PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Pietiſterey im Fiſchbein-Rocke;
Oder die Doctormaͤßige Frau.
Jn einem Luſt-Spiele vorgeſtellet.
Horatius: Ridiculum acri Fortius & melius medias plerumque ſecat res.
Roſtock,Auf Koſten guter Freunde. 1736.

Vorrede des Herausgebers.

Weil es doch eine herge - brachte Gewohnheit iſt, daß ein Buch eine Vor - rede haben muß; Jch aber dem Ge - neigten oder Ungeneigten Leſer nichts anders zu ſagen weiß, als was in folgenden beyden Briefen enthalten iſt: So will ich dieſelbe ohne fernere Weitlaͤuftigkeit mittheilen.

) * (2Der

Der Brief des Herausgebers an den Verfaßer dieſes Luſt-Spiels.

Hoch-Ehrwuͤrdiger, Hochgelahrter Herr!

Jch habe die groͤſte Urſache von der Welt, E. H. fuͤr das neulich uͤber - ſandte Manuſcript verbunden zu ſeyn. Es iſt nicht noͤthig, daß ich mit vie - len Worten bezeuge, wie unvergleichlich es Denenſelben gerathen; da dieſes ohnedem das gewoͤhnliche Urtheil iſt, welches die Welt von Dero Schrifften zu faͤllen pflegt. Wenn ich davor nur die ungemeine Freude beſchreiben koͤnnte, welche dadurch in einergroſſengroſſen und aufgeweckten Geſellſchafft neu - lich entſtanden, wo ich daſſelbe von An - fang bis zum Ende vorzuleſen mir die Freyheit genommen. Dieſes aber mit Worten zu beſchreiben wird mir gantz un - moͤglich fallen. Und ich will nur ſo viel ſagen, daß auch die allerernſthaffteſten Leute mehr als hundert mahl uͤberlaut zu lachen genoͤthiget worden, und daß ich vor dem unzaͤhligen Haͤndeklatſchen der uͤbri - gen wohl mehr als hundert mahl im Leſen inne halten muͤſſen. Das iſt aber noch nicht alles. Die geſcheideſten Koͤpffe in dieſer Geſellſchafft traten alſobald zuſam - men, und beſchloſſen mit einhelligen Stim - men, daß man der Welt dieſes vortreffliche Luſt-Spiel nicht mißgoͤnnen muͤſte. Wie - der dieſen Entſchluß hatte die gantze Ge - ſellſchafft nichts einzuwenden, als dieſes: Wo man denn einen Verleger darzu her - nehmen wuͤrde. Weil ſich ſo leicht kein Buchdrucker entſchlieſſen wuͤrde eine Schrifft zu drucken, die allem Anſehen nach gewiſſen Leuten ſehr mißfallen, und) * (3ſieſie zu der empfindlichſten Rache gegen den - ſelben anflammen wuͤrde. Doch kaum war dieſer Einwurff vorgebracht; ſo war er auch ſchon gehoben. Eben diejenigen, ſo auf den Anſchlag gekommen waren, die - ſes Werck drucken zu laſſen, erbothen ſich auch die Koſten darzu herzugeben. Jch verſetzte hierauf, daß ſie die Rechnung ohne den Wirth gemacht haͤtten, und ver - ſicherte, daß E. H. es niemahls zugeben wuͤrden, daß dieſe Schrifft, die ſie nie - mahls zum Drucke beſtimmet haͤtten, ans Licht treten duͤrffte. Ja ich ſelbſt drohete, mich mit aller Macht darwider zu ſetzen; weil dasjenige, was mir im Vertrauen uͤberſchickt worden, auch nur in meinen Haͤnden bleiben muͤſte: wofern ich nicht bey dem Verfaſſer den Vorwurff einer Treuloſigkeit verdienen wollte. Doch al - les vergebens! Man hatte ſich einmahl Dero Manuſcripts bemaͤchtiget, und es war mir nicht moͤglich, daſſelbe wiederum in meine Hand zu bekommen. Alles was man mir dabey einraͤumte, war dieſes,daßdaß man mir den erſten Abdruck der Bo - gen zuſenden, und mir die Bemuͤhung uͤberlaſſen wuͤrde, fuͤr die Ehre meines Freundes dabey zu ſorgen; damit nemlich ſeine Schrifft, ſo viel als moͤglich, ohne Fehler ans Licht kaͤhme. Was ſollte ich thun? Gewalt gieng vor Recht, und ich muſte mir endlich gefallen laſſen, was ich nicht hindern kunte. Nunmehro iſt Dero Werck wuͤrcklich unter der Preſſe, und ich habe die Ehre, als eine getreue Heb-Amme, dieſes ſo wohl gerathene Kind E. H. ans Tages-Licht zu bringen. Hiermit uͤber - ſende die erſten Bogen deſſelben, und bitte uͤber dem erſten Anblick derſelben nicht gar zu ſehr zu erſchrecken, vielweniger einen unverdienten Haß auf mich zu werffen. Jch kan aufs theuerſte verſichern, daß ich alles gethan habe, was nur in meinen Kraͤff - ten geſtanden, den Abdruck dieſer Schrifft zu verhindern. Jch ergriff auch ſogleich die Feder, E. H. Nachricht davon zu geben: Aber ehe der Poſt-Tag kahm; ſo hatte ich ſchon die zwey Bogen zur Ausbeſſerung der) * (4Druck -Druckfehler erhalten. So eilfertig ſind dieſe Herren in der Ausfuͤhrung ihres Vor - habens geweſen. Weil ich alſo ſelbſt zu geſchehenen Dingen das beſte zu reden ge - noͤthiget bin; ſo ſchlage ich mich ſelbſt zu der Parthey, meiner ehemahligen Wieder - ſacher, und verſichere E. H., daß Sie von der Bekanntmachung dieſes Meiſter-Stuͤ - ckes nichts zu beſorgen haben. Denn was wollen die Gegner davon ſagen? Jſt es etwan eine Suͤnde, laͤcherliche Leute aus - zulachen? Warum haben ſie in unzehli - chen Schrifften ſich ſelbſt der klugen Welt zum Gelaͤchter gemacht? Man hat lange genug ernſthafft mit dieſen Leuten geſtrit - ten: Aber was hats geholffen? Sie ſind ſelber dadurch in dem Wahne beſtaͤrcket worden, als ob ihre Neuerungen und My - ſtiſche Fantaſien was recht wichtiges ſeyn muͤſſten: Jndem ſich auch die groͤſſten GOttes-Gelehrten, ja wohl gar gantze Theologiſche Facultaͤten die Muͤhe gege - ben, wider ſie zu Felde zu ziehen. Jn die - ſem Kriege aber iſt es gegangen, wie dortbeybey dem Drachen in der Fabel, dem an ſtatt eines abgehauenen Kopffs allemahl drey andere wieder wuchſen. Daher ha - ben ſchon laͤngſt verſtaͤndige Maͤnner ge - urtheilet, man muͤſſe ſolchen Schwaͤrmern die Ehre nicht mehr anthun, ernſtlich wi - der ſie zu ſtreiten; und wuͤrde beſſer thun, wenn man ſie mit Satyriſchen Waffen zu erlegen bemuͤhet ſeyn wuͤrde. Dieſes ha - ben nun E. H. mit ſo gluͤcklichem Erfolg ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwen - dig einer unzehlbahren Menge verfuͤhrter Seelen die Augen geoͤffnet werden koͤnnen. Wollte man ſagen: Daß gleichwohl die Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel mit dabey etwas leiden, und zum Gelaͤch - ter werden wuͤrden; ſo wird doch ein Un - partheyiſcher leicht ſehen, daß nicht die Schrifft ſelbſt, auch nicht die Glaubens - Lehren, ſondern nur die einfaͤltigſte Art, ſelbige zu mißbrauchen, gemeinet ſey. Waͤre dieſes nicht; ſo muͤſſte man auch behaupten, der theure Lutherus haͤtte ſich an den Geheimniſſen der Religion vergrif -) * (5fen,fen, weil er den Mißbrauch der Papiſten in ſeinen Schrifften laͤcherlich und veraͤcht - lich zu machen geſucht, ja wohl gar die Moͤnche und Pfaffen vor Ochſen und Eſel geſcholten, und die Bullen der Paͤbſte Drecketen geheiſſen. Wem iſt es alſo zu verargen, wenn er nach Nothdurfft dieſer Zeiten in die geſegneten Spuren dieſes theuren Ruͤſt-Zeugs GOTTES tritt? Mehr darf ich E. H. vermuthlich nicht vorſtellen, meine Kuͤhnheit zu entſchuldi - gen; und verharre alſo mit aller gewoͤhn - lichen Hochachtung

Deroſelben verbundenſter Diener, Der Herausgeber. Ant -

Antwort des Verfaßers an den Herausgeber.

Hoch-Edler Herr, Hochgelahrter Herr!

Nichts hat mich jemahls in ſolche Beſtuͤrtzung geſetzt, als Dero letztes Schreiben. Sie koͤnnen leicht dencken, wie mir zu Muthe geweſen ſeyn muͤße, da ich vernommen, daß ſie eine Schrifft, die bloß zu meiner eigenen Ver - gnuͤgung, und hoͤchſtens zur Luſt einiger vertrauten Freunde bey muͤßigen Stunden aufgeſetzet worden, einer groſſen Geſell - ſchafft vorgeleſen haͤtten. Jch bereuete es bey dieſer Nachricht ſchon, daß ich dieſelbe Eurer Hochedlen ſo guthertzig zugeſendt. Aber was vor Empfindungen von allerley Arten bemeiſterten ſich nicht meines Ge - muͤths? als ich aus der fortgeſetzten Er - zehlung vernahm, was vor ein ſeltſamesSchick -Schickſal uͤber mich verhaͤnget ſey. Um GOttes Willen! was fangen Sie mit mir an? Jſt denn dasjenige Vertrauen, ſo ich zu Dero auffrichtigen Freundſchafft gehabt, einer ſolchen Straffe wehrt gewe - ſen? was wird die Welt von mir geden - cken? von mir, deſſen Amt und Lebens - Art am allerwenigſten zu einer ſolchen Schreib-Art Anlaß geben ſollte? Wollen Sie mir noch mehr Verdruß und Strei - tigkeiten uͤber den Hals laden, als ich ſchon wegen einiger weit unſchuldiger Schrifften wieder dieſes Fanatiſche Geſchmeiſſe be - kommen habe? haben Sie nicht bedacht, an was vor einem Orte ich lebe? und wie leicht man auf die Muthmaſſung fallen wird, daß ich der Urheber dieſer Schrifft nothwendig ſeyn muͤſſe? gleichwol, wenn ich die Wahrheit geſtehen ſoll; ſo bin ich nicht einmahl dafuͤr anzuſehen. Ein ge - wiſſer ungenannter Frantzoſe hat mehr Theil daran, als ich. Und ich bin eher vor einen unſchuldigen Ueberſetzer, als fuͤr den Urheber dieſes Luſt-Spiels anzuſehen. JchJch ſehe mich genoͤthiget Jhnen dieſes zu bekennen: weil ich gemercket, daß Sie mir dieſelbe einzig und allein zuſchreiben, welche Ehre mir doch gar nicht gebuͤhret. Sie wiſſens, daß vor etlichen Jahren in den Janſeniſtiſchen Haͤndeln zu Paris al - lerhand Comoͤdien gedruckt worden, dieſe Secte dadurch laͤcherlich zu machen. Die allererſte und beſte darunter hieß: La Femme Docteur ou la Theologie Janſe - niſte tombèe en Quenouïlle. So bald ich dieſe zu leſen bekam, vergnuͤgte ich mich uͤber die ſinnreiche Art, welcher ſich der Verfaſſer bedienet hatte, die Froͤmmlinge und Scheinheiligen ſeines Orts zum Ge - laͤchter zu machen; Und ich wuͤnſchte von Hertzen, daß ſich auch in unſerer Kirche eine ſcharffſinnige Feder finden und dem Unheile der Scheinheiligkeit auf gleiche Art ſteuren moͤchte. Jch habe etliche Jahre vergebens darauf gewartet, und alſo end - lich ſelbſt den Entſchluß gefaſſet, doch nur zu meinem eigenen Vergnuͤgen, einen Ver - ſuch zu thun, in wie weit ſich die Erfindun -gengen des Frantzoͤſiſchen Scribenten auf un - ſern Zuſtand ſchicken wuͤrden. Jch kan auch nicht laͤugnen, daß ich viele Perſonen und gantze Auftritte ſeines Schau-Spiels gantz und gar ausgelaſſen, und hingegen manches von den meinem habe hinzu ſetzen muͤſſen. Doch wird derjenige, der das Original geleſen, nicht ohne Verwunde - rung wahrnehmen, daß dieſe Art von Son - derlingen ſich in Paris und Deutſchland ſo ſehr aͤhnlich ſehen. Bey dem allen aber iſt mirs niemahls in dem Sinn gekommen, dieſen Verſuch einer Comiſchen Schreib - Art, darinnen ich mich ſonſt niemahls ge - uͤbt, und dazu ich mich fuͤr gantz ungeſchickt halte, weder unter meinem Nahmen, noch ohne demſelben ans Licht zu ſtellen. Doch was wird mir dieſes alles helffen? nach - dem es mit der Sache einmahl ſo weit ge - kommen iſt, daß es nicht mehr bey mir ſte - het, den Druck derſelben zu hindern. Soll ich auf Eure Hoch-Edlen loßziehen, oder mich ſelbſt anklagen, daß ich ihnen dieſe Schrifft ſo treuhertzig anvertrauet? bey - des wird umſonſt ſeyn. Und ich ſehe alſowohl,wohl, daß ich mein Schickſal werde erwar - ten muͤſſen. Wenn es Jhnen aber immer moͤglich iſt; ſo thun ſie mir nur dieſes zu Lieb, und verhindern es, daß die Comoͤdie nicht gar zu haͤuffig abgedrucket, und ſon - derlich kein Exemplar davon hieher geſchi - cket werde. Dieſes iſts alles, was ich vor jetzo thun kan, um nicht verrathen zu wer - den. Uebrigens werden Sie meinen Nah - men auf das ſorgfaͤltigſte zu verſchweigen, und in der Vorrede die Welt zu uͤberzeugen wiſſen, daß ich an dem Drucke dieſer Schrifft keinen Theil gehabt, auch meinen Beyfall darzu nicht gegeben habe. Noch eins faͤllt mir ein: Koͤnnte man nicht, wenn die Herren, auf deren Koſten die Schrifft gedruckt wird, mit einigen Exem - plaren verſorgt ſind, alle uͤbrigen auf meine Koſten erhandeln, und mir ſelbſt zu - ſenden, das Geld ſoll mich nicht reuen, ſo ich darauf wenden muͤſte. Doch was wird es helffen; Wenn auch nur ein ein - tziges Exemplar an einen Gewinnſuͤchti - gen Buchhaͤndler kaͤhme: er wuͤrde es doch ohne Zweifel wieder auflegen laſſen.

Hiermit verharre ich ꝛc.

Spie -

Spielende Perſonen:

  • Herr Glaubeleicht.
  • Frau Glaubeleichtin,

    ſeine Frau.

  • Jungfer Dorchen,

    aͤlteſte Tochter des Herrn Glaubeleichts.

  • Jungfer Luischen,

    ihre Schweſter, und Ver - lobte des Herrn Liebmanns.

  • Herr Wackermann,

    ein Obriſter, und Bruder des Herrn Glaubeleichts.

  • Herr Liebmann,

    Braͤutigam der Jfr. Luischen.

  • Herr Magiſter Scheinfromm.
  • Der junge Herr von Muckersdorff,

    Schein - fromms Vetter.

    • Frau Zanckenheimin,
    • Frau Seuffzerin,
    • der Frau Glaubeleichtin ihre Beth-Schweſtern.

  • Frau Ehrlichin,

    eine gemeine Buͤrgers-Frau.

  • Cathrine,

    der Frau Glaubeleichtin ihre Magd.

  • Frau Bettelſackin,

    die Allmoſen-Sammlerin der Pietiſten.

  • Jacob,

    ein Pietiſtiſcher Buͤcher-Kraͤmer.

  • Der Advocat.
Der Schau-Platz iſt in Koͤnigsberg, in der Frau Glaubeleichtin Hauſe.
Die[1]

Die Pietiſterey im Eiſchbein-Rocke. Oder: Die Doctormaͤßige Frau.

Erſte Handlung.

Erſter Auftritt. Jungfer Luischen, Cathrine.

Jungfer Luischen.

Cathrine!

Cathrine.

Jungfer Luischen!

Jungfer Luischen.

Was iſt das wieder vor ein Pack Buͤcher, was du da verſteckſt?

ACa -
2Die Pietiſterey
Cathrine.

Ach! frage ſie nur nicht; ſie wirds ſchon zeitig genug erfahren.

Jungfer Luischen.

Wie? iſts ſchon wieder eine ſolche verzweifelte Scarteque, die die Mama mir immer zu leſen giebt?

Cathrine.

Ja, ja! das waͤre mir eine rechte Scarteque! Nein, meine liebe Jungfer Luischen! es iſt ein ſchoͤ - nes groſſes Werck in Octav, wenn ſie es wiſſen will: Und dancke ſie noch dem Autor, daß er, wie es ſcheint, des Luͤgens muͤde geworden iſt; ſonſt waͤre wahrhaftig ein guter Foliante daraus gewor - den. Leſe ſie nur den Titul: Fußſtapfen der Wunder GOttes im Haͤlliſchen Waͤyſen - Hauſe. Jſt das nicht luſtig?

Jungfer Luischen.

Ach Cathrine! ich aͤrgere mich faſt zu Tode.

Cathrine.

Ja, ja! ich glaube es wohl, daß ſie lieber einen Roman oder eine Comedie laͤſe; aber ihre Mama verſteht das Ding beſſer: Huͤbſche Hertzens-Cate - chiſmi; ein Heiliger oder ein Vieh; Hoburgs un - bekannter Chriſtus; Freylingshauſens Grundle - gung; das, das gehoͤrt zur Erziehung eines Maͤd - gens, welches in der Welt ſein Gluͤcke machen ſoll!

Jungfer Luischen.

Schweige doch nur!

Ca -
3im Fiſchbein-Rocke.
Cathrine.

Jch weiß wohl, daß ſie ſchon ſeit zwey Jahren an den Herrn Liebmann verſprochen iſt; und daß die Vollziehung der Heyrath nur auf die Mama ankoͤmmt: Allein, meynt ſie, daß die Frau Glau - beleichten ſie einem Manne geben werde, ehe ſie recht Doctormaͤßig, und in der Lehre vom wahren in - nern Chriſtenthume des Hertzens recht befeſtigt iſt? Nicht ſo, nicht ſo! Jch wette, daß ſie noch nicht einmahl weiß, was Chriſtus in uns, und die Salbung ſammt dem Durchbruche ſey?

Jungfer Luischen.

Zum Hencker! Wozu ſoll ichs denn wiſſen?

Cathrine.

Wie? und ſie will heyrathen? Pfuy Jungfer Luischen!

Jungfer Luischen.

Ach! ich bitte dich, ſtehe doch nur der Mama nicht bey. Jſt wohl ein ungluͤcklichers und naͤrri - ſcher erzogenes Maͤdgen in der Welt, als ich? Meine Mutter, welche ſelbſt nicht mehr weiß, was ſie in der Welt fuͤr eine Figur machen ſoll, hat ſich die naͤrriſchen Grillen der Pietiſterey in dem Kopf geſetzt. Was hat ſie nicht fuͤr einen Character! wie hartnaͤckigt und eigenſinnig iſt ſie nicht, bey aller ihrer ſcheinbaren Gelindigkeit!

Cathrine.

Gelindigkeit? Ja! man verlaſſe ſich nur darauf!

A 2Jung -
4Die Pietiſterey
Jungfer Luischen.

Zwey Jahre bin ich ſchon dem Herrn Liebmann verlobt; gleichwohl habe ich kaum die Erlaubniß ihn zu ſprechen. Jch ſehe niemanden, als allerley Arten von Heuchlern, Canditaten, Magiſters, und laͤcherliche Beth-Schweſtern. Zu Hauſe ſchwatzt man von lauter Orthodoxen und Ketzerma - chern; gehe ich aus, ſo muß ich eben wieder ſolch Zeug anhoͤren. Du weiſt, daß ich der Mama zu gefallen Speners Predigten von der Wiedergeburt, und ſo viel anderes Zeug, gantz auswendig gelernet habe. Jch habe mich bisher geſtellt, als wenn ich mit ihr einer Meinung waͤre; damit ich ſie nur gewinnen moͤchte: Aber nun bin ichs auch uͤber - druͤßig. Jch kanns nicht laͤnger aushalten! Und wo mein Vater nach ſeiner langen Abweſenheit nicht bald wieder koͤmmt, und allen dieſen Verwir - rungen ein Ende macht; ſo

Cathrine.

O ja doch! Sie iſt gewiß von den Leuten, die was rechts unternehmen. Sie hat ja nicht das Hertze der Mama ein Wort zu ſagen.

Jungfer Luischen.

Es iſt wahr! Aber nun habe ich mir es vorge - ſetzt: Jch will nicht laͤnger heucheln! Jch will ihr meine Meinung ſagen, und wanns noch heute waͤre.

Cathrine.

Jch muß geſtehen, daß ihr Herr Vater ſehr un -billig5im Fiſchbein-Rocke. billig handelt, daß er uns ſo lange Zeit dem Eigen - ſinne ſeiner naͤrriſchen Frauen uͤberlaͤſſt. Er hat ſie verlobet: Sie ſoll die Hochzeit vollziehen, in - deſſen reiſet er ſeiner Geſchaͤffte wegen nach Engel - land. Der liebe GOtt ſey mit ihm! Mich duͤnckt aber er wird bey ſeiner Wiederkunft ſehr erſchrecken, wenn er ſie noch ledig, und ſein Haus in dieſem ſchoͤnen Zuſtande finden wird. Sein Keller iſt zur Buchdruckerey; ſeine Boͤden ſind zu pietiſtiſchen Buchlaͤden; und ſeine Zimmer zu Winckel-Kir - chen geworden. Wie wird er nicht erſtaunen, wenn er einen Hauffen begeiſterter Boͤhmiſten und Quaͤcker finden, und ſeine Frau als eine Paͤbſtin unter ihnen ſitzen ſehen wird. Die Laquaien ſelbſt zancken ſich ſchon uͤber die dunckeln Schrifft-Stel - len; und ich hoͤrte nur noch neulich, daß der Kut - ſcher ſeine Pferde vor Orthodoxen ſchalte; weil er kein aͤrger Schimpf-Wort wuſte.

Jungfer Luischen.

Aber du ſelbſt ſchmeichelſt der Mama am aller - meiſten in dieſer Thorheit.

Cathrine.

O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich kriege ſelbſt ein Anſehn im Spiele. Glaubt ſie wohl, daß Herr Magiſter Haͤngekopf mit mir ſchoͤne thut? und daß die Schuld nicht an ihm liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe. A 3Aber6Die PietiſtereyAber GOtt ſey Danck! Jch bin ſehr Orthodox auf meine Ehre!

Jungfer Luischen.

Du biſt nicht klug! was meinſt du aber von meiner Schweſter? mich duͤnckt ſie ſucht der Mama meine Heyrath aus dem Sinne zu reden.

Cathrine.

Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen? Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn Liebmann.

Jungfer Luischen.

Was ſagſt du? Meine Schweſter iſt ſo tu - gendhafft! Sie iſt mit lauter Religions-Zaͤncke - reyen beſchaͤfftiget. Es ſcheint, daß ſie die Welt recht ernſtlich haſſet. Sie kan ſich ja kaum ent - ſchlieſſen einen Fiſchbein-Rock zu tragen.

Cathrine.

Das iſt wahr! Aber die ſtrengſte Tugend hat ihre ſchwache Seite.

Jungfer Luischen.

Mich troͤſtet die Hoffnung, daß mein Vater bald wieder kommen wird.

Cathrine.

Er wird ja freylich bald kommen muͤſſen: Und es heiſt auch in dem letzten Briefe: Er wuͤrde mit eheſten eintreffen.

Jungfer Luischen.

Wenn er aber nicht kaͤme? Koͤnnte nicht auchmein7im Fiſchbein-Rocke. mein Vetter die Mama bewegen, daß ſie meine Heyrath vollzoͤge? Er hat mir verſprochen, noch heute mit ihr davon zu ſprechen. Was meinſt du?

Cathrine.

Wer? der Herr Vetter Wackermann? Nein, Jungfer Luischen! Herr Wackermann iſt ein Of - ficier, ein redlicher, vernuͤnfftiger, verſtaͤndiger Mann, der mit ihrer Mama nur klug und vernuͤnfftig redet: Aber damit nimmt ſie kein Menſch ein! Doch ich muß gehen.

Jungfer Luischen.

Hoͤre doch! Es faͤllt mir ein, ob wir nicht den Herrn Scheinfromm gewinnen koͤnnten? Er gilt viel bey der Mama.

Cathrine.

Ja! das weiß ich! aber trau ſie ihm nicht. Die Mama thut nichts, als was dieſer heilige Mann ihr einblaͤſet: Es iſt alſo ſehr wahrſcheinlich, daß er wohl gar ſelbſt die Urſache ihrer verzoͤgerten Hochzeit iſt. Wer weis, was er fuͤr einen Nutzen darunter ſucht? Er hat einen Vetter.

Jungfer Luischen.

Nun? Er hat einen Vetter?

Cathrine.

Geb ſie acht! Er hat ſich wohl gar in den Kopf geſetzt, daß ſein Vetter ihr Mann werden ſoll: Und wenn er es erſt beſchloſſen hat; an der Mama wird es nicht fehlen. Denn es iſt erſchrecklich, derA 4Menſch8Die PietiſtereyMenſch hat keine Verdienſte, er hat keinen Ver - ſtand, es iſt gar nichts an ihm: Und er hat mit ſeinen heuchleriſchen Mienen und Reden die Frau ſo eingenommen. Dem ſey wie ihm wolle; Jch mercke daß er ſeit einiger Zeit gegen mich ſehr hoͤff - lich thut. Vielleicht hat er mir etwas zu entdecken. Jch wills abwarten. Aber ſtille! Da koͤmmt ihre Mama mit der Jungfer Schweſter.

Zweyter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Jungfer Dor - chen, Jungfer Luischen und Cathrine.

Frau Glaubeleichtin.

Nun Cathrine! du bringſt uns keine Antwort?

Cathrine.

Ach es geht viel neues vor!

Jungfer Dorchen.

Sags doch geſchwinde!

Cathrine.

Es ſteht ſehr ſchlecht mit der Orthodoxie.

Frau Glaubeleichtin.

Das glaube ich wohl; aber wie?

Cathrine.

Man ſagt, etliche Haͤlliſche Juriſten

Jung -
9im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Dorchen.

Nun die Haͤlliſchen Juriſten?

Cathrine.

Man ſagt, die Haͤlliſchen Juriſten haben eine neue Schrifft wider ſie heraus gegeben.

Jungfer Dorchen.

Ey! Mama, das iſt ſchoͤn! das iſt ſchoͤn! Nun werden die Wittenberger anders pfeiffen muͤſſen.

Cathrine.

Noch viel aͤrger! man ſagt, die Mediciner wer - den ſich auch drein mengen, und man will die Land - Pachter zu Richtern annehmen.

Frau Glaubeleichtin.

Das hat keine Noht! die Juriſten werdens ſchon machen. Aber wo haſt du das gehoͤrt?

Cathrine.

Der dicke Geiſtliche, da der ſo wider die Schrifft - und Bibel-Theologie predigt je! der ſo luſtig iſt Herr Herr Weinfaß hats mir geſagt.

Frau Glaubeleichtin.

