PRIMS Full-text transcription (HTML)
Prob und Lob deꝛ Teutſchen Wolredenheit.
Das iſt: deß Poetiſchen Trichters Dritter Theil /
begreiffend:
  • I. Hundert Betrachtungen / uͤber die Teut - ſche Sprache.
  • II. Kunſtzierliche Beſchreibungen faſt al - ler Sachen / welche in ungebundner Schrifft-ſtellung fuͤrzukommen pfle - gen.
  • III. Zehen geiſtliche Geſchichtreden in un - terſchiedlichen Reimarten verfaſſet.
Zu nachrichtlichem Behuff Aller Redner / Poêten / Mahler / Bildhauer und Liebhaber unſrer loͤblichen Helden Sprache angewieſen /
Nuͤrnberg /Gedruckt beyWolfgang Endter / dem Aeltern.M DC LIII.

Sinnbild. Nicht ohne Stimmung.

[figure]
Wer will auf der Harffen ſpiele n /
muß durch ſtrengen Saitenzwang /
den Kunſtrechten gleichen Klang
ſtimmen / proben und erzielen;
ſonſten bringt das Harffenſchlagen /
mehr Verdruß als Sinnbe hagen:
Alſo muß ſich weiſen laſſen /
wer will ſchreiben ein Gedicht
nach der Sprache Lehr Bericht /
und die Red nicht Plumsweis faſſen:
Wann er nicht mit Mißbehagen /
wildie zarten Ohren plagen.
Dem

Dem Wol-Edlen / Geſtrengen und Veſten Herꝛn Vincent Moͤllern Koͤ - niglicher Majeſtaͤt in Schweden Hochanſehlichen Reſidenten und Vornemen Rathsherrn zu Hamburg. Meinem Hochgeehrten Herrn und wehrten Geſellſchafter unter den Hochloͤblichen Fruchtbringenden dem Blumenreichen.

Wol-Edler Geſtrenger und Veſter / inſonders Hochgeehrter Herꝛ und Geſellſchafter.

ETliche Abguͤnſtige und Feinde ihrer und unſrer eignen Mut - terſprache halten die edle Poe - terey dem Gebrauch nach fuͤr eine unnoͤhtige / dem Wehrt nach fuͤr eine veraͤchtliche und wegen deß Mißbrauchs / fuͤꝛ eine aͤꝛgerliche Sach. Daß dieſeꝛ Kluͤg - ling mißveꝛſtaͤndige Meinung keines We - ges ſtandhafft / und daß ihre ungehirnte Beuꝛtheilung ein mehꝛ veꝛnuͤnfftiges Ob -a ijurtheilZuſchrifft.urtheil zuerwarten / hat unſer Gekroͤnter in der Zuſchrifft ſeiner Gedicht / unſer Ruͤ - ſtiger in den Vorꝛeden ſeiner Himmliſchen Lieder / wie auch unſer Suchender in der Einleitung zu der Teutſchen Sprache ge - nugſam dargethan.

Die Urſache aber / warum bey dem Buͤf - felhirnigen Poͤvel die tiefſinnige Poëterey in keine ſchetzbare Achtung geſetzet wer - den kan / iſt dieſe / weil ſie nicht wehrt halten koͤnnen / was ihren Verſtand weit uͤberſtei - get / und wie kein Ackersmann von der Schiffarth / kein Blinder von der Farbe / und kein Tauber vom Geſang / ein recht - maͤſſiges Urtheil faͤllen kan; alſo kan auch keiner von dem Gedicht urtheilen / deſſen Beſchaffenheit er nicht weiß / nie gelernet hat / und wol nicht zu lernen begehret.

Welche ſich der Kundigung einer Spra - che ruͤhmen wollen / die muͤſſen nothwen - dig die Poeterey verſtehen / und etliche Po - eten geleſen haben; ja ſonder ſolche koͤnnen ſie nicht wiſſen / was ſie lang oder kurtz aus - ſprechen / und wie man eine Rede unſtraͤf -lichZuſchrifft.lich vortragen ſol; Geſtalt dann in allen wolbeſtellten Lateiniſchen Schulen / bene - bens der Sprachlehre (Grammatica) auch die Dicht-und Reimkunſt (Proſodia) gelehret und getrieben wird: deßwegẽ auch bey hochbringung unſrer Teutſchẽ Spra - che / dieſes Stuck keines Weges zuverlai - ſten / ſondeꝛn mit allẽ Fleiß und deꝛ Teutſch - gelehrteꝛ geſammteꝛ Handbietung / aus den ſichern Gruͤnden erhaben und auf guldnen Stuffen zu dem hoͤchſten Ehren-Thron endlicher Vollkommenheit / geleitet wer - den ſol.

Es kan auch dieſe Dicht-und Reimkunſt niemand veraͤchtlich fuͤr kommen / als ver - aͤchtlichen und verdaͤchtigen Perſonen / welche aus Neid oder Unbedacht haſſen / was ſie nicht ergreiffen und gleichſtaͤndig nachthun koͤnnẽ. Jch will nicht ſagen von dem Kaͤiſer Auguſto, Nerone, Aurelio, noch von Mecænate, Marone und Ovi - dio in den Ritterſtand / welche alle in der Poeterey groſſes Belieben geſuchet / ſon - dern nur David /*2. Chr. 23, 18. Salomone*1. Koͤnig 4 / 32. Hiſkia*Jeſaia 38 / 20.a iijundZuſchrifft.und den Propheten /*Pſ. 75 / 1. die von dem Geiſt GOTtes getrieben in ihrer Sprache die trefflichſten Lieder verfaſſet / die in der Hei - ligen Schrifft hin und wieder zu leſen.

Daß nun hierinnen wie in allen Sa - chen ſich ein aͤrgerlicher Mißbrauch einge - flochten / und etliche ihre Neigung zu der Poeterey auf Bullieder gerichtet / kan ſol - ches dem rechtmaͤſſigen Gebrauch keines Weges vernachtheilen / ſo wenig etwann ein Storger / Zahnbrecher oder Quackſal - ber / der ein gantzes Land betrieget / die Artz - neykunſt beſchimpffen oder verbieten ma - chen kan.

Die aͤltſte Poeterey bey den Heyden / hat der Goͤtter Lob-und Danklieder zu ih - rem Jnhalt gehabt / wie ſie auch bey dem Volk GOTTES benebens der Sing - kunſt jederzeit erhalten / gehandhabt / und fuͤr ein Antheil der in dem verborgnen lie - genden Weißheit gehalten worden. Nach - gehends hat man die Heldenthaten / und Geſchichte beſungen / wie bey den Roͤmern / bey den Gallieꝛn / Teutſchen / Gothen / Daͤ -nen /Zuſchrifft.nen / und Americanern gebraͤuchlich gewe - ſen / wie G. Joh. Voſſius de Arte Poetica c. z. n. 11. 12. 13. genugſam erweiſet.

Ferners haben die alten Poeten in ihren Gedichten von den Geheimniſſen der Na - tur / von der Tugend Lob / von der Laſter Schande / in den Trauer-und Freudenſpie - len gehandelt / und ſollen wir denſelben an - noch den Fuß ruͤhmlich nachſetzen / wie in den zweyen erſten / und dieſem drittẽ Theil deß Poetiſchen Trichters wolgemeinte / jedoch unmaßgebliche Anweiſung beſche - hen.

Jnſonders Hochgeehrter Herꝛ und wehr - ter Geſellſchafter. Dieſes geringſchaͤtzige Buͤchlein beſtehend in allerhand Poetiſchẽ Blumen und auszierungen ſol die laͤngſt - vertagte Schuld / mit welcher ich ſeiner Hoͤflichkeit verhafftet bin / wo nicht dem Obliegen gemaͤß abſtatten / jedoch eine ge - ringe Abzinſſung erſtattẽ / und das Haubt - geld mit offentlicher Bekantniß verſicheꝛn.

Von der Zeit ich das Gluͤck erlanget / mit meines Hochgeehrten Herꝛn Kund -a iiijundZuſchrifft.und Freundſchafft geehret zu werden / habe ich die Gelegenheit zubegegnen verlanget / einige dankbare Bezeugung darzuſtellen: Nun mir aber wiſſend / daß mein vielge - liebter Herꝛ zu den Poëtiſchen Kunſthaͤnd - len eine ſonders großguͤnſtige Neigung traͤget / und meine unwuͤrdige Buͤchlein zu durchleſen gewuͤrdiget / habe ich mich er - kuͤnet dieſem Werklein ſeinen beruͤhmten Namen zuverſichtlich vorzuſetzen. Maſ - ſen man die Buͤcher / ſonder Gewinnſich - tige Belohnung denen zuſchreiben ſol / welche derſelben Jnhalt verſtehen / beliebẽ und gerne leſen; nach dem Exempel Var - ronis und Cæſaris / die ihre Schrifften von der Lateiniſchen Sprache / dem Red - ner Tullio zugeeignet /*Varro & Cæſar commentaria ſua Cicerom inſcri - pſerunt, tan qvam illi, qvi iis caperetur rectèq; de hu - jusmodi ſcriptis judicare poſſet Wovverius in Poly - mathia. wiewol jener hoch - ſchaͤtzbare| Arbeit mit dieſer geringſchaͤtzi - gen nicht zuvergleichen kommet.

Sonderlich aber hat den Spielenden hier zu angefriſchet die Gewogenheit wel - che mein Hochgeehrter Herꝛ gegen diehoch -Zuſchrift.hochloͤbliche Fruchtbringende Geſellſchaft jederzeit getragen / und auch juͤngſthin in deroſelben Zahl mit dem Namen deß Blu - menreichen / an-und aufgenommen wor - den; maſſen das Wort: aus fremden Lan - de / beygeſetzet der Iuca glorioſa folgen - de Reimzeilen erklaͤren.

Die Juca welche man benamet von dẽ Ruhm /
und manche Silberglock am Staͤmmer laͤſſet
ſchweben;
Deß Gartens hoͤchſter Pracht / deß Fruͤlings Ei -
genthum /
iſt mir / aus fremdem Land / fuͤr meine
Frucht gegeben.
Man nennt mich Blumenreich von ſolcher
holden Blum /
dich ich auch lieben werd / ſo lang ich hab das
Leben.
Hierbey ſol man hinfuͤr mich in dem Orden ken -
nen
und von der Blumenfrucht den Blumenrei -
chen nennen.

Der Allgewaltige GOTT wolle mei - nem Hochgeehrten Herrn Geſellſchafter / bey beſtaͤndiger Geſundheit gnaͤdiglich er - halten / mit reichem Segen mildiglich er -a vfuͤllen /Zuſchrifft.fuͤllẽ und bey allẽ ſelbſterwuͤnſchtẽ Woler - gehen vaͤterlich beſchuͤtzen / daß er unſre ge - ehrte Mutterſprache handhaben / mit vie - len Kunſtfruͤchten fortpflantzen und be - blumen helffen moͤge. Hiermit verbleibet meines Hochgeehrten Herꝛn und wehrten Geſellſchafters / nechſt Ergebung Himm - liſcher Beſchirmung /

Dienſtverbundner Knecht der Spielende.

Der

Der Verleger.

An den Guͤnſtigen Leſer.

DEmnach ich unterſchiedlich / ſo wol ſchrifftlich / als muͤnd - lich befraget worden / was der Autor dieſes Buͤchleins wel - cher aus Beſcheidenheit ſeinẽ Namen nicht beyſetzen laſſen wollen / fuͤr Schrifften an das Liecht gegeben / habe ich Anlaß genommen derſelben Regiſter al - hier nachrichtlich anzufuͤgen.

Latina.

  • 1. Panegyris Poſthuma &c. Andreæ im Hofio&c. nuncupata Norimbergæ 4to Dümblerianis typis. 1637
  • 2. Memoria Chriſtophori Fürer i ab Haymendorf. 4to ap. Wolff g. Ender. 1639.
  • 3 Cato Noricus, ſive Cento in obitum &c. Ioh. Friderici Löffelholzii &c. 4to ap. Dümb. 1640
  • 4. Periſtromata Turcica ex Gallico, qvi - bus annexa.
5. Ger -
  • 5. Germania deplorata. 1641
  • 6. Aulæa Romana oppoſita periſtro - matibus Turcicis, acceſſit
  • 7. Gallia deplorata in 4to 1641
  • 8. Porticus Auguſti, Sereniſſ. &c. Princ Auguſto Brunſvvic. & Lunæbur - genſ. Duc. ſacra cum typis in 4to ib. 1641
  • 9. Specimen Philologiæ Germanicæ a - pud eund. in 12mo. 16
  • 10. Sophiſta: ſive Pſeudopolitica & Lo - gica ſub ſchemate Comœdiæ re - præſentata. 12mo 1647

Teutſche Schrifften.

