PRIMS Full-text transcription (HTML)
Sammlung Critiſcher, Poetiſcher, und anderer geiſtvollen Schriften, Zur Verbeſſerung des Urtheiles und des Witzes in den Wercken der Wolredenheit und der Poeſie.
Drittes Stuͤck.
Zuͤrich, BeyConrad Orell und Comp.1742.
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Erklaͤrung auf einige Antworten, welche jemand dem Verfaſſer der Let - tres ſur la Religion Eſſentielle à l’hom - me gegen gewiſſe Einwuͤrffe Hr. Prof. Breitingers geliehen hat.

JCh bin Eu. Hoche. fuͤr ihr guͤtiges, mit ge - ſchickten Anmerckungen angefuͤlltes Antwort - ſchreiben ſehr verbunden: Sie loͤſen ſich dadurch fuͤr die Ueberſendung der Breitingeriſchen Schrift wieder den ungenannten Verfaſſer der Lettres ſur la Relig. Eſſent. ſo voͤllig, daß al - ler fernere Danck, den ſie mir deßwegen abzuſtat - ten belieben, uͤberfluͤſſig und nur eine Wuͤrckung ihrer Hoͤflichkeit iſt. Sie erklaͤren ſich bey die - ſem Anlaſſe, daß man auch rechtglaͤubige Saͤtze wohl vertheidigen koͤnne: Jch habe dieſes Urtheil, welches ihnen die Wahrheit abgenoͤthiget, mit Vergnuͤgen geleſen, und ich hoffe den Tag noch zu erleben, da Eu. Hoche. geſtehen ſollen, daß es der guten Orthodoxie uͤberhaupt weit minder an der Wahrheit fehlet, als an deutlicher Vorſtel - lung, und Auswicklung der dabey vorkommenden Begriffe. Lachen ſie hier, wann ſie wollen; ich laſſe darum meine gefaſſte Hoffnung nicht fahren: Olim hæc meminiſſe juvabit.

Was indeſſen meine Gedancken in ihrem Schrei - ben meiſtens an ſich gezogen, war die Anmer - kung, daß der Ungenannte, und die, ſo ſeiner Leh - re folgen, vielleicht glauben werden, er habe auf Hr. Breit. Schrift ſchon vorlaͤuftia, eh ſie ausCrit. Sam̃l. III. St. ALicht2Erklaͤrung auf einige SaͤtzeLicht gekommen, geantwortet; auch habe dieſer ei - nige Wahrheiten erwieſen, welche jener zugeſte - he, und in ſeinem Syſteme ſelbſt gebrauche. Jch ſchlug die von Eu. Hoche. mir hieruͤber angewie - ſene Introduction aux quatorze Lettres de l’A. A. de l’edition d’Amſterdam 1733. begierig nach; und da ich ſie mit Bedacht durchgeleſen, werden Eu. Hoche. mir die Freyheit, ihnen meine Meinung uͤber ihre Anmerckung des mehrern zu er - oͤffnen, hoffentlich nicht in uͤblem vernehmen.

Jch geſtehe dann Eu. Hoched. es ſey moͤglich, daß der Ungenannte ſich auf die von ihnen bemel - dete Weiſe gegen Hr. Breit. werde ſchuͤtzen wol - ler: Es ſey daß er das, was in dieſer Einleitung ſtehet, bey einer kuͤnſtigen Antwort wiederhohle, oder ſich lediglich darauf beziehe: Allein ich glau - be zugleich daß nicht eine jede Antwort auch noth - wendig alſobald eine gruͤndliche, und genugſame Antwort ſey; und daß insbeſondere die in gedach - ter Schrift des Ungenannten vorkommende Be - antwortungen, mit dem andern von ſich ſelbſt fal - len, wann man mercket, wie weit Hr. Breitin - gers feſtgeſtellte und erwieſene Saͤtze reichen; ob dieſer gleich nicht ausdruͤcklich geſagt, der Unbe - kannte hat auf dieß und jenes ſo und ſo, ſchon vorlaͤuftig geantwortet, ich aber zeige aus dem, und dieſem nun abgehandleten, daß er damit unmoͤg - lich auskommen koͤnne. Geſcheute Leſer, wenn man ſie einmahl auf die Spuhr der Wahrheit ge - fuͤhret, koͤnnen ſich ſelbſt leicht forthelffen; und es iſt ſo fern daß die Begriffe von der Freyheit des Menſchen, von ſeiner Faͤhigkeit gluͤcklich zu -werden,3in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. werden, von den natuͤrlich-nothwendigen Folgen und Wirckungen der Dinge, von der Weisheit Gottes ꝛc. welche der franzoͤſiſche Verfaſſer zum Behuffe ſeiner Sache auch zu gebrauchen noͤthig gehabt, die gruͤndliche Anwendung derſelben, ſo wie ſie Hr. Breit. das Syſt. des Gegners umzu - ſtuͤrtzen machet, aufhebe, daß dieſer vielmehr durch das, was er der gedachten Begriffe halben gantz freywillig geſteht, ſelbſt Hrn. Breitingern die Waffen in die Haͤnde liefert, mit denen er den Sieg uͤber ihn deſto ſicherer und gewiſſer erfech - ten kan.

Jch glaube hiermit nicht zuviel zu ſagen: Eu. Hoche. belieben doch ſich die Ordnung der Begrif - fe beyder Gegner, mit wenigem vorzuſtellen, und urtheilen dann ſelbſt, wie zulaͤnglich oder unzulaͤnglich der Jnhalt dieſer Einleitung ſey, und was der Fremde ſonſt von gleichem Gelichter in ſeinen Wercken hin und wieder gegen die Be - griffe Hr. Breitingers einflieſſen laͤßt. Dieſer ge - lehrte Mann denckt ſo: Gott ſuchet bey allen ſei - nen Wercken auſſer ſich, keinen eigenen Vortheil: Gott kan aber, wann er wuͤrcket, doch nicht anderſt wuͤrken, als gemaͤß ſeinen Eigenſchaften: Dieſe erforderten, daß er eine Welt erſchuͤffe, in welcher neben tauſenderley andern hoͤhern und niedern Geſchoͤpfen ſich auch der Menſch befaͤnde; das iſt, ein Geſchoͤpfe, welches juſt diejenigen und keine andern Eigenſchaften, und Grade der Kraͤf - te hat, als die zum Begriffe eines Menſchen ge - hoͤren; Ein Geſchoͤpfe, wo jedes Individuum Kraft ſeiner beſondern ſo und nicht anderſt beſchaffenenA 2Be -4Erklaͤrung auf einige SaͤtzeBeſtimmungen, mit dem Gantzen nach Zeit und Ort auch ſeine eigene beſondere Verbindungen als die beſte von Gott bekommt. Seine Guͤte er - ſtreckt ſich uͤber alle Geſchoͤpfe. Seine Weisheit zeiget ihm, wie die hoͤchſtmoͤgliche Vollkommen - heit in dem Gantzen koͤnne erhalten, und mithin auch die hoͤchſtmoͤgliche Guͤte erwieſen werden. Und durch die Gerechtigkeit endlich eignet Gott ei - nem jeden ſeiner Geſchoͤpfe, und alſo auch dem Menſchen das zu, was ſeine Weisheit als gerei - chend zur Erhaltung des hoͤchſtmoͤglichen Guten einſiehet. Da aber die Menſchen durch den Miß - brauch ihrer Freyheit ſich in Suͤnde, und folglich in Unvollkommenheit ſtuͤrtzen koͤnnen, wer will darthun, daß in der beſtmoͤglichen Verknuͤpfung, in welcher ſie mit dem Gantzen ſtehen moͤgen, dies mit enthalten ſeyn muͤſſe, daß Gott nicht zulaſſen koͤnne, daß ſie wuͤrcklich fallen; oder wann ſie gefallen, er dieſelbe durch uͤbernatuͤrliche Mittel entweder insgeſamt, oder einiche darvon, wieder herſtellen muͤſſe; daß es geſchehen muͤſſe jetzo in der Zeit, oder dann in der Ewigkeit ꝛc. ꝛc. Dieſes zu beſtimmen meinet Hr. Breitinger ſey uͤber unſere Kraͤfte; und ich glaube, es werde jeder, der nach - ſinnet, was dazu erforderet wuͤrde, es mit ihm auch ſo glauben muͤſſen.

Hingegen iſt des Ungenannten Lehrgebaͤude zu folge obgedachter Einleitung dieſes: Gott der fuͤr ſich bey der Erſchaffung aller Dinge keinen eige - nen Vortheil ſuchen konnte, mußte nothwendig das Gluͤck ſeiner Geſchoͤpfe, in ſo fern ſie deſſel - ben faͤhig ſind, zum Zwecke haben. Sie ſindaber5in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. aber deſſelben faͤhig, wo nicht allemahl hier in Zeit, doch in der Ewigkeit. Dieß iſt der einige Zweck, den Gott hat haben koͤnnen. Seine Weisheit, und ſeine Gerechtigkeit ſind keine Begriffe, die der Guͤte im Weg ſtehen; ſie gewaͤhren nur die Art und Weiſe, nach welcher Gott zu ſeinem Zweck kommt, und die Menſchen zum Gluͤcke bringt. Die Gerechtigkeit insbeſondere, ſo wie ſie in Gott weſentlich iſt, ſollte ehe Billichkeit (Equité) heiſ - ſen; der Begriff der Haͤrte (de la Rigueur) iſt bey derſelben nur zufaͤllig, und haͤtte ohne den Fall des Menſchen keinen Platz: So fern aber dieſe Billichkeit mit oder ohne die Haͤrtigkeit ein Mittel wird, dadurch ſeine Guͤte erwieſen wird, harmonieren beyde, und kan es nicht fehlen, denn daß alle Menſchen zur Gluͤckſeligkeit gelangen.

Jch frage nun Eu. Hoche. ob nicht aus den ve - ſten Saͤtzen Hr. Breit. nemlich der beſonders be - ſtimmten Einſchraͤnckung der menſchlichen Natur, der Unwiſſenheit der Menſchen, auf was Weiſe in der gantzen verknuͤpften unendlichen Reihe der Din - ge die hoͤchſte moͤgliche Vollkommenheit erhalten, und wie alſo in Anſehung derſelben auch die hoͤchſte moͤgliche Guͤte erwieſen werden koͤnne, natuͤrlich flieſſe daß der Unbekannte viel zufruͤhe den Schluß mache: Die Menſchen alle und jede ſeyn nach ihrem Zuſtand, ihrer Auffuͤhrung und Verknuͤp - fung mit dem Gantzen ohne Widerrede der Gluͤck - ſeligkeit faͤhig, und weil Gott bey der Hervorbrin - gung aller Dinge nicht ſeinen eigenen Vortheil ſuchen koͤnne, muͤſſen ſie zu derſelben nothwendig gelangen. Wie wenig will es ſagen, wann derſel -A 3be6Erklaͤrung auf einige Saͤtzebe wieder Hr. Breit. Saͤtze gleichſam als eine un - hintertreibliche Abfertigung vorbringt: Es laſſe ſich die Gerechtigkeit Gottes ꝛc. ſeiner Guͤte nicht entgegenſetzen, ſo daß eine die andere aufhebe; Gott ſey ein einfaches Weſen, in welchem alſo die Eigenſchaften, und derſelben Wuͤrckungen nicht wider einander ſtehen. Dieß alles bleibt ja auch in Hr. Breit. Lehrgebaͤude wahr. Lieber wer kan ſich vorſtellen, daß Got - tes Guͤte um deßwillen endlich, und eine in ſo weit aufgehobene Guͤte ſey, weil ſie ſich nicht wei - ter erſtreckt, als es durch das Weſen und die Natur der Dinge und durch diejenige Verknuͤp - fung eines jeden Individui mit der gantzen Welt, vermittelſt welcher in dem Gantzen, zuſammenge - rechnet, die meiſte und hoͤchſte Vollkommenheit erhalten wird, moͤglich iſt. Mir faͤllt es unmoͤg - lich zu begreiffen, daß die Guͤte Gottes anderſt in Gott ſey, als wie ſie mit der hoͤchſten Weis - heit, Gerechtigkeit ꝛc. beſteht; wird ſie weiter ausgedehnt, ſo wird ſie ein Non Ens; noch mehr, ſie wird eine Sache, die wann ſie moͤglich waͤre, das Werck Gottes nothwendig, durch den und dieſen Erfolg muͤßte unvollkommener machen als es jetzo iſt. Dieſes nun vorausgeſetzt, und daß die eigene Beſchaffenheit, und beſtmoͤgliche Ver - knuͤpfung einicher Individuorum mit allen uͤbri - gen Dingen nicht zulaſſe, daß dieſe einzele Ge - ſchoͤpfe zu mehrerem Gluͤcke gelangen als ſie ge - langen, wenn je die meiſte und hoͤchſte Vollkom - menheit in dem Gantzen ſoll erhalten werden; ſoll es dann heiſſen, die Gerechtigkeit Gottes werde ſei -ner7in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. ner Guͤte entgegen geſetzt, ein Begriff hebe den andern auf, wenn Gott bey dieſen einzelen Indi - viduis ein Uebel zulaͤßt, damit nicht ein noch groͤſ - ſeres entſtehe, im Fall daß er es nicht zulieſſe? Wenn Eu. Hoche. einem traͤgen und unnuͤtzen Bett - ler nicht einen Thaler ſchencken, ſowohl in Be - trachtung der Convenienz dieſes ihres gegenwaͤr - tigen Betragens, als in Abſicht auf die viele gu - te Folgen, die dieſer Abſchlag, ich will ſetzen nur fuͤr ein Jahr haben wuͤrde, (weil doch derſelbe mit allem Kuͤnftigen verknuͤpfet iſt,) hebet dann ih - re Weisheit, und Gerechtigkeit, die ſie diesfalls erzeigen, ihre Guͤte auf? Mich duͤnckt ein Weiſer werde ſich nicht einmahl eine andere Guͤte wuͤnſchen.

Eu. Hochedlen gedencken vielleicht; es ſey eine unerwieſene Sache, daß das Beſtmoͤgliche welches Gott bey ſeinen Geſchoͤpfen erhalten kan, wircklich mit dem Ungluͤck einzeler Ar - ten, oder Individuorum begleitet ſey.

Sie haben gantz recht: Allein es iſt nur darum zu thun, ob es moͤglich, nicht ob es wircklich ſey; ob man einen Widerſpruch finde, wenn man es ſe - zet: Und ob in dieſem Falle dann die Eigenſchaf - ten Gottes einander aufheben. Von dieſem letz - tern habe ich Eu. Hoche. die Ehre gehabt meine Meinung zu ſagen: Werden ſie mir aber nicht auch die Moͤglichkeit des erſtern geſtehen, wenn ſie belieben ſich des oben ſchon angedeuteten zu er - innern? Eine jede Art der Geſchoͤpfe und alſo auch der Menſch hat ſeine beſondere Einſchraͤn - kung, durch welche er eigentlich der wird, der er iſt. Dieſe machet ihn nun tuͤchtig, juſt in die,A 4und8Erklaͤrung auf einige Saͤtzeund keine andern Umftaͤnde geſetzt zu werden, als er geſetzet wird: Geſetzt nun, er mißorauche in denſelben ſeine Freyheit ſo, und denn, wie er es thut; iſt es ein Widerſpruch, daß die Folgen dieſer Auffuͤhrung ſo beſchaffen ſeyn, daß er na - tuͤrlicher Weiſe nicht aus dem Elend herauskom - men wird: Und was haben wir einzuwenden, wenn Gott dann durch wuͤrckliche Zulaſſung der - ſelben weit mehr gutes in andern Geſchoͤpfen, mit denen dieſe verknuͤpfet ſind, erhaͤlt, als wann er es hinterte? Jch habe ja nicht noͤthig Eu. Hoche. zu erinnern, in wie viel tauſend Faͤllen etwas Un - vollkommenes dienen koͤnne, etwas Gutes zu befoͤr - dern, und ſage nur, wie ich nicht ſehe, daß es ein Widerſpruch ſey, ſetzen, daß auch ein im - merdaurendes Ungluͤck einicher einzeler Geſchoͤpfe, natuͤrlicher Weiſe in der Welt platz haben koͤnne; eben ſo wenig, als es nach des frantzoͤſiſchen Ver - faſſers eigenen Geſtaͤndniß eine ſolche Unmoͤglich - keit iſt, daß die Menſchen wenigſtens eine Zeit lang Elend und Ungluͤck ertragen. Die Offenba - rung muß dann aber ausmachen, ob es wircklich ſeyn werde. Hier hat man genug, wann man es als moͤglich begreifft.

Eu. Hoche. ſcheinen aber ſelbſt in ihrem Schrei - ben mehr von der folgenden Antwort zu halten, welche der Ungenannte in beſagter Einleitung nicht undeutlich auf dieſe geſetzte innere Moͤglichkeit ei - ner ſolchen Verbindung der Dinge giebt, bey welcher das beſte in dem Gantzen, nicht ohne das Uebel einicher Theile beſtehen kan: Nemlich; Wenn Gott ſeine Geſchoͤpfe nicht koͤnnte gluͤk -lich9in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. lich machen, ſo ſollte er lieber keine erſchaffen haben; weil doch die verderbte Menſchen ſelbſt, wenn ſie das Vermoͤgen haͤtten, Geſchoͤpfe auſſer ſich hervor zu bringen, es in dem Falle nicht thaͤten, da ſie wuͤßten daß dieſelbige un - gluͤcklich wuͤrden.

Jch darf gegen Eu. Hoche. frey ſeyn, und da - rum ohne Scheue ſagen, daß dieſes mich von Her - zen ſchwach duͤnckt: Der Schluß iſt nemlich darauf gebauet, daß die Geſchoͤpfe Gottes nur aus den einigen Menſchen beſtehen. Es iſt frey - lich wahr, eine Welt ohne das Merckmahl der Guͤte Gottes, ja der hoͤchſten Guͤte die moͤglich iſt, wuͤrde ein Werck ſeyn, das Gott nicht geziemet; aber wer hat denn dem Unbekannten geſagt, daß nur die Menſchen auf der Welt ſeyn, und mit - hin Gott nur allein fuͤr ſie zu ſorgen habe? Lieber wie viel andere Dinge kan der Menſch unter und uͤber ihm erkenneu, die eben ſowohl Gottes Ge - ſchoͤpfe ſind, als die Menſchen: Und wie viel tau - ſend Arten, vermuthlich auch noch andrer vernuͤnf - tiger Geſchoͤpfe, moͤgen ſeyn, die wir nicht erken - nen? Jch meines Theils moͤchte in Anſehung der Verſchiedenheit und Menge der Geſchoͤpfe Gottes eben nicht den Schnitzer begehen, den die guten Kirchenvaͤter in Anſehung der Gegenfuͤſſer ge - macht. Jch wollte doch gern hoͤren, was der Un - genannte gedaͤchte, wenn er nach Durchleſung der Entdeckungen der Geſtirnsverſtaͤndigen und des Ge - dichtes Eſſai on Man von Herr Pope, etwann bey einer hellen Nacht den Himmel betrachtete. Wir haben aber zu unſerm Zwecke nicht einmahlA 5ſo10Erklaͤrung auf einige Saͤtzeſo viel noͤthig; laſſe man den Satz nur gelten, in ſo fern er gantz keinen Widerſpruch leydet; ich will ſagen in Abſicht auf die Geſchoͤpfe Gottes, ver - nuͤnftige und unvernuͤnftige, die uns neben den Menſchen bekannt ſind, und in Abſicht auf die Verſchiedenheit der Individuorum, die unter dem Geſchlechte der Menſchen ſtehen, es iſt ſchon ge - nug. Nemlich dieſe Geſchoͤpfe alle zuſammen ge - nommen (geſetzt es ſeyn weiter ſonſt in der gan - zen Welt nirgend keine andere mehr als die wir kennen,) machen ein gantzes aus: Und in dieſen, (alle zuſammen genommen,) kan es wegen ihrer beſondern und jedem Individuo eigenen Einſchraͤn - kung, und der daher entſtehenden NB. auch einzi - ger moͤglich beſten Verbindung mit einander, ja wohl ſeyn, daß einiche einzele Arten oder einiche Individua gewiſſer Arten, fuͤr ſich des Gluͤcks entweder fuͤr eine gewiſſe Zeit, oder aus dem glei - chen Grunde fuͤr immer miſſen; und daß eben da - durch das hoͤchſtmoͤgliche Gute in dieſer Welt ent - ſteht; welches allezeit gegen das berechnet, was unvollkommen iſt, weit mehr betraͤgt. Aber nun geſetzt, die Menſchen waͤren eine ſolche einzele Art dieſer Geſchoͤpfe, oder doch wenigſtens un - ter den Menſchen einiche Individua; warum ſoll Gott lieber keine Welt erſchaffen? Warum ſollen nur dieſe allein ſeine Lieblinge ſeyn? Gewiß dieß iſt ein wenig zu vornehm von ſich ſelbſt, und hin - gegen zu ſchlecht von der Unendlichkeit der Eigen - ſchaften Gottes gedacht: Mich nimmt oftmahl mehr wunder, daß fuͤr die Menſchen uͤberhaupt und fuͤr einzele Individua dieſer Art der Geſchoͤpfenach11in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. ihrer Beſchaffenheit, und dem Ort, den ſie in der Welt ausfuͤllen, noch ſo viel unverdiente Guͤ - te Gottes platz haben kan, als daß ihnen nicht mehr zukommen mag. Urtheilen demnach Eu. Hoche. uͤber den Satz des Ungenannten, und uͤber folgende Rettung deſſelben, welche mich an einem andern Orte ſeiner Schriften beſinne geleſen zu ha - ben: Geſetzt (ſagt er) daß durch die Zulaſ - ſung des Ungluͤcks einicher Geſchoͤpfe das hoͤchſtmoͤgliche Gute in dem Gantzen erhal - ten werde, was haben dieſe einzeln davon? Nichts: Man geſtehet es gern. Aber der Geg - ner ſoll erweiſen, daß Gott um deßwillen lieber noch das uͤbrige Gute, welches zuſammengerechnet weit mehr betraͤgt, als das, ſo man ſich bey der gaͤntzlichen Unterlaſſung des Werckes der Schoͤp - fung vorſtellen kan, hervorzubringen haͤtte unter - laſſen ſollen. Der Beweiß kommt mir etwas ſchwer vor, wenigſtens glaube ich dißfalls nicht, bis ich ſehe.

Jch muß E. Hochedlen bitten, ſich die Zeit nicht lange werden zu laſſen. Jch habe das meiſte geſagt: Doch thaͤte es mir weh, wann ich nicht noch etwas uͤber die Anwendung einicher Be - griffe beybringen duͤrfte, welche der Ungenannte zum Behuffe ſeines Syſteme eben ſowohl ge - brauchet, als Hr. Breitinger bey dem ſeinigen. Schreiben ſie dieſe Verlaͤngerung ihnen ſelbſt zu; ſie haben mir den Anlaß dazu durch ihre nicht unbegruͤndete Vermuthung gemachet, es moͤchte Leute geben, die glaubten Hr. Breitingers Schrift muͤßte eben nicht gar zu gruͤndlich ſeyn, weil derfremde12Erklaͤrung auf einige Saͤtzefremde Verfaſſer dieſe Sachen ſelbſt geſtehe, und ſo gar gebrauche. Nemlich Eu. Hochedlen, indem ſie die gedachte Anmerckung gemachet, richteten ihre Augen auf die Begriffe von der Freyheit, von der beſondern Einſchraͤnckung, von der Faͤ - higkeit und Unfaͤhigkeit der Geſchoͤpfe, item von der natuͤrlich-nothwendigen Wuͤrckung, und den Folgen der Dinge; aus welchen Hr. Breitinger zeiget wie es moͤglich ſey, daß durch eben dieſe Sachen das Gluͤck einicher einzeler Geſchoͤpfe, ſo wie es der Ungenannte haben will, gehintert werde, und gehintert bleiben koͤnne, (denn der Grund gehet auf dieſes ſo gut an, als auf jenes,) dabey zugleich behauptet wird, man ſchraͤncke die goͤttliche Guͤte deßwegen nicht ein, wenn man glaubt ſie thue nichts, als was mit der hoͤchſten Weisheit beſtehen koͤnne. Dieſe Begriffe ſind es, die der Unbekannte beyzubehalten gut befun - den, obſchon man meinen ſollen, es waͤren juſt die Sachen, die er nimmermehr wuͤrde gelten laſſen, da ſie ſeinem Syſteme ſo ſehr ſchaden. Nemlich fraget man denſelben; wie kommts, da der Be - griff von der Guͤte Gottes fuͤr ſich betrachtet nur lauter Gutes thun in ſich ſchließt, daß deſſen un - geachtet der Menſch ſich in Unvollkommenheit, Suͤnde, Elend und Jammer befindet, wenigſtens in dieſer Zeit? Wie reimt ſich dieß mit der goͤttli - chen Guͤte? ꝛc. So iſt die Antwort eben dieje - nige, welche Hr. Breitinger giebt ſeine Sache zu erweiſen. Da, heißts, ſtehen im Wege, die Freyheit des Menſchen, die natuͤrliche Ordnung der Dinge, da jedes ſeine beſtimmte Folgen nachſeiner13in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. ſeiner Beſchaffenheit, ſeinen Umſtaͤnden ꝛc. haben muß. Or Dieu ne renverſe point l’ordre Na - turel: Ce ſeroit deſavouer la ſageſſe qui re - gne dans toutes ſes œuvres: La Bonté infinie ne ſçauroit s’oppoſer à cet ordre ſans lequel tout ſeroit confondu: Jtem; les Miſeres de la vie ſont une demonſtration parlante de la neceſſité des Moyens indirects, nemlich die Menſchen zum Gluͤck zu bringen: La divine Bon - conſentiroit-elle à ce que les hommes ſouffriſſent tant de maux, ſi elle pouvoit les leur epargner? Jtem: Un être ſans Liberté ne ſeroit plus l’homme, & il faudroit de - mander, pourquoi Dieu a trouvé a propos, de former des hommes. La liberté de l’hom - me exige que Dieu ſe ſerve de Moyens pour les ramener à l’ordre, tout changement ſubit aneantiroit l’uſage de ſa liberté &c. So ſchreibt der Ungenannte, und durch dieſe unerwar - tete Freygebigkeit koͤnnten gewiſſe Leute Anlaß neh - men von Hr. Breitingers Schrift nicht allzuguͤn - ſtig zu urtheilen; ich geſtehe es, aber geſtehen Eu. Hochedlen mir auch, (ich fordere nur was wahr iſt,) daß ein ſolch Urtheil, wer es immer faͤl - len moͤchte, uͤbereilet ſey; und der Ungenannte ſich mit ſeinen eigenen Waffen ſchlage. So bleibt es denn dabey; nach dieſer Bekaͤnntniß des Geg - ners bleibt die Guͤte Gottes dieſelbe in ihrer voͤlli - gen Kraft, ob ſie ſchon der Beſchaffenheit, Faͤ - higkeit, und natuͤrlichen Ordnung, die ſich in und bey den Geſchoͤpfen befinden, auf gewiſſe Weiſe nachgeben muß. Kan ich nun den Ungenanntennach14Erklaͤrung auf einige Saͤtzenach ſeinem andern mit dieſem nicht wohl zuſam - menſtimmenden Grundſatz nicht mit Recht fragen: Warum erſpart die goͤttliche Guͤte den Menſchen nicht auch dieſes Uebel alles; und bringt ſie nicht ohne daſſelbe zur Gluͤckſeligkeit? Sie kan es nicht, ſagt er, weil jenes im Wege ſteht. Wie aber wenn es immer im Weg ſtehen ſollte? Wie iſt zu erweiſen, daß dieſes und jenes einzele Indivi - duum &c. zur Erhaltung der Abſicht Gottes, das hoͤchſtmoͤgliche Gute in dem Gantzen zu befoͤr - dern, nothwendig durch ſein eigen Gluͤck etwas beytragen werde? Man weiß ja ſo wenig daß die kuͤnftige Beſchaffenheit und immerwaͤhrende Um - ſtaͤnde, welche einem jeden beſondern Individuo als eigen zukommen, dieſe Gluͤckſeligkeit in ſich ſchlieſ - ſen, als wenig man weiß, daß ſie (gleich den ge - genwaͤrtigen) dieſelbe nicht mit ſich bringen wer - den. Der Ungenannte will darum auch lieber den Nodum gordium zerſchneiden, als ihn aus der Natur der Dinge aufloͤſen: Er ſagt, es muß ſo ſeyn, daß die Menſchen zum Gluͤcke kommen, weil ſonſt Gottes Guͤte durch ſeine Weisheit und Gerechtigkeit eingeſchraͤnckt wuͤrde. Gleich als ob dieſe Einſchraͤnckung, (wenn dieß wahr iſt,) nicht ſchon vorhanden ſey, wenn die goͤttliche Guͤte nach des Gegners eigener Geſtaͤndniß den Menſchen nicht anderſt als durch viel Elend und Unvollkom - menheit zum Gluͤcke bringen kan; und gleich als ob man dieſelbe, ſo wie ſie in Gott iſt, ſich ohne Weisheit und Gerechtigkeit vorſtellen muͤßte. Jch beziehe mich aber uͤber dieſe Einwendungen im mehrern auf das oben gedachte. Gewiß dieſe lezteEigen -15in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. Eigenſchaften ſind in dem Begriff, nach welchem man ſich Gott vorſtellt, da er jetzt eine Welt er - ſchaffen wollen, eben ſo weſentlich, als die Guͤte: und es iſt eine Verwirrung der Dinge, wenn der Ungenannte vorgiebt, das, was in der Jdee der Gerechtigkeit Haͤrte beißt, ſey nur etwas Zufaͤlli - ges; etwas, das nicht platz gehabt haͤtte, wenn die Menſchen nicht wuͤrden geſuͤndiget haben. Die - ſe beſondere Ausuͤbung der goͤttlichen Gerechtig - keit iſt wohl zufaͤllig; eben wie auf gleiche Art die Ausuͤbung der goͤttlichen Guͤte zufaͤllig iſt, als die ja auch erſt zu ſehen iſt, nachdem Gott Hand an ſein Werck geſchlagen hat: Aber nicht die Ei - genſchaft, und der Wille Gottes ſo und nicht an - derſt gegen ſeine Geſchoͤpfe zu handeln, in ſo fern derſelbe in Gott betrachtet wird. Man kan ja doch ſeyn, was man iſt, ob man es gleich nicht immer in dem Wercke zeiget;

Quamvis tacet Hermogenes, Cantor tamen atque Optimus eſt modulator.

Der Zweck Gottes bleibet auch immer einfach. Dieſer iſt das moͤgliche Beſte, wie es die Be - ſchaffenheit und Verknuͤpfung ſeiner Creaturen lei - det, in dem Gantzen zu erhalten. Daſſelbige aber einzuſehen und zu erlangen iſt ein Werck nicht al - lein ſeiner weſentlichen Guͤte, ſonder dazu gehoͤren auch noch ſeine Weisheit, Gerechtigkeit und Macht, welche in ihm ſind, wie die Guͤte: Oder beſſer zu ſagen, die von ſeiner Guͤte, welche auf die moͤgli - che Foͤrderung des Gluͤcks der Geſchoͤpfe geht, nicht unterſchieden ſind, nur daß wir wegen unſrerSchwach -16Erklaͤrung auf einige SaͤtzeSchwachheit die Guͤte durch abgezogene Begriffe uns bald vorſtellen, in ſo fern ſie bloß eine Nei - gung iſt Gutes zu erweiſen, bald aber in ſo fern ſie eine erleuchtete Guͤte iſt, die ſich nach den Geſchoͤpfen, und der Erkaͤnntniß deſſen richtet, was in der gantzen Welt, bey ſo beſchaffenen Sa - chen wie ſie ſind, das hoͤchſte Gute, die meiſte Vollkommenheit, heiſſen kan: Unſre Vorſtellun - gen aͤndern indeſſen in dem einfachen Weſen Got - tes nichts.

Dieſes ſind meine Gedancken: Jch bin zum Zwecke gekommen, wenn Eu. Hochedlen daraus erkennen, es werde vergebens ſeyn, wenn der Ungenannte, oder andere, in Anſehung der Schrift Hr. Breitingers ſich auf die von ihnen vermuthete Weiſe verhalten ſollten. Kaͤme es darzu, ſo wuͤr - de Hr. Breitinger mit mehrerm Recht ſich hinwie - derum ſtatt einer Antwort auf ſeine Saͤtze und derſelben natuͤrliche Folgen beruffen koͤnnen. Jn - deſſen laßt uns immer die Wahrheit ſuchen. Wiſ - ſen ſie daß naͤchſtens eine franzoͤſiſche Ueberſetzung von Hrn. Breitingers Schrift ans Licht treten wird? Jch verharre mit aller Hochachtung ꝛc.

Von17

Von der verbluͤmten Schreibart. (*)Jſt die Fertſetzung der Abhandl. von dem Sinnr. und Scharſſinn, aus der Ankl. des verd. Geſchmacks.

DJeſe verbluͤmte Schreibart beſtehet aus uneigentlichen, figuͤrlichen und verbluͤmten Ausdruͤcken und Gleichniſſen. Sie iſt ein - geſuͤhrt worden, I. den Begriff durch die Ver - gleichung mit einem andern, der eine gewiſſe Aehn - lichkeit damit hat, in ein klaͤreres Licht zu ſetzen, und gleichſam ſichtbar zu machen: Opportunus translationis uſus illuſtrat orationem, ſchreibt Quintilianus; II. den Ausdruͤcken eine beſondere Kraft, ein Gewicht und einen Nachdruck zu geben, da - mit ſie deſto tiefer in das Gemuͤthe des Leſers eindrin - gen, wann ſie durch ihre reichen Bilder aͤhnlicher Dinge die Sinne und das Gemuͤthe fuͤllen.

Segnius irritant animos demiſſa per aurem, Quam quæ ſunt oculis ſubjecta fidelibus. Horat. A. P.

III. Durch die Entdeckung der verborgenen Aehn - lichkeiten der Dinge den Geiſt des Menſchen zu er - goͤtzen und zu beluſtigen. Car nous aimons ſui - vant la remarque d’Ariſtote, à voir une cho - ſe dans une autre, & ce qui ne frappe pas de ſoy même, ni à face decouverte, ſur - prend dans un habit emprunté, & avec une maſque .. Demnach irren diejenigen groͤblich, die ſich bereden, daß die Vorſtellungen aͤhnlicher Dinge, oder die Vergleichungen die Kraft eines Beweiſes haben, maſſen ſie alleine dienen zu er - klaͤren und zu beluſtigen. Jch habe wahrgenom - men, daß dieſer Jrrwahn bey unſern Poeten aſt[Crit. Sam̃l. III. St.] Ballge -18Von der verbluͤmten Schreibart. allgemein iſt, wie ich ſolches an einem andern Orte und zu einer andern Zeit darthun will. Wann nun die verbluͤmte Schreibart ihren Zweck treffen ſoll; ſo muß ſie nach den Grundregeln des Scharf - ſinnigen eingerichtet ſeyn, die ich oben ausgefuͤh - ret habe, und nach denſelben muß ſie auch beur - theilt werden.

Die Schweitzeriſche Mahler(*)Dieſen Titel hat eine moraliſche Wochenſchrift, die in den Jahren 1721. 1722. zu Zuͤrich herausgekommen, daher empfangen, weil die Verfaſſer derſelben, die Ar - beit eines jeden von des andern zu unterſcheiden, ſolche mit den Nahmen beruͤhmter Mahler gezeichnet haben. Da uͤbrigens der Character eines ſolchen Blats mit dem Cha - racter des Mahlers, deſſen Nahme darunter geſchrieben ſteht, wenig oder gar nichts Gleiches hat, ſoll der erſte Titel in der verbeſſerten Auflage, die man juͤngſt verſpro - chen hat, mit dem einfaͤltigen Nahmen des Zuſchauers vertauſchet werden. Doch wird man den Character, den Addiſon und Steele ihrem Zuſchauer gegeben haben, in etlichen abſonderlichen Zuͤgen veraͤndern. haben eine Probe von der verbluͤmten Schreibart gegeben, da ſie nach Opizens und andrer Exempel eine Be - ſchreibung des Reiches der Freude gema - chet. Dieſelbige hat Herr Philologus in dem 24 - ſten Stuͤcke der Tadlerinnen ſehr unbeſcheiden an - gezaͤpft. Jch will die Stelle gantz herſetzen, da - mit ihr daraus die Scharfſinnigkeit und Hoͤflich - keit dieſes critiſchen Magiſters um etwas ermeſſen koͤnnet. Die Mahler ſcheinen mir nicht die rech - ten Richter der ſinnreichen Schreibart zu ſeyn. Wie ſollte ich das Urtheil derer annehmen / die mit eben den Fehlern behaftet ſind / ſo ſie an andern tadeln? Herr Rubens weiß von nichtsals19Von der verbluͤmten Schreibart. als Phoͤbus / Galimathias und Wortſpielen zu ſchreyen; weiß aber nicht / daß er ſelbſt ein Meiſter in dieſen Kuͤnſten iſt. Leſet doch ſeine Beſchreibung die er vom Reiche der Freu - de gegeben. Jch will jetzo nicht an ſeine uͤber das Land ſpatzierende Augen / auch nicht an die Blumen gedencken / die ihre Haͤlſe hervor - recketen / und die heiterſte Strahlen der Mor - genroͤthe nachmahleten / ja ihm Geruch von Bal - ſam / Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe blieſen; wiewohl man uͤber dieſe hochgetriebe - nen Redensarten eben ſo luſtige Dinge ſagen koͤnnte / als uͤber Neukirchs Verſe von ihm geſchrieben worden. Wenn aber der Hunds - ſtern geruͤhmet wird, daß er niemahls die Saat verbrennet habe; wenn der Nordwind die Waͤlder niemals ihres gruͤnen Haares be - raubet hat; wenn die Blumen wie Rubinen brennen / und ihre Blaͤtter mit Atlas und Da - maſt ſchmuͤcken; wenn der Winter ſein glaͤ - ſernes Eis auf die Berge getragen; wenn endlich die Freude uͤber alle Sachen / ſo ſie beruͤhret / einen neuen Glantz ſaet, ſo weiß ich nicht / was ich von dem Luchsaugigten Verfolger unnatuͤrlicher Gedancken und Aus - druͤckungen dencken ſoll? Jch enthalte mich alle dieſe Redensarten ſo laͤcherlich zu machen, als dieſer Schweitzeriſche Scioppius des Hoff - mannswaldaus / Lohenſteins und andrer Ge - dichte gemacht / und wollte nichts mehr wuͤn - ſchen / als daß ihr / wehrteſte Tadlerinnen, den ſcharfſichtigen Herren Rubeen zu einer Vertheidigung ſeiner Redensarten bringen koͤn - tet; denn ich bin gewiß / daß ſeine Entſchul -B 2digun -20Von der verbluͤmten Schreibart. digungen zugleich alle von ihm getadelte Poe - ten rechtfertigen wuͤrden. Weil dieſe unzeitige Critick, ſo viel mir bewußt iſt, von den ſchweitzeriſchen Kunſtrichtern nicht anderſt als mit Verachtung beantwortet und wiederlegt worden; ſo will ich die Muͤhe nehmen, ihre ſo kuͤhn geforderte Vertheidi - gung zu verfertigen. Jch habe auſſerdem Exem - pel noͤthig meine Saͤtze recht deutlich zu machen; ich ſchmeichle mir aber daß dieſe Vertheidigung eine weit andre Wirckung haben werde, als ſich Philologus davon verſprechen doͤrffen. Kubens nennet ſich derjenige unter den Mahlern, der ſei - ne Feder allein gewiedmet hat, einiche grobe Feh - ler unſrer deutſchen Poeten, die den guten Ge - ſchmack verletzen, zu beſtreiten. Er hat deßfalls den Frantzoſen gefolget, und ihre Gedancken, da - mit ich mit denſelben rede, geheyrathet(*)Dieſe Redensart wird hier einem Frantzoſen zu - geleget, und alſo nur vor Franzoͤſiſch-Deutſch ange - bracht. Nichtsdeſtoweniger wuͤrde ein Frantzoſe einen ziemlichen Grund fuͤr ſie in der engen Verbindung finden, die zwiſchen den Gedancken zweyer Perſonen ſo genau ſeyn kan, als zwiſchen ihren Coͤrpern.; aber ſie mit Exempeln aus unſern deutſchen Poeten erlaͤu - tert, und bekraͤftiget: So daß derjenige Sinn, der auf die Vertheidigung der getadelten Stellen nur gedencket, in der critiſchen Wiſſenſchaft ſchlecht bewandert ſeyn muß. Der Herr Philologus hat ſich nicht getrauet, auch nur eine einige von dieſen Stellen zu retten, oder die Lehrſaͤtze des Hrn. Rubens anzugreiffen; er laͤßt es daran bewenden daß er eine Gegenbeſchuldigung machet. Aber

Nil21Von der verbluͤmten Schreibart.
Nil agit exemplum litem quod lite reſolvit.

Seine Beſchuldigungen fallen auf etliche Metapho - ren, die ihm nicht gefallen. Opitz wird eingefuͤhrt, wie er den Rubens alſo anredet: O Freund mei - ner Poeſie! Laſſe deine Augen uͤber dieſes lu - ſtige Land hinſpatzieren; fuͤhre ſie laͤngſt dieſem groſſen Fluſſe hinauf. ꝛc. Philologus meint, er koͤnnte ſich, wenn er wollte, uͤber dieſe Stelle recht luſtig machen. Jch moͤgte es gern ſehen. Weiß er nicht, daß dieſe Metapher, prome - ner ſes yeux, bey den Frantzoſen ſo gemein iſt, daß ſie faſt nicht mehr fuͤr eine Metapher gehalten wird. Aber auch die deutſche Sprache hat kei - ne eigene Woͤrter, die verſchiedenen Bewegun - gen der Augen und Blicke auf die auſſern Ge - genſtaͤnde auszudruͤcken, ſie iſt gezwungen ſich derjenigen Woͤrter zu bedienen, durch welche die verſchiedene Bewegungen des menſchlichen Coͤr - pers bezeichnet werden; daher entſpringen die ge - braͤuchlichen und auch in taͤglichen Geſpraͤchen vorfallende Redensarten, er laͤßt ſeine Augen frey herum gehen; er wirfft die Augen auf mich; er hat ſie auf dieſen ſchoͤnen Gegenſtand angeheftet; er verfolgete mich mit ſeinen Au - gen. ꝛc. Dieſe Redensarten koͤnnen ihm neue Materie ſich luſtig zu machen vollauf an die Hand geben. Er kan ſich verwundern, wie die Augen ohne Fuͤſſe gehen koͤnnen; ob man ſie ohne Schmer - zen auf einen Gegenſtand anheften koͤnne; ob es moͤglich ſey, daß ein Menſch ſeine Augen ſelbſt wegwerffen werde; ꝛc. Wenn von den AugenB 3geſagt22Von der verbluͤmten Schreibart. geſagt wird, daß ſie gehen; ſo wird die gemeſſe - ne Bewegung ihrer Geſichtesſtrahlen von einem Gegenſtande zu dem andern angedeutet; koͤnnen ſie nun gehen, warum nicht auch ſpatzieren? Spa - zieren bezeichnet eine freye Bewegung der Ge - ſichtesſtrahlen von einem Gegenſtande zu dem an - dern, wenn ſie mit einem Ergoͤtzen vergeſellſchaf - tet iſt. Oder ſage mir Philologus, wie er dieſen Begriff eben ſo ſtarck mit einem einigen Worte ausdrucken wolle? Aber die Augen koͤnnen nicht nur ſpatzieren, ſie koͤnnen gar laufen. Der geiſtreiche Poet Hr. J. U. Koͤnig ſagt in dem Heldenlobe Sr. Koͤnigl. Majeſt. in Pohlen:

Er kan den Augen kaum den freyen Lauf erlauben,
Aus Zweifel ob er auch ſoll dem Geſichte glauben.

Und der eben ſo ſcharfſinnige Hr. Brocks in dem Gedichte von der Allee:

Sonſt aber war die Wand ſo dicke,
Daß, wann die Augen oftermahl
Von Blat auf Blat in Schatten-reichen Tiefen
Verwirret hin und wieder liefen,
Sie keine Thuͤr zu finden wußten,
Und, angenehm beſchaͤmt, zuruͤcke kehren mußten.

Ja ſie machen zuweilen weitlaͤuftige Reiſen, z. E. in deſſelben Ode von den Bergen

So entſetzlich ſind die Hoͤhen,
Die bald ſteil, bald rauch, bald glatt,
Daß das Aug von vielem ſehen,
Und ſo ferner Reiſe, matt,
Kaum zun Gipſeln kan gelangen,
Die, wenn ſie voll Wolken hangen,
Nach23Von der verbluͤmten Schreibart.
Nach dem bloͤden Augenſchein,
Selbſt des Himmels Stuͤtzen ſeyn.

Und grad auf dem dritten Blatte ſtehen dieſe ſchoͤ - ne Zeilen auf das Firmament:

Als juͤngſt mein Auge ſich in die Saphirne Tiefe
Die weder Grund noch Strand, noch Ziel, noch End
(umſchraͤnckt,
Jns unerforſchte Meer des holen Luft-Raums ſenckt,
Und mein verſchlungner Blick bald hie bald dahin liefe
Doch immer tiefer ſanck.

Philoloaus aͤrgert ſich ferner, daß Rubens ſagt: Als wir an dem Fuſſe deſſelben waren / gien - gen wir Landwerts ein / von allen Seiten mit Huͤgeln umſchloſſen / auf welchen Blumen ihre Haͤlſe hervorreckten / welche die heiterſten Strahlen der Morgenroͤthe nachmahlten / die auf die Wolcken fallen; und die uns Geruch von Balſam Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe blieſen. Es iſt auch in den gemeinen Re - den uͤblich, daß man den Blumen ein Haupt zu - ſchreibet. Beſſer in dem Lebenslaufe ſeiner Kuͤhl - weinin: Wenn ſie unter ihnen ſtuhnd / ließ es ihr wie einer Lilien auf einem Blumen-Fel - de, welche mit ihrem Atlas-Haupte uͤber alle hervorraget. Und ich finde in dem 39ſten St. der Tadlerinnen einen gleichen verbluͤmten Ausdruck: Die Tulpe ſchien ihren Hals aus Ehr-Begier - de hoch zu tragen. Und der Herr Brockes re - det in der Betrachtung eines zeitigen Fruͤhlings von der Stirne einer Blume:

Es bluͤhete bereits
Die Silber-weiſſe Schnee - die guͤldne Crocus-Blume
B 4Die24Von der verbluͤmten Schreibart.
Die letzte hebt der guͤldnen Stirne Zier
Faſt ohne Stiel gleich an der Erd herfuͤr.

Und an einem andern Orte vergleicht eben dieſer vornehme Poet die vermiſchten Farben des Regen - bogens und der Abendroͤthe mit den buntvermiſch - ten Farben eines Blumenſelds:

Der Jris farbenreicher Krantz,
Des hellen Abendſterns ſo lieblich reiner Glantz,
Erquicken kaum ſo ſehr das menſchliche Geſicht,
Als das auf hundert tauſend Arten
Gefaͤrbet und gebrochne Licht
Von einem bunten Blumen-Garten.

Das Wort nachmahlen zeiget ſehr nachdruͤcklich die Aehnlichkeit der Farben. Aber vielleicht aͤr - gert ihn am meiſten, daß Rubens beyfuͤget: Und die uns Geruch von Balſam, Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe blieſen Doch ich will zur Vertheidigung dieſes verbluͤmten Ausdruckes abermahl eine aͤhnliche Stelle aus Hrn. Brockes beyſetzen.

Haucht ihre Menge nicht den ſtaͤrckſten Viſam aus,
Sie wuͤrtzen durch ſo angenehme Duͤfte,
Die voller Amber und Ziebeth,
Die ausgeſpannten lauen Luͤfte,
Daß ihre Balſam-Kraft uns recht ans Hertze geht.

Die Beſchreibung der Arten Geruches iſt uͤberaus ſchwer und muß nothwendig durch Vergleichung mit Balſam und andern bekannten wohlriechenden Dingen geſchehen. Aber die folgenden Ausdruͤcke kommen dem Hrn. Philologus noch weit laͤcherli -cher25Von der verbluͤmten Schreibart. cher vor: Die Jahrszeiten veraͤndern unſre Felder nicht, der Hundsſtern hat niemahls unſere Saat verbrennet / und der kalte Nordwind hat niemahls unſere Waͤlder ihres gruͤnen Haa - res beraubet. Er muß in guten Schriften der alten und neuen Poeten ſchlecht bewandert ſeyn, daß ihn dieſe Metaphoren fremd duncken. Horatz:

Hic in reducta valle caniculæ Vitabis æſtus. Carm. L. I. Od. 17.

Und Perſius.

En quid agis, ſiccas inſana canicula meſſes Jamdudum coquit. Sat. III. lin. 5.

Welches Opitz in ſeinem Vielgut alſo nachahmet:

Jndem der Hundesſtern anjetzt ſo heftig gleißt,
Und Feld und Wieſen kocht mit ſeinem ſchweren Hitzen.

Die andre verbluͤmte Gleichnißrede erklaͤret Opitz in dem dritten B. der P. W.

Ein jeder Baum der muß ſein Haar die Blaͤtter legen,
Jſt todt bis ſich der Weſt im Lentzen pflegt zu regen.

Welches er aus Horatz nachgemachet hat:

Diffugere nives, redeunt jam gramina campis, Arboribusque comæ. Carm. L. IV. 7.
B 5Noch26Von der verbluͤmten Schreibart.

Noch eine Stelle in der Beſchreibung des Reiches der Freude, welche des Philologi Geſchmack be - eckelt, lautet alſo: Ein ewiger Fruͤhling be - herrſchet ſie, und die ſanften Zephire wehen einen kuͤhlen Wind auf unſre Blumen, die un - gepflegt hier wie Rubinen brennen, dort ih - re Blaͤtter mit Arlas und Damaſt ſchmuͤcken. Jn des Hrn. Lieentiat Brockes Abſchilderung ei - nes Gartens finden wir dieſe geſchickte Stelle.

Die dunckel-rothe Glut der Aramanthen,
Der bunte Mahn, worauf, wie Diamanten,
Der Tropfen Menge lag,
Samt der Peonien Blut-rothem Funckeln;
Convolvulen, Violen und Ranunckeln,
Die theils, wie Himmel-Blau und Silber, theils verguͤldet,
Und theils in rothen Flammen gluͤh’n. ꝛc.

Sonſt duͤnckt mich, daß Rubens ſeine Ausdruͤ - kung dem Hrn. von Beſſer abgeborget, der in Florens Fruͤhlings-Feſt von der ungezehlten Blu - men-Menge alſo ſchreibet:

Hier ſieht man euch als wie Smaragden gruͤnen,
Hier brennet ihr als wie Rubinen,
Dort werdet ihr dem Tuͤrckis gleich geacht.
Der bunte Schmeltz, den man auf euch erblicket,
Der Atlas und Damaſt, der eure Blaͤtter ſchmuͤcket,
Jſt reicher, als was ſonſt Natur und Kunſt erdacht.

Auch der folgende Ausdruck duͤnckt unſern Kunſt - richter zu kuͤhn, wann Rubens ſagt: Der Win - ter ſelbſt hat uns ſeinen Schnee und ſein glaͤ - ſernes Eis geſchencket / das er vor unſer Ge - ſicht auf dieſe hohe Berge in dem Norden ge -tragen,27Von der verbluͤmten Schreibart. tragen, die ꝛc. Kan er dann nicht begreiffen, wie der Winter das Eis auf die Berge hintra - ge? Was koͤnnte aͤhnlicher ſeyn, als das Glas und das Eis? Traͤgt nicht der Winter den Schnee herbey? Jch kan faſt nicht errathen, was er an dieſer Stelle ausſetzt. Horatz in dem Schreiben an Mecenas druͤckt dieſes noch kuͤhner dergeſtalt aus:

Quod ſi Bruma nives Albanis illinet agris.

Aber warum mißfaͤllt ihm folgende Redensart: Die Freude ſaͤet uͤber alle Sachen einen neuen Glantz. Es iſt ja eine ſehr uͤbliche Redensart der Mahler, die einem ſo groſſen Kunſtlehrer, als Herr Philologus in ſeiner Einbildung iſt, nicht unbekannt ſeyn ſollte. Jch gebe ihm darum den wohlmeinenden Rath, daß er ein andermahl zu - erſt ſeine Kraͤfte pruͤffe, bevor er ſich ſo verwegen bloß giebt.