Gut, gut! da haben wir in unſerer Zuſammen - kunfft wieder was zu plaudern. Jſt dirs nicht lieb Dorchen?

Jungfer Dorchen.

Ungemein! liebe Mama!

A 5Frau
10Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Und dir Luischen?

Jungfer Luischen.

Ja! Mama!

Frau Glaubeleichtin.

Was haſt du mehr gehoͤrt Cathrine?

Cathrine.

Man ſagt, die Waͤchter haben dieſe Nacht auf der Leſtadie*Eine uͤbel beruͤchtigte Vorſtadt in Koͤnigsberg. einen Geiſtlichen zu packen bekom - men, den man fuͤr einen Prieſter aus dem Loͤbe - nicht gehalten hat.

Frau Glaubeleichtin.

Verzweifelt! ſeht! das ſind Leute! der wird was ſchoͤnes im Wercke gehabt haben.

Cathrine.

Es hat ſich aber befunden, daß er aus dem Collegio Fridericiano geweſen.

Frau Glaubeleichtin.

Ach der arme Menſch! Er hat gewiß ein gott - ſeelig Vorhaben gehabt! Haſt du nicht den Herrn Scheinfromm geſehen?

Cathrine.

Ja! Er hat ſich die Nacht ſchlecht befunden, weil er geſtern Abend die drey erſten Seiten aus Neumeiſters Prieſterlichen Lippen geleſen hat.

Frau
11im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Der heilige Mann! Warum lieſt er auch ſolch armſeeliges Zeug?

Cathrine.

Heute befindet er ſich ſchon beſſer. Wie ich kam, ſaß er eben mit zwey andern ſtrengen heiligen Geiſt - lichen bey einem guten Fruͤh-Stuͤcke.

Frau Glaubeleichtin.

Der Mann iſt wohl ein rechtes Vorbild der er - ſten Glaͤubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat mir zuerſt die Lehren von Natur und Gnade, und vom innern Weſen der Jchheit beygebracht. Er hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben, und die Salbung des Geiſtes ſchmecken ſoll, welche in den Schrifften unſerer Haͤlliſchen Maͤnner GOt - tes befindlich iſt. Gewiß! der Mann beſitzt den Geiſt der erſten Kirche in einem hohen Grad! Doch ihr kennt ihn alle. Wo biſt du mehr geweſen?

Cathrine.

Jch habe die Frau Plappergern geſprochen, welche einen neuen Krafft - und Kern-Catechiſmum fuͤr ihr Haus verfertigt. Jch bin bey der Frau Zanckenheimin geweſen, welche eben mit einem Magiſter diſputirte. Frau Seuffzerin ſaß mit einem Geiſtlichen beym Nacht-Tiſche. Herr Ma - giſter Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und Herr Magiſter Klapperſtorch unterſuchet eine Wit -ten -12Die Pietiſtereytenbergiſche Diſputation. Sie laſſen ſie alle ſchoͤn - ſtens gruͤſſen, und werden bald in der Zuſammen - kunfft erſcheinen. Jch habe auch den Herrn Obri - ſten Wackermann, ihren Herrn Schwager, ange - troffen; er fragte mich: Ob ſie dieſen Morgen zu ſprechen waͤren? Jch glaube, er wird auch kommen.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! er kan immer da bleiben! Was haſt du denn da vor ein Buch?

Cathrine.

O das iſt ein Buch! daran werden ſie ſich er - goͤtzen! Herr Magiſter Ungeſtuͤm ſchickt es ihnen.

Frau Glaubeleichtin
(lieſet.)

Fußſtapffen der Wunder GOttes im Haͤlliſchen Waͤyſenhauſe. Ach meine Kin - der! das iſt ein herrliches Werck.

Jungfer Dorchen.

Das wird ſchoͤn zu leſen ſeyn.

Frau Glaubeleichtin.

Da habt ihrs, lieben Kinder! Jhr ſollet es zu - erſt leſen, ſo gern ich es auch ſelbſt leſen moͤchte.

Jungfer Luischen.

Wenn meine Schweſter es gern bald leſen will, ſo will ich ſchon warten.

Frau Glaubeleichtin.

Nein! nein! ihr koͤnnts beyde zuſammen leſen, damit ihr die Luſt mit einander theilet. Jch habewas13im Fiſchbein-Rocke. was anders zu leſen, davon ich nicht gerne eine Zeile uͤberhuͤpffen wollte. Wenn mein Schwager koͤmmt, ſo rufft mich. Cathrine komm! raͤume meinen Nacht-Tiſch auf!

(Gehen ab.)

Dritter Auftritt. Jungfer Dorchen, Jungfer Luischen.

Jungfer Dorchen.

Mich duͤnckt, Schweſter, daß du nach dem Le - ſen dieſes Buchs eben kein groſſes Verlangen traͤgſt.

Jungfer Luischen.

Was ſoll ich denn leſen? Jch ſehe, daß alle die Schrifften immer einerley ſagen. Ein erſchrecklich Klagen uͤber die Orthodoxen; etliche Spruͤche aus der Heil. Schrifft, oder aus Doctor Luthern, wohl oder uͤbel angewandt; ein Hauffen Geſchrey vom verborgenen inneren Funcken, und allerley Ge - ſchwaͤtze, was ich nicht verſtehe; das iſt alles, was ich darinnen finde.

Jungfer Dorchen.

Was du nicht verſtehſt. Du muſt ſehr dumm ſeyn.

Jungfer Luischen.

Das kan wohl ſeyn. Mein Troſt iſt aber, daß ich hierinnen vielen andern Perſonen gleich bin, die man doch eben nicht fuͤr ſo gar dumm haͤlt.

Jung -
14Die Pietiſterey
Jungfer Dorchen.

Ja! aber ſie beſchaͤfftigen ſich mit lauter Klei - nigkeiten.

Jungfer Luischen.

Es iſt wahr, ſie bemuͤhen ſich nur, ihre Haus - haltung zu beſtellen; ihre Kinder zu erziehen; ihre Bediente zu regieren; und auf dieſe Art theilen ſie ihre Zeit in die Haͤußlichen und Chriſtlichen Pflich - ten ein: Jch glaube aber, daß man ſie deswegen eben ſo hoch haͤlt, als diejenigen, welche ſich be - muͤhen uͤber Dinge zu vernuͤnffteln, die ſie nicht verſtehen.

Jungfer Dorchen.

Meine liebe Schweſter, das heiſſt ſo viel: daß du lieber mit dem Herrn Liebmann redeſt, und daß du ihn beſſer verſteheſt?

Jungfer Luischen.

Es iſt wahr! bedencke aber auch, daß ich mei - nes Vaters Erlaubniß dazu habe; welcher mir befahl, den Liebmann als meinen beſtimmten Mann anzuſehen.

Jungfer Dorchen.

Schwachheit!

Jungfer Luischen.

Das kan wohl ſeyn, meine Schweſter; aber du kanſt ſie mir leichtlich vergeben: Die Eigenſchafft mit lauter himmliſchen Sachen umzugehen, iſt nicht allen Leuten gegeben, ſo, wie dir.

Jung -
15im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Dorchen.

Das heiſſt ſo viel: Jch koͤnnte gar nicht ans Heyrathen gedencken, wenn ich wolte? O! nein! du irreſt dich ſehr. Jch halte den Eheſtand an ſich ſelbſt fuͤr keine Schwachheit; ſondern das koͤmmt mir nur nicht billig vor, daß man ihn als eine ernſthaffte und wichtige Sache anſieht, und dar - uͤber die Erkaͤnntniß des innern Chriſtenthums aus den Augen ſetzet.

Jungfer Luischen.

Es iſt wahr! die irrdiſchen Gedancken kommen dir gar nicht in den Sinn. Doch hoffe ich nim - mermehr, daß du dir auf den Liebmann einige Rech - nung machen wirſt.

Jungfer Dorchen.

Warum nicht? du bildeſt dir ein wenig zu viel auf deines Vaters Einwilligung ein!

Jungfer Luischen.

Wie! Dorchen? willſtu mir den Braͤutigam abſpaͤnſtig machen, den mir mein Vater gegeben hat?

Jungfer Dorchen.

Das ſage ich eben nicht; aber ich verſtehe mich wohl. Doch da kommt der Vetter und die Mama. Sie kommen als wie geruffen! Wenn du willſt, ſo wollen wir gehen, und unſer Werck zu leſen an - fangen.

Vier -16Die Pietiſterey

Vierter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Herr Wacker - mann.

Herr Wackermann.

Nun Jungfer Muhmen! jage ich ſie weg?

Frau Glaubeleichtin.

Laſſen ſie ſie nur gehen: Sie wollen etwas mit einander leſen; ſie aber, Herr Bruder, werden mir vielleicht wieder eine Predigt zu halten haben?

Herr Wackermann.

Ja! Frau Schweſter! Jch habe ihnen einen ſehr vernuͤnfftigen Vorſchlag zu thun; nemlich daß ſie ihre Tochter Luiſe verheyrathen ſollen. Jch kan den langen Aufſchub einer Sache nicht begreiffen, die ſchon vor zwey Jahren ſollte geſchehen ſeyn.

Frau Glaubeleichtin.

Jſts nicht wohl ſchon das hundertſte mahl, daß ſie mir davon ſagen?

Herr Wackermann.

Freylich!

Frau Glaubeleichtin.

Nun? haben ſie etwas damit ausgerichtet?

Herr Wackermann.

Zum Hencker? was ſollte ich ausrichten?

Frau
17im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Warum geben ſie ſich denn immer vom neuen die Muͤhe?

Herr Wackermann.

Je! warum kan man ſie gar nicht uͤberreden?

Frau Glaubeleichtin.

Warum? was haben ſie denn fuͤr Recht darzu? ſind ſie mein Vormund? mein Gevollmaͤchtigter? ſie ſind doch nichts mehr, als mein Schwager?

Herr Wackermann.

Das iſt freylich wenig genung! Wir wollen aber vernuͤnfftig reden, ohne uns zu aͤrgern.

Frau Glaubeleichtin.

Jch? ich ſollte mich aͤrgern? Ach! die Schwach - heit der verderbten Natur habe ich laͤngſt abgelegt! dem Herrn Scheinfromm ſey Danck dafuͤr.

Herr Wackermann.

Sehr ſchoͤn! aber mit aller vorgegebenen Sanfftmuth ſind ſie im Stande die gantze Welt tolle zu machen. Jch muß bekennen, der Herr Scheinfromm bringt ihnen ſchoͤne Sachen bey.

Frau Glaubeleichtin.

Ey, Herr Bruder! ſeyn ſie doch ſanfftmuͤthig und liebreich. Sie haſſen den Hrn. Scheinfromm, weil er ein Heiliger iſt.

Herr Wackermann.

Sie irren ſich ſehr! Jch habe die Tugend jeder -Bzeit18Die Pietiſtereyzeit geehret und geliebet: Aber, wenn ich ihnen die Wahrheit ſagen ſoll, diejenige, ſo Scheinfromm ausuͤbet, hat mir niemahls gefallen wollen.

Frau Glaubeleichtin.

Warum denn nicht?

Herr Wackermann.

Jch will nicht fagen, daß Scheinfromm ein dum - mer Menſch iſt, der nichts weiter als einige heilige Geberden an ſich hat. Jch ſage nur, daß, ſeit der Zeit die Frau Schweſter ihr Vertrauen auf ihn geſetzt haben, ihr gantzes Haus-Weſen im Verfall geraͤth. Das Geſinde kriegt keinen Lohn; die Toͤchter werden nicht verſorgt; ihr Haus iſt der all - gemeine Sammelplatz von den naͤrriſchen Schmie - ralien und Leuten, die nur in der Stadt ſind: Und da ſie vormahls auf meinen Rath noch etwas ga - ben, ſo geben ſie ſich jetzo kaum die Muͤhe, mich anzuhoͤren.

Frau Glaubeleichtin.

Ey, Herr Bruder! ein wenig Sanfftmuth und Liebe! Sie kennen die wahre Tugend noch ſehr ſchlecht.

Herr Wackermann.

Es ſey drum. Aber kurtz von der Sache zu re - den, der arme Liebmann jammert mich. Laſſen ſie ſich doch erbitten, Frau Schweſter! Was haben ſie davon, zwey junge Leute zu quaͤlen?

Frau
19im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Herr Liebmann mag ſich quaͤlen, wie er will. Was aber meine Tochter betrifft, ſo bin ich von ihr eines gantz anderen uͤberfuͤhrt. Sie kennen ſie und ihre Erziehung gewiß ſehr ſchlecht. Das arme Kind denckt viel ans Heyrathen. Behuͤte GOtt! ſeit dem ſie unſere Schrifften geleſen hat, ſo beſchaͤfftiget ſie ſich mit viel ernſthaffteren Sachen.

Herr Wackermann.

Sie meynen alſo, die Jungfer Muhme ſey mit ihren Zaͤnckereyen ſo gar beſchaͤfftiget, daß ſie dar - uͤber das Heyrathen vergiſſt? Wenn ſie das glau - ben, ſo kan ich ihnen berichten, daß ſie von uns zweyen diejenige Perſon ſind, welche ſich irret.

Frau Glaubeleichtin.

Nun gewiß, ſie ſind recht halßſtarrig! Jch will ſie herruffen, damit ich den Herrn Bruder nur uͤberzeuge. Komm her, Luischen! man hat dir was zu ſagen.

Herr Wackermann.

Meinetwegen. Allein erlauben ſie ihr auch, ihre Gedancken frey zu ſagen: Und, wenn ſich die Sache ſo verhaͤlt, wie ich dencke, ſo willigen ſie endlich in unſere Bitte.

Frau Glaubeleichtin.

O! wenn ſich die Sache ſo verhaͤlt, ſo werde ich ſchon ſelbſt wiſſen, was zu thun iſt.

B 2Fuͤnf -20Die Pietiſterey

Fuͤnfter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Herr Wacker - mann, Jungfer Luischen.

Frau Glaubeleichtin.

Luischen! Glaubſt du wohl, daß dich hier der Herr Vetter je eher je lieber an den Herrn Liebmann verheyrathet wiſſen will? Antworte! ich bin ge - wiß verſichert, das es dir nicht in den Sinn koͤmmt.

Jungfer Luischen.

Was wuͤrde es mir helffen, wenn ich gleich daran gedaͤchte?

Frau Glaubeleichtin.

So denckſt du nicht mehr daran?

Jungfer Luischen.

So wenig, als moͤglich iſt.

Frau Glaubeleichtin.

Nun, Herr Bruder! da ſehen ſie es.

Herr Wackermann.

Wie? ſehen ſie denn nicht, daß ſie nur nicht das Hertz hat zu reden?

Frau Glaubeleichtin.

Mein GOTT! wie eigenſinnig ſind ſie! Luis - chen! ich ſage es dir noch einmahl, und befehle es dir, ſage uns deine rechte Meynung.

Jung -
21im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Mama! wenn ich ſaͤhe, daß es ihnen ein Ernſt waͤre, mich zu verheyrathen, ſo wollte ich ihnen gantz gerne meine rechte Meynung ſagen: Da ich aber weiß, daß dieß nicht iſt; ſo iſts unnoͤthig, ih - nen meine Gedancken zu entdecken.

Herr Wackermann.

Nun! da hoͤren ſie es.

Frau Glaubeleichtin.

So! ſo! du biſt ſehr vorſichtig, wie ich ſehe. Erklaͤre dich, und ſage uns deine Meynung.

Jungfer Luischen.

Jch darf nicht.

Frau Glaubeleichtin.

Wie? du darffſt nicht?

Jungfer Luischen.

Nein, Mama! ſie moͤchten boͤſe werden.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! ich verſtehe dich nur gar zu wohl, du Ra - ben-Aas! Du willſt deine eigene Schande nur nicht bekennen. Der Liebmann iſt dir ans Hertze gewachſen. Alle die heiligen Leute, welche bey mir aus und eingehen; alle die Frauen, welche wider die Orthodoxie und fuͤr die Gnade ſo ſehr eifern; alle die bedeuten nichts bey dir gegen deinen Lieb - mann. Das iſt der Gegenſtand deiner irrdiſchen Luͤſte, welche im Hertzen herrſchen; das ſind dieB 3Ge -22Die PietiſtereyGedancken, womit du umgehſt, an ſtatt, daß du hoͤhern Dingen nachſtreben, und die heiligen Buͤ - cher, welche man dir in die Haͤnde liefert, genieſſen ſollteſt. Haſt du wohl ſchon das geringſte in dem Buche geleſen, was ich dir gab?

Jungfer Luischen.

Ja, Mama! aber

Frau Glaubeleichtin.

Nun! was aber?

Jungfer Luischen.

Der bloſſe Titel des Buchs koͤmmt mir ſchon ſo grob und eifrig vor, daß ich das Werck unmoͤglich werde leſen koͤnnen? Und was lerne ich auch daraus?

Frau Glaubeleichtin.

Was du daraus lernſt? du dummes Thier!

Herr Wackermann.

O ſchoͤn! das nennt man Sanfftmuth und Liebe!

Frau Glaubeleichtin.

Daraus lernſt du, was die Wittenberger fuͤr gefaͤhrliche und der wahren innern Religion ſchaͤd - liche Leute ſind.

Herr Wackermann.

Gut! das nennt man das Chriſtenthum!

Frau Glaubeleichtin.

Welche die Sittenlehre verderben; die Sittenſelbſt23im Fiſchbein-Rocke. ſelbſt verkehren, den gantzen innern Menſchen zer - nichten, und die Liebe zu GOtt nicht dulden koͤnnen.

Herr Wackermann.

Mein GOtt! was Liebe und Sanfftmuth!

Jungfer Luischen.

Aber liebe Mama

Frau Glaubeleichtin.

Nun?

Jungfer Luischen.

Was brauch ichs, die Orthodoxen zu kennen?

Frau Glaubeleichtin.

Wie? du ungelerniges Thier? Chriſtus in uns; die Freyheit der Kinder GOttes; die Geſetze der Liebe; der unumſtoͤßliche Grund des gantzen Chri - ſtenthums; die unbefleckte Lauterkeit des Hertzens; iſt dir das alles gleich viel?

Herr Wackermann.

Potz tauſend, Frau Schweſter! wo nehmen ſie alles das ſchoͤne Zeug her? das ſind ja Woͤr - ter, womit man vier Theologiſche Reſponſa aus - ſpicken koͤnnte.

Jungfer Luischen.

Behuͤte mich GOtt dafuͤr, Mama. Jch ver - ehre alles das, als heilige Sachen; aber ich ſehe nicht, was ich mich drein zu miſchen habe; und ob uͤberhaupt ein Frauenzimmer

Herr Wackermann.

Warhafftig, ſie hat recht! und wenn ihr wollt,B 4daß24Die Pietiſtereydaß ſie das alles wiſſen ſoll; ſo muͤßt ihr ſie nach Wittenberg oder Roſtock ſchicken.

Frau Glaubeleichtin.

A ha! Du ſiehſt nicht? dein Liebmann hindert dich ohne Zweifel daran! Nun, es iſt ſchon gut! weil du ſo gerne verheyrathet ſeyn willſt; ſo kan es noch eher geſchehen, als du denckeſt; aber nicht mit deinem Liebmann, das berichte ich dir.

Jungfer Luischen.

Ach, Mama!

Frau Glaubeleichtin.

Bekuͤmmere dich nicht! man hat mir einen jun - gen Menſchen vorgeſchlagen, der ſich viel beſſer fuͤr dich ſchickt, als Liebmann. Jch werde darauf dencken. Jtzt kannſt du gehen; aber ſchicke mir Cathrinen her.

Jungfer Luischen.

O mein GOtt!

(Geht ab.)

Sechſter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Herr Wa - ckermann, Cathrine.

Herr Wackermann.

Sie ſehen alſo wohl, daß ich recht habe.

Frau
25im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Ja, ich ſehe, daß ſie ſich um meine Sachen ein wenig zu ſehr bekuͤmmern: Sie koͤnnten mich mit meinen Kindern nur zu frieden laſſen, wenns ihnen beliebt.

Herr Wackermann.

Wie? ſoll denn der arme Liebmann gar nichts zu hoffen haben?

Frau Glaubeleichtin.

Gantz und gar nichts! Cathrine, vergiß nicht den Herrn Scheinfromm zu mir zu bitten.

Herr Wackermann.

Jſt ers vielleicht, der ihnen den jungen Menſchen zum Schwieger-Sohne vorgeſchlagen hat?

Frau Glaubeleichtin.

Was geht es ihnen an? Ja, er iſts, wenn ſie es wiſſen wollen; geben ſie ſich nur zu frieden. Jch weiß ſchon, was ich zu thun habe. Und da - mit ich ſie nur mit einem mahle ſtumm mache: So kan die Hochzeit vielleicht noch heute vor ſich gehen.

Herr Wackermann.

Jch ſeh es freylich wohl, daß ſie lieber dem Rathe ihrer frommen Bruͤder folgen wollen, als dem meinigen. Denn deren Eingebungen ſind von GOtt; alles, was ſie ſagen, ſind lauter Ora - kel; die Wahrheit redet nur durch ihren Mund; Wir andere ſind alle dumm und naͤrriſch.

B 5Frau
26Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Gut, gut! da ſind wir auf einer andern Ma - terie. Fahren ſie fort, wenn ſie belieben; nun will ich ihnen gerne zuhoͤren.

Herr Wackermann.

Jn Wahrheit, Frau Schweſter! ſie haben von ihrer Auffuͤhrung ſchlechte Ehre in der Welt. Sie thaͤten viel beſſer, wenn ſies wie andere Frauens machten, die ſie kennen; welche, ohnge - acht ſie ſehr klug ſind, ſich dennoch eine Ehre dar - aus machen, von den Religions-Streitigkeiten nichts zu wiſſen. Wozu Hencker ſtecken ſie denn immer mit allerley Weibern und Pietiſten zuſam - men, mit welchen ſie die Theologiſchen Facultaͤten, die Schrifften der Wittenberger und Roſtocker, und ſonſt hundert andere Dinge, davon ſie nichts verſtehen, verachten oder loben? Was wuͤrde doch die Welt ſagen, wenn ſie ſich eben ſo in die Ju - riſterey miſchen wollten, als in die Theologie? Wuͤrde man ſie nicht auslachen?

Frau Glaubeleichtin.

Sie muͤſſen uns fuͤr ſehr dumm halten.

Herr Wackermann.

Fuͤr dumm? Nein! Sie wiſſen alles, was ſie wiſſen ſollen: Nehen, ſtricken, ſticken, und viele andere Sachen, die ihrem Geſchlechte zukommen. Sie haben auch Verſtand; und ich glaube, daßſie27im Fiſchbein-Rocke. ſie mehr haben, als viele andere Frauen, ja, als viele Maͤnner: Aber von der Theologie wiſſen ſie nichts.

Frau Glaubeleichtin.

Und warum nicht? Vielleicht weil ich nicht in Roſtock ſtudiret habe? Giebt denn der ſchwartze Prieſter-Rock und Mantel dieſe Gelehrſamkeit? Muß man denn ſo gar gelehrt ſeyn, um die Geheim - niſſe und Grund-Saͤtze der Religion zu wiſſen? und die Saͤtze von dem innern Funcken, von der Ver - ſenckung der Seelen in GOtt, von der Unmoͤglich - keit, daß ein Wiedergebohrner ſuͤndigen koͤnne, ein - zuſehen? Ach, Herr Bruder! wer die Buͤcher von unſern Herren geleſen hat, der verſteht von der Theo - logie viel mehr, als ſie dencken. Fragen ſie nur Cathrinen.

Cathrine.

Ja, gewiß! Jch habe zwar nicht ſo viel Ver - ſtand, als Frau Glaubeleichtin, daß ich die Theo - logie ſo gut faſſen koͤnnte; aber ſo viel getraue ich mir doch zu, daß ich ein Advocat beym Hof-Ge - richte ſeyn koͤnnte.

Herr Wackermann.

Ha! ich ſehe, daß ſie alle beyde ſehr viel verſte - hen. Aber woher wiſſen ſie, daß das, was ſie behaupten, wahr oder falſch ſey? Denn darauf koͤmmts an.

Frau
28Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Woher ichs weiß? das iſt eine artige Frage! Weiß ichs nicht aus Spenern, Taulern, Francken, und Jacob Boͤhmen, deren Schrifften mir unſere Herren gegeben haben? Cathrine! antworte ihm doch.

Cathrine.

Ey! ſchaͤmen ſie ſich doch, Herr Obriſter! Sie dencken gewiß, wir ſind wie das Orthodoxe Frauen - zimmer, welches nichts anders weiß, als den Ca - techiſmum und die Gebethe. Uber dieſe Kleinigkei - ten ſind wir laͤngſtens weg. Haͤtte ich nur eines von der Frau Glaubeleichtin ihren Buͤchern hier, ſo wollte ich ihnen Stellen aufſchlagen, daran ſie bis Morgen Abend genug zu leſen haͤtten.

Herr Wackermann.

Gut! wenn aber eure Herren die Stellen uͤbel auslegen?

Frau Glaubeleichtin.

Das werden ſie mir wohl nimmermehr beweiſen.

Herr Wackermann.

Sie haben Recht. Denn da ich kein ſo groſſer GOttes-Gelehrter bin, als ſie; ſo kan ich ſie frey - lich nicht uͤberzeugen. Aber ich weiß doch, daß eine groſſe Menge anderer GOttes-Gelehrten, welche wenigſtens eben ſo geſchickt ſind, als die ihrigen, dafuͤr halten, daß dieſe Stellen uͤbel verſtandenwerden;29im Fiſchbein-Rocke. werden; und mich duͤnckt, dieß waͤre allein genung zu ihrer Ueberzeugung.

Fr. Glaubeleichtin,
(ſpoͤttiſch laͤchelnd.)

Das werden mir ſchoͤne GOttes-Gelehrten ſeyn! Ha! ha! ha! ha! Die ſchwuͤlſtigen raſenden Ca - lovianer etwan?

Herr Wackermann.

Wie Frau Schweſter? Alle unſere GOttes - Gelehrten, alle Theologiſche Facultaͤten, unſere Lehrer, unſere Prediger ſollten, auſſer einer gerin - gen Anzahl Heuchler, ſchwuͤlſtige und raſende Ca - lovianer ſeyn?

Frau Glaubeleichtin.

Ey! ey! das waren wieder ſchoͤne Leutchen.

Cathrine.

Warum nehmen ſie nicht auch den Doctor Luther noch darzu, mit ſeinem gantzen Anhange? Ho! ho! ho! ho!

Frau Glaubeleichtin.

Cathrine! was ſagſt du darzu?

Cathrine.

Gewiß, Madame, ich glaube, daß ſie al - leine zwantzig Orthodoxen GOttes-Gelehrten die Wage halten, und ihre uͤbrigen Freundinnen nach Proportion. Was mich betrifft; ſo muͤſte es ge - wiß ſehr ſchlecht ſeyn, wenn ich nicht wenigſtens ſo gut waͤre, als ein halb Dutzend ſolcher Herren. Wenn30Die PietiſtereyWenn wir nun ſo rechnen wollen; ſo haben wir die meiſten GOttes-Gelehrten auf unſerer Seite.

Herr Wackermann.

Wahrhafftig! ihr ſeyd alle beyde naͤrriſch! Jch bedaure euch!

Frau Glaubeleichtin.

Ach! wir ſind naͤrriſch. Ha! ha! ha! Ca - thrine, wir ſind naͤrriſch! was ſagſt du doch darzu? Er bedauret uns. Ach Herr Bruder! was wir ſagen, das uͤberſteiget ein wenig die Faͤhigkeit eines Soldaten: Wenigſtens muͤſſen ſie mit uns keinen Streit anfangen. Wie wuͤrden ſie nicht erſchre - cken, wenn ſie in unſern Verſammlungen manche Frau hoͤren ſollten, wenn ſie ihre Gedancken von der Reinigkeit der allererſten Kirchen Lehrer, und von der Chriſtlichen Sitten-Lehre ihre Gedancken auslaͤſſt. Kommen ſie doch nur einmahl herein: Und denn ſagen ſie, ob wir die Theologie verſtehen, oder nicht?