  • 11. Der Geſpraͤchſpiele erſter Theil mit einem Anhang und Schutzſchrifft fuͤr die Teutſche Spracharbeit zu Nuͤrnberg 1641. und zum zweytenmahl gedruckt 1647. Bey Wolffgang Endter dem Eltern ablāg 8.
  • 12. Der Geſpraͤchſpiele andrer Theil / mit ange - fuͤgten Schauſpiel der Teutſchen Sprich - woͤrter 1642. wird dieſes Jahr wieder aufgelegt in ablang 8. ap. eundem. 1653
  • 13. Der Geſpraͤchſpiel dritter Theil / ſamt einemSchau -Schauſpiel von Gleichniſſen 1643. 8. ap eundem.
  • 14. Der Geſpraͤchſpiele vierter Theil ſamt einer Rede von dem Wort Spiel in 8. ap. eun - dem. 1644
  • 15. Der Geſpraͤchſpiele fuͤnfter Theil beſtehend in unterſchiedlichen neuen Erfindungẽ und Beſchreibung der Reitkunſt. in 8. ib. 1645.
  • 16. Der Geſpraͤchſpiele ſechſter Theil beſtehend in vielerley ſeltnen Fragen / Geſchichtẽ und Gedichten / ſamt angefuͤgten An - dachtsgemaͤhlen. in 8. ibid. 1646
  • 17. Der Geſpraͤchſpiele ſiebẽder Theil be - handlend unterſchiedne Fragen der Bildkunſt / benebens einẽ Anhang (la Bi - bliotheq; des Dames) Frauẽzim̃er buͤcheꝛ - ſchrein H. de Greneille, geteutſcht. 1647.
  • 18. Der Geſpraͤchſpiele achterund letzter Theil / in welchem die ſpielartige verſtanduͤbung vollſtaͤndig behandelt wird / benebens XXV. Fragen aus der Naturkuͤndigũg und Sittenlehre. ib. in 8. 1649
  • 19. Hertzbewegliche Sonntagsandachtẽ nach den Evangelien verfaſſet. Dieſem iſt beygeſetzet| Hugonis Grotii einzeilige Fragẽ und Antworten uͤber die Haubt - lehren deß Chriſtenthums. in 8. ib. 1649.
20. Hertz -
  • 20. Hertzbewegliche Sonntags Andachtẽ nach den Sonntaͤglichen Epiſtel Textẽ ausgemahlet dieſen ſind beygefuͤget 14. Wochen Andachten als 7. Betrach - tungen uͤber die 7. Bitte in dem Vatter Unſer ꝛc. und ſoviel uͤber die 7. Wort Chriſti am Creutze ib. in 8. 1651
  • 21. Deß Poetiſchen Trichters erſter Theil / zum zweytenmahl aufgelegt mit einem Anhang von der Teutſchẽ Rechtſchrei - bung. in 8. 1650
  • 22. Deß Poetiſchẽ Trichters zweyter Theil mit einem Anhang von den Teutſchen Stammwoͤrtern ib. in 8. 1648
  • 23. Deß Poetiſchen Trichters dritter Theil beſtehend I. in 100. Betrachtungen uͤbeꝛ die Teutſche Sprache / II. etlich hundert Beſchreibungen und Ausbildungen III. in X. Geiſtlichen Geſchichtreden. Ac - ceſſere Monoſticha Typica & Emblema - tum ſacrarum Decas unica. ib. in 8. 1653
  • 24. Fortſetzung oder zweyter Theil der Philoſophiſchen und Mathematiſchen Erquickſtunden in 4. Bey Jer. Duͤm - lern. 1651
  • 25. Der Koͤnigliche Catechiſmus aus dem Frantzoͤſiſchen gedolmetſcht. ib. in 4. 1648.
26. Der
  • 26. Der groſſe Schauplatz Luſt und Lehꝛ - reicher Geſchichte erſteꝛ Theil bey Joh. Naumann zu Hamburg. in 12. 1650. zum zweyten mahl aufgelegt in 8. 1651. und wird dieſes Jahr das drirtemahl gedrucket.
  • 27. Der groſſe Schauplatz Luſt - Lehꝛ - reicher Geſchichte zweyter Theil. ibid. in 1651.
  • 28. Der groſſe Schauplatz ꝛc. Jaͤmmerli - che Mordgeſchichte in 8. Theilen be - griffen / zum zweytenmahl aufgelegt ib. in 12. 1652
  • 29. Hiſtoriſches fuͤnffeck H. Belley aus dem Frantzoͤſiſchem gedolmetſcht. ibid. in 12. 1652
  • 30. Die Offenbahrung der verborgnen Wolthaten Gottes aus Aloyſio Nova - rio geteutſchet, ibid in 12. 1653
  • 31. Nathan / Jotham und Simſon oder Geiſtliche und Weltliche Lehrgedich - te und Raͤthſel / erſter Theil. Bey Mi - chael Endtern / in 8. 1650
  • 32. Der Geiſtlichen und Weltlichen Lehr - gedichte Zweyter Theil ibidem in 8vo. 1651.
  • 33. Heraelitus und Democritus / das iſthundeꝛthundert froͤliche tꝛaurige Geſchich - te / benebens angefuͤgten X. Geſchichtre - den ib. in 12. 1652
  • 34. Die Fortpflantzung der Hochloͤbl. Fruchtbringenden Geſellſchaft mit ei - ner Rede von dem Geſchmack vermeh - ret / bey Michael Endern in 4. 1651
  • 35. Der Philoſophiſchen und Mathema - tiſchen Erquickſtunden dritter Theil. Bey Wolff Ender dem Juͤngern und Joh. Andreas Endern in 4. 1653
  • 36. Das Trincierbuch zum zweytenmahl vermehret und mit neuen Kupfern ge - ziert bey Paulus Fuͤrſten in 8. 1652
  • 37. Speculum Solis C. Ritteri, gleichsfals vermehret ibid. in 4. 1652
  • 38. De Quadratura Circuli vermehret ibid. 1652. in 4.
  • 39. Der Maͤſſigkeit Wolleben und der Trunkenheit Selbſtmord mit etlichen Beylagen und einer Lobrede der Maͤſ - ſigkeit vermehret. Gedruckt zu Ulm bey Georg Wildeiſen in 12. 1653
  • 40. Hundert traurige und froͤliche Ge - ſchichte ſollen kuͤnfftige Meſſe folgen.
Vor -

Vorꝛede Von der natuͤrlichen Faͤhigkeit zu der Poëterey und Redkunſt / wie auch von dem Jnhalt / oder der Veranlaſſung zu dieſem Werklein.

DJe Kunſt iſt ſonder Behuff der Natur ohnmaͤchtig / und kan ſo wenig ausrichten / als ein Ackermann ſonder Samen und Feld Weil a - ber zu etlichen Kuͤnſten ſonderliche Faͤ - higkeiten und Fertigkeiten erfordert wer - den / welche ſich bey allen Menſchen nicht gleich ſchicklich befinden / als die leichte Hurtigkeit zu ſpringen / eine reine Stim - me zu ſingen / die Geſchwindigkeit der Zungen hurtig und wolvernemlich zu reden / ſinnreiche Erftndungen / lieblich ſchlieſſende Reimungen / leichtfluͤſſende Red-Arten alle ſeine Gedancken wol -) (vernem -) Vorrede. (vernemlich zu Werke zu bringen ꝛc. und ihrer viel in edelbeſagter Poeterey nicht zu rechtkommen moͤgen / haben ſie zu ih - rer entſchuldigung die Natur beſchuldi - gen wollen / als welche ihnen keine Faͤ - higkeit zu Verabfaſſung der Gedichte verliehen / da ſie doch unſchuldig ſcheinet und ſol ches vielmehr der Jugend Fahr - laͤſſigkeit / Manglung der Unterrich - tung und darzu tragenden Beliebung / beyzumeſſen ſcheinet. Aus ſo hafftenden irrigen Wahn / iſt das Sprichwort er - wachſen: die Poëten werden geboren / und die Redner durch Kunſt und V - bung erzogen. Ja / es wollen etliche be - haubten / daß die Poëten keine gute Red - ner / und die Redner keine gute Poëten ſeyn / und daß die viel Gedichte ſchreiben / ſchlecht und wenig zu reden pflegen / wie ſolches auch von dem Virgilio gemeldet wird. Die Redner aber laſſen ihre ſchoͤne Wort bey aller Begebenheit hoͤren / ſind darbey ſo ungluͤckliche Vers-Macher /als) Vorrede. (als Cicero, welcher nur einen und zwar ſehr ſchlechten gemachet haben ſoll:

O fortunatam, natam me Conſule Romam.

Dieſer Unterſcheid hat keinen Grund in genauer Betrachtung ermelder beeden mit einander verbundenen Redarten; Maſſen ſie in ihren Erfindungen zu wei - len gleichſtaͤndig / in ihrer Auszierung / Figuren / allen Vrſachen zu bereden und die Gemuͤter zubewegen vereinbaret / und allein die befindliche Unterſcheidung der Jugend beyzumeſſen / welche zu einer Sache mehr Beliebung traͤget / auch ſol - cher mehrern Fleiß beyleget / als der an - drẽ. Jſt der Lehrmeiſter ein Poët / ſo wird er ſeine Lehrlinge darzu anhalten: iſt er ein Redner / ſo wird er der Redkunſt trei - ben / und worzu man den Knaben einen Luſt machet / darbey beharren ſie biß in das Alter.

Wann man aber dieſe Frage genauer betrachtet / ſo iſt gewiß / daß ſo viel mehr natuͤrlicher Neigung zu einer Sache er -) (ijfordert) Vorrede. (fordert wird / ſo viel ſchwerer ſie iſt zu er - lernen und zufaſſen: Alſo muß ein Dantz - meiſter leichter ſeyn auf ſeinen Fuͤſſen zu ſpringen / als ein Bauer / der die ſeinigen nur zu den gehen gebrauchet: Gleicher Weiſe wird der weniger Muͤhe haben / welcher eine ungebundne / gemeine Rede fuͤhret / als der jenige / welcher alle Syl - ben abmaͤſſen / ſondre Zierlichkeit ausſu - chen / mit gleichreimenden Endworten ſchluͤſſen / und von der gemeinen Spra - che gleichſam abgeſonderte hoͤhere Arten zu reden fuͤhren muß. Jenes iſt durch be - harrte Ubung zu wegen zubringen / wie Demoſthenes ſeine ſchwere Zung durch Fleiß und Arbeit bezwungen / und zu groſſer Vollkommenheit gelanget: Dieſes aber / ein Gedicht das Feuer und Geiſt hat / zu Papier ſetzen / muß von hoͤ - herer Eingebung herfluͤſſen / man wolle gleich ſolches einem reinen und maͤſſig - erwaͤrmten Gehirn oder andren Urſa - chen beymeſſen / in welchen die Poëtenmit) Vorrede. (mit dẽ Mahlern meinſten Theils vergli - chen werden / und die Red-Kunſt weit - bertreffen.

Es finden ſich auch viel / die wolgebor - ne Poëten zu ſeyn ſcheinen / in dem ſie / oh - ne Vorbedacht Verſe machen / wie Ovi - dius / und alles / was ſie ſagen wollen fluͤſ - ſet ihnen nach ſolchem Kunſt-Maß aus dem Munde. Zu dem ſcheinet / daß der Mißbrauch der Poëterey (wie dann die Menſchen mehr zum Boͤſen / als zu dem Guten von Natur geneiget ſind) erwei - ſe / daß weniger Kunſt / ſonderlich in den Straff-Gedichten / als ſelbſteigne Er - findungen erhelle: geſtalt ſich vielmehr wolgearte Dichter / als Redner finden. Hierwieder wird eingewendet / daß die Redkunſt nicht weniger ſchwer zu erler - nen / ſchwerer zu uͤben / und ſelten mit vollſtaͤndigem Nachruhm auszuwuͤr - ken; als welche weniger gezwungen der Natur mehr nacharte und derſelben Handleitung leichter folge / als die auf -) (iijgeblaſne) Vorrede. (geblaſne / hochtrabende / und mit vielen Figuren verkuͤnſtelte Poëterey / die ſich vielmehr bemuͤhet das natuͤrliche We - ſenbild zuverſtellen / als vorzuſtellen; ja die Sachen anderſt aus zudichten / als ſie nicht ſind / und das zu erfinden / was nir - gendwo befindlich iſt.

Wie nun der Poët erſtbeſagter maſ - ſen geſtaltet / wie eine Sache ſeyn koͤnte / aber nicht iſt / ſo fuͤhret der redliche Red - ner die Warheit in dem Schild / erzehlet die Umſtaͤnde und machet den gantzen Verlauff / ohne Falſchheit ausfindig / daß es jederman leicht verſtehen kan. Die Beredſamkeit an ihr ſelber iſt eine Gabe GOttes und der Natur / welche durch beharrlichen Fleiß / und obliegende Ar - beit / muß erhalten und behalten werden.

Dieſe Streitfrag zu entſcheiden / kan ſich fuͤgen / daß etlichen die Poeterey / et - lichen die Redekunſt leichter falle und den Gemuͤtsneigungen vielgemaͤſſer kaͤme. Etliche Reimen zuſammen leimen kanman) Vorrede. (man auch ſonder natuͤrliche Neigung lernen / wie gleichsfals ſein Wort zuge - hoͤriger Notturfft fuͤrzubringen: Hier iſt aber die Frage von Erlangung einer U - bertrefflichkeit in beeden / und ſcheinet daß der Poët / wann er den Namen wuͤrdig fuͤhren ſol / mehr natuͤrliche Gaben zu ſeiner Vollkommenheit erheiſche / ja von der Redkunſt / als der leichteſten / ſeinen Anfang machen muͤſſe; wie hinwieder der Redner / ſonder Kundigung der Poete - rey / noch Kunſtzierliche Wort fuͤhren / noch ſelbe nach ihrem lang-oder kurtzlaut ausſprechen kan.

Dieſem nach iſt die Poeterey und Red - kunſt miteinander verbruͤdert und ver - ſchweſtert / verbunden und verknuͤpfet / daß keine ſonder die andre gelehret / erler - net / getrieben und geuͤbet werden kan. Wie nun der Redner zu ſeinem Jnhalt ſchickliche Figuren / abgemaͤſſne Wort und der Sachen gemaͤſſe Beſchminkung und Beſchmuckung anzubringen weiß /) (jvſeine) Vorrede. (ſeine Zuhoͤrer zubewegen: Alſo ſol auch der Poët mit faſt natuͤrlichen Farben ſei - ne Kunſtgedanken ausbilden / und muß ſo wol eine ſchwartze Kohlen aus der Hoͤllen gleichſam zuentlehnen wiſſen / die abſcheuliche Mord-Greuel eines be - jammerten Zuſtandes aufzureiſen; als eine Feder aus der Liebe Fluͤgel zu borgen die Hertzbeherrſchende Suͤſſigkeit einer anmutigen Entzuckung zu entwerffen / wie hiervon in nachgeſetzten Betrach - tungen ein mehrers zu befinden iſt.

Es beobachten die Gelehrten / daß die Ausſprache der Woͤrter eine Art deß Geſangs erheiſche / in dem etliche Sylbẽ lang / etliche kurtz / etliche mit erhobner / etliche mit ſinkender Stimme wie ſon - derlich zu der Rede-Schluß beſchihet / ausgeſprochen werden / daß nach Scali - geri Meinung / zugleich mit der Natur eine zahlbare und maͤßrichtige Krafft / entſtanden / welche zu der Poeterey ver - anlaſſt / und ligen gleichſam die Quel -len) Vorrede. (len derſelben in der Natur verborgen / welche die Kunſt nach und nach mit Fleiß unterſuchet / gluͤcklich gefunden und zu dem allgemeinen Nutzen behaͤglichſt ab - geleitet / und wie alle Waſſer aus dem Meere kommen und wieder dahin eilen / wie Salomo zeuget; alſo ſollen auch ſol - che uͤberirdiſche / Himmliſche Einfluͤſſe ſonderlich zu GOttes Ehren / aufſteigen und ſich mit allerhand Lob-und Dank - liedern ergeiſtern. Beſihe hiervon den Anfang deß Poëtiſchen Trichters und die Vorreden deß I. und II. Theils der Sonntags Andachten.

Etliche vermeinen daß die Lehrartige Verfaſſung der Poëterey nicht vonnoͤh - ten / (da doch alles was mit Verſtand vorgenommen werden ſol / nach Anwei - ſung der Natur Kunſt-ſtaͤndig be - ſchraͤnket werden muß. ) ſondern daß ſie nach dem Klaͤng / Laut und Maß / wel - ches ihnen etwan von Leſung eines Ge - dichts in dem Gedaͤchtniß geblieben /) (vgute) Vorrede. (gute Verſe machen koͤnnen / und ſolches aus natuͤrlichen Trieb / den ſie mit ihnen geboren zu ſeyn vermeinen. Wir laſ - ſen ihnen und einem jeden ſeinẽ Wahn; ſo wenig aber ein Knab d eine gute Stim - me hat / die Kuͤndigung der Noten mit auf die Welte bringet / und ſonder U - bung zu einiger Vollkommenheit gelan - gen kan; ſo wenig wird einer ohne vorheꝛ - gehendẽ Bericht und unterricht ein wol - klingendes Gedicht aufſetzen koͤnnen: wie dann unlaugbar / daß die Ebræer / Grie - chen und Roͤmer ihre Kinder in die Schu - le der Redner und Poeten geſchicket / ihre angeborne Mutterſprach aus dẽ Grund zu ſtudieren und mit ausgeſchaͤrfften Verſtande ein mehrers darinnen zu lei - ſten / als der gemeine Poͤvelsmann zu thun pfleget.

