WEnn Anakreon mir nicht vor - geſungen, und wenn du mir nicht zugehoͤret haͤtteſt; So haͤtte ich niemals ſcherzhafte Lieder ange - ſtimmet. Du hoͤrteſt ſie, du gabſt ihnen Beifall, du lobteſt den Dichter und ſeine Lieder. Einen ſo ſchoͤnen Sieg haben nie -): (2malsmals Petrarche erhalten! Ich darf dich nicht loben, aber ich verſichere dir, wenn ich auch nichts, als dich, kleine Brunette, damit erobert haͤtte; Wenn ich gleich das Lob der Schoͤnen und der Kunſtrich - ter nicht damit erwerben kann; So werde ich doch niemals bereuen, daß ich mich unterſtanden habe, die Uberreſte des artigſten Geiſtes unter den Alten vor nachahmbar zu halten.
Du magſt indeſſen meine Verwegen - heit rechtfertigen, wenn ſie von Kennern verachtet oder bewundert wird. Ich duͤrfte dis nicht von dir verlangen, wenn du nicht ſo bitter boͤſe geworden waͤreſt, als ich ſagte: Die Urteile einer Geliebten muͤſſen keinen Verfaſſer dreiſt machen. Ich konte deinen Kuß nicht miſſen, ſonſt haͤtte ich damals noch eine halbe Stunde laͤnger hieruͤber mit dir gezankt. Glaubſt du nun, mein Engel, daß mich deine Ur -teileteile dreiſt gemacht haben? Sage nein, wenn du willſt, daß dir nicht eines von den Liedern an Doris allein bekannt ſeyn ſoll. Ich habe ietzo nur dieienigen drukken laſſen, die du nicht vor heilig haͤlt’ſt. Deine Schweſtern moͤgen von der Sittenlehre derſelben auf das Herz des Verfaſſers ſchlieſſen, wenn ſie keinen Scherz verſtehen; weiß ich doch, daß du ihn verſtehſt. Sage mir nur, wie ich die Scherze die du noch nicht beurteilet haſt, nach deinem Geſchmakke verbeſſern ſoll. Die Scherzrichter werden alsdann erſt damit zufrieden ſeyn.
Wie aber? Wenn ſie ſich unterſtehen ſolten, dein geheimes Lob, welches die Anzal der Lieder ſo groß gemacht hat, nicht zu beſtaͤtigen? Du magſt dich ver - theidigen, wenn du ein Mittel weißt. Mir wird kein Tadel zuwider ſeyn, er wird mich nur behutſamer machen. Du wirſt): (meinemeine Wiederſpenſtigkeit, die du bisher eigenſinnig genennt haſt, bald anders nennen. Drei Urteile werden dich uͤberzeugen, daß es nicht aus bloſſem Ei - genſinn geſchehen ſei, als ich vor einem Jahre den Drukk, den du veranſtaltet hatteſt, verhinderte, ohngeachtet ich vor - her wuſte, daß dis Unternehmen dir zwei unzufriedene Minen und mir zwei verdrießliche Blikke, ein Lied, und hun - dert gute Worte koſten wuͤrde.
Wie viel Minuten, die ich nicht ver - gnuͤgt zugebracht habe, haſt du ſchon auf deinem Gewiſſen? Du kamſt geſtern wieder eine halbe Stunde zu ſpaͤte in die Geſellſchaft. Die Frau von G … hatte mich ſchon zweimal gefragt: Warum ich ſo oft nach der Uhr ſaͤhe: und das ver - zweifelte kleine ſchwarze Maͤdchen ſahe es mir an den Augen an, daß du mir fehl - teſt. Es war mir lieb, daß v. Z. zu ſpaͤtkam.kam. Er haͤtte in der That noch ein - mal zu mir geſagt: Du ſiehſt ia aus wie ein verliebter Seufzer.
Weißt du was mein Engel? Ich muß es dir nur geſtehen: Die Lieder an Doris, oder die, worinn Doris was zu thun hat, gefallen mir nun da ſie ge - drukkt ſind. Haͤtt’ ich doch die uͤbrigen nur mit drukken laſſen. Ach! wie boͤſe wuͤrdeſt du kleines Ding nicht gewor - den ſeyn. Nein, ich werde es nicht eher thun, bis du wirſt zu Stande gebracht haben, was ich dir vorſchlagen werde.
Als die Frau Dacier die Scherze des ſcherzhafteſten Griechen, den Damen angenehm machen wollte, muſte ſie ihn in ihrer Mutterſprache unterrichten. Wenn deine Schweſtern die Lieder auf dich ſingen ſollen, ſo muſt du ſie in Rei -): (4meme uͤberſetzen, wie ich die Wahl (pag. 25.) uͤberſetzt habe. Bringe morgen einen Verſuch mit in die Oper, ich will dir Noten mitbringen, nach welchen du das uͤberſetzte Lied ſingen und ſpielen kannſt. Lebe wohl, kleine Brunette. Ich wer - de dieſe Nacht von dir, von einem Kuſſe, und von einer Sommerlaube traͤumen.
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