PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Geiſtreiche Sinn vnd Schluſſri - me.
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Denen Hochwuͤrdig: in Gott Geiſtlich / auch Ed - len vnd Hochgelehrten: Hoch vnd Wolgebornen Herren / Herren / auch Edlen Geſtrengen Herren / N: Einer Loͤbl: Landtſchafft deß Ertzhertzogthumbs Oeſterreich vnter der Ennß Herren Verordneten / ꝛc.

GNaͤdige vnnd Hochgebiet - tunde Herren / Herren / ꝛc. Niemahlen kan ein rechte / meſſige deß groſſen vnnd vbergoſ - ſenen Meers vnergruͤndlichkeit / ei - ne gebrauchung deß Menſchlichen Leben erwachſen; Niemalen auch wirdt jemandt / deſſelben koͤſtli - chen Magnetiſchen Bergs eintzige Frucht / oder Ergoͤtzlichkeit ver - ſpuͤret haben / welcher nicht in diſem ſeine jhme ſelbſt zuſtaͤndige Ge - heimbnuß / vnd Clauſulas ſuchendeA 2er -2DEDICATIO. ereignet: in jenem aber villeicht die ſchoͤne gebahnte Straſſen der ge - ſchwinden Schifffahrt erfragende gepfleget hette: Dann weme wirdt doch deß groben Ackersmann in de - nen wolriechenden Gaͤrten der vil - faͤrbigen Blumen ſeine vnfruchtba - re Vnpaͤßlichkeit verborgen be - halten? Dahero wir haben / daß wir alle Sachen bey moͤglichſt dem be - ſten Orth oder Gelegenheit zu vol - kommener begebung deß glůcklichen Außgangs vnd anſehen erholen vnd abfordern. Dieweilen aber gleichs - fals auch nichts ſich befindet / wel - ches da / ob zwar geringes durch gu - te erfindung der Anſtalt zu dem er - heblichſten Anſehen nicht gebraucht werden koͤnte; Alſo befindet es ſich mit anjetzigen meinen Tractaͤtl derſchoͤ -3DEDICATIO. ſchoͤnen Schlußreimen Johan - nis Angeli / alſo / daß / weilen diß ein recht ſchoͤn vilfaͤrbiger Garten der edlen Blumen / welchen ja keiner vorbey gehet / deme nicht ſeine ſelbſt außerleſene Blumen belieben moͤch - te; oder vilmehr ein ſchoͤne weitge - babnte Heyden deß groſſen Meers zu nennen / auff welchem dann auch der geringſte mit dem hoͤchſten ſeine erſuchte Schiffung zu dem ge - wůntſchten Port / der ermeſſenen Fruchtbarkeit einholt vnd einpflan - tzet. Habe demnach gaͤntzlichen er - wogen / diſe Tractatiſche Blumen - Wurtzel erſtenmals denen Hoch - wuͤrdigen / Hochgebiettunden vnd Hochgelehrten Herꝛn / Herꝛn einer Hochloͤbl: N: Oe: Landtſchafft Herꝛn Verordneten / ꝛc. ꝛc. als de -A 3nen4DEDICATIO. nen erweglichſten diſer gepflantzten Sachen Fautoribus mit vnter - thaͤnig: gehorſambſten Affection vnnd Meynung zu dediciern, gantz vnterthaͤnigiſt bittente / ſolches mit gnaͤdigiſten affect zuerwoͤhlen. Lebe alſo vngezweifflet diſer Hoff - nung / es werde diſes ein mehrere be - liebung in andern erwecken / wofern es durch die groſſen Gemůter wirdt behelliget werden. Wienn den 1. Julij, Anno 1657.

Ewr Hoch: vnd Gn. Gehorſamber Johann Jacob Kuͤrner / Einer Loͤbl: N: Oe: Landſchafft Buchdrucker /

5.[5]

Erinnerungs Vorrede an den Leſer.

Guͤnſtiger Leſer / nach dem folgende Reimen vil ſeltzame paradoxa oder widerſinniſche Reden / wie auch ſehr hohe und nicht jederman bekandte ſchluͤſ - ſe / von der geheimen GOttheit. Jtem von Ver - einigung mit GOtt oder Goͤttlichem Weſen / wie auch von Goͤttlicher Gleichheit vnd Ver - goͤttung oder GOttwerdung / und waß der - gleichen / in ſich behalten; welchen man wegen der kurtzen Verfaſſung leicht einen Verdam - lichen Sinn oder boͤſe Meinung koͤnte andich - ten: Als iſt vonnoͤthen dich deß halben zuvor zuerinnern.

Unnd iſt hiermit einmal fuͤr allemal zuwiſ - ſen / das deß Urhebers Meinung nirgends ſey / daß die Menſchliche Seele jhre Geſchaffenheit ſolle oder koͤnue Verliehren / und durch die Ver - goͤttung in GOtt oder ſein ungeſchaffenes We - ſen verwandelt werden: welches in alle Ewig - keit nicht ſeyn kan. Denn obwol GOtt Allmaͤch - tig iſt / ſo kan er doch diſes nicht machen (und wann Ers koͤnte / waͤre Er nicht GOtt) daß eine Creatur natuͤrlich und weſentlich GOttA 4ſey.6Erjnnerungs Vorredſey. Derowegen ſagt Thaulerus in ſeinen Geiſt - lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Aller - hoͤchſte nicht machen kondte / daß wir von Na - tur GOtt waͤren (denn diß ſteht Jhm alleine zu) ſo hat Er gemacht / daß wir GOtt waͤre auß Gnaden; damit wir zugleich mit Jhm in jmmerwehrender Liebe beſitzen moͤgen eine See - ligkeit / eine Freuͤde / und ein einiges Koͤnig - reich: Sondern dieſes iſt ſein Sinn / daß die Gewuͤrdigte und Heilige Seele zu ſolcher naher Vereinigung mit GOtt und ſeinem Goͤttlichen Weſen gelange / daß ſie mit demſelben gantz und gar durchdrungen / uͤberformet / Vereinigt und eines ſey; dermaſſen / daß wenn man ſie ſehen ſolte / man an jhr nichts anders ſehen und erken - nen wuͤrde als GOtt; wie dann im ewigen Le - den geſchehen wird: Weil ſie von dem Glantze ſeiner Herꝛlichkeit gleichſamb gantz Verſchlun - gen ſein wird. Ja daß ſie zu ſolcher Vollkomner gleichnuͤß GOttes gelangen koͤnne / daß ſie eben daß Jenige ſey (auß Genaden) was GOtt iſt (von Natur;) und alſo in diſem Verſtande recht und wol ein Liecht in dem Liechte / ein Wort in dem Worte / und ein GOTT in GOtte (wie in den Reimen geredet wird) koͤn - ne genennet werden. Sinthemal / wie ein alter Lehrer ſagt / GOtt der Vatter hat nur einen Sohn / und derſelbe ſind wir alle in Chriſto. Sind wir nun Soͤhne in Chriſto ſo muͤſſen wirauch7an den Leſer. auch ſein was Chriſtus iſt / und daſſelbe Weſen haben / welches der Sohn GOttes hat: Denn eben darumb (ſpricht Thaulerus in der vierd - ten Predigt am H. Chriſtage) daß wir daſſelbe Weſen haben / werden wir Jhm gleich / und ſe - hen Jhn wie Er wahrer GOtt iſt.

Und dieſem Satze ſtimmen bey alle Heilige GOttesſchawer; jnſonderheit jetzt gedachter Tauler in der 3, Predigt am 3. Sontag Trinit. da er ſpricht: Die Seele wird (durch daß wider erlangte Ebenbild) GOtte gleich und Goͤtt - lich: Ja alles wird ſie auß genaden was GOtt iſt von Natur. Jn diſer Vereinigung und ein - ſenckung in GOtt / wird ſie uͤber ſich ſelbſt in GOtt gefuͤhrt / und GOtte ſo gleich / daß wann ſie ſich ſelber ſaͤhe / ſie ſich fuͤr GOtt wuͤrde ſchaͤtzen: Und wer ſie ſahe / der wuͤrde ſie ſehen / nicht zwar in dem Natuͤrlichen / ſondern in dem auß Genaden jhr mit getheiltem Weſen / Form und weiſe GOttes / und wuͤrde alſo Seelig von dem Geſichte. Sinthemal GOtt und die Seele in ſolcher Vereinigung eines ſind; wiewol nicht von Natur / ſondern auß Genaden. Und nach wenigem: Die lautere und Goͤttliche Seele welche von der Creaturen Liebe ſo frey iſt wie GOtt / wird von andren geſehen werden / auch ſich ſelber in Ewigkeit anſehen alsGOtt (denn GOtt und eine ſolche Seele ſind in der ob - gemeldten Vereinigung eins) und wird jhreA 5See -8Erjnnernngs VorredSeeligkeit in und auß ſich ſelbſt nehmen in diſer Vereinigung.

Rusbroch im dritten Buch vom Zierrath der Geiſtlichen Hochzeit c. 1. Jn der Weſent - lichen Einheit GOttes ſind alle Andaͤchtige und jnnige Geiſter eins mit GOtt durch jhre Lieb - habende einſenckung und zerſchmeltzung in jhn: Und ſind auß Gnaden eben daſſelbige Eins daß die ſelbe Weſenheit in ſich ſelber iſt.

Und eben daſelbſt: GOtt uͤber alle gleich - nuͤſſe / wie Er in ſich ſelber iſt / faſſen und Ver - ſtehen / daß iſt etlicher maſſen GOtt mit GOtt ſein ohne mittel / (oder daß ich ſo ſage) ohne ei - ne empfindliche Anderheit. Und eben im ſel - ben Buche c. 2 ſpricht Er: Wann der Geiſt deß Menſchen durch die genießliche Liebe ſich ſelber verlohren hat / ſo empfaͤngt er die Klar - heit GOttes ohne mittel: Ja er wird auch ſelbſt / (ſovil einer Creatur zuſteht) ohne un - terlaß dieſelbe Klarheit welche er embfaͤngt.

Gleichermaſſen redet auch S. Bernard. im Buche vom Einſamen Leben / da er ſpricht: Wir werden daß ſein was Er iſt. Denn wel - chen die Macht gegeben iſt GOttes Kinder zu werden / denen iſt auch die Macht gegeben / nicht zwar daß ſie GOtt ſeyn / ſondern daß ſie ſeyn was GOtt iſt. Und nach diſem: Diſe gleichnuͤß GOttes wird die Einheit deß Gei - ſtes genennt / nicht alleine weil ſie der HeiligeGeiſt9an den Leſer. Geiſt zu Wercke richtet / oder den Geiſt deß Menſchen damit anthut: Sondern weil ſie ſelbſt der Heilige Geiſt / GOtt die Liebe iſt / weil durch Jhn / welcher die Liebe deß Vatters und deß Sohnes iſt / und Einheit / und Anmuͤtig - keit / und Gut / und Kuß / und umbfaſſung / und alles was beyden kan gemein ſein / in jener hoͤch - ſten Vereinigung der Warheit / und Warheit der Vereinigung / eben daſſelbe dem Menſchen auff ſeine Art zu GOtt geſchicht / was mit der ſelb ſtaͤndigen Einheit dem Sohne zum Vat - ter / oder dem Vatter zum Sohne / wann in der umbfahung und Kuß deß Vatters und deß Sohns ſich etlicher maſſen mitten inne befindet daß ſeelige Gewiſſen; da auff eine unauß - ſprechliche und Ungedaͤnckliche weiſe der GOt - tes Menſch verdienet zu werden / nicht GOtt; ſondern doch was GOtt iſt auß Natur / der Menſch auß Genaden. Und diſes Bernardus. Fragſtu wie daß zugehen koͤnne / weil daß Goͤtt - liche Weſen unmittheilhafftig iſt? So antwort ich dir fuͤrs Erſte mit dem heiligen Bonaven - tura: So du es wiſſen wilt / ſo frage die Ge - nade / und nicht die Lehre: Daß Verlangen / und nicht den Verſtand: daß Seufftzen deß Gebeths / und nicht daß fleiſſige leſen: Den Braͤutigam / nicht den Meiſter: GOtt / nicht Menſchen: Die tunckelheit / nicht die Klarheit: Nicht daß Liecht / ſondern daß Fewer welchesA 6gantz10Erjnnerungs Vorredgantz und gar anflammet / und in GOtt mit brennenden Begierden fuͤhret / welches Fewr GOtt ſelber iſt.