Die Veranlaſſung zu gegenwaͤrtigen Werklein hat mir einestheils erſtbeſag - ter Wahn / anderstheils etlicher unarti - gen Reimiſten Meinung gegeben / wel -che) Vorrede. (che das Gedicht von den gleichlautenden Schluͤßwoͤrtern zuſammen gebackt ver - meinen / ohne Sinnreiche Gedanken / ohne Verſtandreiche Erfindungen / ohne Kunſtreiche Ausbildungen / und ohne Wortreiche Vorſtellungen / daher auch keine Gunſtreiche Beliebung / noch eini - ge Geiſtreiche Entzuckung zuerwarten haben

Wie nun in dem Lateiniſchen zu Be - huff der angehenden Lehrlinge in der Poëterey Æraria Poëtica, floſculi und theſauri gefunden werden / als habe ich von langer Hand nicht allein aus den Teutſchen Poëten zuſammen geſchrie - ben; was mich wol geſetzt bedunket / ſon - dern auch was ich in den Hiſpaniſchen / Frantzoͤſiſchen / Jtalianiſchen und Nie - derlaͤndiſchen Gedichten bemerket / daß ſich zierlich teutſchen und ſchicklich uͤber - bringen laſſen wollen. Daß aber ein meh - rers und faſt unzaͤhlig viel von allen und jeden geſaget werdẽ koͤnte / bin ich nicht inAbrede) Vorrede. (Abrede / und mag deßwegen von den Lieb - habern / dieſes Buch mit weiſen Schreib - papier unterſchoſſen / und was noch fer - ners in Beleſung guter Buͤcher merk - wuͤrdig geachtet wird / nach und nach in angefangener Ordnung / beygerucket werden; Maſſen mein Abſehen nicht ge - weſen das erſtemahl dieſes Buch zuer - groͤſſern / ſondern nur einen Entwurff der vollſtaͤndigen Wolredenheit / zu be - zeichnen.

Ferners / weil ich in durchleſung dieſer geringſchaͤtzigen Arbeit eines und das an - dre darbey zu erinnern vermeinet / hat ſich ſolches auf hundert abſonderliche Be - trachtungen erſtrecket / welche ich zu dien - licher Nachrichtung rorgefuͤget / und zu einer Probe etliche Geſchichtreden als den dritten Theil dieſes Werkes ange - haͤngt.

Hierbey moͤchten etliche vermelden / daß der Heidniſchen Goͤtter und Poëti - ſchen Fabeln keine Meldung beſchehen /die) Vorrede. (die zu den Gedichten nohtwendig ſchei - nen. Hierauf iſt zuwiſſen / daß ich fuͤr ver - antwortlicher halte / wann die Chriſten der Heidniſchen Goͤtzen Namen noch im Munde noch in ihrer Feder fuͤhren / oder ja ihrer / (wie die Juden die fremden Wei - ber mit abgeſchnittnen Haaren und Naͤ - geln annehmen doͤrfften /) mit groſſeꝛ Be - ſcheidenheit gebrauchen. An ſolcher Stel - le kan die Perſonbildung / (Proſopopoe - ja) tretten / welche die Mahleꝛey und Po - ëterey meiſterlich vergeſellſchafftet / und zu ſolchem Ende bey aller Begebenheit beygeruͤcket worden iſt gebrauchet werdẽ. Beſihe / Bild / Sinnbild / Raͤhtſel.

Belangend die Rechtſchreibung dar - von es viel ſtreitens unter den Teutſch - gelehrten giebet / ſind hin und wieder etli - che faſt gleichlautende unterſchiedlich geſchriebene Woͤrter eingeſchaltet / und ſolcher Unterſchied iſt bereit verglichen / und in allen rechtgedruckten Buͤchern gebraͤuchlich.

Was) Vorrede. (

Was ſonſten hierinnen andre Streit - fragen belanget / beſtehen ſelbe auf nach - folgenden Zweiffel: I. ob ein jeder nach ſei - ner Mund-und Landsart ſchreiben ſol / wie er redet? 2. Ob wir keine ruhende o - der ſolche Buchſtaben gebrauchen ſollen / welche man in dem Leſẽ nicht ausſpricht / als das c in dencken / das bin uͤmb / daher mancher Jrꝛthum unter umringen / und umbringen / ꝛc. 3. Wie man die e / in Meer / (mare) leer / (vacuus) ſehr / (val - de) Heer / (exercitus) gefaͤhr unterſchei - den ſol? 4. Wie das b und p / das d und t / das v und f zu unterſcheiden / in welchen der Mißbrauch mehr Recht zu haben ſcheinet / als die angegebenen Vrſachen. Dieſe und dergleichen Sprachkuͤnſtige Fragen / ſollen die belobte uͤbung ver - hoffte hoͤchſte Vollkommenheit unſere Teutſche Sprache nicht hindern oder zu rucke halten / weil man in ſolchen Haͤn - dlen keinen ungezweiffelten Schluß und Beweiß / wie etwan 2 mal 3 / 6. und 3mal) Vorrede. (mal 4 / 12. iſt / ergreiffen kan / ſondern be - ſtehet der Entſcheid vielmals bey gefaſſ - ten Wahn / unterſchiednen Gebrauch / und in einem unbeſtaͤndigen leichten be - wegten Luffte / ich will ſagen / in der Aus - rede / die nach einer jedem Landsart ver - aͤndert / ob gleich nur eine Teutſche Spra - che iſt und bleibet.

Sluͤßlichen weiß ich keine mehr belie - bte Entſchuldigung einzuwenden / als mein wolgemeinte Beflißenheit / den Liebhabern unſrer Sprache nach Ver - moͤgen zu dienen / auf die Weiſe wie ſol - ches in andern mehr ausgeuͤbten Haubt - ſprachen zu erſehen. Verhoffentlich iſt hier zufinden / was in keinem andern Teutſchen Buch geleſen wird / und ein zwar geringer jedoch zu einem Poëtiſchẽ Wortbuch guter Anfang gemachet / dar - durch die angehenden Teutſchen Poë - ten / mit geringer Muͤhe einen groſſen Vorraht zu allerhand Gedichten auf - ſuchen und / nach den zweyen erſten Thei -len) Vorrede. (len dieſes Poëtiſchen Trichters / mit Ver - ſtand uͤben und belieben koͤnnen. Wird dieſes Werk ſo gefaͤllig ſeyn / daß es zum zweytenmal unter die Preſſe kom̃et / koͤn - ten alle Kunſtwoͤrter mit ihren nohtwen - digen Figuren eingerucket mit ihren Be - ſchreibungen vermehret und dero Zahl noch ſo hoch gebracht werdẽ; welches die - ſes mal / das Buch nicht zu vertheuren / unterlaſſen worden. Wir vermeinen a - ber hierdurch keinem Geſetze und Maß fuͤrzuſchreiben / ſondern ſind ſolche viel - mehr von allen verſtaͤndigen anzuhoͤren und gehorſame Folge zuleiſten / ſchuldig und willig / nicht zweiflend es werde vielẽ / welche ſich hierunter noch der Zeit nicht bemuͤhet habẽ / zu rechtmaͤſſigẽ Gebrauch der edlen Dicht-Kunſt erſprießlich gedie - net ſeyn / darzu der hoͤchſte GOtt / welcheꝛ groſſe Dinge thut durch die Demuͤti - gen / ein vaͤterliches Gedeyen geben wolle.

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Prob und Lob der Teutſchen Wolredenheit.

Die I. Betrachtung. Von Veraͤnderung der Sprachen.

  • 1. Alles iſt wandelbar / und den Veraͤnderun - gen unterworffen: 2. ſonderlich die Sprachen / 3. und zwar nicht nur etliche Landſprachen / ſondern alle Haubtſprachen. 4. Als da iſt die Hebraͤiſche / 5. die Griechiſche. 6. Die Lateiniſche. 7. Die Sclavoniſche. 8. Die Teutſche. 9. Die Urſachen ſolcher Veraͤnderungen. 10. Zu was Ende dieſes alles angefuͤhret und in Betrachtung gezogen worden.

DJeſes fluͤchtige und nichtige Weltweſen beſtehet in beharrli - cher Unbeſtaͤndigkeit. Der Lufft iſt bald mit den Sonnenſtralen erhitzet / bald mit derſelben Ent -Afernung2Von Veraͤnderung der Sprachen.fernung erkaͤltet: Die Erde mit ihren obhaben - den Gewaͤchſen tauſchet das gruͤne Jaͤgers - Kleid bald mit den gelben aͤhren Rock / bald mit der falben und endlich grauen Wintermutzen. Sonderlich aber iſt der Menſch an ſeinem Lei - be und ſeinem Gemuͤte vielen Aenderung un - terworffen / und mit zuwachſenden Jahren / o - der abnehmenden Kraͤfften ſo wandelbar / als die Zeit ſelbſten / welche deßwegen mit einer Ku - gel vergliechen wird / die wegen ihrer ringrech - ten Rundungen gleichſam auff einem Puͤnct - lein ſtehet / gehet / ſich draͤhet und wendet.

2. Was Wunder iſt es dann / wann die Sprache deß Menſchen / welche in einem be - wegten Lufft dahinwallet / ſich der durchgehen - den Veraͤnderung und wandelbaren Fuͤgniß nicht entziehen kan? Etliche Unberichte wol - len dieſes fluͤchtige Queckſilber mit einem Di - amantnem Nagel anhafften / und dem Fluß der Vergeſſenheit / welcher mit Verlauff der Zei - ten / alles uͤberſchwemmet / einen berghohẽ Dam̃ ſetzen; werden aber daruͤber zu Schanden / wie dorten die Bauleute / welche nach der Bley - waage ihres Unverſtandes / den Babiloniſchen Thurnbau frevelich unternommen / und mit Schanden unterlaſſen muͤſſen.

3. Sind3Von Veraͤnderung der Sprachen.

3. Sind alle Land-und Haubt-Sprachen ſolchen Veraͤnderungen unterworffen gewe - ſen / wie ſolte ſich dann unſre Teutſche Spra - che allein derſelben haben entbrechen koͤnnen; da ſie zumahlen eine von den aͤltſten / und ihren Anfang genommen mit den Jnwohnern der Mitternaͤchtiſchen Jnſeln wie zuleſen in Spe - cimine Philologiæ Germanicæ Diſq. III. & XII. 2. 6. Welche aber ſolches nicht glauben wollen / die betrachten die Namen der Laͤnder / Staͤdte und Fluͤſſe / und halten die alten Land - tafel gegen den neuen / ſo wird ſich finden / daß wenig derſelben einander gleichen werden.

4. Die Heilige Sprache / welche bey deß E - bers Nachkommen / benebens der waaren Re - ligiõ beharret / hat ſich in die Chaldaͤiſche / Sy - riſche / Puniſche und Arabiſche Mund-Art (der Samaritaniſchen zu geſchweigen) gethei - let / daraus nachgehender Zeit beſondre Spra - chen worden / daß / die ſie gebrauchet / einander ſchwerlich oder nicht mehr verſtehen koͤnnen. Jn H. Schrifft haben wir ein Exempel an dem Wort Schiboleth / welches die von Ephra - im gleich ihren Bruͤdern nicht ausreden koͤn - nen / und geſagt Siboleth Richt. 12. 6. Faſt wie etliche Slagen / Sleuder / Slingen fuͤrA ijſchla -4Von Veraͤnderung der Sprachen.ſchlagen / Schleuder / Schlingen geſchrie - ben und zaͤrtlich ausgeredet haben wollen. Die wenige Stammwoͤrter machen eine Sprache ſchwer in dem man das Geſchechtwort (ge - nus) fuͤr die Art (pro ſpecie) deſſelben gebrau - chen muß: Daher man unter jeden Sachen ei - gentlichen Namen nicht hat und einem Worte viel Deutungen beymeſſen muß.

5. Dergleichen iſt auch von der Griechiſchẽ Sprache bewuſt / daß die Athiſche Ausrede von der Doriſchen und Joniſchen unterſchie - den geweſen / von welcher die Lateiniſche Spra - che viel Kunſt-woͤrter geborget / und wegen ih - rer Armut oder Ungluͤckſeligkeit in Zuſam - menfuͤgung der vielſylbigen Woͤrter / noch nicht wiedergeben kan / ſondern zu Behand - lung aller Wiſſenſchafften von noͤhten hat.

6. Von der Roͤmiſchen oder Lateiniſchen Sprache Veraͤnderung und reichem Abfluß hat der beruͤhmte Scaliger viel geſchrieben / und iſt ſolche mit den ſiegreichen Waffen in Hiſpanien / Frankreich und Teutſchland unter die Celten ausgebreitet / durch die fremden Voͤlker aber ſamt dero Vaterland ſo verderbet und verformet worden / daß nun kein Land in der Welt iſt / da man durchgehends Lateiniſchzu re -5Von Veraͤnderung der Sprachen.zu reden pfleget / und bleibet ſie alſo der Gelehr - ten Mutterſprache / mit Verlauff der Zeit iſt ſie vor ihrem erſten Stammgrund (lingva o - ſca) faſt gantz abgekommen / daß ſie noch ein Jtalianer noch einer der in dem Latein wol be - ſchlagen iſt / nicht verſtehen kan; Maſſen ſol - ches klaͤrlich zuerſehen / aus der Poeſi Oſca / deß Sinnreichen Jeſuit. J. Balde.

7. Von der Sclavoniſchen Sprache / wel - che 72 andre als die Ungariſche / Boͤhmiſche / Polniſche ꝛc. unter ſich haben und verſtehen ſol / iſt nichts zu melden; Maſſen in ſolcher kei - ne / oder gar wenig Buͤcher beſchrieben / und nach keiner vollſtaͤndigen Lehrarte verfaſſet / kan begrieffen werden.

8. Was wunder iſt es dann / wann unſre uhralte Majeſtaͤtiſche Wort und Verſtand - reiche Teutſche Heldenſprache / von den allge - meinen Geſetzen deß wandelbaren Welt We - ſens ſich nicht befreyen moͤgen? Zumahlen ſie von den meinſten und groͤſſten Theil der Eu - repeiſchen Volkerſchafften gebrauchet worden / und von faſt unerdenklichen Jahren in vieler - ley Mundarten geſondert / nach und nach an - derſt ausgeredet / anderſt geſchrieben und an - deꝛſt verfaſſet worden; wie hiervon umbſtaͤndigA iijzu6Von Veraͤnderung der Sprachen.zu leſen iſt / in den ſchoͤnen Lobreden / deß umb gantz Teutſchland Wolverdienern / Herrn Schottelii / die bey ſeiner neu aufgelegten Sprachkunſte vorgefuͤget zu finden.

9. Solcher Veraͤnderungen Urſachen ſind fuͤrnemlich folgende. Es wandlet die Spra - che entweder die Ausſprache der Woͤrter / oder die Woͤrter an ſich ſelbſten. Die Ausrede der Woͤrter beſchihet anderſt mit den Lippen an - derſt mit den Gaumen / anderſt mit der Keelen / anderſt zwiſchen den Zaͤhnen / anderſt mit off - nem Munde. Scaliger hat einem Engelaͤnder lang Lateiniſch redẽ| hoͤrẽ / und nichts daꝛvõ ver - ſtehen koͤñen / weil er die ihm ſonſt wol bekannte Sprach nach ſeiner Mundart ausgeredet.