Herr Wackermann.

Potz tauſend! das will ich thun. Die Sache iſt ſehenswerth, denn ſie koͤmmt nicht ofte vor. Jch will gewiß hinein kommen. Jch wollte zwar in die Comoͤdie gehen; allein ich werde nichts dabey verliehren. Die wackern Orthodoxen werden ge - wiß von euch nicht verſchonet werden; und GOtt weiß, wie es dem armen Fechten und Wernsdorffen gehen wird.

Fr.
31im Fiſchbein-Rocke.
Fr. Glaubeleichtin,
(faͤllt in Ohnmacht.)

Ach Cathrine! halt mich! Ach! Ach! ich ſterbe!

Cathrine.

Zum Hencker! wen haben ſie da genennt! Sie haͤtten lieber den Beelzebub und ſeine Engel ruffen moͤgen. Da bleibt mir die arme Frau unter den Haͤnden todt.

Herr Wackermann.

Wie denn? bey Fechtens und Wernsdorffs Nahmen faͤllt ſie in Ohnmacht?

Cathrine.

Allerdings! Sie thut es allezeit. Diß iſt ſchon das drittemahl.

Herr Wackermann.

Ja! das weiß ich nicht. Beſtreichet ſie ge - ſchwinde mit Ungariſchem Waſſer: Da habt ihr welches.

Cathrine.

O! das hilfft gar nichts. Dieß iſt ihre Artze - ney! Schreyen ſie brav mit mir:

(Sie ſchreyt.)

Arnold! Peterſen! Lange! Gichtel! Francke! Tauler! Gnade! Wiedergebuhrt! Der innere Funcke! Die geiſtliche Salbung! Zum Hencker! ſo ſchreyen ſie doch mit.

Herr Wackermann.

Jch glaube, ihr ſeyd raſend.

Ca -
32Die Pietiſterey
Cathrine.

Nein, nein, mein Herr Obriſter; ſie werdens ſehen, daß ſie wieder zu ſich kommt.

(Sie ſchreyt:)

Die Gnade! der innere Menſch! der heilige Jacob Boͤhme! Sehn ſie! ſehn ſie! ſie erholt ſich.

Fr. Glaubeleichtin,
(richtet ſich auf.)

Ach, Herr Bruder! ich entſchuldige ihre Un - wiſſenheit! Aber huͤten ſie ſich ins kuͤnfftige.

Herr Wackermann.

Jch bitte ſie um Verzeihung, Frau Schweſter. Jch wuſte nicht, daß Werns Potz tauſend! bald haͤtte ich mich wieder verredet.

Cathrine.

Nun! Madame, wie iſts?

Frau Glaubeleichtin.

Es wird wohl vergehn. Nun, Herr Bruder! ich erwarte ſie in einer halben Stunde in unſerer Verſammlung. Und du Cathrine ſchicke zum Herrn Magiſter Scheinfromm und laſſe ihn her - bitten. Jch hoffe, er wird mir die Luiſe zu rechte bringen helffen.

(Geht ab.)
Herr Wackermann.

Jch gehe auf die Poſt! Man hat mir geſagt, daß von meinem Bruder Briefe an mich waͤren. Wollte GOtt, daß er mir ſeine Zuruͤckunfft be - richtete! Denn dieß iſt ein verlohrnes Hauß, wo er nicht bald wiederkoͤmmt.

(Geht ab.)
Andere33im Fiſchbein-Rocke.

Andere Handlung.

Erſter Auftritt. Herr Liebmann, Cathrine.

Cathrine.

Nun! ſie wollen gewiß meine Jungfer ſprechen? Nicht wahr?

Herr Liebmann.

Jſt das noch eine Frage?

Cathrine.

Vergebliche Muͤhe! uͤberfluͤſſige Sorgen! Ach! ihr armen Verliebten, wie uͤbel geht man mit euch um!

Herr Liebmann.

Was wollt ihr denn damit ſagen?

Cathrine.

Damit will ich ſo viel ſagen: Daß ſich meine Frau ihrer Heyrath je mehr und mehr widerſetzt.

Herr Liebmann.

Hat denn Herr Wackermann nicht mit ihr ge - ſprochen? Er hat mirs ja zugeſagt.

Cathrine.

Er iſt hier geweſen; Er hat mit der Frau Glau - beleichtin geſprochen; Er hats ihr vorgetragen; aber

CHerr
34Die Pietiſterey
Herr Liebmann.

Nun! und hat nichts ausgerichtet?

Cathrine.

Nichts, gar nichts. Ja, ich habe gar erfah - ren, daß meine Frau auf einen andern Freyer vor ihre Tochter denckt.

Herr Liebmann,
(gantz erſchrocken.)

O! wenn es ſo gehen ſoll, ſo werde ich auch wiſſen, was ich thun ſoll.

Cathrine.

Nun! was wollten ſie wohl thun?

Herr Liebmann.

Jch will meine geliebte Luiſe aus ihrer Sclave - rey befreyen.

Cathrine.

Wie? wollen ſie ſie entfuͤhren?

Herr Liebmann.

Warum nicht? Mit einem Worte: Es iſt meine Frau; und ich bin gewiß, der Obriſte Wa - ckermann wird mir nicht zuwider ſeyn.

Cathrine.

Ja; aber meine Jungfer wird nimmermehr

Herr Liebmann.

Jch will ſie ſelbſt darum bitten; ich hoffe, ſie wird ſich bewegen laſſen.

Cathrine.

Sie hoffen gewiß ſehr viel.

Herr
35im Fiſchbein-Rocke.
Herr Liebmann.

Ach! ich bitte euch, helfft uns doch! Oder hin - dert uns nur wenigſtens nicht in unſerm Vorſatze. Seht! da ſchencke ich euch den Ring.

Cathrine.

Ach! ſie machen mich gantz weichhertzig. Jch ſehe wohl, daß man ſich ihrer annehmen muß. Aber huͤten ſie ſich, daß Frau Glaubeleichtin ſie nicht bey Jungfer Luischen ſieht. Gehen ſie geſchwind hinein: Es koͤmmt jemand.

(Geht ab.)

Zweyter Auftritt. Herr Mag. Scheinfromm, Cathrine.

Herr Scheinfromm,
(mit einer andaͤch - tigen Mine und Stimme.)

Guten Tag, mein liebes Kind! Wie befindet man ſich hier?

Cathrine.

Sehr wohl. Frau Glaubeleichtin verlangt ſehr nach ihnen.

Herr Scheinfromm.

Sie hat mich in meinen Bethſtunden geſtoͤret. Wiſſet ihr nicht, warum ſie mich hat hohlen laſſen?

Cathrine.

Sie ſpricht: Der Herr Scheinfromm ſoll ihr helffen die Jungfer Luischen bekehren.

C 2Herr
36Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Wie? hat ſie ſich worinnen vergangen?

Cathrine.

Frau Glaubeleichtin denckt es; weil dem armen Kinde endlich die Zeit lang wird, daß man ihre Hochzeit ſo lange ausſetzet.

Herr Scheinfromm,
(beyſeite.)

Aha! ich mercke es! da habe ich was ich wollte. (Laut:) So will ſie denn gerne bald verheyrathet ſeyn?

Cathrine.

Ach! je eher, je lieber. Wenn der Herr Ma - giſter die Mama bereden koͤnnte, die Sache zu be - ſchleunigen, ſo wuͤrde man ihnen ungemein ver - bunden ſeyn.

Herr Scheinfromm,
(beyſeite.)

Ha! ha! ich muß eilen. (Laut:) Nun ich ver - ſpreche euch, daß ichs thun will.

Cathrine.

Wie? in rechtem Ernſt? O wie froh bin ich! Denn ſie koͤnnen bey unſerer Frau viel ausrichten.

Herr Scheinfromm.

Das iſt wahr. Aber Jungfer Luischen muß auch noch beredet werden; und da muͤſſt ihr helffen.

Cathrine.

Ach nein! Herr Magiſter! die Jfr. Luischen darf gar nicht ſehr gebethen werden, den Hn. Liebmann zu nehmen.

Herr
37im Fiſchbein-Rocke.
Herr Scheinfromm.

Was ſagt ihr von Liebmann? den begehre ich ihr nicht zuzufreyen.

Cathrine.

O! verzeihen ſie mirs doch. Jch weiß auch nicht, was ich immer von dem naͤrriſchen Liebmann traͤume. Von wem redeten ſie?

Herr Scheinfromm.

Wen meynet ihr wohl?

Cathrine.

Jch wette, daß ichs errathe.

Herr Scheinfromm.

Laſſt ſehen!

Cathrine.

Sie wollen meiner Jungfer gewiß ihren Herrn Vetter zufreyen?

Herr Scheinfromm.

Das wars! Freylich, meinen jungen Vetter, den Herrn von Muckersdorff, will ich ihr zufreyen. Jch habe ihm ein klein Guͤtchen geſchenckt. Aber wie habt ihr das ſo errathen?

Cathrine.

O! das kan ja wohl ein Kind errathen. Denn vors erſte, ſo iſt meine Jungfer brav reich; und ich bin zum andern verſichert, daß ſich die beyden Leute ungemein wohl zuſammen ſchicken.

C 3Herr
38Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Jhr habt ja meinen Vetter noch nicht geſehen.

Cathrine.

Den jungen Herrn von Muckersdorff? Nein! aber was thut das? Jch wette, er ſiehet ihnen aͤhnlich.

Herr Scheinfromm.

Etwas.

Cathrine.

Nun, ſehen ſie es? Mehr braucht er nicht. Und, unter uns geſagt: Liebmann iſt ein junger Taugenichts!

Herr Scheinfromm.

So ſeyd ihr alſo meiner Meynung?

Cathrine.

O freylich!

Herr Scheinfromm.

Nun, ſo will ich euch was offenbahren: Jch habe ſelbſt die Frau Glaubeleichtin bisher abgehalten, ihre Tochter zu verheyrathen.

Cathrine.

Ey! Ey! wer haͤtte das dencken ſollen?

Herr Scheinfromm.

Weil ich aber wohl wuſte, daß der Obriſte Wackermann ſehr ſtarck darauf drung; ſo habe ich mich bemuͤht, ihn bey der Frau Glaubeleichtin recht ſchwartz zu machen.

Ca -
39im Fiſchbein-Rocke.
Cathrine.

Sie haben ſehr wohl gethan.

Herr Scheinfromm.

Jch ſahe es wohl vorher, daß eure Jungfer des Wartens uͤberdruͤßig werden wuͤrde; da ſie nun einmahl ſieht, daß ſie ihren Liebmann nicht kriegen kan; ſo hoffe ich, daß ſie noch lieber meinen Vet - ter wird nehmen, als ſich entſchlieſſen wollen, gar ohne Mann zu bleiben.

Cathrine.

Allerdings! ich glaube es auch.

Herr Scheinfromm.

Die Mutter iſt mir gewiß genung. Es waͤre aber gut, wenn ihr der Tochter auch zureden moͤch - tet, daß ſie ſich dieſe Heyrath gefallen laͤßt, denn bekoͤmmt die Sache doch ein gutes Anſehen.

Cathrine.

Ach! das will ich ſchon machen.

Herr Scheinfromm.

Mein Vetter iſt auch ſo gar arm nicht. Er iſt nicht der allerheßlichſte; und vor einem Men - ſchen von geringer Herkunfft hat er doch auch gantz huͤbſche Freunde. Jch habe das alles der Frau Glaubeleichtin erzehlt.

Cathrine.

Das iſt ja eine ſehr ſchoͤne Beſchreibung! Der Herr von Muckersdorf; die Frau von Muckers -C 4dorffin;40Die Pietiſtereydorffin; ein Hauffen kleine Muckersdoͤrffgens: Das wird ja eine heilige Baum-Schule abgeben, welche recht ſchoͤn ſeyn wird.

Herr Scheinfromm.

Aus Eigennutz thue ich das alles nicht; von dieſem Laſter bin ich durch der Gnade GOttes ſchon lange Zeit befreyet. Nein, ich thue es aus bloſ - ſem Eyfer vor Jungfer Luischens Seeligkeit.

Cathrine.

O! das ſieht man wohl.

Herr Scheinfromm.

Denn, denckt nur ſelbſt nach. Herr Liebmann iſt ein junger, liebenswuͤrdiger Menſch; er iſt gantz weltlich; er hat eure Jungfer lieb, und ſie ihn. Allein dieſe Liebe bey den beyden Leuten moͤchte wohl nur bloß ein natuͤrliches Werck ſeyn; und nicht der Goͤttlichen Gnade und Barmhertzigkeit.

Cathrine.

Davor ſchwoͤre ich freylich nicht.

Herr Scheinfromm.

Heyrathen ſich nun die beyden Leute; ſo wuͤr - den ſie ſich vielleicht ihre gantze Lebens-Zeit ſo lieb haben.

Cathrine.

Das iſt allerdings zu beſorgen.

Herr Scheinfromm.

Und damit waͤren zwey arme Seelen auf ewig den Luͤſten des verderbten Fleiſches unterworffen.

Ca -
41im Fiſchbein-Rocke.
Cathrine.

Jch bitte ſie drum. Das iſt ja noch aͤrger, als eine oͤffentliche Kirchen-Buſſe!

Herr Scheinfromm.

Freylich: Heyrathet ſie aber meinen Vetter; ſo kriegt ſie einen Mann, der gar nicht angenehm iſt, und denn wird ſie alſo nicht anders, als mit Goͤtt - lichen Beyſtande und Mitwuͤrckung einer uͤberna - tuͤrlichen Gnade lieben koͤnnen; ſo werden ſie denn in einer heiligen Vereinigung leben, und keine ver - derbte Luͤſte kennen.

Cathrine.

Das geſteh ich! Wie Herr Magiſter? So bald ſich in der Liebe zweyer Eheleute ein wenig na - tuͤrliche Liebe miſchet; ſo iſts Suͤnde?

Herr Scheinfromm.

Ja, meine Tochter! Alles was die Natur uns befiehlt zu thun; alle Empfindungen, die von ihr kommen, als was nicht bloß die Goͤttliche Gnade in uns wircket, das iſt Suͤnde.

Cathrine.

Warum denn das?

Herr Scheinfromm.

Je darum: Weil die gantze Natur in ihrer Quelle, in ihrem Weſen, und in ihrer inneren Beſchaffenheit verderbt iſt. Ein Unglaͤubiger, der ſeinem Vater unzaͤhliche Wohlthaten thut, derC 5darf42Die Pietiſtereydarf nicht dencken, daß er was Gutes thue: Suͤnde thut er. Eine Mutter die ihre Kinder liebt; eine Frau, die ihrem Manne treu iſt, wenn ſie es nicht bloß durch die Krafft einer uͤbernatuͤrlichen Gnade thut, ſo ſuͤndigt ſie.

Cathrine.

Das iſt ja betruͤbt. So werden wir auf die Art lauter Affen und Meerkatzen heyrathen muͤſſen, die wir nur durch eine uͤbernatuͤrliche Beyhuͤlffe lie - ben koͤnnen. Wahrhafftig, ich weiß nicht, ob dieſer Glaube die Leute gluͤcklich macht. Aber es ſchadet nicht; gehn ſie nur zur Frau Glaubeleichtin, denn ſie erwartet ſie.

Herr Scheinfromm.

Jch gehe; aber vergeſſt nicht das eure zu thun.

Cathrine.

Sorgen ſie nur nicht.

Herr Scheinfromm.

Seht ihr hier wohl den Ring? Jch habe ihn von einer Frau bekommen, daß ich ihn zum All - moſen anwenden ſoll.

Cathrine.

Der Ring iſt aller Ehren wehrt.

Herr Scheinfromm.

Nun, wenn ihrs huͤbſch macht ihr ſeht ihn wohl ich verwahre ihn vor euch.

(Er ſteckt ihn ein.)
Ca -
43im Fiſchbein-Rocke.
Cathrine.

Sie verwahren ihn vor mich? Gewiß, ich bin ihnen ſehr verbunden.

Herr Scheinfromm.

Nun ich will hineingehen. Noch einmahl thut euer beſtes.

(Geht ab.)
Cathrine.

Gut, gut. Jch verwahre ihn vor euch ich verwahre ihn vor euch Das iſt ein alter Filtzhut! Aber zum Schelme biſt du mir noch lange nicht liſtig genug.

Dritter Auftritt. Jungfer Luischen,(welche die Thuͤre eroͤffnet)Herr Liebmann, Cathrine.

Jungfer Luischen.

Cathrine! iſt niemand mehr da? kan ich Herr Liebmannen weglaſſen?

Cathrine.

Kommen ſie! kommen ſie nur alle beyde! ich habe ihnen ſchoͤne Hiſtorien zu erzehlen.

Herr Liebmann.

Was denn?

Jungfer Luischen.

Was iſts?

Ca -
44Die Pietiſterey
Cathrine.

Jſts nicht wahr, daß ſie ſich beyde lieb haben?

Herr Liebmann.

Jch dencke, ihr wiſſt es wohl.

Cathrine.

Ja, aber geht es nicht gantz natuͤrlich zu?

Jungfer Luischen.

Was heiſt du Natur? Unſere Liebe iſt rein, untadelich, und ſo, wie ſie unter zweyen Leuten ſeyn ſoll, die ihrer Eltern Einwilligung haben.

Cathrine.

Glauben ſie es nicht.

Jungfer Luischen.

Warum nicht? Was zum Hencker willſt du denn haben?

Cathrine.

Jch will ſagen, daß ſie alle beyde die aͤrgſten Suͤnder ſind; ja noch wohl was aͤrgers. Lauter Suͤnde! Verderbte Natur! Abrenuntio Sa - tanas!

Herr Liebmann.

Ach Cathrine! iſts denn itzo Zeit zu lachen? Seyd ihr naͤrriſch?

Cathrine.

Ein wenig; aber noch nicht ſo ſehr, als Magi - ſter Scheinfromm. Der Unterſcheid iſt, daß ich aus Luſtigkeit naͤrriſch thue; Er aber iſt ein Narr von der allergottloſeſten Art.

Luis -
45im Fiſchbein-Rocke.
Luischen.

So ſage es doch nur heraus!

Cathrine.

Jch habe es ihnen ſchon beyderſeits gemeldet. Sie, mein Herr Liebmann, haben einen neuen Ne - ben-Buhler, und ſie, Jungfer Luischen, einen neuen Freyer.

Herr Liebmann.

Einen Neben-Buhler?

Jungfer Luischen.

Einen Freyer.

Cathrine.

Ja!

Herr Liebmann.

Wer iſts denn?

Jungfer Luischen.

Wie heiſſt er?

Cathrine.

Er heiſſt: Der junge Herr von Muckersdorff.

Herr Liebmann.

Muckersdorff?

Jungfer Luischen.

Jſts moͤglich?

Cathrine.

Ja, der junge Herr von Muckersdorff, wehrt - geſchaͤtzter Herr Vetter des theuren Mannes GOt - tes Magiſter Scheinfromms, allmaͤchtigen Ge -wiſſens -46Die Pietiſtereywiſſens-Rathes der Frau Glaubeleichtin, und der geheimen Zuflucht in allen ihren geiſtlichen und leib - lichen Noͤthen. Der Herr Scheinfromm iſts, welcher bisher ihre Hochzeit verzoͤgert hat, in der Abſicht, daß ſie, wie er ſagt, aus Verdruß ſo lange zu warten, ſeinen lieben Vetter nehmen moͤchte.

Herr Liebmann.

Der verdammte Boͤſewicht?

Jungfer Luischen.

Ach! du haſt mirs wohl geſagt. Wie aber? Jch ſollte Muckersdorffen nehmen?

Cathrine.

Warum denn nicht? Der junge Muckersdorff iſt nicht reich; aber er koͤnnte es eben ſo gut ſeyn, als ein anderer. Er ſieht von Perſon nicht gut aus; aber was kann er davor? Er iſt von ſchlechter Ab - kunfft; aber ſo ſind auch ſeine Verwandten nicht vornehmer als er. Er hat nicht viel

Jungfer Luischen.

So ſchweige doch! Willſtu du mich denn gar zum Narren machen?

Cathrine.

Hoͤren ſie, bedencken ſie ſich geſchwinde, was ſie thun wollen. Scheinfromm traͤgt eben itzo die Sache der Mama vor.

Jungfer Luischen.

Ach! er wird ſie leicht bereden.

Herr
47im Fiſchbein-Rocke.
Herr Liebmann.

Mag er ſie doch bereden! Wenn ſie mir nur folgen wollen, meine Schoͤne! Wenn ſie nur mei - nen Vorſchlag annehmen. Des Papa Einwilli - gung habe ich, des Vetters ſeine kriege ich auch. Was fuͤrchten ſie denn?

Cathrine.

Wie? ſind ſie noch nicht eins?

Herr Liebmann.

Ach nein! ſie iſt unbeweglich, ſie fuͤrchtet, was man ſagen wird; was man dencken wird. Grau - ſame Luiſe! Sind ſie einer unvernuͤnfftigen Mut - ter noch nicht lange genung gehorſam geweſen! Soll den ihre ungegruͤndete Furcht die Urſache einer ewigen Trennung unter uns ſeyn?

Cathrine.

Wahrhafftig, Jungfer Luischen! ſie muß nicht zaudern. Der Kauff iſt zwiſchen der Mama und Herr Scheinfrommen bald geſchloſſen; und es koͤnnte leicht geſchehen, daß ſie in 24. Stunden eine Frau Muckersdorffin waͤren.

Jungfer Luischen.

Ach! ſchweige nur davon.

(Sie ſteht in Gedancken.)
Herr Liebmann.

Sie ſtehn in Gedancken?

Jungfer Luischen.

Gut! ich ergebe mich darein, weils nicht zu aͤndern iſt.

Herr
48Die Pietiſterey
Herr Liebmann.

Ach! allerliebſte Luiſe! wie froh bin ich! Meine Liebe

Cathrine.

Ja! nun iſts eben Zeit verliebt zu thun. Be - reden ſie ſich geſchwinde.

Herr Liebmann.

Nun, meine Schoͤne! nennen ſie mir nur die Stunde, da ich vor die Garten-Thuͤre kommen, und ſie abhohlen ſoll.

Jungfer Luischen.

Was ſagen ſie Herr Liebmann? Glauben ſie nur nicht, daß ich jemahls in ein ſolches Verfah - ren willigen werde, ohngeachtet ich von ihrer Hoch - achtung gegen mich uͤberzeiget bin. Sprechen ſie mit meinem Vetter, und erſinnen ſie beyderſeits ein ander Mittel. Will er mich ſelbſt entfuͤhren und bis zur Ruͤckkunfft meines Vaters bey ſich be - halten; ſo laß ichs mir gefallen. Aber ohne ſeine Gegenwart werde ich nichts thun; und vielleicht iſt auch das ſchon zu viel.

Cathrine,
(zum Liebmann.)

Gehn ſie geſchwinde! geſchwinde! mich duͤnckt die Frau koͤmmt.

(Liebmann geht ab.)
Cathrine,
(zur Jungfer.)

Und ſie, Jungfer Luischen, mache ſich nur auf eine Antwort gefaſſt, wenn man ihr den neuen Liebhaber antragen wird.

Jung -
49im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Ach! vor Scheinfrommen iſt mir nicht bange; ich will ihn auslachen. Aber was ſage ich der Mama?

Cathrine.

Jch will gehen, daß ich nicht auch in die Bruͤhe komme. Hernach hoͤr ichs wohl, wies wird ab - gelauffen ſeyn.

(Sie geht ab.)

Vierter Auftritt. Jungfer Luischen, Hr. Scheinfromm, Frau Glaubeleichtin.

Frau Glaubeleichtin.

Ja! ja! das iſt richtig. Sie koͤnnen ihren Vetter bringen, wenns ihnen beliebt. Je eher, je lieber.

Herr Scheinfromm.

Er koͤmmt nur eben aus dem Haͤlliſchen Paͤda - gogio: Jch fuͤrchte, daß er in ſeiner Auffuͤhrung noch manchen Fehler begehen wird.

Frau Glaubeleichtin.

O! das thut nichts. Er wirds ſchon lernen.

Herr Scheinfromm.

GOtt der HErr ſegne unſere Abſichten!

DFrau
50Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Jch zweifle nicht daran. Doch ich will ſie einen Augenblick mit meiner Tochter alleine laſſen. Sie wiſſen ſchon, was ſie ihr zu ſagen haben; und da ſie ihr auf eine gute Art zureden werden, ſo, ſo hoffe ich auch, daß ſie ſie gebuͤhrend anhoͤren wird. Jch werde in einer Weile wieder kommen.

(Sie geht ab.)

Fuͤnfter Auftritt. Hr. Scheinfromm, Jungfer Luischen.

Herr Scheinfromm.

Jſt mirs erlaubt, Mademoiſelle, ihnen meinen aufrichtigen und treuen Gluͤckwunſch abzuſtatten?

Jungfer Luischen.

Es ſteht freylich bey ihnen.

Herr Scheinfromm.

Mich duͤnckt, daß die Gnade in ihrem Hertzen taͤglich zunimmt.

Jungfer Luischen.

Wie koͤnnen ſie das mercken?

Herr Scheinfromm.

Weil ihr gantzes Weſen ſo ſittſam und liebreich iſt. O! wie Schade waͤr es, wenn der Geiſt der Welt ſolche gluͤckliche Vorbereitungen vernichten ſollte!

Jung -
51im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Mein Herr Magiſter! dafuͤr werde ich zu ſorgen haben, und nicht ſie.

Herr Scheinfromm.

GOtt gebe, daß ſie allezeit dem Beyſpiele und dem Rathe der Mama folgen moͤgen!

Jungfer Luischen.

Jch weiß ſchon, wie weit ſich hierinnen meine Schuldigkeit erſtrecket.

Herr Scheinfromm,
(beyſeits.)

Sie iſt ziemlich widerſpenſtig.

(Laut:)

Alles, was ich fuͤrchte, iſt, daß ſie ſich gewiſſen irrdiſchen Neigungen nur gar zu ſehr uͤberlaſſen.

Jungfer Luischen.

Jch verſtehe ſie nicht, Herr Magiſter. Was wollen ſie damit ſagen?

Herr Scheinfromm.

Die Mama iſt eine gantz geiſtliche und mit lau - ter hohen Geheimniſſen erfuͤllte Perſon; allein eben dieſe wuͤnſchte ſehr, daß ſie der fleiſchlichen Neigung gegen einen gewiſſen jungen Menſchen nicht ſo viel Gehoͤr geben moͤchten

Jungfer Luischen.

Ey! warum denn? Sollte dieſe ſo genannte fleiſchliche Neigung ſtraͤflich ſeyn? Jhr Urſprung und Fortgang iſt allezeit ſehr unſchuldig geweſen; und mein Vater hat ſie genehm gehalten.

D 2Herr
52Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Ja! aber iſts nicht wahr, daß ſie den Liebmann gantz natuͤrlich lieben?

Jungfer Luischen.

Alles, was ich weiß, iſt, daß mir mein Vater befohlen hat, den Liebmann als meinen kuͤnftigen Gatten anzuſehn. Jch finde ihn liebenswerth; ich liebe ihn: Was iſt denn nun ſtrafbares daran?

Herr Scheinfromm.

Ach Mademoiſelle! ſeit dem Falle unſerer erſten Eltern

(mercken ſie ſich das!)

iſt unſere Natur ſo ver - derbt, daß alles, was ſie liebt und thut, Suͤnde iſt.

Jungfer Luischen.

Was muß man denn thun?

Herr Scheinfromm.

