PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Theorie der Gartenkunſt.
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Dritter Band.
Leipzig, beyM. G. Weidmanns Erben und Reich.1780.
[II][III]

Vorbericht.

Bey den mancherley Schwierigkeiten und Koſten, die mit der Aus - gabe dieſes Werks, wie man aus ſeiner Einrichtung leicht urtheilen kann, verbunden ſind, erſcheint dennoch dieſer Band, bald nach dem zweyten, mit einigen Vorzuͤgen bereichert. Man findet hier nicht blos eine groͤſſere Anzahl und Mannigfaltigkeit von Kupferſtichen, die von den abgehandelten Materien veranlaßt worden, ſondern auch verſchiedene neue Vorſtellungen von Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden und Monumenten, die wir der gluͤcklichen Erfindungskraft und dem Geſchmack des Herrn Schuricht verdanken, eines jungen Kuͤnſtlers in Dresden, deſſen Ruhm einſt ſeinen Verdienſten gleichen wird. In keinem Theile der Baukunſt herrſcht noch eine groͤſſere Duͤrftigkeit, als in dem, der die Gar - tengebaͤude betrifft. Die gekuͤnſtelten Gebaͤude von Gitterwerk, welche die Franzoſen einfuͤhrten, und womit man ſich bisher behalf, kommen in keine Betrachtung; und wenn wir einige Werke der Englaͤnder ab - rechnen, ſo hat die Architectur der Gaͤrten, die an neuen Erfindungen ſo fruchtbar ſeyn koͤnnte, noch kaum ihren Anfang genommen. Alles, was ſie bisher geliefert hat, betrifft faſt nichts als Luſtſchloͤſſer und Landhaͤu - ſer; und von den mannigfaltigen andern Gartengebaͤuden findet man ſelbſt bey den beruͤhmteſten Architecturlehrern unter den Italiaͤnern kaum eine Spur, die auf Erfindungen leitete. Herr Schuricht betritt daher eine neue Bahn. Und er hat den Charakter der Gartengebaͤude ſo gluͤcklich gefaßt, daß man die Reinigkeit, Einfalt, Leichtigkeit und2AnmuthIVVorbericht. Anmuth der Architectur, die ſie erfordern, in ſeinen Riſſen mit Vergnuͤ - gen wahrnehmen wird. Der folgende Band wird noch verſchiedene Zeich - nungen von ihm liefern, die dieſen an Guͤte der Erfindung gleichen.

Auch an Beſchreibungen von Gaͤrten, die der Anhang enthaͤlt, iſt dieſer Band reicher. Sie ſind von mir ſelbſt in dem verfloſſenen Som - mer entworfen, als ich, in Veranlaſſungen der Gartenkunſt, das Ver - gnuͤgen hatte, ſowohl in einige benachbarte Provinzen von Deutſchland, als auch nach Seeland eine Reiſe zu unternehmen. Jede Gelegenheit, neue Anlagen zu ſehen, oder ſie leiten zu helfen, oder daruͤber Rath und Meynung abzugeben, wird fuͤr die Aufklaͤrung der Theorie ſelbſt unter - richtend; man lernt nirgends mehr, man dringt in den Geiſt der Grund - ſaͤtze, die allein aus der Natur geſchoͤpft werden muͤſſen, nirgends mehr ein, als wo die Ueberlegung bey dem Anblick der Gegenden ſelbſt, die verſchoͤnert oder verbeſſert werden ſollen, beginnt; und bey der unbegraͤnz - ten Mannigfaltigkeit von Scenen, die zu dem Bezirk der Gartenkunſt ge - hoͤren, iſt hier Beruf, viel oͤfter in die Natur zu ſchauen, als der Maler in die Gallerien ſchaut.

Theorie[1]

Theorie der Gartenkunſt.

III Band. A[2]
  • Dritter Theil. Von den Werken der Kunſt in Gaͤrten.
    • Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern.
    • Zweyter Abſchnitt. Von kleinern Gartengebaͤuden.
    • Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
    • Vierter Abſchnitt. Von Ruheſitzen, Bruͤcken und Thoren.
    • Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, Monumenten und Inſchriften.
[3]

So bald man anfieng auf dem Lande und in den Gaͤrten ſeinen Aufenthalt zu nehmen, fuͤhrte zuerſt die Nothwendigkeit Wohngebaͤude ein. Die Fuͤrſten baueten Luſtſchloͤſſer, und der Adel und der Buͤrger Landhaͤuſer, die nach Umfang, Architektur, Einrichtung und Charakter von einer großen Verſchiedenheit waren. Man fuͤhrte ſowohl in groͤßern als in kleinern Gaͤrten minder betraͤchtliche Gebaͤude ein, ſowohl zur Verzierung, als auch zum kurzen Aufenthalt und zum Genuß laͤndli - cher Vergnuͤgungen. Es entſtanden kleine Gartengebaͤude, Pavillons, Luſthaͤuſer, Luſtkabinetre, Vogelhaͤuſer u. ſ. w. Man ſuchte nicht lange darauf den Bezirk der Ergoͤtzungen, der Einbildungskraft und des Geſchmacks zu erweitern, indem man Gebaͤude einfuͤhrte, die zu dieſer Abſicht behuͤlflich ſchienen. Man legte Grotten, Einſiedeleyen, Ruinen, Tempel an, nicht ſowohl zur Bewohnung, als vielmehr, um mit dieſen nachgeahmten Werken die Phantaſie zu beſchaͤftigen, und die Garten - plaͤtze mehr zu beleben. Man zierte ſie mit Inſchriften. Zum Ausruhen waren Sitze, zur Verbindung der getrennten Theile Bruͤcken und Thore noͤthig; man er - kannte indeſſen, daß ſie zugleich Mittel der Verzierung werden konnten. Man gieng weiter. Man ſtellte Statuͤen und Monumente auf.

Es iſt ſichtbar, daß ein Theil dieſer Werke der Kuͤnſte mehr Nothdurft und Bequemlichkeit, ein anderer Theil mehr Verzierung iſt. Zuweilen kann einerley Gegenſtand an einem Ort Beduͤrfniß, und an einem andern Orte bloße Verſchoͤne - rung ſeyn. In ſehr vielen Faͤllen kann dieſe ſo hervorſtechend werden, daß man ver - gißt, daß die Nothwendigkeit die erſte Veranlaſſung dazu gab.

Die aͤlteſten Gaͤrten waren von Werken der Kuͤnſte noch ſehr entbloͤßt; in einer bemooſten Huͤtte, in einem prachtloſen Landhaͤuschen ſaͤttigte ſich der unverwoͤhnteA 2Geſchmack4Einleitung. Geſchmack an der reizenden Einfalt der Natur. Sowohl die nach und nach zuneh - mende Ueppigkeit und Prachtliebe, als auch der allmaͤhlig ſich verfeinernde Geſchmack ſelbſt, haben faſt gleichen Antheil an der Einfuͤhrung der Kunſt in die Gaͤrten. Da - her die Miſchung des Falſchen mit dem Wahren, des Unſchicklichen mit dem Schick - lichen. Daher hat man mit kuͤnſtlichen Gegenſtaͤnden einen Gartenplatz eben ſo oft dem einfach reizenden Gepraͤge der Natur entriſſen, eben ſo oft ihn verunſtaltet, als ihm eine Verſchoͤnerung mitgetheilt, die ſeine Wirkung hebt.

Ein Theil dieſer Gegenſtaͤnde war ſchon in den Gaͤrten der Alten, beſonders der Roͤmer, zu ſehen, welche Baukunſt und Bildhauerey ſo gerne zur Befriedigung ihrer Prachtliebe brauchten. Andere ſind von den Franzoſen, andere von den Brit - ten eingefuͤhrt, und zur allgemeinen Nachahmung gekommen. Sowohl die alte, als auch die neue Manier bedient ſich der Werke der Kunſt, nur mit dem Unterſchiede, daß uͤberhaupt betrachtet jene mehr Verſchwendung und Unſchicklichkeit, dieſe zwar im Ganzen mehr Sparſamkeit und Auswahl, aber auch doch manche ſeltſame Ver - irrungen zeigt.

Es iſt Pflicht, bey dieſen Unterſuchungen ſich zuvoͤrderſt vor allem Vorurtheil zu verwahren, und ſowohl auf der einen Seite die mancherley bisherigen Abweichun - gen von dem Pfade des guten Geſchmacks, die hier ſichtbar werden, zu bemerken, als auch auf der andern Seite den richtigen Gebrauch der Werke der Architektur und der Bildhauerkunſt bey ihrer Einfuͤhrung in die Gaͤrten zu beſtimmen, zu entwickeln, ob und in wie weit ſie Mittel der Verſchoͤnerung und der Verſtaͤrkung der Eindruͤcke der Naturſcenen ſeyn koͤnnen, ihre Lage, Einrichtung und Wirkungen zu zeigen, und neue Ausſichten von ihrer Anwendung zu eroͤffnen. Unterſuchungen dieſer Art hat man bisher unterlaſſen, indem man es bequemer fand, blos der Mode, bald jener, bald dieſer, zu folgen. Es iſt Zeit, die Werke der Kunſt in den Gaͤrten vor den Richter - ſtuhl der Vernunft zu einer genauen Pruͤfung vorzuladen. Und da wir hier von man - nigfaltigen Arten von Gebaͤuden, die man in den Gaͤrten theils zu errichten pflegt, theils noch erfinden kann, zu reden haben, ſo wird dieſe Unterſuchung ſich vornehmlich auf ihre Verhaͤltniſſe gegen die Gartenkunſt und auf einige Erforderniſſe der Schoͤn -heit5Einleitung. heit und des Geſchmacks einſchraͤnken, indem es nicht zu dem Plane dieſes Werks ge - hoͤrt, von den erſten und weſentlichen Grundſaͤtzen der Baukunſt zu handeln.

Man wird beynahe verſucht, es der Liebenswuͤrdigkeit der Gartenkunſt zuzu - ſchreiben, daß ſich die uͤbrigen ſchoͤnen Kuͤnſte ſo geſchaͤftig beweiſen, ſich mit ihr zu vereinigen. Wir haben die Verbindung der Malerkunſt mit ihr geſehen. *)1ſter B. S. 145-153.Auch die Baukunſt ſowohl als die Bildhauerkunſt bemuͤhen ſich, zu ihrer Ausſchmuͤckung beyzutragen. Von jener erhaͤlt ſie Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer; kleinere Gar - tengebaͤude von mancherley Art und Beſtimmung; Tempel, Grotten, Einſiede - leyen, Capellen, Ruinen; Ruheſitze, Bruͤcken, Thore. Von der Bildhauer - kunſt empfaͤngt ſie Statuͤen und Monumente.

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A 3Erſter6Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern.

Man hat ſich vielleicht nirgends mehr, als bey Landhaͤuſern und Gartengebaͤuden, von der reinen Schoͤnheit und edlen Einfalt der Architektur entfernt. *)Nicht blos der falſche Geſchmack der Erbauer, ſondern auch der Architekten ſelbſt, die ſich von den allgemeinen Vorurtheilen blenden ließen, haben daran Antheil. Ei - nige Architekturlehrer haben die Landhaͤuſer zu beſondern Gegenſtaͤnden ihrer Unterſu - chung gewaͤhlt, indeſſen die meiſten nur im Vorbeygehen etwas weniges von ihnen be - merken. Zu den erſten gehoͤrt unter uns beſonders Paul Decker in ſeinem Fuͤrſtlichen Baumeiſter, oder Architectura ciuilis, wie großer Fuͤrſten und Herren Palaͤſte mit ih - ren Hoͤfen, Luſthaͤuſern u. ſ. w. anzulegen und auszuzieren, u. ſ. f. Fol. Augsburg, 2 B. 1711. 1716. Seine Zeichnungen von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern enthalten die aͤußerſten Ueberladungen mit Verzierungen, die nur der uͤppigſte und ausſchweifendſte Geſchmack ausfinden kann. Das Auge weiß nicht, wo es ſich vor der unendlichen Verwirrung hinwenden ſoll; und die Ver - haͤltniſſe, die bey der erſten Anlage des Grundriſſes ſichtbar ſeyn mochten, ſind durch die Menge der Zierrathen ſo verdeckt, daß kaum mehr eine Spur von ihnen zu errathen iſt. Die Grotten dieſes Archi - tekten ſind Palaͤſte, und ſeine Springbrun - nen Ungeheuer in der Zuſammenſetzung. In ſeinen Orangerichaͤuſern haben die Ge -waͤchſe kaum vor den Statuͤen Platz; und der gute Mann haͤlt ſo eifrig auf die Wuͤr - de der Prinzen, daß er ſogar uͤber dem aͤu - ßern Rand der Schornſteine die fuͤrſtliche Krone ausſtellt. Dieſen Geſchmack in der Architektur fand man vormals nicht blos bey Decker, ſondern auch bey andern Bau - meiſtern; man billigte ihn nicht blos in Deutſchland, ſondern auch in andern Laͤn - dern. Doch erhoben ſich einige uͤber dieſe Vorurtheile, z. B. Nette in ſeinen ade - lichen Land - und Luſthaͤuſern: er iſt mehr frey von uͤberfluͤßigen Zierrathen; doch ſind ſeine Formen etwas plump, und ſeine Zeich - nungen uͤberhaupt duͤrftig an Erfindung. Unter den Franzoſen ſind es vornehm - lich Blondel (im Cours d Architecture. 8. Tom. 2. Paris 1771. S. 243-252. und in der Diſtribution des maiſons de plaiſance &c. 4. 2 Tom. Paris 1737. 1738. ) und Briſeux, (im Art de bâtir des maiſons de campagne &c. 4. Paris 1743.) welche ſich vorzuͤglich mit der Architektur der Land - haͤuſer beſchaͤftigen. Wer dieſe Werke be - ſitzt, und eine Vergleichung mit den Unter - ſuchungen, die er hier uͤber dieſe Materie findet, anſtellen kann, der wird ſich bald uͤberzeugen, daß ihr Unterricht nach un - ſerm Plan nicht benutzt werden konnte. AuchLange Zeit herrſchte der Wahn, daß man auch hier eine mit Zierrathen und unendli -chen7und Landhaͤuſern. chen Kleinigkeiten uͤberhaͤufte Groͤße und Pracht, wobey alle guten Verhaͤltniſſe fehl - ten, und Form und Verzierung nicht ſelten in das Abentheuerliche uͤbergiengen, zeigen muͤßte. Die Luſtſchloͤſſer blieben nicht mehr Gebaͤude, die ein wohl geordnetes Ganzes ausmachten; ſie wurden vielmehr ein labyrinthiſcher Hauſe von Gebaͤuden, die ſchlecht zuſammenhiengen, wo das Auge von der Menge der Theile zerſtreut, und von der Unordnung, worinn ſie erſchienen, beleidigt ward. Man ſah ganze Maſſen in einer verdruͤßlichen Verwirrung. Ausdehnung, Plumpheit und Unordnung ward ſelbſt der hervorſtechende Charakter koͤniglicher Luſtſchloͤſſer. Als die Rohigkeit allmaͤhlig uͤberwaͤltigt ward, und Pracht und Ueppigkeit an ihre Stelle traten, erzwang man ſeltſame Figuren; und was der Richtigkeit und Schoͤnheit der Formen abgieng, ſuch - te man mit leeren Zierrathen zu erſetzen. Man fuͤllte die Daͤcher nicht weniger, als die Eingaͤnge mit Statuͤen, die mit der Beſtimmung des Gebaͤudes in gar keiner Verbindung ſtanden; man ſchreckte durch ſeufzende Caryatiden, die ein trauriges Bild der gemarterten Menſchheit darſtellten. Am meiſten fehlte man darinn, daß man den verſchiedenen Charakter und die Beſtimmung der Gebaͤude ganz aus den Augen ſetzte. Ein Orangeriehaus, eine Eremitage, wurden mit eben der Groͤße, mit eben dem Reichthum der Verzierung angelegt, als wenn es die erſten Gebaͤude in Reſidenzſtaͤdten geweſen waͤren; es wurden hier hohe und kuͤnſtliche Treppenwerke, Saͤulenordnungen, Statuͤen, Bildwerke, Marmor und Vergoldung verſchwendet. Noch jetzt ſind auch in Deutſchland Beyſpiele genug von einem ſolchen ausſchweifenden Pomp vorhanden. Es ward faſt eine Seltenheit, unter den fuͤrſtlichen Luſtſchloͤſſern in Europa Gebaͤude anzutreffen, die mit einer gewiſſen edlen Einfachheit ein Ganzes ausmachten, die durch Ordnung, Symmetrie, Schoͤnheit der Form und Wahrheit des Charakters einen angenehmen Eindruck auf das Auge des Kenners machten.

Pomp iſt nicht Wuͤrde, und Ueppigkeit nicht Zierde. Daß Landhaͤuſer der Koͤnige und Fuͤrſten ſich durch ein Gepraͤge des Anſehens und der Pracht auszeichnen,daß*)Auch iſt, einzelne gute Bemerkungen aus - genommen, die Theorie dieſer Architekten oft fluͤchtig und mager, ſo ſehr ſie auch den Ruf fuͤr ſich haben. Beym Briſeux iſt ei - ne unendliche Arbeit von Kupferſtichen ver - ſchwendet; faſt alle Abbildungen von Land - haͤuſern ſehen ſich einander voͤllig gleich. Blondel zeichnet wenige Landhaͤuſer, groͤß - tentheils von einem praͤchtigen und edlen Charakter, vor; nur ſind ſie nach dem ge -meinen Geſchmack noch zu ſehr mit Verzie - rung von Statuͤen uͤberladen. Uebrigens ſind von ſolchen Schriften der Architekturlehrer, welche Anweiſung zur Bauart der Landhaͤuſer geben, noch ſolche Werke unterſchieden, die blos Riſſe und Abbildungen von wirklich errichteten Villen enthalten. Von Werken der letztern Gat - tung ſind die vorzuͤglichſten hin und wieder in dieſer Theorie angefuͤhrt. 8Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſerndaß ſie dem Auge die Groͤße ihrer Bewohner ankuͤndigen, iſt ſowohl in den Regeln der Schicklichkeit, als in den Meynungen der verſtaͤndigſten Architekturlehrer gegruͤn - det. Allein auch mit der Groͤße verbindet ſich gern eine edle Einfalt; und eine reine Schoͤnheit geſellt ſich der Pracht nicht blos zur gefaͤlligen Begleitung, ſondern ſelbſt zur Unterſtuͤtzung bey.

Unter Luſtſchloͤſſern verſtehen wir hier Gebaͤude außer den Reſidenzſtaͤdten in einer geringern oder groͤßern Entfernung von ihnen auf dem Lande, fuͤr Koͤnige und Fuͤrſten zum Genuß der Ruhe und Annehmlichkeiten des Landlebens errichtet. Ob - gleich auch in manchen Provinzen Wohnungen des hohen Adels auf dem Lande den Namen von Luſtſchloͤſſern fuͤhren, ſo wollen wir doch, wenigſtens zur Bequemlichkeit in der Theorie, hier einen Unterſchied machen. Der Adel, der Mann von Stande und Ehrenaͤmtern, der anſehnliche Privatmann, und ſelbſt der Buͤrger haben Land - haͤuſer. Allein dieſe Landhaͤuſer verſtatten nach der Wuͤrde, dem Charakter, dem Stande, dem Reichthum ihrer Beſitzer eine große Verſchiedenheit der Ausdehnung, der Pracht, der Zierlichkeit, der Maͤßigkeit und Beſcheidenheit. Wir koͤnnen daher praͤchtige, edle, zierliche, und blos bequeme Landhaͤuſer unterſcheiden.

Bey allen dieſen Arten von Landhaͤuſern ſowohl, als bey den Luſtſchloͤſſern, kommt es nach den Geſichtspunkten, woraus wir ſie hier betrachten, vornehmlich auf Lage, Anordnung, und Verzierung an. Wir wollen uͤber jedes Stuͤck die noͤthi - gen Bemerkungen machen, welche groͤßtentheils die Architekturlehrer uͤbergehen konn - ten, da ſie nur von dem Mechaniſchen und Weſentlichen der Baukunſt zu handeln unternahmen.

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I. Lage. 9und Landhaͤuſern.

I. Lage.

1.

Sie fordert zwey weſentliche Stuͤcke, Geſundheit und Anmuth.

Worauf man zuerſt bey der Anlage eines Luſtſchloſſes und Landhauſes zu ſe - hen hat, iſt dieſes, daß man eine geſunde von einem heitern Himmel umfloſſene Ge - gend waͤhle, die weder umherſtehende Teiche und Moraͤſte hat, noch zu ſehr in Tiefen und Gebuͤſchen verſteckt iſt, als daß ſie von reinigenden Winden erreicht werden koͤnnte. Auch nicht in ſumpfigten Ebenen und Thaͤlern, noch zu nahe bey einer volkreichen Stadt, deren Ausduͤnſtungen und Rauch oft eine ganze Gegend verderben. Wenn dieſe Regel nicht ſchon dem gemeinen Verſtande durch eine unmittelbare Empfindung beygebracht wuͤrde, und wenn außerdem nicht ſo viele alte und neue Schriftſteller ſie wiederholt haͤtten, ſo koͤnnte man ſich vielleicht weniger daruͤber verwundern, daß ſo oft wider ſie gefehlt wird. Ein falſcher Geſchmack, und eine bejahrte Gewohnheit aus den gothiſchen Zeiten machen oft mit allem Fleiß einen an ſich guten Ort unge - ſund. Bald zieht man rings um das Gebaͤude ſo dichte und hohe Alleen, daß nicht allein ein weſentliches Stuͤck, die Ausſicht, verloren geht, ſondern auch keine erfriſchen - de Kuͤhlung mehr durchdringen kann, und die Luft ohne Bewegung bleibt. Bald wird um die Landhaͤuſer ein tiefer Graben von ſtehendem faulenden Waſſer geleitet, deſſen Ausduͤnſtungen deſto ſchaͤdlicher ſind, je leichter ſie in die nahen Gemaͤcher ein - dringen; da hingegen, wenn das Waſſer fließend waͤre, ſowohl der Nachtheil fuͤr die Geſundheit verſchwinden, als auch das Auge und die Einbildungskraft mehr Erfri - ſchung erhalten wuͤrden. Unbegreiflich iſt es, wie manche Schriftſteller eine ſolche verkehrte Anlage ſogar als nothwendig empfehlen koͤnnen. Alle Landhaͤuſer und Luſtgaͤrten muͤſſen, um angenehm zu ſeyn, mit Graͤben, Mauern, Palliſaden, und dergleichen umgeben ſeyn. So faͤngt ein hollaͤndiſcher Schriftſteller*)Les agrémens de la campagne ou remarques ſur la conſtruction des mai -ſons de campagne, avec fig. 4. Leide. 1750.unter ei - nem blendenden Titel ſeine Theorie an, und bewundert die aͤltern LandhaͤuſerſeinerIII Band. B10Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſernſeiner Landsleute ſo offenherzig, daß ſein Geſchmack mehr Mitleiden als Spott verdient.

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2.

Nach der Geſundheit der Lage iſt die Anmuth zu ſuchen. Dieſe wird von der Natur angeboten und von der Kunſt erhoͤhet; von beyden kann ſie eine unendliche Mannigfaltigkeit erhalten. Die verſchiedenen Lagen und Miſchungen der Berge, Ebenen, Thaͤler, Wieſen, Waͤlder, Gebuͤſche, Seen und Fluͤſſe vervielfaͤltigen ſchon bis zum Erſtaunen die Annehmlichkeit; und der Kunſt iſt es vergoͤnnt, bald durchs Hineinſchaffen, bald durchs Wegnehmen oder Verſetzen, die Menge der natuͤrlichen Abwechſelungen zu vermehren. Der Trieb zum Vergnuͤgen lockt, die angenehmſten Plaͤtze aufzuſuchen, und die Vernunft billigt ihn. Er lehrt uns, keine finſtere Ver - tiefungen, keine leeren von Wald und Gebuͤſch entbloͤßte Ebenen zu waͤhlen, wo die Kunſt nicht leicht den Mangel des Schattens und des fließenden Waſſers erſetzen kann; ſondern offene Schauplaͤtze der Natur, Gegenden, aus welchen uns die Schoͤn - heit und Heiterkeit der Schoͤpfung hell und unaufgehalten entgegen lacht, wo keine Einfoͤrmigkeit, keine Einſchraͤnkung, wie in dem Kerker der Staͤdte, ermuͤdet, wo Freyheit, Vielheit, Groͤße und Mannigfaltigkeit der Scenen und Ausſichten das Auge reizen und den Geiſt beſchaͤftigen. Die Kunſt bietet ihren Beyſtand an, um die Ausſichten zu erweitern und zu verſchoͤnern, dem Waſſer einen Lauf, den Baͤu - men und Gebuͤſchen eine Stellung, dem Schatten und Licht eine Vertheilung zu geben,die11und Landhaͤuſern. die mehr den Reiz des Ganzen erhoͤhen, und ringsumher gleichſam eine neue Schoͤ - pfung hervorrufen.

Eine mittelmaͤßige Anhoͤhe iſt die vortheilhafteſte Lage fuͤr Luſtſchloͤſſer und Land - haͤuſer. Das ſchoͤnſte Gebaͤude in einem niedrigen Grunde verliert immer etwas von ſeinem Anſehen, da es im Gegentheil von einer Hoͤhe ſich mit dem ganzen Eindruck ſeiner Architektur zeigt. Schon in der Ferne reizt es hier mehr das Auge des Reiſen - den, und ladet gleichſam mit einem gaſtfreundſchaftlichen Wink zur Annaͤherung ein. Eine ſolche Lage vermehrt zugleich das Vergnuͤgen des Aufenthalts. Auf dem Gi - pfel eines Huͤgels, oder an dem Abhange eines Berges athmet der Bewohner freyer und vergnuͤgter; indem er die Weite der Landſchaft uͤberſchaut, ſammelt er mehr ent - zuͤckende Bilder, ſchoͤpft er mehr erhabne Empfindungen, hebt ſich leichter uͤber die kleinen Nebel dieſes Lebens hinaus; und bey der Fortſchreitung der Proſpecte, die keine ploͤtzliche und deutliche Auswickelung haben, ſondern ſich unabſehbar in die Daͤmmerung der Ferne hinziehen, verliert ſich ſein Geiſt in ſuͤße Ahndungen von ſei - ner eigenen unbegraͤnzten Fortdauer.

Fuͤr alle Landhaͤuſer iſt die Lage auf einer Anhoͤhe ſehr anpaſſend, die zugleich von der Sorge fuͤr die Geſundheit empfohlen wird, indem ſie von einer reinern Luft beherrſcht, und vor ſchaͤdlichen Feuchtigkeiten, die ſich nach der Tiefe verlieren, mehr bewahrt iſt. Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer der Gutsbeſitzer ſcheinen noch aus beſondern Gruͤnden ihre Lagen auf Anhoͤhen zu fordern. Nicht allein erhaͤlt daher der Eindruck von Hoheit und Wuͤrde eine gewiſſe Verſtaͤrkung; ſondern es iſt auch ein angenehmes Schauſpiel, einen Theil ſeiner eigenen Felder, und die muthigen Beſchaͤftigungen ſeiner gluͤcklichen Unterthanen zu uͤberſchauen.

In den barbariſchen Jahrhunderten des Raubs und der Fehde bauete man die alten Schloͤſſer auf die Spitzen der Berge und Felſen, nicht ſowohl der Ausſicht, als vielmehr der Befeſtigung wegen. Indeſſen betrachten wir, indem wir zwiſchen Wol - ken durchloͤcherte Gemaͤuer und herabhangende Ruinen abgeſtuͤrzter Thuͤrme erblicken, noch jetzt ihre Lage nicht ohne Erſtaunen und Verwunderung. Und wenn man in ſehr ausgedehnten Parks noch jetzt zur Nachahmung alte Bergſchloͤſſer wieder anlegen wollte, ſo wuͤrde die Kuͤhnheit und eine Art von Wildheit der Lage unſtreitig eins der erſten Stuͤcke ſeyn, worauf man ſeine Aufmerkſamkeit zu richten haͤtte. In einer ſolchen wilden und furchtbaren Gegend wuͤrde ſich kein Gebaͤude von einer edlen und ſchoͤnen Architektur ſchicken; die griechiſche Bauart wuͤrde hier zu zierlich ſeyn. Ein gothiſches Schloß, mit ſtarken plumpen und unfoͤrmlichen Maſſen, mit Thurmſpi - tzen und Mauern, woran die Zeit und die Orcane Merkmale ihrer Wut hinterlaſſen, wuͤrde allerdings mit einer ſolchen Lage mehr uͤbereinſtimmen.

B 2Noch12Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

Noch reizender werden Landhaͤuſer auf maͤßigen Anhoͤhen, die am Ufer von ſchoͤnen Fluͤſſen, an Seen, an Einbuchten des Meeres liegen. Denn dadurch ge - winnen ſie nicht allein Ausſichten voll Bewegung; ſondern werden auch ſelbſt im Ge - maͤlde der Landſchaft ein uͤberausſchoͤner Theil von Proſpect. Man hat vorzuͤglich ſowohl in Schweden als auch in der Schweiz von Lagen dieſer Art einen guten Ge - brauch gemacht. Jetzt iſt vielleicht kein Land in Europa, wo man mit Erbauung neuer Landhaͤuſer ſich ſo ſehr beſchaͤftigt, als in dem Gebiete der reichen Genfer an ihrem entzuͤckenden See. Selbſt die Einbildungskraft kann ſich kaum einen Strich bilden, wo in einem ſo kleinen Bezirk ſo viel praͤchtige und zierliche Landſitze und in einer ſchoͤnern Lage an dem Ufer des Sees bey einander geſammelt ſtehen. Und noch immer bauen und zieren ſie voll Wetteifer dieſe Gegend, mit einer verſchwenderiſchen Pracht, und mit einem feinen Geſchmack, zum Entzuͤcken der Fremden; da hinge - gen auf viele Meilen um Bern, in einer Republik, die nach Genf der Sitz des Lu - xus in der Schweiz iſt, ſeit zwanzig Jahren kein neues Landhaus errichtet iſt, und man ſich mit den artigen, reinlichen und bequemen Villen begnuͤgt, die meiſtens in Gaͤrten voll Wein und Obſt von maͤßigen Vaͤtern erbauet worden.

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3.

Reinlichkeit, Ordnung, Geſchmack muͤſſen nahe um Luſtſchloͤſſer und Landhaͤu - ſer am meiſten ausgebreitet ſeyn, und eine Scene darſtellen, wo die Kunſt, ohne den Schein des Gezwungenen, ohne nichtsbedeutende Spielwerke, ſich mit eben ſo vieler Freyheit, als Anmuthigkeit zeigt. Weil der zunaͤchſt angraͤnzende Platz ein Theil von dem Boden iſt, worauf das Gebaͤude ſteht, ſo darf ſich die Regelmaͤßigkeit noch uͤber ihn erſtrecken; er darf nach der Figur des Gebaͤudes abgemeſſen ſeyn, an denSeiten13und Landhaͤuſern. Seiten eine vollkommene Gleichheit haben, und in gerader Linie ſich nach dem Thore oder Zugang ziehen. Ein gaͤnzlicher Mangel von Regelmaͤßigkeit wuͤrde hier be - fremden. Denn ein Gebaͤude iſt ein ſo wichtiger Gegenſtand auf dem Platze, daß es berechtigt iſt, den Einfluß ſeiner Symmetrie auch in die angraͤnzenden Theile auszu - breiten, die noch außer dem Gebiete der Gartenkunſt liegen. Selbſt die Bildhauer - kunſt, die von der Architektur, zur Verzierung des Innern und der Außenſeiten der Gebaͤude, als eine gefaͤllige Gehuͤlſinn herbeygerufen wird, darf ſich auf den Plaͤtzen zeigen, die Luſtſchloͤſſer, praͤchtige und edle Landhaͤuſer umgeben. Sie darf ſie mit Statuͤen, mit Blumengefaͤßen, und andern ſchicklichen Werken zieren, und dieſe Verzierung ſo weit fortſetzen, als die Verbindung des Platzes mit dem Gebaͤude uͤber - ſehen werden kann. Sie darf ſich ſelbſt mit einzelnen Werken bis an das Gebiete des Gartens verlieren, wo die Natur, an deren Werke ſich keine Kunſt weiter wa - gen darf, anfaͤngt ihre Scenen ohne Regelmaͤßigkeit zu eroͤffnen. In England tritt man oft aus einem Palaſte voll Marmor, Gemaͤlden und Gold, auf einmal in eine wilde Gegend. Dieſer Uebergang von der hoͤchſten Pracht der Kunſt zu der nachlaͤßigen Einfalt der Natur iſt zu ploͤtzlich. Der Zwiſchenraum, der zwiſchen beyden Enden liegt, ſollte durch gegenſeitige Verbindungen von Stufe zu Stufe mehr zuſammengezogen ſeyn. Es iſt mehr dem Lauf unſerer Ideen gemaͤß, wenn wir bey dem allmaͤhligen Zuruͤckweichen der Kunſt nach und nach in die angenehme Unordnung der Natur hineinirren.

Man pflegte die Vorplaͤtze vor Landhaͤuſern mit Orangen und Springbrunnen zu bereichern. Sie tragen allerdings zur Anmuth und zur Kuͤhlung bey, und Fon - tainen, wenn ſie nur nicht mit der gewoͤhnlichen widrigen oder unſchicklichen Verzie - rung verunſtaltet ſind, koͤnnen als Werke der Kunſt nahe vor einem Gebaͤude immer Platz haben. Doch vielleicht macht der vormals gar zu allgemeine Gebrauch dieſer Auszierungen der Vorplaͤtze, daß man ſie jetzt weniger liebt. In heißen Laͤndern, wo die Springbrunnen ihren Urſprung genommen, und wo ſie noch am haͤufigſten angetroffen werden, beſonders in Italien und Spanien, ſind ſie eine Art von Be - duͤrfniß, das die noͤrdlichen Reiche nicht kennen.

Die zunaͤchſt vor Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern liegenden Plaͤtze muͤſſen eben ſo wenig durch Hecken und Alleen, als durch Gebaͤude verſperrt werden, ſo gewoͤhnlich es auch iſt, ſich durch Vorlagen dieſer Art, beſonders durch hohe und dickbelaubte Baͤume, einzukerkern. Dieſe, die nicht allein die Luft dumpfig machen, ſondern auch das Ungeziefer, das ſie naͤhren, in die Zimmer bringen, rauben zugleich Land - haͤuſern einen ihrer erſten Vorzuͤge, die Freyheit der Ausſicht. Umzaͤunungen, wieB 3dieſe14Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſerndieſe ſind, hat man in Holland und in Deutſchland haͤufig eingefuͤhrt; ſie ſind zu lange geduldet worden, um noch mehr Nachſicht zu verdienen.

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4.

Die Abſicht, einen ungeſtoͤrten Genuß des Angenehmen zu haben, befiehlt, ganz nahe und vor den Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern nur Gegenſtaͤnde hinzuſtellen, die einen erfreulichen Anblick geben, und alle zu entfernen, die einen ekelhaften Ein - druck zu erregen faͤhig ſind. Nach dieſer Regel wird der Erbauer eines ſchoͤnen Land - hauſes es nicht mit einer Menge von Gebaͤuden, die der Landwirthſchaft gewidmet ſind, als Scheunen, Viehſtaͤllen, und dergleichen, unmittelbar umzingeln, und ſich dadurch der freyen Ausſicht und einer reinen Luft berauben. So ſehr das Gegentheil auch von einer faſt allgemeinen Gewohnheit in verſchiedenen deutſchen Provinzen einge - fuͤhrt iſt, ſo ſehr iſt es doch wider die Beduͤrfniſſe unſerer Vorſtellungskraft und wider den guten Geſchmack. Nicht um etwas, das ohnehin nicht geſchehen wuͤrde, die Um - ſetzung der landwirthſchaftlichen Gebaͤude, die einmal da ſtehen, fordern zu wollen, noch vielweniger aus einer unbilligen Verachtung oͤkonomiſcher Einrichtungen, ſondern blos, um dem kuͤnftigen Erbauer eines Landhauſes einen nuͤtzlichen Wink zu geben, wird dieſe Bemerkung eingeſtreut. Es iſt doch bekannt, wie viele adeliche Landſitze die ſonderbare Anlage haben, daß aus den gerade vor oder allernaͤchſt neben dem Wohnhauſe liegenden Scheunen und Staͤllen mancherley Unbequemlichkeit, Unrei - nigkeit und ekelhafte Empfindungen entſpringen, und daß es oft ertraͤglicher waͤre, in einer engen ſchmuzigen Gaſſe der Stadt, als an einem ſolchen Orte zu wohnen. Nicht einmal zu gedenken, wie viel durch eine ſolche Umzingelung und widrige Nach - barſchaft ſelbſt dem Anſehen des ſchoͤnſten Landhauſes entgehen muß. Und wie wenig Muͤhe wird ein verſtaͤndiger Baumeiſter anwenden duͤrfen, um einen fuͤr die land - wirthſchaftlichen Gebaͤude geſchickten Platz in einer bequemen Entfernung von dem Wohnſitze auszuſuchen?

Nichts15und Landhaͤuſern.

Nichts iſt unſchicklicher und faͤllt ſchlechter in die Augen, als wenn die benach - barte Gegend des Landſitzes oͤde und verwildert iſt, und uͤberall Spuren der vernach - laͤßigten Cultur zeigt, wenn die Wege unverbeſſert und ſchmuzig da liegen, und au - ßer der Gefahr und der Unbequemlichkeit noch verdruͤßliche und ekelhafte Bewegungen erwecken. Es giebt ſo manche ſchoͤne Landhaͤuſer, die das Vergnuͤgen, das ſie ge - waͤhren, nicht wenig durch die Beſchwerlichkeit des Weges ſtoͤren, auf welchem man ſich zu ihnen durcharbeiten muß. Dieſe Sache iſt doch wohl wegen ihres mannig - faltigen oͤffentlichen Einfluſſes keine Kleinigkeit; und wenn alle Beſitzer der Landguͤ - ter in einer Provinz nur einige Jahre hindurch mit vereinigtem Eifer ihre Aufmerk - ſamkeit auf dieſen Punkt, der zum Theil ihre eigene Ehre betrifft, richten wollten, ſo koͤnnten viele Gegenden bald die Verbeſſerung erhalten, die bisher nur noch gewuͤnſcht iſt. Will man auch nicht auf die Verſchoͤnerung ſehen, die dadurch einem Lande zu - waͤchſet, ſo ſollte doch der ausgebreitete Nutzen eine Anſtalt von dieſer Art befoͤrdern.

Ein Weg in der Nachbarſchaft eines Ritterſitzes ſollte ſich doch wohl von der gemeinen Landſtraße unterſcheiden, und durch mehr Bequemlichkeit, Anmuth und Zierde einen vorlaͤufigen anſtaͤndigen Begriff von dem Charakter des nahen Wohn - hauſes und von der Wuͤrde ſeines Beſitzers erwecken. Er kann, um mehr Verſchoͤ - nerung anzunehmen, nach der Beſchaffenheit der Gegend, bald hie, bald da, zur Gewinnung angenehmer Proſpecte eine Kruͤmmung machen; und die Veraͤnderung der Auftritte verguͤtet den laͤngern Umweg.

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II. An -16Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

II. Anordnung.

Luſtſchloͤſſer unterſcheiden ſich von Landhaͤuſern durch mehr Groͤße, Wuͤrde und Pracht. Landhaͤuſer vom erſten Range, zur Bewohnung des hohen Adels be - ſtimmt, kommen ihnen am naͤchſten; und je mehr Stand und Reichthum der Beſitzer herabſteigt, deſto mehr muß Groͤße, Pracht und Zierde, in Maͤßigkeit und Beſchei - denheit uͤbergehen.

Obgleich Luſtſchloͤſſer Wohnungen der Koͤnige und Fuͤrſten ſind, ſo erfordern ſie doch nicht den Umfang, die Hoheit und die Pracht der Palaͤſte in Reſidenzſtaͤdten. Dieſe ſind hier nicht allein beſtaͤndige Wohnungen der Landesregierer und ihrer Fami - lien, ſondern auch Gebaͤude, wo der Regent ſeine großen Geſchaͤfte beſorgt, wo er ſeine Raͤthe und Regierungscollegien zuſammenruft, wo er fremden Geſandten Gehoͤr giebt, wo ſich der Adel und die Staatsbedienten verſammeln, wo oͤffentliche Feſte ge - geben werden. Ein ſolches Gebaͤude muß demnach nicht blos einen weiten Umfang haben, ſondern auch vorzuͤgliche Groͤße und Pracht in allen ſeinen innern Theilen zei - gen. Es muß in ſeinen Außenſeiten uͤberall das Gepraͤge der Wuͤrde und Hoheit tragen, und einen Eindruck von Ehrfurcht und Bewunderung rings um ſich verbreiten. Allein ein Luſtſchloß iſt von einer andern Beſtimmung. Der Landesfuͤrſt legt hier gleichſam ſeinen oͤffentlichen Charakter, den er mitten unter ſeinem Volke behauptet, nieder; er tritt in die Ruhe des Privatlebens ein. Ein großer Theil des Schwarms, der ihn ermuͤdete, bleibt zuruͤck; er will ſich der Zaͤrtlichkeit ſeiner Familie, den Ver - gnuͤgungen der Freundſchaft uͤberlaſſen; er will ſich in der Einſamkeit erholen, durch die ſanften Freuden der Natur ſich erquicken; er will, um ſich als Menſch gluͤcklich zu fuͤhlen, vergeſſen, daß er Koͤnig iſt. Wohnungen zu dieſen Abſichten beſtimmt, duͤr - fen nicht den großen und praͤchtigen Charakter der Reſidenzſchloͤſſer tragen. Sie muͤſſen indeſſen immer einen gewiſſen Theil von Hoheit und Groͤße behalten.

Mit den Landhaͤuſern des Adels verhaͤlt es ſich etwas anders. Er iſt mehr fuͤr das Land als fuͤr die Stadt. Er hat gewoͤhnlich ſeinen beſtaͤndigen Aufenthalt bey ſeinen Laͤndereyen, zu deren Cultur und Wohlſtand ſeine Gegenwart faſt unent - behrlich ſcheint. Er hat hier ſein Eigenthum und ſeine Herrſchaft; er giebt ſeinen Unterthanen Gehoͤr, er ſpricht ihnen das Recht. Da er auf dem Lande den Sitz ſei - ner Herrſchaft hat, ſo darf er ſchon mit Schicklichkeit hier praͤchtiger bauen, als in der Reſidenz, wo ſein Anſehen ſich in das Gepraͤnge des Hofes und der erſten Staats - bedienten verliert, oder doch ſeine Abhaͤngigkeit mehr bemerkbar iſt. Nach dieſenBemer -17und Landhaͤuſern. Bemerkungen kann der Charakter der Landhaͤuſer des Adels in Wuͤrde, mit einer ge - wiſſen Pracht verbunden, beſtehen.

Landhaͤuſer anderer Beſitzer von Stande, die jedoch kein gewiſſes Eigenthum von Land haben, in deſſen Bezirk ſie liegen, ſind als Wohnungen von Privatperſonen anzuſehen, deren Charakter ſich durch Zierlichkeit und Feinheit auszeichnet. Groͤße und Pracht ſind von ihm entfernt.

Buͤrgerliche Landhaͤuſer ſind auf das Anſtaͤndige und Nette eingeſchraͤnkt; eine Entfernung von allem Ueppigen und Glaͤnzenden, eine edle Maͤßigkeit und Beſchei - denheit macht ihre charakteriſtiſche Zierde. Der Reichthum muß ſich mit keiner Pracht aufdringen; ein gefaͤlliger Geſchmack muß ihre Stelle vertreten.

Nach dieſen hier angefuͤhrten Unterſchieden iſt der ſchickliche Charakter der Luſt - ſchloͤſſer gemilderte Hoheit und Groͤße; der Landſitze des Adels, Wuͤrde mit maͤßiger Pracht; der Landhaͤuſer der Privatperſonen von Stande, Zierlichkeit und Feinheit; der Landhaͤuſer des Buͤrgers, Anſtaͤndigkeit, Nettigkeit und Beſcheidenheit.

Außerdem giebt es einen eigenthuͤmlichen Charakter fuͤr Luſtſchloͤſſer und Land - haͤuſer, der allen zukommt, und eine edle Einfalt, Leichtigkeit, Freyheit, Schoͤnheit und Anmuthigkeit in ſich faßt. Dieſer Charakter iſt ſowohl in der Beſtimmung als in der Lage dieſer Gebaͤude gegruͤndet. Man ſucht in ihnen einen ruhigen und freyen Genuß der Vortheile des Landlebens und der Annehmlichkeiten der Natur. Und weil dieſe rings um ſie her lachen, ſo erfordert der Begriff der Schicklichkeit und das Ver - gnuͤgen der Uebereinſtimmung, daß ſolche Wohnungen, in der Verbindung mit ſo reizenden und heitern Gegenſtaͤnden, ſich nicht zu merklich von ihrem Hauptcharakter entfernen. Eine elende Huͤtte in einer oͤden Wuͤſte befremdet nicht; aber ein ſchlecht gebauetes Landhaus in einer lachenden Landſchaft ſtoͤrt die Bewegung, die dieſe er - weckt. Da Gebaͤude gemeiniglich den erſten Eindruck machen, der ſich uͤber das Ganze der Landſchaft ausbreitet, ſo ſollte man darauf bedacht ſeyn, daß dieſer Ein - druck weder widerſprechend noch zu matt ſey. Nur durch eine fuͤhlbare Uebereinſtim - mung des Charakters des Landhauſes mit dem Charakter der Landſchaft kann eine ver - ſtaͤrkte angenehme Bewegung erhalten werden. Denn es wuͤrde zu den ſeltſamſten Verirrungen verleiten, wenn man ſichs einfallen ließe, das Gebaͤude und die Gegend in einen Contraſt gegen einander ſetzen zu wollen.

Bey der Anordnung eines Landhauſes muß der Architekt zuvoͤrderſt nicht allein auf den allgemeinen Charakter, der Gebaͤuden dieſer Art eigenthuͤmlich zugehoͤrt, ſon - dern auch auf den beſondern Charakter, den er nach den oben angezeigten Unterſchie - den ſeinem Werke zu geben hat, ſeine Aufmerkſamkeit richten. Und die beſtaͤndige und genaue Vorſtellung von dieſem Charakter muß ihn bey der Wahl, bey der Be -III Band. Cſtimmung,18Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſernſtimmung, bey der Ausbildung, bey der Verbindung, und ſelbſt bey der Verzierung aller innern und aͤußern Theile leiten. Zur Beurtheilung und Anordnung der wich - tigſten von dieſen Theilen ſelbſt koͤnnen folgende Bemerkungen behuͤlflich ſeyn.

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1.

Nach Vorausſetzung alles deſſen, was zur Nothwendigkeit eines Wohngebaͤu - des gehoͤrt und zur Bequemlichkeit ſeiner Einrichtung, die nach den Abſichten und Beduͤrfniſſen des Bewohners ſehr verſchieden ſeyn kann, kommt es bey der Anordnung, in ſo ferne ſie den Regeln des Geſchmacks unterworfen iſt, zuerſt auf die Form an.

Je einfacher die Form iſt, und je weniger ſie daher die Aufmerkſamkeit zer - theilt, deſto vorzuͤglicher iſt ſie. Wir finden mehr Vergnuͤgen an einem Quadrat, als an einem Sechseck oder Achteck; die Regelmaͤßigkeit, die in allen gleich iſt, kann dieſen Unterſchied der Wirkung nicht erzeugen, ſondern die groͤßere Einfachheit, die ein Quadrat hat. Jede Figur, welche die Aufmerkſamkeit zu ſehr zwiſchen Seiten und Winkel vertheilt, hat eine geringere Wirkung, als eine andere, die durch Ein - fachheit einen ungetheilten Eindruck macht. Keine Eigenſchaft gehoͤrt mehr zu der Schoͤnheit der Architektur, als dieſe; die Kunſt verliert, ſo bald ſie in ſchwere und verwickelte Formen uͤbergeht. Die ganze Maſſe eines Gebaͤudes muß daher eine ein - zige, ungetheilte und vollſtaͤndige Figur vorſtellen, die angenehm ins Auge faͤllt.

