und sich angeben wolle. Doch war er noch in einer solchen Verwirrung, daß er um ein ihm versprochenes Pflaster fuͤr seinen boͤsen Fuß bat. Der Mann, dem er es erzaͤhlte, hielt es fuͤr Scherz, ging jedoch in des Meisters Haus, sich naͤher zu erkundigen, wo denn schon Laͤrm geworden und die Wache herbei gerufen war, mit welcher der Moͤrder ohne Widerrede fortging. Er gestand im ersten Verhoͤr die ganze That. Auf den Medizinal-Bericht des Hofrath Lesser, daß der Jnquisit bei Begehung der That seines Verstandes nicht maͤchtig gewesen, verurtheilte ihn der Kriminal-Senat zu ewiger Gefaͤngnißstrafe: der Koͤnig aber schaͤrfte das[ Urtheil] dahin; daß Jnquisit, weil er ein Kindermoͤrder, ohne Geistlichen auf den Richtplatz gefuͤhret, mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht, und sein Koͤrper verscharrt werden solle.

Was ich jetzt noch von einem sehr merkwuͤrdigen Fall, der das Vermoͤgen der Seele beweißt, kuͤnftige Dinge zu ahnden, berichten will, ist mir von einem glaubwuͤrdigen Officier, dessen Nahmen mir jedoch entfallen, in Breslau erzehlet worden.

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III. Desertion aus einem unbekannten Bewegungsgrunde*)*) Jch ziehe diese Erzaͤhlung mit zur Seelenkrankheitskunde, weil solche Ahndungen, wenn es wirklich dergleichen giebt, doch hoͤchstwahrscheinlich immer einen kranken Zustand der Seele verrathen, weil sich das Vermuthungs - oder natuͤrliche Vorhersehungsvermoͤgen auf Kosten der uͤbrigen Seelenfaͤhigkeiten zu stark aͤußert.15A. d. H..

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Ein Soldat des ehmals von Schulz -, nunmehro von Tauenzienschen Regiments, der nicht weit von Breslau zu Hause gehoͤrte, sich jederzeit gut aufgefuͤhrt, und die Liebe seines Kapitains und aller Officiers erworben hatte, kam einst einige Tage vor der Revuͤe zu seinem Kapitain, und bat ihn um Urlaub zu seiner Mutter zu gehen. Der Kapitain stellte ihm vor, daß er es sehr gern thun wuͤrde, wenn es nicht so kurz vor der Revue waͤre, und er uͤberdieß viel Kranke bei der Kompagnie haͤtte. Allein der Supplicant versicherte, daß er fort muͤßte, er haͤtte eine Angst nach Hause, und es waͤre ihm immer, als ob jemand ihm zuriefe: geh zur Mutter! Und, setzte er hinzu, wenn Sie mich nicht mit Guͤte gehen lassen, so gehe ich mit Gewalt, und sollts auch mein Leben kosten. Der Kapitain, wel -17 cher dies fuͤr eine kindische Drohung hielt, vernachlaͤssigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Waͤlle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der haͤufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken muͤssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die naͤchste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß stoͤrte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, gluͤcklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthuͤr ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschaͤftigt, seine Mutter zu knaͤbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam.

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IV. Ein sonderbarer Hang zum Stehlen.

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Voriges Jahr ließ sich ein Rekrut bei dem Grenadierbattaillon von Scholten an der saͤchsischen Graͤnze wieder engagiren. Er gab vor: zuletzt aus der Vestung Schweidnitz desertirt zu seyn, und bei verschiedenen Regimentern gedient zu haben, wo er immer von einem an das andere abgegeben worden. Man versprach sich anfaͤnglich nicht viel Gutes davon. Allein er hielt sich einige Monath sehr ordentlich, machte keine Excesse, war kein Saͤufer, verrichtete seinen Dienst, und hatte uͤberdieß eine gute Gestalt und Positur. Endlich wurde er wegen einiger unbedeutender Diebstaͤhle zur Verantwortung gezogen. An einem Ort nahm er einen Hammer und warf ihn auf die Straße, wo er sich nicht weiter darum bekuͤmmerte, bis ihn endlich ein paar Tage drauf der Geldmangel noͤthigte, ihn wieder aufzuheben und zu verkaufen, wodurch seine Dieberei entdeckt wurde. Bei einem Kaufmann nahm er ein halb Pfund Gewicht, welches man noch bei ihm fand. Er gestand im Verhoͤr, daß weder Liederlichkeit noch Noth ihn zum Stehlen reitzten, welches auch Zeugenaussagen und andere Umstaͤnde bewiesen; allein er haͤtte einen unwiderstehlichen Hang, Dinge, die er oft gar nicht zu nuͤtzen wuͤßte, zu stehlen. Der Paroxismus uͤberfiel ihn mit Zittern und entsetzlicher Angst, und er waͤre nicht ehr19 ruhig, bis er etwas genommen. Oft fiele er mitten in der Nacht in diesen Zustand, wo er aufstehen und das erste beste ergreifen muͤßte, was ihm in die Haͤnde fiele. Oft ergriffe er in dieser Angst, Toͤpfe und andere zerbrechliche Sachen, die er denn in Stuͤcken zerschmisse, und sodann ruhig waͤre. Dieses Ungluͤck sei die Ursach, warum er von einem Regiment an das andere abgegeben worden. Die schreklichste Strafe waͤre bei ihm fruchtlos, denn er sei in diesen Anfaͤllen seiner Sinnen gar nicht maͤchtig; uͤbrigens glaube er, daß ihm boͤse Leute etwas angethan. Er glaubte mit einer leichten Strafe davonzukommen, versprach, so viel moͤglich auf seiner Hut zu seyn, oder wenigstens den Diebstahl sogleich anzuzeigen; aber das Stehlen ganz zu lassen, koͤnne er nicht versprechen; allein er wurde als ein incorrigibler Dieb, nachdem ihm die Haare abgeschnitten worden, uͤber die Graͤnze gebracht.

Auch hat mir ein noch lebender Staabsofficier erzaͤhlt: daß er einen reichen Kavalier gekannt, der sich nicht entbrechen koͤnnen, hin und wieder etwas einzustecken, solches aber nach einiger Zeit seinem Eigenthuͤmer wieder einhaͤndigen zu lassen.

Berlin den 14ten November 1783.

20Nencke.

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V. Geschichte eines Hofmeisters oder die traurigen Folgen einer melancholischen Gemuͤthsart bei einem Erzieher.

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Zu Michaelis 1781 hatte ich einen Auftrag, fuͤr einen Mann, den ich kenne und schaͤtze, einen Hofmeister fuͤr seine Kinder und fuͤr noch einen Knaben, der ihm vom Lande zur Erziehung uͤbergeben war, zu besorgen. Es fand sich endlich jemand, den ich zwar selbst nicht kannte, der mir aber von seinem Verwandten, einem rechtschaffenen Mann, als ein guter und geschickter Paͤdagoge geschildert wurde, und besonders ward er mir von der Seite geruͤhmt, daß er viel Geduld besitze. Jch erhielt auch bald nach seiner Ankunft die Versichrung, daß man mit diesem Manne zufrieden sei, und daß er sich in seine Lage gut zu schicken wisse. Allein dieß waͤhrte nicht lange. Der folgende Brief schildert den so sonderbaren und gemischten Karakter dieses Hofmeisters, daß ich ihn wohl des weitern Nachdenkens werth halte. Jch lasse den Mann, der ihn schildert, selbst reden, und wenn man etwa hie und da einen Ausdruck finden wollte, der vielleicht dem kaltbluͤtigen Leser einigermaßen zu hart oder zu wenig ausgeschmuͤckt zu sein scheint; so bedenke man, daß dieser Brief nicht zum Druck selbst, wozu ich nun Erlaubniß habe, geschrieben war, und man wird21 uͤberdies uͤberall den Gewissenhaften, den Einsichtsvollen reden hoͤren, der freilich bei der ganzen Erzaͤhlung am staͤrksten interessirt war.

Am 19ten Januar 1782.

Dieser Mann erhielt einige Tage nach seinem Aufenthalte bei mir gegen Sie, mein Theurer, schriftlich, und gegen Herrn C. muͤndlich das[ vortheilhafteste] Zeugniß, das man einem solchen Manne nur geben kann, und er verdiente es damals. Jn der Folge sah ich, sah meine Frau manches, was uns nicht so allerdings gefiel; was uns wohl schon etwas haͤtte verrathen koͤnnen, was doch aber noch nicht von der Beschaffenheit war, daß ich daruͤber haͤtte mit ihm Ruͤcksprache nehmen muͤssen. Dieß Etwas betraf nicht seinen Fleiß im Unterrichte, auch nicht seine Lehrart, ob ich gleich mit der auch nicht allerdings zufrieden war, und deshalb oͤfter mit ihm sprach; auch nicht seine Aufsicht uͤber die Kinder, denn diese war eben so genau, als sein Fleiß im Unterrichte treu war; sondern ein gewisses unanstaͤndiges Verhalten gegen die Kinder, selbst in unsrer Gegenwart. Z.B. er machte, wenn die Kinder, besonders der kleine M. uͤber Tische eine oder die andre, freilich oft kindische Frage that, woruͤber er belehrt sein wollte, beiden und besonders dem letztern wahre todtschlaͤgerische Mienen. Er nahm es sich nicht uͤbel, ihm in unsrer Gegenwart zu sagen: schmatzen Sie nicht so, wie ein Schwein! Wenn das Kind ihm nach22 Tische die Hand kuͤssen wollte: so stieß er es mit einer fuͤrchterlichen Miene von sich, oder drehte es bei beiden Armen herum, daß es von ihm fortturkelte, u.s.w. Dieß alles ist bereits vor mehr als sechs Wochen geschehen. Seit eben so vieler und vielleicht noch laͤngerer Zeit bemerkten wir an dem jungen M. denn mit diesem hat er, wie Jhnen die Folge sagen wird, seine Rolle hauptsaͤchlich gespielt bald an den Backen, bald am Knie, bald am Halse blaue, gelbe und schwarze Flecke. Das Kind wurde daruͤber befragt, und die Antwort war: es haͤtte sich durch das Waͤlzen im Bette, an der Bettstelle gestossen. Herr G. (der Hofmeister) bekraͤftigte dieß gefragt und ungefragt; und that noch obendrein, um sich destomehr zu verstecken, sehr boͤse daruͤber. Noch weiterhin und gegen Weihnachten zu, beobachteten wir, daß beide Kinder, vornaͤmlich aber wieder der kleine M., eine wahre knechtische Furcht vor ihrem Lehrer hatten, die so weit ging, daß wenn etwa meine Frau ihn etwas, was ihm angenehm war, thun hieß, er erst etlichemal seinen Lehrer ansah, ob der auch die Gnade hatte, darein zu willigen; bis es meine Frau mit Ernst noch einmal sagte. Schon aus diesem mehrmals merklich gewordenen Ernste haͤtte der Mensch, haͤtte er ein redliches Herz, richtige Erkenntniß davon gehabt, daß wir bei den Kindern mehr gaͤlten, als er; und waͤre er nur im Schlafe Beobachter gewesen, merken sollen, daß uns eine solche Erziehungsart23 nicht gefiele. Wie er es gemerkt, und, wenn er es gemerkt, angewandt habe: das soll Sie die Folge lehren. Jn dem ersten Froste vor Weihnachten, der ziemlich scharf war, merke ich mit einemmale ein starkes Gepolter in der Kammer, die an meiner und Herrn G. Stube stoͤßt. Jch hoͤre es noch einmal, und dabei die winselnde Stimme des kleinen M. Jch sehe heraus, und siehe, der arme Junge steht in der schrecklichen Kaͤlte mit Thraͤnen in den Augen, und mit von Frost aufgetriebenen Haͤnden da. » Was machen Sie hier? « Herr G. hat mich zur Strafe hiehergestellt. » Warum das? « Jch habe mein Adjektivum nicht gekonnt. Das Blut stieg mir zu Kopf; allein ich faßte mich und sagte kein Wort weiter, als: mein Kind, das thut mir leid! Sie muͤssen huͤbsch fleißig sein. Und so hat der Knabe, nach Herrn G. eigener nachheriger Aussage, anderthalb Stunden in der Kaͤlte stehn muͤssen. Jch gab ihm mit einem entfernten Blicke mein Misfallen daruͤber zu erkennen, und damit ließ ich es gut sein. Denken Sie aber, wie ich die That selbst ansehen mußte, da er ihm theils diese harte Strafe um des Lernens willen aufgelegt hat, theils der Knabe nur erst bei ihm, d.i. seit Michaelis die Buchstaben des Lateins erlernt hatte, theils dem Herrn G. vorausgesagt und ernstlich eingeschaͤrft war, mit diesem Kinde, dessen Seelenkraͤfte seit ganzer acht Jahren beinahe voͤllig brachgelegen hatten, Geduld zu haben, und von ihm24 nicht so viel zu fordern, als er von meinem Kinde fordern koͤnnte, welcher unter ganz andern Uebungen gestanden hatte.

Jch denke, daß Sie nun aus diesen wenigen Zuͤgen, die ich leicht vermehren koͤnnte, sehen werden, mit welcher Geduld wir den so schaͤtzbaren Erziehungsgrundsatz beobachtet: » Man muß durchaus nicht dem Lehrer und Erzieher zu fruͤh merken lassen, daß man mit einem oder dem andern an ihm nicht zufrieden sei; « und noch mehr den:[ » man] muß sich sehr huͤten, den Zoͤglingen Mistrauen gegen ihre Erzieher zu erwecken, man muß jenen nicht wissen lassen, daß diese grobe Fehler begehn koͤnnten. « Wer haͤtte es uns bei jenen Anzeigen wohl verargen moͤgen, wenn wir uns fruͤh um die Ursach einer solchen knechtischen Furcht bei den Kindern selbst erkundigt, und sie ausgefragt haͤtten, auf was Weise denn der Lehrer wohl mit ihnen umginge? Und in diesem Augenblick, da ich jene Grundsaͤtze gut heißen muß, werfe ich es mir vor, sie so lange beobachtet zu haben. So wahr ist es, daß vielleicht nicht zwei Grundsaͤtze in der Erziehung allgemein anwendbar sind; ein Gedanke, woruͤber wir uns ehedem oft unterhalten haben. Und nun weiter zur traurigen Geschichte.

Unter solchen mislichen Gedanken, ob der Mann, der uns bis dahin gefallen hatte, wohl der Mann sein moͤchte, der unsre Kinder gut erziehn wuͤrde; und unter den sichtbarsten Spuren eines sich nach25 und nach immer mehr aͤußernden misanthropischen Wesens verlebten wir Weihnachten und Neujahr. Die sklavische Furcht vor dem Menschen blieb bei den Kindern, besonders bei dem kleinen M. vor wie nach. Das Kind verlor seine Munterkeit; es hing den Kopf und schlief bei der geringsten Stille ein. Wir schalten es deshalb oft in seiner Gegenwart, und es behauptete immer, es fehle ihm nichts. Der Lehrer schwieg bei diesem allen gewoͤhnlich ganz stille. Endlich aber wollte die gute Vorsehung, die ich dafuͤr ewig preisen werde, daß die Sache zum Ausbruche kommen sollte; und dieß geschah auf folgende Art. Ferdinandchen, (der kleine M.) ein Kind, das ein goldnes Herz hat, fragte mich am verwichnen Sonntage beim Abendessen: » Herr Sander (merken Sie, der einzige Lieblingsschriftsteller des Herrn G., aus dem er auch sogar seine Predigten und seine Neujahrswuͤnsche stiehlt, und an welche er denn seine Lappen annaͤhet) ist doch wohl der groͤßte Philosoph? « Kaum war diese in hoͤchster Unschuld, wie ein jeder Rechtschaffene fuͤhlt, aufgeworfene Frage; aber meine Antwort noch nicht da: so verzerrte sich das Gesicht seines Lehrers dergestallt arg, daß Kains Gebeerde unmoͤglich fuͤrchterlicher hat aussehen koͤnnen. Er schoß Blicke voll Unmuths, voll des bittersten Unmuths auf das arme Kind. Wir bemerkten es; aber ohne mich daran zu kehren, sagte ich: mein Kind, dafuͤr wird sich Herr Sander wohl selbst nicht ausgeben. 26Herr Sander ist noch ein junger Gelehrter, der aber freilich sehr groß werden kann. Ob der groͤßte? das ist eine andre Frage. » Was er doch[ redet «], brach hierauf der ergrimmte Lehrer aus; und ich sagte: lassen Sie ihn doch! Er meints recht gut; er weiß schon von Philosophen zu schwatzen. Auf dies alles blieb er bei seiner Miene, und wie man sagt, mopsig, und redete kein Wort mehr uͤber Tisch. Wir hatten vor Tische gespielt; wir setzten es nun noch mehr der Langenweile wegen fort; aber so, daß weder ich, noch meine Frau ihn eines Worts wuͤrdigten, um ihn unser Misfallen uͤber sein unanstaͤndiges Betragen fuͤhlen zu lassen. Bei diesem Abendessen war es auch, wo er dem Ferdinand wiederum gebot, nicht wie ein Schwein zu schmatzen, weil ihm ein mehreres zu thun nicht erlaubt war. Daß er nichts gefuͤhlt habe, das lernen Sie daraus, daß er eben die wiedrige Miene vom Sonntage an bis zum Donnerstage fortsetzte; so, daß er kaum antwortete, wenn ihm etwas gesagt wurde.

Als ich mich diese Zeit hindurch mit meiner Frau uͤber dieses Betragen besprach: so fiel letztere auf allerlei Gedanken, unter andern gar auf den: daß es mit dem Menschen nicht richtig im Kopfe seyn muͤsse. Jch aber schrieb diesen und andre Auftritte, selbst seiner zu großen Strenge, die uns nun immer mehr sichtbar wurde, seinem schwarzen und uͤberfluͤssigen Blute zu, weil er selbst einigemal sich davon hatte etwas merken lassen. Jndem wir uns27 unsrer seits den Kopf daruͤber zerbrachen, was ihm doch wohl im Kopfe stecken moͤchte, konnte er es seiner seits nicht mehr aushalten, daß nicht mit ihm gesprochen wurde, und daß er mit einemmale aus unsrer Gesellschaft verbannt war. Er bekoͤmmt also den Einfall, an meine Frau dieser Sache wegen zu schreiben, sich wegen seiner Laune zu entschuldigen, ja, sogar deshalb um Verzeihung zu bitten, hundert suͤsse gestohlne Sachen zu sagen, und alle Schuld davon auf Ferdinandchen zu schieben. Die Antwort meiner Frau war in einem solchen Ton abgefaßt, daß, wenn er noch einen Funken gesunder Vernunft vorraͤthig gehabt haͤtte, er dadurch zu einem weichern und rechtschaffenern Betragen, besonders gegen das M. .sche Kind haͤtte bewogen werden muͤssen. Aber Sie werden sich wundern, wenn Sie hoͤren werden, daß grade das Gegentheil geschehen ist. Meine Frau sendet ihm die Antwort am 17ten dieses Nachmittags um 4 Uhr, und er hatte sein Schreiben an demselben Tage Vormittags geschickt. Gleich nach Tische geht er mit den Kindern aus, koͤmmt etwa um zwey oder halb drei Uhr wieder, als ich grade in der zwischen seiner und meiner Stube gelegenen oben erwaͤhnten Kammer war. Mit einemmale hoͤre ich in seiner Stube ein starkes Gepolter und Ferdinandchen weinen. Jch reiße die Thuͤr mit Hitze auf. » Weinen Sie? « (mit barscher Stimme) Nein! und haͤlt noch den Schnupftuch vor die Augen. » Jch will28 schlechterdings wissen, ob Sie weinen? « Ja! endlich » Warum? « Jch bin auf der Treppe gefallen und habe mir den Kopf zerstoßen » Und daruͤber weinten Sie, Sie, die Sie sich wohl zehn Loͤcher in den Kopf durch Fallen schlagen koͤnnten, ohne zu weinen? das ist nicht richtig! Damit Sie wissen, ich erinnere Sie heute, und dann die pure reine Wahrheit! «

Voll der betruͤbtesten Ahndung, was ich nun wohl alles erfahren moͤchte, gehe ich herunter, und erzaͤhle jenen Vorfall meiner Frau. Dieser leuchtete es fast noch heller ein, als mir, daß die schreckliche Brausche, die das Kind am Kopfe, nahe uͤber dem Auge, hatte, nicht von einem Falle, sondern von einem Schlage sein muͤßte. Sie ward aͤußerst unruhig daruͤber. Zum Ungluͤck konnten wir den Abend des 17ten das Examen nicht halten, weil wir Fremde von außen her bekamen. Ein vorlaͤufiges Examen aber, das meine Frau mit meinem Sohne hielt, uͤberzeugte uns nicht allein, daß Ferdinandchens Beule am Kopfe nicht vom Falle auf der Treppe, sondern vielmehr von dem Stocke seines Lehrers auf dem Spatziergange und wohl zu merken, in der Zwischenzeit, da er an meine Frau geschrieben hatte, und Antwort erwartete verursacht sei; sondern entdeckte uns noch weitere schrecklichere Sachen, von denen ich nicht weiß, wie ich sie Jhnen mit Geduld und ohne die heftigste Wuth Ja, Wuth ist der rechte Ausdruck! Sie sollen29 richten und alle Redliche sollen richten! niederschreiben soll. Mir wurde den Abend nur etwas entdeckt. Den 18ten lasse ich bis zum Abende nach vier Uhr vergehen, nachdem wir mit Beben die Kinder den Abend zuvor hatten mit ihm hinauf gehen lassen; und nun rufe ich die Kinder selbst von ihm ab. Jch nehme den Ferdinand ganz besonders vor, halte ihm eine lange Predigt von dem Guten, das er bei mir bisher genossen haͤtte; wie dies Dank verdiene; wie er mir an Kindes Stelle sei, wie ich ihn so gut, wie meine eigne Kinder liebe und schuͤtze; wie ich dies auch ferner als Vater thun wuͤrde; wie ich dafuͤr aber auch erwartete, daß er mir auf alles, was ich ihn fragen wuͤrde, die lautere Wahrheit gestehn wuͤrde das wolle er thun! » Nun, mein Kind, woher haben Sie die Beule am Kopfe? « Und denken Sie sich mein Erstaunen, als das Kind, ungeachtet meiner Ermahnung, behauptete, es sei gefallen. » Jch weiß es besser, es ist vom Schlage. « Nein, nein! mein Lehrer thut mir nichts Boͤses, außer daß er mir dann und wann eine Maulschelle giebt, und die hatte ich verdient. » Junger Mensch (mit an den Kopf gelegter, geballter Faust) ich will die Wahrheit wissen, hoͤren Sie[ es? «] Nein, ich bin gefallen; und das ist die reine Wahrheit. » Mensch, ich rufe meinen Sohn, und wie, wenn ders Jhnen ins Gesicht sagt, wie die Sache ist? « Jch koͤnne ihn rufen lassen: der wuͤrde es nicht anders sagen koͤnnen. Jch30 lasse diesen und meine Frau kommen. Mein Sohn ermahnt ihn zur Wahrheit, und nun[ bekennt] er erst: ja, Herr G. hat mich mit dem Stocke geschlagen. Jch bitte Sie, um Gottes willen, mein Freund, was denken Sie von diesem Kinde, das seinem Lehrer bis zum Laster treu war? denn Sie koͤnnen sich leicht einbilden, ohne daß ich es Jhnen sage, daß von dem Menschen noch etwas aͤrgers, als der Schlag, oder vielmehr die Schlaͤge selbst (denn er hat deren drei bekommen) geschehen war; daß er ihm naͤmlich unter Androhung der haͤrtesten Zuͤchtigung, und selbst unter den niedertraͤchtigsten Schmeicheleien, aufs festeste eingebunden hatte, zu uns zu sagen, er sei auf der Treppe an der Bretterwand gefallen. Und dieser Mensch, der seinem Zoͤglinge, von dem er selbst schreibt sogar, daß er ein edles, gutes Herz habe, etliche Schlaͤge am Kopfe, und etliche, wie wir nachher bei weiterer Untersuchung sahen, auf dem rechten Arm dergestallt gegeben hatte, daß der Arm so dick aufgeschwollen war, daß man kaum den Rock herabziehen konnte; dieser Mensch wollte kurz nach der That das arme Kind noch darum: weil es auf der Stube vor Schmerz das Weinen nicht lassen konnte, in dem Augenblick, da ich die Thuͤr aufriß, (wie ich erzaͤhlt habe) zur Strafe aus der Stube stossen. Und es war doch die hoͤchste Zeit zu den Stunden; und er hatte doch dies Weinen verursacht; und er versprach sich doch auf seinen suͤssen Brief von meiner Frau31 noch an eben dem Tage Antwort; und er konnte doch, wenn er nicht wahrhaftig verruͤckt im Kopfe war, schon zum voraus wissen, wie diese ausfallen wuͤrde. Diese Minute ließ mich meine Frau herunterrufen, um Ferdinandchens zerschlagenen Arm zu sehen. Mit der bittersten Wehmuth und mit eben so bittern Thraͤnen sahe ich ihn eine Spanne lang wie eine Wurst aufgetrieben, und wie ein dunkelblaues Tuch. Gott! daß ich grade heut in den Umstaͤnden bin, ihn noch zwei Naͤchte unter meinem Dache beherbergen zu muͤssen!