Fuͤrs ander / daß das Goͤttliche Weſen zwar unmittheilhafftig ſey / ſolcher geſtalt / daß es ſich mit einem Dinge vermengen ſolte / und eine Na - tur oder Weſen mit jhm werden: Daß es aber auff gewiſſe Weiſe wegen der ſo nahen und jn - niglichen Vereinigung / mit welcher es ſich in die Heylige Seelen ergieſt / gleichwol mit theilhafftig koͤñe genennet werden: Maſſen auch Petrus ſagt / daß wir theilhafftig werde der goͤtt lichen Natur: und Johannes / daß wir Gottes Kinder ſeynd / weil wir auß GOtt gebohren ſeynd. Nun koͤnnen ja die jenige nicht Gottes - Kinder / und theilhafftige der Goͤttlichen Na - tur genennet werden (ſpricht Thomas à Jesu l. 4. d. orat, divin. c. 4.) wann dieſelbige nicht in Uns / ſondern weit von Uns abgeſondert iſt. Denn ſo wenig ein Menſch kan weiſe ſeyn ohne Weißheit (wie Thauler. in der vierdten Ser - mon im H. Chriſtage redet) ſo wenig kan einer auch ein Kind Gottes ſeyn ohne die Goͤttliche Kindtſchafft / daß iſt / er habe dann daß war - hafftige Weſen deß Sohnes GOtts ſelber. De - rohalben ſoltu Gottes Sohn oder Tochter ſeyn / ſo muſtu auch eben daß Weſen haben / welches der Sohn GOttes hat / ſonſten kanſtu GOttes Sohn nicht ſeyn. Aber ſolche groſſe Herꝛlich -keit11an den Leſer. keit iſt uns noch zur Zeit verborgen. Darumb ſchreibt auch S. Johannes an obgemeldtem Ort weiter alſo: Meine allerliebſten wir ſind zwar Gottes Kinder / aber es iſt noch nicht offenbahr was wir ſeyn werden / wir wiſſen aber wann es erſcheinen wird / daß wir jhme werden gleich ſeyn / das iſt / daſſelbe Weſen daß er iſt werden wir auch ſeyn ꝛc. Darumb ſagt Nicolaus à Jesu Mar. l. 2. c. 16. Elucid. Theologic. in Joan. à cruce: Daß die Seele durch die Wuͤr - ckungen der Liebe mit welchen ſie GOtt liebt / Erlange / daß jhr GOtt nicht allein ſeine Ga - ben mittheile / ſondern daß auch ſelbſt die ſelb - ſtaͤndigkeit und Weſen GOttes der Seelen mit ſonderbahrem Titel ſelbſtaͤndig zugegen ſey. Und ſolches beſtaͤttigen auch die Worte deß hei - ligen Auguſt. S. 185 de tempore da er ſpricht: der heilige Geiſt iſt in diſem Tage zu bereitung der Hertzen ſeiner Apoſtel wie ein Platzregen der Heiligung eingefallen / nicht als ein Eil - fertiger beſucher / ſondern als ein jmmerweh - render Troͤſter / und ewiger beywohner. Dann wie er Matth. am 28. von ſich ſelbſt ſeinen A - poſteln geſagt hatte: Siehe ich bin bey euch alle Tage biß zum Ende der Welt; Alſo ſagt er auch von dem heiligen Geiſte: Der Vatter wird euch den Troͤſter geben der bey euch ſey in Ewigkeit / derowegen iſt er in diſem Tage bey ſeinen Glaͤubigen nicht nur durch die GnadeA 7der12Erjnnerungs Vorredder Rechtfertigung / ſondern ſelbſt durch die gegenwart ſeiner Majeſtaͤt geweſt; und iſt in die Gefaͤſſe jetzo nur nicht der Geruch deß Bal - ſams / ſondern ſelbſt die ſelbſtaͤndigkeit der Heiligen Salbe gefloſſen.

Diſes aber eygentlicher und ohne jrꝛthumb zuverſtehen und zu erklaͤren / hab ich mir allzeit ſehr belieben laſſen die Gleichnuͤſſe welche die heiligen Vaͤtter von der Vereinigung der Son - nen mit der Lufft / deß Fewers mit dem Eyſen / deß Weins mit dem Waſſer / und was derglei - chen / ſich gebrauchen / diſe hobe Vereinigung GOttes mit der Seelen etlicher maſſen da - durch zu beſchreiben. Unter welchen der heilige Bernard: im Buche wie man GOtt lieben ſol / in der mitten alſo ſpricht: Gleich wie ein tro - pfen Waſſers in vil Wein gegoſſen von ſich gantz zuvergehen ſcheint / in dem es deß Weins geſchmack und Waͤrmde an ſich nimbt: Und wie ein fewriges gluͤendes Eyſen dem Fewer gantz und gar gleiche wird / und ſeine alte und eigentliche Geſtalt außziehet: und wie die Lufft mit der Sonnenliecht durchgoſſen in deſſelben Liechtes Klarheit uͤberformet wird; alſo gar daß ſie nicht ſo wol Erleuchtet / als daß Liecht ſelber zu ſein ſcheinet: Alſo wird vonnoͤthen ſeyn / daß in den Heiligen alle Menſchliche be - gierlichkeit auff unaußſprechliche weiſe von jhr ſelbſt zerſchmeltze / und in Gottes willen gaͤntz -lich13an den Leſer. lich eingegoſſen werde: dann wie wolte ſonſt GOtt alles in allen ſeyn / wenn in dem Men - ſchen noch etwas vom Menſchen uͤbrig waͤre? Und in dem 25. Cap. deß Buchs von der Liebe / nach dem er eben diſe Gleichnuͤſſe angefuͤhret hatte / ſpricht er darauff: Alſo iſt deß Menſchen Geiſt / wann er mit Goͤttlicher Liebe angethan iſt / gantz Liebe. Derowegen wer GOtt liebt / iſt jhm ſelbſt Todt / und in dem er GOtt alleine lebt / machet er ſich etlicher maſſen (daß ich ſo rede) mit Weſentlich oder mitſtaͤndig dem ge - liebten (conſubſtantiat ſedilecto.) Denn ſo die Seele Davids der Seelen Jonathe vereinigt iſt; oder ſo der welcher GOtt anhaͤngt ein Geiſt mit jhm wird: ſo gehet nit ohne ungleiches Ur - theil der Vereinigung auff eine gewiſſe Art der mit Weſenheit die gantze Begierde in GOtt / ꝛc. Und derogleichen findet man auch beym Rus - broch Harphio, Thauler. und anderen. Jn - ſonderheit beym Ludovico Bloſio da er im zwoͤlfften Cap. ſeiner Geiſtlichen Unterrichtun - gen ſehr ſchoͤn alſo Redet. Jn der geheimen ver - einigung verfleuſt die liebhabende Seele / und vergehet von jhr ſelbſt / und verfoͤllet / als waͤre ſie zunichte worden / in den Abgrund der ewigen Liebe: Allda ſie jhr Todt iſt / und GOtt lebet / nichts wiſſende / nichts fuͤhlende / als die Liebe welche ſie ſchmaͤkket; denn ſie verliehret ſich in der uͤbergroſſen Wuͤſte unnd Finſternuͤß derGott -14Erjnnerungs VorredGOttheit. Aber ſich ſo verliehren / iſt mehr ſich finden. Da wird Warlich / was da iſt daß Menſchliche außziehende / und daß Goͤttliche anziehende / in GOtt verwandelt. Gleich wie daß Eyſen im Fewer die Geſtalt deß Fewers annimbt / und ins Fewer verwandelt wird. Es bleibet aber doch daß Weſen der alſo vergoͤtte - ten Seelen gleich wie daß gluͤende Eyſen nicht auffhoͤret Eyſen zuſeyn. Derohalben die Seele welche zuvor kalt war / iſt jetzt brennend / die vor Finſter war iſt jetzt leuchtend: Die vor harte war / iſt jetzt weich: Gantz und gar GOttfar - big; weil jhr Weſen mit Gottes Weſen durch - goſſen iſt: Gantz mit dem Fewer der Goͤttlichen Liebe verbrennet / und gantz zerſchmeltzend in GOtt uͤbergangen / und jhm ohne mitel Verei - nigt / und ein Geiſt mit jhm worden iſt; gleich wie Gold und Ertzt in einen Metalliſchen klum - pen zuſammen geſchmoltzen werden.

Nun mit ſolchen und dergleichen Worten und Reden haben ſich die H. Gottesſchauer bemuͤhet die jnnigliche Vereinigung Gottes mit der geheiligten Seelen etlicher maſſen außzu - drukken; deñ dieſelbe gruͤndliche zubeſchreiben / ſagen ſie / daß man nicht Wort ſinden koͤnne.

Wann derowegen der Guͤnſtige Leſer in di - ſen Reimen hin und wider derogleichen finden wird; ſo wolle er ſie auch nach diſem Verſtande richten und verſtehen.

Wie wol ich nun was diſen Punctt anbe -15an den Leſer. langt zur genuͤge mich vermeine erklaͤrt zuha - ben; ſo muß ich doch noch einen ſchoͤnen Text auß Dionijſio Carthuſiano allher ſetzen: diſer redet Artic. 42. in Exod. alſo / Alsdañ wird die Seele gantz in daß unendliche Licht außgebrei - tet / der uͤberweſentlichen GOttheit und uͤber - ſeeligſten Dreyeinigkeit / ſo ſtrahlend / Liebreich und nahe copulirt oder verbunden / daß ſie nichts andres verſpuͤret / noch jhre eigne Wuͤr - ckung warnimbt: ſondern ſie Verfleuſt von jhr ſelbſt / und fleuſt wider in jhren eigenen Bron - nen / und alſo wird ſie in die Reichtuͤmber der Glorien verzukket / in dem Fewr der ungeſchaf - fenen unaußmaͤßlichen Liebe verbrennet; in dem Abgrunde der Gottheit vertieffet und ver - ſchlukket / daß ſie ſcheint etlicher maſſen daß ge - ſchaffene Weſen auß - und daß ungeſchaffene und erſte Muſterweſen (eſſe ideale) wider an - zuziehen. Nicht daß die Selbſtaͤndigkeit ver - wandelt oder daß eigene Weſen weg genommen werde / ſondern weil die Weiſe zuſeyn / und die Eigenſchafft oder qualitet zuleben Vergoͤttet wird: Daß iſt / GOtte und ſeiner uͤberſeeligſten Seeligkeit uͤbernatuͤrlich und genaͤdiglich ver - gleichet wird: und alſo wird fuͤrtrefflich erfuͤl - let deß Apoſtels Wort: Wer dem HErren an - haͤngt iſt ein Geiſt mit jhm / ꝛc.

Wenn nu der Menſch zu ſolcher Vollkomner gleichheit GOttes gelangt iſt / daß er ein Geiſtmit16Erjnnerungs Vorredmit GOtt / und eins mit jhm worden / und in Chriſto die gaͤntzliche Kind - oder Sohnſchafft erreicht hat / ſo iſt er ſo groß / ſo reich / ſo weiſe und maͤchtig als GOtt / und GOtt thut nichts ohne einen ſolchen Menſchen / denn Er iſt eins mit jhm; er offenbahret jhm alle ſeine Herꝛlich - keit und Reichtuͤmber / und hat nichts in ſeinem gantzen Hauſe / daß iſt / in ſich ſelber / welches er fuͤr jhm verborgen hielte; wie er zu Moſi ſagte / ich will dir all mein Gutt zeigen. Derowegen ſagt der Urheber nicht zuvil wann er N. 14. in der Perſon eines ſolchen Menſchen ſpricht; ich bin ſo Reich als GOtt: Denn wer GOtt hat / der hat mit GOtt alles was GOtt hat. Alſo was N. 8. 95. und ſonſten geſagt wird / iſt auch nach diſer Vereinigung zuverſtehen. Wiewol auch diſe zwey erſten ein abſehen auff die Peer - ſon Chriſti haben / welcher wahrer GOtt iſt / und mit ſeinen unvergleichlichen Liebe Wercken uns zu verſtehen gegeben / als ob GOtt gleich - ſam nicht wol waͤre / wann wir ſolten Verloh - ren werden. Deßwegen Er auch nicht alleine in diſes Elende kommen und Menſch worden / ſon - dern auch ſo gar deß aller ſchmaͤhlichſten Todes hat Sterben wollen / daß Er nur uns wider zu ſich bringen / und ſich mit Uns ewig erfrewen und ergoͤtzen koͤnte: Wie er auch ſagt / meine Luſt iſt bey den Menſchenkindern. O deß verwun - derlichen und unaußſprechlichen Adels derSee -17an den Leſer. Seelen! O der unbeſchreiblichen Wuͤrdigkeit zu welcher wir durch Chriſtum gelangen koͤn - nen! was bin ich doch mein Koͤnig und mein GOtt! und was iſt meine Seele O unendliche Majeſtaͤt! daß du dich ernidrigeſt zu mir / und mich erhebſt zu dir! daß du Luſt ſuchſt bey mir / der du doch die ewige Luſtbarkeit biſt aller Gei - ſter! daß du dich mit mir wilt Vereinigen / und mich mit dir / der du in und an dir ſelbſt Ewig - lich genug haſt! Ja was iſt meine Seele / daß ſie dir auch gar ſo Gemein ſol ſeyn / wie eine Braut jhrem Braͤutigam / wie eine Liebe jhrem Lieben! O mein GOtt: Wann ich nicht glaubte daß du warhafftig waͤreſt / ſo koͤnte ich nicht glauben das zwiſchen mir vnd dir / als der unvergleichen Majeſtaͤt ſolche Gemeinſchafft jemahls moͤglich waͤre. Weil du aber geſprochen du wolleſt dich mit mir Vermaͤhlen in Ewigkeit; ſo muß ich nur diſe uͤbervernuͤnfftliche Genade / welcher ich mich nimmermehr koͤnte wuͤrdig ſchaͤtzen / mit de - muͤttigem Hertzen und verſtarꝛtem Geiſte ver - wundern. Du O GOtt biſt der allein unver - gleichliche wunder thut; Sinthemal du auch alleine GOtt biſt. Dir ſey Lob / und Preiß / und Danck / und Herꝛlichkeit von Ewigkeit zu E - wigkeit.