Fuͤr Gebaͤude laſſen ſich keine andere Figuren waͤhlen, als die aus dem Viere - ckigten und Runden beſtehen. Die elendeſte Figur eines Gebaͤudes, in Abſicht ihrer Wirkung auf das Auge, iſt das Dreyeck.

Das19und Landhaͤuſern.

Das Runde hat unſtreitig in Gebaͤuden einen ſehr angenehmen Eindruck, weil es ohne alle Winkel einen ununterbrochenen Umkreis beſchreibt. Es ſcheint ſich vor - zuͤglich fuͤr kleinere Gebaͤude, deren Umfang nicht ſo groß iſt, daß das Auge ihn nicht gleich auf einmal bequem umfaſſen koͤnnte, zu ſchicken; indeſſen hatten die Tempel des Alterthums, bey ihrer maͤßigen Groͤße, zuweilen dieſe Form.

Das Viereck hat zur Anlegung der innern Theile mehr Bequemlichkeit; auch hat es, wie ſchon bemerkt iſt, eine vorzuͤgliche Einfachheit, bey welcher das Auge die Uebereinſtimmung der Außenſeiten und die Verhaͤltniſſe der Linien gegen einander leicht wahrnehmen kann. Ein in die Laͤnge gezogenes Viereck aber, wobey das Ge - baͤude um drey und noch mehr mal breiter als tief iſt, hat nicht die Regelmaͤßigkeit und Einfoͤrmigkeit in den Theilen, als ein Quadrat; man ſieht es fuͤr eine verfehlte Figur eines Vierecks an; und die Theile der Außenſeiten werden zu weit von einander getrennt. Eine gar zu gedehnte Laͤnge zerſtoͤrt außerdem noch die Groͤße des ganzen Gebaͤudes.

Bey einem zierlichen oder artigen Landhauſe wird ein einzelnes Viereck hinrei - chen. Bey andern Landhaͤuſern, die mehr Raum und Groͤße erfordern, kann man das Ganze aus mehr Vierecken zuſammenſetzen, entweder daß man nach dem aͤltern italiaͤniſchen Geſchmack um die Hauptwohnung noch drey Fluͤgel in ein Viereck her - umzieht, oder, nach der beſſern Abaͤnderung der franzoͤſiſchen Architekten, den einen Fluͤgel weglaͤßt, welcher der Hauptwohnung (Corps de logis) gegenuͤber ſteht. Je - ne Anordnung hat viel Pracht, zumal wenn das Gebaͤude aus mehrern Geſchoſſen be - ſteht; allein ſie hat zugleich ein dunkles und feyerliches Anſehen, das ſich beſſer fuͤr das Ehrwuͤrdige eines Kloſters, als fuͤr die Freyheit und Heiterkeit eines Luſtſchloſſes ſchickt, zumal da alle Ausſicht auf den innern Bezirk des Hofes eingeſchraͤnkt iſt. Die franzoͤſiſche Anordnung ſtimmt mit dem Charakter eines Luſtſchloſſes und Land - hauſes von einem praͤchtigen und edlen Charakter mehr uͤberein. Sie faͤllt bey dem Eingange mit einer gewiſſen Pracht und Wuͤrde in die Augen, und verſtattet zugleich von allen drey Seiten, am meiſten aus der Hauptwohnung und den Enden der bey - den Fluͤgel, eine freye Ausſicht auf den Vorplatz. Nur muß der Eingang mit keiner hohen Mauer verſperrt ſeyn; er kann ganz offen bleiben, oder er muß, wenn man Verſchließung verlangt, mit einem leichten Gitter im guten Geſchmack verſehen werden.

Inzwiſchen ſcheint keine Anordnung mit der Freyheit, Schoͤnheit und Anmu - thigkeit eines Luſtſchloſſes und Landhauſes mehr verwandt zu ſeyn, als diejenige, nach welcher man der Hauptwohnung zwey mit ihr in einer geraden Linie fortlaufende Fluͤ - gel giebt. Durch dieſe Anordnung faͤllt bey dem Zugange das Gebaͤude mit ſeinerC 2ganzen20Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſernganzen Vorderſeite ungetheilt und vollſtaͤndig in die Augen; es zeigt auf einmal die Verhaͤltniſſe ſeiner Theile, die Vollkommenheit ſeiner Symmetrie und die Schoͤnheit ſeiner Außenſeiten; es reizt und beſchaͤftigt ſchon in der Ferne den Blick, kuͤndigt Freyheit und Heiterkeit an. Und dem Bewohner verſtattet es aus den Fluͤgeln nicht weniger, als aus der Hauptwohnung, eine gleiche unverhinderte Ausſicht. Die Fluͤgel koͤnnen etwas niedriger als die Hauptwohnung ſeyn; nur muͤſſen ſie ſowohl mit ihr in einem ſchicklichen Verhaͤltniſſe ſtehen, als auch eine angemeſſene Laͤnge ha - ben, wodurch die ganze Außenſeite nicht zu ſehr gedehnt wird.

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2.

Die Mehrheit der Geſchoſſe iſt nicht nothwendig zur Pracht eines Gebaͤudes erforderlich, wie man zuweilen geglaubt hat. Ein Gebaͤude kann drey und mehr Stockwerke haben, ohne dadurch einen Antheil an Pracht zu gewinnen; ſo wie hin - gegen ein Gebaͤude, das blos aus dem Erdgeſchoß beſteht, dennoch ein ſehr praͤchtiges und großes Anſehen haben kann, wie verſchiedene Beyſpiele beweiſen. Wenn dasGebaͤude21und Landhaͤuſern. Gebaͤude auf einer Erhoͤhung liegt, ſo kann es ſchon aus den unterſten Zimmern eine angenehme Ausſicht genießen. Wo Nothwendigkeit oder Bequemlichkeit mehrere Geſchoſſe empfehlen, da muß, zum guten Anſehen der Außenſeite, ihre Abtheilung durch Baͤnder und Geſimſe deutlich bezeichnet ſeyn, wenn nicht etwa ſchon Saͤulen oder Pilaſter angebracht ſind.

Das Anſehen eines Gebaͤudes wird am meiſten durch die Anordnung der Au - ßenſeiten bewirkt. Sie muͤſſen nicht allein ein Werk der Regelmaͤßigkeit, der Ord - nung und Symmetrie darſtellen, ſondern auch den allgemeinen Charakter der Luſt - ſchloͤſſer und Landhaͤuſer, Einfalt, Leichtigkeit, Freyheit, Schoͤnheit und Anmuthig - keit an ſich tragen. Sie muͤſſen, nach den beſondern verſchiedenen Charaktern der Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer ſelbſt, auch die beſondern Empfindungen der Hoheit, der Pracht, der Wuͤrde, der Zierlichkeit, der Feinheit, der Anſtaͤndigkeit und Beſchei - denheit erregen.

Die Außenſeite muß am meiſten dem Charakter des Gebaͤudes gemaͤß ſeyn, weil ſie zuerſt in die Augen faͤllt, und ſeine Beſtimmung ankuͤndigen ſoll. Sie muß eine edle Einfalt haben, womit die Pracht noch immer vereinbar iſt, nicht durch eine große Mannigfaltigkeit und Zerſtuͤckung in einzelne Theile zerſtreuen; keinen Ueber - fluß von Zietrathen zeigen, welche die Haupttheile bedecken; keine Nebendinge, ſelbſt keine ſo reiche Verzierung eines weſentlichen Theils, die das Auge von der Betrach - tung des Ganzen abziehen; keine Menge von Winkeln oder hervorragenden Spitzen, die allen Eindruck der Groͤße und Pracht aufheben, und die Wirkung des Ganzen auf eine fuͤhlbare Art vernichten. Eine voͤllige Gleichheit der Theile, wovon ſich keiner auszeichnet, giebt ein mageres Anſehen. Die Haupttheile muͤſſen ſich daher mit ei - ner vorzuͤglichen Schoͤnheit heben, und das Auge an ſich locken, ohne es von den an - dern Theilen, die mit zum Ganzen wirken, voͤllig abzuziehen. Der Haupteingang muß die meiſte Pracht oder Zierde zeigen; er muß gerade in der Mitte liegen, von welcher das Auge die uͤbrigen Theile durchlaͤuft, und ſich an ihrer Uebereinſtimmung und Symmetrie ergoͤtzt.

Die Fenſter ſind, außer der Nothwendigkeit, zugleich Mittel der Verſchoͤne - rung der Außenſeiten, die ſonſt ein kahles Anſehen haben wuͤrden, zumal wenn ſie nicht mit Saͤulen und Pfeilern verziert ſind. Die Zahl der Fenſter muß ſowohl von der innern Bequemlichkeit des Gebaͤudes, als auch von der Verſchoͤnerung der Außen - ſeiten abhaͤngig ſeyn. Dieſe haben bey einer gar zu großen Sparſamkeit der Fenſter ein leeres und trauriges Anſehen. Die Menge der Fenſter aber zerſchneidet die Auſ - ſenſeiten in gar zu kleine Theile, ſchwaͤcht dadurch den Begriff der Feſtigkeit, der bey der guten Wirkung eines Gebaͤudes unentbehrlich iſt, und mindert den Eindruck derC 3Groͤße22Erſter Abſchnitt. Von LuſtſchloͤſſernGroͤße und Simplicitaͤt, der die Seele auf eine ſo angenehme Art ruͤhrt. Die Groͤße der Fenſter muß mit dem Ganzen des Geſchoſſes, worinn ſie ſich befinden, in einem Verhaͤltniſſe ſtehen, wodurch das Auge ergoͤtzt wird. Am beſten nehmen ſich die Fenſter aus, wenn ſie halb ſo breit, als hoch, ſind. Die Figur des Vierecks hat hier einen Vorzug vor dem Runden und vor den Bogen, die gegen die ſenkrecht herun - terlaufenden und die waagerecht queeruͤberlaufenden Linien der Außenſeiten eine eben ſo ſeltſame Abſtechung, wie eine runde Thuͤr zwiſchen viereckichten Fenſtern, und zu - gleich viele Winkel machen, die man oft wieder mit Muͤhe vergebens zu verbergen ſucht. Die Giebel der Fenſter, ſo haͤufig man ſie auch antrifft, ſind ein uͤberfluͤßiger, und fuͤr die Einfalt der Außenſeite ſehr unſchicklicher Zierrath.

Auch die Fluͤgel, die als Nebengebaͤude an den Seiten der Hauptwohnung an - gehaͤngt werden, koͤnnen ſehr viel zur Verſchoͤnerung der ganzen Außenſeite beytragen. Sie ſind gleichſam fortlaufende Theile der Hauptmaſſe; ſie muͤſſen daher mit ihr die abgemeſſenſte Uebereinſtimmung und noch immer Antheil an dem Charakter des Haupt - werks behalten, wenn ſie gleich nicht voͤllig eine gleiche Hoͤhe mit ihr erfordern, außer - dem auch weniger Verzierung zulaſſen. Eine vollkommene Richtigkeit der Verhaͤlt - niſſe, Symmetrie, Einfalt, und Entfernung alles Ueppigen und Verſchwenderiſchen, muß bey den Fluͤgeln wahrgenommen werden, wenn ſie den Eindruck der Groͤße zu verſtaͤrken beytragen ſollen.

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Allein eines der wichtigſten Mittel der Verſchoͤnerung der Außenſeiten geben die Saͤulenordnungen und Saͤulenlauben, die aus der Baukunſt der Alten in die Bau - kunſt der Neuern, beſonders der Italiaͤner, uͤbergegangen ſind.

Die23und Landhaͤuſern.

Die Saͤulenordnungen, die zuerſt von der Nothwendigkeit eingefuͤhrt, und all - maͤhlig als Gegenſtaͤnde der Schoͤnheit von dem Geſchmack bearbeitet worden, geben nicht nur den Gebaͤuden uͤberhaupt mehr Leben, Zierde und Wuͤrde, ſondern ſie ent - halten auch nach Form, Verhaͤltniſſen und Verzierungen einen beſtimmten, ſich un - terſcheidenden Charakter. Die korinthiſche, die ein hohes und ſchlankes Anſehen, Reichthum von Zierrath, Mannigfaltigkeit und erhabne Pracht hat, wuͤrde ſich am beſten zu Reſidenzſchloͤſſern in großen Staͤdten ſchicken. Fuͤr Luſtſchloͤſſer ſcheint ſie zu reich und praͤchtig zu ſeyn. Dieſen waͤre vielleicht mehr die roͤmiſche Ordnung zu empfehlen, die ebenfalls eine anſehnliche, ſchlanke und ſchoͤne Geſtalt, aber nicht den Reichthum der korinthiſchen hat; ihre Pracht iſt mehr gemaͤßigt. Edle Landhaͤuſer aber ſcheinen ſich die ioniſche, die zwiſchen dem Ernſt der doriſchen und der hohen Schoͤnheit der korinthiſchen in der Mitte ſteht, mit Recht zuzueignen: denn ſie ver - bindet mit Einfalt eine beſcheidene Zierlichkeit und eine feine Annehmlichkeit; ihre Geſtalt gefaͤllt, ohne zu blenden, und nimmt das Auge mit ihrem ſanften Reiz ein. Sie kann ſelbſt an Luſtſchloͤſſern, die aus mehrern Etagen beſtehen, vortheilhaft ange - bracht werden, indem ſie alsdann uͤber die doriſche, die wegen ihrer Staͤrke und großen Einfachheit dem unterſten Stockwerk zukommt, ſich an dem zweyten Geſchoß erhebt, und dem Auge eine angenehme Vergleichung zwiſchen ihrer lebhaftern Anmuth und dem ernſthaften Weſen ihrer aͤltern Schweſter verſtattet.

Die Saͤulenlauben, welche die Griechen und Roͤmer ſo gerne bey ihren mei - ſten praͤchtigen Gebaͤuden ſowohl zur Bequemlichkeit als auch zur Verſchoͤnerung an - brachten, koͤnnen entweder als Theile, welche den Seiten der Hauptwohnung ange - haͤngt werden, oder als fuͤr ſich beſtehende Werke, die ein Ganzes ausmachen, be - trachtet werden. Wir fuͤhren ſie hier in dem erſten Geſichtspunkte an. Sie ver - ſchaffen nicht allein einen vor Regen und Sonnenſtrahl beſchuͤtzten Spaziergang, und angenehme Sitze in den Stunden der Ruhe; ſondern geben auch den Gebaͤuden ein heiteres und praͤchtiges Anſehen. Sie verſtatten zugleich uͤber ſich offene Gallerien, als neue Plaͤtze des Spaziergangs und der erweiterten Ausſicht. Sie ſchicken ſich vorzuͤglich fuͤr Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer von einem praͤchtigen und edlen Charakter; fuͤr die mittlern Arten der Villen enthalten ſie zu viel Pracht. Der Raum zwiſchen den Saͤulen kann mit Statuͤen, und die Wand mit Gemaͤlden belebt werden. Man findet dieſe ſchoͤne Saͤulenlauben bey einigen italiaͤniſchen Landhaͤuſern, beſonders des Palladio. Doch iſt ihr Gebrauch jetzt ſelbſt in Italien nur ſelten, und in andern Laͤndern noch weniger eingefuͤhrt. Es iſt wahr, daß ſie vornehmlich dem waͤrmern Klima, unter welchem ſie entſtanden, angemeſſen ſind. Da ſie indeſſen doch ſo viel zur Pracht eines Gebaͤudes beytragen, und in den Sommermonaten uͤberall einen be -quemen24Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſernquemen und angenehmen Gebrauch anbieten, ſo waͤre zu wuͤnſchen, daß ſie beſonders bey Luſtſchloͤſſern und edlen Landhaͤuſern, fuͤr welche ſie ſich ſo ſehr ſchicken, mehr an - getroffen wuͤrden.

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3.

Das Dach iſt zwar ein zur Schoͤnheit entbehrlicher Aufſatz. Aber er iſt nun einmal ein nothwendiger Theil, und man muß ihn ſo gut, als es moͤglich iſt, bear - beiten, daß er dem guten Anſehen des Gebaͤudes keinen Eintrag thue.

Je niedriger und flacher ein Dach iſt, deſto mehr Vorzug hat es. Das ein - fache Dach ſchickt ſich am beſten fuͤr Landhaͤuſer. Das gebrochene Dach oder die Manſarde iſt zwar bey großen Landhaͤuſern, wegen des Bodenraums, bequem. Allein die Manſarde giebt ein etwas ſchwerfaͤlliges Anſehen, nicht zu gedenken, daß es ſowohl oft Unannehmlichkeit, als auch eine gewiſſe Unſchicklichkeit iſt, den Aufent - halt der Bedienten, wozu der Bodenraum gebraucht zu werden pflegt, uͤber den Wohnzimmern der Herrſchaften anzulegen.

Die25und Landhaͤuſern.

Die ſchoͤnſten Daͤcher ſind die Kupeln, die runden Gebaͤuden zukommen. Sie geben ſchon in der Ferne einen praͤchtigen Anblick, und faſt moͤchte man ſie ſchon aus dieſem Grunde empfehlen, wenn runde Gebaͤude nicht ſchon uͤberhaupt in Anſehung die - ſer Figur ſo viel Schoͤnheit enthielten. Uebertrifft die Hoͤhe der Kupel ihre Breite, ſo wird dadurch das gute Anſehen vermehrt; denn die Form einer halben Kugel iſt zu platt. Kupeln ſcheinen vorzuͤglich zierlichen Landhaͤuſern angemeſſen, die aus einer runden einfachen Hauptwohnung ohne Fluͤgel oder Nebengebaͤude beſtehen, und ſich durch Feinheit und Anmuthigkeit auszeichnen ſollen. Sie verſtatten das von oben einfallende ſchoͤnere Licht, und nehmen ſich inwendig, bey Verzierung mit Bildhauer - werken und Deckengemaͤlden, vortrefflich aus.

Auch laͤßt ſich zuweilen auf Landhaͤuſern ein ganz flaches Dach anlegen, mit einer freyen Gallerie uͤber dem Gebaͤlke, mit welchem ſich eigentlich das Gebaͤude endigt, und daher einen erhoͤheten Aufſatz uͤberfluͤßig macht. Die Gallerie iſt mit einem Docken - gelaͤnder zu umgeben, das bey der noͤthigen Feſtigkeit mit Zierlichkeit gebauet ſeyn muß. Man genießt hier eine freye Ausſicht, und ſchoͤpft in den Stunden des Abends eine angeneh - me Kuͤhlung; daher dieſe Anordnung ſich am meiſten zu Landhaͤuſern und Gartengebaͤuden ſchickt, und beſonders in heißen Laͤndern, wo außerdem wenig Regen faͤllt, geliebt wird.

Thuͤrme ſcheinen mit der Freyheit und Anmuthigkeit eines Luſtſchloſſes oder Land - hauſes nicht recht vereinbar, indem ſie faſt immer dem Gebaͤude ein plumpes oder doch ſchweres Anſehen geben. Sie erneuern außerdem das Andenken der rauhen Jahr - hunderte, da ſie bald bloße Befeſtigungswerke, bald Magazine des Raubes, bald Gefaͤngniſſe der Schwaͤchern waren.

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III Band. DIII. Ver -26Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

III. Verzierung.

1.

Die Verzierungen, die den weſentlichen Theilen der Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer zur Vermehrung der Annehmlichkeit beygefuͤgt werden, koͤnnen hier ſo wenig gleich - guͤltig ſeyn, als bey jedem andern Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte. Sie muͤſſen zuvoͤrderſt in keinem leeren Schimmer beſtehen, der nur das Auge blendet, nichts Ueppiges noch Ausſchweifendes haben. Sie muͤſſen eine allgemeine Schicklichkeit zu Gebaͤuden uͤberhaupt haben, aus der Natur der Anordnung zu entſpringen ſcheinen, faͤhig ſeyn, die Wirkung eines jeden weſentlichen Theils, dem ſie zugefuͤgt werden, zu heben, und angenehmer fuͤr das Auge zu machen. Sie muͤſſen mit Ueberlegung und Sparſam - keit angebracht werden, damit ſie nicht dem Eindrucke der weſentlichen Theile Eintrag thun, nicht die Form verdecken, nicht der Einfalt und der ſtillen Pracht der Haupt - ſtuͤcke ſchaden. Sie muͤſſen ſowohl dem Stande und Reichthum des Bewohners, als auch dem Charakter der Landhaͤuſer angemeſſen ſeyn, eine Bedeutung, eine Beziehung haben, die dahin weiſet. Sie muͤſſen endlich dem beſondern Charakter eines Land - hauſes gemaͤß ſeyn, indem die zierliche und artige Ville nicht die Pracht und den Reichthum der Verzierung vertraͤgt, die Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer der erſten Klaſſe zu fordern berechtiget ſcheinen. Grundregeln genug, um die Schritte des Kuͤnſtlers bey der Verzierung zu leiten, oder ſie vielmehr vor Abwegen zu bewahren!

In ſo ferne ſelbſt auf das Vermoͤgen des Beſitzers, bey der Ausſchmuͤckung ſeines Landhauſes, Ruͤckſicht zu nehmen iſt, muß das mehr oder weniger Reiche und Koſtbare ſeinem Gutachten, ſo wie die ganze Einrichtung zum bequemen Gebrauch, uͤberlaſſen ſeyn. Man muß hiebey bemerken, daß man bey Verzierungen viel leich - ter in Anſehung des Ueberfluͤßigen, als des Duͤrftigen, zu fehlen pflegt, und daß man immer ſicherer geht, wenn man bey dieſer Sache zu wenig, als wenn man zu viel thut. Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer duͤrfen uͤberhaupt nicht den Reichthum und die Pracht der Ausſchmuͤckung zeigen, die ihre Bewohner in Stadtpalaͤſten auszubreiten gewohnt ſind; ſie muͤſſen ſich mehr der reizenden Einfalt der Natur, der prunkloſen Mittelmaͤßigkeit des Lebens naͤhern.

So wie die Form und die Anordnung der Außenſeiten dem herannahenden Zu - ſchauer den beſtimmten Charakter des Landhauſes ankuͤndigen muß, ſo muß er auch, indem er hineintritt, durch die ganze innere Einrichtung und Ausſchmuͤckung dieſenCha -27und Landhaͤuſern. Charakter ausgebreitet ſehen. Jeder Theil muß die Verzierung zeigen, die ihm nicht blos nach einer allgemeinen Schicklichkeit zukommt, ſondern die er, nach dem beſon - dern Charakter des Landhauſes, als eigenthuͤmlich fordern zu muͤſſen ſcheint. Die angenehme Wirkung des Anpaſſenden der Verzierung und der genaueſten Ueberein - ſtimmung kann noch durch den Reiz der Mannigfaltigkeit erhoͤhet werden. Denn ein Speiſeſaal verlangt eine andere Verzierung, als ein Schlafkabinet oder Studierzim - mer. Und die Verzierungen ſelbſt ſind ſchon ſowohl durch die Materie, als auch durch die Art und Kunſt der Bearbeitung verſchieden.

Die Verzierungen ſind theils innere in den Fluren, Saͤlen und Gemaͤchern, theils aͤußere an den Außenſeiten des Gebaͤudes. Es moͤgen Gemaͤlde, Laub - und Schnitzwerke, Vaſen, Statuͤen, u. ſ. w. ſeyn; ſo muͤſſen ſie einen Geſchmack von Laͤndlichkeit, eine Beziehung auf die Freyheit, Anmuthigkeit und Heiterkeit des Lan - des und der Gaͤrten haben.

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D 22. Wie28Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

2.

Wie den Kirchen Vorſtellungen der Andacht, und den Palaͤſten der Koͤnige Ab - bildungen großer Thaten des Muths und der Menſchenliebe beſonders eigenthuͤmlich zukommen: ſo koͤnnen auch Landſchaftgemaͤlde, ohne eben Bildniſſe, geſellſchaftliche, hiſtoriſche und allegoriſche Stuͤcke auszuſchließen, in den Landhaͤuſern den erſten Platz verlangen. Die reiche und mannigfaltige Natur, auch wenn wir ſie taͤglich vor Au - gen haben, ſaͤttigt nicht ſo ſehr, daß ſie uns nicht in einer gluͤcklichen Nachahmung wieder gefallen ſollte. Die ſchoͤpferiſche Kunſt des Landſchaftmalers weiß der Phan - taſie tauſend neue Bilder vorzuzaubern, die ſie gerne auffaͤngt, weil ſie ſich gerne aus ihnen ein frohes Schauſpiel erneuert. In Zimmern, mit ſchoͤnen Landſchaftgemaͤl - den bereichert, athmet alles um uns her die liebliche Luft des Landes. Kein Wider - ſpruch der Eindruͤcke von außen, keine Befuͤrchtung des Mißfaͤlligen, wenn wir aus dem Freyen hereintreten; ſondern eine Harmonie der Wohnung mit der Landſchaft, die ſich dabey durch die Abwechſelung bey ihrem Vorrecht, uns immer zu ergoͤtzen, erhaͤlt. Wir freuen uns wieder des anbrechenden Morgens mit Lukas von Uden, der Abendſonne mit Both oder Gille’e. Mit Poͤlemburgs Nymphen durchirren wir Huͤgel und Waͤlder, oder ſchleichen der Diana unter die kuͤhlenden Schatten zum Bade nach. Bald wohnen wir beym Tenier einem froͤhlichen Dorffeſte bey, oder wir ſehen den Aerndten, Weinleſen, Waſſerfahrten und Jagden des Paul Brill zu. Bald fuͤhrt uns Sachleven auf Berge, die mit den ſchoͤnſten Thaͤlern abwechſeln; bald ergoͤtzen uns die im Gebirge weidenden Heerden des Berchem. Dann reißt uns Ruisdael von den lieblichen Scenen der Natur weg zum Anblick ſchaͤumender Waſſerfaͤlle hin, aber Wilhelm van der Velde beruhigt uns wieder durch ſtilles Gewaͤſſer, worinn ſich das ſanfte Blau der Wolken und das begraſete Ufer ſpiegeln. Die Unſchuld, die Zufriedenheit, die Spiele, die Sitten der arkadiſchen Welt er - ſcheinen uns in dieſen Gemaͤlden wieder, und, vereinigt mit den Reizen der Natur, laden ſie uns zum Mitgenuß der ſuͤßeſten Empfindungen ein. Es iſt faſt unmoͤglich, ſich der ſanften Ruͤhrung zu entziehen, wenn man die gluͤckliche Unſchuld in ihrer Freude erblickt; und ſelbſt dem zerſtreuten Staͤdter, der zum kurzen Beſuch herbey - fliegt, entſchleicht bey Dieterichs Hirtenſcenen vielleicht der Seufzer:

O! Einſamkeit, duͤrft ich mich dir ergeben!
Hier herrſcheſt du im ſtillen Hayn;
Warum muß ich im Laͤrm der Staͤdte leben?
Hier koͤnnt ich froh, wie dieſer Hirte, ſeyn!
Zachariaͤ.
Gemaͤlde29und Landhaͤuſern.

Gemaͤlde von dem angefuͤhrten Inhalt ſchicken ſich nur fuͤr die Waͤnde der Zimmer, wo das Auge ſie auch am bequemſten betrachten kann; ſie duͤrfen in allen Landhaͤuſern einen Platz fordern. In Luſtſchloͤſſern und edlen Landhaͤuſern koͤnnen, außer den Waͤnden, auch die Decken der Saͤle und Gemaͤcher mit Gemaͤlden ver - ſchoͤnert werden, die aber Vorſtellungen von einer andern Art, allegoriſche oder my - thologiſche, deren Scene der Himmel oder die offene Luft iſt, enthalten muͤſſen. Veraͤnderungen der Jahreszeiten und der Tageszeiten, natuͤrliche Schauſpiele in den Wolken, mythologiſche Geſchichten und allegoriſche Weſen, die auf Wirkungen der Natur, welche in der Luft wahrgenommen werden, hinzielen, ſind hier an ihrem Ort. Man huͤte ſich aber an den Decken Blumen, Seethiere, Springwaſſer und andere Vorſtellungen, die an einer ſolchen Stelle Widerſpruch und Ungereimtheit ſind, ma - len zu laſſen, ſo viel Beyſpiele auch ſelbſt davon in Palaͤſten angetroffen werden.

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D 33. An30Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern

3.

An den Waͤnden der Zimmer ſowohl, als an den Außenſeiten der Landhaͤuſer, ſind Laubwerk und Blumenkraͤnze ſehr ſchickliche Verzierungen; in Stadthaͤuſern ſind ſie es ſchon weniger, oder vielmehr ſollten ſie hier mit andern verwechſelt werden. Die Wahl der Baͤume, Fruͤchte und Blumen aber muß dem Geiſt des Klima und des Landes nicht widerſprechen.

Vaſen, ſo haͤufig man ſie auch findet, ſind doch wenig bedeutende Zierrathen. Sie gefallen freylich durch die Schoͤnheit und Einfachheit ihrer Form; allein ſie haben faſt gar keinen beſtimmten Gebrauch, und dienen nur als leere Gegenſtaͤnde, einen leeren Raum zu fuͤllen. Sollte denn die Kunſt ſo arm ſeyn, an ihre Stelle in Zim - mern und auf Vorplaͤtzen nichts unterſchieben zu koͤnnen, das ſowohl mehr Schicklich - keit als Mannigfaltigkeit enthielte?

Statuͤen ſind ſchon als Werke der Bildhauerkunſt, welche die Architektur zu ihrer Verſchoͤnerung zu Huͤlfe zu rufen pflegt, anſtaͤndige Verzierungen fuͤr Luſtſchloͤſſer und Landhaͤuſer. Sie koͤnnen den Eindruck der Schoͤnheit und Anmuthigkeit des Ganzen ſehr merklich verſtaͤrken, und muͤſſen nicht allein als Werke der Kunſt Voll - kommenheit, ſondern auch eine Kraft haben, laͤndliche und gartenmaͤßige Vorſtellun - gen und Empfindungen zu erwecken. Was ſollen demnach hier Statuͤen des Jupi - ters, des Mars, des Herkules, wo wir die Bildniſſe der Goͤttinn des Friedens, der Ceres, des Bacchus, der Pomona, der Flora ſuchen? Auch die Reize der Grazien und Liebesgoͤtter, allegoriſche Vorſtellungen von den verſchiedenen Zeiten des Jahres und des Tages, moͤgen hier der Phantaſie gefallen. Große Verdienſte um die wohlthaͤtigen Kuͤnſte des Landbaues und des Gartenweſens, um die Aufheiterung des menſchlichen Geiſtes durch landſchaftliche Poeſie und Malerey, koͤnnen hier, zu ihrem Ruhm in Statuͤen ſichtbar, ihre anſtaͤndigen und edlen Wirkungen ver - breiten.

Die Mehrheit der Statuͤen wird von dem Charakter des Landhauſes ſowohl, als von dem Stande und Reichthum ſeines Beſitzers beſtimmt. Das Mindere iſt auch hier dem Mehrern vorzuziehen. Sowohl in ſo ferne Statuͤen koſtbare Ver - zierungen ſind, als auch zum Gewinn einer ſichern und ſtaͤrkern Wirkung, duͤrfen ihrer nur ſehr wenige ſeyn. Landhaͤuſer der mittlern Klaſſe koͤnnen ſiegern31und Landhaͤuſern. gern entbehren, und die blos artige und beſcheidene Ville ſcheint gar keine zu vertragen.

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Ohne Zweifel haben einige Englaͤnder erſt von den Italiaͤnern die Mode angenommen, ihre Landhaͤuſer mit Statuͤen, Buͤſten, Basreliefs und andern Wer - ken der Bildhauerkunſt, beſonders aus dem Alterthum, anzufuͤllen. Manche Villen in Italien ſehen eher einer Kunſtakademie, als einem Landhauſe aͤhnlich. Indeſſen kann hier der Ueberfluß von Statuͤen und Bruſtſtuͤcken noch eher entſchuldiget werden, da ſie uͤbrig gebliebene Zeugen von den ſchoͤnſten Jahrhunderten eben dieſes Landes ſind, ehrwuͤrdige Heiligthuͤmer, die an den Geiſt der großen Maͤnner erinnern, die vormals unter eben dieſem Himmel wohnten, deren Afche unter eben dieſem Boden ruht. Auch moͤchten hier die mancherley Kunſtwerke des Alterthums nicht gerade aus dem Geſichtspunkte der Verzierung, die ſich fuͤr ein Landhaus ſchickt, zu beur - theilen ſeyn; die Villen ſind gleichſam Magazine, wohin alles bequem gebracht wer -den32Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſernden kann, was nach und nach an Antiken entdeckt wird. Wenn aber einige Brit - ten mehr darauf ſehen, um nur ihre Landhaͤuſer mit alten, wahren oder eingebildeten, Kunſtwerken, die ſie mit vielen Koſten herbeyholen, recht voll zu fuͤllen, als ob ſich alle dieſe Verzierungen, zumal in Menge, fuͤr den Charakter eines Landhauſes ſchick - ten; ſo iſt dieſes doch wohl nichts geringeres, als eine Uebertreibung.

Statuͤen werden ſowohl in den Gemaͤchern, beſonders in großen Saͤlen, als auch bey dem Eingange und auf den Vorplaͤtzen der Gebaͤude mit der meiſten Schick - lichkeit angebracht, weil das Auge ſie hier am bequemſten betrachten kann, und weil wir menſchliche Weſen auf der Erde, und nicht in der Luft, zu ſehen gewohnt ſind. Aus dieſen beyden Gruͤnden ſcheinen ſie auf den Daͤchern weniger ſchickliche Verzie - rungen zu ſeyn, wozu noch die Ungewißheit ihrer Befeſtigung und die aͤngſtliche Vor - ſtellung ihres Herabſtuͤrzens kommt. Immer bleibt der Anblick menſchlicher Geſtal - ten auf unnatuͤrlichen Plaͤtzen ſehr befremdend, auf Ruͤndungen, auf Spitzen, auf Abſchuͤſſen, wo kein Menſch, ohne Gefahr herabzufallen, ſich halten kann. In - zwiſchen wollen wir nicht laͤugnen, daß nicht allein die Gewohnheit macht, daß man ſie auf den Daͤchern gerne duldet, ſondern daß ſie auch ſelbſt eine gewiſſe Wirkung von Wuͤrde und Pracht haben; und nach dieſem Gefuͤhl hat man ſie wahrſcheinlich von den Alten nachgeahmt, die ſie zuerſt bey ihren oͤffentlichen Gebaͤuden, die unter dem Schutz gewiſſer Gottheiten ſtanden, oder ihnen gewidmet waren, nicht ohne Bey - ſtimmung ihrer Religionsbegriffe eingefuͤhrt zu haben ſcheinen. Allein man kann die Beladung der Daͤcher mit Statuͤen und Buͤſten ſchwerlich weiter treiben, als in den neuern Zeiten die italiaͤniſchen Architekten gethan haben. Will man ſie indeſſen auf den Daͤchern der Luſtſchloͤſſer und edlen Landhaͤuſer laͤnger beybehalten, ſo muͤſſen es doch nur ſehr wenige ſeyn, und dieſe muͤſſen nicht allein nach der Hoͤhe eine verhaͤlt - nißmaͤßige Vergroͤßerung, ſondern auch nach ihren Vorſtellungen die genaueſte Ueber - einſtimmung mit dem Charakter und der Beſtimmung des Gebaͤudes haben. Am beſten ſtehen ſie auf einem ganz flachen Dache, ſowohl weil ſie hier mehr Anſchein von Befeſtigung haben, als auch die Einfoͤrmigkeit der Flaͤche mindern. Nichts aber iſt widerſinniger, als auf ein Landhaus den Jupiter, Mars, Herkules, die Goͤttinn des Sieges und der Gerechtigkeit zu ſetzen, wie man ſo haͤufig ſieht. Doch ſchicken ſich dieſe Verzierungen immer noch beſſer auf Reſidenzſchloͤſſer und Palaͤſte in großen Staͤdten, als auf laͤndliche Luſtſchloͤſſer, worinn die Hoheit einen Theil ihres beſchwer - lichen Gepraͤnges ablegt, und naͤher zu der gluͤcklichen Mittelmaͤßigkeit des Lebens herabſteigt.

Sowohl33und Landhaͤuſern.

Sowohl in dem Innern des Gebaͤudes als auch bey dem Eingange huͤte man ſich, die Statuͤen in Niſchen zu verſtecken, ſo gemein auch dieſe ſeltſame Gewohnheit iſt. Eine Statuͤe nimmt ſich nie ſchoͤner aus, als wenn ſie frey ſtehend auf einem Fußgeſtell geſehen wird. Der Eindruck ihrer Schoͤnheit iſt unvollſtaͤndig, ſo lange ſie nicht in ihrem ganzen Umriß betrachtet werden kann. Und warum eben die Haͤlfte einer ſchoͤnen Bildung in einer Mauer vergraben? Warum ein Gebaͤude mit Aushoͤhlungen verunſtalten?

Blumentoͤpfe, Schilder, Figuren von Thieren und andere Zierrathen von die - ſem Schlag auf den Daͤchern, fallen ſo offenbar in das Unſchickliche, daß man dar - uͤber kein Wort mehr verlieren darf; und zum Gluͤck iſt dieſer ſonderbare Geſchmack ſchon an vielen Oertern aus ſeinem Beſitz vertrieben. Da es ſcheint, daß man auf den Daͤchern, zumal auf den ganz flachen, nicht alle Verzierung entbehren kann, ſo waͤre es fuͤr Architekten, die mit Geſchmack und Beurtheilung eine gluͤckliche Erfin - dungskraft verbinden, eine ruͤhmliche Beſchaͤftigung, anſtatt der gewoͤhnlichen Zier - rathen neue zu beſtimmen, die ſowohl den Gebaͤuden uͤberhaupt, als auch den verſchie - denen beſondern Charakteren, deren ſie faͤhig ſind, angemeſſen waͤren.

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III Band. E34Erſter Abſchnitt. Von Luſtſchloͤſſern und Landhaͤuſern.
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Zweyter35

Zweyter Abſchnitt. Von kleinern Gartengebaͤuden.

1.

Gebaͤude wurden zuerſt, der Bequemlichkeit wegen, in Gaͤrten angelegt. Man ſuchte einen Ort, wo man vor dem Regen, dem Winde und der Hitze Schutz finden koͤnnte; man wollte fuͤr die Geſellſchaft, fuͤr die Tafel, oder fuͤr die Einſam - keit einen angenehmen Aufenthalt haben; und in entfernten Gaͤrten, wohin man zu - weilen auf einige Tage ſich aus der Stadt begab, war eine Wohnung mit einer klei - nen haͤuslichen Einrichtung unentbehrlich. Die urſpruͤngliche Beſtimmung der Gar - tengebaͤude gieng auf einen nuͤtzlichen Gebrauch.

Dieſe Beſtimmung iſt nachher faſt ganz in eine andere verwandelt worden, da der Geſchmack ſie als Mittel der Verſchoͤnerung betrachten lernte, und ihnen daher Form, Zierlichkeit, Charakter und Lage zu beſtimmen anfieng, indem man ſich vor - her auf die Bequemlichkeit ihrer innern Einrichtung eingeſchraͤnkt hatte.

Indeſſen iſt die erſte Beſtimmung der Gartengebaͤude in der That ſo wenig entbehrlich, daß ſich vielmehr noch immer von ihnen ein nuͤtzlicher Gebrauch mit Man - nigfaltigkeit und Erweiterung machen laͤßt. Nach dieſer Beſtimmung bleiben ſie angenehme Zufluchtsoͤrter, wohin man vor den Unbequemlichkeiten der Witterung flieht, Plaͤtze, wo man die Vergnuͤgungen der Geſellſchaft oder der Einſamkeit ge - nießet.

Man kann kleinere Gartengebaͤude ſelbſt zur Bewohnung einrichten. Dieſe Einrichtung iſt nicht allein fuͤr Privatperſonen angenehm, ſondern auch bey Luſt - ſchloͤſſern und Landhaͤuſern, deren Beſitzer entweder ein ſtarkes Gefolge, oder oft viele Beſuche haben, von vorzuͤglicher Bequemlichkeit. Wir haben davon ſchon ein ſchoͤ - nes Muſter geſehen. *)Im Park Heſchenberg. S. im 2ten B. die erſte Beſchreibung im Anhang.Das Luſtſchloß oder Landhaus bedarf alsdann keiner ſo großen Weitlaͤuftigkeit; und die Herrſchaften leiden weder von den Gaͤſten, noch von dem Gewuͤhl der Bedienten Beſchwerde. Der Herr der Hauptwohnung behaͤlt ſeine Ruhe, und der Gaſt ſeine Freyheit. Man kann zu dieſer Abſicht die kleinern Ge - baͤude in einer gewiſſen Entfernung von der herrſchaftlichen Wohnung einzeln in den Gebuͤſchen und an andern angenehmen Plaͤtzen zerſtreuen. Jede kann ſich durch Lage, Form und Auszierung unterſcheiden; alle aber muͤſſen an Bequemlichkeit und Net -E 2tigkeit36Zweyter Abſchnitt. Von kleinerntigkeit uͤbereinſtimmen, eine Abtheilung fuͤr die Herren und fuͤr die Bedienten, und ein ruhiges und anmuthiges Schlafgemach haben. Die Groͤße darf nur nach dem Beduͤrfniß und der Bequemlichkeit abgemeſſen ſeyn; man braucht wenig Raum, wo man gleich auf einen gruͤnen ſchattigten Vorplatz austreten kann. Nahe um dieſe laͤndliche Huͤtten moͤgen bluͤhende Geſtraͤuche und die lieblichſten Blumen der Jahres - zeit ihre Wohlgeruͤche aushauchen, der Pfirſchbaum und die Weinrebe mag ſich an den Fenſtern hinaufziehen, und an der Seite des Schlafgemachs in einem Gebuͤſch, wo die Saͤngerinn der Liebe gerne wohnt, eine Quelle rauſchen. Jeder Bewohner bleibt hier die Zeit des Tages, ſo lange es ihm gefaͤllt; die Beſuche, die er ſeinen Nachbarn giebt, ſind ſo viele angenehme Spaziergaͤnge; er verſchließt ſich wieder zum Leſen und zur Beſchaͤftigung; er liebt ſeine Wohnung, als ſein Eigenthum. Die - ſes iſt ohne Widerſpruch ein weit mehr lachendes Gemaͤlde, als ein Gebaͤude mit zwan - zig Fenſtern im Vordertheil; alles athmet hier laͤndliche Freyheit und Anmuth.

Nicht weniger laſſen ſich einzelne Gartengebaͤude zu einem beſondern Gebrauch, der zwiſchen Ergoͤtzung und Bequemlichkeit in der Mitte liegt, beſtimmen. So kann man dem Vergnuͤgen der Tafel ein beſonderes Luſthaus widmen. Es verlangt eine kuͤhle, ſchattigte Lage, und eine heitre Ausſicht. Iſt in der Naͤhe eine klare Quelle, ein Gebuͤſch, das von ſingenden Voͤgeln bewohnt wird, ein beſchatteter Vorplatz zum Herumwandeln, deſto angenehmer. Der Speiſeſaal muß hoch und helle ſeyn, und verziert in einem lebhaften angenehmen Geſchmack. Die Kuͤche verberge ſich in den Schatten eines nahen Dickigts.

Ein anderes Gartengebaͤude kann den Vergnuͤgungen der Muſik und des Tan - zes beſonders gewidmet ſeyn. Es verlangt keine praͤchtige Lage, noch weite ergoͤtzen - de Ausſichten; keine ſtark intereſſirende Naturſcenen in der Naͤhe. Eine Verſchlieſ - ſung im ruhigen Schatten iſt hier am meiſten angemeſſen. Der aͤußere Charakter kuͤndige die Beſtimmung des Gebaͤudes an, und die innere Verzierung befriedige die Erwartung, die vor dem Eintritt erregt wird.

Ein abgeſondertes einzeln liegendes Studierkabinet fordert eine ruhige und ein - ſame Lage zwiſchen Heiterkeit und milder Beſchattung; denn gar zu viel Helle iſt hier eben ſo unbequem, als zu viel Dunkelheit. Kein Geraͤuſch eines ſtarken Waſſerfalls, aber kleine ſanfte Waſſerguͤſſe; zur Seite eine Anhoͤhe, wenn es die Lage verſtattet, oder hohe Baͤume, die den Flug des Geiſtes beleben helfen. Immer ſo viel Aus - ſicht auf lebhafte Scenen in der Ferne, als in Zwiſchenſtunden zur Erheiterung noͤ - thig iſt. Am Eingang oder auf dem Vorplatz die Statuͤe des Vaters der Kuͤnſte, oder eines Philoſophen, oder eines Dichters, der Liebling des Beſitzers iſt, an deſſen Feuer ſich ſeine Einbildungskraft erwaͤrmt, deſſen Ruhm ſeine Eiferſucht beherrſcht. Einfalt37Gartengebaͤuden. Einfalt und Ruhe zeichnen ſich an dem ganzen Gebaͤude aus, und die ſparſame Ver - zierung winke auf die ſanften Geſchaͤfte der Muſen hin. Umher einſame Spazier - gaͤnge, in deren Stille die Seele ſich gerne in ſich ſelbſt verſenkt; keine Scenen, die ihre Aufmerkſamkeit von ihr ſelbſt abziehen, die das Nachdenken durch eine Ueberra - ſchung unterbrechen, oder Empfindungen erregen, die mit dieſer Verfaſſung nicht ver - einbar ſind. Weil die Heiterkeit des Morgens die Beſchaͤftigungen des Geiſtes be - guͤnſtigt, ſo wird die Lage gegen Oſten vorzuziehen ſeyn. Ein ſolches Gebaͤude muß nicht blos bequemen Raum fuͤr eine Bibliothek haben; man kann auch darinn, nach dem Studium und Geſchmack des Beſitzers, Plaͤtze fuͤr Naturalienſammlungen ab - ſondern. Denn die Unterſuchung der mancherley Naturmerkwuͤrdigkeiten iſt immer eine der intereſſanteſten und anſtaͤndigſten Beſchaͤftigungen des philoſophiſchen Land - lebens.

Ein einzelnes Schlafkabinet verberge ſich in die Umhuͤllung eines kleinen liebli - chen Gebuͤſches, woraus ſuͤße Duͤfte emporathmen, und die naͤchtlichen Seufzer der Nachtigall ſich mit zaͤrtlicher Wehmuth erheben. Die Stille verkuͤndige die Ruhe, und nur ein leiſes Geraͤuſch von regelmaͤßigen Waſſerguͤſſen locke den Schlummer herbey. Kein Glanz, keine Lebhaftigkeit; alles umher in milde Ueberſchattung, in den ſorgloſen Frieden der Natur verſenkt. Die Pracht der Blumen, die nur durch Farbe ergoͤtzen, iſt hier unbekannt; aber die Nachtviole, die den Tag uͤber unbewun - dert und ungeſehen ſich vor ihrer eigenen Geſtalt zu verbergen ſchien, ſpendet nun ihre unerſchoͤpflichen Wohlgeruͤche in der geliebten Daͤmmerung aus. Das Silberlicht des Mondes, gebrochen von dem Laube der umſtehenden Gebuͤſche, ſchleicht an die Fen - ſter heran, und ſcheint die Schlummernden zu ſuchen, um ihre Ruheſtelle mit beſchei - dener Freundlichkeit zu erheitern. Indeſſen faͤngt allmaͤhlig die Morgenroͤthe an in Oſten aufzugluͤhen, und ihre erſten Strahlen ſchraͤge in einen Theil des Schlaſkabinets ſpielen zu laſſen, das eine ſolche Lage hat, wobey es nicht auf einmal mit dem vollen blendenden Glanz der aufgehenden Sonne erfuͤllt wird. Nun erheitern ſich wieder in den Gemaͤlden an den Waͤnden die landſchaftlichen Scenen des Morgens, die Spiele der Liebesgoͤtter und die Flucht der gaukelnden Traͤume.