Aber weiter im Examen. » Warum sind Sie denn so zerschlagen worden? « weil ich nicht rennen wollte. Geht Jhnen nicht, mein Werther, ein kalter Schauder durch die Glieder? und das, sagt mein Sohn, geschieht allemal, so oft wir spatzieren gehen; wenn Ferdinandchen nicht rennen will, dann bekoͤmmt er entsetzliche Schlaͤge. Letzthin, als Sie auch nach seinem zerschabten Gesichte fragten, hat er ihn mitten unter dicke Fichten gestossen, auch, weil er nicht rennen wollte, wir aber mußten auf sein Geheiß sagen: er sei von selbst so gerannt und sei zwischen die Fichten gefallen. Und dies ist nicht allein wirklich geschehen, sondern Herr G. bekraͤftigte es auch in beider Kinder Gegenwart, welche die Augen dabei niederschlugen.

Und das waͤre es alles, meinen Sie? Schicken Sie sich auf noch graͤßlichere Dinge, wenn es32 anders noch graͤßlichere giebt. Aber ja, die folgenden sind es wirklich noch. Jch fasse sie aber alle in eins kurz zusammen. Der Hartherzige, oder in der That Verruͤckte, hat eben dies arme Kind sehr haͤufig in der kleinen Kammer, die an seiner Thuͤr nach dem Hofe herausgeht, in der Kaͤlte voͤllig nackend stundenlang stehen und einmal des Morgens so nackend unter sein Bett kriechen lassen, weil er sich des Nachts im Bette geworfen hatte; er hat ihn auf den Spatziergaͤngen, wenn er nicht hat rennen wollen, mit dem Stocke hinten in den Ruͤcken gestossen, daß er so vorwaͤrts uͤbergefallen ist; um eben der Ursach willen einen Stock auf ihn zerschlagen; ein andermal ihn ins Gebuͤsch gezogen, und ihn dort so erbaͤrmlich geohrfeigt, daß mein Sohn es in der Ferne hat hoͤren koͤnnen; ihn wohl hundertmal mit seinen Dragonerstiefeln vor den Hintern gestossen, daß er oft hingestuͤrzt ist; ihn bei beiden Armen genommen, in einen Feldgraben geworfen und auf seine Haͤnde getreten; hat ihn, weil er sich bei einem boͤsen Kopfe einmal am Halse gekratzt hat, beide Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden, daß die Haͤnde entsetzlich aufgetrieben sind; er hat ihn sehr haͤufig 8, 9, 16 bis 24 Prisen Schnupftaback bis zum Brechen, ja selbst ein Pflaster, das der Kleine auf einer Wunde hatte, essen lassen; hat ihn mit geballten Faͤusten dazu gebracht, den Unflath, der etwa einmal bei einer nassen Blaͤhung, oder auch wohl aus Unachtsamkeit in den33 Beinkleidern sitzen geblieben war, mit der Zunge aufzulecken. Und nun sey es der Bosheiten genug, wenn ich einige vergessen haben sollte! Doch alles hat er bereits nach Aussage der Kinder, besonders meines Sohns, dem er nie etwas dergleichen gethan hat, auch nach seinem eigenen Gestaͤndnisse, einige Wochen vor Weihnachten so getrieben, und es heimlich treiben koͤnnen; weil die Kinder dergestalt von ihm sind in Furcht erhalten worden, daß sie bis auf jene Scenen nicht ein Wort haben sagen duͤrfen. Ja sie haben uns selbst, da sie es endlich alle beide aus einem Munde, wozu auch noch uͤber manche Barbareien das Zeugniß meiner Tochter koͤmmt, entdeckten, fast fußfaͤlligst gebeten, daß ich doch alles so einrichten moͤchte, daß sie ja seiner Wuth nicht ausgesetzt waͤren. Nur die Versichrung, daß ich, naͤchst Gott, ihr Vater und Schutzgott waͤre, und mich als einen solchen in meiner ganzen Wuͤrde zeigen wuͤrde, konnte sie dahin bringen, alles ehrlich zu gestehn.

Am 23sten Januar. 1782.

Nun ist das Examen rigorosum vorbey. Es geschahe wie ich Jhnen neulich schrieb, daß es geschehen sollte, am Montage, den 21sten dieses. Jch hatte, theils um einen guͤltigen Zeugen von alle dem, was ich mit dem Mann, oder vielleicht noch Juͤnglinge, sprechen wuͤrde, fuͤr mich zu haben, theils auch ihn glauben zu machen, es wuͤrde hier wohl an34 ein gerichtliches Protocolliren gehn, den Herrn Stadtsekretair von B** ersucht, diesem peinlichen Gerichte mit beizuwohnen. Der letzte Gedanke, den ich uͤbrigens um mehr als einer Ursach nicht auszufuͤhren willens war; so sehr mich auch die Anklage dazu berechtigt haͤtte, that indessen die beste Wuͤrkung von der Welt. Der Anblick des Herrn von B* schien ihn eben so sehr, als sein boͤses Bewußtseyn in Verlegenheit zu setzen. Er war weiß, wie Kreide, und fast unfaͤhig, ein Glied zu ruͤhren. Jch hieß ihn niedersitzen, und nun fing ich meine Anrede so an, wie es die traurige Lage der Sache mit sich brachte. Jch hatte, wie Sie leicht denken koͤnnen, mich nicht allein die Tage vom Freitag bis zum Montage hindurch gefaßt zu machen gesucht, ganz maͤßig und gelassen zu sein; sondern ich hatte mir diese Maͤßigkeit und Gelassenheit auch in einem feierlichen, stillen Gebete von Gott erfleht. Jch glaubte sie auch gewiß beobachten zu koͤnnen, in so fern Herr G. mich nicht durch ein hartnaͤckiges Laͤugnen aus meiner Fassung bringen wuͤrde. Mein Gebet war erhoͤrt. Jch blieb bey meinem ganzen Vortrage gelassen, denn Herr G. laͤugnete von dem ganzen Register von Grausamkeiten, die er gegen den kleinen M. bewiesen hat, und die ich Jhnen, aber doch noch nicht alle, letzthin uͤberschrieben habe auch noch nicht Eine ab. So entsetzlich dies auch ist, so wahr ist es doch.

35

» Aber wie sind Sie zu solchen Grausamkeiten gekommen? Was hat Sie dazu veranlaßt, sich besonders auf den jungen M* also zu setzen? Jch daͤchte, wenn es auf Leichtfertigkeit ankaͤme: so beginge mein Sohn deren weit mehrere als jener? « Er habe bereits, war die Antwort, die er vermochte, seit Jahr und Tag ein solches misanthropisches Wesen bey sich gefuͤhlt und gemerkt, daß er seit dieser Zeit einen Hang zur Grausamkeit haͤtte. Bey einem solchen Bekenntnisse haͤtten mir die Haare zu Berge steigen moͤgen. Er koͤnne uͤbrigens nicht sagen, daß der junge M* ihm dazu besonders Gelegenheit gegeben haͤtte! Er wisse selbst nicht, wie er dazu gekommen sey. Jn allem diesen und auch noch in andern Antworten, die er aber aͤußerst sparsam, jedoch mit der hoͤchsten Furchtsamkeit und wenigstens anscheinender Beschaͤmung gab, war dennoch so gar nichts, was ihn wegen seines schrecklichen Verhaltens gegen das Kind haͤtte entschuldigen koͤnnen; es waͤre denn, daß man annehmen wollte, daß er in der That manchmal Jntervalla haͤtte. Jch gestehe aber aufrichtig, daß, so gern ich auch diese Art der Entschuldigung von ihm annehmen moͤchte, ich doch dazu in seinem uͤbrigen Betragen keinen hinlaͤnglichen Grund finde. Warum konnte er denn, einige moͤrdrische Blicke, die er von Zeit zu Zeit auf die Kinder in unsrer Gegenwart fallen ließ, ausgenommen, sehr oft ein sehr freundliches Wesen gegen sie, wenn wir dabey waren, annehmen? Warum36 sogar den kleinen M. oft liebkosen? Warum dies thun, wenn er eben vorher auf seiner Stube eine Grausamkeit gegen ihn ausgeuͤbt hatte? Warum den Kindern nach Veruͤbung derselben so scharf einbinden, daß sie nichts sagen sollten, oder er wollte sie massakriren. Er war sich also nicht allein bewußt, daß er es gethan hatte, sondern er wußte auch, daß es etwas schreckliches war. Sollte sich dies so allerdings mit dem Karakter derer Leute reimen lassen, von denen man sagt, sie haͤtten schlimme Jntervalla

So weit der Mann, bey dem Herr G. Hofmeister war. Was ich nun noch hinzuzufuͤgen noͤthig finde, ist folgendes: Herr G. mußte zwey Tage darauf abreisen, und kam den folgenden Tag, so bald er von der Post abgestiegen war, zu mir. Jch wuͤrde mich wundern, sagte er, ihn izt hier zu sehen, oder, setzte er hinzu: ob ich etwa schon Briefe aus F* haͤtte. Jch gestand es sogleich; und fast als ob er mir in die Rede fallen wollte, fragt er: was ich ihm riethe, was er thun sollte? Das wußte ich freilich nicht; ich verwies ihn an seinen Verwandten, von dem ich die erste Nachricht von ihm erfahren hatte. Zu diesem hinzugehen, kostete viel Ueberredung von meiner, und viel Ueberwindung von seiner Seite. Ueberhaupt stand er da vor mir in einer Gestalt, die mich innigst ruͤhrte. Beschaͤmung, Angst, Betaͤubung, Unentschlossenheit und Anstrengung zum Nachsinnen waren auf seinem Gesichte;37 sein Blick war zur Erde geheftet, kaum daß er mit Muͤhe dann und wann schuͤchtern aufblicken konnte; seine Stellung, seine Bewegung waren seinen innerlichen Gefuͤhlen anpassend, voll Unruhe Jch fragte ihn: wie ist es moͤglich gewesen, daß Sie Kinder so behandeln konnten? und als er schwieg: hat denn der kleine M. Jhnen zu irgend einer solchen Behandlung Gelegenheit gegeben? » Nein, es war ein gutes Kind, zuweilen etwas munter, aber nicht wild, selten uͤber die Grenze der Munterkeit. « Wie haben Sie denn im Hause gelebt? zufrieden? » Ja, sehr zufrieden; o, ich habs so gut gehabt; ich war wie Kind im Hause, wie ein Freund, ich habe nicht die mindeste Klage. Ob man mich wohl wieder annaͤhme? wenn Sie schreiben wollten? « Das wuͤrde nichts helfen; das laͤßt sich nicht denken? Aber wenn Sie einmal so strenge gestraft hatten, fuͤhlten Sie nachher keine Art von Mitleid? Ruͤhrte Sie die harte Strafe nicht selbst? » Ja, es that mir leid! « Und wie konnten Sies so haͤufig wiederholen? » Das weiß ich selbst nicht. Jch habe mirs so oft vorgenommen, nicht zu schlagen, nicht zu hartherzig zu sein, aber es half nichts. Jch habe zu Gott gebetet, meinen Sinn zu aͤndern; aber ich weiß nicht, was aus mir werden wird « Jch gestehe, daß mir bey dieser Stelle ein Schaudern ankam, und wußte ihm nichts darauf zu antworten. Er wollte zu seiner Mutter reisen, das war der einzige Entschluß, den38 er hatte, und so ging er von mir. Sein Vater hat vor etwa 15 Jahren in einem kleinen Flusse seinem Leben ein Ende gemacht.

23J. F. Seidel.Lehrer am Grauenkloster.

VI. Auszug aus Paul Simmens Lebensgeschichte.

24

Der Ungluͤckliche war in seiner Kindheit ein fluͤchtiger Knabe, dem nichts weniger als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darinnen gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Namen hat schreiben gelernet. Dieß ist das Zeugniß, daß ihm diejenigen geben, die sich noch von jenen Jahren her seiner zu erinnern wissen.

Er zeigte fruͤhzeitig Lust zum Soldatenstande. Die Begleiter seiner Jugend erzaͤhlen, daß er woͤchentlich mit Holz nach der Residenz gefahren, wenn er aber solches verkauft, halbe Tage vor der Hauptwache daselbst gestanden, und den Soldaten zugesehen habe. Er ward denn auch in seinem 17ten Jahre Dragoner.

Sein Vater, ein Schneider, bestimmte ihn, nach Erlassung aus der Schule, zu seinem Hand -39 werk; aber er war nicht fuͤr die Nadel, er war fuͤr den Degen und Saͤbel, und am Schneider-Tische die Beine unterzuschlagen, war nicht seine Sache; er wollte ins Feld, er wollte in die Welt. Der neue Pallasch wollte ihn zwar zu unzeitiger Courage und Haͤndeln bald anfangs und waͤhrend der Transportirung verleiten, allein Erfahrung und Klugheit lehrten ihn bald diese Hitze maͤßigen, und in kurzer Zeit ward er vorsichtig und ordentlich in seinem Betragen.

Er machte mit seinem Regimente im Dienste der Generalstaaten gleich anfangs den letzten Feldzug vor dem Aachner Frieden mit, kam aber auch beim Schlusse des Krieges mit seinem Regimente nach Hause, und mußte sich in Postirungsquartiren gedulden, bis es wieder etwas fuͤr ihn zu thun geben wuͤrde.

Unter dem 31sten December 1758 erhielt er einen sehr ehrenhaften Abschied.

Als der zweite Preußische Krieg anging, mußte sein Fuͤrst außer dem Fußvolke, auch den groͤßten Theil des Dragonerregiments, unter welchem Simmen stand, als sein Kontingent zur Armee stoßen lassen, und Simmen durfte mit marschiren. Allein er wurde mit dem Hauptmann und 27 Mann seiner Compagnie auf dem Marsche in einer Altenburgschen Landstadt in einem Ueberfalle von Preußischen Husaren aufgehoben, und durchs Erzgebuͤrge nach Sachsen gefuͤhrt. Man darf es ihm wohl glauben, daß40 er mehr genoͤthiget als beredet worden sey, unter den Preußischen Husaren Dienste zu nehmen. Er that es unter dem damaligen Obristlieutenant v. Belling, und kapitulirte unter dem 23sten September 1758, auf die Bedingung, daß dieses sein Engagement nur von einem Winterquartier zum andern gehen, und daß ihm, wenn das Corps solche bezogen haͤtte, allemal freystehen sollte, seinen Abschied zu fordern, auch ihm alsdann derselbe auf sein Ansuchen unweigerlich ertheilt werden sollte.

Der neue Husar mußte gleich, wie schon gedacht ist, mit nach Sachsen, und fand am Schluß des Feldzugs in Chemnitz sein Winterquartier. Beym Aufbruch aus demselben und Eroͤffnung des Feldzugs 1759, rief ihn erst sein vorgedachter Chef unvermuthet vor die Fronte, erklaͤrte ihn zum Unterofficier, und wuͤnschte ihm dazu Gluͤck. Simmen versichert, daß er diese Gnade weder gehofft, noch gewuͤnscht, sondern alle Muͤhe, aber umsonst sich gegeben habe, sie zu verbitten; weil er den beschwerlichen Dienst und die schwere Verantwortung eines Preußischen Unterofficiers, vorzuͤglich im Kriege, schon damals habe kennen gelernt. Er stieg denn ferner bis zum Wachtmeister.

Der Marsch ging nach Schlesien gegen die Oesterreicher, ferner an die Polnische Grenze, gegen die Russen, hernach gegen ebendieselben ins Brandenburgische. Jm Jahr 1760 mußte er mit41 seinem Regimente nach Pommern, wo er bis 1762 gegen die Schweden fochte. Diese ruͤhmte er als sehr brave und besonders christliche Soldaten.

Aus Pommern gieng das Bellingische Husarenregiment, und also auch Simmen, im Jahr 1762 wieder nach Sachsen, gegen die Oesterreicher zuruͤck. Hier gerieth er durch einen Zufall im Erzgebuͤrge unter die Reichstruppen, und wurde von ihnen aufgehoben. Er kam aber bald durch eine List von den Feinden wieder los, indem er gegen sie vorgab, er habe sich selbst ranzionirt, und sey im Begriff zu seinem alten Dragonerregiment zuruͤck zu gehen. Er erhielt hierdurch einen Paß, der sich auch findet, datirt von Nassau, (einem Dorfe bei Frauenstein) den 2ten November 1762, und von einem Hauptmann von Oettinger unterschrieben. Mit Huͤlfe desselben entkam er die Nacht drauf, und zu dem Preußischen Esquadron zuruͤck.

Bekanntermaßen machte der Hubertsburger Friede dem Krieg ein Ende. Simmen kam darauf mit seinem Regimente in Pommern zu stehen. Nun regte sich bei ihm das Verlangen, sein Vaterland und seine Eltern wieder zu sehen. Er erhielt auch im Jahr 1764 nach dem geruͤhmten Zutrauen seines Obristen von demselben Urlaub, und zwei Paͤsse dazu, der eine davon ist vom 16ten, der andre vom 20sten May. Der erste mußte seine Beglaubigung im Preußischen, der andere sein Geleit ausserhalb42 seyn. Er kam also im gedachten Jahre gluͤcklich und mit Ehre an seinem Geburtsorte an, ohne daß es ihm geahndet haͤtte, daß er dem Verlust seines Gluͤcks und seiner Ehre, ja einem schimpflichen Tode entgegen reise.

Er fand hier bald nach seiner Zuruͤckkunft allerlei Verstrickungen, die ihn zu dem Entschluß brachten, den er wohl bei seiner Abreise nicht gehabt hatte, seinen Dienst zu verlassen, und nicht wieder zu seinem Regiment zuruͤckzukehren. Er verkaufte also sein mitgebrachtes Pferd, das, wie er versichert, mit Sattel und Zeug sein eigen war, und suchte bei seinem Obristen um seinen Abschied nach, den er aber nicht erhielt. Unkundige der Umstaͤnde hielten ihn deswegen geradezu fuͤr einen Ausreisser. Allein ich muß in dieser Sache das Licht mittheilen, daß zween eigenhaͤndige Antworten des Obersten von Belling an ihn geben. Jn der ersten druͤckt sich der Oberste sehr gnaͤdig aus, und unterschreibt sich, des Wachtmeisters allstets wohlwollenden Freund, versagt ihm aber seinen Abschied, und befiehlt ihm, sich wieder sogleich bey der Esquadron einzufinden. Jn der zweiten, auf Simmens Ansuchen, wobei er sich auf seine oben angefuͤhrte Capitulation berufte, versagt er ihm denselben nochmals aus dem Grunde, daß er ihm die Capitulation als Husar ertheilt, aber da er bis zum Wachtmeister avancirt, so sei solche null und nichtig, und befiehlt ihm, sich sogleich bei dem Regiment wieder einzufinden.