Was ſonſten vil andre nicht jederman Ge - meine Reden und Spruͤche anbelangt / ſo hoffe ich ſie werden / dem guͤnſtigen Leſer / im fall er inden18Erjnnerungs Vorredden Lehrern der geheimen GOttes Weißheit bekandt iſt / nicht alleine nicht frembde; ſondern auch ſehr Lieb und Angenehm ſeyn: in dem er hier als in einem kurtzen Begriff wird finden / was er bey jhnen nach der laͤnge geleſen / oder ja ſelbſt durch genaͤdige beſuchung GOttes in der That geſchmaͤkket und empfunden hat. Jſt er aber noch Unerfahren / ſo wil ich jhn freundlich zu jhnen gewiſen haben: Jnſonderheit zum Rusbrochio, Thaulero, Harphio, Authore Theologiæ Teutonicæ &c: Und neben diſen ſonderlich zum Maximil. Sandæo Societatis Jesu, welcher ſich mit ſeiner Theologia Myſti - ca, und dem clave, uͤber die maſſen gegen die Liebhaber diſer Goͤttlichen kunſt verdienet hat. Denn eine gantze und lautere Außlegung uͤber alle und jede Worte zumachen / wuͤrde eine groſ - ſe weitlaͤufftigkeit erfordern / und nur dem Leſer verdrießlich ſeyn. Es iſt deß Buͤcherſchreibens ohne diß keine maß / daß anjetzo faſt mehr ge - ſchriben als geleſen wird. Diſe Reimen / gleich wie ſie dem Urheber meiſten theils ohne Vorbe - dacht und muͤhſames Nachſinnen in kurtzer Zeit von dem Urſprung alles guten einig und allein gegeben worden auffzuſetzen; alſo daß er auch daß erſte Buch in vier Tagen verfertiget hat; ſollen auch ſo bleiben / und dem Leſer eine auff - munterung ſein / den in ſich verborgenen GOtt / und deſſen heilige Weißheit ſelbſt zuſuchen /und19an den Leſer. und ſein Angeſichte mit eignen Augen zube - ſchawen. Jedoch wo der Verſtand zweiffelhaff - tig oder gar zu Tunckel zu ſein vermeinet wird / ſo ſol dabey eine kurtze Erinnerung geſchehen. Der Leſer denke aber weiter nach / und lebe in betrachtung der Goͤttlichen wunder mit unge - faͤlſchter Liebe / zu groſſen Ehren GOttes; deme beſohlen Gegeben in Schleſien den 7. Heumo - natstag deß ſechzehenhundert und Sechs und funfftzigſten Jahres.

Jo[20]

APROBATIO.

EGo infraſcriptus legi Domini Joannis Angeli Sileſij libellum qui inſcri - bitur Geiſtreiche Sinn und Schluß-Reime; quo amœ - nitatem luſumque Poëticum ita pieta - ti ſacrisque ſalibus miſcet, ut Lectorem inde & recreandum ſperem, & ad pios animi ſenfus commovendum. Ideoque dignum cenſui, qui luci publicæ com - mitteretur. Viennæ ex Cæſareo Aca - demico Collegio Societatis Jesu die z. Aprilis Anno 1657.

NICOLAVS AVANCINVS è Soc: JESV, S. S. Theol: Do - ctor ejuſdemq́ Facultatis Vien - nenſis Decanus. Imprimatur JOANNES GVILIELMVS IVNCHER, p. t. Vniver - ſitatis Rector,

21

Johannis Angeli Sileſii Erſtes Buch Geiſtreicher Sinn - und Schluß - Reimen.

1. Was fein iſt daß beſteht.

Rein wie daß feinſte Goldt / ſteiff wie ein Felſenſtein /
Gantz lauter wie Cryſtall / ſol dein Gemuͤthe ſeyn.

2. Die Ewige Ruheſtaͤdt.

Es mag ein andrer ſich umb ſein Begraͤbniß kraͤnken /
Und ſeinen Madenſak mit ſtoͤltzen Bau bedenken.
Jch Sorge nicht dafuͤr: Mein Grab / mein Felß und
Jn dem ich ewig Ruh / ſol’s Hertze JEſu ſeyn. (ſchrein

3. GOtt kan allein vergnuͤgen.

Weg weg jhr Seraphim jhr koͤnt mich nit erquikken?
Weg weg jhr Heiligen / und was an euch thut
blikken:
Jch will nun eurer nicht: ich werffe mich allein /
Jns ungeſchaffne Meer der bloſſen GOttheit ein.

4. Man muß gantz Goͤttlich ſeyn.

HErꝛ es genuͤgt mir nicht / daß ich dir Engliſch diene
Und in Vollkommenheit der Goͤtter fuͤr dir Gruͤne:
Es iſt mir vil zuſchlecht / und meinem Geiſt zu klein:
Wer Dir recht dienen wil muß mehr als Goͤttlich ſeyn.

5. Man weiß nicht was man iſt.

Jch weiß nicht was ich bin / Jch bin nit was ich weiß:
Ein ding und nit ein ding: Ein ſtuͤpffchin und ein kreiß:
6. Du22Johannis Angeli

6. Du muſt was GOtt iſt ſeyn.

Sol ich mein letztes End / und erſten Anfang finden /
So muß ich mich in GOtt / uñ GOtt in mir ergruͤnden.
Und werden daß was Er: Jch muß ein Schein im
Schein:
Jch muß ein Wort im Wort:
(a)
(a) ein GOtt in
GOtte ſeyn.
(a)Thaul. inſtit. ſpir. c. 39.
(a)

7. Man muß noch uͤber GOtt.

Wo iſt mein Auffenthalt? Wo ich uñ du nicht ſtehen:
Wo iſt mein letztes End in welches ich ſol gehen?
Da wo man keines findt. Wo ſol ich dann nun hin?
Jch muß noch (b) uͤber GOtt in eine wuͤſte ziehn.
b. i. e. uͤber alles daß man an GOtt
erkennt oder von jhm gedaͤnken kan / nach
der verneinen den beſchawung / von wel -
cher ſuche bey den Mijſticis.

8. GOtt lebt nicht ohne mich.

Jch weiß das ohne mich GOtt nicht ein Nu kan leben /
Werd ich zu nicht Er muß von Noth den Geiſt auff -
geben.

9. Jch habs von Gott / uñ Gott von mir.

Daß GOtt ſo ſeelig iſt und Lebet ohn Verlangen /
Hat Er ſo wol von mir / als ich von Jhm empfangen.
*Schawe in der Vorrede.
*

10. Jch bin wie Gott / und Gott wie ich.

Jch bin ſo groß als GOtt: Er iſt als ich ſo klein:
Er kan nicht uͤber mich / ich unter Jhm nicht ſeyn.

11. Gott iſt in mir / und ich in Jhm.

GOtt iſt in mir daß Feur / und ich in Jhm der ſchein:
Sind wir einander nicht gantz jnniglich gemein?
12. Man25[23]Erſtes Buch.

12. Man muß ſich uͤberſchwenken.

Menſch wo du deinen Geiſt ſchwingſt uͤber Ort uñ Zeit /
So kanſtu jeden blik ſeyn in der Ewigkeit.

13. Der Menſch iſt Ewigkeit.

Jch ſelbſt bin Ewigkeit / wann ich die Zeit verlaſſe /
Und mich in GOtt / und GOtt in mich zuſamen faſſe.

14. Ein Chriſt ſo Reich als Gott.

Jch bin ſo Reich als GOtt / es kan kein ſtaͤublein ſein /
Daß ich (Menſch glaube mir) mit Jhm nicht hab ge -
mein.

15. Die uͤber GOttheit.

Was man von GOtt geſagt / das gnuͤget mir noch
nicht:
Die uͤber GOttheit iſt mein Leben und mein Liecht.

16. Die Liebe zwinget GOtt.

(a)
(a)Wo GOtt mich uͤber GOtt nicht ſolte wollen
bringen.
So will ich Jhn dazu mit bloſſer Liebe zwingen.
a.Vid. no. 7.
a.

17. Ein Chriſt iſt GOttes Sohn.

Jch auch bin GOttes Sohn / ich ſitz an ſeiner Handt:
Sein Geiſt / ſein Fleiſch und Blut / iſt Jhm an mir be -
kandt.

18. Jch thue es GOtt gleich.

GOtt liebt mich uͤber ſich: Lieb ich Jhn uͤber mich:
So geb ich Jhm ſovil / als Er mir gibt auß ſich.

19. Das ſeelige Stilleſchweigen.

Wie ſeelig iſt der Menſch / der weder wil noch weiß!
*
*Der GOtt (verſteh mich recht) nicht gibet Loh
noch Preiß.
*Denotatur hic Oratio ſeilentij, de qua vide Maximil. Sandæ Theol. myſtic, lib. 2. com - ment. 3.
*
B20. Die26[24]Johannis Angeli

20. Die Seeligkeit ſteht bey dir.

Menſch deine Seeligkeit kanſtu dir ſelber nem̃en:
So du dich nur dazu wilt ſchiken und bequemen.

21. GOtt laͤſt ſich wie man wil.

GOtt gibet niemandt nichts / Er ſtehet allen frey:
Daß Er / wo du nur Jhn ſo wilt / gantz deine ſey.

22. Die Gelaſſenheit

So vil du Gott gelaͤſt / ſo vil mag Er dir werden /
Nicht minder und nicht mehr hilfft Er dir auß be -
ſchwerden.

23. Die Geiſtliche Maria.

Jch muß MARJA ſeyn / und GOtt auß mir ge -
baͤhren /
Sol Er mich Ewiglich der Seeligkeit gewchren.

24. Du muſt nichts ſeyn / nichts wollen.

Menſch / wo du noch was biſt / was weiſt / was liebſt
und haſt:
So biſtu / glaube mir / nicht ledig deiner Laſt.

25. GOtt ergreifft man nicht.

GOtt iſt ein lauter nichts / Jhn rührt kein Nun noch
Hier:*
Je mehr du nach Jhm greiffſt / je mehr entwird Er dir.
*i. e. Zert und Ort.
*

26. Der geheime Todt.

Todt iſt ein ſeelig Ding: Je kraͤfftiger er iſt:
Je herꝛlicher darauß / daß Leben wirdt erkiſt.

27. Das Sterben machet Leben.

Jn dem der weiſe Mann zu tauſendmalen ſtirbet /
Er durch die Warheit ſelbſt umb tauſend Leben wirbet.

28. Der allerſeeligſte Todt.

Kein Todt iſt ſeeliger / als in dem HErren ſterben
Und umb das Ewige Gutt mit Leib und Seel
ver derben.
Umb27[25]Erſtes Buch.
*i. e. Umb GOttes willen auch Leib und Seel ins aͤuſerſte verderben hingeben: Wie Moſes und Paulus ſich erbotten / und vil andere Heiligen.
*

29. Der Ewige Todt.

Der Tod / auß weichem nicht ein Neues Leben bluͤhet.
Der iſts den meine Seel auß allen Toͤden fliehet.

30. Es iſt kein Todt.

Jch glaube keinen Tod: Sterb ich gleich alle Stun -
So hab ich jedesmahl ein beſſer Leben funden. (den /)

31. Das jmmerwehrende Sterben.

Jch ſterb und lebe GOtt: wil ich jhm ewig Leben /
So muß ich ewig auch fuͤr Jhm den Geiſt auffgeben.
*
*
*myſtice i. e. reſignare.
*

32. GOtt ſtirbt und lebt in uns.

Jch ſterb und leb auch nicht:
(a)
(a) GOtt ſelber ſtirbt
in mir:
Und was ich leben ſol / (b) lebt Er auch fuͤr und für.
(a)Quia originaliter ab ipſo profluit vir - tus mortiſicationis. Item ſecundum Paul: 2. cor. 3. 10. mortificationem Jeſu. b. vivo, jam non ego, ſed Chriſtus in me.
(a)

33. Nichts lebet ohne Sterben.

GOtt ſelber / wenn Er dir wil leben / muß erſterben:
Wie daͤnckſtu ohne Tod ſein Leben zuererben.

34. Der Todt vergoͤttet dich.

Wann du geſtorben biſt / uñ GOtt dein Leben worden /
So trittſtu erſt recht ein der Hohen Goͤtter Orden.

35. Der Tod[t]iſts beſte Ding

Jch ſage / weil der Tod allein mich machet frey:
Daß er das beſte Ding auß allen Dingen ſey.
B 236. Kein28[26]Johannis Angeli

36. Kein Todt iſt ohn ein Leben.

Jch ſag es ſtirbet nichts: nur daß ein ander Leben /
Auch ſelbſt daß Peinliche / wird durch den Tod gegebẽ.

37. Die Unruh kombt von dir.

Nichts iſt daß dich bewegt / du ſeibet biſt daß Rad /
Das auß ſich ſelbſten laufft / und keine Ruhe hat.

38. Gleichſchaͤtzung machet Ruh.

Wann du die Dinge nimbſt ohn allen unterſcheid:
So bleibſtu ſtill und gleich / in Lieb vnd auch in Leyd.

39. Die Unvollkom̃ne gelaſſenheit.

Wer in der Hoͤlle nicht kan ohne Hoͤlle leben /
Der hat ſich noch nicht gantz dem Hoͤchſten uͤbergeben.

40. GOtt iſt daß was Er wil.

GOtt iſt ein Wunderding: Er iſt daß was Er wil /
Und wil daß was Er iſt ohn alle maß und Ziehl.

41. GOtt weiß jhm ſelbſt kein Ende.

GOtt iſt unendlich Hoch / (Menſch glaube daß be -
haͤnde) /
Er ſelbſt findt Ewiglich nicht ſeiner GOttheit Ende.

42. Wie gruͤndt ſich GOtt?

GOtt gruͤndt ſich ohne grund / und meßt ſich ohne maß!
Biſtu ein Geiſt mit jhm / Menſch ſo verſtehſtu daß.

43. Man liebt auch ohn erkennen.

Jch Lieb ein eintzig Ding / und weiß nicht was es iſt:
Und weil ich es nicht weiß / drumb hab ich es erkiſt.

44. Daß etwas muß man laſſen.

Menſch ſo[d]u Etwas liebſt / ſo liebſtu nichts fuͤrwahr:
GOtt iſt nicht diß uñ daß / drumb laß daß Etwas gar.

45. Daß Vermoͤgende Unvermoͤgen.

Wer nichts begehrt / nichts hat / nichts weiß / nichtſ
liebt / nichts wil.
Der hat / der weiß / begehrt / und liebt noch jmmer vil
46. Daß. 29[27]Erſtes Buch.

46. Daß ſeelige Unding.

Jch bin ein ſeeligs Ding / mag ich ein Unding ſeyn /
Daß allem was da iſt / nicht kundt wird / noch gemein.

47. Die Zeit iſt Ewigkeit.

Zeit iſt wie Ewigkeit / und Ewigkeit wie Zeit /
So du nur ſelber nicht machſt einen unterſcheid.