Die Gnade muß durch ihre uͤberwindende Krafft ſich zur unumſchraͤnckten Beherrſcherin unſers Wil - lens machen, und denſelben unvermerckt zum Gu - ten lencken. Alsdenn

(geben ſie wohl acht!)

werden wir durch ein himmliſches Band geleitet, daß wir nicht widerſtehen koͤnnen. An ſtatt, daß in Er - mangelung dieſer Gnade uns die ſinnliche Luſt noth - wendig zum Boͤſen treibet.

Jungfer Luischen.

Gantz gut! Haben wir dieſe Gnade aber allezeit?

Herr Scheinfromm.

Ach! was wollten wir doch? Die liebſten Kinder GOttes beſitzen ſie nicht immer.

Jung -
53im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

So ſind ſie alsdenn gezwungen, irrdiſch geſinnt zu ſeyn?

Herr Scheinfromm.

Freylich wohl!

Jungfer Luischen.

Nun, Herr Magiſter! das iſt eben der Zuſtaͤnd, darinnen ich mich befinde.

Herr Scheinfromm.

Wie ſo?

Jungfer Luischen.

Jch habe die Gnade noch nicht, meine Neigung zu uͤberwinden: Jch werde noch durch die irrdiſche Luſt fortgeriſſen.

Herr Scheinfromm.

Wie wiſſen ſie, daß ſie die Gnade nicht haben?

Jungfer Luischen.

Weil ſie mich nicht zwingt, darum habe ich ſie nicht. Jch erwarte ſie.

Herr Scheinfromm.

Ja! man muß ſich aber beſtreben

Jungfer Luischen.

Wie kan ich mich beſtreben ohne Beyſtand der Gnade? Jch erwarte ſie.

Herr Scheinfromm.

Wie? ſo wollen ſie ſo geruhig ſeyn? und immer - fort in einer Sache beharren, die der Mama zuwider iſt?

D 3Jung -
54Die Pietiſterey
Jungfer Luischen.

Jch erwarte die Gnade.

Herr Scheinfromm.

Sie muͤſſen den lieben GOtt drum bitten.

Jungfer Luischen.

Wie kann ich das thun, wenn mich die Gnade nicht zum Gebeht zwinget?

Herr Scheinfromm.

Wahrhafftig! ſie ſuͤndigen ſehr, daß ſie in einer Leidenſchafft beharren, welche nicht ein Werck der Goͤttlichen Barmhertzigkeit iſt.

Jungfer Luischen.

Sagen ſie vielmehr, daß ich ungluͤcklich bin. Denn wie kann ich mich verſuͤndigen, wenn ich keine Schuld habe? Jch erwarte die Gnade.

Herr Scheinfromm.

Sie ſind ihrer Mama ungehorſam.

Jungfer Luischen.

Was kann ich davor? So bald ich die Ge - nade haben werde, will ich ihr gehorſam ſeyn: Doch, weil das ihre Lehre iſt, Herr Magiſter, ſo bringen ſie ihr wohl bey, damit ſie mit meinem Ungehorſame ein Mitleiden habe.

Herr Scheinfromm.

Wie? wollen ſie denn etwa, daß die Mama ſie mit Gewalt zum Gehorſam bringen ſoll?

Jung -
55im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Ach! ſie kann mich freylich wohl zwingen; Aber die Gnade allein aͤndert unſer Hertz. Jch erwarte ſie.

Herr Scheinfromm.

Es iſt mir ſehr leid! daß ſie meinen Rath nicht beſſer annehmen wollen.

Jungfer Luischen.

Ach! Herr Magiſter! weil ich die Gnade nicht darzu habe; So helffen ſie mir wenigſtens meine Mama bewegen, daß ſie mich an Liebmannen verſpricht.

Herr Scheinfromm.

Ach! was ſagen ſie mir da?

Jungfer Luischen.

Jch werde ihnen ewig dafuͤr verbunden ſeyn.

Herr Scheinfromm.

Der Himmel bewahre mich, daß ich ſolchen irrdiſchen und fleiſchlichen Abſichten Vorſchub thun ſollte! Meine Gedancken ſind ſchon ſeit langer Zeit nur auf die Ewigkeit, und auf die Nichtigkeit der gegenwaͤrtigen Dinge gerichtet.

Sechſter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Jungfer Luis - chen, Herr Scheinfromm.

Frau Glaubeleichtin.

Meine Tochter iſt ihnen vor ihren guten RahtD 4ſehr56Die Pietiſtereyſehr verbunden, Herr Magiſter, und ich zweifle nicht

Herr Scheinfromm.

Ach! ihr Hertz iſt von den ſinnlichen Luͤſten noch nicht gantz gereinigt; ihr Geiſt klebet noch an al - lerley Vorurtheilen. Jch hoffe aber, daß dero Anſehen mehr bey ihr ausrichten wird, als mein guter Rath.

Frau Glaubeleichtin.

Jch hoffe es auch. Bringen ſie nur, wie ich ihnen geſagt habe, ihren Herrn Vetter zu mir.

Herr Scheinfromm.

Gantz gerne. Jetzo muß ich meine Beth - Stunde abwarten; und will mich ihnen alſo em - pfehlen.

(Geht ab.)
Frau Glaubeleichtin.

Leben ſie wohl. Jch werde ſchon alles beſorgen.

Siebender Auftritt. Fr. Glaubeleichtin, Jfr. Luischen.

(ſetzen ſich.)
Frau Glaubeleichtin.

Luischen! ich habe dich lieb; und bishero haſt du allezeit genungſame Proben davon gehabt. Du haſt mich den Augenblick ſehr erzuͤrnt; aber ich will es dir alles verzeihen, wenn du deinen Fehler ver -beſſern57im Fiſchbein-Rocke. beſſern willſt. Jch ſuche dich gluͤcklich zu machen. Aber mein liebes Luischen! nicht auf die Art, wie die Welt es insgemein auslegt.

(Jndem ſie ſo redet, ſitzet die Tochter immer in Gedancken.)

Beliebt es dir wohl mir zuzuhoͤren?

Jungfer Luischen.

Ja, Mama.

Frau Glaubeleichtin.

Haſt du mich zum Narren?

Jungfer Luischen.

Behuͤte GOtt! nein.

Frau Glaubeleichtin.

So ſiehe mich an, und hoͤre zu. Haſt du mir nicht vor einer Stunde geſagt, daß du gerne moͤch - teſt verheyrathet ſeyn?

Jungfer Luischen.

Es iſt wahr, Mama.

(Bey Seite:)

O mein GOtt!

Frau Glaubeleichtin.

Nun, meine Tochter! ich will hierinnen deiner Neigung folgen.

Jungfer Luischen.

Jch bin der Mama unendlich verbunden.

Frau Glaubeleichtin.

Jch gebe dir einen jungen Menſchen, der viel Verdienſte hat.

D 5Jung -
58Die Pietiſterey
Jungfer Luischen.

Herr Liebmann hat ihrer ſehr viel.

Frau Glaubeleichtin.

Wie? der von ſeinem heiligen Vetter ſelbſt er - zogen worden iſt? Er hat die ſuͤſſe Milch der Chriſt - lichen Sitten-Lehre und Religion ſchon als ein Kind eingeſogen; und man ſagt, daß er die rechte Krone aller Maͤnner ſeyn wird? Jſt das noch dein Liebmann?

Jungfer Luischen.

Jn gewiſſen Verſtande koͤmmt ihm das alles zu.

Frau Glaubeleichtin.

Nun, ſo will ich dirs ſagen, daß ers nicht iſt. Die Maͤdgens ſind doch rechte Tierchen! Wenn ſie einmahl jemanden im Kopfe haben; ſo dencken ſie, es ſey kein anderer mehr in der Welt.

Jungfer Luischen.

Aber liebe Mama

Frau Glaubeleichtin.

Schweig! Der junge Menſch, von dem ich rede, iſt der junge Herr von Muckersdorff.

(Luis - chen entſetzt ſich:)

Es iſt dir gewiß nicht recht? Du Naͤrrin! iſt dir der Nahme zuwider? Mit einem Worte, es iſt der Vetter des heiligen Mannes GOttes, mit dem du den Augenblick geredet haſt.

Jungfer Luischen.

Ach, Mama! verzeihen ſie: Jch habe mich ſchon bedacht.

Frau
59im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Nun, wie denn?

Jungfer Luischen.

Jch will gar nicht heyrathen.

Frau Glaubeleichtin.

So? die geſchwinde Veraͤnderung iſt gewiß recht artig, und kan eine Probe deines Gehorſams ablegen. Wenn ich dich nicht verheyrathen will; denn willſt du: Und wenn ich will; ſo willſt du nicht. Das gefaͤllt mir.

Jungfer Luischen.

Wir haben unſern Willen nicht allemahl in un - ſerer Gewalt. Jch habe oft gehoͤrt, die Mama ſagen, daß alles, was wir wollen, von der Gnade herkaͤme, die uns zum Wollen zwinget; und wir koͤnnten nicht widerſtehen. Herr Scheinfromm hat mir eben daſſelbe geſagt.

Frau Glaubeleichtin.

So! ſo! du faͤngſt an zu raiſonniren! Nun weil du denn Luſt darzu haſt; ſo frage ich dich: Weiſſt du auch wohl, was eine Mutter vor Ge - walt uͤber ihre Tochter hat?

Jungfer Luischen.

Ach, ja!

Frau Glaubeleichtin.

Weiſſt du auch wohl, daß der Papa mir bey ſeiner Abreiſe alle ſeine Rechte uͤbertragen hat? Da -mit60Die Pietiſtereymit ich dir alſo die Muͤhe erſpahren moͤge, dir den Kopf zu zerbrechen; ſo ſage ich dir, daß ich es ha - ben will, und daß ich dirs befehle

Jungfer Luischen.

Ach Mama! um GOttes willen! was iſt das vor ein Befehl?

Frau Glaubeleichtin.

Ja, ich will! daß du noch heute Abend ver - heyrathet ſeyn ſollſt.

Jungfer Luischen.

Noch heute?

Frau Glaubeleichtin.

Ja! noch heute.

Jungfer Luischen.

O Himmel!

(Sie wirfft ſich vor der Mutter auf die Knie:)

Allerliebſte Mama! laſſen ſie ſich durch meine Thraͤnen bewegen!

Frau Glaubeleichtin.

Schweig! und ſtehe auf! Was ich thue, das thue ich zu deinem Beſten.

Jungfer Luischen.

Jch werde aber den Tod davon haben.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! was wirſt du doch den Tod davon haben? Dein Fleiſch wird gecreutzigt; deine natuͤrliche Luſt erſtickt, und der alte Adam begraben werden; und alsdenn wird die Liebe den Sieg erhalten.

Jung -
61im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Was wird aber mein Vater ſagen, daß ich ei - nen andern Mann nehme, dem er mich nicht ver - ſprochen hat.

Frau Glaubeleichtin.

Dein Vater war in der Lehre der rechten Creutzi - gung des Fleiſches gar ſchlecht unterrichtet: Er gab, da er dich dem Liebmann verſprach, eurer beyderſei - tigen Neigung gar zu viel Gehoͤr, und meinte, daß dieſe zum Eheſtande noͤthig waͤre. Aber Herr Ma - giſter Scheinfromm erklaͤret das Ding gantz an - ders.

Jungfer Luischen.

Unſere Liebe iſt von beyden Seiten allezeit un - tadelich geweſen; und ihr Endzweck war allezeit er - laubt und Chriſtlich. Mein Vater hat ſie geſtiff - tet, und

Frau Glaubeleichtin.

Man ſehe doch die erſchreckliche Unwiſſenheit! bey allem Unterichte, den ſie empfaͤngt! Weiſſt du denn nicht, daß alles, was Suͤnde iſt, nicht unſtraͤfflich ſeyn kan: Und alles, was aus der Natur koͤmmt, daß iſt Suͤnde? Begreiffſt du das nicht?

Jungfer Luischen.

Nein, Mama!

Frau
62Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Nicht? gut! du wirſt Zeit genung kriegen, es zu unterſuchen. Jch will gehen, und dem Herrn Scheinfromm noch einmahl ſchreiben, daß er ja nicht ermangeln ſoll ſeinen Vetter mitzubringen. Siehe zu, daß du ihn wohl empfaͤngſt.

(Sie gehet ab.)

Achter Auftritt. Jungfer Luischen, Cathrine.

Cathrine.

Nun! Wie hat ſie ſich gehalten?

Jungfer Luischen.

Jch habe gebethen; ich habe geweint.

Cathrine.

Und das wars alles?

Jungfer Luischen.

Ach! ja freylich!

Cathrine.

So wird ſie ſich mit bitten und weinen zu einer Frauen von Muckersdorf machen laſſen?

Jungfer Luischen.

Freylich wirds nicht anders werden.

Ca -
63im Fiſchbein-Rocke.
Cathrine.

Wie? ſie nahm ſich ja vor Wunder-Dinge zu thun?

Jungfer Luischen.

Jch darf der Mama nicht widerſprechen.

Cathrine.

Mein GOtt! ſollte man denken, daß eine ſolche vernuͤnfftige Frau eine Pietiſtin ſeyn koͤnnte? Sie kann doch noch etwas verſuchen, Jungfer Luischen.

Jungfer Luischen.

Gewiß, mein Vetter

Cathrine.

Ja!

Jungfer Luischen.

Nun! ich will erwarten, was er mit Liebman - nen wird beſchloſſen haben. Wofern mein Vet - ter mich zu ſich nehmen will; So mags drum ſeyn: Denn ich ſehe ſonſt kein andres Mittel, wie ich dem Ungluͤcke entgehe.

Cathrine.

So bleibe ſie denn in ihrem Zimmer, und er - warte ſie den Herrn Vetter und den jungen Herrn von Muckersdorff. Jch will meine Sachen zur Zuſammenkunfft zu rechte machen.

Dritte64Die Pietiſterey

Dritte Handlung.

Erſter Auftritt. Frau Bettelſackin. Cathrine.

Cathrine.

Nun habe ich meine Arbeit verrichtet; Und moͤ - gen die Beth-Schweſtern kommen, wenn ſie wollen. Ha! ha! Da iſt unſere Bettlerin. Guten Tag! Frau Bettelſackin! Mich duͤnckt, ſeit einiger Zeit ſtattet ſie ihre Viſiten bey meiner Frauen viel haͤuffiger ab, als vor dem.

Frau Bettelſackin.

Ach! das macht, die Nothdurfft nimmt zu; und man muß doch

Cathrine.

Wie? die Nothdurfft der kleinen Gemeine?

Frau Bettelſackin.

Wir leben unter der Verfolgung; und ihr wiſſt ja wohl, daß in Kriegs-Zeiten viel Geld noͤthig iſt.

Cathrine.

Ja! das weiß ich: Jnſonderheit wenn die Voͤl - cker ſehr heiß-hungrig ſeyn. Das iſt aber gut vor ſie, Frau Bettelſackin. Denn, wenn die Noth - duͤrftigkeit der Gemeine zunimmt; ſo nimmt die ihrige ab.

Frau
65im Fiſchbein-Rocke.
Frau Bettelſackin.

Was meynt ihr damit?

Cathrine.

Nicht viel; Sie verſteht mich wohl! Ein jeder muß doch von ſeinem Handwercke leben, es ſey ſo klein, als es immer wolle. Die Einnehmer bezah - len ſich von der Einnahme.

Frau Bettelſackin.

Ach! das gieng vor dieſem wohl an, als unſere Herren noch nicht ſo eigennuͤtzig waren; Aber jetzo haben ſie ſo viel Muhmen und Vettern Mit einem Worte: Die Geiſtlichen verzehren uns. Doch, ich habe keine Zeit zu plaudern. Meldet mich nur drinnen.

Cathrine.

Jch gehe.

Zweyter Auftritt. Frau Bettelſackin alleine.

Unterdeſſen will ich mein Regiſter uͤberſehen: Mich duͤnckt, die Barmhertzigkeit faͤngt an zu er - kalten. Es iſt wahr, ich bin in einem ſchlimmen Qvartier. Ach! waͤre ich nur auf dem Trag - heim, oder auf dem Roß-Garten, ſo ſollte meine Liſte wohl ſtaͤrcker ſeyn.

(Sie lieſt:)
EVer -66Die Pietiſterey

Verzeichniß

Deſſen, Was von allerley Gottſeeligen Hertzen, zum Unterhalte der Kirche GOttes und der Glieder Chriſti, iſt gegeben worden. Das andre Quartier von Anno 1736.

  • Frau Gebegernin 50 Gulden. Was das fuͤr eine Leutſeligkeit von einer Altflickerin iſt! Die arme Frau gewinnt den gantzen Tag kaum einen halben Gulden, und giebt ſo viel; ſie hat aber auch einen geſchickten Magiſter, der ſie unterrichtet.
  • Frau Spaargernin, 200 Gulden. Ach! Frau Spaargernin, das iſt wahrhafftig nicht genung! Das iſt ein Weib, als ein Rind - Vieh, und redet in den Tag hinein, wie ein Endchen Licht. Sie hat ſich nur zur Pietiſte - rey begeben, weil ſie geehrt ſeyn wollte. Und die ſollte nicht mehr geben? O! ich werde wie - der kommen, Frau Spaargernin!
  • Jungfer Langfingerin, 100 Gulden. Von der ſag ich nichts; die kann nicht mehr geben: denn ſie muß es ihrem Vater wegſtehlen.
  • Herr Magiſter Judas, 600 Gulden. Ja! Freylich! Er hat ſein Amt mit der Bedingung gekrigt.
Herr67im Fiſchbein-Rocke.
  • Herr Simon, 2000 Gulden. Ach! der kans wohl geben; hat er doch die Adjunctur davor bekommen, davor er ſonſt 3000 Gulden haͤtte geben muͤſſen.
  • Frau Hadersdorffin, 100 Gulden. Das iſt nicht zu viel, meine gute Frau Hadersdorffin! Euer Proceß taugte gar nichts; und ihr haͤttet ihn nimmermehr gewonnen, wenn unſere Schwe - ſtern nicht fuͤr euch gebethen haͤtten.
  • Herr Magiſter Saalbader, 150 Gulden. Ja! das iſt wohl gut; aber ich habe ihm auch verſprechen muͤſſen, ſo viel Leute in ſeine Predigt zu ſchicken, daß kein Apfel zur Erden fallen koͤnte; und er predigt ſo elend, daß mir angſt und bange iſt, wie ichs machen will.
  • Frau Kalbskopfin, 60 Gulden. Nun, die iſt ein guter dummer Teufel! Sie ſchickt ſich gut zur Pietiſtin; und glaubts auch, daß das Geld vor die Armen geht. Doch da koͤmmt Frau Glaubeleichtin, ich muß meine Rechnung ver - ſtecken.

Dritter Auftritt. Fr. Glaubeleichtin, Fr. Bettelſackin.

Frau Glaubeleichtin.

Seyd ihr ſchon wieder da, Bettelſackin? Jhr ſeyd ja unerſaͤttlich.

E 2Frau
68Die Pietiſterey
Frau Bettelſackin.

Jn Wahrheit! die Zeiten ſind ſehr ſchlecht. Wenn ſolche beguͤterte und gottſelige Frauen, als ſie ſind, nicht noch was thun wollen, ſo geht die gute Sache gar verlohren.

Frau Glaubeleichtin.

Es iſt aber nur ein Monat, da gab ich euch 60 Gulden, und 6 Wochen vorher gab ich euch 200 Gulden. Kurtz, ich habe in einem Jahre uͤber 1000 Gulden gegeben: Da ich meinem Geſinde ſelbſt noch das Lohn von 3 Jahren her ſchuldig bin. Jhr werdet mich noch bis aufs Hemde ausziehen.

Frau Bettelſackin.

Ach! der liebe GOtt wirds ihnen nicht man - geln laſſen. Er wird ihre Barmhertzigkeit beloh - nen. Sie koͤnnen nicht glauben, wie ſie ſeiner Kirchen aufhelffen, und wie viel Ehre ſie davor bey unſern Herren haben.

Frau Glaubeleichtin.

Was iſt denn das fuͤr eine Noth, davon ihr ſagt?

Frau Bettelſackin.

Auſſer dem, daß wir immer Allmoſen, und ei - nige Leute, die wir auf unſerer Seite haben wollen, immer beſolden muͤſſen; ſo haben wir ſchon ſeit ei - niger Zeit zum Drucke gewiſſer Buͤcher von unſern Herren zuſchieſſen muͤſſen. Was nun dabey dasaͤrgſte69im Fiſchbein-Rocke. aͤrgſte iſt: So werden uns die Sachen an vielen Orten entweder confiſciret, oder es will ſie doch kein Hencker leſen.

Frau Glaubeleichtin.

Ja! aber die uͤbrigen bringen ſo viel mehr ein.

Frau Bettelſackin.

Ach! was wollten ſie doch? Die meiſten Exem - plare muͤſſen wir wegſchencken; und wenn wir das nicht thaͤten, wer wuͤrde ſie haben moͤgen? Die Orthodoxen wiſſen den Vortheil nicht, deßwegen bleiben ſo viele von ihren Sachen in den Laͤden liegen.

Frau Glaubeleichtin.

Nun weiter!

Frau Bettelſackin.

Es ſind inſonderheit drey Dinge, welche uns gantz zu Grunde richten.

Frau Glaubeleichtin.

Welche denn?

Frau Bettelſackin.

Vors erſte die Haͤlliſchen Studenten. Denn, wenn wir ihnen nicht mit Gelde unter die Arme greiffen, ſo wuͤrden ſie bald zu den Orthodoxen uͤber - gehen.

Frau Glaubeleichtin.

Das iſt wahr. Das andere?

E 3Frau
70Die Pietiſterey
Frau Bettelſackin.

Das ſind die Prediger, ſo man in Schleſien und anderwerts des Pietiſmi wegen abgeſetzet hat. Wie ſollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht Vorſchub thaͤte.

Frau Glaubeleichtin.

Das iſt wohl gut: Aber, weil doch die meiſten nicht von Koͤnigsberg ſind, ſo moͤchte ein jeder in ſein Land gehen.

Frau Bettelſackin.

Ach! was ſagen ſie? Sie leiſten uns dem ohn - geachtet ſehr groſſe Dienſte. Sie ſchreyen, ſie kla - gen, ſie gehen aus einem Hauſe ins andere, und ſchimpffen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel Gutes.

Frau Glaubeleichtin.

Nun! das dritte?

Frau Bettelſackin.

Das iſt die Artzeney aus dem Waͤyſenhauſe.

Frau Glaubeleichtin.

Nun! was wollt ihr ſagen?

Frau Bettelſackin.

Davon werden ſo viel Leute geſund; und das koſtet uns immer Geld

(Beyſeite:)

Potz tauſend! da habe ich mich vergangen.

Frau
71im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Nun? werden denn etwan die Leute mit Geld erkaufft, daß ſie nur vorgeben, ſie waͤren geſund worden? Sollten unſere Herren ſo gottloß ſeyn?

Frau Bettelſackin.

Das ſage ich nicht.

Frau Glaubeleichtin.

Was wollt ihr denn ſagen?

Frau Bettelſackin.

Sehn ſie nur --- es iſt --- Man muß doch dieſe Artzeneyen in den Ruf bringen, und da muß man allerley Leute kriegen --- Da muß man vor viel arme Krancken die Artzeneyen ver - ſchreiben, und ſie ſind ſehr theuer. Ubrigens muß man denen, welche geſund geworden ſind, ſo viel Allmoſen geben, damit ſie es nur allenthalben aus - breiten. Wahrhafftig! eine eintzige Frau hat uns 70 Gulden gekoſtet; und ihre Kranckheit war doch nicht ſonderlich.

Frau Glaubeleichtin.

Das iſt alles ſehr gut: Aber ich kann nicht mehr ſo viel geben: Da habt ihr vor dießmahl nur 2 Ducaten. Adjeu meine Tochter! gruͤſſet eure Herren!

Frau Bettelſackin.

Jch werde es ausrichten.

E 4Vier -72Die Pietiſterey

Vierter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Cathrine.

Frau Glaubeleichtin.

Cathrine!

Cathrine.

Was befehlen ſie?

Frau Glaubeleichtin.

Ruffe mir Luischen her! Mich duͤnckt, Herr Scheinfromm koͤmmt.

Cathrine.

Ja! da ſind ſie alle beyde.

(Beyſeite:)

Jung - fer Luischen hat ihren Herrn Vetter bey ſich. Sie muͤſſen ſich geſchwinde bedencken, was zu thun ſey.

Fuͤnfter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Herr Schein - fromm, der junge Herr von Muckersdorff.

Herr Scheinfromm.

Madame! Es iſt mir eine unausſprechliche Freude, daß mein Vetter das Gluͤck haben ſoll, in eine ſo heilige Familie zu kommen, als die ihrige iſt;und73im Fiſchbein-Rocke. und ich hoffe, daß die guten Exempel, ſo er darin - nen finden wird, ihn in dem guten Anfange zur Tugend, der ſich bey ihm befindet, noch mehr be - ſtaͤrcken werden.

Herr von Muckersdorff.

Das iſt wahr.

Herr Scheinfromm.

Es wird ſeine Schuldigkeit ſeyn, ihnen davor gebuͤhrend zu dancken.

Herr von Muckersdorff.

O! Herr Vetter, laß er mich nur zufrieden!

Frau Glaubeleichtin.

Der Herr Scheinfromm hat mir von ihnen und ihrem Land-Guthe viel gutes geſagt.

Herr von Muckersdorff.

O! er hat geſchertzt.

Frau Glaubeleichtin.

Jch glaube es iſt ihnen lieb, meine Tochter zu heyrathen.

Herr von Muckersdorff.

O! ja!

Frau Glaubeleichtin.

Es wird ihnen doch nicht zuwider ſeyn, in meine Familie zu kommen?

E 5Herr
74Die Pietiſterey
Herr von Muckersdorff.

O! nein!

Herr Scheinfromm.

Verzeihen ſie doch die Einfalt ſeiner Sitten; Er hat ſich allezeit unter lauter himmliſchen Betrach - tungen befunden, und kennet die Welt nicht.

Herr von Muckersdorff.

O! verzeihen ſie mir!

Frau Glaubeleichtin.

Es iſt wahr, der Herr von Muckersdorff ſcheint noch ſehr neu zu ſeyn, und das macht mir ein we - nig bange. Doch, das wird ſchon kommen.

Herr von Muckersdorff.

O! ja! Jſt mir doch wohl der Bart gewach - ſen, und ich habe nichts darzu gethan. Aber Dero Guͤte, durch welche ich die Ehre erlange ----

Frau Glaubeleichtin.

Es iſt ſchon genung, mein Herr von Muckers - dorff, ich bin von ihrer guten Meynung uͤberzeugt.

Herr Scheinfromm.

Wie guͤtig ſind ſie doch, Madame!

Frau Glaubeleichtin.

Man muß aber auch nicht ſo gar ſcheu ſeyn, mein Herr von Muckersdorff.

Herr von Muckersdorff.

Zum Hencker, ich weiß nicht, wie ichs machenſoll;75im Fiſchbein-Rocke. ſoll; daß muß ſich wohl geben, wenn ich groͤſſer werde.

Herr Scheinfromm.

Jch hoffe er wird ſchon werden. Denn er hat doch ſonſt Verſtand; und er macht rechte artige Verſe.

Frau Glaubeleichtin.

Wie? er macht Verſe? Ey! ich moͤchte gern welche ſehen.

Herr von Muckersdorff.

Jch will ihnen welche bringen.

Herr Scheinfromm.

Vetter! da iſt Jungfer Luischen, rede er ſie doch an.

Sechſter Auftritt. Herr Scheinfromm, Frau Glaube - leichtin, Herr von Muckersdorff, Jungfer Luischen, Cathrine.

Herr von Muckersdorff
(zu Cathrinen:)

Mademoiſelle! der helle Blitz ihrer ſtrahlenden Augen!