Sumite materiam veſtris, qui ſcribitis, æquam Viribus, & verſate diu, quid ferre recuſent, Quid valeant humeri. Horat. de A. P.
Von
Anm. Der Herr Philologus hat um alles, was ihm hier zur Vertheidigung dieſer metaphoriſchen Redensarten geſagt worden, ſein Urtheil nicht geaͤndert. Jn dem fuͤnf und ſiebenzigſten Blate des Biedermanns, in welchen die Haͤlliſchen Tadlerinnen ſich 1728 verwandelt haben, iſt ein Schreiben unter Philologi Nahmen eingeruͤcket wor - den, wo er ſeinen erſten Ausſpruch davon wiederholet, und vornehmlich damit behaupten will, weil dieſe Aus - druͤcke im Deutſchen unerhoͤrt ſeyn. Dennoch giebt er nicht zu verſtehen, daß er den Grund der Aehnlichkeit, worauf dieſelbe beruhen, nicht offenbar und richtig darin -nen28Von der verbluͤmten Schreibart. nen finde, oder daß ſolcher jemand verborgen bleiben koͤnne, wenn er gleich, wie in den Metaphoren geſchieht, nicht angezeiget wird. Er ſieht auch nicht, daß ſein Grundſatz ihn ſo weit fuͤhret, daß er nach demſelben uns alle neuen und unerhoͤrten Gleichniſſe verbieten muͤßte: Weil die Metaphoren nichts anders ſind, als abgekuͤrtzte Vergleichungen. Er ſollte ſich erklaͤren ob er die Ueber - einſtimmung, die ſich zum Ex. zwiſchen dem Haupt, der Stirn, und dem Halſe einer Blume und eines Men - ſchen befindet, nicht erkenne, und ob ihm dieſe ſo uner - hoͤrt ſey, oder wenn er ſie erkennet, ob er darum uns nicht erlaubet, eine Metapher daraus zu formieren, weil dieſes noch von niemanden geſchehen iſt? Wenn das iſt, ſo wird er uns ſagen muͤſſen, was ihm erhoͤrt oder un - erhoͤrt ſey, und es ſcheinet, daß ſeine Sprache und Re - dekunſt gar trucken und leblos herauskommen werden. Haben die Blumen Haupt, Stirne, und Hals, ſagt er, warum nicht auch eine Naſe, Ohren und Schul - tern? Will er denn haben, daß niemahls zwey Dinge mit einander verglichen werden, welche nicht in allen Theilen und Stuͤcken mit einander uͤbereinſtimmen, das iſt, wel - che nicht einerley ſind? Allein ich verweiſe ihn auf den ſiebenten Abſchnitt der Fortſetzung der critiſchen Dichtkunſt Bl. 331. Jch ſage nichts von der Anmerckung, womit er ſeine Critick zu verſtaͤrcken ſucht, daß in der ungebun - denen Schreibart nicht alles erlaubt ſey, was in der Poe - ſie vergoͤnnet wird, denn die Schrift, darinnen Rubens ſich der angetaſteten Redensart bedienet hat, iſt eben pro - ſaiſch-poetiſch, Poeſie in Proſa. Endlich, wenn es ihm laͤcherlich vorkoͤmmt, daß Rubens ſich durch Hr. Brockes ſchuͤtzer, den er, wie er ſagt, ſonſt ſo oft eines uͤbeln Geſchmacks beſchuldiget hat, ſo ſollte er gedacht haben, daß die aus demſelben angefuͤhrten Exempel ihre Kraft nicht von dieſes beruͤhmten Mannes Anſehen, ſon - dern von ihrer Uebereinſtimmung zwiſchen den Bildern, bekommen ſollen. Und ſcheint es ihm laͤcherlich, daß ein Kunſtrichter in einem Buche von ve miſchtem Witze einige Sachen tadelt, andere verwirfft; haͤlt er vor weiſer und billiger, daß in einem Wercke alles entweder verurtheilt, oder erhoben werde?
1
29

Von der poſſenhaftigen Schreibart.

WEnn die verbluͤmte Schreibart keinen Ge - ſetzen noch Regeln folget, ſondern uͤber die geſetzten Schrancken ausſchweiffet, wenn die Aehnlichkeiten, die ſie in den Dingen entdecket, allzu entfernt ſind; wenn entweder groſ - ſe Dinge mit kleinen, oder kleine mit groſſen in Vergleichung geſtellt werden; ſo verartet ſie in die poſſenhaſte Schreibart. Von dieſer Art ſind insgemeine die Ausdruͤcke des Patrioten, ſo oft er etwas Geiſtreiches vorbringen will. Jch darf nur hier und dort einige Blaͤter aufſchlagen, ſo werden ſich Exempel vollauf hervorthun, dieſe elende Schreibart nach ihrer Haͤßlichkeit vor Au - gen zu legen. N. 1. faͤllt mir gleich der Titel in die Augen: An alle meine Mitbuͤrger in und auſſer Hamburg / in Staͤdten / Doͤrffern und Flecken. Jch kan nicht wiſſen / ob er ſeine Blaͤter nur den Hamburgern, ſie wohnen jetzt in oder auſſer der Stadt, wiedmen will; doch ich lerne aus dem Verfolge, daß ſeine Anrede an alle Men - ſchen, die er fuͤr ſeine Mitbuͤrger haͤlt, gerichtet iſt: Nur ſchade, daß dieſelbigen nicht in einer allgemeinen Schrift gedruckt ſind; oder daß die wenigſten ſeiner Mitbuͤrger deutſch verſtehen! Aber was dieſe Zuſchrift recht poſſierlich machet, iſt die Proportion, welche er in der Eintheilung des menſchlichen Geſchlechtes beobachtet hat: An die Hamburger und uͤbrige Menſchen. Er kan auf dem Globo ſehen, was ſeine Reſidentz-Stadt mit dem uͤbrigen Raum der Erdkugel verglichen,fuͤr30Von der poſſenhaften Schreibart. fuͤr eine groſſe Figur machet. N. 4. auf der er - ſten Seite: Tauſend Dinge kommen vor / wor - durch die Geſundheit / der Wohlſtand / und das Vermoͤgen Anſtoß leidet. Auch dieſe brau - chen ihrer eigenen Cur / und iſt ihnen oft durch ein bloſſes auslachen abgeholffen worden. Die Hechel iſt mancherley / wodurch ein ſolches Flachs rein wird; wiewohl auch die allerge - lindeſte ihre Spitzen haben muß. Die Urſa - che, die mich bewogen, dieſe Stelle unter die poſſenhaften zu zehlen, iſt, weil die Metaphoren zu weit getrieben und die Aehnlichkeiten allzu ent - fernet ſind. Es geht noch wohl hin, daß die ſa - tyriſche Manier die Laſter zu beſtraffen einer He - chel verglichen wird; ſo ſagt man, etwas durch die Hechel ziehen: Aber entdecke er mir die Aehnlich - keit zwiſchen dem Flachs und den Laſtern; wie werden die Laſter rein? N. 9. Es erhob ſich ſo manche nachdruͤckliche Stimme der Herren Pferde-Regenten, daß es ſchien / als ob ſie die Haͤuſer weiter von einander ſchreyen woll - ten / um Raum zu gewinnen. Wir hatten Gelegenheit / uns uͤber die handfeſte Beredt - ſamkeit zu verwundern / die von den Bier - Karren mit ſo vieler Veraͤnderung der Schelt - worte durchſpicket, in unſre Ohren fielen. Dergleichen Ausdruͤcke wuͤrden trefflich in Hans Wurſtens Locos communes dienen. Die Hrn. Pferde-Regenten, iſt eine poſſierliche Ver - gleichung kleiner Dinge mit groſſen; was darauf folget, iſt ſo ausſchweiffend, daß es auch die Graͤn - zen des Moͤglichen uͤberſchreitet, und das es ſchien reimt ſich trefflich damit. N. 24. Jn Ausrich -tung31Von der poſſenhaften Schreibart. tung meines Amts, als Aufſeher uͤber die Klei - der-Tracht / werde ichs machen, wie ein ge - ſchickter Gaͤrtner / und alle uͤberfluͤſſige Zwei - ge wegſchneiden / die nur den vornehmſten Stuͤcken des Baums ihre Nahrung entziehen. So weit iſt das Gleichniß ertraͤglich. Aber es wird laͤcherlich, wenn er es weiter treibet: Zuerſt wird mein Garten-Meſſer ſich an die Reif - und Unterroͤcke machen / welche ꝛc. Hiernaͤchſt gedencke ich die groſſen geknuͤpften Peruͤcken / die Haar-Beutel ꝛc. unter mein Meſſer zu neh - men. Warum verwandelt er ſeine Feder in ein Garten-Meſſer, und nicht lieber in eine Scheer, oder ein Beil, oder einen Hirſchfaͤnger, welche ihm den Dienſt, darzu er das Garten-Meſſer brauchte, eben ſowohl oder beſſer thun koͤnnten? N. 25. Er ſtellet mit ſeinen Gliedmaſſen eine Schlaf-Muͤtze vor. N. 40. Noch andere mußten es fuͤr die beſte Augenweide halten / wenn man gar nichts ſehen kan. N. 39. Er hat einen Lehrer / ich weiß nicht von wie viel Rechten und Lincken / mit ſich gebracht. N. 64. Sie meinten ſie waͤren Flachs und befan - den ſich in den Zaͤhnen einer Hechel. Dahin gehoͤren alle poͤbelhafte Spruͤchwoͤrter und Re - densarten, deraleichen folgende ſind. Pithago - ras iſt kein Narr geweſen; ſich zu Boden zanken; die ſehr practiſche Kunſt den Leu - ten die Koͤpfe einzuſchlagen; dem Lands - Frieden nicht trauen; Saͤtze abwuͤrtzen; eine hagenbuͤchene Politick ꝛc. An dergleichen ſind die Blaͤtter des Patrioten ſehr reich. Aber auch die Tadlerinnen verfallen zuweilen auf ſolche niedri -ge32Von der poſſenhaften Schreibart. ge und poſſierliche Schertze. Bl. 227. Das ſechs - te Gebot gantz und gar durchloͤchern. Bl. 228. Seine Neugierigkeit hat ihn an das Schluͤſ - ſel-Loch angeheftet. Bl. 278. Den Schmal - Hans als Kuͤchen-Meiſter in Beſtallung neh - men. ꝛc.

Aber neben dieſen einzeln Ausdruͤcken, finden ſich gantze Stuͤcke ſowohl in dem Patrioten, als in den Tadlerinnen, die in dieſe Claſſe gehoͤren: Jch will nur einige zur Probe anfuͤhren: Die zweite N. in dem Patrioten iſt mit einem poſſierli - chen Briefe, und einer eben ſo poſſierlichen Ex - tract-Rechnung eines verdorbenen Kauffmanns angefuͤllet: Es hatte der Patriot in dem erſten Stuͤ - ke ſich erboten, ſeine Leſer durch ſeine Lehren auf einen Weg zu fuͤhren / wobey ſie Anſehen / Reichthum und gute Tage ſollten genieſſen koͤnnen. Dieſe Metapher hat das gantze zweite Stuͤcke gebohren, denn er dichtet einen durch die tolle Verſchwendung ſeines Sohnes in den aͤuſſer - ſten Ruin geſtuͤrtzten Kauffmann, der mit dieſer Metapher alſo ſpielen muß: Jch kan demnach ſagen / daß es mir in meinen alten Tagen ei - ne groſſe Freude geweſen, wie ich aus dero gedruͤckten Schrift wahrgenommen daß mein Hochgeehrter Herr Patriot uns Hamburger auf einen Weg zu fuͤhren ſich erbietet / wobey wir Anſehen / Reichthum und gute Tage ſoll - ten genieſſen koͤnnen. Eu. Hochadel. Geſtr. Herrlichkeiten kan ich verſichern, daß ſie nie - mand antreffen werden / der alles dieſes mehr beduͤrftig / und in deſſen Erlangung den Vor - zug vor andern zu fordern / berechtiget ſey /als33Von der poſſenhaften Schreibart. als eben ich / der alle dieſe Vortheile vorhero beſeſſen, derſelben aber durch ſchwere Ungluͤcks - Faͤlle leider ploͤtzlich bin beraubet worden. Jeder geſcheide Leſer wird erwarten, daß die fol - gende Erzehlung des Kauffmanns von dem Ver - falle ſeiner Handlung und ihrem dießmahligen elenden Zuſtande das Mitleiden bey ihm erwecke, aber er wird mit Beſtuͤrtzung ſehen, daß ſie ihn viel - mehr zum Lachen beweget. Jch will nur die Un - terſchrift melden: Jch hoffe Eu. Gnaden wer - den mich mit einer troͤſtlichen Antwort erfreuen / dafuͤr ich lebenslang zu verharren gedencke Eu. Hochadelichen Geſtrengen Herrlichkeiten / Deh - und Wehmuths-voller Diener / Matz Scham - roth / Senior. Daß dieſes meines Hrn. Groß - vaters Unterſchrift ſey / und der Brief von mir concipirt und geſchrieben worden / auch alles / was darinn befindlich, ſich wuͤrcklich alſo verhalte; ſolches atteſtire hiermit in fidem requiſitus Ego MATTHIAS CHAMMAROTIUS, Jun. Matthiæ ex filio Nepos, J. V. C. &c. Notari - andus. Und endlich, was will dieſer gantze Vor - trag ſagen, als, die Verſchwendung ſey die Urſa - che, daß viele Kauffleute ungluͤcklich werden. Aber auch die folgenden Stuͤcke ſchickten ſich beſ - ſer in einen luſtigen Redner, oder in eine Samm - lung poſſierlicher Schwaͤncke. N. 9. und 16. wer - den abentheurliche Erzehlungen von einem alberen Baccalaureus, und ſeinem Buche gemachet; deſ - ſen Titel lautet: Ochippologia exetaſtico eriſtica: Das iſt: Tiefgeholte Widerlegung der vor - nehmſten Einwuͤrffe wider die ſo anſehnliche als nuͤtzliche Mode / mit Kutſchen und Pfer -[Crit. Sam̃l. III. St.] Cden34Von der poſſenhaften Schreibart. den einen Staat zu machen / wodurch allen groſſen Handels-Staͤdten / und deren zum Theil gar zu bedachtſamen Einwohnern ein Triumph uͤber alle Ungemaͤchlichkeit angewie - ſen; dagegen die Vertheidiger der Haushalte - riſchen Klugheit in dieſem Stuͤcke eines Singu - larismi, Menagianismi und Patriotismi mit der - ber Gelindigkeit uͤberfuͤhret werden. Alles aus der allergeſundeſten Vernunft / und ſo wohl Juͤdiſchen / als Griechiſchen und Roͤmiſchen Staats-Gelehrten und Weltweiſen hergelei - tet / auch mit Ein - und Ausfuͤhrung vieler ſonderbaren Neben-Dinge ausgeſtaffiert von Philippo Schmalwitz P. H. Baccal. Es wird daſſelbe N. 16. der Laͤnge nach recenſirt. Aber ich ſchaͤme mich, daruͤber weitlaͤuftiger zu ſeyn: Dergleichen Erfindungen ſtuͤhnden beſſer einem Pickel-Hering, als einem Patrioten und ernſt - haften Moraliſten an. N. 42. enthaͤlt zwey ziemlich weitlaͤuftige Briefe, die mit gleichmaͤſſigem abge - ſchmacktem Zeuge angefuͤllet ſind. Der erſte iſt von Gerh. Liebenthaler, einem angehenden Buch - haͤndler, unter deſſen Perſon ſich der Patriot uͤber einiche Betruͤge dieſer Profeſſions-Verwandten, und uͤber die allzugroſſe Schreibſucht luſtig ma - chen will, aber es laͤßt ſo erbaͤrmlich, daß man es faſt nicht errathen kan, daß dieſes ſein Vor - haben geweſen. Er hat demſelben ein Verzeich - niß etlicher Buͤcher beygefuͤgt, von denen gedich - tet wird, daß der gedachte Buchhaͤndler ſie in ſei - nem Verlage gedruͤckt habe: Zum Ex. La Revol - te des Braſſellets, oder rechtmaͤſſige Beſchwer - den der Arm-Baͤnder wider die ſchmalenMuffen35Von der poſſenhaften Schreibart. Muffen; worinn das Frauenzimmer kaum die Finger bergen, hingegen ſelbige uͤber die Hand ſtoſſen / und dadurch den Arm-Baͤn - dern in ihrem Rechte Eintrag thun kan: Aus dem Frantzoͤſiſchen des Hrn. D ** in drey Tagen uͤberſetzt. Zweiter Druck / von vielen Fehlern geſaͤubert / und mit einem poetiſchen Anhange von der gelehrten Baͤren-Haut ver - mehret. 13. Bogen in 8. Kurtz und gut / d. i. 23. Lob-Gedichte auf die Contuſchen / worinn allein 23. Façons derſelben erzehlet werden. 4. Bogen in 8. Der wohl unterwieſene Beutel - Schneider / welcher beſondere Handgriffe an - zeiget / einen Haar-Beutel nach der neueſten Mode zu ſchneiden ꝛc. ſamt einer Zugabe von der ſchwartzen Kunſt in dem lebendigen Haa - re 9. Bogen in 12. Der zweite Brief iſt eben ſo abgeſchmackt, er faͤngt alſo an: Ein ſehr Kunſt - reicher Grob-Schmid hieſiges Ortes / der ſeit kurtzer Zeit das Perlenſticken angefangen / hat eine neue Art zu punctieren erfunden ꝛc. er hat gluͤcklich herauspunctiert / daß der Patriot gantz gewiß mit dem letzten Stuͤcke aufhoͤren werde / welches die Zeit zweifels - ohne beſtaͤtigen wird. Aber ich wuͤrde mich ſei - ner Thorheit theilhaft machen, wenn ich mehre - re Stellen von dieſer Art, dergleichen N. 70. 79. und anderſtwo haͤuffig zu finden ſind, anfuͤhren wollte. Doch muß ich in Anſehung des N. 70. eingeruͤkten poſſierlichen Briefs erinnern, daß er ſich nicht geſchaͤmt, durch folgende Vorrede dieſe Poſſen an - zupreiſen: Jn dieſer Abſicht gebe ich den fol - genden Brief oͤffentlich zu leſen / weil er nichtC 2allein36Von der poſſenhaften Schreibart. allein beluſtigen / ſondern auch zu allerhand dienlichen Unterſuchungen veranlaſſen kan. Fuͤr - wahr das muß ein kleiner Geiſt ſeyn, der ſich mit dergleichen Salbadereyen beluſtiget; und ich glau - be nicht, daß der Hr. Patriot vorwitzig ſeyn wer - de, zu wiſſen, zu was fuͤr Unterſuchungen mich dieſer Brief veranlaſſet habe. Zwar hat er mei - ſtens die Vorſichtigkeit gehabt, die mehreſten von dieſen Poſſen fremden Perſonen anzudichten, aber dieſes rechtfertiget ihn bey weitem nicht; wenn er ſie nicht fuͤr was ſchoͤnes angeſehen haͤtte, wuͤrde er ſeine Leſer damit verſchonet haben.

Was die haͤlliſchen Tadlerinnen anlanget, ſo muß ich bekennen, daß ſie in dieſem Stuͤcke uͤber den Patrioten einen groſſen Vorzug haben. Sie ſind mit dergleichen poſſierlichen Einfaͤllen ſparſa - mer: Jch finde unter denen Blaͤtern, die mir bishero zu Geſicht gekommen, mehr nicht als zwey, die in dieſe Claſſe gehoͤren, nemlich das fuͤnfte und daͤs ein und zwanzigſte Stuͤck, in jenem wird eine ausſchweiffende Geſellſchaft unter dem Nahmen Societé des galants hommes beſchrieben, die zum Zweck hat, die Einmiſchung fremder Woͤr - ter in unſre Mutter-Sprache mit ihrem Anſehen gegen die Geſellſchaft der deutſchen Muſen zu ver - theidigen. Das andre Stuͤck enthaͤlt eine ſolche gemiſchte Unterredung zwiſchen Deutſchlieb und Miſchmaſch, die ein wenig zu ausſchweiffend iſt.

APOLO -[37]

APOLOGIA DEL EDIPPO DI SOFOCLE CONTRA LE CENSURE DEL SIGNOR DI VOLTAIRE.

HO letto con piacere, Onoratiſſimo mio ſigr. N. che ſienvi ſtate in grado le Oſ - ſervazioni da me fatte ſopra il nuovo Edippo; uſo peró la Confidenza di mandarvi anche l’apologia di Sofocle, che m’era impegnato d’aggiungere. Vero egli é benſi, che nell intendere per voſtra Lettera che un tale mio aborto doveva paſſare ſotto gli occhi altrui, aveva quaſi perduto il coraggio di trasmettervelo, perche non ardiva prometter - mene quell aggradimento, che per aventura era toccato alla mia critica: Ma conſiderando poſciaC 3cheAnm. Da dieſe Sammlung vornehmlich fuͤr ſolche Le - ſer gewiedmet iſt, welche die Poeſie und was zu der Er - kenntniß derſelben dienet, mit einer gewiſſen Affectvollen Heftigkeit lieben, ſo darf ich mich verſichern, daß die Jta - liaͤniſche Sprache denſelben vollkommen bekannt ſeyn wer - de: Angeſehen in dieſer Sprache nicht wenig der vortreff - lichſten Meiſterſtuͤcke verfaſſet ſind, die gantz bequem ſind, eine ſolche Begierde mit Vergnuͤgen zu unterhalten. Jch habe darum kein Bedencken gehabt, gegenwaͤrtiger Schrift, die den Verfaſſer des Paragone della poeſia trag. d’Italia con quella di Francia zum Urheber hat, in ihrer Grundſprache ei - nen Platz unter den deutſchen Stuͤcken einzuraͤumen. Man wird mir dieſes um ſo viel lieber zu gut halten, weil ſie noch niemals gedruckt worden, und ſelbſt in der Hand - ſchrift in ſehr weniger Leute Haͤnde gekommen iſt, vor - nehmlich auch ohne meine Vorſorge niemals im oͤffentlichen Drucke erſchienen waͤre.38APOLOGIA DI SOFOCLEche tanto avete per me di benevolenza, quanto di giudizio per diſcernere il valore dell opera, ho ripreso animo; perche mi ſono aſſicurato, che o ritrovandola Voi indegna dell’altrui viſta non l’eſporrete à quel biaſimo, che le potrebbe pro - venire; o piacendovi all incontro di communi - carla ad altri, eſſa non ſarà cotanto immerite - vole, come io l’averei conſiderata.

Io non voglio eſſere nel numero di Coloro, che preoccupati dalla riputazione degli antichi autori ſi perſuadono che ſien ſenza difetti, e giun - gono talora a far legge de’loro ſteſſi errori; reſtan - do quindi sforzati a fare apologie, in cui moſtra - no più d’arte che di raggione; come oſſervo eſſere avenuto in queſti ultimi anni appunto in Francia d’alcuni partiggiani d’Omero, che ſono ſtati tanto ap - paſſionati difenſori d’ogni ſua Cenſura quanto ar - diti gli avverſari in condannare più coſe degne di lode non che capaci di giustificazione. Che che abbia ſcritto Mr. Dacier nelle ſue Rifleſſioni ſulla poetica in favore delle Tragedie de Greci; aſſai comune é tra Franceſi il giudizio poco loro favo - revole, il che credo eſſere accaduto particolarmente 1. per il mal eſito che hanno avuto i primi loro imitatori Jodelle e Ronzard. 2. Per i Coſtumi che paiono ſovente poco dicevoli, non tanto per la diverſità loro, quanto per una certa rozzezza di quel ſecolo, in cui ſ’aveva minor dilicatezza nella decenza de Caratteri, e mancava certa no - biltà de ſentimenti che i tempi poſteriori hanno acquiſtato. 3. Per alcuni difetti eziandio, che io non negarei appartenere all’arte delle mede - ſime Tragedie più ch’al Tempo in cui furono ſcritte; come averò occaſione di moſtrare in alcunemie39CONTRA M. DI VOLTAIRE. mie oſſervazioni ſopra la Tragica poeſia - Ma Mr. Voltaire parmi che ſiaſi oltre modo avanzato mor - dendo e lacerando in più luoghi fuori d’ogni rag - gione quel Edippo che per tanto tempo é ſtato il modello della perfetta Tragedia. Non potendo io peró di buon animo vedere tanto ingiuſtamente inalzarſi la Critica contra i padri ſi benemeriti delle buone arti come é Sofocle; ho voluto eſa - minare ad una ad una le cenſure del Critico Fran - ceſe per farvi quindi ſcorgere quanto ſieno elleno mal fondate e quanto per conſeguenza inconvene - voli al merito di coſi celebrato autore. Dovereb - be à dir vero eſſer egli abbaſtanza difeſo da ſe ſteſſo per quel lungo poſſeſſo di Gloria, che ſin ad ora ha goduto preſſo tutti piú dotti: Ma poſcia - che ſiamo in un ſecolo in cui ſi contende agli an - tichi autori tutto ció, che non appare legittimato con i fondamenti della Raggione; e ſi pretende che gli applauſi reſi loro dalle paſſate età abbiano fomentato mille pregiudizii ne loro ammiratori; traendo queſti ad una adorazione ſuperſtizioſa; non ſara forſe inutile queſta mia impreſa; ed an - corche non giovaſſe ad altro, metterà maggior - mente in chiaro gli artifizii del Edippo calunniato, ſiccome pomice tergendo dalle machie i metalli fa meglio riſplendere la loro finezza.

Incomincia queſta Tragedia da un atto di pater - no amore che uſa Edippo verſo i ſuoi ſudditi, i quali eſſendo per l’eſtrema loro deſolazione, cag - gionata dalla graviſſima peſtilenza, ragunati di buon mattino appreſſo le ſoglie della Reggia per implorare quaſi con ſolenne ambaſciata il ſoccorſo del loro Sovrano, ivi ſedeanſi attendendo ora più propria d’incommodarlo. Esce egli dunqueC 4ſcor -40APOLOGIA DI SOFOCLEſcordatoſi non pure della ſua dignitá: ma dell’a - more della propria ſalute come privato, e per far comprendere à que Citadini una azione ſi pietoſa, dice

Ἀυτὸς ὧδἐληλυθα
πᾶσι κλεινός ὀιδὶπους καλούμενος.
Ecco che vengo io ſteſſo
Cui tutti voi chiamate inclito Edippo.

Il che vale come ſe diceſſe. Io che ſono quel Edippo tanto da voi ſtimato, e venerato, de - poſta ogni mia dignità vengo ad aſcoltare le voſtre ſuppliche per recarvi quèl ſoccorſo, che poſſo. Ora veggaſi quanto ſia inetta la pri - ma taccia impoſta a Sofocle dall’autor della Critica.

Condanna egli in primo luogho il poeta perche ſiaſi ſervito d’una troppo rozza maniera di far co - noſcere i ſuoi perſonaggi, introducendo Edippo a dire, je ſuis Edipe ſi vanté par tout le monde E. per caricarlo maggiormente ſoggiunge; che ció vale quanto inſegnare il ſuo nome, cioé dire je m’apelle Oedipe. Per il Teſto da me ſopra allegato appare, che Mr. de Voltaire ho preſo motivo di qui credere difetto d’arte dalla Traduzione franceſe, che aſſai ſ’allontana dal ſenſo dell originale Gre - co; perocche la dove ſecondo quello ſuona male il diſcorſo d’Edippo; giuſta queſta ſpicca la di lui pietà, ed eſtimazione; delle quali coſe l’una e l’altra giova mirabilmerte per diſporre li uditori ad una maggiore compaſſione delle ſue diſgrazie. Jo non mi ſtendero dunque maggiormente in ripro - vare una cenſura ſi mal fondata. Ma non poſſo qui trapaſſare ſotto ſilenzio la debolezza della difeſa,che41CONTRA M. DI VOLTAIRE. che Mr. Dacier reca in favore di queſto Teſto da lui malamente interpetrato; che a dir vero io mi ſono ſtupito aſſai, che non oſtante la ſua celebre letteratura, e lo ſtudio particolare ch’egli ha fatto ſopra Sofocle, ſia caduto nell errore di credere, che queſti faccia dire ad Edippo; je ſuis ſi vanté par tout le monde, per dimoſtrarlo di natura orgo - glioſo. S’egli veniſſe in ſcena a coſi parlare ſenza un giuſto motivo, offenderebbe troppo con tale indecenza. Primamente le parole πασι καλουμε - νος ſignificano che dalla cittadinanza circoſtante veniva eſaltato il ſuo nome; come oſſerva anche un anticho autore di greci ſcolii, che dice πιϑανος δε το ὀνομα του προλογιζοντος ἐδηλοσεν; e come ap - pare anche meglio da ſeguenti versi della riſpoſta del ſacerdote.

Θεοῖσι μεν νυν οὐκ ἰσουμενόνσ ἐγὼ
οὐδ᾽ὁι πᾶιδες ἑζομεσθ᾽ἐφέςιοι,
ἀνδρῶν δὲ πρῶτον ἔντε συμφοραῖς βίου
κρίνοντες.

L’eſpoſizione de quali verſi non é per mio giudi - zio ſe non queſta:

Noi ſtiam qui tutti aſſiſi appoi tuoi Lari
Aſſerendo che ſei
Se non eguale a Dei
Almen tra tutti gl’uomini il migliore
Per liberarci dagli umani mali.

Quindi è ch’egli non viene in ſcena a gloriarſi fuori di propoſito: Ma piglia occaſione dagli ap - plauſi fattigli di moſtrare l’umanitá ſua, come ho gia ſopra accennato. Ma dato ancora, che ſenza le dette raggioni Edippo prendeſſe a dire iC 5ſuoi42APOLOGIA DI SOFOCLEſuoi vanti, a me ſembra in vero, che avereb - beſſi potuto addurre una migliore difeſa. Ed ecco, ſe qui v’aggrada, ch’io mi ſtenda alquan - to, ciò che io averei piú tosto detto in tal caſo.

Egli é certo, che in molte occaſioni non ſolo ſi può ſcuſare il lodare ſe ſteſſo: ma merita ap - probazione. Plutarco nel trattato della lode di ſe medeſimo, dopo aver dimoſtrato poterſi ſovente ciò fare ſenza riprenzione in ſei occaſioni; cioè: Se ſ’ha a liberare di qualche calunnia; ſe prouaſi aſſai avverſa fortuna; ſe trovanſi degli ingrati; ſe l’opere ben fatte ſi veggono biaſimate; ſe alcuno lodaſſe di coſe frivole un uomo pregievole per azioni grandi; ſe ſi miſchia la lode con i difetti; paſſa indi ad annoverare tre cagioni, per cui le proprie lodi ſono talor convenevoli, e niceſſarie. Cioè: Quando con eßi puoſſi eccitare altri ad im - preſe onorevoli; come fece Neſtore nel II. dell Ili - ade rammentando a Patroclo le ſue glorie e Raimon - do a ſua imitazione nell’VIII. della Gieruſalemme del noſtro Taſſo. 2. Quando ſi tratta di reprimere alcun feroce. Coſi vantaſi Achille eſſendo per combattere con Enea nel XXI. dell Iliade, e coſi pure nell Eneide Liguri contro Enea, Enea contro Turno. 3. Quando ſ’animano i Cittadini, o gli amici abbatuti da diſgrazie, o da timore, ſicco - me fece Uliſſe nell XII. dell Odiſſea, accennando a Compagni ſuoi la prudenza e deſtrezza, con cui gli aveva già liberati dal pericolo del Ciclope. A che io tre altre occaſioni aggiungerei in cui conviene aſſai la lode propria; e ſono, qualor ſi vede non averſi riguardo a proprii meriti; peró diſſe con frutto i ſuoi vanti quell Orazio, che rimaſto ſolo de tre fratelli liberatore della patria, fu toſto dopoil43CONTRA M. DI VOLTAIRE. il trionfo condannato a morire, per avere ingiu - ſtamente trafitta la moglie di un Curiazio. 2. Qua - lor il lodarſi giova a captivarſi la benevolenza, il che avvenne a M. Valerio Corvino dittatore, quan - do a Soldati congiurati contro la Patria coſi parló, come leggeſi in Tito Livio Lib. 7. Ego ſum M. Valerius Corvinus, Milites, cujus vos nobilitatem be - neficiis erga vos, non injuriis ſenſiſtis ac ſi cui gens, ſi cui ſua virtus, ſi cui etiam majeſtas, ſi cui honores ſubdere ſpiritus potuerunt, iis eram natus, id ſpeci - men mei dederam, ea ætate conſulatum adeptus, ut potuerim tres & viginti annos natus Conſul patribus quoque ferox eſſe, non ſolum plebi. Finalmente qua - lor la lode dataſi promove coſe utili, o buone ritraendo dalle inutili, o ree, di che puó ſervire per eſempio ció che diſſe Q. Fabio Maſſimo pure preſſo Tito Livio D. 3. L. 8. perſuadendo i padri a ſoſpendere la ſpedizione dell Africa. Cunctatio - nem meam metum pigritiamque homines adoleſcentes apel - lent, dum me non pœniteat adhuc aliorum ſpecioſiora primo aſpectu conſilia ſemper viſa, mea uſu meliora. Ora venendo al caſo noſtro dico io, chi non vede che averebbe Edippo molta raggione di ram - memorare le ſue glorie, nell’udire le querele de ſuoi ſudditi afflitti; mentre giova a ſollevarli, ed em - pierli di ſperanza la memoria della ſua ſperimen - tata Virtú, per cui già furono liberati da altre diſ - grazie per l’addietro ſofferte? La jattanza in ſimili caſi é non gia un’oſtentazione di chi cerca plauſo: Ma un offrire il proprio potere in pegno di con - fidenza. In fatto qual animo non averebbono dovuto acquiſtare quelle genti, vedendoſi in tal guiſa fidanzare da colui che ſtimavano non ſolo qual ; ma qual Sapiente; come ſpieganſi ne -greci44APOLOGIA DI SOFOCLEgreci ſcolii quelle parole ἀνδρων δε πρωτον ſopra citate.

La ſeconda cenſura ſi fonda ſopra la riſpoſta del ſacerdote. Diceſi che la deſcrizione, che queſto fa delle perſone ivi preſenti, che dovevano eſ - ſere dal conoſciute, e della peſtilenza, di cui egli doveva avere tutta la notizia, é poco naturale, e peró un mezzo poco artifizioſo d’in - ſtruire gli uditori del ſoggetto della Tragedia.

Ma il fine, per cui eranſi congregate tutte quel - le perſone, era di movere la Compaſſione del loro; perche avendone queſti concetto d’uo - mo quaſi divino, pareva loro, che per eſſere li - berati dalle calamitá, non mancaſſe che la ſua accurata ſollecitudine: Quindi ne ſiegue, che il ſa - cerdote, chi pare eſſere il loro Oratore doveſſe ſervirſi di tutti quei mezzi, che potevano eſſere efficaci per la loro commozione. Or vediamo quali ſieno eſſi, e come ſe ne ſia egli ſervito nella ſua perorazione, per poſcia conoſcere ſe queſta meriti la taccia d’inveriſimile. Io qui non voglio entrare in altro raggionamento, dimoſtrando che per muovere la noſtra Volontá ſieno il più idoneo mezzo le impreſſioni della noſtra imaginativa, per - che avendo queſta, come materiale, una particolar comunione colle noſtre paſſioni, il di cui moto age - volmente trae ſeco la noſtra Elezione; queſte tanto più s’eccitano facilmente, quanto é più quella agitata. Baſta per comprendere ció la quotidiana eſperienza. Da queſta preſe motivo Carteſio di racchiudere ſotto nome di paſſioni le di lei impreſ - ſioni confondendole col timore, colla compaſ - ſione ed altre ſimili commozioni dell anima. Da ció derivaſi, che tutte le coſe opportune per im -primere45CONTRA M. DI VOLTAIRE. primere maggiormente nella fantaſia noſtra oggetti eccitatori d’alcun affetto, ſieno altreſi più vale - voli à perſuadere. Or chi non ſá che le coſe an - corche note non producono giammai ſi notabile effetto, come allorche ſe ne ravviva l’impreſſione. Queſto accade in due maniere. Una é quando ſi richiama la memorla delle ſpecie dal tempo miti - gate, a che s’aſpetta il caſo d’Enea, allorche do - vendo raccontare l’eccidio di Troja a Didone, diſſe: Che alla minuta rimembranza di tale ſtoria averebbono pianto i Mirmidoni ed i Dolopi ſteſſi. Il medeſimo puó dirſi del Commovi - mento, ch’egli ſentiſſi nel Tempio di Cartagine, vedendo rappreſentati i combattimenti dello Aſſe - dio di Troja, a cui non poté frenare le lagtime. L’altra é quando ſi conſiderano con particolarità molti oggetti, i quali tuttoche preſenti, ſe con - fuſamente da noi foſſero appreſi, reſtarebbero privi della loro efficaccia, come molti aghi congiunti aſſieme perdono la virtú del loro acume. Quinci pre - ſe Argomento M. Valerio di ſedare i ſoldati armati contro la Patria, facendo loro conſiderare men - tre già erano a viſta di Roma, che quello non era già il paeſe de Volſci, o de Sanniti, ma il Romano; che i colli che avevano ſotto gli occhi erano quelli della patria; ch’egli era il ſuo Con - ſole, e loro concittadini quelli, con cui avereb - bon dovuto combattere. A queſta appartiene anche il preſente caſo, nel quale il ſacerdote con artifizio Oratorio proccura di rendere più com - paſſionevole ad Edippo la diſgrazia de circoſtanti ivi rifugiati, con indicargli ſingolarmente chi foſſero tutti coloro, che ſtavano implorando il ſuo ſoccorſo, e di renderla più terribile con ilſpecifi -46APOLOGIA DI SOFOCLEſpecificare l’univerſale deſolazione. Io concordo in dire, che non convenga alla narrazione iſtori - ca la particolare eſpoſizione delle coſe notorie, ma non poſſo approvare lo ſteſſo della narrazione Ora - toria, quale deve riputarſi queſta. Il fine della prima é ſolo la notizia delle coſe; onde note che queſte ſieno eſſa ſi rende ſuperflua; il fine della ſeconda è la perſuaſione; peró ſi rende tanto più perfetta, quanto abonda più di Circoſtanze, che conducono al ſuo fine. Sarei troppo lungo, ſ’io qui voleſſi addurre altri eſempii di quelli infiniti, che ſi trovano ne poeti e negli Oratori, ne quali con Artificio deſcrivonſi le coſe più manifeſte. Ben ſi ſcorge per le coſe fin ora dette, quanto ingiuſta ſia anche in queſta parte la Critica di Mr. de Voltaire, biaſimando egli una perorazione ſi raggionevole, e che merita anzi che biaſimo mol - ta lode; perocche con tale occaſione rendeſi più patetica l’introduzione della Tragedia, ed é più propria che la ſua per intereſſare la Curioſitá degli ſpettatori. Per altro è troppo chiaro, quanto ſia inetto il dire, che l’accennamento delle perſone ivi affollate ſia una invenzione da Sofocle prattica - ta per notificare agli uditori il ſoggetto Tragico; perche qual biſogno aveva egli d’avvertire di ció? é egli coſa niceſſaria per il comprendimento della favola l’annoverare tali perſone? Si deve notare altreſi, che la traduzione di cui ſ’é ſervito non é neppur qui totalmente espreſſiva del Teſto Greco, ἐγω μεν φηνος, dovendoſi intendere, che doppo che il ſacerdote ha nominati i ſuoi compagni dica come di coſa nota, di cui ſono il diale.

La cenſura che ſiegue riguarda l’ignoranza d’E - dippo circa la morte di Laio.

Queſta47CONTRA M. DI VOLTAIRE.

Queſta taccia é la piu giuſta, che ſi poſſa dare al Edippo di Sofocle: Ma non é nuova; ſon gia più ſecoli, che ſcrittori autorevoli hanno di - ſapprovato l’inveriſimile di queſta ignoranza. Pure acciocche facciate giudizio proporzionato alla qua - lità del errore, diró ció che ſi puó recare per la ſua ſcuſa. Ariſtotile che é ſtato il primo, che ci ha laſciato memoria di tale cenſura, ſcuſa queſta ignoranza nel tempo ſteſſo, che l’accuſa, poſcia - che avendo nella poetica detto, che non ſi devo - no coſtituire le favole di parti irraggionevoli - ſoggiunſe: ἐι δε μη ἐξω του μυθευματος, ὡσπερ ὀι - διπους το μη ἐιδεναι πως λαιος ἀπεϑανεν. Cioé: Se pure ſi faceſſe altrimenti, ſia l’irraggionevole fuori del Teſſimento della favola; ſiccome é nell Edippo il non aver ſaputo in qual guiſa Laio foſſe morto. Il che parmi giuſtamente da lui detto, perche l’u - ditore occupato dalle imagini coſtumate de ſuc - ceſſi preſenti, non riflette tanto agevolmente al difetto de paſſati. Siccome dunque nella Pittu - ra ſi rimedia ſovente a qualche proporzione delle figure con naſconderne parte nel buio, coſi ſi laſcia fuori della preſente favola la ſconvenevoleza del non aver udito in tempo proprio le circoſtanze d’un paſſato avvenimento, ſenza offendere almeno aſſai ſenſibilmente l’uditore. Aggiungeſi a queſto il giovamento della favola che quinci naſce, il quale appartiene principalmente all’arte del poeta, ed é degno di tanta conſiderazione, che ſovente ſ’é creduto più tolerabile l’irraggionevolezza d’una azione, che la mancanza di queſto; per la quale reſtano fredde le invenzioni ancorche veriſimili. Peró vedeſi eſſerſi diſapprovata la trasformazione delle navi d’Enea in ninfe; tuttoche ſia credi -bile48APOLOGIA DI SOFOCLEbile che Cibele la voleſſe, per onorare quelli al - beri, ch’erano ſtati ſu’l monte Ida allei conſacra - ri; mentre ció non giova nulla alla coſtituzione della favola. All’incontro s’approva la caccia data ad Ettore da Achille preſſo Omero, ed il favore preſtato da Menelao a Tindaro piùtoſto, ch’al nipote Oreſte, appreſſo Euripide; perche ſebbe - ne ambedue queſte azioni vengono riputate al - quanto irragionevoli, giovano di molto al ma - raviglioſo Commovimento.

Quindi ſi paſſa a cenſurare la fama ſparſa da colui, ch’eraſi ſalvato con la fuga; cioè: Che Laio foſſe ſtato occiſo da ladri, parendo impoſ - ſibile che il teſtimonio della morte di quel voleſſe aſſerire, che molti l’havevano occiſo, quando era ſtato un ſolo.

Non avvi nulla di più veriſimile, che il dire, che un ſervo atto a paſcer pecore più toſto, che a trattar armi, [come appare di ció, che dice egli medeſimo dappoi,] il quale intimorito dalla improviſa ucciſione del ſuo ſignore e d’altri com - pagni, aveva penſato più alla fuga, che ad altro, riferiſſe male il ſeguito. L’ardire ſtraordinario d’E - dippo poteva fargli apprendere per inimici che lo ſpallegiaſſero altri paſſageri innocenti, e poteva egli medeſimo eſſerſi ſervito di tale preteſto, per coprire la ſua viltá; mentre era per altro mol - to agevole a crederſi allora una ſorpreſa di Ladri, perche in que tempi, come s’ha nella vita di Te - ſeo di Plutarco, la Grecia era infeſtata talmente da Masnadieri ch Ercole ſteſſo non poté liberar - nela affatto. Onde é probabile che ſi foſſero per l’addietro ritrovati in que’contorni, ove ſecondo l’antica Geografia erano i confini della Beozia edella49CONTRA M. DI VOLTAIRE. della Focide frequentatiſſima per l’oracolo di Del - fo. Ma perche nella Critica dell Edippo di Pier Cornelio dice Mr. de Voltaire, che l’azione d’E - dippo e gigantescha; perche ſi fanno da lui uc - cidere ſette perſone, giudico che non mi con - venga ommettere qui la riſpoſta di queſta ripren - zione; e prima d’ogni coſa piacemi di citare i verſi ſteſſi del poeta.

Πεντ᾽ ἠσαν ὁι ξυμπαντες ἐν δ᾽ ἀυτο῀ισιν ἠν
Κηρυξ, ἀπηνη δ᾽ ηγε λαιον μια.

Cinque ſoli erano dunque in tutto, ne quali ſe s’eccettua chi doveva eſſere inabile all’armi, non debbeſi conſiderare colui, che vien chia - mato κηρυξ, che qui ſignifica colui, che noi chia - miamo il cavalcante, perche come racco - glieſi da varii antichi autori, e particolarmente da Omero, ἀπηνη era una ſpecie di carro, a cui qualor attaccavaſi più di due muli, o ca - valli, montava alcuno ſopra uno degli anteriori, e chi ſtava nel Cocchio reggeva quelli del Timone; come appunto pare eſſer ſeguito nella congiontu - ra preſente, dicendo Edippo a Giocaſta, ch’e - gli fu ſpinto a forza giu della ſtrada dal rettor de Cavalli, che precedeva, indi dal vecchio Re percoſſo colla sferza, che anch eſſo aveva. E tanto meno ſi deve far conto di coſtui, quanto che fu ferito all improviſo dall impetuoſo garzone. Nulla più ſi puote avere in conſiderazione Laio, che oltre l’avere le mani impacciate, e l’eſſere pure ſorpreſo da colpo non aſpettato, era inabile per la Vecchiaia a reſiſtere al furore giovanile d’E - dippo. Degli altri tre il paſtore ſopra viſſuto eCrit. Sam̃l. III. St. Dcre -50APOLOGIA DI SOFOCLEcredibile che toſto ſi volgeſſe in fuga; onde due ſoli rimangono quelli, che potevano contra - ſtargli. Or qual meraviglia è, che un giovane ardente e feroce, quale ci vien qui rappreſentato Edippo, poteſſegli vincere, e trucidare? Dirò ſolo che non v’ha ſoldato in Omero, ed in Vir - gilio, che non faccia maggiori prodezze ſenza pa - ragone; per non parlare di quel valore aſſai particolare, che i riprenſori del primo hanno ri - conoſciuto in Achille, allorche col ſuo braccio fa ſtragge di molti illuſtri Trojani. Per altro con - ceſſo, che foſſe una tale Azione aſſai rara e poco propria per una veriſimile invenzione, niun pre - giudizio ne riſultarebbe a queſta Tragedia per eſſer ella un punto d’iſtoria, (come ſi legge in Diodo - ro Siculo) il quale a tempi di Sofocle doveva eſſere aſſai famoſo; onde egli averebbe anzi mal fatto ad alterarlo, dovendo il poeta ſeguitare la fama, la quale, come bene oſſerva il Caſtelvetro, è in luogho di poſſibilità, e di credibilità, di che ci ſono eſſempi i voli di Dedalo, e di Pegaſo. Che ſe a Sofocle foſſe appartenuto il fingerla, qual difficoltá poteva egli avere d’aggiungere ad Edippo alcun Compagno?

La Critica che ſuccede non è manco degna d’am - mirazione. Diceſi che Edippo confeſſa aver udi - to che Laio e ſtato ucciſo da Viandanti, e che però contradiceſi una fama all altra; da che ne naſce una oſcurità maggiore, che non era quella degli Enimmi della Sfinge.

Quando anche foſſe vero, che qui ſi trovi con - tradizione, non veggo quale inconvenienza poteſ - ſe naſcere dalla diverſità della fama, la quale ap - punto ſuole eſſere varia ed incerta, e meſce ordi -naria -51CONTRA M. DI VOLTAIRE. nariamente il vero con il falſo; ſiccome la dipin - ge Silio Italico nel Lib. 6. ove dice.

Vera ac ficta ſimul ſpargebat fama per urbem.

Pero nella invocazione delle Muſe diſſe Omero.

Ημεις δε κλεος ὁιον ἀκουομεν οὐδε τι ἰδμεν.

Cioé:

Noi che la Fama ſola udito abbiamo Nulla bene ſappiamo.

Ma prendee errore Mr. de Voltaire ingannato for - ze dalla Traduzione di Mr. Dacier in credere che qui ſiaci oppoſizione. La Voce ὁδοιπορος non ſignifica qui propriamente Viandante, ma è ſino - nimo, o un attributo degli aſſaſſini di ſopra men - tovati, che vale Vagabondo, e chi batte le ſtrade. Ciò ſi prova con quelle parole che Gio - casta dice in una Scena poſteriore, parlando de - gli ſteſſi, ξενοι ληςαι φονευουσι, cioé Ladri pellegrini. Si vede dunque per tutto ch’ogni diſcorſo conco r - da, ma quello che merita altresì particolare oſ - ſervazione, è, che la circoſtanza de pellegrini è poſta con artifizio per rendere più veriſimile la poca cura avutaſi al Tempo della Morte di Laio. Il che ho voluto dire, acció veggiate, quanto ciò ſia lontano dalla Sconvenevolezza.

Si biaſima ancora ch Edippo cerchi come ab - biano potuto i Ladri ammazarlo, ſe Laio non aveva ſeco Dinari.

Due raggioni ſi ponno rendere di queſto diſcor - ſo d’Edippo; una é che ſenza la Certezza d’un groſſo bottino, non ſembrava probabile, cheD 2da52APOLOGIA DI SOFOCLEda masnadieri ſi tentaſſe un impreſa ſi atroce; l’altra che non avendo egli gran coſa à prerdere, non pareva credibile che gli aveſſe irritati ad ucci - derlo. Quale ſconcio é dunque in queſta riſpoſta, ſe ritrovando Egli dificoltá per credere ſi ſtrano avvenimento della morte di Laio, cerca per ap - pagarſi più minute circoſtanze di tal fatto?

S’oppone inoltre al Poeta, ch Edippo dopo aver inteſo che vive ancora il paſtore, che ſcam - , non penſi a farlo cercare ma ſi perda in fare imprecazioni, ed in conſultare Oracoli. A ques - to facilmente riſpondeſi, che allor ch’eſſo ſi trat - tiene in fare imprecazioni non ha notizia alcuna di lui; egli non ſa, ſe non per voce di Creon - te, che uno ſi ſalvó con la fuga; ma che costui viva, & dove ſia il Poeta glielo fa ſcoprire con arte ſolamente nell atto 3. mentre parla con Gio - casta, laquale gli paleſa d’avergli permeſſo, che ſi ritiraſſe in Campagna, a paſcere le Greggie, il che a pena viene da lui ſcoperto, dice egli toſto ció, che ſuppone il Critico, che doveſſe dire, cioé, che lo faceſſe tosto venire. Io non ſo dunque come ſi poſſa ſe non per gran confuſione di mente riprendere Sofocle, il quale ha fatto ap - punto ciò, che ſtimaſi, che conveniſſe. Io giu - dico queſto uno ſbaglio di memoria, per cui Mr. de Voltaire abbia creduto eſſer paleſato da Cre - onte ció, che ſolo Giocaſta manifeſta, da che non - dimeno ſi comprende, ch’egli non ha conoſciu - to l’arte del poeta.

Diceſi poi ch’era dificile ſpiegarſi meno oſcu - ramente, che Tireſia, allor’che terminando i ſuoi vaticinii ſcopre ad Edippo, ch’Egli é l’uc - ciſore del padre, marito della madre, e tutto ilreſtante,53CONTRA M. DI VOLTAIRE. reſtante, e che però pecchi Sofocle non conſervan - do il Coſtume degli Oracoli, ſiccome pure in termi - nare la riccognozione della Tragedia nel principio del ſecondo atto, giacche la riſpoſta di Tireſia s’uni - forma in tutto ai pronoſtici d’Apollo ed alla di - chiarazione gia fattagli da colui, che nell altera - zione dell Ebriachezza l’aveva rimproverato per figlivolo ſuppoſto.

Si puo col fondamento di molte ſtorie prova - re, che non ſempre gli Oracoli, e gli indovini riſpondevano oſcuramente. Calcante preſſo O - mero non parla certamente men chiaro ſcoprendo la cagione della peſte, che infeſtava i Greci; punto aſtruſa ſecondo cio, che narra Diodoro Siculo, nel Lib. 4. fu la riſpoſta ch’ebbe Laome - donte di Troja da Apollo delfico allor ch’eſ - ſo ricorſogli per la Balena, che divorava tutti gli abitanti, e per la peſtilenza che tutti i frutti cor - rompeva inteſe, che la cagione di tanto male era Nettuno, ilquale ſi ſarebbe mitigato, con il ſagrifizio d’un fanciullo Trojano a ſorte ſcelto. Lo ſteſſo potrebbeſi dire dell Oracolo che denun - ziò a Danao il pericolo della morte machinatagli da uno de cinquanta nipoti; come s’ha da Pau - ſania e da Apollodoro. Il vaticinio con cui da Giove Ammone predetto ad Alessandro il Do - minio di tutto il mondo, come dicono Curzio, e Plutarco, fu parimente apertiſſimo. Ma ſo - pra tutti puo ſervire per Esempio di chiarezza l’Ora - colo dato a Cipſelo Figliolo di Dezio di Corinto dalla Pitia in Delfo, e rapportato da Erodoto Lib. V.

Ολβιος οὑτος ἀνηρ ὁς ἐμου δομον ἐσχατα βαινει
Κυψελος Ηετιδις βασιλευς κλρινοιο Κορινθου
Αυτος καὶ καιδες, παιδων δε μεν οὐκ ἐτι παιδες.
D 3Che54APOLOGIA DI SOFOCLE

Che coſi ſi potrebbe tradurre:

Queſto d’Eezio filio, uomo felice
Cipſelo che qui ſceſe entro i miei Lari
Celebrato ſara di Corinto:
Nel Regno i Figli a lui ſuccederanno,
Ed i figli de figli excluſi ſieno.

Ma ſi diſtrugge la Cenſura in altra maniera, ella a dir vero non puote eſſere più ſtrana; ſi ripren - de il parlare dell Indovino perche non s’aſſomi - glia all oſcuritá degli Oracoli, quando l’Ora - colo già gli aveva pronoſticato le coſe medeſime. Vero é che Tireſia aggiunge più coſe ommeſſe da Apollo dicendo ch’egli non è figlivolo di Poli - bo; ma Tebano, e che le maledizioni del padre e della madre l’hanno ſcacciato dal ſuo paeſe; ma tutto queſto benche paia detto aſſai chiaramente, non è però che non ſia oſcuro in riguardo d’E - dippo, ch era perſuaſiſſimo d’eſſer Figlivolo del di Corinto. Che ſe un Uomo caldo di vino lo aveva gia gran Tempo rimproverato d’eſſer Fi - glio ſuppoſto, eſſo aveva a fare la dovuta ſtima di ciancie pronunciate da perſona reſa irragione - vole dal vino, ne doveva ſopra un detto tale ſtabilire la fede di ſi mirabili paradoſſi. Oltre di che pare veriſimile, che aveſſe ad allontanarlo da tale credenza il ſoſpetto concepito, che l’Indo - vino foſſe ſubornato da Creonte. Reſta pero di - moſtrato ancora, che ſin qui non ſi forma la ri - cognizione preteſa. Ma ciò che ſopra modo è degno d’oſſervazione é che i preſaggi dell Indo - vino ſi fanno con tal arte prevedere dal poeta, che ben lontani dall impedire il piacere della ri - cognizione, accrescono la bellezza della Tragedia. Se55CONTRA M. DI VOLTAIRE. Se lo ſpettatore non é prima diſpoſto ad attendere che colui che ha fatto ignorantamente coſa orribi - le debbe al fine ricconoſcerla, non puo ricevere gran diletto in tal ſorta di favole, perciocche l’at - tenzione di vedere quando ed in qual guiſa deveſi fare il ricconoſcimento, ne fa guſtare ogni Cir - coſtanza, maſſimamente ove queſto ſiegua per vie veriſimili inſieme e maraviglioſe. Quindi aviene, che ſi da luogo a fare ſpiccare certi tratti che chia - manſi commotivi del Teatro, di cui moltiſſimi ne ſono ſtati oſſervati in queſta favola dagli Uomi - ni dotti. Sotto tal Titolo ſi ponno ridurre tutti quelli, ove ſi vede, ch’Edippo incorre nella ſua diſaventura per que mezzi ſteſſi, onde credeva evitarla; e quegli altri ove dicendo egli alcune coſe per un fine diverſo coglie fatalmente nel vero della ſua diſgrazia. L’Abb: Lazzarini, Autore dell’Uliſ - ſe, che fra le moderne Tragedie occupa quel luo - go, che ha ſempre avuto l’Edippo di Sofocle fra le antiche, avvedutoſi giudizioſamente del bell effetto che queſti fanno in tal genere di favole, avvene quà e la ſparſo, come quando Polinio che era ſtato preſſo Eurinome in figura di padre do - vendo dallei partire dice parlando d’Uliſſe ch’era ſuo vero padre, ma non conoſciuto:

Ei da qui’n poi ti ſara ſpoſo e padre.