48. GOttes Tempel und Altar.

GOtt opffert ſich jhm ſelbſt: Jch bin in jedem n[u]
Sein Tempel / ſein Altar / ſein Bettſtul ſo ich ruh.

49. Die Ruh iſts hoͤchſte Gutt.

Ruh iſt das hoͤchſte Gutt: und waͤre GOtt nicht ruh /
Jch ſchlieſſe fuͤr Jhm ſelbſt mein Augen beede zu.

50. Der Thron GOttes.

Fragſtu mein Chriſt wo Gott geſetzt hat ſeinen Thron?
Da / wo Er dich in dir gebuͤhret ſeinen Sohn.

51. Die gleichheit GOttes.

Wer unbeweglich bleibt in Frewd / in Leid / in Pein:
Der kan nunmehr nit weit von Gottes Gleichheit ſeyn.

52. Daß geiſtliche Senffkorn.

Ein Senffkorn iſt mein Geiſt / durch ſcheint jhn ſeine
Sonne /
So waͤchſt er GOtte gleich mit freuͤdenreicher Woñe.

53. Die Tugend ſitzt in Ruh.

Menſch wo du Tugend wirkſt mit Arbeit uñ init Muͤh /
So haſtu ſie noch nicht / du kriegeſt noch umb ſie.

54. Die weſentliche Tugend.

Jch ſelbſt muß Tugend ſeyn / und keinen Zufall wiſſen:
Wo Tugenden auß mir in Warheit ſollen flieſſen.

55. Der Brunquell iſt in uns.

Du darffſt zu GOtt nicht ſchreyn / der Brunnquell
iſt in dir:
Stopffſtu den Außgang nicht / er fluͤſſet für vnd fuͤr.
B 356. Daß30[28]Johannis Angeli

56. Daß mißtrawn ſchmaͤhet GOtt.

So du auß Mißvertrawn zu deinem GOtte fleheſt /
Und jhn nicht ſorgen laͤſt: ſchau daß du Jhn nicht
ſchmaͤheſt.

57. Jn Schwachheit wird Gott ſunden.

Wer an den Fuͤſſen lahm / und am Geſicht iſt blind /
Der thue ſich dann umb / ob er Gott jrgends ſind.

58. Der Eigen geſuch.

Meuſch ſuchſtu GOtt umb Ruh / ſo iſt dir noch nicht
recht /
Du ſucheſt dich / nicht Jhn? biſt noch nicht Kind /
nur Knecht.

59. Wie GOtt wil ſol man wollen.

Waͤr[e]ich ein Seraphin / ſo wol[t][e]ich lieber ſeyn
Dem Hoͤchſten zugefalln / daß ſchnoͤdſte Wuͤrmelein.

60. Leib / Seele / und Gottheit.

Die Seel iſt ein Kriſtall / die GOttheit iſt jhr ſchein:
Der Leib / in dem du Lebſt / iſt jhrer beider ſchreyn.

61. Jn dir muß GOtt gebohren werden.

Wird Chriſtus tauſendmahl zu Bethlehem ge -
bohren /
Und nicht in dir / du bleibſt noch Ewiglich verlohren.

62. Daß auſſre hilfft dich nicht.

Daß Kreutz zu Golgatha kan dich nicht von dem
boͤſen /
Wo es nicht auch in dir wird auffgericht / erloͤſen.

63. Steh ſelbſt von Todten auff.

Jch ſag / es hilfft dich nicht / daß Chriſtus aufferſtandẽ /
Wo du noch ligen bleibſt in Suͤnd / und todesbanden /

64. Die geiſtliche Saͤeung.

Gott iſt ein Ackersmann / daß Korn ſein ewges Wort /
Die Pflugſchar iſt ſein Geiſt / mein Hertz der ſaͤungs -
ort.
65. Ar -31[29]Erſtes Buch.

65. Armut iſt Goͤttlich.

Gott iſt daß aͤrmſte ding / Er ſteht gantz bloß uñ frey:
Drumb ſag ich recht und wol / daß armut Goͤttlich ſey.

66. Mein Hertz iſt GOttes Herd.

Wo GOtt ein Fewer iſt / ſo iſt mein Hertz der Herd /
Auf welchem Er daß Holtz der Eittelkeit verzehrt.

67. Daß Kind ſchreyt nach der Mutter.

Wie ein entmilchtes Kind nach ſeiner Mutter weint:
So ſchreyt die Seel nach GOtt / die Jhn alleine
meint.

68. Ein Abgrund rufft dem andern.

Der Abgrund meines Geiſts / rufft jm̃er mit Geſchrey /
Den Abgrund GOttes an? Sag welcher tieffer ſey.

69. Milch mit Wein ſtaͤrket fein.

Die Menſchheit iſt die Milch / die GOttheit iſt der
Wein.
Trink Milch mit Wein veꝛmiſcht / wiltu geſtaͤrket ſein.

70. Die Liebe:

Die Lieb iſt vnſer GOtt / es lebet als durch Liebe:
Wie ſeelig waͤr ein Menſch der ſtaͤts in jhr verbliebe!

71. Man muß daß Weſen ſein.

Lieb uͤben hat vil Muͤh: wir ſollen nicht allein
Nur Lieben: ſondern ſelbſt / wie GOtt die Liebe ſeyn.

72. Wie ſicht man GOtt?

Gott wohnt in einem Liecht / zu dem die bahn gebricht:
Wer es nicht ſelber wird / der ſiht jhn Ewig nicht.

73. Der Menſch war GOttes Leben.

Eh ich noch etwas ward / da war ich GOttes Leben:
*
*
Drum̃ hat er auch fuͤr mich ſich gantz und gar gegeben.
*Joh. 1. Quod factum eſt in ipſo, vita erat.
*
B 474. Man32[30]Johannis Angeli

74. Man ſol zum Anfang kommen.

Der Geiſt den GOtt mir hat im Schoͤpffen einge -
haucht /
Sol wider
*
* Weſentlich in Jhm ſtehn eingetaucht.
*Warhafftig / gaͤntzlich / inniglich / alſo Weſentliche einkehrung beyin Blo - ſio inſtit c. 3. num. 8.
*

75. Dein Abgott / dein begehren.

Begehrſtu was mit GOtt / ich ſage klar vnd frey /
(Wie Heylig du auch biſt) daß es dein Abgott ſey.

76. Nichts wolln macht Gotte gleich.

GOtt iſt die Ewge Ruh / weil Er nichts ſucht noch wil:
Wiltu ingleichem nichts / ſo biſtu eben vil.

77. Die dinge ſind geringe.

Wie klein iſt doch der Menſch / der etwas groß thut
ſchaͤtzen /
Und ſich nicht uͤber ſich in GOttes Thron einſetzen!

78 Daß Geſchoͤpff iſt nur ein ſtuͤpffchen.

Schau alles was Gott ſchuf / iſt meinem Geiſt ſo klein /
Daß es jhm ſcheint in jhm ein eintzig Stuͤpfchen ſein.

79. Gott traͤgt vollkom̃ne Fruͤchte.

Wer mir Vollkom̃enheit wie Gott hat ab-wil-ſprechẽ /
Der muͤſte mich zuvor von ſeinem Weinſtok brechen.

80. Ein jedes in dem ſeinigen

Der Vogel in der Lufft / der Stein ruht auff dem Land /
Im Waſſer lebt der Fiſch / mein Geiſt in Gottes Hand.

81. GOtt bluͤht auß ſeinen Zweigen.

Biſtu auß GOtt gebohrn / ſo bluͤhet GOtt in dir:
Und ſeine GOttheit iſt dein Safft und deine Zier.

82. Der Himmel iſt in dir.

Halt an wo lauffſtu hin / der Himmel iſt in dir:
Suchſtu Gott anders wo / du fehlſt Jhn fuͤr und fuͤr.
83. Wie33[31]Erſtes Buch.

83. Wie kan man GOttes genieſſen?

GOtt iſt ein Einges Ein / wer ſeiner wil genieſſen /
Muß ſich nicht weniger als Er / in Jhn einſchlieſſen.

84. Wie wird man GOtte gleich?

Wer GOtt wil gleiche ſeyn / muß allem ungleich
werden /
Muß ledig ſeiner ſelbſt / und loß ſeyn von beſchwerden.

85. Wie hoͤrt man GOttes Wort?

So du daß Ewge Wort in dir wilt hoͤren
ſprechen:
So muſtu dich zuvor von Unruh gantz entbrechen.

86. Jch bin ſo breit als GOtt.

Jch bin ſo breit alß GOtt / nichts iſt in aller Welt /
Daß mich (O Wunder ding!) in ſich umbſchloſſen
helt.

87. Im Ekſtein ligt der Schatz.

Was marterſtu daß aͤrtzt: der Ekſtein iſts allein /
Jn dem Geſundheit / Gold / und / alle Kuͤnſte ſein.

88. Es liget als im Menſchen.

Wie mag dich doch O Menſch nach etwas thun Ver -
langen /
Weil du in dir haͤltſt GOtt / und alle Ding umb -
fangen?

89. Die Seel iſt GOtte gleich.

Weil meine Seel in GOtt ſteht auſſer Zeit und Ort /
So muß ſie gleiche ſeyn dem Ort und Ewgen Wort.

90. Die Gottheit iſt daß gruͤne.

Die GOttheit iſt mein Safft: was auß mir gruͤnt
und bluͤht /
Daß iſt ſein Heilger Geiſt / durch den der trib ge -
ſchicht.
B 591. Man34[32]Johannis Angeli

91. Man ſol fuͤr alles danken.

Menſch ſo du Gott noch pflegſt umb diß und daß zu -
danken /
Biſtu noch nicht verſetzt auß deiner Schwachheit -
ſchranken.

92. Wer gantz Vergoͤttet iſt.

Wer iſt als waͤr er nicht / und waͤr er nie geworden:
Der iſt (O ſeeligkeit!) zu lauter Gotte worden.

93. Jn ſich hoͤrt man daß Wort.

Wer in ſich ſelber ſitzt / der hoͤret GOttes Wort /
Vernein es wie du wilt / auch ohne Zeit und Ort.

94. Die Demut.

Die Demut iſt der Grund / der Dekkel / und der ſchrein /
Jn dem die Tugenden ſtehn und beſchloſſen ſeyn.

95. Die Lauterkeit.

Wann ich die Lauterkeit durch GOtt geworden bin /
So wend ich mich umb GOtt zufinden nirgends hin.

96. Gott mag nichts ohne mich.

GOtt mag nicht ohne mich ein eintzigs Wuͤrmlein
machen:
Eꝛhalt ichs nicht mit Jhm / ſo muß es ſtraks zukrachen.

97. Mit GOtt vereinigt ſeyn / iſt gut fuͤr Ewge Pein.

Wer GOtt vereinigt iſt / den kan Er nicht veꝛdam̃en /
Erſtuͤrtze ſich dann ſelbſt mit jhm in Tod und Flam̃en.

98. Der todte Wille herꝛſcht.

Dafern mein Will iſt todt / ſo muß Gott waß ich wil:
Jch ſchreib Jhm ſelber vor daß Muſter und daß Zil.

99. Der Gelaſſenheit gilts gleiche.

Jch laſſe mich Gott gantz / wil Er mir Leyden machen /
So wil ich Jhm ſo wol / als ob den Frenden lachen.
100. Eins35[33]Erſtes Buch.

100. Eins haͤlt daß ander.

GOtt iſt ſo vil an mir / als mir an Jhm gelegen /
Sein weſen helff ich Jhm / wie Er daß meine hegen.

101. Chriſtus.

Hoͤrt wunder! Chriſtus iſt daß Lamb und auch der
Hirt /
Wenn GOtt in meiner Seel ein Menſch gebohren
wirdt.

102. Die geiſtliche Goldmachung.

Dann wird daß Bley zu Gold / dañ faͤllt der Zufall hin /
Wann ich mit GOtt durch GOtt in GOtt verwan -
delt bin.

103. Auch von derſelben.

Jch ſelbſt bin daß Metall / der Geiſt iſt Feur und Herd /
Meſſias die Tinctur, die Leib und Seel verklaͤrt.

104. Noch von jhr.

So bald durch Gottes Feur ich mag geſchmeltzet ſein /
So drukt mir GOtt alßbald ſein eigen Weſen ein.

105. Daß Bildnuß Gottes.

Jch trage GOttesbilde: wenn Er ſich wil beſehen /
So kan es nur in mir / und waͤr mirgleicht / geſchehen.

106. Daß ein iſt in dem Andern.

Jch bin nicht auſſer GOtt / und GOtt nicht auſſer mir /
Jch bin ſein Glantz und Liecht / und Er iſt meine Zihr.

107. Es iſt noch alls in GOtt.

Jſts / daß die Creatur auß GOtt iſt außgefloſſen:
Wie haͤlt Er ſie dannoch in ſeiner Schoß beſchloſſen?

108. Die Roſe.

Die Roſe / welche hier dein aͤußres Auge ſiht /
Die hat von Ewigkeit in GOtt alſo gebluͤht.
*
*
*idealiter.
*
B 6109. Die36[34]Johannis Angeli

109. Die Geſchoͤpffe.

Weil die Geſchoͤpffe gar in Gottes Wort beſtehn:
Wie koͤnnen ſie dann je zerwerden und vergehn?

110 Daß Geſuche deß Geſchoͤpffes.

Vom Erſten Anbegin / und noch biß heute zu /
Sucht daß Geſchoͤpffe nichts als ſeines Schoͤpffers
Ruh.

111. Die GOttheit iſt ein nichts.

Die zarte GOttheit iſt ein nichts und uͤbernichts:
Wer nichts in allem ſicht / Menſch glaube / diſer ſichts.

112. Jn der Sonnen iſts gut ſein.

Wer in der Sonnen iſt / dem mangelt nicht daß Licht /
Daß dem / der auſſer jhr verjrret geht / gebricht.