In Gegenden, die das Vergnuͤgen der Jagd geben, laſſen ſich kleinere Jagd - haͤuſer anlegen, die noch von den weitlaͤuftigen Jagdſchloͤſſern unterſchieden ſind, wel - che die Fuͤrſten vormals mehr, als itzt, zu erbauen pflegten. Ein Jagdhaus dient nicht eigentlich zur Bewohnung, ſondern zu einem Zufluchtsorte, wo man in der Jagdzeit vor ploͤtzlichen Ueberfaͤllen einer boͤſen Witterung Schutz findet, Tafel haͤlt, Erfriſchungen einnimmt, und von den Beſchwerden ausruhet. Es muß von dem Wild - ſtande nicht zu weit entfernet ſeyn, und eine trockene, ſonnigte und angenehme LageE 3haben.38Zweyter Abſchnitt. Von kleinernhaben. Eine Anhoͤhe, die etwas uͤber die Waldung emporragt, und wovon das Au - ge einen Theil der Jagdplaͤtze uͤberſchauen kann, ſcheint die vortheilhafteſte Lage zu ſeyn. Weil man in dieſer Jahreszeit die Erwaͤrmung der Sonne liebt, ſo muͤſſen die Fenſter zum reichen Empfang ihrer Strahlen angelegt ſeyn. Das Gebaͤude ver - langt keine Pracht, nur Bequemlichkeit und einen maͤßigen Grad von Zierlichkeit. Die gemeinen Verzierungen von Hirſchgeweih und Jagdhoͤrnern koͤnnen mit feinern Sinnbildern, mit mythologiſchen Vorſtellungen, die auf die Jagd eine Beziehung haben, vertauſcht werden. Eine Venus in der ruͤhrenden Stellung, da ſie ihren ſchoͤnen von einem Eber auf der Jagd getoͤdteten Adonis, ein Opfer ſeiner Unvor - ſichtigkeit, beklagt, iſt wenigſtens eine viel mehr anziehende Vorſtellung, als ein uͤber der Thuͤre gemaltes Windſpiel. Am meiſten intereſſant muͤſſen hier Gemaͤlde ſeyn, die Handlungen des Mitleidens gegen Thiere vorſtellen, und den Menſchen von der rohen Jagdluſt wieder zu ſanftern Gefuͤhlen zuruͤckrufen.

Zu den Ergoͤtzungen des Vogelfangs koͤnnen ebenfalls in herbſtlichen Revieren beſondere Gebaͤude beſtimmt werden. Ihre Lage muß einſam, von Gebuͤſchen um - ſchloſſen ſeyn; Baͤume und Straͤucher mit Beeren, welche die Voͤgel lieben, empfeh - len ſich hier zu einer Pflanzung, die zugleich das Auge ergoͤtzt. Ein kleiner ruhiger Bach dient nicht blos zur Verzierung, ſondern auch zum Beduͤrfniß. Das Gebaͤude kann aus einem einfachen Luſtkabinetchen beſtehen; es bedarf gar keines Umfangs: denn man verweilt da nur in einigen Stunden, um die kleinen Anſtalten zum Fang vorzubereiten, und ihre Wirkung zu belauſchen. Das Kabinet muß ein leichtes und luftiges Anſehen haben. Man muß ſich auf verſteckten Gaͤngen unvermerkt zu ihm heranſchleichen koͤnnen.

Die Vogelhaͤuſer, worinn man allerley lebendiges Gefluͤgel erzieht, ſind be - kannt, und waren ſchon bey den Roͤmern uͤblich. Sie erfordern vornehmlich Gruͤn, friſches Waſſer, Schatten, und einen nicht zu feuchten und kalten Ort; man uͤber - zieht ſie mit einem Gitter von Drath, das ſo hoch ſeyn kann, daß Baͤume darunter bequem emporwachſen koͤnnen. Ein kleiner Springbrunnen erhaͤlt das Waſſer friſch, und traͤgt zur Belebung bey. In einem Kabinetchen zur Seite kann man die ver - ſchiedene Haushaltung der Familien beobachten. Fuͤr einheimiſche Sangvoͤgel iſt ein Vogelhaus doch immer ein unverdientes Gefaͤngniß.

Eine reinliche aber nachlaͤßig gebauete Huͤtte oder ein freyes Luſthaͤuschen, das nur Pfeiler anſtatt zugemachter Waͤnde, nur ein beſchuͤtzendes Dach hat, wuͤrde zu den Beluſtigungen des Fiſchfangs dienen. Es kann ein ſo ſorgloſes hingeworfenes Werk ſeyn, daß es gar keine Verzierungen verſtattet, daß man ſchon zufrieden iſt, wenn es nur nicht zu ſehr gegen alle Richtigkeit der Verhaͤltniſſe anſtoͤßt. Es mußweg39Gartengebaͤuden. weg von dem Ufer des Sees oder Teiches, etwas uͤber das Waſſer hin, vorruͤcken, und ein Boot oder einen Kahn zur Seite haben, die nach dem Nutzen zugleich eine Art von Verzierung ausmachen.

Das Bad zeige ſich nicht frey, nicht an einem breiten Spaziergang, nicht auf einem Raſenplatz, wo es von allen Seiten in die Augen faͤllt; die widerſinnigſte An - lage, wiewohl man ſie antrifft. Es verberge ſich vor den Blicken der Neubegierde in eine Vertiefung, in einen Dickigt; eine milde Ueberſchattung hange herab, und nur der ſanfte Strahl der Abendſonne, gegen welche es ſeine ſchoͤnere Lage waͤhlt, ſtreue ihm durch die Gebuͤſche eine liebliche Erheiterung zu. Wohlriechende Straͤu - cher und Blumen mit ſtarken Duͤften umkraͤnzen ſeine Seiten. Die Architektur ſey beſcheiden und ohne allen Prunk. Ein niedriges Dach, wenig Fenſter oder Oeffnung, an den innern Waͤnden ſparſame Verzierung. Keine Vorſtellung, wobey ſich die Phantaſie gegen die Tugend empoͤrt; nur Bilder voll ſittſamer Unſchuld, oder ein Gemaͤlde der einſamen Nymphe, die vor dem Bade im umſchattenden Gebuͤſch ſte - hend, ſchuͤchtern in ſich geſchmiegt, vor ſich ſelbſt erroͤthend, die Hand zuruͤckzurufen ſcheint, die den Guͤrtel loͤſen ſoll.

Es wird kaum einer Bemerkung beduͤrfen, daß die bisher angefuͤhrten Garten - gebaͤude, vornehmlich in ausgedehnten Gaͤrten und Parks, die eine Mannigfaltigkeit von Gegenden und Anlagen zulaſſen, Platz haben. Und auch hier werden ſie mit viel Ueberlegung und Maͤßigung anzuordnen ſeyn. Denn ein Garten vertraͤgt nicht im - mer die Gebaͤude, die ein anderer zu fordern ſcheint. Man muß, ehe man ſie waͤhlt, zuerſt auf die Lage, den Charakter und die Einrichtung eines Gartens Ruͤckſicht neh - men, und daraus beurtheilen, was ſich fuͤr ihn ſchickt. Kleinere Gaͤrten muͤſſen es nicht wagen, die groͤßern in Anſehung des Reichthums der Gebaͤude nachahmen zu wollen; denn nichts iſt unertraͤglicher, als einen Platz, der den Schoͤnheiten der Natur gewidmet ſeyn ſoll, mit Gegenſtaͤnden der Kunſt uͤberladen zu ſehen. In einem Garten von nicht ſehr betraͤchtlichem Umfang koͤnnen drey Gebaͤude ſchon zu viel ſeyn.

Die gewoͤhnlichen Namen, die man Gebaͤuden dieſer Art giebt, Pavillons, Luſthaͤuſer, Luſtkabinette, Lauben, und die vornehmlich nur einen Unterſcheid der aͤu - ßern Groͤße zu bezeichnen ſcheinen, koͤnnen in dem Weſentlichen ihres Charakters nichts aͤndern. Es iſt gleichguͤltig, ob man ein Gebaͤude, das man bey der Jagd braucht, wie es oben beſchrieben ward, ein Jagdhaus oder einen Jagdpavillon nennt. Man richtet ſich in Sachen, welche die Theorie noch nicht genau beſtimmt hat, vielleicht nicht beſtimmen mag, nach dem eingefuͤhrten Sprachgebrauch; und man verſteht und wird verſtanden, ohne ſich an die Genauigkeit der Logik und an den Eigenſinn einer willkuͤhrlichen Terminologie zu binden.

40Zweyter Abſchnitt. Von kleinern
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2. Nicht41Gartengebaͤuden.

2.

Nicht blos wegen mannigfaltiger Bequemlichkeiten ſind Gebaͤude erhebliche Ge - genſtaͤnde in Gaͤrten. Sie laſſen ſich noch aus andern weit mehr intereſſanten Ge - ſichtspunkten betrachten.

Sie dienen zuvoͤrderſt zur Belebung einer Gegend uͤberhaupt; ſie nehmen ihr das Einfoͤrmige und Oede, durch die Idee der Bewohnung und der Gegenwart des Menſchen. Dieſe Idee iſt bey dem Anblick der Gartengebaͤude noch mit einem be - ſondern Reiz vergeſellſchaftet. Der Menſch, deſſen Anweſenheit angekuͤndigt wird, iſt nicht der zur Beſchwerde und Sclaverey herabgeſetzte Menſch, ſondern der Menſch, der hier mit Freyheit, mit Geſchmack und Vergnuͤgen wohnt, der ſich an den man - nigfaltigen Scenen der Natur behagt.

Wenn gleich Gebaͤude Werke von der Hand des Menſchen ſind, ſo gehoͤren ſie doch mit zur Landſchaft, als ein faſt unentbehrliches Zubehoͤr. Sie ſind zuerſt von dem Beduͤrfniß eingefuͤhrt, und werden noch jetzt wegen der vielen Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die man in ihnen ſucht, vervielfaͤltigt. Es giebt nicht leicht eine Lage, wohin ſie ſich nicht ſchicken ſollten, noch eine Gegend, worinn ſie nicht merkwuͤrdige Gegenſtaͤnde abgeben koͤnnten. Alle kluge Landſchaftmaler ha - ben von dieſer Beobachtung, zur Belebung ihrer Gemaͤlde, Gebrauch gemacht.

Weil aber die Gaͤrten mehr durch Naturſcenen, als durch Werke der Kunſt, ergoͤtzen ſollen, ſo muß aller Ueberfluß von Gebaͤuden vermieden werden. Auch wenn ſie an ſich nicht blos durch edle Einfalt und Schoͤnheit dem weſentlichen Charakter der Gaͤrten gemaͤß, ſondern auch geſchickt ſind, die Wirkungen der beſondern Plaͤtze zu erhoͤhen; ſo ſchwaͤchen ſie doch bald die Eindruͤcke der natuͤrlichen Scenen, wenn ſie zu haͤufig ſind. Ein Garten darf niemals unter irgend einem Vorwande ſo uͤbermaͤ - ßig durch Gebaͤude belebt werden, daß er allen Antheil an Laͤndlichkeit und Einſamkeit verliert, und ſich dem Anſehen einer Stadt naͤhert. Es iſt daher noͤthig, ſowohl, daß jedes Gebaͤude in das ihm zukommende beſondere Revier gelegt werde, als auch daß ein jedes Revier nicht mehr als hoͤchſtens zwey Gebaͤude erhalte, wozu es indeſſen ſchon von einer betraͤchtlichen Ausdehnung ſeyn muß.

III Band. F42Zweyter Abſchnitt. Von kleinern
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3. Auſ -43Gartengebaͤuden.

3.

Außerdem, daß Gartengebaͤude uͤberhaupt zur Belebung der Plaͤtze beytragen, wird ihre Wichtigkeit dadurch noch naͤher einleuchtend, daß ſie ſich theils als Gegen - ſtaͤnde der Schoͤnheit, theils als Mittel zur Bezeichnung und Verſtaͤrkung der Cha - raktere der Gegenden, theils als Denkmaͤler betrachten laſſen.

Als Gegenſtaͤnde der Schoͤnheit ſind ſie faͤhig, dem Auge zu ſchmeicheln, die Phantaſie zu ergoͤtzen, und ſelbſt den Verſtand zu unterhalten. Die Schoͤnheit iſt bey Gebaͤuden dieſer Art unentbehrlich, da ihre Beſtimmung ſelten allein auf beque - men Gebrauch geht, ſondern am meiſten auf angenehme Wirkungen fuͤr das Auge; ja in vielen Faͤllen hoͤren ſie auf Wohnungen zu ſeyn, und ſind blos reizende Ge - genſtaͤnde. Und aus welchem Grunde duͤrfte ihnen die Schoͤnheit entſtehen? Oder welche Entſchuldigung duͤrfte der Architekt erwarten, der ſichs einfallen ließe, im Angeſichte der ſchoͤnen Natur und gleichſam in ihrem Schoos Mißgeſtalten zu er - zeugen?

Gartengebaͤude duͤrfen weder durch Groͤße, noch durch Pracht ſich auszeichnen. Sie muͤſſen aber durch das Gefaͤllige und Reizende ihrer Form, durch die Simplici - taͤt, Freyheit und Leichtigkeit ihrer Anordnung, durch die Uebereinſtimmung ihres Charakters mit ihrer Beſtimmung, durch das Zierliche und Anmuthige ihrer Außen - ſeiten recht fuͤhlbare Eindruͤcke machen. Sie muͤſſen das Auge ſogleich anlocken, es gleichſam an ſich zaubern, daß es gerne bey ihnen ruhet, lange in ihrer Beſchanung verweilt. Sie muͤſſen lebhafte Empfindungen bald von laͤndlicher Ruhe, bald von Einſamkeit, bald von Freyheit, bald von gelaſſener Behagung, bald von heitrer Freude erwecken.

F 244Zweyter Abſchnitt. Von kleinern
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Obgleich45Gartengebaͤuden.

Obgleich an der Erzeugung dieſer Wirkungen das Innere der Gebaͤude ſeinen Antheil hat, ſo iſt es doch vornehmlich die Form und die Anordnung der Außenſeiten, welche die Eindruͤcke beſtimmen. Auch ſelbſt die zum aͤußern Anſtrich gewaͤhlte Far - be traͤgt mehr oder minder zur Wirkung bey, unterſtuͤtzt oder ſchwaͤcht ſie. Man muß zwiſchen dem zu Starken und zwiſchen dem zu Matten den Mittelweg halten. Das Leuchtende und Glaͤnzende ſchickt ſich nicht wohl in einen Garten; zu viel Licht blendet, und zu wenig erhellt nicht genug. Das Hochrothe, wenn es auch an einem Garten - gebaͤude ſchicklich waͤre, iſt ſchon zu verwerfen, weil es einem kraͤnkelnden Auge ſchmerzhaft und einem geſunden empfindlich iſt. Der gemaͤßigte Eindruck der Farben iſt der angenehmſte. Vornehmlich hat man bey jedem Anſtrich ſowohl auf Schick - lichkeit uͤberhaupt, als auch auf Wahrheit der Nachahmung zu achten. Der gruͤne Anſtrich der Gebaͤude iſt kindiſch, noch mehr in Staͤdten. Das Abgeſchmackte wird zwar in Gaͤrten, wo das Ganze dieſe Farbe zeigt, weniger bemerkt. Indeſſen iſt es doch die elendeſte Nachahmung, und ein laͤcherliches Unternehmen, einen Pavillon mit einem Wald oder Raſen unter eine Farbe bringen zu wollen. Holz und Stein, als die gewoͤhnlichſten Materien der Gebaͤude, kennen das Gruͤn auf ihrer Oberflaͤche nicht anders, als wenn die Hand eines albernen Menſchen ſie damit bekleckt. Ein weißer Anſtrich iſt der Natur nicht entgegen, noch weniger ein grauer; wir finden dieſe Farbe bey Steinen, und wir moͤgen ſie bey Gebaͤuden wiederfinden, die von Stein erbauet ſind oder ſeyn koͤnnten. Das Weiße reizt ſchon in der Ferne das Auge, und zeichnet ſich trefflich zwiſchen dem dunkeln Gruͤn der Gebuͤſche und Waldung aus; es iſt beſonders Scenen der Freude gewidmet, und wirft ſelbſt der Einoͤde einen Reiz zu, der ſie erheitert. In den meiſten Faͤllen wird das Blauweißliche oder das Grau - weißliche vor dem Hellweißen den Vorzug verdienen. Auch das Dunkelbraune kann gewiſſen Gebaͤuden, als einer alten Einſiedeley, mitgetheilt werden. Doch wird das Dunkelgraue jenem ſowohl, als dem Schwarzen, ſelbſt bey Trauerdenkmaͤlern, vor - zuziehen ſeyn. Denn wo die aͤußere Farbe zu dem Zufaͤlligen gehoͤrt, da muß man forgfaͤltig die Nachahmung zu verbergen ſuchen. Und jedes Gebaͤude muß mehr durch Form und Anordnung, als durch den Anſtrich, charakteriſirt ſeyn.

Außer der eigenthuͤmlichen Schoͤnheit der Architektur kann auch die Lage eines Gebaͤudes ungemein viel beytragen, ihm ein vortheilhaftes Anſehen zu geben. Die Lage, die zunaͤchſt nach dem Charakter und der Beſtimmung der verſchiedenen Gar - tengebaͤude gewaͤhlt wird, kann von einer großen Mannigfaltigkeit ſeyn. Zuweilen koͤnnen ſich Gebaͤude auf einer Anhoͤhe und im vollen Lichte zeigen; aber alsdann muͤſſen ſie ſich auch mit vorzuͤglicher Schoͤnheit einer edlen Architektur erheben. Am meiſten ſind den Gartengebaͤuden maleriſche Lagen zu geben, die theils von der BeſchaffenheitF 3des46Zweyter Abſchnitt. Von kleinerndes Bodens, theils von ſeiner Verzierung beſtimmt werden. So gewinnen ſie an dem Abhang eines ſanft aufſchwellenden Huͤgels, an dem Ufer eines ſchoͤnen Waſſers, worinn ſich der Widerſchein bildet, zwiſchen Umkraͤnzungen der Baͤume und Gebuͤſche, eine maleriſche Lage. Selbſt in der Vertiefung kann ſie eine Einſiedlerhuͤtte, ein Bad haben, ſowohl halb in eine waldigte Verhuͤllung verſteckt, als auch auf einem freyern Platz umfloſſen mit Waſſer, deſſen Licht zwiſchen kleinen Gruppen gebrochen hervor - ſchimmert. Gebaͤude, die in einer gewiſſen Entfernung betrachtet werden, nehmen ſich faſt allezeit weniger ſchoͤn aus, wenn ſie ganz in die Augen fallen, als wenn ſie von Straͤuchern und Baͤumen halb bedeckt ſind, wodurch ſie die Erwartung erregen und laͤnger unterhalten. Wenn hier ein Theil offen liegt, und der zunaͤchſt angraͤnzen - de bedeckt iſt, wenn die Laͤnge der weißen Vorderſeite mit einem Baum von dunklem Laube unterbrochen iſt, wenn die untern Waͤnde zwiſchen den Staͤmmen durchſcheinen, indeſſen der obere Theil ſich hinter ihren Kronen verbirgt, wenn die heitre Spitze uͤber eine waldigte Verdickung emporragt, wenn zur Seite auf einen Abhang hinan Baͤu - me von einem feinen Wuchs aufſteigen, oder vom Gipfel, den ſie umkraͤnzen, mit ei - ner angenehmen Verdunkelung herabhangen; ſo ſind alle dieſe Lagen fuͤr das Anſehen der Gebaͤude weit vortheilhafter, als wenn ſie ſich ganz frey zeigten, ſie geben den Ge - ſichtspunkten ſo viele maleriſche Abaͤnderungen, daß das Auge nicht muͤde wird, bey ſo reizenden Anſichten zu verweilen.

Weil indeſſen der Wirkung des Ganzen die Schoͤnheiten einzelner Scenen un - tergeordnet ſeyn muͤſſen; ſo kann ſie zuweilen erfordern, daß eine ſonſt vorzuͤgliche Lage eines Gebaͤudes, die ſich mit der allgemeinen Zuſammenſetzung nicht vertraͤgt, auf - geopfert werde. Sobald mehrere Gebaͤude aus Einem Geſichtspunkte oder in Einer ununterbrochenen Folge ſich dem Auge darſtellen, ſo ſind die Wirkungen ihrer gegen - ſeitigen Beziehungen genau zu berechnen. Und wo ein Gebaͤude, das fuͤr ſich und abgeſondert betrachtet vollkommen iſt, und ſeine ihm zugehoͤrige Scene ziert, doch in der Ueberſicht des Ganzen die Zuſammenſtimmung unterbricht, oder gar durch einen Widerſpruch zerſtoͤrt; da muß es herabgeſenkt, verdeckt, oder wenn die Umſtaͤnde es nicht anders verſtatten, ganz entfernt werden. Denn die einzelne Scene kann zu - weilen auch ohne ein Gebaͤude ihren Eindruck machen. Es iſt uͤberhaupt ſchwer, mehrere Gebaͤude in Einem Geſichtspunkt mit einander zu verbinden, daß ihre Wir - kungen alle ungetrennt auf ein Ziel zuſammenlaufen. Weit eher wird der Garten - kuͤnſtler ſeinen Zweck erreichen, indem er die Gebaͤude mit ihren Scenen nach und nach in einem allmaͤhligen Fortgang erſcheinen laͤßt, und den folgenden Auftritt nicht eher eroͤffnet, als bis der vorhergehende ſeine ganze Wirkung vollendet hat. Durch dieſe Anordnung wird er mehr der Zerſtreuung des Auges und der Verwirrung derEindruͤ -47Gartengebaͤuden. Eindruͤcke zuvorkommen. Wo aber mehrere Gebaͤude auf einmal die Ausſicht berei - chern, und die Wirkungen ſich durch ihre Vereinigung verſtaͤrken ſollen, wenn z. B. der Zuſchauer auf einem ausgedehnten Raſenplatz oder auf einer Anhoͤhe ſteht; da muͤſſen ſie ſowohl gegen einander in einer harmoniſchen Beziehung, als auch mit allen umliegenden Gegenſtaͤnden, die unter eben dem Geſichtspunkte liegen, in einer ange - nehmen Verbindung erſcheinen. Alle Theile muͤſſen einige naͤher, andre entfernter, einige groͤßer, andre kleiner, einige beleuchtet, andre beſchattet, zur allgemeinen Wir - kung beſchaͤftigt zu ſeyn ſcheinen; das Helle und das Dunkle, die Ruhe und die Be - wegung, muͤſſen dem Gemaͤlde Reiz und Abwechſelung mittheilen.

Ein anderes Erforderniß der Schoͤnheit iſt, daß die Gebaͤude zwar in Geſichts - punkten als Hauptgegenſtaͤnde erſcheinen, in andern Richtungen aber wieder ganz vor dem Anblick verſchwinden. Auch unvermuthet erblickt koͤnnen ſie lebhafte Ueberraſchung hervorbringen. Sind ſie bloße Zufluchtsoͤrter, und nicht Gegenſtaͤnde, die erhebli - cher Wirkungen faͤhig ſind, ſo iſt es ohnedies faſt beſſer, ſie zu verdecken. Selbſt wenn ſie ſehr wichtig ſind, duͤrfen ſie nicht das Anſehen haben, als wenn ſie mit aͤngſtlicher Sorgfalt aufgeſtellt waͤren, als wenn ſie ſich dem Anblick aufdringen wollten.

Wenn in einem Garten mehrere Gebaͤude angelegt werden, ſo muͤſſen ſie ſich ſo - wohl durch Verſchiedenheit ihrer Form und ihres Anſehens auszeichnen, als auch alle Symmetrie und Gleichheit in Stellungen gegen einander vermeiden. Denn wenn auch ein Gebaͤude, als ein Werk der Architektur, fuͤr ſich Symmetrie verlangt; ſo darf dieſe doch nicht auf die Plaͤtze, Abſtaͤnde und Stellung mehrerer Gartengebaͤude ausgedehnt werden, wovon jedes, als ein fuͤr ſich beſtehendes Ganzes, frey und von den andern unabhaͤngig ſein eigenes Revier beherrſcht.

Endlich iſt es fuͤr die Wirkung des Ganzen noͤthig, ſich zu huͤten, daß man nicht auf eine ſeltſame Vermiſchung verſchiedener auslaͤndiſchen Werke der Baukunſt ver - falle, nicht in Einem Proſpect einen aͤgyptiſchen Obelisk, einen griechiſchen Tempel, ein roͤmiſches Monument, einen gothiſchen Thurm, einen chineſiſchen Pavillon er - ſcheinen laſſe; eine Ausſchweifung, die in einigen Parks in England herrſcht, und die ſo auffallend iſt, daß man ſich verwundern muß, wie ſie bisher Nachſicht finden konnte. Welche Wirkungen kann man ſich von ſolchen praleriſchen Anſtalten, von ſolchen Werken einer ſchwelgeriſchen Nachahmung, an einem Orte verſprechen, wo die Natur ihre Reize mit einer edlen Sittſamkeit verbreitet? Wie vertraͤgt ſich mit der Einfalt der Gaͤrten ein Beſtreben, ſo mancherley abſtechende Arten von Architektur auf einem Platz zu vereinigen? Und welche Verwirrung der Zeiten und Laͤnder, wor - unter faſt alle Eindruͤcke der gegenwaͤrtigen Naturſcenen verſchwinden muͤſſen? Man erſtaunt bey dem erſten Anblick uͤber eine ſo ungeheure Zuſammenſetzung einer zuͤgel -loſen48Zweyter Abſchnitt. Von kleinernloſen Einbildungskraft; nur der Macht des Vorurtheils und der Gewohnheit gelingt es, ſie ertraͤglich zu machen.

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4. Schon49Gartengebaͤuden.

4.

Schon hin und wieder iſt vorher auf den Geſichtspunkt gewinkt, aus welchem Gartengebaͤude als Mittel zur Charakteriſirung der verſchiedenen Naturplaͤtze erſcheinen. Sie verdienen von dieſer Seite noch eine naͤhere Betrachtung.

Bey einem aufmerkſamen Blick in den Landſchaften umher bemerken wir ſchon leicht die einwirkende Kraft der Gebaͤude auf die ſie umgebende Gegend. In einem ruhigen Thale mit Wieſen umkraͤnzt, durch welche ſich ein kleiner Bach ſchlaͤngelt, erblicken wir einige hin und her zerſtreuete Huͤtten, niedrig, bemooſt und nachlaͤßig er - baut, die ein unzertrennliches Eigenthum dieſer Lage zu ſeyn ſcheinen, ihre Einfachheit und gluͤckliche Sorgloſigkeit vermehren. An dem Abhange eines Berges, den auf der einen Seite ein anſehnlicher Wald, auf der andern reiche Saatfelder mit Vieh - triften abwechſelnd ſchmuͤcken, ſteigen aus den Umhuͤllungen der Fruchtbaͤume einige Spitzen von laͤndlichen Haͤuſern empor, die hoch, geraͤumig, und zierlich ins Auge fallen; ſie verkuͤndigen mit dem Begriff von Fruchtbarkeit, welchen ihre Gegend er - weckt, Wohlſtand und Bequemlichkeit des Lebens. Einige Huͤtten nahe an dem Ufer eines Sees, der in einer verſperrten, wilden und unfruchtbaren Gegend liegt, laſſen uns doch die Beſchaͤftigungen des Fiſchfangs errathen, und bringen dadurch etwas Leben in die Vorſtellung der Einoͤde. Zerfallene Wohnungen, deren durchloͤcherte Waͤnde den Winden offen ſtehen, verſtaͤrken den Begriff von Armuth noch mehr, den weite, kornloſe Sandfelder erregen. Der Anblick entdachter Landhaͤuſer, die ein verwuͤſtender Hagel unbewohnbar gemacht, verdunkelt noch mehr das Gemaͤlde, das die zerſtoͤrten Kornfluren darſtellen. Erfreuender lacht uns eine in hoher Cultur bluͤ - hende Landſchaft entgegen, wenn in ihrer Mitte ſich ein Landhaus von edler und rei - cher Architektur erhebt. Ein zerſtoͤrtes, von einer Felsſpitze herabhangendes, Schloß mit durchloͤchertem Gemaͤuer, wovon anſehnliche Maſſen herabgeſtuͤrzt in der Tiefe liegen, vermehrt das Grauſen der umherliegenden Wildniß, wo kahle Felſen an Felſen ſich thuͤrmen, und von dem Getoͤſe des Stroms wiederhallen, der gedraͤngt zwiſchen den Kluͤften kaͤmpft. Nach einem langen Wege durch ſtille und einſame Gehoͤlze iſt eine Waſſermuͤhle, auf die wir unvermuthet in einer dunkeln Vertiefung ſtoßen, oft ſchon ein ſehr maͤchtiger Gegenſtand, die Scene zu erfriſchen und den Geiſt wieder zu beleben. Noch mehr ruͤhrt uns, zumal nach dem Geraͤuſch der Staͤdte und offenen Landſtraßen, in einem unerwartet ſich ſenkenden Thale der Anblick einer artig gebaue - ten Landwohnung, die in ſtiller Anmuth da liegt, an einem kleinen Waſſer, das ſich von einem voruͤberfließenden Bache geſammelt hat; die klare Fluth freuet ſich, das Bild der laͤndlichreizenden Huͤtte zu tragen; an den Fenſtern zieht ſich vertraut derIII Band. Gſpaniſche50Zweyter Abſchnitt. Von kleinernſpaniſche Hollunder mit dem Weinſtock hinan; nahe Fruchtbaͤume verbreiten eine lieb - liche Daͤmmerung, und vor dem Eingange eine hohe uͤber alle hervorragende Linde, deren Schatten ſchon die Urvaͤter erfriſchte; im Vorhofe verſchiedene Geſchlechter des Federviehes, die alle in ruhiger Eintracht eine Familie ausmachen, bald im Schatten ſich ruhig verbergen, bald im Waſſer plaͤtſchern, bald im froͤhlichen Gewimmel an die volle Hand des hervortretenden Hausherrn herbeyfliegen, und mit ihren mannigfalti - gen Stimmen und Bewegungen ſeiner Guͤte danken. Begluͤckter Aufenthalt des Friedens und der Einfalt! Ruͤhrendes Bild der Unſchuld, das uns von Edens Se - ligkeit allein uͤbrig blieb! Wer kann ſo empfindungsleer, von ſich ſelbſt ſo vergeſſen ſeyn, den nicht dein ſanfter Reiz heranlockte, dem er nicht einen Seufzer voll wehmuͤ - thiger Sehnſucht entfuͤhrte?

Eben ſo, wie in der Landſchaft, muͤſſen Gebaͤude in den verſchiedenen Revieren der Gaͤrten ihre Wirkungen beweiſen, nicht bloße Gegenſtaͤnde, ſondern Gegenſtaͤnde von einer beſtimmten Bedeutung ſeyn. Sie muͤſſen geſchickt ſeyn, die Charaktere der Gegenden, denen ſie zugeordnet werden, nicht blos deutlicher zu bezeichnen, ſon - dern ihnen auch eine neue Kraft mitzutheilen, die ſich ſchnell uͤber das Ganze verbreitet. Sie muͤſſen die Anmuthigkeit, die Heiterkeit, den Ernſt, die Melancholie der Auf - tritte, unter welchen ſie liegen, erhoͤhen, und jeden Charakter dem Gefuͤhl eindringen - der machen. Eine offene Rotunde z. B. vermehrt auf einem Huͤgel das Luftige einer kleinen Gruppe, die ſich um ſeinen Abhang mit hellen Zwiſchenraͤumen zieht; eine Capelle hebt das Feyerliche, eine Einſiedeley das Melancholiſche, ein Tempel das Edle, und eine Huͤtte das Laͤndliche der Scenen.

Demnach iſt es nothwendig, daß die Gebaͤude zuvoͤrderſt mit dem Charakter des Orts, wo ſie ſich zeigen, uͤbereinſtimmen. Was kann widerſinniger ſeyn, als ein buͤrgerliches Haus in einem Park, eine Einſiedeley mitten auf einem weiten offenen Raſenplatz oder an dem Eingange einer Hauptallee, einen edlen Pavillon in einer Wildniß, eine Huͤtte auf einem mit herrlichen Baͤumen gezierten Huͤgel, einen Thurm oder Ruinen an einem lebhaften Bach in einem heitern Blumenrevier, ein Studier - kabinet an der Landſtraße, ein Badhaus auf einer Anhoͤhe aufzuſtellen? Vergehungen dieſer Art verletzen ſo offenbar die weſentlichen Regeln der Schicklichkeit, daß ſie nicht anders als mit dem groͤßten Mißfallen bemerkt werden.

Der Charakter jeder Scene beſtimmt, welches Gebaͤude ihr angemeſſen iſt. Und aus dieſer Beſtimmung folgt der nothwendige Unterſchied der Gebaͤude. Sowird51Gartengebaͤuden. wird eine kleine luftige Anhoͤhe, bekraͤnzt mit bluͤhenden Geſtraͤuchern, ein leichtes, freyes und anmuthiges Luſthaus zur Vermehrung ihrer Heiterkeit; und die ſanfte Me - lancholie eines verſchloſſenen, ſchattenvollen Reviers eine Einſiedlerhuͤtte verlangen, die ſich von dem oͤffentlichen Anblick entfernt. Allein auch die Groͤße und die aͤußere Ver - zierung eines Gebaͤudes muß jedesmal nach dem beſondern Charakter der Scene abge - meſſen ſeyn. Zuviel Ausdehnung und Reichthum uͤberwaͤltigt oft den Eindruck, den die Naturſcene machen ſoll; zu wenig hebt ihre Wirkung nicht genug. Denn nie - mals darf man vergeſſen, daß das Gebaͤude und die Gegend nicht als einzeln fuͤr ſich beſtehende Theile anzuſehen ſind, ſondern zuſammen ein Ganzes ausmachen, ſich durch ihre Beziehungen auf einander freundſchaftlich unterſtuͤtzen, und ihre beyderſeitigen Wirkungen durch harmoniſche Vereinigung verſtaͤrken ſollen. Und daher iſt ſelbſt auch in dieſer Ruͤckſicht der aͤußere Anſtrich der Gebaͤude nichts gleichguͤltiges. Er muß dem Charakter der Scene zuſtimmen, ihr weder zu viel noch zu wenig Licht zu - werfen, lebhaft ſeyn, wenn ſie Heiterkeit hat, ihrer Milde ſich naͤhern, wenn ſie ſanft iſt, und wenn ſie ins Dunkle ſinkt, ſich gleichſam mit ihrem eigenen Schatten huͤllen.

Wenn nur die Gebaͤude nach Lage und Charakter, wovon allein die großen Wir - kungen abhaͤngen, mit ihren Scenen uͤbereinſtimmen; ſo darf man nicht zu abgenutz - ten Zierrathen und uͤberfluͤßigen Zuſaͤtzen ſeine Zuflucht nehmen. Dahin gehoͤren vornehmlich Bildhauerarbeiten und Malereyen, die man an den aͤußern Waͤnden an - bringt, z. B. tanzende Figuren an einem Luſthauſe, Todtenkoͤpfe vor einer Einſiedeley, gemalte Blumen, Voͤgel, Springbrunnen, u. ſ. f. Dieß ſind leere Bezeichnungen und Erklaͤrungen, die nur das Auge des Kindes ergoͤtzen, die Leute ohne Verſtand noͤthig haben. Fehlt dem Gebaͤude in Form und Anordnung der Ausdruck ſeines Charakters, ſo kann aller Reichthum von ſolchen Sinnbildern ihn nicht erſetzen. Und traͤgt es ſchon, wie es ſoll, das deutliche Gepraͤge ſeines Charakters; wozu die Ver - ſchwendung von Erklaͤrungen, die entbehrlich ſind, und von Zierrathen, die der Ein - falt widerſprechen? Auch iſt ihr Eindruck lange nicht ſo ſchnell und eindringend, als der Eindruck der Gebaͤude ſelbſt. Nicht ſelten wird ſelbſt das Auge beleidigt, wenn es da Malereyen findet, wo es nur einen einfachen Anſtrich des Steins oder Holzes zu erwarten ſich berechtigt haͤlt. Noch unertraͤglicher iſt die ſelbſt aus einigen eng - laͤndiſchen Gaͤrten noch nicht ganz verſcheuchte Mode, bloße Bretter aufzuſtellen, und ſie mit Proſpecten, Caſcaden, Blumen, u. ſ. f. zu bemalen. Dieſe Mode herrſch - te in der alten Manier unter dem Schutz ſo vieler andern abgeſchmackten Dinge. Man erinnert ſich nicht ohne Unwillen an den Mißbrauch, den der beruͤhmte Blumenmaler Fontenay von ſeiner Kunſt machen mußte, da ihn Ludewig XIV. in dem GartenG 2zu52Zweyter Abſchnitt. Von kleinernzu Marly auf die bleyernen Einfaſſungen der Karpenteiche Blumen malen, und alle Jahr aufs neue ausbeſſern hieß; noch mehr, da dieſer Kuͤnſtler, zur Ausfuͤllung einer Luͤcke in einer Hecke, von Blech ausgeſchnittene Blaͤtter, die an ein hoͤlzernes Gitter - werk geſchlagen worden, wie Buchenlaub bemalen mußte. Es gehoͤrt unſtreitig ein ſchoͤpferiſcher Erfindungsgeiſt dazu, um dieſen Einfall zu uͤbertreffen.

Doch zu unſern Gebaͤuden zuruͤck. Um eine ſichere und augenblickliche Wir - kung beweiſen zu koͤnnen, muͤſſen ſie mit der Scene, wozu ſie gehoͤren, ſich verbinden, nicht ſich abhaͤngig machen, nicht als fuͤr ſich beſtehende Gegenſtaͤnde erſcheinen. Sie muͤſſen mitten in dem Auftritt liegen, oder doch von einem betraͤchtlichen Theil ſeines Bezirks umgeben ſeyn. Auf einer Ecke oder auf der Spitze einer Anhoͤhe ſcheinen ſie ſich von der Scene entfernen zu wollen, und man ſieht ſie leicht als Ge - genſtaͤnde an, die nicht dazu gehoͤren. Indeſſen ſind zuweilen einige Baͤume oder ein kleines Gebuͤſch zur Zuſammenziehung der getrennten Theile ſchon behuͤlflich.

Bey der Verbindung der Gebaͤude mit ihren Revieren iſt vornehmlich darauf ſorgfaͤltige Ruͤckſicht zu nehmen, daß ſie gerade die Lage erhalten, wodurch ihre Wir - kung am meiſten gewiß und deutlich empfunden wird. Denn ein Gebaͤude kann mit der Scene zuſammenhaͤngen, ohne eben den Ort einzunehmen, der ihm doch zugehoͤrt, und wovon ein ſtaͤrkerer Eindruck zu gewinnen waͤre. Dieſe Regel hat ohne Zweifel ihre Richtigkeit; allein ihre gluͤckliche Anwendung haͤngt in jedem vorkommenden Fall von der geſunden Beurtheilungskraft des Gartenkuͤnſtlers ab.

In Ruͤckſicht auf das Ganze eines ausgedehnten Parks, der mehrere Gebaͤude zulaͤßt, haben ſie noch den Vortheil, daß ſie dem Auge die Unterſcheidung der ver - ſchiedenen einzelnen Gegenden und Anlagen erleichtern. Denn oft koͤnnen Gruppen, Hayne, Gewaͤſſer und Raſenplaͤtze ſich im Ganzen ſo feſt an einander anſchließen, daß dadurch der Unterſchied der Plaͤtze undeutlich wird. Gebaͤude helfen am beſten dieſer Unbequemlichkeit ab. Sie kuͤndigen ſich dem Auge ſo hervorſtechend an, ſie bezeichnen den Ort ſo kenntbar, ſie praͤgen dem Gedaͤchtniſſe die Merkmale ihrer Verſchiedenheit ſo deutlich ein, daß keine Vermengung der verſchiedenen Theile in der Zuſammenſetzung mehr zu beſorgen iſt.

Bey allen einzelnen Scenen muß man jedoch von der Kraft der Gebaͤude nicht mehr erwarten, als was ſie leiſten koͤnnen. Sie machen freylich faſt immer den er - ſten Eindruck, der ſich mit vorzuͤglicher Lebhaftigkeit verbreitet; allein die Scene ſelbſtmuß53Gartengebaͤuden. muß von einem ſolchen Charakter, von einer ſolchen Abbildung ſeyn, daß ſie ihren Eindruck freundſchaftlich begleitet und unterſtuͤtzt. Gebaͤude koͤnnen zwar die Cha - raktere der Naturplaͤtze verſtaͤrken; ſie koͤnnen ſie aber niemals umaͤndern. Ein edler Pavillon kann keine Wuͤſte in ein Luſtgefilde verwandeln.

Noch andere weniger betraͤchtliche Vortheile laſſen ſich den Gebaͤuden abge - winnen. Sie dienen oft zur Unterbrechung der Ausſicht, und verhindern die Zer - ſtreuung des Auges, das auf den innern Bezirk eingeſchraͤnkt werden ſoll. Sie ver - decken oft widrige Proſpecte, z. B. auf eine leere Ebene, auf Sandfelder, auf Torf - moore, auf kahle Hoͤhen, wovon der Blick abgezogen wird, und ſich dagegen mit dem Genuß ihrer Schoͤnheit unterhaͤlt. Und dieſe Wirkungen koͤnnen zugleich von nahe umherſtehenden Baͤumen, welche die Ausdehnung vergroͤßern, unterſtuͤtzt wer - den. Gruppen von Baͤumen und Gebuͤſchen koͤnnen indeſſen zu eben dieſer Abſicht gebraucht werden; auch iſt ihre Anlage weniger koſtbar. Allein wenn ſich von einem Gebaͤude, ſeiner Hauptbeſtimmung unbeſchadet, zugleich dieſe Vortheile als gefaͤllige Umſtaͤnde gewinnen laſſen; ſo duͤrfen ſie nicht vernachlaͤßigt werden, zumal da ſie ge - wiſſer und von einer beſtaͤndigern Dauer ſind, weil ſie der Veraͤnderung der Jahres - zeit, welche die Baͤume entblaͤttert, nicht unterworfen ſind.

Zu allen den bisher entwickelten Vortheilen der Gartengebaͤude kommt noch die Bequemlichkeit ihrer Anwendung. Sie ſind mehr in der Gewalt des Menſchen, als die Gegenden, welche die Natur ſchaffen muß, und die Kunſt faſt immer nur mit vieler Muͤhe, und nicht ſelten mit verfehlter Erwartung, bearbeitet. Der Gar - tenkuͤnſtler iſt, als Architekt, weniger eingeſchraͤnkt. Er kann Formen und Cha - raktere bilden; er kann Lagen und Verbindungen geben, wie er will.

G 354Zweyter Abſchnitt. Von kleinern
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5. Noch55Gartengebaͤuden.

5.

Noch mehr laͤßt ſich die Anwendung der Gebaͤude erweitern, indem ſie zu Denk - maͤlern beſtimmt werden. Sie ſind alsdann in der Architektur ungefaͤhr das, was in der Bildhauerkunſt Statuͤen, Urnen und andere Monumente ſind. Durch dieſen Gebrauch erhalten die Werke der Baukunſt eine neue Beſtimmung, und werden zu - gleich veredelt, indem ſie moraliſche Wirkungen auf die Seele des Anſchauers be - weiſen.

Sie koͤnnen dem Andenken einer Sache oder einer Perſon gewidmet werden. Allein dieſe Sache oder dieſe Perſon muß nicht allein eine gewiſſe Wuͤrde und Wich - tigkeit haben, ſondern auch in dem Bezirk der Vorſtellungen und Bewegungen liegen, die den Gaͤrten eigen ſind. So hat man in England im Park zu Hagley Popens und Thomſons Andenken an Stellen, die ſie gern beſuchten, wo ſie ſich oft den Ent - zuͤckungen der Natur uͤberließen, Gebaͤude mit Wahrheit und Schicklichkeit ge - widmet.

Die Vorſtellung und Empfindung, die durch dieſe Denkmaͤler erweckt wird, kann ernſthaft oder munter, melancholiſch oder heiter ſeyn. Eine Begebenheit, de - ren Wiedererinnerung eine ſuͤße Schwermuth erregt, kann hier mit eben ſo vielem Rechte Platz finden, als eine andere, die das Gemuͤth mit Luſtigkeit erfuͤllt.

Das Gebaͤude muß, um ſeine Wirkung nicht zu verfehlen, durch ſeine ganze Anordnung und Lage ſtark charakteriſirt ſeyn; ſeine Bedeutung muß nicht allein un - zweifelhaft ſeyn, ſondern auch ohne langes Nachdenken empfunden werden. So ſchwer es auch iſt, ſo viel Scharfſinn und Genie es auch erfordert, ſo muß der Kuͤnſt - ler ſich doch beſtreben, dieſe Verſtaͤndlichkeit durch den Charakter des Gebaͤudes ſelbſt auszudruͤcken. Er kann dieſen Ausdruck des Charakters durch aͤußere Sinnbilder unterſtuͤtzen. Von ihnen ganz allein alles erwarten, muß er gemeinen Koͤpfen uͤber - laſſen, die unfaͤhig, ihrem Werke den Charakter der Wahrheit und der Uebereinſtim - mung aufzupraͤgen, zu erklaͤrenden Zuſaͤtzen ihre Zuflucht nehmen muͤſſen.

Bey den Alten waren einige Tempel bloße Denkmaͤler, und zum Theil als ſol - che haben die Englaͤnder ſie in ihre Parks eingefuͤhrt. Da die nachgeahmten Tem - pel bey uns keinen beſtimmten Gebrauch haben, indeſſen ſich beſonders durch einen gewiſſen Charakter des Edlen und Ehrwuͤrdigen auszeichnen, ſo ſcheinen ſie gerade die Art von Gebaͤuden zu ſeyn, die ſich am beſten als Denkmaͤler gebrauchen laͤßt. Wir werden uns davon bey der naͤhern Unterſuchung der Tempel uͤberzeugen.

Zu56Zweyter Abſchnitt. Von kleinern

Zu dieſer Gattung von Gebaͤuden, die als Denkmaͤler aufgeſtellt werden, ge - hoͤren noch beſonders die Mauſoleen oder Trauergebaͤude, die eben nicht nothwendig beygeſetzte Leichname aufbewahren duͤrfen. Sie muͤſſen eine ſtille Ernſthaftigkeit und melancholiſche Feyerlichkeit in ihren Außenſeiten zeigen, und in der hoͤchſten Ein - falt, frey von jeder Verzierung ſeyn, die nichts zum Ausdruck ihres Charakters bey - traͤgt. Wenige ausgewaͤhlte Sinnbilder koͤnnen auch bey dieſen Gebaͤuden von einer ſehr ſchnellen Wirkung ſeyn, wie in dieſem Beyſpiel.

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Bey57Gartengebaͤuden.

Bey groͤſſern Trauergebaͤuden muͤſſen reiche Saͤulengaͤnge, die zu viel Pracht und Lebhaftigkeit geben, vermieden werden. Einige Saͤulen beym Eingange ſind ſchon zureichend; und die einfache toſcaniſche Ordnung ſcheint hier am meiſten ange - meſſen. Dichte Mauern ohne Oeffnung, die Sparſamkeit der Beleuchtung, die einfoͤrmige Geſtalt der Außenſeiten, der dunkle Anſtrich tragen nicht wenig zu dem ſchicklichen Charakter dieſer Gebaͤude bey.

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III Band. HDritter58Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

I. Tempel.

1.

Die Tempel in den heutigen Gaͤrten ſind Werke der Nachahmung. Wir muͤſſen daher zuerſt ſehen, wie ſie im Alterthum eingerichtet waren, ſo weit es zu un - ſerer Abſicht noͤthig iſt.

Die Tempel der Alten waren entweder ins Gevierte gebauet, und zwar ſo, daß ihre Laͤnge gemeiniglich zweymal ſo viel, als ihre Breite, betrug; oder ſie waren runde Gebaͤude mit einem Gewoͤlbe oder Kupel. Die Tempel der erſten Form waren vor - nehmlich bey den Griechen gebraͤuchlich, obgleich auch von der andern bey ihnen Bey - ſpiele angetroffen wurden. Die Roͤmer liebten am meiſten die runden Tempel. Sie hatten zuweilen dazu einen allegoriſchen Grund, z. B. bey der Sonne, deren Runde dadurch angedeutet ward.

