Horatius: ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Ridiculum acri Fortius & melius medias plerumque ſecat res.
Weil es doch eine herge - brachte Gewohnheit iſt, daß ein Buch eine Vor - rede haben muß; Jch aber dem Ge - neigten oder Ungeneigten Leſer nichts anders zu ſagen weiß, als was in folgenden beyden Briefen enthalten iſt: So will ich dieſelbe ohne fernere Weitlaͤuftigkeit mittheilen.
Jch habe die groͤſte Urſache von der Welt, E. H. fuͤr das neulich uͤber - ſandte Manuſcript verbunden zu ſeyn. Es iſt nicht noͤthig, daß ich mit vie - len Worten bezeuge, wie unvergleichlich es Denenſelben gerathen; da dieſes ohnedem das gewoͤhnliche Urtheil iſt, welches die Welt von Dero Schrifften zu faͤllen pflegt. Wenn ich davor nur die ungemeine Freude beſchreiben koͤnnte, welche dadurch in einergroſſengroſſen und aufgeweckten Geſellſchafft neu - lich entſtanden, wo ich daſſelbe von An - fang bis zum Ende vorzuleſen mir die Freyheit genommen. Dieſes aber mit Worten zu beſchreiben wird mir gantz un - moͤglich fallen. Und ich will nur ſo viel ſagen, daß auch die allerernſthaffteſten Leute mehr als hundert mahl uͤberlaut zu lachen genoͤthiget worden, und daß ich vor dem unzaͤhligen Haͤndeklatſchen der uͤbri - gen wohl mehr als hundert mahl im Leſen inne halten muͤſſen. Das iſt aber noch nicht alles. Die geſcheideſten Koͤpffe in dieſer Geſellſchafft traten alſobald zuſam - men, und beſchloſſen mit einhelligen Stim - men, daß man der Welt dieſes vortreffliche Luſt-Spiel nicht mißgoͤnnen muͤſte. Wie - der dieſen Entſchluß hatte die gantze Ge - ſellſchafft nichts einzuwenden, als dieſes: Wo man denn einen Verleger darzu her - nehmen wuͤrde. Weil ſich ſo leicht kein Buchdrucker entſchlieſſen wuͤrde eine Schrifft zu drucken, die allem Anſehen nach gewiſſen Leuten ſehr mißfallen, und) * (3ſieſie zu der empfindlichſten Rache gegen den - ſelben anflammen wuͤrde. Doch kaum war dieſer Einwurff vorgebracht; ſo war er auch ſchon gehoben. Eben diejenigen, ſo auf den Anſchlag gekommen waren, die - ſes Werck drucken zu laſſen, erbothen ſich auch die Koſten darzu herzugeben. Jch verſetzte hierauf, daß ſie die Rechnung ohne den Wirth gemacht haͤtten, und ver - ſicherte, daß E. H. es niemahls zugeben wuͤrden, daß dieſe Schrifft, die ſie nie - mahls zum Drucke beſtimmet haͤtten, ans Licht treten duͤrffte. Ja ich ſelbſt drohete, mich mit aller Macht darwider zu ſetzen; weil dasjenige, was mir im Vertrauen uͤberſchickt worden, auch nur in meinen Haͤnden bleiben muͤſte: wofern ich nicht bey dem Verfaſſer den Vorwurff einer Treuloſigkeit verdienen wollte. Doch al - les vergebens! Man hatte ſich einmahl Dero Manuſcripts bemaͤchtiget, und es war mir nicht moͤglich, daſſelbe wiederum in meine Hand zu bekommen. Alles was man mir dabey einraͤumte, war dieſes,daßdaß man mir den erſten Abdruck der Bo - gen zuſenden, und mir die Bemuͤhung uͤberlaſſen wuͤrde, fuͤr die Ehre meines Freundes dabey zu ſorgen; damit nemlich ſeine Schrifft, ſo viel als moͤglich, ohne Fehler ans Licht kaͤhme. Was ſollte ich thun? Gewalt gieng vor Recht, und ich muſte mir endlich gefallen laſſen, was ich nicht hindern kunte. Nunmehro iſt Dero Werck wuͤrcklich unter der Preſſe, und ich habe die Ehre, als eine getreue Heb-Amme, dieſes ſo wohl gerathene Kind E. H. ans Tages-Licht zu bringen. Hiermit uͤber - ſende die erſten Bogen deſſelben, und bitte uͤber dem erſten Anblick derſelben nicht gar zu ſehr zu erſchrecken, vielweniger einen unverdienten Haß auf mich zu werffen. Jch kan aufs theuerſte verſichern, daß ich alles gethan habe, was nur in meinen Kraͤff - ten geſtanden, den Abdruck dieſer Schrifft zu verhindern. Jch ergriff auch ſogleich die Feder, E. H. Nachricht davon zu geben: Aber ehe der Poſt-Tag kahm; ſo hatte ich ſchon die zwey Bogen zur Ausbeſſerung der) * (4Druck -Druckfehler erhalten. So eilfertig ſind dieſe Herren in der Ausfuͤhrung ihres Vor - habens geweſen. Weil ich alſo ſelbſt zu geſchehenen Dingen das beſte zu reden ge - noͤthiget bin; ſo ſchlage ich mich ſelbſt zu der Parthey, meiner ehemahligen Wieder - ſacher, und verſichere E. H., daß Sie von der Bekanntmachung dieſes Meiſter-Stuͤ - ckes nichts zu beſorgen haben. Denn was wollen die Gegner davon ſagen? Jſt es etwan eine Suͤnde, laͤcherliche Leute aus - zulachen? Warum haben ſie in unzehli - chen Schrifften ſich ſelbſt der klugen Welt zum Gelaͤchter gemacht? Man hat lange genug ernſthafft mit dieſen Leuten geſtrit - ten: Aber was hats geholffen? Sie ſind ſelber dadurch in dem Wahne beſtaͤrcket worden, als ob ihre Neuerungen und My - ſtiſche Fantaſien was recht wichtiges ſeyn muͤſſten: Jndem ſich auch die groͤſſten GOttes-Gelehrten, ja wohl gar gantze Theologiſche Facultaͤten die Muͤhe gege - ben, wider ſie zu Felde zu ziehen. Jn die - ſem Kriege aber iſt es gegangen, wie dortbeybey dem Drachen in der Fabel, dem an ſtatt eines abgehauenen Kopffs allemahl drey andere wieder wuchſen. Daher ha - ben ſchon laͤngſt verſtaͤndige Maͤnner ge - urtheilet, man muͤſſe ſolchen Schwaͤrmern die Ehre nicht mehr anthun, ernſtlich wi - der ſie zu ſtreiten; und wuͤrde beſſer thun, wenn man ſie mit Satyriſchen Waffen zu erlegen bemuͤhet ſeyn wuͤrde. Dieſes ha - ben nun E. H. mit ſo gluͤcklichem Erfolg ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwen - dig einer unzehlbahren Menge verfuͤhrter Seelen die Augen geoͤffnet werden koͤnnen. Wollte man ſagen: Daß gleichwohl die Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel mit dabey etwas leiden, und zum Gelaͤch - ter werden wuͤrden; ſo wird doch ein Un - partheyiſcher leicht ſehen, daß nicht die Schrifft ſelbſt, auch nicht die Glaubens - Lehren, ſondern nur die einfaͤltigſte Art, ſelbige zu mißbrauchen, gemeinet ſey. Waͤre dieſes nicht; ſo muͤſſte man auch behaupten, der theure Lutherus haͤtte ſich an den Geheimniſſen der Religion vergrif -) * (5fen,fen, weil er den Mißbrauch der Papiſten in ſeinen Schrifften laͤcherlich und veraͤcht - lich zu machen geſucht, ja wohl gar die Moͤnche und Pfaffen vor Ochſen und Eſel geſcholten, und die Bullen der Paͤbſte Drecketen geheiſſen. Wem iſt es alſo zu verargen, wenn er nach Nothdurfft dieſer Zeiten in die geſegneten Spuren dieſes theuren Ruͤſt-Zeugs GOTTES tritt? Mehr darf ich E. H. vermuthlich nicht vorſtellen, meine Kuͤhnheit zu entſchuldi - gen; und verharre alſo mit aller gewoͤhn - lichen Hochachtung
Deroſelben verbundenſter Diener, Der Herausgeber. Ant -
Nichts hat mich jemahls in ſolche Beſtuͤrtzung geſetzt, als Dero letztes Schreiben. Sie koͤnnen leicht dencken, wie mir zu Muthe geweſen ſeyn muͤße, da ich vernommen, daß ſie eine Schrifft, die bloß zu meiner eigenen Ver - gnuͤgung, und hoͤchſtens zur Luſt einiger vertrauten Freunde bey muͤßigen Stunden aufgeſetzet worden, einer groſſen Geſell - ſchafft vorgeleſen haͤtten. Jch bereuete es bey dieſer Nachricht ſchon, daß ich dieſelbe Eurer Hochedlen ſo guthertzig zugeſendt. Aber was vor Empfindungen von allerley Arten bemeiſterten ſich nicht meines Ge - muͤths? als ich aus der fortgeſetzten Er - zehlung vernahm, was vor ein ſeltſamesSchick -Schickſal uͤber mich verhaͤnget ſey. Um GOttes Willen! was fangen Sie mit mir an? Jſt denn dasjenige Vertrauen, ſo ich zu Dero auffrichtigen Freundſchafft gehabt, einer ſolchen Straffe wehrt gewe - ſen? was wird die Welt von mir geden - cken? von mir, deſſen Amt und Lebens - Art am allerwenigſten zu einer ſolchen Schreib-Art Anlaß geben ſollte? Wollen Sie mir noch mehr Verdruß und Strei - tigkeiten uͤber den Hals laden, als ich ſchon wegen einiger weit unſchuldiger Schrifften wieder dieſes Fanatiſche Geſchmeiſſe be - kommen habe? haben Sie nicht bedacht, an was vor einem Orte ich lebe? und wie leicht man auf die Muthmaſſung fallen wird, daß ich der Urheber dieſer Schrifft nothwendig ſeyn muͤſſe? gleichwol, wenn ich die Wahrheit geſtehen ſoll; ſo bin ich nicht einmahl dafuͤr anzuſehen. Ein ge - wiſſer ungenannter Frantzoſe hat mehr Theil daran, als ich. Und ich bin eher vor einen unſchuldigen Ueberſetzer, als fuͤr den Urheber dieſes Luſt-Spiels anzuſehen. JchJch ſehe mich genoͤthiget Jhnen dieſes zu bekennen: weil ich gemercket, daß Sie mir dieſelbe einzig und allein zuſchreiben, welche Ehre mir doch gar nicht gebuͤhret. Sie wiſſens, daß vor etlichen Jahren in den Janſeniſtiſchen Haͤndeln zu Paris al - lerhand Comoͤdien gedruckt worden, dieſe Secte dadurch laͤcherlich zu machen. Die allererſte und beſte darunter hieß: La Femme Docteur ou la Theologie Janſe - niſte tombèe en Quenouïlle. So bald ich dieſe zu leſen bekam, vergnuͤgte ich mich uͤber die ſinnreiche Art, welcher ſich der Verfaſſer bedienet hatte, die Froͤmmlinge und Scheinheiligen ſeines Orts zum Ge - laͤchter zu machen; Und ich wuͤnſchte von Hertzen, daß ſich auch in unſerer Kirche eine ſcharffſinnige Feder finden und dem Unheile der Scheinheiligkeit auf gleiche Art ſteuren moͤchte. Jch habe etliche Jahre vergebens darauf gewartet, und alſo end - lich ſelbſt den Entſchluß gefaſſet, doch nur zu meinem eigenen Vergnuͤgen, einen Ver - ſuch zu thun, in wie weit ſich die Erfindun -gengen des Frantzoͤſiſchen Scribenten auf un - ſern Zuſtand ſchicken wuͤrden. Jch kan auch nicht laͤugnen, daß ich viele Perſonen und gantze Auftritte ſeines Schau-Spiels gantz und gar ausgelaſſen, und hingegen manches von den meinem habe hinzu ſetzen muͤſſen. Doch wird derjenige, der das Original geleſen, nicht ohne Verwunde - rung wahrnehmen, daß dieſe Art von Son - derlingen ſich in Paris und Deutſchland ſo ſehr aͤhnlich ſehen. Bey dem allen aber iſt mirs niemahls in dem Sinn gekommen, dieſen Verſuch einer Comiſchen Schreib - Art, darinnen ich mich ſonſt niemahls ge - uͤbt, und dazu ich mich fuͤr gantz ungeſchickt halte, weder unter meinem Nahmen, noch ohne demſelben ans Licht zu ſtellen. Doch was wird mir dieſes alles helffen? nach - dem es mit der Sache einmahl ſo weit ge - kommen iſt, daß es nicht mehr bey mir ſte - het, den Druck derſelben zu hindern. Soll ich auf Eure Hoch-Edlen loßziehen, oder mich ſelbſt anklagen, daß ich ihnen dieſe Schrifft ſo treuhertzig anvertrauet? bey - des wird umſonſt ſeyn. Und ich ſehe alſowohl,wohl, daß ich mein Schickſal werde erwar - ten muͤſſen. Wenn es Jhnen aber immer moͤglich iſt; ſo thun ſie mir nur dieſes zu Lieb, und verhindern es, daß die Comoͤdie nicht gar zu haͤuffig abgedrucket, und ſon - derlich kein Exemplar davon hieher geſchi - cket werde. Dieſes iſts alles, was ich vor jetzo thun kan, um nicht verrathen zu wer - den. Uebrigens werden Sie meinen Nah - men auf das ſorgfaͤltigſte zu verſchweigen, und in der Vorrede die Welt zu uͤberzeugen wiſſen, daß ich an dem Drucke dieſer Schrifft keinen Theil gehabt, auch meinen Beyfall darzu nicht gegeben habe. Noch eins faͤllt mir ein: Koͤnnte man nicht, wenn die Herren, auf deren Koſten die Schrifft gedruckt wird, mit einigen Exem - plaren verſorgt ſind, alle uͤbrigen auf meine Koſten erhandeln, und mir ſelbſt zu - ſenden, das Geld ſoll mich nicht reuen, ſo ich darauf wenden muͤſte. Doch was wird es helffen; Wenn auch nur ein ein - tziges Exemplar an einen Gewinnſuͤchti - gen Buchhaͤndler kaͤhme: er wuͤrde es doch ohne Zweifel wieder auflegen laſſen.