Die Voͤlker gegen Mittag / welche zaͤrt - lich und ſchwach find / reden auch zaͤrtlich und ſubtil: die Voͤlker gegen Mitternacht / welche ſtark und ernſthafft ſind / pflegen grob und hart auszuſprechen: Der geſtalt daß keine Sprache nach der unterſchiednen Aus - rede einen gantz andern Ton / Klang und Verſtaͤndniß bekommet; dann das gemeine Volk / welches die meinſten Stimmen ma - chet / mehrmals der gantzen Sprache eine an - dre Art angegoſſen: So gar / daß nach Ver -fluͤſſung7Von Veraͤnderung der Sprachen.fluͤſſung etlicher hundert Jahre / die Teutſchen den Engelaͤnder / Schottlaͤnder / Jrren / Schweden / Daͤnen ꝛc. nicht mehr verſtanden / da ſie doch ihre Geſchlechte von einem Stam - Vater und ihre Sprachen von einem Grunde urſpruͤnglich hergefuͤhret. Jn dem ſich nun die Teutſchen (ihrer Vermiſchung mit den Frem - den zugeſchweigen) von Zeit zu Zeiten / je mehr und mehr ausgebreitet / hat ſich ihre Rede in ſonderliche Land-und Mundarten ferners zer - ſplittert und abgetheilet / daß ein jeder aus an - geborner Liebe zu ſeinem Vaterlande / ſeine Sprache fuͤr die beſte und zierlichſte haͤlt / und nach beſagter Ausrede zu ſchreibẽ pflegte; maſ - ſen der Buchſtaben Ambt iſt den Ton / Klang und Laut eines jeden Wortes vernemlichſt und auf das genauſte auszudrucken.

10. Welche ausrede und alſo nachgehends welche Schreibart die reinſte und richtigſte ſeye / wollen wir nicht entſcheiden / ſondern laſ - ſen es die Meiſner und Schleſier ausfechten; bleiben inzwiſchen bey dem / was in dem An - hang deß erſten Theils deß Poetiſchen Trich - ters vermeldet worden / und dieſes Ortes zu wiederholen viel zuverdruͤſſlich fallen ſolte. Be - ſagtes alles dienet zu behaubten: 1. Daß unſ -A ivre8Von Veraͤnderung der Sprachen.re Sprache wie ſie heut zu Tage in O - ber-Teutſchland gebraͤnchlich iſt / ſon - der Mißahnung deß Altteutſchen gantz abgekommenen ungebraͤuchlichen / o - der ſelbſt erdichten neuen Woͤrter zu lie - ben und zu uͤben. II. Daß ein jeder / der mit Verſtand nach ſeiner Mundart ſchreibet / dolmetſchet oder dichtet / ge - nugſamen Fleiß erweiſen und gebuͤh - rendes Lob erlangen koͤnne. III. Daß man wegen der unverglichnẽ Schreib - Art kein gutes Buch verwerffen oder verachten / und mehr auf den Jnhalt / als die Verabfaſſung ſehen ſol.

Die II. Betrachtung. Von den Frembden Woͤrtern in der Teutſchen Sprache.II. Von den Fremden Woͤrtern in der Teutſchen Sprache.

  • 11. Die Sprachen gleichen den Metallen. 12. Alle Sprachen leiden eine Vermiſchung. 13. Von den Kunſtwoͤrtern. 14. Wie ſolche Anfangs zu dolmetſchen. 15. Frembde Woͤrter zu Beſchreibung frem - der Sachen gebrauchen iſt zulaͤſſig. 16. Wann ſie ſonderlich von jederman bereit verſtanden werden. 17. Mit9Von den frembden Woͤrtern.17. Mit andrer Dolmetſchung iſt keine Ehre einzulegen. 18. Von den eignen Namen / der Menſchen und Heydniſchen Goͤtter. 19. Wie fremde Woͤrter zu verſtatten. 20. Von den Sprachverderbern / und dem Teutſchen eingemengten Flickwoͤrtern.

DJe Sprachen laſſen ſich in vie - l[e]n Stucken mit den Metallen vergleichen. Dieſe ligen in ihren Gruͤnden verborgen / werdẽ mit groſſer Muͤhe an das Tages - Liecht gebracht / gereiniget / gelaͤutert / und durch die Kunſtmaͤſſige Feuer-Arbeit / zu Nutz gebracht: Gleicher Weiß iſt der Schatz man - cher Sprache in ſeinem Grunde verborgen / wird mit vielfaͤltiger Bemuͤhung unterſuchet / die Woͤrter unterſchieden / das dienliche von dem undienlichen abgeſondert / und nach lan - ger Zeit und vieler Verſtaͤndigen geſamt Huͤlf - fe mit vollſtaͤndiger Zier / zu nutzlichem Ge - brauch befoͤrdert.

12. Wie nun kein Metall ohne SchlackenA vund10Von fremden Woͤrtern.und Unreinigkeit zufinden (Maſſen auch kein Element rein und der Bergſaft daraus ſie er - wachſen / vermiſchet iſt /) Alſo iſt faſt keine Sprache aus ihren Gruͤnden erhoben rein und ſelbſtaͤndig zu nennen: nicht nur deßwegen / weil etliche Woͤrter mit andern gleichen Laut - und Deutung haben / wie erſtbeſagtes Wort Metall / ſack und etliche andre die Cruciger in Harmonia Linguarum erzehlet; ſondern auch wegen der Raͤiſen / Handelſchaft und Ge - meinſchaft der Voͤlker / welche uns fremde Wahren bringen und zugleich fremde Woͤr - ter / darmit ſie genennet werden / aufdringen. Ja wie faſt kein Metall / ohne deß andern Zu - ſatz dienẽ kan / alſo muß man auch ſolche fremd - eingeſchaltne Woͤrter nothdringlich gebrau - chen.

13. Jch rede hier von den Wiſſenſchaftan / da nach etlicher Meinung / die Kunſtwoͤrter nach dem Griechiſchen zu behalten / wann ſie nicht fuͤglich mit Teutſchen / deutlichen / und den Sachen eigenſtaͤndigen Woͤrtern erſetzt und ihrem Weſen gemaͤß / gedolmetſchet wer - den koͤnnen; welches aber gewißlich bey gar wenigen von noͤhten; Maſſen alles / was zu richtigem Verſtaͤndniß einer Sache dienlichiſt /11Von den fremden Woͤrtern.iſt / in unſrer Sprache ſehr nachdenklich kan bedeutet werden; wie hiervon eine Prob in un - ſern Mathematiſchen und Philoſophiſchen Er - quickſtunden geleiſtet worden / und ermangelt es keines weges an der Faͤhigkeit unſrer Spra - che / ſondern an den Meiſtern und Liebhabern derſelben / welche vor kurtzen Jahren angefan - gen / die Wiſſenſchafften mit verſtaͤndigem Nachſinnen / in der Teutſchen Sprache zu verfaſſen. Wann aber ſolche von vielen hun - dert Jahren hero / wie etwan die Griechiſche und Lateiniſche ſolte getrieben und ausgear - beitet worden ſeyn / iſt nicht zu zweiffeln / daß ſie in viel hoͤherer Vollkommenheit und end - licher Kunſt-Verfaſſung verwundert wer - den wuͤrde.

14. Damit nun ſolche Neurung keine Jr - rung und Hinderung beurſachen moͤchte / pfle - get man die neulich geteutſchte und der Zeit von dem gemeinen Gebrauch noch unbeliebte Woͤrter an den Rand Lateiniſch / Griechiſch o - der in ſeiner Sprache beyzuſchreiben faſt wie die erſten Urheber der Mahlerey darzu zeich - nen muͤſſen / was ſie fuͤr ein Bild zugeſtalten vermeinet. Wie zu ſehen in dem verfolgten David / von den Feſten (H. Obr. Lohauſen) A vjuͤber -12Von den fremden Woͤrtern.uͤberſetzet / und hoͤret man dergleichen Kunſt - Woͤrter / ſo meinſten Theils von Teutſchen Stamm-Sylben zuſammgefuͤget und verdop - pelt ſind / uͤber ein oder zweymal nicht / ſo ver - ſtehet man ſie allezeit: ja ſolche wuͤrken mehr - mals ihren Verſtand viel vernemlicher / als die Griechiſchen oder Lateiniſchen / wie viel Exem - pel anzufuͤhren / wann wir nicht zu andern Sa - chen eilten. Jn Dolmetſchung ſolcher Kunſt - Woͤrter ſind uns die Klugen Niederlaͤnder ruͤhmlich vorgegangen / welchen wir auch den Fuß / wo nicht nach Gebuͤhr / jedoch mit Be - gier ihnen zu folgen / nachſetzen.

15. Jſt nun eine Sache von Altersher fremd als unbekante Thiere / Wurtzel / Kraͤu - ter / Geretſchafft und hat einen gantz fremden Namen / den doch ein jeder verſtehet / als etwan M[us]quet / Trompet / Pandelier ꝛc. So ſcheinet unſrer Meinung nach / ohne Maßge - bung mehr Verſtaͤndiger Gutachten / viel ver - antwortlicher / ſolche zubehalten / als mit neu - erdichten Worten ſich laͤcherlich und von vie - len veraͤchtlich zu machen. Beſihe hiervon ein Gedicht unter dem Wort Fried in dem Buch - ſtab. F.

16. Gleiche Meinung hat es auch mit de -nen13Von den fremden Woͤrtern.nen Worten / die mit der Chriſtlichen Religi - on eingefuͤhret worden / und der Ankunfft nach aus einer andern Sprache herſtammen / als: Sacrament / Apoſtel / Evangelium ꝛc. Welche ſonder groſſe Aergerniß nicht geteut - ſchet werden koͤnten / nach dem ſie bereit jeder - mann bekant ſind.

17. Welche nun ſolche Woͤrter / die der ge - ringſte Bauer auch verſtanden / und von an - dern Sprachen der unſrigen eingeflochten worden / gedolmetſchet / haben darmit ſchlech - te Ehre eingeleget / und ſind ins gemein fuͤr Sprach-Ketzer gehalten worden: daß man al - ſo ſolche Einkoͤmmlinge / nicht zwar fuͤr Lands - Kinder und Einheimiſchgeborne / jedoch aber fuͤr angeſeſſne Pfalbuͤrger / Schutzverwandte und wolbekante Freunde zuhalten / und keines Weges auszuſchaffen Urſach hat.

18. Gleiche Bewantniß hat es mit den eig - nen Namen / die von dem Ebraͤiſchen / Grie - chiſchen oder Lateiniſchen herkommen / und ſo wol in der gantzen H. Schrifft / als in dem ge - meinen Gebrauch fuͤr Taufnamen ungeaͤndert behalten worden / und ſcheinet / daß ſolches von dem Chriſtenthumb / welches in Lateiniſcher Sprache auf uns Teutſche gebracht worden /biß14Von den fremden Woͤrtern.biß auf dieſe Zeit verblieben ſeye. 9. Hiervon werden ausgeſchloſſen der Heydniſchen Goͤ - tzen Namen / die ein Chriſtlicher Poët billich vermeiden / und ſie auch nicht in dem Munde fuͤhren ſol / als zur Verachtung. An ſolcher Stelle aber diener die Bildkunſt / daß ich den Fruͤling fuͤr die Florem / den Sommer fuͤr Ce - rerem / den Herbſt fuͤr Bacchum ꝛc. einfuͤhre / beſchreibe und ausbilde / wie in der Xten Be - trachtung folget.

19. Welche Woͤrter beſagter Maſſen nicht fuͤglich geteutſchet werden koͤnnen / ſollen I. mit Teutſchen Buchſtaben geſchrieben / II. mit Teutſchen Endungen geſchloſſen / III. von je - derman verſtanden / oder nach Erheiſchung an den Rand in ihrer Sprache / wie gemeldet / bey - geſetzet werden: Maſſen man ſonſten das Ab - ſehen und den Zweck der Rede / welcher iſt ſich verſtehen machen verleurt und dem Leſer Ver - druß verurſachet / ja ihm ſeine Unwiſſenheit gleichſam aufrucket / daß er von ſolchen unge - teutſchten Teutſchen kein guͤnſtiges Urtheil faͤllen kan; in dem die Schuld nicht ihm / ſon - dern dem neugierigen Verfaſſer beyzumeſſen / der ſeine Tracht in einer ſolchen verdeckten Schuͤſſel aufgetragen / und angeſchen ſeynwill /15Von den fremden Woͤrtern.will / daß er viel neue Speiſen bringe / darnach doch niemand verlanget und geluſtet.

10. Wie nun bißhero von etlichen in die - ſem gefehlet worden / alſo iſt anch anderstheils nicht gut zu heiſſen / wann man ſonder drin - gende Urſachen aus Neurunggierigen Kuͤtzel / ſich mit fremden Flickwoͤrtern herfuͤrbruͤſtet / darvon in dem Sprachverderber / wie auch in deſſelben Gegner dem Ehrenkrantz der Teut - ſchen Sprache H. Schillens viel zufinden / und pfleget ſolches meinſten Theils von denen zugeſchehen / welche der Sprache / aus der ſie zu borgen gewehnt / am aller wenigſten maͤch - tig ſind / und ſich doch / wie jene Krohe in der Fabel / mit fremder Zier befedern wollen. Doch haben die Schertzgedichte hierinnen eine ſonde - re Befreyung.

Die III. Betrachtung. Von den neuen Woͤrtern und unter - terſchiednen Redarten. III. Von den neuen Woͤrtern und unter - ſchiednen Redarten.

  • 21. Was rechtreden und wolreden ſeye. 22. Von der uͤbertrefflichkeit der Rede. 23. Die Rede ſol nicht von den ungelehrten beurtheilt werden. 24. Von den neuerſ undenen Worten. 25. Ob ſolche zulaͤſſig? 26. Die16Von den neuen Woͤrtern.26. Die Philoſophi und Poëten dichten ihne gleichſam eine abſonderliche Art zu reden. 27. Unterſcheid der Redartẽ in der H. Schrift. 28. Die Geiſtlichen Gedichte ſollen mit der H. Schrift reden. 29. Wie Geiſtliche Centones oder Spruch - Gedichte zumachen. 30. daß der Jnhalt mit gleichſtaͤndiger Red - arte auszubilden.

GLeichwie die Metall (daß wir in voriger Vereinbarung beharren) theil zu der unvermeidlichen Noht / wie Eiſen und Kupfer / theils auch zu uͤberfluͤſſigen Pracht / wie Gold und Silber gebrauchet werde: alſo ſind auch die Reden ent - weder zu noͤhtiger Erhaltung Gemein-und Kundſchafft deß Menſchlichen Lebens / oder auch zu der Zier und Luſt groſſer Herren und vornemer Leute erfunden und in Gebrauch ge - langet. Jenes heiſſt man rechtreden (verſtehe den Worten nach ſonder Betrachtung deß Jnhalts) dieſes wol reden / nemlich mit ſchicklichen / bedachtẽ und auserleſnẽ Begrieff.

22. Was17Von den neuen Worten.

22. Was die Rede fuͤr eine herrliche Gnaden Gabe deß Guͤtigen GOTTES erkennen die je - nigen am meinſten / welche ſie verlohren haben: Andre die ſolche mißbrauchen / und GOTT nie dafuͤr gedanket haben / ſind viehiſch geſinnet und haſſen alle Tugenden und Wiſſenſchafften / ſamt dem einigen Mittel zu derſelben zugelangen. Jch will nicht ſagen daß GOtt der Herr der Urheber aller Sprachen ſeye / und daß der einige Sohn GOttes / deß Vaters Wort genennet / durch ſeines Geiſtes Wort geprediget und von al - lerley Zungen in der Chriſtenheit gelobet und ge - prieſen wird; ſondern allein / daß durch den Ver - ſtand und die Rede der Menſch von den Thieren unterſchieden / und ſo viel hoͤher gehalten wird / ſo viel mehr Gaben er in beeden Stuͤcken erwei - ſen kan. Hiervon beſihe in dem nachgehenden Theil im Buchſtab. M. Mund.