Il ſimile accade quando dicendo Uliſſe d’avere ſchivato il deſtino, allorch appunto s’era compi - to, il Coro caſualmente riſponde:

E molte volte ancor per quelle vie Per cui fugge il deſtino altri l’incontra.
D 4Nulla56APOLOGIA DI SOFOCLE

Nulla meno ſi puo giuſtificare il diſprezzo ch’Edip - po ha dell indovino, il quale ſi dice eſſere con - tro il Decoro. Egli é tanto credibile che ſembra quaſi contro il veriſimile, che maggiormente non ſi riſentiſſe un Re nel vederſi improviſamente rim - proverare di coſe, in contrario delle quali doveva eſſere ſì fermamente perſuaſo, che conveniva, che gli pareſſero incredibili. Che poteva egli giu - dicare ſe non, ch’a ſtimolo di maligni Inſidiato - ri, che non ſono mancati a più giuſti, e più ben veduti Monarchi, coſtui voleſſe preſſo il popolo, che ſuole eſſere di ſua natura ſuperſtizioſo, impe - dirgli la venerazione ch’aveva, giacche appunto come poſcia Alessandro M. ebbe a dire del ſuo Augure Demofonte, nullum majus impedimentum, quam Vates ſuperſtitione captus. Sapeva, ch’un Re ſtraniero, per acclamato che ſia non puo non ave - re degli Emoli, e de malevoli, e doveva avere avanti gli occhi l’eſempio d’Egeo d’Atene, il quale ſì perche non apparteneva alla ſtirpe degli Eretidi; come perche meditava la ſuvverſione del figlivolo creduto ſtraniero, aſſalito fu da Pelopidi che ſperavano d’occupare il regno dopo di lui. Ma rendeva ancor più probabile l’intelligenza dell indovino con qualche ſuo Emolo, il conſiderare che coſtui, il quale era creduto profeta anche al Tempo della morte di Laio non aveva giammai fatto menzione d’Edippo, ancorche non regnaſſe. Che ſe i ſuoi vaticinii erano uniformi alle predizioni d’Apollo in qualche parte, non poteva eſſo crede - re che ſi ſerviſſe dell ſuo profetico ſpirito per con - fonderlo, e rendere credibili le ſue calunnie? Molte poſteriori ſtorie c’inſegnano quanti inganna - tori ſianſi ritrovati tra l’indovini antichi. Raccon -ta57CONTRA M. DI VOLTAIRE. ta Erodoto nel Lib. 5. che sbanditi gli Alcheme - nidi da Ippia d’Atene, cercavano ogni mezzo per ritornare in patria; ottennero però coſtoro mentre ſtettero a Delfo dalla Pitia Divinatrice del Tempio, che ogni volta che i Lacedemoni chiedeſ - ſero alcuna riſpoſta, diceſſe loro, che doveſſero liberare Atene dalla Tirannia; onde avenne ch’eſſi mandarono Anchiolio, a cacciare Ippia da Atene, benche foſſero collegati con eſſo lui. Il medeſi - mo narra nel Lib. 6. che mal contento Cleome - ne di Sparta di Demareto ſuo Collega nel re - gno, s’ingegnò di far credere agli Spartani, ch’e - gli non foſſe figlivolo d’Ariſtone, a cui era ſucce - duto; per il che parve loro neceſſario proccurare dall Oracolo di Delfo la certezza della ſua Origine. Cleomene peró corruppe Colono figlio di Ariſto - fante, Uomo molto Autorevole nella Cittá di Delfo, accioche perſuadeſſe a Perilla una delle Vergini vaticinanti a riſpondere, che Demareto non era nato da Ariſtone. Eſeguita pero da cos - tei la trama, queſti fu depoſto dal Trono. Mi riccorda ancora che Xenofonte racconta nella ſpe - dizione di Ciro, averſi avuto ſoſpetto di ſe me - deſimo, che aveſſe corrotto Avecione Augure dell Eſercito accio diceſſe che gli Inteſtini degli Ani - mali ſagrificati non erano favorevoli alla partenza, che i ſoldati bramavano. Ora quello, che più volte é poſteriormente accaduto, non doveva eſ - ſere nuovo pure al Tempo d’Edippo, e ſe alcuno poteva aver penetrato le frodi loro, eſſo s’ha a credere che foſſe il più atto, venendoci rap - preſentato di ſi fino Intendimento che ſolo aveva potuto indagare la naſcoſta ſignificazione del più celebre Enigma. Aggiungo, ch’egli non s’era fi -D 5dato58APOLOGIA DI SOFOCLEdato dell Indovino nel caſo ſteſſo del contaggio, benche doveſſe eſſergli noto; per ſegno mani - feſto che di lui non aveva tutta la fede e tutta la venerazione.

Sembra ancora a Mr. de Voltaire mal fondato il ſoſpetto d’Edippo contra Creonte, maſſima - mente poiche l’ha chiamato poc’anzi ſuo fedele Amico. Per conoſcere la perfezione d’alcuna di - pinta Tavola non avvi miglior mezzo, che pareg - giarla con l’originale Idea della natura; in tal gui - ſa mi avviſo di dover far io per far vedere con quanto retta imitazione abbia Sofocle rappreſenta - to il ſoſpetto che cade ſopra Creonte.

Gia per le coſe ſopra dette appare quanta rag - gione aveſſe Edippo di credere Tireſia ſubornato dalla malignitá di qualche mal contento perſecu - tore; ora reſta a vederſi chi doveſſe tra gli altri eſſere il più ſoſpetto, il che ſi può ſcoprire con più rifleſſioni, ch’io faccio ſopra l’ordinaria qualitá delle azioni Umane, che ſi ſono vedute in ſimili occaſioni: Prima io trovo, che la fede de mag - giori Amici è molte volte mancata per l’intereſſe del comando. Antipatro, che fu ſcelto da Ales - sandro tra tutti i ſuoi amici per il più fedele; é prepoſto al Governo della Grecia, e della Mace - donia, fu poſcia il ſuo Traditore. Maſſimino alla cui fede fu commeſſa la direzione di tutto l’E - ſercito da Severo Alessandro, tolſe al ſuo Signo - re la vita, e l’imperio. Rufino fu tutore d’Ar - cadio, poi ſuo fellone e. Stilicone fu per l’amici - zia inalzato alla cognazione d’Onorio, gli teſe poſcia inſidie, per traſportare ſu’l Capo d’Euche - rio ſuo figlivolo la Corona, e mill altri, che non mi ſovvengono, e che ſarebbe ſuperfluo rammen -tare59CONTRA M. DI VOLTAIRE. tare, ſi ſono ſerviti dell amicizia per maggiormen - te aſſicurare i loro tradimenti. Molto piu però debbeſi ſtimare mal ſicura la Fede di coloro, che con qualche raggione potrebbono aſpirare al Domi - nio. Tiberio ch’era altrettanto ſagace nel conoſ - cere i pericoli de regnanti quanto crudele nell e - vitargli ben ciò previde, però benche foſſe adot - tato per figlivolo da Auguſto, ed inſtituito erede dell imperio, non ſoffri che viveſſe Agrippa, che poteva avere pretenzione al medeſimo; e Taci - to atto più d’ogni altro a penetrare i conſiglii, che naſcono dalla gloria del regnare, benche la morte d’Agrippa aveſſe apparenza del tutto con - traria, e per i pubblici rimproveri a lui giá fatti dall Imperatore defonto, e per il bando a cui dal medeſimo era ſtato condannato, non laſcia di dire eſſere nondimeno più probabile che la ſua morte proveniſſe da Tiberio per il ſoſpetto che doveva avere di chi poteva eſſergli Competitore. Veggiamo ora come s’adattino al noſtro propo - ſito queſte coſe. Creonte era il più diſtinto, ed il più potente tra Tebani, e l’unico che poteſſe aſpirare ad eſſer , come in fatti divenne poco appreſſo, eſtinta che fu la ſchiatta d’Edippo. Egli oltre ciò era colui ch aveva perſuaſo il cognato ad affidarſi all Indovino, il quale e perche non aveva mai fatto motto alcuno della ſua reitá, quando il male era recente, e non doveva aver riſpetto alcuno a parlare, perche ancora non re - gnava e per altre cagioni ſopra toccate, ſi doveva credere ſubornato. Chi ſarebbe dunque ſtato ſi ſcemo, che non giudicaſſe Creonte reo di quelle inſidie apparenti? Sopra tale fondamento era agevole di paſſare al ſoſpetto anche dellaMorte60APOLOGIA DI SOFOCLEMorte di Laio, perche chi ſi moſtra capace d’un misfatto, puo facilmente eſſerne ſtato anche d’un altro. In fatti Edippo ſi trattiene nel ſolo ſoſ - petto, perche trattando di voler condannare Cre - onte alla morte, moſtra di non moverſi per queſto, ma principalmente per il tradimento con - tro di ſe machinato, e per la propria ſicurezza. Deveſi per tanto conchiudere ch’Edippo non po - tevaſi far procedere con maggiore naturalezza e che i ſuoi giudizii ſono tanto veriſimili, che pai - ono neceſſarii, e che ſono ſi lontani dalla follia, di cui vengono accuſati, che non ponno eſſere piu ſaggi e convenienti alla politica di un ſagace regnante.

S’accuſa indi la difeſa che ſi fa Creonte come frivola e poco ſpettante al ſoggetto, riſponden - do Egli che preferiſce la ſicurezza dello ſtato privato a quella d’eſſere , perche ha la ſorte di godere mercé di lui la reale potenza, libero nello ſteſſo tempo da quelle cure, che porta ſeco il regnare; in vece di ſcolparſi.

Se l’Autore della Critica aveſſe oſſervato tutto ció, che doveva, averebbe ritrovato, che ques - to non è che l’eſordio della ſua riſpoſta, e di vero molto convenevole, perche cerca prima di mitigarlo con moſtrare la ricconoſcenza del favore che godeva; dimanda poi più oltre tempo, ac - cioche poſſa far apparire la ſua innocenza; dice che un ſoſpetto non é fondamento baſtante per condannare, e non potendo far altro conferma la ſua integritá co’giuramenti. Come puo dunque meritare le ſopradette taccie queſta riſpoſta, s’ha detto tutto ciò che dir poteva?

L’Altera -61CONTRA M. DI VOLTAIRE.

L’Alterazione d’Edippo con Creonte, che pur viene riprovata, non ha biſogno di Difeſa, pe - rocche già s’é provata la raggionevolezza del traſ - porto del Re; Creonte dice nulla difenden - doſi, ch’oltrepaſſi la moderazione, ma perche qui fa’l Critico molto schiamazzo contro il pocode - coro d’un tale contraſto, ſpecialmente per queſte parole che coſi tradotte egli reca:

Edippo. O Thebe Thebe! Creon. Il m’est permis de crier auſſi Thebe, Thebe!

ſtimo opportuno dire alcune coſe ancor intorno a queſta.

E degno primieramente d’oſſervazione l’errore di molti, che dal coſtume de moderni pigliano la norma del decoro degli antichi. La Grecia a tempi d’Edippo era diviſa in gran numero di pic - coli ſtati, i cui principi non viveavno con quella grandezza, che colla vaſtità de Dominii s’é poſ - cia introdotta. Quindi e ch’eſſi veggonſi ſpeſſo in tutte le greche Tragedie famigliarizzarſi con i Cori, e trattenerſi con più perſone in diſcorſi, che disdicerebbono a regnanti de noſſri tempi. Ed in vero averebbono peccato contro il coſtume i poeti di que tempi, attribuendo loro una gra - vitá ſuperiore al conſueto. Se un Re dunque non foſſe ora per degnare della propria preſenza una perſona creduta rea di leſa Majeſtà, non per queſto ſi potrebbe dedurne, che non conveniſſe ad Edippo udir Creonte a ſcolparſi. Se ſeguiſſerotra62APOLOGIA DI SOFOCLEtra di loro reciproche ingiurie, la Cenſura non diſconverrebbe, perciocche le regole del coſtume ſono in queſto inalterabili, e ſi debbono in ogni tempo oſſervare: Ma quale Indegnita é egli, ch’un Innocente ſi difenda preſſo un ingannato , che l’incolpa? Che ſe il ſopracitato Verſo ſembra poco dicevole, aviene queſto per la traduzione, che veſte il ſentimento di Sofocle d’una maniera ſconcia e puerile. Il Verſo Greco é tale.

Καμοι πολεος μετεςι τηςδ᾽ου σοι μονω. Cioé: A me nulla men cale Ch a te del comun ben della Cittade.

Ove ſi vede, che Creonte non puo meglio ri - ſpondere, poiche dalla Eſclamazione d’Edippo piglia motivo di ſcolparſi moſtrando il zelo ch’e - gli ha per la patria. Non poſſo dire quanto mi ſembri ſciocca e diſadatta la Critica di ciò, che non s’intende che per altrui interpretazione, per - ciocche oltre il ſoggiacer ſovente a cattive ſpiega - zioni, come é queſta, i ſentimenti anche più fedelmente tradotti perdono talora tutto il loro vigore. Per quanto riguarda la Lingua franceſe, ciò m è occorſo d’oſſervare in alcuni verſi d’O - mero, che ſono da Longino citati, per Eſempii d’uno ſtile ſublime, e che portati in Franceſe da Madama Dacier con tutta la fedeltà, non hanno pregio conſiderabile. I verſi ſon queſti:

Ζευ πατερ ἀλλα συ ρυσαι ὑπ ἠρεος ὑιας Αχαιων
Ποιησον δ᾽αιθρην, δος δ᾽οφθαλμοισιν ἰδεϑαι
Εν δε φαρι καὶ ὀλεσσον ἐπει νυ τοι ἐυαδεν οὑτως.
Cui63CONTRA M. DI VOLTAIRE.

Cui traduce così Mad. Dacier: Grand Jupiter! diſ - ſipés cette obſcuritè, qui couvre les Grecs, rendés nous la Lumiere, permettes que Nous puiſſions voir, & pour - vu que ce ſoit à la Clartè des Cieux, faites nous perir, puisque c’êſt votre volontè. Mr. Deſpreaux ſentendo il difetto della eſatta traduzione la quale riuſciva troppo verboſa e languente giudicò meglio traſ - portarli coſi.

Grand Dieu, chaſſe la nuit, qui nous couvre les yeux,
Et combats contre nous à la clarté des cieux.

Poi ſoggiunge in una Annotazione: Il y a dans Ho - mere, aprés ce fais nous perir ſi tu veux à la Clarté des Cieux: Mais cela auroit eté foible en nôtre Lan - gue & n’auroit pas ſi bien mis en jour la remarque de Longin. Da tutto ciò riſulta quanto ſia vana l’Im - preſa di Mr. de Voltaire in criticare ció, che a fondo non intende. L’eſempio di Perrault do - verebbe avere perſuaſo a baſtanza ogni Franceſe della inſufficienza della Critica ſcompagnata dalla cognizione delle Lingue. E benche ſi dica che la bella traduzione che ha fatto Mad. Dacier d’O - mero abbia aperta una ſicura ſtrada agli ignoranti di criticarlo, ella medeſima confeſſa, ch’egli perde aſſai nella traslazione; oltre che mi riccorda aver letto più d’un Autore, che ha notato degli er - rori nel ſuo volgarizzamento. Si dice che Sofo - cle ha pure errato nel far che Giocaſta ſentendo che dal Coro le vengono negate le notizie dallei richieſte intorno alla conteſa d’Edippo con Creon - te non paſſi ad altre interrogazioni: Ma reſti paga come ſe ſapeſſe il tutto.

Il fatto convince Mr. de Voltaire. Giocaſta non perde punto di tempo a dimandare il reſtoch’e -64APOLOGIA DI SOFOCLEch’erale naſcoſto: A pena aveva il Coro finito di parlare, Edippo a lui ſoggiunge due verſi, a cui come era di dovere, ne riſponde quello pochi altri; poi toſto Giocaſta ſcongiura per gli Dei Edippo che gli narri la Cagione del ſuo sde - gno; dicendo: προς ϑεων διδαξον καμ᾽ αναξ ὁτου ποτε μηνην τοσην δεπραγματος στησας ἐχεις.

Cioè:

Deh dimmi per gl Idii quale cagione
Ora ti move o Rege a tanto sdegno?

Avendo dopo il Coro parlato toſto Edippo non era egli decentiſſimo, ch’ella differiſſe ſi pochi momenti la ſua dimanda?

Si rinova dappoi la Critica ſpettante alla ricco - gnizione. Si dice che nella Scena in cui Edippo e Giocaſta ſi fanno vicendevoli ſcoprimenti dove - vaſi conoſcere il fine della Tragedia, particolar - mente perche ella ſentendo le predizioni d’Apol - lo non poteva non rammentarſi, e non dire che le ſteſſe erano ſtate fatte al ſuo Figlivolo: Di più per l’inſulto gia fatto ad Edippo dall ebbro ingiu - riatore, e per le cicatrici ch’egli doveva ancor avere ne piedi, come coſe tutte, che s’acor - davano a confermare il parricidio. Riſpettivamen - te a Giocaſta riſpondo eſſere credibile, che s’u - niformaſſero in tutto l’oracolo del Figlivolo di Laio, e quello d’Edippo, benche non conſti ad evidenza, che foſſero o totalmente concordi, o egualmente chiari; ma che non veggo in lei ver - una neceſſità di paleſare queſta concordia, perche del canto ſuo ella appare ſi perſuaſa della morte del proprio Figlivolo, e per conſeguenza della va - nità del vaticinio, che una tale uniformità in ve -ce65CONTRA M. DI VOLTAIRE. ce di recarle alcun Timore, la rendeva incredu - la, e diſpregiatrice d’ogni preſſaggio; Sícche dice:

Βροτων οὐδεν, μαντικης εχον τεχνης.
Non avvi tra mortali Scienza divinatrice.

All incontro vedeva ella Edippo tutto agitato da Timori ed Anzietá, ſicche s’affligeva, come ivi confeſſa di cosí rimirarlo. Per qual fine dun - que aveva eſſa a paleſarla, poiche averebbegli ſo - lamente accreſciuti i ſuoi ſoſpetti, la dove ſi mo - ſtrava anzi intenta a confortarlo? Certamente So - focle averebbe fallito in traſgredire qui l’oſſervan - za d’un coſtume ſi idoneo. Ma poſto ch’ella gli aveſſe paleſato eſſere l’oracolo del figlivolo di Laio interamente uniforme al ſuo, che poteva egli perciò conchiudere? l’aſſerzione d’un Uomo preſo dal vino, di cui gia ſopra ho notato qual Conto ſi doveva fare; le Cicatrici de piedi ch’erano un indicio lontano, perche pote - vano eſſere per altra cagione, era veriſimile, ch’aveſſero levato ad Edippo la credenza ch’ave - va d’eſſere Figlivolo di Polibo. Come poteva egli dunque rinunziando alle ſenſibili notizie, che avevano già fatto in eſſo una antica impreſſione, ſpogliarſi d’ogni prevenzione, e per la ſola uni - formitá di queſti Oracoli, credere ch Eſſo foſſe il Figlivolo di Laio? Le notizie però che qui ſi vanno ſcoprendo, ſe bene ſ’eſaminano ſono tali che baſtano ſolamente per iſvegliare in Edippo del ſoſpetto. In che debbeſi oſſervare un arti - fizio notabile, perciocche trattandoſi d’una peri - pezia ſi ſtrepitoſa, come è quella che ſiegue poi,[Crit. Sam̃l. III. St.] Ela66APOLOGIA DI SOFOCLEla Concordia di queſti precedenti aviſi ſerve per render ad evidenza credibili le coſe, che indi ſi ſcoprono dal Miniſtro di Polibo. Altrimenti chi ſulla fede d’un Uomo ignoto ſarebbe ſi credulo di tali ſtranezze che veniſſe in riſoluzione d’amma - zarſi, come fa Giocaſta, o di cavarſi gli occhii, come fa nel fine Edippo? Ma cio che mi rende più ſtrana la preſente Cenſura ſi è che gli ſcoprimenti medeſimi ſi fanno nella ſcena prima dell atto 4. nel nuovo Edippo di Mr. di Voltaire con maggiore chiarezza, e l’avvenimento della morte di Lajo ſi conforma a quello, che rac - conta Edippo eſſergli accaduto nel medeſimo di - ſtretto, ſicche gli reſta ivi aſſai meno luogo di du - bitare, ch’egli ne foſſe l’ucciſore: pure non ap - pare che in tale ſcena ciò ſi creda provato ad evi - denza; perche ſopraggiungendo Forba dice Edippo: Mon doute affreux va donc être eclairci: però nell eſame che prende a farſi ſi rigoroſamente l’Autore ſ’aſcrive queſto difetto. S’inoltra il Cri - tico ad affermare, che quando il Paſtor di Corin - to ſcopre ad Edippo che ei non é figlivolo di Polibo, ma che fu da Fanciullo eſpoſto ſopra il monte Citerone da perſona Tebana, egli con tutto ciò non ſoſpetti ancora di nulla, e che peró la ſua Ignoranza é un artificio aſſai rozzo del poe - ta, che per dare giuſta lunghezza alla Tragedia traſporta ſino al fine del quarto atto una ricogni - zione ſi manifeſta.

Che Edippo non ſoſpetti ancor di nulla é coſa contraria al fatto. Egli ha cominciato a dubitare ſino nella ſopradetta ſcena, al ſentire le notizie, che gli da - va Giocaſta, d’eſſer l’omicida ricercato; peró dice:

Οιον μ᾽ ἀκουσαντ᾽ αρτιος εχρι γυναι
Ψυχης πλανεμα κ᾽ ανακινεσις φρενων.
Ahi67CONTRA M. DI VOLTAIRE.
Ahi quale o Donna in aſcoltar tai Caſi
Conſormevoli a miei mi ſi riſveglia
Tumulto di penſier ch agita l’Alma!

Circa la ſua naſcita non ci ha dubbio, ch’egli a - verebbe qualche raggione di concepire gran ſoſpet - to del vero; quando nulla non ne lo ritraeſſe. Ma gli ſi oppone l’opinione, che ſ’aveva che’l figlivolo di Laio foſſe gia perito; ſiccome prima ha moſtrato di credere anche Giocaſta allorche ha recato la ſua Morte per prova della Vanitá degli Oracoli; e le circoſtanze della narrazione del Miniſtro di Corinto, che dice aver ricevuto il Bambino da un paſtore della Famiglia di Laîo, ſono contrarie altreſi agli Ordini dati da Laio me - deſimo: Però non s’offende lo ſpettatore di queſta Arte del poeta, la quale non tanto giova per dare una giuſta lunghezza alla Tragedia, come dice l’autor Franceſe, quanto per rendere piu ſenſibile e violenta la peripezia, che poi ſiegue in un ſol punto. Molto meno per tanto ſi puo dire che qui ſi faccia una compita riccognizione. Che ſe Giocaſta ſenza attendere altro ſ’uccide, ella ha motivi aſſai maggiori. S’avvede che tutto s’accorda con l’oracolo del ſuo figlivolo, ed alla qualità del paſtore nominato dal Miniſtro ſopradetto, con - noſce che non puote eſſere, ſe non quegli à cui eſſo fu conſegnato. Ma non voglio a tale Pro - poſito laſciar qui di dirvi, che quando anche foſ - ſero eguali in ambedue i motivi di diſperare, non ſarebbe fuori di raggione ch’ella piu toſto s’abbatteſ - ſe. Cercaſi da Philoſophi naturali per quale rag - gione di due perſone poſte in uno ſteſſo pericolo una pur ſi luſingha, l’altra diſpera. Non v’ha dub -E 2bio68APOLOGIA DI SOFOCLEbio ch’egli proviene dalla diverſa Diſpoſizione, ch’abbiamo circa l’ardire ed il timore. Ove il languor de ſpiriti diſponga al timore, a meſura che creſce queſta paſſione, piu ſi riſtringono le vie, per cui eſſi hanno il lor moto; onde piu facilmente reſtano ſorpreſi ed oppreſſi da quello ſtupore dal quale naſce l’abbatimento dell animo, e lo ſgomento, ch’ha talor reſa amabile la mor - te. Il contrario avviene ne temperamenti atti all ardire; perche avendo queſto una comune ori - gine con la ſperanza, colui ch’inclina ad un af - fetto, ſenteſi portato anche all altro; peró ſi leg - ge nel 2. della Rettorica d’Ariſtotele το τε ἐλπι - ζειν ἀγαϑον τι ταργαλεον ἐςι; avendo egli oſſer - vata la loro ordinaria corriſpondenza, della qua - le rende appieno raggione Carteſio nel trattato delle paſſioni. Quinci e ſovente avvenuto, che ſ’é preſo un affetto per l’altro, come fece Ora - zio, da cui la turba de giganti, che da l’aſſalto al cielo, viene chiamata fida Juventus. Per tan - to ad Edippo il cui carattere é d’ardito, qualor anche aveſſe tutti i mottivi di Giocaſta conver - rebbe forſe il luſingarſi, ed a queſta giuſta il co - ſtume timido delle donne l’abbaterſi.

Una altra taccia qui s’impone a Sofocle perche moſtri obliare, che il ſoggetto della tragedia é la vendetta della morte di Laio, introducendo Edip - po a porre ogni ſua cura nel ricercare la propria origine. Se ſoggetto della favola ſi chiama il prin - cipale ſuo ſcopo, queſto certo é la riccognizione d’aver comeſſo coſa orribile; che ſ’ella conſiſte nello ſcoprimento d’avere ucciſo il padre, e ſpo - ſata la madre; come puo dirſi fuori del ſoggetto, che Edippo cerchi di cui ſia figlivolo; cioé la no -tizia69CONTRA M. DI VOLTAIRE. tizia di cui dipende tutto il ricconoſcimento? Il caſtigo dell ucciſore di Laio voluto dagli Iddii é piu toſto occaſione, che ſcopo della favola: Ma quando ancor ſi conſideri ſolamente per ſog - getto della Tragedia l’impreſa d’Edippo intento ad eſeguire il volere de Numi; in qual guiſa piu ar - tifizioſa e piu propria ſi poteva venirne al fine, tanto piu ſorprendente, quanto meno aſpettato; che per mezzo d’una ricerca, che pare manco acconcia al propoſito? Dall altro canto quale inconvenienza é egli ch Edippo interroghi il pa - ſtore delle coſe ſpettante alla ſua origine; men - tre l’occaſione coſi richiedeva, e l’attuale commo - zione del ſuo cuore a ciò lo portava, ſenza guari interrompere l’altre ſue cure?

S’aggiunge che il coro dimoſtra una ignoranza affettata non meno ch Edippo, poiche ſebbene é ſtato preſente a tutti gli avvenimenti della trage - dia ed é compoſto di gente illuminata, eſſo ſi trattiene in raggionamenti che riguardano ſolo la conoſcenza, che ſpera avere de di lui parenti. Intorno a queſta ignoranza del coro ſi potrebbe ri - ſpondere (oltre che egli rappreſenta la moltitudi - ne de Cittadini, la quale ſuol poſſedere le noti - zie imperfettamente) ció che ſopra ho detto d’E - dippo ſteſſo. Anzi doveva avere difficoltá di per - ſuaderſi le ſtrane di lui ſciagure piu che queſto in - felice Re; eſſendo come ci ſi rappreſenta nel de - corſo di tutta la tragedia ſi prevenuto in ſuo favo - re, che lo credeva un ſemideo generato da Mer - curio, o da Bacco, o nato di qualche figlivola di Febo.

Tutto l’atto 5. é l’oggetto della cenſura che ſiegue. Riprovaſi queſto come ſuperfluo, e ſeE 3ne70APOLOGIA DI SOFOCLEne trae una raggione dal poco applauſo, ch’ebbe il nuovo Edippo allorche fu rappreſentato con una ſimile aggiunta, la quale fu peró levata dall’auto - re. Un altra ſe ne cava dalle annotazioni di Mr. Dacier nelle quali ſ’avverte, che la favola non é finita nel quarto atto; dice per tanto il noſtro critico, n’eſt ce pas avouer, qu’elle eſt finie que d’etre obligé de prouver, qu’elle ne l’eſt pas?

Il fondamento, ſi puo dir, unico di queſta cenſura é la diſapprovazione ch’ebbe la prima vol - ta la Tragedia di Mr. de Voltaire, e da queſto egli ha preſo motivo di ſofiſticare ſopra l’aſſerzi - one di Mr. Dacier. Io non poſſo ſapere tutte le cagioni per cui fu diſaprovata queſta parte che da lui poſcia é ſtata ommeſſa, non avendo avuto la ſor - te di vederla. Una nondimeno io ne deduco dalla lettura delle coſe precedenti della ſteſſa ſua Tragedia; ed é che la peripezia del nuovo Edip - po ſi compie in due volte; perche prima ſi ric - conoſce, ch’egli é parricida, poi ch’egli é figli - volo di Giocaſta; quindi é che gran parte della paſſione eſſendo nella prima cataſtrophe, la ſe - conda fa molto minore impreſſione che nella Tragedia di Sofocle, in cui ſi tutta la ricco - gnizione e tutta la cataſtrofe in un ſol punto; onde tocco lo ſpettatore da piu recente e da piu grande ſorprendimento, attende piu vivamente gli effetti, che ſon per ſeguire. Per altro Mr. de Voltaire moſtra di poco conoſcere la perfe - zione della favola tragica, nel dire che queſta nell atto quarto ſia compita. Non baſta dar l’eſſe - re all’azione, che ſ’imita. Ma debbeſi formare la favola grande bella e perfetta: E ſicome un ca - vallo di freſco nato, ancorche abbia le parti eſ -ſenziali,71CONTRA M. DI VOLTAIRE. ſenziali, che coſtituiscono il ſuo corpo, riceve dalla natura ſolo dopo il debito creſcimento quel - la bellezza e quello Spirito, che ci fa godere nella ſua giuſta grandezza; coſi l’arte imitatrice della natura, benche colla riccognizione dia qui l’eſſere alla favola, non dalle ſe non dappoi quel compimento, onde ella acquiſta maggior va - ghezza e maggiore energia. In fatti quanto deb - bono accreſcere la compaſſione le circoſtanze delle doloroſe azioni, che poi fanno Edippo e Giocaſta? Sofocle ch’aveva dipinto Edippo nel colmo maggiore della felicitá, per cui parreggia - vaſi a Dei, doveva opporgli un altro termine pa - ri d’infelicitá: Però dopo che gli ha fatto conoſce - re eſſer egli parricida, inceſtuoſo, condannato da ſe ſteſſo imprudentemente alla perdita del re - gno, ed all’eſilio; aggiunge la perdita della ma - dre e della viſta che dopo la vita é la piu dolce coſa che abbiamo.

L’ultima cenſura é di que Verſi del quinto Atto, che Mr. Voltaire rapporta coſi tradotti da Deſ - preaux.

Hymen funeſte Hymen tu m’as donné la vie,
Mais dans ces mêmes flancs, je fus renfermé,
Tu fais rentrer ce ſang, donc tu m’avois formé;
Et par tu produis & des fils & des Peres,
Des freres, des maris, des femmes, & des meres,
Et tout ce, que du ſort la maligne fureur
Fit jamais voir au jour & de honte & d’horreur.

Si riprova l’ammirazione ch’ebbe Longino di que - ſte eſpreſſioni, e diceſi che biſognava eſprimere, che nella medeſima perſona ſi trovino le dette qualitá; di piu che l’inveſtigazione ſi curioſa del -E 4le72APOLOGIA DI SOFOCLEle circoſtanze del ſuo delitto, ſi minuta com - memorazione dit tanti titoli inceſtuoſi, e la com - binazione di tanti orrori, in vece d’aggungere all’azione attrocitá, la diminuiscono.

Qui prima é degno d’avvertimeno che la tra - duzione franceſe ha certa condotta e certe locuzio - ni che pregiudicano al bello e paſſionato ſenti - mento di Sofocle: Ma non ſi puote ad ogni mo - do compatire la franchezza con cui ſ’accuſa ſi ce - lebrato poeta ed un critico ſi dotto e giudizioſo qual é Longino. Per altro qual biſogno aveva Edippo di ſpiegarſi piu chiaramente, ſe parlava di coſe a tutti note, come ſoggetto della ſua diſ - grazia e motivi delle paſſate querele? Una eſ - preſſione piu chiara ſarebbe da riporſi nel nume - ro di que difetti, che ſecondo Ariſtotele fanno il parlar freddo. Ma piu ſi convince il critico noſtro ſì perche Edippo parla qui ſeco medeſimo per modo d’eſclamazione, lagnandoſi del ſuo perver - ſo deſtino; come perche s’eſprime meglio il traſporto delle paſſioni con l’ommiſſione di qual - che coſa ancor che foſſe neceſſaria. Però Virgilio volendo eſprimere meglio il traſporto di Niſo nel vedere che ſi trucidava Eurialo dice, che egli eſ - clamó quaſi impazzito per lo furore

Me me adſum qui feci, in me convertite ferrum.

Per ció che ſ’aſpetta all altra parte della cenſura dico, che per movere meglio l’altrui compaſſi - one non v’era mezzo piu ptoprio, che moſtrare l’ecceſſo del proprio dolore giuſta quel verſo d’O - razio.

Si vis me flere, dolendum eſt
Primum ipſi tibi, tunc tua me infortunia lædent.
Ne73CONTRA M. DI VOLTAIRE.

Ne ſi poteva meglio dimoſtrare il dolore ecceſſi - vo, che con l’eſprimere il cumulo delle ſciagu - re; onde era tormentata in quel punto la ſua tan - taſia; ne queſto finalmente ſi poteva in forma piu idonea rappreſentare che con l’accoglier molto in poco; perche in tal maniera l’eſpreſſione é piu grave piu viva ed una immagine piu retta di ció che ſi rappreſenta. Non ſo come ſi poſſa dire, che le particolaritá delle ſue fatali e lagrimevoli diſaventure ſcemino la forza delle ſue querele; ſe quelle appunto ſono i mezzi unici per commovere gli Uditori. Cicerone che nel Libro del Oratore dice come Orazio, neque fieri poteſt ut doleat is qui audit, ut ad fletum miſericordiamque deduca - tur, niſi omnes illi motus, quos Orator adhibere volet ju - dici, in ipſo Oratore impreſſi eſſe atque inſerti videantur, eſequisce poi per tutto queſto precetto con l’acce - namento di ſimili circoſtanze. Virgilio chi come bene oſſerva l’abbate Terraſon, é ſtato ſino a no - ſtri tempi il poeta piu atto ad eſprimere paſſioni triſti, ſolo di quelle medeſime ſi ſerve. Eſempio ſiane queſto della ſorella di Didone, laquale ſi lagna ſulla di lei pira coſi.

Hoc illud Germana fuit? Me fraude petebas?
Hoc rogus iſte mihi, hoc ignes, aræque parabant?
Quid primum deſerta querar? Comitemque ſororem
Spreviſti moriens? Eadem me ad fata vocaſſes:
Idem ambas ferro dolor, atque eadem hora tuliſſet!
His etiam ſtruxi manibus, patriosque vocavi
Voce Deos, ſic te poſita ut crudelis abeſſem?
Exſtinxi te meque ſoror, populumque patresque
Sidonios urbemque tuam.

Qual circoſtanza avvi del dolore di queſta mes - china, che non ſia eſpreſſa in tale lamento? EdE 5all 74APOLOGIA DI SOFOCLE. all incontro qual commozione recarebbe egli, ſe terminaſſe in alcuni generali ſoſpiri? Non po - teva dunque Sofocle meglio adempiere l’ufficio del poeta tragico in rappreſentare gli affetti al na - turale, ed in quella maniera che piu ſembra ef - ficace per eccitarli in altrui. Però ben ebbe raggione Longino di lodarlo in queſta parte come maraviglioſo, e merita tanto d’approvazione il ſuo ſentimento, quanto é degno di diſpregio, chi lo diſapprova. I rifleſſi fatti intorno a queſte eſpreſ - ſioni di Sofocle baſtano per far conoſcere i ſuoi vantaggi ſopra quella di Pier Cornellio, la quale il Critico qui paragona, indi Paridis ſuffragio, co - me ſuol dirſi, l’antepone.

Eccomi al fine delle cenſure di Mr. de Voltai - re. Se voi le avete prima di me ben conſiderate, vi farete ſtupito del applauſo, che gli hanno in Francia ottenuto Se non ci avete fatto ſopra oſ - ſervazione, ſpero che vene ſtupirete ora, e giudi - carete meco, che tutta la riputazione di que - ſta opera s’é ſtabilita piu ſu’l numero che ſu’l va - lore delle medeſime, per le quali ſi puo dire che l’Autore, giuſta l’adagio antico convicii pœnam debet. Onde deveſi conchiudere, ch’aſſai grande é la fallacia de volgari giudizii, appo cui é paſſato per ingegnoſa critica cio che non é ſtato ſe non un arte per far pregio maggiore alla nuova Tra - gedia.

Abhand -75

Abhandlung von der Schreibart in Miltons verlohrnen Paradieſe.

JCh habe die Begierde noch nicht verloh - ren, meinen Landesleuten das Vortreff - lichſchoͤne und Angenehme in Miltons Paradieſe zu ihrem Gebrauche zu entdecken und mitzutheilen. Die neue Ueberſetzung und vor - nehmlich die Erklaͤrungen von des Poeten Erfin - dungen, Vorſtellungen, und der Ausbildung der - ſelben, ſind Zeugen davon. (*)Dieſe neue Ueberſetzung kan auf kuͤnftige Oſter - meſſe aus der Preſſe kommen.Jch habe mich in derſelben befliſſen die Tuͤchtigkeit der Kunſt - mittel vor Augen zu legen, welche der Poet ge - braucht hat, eine gewiſſe Wuͤrckung ſeiner eige - nen Abſicht gemaͤß in dem Gemuͤthe hervorzubrin - gen; ich habe gezeiget, daß ſelbige in der Natur des menſchlichen Gemuͤthes und deſſen Verhaͤltniß mit den Sachen gegruͤndet ſind; daher die Wuͤr - kungen derſelben natuͤrlicher Weiſe und ohne Zwang folgen muͤſſen. Jch habe viele beſondere Nach - richten und Anmerckungen einflieſſen laſſen, wel - che dienen, die Faͤhigkeit des Leſers zu erweitern, ihn in die Gedancken, und Vorſtellungen des Poeten einzufuͤhren, und die Vorurtheile, wel - che desfalls im Lichte ſtehen, wegzuraͤumen. Der auſſerordentliche Jnhalt mußte nothwendig in ei - nem gemeinen und am Jrdiſchen klebenden Verſtande, der weder genugſam angebauet, noch76Von der Schreibartmit Wiſſenſchaften bereichert iſt, viele Schwie - rigkeiten ſinden. Dieſe Hinderniſſe ſind durch das Beſtreben derer, welche des Poeten Gedan - ken bey ihren kurtzen Einſichten und groſſen Eigen - duͤnckel mit verkehrten Auslegungen verſtellet ha - ben, noch mehr verſtaͤrket worden. Eben dieſer ſchaͤdlichen Bemuͤhung habe ich meine Arbeit ent - gegengeſetzet, und das gute Zutrauen, das ich in die Verſtandes - und Geiſtes-Kraͤfte der Deut - ſchen ſetze, laͤßt mich nicht zweifeln, daß ſie nicht die natuͤrlichen Eindruͤcke von Miltons Vorſtellun - gen nach ihrer vollen Macht mit Vergnuͤgen bey ſich empfinden, und mit ihrem Beyfall die ſtoltze Vermeſſenheit derjenigen zu Schande machen wer - den, welche den Verſtand und das Hertz der Na - tion nach ihrer eigenen Bloͤdigkeit und Kaltſinnig - keit ſchaͤtzen. Mithin iſt mir noch ein Vorurtheil wider Miltons Gedichte zu beſtreiten uͤbrig geblie - ben, welches man den Leichtglaͤubigen mit aller Macht beyzubringen gearbeitet hat. Solches iſt von einigen beſondern Eigenſchaften hergenommen, die man in Miltons Sprache wahrnimmt. Jch muß mich darum befleiſſen die wahre Beſchaffen - heit der miltoniſchen Schreibart mit einer ſorgfaͤl - tigen Genauigkeit zu unterſuchen. Jn den An - merckungen uͤber des Poeten Erfindungen habe ich nichts davon geſagt, damit ich den Leſer nicht allzuweit von den Sachen abfuͤhrete. Jch dachte, daß es ſich beſſer in einer abſonderlichen Schrift ſchickete, wo man es lieber in einem fort leſen wuͤrde.

Alles, oder das meiſte, was Milton in der Spra - che beſonders hat, beruhet darauf, daß er die Ei -genſchaf -77in Miltons verlohrnen Paradieſe. genſchaften gantz fremder Sprachen in der Form der Woͤrter und Redensarten in die ſeinige hin - uͤber getragen. Virgil hatte dieſes vorlaͤngſt ge - than, und hundert Formen der Rede von den griechiſchen Scribenten geborget, welche von den Kunſtrichtern Helleniſmi geheiſſen werden. Und Horatz hat ſolche in ſeinen Oden noch haͤufiger als Virgil angebracht. Und wer hat nicht von den verſchiedenen Mundarten reden gehoͤret, welche Homer gebraucht hat? Dadurch befliſſen ſie ſich, die Sprache zu erheben, und ihr eine poetiſche Geſtalt zu geben. Die alten Kunſtlehrer hielten ſo viel darauf, daß Ariſtoteles eine Regel daraus formiert hat.

Der herrliche Ausdruck, ſagt er, der ſich von den gemeinen Redensarten der Leu - te entfernet, entſteht von dem Gebrauche ent - lehnter Woͤrter. Jch heiſſe entlehnte Woͤrter die Woͤrter fremder Sprachen, die Metapho - ren, die verlaͤngerten Woͤrter, kurtz, welche nicht eigentliche Woͤrter ſind. Soll der Ausdruck weder poͤbelhaft noch niedrig wer - den, ſo muß man ſeine Zuflucht zu fremden Woͤrtern nehmen, zu Metaphern, zu Figu - ren, und dergleichen. Ein gantz ſicheres Mit - tel, die Rede zugleich deutlich und praͤchtig zu machen, iſt dieſes, daß man die Worte ver - laͤngere oder beſchneide, oder ſonſt auf eine andre Weiſe veraͤndere; denn was in dieſen Woͤrtern ungewoͤhnliches iſt, und was ſie von den eigentlichen und gemeinen Woͤrtern entfer - net, theilet ihnen eine gewiſſe Pracht mit; und was ſie von dem gemeinen Gebrauche noch be - halten, machet ſie deutlich.
Milton78Von der Schreibart

Milton hat ſich aller dieſer Mittel ebenfalls be - dienet, jedoch dieſes mit gewiſſer Maaſſe und Beſcheidenheit, in ſoweit als es ihm ſeine Spra - che zugelaſſen hat. Dieſe hat von Alters her ein groſſes Belieben gehabt, die nachdencklichen und nachdruͤcklichen Woͤrter aus fremden Sprachen aufzunehmen und zu gedulden, wie ſie denn nichts anders als ein Gemiſche von verſchiedenen Spra - chen ungleichen Stammes iſt. Sie hat dieſe Nei - gung noch zu unſern Zeiten behalten, und einige Scribenten haben derſelben in ihren Schriften ſo uͤbel mißgebraucht, daß ſie zuletzt ohne Noth aus - laͤndiſche Woͤrter in ihre Schreibart gemenget, welches die Sprache auf eine ſeltſame Weiſe zer - hudelt haͤtte, wenn nicht verſtaͤndige Kunſtlehrer dieſem ausſchweifenden Miſchmaſch Einhalt ge - than haͤtten. Milton hat ſich damit in den gebuͤh - renden Schrancken gehalten, und kein fremdes Wort gebraucht, das nicht ſeinen gewiſſen Werth gehabt haͤtte. Alſo hat er auch mit einigen For - men aus fremden Sprachen gethan, welche er ge - ſchickt nachgemachet hat; dergleichen ſind, daß er das Beywort nach dem Hauptworte geſtellt, daß er das Beywort in ein Hauptwort verwan - delt, und, daß er die Woͤrter in einer veraͤnder - ten Ordnung zuſammengeſetzet hat. Die Meta - phoren hat er allemahl angebracht, ſo oft ſie ſei - nen Vorſtellungen Zierde, Licht, Glantz, oder Nachdruck mittheilen konnten. Alſo hat er eine Menge Metaphoren und metaphoriſcher Reden, die er ſelbſt zu ſeinen Abſichten erfunden hat. Die - ſes that er kraft der natuͤrlichen Freyheit, nachwel -79in Miltons verlohrnen Paradieſe. welcher einem jeden erlaubt iſt, neue Vergleichun - gen zu erfinden, oder aͤhnliche Dinge unter gantz neuen emblematiſchen, jedoch deutlichen und leb - haften Bildern vorzuſtellen, folglich auch vergoͤnnet iſt, ſolche Vergleichungen in Metaphoren einzu - kleiden. Zu dieſen neuen Metaphoren hat er fer - ner eine groſſe Anzahl andrer zuſammengeleſen, welche er in ſeiner Sprache ſchon ſeit uralten Zei - ten ſo wohl eingefuͤhrt gefunden, daß ſie izo von den wenigſten mehr vor Metaphern angeſehen werden. Die Engliſche Sprache iſt an dergleichen vor an - dern reich. Aber Milton begnuͤgete ſich nicht an denen, welche zu ſeiner Zeit in dem gemeinen Um - gange gebraucht wurden, ſondern zog eine Men - ge ſolcher, die theils dem Untergange nahe waren, theils ſchon ins Vergeſſen gekommen, wieder ans Licht hervor. Er bemaͤchtigte ſich ſolcher in Spen - ſers, Fletſchers, und Sakſpers Schriſten, ſo oft ſie ihm dieneten, eine Sache und einen Begriff nach einer abſonderlichen Einſchraͤnckung vorſtellig zu machen. Daneben thaten ihm dieſe veralterten Woͤrter den Dienſt, daß ſie ſeinem Gedichte ei - nen gewiſſen Schein von Alterthum mittheileten. Auch das lezte Mittel, das Ariſtoteles in Vorſchlag gebracht hat, hat Milton mit Nutzen anzuwenden gewußt. Er hat eine Redensart mit Hinzuſezung ſolcher Woͤrter laͤnger gemacht, welche nach Be - lieben geſetzet oder ausgelaſſen werden koͤnnen; und er hat abſonderliche Woͤrter mittelſt Einſchiebung oder Hinauswerffung gewiſſer Sylben ausgedaͤh - net, oder abgeſtutzet.

Giebt man auf das Maaß ſeines Verſes acht, ſagt Addiſon, ſo wird80Von der Schreibart wird man ſehen, daß er in verſchiedenen Wor - ten mit groſſer Geſchicklichkeit eine Sylbe ver - druͤckt, und andre mahl zweyſylbigte Woͤrter in eine Sylbe zuſammengedrungen, wodurch er ſeine Sprache erhoͤhet, und ſeinem Sylben - maaſſe ein verſchiedeneres Ausſehen mitgetheilet hat. Dieſes hat er inſonderheit in den Nah - men der Perſonen und der Laͤnder gethan, in - dem er entweder den Nahmen einigermaſſen ge - aͤndert, oder einen gebraucht, der am wenig - ſten bekannt war, damit er die Sprache des gemeinen Volckes deſto beſſer vermiede.

Eben derſelbe berichtet uns, daß Milton ver - ſchiedene Woͤrter aus eigener Macht gepraͤget ha - be, und verweiſet den Leſer, der ſich daran aͤr - gerte, auf eine Schrift des Plutarchs, worin - nen gezeiget wird, wie vielmahl Homer ſich eben dieſer Freyheit bedienet habe. Wenn wir ihm Glauben zuſtellen, ſo hat der Poet mittelſt aller dieſer Huͤlfsmittel, und mittelſt der trefflichſten Woͤrter und Redensarten, ſo ihm die Engliſche Sprache mittheilete, dieſelbe zu einer groͤſſern Hoheit erhoben, als jemahls ein Engliſcher Poet vor oder nach ihm gethan hat, und ſeine Schreib - art eben ſo erhaben gemachet, als ſeine Gedan - ken ſind.

Die Herren Richardſonen, Vater und Sohn, haben in ihrer Lobſchrift des verlohrnen Paradieſes mit eben demſelben Lobe von Miltons Schreibart geredet. Und der Journaliſte, der in der Britan - niſchen Bibliotheck im April 1737. I. Artick. einen Auszug davon gemachet, giebt zu verſtehen, daßer81in Miltons verlohrnen Paradieſe. er es ihnen nicht wiederſprechen koͤnne, wiewohl er ziemlich unbeſtimmte Begriffe davon hat, und zu fuͤrchten ſcheinet, ſeine franzoͤſiſchen Leſer wer - den mit den Hrn. Richardſonen nicht eines ſeyn.

Doͤrffen wir, ſagt er, auch alles erwaͤhnen, was Richardſon von Miltons Schreibart ſagt? Al - le unſre Leſer wiſſen, was Boileau von Ron - ſard geſagt hat, ihn herunter zu machen, nem - lich daß ſeine Muſe im Franzoͤſiſchen Grie - chiſch und Latein geredet habe. Wo ſind nun die Frantzoſen, welche bey dem Vorur - theile, das ſie von dieſen Worten empfangen, ohne Erſtaunen hoͤren koͤnnten, daß jemand mit Worten, die eben das ſagen, was Boi - leau geſagt hat, die Schreibart eines heutigen Poeten loben wollte? Dennoch iſt dieſes ein Paradoxum, welches ſie verdauen muͤſſen, wenn ſie begreiffen wollen, worinnen der wah - re Werth der miltoniſchen Schreibart beſtehe. Vielleicht iſt die Engliſche Sprache, die aus der augenſcheinlichen Vermiſchung vieler and - ren entſtanden iſt, ſchon daran gewoͤhnt, daß ſie ſich nach den Eigenſchaften auslaͤndiſcher Sprachen bequeme. Vielleicht hat ſie ſo viel von dem Naturelle derer, die ſie reden, in ſich, daß ihre Natur nicht ſo enge eingeſchraͤncket iſt, als der frantzoͤſiſchen Sprache. Vielleicht laſ - ſen ſich alle Sprachen aus dem Vorrathe der andern bereichern, und der vornehmſte Unter - ſcheid zwiſchen Milton und Ronſard beſteht da - rinnen, daß jener desfalls mehr Geſchicklichkeit und mehr Behutſamkeit gebraucht hat, als Ron -[Crit. Sam̃l. III. St.] F ſard.82Von der Schreibart ſard. Das iſt gewiß, daß die Herren Richard - ſonen unſern Poeten damit loben wollen, und ihn in der That loben, wenn ſie ſagen, daß man in einem gewiſſen Dinge, das man nicht recht nennen koͤnne, das ſeine Schreibart ſo nach - druͤcklich und ſo eigen mache, was fremdes und al - tes erkenne, welches viel von dem Roͤmiſchen und Griechiſchen an ſich habe, aber naturaliſirt Engliſches ſey. Da Milton viele alte und neue Sprachen verſtuhnd, nahm er aus jeglicher, was ſich vor die Natur der Engliſchen ſchickete. Jndem das Feuer, deſſen er voll war, alle Theile dieſer Vermiſchung durchdrang, ſah man ein neues Gemiſche daraus entſtehen, wel - ches nach dem Urtheile der Kenner in den Spra - chen eben das iſt, was das Corinthiſche Ertzt eh - mahls unter den Metallen war. Ueber - haupt zu reden, hat Miltons Schreibart zu ih - rem Eigenthume, daß ſie reich und uͤberflieſſend iſt, ohne Gewaſche. Der Ueberfluß iſt viel - mehr in den Begriffen als in den Worten. Sie iſt allemahl nachdruͤcklich, klar und genau. Die Genauigkeit iſt ſo groß, daß Hr. Richardſon ſagt, ſie verurſache bisweilen etwas, das den Schein einer Dunckelheit habe, aber doch nicht dunckel ſey, oder wenn es dunckel ſey, ſo ſey die Schuld nicht der Schreibart ſondern des acht - loſen und im Denken ungeuͤbten Leſers, und ſolcher Leute, welche in Miltons Ausdruͤcken aus derſelben Urſache keinen Verſtand finden, als wir bey hellem Mittage in der Sonnenſcheibe nichts ſehen, dieweil ihr eigner Glantz ſie vor uns verbirgt.
Man83in Miltons verlohrnen Paradieſe.

Man hat von dem Character der franzoͤſiſchen Sprache angemercket, daß ſie von einer ſehr zaͤrt - lichen, lekeren und eingeſchraͤnckten Beſchaffen - heit ſey, insbeſondere daß ſie eine Menge eigen - ſinniger und gleichſam geweiheter Redensarten ha - be, welches machete, daß ſie deßwegen der Grundſchrift, die man aus einer andern Spra - che in dieſelbe uͤberſetzen will, nicht lange Fuß fuͤr Fuß nachgehen koͤnne. Einige der geſchickte - ſten Franzoſen ſelbſt haben ſich geklaget, daß ih - re Sprache arm, mager, und truken gemachet worden, daß man ſie in Feſſeln und Bande ge - zwungen habe; und ſie bekennen, daß ſie keinen Schritt thun doͤrfe als nach den ſtrengeſten und alle - zeit gleichfoͤrmigen Regeln der Sprachlehre. Der Herr von Fenelon, Boileaus und andrer, die eine gleiche Klage gefuͤhrt haben, an dieſem Orte nicht zu gedencken, hat in ſeinem Entwurffe einer Poe - tick ihre Strengigkeit ſonderlich in Anſehung der Verſetzungen der Woͤrter beklaget.