113. Jehova iſt die Sonne.

Nimb hin der Sonnen Liecht: Jehova iſt die Soſie /
Die meine Seel erleucht / und macht ſie voller Woñe.

114. Die Sonn iſt ſchon genug.

Wem ſeine Sonne ſcheint / derſelbe darf nicht
guͤken /
Ob jrgend wo der Mon / und andre Sterne bliken.

115. Du ſelbſt muſt Sonne ſein.

Jch ſelbſt muß Sonne ſeyn / ich muß mit meinen
Strahlen /
Daß farbenloſe Meer der gantzen GOttheit mahlen.

116. Der Thau.

Der Thau erquikt daß Feld: Sol er mein Hertze
laben /
So muß er ſeinen fall / vom Hertzen JEſu haben.

117. Nichts ſuͤſſes in der Welt.

Wer etwas in der Welt mag ſuͤß und Lieblich
nennen:
Der muß die Suͤſſigkeit / die Gott iſt / noch nicht keñen.
118. Der37[35]Erſtes Buch.

118. Der Geiſt bleibt allzeit frey.

Schleuß mich ſo ſtreng du wilt in tauſendt Eyſen ein /
Jch werde doch gantz ſrey / und ungefaͤſſelt ſeyn.

119. Zum Urſprung muſtu gehn.

Menſch in dem Urſprung iſt daß Waſſer rein uñ klar /
Trinkſtu nicht auß dem Qual / ſo ſtehſtu in Gefahr.

120. Die Perle wird vom Thau.

Die Schneke lekt den Thau / und ich HErꝛ Chriſt
dein Blut:
Jn beeden wird gebohrn ein koſtbahrliches Guk.

121. Durch die Menſchheit zu der GOttheit.

Wiltn den Perlethau der edlen Gottheit fangen /
So muſtu unverrukt an ſeiner Menſchheit hangen.

122. Die Sinnlichkeit bringt Leyd.

Ein Auge daß ſich nie der Luſt deß ſehns entbricht:
Wird endlich gar Verblendt / uñ ſiht ſich ſelbſten nicht.

123. GOtt klagt umb ſeine Braut.

Die Turtel Taube klagt / daß ſie den Mann veriohren /
Und GOtt / daß du den Tod / fuͤr Jhn dir haſt er -
kohren.

124. Du muſts hinwider ſeyn.

Gott iſt dir worden Menſch / wirſtu nicht wieder Gott /
So ſchmaͤhſtu die Geburt / und hoͤnneſt ſeinen Tod.

125. Die Gleichheit hat nicht Pein.

Wem alles Gleiche gilt / den ruͤhret keine Pein /
Und ſolt er auch im Pful der tieffſten Hoͤllen ſein.

126. Begehrn erwart gewehrn.

Menſch wann du noch nach Gott / begihr haſt und
verlangen /
So biſtu noch vom Jhm nicht gantz ufi gar um̃fangẽ.
B 7127. Es38[36]Johannis Angeli

127. Es gilt GOtt alles gleich.

GOtt hat nicht Unterſcheid / es iſt Jhm alles ein:
Er machet ſich ſo vil der Flieg als dir gemein.

128. Als ligt an der Empfaͤnglichkeit.

Vermoͤcht ich Gotts ſo vil / als Chriſtus zuem -
pfangen /
Er lieſſe mich darzu im Augenblick gelangen.

129 Daß boͤß entſteht auß dir.

Gott iſt ja nichts als gut: Veꝛdamnuͤß / Tod / uñ pein /
Und was man boͤſe neñt / muß Menſch in dir nur ſein.

130. Die bloßheit ruht in GOtt.

Wie ſeelig ruht der Geiſt in deß Geliebten ſchoß!
Der Gotts / uñ aller ding / und ſeiner ſelbſt ſteht bloß.

131. Daß Paradeiß in Pein.

Menſch biſtn GOtt getreu / und meineſt Jhn allein:
So wird die groͤſte Noth ein Paradeiß dir ſein.

132. Bewehret muß man ſeyn.

Menſch in daß Paradeiß komt man nicht unbewehrt /
Wiltu hinein / du muſt durch Feuer uñ durch ſchwerdt.

133. GOtt iſt ein Ewges Nun.

Jſt GOtt ein Ewges Nun / was faͤllet dann darein /
Daß Er nicht ſchon in mir kan alls in allem ſein?

134. Unvollkomne geſtorbenheit.

Wo dich noch diß und daß bekuͤmmert und bewegt /
So biſtu noch nicht gantz mit GOtt ins Grab gelegt.

135. Bey GOtt iſt nur ſein Sohn.

Menſch werd, auß GOtt gebohrn: bey ſeiner GOtt -
heit Thron /
Steht niemand anders / als der eingebohrne Sohn.

136. Wie ruhet GOtt in mir?

Du muſt gantz lauter ſeyn / und ſtehn in einem Nun /
Sol GOtt in dir ſich ſchaun / und ſaͤnfftiglichen ruhn.
137. GOtt39[37]Erſtes Buch.

137. GOtt verdam̃et niemand.

Was klagſtu uͤber GOtt? Du ſelbſt verdam̃eſt dich:
Er moͤcht es ja nicht thun / daß glaube ſicherlich.

138. Je mehr du auß / je mehr Gott ein.

Je mehr du dich auß dir kanſt außthun uñ entgieſſen:
Je mehr muß Gott in dich mit ſeiner GOttheit flieſſen.

139. Es traͤgt und wird getragen:

Daß Wort / daß dich und mich / und alle dinge traͤgt /
Wird widerumb von mir getragen und gehaͤgt.

140. Der Menſch iſt alle Dinge.

Der Menſch iſt alle ding: Jſts daß jhm eins gebricht /
So kennet er fuͤrwar ſein Reichthumb ſelber nicht.

141. Es ſind vil tauſendt Sonnen.

Du ſprichſt im Firmament ſey eine Sonn allein
Jch aber ſage / daß vil tauſendt Sonnen ſeyn.

142. Je mehr man ſich ergiebt / je mehr wird man geliebt.

Warumb wird Seraphin von GOtte mehr geliebt
Als eine Muͤk? Es iſt / daß er ſich mehr ergiebt.

143. Die Selbheit die verdambt.

Dafern der Teufel koͤnt auß ſeiner ſeinheit gehn /
So ſeheſtu jhn ſtraks in GOttes Throne ſtehn.

144. Der Schoͤpffer kans alleine.

Was bildeſtu dir ein zu zehin der Sternenſchaar?
Der Schoͤpffer iſts allein / der ſie kan zehlen gar.

145. Jn dir iſt was du wilt.

Der Himmel iſt in dir / und auch der Hoͤllen Qual:
Was du erkieſt und wilſt / daß haſtu uͤberall.

146. Gott liebt nichts auſſer Chriſto.

So lieb GOtt eine Seel in Chriſti glantz uñ Licht:
So unlieb iſt ſie Jhm / im fall er jhr gebricht.
147. Die40[38]Johannis Angeli

147. Die Jungfern Erde.

Daß feineſt auff der Welt iſt reine Jungfern Erde:
Man ſaget daß auß jhr daß Kind der weiſen werde.

148 Daß gleichnuß der Dreyeinigkeit.

Der Sinn / der Geiſt / daß Wort / die lehren klar
und frey:
(So du es faſſen kanſt) wie GOtt Drey Einig ſey.

149. Es laͤſt ſich nicht bezirken.

So wenig als dir iſt die Weite GOttes kundt:
So wenig iſt die Welt / wie du ſprichſt Zirkelrund.

150. Eins in dem Andern.

Jſt meine Seel im Leib: uñ gleich durch alle Glieder:
So ſag ich recht und wol / der Leib iſt in jhr wieder.
(verſtehe idealiter.)

151. Der iſt von Ewigkeit.

Da GOtt daß erſtemahl hat ſeinen Sohn gebohrn /
Da hat er mich und dich zum Kindbett außerkohrn.

152. Du ſelbſt muſt GOttes Laͤm - lein ſeyn.

Daß GOtt ein Laͤmmlein iſt / daß hilfft dich nicht
mein Chriſt:
Wo du nicht ſelber auch ein Laͤmmlein GOttes biſt.

153. Du muſt zum Kinde werden.

Menſch wirſtu nicht ein Kind / ſo gehſtu nimmer ein /
Wo GOttes Kinder ſeynd: die Thuͤr iſt gar zu klein.

154. Die geheime Jungfrauſchafft.

Wer lauter wie das Licht / Rein wie der Urſprung iſt /
Derſelbe wird von GOtt fuͤr Jungfrau anßerkꝛſt.

155. Hier muß der Anfang ſein.

Menſch wiltu ewiglich beym Laͤmlein Gottes ſtehn /
So muſtu ſchon allhier in ſeinen tritten gehn.
156. GOtt41[39]Erſtes Buch.

156. GOtt ſelbſt iſt unßre Weide.

Schaut doch daß Wunder an! GOtt macht ſich ſo
gemein /
Daß Er auch ſelber wil der Laͤmmer Weide ſein.

157. Die Wunderliche verwandnuß GOttes.

Sag an O groſſer GOtt / wie bin ich dir verwandt?
Daß du mich Mutter / Braut / Gemahl / und Kind
genandt.

158. Wer trinkt den Lebensbrunn?

Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens daͤnkt zuſitzen:
Der muß zuvor allhier den eignen Durſt außſchwitzen.

159. Die ledigkeit iſt wie GOtt.

Menſch wo du ledig biſt / daß Waſſer quillt auß dir /
Sowol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfuͤr.

160. GOtt duͤrſtet / traͤnk Jhn doch.

Gott ſelber klaget durſt: Ach daß du Jhn ſo Kraͤnkeſt!
Uñ nicht wie jenes Weib die Samaritin Traͤnkeſt.

161 Daß Ewge Liecht.

Jch bin ein Ewig Liecht / Jch brenn ohn unterlaß:
Mein todt uñ oͤl iſt Gott / Mein Geiſt der iſt das Faß.

162. Du muſt die Kindſchafft haben.

So du den hoͤchſten Gott wilt deinen Vatter nennen /
So muſtu dich zuvor ſein Kind zu ſeyn / bekennen.

163. Die Menſchheit ſol man lieben.

Daß du nicht Menſchen liebſt / daß thuſtu recht uñ wol /
Die Menſchheit iſts die man im Menſchen lieben ſol.

164. Gott ſchaut man mit gelaſſenheit.

Der Engel ſchauet GOtt mit heitern Augen an:
Jch aber noch vil mehr / ſo ich GOtt laſſen kan.
165. Die42[40]Johannis Angeli

165. Die Weißheit.

Die Weißheit findt ſich gern wo jhre Kinder find.
Warum̃? (O wun der ding!) ſie ſelber iſt ein Kind.

166. Der Spiegel der Weißheit.

Die Weißheit ſchauet ſich in jhrem Spiegel an.
Wer iſts? ſie ſelber / und wer Weißheit werden kan.

167. So vil du in GOtt / ſo vil Er in dir.

So vil die Seel in GOtt / ſo vil ruht GOtt in jhr:
Nichts minder oder mehr / Menſch glaub es / wird er
dir.

168. Chriſtus iſt alles.

O Wunder! Chriſtus iſt die Wahrheit uñ daß Woꝛt /
Licht / Leben / Speiß / und Tranck / Pfad / Pilgram /
Thuͤr und Ort.

169. Nichts verlangen iſt Seeligkeit.

Die Heilgen ſind darumb mit Gottes ruh umbfangen /
Und haben Seeligkeit / weil ſie nach nichts verlangen.

170. GOtt iſt nicht hoch noch tieff.

GOtt iſt nicht hoch / nicht tieff: wer endlich anderſt
ſpricht /
Der hat der Wahrheit noch gar ſchlechten Unterricht.

171. Gott findet man mit nicht-ſuchen.

Gott iſt nicht hier noch da: wer jhn begehrt zufinden
Der laß jhm Haͤnd und Fuͤß / und Leib und Seele
binden.

172. GOtt ſihet ehe du gedaͤnkſt.

Wo Gott von Ewigkeit nicht ſihet die Gedanken /
So biſtu eh als Er: Er ſtuͤpffchen / und du ſchranken.

173. Der Menſch lebt nicht vom Brodt allein.

Daß Brod ernaͤhrt dich nicht: was dich im Brodte ſpeiſt /Jſt43[41]Erſtes Buch. Jſt GOttes Ewigs Wort / iſt Leben / und iſt Geiſt.

174. Die gaben ſind nicht GOtt.

Wer GOtt umb gaben Bitt / der iſt gar übel dran:
Er bettet daß Geſchoͤpff / und nicht den Schoͤpffer an.

175. Sohn ſein iſt ſchon genug.

Sohn iſt daß liebſte Wort / daß GOtt zu mir mag
ſprechen /
Spricht Ers: ſo mag mir Welt / und GOtt auch
ſelbſt gebrechen.

176. Eins wie daß Ander.

Die Hoͤll wird Him̃elreich / noch hier auf diſer Erden /
(Und diß ſcheint wunderlich) wann Himmel Hoͤll
kan werden.

177. Jm Grund iſt alles eins.

Man redt von Zeit und Ort / von Nun und Ewigkeit:
Was iſt dann Zeit und Ort / uñ Nun und Ewigkeit?

178. Die Schuld iſt deine.

Daß dir im Sonneſehn vergehet daß Geſicht /
Sind deine Augen ſchuld / und nicht daß groſſe Licht.

179. Der Brunnquell GOttes.

Dieweil der Gottheit Stroͤm? auß mir ſich ſolln er -
gieſſen: (ſen.
Muß ich ein Brunquell ſeyn: ſonft wuͤrden ſie verflieſ -

180. Ein Chriſt iſt Kirch und alles.

Was bin ich endlich doch? Jch ſol die Kirch[]? und
Stein /
Jch ſol der Priſter Gotts / und auch daß Opffer ſein.