Die Saͤulenordnungen, worauf die Tempel ruhten, gaben ihnen nicht allein Feſtigkeit, ſondern auch ein edles Anſehen. Weil eine, zuweilen mehrere, Außen - ſeiten dieſer Gebaͤude mit einem Vordache verſehen waren, das durch Saͤulen getra - gen ward; ſo konnten dieſe nicht entbehrt werden. Einige Tempel der Griechen hatten nur an der Vorderſeite eine mit einem Vordach bedeckte Halle; und dieſe be - ſtand bald aus vier, bald aus ſechs Saͤulen. Zuweilen hatte zugleich die hintere Seite einen Eingang mit einer Halle. Andre Tempel waren auf allen vier Seiten mit Saͤulen umgeben, die ein um das ganze Gebaͤude laufendes Vordach unterſtuͤtz - ten. Man fuͤhrte, zur Vergroͤßerung des Anſehens, zuweilen zwo Reihen Saͤulen um den ganzen Tempel herum.

Dieſe Saͤulenlauben wurden von den Griechen, und nachher von den Roͤmern ſo ſehr geliebt, daß ſie nicht allein bey ihren oͤffentlichen Gebaͤuden, ſondern auch bey vielen Privathaͤuſern ſie anbrachten, ſowohl der Schoͤnheit, als auch des Nutzens wegen. Sie dienten, wenn ſie bedeckt waren, zur Beſchirmung gegen Regen und gegen Sonnenſtrahl. Im Winter erwaͤrmte man ſich in den Hallen, die gegen Mittag angelegt waren. Man fand unter ihnen einen bequemen Spaziergang und einen Ort ſowohl zur Berathſchlagung und zu Geſchaͤften, als auch zu freundſchaftlichenUnter -59Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Unterredungen. Die Geraͤumigkeit und Laͤnge vermehrte nicht blos ihre Bequemlich - keit, ſondern auch ihre Schoͤnheit. Auf dem Gebaͤlke ſah man oft Statuͤen, die nicht weniger die Zwiſchenraͤume zierten, ſo wie Gemaͤlde die Waͤnde belebten. Die Tempel der Griechen erhielten ſchon fruͤhzeitig einen großen Theil ihres ſchoͤnen An - ſehens von dieſen Saͤulenlauben.

Der Gebrauch der Saͤulenordnungen war nicht gleichguͤltig. Im Anfang waͤhlte man die doriſche Ordnung, wegen der hohen Einfalt und des ſtillen Ernſtes, der ihr eigen iſt, und der ſich nach der Meynung der aͤltern Baumeiſter am beſten zu Gebaͤuden dieſer Art zu ſchicken ſchien. Nachher ward die ioniſche, und ſeltener die korinthiſche, die zu viel Ueppigkeit fuͤr die Wuͤrde der Tempel zu haben ſchien, ge - braucht. Indeſſen giebt Vitruv*)lib. 1. c. 2.eine Anleitung, wie die Saͤulenordnungen, nach dem Unterſchied der Gottheiten, zu waͤhlen ſind. Fuͤr Tempel der Minerva, des Mars und des Herkules beſtimmt er die ernſthafte und ſtarke doriſche Ordnung; die feine und zaͤrtliche korinthiſche widmet er der Venus, der Flora, der Proſerpina und den Nymphen; die ioniſche aber, die zwiſchen der Einfalt der doriſchen und dem Schmucke der korinthiſchen die Mitte haͤlt, ſpricht er der Juno, Diana und dem Bacchus zu. So wenig auch dieſe feine Vorſchrift immer zur Anwendung gekommen iſt, ſo ſcheint ſie doch eine Erfindung der Griechen zu ſeyn. Eben dieſes gilt von einer andern, die den Tempeln des Jupiters, Mars und Herkules grauen und roͤthlich - ten Marmor, der Flora und der Grazien aber weißen und glaͤnzenden beſtimmt.

Der Charakter der alten Tempel war eine edle Einfalt und ſtille Groͤße in den Formen, eine Schoͤnheit, die aus den einfachen Verhaͤltniſſen der Haupttheile und aus der freyen und natuͤrlichen Anordnung entſprang, und ein zuſtimmendes aͤußeres An - ſehen von Pracht ohne Ueppigkeit, das vornehmlich durch die Ordnungen und die Saͤulenlauben hervorgebracht ward. Nur wenige Tempel zeichneten ſich durch einen großen Umfang aus; aber die ganze Schoͤnheit der Architektur war faſt in allen aus - gepraͤgt. Es waren darinn keine Verſammlungen gewoͤhnlich, außer zuweilen bey gewiſſen oͤffentlichen Feyerlichkeiten; viele waren gar nicht zu Opfern und andern got - tesdienſtlichen Handlungen beſtimmt, ſondern bloße Denkmaͤler.

Die Lage der Tempel erhoͤhete ihr Anſehen, das ihnen ſchon die Architektur gab. Sie ſtanden frey, von andern Gebaͤuden abgeſondert, und hatten ringsumher einen ſchoͤnen Platz, der oft mit Statuͤen geziert war. Sie waren gemeiniglich auf einer Erhoͤhung, oder auf einem kleinen Huͤgel errichtet, und hatten, zuweilen auf allen Seiten umher, zuweilen blos am Eingange, ein praͤchtiges marmornes Treppenwerk, worauf man zu ihnen hinanſtieg. Nach einer Bemerkung des Vitruv**)lib. 2. c. 7.ſollte manH 2ſelbſt60Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,ſelbſt die beſondern Lagen der Tempel nach der Verſchiedenheit des Charakters der Gottheiten beſtimmen: Jupiter, Juno und Minerva ſollten, als die vornehmſten Schutzgoͤtter, die ihnen geweiheten Gebaͤude an dem erhabenſten Orte; Merkur am Markte; Apoll und Bacchus beym Theater; Ceres außerhalb der Stadt; und Neptun am Ufer des Meeres haben.

Alle Verzierungen der Tempel, aͤußere und innere, ſie mochten halb erhobene Bildwerke, Statuͤen, Gemaͤlde ſeyn, ſie mochten aus Geſchichte oder Allegorie be - ſtehen, hatten doch immer eine harmoniſche Beziehung auf die Natur, die Eigen - ſchaften oder Thaten der Gottheiten. In dieſem Geſchmack war z. B. zu Rom auf dem palatiniſchen Berge der beruͤhmte Tempel des Apoll verziert, den Auguſt er - richten ließ. In der Halle umher glaͤnzten Statuͤen, die auf die wohlthaͤtigen Wir - kungen des Gottes winkten; an der Vorderſpitze des Gebaͤudes zeigte ſich der goldene Wagen der Sonne; die elfenbeinernen Thuͤren und die marmornen Waͤnde enthielten Gemaͤlde, die den Apoll angiengen; er ſelbſt erſchien im Innern, eine herrliche Sta - tuͤe, und ruͤhrte voll Entzuͤcken die Leyer; zwo Bibliotheken, eine mit griechiſchen, die andere mit roͤmiſchen Werken, verkuͤndigten ſeine goͤttliche Macht. Selbſt die Verzierung ſowohl, als die Hoͤhe der Altaͤre, war beſtimmt und andeutend. Die Zweige oder das Laubwerk des Lorbeers, des Epheu, der Fichte, der Cypreſſe, des Oelbaums, der Myrte kuͤndigten das Heiligthum des Apoll, des Bacchus, des Pan, des Pluto, der Minerva, der Venus an; und hoͤher erſchien der Altar des Jupiter, da hingegen der Veſta und dem Neptun ein niedriger zugetheilt ward.

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2. Schon61Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

2.

Schon die Roͤmer fuͤhrten Tempel in ihre Gaͤrten ein. In den ſalluſtiſchen Gaͤrten war der Venus, und in den Gaͤrten des aventiniſchen Berges dem Silvan ein Tempel gewidmet. Dieſer Gebrauch iſt ohne Zweifel in den ſpaͤtern Zeiten ge - meiner geworden, als die Liebe zur Pracht bis zur Ausſchweifung ſtieg, und die Gar - tenplaͤtze mit allen Arten von Gebaͤuden uͤberfuͤllte.

Unter den neuern Nationen ſind es die Britten, die Gebaͤude in Form der Tempel des Alterthums zuerſt in die Gaͤrten wieder eingefuͤhrt haben. Als der neue Geſchmack ſich zu verbreiten anfieng, dachte man auf Erfindungen, wodurch den Na - turplaͤtzen ein mehr edles Anſehen, als durch die gewoͤhnlichen Luſthaͤuſer, mitgetheilt werden koͤnnte. Und man mußte bey dieſer Abſicht bald auf die Nachahmung der Tempel fallen, da um eben dieſe Zeit, durch die Reiſen der Kunſtkenner nach Grie - chenland und dem uͤbrigen Orient, aus den Ruinen des Alterthums ein hellerer Tag hervorzubrechen anfieng, der die Geiſter nicht aufklaͤren konnte, ohne ſie zugleich mit Bewunderung zu erfuͤllen.

Man hat in verſchiedenen englaͤndiſchen Parks Tempel nach der Bauart der Alten aufgeſtellt. Keine aber ſind bis jetzt von dieſer Seite beruͤhmter, als die Gaͤr - ten zu Stowe und zu Kew. Wir wollen die wichtigſten von ihnen etwas naͤher betrachten, ohne zugleich auf die Menge der uͤbrigen Gebaͤude, womit ſie angefuͤllt ſind, Ruͤckſicht zu nehmen. Beyde haben etwas Eigenthuͤmliches. Die Tempel zu Kew zeichnen ſich, nach der Architektur betrachtet, durch eine hoͤhere Schoͤnheit aus; zu Stowe ſind ſie mit reichen und wohl bearbeiteten Scenen mehr verbunden.

a. Tempel zu Stowe. *)Stowe liegt in Bukinghamſhire, 60 engl. Meilen von London, und andert - halb Meilen von Bukingham. Man kann hier die Manier des beruͤhmten Kent ſehen, welcher der wahre Schoͤpfer dieſes Gartens iſt. Uebrigens habe ich mich bey derfolgenden Beſchreibung mehrerer Quellen bedient, und eigene Bemerkungen unter - geſtreut; doch bey den Scenen beſonders die ſchoͤne Schilderung des Hrn. Whately zum Grunde gelegt.

Der ganze weite Raum, der den Garten zu Stowe umfaßt, iſt in eine große Menge von Auftritten vertheilt, wovon jeder von Geſchmack und Erfindungskraft zeugt.

Unter den Tempeln erſcheint zuerſt eine offene ioniſche Rotunde**)S. 1ſter B. S. 189. auf einem kleinen von allen Nebenumſtaͤnden gaͤnzlich abgeſonderten Huͤgel. Ihre Lage ver -H 3ſpricht62Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,ſpricht einen welt ausgedehnten Proſpect, und es ſind auch hier die meiſten von den Gegenſtaͤnden des Gartens, die auf dieſer Seite liegen, ſichtbar. Allein ſie ſind in dieſer Ausſicht nicht nur des Zuſammenhangs, ſondern auch des Contraſtes beraubt. Ein jeder gehoͤrt beſonders zu irgend einem andern Revier. Blos der See erſcheint als ein Hauptgegenſtand. Eine breite Strecke davon iſt ſo nahe, daß ſie ununter - brochen durch die am Ufer ſtehenden kleinen Gruppen uͤberſehen werden kann. Die Rotunde beſteht aus zehn Saͤulen, die ein rundes erhabenes mit Bley gedecktes Dach tragen, unter welchem eine mediceiſche Venus von Bronze auf einem etwas erhoͤhe - ten Fußgeſtell ſteht. Dieſes zierliche Gebaͤude faͤllt mit der Statuͤe zwiſchen den weiſ - ſen Saͤulen ſchon in der Ferne von allen Seiten vortrefflich in die Augen; die Lage koͤnnte nicht gluͤcklicher ſeyn, als auf dieſem ſanftaufſchwellenden Huͤgel, den man un - merklich beſteigt.

Der Tempel des Bacchus iſt von doriſcher Ordnung. Man ſteigt zu ihm auf einigen Stufen, zwiſchen zwey Sphinxen hinauf, die am Eingang liegen. Die Ge - maͤlde ſtellen das Erwachen des Gottes vor. Auf beyden Seiten des Tempels ſtehen zwo Statuͤen, die lyriſche und die ſatyriſche Poeſie. Die Scene bey dieſem Gebaͤude hat einen Charakter, welcher dem, der um die Rotunde herrſcht, ganz entgegengeſetzt iſt, obgleich der Bezirk und die Gegenſtaͤnde in beyden beynahe eben dieſelben ſind. Allein hier kommen alle Theile zuſammen, um ein Ganzes zu machen. Der Boden ſenkt ſich von allen Seiten ſtufenweiſe gegen den See herab. Die Waldungen auf dem entgegengeſetzten Ufer oͤffnen ſich, um den Tempel der Venus zu zeigen; ſie ſteigen von dem Rande des Waſſers bis zu der Hoͤhe hinauf, worauf er ſteht, und ſchließen ſich hinter ihm wieder zuſammen.

Indem der Tempel der Venus in dieſem Proſpect ein wenig von der Seite er - ſcheint, und alſo ein perſpectiviſches Anſehen bekoͤmmt, ſo wird er ein weit ſchoͤnerer Gegenſtand; und ob er ſich gleich in einer groͤßern Entfernung zeigt, als vorher aus einem andern Geſichtspunct, ſo iſt er doch hier wichtiger, weil er allein in die Augen faͤllt. Das Waſſer, der Boden und die Waldungen locken das Auge dahin; und die Landgegend ſchimmert nicht ſowohl aus einer entlegenen Ferne hervor, ſondern er - ſcheint vielmehr nahe und erhaben uͤber dem Walde, und iſt mit dem Garten durch Baumklumpen verbunden. Der ganze Auftritt zuſammengenommen macht eine ſehr belebte Landſchaft aus. Die Schoͤnheit des Gebaͤudes, der Widerſchein ſeines Bil - des in dem See, die durchſichtige Klarheit dieſes Gewaͤſſers, der maleriſche Reiz ſeiner Figur, erhoͤhet von kleinen umhergepflanzten Gruppen von Baͤumen, alle dieſe Um - ſtaͤnde, die untereinander um den Vorzug der Schoͤnheit ſtreiten, und ſich wieder ver - einigen, um das Ganze zu heben, werfen uͤber dieſes Gemaͤlde einen außerordentlichenGlanz.63Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Glanz. Der Tempel der Venus ſelbſt beſteht aus drey Fluͤgeln, die durch ſechs Schwibbogen von ioniſcher Ordnung mit einander verbunden ſind, und macht einen halben Zirkel. Dieſe Form ſowohl, als die innere Verzierung, die in Gemaͤlden aus Gedichten des Spenſer beſteht, weicht von der Vorſtellung eines Tempels im antiken Geſchmack zu merklich ab. Indeſſen hat man von dem Orte dieſes Gebaͤudes wieder vortreffliche Ausſichten. Sie laufen alle an dem Abhange der Wildbahn herab. Dieſe ſteigt an der Anhoͤhe hinauf, und weil hier der Gipfel mit einer hohen Waldung gekroͤnt iſt, ſo wird ſie dadurch weit anſehnlicher. Die Huͤgel, welche den allgemei - nen Abhang unterbrechen, ſenken ſich von dieſer Seite viel weiter herab, als auf ir - gend einer andern; und dadurch erhalten ſie hier einen Werth, den ſie vorhin nicht hatten. Beſonders ſcheint der Huͤgel, worauf die Rotunde ſteht, eine ſtolze Lage abzugeben, und das Gebaͤude ſelbſt hat das Anſehen, einer ſo freyen Gegend ganz an - gemeſſen zu ſeyn. Im Gegentheil iſt hier der Bacchustempel, der einen ſo praͤch - tigen Proſpect hat, nur ein einſamer Gegenſtand, der voͤllig mit Gebuͤſchen umringt iſt. Der auf den Gipfel gepflanzte und an einer Seite des Berges herablaufende Wald zeigt ſich hier, als ob er ſehr dichte waͤre; er ſcheint hoͤher zu ſeyn, als er wirk - lich iſt. Auch die Wildbahn hat einen großen Umfang, und weil ein Theil der Be - graͤnzung verſteckt iſt, ſo wird dadurch die Vorſtellung von einer noch groͤßern Aus - dehnung erzeugt. Es iſt zwar nur ein kleines Stuͤck von dem See ſichtbar, allein er iſt hier kein Gegenſtand, ſondern nur ein Theil des Auftritts. Und da ſein Ende von keiner Seite in die Augen faͤllt, ſo hat er kein kleines Anſehen. Haͤtte man einen groͤſſern Theil des Waſſers zeigen wollen, ſo wuͤrde er dem Charakter der Gegend nachtheilig geweſen ſeyn: denn dieſer iſt ſittſam und gemaͤßigt, weder feyerlich noch luſtig; er iſt groß und einfach, aber zugleich ſchoͤn.

Mehr im antiken Styl iſt der Tempel der alten Tugend,*)S. 1ſter B. S. 208. der eine gluͤckliche Lage auf einer kleinen Anhoͤhe hat. Er iſt ein ſchoͤnes, rundes Gebaͤude mit einer Kupel, und einer Saͤulenlaube von ioniſcher Ordnung umgeben, verſchloſſen von allen Seiten. Eine Treppe von zwoͤlf Stufen fuͤhrt durch zwo Thuͤren hinein, wovon die eine gegen Mittag, die andere gegen die Morgenſeite ſich eroͤffnet. Jede hat die In - ſchrift: Priſcae Virtuti! Das Innere des Gebaͤudes iſt mit Bildwerk artig ausgezie - ret, und in vier Niſchen erblickt man in Lebensgroͤße die Statuͤen von den groͤßten Maͤnnern Griechenlands, verewigt durch den Ruhm der Geſetzgebung, der Philo - ſophie, der Dichtkunſt und der Heldentugend. Man lieſet uͤber einem jeden eine er - zaͤhlende Inſchrift, die das Verdienſt richtig beſtimmt.

Lycur -64Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,
Lycurgus
Qui ſummo cum conſilio, inventis legibus
omnemque contra corruptelam munitis optime,
pater patriae
libertatem firmiſſimam
et mores ſanctiſſimos,
expulſa cum divitiis avaritia, luxuria, libidine,
in multa ſaecula
civibus ſuis inſtituit.
Socrates
Qui corruptiſſima in civitate innocens,
bonorum hortator, unici cultor Dei,
ab inutili otio et vanis diſputationibus,
ad officia vitae et ſocietatis commoda,
philoſophiam avocavit,
hominum ſapientiſſimus.
Homerus
Qui poetarum princeps, idem et maximus,
virtutis praeco et immortalitatis largitor
divino carmine
ad pulchre audendum et patiendum fortiter,
omnibus notus gentibus, omnes incitat.
Epaminondas
Cuius a virtute, prudentia, verecundia,
Thebanorum respublica
libertatem ſimul et imperium,
diſciplinam bellicam, civilem et domeſticam
accepit,
coque amiſſo, perdidit.
Auch65Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

Auch die Thuͤren ſind inwendig mit Inſchriften verſehen, die der ehrwuͤrdigen Scene angemeſſen ſind, und auf Erweckung patriotiſcher Geſinnungen, der Liebe des Vaterlandes, der Tugend und des Nachruhms hinzielen. Eine von dieſen Thuͤren hat die Ueberſchrift:

Carum eſſe civem, bene de republica mereri, laudari, coli, diligi, glo - rioſum eſt; metui vero, et in odio eſſe, invidioſum, deteſtabile, imbecillum, caducum. ()

Ueber der andern findet man dieſe Worte:

Iuſtitiam cole et pietatem, quae cum ſit magna in parentibus et propin - quis, tum in patria maxima eſt. Ea vita via eſt in coelum, et in hunc coetum eorum, qui iam vixerunt. ()

Allein der ſchoͤnſte Tempel in dieſem Garten iſt der Tempel der Eintracht und des Sieges.

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Er iſt in der ioniſchen Ordnung, laͤnglich, nach dem Tempel der Minerva zu Athen erbauet; daher er auch der griechiſche Tempel heißt. Man ſteigt zu ihm auf funf - zehn Stufen in eine praͤchtige Saͤulenlaube von acht und zwanzig Saͤulen hinauf, die um das ganze Gebaͤude herumgeht, und deren Decke mit Bildwerk ausgeziert iſt. Der Giebel ſtellt in halb erhabener Arbeit die vier Welttheile vor, wie ſie Großbri -III Band. Jtannien66Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,tannien die vornehmſten Producte uͤberreichen, die jedem eigen ſind. Auf dem Gi - pfel des Vordertheils ſtehen drey Statuͤen; eben ſo viele uͤber dem Hintertheil. In den Fries iſt die Inſchrift gegraben:

Concordiae et Victoriae. ()

Auf beyden Seiten der Thuͤre, die in Blau und Gold gemalt iſt, ſind an der Wand zwey große Medaillons, in deren einem man die Worte:

Concordia foederatorum ()

in dem andern die Worte:

Concordia civium ()

erblickt. Ueber der Thuͤre ſelbſt iſt dieſe Stelle des Valerius Maximus einge - graben:

Quo tempore ſalus eorum in ultimas anguſtias deducta, nullum ambi - tioni locum relinquebat. ()

Das Innere des Tempels zeugt von einer großen Simplicitaͤt. Man erblickt darinn vierzehn leere Niſchen, die von einer andern unabhaͤngig ſind, worinn man eine Sta - tuͤe mit der Inſchrift ſieht:

Libertas publica. ()

Ueber der Niſche findet man dieſe Stelle aus dem Valerius Maximus:

Candidis autem animis voluptatem praebuerint in conſpicuo poſita, quae cuique magnifica merito contigerunt. ()

Ueber den Niſchen, die nicht haͤtten leer bleiben ſollen, ſind eben ſo viele Medaillons, worinnen die Siege der Englaͤnder uͤber die Franzoſen in halb erhabener Arbeit vorgeſtellt ſind.

Dieſer Tempel wuͤrde, nach ſeinem beſondern Charakter betrachtet, ſich beſſer in den Park des Koͤnigs ſchicken, noch beſſer auf einen ſchoͤnen Platz in der Reſidenz, als ein oͤffentliches Nationalgebaͤude. So erhebend die Vorſtellung der Eintracht iſt, ſo niederſchlagend iſt auf der andern Seite der Gedanke, daß dieſe Eintracht eine Folge der Uebermacht und eine Wirkung der Siege iſt. Gar zu bald haͤngt ſich an die Idee des Sieges das traurige Bild von Thraͤnen, von Blut, von Verwuͤſtung. Und Vorſtellungen dieſer Art vertragen ſich nicht wohl mit der gluͤcklichen Ruhe des Landlebens und mit dem Frieden der Natur. Inzwiſchen kann nichts reizender ſeyn, als die Scene, worinn dieſer praͤchtige Tempel liegt.

Ein67Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

Ein breiter Spaziergang fuͤhrt in das griechiſche Thal, das einen weit erhab - nern Auftritt ausmacht, als irgend einer in dieſem Garten ſeyn kann. Nachdem es ſich in eine anſehnliche Breite erweitert hat, ſo faͤngt es an ſich zu kruͤmmen; es wird ſchmaͤler und zugleich tiefer, und endlich verliert es ſich in ein dichtes Gebuͤſch hinter einigen erhabenen Ulmen, hinter welchen ſich ſein wahres Ende verſteckt. Angeneh - me Waͤlder und Haine neigen ſich uͤberall an den Abhaͤngen herab; und der offene Raum iſt mit abgeſonderten Baͤumen uͤberpflanzt. So wie das Thal tiefer wird, ſo laufen dieſe freyer von ſeinen Seiten herab, uͤberkreuzen die Tiefe, oder ziehen ſich laͤngſt an ihrem Rande dahin, und kommen zuweilen in ſolche Gruppen und Figuren zuſammen, welche die Abwechſelungen der groͤßern Waldungen vervielfaͤltigen. Dieſe ſind bald dichte Gebuͤſche, bald offene Haine. In dem einen ſteigen die Baͤume in hohe Staͤmme auf; in einem andern bedecken ſie mit ihren Aeſten den Boden; und durch ſie erſcheinen kleine Oeffnungen. Mitten in dieſer Scene ſteht der Tempel auf einer natuͤrlichen und bequemen Anhoͤhe von einem großen Umfange, gleich bey der Kruͤmmung des Thals, ſo daß man beyde Seiten uͤberſehen kann. In einer gewiſſen Gegend zeigt ſich ſeine majeſtaͤtiſche mit ſechs ioniſchen Saͤulen gezierte Vorderſeite ge - rade vor dem Geſichte. In einer andern zieht ſich die ſchoͤne Saͤulenordnung in ein Perſpectiv zuruͤck. Der Tempel faͤllt von allen Seiten ins Auge; und indem er ſei - nen eigenen anſtaͤndigen Charakter allen benachbarten Gegenſtaͤnden mittheilt, ſo ver - breitet er eine gewiſſe Ehrfurcht uͤber das Ganze. Allein er erweckt keine Traurigkeit, keine Melancholie: die Empfindungen, die er einfloͤßt, ſind vielmehr ſanft; aber voll Ehrfurcht, Bewunderung und Feyerlichkeit. Man ſieht kein Waſſer, die Aus - ſicht zu beleben; keinen entfernten Proſpect, ſie zu bereichern. Die Theile des Auftritts ſind groß; die Erfindung iſt erhaben, und die Ausfuͤhrung gluͤcklich. Die Scene iſt unabhaͤngig von allen zufaͤlligen Umſtaͤnden, und ruhet auf ihrer eigenen Groͤße.

b. Tempel zu Kew. *)Ein bekannter Ruheſitz und Garten des Koͤnigs von England, nahe bey London. Die Tempel, die man hier findet, ſind ausChamber’s Werk: Plans, Elevations etc. of the Gardens and Buildings at Kew, fol. London 1763. Man ſehe auch 1ſten B. S. 55.

Der Garten zu Kew umfaßt keinen ſehr betraͤchtlichen Umfang, der eine große Mannigfaltigkeit von natuͤrlichen Scenen verſtattete. Allein außer dem ReichthumJ 2von68Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,von einheimiſchen und auslaͤndiſchen, beſonders nordamerikaniſchen Baͤumen, Straͤuchern und Pflanzen, die hier ein vortreffliches Gedeyen haben, geben ihm ſeine Tempel einen merkwuͤrdigen Vorzug. Man hat durch dieſe den Mangel der natuͤr - lichen Abwechſelungen, die dem Orte fehlen, zu erſetzen geſucht. Denn in dem In - nern laufen die Proſpecte nur in der Naͤhe herum, nur auf ein Waſſerſtuͤck, auf die Baͤume, Buͤſche und kleine Anhoͤhen; und man muß einen Thurm beſteigen, um eine Ausſicht aufs Land zu genießen. Die Tempel moͤgen fuͤr den eingeſchraͤnkten Raum zu gehaͤuft ſeyn, ſie moͤgen nicht immer ihnen zugehoͤrige Scenen haben, wo - durch ſie ſich mehr von einander abſondern, und ihre Wirkungen, die ſich nun in einander verlieren, beſtimmter und ſtaͤrker beweiſen wuͤrden; dennoch haben dieſe Ge - baͤude ſo viel Schoͤnheit der Architektur, ſie ahmen die antike Form mit ſo viel Ge - ſchmack nach, daß ſie unter den neuern Werken dieſer Art eine vorzuͤgliche Aufmerk - ſamkeit verdienen. Wenn ein Koͤnig, der ſo viel feinen Geſchmack in der Baukunſt und zugleich ſo viel Kenntniß der Botanik beſitzt, deſſen ſanfte Seele den Eindruͤcken der Naturſcenen nicht weniger, als den Gefuͤhlen der Menſchenliebe, der Zaͤrtlichkeit und der Freundſchaft offen ſteht, der mit der Wuͤrde des Monarchen das Gluͤck eines Privatmannes zu vereinigen weiß, und wenn ihm die oͤffentlichen Geſchaͤfte erlauben vom Thron zu ſteigen, ſich in ein Haus voll Einfalt und beſcheidener Zierlichkeit*)S. Abbildung des Hauſes zu Kew im 2ten B. verbirgt, nur ſtolz, Gemahl und Vater zu ſeyn, wenn dieſer Koͤnig einer Nation vorſteht, die ihre Neigung zum Freyen und Edlen ſelbſt in ihren Landſitzen zu ver - breiten gewohnt iſt; ſo ſollten ihm zu ſeinen Luſtoͤrtern die beſten Plaͤtze des Landes ge - hoͤren, um ſie noch mehr zum Ruhm der Kunſt mit den Denkmaͤlern ſeiner Erfindung zu verſchoͤnern.

Die ſchoͤnſten Gebaͤude im Garten zu Kew ſind die Tempel des Sieges und der Sonne. Der erſte iſt zum Andenken des beruͤhmten Sieges errichtet, den 1759 bey Minden die brittiſche alliirte Armee unter den Befehlen des Herzogs Ferdinand von Braunſchweig uͤber die franzoͤſiſche unter dem Marſchall von Contades erhielt. Der Tempel erhebt ſich auf einem Huͤgel, und iſt ein vollkom - men und praͤchtig ausgefuͤhrtes Gebaͤude. Es iſt ein zirkelfoͤrmiger Peripteros von koniſcher Ordnung, und die Saͤulen haben Streifen. Der Fries iſt mit Laubwerk geziert, und rings um die Attike ſchlingt ſich ein Kranz von Lorbeerblaͤttern. Die Zelle oder das innere Gemach, woraus man einen artigen Proſpect hat, iſt mit fei -nen69Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. nen Stuccaturarbeiten ausgeziert, die Siegeszeichen vorſtellen. Dieſes edle Gebaͤude iſt nach Chamber’s Zeichnung und unter ſeiner Aufſicht aufgefuͤhrt.

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Der Tempel der Sonne liegt in einem offenen Hain. Er iſt ebenfalls ein zirkelfoͤrmiger Peripteros, mit einer Attike verſehen, und von korinthiſcher Ordnung. Die Saͤulen ſind geſtreiſt. Das Gebaͤlke iſt reich, und von dem beruͤhmten Tempel zu Balbeck nachgeahmt. Ueber jeder Saͤule iſt in dem Fries eine Leyer mit einem Lorbeerzweig in erhabener Arbeit abgebildet. Außerhalb rings um den obern Theil der Zelle laͤuft ein Kranz von Fruͤchten und Blumen. Das Innere bildet einen im reichen Geſchmack ausgefuͤhrten und vergoldeten Saal. In dem Mittelpunkt derJ 3Decke70Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,Decke iſt die Sonne vorgeſtellt, und in den Frieſen erſcheinen in zwoͤlf mit Lorbeer - zweigen umkraͤnzten Abtheilungen die Zeichen des Sonnenkreiſes in erhabener Arbeit. Der Tempel iſt unter Chamber’s Aufſicht erbauet.

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Der Tempel des Aeolus erſcheint auf einer Anhoͤhe. Er iſt ſeiner Figur nach ein Monopteros. Die Ordnung iſt zuſammengeſetzt; doch die doriſche die herrſchen - de. Innerhalb der Saͤulen iſt eine große Niſche in einem halben Zirkel, die zumSitzen71Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Sitzen dient. Das Gebaͤude iſt zum Umdrehen eingerichtet, und ſeiner Groͤße un - geachtet kann man es ſehr leicht mit einer Hand nach einer andern Seite wenden.

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Indem man in einen abgelegenen einſamen Gang einſchlaͤgt, trifft man den Tempel des Pan an. Er iſt ein Monopteros und von doriſcher Ordnung; ſeinem Profil nach von dem Theater des Marcellus zu Rom nachgeahmt. Die Metopenſind72Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,ſind mit Stierſchedeln und Opferſchalen verziert. Er iſt auf einer Seite verſchloſſen, und ſo eingerichtet, daß er zu einem Ruheſitze dient.

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Nicht73Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

Nicht weniger iſt der Tempel der Einſamkeit ein ſchoͤnes Gebaͤude, mit einer achteckichten Zelle und zwey Fenſtern, die ſich auf den Seiten der Thuͤre zeigen.

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3.

Die Tempel gehoͤren ihrer Form und ihres Charakters wegen zu den anſtaͤndig - ſten und ſchoͤnſten Gebaͤuden, und ſie verdienen die Nachahmung, die man in den Gaͤrten von ihnen zu machen angefangen hat. Allein dieſe Nachahmung muß in den Graͤnzen der Wahrheit bleiben, und von allen Ausſchweifungen frey ſeyn.

Die Tempel der Alten hatten, wie wir geſehen haben, eine beſtimmte Bauart. Sie machen immer eine beſondere Gattung von Gebaͤuden aus, wovon die Muſter in Beſchreibungen und in Ruinen vor Augen liegen, und wovon die Nachahmung nicht abweichen darf. Nichts wird gewoͤhnlicher, als Gebaͤude Tempel zu nennen, deren Form und Anordnung dieſem Namen widerſpricht. Der Tempel der Hirten - muſe zu Stowe iſt eine gluͤckliche Erfindung; das Gebaͤude iſt leicht, nachlaͤßig undIII Band. Kange -74Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,angenehm; allein die Form iſt nicht im antiken Geſchmack. Der Tempel der Freundſchaft in eben dieſem Garten ſieht mehr einer Capelle aͤhnlich, und der Tem - pel der Damen einem Pavillon. Das erſte Geſetz bey dieſer Art von Nachahmung verlangt, daß die Form und der Charakter der antiken Tempel getreu beybehalten werden. Daher iſt es eine ſehr unrichtige Meynung, daß der Architekt ſich hier jede Verſchoͤnerung erlauben duͤrfe, daß ein Tempel gerne alles annehme, was nur die Einbildungskraft Praͤchtiges und Reiches erfinden kann.

Nach dieſem Charakter, deſſen weſentliche Beſtandtheile Schoͤnheit und Wuͤr - de ſind, gehoͤrt ein Tempel nur zu Scenen, die dieſem Charakter beyſtimmen. Ein edler Tempel in einer Wildniß oder in einem niedrigen Buſchwerke wuͤrde eine ſehr unſchickliche Lage haben. Es giebt ſo viele andere Arten von kleinen Gartengebaͤuden, von Cabinetten, Luſthaͤuſern, Pavillons, u. ſ. w. die ſich mit den Gegenden immer auf eine abwechſelnde und angemeſſene Weiſe verbinden laſſen, daß man Tempel nur fuͤr reiche und edle Plaͤtze ſparen ſollte, worinn ſie mit Uebereinſtimmung ihre Wir - kungen verbreiten koͤnnen. Von Anhoͤhen, die uͤber praͤchtige Ausſichten herrſchen, an Stellen, die ein Gefuͤhl von feyerlicher Ruhe, von Ehrfurcht, von Bewunderung einfloͤßen, wo die Eindruͤcke der Naturſcenen eine Veredelung erhalten ſollen, erblickt man ſie mit Vergnuͤgen. Und in ausgebreiteten Parks, die eine Mehrheit der Auf - tritte von dieſer Art zulaſſen, kann ihre Anzahl ſteigen, doch mit Abwechſelung der Groͤße, der Lage, und der beſondern Beſtimmung. Kleine Luſtplaͤtze, die blos laͤnd - lich ſind, ſich auf einfaͤltige Anmuth einſchraͤnken, Gaͤrten, die weder nach ihrem Umfang, noch nach ihrer beſondern Beſtimmung irgend einen hoͤhern Charakter zu - laſſen, vertragen auch keine Tempel, und nur ein feiſter und ſchwelgeriſcher Geſchmack buͤrdet ſie ihnen zum Pomp auf. Die Anwendung der Tempel ſollte nicht weniger beſtimmt ſeyn, als es ihre Bauart iſt.

Die runden Tempel ſcheinen fuͤr Gaͤrten am meiſten angemeſſen. Ihre Form fuͤhrt bey aller Wuͤrde eine gewiſſe Leichtigkeit, Freyheit und Anmuth mit ſich, die ſie vorzuͤglich Revieren empfiehlt, wo die Natur ihre Reize enthuͤllet. Die laͤnglicht oder ins Gevierte gebaueten Tempel erhalten, ſowohl von dieſer Form, als auch von ihrem weitern Umfang und von der groͤßern Anzahl der Saͤulen, mehr Feyerliches und Ehrwuͤrdiges. Bey ihrer Anwendung wird man dieſen Unterſchied nicht ganz vernachlaͤßigen duͤrfen.

Wenn die Nachahmung den weſentlichen Erforderniſſen Genuͤge geleiſtet hat, ſo darf ſie ſich durch zufaͤllige oder geringere Umſtaͤnde nicht weiter feſſeln laſſen. DieTempel75Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Tempel ſind nicht mehr gottesdienſtliche Gebaͤude fuͤr uns; ſie verlangen daher in dem Innern keine Anordnung, als ſie im Alterthum hatten. Sie koͤnnen, wie wir an den Tempeln zu Kew bemerkt haben, in den innern Theilen zur Bewohnung, oder zum angenehmen Aufenthalt, nach dem Gebrauch unſers Zeitalters, eingerichtet wer - den. Was vormals Zelle, geweiheter Ort, Sitz der Gottheit war, kann jetzt ein Saal ſeyn. Nach dieſer Veraͤnderung der innern Einrichtung wird auch die Erleuch - tung noͤthig, die in den alten Tempeln vermieden ward, oder doch gering war, um die Ehrfurcht und Feyerlichkeit des Ortes zu vermehren. Denn die laͤnglichten Tem - pel hatten insgemein keine Fenſter und kein anderes Licht, als das durch die Thuͤren hereinfiel; nur eine Lampe ſtreute durch das heilige Dunkel einen duͤrftigen Schein. Bey den runden Tempeln leuchtete indeſſen ein reicheres Licht von oben durch eine Oeff - nung herein. Allein es giebt auch hier Ausnahmen; denn zuweilen kann es die be - ſondere Beſtimmung eines neuern Tempels erfordern, daß er inwendig des Lichts beraubt werde, oder ſein Tag in eine ſanfte Daͤmmerung dahinſinke. Ein Tempel den Gottheiten des Todes gewidmet, wuͤrde eine ſehr fehlerhafte Anordnung haben, wenn ſeine Zelle mit vielen Fenſtern verſehen waͤre.

Wenn den ſchoͤnen Kuͤnſten noch jetzt verſtattet iſt, durch Vorſtellungen aus der alten Mythologie zu unterhalten, ſo darf auch die Baukunſt davon nicht ausgeſchloſſen werden. Nicht allein ergoͤtzen uns die uͤbrig gebliebenen Gemaͤlde, Statuͤen und halb erhobene Werke des Alterthums, durch den Reichthum und die Mannigfaltigkeit der mythologiſchen Fabel; ſondern auch die neuern Kuͤnſtler haben bis jetzt ſehr oft mit Gluͤck aus dieſer Quelle geſchoͤpft. Gebaͤude, deren Charakter ſich auf Mythologie bezieht, haben daher eben die Zulaͤßigkeit, als ein neueres Gemaͤlde, oder eine neuere Statuͤe von dieſer Art. Es iſt wahr, Tempel, die noch jetzt einer Gottheit oder ei - nem Helden des Alterthums gewidmet werden, haben kein religioͤſes noch National - intereſſe mehr fuͤr uns; ſelbſt keine Aehnlichkeit zwiſchen jener und unſerer Zeit, zwi - ſchen jenem und unſerm Lande. Allein außerdem, daß die Schoͤnheit dieſer Gebaͤude ihnen uͤberall eine Art von Buͤrgerrecht erwirbt, uͤberall mit Vergnuͤgen wahrgenom - men wird, ſo verſetzt uns ihr Anblick in ein Weltalter, wo die Einbildungskraft unter den anmuthigſten Bildern umherſchwaͤrmt, wo der Geſchmack ſich naͤhrt und die Liebe zur Kunſt ſich begeiſtert. Wir ſinnen nach, wir vergleichen, wir bleiben an einem Bilde haͤngen, das uns zu gehoͤren ſcheint; wir ſondern aus der allgemeinen Maſſe der mythologiſchen Vorſtellung einen Begriff ab, der fuͤr jedes Zeitalter, fuͤr jeden empfindſamen Beobachter intereſſant iſt; wir werfen die Huͤlle der Fabel ab, und er - blicken die nuͤtzliche unterrichtende Wahrheit, die darunter verkleidet lag.

K 2Wenn76Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

Wenn ſich Tempel dieſen Wirkungen naͤhern ſollen, ſo erhellet noch mehr die Nothwendigkeit eines deutlichen Ausdrucks ihres Charakters. Demnaͤchſt muß der mythologiſche Charakter der Gottheiten, denen ſie gewidmet werden, eine Verwandt - ſchaft mit den Vorſtellungen und Bewegungen haben, die einem Garten eigen ſind. So ſchoͤn die Architektur des Tempels der Bellona zu Kew iſt, ſo wenig erwartet man ein Monument dieſer Goͤttinn in einem Garten. Mehr angemeſſen ſind hier die Tempel der Sonne und des Pan; zu Stowe die Tempel der Venus, der Mutter der Erzeugungen, und des Bacchus. Auch Diana, Ceres, Flora, Pomona, Apollo, die Muſen, die Grazien koͤnnen noch immer in den heutigen Gaͤrten ihre Tempel ſparſam und immer in Scenen errichtet finden, die ihrem Charakter zuſtim - men. Was ihrer Zulaͤßigkeit einen Grund mehr ertheilt, iſt dieſes, daß ſie zugleich einer allegoriſchen Bedeutung faͤhig ſind, indem ſie auf Kraͤfte, Wirkungen und Ei - genſchaften hinwinken, die dadurch vorgeſtellt werden.

Allein da dieſe Gattungen von Tempeln faſt nur fuͤr Kenner der Mythologie und fuͤr Leute von Geſchmack verſtaͤndlich ſind, ſo laͤßt ſich die Anwendung dieſer Ge - baͤude noch auf eine Art erweitern, die mehr Deutlichkeit mit ſich fuͤhrt. Es giebt ge - wiſſe Wirkungen des Landlebens und der Gaͤrten, denen man Tempel widmen kann. Der Tempel der Heiterkeit, der Ruhe, der Vergeſſenheit der Sorgen, der Selbſtbetrachtung, u. a. ſind ſehr ſchickliche, und faſt noch gar nicht gebrauchte Ge - genſtaͤnde in Gaͤrten. Solche Gebaͤude ſtimmen den ihnen zugeordneten Scenen ſehr deutlich zu; und durch Anordnung, Verzierung und Lage werden ſie eine neue Quelle der Mannigfaltigkeit. Sie ehren die Natur, indem ſie das Andenken ihrer Wirkun - gen erhalten; und erregen davon dem empfindenden Beobachter, ſo oft er ſich ihnen naͤhert, oder in ihnen verweilt, neue Gefuͤhle.

Auch die verſchiedenen Zeiten des Jahres und des Tages koͤnnen ihre Tem - pel haben, zur Erhoͤhung der Eindruͤcke der Scenen, die ihnen vorzuͤglich gewidmet werden, und zur Gewinnung eines reichern Genuſſes der Annehmlichkeiten, die einer jeden eigenthuͤmlich ſind. Gebaͤude von dieſer Erfindung tragen ſo viel zur Vermeh - rung der Abwechſelung und zur Charakteriſtik der Plaͤtze bey, ſie bieten dem Genie des Kuͤnſtlers ſo viel Gelegenheit zu neuen Beſchaͤftigungen an, daß ihre Einfuͤhrung eine beſondere Empfehlung verdient. Der Tempel des Fruͤhlings erhebe ſich an ei - nem warmen und hellen Ort, in einem angenehmen und gefaͤlligen Styl, mit lachen - den Bildern umgeben, welche das Erwachen der Natur ankuͤndigen, und mit jungen Blumen, zwiſchen welchen die zuruͤckkehrenden Weſte ihre muthwilligen Spiele wie -der77Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. der beginnen. Auf der Spitze des anmuthigſten und heiterſten Huͤgels ſteige der Tem - pel des Morgens, leicht, luftig und reizend erbauet, dem Glanz der heraufglimmen - den Morgenroͤthe entgegen, umkraͤnzt von nahen Gewaͤſſern und Gebuͤſchen, welche die praͤchtigen Schauſpiele des umherwallenden Lichts vervielfaͤltigen. Zwiſchen glaͤn - zenden Blumen und Pflanzen, die mit ſchwelgeriſchem Wachsthum emporſchießen, zwiſchen Gebuͤſchen von Obſtbaͤumen, deren reifende Fruͤchte mit mannigfaltigen Ge - ſtalten und Farben von Zweig zu Zweig ſich im reizenden Gemiſch verbreiten, hebe ſich reich und edel der Tempel des Sommers empor. Auf einem Abhange, den der brennende Strahl nicht trifft, ziehe ſich der Tempel des Mittags in den Schatten hoher und dickbelaubter Baͤume hin, zwiſchen welchen kleine Waſſerguͤſſe rauſchen; er kuͤndige das Vergnuͤgen der Kuͤhlung an, und errege Sehnſucht nach Ruhe. Auf einem mit Weinreben, mit Quitſchern und andern beerentragenden Baͤumen und Straͤuchern bekraͤnzten Huͤgel, zwiſchen Gebuͤſchen, die das Vergnuͤgen des Vogel - fangs gewaͤhren, erſcheine der Tempel des Herbſtes, von der milden Heiterkeit des Lichts umfloſſen. An dem weſtlichen Abhange einer Anhoͤhe, an deren Fuß ſich ein klares Waſſer hinſchlaͤngelt, ruhe zwiſchen luftigen Gruppen wohlriechender Geſtraͤu - che der Tempel des Abends nachlaͤßig und einſam.

4.

Dieſe Bemerkungen haben keine andere Abſicht, als dem Gartenkuͤnſtler blos die Bahn zu Erfindungen zu zeigen, die er zu einem neuen Ruhm ſelbſt betreten kann; denn hier iſt die Quelle faſt unerſchoͤpflich. Es laͤßt ſich eine Mannigfaltigkeit von Anlagen und Verzierungen gewinnen, die nur von einer geſunden Beurtheilungskraft beherrſcht werden duͤrfen, um noch immer jedem eigenthuͤmlichen Charakter der ver - ſchiedenen Zeiten des Jahres und des Tages getreu zu bleiben. Und dieſer Charakter kann nicht blos durch die umliegende Scene angedeutet werden, ſondern auch durch das Eigenthuͤmliche der Architektur, und durch Verzierungen von einer beſtimmten Bezeichnung.