Man hat ſich, ſagt er, ohne Noth ſelber die Folter zu - erkannt, damit man eine Schrift verfertigen koͤnnte. Man duͤrfte ſchier auf die Gedancken fallen, daß man ſich mehr um das, was ſchwer iſt, als um das, was ſchoͤn iſt, bekuͤmmert habe. Bey uns hat ein Poete eben ſo ſehr noͤthig ſich in den Gedancken zu ſchlagen, wie er die Sylben in Ordnung ſtellen, als wie er ſtarcke Empfindungen, lebhafte Schildereyen, kuͤhne Gedancken erfinden wolle.

Nach die - ſen Worten bringt er etliche Exempel von dem Gebrauche, zu welchem die Alten die Verſetzun -F 2gen84Von der Schreibartgen der Woͤrter angewendet, und worinnen die franzoͤſiſche Sprache zu kurtz koͤmmt; welches ihm Anlaß giebt von Ronſard zu reden:

Ronſard, ſagt er, hatte der Sache auf einmahl zu viel gethan. Er hatte unſrer Sprache durch allzu verwegene und dunkele Verſetzungen Gewalt angethan. Er machte eine rohe und ungeſtalte - te Sprache daraus. Er brachte allzu viel zu - ſammengeſetzte Woͤrter in dieſelbe, welche in dem gemeinen Umgange noch nicht eingefuͤhrt waren. Er redete franzoͤſiſch auf griechiſch, und dieſes ohne die Einwilligung der Franzo - ſen. Er hatte meines Beduͤnckens nicht un - recht, daß er das Eis brechen wollte, unſre Sprache zu bereichern, und unſre Poeſie kuͤh - ner zu machen. Aber in den Sprachen richtet man ohne die Beyſtimmung der Leute, fuͤr welche man redet oder ſchreibet, nichts aus. Man muß niemahls zween Schritte zugleich thun, man muß ſtille ſtehen, ſobald man ſie - het, daß die Leute uns nicht nachfolgen. Vor ſich allein ſtehen, iſt allemahl und in allen Din - gen mit Gefahr begleitet; und in Sachen, wo es bloß auf den Gebrauch ankoͤmmt, iſt man nicht zu entſchuldigen, wenn man allein bleibet.

Jn dem Verfolge ſagt er, eben die - ſes, daß Ronſard der Sache zu viel gethan ha - be, ſey die Urſache geweſen, daß die Franzoſen auf das Gegentheil gefallen, uud zu furchtſam geworden ſeyn; dadurch ſey nun die franzoͤſiſche Sprache duͤrftig und ſchwindſuͤchtig geworden.

Wenn zween Menſchen ſich vornehmen, einer - ley zu thun, ſo bringen ſie doch nicht einerley her -aus.85in Miltons verlohrnen Paradieſe. aus. Sie greifen die Sache nicht mit gleichem Vermoͤgen, nicht mit gleicher Geſchicklichkeit und Behutſamkeit an; ſie ſind nicht in gleichen Um - ſtaͤnden und dergleichen. Von Milton wiſſen wir, daß er in ſeinem Gebrauche der auslaͤndi - ſchen Mundarten die damahlige Verfaſſung ſeiner Sprache nicht aus den Augen geſetzet, ſondern auf den Grund derſelben gebauet; er hat ſie nicht gekruͤmmet, er hat ſie nur gelenket. Jn dieſer Arbeit iſt ihm trefflich zu ſtatten gekommen, daß er ſie gantz biegſam gefunden hat,(*)Addiſon hat von ihr als ein beſonderes Gluͤck an - gemerket, daß die Hebraͤiſchen Mundarten mit einer ſon - derbaren Anmuth und Schoͤnheit in die Engliſche Spra - che einſchlagen. Unſere Sprache, ſagr er, hat un - zaͤhlige Zierlichkeiten und Verbeſſerungen von denen Hebraͤiſchen Redensarten empfangen, welche aus den poetiſchen Stellen in der Heil. Schrift in dieſelbe her - uͤbergebracht worden. Sie geben unſern Ausdruͤckun - gen einen kraͤftigen Nachdruck, ſie machen unſre Spra - che warm und lebhaft, und treiben unſre Gedancken in feurigere und ſtrengere Ausdruͤcke als ſonſt in unſrer Sprache angetroffen werden. Wenn jemand urthei - len will, ſagt er ferner, wie ſanft ſich die Hebraͤiſchen Redensarten mit der Engliſchen Sprache vermiſchen, und mit ihr zuſammenflieſſen, der mag das Buch der Pſalmen leſen, und dann eine buchſtaͤbliche Ueberſetzung des Pindarus oder Horazen dagegen halten. Er wird in den beyden letztern lauter Ungeſchicklichkeit und Ver - wirrung der Schreibart wahrnehmen. noch mehr, daß er bey den - jenigen, die ſie reden, ein ſo ungezwungenes, ſo freyes, und kuͤhnes Naturell wahrgenommen, daß er ſich ver - ſichern koͤnnen, ſie wuͤrden ſeine Neuerungen nicht nur nicht verwerffen, ſondern ſie mit dem noͤthi -F 3gen86Von der Schreibartgen Beyfalle aufnehmen; zumahl, da der wun - derbare Jnhalt ſeiner Gedichte eine ungewoͤhnliche Schreibart erfoderte. Ronſard hat hingegen nicht nur dem Naturell der franzoͤſiſchen Sprache, wie ſie zu ſeiner Zeit beſchaffen war, zu viel Zwang angethan, wie wir von Fenelon berichtet werden, ſondern er hat auch die Gemuͤthesart ſeiner Lan - desleute, fuͤr die er geſchrieben, nicht genug ein - geſehen, und nicht betrachtet, daß es allzuſchwer iſt, ſie von ihren gewohnten Manieren abzubrin - gen, und ihnen an deren Statt etwas auslaͤndi - ſches beyzubringen. Er ſollte wenigſtens uͤberle - get haben, daß ſie mit den Schriften der Grie - chen und Roͤmer, keine ſo genaue Bekanntſchaft hatten, daß ſie die Redensarten, die Bilder und Figuren, ſo von ihren Gebraͤuchen hergeholet waren, in das Franzoͤſiſche uͤberſezt, ohne Schwie - rigkeit haͤtten verſtehen, und mit Vergnuͤgen auf - nehmen koͤnnen. Man hat ohne dies angemerket, daß die Franzoſen uͤberhaupt mehr Muͤhe als and - re Nationen haben, ſich aus ihrer Sphaͤr her - aus zu begeben, und ſich in die Gedanken, die Gewohnheiten, die Lebensart andrer Voͤlker zu richten. Welches Urſache iſt,, daß man in ih - ren Tragoͤdien die Moden, die Lebensregeln, die Hoͤflichkeit, die Galanterie von Paris und Ver - ſailles wahrnimmt, wenn die Scenen gleich zu Athen, Mycene, Corinth, und Babylon ſind. Alſo hat man den Racine beſchuldiget, daß er ſeine Helden nach Paris habe reiſen laſſen, daſelbſt die Kunſt zu lieben zu erlernen, und z. Ex. des Eu - ripides Hippolitus in Mr. Hippolite verwandelt habe.

Dem -87in Miltons verlohrnen Paradieſe.

Demnach muß man die Freyheiten, die Mil - ton in ſeiner Sprache genommen, und nach der Faͤhigkeit und der Verfaſſungsart derſelben, und dem Naturelle der Engellaͤnder abgemeſſen hat, nicht nach der gewiſſenhaften Sorgfaͤltigkeit der franzoͤſiſchen oder ſonſt einer eingeſchraͤncktern Sprache beurtheilen, noch ſich einbilden, was in den furchtſamern nicht angehet, ſtehe auch in den kuͤhnern nicht wohl. Man handelt verſtaͤndi - ger, wenn man dergleichen kuͤhnen Gebrauch nach demjenigen mißt, was in einer eben ſo freyen, und eben ſo gelenkigen Sprache einer großmuͤthi - gen und gelehrten Nation ohne jemandes Aerger - niß geſchehen kan. Eine ſolche Sprache war eh - mahls die Griechiſche, in welcher Homer mit ſo gutem Fortgange die Formen und Arten fremder Sprachen und Dialecten eingepfropfet hat. Ei - ne ſolche iſt zu unſern Zeiten die Jtaliaͤniſche, von der man ruͤhmet, ſie ſey wie Wachs, und neh - me alle Figuren an, die man darinnen ausdruͤ - ken wolle, ſie bequeme ſich, wozu es ſey, und lenke ſich, wie die Regula Lesbia, nach den Sachen; ſie ſey nicht ſo ſproͤde, nicht ſo eigen - ſinnig und mit ſich allein zufrieden, daß ſie nicht die Formen andrer Sprachen gerne an ſich nehme, und ſich eigen mache. Wir haben auch den Be - weis deſſen aus der Erfahrung. Denn eben des - wegen iſt es einigen geſchickten Jtalienern gelun - gen, daß ſie die Redensarten des verlohrnen Pa - radieſes mit alle den Freyheiten des Engliſchen Poeten gegeben haben. Salvini, Magalotti, Rolli haben gemeiniglich alle ſeine Worte, undF 4mit88Von der Schreibartmit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie - fert. (*)Derſelbe Salvini hat eben dieſes mit Homer und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau - ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen uͤberſetzet.Sie haben in ihre Ueberſetzungen nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie - mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier - lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei - chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach - zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni - ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben, und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes - leuten ihnen veruͤbelt hat.

Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit groͤſſere Faͤhigkeit wahrnehmen, die Mundarten und Manieren fremder Sprachen an ſich zu neh - men, und nachzumachen, als die franzoͤſiſche beſizet. Die deutſche Mundart hat wahrhaftig keine ekelnde Abneigung gegen einigen von dieſen Huͤlfsmitteln ſelbſt, welche die alten Kunſtlehrer ſo ſehr angeprieſen haben, die Rede helle, kurtz, genau, nachdruͤcklich und erhaben zu machen. Es89in Miltons verlohrnen Paradieſe. Es mag der Muͤhe werth ſeyn, ſolches mit etli - chen Exempeln auszufuͤhren, weil es dienet, die Freyheit, ſo Milton desfalls in der weit kuͤhnern Sprache einer geſchickten und großmuͤthigen Na - tion genommen hat, zu rechtfertigen. Jndem wir dieſes thun, wollen wir ein ſorgfaͤltiges Auge auf die Gemuͤthesart unſrer Nation, und die dießmahlen gewiſſermaaſſen eingerichtete Verfaſ - ſung unſrer Sprache richten, und fleiſſig Acht haben, was ohne Abbruch derſelben, und ohne daß wir die Eigenſchaften unſrer Sprache umkeh - ren, oder Dunkelheit und Verwirrung darinnen anrichten, geſchehen moͤge.

Die deutſche Sprache koͤnnte vielleicht auf den Grad der Reinigkeit gebracht werden, daß nicht ein einziges fremdes Wort mehr darinnen gelit - ten wuͤrde, wenn eine Geſellſchaft geſchickter und erfahrner Maͤnner waͤre, welche Befehl und Ge - walt haͤtten, fuͤr die neuen Sachen, und fuͤr neue Begriffe alter und gewiſſermaaſſen ſchon be - kannter Sachen, neue Nahmen zu erfinden, die deutſchen Urſprungs, Stammes, und Ausſehens waͤren. Alleine da die Aufrichtung einer ſolchen Geſellſchaft, die mit der erforderlichen Geſchick - lichkeit und Klugheit zu dieſem Werke verſehen waͤre, ſehr groſſe Schwierigkeit findet, da uͤber dieſes wenig Hoffnung vorhanden iſt, daß ſo vie - le verſchiedene und freye Provinzen der deutſchen Nation ſich vereinbaren werden, die Gewalt ei - ner ſolchen Geſellſchaft zu erkennen, und ſich ih - rem Anſehen und Geſchmacke zu unterwerffen, ſo wird es izo ſehr ſchwer ſeyn, ſich allemahl zu ent -F 5bre -90Von der Schreibartbrechen, ſolche juͤngſt erfundene Dinge und Be - griffe, die noch keine Nahmen bey uns haben, mit denjenigen zu benennen, mit welchen ſie von einer andern Nation ſchon bezeichnet worden, zu - mahl wenn wir die Erkenntniß derſelben eben von Fremden bekommen haben. Einige mahl, in - ſonderheit in Begriffen und Sachen, die von deutſcher Erfindung ſind, wird man freylich ſich noch ziemlich wohl aus ſeinem eigenen helffen koͤnnen, wovon ich unten bey Gelegenheit der neugepraͤgten Woͤrter etwas mehrers ſagen werde.

Diejenigen, die eine Sache zuerſt erfunden haben, ſind ohne Zweifel am meiſten berechtiget, ihr einen Nahmen zu geben; ſie koͤnnen es auch mit der meiſten Geſchicklichkeit thun, weil ſie die Natur derſelben am beſten kennen. Was Oer - ter, Laͤnder, Staͤdte, Gegenden, Berge, beſon - dere Menſchen und Thiere anlangt, wird dieſes Recht denjenigen, ſo den erſten Beſitz und die er - ſte Bekanntſchaft davon gehabt haben, insgemei - ne eingeraͤumet. Wir heiſſen darum Pantheon und Rotonda den Tempel, den ſeine Stifter und Beſucher alſo genannt, wir heiſſen mit den my - thologiſchen Poeten Elyſium die anmuthreichen Auen, die ſie ſo genannt haben, Styr den Fluß, Cer - berus den Hoͤllenhund, Pluto den Gott der Hoͤl - le; Gratien die Goͤttinnen der Holdſeligkeit. Eben ſo halten wir es mit Zeug und Geraͤthe. Cothurn ſagen wir, wenn wir den griechiſchen Stifel der Perſonen im Trauerſpiele, Jamben, wenn wir einen gewiſſen Fuß des Griechiſchen und Lateiniſchen Verſes, Romanzen, wenn wir dieErzeh -91in Miltons verlohrnen Paradieſe. Erzehlungen, die zuerſt in der Romaniſchen Spra - che geſchrieben worden, Perſienne, Jndienne, wenn wir gewiſſe fremde Arten woͤllinnen Tuches anzeigen wollen. Dergleichen auslaͤndiſche Woͤr - ter werden zugleich mit der Erkenntniß der Sa - chen erlernet. Und wenn ſie gleich mit Nahmen von deutſchem Stamme bekleidet wuͤrden, ſo wuͤrden auch dieſe gleicherweiſe gelernet werden muͤſſen. Wenn wir von dieſen Dingen reden wollen, ſo ſind wir genoͤthiget dieſe Nahmen zu brauchen, weil uns unſre Sprache keine eigenen dazu leihet, und wir noch unverſtaͤndlicher wuͤr - den, wenn wir neue erſinnen wollten. (*)Und wie ſoll man es anſtellen, wenn man die Ei - genſchaften ausdruͤken ſoll, welche uns der Sinn des Geſchmakes in den Gegenſtaͤnden zu erkennen giebt, falls wir nicht Sapores, oder irgend ein Wort aus einer an - dern Sprache, das eben daſſelbe bedeutet, entlehnen duͤrf - fen? Der Mangel dieſer Benennung in unſrer Sprache zeiget uns eine Nachlaͤſſigkeit in einem von den gemeineſten Begriffen.Das laͤcherliche Thun der Sprachenmengerey beſtehet ei - gentlich darinnen, daß man fremde Nahmen fuͤr ſolche braucht, die man zu Hauſe in ſeinem ei - genen Vorrath eben ſo gut oder beſſer findet. Es entſteht bald, weil man ſeiner eigenen Sprache nicht maͤchtig genug iſt, bald weil man aus Ei - telkeit das entfernte, das ſchwere und das unbe - kannte, dem leichten und bereitſtehenden vorzieht. Die alten Deutſchen haben ſich ſonſt vor undenck - lichen Jahren ſchon die Freyheit genommen, auch die Nahmen aus andern Sprachen zu entlehnen, aus welchen ſie die Begriffe und Sachen ſich nichtgeſchaͤ -92Von der Schreibartgeſchaͤmet zu borgen. Solches bezeugen die ural - ten Woͤrter, Natur, Kirche, Thuͤr, Moͤnch, Mate - rie, Prieſter, Coͤrper, Vers, Chor, Meſſe, Thron, Kron ꝛc. Und wir ſagen nach ihrem Beyſpiele, Syſtem, Phantaſie, Symphonie, Harmonie, Pro - ſa, Religion, Sphaͤr, Hiſtorie, Allegorie.

Jch erinnere mich bey dieſem Anlaſſe einer frem - den Mundart, die nicht in den Woͤrtern ſelbſt, ſondern in ihrer Form beſteht, wie dieſe Exempel zu erkennen geben:

Er bracht ihr in den Sinn, wie oft hier Hand in Hand Ulyſſes ſie gefuͤhrt.
Wie Zeil - und Reihenweis die Ding in Dingen ſtecken.
Laͤßt Maͤrtrer in den Streit auf andre Maͤrtrer gehen, Und Jnfeln in dem Feld vor Feindes Jnfeln ſtehen.
Der Bann von Niedergang zerblizt den Bann aus Norden.

Jch finde dieſe Form der Rede zwar in kei - nem Saͤchſiſchen Poeten, doch iſt ſie bey ihrer Ein - falt ſehr nachdruͤcklich, weil das wiederholte Hauptwort die Sache ſelbſt weit lebhafter anzei - get, als das Vornennwort gethan haͤtte.

Jſt es in oben beſtimmtem Falle vergoͤnnet, Woͤrter aus fremden Sprachen in die unſrige auf - zunehmen, ſo iſt es ohne Zweifel mit demſelben Rechte erlaubt, veralterte Woͤrter, die ehmahls in der Sprache geweſen, wieder zuruͤck zu holen, ſo oft dieſelben mit keinen andern erſezet worden. Es93in Miltons verlohrnen Paradieſe. Es iſt nicht billig, daß die Begriffe davon zu - gleich mit den Nahmen untergehen, und wenn ich ihrer gedenken ſoll, ſo kan ich es mit keinen bequemern Nahmen thun, als den vormahligen, welche der izigen Sprache ſo nahe verwandt ſind, als die Wurzeln den Zweigen, wiewohl ſie wie dieſelben im Dunkeln verborgen liegen.

Haͤtten unſre Scribenten mehr Bekanntſchaft mit den Schriften der alten Deutſchen, ſo wuͤr - den ihnen dergleichen Woͤrter nicht ſo fremde, noch wegen ihres fremden Weſens ſo ungereimt und hart vorkommen; und durch den Gebrauch, ſo ſie davon macheten, wuͤrden ſolche auch ihren Leſern gelaͤuftig werden.

Wir duͤrften dann Pfeiſen ſagen, den Sibi - lum der Schlangen auszudruͤken, welches wir in dem Amadieſe finden, wo es heißt: Eine ſehr groſſe Schlange, welche, ſobald ſie den Rit - ter erblikete, auf die Erde ſprang, und mir groſſem Pfeiſen davon lief. B. XXIII. Bl. 281. Pfeiſen ſchickte ſich da nicht. Wir duͤrften Bul - gen brauchen, das wir in Wikrams Ueberſezung des ovidiſchen Gedichtes von der Veraͤnderung der Geſtalten finden, wo im eilften B. ſteht:

Das Schiff leidt groß Noth zu der Fahrt,
Die Bulgen fuͤhrten es aufwart,
Daß es in aller Hoͤhe ſtuhnd.

Bulgen ſind nicht ſchlechtweg Wellen, ſondern ungeheure Wellen. Wir duͤrften uns des Wor - tes ungefug bedienen, das in eben derſelben Ue -berſe -94Von der Schreibartberſezung oͤfters vorkoͤmmt, und kraft ſeiner Ab - ſtammung ſehr nachdruͤcklich iſt, und uns man - gelt. Jch finde es daſelbſt in dieſen Zeilen:

Jndem ein Ries groß und ungefug
Mir auch ſehr groſſe Liebe trug.

Und in folgenden:

Polyphemus lief Aci nach,
Der rolandiſch ungefuge Mann.

Und wenn wir verſchiedene Arten von Fahrzeuge anzeigen wollen, duͤrften wir die Nahmen ge - brauchen, die man ihnen gegeben, als ſie erfun - den worden, und welche ſie an denen Orten, wo ſie noch gebraucht werden, noch haben. Z. Ex. Barke, Fuſte, Nave; welche wir in Seb. Branden Narrenſchiffe antreffen, und in der deutſchen Ueberſezung des Amadieſes, wo ich finde: Leztlich erſchienen anſtatt der brennen - den Fuſten drey Schlangen, welche ſo groß waren, als drey groſſe Naven. Und: Wir haben ihn allein auf dem Meer in einer kleinen Barke ſchiffen laſſen. Mich duͤnket, daß die Nahmen der Kunſtwerke mit dem beſten Recht gebraucht werden, wenn die Werke ſelbſt gleich nicht mehr in Uebung ſind, ſo oft man von den - ſelben wieder zu reden koͤmmt. Wir duͤrften Eſt - rich nicht nur von einem ſolchen Boden brau - chen, der von Thone geſchlagen iſt, ſondern von allen Stratis, welches das Wort iſt, wovon jenes ſeinen Urſprung genommen, das noch in vielen Provinzen Deutſchlands in einem weitlaͤuftigenVer -95in Miltons verlohrnen Paradieſe. Verſtand uͤblich iſt. Wir duͤrfften das Wort Gauch noch immer anwenden, das Sebaſtian Branden ſo manchen guten Dienſt gethan hat, und ſeine Kraft von der Bloͤdſinnigkeit des Vo - gels, der ehmahls dieſen Nahmen gefuͤhrt, er - halten hat. Jzo heißt er gewoͤhnlicher Gukguk, iſt aber noch wie zuvor ein Sinnbild der Thorheit, wofuͤr ihn Brand beſtaͤndig gebraucht hat.

Jch weiß daß Vinum heiſſet Wein,
Cuc’lus ein Gauch, Stultus ein Thor.
Dagegen ſind viel Narren auch,
Die ausgebruͤtet hat ein Gauch.
Des Eifers Zeit iſt nicht die beſte,
Er fuͤrcht ein andren Gauch im Neſte.

Auch das Wort Ungefaͤll wuͤrde uns nicht gerau - bet werden, das ſeinen ſo guten und augenſchein - lichen Grund in der Abſtammung hat. Aber mit was vor Rechte kan man uns verbieten, noch auf den heutigen Tag die eigenen Nahmen der Perſonen, der Goͤtter, der Geiſter, und dergleichen zu gebrauchen, wenn wir davon zu re - den haben, ungeachtet wir ſie nicht mehr glauben? Alſo duͤrffen wir den Nahmen Alf, Aelf, Ael - fen, Waſſeraͤlfen, Landaͤlfen ſezen, ſo oft wir die Art Geiſter anzeigen wollen, welche die An - gelſachſen mit dieſem Nahmen genannt hatten. Und wenn wir eine andere Art, ſo man ehmahls Feyen geheiſſen, auffuͤhren wollen, ſo wird unsauch96Von der Schreibartauch dieſer Nahme erlaubet ſeyn, welchen die Franzoſen noch gewoͤhnlich brauchen; und der in Wikrams Veraͤnderungen der Geſtalten oͤfters vor - koͤmmt.

Einsmahls als die Waldfeyen zugen
Jn obgemeldten Wald.

Jtem:

Zu den Waldfeyen ſchwamm ſie dar,
Von welchen ſie erzogen war.

Diejenigen, welchen dieſe Nahmen, ſowohl als dieſe Geiſter, welche dadurch benennet werden, fremd und unbekannt ſind, werden ſie bald aus den Eigenſchaften und Handlungen, ſo ihnen zu - geſchrieben werden, kennen lernen, und ſich da - mit keine groͤſſere Muͤhe geben doͤrffen, als die Nahmen der Helden in einer Geſchichte oder ei - nem Gedichte ins Gedaͤchtniß zu faſſen.

Wenn wir denn in dieſem Stuͤke der deutſchen Sprache eine gewiſſe Ungelenkigkeit beymeſſen wollen, ſo iſt dieſe nicht weiter in derſelben, als inſoweit diejenigen, die darinnen reden, und ſchreiben, ungelenkig ſind. Sie ſelber iſt des - falls eben ſo wenig ſteif, und unbiegſam, als in den folgenden Mitteln, die Schreibart zu erhoͤ - hen. Erſtlich, da das Beywort nach dem Haupt - worte geſezet wird. Unſere geſchickteſten Poeten haben dieſes mit gutem Fortgange gethan; z. Ex. Haller:

Ein Kind iſt noch ein Baum von eiteln Blaͤttern gruͤn.
Ein97in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Ein Unſelbſt reich an ja.
Eine Racht, wie Erndte-Tage lang.
Mein noch wundes Hertz von langer Wehmuth weich.

Drollinger:

Die Wieſen, reich an Klee, an Holtz und Wild die Waͤlder.
Eine Frevelhand begierig auf Verderben.
Gebaͤude mancher Art, nicht duͤrftig, nicht zu ſtoltz.

Ferner gehet die Verwandlung des Beywortes in ein Hauptwort bey uns ſehr leicht an: Z. Ex.

Der Purpur, der im Weſten funkelt,
Erblaſſet in ein falbes Grau.
Der unerfuͤllte Raum, das ungeheure Laͤhre,
Hoͤrt auf, und iſt nicht mehr.
Der Wahrheit Heiterkeit
Faͤngt in dem Groͤſten an, und faͤngt auch an im Kleinen.
Am Groſſen und Unendlichen ſich weiden.
Das Uebel in dem Theil iſt Wohl im Allgemeinen.
Jch will nicht, daß mir zu gefallen,
Mir Staͤubgen von dem groſſen Allen,
Des Ganzen Ordnung ſtille ſteh.

Ja wir koͤnnen auf gleiche Weiſe das Zeitwort in ſeinem Infinitivo, oder der unbeſtimmten Wei - ſe, in ein Hauptwort veraͤndern. Koͤnig:

Jhr freundlichs Hoͤflichſeyn.

Brocks:

Jhr feurig unaufhoͤrlichs Regen.
[Crit. Sam̃l. III. St.] GUnbe -98Von der Schreibart
Unbeſchreiblich iſt das Glaͤnzen.
Der leichten Vogel Zwitſchern.

Drollinger:

Jch will nicht, daß der Wolken Triefen.
Mein duͤrres Land zu oft begießt.

Auch die Verſezung der Woͤrter aus der proſai - ſchen Fuͤgung koͤmmt mit dem Naturell unſrer Sprache beſſer uͤberein, als der furchtſame Wei - ſe ſeinen Schuͤlern vorgegeben hat. Man wuͤrde in der gemeinen Proſa ſagen, mache deinen Rau - penſtand nicht zu deinem Zwecke, und einen Tro - pfen Zeit nicht zur Ewigkeit. Ein Poet verſezet dieſe Worte ohne Zwang:

Mach deinen Raupenſtand und einen Tropfen Zeit,
Den nicht zu deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit.

Und mit eben dieſer Herumwerffung hat ein and - rer Poet geſagt:

Hier war ein ſchwarzer Hut, hier wehlte man Kamaſchen,
Mit Silber den bebraͤmt, und ſchneeweiß die gewaſchen.

Dieſes haͤtte ein Proſaiſt von Weiſens Phlegma ohne dergleichen Herumſchiebung gegeben: Hier war ein ſchwarzer mit Silber bebraͤmter Hut, hier wehlte man ſchneeweiß gewaſchene Kamaſchen.

Jn der ordentlichen Proſa heißt es: O das ge - rechte Weſen hat mir recht in ſeinem Zorn dieſes ferne Land zur Wohnung auserleſen; wie folget verſezet, hat es mehr Affect in ſich:

O recht99in Miltons verlohrnen Paradieſe.
O recht in ſeinem Zorn hat das gerechte Weſen
Mir dieſes ferne Land zur Wohnung auserleſen.

Und die Deutlichkeit leidet dabey nicht das wenig - ſte. Jn der proſaiſchen Fuͤgung lautet es ſehr ſorg - faͤltig: Wenn du eine laͤngere Zeit in dem Fin - ſterniß, worinnen wir, die mit Denken noch nicht feſt, und an den Sinnen klein ſind, begra - ben ſind, gehangen ſeyn wuͤrdeſt. Aber wenn dieſe Worte folgendermaſſen verworffen werden, ſind ſie nichts deſtoweniger verſtaͤndlich genug, und reizen uͤber dieſes die neugierige Aufmerckſam - keit:

Wenn in dem Finſterniß, worinn wir ſind begraben,
Mit Denken noch nicht feſt, und an den Sinnen klein,
Du eine laͤngre Zeit gehangen wuͤrdeſt ſeyn.

Dieſes iſt auch nicht ſo matt geſetzt, als das er - ſtere. Mithin wird man dergleichen Herumwerf - fung auch in der alltaͤglichen Proſa derer Men - ſchen, die im Affecte reden, oder auf einen beſon - dern Nachdruck bedacht ſind, ſehr haͤufig antref - fen. Der Pater Buhurs hat fuͤr ſeine Sprache ein Lob darinnen geſucht, daß die Verſezungen in derſelben nicht angehen. Allein wer es recht erweget, wird leicht faſſen, daß ſie dadurch ei - nes wahren Vortheiles beraubet iſt. Es iſt zu ei - nem geſchickten Vortrage nothwendig, daß wie die Gedanken und Meinungen, auch die Worte, die Abſaͤze der Rede, und die Ordnung derſelben von des Poͤbels ſeinen unterſchieden ſeyn, damit die poetiſche Schreibart majeſtaͤtiſcher, herrlicherG 2und100Von der Schreibartund wunderbarer klinge. Und geſezt, daß die Verſezungen bisweilen einige Dunkelheit zu ver - urſachen ſcheinen, ſo wird dieſe Dunkelheit ſelbſt, wenn wir dem Herren Muratori Glauben zuſtel - len, ſofern ſie mit Verſtand begleitet iſt, zu ei - ner Tugend; ſo wie es in der Schreibart eine Tugend iſt, wenn man die Gedanken und Mei - nungen mit einer verſtaͤndigen Dunkelheit bede - ket, maſſen uns nicht allemahl angenehm iſt, alle Dinge mit ihren gemeinen, eigenen und natuͤrli - chen Nahmen ausſprechen zu hoͤren. Derglei - chen Dunkelheit verdient nemlich dieſen Nahmen nur in Abſehen ſeichter Leſer, die mit Wiſſen - ſchaft und Gaben uͤbel verſehen ſind. Aber in der franzoͤſiſchen Sprache ſind die Verſezungen ſelten moͤglich, ohne daß man dem Vortrage nicht die nothwendige und unentbaͤhrliche Klarheit nehme. Der Hr. Fenelon hat es in der Stelle, die ich ſchon oben angezogen habe, bekennet und zugleich beklaget. Er hat dabey auch angemerket, daß die Alten mittelſt haͤufiger Herumwerffungen den Wohlklang in dem Falle der Rede, die aͤndernde Abwechſelung, und die Affectreiche Ausdruͤkung trefflich vermehrt und befoͤdert haben.

Die Verſezungen, ſagt er, wurden zu einer zierli - chen Figur gemachet, und unterhielten den Geiſt mit der Hoffnung des Wunderbaren, das ſie verhieſſen. Dieſes ſieht man in dem Anfange dieſer Ecloga.:
Paſtorum muſam Damonis & Alpheſiboei,
Immemor herbarum, quos eſt mirata juvenca
Certantes, quorum ſtupefactæ carmine Lynces,
Et101in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Et mutata ſuos requierunt flumina Curſus,
Damonis muſam dicemus & Alpheſiboei.
Loͤſet dieſe Verſezung auf, und ſtellet dieſe Wor - te in eine grammatiſche Ordnung, ſo wird alle ihre Cadantz, ihre Pracht, ihre Anmuth und Harmonie wegfallen. Wie furchtſam und wie angſthaft iſt hingegen unſre Sprache? Soll - ten wir folgenden Vers, in welchem alle Wor - te von ihrer Stelle gehoben ſind, nachmachen duͤrffen?
Aret ager, vitio moriens ſitit aëris herba.
Wenn Horatz ſeinen Leſer zu irgend einem vor - nehmen Gegenſtande vorbereiten will, ſo fuͤh - ret er ihn mit ſich fort, ohne daß er ihm ſage, wohin er gehen wolle, und ohne daß er ihn aus - raſten laſſe: Qualem miniſtrum fluminis alitem &c.

Der Herr Fenelon gedenket nach dieſem, wie man auch in der franzoͤſiſchen Sprache dergleichen Ver - ſezungen einfuͤhren koͤnnte:

Jch bekenne, ſagt er, daß man nicht auf einmahl eine groſſe Zahl ſolcher Verſezungen anbringen muß. Man iſt derſelben nicht gewohnet, ſie wuͤrden hart und gantz dunkel ſcheinen. Man muͤßte zuerſt die gelindeſten ausleſen, diejenigen, welche mit denen, die unſre Sprache ſchon erlaubet, am naͤchſten graͤnzen, und ſo von einer zur andern fortgehen.
G 3Mit102Von der Schreibart

Mit dieſer behutſamen Vorſicht werden wir es mit den Verſezungen in der deutſchen Sprache ſehr weit bringen koͤnnen, und eben ſowohl wird uns dieſelbe in Anſehen der Auslaſſungen gewiſſer Huͤlfswoͤrter zuſtatten kommen. Der ſeltene Ge - brauch dieſes Huͤlfsmittels, das unter dem Nah - men der Ellipſis bekannter iſt, in unſern wohl - flieſſenden Poeten, koͤnnte uns vermuthen laſſen, die deutſche Sprache litte dergleichen nicht: Allein die Exempel einiger neuren Poeten, welche mittelſt derſelben einen ungemeinen Nachdruck und eine Verſtandesvolle Kuͤrze in ihre Rede gebracht ha - ben, geben uns vielmehr zu erkennen, daß eben die Verabſaͤumung dieſes Kunſtmittels an der Mat - tigkeit, welche wir in gewiſſen Schriften wahr - nehmen, nicht geringe Schuld hat. Herr Hal - ler hat geſagt:

Du ſchwinge ſelbſt vielmehr des Geiſtes Kraͤfte los,
Nicht ewig fuͤr die Zeit, nicht fuͤr die Erde groß,
Und hoͤhrer Dinge werth.

Hier iſt es ein ſo angenehmes als leichtes Geſchaͤfte fuͤr einen verſtaͤndigen Kopf in der zweyten Zeile zu ergaͤnzen: Gedenke, daß du nicht fuͤr die Zeit ewig, nicht fuͤr die Erde groß, gemachet ſeyſt. Ein geſchickter Kopf freuet ſich, daß ihm Anlaß gege - ben wird, ſeine Fertigkeit zu erzeigen, wenn die - ſes nur mit gewiſſer Maaſſe geſchieht, ſo daß er nicht uͤberlaͤſtiget wird; und er danket dem Scri - benten, daß er ihn ungeſaͤumt fortgefuͤhrt hat. Dieſes Exempel lehret uns auch, daß der Vers durch die Ellipſis nicht hart gemachet wird. Werſich103in Miltons verlohrnen Paradieſe. ſich hier uͤber eine Haͤrtigkeit klaget, der verraͤth ſich, daß die Schwierigkeit, die ſein langſamer Verſtand findet, die Auslaſſung zu ergaͤnzen, ihm den Jnhalt des Verſes ſchwer gemachet hat; denn nichts anders als dieſes hat ihn auf den Wahn gebracht, der Vers ſelbſt, und die Redensart waͤren nicht flieſſend noch ſanft. Eben derſelbe Poet ſagt:

Der nur ans izige ſich, klug wie Thiere, haͤnckt.

Wie langſam und froſtig wuͤrde er geſezt haben: Der ſich nur an das Jzige haͤnckt, und nur ſo klug iſt, als die Thiere. Ein munterer Kopf kan dieſes Verſtandes in dem Verſe nicht verfehlen, wenn er gleich auf obige Art zuſammengepreßt iſt. Eben ſo wenig in folgenden Exempeln:

Du haſt getroſt durch ſie, und kuͤhn durch eigne Kraft,
Schon oft den Goͤzendienſt des Wahnes abgeſchafft.

Von der Art dieſer Ellipſis ſind alle Participia paſſiva, alle leidenden Mittelwoͤrter; nicht ge - zwungner und nicht dunckler.

Mein Sinn verwirrt vor Angſt, vor Schmerzen und Begier,
Wuͤnſcht bald ſie wieder mein, bald aber mich zu ihr.

Jn der lezten von dieſen beyden Zeilen iſt die El - lipſis bey ihrer Kuͤrze von ſolcher Deutlichkeit, daß man dieſe Art derſelben vor ein herrliches Vor - recht der deutſchen Sprache preiſen darf. Fol - gende hat ihren Urſprung in der Schnelligkeit des Affectes:

G 4Ach104Von der Schreibart
Ach nur ein Blick von ihr, nur eine von den Stunden,
Die zwiſchen ihr und mir oft unvermerckt verſchwunden!

Wie weit es in der deutſchen Sprache mit der Ellipſis zu bringen ſey, ohne daß ſie eingezwaͤnget werde, wird man am allerbeſten abnehmen koͤn - nen, wenn man ſolche in der Unterredung mit ei - nem hurtigen und ſcharfſinnigen Kopfe pruͤfet, ſo daß man Achtung giebt, ob ihn dieſelben leicht oder ſchwer ankommen. Unter die Ellipſes gehoͤrt auch folgende Art:

Jndem er drauf, die er ſich ausgewaͤhlt,
Den Wuͤrden nach vertheilet, ſtellt, und zaͤhlt,
Bezeichnet er die ihm recht artig ſcheinen.
Haged.

Dieſe Art der Ellipſis koͤnnen die Engellaͤnder nicht nur mit den perſoͤnlichen Vornennwoͤrtern, ſon - dern mit den Hauptwoͤrtern ſelbſt auf dieſe Weiſe bewerckſtelligen.

Plead to her
With all the ſtrenght and heat of Eloquence
Fraternal Love and friendſhip can inſpire.

Ein Huͤlfsmittel von einer andern Art deſſen Mil - ton ſich bedienet, die Rede von der Proſa zu un - terſcheiden, iſt der geſchickte Gebrauch der Meta - phoren, welche er nach aͤhnlichen von ihm ſelbſt entdeckten Bildern formirt hat. Dieſes laͤßt ſich darum wegen des allgemeinen Grundes, den es in der Natur hat, in allen Sprachen mit dem groͤſten Rechte und am ſicherſten nachmachen. Von105in Miltons verlohrnen Paradieſe. Von dieſer Art ſind folgende: Eine Ruthe mit Feuer beſprenget; Er redet von einer Zuͤndru - the; mit Schilfe und Straͤuchern verbraͤm - tes Geſtade; Violen und Hyacinthen brodir - ten den Boden mit einem reichen Stickwerke; Die Erdenkloͤſſer kalbeten. (*)Jch will die ganze Stelle ausſchreiben: Die Erde oͤffnete ihre fruchtbare Schooß, und begunte eine unzaͤhlige Menge von lebendigen Geſchoͤpfen mit voll - kommenen Geſtalten und ausgewachſenen Gliedmaſſen auszuheken; die Grasreichen Erdkloͤſſer kalbeten iezo; izo erſchien der braune Loͤwe mit dem halben Leib. Jſt ſchier nach dem Buchſtaben wahr, weil ſie Kaͤlber her - vorbrachten. Alſo gruͤndet ſich dieſer wunderbare Aus - druck auf die Erzehlung einer ſonderbaren Geſchichte. Von dieſer Art iſt, was Herr Haller von den Egyptern geſagt hat, daß ſie die Gartenbetter zu heiligen Tempeln gemacht und ihre Goͤtter geduͤnget haben. So wunder - lich und krauſe die Verbindung dieſer[z]wey wiederwaͤrti - gen Jdeen ſcheinet, Goͤtter, und, Duͤngen, wird ſie doch durch die Geſchichte genugſam gebilliget, daß die Egypter dem Knoblauch goͤttliche Ehre bezeiget haben.Man ſollte darum nicht fuͤrchten duͤrffen, daß jemand von un - ſern deutſchen Sprachlehrern dergleichen Re - densarten verwerffen wuͤrde, wenn es nicht wuͤrck - lich geſchehen waͤre; denn welcher Deutſcher ver - ſtehet nicht, was beſprengen, was verbraͤmt, was brodirt, und endlich was kalben iſt? Und wenn dieſe Bilder zu den Woͤrtern Feuer, Schilf, Violen, Erde, geſezet werden, wer iſt ſo plump, daß er dasjenige, was von dieſen Dingen geſagt wird, nicht in der aͤhnlichen Vorſtellung erkenne? Jch erinnere mich hier, daß man in der Abhand - lung von poetiſchen Gemaͤhlden, welche zuerſt un -G 5ter106Von der Schreibartter dem Titel vernuͤnftiger Gedanken von dem Einfluſſe der Einbildungskraft in den Schrif - ten der Redner und der Poeten an das Licht gekommen, in einer Beſchreibung der wunderba - ren Faͤhigkeit der Phantaſie einige Zuͤge von die - ſer Art hat einflieſſen laſſen. Man wollte in der Erzehlung zugleich das Muſter und Exempel von dem, was man ſagte, hinzufuͤgen.

Der Poet, heißt es daſelbſt, verſetzt euch durch die Kraft ſeiner Beſchreibungen in eine anmuthrei - che Gegend, eine Herberg der Silvanen und der Waldnymphen, wo der Schatten der hoͤchſten Wipfel, der Ceder, der Tanne, der Fichte, und des zakigten Palmenbaumes, indem ſie ſtaf - felweiſe hinter einander hinaufwerts ſteigen, ein Waldtheater auffuͤhren, das uͤberaus praͤch - tig anzuſchauen iſt. Mitten darinnen ſtellet er dem Geſichte einen Krantz der beſten Obſtbaͤu - me dar, welche zu einer Zeit mit Bluͤthe und mit Fruͤchten einer guͤldenen Farbe, die mit einem heitern Schmeltz eingeſprenget iſt, beladen ſind. Er tiſchet euch in ihrem Schatten die niedlich - ſten Speiſen auf, mit einer fleiſſigen Sorge, daß er die von unterſchiedenem Geſchmake nicht vermenge, nicht uͤbel zuſammenfuͤge, ſondern eine Gattung Geſchmakes nach der andern auf - trage. Er haͤufet allerley Arten Fruͤchte in Haͤu - ten, in rauchen oder weichen Rinden, oder in baͤrtigen Huͤlſen, oder in Schalen auf; fuͤr den Tranck druͤket er einen unſchaͤdlichen Moſt aus den Trauben aus. Die linden Weſte floͤſſen euch durch das ſanfte Weben ihrer ge - ruch -107in Miltons verlohrnen Paradieſe. ruchreichen Fluͤgel ein natuͤrliches Rauchwerck in die Naſe, das ſie von den kraͤſtigſten Spe - cereyſtauden geſtohlen haben. Und damit euer Gehoͤre nicht allein ohne Speiſe bleibe, ſo laͤßt er die Voͤgel ihre Choͤre anſtimmen, und die Blaͤtter der Baͤume, wenn die Fruͤhlingsluͤfte damit ſpielen, von einem wohlklingenden Schal - le erthoͤnen.

Dieſe Metaphoren ſind ſaͤmmt - lich oder doch meiſtentheils aus Miltons Be - ſchreibung des Paradieſes im vierten B. genom - men. Von denſelben nun hat der bekannte Kunſt - richter, der von unſers Engliſchen Poeten Schreib - art ſo uͤbel denket, folgender Geſtalt geurtheilet:

So poetiſch oder vielmehr ſo ausſchweifend klin - get eine proſaiſche Beſchreibung nach dem Ge - ſchmacke dieſes ſchweizeriſchen Kunſtlehrers.

Und dieſes Urtheil hat er mit dieſen Worten zu behaupten vermeinet:

Wenn mich, ſagt er, die Furcht vor der Weitlaͤuftigkeit nicht abhielt, ſo wollte ich mir die Luſt machen, und unſerm hochſinnigen Schreiber darthun, daß er machi - naliſche Gedaͤchtnißkuͤnſte, unnoͤthige und aus einem poetiſchen Lexicon erborgte Beywoͤrter, und ſeltſame Metaphoren, oder verbluͤmte Aus - druͤkungen darinnen angewandt. Was iſt ſei - ne Herberg der Faunen und Silvanen, ſein za - kigter Palmenbaum, ſein Waldtheater, ſein Krantz von Obſtbaͤumen, die guͤldene und mit einem heitern Schmeltz eingeſprengte Farbe, der unſchaͤdliche Moſt, die geruchreichen Fluͤ - gel des linden Weſtes, die ein natuͤrliches Rauch - werck von den Specereyſtauden geſtohlen haben, end -108Von der Schreibart endlich die Blaͤtter, die von den Fruͤhlingsluͤf - ten mit einem wohlklingenden Schalle erthoͤnen? Was ſind alle dieſe herrlichen Bluͤmgen anders, als Lohenſteiniſche und Hofmannswaldauiſche Broken, die nach dem heutigen Geſchmake kaum in der Poeſie, geſchweige denn in der Proſa zu dulden ſind.

Poetiſch moͤgen dieſe Ausdruͤkungen mit gutem Rechte heiſſen, weil ſie voller lebhafter und ſcharf - ſinniger Bilder ſind; weil ſie auch die wunderba - ren Wuͤrkungen der poetiſchen Phantaſie nach der Art der Poeten auf eine wunderbare Weiſe vor Augen fuͤhren, und das, wovon da geredet wird, in der Zeit, daß ſie es beſchreiben, vollziehen. Daher ſteht dieſe Poeſie hier mitten unter der Pro - ſa an dem rechten Orte; und die Worte ſtimmen mit den Sachen und der Abſicht allzu genau uͤber - ein, als daß man ſie mittelſt einer mechaniſchen Kunſt haͤtte aus dem Gedaͤchtniß nehmen, oder aus einem Hamaniſchen Lexicon borgen koͤnnen. Und warum werden ſie vor ausſchweifend, Lohen - ſteiniſch, und Hoffmannswaldauiſch erklaͤret? Die waldigten Lauben, die Zaken des Palmenbaumes, die theatraliſche Form eines Waldes, der Schmeltz des Obſtes, das Rauchwerck der Specereyſtau - den, der Schall der Blaͤtter, ſind ohne Zweifel in der Natur. Derjenige muß eine magere Wiſſen - ſchaft von den irdiſchen Dingen beſizen, der ſie darinnen noch nicht wahrgenommen hat. Mißfaͤllt denn dem Tadler die metaphoriſche Einkleidung dieſer Vorſtellungen? Aergert es ihn, daß dem Obſt ein Schmeltz, den Specereyſtauden einRauch -109in Miltons verlohrnen Paradieſe. Rauchwerck, dem Wald eine theatraliſche Ge - ſtalt, zugeeignet wird? Er muß demnach nicht lei - den wollen, daß aͤhnliche Dinge unter aͤhnlichen Bildern vorgeſtellt werden. Wie es ſcheint, ſtoͤßt er ſich noch mehr an der Herberg der Sylvanen, an den Fluͤgeln des Weſtwindes, und an dem Diebſtal, den ſie begangen haben. Dieſes giebt uns zu verſtehen, daß er kein Poet iſt; er hat das Reich des Wahrſcheinlichen niemahls beſucht; er weiß nicht, daß das Moͤgliche eben ſowohl nach der Natur iſt, als das Wuͤrckliche, und daß ein Poet ein Schoͤpfer iſt, der das Moͤgliche zur Wuͤrcklichkeit bringt; die Dichtung, die reichſte Quelle des Neuen und des Wunderbaren, hat keinen Reitz fuͤr ihn. Man muß ſich nicht ſchmei - cheln ſeinen Beyfall zu erhalten, wenn man die platte und alltaͤgliche Proſa verlaſſen darf.

Wer die poetiſchen Schriften der Alten und der geſchickten Neuren fleiſſig ſtudirt hat, wird un - gleich kuͤhnere Figuren und dieſe haͤufig darinnen angetroffen haben, als die bisher vertheidigten ſind. Jch will nur einer Art von dergleichen ge - denken, die bey unſerm Engliſchen Poeten oͤfters vorkoͤmmt. Da nemlich die abgeſonderten Din - ge, die fuͤr ſich kein eigenthuͤmliches Weſen beſi - zen, in materialiſche Sachen verwandelt, und ihnen ſolche Eigenſchaften, Veraͤnderungen und Eindruͤke zugeſchrieben werden, die ſonſt nur dem Coͤrper und der irdiſchen Materie zukommen. Von dieſer Art ſind folgende: Die Eitelkeit verſuͤſſen. Das Leid erſaͤuffen. Die verwelckte Pracht. Mit Wahrheit unterſetzt. Mein Geiſt warin110Von der Schreibartin ſeinen Geiſt gewebet. Es wird in ſeinen Reden niemahls Tag. Das Leben vergieſ - ſen. (*)Um des Poeten Lob ihr Leben zu vergieſſen. Character der deutſch. Ged. V. 39. Die Hoͤlle ſtille ſtellen. (a)Milt. im zweyten B. Jhr Geſang war parthey - iſch, aber die Harmonie deſſelben ſtellete die Hoͤlle ſtille. Their ſong was partial but the harmony Suſpended Hell. Die Re - de in Ertzt gieſſen. (b)Auf dieſe Weiſe hat Boileau geſagt, peindre la parole, parler aux yeux, donner de la couleur & du corps aux penſées, welche Redensarten von den franzoͤſi - ſchen Kunſtlehrern ſehr bewundert worden.Ein Begriff ſtreift an den andern. Das Gemuͤthe in Luſt wie - gen. Kuͤhlung in das Gebluͤte gieſſen. Die Neigung ſtimmen. Mit Spott gewuͤrtzt. Die Gedanken ſenken ſich in einander. Wahr - ſcheinlichkeit in die Fabel ſenken. Ein Gedicht mit falſchem Witze duͤngen. Den Witz mit Un - witz beſprengen. Den Gang der Neigung auffangen. Die Luſt in Thiere und Men - ſchen ſenken. Den Geiſt erſchoͤpfen. Der Schmerz, der mit Haken ausgeſpizt iſt. Die Tiefe, die im Schickſal haͤngt. Verſtand und Anmuth flieſſen in ſeinen Verſen. Die Trauer von den Wangen wiſchen.(c)Jch habe dieſes Bild in der Klageſchrift gebraucht, der ich die Aufſchrift gemacht hatte, die Trauer eines Vaters, welche hernach von dem Herausgeber mit derlang - DasWun -111in Miltons verlohrnen Paradieſe. Wunderbare in dieſen Redensarten entſteht daher, daß Dinge, die keinen Coͤrper haben, die ſich nur empfinden und gedenken laſſen, als Sachen vorgeſtellet werden, welche materialiſcher Zufaͤllig - keiten und Veraͤnderungen faͤhig waͤren. Nun iſt dieſes eine Freyheit, welche die Nothwendig - keit ſelbſt in der gemeinen Rede eingefuͤhrt hat. Es kommt nur darauf an, daß dieſe coͤrperlichen Bilder bequem ſeyn, die Beſchaffenheit, die Fol - gen und die Eindruͤke der empfundenen und gedach - ten Sachen durch ihre Uebereinſtimmung in das Gemuͤthe zu bringen. Da nun die Natur ſich ſelbſt in allen Laͤndern gleich iſt, duͤrffen wir die - ſer und aller andern Metaphoren und Figuren hal - ber, welche auf Aehnlichkeiten beruhen, ſo in der Natur vorhanden ſind, gegen gewiſſe furchtſameSprach -(c)langſamen Ueberſchrift vertauſchet worden: Trauerge - dichte eines Vaters uͤber ſeinen Sohn; als ob das Wort Vater die Beziehung auf den Sohn nicht ohne dieſes in ſich ſchloͤſſe, und die Trauer fuͤr ſich allein nicht was weit empfindlicheres ſagte, als Trauergedichte, das ſo viel iſt, als ein Gedichte von einer Trauer. Jn dieſer Trauer eines Vaters hatte ich nun geſchrieben: Die Einſicht wiſchet ihm die Trauer von den Wangen. Worauf ſich auch die naͤchſt darauf folgenden Zeilen ſchiken: Die meinen dunkeln Geiſt mit Aengſten hat umfangen; Und nicht verlaſſen wird. Ohne Zweifel aber hatte das Bild, die Trauer von den Wangen wiſchen, den Herausgeber zu ſeltſam gedaucht, daher er vor daſſelbe geſezet: Die Einſicht wiſchet ihm die Thraͤnen von den Wangen.112Von der SchreibartSprachlehrer ohne Furcht behaupten, daß ſie ſich aus einer jeden Sprache in eine jede andre uͤberſe - zen laſſen, ohne daß ſie von ihrem Werthe oder ihrem Lichte, etwas verliehren. Sie muͤſſen nothwendig allen denjenigen verſtaͤndlich ſeyn, wel - chen nur die Bilder bekannt ſind. Aus dieſer Ur - ſache empfehlen ſich diejenigen Bilder, welche aus dem gemeinen und bekannteſten Laufe der Natur hergeholet ſind, vor allen andern. Daher wuͤr - de ich kein Bedenken haben, ſelbſt in der gemei - nen Rede nach dem franzoͤſiſchen zu ſagen: Pfeile von allerley Holtz machen. Was Bilder ſind, die von den Sitten und Gebraͤuchen beſonderer, vornehmlich entfernter und alter, Nationen ent - lehnet worden, ſo haben ſolche ihren Preiß und Glantz vornehmlich, wenn man geſchickte und in den Geſchichten der Voͤlker und ihrer Sitten er - fahrne Leſer hoffen darf. Alſo iſt folgende Re - densart ſehr geſchickt und deutlich fuͤr diejenigen, welche in den Manieren der alten Griechen und Roͤmer keine Fremdlinge ſind: Sie geſtatten nicht daß etwas in den oͤffentlichen Druck kom - me, welches nicht vorher unter ihrem Schwam - me geweſen iſt. Aber unwiſſende Leſer aus dem Poͤbel werden nicht wiſſen, was ſie aus dieſem Schwamme machen ſollen.