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Es kamen wohl bei ihm viele Bewegungsgruͤnde zusammen, die ihn vermochten, in seinem Vaterlande zu bleiben. Er hatte Freunde, die ihn dazu beredeten, und durch mancherlei Vergnuͤgen,[ das] sie ihm machten, an sich zogen; vielleicht mischte sich die Liebe bald darein, nach welcher er sich kurz hernach zu seiner Heirath entschloß. Er hatte viele Gunst bei Großen, und fand selbst Gelegenheit, die Gnade des Prinzen zu gewinnen. Der erlauchte Chef, der ihm den oben schon erwaͤhnten Abschied von seinem alten Regimente ertheilte, ließ sich besonders angelegen seyn, ihn wieder in die Dienste seines angebohrnen Landesherrn, verhaͤltnißmaͤßig anzubringen: Er haͤtte es gerne bei seinem unterhabenden Regimente gethan, allein dazu wollte sich keine Gelegenheit finden; es sollte bei den Landhusaren geschehen, die zu errichten damals in Vorschlag gebracht war, allein dieses Projekt zerschlug sich.

Wie er also seine Hofnungen theils vereitelt, theils in einer so ungewissen Ferne sahe, und nun schon der Bedenklichkeiten bei der Ruͤckkehr zu seinem Husarenregimente zu viel waren, so konnte er dieselben, ohne Geschaͤfte und Verdienst zu haben, laͤnger nicht abwarten. Er kaufte sich also in seinem[ Geburtsort] an, ließ sich haͤußlich nieder, und trat zu einer Gesellschaft Viehhaͤndler. Dieß war an seinem Orte der ansehnlichste, und fuͤr ihn verhaͤltnißmaͤßigste, anstaͤndigste und angemessenste Erwerb. Denn da ihn seine Gesellschaft zu44 den auswaͤrtigen Geschaͤften ihres Handels, gegen eine gute Vergeltung seiner Dienste, gebrauchte; er auch wohl etwas zum Handel mit zuschoß, so konnte er auf doppelte Weise gewinnen, und darbei seine feine Sitten, und beim Kriegshandwerk gewonnene Erfahrungen und Geschicklichkeiten, brauchbar machen.

Daß an Simmens Entschlusse, den Preußischen Dienst zu verlassen, die Liebe mit Theil gehabt habe, laͤsset sich daraus vermuthen, daß er sich nicht lange nachher an seinem Geburtsort verheirathete. Durch die Verbindung, die er hier einging, kam er mit dem, mit dessen Blute er sich hernach befleckte, in eine gedoppelte Verschwaͤgerung; denn Simmens Braut war Georg Schmidts leibliche Schwester, und dieser hatte Simmens Schwester zur ersten Frau.

Von Simmens Ehe hoͤre ich nichts nachtheiliges, sie ward eintraͤchtig und gut gefuͤhrt, ohne daß ein Theil uͤber den andern Beschwerden geaͤussert haͤtte. Dem entgegen, was man von ihm vermuthen sollte, wird er von solchen, die sein Haus kennen, als ein geselliger und sich sehr bequemender Ehemann beschrieben, der haͤuslichen auch gewoͤhnlicher Weise nur weiblichen Verrichtungen sich unterzogen habe.

Nun war Simmens neue Lebensart und Haushaltung an seinem Geburtsorte, wie es schien, gut eingerichtet. Er hielt sich fein, sein Betragen war ordentlich, bescheiden, und vor seinesgleichen vorzuͤg -45 lich gesitteter; auch selbst diejenigen, denen sein feines Betragen am verdaͤchtigsten ist, koͤnnen ihm das Lob eines aͤusserlich ehrbaren, ordentlichen und stillen Mannes nicht versagen. Er erwarb sich dadurch Zutrauen und Ansehn, und weil sein guter Verstand, seine durch Erfahrung erworbene Kenntnisse, seine Bedaͤchtlichkeit und gute Art zu reden darzu kam, wurde auch die Vormundschaft seines Orts bewogen, ihn zu ihrem Mitglied anzunehmen. Personen, die am besten davon urtheilen koͤnnen, geben ihm auch das Zeugniß, daß er in dieser Verbindung alle Obliegenheiten und Auftraͤge gut ausgerichtet habe.

Verschiedene Jahre ging es gluͤcklich mit seinem Viehhandel, und seine Vermoͤgensumstaͤnde schienen auf einem guten Fuß zu seyn. Allmaͤlig aber wurde seine Familie zahlreicher, er war schon ein Vater von 3 Kindern, als die bekannten theuren Jahre einfielen. Wie diese traurige Zeit viele vorherbluͤhende Familien niedergedruͤckt, wo nicht ganz zu Grunde gerichtet hat, so wurde sie auch Ursach an dem ersten Verfall des Nahrungs - und Vermoͤgensstandes dieses Ungluͤcklichen, weil der Handel, sein einziges Verdienst, lag, ihm auch verschiedene Posten, die, wenigstens nach seiner Vorrechnung, etwas betrugen, verloren gingen. Er mußte zusetzen, und es war ihm nicht moͤglich, sich ganz wieder aufzuhelfen.

Nach der Zeit verwickelte er sich mit seinen Mithaͤndlern in Streitigkeiten und Klagen, durch welche46 seine Gewissenhaftigkeit verdaͤchtig wurde. Die Gesellschaft trennte sich auch von ihm, und nun sollte er fuͤr sich allein handeln; das konnte er aber mit seinem eigenen Vermoͤgen nicht gluͤcklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie ers wuͤnschte, daß er sich haͤtte auf den vorigen Fuß halten koͤnnen, und wie es sein voriger Charakter zu fordern schien. So wie er sich im Hause alles gefallen ließ, so ließ es ihm doch der Wachtmeister nicht zu, sich ganz zum Bauer herabzulassen, und auswaͤrtig Handgeschaͤfte der Art vorzunehmen, die an seinem Orte gewoͤhnlich und zum Durchkommen noͤthig waren. Nur zu einer Zeit im Jahre war etwas, und auch nicht mehr das hinlaͤngliche, mit dem Handel zu verdienen, die uͤbrige Zeit gab es fuͤr ihn nichts zu thun.

Jn dieser druͤckenden Lage wurde seines Vaters Schwester, die mit einigen Ansehn in der benachbarten Stadt lebte, zur Wittwe. Diese erbot sich, ihn mit den Seinigen zu sich zu nehmen, wenn er ihre Angelegenheiten besorgen, und ins Reine bringen wuͤrde. Er folgte hier unsichern Hoffnungen, und vielleicht auch dunkeln Blendwerken, die ihm seine Ehrsucht vorspiegelte. Er entschloß sich also, in die Stadt zu der gedachten Verwandtin zu ziehen, ward Buͤrger und verkaufte sein Haus in seinem Geburtsorte seinem Schwager Schmidt. Die Hoffnungen, die ihm waren gemacht worden, oder er sich selbst gemacht hatte, taͤuschten ihn, oder er hatte nicht Geduld und Schmiegung genug, sie abzuwar -47 ten; er verlohr daruͤber, daß er sich fremden Angelegenheiten unterzog, folgends alle Vortheile seines bisherigen Handels und voriger Einrichtung, und durch mehr Umstaͤnde, die dazu kamen, wurde dieses der Schritt zu seinem Fall und Verderb.

Es entsponnen sich uͤber dem Hausverkauf allerlei Entzweiungen zwischen ihm und seinem Schwager, die bis zu der toͤdlichen Verbitterung anwuchsen. Dieser bezahlte, wie mir von glaubwuͤrdigen Personen versichert worden, von dem Hauskaufsgelde, womit sich doch Simmen zu helfen gedacht hatte, nicht nur ein darauf haftendes groͤßeres Kapital, das mit Willen des leztern geschehen sein soll, sondern auch andere kleinere Posten wider dessen Willen. Simmen glaubte, daß derselbe dabei auch seine Glaͤubiger, die auf andere Art vortheilhafter fuͤr ihn haͤtten befriediget werden koͤnnen und sollen, unredlicher Weise selbst aufgereizt habe, so daß ihm hierdurch nicht nur das Kaufgeld zersplittert und seine Huͤlfe benommen, sondern auch die Bezahlung des uͤbrigen Geldes, zu seinem mehrern Ruin, und dem Contrakt zuwider, verzoͤgert sey. Aus dem Wortwechsel hieruͤber, entstunden ferner auch wohl Thaͤtlichkeiten und Jnjurienklagen, wodurch der Groll des, besonders durch die lezte Art Klagen, mehrmals empfindlichst gereizten Wachtmeisters, immer staͤrker aufloderte. Andere entschuldigen zwar Schmidten dieserwegen, und ruͤhmen allerlei Gutes, daß er Simmen und dessen Kindern gethan48 habe. Entscheidend kann ich nun hievon nicht urtheilen, aber das muß ich gestehen, daß keine Schilderung, die mir von Schmidten gemacht ist, auch selbst von seinen Vertheidigern nicht, zu dessen Vortheil gewesen sey, noch es wahrscheinlich genug mache, daß er mehr Recht als der Ungluͤckliche bei diesen Haͤndeln gehabt haben moͤge. Hierzu kam noch, daß Schmidt seine Schwiegereltern, als Simmens Vater und Mutter, geschlagen, auch seine erste Frau, als Simmens Schwester, und welche dieser sehr geliebt, uͤbel gehalten haben soll, wenigstens hat Simmen dieß in seinem gerichtlichen Verhoͤr behauptet, und als eine Hauptursach seines fuͤrchterlichen Hasses angegeben. Weil aber endlich Schmidt sich auch immer besser als der Wachtmeister fand, so kann daher wohl einige Eifersucht in die Verbitterung des leztern sich mit eingemischet haben.

Das konnte nun Simmen selbst nicht laͤugnen, daß er in dieser Gemuͤthsfassung seinen Schwager oͤffentlich und vielleicht mehrmals Rache gedroht und geschworen habe. Er will ihm zwar eigentlich nicht den Tod, sondern nur gedroht haben, es ihn kuͤnftig entgelten zu lassen.

Damals wars wohl eben, daß er den Versuch machte, von seinem Schwager einen Vorschuß zu erhalten, und ihm auch derselbe solchen versprach, nachmals aber von der Erfuͤllung dieses Versprechens sich wieder ablenken ließ.

49

Seine nunmehrige traurige Lage will ich mit des Ungluͤcklichen eigenen Worten beschreiben: » Kein Haus! keine Huͤlfe bey Freunden! keinen Trost! keinen Credit, da mir sonst jedermann ein Paar Hundert Thaler zu borgen bereit war! « Und hierzu kamen nun der Drang von Glaͤubigern und zu fuͤrchtender Rechtshuͤlfe, auch die Nothwendigkeit, einen Sohn zum Handwerk zu helfen, und das Uebel, darzu kein Mittel zu wissen, und wer weiß, was noch mehr, das verborgener ist?

An einem ungluͤcklichen Sonntage durchbrach der Damm. Simmen besuchte fruͤh an demselben den Gottesdienst in der Stadt, und man will bemerkt haben, daß er, wie es geschienen, einer ernsthaften Predigt, die ihn zum Nachdenken haͤtte bringen koͤnnen, aufmerksam zugehoͤret habe. Den Nachmittag ging er uͤber Feld, einiger Geschaͤfte wegen, und auch da noch einmal in die Kirche.

Am Abend kam er wieder nach Hause, und brachte noch einige Stunden bey einem Bekannten in der Nachbarschaft zu, wie ich glaube, den Gedanken, mit denen er sich trug, und wie ich vermuthe, wohl selbst noch seinem Vorhaben zu entgehen; denn es zog ihn wohl das innere Gefuͤhl noch immer zuruͤck. Aber sein Herz hing schon zu sehr auf die boͤse Seite, und wandte nicht mehr Ernst und Kraft genug an, zu widerstehen. Er klagte beym Weggehen von seinem Besuch und bey seiner Wiederkunft zu Hause, daß ihm nicht recht wohl sei,50 und ging, zu seinem Verderben, auf das zweite Stockwerk allein zu schlafen. Der Vorsatz, die Mordthat zu veruͤben, drang sich immer mehr in seiner Seele vor; er faßte den Entschluß, und machte Anstalten dazu, doch alles noch mit innerlichem Widerspruch und Widerstreben. Er gerieth daruͤber in einen Schlummer, fuhr aber aus denselben, wie er erzaͤhlte, gegen 11 Uhr, ploͤtzlich und voll von einer Wuth auf, die ihn so gedraͤngt, daß er sich nicht zu helfen gewußt haͤtte, und wie verduͤstert zu der Ausfuͤhrung fortgegangen sei.

Anderthalb Stunden brauchte der Ungluͤckliche, nach seinem eigenen Bekenntniß, zu einem ihm hoͤchstbekannten Wege, von einer kleinen halben Stunde; ein Umstand, der nicht zu erklaͤren steht, wenn wir uns nicht vorstellen, daß ihn der Sturm seiner Affekten und der Kampf in seiner Seele mehrmals aufgehalten und zum Stillstehn gebracht habe. So fehlte es ihm nicht an Erinnerungen; so war es noch moͤglich, daß er in sich und zuruͤcke gieng! Jch kann es ihm glauben, was er erzaͤhlt, daß, ob er gleich die Absicht gehabt habe, seinen Schwager und seine Schwaͤgerin, aber nicht ihr unschuldiges Kind, zu ermorden, er es doch immer noch dabei auf ein Ungefaͤhr habe ankommen lassen. » Jch wuͤrde, sagte er selbst, wenigstens dießmal, vielleicht aber auch aufs kuͤnftige mich bedacht haben, und von meinem Vorhaben abgestanden seyn, wenn mir jemand beim Weggehen aus meinem Hause, oder ein Waͤchter51 auf der Straße begegnet waͤre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus, einige Schwuͤrigkeiten gefunden haͤtte. «

Simmen taumelte aber nun dahin, wo er das Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so verduͤstert, wie schon gedacht; er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzaͤhlte, leise an; also noch als ein Mensch, der nicht das unerschrockene Herz hatte, das zu thun, was er doch gleich that.

Seine Schwaͤgerin sahe heraus, frug ihn, auf seinen Gruß und Bitte eingelassen zu werden, wo er so spaͤt herkomme? glaubte seinem Vorwande, uͤber Feld herzukommen, ließ ihn ein, und fuͤhrte ihn in die Stube, wo er seinen spaͤt heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht voͤllig eingeschlafen fand. Also alles so leicht, so bequem! Nun ward sein Entschluß vest!

Simmen ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen; bei allen vorgegangenen Zwistigkeiten, ja, wie man sagt, nach einer vorher geaͤußerten außerordentlichen Aengstlichkeit, laͤßt sie ihn ein, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht, ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht um ihn noch um Mitternacht Sauerkraut (oder Kohl) aus dem Keller zu holen, wovon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war.

52

Die ungluͤckliche Schwaͤgerin nimmt also das Licht, und gehet in den Keller, um dieses Kraut zu holen: der unempfindliche Moͤrder legt bald darauf seine eben angebrannte Tabackspfeife wieder hin, und schleicht ihr nach, nimmt ihr das geholte Sauerkraut ab,[ das] sich auch nachher noch in der Stube fand, giebt ihr aber zugleich unversehens mit einem dazu mitgenommenen und unter dem Rock verborgenen Knittel, nach seinem Angeben eine Elle lang, und fuͤnf Finger dick, noch in dem Keller, als sie eben im Begriff ist, wieder heraufzugehen, auf der untersten Stufe einen schweren Schlag auf den Kopf. Sie behielt noch soviel Bewußtsein, daß sie ihm zuruft, warum er das an ihr thue? aber weder die Wuth, noch die einmal gewagten argen Vorschritte, liessen ihn zuruͤckgehn. Er giebt ihr noch einige Schlaͤge, und da sie noch immer winselt, nimmt er sein gewoͤhnliches schlechtes Taschenmesser, und giebt, wie er erzaͤhlte, um ihr von ihrer Quaal zu helfen, ihr noch einige Stiche und Schnitte, das er selbst im Dunkeln, weil das Licht ausgegangen gewesen, nicht haͤtte unterscheiden koͤnnen; verlaͤßt darauf den Keller, ungewiß, ob sie ganz todt sey; sieht auch weiter nicht nach ihr, sondern legt nur, als er wieder aus dem Hause gieng, den Keller zu. Bei der Sektion haben sich Wunden, theils vom Schlag, theils vom Messer gefunden, davon 2 fuͤr schlechterdings toͤdtlich erkannt sind, ihr Blut aber war bis 6 Schuh weit von ihr gesprungen. Sie zu ermorden hatte er den53 Vorsatz spaͤter gefaßt, und daher nichts Bedrohliches sich gegen sie verlauten lassen. Zur Ursache hat er angegeben, weil sie ihn und seine Frau vielmals sehr arg und empfindlich geschimpft, diese auch sogar vor kurzem sehr geschlagen habe; auch den Antheil, den sie an der Verweigerung des Vorschusses hatte, den ihr Mann kurz vorher dem Erbitterten versprochen gehabt, gehoͤrt wohl mit zu diesen Ursachen.

Nach Veruͤbung dieser Grausamkeit gieng Simmen wieder in die Stube, fand seinen Schwager im Bette unterdessen eingeschlafen, und gab ihm 2 bis 3 Schlaͤge auf den Kopf, so daß derselbe keinen Laut mehr von sich gegeben haben, sondern auf einmal, ohne einige starke Bewegung, erstarrt liegen geblieben seyn soll. Es war auch die halbe Hirnschale entzwei und das Gehirn selbst hineingedrungen, auch das rechte Ohr von einander geschlagen, doch gab er noch bis in den andern Tag hinein, obgleich sinnlos, einige Kennzeichen des Lebens.

Nach Simmens Aussage, geschah es bei dem zweiten Schlage, der den Vater traf, und deswegen auch seine meiste Kraft verlohren hatte, daß das Schmidtische vierjaͤhrige Kind, welches beim Vater im Bette lag, und der Thaͤter vorher nicht bemerket haben will, sich in die Hoͤhe richtete, und mit von eben dem Schlage auf den Kopf getroffen ward, welches er denn, bevor er aus dem Hause gegangen, noch mit einem Kissen zugedeckt haben will, das aber nachmals nach des Vaters Fuͤssen zu, auf dem Gesichte54 liegend, mit noch wenigen Kennzeichen des Lebens gefunden ward. Sein ganzer Kopf, wie sichs bei der Besichtigung zeigte, war voll Contusionen, die Haͤute desselben wie Schwamm anzufuͤhlen, und die Augen mit Blut unterlaufen, so daß die Vermuthung[ veranlasset] werden wollen, die doch der Moͤrder nicht auf sich kommen lassen, es muͤsse grausamerweise wider die Wand geschlagen sein.

Eine aͤltere Tochter des Erschlagenen schlief indessen auf einer andern Kammer, und hoͤrte von dem allen nichts. Simmen konnte deswegen, nach veruͤbten Verbrechen, unbemerkt aus dem Hause gehn; das that er aber erst, nachdem er vorhero aus der Weste des sinnlosliegenden Mannes, den Schluͤssel zu dessen Geldschraͤnkgen gezogen, und aus demselben das darin vorraͤthige Geld, nach seiner Aussage, beinahe ein Dutzend Thaler, weiter aber nichts, genommen hatte.

(Der Beschluß kuͤnftig)