Hiermit verharre ich ꝛc.
ſeine Frau.
aͤlteſte Tochter des Herrn Glaubeleichts.
ihre Schweſter, und Ver - lobte des Herrn Liebmanns.
ein Obriſter, und Bruder des Herrn Glaubeleichts.
Braͤutigam der Jfr. Luischen.
Schein - fromms Vetter.
der Frau Glaubeleichtin ihre Beth-Schweſtern.
eine gemeine Buͤrgers-Frau.
der Frau Glaubeleichtin ihre Magd.
die Allmoſen-Sammlerin der Pietiſten.
ein Pietiſtiſcher Buͤcher-Kraͤmer.
Cathrine!
Jungfer Luischen!
Was iſt das wieder vor ein Pack Buͤcher, was du da verſteckſt?
ACa -Ach! frage ſie nur nicht; ſie wirds ſchon zeitig genug erfahren.
Wie? iſts ſchon wieder eine ſolche verzweifelte Scarteque, die die Mama mir immer zu leſen giebt?
Ja, ja! das waͤre mir eine rechte Scarteque! Nein, meine liebe Jungfer Luischen! es iſt ein ſchoͤ - nes groſſes Werck in Octav, wenn ſie es wiſſen will: Und dancke ſie noch dem Autor, daß er, wie es ſcheint, des Luͤgens muͤde geworden iſt; ſonſt waͤre wahrhaftig ein guter Foliante daraus gewor - den. Leſe ſie nur den Titul: Fußſtapfen der Wunder GOttes im Haͤlliſchen Waͤyſen - Hauſe. Jſt das nicht luſtig?
Ach Cathrine! ich aͤrgere mich faſt zu Tode.
Ja, ja! ich glaube es wohl, daß ſie lieber einen Roman oder eine Comedie laͤſe; aber ihre Mama verſteht das Ding beſſer: Huͤbſche Hertzens-Cate - chiſmi; ein Heiliger oder ein Vieh; Hoburgs un - bekannter Chriſtus; Freylingshauſens Grundle - gung; das, das gehoͤrt zur Erziehung eines Maͤd - gens, welches in der Welt ſein Gluͤcke machen ſoll!
Schweige doch nur!
Ca -Jch weiß wohl, daß ſie ſchon ſeit zwey Jahren an den Herrn Liebmann verſprochen iſt; und daß die Vollziehung der Heyrath nur auf die Mama ankoͤmmt: Allein, meynt ſie, daß die Frau Glau - beleichten ſie einem Manne geben werde, ehe ſie recht Doctormaͤßig, und in der Lehre vom wahren in - nern Chriſtenthume des Hertzens recht befeſtigt iſt? Nicht ſo, nicht ſo! Jch wette, daß ſie noch nicht einmahl weiß, was Chriſtus in uns, und die Salbung ſammt dem Durchbruche ſey?
Zum Hencker! Wozu ſoll ichs denn wiſſen?
Wie? und ſie will heyrathen? Pfuy Jungfer Luischen!
Ach! ich bitte dich, ſtehe doch nur der Mama nicht bey. Jſt wohl ein ungluͤcklichers und naͤrri - ſcher erzogenes Maͤdgen in der Welt, als ich? Meine Mutter, welche ſelbſt nicht mehr weiß, was ſie in der Welt fuͤr eine Figur machen ſoll, hat ſich die naͤrriſchen Grillen der Pietiſterey in dem Kopf geſetzt. Was hat ſie nicht fuͤr einen Character! wie hartnaͤckigt und eigenſinnig iſt ſie nicht, bey aller ihrer ſcheinbaren Gelindigkeit!
Gelindigkeit? Ja! man verlaſſe ſich nur darauf!
A 2Jung -Zwey Jahre bin ich ſchon dem Herrn Liebmann verlobt; gleichwohl habe ich kaum die Erlaubniß ihn zu ſprechen. Jch ſehe niemanden, als allerley Arten von Heuchlern, Canditaten, Magiſters, und laͤcherliche Beth-Schweſtern. Zu Hauſe ſchwatzt man von lauter Orthodoxen und Ketzerma - chern; gehe ich aus, ſo muß ich eben wieder ſolch Zeug anhoͤren. Du weiſt, daß ich der Mama zu gefallen Speners Predigten von der Wiedergeburt, und ſo viel anderes Zeug, gantz auswendig gelernet habe. Jch habe mich bisher geſtellt, als wenn ich mit ihr einer Meinung waͤre; damit ich ſie nur gewinnen moͤchte: Aber nun bin ichs auch uͤber - druͤßig. Jch kanns nicht laͤnger aushalten! Und wo mein Vater nach ſeiner langen Abweſenheit nicht bald wieder koͤmmt, und allen dieſen Verwir - rungen ein Ende macht; ſo ‒ ‒ ‒
O ja doch! Sie iſt gewiß von den Leuten, die was rechts unternehmen. Sie hat ja nicht das Hertze der Mama ein Wort zu ſagen.
Es iſt wahr! Aber nun habe ich mir es vorge - ſetzt: Jch will nicht laͤnger heucheln! Jch will ihr meine Meinung ſagen, und wanns noch heute waͤre.
Jch muß geſtehen, daß ihr Herr Vater ſehr un -billig5im Fiſchbein-Rocke. billig handelt, daß er uns ſo lange Zeit dem Eigen - ſinne ſeiner naͤrriſchen Frauen uͤberlaͤſſt. Er hat ſie verlobet: Sie ſoll die Hochzeit vollziehen, in - deſſen reiſet er ſeiner Geſchaͤffte wegen nach Engel - land. Der liebe GOtt ſey mit ihm! Mich duͤnckt aber er wird bey ſeiner Wiederkunft ſehr erſchrecken, wenn er ſie noch ledig, und ſein Haus in dieſem ſchoͤnen Zuſtande finden wird. Sein Keller iſt zur Buchdruckerey; ſeine Boͤden ſind zu pietiſtiſchen Buchlaͤden; und ſeine Zimmer zu Winckel-Kir - chen geworden. Wie wird er nicht erſtaunen, wenn er einen Hauffen begeiſterter Boͤhmiſten und Quaͤcker finden, und ſeine Frau als eine Paͤbſtin unter ihnen ſitzen ſehen wird. Die Laquaien ſelbſt zancken ſich ſchon uͤber die dunckeln Schrifft-Stel - len; und ich hoͤrte nur noch neulich, daß der Kut - ſcher ſeine Pferde vor Orthodoxen ſchalte; weil er kein aͤrger Schimpf-Wort wuſte.
Aber du ſelbſt ſchmeichelſt der Mama am aller - meiſten in dieſer Thorheit.
O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich kriege ſelbſt ein Anſehn im Spiele. Glaubt ſie wohl, daß Herr Magiſter Haͤngekopf mit mir ſchoͤne thut? und daß die Schuld nicht an ihm liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe. A 3Aber6Die PietiſtereyAber GOtt ſey Danck! Jch bin ſehr Orthodox auf meine Ehre!
Du biſt nicht klug! was meinſt du aber von meiner Schweſter? mich duͤnckt ſie ſucht der Mama meine Heyrath aus dem Sinne zu reden.
Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen? Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn Liebmann.
Was ſagſt du? Meine Schweſter iſt ſo tu - gendhafft! Sie iſt mit lauter Religions-Zaͤncke - reyen beſchaͤfftiget. Es ſcheint, daß ſie die Welt recht ernſtlich haſſet. Sie kan ſich ja kaum ent - ſchlieſſen einen Fiſchbein-Rock zu tragen.
Das iſt wahr! Aber die ſtrengſte Tugend hat ihre ſchwache Seite.
Mich troͤſtet die Hoffnung, daß mein Vater bald wieder kommen wird.
Er wird ja freylich bald kommen muͤſſen: Und es heiſt auch in dem letzten Briefe: Er wuͤrde mit eheſten eintreffen.
Wenn er aber nicht kaͤme? Koͤnnte nicht auchmein7im Fiſchbein-Rocke. mein Vetter die Mama bewegen, daß ſie meine Heyrath vollzoͤge? Er hat mir verſprochen, noch heute mit ihr davon zu ſprechen. Was meinſt du?
Wer? der Herr Vetter Wackermann? Nein, Jungfer Luischen! Herr Wackermann iſt ein Of - ficier, ein redlicher, vernuͤnfftiger, verſtaͤndiger Mann, der mit ihrer Mama ‒ ‒ ‒ nur klug und vernuͤnfftig redet: Aber damit nimmt ſie kein Menſch ein! Doch ich muß gehen.
Hoͤre doch! Es faͤllt mir ein, ob wir nicht den Herrn Scheinfromm gewinnen koͤnnten? Er gilt viel bey der Mama.
Ja! das weiß ich! aber trau ſie ihm nicht. Die Mama thut nichts, als was dieſer heilige Mann ihr einblaͤſet: Es iſt alſo ſehr wahrſcheinlich, daß er wohl gar ſelbſt die Urſache ihrer verzoͤgerten Hochzeit iſt. Wer weis, was er fuͤr einen Nutzen darunter ſucht? Er hat einen Vetter.
Nun? Er hat einen Vetter?
Geb ſie acht! Er hat ſich wohl gar in den Kopf geſetzt, daß ſein Vetter ihr Mann werden ſoll: Und wenn er es erſt beſchloſſen hat; an der Mama wird es nicht fehlen. Denn es iſt erſchrecklich, derA 4Menſch8Die PietiſtereyMenſch hat keine Verdienſte, er hat keinen Ver - ſtand, es iſt gar nichts an ihm: Und er hat mit ſeinen heuchleriſchen Mienen und Reden die Frau ſo eingenommen. Dem ſey wie ihm wolle; Jch mercke daß er ſeit einiger Zeit gegen mich ſehr hoͤff - lich thut. Vielleicht hat er mir etwas zu entdecken. Jch wills abwarten. Aber ſtille! Da koͤmmt ihre Mama mit der Jungfer Schweſter.