23. So viel uns der Rede zu dem gemeinen Leben von noͤhten iſt / koͤnnen wir mit zuwachſen - den Jahren von den Ammen erlernen / und wer ſich in ſeinem Stande darmit vergnuͤget / den ge - het unſre Sache nicht an / und wird er reden wie etwann der Bauer hinter dem Pflug ſinget / der ſich aber deßwegen mit keinem Capellmeiſter vergleichen darff. Eines ſolchen ungehoͤrigen Richters Beurtheilung / wollen wir folgends keines Weges untergeben haben / ſondern uns Bauf18III. auf mehr verſtaͤndiger Oburtheil beziehen. Der Alltagsmann kan nicht hohe Worte fuͤhren / weil er keine hohe Sachen zu behandlen hat / verſtehet ſelbe nicht und handelt beſcheidenlich / wann er dergleichen ſonder Verachtung an ſeinem Or - te beruhen laͤſſet.

24. Zu ſeltnen Gedanken dienen ſeltne Wort / welche mehrmals erdacht / und von dero Verfaſ - ſer nach der Sprache Aenlichkeit oder Ebenmaß (ſecundum Linguæ Analogiam) erfunden wer - den muͤſſen. Niemand wolle ſich hier mit einem unbedachten Vorurtheil uͤbereilen / und zu rucke ſehen auf die alten Philoſophos, Platonem, A - riſtotelem, Apuleium und andere / ob ſie nicht in ſehr vielen Sachen neue Woͤrter erdacht / welche zwar nach ihrem Grund alt / nach der Zuſam - menfuͤgung aber neu; daß ſie zuvor in keinem Buche gefunden worden. Der geſtalt kan kein Kaͤiſer noch Fuͤrſt ein gantz neues teutſches Stamm-Wort machen und dem allgemeinen Gebrauch aufdringen / wie dorten Pomponius geſagt / daß der Kaͤiſer zwar den Leuten das Stattrecht ſolches aber mit nichten den Woͤr - tern geben koͤnne.

25. Was iſt dann daß uns fuͤr neu und un - erhoͤrt fuͤrgerucket wird? Wann aus natuͤrlicher Krafft und wuͤrckender Eigenſchafft der Stam̃ - Woͤrter fernere ungewoͤhnliche Ableitungenund19Von den neuen Woͤrtern und Redarten.und Dopplungs-Arten entſtehen / und nach de - roſelben rechtmaͤſſigen Leitung / ein Sprachkuͤn - diger fortfaͤhret / und einen klaren / jedermann be - kanten und vernemlichen Wortverſtand ver - nuͤnfftig bildet. Solches iſt wie gedacht den Phi - loſophis nohtwendig / den Poëten aber zierlich geweſen / wie zuſehen in Heſiodo, Pindaro, Eu - ripide, &c. und haben dergleichen Sprachkuͤn - digkeit meiſterlich erwieſen H. Lutherus / Aventi - nus / die Verfaſſer der Reichs-Abſchiede / Lehe - mann / H. Obr. Werther Opitz / Schottelius und iſt ohne ſolche Poetiſche Ausrede / das Ge - dicht eine Kraft-und Saftloſe Reimenknuͤpfung / wie hiervon ein mehrers folgen ſol / und auch zu leſen iſt in den II. Theilen deß Poëtiſchen Trich - ters. Ronſard en l’abrege f. 421. 422. ſagt hier - von alſo: Tu compoſeras hardiment des mots, al’imitation des Grecs & Latins, pourveu qu’ils ſoyent gracieux & plaiſans à l’oreille, & u’aura ſoucii que le vulgaire dira de toy, d’autant que les Poetes, corue les plus hardis, ont les pre - miersforgé&composé les mots, lesquels, pour eſtre beaux& ſignificatifs, ont paſsé par la bar - che des Orateurs & du vulgaire, puis finale - ment ont eſté recens, louez, & admirez d un chacun. Zu Teutſch: Du kanſt kuͤhnlich neue Woͤrter zuſammen fuͤgen / wie die Griechen und Lateiner / wann ſie anderſt wol klingen / und demB ijOhr20III. Ohr gemaͤß ſind. Achte nicht / was der gemeine Mann darvon ſaget; Maſſen auch die alten Po - ëten die erſten geweſen / welche ſich erkuͤhnet neue Woͤrter zu ſchmieden / die nachgehends / wann ſie ſchoͤn und woldeutend geweſen / von den Red - nern angenommen / und endlich in gemeinen Ge - brauch beliebt gelobt und von jedermann ver - wundert worden.

Sforza Pallavicino, als er eben von dieſer Sa - che redet / ſaget alſo: accade nelle parole, come negli huomini: i quali traggono, ô riputazi - one, ô vilipendio della qualit à delle perſone, con cui familiar mente converſano. zu Teutſch: Es gehet den Worten / wie den Menſchen / die ihre Ehre oder Schande erlangen von den jeni - gen Perſonen / mit welchen ſie ſich gemein ma - chen. Kurtz zuvor ziehet er Horatii Verſe an / die gleichsfals hiervon handlen /

ego cur acquirere pauca, ſi poſſum, invideor, cum lingua Catonis & Eani ſermonem patrium ditaverit, & nova rerum Nomina protulerit

an den 128. Blat dello Stile ſchreibt erſtgeruͤhm - ter Pallavicini alſo: Convien far cio, che facea ſi nell infelici pitture de primi piu rozzi ſeco - li, alle quali biſognava ſcriuere ſotto, qual co - ſa rappreſentaſſero. Che â punto coſi meſti - ere di porre in margine la ſignificazione di tali voci antiche, ô nove eſpreſſa conle parole mo - derne, ô latine.

Hierinnen21Von den neuen Woͤrtern und Redarten.

Hierinnen ſol man es machẽ / wie vor Alters bey der Mahlerey gebraͤuchlich geweſẽ / da man darzu ſchreibẽ muͤſſẽ / was fuͤr eine Figur gemahlet wor - den: Alſo muß man auch die Deutung an den Rand ſetzen wann man ein gar altes oder gar neue Wort gebrauchen wil / ꝛc. Dieſes habeich deßwegen mit Beweiß ſo vornemer Scribenten wollen anfuͤhren / damit die jenigen / welche an - drer Meinung ſind / ſehen moͤchten / daß die Po - ëten von Alters her berechtigt ſind ihre ſeltne und nicht gemeine Gedanken / mit ſeltnen / und nicht gemeinen Worten vorzuſtellen und ausfuͤndig zu machen.

26. Welche dieſes nicht wollen zulaſſen / muͤſ - ſen erweiſen / daß alle obbeſagte Philoſophiſche und Poëtiſche Redarten / vor beſagten beruͤhm - ten Maͤnnern in dem gemeinen Gebrauch gewe - ſen / welches ihnen aber beyzubringen / ſo ſchwer als unmoͤglich fallen wird: Maſſen die Philo - ſophi / und ſonderlich die Scholaſtici, wie auch die gebornen und hochbegabten Poeten / ihnen eine beſondre gelehrte Sprache gleichſam aus - gedichtet / welche ſo viel herrlicher und wehrter / ſo viel ihre Gedanken ſich uͤber deß Poͤvelvol - tes untuͤchtiges Nachſinnen erhebt. Hiervon iſt zu leſen H. Schottelii Sprachkunſt in dem XI. XII. und folgenden Capitel.

27. Wir wollen die H. Schrift betrachten. B iijDi[e]22III. Die Hiſtorien oder Geſchicht-Erzehlungen ſind mit einfaͤltigen Worten fuͤrgetragen; Geſtalt ein Geſchichtſchreiber der Warheit allein verbun - den / und ſich mit vielen beygedichten zierlichen Worten zu weilen verdaͤchtig machet. Wann aber die Gemuͤter zuerregen / die Hertzen zube - wegen / und in demſelben Hoffnung oder Fuꝛcht auszuwuͤrken iſt / da findet man alle Redneri - ſche Poëtiſche uͤbertrefflichkeit in den Pſalmen / in Job / in den Propheten / in dem Hohenlied Salomonis / und ſonderlich in den Epiſteln deß H. Pauli / der unter den XII. Apoſteln zu den Fuͤſſen Gamaliels allein das Geſetz ſtudieret ge - habt / daß gewießlich der vollſtaͤndige Nachdruck der Grundſprach / auch dem aller geuͤbtſten Dol - metſcher zu ſchaffen machet / wie hiervon urtheilt Auguſt. l. 4. de Doctr. Chriſtiana. c. 1. Hieher gehoͤret / was von deß H. Pauli Beredſamkeit in der Apoſtelgeſch. am 14. geleſen wird daß man ihm nemlich fuͤr den Mercurium gehalten.

28. Dieſemnach kan man in Geiſtlichen Re - den und Gedichten keine Hertzbeweglichere Wort und Red-Arten finden / als die jenigen / welche von GOTT dem H. Geiſt / durch die Maͤnner Gottes aufgezeichnet / auf uns geerbet / dieſes ſind Wort deß Lebens welche die Gnaden dur - ſtige Seelen / mit voller Gnuͤge traͤnken und uͤber - ſchitten / wie ein jeder glaubiger Chriſt und KindGOt -23Von den neuen Woͤrtern und Red Arten.GOttes in ſich ſelbſt empfindet / und ſich derſel - ben in Noht und Tod zugetroͤſten hat.

29. Wie nun etliche Prediger die Spruͤche hochgeruͤhmter H. Schrifft alſo zuſammenfuͤ - gen / daß es eine gantze Rede ſcheinet / und die La - teiner Centones aus dem Virgilio verfaſſen / wie Lipſius ſeine Politicam von lauter denkwuͤrdi - gen Spruͤchen / als hat man auch gantze Gedich - te gemachet / darinnen jede Reimzeil zum wenig - ſten einen Spruch aus der H. Schrifft begreifft. Wir wollen hier ein Exempel ſolcher bibliſchen Spruch-Gedichte von dem Friede beyſetzen.

10. Der GOtt
(a)Col. 3, 15.
(a) und Herr
(b)Theſſ. 3, 15.
(b) deß Frieds / deß
Sohn heiſſt Frieden-Fuͤrſt(c)Eſ. 9, 6.
Der ſelbſt deß Frieden-Feinds / der Schlangen /
Hanbt zerknirſcht /(d)1. Moſ. 3, 15.
erfuͤllet unſer Hertz
(e)Rom. 15, 13.
(e) mit Frieden und mit Se -
gen:(f)pſ. 29, 11.
er richtet unſre Fuͤß auf ſeines Friedens Wegẽ
(gEſ. 59, 8.
(g
Er hat den Friedens-Bund / das Band der
Einigkeit(h)Eph. 4, 3.
wie dorten Salomon
(i)1. Koͤn. 4, 24.
(i) gegegeben dieſer Zeit.
Deß Geiſtes ſuͤſſe Frucht
(k)Gal. 5, 21.
(k) die Liebe wird be -
kleiben /
B iiijund24III.
und alle Furcht von uns und unſern Grentzen
treiben(l)Pſ. 38, 4.
Gleichwie deß Oehles Saft der Wunden
Schmertzen legt;(m)Eſ. 1, 6.
ſo mildert auch der Fried / wann Krieg und
Ungluͤck ſchlaͤgt /
die uͤberblieben ſind zu einem Friedensſamen
(n)Zach. 8, 12.
(n)
erkennen dieſe Gnad und loben Gottes Namẽ
(oPſ. 105, 2.
(o
dieſchoͤnſte Friedensfrucht iſt die Gerechtig -
keit(p)Ebr. 12, 11.
die mit erlangter Ruh erhellet weit breit
(qEſ. 66, 12.
(q
in den Thoren wohnt.
(r)Zach. 8, 12.
(r)Der Fried in unſern
Huͤtten(s)Iac. 5, 24.
wird das langbrache Feld mit Samen uͤber -
ſchuͤtten(t)1 Macc. 14, 8.
Der Fried iſt aufgericht zu Waſſer und zu
Land(u)1 Macc. 8, 22, 23.
nun GOtt verleihe lang
(x)Ie - rem. 33, 6.
(x) erlangten Frieden
Stand! (y)3 Macc. 7, 4.

Dergleichen ſind etli - che zu leſen in den Sonntags-Andachten.

30. Alſo bleibet es darbey: daß das Geiſtliche mit Geiſtlichen / das gemeine mit gemeinen Wor - ten / das ſeltne und tiefſinnige mit ſeltnen undaleichs -25Von den neuen Woͤrtern.gleichsfals eingriffigen Worten ſol ausgeredet werden / darzu die gemeinen Redẽ viel zu ſchwach und kraftloß ſind. Ein gemeiner Mann gehet zu Fuß / und redet ſchlecht hinweg; ein vornehmer Herr reitet auf einem hochtrabenden Pferd: alſo fuͤhrt auch jener der zu gehorſamen geboren / knechtiſche Gedanken und Wort: Dieſer dem die Natur mehr Verſtand zugetheilet und ihn zuge - bieten gewidmet / weiß auch einen hohen Sinn - begrief mit anſtaͤndigen Reden auszufuͤhren: wie hiervon mit mehrern zu leſen La preface de la fille d alliance du? de Montaigne en ſes eſſais. Dergleichen von dem gemeinen Gebrauch abge - ſonderten Jnhalt und Redarten / ſuchet ſonder - lich der Poët / ſein Gedicht mit unerwarter Ver - wunderung Lieblichkeit und mit der Erfindung gemaͤſſen Ausbildung vorſtellig zumachen / gleich wie der Mahler ſich bemuͤhet die natuͤrlichſten Farben in ſeinem Gemaͤhl zugebrauchen. Son - der ſolche Poëtiſche Ausrede / machen die Reim - zeilen kein Gedicht / wie Horatius darvon ur - theilt.

neqve enim concludere verſum Dixeriseſſe ſatis, neqve ſi qvis ſcribat, uti nos, ſermoni propiora, putes hunc eſſe Poëtam. Ingenium cui ſit, cui mens divinior, atqve os magna ſonaturũ, do nominis hujushonorem l. 1. ſat. 4.
B vDie26III.

Die Poëten werden von den LXX. Dolmet - ſchern Ænigmatores / Raͤhtſler oder Raͤhtſel - dichter genennet / weil ſie ihre Reden verbluͤmen und ſo wol die Geſchichtſchreiber / als die Redner weit uͤbertreffen / nicht nur den Worten ſondern auch dem Jnhalt nach / welches beedes in hoͤch - ſter Vollkommenheit den Namen eines Poëten verdienen machet: die jenigen welche / ohne Poë - tiſche Verfaſſung Gedicht ſchreiben / als Helio - dorus, Æſopus und zu unſrer Zeit Barclajus, Urfé und alle die Liebs-Gedicht zu Papier ge - bracht / koͤnnen wol Dichter / aber eigentlich keine Poeten geneñet werden / wie im Gegenſtand / Lu - canus und andre die warhaffte Geſchichte in ge - bundner Rede geſchrieben / mehr Geſchichtſchrei - ber / als Poëten heiſſen. Schluͤſſe alſo / daß der Jn - halt und die Verfaſſung in gleichſtaͤndigern E - benmaß kunſtſchicklich vorzubilden / wann deſſel - ben Meiſter den Ehren-Namen eines Poëten be - haubten will.

Von dem Jnhalt der Rede. IV. Von dem Jnhalt der Rede.