181. Man muß Gewalt anthun.

Wer ſich nicht draͤngt zu ſein deß hoͤchſten liebes Kind /
Der bleibet in dem Stall wo Vieh und Knechte ſind.
182. Der44[42]Johannis Angeli

182. Der Loͤhner iſt nicht Sohn.

Menſch dienſtu Gott um̃ gutt / um̃ ſeeligkeit / um̃ Lohn:
So dienſtu jhm noch nicht auß liebe wie ein Sohn.

183. Die geheimbe Vermaͤhlung.

Was Frewde muß doch ſeyn! wenn GOtt Jhm ſeine
Brant /
Jn ſeinem Ewgen Wort durch ſeinen Geiſt vertraut.

184. GOtt iſt mir waß ich wil.

GOtt iſt mein Stab / mein Licht / mein Pfad / mein
Zil / mein Spil /
Mein Vatter / Bruder / Kind / und alles was ich wil.

185. Der Orth iſt ſelbſt in dir.

Nicht du biſt in dem Orth / der Orth der iſt in dir!
Wirfſtu jhn auß / ſo ſteht die Ewigkeit ſchon hier.

186. Der ewigen Weißheit Hauß.

Die Ewge Weißheit baut: Jch werde der Pallaſt:
Wann ſie in mir / und ich in jhr gefunden raſt.

187. Die weite der Seele.

Die Welt iſt mir zu aͤng / der Himmel iſt zu klein:
Wo wird doch noch ein Raum fuͤr meine Seele ſein?

188. Die Zeit und Ewigkeit.

Du ſprichſt: Verſetze dich auß Zeit in Ewigkeit:
Jſt dann an Ewigkeit und Zeit ein unterſcheid?

189. Der Menſch der macht die Zeit.

Du ſelber machſt die Zeit: daß Uhrwerk ſind die ſiñen:
Hemſtu die Unruh nur / ſo iſt die Zeit von hinnen.

190. Die Gleichheit.

Jch weiß nicht was ich ſol! Es iſt mir alles Ein:
Orth / Unorth / Ewigkeit / Zeit / Nacht / Tag Freud -
und Pein.

191 Wer Gott ſol ſchaun / muß alles ſein.

Wer ſelbſt nicht alles iſt / der iſt noch zugeringe /Daß45[43]Erſtes Buch. Daß er dich ſehen ſol Mein GOtt und alle Dinge.

192. Wer recht Vergoͤttet iſt.

Menſch allererſt wenn du biſt alle Dinge worden /
So ſtehſtu in Dem Wort / uñ in der Goͤtter Orden.

193. Die Creatur iſt recht in GOtt.

Die Creatur iſt mehr in GOtte dann in Jhr:
Zerwird ſie / bleibk ſie doch in Jhine fuͤr und fuͤr.

194. Was biſtu gegen GOtt?

Menſch duͤnke dich nur nicht fuͤr Gott mit werken vil /
Denn Aller Heitgen thun iſt gegen GOtt ein Spil.

195. Daß Liecht beſteht im Feuer.

Daß Licht gibt allem krafft: Gott ſelber lebt im Lichte:
Doch / waͤr Er nicht daß Feur / ſo wuͤrd es bald zu
nichte.

196. Die geiſtliche Arch und s Maña - Kruͤeglein.

Menſch iſt dein Hertze Gold / und deine Seele rein /
So kanſt auch du die Arch / uñ s Mañakrüglein ſein /

197. GOtt macht Vollkom̃en ſeyn.

Daß GOtt Allmaͤchtig ſey / daß glaubet jener nicht /
Der mir Vollkom̃enheit / wie GOtt begehrt / abſpricht.

198. Daß Wort iſt wie daß Feuer.

Das Feur ruͤgt alle Ding uñ wird doch nicht bewegt:
So iſt daß Ewge Wort daß alles hebt und regt.

199. GOtt auſſer Creatur.

Geh hin / wo du nicht kanſt: ſih / wo du ſiheſt nicht:
Hoͤr wo nichts ſchallt und klingt / ſo biſtu wo GOtt
ſpricht.
200. GOtt46[44]Johannis Angeli

200. GOtt iſt nichts (Creatuͤrlichs.)

GOtt iſt warhafftig nichts: und ſo er etwas iſt:
So iſt Ers nur in mir / wie er mich Jhm erkiſt.

201. Warumb wird GOtt gebohrn?

O Unbegreifflichkeit! GOtt hat ſich ſelbſt verlohrn /
Drumb wil er widerumb in mir ſeyn Neugebohrn.

202. Die hohe Wuͤrdigung.

O hohe Wuͤrdigung! Gott ſpringt von ſeinem Thron /
Und ſetzet mich darauf in ſeinem lieben Sohn.

203 Jmmer daſſelbige.

Jch ward daß was ich war / und bin was ich geweſen /
Und werd es ewig ſeyn / wenn Leib und Seel geneſen.

204 Der Menſch iſts hoͤchſie Ding.

Nichts duͤnkt mich hoch zuͤ ſeyn: Jch bin daß hoͤchſte
Ding /
Weil auch GOtt ohne mich Jhm ſelber iſt gering.

205. Der Ort iſt daß Wort.

Der ort unds Wort iſt Eins / uñ waͤre nicht der ort /
(Bey Ewger Ewigkeit!) es waͤre nicht daß Wort.

206. Wie heiſt der Neue Menſch?

Wiltu den Neuen Menſch und ſeinen Namen kennen /
So frage GOtt zuvor wie er pflegt ſich zunennen.

207. Die ſchoͤnſte Gaſterey.

O ſuͤſſe Gaſterey! GOtt ſelber wird der Wein /
Die Speiſe / Tiſch / Muſik / und der bediener ſein.

208. Die ſeelige Voͤllerey.

Zu vil iſt niemals gutt! ich haſſe Voͤllerey:
Doch wuͤntſch ich daß ich Gotts ſo Voll als Jeſus ſey!

209. Wie der Mund ſo der Trank.

Die Hure Babylon trinkt Blutt / und trinkt den Todt:
O groſſer unterſcheid! Jch trinke Blutt und GOtt.
210. Je47[45]Erſtes Buch.

210. Je auffgegebner / je Goͤttlicher.

Die Heilgen ſind ſo vil von Gottes Gottheit trunken /
So vil ſie ſind in jhm verlohren und verſunken.

211. Daß Himmelreich iſt der Gewalt - ſamen.

Nicht GOtt gibts Him̃elreich: du ſelbſt muſts zu
dir ziehn /
Und dich mit gantzer macht uñ Eyfer drumb bemuͤhn.

212 Jch wie GOtt / GOtt wie ich.

GOtt iſt daß was Er iſt: Jch bin daß was ich bin:
Doch kennſtu einen wol / ſo kennſtu mich und Jhn.

213. Die Suͤnde.

Der durſt iſt nicht ein Ding / und doch kan er dich
plagen:
Wie ſol dann nicht die Suͤnd den boͤſen Ewig Nagen!

214. Die Sanfftmuth.

Die Sanfftmut iſt ein ſammt auf dem GOtt ruht
und liegt:
Er dankt dir / biſtu ſie / daß er ſein Polſter kriegt.

215. Die Gerechtigkeit.

Was iſt Gerechtigkeit? daß / welches allen gleich /
Sich gibt / entbentht / gelaͤſt / hier und im Him̃elreich.

216. Die Vergoͤttung.

Gott iſt mein Geiſt / mein Blutt / mein Fleiſch / und
mein Gebein:
Wie ſol ich dann mit jhm nicht gantz durchgoͤttet ſein.

217 Wuͤrken uñ Ruhn iſt recht Goͤttlich.

Fragſtu was Gott mehr liebt / jhm wuͤrken oder ruhn?
Jch ſage daß der Menſch / wie Gott / ſol beides thun.

218. Das Goͤttliche Sehen.

Wer in dem Naͤchſten nichts als Gott uñ Chriſtum ſihẽ
Der ſihet mit dem Licht daß auß der Gottheit bluͤht.
219 Die48[46]Johannis Angeli

219. Die Einfalt.

Die Einfalt iſt ſo wehrt / daß wann ſie GOtt gebricht /
So iſt er weder GOtt / noch Weißheit noch ein Licht.

220. Ich auch zur rechten GOttes.

Weil mein Erloͤſer hat die Menſchheit aufgenom̃en /
So bin auch Jch in Jhm zur rechten GOttes kom̃en.

221. Der Glaube.

Der Glaube Senffkorns groß verſetzt den Berg ins
Meer:
Daͤnkt was Er koͤnte thun / wann er ein Kuͤrbis waͤr.

222. Die Hoffnung.

Die Hoffnung iſt ein Seil: koͤnt ein Verdambter
hoffen:
GOtt zug jhn auß dem Pful in dem er iſt erſoffen.

223. Die Zuverſicht.

Die Zuverſicht iſt gut / und daß Vertrauen fein:
Doch / biſtu nicht gerecht / ſo bringt es dich in Pein.

224. Was GOtt mir / bin ich Jhm.

GOtt iſt mir GOtt und Menſch: ich bin Jhm
Menſch und GOtt:
Jch loͤſche ſeinen Durſt / und er hilfft mir auß Noth.

225. Der Anti-Chriſt.

Was gaffſtu〈…〉〈…〉 vil mein Menſch? der Anti-Chriſt
unds Thier
(Jm Fall du nicht in GOtt) ſind alle zwey in dir.

226. Die Babel.

Dubiſt die Babel ſelbſt: gehſt du nicht auß dir auß /
So bleibſtu ewiglich deß Teufels Polter-Hauß.

227. Die Rachgier.

Die Rachgiehr iſt ein Rad daß nimmer ſtille ſieht:
Je mehr es aber laufft / je mehr es ſich vergeht.
228. Die49[47]Erſtes Buch.

228. Die Abſcheuligkeit der Boßheit.

Menſch ſolteſtu in dir daß Ungeziefer ſchauen /
Es wuͤrde dir fuͤr dir als fuͤr dem Teufel grauen.

229. Der Zorn.

Der Zorn iſt hoͤlliſch Feur / wann er in dir entbrennt /
So wird dem heilgen Geiſt ſein Ruhbettlein ge -
ſehaͤndt.

230. Die ſeeligkeit iſt leicht zuerlangen.

Es dunkt mich leichter ſeyn in Him̃el ſich zuſchwingen:
Als mit der Suͤnden muͤh in Abgrund ein zudringen.

231. Der Weltliebende Reiche.

Chriſt wenn ein Schifſeil wird durchs Nadeloͤhr ge -
zogen /
So ſprich / der Reiche ſey ins Himmelreich geflogen.

232. HErꝛ dein Wille geſchehe.

Daß Wort daß GOtt von dir am allerliebſten hoͤret /
Jſt wañ du hertzlich ſprichſt: Sein Wille ſey geehret.

233. GOttes Nachgeklinge.

Mein Lieb und alle Ding iſt Gottes nachgeklinge /
Wann Er mich hoͤret ſchreyn: Mein GOtt und
alle Dinge.

234. GOtt umb GOtt.

HErꝛ liebſtu meine Seel / ſo laß ſie dich umbfaſſen:
Sie wird dich nimmermehr um̃ tauſend Gotte laſſen:

235. Alles mit GOtt.

Jch bette GOtt mit GOtt auß Jhm / und in Jhm an:
Er iſt mein Geiſt / mein Wort / mein Pſalm / und was
ich kan.

236. Der Geiſt vertritt unß.

GOtt liebt und lobt ſich ſelbſt / ſo viel er immer kan:
Er kniet und neiget ſich / Er bett ſich ſelber an.
C237. Jm50[48]Johannis Angeli

237. Jm jnnern bettet man recht.

Menſch ſo du wiſſen wilt was redlich betten heiſt:
So geh in dich hinein / und frage Gottes Geiſt.

238. Das Weſentliche Gebette.

Wer lautres Hertzens lebt / uñ geht auff Chriſti Bahn /
Der bettet weſentlich Gott in ſich ſelber an.

239. GOtt lobt man in der ſtille.

Meinſtu O armer Menſch / daß deines Munds ge -
ſchrey.
Der rechte Lobgeſang der ſtillen Gottheit ſey?

240. Daß ſtillſchweigende Gebette.

GOtt iſt ſo über als daß man nichts ſprechen kan:
Drum betteſtu Ihn auch mit ſchweigen beſſer an.
*
*
*Vid. Max. ſand. Th. myſt. l. 2. com. 3. per. tot. & Balthaſ. Alvar. in ejus vita â Lu - dovic. de Ponte conſcripta.
*

241. GOttes Leibgedinge.

Mein Leib (O Herꝛlichkeit!) iſt Gottes Leib-gedinge /
Drumb ſchaͤtzt er Jhn darinn zuwohnen nicht geringe.

242. Die Thuͤr muß offen ſeyn

Eroͤffene die Thuͤr / ſo komt der heilge Geiſt /
Der Vater / und der Sohn Dreyeinig eingereiſt.

243. Daß Wohnhauß GOttes.

Chriſt / ſo du Jeſum liebſt und ſeine Sanfftmutt haſt /
So findet Gott in dir ſein Wohnhauß / Ruh / uñ raſt.

244. Die Lieb iſt der weiſen Stein.

Liel iſt der weiſen Stein: ſie ſcheidet Gold auß koth /
Sie machet nichts zu jchts / und wandelt mich in Gott

245. Es muß Vereinigt werden.

Jm fall die Liebe dich verſetzen ſol auß Peyn /
Muß deine Menſchheit vor mit Gottes Eines ſeyn.
246. Die51[49]Erſtes Buch.

246. Die Tingierung.

Der heilge Geiſt der ſchmeltzt / der Vater der verzehrt /
Der Sohn iſt die Tinctur, die Gold macht und
verklaͤrt.