(Cathrine lacht:)

O! ho! lachen ſie mich aus?

Herr
76Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Was macht er denn? Vetter! Das iſt nicht Jungfer Luischen; dieß iſt ſie.

Herr von Muckersdorff.

Ah! ha! --- Mademoiſelle, der helle Blitz ihrer ſtrahlenden Augen --- der helle Blitz --- der helle Blitz --- Blitz --- Blitz --- ihrer --- ach! mein Gedaͤchtniß iſt nicht einen Finger lang. Und ich werde auch gantz ſcheu, wenn ich Maͤdgens ſehe.

Frau Glaubeleichtin.

Laſſen ſie nur ſeyn; ſie werden noch Zeit genung haben zu complimentiren. Es koͤmmt nur darauf an, daß ſie wohl mit einander leben.

Herr von Muckersdorff.

O! das glaube ich gewiß! Denn ich bin nicht Orthodox, und ſie iſts auch nicht.

Frau Glaubeleichtin.

Jch glaube es auch.

Herr von Muckersdorff.

O! ich lache die Orthodoxen aus! Jch habe im Haͤlliſchen Paͤdagogio ſtudirt, ſehn ſie; Und wenn ich einen Orthodoxen begegne, ſo ſage ich allezeit

(Er macht den Welſchen Hahn nach)

pia, pia, pia! glu, glu, glu, glu!

Herr
77im Fiſchbein-Rocke.
Herr Scheinfromm,
(zieht die Achſeln.)

Aber Vetter! ich weiß nicht --- Madame, ſie ſehen wohl ſeine Unſchuld. Es iſt ein Zeichen ſeiner Redlichkeit. Jhre Lehren werden das alles in ihm veraͤndern.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! das ſind kleine Fehler! die thun einer wahren Gottſeligkeit keinen Abbruch. Nun, meine Tochter! du ſagſt nichts?

Jungfer Luischen.

Was ſoll ich ſagen Mama? ich kan mit den Welſchen Huͤnern nicht reden.

Cathrine.

Das iſt ewig ſchade! denn das wuͤrde ein ſchoͤn Geſpraͤche ſeyn.

Herr von Muckersdorff.

Verſtehn ſie die Muſic, Mademoiſelle?

Jungfer Luischen.

Gantz und gar nicht.

Herr von Muckersdorff.

Jch auch nicht. Aber ich wollte, daß ſie mich haͤtten ſingen gehoͤrt, wie ich gantz klein war. Die Leute ſagten auch damahls, daß ich ſehr leichtfer - tig waͤre; aber das iſt ein Merckmahl eines guten Zeichens.

Frau
78Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin
(zum Scheinfromm:)

Herr Magiſter, es iſt mir lieb, daß ich ihrem Vet - ter geſehen habe. Sie koͤnnen den Contract nur machen laſſen. Sie wiſſen meine Meinung, was ich meiner Tochter mit geben will. Jch habe ihnen die Vollmacht uͤbergeben, die mir mein Liebſter ge - laſſen hat, daß ich in ſeinem Nahmen alles thun koͤnnte, was ich wollte. Gehen ſie alſo damit zu einem Advocaten, und laſſen ſie ſich eine Schrifft aufſetzen. Sorgen ſie davor, daß ſie guͤltig ſey; und wenn ſie ſie denn zu mir bringen; ſo will ich ſie ungeleſen unterſchreiben.

Herr Scheinfromm.

Wie? Madame! Wollen ſie nicht einmahl die Behutſamkeit gebrauchen, und die Schrifft zuvor leſen?

Frau Glaubeleichtin.

Wie? mit dem Herrn Scheinfromm ſollte ich ſo mißtrauiſch umgehen? Nein! gewiß nicht! das bin ich gegen ſie nicht faͤhig; ich verſpreche ihnen, daß ichs nicht leſen will.

Cathrine
(beyſeite:)

Und mich duͤnckt, ich laͤſe es gewiß.

Herr Scheinfromm.

Ach! wie theuer iſt mir dieſes gute Vertrauen, Madame! Seyn ſie verſichert, daß ich es nichtmiß -79im Fiſchbein-Rocke. mißbrauchen will; ſondern daß ich ihren Willen getreulich ausrichten will. Sie gehen weg, Madame?

Frau Glaubeleichtin.

Ja! ich muß gehen, und meine Zuſammenkunfft erwarten.

Herr Scheinfromm.

Vetter! nehme er Abſchied.

Herr von Muckersdorff,
(macht viel Reverentzen:)

Bis aufs Wiederſehn! Madame! Adjeu! Mademoiſelle!

Cathrine.

Zum Hencker! das iſt ein Kalbs-Kopf! Gut! da koͤmmt unſere andere Jungfer. Mich duͤnckt, ſie iſt ſehr froh; und glaubt, ſie habe den Liebmann ſchon beym Ermel.

Siebender Auftritt. Jungfer Dorchen, Jungfer Luischen.

Jungfer Dorchen.

Nun meine liebe Schweſter! endlich haſt du, was du gewuͤnſchet haſt. Nunmehro wirſt du Hochzeit machen. Jch wuͤnſche dir Gluͤck darzu!

Jung -
80Die Pietiſterey
Jungfer Luischen.

Das iſt ein Zeichen deiner Redlichkeit.

Jungfer Dorchen.

Es iſt wahr, dein Braͤutigam gefaͤllt dir nicht; aber du haſt auch das Vergnuͤgen dabey, daß du der Mama gehorſam biſt.

Jungfer Luischen.

Ach! wenn dir das ſo ein groſſes Vergnuͤgen zu ſeyn beduͤnckt; ſo will ich dirs ſehr gerne uͤber - laſſen.

Jungfer Dorchen.

Jch? meine Schweſter! Behuͤte mich GOtt, daß ich dir deinen Braͤutigam wegnehmen ſolte! du haſt es mir ſelbſt verbothen.

Jungfer Luischen.

Du biſt ſehr gewiſſenhafft.

Jungfer Dorchen.

Du ſiehſt nun aber doch, daß deine Hoffnung auf den Liebmann nicht ſo gantz untruͤglich geweſen iſt: Und wenn er mir anjetzo ſein Hertz ſchencken wollte, ſo ſehe ich nicht, daß es dir zuwider ſeyn koͤnnte.

Jungfer Luischen.

Wie? ſchicken ſich denn ſolche Gedancken zu der Gottſeligkeit, und zu dem heiligen Leben, das du fuͤhren willſt?

Jung -
81im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Dorchen.

Schickt es ſich denn vor dich, daß du mir Lectio - nes giebſt, da du doch keinen Unterricht von hohen Dingen bekommen haſt? Sey doch nur ſtille! Jch weiß es beſſer, als du, was ſich vor mich ſchickt oder nicht.

Jungfer Luischen.

Jch glaube es; aber ſey vielmehr ſelbſt ſtille, in Abſicht auf den Liebmann. Doch! da iſt er. Er wird mich ohnfehlbar ſprechen wollen; aber ich will dir Gelegenheit geben, zuerſt mit ihm zu ſpre - chen. Und wenn er dein Liebhaber werden will, ſo uͤberlaſſe ich ihn dir.

Jungfer Dorchen.

Du uͤberlaͤſſt ihn mir?

Jungfer Luischen.

Ja! ich uͤberlaſſe ihn dir.

Achter Auftritt. Jungfer Dorchen, Herr Liebmann.

Herr Liebmann.

Was ſagte ſie? Jungfer Luischen geht fort? und ſpricht, ſie will mich verlaſſen? O Himmel! ſoll ichs glauben? Ums Himmels willen erklaͤrenFſie82Die Pietiſtereyſie mir das Geheimniß! Unterwirfft ſie ſich dem Willen ihrer Mama? Will ſie mir in der That abtruͤnnig werden?

Jungfer Dorchen.

Sie habens gehoͤrt! Was wollen ſie mehr?

Herr Liebmann.

Die Ungetreue! Um ſo eines Nichtswuͤrdigen halben mich zu verlaſſen! O Himmel! was werde ich machen?

Jungfer Dorchen.

Jch wollte ſie ſehr beklagen; wenn nicht noch ein Mittel waͤre, wie ſie ſich raͤchen koͤnnten.

Herr Liebmann,
(in Gedancken.)

Wenn der, den ſie mir vorziehet, nur noch ih - rer Liebe werth waͤre.

Jungfer Dorchen.

Das iſt wahr, ich koͤnnte ſo undanckbar nicht ſeyn.

Herr Liebmann.

Mit mir ſo umzugehen?

Jungfer Dorchen.

Glauben ſie mir! raͤchen ſie ſich, und waͤhlen ſie eine wuͤrdigere Perſon. Das wird die beſte Beſtrafung ſeyn.

Herr
83im Fiſchbein-Rocke.
Herr Liebmann.

O! die Grauſame? Sie begehrt ſich nicht ein - mahl zu entſchuldigen. Sie fliehet, ſie vermeidet meine Gegenwart.

Jungfer Dorchen.

Raͤchen ſie ſich! Bedencken ſie wohl, was ich ſage.

Herr Liebmann.

Nein! Mademoiſelle! Sie koͤnnen eine ſo groſſe Unerkenntlichkeit nicht entſchuldigen. Jch mag nichts hoͤren.

Jungfer Dorchen.

Sie verſtehen mich nicht. Jch will nicht ---

Herr Liebmann.

Nein! Mademoiſelle! nein! Es kan nicht ver - theidiget werden. Wie? hat ſie in einem Augen - blicke meine Treue und meine Liebe vergeſſen koͤnnen?

Jungfer Dorchen.

Hoͤren ſie mich doch nur an: Jch rathe ihnen ſelbſt, daß ſie ſie vergeſſen, und an eine beſſere Wahl gedencken ſollen.

Herr Liebmann,
(in Gedancken.)

Mit ſolcher Gelaſſenheit mein Ungluͤcke zu be - ſchlieſſen.

F 2Jung -
84Die Pietiſterey
Jungfer Dorchen.

Was hilffts, daß ſie ſich viel beklagen? Sie muͤſſen ſich zu raͤchen ſuchen. Bedencken ſie nur, wer ſie ſind. Ach! ſie duͤrften nicht weit ſuchen, um ein Hertz zu finden, das des ihrigen viel wuͤr - diger iſt.

Herr Liebmann.

Meinetwegen, ich wills thun!

Jungfer Dorchen.

Wie? Haben ſie ſich entſchloſſen?

Herr Liebmann.

Ja! und ich hoffe, ſie werden mit mir einer Meynung ſeyn.

Jungfer Dorchen.

Mein Herr! ſie haͤtten ſchon ſeit langer Zeit die Hochachtung bemercken ſollen, ſo ich vor ihre Per - ſon habe.

Herr Liebmann.

Ach! wenn ſie mir ein wenig geneigt ſeyn, ſo koͤnnen ſies nicht mißbilligen, daß ich eine unge - treue verachte.

Jungfer Dorchen.

Es iſt wahr --- aber der Wohlſtand erlaubt es nicht, daß ---

Herr Liebmann.

Ey! der Wohlſtand ſelbſt erforderts!

Jung -
85im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Dorchen.

Herr Liebmann! ſie ſind ſehr hitzig! Wiſſen ſie, daß, wenn die Mama mich ihnen verloben will, ſo ſollen ſie von meiner Seite keine Hinderniß finden.

Herr Liebmann.

Wie? ich ſoll bey der Mama um ſie anhalten?

Jungfer Dorchen.

Ja! Nimmt ſie das Wunder?

Herr Liebmann.

Verzeihen ſie! Jch bin ſo verwirrt: Jch habe mich vielleicht nicht deutlich genung erklaͤret; Oder ſie haben mich nicht verſtanden.

Jungfer Dorchen.

Was iſt denn ihre Meinung?

Herr Liebmann.

Jch meyne, ich will mich von der grauſamen Luiſe entfernen: Jch will aufs Land ziehen, und allda mein Leben beſchlieſſen. Da werde ich doch wenigſtens kein ſichtbares Opfer ihrer Rache ſeyn; Und vielleicht vergeſſe ich ſie gar mit der Zeit.

Jungfer Dorchen.

Wie? wollen ſie nicht mehr lieben?

Herr Liebmann.

Ach! bin ich kuͤnftig hin faͤhig darzu? Nein! F 3ich86Die Pietiſtereyich will nichts mehr lieben. Jch will alles haſſen; Das Licht der Sonnen ſelbſt will ich fliehen!

Jungfer Dorchen.

Jſt denn das die ſchoͤne Rache, daruͤber ſie ſo lange in Gedancken ſtunden?

Herr Liebmann.

Ja! und ich wills den Augenblick ausrichten.

Jungfer Dorchen.

Gehn ſie, mein Herr, gehn ſie! Der Anſchlag iſt gar zu ſchoͤn. Aber ſeyn ſie gewiß, daß, wo - fern meine Schweſter ſie ja bedauret: Jch ſie doch nicht bedauren werde.

Neunter Auftritt. Herr Liebmann, Herr Wackermann.

Herr Wackermann.

Wie? ſo tief in Gedancken, Herr Liebmann? Sie kennen mich ja kaum?

Herr Liebmann.

Ach! das iſt der aͤrgſte Streich, der mich treffen konnte! Meine, gantzer zwey Jahre her, ohne alle Urſache verzoͤgerte, Hochzeit war nichts dargegen. Denn die Treue und Liebe meiner Luiſe verſuͤſſeten mir dieſen Gram. Nein! um mich recht zu quaͤ -len87im Fiſchbein-Rocke. len; So muſſte mir dieſe Luiſe untreu werden, und mich gegen einen nichtswuͤrdigen vertauſchen. Adjeu, Herr Obriſter! Sie ſehen mich zum letz - ten mahle.

Herr Wackermann.

Zum Hencker! Wer hat ihnen das Zeug in den Kopf geſetzt? Jch wette, daß es alles nichts iſt.

Herr Liebmann.

Ach! ich habe es von ihr ſelbſt gehoͤrt.

Herr Wackermann.

Von ihr ſelbſt?

Herr Liebmann.

Ja! Herr Obriſter! und ihre Schweſter ſagts auch.

Herr Wackermann.

Die Schweſter kan ihre Urſachen haben, warum ſie ihnen ſolch Zeug ſagt. Aber ich kanns nicht glauben. Jch weiß gar zu gut, was ſie denckt.

Herr Liebmann.

Sie kann ſich wohl bedacht haben.

Herr Wackermann.

Jch habe ſie ja nur den Augenblick geſprochen. Sie iſt ja mit mir eins geworden, daß ich ſie zu mir nehmen ſoll, und ſo lange bey mir behalten, bis ihr Vater koͤmmt. Machen ſie ſich keine Gril -F 4len!88Die Pietiſtereylen! Mit einem Worte: Jch ſtehe vor meine Muhme.

Herr Liebmann.

Wie? So will ſie zu ihnen kommen?

Herr Wackermann.

Ja! Wofern ich kein Mittel ſehe, der naͤrriſchen Heyrath zu ſteuren; ſo habe ichs mit ihr abgeredt, daß ich ſie insgeheim abhohlen will. Und ſie hat darein gewilliget. Und mich duͤnckt, wenn die Sache ſo weit iſt, ſo duͤrffen ſie mit ihrer Hochzeit nicht zaudern, denn ich habe einen Brief von mei - nem Bruder bekommen, darinnen ſchreibt er mir, er werde mit eheſtem hier ſeyn.

Herr Liebmann.

Ach! ich werde wieder lebendig. Jſt es moͤglich, daß ich mich ohne Urſache gefuͤrchtet habe? Ach! wo meine Luiſe mir treu iſt, ſo werde ich es mir niemahls verzeihen koͤnnen, daß ich ſie ſo beleidiget habe.

Herr Wackermann.

Kommen ſie mit mir hin; da koͤnnen ſie ſie ſelbſt fragen, und ſie um Verzeihung bitten.

Vierte89im Fiſchbein-Rocke.

Vierte Handlung.

Erſter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Frau Zancken - heimin, Frau Seuffzerin.

Frau Glaubeleichtin.

Jch hoͤre, daß meine Tochter Dorchen etwas kranck iſt; aber es ſind nur Kopf-Schmer - tzen. Luischen hat auch etwas zu thun. Wir wollen uns aber deßwegen nicht ſtoͤhren laſſen, ſon - dern mit unſern Gottſeligen Geſpraͤchen den Anfang machen.

Frau Zanckenheimin.

Es iſt mir was eingefallen. Jch meyne, wir koͤnnten uns einen Menſchen halten, der unſere Unterredungen in ein Buch truͤge. Das wuͤrde der Kirche ein nuͤtzliches Werck ſeyn; daraus koͤnn - ten die dunckelſten Theologiſchen Streitigkeiten ent - ſchieden werden.

Frau Glaubeleichtin.

Das iſt ein unvergleichlicher Einfall!

Frau Seuffzerin.

Das waͤre freylich ſchoͤn! Die Kirche wuͤrdeF 5nicht90Die Pietiſtereynicht nur viel Nutzen; ſondern auch viel Ehre da - von haben: Denn wir muͤſten unſere Nahmen dar - unter ſetzen.

Frau Zanckenheimin.

Freylich. Jch habe den Titul darzu ſchon fer - tig. Er ſoll heiſſen: Sammlung auserleſener Streitigkeiten uͤber die ſchwerſten Religions Artickel, den Doctoren der heiligen Schrifft, und den Theo - logiſchen Facultaͤten zum Nutzen und Unterricht heraus gegeben, von denen Frauen: Glaubeleich - tin, Seufzerin und Zanckenheimin.

Frau Seuffzerin.

Das iſt allerliebſt! Aber unſere Herren muͤſten das Werck erſt durchleſen.

Frau Zanckenheimin.

Freylich; aber nur die rechten eiffrigen Prediger: Denn die andern ſind Dumm-Koͤpffe; die wiſſen nichts von hohen Sachen.

Frau Glaubeleichtin.

Das iſt gewiß ein ſchoͤner Vorſchlag: Wir muͤſſen ihn noch heute ins Werck richten. Aber welchen Punct wollen wir zuerſt vornehmen? Die Wittenberger haben wir ſchon laͤngſt unter die Banck diſputirt. Die Gewalt der Geiſtlichen und die Kirchen-Ordnungen haben wir auch ſchon aus - gemacht. Mich duͤnckt, wir ſind jetzo bey dem Artickel von der Wiedergeburth.

Frau
91im Fiſchbein-Rocke.
Frau Seuffzerin.

Ja! da ſind wir geblieben.

Frau Glaubeleichtin.

Nun, ich muß ihnen auch meine Gedancken ſagen. Jch habe gehoͤret, daß noch kein eintziger Theologus die Wiedergeburth recht erklaͤret habe: Und geben dieſes vor einen ſehr ſchweren Artickel aus. Wir wollen uns alſo druͤber machen, und dieſen Her - ren zeigen, daß wir kluͤger ſind, als ſie.

Frau Seuffzerin.

O! das iſt ſehr ſchoͤne. Da werden wir die Sache in ſein rechtes Licht ſetzen.

Frau Glaubeleichtin.

Was ſagen ſie darzu, Madame?

Frau Zanckenheimin.

Jch laſſe es mir gefallen. Das wird uns einen unſterblichen Nahmen machen.

Frau Glaubeleichtin.

Wir muͤſſen alſo uͤber eine Erklaͤrung eins wer - den. Wollen ſie ihre Meinungen zu erſt ſagen; oder ſoll ich anfangen?

Frau Seuffzerin.

Fangen ſie nur an, Madame.

Frau Zanckenheimin.

Wir wollen warten.

Frau
92Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Weil ſie es denn begehren; ſo habe ich die Ehre ihnen zu ſagen, daß ich die Wiedergeburth halte, geben ſie wohl Achtung! ich halte ſie fuͤr das ſuͤſſe Quell-Waſſer des Hertzens, welches aus der Sophia urſtaͤndet, und das himmliſche Weſen gebiehret.

Frau Zanckenheimin.

Wie war das? das Grund-Waſſer? ---

Frau Glaubeleichtin.

Nein! ich ſage: das ſuͤſſe Quell-Waſſer des Hertzens! Verſtehen ſie denn das nicht?

Frau Zanckenheimin.

Verzeihen ſie; was iſt das ſuͤſſe Quell-Waſſer des Hertzens.

Frau Glaubeleichtin.

Quell-Waſſer? was das iſt? Je! das ver - ſteht die gantze Welt!

Frau Zanckenheimin.

Das Waſſer-Bad wollen ſie ſagen?

Frau Glaubeleichtin.

Nein, Madame! Es iſt kein Waſſer-Bad. Zum Hencker! ich werde doch wiſſen, was ich rede. Was ſagen ſie denn davon? Jch moͤchts doch wohl gerne wiſſen.

Frau
93im Fiſchbein-Rocke.
Frau Zanckenheimin.

Nach meiner Meinung iſts: Die Erbohren - werdung der himmliſchen Weſenheit, aus der Selbſtheit der Animaliſchen Seele, in dem Centro des irrdiſchen Menſchen; und windet ſich einwaͤrts wie ein Rad.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! die Erbohrenwerdung! ah! ha! ha! ha!

Frau Zanckenheimin.

Ja! freylich! Verſtehen ſie das nicht? Das iſt ja Sonnen-klar!

Frau Glaubeleichtin.

Jch verſteh es nicht.

Frau Zanckenheimin.

Das wundert mich! Da ſie doch wiſſen, was das ſuͤſſe Qvell-Waſſer des Hertzens iſt.

Frau Glaubeleichtin.

Alle Menſchen verſtehen das. Aber die Erboh - renwerdung? Das iſt Phantaſtiſch!

Frau Zanckenheimin.

Das ſuͤſſe Qvell-Waſſer? Thorheit!

Frau Glaubeleichtin.

Thorheit ſagen ſie?

Frau Zanckenheimin.

Phantaſtiſch ſagen ſie?

Frau
94Die Pietiſterey
Frau Seuffzerin.

Ey! ey! erzuͤrnen ſie ſich nicht!

Frau Glaubeleichtin.

Ach! das iſt ein groſſer Unterſcheid! Phanta - ſtiſch iſt Phantaſtiſch; aber Thorheit?

Frau Zanckenheimin.

Umgekehrt Madame! Thorheit iſt Thorheit; aber Phantaſtiſch?

Frau Seuffzerin.

Ach liebe Schweſtern! was wollen ſie denn?

Frau Glaubeleichtin.

Mich ſo zu ſchimpfen?

Frau Zanckenheimin.

Sie haben angefangen.

Frau Glaubeleichtin.

Jn meinem Hauſe?

Frau Seuffzerin.

Ey! verſoͤhnen ſie ſich doch!

Frau Zanckenheimin.

Warum ſoll ich Phantaſtiſch reden?

Frau Seuffzerin

Sie hat recht.

(Leiſe zur Frau Glaubeleichtin)

Sie wiſſen daß es ein wunderlich Weib iſt.

Frau
95im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Thorheit?

Frau Seuffzerin.

Sie hat unrecht.

(Leiſe zur Frau Zanckenheimin)

Man muß von ſolchen Dingen lieber nicht reden.

Frau Glaubeleichtin.

O! ich weiß ſchon, was ich thun will.

Frau Seuffzerin.

Ach! ich bitte ſie drum. Man muß ſeinen Naͤchſten etwas zu gute halten. Verzeihen ſie ihr die Thorheit; ſie wird ihnen die Phantaſterey verzeihen.

Frau Zanckenheimin.

Gut, ich wills thun.

Frau Glaubeleichtin.

Nein, ich kanns nicht vergeſſen!

Frau Seuffzerin.

Ey! thun ſie doch nur ſo, des Wohlſtands wegen. Hoͤren ſie: Weil ſie ſich nicht vergleichen koͤnnen; ſo will ich ihnen meine Erklaͤrung von der Wiedergeburth ſagen: Vielleicht gefaͤllt ſie ihnen beſſer. Und denn iſt der Streit aus.

Frau Glaubeleichtin.

Meinetwegen.

Frau
96Die Pietiſterey
Frau Zanckenheimin.

Jch laſſe mirs gefallen.

Frau Seuffzerin.

Nun hoͤren ſie! Nach meiner Meynung iſt die Wiedergeburth, die Urſtaͤndung des wahren Bild - niſſes der edlen Perle, die aus dem Magiſchen See - lenfeuer gebohren, und in den ewigen Sabbath eingefuͤhret wird. Oder, wenn ichs noch deutlicher geben ſoll: Sie iſt eine himmliſche Tinctur, wo - durch die neue Seele das vegetabiliſche Leben der vier Elementen wegwirfft, und die Magiſche Seele als eine Gottheit in ſeiner Gleichheit nach dem Mo - dell der Weisheit in alle Dinge einbildet. Das iſt eine klare Erklaͤrung! damit wird man allen Theologis das Maul ſtopffen koͤnnen.

Frau Glaubeleichtin.

Das Maul ſtopffen?

Frau Seuffzerin.

Ja! haben ſie was darwider einzuwenden?

Frau Zanckenheimin.

Etwas.

Frau Seuffzerin.

Das moͤcht ich ſehen.

Frau Glaubeleichtin.

Mir gefaͤllts gar nicht.

Frau
97im Fiſchbein-Rocke.
Frau Zanckenheimin.

Mir auch nicht.

Frau Seuffzerin.

Das macht ihr Quell-Waſſer, und ihre Er - bohrenwerdung iſt ihnen angenehmer; iſts nicht wahr? Und ich ſage es ihnen ungeſcheuet unter die Augen: Jn ihren Erklaͤrungen iſt kein menſchlicher Verſtand. Meine iſt die Rechte.

Frau Glaubeleichtin.

Madame! Madame! nehmen ſie ſich in acht.

Frau Seuffzerin.

Thun ſies nur ſelbſt.

Frau Zanckenheimin.

Sie reden ſehr nachdruͤcklich.

Frau Seuffzerin.

Ja! das ſchickt ſich auch vor mich; wenn ich mit ihnen rede. Verſtehen ſie das? Wuſten ſie wohl das geringſte von der Theologie, wie ich an - fieng ihnen das Verſtaͤndniß zu eroͤffnen? Wer hat ihnen alles geſagt? Bin ichs nicht? Es ſteht ihnen gewiß nicht an, mich zu hoffmeiſtern. Sie muͤſ - ſen wiſſen, daß ich meine Erklaͤrung gegen alle Theo - logiſche Facultaͤten von der Welt behaupten will. Und wenn unſere Leute es nicht annehmen; ſo werde ich wohl gar Orthodox, und will euch alle tolle machen.

GFrau
98Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Ach! da koͤmmt der Herr Magiſter Schein - fromm. Er koͤmmt als wie gerufen.

Zweyter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Frau Zancken - heimin, Frau Seuffzerin, Herr Scheinfromm.

Herr Scheinfromm.

Sie diſputiren ja recht hefftig, wie ich hoͤre. Was haben ſie vor? Wenn ich fragen darff.

Frau Glaubeleichtin.

Die Frau Seuffzerin erklaͤret uns vor dumme Weiber.

Herr Scheinfromm.

Ah!

Frau Zanckenheimin.

Sie droht, ſie will Orthodox werden.

Herr Scheinfromm.

Ah! ach!

Frau Seuffzerin.

Nein, ſie haben mich geſchimpft, und find mit meiner Theologie nicht zufrieden.

Herr
99im Fiſchbein-Rocke.
Herr Scheinfromm.

Oh! oh!

Frau Glaubeleichtin.

Sie gab uns eine Erklaͤrung, die gefiel uns nicht: Und das verdreuſſt ſie.

Herr Scheinfromm.

Ha! Ha!

Frau Zanckenheimin.

Sie will durchaus, daß ſie beſſer ſeyn ſoll, als unſere.

Herr Scheinfromm.

Ah! Ha!

Frau Seuffzerin.