Sinnbilder, die andeuten und die Ungewißheit aufheben, ſind hier anſtaͤndiger als Inſchriften, und bieten ſich mannigfaltiger an; und die Verzierungen erhalten unſtreitig einen groͤſſern Werth, wenn ſie zugleich allegoriſche Bilder ſind. Sie ſchicken ſich an verſchiedenen Theilen der Gebaͤude, am meiſten an der Vorderſeite und in dem Fries. Sie muͤſſen das Verdienſt der Einfalt und der Deutlichkeit haben,K 3aus78Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,aus wenigen und einfachen, aber auf die zu bezeichnende Sache ſich nahe beziehenden Zeichen beſtehen. Sie koͤnnen in kleinen Gemaͤlden, noch beſſer aber in halb erhobe - nen Arbeiten, die fuͤr die Außenſeiten der Gebaͤude ſchicklicher ſind, vorgeſtellet wer - den. Hier ſind einige Sinnbilder der Alten, die in dieſem Theil der Erfindung ſo gluͤcklich waren; ſie verdienen bey den angezeigten Tempeln eine Nachahmung. Auf einer bis jetzt erhaltenen Urne*)Winkelmanns Verſuch einer Allegorie, beſonders fuͤr die Kunſt. 4. 1766. S. 68.erſcheinen die Jahrszeiten in weiblichen Figuren, ohne Fluͤgel, in Stufen des Alters, nach dem Fortgang der Zeit im Jahre. Der Winter, mehr als die andern bekleidet, gehet voran, traͤgt einen Haaſen und einen Waſſervogel an einer Stange, und ſchleppt einen Friſchling nach ſich; der Herbſt mit Zuͤgen einer juͤngern Perſon, und leichter als jene bekleidet, haͤlt eine Ziege bey dem vordern Beine, und traͤgt Fruͤchte in einem Korbe; der Sommer iſt ſehr leicht bekleidet und haͤlt einen Kranz; und der Fruͤhling, mit Zuͤgen und Geberden eines unſchuldigen Maͤdchens, haͤlt in ihrem Gewande vor der Bruſt ausgeſchaalte Erbſen als Fruͤchte dieſer Jahreszeit. Allein die Sinnbilder der Jahreszeiten waren bey den Alten nicht einfoͤrmig. Der Winter zeigte ſich zuweilen in einem Genius, der einen Tannzapfen in der Hand haͤlt. Das Bild des Herbſtes war Ceres, einen Korb auf dem Kopf tragend, zuweilen neben ihrer Figur eine Ameiſe, die eine Korn - aͤhre fortſchleppt, oder ein Genius, der in der rechten Hand eine Weintraube, in der linken einen Haaſen traͤgt. Den Sommer und Fruͤhling ſtellte oft eine Venus mit einer Myrte und Roſe vor. Der Sommer beſonders zeigte ſich in dem Bilde einer Figur, im Laufen mit zwo brennenden Fackeln in den Haͤnden, die ſie gerade in die Hoͤhe haͤlt. Der Fruͤhling beſonders erſchien als ein Genius, juͤnger und zaͤrter als die andern, in der einen Hand ein Blumenſtrauß, in der andern ein Milchlamm. Apoll mit einem Hahn auf der Hand deutete den Morgen an; und den Abend Dia - na, in einem mit zwey Ochſen beſpannten Wagen, die bergab gehen, um ſie zu ih - rem Endymion zu bringen. Andre Sinnbilder zeugten von eben dieſer Richtigkeit und Feinheit. So ward z. B. die Ruhe unter einer ſitzenden Figur vorgeſtellt, die einen Arm nachlaͤßig an das Haupt legt. Bacchus und eine tanzende Bacchante, welche die Cymbeln zuſammenſchlaͤgt, und zwiſchen ihnen ein junger Satyr, der eine Urne mit zwo Handhaben auf der Schulter traͤgt, und mit der andern Hand eine um - gekehrte Fackel haͤlt, war ein zuſammengeſetztes ſehr bedeutendes Bild, das zum Ge - nuß der Freude aufmunterte, ehe das Licht des Lebens verloͤſcht und unſere Aſche bey - geſetzt wird. **)Winkelmanns Anmerkungen uͤber die Baukunſt der Alten. 4. 1762. S. 62. Dieſe Beyſpiele lehren das Zutreffende und Liebliche derSinn -79Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Sinnbilder, die ein Architekt von Genie mit neuen Erfindungen in dem Geiſt der Griechen vermehren wird.

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5. Nach80Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

5.

Nach ihrem Beyſpiel koͤnnen wir auch Tempel zu Denkmaͤlern anwenden, in - dem wir ſie Maͤnnern von vorzuͤglichen Verdienſten in unſern Gaͤrten widmen. Kei - ne Arten von Gebaͤuden ſcheinen ſich dazu mehr zu ſchicken, als dieſe. Sie erhalten dadurch eine naͤhere Beſtimmung, die ihrem Charakter ſo wohl anſteht, und einen Theil der Wuͤrde wieder, die ſie im Alterthum hatten, wo ſie, nach den Goͤttern, auch den Helden, den Patrioten und den Weiſen heilig waren. Sie ſtellen weit ed - lere und angenehmere Denkmaͤler vor, als Urnen und andere Monumente der Sterb - lichkeit. Sie ſind in der Macht eines jeden Eigenthuͤmers, der dadurch ſeine Gar - tenreviere zu dem Rang der heiligen Oerter erheben kann, wo dem Verdienſte geopfert wird, Oerter, die bey den Griechen ſo haͤufig waren, und ſelbſt in unſern groͤßten Staͤdten ſo ſelten ſind. Die Tempel der Freundſchaft, der beruͤhmten Britten, der alten Tugend zu Stowe, gehoͤren als die erſten Muſter in dieſe Klaſſe. Allein in eben dieſem Garten iſt der Tempel der neuen Tugend, der mit einer zerbrochenen Statuͤe und zerſtoͤrten Arcade, mit Epheu und Brombeerſtrauch bewachſen in Ruinen liegt, ein ungerechter Vorwurf fuͤr unſer Zeitalter, und hier um ſo weniger ſchicklich, da er mit dem Gebaͤude, das die Bruſtbilder ſo vieler edlen Maͤnner Großbritan - niens enthaͤlt, im Widerſpruch ſteht. Denkmaͤler, zur Ehre der Helden und der Geſetzgeber, der Maͤnner, deren Beſtrebungen zunaͤchſt die Gluͤckſeligkeit der buͤrger - lichen Geſellſchaft betrafen, deren Verdienſt mehr in einer erhabenen Thaͤtigkeit, als in einer ſtillen Erfindſamkeit beſtand, gehoͤren fuͤr die oͤffentlichen Plaͤtze in Staͤdten. In Gaͤrten aber ſuchen wir vornehmlich Monumente fuͤr ſolche Gattungen des Ver - dienſtes, die mit dieſen Scenen in einer gewiſſen Verwandtſchaft ſtehen, Tempel zum Andenken der Maͤnner, deren Geiſt uͤber die Naturkenntniß, und die mannigfaltigen Theile des Landbaues und der nuͤtzlichen Gartencultur einen neuen Tag verbreitete, die den Menſchen die Schoͤnheiten der Schoͤpfung bald in begeiſternden Geſaͤngen, bald in nacheifernden Gemaͤlden empfinden lehrten. Das Eigenthuͤmliche eines je - den Verdienſtes giebt Veranlaſſung ſowohl zu angemeſſenen Lagen der Gebaͤude, als auch zu ihrer Verzierung. Sinnbilder bieten hiezu wieder ihre gefaͤllige Huͤlfe an; indeſſen ſind hier Inſchriften ein leichteres und kuͤrzeres Mittel der Bezeichnung. Der bloße Name in dem Fries iſt ſchon hinreichend; er laͤßt keinen Zweifel mehr uͤbrig, er entſcheidet auf den erſten Blick.

Nach allen dieſen Vorſchlaͤgen zur Anwendung der Tempel wollen wir jedoch den Gartenbeſitzern gerne verſtatten, Gebaͤude dieſer Art zuweilen, blos der Nachah -mung81Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. mung der aͤußern Form wegen, anzulegen, ohne ſie gewiſſen Weſen, Perſonen oder Begebenheiten zuzuordnen. Sie ſind alsdann als Luſtgebaͤude anzuſehen, die mit den Tempeln des Alterthums keine weitere Aehnlichkeit als die Außenſeite haben; in ihrer innern Einrichtung ſowohl als in ihrer Verzierung findet jede Abwechſelung Platz, jede Art der Anordnung, wenn ſie nur nicht den allgemeinen Regeln des guten Archi - tekturgeſchmacks widerſpricht; der Zweck iſt erreicht, wenn das Gebaͤude nur als ein angenehmer Gegenſtand ins Auge faͤllt.

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6.

Uebrigens iſt es wohl ohne Beweis klar, daß bey der Nachahmung fremder Bauarten die griechiſche einen großen Vorzug verdient. Es iſt wahr, daß ſie inIII Band. Lgewiſſem82Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,gewiſſem Verſtande fuͤr uns fremde iſt. Allein ſie iſt ſeit Jahrhunderten in dem Be - ſitz des Beyfalls der Kenner; ihre Schoͤnheiten ſind unzweifelhaft und entſchieden; ſie gefallen allen Nationen, ſobald ſich bey ihnen die Gefuͤhle fuͤr das Edle und Große entwickeln; und nur einer geſchmackloſen Rohigkeit der Sitten und einer barbariſchen Prachtliebe gelang es auf einige Zeit, die Empfindlichkeit fuͤr ihre ſtille Einfalt zu er - ſticken. Die Verhaͤltniſſe, die Form, die Anordnung, die Verzierung, alles was zur Schoͤnheit der Architektur gehoͤrt, zeigten die Griechen durch Muſter, die wir noch in Ruinen bewundern. Man hat in den neuern Zeiten des reinen Geſchmacks nach ihnen gebauet, wie die Bildhauer nach ihnen geformt, und die Dichter nach ihnen geſungen haben. Alle Voͤlker, die auf Geſchmack Anſpruch machen, ſehen die Baukunſt der Griechen als ihr Eigenthum an, die uns naͤher ſcheinen, weil unter ihren Denkmaͤlern ſich ſchon die Jugend bildet, und an ihrem Lichte unſere feinern Wiſſenſchaften und Kuͤnſte ſo oft ihre verloſchene Fackel wieder anzuͤnden; mit deren Geiſt und Tugenden wir in einer Art von vertraulicher Verbindung ſtehen. Doch verſteht es ſich, daß die Nachahmung in keine ſclaviſche Nachfolge uͤbergehen, und nichts mehr aufnehmen darf, als was nach unſerm Klima, nach unſerer ver - aͤnderten Lebensart, und nach unſern verſchiedenen Beduͤrfniſſen einer Anwendung faͤ - hig iſt.

Allein, bald nach der Einfuͤhrung des neuen Gartengeſchmacks, fiel man auf die Nachahmung ſo ſeltener und fremder Bauarten, daß es ſchien, als wenn ſie die Stelle der abentheuerlichen Waſſerkuͤnſte, der waſſerſpeyenden Drachen und Loͤwen, der in Alleen aufgeſtellten Wallfiſche, die man eben zu verdraͤngen anfieng, wieder erſetzen ſollten. Die chineſiſche Baukunſt machte den Anfang. Alles ſollte à la chinoiſe ſeyn, Luſthaͤuſer, Tempel, Bruͤcken. Man taͤuſchte ſich durch den ſonder - barſten Wahn, daß Gaͤrten in England und Frankreich, blos mit den einheimi - ſchen Gewaͤchſen und Baͤumen dieſer Laͤnder bepflanzt, chineſiſche Gaͤrten ſeyn koͤnn - ten; und wers nicht glauben wollte, der ward auf ein Gebaͤude verwieſen, das da ſtand, und chineſiſch hieß. Deutſchland fieng an, auch hier der Mode zu folgen, und wir haben wirklich einige kleinere und groͤßere Gaͤrten voll Spielwerke mit chine - ſiſchen Gebaͤuden, und wenn die Nachaͤffung ſich um einige Grade weiter verbreitet, ſo wird bald der beeiſete Nord die luftigen Pavillons der heißeſten Zone zeigen. Man fragt vergebens nach einem Grund, weil die Nachaͤffung keinen Grund kennt; und nie hat man einen Kenner die Vorzuͤge der chineſiſchen Baukunſt fuͤr unſere Gaͤrten entwickeln geſehen. Sie iſt doch weit von der wahren und edlen Einfalt der griechi -ſchen83Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. ſchen entfernt; ihr fehlt Schoͤnheit und Wuͤrde der Form; ſie iſt aber dagegen mit einer Menge kleiner unbedeutender Zierrathen, die zuweilen in das Ekelhafte fallen, uͤberhaͤuft. Und nicht wenig Gebaͤude dieſer Art, die man in den Gaͤrten ſieht, ſind bloße Ideale, die nach keinen aͤchten Originalmuſtern entworfen wurden. *)Verſchiedene chineſiſche Gebaͤude ſind nach Willkuͤhr beſonders vorgezeichnet von den englaͤndiſchen Architekten, Will. andJohn Halfpenny in New Deſigns for Chi - neſe Bridges, Temples, Garden-Seats, Summer-Houſes etc. 8. London 1751.Und welches Intereſſe, dieſe Werke von einem entfernten und von uns ſo weit unterſchie - denen Volke aufzunehmen, deſſen Charakter, Geſchmack, Lebensart keine wuͤrdige Beyſpiele fuͤr uns eroͤffnet, das ſeine ſchoͤne Kuͤnſte ſeit Jahrhunderten noch in der Kindheit erhaͤlt! Man ſieht, daß blos eine blinde Liebe zu dem Auslaͤndiſchen und Seltſamen die chineſiſche Baukunſt in die neuern Gaͤrten eingefuͤhrt hat, und daß die Vorurtheile der Mode ſie beſchuͤtzen. Und welcher Widerſpruch mit dem Lande und dem Klima! Welche Verwirrung der Bewegungen, wenn uns eine Pagode, eine Bruͤcke, ein Schiff nach Aſien verſetzt, indeß uns der Anblick der umher bepflanzten Scene, Baͤume und Luſt uͤberzeugen, daß wir auf deutſchem Boden ſtehen? Es iſt vergebens, hier eine Taͤuſchung zur Abſicht zu haben; der verraͤtheriſche Widerſpruch des Reviers wird ſie bald entdecken, und Widerwille oder gar Ekel ſich an dem un - gluͤcklichen Verſuch raͤchen. Allein die eltle Ueppigkeit unſers Zeitalters glaubte mit der chineſiſchen Baukunſt ſich noch nicht befriedigen zu koͤnnen. Sie fuͤhrte ſelbſt aͤgyptiſche, mauriſche, gothiſche, tuͤrkiſche und andere Bauarten ein, und wenn es ſo fortgeht, ſo wird die Nachahmung ſich bis zu den Staͤllen der Kamtſchadalen verbreiten. Und bey allen dieſen verſchiedenen auslaͤndiſchen Gebaͤuden iſt nichts mehr auffallend, als ihre Vermiſchung in einem einzigen Garten, ohne Ordnung und Plan durch einander geworfen. Man vereinigt Gebaͤude und Gebraͤuche ſo ſehr verſchie - dener Laͤnder auf einem Platz, und bringt ein ſo groteskes Gemaͤlde hervor, daß die wildeſte Einbildungskraft, uͤber alle Schranken der Wahrſcheinlichkeit hinausſprin - gend, es nicht verwirrter zuſammenhaͤufen kann. Eine chriſtliche Kirche ſteht neben einer Moſchee, ein griechiſcher Tempel bey einem chineſiſchen, ein Obelisk bey ei - nem mauriſchen Werk, gothiſche Ruinen bey einer Pagode; Aſien und Europa ſind in einander geſchmolzen; die alte und die neue Welt ſind gepluͤndert, um einen kleinen Fleck mit dem widerſinnigſten Gemiſch von Gebaͤuden zu uͤberladen, und ihn in einen Schauplatz der ſonderbarſten Prachtſucht zu verunſtalten. O! Natur, o! Einfalt, ſanfte Huldgoͤttinnen der Gaͤrten, wenn euch ein falſcher Stolz von unſernL 2Luſt -84Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,Luſtplaͤtzen verdraͤngt, wo werdet ihr anders ſeyn, als hinter der Huͤtte des Landmanns im Veilchenthal?

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II. Grotten.

1.

Grotten, die jetzt in unſern Gaͤrten zu den Werken der Nachahmung gehoͤren, wa - ren in dem erſten Weltalter Wohnungen der Menſchen, wie ſie es noch bey Voͤlkerſchaften ſind, die in der Kindheit leben.

Allein dieſe Hoͤhlen in Baͤumen, in Bergen und Felſen, die Grotten der Natur, verloren bald das Gemeine und Rauhe, das ſich in ihre Vorſtellung zu miſchen pflegt, als die Griechen anfiengen, ſie ihren Nymphen zu weihen. Sie heißen daher Nymphaͤen. Eine von ſolchen Grotten lag vier Stunden von Athen an der See -kuͤſte85Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. kuͤſte bey Vary, und war ſehr beruͤhmt. Chandler,*)Reiſen in Griechenland. Aus dem Engl. 8. 1777. 32ſtes Cap. Er trat die Reiſe 1765 an. der ihre Reſte vor verſchie - denen Jahren beſuchte, verſichert, ſie ſey eine außerordentliche Merkwuͤrdigkeit, von einer Art, wie ſie noch kein Reiſender beſchrieben hat. Sie liegt an der Seite des Berges. Man ſteigt durch eine Oeffnung hinab. In dem Platz vor der Treppe befindet ſich eine griechiſche Inſchrift, die ſehr ſchwer zu leſen iſt. Sie iſt in den vorher geebneten Felſen gehauen, und ſagt, daß Archidamus von Pheraͤ die Hoͤhle fuͤr die Nymphen gemacht. Gegenuͤber iſt eine kleine Niſche oder Aushoͤhlung mit einigen Buchſtaben, Theilen eines Worts, das bedeutet, man habe hier das Ge - ſchenk hinzulegen. Von dieſem Platz ſuͤhren zwey Wege hinab in die Hoͤhle. Geht man auf den engen Stufen hinunter, die in den Felſen eingehauen ſind, ſo findet man linker Hand in ſehr alten Buchſtaben die Inſchrift: Archidamus der Pheraͤer. Iſt man unten und wendet das Geſicht nach der Treppe, ſo hat man am aͤußerſten Ende zur Rechten einen Ithyphallus, das Symbol des Bacchus, und dabey eine Iſis, die aͤgyptiſche Ceres. Unter ſchmalen Niſchen an zwey Stellen ſteht: des Pan. An der andern Seite der Treppe ſind noch zwo Niſchen, und unter jeder: des Apollo; bringe dar! Bey dem Bilde der Iſis lag ein Stein auf beyden Seiten mit Inſchrift, und ehedem ſo aufgeſtellt, daß beyde ſichtbar waren. Auf einer Seite ſtand: Archidamus der Pheraͤer und Chollidenſer machte dieſe Wohnung fuͤr die Nymphen; und auf der andern Seite: Archidamus der Pheraͤer pflanzte den Garten fuͤr die Nymphen. Auf den Stufen, die an der Seite des Felſen tiefer hin - ablaufen, kommt man in die untere Grotte durch einen engen Gang, den man in der Abtheilung gelaſſen, und den Verſteinerungen ſehr maleriſch gemacht haben. Sie iſt von zirkelfoͤrmiger Geſtalt, die Seiten mit phantaſtiſchem Steinanſatz, und die Decke mit ſpatartigen Zapfen uͤberzogen. Von dieſen wachſen einige zugeſpitzt von unten herauf, andere haben ſchon die von oben herabhangenden erreicht und ſich mit ih - nen vereinigt. Unten iſt ein Brunn von ſehr kaltem und klarem Waſſer. Zwo andere beruͤhmte Grotten der Nymphen waren die zu Ithaka und Heraklea; jene war inwendig dunkel, aber merkwuͤrdig wegen eines immerfließenden Waſſers, ſtei - nerner Gefaͤße und honigtragender Bienen; dieſe war lang und weit, durchfloſſen von einem kalten und kryſtallhellen Waſſer; beyde hatten zwo Eingaͤnge, einen gegen Norden, den andern gegen Suͤden. In die Hoͤhle zu Ithaka ſtiegen Menſchen nur die nordliche Oeffnung hinab; die ſuͤdliche ward fuͤr heilig und fuͤr den Weg der Goͤtter gehalten; die andere Hoͤhle hatte ebenfalls einen Weg fuͤr hoͤhere Weſen. Man glaubte, daß die Nymphen ein vorzuͤgliches Vergnuͤgen an Quellen faͤnden; und daherL 3hatten86Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,hatten gemeiniglich ihre Wohnungen eine Quelle oder einen Waſſerbrunnen. Eine verdickte, oben und an den Seiten ausſchwitzende Feuchtigkeit gab den Grotten nicht ſelten ihre Form; oft war die Quelle mit Steintheilchen geſchwaͤngert, die ſie anſetzte, und ihren Weg mit einem Ueberzug bezeichnete. Den Geſtalten, die ſich durch dieſe Zufaͤlligkeit bildeten, theilte die Phantaſie Leben und Bedeutung zu. Der Landmann, der Jaͤger und der Hirte begaben ſich in dieſe Hoͤhlen, um den Nymphen Geſchenke zu bringen, die auf ihre Natur und die Gegenſtaͤnde ihrer Aufſicht eine Beziehung hatten. Sie opferten ihnen bald ein Lamm oder eine Ziege, bald Fruͤchte, bald Milch, Oel und Honig. Ihre fromme Einfalt glaubte, daß ihre Schutzgoͤttinnen, obgleich unſichtbar, hier gegenwaͤrtig waͤren, und die dargebrachten Geſchenke ihre Gunſt erwerben koͤnnten. Man umwand ihre Statuͤen mit Kraͤnzen, und weihete ihnen kleine Gaͤrten, die oft aus einem Stuͤckchen Erde beſtanden, bepflanzt mit ſol - chen Kraͤutern und Blumen, wovon man glaubte, daß ſie den Goͤttinnen gefielen. Dieſe unterhielten ſich in ihren Wohnungen mit angenehmen Erzaͤhlungen, beſchaͤf - tigten ſich mit kuͤnſtlichen Arbeiten, und machten Purpurkleider. Pan und Bac - chus, der ſie in Geſaͤngen unterrichtete, waren ihre gewoͤhnlichen Geſellſchafter; man ſah ihre Bildniſſe zuweilen in den Grotten aufgeſtellt. Um Mittag verſtummte die Floͤte der Hirten, um nicht den Schlummer des Pan zu unterbrechen, der um dieſe Zeit in den Hoͤhlen zu ruhen pflegte.

Dieſes Bild von den Grotten der Nymphen hat die Anmuth, womit die Griechen alles zu beleben wußten. Sie waren heilige Oerter; aber frey von allem Schrecklichen. Sie waren noch keine Theile von Gaͤrten, die uͤberhaupt bey dieſer Nation nicht weit uͤber die Graͤnzen der erſten Rohigkeit hinausruͤckten; aber ſie wa - ren einzelne Werke, die von ihrer Lage an Seen und Fluͤſſen, in Bergen und Waͤl - dern einen vollkommen laͤndlichen Charakter erhielten. Und die Zuruͤckerinnerung an ihre urſpruͤngliche Einrichtung kann den Gartenkuͤnſtler zu anmuthigen Erfindungen leiten, die das Gepraͤge ihrer alten ehrwuͤrdigen Einfalt tragen, und doch unſern Gaͤr - ten angemeſſen ſind.

2.

Nicht uͤberall ſo heiter iſt das Bild der Grotten in den ſpaͤtern Jahrhunderten, als es unter den Nymphen der Griechen war. Denn in den Zeiten der Fehde und des Raubes wurden ſie bald Wohnungen der Raͤuber, bald Zufluchtsoͤrter der Un - gluͤcklichen. Zuweilen aber nahmen Helden darinn ihren Aufenthalt, und die Hoͤh - len vertraten die Stelle befeſtigter Schloͤſſer, die man nicht ſo leicht erbauen konnte,als87Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. als ſich eine Oeffnung in einen Felſen oder in einen Berg finden ließ; zuweilen ruhe - ten ſie in Zeiten des Friedens darinn aus, wenn ſie von der Jagd ermuͤdet waren. Solche Hoͤhlen ſieht man noch jetzt in verſchiedenen Laͤndern; und da ſie oft nach ihrer innern Bildung und Einrichtung merkwuͤrdige Naturſcenen ſind, ſo haben ſie beſon - ders von dieſer Seite die Aufmerkſamkeit der Reiſenden erregt.

Vornehmlich ſind die noͤrdlichen und weſtlichen Gegenden von Schottland an Hoͤhlen dieſer Art reich. Pennant*)Reiſe durch Schottland und die he - bridiſchen Inſeln. 1ſter Th. Aus dem Engl. 1779. S. 278.ſah verſchiedene davon auf der weſtlichen Kuͤ - ſte der Inſel Arran. Die merkwuͤrdigſte Hoͤhle darunter iſt die Hoͤhle des Fin - mac-cuil oder Fingals, des Sohns des Cumhals und Vater des Oſſians, der ſich nach den Ueberlieferungen hier der Jagd wegen aufhielt. Eine von dieſen Hoͤh - len iſt hundert und zwoͤlf Fuß lang, und dreyßig hoch, und laͤuft oben ſpitzig zu, wie ein gothiſches Gewoͤlbe. Gegen das Ende zu theilt ſie ſich in zwo andere Hoͤhlen, die weit in den Felſen hineingehen, und an jeder Seite verſchiedene kleine, einander gegenuͤberſtehende, Loͤcher haben. In dieſe waren Queerbalken gelegt, auf welchen die Toͤpfe geſtellt wurden, worinn die Helden ihr Wildpret ſotten; oder woran ſie, nach der Art der damaligen Zeiten, die Beutel aufhiengen, die aus den Haͤuten der Thiere, die ſie auf der Jagd toͤdteten, gemacht waren, und die mit Fleiſch angefuͤllt wurden, das darinn eine hinlaͤngliche Waͤrme erhalten konnte. Denn die alten Hel - den aßen ihr Fleiſch halb roh, da ſie den Saft fuͤr die beſte Nahrung hielten. Auf der Vorderſeite der Scheerwand zwiſchen dieſen Nebenhoͤhlen ſind verſchiedene ſehr rauhe Figuren in Stein ausgehauen; ſie ſtellen Menſchen, Thiere, und ein großes Schlachtſchwerd vor. Es ſind noch hier nahe dabey verſchiedene Hoͤhlen, die fuͤr den Stall, die Keller und das Hundebehaͤltniß des großen Mac-cuil ausgegeben wer - den. Allein die wichtigſte Merkwuͤrdigkeit, ein Wunder der Natur, das ſo lange unbekannt geblieben, iſt die Fingalshoͤhle auf der kleinen Inſel Staffa.**)S. 338. Die Beſchreibung iſt von Joſeph Banks, und zugleich mit einer Ab - bildung dieſer außerordentlichen Hoͤhle ver - ſehen. Beruͤhmter als dieſe, und am meiſten vor allen geprieſen iſt die Grotte zu Antiparos, die Tournefort (Voyage du Levant Tom. I. Lett. V.) beſchreibt, und worinn der franzoͤſiſche Geſandte Nointel 1673 mit einem Gefolge von einigen hun -dert Perſonen unter ſo vielem Pomp die Weihnachtsmeſſe feyerte. Allein Neugie - rige muͤſſen auf die muͤhſamſte Art und mit vieler Lebensgefahr hinunter kriechen. Der Baron von Riedeſel (Remarques d’un Voyageur moderne au Levant 1773. Chap. 3.) fand darinn wenig Seltenes. Die neueſte Abbildung, wie auch eine natuͤrliche und weniger begeiſterte Beſchreibung von dieſer Hoͤhle trifft man in dem 4ten Heft von Voyage pittoresque de la Grèce an. Dasganze88Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,ganze Ende dieſer Inſel ruhet auf Reihen von natuͤrlichen Baſaltpfeilern, die groͤßten - theils uͤber funfzig Fuß hoch ſind, und in natuͤrlichen Saͤulengaͤngen ſtehen, die ſich nach dem Laufe der Buchten und Landſpitzen richten. Sie ruhen auf einem feſten Grunde von unfoͤrmlichen Felſen. Ueber ſie iſt die Lage, die an den Boden oder die Oberflaͤche der Inſel reicht, von ungleicher Dicke, ſo wie das Land in Huͤgel aufſteigt, oder in Thaͤler abfaͤllt. Jeder Huͤgel, der unten uͤber die Saͤulen herabhaͤngt, macht einen großen Fronton. Verſchiedene davon ſind uͤber ſechzig Fuß von der Grundflaͤche bis an die Spitze dick, und erhalten, durch den Abfall des Huͤgels an den Seiten, faſt die voͤllige Geſtalt der Frontons, die in der Baukunſt uͤblich ſind. Die Fin - galshoͤhle ſelbſt iſt vermuthlich die praͤchtigſte, die je von einem Reiſenden beſchrieben ward. Man kann ſich kaum einen groͤßern Anblick vorſtellen, als einen ſolchen Raum, der an jeder Seite von Saͤulengaͤngen unterſtuͤtzt wird. Sein Dach beſteht aus den untern Theilen von abgebrochenen Saͤulen, aus deren Winkeln eine gelbe tropfſteinartige Materie ausgeſchwitzt iſt, welche die Winkel genau beſtimmt. Ihre Farbe zeigt eine ungemeine Mannigfaltigkeit und Schoͤnheit. Die ganze Hoͤhle er - haͤlt Licht von außen, ſo daß man bis an ihr tiefſtes Ende hineinſehen kann. Die Luft, die durch die beſtaͤndige Ebbe und Fluth in Bewegung geſetzt wird, iſt rein und voͤllig frey von den feuchten Daͤmpfen, die ſonſt gewoͤhnlich die natuͤrlichen Hoͤhlen erfuͤllen. Die ganze Laͤnge dieſer Hoͤhle von dem Felſen außerhalb derſelben iſt drey - hundert ein und ſiebenzig Fuß; ihre Breite bey dem Eingange drey und funfzig, und an dem innern Ende zwanzig Fuß; die Hoͤhe des Bogens bey dem Eingange hundert und ſiebzehn, und an dem innern Ende ſiebzig Fuß; die Tiefe des Waſſers am Ein - gange betraͤgt achtzehn Fuß, und macht die Hoͤhle unbewohnbar, die jedoch eine ſo praͤchtige und wunderbare Naturſcene iſt, daß ſie hier eine Anfuͤhrung verdiente.

3.

Als ſich unter den Chriſten die Liebe des Einſiedlerlebens verbreitete, wurden die Hoͤhlen Wohnungen der Heiligen, die ſich darinn, von dem Anblick einer ſuͤndigen Welt entfernt, den Betrachtungen des Himmels widmeten. Sie bildeten ſich in den Felſen Altaͤrs, Capellen, Kuͤche, Schlafſtellen und andere Plaͤtze des Beduͤrfniſſes und der Bequemlichkeit. Alles war voll Einfalt, entfernt von Weichlichkeit oder Pracht. Die Armuth und die Andacht waren die beyden einzigen Geſellſchafterinnen des Heiligen. Sein ſtrenges und enthaltſames Leben erwarb ihm oft die Aufmerk - ſamkeit der ganzen Gegend; ſeine Hoͤhle ward ein heiliger Ort, dem man ſich nicht ohne Ehrfurcht naͤhern durfte, und den zuweilen der Aberglaube als einen Sitz derWunder -89Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Wunderthaͤtigkeit anſah. Man bemerkt in vielen Laͤndern ſolche Hoͤhlen, die noch den Namen der Heiligen fuͤhren, die ſie ehemals bewohnten.

So iſt die St. Beatushoͤhle in der Schweiz: ſie liegt an der Nordſeite des Sees von Thun im Canton Bern, und ſoll die Wohnung dieſes Heiligen geweſen ſeyn, den man fuͤr den erſten Bekehrer der Helvetier haͤlt. Der Eintritt in die Hoͤhle liegt in der Mitte eines ſehr hohen und ſteilen Felſens, in welchen ſie faſt ge - rades Weges uͤber hundert Schritte hineingeht. Der Eingang iſt ſehr geraͤumig; man begegnet einem hervorfließenden ziemlichen Bach von ungemein kaltem und klarem Waſſer. Der Grund der Hoͤhle iſt von Tuff, der aus dem Niederſatze des Waſſers entſtanden, und aus ſehr artigen wellenfoͤrmigen Lagen zuſammengeſetzt iſt. Oben aber iſt das Gewoͤlbe mit weißen traubenartigen Tropfſteinen ausgeziert. Außer der Hoͤhle ſieht man verſchiedene Arten von Incruſtationen.

Allein eine weit mehr bewundernswuͤrdige Grotte von dieſer Claſſe iſt die St. Georghoͤhle*)Carters Reiſe von Gibraltar nach Malaga im Jahr 1772. Aus dem Engl. 8. 1779. 1ſter Theil, 3tes Kap. in dem Felſen von Gibraltar. Der Mund der Hoͤhle iſt von außen enge, aber von innen ſehr geraͤumig, und ein angenehmer kuͤhler Aufenthalt fuͤr Ge - ſellſchaften, die oft aus der Stadt kommen, um hier den Tag zuzubringen. Man ſteigt etwa hundert Schritte in die Hoͤhle hinunter. Die Decke iſt wenigſtens ſechzig Fuß hoch, und ruhet auf einem vortrefflichen Schwibbogen, deſſen Baſis eben ſo viele Ellen haͤlt. So weit eine freye Luft in der Hoͤhle herrſcht, und die Sonne durch - dringt, iſt ſie mit Buͤſcheln von breitblaͤttrigem Epheu geziert. Das Waſſer dringt das ganze Jahr uͤber an verſchiedenen Stellen durch, und troͤpfelt herab. Dieſe Tro - pfen bilden an der Decke der Hoͤhle haͤngende Kryſtallirungen und Eiszapfen von Stein, von tauſend verſchiedenen Geſtalten. Weiter hinein, wo die Feuchtigkeit viel groͤßer iſt, gehen die Verſteinerungen bis an den Boden herunter, und bilden Saͤulen, wel - che die Hoͤhle auf immer bey zufaͤlligen Erſchuͤtterungen des Erdbebens unterſtuͤtzen werden. Dieſe Saͤulen weichen nach der ſonderbaren Wirkung ihrer Natur von allen Regeln der menſchlichen Baukunſt ab. Die Capitaͤle und Fußgeſtelle entſtehen zuerſt, und die Schaͤfte, ein Werk von Jahrhunderten, kommen allmaͤhlig durch den An - wachs des Marcaſit hinzu. Unten, wo die Stufen aufhoͤren, iſt eine Oeffnung von beynahe funfzig Fuß Tiefe, und dem Anſehen nach ſehr lang, wo die verſteinerten Pfeiler von erſtaunlicher Schoͤnheit und Regelmaͤßigkeit ſind, und einen bezaubernden gothiſchen Tempel bilden, deſſen Seitengaͤnge und Capelle ganz deutlich zu unter -ſcheidenIII Band. M90Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,ſcheiden und von bewundernswuͤrdiger Symmetrie ſind. Schon Pomponius Mela erwaͤhnt dieſes merkwuͤrdigen Naturwunders. *)B. 2. K. 6.

4.

Dieſe vorgelegten Beſchreibungen zeigen nicht allein den urſpruͤnglichen Ge - brauch der Grotten, ſondern auch vornehmlich die Art, wie die Natur ſie zu bilden pflegt. Bey Werken, die in der Nachahmung ſich ſo weit von ihrem wahren Cha - rakter verloren haben, iſt nichts noͤthiger, als ſie auf die erſte Einrichtung der Natur zuruͤckzuweiſen.

Wir ſehen, daß Grotten ihre natuͤrliche Heimath in bergichten und felſichten Landſchaften haben; man findet ſie am meiſten bey uns, in den Wildniſſen des Har - zes,**)Die bekannteſte unter den groͤßern Hoͤhlen iſt die Baumannshoͤhle, die eine große Aehnlichkeit mit der Grotte von An - tiparos hat, in Anſehung ſowohl ihrer Bil - dung, als auch der Tropfſteinzapfen. Siebeſteht aus verſchiedenen Gewoͤlbern, die zum Theil ein großes Anſehen haben, und mit weißem Tropfſtein und Zapfen beklei - det ſind. Dieſe Grotte verdiente einen Dichter. auswaͤrts in den Gebirgen der Schweiz, in den Hoͤhen von Norwegen, und in den Felſen von Schottland. Sie koͤnnen demnach nur in einem Revier na - tuͤrlich ſeyn, das aus Bergen oder Felſen beſteht, die Aushoͤhlungen und Kluͤfte durch zufaͤllige Wirkungen, oder der Hand des Menſchen, ſie zu bilden, verſtatten.

Obgleich der Gartenkuͤnſtler ſonſt von Felſen***)S. 1ſten B. S. 192. 193. wenig Gebrauch machen kann, ſo werden ſie doch in Ruͤckſicht auf Grotten ſchon nutzbarer. Sie entfernen ſich ſchon um einige Grade von der Wildniß, indem ſie das Gepraͤge von irgend einer Bewoh - nung annehmen; in ihrer Vorſtellung verſchwindet das Oede, das ihr ſonſt anhaͤngt. Die Gegenwart des Menſchen rechtfertigt einige Cultur, die wenigſtens in der Min - derung ihrer Rauhigkeit ſichtbar wird, ohne eitle Beſtrebung, ihren Charakter um - ſchaffen zu wollen. Sie koͤnnen mit Graͤſern und rankenden Pflanzen bekleidet wer - den; an einigen Stellen mag ein kleines Buſchwerk von angenehmem Gruͤn aufſchieſ - ſen; nahe umher moͤgen ſich einige Baͤume mit geſundem Wachsthum erheben. Alle dieſe Umſtaͤnde zerſtoͤren nicht den Charakter der Felſen, ſie mildern ihn nur, ſie helfen der Einfoͤrmigkeit ab, erfriſchen die Trockenheit der Geſtalt, und ſtimmen uͤbri - gens noch immer mit dem natuͤrlichen Anſehen einer Grotte zuſammen. Durch Aus - rottung der lebhaft gruͤnenden Gebuͤſche und durch Umherpflanzung ſolcher Baͤume, die ein dunkles und trauriges Laubwerk haben, kann der Kuͤnſtler auf eine entgegen -geſetzte91Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. geſetzte Art das kahle und finſtere Anſehen der Felſen vermehren. Er kann ihnen Leb - haftigkeit geben, indem er das Waſſer in kleine Guͤſſe vertheilt, und ihre Wildheit erhoͤhen, indem er es in einen brauſenden Strom vereinigt. Seine Macht erſtreckt ſich noch weiter. Er kann in ihr Inneres dringen, und Oeffnungen hauen, die be - queme Sitze und ſelbſt geraͤumige Wohnplaͤtze geben.

Eine von der Kunſt angelegte Grotte muß zuvoͤrderſt eine Lage haben, wie wir ſie in der Natur zu ſehen gewohnt ſind, an Bergen, an Felſen, zwiſchen rohen Klip - pen und Waſſerguͤſſen, in verſteckten Winkeln. Nichts iſt unnatuͤrlicher, als nach - geaͤffte Grotten in Ebenen, auf freyen Plaͤtzen, wo ſie gleich das Auge an ſich ziehen, oder in gerader Linie gegen ein Blumenbett hervorſtechend.

Weil Grotten nicht allein ſchon an ſich Seltenheiten in der Natur ſind, ſondern auch nur wenig Gaͤrten ſich ſolchen Lagen zu naͤhern pflegen; ſo duͤrfen auch angelegte Grotten nicht zu haͤufig ſeyn. Ein Garten kann der Grotten ſehr leicht entbehren; und einige Gattungen von Gaͤrten ſcheinen ſie kaum zu vertragen.

Sie muͤſſen eine etwas verſteckte und dunkle Lage haben, die ſie nicht leicht ent - deckt; kein geſchmuͤckter Eingang, keine reiche Verzierung der Vorplaͤtze darf ſie an - kuͤndigen. Nur iſt es nicht noͤthig, daß der Ort ganz verſperrt und aller Ausſicht beraubt ſey; er kann Oeffnungen zu Proſpecten in die Ferne, aufs Meer, auf entle - gene Waldungen haben; allein das Revier, das unmittelbar die Grotte umgiebt, muß verwildert und eingeſchloſſen ſeyn.

In der Anlage muß eine hoͤchſt einfaͤltige, nachlaͤßige und rohe Zuſammen - ſetzung herrſchen; alles muß ſcheinen, von der wilden Hand der Natur ſelbſt gebildet zu ſeyn. Je groͤſſer die Einfalt iſt, deſto natuͤrlicher iſt das Anſehen der Grotten. Ihre innere Verzierung erhalten ſie von der Bildung des Felſen ſelbſt und von den zu - faͤlligen Wirkungen des herabtraͤufelnden und durchfließenden Waſſers. Sie verwer - fen jede Einrichtung, jeden Zierrath, der ſeiner Natur nach nicht in ihrem Schooße anzutreffen iſt.

Ihre aͤußere Geſtalt muß ein Gepraͤge von Einfalt und Rohigkeit haben. Ein unordentlicher Steinhaufen, eine zerborſtene Felswand, eine Erhoͤhung von einzelnen Maſſen, die ſich durch die Gewalt der Zeit getrennt zu haben ſcheinen, hie und da uͤberwachſen mit Moos und Geſtraͤuch, oder mit Epheu und wildem Wein bekleidet, die zwiſchen den Ritzen herumklettern, oben mit Erde bedeckt, woraus einige unan - ſehnliche Baͤumchen ſich duͤrftig naͤhren, und ihre kraftloſen Zweige uͤber dem Eingan - ge herabhaͤngen laſſen, kleine Waſſerguͤſſe, die auf den Seiten zwiſchen Gebuͤſch herab - irren alles dieſes traͤgt zur maleriſchen Schoͤnheit der Außenſeite der Grotten am meiſten bey.

M 2Obgleich92Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

Obgleich Gartengrotten Nachahmungen der natuͤrlichen Hoͤhlen ſind, ſo muß man doch in ſo weit auf eine bequeme Einrichtung bedacht ſeyn, daß ſie ſowohl die noͤ - thige Reinlichkeit haben, als auch der Geſundheit nicht durch eine dumpfe Luft ſchaden. Sie muͤſſen nicht feucht, noch der Reinigung der Luft verſchloſſen ſeyn; ſie laſſen oh - nedieß oft genug das Vergnuͤgen der Kuͤhlung von der Gefahr des Fiebers begleiten. Wenn ſie eng, niedrig und finſter ſind, ſo hoͤren ſie auf, Plaͤtze eines angenehmen Aufenthalts zu ſeyn. Allein wie erfriſchend ſind ſie nicht, wenn ſie aus hohen, trock - nen und luftigen Felſen beſtehen, mit freyen und geraͤumigen Gewoͤlben, mit Oeffnun - gen, die Licht und Ausſicht verſtatten!

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Sie dienen zwar nicht mehr zur beſtaͤndigen Wohnung; indeſſen bieten ſie durch Vereinigung der Felſen, der kleinen Quellen und Waſſerguͤſſe, und der ſchattigten Lage fuͤr gewiſſe Stunden eine erquickende Kuͤhlung an. Außerdem koͤnnen ſie mit ihren Nebenumſtaͤnden eigene Scenen bilden, zumal an Plaͤtzen des Sommers. Siegehoͤren93Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. gehoͤren uͤbrigens nicht ſowohl in das Revier des Angenehmen, als vielmehr zu dem Romantiſchen, als ein vorzuͤgliches Eigenthum dieſer Gattung.

Man kann dem Eindruck der Grotten, in ſo ferne ſie in Gaͤrten Gegenſtaͤnde ſind, zu Huͤlfe kommen, indem man ihnen einen beſtimmten Charakter giebt, der ſich auf einen Gebrauch bezieht, den man vormals von ihnen machte. Man kann ſie einer Nymphe, einem Nationalhelden aus der aͤlteſten Zeit, oder einem Heiligen des Landes widmen, wodurch ſie bey der Wirkung, die ſie ſchon als beſondere Na - turſcenen haben, noch eine Kraft zur Erweckung intereſſanter Erinnerungen oder er - goͤtzender Phantaſien gewinnen.

5.

Es bedarf nur wenig Beyſpiele von wirklichen Ausfuͤhrungen, um dieſen Be - merkungen uͤber die wahre Anlage der Grotten ſowohl etwas mehr Nachdruck als Er - weiterung zu geben. Dazu moͤgen mit ihren Scenen die Grotten in den Leaſowes, zu Stowe und zu Twickenham dienen.

In den Leaſowes*)In Shropſhire zwiſchen Birmingham und Stourbridge. S. Heely Briefe uͤber die Schoͤnheiten von den Leaſowes u. ſ. f. 20ſter Br. fuͤhrt ein einſamer Weg nach einer Grotte von natuͤrlich ſcheinenden, aber durch die Kunſt ausgehoͤhlten Felſen, worinn eine Caſcade rauſcht. Sie iſt dick mit Buſchwerk eingefaßt, wovon einiges uͤber den Rand des Felſen haͤngt, und mit immergruͤnenden Baͤumen und Waldbaͤumen vermiſcht iſt. Um den Cha - rakter einer Grotte noch ſtaͤrker auszudruͤcken, hat man einen rauhen ſteinernen Sitz unter wilden Wurzeln ſehr ſchicklich angebracht; ein Zuſatz, daraus vielleicht nicht viel gemacht wird, der aber doch eine angenehme Wirkung hat. Eine ſchickliche In - ſchrift bezeichnet dieſe Grotte:

Intus aquae dulces, vivoque ſedilia ſaxo, Nympharum domus. ()

Der Ellernhain zu Stowe**)Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen, S. 274. giebt einen einſamen Aufenthalt mitten in ei - nem Schatten ab, den ſelbſt die Strahlen des Mittags nicht auſklaͤren koͤnnen. Das Waſſer ſcheint ein ſtillſtehender Teich zu ſeyn, der ſein Ufer durchfrißt, und eine ganz beſondere Farbe hat; denn er iſt nicht ſchlammigt, ſondern nur dunkel, und wirft das ſchwaͤrzliche Bild der Roßkaſtanien und Ellern zuruͤck, die zunaͤchſt um den Rand ſte -M 3hen.94Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,hen. Die Staͤmme der letztern, die in großer Menge aus einer Wurzel hervor - ſchießen, druͤcken einander nieder, und ſchweben uͤber dem Waſſer. Ungeſtalte Ul - men und hoͤckerichte Tannen ſtehen haͤufig in der Waldung, welche die Tiefe umgiebt; Staͤmme abgeſtorbener Baͤume trauren darunter, der Sumach, der Taxbaum, nebſt Hollunder und Haſelſtraͤuchern machen den Unterwuchs aus; einige wenige Linden und Kirſchlorbeern ſind mit untergemiſcht. Der Wald iſt meiſtens vom dunkelſten Gruͤn; und das Laubwerk wird durch Epheu verdickt, der ſich nicht nur an den Baͤumen hin - aufſchlaͤngelt, ſondern auch uͤber die Abfaͤlle des Bodens hinuͤberlaͤuft. Dieſe ſind abſchuͤßig und ſteil. Der Kiesweg iſt mit Moos bedeckt. Am Ende dieſer Scene erſcheint die Grotte. Sie iſt mit zerbrochenen Feuerſteinen und Kieſeln bekleidet, und erhaͤlt, durch die Einfachheit ihrer Materialien und die Dunkelheit ihrer Farbe, den ganzen Charakter ihrer Lage.

Popens Grotte zu Twickenham*)Bemerkungen eines Reiſenden durch Deutſchland, Frankreich, England und Hol - land. 8. 2ter Th. 1775. 53 Br. iſt beruͤhmt, weil ſie der Dichter nicht blos anlegte, ſondern auch beſang. Ueber dem Eingange an der Nordſeite lieſet man dieſe in einen Stein gehauene Inſchrift:

Secretum iter et fallentis ſemita vitae. ()

Um den abſchuͤſſigen Eingang ſtehen Ruͤſtern und Linden, die ihn beſchatten, und an den Seiten ſind Topfſteine und große Stuͤcken Feuerſteine in kleinen Huͤgeln aufgeſetzt, und uͤberzogen mit Moos und Kraͤutern, die an ſchattigten Felſen wachſen. Die Grotte iſt gewoͤlbt, laͤuft ohngefaͤhr eilf Schritte vorwaͤrts nach Suͤden, und theilt ſich alsdenn in Seitengaͤnge und kleine Kammern. Die zur Rechten machen eine Art von Irrgang, die zur Linken oder gegen Morgen aber endigen ſich in ein paar geraͤu - mige Zimmer. Die Waͤnde der Grotten ſind mit mancherley Arten von Steinen uͤberzogen. Die ſuͤdliche Thuͤre fuͤhrt auf einen gruͤnen Raſen, der das Ufer der Themſe iſt, etwa fuͤnf und zwanzig Schritte bis ans Waſſer abſchuͤſſig herunter laͤuft, und von hohen babyloniſchen Weiden beſchattet wird. Allein dieſe Grotte hat doch Verzierungen, die nicht die Strenge der Kritik aushalten, als eine gemalte Decke, allerhand mit Steinen ausgelegte Figuren an den Waͤnden, und in den Niſchen an - tike Bildſaͤulen. Es iſt ſo ſchwer, ſelbſt in den beſten Gaͤrten eine Grotte anzutreffen, die nicht, durch irgend einen uͤppigen Zierrath oder einen unſchicklichen Zuſatz der Kunſt, gegen die wahre Einfalt fehlte; und doch iſt in allen Grotten der Natur nichts mehr hervorſtechend, als ihre Einfalt.

6. Allein95Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

6.