VII. Ein Diebstahl aus Großmuth von einem siebzehnjaͤhrigen Knaben.

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Ein Knabe von siebzehn Jahren, und der Sohn eines rechtschafnen Schulzen ohnweit Berlin, kam zu einem hiesigen Sattler in die Lehre, schnitt sich ungluͤck -55 licher Weise in einen Finger, der so schlimm wurde, daß man befuͤrchtete, ihn abnehmen zu muͤssen. Da er in diesem Fall zu Erlernung des Handwerks unfaͤhig geworden waͤre, die Profeßion weiter fortzulernen, so machte ihn dies sehr niedergeschlagen, und besonders der Umstand, daß alsdenn die 20 Rthlr. Lehrgeld, so gut wie weggeschmissen, und seine mitgebrachten Betten, nach dem Handwerksgebrauch verlohren seyn wuͤrden. Diese auf den Fall umsonst gemachte Ausgabe seines Vaters, fiel ihm noch deshalb doppelt schmerzlich, weil er dasselbige Jahr, durch den spaͤten Frost großen Schaden gelitten. Er sann daher auf Mittel und Wege, seines[ Vaters] Verlust zu ersetzen. Da er sich jederzeit vorzuͤglich gut aufgefuͤhrt, sezte sein Lehrherr nicht das geringste Mistrauen in ihn, sondern ließ ihn sehen, wo er sein Geld in die, in der Werkstatt befindliche Spinde hinlegte. Als dieser nun eines Sonntags mit seiner Familie spatziren gefahren, der Lehrbursche in der Werkstatt allein zu Hause war, und er bemerkt hatte, daß der Meister einige Tage vorher Geld in die Spinde gelegt, so gerieth er auf die Gedanken, den seit einiger Zeit gehabten Einfall: dem Meister so viel zu entwenden, als das Lehrgeld betruͤge, bei dieser guten Gelegenheit auszufuͤhren; weil er es in seinem Gewissen verantwortlich hielt, dem Meister wieder das abzunehmen, was er ohne Erfuͤllung der Bedingung behalten haͤtte, da ihn, wie er glaubte, sein schadhafter Finger56 zu Auslernung seiner Profeßion untuͤchtig machen wuͤrde. Bei Untersuchung der Spinde bemerkte er, daß sie verschlossen und gut verwahrt sey. Hier fiel ihm ein, daß der Geselle einst erzaͤhlet, wie sich gewisse Diebe, durch Bohrung verschiedener Loͤcher, die Erbrechung einer Spinde[ erleichtern]. Er nuͤtzte diesen Umstand, und nahm gegen Achtzig Thaler, groͤßtentheils in Gold, dessen Werth er nicht kannte, heraus, weil er glaubte: nur ohngefehr so viel genommen zu haben, als das Lehrgeld betruͤge, und ließ das andere liegen. Der Meister kam nach Hause, und der Diebstahl wurde denselben Abend nicht bemerkt. Noch hatte er bis dahin auf keine Bemaͤntelung oder Entschuldigung seiner That gedacht; allein im Bette fiel ihm ein: die Sache so einzuleiten, als ob auswaͤrtige Diebe ins Haus gekommen. Er schlich sich daher aus seinem Bette in die Werkstatt nahm einen Sattel aus der Spinde, versteckte ihn unter einen Wagen unterm Schuppen, oͤfnete den Thorweg auf den Hof, warf einen seiner Struͤmpfe auf den Flur, gieng wieder zu Bett ', und fing einige Zeit darauf, ein gewaltiges Geschrei an: daß Diebe im Hause waͤren. Das ganze Haus ward dabei munter, man bemerkte den Diebstahl, und die von dem Knaben gemachten Anstalten brachten alle auf den Verdacht, daß ein ehemaliger Hausknecht der Thaͤter sey. Der Knabe schwieg hierzu still, und der ehemalige Hausknecht wurde hier zur Untersuchung gezogen. Diesen unschuldigen Menschen zu57 retten, glaubte er, seine Spukerei, die folgende Nacht, unter fast aͤhnlichen Umstaͤnden fortsetzen zu muͤssen, und gieng gar so weit, sich Abends vorher mit einem Messer das Halstuch entzwei zu schneiden. Jn der Nacht fieng er wieder ein Geschrei an, daß man ihn umbringen wolle, sagte zum Gesellen, daß jemand bei seinem Koffer gewesen, und schnapte denselben, da er ihn vorher leise aufgemacht, mit Gewalt zu, daß jener es in seiner Kammer hoͤren konnte, und selbst auf den Verdacht gerieth, daß auswaͤrtige Diebe an des Purschen Koffer gewesen. Auf den ehemaligen Hausknecht war nichts zu bringen, und nun fiel der Verdacht auf den Gesellen, welcher auch arretirt wurde. Diesen unschuldigen Menschen in dieser Lage zu wissen, gieng dem Knaben gleichfals unendlich nahe, und er beschloß, auch ihn, durch seine fortgesetzte Spukerei zu retten; ob er sich gleich stellte, als fuͤrchte er sich recht sehr, und wolle nun nicht mehr laͤnger im Hause bleiben, sondern zu seinen Eltern gehen. Jn einer der folgenden Naͤchte fand er sich in Ausfuͤhrung seiner gewoͤhnlichen Spuckerei dadurch gehindert, daß die Glasthuͤre zur Werkstatt zu war, durch welche er in den Hof muste. Hier stieß er in der Unuͤberlegtheit das Fenster ein. Das von ihm herausgestoßene Glas, zeigte bei der Besichtigung, daß diese Spukerei von keinem außer dem Hause, sondern von dem Burschen selbst unternommen sein muste. Er wurde darauf verhoͤrt, laͤugnete aber alles, und ward gegen gestellte Caution58 seinem Vater uͤberlassen, der ihn mit sich nach Hause nahm. Da ihn der Meister dessen ohnerachtet wieder annehmen wollte, gieng der Vater mit dem Knaben wieder nach der Stadt. Dieser gieng einige Schritt hinter dem Vater, und ließ das bestaͤndig bei sich getragene Geld in den Weg fallen, rief seinem Vater zu: daß dort etwas liege! dieser hob es auf, und als er das Gefundene untersuchte, gerieth er gleich auf den Argwohn, daß dies wol das entwendete Geld sey, und vom Knaben listiger Weise in den Weg geworfen worden. Er stellte den Burschen auf der Stelle ernstlich zur Rede; da dieser aber standhaft leugnete, den Vater versicherte, daß es jemand verlohren haben muͤste, und ihn bat: ihm zu erlauben, daß er es der Mutter nach Hause truͤge, bis Nachfrage darnach geschaͤhe, und hinzusetzte: daß, wenn nichts davon erwehnt wuͤrde, es ein kleiner Beitrag zu seiner Wanderschaft waͤre; so ließ der Vater solches vor der Hand zwar geschehen; entdeckte aber doch, als ein ehrlicher Mann diesen Vorfall dem Sattler, und als derselbige einige naͤhere Beschreibung der entwendeten Geldsorten gab, und der Vater fand, daß es dies Geld sein muͤsse, brachte er es dem Meister zuruͤck. Der Knabe, welcher unterdeß wieder zum Verhaft gezogen worden, laͤugnete noch immer, bis man ihn endlich uͤberfuͤhrte, weil der Lappen, in welchen das Geld gewickelt war, genau in den Abschnitt eines Stuͤcks Leinwands paßte, so man in des Knaben Koffer gefunden, und welches59 ihm seine Mutter zu Hemden mitgegeben. Er ward hierauf zu einjaͤhriger Zuchthausstrafe, jedoch ohne infamirende Umstaͤnde verurtheilt. Der Kriminal-Senat schraͤnkte die Strafe nur auf ein halb Jahr ein, und der Vater des Knaben erhielt, wegen seiner bekannten Rechtschaffenheit und Brauchbarkeit bei Auseinandersetzung der Gemeinheiten, auf eine[ Jmmediatvorstellung] so viel, daß der Knabe nach zweimonathlicher Zuchthausstrafe entlassen ward. Der rechtschaffene Sattler vergaß alles, und nahm ihn dessen ohnerachtet wieder in die Lehre.

Außerdem, was aus dieser Geschichte, fuͤr die Erfahrungsseelenlehre brauchbar seyn moͤgte, verdient sie auch noch deshalb allgemein bekannt zu werden: weil alle dabei intereßirte Personen in einem sehr vortheilhaften Licht erscheinen: So wie die ganz vortreflich instruirten Acten, und das auf Philosophie und Menschenkenntniß gegruͤndete Urtheil, wenn sie der Welt vor Augen gelegt werden sollten, den augenscheinlichsten Beweis abgeben wuͤrden, daß die Criminal-Justiz der preußischen Gerichtshoͤfe, der Erleuchtung unsres Jahrhunderts voͤllig angemessen, und wenn sie uͤberall adoptiret waͤre, die Vorschlaͤge des Herrn Schulz in seiner Sittenlehre keine besondre Aufmerksamkeit verdienten.

28Nencke.

60

VIII. Grausamkeit eines gefangnen Soldaten gegen seinen eignen Koͤrper.

29

Da ich seit meinen Universitaͤtsjahren bestaͤndig einen siechen Koͤrper trage, und mit einem anhaltenden aber nicht toͤdtenden Schmerz kaͤmpfe, bin ich der gelehrten und großen Welt meist unbekannt geblieben, die bestaͤndige Hoffnung, mein Leiden bald zu endigen, hat auch alle Ruhmbegierde der Schriftstellerei so wohl, als der ausgebreiteten Praxis erstickt. Bloß fuͤr mich habe ich im Stillen gelebt, ganz unbemerkt, und wenn es meine Schmerzen erlaubten, mich mit einem guten Buche unterhalten. Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde kam mit unter meine Lektuͤre, sie erneuerte in meinem Gedaͤchtniß, viele merkwuͤrdige Ereugnisse, die ich im siebenjaͤhrigen Kriege so wohl in Preußischen als Kaiserlichen Lazarethen als Wundarzt zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Diese Beobachtungen, wovon manche gewiß sonderbar sind, haben zwar gewissermaßen meine Gesundheit untergraben helfen, daher ich mich mehr bemuͤht habe, selbe zu vergessen, als irgend einen Gebrauch davon zu machen.

Dennoch ist in mir bei Durchlesung und Vergleichung mancher Jhnen zugesandten Abhandlungen das Verlangen rege geworden, einige der merkwuͤrdigsten an Ew. etc. einzusenden, ich will vorerst nur mit einer den Anfang machen, sollte diese sich fuͤr61 Jhren Gebrauch schicken, und ich daruͤber Versicherung erhalten haben, so werde ich fernerhin mit mehreren aufzuwarten nicht ermangeln.

Jch bitte noch zu meiner Entschuldigung zu bemerken, daß ein Mensch der zwoͤlf Jahr krank ist, zwar wahr, aber nicht schoͤn schreiben kann.

Jm Jahre 1762, da ich in der Kaiserlichen Gefangenschaft uͤber ein Lazareth Preußischer Kranken in Graͤtz in Steuermarck die Aufsicht hatte, ereignete es sich, daß man Kaiserlicher Seits durch allerhand Drohungen die Preussen zu oͤsterreichischen Diensten zu zwingen suchte.

Ein Soldat Nahmens Salomon, aus dem Magdeburgischen gebuͤrtig, (und wo ich nicht irre) vom Regiment des General Huͤlsen, der in seiner Heimath ein kleines Cossaͤthenguth, Frau und Kinder zuruͤck gelassen hatte, uͤbrigens ein recht patriotischer Brandenburger war; hatte einige Beispiele von halb gewaltthaͤtigen Anwerbungen seiner Cammeraden gesehn, hieruͤber verfiel er in eine Art des Wahnsinns, wovon er nach Verlauf einiger Wochen durch dienliche Mittel wieder hergestellt wurde. Er war nun allem Anschein nach voͤllig verstaͤndig, erzaͤhlte wie er beim Finckschen Chor gefangen worden, wer seine Eltern gewesen, was seine Frau fuͤr eine brave Frau, und seine Kinder fuͤr liebe Kinder waͤren, und am Ende einer jeden ganz vernuͤnftigen Erzaͤhlung,62 schloß er damit, man saͤhe hieraus, wie unmoͤglich es ihm sey, Kaiserliche Dienste anzunehmen. Diese Bitte wiederholte er taͤglich mit dem besten Anstand, und allem Anschein einer gesunden Vernunft.

Ohnvermerkt schlich sich dieser Salomon heimlich auf den Boden des Lazareths, schnitt sich mit einem stumpfen Brodtmesser den linken Daum ab, verband die Hand mit einem Tuch, kam wieder in diejenige Krankenstube, worin er gehoͤrte, und erzaͤhlte bei einer Pfeife Taback, daß ihm wohl wissend sey, wie in Kaiserlichen Diensten kein fehlerhafter Mensch angenommen werde, und wie er sich nun vor allen ferneren Nachstellungen gesichert habe. Diese von Salomon selbst gemachte Amputation wurde bald und gut geheilt, waͤhrend der Cur verhielt sich Salomon immer ruhig und friedlich, hatte die Liebe aller seiner Cammeraden, er war ihr unterhaltender Gesellschafter, war in allen Stuͤcken vernuͤnftig, bis auf einen Punkt, daß er jedesmahl den Medicum erwartete, und ihn bat, ihn mit den Kaiserlichen Diensten zu verschonen.

Einige Wochen nach seiner Heilung, schlich er sich zum zweiten mal auf den Boden, und schnitt mit einem stumpfen Messer, mit welchem er kurz vorher Taback geschnitten hatte, sein Scrotum genau in der Mitte durch, und sodann den rechten Testicul nebst denen ihn umgebenden Haͤuten rein weg, und kam kaltbluͤtig zuruͤck in die Stube. Seine Cameraden bemerkten das uͤberall hervordringende Blut,63 und befragten ihn deshalb, worauf er antwortete, es sey alles das seinige, und koͤnne er damit machen, was er wolle. Es wurden sogleich alle Anstalten gemacht, die Verblutung zu stillen, und nach gehoͤrigem Verband war Salomon ruhig, blieb im Bette, und wurde in sechs Wochen von seiner halben Castration geheilt. Nun blieb er 3 Monat in derselben Lage, er war gesund, und trank, gieng aber seit dieser Operation etwas krumm, und an einem Stock. Jeden Morgen erwartete er an der Thuͤre des Lazareths den Kaiserlichen Medicum, und wiederholte jedesmal seine Bitte, ihn nicht zum Dienst zu zwingen. Nach Verlauf besagter drei Monath schnitt sich dieser Salomon den zweiten Testicul nebst seinen Haͤuten weg; er wurde auch hier abermals gluͤcklich geheilet, doch so, daß er nun ganz krumm gieng. Taͤglich fuhr er fort, seine Bitte zu erneuern, und sich auf seine Frau und Kinder zu berufen. Der Medicus, dem dieser taͤgliche Anlauf endlich zur Last wurde, antwortete in der Folge ganz kurz, daß die Kaiserin ihn nicht brauchen koͤnne, und seine Frau sich seiner auch nicht freuen wuͤrde, wodurch Salomon jedesmal beruhiget wurde, und so verblieb bis zur Ranzion, da ich weiter nichts von seinem Schicksale erfahren habe.

Bei diesem Vorfall ist doch allerdings bemerkenswerth, daß ein Mensch, dem Anschein nach, sehr vernuͤnftig und mit dem zartesten Gefuͤhl fuͤr Vaterland, Frau und Kinder begabt, auf der andern Seite einen solchen Grad der Verruͤckung haben koͤnne,64 der ihn zu der grausamsten Operation abhaͤrtet und hinleitet.

31Schroͤder,Doctor Medicinaͤ.

IX. Beispiel und Folgen einer schwaͤrmerischen Sehnsucht nach dem Tode.

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Beim Durchlesen des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde erinnere ich mich der seltenen Krankheit einer Bauersfrau meiner Gemeine, wovon ich die Hauptzuͤge in meinen Annotationen aufgezeichnet, hier mittheile:

Vor ohngefaͤhr drei Jahren, wurde ich zu einer kranken Frau gerufen, ihr das heilige Abendmahl zu reichen. Gleich bei meinem Eintritt in das Haus dieser Kranken fand ich deren ganze Familie, die zum Theil aus vernuͤnftig denkenden Bauern bestand, versammlet, die auf mich wartete. Zwar sind dergleichen Versammlungen bei solcher Gelegenheit, (wie der fuͤrtrefliche D. Leß fuͤr noͤthig haͤlt) hier gewoͤhnlich; nur diese, auf deren Gesichtern sich ein ungewoͤhnlich truͤber Ernst und tiefes Nachdenken verbreitete, schien mir geheimnißvoll . Dieser mir auffallende Anblick entraͤhtselte sich aber bald, als sich die ganze Gesellschaft um mich versammlete, und mir65 mit wehmuͤthiger Stimme zufluͤsterte, daß ihre Verwandtin tiefsinnig sey, und schlechterdings sterben wolle. Dabei schien mir der Wortfuͤhrer schuͤchtern und mehr zuruͤckhaltend zu seyn, das mich neugieriger machte, in ihn zu dringen, mich nur zutraulich und dreist von dem Zustand dieser Patientin zu unterrichten. Darauf wurde mir denn entdeckt, jedoch ganz bloͤde, » daß die Patientin seit ihrer letztern Beichte, (die an mehrern Orten hiesiger Gegend noch Gebrauch ist) ganz tiefsinnig geworden, und bestaͤndig mit dem Gedanken, sie wolle und muͤsse jetzt sterben, beschaͤftigt gewesen sei: ich haͤtte vielleicht nachdruͤcklich gesprochen; sie wollten daher bitten, meinen diesmaligen Vortrag besonders darnach einzurichten und zu mildern «. Jch naͤherte mich der Person selbst, die mich mit anstaͤndiger Bescheidenheit empfing, auch ganz vernuͤnftig alle meine Fragen beantwortete, die ich an sie that; nur wußte sie keinen weitern Grund von meiner Herbestellung und ihrem Zubettliegen anzugeben, als: sie wolle und muͤsse sterben. Jhre Blicke waren dabei wild und ihre Mienen bitter ernsthaft. Jch frug alsdenn nach dem Beruf, den sie jetzt zum Sterben zu haben vermeinte, den sie aber nur aus verschiednen misverstandnen biblischen Spruͤchen und besonders aus einem fuͤr sie ganz unpassenden schwaͤrmerischen Liede (Gottlob, daß auch diese Lieder, die so vielen Einfaͤltigen zur Verirrung gereichten, durch bessere des neuen preußischen Gesangbuchs in dieser Gemeine willig66 vertauscht sind ich fuͤrchte, auch von dieser Seite nun weniger) hernehmen zu koͤnnen glaube.

Viele Muͤhe kostete es, ihre unrichtige Erklaͤrung und Anwendung dieses Liedes zu berichtigen, auf dessen Autoritaͤt sie ihren Beruf sterben zu muͤssen gruͤndete. Endlich gelang mir's, nachdem ich mit ihr uͤber die Bestimmung des Menschen, uͤber die Absicht ihres eignen Lebens und der Verbindung, worin sie sei, etwas umstaͤndlich gesprochen hatte, ihre jetzige Lieblingsmeinung zu schwaͤchen. Beredete sie auch, nach vielem Widerstand, einen geschickten Arzt, den ich vorschlug, hohlen zu lassen, nach desselben genauer Befolgung sie gewiß von der Wahrheit meiner Rede und Vorstellung, daß ihr Ziel noch nicht da sei, uͤberzeugt und andrer Meinung werden wuͤrde. Jch erfuͤllte hierauf die Absicht, weswegen ich eigentlich verlangt war, (doch nicht wie die Patientin vorher wuͤnschte, zum Tode eingesegnet zu werden,) und verließ sie unter Anwuͤnschung, daß sie Gott an Leib und Seele bald heilen wolle.

Einige Tage nachher wurde ich wieder verlangt » denn die Kranke wolle jetzt sterben « Wie ich hinkam, war der Paroxismus, den ich noch nicht kannte, voruͤber; die Patientin ganz blaß, entkraͤftet, und voll der Sterbensgedanken. Jch empfahl ihr, fleißig nach der[ Vorschrift] des Arztes zu mediciniren; gab ihr selbst einigemal ein, laß ihr Gesaͤnge vor, die sich fuͤr sie paßten, schlug ihr auch ganze Stellen aus dem N. T. auf, die sie selbst oft lesen moͤgte. 67Tages darauf wurde ich wieder gerufen, wo der Paroxismus ebenfalls voruͤber war, doch aber bald zuruͤckkehrte: hier wurde sie entfaͤrbt wie der Tod; schrie zum Entsetzen jaͤmmerlich; schlug mit Haͤnden und Fuͤßen so stark um sich, daß sie von drei bis vier Personen mit aller Macht mußte gehalten werden; mit unter stieß sie kurze biblische Seufzer aus; blickte starr und steif; hoͤrte mich reden antwortete oft kurz, doch passend und vernuͤnftig, nur all' ihre abgebrochnen Worte verriethen, daß ihre ganze Seele zu Todesgedanken gestimmt sey. Dieser Zustand dauerte uͤber eine Stunde. Nachher war sie ganz matt, konnte kaum sprechen, wuste aber von allem, was vorgefallen war, nichts; gesehen hatte sie nichts, obgleich ihre Augen offen waren und starr sahen; gehoͤrt haͤtte sie ebenfalls nichts, auch gar keine Schmerzen empfunden, nur Aengstlichkeit, Bangigkeit.

Einige Tage darauf waͤhrte dieser Paroxismus an drei Stunden, wo der Zustand zwar der naͤmliche, nur weit heftiger und schaudervoller war, so daß sie mit vieler Muͤhe gehalten werden mußte; ihr unertraͤglicher Ton konnte in ziemlich weiter Entfernung gehoͤrt werden, daß alles herzulief, in Schreck, und die Gegenwaͤrtigen in Furcht geriethen; selbst der Arzt und ich den schaudererregenden Anblick nicht aushalten konnten. Jhre Entkraͤftung war staͤrker, wie gewoͤhnlich, nur sie selbst wußte von nichts, ob ich gleich zu Anfang dieses Paroxismus viel68 mit ihr gesprochen, und mit lauter Stimme zugeredet hatte, wobei sie oft in meine Worte fiel, und nichts Verstand - und Sinnloses anbrachte.

Dieser heftige Paroxismus minderte sich nach der gruͤndlichen Vermuthung des geschickten Arztes, an Dauer und Heftigkeit allmaͤlig; nur ihre Sinn - und Gefuͤhllosigkeit blieb bei jedem Anfall, die naͤmliche. So oft er im Anzuge war, ergriffen die mannfesten Aufseher Haͤnde und Fuͤsse der Patientin, und in dieser hoͤchst unbequemen Lage verlangte sie einst (der Paroxismus verminderte sich schon sehr) eine angezuͤndete Pfeiffe Taback um etwas freier zu werden; so bald sie eine Hand los hatte, fuhr sie in aller Geschwindigkeit mit derselben zum Munde, um sie mit Gewalt zu zerbeissen. Ein andermal verlangte sie, ihre Hand loszulassen, die der Aufseher festhielt, sich die Nase zu wischen; ergrif aber, sobald sie los war, die Hand des Aufsehers, um sie zu beissen, statt ihrer eignen (die durch Gewalt wieder in Sicherheit gesetzt wurde) als sie jene nicht habhaft werden konnte. Diese Zufaͤlle waren in ihrer Heftigkeit aͤusserst schaudervoll, bei ihrer Minderung aber sonderbar und etwas gefaͤhrlich; schienen mit Ueberlegung und Bewustsein verbunden zu seyn, und doch wußte sie gleich nach dem Paroxismus von dem allen gar nichts. Mancherlei waren die Urtheile des gemeinen Mannes uͤber diesen, besonders letztern Umstand, der aber doch nach vier bis sechs Wochen69 durch den Fleiß eines gruͤndlichen Arztes vollkommen gehoben wurde.

Diese Frau ist uͤbrigens an die 40; jetzt voͤllig gesund an Leib und Seele; sie ist von ernsthafter Gemuͤthsart, stille, nachdenkend, zur Melancholie geneigt, sonst aber gewissenhaft, und auch eine der christlichsten und bravsten Hausmuͤtter dieser Gemeine.

34Zur Hellen, Pastor zu Dornberg in der Graf - schaft Ravensberg.

X. Sonderbarer Zustand eines nervenkranken Knaben.

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Aus einem Briefe aus Schlesien.

Ein Schwestersohn von mir bekam in einem Alter von etwa neun Jahren, aus Schrecken vor einer mit der Nervenkrankheit geplagten Person, selbst diese Krankheit.

Nachdem er hievon genesen, verfiel er ein Jahr drauf, mithin also etwan mit zehn Jahren in eine Art von Schlafsucht, so daß er auch bei Tage, er mochte stehn oder sitzen, unversehens einschlief, und uͤberhaupt weit mehr Zeit schlafend als wachend zubrachte.

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Jnzwischen konnte man, besonders, wenn er stehend schlief und man ihn nur hielt, damit er nicht umsinke, auch im Schlafe mit ihm sprechen, und ob er gleich die Augen, wenigstens dem Anschein nach, ganz zu hatte, so sahe und nennte er doch auf Befragen alle die Sachen, die man ihm vorhielt.

Ermunterte man ihn, so wußte er nichts von dem, was man mit ihm im Schlafe gesprochen hatte: man konnte aber von andern Sachen mit ihm sprechen: Bald schlief er wiederum ein; und dann konnte man den Faden der Unterredung, die man vorher im Schlafe mit ihn gefuͤhret, fortsetzen.

Erwachte er wieder, so wußte er abermahls nichts vom Gespraͤche im Schlafe, sondern nur von dem, was man vorher im Wachen mit ihm gesprochen hatte, und in dieser Art wechselte es darinn mit ihm ab, so daß es schiene, als ob er zwei Seelen, nehmlich eine fuͤr den Schlaf, und eine fuͤr die Zeit des Wachens haͤtte.