Sie muͤſſen uns entſcheiden, Herr Magiſter. Man ſoll die Wiedergeburth erklaͤren. Die Er - klaͤrung aber ſoll kurtz, nett und gruͤndlich ſeyn; denn wir wollen einen Glaubens-Artickel daraus machen. Wir haben eine jede unſere Meynung geſagt. Sie ſollen nun ſagen, wer recht hat.

Herr Scheinfromm.

Gantz gern. Sagen ſie nur, wovon die Rede iſt.

Frau Glaubeleichtin.

Jch ſage: Die Wiedergeburth iſt ---

Frau Zanckenheimin.

Eine Erbohrenwerdung ---

G 2Frau
100Die Pietiſterey
Frau Seuffzerin.

Nein! Herr Magiſter! die himmliſche Tinctur ---

Frau Glaubeleichtin.

Und ich ſage: Sie iſt das ſuͤſſe Quell-Waſſer ---

Frau Zanckenheimin.

Jch ſage aber noch einmahl: Es iſt die Erboh - renwerdung ---

Frau Seuffzerin.

Ja! was wollts nur nicht! Es iſt die himm - liſche Tinctur, ſag ich; und das iſts auch.

Frau Glaubeleichtin.

Nein! Es iſt das ſuͤſſe Quell-Waſſer, und ich weiche nicht ein Haar.

Alle drey zuſammen:
Fr. Glaubel Fr. Zanckenh. Fr. Seuffzer.

Ein ſuͤſſes Quell-Waſſer --- Eine Erbohrenwerdung --- Eine himmliſche Tinctur ---

Herr Scheinfromm.

Zum Hencker! ſo reden ſie doch nicht alle drey auf einmahl; ich kann ja nichts verſtehen. Was ſagen ſie, Madame? Sagten ſie nicht, es waͤre eine Tinctur?

Frau Seuffzerin.

Nein! die Tinctur war von mir!

Frau Glaubeleichtin.

Das Waſſer war von mir!

Frau
101im Fiſchbein-Rocke.
Frau Zanckenheimin.

Und die Erbohrenwerdung von mir!

Herr Scheinfromm.

Noch einmahl bitte ich mirs aus.

Frau Glaubeleichtin.

Jch will ihnen ſagen, Herr Magiſter, die Sache iſt Sonnenklar.

Frau Zanckenheimin.

Nur ein Wort.

Frau Seuffzerin.

Nur ein halbes Wort.

Frau Glaubeleichtin.

Jch muß zuerſt reden.

Frau Zanckenheimin.

Jch habe nur ein Wort zu ſagen, Madame!

Frau Seuffzerin.

Laſſen ſie mich nur einen Augenblick reden. Her - nach moͤgen fie ſagen, was ſie wollen.

Herr Scheinfromm.

Mein GOtt! vereinigen ſie ſich doch, wenn es moͤglich iſt!

Frau Glaubeleichtin.

Jſts nicht wahr, Herr Magiſter? Die Wieder - geburth iſt das ſuͤße Quell-Waſſer des Hertzens.

Frau Zanckenheimin.

Nein! Es iſt die Erbohrenwerdung der himm -G 3liſchen102Die Pietiſtereyliſchen Weſenheit aus der Selbſtheit der animali - ſchen Seele, in dem Centro des irrdiſchen Menſchen, und windet ſich einwaͤrts wie ein Rad.

Frau Seuffzerin.

Nein! Es iſt die himmliſche Tinctur, wodurch die neue Seele das vegetabiliſche Leben der vier Ele - mente wegwirfft, und die magiſche Seele, als die Gottheit, nach dem Modell der Weißheit in alle Dinge einbildet.

Frau Glaubeleichtin.

Das Qvell-Waſſer ---

Frau Zanckenheimin.

Die Erbohrenwerdung ---

Frau Seuffzerin.

Die himmliſche Tinctur ---

Frau Glaubeleichtin.

Habe ich nicht recht, Herr Magiſter?

Frau Zanckenheimin.

Jrre ich wohl, Herr Magiſter?

Frau Seuffzerin.

Jſts nicht wahr, Herr Magiſter?

Herr Scheinfromm.

Wie kan ich ſie doch vereinigen, wenn ich nicht weiß, woruͤber ſie ſich zancken? Es iſt der beſte Rath, ich gehe fort. Adjeu!

Alle103im Fiſchbein-Rocke.
Alle zuſammen:
Fr. Glaubel. Fr. Zanckenh. Fr. Seuffzer.

Ach! bleiben ſie Herr Magiſter! Ach! gehen ſie doch nur nicht weg! Nur einen Augenblick!

Herr Scheinfromm.

Gantz gern; Aber mit der Bedingung, daß mir nur immer diejenige antworte, die ich fragen werde.

Frau Glaubeleichtin.

Gut, Herr Magiſter! fragen ſie mich zuerſt.

Frau Zanckenheimin.

Ach! fragen ſie mich zuerſt, ich bitte ſie drum!

Frau Seuffzerin.

Jch werde gantz kurtz antworten.

Herr Scheinfromm.

Zum Hencker! Es hat ja noch kein Ende! Adjeu! ich gehe.

Alle drey:
Fr. Glaubel. Fr. Zanckenh. Fr. Seuffzer.

Ach! ich laſſe ſie gewiß nicht weg. Sie muͤſſen bleiben. Wir laſſen ſie nicht.

Herr Scheinfromm.

Nun, ſo reden ſie huͤbſch eine nach der andern.

Alle drey:

Nun, wir verſprechens!

G 4Herr
104Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Madam Glaubeleichtin, was ſagen ſie?

Frau Glaubeleichtin.

Die Wiedergeburth iſt das ſuͤſſe Qvell-Waſſer des Hertzens ſag ich, welches aus der Sophia ur - ſtaͤndet, und das himmliſche Weltweſen gebiehret.

Herr Scheinfromm,
(nachdencklich.)

Das ſuͤſ -- ſe Quell - Waſ -- ſer des -- Her -- tzens -- das iſt ziemlich deutlich. Wel -- ches -- aus -- der -- So -- phi -- a -- ur -- ſtaͤn -- det, -- und -- das -- himm -- li -- ſche -- Welt -- weſen ge -- bieh -- ret. Das iſt ſehr ſchoͤn und deutlich erklaͤrt. Und ſie Madame?

Frau Zanckenheimin.

Jch ſage, es iſt die Erbohrenwerdung der himm - liſchen Weſenheit aus der Selbſtheit der animali - ſchen Seele in dem Centro des irrdiſchen Menſchen, und windet ſich einwaͤrts wie ein Rad.

Herr Scheinfromm.

Die -- Er -- boh -- ren -- wer -- dung -- der -- himm -- li -- ſchen -- We -- ſen -- heit -- Jn Wahr - heit! das iſt ſehr ſchoͤn geſagt! Und ſie Madame?

Frau Seuffzerin.

Es iſt eine himmliſche Tinctur, wodurch die neue Seele das vegetabiliſche Leben der vier Elemen - ten wegwirfft, und die magiſche Seele, als dieGott -105im Fiſchbein-Rocke. Gottheit in ſeiner Gleichheit, nach dem Modell der Weisheit in alle Dinge einbildet.

Herr Scheinfromm.

Potz tauſend! das iſt hoch! Eine himmliſche Tinctur, wodurch die vegetabiliſche Seele ---

Frau Seuffzerin.

Nein! die neue Seele ---

Herr Scheinfromm.

Schon gut! es iſt einerley. Aber die Erklaͤ - rung gefaͤllt mir ſehr.

Frau Glaubeleichtin.

Koͤnnten ſie nicht etwa von der Materie eine huͤbſche Stelle aus Francken finden: Das wuͤrde den Streit entſcheiden.

Herr Scheinfromm.

Es iſt ſo gut, als wenn ich ſie wuͤßte; denn ich habe in meiner Bibliothec alle ſeine Wercke.

Frau Zanckenheimin.

Mich duͤnckt, Spener wird auch etwas davon haben.

Herr Scheinfromm.

Das kan wohl ſeyn; denn ein guter Freund von mir hat ſeine Sachen gekaufft.

Frau Seuffzerin.

Jch bin gewiß, daß meine Erklaͤrung von Wort zu Wort in Jacob Boͤhmen ſteht.

G 5Herr
106Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Ja, ja! ich ſahe neulich ein Exemplar, das war vortrefflich ſchoͤn eingebunden.

Frau Zanckenheimin.

Nun Herr Magiſter! Wer hat recht von uns?

Herr Scheinfromm.

Alle dreye! Glauben ſie mir, bleiben ſie nur eine jede bey ihrer Erklaͤrung.

Frau Seuffzerin.

Das kan aber nicht ſeyn: Es ſoll ein Glaubens - Artickel werden.

Herr Scheinfromm.

Oh! ho! Ein Glaubens Artickel?

Frau Zanckenheimin.

Ja!

Herr Scheinfromm.

Ein Glaubens-Artickel! Wie? haben ſie denn unſere Herren darum befragt?

Frau Glaubeleichtin.

Nein!

Herr Scheinfromm.

Wie? und wollen Glaubens-Artickel machen, ohne die Einwilligung unſerer Herrn zu haben. Jch bin ihr Diener: Damit habe ich nichts zu thun.

Drit -107im Fiſchbein-Rocke.

Dritter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Fr. Seuffzerin, Fr. Zanckenheimin, Herr Magiſter Scheinfromm, ein Diener.

Der Diener.

Die Frau Ehrlichen hier neben bey iſt da. Sie ſagt: Sie haͤtte den Herrn Magiſter Scheinfromm hier hinein gehen ſehen, und haͤtte was nothwendiges mit ihm zu ſprechen.

Herr Scheinfromm.

Jch komme den Augenblick.

Frau Glaubeleichtin.

Ach, nein! Herr Magiſter: Worzu wollen ſie ſich heraus bemuͤhen? Laßt ſie nur herein kommen.

Der Diener.

Da koͤmmt ſie ſchon von ſelbſten.

Vierter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Frau Zancken - heimin, Herr Magiſter Schein - fromm, Frau Seuffzerin, und Frau Ehrlichen.

Frau Ehrlichen.

Ha! ha! Herr Magiſter! fing eck em hier? He108Die PietiſtereyHe es en ſchoͤner Herr! Eck bedanck my vor den ſchoͤnen Onderrecht, den he myner Dochter gegewen hefft.

Herr Scheinfromm.

Was wollt ihr denn von mir haben?

Frau Ehrlichen.

J! du Schelm! Wat eck von dy hebben woͤll? Eck frag dy, wat du von myner Dochter hebben woͤllſt? du verfloockter Hund!

Herr Scheinfromm.

Meine liebe Frau, was redet ihr? Habe ich eure Tochter nicht gut und gruͤndlich unterrichtet?

Frau Ehrlichen.

Gruͤndlich? Ja freylich! mehr, als’t my loͤv es! du Schelm! Eck ſcheck dy myn Kind, dat du’t en der Gottſeeligkeit onderrechten ſollſt; on nicht en der Gottloſigkeit! Wat Duͤwel woͤllſtu von dem Meeken hebben? Woͤllſtu Hooren hebben; ſo ſeek dy welcke: Op der Leſtadie loopen genoog her - uͤmmer; aber vertobb my nich myn Kind.

Herr Scheinfromm.

Was redet ihr doch? Eure Tochter luͤget euch ſolche Dinge vor; Vielleicht verdreußt es ſie, daß ich mich ihrer Seeligkeit ſo eiffrig angenommen habe, und ihr manchesmahl ſcharff zugeredet.

Frau Ehrlichen.

Ja! du boͤſt de rechte Keerel tor Seeligkeit; duſullſt109im Fiſchbein-Rocke. ſullſt myne Dochter wohl foͤhren en den Himmel, wo de Engel met Kuͤlen dantzen.

(Zur Frau Glaube - leichtin:)

Wat meent ſe wohl Frau Nabern! Eck ſchak em myne Dochter en’t Huuß, dat he ſe ſall en der Reelgon enfermeeren; denn eck woͤll ſe op Oſtern tom heilgen Avendmaal nehmen. On de verflookte Keerl es dem Meeken allerly gottloß Tuͤg anmoden. Eck ſeh! ſe ſiht ut! ſe grient; eck frag er: Endlich koͤmmt’t herrut, wat Herr Schein - fromm vor een ſchoͤner Herr es. Da ſall em de Duͤvel der veer halen! Eck woͤll’m vor ’t Conſtorien kriegen; da ſall he my en een Loch kruupe, wor em nicht Sonn nich Maand beſchienen ſall.

Frau Glaubeleichtin.

Ach liebe Frau Nachbarin! bedenckt doch, was ihr redet; Herr Scheinfromm iſt ein heiliger Mann.

Herr Scheinfromm.

Mein GOtt! du ſchickſt mir dieſe Verſuchung zu. Jch dancke dir auch dafuͤr!

Frau Seuffzerin.

Seht doch! wie gedultig der fromme Mann bey ſeinem Leiden iſt. Ach! ihr ſeyd eine boͤſe Frau!

Frau Zanckenheimin.

Packt euch fort; ehe wir euch die Treppe hin - unter werffen laſſen. Wer weiß, was eure Toch - ter vor ein Thierchen iſt; und mit wem ſie ſich ſo gemein gemacht hat. Jetzo will ſie es auf dieſen heiligen Mann ſchieben.

Frau
110Die Pietiſterey
Frau Ehrlichen.

Ja! klook koſen; nuſcht dohn! Wat Duͤvel ſy jy denn vor Rackertuͤg? Eck glow, jy ſennt von dat pietiſtſche Wievervolck, de ſeck en de Reel - gon mengen. Aber jy verſtahn ſo veel darvon, als de Koh vom nygen Door. Hoͤr jy dat? Domme Duͤvels ſy jy! Dat ſegg eck ju! Eck ſy ſo klook, als jy: Awer eck gloow, de Wiewer, de ſeck en ſolche Sachen mengen, de eenen nuſcht angahn, onn de ſe nich verſtahn, dat ſend Kalwes-Koͤppe! On dat ſy jy ook!

Herr Scheinfromm.

Ach meine Frau! geht doch, und laſſt uns zu frieden.

Frau Ehrlichen.

Wat! Eck war ju nich to freeden laten; ſtracks kaamt met my vor’t Conſtorien.

Herr Scheinfromm.

Was wollt ihr denn von mir haben? GOtt kennt meine Unſchuld, und eurer Tochter Bosheit.

Frau Ehrlichen.

Ja! frylich weet GOtt, dat du en Schelm beſt! Kaamt met my! eck ſegg’t ju; oder eck kratz ju de Oogen ut.

(Sie zieht ihn beym Ermel. Er entflieht:)

Ah, ha! Loop du man! eck war dy wohl enhah - len.

(Sie geht ab.)
Fuͤnfter111im Fiſchbein-Rocke.

Fuͤnfter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Frau Seuffzerin, Frau Zanckenheimin.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! was der heilige Mann fuͤr Verfolgung leiden muß!

Frau Seuffzerin.

Jch wollte wohl wetten, daß das Weib und das Maͤdgen von ſeinen Feinden ſind beſtochen worden.

Frau Glaubeleichtin.

Freylich muß es ſo ſeyn.

Frau Zanckenheimin.

Was das aber fuͤr grobe Weiber ſind, die ſich nicht um das innere Chriſtenthum und um den Um - gang unſerer Herren bekuͤmmern.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! GOtt wird ſeine Unſchuld ſchon an den Tag bringen! Jndeſſen muß ich ihnen doch et - was neues berichten: Jch verheyrathe heute Abend meine juͤngſte Tochter Luiſe an den jungen Herrn von Muckersdorff, einen Vetter des Herrn Ma - giſter Scheinfromms.

Frau Seuffzerin.

Ach! das wird eine heilige Ehe ſeyn!

Frau
112Die Pietiſterey
Frau Zanckenheimin.

Das werden ein paar Engel auf Erden ſeyn!

Frau Glaubeleichtin.

Ja! meine Abſichten dabey ſind auch gantz geiſtlich.

Frau Seuffzerin.

Das ewige Licht beſtrahle dieſes Band durch das Centraliſche Feuer der Selbſtheit, welches iſt die unergruͤndliche Quell des Segens.

Frau Zanckenheimin.

Der Herr, der da war, und das erſte All, ſtaͤrcke die Triebe dieſer Verlobten, und fuͤhre ſie durch ſein ewiges Fiat in den Ungrund der himmliſchen Ima - gination oder weſentlichen Liebe hinein.

Frau Glaubeleichtin.

Der HErr beſtaͤttige ihren Wunſch! Doch da koͤmmt unſer Buͤcher-Kraͤmer Jacob. Wir wol - len doch ſehen, was er neues hat.

Sechſter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Frau Seuffzerin, Frau Zanckenheimin, der Buͤcher - Kraͤmer Jacob.

Frau Glaubeleichtin.

Nun! was bringt ihr uns!

Jacob.
113im Fiſchbein-Rocke.
Jacob.

O! ich bringe viel neue ſchoͤne Sachen, die ih - nen recht gefallen werden. Sehen ſie!

Frau Glaubeleichtin
(lieſt:)

Chriſtianus Democritus redivivus; das iſt: der zwar geſtorbene, aber in ſeinen Schrifften noch lebende und nimmer ſterbende Koͤnigl. Daͤniſche Cantzeley-Rath Dippel; in einem ſummariſchen Auszuge ſeiner ehemahligen und letzteren Theo - logiſchen Schrifften, denen Liebhabern der un - partheyiſchen Wahrheit mitgetheilet von einem ungenannten Freunde derſelben. Friedrichsſtadt 1736. Das wird ein ſchoͤnes Buch ſeyn; man hat es ſchon laͤngſt mit Sehnſucht erwartet.

Frau Seuffzerin
(lieſt:)

Doctor Joach. Langens Geſtalt des Creutz-Reichs. Man muß bekennen, daß das innere Chriſten - thum dieſem Manne ſehr viel zu verdancken hat. Seine Wercke ſind lauter Meiſter-Stuͤcke in der Gelehrſamkeit und Beredſamkeit; und ich wuͤſte nichts, was ihm vorzuziehen waͤre, als die Sintzendorffiſchen Schrifften.

Frau Zanckenheimin
(lieſt:)

Geiſtliches Blumen-Gaͤrtlein inniger Seelen, oder kurtze Schluß-Reimen, Betrachtungen und Lie - der uͤber allerhand Wahrheiten des inwendigen Chriſtenthums, zur Erbauung, Staͤrckung,Hund114Die Pietiſtereyund Erquickung, in dem verborgenen Leben mit Chriſto in GOTT; nebſt der Frauen-Lotterie. Franckf. und Leipzig 1735. Das iſt ein ſchoͤ - nes Buch! das muß ich haben.

Jacob.

Sehen ſie! Hier habe ich ein ſchoͤnes Werckchen. Der ſeeligen Frau Urſula Maria Zornin, ge - bohrnen Bernhardtin, ſorgfaͤltiger Gebrauch der Gnade GOttes, welcher in der Fuͤhrung des wahren Chriſtenthums durch Glauben, Lieben und Hoffen; in Wachen, Faſten und Bethen; in Kaͤmpfen, Meiden und Leiden zu beweiſen. Jn Gottſeligen Betrachtungen vorgeſtellet in zweyen Theilen. Zum drittenmahle dem Druck uͤberlaſſen, mit einer Vorrede von Daniel Hein - rich Arnoldt, der Heil. Schrifft D. und P. P. zu Koͤnigsberg. Zuͤllichau, im Verlag des Wayſen-Hauſes 1734. Ach! die Maͤgde und Handwercks-Frauen kauffen das Buch ſehr, und es iſt auch recht ſchoͤn zu leſen.

Frau Glaubeleichtin.

Jch wills kauffen.

Frau Seuffzerin.

Und ich behalte dieſes: Der erſte Tempel GOttes in Chriſto, darinnen das keuſche Leben der hei - ligen Alt-Vaͤter, heiligen Matronen und hei - ligen Maͤrtyrer in der erſten Kirchen abgebildetiſt,115im Fiſchbein-Rocke. iſt, bey dem heiligen Bau des letzten Tempels Jeſu-Immanuel denen beruffenen heiligen Kin - dern der Liebe GOttes und deſſen Hertz-ſuchen - den umgewandten Suͤndern zum Vorbilde ih - res inneren Tempels entworffen und gewidmet von Johann Otto Gluͤſing, Anno 1720. Ey! das iſt ein treflich Werck! daraus kan man lernen ein heiliges Leben fuͤhren. Jch zweifle aber ſehr, daß es bey vielen Wuͤrckung haben wird.

Jacob.

Hier haben ſie einen Catalogum von den Buͤ - chern, die ich noch zu Hauſe habe.

Frau Glaubeleichtin
(lieſt.)

Sammlung auserleſener Materien zum Bau des Reiches GOttes. Leipzig 1736. Bey Benja - min Samuel Walther.

Jane Leade Garten-Brunn, gewaͤſſert durch die Stroͤme goͤttlicher Luſtbarkeit; Oder Diarium, darinnen alles, was ſich mit dieſer Autorin von Tage zu Tage zugetragen hat, ſammt allen ihren Schrifften. Amſterd. 1679.

Vorblick des Blicks der unbekannten Gloria, oder des allerneueſten Leipziger Buchs lautere Anzeige und Summa, wie ſolche zu Chriſtgebuͤhrlicher Erkaͤnntniß und Nutz geſtellet als ein erwuͤnſch - tes Jubilate der Glaͤubigen, M. O. E. LeipzigH 2und116Die Pietiſtereyund Hof, verlegts Johann Gottlob Vierling. 1735.

Die Wuͤrtenbergiſche Tabea, oder das merckwuͤr - dige, aͤuſere und innere Leben, und ſeelige Ster - ben der weiland Gottſeeligen Jungfer Beata Sturmin, welche den 17 Januar. 1730, zu Stuttgard im Hertzogthum Wuͤrtenberg, durch einen ſeeligen Tod iſt vollendet worden; aus eigenem Umgange und Erfahrung wahrgenom - men, in der Furcht des HErrn unpartheyiſch abgefaſſet, zur Offenbahrung der herrlichen Gnade GOttes wohlmeynend mitgetheilet von etlichen, der Seeligen wohlbekannten Freunden. Zweyte Auflage, bey Metzlern und Ehrhard - ten. 1732.

Die edle neuteſtamentiſche koͤſtliche Perle des Him - mels und Gnadenreichs in uns, welche auf dem inwendigen heiligen Verleugnungs-Wege nach dem Glantz-Berge Zions der Verklaͤrung GOt - tes im Geiſt, durch das ausſtralend-vorleuch - tende Gnaden-Licht geſuchet, und als ein un - vergaͤnglicher, edler, und verborgener Schatz im Acker des gereinigten Hertzens gefunden, und in dieſem Seculo der beſtimmten Zeit, zum hoch - preißlichen Gnaden-Geſchencke, aus der Fuͤlle und Reichthum der Gnade und Liebe GOttes, allen Religionen, hohen und niedren Standes -Per -117im Fiſchbein-Rocke. Perſonen, Gelehrt und Ungelehrten, ja der gan - tzen Welt hiermit in dreyen Buͤchern praͤſentiret, und als eine helle Sonne am vollen Mittage eroͤfnet und aufgeklaͤret wird, auf daß dadurch die unſterblichen Seelen der Menſchen, zu lieben das hoͤchſte wahre Gut, ermuntert, gereitzet, als lebendige Steine zuſammen gefuͤgt, und auf dem koͤſtlichen Eckſtein Zions befeſtigt werden moͤgen; zur vollen Gewißheit des Verſtandes und der innerlichen Erkaͤnntniß. Coloſſ. II. 2. Alles aus innerlicher Erfahrung und taͤglicher Praxi geuͤbet, und endlich durch wunderbahre Schickung GOttes ans Licht geſtellet, durch einen ſeiner geringſten und einfaͤltigen, aber doch treuen und aufrichtigen Werckzeuge, Joachim Heinrich Vlzen. Luc. X. v. 21. Röm. X. v. 8. Berlin, gedruckt bey Joh. Grynaͤus. 1726. Der andere Theil 1729.

Die unerforſchlichen Wege der Herrunterlaſſung GOttes, in welchen er ſich nach denen oft un - aͤchten Begriffen der Menſchen richtet, dargele - get, in dreyen aus der Franzoͤſiſchen Sprache ins Deutſche uͤberſetzten Lebens-Laͤuften. Nebſt beygefuͤgten Erwegungen uͤber die Abſonderung und Herrunterlaſſung, worinnen vor der fal - ſchen und ſelbſtklugen Condeſcendenz der Neulinge, welche theils aus Bekehrſucht, theilsH 3aus118Die PietiſtereyCreutzflucht neben der geraden Regel der Schrift vorbey gehen, und ohne inneres Licht des Gei - ſtes der Herrunterlaſſung GOttes nachzuahmen vorwenden, beſonders in dieſen letzten Zeiten des Gerichts der Hure, des Thiers und des Dra - chen; wie auch zugleich vor vermeſſenem, aus dem Unglauben und eigenem Modell herkom - menden Richter uͤber dieſe und dergleichen, der nachgebenden Herrunterlaſſung GOttes gemaͤße Fuͤhrungen, der Seelen gewarnet wird, von einem, der die langmuͤthige Liebe GOttes und das Saltz in Chriſto ſuchet und bittet. Leipzig, bey Benjamin Samuel Walthern, 1735.

Die Geſpraͤche im Reiche der Gnaden, zwiſchen Theophilo Lebrecht, und Doſitheo Eleiſon, von der allgemeinen Erloͤſung des gantzen Menſch - lichen Geſchlechts, oder voͤlligen Wiederbrin - gung aller Creaturen. Aus dem Frantzoͤſiſchen ins Teutſche uͤberſetzt. Amſterd. 1722.

Arnolds Goͤttliche Liebes-Funcken, aus dem groſ - ſen Feuer der Liebe GOttes in Chriſto JEſu entſprungen. Dritte Auflage, mit neuen Goͤtt - lichen Liebes-Funcken vermehret. Leipzig, bey Benjamin Samuel Walthern.

GOtt allein ſoll die Ehre ſeyn: Welcher mir be - fohlen fein: Zu ſchreiben durch ſeinen Geiſt al - lein: Gantz wunderlich zwey Tractaͤtelein: Analle119im Fiſchbein-Rocke. alle Menſchen insgemein: Sie moͤgen Kaͤyſer, Koͤnige, Fuͤrſten, Grafen, Freyherren, Edle, Unedle, Gelehrte, Ungelehrte, Buͤrger, Bauern, Maͤnner, Weiber, Juͤnglinge oder Jungfrauen ſeyn: Daß ſie ſollen Buße thun, und vom Suͤn - den-Schlaf aufwachen: Dieweil GOTT mit groſſem Donner, Blitz, Hagel und Krachen: Der boͤſen Welt bald, bald, ja bald ein Ende wird machen. Benebſt meinem Johann Tenn - hards Lebens-Lauf, aus welchem wird zu ſehen ſeyn, wie lange mir der groſſe GOtt und Vater, Schoͤpffer Himmels und der Erden nachgegan - gen, ehe ich mich von ihm habe ergreiffen laſſen, indem ſolches geſchehen, ſo habe ich unwuͤrdi - ger, armer, ſuͤndhaffter Menſch, nicht allein bey drey Jahren ſeine angenehme Stimme unmittel - bar aus ſeinem goͤttlichen Munde gehoͤret; ſon - dern hat mir auch auf meine Fragen gantz freund - lich geantwortet; ja endlichen mich gar aus dem Schlafe erwecket, befohlen aufzuſtehen, und in ſeinem Nahmen dasjenige zu ſchreiben, was er mir durch ſeinen Geiſt oder ewige Weisheit dicti - ret, wie in dieſem Wercklein allen Menſchen, als Juden, Chriſten, Tuͤrcken und Heiden, nuͤtz - lich und auch hoͤchſtnoͤthig zu leſen fuͤrgeleget wird. Alles in und durch die Liebe geſchrieben in Nuͤrn - berg. Gedruckt im Jahr 1710.

