PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Goͤtz von Berlichingen mit der eiſernen Hand.
Ein Schauſpiel.
1773.
[2][3]

Erſter Act.

Schwarzenberg in Franken. Herberge.
Metzler, Sievers (Bauern am Tiſche,) zwey Reutersknechte (beym Feuer,) Wirth.
Sievers.

Haͤnſel, noch ein Glas Brandte - wein, und meß chriſtlich.

Wirth.

Du biſt der Nimmerſatt.

Metzler
(leiſe.)

Erzaͤhl das noch einmal, vom Berlichingen, die Bamberger dort aͤrgern ſich ſie moͤgten ſchwarz werden.

Sievers.

Bamberger? Was thun die hier?

Metzler.

Der Weislingen iſt oben aufm Schloß beym Herrn Grafen ſchon zwey Tage, dem haben ſie das Gleit geben, ich weiß nicht wo er her - kommt, ſie warten auf ihn, er geht zuruͤck nach Bamberg.

A 2Sie -4
Sievers.

Wer iſt der Weislingen?

Metzler.

Des Biſchofs rechte Hand, ein ge - waltiger Herr, der dem Goͤtz auch auf’n Dienſt lauert.

Sievers.

Er mag ſich in Acht nehmen.

Metzler.

Jch bitt dich erzaͤhls doch noch ein - mal!

(laut)

Seit wann hat denn der Goͤtz wieder Haͤndel mit dem Biſchof von Bamberg? Es hies ja, alles waͤre vertragen und geſchlichtet.

Sievers.

Ja, vertrag du mit den Pfaffen. Wie der Biſchof ſah, er richt nichts aus, und zieht im - mer den kuͤrzern, kroch er zum Kreuz, und war ge - ſchaͤftig, daß der Vergleich zu Stand kaͤm. Und der getreuherzige Berlichingen gab unerhoͤrt nach, wie er immer thut, wenn er im Vortheil iſt.

Metzler.

Gott erhalt ihn! Ein rechtſchaffner Herr!

Sievers.

Nun denk, iſt das nicht ſchaͤndlich? Da werfen ſie ihm einen Buben nieder, da er ſich nichts weniger verſieht. Wird ſie aber ſchon wie - der dafuͤr lauſen.

Metzler.

Es iſt doch dumm, daß ihm der letzte Streich mißgluͤckt iſt; er wird ſich garſtig erboſt haben.

Sievers. 5
Sievers.

Jch glaub nicht, daß ihn lang was ſo verdroſſen hat. Denk auch, alles war aufs ge - nauſte verkundſchaft, wann der Biſchof aus dem Bad kaͤm, mit wie viel Reutern, welchen Weg; und wenns nicht waͤr durch falſche Leut verrathen worden, wolt er ihm das Bad geſegnet und ihn ausgerieben haben.

Erſter Reuter.

Was raiſonnirt ihr von un - ſerm Biſchof? Jch glaub ihr ſucht Haͤndel.

Sievers.

Kuͤmmert euch um eure Sachen. Jhr habt an unſerm Tiſch nichts zu ſuchen.

Zweyter Reuter.

Wer heißt euch von unſerm Biſchof deſpecktirlich reden?

Sievers.

Hab ich euch Red und Antwort zu geben? Seht doch den Fratzen!

Erſter Reuter
(ſchlaͤgt ihm hinter die Ohren.)
Metzler.

Schlag den Hund todt.

(Sie fallen uͤber einander her.)
Zweyter Reuter.

Komm her, wenn du’s Herz haſt.

Wirth.
(reißt ſie von einander)

Wollen ihr Ruh haben! Tauſend Schwerenoth: Schert euch naus, wenn ihr was auszumachen habt. Jn meiner Stub ſolls ehrlich und ordentlich zugehen.

(Schiebt dieA 3Reuter6Reuter zur Thuͤr hinaus)

Und ihr Eſel was fan - gen ihr an?

Metzler.

Nur nit viel geſchimpft Haͤnſel, ſonſt kommen wir dir uͤber die Glazze. Komm Kamerad wollen die draus plauen.

Zwey Berlichingiſche Reuter (kommen)
Erſter Reuter.

Was giebts da?

Sievers.

Ey guten Tag Peter! Veit, guten Tag! Woher?

Zweyter Reuter.

Daß du dich nit unterſtehſt zu verrathen, wem wir dienen.

Sievers.
(leiſe.)

Da iſt euer Herr Goͤtz wohl auch nit weit.

Erſter Reuter.

Halt dein Maul! Habt ihr Haͤndel?

Sievers.

Jhr ſeyd den Kerls begegnet draus, ſind Bamberger.

Erſter Reuter.

Was thun die hier?

Metzler.

Der Weißlingen iſt droben aufm Schloß, beym gnaͤdigen Herrn, den haben ſie geleit.

Erſter Reuter.

Der Weislingen.

Zweyter Reuter.
(leiſe)

Peter! das iſt ein ge - funden Freſſen. Wie lang iſt er da?

Metzler. 7
Metzler.

Schon zwey Tage. Aber er will heut noch fort, hoͤrt ich einen von den Kerls ſagen.

Erſter Reuter.
(leiſe)

Sagt ich dir nicht er waͤr daher? Haͤtten wir dort druͤben eine Weile paſſen koͤnnen. Komm Veit.

Sievers.

Helft uns doch erſt die Bamberger auspruͤgeln.

Zweyter Reuter.

Jhr ſeyd ja auch zu zwey. Wir muͤſſen fort. Adies.

(ab.)
Sievers.

Scheiskerle die Reuter, wann man ſie nit bezahlt, thun ſie dir keinen Streich.

Metzler.

Jch wollt ſchwoͤren ſie haben einen Anſchlag. Wem dienen ſie?

Sievers.

Jch ſolls nit ſagen. Sie dienen dem Goͤtz.

Metzler.

So! Nun wollen wir uͤber die draus. Komm, ſo lang ich einen Bengel hab, fuͤrcht ich ihre Bratſpieſe nicht.

Metzler.

Duͤrften wir nur ſo einmal an die Fuͤrſten, die uns die Haut uͤber die Ohren ziehen.

A 4Herberge8
Herberge im Wald.
Goͤtz (vor der Thuͤre unter der Linde.)

Wo meine Knechte bleiben. Auf und ab muß ich ge - hen, ſonſt uͤbermannt mich der Schlaf. Fuͤnf Tag und Naͤchte ſchon auf der Lauer. Es wird einem ſauer gemacht, das bißgen Leben und Freyheit. Dafuͤr, wenn ich dich habe Weißlingen, will ich mirs wohl ſeyn laſſen.

(ſchenkt ein)

Wieder leer! Georg! So langs daran nicht mangelt, und an friſchem Muth, lach ich der Fuͤrſten Herrſchſucht und Raͤnke. Georg! Schickt ihr nur euren gefaͤlligen Weislingen herum zu Vettern und Gevattern, laßt mich anſchwaͤrzen. Nur immerzu. Jch bin wach. Du warſt mir ent - wiſcht Biſchof! So mag denn dein lieber Weis - lingen die Zeche bezahlen. Georg! hoͤrt der Junge nicht! Georg! Georg!

Der Bub (im Panzer eines Erwachſenen.)

Geſtrenger Herr!

Goͤtz.

Wo ſtickſt du! Haſt du geſchlafen. Was zum Henker treibſt du fuͤr Mummerey. Komm her du ſiehſt gut aus. Schaͤm dich nicht Junge. Du biſt brav! ja, wenn du ihn ausfuͤllteſt. Es iſt Hannſens Kuͤras?

Georg. 9
Georg.

Er wollt ein wenig ſchlafen, und ſchnallt ihn aus.

Goͤtz.

Er iſt bequemer als ſein Herr.

Georg.

Zuͤrnt nicht. Jch nahm ihn leiſe weg - und legt ihn an, und hohlt meines Vaters altes Schwerdt von der Wand, lief auf die Wieſe uud zogs aus.

Goͤtz.

Und hiebſt um dich herum? Da wirds den Hecken und Dornen gut gegangen ſeyn. Schlaͤft Hanns?

Georg.

Auf euer Rufen ſprang er auf und ſchrie mir, daß ihr rieft. Jch wollt ihn ausſchnal - len, da hoͤrt ich euch zwey dreymal.

Goͤtz.

Geh! bring ihm ſeinen Panzer wieder, und ſag ihm, er ſoll bereit ſeyn, ſoll nach den Pfer - den ſehen.

Georg.

Die hab ich recht ausgefuͤttert, und wieder aufgezaͤumt. Jhr koͤnnt aufſitzen wann ihr wollt.

Goͤtz.

Bring mir einen Krug Wein, gieb Hann - ſen auch ein Glas, ſag ihm, er ſoll munter ſeyn, es gilt. Jch hoffe jeden Augenblick meine Kund - ſchafter ſollen zuruͤck kommen.

Georg.

Ach geſtrenger Herr!

A 5Goͤtz. 10
Goͤtz.

Was haſt du?

Georg.

Darf ich nicht mit?

Goͤtz.

Ein andermal Georg, wann wir Kauf - leute fangen und Fuhren weg nehmen.

Georg.

Ein andermal, das habt ihr ſchon oft geſagt, o diesmal, diesmal. Jch will nur hinten drein laufen, nur auf der Seite lauren. Jch will euch die verſchoſſene Bolzen wieder holen.

Goͤtz.

Das naͤchſte mal Georg. Du ſollſt erſt einen Wams haben, eine Blechhaube, und einen Spies.

Georg.

Nehmet mich mit. Waͤr ich letzt da - bey geweſen, ihr haͤttet die Armbruſt nicht verlohren.

Goͤtz.

Weißt du das?

Georg.

Jhr warft ſie dem Feind an Kopf, und einer von den Fußknechten hub ſie auf, weg war ſie. Gelt ich weiß.

Goͤtz.

Erzaͤhlen dir das meine Knechte.

Georg.

Wohl. Dafuͤr pfeif ich ihnen auch, wenn wir die Pferde ſtriegeln, allerley Weiſen, und lerne ſie allerley luſtige Lieder.

Goͤtz.

Du biſt ein braver Junge.

Georg.

Nehmt mich mit, daß ich’s zeigen kann.

Goͤtz. 11
Goͤtz.

Das naͤchſtemal, auf mein Wort. Un - bewafnet wie du biſt, ſollſt du nicht in Streit. Die kuͤnftigen Zeiten brauchen auch Maͤnner. Jch ſage dir Knabe, es wird eine theure Zeit werden, Fuͤr - ſten werden ihre Schaͤtze bieten um einen Mann den ſie jetzt haſſen. Geh Georg, gieb Hanſen ſeinen Kuͤras wieder, und bring mir Wein.

(Georg ab)

Wo meine Knechte bleiben! Es iſt unbegreiflich. Ein Moͤnch! Wo kommt der noch her?

Bruder Martin (kommt.)
Goͤtz.

Ehrwuͤrdiger Vater, guten Abend! wo - her ſo ſpaͤt? Mann der heiligen Ruhe, ihr beſchaͤmt viel Ritter.

Martin.

Dank euch edler Herr! Und bin vor der Hand nur demuͤthiger Bruder, wenns ja Titul ſeyn ſoll. Auguſtin mit meinem Kloſternamen, doch hoͤr ich am liebſten Martin meinen Taufnamen.

Goͤtz.

Jhr ſeyd muͤd Bruder Martin, und oh - ne Zweifel durſtig!

(Der Bub kommt.)
Goͤtz.

Da kommt der Wein eben recht.

Martin.

Fuͤr mich einen Trunk Waſſer. Jch darf keinen Wein trinken.

Goͤtz.

Jſt das euer Geluͤbde?

Mar -12
Martin.

Nein gnaͤdiger Herr, es iſt nicht wi - der mein Geluͤbde Wein zu trinken; weil aber der Wein wider mein Geluͤbde iſt; ſo trinke ich keinen Wein.

Goͤtz

Wie verſteht ihr das?

Martin.

Wohl euch, daß ihr’s nicht verſteht. Eſſen uud trinken meyn ich, iſt des Menſchen Leben.

Goͤtz.

Wohl!

Martin.

Wenn ihr geſſen und trunken habt, ſeyd ihr wie neu gebohren. Seyd ſtaͤrker, muthiger, ge - ſchickter zu eurem Geſchaͤft. Der Wein erfreut des Menſchen Herz, und die Freudigkeit iſt die Mutter aller Tugenden. Wenn ihr Wein getrunken habt, ſeyd ihr alles doppelt, was ihr ſeyn ſollt, noch ein - mal ſo leicht denkend, noch einmal ſo unternehmend, noch einmal ſo ſchnell ausfuͤhrend.

Goͤtz.

Wie ich ihn trinke, iſt es wahr.

Martin.

Davon red ich auch. Aber wir

Georg.
(mit Waſſer)
Goͤtz.
(zu Georg heimlich.)

Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hoͤrſt, und ſey gleich wieder hier.

Martin. 13
Martin.

Aber wir, wenn geſſen und trunken haben, ſind wir grad das Gegentheil von dem, was wir ſeyn ſollen. Unſere ſchlaͤfrige Verdauung ſtimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwaͤche einer uͤberfuͤllten Ruhe erzeugen ſich Be - gierden, die ihrer Mutter leicht uͤber den Kopf wachſen.

Goͤtz.

Ein Glas, Bruder Martin, wird euch nicht im Schlaf ſtoͤren. Jhr ſeyd heute viel gegan - gen.

(bringts ihm)

Alle Streiter!

Martin.

Jn Gottes Namen,

(ſie ſtoſen an)

ich kann die muͤßige Leut nicht ausſtehen, und doch kann ich nicht ſagen, daß alle Moͤnche moͤßig ſind, ſie thun was ſie koͤnnen. Da komm ich von St. Veit, wo ich die letzte Nacht ſchlief. Der Prior fuͤhrte mich in Garten, das iſt nun ihr Bienenkorb. Fuͤrtreflicher Salat! Kohl nach Herzens Luſt! Und beſonders Blumenkohl und Artiſchocken, wie keine in Europa!

Goͤtz.

Das iſt alſo eure Sache nicht.

(Er ſteht auf ſieht nach dem Jungen und kommt wieder.)
Martin.

Wollte, Gott haͤtte mich zum Gaͤrt - ner oder Laboranten gemacht, ich koͤnnte gluͤcklich ſeyn. Mein Abt liebt mich, mein Kloſter iſt Er -furt14furt in Sachſen, er weis ich kann nicht ruhn, da ſchickt er mich herum, wo was zu betreiben iſt. Jch geh zum Biſchof von Conſtanz.

Goͤtz.

Noch eins! Gute Verrichtung!

Martin.

Gleichfalls!

Goͤtz.

Was ſeht ihr mich ſo an, Bruder?

Martin.

Daß ich in euren Harniſch verliebt bin.

Goͤtz.

Haͤttet ihr Luſt zu einem? Es iſt ſchwer und beſchwerlich ihn zu trageu.

Martin.

Was iſt nicht beſchwerlich auf dieſer Welt, und mir kommt nichts beſchwerlicher vor, als nicht Menſch ſeyn duͤrfen. Armuth, Keuſchheit und Gehorſam. Drey Geluͤbde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das unausſtehlichſte ſcheint, ſo unertraͤglich ſind ſie alle. Und ſein ganzes Leben unter dieſer Laſt, oder der weit druͤckendern Buͤrde des Gewiſſens muthlos zu keichen! O Herr! was ſind die Muͤhſeligkeiten eures Lebens, gegen die Jaͤmmerlichkeiten eines Stands, der die beſten Triebe, durch die wir werden, wachſen und gedeyen, aus mißverſtandner Begierde Gott naͤher zu ruͤcken, verdammt.

Goͤtz. 15
Goͤtz.

Waͤre euer Geluͤbde nicht ſo heilig, ich wollte euch bereden einen Harniſch anzulegen, wollt euch ein Pferd geben, und wir zoͤgen mit einander.

Martin.

Wollte Gott, meine Schultern fuͤhl - ten ſich Kraft, den Harniſch zu ertragen, und mein Arm die Staͤrke, einen Feind vom Pferd zu ſte - chen! Arme ſchwache Hand, von je her ge - woͤhnt Kreuze und Friedensfahnen zu fuͤhren, und Rauchfaͤſſer zu ſchwingen, wie wollteſt du Lanze und Schwerdt regieren? Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja geſtimmt, wuͤrde dem Feind ein He - rold meiner Schwoͤche ſeyn, wenn ihn die eurige uͤberwaͤltigte. Kein Geluͤbde ſollte mich abhalten, wieder in d[en]Orden zu treten, den mein Schoͤpfer ſelbſt geſtiftet hat.

Goͤtz.

Gluͤckliche Retour!

Martin.

Das trinke ich nur fuͤr euch. Wie - derkehr in meinen Kaͤfig, iſt allemal ungluͤcklich. Wenn ihr wiederkehrt Herr, in eure Mauren, mit dem Bewußtſeyn eurer Tapferkeit und Staͤrke, der keine Muͤdigkeit etwas anhaben kann, euch zum er - ſtenmal nach langer Zeit, ſicher fuͤr feindlichem Ue - berfall, entwafnet auf euer Bette ſtreckt, und euchnach16nach dem Schlaf dehnt, der euch beſſer ſchmeckt, als mir der Trunk, nach langem Durſt; da koͤnnt ihr von Gluͤck ſagen!

Goͤtz.

Davor kommts auch ſelten.

Martin.
(feuriger)

Und iſt wenns kommt, ein Vorſchmack des Himmels. Wenn ihr zuruͤck kehrt mit der Beute eurer Feinde beladen, und euch erinnert: den ſtach ich vom Pferd, eh er ſchieſen konnte, und den rannt ich ſamt dem Pferd nieder, und dann reitet ihr zu eurem Schloß hinauf, und

Goͤtz.

Was meynet ihr?

Martin.

Und eure Weiber!

(er ſchenkt ein)

Auf Geſundheit eurer Frau!

(er wiſcht ſich die Au - gen)

Jhr habt doch eine?

Goͤtz.

Ein edles fuͤrtrefliches Weib!

Martin.

Wohl dem, der ein tugendſam Weib hat! des lebet er noch eins ſo lang. Jch kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schoͤpfung.

Goͤtz.
(vor ſich)

Er dauert mich! Das Ge - fuͤhl ſeines Standes frißt ihm das Herz.

Georg. 17
Georg.
(geſprungen)

Herr! ich hoͤre Pferde im Galopp! Zwey! Es ſind ſie gewiß.

Goͤtz.

Fuͤhr mein Pferd heraus, Hanns ſoll aufſitzen. Lebt wohl theurer Bruder, Gott geleit euch. Seyd muthig und gedultig. Gott wird euch Raum geben.

Martin.

Jch bitt um euren Namen.

Goͤtz.

Verzeiht mir. Lebt wohl.

(er reicht ihm die linke Hand)
Martin.

Warum reicht ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht werth.

Goͤtz.

Und wenn ihr der Kayſer waͤrt, ihr muͤß - tet mit dieſer vorlieb nehmen. Meine Rechte, ob - gleich im Kriege nicht unbrauchbar, iſt gegen den Druck der Liebe unempfindlich. Sie iſt eins mit ihrem Handſchuh, ihr ſeht, er iſt Eiſen.

Martin.

So ſeyd ihr Goͤtz von Berlichingen! Jch danke dir Gott, daß du mich ihn haſt ſehen laſſen, dieſen Mann den die Fuͤrſten haſſen, und zu dem die Bedraͤngten ſich wenden.

(er nimmt ihm die rechte Hand)

Laßt mir dieſe Hand, laßt mich ſie kuͤſſen.

Goͤtz.

Jhr ſollt nicht.

BMartin.18
Martin.

Laßt mich. Du mehr werth als Re - liquienhand, durch die das heiligſte Blut gefloſſen iſt, todtes Werkzeug, belebt durch des edelſten Geiſtes Vertrauen auf Gott!

Goͤtz
(ſetzt den Helm auf und nimmt die Lanze.)
Martin.

Es war ein Moͤnch bey uns vor Jahr und Tag, der euch beſuchte, wie ſie euch abgeſchoſ - ſen ward vor Landshut, wie er uns erzaͤhlte, was ihr littet, und wie ſehr es euch ſchmerzte, zu eu - rem Beruf verſtuͤmmelt zu ſeyn, und wie euch ein - fiel, von einem gehoͤrt zu haben, der auch nur eine Hand hatte, und als tapferer Reutersmann doch noch lange diente. Jch werde das nie vergeſſen.

Die zwey Knechte (kommen.)
Goͤtz.
(zu ihnen. Sie reden heimlich.)
Martin.
(faͤhrt inzwiſchen fort.)

Jch werde das nie vergeſſen, wie er im edelſten einfaͤltigſten Vertrauen auf Gott ſprach: und wenn ich zwoͤlf Haͤnd haͤtte, und deine Gnad wollt mir nicht, was wuͤrden ſie mir fruchten, ſo kann ich mit Einer

Goͤtz.

Jn den Haslacher Wald alſo.

(kehrt ſich zu Martin)

Lebt wohl werther Bruder Martin.

(er kuͤßt ihn.)
Martin.19
Martin.

Vergeßt mein nicht, wie ich eurer nicht vergeſſe.

(Goͤtz ab.)
Martin.

Wie mir’s ſo eng um’s Herz ward, da ich ihn ſah. Er redete nichts, und mein Geiſt konnte doch Seinigen unterſcheiden. Es iſt eine Wolluſt, einen großen Mann zu ſehn.

Georg.

Ehrwuͤrdiger Herr, ihr ſchlaft doch bey uns?

Martin.

Kann ich ein Bett haben?

Georg.

Nein Herr! Jch kenne Better nur vom Hoͤrenſagen, in unſrer Herberg iſt nichts als Stroh.

Martin.

Auch gut. Wie heißt du?

Georg.

Georg, ehrwuͤrdiger Herr!

Martin.

Georg! da haſt du einen tapfern Pa - tron.

Georg.

Sie ſagen er waͤre ein Reuter geweſen, das will ich auch ſeyn.

Martin.

Warte.

(er zieht ein Gebetbuch her - vor, und giebt dem Buben einen Heiligen)

Da haſt du ihn. Folge ſeinem Beyſpiel, ſey brav und fuͤrchte Gott.

(Martin geht.)
Georg.

Ach ein ſchoͤner Schimmel, wenn ich einmal ſo einen haͤtte! und die goldene Ruͤ -B 2ſtung!20ſtung! Das iſt ein garſtiger Drach Jetzt ſchies ich nach Sperlingen Heiliger Georg! mach mich groß und ſtark, gieb mir ſo eine Lanze, Ruͤſtung und Pferd, dann laß mir die Drachen kommen.

Jaxthauſſen. Goͤtzens Burg.
Eliſabeth, (ſeine Frau,) Maria, (ſeine Schweſter,) Carl, (ſein Soͤhngen.)
Carl.

Jch bitte dich, liebe Tante, erzaͤhl mir das noch einmal vom frommen Kind, ’s is gar zu ſchoͤn.

Maria.

Erzaͤhl du mirs kleiner Schelm, da will ich hoͤren ob du Acht giebſt.

Carl.

Wart e bis, ich will mich bedenken Es war einmal ja es war einmal ein Kind, und ſein Mutter war krank, da gieng das Kind hin.

Maria.

Nicht doch. Da ſagte die Mutter, lie - bes Kind

Carl.

Jch bin krank.

Maria.

Und kann nicht ausgehn.

Carl.21
Carl.

Und gab ihm Geld und ſagte, geh hin, und hol dir ein Fruͤhſtuͤck. Da kam ein armer Mann.

Maria.

Das Kind ging, da begegnet ihm ein alter Mann der war nun Carl!

Carl.

Der war alt.

Maria.

Freylich! Der kaum mehr gehen konn - te, und ſagte: liebes Kind

Carl.

Schenk mir was, ich hab kein Brod geſ - ſen geſtern und heut, da gab ihm’s Kind das Geld.

Maria.

Das fuͤr ſein Fruͤhſtuͤck ſeyn ſollte.

Carl.

Da ſagte der alte Mann

Maria.

Da nahm der alte Mann, das Kind

Carl.

Bey der Hand, und ſagte, und ward ein ſchoͤner glaͤnziger Heiliger, und ſagte: Liebes Kind

Maria.

Fuͤr deine Wohlthaͤtigkeit, belohnt dich die Mutter Gottes durch mich, welchen Kranken du anruͤhrſt

Carl.

Mit der Hand es war die rechte glaub ich.

Maria.

Ja.

Carl.

Der wird gleich geſund.

Maria.

Da lief’s Kind nach Haus, und konnt fuͤr Freuden nichts reden.

B 3Carl.22
Carl.

Und fiel ſeiner Mutter um den Hals, und weinte fuͤr Freuden

Maria.

Da rief die Mutter, wie iſt mir! und war nun Carl.

Carl.

Und war und war

Maria.

Du giebſt ſchon nicht Acht. und war geſund. Und das Kind kurirte Koͤnig und Kayſer, und wurde ſo reich, daß es ein großes Kloſter bauete.

Eliſabeth.

Jch kann nicht begreifen wo mein Herr bleibt. Schon fuͤnf Tag und Naͤchte, daß er weg iſt, und er hofte ſo bald ſeinen Streich auszu - fuͤhren.

Maria.

Mich aͤngſtigts lang. Wenn ich ſo ei - nen Mann haben ſollte, der ſich immer Gefahren ausſetzte, ich ſtuͤrbe im erſten Jahr.

Eliſabeth.

Dafuͤr dank ich Gott, daß er mich haͤrter zuſammen geſetzt hat.

Carl.

Aber muß dann der Papa ausreiten, wenn’s ſo gefaͤhrlich iſt?

Maria.

Es iſt ſein guter Wille ſo.

Eliſabeth.

Wohl muß er lieber Carl.

Carl.

Warum?

Eliſabeth.

Weißt du noch, wie er das letzte mal ausritt, da er dir Weck mitbrachte.

Carl.23
Carl.

Bringt er mir wieder mit?

Eliſabeth.

Jch glaub wohl. Siehſt du, da war ein Schneider von Stuttgard, der war ein treflicher Bogenſchuͤtz, und hatte zu Coͤlln aufm Schieſen das Beſte gewonnen.

Carl.

Wars viel?

Eliſabeth.

Hundert Thaler. Und darnach woll - ten ſie’s ihm nicht geben.

Maria.

Gelt, das iſt garſtig Carl.

Carl.

Garſtige Leut!

Eliſabeth.

Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er moͤgte ihm zu ſeinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Coͤll - nern ein paar Kaufleute weg und plagte ſie ſo lang bis ſie das Geld heraus gaben. Waͤrſt du nicht auch ausgeritten?

Carl.

Nein, da muß man durch einen dicken dicken Wald, ſind Zigeuner und Hexen drinn.

Eliſabeth.

Js ein rechter Purſch, fuͤrcht ſich vor Hexen.

Maria.

Du thuſt beſſer Carl, leb du einmal auf deinem Schloß, als ein frommer chriſtlicher Ritter. Auf ſeinen eigenen Guͤtern findet man zumB 4Wohl -24Wohlthun Gelegenheit genug. Die rechtſchaffenſten Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtig - keit auf ihren Zuͤgen.

Eliſabeth.

Schweſter du weißt nicht was du redſt. Gebe nur Gott daß unſer Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht nachſchlaͤgt, der ſo treulos an meinem Mann handelt.

Maria.

Wir wollen nicht richten Eliſabeth. Mein Bruder iſt ſehr erbittert, du auch. Jch bin bey der ganzen Sache mehr Zuſchauer, und kann billiger ſeyn.

Eliſabeth.

Er iſt nicht zu entſchuldigen.

Maria.

Was ich von ihm gehoͤrt, hat mich ein - genommen. Erzaͤhlte nicht ſelbſt dein Mann ſo viel Liebs und Guts von ihm! Wie gluͤcklich war ihre Jugend als ſie zuſammen Edelknaben des Marggra - fen waren.

Eliſabeth.

Das mag ſeyn. Nur ſag, was kann der Menſch je Gutes gehabt haben, der ſeinem beſten treuſten Freunde nachſtellt, ſeine Dienſte den Fein - den meines Manns verkauft, und unſern treflichen Kayſer, der uns ſo gnaͤdig iſt, mit falſchen widri - gen Vorſtellungen einzunehmen ſucht.

Carl.25
Carl.

Der Papa! Der Papa! Der Thuͤrner blaͤſt’s Liedel: Heyſa machs Thor auf.

Eliſabeth.

Da kommt er mit Beute.

Ein Reuter (kommt.)
Reuter.

Wir haben gejagt! wir haben ge - gefangen! Gott gruͤß euch edle Frauen.

Eliſabeth.

Habt ihr den Weislingen?

Reuter.

Jhn und drey Reuter.

Eliſabeth.

Wie giengs zu, daß ihr ſo lang bleibt?

Reuter.

Wir laureten auf ihn zwiſchen Nuͤrn - berg und Bamberg, er wollte nicht kommen, und wir wußten doch er war auf der Wege. Endlich kundſchaften wir ihn aus, er war ſeitwaͤrts gezo - gen, und ſaß geruhig beym Grafen auf Schwar - zenberg.

Eliſabeth.

Den moͤchten ſie auch gern meinem Mann feind haben.

Reuter.

Jch ſagts gleich dem Herrn. Auf! und wir ritten in Haslacher Wald. Und da wars kurios, wie wir ſo in die Nacht reiten, huͤtt juſt ein Schaͤfer da, und fallen fuͤnf Woͤlf in die Heerd, und packten weidlich an. Da lachte unſer Herr und ſagte: Gluͤck zu lieben Geſellen, Gluͤck uͤberall und uns auch. Und es freuet uus auch das gute Zeichen. JndemB 5ſo26ſo kommt der Weislingen hergeritten mit vier Knechten.

Maria.

Das Herz zittert mir im Leibe.

Reuter.

Jch und mein Kamerad, wie’s der Herr befohlen hatte, niſtelten uns an ihn als waͤren wir zuſammen gewachſen, daß er ſich nicht regen noch ruͤhren konnte, und der Herr und der Hanns fielen uͤber die Knechte her und nahmen ſie in Pflicht. Einer iſt entwiſcht.

Eliſabeth.

Jch bin neugierig ihn zu ſehn. Kom - men ſie bald?

Reuter.

Sie reiten das Thal herauf, in einer viertel Stund ſind ſie hier.

Maria.

Er wird niedergeſchlagen ſeyn.

Reuter.

Finſter gnug ſieht er aus.

Maria.

Sein Anblick wird mir im Herzen weh thun.

Eliſabeth.

Ah! Jch will gleich’s Eſſen zu recht machen. Hungrig werdet ihr doch all ſeyn.

Reuter.

Rechtſchaffen.

Eliſabeth.

Nimm die Kellerſchluͤſſel und hol vom beſten Wein, ſie haben ihn verdient.

(Eliſabeth ab.)
Carl.

Jch will mit Tante.

Maria.

Komm Burſch.

(ab.)
Reu -27
Reuter.

Der wird nicht ſein Vater, ſonſt gieng er mit in Stall.

Goͤtz. Weislingen. Reutersknechte.
Goͤtz.
(Helm und Schwerdt auf den Tiſch legend)

Schnallt mir den Harniſch auf, und gebt mir mei - nen Wamms. Die Bequemlichkeit wird mir wohl thun, Bruder Martin du ſagteſt recht. Jhr habt uns im Athem erhalten Weislingen.

Weislingen.
(antwortet nichts, auf und abge - hend.)
Goͤtz.

Seyd guten Muths. Kommt entwaffnet euch. Wo ſind eure Kleider, ich hoffe, es ſoll nichts verlohren gangen ſeyn.