Mithin muß ich auch noch mit wenigem dieſes erinnern. Wenn die Metaphoren, ſie moͤgen auf natuͤrliche Werke oder auf Gewohnheiten der Nationen ſehen, in der Ueberſezung geſchickt klin - gen ſollen, muß man vielmehr auf den Grund der - ſelben, der in der Aehnlichkeit lieget, Achtunggeben,113in Miltons verlohrnen Paradieſe. geben, als nur allein darauf bedacht ſeyn, daß man ſie mit denen Woͤrtern gebe, welche in den Woͤrterbuͤchern als gleichguͤltig mit denſelben hin - geſezt werden. Denn es geſchieht allzu gerne, daß die Woͤrter, welche in verſchiedenen Spra - chen vor gleichguͤltig unter einander gehalten wer - den, wiewohl ſie in dem Hauptbegriffe eines ſa - gen, dennoch durch gewiſſe Nebenideen, ſo ſich daran anzuhaͤngen pflegen, unvermerckt davon abgefuͤhrt, und nach und nach hauptſaͤchlich veraͤn - dert werden. Dieſe Behutſamkeit wird deſto noth - wendiger, weil es in den Sprachen gewiſſe ange - nommene Metaphoren und Formen der Rede giebt, welche bloſſe Anomalien ſind, indem ſie nur auf irgend eine aͤuſſerliche und zufaͤllige Aehnlichkeit, oder den willkuͤrlichen Eigenſinn eines Volkes ge - gruͤndet ſind. Dergleichen Metaphoren in der Ueberſezung beybehalten, wird ſie eben ſo unge - reimt machen, als ſie in der Grundſprache ſelbſt ſind, und jedermann ſo vorkommen wuͤrden, wenn ſie nicht durch den langen Gebrauch waͤren vor buͤndig erkennt worden, ſo daß ſie izo vor eigent - liche Woͤrter gehalten werden, nachdem ihre un - aͤchte Geburt ins Vergeſſen gekommen iſt.

Aber mit dieſen unbegruͤndeten Metaphoren muß man diejenigen nicht vermiſchen, die einen natuͤrlichen Urſprung haben, wiewohl ſolcher nicht mehr bekannt iſt, oder nicht mehr in Acht genom - men wird, weil die Dinge und Geſchaͤfte, ſo dazu Anlaß gegeben, aus der Uebung gekommen ſind, oder ein langer und alltaͤglicher Gebrauch gemacht hat, daß ſie vor eigentliche Woͤrter[Crit. Sam̃l. III. St.] Hge -114Von der Schreibartnommen werden. Es giebt in unſrer deutſchen Sprache noch eine Menge von dieſer Art, und doch iſt eine ſtarke Anzahl dergleichen aus der Gewohn - heit gekommen, wiewohl ſie wegen ihres Nach - drukes und ausgemeſſener Bedeutung vor andern werth ſind, beybehalten zu werden. Man ver - ſtehet mich wohl, daß ich von ſolchen rede, wie folgende ſind: Seine Kunſt behaͤlligen; Sich mit Reden verhauen; Einen ſpoͤttiſch aufzie - hen; Ein Adler, der die Fluͤgel leichtet; Einem einen Fehltritt aufheben; Einem Schre - ken einſpinnen; Sich auf ſeine Macht trie - gen; Der Reichthum iſt zerronnen; Jn einen Anſchlag gehaͤllen; Nach mißſchlagender Ver - heiſſung; Schwartzbraune Haare, welche ſich wohl werffen; Gewand, das mit ſeinen Schlingungen wohl geworffen iſt; Das Aeh - renfeld ſpreußt ſich. Einige von dieſen Exem - peln moͤgen noch hier und dar im Gebrauche ſeyn, andere ſind in dieſer Bedeutung ins Vergeſſen ge - rathen. Und die deutſche Sprache hat in der That an dieſer Art Woͤrter einen groſſen Ver - luſt erlitten, wie denjenigen nicht verborgen ſeyn kan, welche in den alten Schriften von Luthers bis zu Opizens Zeiten wohlbeleſen ſind. Wer uͤber Luthers Zeiten hinaus in das Alter der Kai - ſer aus dem Hauſe von Hohenſtaufen zuruͤckſtei - get, wird eine noch groͤſſere Empfindung von die - ſem Verluſt bekommen. Wir finden in der heu - tigen Hollaͤndiſchen Sprache noch eine ziemliche Anzahl derſelben, die von den Seribenten dieſer Nation aufbehalten und bis auf unſere Zeiten ge -bracht115in Miltons verlohrnen Paradieſe. bracht worden. Sollte es nun dem Naturell der deutſchen Sprache zuwiederlaufen, wenn Woͤr - ter von dieſer Beſchaffenheit wieder in Uebung ge - bracht wuͤrden, wie Milton in ſeiner Sprache gethan hat? Man hat nicht zu fuͤrchten, daß da - durch eine Dunkelheit in dem Vortrage verurſachet wuͤrde; denn dieſe Woͤrter haben noch ſo viel Aehnlichkeit mit andern noch izo gebraͤuchlichen Woͤrtern, die mit ihnen verwandt und von einem Stamme ſind, daß man ihre Bedeutung ohne Muͤhe verſtehet; und es iſt allemahl noch eine Provintz Deutſchlandes, wo ſie noch in der taͤg - lichen Rede gehoͤret werden, wiewohl ſie aus den Schriften weggekommen ſind. Opitz und die ge - ſchickten Scribenten, die mit ihm zu einer Zeit gelebet, haben viele dergleichen in ihren Schrif - ten zuruͤckgeholet, und man haͤtte wahrhaftig beſ - ſer gethan, daß man ſolche um dieſer Schriften willen aufgenommen haͤtte, als daß man die Schrif - ten um dieſer Woͤrter willen verworffen hat. Wer beſorgt iſt, auch die geringen Abſaͤtze in gleich - maͤſſigen Begriffen vor Augen zu legen, wird die Zuruͤckholung dergleichen Woͤrter vor gantz noth - wendig finden, und ſich darum keine Scrupel ma - chen, ſie wieder ins Leben zu bringen. Doch wollte ich rathen, vor allen andern diejenigen wie - der hervorzuſuchen, von welchen uns die Abſtam - mung und Zuſammenſezung ſamt der Uebereinſtim - mung mit einem natuͤrlichen Werke noch nicht gantz unbekannt iſt.

Unter den Mitteln, die Ariſtoteles vorgeſchla - gen hat, die Poeſie von der Proſa zu unterſchei -H 2den,116Von der Schreibartden, iſt die Manier ein Wort um eine Sylbe zu verkuͤrzen, oder zu verlaͤngern, unſrer Sprache in vielen Woͤrtern ſo gemein und eigen gewor - den, daß ſie den Dienſt, den dieſer Kunſtlehrer damit ſucht, nicht mehr thut. Jn wieviel Zeit - woͤrtern und Endungen der Nennwoͤrter darf das leiſe E. behalten oder weggeworffen werden? Je - mand hat dieſes zwar eine Duͤrftigkeit genennet, die man nicht muͤſſe von ſich ſpuͤren laſſen. Man muͤſſe nicht zeigen, daß man es nur des Maaſſes wegen uͤbrig, oder noͤthig gehabt habe. Es iſt in der That eine Duͤrftigkeit, die von der Natur des Verſes entſteht, daß der Poet bald eine Syl - be uͤbrig, bald eine noͤthig hat. Es iſt darum umſonſt, daß er dieſe Duͤrftigkeit verbergen wolle. Es iſt auch nicht nothwendig, weil er ſich derſel - ben nicht zu ſchaͤmen hat, er wolle ſich denn des Verſes ſelber ſchaͤmen. Wenn es aber eine Duͤrf - tigkeit bey dem Versmacher iſt, ſo iſt es auf der andern Seite ein Reichthum in der Sprache, die dieſer Duͤrftigkeit ſo geſchickt zu Huͤlfe koͤmmt. Jſt es nicht eine Geſchicklichkeit derſelben, daß ſie ſich nach dem Beduͤrffniß des Ausſprechenden rich - tet, wann er eilfertig iſt, und wann er gemaͤchlich gehet? Eben dergleichen Geſchicklichkeit weiſet unſre Sprache auch in der Verſchluͤkung des Buch - ſtabens J. Zum Exempel:

So ſah man damahls auch den ein’gen Opitz fliegen.
So hat ſein gluͤcklich Schiff zwar einen luſt’gen Grund.
Wenn er den ſel’gen Schluß an ſeinem End erwegt.
Wie117in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Wie ſtuhnd’s mit ihm die vor’ge Nacht?

Mich duͤnckt, man koͤnne dieſe Verſchluͤkungen der Haͤrtigkeit nicht beſchuldigen, man wolle denn die Sprache ſelbſt einer ſolchen anklagen, weil in derſelben ganze und ungeſtuͤmmelte Woͤrter ſind, wo eben dieſe ſchweren Mitlauter beyſammenſte - hen. Da haben wir Beingen, Guſtgen, ich borge, Schwelgen. Und ich daͤchte, daß die - jenigen Eliſionen, die ſich auf dieſe Weiſe ſchuͤzen koͤnnen, Verzeihung verdieneten. Die von folgen - der Art faͤllt es ſchon ſchwerer zu entſchuldigen:

Ob er im kuͤnft’gen Wohl das iztge Leid erſaͤuft.
Und nur ein Zeitvertreib von recht vernuͤnft’gen Leuten.
Sie ſteigt vom Abgrund an mit einem einz’gen Schritte Bis an des Himmels Thor.

Noch harter iſt die Zuſammenkunft von Mitlau - tern in folgendem Exempel, wo das A. verbiſſen wird:

Unfruchtb’rer Muͤſſiggang!

Wenn ein Poet dergleichen Haͤrtigkeit Platz giebt, ſo hat man alles Recht von ihm zu fodern, daß er ſolche durch den Nachdruck, den ſie in den Vers bringt, erſeze und verbeſſere. Man kan ſich auch deſtoweniger entbrechen ihm dieſe Licenz zu geſtat - ten, wenn man bey ſich uͤberleget, was vor eine Menge zweyſylbigter Beywoͤrter in der Sprache liegt, welche in den Abfaͤllen fuͤr den jambiſchen Vers gantz und gar unbrauchbar werden, wennH 3ſie118Von der Schreibartdurch dergleichen Zuſammenziehung nicht dazu be - quem gemachet werden Unſre Sprache erlaubet noch einige Ausſtoſſungen der Sylben. Die gan - ze Endung es in den Beywoͤrtern kan ausgelaſſen oder geſezet werden. Z. Ex.

Da du dein maͤchtig Heer noch jeden Tag vermehreſt.
Unſelig Mittelding von Menſchen und von Vieh.

Man darf ſich auch nicht allemahl Scrupel ma - chen, einige Artikel mit dem Vornennworte zuſam - men zu ſchmelzen:

Und wuͤtend uͤbern Schwarm entbauchter Hunde ſezet.

So hat man auch in den Zeitwoͤrtern die lezte Sylbe et, wenn ein t vorhergegangen, mit der anderlezten in eine Sylbe zuſammengeſchlungen, als acht, veracht, ſtatt, achtet, verachtet; welches noch klinget, aber andre mahl das Ge - hoͤr ziemlich verlezet. Z. E.

Es lautt zwar herrlich in den Ohren.
Und wo manch Schiff vergieng, izt Laſtenkorn geerndt.

Jch habe hier Anlaß zu gedenken, daß die dritte Perſon der gegenwaͤrtigen Zeit in den ungleichflieſ - ſenden Zeitwoͤrtern von vielen Scribenten wieder ausgedaͤhnet wird, da ſie eigentlich nach der Na - tur dieſer Art Zeitwoͤrter zuſammengepreßt ſeyn ſoll. Zum Exempel:

Was Goͤttlich iſt, verdirbet nicht.
Der Mond verbirget ſich.
Und119in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Und er durchlaͤufet izt von Hinderniſſen frey.
Er ſtirbet allzugern.

Niemand hat noch erhaͤltet, giltet, geſagt.

Addiſon hat angemerket, daß Milton dieſes Mittel den Vers von der Proſa zu entfernen, mei - ſtens in den Nahmen der Oerter und Perſonen angebracht, zum Exempel da er Heſſebon ſtatt Heßbon und Beelzebub ſtatt Belzebub geſezet. Auf dieſe Weiſe wird es auch in unſrer Sprache eben ſo gluͤcklich angehen. Was eben dieſer Kunſt - verſtaͤndige bey dieſem Anlaß gedenket, daß Mil - ton aus derſelben Urſache allemahl die Nahmen der Staͤdte und Perſonen geſezet, welche am we - nigſten bekannt ſind, damit er nur die Sprache des Poͤbels vermiede, kan uns zu dieſem Ende eben ſo wohl dienen. Jch habe darum lieber Lindemag, welches der alte und ſchier vergeſſe - ne Nahme iſt, als den heutigen Nahmen der Limmat geſezet; in dem Verſe:

Der an die Lindemag die Muſen pflegt zu bringen.

Und eben deßwegen habe ich auch Graͤcien ſtatt Griechenlands geſezet:

Erſchallt gantz Graͤcien nebſt Priams Fuͤrſtenthume.

Darum gefaͤllt mir auch Barde beſſer, als Dich - ter, in der Zeile:

Kein Einfall wird von Barden unterdruͤket.

Die Freyheit endlich anlangend, womit Milton, ſeine Sprache zu erheben, neue Woͤrter gepraͤget,H 4ſo120Von der Schreibartſo iſt auch dieſe, wenn ſie nicht ohne Urſache ge - nommen, und mit Vorſichtigkeit und Beſcheiden - heit gebraucht wird, der deutſchen Nation in ih - rer Sprache nicht zuwieder, und die Sprache laͤßt es ihr nicht entgegen ſeyn, daß ſie auf dieſe Weiſe erweitert wird, maſſen ſie wohl empfindet, daß ſie noch nicht auf den hoͤchſten Grad der Voll - kommenheit geſtiegen iſt, deſſen ſie faͤhig iſt. Da - rum koͤnnen wir ohne Furcht neue Woͤrter von der Sittſamkeit der folgenden einfuͤhren: Verpa - radieſt, Paradiesmaͤſſig, mißgeſchaffen, Miß - thon, Holleverdammt, Verkehrtheit, Ent - haltſamkeit, ſonnigt, abaͤndern, thauend, daͤmmernd, Unding, veredeln, uͤberthuͤr - men, uͤberflieſſen, ſchlakigt, unablaͤnglich, Empfindniß, Nothgeſchicke, abgezogen, braͤut - lich, unwillkommen, Unreife, Unform, Jn - nigkeit, Zugethanheit, Luftig fuͤr Aereus, be - ſchoͤnen, unerkennbar, Begriff in ſeiner ur - ſpruͤnglichen Bedeutung, die es in dem Verſe hat:

Dieweil er im Begriff von ihrem Wuͤrbel ſtand.

Muͤrben:

Und muͤrbte ſie der fremde Zwang. Spreng 106. Pſ.

Vervielfachen:

Die in gehaͤufter Zahl ſich izt vervielfacht haben. Koͤnig.

Alle dieſe und dergleichen Woͤrter ſind eigentlich nur in ihrer Zuſammenſezung neu, wegen der vor - geſetzten oder angehaͤngten Sylben, das Grund - wort darinnen iſt gantz bekannt; ja dieſe Beyſaͤ - ze ſelber haben ſchon eine beſtimmte Bedeutung inunſrer121in Miltons verlohrnen Paradieſe. unſrer Sprache, welche in dieſer Zuſammenſe - zung beybehalten wird. Daneben koͤnnen ſie ſich auch durch ihren Nuzen ſchuͤzen. Wenn wir ſie auch nur in Anſehen des Vortheils betrachten, den ſie haben, die Rede aͤndernd, harmoniſch, rund, zierlich zu machen. Der Begriff, den ſie vorſtel - lig machen, hat ſeinen trefflichen Werth. Eini - ge davon ſind noch nicht in der deutſchen Spra - che, ausgenommen mittelſt der Umſchreibung, alſo daß ihre nachdruͤckliche Kuͤrze ſie allen denen empfiehlt, welche nichts von Weitlaͤuftigkeit und Geplauder halten. Ueber das Wort abgezogen muß ich abſonderlich erwaͤhnen, daß man das Wort allgemein dafuͤr hat ſezen wollen. Jch hatte in der Vorrede zu der Abhandlung von dem Wunderbaren in der Poeſie geſagt: Die Nei - gung zu philoſophiſchen Wiſſenſchaften und abge - zogenen Wahrheiten haͤtte die Deutſchen ſo ver - nuͤnftig und ſchlieſſend gemacht, daß ſie zugleich matt geworden. Da hat man lieber ſchreiben wol - len, allgemeine Wahrheiten. Allein wer ſieht nicht, daß dieſes nicht das iſt, was ich habe ſa - gen wollen? Stygiſch, Cerberiſch, Sataniſch, Chaotiſch, Centaurmaͤſſig, ſind auch dergleichen neue Woͤrter, welche man erlauben muß; ſo bald man die Grundwoͤrter derſelben erlaubt, die zwar ganz neu doch nichts anders ſind, als eigene Nahmen der Perſonen und beſondern Oerter, welche mit der Hiſtorie gelernet werden, daher ſie niemanden unverſtaͤndlich ſeyn koͤnnen, als denen, welche in den hiſtoriſchen Wiſſenſchaften unerfahren ſind.

H 5Man122Von der Schreibart

Man ſiehet demnach, daß dasjenige, was Miltons Schreibart ſonderbares und in das Ge - hoͤre fallendes in ſich hat, ſo beſchaffen iſt, daß die deutſche Sprache ſelbſt, die doch nach dem Naturell derjenigen, die ſich vor ihre Erhalter und Pfleger ausgeben, weit furchtſamer und zag - hafter iſt, als die Engliſche, daſſelbe in gewiſſen Schranken nachthun kan. Wie boͤſe und unbil - lig ſind denn diejenigen deutſchen Kunſtrichter, welche dem Engliſchen Poeten ſeine gebrauchte Freyheit, die ihm ſeine Landesleute gegoͤnnet, und gutgeheiſſen, verarget haben? Denn ob die Eng - liſchen Kunſtrichter gleich angemerket haben, daß Milton ſich der obenerzehlten Kunſtmittel zu haͤu - fig bedienet, und ſeine Rede dadurch manchmahl etwas ſteif und dunkel gemachet haͤtte, ſo haben ſie doch zugleich geſtanden, daß ſie uͤberhauyt recht wunderbar und vortrefflich ſey. Das Schlim - meſte, das Addiſon und Schaftsbuͤri davon ge - ſagt haben, war, daß man in ſeinen Worten manchmahl eine Art Geſchaͤlles wahrnaͤhme, wie zum Exempel in folgenden Stellen: Er bracht eine Welt voll Weh in die Welt; dieſes fuͤhrte uns in Verſuchung, daß wir es mit ihm ver - ſuchten; du wirſt dann ſehen, ob wir kom - men, den Thron des Allmaͤchtigen zu vereh - ren, oder zu verheeren. Hingegen hat einer von unſern deutſchen Sprachlehrern Miltons Schreibart vor ein Gewebe ausgeſchrien, das in Fehlern wieder die Engliſche Grammatick, in Verkehrungen aller gewoͤhnlichen Wortfuͤgungen, und in tauſend andern ſonſt unerlaubten und vonkeinem123in Miltons verlohrnen Paradieſe. keinem andern Poeten begangenen Schnizern be - ſtuͤhnde:

Wenn das eine Sprache reich und geſchmeidig machet, ſagt er, daß man ſie ver - derbt, wieder alle Regeln handelt, und faſt bey jedem Worte Schnizer macht; ſo iſt ja Hans Sachſe unſer geſchmeidigſter und beſter Poet geweſen, und man hat ſehr uͤbel gethan, daß man die Freyheit der alten Poeten in die - ſem Stuͤke gezaͤhmet. Man haͤtte ja billig das hahn, lahn, und ſtahn, beybehalten ſollen, wie die Jtaliener ihr Alma fuͤr Anima und ſpeme fuͤr ſpe ſezen.

Dieſes Urtheil traͤgt das Brandmahl eines aufgebrachten Richters ſo deut - lich, daß ich mich vor den Engellaͤndern ſchaͤme, indem ich es anziehe; was Milton in zerſtreuten Stellen, in einzeln Woͤrtern oder deren Zuſam - menordnung vor Licenzen genommen, wird hier ſoweit aufgemuzet, als ob er ſeine ganze Sprache daraus formiert haͤtte. Ein paar Worte dieſes Kunſtrichters, die nach Miltons Schreibart ge - geben ſeyn ſollen, verrathen noch mehr, was vor einen verkehrten Begriff er davon gehabt habe:

Addiſons Cato, ſagt er an einem Orte, lan - get im Original, ich will einmahl auf gut Mil - toniſch reden, nicht an das gedankentraͤchti - ge, ſinnenſchwangere, und graͤßlich-erha - bene Weſen Miltons.

Dieſes wird vornehmlich das ſeyn, was er Ziegle - riſchen und Lohenſteiniſchen Schwulſt heißt, deſſen er den Poeten beſchuldiget. Doch hat er dieſen nicht nur in dergleichen hochtrabenden Aus - druͤkungen, ſondern auch in der ungeheuren Ein -bildung124Von der Schreibartbildung und unrichtigen Urtheilskraft Miltons herr - ſchend gefunden.

Jch habe die Probe gemacht, ſagt er, und ganze Stuͤke aus dem deutſchen Milton mit aller moͤglichen Lebhaftigkeit Leu - ten vorgeleſen, die ſonſt im Leſen der Poeten unverdroſſen ſind: Allein man hat theils an der ſeltſamen und wiederlichen Art des deutſchen Ausdrukes, der ſonſt in allen unſern Buͤchern unerhoͤrt iſt, theils an den ſchrecklichen und wil - den Gedanken des Poeten einen Ekel bekommen, und mich aufhoͤren geheiſſen.

Jch zweifele nicht, daß dieſe guten Leute das verlohrne Para - dies nicht in ſeiner Grundſprache eben ſo verdruͤß - lich gefunden haͤtten, weil Miltons Verſe, nach dieſes Richters Ausſage, die er den Engellaͤndern ſelbſt in den Mund geleget hat, ſehr rauh und hart, ſeine Sprache altvaͤteriſch iſt, ſeine Wort - fuͤgung wider den Gebrauch und wider die Sprachlehre laͤuft, ſein Ausdruck gezwungen iſt. Die widerliche und unerhoͤrte Art des deut - ſchen Ausdrukes iſt zweifelsfrey aus dem Origi - nale mit gehoͤriger Treue und Geſchicklichkeit in die Ueberſezung gefloſſen. Allein wenn der Ueberſe - zer gleich die Sprache Miltons verſchoͤnert haͤtte, wie Pietſch von Hrn. Prof. Gottſched das ſonder - bare Zeugniß erhalten hat, daß er mit Fenelons Sprache im Telemach gethan habe, ſo waͤren doch die Gedanken des Poeten wild und ſchrecklich geblieben. Oder, ſollte der Ueberſezer wie die Schreibart des Poeten verſchoͤnert, alſo die Ge - danken deſſelben und derer Perſonen, die er auf - fuͤhret, zahmer und menſchlicher gemacht haben;ſollte125in Miltons verlohrnen Paradieſe. ſollte er dem Satan, Beelzebub, und Moloch, die zarten, lieblichen und flieſſenden Gedanken eines deutſchen Poeten in den Mund geleget haben? Als - dann waͤren ſie vielleicht den geſchickten Kennern, welchen der Criticus den deutſchen Milton vorgele - ſen hat, nicht ſo widerlich und ſeltſam vorgekom - men, daß ſie ihn haͤtten aufhoͤren geheiſſen; zumahl da ſie im Leſen der deutſchen Poeten ſo unverdroſ - ſen ſind. Aber Satan, Beelzebub und Moloch waͤren dann nicht mehr Teufel mit teufliſchen Gedanken geblieben, ſondern in Amthore, Gott - ſcheden und Pietſchen verwandelt worden. Oder will der Kunſttadler ſagen, in Satans Gedan - ken ſelber, ſo fern ſie als Satans, und nicht als des Poeten Gedanken betrachtet werden, ſey Lo - henſteiniſcher und Ziegleriſcher Schwulſt, und et - was zu ſchreckliches und wildes? Was vor Ge - danken aber koͤnnen zu aufgeſchwollen fuͤr denjeni - gen ſeyn, welchen der Schwulſt aus dem Himmel geſtuͤrzet hat? Das thoͤrigtſte waͤre, wenn der un - beſonnene Richter den Schwulſt, den der Poet in die Gedanken dieſes hochmuͤthigen Geiſtes geleget hat, vor Miltons eigene Gedanken genommen, und in ſolcher Betrachtung verurtheilet haͤtte. Jm uͤbrigen werden von Milton nicht lauter Teufel aufgefuͤhrt, es kommen auch Engel in ſeinem Ge - dichte vor, und Menſchen von der vollkommenſten Art: Da moͤgte ich wiſſen, ob die Gedanken der - ſelben dieſen Leuten von ſo poetiſchem Naturelle, denen ſie von unſerm Momus vorgeleſen worden, eben ſo wild, ſchrecklich, und ekelhaft vorgekommen waͤren. Er ſagt uns in ſeiner Schrift von demBathos126Von der SchreibartBathos in den Opern, Milton, der doch von vielen ſo bewundert worden, ſeit dem Addi - ſon und Steele ihn ihren Landesleuten ſo angeprieſen, wuͤrde dem Dechant Swift gantz allein alle Exempel zu ſeinem Tractat von der Kunſt zu kriechen haben hergeben koͤnnen; ſo viel falſche Hoheit ſteke in ſeiner Schreibart; der regelloſen Phantaſien zu geſchweigen, da - von ſein verlohrnes Paradies, auch ſelbſt nach des Grafen Schaftesbuͤry Geſtaͤndniß, uͤber - all voll ſey. Hier geſchieht nicht nur Milton ſon - dern auch Schaftesbuͤry Gewalt. Dieſer war geſchickter und gerechter, als daß er unſers Kunſt - richters Anklage mit ſeinem Anſehen verſtaͤrket haͤt - te. Er hat niemahls gedacht, noch geſagt, daß Miltons Paradies voll regelloſer Phantaſien ſey. Er hat nur erwaͤhnet, daß Miltons Schreibart von Pun und Quibble noch nicht voͤllig rein ſey. Nun heiſſen Pun und Quibble nicht abgeſchmack - tes und phantaſtiſches Zeug, wie der Tadler es uͤberſezet, ſondern Spiele mit Worten und Schal - le, und kleine Spitzfuͤndigkeiten, dergleichen oben einige von uns ausgeſezet worden. Dahin gehoͤ - ren auch: Die kleine ne Jnfanterie, die von den Kranichen bekrieget wird; eine neue Flut er - traͤnckte dich ebenfalls Adam, eine Flut haͤf - tiger Thraͤnen, und Schmerzen. Ovidius iſt an dergleichen ſehr reich, man mag ihn aufſchla - gen, wo man will, ſo faͤllt uns ein Exempel da - von in die Augen:

Ex omnibus unumElige,127in Miltons verlohrnen Paradieſe. Elige, Myrrha, tibi, dum ne ſit in omnibus unus. Metam. L. X. 317. Nunc quia tam meus eſt, non eſt meus. Ib. L. V. 339.

Unter den Titel Pun und Quibble moͤgte man auch die zweydeutigen Spottreden Satans und Belials uͤber die Wuͤrkungen ihres teufliſchen Ge - ſchoſſes bringen, welche dennoch in dem Munde des Vaters der Luͤgen eine gewiſſe eigene Anſtaͤn - digkeit haben. Wer dieſe Kleinigkeiten in Mil - ton finden will, muß ſie mit Fleiſſe, und lange ſuchen. Und dieſe wenigen ſind in ſeinem Gedichte nur da - rum deſto anſtoͤſſiger, weil ſie darinnen ſo fremd ſind.

Wieder auf Miltons Gedanken zu kommen, welche gewiſſen Leuten von unſers ſcharfen Rich - ters Geſellſchaft ſo widerlich, ſo wild, und ver - druͤßlich ſcheinen, ſo kennen wir auch eine Menge dergleichen, die in ihren Gewerb, ihre taͤgliche Lebensart, ihren kleinen Witz, ihre Provinzial - ſprache, wie in einen Zauberkreis eingeſperrt ſind, ſo daß ſie ſich daraus nicht einen Fußbreit bege - ben duͤrffen. Miltons Thema von den Entſchluͤſ - ſen, Meinungen und Handlungen der Engel, der Teufel, und ſolcher Menſchen, die den uͤbrigen Menſchen, ihren Nachkommen und Kindern, ſo ungleich ſind, ſo viel erhabene Dinge, die Milton ihrem eigenen Character gemaͤß ausbildet, ſind kein leichter Unterhalt fuͤr Leute, die in Amthors, Gottſcheds, Neukirchs, Schule reden und denken, entſchlieſſen und handeln gelernet haben. Satans, Beelzebubs, Michaels, Raphaels, Adams und Evens Reden ſind der Sprache dieſer deutſchenPoeten128Von der SchreibartPoeten ſo ungleich, als eben derſelben Gedanken, Entſchluͤſſe und Geſchaͤfte. Die Begriffe, die viele Leſer von Miltons Worten nicht bekommen, und der Eindruck, der dann bey ihnen ausbleibet, zeigen nicht, daß die Worte, oder die Vorſtel - lungen nicht geſchickt ſeyn, ſondern daß dieſe Leu - te zu dergleichen Begriffen und Sachen nicht ge - ſchickt ſeyn. Wie weit entfernt waren denn die - ſe, ſolche Begriffe und Dinge zu erfinden, da ſie ſelbige ſich nicht einbilden koͤnnen, nachdem ſie ſchon erfunden ſind? Es gehoͤrt kein plumper Geiſt da - zu, ſich aus der Tiefe, in welcher wir niederge - druͤckt ſind, zu erheben, und uͤber die Graͤnzen des Weltgebaͤudes hinwegzufliegen, hernach uͤber das ungemeſſene Chaos in den Kerker der verdamm - ten Geiſter uͤberzuſezen, die Geſchaͤfte und Anſchlaͤ - ge der Einwohner in dieſen dunkeln Gegenden zu verkundſchaften. Und zu Ausdruͤkung dieſer Ge - danken und Geſchichte braucht es freylich fremde Bilder, ſeltſame Erſcheinungen, ungewoͤhnliche Worte und Ausdruͤke.

Jn Betrachtung dieſer Dinge haben die Eng - laͤndiſchen Kunſtverſtaͤndigen nicht ohne Urſache ge - ſagt, daß ihre Sprache unter Milton eingeſunken waͤre, wenn er ſie nicht gewußt haͤtte ſeinen Be - griffen gemaͤß zu erhoͤhen, und darum haben ſie ihm die verſchiedenen Arten von Freyheit, die er ſich genommen hat, mit Willen und gerne gegoͤnnet. Und dennoch hatte die Engliſche Sprache ohne dieſe Beyhuͤlfe auslaͤndiſcher Sprachen ſolche ei - genthuͤmliche Eigenſchaften, welche ungemein be - quem ſind, den Vortrag vor Mattigkeit, Lang -ſamkeit,129in Miltons verlohrnen Paradieſe. ſamkeit, und Niedrigkeit, zu bewahren, und mit Licht, Leben und Nachdruck zu verſehen. Nur einiger zu gedenken, wie reich iſt ſie an ſo verſchie - denen und begriffreichen Mittelwoͤrtern, wodurch ſie zwey und drey Glieder eines Sazes, die wir im Deutſchen nicht anderſt als durch ſo viele Saͤ - ze vortragen koͤnnen, ohne Dunkelheit in einem ein - zigen zuſammenfaſſet? Was vor Dienſte thut den Scribenten das Vermoͤgen dieſer Sprache, die Verba Neutra, die eine Actionem imma - nentem bedeuten, ſo zu gebrauchen daß ſie eine Actionem tranſeuntem anzeigen, und per Enal - lagen generis aus intranſitivis zu tranſitivis und Activis werden(a)Wie im Deutſchen waͤre: Ein Pferd zu Tode ren - nen, ſeinen Gegner muͤde ſchreiben, die Zeit wegplau - dern; einen kranck trinken; einen in Verwunderung ſin - gen; einen in das Paradies hinein betriegen. ; hingegen viele Activa intranſitive oder als Neutra zu gebrauchen(b)Er wollte nicht gern um der Religion willen brennen. ; die Activa bisweilen neutraliter, faſt wie reci - proca zu ſezen; zu den Neutris, die eine Actio - nem immanentem bedeuten, wie im Griechi - ſchen und Lateiniſchen, einen Accuſativum vel ſuæ Originis vel congruæ ſignificationis zu ſezen, wie im Deutſchen waͤre, den guten Kampf kaͤmpfen; den Tod der Gerechten ſterben; das Leben leben; welches leztere ich in einem Schaͤ - ferſpiele von Jacob und Lea ſehr artig gebraucht ſinde:

Sollt ich alſo ein muͤſſigs Leben leben?
[Crit. Sam̃l. III. St.] JWas130Von der Schreibart

Was vor einen Reichthum beſitzt ſie an ſogenann - ten Verbis faceſſentibus; was vor Vortheile geben ihr ſo viele und ſo verſchiedene Gerundia, und daher entſtehende Gerundialredensarten, da unſre Sprache nicht ein einziges Gerundium hat, wiewohl ſie im vierzehnten Jahrhundert dergleichen beſeſſen hatte; anderer und anderer Vortheile zu geſchweigen, welche denjenigen nicht verborgen bleiben koͤnnen, die ſich befleiſſen, aus der Engli - ſchen Sprache mit Beybehaltung des Nachdru - kes, der Kuͤrze, der genaubeſtimmten Abmeſſung, und der Mannigfaltigkeit im Ausdruke, zu uͤberſezen.

Man kan hieraus wohl abnehmen, was vor Schwierigkeiten es giebt, Miltons Schreibart im Deutſchen mit Nachdruck und Klarheit ohne Mattigkeit zu geben; nicht nur die Gedanken nach ihrem fluͤchtigen Umfange, ſondern auch ihre Form, wodurch ihre Grade beſtimmet werden, aus - zudruͤken. Denn ohne dieſe Sorge muß man noth - wendig in eine periphraſtiſche Kaltſinnigkeit und Fluͤchtigkeit verfallen, dergleichen man dem Poe - ten Schuld gegeben, der Popens Verſuch von dem Menſchen in deutſchen Verſen uͤberſezet hat; man wird nur Ueberſezungen machen, die gegen die Originale geſtellt das ſeyn werden, was um - gekehrte Tuͤrkiſche Tapeten. Einige haben zwar dieſes Gleichniß auf alle Ueberſezungen ohne Unter - ſcheid, auch die moͤglichbeſten erſtreken wollen, worinnen ſie aber zu weit gegangen ſind. Ein Verſtand, ein Geiſt, kan ohne Zweifel dem an - dern ſeine Gedanken durch die Rede mit einer Ge - nauigkeit zu verſtehen geben, daß die Aehnlichkeitderſel -131in Miltons verlohrnen Paradieſe. derſelben in beyder Kopfe ungleich vollkommener wird, als ſie zwiſchen den beyden Seiten Tuͤrki - ſcher Tapeten iſt; die Dinge mahlen gleiche Bil - der in gleichbeſchaffenen Geiſtern, und die Saͤze haben eine gleiche Wahrheit in einem jeden geſun - den Verſtande, der ſie begreifet: Darum kan man nicht ſagen, daß ein Bild, oder ein Satz, der von einem Menſchen in den andern gebracht wird, umgekehret werde, wie mit den umgekehr - ten Tapeten geſchieht. Wenn nun die Bilder und Begriffe erſtlich dieſe vollkommene Aehnlichkeit in dem Kopfe des Ueberſezers und des Urhebers haben, ſo wird er ſie dann mit der Genauigkeit liefern koͤnnen, als er faͤhig iſt, wenn er ſelbſt der Urheber und Erfinder davon geweſen waͤre.

Jch ſchmeichle mir nicht, alle erzehlten Schwie - rigkeiten uͤberwunden zu haben, ich will doch ſa - gen, daß ich in meiner Ueberſezung auf dieſes alles die Gedanken gerichtet gehabt habe. Meine Le - ſer thun mir auch ein voͤlligs Genuͤgen, wenn ſie meine Beſtrebungen Miltons Schreibart zuweilen nach ſeiner eigenen Weiſe auszudruͤken, nur fuͤr ei - nen Verſuch nehmen, und wenn es ihnen ſcheint, daß ich ſeine Freyheiten wider das Naturell der deutſchen Sprache gebraucht habe, mich andre Redensarten lehren, welche damit beſſer uͤberein - ſtimmen, und doch zugleich Miltons Gedanken, in Zahl, Gewicht, Maaß und Grad erſchoͤpfen. Meine Furcht iſt in waͤhrender Arbeit der Ueberſe - zung beſtaͤndig groͤſſer geweſen, daß ich Miltons nachdruͤckliche, kurze und erhabene Schreibart nicht erreichen moͤgte, als daß ich durch die genaueJ 2Aus -132Von der Schreibart[Ausdruͤkung] derſelben gewiſſen Sprachlehrern un - deutſch ſcheinen wuͤrde; welchen Opitz ſelbſt we - gen einiger geſchickt nachgemachten Metaphern aus den Griechiſchen und Lateiniſchen Scribenten, barbariſch geſchienen hat. (*)Z. Ex. in dem Verſe des Lobgedichtes von Mars: Dann iſt es gar zu ſpat den Eſel auszuſchlagen. Wel - ches das Lateiniſche excutere aſinum iſt.Jch zweifle nicht, wenn ich mit meinen Erklaͤrungen der Erfindun - gen Miltons die Leſer etwas tiefer in ſein Vorneh - men und deſſen Gruͤnde hineingefuͤhrt habe, daß die Miltoniſche Sprache ihnen ſchon leichter und flieſſender vorkommen werde. Sollte dennoch unge - achtet aller meiner Bemuͤhungen das verlohrne Paradies den Jztlebenden die Luſt nicht machen, welche meine Anmerkungen davon verheiſſen, und zwar auf diejenigen, die es im Engliſchen leſen koͤnnen, eben ſo wenig Eindruck thun, als auf andre, die es nur in meiner ſchwachen und pro - ſaiſchen Ueberſezung leſen, ſo iſt dieſes ein Uebel, das in dem Laufe unſrer menſchlichen Welt nur allzu gemein iſt. Es iſt ſo hergekommen, und wird ferner ſo ſeyn, daß der Verſtand mit dem Unverſtand, der Geſchmack an dem Schoͤnen mit dem Geſchmack an dem Schlechten und Mittelmaͤſſi - gen in einem ſchweren Streit ſtehen, ja daß der Jrrthum oͤfters eine groͤſſere Anzahl Anhaͤnger hat, als die Wahrheit. Aber eine Zeit mag kom - men, da die poetiſche Herrſchaft, welche bisdahin den Gedichten in Deutſchland mit ihrem Anſehen ein Schickſal nach ihrem Belieben zuwegegebracht hat, wird geſtuͤrzet werden. Ein folgendes Ge -ſchlecht133in Miltons verlohrnen Paradieſe. ſchlecht Menſchen wird ſeiner Phantaſie einen weitern Kreis vergoͤnnen, ſich darinnen umzuſe - hen und zu uͤben, als dieſe enge Erde, oder auf dieſer Erden die ſchmale Wiſſenſchaft eines Hoch - zeitſaͤngers, oder eines Liebesdichters, oder die matten Empfindungen eines Lehrers der Rheto - riſchen Figuren. Und dieſe erweiterte Phantaſie wird ein hoher Verſtand in ihrem Fluge regie - ren, wie bey Milton geſchehen iſt. Jn demſel - ben Weltalter wird Milton die Luſt und das Wun - der der Deutſchen ſeyn, und die Jztlebenden, wel - che Miltons Stoff, Erfindungen, und Vorſtellun - gen ſo unnatuͤrlich und ausſchweifend heiſſen, wer - den dann nicht nur ihren Schriften ſondern auch dem Nahmen nach todt und vergeſſen ſeyn. Und vielleicht wird dieſes Weltalter unmittelbar auf das unſrige folgen, ſo daß eine gute Anzahl von den Jztlebenden daſſelbe noch erleben wird.

J 3Nach -134

Nachrichten von gelehrten Schriften.

I. MAn hat in dem Heumonate des laufenden Jahres an dem poetiſchen Horizont zu Leipzig eine auſſerordentliche Lufterſcheinung geſe - hen, die anfaͤnglich jedermann in ein groſſes Er -ſtaunenAnmerkungen. Dieſe Nachrichten und Auszuͤge ſind uns von Hrn. Conrector Erlenbach eingeſandt worden. Er mag ſich wohl ſelbſt vorgeſtellt haben, daß wir Bedenken tragen wuͤr - den, eine Schrift in unſre Sammlung einzutragen, die bey ihrer guten Abſicht, wegen der allzu ſcharfen Schreibart, nur dienen moͤgte, den unbaͤndigen Eifer einiger Leipzigiſchen Schriftſteller noch mehr zu reizen. Er hat darum vor noͤthig gehalten, ſich in einem beſondern Schreiben an uns gegen dieſe nicht ohne Grund vermuthe - te Bedencklichkeiten zu vertheidigen. Er thut dieſes mit ſo buͤndigen Vorſtellungen, daß wir uns nicht entbre - chen koͤnnen, ſeiner Schrift einen kleinen Platz allhier einzuraͤumen. Er ſagt unter anderm: Wir ſollten uns nur einmahl zu Gemuͤthe fuͤhren, mit was vor Stoltz eine Zeit her einige ungehirnte Koͤpfe ſich die Vormundſchaft der ganzen deutſchen Nation angemaſ - ſet, und nicht anderſt geſchwaͤrmt haͤtten, als ob ih - nen der Ruhm des deutſchen Wizes verpachtet waͤre. Wie ſchimpflich und veraͤchtlich ſie alle diejenigen, die ſich dem Tyranniſchen Joch ihrer angemaßten Gericht - barkeit nicht willig unterwerffen wollen, gemißhandelt und ausgehoͤhnet: Mit welchem Trotz ſie ſich an dem Ruhm der verſtaͤndigſten Europaͤiſchen Nationen, der Engellaͤnder und Franzoſen, vergriffen: Und wie ſpoͤttiſch und unbeſcheiden ſie in offentlichen Ausſpruͤchen von den Schriften der beruͤhmteſten Maͤnner geurtheilet haͤtten.135Nachrichten von gelehrten Schriften. ſtaunen ſezete, bis ein gewiſſer Schwabe, der als ein groſſer Wahrſager und Zeichendeuter beruͤhmt iſt, in einer offentlichen Anrede die ganze deutſche Nation der Poeten auf ſeinen Credit gutherzig verſicherte, dieſes ungewohnte Luftzeichen haͤtte eine eben ſo troͤſtliche Bedeutung fuͤr das Reich der deutſchen Poeten, als ehmahls die Erſcheinung des erſten Regenbogeus nach der Suͤndflut fuͤrJ 4die haͤtten. Was dann ſeine Schreibart betreffe, die uns zuweilen etwas zu lebhaft und anſtoͤſſig vorkommen moͤg - te, ſollten wir uns nur erinnern, daß dieſelbe noch um einen guten Grad glimpflicher und hoͤflicher waͤre, als die in den Leipzigiſchen Beytraͤgen gewohnte Criti - ſche Sprache. Er beruft ſich dieſer halben auf das XVII. Stuͤck dieſer ebenerwaͤhnten Beytraͤge, und da - ſelbſt auf den dritten, vierten, und fuͤnften Artikel. Des - gleichen St. XXI. 4ter u. 6ter Art. St. XXIII. 5ter Art. ꝛc. Mithin, ob er gleich ein dieſen kleinen deutſchen Hof - meiſtern verhaßter Schweizer ſey, ſo habe er es doch in der Grobheit noch nicht ſo weit getrieben, als der Verfaſſer der Anmerkungen uͤber die Ausgebung des Ergaͤnzungs-Stuͤkes, in denen Beluſtigungen des Auguſtmonats, als welcher ſich vermeſſen, ei - nen offentlichen Lehrer aus einem leichtſinnigen Ver - dacht mit den groͤbſten Anzuͤglichkeiten anzugreiffen, wodurch dieſer Verfaſſer ſeinem Vorbilde, dem Prof. Philippi an ſtolzer Wuth gleich, und fuͤr einen Liſcov reif geworden, der ihn auch durch eine wohlverdiente Zuͤchtigung demſelben vollends aͤhnlich machen doͤrfte. Da inzwiſchen der erwaͤhnte Lehrer es unter die andern Zufaͤlligkeiten rechnen werde, daß ihn ein Eſel geſtoſ - ſen, und dem Rath jenes ſinnreichen Kopfs folgen, der geſagt hat: wenn man von einem Schweine, dem man nicht ausweichen koͤnne, beſudelt werde, ſo ſey der beſte Rath, daß man es trucknen laſſe, und dann ausreibe.136Nachrichtendie Einwohner der damahligen neuen Welt gehabt haben mag: Hingegen bedrohete eben daſſelbige ih - re benachbarte Feinde, die Franzoſen und Schwei - zer, mit einer ſchweren critiſchen Zuͤchtigung. Dieſe ſuͤſſe Verſicherung ſchmeichelte den unruhigen Ge - muͤthern der Saͤchſiſchen Dichter zaͤrtlich, und preßte ihnen tiefgeholte Seufzer ab, daß doch die - ſe ſo wohlgemeinte Schwaͤbiſche Weiſſagung ihre Hoffnung nicht betriegen moͤgte! Allein da in den folgenden Monaten dieſes Luftzeichen ſich gegen Mittag je laͤnger je weiter uͤber den deutſchen Ho - rizont ausbreitete, ſo daß die hart bedrohten Ein - wohner der Schweizeriſchen Alpgebuͤrge, die ſich um die poetiſchen Aſpecte der deutſchen Luft bekuͤmmern, es ſelbſt gewahr wurden, und die erfahrenſten Aſtronomos daruͤber zu Rath zogen, ſo fand ſich nach einer genauen Unterſuchung, daß daſſelbe nichts anders waͤre, als ein ſeit einigen Jahren nicht unbekannter Nordſchein, oder wie andere behaupten wollten, (verzeihet mirs, daß ichs vor keuſchen Ohren nicht rein Saͤchſiſchdeutſch ausſprechen darf,) ein wahrhafter ignis fatuus.

Ein Kluger lacht euch aus, und ſagt wohl gar dabey, Daß Schriften ſolcher Art der bloͤden Welt zum Schreken, Wie Mißgeburten ſonſt, des Himmels Zorn entdeken. Gottſched.

II. Erſt kuͤrtzlich iſt wieder ein franzoͤſiſcher Schriftſteller hervorgewachſen, der in ſeinen Briefen von dem Character der deutſchen Poeten dem deutſchen Witze offentlich hohngeſprochen, in - dem er dieſe nicht alleine uͤberhaupt beſchuldiget,daß137von gelehrten Schriften. daß ſie oͤftern Ohnmachten und Bloͤdigkeiten, ja gar der fallenden Sucht, (die man auf gut Saͤch - ſiſch die ſchwere Noth heißt,) maͤchtig unter - worffen ſeyn; ſondern denſelben gar alle Geſchick - lichkeit zum Erfinden mit trozigen Worten ab - ſpricht, und ſich uͤberdies nicht entbloͤdet, ſie (in dem Xten Brief Bl. 362.) durch ein ſchmaͤhleriſches Cartel aufzufordern: Nommez-moi un Eſprit Createur ſur vôtre Parnaſſe, c’eſt à dire, nom - mez-moi un Poëte Allemand, qui ait tiré de ſon propre fond un ouvrage de quelque re - putation; je vous en défie. Dieſe ungeheure Laͤſterungen, womit der Franzoͤſiſche Goliath das deutſche poetiſche Jſrael ſchmaͤhleriſch angegriffen, wollten dem redlichen Hrn. Magiſter S**, der ſich ſchon lange Zeit als ein Feiltraͤger der Gottſchedi - ſchen Schriften und des Breitkopfiſchen Verlags mit Nuzen brauchen laſſen, faſt das deutſche Hertz abdruken. Gottſched, Triller, Neukirch ꝛc. ſol - len keine poetiſche Schoͤpfer ſeyn! Welche un - verſchaͤmte Verlauͤmdung! Wer konnte beſſer wiſſen, mit was vor ſaurem Schweiß ſie ihre unzaͤhlbaren Reimen und Verſe aus den Fingern herausgeſogen, als eben dieſer Hr. Magiſter der einigen von dieſen groſſen poetiſchen Schoͤpfern in ihrer Arbeit als ein getreuer Handlanger bey - geſtanden; und welcher Vernuͤnftige wird an dem Werth eines Buches zweifeln koͤnnen, das in ei - ner ſehr kurzen Zeit etliche mahl hat muͤſſen aufge - legt werden? Allein ungeachtet der Ungrund und die Bosheit dieſer Verlauͤmdung allen redlichen deutſchen Seelen von ſich ſelbſt offenbar ſeyn muſte,J 5ſo138Nachrichtenhandelte dennoch der Hr. Magiſter ſehr kluͤg - lich, daß er um der Schwachen willen auf eine offentliche Abfertigung dieſes trozigen Philiſters, und eine nachdruͤckliche Ehrenrettung des deutſchen Wizes bedacht war. Jn dieſer Ueberlegung hielt er vor das rathſamſte, daß er ein allgemeines Land - Aufbot an alle, die ſich der allgemeinen Noth des deutſchen poetiſchen Reichs anzunehmen Muth und Faͤhigkeit haͤtten, ergehen ließ, und ihnen ei - nen allgemeinen Sammelplatz anwieß, von wel - chem ſie auf die Franzoͤſiſchen und Schweizeriſchen Philiſter mit vereinigten Kraͤften loosgehen koͤnnten. Er ſteckte zu dieſem Ende zu Leipzig vor dem Breit - kopfiſchen Hauſe die Fahne auf, auf welcher ein zottigter Baͤr, der ſich in einer einſamen Wuͤſten auf ſeinen Hintern gantz geruhig niedergelaſſen, und mit zufriedenem Gemuͤthe an ſeiner Tatze ſauget, mit der Aufſchrift, Ipſe alimenta ſibi, kuͤnſtlich geſchildert war: Und es fanden ſich ſo gleich eini - ge herrenloſe Klopffechter daſelbſt ein, die ſich un - ter dieſe Fahne anwerben lieſſen. Der Hr. Ma - giſter fuͤhrte dieſe handfeſte Truppen in den Hunds - tagen das erſte mahl an den Feind, er ſelbſt ſtell - te ſich an die Spize, und that mit einem groſſen Geſchrey den erſten Angriff auf den feindlichen Haufen, der von dem Kriegserfahrnen Franzoͤſi - ſchen Officier, der aus ſeinen Lettres Françoi - ſes & Germaniques bekannt iſt, commandirt wurde: Aber nach einigen leichten Verſuchen, die mehr foͤrchterlich als gefaͤhrlich waren, zog ſich der deutſche Feldherr mit ſeinem Voͤlcklein gantz vergnuͤgt wiederum in ſeine Sicherheit zuruͤke.

III. Zu139von gelehrten Schriften.

III. Zu Leipzig koͤmmt ſeit dem Heumonat eine anſehnliche Monatſchrift zum Vorſchein, die we - gen ihrer ſtolzen Abſicht die Aufmerckſamkeit aller derjenigen verdienet, denen der Ruhm der deut - ſchen Muſen recht von Herzen angelegen iſt. Sie fuͤhret den praͤchtigen Titel: Beluſtigungen des Verſtandes und des Wizes. Auf das Jahr 1741. Heumonat. Leipzig, bey B. Chr. Breitkopf. 8. ſechs Bogen. Der Verfaſſer der - ſelben iſt Herr Magiſter Joh. Joachim Schwa - be, der ſchon einige Jahre daher in Hrn. Breit - kopfs Dienſten geſtanden, und das Aufnehmen der deutſchen Muſen mit der Ausbreitung des Breit - kopfiſchen Verlags geſchickt zu verbinden gewußt hat. Die beſondere Abſicht gegenwaͤrtiger Schrift, worinnen man einige Fruͤchte des deutſchen Wi - zes und Verſtandes zu ſammeln willens iſt, ſtel - let uns der Herr Magiſter auf dem Titelblatte in einem emblematiſchen Bilde vor Augen; wenn er die deutſchen Poeten und Redner in einem feinen Kupferſtiche unter dem Sinnenbilde eines ſizenden Baͤren abbildet, der an der Tatze ſauget, und ſolches mit der Aufſchrift, Ipſe alimenta ſibi, erlaͤutert: Wodurch er den eigenthuͤmlichen Reich - thum und die Fruchtbarkeit des deutſchen Wizes auf eine recht edle, lebhafte und ſinnreiche Art er - hebet, und vertheidiget:

Hr. M. Schwabe iſt zu der Verfaſſung dieſer Monatſchrift durch die von einem ungenannten Franzoſen neulich herausgegeben Lettres germa - niques verleitet worden. Deſſen Unfug und Ver - laͤumdungen mit deutſchem Muth abzufertigen,hat140Nachrichtenhat er allen faͤhigen Geiſtern Deutſchlandes ei - nen Tummelplatz eroͤffnen, und eine erwuͤnſchte Gelegenheit zeigen wollen, ihre kleinen ſcharfſin - nigen Aufſaͤze der Welt vorlegen zu koͤnnen. Denn er hatte ſich vorgeſezet, das leichtſinnige Geſpoͤtte des franzoͤſiſchen Briefſtellers nicht ſo faſt durch theoretiſche Widerlegungen und weitlaͤuftige Er - weiſe, als vielmehr durch practiſche Proben abzu - weiſen, und die ehrbare Welt von der Faͤhigkeit des deutſchen Wizes durch die Empfindung zu uͤber - fuͤhren. Dieſes iſt auch unſtreitig der beſte und gewiſſeſte Weg der Vertheidigung, eben wie die - ſes die beſte Buſſe iſt, eine Thorheit nicht mehr begehen: Aber dieſe Art der Vertheidigung iſt dabey die allergefaͤhrlichſte; denn woferne die Pro - ben, auf die man den Credit des Wizes und Ver - ſtandes einer ganzen Nation ſezet, nicht von dem beſten Schrote und Korn ſind, ſo bekraͤftigen ſie nicht alleine den Vorwurff eines verderbten Ge - ſchmacks und des Unverſtands, ſondern ſind ein unausloͤſchliches Denckmahl der Dummheit, und ſchlimmer als ein offentliches Geſtaͤndniß der An - klage. Doch es ſcheinet, daß der Hr. M. Schwa - be keine Urſache habe einiges Mißtrauen in die Fruchtbarkeit und Faͤhigkeit des deutſchen Wizes zu ſezen, weil er ſich zum Voraus anheiſchig ma - chet, alle Monate ſechs Bogen voll ſinnreicher Ge - danken und Einfaͤlle zum Beweisthum der uner - ſchoͤpflichen Kraft des deutſchen Wizes zu liefern.