  • 31. Der Jnhalt und die Verfaſſungs-Art iſt von andern abzuſehen. 32. Buͤcherſchreiben hat kein Ende / und wie ſol - ches zneutſchuldigen. 33. Lob und Nohrwendigkeit der Wolredenheit. 34. Von der Deutlichkeit der Rede. 35. Von27Von dem Jnhalt der Rede.35. Von den Lehren die behandlet werden ſollen. 36. Wie die Lehr-Spruͤche einzufuͤhren. 37. Von der Ordnung in den Reden. 38. uͤberfluͤſſige Woͤrter zuvermeiden. 39. Die Rede ſol nachſinnig ſeyn. 40. Der Redner und Poët haben viel Kunſtfuͤ - gungen gemein.

ES meldet Pauſanias (in Boet. f. 105.) daß viel Nachtigallen umb das Grab Orphei niſten und zie - hen / welche viel lieblicher ſingen ſollen / als andre die ſonſten in dem Lande hegen. Ob nun erſtgeruͤhmter Poët durch ſein Aſche die Lieblichkeit deß Geſangs gleichſam belebet / laſſen wir an ſeinem Orte beruhen; das iſt aber gewiß / daß die jenigen / welche ſich bey der Gelehrten Schrifften aufhalten (in welchen ſie oder vielmehr ihr hochbegabter Geiſt gleichſam begraben iſt /) unvermerkter Weiſe ihrer Wolre - denheit behaͤglichſt nachahmen. Was wil doch der jenige ſchreiben oder ſagen / der zuvor nichts gelernet und geleſen hat? Nichts wird mit uns gebohren / ob wir gleich von GOTT mit einer natuͤrlichen Faͤhigkeit viel zuerlernen begabet ſind / gleichſã von der Natur zu einer Sache mehr gewidmet ſcheinen als zu der andern. SoB vjgu28IV. gut und fett ein Feld ſeyn mag / ſo muß es doch bepfluͤget und beſaͤmet werden / wann es nicht veroͤden ſondern gute Fruͤchte bringen ſol.

32. Betreffend nun den Jnhalt unſrer Rede / ſo muß ſolcher / oder zum wenigſten der ſelben Worten / anfangs von andern abgeſehen und er - lernet werden. Es kan zwar noch viel aus eigner Erfindung zu Papier kommen / und ſtehen die jenigen in einem gantz falſchen Wahn welche ver - meinen alle Kuͤnſte und Wiſſenſchafften / weren zu endlicher Vollkommenheit erhaben / daß ein mehrers darvon zu ſchreiben uͤberfluͤſſig ſeye: Nein / deß Buͤcherſchreibens / und zwar deß nutz - lichen und nohtwendigen Buͤcherſchreibens iſt und wird kein Ende gemachet werden / wie von ſolcher Mengel Fr. Verulamius de Dignitate Scient. unwiederſprechlich dargethan / und alhier unſres Fuͤrhabens ſolches zubeweiſen nicht iſt. Die Welt iſt gleich einem alten Mann / der mit zunehmenden Jahren durch beharrlichen Fleiß / und Muͤhe in ſeiner Erfahrenheit zunimmet: Wer wolte nun glauben / daß er in ſeiner Kind - heit mehr gewuſt und kluͤger geweſen / als in ſei - nem geruhlichen und verſtaͤndigen Alter? Wir haben die Erbſchaft der Weißheit angetretten / ſagt Seneca / mit dem Vorſatz ſolche zuerwei - tern / zu vermehren / und noch viel reichere Schaͤ - tze unſern Nachkommen zu hinterlaſſen / als vonunſren29Von dem Jnhalt der Rede.unſren Vorfahren auf uns erblich gekommen. Hiervon redet Guevarrain ſeiner Fuͤrſten-Uhr ſehr verſtaͤndig / ſagend: die Alten und erſten Leh - rer der Wiſſenſchaften ermanglẽ ihres Ruhms nicht / ob ſie gleich heut zu Tage noch von den unſerigen zu lernen haben moͤchten; Maſſẽ wir bey ſo wenig Mitteln der Geſchicklichkeit nicht wuͤrden geleiſtet haben / was ſie loͤblichſt hinter - laſſen: Sie aber / wann ſie ſo mit vielerley Mit - teln als wir / haͤtten begluͤckſeliget werdẽ ſollen / wuͤrden ohne allen Zweiffel alle Kuͤnſte und Wiſſenſchafft in die hoͤchſte Vollſtaͤndigkeit ge - ſetzet haben / daß denenſelben ein mehrers beyzu - tragen unvonnoͤhten. Wie nun alle / ſo bißhero Buͤcher geſchrieben keines Gewalts oder Be - fehls von andern benoͤhtiget geweſen; ſondern aus eignen Wolmeinen / dem Nechſten zu nutzen / und ihre von GOTT ertheilte Gaben mitzuthei - len vermeinet: alſo ſtehet annoch einem jeden frey zu ſchreiben was er andern vortraͤglich zuſeyn vermeinet / wie jener Kirchenlehrer in dergleichen Begebenheit geantwortet: Die Knechte Got - tes pflegen das Pfuͤndlein / welches ihnen anvertrauet worden / nicht in die Erden zu vergraben.

33. Wann die Menſchen ihren Sinnbegrief unmittelbar eroͤffnen koͤnten / wie die Engel und Himmliſchen Geiſter / ſo ſolten alle Reden uͤber -fluͤſſig0[30]IV. fluͤſſig gehalten werden: Weil wir aber irdiſche Menſchen / ſo muͤſſen wir das innerliche mit euſ - ſerlichen Mitteln vortragen und unſre Gedan - ken durch vernemliche Worte zu Gehoͤr bringen oder mit ſichtbaren Farben fuͤr die Augen mah - len. Wer wolte nun nicht lieber einen Kunſtrich - tig-geſtimmten Seitenklang / als eine mißge - ſtimmte Baurenfidel hoͤren: Wer wolte nicht lieber mit natuͤrlicher gleichſtaͤndiger Farbe / als mit einer ſchwartzen Kohlen mahlen: Ja / wer ſe - tzet nicht lieber ſeinem Freunde das Getrank in einem ſchoͤnen Gefaͤß fuͤr / als in einen alten zer - brochnen Scherben? Hierher ſchicket ſich was dorten Lucretius ſaget / daß man den Becher mit der Artzney mit Hoͤnig oder Zucker zube - ſtreichen und die Pillen zuvergulden pflege / dem Kind oder dem Kranken zu ſeinem Nutzen zu betruͤgen. Jch ſage zu ſeinem Nutzen / in dem der Geſchmack / aber nicht die Artzney in ihren weſentlichen Stucken zu aͤndern / gut geheiſſen wird.

34. Ob nun wol der Jnhalt einer Rede ſchweꝛ zuverſtehen /*Ornari res non vult, contenta doceri, Ma - nilius. ſo ſol er doch ſo deutlich / als nur immer moͤglich fuͤr getragen werden; ſonderlich aber in der Unterrichtung und Lehrſetzen / welche fuͤr ſich muͤheſam zubegreiffen / nicht ungleichdem31Von dem Jnhalt der Rede.demkleinen Druck / welcher auf groben und ſchwartzen Papier noch viel undeutlicher zule - ſen iſt. Wann aber das Papier rein / zart / und der Buchſtab deutlich und nicht verzogen / ſo wird ein ſolcher Druck der ſcharffſichtigen Ju - gend angenehm und bequem ſeyn. Dieſes iſt eine ſonderliche Gabe / daß wir unſre Gedanken deut - lich / oder wann ſie ja die gemeinen Reden uͤber - ſteigen / mit genugſam ſchicklich Worten fuͤrzu - tragen wiſſen. Jn dieſem Stuͤcke hat Eraſinus unter den Gelehrten das Lob / daß ſein Sinnbe - grief mit ſeinẽ Worten jederzeit gantz gleichſtim - mig geweſen. Hingegen pflegen etliche Chimiſten oder Schmeltzkuͤnſtler ihre fuͤr ſich ſchweꝛe Kunſt mit vielen Bildereyen zu verbergen / daß ſie nie - mand verſtehen ſol / als welcher ihre Stuͤcklein zu Verweiß / und geben alſo dem Lehrling ſo viel Unterrichtung / als wann ſie ſtill ſchwiegen / oder nichts geſchrieben haͤtten. Die Warheit / ſagt Quintilian / ſol ſeyn wie die Sonne / die riel hel - ler ſcheinet / wann ſie mit keinen Wolken ver - huͤllet iſt. Wer nun deß wegen redet oder ſchrei - bet / daß er will verſtanden werden / muß ſich erſt gelobter Deutlichkeit darzu die Gleichniß ſehr dienſtlich ſind / befleiſſigen / oder er wird verlachet / oder ſeine Schrift verachtet unter der Bank lie - gen bleiben.

35. Wann nun der Jnhalt nicht lehret / wiejetzt32IV. jetzt gemeldet worden / da keine oder geſparſame Zierlichkeit von noͤhten iſt / oder daß ſolche Lehre nicht ſchwer wie in Philoſophicis / ſo muß fuͤr al - len dingen auf den Zweck und wie zu ſolchem zu gelangen / das Abſehen gerichtet werden. Ein Baumeiſter wuͤrde thoͤricht handlen / wann er einen Burger oder Bauren einen Koͤniglichẽ Pa - laſt bauen wolte; oder wañ er einẽ in einem Fuͤrſt - lichen Gebaͤue das Meiſterſtuͤck ſeiner Kunſte an den vergulden Roſen und Zierrathen zuer - weiſen vermeinte: Alſo iſt die Wort-Zier zu der Wolſtaͤndigkeit von noͤhten / die gehoͤrige Ver - faſſung aber der gantz ordentlichen und nach der Zeit / Ort und Beſchaffenheit der Perſonen ſchickliche Rede*pectus eſt: quod eloquentem facit. Lipſ die Haubtſache / darã am mein - ſten gelegen. Ein Diamant in Bley iſt ſchatzba - rer / als ein Opal in Gold gefaſſet.

36. Der Redner und Poët ſol ſich befleiſſigen vernuͤnfftige Lehrſpruͤche einzumiſchen / und von der Sache ſelbſt herzufuͤhren / jedoch ſollen ſolche nicht zuviel mit Haaren herbeygezogen / und in die Rede genoͤhtiget werden: Deßwegen etliche den beredten Senecam beſchuldigen / daß er zu - viel dieſes Biſams ſeinen Sendſchreiben einge - ſtreuet / welcher allzuſtarke Geruch deß Leſers Ge - hirn vielmehr ſchwaͤche / als ſtaͤrke. Andre verglei - chen beſagte Lehrſpruͤche mit dem Gewuͤrtz wel -ches33Von den Jnhalt der Rede.ches maͤſſig und mit Verſtand gebrauchet / Nu - tze und Luſt zu der Speiſe mache / welcher Mei - nung vielleicht auch S. Paulus ſaget; Daß der Chriſten Rede mit Saltz (das iſt erbauli - cher Lehre) ſol gewuͤrtzet ſeyn. Gebrauchet man aber dieſer Wuͤrtze zu viel / ſo haͤlt man es fuͤꝛ ungeſund und dem Mund unangenehm.

37. Die Rede ſol in ihrer natuͤrlichen Ord - nung zierlich daher fluͤſſen: Der Eingang nach den Ort und der Zeit gerichtet die Erzehlung und Beſchaffenheit der Sachẽ / mit dienlichen Umb - ſtaͤnden / die Urſachen ſolches zubehaubten: Was aus denſelben erfolge: Dann der Schluß mit Wiederholung deß nohtwendigſten ꝛc. Wie ſol - ches alles von den Lehrern der Red-Kunſt / und ſonderlich dem N. Dauſino in ſeinem Buche de Eloq. ſacra & humana wie auch Veſſio und an - dern trefflich beſchrieben worden.

38. Jn der Rede ſol nichts ver geſſen werden / auch nichts uͤberfluͤſſig ſeyn / wie bey einer wol - angeordneten Gaſterey; denn die uͤberfluͤſſigen Wort einen Eckel verurſachen; der gar zu kur - tze Begriff aber die Sache mehrmals vernach - theilt: Von jenem wird folgendes Lehrgedicht geleſen in dẽ II. Theil Jothams bey der CXXVII. Zahl. Ein Oberſter / hatte 200. Knechte auf ſei - ner Roll in der Beſatzung / und als er juͤngſthin ſie ſolte durch die Muſterung gehen laſſen / hat erCuͤber34IV. uͤber 50. von den Buͤr gern angenommen / die mit durchgegangen / als blinde / und darfuͤr hat er das Geld eingezogen / da ſie ſonſten noch zuch und Wacht gethan / noch einige Herꝛn Dienſte ver - richten. Der Plauderer welchem ſolches erzehlet worden ſagte / daß dieſer Obriſter nicht redlich gehandelt / und daß der Feldherr ihn deß wegen zu verdienter Strafe ziehen / und den abbetrognen Gewinn wider zu rucke ſolte geben machen ꝛc. Hierauf verſetzte Sager: Lieber Herꝛ / ihr ſeid der Obriſte / welcher den vierten Theil eurer Wort / ohne Dienſtleiſtung / und wuͤrkenden Verſtand durch die Muſterung gehen laſſet / und als blinde auf eurer Rolle habt / ſtehlet dardurch den Zuhoͤ - rern die gute Zeit ab / die ihr ihnen nicht wieder er - ſtatten koͤnnet. Der Redner verſtummte uͤber dieſen Verweiß / und gelobte bey ſich ſelbſten die uͤberfluͤſſigen Woͤrter zuvermeiden.

39. Die Rede ſol zierlich und doch nach Be - ſchaffenheit nachſinnig ſeyn; Maſſen wir in unſ - rer Sprache ſo ſchoͤne und eingriffige Woͤrter und Red-Arten haben / die durch die Hertzen ſchneiden / ihre Deutung praͤchtig und maͤchtig in den Sinn legen / das Gemuͤt kraͤfftig bewe - gen / zu Zorn anfuͤren / zu den Grimm erbittern / zu den Neid vergallen / zu dem Gewalt bewaff - nen; und im Gegenſtande zu der Barmhertzig - keit ermilden / zu der Vergebung erweichen / zu derVer -35Von dem Jnhalt der Rede.Vergeſſenheit bewegen / zu der Liebe erſchmeich - len / zu der Freundlichkeit anhalten / und kan dem Menſchẽ nichts zu Sinne kommen / daß ein Sprachkuͤndiger nicht mit genugſamen Wor - ten ſattſam vorſtellig machen wird.

40. Was hier und nachgehends von der Re - de ins gemein gemeldet worden / das iſt ſo wol von der gebundnen / als ungebundnen Wort - Verſaſſung zuverſtehen; Maſſen beede in vielen gleichen / einerley Figuren / Bezierung und Ausfuͤhrung gebrauchen: daß auch die Poeten genennet werden / welche in ungebundner Rede Gedichte ſchreiben / wie oben vermeldet worden / und die welche ohne Gedichte Verſe machen den Namen der Poeten nicht fuͤhren / ſondern nur verſificatores heiſſen / wie hiervon aus Horat. l. 1. ſat. 4. und Quintil. l. 10. c. 1. Gerh. Joh Voſ - ſius l. 1. c. 2. §. 2. de Arte poëtica weitlaͤufftig handelt.