Dieser Zustand dauerte ein Vierteljahr. Nach Verlauf eines Jahres ließ sich wiederum die Nervenkrankheit spuͤren, wovon er jedoch bald wiederum durch ein Schrecken und durch einen von einem Oesterreichischen Soldaten, (denn es war zur Zeit des siebenjaͤhrigen Krieges,) erhaltenen harten Stoß mit dem Gewehr, wovon man ihn fuͤr todt aufhob, gaͤnzlich hergestellet wurde. Jetzt ist der damalige Patient ein Kaufmann in Dessau.

37Ritter.

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Zur Seelennaturkunde.

I. Zweifel an eigner Existenz.

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Aus einem Briefe.

Jch erinnere mich verschiedener, der40Spaldingischenaͤhnlichen Erfahrungen, nur im schwaͤchern Grade, gehabt zu haben. Eine in ihrer Art ganz besondre Erfahrung, will ich Jhnen wenigstens doch kurz erzaͤhlen:

Jn meinem dreyzehnten Jahre fiel ich durch einen Zufall ins Wasser, in dessen grundlosen Boden ich so lange steckte, daß ich dem Ertrinken nahe war, bis ich endlich durch Huͤlfe andrer Leute wieder herausgebracht ward.

Von dieser Zeit an glaubte ich, so oft ich zu Selbstbetrachtungen kam, ich sei damals wirklich ertrunken; alles was ich saͤhe, hoͤrte oder empfaͤnde, seyen keine wirklichen Empfindungen in der Koͤrperwelt, sondern Erinnerungen aus dem vorigen Leben.

Jch glaubte keinen Koͤrper mehr zu haben, sondern mich nur dem Geiste nach entweder auf der Erde aufzuhalten, oder doch solche Vorstellungen zu haben, als ob ich mich auf der Erde aufhielte.

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Und alle diese Einbildungen hatte ich in Jahren, wo ich nichts von Skeptikern und Jdealisten gehoͤrt hatte, wo ich aus meinem gehabten Religionsunterricht, mir Himmel und Hoͤlle als zwei raͤumlich verschiedne Behaͤlter denken mußte, und wo also meine dermalige Einbildung meinen sonstigen eingeschraͤnkten Jdeen gerade widersprach.

Diese Taͤuschung waͤhrte drei Jahre lang, bis ich den Ort meines Aufenthalts veraͤnderte, und in ganz neue Situationen kam, worin mich endlich meine neuen Erfahrungen uͤberzeugten, daß es wuͤrkliche sinnliche Empfindungen und keine Einbildungen waͤren. Jch weiß mir diesen sonderbaren Zustand nicht zu erklaͤren.

41F. A. Stroth.

II. Todesahndung*)*) Dieser Aufsatz ist mir von einem bekannten und glaubwuͤrdigen Mann mitgetheilt, und aus den Akten des Obercollegii Medici wuͤrklich genommen. Jch behalte mir vor, in der Folge uͤber diese und aͤhnliche Vorfaͤlle einiges zu sagen, was mir zu ihrer Erklaͤrung zu dienen scheint.43A. d. H..

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Den 13ten Junius 1773 starb hieselbst (zu Bleicherode in der Grafschaft Hohenstein) ein junger73 Mensch von vier und zwanzig Jahren, und die Art seines Todes machte einiges Aufsehen.

Er war ein Zwillingssohn eines hiesigen Raschmachers von gutem Vermoͤgen, und er hatte seines Vaters Handwerk erlernet. Ueber ein halbes Jahr lang hatte derselbe uͤber oͤftere, jedoch ertraͤgliche Kopfschmerzen geklagt, und dennoch nichts dagegen gebraucht, als daß er einigemal sich schroͤpfen lassen und purgiret hatte. Bei allen dem hat er sein erlerntes Handwerk in dieser Zeit ordentlich fortgetrieben, neben her noch andere haͤußliche Geschaͤfte, woran er Vergnuͤgen gehabt, abgewartet, und ist dabei kein Feind von Gesellschaften gewesen, sondern hat alle die Vergnuͤgungen mit seinen Freunden und Bekannten, jedoch ohne Ausschweifung mitgemacht, denen Leute von seinem Alter gewoͤhnlich ergeben sind.

Den letzten Pfingsttag und also kurz vor seinem Ende, geht er noch mit einer starken Gesellschaft seiner Bekannten auf ein nahes Dorf, und macht sich mit Tanzen recht lustig, schweift aber weder im Trinken, noch in andern Stuͤcken aus, verlaͤßt auch die Gesellschaft zu rechter Zeit, und kehrt noch bei Tage nach Hause.

Kurz, man hat in keinem Stuͤcke etwas melancholisches an ihm bemerken koͤnnen. Den letzten Sonntag vor seinem Ende geht er spatzieren, er koͤmmt auf den Kirchhof, geht bei seines Bruders Grab, welcher vor sieben Jahren an einem hitzigen74 Fieber gestorben war, und sagt zu seinen Freunden: » auf kuͤnftigen Sonntag koͤnnt ihr mich auch hieher tragen «.

Jn dieser Woche nehmen die Kopfschmerzen zu, er klagt dabei von Tage zu Tage uͤber mehrere Mattigkeit, arbeitet aber doch noch die Woche auf dem Gestelle bis auf den Freitag. Nachdem er an diesem Tage des Morgens aufgestanden, laͤßt er sich das Bette in die Stube bringen, declarirt gegen jedermann, daß er Morgen Abend um zehn Uhr sterben werde, und verlangt von seinem Beichtvater das heilige Abendmahl, das ihm auch gereicht wird, und wobei er sich nach dem Urtheil aller Anwesenden mit Beten und Singen und sonst ordentlich und vernuͤnftig verhaͤlt.

Unterdessen kommt sein Vater nach Hause, der bei einem auswaͤrtigen Medico sich Raths erhohlet hat. Er laͤßt sich zwar wohl einen Umschlag wider die Kopfschmerzen um den Kopf binden, nimmt aber innerlich nichts, sondern bleibt dabei, er muͤsse Morgen Abend um zehn Uhr sterben.

Die folgende Nacht hindurch bringt er mit unterbrochenem Schlummer zu. Beim Erwachen sagt er, er waͤre bei den Engeln im Himmel gewesen, und als er das Blasen der Musikanten ohnweit seiner Nachbarschaft hoͤrt, versichert er, daß die Engel im Himmel viel schoͤnere Musik machten. Endlich zeigt sich den Sonnabend ein offenbares Delirium, in dem er bestaͤndig mit den Fin -75 gern am Bette zupft, dabei er immer viel spricht.

Als den Nachmittag die Gesellen seines Vaters Feierabend machen, nimmt er von einem jeden Abschied und ermahnet sie zu allem Guten; Er noͤthigt auch seinen Vater, zehen Traͤger, die ihn zu Grabe tragen sollen, aufzuschreiben, die er ihm alle benennt. Endlich des Abends um zehn Uhr geraͤth er in eine voͤllige Wuth: Er schreiet heftig, redet von lauter fuͤrchterlichen Dingen, macht fuͤrchterliche Geberden und kann kaum von vielen Personen gebaͤndigt werden.

Nachdem diese Scene mit einigen Remissionen, da er nemlich nicht so sehr wuͤthend gewesen, etwa drei Stunden oder druͤber fortgedauert, wird er endlich des Nachts um ein Uhr dem Anschein nach ruhig, seine Helfer entfernen sich, um auszuruhen, als man aber wieder nach ihm siehet, ist er ohnbemerkt verschieden: daß er also desselben Tages gestorben, an welchem sein Bruder sieben Jahr vorher sein Leben geendigt hatte.

Nach seinem Tode hat man in einen Kleiderschrank von ihm eingeschrieben gefunden, daß ihm getraͤumet: er werde nach drei Jahren an eben dem Tage und um die Zeit sterben, da sein Bruder gestorben waͤre.

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III. Fragment aus Anton Reisers Lebensgeschichte.

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Antons Mutter hatte das Ungluͤck, sich oft fuͤr beleidigt, und gern fuͤr beleidigt zu halten, auch wo sie es wirklich nicht war, um nur Ursach zu haben, sich zu kraͤnken und zu betruͤben, und ein gewisses Mitleiden mit sich selber zu empfinden, worinn sie eine Art von Vergnuͤgen fand.

Leider scheint sie diese Krankheit auf ihren Sohn fortgeerbt zu haben, der jetzt noch oft vergeblich damit zu kaͤmpfen hat.

Schon als Kind, wenn alle etwas bekamen, und ihm sein Antheil hingelegt wurde, ohne dabei zu sagen, es sey der seinige, so ließ er ihn lieber liegen, ob er gleich wußte, daß er fuͤr ihn bestimmt war, um nur die Suͤßigkeit des Unrechtleidens zu empfinden, und sagen zu koͤnnen, alle andern haben etwas, und ich nichts bekommen!

Da er eingebildetes Unrecht schon so stark empfand, um so viel staͤrker mußte er das wirkliche empfinden. Und gewiß ist wohl bei niemanden die Empfindung des Unrechts staͤrker als bei Kindern, und niemanden kann auch leichter Unrecht geschehen; ein Satz, den alle Paͤdagogen taͤglich und stuͤndlich beherzigen sollten. Oft konnte Anton stundenlang nachdenken, und Gruͤnde gegen Gruͤn -77 de auf das genauste abwaͤgen, ob eine erlittne Zuͤchtigung von seinem Vater recht oder unrecht sey?

Jetzt genoß er in seinem eilften Jahre zum erstenmale das unaussprechliche Vergnuͤgen verbotner Lektuͤre. Sein Vater war ein abgesagter Feind von allen Romanen, und drohete ein solches Buch sogleich mit Feuer zu verbrennen, wenn er es in seinem Hause faͤnde. Demohngeachtet bekam Anton durch seine Base die schoͤne Banise, die Tausend und eine Nacht, und die Jnsel Felsenburg in die Haͤnde, die er nun heimlich und verstohlen, obgleich mit Bewußtseyn seiner Mutter, in der Kammer las, und gleichsam mit unersaͤttlicher Begierde verschlang.

Dieß waren einige der suͤssesten Stunden in seinem Leben. So oft seine Mutter hereintrat, drohete sie ihm bloß mit der Ankunft seines Vaters, ohne ihm selber das Lesen in diesen Buͤchern zu verbieten, woran sie ehemals ein eben so entzuͤckendes Vergnuͤgen gefunden hatte.

Die Erzaͤhlung von der Jnsel Felsenburg that auf Anton eine sehr starke Wirkung, denn nun gingen eine Zeitlang seine Jdeen auf nichts geringers, als einmal eine große Rolle in der Welt zu spielen, und erst einen kleinen dann immer groͤßern Cirkel von Menschen um sich her zu ziehen, von welchen er der Mittelpunkt waͤre: dieß erstreckte sich immer weiter, und seine ausschweifende Einbildungskraft ließ ihn endlich sogar Thiere, Pflanzen, und leblose78 Kreaturen, kurz alles was ihn umgab, mit in die Sphaͤre seines Daseyns hineinziehen, und alles mußte sich um ihn, als den einzigen Mittelpunkt umherbewegen, bis ihm schwindelte. Dieses Spiel seiner Einbildungskraft machte ihn damals oft wonnevollere Stunden, als er je nachher wieder genossen hat.

So machte seine Einbildungskraft die meisten Leiden und Freuden seiner Kindheit. Wie oft, wenn er an einem truͤben Tage bis zum Ueberdruß und Eckel in der Stube eingesperrt war, und etwa ein Sonnenstrahl durch eine Fensterscheibe fiel, erwachten auf einmal in ihm Vorstellungen vom Paradiese, von Elysium, oder von der Jnsel der Kalypso, die ihn ganze Stundenlang entzuͤckten.

Aber von seinem zweiten und dritten Jahre an, erinnert er sich auch der hoͤllischen Quaalen, die ihm die Maͤhrchen seiner Mutter und seiner Base im Wachen und im Schlafe machten: wenn er bald im Traume lauter Bekannte um sich her sahe, die ihn ploͤtzlich mit scheußlich verwandelten Gesichtern anblickten, bald eine hohe duͤstre Stiege hinaufging, und eine grauenvolle Gestalt ihm die Ruͤckkehr verwehrte, oder gar der Teufel bald wie ein fleckichtes Huhn, bald wie ein schwarzes Tuch an der Wand ihm erschien.

Als seine Mutter noch mit ihm auf dem Dorfe wohnte, jagte ihm jede alte Frau Furcht und Entsetzen ein, so viel hoͤrte er bestaͤndig von Hexen und79 Zauberinnen; und wenn der Wind oft mit sonderbarem Getoͤn durch die Huͤtte pfif, so nannte seine Mutter dieß, im allegorischen Sinn, den handlosen Mann, ohne weiter etwas dabei zu denken.

Allein sie wuͤrde es nicht gethan haben, haͤtte sie gewußt, wie manche grauenvolle Stunde und wie manche schlaflose Nacht dieser handlose Mann ihrem Sohne noch lange nachher gemacht hat.

Jnsbesondre waren immer die letzten vier Wochen vor Weihnachten fuͤr Anton ein Fegefeuer, wogegen er gern den mit Wachslichtern besteckten und mit uͤbersilberten Aepfeln und Nuͤssen behaͤngten Tannenbaum entbehrt haͤtte.

Da ging kein Tag hin, wo sich nicht ein sonderbares Getoͤse wie von Glocken, oder ein Scharren draußen vor der Thuͤre, oder eine dumpfe Stimme haͤtte hoͤren lassen, die den sogenannten Ruprecht oder Vorgaͤnger des heiligen Christes anzeigte, den Anton dann im ganzen Ernst fuͤr einen Geist oder ein uͤbermenschliches Wesen hielt, und so ging auch diese ganze Zeit uͤber keine Nacht hin, wo er nicht mit Schrecken und Angstschweiß vor der Stirne aus dem Schlaf erwachte.

Dieß waͤhrte bis in sein achtes Jahr, wo erst sein Glaube an die Wirklichkeit des Ruprechts sowohl als des heiligen Christes an zu wanken fing.

So theilte ihm seine Mutter auch eine kindische Furcht vor dem Gewitter mit. Seine einzige Zuflucht war alsdann, daß er so fest er konnte die80 Haͤnde faltete, und sie nicht ehr wieder auseinander ließ, bis das Gewitter voruͤber war; dieß nebst dem uͤber sich geschlagnen Kreutze war auch seine Zuflucht, und gleichsam eine feste Stuͤtze, so oft er allein schlief, weil er dann glaubte, es koͤnnten ihm weder Teufel noch Gespenster etwas anhaben.

Seine Mutter hatte einen sonderbaren Ausdruck, daß einem, der vor einem Gespenste fliehen will, die Fersen lang werden, dieß fuͤhlte er im eigentlichen Verstande, so oft er im Dunkeln etwas Gespensteraͤhnliches zu sehen glaubte. Auch pflegte sie von einem Sterbenden zu sagen, daß ihm der Tod schon auf der Zunge sitze; dieß nahm Anton ebenfalls im eigentlichen Verstande, und als der Mann seiner Base starb, stand er neben dem Bette, und sahe ihm sehr scharf in den Mund, um den Tod auf der Zunge desselben, etwa, wie eine kleine schwarze Gestalt, zu entdecken.

Die erste Vorstellung uͤber seinen kindischen Gesichtskreis hinaus, bekam er ohngefaͤhr im vierten Jahre, als seine Mutter noch mit ihm auf dem Dorfe wohnte, und eines Abends mit einer alten Nachbarin, ihm, und seinen Stiefbruͤdern allein in der Stube saß.

Das Gespraͤch fiel auf Antons kleine Schwester, die vor kurzem in ihrem zweiten Jahre gestorben war, und woruͤber seine Mutter beinahe ein Jahrlang untroͤstlich blieb.

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Wo wohl jetzt Julchen seyn mag? sagte sie nach einer langen Pause, und schwieg wieder. Anton blickte nach dem Fenster hin, wo durch die duͤstre Nacht kein Lichtstrahl schimmerte, und fuͤhlte zum erstenmale die wunderbare Einschraͤnkung, die seine damalige Existenz von der gegenwaͤrtigen beinahe so verschieden machte, wie das Daseyn vom Nichtseyn.

Wo mag jetzt wohl Julchen seyn? dachte er seiner Mutter nach, und Naͤhe und Weite, Gegenwart und Zukunft blitzte durch seine Seele. Seine Empfindung dabei mahlt kein Federzug, tausendmal ist sie wieder in seiner Seele, aber nie mit der ersten Staͤrke erwacht.

Wie groß ist die Seeligkeit der Einschraͤnkung, die wir doch aus allen Kraͤften zu fliehen suchen! Sie ist wie ein kleines gluͤckliches Eiland in einem stuͤrmischen Meere: wohl dem, der in ihren Schooße sicher schlummern kann, ihn weckt keine Gefahr, ihm drohen keine Stuͤrme. Aber wehe dem, der von ungluͤcklicher Neugier getrieben, sich uͤber dies daͤmmernde Gebuͤrge hinauswagt, das wohlthaͤtig seinen Horizont umschraͤnkt.

Er wird auf einer wilden stuͤrmischen See von Unruh und Zweifel hin und her getrieben, sucht unbekannte Gegenden in grauer Ferne, und sein kleines Eiland, auf dem er so sicher wohnte, hat alle Reize fuͤr ihn verlohren.

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Eine von Antons seeligsten Erinnerungen aus den fruͤhesten Jahren seiner Kindheit ist, als seine Mutter ihn in ihren Mantel eingehuͤllt, durch Sturm und Regen trug. Auf dem kleinen Dorfe war die Welt ihm schoͤn, aber hinter dem blauen Berge, nach welchem er immer sehnsuchtsvoll blickte, warteten schon die Leiden auf ihn, die die Jahre seiner Kindheit vergaͤllen sollten.

Da ich einmal in meiner Geschichte zuruͤckgegangen bin, um Antons erste Empfindungen und Vorstellungen von der Welt nachzuhohlen, so muß ich hier noch zwei seiner fruͤhesten Erinnerungen anfuͤhren, die seine Empfindung des Unrechts betreffen.

Er ist sich deutlich bewußt, wie er im zweiten Jahre, da seine Mutter noch nicht mit ihm auf dem Dorfe wohnte, von seinem Hause nach dem gegenuͤberstehenden, uͤber die Straße hin und wieder lief, und einem wohlgekleideten Manne in den Weg rannte, gegen den er heftig mit den Haͤnden ausschlug, weil er sich selbst und andre zu uͤberreden suchte, daß ihm Unrecht geschehen sey, ob er gleich innerlich fuͤhlte, daß er der beleidigende Theil war.

Diese Erinnerung ist wegen ihrer Seltenheit und Deutlichkeit merkwuͤrdig; auch ist sie aͤcht, weil der Umstand an sich zu geringfuͤgig war, als daß ihm nachher jemand davon haͤtte erzaͤhlen sollen.

Die zweite Erinnerung ist aus dem vierten Jahre, wo seine Mutter ihn wegen einer wirklichen83 Unart schalt; indem er sich nun grade auszog, fuͤgte es sich, daß eines seiner Kleidungsstuͤcke mit einigem Geraͤusch auf den Stuhl fiel: seine Mutter glaubte, er habe es aus Trotz hingeworfen, und zuͤchtigte ihn hart.

Dieß war das erste wirkliche Unrecht, was er tief empfand, und was ihm nie aus dem Sinne gekommen ist; seit der Zeit hielt er auch seine Mutter fuͤr ungerecht, und bei jeder neuen Zuͤchtigung fiel ihm dieser Umstand ein.

Jch habe schon erwaͤhnt, wie ihm der Tod in seiner Kindheit laͤcherlich vorgekommen sey. Dieß dauerte bis in sein zehntes Jahr, als einmal eine Nachbarinn seine Eltern besuchte, und erzaͤhlte, wie ihr Vetter, der ein Bergmann war, von der Leiter hinunter in die Grube gefallen sey, und sich den Kopf zerschmettert habe.

Anton hoͤrte aufmerksam zu, und bei dieser Kopfzerschmetterung dachte er sich auf einmal ein gaͤnzliches Aufhoͤren vom Denken und Empfinden, und eine Art von Vernichtung und Ermanglung seiner selbst, die ihn mit Grauen und Entsetzen erfuͤllte, so oft er wieder lebhaft daran dachte. Seit der Zeit hatte er auch eine starke Furcht vor dem Tode, die ihm manche traurige Stunde machte.

Noch muß ich etwas von seinen ersten Vorstellungen, die er sich ebenfalls ohngefaͤhr im zehnten Jahre von Gott und der Welt machte, sagen.

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Wenn oft der Himmel umwoͤlkt, und der Horizont klein war, fuͤhlte er eine Art von Bangigkeit, daß die ganze Welt wiederum mit eben so einer Decke umschlossen sey, wie die Stube, worinn er wohnte, und wenn er dann mit seinen Gedanken uͤber diese gewoͤlbte Decke hinausging, so kam ihm diese Welt an sich viel zu klein vor, und es daͤuchte ihm, als muͤsse sie wiederum in einer andern eingeschlossen seyn, und das immer so fort.

Eben so ging es ihm mit seiner Vorstellung von Gott, wenn er sich denselben als das hoͤchste Wesen denken wollte.

Er saß einmal in der Daͤmmerung an einem truͤben Abend allein vor seiner Hausthuͤre, und dachte hieruͤber nach, indem er oft gen Himmel blickte, und dann wieder die Erde ansahe, und bemerkte, wie sie selbst gegen den truͤben Himmel so schwarz und dunkel war.

Ueber dem Himmel dachte er sich Gott, aber jeder, auch der hoͤchste Gott, den sich seine Gedanken schufen, war ihm zu klein, und mußte immer wieder noch einen groͤßern uͤber sich haben, gegen den er ganz verschwand, und so ins Unendliche fort.

Doch hatte er hieruͤber nie etwas gelesen noch gehoͤrt. Was am sonderbarsten war, so gerieth er durch sein bestaͤndiges Nachdenken und in sich gekehrt seyn, sogar auf den Egoismus, der ihn beinahe haͤtte verruͤckt machen koͤnnen.