H 4Die120Die Pietiſterey

Die Scheidung des Lichts und Finſterniß; das iſt: Gruͤndlicher Beweiß von nothwendiger Abſon - derung der Frommen von den Boͤſen, aus einem alten Tractate Daniel-Jonae-Bedae, Se - parati Gal-Bel-Germ-Anglici, extrahi - ret; von einem, der unter Babel den Ausgang der Kirchen Chriſti aus Babel ſuchet, wuͤnſchet und hoffet, auch andern anpreiſet, und ihnen den Ausgang zeiget, aufs neue aufgeleget, im Jahre Chriſti und ſeiner Apoſteln 1735.

Von einem, nicht Pauliſch, nicht Kephiſch, nicht Lutheriſch, nicht Tuchtfeldiſch, ſondern mit Paulo, Petro, Luthero und Tuchtfelden, nach Chriſto geſinneten Philadelphiern angeſtellete ge - naue Forſchnng, mit welcher durch und durch hin gezeiget wird, wie uͤbel es ſich verhalte in ei - nem falſchen fleiſchlichen Unwahrheit-Urtheile, mit derer anſehnlichen Herren Prediger in Nuͤrn - berg, die etwa beſonders daran Theil haben, ihrer Vermahnung und Warnung wider Victor Chriſtoph Tuchtfelden, einen Philadelphiſchen Zeugen JEſu Chriſti, der da hat ſein Wort be - halten in der kleinen Krafft der Niedrigkeit JEſu, und hat deſſen Glauben nicht verleugnet, den er eingeſehen durch die geoͤffnete Thuͤr, welche iſt JEſus Chriſtus, die kein Drache noch falſcher Prophet kann den Philadelphiern zuſchlieſſen. Zu121im Fiſchbein-Rocke. Zu Befoͤrderung Goͤttlicher Ehre, zu Steuer der feſten Wahrheit, des weit maͤchtigern Evan - gelii von und in Chriſto, als gemein hin ſolches gar ſchlecht geruͤhmet wird, und zu Widerle - gungen aller falſchen Auflage, zur Ermunte - rung derer Philadelphiſchen Genoſſen, zur Staͤr - kung ihres feſten Glaubens an GOtt, und zur Bezeugung ihrer an Chriſto einmuͤthigen Lebens - Lehre; gruͤndlich und gebuͤhrend verfaſſet, auf Unkoſten der Philadelphiſchen Freunde. Franck - furt und Leipzig, zur Oſter-Meße 1732. 4to.

Der Philoſophiſche Religions-Spoͤtter, in dem er - ſten Theile des Wertheimiſchen Bibelwercks ver - kappet; aber aus dringender Liebe zu JESU Chriſto und der reinen Moſaiſchen Lehre von demſelben freymuͤthig entlarvet, und in ſeiner natuͤrlichen Geſtalt dargeſtellet von D. Joachim Langen, S. Theol. Profeſſ. Ord. zu Halle. Pſalm. XI. v. 3. Die Gottloſen reiſſen den Grund um. Andere und vermehrte Auf - lage. Leipzig und Halle, bey Samuel Benja - min Walthern, im Jahr Chriſti 1736.

Frau Glaubeleichtin.

Ach Jacob! das habt ihr mit Fleiß zuletzt ge - laſſen. Das iſt gewiß! dieß Stuͤck wird unſern Zeiten einmahl zu einer unuͤberſchwenglichen Zierde dienen. Wie nett! wie gruͤndlich! wie deutlichH 5und122Die Pietiſtereyund ordentlich iſts nicht geſchrieben! Man ſollte ſchwoͤren, der Autor haͤtte einen Schul-Knaben von der andern Claße vor ſich.

Jacob.

Ja! man ſagt, dieſe Wiederlegung ſey zwar nicht ſo beſchaffen, daß der Gegner dadurch uͤber - zeuget werde; aber ſie ſoll doch ſehr ſchoͤn geſchrie - ben ſeyn.

Frau Zanckenheimin.

Was mir am beſten gefaͤllt, das iſt, daß der Autor ſich gar nichts vor uͤbel nimmt, und an der Buͤndigkeit ſeiner Schluͤße gar nicht zweifelt. O! das iſt ein Mann, der lacht uͤber alle Philoſophie und Vernunfft! So bald ein Schrifft-Steller etwas herausgibt, welches auf dieſe zwey Stuͤcke hinaus laͤufft, ſo macht er ſich uͤber ihn her, und widerlegt ihn, ohne zu erforſchen, was er meynt, und ob er ſeine Saͤtze auch erweiſet. Das ſind Poßen! Er mags gut bewieſen haben oder nicht: Herr D. Lange widerlegt ihn; und fuͤgt dieſer Wi - derlegung noch einen Hauffen Schimpff-Woͤrter hinzu, ohne daß er den Autorem kennet: Und das alles zur Erbauung frommer Hertzen. Das nenne ich einen rechten Amts-Eifer.

Frau Glaubeleichtin.

Nun, Jacob! laſſt ihr dieſe Buͤcher nur hier, Morgen kommt wieder, ſo ſollt ihr Antwort haben,was123im Fiſchbein-Rocke. was ich behalten will. Vergeſſt aber nicht, uns immer alles zu bringen, was ihr neues habt.

Jacob.

Gantz wohl.

(Geht ab.)
Frau Seuffzerin.

Wir werden auch wohl gehen.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! bleiben ſie doch noch ein wenig! Da koͤmmt mein Bruder, er wollte gerne unſere Unter - redungen mit anhoͤren. Wir wollen ihm doch ein wenig zuſetzen.

Siebender Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Frau Seuffzerin, Frau Zanckenheimin, Herr Wackermann.

Frau Glaubeleichtin.

Ja! nun kommen ſie, Herr Bruder! nun wir aus einander gehen.

Herr Wackermann.

Es iſt mir gewiß ſehr leid, und ich glaube, daß ich viel verlohren habe; aber ich bin durch eine wichtige Sache, welche die Frau Schweſter angeht, und die ſie bald erfahren werden, abgehalten worden.

Frau
124Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin
(zu den andern:)

Sie wiſſens vielleicht noch nicht, daß mein Schwager ein Orthodox iſt?

Frau Seuffzerin.

Orthodox? ach das kan unmoͤglich ſeyn.

Frau Zanckenheimin.

O Himmel!

Frau Seuffzerin.

Vielleicht geht der Herr Obriſte bey einem Or - thodoxen zur Beichte?

Herr Wackermann.

O! nein! Jch ließ mich einmahl verfuͤhren, und gieng zu einem hin, denn ich hatte von euch Leuten gehoͤrt, daß ſie die Abſolution ohne groſſe Schwuͤrigkeit gaͤben, man moͤchte auch beichten, was man wollte; aber wahrhafftig! es hat mir noch kein Geiſtlicher ſo ſcharff zugeredet, als der. Es iſt wahr, ich verdiente es wohl; Aber ich komme ihm gewiß nicht mehr wieder.

Frau Seuffzerin.

O! Himmel! haben ſie einem Orthodoxen ge - beichtet! Wie? ſchaͤmen ſie ſich nicht?

Herr Wackermann.

Ja! wenn ich Orthodox bin; ſo weiß ichs ge - wiß ſelber nicht. Was heiſſt denn Orthodox?

Frau Seuffzerin.

Ach! wer kan ihnen das ſagen? Sagen ſie doch einmahl, was iſt die Wiedergeburth?

Hr.
125im Fiſchbein-Rocke.
Herr Wackermann.

Ja! das haͤtten ſie mich vor dieſem fragen ſollen, da ich noch den Catechismum lernte.

Frau Glaubeleichtin.

Es iſt eine himmliſche Tinctur; ein Quell-Waſ - ſer; eine Erbohrenwerdung.

Herr Wackermann.

Jn der That, das weiß ich nicht mehr. Es kan aber wohl ſeyn.

Frau Glaubeleichtin.

Ja! ſie reden immer von ihrem alten Catechismo; Wir haben ihn aber verbeſſert.

Herr Wackermann.

Sie haben den alten Catechismum verbeſſert? Potz tauſend! das iſt ſchoͤn.

Frau Zanckenheimin.

Madame, fragen ſie ihm doch einmahl zum Spaas, was die Buſſe iſt.

Herr Wackermann.

O! ich geſtehe ihnen, daß ichs nicht weiß: Aber ich moͤchte es gerne von ihnen lernen. Sagen ſie mirs einmahl.

Frau Seuffzerin.

Das wuͤrde vergeblich ſeyn. Sie verſtehen das nicht.

Herr Wackermann.

Vortrefflich ſchoͤn! Jch frage, was iſt die Wie -der -126Die Pietiſtereydergeburth? Wir haben den alten Catechismum verbeſſert! Was iſt die Buſſe? Sie verſtehen das nicht! Man muß bekennen, daß man in ihren Verſammlungen viel lernet.

Frau Glaubeleichtin.

Das macht, die Materien ſind fuͤr einen Offi - cier zu hoch.

Herr Wackermann.

Das will ich glauben. Jch mache mir auch keine Schande daraus, daß ichs nicht weiß. Das iſt der GOttes-Gelehrten ihr Werck. Aber glau - ben ſie denn, daß es ſich vor ſie ſchickt, von ſolchen Dingen zu reden?

Frau Zanckenheimin.

O! mich duͤnckt freylich, daß ein erleuchtetes Frauenzimmer ſchon in der Kirche etwas zu ſagen hat.

Frau Seuffzerin.

Das iſt gewiß.

Frau Glaubeleichtin.

Die Frau Peterſen, Bourignon, und Guion habens wohl bewieſen in ihren Schrifften.

Herr Wackermann.

Ja, freylich! Das ſind rechte ſchoͤne Stuͤckchen. Jch habe aber von vernuͤnfftigen Leuten gehoͤrt, daß es recht ſo lieſſe, als wenn die guten Weiber von Sachen geſchrieben haͤtten, die ſie nicht verſtanden.

Frau
127im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Man muß die Leute reden laſſen, Herr Bruder: Jndeſſen muß das innere Chriſtenthum und die Liebe doch gepredigt werden.

Herr Wackermann.

Ja! man muß aber bey dem innern Chriſten - thum und bey der Liebe, ſeine Pflichten und den den Wohl-Stand nicht aus den Augen ſetzen.

Frau Seuffzerin.

Ach, die Liebe! das innere Chriſtenthum! Herr Obriſter greiffen ſie uns auf der Seite nur nicht an: Sie ziehen gewiß den kuͤrtzern.

Herr Wackermann.

Wird aber aus allen euren Schrifften wohl je - mand recht ernſtlich bekehret?

Frau Zanckenheimin.

Das thut nichts. Die Liebe und das innere Chriſtenthum muß doch geprediget werden.

Herr Wackermann.

Aber worzu nuͤtzt es. Jſt hier in unſern Landen wohl ein Orthodox, der darwieder ſtreitet? Jhr wollts den Leuten wohl einbilden; aber es iſt nichts.

Frau Glaubeleichtin.

Die Liebe! das innere Chriſtenthum! Jch laſſe mein Leben davor, ſage ich ihnen.

Herr Wackermann.

Glauben ſie denn, daß die Orthodoxen gar keineLiebe128Die PietiſtereyLiebe und kein Chriſtenthum haben? Es iſt doch wahr, wir Pietiſten ſind rechte Leute. Wir mey - nen, wir haben die Gottſeeligkeit allein gepacht; und wir ſehen nicht, daß andere Menſchen uns oft - mahls auslachen muͤſſen.

Frau Glaubeleichtin.

Was vor Menſchen denn? Die Wittenberger in Wittenberg? Oder die Roſtocker in Roſtock?

Herr Wackermann.

Nun ja! Oder die Leipziger in Leipzig. Wo Hencker ſollen ſie denn ſeyn? Adjeu, Mesdames, es iſt am beſten, daß ich mich ihnen empfehle.

Frau Glaubeleichtin.

Auf ein ander mahl kommen ſie eine Stunde fruͤher Herr Bruder!

Herr Wackermann.

Jch bin ihr Diener.

Frau Seuffzerin.

Adjeu! Frau Glaubeleichtin, ich empfehle mich.

Frau Zanckenheimin.

Adjeu! leben ſie vergnuͤgt! auf den Donnerſtag ſehen wir uns wieder.

Frau Glaubeleichtin.

Leben ſie wohl! Frau Seelen-Schweſtern. Adjeu.

Achter129im Fiſchbein-Rocke.

Achter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Herr Wacker - mann.

Frau Glaubeleichtin.

Sie freuen ſich gewiß, daß ſie die Orthodoxen ſo gut vertheidigt haben.

Herr Wackermann.

Nein Frau Schweſter! ich habe ihnen was an - ders zu erzehlen; ich fuͤrchte nur, daß ſie mir in ei - nem ſo viel Gehoͤr geben, als im andern.

Frau Glaubeleichtin.

Was ſolls denn ſeyn?

Herr Wackermann.

Jch will von der bevorſtehenden Hochzeit reden.

Frau Glaubeleichtin.

Die iſt ſchon ſo feſt beſchloſſen, daß alles, was ſie mir davon ſagen koͤnnen, vergeblich iſt.

Herr Wackermann.

Hoͤren ſie mich doch nur an! Jch ſage nicht, daß der Herr von Muckersdorff ein einfaͤltiger dum - mer Kerl iſt.

Frau Glaubeleichtin.

O! er wird ſchon werden.

Herr Wackermann.

Arm und von ſchlechten Leuten.

JFrau
130Die Pietiſterey
Frau Glaubeleichtin.

Wenn er nur fromm und gottsfuͤrchtig iſt.

Herr Wackermann.

Daß ſie in einer ſolchen Sache mich auch wohl haͤtten zu Rathe ziehen koͤnnen.

Frau Glaubeleichtin.

Sie verſtehen ſich nicht auf die wahre Gottes - furcht.

Herr Wackermann.

Daß mein Bruder eheſtens ankoͤmmt: Denn ich habe Briefe von ihm.

Frau Glaubeleichtin.

Nun! wenn er die Tochter verheyrathet findet, ſo muß er ſichs wohl gefallen laſſen.

Herr Wackermann.

Gantz gut! wir wollen itzo nur vom Hn. Schein - fromm reden. Kennen ſie ihn wohl, wer er iſt?

Frau Glaubeleichtin.

Ob ich ihn kenne?

Herr Wackermann.

Ja! kennen ſie ihn?

Frau Glaubeleichtin.

Was wollen ſie ſagen?

Herr Wackermann.

Jch darf es kaum ſagen; ſie moͤchten mir wie - der in Ohnmacht fallen.

Frau Glaubeleichtin.

Sagen ſie es nur!

Herr
131im Fiſchbein-Rocke.
Herr Wackermann.

Wie viel haben ſie Scheinfrommen geſagt, daß ſie ihrer Tochter mitgeben wollten?

Frau Glaubeleichtin.

Nun! ſie fragen recht herum. Jch habe geſagt, ich gebe meiner Tochter 3000 Gulden mit.

Herr Wackermann.

Nun! ſo iſt Herr Scheinfromm ein Schelm.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! Herr Bruder! koͤnnen ſie die Gottſeelig - keit ſelbſt ſo ſchimpffen?

Herr Wackermann.

Jch dachte wohl, daß ſie es nicht glauben wuͤr - den; aber ich habe die Probe ſchrifftlich.

Frau Glaubeleichtin.

O! Himmel! das iſt eine Laͤſterung! Ein Menſch, der mit goͤttlichen Geheimniſſen, mit der Liebe, mit der Sanfftmuht, mit der Aufrichtigkeit gantz erfuͤllt iſt! Ach! das iſt wieder ein Streich der Orthodoxen! Die Leute koͤnnens nicht leiden, daß das Reich Chriſti durch heilige Leute ausge - breitet werde, deswegen ſchmaͤhen und laͤſtern ſie dieſelben, wo ſie nur koͤnnen.

Herr Wackermann.

Das war eine ſchoͤne Betrachtung: Es fehlt ihr nichts, als daß ſie auf die Pietiſten gezogen wuͤrde. Hoͤren ſie: Jch war ſo erboßt auf dieſe Heyrath, daß ich ihre Tochter entfuͤhren, zu mirJ 2neh -132Die Pietiſtereynehmen, und bis zu meines Bruders Ankunfft bey mir behalten wollte. Denn ich ſahe wohl, daß mit der Frau Schweſter nichts anzufangen waͤre.

Frau Glaubeleichtin.

Wie? ſie wollten mir meine Tochter entfuͤhren? Jch wills ſchon verhuͤten.

Herr Wackermann.

Fuͤrchten ſie nichts! Jch werde dieſe Huͤlffe jetzo nicht noͤthig haben, da ich ihnen beweiſen kann, daß ihr Herr Scheinfromm ein Spitzbube iſt. Und das kann ich unwiederſprechlich darthun.

Frau Glaubeleichtin.

Unwiederſprechlich?

Herr Wackermann.

Sie ſollens ſehen.

Frau Glaubeleichtin.

Und wenn ſie die gantze Welt darauf zu Zeu - gen haben; ſo glaube ichs nicht.

Herr Wackermann.

Sie werden doch ihren Augen wohl trauen?

Frau Glaubeleichtin.

Nein! und wenn ichs ſaͤhe; ſo wuͤrde ich glau - ben, ich traͤumete.

Herr Wackermann.

Das iſt ein entſetzlich Vor-Urtheil! Der No - tarius hat mir ſeine Schelmerey entdeckt. Der Herr Scheinfromm hat einen Contract ----

Frau
133im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.

Schweigen ſie! Herr Bruder! Jch bin des Todes! Jch ſehe wohl, das iſt ein angeſtellter Karn, die Hochzeit zu hintertreiben; aber ſie, und alle ihre Mithelffer, werden ſich ſehr betruͤgen. Herr Schein - fromm koͤmmt zu mir, und da will ich den Con - tract den Augenblick unterzeichnen.

(Sie geht ab.)
Herr Wackermann.

Mein GOtt! Was iſt das vor ein Weib? Es thut aber nichts! laß ſie nur ſagen, daß ſie ihren eigenen Augen nicht trauen will; ſie wird ihnen ſchon trauen; der Streich iſt gar zu grob. Jch will ſie ſo lange zufrieden laſſen, bis daß ſie die Schrift eben wird unterzeichnen wollen, denn will ich mit meinem Geheimniſſe hervorkommen. Uebrigens hoffe ich, daß mein Bruder noch heute oder mor - gen kommen will. Jch will aber hier nicht weit weggehen; damit ich, wenn Scheinfromm koͤmmt, gleich da bin.

Fuͤnfte Handlung.

Erſter Auftritt. Jungfer Luischen, Cathrine.

Jungfer Luischen.

Lathrine, mich dunckt, man giebt Acht auf mich. J 3Sollte134Die PietiſtereySollte die Mama wohl meines Vetters Vorha - ben entdeckt haben?

Cathrine.

Es kann wohl ſeyn; mich duͤnckt es auch, daß die Mama auf ſie Achtung geben laͤſſt.

Jungfer Luischen.

Mir iſt gewiß ſehr angſt dabey. Mein Vetter koͤmmt nicht, daß er mich abhohlte; und er hat mir es doch verſprochen. Was ſoll ich davon den - cken, Cathrine?

Cathrine.

Sie kann nichts anders dencken, als daß er noch nicht hier iſt.

Jungfer Luischen.

Sollte er ſich auch anders bedacht haben?

Cathrine.

Das glaube ich nicht.

Jungfer Luischen.

Warum koͤmmt er denn nicht? Es iſt ja hohe Zeit.

Cathrine.

Sie fragt mich recht wunderlich! Als wenn ich das beſſer wiſſen koͤnnte, als ſie!

Jungfer Luischen.

Ach! wenn du wuͤſteſt, wie lang mir die Zeit wird!

Cathrine.

Nun! leſe ſie ein wenig in Franckens Wercken; Jch weiß nichts angenehmers fuͤr ein Frauenzimmer, das in ihren Umſtaͤnden iſt.

Jung -
135im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Rede mir doch ſolch Zeug nicht vor. Wollte GOtt! daß meine Mutter niemahls auf die Thor - heiten gefallen waͤre.

Cathrine.

Was ſagt ſie? Das ſollte mir nicht lieb ſeyn! Wenn das nicht waͤre; ſo haͤtten wir ja niemahls das Gluͤck gehabt, den Herrn Scheinfromm, und den Herrn von Muckersdorff kennen zu lernen. O! wie ſchoͤn kan ers den Welſchen Hahn nach - machen. Gewiß, die Leute im Paͤdagogio wer - den recht huͤbſch erzogen.

Jungfer Luischen.

Cathrine, wer koͤmmt da?

Cathrine.

Gewiß iſts der Herr Vetter.

Jungfer Luischen.

O Himmel! und mein Vater koͤmmt mit ihm.

Anderer Auftritt. Herr Wackermann, Herr Glaube - leicht, Jungfer Luischen, Cathrine.

Jungfer Luischen
(umarmt ihren Vater.)

O! lieber Papa! wie ſoll ich meine Freude ausdruͤcken?

J 4Herr
136Die Pietiſterey
Herr Glaubeleicht.

Stille! ſtille! wo iſt die Mama?

Cathrine.

Jn ihrem Zimmer; ich wills ihr ſagen, daß ſie da ſind.

Herr Glaubeleicht.

Bey Leibe nicht! Sie ſolls noch nicht wiſſen; ich habe darzu meine Urſachen, und ſie gehen dich an, meine Tochter! Du weineſt?

Jungfer Luischen.

Ja! lieber Papa! ich dencke an das Ungluͤck, darein mich ihre Abweſenheit geſtuͤrtzet hat. Aber nun darf ich wohl nichts fuͤrchten.

Herr Glaubeleicht.

Nein! mein Kind! mein Bruder hat mir ſchon alles erzehlet; ich dancke GOtt, daß er mich noch zu rechter Zeit wieder bringet. Gehe nur in dein Zimmer; ich will bald zu dir kommen. Jch will nur noch ein Wort mit deinem Vetter ſprechen.

Dritter Auftritt. Hr. Glaubeleicht, Hr. Wackermann.

Herr Glaubeleicht.

Jch kann mich von meinem Schrecken noch nicht erhohlen. Wie! meine Frau verzoͤgert die Hochzeit zwey gantzer Jahre; da ich ſie ihr doch ſo ernſtlich anbefohlen hatte? und nun faſſt ſie in einem Tageden137im Fiſchbein-Rocke. den Entſchluß, mein Kind des Scheinfromms Vet - ter, einem Pietiſten, einem dummen Eſel zu geben? Wahrhafftig! das aͤrgert mich.

Herr Wackermann.

Jch begreiffe es wohl: Jhr habt recht; aber der Zorn aͤndert die Sache nicht. Wenn ihr noch ſolch groſſes Lermen macht, was wird heraus kom - men? Jhr werdet eure Frau nicht beſſer, ſondern ihr werdet ſie vielmehr noch aͤrger machen.

Herr Glaubeleicht.

Was ſoll ich denn thun?

Herr Wackermann.

Seyd ſtille, und verberget euren Zorn. Wir haben ja das Zeugniß, eure Frau zu uͤberfuͤhren, was Scheinfromm fuͤr ein Kerl iſt; ich will nur den Augenblick abwarten, da ſie die Schrifft wird unterſchreiben wollen, da werde ich ihr ſchon Einhalt thun. Der Advocat iſt ein ehrlicher Mann; er hat wohl gemerckt, daß ein Schelmen-Stuͤck dabey waͤre, und hat mir auch verſprochen, ohne meine Einwilligung nichts zu unterſchreiben; alſo koͤnnt ihr die Sache gelaſſen abwarten. Wenn eure Frau ſich bedeuten laͤſſt, ſo ſeyd ihr des Ungluͤcks in eurem Hauſe auf einmahl loß. Will ſie aber nicht hoͤren, ſo wird eure Gegenwart der gantzen Sache ein Ende machen.

Herr Glaubeleicht.

Jch will eurem Rathe folgen und bis zum Aus -J 5gang138Die Pietiſtereygang der Sache in meiner Tochter ihrem Zimmer bleiben. Aber wie Hencker hat der Scheinfromm meine Frau ſo einnehmen koͤnnen! Jhr ſagt: Er hat keinen Verſtand, keine Lebens-Art, keine Verdienſte.

Herr Wackermann.

Mich nimmt es nicht Wunder, daß er ſie einge - nommen hat. Wenn ihr wuͤſſtet, was die verzwei - felten Kerls fuͤr Streiche machen, daß man ſie nur fuͤr redliche Leute halten ſoll! Sie haben allenthal - ben ihre Spionen, welche von ihrer groſſen GOttes - Furcht und Froͤmmigkeit ſchwatzen muͤſſen. Wenn man ſie ſieht, ſo daͤchte man, es waͤren lauter Heilige. Sie reden von lauter GOttes-Furcht, Liebe und Sanfftmuth; und es iſt alſo nicht zu verwundern, daß eure Frau, die ein gutes redliches Hertze hat, durch ſolche Verſtellung iſt betrogen worden.

Herr Glaubeleicht.

Jhr habt recht.

Herr Wackermann.

Sie wird ſich ſchon aͤndern; laſſt mich nur da - vor ſorgen. Jch habe dem Liebmann ſagen laſſen, daß er hieher kommen ſoll. Doch wir wollen hin - ein gehen, man moͤchte uns gewahr werden; mich duͤnckt ohnedem, es koͤmmt jemand.

Vier -139im Fiſchbein-Rocke.

Vierter Auftritt. Herr Mag. Scheinfromm, Herr von Muckersdorff, ein Advocat.

Herr Scheinfromm.

Wir wollen doch ein wenig unſern Contract durchſehen, ehe die Frau Glaubeleichtin koͤmmt.

Der Advocat.

Hier iſt er ſo, wie ſie ihn beſtellt haben.

Herr Scheinfromm
(lieſt ihn durch.)

Gut! Sie haben es wohl ausgedruckt, daß ſie von nun an alle ihre bewegliche und unbewegliche Guͤter, ſie moͤgen ihr oder ihrem Manne gehoͤren, ihrer Tochter, laut der Vollmacht, die ſie von ihrem Manne erhalten hat, abtritt.

Der Advocat.

Ja! Herr Magiſter.

Herr Scheinfromm.

Ohne alles Bedencken auf ihre aͤltere Tochter, welche ſie hiermit enterbet.

Der Advocat.

Ja! Herr Magiſter.

Herr Scheinfromm.

Doch mit Vorbehaltung eines jaͤhrlichen Ge - halts von 2000 Gulden vor ſich und ihren Mann auf Lebens-Zeit.

Der Advocat.

Ja! das alles habe ich deutlich ausgedruckt.

Herr
140Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Sie wiſſen, was ich ihnen verſprochen habe: Sie ſollen ſchon zufrieden ſeyn.

Der Advocat.

O! daran zweifele ich nicht.

(Beyſeits:)

Das iſt ein Spitzbube!

Herr Scheinfromm.

Mich duͤnckt, ſie haben ſich uͤber die Puncte dieſes Contracts gewundert.

Der Advocat.

Es iſt wahr; aber weil ſie mir ſagten, daß die Frau Glaubeleichtin alles uͤbergeben haͤtte, ſo habe ich auch nichts darwider zu ſagen.

Herr Scheinfromm.

Ach! ſie werden ſehen, daß ſie es nicht einmahl leſen wird. Ubrigens habe ichs ihnen ſchon ge - ſagt, daß ichs nicht aus Eigennutz thue.

Der Advocat.

Das glaube ich wohl! Sie ſind zu gottsfuͤrchtig.

Herr Scheinfromm.