V. Von der Nachahmung. (de Imitatione.)V. Von der Nachahmung. (de Imitatione.)

  • 42. Vergleichung d Mahlerey mit der Poeterey. 43. Von der Dolmetſchung ins gemein. 44. Von der Dolmetſchung der zweydeutigen Woͤrter. 45. Wie ſolche mit andern gleiches Jnhalts auszutauſchen. C ij46. Wie36V. 46. Wie man von andern etwas abſehen und nicht abnehmen ſol. 47. Von den eignen und urſtaͤndigen Erfin - dungen. 48. Wen man in ungebundner Rede nachah - men ſol. 49. Wie man von den unterſten Staffeln die Teutſche Sprache anfangen ſol. 50. Wie man die Poeten leſen und benutzen ſol.

DAs Gedicht / dahin dieſes Buch meinſten Theils abzielet / hat eine groſſe vereinbarung mit der Mahle - rey. Ein Mahler aber muß anfaͤng - lich andere geringe Gemaͤhle fuͤr die Hand nehmen / ſelbe nachzeichnen / die Freund - ſchaft und Feundſchaft der Farben erlernen / ihre Miſchung Liecht und Schatten verſtehen / und wann er darinnen geuͤbet / ſo iſt die Natur ſein be - ſter Lehrmeiſter deren er Kunſtrichtig nachzuah - men verbunden iſt. Gleicher Weiſe muß der Red - ner erſtlich andre wolgeſtelte Reden oder Gedich - te leſen / ihre wolgefuͤhrte Wort beobachten / ih - nen die Meiſterſtreiche / die zierlichen Figuren / die natuͤrlichen Beſchreibungen / Wortgleichheit /Gegen -37Von der Nachahmung.Gegenſaͤtze ꝛc. ablernen / und als dann ſeine Ge - danken zu Raht ziehen / ſeinen Jnhalt entwerf - fen / nach allen Umbſtaͤnden uͤberlegen / und zu - letzt mit ſchicklichen Worten begreiffen und aus - bilden; Maſſen keiner ſo gluͤckſelig / daß ihm das beſte am erſten einfallen ſol. Ein ſolcher Entwurf wird ihm die gantze Sache (wie der gute Grund - Riß deß Mahlers Gemaͤhl) leicht machen. Be - ſihe folgenden 90. §. hiervon. Tomaſo Stiglinani erinnert in der Vorrede feiner Gedichte / daß er Anfaͤnger in der Poeterey und in der Mahlerey / eꝛſtlich geꝛinge und leichte Sachen nachkuͤnſtlen / alsdann mit zuwachſenden Jahren und Ver - ſtaͤndniß ſchwere Arbeit unternehmen.

43. Die Dolmetſchung gleichet dem durch - zeichnen / wann ich nemlich das vorgeſchriebnein eine andre Sprache / und gleichſam auf eine an - dre Tafel uͤberbringe. Ob nun wol dem Dolmet - ſcher obliget bey der Grundſprache Meinung ge - nau zuverbleiben / ſo ſind doch die Gedanken der ſubtilen Geiſter zu weiten ſo hoch aufgeſtiegen / daß ſie in unſrer Sprache nicht fuͤglich ausgere - det / und vernemlich gegeben werden koͤnnen. Deß wegen man dem Wortverſtand zuruckelaſ - ſen und die Meinung allein dolmetſchen muß; Maſſen viel verantwortlicher iſt / man gehe zu weit von der Grundfprache / und gebe ſich zuver - ſtehen / als man verbleibe ſo nahe darbey / daß esC iijder38V. der Leſer nicht faſſen und begreiffen moͤge. Zum Exempel ſetze ich was Galeazzo Gualdo Prio - rato bald in dem Anfang deß Lebens deß Hertzo - gen von Walſteins ſchreibet / mit dieſen Wor - ten: Niente opera nel corſo di ſu vita, chi ma - lamente opera ſu l termine della ſua mor - te. In queſto centro ſi ferma il compaſſo dell humano judizio, per ridurre, le linée del pre - mio alla circonferenza del merito &c. Wann ich nun dieſes von Wort zu | Wort teutſchen wolte / ſo muͤſſte ich ſagen: Der richtet in ſei - nes Lebens Lauf nichts aus / welcher nicht wol zu deſſelben Ende gelanget. Solches iſt der Mittel-Punct / auf wel - chem der Cirkel Menſchliches Urtheils fuſſet / alle andre Linien der Belohnung nach dem Verdienſte deß Umkreiſſes zu fuͤhren / und zu ſchlieſſen. Jſt ſehr ſchwer zu verſtehen und vielleicht verantwortlicher zu Fol - ge deß Verfaſſers Meinung / alſo zu dolmetſchẽ: Der jenige hat ſeines Lebens Lauf uͤbel volfuͤhret / der mit Schanden zu den To - des Ziel gelanget / von welchem faſt alle nach ihm lebende zu ruckeſehen / und ſeine Tugenden mit gebuͤhrlichen Lobſpruche / oder ſeine Laſter mit verdienter Schand. Gedaͤchtniß beurtheilen. Dieſes iſt vernem - licher geredet / und ſtehet dem Dolmetſcher freyeine39Von der Nachahmung.eine andre ſchickliche Gleichniß zugebrauchen / o - der wie hier / von dem wettlauffen zuverhar - ren / als welche der erſten Meinung genugſam und deutlicher ausdrucket / und der jenige ver - leurt das Lob eines Dolmetſchers / welchen man nicht oder ſchwerlich verſtehen kan. Wann ein Frantzos oder ein Jtalianer ein teutſches Kleid anziehet / ſol es ihm ſo gerecht ſeyn / dz man ihn fuͤꝛ keinẽ Frẽden / ſondern fuͤr einẽ gebornẽ Teutſchen haltẽ . Jch will ſagẽ / dz die beſte Dolmetſchung iſt / welche fuͤr keine Dolmetſchung haͤlt.

44. Es finden ſich auch zuweilen zweydeuti - ge Woͤrter / welchen der Nachdruck der Rede beruhet / und ſind ſolche mit dergleichen Teut - ſchenzweydeutigen Woͤrtern oder (æquivocis) zu dolmetſchen / wie in nachgehenden Verslein / ſo zu einem Blumenbuch vermeint geweſen:

Hos, Lector, flores (ſcilicet pictos) modidus non diripit Auſter: Tu lege delicias lumine, non manibus.

Das Wort legere heiſt ſo wol leſen wie in ei - nem Buch / als auch aufleſen / wie die Fruͤchte oder Blumen aufgeleſen und geſamlet werden.

Die Blumen laͤſſt der Wind von Suden
her geneſen /
du ſolſt ſie mit dem Aug / nicht mit den
Haͤnden leſen.

45. Wann aber das Wort in unſrer Spra -C jvche40V. che nicht zweydeutig iſt / ſo muß der Dolmetſcher ein anders ſuchen / daß dergleichen Verſtand zu ſeinem Jnhalt bringet. Zum Exempel ſagt Si - reno von der Diana

Bien penſava ijo cabellos
que no fuera otro paſtor,
digno de verſe cab ellos

cab’ellos heiſſt bey ihnen cabellos heiſſen Haa - re / der Dolmetſcher hat dieſes alſo gegeben:

Jch muß ob euch erſtarren
Jhr Haar auf dieſen Band
es nennt euch von be harren
der euch nicht hat erkant. ꝛc.

Hiervon iſt ein feines Exempel in dem Wort uͤberwinden zu erſehen in der Goͤttlichen Lie - besflamme deß hochbegabten und Geiſtreichen Mannes H. J. M. Dilherrens wie auch in den LXXXII. Geſpraͤchſpiele ꝛc. daß alſo der Dol - metſcher zu weilen ein Erklaͤrer und Ausleger mit ſeyn muß / wann er beſagter Maſſen ſeinen ob - habenden Ambt ein Genuͤgen thun will. Jm Fall ſich auch kein ſolches zweydeutiges Wort in unſrer Sprache finden ſolte / ſol der Dolmet - ſcher lieber ſolches auslaſſen oder gleichmaͤſſig austauſchen als etwas unverſtaͤndliches ein - flechten: als in folgendem Verſe / da ein Mutter - Moͤrder mit dem Ænea verglichen wird:

Suſtulit hic patrem, ſuſtulit ille matrem.
Weil41Von der Nachahmung.

Weil nun kein Wort in dem Teutſchen zweydeu - tig / wie hier ſuſtulit, das darvon Tragen und auch aus dem Wege raumen und erwuͤrgen heiſſt / kan der Dolmetſcher mit Fug ſagen:

Der bracht den Vater aus der Noht /
der bracht die Mutter in den Tod.

46. Wann ich aber eines andern Meinung gantz behalte und nur mit andern Worten ausrede / iſt ſolches gleich dem Gemaͤhl / welches mit andern Farben dem erſten von guter Hand gemahlten Stuͤcke nachgemahlet wird. Dieſes iſt ſo zulaͤſſig / als bey den Lacedaͤmoniern das li - ſtige Stehlen / welches / wann es nicht erfahren worden / unbeſtrafft geblieben. Die Exempel bey - zuſetzen iſt unvonnoͤhten / weil ſolche bey den heu - tigen Poeten gemein und die Sache leicht zuver - ſtehen. Wer nun redlich handlen / und fremdes Gut nicht fuͤr ſein eignes ausgeben will / der ſetzet darzu wie Herr Opitz: faſt aus dem Nieder - laͤndiſchen / nach Ronſards Sonnet ꝛc. Jſt es aber zuweilen nur ein Art zu reden / und kein gantzes Gedicht / ſo darff man nicht allezeit vermelden / aus wem es entnommen worden. Welcher nun viel geleſen der machet gleichſam aus vielen Baͤchen einen guten Poetiſchen Ein - fluß den er zu ſeinem Vorhaben ohne Muͤhe lei - ten wird.

Wann ich aber eines andern Meinung nichtC vvoll42V. vollkommenlich behalte / ſondern von derſelben gleiche Gedanken abſihe und denſelben nachah - me / von eignem Wolvermoͤgen darzuthue / und nach meinem Vorhaben richte; ſo vergleicht ſich beſagte Nachahmung mit dem / der ein oder mehr Gemaͤhle zu Geſicht gefaſſet / und hernach zu Hauſe etwas dergleichen jedoch mit andren Stellung mahlet. Hierher gehoͤret was Cicero aus Demoſthene / Virgilius aus Homero, Ho - ratius aus Pindaro abgeſehen und ſehr gluͤckſe - lig nachgekuͤnſtelt / daß auch jener recht geſagt; die Roͤmiſchen Redner und Poeten haben aus der Griechen alten Maͤnteln neue Kleider gema - chet / und ſie mit| guͤldnen und ſilbernen Borten verbremet / daß ſie nicht mehr erkantlich geweſen. Oder / wie einander hiervon ein ſolches Gleich - niß gegeben: der juͤngern groſſe Kertze iſt von der aͤltern kleinen Lampen angezuͤndet worden / und leuchtet viel heller als jene. Zu ſolchem Ende le - ſen wir vortrefflicher Leute Buͤcher / daß wir von ihnen lernen und ihrer Wolredenheit nachah - men wollen.

47. Es fuͤget ſich auch / daß dieſe Nachah - mung nicht nur dem urſtandigem Stuͤcke (Ori - ginal) gleich / ſondern von dem Meiſter der Kunſt noch wol beſſer gemacht wird / wie Scaliger von obermelten Poeten urtheilt; Maſſen man den al - lerzierlichſten / und nicht dem ſchlechtſten nachzu -ahmen43Von der Nachahmung.ahmen pfleget; welches geſchihet / wann die abge - ſehene Gleichheit nicht kan beobachtet und ver - mutet werden / daß es eine eigne Erfindung ſchei - net / als wann ein Mahler / ohne Beyhuͤlffe an - drer Kunſt-Stuͤcke mahlet / was kein andrer vor ihme gemahlet; welche eigne Erfindungen ſo viel hoͤher geachtet / ſo viel ſeltner ſie zu Werke ge - bracht werden: jedoch mag er durch eines andern Meiſter Prob zu ſolcher Arte zuſchreiben oder zu mahlen ſeyn veranlaſſt worden.

Zum Exempel: Es iſt bewuſt was Gſchicht - reden ſind / nemlich ſolche Reden / wie C. Barlæ - us unterſchiedlichen Perſonen / deren in Geiſtli - chen und Weltlichen Geſchichten gedacht wird / angedichtet. Unter andern fuͤhret er be - ruͤhmte Weiber ein / und machet ſie nach einer ſonderlichen Begebenheit reden. Dieſer Art zu - ſchreiben will ich nachahmen / wehle mir aber ei - nen gantz andern Jnhalt / demſelben gemaͤſſen Wortbegriff / und kan alſo nachfolgendes Ge - dicht fuͤr meine eigne Erſindung halten / ob ich gleich die Art zuſchreiben / beſagter maſſen von andern abgeſchẽ. Weil ich nun uͤber das meinige mehr Macht habe / als uͤber das fremde / will ich zu einem Beyſpiel ſetzen / die Geſchichtrede der

Verunehrten Dina.
Ach Gott / ach treuer Gott / dir ſolte Dina dienẽ /
Die Jacobs Tochter iſt! Es iſt an mir erſchienen
C vjDer44V.
Der Lea triefend Aug:
Jn dem ich ausſpatziert die Toͤchter zubeſehen /
hat mich ein Fuͤrſt geſchwaͤcht / (ach nun iſt es
geſchehen!)
Ein unbedachter Gang.
Wer geht aus dem Beruf / begegnet manche
Suͤnden /
er luſtert nach Gefahr und wird die Reue finden /
Die ihm laͤſſt keine Ruh!
Ach waͤr ich im Gezelt und bey der Herd geblieben
(ſo haͤtte Sichem mich nicht moͤgen ſo betruͤben:
Jch gab Urſach darzu.
Wen klag ich aber an? mich / mich und euch ihr
Augen
die ihr mit Threnen trieft die ſcharffe Zehren Lau -
gen
voll Hertzens Bitterkeit /
nicht koͤnnet waſchen ab ſo groſſe Miſſethaten /
Es iſt nach ſolchem Fall und Fehler nicht zu
rahten /
als durch die Hochzeit Freud:
Jn dem mich Sichem liebt / einſchließ ich mich
zu leben /
der Ehſtand kan die Ehr / ohn Nachtheil wieder -
geben /
als ein geraubtes Gut.
Der Titel eines Manns kan meine Schmach
bedecken /
der45Von der Nachahmung
der mich mit Liebes-Zwang gerungen zu befleckẽ /
der troͤſtet meinen Muht:
Doch gehet uͤbelaus / was nicht wolangefangẽ.
Wer weiß ob Sichem mich bey Jacob kan erlan -
gen /
und ob auch ſo viel Leut /
ob meiner Ehr ſich erbieten zubeſchneiden;
und ob nicht auch Betrug bey ihrem Schmer -
tzenleiden /
auf meiner Bruͤder ſeit.
Ach / wird unſchuldig Blut / wie ich befahr / ver -
goſſen /
wird vielleicht Raub und Mord bey Mahl-und
Gaſt genoſſen
erfolgen / wer wird ſeyn /
die Urſach ſolches Bluts? Wer wird die Schul -
de tragen?
Jch / ich / weilich erkuͤhnt mich frevelich zu wagẽ /
mit angemaſſten Schein /
die Toͤchter dieſes Volks zu ſprechen und zuſehẽ /
die Juͤngling auch zugleich; daruͤber ich mit flehẽ
geraten in die Schand.
So kan ein kleiner Funk ſehr groſſes Ungluͤck
brmgen /
oft aus der lauen Aſch in duͤrte reuſſer ſpringẽ
an flammend groſſen Brand.
Der Fried nach ſolcher That / iſt faſt kein Freud
zu nennen:
Die46V.
die Wunden kan man ſtets an ſelber Mahle ken -
nen /
kein bitten hilffet nicht.
Wann Meuchel Liſt und Trug macht groſſen
Reichthumb hoffen /
iſt mit geſippter Treu der Anſtand bald getroffẽ /
das Wort-Verſprechen bricht.
Geſetzt / das Sacrament behaget den Hevitten /
geſetzt das gantze Volk ſey nur aus Geitz / beſchnit -
ten:
Dann iſt gelegne Zeit /
daß meiner Bruͤder Schwert kan meine Schan -
deraͤchen
den Sichem und ſein Volk in vollem Grimm er -
ſtechen.
Ach weh / ach Hertzenleid!
Viel beſſer ſolt es ſeyn / daß Lea nie geboren /
als daß ich meinen Krantz aus Fuͤrwitz hab ver -
lohren:
Doch hat ſie keine Schuld.
Dem Vater mach ich Leid / der Mutter mach ich
Schmertzen:
Mich dunkt ich fuͤhle ſchon den Jammer in dem
Hertzen /
Verlierend Sichems Huld.
Mein Wahn iſt ein Prophet / er hat mich nie
betrogen:
Der mir mit groſſer Lieb iſt dieſer Zeit gewogen /
Er worgt in ſeinem Blut!
Das47Von der Nachahmung.
Das machet mich die Furcht und das Gewiſſen
wiſſen;
Jch werd ob ſeinem Tod mein Kleid zerreiſſen
muͤſſen /
und kraͤnken meinen Muht.
So klebet Suͤnd an Suͤnd! Ein Abgrund
rufft dem andern
Jch Wittib kan alsdann zu keiner Freyſtatt
wandern
der Tod iſt mir beſtimmt.
Mein Vater haſſet mich und meiner Mutter
Segen
Wird mir zu einem Fluch: die Bruͤder aller wegẽ
ſind all ob mir ergrimmt.
Nun meines Vaters GOTT wird unſer Haus
erhalten.
Ja / ja du wirſt ob mir / mit deiner Hulde / waltẽ /
du Huͤter Jſrael.
Du kanſt den Hochzeit-Streit ohn Leid und
Streiten ſtillen.
Du machſtes beederſeits nach ſeinen Gnaden -
Willen
und retteſt meine Seel!