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Weil nehmlich seine Traͤume groͤßtentheils sehr lebhaft waren, und beinahe an die Wirklichkeit zu grenzen schienen; so fiel es ihm ein, das er auch wohl am hellen Tage traͤume, und die Leute um ihn her nebst allem, was er sahe, Geschoͤpfe seiner Einbildungskraft seyn koͤnnten.

Dieß war ihm ein erschrecklicher Gedanke, und er fuͤrchtete sich vor sich selber, so oft es ihm einfiel, auch suchte er sich dann wirklich durch Zerstreuung von diesen Gedanken loß zu machen.

Nach dieser Ausschweifung wollen wir der Zeitfolge gemaͤß in Antons Geschichte wieder fortfahren, den wir eilf Jahre alt bei der Lektuͤre der schoͤnen Banise und der Jnsel Felsenburg verlassen haben. Er bekam nun auch Fenelons Todtengespraͤche, nebst dessen Erzaͤhlungen zu lesen, und sein Schreibemeister fing an, ihn eigne Briefe und Ausarbeitungen machen zu lassen.

Dieß war fuͤr Anton eine noch nie empfundne Freude. Er fing nun an, seine Lektuͤre zu nutzen, und hie und da Nachahmungen von dem Gelesnen anzubringen, wodurch er sich den Beifall und die Achtung seines Lehrers erwarb.

Sein Vater musicirte mit in einem Konzert, wo Ramlers Tod Jesu aufgefuͤhrt wurde, und brachte einen gedruckten Text davon mit zu Hause. Dieser hatte fuͤr Anton so viel Anziehendes, und uͤbertraf alles Poetische, was er bisher gelesen hatte,86 so weit, daß er ihn so oft, und mit solchem Entzuͤcken las, bis er ihn beinahe auswendig wußte.

Durch diese einzige so oft wiederhohlte zufaͤllige Lektuͤre bekam sein Geschmack in der Poesie eine gewisse Bildung und Festigkeit, die er seit der Zeit nicht wieder verloren hat; so wie in der Prose durch den Telemach; denn er fuͤhlte bei der schoͤnen Banise und Jnsel Felsenburg, ohngeachtet des Vergnuͤgens,[ das] er darinn fand, doch sehr lebhaft das Abstechende und Unedlere in der Schreibart.

Von poetischer Prose fiel ihm Carl v. Mosers Daniel in der Loͤwengrube in die Haͤnde, den er verschiednemale durchlas, und woraus auch sein Vater zuweilen vorzulesen pflegte.

Die Wirthin im Hause, eine Schusterfrau, ließ sich von Anton gerne daraus vorlesen, weil es ihr so moralisch klang: moralisch hieß nehmlich bei ihr so viel als erhaben; und von einen gewissen Prediger, der immer in einem sehr schwuͤlstigen Tone sprach, sagte sie, daß er ihr gefiele, weil er so moralisch predige; auch ein Beweiß, wie sehr man sich in Buͤchern und Reden fuͤr das Volk dergleichen Ausdruͤcke zu enthalten habe, die unter uns nicht populaͤr sind; in England weiß der ungebildetste Mensch, was morals heißt.

Diese Schusterfrau war uͤbrigens eine sehr verstaͤndige Frau, und ihr Sohn, der das Handwerk trieb, ein heller Kopf, den aber seine zu starke Empfindlichkeit schon fruͤhzeitig zu religioͤsen87 Schwaͤrmereien verleitete, wovon er nachher durch eigne Kraft und vernuͤnftige Ueberlegung zuruͤckkam. Dieser Schuster ist nachher bestaͤndig fuͤr Anton eine sehr merkwuͤrdige Person geblieben.

Antons Vater ließ ihm auf Zureden einiger Bekannten, in seinem zwoͤlften Jahre, in der oͤffentlichen Stadtschule eine lateinische Privatstunde besuchen, damit er wenigstens auf alle Faͤlle, wie es hieß, einen Kasum solle setzen lernen. Jn die uͤbrigen Stunden der oͤffentlichen Schule aber, worinn Religionsunterricht die Hauptsache war, wollte ihn sein Vater, zum groͤßten Leidwesen seiner Mutter und Anverwandten, schlechterdings nicht schicken.

Nun war doch einer von Antons eifrigsten Wuͤnschen, einmal in eine oͤffentliche Stadtschule gehen zu duͤrfen, zum Theil erfuͤllt.

Beim ersten Eintritt waren ihm schon die dicken Mauren, dunkeln gewoͤlbten Gemaͤcher, hundertjaͤhrigen Baͤnke, und vom Wurm durchloͤcherten Katheder, nichts wie Heiligthuͤmer, die seine Seele mit Ehrfurcht erfuͤllten.

Der Konrektor, ein kleines muntres Maͤnnchen, floͤßte ihm ohngeachtet seiner nicht sehr gravitaͤtischen Miene, dennoch durch seinen schwarzen Rock und Stutzperucke einen tiefen Respekt ein.

Dieser Mann ging noch auf einen ziemlich freundschaftlichen Fuß mit seinen Schuͤlern um: gewoͤhnlich nannte er zwar einen jeden ihr, aber88 die vier oͤbersten, welche er auch in Scherz Veteraner hieß, wurden vorzugsweise er genannt.

Ob er dabei gleich sehr strenge war, hat doch Anton niemals einen Vorwurf noch weniger einen Schlag von ihm bekommen: er glaubte daher auch in der Schule immer mehr Gerechtigkeit, als bei seinen Eltern zu finden.

Er mußte nun anfangen, den Donat auswendig zu lernen, allein freilich hatte er einen wunderbaren Accent, der sich bald zeigte, da er gleich in der zweiten Stunde sein Mensa auswendig hersagen mußte, und indem er Singulariter und Pluraliter sagte, immer den Ton auf die vorletzte Silbe legte, weil er sich beim Auswendiglernen dieses Pensums, wegen der Aehnlichkeit dieser Woͤrter mit Amariter, Jebusiter, u.s.w. fest einbildete, die Singulariter waͤren ein besonders Volk, das Mensa, und die Pluraliter ein andres Volk, das Mensaͤ gesagt haͤtte.

Wie oft moͤgen aͤhnliche Mißverstaͤndnisse veranlaßt werden, wenn der Lehrer sich mit dem ersten Worte des Lehrlings begnuͤgen laͤßt, ohne in den Begrif desselben weiter einzudringen!

Auch laß Anton schon damals nach seiner Art das lateinische ae wie unser deutsches , welches in neuern Zeiten von verschiednen angenommen ist; damals ward er von allen seinen Mitschuͤlern, und vom Konrektor selber daruͤber ausgelacht.

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Nun ging es rasch an das Auswendiglernen. Das amo, amem, amas, ames, ward bald nach dem Takte hergebetet, und in den ersten sechs Wochen wußte er schon sein oportet auf den Fingern herzusagen; dabei wurden taͤglich Vokabeln auswendig gelernt, und weil ihm niemals eine fehlte, so schwang er sich in kurzer Zeit von einer Stuffe zur andern empor, und ruͤckte immer naͤher an die Veteraner heran.

Welch eine gluͤckliche Lage, welch eine herrliche Laufbahn fuͤr Anton, der nun zum erstenmale in seinem Leben einen Pfad des Ruhms vor sich eroͤfnet sahe, was er so lange vergeblich gewuͤnscht hatte.

Auch zu Hause brachte er diese kurze Zeit ziemlich vergnuͤgt zu, indem er alle Morgen, waͤhrend daß seine Eltern Kaffee tranken, ihnen aus dem Thomas von Kempis von der Nachfolge Christi vorlesen mußte, welches er sehr gern that.

Es ward alsdann daruͤber gesprochen und er durfte auch zuweilen sein Wort dazu geben. Uebrigens genoß er das Gluͤck, nicht viel zu Hause zu seyn, weil er noch die Stunden seines alten Schreibmeisters zu gleicher Zeit besuchte, den er, ohngeachtet mancher Kopfstoͤße, die er von ihm bekommen hatte, so aufrichtig liebte, daß er alles fuͤr ihn aufgeopfert haͤtte.

Denn dieser Mann unterhielt sich mit ihm und seinen Mitschuͤlern oft in freundschaftlichen und90 nuͤtzlichen Gespraͤchen, und weil er sonst von Natur ein ziemlich harter Mann zu seyn schien, so hatte seine Freundlichkeit und Guͤte desto mehr Ruͤhrendes, das ihm die Herzen gewann.

So war nun Anton einmal auf einige Wochen in einer doppelt gluͤcklichen Lage: aber wie bald wurde diese Gluͤckseeligkeit zerstoͤrt! Damit er sich seines Gluͤcks nicht uͤberheben sollte, waren ihm fuͤrs erste schon starke Demuͤthigungen zubereitet.

Denn ob er nun gleich in Gesellschaft gesitteter Kinder unterrichtet ward, so ließ ihn doch seine Mutter die Dienste der niedrigsten Magd verrichten.

Er mußte Wasser tragen, Butter und Kaͤse aus den Kramlaͤden hohlen, und wie ein Weib mit dem Korbe im Arm auf den Markt gehen, um Eßwaaren einzukaufen.

Wie innig es ihn kraͤnken mußte, wenn alsdann einer seiner gluͤcklichern Mitschuͤler hoͤnischlaͤchelnd vor ihm vorbeiging, darf ich nicht erst sagen.

Doch dieß verschmerzte er noch gerne, gegen das Gluͤck in eine lateinische Schule gehen zu duͤrfen, wo er nach zwei Monathen so weit gestiegen war, daß er nun an den Beschaͤftigungen des oͤbersten Tisches oder der sogenannten vier Veteraner mit Theil nehmen konnte.

Um diese Zeit fuͤhrte ihn auch sein Vater zum erstenmale zu einem aͤußerst merkwuͤrdigen Manne in H., der schon lange der Gegenstand seiner Ge -91 spraͤche gewesen war. Dieser Mann hieß Tischer, und war hundert und fuͤnf Jahr alt.

Er hatte Theologie studiert, und war zuletzt Jnformator bei den Kindern eines reichen Kaufmanns in H. gewesen, in dessen Hause er noch lebte, und von dem gegenwaͤrtigen Besitzer desselben, der sein Eleve gewesen, und jetzt selber schon beinahe ein Greiß geworden war, seinen Unterhalt bekam.

Seit seinem funfzigsten Jahre war er taub, und wer mit ihm sprechen wollte, mußte bestaͤndig Dinte und Feder bei der Hand haben, und ihm seine Gedanken schriftlich aufsetzen, die er dann sehr vernehmlich und deutlich muͤndlich beantwortete.

Dabei konnte er noch im hundert und fuͤnften Jahre sein kleingedrucktes[ griechisches] Testament ohne Brille lesen, und redete bestaͤndig sehr wahr und zusammenhaͤngend, obgleich oft etwas leise, oder lauter als noͤthig war, weil er sich selber nicht hoͤren konnte.

Jm Hause war er nicht anders, als unter dem Nahmen der alte Mann bekannt. Man brachte ihm sein Essen, und sonstige Bequemlichkeiten, uͤbrigens bekuͤmmerte man sich nicht viel um ihn.

Eines Abends also, als Anton gerade bei seinem Donat saß, nahm ihn sein Vater bei der Hand und sagte: komm, jetzt will ich Dich zu einem Manne fuͤhren, in dem Du den heiligen Antonius, den heiligen Paulus, und den Erzvater Abraham wieder erblicken wirst.

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Und indem sie hingingen, bereitete ihn sein Vater immer noch auf das, was er nun bald sehen wuͤrde, vor.

Sie traten ins Haus. Antons Herz pochte. Sie gingen uͤber einen langen Hof hinaus, und stiegen eine kleine Windeltreppe, die sie in einen langen dunkeln Gang fuͤhrte, worauf sie wieder eine andre Treppe hinauf, und dann wieder einige Stuffen hinabstiegen: dieß schienen Anton labyrinthische Gaͤnge zu seyn.

Endlich oͤfnete sich linker Hand eine kleine Aussicht, wo das Licht durch einige Fensterscheiben erst von einem andern Fenster hineinfiel.

Es war schon im Winter, und die Thuͤre auswendig mit Tuch behangen; Antons Vater eroͤfnet sie: es war in der Daͤmmerung, das Zimmer weitlaͤuftig und groß, mit dunkeln Tapeten ausgeziert, und in der Mitte an einem Tische, worauf Buͤcher hin und her zerstreut lagen, saß der Greiß auf einem Lehnsessel.

Er kam ihnen mit enbloͤßten Haupt entgegen. Das Alter hatte ihn nicht darnieder gebuͤckt, er war ein langer Mann, und sein Ansehn war groß und majestaͤtisch. Die schneeweißen Locken zierten seine Schlaͤfe, und aus seinen Augen blickte eine unnennbare sanfte Freundlichkeit hervor. Sie setzten sich.

Antons Vater schrieb ihm einiges auf. Wir wollen beten, fing der Greiß nach einer Pause an, und meinen kleinen Freund mit einschließen.

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Darauf entbloͤßte er sein Haupt und kniete nieder, Antons Vater neben ihm zur rechten, und Anton zur linken Seite.

Freilich fand er nun alles, was ihm sein Vater gesagt hatte, mehr als zu wahr. Er glaubte wirklich neben einem der Apostel Christi zu knieen, und sein Herz erhob sich zu einer hohen Andacht, als der Greiß seine Haͤnde ausbreitete, und mit wahrer Jnbrunst sein Gebet anhub, das er bald mit lauter, bald mit leiserer Stimme fortsetzte.

Seine Worte waren, wie eines, der schon mit alle seinen Gedanken und Wuͤnschen jenseit des Grabes ist, und den nur noch ein Zufall etwas laͤnger, als er glaubte, disseits verweilen laͤßt.

So waren auch alle seine Gedanken aus jenem Leben gleichsam heruͤber gehohlt, und so wie er betete, schienen sich seine Augen, und seine Stirne zu verklaͤren.

Sie standen vom Gebet auf, und Anton betrachtete nun den alten Mann in seinem Herzen beinahe schon wie ein hoͤheres, uͤbermenschliches Wesen; und als er den Abend zu Hause kam, wollte er schlechterdings mit einigen seiner Mitschuͤler sich nicht auf einem kleinen Schlitten im Schnee herumfahren, weil ihm dieß nun viel zu unheilig vorkam, und er den Tag dadurch zu entweihen glaubte.

Sein Vater ließ ihn nun oͤfters zu diesem alten Manne gehen, und er brachte fast die ganze Zeit des Tages bei ihm zu, die er nicht in der Schule war.

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Alsdann bediente er sich dessen Bibliothek, die groͤßtentheils aus mystischen Buͤchern bestand, und las viele davon von Anfang bis zu Ende durch. Auch gab er dem alten Manne oft Rechenschaft von seinen Progressen im Lateinischen, und von den Ausarbeitungen bei seinem Schreibemeister. So brachte Anton ein paar Monathe ganz ungewoͤhnlich gluͤcklich zu.

Aber welch ein Donnerschlag war es fuͤr Anton, als ihm beinahe zu gleicher Zeit die schreckliche Ankuͤndigung geschahe, daß noch mit diesem Monathe seine lateinische Privatstunde aufhoͤren, und er zugleich in eine andere Schreibeschule geschickt werden solle.

Thraͤnen und Bitten halfen nichts, der Ausspruch war gethan. Vierzehn Tage wußte es Anton vorher, daß er die lateinische Schule verlassen sollte, und je hoͤher er nun ruͤckte, desto groͤßer ward sein Schmerz.

Er grif also zu einem Mittel, sich den Abschied aus dieser Schule leichter zu machen, den man einem Knaben von seinem Alter kaum haͤtte zutrauen sollen, anstatt, daß er sich bemuͤhete, weiter heraufzukommen, that er das Gegentheil, und sagte entweder mit Fleiß nicht, was er doch wußte, oder legte es auf andre Weise darauf an, taͤglich eine Stuffe hinunter zu kommen, welches sich der Konrektor und seine Mitschuͤler nicht erklaͤren konnten, und ihm oft ihre Verwundrung daruͤber bezeugten.

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Anton allein wußte die Ursach davon, und trug seinen geheimen Kummer mit nach Hause und in die Schule. Jede Stuffe, die er auf die Art freiwillig herunterstieg, kostete ihm tausend Thraͤnen, die er heimlich zu Hause vergoß, aber so bitter diese Arznei war, die er sich selbst verschrieb, so that sie doch ihre Wirkung.

Er hatte es selber so veranstaltet, daß er gerade am letzten Tage der unterste werden mußte. Allein dieß war ihm zu hart. Die Thraͤnen standen ihm in den Augen, und er bat, man moͤchte ihn nur noch heute an seinem Orte sitzen lassen, morgen wolle er gern den untersten Platz einnehmen.

Jeder hatte Mitleiden mit ihm, und man ließ ihn sitzen. Den andern Tag war der Monath aus, und er kam nicht wieder.

Wie viel ihm diese freiwillige Aufopfrung gekostet habe, laͤßt sich aus dem Eifer und der Muͤhe schließen, wodurch er sich jeden hoͤhern Platz zu erwerben gesucht hatte.

Oft wenn der Konrektor in seinem Schlafrock aus dem Fenster sahe, und er vor ihm vorbeiging, dachte er, o koͤnntest du doch dein Herz gegen diesen Mann ausschuͤtten, aber dazu schien ihm die Entfernung zwischen ihm und seinem Lehrer noch viel zu groß zu seyn.

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IV.Selbstgestaͤndnisse des Herrn Doktor48Semler,von seinen Charakter und Erziehung.

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I. Von seinen Kinderjahren.

Von meinem Leben als Kind kann ich eben so wenig, als viele andre Menschen, viel auffallendes und großes erzaͤhlen.

Jch war sehr beliebt, das weiß ich, meine Mutter wendete alles an, mir darin noch mehr befoͤrderlich zu sein. Jch war noch dazu uͤberaus gluͤcklich durch die Pocken gekommen, die meiner Schwester desto mehr Schaden gethan hatten.

Lesen, etwas schreiben und rechnen konnte ich schon zu Hause; mein Vater und Bruder sorgten dafuͤr, und meine Mutter half, wo sie nur von der Haushaltung abkommen konnte, dazu, daß ich sehr bald recht gut lesen konnte.

Viele Spruͤche, Verse aus Liedern lernte ich eben so, durch ihre taͤgliche Vorsorge und Anleitung. Da sie mich sehr liebte, als den letzten noch uͤbrig gebliebenen Sohn, außer meinem noch viel aͤltern Bruder; so suchte sie mir Eindruͤcke beizubringen, die mich fuͤr Schaden und Nachtheil gewisser bewahren moͤchten.

Sie gewoͤhnte mich zu einer geraden Aufrichtigkeit, erst bei ihr um alles zu fragen; zum oͤftern97 Andenken, an den Unterschied boͤser Menschen, die ich kennen lernte durch ihre Unfaͤlle, davon man fast taͤglich was erzaͤhlte.

Jch habe oft nachher mit Vergnuͤgen zuruͤckgedacht, nachdem ich von dem so großen Pabst Hadrian dem Sechsten gelesen habe, daß er auch seiner Mutter die erste Erziehung bis ins sechste und siebente Jahr oft gedankt habe, wegen der festen Eindruͤcke, die sein kindlich Alter davon angenommen, und in unveraͤnderlichen Keimen und Sprossen nach und nach fortgesetzt hat.

Esopi Fabeln mußte ich gar oft wieder erzaͤhlen; eine Anzahl Lateinischer Vocabeln gab mir mein Bruder die Woche zwei bis dreimal auf, und wenn ich sie gut lernte, bekam ich von meinem Vater ein Lob uͤber Tische, etwas geschenkt, oder durfte mit ihm spatzieren gehen, da ich immer mehr Vocabeln lernte, und auf vorkommende Dinge schon anwendete.

II. Von seinen Jugendjahren.

1SemlersVater, welcher in Saalfeld Prediger und ein gerader ehrlicher Mann von sehr gesunder Vernunft war, hatte sich doch noch in seinem Alter zu der damals herrschenden Parthei der sogenannten Frommen, nebst seinem aͤltesten Sohne, mit hinuͤberziehen lassen, und wollte nun auch, daß sein juͤngster Sohn sich zu dieser Parthei schlagen,98 und ein sogenannter Wiedergebohrner werden solle. Der junge2Semlerstraͤubte sich lange dagegen, bis ihn endlich ein sonderbarer Vorfall darzu bewog, den wir ihn selbst wollen erzaͤhlen lassen.

» Jmmer mehr wurde ich von nun an in die Klemme gebracht, daß mir wirklich Essen und Trinken darum unangenehm wurde, weil ich meinem guten Vater unter den Augen sitzen, und sein stetes Anliegen taͤglich aufs neue bemerken mußte. Ein Sonntag war endlich schrecklich fuͤr mich.

Jch hatte schon lange Zeit her, zum Dank fuͤr meinen Claviermeister, ihm die Fruͤhkirchen abgenommen, die zumal im Winter dem schwaͤchlichen Manne sehr beschwerlich fielen.

Er mußte im Schnee und Regen von seinem Haͤusgen an, den weiten Weg in die Stadtkirche und uͤber eine sehr hohe Kirchentreppe machen. Wenn er also nicht kommen wollte, so schickte er mir Abends die Orgelschluͤssel und die Lieder zu, da ich dann auf Clavier und Pedal sie vorher gut genug mir bekannt machen konnte, wenn ja eine schwere Melodie vorkam.

Vor der Amtspredigt, stund ich auch meist gleich hinter ihm, wenn er mir winken wollte, die Orgel zu nehmen, indem ihm zuweilen nicht wohl wurde. Diesen Sonntag hatte er die Amtspredigt zu bedienen; er hatte seine andaͤchtigen vielen Gebete mit gewoͤhnlicher Jnbrunst hergesagt, welches in der That99 mir allemal erbaulich zu sehen war; so inbruͤnstig und ohne alle Menschenfurcht hielt er seine Andacht.

Allein wie nach dem Kyrie das Lied, Allein Gott in der Hoͤh sey Ehr, angefangen werden sollte, merkte man schon eine Unordnung im Pedal, wo ein Ton unaufhoͤrlich fortschallte, nach und nach fehlete es auch in der rechten Hand; und der Cantor hieß mich gleich fortspielen, und dem Organisten herunter helfen; es hatte ihn ein Schlagfluß getroffen.