Nun Cathrine! du bringſt uns keine Antwort?
Ach es geht viel neues vor!
Sags doch geſchwinde!
Es ſteht ſehr ſchlecht mit der Orthodoxie.
Das glaube ich wohl; aber wie?
Man ſagt, etliche Haͤlliſche Juriſten ‒ ‒ ‒
Jung -Nun die Haͤlliſchen Juriſten?
Man ſagt, die Haͤlliſchen Juriſten haben eine neue Schrifft wider ſie heraus gegeben.
Ey! Mama, das iſt ſchoͤn! das iſt ſchoͤn! Nun werden die Wittenberger anders pfeiffen muͤſſen.
Noch viel aͤrger! man ſagt, die Mediciner wer - den ſich auch drein mengen, und man will die Land - Pachter zu Richtern annehmen.
Das hat keine Noht! die Juriſten werdens ſchon machen. Aber wo haſt du das gehoͤrt?
Der dicke Geiſtliche, da ‒ ‒ ‒ der ſo wider die Schrifft - und Bibel-Theologie predigt ‒ ‒ ‒ je! der ſo luſtig iſt ‒ ‒ ‒ Herr ‒ ‒ ‒ Herr Weinfaß hats mir geſagt.
Gut, gut! da haben wir in unſerer Zuſammen - kunfft wieder was zu plaudern. Jſt dirs nicht lieb Dorchen?
Ungemein! liebe Mama!
A 5FrauUnd dir Luischen?
Ja! Mama!
Was haſt du mehr gehoͤrt Cathrine?
Man ſagt, die Waͤchter haben dieſe Nacht auf der Leſtadie*Eine uͤbel beruͤchtigte Vorſtadt in Koͤnigsberg. einen Geiſtlichen zu packen bekom - men, den man fuͤr einen Prieſter aus dem Loͤbe - nicht gehalten hat.
Verzweifelt! ſeht! das ſind Leute! der wird was ſchoͤnes im Wercke gehabt haben.
Es hat ſich aber befunden, daß er aus dem Collegio Fridericiano geweſen.
Ach der arme Menſch! Er hat gewiß ein gott - ſeelig Vorhaben gehabt! Haſt du nicht den Herrn Scheinfromm geſehen?
Ja! Er hat ſich die Nacht ſchlecht befunden, weil er geſtern Abend die drey erſten Seiten aus Neumeiſters Prieſterlichen Lippen geleſen hat.
FrauDer heilige Mann! Warum lieſt er auch ſolch armſeeliges Zeug?
Heute befindet er ſich ſchon beſſer. Wie ich kam, ſaß er eben mit zwey andern ſtrengen heiligen Geiſt - lichen bey einem guten Fruͤh-Stuͤcke.
Der Mann iſt wohl ein rechtes Vorbild der er - ſten Glaͤubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat mir zuerſt die Lehren von Natur und Gnade, und vom innern Weſen der Jchheit beygebracht. Er hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben, und die Salbung des Geiſtes ſchmecken ſoll, welche in den Schrifften unſerer Haͤlliſchen Maͤnner GOt - tes befindlich iſt. Gewiß! der Mann beſitzt den Geiſt der erſten Kirche in einem hohen Grad! Doch ihr kennt ihn alle. Wo biſt du mehr geweſen?
Jch habe die Frau Plappergern geſprochen, welche einen neuen Krafft - und Kern-Catechiſmum fuͤr ihr Haus verfertigt. Jch bin bey der Frau Zanckenheimin geweſen, welche eben mit einem Magiſter diſputirte. Frau Seuffzerin ſaß mit einem Geiſtlichen beym Nacht-Tiſche. Herr Ma - giſter Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und Herr Magiſter Klapperſtorch unterſuchet eine Wit -ten -12Die Pietiſtereytenbergiſche Diſputation. Sie laſſen ſie alle ſchoͤn - ſtens gruͤſſen, und werden bald in der Zuſammen - kunfft erſcheinen. Jch habe auch den Herrn Obri - ſten Wackermann, ihren Herrn Schwager, ange - troffen; er fragte mich: Ob ſie dieſen Morgen zu ſprechen waͤren? Jch glaube, er wird auch kommen.
Ach! er kan immer da bleiben! Was haſt du denn da vor ein Buch?
O das iſt ein Buch! daran werden ſie ſich er - goͤtzen! Herr Magiſter Ungeſtuͤm ſchickt es ihnen.
Fußſtapffen der Wunder GOttes im Haͤlliſchen Waͤyſenhauſe. Ach meine Kin - der! das iſt ein herrliches Werck.
Das wird ſchoͤn zu leſen ſeyn.
Da habt ihrs, lieben Kinder! Jhr ſollet es zu - erſt leſen, ſo gern ich es auch ſelbſt leſen moͤchte.
Wenn meine Schweſter es gern bald leſen will, ſo will ich ſchon warten.
Nein! nein! ihr koͤnnts beyde zuſammen leſen, damit ihr die Luſt mit einander theilet. Jch habewas13im Fiſchbein-Rocke. was anders zu leſen, davon ich nicht gerne eine Zeile uͤberhuͤpffen wollte. Wenn mein Schwager koͤmmt, ſo rufft mich. Cathrine komm! raͤume meinen Nacht-Tiſch auf!
Mich duͤnckt, Schweſter, daß du nach dem Le - ſen dieſes Buchs eben kein groſſes Verlangen traͤgſt.
Was ſoll ich denn leſen? Jch ſehe, daß alle die Schrifften immer einerley ſagen. Ein erſchrecklich Klagen uͤber die Orthodoxen; etliche Spruͤche aus der Heil. Schrifft, oder aus Doctor Luthern, wohl oder uͤbel angewandt; ein Hauffen Geſchrey vom verborgenen inneren Funcken, und allerley Ge - ſchwaͤtze, was ich nicht verſtehe; das iſt alles, was ich darinnen finde.
Was du nicht verſtehſt. Du muſt ſehr dumm ſeyn.
Das kan wohl ſeyn. Mein Troſt iſt aber, daß ich hierinnen vielen andern Perſonen gleich bin, die man doch eben nicht fuͤr ſo gar dumm haͤlt.
Jung -Ja! aber ſie beſchaͤfftigen ſich mit lauter Klei - nigkeiten.
Es iſt wahr, ſie bemuͤhen ſich nur, ihre Haus - haltung zu beſtellen; ihre Kinder zu erziehen; ihre Bediente zu regieren; und auf dieſe Art theilen ſie ihre Zeit in die Haͤußlichen und Chriſtlichen Pflich - ten ein: Jch glaube aber, daß man ſie deswegen eben ſo hoch haͤlt, als diejenigen, welche ſich be - muͤhen uͤber Dinge zu vernuͤnffteln, die ſie nicht verſtehen.
Meine liebe Schweſter, das heiſſt ſo viel: daß du lieber mit dem Herrn Liebmann redeſt, und daß du ihn beſſer verſteheſt?
Es iſt wahr! bedencke aber auch, daß ich mei - nes Vaters Erlaubniß dazu habe; welcher mir befahl, den Liebmann als meinen beſtimmten Mann anzuſehen.
Schwachheit!
Das kan wohl ſeyn, meine Schweſter; aber du kanſt ſie mir leichtlich vergeben: Die Eigenſchafft mit lauter himmliſchen Sachen umzugehen, iſt nicht allen Leuten gegeben, ſo, wie dir.
Jung -Das heiſſt ſo viel: Jch koͤnnte gar nicht ans Heyrathen gedencken, wenn ich wolte? O! nein! du irreſt dich ſehr. Jch halte den Eheſtand an ſich ſelbſt fuͤr keine Schwachheit; ſondern das koͤmmt mir nur nicht billig vor, daß man ihn als eine ernſthaffte und wichtige Sache anſieht, und dar - uͤber die Erkaͤnntniß des innern Chriſtenthums aus den Augen ſetzet.
Es iſt wahr! die irrdiſchen Gedancken kommen dir gar nicht in den Sinn. Doch hoffe ich nim - mermehr, daß du dir auf den Liebmann einige Rech - nung machen wirſt.
Warum nicht? du bildeſt dir ein wenig zu viel auf deines Vaters Einwilligung ein!
Wie! Dorchen? willſtu mir den Braͤutigam abſpaͤnſtig machen, den mir mein Vater gegeben hat?
Das ſage ich eben nicht; aber ich verſtehe mich wohl. Doch da kommt der Vetter und die Mama. Sie kommen als wie geruffen! Wenn du willſt, ſo wollen wir gehen, und unſer Werck zu leſen an - fangen.
Nun Jungfer Muhmen! jage ich ſie weg?
Laſſen ſie ſie nur gehen: Sie wollen etwas mit einander leſen; ſie aber, Herr Bruder, werden mir vielleicht wieder eine Predigt zu halten haben?
Ja! Frau Schweſter! Jch habe ihnen einen ſehr vernuͤnfftigen Vorſchlag zu thun; nemlich daß ſie ihre Tochter Luiſe verheyrathen ſollen. Jch kan den langen Aufſchub einer Sache nicht begreiffen, die ſchon vor zwey Jahren ſollte geſchehen ſeyn.
Jſts nicht wohl ſchon das hundertſte mahl, daß ſie mir davon ſagen?
Freylich!
Nun? haben ſie etwas damit ausgerichtet?
Zum Hencker? was ſollte ich ausrichten?
FrauWarum geben ſie ſich denn immer vom neuen die Muͤhe?
Je! warum kan man ſie gar nicht uͤberreden?
Warum? was haben ſie denn fuͤr Recht darzu? ſind ſie mein Vormund? mein Gevollmaͤchtigter? ſie ſind doch nichts mehr, als mein Schwager?
Das iſt freylich wenig genung! Wir wollen aber vernuͤnfftig reden, ohne uns zu aͤrgern.
Jch? ich ſollte mich aͤrgern? Ach! die Schwach - heit der verderbten Natur habe ich laͤngſt abgelegt! dem Herrn Scheinfromm ſey Danck dafuͤr.
Sehr ſchoͤn! aber mit aller vorgegebenen Sanfftmuth ſind ſie im Stande die gantze Welt tolle zu machen. Jch muß bekennen, der Herr Scheinfromm bringt ihnen ſchoͤne Sachen bey.
Ey, Herr Bruder! ſeyn ſie doch ſanfftmuͤthig und liebreich. Sie haſſen den Hrn. Scheinfromm, weil er ein Heiliger iſt.
Sie irren ſich ſehr! Jch habe die Tugend jeder -Bzeit18Die Pietiſtereyzeit geehret und geliebet: Aber, wenn ich ihnen die Wahrheit ſagen ſoll, diejenige, ſo Scheinfromm ausuͤbet, hat mir niemahls gefallen wollen.
Warum denn nicht?
Jch will nicht fagen, daß Scheinfromm ein dum - mer Menſch iſt, der nichts weiter als einige heilige Geberden an ſich hat. Jch ſage nur, daß, ſeit der Zeit die Frau Schweſter ihr Vertrauen auf ihn geſetzt haben, ihr gantzes Haus-Weſen im Verfall geraͤth. Das Geſinde kriegt keinen Lohn; die Toͤchter werden nicht verſorgt; ihr Haus iſt der all - gemeine Sammelplatz von den naͤrriſchen Schmie - ralien und Leuten, die nur in der Stadt ſind: Und da ſie vormahls auf meinen Rath noch etwas ga - ben, ſo geben ſie ſich jetzo kaum die Muͤhe, mich anzuhoͤren.
Ey, Herr Bruder! ein wenig Sanfftmuth und Liebe! Sie kennen die wahre Tugend noch ſehr ſchlecht.
Es ſey drum. Aber kurtz von der Sache zu re - den, der arme Liebmann jammert mich. Laſſen ſie ſich doch erbitten, Frau Schweſter! Was haben ſie davon, zwey junge Leute zu quaͤlen?