Meine Leſer werden verlangen, daß ich ihnen nunmehr einen naͤhern Unterricht von dieſem groſ - ſen Vorhaben des Hrn. M. Schwabe ertheile;deſſen141von gelehrten Schriften. deſſen heldenmaͤſſige Abſichten ich bisdahin ent - deket habe. Jch kan ihnen auch um ſo viel eher zu Willen werden, da der Hr. Magiſter die Guͤ - tigkeit gehabt hat, uns in einer weitlaͤuftigen Vorre - de unter mancherley Ausſchweiffungen davon ſelbſt auf das ſorgfaͤltigſte zu unterrichten. Er zeiget uns an, daß dieſe ſeine Arbeit von allen andern bey der deutſchen Nation bisher ſo beliebten Mo - natſchriften, auch von Hrn. Gottſcheds critiſchen Beytraͤgen und den Nachrichten und Anmerkun - gen der deutſchen Geſellſchaft, darinnen vornehm - lich unterſchieden ſeyn werde, daß er ſein Augen - merck mehr auf die Muſter, als auf die Regeln gerichtet habe:

Er ſey nemlich geſonnen, in die - ſer Sammlung allerhand wohlgerathene, klei - ne, fluͤchtige, Stuͤke; ſie moͤgen von einer Materie handeln, von was fuͤr einer ſie wollen, poetiſch oder proſaiſch, und entweder gedruckt oder ungedruckt ſeyn, wenn ſie nur deutſch geſchrieben worden, zuſammen zu tragen. Man werde nichts, was wizig, vernuͤnftig, und tugendhaft iſt, von dieſer Sammlung ausſchlieſſen: Ernſt und Schertz werden darin - nen ohne Unterſchied auftreten; auch die Ga - lanterie werde daran Theil haben.

Wenn aber die Haupt-Abſicht dieſer Monatſchrift vornehm - lich dahin gehet, daß man durch wohl ausgear - beitete Proben kund mache, wieviel der deutſche Witz vermag; ſo wird man keinen bloſſen Ue - berſezungen, ſondern allein den deutſchen Origi - nal-Stuͤken, und aus Gnaden etwann auch ge - ſchickten Nachahmungen noch einen Raum ver -ſtatten,142Nachrichtenſtatten, weil man darzu doch Witz noͤthig hat; da hingegen die Ueberſezungen eine ſchlechte Arbeit ſind, worzu eben kein Witz noͤthig iſt. Zu En - de eines jeden Stuͤcks oder Monats wird man von denen auf der Leipzigiſchen Schaubuͤhne auf - gefuͤhrten Stuͤken jedesmahl eine Nachricht ge - ben, und zwar von den Original-Stuͤken wird man Auszuͤge mittheilen; die uͤberſetzten Stuͤke aber, womit ſich die Deutſchen noch meiſtens behelffen muͤſſen, bloß anzeigen. Der Hr. Ma - giſter hat ſich hierinnen, wie in der ganzen uͤbri - gen Einrichtung ſeiner Monatſchriſt, den franzoͤſi - ſchen Mercur zum Muſter genommen; ausgenom - men daß er die politiſchen Neuigkeiten und die Nachrichten von neuen Buͤchern eigenen dazu ge - wiedmeten Zeitungen und Journalen uͤberlaſſen wird. Er hat ſich ohne Zweifel ein ſo ſchlechtes Muſter mit Fleiſſe zur Nachahmung ausgewaͤhlet, damit er die Vollkommenheit deſſelben deſto leichter erreichen, und in einigen Stuͤken noch uͤbertrefſen koͤnnte: Und ich zweifle keineswegs, er werde durch dieſe Schrift bey der Art Leſer, die ihren feinen Geſchmack an dem Mercure Galant, Mer - cure François, auch Mercure Suiſſe, zu ver - gnuͤgen gewohnt ſind, die Ehre des deutſchen Wi - zes leicht behaupten koͤnnen. Jn welchem Falle der trozige Franzoß mit ſeiner Aufſorderung, nom - mez-moi un Auteur Allemand, qui ait écrit un ouvrage de quelque reputation, zu ſpaͤte kom - men wird. Doch wenn ich meiner Muthmaſſung trauen darf, ſo will mich beduͤnken, daß der Hr. Magiſter dieſes Bekaͤnntniß, daß er ſeine Mo -natſchrift143von gelehrten Schriften. natſchrift bey den Franzoſen abgeſehen, nur in der Jronie abgelegt habe, damit er Gelegenheit bekaͤme, mit dem ungenannten Verfaſſer der Let - tres Germaniques anzubinden. Dieſe geiſtrei - che Herren ſind in der Anwendung dieſer ſpotten - den Figur ſo ſubtil und unbeſtaͤndig, daß man oͤfters nicht recht wiſſen kan, ob ſie im Ernſt re - den, was ſie ſagen: Es waͤre darum wohl zu wuͤnſchen, das man dieſelben verpflichten koͤnnte, daß ſie nach dem Beyſpiel der Mathematiker, (die ihre Saͤze abſonderlich mit ihren Taufnahmen be - nennen und unterſcheiden,) ſo oft ſie dieſe Figur der Jronie brauchen wollen, die Jroniſche Rede allemahl abſonderlich unter ihrem Titel ſezen muͤß - ten, damit unſchuldige Leſer wiſſen koͤnnten, wo die Jronie anfange, und wo ſie endige. Mithin mag meine angegebene Muthmaſſung ſo viel Grund haben, als ſie will, ſo iſt doch dieſes gewiß, daß unſer Hr. Magiſter dieſes Bekaͤnntniß geſchickt an - zuwenden gewußt, den Uebergang zu der Streit - frage von der Erfindungskraft der deutſchen kleinen Geiſter unvermerckt zu machen: Und es iſt eine rechte Luſt zu ſehen, wie er an dem guten Fran - zoſen zum Ritter wird; mit welcher Geſchicklich - keit er ſeine Worte verdrehet, ihm falſche Gedan - ken andichtet, mit welchem Eifer er dieſelbigen widerleget, und dann bald darauf dieſe boshafte Verdrehungen mit dem Recht der Nachahmung entſchuldiget. Wenigſtens iſt die Schlußſtelle Bl. 10. von einem ſo uͤberzeugenden Nachdruck, daß der ungenannte franzoͤſiſche Schriftſteller ſchwerlich was dagegen einzuwenden haben wird:

Waͤren144Nachrichten
Waͤren wir, heißt es, ſo zeitig als andere, auf die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften in unſerer Mutterſprache gerathen: So wuͤrden vielleicht (ein ſchweres Vielleicht) diejenigen izo von uns lernen muͤſſen, welche wir uns zu Muſtern bey Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte vorſtellen.

Auf dieſen Thon muß man wiſſen bey ſeiner Armuth groß zu thun, wie jener Bett - ler, der den Edelmanu zu einer milden Beyſteuer zu vermoͤgen, ihm mit Betheurungen verheiſſen, ſobald er wuͤrde ſchlachten laſſen, wollte er ihm dafuͤr gute Wuͤrſte und Schinken zur Verehrung ſchi - ken. Wo man nicht auf gegenwaͤrtige Verdienſte pochen kan, da muß man ſeine Scientiam me - diam zu Huͤlfe ruffen, und auf das, was unter gantz andern Bedingniſſen und Umſtaͤnden moͤg - lich geweſen waͤre, fein dreiſte großſprechen. Aber meines Beduͤnkens hat es der Hr. Magiſter da - bey noch um etwas verſehen, daß er durch das eingeſchaltete Vielleicht in obiger Stelle noch ei - niges Mißtrauen bliken laͤßt. Woher mag wohl dieſes Mißtrauen bey ihm entſtanden ſeyn? Viel - leicht daher, daß er ſich ſelbſt heimlich erinnerte, wie ſo ſchlechten Fortgang die deutſche Poeſie in einer Zeit von mehr als hundert Jahren ſeit des groſſen Opizen Zeiten gehabt, ſo daß dieſer groſſe Vorgaͤnger, wenn er wieder auf Erden kommen ſollte, ſich der meiſten von ſeinen Nachkindern ſchaͤmen wuͤrde. Weit kuͤhner und gluͤcklicher iſt der Einfall, womit Hr. Schwabe die Schuld des ſchlechten Credits des deutſchen Wizes von den Scribenten abzulehnen und auf die Dumm -heit145von gelehrten Schriften. heit der deutſchen Leſer zu ſchieben weiß, wenn er ſich Bl. 15. alſo vernehmen laͤßt:

Deutſchland iſt von allem Witze und Verſtande ſo leer nicht, als man wohl denket. Allein unter hundert kleinen Schriften werden kaum zehne ſolchen Perſonen bekannt, welche deren Wehrt oder Unwehrt recht zu ſchaͤtzen wiſſen. Es iſt man - ches artige Stuͤke darunter, welches mehr als hundert Perſonen zu Geſichte kommen ſollte, zu - mahl da unter denen hundert Perſonen, die es ſehen, zuweilen nicht dreye ſind, welche die Schoͤnheit deſſelben erkennen, und es des Auf - hebens wuͤrdig achten.

Wer wollte nicht da - her, daß Deutſchland an guten Kennern und Le - ſern ſo arm iſt, den richtigen Schluß ziehen, daß die deutſchen Scribenten hiemit nothwendig geiſt - und ſinn-reiche Koͤpfe ſeyn muͤſſen? Wer dieſe Folge laͤugnen wollte, der wuͤrde eben ſo thoͤricht handeln, als wenn er die Moͤglichkeit der Plane - ten-Einwohner bloß aus dem Grunde nicht zuge - ben wollte, weil er ſie mit ſeinen Augen nicht ſe - hen kan.

Dem Hrn. M. Schwabe hat beliebt, (denn ein jeder Vater hat das Recht ſeine Kinder, die er ſelbſt gezeuget, oder die er an Kindesſtatt an - nimmt, nach Belieben taufen zu laſſen,) dieſe Monatſchrift mit dem Titel: Beluſtigungen des Verſtandes und des Witzes, zu belegen. Wol - let ihr den Grund dieſer Benennung wiſſen, die mit der Abſicht des Verfaſſers eben nicht die naͤch - ſte Uebereinſtimmung hat, ſo kan ich euch aus dem Munde des Hrn. Magiſters berichten, daß[Crit. Sam̃l. III. St.] Ker146Nachrichtener dieſe Monatſchrift vielmehr in Abſicht auf die Form; als in Abſicht auf die Materie und den Jn - halt derſelben, mit dem Titel der Beluſtigungen ausgezieret hat.

Beluſtigungen, ſagt er Bl. 17. muͤſſen keine Arbeiten ſeyn, und nicht ermuͤ - den; und man theilet allhier auch nur ſolche kleine Schriften mit, von denen man dieſes nicht ſagen kan.

Verſteht ſichs, daß ſie als Arbeiten den Leſer ermuͤden werden. Der Schluß iſt gantz richtig: Alles was den Leſer nicht ermuͤ - det, das muß ihn nothwendig beluſtigen; kleine Schriften werden den Leſer nicht ermuͤden, de[r]o - wegen muͤſſen ſie ihn nothwendig beluſtigen. Der Hr. Magiſter gruͤndet auf dieſes die feſte Hoff - nung, daß andere ſich bey deren Durchleſen beluſtigen werden: Sollte aber gleich dieſe Hoff - nung fehlſchlagen, ſo tragen nichts deſto minder dieſe geſammelte kleinen Schriften den Nahmen der Beluſtigungen mit Recht, weil deren Ver - faſſer ſich bey ihrer Verfertigung beluſtiget haben.

Jn einem Schauſpiele werden die Scenen da - durch mit einander verbunden, daß ſelten ei - ne Perſon von der Buͤhne weggehet, bevor ſie den Auftritt einer andern ankommenden Perſon verkuͤndiget hat: Auf dieſelbe Weiſe hat der Hr. Magiſter die Vorrede mit dem folgenden Stuͤke der Sammlung geſchickt zu verbinden gewußt, da er an dem Ende der Vorrede das Jroniſche Schrei - ben an den Herausgeber wegen der Unnuͤtzlich - keit ſeines Vorhabens, welches Bl. 18. die erſte Scene eroͤffnet, verkuͤndiget; nemlich bevor erdieſem147von gelehrten Schriften. dieſem ungenannten Briefſteller, der vielleicht mit Hrn. M. Schwaben in einer Haut ſteket, das Wort uͤberlaͤßt, fuͤhret er mit einer hoͤflichen Mine einen zureichenden Grund an, damit er ſei - nen unvermutheten Abzug entſchuldige, wobey er dennoch Hoffnung machet, daß er etwa mit Gele - genheit wieder zum Vorſchein kommen doͤrfte: Die Stelle iſt an ſich ſelbſt ſo vortrefflich ſinn - geiſt - und wortreich, daß ich mich nicht entbre - chen kan, ſelbige als ein Muſter der deutlichen, reinen und wohlflieſſenden Saͤchſiſchen Schreibart anzufuͤhren, zumahl da ſie wegen ihrer Kuͤrze nicht ermuͤden kan, und alſo nothwendig beluſtigen muß. Sie lautet:

Ein mehrers hat man dem gefaͤlli - gen Leſer izo nicht zu ſagen. Sollte aber kuͤnf - tig noch etwas zu erinnern vorfallen: So wird man Gelegenheit nehmen, ſolches gehoͤrig bey - zubringen.

Nachdem ich alſo meinen Leſern durch eine voll - ſtaͤndige Beſchreibung der kuͤhnen Abſicht, und des groſſen Vorhabens unſers Hr. Magiſters die Zaͤhne lang und das Maul waͤſſernd gemacht, ſo koͤnnen ſie mit Recht von mir erwarten, daß ich ihnen von den ſieghaften Proben des deutſchen Wi - zes und Verſtandes, die in dem Heumomat ent - halten ſind, eine zuverlaͤſſige Nachricht, und ei - nige von den beſten Muſtern vorlege und mittheile: Um ſoviel mehr, als nicht zu zweifeln iſt, daß nicht bey einem ſo reichen Vorrath von Materialien, die Wahl fuͤr das erſte Stuͤk auf die beſten Prob - ſchriften werde gefallen ſeyn; es waͤre denn Sa - che, daß die Hrn. Verfaſſer wie Horatz geſinnetK 2waͤren,148Nachrichtenwaͤren, der von ſich geſtehet: Exfumo dare lu - cem cogito. Jn der Abſicht meine Leſer zu ver - gnuͤgen, will ich demnach die Probſtuͤke, die das Recht der Erſtgeburt erhalten haben, und am be - ſten von der noch ganzen und unerſchoͤpften Kraft des deutſchen Witzes zeugen koͤnnen, unterſuchen, und die merckwuͤrdigſten Stellen, die den benach - barten Franzoſen und einigen ungerathenen Schwei - zern ein rechter Dorn in Augen ſeyn muͤſſen, be - leuchten. Das erſte Stuͤck iſt Bl. 18. das oben erwaͤhnte Schreiben an den Herausgeber, von welchem ich vermuthet habe, daß es aus der Fe - der des Verfaſſers gefloſſen ſey, und daß der Ver - faſſer und der Herausgeber nur in einer Haut ſte - ken. Daſſelbige kan ſtatt einer zweyten Vorrede dienen, in welcher dem Verfaſſer der Lettres germaniques beylaͤuftig mancher Stich, der nicht blutet, verſezet wird. Jn ſeinem Jnhalt iſt es eine ſchimpfliche Satyre wider den ſchlimmen Ge - ſchmack der deutſchen Leſer, auf welchen ſich die Propheceyung dieſes Briefſchreibers gruͤndet, daß dieſe Monatſchrift keine Leſer finden werde, und alſo dieſes Vorhaben unnuͤtzlich ſey. Der Hr. M. Schwabe giebt uns in der Vorrede den Schluͤſſel, die wahre Abſicht dieſes Schreibens zu entdeken, wenn er Bl. 17. davon ſagt:

Man uͤberlaͤßt es der Folge der Zeit, ob dieſe Schrift wuͤrcklich das Schickſal haben werde, welches er ihr prophezeyet.

Er ſagt dieſes mit deſto groͤſſerer Zuverſicht, weil er wohl weiß, daß auſ - ſer denen in dieſem Schreiben angefuͤhrten Gat - tungen ſchlimmer Leſer, es noch eine unzaͤhlbareMenge149von gelehrten Schriften. Menge Leſer von verderbtem Geſchmack giebt, die an froſtigen Witzſpielen und ſeichten Schriften ih - re Beluſtigung ſuchen, und deren Anzahl den Hrn. Breitkopf gewiß ſchadlos halten wird. Jch fin - de in dieſem Schreiben auf der 27ſten Seite eine Stelle, wo der Verfaſſer den liebloſen Franzo - ſen auf eine ſo geiſtreiche und buͤndige Art abwei - ſet und zum Geſpoͤtte machet, daß ich ſie der weit - laͤuftigen Schutzſchrift, die in der Vorrede ent - halten iſt, weit vorziehe. Es heißt:

Der ſinn - reiche Verfaſſer von den Lettres germaniques fordert, daß man ihm nur einen Schoͤpfer un - ter den deutſchen Dichtern zeigen ſolle: Und er kan gewiß ſeyn, daß ſeine Forderung nicht werde erfuͤllet werden, da er ſie an einen Sol - daten richtet, deſſen Unwiſſenheit er kennet.

Wuͤrde er ſeine Forderung an einen Saͤchſiſchen Poeten, deren Anzahl bald ſo groß iſt, als der Flie - gen in den ſchwuͤhlen Sommertagen, gerichtet haben, ſo wuͤrde ihm ein jeder in ſeiner eigenen Perſon einen Schoͤpfer haben zeigen koͤnnen; nur mit dem Unterſchiede, daß dieſelbigen bey ihrer Schoͤpfungs-Arbeit mehr die Haͤnde, als den Kopf abmatten. Damit ich aber meinen Leſern auch ein Muſter von der geſchickten Jronie, die in dieſem Schreiben herrſchet, vor Augen lege; ſo will ich die Stelle, die ſich auf die auswaͤrti - gen Leſer beziehet, und Bl. 26. zu finden iſt, her - ſezen:

Sie verlaſſen ſich vielleicht auf den Bey - fall der Auswaͤrtigen. Jch weis wohl, daß der Leipziger Witz und die Leipziger Lerchen an - derwaͤrts am meiſten gelten. Allein, glaubenK 3 ſie150Nachrichten ſie wohl, daß auch ihr Werck bis an die ent - gegengeſetzten Graͤnzen Deutſchlands komme? von dem Orte an, wo ſich die Elbe ins Meer geußt, bis dahin:
Wo die Lindmat dort das alte Zuͤrich theilet,
Und wo um Nuͤchtlands Haupt die Aar gebogen eilet.
Bilden ſie ſich doch nicht ein, daß ihre Samm - lung von Leipziger Sachen, die ſonſt verloh - ren giengen, wie ſie unlaͤngſt jemand nennen wollte; daß ihre Arbeit ungenannter und unbe - kannter Verfaſſer, die Ehre haben werde, die den Schriften beruͤhmter Maͤnner wiederfaͤhrt.

Jch kan Hrn. M. Schwaben zur Beruhigung ſeines Gewiſſens im Vertrauen verſichern, daß ſeine monatliche Beluſtigungen bey uns in der Schweitz beſſer gebraucht werden koͤnnen, als die Leipziger-Lerchen; allermaſſen dieſe Beluſtigun - gen, wenn ſie noch gantz friſch bey uns ankom - men, wenigſtens nicht ſtinken: Und es giebt bey uns noch eine gute Anzahl Leſer, die ſich am Durch - leſen kleiner Schriften weniger ermuͤden, und folg - lich noch mehr beluſtigen, als an dem Reiche der Todten oder dem Allgemeinen Lexicon, davon uns doch das guͤtige Leipzig einen ſo groſſen Vorrath geliefert hat, daß unſre ſpaͤthen Nachkoͤmmlinge noch Papier uͤbrig haben werden, ihre Kaͤſe und Zieger darein zu paken, die ſie an Fremde ſenden muͤſſen.

Das zweyte St. dieſer Sammlung iſt ein Schreiben der Wahrheit an Se. Hochgraͤfliche Excellentz den Herren von Manteuffel an deſ - ſen Gebuhrtstage den 23. Jul. 1740. Es ſcheint,daß151von gelehrten Schriften. daß auch dieſes poetiſche Schreiben aus der Feder des Hrn. M. Schwaben gefloſſen ſey, allermaſ - ſen er in der Zuſchrift dieſes Heumonats an des Hr. Reichsgrafen Excellentz ſich auf dieſes Schrei - ben ausdruͤcklich beruft; wenn er beylaͤuftig ſagt:

Mein Kiel iſt zu unvermoͤgend, als daß er ei - nen geſchickten Herold von dero preiswuͤrdigen Thaten abgeben koͤnnte. Die Wahrheit hat auch dieſes Amt bereits mit weit gluͤcklicherm Erfolge uͤbernommen, und ich beziehe mich izo auf ihr Schreiben, welches Ew. Excell. in die - ſen Blaͤttern wiederum finden werden.

Es ſtehet Bl. 31. und es ſoll nach der Abſicht des Poeten ein feines Lob, wie es in dem Munde der Wahrheit wohlſtaͤndig iſt, auf dieſen vornehmen Herrn enthalten. Allein es zeigt ſich auch an dieſem Beyſpiele, daß oͤfters die beſten Abſichten und die gluͤcklichſten Erfindungen fehlſchlagen koͤnnen, wenn ſie von einem ſeichten Kopfe aus - gefuͤhrt werden ſollen; und wenn man dieſes vor ein Meiſterſtuͤck des deutſchen Witzes ausgeben wollte, ſo wuͤrde man durch dieſen Ausſpruch die deutſchen Meiſterſtuͤke unendlich vervielfaͤltigen. Doch ich irre, daß ich ihm den Titel eines Mei - ſterſtuͤcks ſtreitig machen will, wenn es anderſt ſeine Richtigkeit hat, daß Hr. M. Schwabe deſ - ſen Verfaſſer iſt, denn Meiſter-Saͤnger koͤnnen nichts als Meiſterſtuͤke zur Welt bringen. Der Anfang dieſes poetiſchen Schreibens lautet:

Du wunderſt dich vielleicht, geprieſner Maͤcenat,
Warum die Wahrheit dir noch nie geſchrieben hat?

Dieſes iſt in dem Munde der Wahrheit ein biß -K 4gen152Nachrichtengen zu frech und boshaft, maſſen dieſe Zeilen alle andern Perſonen, die bisdahin an dieſen vorneh - men Herrn und Reichsgrafen geſchrieben haben, einer leichtſinnigen Schmeicheley, und den Herr Reichsgrafen ſelbſt einer Bloͤdigkeit ſolchen das Ohr zu leihen, offenbar beſtraffen; welches mit der Haupt-Abſicht des Poeten ſich eben ſo wohl reimet, als die Unverſchaͤmtheit mit dem Lobe. Wollte man ſagen, des Poeten Meinung in die - ſen Zeilen ſey nur zu erinnern, daß noch keiner von den andern Lobrednern ihrer Reichsgraͤflichen Ex - cellentz auf die poetiſche Erfindung gefallen ſey, die Wahrheit als eine Perſon redend einzufuͤhren; ſo wuͤrde dieſe Ausflucht ſelbſt ein Zeugniß von ei - ner unzeitigen und ruhmraͤthigen Prahlerey able - gen, und einen ſo matten Sinn an die Hand ge - ben, der von dem Verfolge ſelbſt beſtritten wuͤrde. Auf der 32ſten Seite, wo die Wahrheit ſich er - klaͤrt, was ſie bisanhero abgeſchreckt habe, an ihre Excell. zu ſchreiben, heißt es:

Dieß hat mich, groſſer Graf, bisher noch abgeſchreckt:
Der Staatsmann hatte mir den Wahrheits-Freund verdekt.
Doch hab ich dich geliebt.

Hier macht ſich dieſe Schwaͤbiſche Wahrheit aber - mahl recht unnuͤtze, wann ſie ſich nicht ſcheuet, ei - nem ſo groſſen Manne unter das Angeſicht zu ſa - gen:

Sie, die Wahrheit, habe Jhn zwar fuͤr einen Staatsmann, aber nicht fuͤr einen Freund der Wahrheit erkennt, und doch geliebet.

Dieſe Wahrheit mag wohl ſeliſame Begriffe von einem aͤchten Staatsmanne haben, wenn ſie den Wahrheitsfreund davon trennen kan. Sie wird ihn wohl nach den Regeln des Machiavells abbil -den.153von gelehrten Schriften. den. Der Poet aber hat es wohl ſo boͤſe nicht gemeinet, als er es wuͤrcklich ſagt, maſſen er auf der 33ſten Seite in einem Gegenſaze dergleichen Cha - racter ſelbſt verabſcheuet:

Was iſt doch wohl ein Menſch, dem mein Erkaͤnntniß fehlt?
Ein unvernuͤnftig Thier, das Wahn und Blindheit quaͤlt.
Ein Freund der Tyranney, die alles das verdammt,
Was nicht aus ihrem Sinn, aus ihrer Lehre ſtammt. ꝛc.

Das Verſehen iſt nur dieſes, daß der gute Mann vermeint hat, die Wahrheit koͤnne ſo leicht durch Jrrthum betrogen werden, als er ſelbſt; und daß er ſo bald wieder vergeſſen, daß er ſein Wort der Wahrheit uͤbergeben hat. Die vier ſchoͤnſten Zei - len in dieſem Schreiben ſtehen auf der 35ſten Sei - te, und damit man ſehe, daß es mir nicht ver - drießlich faͤllt, was ſich mir als ſchoͤn anpreiſet, auch alſo vorzuſtellen, ſo will ich ſie zu einem Mu - ſter herſezen:

Wer durch Lehren erſt den Menſchen Menſch ſeyn lehret,
Geht dem gekroͤnten vor, den nur das Schmeicheln ehret;
Und den, wenn ſeine Macht ihn vor der Schande deckt,
Doch innerlich die Furcht vor meinem Urtheil ſchreckt.

Das dritte St. dieſer geiſtreichen Sammlung ent - haͤlt Staats - und gelehrte Zeitungen des Ca - klogalliniſchen Correſpondenten N. I. Anno 1738 und koͤmmt auf der 36ſten Seite vor. Die - ſes ganze Stuͤck, welches mehr als einen halben Bogen anfuͤllet, iſt ein rechtes Muſter von des deutſchen Harlequins Witz, Einfaͤllen und Spra - che, die dem Verfaſſer gelaͤufiger iſt, als die Swiftiſche Schreibart, die er doch mit groſſerK 5Ge -154NachrichtenGeſchicklichkeit ausgedruͤckt zu haben ſcheinen will. O Imitatores ſervum pecus! &c. Welcher Sauertopf will ſich des Lachens erwehren koͤnnen, wenn er Bl. 39. lieſt.

Flanflasnick, den 10. Maͤrtz. Allhier iſt ein Mann von 100. Jahren geſtorben, welcher noch vor 15. Jahren eine Frau von 95. Jahren geheirathet, mit der er Kinder gezeuget haben wuͤrde, wenn ſie nicht beyde ſchon ſo lange die Krone der Ehren getra - gen haͤtten. Jmgleichen hat vorgeſtern ein ſtar - ker Sturm aus Suͤdoſt, in umliegenden Ge - waͤſſern, eine ſolche Ueberſchwemmung verur - ſachet, daß dadurch alle Bruͤken eingeaͤſchert worden ſind. Und Bl. 38. Lugnagg, den 29. Febr. Jhro M. der Koͤnig ſind vorgeſtern mit einem allerhoͤchſten Schnupfen befallen worden, weswegen ſich dieſelben geſtern ein allerunter - thaͤnigſtes Clyſtir ſezen laſſen, ſo auch ſeinen treugehorſamſten Effect gethan. Sonſt iſt hier neulich ein Edict publicirt wor - den, nach welchem verbothen worden iſt, kuͤnf - tighin bey den Mittagsmahlzeiten Lichte anzu - zuͤnden. Dieſer Befehl doͤrfte in fremden Lan - den viel Aufſehens machen.

Man darf nur ein kleines Muͤſterlein von dieſer Schreibart den geiſtreichen Franzoſen verſtaͤndlich machen, ſo wer - den ſie gezwungen erkennen muͤſſen, daß die deut - ſchen von Witz uͤberflieſſen, und rechte Ertzluſtig - macher ſind. Doch es hat ſchon einige unter den Franzoſen, denen die deutſchen geiſtreichen Schrif - ten nicht verſiegelt ſind, die dieſe Wahrheit erken - nen, und davon ein offentliches Zeugniß abgele - get haben: Wie zum Exempel der franzoͤfiſcheOfficier,155von gelehrten Schriften. Officier, der die Lettres germaniques geſchrie - ben hat, in dem Xten Brief Bl. 355. bekennet: Il n’eſt point étonnant de voir ici un Bouffon en titre d’Office. Und an einem andern Orte Bl. 349. En Allemagne un homme d’eſprit & un bouffon, ne ſont qu’une même choſe. Und bald hernach: Il n’y a que les bouffons, qui faſſent fortune dans ce pays. Wenn nach dem eigenen Geſtaͤndniß dieſes Franzoſen ein bouffon und ein homme d’eſprit gleichguͤltig ſind, mit was vor einem Gewiſſen kan derſelbige denn den Deutſchen den Witz abſprechen?

Das vierte St. dieſer Sammlung iſt eine Sap - phiſche Ode von Hrn. Magiſter Th. L. Pit - ſchel an ſeinen Hrn. Bruder D. Friedr. L. Pit - ſchel, von der Unſinnigkeit der Gottes-Veraͤch - ter. Bl. 45. Dieſe Ode iſt wohl geſchrieben, und verdienet, ſowohl in Abſicht auf die Verſe, als die Fluͤſſigkeit der Schreibart, und den Schwung der Gedanken ihr billiges Lob. Nur kan man mit Grund ſagen, daß ſie auſſer der Sapphiſchen Scanſion und dem Reime nicht viel poetiſches an ſich habe; welches Urtheil aber nicht die Ausfuͤh - rung tadelt; ſondern eine andere Abſicht als Hr. Pitſchel gehabt, zum Grund der Ausfuͤhrung er - fodern wuͤrde. Die erſte Strophe lautet:

Jſt es auch moͤglich, daß aus Welt und Sternen
Sehende Menſchen Gott verkennen lernen?
Daß wir den Schoͤpfer unter Kraut und Thieren
Gaͤntzlich verlieren?

Mich will faſt beduͤnken, daß die Sternen dem Reime zu gefallen auf der erſten Zeile erſchienen ſeyn, zumahlen da ſie den Begriff von der Weltnicht156Nachrichtennicht erweitern. Und in der dritten Zeile duͤnken mich Kraut und Thiere nicht zum beſten geweh - let, den Verluſt des Schoͤpfers als unmoͤglich vorzuſtellen; weil Kraut und Thiere nur in einer Nebenabſicht, in ſo ferne ſie als Geſchoͤpfe Got - tes betrachtet werden, zur Betrachtung des Schoͤp - fers fuͤhren, da ſie ſonſt zum Nuzen und Dienſt der Menſchen geſchaffen worden ſind. Wenn man ſich nun dieſe Nebenbetrachtung nicht gegen - waͤrtig machet, ſo iſt der Zuſammenhang und die Schluͤſſigkeit des Gedankens um etwas dunkel und verſteckt. Allein ich beſcheide mich wohl, daß die Deutlichkeit in dieſer Art Verſe dem Zwang der Reime und des Sylbenmaſſes oͤfters nachgeben muß.

Das fuͤnfte St. Bl. 49. hat die Aufſchrift: Der deutſche Dichterkrieg. Erſtes Buch. Es iſt dieſes der Anfang eines kleinen Epiſchen Gedichtes in Proſa, nach dem Muſter des Pul - tes von Boileau, und Taſſons Secchia rapita, welches einen geraubten Waſſer-Eimer, nicht aber, wie Hr. Gottſched in dem fuͤnften Band ſeiner Beytraͤge Bl. 169. und ſeine Schuͤler hier und da behaupten, ein geraubtes Siegel bedeutet. Es verdienet auch dieſer erſte Geſang eine beſondere Betrachtung, die uns vermuthlich in einige Weit - laͤuftigkeiten hineinfuͤhren koͤnnte, dahero ich hier nichts mehrers davon melde.

Das ſechste St. iſt ein Schaͤfergedichte, verfaſſet von Gottl. Benjamin Straube. Es muß Hr. M. Schwabe ſeine vormahligen ver - aͤchtlichen Gedanken von dieſer Art Gedichte ſeit wenig Jahren ſehr geaͤndert haben, daß er dieſesStuͤck157von gelehrten Schriften. Stuͤck unter die Proben des deutſchen Witzes in ſeine Sammlung aufgenommen hat: Denn in dem Jahr 1736. als er die Gottſchediſchen Gedich - te herausgegeben, hat er in der luſtigen Vorrede, womit er dieſe Gedichte anbefehlen wollen, ſehr veraͤchtlich von den Schaͤfergedichten geurtheilet. Er hat geſagt:

Es wird dich nicht wenig Wun - der nehmen, geliebter Leſer! daß du hier den Titel, Schaͤfergedichte, nicht gewahr wirſt. Wundere dich aber daruͤber nicht; du weiſt, daß ein Dichter die Natur zum Vorbilde hat, und nur deren Schoͤnheiten nachzuahmen ſucht. Wo zeigt aber izt die Natur das alte Schaͤfer - leben? Wo herrſcht die Unſchuld, die darin - nen vorkommen ſoll? Wo iſt die guͤldene Frey - heit, die reine Liebe und die tugendhafte Ein - falt, die das Weſen derſelben ſind? Wie kan nun ein Dichter das wieder vorſtellen, was er nirgends mehr erblickt? Gebt uns erſt das al - les wieder, dann wollen wir euch Schaͤferlie - der genug ſingen: Jzt verzeiht es uns nur, daß wir euch mit keinen Hirngeburten unterhalten, denen ihr doch nicht aͤhnlich ſeyn wollt.

Der gute Mann muß damahls noch geglaubt haben, ein Dichter brauche nichts weiter als gute Augen; er doͤrffe die Sachen nicht vorſtellen, wie ſie in andern als den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden ſeyn koͤnnten; ſondern nur wie ſie wircklich ſeyn; die Natur habe alle ihre Kraͤfte gaͤntzlich erſchoͤpft, und alſo ſtehe nichts mehrers in ihrem Vermoͤgen, als was ſich aus ihren Wirkungen erzeiget, d. i. ein Poet ſey kein Dichter, ſondern ein bloſſer Hi - ſtoricus der Natur. Allein wer dieſes Gedichteswelche,158Nachrichtenwelches einen furchtſamen Liebhaber natuͤrlich be - ſchreibet, lieſt, der wird ſichs nicht Wunder neh - men laſſen, daß Hr. M. Schwabe ſeine alten um etwas plumpen Begriffe, bey denen es ihm ſonſt bloß halb Ernſt geweſen, verlaͤugnet hat; zumahlen da das Gedicht, an ſich ſelbſt betrachtet, den Character eines furchtſamen Liebhabers nach der Natur ausdruͤket und beſchreibet: Nur laͤßt ſichs faſt zweifeln, ob dieſer Character fuͤr den ehmahligen Stand der Unſchuld und Freyheit nicht zu weit getrieben ſey, und ob er ſeine genugſame relatife Wahrſcheinlichkeit habe? Sonſt hat der geſchickte Verfaſſer auch ſelbſt in dem Ausdruke und der Mundart den Character ſeines Schaͤfers recht gluͤcklich nachgeahmet. Eine einzige Stelle duͤnckt mich ein wenig zu gekuͤnſtelt; Bl. 70.

Wer weis es, ob auch nicht
Die Furcht, daß ſie mich flieht, ſobald ich mich erklaͤret,
Dem aͤngſtlichen Geſtehn den leichten Ausdruck wehret.
O Kind, ich bin dir gut ich bin dir gar zu gut.
Und weiter kan ich nicht, ich ſeh verſchaͤmt in Hut.

Die Redensart: Die Furcht wehret dem aͤngſt - lichen Geſtehn den leichten Ausdruck, iſt fuͤr dieſen Philander ſchier zu hoch, und das Einſchieb - ſel, daß ſie, ſo bald ich mich erklaͤret, fliehen werde, macht dieſelbe noch um etwas dunkel und verworren. Aber die Anmerkung; ich ſeh ver - ſchaͤmt in Hut, iſt recht mahleriſch.

Das ſiebende St. hat die Aufſchrift: Kurzer Erweis, daß ſich alle Studierende eine hiſto - riſche Erkaͤnntniß von guten Kuͤnſten und Handwerken zuwegebringen muͤſſen. Der ganze Erweis beruhet auf folgenden Sazen:

Al - le159von gelehrten Schriften. le gelehrten Leute muͤſſen Philoſophen ſeyn; we - nigſtens muͤſſen ſie in der Naturlehre keine Fremd - linge ſeyn: Die Kunſt hat mit der Natur ei - nerley Abſichten, und beyde machen die herrli - chen Eigenſchaften Gottes kund: Ergo muͤſſen alle Studierende ſich von Kuͤnſten und Handwer - ken wenigſtens eine hiſtoriſche Erkaͤnntniß zuwe - gebringen.

Es iſt wohl zu bedauren, daß der praͤchtige Nahme eines Erweiſes von einem je - den Schul-Regenten entweihet wird, ſeinem ver - worrenen Gewaͤſche ein Anſehen zu machen. Jn der Ausfuͤhrung dieſer angenommenen Grundſaͤze koͤmmt noch manches vor, welches von demſelben Gelichter iſt: Als, wenn der Verfaſſer bey Anlaß des erſten Grundſazes erweiſet, daß auch die Phi - loſophen Philoſophen ſeyn muͤſſen Bl. 74.

Von den insbeſondere ſogenannten Weltweiſen darf ich nichts erwaͤhnen; weil der Nahme die Sa - che an ſich ſelbſt unmittelbar bezeichnet.

NB. Dieſes iſt Saͤchſiſchdeutſch. Ferner wenn er Bl. 76. folgenden Schluß machet, auf welchen er ſei - nen dritten Grundſatz gebauet hat:

Was die Menſchen durch die von Gott verliehene Kraͤfte zur Nothdurft, Bequemlichkeit, und zu ihrem Vergnuͤgen erfinden, das iſt eine goͤttliche Ab - ſicht. Ergo ſind alle Kuͤnſte und Handwerke Abſichten und Erfindungen Gottes: Wir muͤſ - ſen ſie nicht anders anſehen, als Ausfluͤſſe des goͤttlichen Verſtandes. ꝛc.

Jch wollte nicht gerne ſagen, daß die Kunſt Spiel-Charten zu ma - chen, das Seil-Tanzen ꝛc. in den goͤttlichen Abſich - ten gegruͤndet waͤren, wenn ſie ſchon durch des Men - ſchen Kraͤfte moͤglich ſind, und zu ſeinem Vergnuͤ -gen160Nachrichtengen gebraucht werden. Aber der Verfaſſer mag wohl nicht nachgedacht haben, wie weit dieſer an - genommene Satz fuͤhrt: Alles was durch die menſchlichen Kraͤfte moͤglich iſt, und zu des Menſchen Vergnuͤgen gereichet, iſt der goͤttli - chen Abſicht gemaͤß, ja ein Werck Gottes; ſonſt wuͤrde er ihn wohl nicht zum Grunde ſeines Erwei - ſes geleget haben. Dergleichen Erweiſe wuͤrden ſich beſſer in eine Sammlung von Schuluͤbungen, als unter die Meiſterſtuͤke des deutſchen Verſtan - des und Witzes ſchiken.

Jn dem 6ten und letzten Bogen ſind noch vier kleine Stuͤke enthalten, von denen ich bloß den Titel herſezen will. Das erſte iſt eine Fabel, der Schaͤfer und die Sirene: Wo die Ausbil - dung gluͤcklicher iſt, als die Erfindung. Das zweyte iſt ein Briefwechſel zwiſchen einer Manns - perſon und einem Frauenzimmer, warum man dem ſchoͤnen Geſchlechte nur in einer ar - tigen Kleidung gefaͤllt. Das dritte iſt eine Abbildung der Jugend in vier Strophen. Und das letzte eine Nachricht von denen im vorigen Monate in Leipzig aufgefuͤhrten Schauſpielen, von ꝛc. ꝛc. Ein aufgeweckter, aber dabey etwas leichtſinniger Kopf hat, nachdem er dieſen Auszug geleſen hatte, den Einfall gehabt, dieſe Monat - ſchrift wuͤrde in Abſicht auf die meiſten Stuͤke mit beſſerm Recht den Titel fuͤhren koͤnnen: Die MENSES der deutſchen Muſen zur allgemei - nen Beluſtigung aufgefaſſet von M. Johann Joachim Schwabe.

Das161

Das Complot der herrſchen - den Poeten u. Kunſtrichter.

DAs Papier war ſo wolfeil geworden, und die Preſſen hatten ſich ſo ſtarck vermeh - ret, daß ganz Deutſchland von Schriften uͤber - ſchwemmt ward, worinnen keine Erfindung, kein Nachdruck, kein Affect, keine Ordnung war. [Crit. Samml. III. St.] LDieEin Paar geiſtreiche Graubuͤnder, denen ich dieſe Geſchichte vorgeleſen, haben vermeint, daß ſie ſich in den Charactern und den Reden allzu weit von der Wahr - ſcheinlichkeit entfernte. Einige der beruͤhmteſten deut - ſchen Poeten wuͤrden darinnen vor ſo alberne und dabey boshaftige Leute ausgegeben, daß man das Zeugniß, ſo ſie in ihren Schriften von ſich ſelber ablegeten, gaͤnzlich aus dem Geſichte verloͤhre. Jn ihren eigenen Nach - richten ſagten ſie uns, Deutſchland philoſophirte mehr, als vorhin jemals; die Vernunft ſey unter den Deut - ſchen ſehr gelaͤutert, der wilde Wiz gebaͤndiget, und die ausſchweifende Phantaſie in ihre gebuͤhrende Graͤn -[z]en eingeſchraͤnket worden. Dadurch ſey auch der Ge - ſchmak in den freyen Kuͤnſten um ein vieles verbeſſert worden, und man habe Dinge zu verachten angefan - gen, die man vorhin himmelhoch erhoben haͤtte. Jch haſ - ſe die Falſchheit, in ſo weit daß ich ihr auch in der Fabel ſelbſt keinen Plaz einraͤumen wolte. Jch habe auch meine Cha - racter und alle daraus hergeleitete Reden nach ihren Ori - ginalen der Wahrheit gemaͤß geſchildert, und darf be - haupten, daß ſie nicht nur wahrſcheinlich, ſondern ſo gut als wahr ſeyn. Jch fodere nicht, daß es mir jemand auf mein Wort glaube, denn ich kan es mit hiſtoriſchen Urkun - den beweiſen. Die Nahmen Schottged ꝛc. gehoͤren zwar keinen Perſonen zu, die jemahls gelebt haͤtten, aber die Ge - danken, die ihnen zugeſchrieben werden, ſind wuͤrklich in den Seelen u. Schriften beruͤhmter Jztlebenden vorhanden. Jch ſtamme aus einem Hauſe, in welchem Maͤnner undFrauen162Das ComplotDie Gedanken waren falſch, und der Ausdruk platt. Niemand lief in Gefahr, der etwas druͤ - ken ließ, denn man las ohne Geſchmak, und es war kein Richter in dem Lande, der die poe - tiſchen Uebelthaͤter zur Straffe gezogen haͤtte. Sie bildeten ſich ſehr viel darauf ein. Sie waren uͤberredet, daß ein jeder unter ihnen der groͤſſeſte Dichter ſeiner Zeiten waͤre; und viele hatten ſich durch ihre Schmeichler vor - ſagen laſſen, daß ſie noch etwas mehr als aus allen griechiſchen und roͤmiſchen Poeten zu - ſammengeſchmolzene groſſe Geiſter waͤren. (A)Zielt auf Hrn. Hofr. Weichmanns Lobgedichte auf Hr. Brokes vor dem erſten Th. des irdiſchen Vergn. und auf das Lob, ſo der Hr. von Boͤhlau dem Hrn. D. Tril - ler in ſeinen Jugendfruͤchten bl. 430. beygeleget hat.Sie vergoͤtterten einander wechſelsweiſe, und dieſe heuchleriſche Hoͤflichkeit hatte ſie ſammt - lich eingeſchlaͤfert. Alles was ſie ſangen, mußte recht ſeyn, und die elendeſten Knit - telreime fanden ihre Liebhaber. (B)Seht das erſte B. des Dichterkrieges im Heu - mon. der Beluſtigungen des Verſt. u. des Wizes bl. 51.Wenn man ihnen glaubete, ſo konnten ſie des Ge - ſchmakes nicht verfehlen. Denn ſie ſagten, der Geſchmak waͤre Verſtand, der von dunkeln Sa - chen ohne Erkenntniß nach der bloſſen Empfin -dung(*)Frauen ſich von alters her eine Ehre darinnen geſucht - daß ſie die Wahrheit, ſie moͤgte angenehm oder ver - haßt ſeyn, allen Abſichten der Affecte und des Eigen - nuzens vorgezogen; und ich will kein ſo ungerathenes Kind ſeyn, daß ich unſerm Geſchlecht, zu dem ich mich hier oͤffentlich bekenne, durch gedruͤkte Luͤgen vor der ehrlichen Welt einen Schandfleken anhaͤnge. Henrich Effinger. 163der herrſchenden Poeten. dung urtheilte; wenn er denn zufaͤlliger Weiſe der Wahrheit gemaͤß urtheilete, ſo waͤre es gu - ter Geſchmak, wofern er ſich betroͤge, waͤre es ſchlimmer. (C)Alſo erklaͤret ſich Hr. Prof. Gottſched daruͤber im 9ten §. des dritten Hauptſt. ſeiner Dichtk. bl. 119.Und weil ſie ſich allemal uͤber - redeten, daß ſie gluͤklich geurtheilet haͤtten, ſo ſchrieben ſie ſich allezeit den geſchikten und guten Geſchmak zu. Sie ſezten einen Tax von Lob auf ihre Werke, der mehr als tyranniſch war. Wer ſich weigerte denſelben abzutragen, dem lieſ - ſen ſie nicht fuͤr einen Heller Verſtandes uͤbrig. Wernicke hatte in ſchweren Tagen und unter einer Welt voll Pfuſcher die Rechte der goͤtt - lichen Critik hervorgeſucht und verfochten, aber er ward zur Straffe in die unterirdiſchen Gewoͤl - ber des hamburgiſchen Doms zu Spierings Mak - latur geworffen, wo er des Tageslichts bis auf unſre Zeiten beraubet geweſen. Es ſchien die Goͤttin der Beurtheilungskunſt haͤtte die Deut - ſchen ihren eigenen verkehrten Wegen uͤberlaſſen, und ſuchte ſich keine Ehre von ihrer Urtheilskraft. Doch nach manchem Umlaufe der Jahre und Zeiten erinnerte ſie ſich der Germaniſchen Na - tion und warf ein mitleidiges Auge auf dieſelbe. Es ſchmerzete ſie, daß ungehirnte Koͤpfe ein Recht ausuͤbeten, nicht nur ungetadelt dumm zu ſeyn, ſondern fuͤr ihre Thorhe ten noch Lob und Beyfall einzufodern. Sie beſchloß ihren Nahmen auch in dieſem Lande bekannt zu machen, und ihre gerechten Gerichte uͤber dieſe Stuͤmper zu ſchiken. Sogleich bemerket ſie ſich an der baltiſchen SeeL 2einen164Das Comploteinen durchdringenden und unverzagten Geiſt; der zum Denken Freyheit, und zur Ausbildung der Gedanken Scharfſinnigkeit und Munterkeit fuͤgete. Denſelben unterrichtete ſie, daß er das Recht der Menſchen die Schriften andrer Men - ſchen zu beurtheilen, durch buͤndige Lehrſaͤze be - hauptete, und ſie ſpizete ihm die Einfaͤlle, daß er den Deutſchen einen Geſchmak an der Cri - tik beyzubringen, die kleinen Geiſter in allen Ar - ten von Schriften auf die Hechel ſezete. Er ſtellte ſich insgemeine an, als wann er der geheimeſte Freund der Stuͤmper waͤre, er verſah ihre Gedan - ken mit Wiz und ihre Sprache mit Ordnung, aber zu ihrer lebhafteſten Verſpottung. Die dunkelſten unter denſelben wußte er ſo hoch zu erheben, und die angeſehnſten ſo tief zu erniedrigen, daß ſie auf einen gleichhohen Grad der Vortrefflich - keit zu ſtehen kamen. Er geiſſelte die unbe - kannteſten, wenn es die beruͤhmteſten empfin - den ſolten; Philippi mußte die Schultern dar - ſtrecken, wenn Schottged geſuͤndiget hatte. Die Goͤttin bedekete ihn mit ihrem Schilde, daß er mit offener Bruſt einhergieng, und ihm weder die Macht bloͤder Herren, noch die Scheinheilig - keit dummer Prieſter auf den Leib kommen konn - ten. Neben dieſem kannte ſie an dem andern Ende Deutſchlands unter den freyen und eben darum natuͤrlichen Einwohnern Helvetiens ein Paar Freunde, die ihr von Jugend auf aufge - wartet hatten; auch dieſelben ruͤſtete ſie mit ih - ren Gaben aus, und beſtellte ſie zu ihrem Dien - ſte. Sie befahl ihnen abſonderlich, daß ſie diedeut -165der herrſchenden Poeten. deutſche Welt unterweiſen ſollten, wie ihre Herr - ſchaft nicht auf die willkuͤrlichen Ausſpruͤche eines deſpotiſchen Geſchmakes gegruͤndet waͤre, welche niemand beſtimmen kan, und ein jeder vor un - betruͤglich ausgiebt: Wie dasjenige, was ſie vor ſchoͤn und angenehm anpreiſe, nothwendig ſo waͤre, weil es ſeinen Grund in der Natur des Menſchen haͤtte; wie ſie denn daſſelbe aus ſolcher herleitete, und die Grundregeln der Kunſt auf dieſen Grund auffuͤhrete. Sie folgeten ih - ren Eingebungen, und legten das Schoͤne, das in der Uebereinſtimmung mit dem Gemuͤthe des Menſchen gegruͤndet iſt, zum Grund ihrer cri - tiſchen Regeln. Dieſes entdeketen ſie hernach nicht allein in derjenigen Form, da es ſich durch haͤftige Reizungen empfindlich machet, ſondern ſie giengen ihm auch in denen Faͤllen auf die Spur, wo ſeine Eindruͤke durch die verkehrte Anfuͤh - rung, die Rohigkeit, Dummheit, Boßheit, verhindert, geſchwaͤcht, oder gar verderbt wer - den. Die Goͤttin wollte, daß ſie nach dieſem den Urtheilsſtab in die Hand naͤhmen, und nie - manden ungeſtraft thoͤrigt ſchreiben lieſſen, keine Sammlung von Mißgeburten hirnloſer Saͤnger aus Ober - und Niederſachſen ſollte kuͤnftig ans Licht treten, die nicht fuͤr ihr Gerichte gezogen wuͤrde, auch die Poeten, die doch von andern fuͤr Koͤnige des Helicons ausgeſchrien wuͤrden, ſoll - ten von ihnen vorgefodert werden.

Greibertin und Merbod, alſo hieſſen die bey - den Beamtete der Beurtheilungskunſt, folge - ten den Trieben der Goͤttin in allen Dingen. L 3Nicht166Das ComplotNicht ohne einen gluͤklichen Fortgang. Sie ward bey der Nation bekannt. Man fieng hier und dar an, ſie zu verehren; ihre Geſetze wurden einge - fuͤhret. Man ſchrieb mit Verſtand, nach Plan und Abſicht, und man las mit einem ſichern Ur - theile. Der herrſchende Geſchmak erſchrak dar - uͤber, er ſah ſeinen Untergang vor Augen, wenn er dieſe Bemuͤhungen nicht in ihrem Anfange unterdruͤkete. Alſobald legete er ſeine Sorgen Schottgeden in die Gedanken, ſeinem arbeitſa - men Lieblinge, der vordieſem durch ſeine Ein - gebungen den Unwiz in Kunſtregeln verfaſſet, und die Regeln mit ſeinen eigenen Exempeln er - klaͤrt hatte. Er redete ſo feines Deutſch, daß ſeine Ausdruͤke an Gedanken reich ſchienen, ob ſie gleich nicht eine Unze derſelben in ſich hatten. Alle ſein Wiz war lauter Gluͤk, und keine Frucht der Vergleichung oder Uebereinſtimmung. Wenn er ſeine Reden herſagte, uͤberwelzte er die Wor - te mit einer Geſchwindigkeit, welche ihnen ein ſanftes und flieſſendes Weſen mittheilete, das ih - nen nicht eigen war. (D)On ne peut nier, que les langues graves, com - me l’Allemand, ne doivent être parlées lentement & di - ſtinctement: Cependant les Saxons parlent avec une vo - lubilité qui friſe le begayement; ils ne le font que pour donner à leur langue une douceur qu’elle n’a pas, & qui la defigure. &c. Lettre IX. ſur les Allemans p. 344. Die Worte liefen ſeinem Beduͤrfniß zuvor, und ſtellten ſich in Ver - ſen oder Proſa in Ordnung, mittelſt gewiſſer Springfedern der hochdeutſchen Mechanik, nicht anderſt als die Dreyfuͤſſe des Vulcanus Geiſt undLeben167der herrſchenden Poeten. Leben in ihnen ſelber hatten, und vor ſich ſelbſt zu rennen kamen, wenn Homer ſie zu den Ban - keten der Goͤtter noͤthig hatte. Die Unruhe, in welche ihn der Abgott geſezet hatte, machte ihm eine ſchlafloſe Nacht, er waͤlzte ſich von einer Seite auf die andre, indem er ſich mit tauſend Sorgen ſchlug, wie wenn Perrault einen fetten Laͤmmerbraten bey einem groſſen Feuer beſtaͤndig umwendet, und aus Hunger verlanget, daß er bald moͤgte gahr werden; alſo kehrete Schottged ſich von einer Seite auf die andere voll inner - licher Angſt, und uͤberlegete bey ſich die Gefahr, welche dem herrſchenden Geſchmak uͤber dem Haupt ſchwebete, und die Mittel, wie dieſelbe noch moͤgte abzuwenden ſeyn. Die weiſe Mus - kul lag ihm in einem ruhigen Schlaffe zur Seite. Beyde trieb ſeit vielen Jahren ein Geiſt; ein gleicher Sinn herrſchete in ihren Koͤpfen, und ein langer Umgang hatte ſie faſt ſo vertraut gemachet, als Hercules und Jole, Theage - nes und Chariclea, Medor und Angelica vor Zeiten geweſen. Dieſe geſchikte Freundin be - wunderte ihren Freund, ſo wie dieſer ſie ver - ehrete. Nicht anders, wie die Naturkuͤn - diger lehren, daß nicht nur der Magnet das Eiſen, ſondern auch das Eiſen den Magnet mit einer unſichtbaren Gewalt nach ſich zieht, wenn die Sphaͤren ihrer Wirkſamkeit einan - der beruͤhren; alſo waren auch dieſe beyden verbunden, ſo daß weder ſie ohne ihn, noch er ohne ſie leben konnte. (E)Dieſes alles iſt aus dem Dichterkriege parodiert. DerSie erwacheteL 4von168Das Complotvon ſeinem Winſeln, nahm Theil daran, und fragte ihn um die Urſache deſſelben.