Jch spielte also fort, bis die Kirche aus war; und der Cantor bestellte mich wieder bis auf weitere Einrichtung. Wie ich zu Hause komme, so erzaͤhlte ich die Sache, ganz modest, um nicht zu pralen.

Mein Vater sagte, dieß habe ich lange fuͤr mich ebenfalls gefuͤrchtet, und die Ursach kann der wohl wissen. Er wies auf mich. Mein Bruder war eben zugegen, wie er uns gemeiniglich des Sonntags besuchte; der sagte: Deus habeat suas horas et moras; und die distinctiones gratiae

Jndessen redete er auch mit mir, warum ich nicht in diese Versammlungsstunde gehen wollte. Die kindliche Hochachtung uͤberwand mich also; daß ich sogleich beschloß, mit Krause und Lorentz*)*) Zween junge Leute von der frommen Bruͤderschaft., die ohnehin in der Classe meine Nachbaren waren, nach und nach, anhaͤnglicher umzugehen.

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Diese bezeugten eine sehr grosse Freude; nahmen mich mit in die naͤchsten Stunden. Es machte großes Aufsehen in der Stadt; die Parthei ließ es zu sehr merken, daß ihr an Unterwerfung mehr als an wahrer Tugend, die ohnehin Naturwerk hieß, gelegen sei.

Jch kann nicht sagen, daß mich in der ersten Zeit diese Stunde sehr bewegt oder geruͤhrt haͤtte; so gar viel abgeschmacktes kam vor, unter den Erzaͤhlungen des Seelenzustandes nach den einzelnen Tagen und Stunden; von dem Seelenfreund immer einerlei; nur immer schlechter und gezwungener.

Nach und nach konnte ich doch mein Urtheil wirklich selbst verwerfen, als natuͤrliche suͤndliche Feindschaft gegen Gott; und so willigte ich wirklich in allem Ernst in alle Schritte und Tritte der neuen Froͤmmigkeit.

Meine bisherige Froͤlichkeit entwich; ich wurde nun ganz ernsthaft; ich vermied meine vorigen lieben Gesellschafter so sehr, daß ich ihnen aus dem Wege gieng; und wenn mich ja einer anhalten konnte, so redete ich wuͤrklich so feierlich und gutmeinend, daß manche Thraͤnen fallen liessen.

Weil aber ihre Eltern in der Lage nicht waren, als mein Vater seyn mochte; so wurde aus der Nachfolge, die man von mir her berechnet hatte, fast gar nichts.

101

Nun ich bevestiget gnug schien, so wurde der ganze Zug der ersten vier bis fuͤnf recht frommen Schuͤler, gar nach Hofe bestellt zum Herzog ins Zimmer; wohin wohl noch niemal solche blaue Maͤntel gekommen waren.

Der Herzog war ganz allein; ließ uns setzen, redete mit uns uͤber den Zustand des Herzens; und hieß uns endlich nach der Reihe niederknieen und in seiner Gegenwart beten. Ueber eine ganze Stunde dauerte diese fromme Audienz.

Da ich nicht heucheln konnte, so suchte ich nun mit allem Ernst die sogenannte Versiegelung und die Gewisheit, daß ich ein Kind Gottes, in welcher besondern Bedeutung wußte ich freilich nicht, worden sey.

Kein Winkel im Hause war uͤbrig, wo ich nicht, um gewiß allein und unbemerkt zu seyn, oft geknieet und viele Thraͤnen geweint habe, Gott moͤge mich dieser großen Gnade wuͤrdigen; allein nun fehlete mir das, was jene Glauben nannten; nun sollte ich den Schluß gleich gemacht, und mich selbst durch große Gedanken fuͤr alles das angesehen haben, was jene so leicht redeten.

Jch blieb also unter dem Gesetz, in einem gesetzlichen Zustande, wie es hiesse. Herrnhutische Lieder halfen mir eben so wenig, als manche andre neue, die in Salfeld jetzt bekannt, und in diesen Gesellschaften zumal gesungen wurden; ob ich sie gleich auch lieber sang, als manche alte Kirchenlieder.

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Diese haben gleichwol mehr Realitaͤt und ganz gewiß große gemeinnuͤtzige Wahrheiten zum Jnhalte; aber es muste alles neu seyn.

Jch untersuchte mich aufs alleraufrichtigste, ob ich wissentlich noch einer geistlichen Unart nachhienge, oder einen Bann behielte; ich besann mich, daß ich zwei oder dreimal einen Sechser behalten, und einen Pfennig oder Dreier dafuͤr in die Armenbuͤchse des Sonntags gesteckt hatte.

Jch sagte es meinem Vater und bat um so viel Groschen, die ich naͤchstens mit großer Freude einsteckte; und ich freute mich schon darauf, wenn ich auf der Universitaͤt mir wuͤrde etwas abziehen koͤnnen, um es frommen Armen zu geben.

Noch entdeckte ich, bei Erblickung eines kleinen Buchs, daß ich dieß einmal bloß eingesteckt, und der Schusterfrau unter den Laͤden, nicht mit andern aufgewiesen haͤtte.

Sie war freilich mit dem dafuͤr uͤberlieferten großen Papier uͤberfluͤßig vergnuͤgt; aber ich uͤberwand mich, das Buch ihr selbst zu zeigen, ich haͤtte es damalen nicht mitgezaͤhlet, da sollte sie dieß Papier noch dafuͤr annehmen.

Sie bot mir an, dafuͤr fuͤnf bis sechs Buͤcher noch auszusuchen; aber ich that es nicht. Meine Aengstlichkeit litte es nicht.

Jch hatte aus unvorsichtigen lateinischen und griechischen Asceten, wuͤrklich Principia von eigener Buͤssung und Genugthuung im Kopfe;103 und bei dieser innerlichen Unruhe, war die selbst dictirte Strafe und Erniedrigung wirklich eine innerliche Beruhigung. Aber wie unordentlich war demnach die Gemuͤthsfassung! Jn Salfeld fehlte es an Psychologie und menschlicher Erfahrung; alles hieß Erbauung oder Wirkung der Gnade, was gar begreiflicher menschlicher Mangel und Fehler war. Jch rechnete es indeß zur Aufrichtigkeit und meiner Schuldigkeit recht traurig zu seyn; mehrere Monathe war ich in diesem Hange zur steten geistlichen Betruͤbniß.

Auf der Universitaͤt in Halle ging Herr51Semlermit zweien Leute, Nahmens Woltersdorf und Krause, um, die ihn gern zu ihrer frommen Parthei ziehen wollten. Die Wirkung, welche dieß auf ihn that, und wie er sich dabei verhielt, erzaͤhlet er selbst, wie folget:

» Eine ganz besondre, fast unwiderstehliche Herzlichkeit im ganzen Betragen hatten diese zwei Menschen ganz in ihrer Gewalt; so natuͤrlich leicht diese Auffuͤhrung Eingang finden muste, bei allen Personen meines Temperaments, wurde es doch als eine Folge der Gnade des lieben Heilandes angesehen, der mich nun noch mehr zu sich zoͤge.

Jch war nie leichtsinnig oder frech gewesen, so bald ich von geistlichen Begriffen und Wahrheiten hoͤrete; es war also sehr leicht, mir alle Aufmerksamkeit einzufloͤßen. Jch sprach zuweilen einige104 Worte, woraus Woltersdorf schloß, ich sey dem Heiland schon sehr nahe. Jch trat ans Clavier und spielte einige Herrnhuthische Melodien.

Er war fast außer sich, und konnte dieß nicht begreifen, daß ich gar die Lieder auswendig konnte, ohne noch an dem Jnhalt und den sonst so gewoͤhnlichen Folgen Theil zu nehmen. Endlich hieß es, nichts gar nichts hindre mich noch, als das unselige Studiren; ich sollte es wegwerfen; der Heiland koͤnne besser lehren, als Menschen; darum ginge er auch nicht in Collegia, und genoͤsse dafuͤr unaussprechliche Seelenruhe und Unterricht des Heilandes.

Studiren ganz weglegen war mir sehr auffallend, zumal ich nicht wußte, ob der gute Mann jemalen was ernstliches gelernt haͤtte; ich hatte schon ehedem Weigels Ausschweifungen wider Schulen und Universitaͤten kennen lernen. Allein es entstunde doch eine seltsame Unruhe in mir; ein aͤngstliches Misfallen an mir selbst, an allen noch so rechtmaͤßigen oder unschuldigen Handlungen; ich fieng an, eine innere Stille und Unthaͤtigkeit mir zu wuͤnschen; und hatte noch nichts von Molinos oder neuern Mystikern gelesen.

Krause half dazu, um, wie er meinte, mich vollend zur Uebergabe zu bringen; allein eben die Lage, da man mir nie Sachen oder ihre kenntlichen Beschreibungen, sondern stets Tropen und viele sinnliche Bilder vorlegte, machte, das ich mich nie davon uͤberzeugen konnte, ich haͤtte nun die Gnade; denn105 nie bekam ich eine solche Gemuͤthsfassung, als diese Leute doch an sich zeigten, wenn sie gleich die Gnade noch niemalen mir beschrieben oder erklaͤrt hatten.

Jn Collegiis war ich fast lauter Gebet und Application; kam von boͤsen Menschen vor in Psalmen oder Historie: so sagte ich mir immer, so boͤse waren die doch nicht, als ich.

Recht gut weiß ich es noch, daß ich einst ganz allein, Abends aus dem Collegio auf dem großen Platze des Waisenhauses spatziren ging, in tiefer Betruͤbniß, und wuͤnschte, o waͤre ich dieser Klumpe Eis, dieses Stuͤcke Holz! «

Jch blieb lange in diesem schwankenden unruhigen Zustande, der mich bis in laͤcherliche Bedenklichkeiten herabsetzte. Jch hatte etwa um Neujahr 1744 auf der Wage, wo stets Buͤcher zum Verkauf stunden, die scriptores rei rusticae in 4to, eine Heerwagische Ausgabe gefunden.

Die so alte Neigung zu humanioribus kam wieder zur Kraft; wo ich nur den Blick hinwarf in dies Buch, fand ich was ganz unbekanntes, ich hatte nicht so viel bey mir, als dafuͤr gefordert wurde; bezahlete aber 8 Gr. darauf; und lief in groͤßter Eil nach dem Waisenhaus, um mehr Geld aus meinem Koffer zu holen.

Eben so schnell lief ich zuruͤck, und nun trug ich meinen Schatz nach Hause. Jch weiß nicht, ob Krause etwas empfindlich war, uͤber meine Erobe -106 rung; denn diese Aufwallung behielt sein Temperament noch immer; oder ob ich eine zu ausgelassene Freude bezeugte; er gab mir eine viel bedeutende Ermahnung, fuͤr mein Herz besser zu wachen, daß ich nicht mehr verloͤre, als dieses alte Buch werth waͤre.

Da entfiel mir auf einmal diese Froͤlichkeit; ich wollte das Buch wieder hintragen, und etwas am Gelde einbuͤssen, allein ich dachte eben so leicht, der arme Verkaͤufer hat das Geld noͤthiger; du must eben deine Strafe daran leiden, und nun bat ich Gott oftmalen um Vergebung dieser so großen Suͤnde.

Es gehoͤrt zum Menschen, wenn er eine moralische Geschichte fuͤr sich selbst anfaͤngt, daß er solchen Maͤngeln als ein moralisches Kind unterworfen ist; er sammelt sich eigne Erfahrung, und kann alsdenn unlaͤugbar mit andern viel besser und zuverlaͤssiger umgehen.

Jch beruhigte mich nach und nach, weil ich es mir bewußt war, daß ich herzlich gern in alle meine Besserung einwilligte, wenn ich auch als Mensch diese Art Fehler an mir haͤtte! da ich an andern unleugbar noch Fehler fand, die sie nicht einmal merkten. Ueberhaupt war mein Gefuͤhl viel schaͤrfer, als bei den meisten meiner andern[ Freunde. ]

Seine maͤnnlichen Jahre, und insbesondere sein haͤußliches Leben.

Was die eigene Erziehung unserer Kinder betrift, so haben wir uns dieser großen Pflicht der107 Eltern mit gemeinschaftlicher Treue unterzogen; wenn wir gleich die besondere Unterweisung in einzelnen Stunden, einigen ausgesuchten Studiosis anvertrauet haben. Es haben schon mehr verstaͤndige Maͤnner sich hierin selbst mehr auf Erfahrung, als auf Speculationen eingelassen, wobei gemeiniglich die ersten Proben noch mißlingen; oder noch nicht eben klar am Tage liegen.

Wir hatten die Kinder fast stets um uns, wenn sie nicht bei ihren Lehrern sein mußten; wir haben ihnen das Lesen meist beigebracht; alsdenn uͤbten wir sie, daß sie wechselsweise uns ein Lied, einen Psalm, oder einige Seiten aus einem guten Buche vorlesen mußten. Wir lehreten sie ein Lied mitsingen, und fragten sie daruͤber; bis die mittelste so viel auf dem Clavier spielen konnte, daß sie alle die Toͤne leichter hielten. Gellerts Lieder und andre unschuldige Arien lernten sie auswendig.

Die weibliche Geschicklichkeit besorgte die Mutter, so treu und unermuͤdet, als sie selbst aus eigner Erfahrung, zumal bei ihrer Tante in Salfeld, diese Erziehung wuste.

So war in unserm Zirkel lauter Ruhe und Zufriedenheit; das Gesinde sahe und hoͤrte nichts zweideutiges, geschweige eine Unordnung; jedes fuͤhlte die Ueberlegtheit der Frau in allen vorkommenden Geschaͤften; jedes unsre gleiche Liebe und Uebereinstimmung; in allen blos haͤuslichen Sachen hieng108 ich gerne ab von der Einrichtung und der Erkenntniß einer so treuen Hausmutter.

So ist zwanzig Jahre lang eine grosse Gleichfoͤrmigkeit unsers Lebens unterhalten worden, wir und unsre Kinder wusten und fuͤhleten es, daß wir die allernaͤchste engste Gesellschaft auf der ganzen Welt seyn, und also beobachteten wir die daraus entstehenden Pflichten, ohne Geraͤusch, und ohne Ausnahme.

Es war freilich damalen lange so viel nicht von Erziehung geschrieben worden; aber wir schoͤpften aus der reinen Quelle der Religion; und es fehlete nichts, wenn wir auch vielen Schimmer entbehreten.

Was unsere taͤgliche Lebensordnung betrift: so habe ich recht, nach dem Wunsch und Verlangen meiner lieben Frau, sie stets um mich gehabt, ob ich gleich eine so genannte Studierstube hatte, welche also nur fuͤr meine Buͤcher bestimmt war.

So lebten wir in Altdorf, und so setzten wir es in Halle fort; und ich fand nur selten eine wichtige Ursache, einige halbe Tage wirklich allein zu seyn.

Wir haben uns dadurch ein vertrauliches Vergnuͤgen geschaft, das taͤglich zunahm; und so setzte ich wirklich diese Stubengesellschaft fort, da sie Kinder hatte.

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Sie setzte sich mit ihrer weiblichen Arbeit neben mich; und es konnte voͤllig so aussehen, als wollten wir einander zur Arbeit anhalten.

Nur selten hatten wir einige Gesellschaft, die, ihrer Absicht nach, uns trennen sollte. Jch konnte mit meinen Arbeiten nie fertig werden; und sie hatte eben so wenig in so vielen Stunden des ganzen Jahres, jemalen viele uͤbrig, die blos zum Zeitvertreibe haͤtten dienen sollen. Jch habe mich durch diese stete Gesellschaft so gewoͤhnet, daß mich auch ein ziemlich lautes Geraͤusch von mehrern, die mit einander uͤber ganz andre Sachen sprechen; und ein freies Spielen der Kinder, nicht im geringsten hindert, ich mag zu schreiben oder zu lesen haben, was es immer sey.

Seine taͤgliche Bewegung, (als ein Beitrag zur Seelendiaͤtaͤtik.)

So viel ich auch taͤglich zu thun hatte, und keine Luͤcke in meiner Zeit machen durfte: so habe ich doch eine Stunde, meist nach Tische, von eins bis zwey zur Motion angewendet, um wenigstens den Unterleib vor nachtheiliger Unordnung zu bewahren. Lange Zeit machte ich mir in dem Graben, zwischen dem Stein - und Neumaͤrkischen Thore die ordentliche Bewegung dadurch, daß ich bei dem einen Wirth oder Einwohner mir zwei oder drei Kegelkugeln bereit hielt, die ich entweder in einer gewissen Weite hin, und wieder zuruͤck schoß; oder auf den Ueberbleibseln des Walles mir oben ein Ziel von Steinen110 machte, und nun mit diesen Kugeln es von unten umzuwerfen suchte, folglich, weil die Kugeln oft uͤber den Wall auf die andere Seite des Grabens fielen, genug zu gehen, oder wenn es Winter war, zu laufen hatte. Zuweilen gieng ich auch einen ziemlichen Weg; zumal nach Beesen; wohin in der ganzen Zeit, als Baumgarten krank war, und uͤber ein Jahr lang fast alle Tage Nachmittags dahin fuhr, ich nach meiner Arbeit, um vier oder fuͤnf nachzukommen pflegte. Ein einzigmal, bald in der ersten Zeit meines Hierseyns, weiß ich es, daß Baumgarten und Herrnschmidt, der damalen noch als Consistorialrath hier stund, es wagten, zu Fuße diesen Weg zu gehen, und vor dem Thore abzusteigen; ruͤckwaͤrts aber fuhren sie doch. Da redete Baumgarten noch von der Zeit, da seine Bruͤder hier gewesen, und sie wohl uͤber die kleinen Heuhaufen wegzuspringen sich getrauet haͤtten. Zum Holzsaͤgen habe ich mich auch zuweilen, aber viel seltener bringen lassen; ich urtheile aus der schlechten Gesundheit Baumgartens, der doch keinen Tag sein Holzsaͤgen aussetzte, und so oder so viel tausend Stoͤsse durch seine Kinder, welche darin abwechselten, abzaͤhlen ließ: daß diese Bewegung in der Stube, (denn in der Stube that er es;) sehr wenig wahren Nutzen schaffen konnte, den ich vielmehr und vorzuͤglicher in der freien Luft, als in der Bewegung allein, zu finden glaubte. Jch bin daher oft im Winter, im staͤrksten Schnee und Wind meinen111 taͤglichen Weg gegangen, und daher zuweilen wegen Dichtheit des Schnees, gar in eine unrechte Gegend gerathen. Jch hielte aber durchaus uͤber diese Ordnung, mich sogleich umzukleiden, und trug daher, wenn ich in Beesen mich einige Stunden aufhalten wollte oder mußte, das Noͤthige an der Waͤsche selbst bei mir.

Als Herr52Semlermit den Herrn53Spalding,Ebert und Jerusalem in Magdeburg zusammenkam, aͤußert er folgendes Urtheil von sich selber:

» Alle drei so vortreflichen Maͤnner sahe ich fast in einem gleichen Licht, daß sich in der großen Welt, in taͤglichen Geschaͤften gleichsam entzuͤndet; ich fuͤhlete es gar zu sehr, so wenig mich jemand damit druͤcken wollte, daß ich nur in vier Waͤnden zeither meist gewohnet hatte. «

Sorgfaͤltige Anwendung der Zeit.

Jch habe freilich auch viele alchymistische Buͤcher gelesen, aber nirgend eine sonst nuͤtzliche Stunde damit verdorben; sondern ohne einigen Zeitverlust mir zuzuziehen.

Alle Monath oder alle vierzehn Tage suchte ich eine Anzahl leichter und geringhaltiger Schriften zusammen, die ich doch auch durchblaͤttern, wo nicht durchlesen wollte; und stellte sechs, zehn bis siebzehn davon auf den Abtritt; wo ich denn ohne Zeitverderb auch diese Lectuͤre endigen konnte; indem ich112 auf des alten Prof. Junkers ernstliche Vorstellung und Erklaͤrung mich gewoͤhnet hatte, des Tages gewiß zweimal und meist dreimal diesen Ort zu besuchen, und Leibesoͤfnung geduldig abzuwarten.

Es traf ein, was mir dieser grosse gluͤckliche Arzt gesagt hatte, daß man sich auf die eine Viertelstunde gewoͤhnen, und alsdenn ganz sicher auf die Natur verlassen koͤnnte, die diese Ordnung unausbleiblich beobachten wuͤrde, und dieß sei der sicherste Weg aller Unordnung des Unterleibes ohne viele Arzeneien vorzubeugen.

Jch konnte unmoͤglich ganz muͤssig so zubringen, weil ich anfaͤnglich ziemlich Zeit haben muste, bis, wie er sagte, die Natur sich gewoͤhnte; daher stellete ich immer eine Anzahl Buͤcher dahin; und so habe ich seit vielen Jahren einige hundert Buͤcher gelesen oder durchgeblaͤttert, und konnte doch es merken, wenn irgend etwas unerwartetes erhebliches vorkam.

Diese freilich sonderbare Einrichtung schafte mir einmal ein grosses Vergnuͤgen.

Es sollte der geh. Rath Carrach, wo ich noch wohnete, eine Music in seinem Hause bekommen; ich weiß die Veranlassung nicht mehr. Er hatte unter andern auch die Baumgartensche Familie gebeten, von drei Uhr an Nachmittags.

Baumgarten nahm dergleichen Veraͤnderungen wohl mit, er hatte es aber, so gut als wir, die wir im Hause wohneten, zugleich von einem Abendbrod verstanden, indem sich die Music uͤber sieben Uhr113 Abends erstreckte. Da es nun ans Aufstehen ging, und einige andere Professores so gerade weggingen, sagte Baumgarten zu mir, das war also verrechnet; ich dachte einen Abend ohne meine Arbeit zuzubringen; und soll ich so gerade wieder zu Hause gehen; das kommt mir ganz seltsam vor; ich will mit Jhnen ein Butterbrodt essen.

Jch meldete es gleich meiner Frau, daß die sich noch eine kurze Zeit eher wegbegeben, und einige Anstalt machen koͤnnte, zu einigem warmen Essen. Sie hatte nach ihrer Ordnung immer etwas vorraͤthig; also bekamen wir in einer Viertelstunde fuͤnf bis sechs Gaͤste, die wir ausnehmend hoch schaͤtzten, und die unsre Willigkeit fuͤr noch mehr gelten ließen.