FrauHerr Liebmann mag ſich quaͤlen, wie er will. Was aber meine Tochter betrifft, ſo bin ich von ihr eines gantz anderen uͤberfuͤhrt. Sie kennen ſie und ihre Erziehung gewiß ſehr ſchlecht. Das arme Kind denckt viel ans Heyrathen. Behuͤte GOtt! ſeit dem ſie unſere Schrifften geleſen hat, ſo beſchaͤfftiget ſie ſich mit viel ernſthaffteren Sachen.
Sie meynen alſo, die Jungfer Muhme ſey mit ihren Zaͤnckereyen ſo gar beſchaͤfftiget, daß ſie dar - uͤber das Heyrathen vergiſſt? Wenn ſie das glau - ben, ſo kan ich ihnen berichten, daß ſie von uns zweyen diejenige Perſon ſind, welche ſich irret.
Nun gewiß, ſie ſind recht halßſtarrig! Jch will ſie herruffen, damit ich den Herrn Bruder nur uͤberzeuge. Komm her, Luischen! man hat dir was zu ſagen.
Meinetwegen. Allein erlauben ſie ihr auch, ihre Gedancken frey zu ſagen: Und, wenn ſich die Sache ſo verhaͤlt, wie ich dencke, ſo willigen ſie endlich in unſere Bitte.
O! wenn ſich die Sache ſo verhaͤlt, ſo werde ich ſchon ſelbſt wiſſen, was zu thun iſt.
Luischen! Glaubſt du wohl, daß dich hier der Herr Vetter je eher je lieber an den Herrn Liebmann verheyrathet wiſſen will? Antworte! ich bin ge - wiß verſichert, das es dir nicht in den Sinn koͤmmt.
Was wuͤrde es mir helffen, wenn ich gleich daran gedaͤchte?
So denckſt du nicht mehr daran?
So wenig, als moͤglich iſt.
Nun, Herr Bruder! da ſehen ſie es.
Wie? ſehen ſie denn nicht, daß ſie nur nicht das Hertz hat zu reden?
Mein GOTT! wie eigenſinnig ſind ſie! Luis - chen! ich ſage es dir noch einmahl, und befehle es dir, ſage uns deine rechte Meynung.
Jung -Mama! wenn ich ſaͤhe, daß es ihnen ein Ernſt waͤre, mich zu verheyrathen, ſo wollte ich ihnen gantz gerne meine rechte Meynung ſagen: Da ich aber weiß, daß dieß nicht iſt; ſo iſts unnoͤthig, ih - nen meine Gedancken zu entdecken.
Nun! da hoͤren ſie es.
So! ſo! du biſt ſehr vorſichtig, wie ich ſehe. Erklaͤre dich, und ſage uns deine Meynung.
Jch darf nicht.
Wie? du darffſt nicht?
Nein, Mama! ſie moͤchten boͤſe werden.
Ach! ich verſtehe dich nur gar zu wohl, du Ra - ben-Aas! Du willſt deine eigene Schande nur nicht bekennen. Der Liebmann iſt dir ans Hertze gewachſen. Alle die heiligen Leute, welche bey mir aus und eingehen; alle die Frauen, welche wider die Orthodoxie und fuͤr die Gnade ſo ſehr eifern; alle die bedeuten nichts bey dir gegen deinen Lieb - mann. Das iſt der Gegenſtand deiner irrdiſchen Luͤſte, welche im Hertzen herrſchen; das ſind dieB 3Ge -22Die PietiſtereyGedancken, womit du umgehſt, an ſtatt, daß du hoͤhern Dingen nachſtreben, und die heiligen Buͤ - cher, welche man dir in die Haͤnde liefert, genieſſen ſollteſt. Haſt du wohl ſchon das geringſte in dem Buche geleſen, was ich dir gab?
Ja, Mama! aber ‒ ‒ ‒
Nun! was aber?
Der bloſſe Titel des Buchs koͤmmt mir ſchon ſo grob und eifrig vor, daß ich das Werck unmoͤglich werde leſen koͤnnen? Und was lerne ich auch daraus?
Was du daraus lernſt? du dummes Thier!
O ſchoͤn! das nennt man Sanfftmuth und Liebe!
Daraus lernſt du, was die Wittenberger fuͤr gefaͤhrliche und der wahren innern Religion ſchaͤd - liche Leute ſind.
Gut! das nennt man das Chriſtenthum!
Welche die Sittenlehre verderben; die Sittenſelbſt23im Fiſchbein-Rocke. ſelbſt verkehren, den gantzen innern Menſchen zer - nichten, und die Liebe zu GOtt nicht dulden koͤnnen.
Mein GOtt! was Liebe und Sanfftmuth!
Aber liebe Mama ‒ ‒ ‒
Nun?
Was brauch ichs, die Orthodoxen zu kennen?
Wie? du ungelerniges Thier? Chriſtus in uns; die Freyheit der Kinder GOttes; die Geſetze der Liebe; der unumſtoͤßliche Grund des gantzen Chri - ſtenthums; die unbefleckte Lauterkeit des Hertzens; iſt dir das alles gleich viel?
Potz tauſend, Frau Schweſter! wo nehmen ſie alles das ſchoͤne Zeug her? das ſind ja Woͤr - ter, womit man vier Theologiſche Reſponſa aus - ſpicken koͤnnte.
Behuͤte mich GOtt dafuͤr, Mama. Jch ver - ehre alles das, als heilige Sachen; aber ich ſehe nicht, was ich mich drein zu miſchen habe; und ob uͤberhaupt ein Frauenzimmer ‒ ‒ ‒ ‒
Warhafftig, ſie hat recht! und wenn ihr wollt,B 4daß24Die Pietiſtereydaß ſie das alles wiſſen ſoll; ſo muͤßt ihr ſie nach Wittenberg oder Roſtock ſchicken.
A ha! Du ſiehſt nicht? dein Liebmann hindert dich ohne Zweifel daran! Nun, es iſt ſchon gut! weil du ſo gerne verheyrathet ſeyn willſt; ſo kan es noch eher geſchehen, als du denckeſt; aber nicht mit deinem Liebmann, das berichte ich dir.
Ach, Mama!
Bekuͤmmere dich nicht! man hat mir einen jun - gen Menſchen vorgeſchlagen, der ſich viel beſſer fuͤr dich ſchickt, als Liebmann. Jch werde darauf dencken. Jtzt kannſt du gehen; aber ſchicke mir Cathrinen her.
O mein GOtt!
Sie ſehen alſo wohl, daß ich recht habe.
FrauJa, ich ſehe, daß ſie ſich um meine Sachen ein wenig zu ſehr bekuͤmmern: Sie koͤnnten mich mit meinen Kindern nur zu frieden laſſen, wenns ihnen beliebt.
Wie? ſoll denn der arme Liebmann gar nichts zu hoffen haben?
Gantz und gar nichts! Cathrine, vergiß nicht den Herrn Scheinfromm zu mir zu bitten.
Jſt ers vielleicht, der ihnen den jungen Menſchen zum Schwieger-Sohne vorgeſchlagen hat?
Was geht es ihnen an? Ja, er iſts, wenn ſie es wiſſen wollen; geben ſie ſich nur zu frieden. Jch weiß ſchon, was ich zu thun habe. Und da - mit ich ſie nur mit einem mahle ſtumm mache: So kan die Hochzeit vielleicht noch heute vor ſich gehen.
Jch ſeh es freylich wohl, daß ſie lieber dem Rathe ihrer frommen Bruͤder folgen wollen, als dem meinigen. Denn deren Eingebungen ſind von GOtt; alles, was ſie ſagen, ſind lauter Ora - kel; die Wahrheit redet nur durch ihren Mund; Wir andere ſind alle dumm und naͤrriſch.
B 5FrauGut, gut! da ſind wir auf einer andern Ma - terie. Fahren ſie fort, wenn ſie belieben; nun will ich ihnen gerne zuhoͤren.
Jn Wahrheit, Frau Schweſter! ſie haben von ihrer Auffuͤhrung ſchlechte Ehre in der Welt. Sie thaͤten viel beſſer, wenn ſies wie andere Frauens machten, die ſie kennen; welche, ohnge - acht ſie ſehr klug ſind, ſich dennoch eine Ehre dar - aus machen, von den Religions-Streitigkeiten nichts zu wiſſen. Wozu Hencker ſtecken ſie denn immer mit allerley Weibern und Pietiſten zuſam - men, mit welchen ſie die Theologiſchen Facultaͤten, die Schrifften der Wittenberger und Roſtocker, und ſonſt hundert andere Dinge, davon ſie nichts verſtehen, verachten oder loben? Was wuͤrde doch die Welt ſagen, wenn ſie ſich eben ſo in die Ju - riſterey miſchen wollten, als in die Theologie? Wuͤrde man ſie nicht auslachen?
Sie muͤſſen uns fuͤr ſehr dumm halten.
Fuͤr dumm? Nein! Sie wiſſen alles, was ſie wiſſen ſollen: Nehen, ſtricken, ſticken, und viele andere Sachen, die ihrem Geſchlechte zukommen. Sie haben auch Verſtand; und ich glaube, daßſie27im Fiſchbein-Rocke. ſie mehr haben, als viele andere Frauen, ja, als viele Maͤnner: Aber von der Theologie wiſſen ſie nichts.
Und warum nicht? Vielleicht weil ich nicht in Roſtock ſtudiret habe? Giebt denn der ſchwartze Prieſter-Rock und Mantel dieſe Gelehrſamkeit? Muß man denn ſo gar gelehrt ſeyn, um die Geheim - niſſe und Grund-Saͤtze der Religion zu wiſſen? und die Saͤtze von dem innern Funcken, von der Ver - ſenckung der Seelen in GOtt, von der Unmoͤglich - keit, daß ein Wiedergebohrner ſuͤndigen koͤnne, ein - zuſehen? Ach, Herr Bruder! wer die Buͤcher von unſern Herren geleſen hat, der verſteht von der Theo - logie viel mehr, als ſie dencken. Fragen ſie nur Cathrinen.
Ja, gewiß! Jch habe zwar nicht ſo viel Ver - ſtand, als Frau Glaubeleichtin, daß ich die Theo - logie ſo gut faſſen koͤnnte; aber ſo viel getraue ich mir doch zu, daß ich ein Advocat beym Hof-Ge - richte ſeyn koͤnnte.
Ha! ich ſehe, daß ſie alle beyde ſehr viel verſte - hen. Aber woher wiſſen ſie, daß das, was ſie behaupten, wahr oder falſch ſey? Denn darauf koͤmmts an.
FrauWoher ichs weiß? das iſt eine artige Frage! Weiß ichs nicht aus Spenern, Taulern, Francken, und Jacob Boͤhmen, deren Schrifften mir unſere Herren gegeben haben? Cathrine! antworte ihm doch.
Ey! ſchaͤmen ſie ſich doch, Herr Obriſter! Sie dencken gewiß, wir ſind wie das Orthodoxe Frauen - zimmer, welches nichts anders weiß, als den Ca - techiſmum und die Gebethe. Uber dieſe Kleinigkei - ten ſind wir laͤngſtens weg. Haͤtte ich nur eines von der Frau Glaubeleichtin ihren Buͤchern hier, ſo wollte ich ihnen Stellen aufſchlagen, daran ſie bis Morgen Abend genug zu leſen haͤtten.
Gut! wenn aber eure Herren die Stellen uͤbel auslegen?
Das werden ſie mir wohl nimmermehr beweiſen.
Sie haben Recht. Denn da ich kein ſo groſſer GOttes-Gelehrter bin, als ſie; ſo kan ich ſie frey - lich nicht uͤberzeugen. Aber ich weiß doch, daß eine groſſe Menge anderer GOttes-Gelehrten, welche wenigſtens eben ſo geſchickt ſind, als die ihrigen, dafuͤr halten, daß dieſe Stellen uͤbel verſtandenwerden;29im Fiſchbein-Rocke. werden; und mich duͤnckt, dieß waͤre allein genung zu ihrer Ueberzeugung.
Das werden mir ſchoͤne GOttes-Gelehrten ſeyn! Ha! ha! ha! ha! Die ſchwuͤlſtigen raſenden Ca - lovianer etwan?
Wie Frau Schweſter? Alle unſere GOttes - Gelehrten, alle Theologiſche Facultaͤten, unſere Lehrer, unſere Prediger ſollten, auſſer einer gerin - gen Anzahl Heuchler, ſchwuͤlſtige und raſende Ca - lovianer ſeyn?
Ey! ey! das waren wieder ſchoͤne Leutchen.
Warum nehmen ſie nicht auch den Doctor Luther noch darzu, mit ſeinem gantzen Anhange? Ho! ho! ho! ho!
Cathrine! was ſagſt du darzu?
Gewiß, Madame, ich glaube, daß ſie al - leine zwantzig Orthodoxen GOttes-Gelehrten die Wage halten, und ihre uͤbrigen Freundinnen nach Proportion. Was mich betrifft; ſo muͤſte es ge - wiß ſehr ſchlecht ſeyn, wenn ich nicht wenigſtens ſo gut waͤre, als ein halb Dutzend ſolcher Herren. Wenn30Die PietiſtereyWenn wir nun ſo rechnen wollen; ſo haben wir die meiſten GOttes-Gelehrten auf unſerer Seite.
Wahrhafftig! ihr ſeyd alle beyde naͤrriſch! Jch bedaure euch!
Ach! wir ſind naͤrriſch. Ha! ha! ha! Ca - thrine, wir ſind naͤrriſch! was ſagſt du doch darzu? Er bedauret uns. Ach Herr Bruder! was wir ſagen, das uͤberſteiget ein wenig die Faͤhigkeit eines Soldaten: Wenigſtens muͤſſen ſie mit uns keinen Streit anfangen. Wie wuͤrden ſie nicht erſchre - cken, wenn ſie in unſern Verſammlungen manche Frau hoͤren ſollten, wenn ſie ihre Gedancken von der Reinigkeit der allererſten Kirchen Lehrer, und von der Chriſtlichen Sitten-Lehre ihre Gedancken auslaͤſſt. Kommen ſie doch nur einmahl herein: Und denn ſagen ſie, ob wir die Theologie verſtehen, oder nicht?
Potz tauſend! das will ich thun. Die Sache iſt ſehenswerth, denn ſie koͤmmt nicht ofte vor. Jch will gewiß hinein kommen. Jch wollte zwar in die Comoͤdie gehen; allein ich werde nichts dabey verliehren. Die wackern Orthodoxen werden ge - wiß von euch nicht verſchonet werden; und GOtt weiß, wie es dem armen Fechten und Wernsdorffen gehen wird.
Fr.Ach Cathrine! halt mich! Ach! ‒ ‒ ‒ Ach! ‒ ‒ ‒ ich ſterbe! ‒ ‒ ‒
Zum Hencker! wen haben ſie da genennt! Sie haͤtten lieber den Beelzebub und ſeine Engel ruffen moͤgen. Da bleibt mir die arme Frau unter den Haͤnden todt.
Wie denn? bey Fechtens und Wernsdorffs Nahmen faͤllt ſie in Ohnmacht?
Allerdings! Sie thut es allezeit. Diß iſt ſchon das drittemahl.
Ja! das weiß ich nicht. Beſtreichet ſie ge - ſchwinde mit Ungariſchem Waſſer: Da habt ihr welches.
O! das hilfft gar nichts. Dieß iſt ihre Artze - ney! Schreyen ſie brav mit mir:
Arnold! Peterſen! Lange! Gichtel! Francke! Tauler! Gnade! Wiedergebuhrt! Der innere Funcke! Die geiſtliche Salbung! Zum Hencker! ſo ſchreyen ſie doch mit.
Jch glaube, ihr ſeyd raſend.
Ca -Nein, nein, mein Herr Obriſter; ſie werdens ſehen, daß ſie wieder zu ſich kommt.
Die Gnade! der innere Menſch! der heilige Jacob Boͤhme! Sehn ſie! ſehn ſie! ſie erholt ſich.
Ach, Herr Bruder! ich entſchuldige ihre Un - wiſſenheit! Aber huͤten ſie ſich ins kuͤnfftige.
Jch bitte ſie um Verzeihung, Frau Schweſter. Jch wuſte nicht, daß Werns ‒ ‒ ‒ Potz tauſend! bald haͤtte ich mich wieder verredet.
Nun! Madame, wie iſts?
Es wird wohl vergehn. Nun, Herr Bruder! ich erwarte ſie in einer halben Stunde in unſerer Verſammlung. Und du Cathrine ſchicke zum Herrn Magiſter Scheinfromm und laſſe ihn her - bitten. Jch hoffe, er wird mir die Luiſe zu rechte bringen helffen.
Jch gehe auf die Poſt! Man hat mir geſagt, daß von meinem Bruder Briefe an mich waͤren. Wollte GOtt, daß er mir ſeine Zuruͤckunfft be - richtete! Denn dieß iſt ein verlohrnes Hauß, wo er nicht bald wiederkoͤmmt.
Nun! ſie wollen gewiß meine Jungfer ſprechen? Nicht wahr?
Jſt das noch eine Frage?
Vergebliche Muͤhe! uͤberfluͤſſige Sorgen! Ach! ihr armen Verliebten, wie uͤbel geht man mit euch um!
Was wollt ihr denn damit ſagen?
Damit will ich ſo viel ſagen: Daß ſich meine Frau ihrer Heyrath je mehr und mehr widerſetzt.
Hat denn Herr Wackermann nicht mit ihr ge - ſprochen? Er hat mirs ja zugeſagt.
Er iſt hier geweſen; Er hat mit der Frau Glau - beleichtin geſprochen; Er hats ihr vorgetragen; aber ‒ ‒ ‒
CHerrNun! und hat nichts ausgerichtet?
Nichts, gar nichts. Ja, ich habe gar erfah - ren, daß meine Frau auf einen andern Freyer vor ihre Tochter denckt.
O! wenn es ſo gehen ſoll, ſo werde ich auch wiſſen, was ich thun ſoll.
Nun! was wollten ſie wohl thun?
Jch will meine geliebte Luiſe aus ihrer Sclave - rey befreyen.
Wie? wollen ſie ſie entfuͤhren?
Warum nicht? Mit einem Worte: Es iſt meine Frau; und ich bin gewiß, der Obriſte Wa - ckermann wird mir nicht zuwider ſeyn.
Ja; aber meine Jungfer wird nimmermehr ‒ ‒ ‒
Jch will ſie ſelbſt darum bitten; ich hoffe, ſie wird ſich bewegen laſſen.
Sie hoffen gewiß ſehr viel.
HerrAch! ich bitte euch, helfft uns doch! Oder hin - dert uns nur wenigſtens nicht in unſerm Vorſatze. Seht! da ſchencke ich euch den Ring.
Ach! ſie machen mich gantz weichhertzig. Jch ſehe wohl, daß man ſich ihrer annehmen muß. Aber huͤten ſie ſich, daß Frau Glaubeleichtin ſie nicht bey Jungfer Luischen ſieht. Gehen ſie geſchwind hinein: Es koͤmmt jemand.
Guten Tag, mein liebes Kind! Wie befindet man ſich hier?
Sehr wohl. Frau Glaubeleichtin verlangt ſehr nach ihnen.
Sie hat mich in meinen Bethſtunden geſtoͤret. Wiſſet ihr nicht, warum ſie mich hat hohlen laſſen?
Sie ſpricht: Der Herr Scheinfromm ſoll ihr helffen die Jungfer Luischen bekehren.
C 2HerrWie? hat ſie ſich worinnen vergangen?
Frau Glaubeleichtin denckt es; weil dem armen Kinde endlich die Zeit lang wird, daß man ihre Hochzeit ſo lange ausſetzet.
Aha! ich mercke es! da habe ich was ich wollte. (Laut:) So will ſie denn gerne bald verheyrathet ſeyn?
Ach! je eher, je lieber. Wenn der Herr Ma - giſter die Mama bereden koͤnnte, die Sache zu be - ſchleunigen, ſo wuͤrde man ihnen ungemein ver - bunden ſeyn.
Ha! ha! ich muß eilen. (Laut:) Nun ich ver - ſpreche euch, daß ichs thun will.
Wie? in rechtem Ernſt? O wie froh bin ich! Denn ſie koͤnnen bey unſerer Frau viel ausrichten.
Das iſt wahr. Aber Jungfer Luischen muß auch noch beredet werden; und da muͤſſt ihr helffen.
Ach nein! Herr Magiſter! die Jfr. Luischen darf gar nicht ſehr gebethen werden, den Hn. Liebmann zu nehmen.
HerrWas ſagt ihr von Liebmann? den begehre ich ihr nicht zuzufreyen.
O! verzeihen ſie mirs doch. Jch weiß auch nicht, was ich immer von dem naͤrriſchen Liebmann traͤume. Von wem redeten ſie?
Wen meynet ihr wohl?
Jch wette, daß ichs errathe.
Laſſt ſehen!
Sie wollen meiner Jungfer gewiß ihren Herrn Vetter zufreyen?
Das wars! Freylich, meinen jungen Vetter, den Herrn von Muckersdorff, will ich ihr zufreyen. Jch habe ihm ein klein Guͤtchen geſchenckt. Aber wie habt ihr das ſo errathen?
O! das kan ja wohl ein Kind errathen. Denn vors erſte, ſo iſt meine Jungfer brav reich; und ich bin zum andern verſichert, daß ſich die beyden Leute ungemein wohl zuſammen ſchicken.
C 3HerrJhr habt ja meinen Vetter noch nicht geſehen.
Den jungen Herrn von Muckersdorff? Nein! aber was thut das? Jch wette, er ſiehet ihnen aͤhnlich.
Etwas.
Nun, ſehen ſie es? Mehr braucht er nicht. Und, unter uns geſagt: Liebmann iſt ein junger Taugenichts!
So ſeyd ihr alſo meiner Meynung?
O freylich!
Nun, ſo will ich euch was offenbahren: Jch habe ſelbſt die Frau Glaubeleichtin bisher abgehalten, ihre Tochter zu verheyrathen.
Ey! Ey! wer haͤtte das dencken ſollen?
Weil ich aber wohl wuſte, daß der Obriſte Wackermann ſehr ſtarck darauf drung; ſo habe ich mich bemuͤht, ihn bey der Frau Glaubeleichtin recht ſchwartz zu machen.
Ca -Sie haben ſehr wohl gethan.
Jch ſahe es wohl vorher, daß eure Jungfer des Wartens uͤberdruͤßig werden wuͤrde; da ſie nun einmahl ſieht, daß ſie ihren Liebmann nicht kriegen kan; ſo hoffe ich, daß ſie noch lieber meinen Vet - ter wird nehmen, als ſich entſchlieſſen wollen, gar ohne Mann zu bleiben.
Allerdings! ich glaube es auch.
Die Mutter iſt mir gewiß genung. Es waͤre aber gut, wenn ihr der Tochter auch zureden moͤch - tet, daß ſie ſich dieſe Heyrath gefallen laͤßt, denn bekoͤmmt die Sache doch ein gutes Anſehen.
Ach! das will ich ſchon machen.
Mein Vetter iſt auch ſo gar arm nicht. Er iſt nicht der allerheßlichſte; und vor einem Men - ſchen von geringer Herkunfft hat er doch auch gantz huͤbſche Freunde. Jch habe das alles der Frau Glaubeleichtin erzehlt.
Das iſt ja eine ſehr ſchoͤne Beſchreibung! Der Herr von Muckersdorf; die Frau von Muckers -C 4dorffin;40Die Pietiſtereydorffin; ein Hauffen kleine Muckersdoͤrffgens: Das wird ja eine heilige Baum-Schule abgeben, welche recht ſchoͤn ſeyn wird.
Aus Eigennutz thue ich das alles nicht; von dieſem Laſter bin ich durch der Gnade GOttes ſchon lange Zeit befreyet. Nein, ich thue es aus bloſ - ſem Eyfer vor Jungfer Luischens Seeligkeit.
O! das ſieht man wohl.
Denn, denckt nur ſelbſt nach. Herr Liebmann iſt ein junger, liebenswuͤrdiger Menſch; er iſt gantz weltlich; er hat eure Jungfer lieb, und ſie ihn. Allein dieſe Liebe bey den beyden Leuten moͤchte wohl nur bloß ein natuͤrliches Werck ſeyn; und nicht der Goͤttlichen Gnade und Barmhertzigkeit.
Davor ſchwoͤre ich freylich nicht.
Heyrathen ſich nun die beyden Leute; ſo wuͤr - den ſie ſich vielleicht ihre gantze Lebens-Zeit ſo lieb haben.
Das iſt allerdings zu beſorgen.
Und damit waͤren zwey arme Seelen auf ewig den Luͤſten des verderbten Fleiſches unterworffen.
Ca -Jch bitte ſie drum. Das iſt ja noch aͤrger, als eine oͤffentliche Kirchen-Buſſe!
Freylich: Heyrathet ſie aber meinen Vetter; ſo kriegt ſie einen Mann, der gar nicht angenehm iſt, und denn wird ſie alſo nicht anders, als mit Goͤtt - lichen Beyſtande und Mitwuͤrckung einer uͤberna - tuͤrlichen Gnade lieben koͤnnen; ſo werden ſie denn in einer heiligen Vereinigung leben, und keine ver - derbte Luͤſte kennen.
Das geſteh ich! Wie Herr Magiſter? So bald ſich in der Liebe zweyer Eheleute ein wenig na - tuͤrliche Liebe miſchet; ſo iſts Suͤnde?
Ja, meine Tochter! Alles was die Natur uns befiehlt zu thun; alle Empfindungen, die von ihr kommen, als was nicht bloß die Goͤttliche Gnade in uns wircket, das iſt Suͤnde.
Warum denn das?
Je darum: Weil die gantze Natur in ihrer Quelle, in ihrem Weſen, und in ihrer inneren Beſchaffenheit verderbt iſt. Ein Unglaͤubiger, der ſeinem Vater unzaͤhliche Wohlthaten thut, derC 5darf42Die Pietiſtereydarf nicht dencken, daß er was Gutes thue: Suͤnde thut er. Eine Mutter die ihre Kinder liebt; eine Frau, die ihrem Manne treu iſt, wenn ſie es nicht bloß durch die Krafft einer uͤbernatuͤrlichen Gnade thut, ſo ſuͤndigt ſie.
Das iſt ja betruͤbt. So werden wir auf die Art lauter Affen und Meerkatzen heyrathen muͤſſen, die wir nur durch eine uͤbernatuͤrliche Beyhuͤlffe lie - ben koͤnnen. Wahrhafftig, ich weiß nicht, ob dieſer Glaube die Leute gluͤcklich macht. Aber es ſchadet nicht; gehn ſie nur zur Frau Glaubeleichtin, denn ſie erwartet ſie.
Jch gehe; aber vergeſſt nicht das eure zu thun.
Sorgen ſie nur nicht.
Seht ihr hier wohl den Ring? Jch habe ihn von einer Frau bekommen, daß ich ihn zum All - moſen anwenden ſoll.
Der Ring iſt aller Ehren wehrt.
Nun, wenn ihrs huͤbſch macht ‒ ‒ ‒ ihr ſeht ihn wohl ‒ ‒ ‒ ich verwahre ihn vor euch.
Sie verwahren ihn vor mich? Gewiß, ich bin ihnen ſehr verbunden.
Nun ich will hineingehen. Noch einmahl thut euer beſtes.
Gut, gut. Jch verwahre ihn vor euch ‒ ‒ ‒ ich verwahre ihn vor euch ‒ ‒ ‒ Das iſt ein alter Filtzhut! Aber zum Schelme biſt du mir noch lange nicht liſtig genug.
Cathrine! iſt niemand mehr da? kan ich Herr Liebmannen weglaſſen?
Kommen ſie! kommen ſie nur alle beyde! ich habe ihnen ſchoͤne Hiſtorien zu erzehlen.
Was denn?
Was iſts?
Ca -Jſts nicht wahr, daß ſie ſich beyde lieb haben?
Jch dencke, ihr wiſſt es wohl.
Ja, aber geht es nicht gantz natuͤrlich zu?
Was heiſt du Natur? Unſere Liebe iſt rein, untadelich, und ſo, wie ſie unter zweyen Leuten ſeyn ſoll, die ihrer Eltern Einwilligung haben.
Glauben ſie es nicht.
Warum nicht? Was zum Hencker willſt du denn haben?
Jch will ſagen, daß ſie alle beyde die aͤrgſten Suͤnder ſind; ja noch wohl was aͤrgers. Lauter Suͤnde! Verderbte Natur! Abrenuntio Sa - tanas!
Ach Cathrine! iſts denn itzo Zeit zu lachen? Seyd ihr naͤrriſch?
Ein wenig; aber noch nicht ſo ſehr, als Magi - ſter Scheinfromm. Der Unterſcheid iſt, daß ich aus Luſtigkeit naͤrriſch thue; Er aber iſt ein Narr von der allergottloſeſten Art.
Luis -So ſage es doch nur heraus!
Jch habe es ihnen ſchon beyderſeits gemeldet. Sie, mein Herr Liebmann, haben einen neuen Ne - ben-Buhler, und ſie, Jungfer Luischen, einen neuen Freyer.
Einen Neben-Buhler?
Einen Freyer.
Ja!
Wer iſts denn?
Wie heiſſt er?
Er heiſſt: Der junge Herr von Muckersdorff.
Muckersdorff?
Jſts moͤglich?
Ja, der junge Herr von Muckersdorff, wehrt - geſchaͤtzter Herr Vetter des theuren Mannes GOt - tes Magiſter Scheinfromms, allmaͤchtigen Ge -wiſſens -46Die Pietiſtereywiſſens-Rathes der Frau Glaubeleichtin, und der geheimen Zuflucht in allen ihren geiſtlichen und leib - lichen Noͤthen. Der Herr Scheinfromm iſts, welcher bisher ihre Hochzeit verzoͤgert hat, in der Abſicht, daß ſie, wie er ſagt, aus Verdruß ſo lange zu warten, ſeinen lieben Vetter nehmen moͤchte.
Der verdammte Boͤſewicht?
Ach! du haſt mirs wohl geſagt. Wie aber? Jch ſollte Muckersdorffen nehmen?
Warum denn nicht? Der junge Muckersdorff iſt nicht reich; aber er koͤnnte es eben ſo gut ſeyn, als ein anderer. Er ſieht von Perſon nicht gut aus; aber was kann er davor? Er iſt von ſchlechter Ab - kunfft; aber ſo ſind auch ſeine Verwandten nicht vornehmer als er. Er hat nicht viel ‒ ‒ ‒
So ſchweige doch! Willſtu du mich denn gar zum Narren machen?
Hoͤren ſie, bedencken ſie ſich geſchwinde, was ſie thun wollen. Scheinfromm traͤgt eben itzo die Sache der Mama vor.
Ach! er wird ſie leicht bereden.
HerrMag er ſie doch bereden! Wenn ſie mir nur folgen wollen, meine Schoͤne! Wenn ſie nur mei - nen Vorſchlag annehmen. Des Papa Einwilli - gung habe ich, des Vetters ſeine kriege ich auch. Was fuͤrchten ſie denn?
Wie? ſind ſie noch nicht eins?
Ach nein! ſie iſt unbeweglich, ſie fuͤrchtet, was man ſagen wird; was man dencken wird. Grau - ſame Luiſe! Sind ſie einer unvernuͤnfftigen Mut - ter noch nicht lange genung gehorſam geweſen! Soll den ihre ungegruͤndete Furcht die Urſache einer ewigen Trennung unter uns ſeyn?
Wahrhafftig, Jungfer Luischen! ſie muß nicht zaudern. Der Kauff iſt zwiſchen der Mama und Herr Scheinfrommen bald geſchloſſen; und es koͤnnte leicht geſchehen, daß ſie in 24. Stunden eine Frau Muckersdorffin waͤren.
Ach! ſchweige nur davon.
Sie ſtehn in Gedancken?
Gut! ich ergebe mich darein, weils nicht zu aͤndern iſt.
HerrAch! allerliebſte Luiſe! wie froh bin ich! Meine Liebe ‒ ‒ ‒
Ja! nun iſts eben Zeit verliebt zu thun. Be - reden ſie ſich geſchwinde.
Nun, meine Schoͤne! nennen ſie mir nur die Stunde, da ich vor die Garten-Thuͤre kommen, und ſie abhohlen ſoll.
Was ſagen ſie Herr Liebmann? Glauben ſie nur nicht, daß ich jemahls in ein ſolches Verfah - ren willigen werde, ohngeachtet ich von ihrer Hoch - achtung gegen mich uͤberzeiget bin. Sprechen ſie mit meinem Vetter, und erſinnen ſie beyderſeits ein ander Mittel. Will er mich ſelbſt entfuͤhren und bis zur Ruͤckkunfft meines Vaters bey ſich be - halten; ſo laß ichs mir gefallen. Aber ohne ſeine Gegenwart werde ich nichts thun; und vielleicht iſt auch das ſchon zu viel.
Gehn ſie geſchwinde! geſchwinde! mich duͤnckt die Frau koͤmmt.
Und ſie, Jungfer Luischen, mache ſich nur auf eine Antwort gefaſſt, wenn man ihr den neuen Liebhaber antragen wird.
Jung -Ach! vor Scheinfrommen iſt mir nicht bange; ich will ihn auslachen. Aber was ſage ich der Mama?
Jch will gehen, daß ich nicht auch in die Bruͤhe komme. Hernach hoͤr ichs wohl, wies wird ab - gelauffen ſeyn.
Ja! ja! das iſt richtig. Sie koͤnnen ihren Vetter bringen, wenns ihnen beliebt. Je eher, je lieber.
Er koͤmmt nur eben aus dem Haͤlliſchen Paͤda - gogio: Jch fuͤrchte, daß er in ſeiner Auffuͤhrung noch manchen Fehler begehen wird.
O! das thut nichts. Er wirds ſchon lernen.
GOtt der HErr ſegne unſere Abſichten!
DFrauJch zweifle nicht daran. Doch ich will ſie einen Augenblick mit meiner Tochter alleine laſſen. Sie wiſſen ſchon, was ſie ihr zu ſagen haben; und da ſie ihr auf eine gute Art zureden werden, ſo, ſo hoffe ich auch, daß ſie ſie gebuͤhrend anhoͤren wird. Jch werde in einer Weile wieder kommen.
Jſt mirs erlaubt, Mademoiſelle, ihnen meinen aufrichtigen und treuen Gluͤckwunſch abzuſtatten?
Es ſteht freylich bey ihnen.
Mich duͤnckt, daß die Gnade in ihrem Hertzen taͤglich zunimmt.
Wie koͤnnen ſie das mercken?
Weil ihr gantzes Weſen ſo ſittſam und liebreich iſt. O! wie Schade waͤr es, wenn der Geiſt der Welt ſolche gluͤckliche Vorbereitungen vernichten ſollte!
Jung -Mein Herr Magiſter! dafuͤr werde ich zu ſorgen haben, und nicht ſie.
GOtt gebe, daß ſie allezeit dem Beyſpiele und dem Rathe der Mama folgen moͤgen!
Jch weiß ſchon, wie weit ſich hierinnen meine Schuldigkeit erſtrecket.
Sie iſt ziemlich widerſpenſtig.
Alles, was ich fuͤrchte, iſt, daß ſie ſich gewiſſen irrdiſchen Neigungen nur gar zu ſehr uͤberlaſſen.
Jch verſtehe ſie nicht, Herr Magiſter. Was wollen ſie damit ſagen?
Die Mama iſt eine gantz geiſtliche und mit lau - ter hohen Geheimniſſen erfuͤllte Perſon; allein eben dieſe wuͤnſchte ſehr, daß ſie der fleiſchlichen Neigung gegen einen gewiſſen jungen Menſchen nicht ſo viel Gehoͤr geben moͤchten ‒ ‒ ‒
Ey! warum denn? Sollte dieſe ſo genannte fleiſchliche Neigung ſtraͤflich ſeyn? Jhr Urſprung und Fortgang iſt allezeit ſehr unſchuldig geweſen; und mein Vater hat ſie genehm gehalten.
D 2HerrJa! aber iſts nicht wahr, daß ſie den Liebmann gantz natuͤrlich lieben?
Alles, was ich weiß, iſt, daß mir mein Vater befohlen hat, den Liebmann als meinen kuͤnftigen Gatten anzuſehn. Jch finde ihn liebenswerth; ich liebe ihn: Was iſt denn nun ſtrafbares daran?
Ach Mademoiſelle! ſeit dem Falle unſerer erſten Eltern
iſt unſere Natur ſo ver - derbt, daß alles, was ſie liebt und thut, Suͤnde iſt.
Was muß man denn thun?
Die Gnade muß durch ihre uͤberwindende Krafft ſich zur unumſchraͤnckten Beherrſcherin unſers Wil - lens machen, und denſelben unvermerckt zum Gu - ten lencken. Alsdenn
werden wir durch ein himmliſches Band geleitet, daß wir nicht widerſtehen koͤnnen. An ſtatt, daß in Er - mangelung dieſer Gnade uns die ſinnliche Luſt noth - wendig zum Boͤſen treibet.
Gantz gut! Haben wir dieſe Gnade aber allezeit?
Ach! was wollten wir doch? Die liebſten Kinder GOttes beſitzen ſie nicht immer.
Jung -So ſind ſie alsdenn gezwungen, irrdiſch geſinnt zu ſeyn?
Freylich wohl!
Nun, Herr Magiſter! das iſt eben der Zuſtaͤnd, darinnen ich mich befinde.
Wie ſo?
Jch habe die Gnade noch nicht, meine Neigung zu uͤberwinden: Jch werde noch durch die irrdiſche Luſt fortgeriſſen.
Wie wiſſen ſie, daß ſie die Gnade nicht haben?
Weil ſie mich nicht zwingt, darum habe ich ſie nicht. Jch erwarte ſie.
Ja! man muß ſich aber beſtreben ‒ ‒ ‒
Wie kan ich mich beſtreben ohne Beyſtand der Gnade? Jch erwarte ſie.
Wie? ſo wollen ſie ſo geruhig ſeyn? und immer - fort in einer Sache beharren, die der Mama zuwider iſt?
D 3Jung -Jch erwarte die Gnade.
Sie muͤſſen den lieben GOtt drum bitten.
Wie kann ich das thun, wenn mich die Gnade nicht zum Gebeht zwinget?
Wahrhafftig! ſie ſuͤndigen ſehr, daß ſie in einer Leidenſchafft beharren, welche nicht ein Werck der Goͤttlichen Barmhertzigkeit iſt.
Sagen ſie vielmehr, daß ich ungluͤcklich bin. Denn wie kann ich mich verſuͤndigen, wenn ich keine Schuld habe? Jch erwarte die Gnade.
Sie ſind ihrer Mama ungehorſam.
Was kann ich davor? So bald ich die Ge - nade haben werde, will ich ihr gehorſam ſeyn: Doch, weil das ihre Lehre iſt, Herr Magiſter, ſo bringen ſie ihr wohl bey, damit ſie mit meinem Ungehorſame ein Mitleiden habe.
Wie? wollen ſie denn etwa, daß die Mama ſie mit Gewalt zum Gehorſam bringen ſoll?
Jung -Ach! ſie kann mich freylich wohl zwingen; Aber die Gnade allein aͤndert unſer Hertz. Jch erwarte ſie.
Es iſt mir ſehr leid! daß ſie meinen Rath nicht beſſer annehmen wollen.
Ach! Herr Magiſter! weil ich die Gnade nicht darzu habe; So helffen ſie mir wenigſtens meine Mama bewegen, daß ſie mich an Liebmannen verſpricht.
Ach! was ſagen ſie mir da?
Jch werde ihnen ewig dafuͤr verbunden ſeyn.
Der Himmel bewahre mich, daß ich ſolchen irrdiſchen und fleiſchlichen Abſichten Vorſchub thun ſollte! Meine Gedancken ſind ſchon ſeit langer Zeit nur auf die Ewigkeit, und auf die Nichtigkeit der gegenwaͤrtigen Dinge gerichtet.
Meine Tochter iſt ihnen vor ihren guten RahtD 4ſehr56Die Pietiſtereyſehr verbunden, Herr Magiſter, und ich zweifle nicht ‒ ‒ ‒
Ach! ihr Hertz iſt von den ſinnlichen Luͤſten noch nicht gantz gereinigt; ihr Geiſt klebet noch an al - lerley Vorurtheilen. Jch hoffe aber, daß dero Anſehen mehr bey ihr ausrichten wird, als mein guter Rath.
Jch hoffe es auch. Bringen ſie nur, wie ich ihnen geſagt habe, ihren Herrn Vetter zu mir.
Gantz gerne. Jetzo muß ich meine Beth - Stunde abwarten; und will mich ihnen alſo em - pfehlen.
Leben ſie wohl. Jch werde ſchon alles beſorgen.
Luischen! ich habe dich lieb; und bishero haſt du allezeit genungſame Proben davon gehabt. Du haſt mich den Augenblick ſehr erzuͤrnt; aber ich will es dir alles verzeihen, wenn du deinen Fehler ver -beſſern57im Fiſchbein-Rocke. beſſern willſt. Jch ſuche dich gluͤcklich zu machen. Aber mein liebes Luischen! nicht auf die Art, wie die Welt es insgemein auslegt.
Beliebt es dir wohl mir zuzuhoͤren?
Ja, Mama.
Haſt du mich zum Narren?
Behuͤte GOtt! nein.
So ſiehe mich an, und hoͤre zu. Haſt du mir nicht vor einer Stunde geſagt, daß du gerne moͤch - teſt verheyrathet ſeyn?
Es iſt wahr, Mama.
O mein GOtt!
Nun, meine Tochter! ich will hierinnen deiner Neigung folgen.
Jch bin der Mama unendlich verbunden.
Jch gebe dir einen jungen Menſchen, der viel Verdienſte hat.
D 5Jung -Herr Liebmann hat ihrer ſehr viel.
Wie? der von ſeinem heiligen Vetter ſelbſt er - zogen worden iſt? Er hat die ſuͤſſe Milch der Chriſt - lichen Sitten-Lehre und Religion ſchon als ein Kind eingeſogen; und man ſagt, daß er die rechte Krone aller Maͤnner ſeyn wird? Jſt das noch dein Liebmann?
Jn gewiſſen Verſtande koͤmmt ihm das alles zu.
Nun, ſo will ich dirs ſagen, daß ers nicht iſt. Die Maͤdgens ſind doch rechte Tierchen! Wenn ſie einmahl jemanden im Kopfe haben; ſo dencken ſie, es ſey kein anderer mehr in der Welt.
Aber liebe Mama ‒ ‒ ‒
Schweig! Der junge Menſch, von dem ich rede, iſt der junge Herr von Muckersdorff.
Es iſt dir gewiß nicht recht? Du Naͤrrin! iſt dir der Nahme zuwider? Mit einem Worte, es iſt der Vetter des heiligen Mannes GOttes, mit dem du den Augenblick geredet haſt.
Ach, Mama! verzeihen ſie: Jch habe mich ſchon bedacht.
FrauNun, wie denn?
Jch will gar nicht heyrathen.
So? die geſchwinde Veraͤnderung iſt gewiß recht artig, und kan eine Probe deines Gehorſams ablegen. Wenn ich dich nicht verheyrathen will; denn willſt du: Und wenn ich will; ſo willſt du nicht. Das gefaͤllt mir.
Wir haben unſern Willen nicht allemahl in un - ſerer Gewalt. Jch habe oft gehoͤrt, die Mama ſagen, daß alles, was wir wollen, von der Gnade herkaͤme, die uns zum Wollen zwinget; und wir koͤnnten nicht widerſtehen. Herr Scheinfromm hat mir eben daſſelbe geſagt.
So! ſo! du faͤngſt an zu raiſonniren! Nun weil du denn Luſt darzu haſt; ſo frage ich dich: Weiſſt du auch wohl, was eine Mutter vor Ge - walt uͤber ihre Tochter hat?
Ach, ja!
Weiſſt du auch wohl, daß der Papa mir bey ſeiner Abreiſe alle ſeine Rechte uͤbertragen hat? Da -mit60Die Pietiſtereymit ich dir alſo die Muͤhe erſpahren moͤge, dir den Kopf zu zerbrechen; ſo ſage ich dir, daß ich es ha - ben will, und daß ich dirs befehle ‒ ‒ ‒
Ach Mama! um GOttes willen! was iſt das vor ein Befehl?
Ja, ich will! daß du noch heute Abend ver - heyrathet ſeyn ſollſt.
Noch heute?
Ja! noch heute.
O Himmel!
Allerliebſte Mama! laſſen ſie ſich durch meine Thraͤnen bewegen!
Schweig! und ſtehe auf! Was ich thue, das thue ich zu deinem Beſten.
Jch werde aber den Tod davon haben.
Ach! was wirſt du doch den Tod davon haben? Dein Fleiſch wird gecreutzigt; deine natuͤrliche Luſt erſtickt, und der alte Adam begraben werden; und alsdenn wird die Liebe den Sieg erhalten.
Jung -Was wird aber mein Vater ſagen, daß ich ei - nen andern Mann nehme, dem er mich nicht ver - ſprochen hat.
Dein Vater war in der Lehre der rechten Creutzi - gung des Fleiſches gar ſchlecht unterrichtet: Er gab, da er dich dem Liebmann verſprach, eurer beyderſei - tigen Neigung gar zu viel Gehoͤr, und meinte, daß dieſe zum Eheſtande noͤthig waͤre. Aber Herr Ma - giſter Scheinfromm erklaͤret das Ding gantz an - ders.
Unſere Liebe iſt von beyden Seiten allezeit un - tadelich geweſen; und ihr Endzweck war allezeit er - laubt und Chriſtlich. Mein Vater hat ſie geſtiff - tet, und ‒ ‒ ‒
Man ſehe doch die erſchreckliche Unwiſſenheit! bey allem Unterichte, den ſie empfaͤngt! Weiſſt du denn nicht, daß alles, was Suͤnde iſt, nicht unſtraͤfflich ſeyn kan: Und alles, was aus der Natur koͤmmt, daß iſt Suͤnde? Begreiffſt du das nicht?
Nein, Mama!
FrauNicht? gut! du wirſt Zeit genung kriegen, es zu unterſuchen. Jch will gehen, und dem Herrn Scheinfromm noch einmahl ſchreiben, daß er ja nicht ermangeln ſoll ſeinen Vetter mitzubringen. Siehe zu, daß du ihn wohl empfaͤngſt.
Nun! Wie hat ſie ſich gehalten?
Jch habe gebethen; ich habe geweint.
Und das wars alles?
Ach! ja freylich!
So wird ſie ſich mit bitten und weinen zu einer Frauen von Muckersdorf machen laſſen?
Freylich wirds nicht anders werden.
Ca -Wie? ſie nahm ſich ja vor Wunder-Dinge zu thun?
Jch darf der Mama nicht widerſprechen.
Mein GOtt! ſollte man denken, daß eine ſolche vernuͤnfftige Frau eine Pietiſtin ſeyn koͤnnte? Sie kann doch noch etwas verſuchen, Jungfer Luischen.
Gewiß, mein Vetter ‒ ‒ ‒ ‒
Ja!
Nun! ich will erwarten, was er mit Liebman - nen wird beſchloſſen haben. Wofern mein Vet - ter mich zu ſich nehmen will; So mags drum ſeyn: Denn ich ſehe ſonſt kein andres Mittel, wie ich dem Ungluͤcke entgehe.
So bleibe ſie denn in ihrem Zimmer, und er - warte ſie den Herrn Vetter und den jungen Herrn von Muckersdorff. Jch will meine Sachen zur Zuſammenkunfft zu rechte machen.
Nun habe ich meine Arbeit verrichtet; Und moͤ - gen die Beth-Schweſtern kommen, wenn ſie wollen. Ha! ha! Da iſt unſere Bettlerin. Guten Tag! Frau Bettelſackin! Mich duͤnckt, ſeit einiger Zeit ſtattet ſie ihre Viſiten bey meiner Frauen viel haͤuffiger ab, als vor dem.
Ach! das macht, die Nothdurfft nimmt zu; und man muß doch ‒ ‒ ‒
Wie? die Nothdurfft der kleinen Gemeine?
Wir leben unter der Verfolgung; und ihr wiſſt ja wohl, daß in Kriegs-Zeiten viel Geld noͤthig iſt.
Ja! das weiß ich: Jnſonderheit wenn die Voͤl - cker ſehr heiß-hungrig ſeyn. Das iſt aber gut vor ſie, Frau Bettelſackin. Denn, wenn die Noth - duͤrftigkeit der Gemeine zunimmt; ſo nimmt die ihrige ab.
FrauWas meynt ihr damit?
Nicht viel; Sie verſteht mich wohl! Ein jeder muß doch von ſeinem Handwercke leben, es ſey ſo klein, als es immer wolle. Die Einnehmer bezah - len ſich von der Einnahme.
Ach! das gieng vor dieſem wohl an, als unſere Herren noch nicht ſo eigennuͤtzig waren; Aber jetzo haben ſie ſo viel Muhmen und Vettern ‒ ‒ ‒ ‒ Mit einem Worte: Die Geiſtlichen verzehren uns. Doch, ich habe keine Zeit zu plaudern. Meldet mich nur drinnen.
Jch gehe.
Unterdeſſen will ich mein Regiſter uͤberſehen: Mich duͤnckt, die Barmhertzigkeit faͤngt an zu er - kalten. Es iſt wahr, ich bin in einem ſchlimmen Qvartier. Ach! waͤre ich nur auf dem Trag - heim, oder auf dem Roß-Garten, ſo ſollte meine Liſte wohl ſtaͤrcker ſeyn.
Deſſen, Was von allerley Gottſeeligen Hertzen, zum Unterhalte der Kirche GOttes und der Glieder Chriſti, iſt gegeben worden. Das andre Quartier von Anno 1736.
Seyd ihr ſchon wieder da, Bettelſackin? Jhr ſeyd ja unerſaͤttlich.
E 2FrauJn Wahrheit! die Zeiten ſind ſehr ſchlecht. Wenn ſolche beguͤterte und gottſelige Frauen, als ſie ſind, nicht noch was thun wollen, ſo geht die gute Sache gar verlohren.
Es iſt aber nur ein Monat, da gab ich euch 60 Gulden, und 6 Wochen vorher gab ich euch 200 Gulden. Kurtz, ich habe in einem Jahre uͤber 1000 Gulden gegeben: Da ich meinem Geſinde ſelbſt noch das Lohn von 3 Jahren her ſchuldig bin. Jhr werdet mich noch bis aufs Hemde ausziehen.
Ach! der liebe GOtt wirds ihnen nicht man - geln laſſen. Er wird ihre Barmhertzigkeit beloh - nen. Sie koͤnnen nicht glauben, wie ſie ſeiner Kirchen aufhelffen, und wie viel Ehre ſie davor bey unſern Herren haben.
Was iſt denn das fuͤr eine Noth, davon ihr ſagt?
Auſſer dem, daß wir immer Allmoſen, und ei - nige Leute, die wir auf unſerer Seite haben wollen, immer beſolden muͤſſen; ſo haben wir ſchon ſeit ei - niger Zeit zum Drucke gewiſſer Buͤcher von unſern Herren zuſchieſſen muͤſſen. Was nun dabey dasaͤrgſte69im Fiſchbein-Rocke. aͤrgſte iſt: So werden uns die Sachen an vielen Orten entweder confiſciret, oder es will ſie doch kein Hencker leſen.
Ja! aber die uͤbrigen bringen ſo viel mehr ein.
Ach! was wollten ſie doch? Die meiſten Exem - plare muͤſſen wir wegſchencken; und wenn wir das nicht thaͤten, wer wuͤrde ſie haben moͤgen? Die Orthodoxen wiſſen den Vortheil nicht, deßwegen bleiben ſo viele von ihren Sachen in den Laͤden liegen.
Nun weiter!
Es ſind inſonderheit drey Dinge, welche uns gantz zu Grunde richten.
Welche denn?
Vors erſte die Haͤlliſchen Studenten. Denn, wenn wir ihnen nicht mit Gelde unter die Arme greiffen, ſo wuͤrden ſie bald zu den Orthodoxen uͤber - gehen.
Das iſt wahr. Das andere?
E 3FrauDas ſind die Prediger, ſo man in Schleſien und anderwerts des Pietiſmi wegen abgeſetzet hat. Wie ſollten die armen Leute leben, wenn man ihnen nicht Vorſchub thaͤte.
Das iſt wohl gut: Aber, weil doch die meiſten nicht von Koͤnigsberg ſind, ſo moͤchte ein jeder in ſein Land gehen.
Ach! was ſagen ſie? Sie leiſten uns dem ohn - geachtet ſehr groſſe Dienſte. Sie ſchreyen, ſie kla - gen, ſie gehen aus einem Hauſe ins andere, und ſchimpffen auf die Orthodoxen. Das wirckt viel Gutes.
Nun! das dritte?
Das iſt die Artzeney aus dem Waͤyſenhauſe.
Nun! was wollt ihr ſagen?
Davon werden ſo viel Leute geſund; und das koſtet uns immer Geld ‒ ‒ ‒
Potz tauſend! da habe ich mich vergangen.
FrauNun? werden denn etwan die Leute mit Geld erkaufft, daß ſie nur vorgeben, ſie waͤren geſund worden? Sollten unſere Herren ſo gottloß ſeyn?
Das ſage ich nicht.
Was wollt ihr denn ſagen?
Sehn ſie nur --- es iſt --- Man muß doch dieſe Artzeneyen in den Ruf bringen, und da muß man allerley Leute kriegen --- Da muß man vor viel arme Krancken die Artzeneyen ver - ſchreiben, und ſie ſind ſehr theuer. Ubrigens muß man denen, welche geſund geworden ſind, ſo viel Allmoſen geben, damit ſie es nur allenthalben aus - breiten. Wahrhafftig! eine eintzige Frau hat uns 70 Gulden gekoſtet; und ihre Kranckheit war doch nicht ſonderlich.
Das iſt alles ſehr gut: Aber ich kann nicht mehr ſo viel geben: Da habt ihr vor dießmahl nur 2 Ducaten. Adjeu meine Tochter! gruͤſſet eure Herren!
Jch werde es ausrichten.
Cathrine!
Was befehlen ſie?
Ruffe mir Luischen her! Mich duͤnckt, Herr Scheinfromm koͤmmt.
Ja! da ſind ſie alle beyde.
Jung - fer Luischen hat ihren Herrn Vetter bey ſich. Sie muͤſſen ſich geſchwinde bedencken, was zu thun ſey.
Madame! Es iſt mir eine unausſprechliche Freude, daß mein Vetter das Gluͤck haben ſoll, in eine ſo heilige Familie zu kommen, als die ihrige iſt;und73im Fiſchbein-Rocke. und ich hoffe, daß die guten Exempel, ſo er darin - nen finden wird, ihn in dem guten Anfange zur Tugend, der ſich bey ihm befindet, noch mehr be - ſtaͤrcken werden.
Das iſt wahr.
Es wird ſeine Schuldigkeit ſeyn, ihnen davor gebuͤhrend zu dancken.
O! Herr Vetter, laß er mich nur zufrieden!
Der Herr Scheinfromm hat mir von ihnen und ihrem Land-Guthe viel gutes geſagt.
O! er hat geſchertzt.
Jch glaube es iſt ihnen lieb, meine Tochter zu heyrathen.
O! ja!
Es wird ihnen doch nicht zuwider ſeyn, in meine Familie zu kommen?
E 5HerrO! nein!
Verzeihen ſie doch die Einfalt ſeiner Sitten; Er hat ſich allezeit unter lauter himmliſchen Betrach - tungen befunden, und kennet die Welt nicht.
O! verzeihen ſie mir!
Es iſt wahr, der Herr von Muckersdorff ſcheint noch ſehr neu zu ſeyn, und das macht mir ein we - nig bange. Doch, das wird ſchon kommen.
O! ja! Jſt mir doch wohl der Bart gewach - ſen, und ich habe nichts darzu gethan. Aber Dero Guͤte, durch welche ich die Ehre erlange ----
Es iſt ſchon genung, mein Herr von Muckers - dorff, ich bin von ihrer guten Meynung uͤberzeugt.
Wie guͤtig ſind ſie doch, Madame!
Man muß aber auch nicht ſo gar ſcheu ſeyn, mein Herr von Muckersdorff.
Zum Hencker, ich weiß nicht, wie ichs machenſoll;75im Fiſchbein-Rocke. ſoll; daß muß ſich wohl geben, wenn ich groͤſſer werde.
Jch hoffe er wird ſchon werden. Denn er hat doch ſonſt Verſtand; und er macht rechte artige Verſe.
Wie? er macht Verſe? Ey! ich moͤchte gern welche ſehen.
Jch will ihnen welche bringen.
Vetter! da iſt Jungfer Luischen, rede er ſie doch an.
Mademoiſelle! der helle Blitz ihrer ſtrahlenden Augen!
O! ho! lachen ſie mich aus?
HerrWas macht er denn? Vetter! Das iſt nicht Jungfer Luischen; dieß iſt ſie.
Ah! ha! --- Mademoiſelle, der helle Blitz ihrer ſtrahlenden Augen --- der helle Blitz --- der helle Blitz --- Blitz --- Blitz --- ihrer --- ach! mein Gedaͤchtniß iſt nicht einen Finger lang. Und ich werde auch gantz ſcheu, wenn ich Maͤdgens ſehe.
Laſſen ſie nur ſeyn; ſie werden noch Zeit genung haben zu complimentiren. Es koͤmmt nur darauf an, daß ſie wohl mit einander leben.
O! das glaube ich gewiß! Denn ich bin nicht Orthodox, und ſie iſts auch nicht.
Jch glaube es auch.
O! ich lache die Orthodoxen aus! Jch habe im Haͤlliſchen Paͤdagogio ſtudirt, ſehn ſie; Und wenn ich einen Orthodoxen begegne, ſo ſage ich allezeit
pia, pia, pia! glu, glu, glu, glu!
HerrAber Vetter! ich weiß nicht --- Madame, ſie ſehen wohl ſeine Unſchuld. Es iſt ein Zeichen ſeiner Redlichkeit. Jhre Lehren werden das alles in ihm veraͤndern.
Ach! das ſind kleine Fehler! die thun einer wahren Gottſeligkeit keinen Abbruch. Nun, meine Tochter! du ſagſt nichts?
Was ſoll ich ſagen Mama? ich kan mit den Welſchen Huͤnern nicht reden.
Das iſt ewig ſchade! denn das wuͤrde ein ſchoͤn Geſpraͤche ſeyn.
Verſtehn ſie die Muſic, Mademoiſelle?
Gantz und gar nicht.
Jch auch nicht. Aber ich wollte, daß ſie mich haͤtten ſingen gehoͤrt, wie ich gantz klein war. Die Leute ſagten auch damahls, daß ich ſehr leichtfer - tig waͤre; aber das iſt ein Merckmahl eines guten Zeichens.
FrauHerr Magiſter, es iſt mir lieb, daß ich ihrem Vet - ter geſehen habe. Sie koͤnnen den Contract nur machen laſſen. Sie wiſſen meine Meinung, was ich meiner Tochter mit geben will. Jch habe ihnen die Vollmacht uͤbergeben, die mir mein Liebſter ge - laſſen hat, daß ich in ſeinem Nahmen alles thun koͤnnte, was ich wollte. Gehen ſie alſo damit zu einem Advocaten, und laſſen ſie ſich eine Schrifft aufſetzen. Sorgen ſie davor, daß ſie guͤltig ſey; und wenn ſie ſie denn zu mir bringen; ſo will ich ſie ungeleſen unterſchreiben.