(zum Knecht)

Fragt ſeine Knechte und oͤfnet das Gepaͤcke, und ſeht zu, daß nichts abhanden komme. Jch koͤnnt euch auch von den meinigen borgen.

Weislingen.

Laßt mich ſo, es iſt all eins.

Goͤtz.

Koͤnnt euch ein huͤbſches ſaubres Kleid geben, iſt zwar nur leinen. Mir iſt’s zu eng wor - den. Jch hats auf der Hochzeit meines gnaͤdigen Herrn des Pfalzgrafen an, eben damals als euerBiſchoff28Biſchoff ſo giftig uͤber mich wurde. Jch hatt ihm vierzehn Tag vorher, zwey Schiff auf dem Mayn nieder geworfen. Und ich geh mit Franzen von Sickingen im Wirthshauß zum Hirſch in Haidelberg die Trepp hinauf. Eh man noch ganz droben iſt, iſt ein Abſatz und ein eiſern Gelaͤnderlein, da ſtund der Biſchoff und gab Franzen die Hand, wie er vorbey gieng, und gab ſie mir auch, wie ich hin - ten drein kam. Jch lacht in meinem Herzen, und gieng zum Landgrafen von Hanau, der mir ein gar lieber Herr war, und ſagte: Der Biſchoff hat mir die Hand geben, ich wett er hat mich nicht gekannt. Das hoͤrt der Biſchoff, denn ich redt laut mit Fleis, und kam zu uns trotzig und ſagte: Wohl, weil ich euch nicht kannt hab, gab ich euch die Hand. Da ſagt ich: Herre ich merkts wohl, daß ihr mich nicht kanntet, und hiermit habt ihr eure Hand wieder. Da wurd’s Maͤnnlin ſo roth am Hals wie ein Krebs vor Zorn, und lief in die Stube zu Pfalzgraf Lud - wig und dem Fuͤrſten von Naſſau und klagt’s ihnen. Wir haben nachher uns oft was druͤber zu gute gethan.

Weislingen.

Jch wollt ihr ließt mich allein.

Goͤtz.29
Goͤtz.

Warum das? Jch bitt euch ſeyd aufge - raͤumt. Jhr ſeyd in meiner Gewalt, und ich werd ſie nicht mißbrauchen.

Weislingen.

Dafuͤr war mirs noch nicht bange. Das iſt eure Ritterpflicht.

Goͤtz.

Und ihr wißt, daß die mir heilig iſt.

Weislingen.

Jch bin gefangen und das uͤbrige iſt eins.

Goͤtz.

Jhr ſolltet nicht ſo reden. Wenn ihr’s mit Fuͤrſten zu thun haͤttet, und ſie euch in tiefen Turn an Ketten aufhiengen, und der Waͤchter euch den Schlaf wegpfeifen muͤßte.

Die Knechte mit den Kleidern.
Weislingen
(legt ſich aus und an)
Carl (kommt.)
Carl.

Guten Morgen Papa.

Goͤtz
(kuͤßt ihn.)

Guten Morgen Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt?

Carl.

Recht geſchickt Papa! Die Tante ſagt: ich ſey recht geſchickt.

Goͤtz.

So.

Carl.

Haſt du mir was mit gebracht?

Goͤtz.

Diesmal nicht.

Carl.30
Carl.

Jch hab viel gelernt.

Goͤtz.

Ey!

Carl.

Soll ich dir vom frommen Kind erzaͤhlen?

Goͤtz.

Nach Tiſch.

Carl.

Jch weis noch was.

Goͤtz.

Was wird das ſeyn?

Carl.

Jaxthauſſen iſt ein Dorf und Schloß an der Jaxt, gehoͤrt ſeit zwey hundert Jahren denen Herrn von Berlichingen erb und eigenthuͤmlich zu.

Goͤtz.

Kennſt du den Herrn von Berlichingen.

Carl.
(ſieht ihn ſtarr an)
Goͤtz.
(vor ſich)

Er kennt wohl fuͤr lauter Gelehrſamkeit ſeinen Vater nicht. Wem ge - hoͤrt Jaxthauſſen?

Carl.

Jaxthauſſen iſt ein Dorf und Schloß an der Jaxt.

Goͤtz.

Das frag ich nicht. Jch kannte alle Pfade, Weg und Furthen, eh ich wuſt wie Fluß, Dorf und Burg hies. Die Mutter iſt in der Kuͤch?

Carl.

Ja Papa! Sie kocht weiſe Ruͤben und ein Lammsbraten.

Goͤtz.31
Goͤtz.

Weißt du’s auch, Hanns Kuͤchenmeiſter?

Carl.

Und vor mich zum Nachtiſch, hat die Tante einen Apfel gebraten.

Goͤtz.

Kannſt du ſie nicht roh eſſen?

Carl.

Schmeckt ſo beſſer.

Goͤtz.

Du mußt immer was apartes haben. Weislingen! ich bin gleich wieder bey euch. Jch muß meine Frau doch ſehn. Komm mit Carl.

Carl.

Wer iſt der Mann?

Goͤtz.

Gruͤs ihn. Bitt ihn er ſoll luſtig ſeyn.

Carl.

Da Mann! Haſt du eine Hand, ſey luſtig, das Eſſen iſt bald fertig.

Weislingen.
(hebt ihn in die Hoͤh und kuͤßt ihn)

Gluͤckliches Kind! Das kein Uebel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laß euch viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen!

Goͤtz.

Wo viel Licht iſt, iſt ſtarker Schatten doch waͤr mirs willkommen. Wollen ſehn was es giebt.

(Sie gehn.)
Weislingen.

O daß ich aufwachte! Und das alles waͤre ein Traum! Jn Berlichingens Gewalt, von dem ich mich kaum los gearbeitet hatte, deſſen Andenken ich mied wie Feuer, de ich hoffte zu uͤberwaͤltigen! Und er der alte treuherzige Goͤtz! Heili -32Heiliger Gott, was will aus dem allen werden! Ruͤckgefuͤhrt Adelbert in den Saal! wo wir als Buben unſere Jagd trieben. Da du ihn liebteſt, an ihm hiengſt wie an deiner Seele. Wer kann ihm nahen und ihn haſſen? Ach! Jch bin ſo ganz nichts hier. Gluͤckſelige Zeiten ſeyd vorbey, da noch der alte Berlichingen hier am Camin ſaß, da wir um ihn durch einander ſpielten, und uns liebten wie die Engel. Wie wird ſich der Biſchof aͤngſtigen, und meine Freunde. Jch weis, das ganze Land nimmt Theil an meinem Unfall. Was iſt’s! Koͤn - nen ſie mir geben wornach ich ſtrebe.

Goͤtz (mit einer Flaſche Wein und Becher.)
Goͤtz.

Biß das Eſſen fertig wird, wollen wir eins trinken. Kommt ſetzt euch, thut als wenn ihr zu Hauſe waͤrt. Denkt, ihr ſeyd wieder einmal beym

Goͤtz.

Haben doch lange nicht beyſammen geſeſſen, lang keine Flaſche mit einander ausgeſtochen.

(bringts ihm)

Ein froͤlich Herz!

Weislingen.

Die Zeiten ſind vorbey.

Goͤtz.

Behuͤte Gott. Zwar vergnuͤgtere Tage werden wir wohl nicht wieder finden, als an des Margrafens Hof, da wir noch beyſammen ſchliefen, und mit einander herum zogen. Jch erinnere michmit33mit Freuden meiner Jugend. Wißt ihr noch, wie ich mit dem Polacken Haͤndel kriegte, dem ich ſein gepicht und gekraͤuſelt Haar von ohngefaͤhr mit dem Ermel verwiſchte?

Weislingen.

Es war bey Tiſche, und er ſtach nach euch mit dem Meſſer.

Goͤtz.

Den ſchlug ich wacker aus dazumal, und daruͤber wurdet ihr mit ſeinem Camerad zu Unfried. Wir hielten immer redlich zuſammen als gute brave Jungens, dafuͤr erkennte uns auch ie - dermann.

(ſchenkt ein und bringts)

Caſtor und Pollux! Mir thats immer im Herzen wohl, wenn uns der Margraf ſo zutrank.

Weisling.

Der Biſchoff von Wuͤrzburg hatte es aufgebracht.

Goͤtz.

Das war ein gelehrter Herr, und da - bey ſo leutſelig. Jch erinnere mich ſeiner ſo lange ich lebe, wie er uns liebkoſte, unſere Eintracht lob - te, und den Menſchen gluͤcklich pries, der ein Zwil - lingsbruder ſeines Freund’s waͤre.

Weisling.

Nichts mehr davon.

Goͤtz.

Warum nicht. Nach der Arbeit wuͤßt ich nichts angenehmers, als mich des VergangenenCzu34zu erinnern. Freylich, wenn ich wieder ſo bedenke, wie wir Liebs und Leids zuſammen trugen, einan - der alles waren, und wie ich damals waͤhnte, ſo ſollts unſer ganzes Leben ſeyn. War das nicht all mein Troſt wie mir dieſe Hand weggeſchoſſen ward vor Landshut, und du mein pflegteſt, und mehr als Bruder fuͤr mich ſorgteſt, ich hofte Adelbert wird kuͤnftig meine rechte Hand ſeyn. Und nun

Weisling.

Oh!

Goͤtz.

Wenn du mir damals gefolgt haͤtteſt, da ich dir anlag mit nach Brabant zu ziehen, es waͤre alles gut geblieben. Da hielt dich das ungluͤckliche Hofleben, und das Schlenzen und Scharwenzen mit den Weibern. Jch ſagt es dir immer, wenn du dich mit den eitlen garſtigen Vetteln abgabſt, und ihnen erzaͤhlteſt von mißvergnuͤgten Ehen, ver - fuͤhrten Maͤdgen, der rauhen Haut einer dritten, oder was ſie ſonſt gerne hoͤren, du wirſt ein Spitz - bub, ſagt ich, Adelbert.

Weisling.

Wozu ſoll das alles.

Goͤtz.

Wollte Gott ich koͤnnts vergeſſen, oder es waͤr anders. Biſt du nicht eben ſo frey, ſo edel gebohren als einer in Teutſchland, unabhaͤngig, nurdem35dem Kayſer unterthan, und du ſchmiegſt dich unter Vaſallen. Was haſt du von dem Biſchoff? Weil er dein Nachbar iſt? Dich necken koͤnnte? Haſt du nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken? Verkennſt den Werth eines freyen Rittersmanns, der nur abhaͤngt von Gott, ſeinem Kayſer und ſich ſelbſt, verkriechſt dich zum erſten Hofſchranzen eines eigenſinnigen neidiſchen Pfaffen.

Weislingen.

Laßt mich reden.

Goͤtz.

Was haſt du zu ſagen?

Weislingen.

Du ſiehſt die Fuͤrſten an, wie der Wolf den Hirten. Und doch, darfſt du ſie ſchelten, daß ſie ihrer Leut und Laͤnder Beſtes wah - ren? Sind ſie denn einen Augenblick vor den unge - rechten Rittern ſicher, die ihre Unterthanen auf al - len Straßen anfallen, ihre Doͤrfer und Schloͤſſer verheeren? Wenn nun auf der andern Seite un - ſers theuren Kayſers Laͤnder der Gewalt des Erb - feindes ausgeſetzt ſind, er von den Staͤnden Huͤlfe begehrt, und ſie ſich kaum ihres Lebens erwehren; iſt’s nicht ein guter Geiſt der ihnen einraͤth auf Mit - tel zu denken Teutſchland zu beruhigen, die Staats - verhaͤltniſſe naͤher zu beſtimmen, um einem jeden,C 2Großen36Großen und Kleinen die Vortheile des Friedens ge - nießen zu machen. Und uns verdenkſt du’s Berli - chingen, daß wir uns in ihren Schutz begeben, deren Huͤlfe uns nah iſt, ſtatt daß die ent - fernte Majeſtaͤt ſich ſelbſt nicht beſchuͤtzen kann.

Goͤtz.

Ja! Ja! Jch verſteh! Weislingen, waͤ - ren die Fuͤrſten wie ihr ſie ſchildert, wir haͤtten alle was wir begehren. Ruh und Frieden! Jch glaubs wohl! Den wuͤnſcht jeder Raubvogel, die Beute nach Bequemlichkeit zu verzehren. Wohlſeyn eines jeden! Daß ſie ſich nur darum graue Haare wach - ſen lieſen. Und mit unſerm Kayſer ſpielen ſie auf eine unanſtaͤndige Art. Er meynts gut, und moͤcht gern beſſern. Da kommt denn alle Tage ein neuer Pfannenflicker, und meynt ſo und ſo. Und weil der Herr geſchwind was begreift, und nur reden darf um tauſend Haͤnd in Bewegung zu ſetzen, ſo meynt er, es waͤr auch alles ſo geſchwind und leicht ausgefuͤhrt. Nun ergehn Verordnungen uͤber Ver - ordnungen, und wird eine uͤber die andere vergeſ - ſen, und was den Fuͤrſten in ihren Kram dient, da ſind ſie hinter her, und gloriiren von Ruh und Sicherheit des Staats, bis ſie die Kleinen untermFuß37Fuß haben. Jch will darauf ſchwoͤren, es dankt mancher in ſeinem Herzen Gott, daß der Tuͤrk dem Kayſer die Waage haͤlt.

Weislingen.

Jhr ſehts von eurer Seite.

Goͤtz.

Das thut jeder. Es iſt die Frage auf welcher Licht und Recht iſt, und eure Gaͤnge ſcheuen wenigſtens den Tag.

Weislingen.

Jhr duͤrft reden, ich bin der Ge - fangne.

Goͤtz.

Wenn euer Gewiſſen rein iſt, ſo ſeyd ihr frey. Aber wie wars mit dem Landfrieden? Jch weiß noch als ein Bub von ſechzehn Jahren, war ich mit dem Margraf auf dem Reichstag. Was die Fuͤrſten da fuͤr weite Maͤuler machten, und die Geiſtlichen am aͤrgſten. Euer Biſchoff laͤrmte dem Kayſer die Ohren voll, als wenn ihm wunder die Gerechtigkeit an’s Herz gewachſen waͤre, und jetzt wirft er mir ſelbſt einen Buben nieder, zur Zeit da unſere Haͤndel vertragen ſind, ich an nichts boͤ - ſes denke. Jſt nicht alles zwiſchen uns geſchlichtet? Was hat er mit dem Buben?

Weislingen.

Es geſchah ohne ſein Wiſſen.

C 3Goͤtz.38
Goͤtz.

Warum giebt er ihn nicht wieder los?

Weislingen.

Er hatte ſich nicht aufgefuͤhrt wie er ſollte.

Goͤtz.

Nicht wie er ſollte! Bey meinem Eyd, er hat gethan, wie er ſollte, ſo gewiß er mit eurer und des Biſchoffs Kundſchaft gefangen iſt. Meynt ihr, ich komme erſt heut auf die Welt, um nicht zu ſehen, wo alles hinaus will.

Weislingen.

Jhr ſeyd argwoͤhniſch und thut uns Unrecht.

Goͤtz.

Weislingen, ſoll ich von der Leber weg reden? Jch bin euch ein Dorn in den Augen, ſo klein ich bin, und der Sickingen und Selbitz nicht weniger, weil wir feſt entſchloſſen ſind zu ſterben eh, als die Luft jemanden zu verdanken, außer Gott, und unſere Treu und Dienſt zu leiſten, als dem Kayſer. Da ziehen ſie nun um mich her - um, verſchwaͤrzen mich bey Jhro Majeſtaͤt und ih - ren Freunden, und meinen Nachbarn, und ſpioni - ren nach Vortheil uͤber mich. Aus dem Weg wol - len ſie mich haben, wie’s waͤre. Darum nahmt ihr meinen Buben gefangen, weil ihr wußtet, ich hatte ihn auf Kundſchaft ausgeſchickt, und darumthat39that er nicht was er ſollte, weil er mich nicht an euch verrieth. Und du Weislingen biſt ihr Werk - zeug!

Weislingen.

Berlichingen!

Goͤtz.

Kein Wort mehr davon, ich bin ein Feind von Explicationen, man betruͤgt ſich oder den andern, und meiſt beyde.

Carl.

Zu Tiſch Papa.

Goͤtz.

Froͤhliche Bottſchaft! Kommt, ich hoffe meine Weibsleute ſollen euch munter machen. Jhr war’t ſonſt ein Liebhaber, die Fraͤuleins wußten von euch zu erzaͤhlen. Kommt!

(ab.)
C 4Jm40
Jm Biſchoͤflichen Pallaſt zu Bamberg. Der Speißeſaal.
Biſchoff von Bamberg, Abt von Fulda, Olearius beyder Rechten Doctor, Lie - betraut, Hofleute, (an Tafel, der Nach - tiſch und die große Pokale werden auf - getragen.)
Biſchoff.

Studieren jetzt viele Deutſche von Adel zu Bologna?

Olearius.

Vom Adel - und Buͤrgerſtand. Und ohne Ruhm zu melden, tragen ſie das groͤßte Lob davon. Man pflegt im Sprichwort auf der Akade - mie zu ſagen: So fleißig wie ein Deutſcher von Adel. Denn indem die Buͤrgerliche einen ruͤhmli - chen Fleiß anwenden, durch Talente den Mangel der Geburt zu erſetzen: ſo beſtreben ſich jene, mit ruͤhmlicher Wetteiferung, ihre angebohrneWuͤr -41Wuͤrde, durch die glaͤnzendſte Verdienſte zu erhoͤ - hen.

Abt.

Ey!

Liebetraut.

Sag einer! was man nicht erlebt. So fleißig wie ein Deutſcher von Adel! das hab ich mein Tage nicht gehoͤrt.

Olearius.

Ja, ſie ſind die Bewunderung der ganzen Akademie. Es werden eheſtens einige von den den aͤltſten und geſchickteſten als Doctores zuruͤckkommen. Der Kayſer wird gluͤcklich ſeyn, ſeine Gerichte damit beſetzen zu koͤnnen.

Biſchoff.

Das kann nicht fehlen.

Abt.

Kennen ſie nicht zum Exempel einen Jun - ker? er iſt aus Heſſen

Olearius.

Es ſind viel Heſſen da.

Abt.

Er heißt Er iſt Weiß es keiner von euch? Seine Mutter war eine von Oh! Sein Vater hatte nur ein Aug und war Marſchall.

Liebetraut.

Von Wildenholz.

Abt.

Recht von Wildenholz.

C 5Olearius.42
Olearius.

Den kenn ich wohl, ein junger Herr von vielen Faͤhigkeiten. Beſonders ruͤhmt man ihn wegen ſeiner Staͤrke im Diſputiren.

Abt.

Das hat er von ſeiner Mutter.

Liebetraut.

Nur wollte ſie ihr Mann niemals drum ruͤhmen.

Biſchoff.

Wie ſagtet ihr, daß der Kayſer hieß, der euer Corpus Juris geſchrieben hat.

Olearius.

Juſtinianus.

Biſchoff.

Ein treflicher Herr! Er ſoll leben!

Olearius.

Sein Andenken!

(ſie trinken.)
Abt.

Es mag ein ſchoͤn Buch ſeyn.

Olearius.

Man moͤgts wohl ein Buch aller Buͤ - cher nennen. Eine Sammlung aller Geſetze, bey jedem Fall der Urtheilsſpruch bereit, oder was ja noch abgaͤngig oder dunkel waͤre, erſetzen die Gloſ - ſen, womit die gelehrteſten Maͤnner das fuͤrtreflich - ſte Werk geſchmuͤckt haben.

Abt.

Eine Sammlung aller Geſetze! potz! Da muͤſſen auch wohl die zehen Gebote drinn ſeyn.

Olearius.

Implicite wohl, nicht explicite.

Abt.43
Abt.

Das meyn ich auch, an und vor ſich, ohne weitere Explication.

Biſchoff.

Und was das ſchoͤnſte iſt, ſo koͤnnte, wie ihr ſagt, ein Reich in ſicherſter Ruhe und Frie - den leben, wo es voͤllig eingefuͤhrt, und recht ge - handhabt wuͤrde.

Olearius.

Ohne Frage.

Biſchoff.

Alle Doctores Juris!

Olearius.

Jch werd’s zu ruͤhmen wiſſen.

(ſie trinken)

Wollte Gott man ſpraͤche ſo in meinem Vaterland.

Abt.

Wo ſeyd ihr her? Hochgelahrter Herr.

Olearius.

Von Frankfurt am Mayn. Jhro Eminenz zu dienen.

Biſchoff.

Steht ihr Herrn da nicht wohl an - geſchrieben! Wie kommt das?

Olearius.

Sonderbar genug. Jch war da, meines Vaters Erbſchaft abzuholen, der Pobel haͤt - te mich faſt geſteinigt, wie er hoͤrte, ich ſey ein Juriſt.

Abt.

Behuͤte Gott!

Olearius.44
Olearius.

Daher kommts. Der Schoͤppenſtul, der in großem Anſehen weit umher ſteht, iſt mit lauter Leuten beſetzt, die der Roͤmiſchen Rechte un - kundig ſind. Es gelangt niemand zur Wuͤrde eines Richters, als der durch Alter und Erfahrung eine genaue Kenntniß des innern und aͤuſern Zuſtandes der Stadt, und eine ſtarke Urtheilskraft ſich erwor - ben hat, das Vergangene auf das Gegenwaͤrtige anzuwenden. So ſind die Schoͤffen lenbendige Archive, Chronicken, Geſetzbuͤcher, alles in Einem, und richten nach altem Herkommen und wenigen Statuten ihre Buͤrger, und die Nachbarſchaft.

Abt.

Das iſt wohl gut.

Olearius.

Aber lange nicht genug. Der Men - ſchen Leben iſt kurz, und in Einer Generation kom - men nicht alle Caſus vor. Eine Sammlung ſolcher Faͤlle von vielen Jahrhunderten iſt unſer Geſetzbuch. Und dann iſt der Wille und die Meynung der Men - ſchen ſchwankend, dem deucht heute das recht, was der andere morgen mißbilliget; Und ſo iſt Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich. Das alles beſtimmen die Geſetze; und die Geſetze ſind unveraͤnderlich.

Abt.

Das iſt freylich beſſer.

Olea -45
Olearius.

Das erkennt der Poͤbel nicht, der, ſo gierig er auf Neuigkeiten iſt, das Neue hoͤchſt ver - abſcheuet, das ihn aus ſeinem Gleiſe leiten will, und wenn er ſich noch ſo ſehr dadurch verbeſſert. Sie halten den Juriſten ſo arg als einen Verwirrer des Staats, einen Beutelſchneider, und ſind wie raſend, daß ſich dort keine anbauen.

Liebetraut.

Jhr ſeyd von Frankfurt! Jch bin wohl da bekannt. Bey Kayſer Maximilians Kroͤ - nung haben wir euren Braͤutigams was vorge - ſchmaußt. Euer Name iſt Olearius? Jch kenne ſo niemanden.

Olearius.

Mein Vater hies Oehlmann. Nur den Mißſtand auf dem Titel meiner lateiniſchen Schriften zu vermeiden, nennt ich mich, nach dem Beyſpiel und auf Anrathen wuͤrdiger Rechtslehrer, Olearius.

Liebetraut.

Jhr thatet wohl, daß Jhr euch uͤberſetztet. Ein Prophet gilt nichts in ſeinem Va - terlande, es haͤtt euch in eurer Mutterſprach auch ſo gehen koͤnnen.

Olearius.

Es war nicht darum.

Liebetraut.

Alle Dinge haben ein Paar Urſa - chen.

Abt.46
Abt.

Ein Prophet gilt nichts in ſeinem Va - terland.

Liebetraut.

Wißt ihr auch warum, Hochwuͤr - diger Herr?

Abt.

Weil er da gebohren und erzogen iſt.

Liebetraut.

Wohl! Das mag die Eine Urſa - che ſeyn. Die andere iſt: Weil bey einer naͤheren Bekanntſchaft mit denen Herrn, der Nimbus von Ehrwuͤrdigkeit und Heiligkeit wegſchwindet, den uns eine neblichte Ferne um ſie herum luͤgt, und dann ſind ſie ganz kleine Stuͤmpfgen Unſchlitt.

Olearius.

Es ſcheint ihr ſeyd dazu beſtellt Wahrheiten zu ſagen.

Liebetraut.

Weil ich’s Herz dazu hab, ſo fehlt mirs nicht am Maul.

Olearius.

Aber doch an Geſchicklichkeit ſie wohl anzubringen.

Liebetraut.

Schroͤpfkoͤpfe ſind wohl angebracht, wo ſie ziehen.

Olearius.

Bader erkennt man an der Schuͤrze, und nimmt in ihrem Amt ihnen nichts uͤbel. Zur Vorſorge thaͤtet ihr wohl, wenn ihr eine Schellen - kappe truͤgt.

Liebe -47
Liebetraut.

Wo habt ihr promovirt? Es iſt nur zur Nachfrage, wenn mir einmal der Einfall kaͤme, daß ich gleich vor die rechte Schmiede ginge.

Olearius.

Jhr ſeyd verwegen.

Liebetraut.

Und ihr ſehr breit.

(Biſchoff und Abt lachen.)
Biſchoff.

Von was anders Nicht ſo hitzig ihr Herrn. Bey Tiſch geht alles drein. Einen andern Diſcours Liebetraut.

Liebetraut.

Gegen Frankfurt liegt ein Ding uͤber, heißt Sachſenhaußen

Olear.
(zum Biſchoff.)

Was ſpricht man vom Tuͤrkenzug, Jhro Biſchoͤffliche Gnaden?

Biſchoff.

Der Kayſer hat nichts angelegners, als vor erſt das Reich zu beruhigen, die Vehden abzuſchaffen, und das Anſehn der Gerichte zu befe - ſtigen. Dann, ſagt man, wird er perſoͤnlich gegen die Feinde des Reichs und der Chriſtenheit ziehen. Jetzt machen ihm ſeine Privathaͤndel noch zu thun, und das Reich iſt, trotz ein vierzig Landfriedens, noch immer eine Moͤrdergrube. Franken, Schwa - ben, der Oberrhein und die angraͤnzende Laͤnder,wer -48werden von uͤbermuͤthigen und kuͤhnen Rittern ver - heeret: Sickingen, Selbiz mit dem einen Fuß, Berlichingen mit der eiſernen Hand, ſpotten in die - ſen Gegenden des Kayſerlichen Anſehens

Abt.

Ja, wenn Jhro Majeſtaͤt nicht bald dar - zu thun; ſo ſtecken einen die Kerl am End in Sack.

Liebetraut.

Das muͤßt ein Kerl ſeyn, der das Weinfaß von Fuld in den Sack ſchieben wollte.

Biſchoff.

Beſonders iſt dieſer letztere ſeit vie - len Jahren mein unverſoͤhnlicher Feind, und mo - leſtirt mich unſaͤglich, aber es ſoll nicht lang mehr waͤhren, hoff ich. Der Kayſer haͤlt jetzt ſeinen Hof zu Augſpurg. Wir haben unſere Maasregeln ge - nommen, es kann uns nicht fehlen. Herr Doktor, kennt ihr Adelberten von Weislingen?

Olearius.

Nein, Jhro Eminenz.

Biſchoff.

Wenn ihr die Ankunft dieſes Mann’s erwartet, werdet ihr euch freuen, den edelſten, ver - ſtaͤndigſten und angenehmſten Ritter in einer Perſon zu ſehen.

Olearius.

Es muß ein fuͤrtreflicher Mann ſeyn, der ſolche Lobeserhebungen aus ſolch einem Munde verdient.

Liebe -49
Liebetraut

Er iſt auf keiner Akademie geweſen.

Biſchoff.

Das wiſſen wir.

(Die Bedienten laufen ans Fenſter.)
Biſchoff.

Was giebts?

Ein Bedienter.

Eben reit Faͤrber Weislin - gens Knecht zum Schloßthor herein.

Biſchoff.

Seht was er bringt, er wird ihn melden.

(Liebetraut geht. Sie ſtehn auf und trin - ten noch eins.)
(Liebetraut kommt zuruͤck.)
Biſchoff.

Was vor Nachrichten?

Liebetraut

Jch wollt es muͤßt ſie euch ein andrer ſagen. Weislingen iſt gefangen.

Biſchoff.

O!

Liebetraut.

Berlichingen hat ihn und drey Knechte bey Haslach weggenommen. Einer iſt ent - ronnen euch’s anzuſagen.

Abt.

Eine Hiobs Poſt!

Olearius.

Es thut mir von Herzen leid.

Biſchoff.

Jch will den Knecht ſehn, bringt ihn herauf Jch will ihn ſelbſt ſprechen. Bringt ihn in mein Cabinet.

(ab.)
DAbt.50
Abt.
(ſetzt ſich.)

Noch einen Schluck.

(Die Knechte ſchenken ein.)
Olearius.

Belieben Jhro Hochwuͤrden nicht ei - ne kleine Promenade in den Garten zu machen. Poſt cœnam ſtabis ſeu paſſus mille meabis.

Liebetraut.

Wahrhaftig, das Sizen iſt ihnen nicht geſund. Sie kriegen noch ein Schlagfluß.

(Abt hebt ſich auf.)
Liebetraut.
(vor ſich)

Wann ich ihn nur drauſ - ſen hab, will ich ihm vors Exercitium ſorgen.

(gehn ab.)
Jaxthauſen.
Maria. Weislingen.
Maria.

Jhr liebt mich, ſagt ihr. Jch glaub es gerne, und hoffe mit euch gluͤcklich zu ſeyn, und euch gluͤcklich zu machen.

Weislingen.

Jch fuͤhle nichts, als nur daß ich ganz dein bin.

(er umarmt ſie.)
Maria.

Jch bitte euch laßt mich. Einen Kuß hab ich euch zum Gott’spfenning erlaubt, ihr ſchei - net aber ſchon von dem Beſiz nehmen zu wollen, was nur unter Bedingungen euer iſt.

Weis -51
Weislingen.

Jhr ſeyd zu ſtreng Maria! Un - ſchuldige Liebe erfreut die Gottheit, ſtatt ſie zu be - leidigen.

Maria.

Es ſey! Aber ich bin nicht dadurch er - baut. Man lehrte mich: Liebkoſungen ſeyen wie Ketten ſtark durch ihre Verwandſchaft, und Maͤd - gen, wenn ſie liebten, ſeyen ſchwaͤcher als Simſon nach dem Verluſt ſeiner Locken.

Weislingen.

Wer lehrte euch das?

Maria.

Die Abtißin meines Kloſters. Bis in mein ſechzehnt Jahr war ich bey ihr, und nur mit euch empfind ich das Gluͤck das ich in ihrem Um - gang genoß. Sie hatte geliebt, und durfte reden. Sie hatte ein Herz voll Empfindung! Sie war eine fuͤrtrefliche Frau.

Weislingen.

Da glich ſie dir!

(er nimmt ihre Hand)

Wie wird mirs werden, wenn ich euch ver - laſſen ſoll!

Maria.
(zieht ihre Hand zuruͤck)

Ein bißgen eng hoff ich, denn ich weiß wie’s mir ſeyn wird. Aber ihr ſollt fort.

Weisling.

Ja, meine Theuerſte und ich will. Denn ich fuͤhle, welche Seeligkeiten ich mir durchD 2dieſes52dieſes Opfer erwerbe. Geſegnet ſey dein Bruder, und der Tag an dem er auszog mich zu fangen.

Maria.

Sein Herz war voll Hoffnung fuͤr ihn und dich. Lebt wohl, ſagt er bey’m Abſchied, ich will ſehen daß ich ihn wieder finde.

Weislingen.

Er hats. Wie wuͤnſcht ich die Ver - waltung meiner Guͤter und ihre Sicherheit, nicht durch das leidige Hofleben ſo verſaͤumt zu haben. Du koͤnnteſt gleich die meinige ſeyn.