Da mußte ich nun, ehe wir uns zu Tische setzten, dem D. Baumgarten diesen Ort zeigen, und er nahm ein Licht[ mit.] Nachdem er ziemlich lange sich aufgehalten hatte, kam er mit herzlichem Lachen wieder und sagte: man lernt doch nie aus.

Jch dachte, daß ich die Zeit sehr gut eintheilen koͤnnte; aber da hab ich noch etwas neues abgesehen. Und uͤber ihre Wahl und Urtheil freue ich mich noch mehr, daß sie gerade solche Buͤcher dahin stellen, die man im Nothfall selbst angreifen duͤrfte.

Es waren unter andern auch einige Baͤnde der sogenannten unschuldigen Nachrichten hingestellt, welches weitlaͤuftige Werk ich noch aus Nuͤrnberg mitgebracht, und davon redete Baumgarten insbesondere; ob er gleich gestand, daß dieses Buch ei -114 nen kleinen Anfang haͤtte machen helfen, von mehr theologischer Buͤcherkenntniß, worinn damalen freilich immer einerlei Vorschrift und Zuschnitt des magern Urtheils statt finden mußte.

Dieß war also gemeiniglich der Ort, wo ich Hexen - und Geisterbuͤcher, chymische, teutsche, lateinische und franzoͤsische Schriften so durchlesen konnte, daß es mir keine Zeit kostete, die meinen ernsthaften Arbeiten freilich gehoͤrete.

Selbstenthaltung bei[ oͤffentlichem] Lobe.

Jch habe mich in der That stets in dem Hange befunden, meine Fehler oder was mir noch alles mangele, immer vor Augen zu haben.

Schon vor mehrern Jahren lase ich nie eine Recension von irgend einer meiner Arbeiten, die vortheilhaft wurde, ohne alsdann das Lesen abzubrechen.

Jch habe mir manche rechtmaͤßige Aufmunterung hiemit geraubet; aber ich hatte einmal diesen Hang; ich hatte wenig vertraute Freunde, die Selbsterniedrigung mußte ich schon lange als ein Mittel ansehn, weniger Anstoß in meinem naͤchsten Zusammenhange zu veranlassen!

115

V.Selbstgestaͤndnisse des Herrn Professor Jung*)*) Da der Herr Professor55Jungsich oͤffentlich erklaͤrt hat, daß Stillings Geschichte seine eigne Geschichte sey, so ist sie auch in psychologischer Ruͤcksicht merkwuͤrdig.56A. d. H. aus Stillings Jugendjahren.

57

Um das Ende dieser Zeit, etwa mitten im Julius, ging er an einem Sonntage Nachmittage durch eine Gasse der Stadt Schauberg; die Sonne schien angenehm, und der Himmel war hier und da mit einigen Wolken bedeckt; er hatte weder tiefe Betrachtungen, noch sonst etwas sonderliches in den Gedanken; von ohngefaͤhr blickte er in die Hoͤhe, und sah eine lichte Wolke uͤber seinem Haupte hinziehen.

Mit diesem Anblick durchdrang eine unbekannte Kraft seine Seele, ihm wurde so innig wohl, er zitterte am ganzen Leibe, und konnte sich kaum enthalten, daß er nicht darnieder sank.

Von dem Augenblick an fuͤhlte er eine unuͤberwindliche Neigung, ganz fuͤr die Ehre Gottes, und das Wohl seiner Mitmenschen zu leben und zu sterben; seine Liebe zum Vater der Menschen, und zum goͤttlichen Erloͤser, desgleichen zu allen Menschen, war in dem Augenblick so groß, daß er willig sein Leben aufgeopfert haͤtte, wenns noͤthig gewesen waͤre.

116

Dabei fuͤhlte er einen unwiderstehlichen Trieb, uͤber seine Gedanken, Worte und Werke zu wachen, damit sie alle Gott geziemend, angenehm, und nuͤtzlich seyn moͤchten.

Auf der Stelle machte er einen festen und unwiederruflichen Bund mit Gott, sich hinfuͤhro lediglich seiner Fuͤhrung zu uͤberlassen, und keine eitle Wuͤnsche mehr zu hegen, sondern wenn es Gott gefallen wuͤrde, daß er Lebenslang ein Handwerksmann bleiben sollte, willig und mit Freuden damit zufrieden zu seyn.

Er war bei einem Kaufmann als Jnformator seiner Kinder, wo es ihm sehr uͤbel ging, bis er auf folgende Weise den Entschluß faßte, dieß Haus zu verlassen.

Um neun Uhr als er in seinem Kerker am Tisch saß, und ganz in sich selbst gekehrt das Feuer seiner Leiden aushielt, fuͤhlte er ploͤtzlich eine gaͤnzliche Veraͤnderung seines Zustandes, alle seine Schwermuth und Schmerzen waren gaͤnzlich weg, er empfand eine solche Wonne und tiefen Frieden in seiner Seelen, daß er vor Freude und Seligkeit nicht zu bleiben wußte.

Er besann sich und wurde gewahr, daß er willens war wegzugehen; dazu hatte er sich entschlossen ohne es zu wissen, so in demselbigen Augenblick stund er auf, gieng hinauf auf seine Schlafkammer, und dachte nach; wie viel Thraͤnen der117 Freude und der Dankbarkeit daselbst geflossen sind, koͤnnen nur diejenigen begreifen, die sich mit ihm in aͤhnlichen Umstaͤnden befunden haben.

Als er bei einem jungen Frauenzimmer, mit der er sich nachmals verheirathet hat, in ihrer Krankheit wachte, hatte er folgenden Vorfall mit ihr.

Des Nachts um ein Uhr sagte die Kranke zu ihren beiden Waͤchtern: sie moͤchten ein wenig still seyn, sie glaubte, etwas schlafen zu koͤnnen.

Dieses geschah. Der junge Herr schlich indessen herab um etwas Caffee zu besorgen; er blieb aber ziemlich lange aus, und59Stillingbegonnte auf seinem Stuhl zu nicken.

Nach etwa einer Stunde regte sich die Kranke wieder.60Stillingschob die Gardine ein wenig von einander, und fragte sie; ob sie geschlafen habe?

Sie antwortete: Jch habe so wie im Traume gelegen. » Hoͤren Sie, Herr Stilling, ich habe einen sehr lebhaften Eindruck bekommen, von einer Sache, die ich aber nicht sagen darf, bis zu einer andern Zeit. «

Bey diesen Worten wurde61Stillingganz starr, er fuͤhlte vom Scheitel bis unter die Fußsohlen eine noch nie empfundene Erschuͤtterung, und mit einemmal fuhr ihm ein Strahl durch die Seele wie ein Blitz.

118

Es wurde ihm klar in seinem Gemuͤth, was jetzt der Wille Gottes sey, und was die Worte der kranken Jungfer bedeuteten.

Mit Thraͤnen in den Augen stand er auf, buͤckte sich ins Bett, und sagte: » Jch weiß es, liebe Jungfer! was sie fuͤr einen Eindruck bekommen hat, und was der Wille Gottes ist. « Sie fuhr auf, reckte ihre rechte Hand heraus, und versicherte: wissen Sie's?

Damit schlug62Stillingseine rechte Hand in die ihrige, und sprach: » Gott im Himmel segne uns! Wir sind auf ewig verbunden! « Sie antwortete: » ja! wir sinds auf ewig! «

VI.Sprache in psychologischer Ruͤcksicht.

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Die Fugen des Verbums, wodurch es sich nach dem Substantivum richtet, sind im Deutschen in der einfachen Zahl die Buchstaben e, st und t, und in der mehrfachen n und t, indem wir z. B. sagen, ich liebe, du liebest, er liebet, wir lieben, ihr liebet, sie lieben.

Sage ich, du liebest, so verstaͤrkt das st gleichsam meine Vorstellung von der Handlung des Liebens durch die Bezeichnung ihrer Wirklichkeit, indem ich mir eine Person dabei vorstelle, die ich119 anrede, und die wirklich der Urheber dieser Handlung ist, wovon ich rede, so daß ich die Person und die Handlung nicht voneinander trennen kann.

Sobald ich mir aber in der Anrede die Wirklichkeit von der Handlung hinwegdenke, faͤllt auch das st weg, und ich sage im befehlenden Tone, liebe du, und nicht, liebest du, weil die Handlung des Liebens durch meinen Befehl erst wirklich werden soll, aber es noch nicht ist; so sage ich, du giebst; aber im befehlenden Tone, wo das Geben noch nicht wirklich geschieht, sage ich, gieb!

Sage ich nun, er liebet, so bezeichnet das t ebenfalls eine Wirklichkeit der Handlung, aber nicht mit solchem Nachdruck, wie das st, weil ich hier keine Person anrede, sondern nur von einer Person rede, die der Grund desjenigen ist, was ich rede, und die ich gleichsam in einem schwaͤchern Lichte betrachte, als die Person, welche ich anrede.

Denke ich mir aber die Wirklichkeit von der Handlung hinweg, und wuͤnsche ich z. B. bloß, daß dieselbe geschehen moͤge, so faͤllt auch hier das nachdruckvolle t weg, und ich sage anstatt, er geht, oder er koͤmmt, bloß, er gehe! oder, er komme!

Daß aber st und t die Wirklichkeit bezeichnen, scheinet daher zu kommen, weil sie verursachen, daß die Stimme laͤnger auf dem Worte ru -120 het, und am Ende gleichsam noch einen gewissen Stoß oder einen Nachdruck darauf setzt.

Wenn wir aber von uns selber reden, so scheinet es, als ob wir es fuͤr uͤberfluͤßig halten, die Wirklichkeit desjenigen, was wir von uns selber reden, oder dessen wir uns selbst schon hinlaͤnglich bewußt sind, noch besonders zu bezeichnen; daher sagen wir, ich liebe, indem wir bloß ein e hinzusetzen, oder von lieben das n wegwerfen, wodurch sonst eigentlich die Wirklichkeit aufgehoben wird: denn wenn ich sage, das Lieben, oder zu lieben, so nenne ich beinahe bloß den Nahmen einer Handlung, ohne mir dabei vorzustellen, daß sie wirklich geschiehet.

Demohngeachtet aber heißt es nun in der mehrfachen Zahl, wir lieben, ihr liebet und sie lieben: eigentlich sollte es heißen, wir liebent, und sie liebent, wie man es auch in alten deutschen Schriftstellern findet; allein der Begrif von der Mehrheit pflegt gern die uͤbrigen Begriffe zu verdraͤngen, und das ist auch hier der Fall; weil die Handlung nicht einer einzigen Person, sondern mehrern zugeschrieben wird, so denkt man sich auch ihre Wirklichkeit nicht so genau und bestimmt, als ob sie nur einer einzigen Person wirklich zugeschrieben wuͤrde.

Allein bei der Anrede wird auch in der mehrfachen, eben so wie in der einfachen Zahl, der121 staͤrkste Nachdruck auf das Verbum gesetzt, und es heißt, ihr liebet.

Auf die Weise haben wir gesehen, wie sich das Verbum nicht nur nach dem Substantivum richtet, sondern sich zugleich als gewiß oder ungewiß, als wirklich oder nicht wirklich, in den Zusammenhang unsrer uͤbrigen Vorstellungen fuͤgt.

Da sich aber alle unsre Vorstellungen an dem Begriffe von der Zeit fest halten muͤssen, so muß sich das Verbum auch nach diesem Begriffe fuͤgen. Dieses thut es nun, indem sich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, noch ein t zwischen das b und e einschiebt, so daß es heißt, ich liebte, du liebtest, u.s.w.

Um das Vergangne zu bezeichnen, muß die Stimme gleichsam einen Aufenthalt finden, und darf nicht so schnell von dem b, als von dem letzten Buchstaben des eigentlichen Worts, zu dem angehaͤngten e, st, u.s.w. hinuͤbergehen, als wenn die gegenwaͤrtige Zeit ausgedruͤckt werden soll: denn der Begrif von der Vergangenheit schiebt sich gleichsam zwischen die Vorstellung von der Handlung und von ihrer Wirklichkeit hinein, weil das Vergangne doch eigentlich jetzt nicht mehr wirklich ist.

Darum faͤllt auch, wenn ich nur von einer Person rede, das Zeichen der Wirklichkeit wieder weg, und es heißt nicht, er liebet, sondern er liebte.

122

Allein unsre Sprache bezeichnet die Vergangenheit auch auf eine andre Art, die zwar nicht so kuͤnstlich und regelmaͤßig als die vorhergehende ist, aber weit natuͤrlicher und ausdruckvoller zu seyn scheinet.

Sie verwandelt nehmlich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, den hoͤhern Vokal gewoͤhnlich in den tiefern, als, ich singe, ich sang; ich fließe, ich floß; ich grabe, ich grub, u.s.w.

So verhaͤlt sich nemlich die Vergangenheit in unserer Vorstellung zu der Gegenwart, wie die entferntere, gedaͤmpfte Musik zu der toͤnenden und rauschenden, wie die Daͤmmerung zu dem Lichte und wie Bedeutungsvoll wird dieses durch die Verwandelung des hoͤhern Vokals in den tiefern ausgedruͤckt!

Freilich wird auch zuweilen der tiefere Vokal in einen hoͤhern verwandelt, indem unsre Sprache die Vergangenheit bezeichnet, als ich blase, ich bließ; ich gehe, ich ging; allein hieran mag wohl eine uͤbertriebene Verfeinerung der Sprache schuld seyn; und daß die Verwandlung des hoͤhern Vokals in den tiefern natuͤrlicher ist, sieht man auch daraus, weil die Sprache des gemeinen Volks sich wieder dahin neigt, indem man unter demselben oͤfter hoͤrt, ich bluß, und ich gung, als ich bließ, und ich ging.

Diese uͤbertriebene Verfeinerung der Sprache macht, daß sie immer mehr und mehr von ihrer be -123 deutenden Kraft verliert: so vertauscht man z. B. schon das nachdrucksvolle erscholl, mit dem matten und regelmaͤßigen erschallte, und eben so macht man es in mehrern Faͤllen.

Nun ist es merkwuͤrdig, daß man dasjenige, was nicht wirklich ist, ebenfalls beinahe so wie die Vergangenheit bezeichnet, indem man z. B. sagt, ich liebte dich, wenn du es verdientest. Weil nehmlich die Vergangenheit jetzt auch nicht mehr wirklich ist, so hat man sich das gar nicht Wirkliche, und das jetzt nicht Wirkliche beinahe auf einerlei Art gedacht und bezeichnet.

Bei dem Verbum aber, wo der hoͤhere Vokal zu einem tiefern herabgestimmt wird, um die Vergangenheit zu bezeichnen, als ich trage, ich trug, unterscheidet man das gar nicht Wirkliche, von dem nicht mehr Wirklichen, indem man den tiefern Vokal wiederum gleichsam zu einem halben, schwankenden Tone stimmt, und sagt z. B. ich truͤge deine Buͤrde, wenn sie mir nicht zu schwer waͤre.

Denn , , und , sind gleichsam unter den Vokalen das, was in der Musik die halben Toͤne sind, darum sind sie am schicklichsten, das Schwankende, Ungewisse, und nicht Wirkliche bei dem Verbum zu bezeichnen.

Wir sagen daher, ich sang, ich flog, ich trug, um etwas anzuzeigen, das gar nicht wirklich, sondern nur moͤglich ist

124

Allein wenn ich z. B. sage, ich sang, so denke ich mir die Handlung meines Singens, als vergangen, und doch als unvollendet; ich stelle mir vor, daß sie noch fortdauerte, indeß etwas anders anging, als, ich sang ein troͤstend Lied, da verschwand mein Kummer, u.s.w.

Es wird uns schwer, wenn wir uns irgend etwas als ganz vollendet, oder als ganz vergangen denken wollen, weil die Folge der Dinge in der Welt einen so festen Zusammenhang hat, wie die Glieder einer Kette, wo sich immer eins in das andre schließt, und wo man sich also nicht gut eins ohne das andre denken kann.

So muͤssen sich unsre Vorstellungen von dem Entferntern auch an den Vorstellungen von dem Naͤhern und Gegenwaͤrtigen festhalten, wenn die Kette unsrer Gedanken nicht zerreissen soll.

Jn unsrer Seele verdraͤngt ein Bild nicht ploͤtzlich das andere, sondern schiebt sich ihm allmaͤlig vor, und fuͤgt sich zugleich an dasselbe hinan.

Weil es nun wegen des naͤhern Zusammenhanges der aufeinander folgenden Dinge am allernatuͤrlichsten ist, sich das Vergangne nicht als vollendet, sondern in Ansehung desjenigen, was darauf folgt, noch als fortdaurend zu denken, so bezeichnet unsre Sprache die Vergangenheit auch bloß auf diese Art unmittelbar.

Wollen wir uns aber dem ohngeachtet das Vergangne als ganz vollendet denken, so muͤssen wir125 dieses mittelbar thun, indem wir zu den Begriffen von seyn oder haben unsre Zuflucht nehmen, das wir uns vorher als gegenwaͤrtig gedacht haben muͤssen, um zu dem Begriffe von der gaͤnzlichen Vergangenheit zu gelangen.

Um uns also die gaͤnzliche Vergangenheit z. B. der Handlungen des Liebens und des Gehens zu denken, sagen wir, ich habe geliebt, und ich bin gegangen.

Durch haben bezeichnen wir sonst dasjenige, was ausser uns ist, und was wir nur mit in den Kreis unsers Daseyns ziehen; durch seyn aber was in uns ist, und was mit zu unserm Wesen gehoͤrt, indem wir z. B. sagen, ich habe ein Kleinod, und ich bin ein Mensch: eben so sagen wir auch, ich habe geliebt, und ich bin gegangen, indem wir uns lieben als eine Handlung vorstellen, die von uns ausgeht, gehen aber als eine Handlung, die sich gleichsam in uns selber zuruͤckwaͤlzt, und auf die Weise schon mehr in unser Daseyn verwebt ist. So lange aber eine Handlung noch nicht vollstaͤndig, oder ganz vollendet ist, kann ich sie noch nicht zu dem zaͤhlen, was ich habe oder was ich bin: diese Vollstaͤndigkeit der Handlung nun, welche nothwendig ist, wenn ich mir dieselbe, als ganz vergangen, denken will, wird durch die Silbe ge ausgedruͤckt, die gemeiniglich eine Zusammenfassung desjenigen bezeichnet, was auf einander folgt, so wie z. B. in dem Worte Gemur -126 mel, wo ich ein oftwiederhohltes Geraͤusch, das ich murmeln nenne, zusammenfasse, und mir es wie ein Ganzes denke.

Eben so fasse ich nun unter der Silbe ge in geliebt, die Vollstaͤndigkeit der Handlung meines Liebens zusammen, wie dieselbe nicht nur von mir ausgegangen, sondern auch schon auf einen andern Gegenstand uͤbergegangen ist, und also ihre Endschaft erreicht hat; und in gegangen fasse ich eine wiederhohlte Bewegung, die ich gehen nenne, zusammen, und denke sie mir nun als etwas vollstaͤndiges, oder als etwas, das seine Endschaft erreicht hat.

(Die Fortsetzung folgt kuͤnftig.)

Jnhalt.

65

Seite

  • Zur Seelenkrankheitskunde.
    • 1) Fortsetzung von Robert G ... s Lebensgeschichte, oder, die Folgen einer unzweckmaͤßigen oͤffentlichen Schulerziehung, vom Herrn66J. L. H. Jakob,Lehrer am Gymnasium in Halle. 1.
    • 2) Ein Kindermoͤrder aus Lebensuͤberdruß, aus den Kriminalakten. 13.
    • 3) Desertion aus einem unbekannten Bewegungsgrunde. 16.
    • 4) Ein sonderbarer Hang zum Stehlen; nebst den beiden vorhergehenden Aufsaͤtzen vom67Herrn Auditeur Nencke.18.
    • 5) Geschichte eines Hofmeisters oder die traurigen Folgen einer melancholischen Gemuͤthsart bei einem Erzieher, vom Herrn68J. F. Seidel.20.
    • 6) Auszug aus Paul Simmens Lebensgeschichte,69v. d. H.38.
    • 7) Ein Diebstahl aus Großmuth von einem siebzehnjaͤhrigen Knaben; vom Herrn Auditeur70Nencke.54.
    • 8) Grausamkeit eines gefangnen Soldaten gegen seinen eignen Koͤrper, vom Herrn Doktor71Schroͤder.60.
    • 9) Beispiel und Folgen einer schwaͤrmerischen Sehnsucht nach dem Tode, von Herrn72Hellen, Christian Friedrich zurZur Hellen,Pastor zu Dornberg in der Grafschaft Ravensberg. 64.
    • 10) Sonderbarer Zustand eines nervenkranken Knaben, aus einem Briefe vom Herrn Hof - und Kriminalrath73Ritterzu Großglogau. 69.
  • Zur Seelennaturkunde.
    • 1) Selbsterfahrung des Herrn Kirchenrath74Strothin Gotha. 71.
    • 2) Todesahndung, aus den Akten des Oberkollegii Medici. 72.
    • 3) Fragment aus Anton Reisers Lebensgeschichte,75v. d. H.76.
    • 4) Selbstgestaͤndnisse des Herrn Doktor76Semlervon seinem Charakter und Erziehung. 96.
    • 5) Selbstgestaͤndnisse des Herrn Professor77Jungvon seinem Charakter. 115.
    • 6) Sprache in psychologischer Ruͤcksicht. 118.

About this transcription

TextGnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde
Author[unknown]
Extent130 images; 26086 tokens; 5730 types; 169399 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Christof WingertszahnSheila DicksonGoethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-StiftungUniversity of GlasgowNote: Erstellung der Transkription nach DTA-RichtlinienNote: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2015-06-09T11:00:00Z Matthias BoenigDeutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu BerlinNote: Konvertierung nach DTA-Basisformat2015-06-09T11:00:00Z UB Uni-BielefeldNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate2015-06-09T11:00:00Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte zweiten Bandes erstes Stück Karl Philipp Moritz, Carl Friedrich Pockels, Salomon Maimon (eds.) . MyliusBerlin1784.

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Universitätsbibliothek Bielefeld UB Bielefeld, 2097611

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Psychologie; Wissenschaft; Psychologie; ready; dtae

Editorial statement

Editorial principles

Anmerkungen zur Transkription:Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.

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