Ja! die Erfahrung hat michs gelehrt, daß auch zuweilen tugendhaffte Leute ihr Geld uͤbel anwenden, und dadurch verdammt werden: Deßwegen bin ich auf den Entſchluß gekommen.

Der Advocat.

Das kann wohl ſeyn.

Herr Scheinfromm.

Unter dem Schein des Ranges verfallen ſie in Pracht und Hoffart.

Der
141im Fiſchbein-Rocke.
Der Advocat.

Zuweilen. Aber Frau Glaubeleichtin koͤmmt mir nicht ſo vor.

Herr Scheinfromm.

Es thut nichts. Jch will ihr auch die Gelegenheit dazu beſchneiden. Und denn hat man mir geſagt, daß ihr Mann bald wieder kommen wird.

Der Advocat.

Nun! was thut das?

Herr Scheinfromm.

O! ich traue dem Frieden nicht! Es iſt am beſten, daß ich meine Schrifft beyzeiten zeichnen laſſe.

Der Advocat.

Da kommen ſie.

Fuͤnfter Auftritt. Hr. Wackermann, Hr. Mag. Schein - fromm, Hr. von Muckersdorff, der Advocat.

Herr Wackermann.

Jhr Diener! Herr Magiſter! Jſt das etwa ihr Vetter, der meine Muhme heyrathen ſoll?

Herr Scheinfromm.

Ja! Herr Obriſter. Wollen ſie nicht ihre Ein - willigung darzu geben? Jch verſichere, GOtt hat uns ſelbſt auf dieſe Gedancken gebracht; und fuͤr Jungfer Luischens Beſtes geſorgt.

Herr
142Die Pietiſterey
Herr Wackermann.

Sorgen ſie auch noch fuͤr das Beſte meines Bru - ders, ſeiner Frauen, und der aͤlteſten Tochter.

Herr Scheinfromm.

Jch glaube allerdings, daß die gantze Familie durch dieſe Heyrath wird geſegnet ſeyn.

Herr Wackermann.

Nun mein Herr von Muckersdorff, was wer - den wir denn mit ihm machen, wenn er meine Muhme wird geheyrathtet haben? Er ſoll mit mir in den Krieg gehen.

Herr von Muckersdorff.

O nein! denn ich ---

Herr Wackermann.

Warum nicht?

Herr von Muckersdorff.

O nein! weil ich nicht ---

Herr Wackermann.

Wie? Er wird ſich doch nicht vor einer Cano - nen-Kugel fuͤrchten.

Herr von Muckersdorff.

Ja, ja! denn ---

Herr Wackermann.

Vielleicht koͤmmt er mit einigen Wunden davon?

Herr von Muckersdorff.

O nein! ich moͤgte wohl gar ---

Herr Scheinfromm.

Herr Obriſter, das iſt ein junger Menſch, derin143im Fiſchbein-Rocke. in gantz andern Wiſſenſchafften erzogen iſt, als von denen ſie ſprechen.

Herr Wackermann.

Ja! ich ſehe, daß man ſich viel von ihm ver - ſprechen kan. Aber wir wollen ernſthafft reden, Herr Magiſter: Die Leute ſagen, ſie waͤren ein gottsfuͤrchtiger Mann.

Herr Scheinfromm.

Ach! man thut mir zu viel Ehre an.

Herr Wackermann.

Folglich werden ſie wohl nichts thun koͤnnen, daß ſich vor einem redlichen Mann nicht ſchicket.

Herr Scheinfromm.

Der Himmel behuͤte mich!

Herr Wackermann.

Glauben ſie aber wohl, daß ſie recht daran thun, wenn ſie das Vertrauen meiner Schwaͤgerin ſo mißbrauchen?

Herr Scheinfromm.

Jch, Herr Obriſter?

Herr Wackermann.

Sind wir uns am Stande auch wohl nur eini - ger Maaſſen gleich? Meine Muhme iſt reich und von gutem Hauſe. Jhrem Vetter fehlt beydes. Meine Muhme kan ihren Vetter gar nicht leiden; und ſie machen ſie auf Lebenslang ungluͤcklich. Sie werden unter meinen Bruder und ſeiner Frauen ei - nen ewigen Haß ſtifften: Denn ſie koͤnnen wohlden144Die Pietiſtereydencken, wie angenehm ihm dieſe Zeitung ſeyn wird. Jch bin nur ein Vetter von der Braut; aber ich ſags ihnen frey heraus: Jch gebe meinen Willen nimmermehr darein. Wie koͤnnen ſie dieſes Ver - fahren mit der Gottſeeligkeit, die ſie beſitzen wollen, zuſammen reimen?

Herr Scheinfromm.

Ach ſie machen mich gantz betruͤbt. Jch ſehe wohl, daß Fleiſch und Blut ihnen daß alles bey - bringt.

Herr Wackermann.

Nein! warhafftig, das lehrt mich die Vernunfft, die Billigkeit und Redlichkeit.

Herr Scheinfromm.

Herr Obriſter, ich ſuche bey dieſer Heyrath we - der das Vermoͤgen, noch die Ehre.

Herr Wackermann.

Jch glaube es wohl! ſie ſind ſo eigennuͤtzig nicht, und ſind zu gleichguͤltig gegen die Guͤter dieſer Er - den. Aber was ſuchen ſie denn?

Herr Scheinfromm.

Eine heilige Chriſtliche Ehe zu ſtifften.

Herr Wackermann.

Unter zwey Perſonen, die ſich einander nicht lei - den koͤnnen?

Herr Scheinfromm.

Ach! Frau Glaubeleichtin ſieht meine Meinung beſſer ein, als ſie.

Herr
145im Fiſchbein-Rocke.
Herr Wackermann.

Sie irren ſich Herr Magiſter. Jch weiß beſſer, was ſie haben wollen, als meine Schweſter. Glau - ben ſie mir nur!

Herr Scheinfromm.

Herr Obriſter, wenn ſie mich kennen.

Herr Wackermann.

Jch kenne ſie freylich. Jch ſags ihnen. Da iſt meine Schweſter.

Sechſter Auftritt. Frau Glaubeleichtin, Herr Wacker - mann, Herr Scheinfromm, Herr von Muckersdorff, Cathrine, der Advocat.

Frau Glaubeleichtin
(zum Scheinfromm:)

Nun! Herr Magiſter? Jch habe lange auf ſie gewartet. Warum laſſen ſie mirs nicht ſagen, daß ſie hier ſind?

Herr Scheinfromm.

Der Herr Obriſter hat mich aufgehalten.

Frau Glaubeleichtin.

Nur fortgemacht! Cathrine ruffe Luischen her!

Cathrine.

Da iſt ſie ſchon.

KSieben -146Die Pietiſterey

Siebender Auftritt. Fr. Glaubeleichtin, Jungfer Luischen, Hr. Wackermann, Hr. Scheinfromm, Hr. von Muckersdorff, Cathrine und der Advocat.

Frau Glaubeleichtin.

Du ſiehſt ja recht munter aus, meine Tochter. Das iſt mir von Hertzen lieb.

Jungfer Luischen.

Die Freude, ſo meine liebe Mama mir anſiehet, iſt gar zu billig, als daß ich ſie verbergen koͤnnte.

Frau Glaubeleichtin.

Du warſt aber vorhin ſo betruͤbt?

Jungfer Luischen.

Es iſt wahr. Jch ſahe mein kuͤnftiges Gluͤck noch nicht ſo deutlich ein, als jetzo.

Frau Glaubeleichtin.

Glaube nur, meine Tochter, daß dich dieſe Hey - rath gluͤcklich machen wird.

Herr von Muckersdorff.

Da Mademoiſelle! ſehen ſie, das iſt ein Ge - dichte, ſo ich auf unſere Hochzeit gemacht habe.

Herr Wackermann.

Ah, ha! Jch wills leſen. Laſſen ſie doch ſehen, Herr Braͤutigam! Jch bin recht neugierig auf ihre Poeſie.

(Er lieſt:)

An Jungfer Luiſe Glaube -leich -147im Fiſchbein-Rocke. leichtin. Acroſtichon. Potz tauſend! das iſt ſchoͤn! Jch dachte, dieß Geheimniß waͤre gantz ver - lohren.

(Er ſieht, daß die Jungfer und die Magd lachen.)

Jch glaube gar, ihr lacht! Jhr wiſſt viel, wie ihr den Wehrt ſolcher Verſe ſchaͤtzen ſollt.

(Er lieſt die Verſe:)
Liebſte Seele, ſchoͤnſter EngeL,
VnVergleichlich holder MVnd.

Oh! Muhme! das verdient einen Reverentz; mache ſie doch dem Auctor einen.

(Jungfer Luischen macht einen Reverentz.)
(Er lieſt:)
Liebſte Seele, ſchoͤnſter EngeL,
VnVergleichlich holder MVnd.

Nun ich wette, daß ihr die Schoͤnheit dieſes Gedichts nicht einſeht. Jn zweyen Verſen ſo viel zu ſagen!

Jungfer Luischen.

Ja! freylich! in zweyen Zeilen!

Cathrine.

O! Mademoiſelle! Sie muß noch einen Reve - rentz machen.

(Jungfer Luischen macht einen Reverentz.)
Frau Glaubeleichtin.

Nur nicht gar zu luſtig!

Herr Scheinfromm.

Es iſt die Jugend.

Herr von Muckersdorff.

Leſen ſie nur weiter, Herr Obriſter. Das beſte koͤmmt zuletzt.

K 2Herr
148Die Pietiſterey
Herr Wackermann.

Wir wollen ſehen:

Iſt meIn Lieben Ietzt voll Maͤngel,
So iſt dirS doch Sehr geſund.
Chriſtlich und reCht ſchmackhafft kuͤſſen,
Hat im Himmel Hohe Ehr.

Ach! Mademoiſelle! das iſt zaͤrtlich!

Jungfer Luischen.

Das iſt recht geiſtreich!

Herr Wackermann.

Zum Hencker! dieß iſt das ſchoͤne:

Ey ſiE mehrt mein Gluͤcke ſehr,
Nun ſie mich ihr Za laͤſſt wiſſeN.

Er hat recht. Wahrhafftig! man kann nichts ſchoͤners machen.

Cathrine.

Ja! ja! Herr von Muckersdorff iſt ſo ein Narr nicht, als man wohl denckt.

Herr Wackermann.

Ja! Muͤhmchen ſehen ſies nur recht an; Die Augen haben auch etwas dabey zu thun. Leſen ſies noch einmahl.

Liebſte Seele, ſchoͤnſter EngeL,
VnVergleichlich holder MVnd,
Iſt meIn Lieben Ietzt voll Maͤngel,
So iſt dirS doch ſehr geSund.
Chriſtlich und reCht ſchmackhafft kuͤſſen
Hat im Himmel Hohe Ehr:
Ey ſiE mehrt mein GluͤckE ſehr,
Nun ſie mich ihr Za laͤſſt wiſſeN.
Jung -
149im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.

Jch bin ihnen ſehr verbunden, mein Herr von Muckersdorff. Jch dachte nicht, daß ſich mein Nahme ſo gut zum Radebrechen ſchickte.

Frau Glaubeleichtin.

Nun, nun! Es iſt genung geſchertzt! Wir wollen zur Unterzeichnung ſchreiten. Herr Advocat haben ſie den Contract mitgebracht?

Herr Scheinfromm.

Ja! Madame! Aber es iſt nicht noͤthig.

Frau Glaubeleichtin.

Warum nicht noͤthig?

Herr Scheinfromm.

Ja! Madame! Der Herr Obriſter will nicht in dieſe Heyrath willigen.

Frau Glaubeleichtin.

Nicht willigen? das iſt artig, brauchen wir denn ſeine Einwilligung?

Herr Scheinfromm.

Ach! Madame! der Frieden und die Einigkeit iſt mir viel zu lieb, als daß ich ſie im geringſten ſtoͤren ſolte.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! Was iſt doch das, Herr Bruder? Sie ſoll - ten fuͤr den Hrn. Scheinfromm mehr Einſicht haben.

Herr Wackermann.

Es wird ſich ſchon finden.

Herr Scheinfromm.

So bitten ſie ihn doch wenigſtens, Madame, daßK 3er150Die Pietiſtereyer weggehe, damit er nicht dasjenige mit Augen ſehen darff, was ihm ſo viel Kummer macht.

Herr Wackermann.

Nein! nein! ich bin geſonnen, die Sache mit an - zuſehen.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! er kan gehen oder bleiben, es iſt gleich viel. Geben ſie mir nur die Schrifft. Sie haben ſie un - fehlbar ſo machen laſſen, als ich geſagt habe.

Herr Scheinfromm.

Ja! ich habe ihre Meynung hinein bringen laſſen, und ihn auch noch zweymahl uͤberleſen; aber wofern ſie mir nicht trauen, Madame, ſo leſen ſie ihn nur ſelbſt durch.

Frau Glaubeleichtin.

Ob ich ihnen nicht traue?

Herr Wackermann.

Es waͤre ſo uͤbel eben nicht.

Herr Scheinfromm.

Freylich! Madame! ich koͤnte wohl ein gottloſer Mann ſeyn; ein boͤſer Menſch, der ſie zu betruͤgen denckt. Es iſt gut, daß man mit allen Leuten be - hutſam umgeht.

Frau Glaubeleichtin.

Wie? mit Herr Scheinfromm vorſichtig umge - hen? Geben ſie geſchwinde, ich wills unterſchreiben.

Herr Scheinfromm.

Weil ſie es denn haben wollen; hier iſt er.

Herr
151im Fiſchbein-Rocke.
Hr. Wackermann
(reiſſt die Schrifft weg.)

O! zum Hencker! wenn ihr alle Narren ſeyn wollt, ſo will ichs nicht ſeyn! Jch muß wiſſen, was hier drin - nen ſteht. Zum Teufel! man wird doch nicht einen Contract unterſchreiben, den kein Menſch geleſen hat?

Frau Glaubeleichtin.

Sie koͤnnen ihre Hitze auch gar nicht daͤmpfen!

Herr Wackermann.

Sagen ſie, was ſie wollen. Weil Herr Schein - fromm aber ſagt, daß er ihn zweymahl uͤberleſen hat, ſo will ich ihn doch auch leſen.

Herr Scheinfromm.

Sie ſehen mich vor einen unrechten an.

Herr Wackermann.

Nein! ich ſehe ſie vor das an, was ſie ſind; glau - ben ſie es mir. Sie habens ja ſelbſt geſagt, man muͤſſte mit allen Menſchen vorſichtig umgehen. Hoͤren ſie zu, Frau Schweſter!

Frau Glaubeleichtin.

Wir halten uns nur auf: Jch hoͤre nichts!

Herr Wackermann.

Hoͤren ſie doch nur: Es wird bald geſchehen ſeyn.

Herr Scheinfromm.

Herr Obriſter! ich habe hier mit ihnen nichts zu thun; ſondern mit Madame.

Herr Wackermann.

Es iſt wahr; aber warum weigern ſie ſich ſo? Fuͤrchten ſie denn etwas?

K 4Herr
152Die Pietiſterey
Herr Scheinfromm.

Nein! ich bin ein ehrlicher Mann!

Herr Wackermann.

Jch glaubs; aber ich wills aus dieſer Schrifft gerne ſehen.

Frau Glaubeleichtin.

Nein! Herr Bruder, ich werde es nicht leiden. Der arme Herr Scheinfromm betruͤbt ſich nur.

Herr Wackermann.

Und ich gebe den Contract nicht eher wieder, bis ich ihn geleſen habe.

Frau Glaubeleichtin.

Nun! Herr Scheinfromm! wir koͤnnens ihm ja zu gefallen thun.

Herr Scheinfromm.

Nein, Madame! lieber gehe ich davon.

Frau Glaubeleichtin.

Jch bitte ſie Herr Magiſter, auf die Art uͤber - fuͤhren wir ihn am beſten.

Herr Scheinfromm.

Nein, Madame! wir wollen die Sache lieber ein paar Tage ausſetzen. Adieu!

Frau Glaubeleichtin.

Sehen ſie Herr Bruder!

Hr. Wackermann
(haͤlt Scheinfromm. zuruͤcke.)

Nicht ſo, Herr Magiſter! ehe ſie weggehen, muͤſſen wir zuvor wiſſen, wie unſere Sache ſteht. Frau Schweſter! haben ſie denn das Ding nichtſchon153im Fiſchbein-Rocke. ſchon vor einer viertel Stunde mercken koͤnnen? Ein Wort wird ihnen Licht geben. Jſt es ihre Meynung, daß ſie ſich, ihren Mann, und ihre aͤl - tere Tochter aller Guͤter berauben wollen? Und es alles ihrer juͤngſten Tochter zum Brautſchatze geben.

Frau Glaubeleichtin.

Nein! doch, was wollen ſie ſagen?

Herr Wackermann.

Da, leſen ſies ſelbſt! Wollen ſie ihre Tochter ſo verheyrathen?

Frau Glaubeleichtin
(lieſt.)

O! Himmel!

Herr Wackermann.

Was ſagt er darzu, Herr Magiſter? Man muß geſtehen, daß ſie die Gnade bey dieſem Con - tracte ſehr verlaſſen hat.

Cathrine.

Mein GOtt! Was die irrdiſche Luſt nicht thun kann; O! verderbte Natur!

Herr Scheinfromm.

Jch ſage --- Jch ſage, daß es nicht derſelbe Contract ſeyn muß. Der Herr Advocat muß ſich verſehen haben.

Frau Glaubeleichtin.

Nun, ſehen ſie, Herr Bruder! das wirds ſeyn!

Der Advocat.

Was wollen ſie, Herr Magiſter? Meynen ſie, daß ich ſo dumm bin, daß ich nicht einmahl begreiffenK 5kan154Die Pietiſtereykan, was die Leute haben wollen? Meynen ſie, daß ich nichts rechts gelernet habe? O! wincken ſie mir immer, wie ſie wollen.

Herr Scheinfromm.

Aber bedencken ſie doch ---

Der Advocat.

Das brauche ich nicht. Jch weiß wohl, wie man einen Contract macht; ich weiß aber auch, daß ich ehr - lich bin, und daß ſie mir von Wort zu Wort die gantze Schrifft in die Feder dictiret haben. Sie haben ihn ja noch uͤberdem zweymahl durchgeleſen.

Frau Glaubeleichtin.

O Himmel! ſoll ich das glauben! Hoͤren ſie, mir faͤllt was ein: Sie ſollen alle von des Herren Schein - fromms Redlichkeit uͤberfuͤhret werden. Weil er bey dieſer Heyrath den Eigennutz nicht ſuchet; ſo wird er mir wohl beypflichten. Wir wollen die Schrifft ſo, wie ſie iſt, ſeyn laſſen. Wir wollen nur die Nahmen andern. An ſtatt Luischens und Hn. von Muckers - dorff Nahmen ſetzen wir Dorchen und Liebmann hin - ein; und an ſtatt der enterbten Dorchen wollen wir Luischen ſetzen, und denn kan ſie der Hr. von Muckers - dorff noch kriegen.

Herr Scheinfromm.

Aber denn wird Luischen nichts haben, Madame?

Frau Glaubeleichtin.

Was thuts? Sie ſuchen ja keinen Nutzen bey der Heyrath.

Herr
155im Fiſchbein-Rocke.
Herr Scheinfromm.

So ſoll mein Vetter eine enterbte Tochter nehmen?

Frau Glaubeleichtin.

Es wird ihr deswegen nicht fehlen. Jhre Schwe - ſter wirds ihr nicht fehlen laſſen. Sie ſagen ohnedem, die Guͤter dieſer Erden verhinderten die himmliſchen Dinge; folglich werden die beyden Leute recht ſelig ſeyn, wenn ſie nicht einen Heller im Hauſe haben. Beliebt ihnen das nicht?

Herr Scheinfromm.

Nein Madame! ich ſehe wohl, ſie haben keine Ein - ſicht fuͤr mich, und ich begehre die Heyrath nicht mehr.

Frau Glaubeleichtin.

Einſicht vor ſie? ach ich habe ihr nur gar zu viel gehabt! Jch machte dieſen Vorſchlag nur zum Scheine; damit ich ihre wahre Abſicht entdecken moͤchte. Sie koͤnnen nur gehen.

Herr Scheinfromm.

Ja! ich gehe; ich werde mich uͤber den Verluſt ihrer Guͤte nicht zu Tode graͤmen.

Cathrine.

Adjeu! Herr von Muckersdorff! das iſt eine ſchoͤne Materie zum Acroſtichon: Pia, pia, pia! Glu, glu, glu, glu, glu!

Herr Wackermann.

Stille Cathrine! der ſchuldige iſt genung be - ſtrafft; und der andere kan nichts dafuͤr.

Der
156Die Pietiſterey
Der Advocat.

Jch kan ihnen wohl ſo viel melden, daß Herr Scheinfromm nicht lange lauffen wird. Denn ich habs aus ſichern Haͤnden, daß er Morgen in Ar - reſt ſoll gebracht werden; weil er mit den Saltzbur - giſchen Geldern diebiſch umgegangen iſt.

Herr Wackermann.

Der Schelm!

Der Advocat.

Kan ich jetzo gehen?

Herr Wackermann.

Ja! und kommen ſie Morgen wieder. Muhm - gen und Cathrine gehen ſie, wohin ſie wiſſen, und kommen ſie hernach wieder.

Achter Auftritt. Fr. Glaubeleichtin, Hr. Wackermann.

Herr Wackermann.

Nun! Frau Schweſter! kennen ſie jetzo Herrn Scheinfrommen und ſeine Cameraden?

Frau Glaubeleichtin.

Das haͤtte ich mir doch in Ewigkeit nicht einge - bildet.

Herr Wackermann.

Das glaube ich: Sie ſind redlich; ſie haben ein gu -tes157im Fiſchbein-Rocke. tes Hertz; ſie ſind Gottsfuͤrchtig; deswegen war es ſehr leicht, daß ſie durch die Scheinheiligkeit dieſer Leute konnten verfuͤhret werden. GOtt gebe nur, daß ſie dieſes Exempel behutſamer macht, und ſie von dieſer gottloſen Secte abzieht.

Frau Glaubeleichtin.

Ach! Herr Bruder! es iſt keine Secte. Es ſind gewiß gute ehrliche Leute.

Herr Wackermann.

Es mag drum ſeyn. Vielleicht ſind die meiſten un - ter ihnen eben ſo wohl verfuͤhret worden, als ſie: Ei - nige durch eine verſtellte Gelehrſamkeit; andere durch einen falſchen Schein der Tugend; andere durch eine falſche Liebe zu den abgeſchmackten Schrifften. Doch denen, die ſich durch ihre Redlichkeit oder Unwiſſen - heit betrogen ſehen, vergebe ichs; aber ihre Leichtglaͤu - bigkeit und Blindheit verzeihe ich ihnen nicht.

Frau Glaubeleichtin.

Warum nicht Herr Bruder?

Herr Wackermann.

Mein GOtt! der Betrug, die Gleißnerey, die Luſt zur Sectirerey, die Bosheit, die Wiederſpenſtig - keit gegen das geiſtliche und weltliche Regiment, iſt bey den Leuten ſo ſichtbar, daß man mit Fleiß muß blind ſeyn wollen; wenn man es nicht ſiehet. Wie viel elende Schmieralien, wie viel Heuchler, wie viel verborgene Boͤſewichter, wie viel liederliche Kerl, die weder Sit -ten158Die Pietiſtereyten noch Religion haben, wie viel leichtfertige und lie - derliche Weiber giebt es nicht unter ihnen! Das be - greiffe ich aber nicht, wie ſich auch diejenigen Leute von ihnen koͤnnen fangen laſſen, welche eine gute redliche Abſicht, ein aufrichtiges Gemuͤthe, eine Liebe zum Vaterlande haben, welche GOtt und ihrem Koͤnige treu ſind?

Frau Glaubeleichtin.

Herr Bruder, ſie ſagen mir was, welches, wie wie ich ſie verſichere, nebſt allem, was ſie mir geſagt haben, mich auf gantz andere Gedancken bringt. Doch koͤnnen ſie in einem Tage eine ſo groſſe Ver - aͤnderung nicht begehren: Denn in einigen Stuͤ - cken bin ich noch zweifelhafft.

Herr Wackermann.

Das glaube ich wohl. Nehmen ſie ſich aber nur einmahl die Muͤhe, und dencken unpartheyiſch der Sache nach. Zu dem Ende muͤſſen ſie alle ihre Vorurtheile bey Seite ſetzen: So bin ich gewiß verſichert, daß ſie den gantzen Krahm verabſcheuen werden. Jetzo koͤmmt es auf etwas anders an. Sie haben etwas gethan, damit mein Bruder bey ſeiner Zuruͤckkunfft ſchlecht zufrieden ſeyn wird.

Frau Glaubeleichtin.

Das iſt wahr. Jch erſuche ſie um ihren Vor - ſpruch bey ihm.

Herr
159im Fiſchbein-Rocke.
Herr Wackermann.

Seyn ſie getroſt. Jch habe ſie ſchon bey ihm ausgeſoͤhnet.

Frau Glaubeleichtin.

Wie?

Herr Wackermann.

Mein Bruder iſt vor ein paar Stunden ange - kommen.

Frau Glaubeleichtin.

Mein Mann iſt wieder hier?

Herr Wackermann.

Ja! Er hat mit Fleiß nicht bey dieſer Sache mit zugegen ſeyn wollen; aus Furcht, er moͤchte ſeinen Zorn nicht genungſam bemeiſtern koͤnnen: Und er iſt geſonnen, ſeine Hochachtung fuͤr ſie nicht fahren zu laſſen.

Frau Glaubeleichtin.

Jch bin ihnen unendlich verbunden.

Neunter Auftritt. Herr Glaubeleicht, Frau Glaubeleich - tin, Jgfr. Luischen, Jgfr. Dorchen, Herr Wackermann, Cathrine, und Herr Liebmann.

Fr. Glaubeleichtin
(umarmet ihren Mann.)

Ach! ich heiſſe ihn tauſendmahl willkommen! Aber ich bin auch wegen meines Fehlers gantz beſchaͤmt.

Herr
160Die Pietiſterey im Fiſchbein-Rocke.
Herr Glaubeleicht.

Sey ſie bey dieſer Umarmung einer voͤlligen Vergebung verſichert. Kuͤnfftig will ich nicht ein - mahl davon reden hoͤren. Und weil die verzoͤgerte Hochzeit der Luischen die groͤßte Verwirrung macht; ſo wollen wir ſie noch heute vollziehen. Der Con - tract iſt ſchon ſeit zwey Jahren fertig, wir duͤrffen ihn nur unterſchreiben. Nun, liebe Kinder! gebt euch einander die Haͤnde! Der Himmel ſegne euch in allem euren Vornehmen!

Herr Liebmann.

Meine Liebe, und mein Gehorſam gegen ſie, ſoll ewig dauren.

Jungfer Dorchen.

Und ich, lieber Papa? vergeſſen ſie mich?

Herr Glaubeleicht.

Nein! nein! Jch will dich verheyrathen, ſo bald du nur willſt. Es iſt deine eigene Schuld, daß es nicht ſchon lange geſchehen iſt. Anitzo wollen wir zu Tiſche gehen.

Cathrine.

Gute Nacht! ihr Herren Scheinfromms und Hengekoͤpffe! Gruͤſſet die Pietiſterey im Fiſchbein - Rocke!

ENDE der Fuͤnften und letzten Handlung.

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About this transcription

TextDie Pietisterey im Fischbein-Rocke
Author Luise Adelgunde Victorie Gottsched
Extent185 images; 23918 tokens; 4170 types; 165702 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie Pietisterey im Fischbein-Rocke Oder die Doctormäßige Frau Luise Adelgunde Victorie Gottsched. . [8] Bl., 160 S. Rostock1736.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 P DRAM III, 2161

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:30:56Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 P DRAM III, 2161
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