Dergleichen Erſindungen / (dem Geſchlechte und der Art nach unterſchieden Jnventiones ſpecie non genere differentes ſind zu ſehen in den 200. geiſtlichen und 200. weltlichen Lehrge - dichten / unter den Namen Nathams und Jo -thams48V. thams verwichnes Jahr gedrucket. Zu weilen giebt ein einiges Wort Anlaß zu feinen Gedan - ken / als in nachfolgenden Exempel das Wort anhangen / gebraucht in einem

Traumgedicht

Von der Ergebenheit GOTTES Nach der Stimme: Jn dich hab ich gehoffet HERR ꝛc.

DAs Abſehen dieſes Lieds iſt gefaſſt aus der Art zu reden in der H. Schrifft an GOTT hangen / 2. Moſ. 10. 20. Joſ. 22 / 5. 23 / 8. daher David ſagt Pſ. 63. 9. Mei - ne Seelehanget an dir / und Rom 12 / 9. ſagt der Apoſtel ihr ſolt an den Guten hangen / das iſt ſich euch dem H. Geiſt der die Kinder GOTTES treibet / regieren laſſen.

1.
Jch lag in einem tieffen Traum /
nechſt einem hohen Lorberbaum
deß Schattens zugenieſſen /
in dem der Tag gleich in der Waag
lieſ heiſſe Stralen ſchieſſen.
2.
Mich duͤnkte daß ein langer Strang
hoch von dem Himmel zu mir drang
und an mein Hertz ſich bande /
daß49Von der Nachahmung.
daß ich erſtarrt / nicht lang verharrt /
mich gantz veraͤndert fande.
3.
Jch gange ſchnell verließ den Baum /
(ſo dunkte mich in meinem Traum)
von ſolchem Strang gefuͤhret;
Dem folgt ich nach / ohn Widerſprach /
wie er mich hat regieret.
4.
Mein Hertz gefeſſelt an den Strang /
mich willig in die Kirchen drang /
da muſſt ich nieder knien;
verbleiben ſtet in dem Gebet /
und von der Welte fliehen.
5.
Nachdem ich mein Gebet verricht /
mocht ich dar laͤnger bleiben nicht /
ich wurde fort gezogen /
deß Armen Hand / der liebe Pfand
Zu reichen / leicht bewogen.
6.
Der Strang ſchloß mir die Lippen auf
daß meiner Zungen voller Lauf /
begunte laut zu ſingen:
Es muſſte bald Berg / Thal und Wald
Von GOTTES Lob erklingen.
7.
Jch fragte manchen Ehrenmann
Dob50V.
ob er der Strang nicht ſchauet an /
der mich ſo fuͤhrt gebunden /
Sie hieltens frey fuͤr Phantaſey /
aus meinem Sinn erfunden.
8.
Der Strang hat mich mir ſelbſt geraubt /
und richtet mein erhabnes Haubt /
den Himmel zu betrachten:
Was liebt die Welt / Luſt / Ehr und Gelt
ſah ich nur zu verachten.
9.
Jch nahm die Feder in die Hand /
die fuͤhrte mir beſagtes Band /
faſt ſonder mein Beſinnen:
das / was ich ſchrieb / aus ſolchem Trieb /
kan ich nicht mehr beginnen.
10.
Mich dunkte daß in ſolchem Traum
der vor begruͤnte Lorbeer Baum
Waͤr gaͤntzlich abgehauen /
daß er ohn Aſt der Erden Laſt
in Feuer war zu ſchauen.
11.
Jn dem erwacht ich aus dem Schlaf
nicht wiſſend was der Traum betraf /
und doch nach vielen Denken /
ſagt’ich bey mir / es traumet dir /
was niemand ſol bekraͤnken.
12. Der51Von der Nachamung.
12.
Der Lorbeerbaum
*Pſ. 37. 35.
* der Weltlings Freud /
vergeht / nach ſchnell verꝛauſchter Zeit;
entfliehe ſolchen Schatten!
in einem Nu / faͤllt ſeine Ruh /
und er liegt auf der Matten.
13.
Wol dem / den GOTTES Geiſt regiert /
der uns in alle Warheit fuͤhrt /
viel Freude zu erlangen:
das iſt der Strang / der ſonder Zwang /
macht an den Himmel hangen.
14.
Mein GOTT / laß mich durch deine Gnad
geleitet werden fruͤh und ſpat /
und niemals von dir weichen /
auf deinen Weg und ſchmalen Steg
find ich der frommen Zeichen.
15.
Weh deme welcher widerſtrebt /
und nicht nach GOTTES Willen lebt /
ihn fuͤhrt an eineꝛ Ketten
der Hoͤllen Mohr: Ein ſolcher Thor
wird ſeine Seel nicht retten.
16.
Ehr ſey GOTT Vater / Sohn und Geiſt /
der uns in alle Warheit weiſt /
D ijwann52V.
wann wir uns leiten laſſen /
ſo wallen wir gewieß allhier /
auf ſichrer Himmels Straſſen.

48. Beſagte Nachahmung welche gleich wol - ſtaͤndig / ſchlechter / oder auch beſſer ſeyn kan / beſtehet entweder in dem Jnhalt / oder in den Worten / oder in allen beeden zugleich / und iſt erſtlich von einem guten Redner allein / nach be - ſtaͤttigtem Urtheil und fertiger uͤbung / von allen ins geſamt abzuſehen. Jn der ungebundnen Re - de ſollen wir erſtlich leſen den Teutſchen Cicero - nem H. D. Luthers Buͤcher / welcher das Liecht deß H. Evangelii / gleichſam auf den Leuchter un - ſere Sprache geſetzet: Nachgehends kan man le - ſen Aventinum / Goldaſt / Lehemann / Hordleder / und ſonderlich die Reichs Abſchiede / in welchen die Reinlichkeit unſrer Sprache (wie in corpore Juris die Lateiniſche) wann ſie aller Orten ver - lohren were / wieder zufinden.

49. Wie aber in der Lateiniſchen Sprache keiner den Ciceronem odeꝛ Muretum lieſet / er ſeye dann zuvor durch die Grammaticam oder Sprachlehre gekommen: Alſo ſcheinet rahtſam / daß man den Anfang unſrer Sprache mache von der erſten Staffel und leſe zu aller erſt die Einlei - tung zu der Teutſchen Sprache; nachgehends die Sprachlehre und dann die Reimkunſt H. D. J. G. Schottelins / welcher am letzten undfleiſſig -53Von der Nachahmung.fleiſſigſten den Grund unſrer Sprache unterſu - chet / und mit unſterblichen Ruhm gluͤckſeligſt beleuchtet hat. Was in erſtgelobter Reimkunſt begriffen das iſt etwas kuͤrtzer zuſamen gezogen / und in etlichen Stucken vermehrt zu leſen in den zweyen Theilen deß Poëtiſchen Trichters.

50. Jn gebundner Rede kan der Anfang ge - machet werden von H. Opitzen und H. Riſtens Gedichten / welchen nachgeſetzet werden moͤgen / die nach ihnen geſchrieben / als Flemming / Lon - den / Homburg ꝛc. Dieſe Leſung ſol nicht nur die - nen den Jnhalt eines und deß andern Gedichtes abzuſehen / ſondern ihre Redart / und Wort-Zier zu bemerken / und ſolche nach Belieben / folgen - der angefangenen Ordnung jedes an ſein Ort beyzubringen / damit man die eigentlichen Be - ſchreibungen / die nachſinnigen Beywoͤrter (e - pitheta) und kurtz zuſagen / allen Poetiſchen Schmuck zu unſren wuͤrklichen Nutzen anwen - den koͤnnen. Hierbey aber ſoles nicht verbleiben / ſondern es ſollen alle / oder ja die meinſten Poëten[in]der Griechiſchen / Lateiniſchen / Frantzoͤſiſchen / Jtalianiſchen / Hiſpaniſchen und Niederlaͤndi - ſchen Sprache / nach Moͤglichkeit durchſuchet und daraus erſtlich gedolmetſchet / nachgehendes aber ihren Erfindungen und zierlichen Red-Ar - ten / ſo viel ohne Zwang thunlich und dienlich ſcheinet / nachgefolget werden. Gewießlich es iſtD iijdie54V. die niedlichſte Kraft und der reinſte Saft einer jeden Sprache in der Poëten Schriften / und werdenſelben heraus zuziehen und nach Bege - benheit zu Werke zu bringen geruhet / wird ſich ſolcher B〈…〉〈…〉 muͤhung nicht gereuen laſſen. Keiner aber / der die Poêten nicht geleſen / ſol ſich ruͤhmen daß er einer Sprache vollkoͤmmlich maͤchtig ſeye. Zu Beſchluß dieſer Betrachtung muß ich bey - ſetzen / was Seneca von der Nachahmung ſehr nachdenklich ſchreibet in ſeinem 85. Send - Brief / folgenden Begriffs: Wir ſollen den Bienen nachahmen / und was wir in un - terſchiednẽ Buͤchern geleſen / unterſchied - lich bemerken; nachmals aber mit ver - ſtaͤndigem Fleiß zuſammen miſchen / daß ob man gleich wiſſen kan / woher es ge - nommen / jedoch etwas anders daraus gemachet worden / als es geweſen. Dieſes weiſet uns die Natur ſelbſten in unſerm Leibe: Die Speiſe / ſo lang ſie ungekocht in dem Magen lieget / beſchweret ſie den - ſelben / wann aber der Nahrungs-Saf daraus gezogen wird / ſo giebet ſie dem gantzen Leibe Staͤrke und kraͤftige Er - haltung ꝛc. Bald hernach giebt er das Gleich - niß von einem Chor Muſicanten / welche alle hinter den Tapeten verborgen / ihre Stimmen zugleich / als eine einige / hoͤren laſſen.

Von55Von den Gleichnißen.

Die VI. Betrachtung. Von den Gleichniſſen. Von den Gleichniſſen.

  • 51. Uf die Nachahmung deß Jnhalts / folget die Nachahmung der Woͤrter. 52. Von den Figuren und Deutungs Aende - rung. (Tropis) 53. Von den Gleichniſſen. 54. Von den Unterſcheid der Gleichniſſen und zwar von denen / welche erklaͤren. 55. Von den Gleichniſſen welche beweiſen. 56. Von der Gleichniſſe Schlußrede. 57. Von den Gleichniſſen aus den Geſchichten genommen. 58. Mißahmung der Gleichniſſen. 59. Wie die Gleichniſſe wiederlegen koͤnnen. 60. Von den falſchen Gleichniſſen.

JN vorhergehender Betrachtung haben wir von der Nachahmung geredet / und ſolche mit der Mahle - ey verglichen / benebens Erinne - rung / daß ein Befliſſener Liebha - ber der Teutſchen Sprache es machen ſol / wie Zevres / der aus allẽ Jungfrauẽ in Griechenland ein Venusbild gemahlet und von jeder nur ein vortreffliches Stuck der Schoͤnheit abgeſehen: Maſſen nicht den Fehlern / ſondern der uͤbertreff - lichkeit in der Rede nachzuahmen / welche ſo wolD iiijdem56VI. dem ſeltnen Jnhalt / als den ſchoͤnen Worten beygemeſſen wird / und von dieſen letzten muͤſſen wir unſre Betrachtung fortſtellen.

52. Die Figuren / welche die Rede zieren / ſind un - terſchiedlich / und werden Tropi, zu Teutſch Deutungs-Aenderungen genennet / weil ſie die eigentliche Deutung eines Wortes veraͤn - dern / und iſt hiervon zu wiſſen daß I. etliche Sa - chen / ſo weſentlich aneinander hangen / daß man einen Theil fuͤr das Gantze / und das Gantze fuͤr einen Theil nimmet / geheiſſen der Nebenbegriff (Synecdoche) II. Werden etliche Sachen mit - einander gefuͤget und zuſammen geſetzet / als wañ eine Urſach fuͤr derſelben Werk / oder ein Grund - Wort fuͤr das befuͤgige (cum rem ex a[d]junctis cognoſcimus) genennet wird / daher wir ſolches eine Veraͤnderung (Metonymiam) heiſſen. III. Hangen etliche Sachen durch eine Gleich - niß aneinander / daß man eines an Statt deß an - dern ſetzen kan / und entſtehet alſo die Umſe - tzung / (Metaphora.) IV. Werden gantz widerige Sachen gegen einander gehalten / und hieraus kommet eine Spottrede (Ironia) oder ein Ge - genſatz / der mehrmals gar artig iſt / alſo: Die ſterblichen Menſchen / ſollen keine unſterbli - che Feindſchafft hegen ꝛc. Von dieſem iſt bey den Lehrern der Redkunſt ein mehrers zu leſen.

53. Unter beſagten Figuren iſt gleichſam dieKoͤni -57Von den Glechniſſen.Koͤnigin die Gleichniſſ Der Lehrbegierige Ver - ſtand hat zwey Mittel ſich zu vergnuͤgen: 1. in Erkantniß der Sachen ſelbſten