Maria.

Auch der Aufſchub hat ſeine Freuden.

Weislingen.

Sage das nicht Maria, ich muß ſonſt fuͤrchten du empfindeſt weniger ſtark als ich. Doch ich buͤſe verdient, und ſchwindet nicht alle Entſagung gegen den Himmel voll Ausſichten. Ganz der deine zu ſeyn, nur in dir und dem Kreis von Guten zu leben, von der Welt entfernt, ge - trennt, alle Wonne zu genießen die ſo zwey Her - zen einander gewaͤhren; was iſt die Gnade des Fuͤr - ſten, was der Beyfall der Welt gegen dieſe einfache einzige Gluͤckſeligkeit. Jch habe viel gehofft und ge - wuͤnſcht, das wiederfaͤhrt mir uͤber alles Hoffen und Wuͤnſchen.

Goͤtz53
Goͤtz (kommt.)
Goͤtz.

Euer Knab iſt wieder da. Er konnte vor Muͤdigkeit und Hunger kaum etwas vorbringen. Meine Frau giebt ihm zu eſſen. So viel hab ich verſtanden, der Biſchoff will den Knaben nicht heraus geben, es ſollen Kayſerliche Commiſſarien ernannt, und ein Tag ausgeſetzt werden, wo die Sache denn verglichen werden mag. Dem ſey wie ihm wolle, Adelbert, ihr ſeyd frey, ich verlange weiter nichts als eure Hand, daß ihr inskuͤnftige meinen Feinden weder oͤffentlich noch heimlich Vorſchub thun wollt.

Weislingen.

Hier faß ich eure Hand. Laßt von dieſem Augenblick an Freundſchaft und Ver - trauen gleich einem ewigen Geſetz der Natur un - veraͤnderlich unter uns ſeyn. Erlaubt mir zugleich, dieſe Hand zu faſſen.

(Er nimmt Mariens Hand;)

Und den Beſitz des edelſten Fraͤuleins.

Goͤtz.

Darf ich ja fuͤr euch ſagen?

Maria.

Beſtimmt meine Antwort nach dem Werthe ſeiner Verbindung mit euch.

Goͤtz.

Es iſt ein Gluͤck, daß unſere Vortheile diesmal mit einander gehn. Du brauchſt nicht rothD 3zu54zu werden. Deine Blicke ſind Beweis genug. Ja denn Weislingen! Gebt euch die Haͤnde, und ſo ſprech ich Amen! Mein Freund und Bruder! Jch danke dir Schweſter! Du kannſt mehr als Hanf ſpinnen. Du haſt einen Faden gedreht dieſen Pa - radiesvogel zu feſſeln. Du ſiehſt nicht ganz frey! Was fehlt dir? Jch bin ganz gluͤcklich; was ich nur traͤumend hofte, ſeh ich, und bin wie traͤu - mend. Ach! nun iſt mein Traum aus. Mir wars heute Nacht, ich gaͤb dir meine rechte eiſerne Hand, und du hielteſt mich ſo feſt, daß ſie aus den Armſchienen gieng wie abgebrochen. Jch erſchrack und wachte druͤber auf. Jch haͤtte nur fort traͤu - men ſollen, da wuͤrd ich geſehen haben, wie du mir eine neue lebendige Hand anſetzteſt. Du ſollt mir jetzo fort, dein Schloß und deine Guͤter in voll - kommenen Stand zu ſetzen. Der verdammte Hof hat dich beydes verſaͤumen machen. Jch muß mei - ner Frau rufen. Eliſabeth!

Maria.

Mein Bruder iſt in voller Freude.

Weislingen.

Und doch darf ich ihm den Rang ſtreitig machen.

Goͤtz.

Du wirſt anmuthig wohnen.

Maria.55
Maria.

Franken iſt ein geſegnetes Land.

Weislingen.

Und ich darf wohl ſagen, mein Schloß liegt in der geſegnetſten und anmuthigſten Gegend.

Goͤtz.

Das duͤrft ihr, und ich wills behaupten. Hier fließt der Mayn, und allmaͤhlich hebt der Berg an, der mit Aeckern und Weinbergen bekleidet von eurem Schloß gekroͤnt wird, dann biegt ſich der Fluß ſchnell um die Ecke hinter dem Felſen eures Schloſ - ſes hin. Die Fenſter des großen Saals gehen ſteil herab auf’s Waſſer, eine Ausſicht viel Stunden weit.

Eliſabeth (kommt.)
Eliſabeth.

Was ſchafft ihr?

Goͤtz.

Du ſollſt deine Hand auch darzu geben, und ſagen: Gott ſegne euch. Sie ſind ein Paar.

Eliſabeth.

So geſchwind!

Goͤtz.

Aber nicht unvermuthet.

Eliſabeth

Moͤget ihr euch ſo immer nach ihr ſehnen, als bisher da ihr um ſie warbt. Und dann! Moͤgtet ihr ſo gluͤcklich ſeyn, als ihr ſie lieb behaltet.

Weislingen.

Amen! Jch begehre kein Gluͤck, als unter dieſem Titel.

D 4Goͤtz.56
Goͤtz.

Der Braͤutigam, meine liebe Frau, thut eine kleine Reiſe, denn die große Veraͤnderung zieht viel geringe nach ſich. Er entfernt ſich zuerſt vom Biſchoͤflichen Hof, um dieſe Freundſchaft nach und nach erkalten zu laſſen. Dann reißt er ſeine Guͤter eigennuͤtzigen Pachtern aus den Haͤnden. Und kommt Schweſter, komm Eliſabeth! Wir wollen ihn allein laſſen. Sein Knab hat ohne Zweifel geheime Auftraͤge an ihn.

Weislingen.

Nichts als was ihr wiſſen duͤrft.

Goͤtz.

Brauchts nicht. Franken und Schwa - ben! Jhr ſeyd nun verſchwiſterter als jemals. Wie wollen wir denen Fuͤrſten den Daumen auf dem Aug halten.

(die drey gehn)
Weislingen.

Gott im Himmel! konnteſt du mir Unwurdigen ſolch eine Seeligkeit bereiten. Es iſt zu viel fuͤr mein Herz. Wie ich von den elenden Menſchen abhieng die ich zu beherrſchen glaubte, von den Blicken des Fuͤrſten, von dem ehrerbietigen Beyfall umher. Goͤtz theurer Goͤtz haſt mich mir ſelbſt wieder gegeben, und Maria du vollendeſt mei - ne Sinnesaͤnderung. Jch fuͤhle mich ſo frey wie in heiterer Luft. Bamberg will ich nicht mehr ſe -hen,57hen, will alle die ſchaͤndliche Verbindungen durch - ſchneiden, die mich unter mir ſelbſt hielten. Mein Herz erweitert ſich, hier iſt kein beſchwerliches Stre - ben nach verſagter Groͤße. So gewiß iſt der allein gluͤcklich und groß, der weder zu herrſchen noch zu gehorchen braucht um etwas zu ſeyn.

Franz (tritt auf.)
Franz.

Gott gruͤs euch geſtrenger Herr! Jch bring euch ſo viel Gruͤſe, daß ich nicht weiß wo an - zufangen. Bamberg, und zehn Meilen in die Run - de entbieten euch ein tauſendfaches: Gott gruͤs euch.

Weislingen.

Willkommen Franz! Was bringſt du mehr?

Franz.

Jhr ſteht in einem Andenken bey Hof und uͤberall, daß nicht zu ſagen iſt.

Weislingen.

Das wird nicht lang dauren.

Franz.

So lang ihr lebt! und nach eurem Tod wird’s heller blinken, als die meſſingene Buchſta - ben auf einem Grabſtein. Wie man ſich euern Un - fall zu Herzen nahm!

Weislingen.

Was ſagte der Biſchoff?

D 5Franz.58
Franz.

Er war ſo begierig zu wiſſen, daß er mit der geſchaͤftigſten Geſchwindigkeit von Fragen meine Antwort verhinderte. Er wußt es zwar ſchon, denn Faͤrber, der von Haslach entrann, brachte ihm die Bottſchaft. Aber er wollte alles wiſſen. Er fragte ſo aͤngſtlich, ob ihr nicht verſehrt waͤret? Jch ſagte: er iſt ganz, von der aͤuſerſten Haar - ſpitze bis zum Nagel des kleinen Zehs.

Weislingen.

Was ſagte er zu den Vorſchlaͤgen?

Franz.

Er wollte gleich alles heraus geben, den Knaben und noch Geld darauf, nur euch zu befreyen. Da er aber hoͤrte, ihr ſolltet ohne das loskommen, und nur euer Wort das Equivalent ge - gen den Buben ſeyn; da wollte er abſolut den Berlichingen vertagt haben. Er ſagte mir hundert Sachen an euch, ich hab ſie vergeſſen. Es war eine lange Predigt uͤber die Worte: Jch kann Weisling nicht entbehren.

Weislingen.

Er wirds lernen muͤſſen!

Franz.

Wie meynt ihr? Er ſagte: mach ihn eilen, es wartet alles auf ihn.

Weislingen.

Es kann warten. Jch gehe nicht an Hof.

Franz.59
Franz.

Nicht an Hof? Herr! Wie kommt euch das? Wenn ihr wuͤßtet was ich weiß. Wenn ihr nur traͤumen koͤnntet, was ich geſehen habe.

Weislingen.

Wie wird dir’s?

Franz.

Nur von der bloßen Erinnerung komm ich auſſer mir. Bamberg iſt nicht mehr Bamberg, ein Engel in Weibergeſtalt macht es zum Vorhof des Himmels.

Weislingen.

Nichts weiter?

Franz.

Jch will ein Pfaff werden, wenn ihr ſie ſeht, und nicht auſſer euch kommt.

Weislingen.

Wer iſt’s denn?

Franz.

Adelheid von Walldorf.

Weislingen.

Die! Jch hab viel von ihrer Schoͤnheit gehoͤrt

Franz.

Gehoͤrt? Das iſt eben als wenn ihr ſagtet, ich hab die Muſik geſehen. Es iſt der Zunge ſo wenig moͤglich eine Lienie ihrer Vollkommenheiten auszudrucken, da das Aug ſo gar in ihrer Gegen - wart ſich nicht ſelbſt genug iſt.

Weislingen.

Du biſt nicht geſcheidt.

Franz.60
Franz.

Das kann wohl ſeyn. Das letztemal daß ich ſie ſahe, hatte ich nicht mehr Sinne als ein Trunkener. Oder vielmehr, kann ich ſagen, ich fuͤhlte in dem Augenblick, wie’s den Heiligen bey himmliſchen Erſcheinungen ſeyn mag. Alle Sinne ſtaͤrker, hoͤher, vollkommener, und doch den Gebrauch von keinem.

Weislingen.

Das iſt ſeltſam.

Franz.

Wie ich von dem Biſchoff Abſchied nahm, ſaß ſie bey ihm. Sie ſpielten Schach. Er war ſehr gnaͤdig, reichte mir ſeine Hand zu kuͤſſen und ſagte mir viel vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich ſah ſeine Nachbarinn, ſie hatte ihr Auge auf’s Bret geheftet, als wenn ſie einem großen Streich nachſaͤnne. Ein feiner laurender Zug um Mund und Wange! Jch haͤtte der elfenbeinerne Koͤnig ſeyn moͤgen. Adel und Freundlichkeit herrſchten auf ih - rer Stirne. Und das blendende Licht des Angeſichts und des Buſens wie es von den finſtern Haaren er - hoben ward!

Weislingen.

Du biſt gar druͤber zum Dichter geworden.

Franz.

So fuͤhl ich denn in dem Augenblick, was den Dichter macht, ein volles, ganz von einerEm -61Empfindung volles Herz. Wie der Biſchoff endigte und ich mich neigte, ſah ſie mich an, und ſagte: auch von mir einen Grus unbekannter weis! Sag ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf ihn, er ſoll ſie nicht verachten wenn er ſchon an alten ſo reich iſt. Jch wollte was antworten, aber der Paß vom Herzen nach der Zun - ge war verſperrt, ich neigte mich. Jch haͤtte mein Vermoͤgen gegeben die Spitze ihres kleinen Fingers kuͤſſen zu duͤrfen! Wie ich ſo ſtund wurf der Bi - ſchoff einen Bauren herunter, ich fuhr darnach und beruͤhrte im Aufheben den Saum ihres Kleides, das fuhr mir durch alle Glieder, und ich weis nicht wie ich zur Thuͤre hinaus gekommen bin.

Weislingen.

Jſt ihr Mann bey Hofe?

Franz.

Sie iſt ſchon vier Monath Wittwe. Um ſich zu zerſtreuen haͤlt ſie ſich in Bamberg auf. Jhr werdet ſie ſehen. Wenn ſie einen anſieht, iſts als wenn man in der Fruͤhlings-Sonne ſtuͤnde.

Weislingen.

Es wuͤrde eine ſchwaͤchere Wuͤr - kung auf mich machen.

Franz.

Jch hoͤre, ihr ſeyd ſo gut als verhey - rathet.

Weis -62
Weislingen.

Wollte ich waͤrs. Meine ſanfte Marie wird das Gluͤck meines Lebens machen. Jhre ſuͤße Seele bildet ſich in ihren blauen Augen. Und weis wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unſchuld und Liebe, leitet ſie mein Herz zur Ruhe und Gluͤckſeligkeit. Pack zuſammen! Und dann auf mein Schloß! Jch will Bamberg nicht ſehen, und wenn Sankt Veit in Perſon meiner begehrte.

(geht ab.)
Franz.

Da ſey Gott fuͤr, wollen das beſte hof - fen. Maria iſt liebreich und ſchoͤn, und einem Gefangenen und Kranken kann ich nicht uͤbel neh - men der ſich in ſie verliebt. Jn ihren Augen iſt Troſt, geſellſchaftliche Melancholie. Aber um dich Adelheid iſt Leben, Feuer, Muth Jch wuͤrde! Jch bin ein Narr dazu machte mich Ein Blick von ihr. Mein Herr muß hin! Jch muß hin! Und da will ich mich wieder geſcheid oder voͤllig raſend gaffen.

Zwey -63

Zweyter Act.

Bamberg. Ein Saal.
Biſchoff, Adelheid (ſpielen Schach,) Lie - betraut (mit einer Zitter,) Hofdamen, Hofleute (um ihn herum am Camin.)
Liebetraut.
(Spielt und ſingt.)
Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen
Mit Fackel im Brand,
Wollt mutilich kriegen
Und maͤnnilich ſiegen
Mit ſtuͤrmender Hand.
Auf! Auf!
An! An!
Die Waffen erklirrten
Die Fluͤgelein ſchwirrten
Die Augen entbrannt.
Da64
Da fand er die Buſen
Ach leider ſo blos,
Sie nahmen ſo willig
Jhn all auf den Schoos.
Er ſchuͤttet die Pfeile
Zum Feuer hinein,
Sie herzten und druͤckten
Und wiegten ihn ein.
Hey ey o! Popeyo!
Adelheid.

Jhr ſeyd nicht bey eurem Spiel. Schach dem Koͤnig!

Biſchoff.

Es iſt noch Auskunft.

Adelheid.

Lang werdet ihrs nicht mehr treiben. Schach dem Koͤnig!

Liebetraut.

Das Spiel ſpielt ich nicht wenn ich ein großer Herr waͤr, und verboͤts am Hof und im ganzen Land.

Adelheid.

Es iſt wahr, das Spiel iſt ein Pro - bierſtein des Gehirns.

Liebetraut.

Es iſt nicht darum. Jch wollte lie - ber das Geheul der Todtenglocke und ominoͤſer Voͤ - gel, lieber das Gebell des knurriſchen Hofhunds Ge - wiſſen, lieber wollt ich ſie durch den tiefſten Schlafhoͤren,65hoͤren, als von Laufern, Springern, und andern Beſtien das Ewige: Schach dem Koͤnig!

Biſchoff.

Wem wird auch das einfallen!

Liebetraut.

Einem zum Exempel, der ſchwach waͤre und ein ſtark Gewiſſen haͤtte, wie denn das meiſtentheils beyſammen iſt. Sie nennens ein koͤ - niglich Spiel, und ſagen, es ſey fuͤr einen Koͤnig erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer von Ueberfluß belohnte. Wenn’s wahr iſt, ſo iſt mirs als wenn ich ihn ſaͤhe. Er war minorenn an Verſtand oder an Jahren, unter der Vormund - ſchaft ſeiner Mutter oder ſeiner Frau, hatte Milch - haare im Bart und Flachshaare um die Schlaͤfe, er war ſo gefaͤllig wie ein Weidenſchoͤßling, und ſpielte gern mit den Damen und auf der Dame, nicht aus Leidenſchaft, behuͤte Gott, nur zum Zeit - vertreib. Sein Hofmeiſter zu taͤhtig ein Gelehrter, zu unlenkſam ein Weltmann zu ſeyn, erfand das Spiel in uſum Delphini, das ſo homogen mit ſeiner Majeſtaͤt war und ſo ferner.

Adelheid.

Schach dem Koͤnig, und nun iſt’s aus! Jhr ſolltet die Luͤcken unſrer Geſchichtsbuͤ - cher ausfuͤllen Liebetraut.

ELiebe -66
Liebetraut.

Die Luͤcken unſrer Geſchlechtsre - giſter, das waͤre profitabler. Seit dem die Ver - dienſte unſerer Vorfahren mit ihren Portraits zu einerley Gebrauch dienen, die leeren Seiten nemlich unſrer Zimmer und unſres Charackters zu tappe - zieren; da waͤre was zu verdienen.

Biſchoff.

Er will nicht kommen, ſagtet ihr!

Adelheid.

Jch bitt euch ſchlagts euch aus dem Sinn.

Biſchoff.

Was das ſeyn mag.

Liebetraut.

Was? Die Urſachen laſſen ſich herunter beten wie ein Roſenkranz. Er iſt in eine Art von Zerknirſchung gefallen, von der ich ihn leicht curiren wollt.

Biſchoff.

Thut das, reitet zu ihm.

Liebetraut.

Meine Commißion!

Biſchoff.

Sie ſoll unumſchraͤnkt ſeyn. Spare nichts wenn du ihn zuruͤck bringſt.

Liebetraut.

Darf ich euch auch hinein miſchen, gnaͤdige Frau?

Adelheid.

Mit Beſcheidenheit.

Liebe -67
Liebetraut.

Das iſt eine weitlaͤufige Commiſ - ſion.

Adelheid.

Kennt ihr mich ſo wenig, oder ſeyd ihr ſo jung, um nicht zu wiſſen in welchem Ton ihr mit Weislingen von mir zu reden habt.

Liebetraut.

Jm Ton einer Wachtelpfeife, denk ich.

Adelheid.

Jhr werdet nie geſcheid werden!

Liebetraut.

Wird man das, gnaͤdige Frau?

Biſchoff.

Geht, geht. Nehmt das beſte Pferd aus meinem Stall, waͤhlt euch Knechte, und ſchafft mir ihn her.

Liebetraut.

Wenn ich ihn nicht herbanne, ſo ſagt: ein altes Weib das Warzen und Sommer - flecken vertreibt, verſtehe mehr von der Sympathie als ich.

Biſchoff.

Was wird das helfen! Der Berli - chingen hat ihn ganz eingenommen. Wenn er her - kommt wird er wieder fort wollen.

Liebetraut.

Wollen, das iſt keine Frage, aber ob er kann. Der Haͤndedruck eines Fuͤrſten, und das Laͤcheln einer ſchoͤnen Frau! Da reißt ſich keinE 2Weis -68Weisling los. Jch eile und empfehle mich zu Ge - naden.

Biſchoff.

Reißt wohl.

Adelheid.

Adieu.

(er geht.)
Biſchoff.

Wenn er einmal hier iſt, verlaß ich mich auf euch.

Adelheid.

Wollt ihr mich zur Leimſtange brau - chen.

Biſchoff.

Nicht doch.

Adelheid.

Zum Lockvogel denn.

Biſchoff.

Nein, den ſpielt Liebetraut. Jch bitt euch verſagt mir nicht, was mir ſonſt niemand ge - waͤhren kann.

Adelheid.

Wollen ſehn.

Jaxthauſen.
Hanns von Selbitz. Goͤtz.
Selbitz.

Jedermann wird euch loben, daß ihr denen von Nuͤrnberg Vehd angekuͤndigt habt.

Goͤtz

Es haͤtte mir das Herz abgefreſſen, wenn ich’s ihnen haͤtte lang ſchuldig bleiben ſollen. Esiſt69iſt am Tag, ſie haben den Bambergern meinen Bu - ben verrathen. Sie ſollen an mich denken!

Selbitz.

Sie haben einen alten Groll gegen euch.

Goͤtz.

Und ich wider ſie, mir iſt gar recht daß ſie angefangen haben.

Selbitz.

Die Reichsſtaͤdte und Pfaffen halten doch von jeher zuſammen.

Goͤtz.

Sie habens Urſach.

Selbitz.

Wir wollen ihnen die Hoͤll heis machen.

Goͤtz.

Jch zaͤhlte auf euch. Wollte Gott der Burgemeiſter von Nuͤrnberg mit der guldenen Kett um den Hals, kaͤm uns in Wurf, er ſollt ſich mit all ſeinem Witz verwundern.

Selbitz.

Jch hoͤre, Weislingen iſt wieder auf eurer Seit. Tritt er zu uns?

Goͤtz.

Noch nicht, es hat ſeine Urſachen war - um er uns noch nicht oͤffentlich Vorſchub thun darf; doch iſts eine Weile genug daß er nicht wider uns iſt. Der Pfaff iſt ohne ihn, was das Meßgewand ohne den Pfaffen.

Selbitz.

Wann ziehen wir aus.

E 3Goͤtz.70
Goͤtz.

Morgen oder uͤbermorgen. Es kommen nun bald Kaufleute von Bamberg und Nuͤrnberg aus der Frankfurter Meſſe. Wir werden einen gu - ten Fang thun.

Selbitz.

Wills Gott.

(ab.)
Bamberg. Zimmer der Adelheid.
Adelheid. Kammerfraͤulein.
Adelheid.

Er iſt da! Sagſt du. Jch glaubs kaum.

Fraͤulein.

Wenn ich ihn nicht ſelbſt geſehn haͤtte, wuͤrd ich ſagen: ich zweifle.

Adelheid.

Den Liebetraut mag der Biſchoff in Gold einfaſſen, er hat ein Meiſterſtuͤck gemacht.

Fraͤulein.

Jch ſah ihn wie er zum Schloß her - ein reiten wollte, er ſaß auf einem Schimmel. Das Pferd ſcheute wie’s an die Bruͤcke kam, und wollte nicht von der Stelle. Das Volk war aus allen Straßen gelaufen ihn zu ſehn. Sie freuten ſich uͤberdes71des Pferds Unart. Von allen Seiten ward er ge - gruͤßt, und er dankte allen. Mit einer angenehmen Gleichguͤltigkeit ſaß er droben, und mit Schmeich - len und Drohen bracht er es endlich zum Thor her - ein, der Liebetraut mit, und wenig Knechte.

Adelheid.

Wie gefaͤllt er dir?

Fraͤulein.

Als mir nicht leicht ein Mann gefal - len hat. Er glich dem Kayſer hier

(deutet auf Ma - ximilians Portrait)

als wenn er ſein Sohn waͤre. Die Naſe nur etwas kleiner, eben ſo freundliche lichtbraune Augen, eben ſo ein blondes ſchoͤnes Haar, und gewachſen wie eine Puppe. Ein halb trauriger Zug auf ſeinem Geſicht war ſo intereſſant.

Adelheid.

Jch bin neugierig ihn zu ſehen.

Fraͤulein.

Das waͤr ein Herr fuͤr euch.

Adelheid.

Naͤrrin.

Fraͤulein.

Kinder und Narren

Liebetraut (kommt.)
Liebetraut.

Nun gnaͤdige Frau, was verdien ich?

Adelheid.

Hoͤrner von deinem Weibe. Denn nach dem zu rechnen, habt ihr ſchon manches Nach -E 4bars72bars ehrliches Hausweib aus ihrer Pflicht hinau[ſ]geſchwazt.

Liebetraut.

Nicht doch gnaͤdige Frau! Auf ih - re Pflicht wollen ſie ſagen; denn wenns ja geſchab, ſchwaͤzt ich ſie auf ihres Mannes Bette.

Adelheid.

Wie habt ihrs gemacht ihn herzu - bringen?

Liebetraut.

Jhr wißt zu gut wie man Schne - pfen faͤngt; ſoll ich euch meine Kunſtſtuͤckgen noch darzu lernen. Erſt that ich, als wuͤßt ich nichts, verſtuͤnd nichts von ſeiner Auffuͤhrung, und ſetzt ihn dadurch in Deſavantage die ganze Hiſtorie zu er - zaͤhlen. Die ſah ich nun gleich von einer ganz an - dern Seite an als er, konnte nicht finden nicht einſehen Und ſo weiter. Dann redete ich von Bamberg und gieng ſehr ins Detail, erweckte ge - wiſſe alte Jdeen, und wie ich ſeine Enbildungskraft beſchaͤftigt hatte, knuͤpfte ich wuͤrklich eine Menge Faͤdger wieder an, die ich zerriſſen fand. Er wußte nicht wie ihm geſchah, er fuͤhlte ſich einen neuen Zug nach Bamberg, er wollte ohne zu wollen. Wie er nun in ſein Herz gieng, und das zu ent - wickeln ſuchte, und viel zu ſehr mit ſich beſchaͤftigtwar73war um auf ſich Acht zu geben, warf ich ihm ein Seil um den Hals, aus drey maͤchtigen Stricken, Weiber-Fuͤrſtengunſt und Schmeicheley gedreht, und ſo hab ich ihn hergeſchleppt.

Adelheid.

Was ſagtet ihr von mir?

Liebetraut.

Die lautre Wahrheit. Jhr haͤttet wegen eurer Guͤter Verdruͤßlichkeiten, haͤttet gehofft da er beym Kayſer ſo viel gelte, werde er das leicht enden koͤnnen.

Adelheid.

Wohl.

Liebetraut.

Der Biſchoff wird ihn euch bringen.

Adelheid.

Jch erwarte ſie.

(Liebetraut ab.)
Adelheid.

Mit einem Herzen wie ich ſelten Beſuch erwarte.

Jm Speſſart.
Berlichingen, Selbitz, Georg (als Reu - ters Knecht.)
Goͤtz.

Du haſt ihn nicht angetroffen Georg!

Georg.

Er war Tags vorher mit Liebetraut nach Bamberg geritten, und zwey Knechte mit.

E 5Goͤtz.74
Goͤtz.

Jch ſeh nicht ein was das geben ſoll.

Selbitz.

Jch wohl. Eure Verſoͤhnung war ein wenig zu ſchnell, als daß ſie dauerhaft haͤtte ſeyn ſollen. Der Liebetraut iſt ein pfiffiger Kerl, von dem hat er ſich beſchwaͤtzen laſſen.

Goͤtz.

Glaubſt du daß er bundbruͤchig werden wird.

Selbitz.

Der erſte Schritt iſt gethan.

Goͤtz.

Jch glaubs nicht. Wer weiß wie noͤthig es war an Hof zu gehen, man iſt ihm noch ſchuldig, wir wollen das beſte hoffen.

Selbitz.

Wollte Gott, er verdient es, und thaͤte das beſte.

Goͤtz.

Mir faͤllt eine Liſt ein, wir wollen Geor - gen des Bamberger Reuters erbeuteten Kuͤttel an - ziehen, und ihm das Geleitzeichen geben, er mag nach Bamberg reiten, und ſehen wie’s ſteht.

Georg.

Da hab ich lang drauf gehofft.

Goͤtz.

Es iſt dein erſter Ritt. Sey fuͤrſichtig Knabe, mir waͤre leid wenn dir ein Unfall bege - gnen ſollt.

Georg.

Laßts nur, mich irrts nicht wenn noch ſo viel um mich herum krabeln, mir iſts als wenns Ratten und Maͤus waͤren.

(ab.)
am -75
Bamberg.
Biſchoff. Weislingen.
Biſchoff.

Du willſt dich nicht laͤnger halteu laſſen!

Weislingen.

Jhr werdet nicht verlangen daß ich meinen Eyd brechen ſoll.

Biſchoff.

Jch haͤtte verlangen koͤnnen du ſoll - teſt ihn nicht ſchwoͤren. Was fuͤr ein Geiſt regierte dich? Konnt ich dich ohne das nicht befreyen? Gelt ich ſo wenig am Kayſerlichen Hofe.

Weislingen.

Es iſt geſchehen, verzeiht mir wenn ihr koͤnnt.

Biſchoff.

Jch begreif nicht, was nur im ge - ringſten dich noͤthigte den Schritt zu thun! Mir zu entſagen? Waren denn nicht hundert andere Bedin - gungen los zu kommen? Haben wir nicht ſeinen Buben? Haͤtt ich nicht Gelds genug gegeben, und ihn wieder beruhigt? Unſere Anſchlaͤge auf ihn und ſeine Geſellen waͤren fortgegangen Ach ich denke nicht, daß ich mit ſeinem Freund rede, der nunwider76wider mich arbeitet und die Minen leicht entkraͤf - ten kann, die er ſelbſt gegraben hat.

Weislingen.

Gnaͤdiger Herr.

Biſchoff.

Und doch wenn ich wieder dein Angeſicht ſehe, deine Stimme hoͤre. Es iſt nicht moͤglich, nicht moͤglich.

Weislingen.

Lebt wohl gnaͤdiger Herr.

Biſchoff.

Jch geb dir meinen Seegen. Sonſt wenn du gienſt, ſagt ich: auf Wiederſehn. Jetzt Wollte Gott, wir ſaͤhn einander nie wieder.

Weislingen.

Es kann ſich vieles aͤndern.

Biſchoff.

Es hat ſich leider nur ſchon zuviel geaͤndert. Viellelcht ſeh ich dich noch einmal als Feind vor meinen Mauern, die Felder verheeren, die ihren bluͤhenden Zuſtand dir jetzo danken.

Weislingen.

Nein, gnaͤdiger Herr.

Biſchoff.

Du kannſt nicht nein ſagen. Die weltliche Staͤnde, meine Nachbaaren, haben alle einen Zahn auf mich. So lang ich dich hatte. Geht Weisling! Jch habe euch nichts mehr zu ſa - gen. Jhr habt vieles zu nichte gemacht. Geht!

Weislingen.

Und ich weiß nicht was ich ſagen ſoll.

(Biſchoff ab.)
Franz.77
Franz (tritt auf.)
Franz.

Adelheid erwartet euch. Sie iſt nicht wohl. Und doch will ſie euch ohne Abſchied nicht laſſen.

Weislingen.

Komm.

Franz.

Gehn wir denn gewiß.

Weislingen.

Noch dieſen Abend.

Franz.

Mir iſt als wenn ich aus der Welt ſollte.

Weislingen.

Mir auch, und noch darzu als wuͤßt ich nicht wohin.

Adelheidens Zimmer.
Adelheid. Fraͤulein.
Fraͤulein.

Jhr ſeht blaß gnaͤdige Frau.

Adelheid.

Jch lieb ihn nicht, und ich wollt doch daß er bliebe. Siehſt du, ich koͤnnte mit ihm le - ben, ob ich ihn gleich nicht zum Mann haben moͤgte.

Fraͤulein.

Glaubt ihr, er geht?

Adelheid.

Er iſt zum Biſchoff um Lebewohl zu ſagen.

Fraͤu -78
Fraͤulein.

Er hat darnach noch einen ſchweren Stand.

Adelheid.

Wie meynſt du?

Fraͤulein.

Was fragt ihr gnaͤdige Frau. Jhr habt ſein Herz geangelt, und wenn er ſich losreiſſen will, verblutet er.

Adelheid. Weislingen.
Weislingen.