247. Daß alte iſt hinweg.

So wenig du daß Gold kanſt ſchwartz und Eiſen
nennen:
So wenig wirſtu dort den Menſch am Menſchen
kennen.

248. Die genaue Vereinigung.

Schan doch wie hoch Vereint die Goldheit mit dem
Bley /
Und der Vergoͤttete mit Gottes weſen ſey!

249. Die Goldheit und GOttheit.

Die Goldheitmachet Gold / die Gottheit machet GOtt:
Wirſtu nicht Eins mit jhr / ſo bleibſtu Bley und Koth.

250. Wie die Goldheit alſo die Gottheit.

Schau / wie die Goldheit iſt deß Goldsfluß / ſchwer[]
und ſchein:
So wird die Gottheit auch im ſeelgen alles ſeyn.

251. Daß liebſte Kind Gottes.

Sag wie ich moͤge ſeyn deß Vaters liebſtes Kind?
Wann Er ſich ſelbſt und allß / und Gottheit in dir findt.

252. Die Goͤttliche Kindtſchafft.

Jſt GOttes GOttheit mir nicht jnniglich gemein /
Wie kan ich dann ſein Kind / und Er mein Vater ſein?

253. Der Kinder iſts Him̃elreich.

Chriſt ſo du kanſt ein Kind von gantzem Hertzen werdẽ /
So iſt daß Himmelreich ſchon deine hier auf Erden.

254. Die Kindheit und GOttheit.

Weil ſich die GOttheit hat in Kindheit mir erzeigt /
Bin ich der Kindheit und der Gottheit gleich geneigt.
C 2255. Kind52[50]Johannis Angeli

255. Kind und GOtt.

Kind oder Gott gilt gleich: haſtu mich Kind genennt /
So haſtu GOtt in mir / und mich in GOtt bekennt.

256. Die widergiltliche Kind-und Vatterſchafft.

Jch bin GOttes Kind und Sohn / Er wieder iſt mein
Kind:
Wie gehet es doch zu daß beide beides ſind!

257. Die Dreyeinigkeit in der Natur.

Das GOtt Dreyeinig iſt / zeigt dir ein jedes Kraut /
Da Schwefel / Saltz / Mereur / in einem wird geſchaut.

258. Daß Tingiren.

Betrachte daß Tingirn / ſo ſihſtu ſchoͤn und frey /
Wie dein Erloͤſung / und wie die Vergoͤttung ſey.

259. Die GOttheit und Menſchheit.

Die Ewge GOttheit iſt der Menſchheit ſo verpflicht!
Daß Jhr auch ohne ſie Hertz / Muth uñ Sinn gebricht.

260. Heut iſt der Tag deß Heyls.

Brant auf der Braͤntgam komt! Man geht nicht
mit jhm ein.
Wo man deß Augenbliks nicht kan bereitet ſeyn.

261. Die Hochzeit deß Lammes.

Die Mahlzeit iſt bereitt / daß Lam̃ zeigt ſeine Wunden:
Weh dir / haſtu noch nicht GOtt deinen Braͤutgam
funden.

262. Daß Hochzeitliche Kleid.

Daß Hochzeitkleid iſt Gott uñ ſeines Geiſtes liebe:
Zeuchs an / ſo weicht von dir was deinen Geiſt macht
truͤbe.

263. GOttforſcht ſich niemals auß.

Die Ewge GOttheit iſt ſo reich an Raht und That /
Daß ſie ſich ſelbſt noch nie gantz außgforſchet hat.
264. Die53[51]Erſtes Buch.

264. Die Creaturen ſind GOttes Widerhall.

Nichts weſet ohne Stim̃: GOtt hoͤret uͤberall /
Jn allen Creaturn / ſein Lob und Widerhall.

265. Die Einigkeit.

Ach daß wir Menſchen nicht wie die Waldvoͤgelein /
Ein jeder ſeinen thon mit Luſt zuſammen ſchreyn!

266. Dem Spoͤtter tauget nichts.

Jch weiß die Nachtigall ſtrafft nicht deß Guk Guks -
thon:
Du aber / ſing ich nicht wie du / ſprichſt meinem Hohn.

267. Ein ding behagt nicht offt.

Freund / ſolln wir alleſambt / nur jm̃er Eines ſchreyn /
Was wird daß vor ein Lied / und vor Geſinge ſein?

268. Veraͤnderung ſteht fein.

Je mehr man Unterſcheid der Stimmen vor-kan -
bringen
Je wunderbahrlicher pflegt auch daß Lied zuklingen.

269. Bey GOtt iſt alles gleiche.

GOtt giebet ſo genau auf daß koaxen acht /
Als auf daß direlirn / daß jhm die Lerche macht.

270. Die Stimme GOttes.

Die Creaturen ſind deß Ewgen Wortes Stim̃e:
Es ſingt uñ klingt ſich ſelbſt in Anmuth uñ im Grim̃e.

271. An Gott iſt nichts Creatuͤrlichs.

Liebſtu noch was an GOtt / ſo ſprichſtu gleich dabey /
Daß GOtt dir noch nicht GOtt und alle dinge ſey.

272. Der Menſch iſt Gottes gleichnuͤß.

Was Gott in Ewigkeit begehrn und wuͤntſchen kan /
Daß ſchauet Er in mir als ſeinem gleichnuͤß an.
C 3273. Steig54[52]Johannis Angeli

273. Steig uͤber die Heiligkeit.

Die Heiligkeit iſt gutt: wer druͤber kommen kan /
Der iſt mit GOtt und Menſch am allerbeſten dran.

274. Der Zufall muß hinweg.

Der Zufall muß hinweg / und aller falſcher ſchein:
Du muſt gantz weſentlich und Ungefaͤrbet ſeyn.

275. Der Menſch bringt alles in GOtt.

Menſch alles liebet dich: um̃ dich iſts ſehr gedrange:
Es lauffet allß zu dir / daß es zu GOtt gelange.

276. Eins deß andern Anfang uñ Ende.

GOtt iſt mein letztes End: Weñ ich ſein Anfang bin
So weſet er auß mir / und ich vergeh in Jhn.

277. Daß Ende GOttes.

Daß GOtt kein ende hat / geſteh ich dir nicht zu:
Denn ſchau / Er ſucht ja mich / daß er in mir beruh.

278. GOttes ander-Er.

Jch bin GOtts ander-Er / in mir findt Er allein
Was Jhm in Ewigkeit wird gleich und aͤhnlich ſein.

279. Die Jchheit ſchaffet nichts.

Mit Jchheit ſucheſtu / bald die bald jene ſachen:
Ach tiſſeſt dus doch Gott nach ſeinem willen machen!

280. Der wahre weiſen Stein.

Dein ſtein Chimiſt iſt nichts: d’Ekſtein den ich mein
Jſt meine Gold Tinctur, und aller weiſen Stein.

281. Seine Gebette ſind nicht ſchwer.

Menſch lebeſtu in GOtt / und ſtirbeſt deinem Willen /
So iſt dir nichts ſo leicht / als ſein Gebott erfuͤllen.

282. Jn GOtt der beſte Standt.

Was hilfft michs daß den Herrn die Morgenſteren
Loben /
So ich nicht über ſie in Jhn bin aufgehoben.
283. Gott55[53]Erſtes Buch.

283. GOtt iſt uͤber Heilig.

Schreyt hin Jhr Seraphin / daß was man von
euch liſt:
Jch weiß daß Gott mein Gott noch mehr als Heilig iſt.

284. Vber alle erkaͤndtnuͤß ſol man kommen.

Was Cherubin erkennt / daß mag mir nicht ge -
nuͤgen /
Jch wil noch uͤber Jhn / wo nichts erkandt wird / fliegẽ.

285. Daß erkennende muß das er - kandte werden.

Jn GOtt wird nichts erkandt: Er iſt ein Einig Ein.
Was man in Jhm erkennt / daß muß man ſelber fein.
*
*
*ita quoq́ue Divus Rusbr quod contem - plamur, ſumus & quod ſumus contempla - mur.
*

286. Jmmer weiter.

Maria iſt hochwehrt: doch kan ich hoͤher kommen /
Als ſie und alle Schaar der Heiligen geklommen.
*
*
*Chriſtus iſt unſer hoͤchſres Ziehl.
*

287. Die Schoͤnheit.

Die Schoͤnheit iſt ein Licht: je mehr dir Licht gebriſt /
Je greulicher du auch an Leib und Seele biſt.

288. Die gelaſſene Schoͤnheit.

Jhr Menſchen lernet doch von Wieſenblümelein /
Wie jhr koͤnt Gott gefalln / uñ gleichwol ſchoͤne ſeyn.
a.
a.
a.Denn ſie nehmen ſich jhrer ſchoͤn - heit nicht an.
a.

289. Ohne warumb.

Die Roſ iſt ohn warumb / ſie bluͤhet weil ſie bluͤhet /
Sie acht nicht jhrer ſelbſt / fragt nicht ob man ſie ſihet.
C 4209. Laß56[54]Johannis Angeli

290. Laß GOtt ſorgen.

Wer ſchmükt die Lilien? Wer ſpeiſet die Narciſſen?
Was biſt dañ du mein Chriſt auf dich ſo ſehr befliſſẽ?

291. Der Gerechte.

Daß der gerechte Menſch waͤchſt wie ein Palmenbaum
Verwunder ich mich nicht / nur daß er noch findt raü.

292. Der Seeligen Lohn.

Was iſt der Seelgen Lohn? Was wird nur nach
dem Streit?
Es iſt die Lilien der lautren Goͤttlichkeit.

293. Wenn man Vergoͤttet iſt.

Menſch / wann dich weder Lieb berührt / noch Leid
verletzt /
So biſtu recht in GOtt / und GOtt in dich verſetzt.

294. GOtt iſt ohne Willen.

Wir betten es geſcheh mein Herr uñ Gott dein wille:
*
* Und ſih / Er hat nicht will: Er iſt en Ewge
ſtille.
*Verſteh einen zufaͤlligen willen / denn was GOtt wil / daß wil Er weſentlich.
*

295. Es muß in dir vor ſeyn.

Menſch wird daß Paradiß in dir nicht erſtlich ſeyn /
So glaube mir gewiß / du kommeſt nimmer drein.

296. Die Naͤchſten GOtts geſpielen.

Got iſt nicht alles nah: die Jungfraw ufi daß Kind /
Die zwey die ſinds allein die Gottsgeſpielen ſind.

297. Nicht Nakt und doch unbekleidt.

Nakt darf ich nicht fuͤr Gott: uñ muß doch unbekleidt /
Jns Him̃elreich eingehn / weil es nichts fremdes leidt.
298. Daß57[55]Erſtes Buch.

298. Daß Him̃elreich iſt innwendig in uns.

Chriſt mein wo lauffſtu hin? der Himmel iſt in dir.
Was ſuchſtu jhn dann erſt bey eines andren Thuͤr[?]

299. Mit ſchweigen hoͤret man.

Daß Wort ſchallt mehr in dir / als in deß andern
Munde.
So du jhm ſchweigen kanſt / ſo hoͤrſtu es zur Stunde.

300. Trink auß deinem eignen Broñen.

Wie thoͤricht thut der Mann der auß der Pfuͤtze
trinkt /
Und die Fontenie laͤſt / die Jhm im Hauß entſpringt.

301. Die Kinder GOttes.

Weil Gotteskinder nicht daß eigne Lauffen lieben /
So werden ſie von jhm und ſeinem Geiſt getrieben.

302. Stehn iſt zuruͤkke gehn.

Wer in den Wegen GOtts gedaͤchte ſtill zuſtehn /
Der wuͤrde hinterſich und ins Verderben gehn.
C 5An -58[56]Johannis Angeli.

Andertes Buch Geiſtreicher Sinn-uñ Schluß-reimen.

1. Die Lieb iſt uͤber Forcht.

GOtt fuͤrchten iſt ſehr gutt: doch iſt es beſſer lieben:
Noch beſſer uͤber liebe in Jhn ſeyn aufgetrieben.

2. Die Lieb iſt ein Magnet.

Die Lieb iſt ein Magnet / ſie ziehet mich in GOtt:
Unnd was noch groͤſſer iſt / ſie reiſſet GOtt in Tod:

3. Menſch in GOtt / GOtt im Menſchen.

Wenn ich bin Gottes Sohn / wer es dann ſehen kan:
Der ſchauet Menſch in GOtt / und GOtt im Men -
ſchen an.

4. Daß Ewge Ja und Nein.

GOtt ſpricht nur jm̃er Ja;
*
* der Teufel ſaget nein:
Drumb kan er auch mit GOTT nicht Ja und
eines ſeyn.
*alluſio ad Nomen Dei
*

5. Daß Licht iſt nicht GOtt ſelbſt.

Licht iſt deß HErꝛen Kleid: gebricht dir gleich daß
Licht /
So wiſſe daß dir doch GOtt noch nicht ſelbſt gebricht.

6. Nichts iſt der beſte Troſt.

Nichts iſt der beſte Troſt. Entzeucht GOtt ſeinen Schein:So59[57]Andertes Buch. So muß daß bloſſe Nichts dein Troſt im Untroſt ſeyn.

7. Daß wahre Liecht.

Gott iſt daß wahre Licht / du haſt ſonſt nichts als glaſt:
Jm falle du nicht Jhn daß Licht der Lichter haft.

8. Mit Schweigen lernet man.

Schweig allerliebſter ſchweig: kanſtu nur gaͤntzlich
ſchweigen:
So wird dir GOtt mehr gutts / als du begehrſt / er -
zeigen.
in Apocal.

9. Daß Weib auf dem Monden.

Was ſinneſtu ſo tieff? daß Weib im Sonneſchein
Daß auf dem Monden ſteht / muß deine Seele ſeyn.