Du wareſt ſonſt nicht gewohnt, ſagte ſie, dich lange mit Nachſinnen zu plagen, woher du neue Gedanken zu einem Gedichte nehmen, oder in was vor Bilder du dieſelben einkleiden, und wie du ſie in ein zuſammenhangendes Gewebe ordnen woll - teſt. Die Verſe kamen dir ohne eine muͤhſa - me Ueberlegung, du durfteſt nicht warten, daß eine von den neun Muſen ſie dir zu Ohren braͤch - te. Es muß ein auſſerordenliches Begegniß ſeyn, was Gedanken bey dir verurſachen kan.

Er gab ihr mit einem ſanſtflieſſenden Seuf - zer zur Antwort.

Freylich ſchrieb ich bisdahin mit aller Gemaͤch - lichkeit. Die Einfaͤlle kamen mir ohne daß ich ſie ſuchte, ohne daß ich ſelbſt wußte, wie ſie ka - men, und woher ſie entſtunden, oder warum ſie da waren, ich fand ſie insgemeine am Schluß - worte der Zeilen. Die Worte paareten ſich mit dem erſten Gedanken, den ſie erhaſchen konnten. Alle Arbeit beſtuhnd in dem Sylbenmaaſſe, dem Abſchnitte, und den Reimen(F)Man hat bisher auͤſſerlich an den Verſen ge - puzt, die Abmeſſung der Sylben richtiger; die Reimen reiner; die Saͤtze klingender; und das ganze Gedichte flieſſender gemacht. Auf die Gedanken und deren Rich - tigkeit hatte niemand geſehen. Hr. M. Schwabe in der Zuſchrift vom Bathos.; und dieſe war noch mit Arbeitſamkeit und Hamans Lexi -con(E)Der geneigte Leſer mag urtheilen, ob das Gleichniß in gegenwaͤrtigem Lichte nicht ungleich bequemer ſey, als in der nachgeahmten Stelle.169der herrſchenden Poeten. con zu uͤberwinden. Auf dieſe Weiſe bracht ich Oden und Geſaͤnge, Satiren, Elegien, und Schaͤfergedichte an den Tag; ich verfertigte Lehr - buͤcher und Kunſtſchriften, in welchen ich den deut - ſchen Poeten die Seyten ſtimmete, ich lobete die, ſo mich verehreten, ich ſchmaͤhete auf die, ſo mich tadelten, ich machte mich denen zum Schreken, die mich nicht liebeten. Aber dieſes ſoll izo ein Ende nehmen. Oder weiſſeſt du nicht, was vor erboß - te Zuchtmeiſter von den beſchneyten Alpen heruntergeſtiegen kommen(G)Mich duͤnkt nicht anders, als ſaͤh ich den er - boßten Critikverfaſſrr mit einem graͤmiſchen Geſichte und der Ruthe in der Hand von ſeinen beſchneyten Alpen heruntergeſtiegen kommen. Hr. Gottſch. im 56ſten Bie - dermann. Er poltert und ſtoͤret in unſern Buͤchern her - um. Ibid. , was vor har - te Geſeze der Erfindung, des Wahrſcheinlichen, des Neuen und Wunderbaren, der Einheit, der verknuͤpften Abſichten ſie dem Verſe aufdringen wollen, ſolche Dinge, die in keinem Woͤrterbuch angetroffen, und in keinem Regiſter aufgeſchlagen werden; ſieheſt du nicht, wie ſie in unſern Buͤ - chern herumpoltern; ſie fuͤhren ihre Cenſuren uͤber Todte u. Lebende. Die Verſtorbenen zwar etwas unparteyiſch zu beurtheilen, das koͤnnte doch einem jeden Critikverſtaͤndigen frey ſte - hen, denn dieſen ſchadet ein freyes Urtheil von ihren Schriften nicht mehr. (H)Die Neuern ſelbſt nach Swiftiſcher Art durch die Muſterung paſſiren zu laſſen, wollte ich zwar beyihremAber die Jztlebenden, die es noch fuͤhlen und empfin -L 5den,170Das Complotden, durch die Muſterung paſſiren zu laſſen, iſt wahrhaftig zu ſcharf. Sie machen ſich eine Pflicht auch die Fehler zu ruͤgen, die ſie in den Schriften ihrer beſten Freunde entdecken. Aber was recht thoͤrigt iſt, ſie loben etwas ſchoͤnes in den Wer - ken eines Menſchen, der ihnen nicht gut iſt, recht herzlich. Mich ſtellet weder mein erlangter Nah - me, noch das Anſehn und Schreken meiner Fe - der, vor ihnen ſicher, daß ſie nicht mit kuͤhnen Augen in meine beruͤhmteſten Gedichte hineinſe - hen, und die Fleken darinnen mit der groͤſſeſten Kaltſinnigkeit wahrnehmen. Das machet mich unruhig, und reibet mir den Schlaf aus den Au - gen. Das ſchlimmſte iſt, daß ſie hier und dar Ge - hoͤr finden. Jch ſehe, wie die Critik ſich ein neu - es Reich in unſerm Reiche ſtiſtet, und dieſes ſeit der Zeit, daß Silcow ihr zuerſt in Deutſchland einen Altar erbauet, und ihr Menſchen, Sie - vers, Rodigaſten, und Philippi, zum Opfer ab - gewuͤrget hat. Wie ſtuͤhnde es mit mir, wenn er mich dieſen beygeſellete? Er hat eben nicht Ur - ſache, mit mir wol zufrieden zu ſeyn. Und wie, wenn Dornhage auf mich loszoͤge, dem es nicht gefallen kan, daß ich ſein Lob mit meines Freun - des Steppo vermiſchet habe? Ein franzoͤſiſcher Pralhans iſt wuͤrklich aufgeſtanden, und hat die Frechheit gehabt, mir und dem ganzen geiſtrei -chen(H)ihrem Leben niemanden anrathen; die Verſtorbenen aber etwas unparteyiſch zu beurtheilen, das muͤßte doch ei - nem jeden Critikverſtaͤndigen frey ſtehen. Dieſen ſcha - det ein freyes Urtheil von ihren Schriften nicht mehr. Hr. Gottſched in ſeinen Gedanken vom Bathos in den Opern. 171der herrſchenden Poeten. chen Deutſchland hohnzuſprechen. Jch bekenne die Schweizer ligen mir hart auf dem Naken, und ich weiß mir nicht zu rathen. Soll ich meine eige - nen Regeln widerruffen, die ich aus meinen Fin - gern herausgeſogen habe; die ſo mechaniſch ſind, daß man weder Kopf noch Geiſt zum ſchreiben noͤthig hat; ſoll ich ſie um andere vertauſchen, die ganz theoretiſch und ſpeculatif ſind, wozu Na - turell, Talent uud Schoͤpfungskraft, erfodert werden?

Seine geſchikte Freundin richtete ihn mit troſt - vollen Worten auf.

Aengſte dich nicht ohne Noth, mein Freund, es iſt noch lange nicht an dem, daß die Deutſchen von den Schweizern werden lernen wollen, wie ſie ſchreiben ſollen. Sie werden es lieber von dir lernen: Sie haben die erſten Eindruͤke ſchon von dir empfangen. Deine Art zu denken, deine Ver - ſtandes - und Einbildungskraͤfte ſtimmen mit ihrer Faͤhigkeit, mit ihren Gemuͤthesgaben, am beſten uͤberein. Es iſt keine ſo leichte Sache, ihnen den Kopf in ein anderes Gelenke zu ſezen. Sie koͤn - nen ſich von dem Ergezen nicht ſo leicht entwoͤh - nen, das ihnen gelaͤuftig iſt. Wer hat mehrere und ſtaͤrkere Proben von ihrer Geduld in Haͤnden, als du ſelber in dem Beyfall findeſt, den ſie deinen Schriften noch taͤglich geben, dieſer iſt dir da - vor gut, daß ſie von den Schweizern noch nicht bekehret worden. Erinnere dich auch, wie du ſie in dem Biedermanne mit einer Fabel und ein paar ſpoͤttiſchen Ausdruͤken zuruͤkgewieſen haſt. Sil - cow haͤtte laͤngſt Anlaß gehabt, dir eines zu ver -ſezen,172Das Complotſezen, wenn er Luſt dazu gehabt, oder ſich dein erinnert haͤtte. Dornhagen zu beguͤtigen, will ich auf mich nehmen. Dem franzoͤſiſchen Groß - ſprecher ſetze Riccoboni entgegen, der ſich um die ganze deutſche Nation ſo verdient gemacht hat, indem er den Franzoſen die bittere Wahrheit ge - ſagt, daß die Deutſchen eben ſo wol und richtig denken koͤnnen, als ſie, welches ihm jedermann wird eingeſtehen muͤſſen, nachdem er es mit deinen Schriften erwieſen hat. (I)Hr. Prof. Gottſched hat dieſes in der Vorr. zum zweyten Th. der deutſchen Schaub. gethan, bl. 26. Daß Riccoboni mir die Ehre gethan, ſagt er, aus meinem ſter - benden Cato einen langen Auszug zu machen, das uͤber - gehe ich billig mit Stillſchweigen; Doch kan ich nicht laͤugnen, daß es mir ſehr lieb geweſen iſt; weil er aus dem allem Gelegenheit genommen, den Franzoſen die bittere Wahrheit zu ſagen, daß die Deutſchen auch ſo wol, und ſo richtig denken koͤnnten als ſie.Endlich kanſt du dich damit ſtaͤrken, daß deine Ehre an die Ehre ſo vieler andern Scribenten gebunden iſt. Du kanſt nicht alleine fallen. Dein Fall wuͤrde hun - dert andrer Fall nach ſich ziehen. Und dieſes fuͤh - ret mich auf den Gedanken, daß wol der beſte Rath ſeyn wuͤrde, wenn du die herrſchenden Poeten Deutſchlandes in einen Synodus zuſam - men beriefeſt, damit ſie gemeinſchaftlich berath - ſchlageten, mit was vor Mitteln ſie die neue Dichtkunſt unterdruͤken, und den herrſchenden Geſchmak beym Anſehen erhalten wollten.

Dieſer Zuſpruch beſaͤnftigte die unſchluͤſſigen Bewegungen in Schottgeds Bruſt; er beſchloß bey ſich, dem Weiberrath zu folgen. So baldder173drr herrſchenden Poeten. der graue Morgen den Tag wiedergebracht, ſetzte er ſorgfaͤltige Mahnungsſchreiben an die vornehmſten Haͤupter der Dichter in den poeti - ſchen Provinzen Deutſchlandes auf; worinnen er die Gefahr, ſo uͤber ihnen ſchwebete, aͤngſt - lich vorſtellete, und ſie bat, daß ſie mit ihm auf Tiberkopfs Parnaſſe in einen Synodus zuſam - mentreten wollten, der an St. Ulrichs Abend in den geheimen Schatten der mitternaͤchtlichen Stunden ſollte gehalten werden. Goͤniken lud er nicht ein, er hielt ihn ſtark im Verdacht, daß er den Schweizern insgeheim guͤnſtig waͤre, weil ſie die Schoͤnheiten ſeines Auguſts im La - ger mit willigerm Herzen gelobet, als deſſelben Fehler getadelt hatten. Goͤnik war in der That mit ihnen nicht uͤbel zufrieden. Er wußte daß man Leute, deren Faͤhigkeit man nur fuͤr mittelmaͤſſig haͤlt, ſchon lobt, wenn ſie ihre Sachen nur nicht ſchlecht machen: Aber von wem man ſich eine groͤſſere Staͤrke vermu - thet, dem nichts ſchenket, bis er vollkommen iſt. (K)Dieſes iſt aus dem fuͤnfzehnten Beytrage genom - men. bl. 487.Sie erſchienen alle an dem anberaum - ten Abend in voller Anzahl. Hundert und mehr Soͤhne des herrſchenden Geſchmaks, und je - der war ein Dichterkoͤnig, jeder war maͤchtig ge - nug die Monarchie ſeines Vaters zu regieren, und der goͤttlichen Critik ſeiner Feindin zu wie - derſtehen. Korbs alleine blieb daheim, weil er den Ruhm, ſo er fuͤr den kleinern Theil ſeines Jrdiſchen Vergnuͤgens empfangen hatte, vor ei -nen174Das Complotnen reichen Erſatz des Tadels hielt, ſo auf den groͤſ - ſern Theil gefallen war. Mit ihnen kam ein ſtar - kes Gefolge von Buchhaͤndlern, Buchdruͤkern, Journaliſten, Zeitungsſchreibern, Kupferſtechern, Holtzſchneidern, und andern Handlangern, die ihnen iu der Verarbeitung ihrer Werke beyge - ſtanden waren, und zu deren Aufnahme eben ſo viel als ſie ſelber beygetragen hatten. Doch wur - den ſie nicht in den groſſen Verſammlungsſaal ein - gelaſſen, ſondern mußten ihren Herren in dem Vor - gemach auf den Dienſt warten. Sie ſezten ſich auf Baͤnke, aber Schottged nahm ſeinen Sitz auf einer Catheder. Der Anblik ſo vieler groſ - ſen Maͤnner, des Ausbundes der Geiſter Deutſch - landes, die ihn theils bewunderten, theils fuͤrch - teten, hatte ihn mit Stolz und Muth erfuͤllet; er eroͤffnete die Urſache dieſer Zuſammenkunft mit folgenden Worten.

Niemand unter euch, herrſchende Poeten, wird mir dieſen hoͤhern Sitz mißgoͤnnen, der be - denket, daß der foͤderſte Rang mich nur zufoͤ - derſt ſtellet, wo die ſpitzigen Pfeile der Critik, die wir in reinem Deutſch Schmaͤhſucht und Zank - luſt heiſſen, von allen Seiten auf mich losgedruͤkt werden. Jch habe dieſen Sitz auch nur darum ſo dreiſt eingenommen, damit ich mit meiner Bruſt die Stiche und Schlaͤge auffienge, die einem an - dern unertraͤglicher ſeyn wuͤrden, welcher nicht ſo gut als ich mit der Unempfindlichkeit, wie mit einem Panzer von dreyfachem Ochſenleder bewap - net waͤre. Bisdahin haben wir unſre Schrif - ten nach Regeln verfertiget, welche wir ſelbſt ge -macht175der herrſchenden Poeten. macht hatten; unſer Gehorſam gegen dieſelben war freywillig, wie der Grund, worauf ſie ge - bauet waren, nur unſre Willkuͤr und freyer un - gebundener Wille war. Der Maßſiab des Schoͤ - nen und Angenehmen lag in unſerer Empfindung, und dieſe ward von unſern eigenen Affecten und keiner anderer Menſchen erweket. Daran hatten wir unſer Vergnuͤgen; wir fanden unſer Gluͤck bey uns ſelbſt, und hatten nicht noͤthig, es an et - was fremdes auſſer uns zu binden. Wir hatten das Lob, den Ruhm, den Beyſall und die Be - wunderung in unſrer Gewalt, und theilten ſie mit freyem Willen denjenigen aus, die uns eben ſo viel davon zuruͤkgaben. Kuͤnftig ſoll dieſes alles aufhoͤren. So ſcheinet es. Denn man will uns eine neue Dichtkunſt, neue Regeln deſſen, was ſchoͤn, angenehm, geiſtreich, neu und wunder - bar heiſſen ſoll, auferlegen. Nach dieſen Geſe - zen will man uns richten, in die wir doch nie - mals gewilligt haben. Man meint ſie zwar da - mit zu behaupten, daß ſie aus der Natur der Menſchen, und der Dinge hergeholet waͤren, und daß ſie ſicher zu dem wahren Endzwek der Poeſie fuͤhrten. Aber was thut es uns, daß ſie aus der Natur des Menſchen hergeleitet wor - den, nachdem ſie nicht aus unſrer Natur her - genommen ſind? Und daß dieſes nicht ſey, giebt uns unſre Abneigung dagegen, gnugſam zu ver - ſtehen. Fuͤr den Endzwek der Poeſie ſind uns unſre Regeln auch gut genug; maſſen wir aus der Erfahrung wiſſen, daß unſre Leſer ſich an denen Schoͤnheiten, die ihren Urſprung unſremfreyen176Das Complotfreyen Willen zu danken haben, beluſtigen, daß ſie in unſern Gedichten finden, was ſie darinnen ſuchen; daher wir zu gleicher Zeit auch unſre Abſicht dabey erreichen, allermaſſen ſie uns fuͤr Lieder, Haͤuſer und Guͤter, Aemter und Wei - ber, geben. Das ſind die Sachen, die izo auf dem Spiel ſtehen, und es iſt um dieſelben ge - ſchehen, wenn wir die Herrſchaft verlieren; wenn wir uns des willkuͤrlichen Urtheiles von dem, was Geſchmak ſey, berauben laſſen; wir muͤſſen dann den Beyfall, den wir bisdahin un - ter uns getheilt hatten, bey andern ſuchen, wel - che nicht geneigt ſind, uns denſelben zu geben, oder doch den theuren Preis darauf ſetzen, daß wir ihn durch die Beobachtung ihrer ſchweren und uns unertraͤglichen Regeln gewinnen muͤſ - ſen. Koͤnnen wir dieſes nicht, ſo werden ſie uns durch ihre critiſchen Ausſpruͤche, alle Schoͤnheit, allen Witz abſprechen. So viel Witzes, Geiſtes, Geſchmakes ſie dann uns wegnehmen eben ſo viel muß ihnen als ein Erb von uns zufallen. Jch kenne euch beſſer als daß ich fuͤrchten ſollte, ihr wuͤrdet euern ungelenkigen Geiſt unter dem Jo - che der Critik biegen koͤnnen; euer Eifer fuͤr den herrſchenden Geſchmak, der vielmehr un - ter eurer, als ihr unter ſeiner Herrſchaft, ſtehet, geſtattet es euch nicht: Und ihr habet noch Mu - thes genug, die Hoheit deſſelben mit des Fein - des oder eurer eigenen Schande zu verſiegeln. Unſre Gegner ſind voll Haſſes und Stoltzes; ſie geben und verlangen kein Quartier. Jhr ſehet und empfindet, wie uͤbel ſie uns ſchon zugerich -tet177der herrſchenden Poeten. tet haben. Tirller mag es ſagen, dem ſie neulich ſo viel Kletten angeworffen haben, daß er damit gantz behangen nach Hauſe gekommen, wie ein muthwilliger Bube /(†)Dieſes ſchoͤne Gleichniß iſt ven dem Urheber des Dichterkrieges erfunden worden, dem ich es aber genom - men, weil er es nicht zu brauchen gewußt hat. der aus Uebermuth im Unkraute herumgelaufen iſt / wo es am dikeſten iſt; die ſorgfaͤltige Mutter rupfet die - ſelben aus den Struͤmpfen und Falten / kan aber in ganzen Stunden nicht damit fertig werden. Das Gluͤck, das ihnen ein wenig guͤn - ſtig geweſen, hat ſie unverſoͤhnlich gemacht, Freund und Feind gelten ihnen gleich, ſie ſchonen weder Lebendige noch Todte. Niemand iſt ausgedun - gen. Welcher von uns ſieht ſeinen Nahmen nicht in ihren beiſſenden Regiſtern; welcher iſt ohne ein paar Ohrfeigen davon gekommen? Jn dieſer an - wachſenden Gefahr laſſet uns vor allen Dingen unſren abſonderlichen kleinen Fehden, womit wir nur uns ſelber durch innerliche Zertheilungen ſchwaͤ - chen, einen Anſtand geben, laſſet es Frieden und Einigkeit unter uns ſeyn, damit wir uns den verderblichen Anſchlaͤgen unſrer gemeinen Feinde mit gemeinſchaftlichem Rath und vereinigter Macht wiederſezen. Wir wollen Lob und Tadel, Eh - re und Schande, Schoͤnheiten und Fehler, mit einander gemein haben. Eines Ruhm ſoll Aller Ruhm, eines Schmach Aller Schmach ſeyn. Wenn einer getroffen wird, ſollen Alle ſchreyen, Alle ſollen den Streich empfinden, und raͤchen. Hierzu wollen wir uns erſtlich mit feyerlichen Cere - monien verbinden, hernach wollen wir Rath halten,[Crit. Sam̃l. III. St.] Mmit178Das Complotmit was vor Mitteln wir dem Feinde am meiſten Abbruch thun, wie wir ihn unterdruͤken, und die mit uns gebohrne Freyheit ungetadelt nach unſrem Kopfe zu ſchreiben behaupten wollen.

Der Vortrag fand ohne Muͤhe bey ihnen Ge - hoͤr. Der Abgott des herrſchenden Geſchmakes, der ungeſehen bey ihnen gegenwaͤrtig war, hatte ihre Gemuͤther gelenket, daß ſie ihm mit allgemei - nem Beyfall beypflichteten. Sie ſchwuren mit maͤchtigen Stimmen bey den unſterblichen Wer - ken derer deutſchen Dichter, vor denen ſich die Poeten Griechenlands und Roms verkriechen muͤſ - ſen, bey den furchtbaren Nahmen Moraths, Stel - pos, und Kirchneus, daß ſie ihren Geſchmack, der allein unbetruͤglich urtheilete, um keinen Er - weis, um keine Vernunftsſchluͤſſe, auch um kei - ne Spoͤtterey der ſatyriſchen Critick aͤndern woll - ten. Wer die Frechheit haͤtte, von ihren herge - brachten Regeln abzuweichen, ſie auf die Probe zu ſezen, oder einen Lehrſatz aus der neuen Dicht - kunſt anzunehmen, derſelbe ſollte als ein Abtruͤn - niger von ihrer Gemeinſchaft ausgeſchloſſen, ſein Nahme aus den Regiſtern der deutſchen Poeten ausgeloͤſchet, und wenn er in ihrem Gebiethe be - treten wuͤrde, Kinzen, Nohren, und Mahanen uͤbergeben werden, daß ſie ihn mit ihren poetiſchen Schellen zu Tode klingelten.

Alſo verbanden ſie ſich, und zur Bezeugung ihrer Vereinigung fielen ſie einander gantz liebreich um den Hals. Es war ſehr erbaulich zu ſehen, wie Schottged Tirllern mit hertzlicher Zuneigung auf die Stirne kuͤßte, und dabey bezeugte, daß er ihn kuͤnftig vor einen Hierarchen in dem Reicheder179der herrſchenden Poeten. der deutſchen Poeſie, und vor ſeines gleichen er - kennen wollte: Dahingegen Tirller ſich eben ſo guͤtig erklaͤrete, daß er nicht ermangeln wollte, Schottgeden in ſeinem naͤchſtfolgenden Wercke vor einen erbaulichen Schriftverfaſſer anzupreiſen, wel - cher das Gluͤcke haͤtte, ſo wie er, vielmehr viele, als nur wenige, zu erbauen, obgleich dieſe nur kluge gelehrte und erfahrne Kenner ſind; jene hingegen meiſt aus mittelmaͤſſigen oder gemeinen Leuten beſtehen. (*)Hr. D. Triller zieht hieraus ſein groͤſtes poetiſches Lob, in der Vorrede zum dritten Th. ſeiner poetiſchen Betrachtung.

Nach dieſer feyerlichen Handlung rief Schott - ged mit erhabener Stimme, wer einen guten Rath zu geben wuͤßte, wie man den ſchweizeri - ſchen Kunſtrichtern am ſicherſten beykommen, und den alten wahren deutſchen Geſchmack vor ihren Anfaͤllen in Ruh und Sicherheit ſezen koͤnnte; moͤg - te das Wort nehmen, doch einer nach dem an - dern, und die kluͤgſten zuerſt. Hekenei ſtuhnd zuerſt auf, der vor dieſem den griechiſchen Longi - nus gelehret, was er durch das Erhabene, wo - von er ein Buch geſchrieben hat, verſtanden ha - be; Schottged hatte ihn vormahls beſchuldiget, daß er auſſer vielen Schmeicheleyen gegen ei - nige noch lebende Dichter, und manchen ver - gaͤllten Cenſuren wider andere, denen ſeine Schutzgoͤtter nicht wohl gewollt, nicht viel deutliches zuwegegebracht haͤtte(L)Seht Hrn. Gottſcheds Dichtk. fuͤr die Deutſchen im eilften Hauptſtuͤcke. §. 22.: Hinge - gen hatte Hekenei Schottgeden vorgeworffen, daß er in der Eintheilung der Schreibart ein Miſch -M 2maſch180Das Complotmaſch gemacht, wovon kein Menſch den Grund zu finden wuͤßte(M)Heineken in der Unterſuchung vom Erhabenen Bl. 319.; ferner, daß er in der Zu - ſammenſezung der Woͤrter dunkel und unverſtaͤnd - lich ſey. (N)Eben daſelbſt Bl. 321.Sie waren daruͤber in eine aͤrgerliche Feindſchaft mit einander gerathen. Jzo hatte der gemeine Feind ſie ſo ſanftmuͤthig gemacht, daß ei - ner dem andern bekennte, er haͤtte recht gehabt. Hekenei fieng dergeſtalt an.

Jſt der richtige Verſtand, den ich in der Be - ſtimmung der Erhabenen, und aller uͤbrigen Schreibarten gewieſen habe, noch nicht von mir gewichen, ſo verſichert er mich izo, daß wir die neuen Kunſtlehrer nur darum zu fuͤrchten haben, weil ſie geſchrieben haben; haͤtten ſie nicht geſchrie - ben, ſo duͤrften wir nicht hier ſitzen, und uns in den Gedanken ſchlagen, wie wir uns bey unſrem alten Anſehen erhalten wollen; wir duͤrften nicht fuͤrchten, daß wir des lange beſeſſenen Rechtes entſezet wuͤrden, das Lob und den Beyfall fuͤr unſ - re Schriften als eine Gebuͤhr zu fodern: Doch thaͤte uns das noch keinen Schaden, daß ſie ge - ſchrieben haben, wofern ſie nur nicht geleſen wuͤr - den.

Der ſchreibt nicht deſſen Zeug kein Menſch zu leſen pflegt.

Nun wird uns nicht unmoͤglich ſeyn zu machen, daß ſie ungeleſen bleiben(*)Hr. D. Triller hat in der Vorrede zum dritten Th. ſeiner poetiſchen Betrachtungen nach eben dergleichenGedan -. Nichts wird ge -leſen,181der herrſchenden Poeten. leſen, was wir nicht anpreiſen, was nicht einen Paßport, ein Empfehlungsſchreiben, einen Al - moſenbrief von uns aufweiſet. Nur durch uns wird die Thuͤre des Lichtes den Schriften aufge - ſchloſſen. Wir wollen denn dieſe ſchweizeriſchen Scribenten in den finſtern Gewoͤlbern der Buch - haͤndler des Tages auf ewig berauben. Wir wol - len ihr Gedaͤchtniß von der Erden vertilgen. Laſ - ſet uns unſren Buchhaͤndlern verkuͤndigen, daß nach gewiſſen zuſammenſtimmenden Zeichen, die von ei - nem Barden vorgeſagt worden, und nicht mehr weit von ihrer Erfuͤllung ſind, die ſchweizeri - ſchen Werke den unſrigen den Untergang dro - hen. Laſſet uns allen denen, die mit unſren Au - gen ſehen, und mit unſrem Kopf verſtehen, mit einem anſtekenden Gifte drohen, wenn ſie dieſe Buͤcher durchblaͤttern. Durch dieſes Mittel ha - ben unſre Vorfahren Wenikern in den Staub da - nieder geleget, welcher ſich mit nicht geringerer Wuth wieder den Geſchmack Holenſteins und Waldmannshofaus aufgelehnet hatte, als Mer - bod und Greibertin ſich wider den unſrigen aufleh - nen. Jhr koͤnnet ihnen keine groͤſſere Straffe thun, als wenn ihr ſie ins Vergeſſen verurtheilt, wie ſie euch zu einem Nahmen verurtheilen wollen. Sie haben ſelbſt geſtanden, ſie wollten lieber ge - tadelt, als mit Stillſchweigen uͤbergangen wer -M 3den.(*)Gedanken geſagt: Ob ſie zwar an ihrem Orte die Macht haben zu ſchreiben und zu ſchelten, wie ſie wollen; ſo hat man doch hingegen hier auch die Freyheit, es nicht an - zuhoͤren oder zu leſen, wie ſolches bisher geſchehen, und auch noch kuͤnftig geſchehen ſoll.182Das Complotden. Es iſt der verdruͤßlichſte Zuſtand fuͤr ſie, wenn niemand ihrer gedenket. Dadurch werdet ihr ihnen das Schreiben zugleich niederlegen, die Spoͤtterey wird bald muͤde, ihren Witz zu ver - ſchwenden, wenn er nicht empfunden wird. Wie unvorſichtig, wie uͤbel errathen waͤre es denn, wenn wir uns mit ihnen ins Schreiben geben wuͤr - den! Unſre Antwort, unſre Rettung, lieſſe ih - nen nur unſre Empfindlichkeit ſehen. Und das iſt das, was ſie vornehmlich ſuchen. Jhr wuͤrdet ihren Schriften damit eine gewiſſe Wuͤrdigkeit beyle - gen, die ſie ohnedies nicht haben, ihr wuͤrdet ſie fuͤr Autores erkennen, die mit euch in einem Rang ſtuͤhnden, und wie die Welt ſtoltz genug iſt, ſo duͤrfte ſie wohl einen richterlichen Spruch zwiſchen euch und ihnen ausfaͤllen, auf den ich es niemahls wollte ankommen laſſen. Handelt darum vorſich - tig, und nehmet eurer Wuͤrde wahr. Jhr ha - bet alles auf dem Spiel, ſie haben nichts darauf ge - ſezet. Jhr alleine koͤnnet dabey verlieren, ſie koͤn - nen nur gewinnen. Was ſie verlieren koͤnnen, ſind nur ungemeſſene Hoffnungen, ſchmeichelnde Anſchlaͤge.

Nachdem er ausgeredet, ſtuhnd Tirller auf dir Fuͤſſe, auf welchen er ſich doch kuͤmmerlich hal - ten konnte. Wie auf Nisrocs Stirne in Mil - tons verlohrnem Paradieſe, nachdem er aus der Schlacht im Himmel, trefflich abgemattet, ſein Kleid uͤbel zerfezet, entronnen war, tiefe Runzeln eingegraben waren, alſo ſtuhnd Tirller mit einer umwoͤlckten Mine, und fieng dergeſtalt an.

Mein183der herrſchenden Poeten.

Mein Gott! wie ſo wohl waͤre es mir bekom - men, wenn ich dieſem Rath gefolget / haͤtte, wenn ich die knarrenden Cenſuren der Schweizer vor ungeſchrieben gehalten haͤtte, wenn ich mit ſtiller Geduld zugeſehen haͤtte, daß ſie etliche Quartan - ten gegen meine Schriften und ein eigenes Buch gegen meine ungluͤcklichen Fabeln herausgegeben haͤtten. Und haͤtte ich nur die Abhandlung von der Aeſopiſchen Fabel vor nicht geſchrieben gehal - ten, ſo haͤtte ich keine Schutzvorrede dagegen auf - geſezet, und dieſe haͤtte meinen Feinden nicht An - laß gegeben, mich auf eine ſo unbarmherzige Wei - ſe zu durchhecheln. Aber ich habe es mit meinen poetiſchen Suͤnden verdienet, warum habe ich die Baͤume bey ihren Seelen ſchwoͤren laſſen, wa - rum habe ich die Maͤuſe einander zu Gevater bit - ten laſſen? Dergleichen Vermiſchung der fleiſch - lichen Dinge mit geiſtlichen verdienete eine ſolche Straffe. Warum wollte ich auch ſcharfſinniger ſeyn, als mich Gott in ſeiner Gnade gemacht hat - te? Jch ſollte ihm gedanket haben, daß er mich mit einer unmaͤſſigen Scharfſinnigkeit nicht geſtrafet, und mit einem durchdringen - den feinen Geſchmake verſchonet hatte. (O)Sind dieſes nun die geſunden, nuͤtzlichen, und einem vernuͤnftigen Manne wohlanſtaͤndige Urtheile, das ſcharfe Saltz, und der gute und auserleſene Geſchmack; ſo hat man billig hohe Urſache, Gott hertzlich zu danken, daß er einen mit einer ſolchen unmaͤſſigen Scharfſinnig - keit nicht geſtraft, und mit einem ſo durchdringenden fei - nen Geſchmake gnaͤdig verſchonet hat. Hr. D. Triller in dem Ergaͤntzungsſtuͤke zu ſeiner Schutzvorrede. Kuͤnſtighin bin ich gewitziget, und kan izo nichtsM 4beſſers184Das Complotbeſſers thun, als euch mit meinem Exempel zu warnen, daß ihr der Schweizer und ihrer Dicht - kunſt mit keinem Worte gedenket, ſie mit keinem Finger anruͤhret, am allerwenigſten euch in die Gedanken aufſteigen laſſet, Schriften mit ihnen zu wechſeln. Ein ſolches weitlaͤuftiges Gewaͤ - ſche von lauter Kleinigkeiten verdienet keine Widerlegung. Unnuͤtze Streitſchriften und unnoͤthige Federkriege, wie gewiß dieſer zu unſrem beſten nicht noͤthig war, ſind kein Werck vor Leute, die ihre ohne dem enge Zeit nuͤtzli - cher anzuwenden gedenken. (P)Eben daſelbſt.Jhr wuͤrdet ſie doch nicht bekehren. Sie ſind unverbeſſerlich, deliberatâ mente ferociunt. Die Gutherzig - keit und das Mitleiden haben ſie gantzlich verlaſſen.

Seine Rede ward mit einem Geſumſe aufge - nommen, welches zu ſagen ſchien, daß ſie Bey - fall bekommen haͤtte. Dieſes fuͤrchtete Waſchbe, ein muthiger Juͤngling, der unlaͤngſt Wenelzen, Morathen, Waldmannshofau, und andre laͤngſt - verſtorbene Fuͤrſten der deutſchen Poeſie in die ſeich - ten Thaͤler des Swiftiſchen Bathos geſtuͤrtzt hat - te. Er haͤtte ihnen auch die Jztlebenden dahin nachgeſandt, wenn er nicht gefuͤrchtet haͤtte, daß dieſe ſich noch vertheidigen koͤnnten. (Q)Annoch lebende Dichter habe ich gar nicht durch - geſuchet, damit es nicht das Anſehen haben moͤgte, als ob man aus einer unzeitigen Begierde zu tadeln etwas an - getaſtet haͤtte, das ſich noch vertheidigen lieſſe. Schwa - be in der Vorrede zu der Ueberſezung des Bathos Bl. XXI. Er hatte nachgehends eine Abhandlung von derM 4Beſchaf -185der herrſchenden Poeten. Beſchaffenheit der verbluͤmten Redensarten, wenn ſie gut ſeyn ſollen(R)Jn der Vorrede zu Hrn. Gottſcheds Gedichten., entworffen, aber ein ungeſtuͤmer Querwind hatte ſie noch vor ih - rer Geburt in den Limbo der Eitelkeit getragen, wo ſie mit Schottgeds Entdekungen der Kunſt - ſtreiche Virgils in der Aeneis(S)Hr. Gottſched hatte dieſes in der Vorrede zu der erſten Herausgabe ſeiner Dichtkunſt verſprochen. im Wirbel herumflatert, bis ein deutſcher Aſtolfo dahin flie - get, ſie mit Kabuchs Leid um ſeinen Muffel da - ſelbſt aufzufangen. Waſchbe ward er in der poe - tiſchen Goͤtterſprache genannt, in der Saͤchſiſchen hieß er Schwabe. Er ſuchte den gefallenen Muth ſeiner Bundsgenoſſen mit dieſen Worten wieder aufzurichten.

Man wird mir nicht uͤbel nehmen koͤnnen, herr - ſchende Dichter, wenn die Hertzhaftigkeit dieſer beyden ſonſt nicht unvernuͤnftigen Leute, die zu ei - nem ſtillen und ſchlaͤgefaulen Leiden rathen, in ein ziemlich ſchlechtes Anſehen bey mir koͤmmt. Man daͤchte, daß die unblutigen Stiche, die Tirller empfangen hat, ihn nicht auf ſeine bloſſen Fabeln, ſondern auf die Haut getroffen, und bis in das Hertz durchgedrungen haͤtten. Sie ent - ſtuhnden doch nur von Worten, und Worte wer - den ohne Wundtranck und Pflaſter mit Worten geheilet, woran wir einen reichen Vorrath ha - ben. Wollen wir den ſchweizeriſchen Tadlern An - laß geben, mit einem groſſen Scheine zu ruͤh - men, daß ſie uns mundtod gemacht haben? Dann wird ſich niemand mehr ſcheuen, auf uns, alsM 5todten186Das Complottodten Hunden herumzuſpringen. Allein ob wir gleich gerne leiden und ſchweigen wollten, ſo iſt es zu ſpaͤ - te. Wir haben ſchon geſchrien, und den Mund nur zu weit aufgethan. Wir haben ſchon durch unſer Winden und Kruͤmmen verrathen, daß wir nicht unempfindlich ſind, die Zeichen unſers ver - wundeten Gemuͤthes ſind in unſern Minen hervor - geſtiegen. Die boͤſe Welt hat es wahrgenom - men, und die Schriften, die uns ſolche Unge - behrden verurſachet haben, begierig aufgeſucht. Al - ſo iſt es umſonſt ihr Gedaͤchtniß zu unterdruken. Jhr Nahme iſt zu weit erſchollen. Wir koͤnnen ihn nicht tilgen: Aber wir koͤnnen ihn wohl auf die Weiſe noch beruͤhmter machen, wie die Nah - men Heroſtratus, Mahometh, Spinoſa, beruͤhmt ſind. Zu dieſem Ende iſt zwar nicht nothwendig, daß wir ihnen Schriften um Schriften, Lehrſaͤze um Lehrſaͤze zuſchiken. Wir haben weder Zeit noch Gelegenheit beſondere Buͤcher wieder ſie zu ſchreiben; Jch insbeſondere brauche mei - ne Haͤnde weiter, als daß ich ſie wegen fremder Thorheiten lahm ſchreiben ſollte. Und ich huͤte mich davor ſo ſehr, als die frommen Buhlſchweſtern des Sonntags vor den Hin - derniſſen des Kirchengehens(T)Seht im Auguſtm. der Beluſtigungen des Verſt. und des Wizes die Anmerkungen zu Hrn. D. Trillers Be - ſchuͤzung Bl. 165.. Die Din - ge, die nicht nach unſrem Kopfe ſind, wiederlegen ſich von ſich ſelbſt. Es iſt ſchon genug, daß wir ihren Vorſatz, von dem Jnnerlichen abgeſondert, in kurzen Anmerkungen anſchwaͤrzen; ſie habenſich187der herrſchenden Poeten. ſich ſchon wieder uns verſuͤndiget, ſie haͤben uns ſchon nach unſrer Ehre gegriffen, als ſie ſich nur in die Gedanken kommen laſſen, in unſren Schrif - ten falſche Begriffe, Plattheit, oder Schwulſt, zu entdeken. Sie verdoppelten die Suͤnde, als ſie die Frechheit gehabt haben, unſre Schande der ganzen Welt zu offenbaren. Und dieſe Suͤn - de, die ſo ſchon ſo verdammlich war, haben ſie dnrch die Art und Umſtaͤnde, womit ſie dieſelbe begleitet haben, noch verdammlicher gemacht. Al - ſo haben wir ſchon Zeuges genug, ihr Gedaͤchtniß ſchwartz zu machen, ohne daß wir noͤthig haben, uns mit ihnen ins Controversſchreiben zu geben; und aus gruͤndlich befeſtigten Grundſaͤzen zu erwei - ſen, das Poſſierliche, das Platte, das Froſtige, das Schwulſtige in unſren Schriften ſey ernſt - lich, geſetzt, lebhaft, erhaben. Jch erkenne auch, daß dergleichen Entſchuldigung uns nicht anſtuͤhnde; es geziemt uns nicht, daß wir uns vor ihren Gerichtesſtuhl, als Beklagte und Uebel - thaͤter ſtellen. Es iſt allemahl mit Schimpfe be - gleitet, wenn man genoͤthiget wird, ſich zu ent - ſchuldigen; und Bezuͤchtigungen finden insgemei - ne Glauben. Nach meinen Begriffen wuͤrde fuͤr uns das Vortraͤglichſte ſeyn, wenn wir unter uns luſtige und aufgeraͤumte Koͤpfe haͤtten, denen es niemahls an muthwilligen Einfaͤllen fehlte, Erweiſe mit Gelaͤchter, und Wahrheiten mit Poſ - ſen zu erwiedern, welche die Geſchicklichkeit be - ſaͤſſen, nicht das Ungereimte allein, das ſchon vor ſich laͤcherlich iſt, und darum nicht erſt darf laͤcherlich gemacht werden, ſondern auch dasjeni -ge,188Das Complotge, was nichts laͤcherliches in ſich ſelber hat, zum Gelaͤchter zu machen. Wahrhaftig ein ſolcher wuͤrde ſich um uns ſehr verdient machen, der Thorheiten ſprechen koͤnnte, welche unſren Geg - nern auf ihre Koſten gerechnet wuͤrden, wenn man glaubte, man lachte uͤber die Unvernunft unſerer Wiederſacher, da man nur uͤber eine ungeſchickte Vorſtellung des Luſtigmachers lachete; der Schimpf und Ernſt, Jronie und Aufrichtigkeit, ſo fein durch einander miſchete, daß man ſie nicht von einander unterſcheiden koͤnnte. Jn dieſer Abſicht wuͤrden Fabeln, Erdichtungen, Allegorien, Gleichniſſe, und Sinnenbilder treffliche Dienſte thun; wofern nur die parteilige Natur, oder unſer nordliches Clima nicht den dummen Deutſchen den erfindſa - men Kopf eines Schoͤpfers verweigert haͤtte. Doch ich rede dieſes nur nach der ironiſchen (*) uns eigenen Weiſe, denn ich kenne einen ſolchen ſcharf - ſinnigen Kopf unter uns, der die ſchertzhafte Art zu denken und zu ſchreiben in ſeiner Ge - walt hat; und der uns die Luſt machen koͤnn - te / zu ſehen, wie er mit einem Wiederſacher / der ihn mit ſchlechten Waffen angreift / her - umſpringen kan. Doch es hat uns dieſe Feder ſolche Luſt noch nicht machen wollen: Jch weis auch nicht fuͤr gewiß zu ſagen / ob und wie bald ſie uns dieſelbe machen wird. Viel - leicht hat die ungeſchliffene Art / womit man ihr begegnet iſt / ſie ſtoltz gemacht / ſo daß ſie ſich in keinen ſo niedrigen Kampf einlaſſen mag; wobey wir aber in der That ein Ver - gnuͤgen verlohren haben. (V)Dieſe troͤſtliche Zuverſicht wird ſchier mit ebendieſen

Nach189der herrſchenden Poeten.

Nach ihm faſſete Schottged das Wort. Er ſtuhnd nicht auf, ſondern blieb in vollem Staat auf ſeinem Stuhle ſizen, weil er redete. Er redete, als einer, der ſeiner Kraͤfte und ſeiner Kunſt ſich wohl bewußt iſt, mit zufriedenen Augen.

Was du am Schluſſe deiner Rede mit ſoviel Rechte foderſt, Waſchbe, was du vonnoͤthen achteſt, unſre Gegner mit Schamroͤthe und Schan - de zu uͤberdeken, iſt ſchon von meinem erſchaffen - den Wize erfunden. Jch will auch unſren Freun - den die Luſt, ſo du ihnen davon verheiſſeſt, nicht vorenthalten. Jch habe Parabeln, Gleichniſſe, Fabeln, und ganze Heldengedichte wuͤrcklich bereit. Verlangt man eine Parabel, die Leichtſinnigkeit der Engellaͤnder zum Gelaͤchter zu machen, wo - mit ſie ſich von Addiſon uͤberreden lieſſen, Miltons Gedichte von dem verl. Paradieſe zu bewundern? (X)Hr. Gottſched hat dieſes auf folgende Art bewerck - ſtelliget: Es kommt mir mit der Englaͤnder Empfindlich - keit fuͤr Miltons Paradies bald ſo vor, wie damit, was Erasmus, wo ich nicht irre, in ſeinen Geſpraͤchen erzaͤhlt, daß ein leichtfertiger Kopf die Gefaͤhrten, ſo mit ihm uͤber Land ritten, beredet ſie ſaͤhen ein Luftzeichen am Himmel. Er ſtellte ſich erſtaunt; er rief, ſie ſollten doch ſehen; er wies mit dem Finger; er beſchrieb, was er ſa - he; er fragte, ob ſie es denn nicht auch ſaͤhen? Er ſchimpf -teSoll ich in einer Fabel beweiſen, daß dieDeut -(*)dieſen Worten in der Vorrede zum ein und zwanzigſten St. der critiſchen Beytraͤge entdeket. (*) Es waͤre gut, wenn dieſe ſcharfſinnigen Scribenten uns allemahl ſo ſorgfaͤltig warneten, wenn ſie in der Jronie reden; denn ſie thun dieſes oͤfters ſo fein, daß man es ohne eine ausdruͤckliche Erinnerung nicht wahrnimmet.190Das ComplotDeutſchen Witz bekommen werden, wenn die Franzoſen den ihrigen werden vergeſſen haben(Y)Dieſes iſt von einem jungen Dichter in der Fa - bel von der Nachtigall und der Wachtel geſchehen; im XXIVſten St. der Beytraͤge. Art. 12. Bl. 521.? Oder ſoll ich in einer ſolchen die ſchweizeriſchen Kunſttadler vor Splitterrichter erklaͤren, die ihre eigenen Balken nicht ſehen(Z)Hr. Gottſched ſelbſt hat dieſes in dem 75ſten Bie - dermanne gethan, durch die Fabel von dem Spottvogel.? Soll ich ſie in einem Gleichniſſe in Corſaren verwandeln, die um guten Wind bitten, ein chriſtliches Kaufmanns - ſchiff einzuholen(A a)Seht den Dichterkrieg Bl. 64.? Oder ſoll ich um etliche Toͤne hoͤher ſteigen; ſo will ich den Habsburgi - ſchen Ottobert nach derſelben Art anpreiſen, wie Addiſon und Merbod das verlohrne Paradies aus - geſtrichen haben(B b)Hr. Gottſched glaubt, Bodmer haͤtte im Ot - tobert, im Wittekind, oder in der Proſerpina eben ſo viel vortreffliches finden koͤnnen, als er im Milton ge - funden hat. Und er nimmt ihm fuͤr uͤbel, daß er es lieber im Milton geſucht hat. Haͤtte er ſeinem Vaterlande, ſagt er, eben den Dienſt thun wollen, den Addiſon dem ſeinigen gethan hat; warum hat er nicht etwa einen Habſpurgiſchen Ottoberr, eine Proſerpina, oder einen Wittekind, oder ſonſt das Gedichte eines alten Schwei -zeri -; ich will einen Krieg deralpini -(X)te ſie endlich fuͤr blind, wofern ſie es nicht erkennen koͤnn - ten. Und ſiehe! endlich ſahen die guten Leute auch, was ſie doch nicht ſahen; erzaͤhlten zu Hauſe groſſe Dinge, und erzaͤhlten es ſo oft, bis ſie ſelbſt endlich glaubten, ſie haͤttens geſehen, und bereit waren, darauf zu ſchwe - ren. Addiſon macht es eben ſo. Jm 4ten Art. des XXIV. Beytr. Bl. 656.191der herrſchenden Poeten. alpiniſchen Rieſen erſinnen, den ſie wieder den oͤſtreichiſchen Jupiter gefuͤhrt haben, da will ich das Ungeheure, das Merboden ſo wohl gefaͤllt, nach dem Leben nachmachen(C c)Eben derſelbe meinet, Bodmer haͤrte ſelbſt ein Milton werden koͤnnen, wenn er uns ein Heldengedich - te von dem Kriege der alpiniſchen Rieſen wieder den oͤſterreichiſchen Jupiter geſungen haͤtte. Da haͤtte er ja, ſagt er, das ungeheure und graͤsliche, das ihm im Mil - ton ſo gefaͤllt, anbringen, Berge auf Berge tragen, und den Himmel beſtuͤrmen koͤnnen. Da haͤtte er die Fabeln und die Bibel, Cyclopen und Titanen unter die Schweizer, und die Teufel unter die Furien mengen koͤnnen; um die Einbildungskraft ſeiner Leſer recht in Erſtaunen zu ſezen. . Doch ich ha - be noch was luſtigers als dieſes alles. Jch habe einen deutſchen Dichterkrieg(D d)Dieſer deutſche Dichterkrieg iſt in dem Heumo - nat der Beluſtigungen des Verſt. und des Wizes enthalten. ausgebruͤtet, wo die Goͤttin der Zweytracht die Geſtalt der goͤttlichen Critick annimmt, Merboden zu hinter - gehen, daß er die Geiſſel in die Hand nehme, die Poeten zu zuͤchtigen, die in Germanien beſchaͤf - tiget ſind, Sylben zu meſſen und Reimen zu paa - ren. Er lißt in Brands Narrenſchiffe, obgleich ſich eine viel ſanftere Muſe bemuͤhete, ihn auf die neuern Schoͤnheiten unſerer Schriften zu lenken. Eris wirfft ihm eine Nater ins Dintenfaß, wel - che ich der Alekto aus dem Kopfe geriſſen habe. Doch(*)zeriſchen Barden hervorgeſucht, und uns daſſelbe eben auf die Art angeprieſen, wie jener es im Zuſchauer mit dem Milton gemachet hat[?]Vielleicht waͤre es ihm ge - lungen, uns davon zu uͤberreden. 192Das ComplotDoch nimmt die gutherzige Muſe ſie auf des Apol - lo Befehl wieder heraus, kan es aber nicht hin - dern, daß ſich etliche Tropfen ihres ſtygiſchen Gif - tes darein gemenget haͤtten. Merbod kan ſich zwar nicht ſo gleich entſchlieſſen, das Reich der Dich - ter von neuem anzutaſten, dieſes hieſſe ein We - ſpen-Neſt ſtoͤren, welches mit tauſend Stacheln gewaffnet iſt. Seine Ruhe ſcheint ihm lieber zu ſeyn, als die Beſſerung der Undanckbaren. Aber Greibertin muntert ihn auf, den Willen der goͤtt - lichen Beurtheilungskunſt auszufuͤhren, und die Ungeheuer eines verfallenen Wizes auszurotten. Jch verwandle Greibertinen in einen Druiden, der die griechiſche Dollmetſchung der Bibel, mit allen ihren Unrichtigkeiten im Kopf hat, und die Sprache der Rabbinen und Maſorethen ohne An - ſtoß redet. Merbod laͤßt ſich von ihm uͤberreden, der Goͤttin zu gehorchen, und auch uns ſelbſt nicht zu ſchonen, die doch von andern fuͤr Koͤnige des He - likons geprieſen werden. Jch verehre ihm zu die - ſem Vorhaben eine Rabenfeder, die ich Swif - ten aus dem linken Fluͤgel gezogen habe. Er giebt uns, ſeinen Bruͤdern, damit heftige und ſchmertz - hafte Stiche, obgleich die ſanfte Muſe nicht von ſeiner Seite wich, und durch gelindere Eingebun - gen ſeine Ausſpruͤche zu verſuͤſſen beſchaͤftiget war. Die gedruckten Papierballen in Relos Buchla - den entſatzten ſich, als ſie dieſes vernahmen, und die ſchwerſten Stoͤſſe poetiſcher Schriften erzitter - ten aus einer aͤngſtlichen Ahnung des Schickſals, welches ſie bedrohete. Aber Relo freuete ſich, daß ſeine Landesleute noch Hertz genug haͤtten, ſichwider193der herrſchenden Poeten. wider unſre Herrſchaft abermal aufzulehnen. Die - ſes iſt nur das magere Gerippe meiner poetiſchen Schoͤpfung, welches ich mit miltoniſchem Rie - ſenwitz, einem praſſelnden Feuer, einer bunt durch einander gewuͤrkten Beleſenheit, einer alpiniſchen Mundart, unerſchoͤpflichen Gleich - niſſen angekleidet u. uͤberzogen habe. Jch ſchmeich - le mir, daß ich die heroiſche Sprache Miltons vollkommen nachgemacht habe, und darinnen be - ſteht die ſcharfſinnigſte Verſpottung in meinem Dichterkriege. Jſt zum Exempel das nicht gut Mil - toniſch geredet, wenn Merbods patriotiſcher Eifer ſich uͤber uns ſinnarme Wortkraͤmer aͤngſter, und wuͤnſchet, daß ein helvetiſcher Geiſt, mit ſeinen centnerſchweren Einfaͤllen, die leichten Sylben unſrer Gedichte ſchwaͤn - gern, und ſie von unergruͤndlichem Witze traͤchtig machen moͤgte[?]Dieſes einzige Spott - gedichte ſoll ein[e] zulaͤngliche Antwort auf alle die Unterſuchungen und Betrachtungen in ſich ent - halten, auf welche Greibertin und Merbod die Lehrſaͤze und Entdekungen gruͤnden, welche wider unſre ſymboliſchen Buͤcher und ſelbſterwehlte Re - geln, die ſo leicht und gemaͤchlich und doch ſo fruchtbar an Ruhme ſind, ſo grob anſtoſſen. Es ſoll nicht noͤthig ſeyn, das zweyte Vuch zu dem erſten zu verſertigen; ſo ſehr hat mich bey die - ſem die zehnte Muſe unſerer Zeiten beguͤnſtiget, ob ich ſie gleich nicht angeruffen habe, die kuͤnſt - liche Circe / die aus unwiſſenden Koͤpfen groſ - ſe Dichter und aus magern Reimregiſtern nie - mals verſiegende Hippokrenen macht; ja Knit -[Crit. Sam̃l. III. St.] Ntelverſe194Das Complottelverſe in Heldenlieder / und Pritſch meiſterzo - ten in Scherzgedichte verwandelt; die guther - zige Mutter /(E e)An dieſe iſt die Anruffung vor dem Dichterkrie - ge nicht gerichtet, ſondern an etliche andere, insbeſon - dere an diejenige, welche Buttlern bey Verfertigung des Hudibras beygeſtanden war. Dieſes war eine Muſe, die Wythers, Pryn, und Vicars mit ſaurem Biere be - geiſtert, und ſie der Natur und ihrem Geburtsſtern zu Trutze zum Verſemachen gezwungen; die nichts anders, als die Sucht iſt, ſein Bild mit Lorbeerblaͤttern, und ſchlimmen Reimen darunter, vor dem Buche geheftet zu ſehen ꝛc. die ſo viel armſelige Buchdruͤ - ker ernaͤhrt / indem ihre im Schreiben und Sin - gen unermuͤdete Soͤhne ihre Preſſen beſchaͤff - tigen; geſezt daß ſie in Ermangelung groͤſſe - rer Helden nur Schneider und Kraͤmer beſin - gen muͤſſen.