Allein gewiß iſt es auch, daß die alte Manier keine Werke ſo ſehr verſtellt hat, als die Grotten, und daß es daher ſelbſt Maͤnnern von Geſchmack zuweilen eine kleine Ueberwindung koſtet, ſich von der herrſchenden Kunſt loszureißen, und ſich wieder in die einfaͤltige Natur hineinzufinden. Man wollte nicht blos einige Bequemlichkeit haben; ſondern man ſuchte auch eine Einrichtung und Auszierung, wie man ſie in den Wohnhaͤuſern zu finden gewohnt war. Man vergaß dabey, daß Grotten auf - hoͤrten, dieſen Namen zu verdienen, ſo bald ſie zu regelmaͤßigen Zimmern geformt wuͤrden; daß ſie keine Haͤuſer, ſondern nur Werke der Nachahmung ſeyn ſollten, wo - zu die Muſter nicht deutlicher vor Augen liegen konnten. Nicht weiter aber konnte man von der Natur abirren, als da man das Vorurtheil ſaßte, daß Grotten ſich nach dem Stande der Gartenbeſitzer richten, mit ihm ſich an Reichthum und Pracht heben muͤßten. Durch dieſen Wahn hoͤrten ſie ganz auf, Nachehmungen wirklicher Na - turſcenen zu ſeyn; ſie ſchweiften in die Kunſt hinuͤber, wurden nicht blos Haͤuſer, ſondern zuweilen kleine Palaͤſte. Sie bekamen die genaueſte Regelmaͤßigkeit, hohe Treppenwerke, reiche Zuſammenſetzungen, Saͤulen, Colonnaden, Statuͤen, Gemaͤl - de, eine unermeßliche Ueberladung von Verzierungen, alles was die Kunſt erfinden konnte, und nichts, was ihnen nach dem Vorbilde der Natur gehoͤrte. Es ſind nicht blos die beruͤchtigten Grotten zu Meudon und St. Clou, die von Symmetrie ſtrotzen. Man ſieht noch jetzt in ſo vielen Gaͤrten der Fuͤrſten Gebaͤude dieſer Art, die den Namen von Grotten fuͤhren, womit ſie nichts gemein haben, und auf Plaͤtzen prangen, wohin ſie nur von einer Fee hingezaubert zu ſeyn ſcheinen. Die Architek - turlehrer, die ſo ſelten Kenntniß der aͤchten Regeln der Gartenkunſt hatten, womit ſie ſich doch faſt alle beſchaͤftigten, beeiferten ſich, dieſen falſchen Geſchmack zu unterſtuͤtzen. Decker belaſtete ſogar das Dach ſeiner Grotten mit Statuͤen, die kaum neben einan - der Platz hatten. Vergebens ſuchte man durch Muſcheln, Corallen, Cryſtallen und andere koſtbare Spielwerke, die in dem Innern verſchwendet wurden, das Unnatuͤr - liche zu verbergen, das unter den muͤhſamſten Kleinigkeiten nur deſto deutlicher durch - ſchien; man verfiel mitten unter den Auszierungen, die den Palaſt in eine Grotte wie - der verwandeln ſollten, aus einer Laͤcherlichkeit in die andere. Man bildete an den Decken ſchwebende Froͤſche, und an den Waͤnden kletternde Fiſche; und wenns recht herrlich zugieng, ſo erſchien der ehrwuͤrdige Neptun in voller Pracht, aus tauſend flimmernden Steinchen zuſammengeſetzt; oder man beluſtigte die Herren und Damen mit unvermutheten Vexirwaſſern, die von ſchalkhaften Krebſen geſpruͤtzt wurden. Es ward kein Witz, keine Muͤhe, keine Summe geſpart, um den Zuſchauer durch dieAus -96Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,Ausſchweifungen des Unnatuͤrlichen und Abgeſchmackten in Erſtaunen zu ſetzen. Um ſich davon wieder zu erholen, erfriſche man ſich bey der hier folgenden Vorſtellung in der Grotte der Natur.

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III. Einſiedeleyen.

1.

Die Einſiedeleyen, die man zuweilen in den Gaͤrten anlegt, ſind, eben ſo wie die Grotten, Werke der Nachahmung, nicht ſowohl zur Bewohnung, als viel - mehr zum kurzen Genuß der Ruhe und der Einſamkeit, und zur Verſtaͤrkung der Ein - druͤcke beſtimmt, die ſtille und melancholiſche Reviere machen ſollen. Sie ſind von Grotten, denen ſie aͤhnlich ſcheinen, noch in weſentlichen Stuͤcken unterſchieden. Beyde haben eine verborgene Lage mit einander gemein; beyde ſind in Bergen, inFelſen,97Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Felſen, in Wildniſſen einheimiſch. Allein die Grotte kann zuweilen eine ſehr natuͤr - liche Lage am Waſſer haben; die Einſiedeley ſcheint mehr fuͤr Waldung und oͤde Wild - niß in Bergen zu gehoͤren. Die Grotte iſt eine Nachahmung der Hoͤhlen, wie ſie die Natur bildet; die Einſiedeley iſt eine Huͤtte, ein einfaͤltiges Haus, von der Hand des Menſchen gebauet, oder wenn ſie zuweilen in Felſen liegt, ſo iſt dieſer doch zu einem ſich der Regelmaͤßigkeit naͤhernden Zimmer bearbeitet, welches die Grotte nicht ſeyn kann, ohne in das Unnatuͤrliche uͤberzugehen. Ein Werk, von Holz erbauet und mit Schiefer gedeckt, wuͤrde eine ſehr unnatuͤrliche Erſcheinung fuͤr eine Grotte ſeyn, aber nicht fuͤr die Einſiedeley. Beyde trennen ſich in Abſicht auf die Bauart und die Ma - terialien; aber ſie kommen beyde in der Einfalt wieder zuſammen. Die Grotte laͤßt in der Vorſtellung den Aufenthalt mehrerer Bewohner zu; die Einſiedeley iſt auf einen Einzelnen eingeſchraͤnkt, indem mit zwo Perſonen ſchon die Geſelligkeit anfaͤngt. Aus dieſem Grunde koͤnnen mehrere Grotten dicht neben einander liegen, ohne unnatuͤrlich oder unſchicklich zu werden; eine Vereinigung mehrerer Einſiedeleyen aber, die ſich an einander draͤngten, wuͤrde ihren Eindruck durch die Vorſtellung der Geſelligkeit ſchwaͤchen. Endlich iſt die Grotte, wie ſchon bemerkt iſt, ein Eigenthum des Ro - mantiſchen; die Einſiedeley gehoͤrt fuͤr die einſame und ſanft melancholiſche Gegend, der ſie ungemein angemeſſen iſt.

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III Band. N2. Eine98Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

2.

Eine Einſiedeley laͤßt uns nicht allein die Wirkungen des melancholiſchen Re - viers,*)S. 1ſten B. S. 211-213. worinn ſie liegt, beſſer empfinden, ſondern unterhaͤlt uns zugleich mit der Erinnerung jener Zeiten, wo die fromme Einfalt die Welt verließ, um den Himmel in der Wuͤſte zu finden. Es iſt wahr, dieſe Erinnerung wird durch die Vorſtellung von Irrthum und Schwaͤrmerey getruͤbt; aber wo iſt das Zeitalter, das nicht irrte oder ſchwaͤrmte? Unter allen Wendungen, die das Kloſterweſen genommen, iſt viel - leicht keine, die ſo wenig ſchaͤdlicher Misbrauch war, als das Fliehen in einſame und oͤde Gegenden. Hier ward das Leben der Moͤnche doch nuͤtzlich, indem ſie das Land baueten, und ſo viele Einoͤden fruchtbar und geſund machten. Die Wuͤſte ertoͤnte nicht blos von ihren Gebeten, ſondern auch von der Axt in ihren Haͤnden; der be - nachbarte Landmann holte bey ihnen nicht blos einen Segen, ſondern auch Anweiſung fuͤr ſeinen Beruf. Ein Leben, das ſich alle Freuden der Welt, alle Bequemlichkei - ten der Geſellſchaft verſagte, das zwiſchen Arbeit, Bußuͤbungen und Betrachtungen getheilt war, ſahe nur der Himmel, der es belohnen ſollte. In einer gluͤcklichen Ein - foͤrmigkeit, ohne Beduͤrfniß und ohne Leidenſchaft, walleten die kurzen Tage der Pruͤ - fung dahin; der Abend beleuchtete eben die ruhige Stirne des Einſiedlers, wie ſie die Morgenroͤthe geweckt hatte: denn ſein Gott wohnte bey ihm in der Zelle. Er hatte alle Anſpruͤche an dieſer Welt fuͤr die Hoffnungen in jener vertauſcht; ihm nur ſchweb - te immer ſein Geiſt mit dem Frieden der Zuverſicht entgegen. Wenn ſein Abend herandaͤmmerte, ſo horchte er voll ſtiller Erwartung auf die Stimmen der Engel, die ihn zu ſich riefen; das Crucifix in der Hand, gieng er mit feyerlicher Heiterkeit von hier, und hinterließ einem betenden Bruder ſeine Zelle und das Andenken ſeiner Froͤmmigkeit. Dieſe Erinnerung erwacht bey dem Anblick der Einſiedeleyen wie - der; und ſie hat eine Kraft zu Ruͤhrungen, die ein Herz, das nicht allein fuͤr die Welt empfindet, gerne bey ſich unterhaͤlt. Ich weiß nicht, warum wir nicht ſolche Bilder wieder erneuern ſollen, die Veranlaſſung zu ſanften und der menſchlichen Wuͤrde ſo angemeſſenen Empfindungen ſind. Es iſt ſchon eine Aeußerung von Tu - gend, wenn uns die Denkmaͤler der Tugend erwaͤrmen; und man naͤhert ſich ſchon um einige Schritte der Froͤmmigkeit, wenn man den Ort ehrwuͤrdig findet, wo ein frommer Mann in der Anbetung liegt.

3. Die99Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
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3.

Die erſten Eremiten baueten oft in Felſen, und noch in den neuern Zeiten ha - ben ſie darinn oft ihre Wohnungen angelegt. Ein ſehr merkwuͤrdiges Werk dieſer Art, das von einem Waldbruder bewohnt wird, ſieht man in der Schweiz zwiſchen Bern und Freyburg eine Stunde von dieſer Stadt. Die Gegend umher iſt eine wahre melancholiſche Einoͤde; man erblickt weder Doͤrfer noch Landhuͤtten; man ſieht nichts als Waͤlder und Felſen, und in der Tiefe rauſchet die Sane in einem urge - ſtalten, von Steinen erfuͤllten, Bett voruͤber. Die tiefe Einſamkeit und die Ernſt - haftigkeit der Natur floͤßt der Seele ein gewiſſes ruhiges und ſchwermuͤthiges Weſen ein. Dieſe Gegend iſt fuͤr die Wirkung der Einſiedeley, die ſie beruͤhmt macht, uͤber - aus guͤnſtig. An dem rechten Ufer des Fluſſes liegt eine Reihe von Felſen, deren Hoͤhe auf vierhundert Fuß betraͤgt; ſie ſind voll Spaltungen, auch ungemein ſteil. Ein Theil dieſer Felſen zieht ſich naͤher nach der Sane hin; und hier hat vor etwa hundert Jahren ein Einfiedler ſich ſo vielen Raum ausgehauen, als er zu einem LagerN 2und100Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,und zu ſeiner Beſchirmung vor dem Wetter noͤthig hatte. Sein Nachfolger*)Der Name dieſes Mannes verdient aufbehalten zu werden. Er hieß Jean dy Pré von Gryers, und verungluͤckte in der Sane 1708. wollte ſich mit dieſer engen Wohnung nicht begnuͤgen. Er unternahm es, die Einſiedeley zu erweitern, und nach einer Arbeit von fuͤnf und zwanzig Jahren, die er mit einem Untergebenen unablaͤßig betrieb, brachte er eine Kirche mit einem Thurm, eine Sa - criſtey, ein Refectorium, eine Kuͤche, einen großen Saal, zwo Seitenkammern, zwo Treppen, und unten einen Keller, alles in den Felſen gehauen, zu Stande. Die Kirche haͤlt in der Laͤnge drey und ſechzig, in der Breite ſechs und dreyßig, und in der Hoͤhe zwey und zwanzig Fuß. Die Sacriſtey auf eben dieſer Seite iſt zwey und zwanzig Fuß lang und breit, und vierzehn hoch. Der Thurm der Capelle oder Kirche hat eine Hoͤhe von ſiebzig und eine Breite von ſechs Fuß; er reicht bis oben an den Felſen. Zwiſchen der Kirche und dem Refectorium iſt ein Vorzimmer, vier und vierzig Fuß lang und vier und dreyßig breit. Das Refectorium iſt ein und zwanzig Fuß lang. Auf der Seite iſt die Kuͤche mit ihrem Camin, deſſen Roͤhre eine Hoͤhe von neunzig Fuß haͤlt. Von da kommt man in einen großen Saal, neunzig Fuß lang und zwey und zwanzig breit; er iſt, wie die uͤbrigen Gemaͤcher, mit großen Fen - ſtern gegen den Fluß zu verſehen. Sieht man daraus in den tiefen Fluß hinab, ſo wird man vom Schauer ergriffen. Noch ſind zwey andere Gemaͤcher da, zuſammen vier und funfzig Fuß lang. Auf der Seite des großen Saals iſt eine verborgene Treppe. Man muß uͤber dieſes Wunder eines eiſernen Fleißes erſtaunen, wenn man ſieht, wie geſchickt alles dieſes in dem Felſen ausgefuͤhret worden. In dem Keller befindet ſich eine reiche Waſſerquelle; und in einem kleinen Vorwerk iſt ein Gaͤrtchen mit Kraͤutern und Blumen angelegt.

Allein nicht immer verbargen ſich die Einſiedler in abgelegenen Thaͤlern und fel - ſichten Gruͤnden; ſie ſuchten oft ihre Sitze in den Waͤldern und Felſen der Gebirge aus. Auch eine große Hoͤhe giebt Einſamkeit, und eine Ausſicht auf weite und herr - liche Landſchaften, tief in die Ferne hin, vertraͤgt ſich mit der Beſtimmung der Ein - ſiedeley, wenn dieſe nur dem Blick des Menſchen ſowohl als dem Geraͤuſch entzogen iſt, und ſich in ihren abgeſonderten Bezirk verſchließt. Der Rigiberg im Canton Schweiz hat die ſchoͤnſten Ausſichten, und ſeine beruͤhmte Einſiedeley dennoch eine angemeſſene Lage. Dieſer große, hohe und fruchtbare Berg, der einen Umfang von zehn Stunden hat, iſt faſt von allen Seiten mit Waſſer umgeben; ſein ſuͤdlicher Fuß wird an zwey Orten von dem Vierwaldſtaͤtterſee, der nordliche von dem Lauwer - zerſee, und der weſtliche von dem Zugerſee beſpuͤlt. Bey dem Flecken Brunnen wird er durch Waſſer von andern Bergen abgeſchnitten. In der Ferne ſcheint er rauhund101Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. und wild; in der Naͤhe ſieht man das Gegentheil; viele Fremde beſuchen ihn wegen ſeiner unvergleichlichen Ausſicht. Man beſteigt ihn auf verſchiedenen Wegen. Nur wenige hundert Schritte uͤber Art zieht ſich der Weg ſehr ſteil hinauf; doch wird er einigemal durch kleine Ebenen unterbrochen. Er geht meiſtens durch Waͤlder und dazwiſchen liegende Weiden, wo man große Heerden von Vieh erblickt. Man braucht beynahe vier kleine Stunden, um oben die Capelle oder Einſiedeley zu erſteigen, zu welcher im Sommer viele Wallfahrten geſchehen. Der oberſte Gipfel dieſes Berges, der außerdem noch verſchiedene Hoͤhlen enthaͤlt, gewaͤhrt eine der praͤchtigſten Ausſich - ten auf dieſer Erdkugel. Da dieſer Berg unter den hohen Bergen Helvetiens von Mitternacht gegen Mittag einer der erſten iſt; ſo breitet ſich die Ausſicht ſowohl auf die noch hoͤhern Berge der Cantons Schweiz, Lucern, Uri und Unterwalden, als auch uͤber die anmuthigen und fruchtbaren Gefilde des Lucerner und Zuͤrcher Gebiets, in das Aargau und weiter aus, und bey heller Luft fallen zehn verſchiedene Seen auf einmal in die Augen mit einer Wirkung, die keine Sprache beſchreibt.

Eine andre Einſiedeley von einer uͤberaus merkwuͤrdigen Lage und Einrichtung iſt das ſo genannte Korkkloſter auf dem Felſen Cabo di Rora bey Liſſabon, das Baretti*)Reiſe durch Portugall, Spanien, u. ſ. f. 1ſter B. 28ſter Br. beſchreibt. Zu dieſer Einſiedeley fuͤhrt nur ein einziger Weg durch einen Bogen, den die Natur in einem Felſen gemacht hat. Er ſteht ungefaͤhr zweyhundert Fuß niedriger, als die Einſiedeley; ſonſt iſt es nirgends moͤglich hinanzuklettern. Man kann ſich dieſen Ort nicht ſonderbarer, wilder, romanmaͤßiger denken. Zuerſt kommt man auf einen unregelmaͤßigen Platz, der ohngefaͤhr vierzig Ellen ins Gevierte haͤlt. Vor demſelben liegt ein hoher, hin und wieder durchloͤcherter Felſen, und aus dieſen Loͤchern und Kellern beſteht die ganze Einſiedeley. Die Kirche iſt eine beſon - dere Hoͤhle, die Sacriſtey wieder eine andre; der Beichtſtuhl, die Kuͤche, das Schlaf - und das Speiſezimmer, alle Zellen ſind eben ſo viele Hoͤhlen, und andre Oeffnungen dienen zur Thuͤre und zu den Fenſtern. Keine Hoͤhle aber unter allen kann geraͤumig genannt werden. Die Natur hat hier allerdings einen ſonderbaren Ort gebildet, denn die Kunſt hat fuͤr die jetzigen Bewohner ſehr wenig gethan. Das Erdbeben wuͤtete hier entſetzlich, konnte aber nichts ausrichten. Dieſe Wohnungen koͤnnen nicht an - ders, als mit dem Berge ſelbſt, uͤber den Haufen fallen. Was dieſen von der Na - tur gebaueten Ort noch ſonderbarer macht, iſt dieſes, daß alle Waͤnde und Fußboͤden mit Kork oder Pantoffelholzrinde bedeckt ſind, wodurch die ſchaͤdliche Feuchtigkeit ab - gehalten wird. Die Einſiedler ſteigen durch eine Reihe ſehr unregelmaͤßiger Stufen zu ihrem Waſſerbehaͤltniſſe und zu ihrem kleinen Stuͤck Gartenland hinab, das da - durch gewaͤſſert wird. Sie nennen die vielen kleinen Fußſteige ihre Spaziergaͤnge;N 3und102Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,und wenn man die Unbequemlichkeit wegnimmt, ſo iſt es wirklich ein angenehmer Gang, der von Baͤumen und Buſchwerk beſchattet wird. Mitten in der Hoͤhle, die den Speiſeſaal vorſtellt, liegt ein großer Stein, der ſtatt des Tiſches dient, wenn man des Wetters wegen einen bedeckten Ort zum Speiſen ſuchen muß. Die Ausſicht aus dieſer Einſiedeley, die zwiſchen Felſen, Baͤumen und Gebuͤſchen eine angenehme Lage hat, iſt erſtaunlich weit, und erſtreckt ſich uͤber eine große Flaͤche des Meeres, uͤber alle Doͤrfer und Flecken an der Muͤndung des Tagus, uͤber das koͤnigliche Klo - ſter zu Mafra, und eine Menge einzelner auf dem Lande umher zerſtreuter Wohnun - gen, uͤber eine lange Reihe theils felſichter und unfruchtbarer, theils bewohnter Berge. Einige davon ſind mit Eichen, Fichten und Pantoffelbaͤumen beſetzt; auf andern ſieht man Weinberge, Oelbaͤume, Pomeranzen, Citronen und unzaͤhlige Gewaͤchſe von mancherley Art.

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4. Weil103Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

4.

Weil man in Gaͤrten keine weitlaͤuftigen Gebirge, und ſelten rauh verwilderte Berge hat, worinn ſich nachgeahmte Einſiedeleyen verbergen koͤnnten; ſo legt man ſie am beſten in verwachſenen Winkeln und in ſchattigten Vertiefungen an, wo ſie den Charakter der Einſamkeit, den ſie verlangen, leichter gewinnen. Denn nichts kann ihrer Natur und Abſicht mehr widerſprechen, als wenn man ſie auf kleine offene Huͤ - gel oder auf freye Raſenplaͤtze, wo ſie von allen Seiten erblickt werden, verlegt; eine Anlage, die nicht unſchicklicher ſeyn kann, ob man ſie gleich noch oft genug antrifft. Eine ſehr gluͤckliche Lage iſt es, wenn ſie ſich an einen Berg oder an eine Felſenwand lehnen; und oft wird man in der Nachbarſchaft des Gartenreviers, in einer angraͤn - zenden Wildniß, einen mehr angemeſſenen Ort fuͤr ſie finden, als in dem Bezirk des Gartens ſelbſt. Die zunaͤchſt umliegende Gegend oder die Scene muß nichts Praͤch - tiges, nichts Reizendes noch Geſchmuͤcktes haben; ſondern nachlaͤßig und beſcheiden ſeyn, in ſtiller Einfalt, ohne Lebhaftigkeit und ohne auffallende Schoͤnheit. Ein ru - higes Gewaͤſſer oder eine Quelle mit leiſem Gemurmel iſt dem Charakter dieſer Scene ſehr gemaͤß. Man kann durch umhergepflanzte Baͤume von tief herabhangenden Zweigen und dunklem Laubwerk, durch dicke Gebuͤſche ihre Einſamkeit verſtaͤrken, und ihr Anſehen finſterer machen.

Das Gebaͤude mag aus Stein oder Holz beſtehen; nur muß die Zuſammen - ſetzung die hoͤchſte Einfalt und Nachlaͤßigkeit zeigen. Keine Kunſt, viel weniger ein Anſchein von Pracht; ſelbſt die Vernachlaͤßigung der Verhaͤltniſſe der Baukunſt iſt hier eher ein Verdienſt, als ein Fehler. Das ganze Anſehen muß Einfalt, Duͤrf - tigkeit, Verlaͤugnung ankuͤndigen. Ein Dach von Stroh oder Schiefer, rohe Pfei - ler, die es tragen, ein Gemaͤuer oder eine von leimigter Erde aufgefuͤhrte Wand, woran man die Spuren der Zeit und des Wetters, beſchaͤdigte Stellen und Ueberzuͤge von Moos wahrnimmt, eine Thuͤr, die, ohne Zierde zwiſchen den Pfoſten, blos die Oeffnung ſchließt, Fenſter mit truͤben oder bemalten Glasſcheiben Alles dieſes bezeichnet die aͤußere Geſtalt der Einſiedeley.

Die innere Einrichtung iſt auf Reinlichkeit und unentbehrliche Bequemlichkeit eingeſchraͤnkt; daher keine Merkmale eines verfeinerten Geſchmacks, keine Einladung zur Weichlichkeit und zu irgend einer Art von wolluͤſtiger Behagung, keine reiche Ver - zierungen mit Gemaͤlden und ausgelegter Arbeit, die wider den Begriff der Duͤrftig - keit oder Maͤßigkeit ſtreiten. Ueberall Einfalt, Beſcheidenheit, Ernſt; alles, was lachend und froͤlich iſt, toͤdtet den Eindruck, den das Ganze machen ſoll. EineBank,104Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,Bank, eine Ruheſtelle in dem einen Winkel, ein Capellchen in dem andern, eine Niſche mit dem kunſtloſen Bildniß eines Schutzheiligen, an der Wand einige Spruͤ - che, die in Worten voll Einfalt die hohe Weisheit des Lebens lehren, oben uͤber die Thuͤre hinaus ein Gloͤckchen, das die Stunde des Gebets verkuͤndigt machen die anſtaͤndige Verzierung einer Einſiedeley aus, die aus dem Moͤnchsleben nachgeahmt iſt. Andere Einſiedeleyen, die ſich nicht ganz an dieſen Charakter halten, muͤſſen doch eine innere Einrichtung und Auszierung haben, die ſich zum Genuß der Ruhe ſchickt, und das ernſte Nachdenken unterhaͤlt. Und dazu ſind Inſchriften, die den Geiſt auf wichtige Betrachtungen leiten, von vorzuͤglicher Kraft.

Einſiedeleyen muͤſſen eine gewiſſe Dunkelheit haben, entweder durch wenig Fen - ſter und Oeffnungen, oder durch ſtarke Beſchattungen von Baͤumen. In Gebaͤuden, die eine Empfindung von feyerlicher Ruhe oder eine Art von heiligem Schauer erregen ſollen, wird dieſe Wirkung am ſicherſten von der Verdunkelung erhalten; auch hilft hier der ploͤtzliche Uebergang vom Licht zur Finſterniß; wir fuͤhlen es ſogleich, daß wir an einen Ort von einer andern Beſtimmung gekommen ſind.

Selbſt die aͤußere und innere Farbe iſt, dieſer Eindruͤcke wegen, nicht gleich - guͤltig; ſie muß den Ernſt des ganzen Werks unterſtuͤtzen, und entweder braun oder dunkelgrau ſeyn. Nichts iſt mehr widerſprechend, als eine Huͤtte der Melancholie oder der einſamen Betrachtung mit einer hellgruͤnen oder weißen Farbe zu bekleiden.

Man glaubt zuweilen, daß man fuͤr Einſiedeleyen, als Gegenſtaͤnde, die nur durch ihr Anſehen einen Eindruck machen ſollen, genug gethan habe, wenn nur das Aeußere den Charakter der Eremitagen traͤgt, und daß die innere Einrichtung alle Schoͤnheit eines Prachtſaals vertrage. Allein, ohne zu gedenken, daß dieſe Einrich - tung das Aeußere und das Innere des Gebaͤudes in einen Widerſpruch ſetzt, ſo unter - bricht ſie doch beym Hereingehen und beym Heraustreten jedesmal den Eindruck, und macht, daß zuletzt die umliegende Scene ſelbſt ihre Wirkung verliert. Es iſt keine Nothwendigkeit da, die eine ſolche Anlage rechtfertigte; und die kleine Ueberraſchung, die das erſtemal bey dem Eintritt entſteht, iſt zu voruͤbereilend und unbedeutend, als daß ſie die Wirkungen, die daruͤber verloren werden, wieder erſetzen koͤnnte.

Ehe man eine Einſiedeley anlegt, muß man den beſondern Charakter und die beſondere Beſtimmung des Gartens betrachten. Denn gewiſſe Arten von Gaͤrten vertragen dieſe Gebaͤude nicht. In einem heitern Luſtgarten, in einem Fruͤhlings - garten, in einem Garten bey Gymnaſien und Akademien wuͤrde eine Einſiedeley ſehr unſchicklich ſeyn. Aber ſehr gut ſteht ſie in einem Garten bey Kloͤſtern, bey Capellen, bey Begraͤbnißoͤrtern, in jedem einzelnen Garten von einem einfachen Charakter desErnſtes105Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Ernſtes oder der Melancholey; und wo ein Garten ſich in eine Folge von vielen ver - ſchiedenen Scenen ausbreitet, da kann ſie auch die ihrige zur Verſtaͤrkung ihrer Wir - kung beſonders einnehmen.

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5.

In Gaͤrten, die mit Geſchmack angelegt ſind, findet man auch Einſiedeleyen, die wenigſtens in den weſentlichen Stuͤcken die Anordnung haben, welcher dieſe Art von Gebaͤuden folgen muß.

Die Eremitage des H. Auguſtin zu Stowe iſt bekannt. Sie liegt an einem abgelegenen und dunkeln Orte des Gartens, und iſt ganz von Gebuͤſch eingehuͤllt. Sie iſt eine kleine viereckigte, von Wurzeln und Staͤmmen aufgefuͤhrte, mit Stroh gedeckte Huͤtte. Ihre aͤußern Verzierungen beſtehen blos in Kreuzen an den vier Ecken und oben auf der Spitze des Dachs. Einige Baͤnke in den Winkeln machen ihre ganze Auszierung. Die ſich verbergende Lage verraͤth eine gluͤckliche EingezoIII Band. Ogenheit,106Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,genheit, und ihr ganzes Anſehen kuͤndigt eine fromme Armuth an. Nur Schade, daß die Inſchriften in das Unanſtaͤndige ausarten, und allen Eindruck des Ehrwuͤr - digen zerſtoͤren.

Die Einſiedeley in dem beruͤhmten Park zu Hagley*)S. Heely Briefe u. ſ. f. 9ter Br.beſteht aus alten Stur - zen und zuſammengefuͤgten Wurzeln, deren Zwiſchenraͤume mit Moos ausgefuͤllt ſind. Der Fußboden des Vorhauſes iſt mit kleinen Kieſeln artig gepflaſtert, und rings um - her geht ein Sitz von Stroh. Die Thuͤre fuͤhrt in ein Zimmer, das ungefaͤhr in eben dem Geſchmack angelegt iſt. Alles hat ein armſeliges Anſehen, und verraͤth eine Verachtung des Ueberfluſſes in der Welt, wie es ſich fuͤr den Bewohner einer ſolchen Einſiedeley ſchickt. Man findet hier eine ſehr paſſende Inſchrift, die aus dem Mil - ton genommen iſt:

Moͤchte ich doch in meinem entkraͤfteten Alter eine ruhige Einſiedeley, ein ſchlechtes Kleid und eine bemooſte Zelle finden, wo ich ſitzen, und uͤber je - den Stern des Firmaments, uͤber jedes vom Thau befeuchtetes Gras nach - denken kann, bis ich eine vieljaͤhrige Erfahrung und dadurch gleichſam einen prophetiſchen Geiſt erreiche. Dieß Vergnuͤgen gewaͤhre mir, Melancholie, ſo will ich gerne mit dir meine Tage beſchließen. **)Il Penſeroſo. ()

Aus der Thuͤr dieſer mooſichten Zelle hat man zwey perſpectiviſche Durchſichten uͤber das entfernte Land, wovon eine uͤber die gegenuͤberſtehenden Baͤume wegſteigt, die an - dere unter ihnen durchſchleicht. Alles uͤbrige iſt eingeſchloſſen. Vor ſich hat man einen Theil von einem tiefen waldigten Thal, worinn ein Waſſerſtuͤck liegt, das von dicken Baͤumen umſchattet wird.

6.

Um eine Abwechſelung zu erhalten, koͤnnen die gewoͤhnlichen Einſiedeleyen auch mit andern Arten von Wohnſitzen der Melancholie oder einſamen Betrachtung ver - tauſcht werden. Man darf ſie nicht blos einem merkwuͤrdigen Eremiten der katholi - ſchen Kirche widmen, ſondern auch dem Andenken irgend eines alten Philoſophen, der die Einſamkeit liebte. So kann man dem Pythagoras eine Huͤtte weihen. Unter allen Weltweiſen des Alterthums ſcheint keiner ſich beſſer, als er, auf die Vor - zuͤge des Landlebens verſtanden zu haben; ehrwuͤrdig und einnehmend war die Lebens - art, die er ſeine Schuͤler beobachten ließ. Mit dem Aufgang der Sonne ſtanden ſie auf; ſie erheiterten ſich durch eine angenehme Muſik, giengen in Waͤldern und einſa - men Gegenden ſpazieren, wo die Stille und die Gegenſtaͤnde der Natur die Seeleruͤhrten,107Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. ruͤhrten, und ſie zu einer erhabenen Begeiſterung hinriſſen. Sie theilten einander ihre Beobachtungen mit; und jeder Abend ward mit ſittlichen Betrachtungen und ſtiller Selbſtpruͤfung beſchloſſen.

Man hat in den brittiſchen Parks angefangen, Tempel der Druiden anzule - gen. Es iſt eine ſchickliche Idee, dieſen Weiſen der Celten, die in dem tiefſten Schatten der Waͤlder die Geheimniſſe des Gottesdienſtes lehrten, Gartengebaͤude zu widmen. Allein es iſt zugleich zu bedauern, daß wir ſo wenig zuverlaͤßige Nachricht von der Bauart ihrer heiligen Plaͤtze haben; denn die Ueberbleibſel, die man davon in einigen Laͤndern, vornehmlich in Schottland antrifft, geben, von der Zeit verun - ſtaltet, nur einen ſehr unvollkommenen Begriff. Ohne Zweifel war ihre Baukunſt noch nicht uͤber die Graͤnzen der erſten Rohigkeit geſchritten; und ein wilder Haufen von aufgeworfenen Steinen, mit Erde und Moos verbunden, und von hohen Eichen uͤberſchattet, war das ganze Werk, das den geweiheten Ort einſchloß. Man darf hier nichts von Zierlichkeit noch Richtigkeit der Verhaͤltniſſe ſuchen; vielweniger eine Annaͤherung zu der Architektur der Alten. Dieſe Werke gehoͤren indeſſen zu der ehr - wuͤrdigen und einfaͤltigen Gattung von Gebaͤuden, wie die Einſiedeleyen, und der Name von Tempel, der mehr ankuͤndigt, als was ſie waren, ſcheint ihnen weniger zu gehoͤren. Inzwiſchen fuͤhrt Young*)Tour through the Eaſt of England. Vol. IV. S. 16-19. Deutſche Ueberſ. 4ter Th. S. 268. 269. einen ſolchen Druidentempel in dem Park zu Halswell bey Bridgewater an, von deſſen Bauart er zu wenig und nichts mehr ſagt, als daß er in dem gehoͤrigen Styl von Baumrinden ſey. Allein das Re - vier um dieſen Tempel hat einen Charakter, der nicht gluͤcklicher ausgewaͤhlt ſeyn koͤnnte. Man tritt in einen Hain von praͤchtigen Eichen, die einen einſamen, wil - den Platz beſchatten, wo eine klare Quelle am Fuß eines Felſen entſpringt, der mit Buſchwerk verwachſen iſt, und ein kuͤhnes Anſehen hat. Das Waſſer ſchlaͤngelt ſich durch den Hain in vielen Kruͤmmungen fort. Wenn man um die Ecke herumkommt, ſo wird man im dickſten Schatten eine Bruͤcke gewahr, und gelangt zu dem Drui - dentempel. Der Anblick iſt ganz melancholiſch und eingeſchraͤnkt. Das Waſſer ſchleicht ruhig vorbey, einen kleinen Fall ausgenommen, der aber dem ſtillen Ein - druck, den dieſe Scene macht, nicht ſchadet. In einiger Entfernung veraͤndert ſich der ganze Charakter der Scene wieder. Der Wald erweitert ſich zu beyden Seiten des Waſſers. Wildbahnen von dem friſcheſten Gruͤn, einzelne duͤnne ſtehende Baͤu - me, ein ſchoͤner Strom, Blicke in entfernte Gegenden, zierliche Gebaͤude, allesO 2dieſes108Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,dieſes giebt wieder Heiterkeit, ſo wie man nach und nach aus dem finſtern Auftrin herauskoͤmmt.

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IIII. Capellen.

Dieſe Werke ſcheinen faſt zu wichtig, um blos Werke zur Nachahmung zu ſeyn; ſo wie man in einigen brittiſchen Parks gothiſche Kirchen errichtet hat, die zu viel Koſten erforderten, als daß man ſie blos als uͤberfluͤßige Denkmaͤler einer uͤberlebten Baukunſt wieder haͤtte aufſtellen ſollen.

Es giebt Gegenden, die ſowohl durch ihre Abgelegenheit und Stille, als auch durch die Dunkelheit ihrer Lage zwiſchen Bergen und Felſen, und durch den erhabenen Charakter ihrer Baͤume die Seele auf eine ernſthafte und feyerliche Art ruͤhren. Man findet ſie in der Natur, und man kann ſie durch Lage und Baumwerk nachbil - den. In ſolchen Revieren uͤbergiebt ſich der Geiſt gerne den Betrachtungen uͤber ſeine Beſtimmung, uͤber die Zukunft und uͤber das hoͤchſte Gut, Betrachtungen, die ihndeſto109Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. deſto ſtaͤrker ruͤhren, je mehr ſie von der Scene unterſtuͤtzt und vor aller Zerſtreuung verwahrt werden. Eine Capelle iſt Betrachtungen dieſer Art ſehr zuſtimmend. Schon ihr bloßer Anblick erweckt eine heilige Ehrfurcht, und ihre Einrichtung muß dieſe Be - wegung unterhalten.

Ein ſolches Gebaͤude iſt dem Gebete, der einſamen Betrachtung, den ruͤhrend - ſten Empfindungen uͤber das Weſen und die Abſichten der Gottheit und uͤber die er - habenſte Beſtimmung des Menſchen gewidmet. Man tritt hinein, um ſeinem Gott naͤher zu ſeyn, um aus der Fuͤlle aller empfundenen Reize ſeiner Schoͤpfung ſich nun zu ihm ſelbſt zu erheben, zu dem geiſtigen Anſchauen ſeiner unwandelbaren Schoͤnheit und Guͤte.

Der Charakter einer Capelle muß aus hoher Einfalt und ſtiller Wuͤrde beſtehen. Alle Pracht, alle Ueppigkeit der Verzierung muß hier entfernt ſeyn. Ein hohes Ge - woͤlbe mit wenigen allegoriſchen Bildern, ein Altar mit einem Gemaͤlde, das die An - betung unterſtuͤtzt, an der Wand eine Inſchrift, welche die Heiligkeit des Orts em - pfinden lehrt, eine gemaͤßigte Erleuchtung des ganzen innern Bezirks, ſimples und ehrwuͤrdiges aͤußeres Anſehen, eine ſchattenreiche Lage umſchloſſen von emporſteigen - den Baͤumen, dieß alles ſcheint einer Capelle am meiſten angemeſſen.

In Kloſtergaͤrten ſind Capellen ſehr ſchickliche Gebaͤude, und vertreten die Stelle der Tempel, der Pavillons und Luſthaͤuſer, die man hier nicht erwartet. Allein auch in andern Gaͤrten von einer großen Ausdehnung und einer Folge verſchiedener Scenen kann, in einer beſonders dazu geſchickten abgelegenen und feyerlichen Gegend, eine Capelle errichtet werden. Nach einer Reihe von vielen angenehmen und heitern Auf - tritten kann der Garten allmaͤhlig zu Scenen voll Ernſt und feyerlicher Einſamkeit uͤbergehen; die Bewegungen koͤnnen gleichſam von Schritt zu Schritt an Wuͤrde ſteigen. Nur muß hier kein ploͤtzlicher Uebergang geſucht, noch eine Capelle blos als ein Gegenſtand des Contraſtes angebracht werden. Sie iſt nach ihrer Beſtimmung ein Werk, das ſich zwar mit den eigentlichen Bewegungen der Gartenauftritte ver - traͤgt, das aber doch ihr eigenes, von allen uͤbrigen Scenen abgeſondertes, Revier zu verlangen ſcheint. Bey großen Landſitzen kann eine ſolche Capelle der gewoͤhnliche Ort des Gottesdienſtes fuͤr den Gutsbeſitzer und ſeine Hofhaltung werden, und die Ab - gelegenheit einer Kirche erſetzen.

O 3V. Rui -110Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

V. Ruinen.

1.

Ruinen als Werke der Nachahmung in Gaͤrten betrachtet, haben bey dem erſten Anblick ſo viel Auffallendes, daß man ſich mit Recht daruͤber verwundern zu duͤrfen ſcheint, wie man ſie mit Bedacht anlegen kann. Es ſcheint ein Eingriff in die Vorrechte der Zeit zu ſeyn, deren Wirkung ſich ohne unſere Beyhuͤlfe in der Ver - ſchlimmerung und Aufloͤſung der Dinge zeigt; eine uͤbel verſtandene Anwendung der Kunſt zu bauen, die durch Schoͤpfung und nicht durch Zerſtoͤrung ſich anzukuͤndigen pflegt; eine Verletzung der Annehmlichkeiten der Natur, die ſich wundern muß, mit - ten in ihrem Schooße klaͤgliche Steinhaufen von der Hand des Menſchen, die ſie ſonſt wegzuſchaffen beſchaͤftigt war, hingeworfen zu ſehen.

In der That, ſo lange man noch nicht angefangen hatte, von allen Gegenſtaͤn - den der Landſchaft die Wirkungen zu berechnen, die ſich zur Erweiterung und Verſtaͤr - kung der Gartenempfindungen vortheilhaft anwenden laſſen; ſo lange konnte man nicht auf eine kuͤnſtliche Nachahmung der Ruinen fallen. Sie ſind daher erſt in den neuern Gaͤrten der Englaͤnder in Gebrauch gekommen.

Bey einer naͤhern Betrachtung verſchwindet das Unſchickliche, das man in der Anlage nachgeahmter Ruinen zu bemerken glaubt. Wirkliche Ruinen ſind an ſich nichts Unnatuͤrliches auf einem Gartenplatz, und von der Kunſt nachgeahmte Ruinen koͤnnen voͤllig das Anſehen und daher auch die Wirkung wahrer Ruinen erhalten. Weil Gaͤrten doch nichts anders, als Nachahmungen aller Arten von wirklichen Ge - genden ſind, ſo koͤnnen auch Ruinen in ihrem Bezirk eine Stelle einnehmen.

2.

Vornehmlich aber ſind es die Wirkungen der Ruinen, die ihre Nachahmung nicht allein rechtfertigen, ſondern ſelbſt empfehlen. Zuruͤckerinnerung an die vergan - genen Zeiten und ein gewiſſes mit Melancholie vermiſchtes Gefuͤhl des Bedauerns, ſind die allgemeinen Wirkungen der Ruinen. Allein dieſe Wirkungen koͤnnen von dem beſondern Charakter und der vormaligen Beſtimmung, von dem Alter, von der oft deutlichen, oͤfters ungewiſſen Einrichtung und Geſtalt, von den hie und da halb vertilgten Aufſchriften eines verfallenen Gebaͤudes, von der Lage und von andern Um - ſtaͤnden, die auf Begebenheiten und Sitten hinwinken, mannigfaltige Modificationenanneh -111Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. annehmen. So erwecken die Ruinen eines Bergſchloſſes, eines Kloſters, eines alten Landſitzes ſehr abgeaͤnderte Bewegungen, beſonders abgeaͤndert durch die Betrachtung der Zeit und anderer Umſtaͤnde, die an ſich ſo vielfaͤltig unterſchieden ſeyn koͤnnen. Man kehrt in Zeiten zuruͤck, die nicht mehr ſind. Man lebt auf einige Augenblicke wieder in den Jahrhunderten der Barbarey und der Fehde, aber auch der Staͤrke und der Tapferkeit; in den Jahrhunderten des Aberglaubens, aber auch der eingezogenen Andacht; in den Jahrhunderten der Wildheit und der Jagdbegierde, aber auch der Gaſtfreundſchaft. Allein außer einem Bergſchloſſe, einem Kloſter, einem alten Land - ſitz koͤnnen noch Ruinen von andern Arten von Gebaͤuden ihre beſondern Wirkungen verbreiten. Bey allen Ruinen aber ſtellt der Geiſt unvermerkt eine Vergleichung zwiſchen ihrem vormaligen und ihrem jetzigen Zuſtande an; die Erinnerung an Be - gebenheiten oder Sitten der Vorwelt wird erneuert; und die Einbildungskraft nimmt aus den vorliegenden Denkmaͤlern Veranlaſſung weiter zu gehen, als der Blick reicht, ſich in Vorſtellungen zu verlieren, die eine geheime, aber reiche Quelle des Vergnuͤ - gens und der ſuͤßeſten Melancholie enthalten.

Dies ſind die Wirkungen der wahren Ruinen; und wenn die nachgeahmten mit einer gluͤcklichen Taͤuſchung angelegt ſind, ſo koͤnnen ſie faſt eben dieſe Wirkungen haben. Und durch dieſe Wirkungen werden die Ruinen eine ſchaͤtzbare Gattung, Werke von einem eigenthuͤmlichen Charakter; ſie erregen Vorſtellungen und Empfin - dungen, welche die Gebaͤude ſelbſt, wenn ſie noch vollſtaͤndig vorhanden waͤren, nicht hervorbringen wuͤrden.

3.

Aus dieſen Wirkungen der Ruinen laͤßt ſich auch die Anlage beſtimmen, die man ihnen zu geben hat. Die wichtigſte Kunſt iſt, ihnen das Anſehen der Kunſt zu nehmen, ihnen eine Anordnung, eine Verbindung oder eine Unterbrechung zu geben, wodurch ſie alt und wirklich von der Hand der Zeit oder von der Macht der Witterung gebildet ſcheinen. Zu dieſer Abſicht iſt noͤthig, daß ſich Maffen von einer betraͤchtli - chen Groͤße zeigen, und daß, ſo zertrennt und zerſtoͤrt auch alles iſt, ſich doch einige Verhaͤltniſſe der Stuͤcke, wiewohl undeutlich, erkennen laſſen. Kleine unbetraͤchtliche Steine haben ſo wenig Wirkung, als Truͤmmer, denen man es gleich anſieht, daß ſie nur zuſammengeworfen ſind, nicht aber als Theile eines zerfallenen Ganzen zuſam - men gehoͤren. Die Verbindung aller Theile mag aufgehoͤrt haben, weil die Tren - nung eine natuͤrliche Wirkung der Zeit iſt; nur muͤſſen die Theile, noch dem Orte nach, eine gewiſſe Verbindung behalten haben, nicht ſo weit von einander zerſtreutliegen,112Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,liegen, daß das Auge ſie erſt muͤhſam zuſammenſuchen muß, oder daß gar der An - ſchein einer Auseinanderwerfung von der Hand des Menſchen verraͤth. Inzwiſchen iſt die Trennung aller Theile nicht unumgaͤnglich noͤthig; ganze Stuͤcke von Gemaͤuer koͤnnen noch vollſtaͤndig ſeyn, noch zuſammenhaͤngen, noch den vormaligen Gebrauch ſehen laſſen. Und dieſes wird durch die Abſicht, eine beſtimmte Gattung von Wir - kung zu erzeugen, zuweilen nothwendig gemacht. Alsdann muß die vormalige Be - ſtimmung des Gebaͤudes in irgend einer Spur noch ſichtbar ſeyn. Daher kein wilder Steinhaufen, der gar keine Bedeutung hat, ſondern erhaltene, oft noch zuſammen - haͤngende Theile, welche die vorige Geſtalt und Einrichtung des Ganzen erkennen laſſen. Auch muͤſſen die Truͤmmer und die Lage in keinem Widerſpruch ſtehen; der Ort mag noch ſo ungleich, ſo verwildert ſeyn, ſo muß er doch keine Unwahrſcheinlichkeit enthal - ten, daß ein ſolcher Bau, wovon die Reſte da liegen, nicht nach ſeinem Umfang und nach ſeiner Beſtimmung haͤtte ausgefuͤhrt ſeyn koͤnnen.

Wenn kuͤnſtliche Ruinen ihre Wirkung nicht verfehlen ſollen, ſo muß die Taͤu - ſchung beſchleunigt und der Seele kein Anlaß verſtattet werden, erſt lange nachzuſinnen, die Wirklichkeit oder die Nachahmung zu unterſuchen, oder Zweifeln Raum zu geben. Bey dem Nachdenken wird die Taͤuſchung ſchwach, und mit der Entdeckung der Nach - ahmung verſchwindet ſie unaufhaltſam dahin. Sie wird vornehmlich erhalten, wenn die Ruinen eine unzweifelhafte und gewiſſe Andeutung haben; die vormalige Beſtim - mung und die Einrichtung des Gebaͤudes, das ſie zuruͤckließ, ſogleich zu erkennen ge - ben. Ein halb verſunkenes Basrelief, eine zerbrochene Statuͤe, ein Capitaͤl einer zertruͤmmerten Saͤule, ein Geſimſe, eine Inſchrift an einem hervorragenden Stein, ſind ſehr oft dazu ſchon hinlaͤngliche Mittel.

Um Ruinen einen Schein des Alterthums und ein Gepraͤge der Wahrheit zu geben, kann man zuweilen zu einem dunkeln und matten Anſtrich der Materialien ſeine Zuflucht nehmen. Weil aber Steinmaſſen mehr, als Holzwerk, zu Ruinen gehoͤren, ſo muͤſſen ſie zertruͤmmert, zerloͤchert, zerrieben oder ſonſt auf irgend eine Art von der Gewalt der Witterung beſchaͤdigt vorgeſtellt werden. Denn Steine, als Ruinen, vertragen keinen Anſtrich, der bey Gebaͤuden angebracht doch von der Zeit wieder abgerieben wird; aber eine matte und etwas beſchmuzte Geſtalt nimmt ſelbſt der reinſte Marmor an, der lange dem Regen, dem Schnee und Winde unbeſchirmt ausgeſetzt iſt.