10. Die Braut iſt doch daß liebſte.

Sag was du wilt: die Braut iſt doch daß liebſte kind /
Daß man in GOttes ſchoß / und ſeinen armen findt.

11. Die beſte Sicherheit.

Schlaf meine Seele ſchlaf: Dann in deß Liebſten
Wunden
Haſtu die ſicherheit und volle Ruh gefunden.

12. Die Jungfrauſchafft.

Was iſt die Jungfrauſchafft? frag was die GOtt -
heit ſey:
Doch kennſtu Lauterkeit / ſo kennſtu alle zwey.

13. Die GOttheit uñ Jungfrauſchafft.

Die GOttheit iſt ſo nah der Jungfrauſchafft ver -
wandt /
Daß ſie auch ohne dir nicht GOttheit wird erkandt.

14. Wer eins nur liebt iſt Braut.

Die Seele / die nichts weiß / nichts wil / nichts liebt /
dann Ein:
Muß beute noch die Braut deß Ewgen Braͤutgams
ſeyn.
15. Die60[58]Johannis Angeli

15. Die geheime Armutt.

Wer iſt ein armer Menſch? der ohne Huͤlff und Rath
Noch Creatur / noch GOtt / noch Leib / noch Seele hat.

16. GOttes Sitz.

Menſch biſtu nicht ſo weit als GOttes GOttheit iſt /
So wirſtu nimmermehr zu ſeinem Sitz erkieſt.

17. GOtt waͤigert ſich niemand.

Nim̃ / Trink / ſoviel du wilt uñ kanſt / es ſteht dir frey:
Die gantze GOttheit ſelbſt iſt deine Gaſterey.

18. Die Weißheit Salomons.

Wie? ſchaͤtzſtu Salomon den weiſeſten Allein?
Du auch kanſt Salomon und ſeine Weißheit ſeyn.

19. Daß hoͤchſte iſt Stille ſeyn.

Geſchaͤfftig ſeyn iſt gutt: Viel beſſer aber Betten:
Noch beſſer Stum̃ uñ ſtill fuͤr Gott den Herren tretten.

20. Daß Lebens Buch.

GOtt iſt deß Lebens Buch / ich ſteh in Jhm geſchrieben
Mit ſeines Lam̃es Blutt: wie ſolt Er mich nicht liebẽ.

21. Du ſolt daß Hoͤchſte ſeyn.

Die Welt iſt Eitel nichts / die Engel ſind gemein:
Drum̃ ſoll ich Gott uñ Menſch in Chriſto Jeſu ſeyn.

22. Erheb dich uͤber dich.

Der Menſch der ſeinen Geiſt nicht uͤber ſich erhebt /
Der iſt nicht wehrt daß er im Menſchenſtande lebt.

23. Jn Chriſto komt man hoch.

Weil mein Erloͤſer hat die Engel uͤberſtiegen:
So kan (wo ich nur wil) auch ich ſie uͤberfliegen.

24. Der Mittelpunct.

Wer jhm den Mittelpunct zum wohnhauß hat er -
kieſt /
Der ſiht mit einem Blik was in dem Umbſchweif iſt.
25. Dein61[59]Andertes Buch.

25. Dein Unruh machſtu ſelbſt.

Noch Creatur noch GOtt kan dich in Unruh bringen /
Du ſelbſt Verunruhſt dich (O Thorheit!) mit den
Dingen.

26. Die Freyheit.

Du edle Freyheit du / wer ſich nicht dir ergiebet /
Der weiß nicht / was ein Menſch / der Freyheit liebet /
liebt.

27. Auch von jhr.

Wer Freyheit liebt / liebt GOtt: wer ſich in GOtt
verſenkt /
Und alles von ſich ſtoͤſt / der iſts / dem GOtt ſie
ſchenkt.

28. Die Gleichheit.

Die Gleichheit iſt ein Schatz: haſtu ſie in der Zeit /
So haſtu Himmelreich und Volle Seeligkeit.

29. Todt und GOtt.

Tod iſt der Suͤnden Sold: Gott iſt der Tugend Lohn:
Erwirbſtu dieſen nicht / ſo traͤgſtu den darvon.

30. Zufall und Weſen.

Menſch werde weſentlich: deñ wañ die Welt vergeht /
So faͤlt der Zufall weg / daß weſen daß beſteht.

31. Goͤttliche genieſſung.

Wer GOtts genieſſen wil / und Jhm ſich einverleiben /
Sol wie ein Morgenſtern bey ſeiner Sonne bleiben.

32. Mit Schweigen ſingt man ſchoͤn.

Die Engel ſingen ſchoͤn: Jch weiß daß dein Geſinge /
So du nur gaͤntzlich Schwigſt / dem hoͤchſten beſſer
klinge.

33. Wer aͤlter iſt als GOtt.

Wer in der Ewigkeit mehr lebt als einen Tag /
Derſelbe wird ſo Alt / als GOtt nicht werden mag.
C 734. Rech -62[60]Johannis Angeli

34. Rechter gebrauch bringt nicht Schaden.

Menſch ſprichſtu daß dich jchts von GOttes Lieb
abhaͤlt:
So brauchſtu noch nicht recht wie ſichs geblihrt der
Welt.

35. GOtt wil was koͤſtlich iſt.

Sey lauter / Licht und ſteif / gleich wie ein Demank -
ſtein /
Daß du in Augen Gotts moͤgſt wehrt geſchaͤtzet ſeyn.

36. Daß Buch deß Gewiſſens.

Daß ich GOtt fuͤrchten ſol / und uͤber alles lieben /
Jſt mir von Anbegin in mein Gemuͤtt geſchrieben.

37. An einem Wort liegt alles.

Ein eintzigs Wort hilfft mir: ſchreibts GOtt
mir einmal Ein /
So werd ich ſtaͤtts ein Lamb mit Gott gezeichnet ſeyn.

38. Der Braͤutgam iſt doch ſuͤſſer.

Du magſt GOtt wie du wilt fuͤr deinen Herꝛn er -
kennen:
Jch wil jhn anderſt nicht als meinen Braͤntgam
nennen.

39. Der anbetter im Geiſt und in der Wahrheit.

Wer in ſich uͤberſich in GOtt verreiſen kan /
Der bettet GOtt im Geiſt und in der Wahrheit an.

40. GOtt iſt daß kleinſt und groͤſte.

Mein GOtt wie groß iſt GOtt! Mein GOtt wie
klein iſt GOtt /
Klein als daß kleinſte ding / uñ groß wie als / von noth.
41. Der63[61]Andertes Buch.

41. Der gute Tauſch.

Menſch gibſtu GOtt dein Hertz / Er gibt dir ſeines
wider:
Ach welch ein wehrtrer Tauſch! du ſteigeſt auf / Er
nieder.

42. Daß untre ſchadet nicht.

Wer uͤber Berg und Thal / und dem Gewoͤlke ſitzt /
Der achtets nicht ein Haar / wenns donnert / kracht
und blitzt.

43. Die mittelwandt muß wegg.

Wegg mit dem mittelweg / ſol ich mein Licht anſchauen /
So muß man keine Wand fuͤr mein Geſichte bauen.

44. Was Menſchheit iſt.

Fragſtu was Menſchheit ſey? Jch ſage dir bereit:
Es iſt / mit einem Wort / die uͤber Engelheit.

45. GOtt liebet ſich allein.

Es iſt gewißlich wahr / GOtt liebet ſich allein /
Und wer ſein ander-Er in ſeinem Sohn kan ſeyn.

46. Wer GOtt iſt / ſiehet GOtt.

Weil ich daß wahre Licht / ſo wie es iſt / ſol ſehn:
So muß ichs ſelber ſeyn: ſonſt kan es nicht geſchehn.

47. Die Liebe ſucht nicht Lohn.

Menſch liebſtu GOtt den HErꝛn / und ſucheſt Lohn
dabey /
So ſchmaͤkeſtu noch nicht was Lieb und lieben ſey.

48. GOtt kennt man am Geſchoͤpffe.

GOtt der verborgne GOtt wird kundbahr uñ gemein
Durch ſeine Creaturn / die ſein entwerffung ſeyn.

49. GOtt liebt die Jungfrauſchafft.

GOtt trinkt der Jungfraun milch / zeugt durch diß
hell und frey /
Das wahre Jungfranſchafft ſein Trank uñ Labſal ſey.
50. GOtt64[62]Johannis Angeli

50. GOtt wird ein kleines Kind.

GOtt ſchleuſt ſich unerhoͤrt in Kindes kleinheit ein:
Ach moͤcht ich doch ein Kind in dieſem Kinde ſein!

51. Daß unaußſprechliche.

Denkſtu den Namen GOtts zu ſprechen in der Zeit /
Man ſpricht jhn auch nicht auß in einer Ewigkeit.

52. Daß Neu Jeruſalem.

Daß Neu Jeruſalem biſtu fuͤr GOtt mein Chriſt /
Wenn du auß GOttes Geiſt gantz Neugebohren biſt.

53. Es mangelt nur an dir.

Ach koͤnte nur dein Hertz zu einer Krippe werden /
GOtt wuͤrde noch einmal ein Kind auf dieſer Erden.

54. Entbildet muſtu ſeyn.

Entbilde dich mein Kind / ſo wirſtu GOtte gleich:
Und biſt in ſtiller Ruh dir ſelbſt dein Himmelreich.

55. GOtt iſt / Er lebet nicht.

GOTT iſt nur Eigendlich: Er liebt uñ lebet nicht /
Wie man von mir und dir uñ andren Dingen ſpricht.

56. Armut und Reichthum.

Der / was er hat / nicht hat / und alles ſchaͤtzet gleich /
Der iſt im Reichthum arm / in Armuth iſt er reich.

57. Man muß Jhm ſelbſt entwachſen.

Entwaͤchſeſtu dir ſelbſt und aller Creatur /
So wird dir eingeimpfft die Goͤttliche Natur.

58. GOtt ſterben und GOtt leben.

Stirb oder leb in GOtt: du thuſt an beiden wol:
Weil man GOtt ſterben muß / uñ Gott auch leben ſol.

59. Wer iſt mehr GOtt als Menſch?

Wer ohn empfinden liebt / und ohn erkennen kennt:
Der wird mit guttem recht mehr GOtt als Menſch
genennt.
60. Vom65[63]Andertes Buch.

60. Vom lieben.

Menſch wilſt-uñ liebſtu nichts / ſo wilſt uñ Liebſtu wol:
Wer gleich liebt was er wil / liebt doch nicht was er ſol.

61. Wer ſich verlaͤſt / findt GOtt.

Wer ſich verlohren hat / und von ſich ſelbſt entbunden /
Der hat GOtt ſeinen Troſt / und ſeinen Heyland
funden.

62. Jn beiden muß man ſeyn.

Mein GOtt wie kalt bin ich! Ach laß mich doch er -
warmen
Jn deiner Menſchheit Schoß / und deiner GOttheit
armen!

63. Der taube hoͤrt daß Wort.

Freund glaub es oder nicht: ich hoͤr in jedem nu /
Wann ich bin taub und Stumm dem Ewgen
Worte zu.

64. Ein Seufftzer ſaget alles.

Wenn meine Seel erſeufftzt /
*
* und Ach und O ſchreyt
hin:
So ruffet ſie in ſich jhr End und Anbegin.
*α & ω
*

65. Die Ewigkeit wird nicht gemaͤſſen.

Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren / Tagen /
Stunden:
Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunet gefunden!

66. Eins hilfft dem andren fort.

Mein Heyland der iſt Gott / uñ ich der andren dinge:
Jm fall ſie ſich in mich / und ich in Jhn mich ſchwinge.

67. Die Abgeſchiedenheit.

Weil Abgeſchiedenheit ſich niemand macht gemein:
So muß ſie ohne ſucht und eine Jungfrau ſein.
68. Mit66[64]Johannis Angeli

68. Mit Schweigen wirds geſprochen.

Menſch ſo du wilt daß ſeyn der Ewigkeit außſprechen /
So muſtu dich zuvor deß Redens gantz entbrechen.

69. Die geiſtliche Schiffart

Die Welt iſt meine See / der Schifmann GOttes
Geiſt /
Daß Schif mein Leib / die Seel iſts die nach Hauſe reiſt.

70. Die Lauterkeit.

Vollkomne Lauterkeit iſt Bild-Form-Liebe-loß:
Steht aller Eigenſchafft / wie GOttes weſen bloß.

71. Der weſentliche Menſch.

Ein weſentlicher Menſch iſt wie die Ewigkeit /
Die unveraͤndert bleibt von aller aͤuſſerheit.

72. Wer ſinget mit den Engeln?

Wer ſich nur einen blik kan uͤberſich erſchwingen /
Der kan daß Gloria mit GOttes Engeln ſingen.

73. An den Suͤnder.

Ach Suͤnder wend dich umb / uñ lerne GOtt erkennen:
Jch weiß du wirſt Jhn bald den lieben Vatter nennen.

74. Du muſt Vergoͤttet werden.

Chriſt / es iſt nicht genug daß ich in GOtt nur bin:
Jch muß auch GOttesſafft zum wachſen in mich ziehn.

75. Du muſt auch Fruͤchte tragen.

Trinkſtu deß HErren Blut / und bringeſt keine Frucht /
So wirſtu kraͤfftiger als jener Baum verſiucht.

76. Auch dir iſt nichts verſagt.

O Edler Geiſt entreiß / laß dich doch nicht ſo binden:
Du kanſt GOtt herꝛlicher / als alle Heilgen finden.

77. A B iſt ſchon genug.

Die Heyden plappern vil: wer Geiſtlich weiß zubetten /
*
* Der kan mit A und B getroͤſt fuͤr Gott hintretten.
*A B B A
*
78. Ein67[65]Andertes Buch.

78. Ein Lieb verzukt daß andre.

Wenn meine Seele GOtt im Geiſt begegnen kan /
So ſtart (O JEſu Chriſt!) ein Lieb daß