Er ſchwieg. Einige lobeten den erfindungsrei - chen Kopf, und ſtraften den boshaften Franzo - ſen der Luͤgen, der den Deutſchen die Schoͤ - pfungskraft abgeſprochen hatte. Andere bewun - derten die Kunſt Schottgedens, eine Erweiskraft in Fabeln und Erdichtungen zu legen. Er ſog das ſuͤſſe Gift ihres Lobes mit langen Zuͤgen in ſich, als Werzaſch winkete, daß er Gehoͤr ver - langte. Ein frecherer Kopf fand ſich nicht in dem gantzen Heere der herrſchenden Poeten; er getraute ſich auch die Fehler zu verbeſſern, wel - che Virgil nicht harte verbeſſern koͤnnen, weil er von dem Tode uͤbereilet woͤrden. (F f)Bey der praͤchtigen Beſchreibung des Jupiters(Di -Sei - nen Schriften konnte der ſcharfſichtigſte Ariſtar -chus195der herrſchenden Poeten. chus kein Verſehen abgewinnen, denn er hatte ſich bedinget, daß man ſie beurtheilen ſollte, nicht wie ſie aus der Preſſe gekommen, ſondern wie ſie bey Hauſe auf ſeinen Papieren ſtuͤhn - den. (G g)Hr. Schwarze beklaget ſich in der eben ange - zogenen Stelle, daß ſein Gegner die Verſe beurtheilte, wie ſie in den Beytraͤgen, nicht, wie ſie auf ſeinem Pa - pier ſtuͤhnden.Er gab ſeinen Rath folgendermaſ - ſen.

Das alles iſt ſehr gut, herrſchende Poeten und Kunſtlehrer, es iſt tuͤchtig uns in der Hoheit, die wir in dem poetiſchen Reiche beſitzen, zu erhal - ten: Doch koͤnnen wir nach meinem Beduͤnken noch etwas mehrers thun. Jhr habet ſelbſt wahr - genommen, daß die Schriften unſrer Widerſa - cher nicht bloß ſtechend, beiſſend und ſtachligt ſind; ſie ſind groſſentheils dogmatiſch, lehrend undN 2ſchlieſ -(F f)(Divum pater atque hominum Rex,) halte ich dafuͤr, daß Virgil hertzlich gerne das Wort Jupiter geſetzet haͤtte, wenn es nur alſobald in dem Verſe angegangen waͤre. Denn wer wird wol dafuͤr halten; Virgil habe alle Wor - te mit Fleiß und groſſem Bedachte hingeſchrieben, und in einem jeden eine beſondere Schoͤnheit geſuchet? Hat er denn nicht das gantze Werk verbrennen wollen, weil er ſolches wegen Uebereilung des Todes nicht hat verbeſ - ſern koͤnnen? Hr. Schwartze in der Vertheidigung des Verſuches einer Ueberſetzung Virgils. XXI. Beytr. 4. Art. bl. 77. Eben daſelbſt ſagt Hr. Schwarze: Jch bin ein eifriger Verehrer unſers Marons, aber ich bethe ihn des wegen nicht als einen Gott an, der nicht fehlen koͤnnte. Das Wort Pius hat ſich gar zu gut zu ſeinem Aeneas in den Vers geſchikt, darum hat er ſolches bis - weilen auch an ſolchen Orten gebraucht, wo es mehr ei - nen Fehler als eine Schoͤnheit ausmachet.196Das Complotſchlieſſend; da werden Grundwahrheiten voraus - geſezet, und Lehrſaͤtze darauf gepflanzet, die her - nach weiter ausgebreitet werden. Mit dieſer Ar - beit wird insgemein der foͤrdere Theil eines Ab - ſchnittes von ihnen angefuͤllt. Nun moͤgen wir gleich ihre Perſonen, ihr Vorhaben, ihre Faͤ - higkeiten, ihre Gemuͤthsneigungen und Abſichten, verhaßt und zum Gelaͤchter machen, ſo ſind doch unſre Landesleute ſo philoſophiſch geworden, daß wir ihnen nicht werden verwehren koͤnnen, uͤber dieſes critiſchpoetiſche Lehrgebaͤude zu denken. Darum daͤucht mich lediglich nothwendig, daß wir daſſelbe verdaͤchtig machen, untergraben, und auf den Kopf ſtellen. Das ſoll nun die Arbeit ſeyn, an die ich mich wagen will. Wenn mich gewiſſe Wahrſcheinlichkeiten nicht betriegen, die mir ein groſſes Vertrauen auf meine Ge - ſchiklichkeit machen, ſoll es mir nicht uͤbel feh - len. Wir wiſſen aus der Erfahrung, daß unſre Schriften beluſtigen, welches uns zeigt, daß ſie mit der Natur des Menſchen uͤbereinſtim - men, denn man wird unſre Leſer, die ihr Ver - gnuͤgen daran finden, doch auch fuͤr Menſchen erkennen. Nun ſind ſie auf gantz andre Lehrſaͤtze und Grundregeln gegruͤndet, als die Zuͤrchiſchen Kunſtlehrer aufzubauen bemuͤhet ſind. Hieraus flieſſet nothwendig, daß die Kunſtregeln dieſer lez - tern auf einem falſchen Grunde beruhen. Wir haben unſre eigenen Empfindungen, unſre be - ſondere Eindruͤke, einen Geſchmak und Geſchma - keswerkzeuge fuͤr uns; von dieſen lernen wir daß unſre Gedichte vortrefflich, ſchoͤn, erhaben, ſeyn. Die197der herrſchenden Poeten. Die Schweizer ſagen nein dazu, weil ſie dieſes nicht empfinden. Wollen ſie denn, daß wir ih - rem Fuͤhlen und Empfinden mehr als unſrem ei - genen glauben ſollen. Warum verlangen ſie von uns nicht auch, daß wir nicht mehr dasjenige vor ſuͤß, oder ſauer, oder bitter halten, was unſere Zunge uns ſo zu empfinden giebt, ſondern das, was ſie uns davor zu halten befehlen? Jch will ihnen ihren Geſchmak und ihre Einſichten goͤnnen, welches wahrhaftig ſchier zu viel ein - geraͤumet iſt, aber dann ſeh ich auch nicht, woher ſie ſich ein Recht anmaſſen koͤnnen, ihre Meinungen auch uns aufzudringen. (H h)Man goͤnnet einem jeden ſeinen Geſchmak, und ſeine Einſicht; ſieht aber hingegen auch nicht, wo - her man ſich ein Recht anmaſſen koͤnne, ſeine Meinung auch andren aufzudringen. Doch was brauchet es viel, ſich gegen einen Rich - ter zu verantworten, dem die Beurtheilung dieſer Sache nicht zuſteht? Es hat uns gefallen, die Unterſuchung, ſo wie ſie war, einzuruͤken. Was hat man dawider zu ſagen? Steht jemand das darinnen gefaͤllte Urtheil nicht an, ſo ſteht es ihm frey, ein anders davon zu faͤllen, und alles dasjenige zu loben, was hier geta - delt worden. Vorrede zum XXI. Beytr. Man wird mich ſpaͤte uͤberreden, daß alles, was ſie ſchreiben, lauter Orakel ſeyn; daß ihnen die Unfehlba keit und Unbetruͤglichkeit zugetheilt ſey. Sie w[e]rden wenigſtens hier oder da ihre Schwaͤ - chen, ihre Maͤngel, ihre Fehler haben. Jhr beeistes Vaterland verheißt uns nichts vollkom - menes, nichts reifes, die Muſen ſind daſelbſt neu und fremde. Haben ſie ſchwache Theile,N 3wie198Das Complotwie ich denn hoffen darf, ſo werden ſich ſolche noch wol ausfinden laſſen. Uberdies moͤgte ich wiſſen, ob dieſe ſpitzfuͤndigen Gruͤbler in Homers, Virgils, Miltons, Opizens Kopfe geſeſſen ſeyn, als ſie ihre Gedichte geſchrieben haben? Haben ſie die Seelen dieſer Dichter geſehen, wie ſie ihre Ge - danken, Vorſtellungen, Einfaͤlle verarbeitet ha - ben? Man ſollte es ſchier glauben; mit ſolcher Gewißheit wiſſen ſie uns von dem Urſprung, der Geburt, dem Anwachſe eines jeden abſonderli - chen Gedankens in der Jlias, der Odyſſea, und der Eneis Nachrichten zu geben. Es ſcheint daß dieſe Gedichte von ihnen vor ein mechaniſches Uhrwerk angeſehen werden, wo die Gedanken dem Geiſt nicht kraft ſeiner Natur ohne ſeinen Beytrag eingefallen, ſondern wie die Raͤder und Springfedern geſchmiedet, und in einander ge - ſtoſſen worden. Jch traue die Allwiſſenheit nie - manden zu / daß er es werde wiſſen koͤnnen, wie der Poet auf dieſen oder jenen Gedanken kommen koͤnnen / oder muͤſſen / da er es oft ſelbſt nicht weis. (I i)Sehet meine Saͤchſiſche Correſpondenz vom 30ſten Octob. 1739.Jch muß derer lachen / die glauben, daß Virgil alle Worte mit Fleiß und groſſem Bedacht hingeſchrieben / und in einem jeden eine beſondere Schoͤnheit geſucht habe. (K k)Sehet oben die Note F f bl. 195.Jhr ſehet, daß ich Stofs genug vor mir habe, Scrupel einzuſtreuen, und Zwei - fel und Mißtrauen zu erweken, welches ſchon genug iſt, die Lehrſaͤze der Schweizeriſchen Kunſt -hof -199der herrſchenden Poeten. hofmeiſter zu untergraben, und verdaͤchtig zu machen. Bey vielen ſeichten Gemuͤthern muß eben dieſes ſie gar vernichten. Denn wer muß zulezte in dieſen zweifelhaften Dingen den Entſcheid ge - ben? Es iſt kein anders Mittel, ſie zu entſchei - den, als durch die mehrere Stimmen. Dieſe haben wir richtig auf unſrer Partey. Es ſind zehen Leute, die unſren Geſchmak, unſre Em - pfindung fuͤr die wahre halten, gegen einen, der mit den Schweizern ſtimmt. Was zehen ſagen iſt ohne Zweifel zehnmahl gruͤndlicher, als was ei - ner ſagt, denn es erhaͤlt in eines jeden Mun - de einen neuen Grad der Wahrheit. Dazu koͤmmt izo noch das Anſehen und die Wuͤrde derer Leu - te, die auf unſrer Seite ſtehen. Staatsmini - ſter, Rathsherren, Freyherren, Conſiſto rialraͤ - the, Aebte, halten es mit uns. Dieſes giebt unſren Lehrſaͤtzen abermahl einen hoͤhern Grad der Wahrheit, deſſen der gruͤndlichſte Erweis, wenn ihm das Anſehn fehlt, beraubet iſt.

Werzaſch ſchwieg, oder ward nicht mehr ver - nommen, denn es erhub ſich ein brauſendes Zu - ruffen, und ſtarkes Haͤndeklatſchen der herrſchen - den Poeten und Kunſtrichter. Es war ein hei - ſernes Getoͤſe, wie dasjenige, das Lucanus ge - hoͤret, als er vermeint, es haͤtte unter dem Bo - den gedonnert. Als es ein wenig ſtiller gewor - den, erhub Mannweich die Stimme, und ver - ſprach Werzaſchen großmuͤthig, daß er ihm zur Erleichterung ſeiner Arbeit gewiſſe von ihm er - fundene mechaniſch-magiſche Geheimniſſe mitthei - len wollte; mit Nahmen ein Wetterglas desN 4Ver -200Das ComplotVerſtands, eine philoſophiſche Sakuhr, ein Pekad Enoſch, ein himmelblaues Waſſer aus China, ein japoneſiſches Kraͤuterkuͤſſen. Er ruͤhmte, daß ſie ihm ſelbſt bey Verfertigung ſei - ner patriotiſchen Blaͤtter ſo gute Dienſte gethan haͤtten, daß er weiter keiner Vernunft oder Ue - berlegung beduͤrft haͤtte; und verſicherte, daß man mittelſt derſelben ohne Vernunft vernunftmaͤſſig handeln koͤnnte. Jezo zweifelten ſie nicht laͤnger an dem Untergange der Schweizeriſchen Kunſt - ſchriften. Sie begluͤkwuͤnſchten einander deß - wegen mit der aufrichtigſten Schmeicheley, ihr Muth wuchs, und der Stoltz kehrete in ihr Hertz zuruͤke. Henak alleine ſchien noch unzufrieden. Es verdroß ihn, daß dieſes alles nur durch die Kunſt der Pleiſſe vollfuͤhrt werden ſollte. Die - ſer hatte vordem ſeine eigenen Gedichte mit An - haͤngung einiger von Kirchneues vortheilhaf - ter anzuwerden gewußt(*)Sehet Neukirchs Vorrede zum erſten Theile ſei - ner Ueberſetzung des Telemachs.; hernach den bil - ligen Unwillen, den Kirchneu deswegen empfan - gen, zu mildern, ihn uͤber alle geweſenen und noch lebenden Poeten hinaufgeſezt. Er hatte des Herren Grafens von Spork in einigen Schriften ruhmwuͤrdig gedacht, wobey er erinnert, daß er dazu genugſame Urſache haͤtte / weil dieſer tugendhafte Herr ſeines wenigen Lobes nicht beduͤrfte. Jukner ein geſchikter Kopf, den die Critik kannte, und ſchon in ſeiner Jugend lie - bete, hatte die Muͤhe genommen, ſeine poetiſchen Raritaͤten-Kammern, Schraͤnke, und Schub -kaſten201der herrſchenden Poeten. kaſten auszuſtaͤuben, welches aber Henak ſo uͤbel empſunden, daß er es ihm durch die Machtſtimme des weltlichen Richters verbieten laſſen. Er ſtuhnd auf, und ſprach mit einem wolbeobachteten Nu - merus: Jſt es ſchon ſo weit gekommen, daß man dem gelehrten Herrn von Holenſtein, und dem beruͤhmten Herrn Kirchneu, ungeachtet der erſtere bey Kennern wahrer Gelehrſamkeit einen allgemeinen Beyfall und unſterblichen Ruhm er - worben, der andere aber unter allen geweſenen und noch lebenden Poeten keinen ſeines gleichen ge - funden, in oͤffentlichen Schriften viele Fehler bey - zumeſſen, und ihnen andere Leute, welche vielleicht noch nicht unter die Deos medioximos gehoͤren, vorzuziehen weis, ſo ſtelle ich mir das Prognoſti - con, daß man mit mir nicht ſaͤuberlicher verfah - ren, ſondern(*)Dieſes iſt von Wort zu Wort aus Hrn. Han - kens Vorrede zu ſeinen Gedichten genommen. Allein er konnte den kraus - verflochtenen Periodus nicht vollenden, denn ſiehe ein Cimmeriſcher Nebel erfuͤllte den ganzen Saal ploͤzlich, welcher ſich nach und nach in der Mit - ten deſſelben in eine Wolke ſammelte, und ei - nen Thron von etlichen erhabenen Stafeln for - mierte. Ein blauer Dunſt ſtuhnd uͤber demſel - ben, woraus augenbliklich eine lange, ſchwere, fette und gravitetiſche Geſtalt mit kuͤpfernen Au - gen, einer zweydeutigen Mine, und einem bunt - ſchekigten Gewand an das Licht hervorſtieg. Sie erkannten ſtraks ihren Abgott und Vater, den herrſchenden Geſchmak; ein jeder ſah ſein eige - nes Bildniß in ihm ausgedruͤkt. Auch of -N 5fenbarte202Das Complotfenbarte ihn ſein Wapen, das er auf dem linken Ermel in einem heraldiſchen Schildlein angehef - tet hatte. Es war ein ſitzender Baͤr, der an der Tatze ſog. Sie ſtuhnden ehrerbiehtig vor ihm auf, und neigeten ſich bis zur Erden. Er ſaß auf dem Stuhl mit Majeſtaͤt umwoͤlkt, der An - tichriſt des Wizes. Dreymahl ſchneuzte er ſich, uud raͤuſperte ſich dreymahl, worauf er den Mund aufthat,

Und wie man ſagt und glaubt, hat er alſo geſprochen. (L l)Eine beruͤhmte Zeile aus Herr Neukirchs Ueber - ſezung des Telemachs, welche von dem Verfaſſer der Lettres Germaniques unter einer Menge ihres gleichen angezogen worden. Telemach faͤngt damit die Erzeh - lung ſeiner Begebenheiten an, um welche Calypſo ihn erſucht hatte. Ah que cela eſt joli, ſagt der eben er - waͤhnte Franzoſe dazu, j’y trouve un air bouffon qui me ravit!

Der Schuzgeiſt des herrſchenden Geſchmaks koͤmmt zu ſeinen Soͤhnen und Getreuen in koͤr - perlicher Geſtalt mit menſchlichen Gliedmaſſen ver - ſehen, und mit irdiſchen Kleidern umhaͤngt. Jch bin zwar beſtaͤndig bey euch gegenwaͤrtig, wie - wol ungeſehen, ihr moͤget in einem Synodus verſammelt ſeyn, euch von den Angelegenheiten unſers Staats zu unterreden, oder einzel in eu - ren Studierſtuben ſitzen, ein neugebohrnes Phoͤ - bus plaudern, oder halbausgebruͤtete Grillen in geſchikten Reimenkuppeln auf poetiſchen Fuͤſſen kriechen zu leren. Jch bin es, der euch die Ein - faͤlle zuſchiket, welche euch oͤfters kommen, ohne daß ihr wiſſet, woher und warum. Wenn ihrApollo203der herrſchenden Poeten. Apollo und die neun Muſen um Beyſtand an - ruffet, ſo erhoͤre ich eure Bitte. Aber dieſe groſ - ſe Berathſchlagung erfoderte meine ſichtbare Ge - genwart unter euch. Es war billig, daß ich euch durch das hertzſtaͤrkende Anſchauen meines Ange - ſichtes beſeeligte. Noch mehr war es noͤthig, daß ich in dieſen boͤſen und treuloſen Umſtaͤnden euch ἀπὸ μηχανῆς beyſtuͤhnde. Denn ich kan euch nicht bergen, (es waͤre uns zu ſchaͤdlich, wenn wir es vor uns ſelber verbergen wollten,) daß wir mit ſpitzfuͤndigen Maͤnnern zu thun haben, derer Ur - theile und Lehren einen groſſen Schein mit ſich fuͤhren, dermaſſen, daß ich ſelbſt im Zweifel ſtehe, ob ſie nicht auf einem guten Grunde beruhen. Zu geſchweigen daß ſie mit allerley Liſt, mit Ver - nunftsraͤnken und Kunſtgriffen wol verſehen ſind, welche ſie zu ihrem beſten Vortheil anzubringen wiſſen. Jch ſehe darum mit Luſt und Vergnuͤ - gen, daß es euch an hartnaͤkigem Muthe, an ho - her Einbildung, und an blindem Eifer nicht fehlet, euch dagegen zu ſetzen; und ich merke wol, daß es noͤthiger iſt euch zu hinterhalten, als anzuſpornen. Denn dieſe hohen Regungen koͤnnen mehr Scha - den als Nuzen bringen, wenn ſie nicht gemaͤſſiget werden. Der Stolz muß uns nicht verfuͤhren, daß wir die gemeinſten und leichteſten Mittel, die uns zu dem Zweke fuͤhren, gegen denjenigen ver - achten, die zwar ſchwerer und erhabener, aber da - bey deſto gefaͤhrlicher ſind. Darum verwerffe ich, daß wir uns in eine Unterſuchung der ſchweizeri - ſchen Grundlehren wagen. Es iſt mehr Hochmuth, als Sicherheit und Nuzen in dieſem Vornehmen. Wir204Das ComplotWir kaͤmen in Gefahr, daß dergleichen Pruͤffung denjenigen, der ſie anſtellete, ſelber mit Scrupeln an - fuͤllete, und vielleicht gar auf die Seite unſrer Geg - ner lenkete. Gehet lieber mit Stillſchweigen vor - bey, daß die Schriften unſrer Widerſacher ſyſte - matiſch und dogmatiſch ſeyn; gebet vielmehr zn verſtehen, daß ſie in Kleinigkeiten beſtehen, daß es Gruͤbeleyen ſind, dictatoriſche Ausſpruͤche, Ge - ſpoͤtte uͤber abgeſonderte Stellen aus Poeten, de - nen ſie gern eins haben verſezen wollen. Huͤtet euch wahrhafte und ausfuͤhrliche Auszuͤge daraus zu verfaſſen. Ziehet nichts davon mit ihren eigenen Worten, noch in ſeinem Zuſammenhang an. Es iſt euch eigentlich nicht darum zu thun, daß ihr ei - ne gruͤndliche Wiſſenſchaft bekommet, vielweniger dienet es euch, daß ihr andern dazu behuͤlflich ſeyd, ob die Kunſtbuͤcher der Schweizer in dem Grund und Erweiſe ihrer critiſchen Lehrſaͤtze, nach wel - chen ſie unſre Schriften verurtheilen, recht haben, oder nicht, ob ſie irren, oder wir, ob ſie noch et - was gutes haben, oder ob alles darinnen verwerf - lich ſey. Das alles hilft uns nicht, und giebt uns keinen Troſt. Wir ſetzen kein Mißtrauen in un - ſern empfindenden Geſchmak, und unterwerfen ihn nicht erſt der Unterſuchung; und dieſer ſagt uns ohne Unterſuchung, daß der ſchweizeriſche Ge - ſchmak falſch, irrig und verdammlich iſt, weil er dem unſrigen zuwider laͤuft. Vermeidet darum alle Pruͤffung, ſo viel als ihr koͤnnet. Entfernet euch von der Hauptfrage, und ſpringet auf hun - dert Nebenſachen. Widerſtehet der hochmuͤthigen Begierde die angefochtenen Stellen zu retten, wel -ches205drr herrſchenden Poeten. ches euch allzuleicht zu Unterſuchung und Beſtim - mung abſonderlicher Grundſaͤtze, wobey man euch faſſen koͤnnte, verfuͤhren wuͤrde, ohne daß jene da - durch mehr Licht, mehr Kraft und Lebhaftigkeit er - hielten. Es iſt wol erinnert worden, daß Gegenbe - ſchuldigungen am beſten dienen, die Beſchuldigungen zu zerſtreuen, und die Entſchuldigungen unnoͤthig zu machen. An dergleichen wird euer Amtszorn euch keinen Mangel leiden laſſen. Das Vorur - theil hat unter unſrer politen Nation vorlaͤngſt Fuß gefaſſet, daß die Schweizer ein grobes, ungeſchlif - fenes, und unhoͤfliches Volk ſeyn, machet euch die - ſes zu Nuzen, und pflanzet es weiter an. Eine jede Cenſur, darinnen ſie eine von euren Schrif - ten, oder eine abſonderliche Stelle, oder Ausdruͤ - kung verwerffen, kan euch zu einem Beweißthum ihrer Grobheit dienen. Sprecher den Gratien den Aufenthalt daſelbſt ab, wo ein ewiges Eis ihrem zarten und nakten Fuß den Zugang ver - wehrer. (*)Dieſes iſt in dem Dichterkriege bl. 53. geſchikt geſchehen.Wie ſollten diejenigen zu leben wiſ - ſen, die in den Spaͤlten der Berge alles Umgangs mit den Menſchen beraubet ſind, die allda zu den Murmelthieren in einen Winterlangen Schlaf ver - bannet ſind! Die ſich bisher nicht uͤber einen Steinwurf von den vaͤterlichen Felſen verlau - fen haben! (M m)Beluſtigungen bl. 174. im Auguſtm.Sollte die Freyheit, in der ſie leben, ſie nicht rauh machen, und von der Zaͤrtlichkeit der unterthaͤnigen Deutſchen entfer - nen! Was koͤnnte wilder ſeyn als ihre Sprache,wenn206Das Complotwenn ihre flieſſenden Gedanken uͤber kieſelhar - te Worte hinſtolpern! Ruhet nicht, bis ihr es ſo weit gebracht habet, daß der bloſſe Nahme eines Schweizers zu einem Scheltwort wird. (Nn)Jn dieſem Verſtand wird von den Anmerkun - gen uͤber die Zuͤrichiſche Auflage des Ergaͤnzungſt. geſagt: Es iſt ſo ſchweizeriſch, daß es nicht ſchweizeriſcher ſeyn koͤnnte. Beluſtigungen im Auguſtm. Die - ſe Vorruͤkung der Unhoͤflichkeit wird mithin eu - rer eigenen Grobheit einen Paßport ertheilen. (O o)Sie nehmen die Freyheit alles nach ihrer Einſicht und Meynung zu beurtheilen: So wird es denn auch uns freyſtehen, ein gleiches zu thun, ob wir gleich ſonſt gegen lebendige Scribenten andern Grundſaͤtzen zu folgen gewohnt ſind. Es iſt auch keine Folge, daß wir es deswegen ge - gen andre Scribenten eben ſo machen ſollten. XXIV. Bey - trag Art. 4. bl. 668.Jhr duͤrfet deſto frecher unhoͤflich ſeyn, je derbere Verweiſe ihr andern deßwegen gebet, je erbaulichere Reden ihr von der Sittſamkeit fuͤh - ret. Stellet euch darum als die hoͤflichſten Maͤn - ner an, neiget und buͤket euch unaufhoͤrlich vor einander, lobet die groͤbſten Fehler eurer Freunde lieber, als daß ihr die Unhoͤflichkeit begehet, ſie vor denſelben zu warnen. Wenn ihr nur ihrer Drukfehler gedenken ſollet, ſo thut es mit einer dehmuͤthigen Abbitte. Verſtaͤrket die Anklage der Grobheit mit der Bezuͤchtigung, daß ſie die Ma - jeſtaͤt der deutſchen Nation laͤſtern. Beweiſet die - ſes daher, weil ſie euch laͤſtern, die herrſchenden Poeten, die Luſt und Ehre der Deutſchen. (P p)Jn Wahrheit dieſe Laͤſterung wider unſer Vater -landSchlieſſet die weitlaͤuftige Nation der Deutſchenganz207der herrſchenden Poeten. ganz ins Enge, ſetzet ſie auf die geringe Anzahl eurer Perſonen und eurer Freunde hinunter: Deut - ſcher Witz und deutſche Kunſt flieſſen in euch zu - ſammen. Sind ſie nicht in euren Gedanken und Reden, ſo ſeyn ſie nicht in der deutſchen Nation. Nach euren Proben muͤſſe man von der Hoͤhe des Verſtandes und Witzes ſchlieſſen, auf welche ein deutſcher Kopf ſteigen kan. Euer Ruhm ſey mit ihrem Ruhme verknuͤpfet. Er koͤnne ohne Ab - bruch des andern weder beſtehen noch fallen. Auf dieſen Grund nehmet dann das Schuzamt der deut - ſchen Nation auf eure Schultern, deren Stelle ihr iezo vertretet. Machet euch zu ihrem Munde, redet fuͤr ſie, leget ihr eure Gedanken, eure Mei - nungen, eure Schoͤnheiten und Fehler zu. Die - ſes giebt euch ein Recht, eure Neider und Wider - ſacher im Nahmen der deutſchen Nation auszu - filtzen, und euch durch euch ſelbſt in ihrer Perſon eine Dankſagung dafuͤr abzuſtatten. Auf dieſe Weiſe koͤnnet ihr ihnen den Haß und Zorn aller Deutſchen uͤber den Hals ziehen, ihr koͤnnet da - durch euren eigenen Ruhm unter dem Schirme der Nation ſicher ſtellen; ihr koͤnnet die Ehrfurcht, ſo der Nation insgeſammt gebuͤhrt, auf eure Per - ſonen lenken. Es wird euch dann vergoͤnnet ſeyn, mit vollem Munde zu ruffen, daß Deutſchland Poeten hat, die Schoͤpfer und Erfinder ſind, wenn ihr niemanden als euch ſelbſt dadurch verſteht. Nennet ſie aber niemals ſelber, damit ihr in je -dem(P p)land und alle ſeine Poeten, duͤnkt mich ſo ungerecht zu ſeyn, daß ich nicht umhin gekonnt, zu ihrem Schutze die Feder zu ergreifen. Art. IV. im 24ſten Beytr. bl. 659.208Das Complotdem Falle die Freyheit behaltet zu ſagen, ihr ha - bet dieſen und nicht jenen verſtanden. Druͤket man zu ſtark auf euch, und verlangt man daß ihr die Werke der deutſchen Schoͤpfungskraft aufweiſet, ſo zeiget in der kuͤnftigen Zeit, was die gegenwaͤr - tige noch nicht hat; ihr werdet allemal in dem Vermoͤgen der deutſchen Koͤpfe finden, was nicht im Werke vorhanden iſt. Was nicht geſchehen iſt, das iſt darum nicht unmoͤglich; und was einem franzoͤſiſchen oder deutſchen Chapellain noch nicht gelungen iſt, das kan wol, vielleicht eheſtens, von einem geſchiktern Dichter ins Werk gerichter werden. (Q q)Jm XIXten Beytr. 8. Art. bl. 444.

Sprich: Jſt der Erde drum ein Baum zur Laſt erzeuget,
Der noch die Aeſte nicht voll reifer Fruͤchte beuget.
(R r)Aus dem XXIVſten Beytr. 12. Art. bl. 521.
(R r)

Werffet inſonderheit euren Antagoniſten den Geiſt des Widerſpruchs vor. Schreibet es nur ihm zu, daß ſie das Schoͤne in den Schriften derer loben, welche ihnen feind ſind. Leget in ihre beſtgemeinten Abſichten eine Begierde zu tadeln. Vergiftet da - mit ihre reinſten Lehren. Erſtreket ihre Boßheit ſo weit, daß ſie derſelben eine Gnuͤge zu thun, ſich eine Fertigkeit in der Kunſt alles laͤcherlich zu ma - chen zugeleget haben. (S ſ)Hr. Triller hat ſchon in dem ErgaͤntzungsſtuͤkedaranBehauptet daß es wuͤrklich eine ſolche Kunſt gebe, welche dasjenige, was in ſeiner Natur und ſeinem Jnnerlichen gut, ſchoͤn, und herrlich iſt, durch fremde Ausdruͤke und Vorſtellungen, ſo dieſelbe nichts angehen, den -noch209der herrſchenden Poeten. noch lachenswuͤrdig machen kan. Dadurch ge - winnet ihr den Vortheil, daß die Leute glauben, wenn die Schweizer eine Stelle in euren Schrif - ten in ihrer wahren und natuͤrlichen Mißgeſtalt vor Augen geſtellt haben, das Luſtige und Aben - theurliche beruhe nur auf ihrem Ausdruke; wenn ihr hingegen ihrer Gedanken mit ungeheuren Vor - ſtellungen ſpottet, wird man ihre Gedanken ſelber vor ungeheuer halten. Das geſchikteſte Geſpoͤtte iſt das, welches ein unmaͤſſiges Gelaͤchter verur - ſachet, das ſeinen Grund nur einzig in dem Ge - hirne des Spottenden hat, wozu man dem ver - ſpotteten Scribenten nicht das geringſte abgebor - get hat. Dergleichen Luſtigmachen hat nicht nur den Nuzen, daß es den Gegner ſchamroth ma - chet, ohne ihn zu bekehren, ſondern es giebt uͤber - dies eine gewiſſe Freudigkeit eines Menſchen zu erkennen, der ſich ſeiner gerechten Sache, und ſeiner Geſchiklichkeit wol bewußt iſt. Nun ha - ben unter den verſchiedenen Arten zu ſpotten frey - lich die Gleichniſſe, Parabeln, Allegorien, einen Vorzug, allermaſſen die meiſten Leſer ihnen eine Kraft dasjenige zu beweiſen zueignen, was ſie nur vor bekannt annehemen, und erklaͤren. Man iſt gantz geneigt, die Niedrigkeit, die Thorheit, die Boßheit der erdichteten Perſonen, die dann in eine Handlung verbunden werden, auf dieje -[Crit. Sam̃l. III. St.] Onigen(*)daran gedacht: Eine Hand voll muthwilliger Einfaͤlle ſagt er, und die ſchaͤdliche und elende Kunſt alles laͤcher -, lich zu machen iſt der ganze Grund, worauf dieſe ſonder - bare theatraliſche Kunſt beruhet.210Das Complotnigen zu ziehen, welche ſie vorſtellen. Wie, wenn man einem ſittſamen und ehrbaren Rathsherren ein Narrenkleid mit Schellen an der Kappe an - zieht, die Zuſeher glauben, ſie lachen uͤber die Perſon, da ſie nur uͤber die Maske lachen. Aber nehmet in ſolchen Fabeln wol in Acht, daß ihr nicht dem Gegner in der Hize der Arbeit, da ihr mehr auf den Fortgang der allegoriſchen Geſchichte als auf den myſtiſchen Sinn derſelben bedacht ſeyd, Waffen wider euch ſelbſt leihet: Alſo wird dem boshaften Merbod in dem Dichterkriege allzu viel eingeraͤumet, daß er nicht anderſt als durch die goͤttliche Critik verfuͤhrt werden kan, und Eris derſelben Geſtalt, Reden und Gedanken, an ſich nehmen muß; ferner daß ihm die gut - hertzige Muſe beſtaͤndig aufwarten muß, und daß ihm der Vorſatz zugeſchrieben wird, die Unge - heuer eines verfallenen Witzes auszurotten. Es iſt auch ſehr ungeſchikt gedichtet, daß wir eine ſo traurige Figur in dieſer Geſchichte machen. Der urtheilende Merbod giebt uns haͤftige und ſchmertzhafte Stiche, die uns bis in das Jn - nerſte der Seelen dringen. Und wir wiſſen uns dagegen nicht beſſer zu helffen, als daß wir un - ſer empfindliches Fell ſchuͤtteln, und wie ein toller Hengſt hinten aus ſchlagen, und ei - nen Sprung thun, wovon eine Wolke in die Hoͤhe faͤhrt, die uns unſichtbar macht. Hinge - gen werden unſre Widerſacher in einem ſtillen Ver - gnuͤgen, und ſuͤſſen Hoffnung eingewieget. (T t)Sehet in dem Dichterkriege Bl. 66.Allein211der herrſchenden Poeten. Allein ich will hievon nichts mehr gedenken, da - mit es nicht ſcheine, als ob ich durch meine Offen - hertzigkeit die ſchweizeriſche Unhoͤflichkeit nachahmen wolle. Jch weis daß dem Hrn. Schottged mit meiner deutſchen Hoͤflichkeit mehr gedienet iſt, und daß er lieber mit Stillſchweigen uͤbergangen, als ſcharf getadelt und beurtheilet werden will. (V v)Er haͤlt es nicht mit den Schweizern, denen Hr. Gottſched zu Ende des 4ten Art. im 24ſten Beytr. vor - ruͤckt, daß ihnen mit ſeiner Hoͤflichkeit nichts gedient ſey, und daß ſie lieber ſcharf beurtheilet und getadelt; als mit Stillſchweigen uͤbergangen werden wollten.Es iſt aus unſren Geſchichtbuͤchern und der Chro - nologie offenbar, daß die Schweitzer die Luſt an critiſchen Schriften zuerſt nach Deutſchland ge - bracht haben, wir hatten zu unſerm Wohlſeyn nicht noͤthig, dieſelbe zu erwecken: Und ſie haben vermittelſt der Critik Opizen wieder in Anſehen ge - bracht, den wir verdrungen hatten, und hingegen Holenſtein, Morath und andre von unſren Freun - den herunter geſetzet. Dieſen Vorzug muͤſſen wir ihnen nicht goͤnnen; ſie wuͤrden daher ein allzu vortheilhaftiges Vorurtheil vor ihre Werke erhal - ten. Wiewol uns die Critick mit ihren Unter - ſuchungen und Beurtheilungen nicht gut iſt, ſo hat ſie doch einen anſehnlichen Nahmen, der uns zu ſtatten kommen mag. Deſſelben muͤſſet ihr euch bemaͤchtigen, heiſſet euch darum ungeſcheut die wahren Kunſtlehrer und Kunſtrichter, die Ver - beſſerer des Geſchmakes, gebet dreiſte vor, daß die heutigen critiſchen Zeiten euch ihren Anfang zu danken haben; buͤrdet den Schweizern auf,O 2daß212Das Complotdaß ſie die Spur des ſittſamen Opizes verlaſſen haben, und daß ſie den holenſteiniſchen Schwulſt wieder einfuͤhren wollen. Ruͤhmet euch, daß ihr die deutſche Poeſie von Schwulſt, Phoͤ - bus, Poſſen, und Narrenſchertz gereiniget ha - bet, geſetzt daß ihr ſie nur von Reimen und Vernunft geſaͤubert haͤttet. Saget, zuvor haͤtte man nur aͤuſſerlich an den Verſen ge - putzt: doch ihr haͤttet angefangen / unſern Deutſchen die falſchen Begriffe von der poeti - ſchen Schoͤnheit der Gedanken aus dem Kopfe zu bringen. Jhr haͤttet gewieſen / daß das - jenige, was man fuͤr lebhaft oder nachdruͤcklich gehalten / matt und kalt geweſen. Als die Natur der Sachen aus unſern Gedichten ver - bannet war / haͤttet ihr ſie wieder hergeſtellt. Man glaubte / ein Dichter muͤßte die Natur uͤberſteigen / ihr aber haͤttet gelehret / ein Dich - ter muͤßte der Natur nachahmen(X x)Aus Hrn. M. Schwaben Zuſchrift zu ſeiner Ueberſezung vom Bathos, Bl. IX. X. . Traget kein Bedenken zu ruͤhm[e]n, daß ihr von den groͤſten Meiſtern und Kennern der Dichtkunſt eure Regeln und Beurtheilungen erlernet habet, ſchreibet ein langes Regiſter derſelben zuſammen, und preiſet ſie vor die Lehrer, die euch unterwieſen haben. (Y y)Leſet Hrn. Prof. Gottſcheds Vorrede zur zwey - ten Auflage ſeiner eigenen Dichtkunſt, 4te Seite.Wenn gleich hernach alle Blaͤtter euers Buchs wider dieſes Vorgeben Zeugniß ab - legen, ſo thut es doch ſeine Wuͤrkung. Es fuͤhret die Leſer von dieſen Criticis ab, die unſer Unter -gang213der herrſchenden Poeten. gang ſeyn wuͤrden, und giebt ihnen davor eure Werke in die Hand. Brauchet aber anbey die Vorſichtigkeit, daß ihr das Jahr nirgend ausſe - zet, in welchem eure groſſe Verbeſſerung ange - fangen hat, damit man euch nicht durch eine chro - nologiſche Rechnung zwiſchen die Ohren ſchlage. Euren Kunſtſchriften einigen Anſtrich aus der Be - urtheilungskunſt zu geben, ſo werffet mit derglei - chen allgemeinen Hauptregeln waker um euch, wie folgende ſind: Man muß die Natur nachah - men; unter gewiſſen Bedingungen kan etwas wahrſcheinlich werden; was nicht wahr iſt / kan nicht ſchoͤn ſeyn. Dieſe Regeln geben einem Kunſtbuche ein groſſes Anſehen, und ſind doch von einem geringen Nutzen, weil ſie ganz unbe - ſtimmte Begriffe geben, und wenn ſie in beſondern Faͤllen angewandt werden ſollen, eine weitlaͤuf - tige Wiſſenſchaft von tauſend Sachen erfodern. Es giebt auch ein treffliches Anſehen, wenn man hier und dar philoſophiſche Woͤrter einſtreuet, zum Exempel, die Geiſter Welt, ein Glied aus der beſten Welt, die Kette der Begebenheiten, die Leiter der erſchaffenen Dinge. Dieſes zei - get eine genaue Bekanntſchaft mit der neuen Phi - loſophie. Jch laſſe mir auch nicht mißfallen, daß ihr andremahl die Dichtkunſt und Poeſie mit einer veraͤchtlichen Sproͤdigkeit tractiert, inſoweit daß ihr ſie unter die Kunſt des ſchlechteſten Handwerkers hinunterſezet,(Z z)J. C. B. hat dieſes in der Vorrede zu dem zwey - ten Theile der Trilleriſchen Gedichte mit ausdruͤcklichen Worten gethan. als ob ſie allein mit SylbenO 3und214Das Complotund Worten umgienge. Dieſes iſt ſehr bequem die Cenſuren von ſich abzukehren, weil niemand gern etwas angreiſt, was der Autor ſelbſt vor ge - ring und liederlich erkennt. Und wenn es jemand wuͤrdiget, ſich daran zu reiben, ſo iſt die Entſchuldi - gung gut, daß man anf Kleinigkeiten nicht mehr Fleiß oder Geiſt gewendet hat. Wenn ihr Lob oder Tadel austheilet, ſo machet einen billigen Un - terſchied zwiſchen Freunden und Feinden. Lobet nicht unbedachtſam, bevor ihr von jemands Freund - ſchaft gewiſſe Kennzeichen habet. Es war eine groſſe Uebereilung, daß man in unſren Beytraͤ - gen die Ueberſezungen des verl. Paradieſes und des Hudibras, imgleichen den Briefwechſel vom Ge - ſchmack ſo uͤbermaͤſſig gelobet hat. (A a a)Gewiß alle Kenner Miltons ſind erſtaunet, als ſie Bodmers Dollmetſchung des verl. Par. geleſen ha - ben. Denn wer haͤtte ſichs eingebildet, daß dieſes mit Gedanken ſo beſchwerte Gedichte, deſſen Ausdruck ſo koͤr - nigt, ſinnreich und tief iſt, ſich ſo nachdruͤcklich und voll - ſtaͤndig deutſch wuͤrde geben laſſen? Und doch hat es der Hr. Bodmer gethan. Jn Wahrheit wer nun mehr unſre Sprache noch matt, ſeicht, und plauderhaft nennen will, der verdient, daß man ihn damit auslachet. Jm XIX. Beytr. Art. 8. Bl. 448.Es koͤmmt zu haͤmiſch heraus, daß wir dieſes Lob we - gen der izigen Umſtaͤnde zuruͤcknehmen muͤſſen. (B b b)Wenn es gleich wahr iſt, daß Bodmers Mil - ton gegen die Diſcurſe der Mahler zu rechnen, recht vor - trefflich deutſch geſchrieben iſt, ſo folget es doch nicht,daßJch halte darum groſſe Stuͤke von der Klugheit meines Goͤnners des Hrn. Mag. Waſch -be,215der herrſchenden Poeten. be, der ſein Lob des Hrn. Silkovs ſehr verſtaͤn - dig verſpart hat, bis derſelbe uns unzweifelhafte Proben von ſeiner Freundſchaft gegeben haͤtte. (C c c)Jn den Beluſtigungen Auguſt. 1741. Bl. 168. Jch will hiemit dem Hrn. Liſcow nicht geſchmeichelt haben. DennDieſes wenige mag genug ſeyn, euch den Thon zn geben. Eure eigene Scharfſinnig - keit wird euch ſchon weiter fuͤhren. Jch thaͤte der - ſelben zu kurtz, wenn ich euch unterrichten wollte, wie ihr die Woͤrter niemahls in der bekannten Be - deutung brauchen ſollet, in welcher ſie eure Geg - ner brauchen, wie ihr keinem Wort einen ausge - meſſenen Verſtand geben ſollet, und wenn ihr euch anſtellet, daß ihr eines erklaͤren wollet, ſol - ches durch eine zehnfache Umſchreibung und Ein -O 4ſchraͤn -(B b b)daß ein jeder deutſcher Leſer nicht was fremdes, rauhes und hartes in dem verl. Par. finden und ſich daran ſtoſſen ſollte. Ueber dieſen Uebelklang ſind hundert und hundert Leſer ſogar nicht weg, daß ſie die Geduld haben koͤnnten, ein gantz Buch hindurch ihren Ohren die Gewalt anzu - thun, und daß ſie aus Begierde nach den Sachen, eine neue Art deutſch zu reden lernen ſollten. Jm XXIV. Beytr. Art. IV. Jch will doch ſagen, in welchem Falle es moͤglich ſey, daß beydes, (nachdruͤcklich und ſelt - ſam oder wiederlich) zugleich ſeyn koͤnne; wenn ich naͤm - lich ſeze, daß ein Buch in der Grundſprache rauh und wiederlich klinge; wenn ich auch ferner ſeze, daß der Ue - berſezer ſeine Arbeit dem Urbilde unter andern auch in An - ſehung des Rauhen aͤhnlich macht, ſo muß die Ueberſe - zung noch eher als ſonſt, nachdruͤcklich (denn im Rauhen ſteckt der Nachdruck) und vollſtaͤndig genennt werden. Beluſtig. im Weinm. Bl. 379. Wir lernen hieraus warum gewiſſe Scribenten ſich vor der nachdruͤcklichen Schreibart ſo fleiſſig huͤten: Sie wollen nicht rauh ſchreiben.216Das Complotſchraͤnkung mit Dunkelheit umhuͤllen ſollet, daß es niemand verſteht. Erinnert euch nur beſtaͤndig, daß uns in gegenwaͤrtigen treuloſen Umſtaͤnden, da man uns nach unſrer Ehre, Anſehen und Herr - ſchaft greift, alles erlaubt wird, was uns ſonſt Suͤnde waͤre, dergeſtalt daß die grobe Luͤgen ſelbſt zu einer frommen, unſchuldigen Kunſt wird: Jn allen uͤbrigen Handlungen ſeyd aufrichtig und fromm. Praͤget euch meine Worte tief ins Herze. Ha - bet beſtaͤndig die Vermehrung meines Reiches und Ruhmes vor Augen. Es iſt euer Reich, euer Ruhm. Jch gebe euch meine Hand, wenn ihr meine Lehren beobachtet, daß ihr die Schweizer in ihre alpiniſchen Gebuͤrge zuruͤck jagen werdet, wo ſie die Graubuͤndner und Walliſer, zwo geiſt - reiche Nationen, in ihrer neuen Dichtkunſt und Critick unterweiſen koͤnnen. Nach Abtreibung dieſer furchtbaren Feinde wird das Schreken vor eurem Nahmen in alle Provinzen Deutſchlandes ausgehen; die verirrten werden ihre verkehrten Wege verlaſſen, und ſich wieder zu euch wenden. Alle Barden und Meiſterſaͤnger des groſſen Ger - maniens von Hanken dem Schleſier bis zu Hinuͤber dem Braͤmer werden den Thon ihrer Lieder von euch erbitten. Die Critick ſoll mit niedergeſchla - genen Augen zu den barbariſchen Franzoſen und leichtfertigen Englaͤndern fluͤchten. Ein unzerſtoͤr - barer Friede wird in euern Wohnungen, und eureDich -(C c c)Denn er weis nicht, ob ich ſein Freund oder Feind, ſein Verehrer, oder Tadler bin: Und ich weis es auch nicht. Denn meine Waage giebt noch auf keine Seite Ausſchlag genug. 217der herrſchenden Poeten. Dichterkriege nur Kinderſpiele ſeyn. Kein Criti - cus ſoll euch mehr ſtriegeln, keine Dichtkunſt in eurer Selbſtzufriedenheit ſtoͤren. Schulen, Raths - zimmer, und Fuͤrſtliche Hoͤfe ſollen ſich unter eu - rem Scepter buͤken. Von Pommern bis in Schwa - ben, von Crayn bis in Weſtphalen ſoll nur ein Geſchmack, nur eine Poeſie, nur eine Bande ſeyn. Dieſen Segen verlaſſe ich euch zum Ab - ſchiede. Wiewohl ich euch aber dieſe meine fleiſch - liche Geſtalt anizo aus dem Geſichte wegruͤke, ſo weichet doch mein beſſerer Theil nicht von euch. Mein Geiſt bleibt beſtaͤndig bey euch, und ruhet auf euch.

Jndem der falſche Goͤze dieſes ſagte, zerfloß ſein Thron und ſein geborgter Coͤrper in eine blaue Wolke, woraus ſie auch entſtanden waren. Die - ſelbe zertheilte ſich in viele kleine Duͤnſte, wovon ſich auf einen jeden Dichter und Kunſtrichter, ſo viele deren in der Verſammlung waren, eine Por - tion niederſetzte. Der Dampf drang bis durch die Hirnſchale durch, ſaͤuberte das Haupt von Verſtand, und nahm es mit ſtolzen Einbildungen ein. Sie erhuben dankbarlich die Gunſt ihres himmliſchen Hauptes, der ihnen den Verſtand mit dieſem ſubtilen Dampf aufgeklaͤrt, und verheiſ - ſen, daß er ſie auf ihren finſtern Wegen ſicher be - wahren wollte. Der zaghafteſte von ihnen zeigete einen Heldenmuth und vermaß ſich Troja zu er - retten. Ein jeder verwuͤnſchte ſeinen Kopf mit al - le deſſen Witz und Hirn, daß er den herrſchenden Geſchmack an den Schweizern raͤchen wollte. O 5Sie218Das ComplotSie wollten ſich mit Wort - und Sinnenſpielen, mit Sylbengeklingel, mit Gegenſaͤzen, mit Schelt - worten und Laͤſterungen wieder ſie ruͤſten. Sie wollten fuͤr die Ehre ihres Abgottes die Augen blind ſehen, und ſich das Hirn bis auf die Hefen aus dem Kopf denken, ſie wollten ihm zum Lobe ſolche Schriften verfertigen, dergleichen niemahls ge - ſchrieben worden, oder wenn dergleichen geſchrie - ben, doch niemahls geleſen worden. Dieſer wollte ſie in Leberreimen zu Tode klingeln, jener in einem Schaͤfergedichte durch die Hechel ziehen, ein ande - rer wollte Ueberſchriften mit faulen Eyern und muͤr - ben Aepfeln laden, und auf ſie losſchieſſen. Tirl - ler ſelbſt vergaß der empfangenen Streichen, von welchen ihm doch der Kopf noch izo ſchwindelte, und drohete der Welt mit dem dritten Theile ſeiner Gedichte.

Jhre enthuſiaſtiſche Wuth ſtekete auch diejeni - gen an, die ihnen in dem Vorgemache auf den Dienſt warteten. Der Witzbringende Dunſt hatte ſich durch die Rizen der Thuͤren gedrungen und ſich auch ihnen mitgetheilet. Es war ein ent - ſetzlicher Lermen und ein betaͤubendes Getuͤmmel, die Gaſſen und Haͤuſer erklangen in allen ihren Winkeln und Gewoͤlbern von einem heiſernen Wie - derſchalle. Die goͤttliche Critick, welche gleich damahls im Hirſchbergiſchen Hofe mit Luchſin - gern beſchaͤftiget war, Werzaſchens Ueberſezung der Aeneis auf den Ambos zu legen, hoͤrete den Tumult, und verſtuhnd die Urſache deſſelben. Sie lachete uͤber ihre Ungebehrden und ihren aberwizi -gen219der herrſchenden Poeten. gen Truz. Denſelben niederzulegen, hengte ſie mitten in dem Saale der Verſammlung oben an der gegypſeten Deke deſſelben ihre Waage auf, in welcher ſie den innerlichen Werth der Buͤcher ab - zuwegen pflegt. Sie legete in die eine Schale Greibertins critiſche Dichtkunſt, in die andere Schottgedens Verſuch, zu dieſer warff ſie noch zwanzig oder dreiſſig von den beſten Werken der herr - ſchenden Dichter und Kunſtlehrer. Sie flogen wie leichte Spreu aufwaͤrts. Der Querbalke ſtieß oben an dem Ringe an, an welchem er aufgehan - gen war. Jhre Verfaſſer ſahen das himmliſche Zeichen und erkennten ihre Waageſchale. Aber ſie wurden davon nichts deſto kluͤger, der blaue Dunſt, welchen der Schutzgeiſt des ſchlimmen Geſchma - krs ihnen auf das Gehirn geworffen, hatte ihren Verſtand umnebelt.

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About this transcription

TextSammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften
Author Johann Jacob Bodmer
Extent222 images; 49650 tokens; 12000 types; 350449 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationSammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften Zur Verbesserung des Urtheiles und des Witzes in den Wercken der Wolredenheit und der Poesie Drittes Stück Johann Jacob Bodmer. . [1] Bl., 219 S. OrellZürich1742.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 SVA II, 4845:3

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Prosa; Belletristik; Lyrik; Prosa; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:29:08Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 SVA II, 4845:3
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