Noch mehr traͤgt die Verbindung oder Unterbrechung der Ruinen mit Gras, mit Buſchwerk und einzelnen Baͤumen bey, ihnen ein natuͤrliches Anſehen zu geben. Die Natur ſcheint die Plaͤtze, die ihr die Baukunſt geraubt hatte, mit einer Art von Triumph ſich wieder zuzueignen, ſo bald ſie, verlaſſen von dem Bewohner, veroͤden. Nichts113Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Nichts giebt einen ſichtbarern Beweis von der Laͤnge der Zeit, als wenn der Ort, den ein Gebaͤude zierte, mit Moos, mit Gras und gruͤnem Geſtraͤuch uͤberzogen iſt. Eine Menge von Epheu, der aus dem Innern einer zerbrochenen Thurmſpitze hervorwaͤch - ſet, ein Kirſchbaum, der einſam und gekruͤmmt zwiſchen einem zerfallenen Gemaͤuer bluͤhet, Geſtraͤuche, die aus den Fenſtern herabhangen, ein Bach, der zwiſchen den Steinen einer halb kenntlichen Treppe herabmurmelt alle dieſe Veraͤnderungen, welche oft die wirklichen Ruinen begleiten, kuͤndigen ſehr lebhaft die Macht der Zeit an, und ſind zugleich Zubehoͤr und Verzierung der Ruinen, welche die Kunſt anlegt. Andere Zufaͤlligkeiten koͤnnen einen noch weit mehr ruͤhrenden Contraſt zwiſchen den Ruinen und der vorigen Herrlichkeit der Gebaͤude machen.

Welche Empfindungen von Wehmuth, von Melancholie und Trauer bemaͤch - tigten ſich nicht zuweilen der reiſenden Bewunderer des Alterthums, wenn ſie, in den ehemals praͤchtig bebaueten Gegenden Griechenlands, Schlafſtellen der Hirten und Hoͤhlen der wilden Thiere zwiſchen den Ueberbleibſeln der Tempel fanden! Chand - ler*)Reiſen in Kleinaſien, 43ſtes Kap. beſchreibt einen ſolchen feyerlichruͤhrenden Auftritt, als er die Ruinen von dem Tempel des Apollo zu Ura, nicht weit von Miletus, ſah. Die Saͤulen waren noch ſo ungemein ſchoͤn, die Marmormaſſe ſo groß und edel, daß es vielleicht unmoͤglich iſt, ſich mehr Schoͤnheit und Majeſtaͤt in Truͤmmern zu denken. Als es Abend ward, breitete ſich eine große, in ihre Huͤrde zuruͤckkehrende Ziegenheerde mit laͤutenden Schellen uͤber den Ruinenhaufen aus, und kletterte umher, die Buͤſche und Baͤume abzunagen, die zwiſchen den ungeheuern Steinen wachſen. Die ganze Maſſe ward mit einer Mannigfaltigkeit reicher Tinten von der untergehenden Sonne erleuchtet, und warf einen ſehr ſtarken Schatten. Das Meer in der Ferne war eben und glaͤnzend, und von einer bergichten Kuͤſte mit felſichten Inſeln begraͤnzt. Allein wir duͤrfen Zu - faͤlligkeiten bey Ruinen nicht ſo weit her ſuchen. Eine Eule, die in einem zerſtoͤrten Thurm wohnt, eine Familie von Kraͤhen, die ſich zwiſchen altem Gemaͤuer haͤuslich niedergelaſſen hat, eine kleine Huͤrde fuͤr Schafe ſind keine ſeltene Erſcheinung bey Ruinen; ſie verſtaͤrkt den Begriff von dem Oeden eines Orts, den der Menſch ſchon lange verlaſſen hat. Aber wo auch ſolche Zufaͤlligkeiten fehlen, da wird doch eine Verwilderung in Gras, Moos, Epheu und andere rankende Gewaͤchſe, eine Unter - brechung mit dickem Geſtraͤuch, eine Verſchließung mit ungeſtalten Baͤumen das Na - tuͤrliche der Ruinen vermehren koͤnnen.

4. HomeIII Band. P114Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

4.

Home*)Grundſaͤtze der Kritik, 24ſtes Kap. verlangt, daß man Ruinen nach der gothiſchen und nicht nach der griechiſchen Baukunſt anlegen ſoll, weil man in jenen den Triumph der Zeit uͤber die Staͤrke ſieht, ein melancholiſcher, aber nicht unangenehmer Gedanke; griechiſche Ruinen aber erinnern uns mehr an den Triumph der Barbarey uͤber den Geſchmack, ein finſtrerer und niederſchlagender Gedanke.

Allein ein noch mehr wichtiger Grund fuͤr gothiſche Ruinen, der dem Lord nicht einfiel, iſt der, daß dieſe in unſern Laͤndern allein eine Wahrſcheinlichkeit haben, die den griechiſchen entgeht. Wir wiſſen, daß Gothen unter unſerm Himmel gebauet, oder doch ihre Bauart ausgebreitet haben. Allein die Baukunſt der Griechen iſt noch nicht ſo allgemein in dem noͤrdlichen Europa geworden, daß deren Ueberbleibſel wahrſcheinlich ſeyn koͤnnten. Ruinen muͤſſen alle Taͤuſchung verlieren, ſobald ſich der Gedanke erhebt, daß die Gebaͤude ſelbſt, wovon ſie Reſte vorſtellen ſollen, hier nie vorhanden waren, noch vorhanden ſeyn konnten. Man ſieht demnach die große Un - ſchicklichkeit ein, in unſern Gaͤrten Ruinen von alten Tempeln anzulegen, wie man ſehr unbedaͤchtig verſucht hat. Gerne laſſen wir uns zu ihnen, auf den Grund und Boden des Alterthums, in der angenehmen Geſellſchaft eines Riedeſels und Chand - lers fuͤhren. Aber in einem englaͤndiſchen Park die erkuͤnſtelten Ueberbleibſel eines Gebaͤudes, das in Griechenland ſtand, und deſſen Reſte nur da geſucht werden koͤn - nen, welcher Widerſpruch des Gegenſtandes und des Orts! Der Betrug entdeckt ſich bald; und Widerwille verfolgt den verungluͤckten Verſuch.

Vorausgeſetzt demnach, daß die Ruinen der in dem Lande bekannten oder uͤblich geweſenen Bauart nicht widerſprechen, ſo muͤſſen ſie die Lage haben, die ſie nach ih - rem Charakter erfordern, und wo ſie ihre Wirkungen unverfaͤlſcht beweiſen koͤnnen. In oͤden Vertiefungen, an duͤrren felſichten Anhoͤhen, ſcheinen ſie am meiſten natuͤr - lich; nicht aber an heitern Gewaͤffern, in anmuthigen Hainen, in Blumenrevieren, uͤberhaupt in Scenen von einem lebhaften und muntern Charakter. Sie koͤnnen des Contraſtes wegen zwar auf ſolche Scenen folgen; ſie muͤſſen aber nie zwiſchen ihnen liegen oder ein Theil von ihnen ſeyn, wodurch nur ein unangenehmes Gemiſch entſte - hen wuͤrde. Denn Ruinen ſind ein Zubehoͤr der einſamen, ſanftmelancholiſchen, ernſthaften und feyerlichen Gegend; ſie machen daher ein Gegentheil von der belebten und heitern Gegend, mit welcher ſie nicht zu gleicher Zeit und von eben demſelben Platz wirken koͤnnen, ohne eine Verwirrung der Eindruͤcke zu veranlaſſen.

Ein115Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.

Ein Revier von einem ſolchen einfachen Charakter, eine einſame und melancho - liſche Gegend, oder eine Scene des Herbſtes oder des Abends in einem ſehr ausge - dehnten Garten, ein Kloſtergarten, wird gerne Ruinen aufnehmen. Sie verſtaͤrken den eigenthuͤmlichen Charakter dieſer Plaͤtze, und geben dem Ganzen einen Ton von Ernſt und Melancholie.

Eben deswegen koͤnnen ſie nicht zu einer Abſicht dienen, die mit ihrer Natur und Wirkung in einem Widerſpruche ſteht; ſie koͤnnen nicht, wie man ſeltſam genug verſucht hat, zu Speiſezimmern, zu Muſikſaͤlen eingerichtet werden; ſie koͤnnen keine Wohnungen des Vergnuͤgens ſeyn, da von außen alles Hinfaͤlligkeit und Melancholie ankuͤndigt.

Auch kein kuͤnſtlich zubereiteter, kein geſchmuͤckter Zugang zu ihnen. Sie duͤr - fen ſich nicht dem Auge entgegen draͤngen; ſie muͤſſen ſich gleichſam in ihre eigene Dunkelheit und Trauer zu verbergen ſcheinen. Nach ſteilen und verwilderten Wegen, in kleinen felſichten oder bebuͤſchten Einoͤden unerwartet erblickt, erregen und beſchaͤfti - gen ſie die Phantaſie auf eine fuͤhlbare Art.

Außerdem koͤnnen Ruinen oft durch ihre Lage und Verbindung mit Gebuͤſch und Baͤumen eine weit mehr maleriſche Scene bilden, als ganz neue oder doch vollkommen erhaltene Gebaͤude. Sie verſtatten eine weit groͤßere Mannigfaltigkeit von Geſtal - ten; ihre Untermiſchung mit gruͤnen Geſtraͤuchen vervielfaͤltigt ihr Anſehen; ihre Far - be iſt ſanfter, und vereinigt ſich leichter mit den umliegenden Gegenſtaͤnden; ihr Man - gel an Symmetrie erleichtert dieſe Verbindung; und ſelbſt ihre Zufaͤlligkeiten ſind ab - wechſelnder. Ohne Zweifel war es auch das Gefuͤhl dieſer Vorzuͤge, das viele große Landſchaftmaler bewegte, lieber Ruinen, als ganze Gebaͤude, in ihre Landſchaften uͤberzutragen.

Schwerer bleibt es immer fuͤr den Gartenkuͤnſtler, Ruinen auf eine vollkommen taͤuſchende Art nachzuahmen; und weil ſo viele Verſuche ſelbſt unter den Haͤnden der Kenner mißlingen, ſo moͤchte man faſt veranlaßt werden, ihre Fortſetzung lieber abzu - rathen, als zu empfehlen. Zuweilen kann ein Gartenkuͤnſtler wirkliche Ruinen von einer betraͤchtlichen Groͤße und einem bedeutenden Charakter in ſeinem Bezirk vorfinden; ein ſolcher zufaͤlliger Vortheil iſt freylich ſelten: allein er iſt von einem weit groͤßern Werth, als die gluͤcklichſte Kunſt der Nachahmung. Indeſſen wollen wir zuerſt von dieſen ein brittiſches Beyſpiel ſehen, das den Fortgang des guten Geſchmacks bewei - ſet, und darauf zwo Beſchreibungen von wahren Ruinen in England, die als Muſter dienen koͤnnen, folgen laſſen. Die Mehrheit der Beyſpiele und Beſchreibungen iſt nirgends noͤthiger, als in Sachen, welche die Gartenkunſt betreffen, ſowohl um dieP 2Ein -116Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,Einfoͤrmigkeit des Begriffs zu verhuͤten, als auch um die Einbildungskraft junger Kuͤnſtler und Liebhaber zu befruchten.

5.

Die Ruinen in dem Park zu Hagley*)Heely Briefe u. ſ. f. 8ter Br. zeigen ſich, ſobald man ſie erblickt, in einem ehrwuͤrdigen feyerlichen Anſehen zwiſchen Baͤumen, uͤber welche ihre gothiſche Spitze hervorragt. Bey dem erſten Anblick dieſes Gegenſtandes ſtutzt man, und kann dem Eindruck nicht widerſtehen; man verfaͤllt in Nachdenken, und die Neube - gierde wird gereizt, die Geſchichte dieſes Gebaͤndes kennen zu lernen. Ein Liebhaber der Alterthuͤmer wird voll Ungeduld ſeyn, um zu wiſſen, in welchen Zeiten und von wem dieſes Schloß aufgefuͤhrt worden; was fuͤr Belagerungen es ausgehalten, wie viel Blut dabey vergoſſen worden; er wird beklagen, daß die alles verzehrende Zeit es ſo geſchwind vernichtet hat. Dieſes alte Gebaͤude iſt ſo meiſterhaft aufgefuͤhrt, um einen ſolchen Eindruck zu machen. Ob es gleich erſt von dem letztverſtorbenen Beſitzer angelegt worden, ſo ſieht es, ſo nahe man auch kommt, doch aus, als wenn es vor einigen hundert Jahren ein feſtes Schloß geweſen. Dieſe gothiſchen Ruinen ſind ſehr weislich am Rande der groͤßten Anhoͤhe des ganzen Landſitzes angebracht, und man hat von hier eine graͤnzenloſe Ausſicht, inſonderheit aus einem Zimmer in dem Thurm, der mit Fleiß noch in einem guten Stande erhalten iſt. Um die Abſicht der Anlage vollkommen zu erreichen und allen Verdacht zu vermeiden, daß es keine wirk - liche Ruinen ſind, ſo liegen allenthalben große Steine und Felſenklumpen in groͤßter Unordnung umher, als wenn ſie nach und nach von der Mauer herabgeſtuͤrzt waͤren. Um den Begriff von dem Alterthum des Gebaͤudes noch mehr zu beſtaͤrken und feyer - licher zu machen, iſt an den Mauern und Thuͤrmen ſo viel Epheu angebracht, daß man es unmoͤglich anſehen kann, ohne es wirklich fuͤr ſo alt zu halten, als es ſcheint.

Mit dem Park zu Sandbec**)Reiſe durch die oͤſtlichen Provinzen von England, 3ter Th. 6ter Br. ſucht man nach Youngs Bericht die wahren Ruinen der alten Abtey Roche in Verbindung zu bringen. Es wird in der Abſicht ein neues Stuͤck angelegt. Der Platz dazu beſteht aus einem engen, krummen mit Holz bewachſenen Thale, wodurch ſich ein Bach ſchlaͤngelt, der uͤber die abgefallenen Steinklumpen, die von dem zu beyden Seiten des Thals ſtehenden ſteilen Felſen her - unterbrechen, fortrauſcht. In der Mitte ſtehen die Ruinen der Abtey, von welcher nur noch einige große Stuͤcke Mauer und wenige gewoͤlbte Bogen uͤbrig ſind. Zwi - ſchen dem abgebroͤckelten Gemaͤuer wachſen Baͤume heraus, die ihre Aeſte zwiſchenden117Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. den verfallenen Saͤulen ausbreiten. Die Waͤnde ſind zum Theil mit Epheu bedeckt, der an manchen Stellen zwiſchen dem Geſtraͤuche in natuͤrlichen Feſtonen von der Mauer herabhaͤngt. Die Oberflaͤche des Thals iſt halb mit Dornen und Brombee - ren bedeckt; nur hie und da hebt ſich ein alter Klumpen Mauer hervor. Der zwi - ſchen den Steinen murmelnde Bach, die ſteilen Felſen, deren Haupt vom Walde ge - ſchwaͤrzt iſt, verbreiten eine feyerliche Melancholie uͤber die ganze Scene. Alles iſt wild und finſter, und vereinigt ſich, eine ſanfte Schwermuth einzufloͤßen.

Von den herrlichen Ruinen der Abtey Tintern*)Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen, S. 162. giebt einer der groͤßten Ken - ner, Whately, eine genaue Beſchreibung, worinn ſie nicht blos als ein Gegenſtand der Neubegierde, ſondern auch als ein vorzuͤgliches Muſter der Nachahmung erſchei - nen. Der urſpruͤngliche Bau der Kirche iſt vollkommen bezeichnet. Faſt alle Mauern ſind noch ganz; blos das Dach iſt eingefallen; die meiſten von den Saͤulen, welche die Fluͤgel von einander abſonderten, ſtehen noch; und von den umgefallenen iſt noch das Fußgeſimſe uͤbrig, ein jedes vollkommen an ſeinem gehoͤrigen Orte. In der Mitte des Schiffs ſteigen vier erhabene Schwibboͤgen, auf welchen ehemals der Thurm ruhete, hoch uͤber alles uͤbrige hinauf; und ob ſie gleich alle wegen der abge - fallenen Steine jetzt ſehr ſchmal ſind, ſo haben ſie doch noch ihre voͤllige Form. Selbſt die Figuren der Fenſter ſind nur wenig geaͤndert. Einige davon aber ſind ganz mit Gebuͤſchen von Epheu uͤberwachſen, andere nur zum Theil davon uͤberſchattet, und die, welche noch am deutlichſten in die Augen fallen, ſind mit den zarten Ranken des Gewaͤchſes und mit anderm laufenden Laubwerk eingefaßt, das an den Seiten und Ab - theilungen hinaufklettert, hier ſich rund um die Pfeiler ſchlaͤngelt, an den Mauern haͤngt, und bey dem einen Fluͤgel ſich oben ſo dichte in einander windet, und einen ſo großen Raum einnimmt, daß die untere Gegend ganz davon verfinſtert wird. Die uͤbrigen Fluͤgel und das große Schiff ſtehen unter freyem Himmel. Der Fußboden iſt ganz mit Raſen uͤberzogen; und die Sorgfalt, ihn vor Unkraut und Gebuͤſchen zu verwahren, iſt jetzt ſeine vornehmſte Erhaltung. Grabſteine von Moͤnchen und Denk - maͤler ſchon lange vergeſſener Wohlthaͤter erſcheinen uͤber dem Graſe; aus dieſem ra - gen zugleich die Fußgeſimſe der eingefallenen Pfeiler hervor; verſtuͤmmelte Bilder, von Zeit und Wetter unkennbar gemachte Statuͤen, gothiſche Capitaͤle, ausgeſchnitz - te Karnieſe und verſchiedene andere Truͤmmer ſind uͤberall herumgeſtreut, oder liegen in einem Haufen uͤbereinandergethuͤrmt beyſammen. Andere beſchaͤdigte Theile, die zwar nicht voͤllig mehr zuſammengefuͤgt ſind, und ihren Zerfall beginnen, befinden ſich noch an ihren urſpruͤnglichen Oertern; und eine ſehr verſtuͤmmelte Treppe, dieP 3auf118Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, ꝛc. auf einen Thurm fuͤhrte, deſſen ehemaliges Daſeyn ſie nur noch bezeichnet, ſchwebt in einer erſtaunlichen Hoͤhe, unbedeckt und unzugaͤnglich. Kurz, nichts iſt vollkommen; von einem jeden Theile aber ſind noch deutliche Spuren uͤbrig; alle ſind augenſchein - lich gewiß, aber auch alle ſind ein Raub der Verwuͤſtung. Sie erwecken auf einmal alle Begriffe, die in einer Wohnung der Andacht, der Einſamkeit und der Zerſtoͤrung in uns aufſteigen koͤnnen.

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Vierter119

Vierter Abſchnitt. Von Ruheſitzen, Bruͤcken und Thoren.

I. Ruheſitze.

Ruheſitze ſind ein Beduͤrfniß, um ſich wieder von der Ermuͤdung zu erholen, die das Umherwandeln verurſacht. Sie muͤſſen alſo in gewiſſen Entfernungen von einander, weder zu haͤufig, noch gar zu ſparſam, vertheilt werden; ihre Anzahl rich - tet ſich nach dem groͤſſern oder geringern Umfang der Plaͤtze. In Gaͤrten des Volks, wo ſich zahlreiche Geſellſchaften verſammeln, muß ſchon fuͤr ihre Mehrheit geſorgt werden.

Die Bequemlichkeit verlangt, daß Ruheſitze an kuͤhlen und ſchattigten Stellen, unter einem Dach von Laubwerk, an der Seite einer Anhoͤhe, nicht aber, wie man in den alten Gaͤrten ſo haͤufig ſah, an ganz freyen, ſonnereichen und ſandigten Plaͤtzen angelegt werden, wo kein Menſch zu ſitzen wuͤnſchen kann.

Allein Ruhe und Bequemlichkeit iſt nicht alles; Gartenſitze ſollen zugleich durch das Vergnuͤgen der Ausſicht unterhalten, zu deren Genuß man im Sitzen mehr Muße hat, als im Gehen, vorausgeſetzt, daß die Scene nach ihrem Charakter einen Pro - ſpect verſtattet. Wir freuen uns, die Erquickung der Ruhe an einem Platze zu ge - nießen, wo das Auge ſich in weiten oder doch mannigfaltigen Ausſichten weidet, und die Phantaſie Beſchaͤftigung findet.

Verſchiedene Scenen ſind von der Art, daß ſie, um ganz genoſſen zu werden, den Zuſchauer in der Naͤhe bey ſich verlangen, z. B. Blumenreviere, kleine Gruppen von ſeltenen Pflanzen, ein Bach mit ſpielenden Guͤſſen. Eine Bank lade zum Ge - nuß dieſer kleinen Lieblichkeiten ein, die man im Gehen leichter uͤberſieht, zumal wenn das Auge zugleich von groͤſſern und praͤchtig zuſammengeſetzten Auftritten gerufen wird.

In vielen Faͤllen kann ein Sitz ein ſehr willkommener Wink zur Aufmerkſam - keit auf eine ergoͤtzende Ausſicht oder Scene ſeyn, und zur Anzeige des Geſichtspunktesdienen,120Vierter Abſchnitt. Von Ruheſitzen,dienen, woraus ſie mit der ganzen Fuͤlle ihrer Wirkungen erſcheinen. Wir empfin - den alsdann zugleich ein Vergnuͤgen, indem wir bemerken, daß ſelbſt die Stellung einer Bank fuͤr dieſe Abſicht uͤberlegt war.

Eine kleine Raſenbank oder eine Erderhoͤhung, Der die Natur das Moos zum Teppich ſchenkt, v. Haller.

war die gewoͤhnliche Art von Sitzen, die man in der erſten Einfalt der Gaͤrten kannte; der Landmann hat ſie noch, und noch verdienen ſie in Plaͤtzen von einem ſolchen einfa - chen und ungeſchmuͤckten Charakter erhalten zu werden, obgleich Gewuͤrm und Feuch - tigkeit ſie etwas unbequem machen.

Steine geben zwar dauerhafte Sitze, doch ſind ſie unter einem regnichten und kaͤltern Himmel zuweilen der Geſundheit ſchaͤdlich. Baͤnke und Sitze von Holz ver - dienen den Vorzug, weil ſie nicht die Unbequemlichkeit der Raſen und der Steine ha - ben, leichter zu verfertigen und zu verſetzen ſind, eine angenehme Form und einen ſchicklichen Anſtrich annehmen. Je einfacher und leichter die Form der Baͤnke und Stuͤhle iſt, deſto beſſer; Verzierung waͤre hier Verſchwendung. Zum Anſtrich ſchickt ſich weder das Rothe, noch das oͤfter gewaͤhlte Gruͤn, ſondern das Graue oder das Weiße, welches letzte mit dem Gruͤn der Baͤume und der Raſen einen anmuthi - gen Contraſt bildet.

Zu einer groͤſſern Bequemlichkeit kann man gemeine Baͤnke oder Stuͤhle zu - weilen mit bedeckten Sitzen abwechſeln laſſen. Die Waͤnde halten den Wind, und das Dach den Regen ab. Ein halber Zirkel ſcheint fuͤr ſie die angenehmſte Figur zu ſeyn. Die Architektur*)Morris hat in ſeiner Architecture einige bedeckte Ruheſitze vorgezeichnet, die ſo, wie man ſie in verſchiedenen englaͤndiſchen Parks ſieht, ein gar zu feſtes und ſchweres Anſehen haben. muß leicht, einfaͤltig und gefaͤllig ſeyn; weder etwas Plumpes noch Praͤchtiges haben. Man kann ſolche bedeckte Sitze mit einer Inſchrift oder einem Denkſpruch zieren, die das Nachdenken wecken und der Seele bey der Ru - he des Koͤrpers eine nuͤtzliche Beſchaͤftigung anbieten; ſie koͤnnen demnach einen mo - raliſchen Inhalt haben: aber faſt unentbehrlich iſt es, daß ſie auf den beſondern Cha - rakter der Ausſicht oder der Scene ſich beziehen, und dadurch veranlaßt zu ſeyn ſcheinen.

121Bruͤcken und Thoren.
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III Band. QII. Bruͤ -122Vierter Abſchnitt. Von Ruheſitzen,

II. Bruͤcken.

Bruͤcken ſind Mittel zur Verbindung der durch Waſſer getrennten Theile. Sie muͤſſen alſo nur da angelegt werden, wo entweder eine offenbare Nothwendig - keit ſie erfordert, oder wo ſie doch ein ſcheinbares Beduͤrfniß des Uebergangs ſind.

Ihr Gebrauch ſchraͤnkt ſich eigentlich auf laufende Gewaͤſſer ein, die einen unun - terbrochenen Fortgang haben, auf Stroͤme, Fluͤſſe und Baͤche. Bey Teichen und Seen, oder bey Ecken von ſolchen ſtehenden Waſſern, ſind Bruͤcken unnoͤthig, weil man durch einen Umgang an den Seiten zu dem gegenuͤberliegenden Ufer gelangen kann, und ſie haben an ſolchen Stellen immer eine widrige Wirkung. Bruͤcken duͤrfen demnach auch in Gaͤrten nur uͤber laufendes Gewaͤſſer fuͤhren, uͤber kleine Fluͤſſe, Baͤche, Waldwaſſer.

Außer der noͤthigen Feſtigkeit und Bequemlichkeit muß ihre Bauart eine ge - wiſſe Leichtigkeit und Beſcheidenheit haben. Sie vertragen-hier nicht den Pomp der Schwibbogen und Saͤulenordnungen, noch reiche Sculpturverzierungen. Bey Baͤ - chen, woruͤber gemeiniglich die Bruͤcken der Gaͤrten fuͤhren, iſt gar kein Grund, ſie hoch emporſchwebend anzulegen; auch ſind die Schwibbogen eben keine reizende Ver - zierung; die Hoͤhe iſt hier ſelten angenehm, und eine maͤßige und leichte Woͤlbung verdient faſt immer den Vorzug. Die Einfachheit iſt am meiſten bey Bruͤcken zu empfehlen. Ein Werk von dieſer Art iſt ſchon gut, wenn es die beyden Ufer verbin - det und einen ſichern und gemaͤchlichen Uebergang giebt. Und in manchen bebuſchten Revieren iſt ein Steg von einigen Brettern mit einer gemeinen Lehne ſchon ſo anmu - thig, daß ein geſunder Geſchmack nichts Reichers verlangen kann. Indeſſen darf zuweilen der Charakter der Scene, zu welcher eine Bruͤcke fuͤhrt, entſcheiden, ob dieſe ganz einfaͤltig oder etwas geſchmuͤckter mit einer gewiſſen Bedeutung vorbereiten ſoll. So wuͤrde z. B. zu einem Tempel eine hoͤlzerne Bruͤcke von einer zierlichen Form, zu Ruinen eine eingefallene ſteinerne leiten.

Gemauerte Bruͤcken haben faſt immer ein zu ſchweres Anſehen. Feldſteine haben den Vorzug, daß ſie weniger kuͤnſtlich und mehr nachlaͤßig ſcheinen. Der Zu - gang zu einer Grotte oder zu einer Einſiedeley verlangt oft keine andere Bruͤcke, als einige gemeine Steine, ſicher und bequem hingelegt. Bruͤcken von Holz haben ein leichteres und anmuthigeres Anſehen, als die gemauerten, und ſind zugleich einer groͤſſern Mannigfaltigkeit der Formen faͤhig. Ein weißlicher, noch mehr ein grauer Anſtrich iſt ihnen angemeſſen.

Wenn in einem Garten mehrere Bruͤcken erfordert werden, ſo muß man der Einfoͤrmigkeit ihres Anſehens, ſowohl durch Vermeidung einer gerade fortlaufenden Reihe, als auch durch die Verſchiedenheit ihrer Bauart, zuvor zu kommen wiſſen. Durch123Bruͤcken und Thoren. Durch Bauart und Form koͤnnen Bruͤcken, die Gegenſtaͤnde der Nothwendigkeit ſind, zugleich Gegenſtaͤnde der Schoͤnheit oder der Verzierung werden. Sie vermehren die Abwechſelung und helfen gute Proſpecte bilden. Sie geben ſchon eine gewiſſe Anmuth und Lebhaftigkeit, wenn ſie frey liegen; allein ſie gewinnen eine ſchoͤnere Wirkung, wenn ſie halb verdeckt neben einem Gebuͤſche oder in einem waldigten Grunde erſcheinen, oder wenn ſie hoͤher angelegt ſich gegen die Seite eines Huͤgels oder eines dunkeln Wal - des zeigen, oder zwiſchen den Staͤmmen luftiger Gruppen durchſchimmern. Die Be - wegung des Waſſers, das man unter ihnen fortſpielen ſieht, ſcheint ihnen eine Art von Beweglichkeit mitzutheilen.

In ſehr anmuthigen Revieren, wo man gerne verweilt, koͤnnen Bruͤcken, die zunaͤchſt nur zum Uebergange beſtimmt ſind, zugleich zu Ruheſitzen eingerichtet werden. Eine kleine Bank, auf welcher man ſich niederlaſſen und die Scene genießen kann, giebt einer Bruͤcke in dieſer Lage oft einen Werth, der ſie uns wichtiger macht, als ſie nach ihrer urſpruͤnglichen Beſtimmung iſt. Man betrachtet mit einer ſanften Beha - gung bald die Bewegung, die Eile, den kleinen Ungeſtuͤm des ſich fortdraͤngenden Waſſers, bald die Spiele der durchſchluͤpfenden Forelle, bald die umliegenden Gebuͤſche, ihre Schatten und ihre Wiederſcheine im Bache, bald die nahen Haine oder Huͤgel, die ſich auf den Seiten emporheben; man hoͤrt den Geſang der Waldvoͤgel in das Ge - murmel des Waſſers fallen; man genießt eine liebliche Kuͤhlung und den Duft der Kraͤu - ter; und oft vereinigen ſich hundert kleine Umſtaͤnde, um in einem ſolchen Revier die Seele mit den ſuͤßeſten Empfindungen, die ſie da nicht erwartete, zu uͤberraſchen.

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III. Tho -124Vierter Abſchnitt. Von Ruheſitzen,

III. Thore.

Thore oder Portale in Gaͤrten koͤnnen theils bey dem Haupteingang in einen Park oder Garten, theils in den verſchiedenen abgeſonderten Revieren als Mittel der Verbindung gebraucht werden. Sie ſind aber nicht immer noͤthig. Oft iſt es weit angenehmer, wenn, ohne einen beſonders bezeichneten Eingang, der Garten gleich bey dem Luſtſchloſſe oder Landhauſe anfaͤngt; und wenn die verſchiedenen Theile eines Gar - tens ſich durch ihren eigenen Charakter merklich unterſcheiden, oder durch weniger auf - ſallende Uebergaͤnge verbunden werden. Indeſſen wird man z. B. bey Gaͤrten in Staͤdten, die von den Gebaͤuden durch einen dazwiſchen liegenden Hof abgeſondert ſind, bey Thiergaͤrten, in weitlaͤuftigen Parks bey manchen Gelegenheiten Thore anzulegen berechtigt ſeyn.

Einfachheit iſt das hoͤchſte Geſetz fuͤr dieſe Werke der Baukunſt. Sie duͤrfen weder kuͤnſtliche Formen, noch reiche Verzierungen haben, ſo ſehr ſie auch ein falſcher Geſchmack damit zu uͤberladen pflegt. Die toſcaniſche Ordnung, die einfachſte und entbloͤßt von allem Schnitzwerk, ſchickt ſich fuͤr Gartenthore am beſten. Bey der noͤ - thigen Feſtigkeit hat der Architect doch zu ſorgen, daß ſie kein plumpes, ſondern viel - mehr, ſo weit als es die Natur des Werks erlaubt, ein leichtes und gefallendes Anſe - hen erhalten. Der Charakter des Gartens kann zuweilen dem Hauptportal, zumal wenn es von dem Wohngebaͤude aus geſehen wird, einige kleine Verzierungen verſtat - ten; doch muͤſſen ſie nicht zu merklich von der Einfalt des Werks abweichen, und außerdem in einem gartenmaͤßigen Styl ſeyn; nichts iſt unſchicklicher, als hier Schil - der und Wappen der Beſitzer auszuhaͤngen.

Bey den Haupteingaͤngen der Gaͤrten haben Thore die meiſte Schicklichkeit, und es iſt nicht ſchwer, ihre gute Anlage zu beſtimmen. Allein ſie mitten in den verſchiedenen Revieren der Gaͤrten ſo anzulegen, daß ſie nicht uͤberfluͤßig und unſchick - lich, ſondern ſo ſehr ſie auch entbehrlich ſeyn moͤgen, ihrem Ort doch zu gehoͤren ſchei - nen, iſt ſchon wichtiger und erfordert eine reife Ueberlegung. Indeſſen ſind ſie hier auch nur in wenig Faͤllen nothwendig, und uͤberhaupt eben keine Gegenſtaͤnde, die zur Verzierung einer Scene nachgeahmt werden koͤnnten. Man ſieht ſie daher mit Wi - derwillen, wo keine ſcheinbare Nothwendigkeit ihre Gegenwart rechtfertigt. Uebri - gens fallen Gartenthore anmuthiger ins Auge, wenn ſie zum Theil, wenigſtens auf einer Seite, mit uͤberragendem Gebuͤſch und Baͤumen bedeckt ſind, als wenn ſie ganz frey da liegen.

Ein125Bruͤcken und Thoren.

Ein Thor in dem aͤchten Geſchmack erbaut, iſt weniger koſtbar, und hat doch immer ein edleres Anſehen, als die eiſernen Gitterwerke, die man in den alten Gaͤrten ſo haͤufig fand, und die oft aus ſo ſeltſam verwickelten Formen beſtanden. Man ver - ſchwendete ſie um Blumenbette, um Statuͤen, und nicht ſelten an dem Ende des Gar - tens zur Bezeichnung eines Ausgangs, der nicht vorhanden war.

Auch geben offene Portale eine weit angenehmere Perſpectiv, als Gitterwerke, welche die Gegenſtaͤnde nur in kleine Theilchen zerſtuͤckt, verwirrt und unkenntlich durch - ſchimmern laſſen.

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Q 3Fuͤnfter126Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, Monumenten und Inſchriften.

I. Statuͤen.

1.

Auch die Bildhauerkunſt hat nicht unterlaſſen, an der Verzierung der Gaͤrten, wie die Architectur, Antheil zu nehmen. Statuͤen und Monumente ſind ihre Werke, jene in den alten, dieſe in den neuern Gaͤrten haͤufiger.

Statuͤen mußten bald zu den Verzierungen der Gaͤrten gerechnet werden, da man anfieng, dieſe als Schauplaͤtze der Pracht, oder als Scenen der Kunſt zu behan - deln, worinn die Bildhauerey nicht weniger, wie die Architectur, ihren Glanz aus - breiten duͤrfte. Der Roͤmer fuͤhrte Statuͤen in die Gaͤrten ein, mehr aus unuͤberle - gender Prachtſucht; der Franzoſe mehr aus Wahn, daß, was Gebaͤude ziert, auch Gartenplaͤtzen zukomme.

Ohne Zweifel hatten die Roͤmer zuerſt Statuͤen in den Gaͤrten der Griechen geſehen, unter welchen ſchon Alkamenes eine von ihm verfertigte Venus in ſeinem Garten zu Athen aufſtellte, die nachher der Kaiſer Hadrian in ſeine beruͤhmte Ville verſetzte. In den letzten Zeiten der Republik und unter den Kaiſern, als die Liebe der Kunſtwerke ein Theil des herrſchenden Luxus ward, brachten die Roͤmer von der Menge der Statuͤen, die aus Griechenland nach Italien kamen, auch viel in ihre Gaͤrten. Sie gaben hier ihre Gaſtmale und Feſte; ſie ſtellten daher alles auf, was ſie nur Praͤchtiges finden konnten. Man ſah hier faſt alle Arten von Gebaͤuden und Kunſtwerken, und zwar in einem ſolchen Ueberfluß, daß Juvenal die Gaͤrten ſeiner Zeit mit einem Beywort belegte, das ihnen die uͤbermaͤßige Pracht vorwarf, worun - ter alle Einfalt der Natur verſchwinden mußte.

Contentus fama jaceat Lucanus in hortis Marmoreis. ()

Doch in den aͤlteſten Zeiten herrſchte mehr Maͤßigkeit. Man begnuͤgte ſich mit einer Statuͤe des Priap in der Mitte der Gaͤrten.

Pomoſisque ruber cuſtos ponatur in hortis, Terreat ut ſaeva falce Priapus aves. Tibullus. ()Colu -127Monumenten und Inſchriften.

Columella*)de cultu hort. erinnert, daß man nicht die Kunſtwerke eines Daͤdalus, Polyclet oder anderer beruͤhmter Bildhauer ſuchen, ſondern ſich begnuͤgen ſolle, den Priap ganz einfaͤltig gearbeitet aufzuſtellen. Doch folgte man nicht immer dieſer Vorſchrift. Man machte zu Auguſts Zeiten den Priap von Marmor.

Cuſtos es pauperis horti, Nunc te marmoreum pro tempore fecimus. Virg. Ecl. 7.

Und in den Servilianiſchen Gaͤrten zu Rom ſtanden die Statuͤen der Ceres und der Flora, die Werke des Praxiteles waren. Auch die Statuͤen der Satyren, als Schutzgoͤtter der Gaͤrten, ſah man nach einer Nachricht des Plinius**)Hiſt. nat. lib. XIX. c. 4. aufge - ſtellt. Alle dieſe Statuͤen hatten doch in den Gaͤrten der Alten einen Grad von Schicklichkeit, der ihnen in den Gaͤrten der Neuern abgieng; ſie waren den Gotthei - ten gewidmet, unter deren beſonderm Schutz, nach der allgemeinen Meynung, die Oerter, die Pflanzen und die Fruͤchte ſtanden. Mit einer gleichen Schicklichkeit ſtellten die Alten, nach einer Bemerkung des Vitruv,***)lib. VII. c. 5. in die Zimmer, wo ſie ſich im Fruͤhling, im Sommer und im Herbſte aufhielten, ſolche Bilder, die auf jede dieſer Jahreszeiten immer eine gewiſſe Beziehung hatten.

2.

Als in den neuern Zeiten die Gartenkunſt von den Haͤnden des Le Notre ihre Bildung empfieng, ſo konnten, nach dem Geiſt, worinn dieſer Mann arbeitete, die Statuͤen nicht in ſeinen Entwuͤrfen fehlen. Vielmehr fieng man an, ſie als ein Be - duͤrfniß der Gaͤrten anzuſehen. Die Plaͤtze, die er verkuͤnſtelte, wurden damit bis zum Ekel uͤberladen. Denn es war nicht etwa eine Flora am Blumenbette, oder ein Bacchus am Traubengelaͤnder, die man hie und da aufgeſtellt ſah; ſondern alles, was Athen und Rom an großen und kleinen Gottheiten gekannt hatte, ward in neuen Bildern wieder erweckt, nicht zur Auszierung, ſondern zur Anfuͤllung der Garten - plaͤtze. Die eifrigſten Vertheidiger der ſymmetriſchen Manier konnten ſich doch zu - weilen nicht enthalten, die Unſchicklichkeit eines ſolchen Ueberfluſſes zu bemerken. Selbſt Blondel,****)Jaques François Blondel, im Cours d Architecture &c. 8. Paris, im 4ten B. 1773.der den alten Geſchmack ſeines Vaterlandes erhob, und doch den Dufreny lange vor Kent zum erſten Gartenkuͤnſtler in der neuen Manier ma - chen wollte, geſteht, daß die Menge der Statuͤen zu Verſailles das Auge belaͤſtigen. Dieſe128Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,Dieſe verſchwenderiſche Zuſammenhaͤufung der Statuͤen ward nicht blos in Frank - reich Mode, ſondern auch in andern Laͤndern nachgeahmt. Italien folgte deſto williger, da es nicht blos ſo viele Reſte der alten Bildhauerkunſt aus ſeinem Schoos hervorzog, ſondern auch zuerſt ſich mit den Werken der neuern Kuͤnſtler bereichert ſah. In einem Lande, wo Kirchen und Palaͤſte mit den Meiſterwerken der Kuͤnſte ange - fuͤllt ſind, wo der Marmor unter einem heitern Himmel laͤnger ſich unbeſchaͤdigt in ſeiner Schoͤnheit erhaͤlt, mußten die Gaͤrten bald oͤffentliche Sammelplaͤtze von Sta - tuͤen und Buͤſten werden. Unter den uͤbrigen Nationen, die gute Kunſtwerke dieſer Art mit vielen Koſten aufkauften, beſaßen die Englaͤnder den groͤßten Vorrath; und doch hat ſich keine weniger bemuͤhet, ſie in den Gaͤrten auszuſtellen. Maͤßig war der Hollaͤnder, weil er, bey dem Reichthum ſeiner Gemaͤlde, weniger auf Statuͤen rechnete, ſie weder holen zu laſſen Enthuſiaſmus oder Stolz hatte, noch ſie von eigenen Kuͤnſtlern erſchaffen ſah. In Deutſchland und Norden ſuchte man die Gaͤrten mit Statuͤen, wie mit Taxusbaͤumen, zu bepflanzen; man hatte, einige Ausnahmen in fuͤrſtlichen Gaͤrten jetzt nicht gerechnet, weder antike noch neue Werke im guten Ge - ſchmack; und verſchwendete fuͤr gemeine Kloͤtze betraͤchtliche Summen. Von dem reichſten Landbeſitzer bis auf den kleinſten Kraͤmer in den Flecken, herrſchte unter uns der Wahn, daß Klumpen, die man mit dem Namen Statuͤen beehrte, erfordert wuͤrden, um einen Garten recht ſchoͤn nennen zu koͤnnen. Daher ſo viele unertraͤgliche Puppenſpiele und unfoͤrmliche Kloͤtze, ein Herkules einen halben Fuß hoch niedlich aus Bley gebogen, ein Bacchus aus einem Eichenſtamm wie ein baumhoher und betrunkener Landknecht gebildet, und andere ekelhafte Vorſtellungen mehr, die man zuweilen wider Vermuthen in den Gaͤrten des Adels antraf. Wenn man bedenkt, wie wenig erhebliche Werke des Meißels Deutſchland von eigenen Kuͤnſtlern ſelbſt an ſeinen vornehmſten Hoͤfen aufzuweiſen hat, wie weit wir, in der Verewigung unſerer einheimiſchen Verdienſte durch trefliche Statuͤen von der Hand der Nation gearbeitet, gegen Italien und Frankreich noch zuruͤckſtehen; ſo darf man ſich eben nicht wun - dern, daß von den ſo genannten Statuͤen, die man in unſern Gaͤrten fuͤr unentbehrlich hielt, die meiſten nur gemeine aus Stein oder Holz grob gehauene Kloͤtze waren, ohne Schoͤnheit, ohne Ausdruck und ſelbſt oft ohne die geringſte Zeichnung. Der Ken - ner wuͤrde vielleicht der Verſchwendung verziehen haben, wenn er nur Werke gefunden haͤtte, die der Kunſt Ehre machten; denn Statuͤen von dieſer Claſſe laſſen ſich ohne einen betraͤchtlichen Aufwand nicht aufſtellen.

Vornehmlich aber verſtieß der aͤltere Geſchmack mit ſeinen Statuͤen ſowohl ge - gen die Einfalt, als auch gegen den Charakter der Gaͤrten. Es gab Gaͤrten, worinn man es fuͤr eine vorzuͤgliche Schoͤnheit zu halten ſchien, daß eine Statuͤe die andereberuͤhre,129Monumenten und Inſchriften. beruͤhre, und wo die gedraͤngte Menge machte, daß man den Ort vergaß, und ſich in eine Gallerie verſetzt glaubte. Dieſes Uebermaaß widerſpricht den erſten Regeln der Schicklichkeit und der Simplicitaͤt, wenn auch uͤbrigens die Statuͤen vom ſchoͤnſten Styl ſind, und ſelbſt zwiſchen ihnen und dem Orte kein Widerſpruch bemerkt wird. Das andere Vergehen ſtieß gegen den Charakter der Gaͤrten, und war noch gewoͤhnli - cher. Es wurden Statuͤen aufgeſtellt, die nicht allein gar keine Verwandtſchaft mit den Vorſtellungen und Empfindungen haben, die ein wohlangelegter Garten erwecken ſoll, ſondern die ſogar jeden Eindruck der Naturſcenen ſtoͤren helfen. Einem begei - ſterten Liebhaber mag es gleichguͤltig ſcheinen, ob er ein Werk aus dem beſten Zeitalter der Kunſt in einem Cabinet, oder in einer Gallerie, oder auf einem offenen Platz be - trachten kann. Aber hier muß doch die Sache aus ihrem wahren Geſichtspunkt an - geſehen werden. Es iſt nicht zu begreifen, was die Bildſaͤulen des Jupiters, Ne - ptun, Mars, Herkules, der Juno, Minerva und verſchiedener andern, deren ausfuͤhrlichſte Mythologie noch immer in einer weiten Entfernung von der Natur und der Beſtimmung eines Gartens liegen bleibt, an einem ſolchen Orte bedeuten ſollen. Eine geringe Betrachtung wird ſie zu den unuͤberlegten Zierrathen hinſtellen, die auch eine allgemeine Mode, der Beyfall des Haufens und der Schriftſteller*)Man kann ſich leicht vorſtellen, daß die meiſten Architecturlehrer, von Vorur - theil und Mode hingeriſſen, auch Statuͤen vorſchlugen, die ſich gar nicht in Gaͤrten ſchicken. Allein man kann faſt nichts ſelt - ſameres leſen, als was Miller daruͤber vortraͤgt in ſeinem großen Gaͤrtnerlexicon,(2ter Theil S. 303. u. ſ. w. Nuͤrnberg 1751.) einem Werke, das, bey ſeinen unlaͤugbaren wichtigen Berdienſten um die botaniſche und oͤkonomiſche Gaͤrtnerey, in allen Ar - tikeln, welche die Luſtgaͤrten betreffen, den kleinen gezierten Geſchmack bis zur Ver - wunderung beguͤnſtigt.nicht recht - fertigen kann. So hat, um nur ein Beyſpiel von einer aͤhnlichen Ausſchweifung an - zufuͤhren, der ludoviſiſche Garten zu Rom, der fuͤr einen der ſchoͤnſten in Italien gehalten wird, noch jetzt Statuͤen, die gefangene barbariſche Koͤnige und ſelbſt den Nero vorſtellen. Man hat dieſen falſchen Geſchmack noch in andern Wendungen ge - zeigt; man hat mehr als einmal den Neptun in einer Allee, und den Vulkan bey einer Fontaine hingeſtellt, und iſt gerade in den Fehler gefallen, den Horaz ruͤgt:

Qui variare cupit rem prodigialiter unam, Delphinum ſilvis appingit, fluctibus aprum. ()

Es iſt nicht der Muͤhe werth, ſich bey ſolchen Auswuͤchſen einer ungeſunden Kunſt weiter aufzuhalten. Man fuͤhlt es ſchon zum Ekel, wie elend ſie ſind; und man ſieht ſie noch zu oft, um hier die Erinnerung an ſie wiederholt zu wuͤnſchen.

3. ManIII Band. R130Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

3.

Man muͤßte in der That einen ſehr unvollkommenen Begriff von den mannig - faltigen Wirkungen der Naturſcenen haben, wenn man die Statuͤen fuͤr Werke hielte, die in den Gaͤrten nicht entbehrt werden koͤnnten. Ohne ſie beweiſen die ſchoͤnſten Ge - genden die ganze Macht ihres Eindrucks; und das duͤrftige Revier kann durch ſie nur eine Nebenwirkung, als einen ſchwachen Erſatz der Anmuth, gewinnen, die ihm die Natur verweigert hat. Statuͤen zeigen die Vollkommenheit des menſchlichen Genies, und eine gewiſſe Pracht, die mehr den Gebaͤuden, als den Plaͤtzen zukommt, wo die Natur ihre Reize verbreiten will; und es ſcheint, daß ſie ſich von den Wohnungen verloren, und in fremde Reviere verirrt haben, wo man ſie nicht erwartete. Weil ſie indeſſen durch die Laͤnge der Zeit nun einmal eine Art von Buͤrgerrecht in den Gaͤrten erhalten haben, ſo iſt es der Klugheit gemaͤßer, zu zeigen, wie man einen guten Ge - brauch von ihnen machen kann, als ſie ganz zu verbannen. Doch giebt es einige Ar - ten von Gaͤrten, mit deren Charakter ſie ſich nicht wohl zu vertragen ſcheinen, weil ſie zu viel Lebhaftigkeit und Glanz mittheilen. Dahin gehoͤren Gaͤrten von einem blos laͤndlichen oder einfachen Charakter, Gaͤrten des Landmanns und des Buͤrgers, Gaͤr - ten bey Kloͤſtern und Begraͤbnißoͤrtern. Im Gegentheil haben ſie mehr Schicklichkeit in Gaͤrten, die eine hoͤhere Verzierung und Lebhaftigkeit, reiche und edle Scenen, Luſt - gebaͤude, Tempel und andere Werke der menſchlichen Kunſt verſtatten.

Es iſt nicht zu laͤugnen, daß in ſolchen Gaͤrten gute Statuͤen ſchon anſtaͤndige Verzierungen ausmachen. Sie beleben die Plaͤtze, und haben etwas geſellſchaftli - ches; ſie beſchaͤftigen das Auge und die Einbildungskraft; ſie dienen zur charakteriſti - ſchen Bezeichnung der Scenen ſowohl, als der Tempel und anderer Gebaͤude. Allein ſie ſollen als ſo koſtbare Arbeiten des Genies, als Werke von einem ſo kraͤftigen Aus - druck, mehr als bloße Verzierungen ſeyn. Sie ſind ſichtbare Geſtalten von Gedan - ken, Empfindungen, Leidenſchaften und Charakteren; Geſtalten, die den Menſchen ſchon deswegen intereſſiren, weil er ſich ſelbſt darinn erblickt. Sie veranlaſſen nicht blos Nachdenken, ſondern wirken auch Empfindungen. Es giebt keine Bewegung, die ſie nicht ausdruͤcken, keine, die ſie nicht in dem Anſchauer erregen koͤnnten. Sie haben eine ſchnelle und faſt uͤberall eindringende Wirkung. Allein um dieſe zu errei - chen, muͤſſen ſie mit der verhaͤltnißmaͤßigen Groͤße Richtigkeit in der Zeichnung, Geiſt in der Bearbeitung, einen beſtimmten und deutlichen Charakter, Wahrheit und Staͤr - ke des Ausdrucks vereinigen. Es muͤſſen Statuͤen ſeyn, und keine Termen, die halb Bilder, halb Saͤulen, nur eine unvollkommene Geſtalt, womit wahrſcheinlich die Kunſt den Anfang machte, darſtellen, und die Taͤuſchung ſo leicht verfehlen. Auchkann131Monumenten und Inſchriften. kann es eben ſo wenig gleichguͤltig ſeyn, ob die Figuren groß oder klein ſind, wenn man nicht, wie man noch in manchen Gaͤrten ſieht, aus Statuͤen ein bloßes Mario - nettenſpiel machen will.

4.

Aber welche Vorſtellungen ſoll man waͤhlen? Iſt die alte Mythologie, dieſe fruchtbare Naͤhrerinn der Kuͤnſte, hier ganz zu verbannen? Nicht ſchlechterdings. Wer kann ſich beleidigt finden, wenn er die Gottheiten der Gaͤrten und des Vergnuͤ - gens unter den Alten wiederſieht, wenn er in einer Blumenſcene die Flora, den Bac - chus bey einem Weingelaͤnder, in einem waldigten Revier die Diana, die Pomona in einer Pflanzung von Fruchtbaͤumen, an einem zum Baden bequemen Ort eine Gruppe der Venus und ihrer Nymphen, oder den tanzenden Faun in einem ver - wilderten Gebuͤſche erblickt? Allein ſolche Statuͤen ſind doch wenig mehr zu empfehlen, weil ſie durch die ſo oft wiederholten Nachbildungen und den gar zu haͤufigen Gebrauch in den Gaͤrten faſt alle Kraft angenehmer Eindruͤcke verloren haben. Und als ſchuͤtzen - de Gottheiten betrachtet, iſt fuͤr uns ihr Intereſſe dahin.

Naͤher ſcheinen uns anzugehen, wiewohl ſie nicht weniger verbraucht ſind, die allegoriſchen Statuͤen, die Goͤttinn des Friedens, den Oelzweig oder die Kornaͤhre tragend, oder ihren Schoos voll Fruͤchte, die Goͤttinn des Ueberfluſſes mit dem Fuͤll - horn, die Froͤhlichkeit mit der Myrte, die Freude mit den Roſen in der Hand, und die angenehmern Jahreszeiten, deren Bilder ſo ſehr geſchickt ſind, die ihnen ge - widmeten Scenen und Gebaͤude zu bezeichnen.

Mehr noch intereſſiren uns Vorſtellungen von Menſchen, die wirklich gelebt ha - ben, in der Geſtalt, die ihnen eigen war, und die ſo ganz ihren Charakter darſtellt; Vorſtellungen von Menſchen, die uns durch die Groͤße ihres Geiſtes oder Herzens, durch den Glanz ihrer Talente oder durch die Wohlthaͤtigkeit ihrer Handlungen ehr - wuͤrdig ſind; die uns durch ihre Schriften zur Weisheit und durch ihre Geſchichte zur Tugend erheben, die großen Dichter und Weiſen der Vorwelt. Einen kleinen Luſt - wald zu Sansſouci, wo der koͤnigliche Philoſoph unter erhabenen Betrachtungen ru - hend die Lorbeern des Helden vergißt, beleben hin und wieder antike Statuͤen griechi - ſcher und roͤmiſcher Weltweiſen. Wer empfindet nicht das Anſtaͤndige und Feyer - liche einer ſolchen Scene?

Am meiſten aber muͤſſen uns Statuͤen, die der Patriotiſmus dem nationalen Verdienſt errichtet, intereſſant ſeyn; die Bildniſſe der Maͤnner, die mit uns zu einer Nation gehoͤren, deren Zierde ſie waren; Maͤnner, denen wir Aufklaͤrung, Freyheit,R 2Wohl -132Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,Wohlſtand, Vergnuͤgen verdanken. Allerdings hat das Verdienſt auf eine ſolche Art von Belohnung Anſpruch. Der Nachkoͤmmling verweilt vielleicht vor dem Bild - niſſe, uͤberdenkt eine ganze Reihe von edlen oder großen Thaten oder Beſtrebungen, wird geruͤhrt, zur Nacheiferung hingeriſſen, vergießt wohl ſelbſt eine Thraͤne, die den aufkeimenden Entſchluß befruchtet; vielleicht giebt auch die Einſamkeit, die hier mehr als anderswo herrſcht, ſeiner Betrachtung mit der Ruhe mehr Staͤrke, und beſchleu - nigt die Thaͤtigkeit. Wenn dieſes auch nicht immer die Wirkung der Bildniſſe ver - dienſtvoller Maͤnner iſt, ſo kann ſie es doch ſeyn, und iſt es oft geweſen, wo, anſtatt eines fluͤchtigen Begaffers, ein empfindſamer Betrachter hinzutrat. Man weiß, wie oft die edlen Juͤnglinge des Alterthums von den Statuͤen ihrer beruͤhmten Vorfahren begeiſtert wurden, wie viel man damals auf dieſe Wirkungen rechnen durfte, wie nach - druͤcklich die Philoſophen ſowohl als die Vaͤter auf dieſe Bildniſſe hinwieſen, auf dieſe

Ora ducum et vatum, ſapientumque ora priorum, Quos tibi cura ſequi, quos toto pectore ſentis. Statius l. 2. car. 2.

Indeſſen gehoͤren den Statuͤen der Helden, der Geſetzgeber, der Erretter und Aufklaͤrer des Vaterlandes, mehr freye, als verborgene Scenen; ſie ſind ſchicklicher auf oͤffentlichen Plaͤtzen in den Staͤdten, um die Schloͤſſer der Regenten, um die Pa - laͤſte der Großen her, wo die Wuͤrde des Orts ihrem Charakter beyſtimmt, und ſie dem Volke mehr ins Auge fallen. In den Gaͤrten, vornehmlich der Privatperſonen, wuͤrden Statuͤen der Landſchaftmaler, der Dichter, welche die Schoͤnheit der Schoͤ - pfung beſangen, der Philoſophen, die uns uͤber die Weisheit der Natur und uͤber den Gebrauch des Lebens unterrichteten, mehr an ihrer Stelle ſeyn. Sollte dieſer Gedan - ke irgendwo eine Anwendung finden, ſo wird der Deutſche doch wohl ſo patriotiſch ge - ſinnt ſeyn, dem einheimiſchen Verdienſt vor dem auswaͤrtigen den Vorgang zu goͤnnen. Dadurch wuͤrden unſere Gaͤrten, die ſo lange Nachahmungen der Mode und ſo ſelten Werke unſers Genies ſind, nicht allein einen Theil von einem eigenen Nationalcha - rakter, ſondern auch eine Kraft zu weit lehrreichern Unterhaltungen gewinnen, als alle die gewoͤhnlichen Kopien von Statuͤen des Alterthums nicht geben koͤnnen. Aber ſo - dann muͤßte auch ein Andreas von Schluͤter und ein Balthaſar Permoſer nicht mehr ſo ſelten unter uns auftreten.

5.

In Abſicht auf die gute Wirkung der Statuͤen haͤngt viel von dem Ort und der Stellung ab, die man ihnen giebt.

Zunaͤchſt133Monumenten und Inſchriften.

Zunaͤchſt um das Wohngebaͤude werden Statuͤen am beſten in einer ſymmetri - ſchen Ordnung aufgeſtellt, wegen des Werks der Architectur, zu welchem ſie als Kin - der einer verſchwiſterten Kunſt gehoͤren; in dem Garten ſelbſt aber koͤnnen ſie am vor - theilhafteſten hin und wieder einzeln vertheilt werden, nachdem es der Ort und die An - lagen erfordern.

Wenn man Statuͤen auf freye offene Plaͤtze ſtellt, wie man in Gaͤrten faſt im - mer zu thun pflegt, ſo erkennt man bald, daß ſie blos des Pomps wegen da ſtehen. Da ſie immer dem Anblick ausgeſetzt ſind, ſo ermuͤden ſie zuletzt durch die ewige Un - beweglichkeit, die ihnen eigen iſt. Und wenn eine gewiſſe Anzahl auf einmal in die Augen faͤllt, ſo geben ſie zwar ein verwirrtes Anſehen von Pracht, aber keine Folge von angenehmen Bewegungen.

Eine weit vortheilhaftere Wirkung beweiſen Statuͤen, wenn man ſie einzeln in Scenen aufſtellt, mit deren Charakter ſie uͤbereinſtimmen. Hier gewinnt eine Sta - tuͤe, wo ſie ſeltener geſehen wird; wo die Schoͤnheit keine Nebenbuhlerinn hat, wo ſie ſich ganz ohne Theilung ihrem Liebhaber uͤbergeben kann. Er bleibt ſtehen, macht Geſellſchaft mit ihr, denkt oder fuͤhlt mit ihr, uͤberlaͤßt ſich einer ganzen Folge von ſtillen Ideen und Empfindungen, die ſie zu erwecken ſaͤhig iſt; die Seele wird be - ſchaͤftigt und nicht blos das Auge, das wichtigſte Verdienſt eines Kunſtwerks.

Eine Statuͤe in einer dunkeln Waldung, in einem abgeſonderten Revier, un - vermuthet erblickt, giebt oft eine angenehme Ueberraſchung. Auch nimmt ſie ſich zwi - ſchen Baͤumen und Gebuͤſchen, in kleinen Gruppen und Hainen weit ſchoͤner aus, als auf nackten Plaͤtzen; ſie ſcheint hier zu wohnen oder ſich zu verbergen; der weiße Mar - mor iſt zwiſchen den braunen Staͤmmen und den Umwoͤlbungen des Laubwerks ſehr maleriſcher Anſichten faͤhig; und die Veraͤnderung, welche der Wachsthum der Baͤu - me und ihre zunehmende und wieder abnehmende Belaubung hervorbringt, giebt der Scene eine immer neue Abwechſelung.

Eine ſolche gluͤckliche Stellung hat in dem Park zu Hagley eine Statuͤe der mediceiſchen*)Heely Briefe, 7ter Br. Venus. Sie ſteht in einem auf baͤuriſche Art gewoͤlbten Winkel einſam, an einem abgelegenen Ort, in einem Dickigt von Baͤumen und Straͤuchern. Gegenuͤber ſtehen die angenehmſten Gruppen von Lorbeern und andern immer gruͤnen - den Baͤumen, und haͤngen damit zuſammen. Sie machen den Fuß eines praͤchtigen Waldes aus, der ſich hinterwaͤrts mit aller Schoͤnheit den Huͤgel hinanzieht. In der blumichten Vertiefung und unter dem Lorbeerhain ſind laͤndliche Sitze, als wennR 3die134Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,die Natur ſie hier von Felſen gebildet haͤtte, mit aller Simplicitaͤt angebracht. Von einer andern Seite zeigt ſich die reizende Venus abermals, gleichſam ſchuͤchtern, als wollte ſie ſich in ihrer laͤndlichen Hoͤhle verſtecken, oder als wenn ſie eben aus dem Waſſer geſtiegen waͤre. In einer hohlen Vertiefung, die in einer daruͤber liegenden ſteilen Anhoͤhe angebracht, und nur grob mit Glasſchlacken und unregelmaͤßigen Stei - nen verziert iſt, entdeckt man eine Caſcade, die mit Gewalt hervorbricht, und ſchaͤu - mend uͤber ſteile Abſaͤtze herabſtuͤrzt, bis ſie ſich unter den Wurzeln eines hohen Baums in eine Oeffnung verliert, und nicht mehr geſehen wird. Die ſanft anſteigenden Ab - haͤnge ſind mit Roſen, Geisblatt und andern Straͤuchen, wie auch mit Pflanzen ge - ziert, die in verſchiedenen Monaten bluͤhen, und eine ununterbrochene Flor dar - ſtellen.

Wo eine Mehrheit von Statuͤen aufgenommen werden kann, da wird Mannig - faltigkeit in ihren Vorſtellungen, Ausdruͤcken und Stellungen erfordert. Einige ver - langen nach dem Charakter, den ſie vorſtellen, Ruhe, Nachdenken, ſtilles Verſinken in große Empfindungen; andre Bewegung, Anſtrengung, Handlung. Einige ſte - hend, andere ſitzend; einige tanzend, wie die Dryaden; andere ruhend, wie baden - de Nymphen in einem klaren Waſſer unter einer Felſenwand. Einige in einer zei - genden, andere in einer beobachtenden, einige in einer bewundernden, andere in einer gefuͤhlvollen Stellung, wodurch ſie gleichſam die ſtatuͤenartige Steifigkeit verlieren und an Taͤuſchung gewinnen. Vorſtellungen ohne Geiſt und Leben ſchicken ſich nicht an einem Orte, wo die ganze Natur zur Beobachtung und Empfindung auffordert. Die Statuͤen ſollen die Scene beleben; ſie muͤſſen daher lauter Natur ſcheinen, und gleichſam die Rolle denkender und empfindender Weſen ſpielen. Auch die bloße Weglaſſung der Poſtamente kann zuweilen die Taͤuſchung befoͤrdern helfen. Indem die Statuͤen auf einem Fußgeſtell ſtehen, ſo haben ſie mehr das Anſehen einzelner Kunſtwerke, ohne merkliche Verbindung mit der Scene.

6.

Gewoͤhnlich werden Statuͤen einzeln in den ihnen zukommenden Revieren ver - theilt. Die meiſte Zeit iſt eine einzige hinreichend, den Eindruck der Scene zu heben oder zu veredeln. Auch muß im Ganzen aller Ueberfluß, der ſich nicht mit der Ein - falt der Gegenſtaͤnde der Natur vertraͤgt, vermieden werden. Und ſelbſt die Koſt - barkeit ſchoͤner Werke dieſer Art kann den ſparſamern Gebrauch empfehlen.

Indeſſen135Monumenten und Inſchriften.

Indeſſen koͤnnen doch zuweilen ganze Gruppen von Statuͤen in einem dazu ein - gerichteten Revier mit einer guten Wirkung angelegt werden. Dieß giebt ſodann eine Scene, die durch eine hoͤhere Lebhaftigkeit und durch den Reichthum der Kunſt ſich von den gewoͤhnlichen unterſcheidet, oft des Contraſtes wegen angelegt, noch mehr aber um eine Folge von Ideen und Empfindungen zu gewinnen, die ſich ſonſt nicht erhalten laſſen. Anlagen von dieſem Charakter uͤberraſchen, beleben, reißen zur Bewunde - rung oder verſetzen die Seele des Zuſchauers in andere Zeiten und in entfernte Gegen - den hin. Zu dieſer Claſſe gehoͤren alle Nachahmungen von Plaͤtzen und Scenen, die in andern Laͤndern ihre Heimath haben, oder blos in der Mythologie und in den Phan - taſien der Dichter vorhanden ſind. Die erſten Werke in dieſem Geſchmack entſtanden ohne Zweifel in dem beruͤhmten Landſitz des Kaiſers Hadrian zu Tivoli, als er dar - inn die merkwuͤrdigſten Gegenden Griechenlands nachahmte. *)S. 1ſter B. S. 19.Und in den neuern Zeiten ſind die elyſaͤiſchen Felder zu Stowe ein ſehr geprieſenes Muſter geworden, das hier eine Beſchreibung**)Dieſe Beſchreibung iſt theils aus dem Whately, theils aus einem eigenenWerke von dieſem Park: Stowe: a deſcri - ption &c. (1ſter B. S. 69.) wovon ich hier gelegentlich die neue verbeſſerte Ausgabe von 1773 anzeige. verdient.

Die elyſaͤiſchen Felder werden von einem angenehmen Bache durchſtroͤmt. Die Baͤume ſtehen ſo zerſtreut und duͤnne, daß ſie ganz licht und luftig ſind. An dem einen Ende oͤffnen ſie ſich gegen ein groͤſſeres Waſſer und eine ausgedehntere Flur. Die Einfaſſung iſt ſehr oft unterbrochen, um weit entlegene Gegenſtaͤnde zu zeigen, die durch die Art, wie ſie erſcheinen, ein weit entfernteres Anſehen bekommen. Der Eingang iſt unter einem doriſchen Schwibbogen, der auf eine Oeffnung durch die Baͤume trifft. Inwendig ſtehen die Tempel der alten Tugend und der brittiſchen Helden; der eine liegt hoch, der andere tief in dem Thale, nahe bey dem Waſſer. Beyde ſind mit den Bildern der Maͤnner geziert, die ſich durch ihre Verdienſte im Kriege, im Staat oder in der Gelehrſamkeit am meiſten beruͤhmt gemacht haben. Der Tempel der unſterblichen Britten hat die Geſtalt eines halben Zirkels, und ent - haͤlt eine Folge von ſechszehn Niſchen, wovon jede mit einem Bruſtbild geziert iſt. Die Mitte der Kruͤmmung iſt mit einer Pyramide geſchmuͤckt, worinn ſich in einer Niſche eine ſchoͤne Buͤſte des Mercur zeigt, uͤber welcher dieſe Inſchrift aus dem Vir - gil ſteht:

Campos ducit ad Elyſios. ()Unten136Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

Unten iſt in eine Platte von ſchwarzem Marmor dieſe Stelle aus eben dem Dichter gegraben:

Hic manus ob patriam pugnando vulnera paſſi,
Quique pii vates, et Phoebo digna locuti,
Inventas aut qui vitam excoluere per artes,
Quique ſui memores alios fecere merendo.

Man erblickt die Bruſtbilder von Alexander Pope, Thomas Gresham, Igna - tius Jones, John Milton, William Shakeſpear, John Locke, Iſaac New - ton, Franz Bacon, Koͤnig Alfred, Edward Prinzen von Wales, der Koͤniginn Eliſabeth, Koͤnig Wilhelm III. Walter Raleigh, Franz Drake, John Hamp - den und John Barnard. Unter jeder Buͤſte iſt eine Inſchrift, welche die Thaten und Verdienſte dieſer Perſonen erzaͤhlt. Dieſe Folge von Niſchen, unter welchen drey große Stufen herumlaufen, ſtoͤßt an ein Gebuͤſch von Lorbeerbaͤumen, wovon die Zweige ſich heruͤberbiegen, und eine Art von Krone uͤber eine jede Buͤſte bilden; eine Scene, wie ſie Virgil ſchildert:

Inter odoratum lauri nemus. ()

Der zwiſchen dem Gebaͤude und dem Waſſer liegende Strich iſt ein ſanfter Abhang mit Raſen bedeckt, etwa zwey Ruthen breit. Den Werth der Tapferkeit in den elyſaͤiſchen Feldern zu beſtimmen, und ſie mit Vorſtellungen ſolcher Maͤnner anzu - fuͤllen, die ſich am meiſten um das menſchliche Geſchlecht verdient gemacht haben, iſt ein ſowohl dem Ort, als den Fabeln der Dichter angemeſſener Gedanke; und die Menge der Bilder, welche hier aufgeſtellt werden, harmonirt mit dem Charakter. Einſamkeit iſt niemals unter die Reizungen von Elyſium gerechnet worden; man hat es vielmehr allezeit als die Wohnung der Freude geſchildert. In dieſer Nachahmung ſtimmt ein jeder Umſtand mit dieſem eingefuͤhrten Begriff uͤberein. Die Lebhaftigkeit des Bachs, der durch das Thal fließt, der Schimmer von einem andern, der ſich je - nem naͤhert, um ſich mit ihm zu vereinigen, das von dem Waſſer zuruͤckgeworfene muntere Gruͤn des Graſes und die darinn ſich ſpiegelnden Bruſtbilder der brittiſchen Helden, die Verſchiedenheit der Baͤume, der Glanz ihres Laubwerks, ihre Ordnung, wodurch ſie ſich alle deutlich von einander unterſcheiden, indem ſie uͤber die kleinen Un - gleichheiten des Bodens hie und da herum zerſtreut ſind, die Mannigfaltigkeit ſowohl der innern als aͤußern Gegenſtaͤnde, welche die Scene verſchoͤnern und beleben; dieſes alles zuſammen genommen giebt ihr eine Munterkeit, die ſich die Einbildungskraft kaum vorſtellen kann.

So137Monumenten und Inſchriften.

So vortrefflich auch dieſe Anlage zu Stowe iſt, ſo laſſen ſich doch, wo man etwa eine aͤhnliche Nachahmung von den elyſaͤiſchen Feldern machen will, noch ver - ſchiedene Umſtaͤnde verbeſſern. Die Idee von Elyſium iſt zugleich erhaben und rei - zend, und ſtimmt ſehr gluͤcklich mit den herrlichſten Wirkungen eines heitern Gartens zuſammen. Zuvoͤrderſt muß zu einer ſolchen Anlage eine Gegend ausgeſucht werden, die lachende Anmuth mit Ruhe verbindet. Eine Gegend, die kein Sturm erſchuͤttert, die nur ſanfte Winde erfriſchen; ein weites, freyes, huͤgelichtes Gefilde; keine Gebirge, nur die Graͤnze mit kleinen Bergen umſchloſſen, zwiſchen welchen ſich Aus - ſichten in die entfernteſten Landſchaften eroͤffnen, und die Vorſtellung von Fortgang, von Unermeßlichkeit geben; liebliche Zuſammenſetzung von friſchem Raſen, von ſpielenden Baͤchen, von hellgruͤnenden und lange bluͤhenden Gebuͤſchen, von luftigen Gruppen ho - her, edler und ſeltener Baͤume, die angenehme Durchſichten zwiſchen ihren Staͤmmen verſtatten; Huͤgel mit einem dicken Gemiſch ſtark duftender Kraͤuter und Blumen mit glaͤnzenden Farben bepflanzt; keine Waſſerfaͤlle, welche die Ruhe unterbrechen, keine Tempel, noch andere Gebaͤude, die den Begriff der Einſchraͤnkung oder Verſchließung erregen; keine Thiere, die viel Bewegung und Geraͤuſch verurſachen, und die feyerliche zu den ſuͤßeſten Empfindungen des Vergnuͤgens einladende Stille ſtoͤren; nur etwa ei - nige kleine Voͤgel, die hie und da ſich in der Daͤmmerung des Laubes wiegen, und die ſanftern Melodien der Liebe durch duftende Gebuͤſche hinathmen. Der Eingang ſey wild verwachſen, uͤberſchattet, von Baͤumen mit ſchwaͤrzlichem Laub verdunkelt und oͤde; er laſſe nichts angenehmes erwarten, verwildere immer tiefer; und auf einmal breche das helle, lachende, entzuͤckende Elyſium hervor.

Devenere locos laetos, et amoena vireta Fortunatorum nemorum, ſedesque beatas, Largior hic campos aether, et lumine vertit Purpureo Virgil. Aen. VI.

Die Bildniſſe der gluͤckſeligen Bewohner dieſer Gefilde muͤſſen nicht alle auf einmal in die Augen fallen, ſondern nach und nach, zwiſchen Blumenhuͤgeln, Gruppen von bluͤ - henden Straͤuchern und Hainen; immer an einem Ort, in einer Stellung, mit einem Ausdruck, der dem Charakter gemaͤß iſt; bald in einſamen Entzuͤckungen, bald in ge - ſellſchaftlichen Unterredungen. Keine Buͤſten, die nur eine halbe Wirkung haben, ſondern Statuͤen in Lebensgroͤße. Nicht ganz im Freyen, wodurch der Marmor zuIII Band. Sviel138Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,viel Licht erhaͤlt, ſondern zwiſchen Baͤumen, wo eine angenehmere Erleuchtung von oben einfaͤllt.

So reizend auch Scenen von dieſer Claſſe fuͤr Perſonen ſind, die Kenntniß der Dichterfabel mit feiner Empfindung begleiten, ſo muß man doch geſtehen, daß ihre Wirkung fuͤr Zuſchauer vom gewoͤhnlichen Schlag verloren geht. Die Einbildungs - kraft der meiſten Menſchen iſt ſo ſchwer, daß ſie faſt keiner Beweglichkeit faͤhig ſcheint; ihre Begriffe von der Fabel des Alterthums find ſo unzulaͤnglich und ſo ſchwankend, ihre Bekanntſchaft mit den Vorſtellungen der Dichter iſt ſo gering, daß auch die gluͤck - lichſten Nachahmungen der Gartenkunſt, ohne den innern Sinn zu beruͤhren, vor ihnen voruͤberſchwinden, und nur ein bloßes Schauſpiel fuͤr das Auge bleiben. Und doch erfordern gerade am meiſten Scenen dieſer Art, um genoſſen zu werden, eine gewiſſe Empfaͤnglichkeit des Gefuͤhls, eine gewiſſe Schnelligkeit der Phantaſie, die zuvor - kommt, die das zu erſetzen weiß, was der Nachahmung an Vollſtaͤndigkeit abgieng. Denn der Charakter der Oerter und ihrer Verzierungen kann nie ſo vollkommen dar - geſtellt, nie ſo taͤuſchend werden, als die Beſchreibung der Dichter iſt. Die Plaͤtze, die Baͤume und uͤbrigen Gegenſtaͤnde ſind faſt keine andern, als die wir ſonſt zu ſehen gewohnt ſind; vieles beruht auf Sitten und Gebraͤuchen, die nicht mehr auf unſere Zeiten paſſen; vieles muß von dem Genie des Himmelsſtrichs und von Zufaͤlligkeiten der Natur erhalten werden, die nie in unſerer Gewalt ſind. Bey einer ſolchen Unzu - laͤnglichkeit der Mittel iſt die Ausfuͤhrung des Unternehmens immer ſchwer, und der Gartenkuͤnſtler hat ſchon alles gethan, was ſeine Kunſt vermag, wenn er die Nachah - mung bis zu einem gewiſſen Grad der Taͤuſchung fuͤr empfindende Kenner gebracht hat, indeſſen der große Haufe nur angaffend vor ſeinem Werke voruͤbergeht.

7.

Um dieſen Unbequemlichkeiten der Vorſtellungen aus der Mythologie und Dich - terfabel des Alterthums auszuweichen, kann der Gartenkuͤnſtler ſich an Scenen aus ſeiner Zeit oder aus ſeiner Nation wenden, die nicht allein eine allgemeine Verſtaͤnd - lichkeit, ſondern auch noch uͤberdieß ein ſtaͤrkeres Intereſſe haben. Er iſt hier an keine Vorbildung gefeſſelt; er erfindet ſelbſt und iſt Herr uͤber ſeine Erfindungen; die An - ordnung iſt ganz in ſeiner Gewalt; die Scene liegt gleichſam ſchon auf ſeinem Boden da. Er darf nicht zu entlegenen Huͤlfsmitteln ſeine Zuflucht nehmen; er hat alles in der Naͤhe, er kann den geraden Weg waͤhlen, und ſeiner gluͤcklichen Annaͤherung zu der Empfindung oder dem Geiſte des Zuſchauers verſichert ſeyn.

Ein139Monumenten und Inſchriften.

Ein treffliches Muſter einer ſolchen nationalen Scene iſt das Normannsthal in dem koͤniglichen Park zu Friedensburg, nicht weit von Copenhagen, wie man unten ſehen wird. *)S. Beſchreibung dieſes Parks im Anhange dieſes Bandes.

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II. Monumente.

1.

Monumente oder Denkmaͤler ſind ſehr wirkſame Mittel, das Andenken einer Pex - ſon oder einer Begebenheit fuͤr die Nachkommenſchaft zu erhalten. Wir fin - den ſie daher faſt bey allen Voͤlkern, ſowohl bey denen, die noch wenige Fortſchritte in der Cultur gethan hatten, als auch bey denen, unter welchen die Kuͤnſte und Wiſſen - ſchaften bluͤheten. Wo die Schrift noch nicht erfunden war, da ſah man ſich nochS 2mehr140Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,mehr genoͤthiget, durch Denkmaͤler, ſo roh ſie auch waren, das Andenken irgend einer That oder Perſon zu erhalten. Ein bloßer wilder Steinhaufen kuͤndigte den Ort an, wo eine denkwuͤrdige Begebenheit vorgefallen war, welche die Voͤlkerſchaft intereſſirte, wo eine Schlacht geliefert, wo Buͤndniffe geſchloſſen und feyerliche Verſammlungen gehalten worden; oder er bezeichnete die Stelle, wo die Ueberbleibſel eines National - helden ruheten. Man findet noch in verſchiedenen Laͤndern, beſonders in Norden und in Schottland, Beyſpiele von ſolchen Denkmaͤlern, die aus bloßen rohen, zuſam - mengehaͤuften Feldſteinen beſtehen, die in laͤngſt verfloſſenen Jahrhunderten zum An - denken einer Nationalbegebenheit der gefallenen Helden errichtet ſind.

Bey Nationen, die mit der Schaͤtzung des Verdienſtes die Cultur der ſchoͤnen Kuͤnſte vereinigten, mußten die Denkmaͤler, die ſie errichteten, zugleich von der Seite des Geſchmacks wichtig werden. Die Aegypter, die Phoͤnizier, die Hetrurier, hatten ſchon ſchaͤtzbare Werke dieſer Art; allein die Griechen beſaßen ſie in einer Menge und Schoͤnheit, als vor ihnen noch keine, von den Kuͤnſten aufgeklaͤrte, Na - tion ſie geſehen hatte. Schon fruͤh belohnten ſie Staͤrke und Tapferkeit mit Statuͤen und andern oͤffentlichen Ehrenmaͤhlern; allein nicht blos den Sieger in den feyerlichen Spielen, nicht blos den Helden, ſondern auch den Patrioten, der die Tyrannen ver - jagte, und zuweilen auch die Philoſophen und Dichter, die das Vaterland erleuchteten. Alle Staͤdte, alle oͤffentliche Plaͤtze, ſogar die Landſtraßen Griechenlands waren mit einer Menge von herrlichen Denkmaͤlern des Verdienſtes erſuͤllt, die uns noch jetzt aus der Beſchreibung des Pauſanias entgegenglaͤnzen, und deren Reſte noch jetzt der Stolz der Kuͤnſte und die Bewunderung des Kenners ſind. Die Grabmaͤler waren nicht verborgen, wie bey uns, ſondern an den Landſtraßen dem oͤffentlichen Anblick aus - geſtellt. Verſchiedene Plaͤtze, wo ſich das Volk zu Spaziergaͤngen verſammelte, wa - ren mit den Bildniſſen der weiſeſten und tapferſten Maͤnner der Nation verſchoͤnert. Sogar einige Gebaͤude waren blos zur Aufbewahrung ruͤhmlicher Denkmaͤler aufge - fuͤhrt. Nirgends konnte der Grieche ſein Auge hinwenden, ohne der Statuͤe eines Helden, eines Patrioten, eines Weiſen zu begegnen; und dieſe feyerlichen Denkmaͤler der Tugend, die ihn uͤberall umgaben, die vom ganzen Vaterlande gebilligt, verehrt, und nicht ſelten auf oͤffentliche Koſten aufgefuͤhrt worden, welche ſtarke und dauernde Eindruͤcke zu edlen Erinnerungen und Nacheiſerungen mußten ſie nicht einpraͤgen! Es konnte nicht fehlen, der Buͤrger mußte da fuͤr das Vaterland und fuͤr die Tugend em - pfinden lernen, wo er von allen Seiten dazu aufgefordert ward. Auch die Roͤmer belohnten ſchon in den aͤlteſten Zeiten Verdienſte mit oͤffentlichen Denkmaͤlern, die abermehr141Monumenten und Inſchriften. mehr Geſchmack und Verfeinerung der Bearbeitung gewannen, als ſie mit den Kuͤn - ſten der Griechen vertrauter wurden. Nicht blos der Senat zu Rom widmete dem Andenken ſeiner Helden und Patrioten Ehrenmaͤler an feyerlichen Plaͤtzen, ſondern auch die andern Staͤdte des Reichs erhielten die Freyheit, ihren Wohlthaͤtern Statuͤen und Bruſtbilder zu errichten; ſelbſt Privatbuͤrger konnten, mit Erlaubniß des Gerichts, das dazu den Ort anwies, Perſonen aus ihrer Familie ein Denkmal weihen, oder es in ihrem Teſtamente verordnen. Man erinnert ſich, wie ſehr ſich die Roͤmer von den ehrwuͤrdigen Monumenten ihrer Vorfahren nicht blos geruͤhrt, ſondern zur thaͤti - gen Nacheiferung begeiſtert fuͤhlten. *)Der juͤngere Plinius erklaͤrt ſich bey Erwaͤhnung einer Bildſaͤule, die Trajan dem Andenken des jungen Cottius aufzu - richten befohlen, uͤber die Kraft der Denk - maͤler auf eine Art, die mau nicht ohne Theilnehmung leſen kann. Quo quidem ho - nore, quantum ego interpretor, non mo - do defuncti memoriae, et dolori patris, verum etiam exemplo proſpectum eſt; acuent ad bonas artes juventutem ado - leſcentibus quoque (digni ſint modo) tanta praemia conſtituta; acuent princi - pes viros ad liberos ſuſcipiendos, et gau - dia ex ſuperſtitibus, et ex amiſſis tamglorioſa ſolatia. Erit ergo pergratum mihi, hanc effigiem ejus intueri, ſubinde reſpicere, ſub has conſiſtere, praeter hanc commeare. Etenim ſi defunctorum imagines domi poſitae dolorem noſtrum levant, quanto magis eae, quibus in ce - leberrimo loco, non modo ſpecies et vultus illorum, ſed honor etiam et gloria refertur? Lib. 2. Ep. 7.

Bey den neuern Nationen hat man von einem ſo kraͤftigen Mittel, zu Verdien - ſten aufzumuntern, indem man ihr Andenken erhaͤlt, nur ſelten Gebrauch gemacht. Es ſind nur einige Regenten, nur einige Helden oder Staatsmaͤnner, denen hie und da in Reſidenzſtaͤdten an oͤffentlichen Plaͤtzen eine Statuͤe errichtet ſteht, nur hie und da eine Buͤſte auf einem Saal oder ein Grabmal in einer Kirche. Wie viele Sum - men ſind nicht fuͤr unendlich oft wiederholte Copien der Gottheiten des Alterthums, womit wir unſere Staͤdte und Gaͤrten fuͤllten, verſchwendet worden, und wie wenig hat man daran gedacht, einen Theil dieſes Aufwandes den wahren Wohlthaͤtern des menſchlichen Geſchlechts und den verdienſtvollen Maͤnnern aus unſerer eigenen Nation zu widmen! **)Dieſes gilt allerdings von Deutſch - land. In Norden iſt eine herrliche An - ſtalt dieſer Art, die noch kein Land hat, angefangen. Man ſehe unten im Anhan - ge die Beſchreibung von Jaͤgerspreis.Nichts ſollte den Fuͤrſten heiliger ſeyn, als gemeinnuͤtzige Verdienſte durch oͤffentliche Monumente zu belohnen, und dadurch an Plaͤtzen, wo oft große Ver -S 3ſamm -142Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,ſammlungen ſind, wo das Volk verweilt, begeiſternde Erinnerungen zu verbreiten. Ein Denkmal, dem weiſen und edlen Mann errichtet, iſt nicht blos ein Triumph, den man der Tugend verſtattet; es iſt zugleich eine oͤffentliche Aufforderung zu einer aͤhnlichen Tugend, nicht blos an die Zeitgenoſſen, ſondern auch an die Nachkommen - ſchaft gerichtet.

2.

Wenn wir nach dem Beyſpiele der Alten die Kraft der Denkmaͤler mehr ſchaͤtzen lernten, ſo wuͤrden ſelbſt manche Gegenden in den Gaͤrten, mit dem Genuß der laͤnd - lichen Annehmlichkeiten, die Erweckung des Andenkens an ein ſchoͤnes oder nuͤtzliches Verdienſt, und die Unterhaltung moraliſcher Empfindungen verbinden koͤnnen. Es koſtet wenig Ueberlegung, um auf eine mit dem guten Geſchmack uͤbereinſtimmende Weiſe einen Garten, den Aufenthalt des Vergnuͤgens, zugleich hie und da zu einer Schule der Weisheit einzurichten; und dazu ſind Monumente des Verdienſtes weit geſchickter und anſtaͤndiger, als der kindiſche Einfall in den Gaͤrten zu Verſailles, durch Fontainen aͤſopiſche Fabeln vorzuſtellen, deren Bedeutung man jedoch erſt durch Inſchriften in der Naͤhe aufzuklaͤren ſich genoͤthigt fuͤhlte.

Unter den verſchiedenen Gattungen von Denkmaͤlern ſchicken ſich einige mehr fuͤr oͤffentliche Plaͤtze in den Staͤdten, andere mehr fuͤr Gaͤrten. Regenten, Helden, Staatsmaͤnner, große Wohlthaͤter der menſchlichen Geſellſchaft, Verdienſte von ei - nem allgemeinen Einfluß in den Staat, haben einen Anſpruch auf oͤffentliche Monu - mente in den Reſidenzſtaͤdten, wo ſie auf Koſten der Nation errichtet, oder doch ihrem Auge ausgeſtellt ſind. In Gaͤrten aber ſchicken ſich mehr Denkmaͤler, die der Pri - vatmann ſtiften kann, Denkmaͤler, nicht ſowohl fuͤr die glaͤnzenden, als vielmehr fuͤr die angenehmen Gattungen des Verdienſtes, und zwar ſolche, die mit gartenmaͤßigen Vorſtellungen eine gewiſſe Verbindung haben, oder ſich auf Naturſcenen und ihre Veredelung beziehen.

Man kann hier die Monumente Philoſophen, Dichtern, Kuͤnſtlern, nuͤtzlichen Buͤrgern oder Freunden, lebenden ſowohl als verſtorbenen, widmen. Sie koͤnnen nicht weniger Denkmaͤler des Vergnuͤgens, als der Trauer ſeyn. Sie erfordern alle - mal eine ihrem Charakter angemeſſene Scene. Ein Monument, irgend einer frohen Begebenheit, irgend einer Empfindung oder Wiedererinnerung von der angenehmen Art geweihet, reize von einem ſchoͤnen Huͤgel das Auge; ein Denkmal des Schmerzesoder143Monumenten und Inſchriften. oder der Melancholie verberge ſich beſcheiden in der oͤden Vertiefung oder zwiſchen Um - huͤllungen dunkler Gebuͤſche, oder unter einer Felſenwand.

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Die Wirkungen der Monumente koͤnnen ſehr abwechſelnd ſeyn, nach der Ver - ſchiedenheit der Perſonen oder Sachen, deren Andenken ſie erneuern. Sie erwecken intereſſante Erinnerungen oder Empfindungen der Verehrung, der Freundſchaft und der Liebe; Bewegungen eines ſanften Vergnuͤgens, oder einer ſuͤßen Schwermuth. Man verweilt, wenn die Schoͤnheiten der Natur unſer Auge geſaͤttigt haben, gerne bey Monumenten, wo das Herz Nahrung findet.

Die Monumente, die ein Gartenbeſitzer aus dem Zirkel ſeiner Familie oder Freunde waͤhlt, haben fuͤr ihn und fuͤr die, welche mit ihm ein gleiches Intereſſe ver - bindet, die meiſte Kraft. Allein in einem ſolchen Fall iſt doch auch auf den entfern - tern Zuſchauer ſo weit Ruͤckſicht zu nehmen, daß er, wo er auch nicht mit empfindenkann,144Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,kann, doch durch eine wuͤrdige Vorſtellung, entweder von der Seite des Gegenſtandes, oder von der Seite des Geſchmacks in dem Denkmal ſelbſt, unterhalten werde.

Die verſchiedenen Arten der Denkmaͤler koͤnnen bald zur Baukunſt, bald zur Bildhauerkunſt gehoͤren. Zu jener die Gebaͤude, und beſonders die Tempel, wovon oben gehandelt iſt, die Pyramiden, die Pfeiler, die Ehrenpforten, die Triumphboͤgen; zu dieſer die Statuͤen, die Obelisken, die Saͤulen, die Urnen, die Grabmaͤler, u. ſ. w. In einigen Werken vereinigen ſich beyde Kuͤnſte. Einige Denkmaͤler ſind einfach, wie eine Statuͤe, oder eine Urne, oder eine Saͤule; andre zuſammengeſetzt, wie ein Grabmal mit einer Gruppe von Figuren, oder eine Urne mit einer daran ſich lehnen - den klagenden Statuͤe. Aus allen dieſen kann uͤberhaupt der Kuͤnſtler nach dem Cha - rakter und der Wichtigkeit ſeines Gegenſtandes Denkmaͤler waͤhlen.

Doch giebt es unter dieſen Monumenten einige, welche, weil ſie einen Charak - ter von Pracht, Groͤße und Hoheit haben, zur Verehrung erhabener und glaͤnzender Verdienſte vorzuͤglich geſchickt ſind, und daher mehr in Reſidenzſtaͤdten, als in Gaͤr - ten, Platz finden koͤnnen. Dahin gehoͤren die Ehrenpforten, Triumphbogen, Sta - tuͤen zu Pferde, Obelisken und andere hohe Saͤulen. Man hat ſie in einige koͤnigliche Parks und Gaͤrten von großem Umfang und einem edlen Charakter eingefuͤhrt; ſie ſchicken ſich allerdings da beſſer, als in Gaͤrten von Privatperſonen; allein ſie gehoͤren doch mehr auf oͤffentliche Plaͤtze in den Staͤdten, in der Naͤhe der Reſidenzſchloͤſſer oder anderer praͤchtiger Gebaͤude, wo ſie ſchon durch ihren eigenen Charakter den Ein - druck von Wuͤrde und Erhabenheit verſtaͤrken koͤnnen. Sie kuͤndigen eine ſolche Art von Pracht an, die ſich nicht uͤberall mit der Simplicitaͤt der Gaͤrten vertraͤgt. Ein Obelisk kann oft gegen eine Waldung oder gegen einen See eine treffliche Wirkung machen. Allein ein Triumphbogen in einem Garten iſt beynahe das, was eine gruͤne Laube mitten auf dem Markte ſeyn wuͤrde. Das Ungewoͤhnliche kann Aufſehen ma - chen oder ein kurzes Erſtaunen erregen; aber nie den wahren Geſchmack befriedigen. Eine Pyramide ruft uns in die Zeit der Aegypter zuruͤck; ein altes Monument ſoll zur Bezeichnung einer neuen Sache dienen; man ſieht nichts Eigenthuͤmliches, man ſieht eine bloße Nachahmung, deren Wirkung mit der Abſicht, die man zu erreichen ſucht, nicht immer gluͤcklich zuſammenſtimmt; da im Gegentheil eine einfache Saͤule, die jedes Land haben kann, ein weit ſchicklicheres Mittel ſeyn wuͤrde.

Urnen und Grabmaͤler koͤnnen ſchon aus dem Grunde in dunkeln und melancho - liſchen Revieren der Gaͤrten ſchickliche Gegenſtaͤnde ſeyn, weil ſie dem Charakter und den Wirkungen dieſer Gegenden ſo natuͤrlich zuſtimmen. Allein ſie verſtaͤrken nicht blos uͤberhaupt den Eindruck der melancholiſchen Gegend, ſondern erwecken auch Ideen und Empfindungen, welche die melancholiſche Gegend fuͤr ſich nicht ſo beſtimmthervor -145Monumenten und Inſchriften. hervorbringen kann. Sie machen den Anſchauer ſchon auf den erſten Blick aufmerk - ſam; er wird unter einer bangen Ahndung herbeygelockt; Verehrung, Liebe, Verbin - dung, Trennung, Thraͤnen, Sehnſucht, Schmerz, alle dieſe ruͤhrenden Vorſtellun - gen draͤngen ſich ſeiner Seele entgegen; er tritt naͤher, ſieht, lieſet; er hoͤret die ſtumme Klage der Freundſchaft, und ſtimmt bald mit ein; und indem er in das ſym - pathetiſche Gefuͤhl dahinfließt, empfindet er wieder, was auch er einſt verlor, und was vielleicht bald ſein Freund oder ſeine Gattinn an ihm ſelbſt verlieren wird; ein Gemiſch von melancholiſchem Schauer, von ſanfter Wehmuth, von zaͤrtlichem Verlangen, und von dunklen Hoffnungen durchwallet ſein Herz; und mit einem Seufzer, der die ganze Fuͤlle ſeiner Bewegungen verraͤth, ſchleicht er davon. Mehr noch muͤſſen ſol - che wirkliche Denkmaͤler in Gaͤrten ruͤhren, als Pouſſins beruͤhmtes Gemaͤlde Ar - cadien,*)Du Bos in den Reflexions critiques ſur la Poéſie & la Peinture. Tom. I. ch. 6. das mitten in einer reizenden Landſchaft das Grabmal einer jungen Schaͤ - ferinn vorſtellt, die in der Bluͤthe ihres Alters geſtorben iſt. Die Grabſchrift beſteht blos aus dieſen Worten: Et in Arcadia ego! Aber dieſe kurze Inſchrift erweckt die ernſthafteſten Betrachtungen in zween Juͤnglingen und zwo Maͤdchen, die mit Blu - menkraͤnzen geſchmuͤckt ſind, und, wie es ſcheint, dieſes traurige Denkmal von ohn - gefaͤhr an einem Orte angetroffen haben, wo ſie keinen ſolchen Gegenſtand aufſuchten. Einer von ihnen laͤßt die uͤbrigen dieſe Inſchrift bemerken, indem er mit dem Finger dahin zeigt, und man nimmt in ihren Geſichtern, durch den Schmerz, der ſich ihrer bemaͤchtigt, nun nichts mehr, als die letzten Ueberreſte einer ſterbenden Freude wahr. Man glaubt die Betrachtungen zu hoͤren, die dieſe jungen Perſonen uͤber den Tod ma - chen, der weder des Alters, noch der Schoͤnheit ſchont, und vor dem die gluͤcklichſten Himmelsgegenden keine Freyſtaͤtte haben.

Dem Kuͤnſtler ſteht bey dem Bau eines Monuments eine Menge von Formen zu Gebot, wenn ſie nur ſowohl an ſich in einem richtigen Geſchmack ſind, als auch ſich zu dem Charakter ſeines Werks ſchicken. Die Erfindung aller Theile des Baues, die ganze Ausfuