NJemahls hat ein ſo treffliches Fragmen - tum von einem noch neuen Buche ein ſeltſameres Schickſal erlitten, als das gegenwaͤrtige Stuͤcke der Vorrede zu den Fabeln Hrn. D. Tr-ll-rs, welches ich das Gluͤck habe zum Ruhme dieſes vornehmen Dichters an das Licht zu ſtellen, und damit ein Werck zu ergaͤntzen, welchem die groͤſten Kenner mit ungedultiger Hoffnung ſchon ent - gegengeſehen hatten, da es noch in dem frucht - baren Gehirne ſeines Verfaſſers als in ſeiner Gebaͤhrmutter verſchloſſen gelegen war; ein Werck, das minder aus einem natuͤrlichen Triebe gefloſſen, als durch ſo viele liebreiche Erinnerungen und maͤchtige Befehle groſſer Goͤnner und Freunde dem Verfaſſer gleich - ſam durch einen Nothzwang abgedrungen worden, und welches ohne den gluͤcklichſten Zufall und meine beſondere Neigung der ge - lehrten deutſchen Welt zu dienen, auf immer unvollkommen geblieben waͤre. Jch verſehe mich, daß ich meinen Leſern, bevorab denen, die ſich um Hrn. D. Tr-ll-rs Ruhm und Schriften eben ſo ſehr bekuͤmmern, als ich, einen Gefallen erweiſen werde, wenn ich ih -nen3fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. nen erzehle, wie mir dieſes Fragmentum in die Haͤnde gefallen ſey. Die Freude theilet ſich gerne mit, und ſie duͤncket ſich nicht groß genug, wenn ſie keine Zeugen hat. Jch er - hielt ungefehr vor einem Monath ein Paͤck - gen von Canaſter und andren kleinen Wah - ren, die ich durch einen Kaufmann von der Leipziger Michelismeſſe hatte beſtellen laſſen. Dieſelben waren mit allerley gedruͤckten Bo - gen umwunden, und darunter war ein ein - ziger halb uͤberſchriebener, welcher dieſen un - erkannten Schatz in ſich enthielt. Die fran - zoͤſiſchen und deutſchen Verſe, die mir gleich beym erſten Anblick in die Augen fielen, rei - zeten mich, daß ich den Anfang dieſer Schrift mit einem fluͤchtigen Auge durchlief. Die er - baͤrmliche Klagen und hertzbrechende Seuf - zer brachten mich auf die Vermuthung, der Verfaſſer derſelbigen werde gewiß die Eyer verſchuͤttet haben, und die Schuld auf den harten gepflaſterten Boden legen wollen. Als ich aber aus dem Verfolge deutlich er - kannte, daß es eine Schutzſchrift fuͤr den Hrn. D. Tr-ll-r und ſeine Fabeln waͤre, ſtuhnd ich gantz betreten, ob ich die Ver - meſſenheit desjenigen, der dieſe Schutzſchrift veranlaſſet hat, mehr verabſcheuen, oder den uͤberzeugenden Nachdruck dieſer critiſchen Rechtfertigung mehr bewundern ſollte; doch nach einer kleinen Ueberlegung wollte mich be -A 2dun -4Stuͤcke der Schutzvorrededuncken, daß ich dieſe ſo geiſtreich ſiegende Schrift (die man den Triumphbogen des Tr-ll-riſchen Ruhms nennen koͤnnte) der Verwegenheit des Schweitzeriſchen Kunſt - richters eben ſo wohl zu dancken haͤtte, als ſich Joſeph ehmals vor ſeine Erhoͤhung in Egypten ſeinen treuloſen Bruͤdern verbunden geſehen. Das Verbrechen des Schweitzers, der ſich an dem Ruhm unſers deutſchen Eſo - pus ſo vermeſſen vergriffen hatte, kam mir nun gantz ertraͤglich vor, wann ich mir vor - ſtellete, daß die Welt ohne daſſelbe, dieſes vortreffliche Muſter einer critiſchen Verthei - digung vermiſſen wuͤrde, und daß der Ruhm des deutſchen Fabeldichters bey weitem nicht mit einem ſo hellen Glantz hervorſtechen wuͤr - de, wenn er nicht durch den Schatten, wel - chen die neue critiſche Dichtkunſt darauf ge - worfen, waͤre erhoͤhet worden. Jch konnte mir zwar anfaͤnglich gantz nicht einbilden, daß dieſes ein Original-Manuſcript waͤre. Das Gluͤck ſchien mir zu groß, und nicht vor mich aufbehalten, daß ich durch Erhaltung deſſelben zu dem Ruhme dieſes unverbeſſerli - chen Dichters und ſeiner Wercke nur das we - nigſte beytragen ſollte. Sollte es wohl moͤg - lich ſeyn, gedachte ich bey mir ſelbſt, daß ein ſo herrlicher critiſcher Verſuch, den nie - mand ohne Bewegung leſen kan, der ſchar - fen Nachfrage der Deutſchen ſollte entgan -gen,5fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. gen, und bis an den Fuß der Schweitzeri - ſchen mit ewigem Schnee bedeckten Alpge - buͤrge verſchlagen worden ſeyn? Oder wer koͤnnte glauben, daß in dem geſchickten Leip - zig ein ſo koſtbarer Schatz auf eine ſo ſchnoͤde Weiſe ſollte entweihet, und zur Ueberklei - dung etlicher Rollen Tabacks gemißbraucht worden ſeyn, eh und bevor er noch unter der Preſſe etliche tauſendmahl multiplicirt wor - den? Der Beſchluß dieſes Fragmenti ſchien mich auf die Vorrede der neuen Auflage der Tr-ll-riſchen Fabeln zu verweiſen. Jch ſtuhnd in der ſichern und gaͤntzlichen Beredung, daß ich daſelbſt mein Manuſcript nett und rein abgedruͤckt finden wuͤrde; alleine da ich die - ſelbe mit zitternder Begierde durchblaͤtterte, fand ich nichts darinnen, das dem Jnnhalt meines Manuſcriptes aͤhnlich war, ausge - nommen einige dunckle Spuren, die mich errathen lieſſen, daß etliche ſchlechte toben - de Neider und ſchaͤumende Verlaͤumder ſich gegen den unverbeſſerlichen deutſchen Poeten aufzulehnen, ſich muͤßten vermeſſen haben; er thut derſelben hin und wieder mit vieler Sanftmuth und Beſcheidenheit Meldung, unter den Titeln unreiffer Kluͤglinge, neu entſtandener tiefſinniger Fabelrichter, fre - cher und boßhafter Splitterrichter. Alleine auf wen dieſe Geheimnißreiche und verbluͤmte Titulatur nach der Abſicht des VerfaſſersA 3paſ -6Stuͤcke der Schutzvorredepaſſete, ſtuhnd nicht dabey, und niemand haͤtte ſolches ohne eine vertraͤuliche Offenbarung er - rathen koͤnnen. Es heißt auch hier, quod omnibus dicitur, nulli dicitur. Als ich an mei - nem wenigen Orte dieſe Vorrede das erſte mahl geleſen, hielt ich dieſe reſpective to - bende Neider und ſchaͤumende Verlaͤumder fuͤr pure Entia Rationis, die der Verfaſſer durch eine prophetiſche Begeiſterung ſich als gegenwaͤrtig vorgeſtellet haͤtte, weil er wohl vorſehen koͤnnen, daß das beſondere Gluͤck, welches ihm den Ruhm eines unverbeſſerli - chen Poeten erworben hatte, ihm nothwen - dig Neid erwecken muͤßte. Allein ſeit dem mir das beſagte Fragmentum zu Geſichte ge - kommen, ſehe ich mich genoͤthiget, dieſe er - ſten Gedancken zu wiederruffen, maſſen daſ - ſelbe den Schluͤſſel in ſich enthaͤlt, vermittelſt deſſen wir dieſe tobenden Neider und ſchaͤu - menden Verlaͤumder mit ihren Nahmen ent - decken koͤnnen, die ſonſt auf immer verbor - gen, und alſo auch ungeſtraft, geblieben waͤ - ren. Jn der Ungewißheit, was ich aus mei - nem Manuſcript machen ſollte, fiel mir in den Sinn daß mir vielleicht der Hr. von Boͤh - lau, der geheimſte Schuͤler des groſſen Tr-l - l-rs, auf die rechte Spur helfen koͤnnte: Jch zog daher ſeine poetiſchen Jugend-Fruͤchte zu Rath, die erſt dieſes Jahr ans Licht ge - treten, und die Hr. D. Tr-ll-r mit einerVor -7fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Vorrede verſehen, worinnen er die empfan - gene Hoͤflichkeiten mit einem poetiſchen Rauch - opfer freygebig erwiedert hat; aber auch all - da konnte ich in meinem Zweifelmuth wenig Troſt finden, und als ich auf die Zeitrech - nung Acht ſchlug, befand es ſich, daß dieſe poetiſche Jugend-Fruͤchte ſchon im Fruͤh - ling, hiemit zu einer Zeit an das Licht getre - ten waren, ehe noch dieſe beyden hoͤflichen Dichter an dem ſuͤſſen Genuß eines ſanfte ki - zelnden Lobeswechſels geſtoͤret worden; denn das Toben des Schweitzeriſchen Neiders und ſchaͤumenden Verlaͤumders war zu derſelbi - gen Zeit noch viel zu ſchwach und leiſe, als daß es bis nach Leipzig und Hamburg haͤtte durchdringen moͤgen.
Je weniger ich nun fuͤr meine erſte Mei - nung, daß dieſes Manuſcript ſchon gedruͤckt ſeyn muͤßte, einigen Grund fand, deſto mehr wuchs die Vermuthung bey mir, daß es vielleicht noch gantz friſch und ungedruͤckt waͤre: Als ich daſſelbe hierauf mit mehrerm Bedacht, als das erſte mahl, uͤberlas, ver - wandelte meine Muthmaſſung ſich in eine un - gezweifelte Verſicherung, ich befand, daß dieſes geſchriebene Stuͤcke unfehlbar zu der Vorrede des neuen Tr-ll-riſchen Fabel-Buchs muͤßte gewiedmet geweſen, und davon un - barmhertziger oder zufaͤlliger Weiſe abgeriſ - ſen worden ſeyn; allermaſſen es keine andreA 4Ab -8Stuͤcke der SchutzvorredeAbſicht hat, als das Geſpoͤtte des Schwei - zeriſchen Verfaſſers der neuen Critiſchen Dichtkunſt uͤber Hrn. D. Tr-ll-rs Unterſu - chung von der Natur der Fabel, und uͤber ein Duzt Beyſpiele, die ſich in dem An - hange ſeiner Gedichte befinden, und die in dieſer neuen Sammlung unveraͤndert beybe - halten worden, mit Glimpf und Ernſt abzu - fertigen. Alſo blieb mir allein uͤbrig, zu entdecken, auf welcher Stelle dieſe Schutz - ſchrift mit dem gantzen Coͤrper der Vorrede erſtlich in einem Zuſam̃enhang geſtanden haͤt - te, hernach davon abgeloͤßt worden waͤre. Jch muß auch geſtehen, daß die Wunde, wel - che man durch die Abloͤſung dieſer Riebe ge - ſchlagen hatte, ſo ſchoͤn und kunſtmaͤſſig zu - geheilet worden, daß ich dieſen Mangel ei - nes ſo ſchoͤnen Glieds ohne die Huͤlffe meines Manuſcripts niemahls haͤtte vermuthen koͤn - nen; denn die Vorreden ſind gemeiniglich, wie die vielgebeinten Jnſecten, denen man es nicht ſo bald anſiehet, wenn ſie ſchon etwann einen Schenckel verlieren. Aber da mir nun das von dem Coͤrper der Vorrede abgeſon - derte Glied wircklich vor Augen lag, ſo war es mir ein gar leichtes die Stelle zu finden, von welcher es abgeloͤſet worden. Jch ſahe nemlich, daß dieſe Vorrede mit den Thomi - ſten und Occamiſten ploͤtzlich endet, nachdem zuvor die Nutzbarkeit der Fabeln mit des groſ -ſen9fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. ſen Luthers Zeugniſſe und Exempel hinlaͤng - lich erwieſen worden; und daraus konnte ich mit ſattſamem Grund abnehmen, dem ſonſt beredten Vorredner muͤßte durch einen gewiſſen Zufall das Wort in dem Munde er - ſtecket worden ſeyn, daß er nicht weiter fort - kommen koͤnnen, daher ihm der ſcharfſinnige Balthaſar Schupp das Wort abnehmen, und die Vorrede beſchlieſſen muͤſſen; ohne wel - ches ſie noch bis auf dieſen Tag zwar aufhoͤ - ren, aber ohne Ende ſeyn wuͤrde. Und wie trefflich ſchicket ſich nicht auf den Uſum Inſti - tutorium der Uſus elencticus? Jch rathe alſo allen denen, die ſich Hrn. D. Tr-ll-rs neue Eſopiſchen Fabeln angeſchaffet haben, daß ein jeder in ſeinem Exemplare die Worte „ dieſe Vorrede beſchlieſſen „ durchſtreiche, und an dem Ende derſelben Cetera deſunt hin - zuſetze; mithin ſich mit dem gegenwaͤrtigen Anſchluſſe ſo lange behelffe, bis die neue Auf - lage von dieſen Tr-ll-riſchen Fabeln heraus - kommen wird, in welcher alle unvermeidli - chen Fehler ſollen angezeiget nnd gruͤndlich verbeſſert werden, ungeachtet es eine ſchwe - re Arbeit iſt, unvermeidliche Fehler zu ver - beſſern. Sie koͤnnen auch zuverlaͤſſig verſi - chert ſeyn, daß ſie nicht Jahre und Tage auf dieſe neue verbeſſerte Auflage werden war - ten muͤſſen, denn der Vorredner ſagt aus - druͤcklich, man wird dieſelbe, trotz allen fre -A 5chen10Stuͤcke der Schutzvorredechen Widerſpruͤchen boßhafter Splitterrich - ter, eheſtens zu hoffen haben, wenn an - ders die geneigten Verſicherungen gelehr - ter Kenner und Goͤnner nicht truͤgen, die ſchon ſchriftlich eingelauffen. Wer kan aber beſſer wiſſen, was Hr. D. Tr-ll-r im Sinn hat, als ſein Vorredner? Und wie ſollten die eingelaufenen ſchriftlichen Verſi - cherungen gelehrter Kenner und Goͤnner truͤ - gen koͤnnen? Es wird ja der Hr. Doctor nicht glauben, daß ſie ihn durch ihre Com - plimente und Lobſpruͤche vexieren duͤrfen. Dieſemnach iſt mit Grund zu vermuthen, daß kuͤnftigen Fruͤhling dieſe neue von unvermeid - lichen Fehlern gereinigte Auflage durch ge - neigten Vorſchub dieſer gelehrten Kenner und Goͤnner gewiß zum Vorſchein kommen wer - de: Und darum muß ich alle diejenigen, wel - che die Eſopiſchen Fabeln von dieſer Auflage noch nicht gekauft haben, treulich warnen, daß ſie ſich damit nicht uͤbereilen, ſondern ſchauen, wie ſie ſich noch dieſen Winter uͤber gedulden, und womit ſie ſich ſonſt die Zeit verkuͤrtzen koͤnnen.
Bey dieſem allem kam es mich uͤberaus ſchwer an, mich in dieſen unvermutheten Gluͤckesfall zu ſchicken, und ich konnte mich nicht eher zufrieden geben, bis ich denſelben, und die Art, wie es damit zugegangen, ge - nauer uͤberleget und ausgekundſchaftet hatte. Jch11fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Jch quaͤlete mich eine geraume Zeit mit hun - dert Muthmaſſungen und Wahrſcheinlichkei - ten, wie es moͤchte gekommen ſeyn, daß dieſes wichtige Stuͤcke der Vorrede alleine ungedruͤckt geblieben, da es doch des Drucks eher als alles uͤbrige wuͤrdig geſchienen. Jch konnte von mir nicht erhalten zu glauben, daß der Hr. D. Tr-ll-r ſeiner und ſeines er - worbenen Ruhms ſo weit haͤtte vergeſſen, und geſtatten koͤnnen, daß ſeine Neider und Verlaͤumder ungeſtraft uͤber ihn triumphier - ten; dieſe Vertheidigungsſchrift ſelbſt laͤßt niemand zweifeln, daß es nicht ein rechter Ernſt bey ihm geweſen, mit ſeinen Feinden eine Lanze zu brechen; und geſezt, daß ſein groſſes und dabey ſanftmuͤthiges Hertz dieſes alles haͤtte verdauen koͤnnen, ſo iſt dieſe Schutzſchrift an ihr ſelbſt und nach ihrem in - nern Werth betrachtet, ſo wohl gerathen, daß ich nicht begreiffen kan, wie der Hr. Doctor, ohne die groͤſte Ungerechtigkeit zu begehen, in die Unterdruͤckung dieſes vor - nehmen Stuͤcks ſeiner Vorrede jemahls haͤtte einwilligen koͤnnen. Jch an meinem Ort halte es vor ein rechtes Meiſterſtuͤcke in der pathetiſchen Schreibart, und ich getraue mir ohne Schmeicheley zu ſagen, daß Hr. Tr-ll-r noch nichts mit ſolchem lebhaften und unge - kuͤnſtelten Feuer geſchrieben habe, und ich zweifle ob Deutſchland etwas in dieſer ArtSchrif -12Stuͤcke der SchutzvorredeSchriften aufzuweiſen habe, das mit dieſem in einige Vergleichung komme. Faſt aus gleichmaͤſſigen Ueberlegungen konnte ich nicht glauben, daß ſeine Freunde, diejenige nem - lich, die ſeinen Ruhm vor allen Anfaͤllen zu bewahren ſich von Hertzen angelegen ſeyn laſ - ſen, ſich ſollten vermeſſen haben, dieſes nam - hafte Stuͤcke ſeiner critiſchen Einſicht ohne ſein Vorwiſſen zu unterſchlagen; ſie konnten ja wohl gedencken, daß dieſes ihr Beginnen nicht verborgen bleiben koͤnnte, und daß ſie ſich dadurch nothwendig eines geheimen Ver - ſtaͤndniſſes mit ſeinen geſchwornen Feinden verdaͤchtig machen wuͤrden. Zuweilen woll - te mir ſehr glaublich ſcheinen, daß dieſe Ver - ſtuͤmmlung der Tr-ll-riſchen Vorrede und Beraubung eines ihrer anſehnlichſten Glie - der fuͤr eine Wuͤrckung des boshaften Neids ſeiner Feinde zu halten ſey; alleine dieſe Wahrſcheinlichkeit verſchwand ſo gleich, wenn ich betrachtete, daß Hr. Tr-ll-r die Sorge und Verpflegung ſeines Fabelwercks ſeinen geheimſten Freunden anvertrauet, daß es alſo ſeinen Feinden unmoͤglich gefallen waͤre, demſelben beyzukommen, und ihren Muth - willen daran zu veruͤden. Als ich dieſe Un - ſchluͤſſigkeit meiner Gedancken einem meiner vertrauteſten Freunde eroͤffnete, wollte mich derſelbe uͤberreden, dieſe Verſtuͤmmlung waͤ - re die Folge einer mit guter Vorbetrachtungnud13fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. und auf hohen Rath der obrigkeitlich verord - neten Buͤcher-Aerzte vorgenommenen Ope - ration, die an dieſem Gliede eine haͤftige Entzuͤndung wahrgenommen, zu welcher der kalte Brand geſchlagen, daher ſie keinen beſ - ſern Rath gewußt haͤtten, als daß man die - ſes angeſteckte Glied der Vorrede abſtieſſe, nach einer bekannten Regel, Enſe recidendum eſt, ne pars ſincera trahatur. Alleine mein Freund wollte nicht hartnaͤckigt auf ſeiner Muthmaſſung beharren, als ich ihm uͤber - zeugende Proben von der Gelindigkeit und Gefaͤlligkeit der Herren Cenſoren in L .... vor Augen legete. Alſo mußten wir endlich dieſe Verſtuͤmmlung einem ſeltſamen Spiel des Gluͤckes zuſchreiben, wir befanden ein - muͤthig, daß dieſer halbe Bogen in der Druͤ - kerey durch Verwahrloſung des Setzers muͤſte verlohren, und aus Unachtſamkeit zu dem Kraͤmer getragen worden ſeyn; und da ſich niemand getraut haͤtte, dieſen Verluſt zu erſetzen, waͤre man genoͤthiget geweſen, die Vorrede ex abrupto zu ſchlieſſen, dabey aber dieſen Mangel ſo gut als moͤglich zu verber - gen, und inzwiſchen bedacht zu ſeyn, wie man dieſe Verwahrloſung beſchoͤnigen, und gegen Hrn. D. Tr-ll-r entſchuldigen wollte.
Bey allem aber kam uns am allermerck - wuͤrdigſten vor, daß dieſes verlohrne Frag - mentum viel eher in die Schweitz als anderſt -wohin14Stuͤcke der Schutzvorredewohin verſchlagen werden, und juſt demjeni - gen in die Haͤnde fallen muͤſſen der den wah - ren Werth deſſelben zu entdecken und es von ſeinem ſo nahen Untergange zu retten wuß - te, der aus beſonderer Hochachtung fuͤr Hrn. Tr-ll-r ſich auch dazu verbunden erkennete. Man ſetze nur, daß es dem Verfaſſer der Critiſchen Dichtkunſt oder einem ſeiner Freun - de in ihre unbarmhertzigen Haͤnde gerathen waͤre, wie grauſam und unverantwortlich wuͤrden ſie ſelbiges nicht gemißhandelt und ſo zugerichtet haben, daß ſolches aus ihren Haͤnden zu retten weder Rath noch Hoff - nung uͤbrig geblieben waͤre? Man hat ſchon laͤngſt angemercket, daß die Gerechtigkeit unter andern Regeln, die ſie in Beſtimmung ihrer Straffen insgemeine beobachtet, auch dieſer folget, daß ſie den Menſchen damit ſtraffet, womit er geſuͤndiget hat. Jch kan mit Grund dazuſetzen, daß eben dieſelbe Bil - ligkeit erfordere, daß einer an dem Orte buͤſſe, wo er geſuͤndiget hat. Wenn die - ſes Fragmentum in Deutſchland ans Licht waͤre geſtellt worden, ſo haͤtte es bey weitem nicht die Dienſte leiſten und den Nutzen ſchaf - fen koͤnnen, den es jezo unfehlbar ſchaffen wird. Ein volles Jahr ſtreicht insgemeine vorbey, ehe dergleichen Schriften wegen der Abgelegenheit in die Schweitz kommen, und unter uns bekannt werden; nun wuͤrden die -ſe15fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. ſe tobende Neider und ſchaͤumende Ver - laͤumder auf Hrn. Tr-ll-rs Unkoſten ſich in - zwiſchen recht luſtig gemachet, und uͤber ſein vorgegebenes Stillſchweigen ungeſtuͤm getri - umphiert haben. Hingegen wird jezo ihrem Muthwillen der Riegel beyzeiten vorgeſcho - ben, und ſie werden durch die Bekanntma - chung dieſer Schutzſchrift ſo ſehr in die En - ge getrieben werden, daß guter Rath bey ihnen theuer ſeyn wird; jedermann wird die Gerechtigkeit dieſer wohlverdienten Zuͤchti - gung erkennen, und ihnen von Hertzen goͤn - nen, und ſich erfreuen, daß ſie endlich ih - ren Meiſter gefunden haben, der ihnen das Handwerck niedergeleget, und ſo viele unter dieſem ſtrengen Joche ſeufzende Seelen von dieſer Critiſchen Tyrannie auf einmahl erle - diget hat. Neben dieſem verſehe ich mich auch, daß dieſe Herausgabe die critiſche Gerechtigkeit der Schweitzeriſchen Nation von vielem Argwohn und von einem uͤblen Ruff befreyen werde. Die Deutſchen wer - den daraus erkennen, daß die wenigſten Schweitzer ſo leckern ſind, und einen eben ſo eckeln Geſchmack haben, als die zween Zuͤrchiſchen Critiſchen Helden, die alles nach ihrem Kopfe meiſtern wollen, und die eben deßwegen bey ihren Landsleuten uͤberhaupt nicht hoͤher geachtet werden, als in Ober - und Niederſachſen. Jch werde nun auchdeſto16Stuͤcke der Schutzvorrededeſto eher Glauben finden, wenn ich bey meiner Eidsgenoͤſſiſchen Treue verſichere, daß die Verdienſte des Hrn. D. Tr-ll-rs um die deutſche Poeſie, ſo wohl als die Schoͤn - heit ſeiner Gedichte, unter uns eben ſo viel Verehrer haben, als wahre Kenner ſind; und man wird ins kuͤnftige den regierenden Geſchmack der Schweitzeriſchen Nation nicht mehr, wie bisher, liebloſer Weiſe nach dem eckeln und verzaͤrtelten Geſchmacke des Zuͤr - chiſchen Verfaſſers der Critiſchen Dichtkunſt beurtheilen.
Was indeſſen den Werth meines Manu - ſcriptes, und hiemit auch den Danck fuͤr meine Herausgabe, um ein nahmhaftes ver - mehren muß, iſt die Ueberzeugung, die ich bey mir ſelbſt habe, daß dieſes das Auto - graphum und das einzige Exemplar ſey, wel - ches jemahls in der Welt geweſen, und daß folglich die Erhaltung oder das Ver - derben deſſelben lediglich in meiner Gewalt und Willkuͤr geſtanden: Jch bin davon ſo feſt uͤberzeuget, als gewiß ich bin, daß derjenige nicht geſcheid handeln wuͤrde, der ein Manuſcript, welches jezt unter die Preſ - ſe geleget werden ſoll, durch ſchriftliche Co - pien bekannt zu machen ſuchen, das iſt, der Sonnen eine Fackel anzuͤnden wollte. Und dasjenige vorausgeſetzet, was ich bisdahin von dem ſeltſamen Geſchicke dieſes Manu -ſcrip -17fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. ſcriptes, nicht etwann nur erdichtet, ſon - dern mit Grund erzehlet habe, ſo kan ich eben ſo wenig begreiffen, daß Hr. D. Tr-l - l-r von dieſer Vorrede mehrere Abſchriften ſollte haben verfertigen laſſen, als ich be - greiffen kan, daß mein Exemplar mehr als eins ſey.
Sollte es dennoch ſolche unglaubige Spoͤt - ter geben, die mich in den Verdacht faſſen, und die Leute bereden wollten, als ob ich dieſes Manuſcript nicht auf beſagte wunder - bare Weiſe bekommen, ſondern aus Muth - willen erdichtet und Hrn. D. Tr-ll-r unter - geſchoben haͤtte, ſo wuͤrden ſie dadurch entwe - der ihre dumme Einfalt, oder ihre Boßheit augenſcheinlich verrathen: Jhre Einfalt, in - dem ſie ſich vermaͤſſen, mir etwas zuzuſchrei - ben, welches ich, ſo wenig als ſie ſelbſt, auf eine ſolche Art und mit ſo vieler Geſchicklich - keit auszufuͤhren im Stande ſeyn wuͤrde; Jhre Boßheit, indem ſie Hrn. D. Tr-ll-r aus Mißgunſt eben ſo vermeſſen dasjenige abſpraͤchen, was nach aller Kenner Urtheil niemand als Hr. D. Tr-ll-r zu verfertigen geſchickt geweſen. Diejenigen, die deſſelben moraliſche Ernſthaftigkeit, ſeine pathetiſche Schreibart, und ſeine feine Art hoͤflich und galant zu ſpotten, kennen, ſind gegen der - gleichen verfuͤhreriſchen Argwohn genugſam bewafnet; Jn Anſehung ſolcher aber, dieBwegen18Stuͤcke der Schutzvorredewegen ihrer Leichtglaubigkeit in Gefahr ſte - hen moͤchten, von dergleichen Spoͤttern ver - fuͤhrt zu werden, mache ich mich hiemit oͤffent - lich anheiſchig, ihnen mit ehrlichen Zeugen zu beſcheinigen, daß ich dieſes Manuſcript von ungefehr und auf die Weiſe, wie ich er - zehlet habe, durch die Hand meines Kauf - manns von Leipzig empfangen habe; und ich zweifle keinesweges, wenn Hr. Tr-ll-r ſeine Freunde, denen er ſein Manuſcript an - vertrauet, und dieſe den Schriftſetzer, dem ſie es werden uͤberantwortet haben, darum mit Ernſt befragen werden, daß nicht ihre Ausſage mit meiner Erzehlung uͤbereinſtimmen und ſie bekraͤftigen werde. Wenigſtens bin ich von Hrn. Tr-ll-rs moraliſcher Neigung zur Billigkeit verſichert, daß er mir ſelbſt, wenn es vonnoͤthen ſeyn wuͤrde, mit einem oͤffent - lichen und unwiderſprechlichen Zeugniſſe zu Steuer der Wahrheit nicht entſtehen, ſon - dern dieſe Arbeit fuͤr die ſeinige erklaͤren, und(*)Siehe die Vorrede zum II. Theil ſeiner Gedichte. alſo den Verdacht von mir ableh - nen wuͤrde, als ob ich ſo ſchlimm waͤre, ſol - che Kinder, die ihrem natuͤrlichen Vater boß - hafter Weiſe entfuͤhrt worden, in meinen Schutz zu nehmen und fuͤr die meinigen zu er - ziehen.
Da ich nun dieſe Vorrede und Schutz - ſchrift des Tr-ll-riſchen Fabelbuchs dem Hrn. Doc -19fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Doctor ſelbſt, als dem wahren Verfaſſer zu - ſchreibe, muß ich die Leſer erinnern, daß ſie ſich nicht etwann dadurch irre machen laſſen, wenn ſie gewahr werden, daß derſelbe nicht nur in der gedruͤckten Vorrede, ſondern auch in dem gegenwaͤrtigen Anhange nicht in ſei - nem eigenen Nahmen, ſondern in der dritten Perſon als von einem andern redet; denn dieſes geſchiehet nur aus einer poetiſchen De - muth und Beſcheidenheit, damit es nicht das Anſehen habe, als ob er ſich ſelbſten lobe, von dieſer Eitelkeit iſt ſeine großmuͤthige See - le himmelweit entfernet, allermaſſen wir uͤber - zeugende Proben davon haben, zum Exempel da ſeine Lobredner ſich ſelbſt oͤffentlich(*)Siehe die Vorrede zum I. Theil ſeiner Gedichte. be - klagen muͤſſen, er ſey auf ſie recht boͤſe wor - den, und habe es ihnen nicht verzeihen wol - len, daß ſie die Wahrheit ſo deutlich von ihm geſagt haben. Viele Vorredner unſrer Zei - ten loben die Wercke ihrer Helden mit einer Niedertraͤchtigkeit und Unverſchaͤmtheit, wel - che man kaum einem Verleger zu gute halten kan. Ein gewiſſer geiſtreicher Mann hat das laͤcherliche Thun dieſer Leute in einem ſinnrei - chen Bild ſehr artig vorgeſtellet; er hat ge - ſagt:
„ Dergleichen Vorſprecher und ihre „ Verfaſſer ſcheinen mir eben ſo laͤcherlich „ als jener welſche Marcktſchreyer, der mit „ einem tiefſinnigen Ernſt auf einem altenB 2„ Roſſe20Stuͤcke der Schutzvorrede„ Roſſe einherzutraben pflegte, und einen „ Knaben voran lauffen ließ, der dem ſich „ verſammelnden Poͤbel mit heller Stim - „ me verkuͤndigen muſte, daß ſein Herr und „ Meiſter, das Wunder ſeiner Zeit, der „ Phoͤnix der Aerzte, die Sonne der Wiſ - „ ſenſchaften, ein unſterblicher Erhalter des „ menſchlichen Geſchlechtes, der Bezwinger „ aller Kranckheiten u. ſ. w. ſey. Zu wel - „ chem allem der Zahnarzt uur ſeinen Bart „ ſtreichelte, und zu Zeiten zu den Umſte - „ henden nur dieſes ſagte: Der Knabe „ ſpricht nichts als die wahrheit: Jch ruͤh - „ me mich nicht; aber er kennet mich. „
Alleine unſer Hr. D. Tr-ll-r iſt eines weit edelmuͤthigern Sinns, er hat deswegen dem J. C. B. der die beyden Theile ſeiner Ge - dichte mit Vorreden verſehen, ausdruͤcklich unterſagt, daß er den Werth ſeiner Ge - dichte nicht anpreiſen ſollte: Aber eben die - ſer Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver - ſtehen, was fuͤr ein hartes Gebot dieſes ſey, und wie ſchwer es ihm falle, den Werth und die Verdienſte eines Mannes oder einer Schrift, die jedermann ſo ausnehmend vor - kommen, als gleichguͤltig zu behandeln. Man muß es darum vor die Wuͤrckung ei - ner raren Beſcheidenheit halten, daß Hr. Tr-ll-r bey der Ausgabe ſeiner Fabeln das Amt eines Vorredners keinem Fremden an -ver -21fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. vertrauet, ſondern ſolches ſich ſelbſt vorbe - halten, und durchaus ſo beſcheiden von ſich ſelbſt geredet hat, daß man beynahe mei - nen wuͤrde, er kennete ſich ſelbſten nicht, und der Verfaſſer des Fabelwercks gienge Hrn. Tr-ll-r von Haut und Haar nichts an. Jch habe mir auch ſagen laſſen, er habe ſich uͤber das, wiewohl hoͤchſtverdiente Lob, welches ihm der Hr. von Boͤhlau in ſei - nen Jugend-Fruͤchten Bl. 429. und 430. beygeleget hat, weit haͤftiger entruͤſtet, als uͤber die Verlaͤumdungen des Verfaſſers der Schweitzeriſch-Critiſchen Dichtkunſt. Alleine ich finde dieſes Lob ſo gerecht, daß ich mich nicht entbrechen kan, ſolches hier anzufuͤgen und zu wiederholen. Es heißt Bl. 430.
Die Gerechtigkeit dieſer Lobeserhebung iſt ja in dem allgemeinen Ausſpruche Salomons gegruͤndet, der in ſeinem Prediger Cap. IX. v. 4. 5. 6. ſagt:
„ Ein lebendiger H ‒ ‒ iſt „ beſſer als ein todter Loͤwe; denn die Le -B 3„ ben -22Stuͤcke der Schutzvorrede„ bendigen wiſſen, daß ſie ſterben werden, „ die Todten aber wiſſen nichts, ſie verdie - „ nen auch nichts mehr. Denn ihr Ge - „ daͤchtniß iſt vergeſſen, daß man ſie nicht „ mehr liebet, noch haſſet, noch neidet, „ und ſie haben keinen Theil mehr auf der „ Welt in allem, das unter der Sonnen „ geſchieht. „
Nun ſind aber Gronov, Clerc, Graͤv, Salmaſius, Groot und Scaliger todt; ſollte denn nicht dem Hrn. Tr-ll-r ein billiger Vorzug uͤber dieſe alle gebuͤhren? Und die zwo leztern Zeilen ſind ſo unbe - ſtimmt, daß ich gar nicht ſehen kan, was die Neider des ſich ausbreitenden Tr-ll-ri - ſchen Ruhms daran auszuſetzen haben. Man wird bey den Franzoſen und Britten noch allezeit ſolche Scribenten antreffen, die an Munterkeit und Witz zu uͤbertreffen, eben keine groſſe Kunſt erfodert wird; und ich bin ſicher, wenn der Hr. von Boͤhlau ſich erklaͤren muͤßte, was er vor Franzoſen und Britten gemeint habe, uͤber die er ſeinem Meiſter einen ſolchen Vorzug giebt, es wuͤr - de jedermann den groſſen Unterſchied zwi - ſchen dieſen und jenen erkennen und die Vergleichung gutheiſſen muͤſſen. Aber ſo billig und beſcheiden auch dieſes Lob immer ſeyn mag, ſo muß dennoch Hr. Tr-ll-r ſel - biges nicht gerne, noch mit gleichguͤltigem Gemuͤthe aufgenommen haben, alleine ausder23fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. der vorſichtigen Beyſorge, es moͤgte ſelbi - ges etwann von neidigen Spoͤttern wider die Abſicht des Lobredners verdrehet und gemißdeutet werden. Sehet da ein ſeltenes Muſter einer recht edelmuͤthigen Beſchei - denheit bey einem Verdienſt-vollen Dich - ter, und zugleich die wahre Urſache, wa - rum er in der Vorrede zu ſeinem neueſten Fabelwerck das Wort ſelbſt fuͤhret, doch ſo, daß es ſcheinet, als ob er von einem an - dern rede.
Wollte aber jemand nur dieſes behaup - ten wollen, Hr. Tr-ll-r habe dieſe Vorre - de nicht ſelbſt geſchrieben, ſondern nur et - wa in die Feder dictirt, oder nachdem ſie von einem ſeiner Schuͤler verfertiget wor - den, uͤberſehen, veraͤndert und verbeſſert, ſo will ich mit einem ſolchen keinen Zanck anfangen, maſſen auch in dieſem Sinne von Hrn. Tr-ll-r eben ſo wohl kan geſagt werden, daß er der Verfaſſer dieſer Schutz - Schrift ſey, als dorten von Herodes ge - ſagt wird, er habe alle Kindlein zu Betle - hem getoͤdet.
Alleine ich will das gereizte Verlangen meiner Leſer nicht laͤnger an dem Genuſſe meines Manuſcripts hindern, zumahl da ich deſſen Werth bisdahin nicht geſchickter an - geprieſen habe, als dorten die Lobredner Salomons bey der Koͤnigin von Saba dieB 4Weiß -24Stuͤcke der SchutzvorredeWeißheit deſſelben nach ihrer Wuͤrdigkeit beſchrieben haben. Jch bin auch verſichert, daß die eigene Erfahrung meine Leſer eben ſo wohl, als jene Koͤnigin, von des Lob - redners Ungeſchicklichkeit uͤberzeugen, und meinem Lobe erſt das rechte Gewicht geben werde. Mithin da dieſes Manuſcript uns den ſchoͤnſten Anlaß giebt, manche critiſche Wahrheit in ein helles Licht zu ſetzen, ſo wird man mir erlauben, ſelbiges mit An - merckungen zu verſehen, inmaſſen es dieſe Ehre beſſer verdienet, als manches altes lateiniſche oder griechiſche Manuſcript, wel - che oft ſo unverſtaͤndlich an ſich ſelbſt ſind, oder von den Commentatoren gemachet wer - den, daß man ſelbſt nicht weiß, woran man ſich halten ſoll. Mein Manuſcript bedarf kei - ner dergleichen Erklaͤrungen, und ſie wuͤrden eben ſo wenig nuͤtze ſeyn, als wenn man der Sonne an dem hellen Mittag eine Fackel an - zuͤnden wuͤrde. Die Abſicht meiner Anmer - kungen gehet alleine dahin, einige moraliſche und critiſche Grundſaͤtze, die nur beylaͤuftig angefuͤhret werden, und auf welche der Ver - faſſer ſeine Urtheile gruͤndet, um der Ein - faͤltigen willen weiter auszufuͤhren, und die Kunſt, die in dieſer gantzen Schutzſchrift ver - borgen lieget, einigermaſſen aufzudecken.
MEin Gott! was erhebet nicht der ehr -licheAnmerckungen. Mein Gott!) Sehet da, in was vor einer chriſt - lichen Verfaſſung das ſanftmuͤthige Hertz des Verfaſ - ſers geſtanden hat, als er ſich an dieſe Vertheidigung gemachet. Ein anderer haͤtte aus einem andern Thone angefangen, als etwann:‘Arma Virumque cano! ‒ ‒ ‒ ‒’Oder:Muſa mihi cauſſas memora, quo numine læſo, Quidve dolens Regina Deûm, tot volvere caſus Inſignem pietate virum, tot adire labores Impulerit. Tantæne animis coeleſtibus iræ! Aber unſer ſanftmuͤthige Verfaſſer nimmt ſeine Zuflucht, als ein chriſtlicher Poet, zu der Invocatione, oder An -B 5rufung. 26Stuͤcke der Schutzvorredeliche Mann vor ein greuliches Lermen[:]Mitrufung. Er druͤckt dadurch ſeine Empfindlichkeit und innigſte Wehmuth, nicht uͤber die ihm angethane Un - bill; ſondern uͤber die ſchwere Verſuͤndigung des Ver - faſſers der neuen Critiſchen Dichtkunſt, ſehr lebhaft aus. Man kan im uͤbrigen von dieſer poetiſchen An - rufung Hrn. G-ttſch-ds Critiſche Dichtkunſt nachſe - hen.Dieſer ehrliche Mann) Er meinet den Schweitze - riſchen Verfaſſer der neuen Critiſchen Dichtkunſt: Er nennet ihn einen ehrlichen Mann, nicht per antiphra - ſin, wie etwann die Spoͤtter meinen moͤgten; ſon - dern damit er zeige, daß ihn die empfangene Unbill nicht hindere, auch von ſeinen Feinden gutes zu reden, nach dem bekannten Axiomate, & in hoſte laudanda Virtus. Und wenn wir dem Seneca glauben wollen, ſo iſt der Ruhm eines ehrlichen Manns allem andern Ruhm, auch dem Ruhm eines groſſen Dichters, ei - nes ſcharfſinnigen Kunſtrichters ꝛc. weit weit vorzuzie - hen: Magno impendio temporis, magna alienarum aurium moleſtia laudatio hæc conſtat, ô Hominem Li - teratum! Simus hoc titulo ruſticiore contenti, ô VI - RUM BONUM. Und in dieſen Gedancken ſtehet auch unſer Verfaſſer, daher er ſich dieſen Titel alſofort ſelbſt beyleget, wenn er ſagt: Wichtige Urſachen ... ehrliche Leute ſo unbaͤndig anzugreiffen! Wo dieſes Beywort ja unmoͤglich antiphraſtice kan verſtanden wer - den.Was erhebet er nicht vor ein greuliches Lermen[:]) Da er nemlich in dem ſiebenden Abſchnitte ſeiner Criti - ſchen Dichtkunſt, wo er von der Eſopiſchen Fabel aus - fuͤhrlich handelt, ſich daran nicht begnuͤget, die Tr-ll-ri - ſche Unterſuchung von der Natur der Fabel, Bl. 173.175.27fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Mit was vor Heftigkeit und Bitterkeit ſtoͤſ - ſet er ſeine Urtheile nicht aus? Warum denn dieſes alles? nemlich um Sylben, Gedan -ken,175. 177. 188. u. f. 195. hoͤhniſch durchzuziehen, ſon - dern noch uͤberdas von Bl. 214. bis 262. alleine bemuͤ - het iſt, die in dem Anhange der Tr-ll-riſchen Gedichte befindlichen Fabeln durch die Muſterung gehen zu laſ - ſen. Was bedurfte es ſolcher Weitlaͤuftigkeit, wenn er nichts mehrers ſagen wollte, als daß ihm dieſe Fa - beln mißfallen?Mit was vor Heftigkeit und Bitterkeit ꝛc.) Wa - rum muß er die Tr-ll-riſche Unterſuchung unbegruͤndt und ungluͤcklich nennen? Warum die Fehler, die ſich etwann ereignen, juſt vor eine Wuͤrckung einer ſchlech - ten Ueberlegung angeben? Warum auf den Wider - ſpruch, den er zu entdecken meinet, als etwas recht kin - diſches ſchmaͤhen? Und wann wuͤrde ich fertig werden, wenn ich alle die Critiſchen Hiebe und Streiche, womit er lincks und rechts unbarmhertziger Weiſe und ohne Mitleiden um ſich ſchmeißt, nahmhaft machen wollte? Jch bitte meine Leſer, die Muͤhe ſelbſt zu nehmen, und den ſiebenden Abſchnitt der Critiſchen Dichtkunſt mit Nachdencken zu leſen, ſo werden ſie dem Hrn. Doctor das Zeugniß geben muͤſſen, daß er noch gnaͤdig mit ſeinem Feinde verfaͤhrt, wenn er ihn bloß einer Hef - tigkeit und Bitterkeit in ſeinen Urtheilen beſchuldiget. Wenn er demſelben nicht verſchonet haͤtte, ſo waͤre es ihm ohne Zweifel ein leichtes geweſen, ſeine Urtheile vor falſch und unbegruͤndet auszuſchreyen.Um Sylben, Gedancken, Worte und Reime) Jch bin lange im Zweifel geſtanden, ob ſich nicht das Wort Gedancken hier wider die Abſicht des Verfaſſers eingeſchlichen habe: Denn, gedachte ich, falſche Ge -dan -28Stuͤcke der Schutzvorredeken, Worte, und Reime, um Fabeln undMaͤhr -dancken ſind endlich noch wohl einer Beurtheilung werth; und der Eifer eines guten Kunſtrichters gegen ſolche moͤgte endlich noch wohl zu rechtfertigen ſeyn. Alleine da mir die Hamburgiſchen Berichte von ge - lehrten Sachen No. LXXIV. ungefehr in die Haͤnde fielen, allwo die neue Auflage der Tr-ll-riſchen Fabeln ſehr fleiſſig angeprieſen, dem Schweitzeriſchen Kunſt - richter ſeine tollkuͤhne Vermeſſenheit derbe verwieſen, und die Vertheidigung dieſes unverbeſſerlichen deutſchen Dichters mit ſeinen eigenen Kern-Worten beſchloſſen wird, fand ich zu allem Gluͤcke eben dieſe Ausdruͤckung; es heißt gegen dem Ende: um Sylben, Gedancken, Woͤrter und Reime muͤſſen Beſcheidenheit, Gelin - digkeit und Menſchenliebe gaͤntzlich hintan geſezt werden? Dieſe Stellen ſind einander ſo aͤhnlich, daß keine ohne die andere kan veraͤndert werden, und es ſchwer zu errathen iſt, welche von der andern abgeſe - hen worden: Auch kan Hr. Z* am beſten wiſſen, was Hrn. D. Tr-ll-rs Gedancken uͤber critiſche Materien ſeyn. Jch verwerfe daher meine erſte Muthmaſſung ſelbſt, und erklaͤre den Sinn des Verfaſſers ſo, daß er nicht mehrers ſagen wolle, als, man muͤſſe den irrenden Scribenten, wenn ſie auch gleich in den Gedancken noch ſo uͤbel verſtoſſen, mit Sanftmuth und Hoͤflichkeit zurecht helfen.Um Fabeln und Maͤhrchen) Maͤhrchen ſind wun - derbare und abentheurliche Erzehlungen, die nicht die geringſte Wahrſcheinlichkeit haben; hiemit wunderbare Luͤgen, dergleichen unverſtaͤndige Ammen den kleinen Kindern zu erzehlen, und ihnen damit die Zeit zu kuͤr - zen pflegen. Dieſe Maͤhrchen haben eben eine ſo lehr - reiche Abſicht, als die guten Fabeln; doch kan dieſes ihren Gebrauch nicht rechtfertigen: Man muß die Wahrheit und das Nuͤtzliche nicht durch Luͤgen fort -pflan -29fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Maͤhrchen, die zum Zeitvertreib fuͤr dieJu -pflantzen, und die unerfahrne Leichtglaͤubigkeit der Kin - der nicht mißbrauchen, noch weniger ihren Geſchmack durch abgeſchmackte und unmoͤgliche Erzehlungen zu einer Zeit verderben, da ſie noch nicht im Stande ſind, zwiſchen link und recht ſelbſt zu unterſcheiden. Aus dieſem laͤßt ſich die Frage leicht entſcheiden, wel - che Hr. Z* in der oberwehnten LXXIV. No. der Hamburgiſchen Berichte bey Anlaß der Tr-ll-riſchen Fabeln auf die Bahn bringet, nemlich, Was vor deutſche oder lateiniſche Fabeln der Schul-Jugend zu belieben, und in denen unterſten Claſſen einzu - fuͤhren rathſam ſeyn moͤgte? Jch antworte, nur keine Maͤhrchen nicht, ſondern alleine ſolche Fabeln, die ihre Glaubwuͤrdigkeit bey allem Scheine des Wun - derbaren genugſam rechtfertigen koͤnnen. Man wuͤrde ſich aber uͤbel betriegen, wenn man aus dieſer Stelle ſchlieſſen wollte, als ob Hr. D. Tr-ll-r ſeine Fabeln ſelbſt in keinem hoͤhern Werth hielte, als die Maͤhr - chen unperſtaͤndiger Ammen; Das ſey fern. Er be - dient ſich hier ſehr geſchickt einer Figur, welche die Schulgelehrten Meioſin oder Tapeinoſin heiſſen, wel - che etwas von ſeinem Werth kuͤnſtlich herunterſetzet und veraͤchtlich macht, damit etwas anders dadurch augen - ſcheinlich erhoben werde. Weil nun Hr. Tr-ll-r ſeines Gegners Heftigkeit und Bitterkeit in ſeinen Urtheilen recht laͤcherlich machen wollte, ſo mußte er ſeine eige - ne Arbeit, mit deren Beurtheilung ſich dieſer Criticus was groſſes duͤncket, um ein namhaftes ſelbſt verklei - nern: Angeſehen es ja recht laͤcherlich laſſen wuͤrde, wenn ein groſſer Kunſtrichter mit eben dem Anſehen und der Ernſthaftigkeit, mit welcher er etwann die Wercke eines Homers und Virgils zu beurtheilen pfle - get, die kindiſchen Maͤhrchen einer Amme unterſuchen, oder die Kinder in ihren naͤrriſchen Spielen hofmeiſtern wollte.30Stuͤcke der SchutzvorredeJugend aufgeſetzet, und als ein unvollkom - mener Verſuch angegeben worden. Wich -tigeDie zum Zeitvertreib fuͤr die Jugend aufgeſetzet) Es faͤhrt der Vorredner in der angefangenen Figur fort; und man muß dieſes nicht im Ernſt aufnehmen. Hr. D. Tr-ll-r weiß viel zu wohl, was fuͤr Behutſam - keit in dem Umgange mit der Jugend erfodert wird, und daß es nicht gleichguͤltig iſt, woran man ihren Geſchmack gewoͤhne: Nach dem bekanntenQuo ſemel eſt imbuta recens ſervabit odorem Teſta diu. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒Als ein unvollkommener Verſuch angegeben wor - den) Sein eigenes Bekenntniß in ſeiner Unterſu - chung von der Natur der Fabel Bl. 559. iſt hieruͤber gar deutlich:„ Dieſe Fabeln werden hiermit dem ge - „ neigten Leſer, als ein Anhang, dargereicht, zwar „ nicht in der Meinung, daß ſie etwas vollkomme - „ nes ſeyn ſollten. „ Und etwas ferner: „ Jch muß „ ſelbſt bekennen, dnß einige ſchon laͤngſt vrrfertigte „ die ſtrengſten Pruͤffungen nicht aushalten duͤrften. „Wiewohl er anbey verſichert, daß er ſich aͤuſſerſt habe angelegen ſeyn laſſen, mit Wiſſen und Willen nicht wider die ſchweren Regeln der Fabel zu verſtoſſen. So groß aber die Beſcheidenheit Hrn. D. Tr-ll-rs iſt, kan ich gleichwohl das unhoͤfliche Zeugniß des Vor - redners zu dem zweyten Theile der Tr-ll-riſchen Ge - dichte darum nicht gutheiſſen, z. Ex. wenn er unter anderm von eben dieſer Haupt-Tugend unſers groſſen Dichters meldet,„ Er ſuche ſeinen unverdienterlang - „ ten Ruhm mehr mit Beſcheidenheit zu verbergen, „ als mit frechem Hochmuth auszubreiten. „Heißt dieſes nicht ſeinen Helden dem Geſpoͤtte der Feinde preiß geben, und ihnen die Waffen ſelbſt in die Haͤndeliefern,31fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. tige Urſache, ſich ſo laͤcherlich zu entruͤſten,undliefern, womit ſie ihm beykommen koͤnnen, wenn man oͤffentlich von einem bezeuget, daß er den Ruhm, welchen er erlanget hat, nicht verdiene? Der Hr. D. Tr-ll-r kan ſein eigenes Heu Stroh nennen; aber das iſt darum einem andern nicht erlaubt, und Com - plimente muß man nicht grad vor Ernſt aufnehmen. Nicht beſſer iſt, was bald hernach folget:„ Vicle „ ſeiner Gedichte hat er in ſeiner noch bluͤhenden und „ feurigen Jugend verfertiget, daher die Worte oft „ beſſer ſind, als die Gedancken. „Und an einem andern Orte:„ Er glaͤubt, die gelehrte Welt koͤnne „ ſeiner poetiſchen Gedancken, die, aus Mangel der „ Zeit, nie ſattſam ausgearbeitet werden koͤnnen, „ mit leichter Muͤhe entrathen. „Was koͤnnte wohl der aͤrgſte Feind ſchlimmers von einem Gedichte ſagen, als daß es nicht ausgearbeitet, und daß die ſchoͤnen und praͤchtigen Worte wohl das beſte daran ſeyn? Wenn Hr. Doctor ſelbſt ſich alſo erklaͤren wuͤrde, ſo wuͤrde es jedermann vor eine Ausdruͤckung ſeiner an - gebohrnen Beſcheidenheit aufnehmen: Aber da es von einem andern geſagt wird, von dem man vorausſetzet, daß er auſſer Stand ſey, ſeinen Helden zu beſchimpfen, ſo duͤrften dergleichen loſe Reden im Ernſt aufgenom - men werden.Wichtige Urſache, ſich ſo laͤcherlich zu entruͤſten) Man bemercke hier die pathetiſche Figur des Ausrufs, welche dem ſtoͤrriſchen Kunſtrichter nothwendig eine Roͤ - the ins Angeſicht jagen, und ihn mit Scham bedecken wird. Sollte es nicht laͤcherlich ſeyn, daß ein ernſthaf - ter Criticus ſich uͤber unſchuldige und dabey noch lehr - reiche Maͤhrchen einer Kinderwaͤrterin, uͤber junger Leu - te Schertz und Kurtzweil, uͤber Sylben und Reimen, und andere ſolche Kleinigkeiten ſo heftig entruͤſtet, als ob es um die Beſtrafung eines Hochverraths zu thun waͤre?32Stuͤcke der Schutzvorredeund ehrliche Leute ſo unbaͤndig anzugreiffen, als ob es einen ſonderbaren Glaubens-Ar - tickel oder bedencklichen Friedens-Schluß anbetraͤfe. Richer mag ihm antworten:
Man weiß wohl die Freyheit, die Gelehrtedieß -Ehrliche Leute) Ehrliche Leute angreiffen, iſt eine zweydeutige Redensart; denn entweder heißt die - ſes jemand durch Verleumdung an ſeinem ehrlichen Nahmen kraͤncken, oder, einen ehrlichen, unverleum - deten Mann wegen einiger Maͤngel und Gebrechen, die den ehrlichen Nahmen nicht beruͤhren, tadeln und beſtrafen. Und in dieſem leztern Sinn wird dieſer Aus - druck oͤfters per fallaciam compoſitionis, wie die Schul - gelehrten ſich in ihrer geweyheten Sprache ausdruͤcken, gemißbraucht; grad als ob einer kein ehrlicher Mann ſeyn koͤnnte, wenn er nicht ein untadelhafter Poet, oder unverbeſſerlicher Fabeldichter waͤre. Man kan daruͤber mit Erbauung nachleſen, was in der Samm - lung ſatyriſcher und ernſthafter Schriften, in der Vertheidigung Briontes des juͤngern, abſonderlich Bl. 254. und 255. uͤber dieſe Materie vorkoͤmmt.Man weiß wohl die Freyheit, die ꝛc.) Und wa - rum ſollten es die Herren Hamburger nicht wiſſen, da Briontes der juͤngere ſolches erſt neulich mitten unter ihnen ſo handgreiflich erwieſen hat, daß ich glaube, es ſey wohl mehr als einer, der es heimlich befeufze, daß dieſe Wahrheit Wahrheit iſt. Siehe die Vertheid. Briont. des juͤngern Bl. 256. 259. 260. u. f. Aberunſer33fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. dießfalls uͤber einander haben; es ſtehet je - dem frey, Schriften zu beurtheilen; es iſt auch nuͤtzlich und loͤblich: Alleine es muß mit Beſcheidenheit und Gelindigkeit, und nicht in einer Sprache geſchehen, die man eher in denen Muͤhlen, Scheuren und Schen - ken, als unter gelehrten und wohlgeſitteten Leuten, zu hoͤren gewohnt iſt.
„ er kan wohl leiden, wenn „ man ihm, ſo zu ſagen, ſein poetiſches Kleid aus - „ ziehet, ja es wuͤrde ihm ein leichtes ſeyn, ſolches „ ſelbſt abzulegen, indem er noch andere Kleider im „ Vorrath hat, welche er geziemend anlegen, und ſich „ damit unter Leuten zur Noth noch ſehen laſſen kan. „
Man leſe hiervon weiter unſers Verfaſſers Gedichte auf den ſeel. Hrn. Fabricius, von der unanſtaͤndigen Schmaͤhſucht der Gelehrten, nebſt denen Anmerckungen, und beſſere ſich. Man weiß nicht, ob man den boͤsartigen Schriftrichter mehr belachen, oder beklagen ſoll, welcher andern Leuten die Fehler in Schriften zeigen will, und doch ſelbſt einer viel wichtigern Verbeſſerung ſeiner rauhen und ſtoͤrriſchen Sitten u. unhoͤflichen Schreib - art noͤthig hat, wie der Leſer mit Erſtaunenwahr -Der ſelbſt einer viel wichtigern Verbeſſerung noͤthig) Ein bekanntes Schul-Dictum lautet: Turpe eſt Do - ctori, quem culpa redarguit ipſum. Wer andre mit Recht tadeln will, der muß ſelbſt ohne Fehler und Ge - brechen ſeyn: Da nun keiner vollkommen und Engel - rein iſt, ſo waͤre es ja weit beſſer, und fuͤr die gemei - ne Ruhe weit vortraͤglicher, daß man das Tadeln und Richten, als ein friedenſtoͤrendes Handwerck, gaͤntzlich einſtellete, und einander haͤlfe, die gemeine Unvoll - kommenheit mit dem Mantel der Liebe zudecken. Sol - cher laͤßt ſich ſchon aus einander ziehen, daß er weit genug wird, die Bloͤſſe ſo vieler Leute zu bedecken.Mit Erſtaunen) Der Verfaſſer kennet das Hertz der Menſchen, insbeſondere ſeiner deutſchen Leſer, ſo wohl, daß er mit Gewißheit voraus ſagen kan, was dieſe oder jene Vorſtellung vor einen Eindruck auf das - ſelbe machen werde. Hier verkuͤndiget er ein Erſtau -nen35fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. wahrnehmen wird. Alleine laßt uns nun ei - nige der wichtigſten Einwuͤrffe beſehen, dieernen, nemlich ein ſolches, das mit Furcht und Abſcheu verknuͤpfet iſt:Improviſum aſpris veluti qui ſentibus Anguem Preſſit humi nitens, trepidusque repente refugit Attollentem iras, & cœrula colla tumentem. Einige der wichtigſten Einwuͤrffe) Das Ge - wicht der Einwuͤrffe wird gemeiniglich von dem, der ſie machet, und von dem, der ſie beantworten ſoll, in einer gantz nngleichen Waage abgewogen. Sie werden hier die wichtigſten Einwuͤrffe genennet, nicht als ob ſie an ſich ſelbſt einiges Gewicht haben; ſondern in Vergleichung mit den uͤbrigen Einwuͤrffen, die wahr - haftig leichter ſind, als die Spreu. Jch will meinen Leſern zu gefallen eine kurtze Liſte von dieſen Einwuͤrffen herſetzen, damit ſie ſelbſt ein Urtheil davon faͤllen koͤnnen. Der Verfaſſer der Critiſchen Dichtkunſt wirft demnach folgende Fragen auf, die ſich auf Hrn. Tr-ll-rs Unter - ſuchung von den Fabeln, und auf die Fabeln ſelbſt beziehen, die in dem Anhange ſeiner Gedichte ſtehen. Ob Eſopus ſeinen Fabeln die Lehren ſelbſt angehaͤnget? Bl. 173. Ob Phaͤder zu tadeln ſey, daß er die Leh - re der Fabeln mehrmahlen vorne zu Anfang der Erzehlung geſetzet hat? Bl. 175. Ob La Motte we - gen der weitlaͤuftigen Vorreden, die er vor ſeinen Fa - beln geſetzet, zu entſchuldigen? Bl. 177. Ob die menſchlichen Fabeln wegen Mangel des Wunderbaren allemahl verwerflich ſeyn? Bl. 188. u. f. Ob La Motte geirret, da er die Fabel ein kleines Epiſches Gedichte genennet? Bl. 195. Ob die Fabel von dem kleinen Knaben, der das Meer in ein kleines Gruͤb -C 2lein36Stuͤcke der Schutzvorredeer wider die Trilleriſchen Fabeln gemacht,umlein ausſchoͤpfen wollen, von Hrn. Tr-ll-r erfunden worden, und ob dieſe Erfindung gutzuheiſſen ſey? Bl. 215. Ob die Veraͤnderung des Oceans in den Rheinſtrom, und des Gruͤbleins in zween Toͤpfe, in dieſer Fabel, gantz gleichguͤltig ſey? Bl. 216. Ob die gelehrte Abſicht, die Hr. Tr-ll-r dem Knaben bey dieſem Unternehmen zuſchreibet, wahrſcheinlich ſey? Bl. 218. Ob die Fabel von dem Kinde und dem Fro - ſche nicht wegen Mangel des Wunderbaren verwerflich ſey? und ob die Lehre, welche Hr. Tr-ll-r daraus herleitet, nicht gezwungen ſey? Bl. 219. u. f. Ob die Fabel, der Hund auf einem ſammtenen Kuͤſſen und der Hausherr, nicht ohne Noth unter die wunder - baren Fabeln gezehlet worden? Bl. 223. Ob die Fa - bel, der gereiſte Mann ein wunderlicher Koch, etwas mehrers ſey als ein bloſſes Gleichniß? Bl. 225. Ob die Fabel, die Raben-Bleiche betittelt, neu und noth - wendig ſey? Bl. 227. Ob Hr. Tr-ll-r in ſeiner Un - terſuchung von Fabeln Bl. 568. Urſache gehabt, die Eſopiſche Fabel von dem Fuchſe in des Bildhauers Werckſtatt, als unwahrſcheinlich zu verwerffen? Bl. 238. Ob er des Hrn. La Motte Critick uͤber dieſe Fa - bel recht verſtanden habe? Bl. 240. Ob er Recht ge - habt, die Fabel von dem Loͤwen, der ſich in eine Schaͤ - ferin verliebt, als unvernuͤnftig und widernatuͤrlich zu verwerffen? und ob ſeine vorgeſchlagene Verbeſſerung derſelben gutzuheiſſen ſey? Bl. 242. u. f. Ob nicht die meiſten Tr-ll-riſchen Fabeln in ihrer Erfindung all - zu menſchlich ſeyn, ſo daß ſie nichts wunderbares ha - ben, als den Nahmen der Thiere? Bl. 246. u. f. ꝛc. Jch fuͤrchte gar nicht, daß dieſe ausfuͤhrliche Nahm - haftmachung ſo vieler Fragen und Einwuͤrffe die Auf - richtigkeit meines Verfaſſers verdaͤchtig machen werde;der -37fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. um von dem Werth dieſer Critiſchen Dicht - kunſt hieraus zu urtheilen; denn alles zubeant -derſelbe iſt nicht von der Art derjenigen, die, wenn ſie etwan mit einem ſtrengen Gegner zu thun haben, aus einer gantzen Schrift nur dasjenige herausklauben, was am ſchwaͤchſten ſcheinet, und noch wohl zu ver - antworten iſt, inzwiſchen aber die ſtaͤrckſten Einwuͤrffe liſtiger Weiſe verhoͤlen. Man darf nur dieſe Fragen durchleſen, ſo wird man mit Haͤnden greiffen muͤſſen, daß es lauter Kleinigkeiten ſind, die keine Widerle - gung verdienen. Was liegt endlich dem Staate, oder der Kirchen, oder dem Hausweſen daran, ob die Leh - re vorne oder hinten an der Fabel ſtehe, wenn nur eine darinnen iſt? Ob ſie Wahrſcheinlichkeit genug ha - be, wenn ſie nur lehrreich und ergetzlich iſt? Jſt das Vorhaben, den Rheinſtrom in zween Toͤpfe auszuſchoͤ - pfen, nicht eben ſo thoͤricht und unmoͤglich, als das Weltmeer in ein Gruͤblein zu leiten? ꝛc. ꝛc.Um von dem Werth dieſer Critiſchen Dichtkunſt hieraus zu urtheilen) Ex ungue Leonem! Es iſt zwar nicht zu leugnen, was Plinius ſagt: Nullus li - ber tam malus eſt, in quo non aliquid inſit boni. Doch hindert dieſes uicht, daß man nicht ein Buch dem andern vorziehen duͤrfe. Wir haben ja Hrn. G-ttſch-ds Critiſche Dichtkunſt, und ſo haͤtten wir dieſer neuen Critiſchen Dichtkunſt wohl entbehren koͤnnen; um ſo viel mehr, da jener ſo beſcheiden und hoͤflich iſt, daß er, die Lebenden nicht zu erzoͤrnen, ſich nicht ſcheuet, die Manes der abgelebten Dichter in ihrer Ruhe zu ſtoͤ - ren; ungeachtet es in dem gemeinen Spruͤchwort heißt: De Mortuis nonniſi bene. Da hingegen der neuere Verfaſſer ſo unbeſcheiden iſt, daß er auch der noch le - benden nicht verſchonet, und ihnen ihre Fehler unterC 3das38Stuͤcke der Schutzvorredebeantworten verlohnet ſich nicht der Muͤhe, und das weitlaͤuftige Gewaͤſche von lauter Kleinigkeiten verdienet keine Widerlegung. Er fraget alſo unter andern: Ob die Eſpen, Tannen, Buch und Linden in einer Ca - ravane hinter dem Eichbaume hergezogen waͤren? Welche tiefſinnige Frage, die keinOedi -das Angeſicht vorruͤcket. Horatz iſt ein aberglaubiger Spoͤtter, wenn er von einem gewiſſen Poeten ſagt:Nec ſatis apparet, cur verſus factitet: utrum Minxerit in patrios cineres, an triſte bidental Moverit inceſtus: Certe furit. ‒ ‒ ‒Er fraget alſo unter andern, ob die Eſpen, Tan - nen ꝛc.) Die verwegene Critick des Schweitzeriſchen Verfaſſers uͤber die Bibliſche Fabel des Joas lautet unter anderm Bl. 259. 260. alſo:„ Wenn wir die „ ausfuͤhrliche Abhandlung dieſer Fabel vor uns neh - „ men, ſo werden wir finden, daß Hr. Triller aller „ ſeiner Kunſt aufgeboten hat, recht laͤcherlich zu wer - „ den. Dieſe Kunſt beſtehet darinnen, daß er die „ Regel von dem Wahrſcheinlichen, in ſo ferne die - „ ſelbe in der Natur und Beſchaffenheit der Dinge ge - „ gruͤndet iſt, gaͤntzlich aus den Augen geſetzet hat. „ Die Baͤume haben ihre gantze Natur abgelegt, und „ koͤnnen alle menſchlichen Verrichtungen ſo gut nach - „ ahmen, als die Menſchen. Sie verſammeln ſich „ zuſammen in einen geheimen Rath, Bl. 605. ſie „ halten Beylager und legen ſich zuſammen ins Bette, „ Bl. 606. ſie ſchweeren bey ihrer Seelen; die Ge - „ ſchichte vom Koͤnig Salomo iſt ihnen im Grund „ bekannt; ſie beſitzen groß Geld und Gut, und wiſ -„ ſen39fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Oedipus aufloͤſen kan! Welcher ſchertzhafter Einfall, der einem Thraͤnen auspreſſen moͤg - te! Welche Critiſche Dichtkunſt, die den Ariſtoteles und Horaz weit uͤbertrift! Er fraget ferner, ob die Baͤume etwas vom Koͤnig Salomo wiſſen koͤnnen? Dieſesiſt„ ſen ſolches eben ſo geſchickt zu gebrauchen, einander „ zu beſtechen, als die Menſchen, Bl. 607. und 608. „ Sie ſchaͤtzen den Adel nach der Zahl der Ahnen; ſie „ beobachten in dem geheimen Cabinete unter ſich ei - „ nen Rang; ſie beſchencken einander mit guͤldenen „ Ketten; ſie halten einander Hochzeit-Maͤhler und „ Gaſtereyen; alſo werden ſie auch mit einander ſpei - „ ſen, Bl. 609. u. 610. Sie koͤnnen ſich auf ihre „ Fuͤſſe erheben, und nach Belieben langſam einher „ ſpatzieren, oder geſchwinde lauffen, und man trift „ oͤfters gantze Caravanen auf der Straſſe an, von „ Eſpen, Tannen, Buch und Linden, Bl. 610. „ Wie abentheurlich! „Dieſes weitlaͤuftige Gewaͤ - ſche verdienet zwar keine Widerlegung, und es verloh - net ſich nicht der Muͤhe, alles zu beantworten. Jch will nur ein par kleine Anmerckungen beyfuͤgen. Die erſte ſiehet auf die Erkenntniß, welche die Dichtung leb - loſen Geſchoͤpfen in der Fabel beyleget. Sind ſie ei - niger Erkenntniß faͤhig, ſo muͤſſen ſie eine Seele ha - ben, und warum ſollten ſie dann nicht bey ihrer See - len etwas betheuren koͤnnen? So ſprach er, jeder fiel ihm bey, Aus unverſchaͤmter Schmeicheley, Selbſt Salomo, bey meiner Seelen! Koͤnnt weiſer nicht und beſſer waͤhlen. Dieſes iſt die Sprache des Herren von Dornbuſch.C 4Und40Stuͤcke der Schutzvorredeiſt gleichwohl ſehr wahrſcheinlich erdichtet, denn wenn die Baͤume nach der Fabel den - ken und reden koͤnnen; ſo muͤſſen ſie auch den Koͤnig Salomo wohl kennen, als welcher ſich um das Reich der Pflantzen ſo verdient gemacht, daß er ſie von der Ceder auf dem Libanon an, biß auf den Yſop, der aus derWandUnd warum ſollten die Baͤume und Pflantzen den Koͤ - nig Salomo nicht kennen, der ſich um ihr Reich ſo wohl verdient gemachet hat? Jch bin ſicher, wenn einmahl das Fieber, der Mond, die Luft, das Fir - mament ꝛc in Fabeln eingefuͤhrt werden ſollten, daß ſie mit gleichem Grunde der Wahrſcheinlichkeit Hrn. D. Tr-ll-rs Lob ausbreiten wuͤrden, als der Dornbuſch hier das Lob des Koͤnigs Salomons auspoſaunet. Die zweyte Anmerckung, welche dienet, einen groſſen Theil der uͤbrigen Schweitzeriſchen Beſchuldigungen abzuleh - nen, beziehet ſich auf den Grund der Dichtung in des Koͤnigs Joas Fabel. Die Dichtung, daß der Dorn - ſtrauch dem Cederbaum den Antrag habe machen laſ - ſen: Gieb deine Tochter meinem Sohne zum Weibe; iſt nicht von Hrn. D. Tr-ll-r, ſondern von dem Koͤnig Joas. Der Begriff aber von einer Heyrath oder Ver - maͤhlung ſchlieſſet ja das Beylager, eine Morgengabe, das Hochzeitmahl, und alle uͤbrigen Umſtaͤnde noth - wendig mit ein. Alſo fallen alle dieſe Beſchuldigun - gen nicht auf Hrn. D. Tr-ll-r, ſondern auf den Koͤnig Joas zuruͤcke; der mag es nun ſelbſt verantworten. Hr. D. Tr-ll-r hat ja nichts mehrers gethan, als daß er die Begriffe dieſes Koͤnigs in Jſrael aus einander gewickelt hat. Und ich glaube, wenn Joas dieſe Fa - bel leſen koͤnnte, er wuͤrde ſich uͤber die geſchickte Aus - fuͤhrung ſeiner ehmahligen Gedancken recht verwun - dern.41fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. Wand waͤchſt, oder biß zu der Mauer-Rau - te, das iſt vom groͤſten biß zum kleinſten Ge - waͤchſe, ausfuͤhrlich beſchrieben, wie die Schrift meldet, welche doch wenigſtens un - ſer Criticus gelten laſſen wird. Er fraget weiter, ob die Maͤuſe des Sonntags um die Stadt ſpazieren giengen, wie die BuͤrgerzuEr wird wenigſtens die Schrift gelten laſſen) Es iſt in Wahrheit ziemlich verdaͤchtig, wenn einer ſich nicht ſcheuet, eine Fabel, die in der Schrift ſtehet, der Unwahrſcheinlichkeit zu bezuͤchtigen, und noch dazu laͤugnen darf, daß die Ceder und der Dornſtrauch in der Fabel den Koͤnig Salomo nicht kennen.Er frager weiter, ob die Maͤuſe ꝛc.) Jch darf ſtatt einer Antwort nur die wohlausgebildeten Verſe des Hrn. Tr-ll-rs herſetzen:Sonntags, da die Predigt aus, die ja wohl ſo gut geweſen, Als wir ſie gemeiniglich in den Haus-Poſtillen leſen, Ließ die Stadtmaus ſich gefallen, fuͤr das Thor hin - auszugehn, Allda friſche Luft zu ſchoͤpfen, u. die Felder zu beſehn: Eben dieſes harte ſich auch die Feldmaus vorgenom̃en, Als ſie nun von ungefehr auf dem Weg zuſam̃enkom̃en, Und ſich unvermutherſahen, war es bey den angenehm, Deñ ſie waren alte Freunde u. Gevattern auſſer dem. Wer kan dieſe Beſchreibung leſen, ohne daß er die ſorgfaͤltige und recht mahleriſche Kunſt in Beſchreibung auch der kleinſten Umſtaͤnde mit einem verwunderſamen Ergetzen gewahr werde, es ſey dann einer, der ausC 5Bos -42Stuͤcke der Schutzvorredezu Hamburg? Jngleichen, ob der Stadr - maͤuſe ihre Loͤcher ſchoͤner und aufgepuz - ter waͤren; als der Feldmaͤuſe ihre? Sinn - reiche Einfaͤlle, die man ſich kaum artiger traͤumen laſſen ſollte! Wer vermag hierauf zu antworten? Und endlich fraget er (denn man wird dieſer Poſſen geſchwind muͤde,) obdieBosheit die Augen dafuͤr zuſchlieſſet? Muß ſich nicht Horatz mit ſeinem magern‘Ruſticus urbanum murem mus paupere fertur Accepiſſe cavo &c. ’vor dem Reichthum dieſer praͤchtigen Mahlerey vor Scham verkriechen? Man kan aus dieſer Probe ab - nehmen, was die chriſtliche Religion auch einem Fa - beldichter vor Vortheile zur Auszierung ſeiner Fabeln an die Hand gebe, und wie die Poeſie bald ein ander Anſehen bekommen wuͤrde, wenn ſich alle Poeten der - ſelben ſo geſchickt zu bedienen wuͤßten, als Hr. D. Tr-ll-r.Ob der Stadt-Maͤuſe ihre Loͤcher ꝛc.) Hr. D. Tr-ll-r hat in ſeiner Fabel das Decorum gar richtig be - obachtet, indem er nicht vergeſſen die Stadtmaus ſtan - desmaſſig einzuquartieren; er legt ihr daher folgende Worte in den Mund: Und ſie wuͤnſchte, daß ſie ſich nie in dieſes Loch begeben, Das ſo ſchmuzig, eng u. dunkel, abgelegen, fuͤrchterlich, Weil in dieſer wilden Gegend niemand leicht fuͤr uͤber geht. Und doch will man ihm dieſes zur Suͤnde rechnen, und gedenckt nicht, daß dieſes eine Maus von vor - nehmem Stande und gutem Geſchmack ſey.43fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. die Maͤuſe, ohne Verletzung des Gewiſſens und der Religion, einander Gevattern heiſſen koͤnnen. ? Dieſes leztere bejahen alle neuen Fabuliſten, als La Fontaine, Richer, und La Motte, als der es ſo gar gebietet; daher iſt nichts gewoͤhnlicher bey ihnen, als Com - pére Renard, Compére Corbeau, Commére Haze, Lionne, und dergleichen, und bey dem ehrlichen Froſchmaͤuſeler kommt der Gevatter Fuchs, Heins, und ſo weiter, zum oͤftern fuͤr, welche Stellen der muͤſſige Criticus ſelbſt nachſehen kan. Nur unſer Verfaſſer ſoll die Freyheit nicht haben, die Maͤuſe einander Gevatter heiſſen zu laſſen. Warum? Der ſtrenge Gebieter will es nun ſo haben. DieſesiſtOb die Maͤuſe einander Gevattern heiſſen koͤnnen?) Dieſen Einwurff hat Hr. Doctor alleine einer Antwort wuͤrdig geachtet, weil er das Gewiſſen antaſtet, und die Vertheidigung derſelben iſt ſo buͤndig gerathen, daß ich nichts beyſetzen koͤnnte, ohne ihren Nachdruck zu ſchwaͤchen. Exemplis vivimus, non præceptis. Und wenn ich La Fontaine, La Motte, Richer, zu Vorgaͤn - gern habe, malo cum his errare, quam ſolus recte ſapere. Es waͤre auch eine laͤhre Spitzfuͤndigkeit, wenn man ſagen wollte, bey den angezognen Fabuli - ſten werde dieſe Benennung den Thieren in den Mund geleget, hier aber ſage der Poet ſelbſt von der Feld - und der Stadt-Maus: Deñ ſie waren alte Freunde u. Gevattern auſſer dem. Wenn das, was geſagt wird, wahr iſt, ſo liegt ja nichts daran, wer es ſage.44Stuͤcke der Schutzvorredeiſt ſchon genug; man wird ihm alſo kuͤnftig auch hierinne blind gehorſamen. Was wuͤrde er aber nicht erſt alsdann fuͤr ein Laͤrmen ange - fangen haben, wenn der Verfaſſer gar Apo - ſtel und Propheten von denen Thieren ge - braucht haͤtte, als welches bey dem La Motte und Richer vorkoͤmmt; keinesweges aber zu billigen iſt, wenn es anders dem Criticus alſo und nicht anders gefaͤllig iſt.
Sehr laͤcherlich iſt es indeſſen, daß dieſer Mann jezt ein ſo zaͤrtliches Gewiſſen hat, daß er denen armen Maͤuſen ihre Gevatterſchaft nicht goͤnnen will; der doch kurtz zuvor das vornehmſte Geboth der chriſtlichen Liebe und Beſcheidenheit ſo groͤblich und ſo oft uͤbertreten. Heißt dieſes nicht recht Muͤken ſeigen, und Camele verſchlucken? Sind die - ſes nun die geſunden, nuͤtzlichen, und einemver -Der das vornehmſte Gebot der Chriſtl. Liebe ꝛc.) Ein guter Criticus gleichet einem klugen Arzt, der ſich nach dem Geſchmack ſeines Patienten richtet, und die bittern Pillen uͤberguͤldet und uͤberzuckert, damit ſie deſto angenehmer ſeyn. Man muß aber dieſe Ver - gleichung nicht ſo weit treiben, als die Spoͤtter thun, wenn ſie fragen, ob denn derjenige Arzt wider die chriſtliche Liebe handle, der bey einem unheilbaren Schaden corroſiva appliciert, oder ein angeſtecktes Glied abſtoͤßt, oder dem Patienten durch ſeine Cur ſonſt Schmertzen verurſachet. Wovon der Ertzvater der Spoͤtter, Briontes der juͤngere Bl. 283. u. f. nach - zuſehen iſt. Denn omne ſimile claudicat. 45fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. vernuͤnftigen Manne wohlanſtaͤndigen Urthei - le, das ſcharfe Saltz, und der gute und aus - erleſene Geſchmack; ſo hat man billig hohe Urſache, Gott hertzlich zu dancken, daß er einen mit einer ſolchen unmaͤſſigen Scharf - ſinnigkeit nicht geſtrafet, und mit einem ſo durchdringenden feinen Geſchmacke gnaͤdig verſchonet habe. Erfodert denn dieſes ſo groſſe Kunſt und Gelehrſamkeit, Geſpoͤtte mit Gegengeſpoͤtte abzuweiſen, und Thor - heiten mit Poſſen zu bezahlen? Eine Hand voll muthwilliger Einfaͤlle, und die ſchaͤdliche und elende Geſchicklichkeit, alles laͤcherlich zu machen, iſt der gantze Grund, woraufdieſeHohe Urſache Gott hertzlich zu dancken) Ein geſchickter Verfaſſer, der eine ſolche Danckſagungs - Formel aufſetzen und bekannt machen wollte, wuͤrde den mit ſich ſelbſt zufriedenen kleinen Geiſtern einen un - gemeinen groſſen Gefallen erweiſen. Felices pauperes ſua ſi bona norint! Thorhciten mit Poſſen zu bezahlen) Dieſes Wort Thorheiten beziehet ſich hier nicht auf Hrn. Tr-ll-rs Fabeln, ſondern auf des Schweitzers Critick, die ein laͤhres Geſpoͤtte iſt, und alſo ohne Muͤhe mit Geſpoͤtte abgewieſen wird.Die elende Geſchicklichkeit, alles laͤcherlich zu ma - chen) Wenn es anderſt wahr iſt, daß es eine ſolche Kunſt giebt, die alles ohne Unterſchied laͤcherlich ma - chen kan, ſo muß es in Wahrheit eine elende und ſchaͤd - liche Kunſt ſeyn, weil ſie ſo wohl das gute als das ſchlimme laͤcherlich und veraͤchtlich vorſtellen kan. Sohat46Stuͤcke der Schutzvorrededieſe ſonderbare theatraliſche Kunſt beruhet, und welche viele andere vielleicht eben ſo gut, wo nicht noch beſſer und hoͤflicher koͤnnen, als der allzu ſcharfſinnige Gegner.
„ Wie „ leicht koͤnnte man antworten, die wohl „ ausgedachte Caravane der Eſpen, Tan - „ nen, Buch und Linden haͤtten zuſammen „ im Thale ein groſſes Ballet getantzet, wo - „ zu der Herr Br-t-ng-r (denn ſo heißt die - „ ſer fuͤrchterliche critiſche Goliath, der dem „ poetiſchen Zwerge hohn ſpricht) den Tri - „ angel oder die Leyer zierlich geſpielet, oder „ beſſer einen groben Baß aufgeſtrichen haͤt - „ te. Oder, er moͤgte den Unterſchied der „ Maͤuſeloͤcher ſelbſt unterſuchen, damit er „ alſo gewiß wiſſen koͤnnte, ob die Stadt - „ maͤuſe beſſre Schlupfwinckel haͤtten, als „ die Land - und Feld-Maͤuſe, auf daß ſol -„ cher0hat ein Scarron Virgils Eneis durch ſeine poſſierliche Nachahmung recht laͤcherlich gemachet. Darum will ich jedermann erinnert haben, daß man alle Criticken, wenn ſie nicht ernſthaft ſind, vor verdaͤchtig halte, weil das, was auf eine poſſierliche Art vorgeſtellet wird, darum nicht allemahl verwerfflich iſt.Eben ſo gut, wo nicht noch beſſer ꝛc.) So ſchaͤd - lich und elend dieſe Kunſt zu ſpotten iſt, ſo hat doch unſer Vorredner in einem kleinen Verſuche zeigen wol - len, daß er dieſe Kunſt ſo gut verſtehe, als irgend ein anderer, und jedermann wird ihm Beyfall geben, daß er den Schweitzeriſchen Kunſtrichter in dem feinen Hechel-Schertz weit uͤbertreffe.47fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. „ cher Geſtalt dieſe hochwichtige Sache in „ ein groͤſſeres Licht geſetzet und der Verfaſſer „ der Fabel deſto nachdruͤcklicher von ſeiner „ poetiſchen Todſuͤnde uͤberfuͤhret wuͤrde. „
Alleine man will nicht gleiches mit gleichem vergelten, noch mit dem Gegner wieder in die erſte Kindheit und den muthwilligen Schul - Stand zuruͤcke fallen, wo man dergleichen ſonderbare Anmerckungen zu machen pfleget; daher ſoll dieſes alles ſo gut, als nicht geſagt oder geſchrieben ſeyn, und man bittet im Ernſt um Verzeihung.
Jedoch es iſt nun einmahl Zeit, im Ernſt mit unſrem groſſen Ariſtarch zu reden. Man will ihm nemlich aus ſchuldiger Ehrerbietung voͤllig recht geben, um ihn nicht weiter zu er - zoͤrnen; denn er gehoͤret unter die ſeltſamen Leute, die ſtets recht haben wollen. Wohl - an dann, er ſoll und muß es auch haben. Wer will ſich gern mit einem Manne einlaſ - ſen, der einen eigenſinnigen Widerſpruch zurRicht -Jedoch es iſt nun einmahl Zeit, im Ernſt ꝛc.) Hier faͤngt der Urheber der Vorrede an, in der Jronie zu reden.Wer will ſich gerne mit einem Manne einlaſſen ꝛc.) Jn dieſem Abſatz macht unſer Vorredner den Character des Schweitzeriſchen Kunſtlehrers nach dem Leben: Aber ich muß dabey nothwendig erinnern, daß er hier die Jronie nicht fortſetzet; ſondern daß dieſer Charac - ter im Ernſt aufzunehmen ſey: Denn wenn man esper48Stuͤcke der SchutzvorredeRichtſchnur ſeiner Urtheile macht, der die Tugenden eines Scribenten verſchweiget, und die geringſten Fehler hingegen auf das aͤrgſte durchziehet, und laͤcherlich zu machen ſuchet; der den wahren Unterſchied unter den weſentlichen Stuͤcken einer Fabel, und un - ter den ſchertzhaften Nebenumſtaͤnden und Auszierungen derſelben nicht wi[ſſ]en will, da - mit er nur deſto freyer ſpotten koͤnne, und der endlich mehr Tadelſucht als Aufrichtig - keit und Beſcheidenheit beſitzet. Man geſte -hetper Ironiam verſtehen wollte, ſo wuͤrde es das feinſte Lob eines Critici in ſich begreiffen, welches man mit der veraͤchtlichen Art, womit er ſonſt den Schweitze - riſchen Critickſchreiber tractiert, nicht reimen koͤnnte. Jch fuͤrchte dennoch, wenn man den Abſchnitt von der Eſopiſchen Fabel in der Critiſchen Dichtkunſt durchleſen wuͤrde, daß die Spoͤtter duͤrften behaupten wollen, dieſes ſey eine bloſſe Jronie. Jch will alſo meinen Le - ſern gerathen haben, daß ſie ſich durch die Critiſche Dichtkunſt nicht irre machen laſſen, und lieber dieſelbe ungeleſen liegen laſſen, damit Hrn. G-ttſch-ds Weiſ - ſagung erfuͤllet werde, da er in ſeinen Beytraͤgen Bl. 666. vorher verkuͤndiget, es werde dieſe Critiſche Dichtkunſt (nicht ſeine eigene, ſondern des kuͤhnen Schweitzers) noch eines Buches beduͤrfen, welches ſie anpreiſe und beliebt mache. Jch bin auch beglaubt, daß man den Werth von Hrn. G-ttſch-ds Dichtkunſt erſt recht erkennen werde, wenn man die neue Schwei - zeriſche Dichtkunſt wird geleſen haben, nach dem be - kannten Axiomate Logico: Oppoſita juxta ſe poſita magis eluceſcunt. 49fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. het ihm alſo gerne zu, daß die Tr-ll-riſchen Gedichte wenig; ſeine Fabeln aber gar nichts taugen. Man beklagt dahero billig mehr als ein hundert arme Leſer, welche nunſeitDaß die Gedichte wenig, die Fabeln aber gar nichts taugen) Die Jronie, deren ſich unſer Vor - redner bedienet, iſt ſo fein, daß man oͤfters nicht zu ſagen weiß, ob es eine iſt oder nicht. Jedermann wird hier nichts deſtoweniger mercken, daß dieſes poetiſche Glaubensbekenntniß als eine Jronie auf - zunehmen ſey. Und doch darf ich verſichern, daß es Hrn. D. Tr-ll-r nicht ſauer ankommen wuͤrde, ein ſol - ches Bekenntniß auch ohne Jronie abzulegen. Denn ſo meldet J. C. B. in der Vorrede zu dem zweyten Theil ſeiner Gedichte mit ausdruͤcklichen Worten:„ Er „ hat den ſchwuͤlſtigen Titel eines Poeten nie begehrt, „ und wird es ihm daher gleich viel ſeyn, ob man ihn „ unter die groſſen, mittelmaͤſſigen, oder gar kleinen „ Dichter rechne, oder aber gaͤntzlich von der Zahl „ der Poeten ausſchlieſſen wolle. ‒ ‒ ‒ „ ‒ ‒ ‒ Er wird demjenigen nicht unhoͤfli - „ cher begegnen, der ihn fuͤr keinen Poeten haͤlt, als „ dieſem, der ihn dafuͤr achtet: Weil in dem einen „ die Schande klein, und in dem andern die Ehre nicht „ allzugroß: Er glaͤubt nicht, daß Versmachen eine „ Hexerey oder ein ſolches wichtiges Geheimniß ſey, „ welches nur groſſen und ſtarcken Geiſtern mitgethei - „ wuͤrde, und wovon alle uͤbrigen ausgeſchloſſen waͤ - „ ren. „Mehr als ein hundert arme Leſer) Wer ſein Leb - tag jemahls mit Manuſcripten umgegangen iſt, der weiß, daß ſich die Fehler nirgend haͤufiger in einen Text einſchleichen koͤnnen, als wo die Zahlwoͤrter vor -Dkom -50Stuͤcke der Schutzvorredeſeit zwanzig Jahren die Trilleriſchen Schrif - ten vor nuͤtzlich und erbaulich gehalten; nun aber zu ihrem Gluͤck, durch die durchdrin - gende Einſicht des unbetruͤglichen Richters, auf einmahl erleuchtet und auf den rechten Weg gefuͤhret worden; daß ſie nun ohne Zweifel ihre Zeit und Koſten billig bereuen, und die poetiſchen Betrachtungen in Winckel werfen und zu Maculatur brauchen werden. Welcher Schimpf fuͤr den Verfaſſer, welcher Schaden fuͤr den Verleger! Welch groſſes Ungluͤck kan eine ſcharfe Critick nicht ſtiften!
ManMan bekennet ferner aufrichtig, daß der Criticus einen vollkommenen Sieg uͤber die Dornen, Maͤhrchen, Maͤuſe, und Maͤuſe - loͤcher ruͤhmlichſt erhalten, und wuͤnſchet von Hertzen, daß er dieſer groſſen Ehre lange Zeit ruhig genieſſen moͤge.
Man dancket weiter demuͤthig und ſchul - dig, daß er dem Verfaſſer die beſondere Eh -reauf kuͤnftigen Fruͤhling gegen dieſen Schweitzer ein flie - gendes Corpo von 40000. bis 50000. Mann auf die Beine zu ſtellen. Unſre heutigen Verfaſſer ſind nicht mehr des Sinns, wie ehedem Horatz:‒ ‒ Neque te, ut miretur turba, labores, Contentus paucis Lectoribus. An tua demens Vilibus in ludis dictari carmina malis? (audax Non ego. Nam ſatis eſt equitem mihi plaudere: ut Contemtis aliis exploſa Arbuſcula dixit. Lib. I. Sat. X. Und etwas weiterhin:Plotius & Varius, Mecoenas, Virgiliusque Valgius, & probet hæc Octavius optimus, atque Fuſcus: & hæc utinam Viſcorum laudet uterque, Ambitione relegata te dicere poſſum Pollio, te Meſſala, tuo cum fratre: Simulque Vos Bibuli & Servi: Simul his te candide Furni, Complures alios’, doctos ego quos & amicos Prudens prætereo, quibus hæc, ſint qualiacunque, Arridere velim, doliturus, ſi placeant ſpe Deterius noſtra. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒Man dancket weiter demuͤthig ꝛc.) Es iſt was ſeltenes, daß ein Krancker, ſo lange er die PurganzD 2noch52Stuͤcke der Schutzvorredere anthun, und ihn ſo großmuͤthig ſchimpfen wollen. Denn dieſes wollen die Leute wuͤrck - lich haben, daß man ihnen noch dazu groſſen Danck abſtatten ſoll, daß ſie einen gewuͤrdiget, muthwillig durchzuhecheln. Welches laͤcher - liche Begehren! Welches unverſchaͤmte An - ſinnen! Doch es ſey alſo! Man dancket billig, daß es der beſcheidene Herr Urtheils - faſſer nicht noch aͤrger und anzuͤglicher ge - macht habe, und bittet ferner um ein gnaͤ - diges Verſchohnen.
Man giebt ihm auch endlich gerne die Erlaubniß, etliche Quartanten oder Folian - ten, wie es beliebig iſt, gegen die Tr-ll -- riſchen Schriften zu ſchreiben, und ſie da - durch gantz und gar von der Erden zu ver -tilgen.0noch im Leibe hat, dem Doctor fuͤr die Artzney dan - ken ſollte; es giebt gemeiniglich viel ungedultige Worte. Und die Moraliſchen Patienten machen es gerne, wie der in ſeiner Einbildung gluͤckſelige Aberwitzige, von welchem Horatz erzehlet:Hic ubi cognatorum opibus curisque refectus, Expulit elleboro morbum, bilemque meraco, Et redit ad ſeſe: Pol me occidiſtis amici, Non ſervaſtis, ait, cui ſic extorta voluptas, Et demtus per vim mentis gratiſſimus error. (Lib. II. Epiſt. II. )Eine gleiche Sprache fuͤhret hier unſer Hr. Doctor, wenn man die Jronie ſeiner Worte aufloͤſet: Denn nie - mand wird dieſe Danckſagung vor Ernſt aufnehmen.53fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. tilgen. Er kan auch insbeſondere gegen die - ſe elenden Fabeln ein eigen Buch heraus - geben; doch bittet man ihn gehorſamſt, bey der XVII. XXVII. und XXXIIſten Fabel ein wenig ſtille zu ſtehen, und deren Jnhalt zu ſeiner Erbauung und Beſſerung anzuwen - den. Wahrheit wird indeſſen doch Wahr - heit bleiben, und rechte unpartheyiſche Ken - ner (worunter der Criticus und ſeine Helden gar nicht gehoͤren) werden nie aufhoͤren, de - nen Tr-ll-riſchen Gedichten den rechten Werth zu beſtimmen. Denn es iſt ſehr gut und troͤſtlich, daß dieſer ehrliche Mann nur ei - ne, und zwar noch ſehr ſchwache und mat - te Stimme in dem groſſen Rath der Ge - lehrten habe, welche der Sache keinen groſ -ſenGegen dieſe elenden Fabeln) Woraus klar zu ſe - hen iſt, daß dieſes Manuſcript zu der Vorrede der neuen Auflage der Tr-ll-riſchen Fabeln gewiedmet ge - weſen iſt. Nur eine, und zwar noch ſehr ſchwache und mar - re Stimme) Jn dem groſſen Rath der gelehrten klei - nen Geiſter Sententiæ numerantur, non ponderantur: Und die unendliche Anzahl der kleinen Geiſter laͤßt uns nicht fuͤrchten, daß dieſer mit ſeinem Gewaͤſche jemahls aufkommen werde. Es werden allezeit 10. gegen 1. ſeyn, die den Werth der Tr-ll-riſchen Fabeln erkennen werden; und dieſes ſind alleine die wahren Kenner: Denn wie ſollten diejenige unter die Zahl der Kenner gehoͤren, die nicht einmahl ſo viel Faͤhigkeit haben, daß ſie die Schoͤnheit der Tr-ll-riſchen Fabeln einſehen koͤnnen?D 354Stuͤcke der Schutzvorredeſen Ausſchlag geben wird, weil ſich gar we - nige darnach richten werden. Daher wird man nun alle ſolche knarrenden Critiquen vor ungedruͤckt und ungeſchrieben halten, und vielmehr in dieſem Stuͤcke dem hochberuͤhm - ten Mosheim nachzuahmen trachten, welcher die zwey groſſen Buͤcher, die der bekannte Peterſen gegen ihn wegen der Wiederbrin - gung geſchrieben, vor ungeſchrieben achtete. Denn unnuͤtze Streitſchriften und unnoͤthige Federkriege ſind kein Werck vor einen Mann, der ſeine ohne dem enge Zeit nuͤtzlicher und Gott wohlgefaͤlliger anzuwenden gedencket.
Doch wir halten uns mit ſolchen Kleinigkei - ten allzu lange auf; und wollen dieſe Vor - rede nicht zum Kampfplatz unnuͤtzer Grillen - faͤngereyen und Sylbenkriege machen, in - ſonderheit wegen der hohen Nahmen, wel - chen dieſes Buch zugeſchrieben worden. Phaͤdrus mag indeſſen von dieſem Ausbunde eines recht hoͤflichen Gelehrten in des Ver - faſſers Nahmen Abſchied nehmen, und ihmvor55fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. vor ſeine liebreiche und beſcheidene Unterwei - ſung den gebuͤhrenden Danck abſtatten.
Et ut putentur ſapere, Coelum vituperant. ) Und ich ſchlieſſe meine Anmerckungen im Nahmen des Verfaſſers mit den Worten Horatii:
PHÆDRUS I. 30. ‒ ‒ Facilis vindicta eſt mihi, Sed inquinari nolo ignavo ſanguine.
JN Herolds Verlag iſt heraus, D. Dan. Wilh. Trillers neue Eſopiſche Fabeln inVer -Anmerckungen. Facilis vindicta eſt mihi) Dieſe Worte des Phaͤd - rus hat der Verfaſſer dieſer gelehrten Berichte Hr. Z* nicht in ſeinem eigenen Nahmen, ſondern im Nah -men57zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. Verſen, worinn in gebundener Rede aller - hand erbauliche Sittenlehren und Lebensre - geln vorgetragen werden. Der beruͤhmte Hr. Triller gehoͤret unter die geringe Zahlder -men und auf hohen Befehl des deutſchen Eſopus, Hrn. Doctor Tr-ll-rs, vorne an dieſer Nachricht geſetzet, die - ſer wollte dadurch vor den Augen der gantzen Welt ei - ne feyrliche Erklaͤrung thun, daß er den Schweitzeri - ſchen Gegner viel zu veraͤchtlich hielte, als daß er in eigener Perſon mit ihm anbinden ſollte. Es muͤſſen andre Helden ſeyn, an denen er in einem Duell Ehre einzulegen ſuchet. Zudem hat er auch nicht noͤthig ſei - ne eigene Perſon zu wagen, er hat ja ein par Duzt Zeitungsſchreiber und Vorredner im Sold und zu Dien - ſten, die er nach Belieben fuͤr den Riß ſtellen kan, und es iſt Ehre genug fuͤr den Schweitzeriſchen Par - theygaͤnger, wenn dergleichen Buſchkloͤpfer ſich mit ihm rauffen. Wenn Hr. Tr-ll-r nicht ein Doctor der Artz - ney-Kunſt waͤre, ſo haͤtte er ohne Zweifel dieſen Ver - ſen des Phaͤders das nachdruͤckliche Diſtichon jenes alten Kirchenlehrers: Hoc ſcio pro certo, quod ſi cum ſtercore certo &c. an die Seite geſetzet. Wenn denn ſchon die folgende Nachricht, inſonderheit was partem elencticam angehet, in Anſehung der Schreibart, des Ausdrucks, der Anzuͤge u. ſ. f. der Tr-ll-riſchen Vor - rede eben ſo aͤhnlich iſt, als ein Ey dem andern, ſo muß man darum den Verfaſſer dieſer gelehrten Nach - richt Hrn. Z* nicht als einen Plagiarium oder gelehrten Beutelſchneider verdaͤchtig halten, weil er ſich dieſer anſehnlichen Waffenruͤſtung nicht ohne Vorwiſſen und Bewilligung des Hrn. Doctor Tr-ll-rs bemaͤchtiget hat.D 558Mehrere authentiſche Urkundenderjenigen Maͤnner, die den Werth der Sit - tenlehre und der Dichtkunſt richtig zu be - ſtimmen wiſſen. Durch ſeine moraliſchen Ge - dichte, wovon die Welt bereits zween Thei - le lieſet, hat er ſeit einigen Jahren gezeiget, wie redlich er es mit den Menſchen meine, und wie geſchickt er ſey, die Schoͤnheiten der Tugenden und die Haͤßlichkeit der Laſter in ihrer wahren Geſtalt abzuſchildern. Gegen - waͤrtig hat der Hr. Verfaſſer einen Verſuch gemacht, uns die Wahrheiten der Sitten - lehre mit ſchertzvermiſchtem Ernſt unter demFlorDen Werth der Dichtkunſt richtig zu beſtimmen) Wenn ich a priori zeigen muͤſte, wie begruͤndt dieſes Lob ſey, ſo wuͤrde ich allzu weitlaͤuftig und verdießlich fallen. Wir duͤrfen nur ſein poetiſches Glaubensbe - kaͤnntniß in der Vorrede zu dem zweyten Theil ſeiner Gedichte aufſchlagen, ſo werden wir finden, wie ge - nau er den Werth der Dichtkunſt zu beſtimmen gewußt hat:„ Er glaubet, daß der geringſte Kuͤnſtler und „ Handwercksmann, der ſeine Handthierung wohl ver - „ ſtehet und fleiſſig treibet, dem gemeinen Weſen mehr „ nuͤtzliche Dienſte leiſte, als der beſte Poet, und ſie - „ het daher die Poeſie als Blumen an, welche ſchoͤn „ ausſehen und annehmlich riechen, aber doch in der „ Artzneykunſt keinen Nutzen ſchaffen. ‒ ‒ ‒ Er „ iſt nicht von denen, welche glauben, daß das Vers - „ machen eine Hexerey, oder ein ſolches wichtiges „ Geheimniß ſey, welches nur groſſen und ſtarcken „ Geiſtern mitgetheilet wuͤrde, und wovon alle uͤbrigen „ ausgeſchloſſen waͤren. „Wer hat jemals den Werth der Dichtkunſt richtiger und genauer beſtimmet?59zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. Flor der Fabeln zu verhuͤllen. Er kennet den Menſchen: Er weiß, daß man ſich un - terſchiedlicher Mittel bedienen muͤſſe, wenn man ihm ſeine Bloͤſſe zeigen, und die Wege des Guten lehren will; denn er hoͤret unger - ne, daß er gefehlet habe, und noch weniger kan er ſich ſo weit herunterlaſſen, ſolches zu bekennen. Ein geſchickter Schriftſteller, handelt daher nach Art eines vernuͤnftigen Artzneyverſtaͤndigen, der ſeine heilſamen, aber bittern Huͤlfsmittel ſeinen eigenſinnigen Kran - ken unter mancherley Geſtalten beybringet. Es iſt bisher faſt durchgehends ein Fehler in der Sittenlehre geweſen, daß man ihre Saͤ - ze und Wahrheiten in einer trockenen und magern Schreibart vorgetragen; daher ha - ben nur einige wenige, die ſich zum Nachſin - nen gewoͤhnet, ſich daraus erbauen, andere aber hingegen ſolches unterlaſſen muͤſſen. Die Fabel iſt von je her geſchickt geweſen, dieſem Mangel abzuhelffen; nur ſchade, daßwirEr kenner den Menſchen) Nicht nur als ein Ana - tomicus, ſondern auch als ein guter Moraliſt: Eine Probe davon iſt folgende Entdeckung: Der Menſch hoͤret ungerne, daß er gefehlet habe, und noch we - niger kan er ſich ſo weit herunterlaſſen, ſolches zu bekennen. Wer muß nun nicht wider Willen geſtehen, daß Hr. Tr-ll-r unter die Zahl und in die Claſſe dieſer Menſchen gehoͤre, und alſo, weil er geartet wie der groͤſte Hauffen, bey ſich abnehmen koͤnne, wie der Menſch beſchaffen iſt?60Mehrere authentiſche Urkundenwir Deutſche uns derſelben ſo ſpaͤt bedienen, da wir doch faſt in allen Nationen geſchickte Vorgaͤnger gehabt haben. Wir wuͤſten in in unſrer Sprache nichts beſonders namhaft zu machen, als was uns erſt kuͤrtzlich ein auf - geweckter Stoppe und ſcharfſinniger von Hagedorn in dieſer Art geliefert. Der Hr. Triller hat daher ſich ſeine Landsleute noch mehr verbindlich gemacht, da er ſich dieſen geſchickten Koͤpfen zugeſellet hat. Seine Fabeln ſind ſo beſchaffen, daß ſie alle Auf - merckſamkeit eines vernuͤnftigen Leſers mit Recht verdienen. Ein jedes Alter und Ge - ſchlecht, uud ein jeder Stand kan hier ſeine Lehre leſen. Wir ſind voͤllig uͤberzeuget, daßvieleDa er ſich dieſen geſchickten Koͤpfen zugeſellet hat) Aus der Vorrede der neuen Auflage des Tr-ll-riſchen Fabelwercks zeiget ſich, daß ſich dieſe beyden Fabeldich - ter ihm zugeſellet haben: Denn er verſichert, daß ſei - ne Fabeln faſt alle mit einander ſchon entworffen gewe - ſen, ehe noch dieſe beyden Fabelbuͤcher ans Licht ge - treten waren, und beruffet ſich deßfalls fein keck auf die Zeugniſſe ſeiner Freunde: Wie meine Freunde wiſſen. Doch was er alſobald beyfuͤget, zeiget uns, daß er es ſich vor keine Schande halte, wenn man von ihm ſagt, daß er ſich ihnen zugeſellet habe:„ Denn, „ wie gluͤcklich auch etwann jene neue Fabeldichter ge - „ weſen ſeyn moͤgen, wiewohl deren Arbeit in denen „ Gelehrten Zeitungen auf gantz unterſchiedliche Art „ beurtheilet worden, ſo moͤchten doch vielleicht auch „ hierinne noch manche Stuͤcke vorkommen, welche „ zugleich erbauen und beluſtigen koͤnnten. „61zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. viele nach Durchblaͤtterung dieſes Buchs zu einer gewiſſen Selbſterkenntniß gelangen wer - den, die ſie noͤthiget, ſelbiges mit einem ange - nommenen Laͤcheln von ſich zu legen. Denen aber der Poet antworten mag: Quid rides? mutato nomine de te Fabula narratur. Der heranwachſenden Jugend koͤnnen wir dieſes Buch nicht genug anpreiſen, und unſer muͤſ - ſiges Frauenzimmer duͤrfte auch noch vieles in ſelbigem bemercken, worauf bisher wenige geachtet haben. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß geſchickte Schullehrer ſelbiges in den erſten Claſſen einfuͤhren moͤgten. Es ge - hoͤret in unſern Tagen mit zum Verfall der Schulen, daß man die Jugend mit Lateini - ſchen Fabeln quaͤlet, da ſie doch noch lan - ge nicht geſchickt iſt, das Nuͤtzende und Ergetzende derſelben einzuſehen.
Die Schreibart des Hrn. Trillers iſt nach dem Begriff eines jeden Leſers; und ſie ge - hoͤret eigentlich zur mittlern. Sie iſt zwar nicht erhaben, doch auch nicht kriechend, ſon -dernDaß ſie alle Aufmerckſamkeit eines vernuͤnftigen Leſers mit Recht verdienen) Wer hiemit dieſes Fa - belbuch ſeiner Aufmerckſamkeit nicht wuͤrdiget, der kan ſich verſehen, daß er in die Claſſe unvernuͤnftiger Leſer werde eingeſchrieben werden. Zwar iſt das Wort Auf - merckſamkeit vox media, hier aber wird es unſtreitig fuͤr Hochachtung genommen: Sonſt muͤßte man auch den Schweitzeriſchen Criticus unter die guten Leſer zehlen.62Mehrere authentiſche Urkundendern zierlich, deutlich, und rein. Es waͤre auch unbillig, wenn man einen Æſopum in cothurnis begehren wollte. Jn der Vorrede wird auch gemeldet, warum dieſe Schreibart beliebet worden. Hieran haͤtte ſich, unſers Erachtens, der Hr. Breitinger begnuͤgen ſollen; ſo waͤre vieles aus dem ſiebenden Ab - ſchnitt Bl. 164 ſeiner Critiſchen Dichtkunſt, da er von der Eſopiſchen Fabel handelt, viel - leicht weggeblieben. Wir behalten uns vor, das Schaͤtzbare dieſes Buchs zur andern Zeit nahmhaft zu machen. Hier erwehnen wir nur beylaͤuftig, daß Bitterkeit, Schmaͤh - ſucht, und Unhoͤflichkeit eine jede WahrheitundHieran haͤtte ſich, unſers Erachtens, der Hr. Breitinger begnuͤgen ſollen.) Hier verraͤth ſich der Hr. Zeitungsſchreiber, daß er weder den anzuͤglichen Abſchnitt in der Critiſchen Dichtkunſt geleſen, noch den Statum controverſiæ verſtehe: Maſſen der Schweitzer nicht die Tr-ll-riſche Schreibart, ſondern den Mangel der Wahrſcheinlichkeit in der Dichtung der Fabeln an - gegriffen hat: Auch hatte er die Vorrede und die Ver - theidigung der Schreibart in derſelben nicht leſen koͤn - nen, ehe ſie auf der Welt war. Man wuͤrde es ihm noch wohl zu gute halten, wenn ſeine beiſſende Cri - tick ſich nur uͤber der Schreibart aufhalten wuͤrde. Daß Bitterkeit, Schmaͤhſucht und Unhoͤflichkeit eine jede Wahrheit ꝛc.) Jch wuͤrde bald ſagen, Non his auxiliis, nec defenſoribus iſtis T .... eget. Grad als ob man zugeben muͤſte, daß die Urtheile und Criticken des Schweitzeriſchen Cenſors an und fur ſich ſelbſt gegruͤndet und die Wahrheit ſeyn!63zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. und Beurtheilung vielmehr ſchwaͤchen und verſtellen, als annehmlich machen. Soll denn hierinn der gute Geſchmack beſtehen, wovon man auf allen Blaͤttern ſo viel Ruͤh - mens macht? wir glauben es nicht: Es iſt wahr, es ſcheinet, als ob die Kunſtrichter einer gewiſſen Nation bey ihren Urtheilen allemahl eine grobe Sprache fuͤhren wollen. Wir ſind es ſeit einigen Jahren alſo gewohnt. Wir geſtehen aufrichtig, daß ſie uns durch ihre critiſche Schriften viel falſches in der Beredtſamkeit und Dichtkunſt entdecket ha - ben, welches von vielen ſo heilig iſt verehret worden. Es ſind aber auch zum oͤftern un - noͤthige Klaubereyen mit untermengt. Den Vortrag aber, deſſen ſie ſich bedienet, ha - ben geſittete Leute jederzeit verabſcheuet. Sie werden aber auch glauben, daß ſie nicht die einzigen Befoͤrderet des guten Geſchmacks ſind. Hinter dem Gebirge wohnen auchLeute.Als ob die Kunſtrichter einer gewiſſen Nation ꝛc.) Parcite paucorum diffundere crimen in omnes! Sonſt moͤgte man euch die Hoͤflichkeit eines Neum .. Edz.. und ſo vieler anderer auch in die Rechnung bringen. Jch hoffe aber mein Beyſpiel werde dieſe Nation gegen den Vorwurff der Liebloſigkeit und Unhoͤflichkeit genug - ſam ſchuͤtzen. Viel Falſches in der Beredtſamkeit) Wer hat dem Hrn. Z* befohlen, dieſes zu bekennen? Da die Deutſchen ihre Verbeſſerung lieber den Franzoſen als den Schweitzern zu dancken geneigt ſind?46[64]Mehrere authentiſche UrkundenLeute. Es iſt eben nicht allemahl noͤthig ein Schweitzer zu ſeyn, wenn man vernuͤnf - tig dencken will. Alles was der geſchickte Hr. Verfaſſer der Critiſchen Dichtkunſt wi - der den Hrn. Doct. Triller anbringet, haͤtte er in einer andern Sprache ſagen koͤnnen; und wir ſind uͤberzeuget, daß der Hr. Tril - ler, als ein beſcheidener Gelehrter, ihm gar gerne die Freyheit und das Recht, welches Gelehrte diesfalls uͤber einander haben, zu - geſtanden haͤtte. Er weiß mehr als zu wohl, wie noͤthig und nuͤtzlich eine vernuͤnftige und beſcheidene Critick ſey. Allein wo geht es wohl wunderlicher her, als im Reiche der Dichter? Um Sylben, Gedancken, Woͤr - ter, Reime, und Maͤhrchen muͤſſen Beſchei - denheit, Gelindigkeit, und Menſchenliebe gaͤntzlich hintan geſetzet werden? Wo blei - bet hier der Ausſpruch ihres goͤttlichen Ho - ratz, von welchem ſie ja ſonſt keines Fingers breit abweichen wollen: Ubi plura nitent,paucisEs iſt eben nicht allemahl noͤthig ein Schweitzer zu ſeyn ꝛc.) Man hat ja bisher geglaubt, daß ein Schweitzer ſeyn, und vernuͤnftig gedencken, aſyſtata ſeyn. Und die Deutſchen haben noch nicht Urſache zu fuͤrchten, daß ſie den Ruhm wohlgedenckender und geiſtreicher Koͤpfe verliehren: Trotz dem Verfaſſer der Lettres Germaniques, und andern Spoͤtter ſeiner Art. Haͤrte er in einer andern Sprache ꝛc.) Vielleicht meint er die lateiniſche: Denn ſo haͤtten ſeine Critick nicht alle Deutſche leſen koͤnnen.65zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. paucis non offendar maculis. Was fuͤr Vor - theile haben ſich die Wiſſenſchaften von einem ſolchen Betragen zu verſprechen? Ein Poet mag es melden:
„ Zum Schluſſe macht ſich der Herr Ver - „ faſſer die troſtreiche Hoffnung, daß die „ neue Critiſche Dichtkunſt, (die naͤmlich in „ Zuͤrch neulich herausgekommen,) nicht„ we -Anmerckungen. Jn Zuͤrch neulich herausgekommen) Dieſe Pa - rentheſis war uͤberaus nothwendig den Leſer zu erin - nern, daß Herr G-ttſch-d auch einen Verſuch einer Critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen an das Licht geſtellt habe, wovon ſchon im Jahr 1737. die zweyte Auflage herausgekommen. Wie begierig dieſes Werck ſey geleſen worden, was vor einen geſegneten Einfluß daſſelbige auf die falſchen Begriffe der Deutſchen von dem wahren Weſen der Poeſie, und auf die Schriften der Poeten gehabt, und was vor ein Anſehen ihm ſel - biges erworben habe, das kan man aus der Vorrede zu der neuen Auflage von ihm ſelbſt mit mehrerm ver - nehmen, wo er ſich auch auf ſchriftliche Urkunden und Verſicherungen von bekannten Perſonen beruffet, an denen die herrliche Wuͤrckung einer poetiſchen Wieder - geburt ſich augenſcheinlich geaͤuſſert hat. Man hat ſich alſo wohl vorzuſehen, daß man den Verſuch einer Critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen, der in Leip - zig im Jahre 1737. herausgekommen, und Hrn. G-tt - ſch-d zum Verfaſſer hat, nicht mit der Critiſchen Dichtkunſt, die in Zuͤrch neulich herausgekommen, vermiſche. Denn ſo weit Leipzig von Zuͤrch entfernet iſt, eben ſo weit ſind dieſe beyde Wercke in Anſehungihres67zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. „ wenig zu dem Ende, das iſt, den Mil - „ ton in Anſehen zu bringen, beytragen wer -„ de.ihres Werths von einander unterſchieden. Jch will nur beylaͤuftig zwey einzige Merckmahle andeuten, wel - che dienen koͤnnen, dieſen Unterſchied einigermaſſen zu erkennen zu geben. Das erſte iſt, daß das eine Werck in Leipzig, das andere aber im Schweitzerland verfer - tiget und gedruͤckt worden; Kan man nun in Abſicht auf das leztere nicht mit Recht fragen: Sollte auch et - was gutes aus N-z-r-th kommen? Das andere Merck - mahl iſt, daß dieſes eine Critiſche Dichtkunſt uͤberhaupt, jenes aber eine Critiſche Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen iſt. Es kan zwar das eine Werck ſo wenig als das an - dere von jemand geleſen werden, der die deutſche Spra - che nicht verſteht, und in dieſem weitlaͤuftigen Sinn ſind beyde Wercke nur fuͤr die Deutſchen geſchrieben: Aber das Leipzigiſche Werck iſt auf den deutſchen Ho - rizont ſo geſchickt eingerichtet, daß wenn es gleich in eine andere Sprache uͤberſezt wuͤrde, dennoch niemand als ein gebohrner Deutſcher ſolches verſtehen, oder ſich zu Nutze machen koͤnnte: Es leitet das innere Weſen der Poeſie und der Dichtung nicht aus der all - gemeinen Natur der Menſchen uͤberhaupt, ſondern aus der Natur der deutſchen Nation ins beſondre her: Und der Verfaſſer hat aus dieſem Grunde gar genau und mit einer mehr als mathematiſchen Gewißheit be - ſtimmen koͤnnen, daß es lediglich unmoͤglich ſey, und daß es mit der Natur der deutſchen Nation ſtreite, daß ein redlicher Deutſcher jemahls einen Geſchmack an Miltons Verlohrnem Paradieſe finden ſollte. Wem alſo noch einige Tropfen deutſches Bluts in den Adern rinnen, der wird den Lohenſteiniſchen Geſchmack, der in dem Miltoniſchen Gedichte herrſchet, verabſcheuen,undE 268Mehrere authentiſche Urkunden„ de. Kuͤnftige Dinge ſind ungewiß, und „ wir wollen ihm alſo nicht vor der Zeit alle „ Hoffnung abſprechen. Alleine nach vielen „ Wahrſcheinlichkeiten, die wir hier beſſer, „ als in der Schweitz haben koͤnnen, zu ur - „ theilen, ſollte man eher das Gegentheil „ glauben; indem auch dieſe neue Dichtkunſt„ viel -und Addiſon, als einen Verfuͤhrer der gantzen Engli - ſchen Nation, und als einen Verfechter des verderb - ten Geſchmacks verachten. Man wird hieraus nun genugſam abnehmen koͤnnen, daß die Critiſche Dicht - kuͤnſt, auf welche der Schweitzeriſche Verfechter des Miltoniſchen Anſehens alle ſeine Hoffnung ſetzet, nicht die Leipzigiſche ſeyn koͤnne, die Hrn. G-ttſch-d zum Verfaſſer hat.Kuͤnftige Dinge ſind ungewiß) Etiam ſententias loquitur ‒ ‒ ‒ ‒ Terent. Die wir hier beſſer, als in der Schweitz haben koͤnnen) Freylich kan man in Deutſchland die Wahr - ſcheinlichkeiten beſſer haben, als in der Schweitz, wie es einem gedruͤckten Wercke ergehen werde; allermaſ - ſen ſie dieſe Wahrſcheinlichkeiten und das Schickſal ei - nes Buchs ſelbſt machen koͤnnen. Wie leicht wird es ihnen fallen, durch ihr Anſehen, welches ſie bey ih - ren Schuͤlern haben, durch die Gefaͤlligkeit ihrer Vor - redner, Journaliſten, Zeitungsſchreiber, die ſie uͤber - all zu ihren Dienſten haben, durch ihre gelehrten Buͤnd - niſſe ꝛc. ein Buch, das dem Ruhm einiger von den beruͤhmteſten deutſchen Poeten ſo ſehr im Lichte ſtehet, in den Ruff zu bringen, daß es weder gekauft, noch gele en zu werden verdiene.69zum Lob der Tr-ll-riſchen Fabeln ꝛc. „ vielleicht noch ein Buch bedoͤrfen wird, „ welches ſie anpreiſe und beliebt mache, „
Jn Herren G-ttſch-ds Critiſchen Bey - traͤgen, Stuͤck XXIV. Bl. 679. und 680. ſtehet von der neuen Critiſchen Dichtkunſt folgendes Urtheil:
„ Jn dieſem Buche ſind „ einige Materien, die zur Dichtkunſt uͤber -„ hauptUeberhaupt gehoͤren) Er verſtehet diejenigen Ma - terien, die aus der Natur des Menſchen uͤberhaupt hergeleitet werden, als da ſind, von der Nachah - mung der Natur, von der Wahl der Materie, von dem Neuen, von dem Wunderbaren und von dem Wahrſcheinlichen, von der Eſopiſchen Fabel, von den Charactern, Reden und Gemuͤthesgedancken, oder Spruͤchen ꝛc. Sehr weitlaͤuſtig) Hr. G-ttſch-d hat ja in ſei - nem Verſuch einer Critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deut - ſchen ein vollkommenes Muſter gegeben, wie man die Haupt-Materien, die zur Dichtkunſt gehoͤren, nicht eben noͤthig habe aus allgemeinen Grundſaͤtzen herzu -leitenE 370Mehrere authentiſche Urkunden„ haupt gehoͤren, ſehr weitlaͤuftig, andre„ aberleiten und ſo weitlaͤuftig auszufuͤhren, ſondern wie die - ſe Materien geſchickt auf das Abſonderliche gezogen, und nach dem verjuͤngten Maßſtabe ins Kleine gebracht werden koͤnnen. So hat er z. Ex. in dem 4ten Haupt - ſtuͤcke, wo er von den drey Gattungen der poetiſchen Nachahmung handelt, die gantze weitlaͤuftige Materie von der Poetiſchen Schilderey, wovon Hr. Bodmer von Zuͤrch erſt neulich ein groſſes Werck mehr als 40. Bogen ſtarck herausgegeben, in zwo Octav-Seiten Bl. 136. u. 137. gantz vollſtaͤndig abgehandelt. So hat er auch die Materie von den Charactern Bl. 138. bis 141. in 3. §. §. gar kuͤnſtlich ausgefuͤhret. Die Erklaͤrung von der Natur der Fabel hat ihm recht ſau - re Muͤh gekoſtet, und doch als er ſie zu Stand gebracht hatte, blieb ihm noch die Frage uͤbrig zu eroͤrtern: Ob die poetiſchen Fabeln nothwendig moraliſche Ab - ſichten haben muͤſſen[:]Bl. 151. Jn dem folgenden fuͤnften Hauptſtuͤcke bekuͤmmert er ſich nicht lange, die Natur des Wunderbaren zu erklaͤren, ſondern er thei - let das Wunderbare in ſeine Claſſen ein, und iſt ins - beſondere der Abſchnitt von der