Jhr ſeyd nicht wohl, gnaͤdge Frau?

Adelheid.

Das kann euch einerley ſeyn. Jhr verlaßt uns, verlaßt uns auf immer. Was fragt ihr ob wir leben oder ſterben.

Weislingen.

Jhr verkennt mich.

Adelheid.

Jch nehme euch wie ihr euch gebt.

Weislingen.

Das Anſehn truͤgt.

Adelheid.

So ſeyd ihr Camaͤleon.

Weislingen.

Wenn ihr mein Herz ſehen koͤnntet.

Adelheid.

Schoͤne Sachen wuͤrden mir vor die Augen kommen.

Weislingen.

Gewiß! Jhr wuͤrdet euer Bild drinn finden.

Adel -79
Adelheid.

Jn irgend einem Winkel bey den Portraits ausgeſtorbener Familien. Jch bitt euch Weislingen, bedenkt ihr redet mit mir. Falſche Worte gelten zum hoͤchſten wenn ſie Maſken unſerer Thaten ſind. Ein Vermummter der kenntlich iſt, ſpielt eine armſelige Rolle. Jhr laͤugnet eure Hand - lungen nicht, und redet das Gegentheil, was ſoll man von euch halten.

Weislingen.

Was ihr wollt. Jch bin ſo geplagt mit dem was ich bin, daß mir wenig bang iſt fuͤr was man mich nehmen mag.

Adelheid.

Jhr kommt um Abſchied zu nehmen.

Weislingen.

Erlaubt mir eure Hand zu kuͤſſen, und ich will ſagen, lebt wohl. Jhr erinnert mich! Jch bedachte nicht. Jch bin beſchwerlich gnaͤdige Frau.

Adelheid.

Jhr legts falſch aus; ich wollte euch fort helfen. Denn ihr wollt fort.

Weislingen.

O ſagt ich muß. Zoͤge mich nicht die Ritterpflicht, der heilige Handſchlag

Adelheid.

Geht! Geht! Erzaͤhlt das Maͤdgen die den Teuerdank leſen, und ſich ſo einen Mann wuͤnſchen. Ritterpflicht! Kinderſpiel!

Weis -80
Weislingen.

Jhr denkt nicht ſo.

Adelheid.

Bey meinem Eyd, ihr verſtellt euch! Was habt ihr verſprochen? Und wem? Einem Mann, der ſeine Pflicht gegen den Kayſer und das Reich verkennt, in eben dem Augenblick Pflicht zu leiſten, da er durch eure Gefangennehmung in die Strafe der Acht verfaͤllt. Pflicht zu leiſten! die nicht guͤltiger ſeyn kann, als ein ungerechter ge - zwungener Eyd. Entbinden nicht unſere Geſetze von ſolchen Schwuͤren? Macht das Kindern weiß die den Ruͤbezahl glauben. Es ſtecken andere Sa - chen dahinter. Ein Feind des Reichs zu werden, ein Feind der Buͤrgerlichen Ruh und Gluͤckſeligkeit! Ein Feind des Kayſers! Geſelle eines Raͤubers, du Weislingen mit deiner ſanften Seele.

Weislingen.

Wenn ihr ihn kenntet.

Adelheid.

Jch wollt ihm Gerechtigkeit wieder - fahren laſſen. Er hat eine hohe, unbaͤndige Seele. Eben darum wehe dir Weislingen. Geh und bilde dir ein ein Geſelle von ihm zu ſeyn. Geh! und laß dich beherrſchen. Du biſt freundlich, gefaͤllig

Weislingen.

Er iſt’s auch.

Adelheid.81
Adelheid.

Aber du biſt nachgebend und er nicht! Unverſehens wird er dich wegreiſſen, wirſt ein Sklave eines Edelmanns werden, da du Herr von Fuͤrſten ſeyn koͤnnteſt. Doch es iſt Unbarmher - zigkeit dir deinen zukuͤnftigen Stand zu verleiten.

Weislingen.

Haͤtteſt du gefuͤhlt wie liebreich er mir begegnete.

Adelheid.

Liebreich! Das rechneſt du ihm an? Es war ſeine Schuldigkeit, und was haͤtteſt du verlohren wenn er widerwaͤrtig geweſen waͤre? Mir haͤtte das willkommner ſeyn ſollen. Ein uͤbermuͤthiger Menſch wie der

Weislingen.

Jhr redet von euerm Feind.

Adelheid.

Jch redete fuͤr eure Freyheit Und weiß uͤberhaupt nicht, was ich fuͤr ein Jntereſſe dran nahm. Lebt wohl.

Weislingen.

Erlaubt noch einen Augenblick.

(Er nimmt ihre Hand und ſchweigt.)
Adelheid.

Habt ihr mir noch was zu ſagen?

Weislingen.

Jch muß fort.

Adelheid.

So geht.

Weislingen.

Gnaͤdige Frau! Jch kann nicht.

Adelheid.

Jhr muͤßt.

Weislingen.

Soll das euer letzter Blick ſeyn!

Adelheid.

Geht! Jch bin krank, ſehr zur unge - legnen Zeit.

FWeis -82
Weislingen.

Seht mich nicht ſo an.

Adelheid.

Willſt du unſer Feind ſeyn, und wir ſollen dir laͤcheln. Geh!

Weislingen.

Adelheid!

Adelheid.

Jch haſſe euch!

Franz (kommt.)
Franz.

Gnaͤdiger Herr! Der Biſchoff laͤßt euch rufen.

Adelheid.

Geht! Geht!

Franz.

Er bittet euch eilend zu kommen.

Adelheid.

Geht! Geht!

Weislingen.

Jch nehme nicht Abſchied, ich ſehe euch wieder!

(ab.)
Adelheid.

Mich wieder. Wir wollen dafuͤr ſeyn. Margrethe wenn er kommt weis ihn ab. Jch bin krank, hab Kopfweh, ich ſchlafe Weis ihn ab. Wenn er noch zu gewinnen iſt, ſo iſt’s auf dieſen Weg.

(ab.)
Vorzimmer.
Weislingen. Franz.
Weislingen.

Sie will mich nicht ſehn?

Franz.83
Franz.

Es wird Nacht, ſoll ich die Pferde ſatteln?

Weislingen.

Sie will mich nicht ſehn!

Franz.

Wann befehlen Jhro Gnaden die Pferde?

Weislingen.

Es iſt zu ſpaͤt! Wir bleiben hier.

Franz.

Gott ſey Dank.

(Franz ab.)
Weislingen.

Du bleibſt! Sey auf deiner Hut, die Verſuchung iſt groß. Mein Pferd ſcheute wie ich zum Schloßthor herein wollte, mein guter Geiſt ſtellte ſich ihm entgegen, er kannte die Gefahren die mein hier warteten. Doch iſt’s nicht recht, die vie - len Geſchaͤfte die ich dem Biſchoff unvollendet lie - gen ließ, nicht wenigſtens ſo zu ordnen daß ein Nachfolger da anfangen kann, wo ich’s gelaſſen habe. Das kann ich doch alle thun, unbeſchadet Berlichingens und unſerer Verbindung. Denn hal - ten ſollen ſie mich hier nicht Waͤre doch beſſer geweſen, wenn ich nicht gekommen waͤre. Aber ich will fort morgen oder uͤbermorgen.

(gehn ab.)
Jm Speſſart.
Goͤtz. Selbitz. Georg.
Selbitz.

Jhr ſeht, es iſt gegangen wie ich ge - ſagt habe.

F 2Goͤtz.84
Goͤtz.

Nein. Nein. Nein.

Georg.

Glaubt, ich berichte euch mit der Wahr - heit. Jch that wie ihr befahlt, nahm den Kuͤttel des Bambergiſchen und ſein Zeichen, und damit ich doch mein Eſſen und Trinken verdiente, geleitete ich Reinekiſche Bauren hinauf nach Bamberg.

Selbitz.

Jn der Verkappung. Das haͤtte dir uͤbel gerathen koͤnnen.

Georg

So denk ich auch hinten drein. Ein Reutersmann der das voraus denkt, wird keine weite Spruͤnge machen. Jch kam nach Bamberg, und gleich im Wirthshaus hoͤrte ich erzaͤhlen: Weis - lingen und der Biſchoff ſeyen ausgeſoͤhnt, und man redte viel von einer Heyrath mit der Wittwe des von Walldorf.

Goͤtz.

Geſpraͤche.

Georg.

Jch ſah ihn wie er ſie zur Tafel fuͤhrte. Sie iſt ſchoͤn, bey meinem Eyd, ſie iſt ſchoͤn. Wir buͤckten uns alle, ſie dankte uns allen, er nickte mit dem Kopf, ſah ſehr vergnuͤgt, ſie giengen vorbey, und das Volk murmelte: ein ſchoͤnes Paar!

Goͤtz.

Das kann ſeyn.

Georg.

Hoͤrt weiter. Da er des andern Tags in die Meſſe gieng, paßte ich meine Zeit ab. Erwar85war allein mit einem Knaben. Jch ſtund unten an der Treppe und ſagte leiſe zu ihm: ein Paar Worte von eurem Berlichingen. Er ward beſtuͤrzt, ich ſa - he das Geſtaͤndniß ſeines Laſters in ſeinem Geſicht, er hatte kaum das Herz mich anzuſehen, mich, ei - nen ſchlechten Reutersjungen.

Selbitz.

Das macht, ſein Gewiſſen war ſchlech - ter als dein Stand.

Georg

Du biſt Bambergiſch! ſagt er. Jch bring einen Grus vom Ritter Berlichingen, ſagt ich, und ſoll fragen komm morgen fruͤh, ſagt er, an mein Zimmer, wir wollen weiter reden.

Goͤtz

Kamſt du.

Georg.

Wohl kam ich, und mußt im Vorſaal ſtehn, lang lang. Und die ſeidne Buben beguckten mich von vorn und hinten. Jch dachte guckt ihr endlich fuͤhrte man mich hinein, er ſchien boͤſe, mir war’s einerley. Jch tratt zu ihm und ſagte meine Commißion. Er that feindlich boͤſe, wie einer der kein Herz hat und ’s nit will merken laſſen. Er verwunderte ſich, daß ihr ihn durch einen Reuters - jungen zur Rede ſetzen ließt. Das verdroß mich. Jch ſagte, es gaͤbe nur zweyerley Leut, brave undF 3Schur -86Schurken, und ich diente Goͤtzen von Berlichingen. Nun fieng er an ſchwaͤzte allerley verkehrtes Zeug, das darauf hinaus gieng: Jhr haͤttet ihn uͤbereilt, er ſey euch keine Pflicht ſchuldig, und wollte nichts mit euch zu thun haben.

Goͤtz.

Haſt du das aus ſeinem Munde.

Georg.

Das und noch mehr. Er drohte mir

Goͤtz.

Es iſt genug! Der waͤre nun auch ver - lohren! Treu und Glaube du haſt mich wieder be - trogen. Arme Marie! Wie werd ich dirs beybringen.

Selbitz.

Jch wollte lieber mein ander Bein dar - zu verlieren als ſo ein Hundsfutt ſeyn.

(ab.)
Bamberg.
Adelheid. Weislingen.
Adelheid.

Die Zeit faͤngt mir an unertraͤglich lang zu werden; Reden mag ich nicht, und ich ſchaͤme mich mit euch zu ſpielen. Langeweile, du biſt aͤrger als ein kaltes Fieber.

Weislingen.

Seyd ihr mich ſchon muͤde?

Adel -87
Adelheid.

Euch nicht ſo wohl als euren Um - gang. Jch wollte ihr waͤrt wo ihr hin wolltet, und wir haͤtten euch nicht gehalten.

Weislingen.

Das iſt Weibergunſt! Erſt bruͤtet ſie mit Mutterwaͤrme unſere liebſten Hoffnungen an, dann gleich einer unbeſtaͤndigen Henne, ver - laͤßt ſie das Neſt, und uͤbergiebt ihre ſchon keimende Nachkommenſchaft dem Todt und der Verweſung.

Adelheid.

Deklamirt wider die Weiber! Der unbeſonnene Spieler zerbeiſt und zerſtampft die Karten, die ihn unſchuldiger Weis verlieren mach - ten. Aber laßt mich euch was von Mannsleuten erzaͤhlen. Was ſeyd denn ihr, um von Wankel - muth zu ſprechen? Jhr die ihr ſelten ſeyd was ihr ſeyn wollt, niemals was ihr ſeyn ſolltet. Koͤnige im Feſtt[agſo]rnat, vom Poͤbel beneidet. Was gaͤb eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen um ihren Hals zu haben, von dem Saum eures Kleids, den eure Abſaͤtze veraͤchtlich zuruͤck ſtoſen!

Weislingen.

Jhr ſeyd bitter.

Adelheid.

Es iſt die Antiſtrophe von eurem Ge - ſang. Eh ich euch kannte Weislingen, gieng mir’s wie der Schneidersfrau. Der Ruf hundertzuͤngig,F 4ohne88ohne Metapher geſprochen, hatte euch ſo zahnarz - maͤſig heraus geſtrichen, daß ich mich uͤberreden ließ zu wuͤnſchen: moͤchteſt du doch dieſe Quinteſſenz des maͤnnlichen Geſchlechts, den Phoͤnix Weislin - gen zu Geſicht kriegen! Jch ward meines Wunſches gewaͤhrt.

Weislingen.

Und der Phoͤnix praͤſentirte ſich als ein ordinairer Haushahn.

Adelheid.

Nein Weislingen, ich nahm Antheil an euch.

Weislingen.

Es ſchien ſo.

Adelheid.

Und war. Denn wuͤrklich ihr uͤber - traft euren Ruf. Die Menge ſchaͤzt nur den Wi - derſchein des Verdienſtes. Wie mir’s denn nun geht daß ich uͤber die Leute nicht denken mag die mich intereßiren; ſo lebten wir eine zeitlang neben einander, es fehlte mir was, und ich wußte nicht was ich an euch vermißte. Endlich giengen mir die Augen auf. Jch ſah ſtatt des aktiven Manns der die Geſchaͤfte eines Fuͤrſtenthums belebte, der ſich und ſeinen Ruhm dabey nicht vergaß, der auf hun - dert großen Unternehmungen wie auf uͤbereinander gewaͤlzten Bergen zu den Wolken hinauf geſtiegenwar.89war; den ſeh ich auf einmal, jammernd wie einen kranken Poeten, melankoliſch wie ein geſundes Maͤd - gen, und muͤßiger als einen alten Junggeſellen. Anfangs ſchrieb ich’s eurem Unfall zu, der euch noch neu auf dem Herzen lag, und entſchuldigte euch ſo gut ich konnte. Jzt, da es von Tag zu Tag ſchlimmer mit euch zu werden ſcheint, muͤßt ihr mir verzeihen wenn ich euch meine Gunſt ent - reiſſe; ihr beſitzt ſie ohne Recht, ich ſchenkte ſie ei - nem andern auf lebenslang, der ſie euch nicht uͤber - tragen konnte.

Weislingen.

So laßt mich los.

Adelheid.

Nicht bis alle Hoffnung verlohren iſt. Die Einſamkeit iſt in dieſen Umſtaͤnden gefaͤhr - lich. Armer Menſch. Jhr ſeyd ſo mißmuthig wie einer dem ſein erſtes Maͤdgen untreu wird, und eben darum geb ich euch nicht auf. Gebt mir die Hand, verzeiht mir was ich aus Liebe geſagt habe.

Weislingen.

Koͤnnteſt du mich lieben, koͤnnteſt du meiner heiſſen Leidenſchaft einen Tropfen Linde - rung gewaͤhren. Adelheid! deine Vorwuͤrfe ſind hoͤchſt ungerecht. Koͤnnteſt du den hundertſten Theil ahnden, von dem was die Zeit her in mir arbeitet,F 5du90du wuͤrdeſt mich nicht mit Gefaͤlligkeit, Gleichguͤl - tigkeit und Verachtung ſo unbarmherzig hin und her zerriſſen haben Du laͤchelſt! Nach dem uͤbereilten Schritt wieder mit mir ſelbſt einig zu wer - den, koſtete mehr als einen Tag. Wider den Men - ſchen zu arbeiten, deſſen Andenken ſo lebhaft neu in Liebe bey mir iſt.

Adelheid.

Wunderlicher Mann, der du den lieben kannſt, den du beneideſt! Das iſt als wenn ich meinem Feinde Proviant zufuͤhrte.

Weislingen.

Jch fuͤhls wohl es gilt hier kein Saͤumen. Er iſt berichtet, daß ich wieder Weislin - gen bin, und er wird ſich ſeines Vortheils uͤber uns erſehen. Auch Adelheid ſind wir nicht ſo traͤg als du meynſt. Unſere Reuter ſind verſtaͤrkt und wachſam, unſere Unterhandlungen gehen fort, und der Reichstag zu Augsburg ſoll hoffentlich unſere Projekte zur Reife bringen.

Adelheid.

Jhr geht ihn?

Weislingen.

Wenn ich Eine Hoffnung mit neh - nehmen koͤnnte!

(er kuͤßt ihre Hand.)
Adelheid.

O ihr Unglaubigen. Jmmer Zei - chen und Wunder! Geh Weislingen und vollendedas91das Werk. Der Vortheil des Biſchoffs, der Dei - nige, der Meinige, ſie ſind ſo verwebt, daß, waͤre es auch nur der Politik willen

Weislingen.

Du kannſt ſcherzen.

Adelheid.

Jch ſcherze nicht. Meine Guͤter hat der ſtolze Herzog inne, die deinigen wird Goͤtz nicht lange ungeneckt laſſen; und wenn wir nicht zuſam - men halten wie unſere Feinde, und den Kayſer auf unſere Seite lenken, ſind wir verlohren.

Weislingen.

Mir iſt’s nicht bange. Der groͤßte Theil der Fuͤrſten iſt unſerer Geſinnung, der Kay - ſer verlangt Huͤlfe gegen die Tuͤrken, und dafuͤr iſt’s billig daß er uns wieder beyſteht. Welche Wolluſt wird mir’s ſeyn deine Guͤter von uͤbermuͤ - thigen Feinden zu befreyen, die unruhige Koͤpfe in Schwaben auf’s Kuͤſſen zu bringen, die Ruhe des Bisthums, unſrer aller herzuſtellen. Und dann ?

Adelheid.

Ein Tag bringt den andern, nnd beym Schickſaal ſteht das Zukuͤnftige.

Weislingen.

Aber wir muͤſſen wollen.

Adelheid.

Wir wollen ja.

Weislingen.

Gewiß?

Adelheid.

Nun ja. Geht nur.

Weislingen.

Zauberin!

Herberge. 92
Herberge. Bauern Hochzeit. Muſik und Tanz drauſſen.
Der Braut Vater, Goͤtz, Selbitz (am Tiſche) Braͤutigam (tritt zu ihnen.)
Goͤtz.

Das geſcheidſte war, daß ihr euern Zwiſt ſo gluͤcklich und froͤhlich durch eine Heyrath endigt.

Braut Vater.

Beſſer als ich mir’s haͤtte trau - men laſſen. Jn Ruh und Fried mit meinem Nach - bar, und eine Tochter wohl verſorgt dazu!

Braͤutigam

Und ich in Beſitz des ſtrittigen Stuͤcks, und druͤber den huͤbſchten Backfiſch im ganzen Dorf. Wollte Gott ihr haͤttet euch eher drein geben.

Selbitz.

Wie lange habt ihr prozeßirt?

Braut Vater.

An die acht Jahre. Jch wollte lieber noch einmal ſo lang das Frieren haben, als von vorne anfangen. Das iſt ein Gezerre ihr glaubts nicht, bis man den Perrucken ein Urtheil vom Herzen reißt, und was hat man darnach. DerTeufel93Teufel hohl den Aſſeſſor Sapupi ’s is ein verfluch - ter ſchwarzer Jtaliaͤner.

Braͤutigam.

Ja, das iſt ein toller Kerl. Zwey - mal war ich dort.

Braut Vater.

Und ich dreymal. Und ſeht ihr Herrn, kriegen wir ein Urtheil endlich, wo ich ſo viel Recht hab als er, und er ſo viel als ich, und wir eben ſtunden wie die Maulaffen, biß mir un - fer Herr Gott eingab, ihm meine Tochter zu geben und das Zeug dazu.

Goͤtz
(trinkt)

Gut Vernehmen kuͤnftig.

Braut Vater.

Gebs Gott. Geh aber wie’s will, prozeßiren thu ich mein Tag nit mehr. Was das ein Geldſpiel koſt. Jeden Reverenz den euch ein Prokurator macht, muͤßt ihr bezahlen.

Selbitz.

Sind ja jaͤhrlich Kayſerliche Viſitatio - nen da.

Braut Vater.

Hab nichts davon geſpuͤrt. Jſt mir mancher ſchoͤner Thaler nebenausgangen. Das unerhoͤrte Blechen!

Goͤtz.

Wie meynt ihr?

Braut94
Braut Vater.

Ach, da macht alles hohle Pfoͤt - gen. Der Aſſeſſor allein, Gott verzeihs ihm, hat mir achtzehn Goldgulden abgenommen.

Braͤutigam.

Wer?

Braut Vater.

Wer anders als der Sapupi.

Goͤtz.

Das iſt ſchaͤndlich.

Braut Vater.

Wohl, ich mußt ihm zwanzig erlegen. Und da ich ſie ihm hingezahlt hatte, in ſei - nem Gartenhauß, das fuͤrtreflich iſt, im großen Saal, wollt mir vor Wehmuth faſt das Herz bre - chen. Denn ſeht, eines Haus und Hof ſteht gut, aber wo ſoll baar Geld herkommen. Jch ſtund da, Gott weiß wie mir’s war. Jch hatte keinen rothen Heller Reiſegeld im Sack. Endlich nahm ich mir’s Herz und ſtellts ihm vor. Nun er ſah daß mir’s Waſſer an die Seele gieng, da warf er mir zwey davon zuruͤck, und ſchickt mich fort.

Braͤutigam.

Es iſt nicht moͤglich! Der Sapupi.

Braut Vater.

Wie ſtellſt du dich! Freylich! Kein andrer!

Braͤutigam.

Den ſoll der Teufel hohlen, er hat mir auch fuͤnfzehn Goldguͤlden abgenommen.

Braut Vater.

Verflucht!

Selbitz.95
Selbitz.

Goͤtz! Wir ſind Raͤuber!

Braut Vater.

Drum fiel das Urtheil ſo ſcheel aus. Du Hund.

Goͤtz

Das muͤßt ihr nicht ungeruͤgt laſſen.

Braut Vater.

Was ſollen wir thun?

Goͤtz.

Macht euch auf nach Speyer, es iſt eben Viſitationszeit, zeigts an, ſie muͤſſens unterſuchen und euch zu dem eurigen helfen.

Braͤutigam.

Denkt ihr, wir treibens durch?

Goͤtz.

Wenn ich ihm uͤber die Ohren duͤrfte, wollt ich’s euch verſprechen.

Selbitz.

Die Summe iſt wohl einen Verſuch werth.

Goͤtz.

Bin ich wohl eher um des vierten Theils willen ausgeritten.

Braut Vater.

Wie meynſt du?

Braͤutigam.

Wir wollen, gehs wie’s geh.

Georg (kommt.)
Georg.

Die Nuͤrnberger ſind im Anzug.

Goͤtz.

Wo?

Georg.96
Georg.

Wenn wir ganz ſachte reiten, packen wir ſie zwiſchen Beerheim und Muͤhlbach im Wald.

Selbitz.

Trefflich!

Goͤtz.

Kommt Kinder. Gott gruͤs euch. Helf uns allen zum unſrigen.

Bauer.

Großen Dank, ihr wollen nicht zum Nacht Jms bleiben.

Goͤtz.

Koͤnnen nicht. Adies.

Dritter97

Dritter Act.

Augsburg. Ein Garten.
Zwey Nuͤrnberger Kaufleute.
Erſter Kaufmann.

Hier wollen wir ſtehn, denn da muß der Kayſer vorbey. Er kommt eben die lange Allee herauf.

Zweyter Kaufmann.

Wer iſt bey ihm?

Erſter Kaufmann.

Adelbert von Weislingen.

Zweyter Kaufmann.

Bambergs Freund! das iſt gut.

Erſter Kaufmann.

Wir wollen einen Fusfall thun, und ich will reden.

Zweyter Kaufmann.

Wohl, da kommen ſie.

Kayſer. Weislingen.
Erſter Kaufmann.

Er ſieht verdruͤßlich aus.

Kayſer.

Jch bin unmuthig Weislingen, und wenn ich auf mein vergangenes Leben zuruͤck ſehe,Gmoͤcht98moͤcht ich verzagt werden, ſo viel halbe, ſo viel ver - ungluͤckte Unternehmungen! und das alles, weil kein Fuͤrſt im Reich ſo klein iſt, dem nicht mehr an ſeinen Grillen gelegen waͤre als an meinen Ge - danken.

Die Kaufleute (werfen ſich ihm zu Fuͤßen)
Kaufmann.

Allerdurchlauchtigſter! Großmaͤch - tigſter!

Kayſer.

Wer ſeyd ihr? Was gibts?

Kaufmann.

Arme Kaufleute von Nuͤrnberg, Euer Majeſtaͤt Knechte, und flehen um Huͤlfe. Goͤtz von Berlichingen und Hanns von Selbitz haben unſerer dreyſig, die von der Frankfurter Meß ka - men, im Bambergiſchen Geleite niedergeworfen und beraubt, wir bitten Eure Kayſerliche Majeſtaͤt um Huͤlfe, um Beyſtand, ſonſt ſind wir alle verdor - bene Leute, genoͤthigt unſer Brod zu betteln.

Kayſer.

Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was iſt das? Der eine hat eine Hand, der andere nur ein Bein, wenn ſie denn erſt zwo Haͤnde haͤtten, und zwo Beine, was wolltet ihr dann thun?

Kaufmann.

Wir bitten Eure Majeſtaͤt unter - thaͤnigſt, auf unſere bedraͤngte Umſtaͤnde ein mitlei - diges Auge zu werfen.

Kayſer.99
Kayſer.

Wie gehts zu! Wenn ein Kaufmann einen Pfefferſack verliert, ſoll man das ganze Reich aufmahnen, und wenn Haͤndel vorhanden ſind, daran Kayſerliche Majeſtaͤt und dem Reich viel gelegen iſt, daß es Koͤnigreich, Fuͤrſtenthum, Her - zogthum und anders betrift, ſo kann euch kein Menſch zuſammen bringen.

Weislingen.

Jhr kommt zur ungelegnen Zeit. Geht und verweilt einige Tage hier.

Kaufleute.

Wir empfehlen uns zu Gnaden.

(ab)
Kayſer.

Wieder neue Haͤndel. Sie wachſen nach wie die Koͤpfe der Hydra.

Weislingen.

Und ſind nicht auszurotten als mit Feuer und Schwerdt, und einer muthigen Unterneh - mung.

Kayſer.

Glaubt ihr?

Weislingen.

Jch halte nichts fuͤr thulicher, wenn Eure Majeſtaͤt und die Fuͤrſten ſich uͤber andern un - bedeutenden Zwiſt vereinigen koͤnnten. Es iſt mit nichten ganz Deutſchland das uͤber Beunruhigung klagt. Franken und Schwaben allein glimmt noch von den Reſten des innerlichen verderblichen Bur - gerkriegs. Und auch da ſind viele der Edlen undG 2Freyen100Freyen die ſich nach Ruhe ſehnen. Haͤtten wir ein - mal dieſen Sickingen, Selbitz Berlichingen auf die Seite geſchafft, das uͤbrige wuͤrde bald von ſich ſelbſten zerfallen. Denn ſie ſind’s deren Geiſt die aufruͤhriſche Menge belebt.

Kayſer.

Jch moͤgte die Leute gerne ſchonen, ſie ſind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fuͤhrte, muͤßt ich ſie unter meiner Armee haben.

Weislingen.

Es waͤre zu wuͤnſchen daß ſie von jeher gelernt haͤtten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und dann waͤr es hoͤchſt gefaͤhrlich ihre aufruͤhriſche Unternehmungen durch Ehrenſtellen zu belohnen. Denn eben dieſe Kayſerliche Mild und Gnade iſt’s, die ſie bisher ſo ungeheuer mißbrauchen, und ihr Anhang der ſein Vertrauen und Hofnung darauf ſetzt, wird nicht ehe zu baͤndigen ſeyn, bis wir ſie ganz vor den Augen der Welt zu nichte ge - macht, und alle Ausſichten auf die Zukunft ihnen abgeſchnitten haben.

Kayſer.

Jhr rathet alſo zur Strenge.

Weislingen.

Jch ſehe kein ander Mittel den Schwindelgeiſt, der ganze Landſchaften ergreift, zu bannen. Hoͤren wir nicht ſchon hier und da die bit -terſten101terſten Klagen der Edlen, daß ihre Unterthanen ihre Leibeigne ſich gegen ſie auflehnen und mit ihnen rechten, ihnen die hergebrachte Oberherrſchaft zu ſchmaͤlern drohen, und die gefaͤhrlichſte Folgen zu fuͤrchten ſind.

Kayſer.

Jetzt waͤre eine ſchoͤne Gelegenheit wi - der den Berlichingen und Selbitz, nur wollt ich nicht daß ihnen was zu leid geſchehe. Gefangen moͤgt ich ſie haben, und dann muͤßten ſie Urphede ſchwoͤren, auf ihren Schloͤſſern ruhig zu bleiben, und nicht aus ihrem Bann zu gehen. Bey der naͤchſten Seßion will ich’s vortragen.

Weislingen.

Ein freudiger beyſtimmender Zu - ruf wird Eurer Majeſtaͤt das Ende der Rede er - ſparen.

(ab.)
Jaxthauſſen.
Sickingen. Berlichingen.
Sickingen.

Ja, ich komme eure edle Schwe - ſter um ihr Herz und ihre Hand zu bitten.

Goͤtz.

So wollt ich ihr waͤrt eher kommen. Jch muß euch ſagen, Weislingen hat waͤhrend ſei -G 3ner102ner Gefangenſchaft ihre Liebe gewonnen, um ſie angehalten, und ich ſagt ſie ihm zu. Jch hab ihn los gelaſſen den Vogel, und er verachtet die guͤtige Hand, die ihm in der Noth Futter reichte. Er ſchwiret herum, weiß Gott auf welcher Hecke ſeine Nahrung zu ſuchen.

Sickingen.

Jſt das ſo.

Goͤtz.

Wie ich ſage.

Sickingen.

Er hat ein doppeltes Band zer - riſſen. Wohl euch daß ihr mit dem Verraͤther nicht naͤher verwandt worden.

Goͤtz.

Sie ſizt, das arme Maͤdgen, und ver - jammert und verbetet ihr Leben.

Sickingen.

Wir wollen ſie zu Singen machen.

Goͤtz.

Wie! Entſchließet ihr euch eine Verlaß - ne zu heurathen.

Sickingen.

Es macht euch beyden Ehre, von ihm betrogen worden zu ſeyn. Soll darum das ar - me Maͤdgen in ein Kloſter gehn, weil der erſte Mann den ſie kannte ein Nichtswuͤrdiger war. Nein doch! ich bleibe darauf, ſie ſoll Koͤnigin von meinen Schloͤſſern werden.

Goͤtz.103
Goͤtz.

Jch ſage euch ſie war nicht gleichguͤltig gegen ihn.

Sickingen.

Trauſt du mir nicht zu daß ich den Schatten eines Elenden ſollte verjagen koͤnnen. Laßt uns zu ihr.

(ab.)
Lager der Reichsexekution.
Hauptmann. Offiziere.
Hauptmann.

Wir muͤſſen behutſam gehn, und unſere Leute ſo viel moͤglich ſchonen. Auch iſt un - ſere gemeſſene Order ihn in die Enge zu treiben, und lebendig gefangen zu nehmen. Es wird ſchwer halten, denn wer mag ſich an ihn machen.

Erſter Offizier.

Freylich! Und er wird ſich wehren wie ein wildes Schwein. Ueberhaupt hat er uns ſein lebenlang nichts zu leid gethan, und je - der wirds von ſich ſchieben Kayſer und Reich zu gefallen Arm und Bein dran zu ſetzen.

Zweyter Offizier.

Es waͤre eine Schande wenn wir ihn nicht kriegten. Wenn ich ihn nur einmal beym Lippen habe, er ſoll nicht los kommen.

G 4Erſter104
Erſter Offizier.

Faßt ihn nur nicht mit Zaͤh - nen, er moͤchte euch die Kinbacken ausziehen. Gu - ter junger Herr, dergleichen Leut packen ſich nicht wie ein fluͤchtiger Dieb.

Zweyter Offizier.

Wollen ſehn.

Hauptmann.

Unſern Brief muß er nun haben. Wir wollen nicht ſaͤumen, und einen Trupp aus - ſchicken, der ihn beobachten ſoll.

Zweyter Offizier.

Laßt mich ihn fuͤhren.

Hauptmann.

Jhr ſeyd der Gegend unkundig.

Zweyter Offizier.

Jch habe einen Knecht der hier gebohren und erzogen iſt.

Hauptmann.

Jch bins zufrieden.

(ab.)
Jaxthauſſen.
Sickingen.
Sickingen.

Es geht alles nach Wunſch, ſie war etwas beſtuͤrzt uͤber meinen Antrag, und ſah mich vom Kopf bis auf die Fuͤße an, ich wette ſie verglich mich mit ihrem Weisfiſch. Gott ſey Dank daß ich mich ſtellen darf. Sie antwortete wenig, und durcheinander, deſto beſſer! Es mag eine Zeitkochen.105kochen. Bey Maͤdgen die durch Liebesungluͤck ge - beizt ſind, wird ein Heyrathsvorſchlag bald gar.

Goͤtz (kommt.)
Sickingen.

Was bringt ihr Schwager?

Goͤtz.

Jn die Acht erklaͤrt.

Sickingen.

Was?

Goͤtz

Da leßt den erbaulichen Brief. Der Kayſer hat Exekution gegen mich verordnet, die mein Fleiſch den Voͤgeln unter dem Himmel, und den Thieren auf dem Felde zu freſſen vorſchneiden ſoll.

Sickingen.

Erſt ſollen ſie dran. Juſt zur ge - legenen Zeit bin ich hier.

Goͤtz.

Nein Sickingen ihr ſollt fort. Das hieſe euere großen Anſchlaͤge im Keim zertreten, wenn ihr zu ſo ungelegener Zeit des Reichs Feind werden wolltet. Auch mir koͤnnt ihr weit mehr nutzen, wenn ihr neutral zu ſeyn ſcheint. Der Kayſer liebt euch, und das ſchlimmſte das mir begegnen kann, iſt gefangen zu werden, dann braucht euer Vor - wort, und reißt mich aus einem Elend, in das unzeitige Huͤlfe uns beyde ſtuͤrzen konnte. Denn was waͤr’s, jetzo geht der Zug gegen mich, er -G 5fahren106fahren ſie du biſt bey mir, ſo ſchicken ſie mehr, und wir ſind um nichts gebeſſert. Der Kayſer ſitzt an der Quelle, und ich waͤr ſchon jetzt unwiederbring - lich verlohren, wenn man Tapferkeit ſo geſchwind einblaſen koͤnnte, als man einen Haufen zuſammen blaſen kann.

Sickingen.

Doch kann ich heimlich ein zwanzig Reuter zu euch ſtoßen laſſen.

Goͤtz.

Gut. Jch hab ſchon Georgen nach dem Selbitz geſchickt, und meine Knechte in der Nach - barſchaft herum. Lieber Schwager, wenn meine Leute beyſammen ſind, es wird ein Haͤufgen ſeyn dergleichen wenig Fuͤrſten beyſammen geſehen haben.

Sickingen.

Jhr werdet gegen der Menge we - nig ſeyn.

Goͤtz.

Ein Wolf iſt einer ganzen Heerde Schaafe zu viel.

Sickingen.

Wenn ſie aber einen guten Hirten haben.

Goͤtz.

Sorg du. Und es ſind lauter Miethlinge. Und dann kann der beſte Ritter nichts machen, wenn er nicht Herr von ſeinen Handlungen iſt. So ka -men107men ſie mir auch einmal, wie ich dem Pfalzgraf zu - geſagt hatte gegen Conrad Schotten zu dienen, da legt er mir einen Zettel aus der Canzley vor, wie ich reiten und mich halten ſollt, da wurf ich den Raͤthen das Papier wieder dar, und ſagt: ich wuͤßt nicht darnach zu handeln; ich weiß nicht was mir begegnen mag, das ſteht nicht im Zettel; ich muß die Augen ſelbſt aufthun, und ſehn was ich zu ſchaf - fen hab.

Sickingen.

Gluͤck zu Bruder! Jch will gleich fort und dir ſchicken was ich in der Eil zuſammen treiben kann.

Goͤtz.

Komm noch zu den Frauen, ich ließ ſie beyſammen. Jch wollte daß du ihr Wort haͤtteſt, ehe du gienſt. Dann ſchick mir die Reuter, und komm heimlich wieder ſie abzuholen, denn mein Schloß, fuͤrcht ich, wird bald kein Auffenthalt fuͤr Weiber mehr ſeyn.

Sickingen.

Wollen das beſte hoffen.

(ab.)
Bam -108
Bamberg. Adelheidens Zimmer.
Adelheid. Franz.
Adelheid.

So ſind die beyde Exekutionen ſchon aufgebrochen?

Franz.

Ja, und mein Herr hat die Freude, gegen eure Feinde zu ziehen. Jch wollte gleich mit, ſo gern ich zu euch gehe. Auch will ich jetzt wieder fort, um bald mit froͤhlicher Bottſchaft wieder zu kehren. Mein Herr hat mirs erlaubt.

Adelheid.

Wie ſtehts mit ihm?

Franz.

Er iſt munter. Mir befahl er eure Hand zu kuͤſſen.

Adelheid.

Da deine Lippen ſind warm.

Franz
(vor ſich, auf die Bruſt deutend)

Hier iſt’s noch waͤrmer!

(laut)

gnadige Frau, eure Diener ſind die gluͤcklichſten Menſchen unter der Sonne.

Adelheid.

Wer fuͤhrt gegen Berlichingen.

Franz.

Baron von Sirau. Lebt wohl, beſte gnaͤdige Frau. Jch will wieder fort. Vergeßt mich nicht.

Adel -109
Adelheid.

Du mußt was eſſen, trinken, und raſten.

Franz.

Wozu das? Jch hab euch ja geſehen. Jch bin nicht muͤd noch hungrig.

Adelheid.

Jch kenne deine Treu.

Franz.

Ach gnaͤd’ge Frau!

Adelheid.

Du haͤlſt’s nicht aus, gieb dich zur Ruh, und nimm was zu dir.

Franz.

Eure Sorgfalt fuͤr einen armen Jun - gen.

(ab.)
Adelheid.

Die Thraͤnen ſtehn ihm in den Augen. Jch lieb ihn von Herzen. So wahr und warm hat noch niemand an mir gehangen.

(ab.)
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Georg.
Georg.

Er will ſelbſt mit euch ſprechen. Jch kenn ihn nicht, es iſt ein ſtattlicher Mann, mit ſchwarzen feurigen Augen.

Goͤtz.

Bring ihn herein.

Lerſe (kommt.)
Goͤtz.

Gott gruͤs euch. Was bringt ihr.

Lerſe.110
Lerſe.

Mich ſelbſt, das iſt nicht viel, doch al - les was es iſt biet ich euch an.

Goͤtz.

Jhr ſeyd mir willkommen, doppelt will - kommen, ein braver Mann, und zu dieſer Zeit, da ich nicht hofte neue Freunde zu gewinnen, vielmehr den Verluſt der Alten ſtuͤndlich fuͤrchtete. Gebt mir euren Namen.

Lerſe.

Franz Lerſe.

Goͤtz.

Jch danke euch Franz, daß ihr mich mit einem braven Mann bekannt gemacht habt.

Lerſe.

Jch machte euch ſchon einmal mit mir bekannt, aber damals danktet ihr mir nicht dafuͤr.

Goͤtz.

Jch erinnere mich eurer nicht.

Lerſe.

Es waͤre mir leyd. Wißt ihr noch, wie ihr um des Pflazgrafen willen Conrad Schotten feind wart, und nach Haßfurth auf die Faßnacht reiten wolltet.

Goͤtz.

Wohl weiß ich es.

Lerſe.

Wißt ihr wie ihr unterweges bey einem Dorf fuͤnf und zwanzig Reutern entgegen kamt.

Goͤtz.

Richtig. Jch hielt ſie anfangs nur fuͤr zwoͤlfe, und theilt meinen Haufen, waren unſererſech -111ſechzehn, und hielt am Dorf hinter der Scheuer, in willens ſie ſollten bey mir vorbey ziehen. Dann wollt ich ihnen nachrucken, wie ich’s mit dem an - dern Hauffen abgeredt hatte.

Lerſe.

Aber wir ſahn euch, und zogen auf eine Hoͤhe am Dorf. Jhr zogt herbey und hieltet unten. Wie wir ſahen ihr wolltet nicht herauf kommen, ritten wir herab.

Goͤtz.

Da ſah ich erſt daß ich mit der Hand in die Kohlen geſchlagen hatte. Fuͤnf und zwanzig gegen acht! Da galts kein feyren. Erhard Truch - ſes durchſtach mir einen Knecht, dafuͤr rannt ich ihn vom Pferde. Haͤtten ſie ſich alle gehalten wie er und ein Knecht, es waͤre mein und meines klei - nen Haͤufgens uͤbel gewart geweſen.

Lerſe.

Der Knecht wovon ihr ſagtet.

Goͤtz.

Es war der bravſte den ich geſehen habe. Er ſetzte mir heiß zu. Wenn ich dachte ich haͤtt ihn von mir gebracht, wollte mit andern zu ſchaffen haben, war er wieder an mir, und ſchlug feindlich zu. Er hieb mir auch durch den Panzerermel hin - durch, daß es ein wenig gefleiſcht hatte.

Lerſe.112
Lerſe.

Habt ihr’s ihm verziehen.

Goͤtz.

Er gefiel mir mehr als zu wohl.

Lerſe.

Nun ſo hoff ich daß ihr mit mir zufrie - den ſeyn werdet, ich hab mein Probſtuͤck an euch ſelbſt abgelegt.

Goͤtz.

Biſt du’s. O willkommen willkommen. Kannſt du ſagen Maximilian, du haſt unter deinen Dienern Einen ſo geworben!

Lerſe.

Mich wundert, daß ihr nicht eh auf mich gefallen ſeyd.

Goͤtz.

Wie ſollte mir einkommen, daß der mir ſeine Dienſte anbieten wuͤrde, der auf das feindſe - ligſte mich zu uͤberwaͤltigen trachtete.

Lerſe.

Eben das Herr! Von Jugend auf dien ich als Reuters Knecht, und habs mit manchem Ritter aufgenommen. Da wir auf euch ſtießen freut ich mich. Jch kannte euren Namen, und da lernt ich euch kennen. Jhr wißt ich hielt nicht Stand, ihr ſaht, es war nicht Furcht, denn ich kam wieder. Kurz ich lernt euch kennen, und von Stund an beſchloß ich euch zu dienen.

Goͤtz.

Wie lange wollt ihr bey mir aushalten?

Lerſe.

Auf ein Jahr. Ohne Entgeld.

Goͤtz.113
Goͤtz.

Nein, ihr ſollt gehalten werden wie ein anderer, und druͤber wie der, der mir bey Remlin zu ſchaffen machte.

Georg (kommt.)
Georg.

Hanns von Selbitz laͤßt euch gruͤſen. Morgen iſt er hier mit funfzig Mann.

Goͤtz.

Wohl.

Georg.

Es zieht am Kocher ein Trupp Reichs - voͤlker herunter, ohne Zweifel euch zu beobachten.

Goͤtz.

Wie viel?

Georg.

Jhrer funfzig.

Goͤtz.

Nicht mehr! Komm Lerſe wir wollen ſie zuſammenſchmeiſſen, wenn Selbitz kommt daß er ſchon ein Stuͤck Arbeit gethan findet.

Lerſe.

Das ſoll eine reichliche Vorleſe werden.

Goͤtz.

Zu Pferde!

(ab.)
Wald an einem Moraſt.
Zwey Reichsknechte (begegnen einander.)
Erſter Knecht.

Was machſt du hier?

Zweyter Knecht.

Jch hab Urlaub gebeten mei - ne Nothdurft zu verrichten. Seit dem blinden Laͤr -Hmen114men geſtern Abends, iſt mirs in die Gedaͤrme ge - ſchlagen, daß ich alle Augenblicke vom Pferd muß.

Erſter Knecht.

Haͤlt der Trupp hier in der Naͤhe?

Zweyter Knecht.

Wohl eine Stunde den Wald hinauf.

Erſter Knecht.

Wie verlaufſt du dich dann hieher?

Zweyter Knecht.

Jch bitt dich verrath mich nicht. Jch will auf’s naͤchſte Dorf, und ſehn ob ich nit mit warmen Ueberſchlaͤgen meinem Uebel ab - helfen kann. Wo kommſt du her?

Erſter Knecht.

Vom naͤchſten Dorf. Jch hab unſerm Offizier Wein und Brod geholt.

Zweyter Knecht.

So, er thut ſich was zu guts vor unſerm Angeſicht, und wir ſollen faſten! Schoͤn Exempel.

Erſter Knecht.

Komm mit zuruͤck, Schurke.

Zweyter Knecht.

Waͤr ich ein Narr. Es ſind nich viele unterm Haufen, die gern faſteten wenn ſie ſo weit davon waͤren als ich.

Erſter Knecht.

Hoͤrſt du! Pferde!

Zweyter Knecht.

O Weh!

Erſter115
Erſter Knecht.

Jch klettere auf den Baum.

Zweyter Knecht.

Jch ſteck mich in’s Rohr.

Goͤtz. Lerſe. Georg. Knechte (zu Pferde.)
Goͤtz.

Hier am Teich weg und linker Hand in den Wald, ſo kommen wir ihnen im Ruͤcken.

(zie - hen vorbey.)
Erſter Knecht.
(Steigt vom Baum.)

Da iſt nicht gut ſeyn. Michel! Er antwortet nicht? Mi - chel ſie ſind fort!

(Er geht nach dem Sumpf.)

Michel! O weh er iſt verſunken. Michel! er hoͤrt mich nicht, er iſt erſtickt. Biſt doch krepirt du Memme. Wir ſind geſchlagen. Feinde uͤber - all Feinde.

Goͤtz. Georg. (zu Pferde.)
Goͤtz.

Halt Kerl oder du biſt des Todts.

Knecht.

Schont meines Lebens.

Goͤtz.

Dein Schwerdt! Georg fuͤhr ihn zu den andern Gefangenen, die Lerſe dort unten am Wald hat. Jch muß ihren fluͤchtigen Fuͤhrer erreichen.

(ab.)
Knecht.

Was iſt aus unſerm Ritter geworden, der uns fuͤhrte?

H 2Georg.116
Georg.

Unterſt zu oberſt ſtuͤrzt ihn mein Herr vom Pferd daß der Federbuſch im Koth ſtack. Sei - ne Reuter huben ihn auf’s Pferd und fort wie beſeſſen.

(ab.)
Lager.
Hauptmann. Erſter Ritter.
Erſter Ritter.

Sie fliehen von weitem dem La - ger zu.

Hauptmann.

Er wird ihnen an den Ferſen ſeyn. Laßt ein funfzig ausrucken bis an die Muͤhle, wenn er ſich zu weit verliert erwiſcht ihr ihn viel - leicht.

(Ritter ab.)
Zweyter Ritter (gefuͤhrt.)
Hauptmann.

Wie gehts junger Herr! Habt ihr ein paar Zinken abgerennt.

Ritter.

Daß dich die Peſt! Wenn ich Hoͤrner gehabt haͤtte wie ein Dannhirſch, ſie waͤren geſplit - tert wie Glas. Du Teufel! Er rannt auf mich los, es war mir als wenn mich der Donner in die Erde ’nein ſchluͤg.

Haupt -117
Hauptmann.

Dankt Gott daß ihr noch davon gekommen ſeyd.

Ritter.

Es iſt nichts zu danken, ein paar Rip - pen ſind entzwey. Wo iſt der Feldſcheer.

(ab.)
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Selbitz.
Goͤtz.

Was ſagſt du zu der Achtserklaͤrung Sel - bitz?

Selbitz.

Es iſt ein Streich von Weislingen.

Goͤtz.

Meynſt du!

Selbitz.

Jch meyne nicht, ich weiß.

Goͤtz.

Woher?

Selbitz.

Er war auf dem Reichstag ſag ich dir, er war um den Kayſer.

Goͤtz.

Wohl, ſo machen wir ihm wieder einen Anſchlag zu nichte.

Selbitz.

Hoff’s.

Goͤtz.

Wir wollen fort! und ſoll die Haaſen - jagd angehn.

H 3Lager.118
Lager.
Hauptmann. Ritter.
Hauptmann.

Dabey kommt nichts heraus ihr Herrn. Er ſchlaͤgt uns ein Detaſchement nach dem andern, und was nicht umkommt und gefangen wird das lauft in Gottes Namen lieber nach der Tuͤrkey als ins Lager zuruͤck, ſo werden wir alle Tag ſchwaͤcher. Wir muͤſſen einmal fuͤr allemal ihm zu Leib gehen, und das mit Ernſt, ich will ſelbſt dabey ſeyn und er ſoll ſehn mit wem er zu thun hat.

Ritter.

Wir ſinds all zufrieden, nur iſt er der Landsart ſo kundig, weiß alle Gaͤnge und Schliche im Gebuͤrg, daß er ſo wenig zu fangen iſt wie eine Maus auf dem Kornboden.

Hauptmann.

Wollen ihn ſchon kriegen. Erſt auf Jaxthauſſen zu. Mag er wollen oder nicht er muß herbey ſein Schloß zu vertheidigen.

Ritter.

Soll unſer ganzer Hauf marſchieren?

Hauptmann.

Freylich! Wißt ihr daß wir ſchon um hundert geſchmolzen ſind.

Ritter.119
Ritter.

Drum geſchwind, eh der ganze Eis - klumpen auftaut, es macht warm in der Naͤhe, und wir ſtehn da wie Butter an der Sonne.

(ab.)
Gebuͤrg und Wald.
Goͤtz. Selbitz. Trupp.
Goͤtz.

Sie kommen mit hellem Hauf. Es war hohe Zeit daß Sickingens Reuter zu uns ſtießen.

Selbitz.

Wir wollen uns theilen. Jch will linker Hand um die Hoͤhe ziehen.

Goͤtz.

Gut. Und du Franz fuͤhre mir die funfzig rechts durch den Wald hinauf, ſie kommen uͤber die Haide, ich will gegen ihnen halten. Georg du bleibſt um mich. Und wenn ihr ſeht daß ſie mich angreifen, ſo fallt ungeſaͤumt in die Seiten. Wir wollen ſie patſchen. Sie denken nicht daß wir ih - nen die Spitze bieten koͤnnen.

(ab.)
H 4Haide,120
Haide auf der einen Seite eine Hoͤhe, auf der andern Wald.
Hauptmann. Exekutionszug.
Hauptmann.

Er haͤlt auf der Haide! Das iſt impertinent. Er ſolls buͤßen. Was! Den Strohm nicht zu fuͤrchten der auf ihn los brauſt.

Ritter.

Jch wollt nicht daß ihr an der Spitze rittet, er hat das Anſehn als ob er den erſten der ihn anſtoßen moͤgte umgekehrt in die Erde pflan - zen wollte. Reitet hinten drein.

Hauptmann.

Nicht gern.

Ritter.

Jch bitt euch. Jhr ſeyd noch der Kno - ten von dieſem Buͤndel Haſelruthen, loͤßt ihn auf, ſo knickt er ſie euch einzeln wie Riethgras.

Hauptmann.

Trompeter blas! Und ihr blaſt ihn weg.

(ab.)
Selbitz (hinter der Hoͤhe hervor im Galopp)
Selbitz.

Mir nach! Sie ſollen zu ihren Haͤnden rufen: multiplicirt euch.

(ab.)
Lerſe. 121
Lerſe (aus dem Wald.)
Lerſe.

Goͤtzen zu Huͤlf! Er iſt faſt umringt. Braver Selbitz, du haſt ſchon Luft gemacht. Wir wollen die Haide mit ihren Diſtelkoͤpfen beſaͤen.

(vorbey)
(Getuͤmmel.)
Eine Hoͤhe mit einem Wartthurn.
Selbitz (verwundet.) Knechte.
Selbitz.

Legt mich hieher und kehrt zu Goͤtzen.

Erſter Knecht.

Laßt uns bleiben Herr, ihr braucht unſer.

Selbitz.

Steig einer auf die Warte und ſeh wie’s geht.

Erſter Knecht.

Wie will ich hinauf kommen?

Zweyter Knecht.

Steig auf meine Schultern da kannſt du die Luͤcke reichen, und dir bis zur Oef - nung hinauf helfen.

(ſteigt hinauf.)
Zweyter Knecht.

Ach Herr!

Selbitz.

Was ſieheſt du?

Zweyter Knecht.

Eure Reuter fliehen. Der Hoͤhe zu.

H 5Selbitz.122
Selbitz.

Hoͤlliſche Schurken! Jch wollt ſie ſtuͤnden und ich haͤtt eine Kugel vorm Kopf. Reit einer hin, und fluch und wetter ſie zuruͤck.

(Knecht ab.)
Selbitz.

Sieheſt du Goͤtzen?

Knecht.

Die drey ſchwarze Federn ſeh ich mit - ten im Getuͤmmel.

Selbitz.

Schwimm braver Schwimmer. Jch liege hier!

Knecht.

Ein weiſer Federbuſch, wer iſt das?

Selbitz.

Der Hauptmann.

Knecht.

Goͤtz draͤngt ſich an ihn Bau! Er ſtuͤrzt.

Selbitz.

Der Hauptmann?

Knecht.

Ja Herr.

Selbitz.

Wohl! Wohl!

Knecht.

Weh! Weh! Goͤtzen ſeh ich nicht mehr.

Selbitz.

So ſtirb Selbitz.

Knecht.

Ein fuͤrchterlich Gedraͤng wo er ſtund. Georgs blauer Buſch verſchwindt auch.

Selbitz.

Komm herunter. Siehſt du Lerſen nicht?

Knecht.123
Knecht.

Nichts. Es geht alles drunter und druͤber.

Selbitz.

Nichts mehr. Komm! Wie halten ſich Sickingens Reuter.

Knecht.

Gut. Da flieht einer nach dem Wald. Noch einer! Ein ganzer Trupp. Goͤtz iſt hin.

Selbitz.

Komm herab.

Knecht.

Jch kann nicht. Wohl! Wohl! Jch ſehe Goͤtzen! Jch ſehe Georgen!

Selbitz.

Zu Pferd?

Knecht.

Hoch zu Pferd! Sieg! Sieg! Sie fliehn.

Selbitz.

Die Reichstruppen.

Knecht.

Die Fahne mitten drinn, Goͤtz hinten drein. Sie zerſtreuen ſich. Goͤtz erreicht den Faͤhn - drich Er hat die Fahn Er haͤlt. Eine hand - voll Menſchen um ihn herum. Mein Camerad er - reicht ihn Sie ziehn herauf.

Goͤtz. Georg. Lerſe. Ein Trupp.
Selbitz.

Gluͤck zu! Goͤtz. Sieg! Sieg!

Goͤtz
(ſteigt vom Pferd)

Theuer! Theuer! Du biſt verwundt Selbitz.

Selbitz.124
Selbitz.

Du lebſt und ſiegſt! Jch hab wenig gethan. Und meine Hunde von Reutern! Wie biſt du davon gekommen?

Goͤtz.

Diesmal galts! Und hier Georgen dank ich das Leben und hier Lerſen dank ichs. Jch warf den Hauptmann vom Gaul. Sie ſtachen mein Pferd nieder und drangen auf mich ein, Georg hieb ſich zu mir und ſprang ab, ich wie der Blitz auf ſeinem Gaul, wie der Donner ſaß er auch wie - der. Wie kamſt du zum Pferd?

Georg.

Einem der nach euch hieb, ſtieß ich mei - nen Dolch in die Gedaͤrme, wie ſich ſein Harniſch in die Hoͤhe zog. Er ſtuͤrzt, und ich half euch von einem Feind und mir zu einem Pferde.

Goͤtz.

Nun ſtacken wir, bis Franz ſich zu uns herein ſchlug, und da maͤhten wir von innen heraus.

Lerſe.

Die Hunde die ich fuͤhrte ſollten von auſſen hinein maͤhen bis ſich unſere Senſen bege - gnet haͤtten, aber ſie flohen wie Reichsknechte.

Goͤtz.

Es flohe Freund und Feind. Nur du kleiner Hauf hielſt mir den Ruͤcken frey, ich hatte mit den Kerls vor mir gnug zu thun. Der Fall ih -res125res Hauptmanns half mir ſie ſchuͤtteln, und ſie flo - hen. Jch habe ihre Fahne und wenig Gefangene.

Selbitz.

Der Hauptmann iſt euch entwiſcht?

Goͤtz.

Sie hatten ihn inzwiſchen gerettet. Kommt ihr Kinder kommt! Selbitz! Macht eine Bahre von Aeſten, du kannſt nicht auf’s Pferd. Kommt in mein Schloß. Sie ſind zerſtreut. Aber unſerer ſind wenig, und ich weiß nicht ob ſie Truppen nach - zuſchicken haben. Jch will euch bewirthen meine Freunde. Ein Glas Wein ſchmeckt auf ſo einen Straus.

Lager.
Hauptmann.
Hauptmann.

Jch moͤgt euch alle mit eigener Hand umbringen, ihr tauſend ſakerment. Was, fortzulaufen! Er hatte keine handvoll Leute mehr! Fortzulaufen wie die Scheiskerle! Vor Einem Mann. Es wirds niemand glauben, als wer uͤber uns zu lachen Luſt hat. Reit herum, ihr, und ihr, und ihr. Wo ihr von unſern zerſtreuten Knechten find’t, bringt ſie zuruͤck oder ſtecht ſie nieder. Wir muͤſ - ſen dieſe Scharten auswetzen, und wenn die Klin - gen druͤber zu Grund gehen ſollten.

Jaxt -126
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Lerſe. Georg.
Goͤtz.

Wir duͤrfen keinen Augenblick ſaͤumen! Arme Jungens, ich darf euch keine Raſt goͤnnen. Jagt geſchwind herum und ſucht noch Reuter auf - zutreiben. Beſtellt ſie alle nach Weilern, da ſind ſie am ſicherſten. Wenn wir zoͤgern ſo ziehen ſie mir vors Schloß.

(die zwey ab.)

Jch muß ei - nen auf Kundſchaft ausjagen. Es faͤngt an heiß zu werden, und wann es nur noch brave Kerls waͤren, aber ſo iſt’s die Menge.

(ab.)
Sickingen. Maria.
Maria.

Jch bitte euch lieber Sickingen, geht nicht von meinem Bruder! Seine Reuter, Selbi - tzens, eure, ſind zerſtreut, er iſt allein, Selbitz iſt verwundet auf ſein Schloß gebracht, und ich fuͤrchte alles.

Sickingen.

Seyd ruhig ich gehe nicht weg.

Goͤtz (kommt.)
Goͤtz.

Kommt in die Kirch, der Pater wartet. Jhr ſollt mir in einer viertel Stund ein Paar ſeyn.

Sickin -127
Sickingen.

Laßt mich hier.

Goͤtz.

Jn die Kirch ſollt ihr jetzt.

Sickingen.

Gern. und darnach?

Goͤtz.

Darnach ſollt ihr eurer Wege gehn.

Sickingen.

Goͤtz!

Goͤtz.

Wollt ihr nicht in die Kirche.

Sickingen.

Kommt kommt.

Lager.
Hauptmann.
Hauptmann.

Wie viel ſind’s in allem?

Ritter.

Hundert und funfzig.

Hauptmann.

Von vierhunderten! Das iſt arg. Jetzt gleich auf und grad gegen Jaxthauſſen zu, ’eh er ſich erholt und ſich uns wieder in Weg ſtellt.

Jaxthauſſen.
Goͤtz. Eliſabeth. Maria. Sickingen.
Goͤtz.

Gott ſeegne euch, geb euch gluͤckliche Tage, und behalte die die er euch abzieht fuͤr eu - re Kinder.

Eliſa -128
Eliſabeth.

Und die laß er ſeyn wie ihr ſeyd: Rechtſchaffen! Und dann laßt ſie werden was ſie wollen.

Sickingen.

Jch dank euch. Und dank euch Maria. Jch fuͤhrte euch an den Altar, und ihr ſollt mich zur Gluͤckſeligkeit fuͤhren.

Maria.

Wir wollen zuſammen eine Pilgrim - ſchaft nach dieſem fremden gelobten Lande antret - ten.

Goͤtz.

Gluͤck auf die Reiſe.

Maria.

So iſt’s nicht gemeynt, wir verlaſſen euch nicht.

Goͤtz.

Jhr ſollt Schweſter.

Maria.

Du biſt ſehr unbarmherzig, Bruder.

Goͤtz.

Und ihr zaͤrtlicher als vorſehend.

Georg (kommt.)
Georg.
(heimlich)

Jch kann niemand auftrei - ben. Ein einziger war geneigt, darnach veraͤnder - te er ſich und wollte nicht.

Goͤtz.

Gut Georg. Das Gluͤck faͤngt an lau - niſch mit mir zu werden. Jch ahndet es. Sickin - gen ich bitte euch geht noch dieſen Abend. Bere -det129det Marie. Sie iſt eure Frau. Laßt ſie’s fuͤhlen. Wenn Weiber queer in unſere Unternehmungen tret - ten, iſt unſer Feind im freyen Feld ſichrer als ſonſt in der Burg.

Knecht (kommt.)
Knecht
(leiſe)

Herr, das Reichsfaͤhnlein iſt auf dem Marſch, grad hieher, ſehr ſchnell.

Goͤtz.

Jch hab ſie mit Ruthenſtreichen geweckt! Wie viel ſind ihrer?

Knecht.

Ohngefehr zweyhundert. Sie koͤnnen nicht zwey Stunden mehr von hier ſeyn.

Goͤtz.

Noch uͤberm Fluß?

Knecht.

Ja Herr.

Goͤtz.

Wenn ich nur funfzig Mann haͤtte, ſie ſollten mir nicht heruͤber. Haſt du Lerſen nicht ge - ſehen.

Knecht.

Nein Herr.

Goͤtz.

Biet allen ſie ſollen ſich bereit halten. Es muß geſchieden ſeyn meine Lieben. Weine mei - ne gute Marie, es werden Augenblicke kommen wo du dich freuen wirſt. Es iſt beſſer du weinſt deinen Hochzeittag, als daß uͤbergroße Freude derJVor -130Vorbote kuͤnftigen Elends waͤre. Lebt wohl Marie. Lebt wohl Bruder.

Maria.

Jch kann nicht von euch Schweſter. Lieber Bruder laß uns. Achteſt du meinen Mann ſo wenig, daß du in dieſer Extremitaͤt ſeine Huͤlfe verſchmaͤhſt.

Goͤtz.

Ja, es iſt weit mit mir kommen. Viel - leicht bin ich meinem Sturze nahe. Jhr beginnt heut zu leben, und ihr ſollt euch von meinem Schick - ſal trennen. Jch hab eure Pferde zu ſattlen befoh - len. Jhr muͤßt gleich fort.

Maria.

Bruder! Bruder!

Eliſabeth.
(zu Sickingen)

Gebt ihm nach! Geht.

Sickingen.

Liebe Marie, laßt uns gehen.

Maria.

Du auch. Mein Herz wird brechen.

Goͤtz.

So bleib denn. Jn wenigen Stunden wird meine Burg umringt ſeyn.

Maria.

Weh! Weh!

Goͤtz.

Wir werden uns vertheidigen ſo gut wir koͤnnen.

Maria.

Mutter Gottes hab Erbarmen mit uns!

Goͤtz.131
Goͤtz.

Und am Ende werden wir ſterben, oder uns ergeben. Du wirſt deinen edlen Mann, mit mir in ein Schickſal geweint haben.

Maria.

Du marterſt mich.

Goͤtz.

Bleib! Bleib! Wir werden zuſammen gefangen werden. Sickingen, du wirſt mit mir in die Grube fallen! Jch hoffte du ſollteſt mir heraus helfen.

Maria.

Wir wollen fort. Schweſter. Schweſter.

Goͤtz.

Bringt ſie in Sicherheit, und dann erin - nert euch meiner.

Sickingen.

Jch will ihr Bett nicht beſteigen, bis ich euch auſſer Gefahr weiß.

Goͤtz.

Schweſter liebe Schweſter!

(er kuͤßt ſie.)
Sickingen.

Fort fort!

Goͤtz.

Noch einen Augenblick Jch ſeh euch wieder. Troͤſtet euch. Wir ſehn uns wieder.

(Sickingen, Maria ab.)
Goͤtz.

Jch trieb ſie, und da ſie geht moͤgt ich ſie halten. Eliſabeth du bleibſt bey mir!

Eliſabeth.

Bis in den Todt.

(ab.)
J 2Goͤtz.132
Goͤtz.

Wen Gott lieb hat, dem geb er ſo eine Frau.

Georg (kommt.)
Georg.

Sie ſind in der Naͤhe, ich habe ſie vom Thurm geſehen. Die Sonne ging auf und ich ſah ihre Picken blinken. Wie ich ſie ſah, wollt mir’s nicht baͤnger werden, als einer Katze vor einer Ar - mee Maͤuſe. Zwar wir ſpielen die Ratten.

Goͤtz.

Seht nach den Thorriegeln. Verram - melts inwendig mit Balken und Steinen.

(Georg ab.)

Wir wollen ihre Gedult fuͤr’n Narren halten. Und ihre Tapferkeit, ſollen ſie mir an ihren eigenen Naͤgeln verkaͤuen.

(Trompeter von auſſen.)

Aha! ein rothroͤckiger Schurke, der uns die Frage vor - legen wird, ob wir Hundsfuͤtter ſeyn wollen.

(er geht ans Fenſter)

Was ſolls?

(Man hoͤrt in der Ferne reden.)
Goͤtz.
(in ſeinen Bart)

Einen Strick um dei - nen Hals.

(Trompeter redet fort.)
Goͤtz.

Beleidiger der Maieſtaͤt! Die Aufforde - rung hat ein Pfaff gemacht.

(Trompeter endet.)
Goͤtz.
(antwortet)

Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet ihr! Bin ich einRaͤu -133Raͤuber! Sag deinem Hauptmann: Vor Jhro Kayſerliche Majeſtaͤt, hab ich, wie immer ſchuldi - gen Reſpect. Er aber, ſags ihm, er kann mich im Arſch lecken.

(ſchmeiſt das Fenſter zu.)
Belagerung.
Kuͤche.
Eliſabeth. Goͤtz (zu ihr.)
Goͤtz.

Du haſt viel Arbeit arme Frau.

Eliſabeth.

Jch wollt ich haͤtte ſie lang. Wir werden ſchwerlich lang aushalten koͤnnen.

Goͤtz.

Wir hatten nicht Zeit uns zu verſehen.

Eliſabeth.

Und die vielen Leute die ihr zeither geſpeißt habt. Mit dem Wein ſind wir auch ſchon auf der Neige.

Goͤtz.

Wenn wir nur auf einen gewiſſen Punct halten, daß ſie Kapitulation vorſchlagen. Wir thun ihnen brav Abbruch. Sie ſchießen den ganzen Tag und verwunden unſere Mauern und knicken unſere Scheiben. Lerſe iſt ein braver Kerl, er ſchleicht mit ſeiner Buͤchſe herum, wo ſich einer zu nahe wagt blaf liegt er.

J 3Knecht.134
Knecht.

Kohlen gnaͤdige Frau.

Goͤtz.

Was giebts.

Knecht.

Die Kugeln ſind all, wir wollen neue gießen.

Goͤtz.

Wie ſtehts Pulver.

Knecht.

So ziemlich. Wir ſparen unſere Schuͤſſe wohl aus.

Saal.
Lerſe (mit einer Kugelform) Knecht (mit Kohlen.)
Lerſe.

Stell ſie daher, und ſeht wo ihr im Haus Bley kriegt. Jnzwiſchen will ich hier zu - greifen. (hebt ein Fenſter aus und ſchlaͤgt die Schei - ben ein) Alle Vortheile gelten. So gehts in der Welt, weiß kein Menſch was aus den Dingen werden kann. Der Glaſer der die Scheiben faßte, dachte gewiß nicht daß das Bley einem ſei - ner Urenkel garſtiges Kopfweh machen koͤnnte, und da mich mein Vater machte, dachte er nicht wel - cher Vogel unter dem Himmel, welcher Wurm auf der Erde mich freſſen moͤgte.

Georg135
Georg (kommt mit einer Dachrinne.)
Georg.

Da haſt du Bley. Wenn du nur mit der Haͤlfte trifſt, ſo entgeht keiner der Jhro Ma - jeſtaͤt anſagen kann: Herr wir haben uns pro - ſtituirt.

Lerſe.
(haut davon.)

Ein brav Stuͤck.

Georg.

Der Regen mag ſich einen andern weg ſuchen, ich bin nicht bang davor, ein braver Reu - ter und ein rechter Regen mangeln nie eines Pfads.

Lerſe.
(er gießt.)

Halt den Loͤffel

(er geht ans Fenſter.)

Da zieht ſo ein Reichsmusje mit der Buͤchſe herum, ſie denken wir haben uns ver - ſchoſſen. Er ſoll die Kugel verſuchen warm, wie ſie aus der Pfanne kommt.

(Er laͤdt.)
Georg.
(lehnt den Loͤffel an.)

Laß mich ſehn.

Lerſe.
(ſchießt.)

Da liegt der Spatz.

Georg.

Der ſchoß vorhin nach mir,

(ſie gieſſen)

wie ich zum Dachfenſter hinaus ſtieg, und die Rin - ne holen wollte. Er traff eine Taube die nicht weit von mir ſaß, ſie ſtuͤrzt in die Rinne, ich dankt ihm fuͤr den Braten und ſtieg mit der doppelten Beute wieder herein.

J 4Lerſe.136
Lerſe.

Nun wollen wir wohl laden, und im ganzen Schloß herum gehen, unſer Mittageſſen verdienen.

Goͤtz (kommt.)
Goͤtz.

Bleib Lerſe. Jch hab mit dir zu reden! Dich Georg will ich nicht von der Jagd abhalten.

(Georg ab.)
Goͤtz

Sie entbieten mir einen Vertrag.

Lerſe.

Jch will zu ihnen hinaus, und hoͤren was es ſoll.

Goͤtz.

Es wird ſeyn: ich ſoll mich auf Be - dingungen in ritterlich Gefaͤngniß ſtellen.

Lerſe.

Das iſt nichts. Wie waͤrs, wenn ſie uns freyen Abzug eingeſtuͤnden, da ihr doch von Sickingen keinen Entſatz erwartet. Wir vergruͤben Geld und Silber, wo ſie’s mit keinen Wuͤnſchel - ruthen finden ſollten, uͤberlieſen ihnen das Schloß, und kaͤmen mit Manier davon.

Goͤtz.

Sie laſſen uns nicht.

Lerſe.

Es kommt auf eine Prob an. Wir wol - len um ſicher Geleit rufen, und ich will hinaus.

(ab.)
Saal. 137
Saal.
Goͤtz. Eliſabeth. Georg. Knechte. (bey Tiſch.)
Goͤtz.

So bringt uns die Gefahr zuſammen. Laßts euch ſchmecken meine Freunde! Vergeßt das trinken nicht. Die Flaſche iſt leer. Noch eine, lie - be Frau.

(Eliſabeth zuͤckt die Achſel.)
Goͤtz.

Jſt keine mehr da?

Eliſabeth.
(leiſe.)

Noch eine, ich hab ſie fuͤr dich bey Seit geſetzt.

Goͤtz.

Nicht doch Liebe! Gib ſie heraus. Sie brauchen Staͤrkung, nicht ich, es iſt ja meine Sache.

Eliſabeth.

Holt ſie drauſſen im Schranck!

Goͤtz.

Es iſt die letzte. Und mir iſt’s als ob wir nicht zu ſparen Urſach haͤtten. Jch bin lang nicht ſo vergnuͤgt geweſen.

(er ſchenkt ein.)

Es lebe der Kayſer!

Alle.

Er lebe.

Goͤtz.

Das ſoll unſer vorletztes Wort ſeyn, wenn wir ſterben. Jch lieb ihn, denn wir haben einerleyJ 5Schick -138Schickſal. Und ich bin noch gluͤcklicher als er. Er muß den Reichsſtaͤnden die Maͤuſe fangen, inzwi - ſchen die Ratten ſeine Beſitzthuͤmer annagen. Jch weiß er wuͤnſcht ſich manchmal lieber todt, als laͤn - ger die Seele eines ſo kruͤplichen Coͤrpers zu ſeyn.

(ſchenkt ein.)

Es geht juſt noch einmal herum. Und wenn unſer Blut anfaͤngt auf die Neige zu ge - hen, wie der Wein in dieſer Flaſche erſt ſchwach, dann tropfenweiſe rinnt,

(er troͤpfelt das letzte in ſein Glas.)

Was ſoll unſer letztes Wort ſeyn?

Georg.

Es lebe die Freyheit!

Goͤtz.

Es lebe die Freyheit!

Alle.

Es lebe die Freyheit!

Goͤtz.

Und wenn die uns uͤberlebt koͤnnen wir ruhig ſterben. Denn wir ſehen im Geiſt unſere Enkel gluͤcklich, und die Kayſer unſrer Enkel gluͤck - lich. Wenn die Diener der Fuͤrſten ſo edel und frey dienen wie ihr mir, wenn die Fuͤrſten dem Kayſer dienen wie ich ihm dienen moͤgte.

Georg.

Da muͤßts viel anders werden.

Goͤtz.

So viel nicht als es ſcheinen moͤgte. Hab ich nicht unter den Fuͤrſten trefliche Menſchen ge - kannt, und ſollte das Geſchlecht ausgeſtorben ſeyn! Gute139Gute Menſchen, die in ſich und ihren Unterthanen gluͤcklich waren. Die einen edlen freyen Nachbar neben ſich leiden konnten, und ihn weder fuͤrchteten noch beneideten. Denen das Herz aufging, wenn ſie viel ihres Gleichen bey ſich zu Tiſch ſahen, und nicht erſt die Ritter zu Hofſchranzen umzu - ſchaffen brauchten um mit ihnen zu leben.

Georg.

Habt ihr ſolche Herrn gekannt?

Goͤtz.

Wohl. Jch erinnere mich zeitlebens, wie der Landgraf von Hanau eine Jagd gab, und die Fuͤrſten und Herrn die zugegen waren unter freyem Himmel ſpeißten, und das Landvolk all her - bey lief ſie zu ſehen. Das war keine Maskerade die er ſich ſelbſt zu Ehren angeſtellt hatte. Aber die vollen runden Koͤpfe der Burſchen und Maͤdels die rothen Backen alle, und die wohlhaͤbigen Maͤnner und ſtattlichen Greiſe, und alles froͤhliche Geſichter, und wie ſie Theil nahmen an der Herrlichkeit ihres Herrn, der auf Gottes Boden unter ihnen ſich er - goͤtzte.

Georg.

Das war ein Herr, vollkommen wie ihr.

Goͤtz.140
Goͤtz.

Sollten wir nicht hoffen, daß mehr ſol - cher Fuͤrſten auf einmal herrſchen koͤnnen, und Verehrung des Kayſers, Fried und Freundſchaft der Nachbarn, und der Unterthanen Lieb, der koſt - barſte Familien Schatz ſeyn wird der auf Enkel und Urenkel erbt. Jeder wuͤrde das Seinige erhal - ten und in ſich ſelbſt vermehren, ſtatt daß ſie jetzo nicht zuzunehmen glauben, wenn ſie nicht andere verderben.

Georg.

Wuͤrden wir hernach auch reiten?

Goͤtz.

Wollte Gott es gaͤbe keine unruhige Koͤpfe in ganz Deutſchland, wir wuͤrden deswegen noch zu thun genug finden. Wir wollten die Ge - buͤrge von Woͤlfen ſaͤubern, wollten unſerm ruhig ackernden Nachbar einen Braten aus dem Wald holen, und dafuͤr die Suppe mit ihm eſſen. Waͤr uns das nicht genug, wir wollten uns mit unſern Bruͤdern gleich Cherubs mit flammenden Schwerd - ten, vor die Graͤnzen des Reichs gegen die Woͤlfe die Tuͤrken, gegen die Fuͤchſe die Franzoſen lagern, und zugleich unſers theuern Kayſers ſehr ausgeſetzte Laͤnder und die Ruhe des Ganzen beſchuͤtzen. Das waͤre ein Leben Georg! wenn man ſeine Haut vor die allgemeine Gluͤckſeligkeit ſetzte.

(Georg ſpringt auf.)
Goͤtz.141
Goͤtz.

Wo willſt du hin?

Georg.

Ach ich vergaß daß wir eingeſperrt ſind. Und der Kayſer hat uns eingeſperrt und unſere Haut davon zu bringen, ſetzen wir un - ſere Haut dran!

Goͤtz.

Sey gutes Muths.

Lerſe (kommt.)
Lerſe.

Freyheit! Freyheit! Das ſind ſchlechte Menſchen, unſchluͤſſige bedaͤchtige Eſel. Jhr ſollt abziehen, mit Gewehr, Pferden und Ruͤſtung. Proviant ſollt ihr dahinten laſſen.

Goͤtz.

Sie werden ſich kein Zahnweh dran kauen.

Lerſe.
(heimlich)

Habt ihr das Silber verſteckt?

Goͤtz.

Nein! Frau geh mit Franzen er hat dir was zu ſagen.

Schloß -142
Schloßhof.
Georg im Stall (ſingt.)
Es fing ein Knab ein Voͤgelein.
Hḿ! Hḿ!
Da lacht er in den Kaͤfig ’nein
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ!
Der freut ſich traun ſo laͤppiſch
Hḿ! Hḿ!
Und griff hinein ſo taͤppiſch,
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ!
Da flog das Meislein auf ein Haus
Hḿ! Hḿ!
Und lacht den dummen Buben aus
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ.
Goͤtz.143
Goͤtz.

Wie ſtehts?

Georg.
(fuͤhrt ſein Pferd heraus.)

Sie ſind geſattelt.

Goͤtz.

Du biſt fix.

Georg.

Wie der Vogel aus dem Kaͤfig.

Alle die Belagerte.
Goͤtz.

Jhr habt eure Buͤchſen. Nicht doch! Geht hinauf und nehmt die beſten aus dem Ruͤſt - ſchrank, es geht in einem hin. Wir wollen voraus reiten.

Georg.
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ!
(ab.)
Saal.
Zwey Knechte (am Ruͤſtſchrank.)
Erſter Knecht.

Jch nehm die.

Zweyter Knecht.

Jch die. Da iſt noch eine ſchoͤnere.

Erſter144
Erſter Knecht.

Nicht doch. Mach daß du fort kommſt.

Zweyter Knecht.

Horch!

Erſter Knecht.
(ſpringt ans Fenſter)

Hilf hei - liger Gott! ſie ermorden unſern Herrn. Er liegt vom Pferd! Georg ſtuͤrzt!

Zweyter Knecht.

Wo retten wir uns! An der Mauer den Nußbaum hinunter ins Feld.

(ab.)
Erſter Knecht.

Franz haͤlt ſich noch, ich will zu ihm. Wenn ſie ſterben mag ich nicht leben.

(ab.)
Vierter145
Vierter Act.
Wirthshaus zu Heilbronn.
Goͤtz.
Goͤtz.

Jch komme mir vor wie der boͤſe Geiſt, den der Capuciner in einen Sack beſchwur. Jch arbeite mich ab und fruchte mir nichts. Die Meyneidigen!

Eliſabeth (kommt.)
Goͤtz.

Was fuͤr Nachrichten Eliſabeth von meinen lieben Getreuen.

Eliſabeth.

Nichts gewiſſes. Einige ſind erſto - chen, einige liegen im Thurn. Es konnte oder wollte niemand mir ſie naͤher bezeichnen.

Goͤtz.

Jſt das Belohnung der Treue! Der kindlichſten Ergebenheit? Auf daß dir’s wohl gehe, und du lang lebeſt auf Erden!

Eliſabeth.

Lieber Mann, ſchilt unſern himmli - ſchen Vater nicht. Sie haben ihren Lohn, er ward mit ihnen gebohren, ein freyes edles Herz. Laß ſie gefangen ſeyn, ſie ſind frey! Gib auf die depu - tirten Raͤthe acht, die groſen goldnen Ketten ſtehn ihnen zu Geſicht.

KGoͤtz.146
Goͤtz.

Wie dem Schwein das Halsband. Jch moͤgte Georgen und Franzen geſchloſſen ſehn!

Eliſabeth.

Es waͤre ein Anblick um Engel wei - nen zu machen.

Goͤtz.

Jch wollt nicht weinen. Jch wollte die Zaͤhne zuſammen beiſſen, und an meinem Grimm kauen. Jn Ketten meine Augaͤpfel! Jhr lieben Jungen haͤttet ihr mich nicht geliebt! Jch wuͤrde mich nicht ſatt an ihnen ſehen koͤnnen. Jm Nahmen des Kayſers ihr Wort nicht zu halten!

Eliſabeth.

Entſchlagt euch dieſer Gedanken. Bedenkt daß ihr vor den Raͤthen erſcheinen ſollt. Jhr ſeyd nicht geſtellt ihnen wohl zu begegnen, und ich fuͤrchte alles.

Goͤtz.

Was wollen ſie mir anhaben?

Eliſabeth.

Der Gerichtsbote!

Goͤtz.

Eſel der Gerechtigkeit! Schleppt ihre Saͤcke zur Muͤhle, und ihren Kehrig aufs Feld. Was gibts?

Gerichtsdiener (kommt.)
Gerichtsdiener

Die Herrn Commiſſarii ſind auf dem Rathhauſe verſammlet, und ſchicken nach euch.

Goͤtz.

Jch komme.

Gerichts -147
Gerichtsdiener.

Jch werde euch bekleiden.

Goͤtz.

Viel Ehre.

Eliſabeth.

Maͤßigt euch.

Goͤtz.

Sey außer Sorgen.

(ab.)
Rathhaus.
Kayſerliche Raͤthe. Hauptmann. Rathsherrn von Heilbronn.
Rathsherr.

Wir haben auf euern Befehl die ſtaͤrkſten und tapferſten Buͤrger verſammlet, ſie warten hier in der Naͤhe auf euern Wink um ſich Berlichingens zu bemeiſtern.

Erſter Rath.

Wir werden Jhro Kayſerliche Majeſtaͤt eure Bereitwilligkeit ihrem hohen Be - fehl zu gehorchen, mit vielem Vergnuͤgen zu ruͤh - men wiſſen. Es ſind Handwerker?

Rathsherr.

Schmiede, Weinſchroͤter, Zimmer - leute, Maͤnner mit geuͤbten Faͤuſten und hier wohl beſchlagen.

(Auf die Bruſt deutend.)
Rath.

Wohl.

Gerichtsdiener (kommt.)
Gerichtsdiener.

Goͤtz von Berlichingen wartet vor der Thuͤr.

K 2Rath.148
Rath.

Laßt ihn herein.

Goͤtz (kommt.)
Goͤtz.

Gott gruͤs euch ihr Herrn, was wollt ihr mit mir?

Rath.

Zuerſt daß ihr bedent: wo ihr ſeyd? und vor wem?

Goͤtz.

Bey meinem Eyd, ich verkenn euch nicht meine Herrn.

Rath.

Jhr thut eure Schuldigkeit.

Goͤtz.

Von ganzem Herzen.

Rath.

Setzt euch.

Goͤtz.

Da unten hin! Jch kann ſtehn. Das Stuͤlgen riecht ſo nach armen Suͤndern, wie uͤberhaupt die ganze Stube.

Rath.

So ſteht!

Goͤtz.

Zur Sache wenn’s gefaͤllig iſt.

Rath.

Wir werden in der Ordnung verfahren.

Goͤtz.

Binn’s wohl zufrieden, wollt es waͤr von jeher geſchehen.

Rath.

Jhr wißt wie ihr auf Gnad und Un - gnad in unſere Haͤnde kamt.

Goͤtz.

Was gebt ihr mir? wenn ich’s vergeſſe.

Rath.

Wenn ich euch Beſcheidenheit geben koͤnn - te, wuͤrd ich eure Sache gut machen.

Goͤtz.149
Goͤtz.

Gut machen! Wenn ihr das koͤnntet! Darzu gehoͤrt freylich mehr als zum verderben.

Schreiber.

Soll ich das all protokolliren.

Rath.

Was zur Handlung gehoͤrt.

Goͤtz.

Meintwegen duͤrft ihr’s drucken laſſen.

Rath.

Jhr wart in der Gewalt des Kayſers, deſſen vaͤterliche Gnade an den Platz der Majeſtaͤ - tiſchen Gerechtigkeit trat, euch anſtatt eines Kerkers Heilbronn eine ſeiner geliebten Staͤdte zum Aufent - halt anwies. Jhr verſpracht mit einem Eyd euch wie es einem Ritter geziemt zu ſtellen, und das weitere demuͤthig zu erwarten.

Goͤtz.

Wohl, und ich bin hier und warte.

Rath.

Und wir ſind hier euch Jhro Kayſerli - chen Majeſtaͤt Gnade und Huld zu verkuͤndigen. Sie verzeiht euch eure Uebertretungen, ſpricht euch von der Acht und aller wohlverdienten Strafe los, wel - ches ihr mit unterthaͤnigem Dank erkennen, und dagegen die Urphede abſchwoͤren werdet, welche euch hiermit vorgeleſen werden ſoll.

Goͤtz.

Jch bin Jhro Majeſtaͤt treuer Knecht wie immer. Noch ein Wort eh ihr weiter geht. Meine Leute, wo ſind die? Was ſoll mit ihnen werden?

K 3Rath.150
Rath.

Das geht euch nichts an.

Goͤtz.

So wende der Kayſer ſein Angeſicht von euch wenn ihr in Noth ſteckt. Sie waren meine Geſellen, und ſind’s. Wo habt ihr ſie hingebracht?

Rath.

Wir ſind euch davon keine Rechnung ſchuldig.

Goͤtz.

Ah! Jch dachte nicht, daß ihr nicht ein - mal zu dem verbunden ſeyd was ihr verſprecht, geſchweige

Rath.

Unſere Commißion iſt euch die Urphede vorzulegen. Unterwerft euch dem Kayſer, und ihr werdet einen Weg finden um eurer Geſellen Leben und Freyheit zu flehen.

Goͤtz.

Euern Zettel!

Rath.

Schreiber leſt.

Schreiber.

Jch Goͤtz von Berlichingen bekenne oͤffentlich durch dieſen Brief. Daß da ich mich neu - lich gegen Kayſer und Reich rebelliſcher Weiſe auf - gelehnt

Goͤtz.

Das iſt nicht wahr. Jch bin kein Re - bell, habe gegen Jhro Kayſerliche Majeſtaͤt nichts verbrochen, und das Reich geht mich nichts an.

Rath.

Maͤßigt euch und hoͤrt weiter.

Goͤtz.151
Goͤtz.

Jch will nichts weiter hoͤren. Trett ei - ner auf, und zeug! Hab ich wider den Kayſer, wi - der das Haus Oeſterreich nur einen Schritt gethan! Hab ich nicht von jeher durch alle Handlungen ge - wieſen, daß ich beſſer als einer fuͤhle was Deutſch - land ſeinem Regenten ſchuldig iſt, und beſonders was die Kleinen, die Ritter und Freyen ihrem Kayſer ſchuldig ſind. Jch muͤßte ein Schurke ſeyn wenn ich mich koͤnnte uͤberreden laſſen das zu un - terſchreiben.

Rath.

Und doch haben wir gemeſſene Ordre euch in der Guͤte zu uͤberreden, oder im Entſtehungs - Fall euch in den Thurn zu werfen.

Goͤtz.

Jn Thurn! Mich!

Rath.

Und daſelbſt koͤnnt ihr euer Schickſal von der Gerechtigkeit erwarten, wenn ihr es nicht aus den Haͤnden der Gnade empfangen wollt.

Goͤtz.

Jn Thurn! Jhr mißbraucht die Kayſer - liche Gewalt. Jn Thurn! Das iſt ſein Befehl nicht. Was! mir erſt, die Verraͤther! eine Falle ſtellen, und ihren Eyd, ihr ritterlich Wort zum Speck drinn aufzuhaͤngen! Mir dann ritterlich Ge - faͤngniß zuzuſagen, und die Zuſage wieder brechen.

Rath.

Einem Raͤuber ſind wir keine Treue ſchuldig.

K 4Goͤtz.152
Goͤtz.

Truͤgſt du nicht das Ebenbild des Kay - ſers, das ich in dem geſudeltſten Conterfey verehre, du ſollteſt mir den Raͤuber freſſen oder dran erwuͤr - gen. Jch bin in einer ehrlichen Fehd begriffen. Du koͤnnteſt Gott danken und dich vor der Welt groß machen, wenn du in deinem Leben eine ſo edle That gethan haͤtteſt, wie die iſt, um welcher wil - len ich gefangen ſitze.

Rath.
(Winkt dem Rathsherrn, der zieht die Schelle.)
Goͤtz.

Nicht um des leidigen Gewinnſts willen, um Land und Leute unbewehrten Kleinen wegzuka - pern bin ich ausgezogen. Meinen Jungen zu be - freyen, und mich meiner Haut zu wehren! ſeht ihr was unrechtes dran? Kayſer und Reich haͤtten un - ſere Noth nicht in ihrem Kopfkuͤſſen gefuͤhlt. Jch habe Gott ſey Dank noch eine Hand, und habe wohl gethan ſie zu brauchen.

Buͤrger (treten herein, Stangen in der Hand, Wehren an der Seite.)
Goͤtz.

Was ſoll das!

Rath.

Jhr wollt nicht hoͤren. Fangt ihn.

Goͤtz.153
Goͤtz.

Jſt das die Meynung! Wer kein Ungri - ſcher Ochs iſt, komm mir nicht zu nah. Er ſoll von dieſer meiner rechten eiſernen Hand eine ſolche Ohrfeige kriegen, die ihm Kopfweh, Zahnweh und alles Weh der Erden aus dem Grund kuriren ſoll.

(Sie machen ſich an ihn, er ſchlaͤgt den einen zu Boden, und reißt einem andern die Wehr von der Seite, ſie weichen.)

Kommt! Kommt! Es waͤ - re mir angenehm den tapferſten unter euch kennen zu lernen.

Rath.

Gebt euch.

Goͤtz.

Mit dem Schwerdt in der Hand! Wißt ihr daß es ietzt nur an mir laͤge mich durch alle dieſe Haaſenjaͤger durchzuſchlagen, und das weite Feld zu gewinnen. Aber ich will euch lehren wie man Wort haͤlt. Verſprecht mir ritterlich Gefaͤng - niß, und ich gebe mein Schwerdt weg und bin wie vorher euer Gefangener.

Rath.

Mit dem Schwerdt in der Hand, wollt ihr mit dem Kayſer rechten?

Goͤtz.

Behuͤte Gott! Nur mit euch und eurer edlen Compagnie. Jhr koͤnnt nach Haus gehn, gute Leute. Vor die Verſaͤumniß kriegt ihr nichts, und zu holen iſt hier nichts als Baͤulen.

K 5Rath.154
Rath.

Greift ihn. Gibt euch eure Liebe zu eu - rem Kayſer nicht mehr Muth?

Goͤtz.

Nicht mehr als ihnen der Kayſer Pfla - ſter gibt die Wunden zu heilen, die ſich ihr Muth holen koͤnnte.

Gerichtsdiener (kommt.)
Gerichtsdiener.

Eben ruft der Thuͤrner: es zieht ein Trupp von mehr als zweyhunderten nach der Stadt zu. Unverſehens ſind ſie hinter der Weinhoͤ - he hervorgedrungen, und drohen unſern Mauern.

Rathsherr.

Weh uns was iſt das?

Wache (kommt.)
Wache.

Franz von Sickingen haͤlt vor dem Schlag, und laͤßt euch ſagen: er habe gehoͤrt wie unwuͤrdig man an ſeinem Schwager bundbruͤchig geworden ſeye, wie die Herrn von Heilbronn allen Vorſchub thaͤten. Er verlange Rechenſchaft, ſonſt wolle er binnen einer Stunde die Stadt an vier Ecken anzuͤnden, und ſie der Pluͤnderung Preis geben.

Goͤtz.

Braver Schwager!

Rath.

Tretet ab, Goͤtz. Was iſt zu thun?

Raths -155
Rathsherr.

Habt Mitleiden mit uns und unſe - rer Buͤrgerſchaft, Sickingen iſt unbaͤndig in ſeinem Zorn, er iſt Mann es zu halten.

Rath.

Sollen wir uns und dem Kayſer die Gerechtſame vergeben.

Hauptmann.

Wenn wir nur Leute haͤtten ſie zu halten. So aber koͤnnten wir umkommen, und die Sache waͤr nur deſto ſchlimmer. Wir gewin - nen im Nachgeben.

Rathsherr.

Wir wollen Goͤtzen anſprechen fuͤr uns ein gut Wort einzulegen. Mir iſt’s als wenn ich die Stadt ſchon in Flammen ſaͤhe.

Rath.

Laßt Goͤtz herein.

Goͤtz.

Was ſoll’s?

Rath.

Du wuͤrdeſt wohl thun, deinen Schwa - ger von ſeinem rebelliſchen Vorhaben abzumahnen. Anſtatt dich vom Verderben zu retten, ſtuͤrzt er dich tiefer hinein indem er ſich zu deinem Falle geſellt.

Goͤtz
(ſieht Eliſabeth an der Thuͤr, heimlich zu ihr)

Geh hin! Sag ihm: er ſoll unverzuͤglich herein brechen, ſoll hierher kommen, nur der Stadt kein leids thun. Wenn ſich die Schurken hier widerſe - tzen, ſoll er Gewalt brauchen. Es liegt mir nichts dran umzukommen, wenn ſie nur all mit erſtochen werden.

Ein156
Ein groſer Saal auf dem Rathhaus.
Sickingen. Goͤtz.
(Das ganze Rathhaus iſt mit Sickingens Reutern beſetzt.)
Goͤtz.

Das war Huͤlfe vom Himmel. Wie kommſt du ſo erwuͤnſcht und unvermuthet, Schwager.

Sickingen.

Ohne Zauberey. Jch hatte zwey drey Boten ausgeſchickt zu hoͤren wie dirs ging. Auf die Nachricht von ihrem Meyneid macht ich mich auf die Wege. Nun haben wir die Kerls.

Goͤtz.

Jch verlange nichts als ritterliche Haft.

Sickingen.

Du biſt zu ehrlich. Dich nicht ein - mal des Vortheils zu bedienen, den der Rechtſchaf - fene uͤber den Meyneidigen hat. Sie ſitzen im Un - recht, und wir wollen ihnen keine Kuͤſſen unterlegen. Sie haben die Befehle des Kayſers ſchaͤndlich miß - braucht. Und wie ich Jhro Majeſtaͤt kenne, darfſt du ſicher auf mehr dringen. Es iſt zu wenig.

Goͤtz.

Jch bin von jeher mit wenigem zufrie - den geweſen.

Sickin -157
Sickingen.

Und biſt von jeher zu kurz kommen. Meine Meynung iſt: ſie ſollen deine Knechte aus dem Gefaͤngniß, und dich zuſamt ihnen auf deinen Eyd nach deiner Burg ziehen laſſen. Du magſt verſprechen nicht aus deiner Terminey zu gehen, und wirſt immer beſſer ſeyn als hier.

Goͤtz.

Sie werden ſagen: Meine Guͤter ſeyn dem Kayſer heimgefallen.

Sickingen.

So ſagen wir: Du wollteſt zur Miethe drinn wohnen bis ſie dir der Kayſer wieder zu Lehn gaͤbe. Laß ſie ſich wenden wie Aele in der Reuſſe, ſie ſollen uns nicht entſchluͤpfen. Sie wer - den von Kayſerlicher Majeſtaͤt reden, von ihrem Auftrag. Das kann uns einerley ſeyn. Jch kenn den Kayſer auch und gelte was bey ihm. Er hat von jeher gewuͤnſcht dich unter ſeiner Armee zu haben. Du wirſt nicht lang auf deinem Schloß ſitzen, ſo wirſt du aufgeruffen werden.

Goͤtz.

Wollte Gott bald, eh ich’s fechten verlerne.

Sickingen.

Der Muth verlernt ſich nicht, wie er ſich nicht lernt. Sorge vor nichts, wenn deine Sachen in der Ordnung ſind geh ich an Hof, denn meine Unternehmung faͤngt an reif zu werden. Guͤn -158Guͤnſtige Aſpekten deuten mir, brich auf! Es iſt mir nichts uͤbrig als die Geſinnung des Kayſers zu ſondiren. Trier und Pfalz vermuthen eher des Himmels Einfall, als daß ich ihnen uͤbern Kopf kommen werde. Und ich will kommen wie ein Hagelwetter! Und wenn wir unſer Schickſal ma - chen koͤnnen, ſo ſollſt du bald der Schwager eines Churfuͤrſten ſeyn. Jch hoffte auf deine Fauſt bey dieſer Unternehmung.

Goͤtz
(beſieht ſeine Hand)

O! das deutete der Traum den ich hatte, als ich Tags drauf Marien an Weislingen verſprach. Er ſagte mir Treu zu, und hielt meine rechte Hand ſo feſt daß ſie aus den Armſchienen gieng, wie abgebrochen. Ach! Jch bin in dieſem Augenblick wehrloſer als ich war da ſie mir abgeſchoſſen wurde. Weisling! Weisling!

Sickingen.

Vergiß einen Verraͤther. Wir wol - len ſeine Auſchlaͤge vernichten, ſein Anſehn unter - graben, und Gewiſſen und Schande ſollen ihn zu todt freſſen. Jch ſeh, ich ſeh im Geiſte meine Fein - de, deine Feinde niedergeſtuͤrzt. Goͤtz nur noch ein halb Jahr!

Goͤtz.

Deine Seele fliegt hoch. Jch weiß nicht, ſeit einiger Zeit wollen ſich in der Meinigen keinefroͤh -159froͤhliche Auſſichten eroͤfnen Jch war ſchon mehr in Ungluͤck, ſchon einmal gefangen, und ſo wie mir’s jetzt iſt war mir’s niemals.

Sickingen.

Gluͤck macht Muth. Kommt zu denen Peruͤcken, ſie haben lang genug den Vortrag gehabt, laß uns einmal die Muͤh uͤbernehmen.

(ab.)
Adelheidens Schloß.
Adelheid. Weislingen.
Adelheid.

Das iſt verhaßt.

Weislingen.

Jch hab die Zaͤhne zuſammen ge - biſſen. Ein ſo ſchoͤner Anſchlag, ſo gluͤcklich voll - fuͤhrt, und am Ende ihn auf ſein Schloß zu laſſen! Der verdammte Sickingen.

Adelheid.

Sie haͤtten’s nicht thun ſollen.

Weislingen.

Sie ſaßen feſt. Was konnten ſie machen? Sickingen drohte mit Feuer und Schwerdt, der hochmuͤthige jaͤhzornige Mann. Jch haß ihn. Sein Anſehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein Paar Baͤche gefreſſen hat, die uͤbrigen geben ſich von ſelbſt.

Adelheid.

Hatten ſie keinen Kayſer?

Weis -160
Weislingen.

Liebe Frau! Er iſt nur der Schar - ten davon, er wird alt und mißmuthig. Wie er hoͤrte was geſchehen war, und ich, nebſt den uͤbri - gen Regimentsraͤthen eiferte, ſagt er: Laßt ihnen Ruh! Jch kann dem alten Goͤtz wohl das Plaͤtz - gen goͤnnen, und wenn er da ſtill iſt was habt ihr uͤber ihn zu klagen? Wir redeten vom Wohl des Staats. O! ſagt er: haͤtt ich von jeher Raͤthe ge - habt, die meinen unruhigen Geiſt mehr auf das Gluͤck einzelner Menſchen gewieſen haͤtten.

Adelheid.

Er verliert den Geiſt eines Regenten.

Weislingen.

Wir zogen auf Sickingen los. Er iſt mein treuer Diener, ſagt er, hat er’s nicht auf meinen Befehl gethan, ſo that er doch beſſer meinen Willen als meine Bevollmaͤchtigte, und ich kann’s gut heiſſen, vor oder nach.

Adelheid.

Man moͤgte ſich zerreiſſen.

Weislingen.

Jch habe deßwegen noch nicht alle Hofnung aufgegeben. Er iſt auf ſein ritterlich Wort auf ſein Schloß gelaſſen, ſich da ſtill zu hal - ten. Das iſt ihm unmoͤglich, wir wollen bald eine Urſach wider ihn haben.

Adelheid.161
Adelheid.

Und deſto eher, da wir hoffen koͤnnen der Kayſer werde bald aus der Welt gehn, und Carl ſein treflicher Nachfolger majeſtaͤtiſchere Ge - ſinnungen verſpricht.

Weislingen

Carl! Du haſt eine große Jdee von ſeinen Eigenſchaften, faſt ſollte man denken du ſaͤhſt ſie mit andern Augen.

Adelheid.

Du beleidigſt mich Weislingen. Kennſt du mich fuͤr das?

Weislingen.

Jch ſagte nichts dich zu beleidigen. Aber ſchweigen kann ich nicht dazu. Carls unge - woͤhnliche Aufmerkſamkeit fuͤr dich beunruhigt mich.

Adelheid.

Und mein Betragen?

Weislingen.

Du biſt ein Weib. Jhr haßt keinen der euch hofirt.

Adelheid.

Aber ihr!

Weislingen.

Es frißt mich am Herzen der fuͤrchterliche Gedanke! Adelheid!

Adelheid.

Kann ich deine Thorheit kuriren.

Weislingen.

Wenn du wollteſt! Du koͤnnteſt dich vom Hof entfernen.

Adelheid.

Sag Mittel und Art. Biſt du nicht bey Hof? Soll ich dich laſſen und meine FreundeLum162um auf meinem Schloß mich mit den Uhus zu un - terhalten? Nein Weislingen daraus wird nichts. Beruhige dich, du weißt wie ich dich liebe.

Weislingen.

Der heilige Anker in dieſem Sturm, ſo lang der Strick nicht reißt.

(ab.)
Adelheit.

Faͤngſt du’s ſo an! Das fehlte noch. Die Unternehmungen meines Buſens ſind zu groß, als daß du ihnen im Weg ſtehen ſollteſt. Carl gro - ſer treflicher Menſch, und Kayſer dereinſt, und ſollte er der einzige ſeyn untern den Maͤnnern den der Titel meines Gemahls nicht ſchmeichelte. Weis - lingen denke nicht mich zu hindern, ſonſt mußt du in den Boden, mein Weg geht uͤber dich hin.

Franz. (kommt mit einem Brief.)
Franz.

Hier gnaͤdige Frau.

Adelheid.

Gab dir Carl ihn ſelbſt?

Franz.

Ja.

Adelheid.

Was haſt du? du ſiehſt ſo kum - mer voll.

Franz.

Es iſt euer Wille daß ich mich todt ſchmachten ſoll, in den Jahren der Hofnung macht ihr mich verzweifeln.

Adel -163
Adelheid.

Er dauert mich, und wie wenig koſtets mich ihn gluͤcklich zu machen. Sey gutes Muths Junge. Jch fuͤhle deine Lieb und Treu, und werde nie unerkenntlich ſeyn.

Franz.
(beklemmt.)

Wenn ihr das faͤhig waͤrt, ich muͤßte vergehn. Mein Gott, ich habe keine an - dere Faſer an mir, keinen Sinn als euch zu lieben und zu thun was euch gefaͤllt.

Adelheid.

Lieber Junge.

Franz.

Jhr ſchmeichelt mir.

(in Thraͤnen aus - brechend.)

Wenn dieſe Ergebenheit nichts mehr verdient als andere ſich vorgezogen zu ſehn, als eure Gedanken alle nach dem Carl gerichtet zu ſehn.

Adelheid.

Du weißt nicht was du willſt, noch weniger was du redſt.

Franz.
(mit Verdruß und Zorn mit dem Fuß ſtampfend.)

Jch will auch nicht mehr. Will nicht mehr den Unterhaͤndler abgeben.

Adelheid.

Franz! Du vergißt dich.

Franz.

Mich aufzuopfern! Meinen lieben Herrn.

Adelheid.

Geh mir aus dem Geſicht.

Franz.

Gnaͤdige Frau!

L 2Adel -164
Adelheid.

Geh entdecke deinem lieben Herrn mein Geheimniß. Jch war die Naͤrrin dich fuͤr was zu halten das du nicht biſt.

Franz.

Liebe gnaͤdige Frau ihr wißt daß ich euch liebe.

Adelheid.

Und du warſt mein Freund, meinem Herzen ſo nahe. Geh verrath mich!

Franz.

Jch wollt mir ehe das Herz aus dem Leibe reiſſen. Verzeiht mir gnaͤdige Frau. Mein Herz iſt zu voll, meine Sinnen haltens nicht aus.

Adelheid.

Lieber warmer Junge.

(ſie faßt ihn bey den Haͤnden, zieht ihn zu ſich, und ihre Kuͤſſe begegnen einander, er faͤllt ihr weinend an den Hals.)
Adelheid.

Laß mich.

Franz.
(erſtickend in Thraͤnen an ihrem Hals.)

Gott! Gott!

Adelheid.

Laß mich, die Mauern ſind Verraͤ - ther. Laß mich.

(ſie macht ſich los.)

Wanke nicht von deiner Lieb und Treu, und der ſchoͤnſte Lohn ſoll dir werden.

(ab.)
Franz.

Der ſchoͤnſte Lohn! Nur biß dahin laß mich leben! Jch wollte meinen Vater ermorden, der mir dieſen Platz ſtreitig machte.

Jaxt -165
Jaxthauſſen.
Goͤtz. (an einem Tiſch.) Eliſabeth. (bey ihm mit der Arbeit, es ſteht ein Licht auf dem Tiſch und Schreib - zeug.)
Goͤtz.

Der Muͤſſiggang will mir gar nicht ſchmecken, und meine Beſchraͤnkung wird mir von Tag zu Tag enger, ich wollt ich koͤnnt ſchlafen, oder mir nur einbilden die Ruh ſey was angenehmes.

Eliſabeth.

So ſchreib doch deine Geſchichte aus die du angefangen haſt. Gieb deinen Freunden ein Zeugniß in die Hand deine Feinde zu beſchaͤmen, verſchaff einer edlen Nachkommenſchaft die Freude dich nicht zu verkennen.

Goͤtz.

Ach! Schreiben iſt geſchaͤftiger Muͤſſig - gang, es kommt mir ſauer an. Jndem ich ſchreibe was ich gethan habe, aͤrgere ich mich uͤber den Ver - luſt der Zeit in der ich etwas thun koͤnnte.

Eliſabeth.
(nimmt die Schrift.)

Sey nicht wunderlich. Du biſt eben an deiner erſten Gefan - genſchaft in Heilbronn.

L 3Goͤtz.166
Goͤtz.

Das war mir von jeher ein fataler Ort.

Eliſabeth.
(ließt.)

Da waren ſelbſt einige von den Buͤndiſchen, die zu mir ſagten: ich habe thoͤrig gethan mich meinen aͤrgſten Feinden zu ſtel - len, da ich doch vermuthen konnte ſie wuͤrden nicht glimpflich mit mir umgehn, da antwortet ich: Nun was antworteteſt du? ſchreibe weiter.

Goͤtz.

Jch ſagte: ſetz ich ſo oft meine Haut an anderer Gut und Geld, ſollt ich ſie nicht an mein Wort ſetzen.

Eliſabeth.

Dieſen Ruf haſt du.

Goͤtz.

Den ſollen ſie mir nicht nehmen! Sie haben mir alles genommen, Gut, Freyheit

Eliſabeth.

Es faͤllt in die Zeiten wie ich die von Miltenberg und Singlingen in der Wirthſtube fand, die mich nicht kannten. Da hat ich eine Freude als wenn ich einen Sohn gebohren haͤtte. Sie ruͤhmten dich unter einander, und ſagten: Er iſt das Muſter eines Ritters, tapfer und edel in ſeiner Freyheit, und gelaſſen und treu im Ungluͤck.

Goͤtz.

Sie ſollen mir einen ſtellen dem ich mein Wort gebrochen. Und Gott weiß, daß ich mehr geſchwitzt hab meinem Naͤchſten zu dienen als mir,daß167daß ich um den Nahmen eines tapfern und treuen Ritters gearbeitet habe, nicht um hohe Reichthuͤ - mer und Rang zu gewinnen. Und Gott ſey dank worum ich warb iſt mir worden.

Lerſe. Georg. (mit Wildbret.)
Goͤtz.

Gluͤck zu brave Jaͤger!

Georg.

Das ſind wir aus braven Reutern ge - worden. Aus Stiefeln machen ſich leicht Pantoffeln.

Lerſe.

Die Jagd iſt doch immer was, und eine Art von Krieg.

Georg.

Wenn man nur hier zu Land nicht im - mer mit Reichsknechten zu thun haͤtte. Wißt ihr gnaͤdiger Herr, wie ihr uns prophezeihet: wenn ſich die Welt umkehrte wuͤrden wir Jaͤger werden. Da ſind wir’s ohne das.

Goͤtz.

Es kommt auf eins hinaus, wir ſind aus unſerm Kraiſe geruckt.

Georg.

Es ſind bedenkliche Zeiten. Schon ſeit acht Tagen laͤßt ſich ein fuͤrchterlicher Comet ſehen, und ganz Deutſchland iſt in Angſt es bedeute den Todt des Kayſers der ſehr krank iſt.

Goͤtz.

Sehr krank! Unſere Bahn geht zu Ende.

L 4Lerſe.168
Lerſe.

Und hier in der Naͤhe gibts noch ſchreck - lichere Veraͤnderungen. Die Bauern haben einen entſetzlichen Aufſtand erregt.

Goͤtz.

Wo?

Lerſe

Jm Herzen von Schwaben. Sie ſengen, brennen und morden. Jch fuͤrchte ſie verheeren das ganze Land.

Georg.

Einen fuͤrchterlichen Krieg gibts. Es ſind ſchon an die hundert Ortſchaften aufgeſtanden und taͤglich mehr. Der Sturmwind neulich hat ganze Waͤlder ausgeriſſen, und kurz darauf hat man in der Gegend wo der Aufſtand begonnen zwey feurige Schwerdter kreuzweis in der Luft geſehen.

Goͤtz.

Da leiden von meinen guten Herrn und Freunden gewiß unſchuldig mit.

Georg.

Schade daß wir nicht reiten duͤrfen.

Fuͤnf -169

Fuͤnfter Act.

Bauernkrieg. Tumult in einem Dorf und Pluͤnderung.
Weiber und Alte mit Kindern (und Gepaͤcke, Flucht.)
Alter.

Fort, fort, daß wir den Mordhunden entgehen.

Weib.

Heiliger Gott, wie blutroth der Himmel iſt, die untergehende Sonne blutroth.

Mutter.

Das bedeut Feuer.

Weib.

Mein Mann! Mein Mann!

Alter.

Fort! fort! in Wald.

(ziehen vorbey.)
Link. (Anfuͤhrer.)
Link.

Was ſich widerſetzt niedergeſtochen. Das Dorf iſt unſer. Daß von Fruͤchten nichts um - kommt, nichts zuruͤck bleibt. Pluͤndert rein aus und ſchnell. Wir zuͤnden gleich an.

L 5Metzler170
Metzler (vom Huͤgel herunter gelauffen)
Metzler.

Wie gehts euch Link?

Link.

Drunter und druͤber ſiehſt du, du kommſt zum Kehraus. Woher?

Metzler.

Von Weinſperg. Da war ein Feſt.

Link.

Wie?

Metzler.

Wir haben ſie zuſammen geſtochen, daß eine Luſt war.

Link.

Wen alles?

Metzler.

Ditrich von Weiler tanzte vor. Der Fratz! Wir waren mit hellem wuͤtigem Hauf her - um, und er oben auf’m Kirchthurn wollt guͤtlich mit uns handeln. Plaff! Schoß ihm einer vorn Kopf. Wir hinauf wie Wetter und zum Fenſter herunter mit dem Kerl.

Link.

Ah!

Metzler.
(zu den Bauern.)

Jhr Hund ſoll ich euch Bein machen, wie ſie haudern und trenteln die Eſel.

Link.

Brennt an! ſie moͤgen drinnen braten. Fort! Fahrt zu ihr Schlingel.

Metzler.

Darnach fuͤhrten wir heraus den Helfenſtein, den Eltershofen, an die dreyzehn vonAdel,171Adel, zuſammen auf achtzig. Herausgefuͤhrt auf die Ebne gegen Heilbronn. Das war ein Jubili - rens und ein Tumultuirens von unſrigen wie die lange Reih arme reiche Suͤnder daher zog, einan - der anſturten, und die Erd und Himmel. Umringt waren ſie ehe ſie ſichs verſahen, und all mit Spie - ſen niedergeſtochen.

Link.

Daß ich nicht dabey war!

Metzler.

Hab mein Tag ſo kein Gaudium ge - habt.

Link.

Fahrt zu! Heraus!

Bauer.

Alles iſt leer.

Link.

So brennt an allen Ecken.

Metzler.

Wird ein huͤbſch Feuergen geben. Siehſt du wie die Kerls uͤbereinander purzelten und quickten wie die Froͤſch! Es lief mir ſo warm uͤbers Herz wie ein Glas Brandtewein. Da war ein Rixinger, wenn der Kerl ſonſt auf die Jagd ritt, mit dem Federbuſch und weiten Nasloͤchern, und uns vor ſich hertrieb mit den Hunden und wie die Hunde. Jch hat ihn die Zeit nicht geſehen, ſein Fratzengeſicht fiel mir recht auf. Haſch! den Spies dem Kerl zwiſchen die Rippen, da lag er, ſtreckt alle Vier uͤber ſeine Geſellen. Wie die Haaſen beym Treibjagen zuckten die Kerls uͤber einander.

Link.172
Link.

Raucht ſchon brav.

Metzler.

Dort hinten brennts. Laß uns mit der Beute gelaſſen zu dem groſen Haufen ziehen.

Link.

Wo haͤlt er?

Metzler.

Von Heilbronn hierher zu. Sie deliberiren einen zum Hauptmann, vor dem das Volk all Reſpeckt haͤtt. Denn wir ſind doch nur ih - res gleichen, das fuͤhlen ſie und werden ſchwuͤrig.

Link.

Wen meynen ſie?

Metzler.

Max Stumpf oder Goͤtz von Ber - lichingen.

Link.

Das waͤr gut gaͤb auch der Sache einen Schein, wenn’s der Goͤtz thaͤt, er iſt immer fuͤr einen rechtſchafnen Ritter paſſirt. Auf! Auf! wir ziehen nach Heilbronn zu! rufts herum.

Metzler.

Das Feuer leucht uns noch eine gute Strecke. Haſt du den großen Cometen geſehen?

Link.

Ja. Das iſt ein grauſam erſchrecklich Zeichen. Wenn wir die Nacht durchziehen koͤnnen wir’n recht ſehn. Er geht gegen Eins auf.

Metzler.

Und bleibt nur fuͤnfviertel Stunden. Wie ein gebogner Arm mit einem Schwerdt ſieht er aus, ſo blut gelb roth.

Link.173
Link.

Haſt du die drey Stern geſehen an des Schwerdts Spitze und Seite?

Metzler.

Und der breite wolkenfaͤrbige Streif, mit tauſend und tauſend Striemen wie Spies, und dazwiſchen wie kleine Schwerdter.

Link.

Mir hats gegraußt. Wie das alles ſo bleichroth, und darunter viel feurige helle Flammen und dazwiſchen die grauſame Geſichter mit rauchen Haͤuptern und Baͤrten.

Metzler.

Haſt du die auch geſehen. Und das zwitſert alles ſo durcheinander, als laͤg’s in einem blutigen Meere und arbeitet durcheinander, daß ei - nem die Sinne vergehn.

Link.

Auf! Auf!

(ab.)
Feld, man ſieht in der Ferne zwey Doͤrfer brennen und ein Kloſter.
Kohl. Wild. (Anfuͤhrer,) Max Stumpf. Haufen.
Max Stumpf.

Jhr koͤnnt nicht verlangen, daß ich euer Hauptmann ſeyn ſoll. Fuͤr mich und euchwaͤrs174waͤrs nichts nuͤtze. Jch bin Pfalzgraͤfiſcher Diener, wie ſollt ich gegen meinen Herrn fuͤhren. Wuͤrdet immer waͤhnen ich thaͤt nicht von Herzen.

Kohl.

Wußten wohl du wuͤrdeſt Entſchuldi - gung finden.

Goͤtz. Lerſe. Georg. (kommen.)
Goͤtz.

Was wollt ihr mit mir?

Kohl.

Jhr ſollt unſer Hauptmann ſeyn.

Goͤtz.

Soll ich mein ritterlich Wort dem Kayſer brechen, und aus meinem Bann gehen.

Wild.

Das iſt keine Entſchuldigung.

Goͤtz.

Und wenn ich ganz frey waͤre, und ihr wollt handeln wie bey Weinſperg an den Edlen und Herrn, und ſo fort hauſſen wie rings herum das Land brennet und blutet, und ich ſollt euch behuͤlf - lich ſeyn zu eurem ſchaͤndlichen raſenden Weſen, eher ſollt ihr mich todt ſchlagen wie einen wuͤtigen Hund, als daß ich euer Haupt wuͤrde.

Kohl.

Waͤre das nicht geſchehen es geſchaͤhe vielleicht nimmermehr.

Stumpf.

Das war eben das Ungluͤck daß ſie keinen Fuͤhrer hatten den ſie geehrt, und er ihrer Wuth Einhalt thun koͤnnen. Nimm die Haupt -mann -175mannſchaft an, ich bitte dich Goͤtz. Die Fuͤrſten werden dir Dank wiſſen, ganz Deutſchland. Es wird zum Beſten und Frommen aller ſeyn, Men - ſchen und Laͤnder werden geſchont werden.

Goͤtz.

Warum uͤbernimmſt du’s nicht?

Stumpf.

Jch hab mich von ihnen losgeſagt.

Kohl.

Wir haben nicht Sattelhenkenszeit, und langer unnoͤthiger Diſkurſe. Kurz und gut. Goͤtz ſey unſer Hauptmann, oder ſieh zu deinem Schloß, und deiner Haut. Und hiermit zwey Stunden Be - denkzeit. Bewacht ihn.

Goͤtz.

Was brauchts das. Jch bin ſo gut ent - ſchloſſen jetzt als darnach. Warum ſeyd ihr aus - gezogen? Eure Rechte und Freyheiten wieder zu er - langen! Was wuͤtet ihr und verderbt das Land! Wollt ihr abſtehen von allen Uebelthaten, und han - deln als wackere Leute, und die wiſſen was ſie wol - len, ſo will ich euch behuͤlflich ſeyn zu euren For - derungen, und auf acht Tag euer Hauptmann ſeyn.

Wild.

Was geſchehen iſt iſt in der erſten Hitz geſchehen, und brauchts deiner nicht uns kuͤnftig zu hindern.

Kohl.

Auf ein viertel Jahr wenigſtens mußt du uns zuſagen.

Stumpf.176
Stumpf.

Macht vier Wochen, damit koͤnnt ihr beyde zufrieden ſeyn.

Goͤtz.

Meintwegen.

Kohl.

Eure Hand.

Goͤtz.

Und gelobt mir den Vertrag den ihr mit mir gemacht, ſchriftlich an alle Haufen zu ſen - den, bey Strafe ihm ſtreng nachzukommen.

Wild.

Nun ja! Soll geſchehen.

Goͤtz.

So verbind ich mich euch auf vier Wo - chen.

Stumpf.

Gluͤck zu. Was du thuſt, ſchon un - ſern gnaͤdigen Herrn den Pfalzgrafen.

Kohl.
(leiſe.)

Bewacht ihn. Daß niemand mit ihm rede auſſer eurer Gegenwart.

Goͤtz.

Lerſe! Kehr zu meiner Frau. Steh ihr bey. Sie ſoll bald Nachricht von mir haben.

(Goͤtz. Stumpf. Georg. Lerſe. einige Bauern ab.)
Metzler. Link. (kommen.)
Metzler.

Was hoͤren wir von einem Vertrag! Was ſoll der Vertrag!

Link.

Es iſt ſchaͤndlich ſo einen Vertrag ein - zugehen.

Kohl.

Wir wiſſen ſo gut was wir wollen als ihr, und haben zu thun und zu laſſen.

Wild.177
Wild.

Das Raſen und Brennen und Morden mußte doch einmal aufhoͤren, heut oder morgen, ſo haben wir noch einen braven Hauptmann dazu gewonnen.

Metzler.

Was aufhoͤren! Du Verraͤther! Wa - rum ſind wir da? Uns an unſern Feinden zu raͤchen, uns empor zu helfen! Das hat euch ein Fuͤr - ſtenknecht gerathen.

Kohl.

Komm Wild, er iſt wie ein Vieh.

(ab.)
Metzler.

Geht nur! Wird euch kein Haufen zuſtehn. Die Schurken! Link, wir wollen die an - dern aufhetzen, Miltenberg dort druͤben anzuͤnden, und wenn’s Haͤndel ſetzt wegen des Vertrags, ſchlagen wir den Vertraͤgern zuſammen die Koͤpf ab.

Link.

Wir haben doch den großen Haufen auf unſrer Seite.

Berg und Thal. Eine Muͤhle in der Tiefe.
Ein Trupp Reuter. Weislingen (kommt aus der Muͤhle mit) Franzen (und einem) Boten.
Weislingen.

Mein Pferd! Jhr habts den andern Herrn auch angeſagt?

MBote.178
Bote.

Wenigſtens ſieben Faͤhnlein werden mit euch eintreffen, im Wald hinter Miltenberg. Die Bauern ziehen unten herum. Ueberall ſind Boten ausgeſchickt, der ganze Bund wird in kurzem bey - ſammen ſeyn. Fehlen kanns nicht, man ſagt: es ſey Zwiſt unter ihnen.

Weislingen.

Deſto beſſer. Franz!

Franz.

Gnaͤdiger Herr.

Weislingen.

Richt es puͤnktlich aus. Jch bind es dir auf deine Seele. Gieb ihr den Brief. Sie ſoll von Hof auf mein Schloß! Sogleich! Du ſollſt ſie abreiſen ſehn, und mirs dann melden.

Franz.

Soll geſchehen, wie ihr befehlt.

Weislingen.

Sag ihr ſie ſoll wollen.

(zum Bo - ten)

Fuͤhrt uns nun den naͤchſten und beſten Weg.

Bote.

Wir muͤſſen umziehen. Die Waſſer ſind von den entſetzlichen Regen alle ausgetreten.

Jaxthauſſen.
Eliſabeth. Lerſe.
Lerſe.

Troͤſtet euch gnaͤd’ge Frau!

Eliſabeth.

Ach Lerſe, die Thraͤnen ſtunden ihm in den Augen wie er Abſchied von mir nahm. Es iſt grauſam grauſam.

Lerſe.179
Lerſe.

Er wird zuruͤck kehren.

Eliſabeth.

Es iſt nicht das. Wenn er auszog ruͤhmlichen Sieg zu erwerben, da war mir’s nicht weh ums Herz. Jch freute mich auf ſeine Ruͤck - kunft vor der mir jetzt bang iſt.

Lerſe.

Ein ſo edler Mann.

Eliſabeth.

Nenn ihn nicht ſo, das macht neu Elend. Die Boͤſewichter. Sie drohten ihn zu ermor - den und ſein Schloß anzuzuͤnden. Wenn er wie - der kommen wird. Jch ſeh ihn finſter finſter. Sei - ne Feinde werden luͤgenhafte Klagartickel ſchmieden und er wird nicht ſagen koͤnnen: nein!

Lerſe.

Er wird und kann.

Eliſabeth.

Er hat ſeinen Bann gebrochen. Sag nein!

Lerſe.

Nein, er ward gezwungen, wo iſt der Grund ihn zu verdammen.

Eliſabeth.

Die Bosheit ſucht keine Gruͤnde, nur Urſachen. Er hat ſich zu Rebellen, Miſſethaͤtern, Moͤrdern geſellt, an ihrer Spitze gezogen. Sage nein!

Lerſe.

Laßt ab euch zu quaͤlen, und mich. Ha - ben ſie ihm nicht ſelbſt feyerlich zugeſagt keine Thathandlung mehr zu unternehmen, wie die beyM 2Weins -180Weinsberg. Hoͤrt ich ſie nicht ſelbſt halbreuig ſagen: wenn’s nicht geſchehen waͤr, geſchaͤhs vielleicht nie. Muͤßten nicht Fuͤrſten und Herrn ihm Dank wiſſen, wenn er freywillig Fuͤhrer eines unbaͤndigen Volks geworden waͤre, um ihrer Raſerey Einhalt zu thun und ſo viel Menſchen und Beſitzthuͤmer zu ſchonen.

Eliſabeth.

Du biſt ein liebevoller Advocat. Wenn ſie ihn gefangen naͤhmen, als Rebell behan - delten, und ſein graues Haupt Lerſe ich moͤchte von Sinnen kommen.

Lerſe.

Sende ihrem Koͤrper Schlaf lieber Va - ter der Menſchen, wenn du ihrer Seele keinen Troſt geben willſt.

Eliſabeth.

Georg hat verſprochen Nachricht zu bringen. Er wird auch nicht duͤrfen wie er will. Sie ſind aͤrger als gefangen. Jch weiß man be - wacht ſie wie Feinde. Der gute Georg! Er wollte nicht von ſeinem Herrn weichen.

Lerſe.

Das Herz blutete mir wie er mich von ſich ſchickte. Wenn ihr nicht meiner Huͤlf beduͤrftet, alle Gefahren des ſchmaͤhlichſten Tods ſollten mich nicht von ihm getrennt haben.

Eliſa -181
Eliſabeth.

Jch weiß nicht wo Sickingen iſt. Wenn ich nur Marien einen Boten ſchicken koͤnnte.

Lerſe.

Schreibt nur, ich will dafuͤr ſorgen.

(ab.)
Bey einem Dorf.
Goͤtz. Georg.
Goͤtz.

Geſchwind zu Pferde Georg, ich ſehe Miltenberg brennen. Halten ſie ſo den Vertrag! Reit hin, ſag ihnen die Meynung. Die Mordbren - ner! Jch ſage mich von ihnen los. Sie ſollen ei - nen Zigeuner zum Hauptmann machen, mich nicht. Geſchwind Georg.

(Georg ab.)
Goͤtz.

Wollt, ich waͤre tauſend Meilen da - von, und laͤg im tiefſten Thurn der in der Tuͤrkey ſteht. Koͤnnt ich mit Ehren von ihnen kommen! Jch fahr ihnen alle Tag durch den Sinn, ſag ihnen die bitterſten Wahrheiten, daß ſie mein muͤde wer - den und mich erlaſſen ſollen.

Ein Unbekannter.
Unbekannter.

Gott gruͤs euch ſehr edler Herr.

Goͤtz.

Gott dank euch. Was bringt ihr? Eu - ren Namen?

M 3Unbe -182
Unbekannter.

Der thut nichts zur Sache. Jch komme euch zu ſagen daß euer Kopf in Gefahr iſt. Die Anfuͤhrer ſind muͤde ſich von euch ſo harte Worte geben zu laſſen, haben beſchloſſen euch aus dem Weg zu raͤumen. Maͤßigt euch oder ſeht zu entwiſchen und Gott gleit euch.

(ab.)
Goͤtz

Auf dieſe Art dein Leben zu laſſen Goͤtz und ſo zu enden! Es ſey drum! So iſt mein Tod der Welt das ſicherſte Zeichen, daß ich nichts gemei - nes mit den Hunden gehabt habe.

Einige Bauern.
Erſter Bauer.

Herr! Herr! Sie ſind geſchla - gen, ſie ſind gefangen.

Goͤtz.

Wer?

Zweyter Bauer.

Die Miltenberg verbrannt ha - ben. Es zog ſich ein Buͤndiſcher Trupp hinter dem Berg hervor, und uͤberfiel ſie auf einmal.

Goͤtz.

Sie erwartet ihr Lohn. O Georg! Georg Sie haben ihn mit den Boͤſewichtern gefangen Mein Georg! Mein Georg!

Anfuͤhrer (kommen.)
Link.

Auf Herr Hauptmann auf! Es iſt nicht ſaͤu - mens Zeit. Der Feind iſt in der Naͤhe und maͤchtig.

Goͤtz.

Wer verbrannte Miltenberg?

Metz -183
Metzler.

Wenn ihr Umſtaͤnde machen wollt, ſo wird man euch weiſen wie man keine macht.

Kohl.

Sorgt fuͤr unſere Haut und eure. Auf! Auf!

Goͤtz
(zu Metzler.)

Drohſt du mir. Du Nichtswuͤrdiger. Glaubſt du daß du mir fuͤrchter - licher biſt weil des Grafen von Helfenſtein Blut an deinen Kleidern klebt.

Metzler.

Berlichingen!

Goͤtz.

Du darfſt meinen Namen nennen und meine Kinder werden ſich deſſen nicht ſchaͤmen.

Metzler.

Mit dir feigen Kerl! Fuͤrſtendiener.

Goͤtz
(haut ihm uͤber den Kopf daß er ſtuͤrzt. Die andern treten darzwiſchen.)
Kohl.

Jhr ſeyd raſend. Der Feind bricht auf allen Seiten ’rein, und ihr hadert.

Link.

Auf! Auf!

(Tumult und Schlacht.)
Weislingen. Reuter.
Weislingen.

Nach! Nach! Sie fliehen. Laßt euch Regen und Nacht nicht abhalten. Goͤtz iſt un - ter ihnen hoͤr ich. Wendet Fleiß zu daß ihr ihn erwiſcht. Er iſt ſchwer verwundet, ſagen die uns - rigen.

(die Reuter ab.)

Und wenn ich dich habe! Es iſt noch Gnade wenn wir heimlich im Ge -M 4faͤng -184faͤngniß dein Todesurtheil vollſtrecken. So verliſcht er vor dem Andenken der Menſchen, und du kannſt freyer athmen thoͤriges Herz.

(ab.)
Nacht, im wilden Wald. Zigeunerlager.
Zigeunermutter (am Feuer.)
Mutter.

Flick das Strohdach uͤber der Grube Tochter, gibt hint Nacht noch Regen genug.

Knab (kommt)
Knab.

Ein Hamſter Mutter. Da! Zwey Feldmaͤus.

Mutter.

Will ſie dir abziehen und braten, und ſollſt eine Kapp haben von den Fellgen. Du blutſt?

Knab.

Hamſter hat mich biſſen.

Mutter.

Hohl mir duͤrr Holz, daß das Feuer loh brennt wenn dein Vater kommt, wird naß ſeyn durch und durch.

Andre Zigeunerinn (ein Kind auf dem Ruͤcken.)
Erſte Zigeunerinn.

Haſt du brav geheiſchen.

Zweyte185
Zweyte Ziegeunerin.

Wenig genug. Das Land iſt voll Tumult herum daß man ſeines Lebens nicht ſicher iſt. Brennen zwey Doͤrfer lichterloh.

Erſte Ziegeunerin.

Jſt das dort drunten Brand, der Schein? Seh ihm ſchon lang zu. Man iſt der Feuerzeichen am Himmel zeither ſo gewohne worden.

Zigeunerhauptmann, drey Geſellen (kommen.)
Hauptmann.

Hoͤrt ihr den wilden Jaͤger?

Erſte Zigeunerinn.

Er zieht grad uͤber uns hin.

Hauptmann.

Wie die Hunde bellen! Wau! Wau!

Zweyter Zigeuner.

Die Peitſchen knallen.

Dritter Zigeuner.

Die Jaͤger jauchzen holla ho!

Mutter.

Bringt ja des Teufels ſein Gepaͤck.

Hauptmann.

Haben im truͤben gefiſcht, die Bauern rauben ſelbſt, iſt’s uns wohl vergoͤnnt.

Zweyte Ziegeunerinn.

Was haſt du Wolf.

Wolf.

Einen Haaſen, da, und einen Hahn. Ein Bratſpies. Ein Buͤndel Leinwand. Drey Koch - loͤffel und ein Pferdzaum.

Sticks.

Ein wullen Deck hab ich, ein Paar Stie - feln, und Zunder und Schwefel.

M 5Mutter.186
Mutter.

Jſt alles pudelnaß, wollens trocknen, gebt her.

Hauptmann.

Horch ein Pferd! Geht ſeht was iſt.

Goͤtz (zu Pferd.)
Goͤtz.

Gott ſey Dank dort ſeh ich Feuer, ſind Zigeuner. Meine Wunden verbluten, die Feinde hinter her. Heiliger Gott, du endigſt graͤßlich mit mir.

Hauptmann.

Jſt’s Friede daß du kommſt?

Goͤtz.

Jch flehe Huͤlfe von euch. Meine Wun - den ermatten mich. Helft mir vom Pferd.

Hauptmann.

Helf ihm. Ein edler Mann, an Geſtalt und Wort.

Wolf.
(leiſe.)

Es iſt Goͤtz von Berlichingen.

Hauptmann.

Seyd willkommen. Alles iſt euer was wir haben.

Goͤtz.

Dank euch.

Hauptmann.

Kommt in mein Zelt.

Hauptmanns Zelt.
Hauptmann. Goͤtz.
Hauptmann.

Ruft der Mutter, ſie ſoll Blut - wurzel bringen und Pflaſter.

Goͤtz.187
Goͤtz.
(legt den Harniſch ab.)
Hauptmann.

Hier iſt mein Feyertagswamms.

Goͤtz.

Gott lohns.

Mutter. (verbind ihn.)
Hauptmann.

Jſt mir herzlich lieb euch zu haben.

Goͤtz.

Kennt ihr mich?

Hauptmann.

Wer ſollte euch nicht kennen. Goͤtz unſer Leben und Blut laſſen wir vor euch.

Schricks.
Schricks.

Kommen durch den Wald Reuter. ’Sind Buͤndiſche.

Hauptmann.

Eure Verfolger! Sie ſollen nit bis zu euch kommen. Auf Schricks! Biete den andern. Wir kennen die Schliche beſſer als ſie, wir ſchieſſen ſie nieder ehe ſie uns gewahr werden.

(ab.)
Goͤtz.
(allein.)

O Kayſer! Kayſer! Raͤu - ber beſchuͤtzen deine Kinder.

(man hoͤrt ſcharf ſchieſ - ſen.)

Die wilden Kerls, ſtarr und treu!

Zigeunerinn.
Zigeunerinn.

Rettet euch. Die Feinde uͤber - waͤltigen.

Goͤtz.

Wo iſt mein Pferd?

Zigeu -188
Zigeunerinn

Hierbey.

Goͤtz.
(guͤrtet ſich, und ſitzt auf ohne Harniſch.)

Zum letztenmal ſollen ſie meinen Arm fuͤhlen. Jch bin ſo ſchwach noch nicht.

(ab.)
Zigeunerinn.

Er ſprengt zu den unſrigen.

(Flucht.)
Wolf.

Fort fort! Alles verlohren. Unſer Hauptmann erſchoſſen. Goͤtz gefangen.

(Geheul der Weiber und Flucht.)
Adelheidens Schlafzimmer.
Adelheid. (mit einem Brief.)
Adelheid.

Er, oder ich! Der Uebermuͤthige! Mir drohn. Wir wollen dir vorkommen. Was ſchleicht durch den Saal.

(es klopft.)

Wer draus?

Franz. (leiſe.)
Franz.

Macht mir auf gnaͤdige Frau.

Adelheid.

Franz! Er verdient wohl daß ich ihm aufmache.

(ſie laͤßt ihn ein.)
Franz.
(faͤllt ihr um den Hals.)

Liebe gnaͤ - dige Frau.

Adelheid.

Unverſchaͤmter! Wenn dich jemand gehoͤrt haͤtte.

Franz.189
Franz.

O es ſchlaͤft alles alles.

Adelheid.

Was willſt du?

Franz.

Mich laͤßt’s nicht ruhen. Die Dro - hungen meines Herrn, euer Schickſal, mein Herz.

Adelheid.

Er war ſehr zornig als du Abſchied nahmſt?

Franz

Als ich ihn nie geſehen. Auf ihre Guͤ - ter ſoll ſie, ſagt er, ſie ſoll wollen.

Adelheid.

Und wir folgen?

Franz.

Jch weiß nichts gnaͤdige Frau.

Adelheid.

Betrogener thoͤriger Junge, du ſiehſt nicht wo das hinaus will. Hier weiß er mich in Sicherheit. Denn lange ſteht’s ihm ſchon nach mei - ner Freyheit. Er will mich auf ſeine Guͤter. Dort hat er Gewalt mich zu behandeln, wie ſein Haß ihm eingibt.

Franz.

Er ſoll nicht.

Adelheid.

Wirſt du ihn hindern.

Franz.

Er ſoll nicht.

Adelheid.

Jch ſeh mein ganzes Elend voraus. Von ſeinem Schloß wird er mich mit Gewalt reiſ - ſen, wird mich in ein Kloſter verſperren.

Franz.

Hoͤlle und Todt!

Adel -190
Adelheid.

Wirſt du mich retten?

Franz.

Eh alles! Alles!

Adelheid.
(die weinend ihn umhalſt.)

Franz - ach uns zu retten!

Franz.

Er ſoll nieder, ich will ihm den Fuß auf den Nacken ſetzen.

Adelheid.

Keine Wuth. Du ſollſt einen Brief an ihn haben, voll Demuth daß ich gehorche. Und dieſes Flaͤſchgen gieß ihm unter das Getraͤnk.

Franz.

Gebt. Jhr ſollt frey ſeyn.

Adelheid.

Frey! Wenn du nicht mehr zitternd auf deinen Zehen zu mir ſchleichen wirſt. Nicht mehr ich aͤngſtlich zu dir ſage, brich auf Franz der Morgen kommt.

Heilbronn vorm Thurn.
Eliſabeth. Lerſe.
Lerſe.

Gott nehm das Elend von euch gnaͤdige Frau. Marie iſt hier.

Eliſabeth.

Gott ſey Dank. Lerſe wir ſind in entſetzliches Elend verſunken. Da iſt’s nun wie mir alles ahndete, gefangen, als Meuter Miſſethaͤter in den tiefſten Thurn geworfen.

Lerſe.191
Lerſe.

Jch weis alles.

Eliſabeth.

Nichts nichts weißt du, der Jam - mer iſt zu gros! Sein Alter, ſeine Wunden, ein ſchleichend Fieber, und mehr als alles das, die Finſterniß ſeiner Seelen, daß es ſo mit ihm enden ſoll.

Lerſe.

Auch, und daß der Weislingen Com - miſſar iſt.

Eliſabeth.

Weislingen!

Lerſe.

Man hat mit unerhoͤrten Exekutionen verfahren. Metzler iſt lebendig verbrannt, zu hun - derten geraͤdert, geſpießt, gekoͤpft, geviertelt. Das Land umher gleicht einer Metzge wo Menſchen - fleiſch wohlfeil iſt.

Eliſabeth.

Weislingen Commiſſar! O Gott ein Stral von Hofnung. Marie ſoll mir zu ihm, er kann ihr nichts abſchlagen. Er hatte immer ein weiches Herz, und wenn er ſie ſehen wird, die er ſo liebte, die ſo elend durch ihn iſt. Wo iſt ſie?

Lerſe.

Noch im Wirthshaus.

Eliſabeth.

Fuͤhre mich zu ihr. Sie muß gleich fort. Jch fuͤrchte alles.

Weis -192
Weislingens Schloß.
Weislingen.
Weislingen.

Jch bin ſo krank, ſo ſchwach. Alle meine Gebeine ſind hohl. Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefreſſen. Keine Ruh und Raſt, weder Tag noch Nacht. Jm halben Schlummer giftige Traͤume. Die vorige Nacht begegnete ich Goͤtzen im Wald. Er zog ſein Schwerdt und forder - te mich heraus. Jch faßte nach meinem, die Hand verſagte mir. Da ſtieß ers in die Scheide, ſah mich veraͤchtlich an und gieng hinter mich. Er iſt gefangen und ich zittere vor ihm. Elender Menſch! Dein Wort hat ihn zum Tode verurtheilt und du bebſt vor ſeiner Traumgeſtalt wie ein Miſſethaͤter. Und ſoll er ſterben? Goͤtz! Goͤtz! Wir Menſchen fuͤhren uns nicht ſelbſt, boͤſen Gei - ſtern iſt Macht uͤber uns gelaſſen, daß ſie ihren hoͤlliſchen Muthwillen an unſerm Verderben uͤben.

(er ſetzt ſich.)

Matt! Matt! Wie ſind mei - ne Naͤgel ſo blau. Ein kalter kalter verzehrender Schweis laͤhmt mir jedes Glied. Es dreht mir alles vorm Geſicht. Koͤnnt ich ſchlafen. Ach

Marie. 193
Marie. (tritt auf.)
Weislingen.

Jeſus Marie! Laß mir Ruh! Laß mir Ruh! Die Geſtalt fehlte noch! Sie ſtirbt, Marie ſtirbt und zeigt ſich mir an. Verlaß mich ſeeliger Geiſt, ich bin elend gnug.

Marie.

Weislingen ich bin kein Geiſt. Jch bin Marie.

Weislingen.

Das iſt ihre Stimme.

Marie.

Jch komme meines Bruders Leben von dir zu erflehen, er iſt unſchuldig ſo ſtrafbar er ſcheint.

Weislingen.

Still Marie. Du Engel des Himmels bringſt die Quaalen der Hoͤlle mit dir. Rede nicht fort.

Marie.

Und mein Bruder ſoll ſterben? Weis - lingen es iſt entſetzlich daß ich dir zu ſagen brauche: er iſt unſchuldig, daß ich jammern muß dich von dem abſcheulichſten Mord zuruͤck zu halten. Deine Seele iſt bis in ihre innerſte Tiefen von feindſeli - gen Maͤchten beſeſſen. Das iſt Adelbert!

Weislingen.

Du ſiehſt der verzehrende Athem des Tods hat mich angehaucht, meine Kraft ſinkt nach dem Grabe. Jch ſtuͤrbe als ein Elender, undNdu194du kommſt mich in Verzweiflung zu ſtuͤrzen. Wenn ich reden koͤnnte, dein hoͤchſter Haß wuͤrde in Mit - leyd und Jammer zerſchmelzen. Oh! Marie! Marie!

Marie.

Mein Bruder, Weislingen verkranket im Gefaͤngniß. Seine ſchwere Wunden, ſein Alter. Und wenn du faͤhig waͤrſt ſein graues Haupt Weislingen wir wuͤrden verzweifeln.

Weislingen.

Genug.

(er zieht die Schelle.)
Franz. (in aͤuſſerſter Bewegung.)
Franz.

Gnaͤdiger Herr.

Weislingen.

Die Papiere dort Franz!

Franz
(bringt ſie.)
Weislingen.
(reißt ein Packet auf und zeigt Marie ein Papier.)

Hier iſt deines Bruders Tod - tesurtheil unterſchrieben.

Marie.

Gott im Himmel!

Weislingen.

Und ſo zerreiß ich’s. Er lebt. Aber kann ich wieder ſchaffen was ich zerſtoͤrt habe! Weine nicht ſo Franz! Guter Junge dir geht mein Elend tief zu Herzen.

Franz.
(wirft ſich vor ihm nieder und faßt ſeine Knie.)
Marie.195
Marie.
(vor ſich.)

Er iſt ſehr krank. Sein Anblick zerreißt mir das Herz. Wie liebt ich ihn, und nun ich ihm nahe, fuͤhl ich wie lebhaft.

Weislingen.

Franz ſteh auf und laß das Wei - nen. Jch kann wieder aufkommen. Hofnung iſt bey den Lebenden.

Franz.

Jhr werdet nicht. Jhr muͤßt ſterben.

Weislingen.

Jch muß.

Franz.
(auſſer ſich.)

Gift. Gift. Von eu - rem Weibe. Jch. Jch.

(er rennt davon.)
Weislingen.

Marie geh ihm nach. Er ver - zweifelt.

(Marie ab.)
Weislingen.

Gift von meinem Weibe! Weh! Weh! Jch fuͤhls. Marter und Todt.

Marie.
(inwendig.)

Huͤlfe! Huͤlfe!

Weislingen.
(will aufſtehn.)

Gott, vermag ich das nicht.

Marie.
(kommt.)

Er iſt hin. Zum Saalfen - ſter hinaus, ſtuͤrzt er wuͤtend in den Mayn hinunter.

Weislingen.

Jhm iſt wohl. Dein Bruder iſt auſſer Gefahr. Die andere Commiſſaren, Secken - dorf beſonders ſind ſeine Freunde. Ritterlich Ge -N 2faͤng -196faͤngniß werden ſie ihm auf ſein Wort gleich gewaͤh - ren. Leb wohl Marie und geh.

Marie.

Jch will bey dir bleiben, armer Ver - laßner.

Weislingen.

Wohl verlaſſen und arm. Du biſt ein furchtbarer Raͤcher Gott! Mein Weib.

Marie.

Entſchlage dich dieſer Gedanken. Kehr dein Herz zu dem Barmherzigen.

Weislingen.

Geh liebe Seele, uͤberlaß mich mei - nem Elend. Entſetzlich! Auch deine Gegenwart Marie der letzte Troſt iſt Quaal.

Marie.
(vor ſich.)

Staͤrke mich Gott, mei - ne Seele erliegt mit der Seinigen.

Weislingen.

Weh! Weh! Gift von meinem Weibe. Mein Franz verfuͤhrt durch die Abſcheuliche. Wie ſie wartet, horcht auf den Boten, der ihr die Nachricht braͤchte: er iſt todt. Und du Marie. Marie warum biſt du gekommen? daß du jede ſchlafende Erinnerung meiner Suͤnden weckteſt. Verlaß mich! Verlaß mich! Daß ich ſterbe.

Marie.

Laß mich bleiben. Du biſt allein. Denk ich ſey deine Waͤrterinn. Vergiß alles. Vergeſſe dir Gott ſo alles, wie ich dir alles vergeſſe.

Weis -197
Weislingen.

Du Seele voll Liebe bete fuͤr mich, bete fuͤr mich. Mein Herz iſt verſchloſſen.

Marie.

Er wird ſich deiner erbarmen. Du biſt matt.

Weislingen.

Jch ſterbe, ſterbe und kann nicht erſterben. Und in dem fuͤrchterlichen Streit des Lebens und Tods ſind die Quaalen der Hoͤlle.

Marie.

Erbarmer erbarme dich ſeiner. Nur Einen Blick deiner Liebe an ſein Herz, daß es ſich zum Troſt oͤffne, und ſein Geiſt Hofnung, Lebens - hofnung in den Tod hinuͤber bringe.

Jn einem finſtern engen Gewoͤlb.
Die Richter des heimlichen Gerichts. (alle vermummt.)
Aelteſter.

Richter des heimlichen Gerichts, ſchwurt auf Strang und Schwerdt unſtraͤflich zu ſeyn, zu richten im Verborgenen, zu ſtrafen im Verborgenen Gott gleich. Sind eure Herzen rein und eure Haͤnde, hebt die Arme empor, ruft uͤber die Miſſethaͤter. Wehe! Wehe!

N 3Alle.198
Alle.

Wehe! Wehe!

Aelteſter.

Rufer beginne das Gericht.

Rufer.

Jch Rufer rufe die Klag gegen den Miſſethaͤter. Des Herz rein iſt, deſſen Haͤnde rein ſind zu ſchwoͤren auf Strang und Schwerdt, der klage bey Strang und Schwerdt! klage! klage!

Klaͤger.
(tritt vor.)

Mein Herz iſt rein von Miſſethat, meine Haͤnde von unſchuldigem Blut. Verzeih mir Gott boͤſe Gedanken und hemme den Weg zum Willen. Jch hebe meine Hand auf und klage! klage! klage!

Aelteſter.

Wen klagſt du an?

Klaͤger.

Klage an auf Strang und Schwerdt Adelheiden von Weislingen. Sie hat Ehebruchs ſich ſchuldig gemacht, ihren Mann vergiftet durch ihren Knaben. Der Knab hat ſich ſelbſt gerichtet, der Mann iſt todt.

Aelteſter.

Schwoͤrſt du zu dem Gott der Wahr - heit, daß du Wahrheit klagſt?

Klaͤger.

Jch ſchwoͤre.

Aelteſter.

Wuͤrde es falſch befunden, beutſt du deinen Hals der Strafe des Mords und des Ehe - bruchs?

Klaͤger.199
Klaͤger.

Jch biete.

Aelteſter.

Eure Stimmen.

(Sie reden heim - lich zu ihm.)
Klaͤger.

Richter des heimlichen Gerichts, was iſt euer Urtheil uͤber Adelheiden von Weislingen, bezuͤchtigt des Ehebruchs und Mords.

Aelteſter.

Sterben ſoll ſie! Sterben des bit - tern doppelten Todts. Mit Strang und Dolch, buͤßen doppelt doppelte Miſſethat. Streckt eure Haͤnde empor, und rufet Weh uͤber ſie! Weh! Weh! Jn die Haͤnde des Raͤchers.

Alle.

Weh! Weh! Weh!

Aelteſter.

Raͤcher! Raͤcher tritt auf.

Raͤcher.
(tritt vor.)
Aelteſter.

Faß hier Strang und Schwerdt. Sie zu tilgen von dem Angeſicht des Himmels, binnen acht Tage Zeit. Wo du ſie findeſt nieder mit ihr in Staub. Richter die ihr richtet im Verborge - nen und ſtrafet im Verborgenen Gott gleich, be - wahrt euer Herz fuͤr Miſſethat und eure Haͤnde vor unſchuldigem Blut.

N 4Hof200
Hof einer Herberge.
Marie. Lerſe.
Marie.

Die Pferde haben gnug geraſtet. Wir wollen fort Lerſe.

Lerſe.

Ruht doch bis an Morgen. Die Nacht iſt gar zu unfreundlich.

Marie.

Lerſe ich habe keine Ruh bis ich mei - nen Bruder geſehen habe. Laß uns fort. Das Wet - ter hellt ſich aus, wir haben einen ſchoͤnen Tag zu gewarten.

Lerſe.

Wie ihr befehlt.

Heilbronn im Thurn.
Goͤtz. Eliſabeth.
Eliſabeth.

Jch bitte dich lieber Mann rede mit mir. Dein Stillſchweigen aͤngſtet mich. Du ver - gluͤhſt in dir ſelbſt. Komm laß uns nach deinen Wunden ſehen, ſie beſſern ſich um vieles. Jn der muthloſen Finſterniß erkenn ich dich nicht mehr.

Goͤtz.201
Goͤtz.

Suchteſt du den Goͤtz? Der iſt lang hin. Sie haben mich nach und nach verſtuͤmmelt, meine Hand, meine Freyheit, Guͤter und guten Namen. Mein Kopf was iſt an dem? Was hoͤrt ihr von Georgen? Jſt Lerſe nach Georgen?

Eliſabeth.

Ja Lieber! Richtet euch auf, es kann ſich vieles wenden.

Goͤtz.

Wen Gott niederſchlaͤgt, der richtet ſich ſelbſt nicht auf. Jch weiß am beſten was auf mei - nen Schuldern liegt. Ungluͤck bin ich gewohnt zu dulden. Und jetzt iſt’s nicht Weislingen allein, nicht die Bauern allein, nicht der Todt des Kayſers und meine Wunden. Es iſt alles zuſammen. Mei - ne Stunde iſt kommen. Jch hoffte ſie ſollte ſeyn wie mein Leben. Sein Will geſchehe.

Eliſabeth.

Willt du nicht was eſſen?

Goͤtz.

Nichts meine Frau. Sieh wie die Sonne drauſſen ſcheint.

Eliſabeth.

Ein ſchoͤner Fruͤhlingstag.

Goͤtz.

Meine Liebe, wenn du den Waͤchter be - reden koͤnnteſt mich in ſein klein Gaͤrtgen zu laſſen auf eine halbe Stunde, daß ich der lieben SonneN 5genoͤſſe,202genoͤſſe, des heitern Himmels und der reinen Luft.

Eliſabeth.

Gleich! und er wirds wohl thun.

Gaͤrtgen am Thurn.
Marie. Lerſe.
Marie.

Geh hinein und ſieh wie’s ſteht.

(Lerſe ab.)
Eliſabeth. Waͤchter.
Eliſabeth.

Gott vergelt euch die Lieb und Treu an meinem Herrn.

(Waͤchter ab.)

Marie was bringſt du.

Marie.

Meines Bruders Sicherheit. Ach aber mein Herz iſt zerriſſen. Weislingen iſt todt, vergiftet von ſeinem Weibe. Mein Mann iſt in Gefahr. Die Fuͤrſten werden ihm zu maͤchtig, man ſagt er ſey eingeſchloſſen und belagert.

Eliſabeth.

Glaubt dem Geruͤchte nicht. Und laßt Goͤtzen nichts merken.

Marie.

Wie ſtehts um ihn?

Eliſa -203
Eliſabeth.

Jch fuͤrchtete er wuͤrde deine Ruͤck - kunft nicht erleben. Die Hand des Herrn liegt ſchwer auf ihm. Und Georg iſt todt.

Marie.

Georg! der goldne Junge!

Eliſabeth.

Als die Nichtwuͤrdigen Miltenberg verbrannten, ſandte ihn ſein Herr ihnen Einhalt zu thun, da fiel ein Trupp Buͤndiſcher auf ſie los. Georg! haͤtten ſie ſich alle gehalten wir er, ſie haͤtten all das gute Gewiſſen haben muͤſſen. Viel wurden erſtochen, und Georg mit, er ſtarb einen Reuters todt.

Marie.

Weiß es Goͤtz?

Eliſabeth.

Wir verbergens vor ihm. Er fragt mich zehnmal des Tags, und ſchickt mich zehnmal des Tags zu forſchen was Georg macht. Jch fuͤrch - te, ſeinem Herzen dieſen letzten Stoß zu geben.

Marie.

O Gott, was ſind die Hoffnungen die - ſer Erden.

Goͤtz. Lerſe. Waͤchter.
Goͤtz.

Allmaͤchtiger Gott. Wie wohl iſt’s einem unter deinem Himmel. Wie frey! Die Baͤume trei -ben204ben Knoßpen und alle Welt hofft. Lebt wohl meine Lieben meine Wurzeln ſind abgehauen, meine Kraft ſinkt nach dem Grabe.

Eliſabeth.

Darf ich Lerſen nach deinem Sohn ins Kloſter ſchicken, daß du ihn noch einmal ſiehſt und ſeegneſt.

Goͤtz.

Laß ihn er iſt heiliger als ich, er braucht meinen Seegen nicht. An unſerm Hochzeittag Eliſabeth ahndete mirs nicht, daß ich ſo ſterben wuͤrde. Mein alter Vater ſeegnete uns, und eine Nachkommenſchaft von edlen tapfern Soͤhnen, quoll aus ſeinem Gebet. Du haſt ihn nicht er - hoͤrt, und ich bin der letzte. Lerſe dein Angeſicht freut mich in der Stunde des Tods mehr als im muthigſten Gefecht. Damals fuͤhrte mein Geiſt den eurigen, jetzt haͤlſt du mich aufrecht. Ach daß ich Georgen noch einmal ſaͤhe, mich an ſeinem Blick waͤrmte! Jhr ſeht zur Erden und weint Er iſt todt Georg iſt todt. Stirb Goͤtz Du haſt dich ſelbſt uͤberlebt, die Edlen uͤberlebt. Wie ſtarb er? Ach fingen ſie ihn unter den Mordbrennern, und er iſt hingerichtet?

Eliſa -205
Eliſabeth.

Nein er wurde bey Miltenberg er - ſtochen. Er wehrte ſich wie ein Loͤw um ſeine Freyheit.

Goͤtz.

Gott ſey Dank. Er war der beſte Junge unter der Sonne und tapfer. Loͤſe meine Seele nun. Arme Frau. Jch laſſe dich in einer ver - derbten Welt. Lerſe verlaß ſie nicht Schließt eure Herzen ſorgfaͤltiger als eure Thore. Es kom - men die Zeiten des Betrugs, es iſt ihm Freyheit gegeben. Die Nichtswuͤrdigen werden regieren mit Liſt, und der Edle wird in ihre Netze fallen. Marie gebe dir Gott deinen Mann wieder. Moͤge er nicht ſo tief fallen als er hoch geſtiegen iſt. Selbitz ſtarb, und der gute Kayſer, und mein Georg. Gebt mir einen Trunk Waſſer. Himmliſche Luft. Freyheit! Freyheit!

(er ſtirbt.)
Eliſabeth.

Nur droben droben bey dir. Die Welt iſt ein Gefaͤngniß.

Marie.206
Marie.

Edler Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert das dich von ſich ſtieß.

Lerſe.

Wehe der Nachkommenſchaft die dich verkennt.

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About this transcription

TextGötz von Berlichingen mit der eisernen Hand
Author Johann Wolfgang von Goethe
Extent216 images; 28325 tokens; 5642 types; 187681 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGötz von Berlichingen mit der eisernen Hand Ein Schauspiel Johann Wolfgang von Goethe. . 206 S. s. e.s. l.1773.

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HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, M: Lo 2078

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:30:53Z
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ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, M: Lo 2078
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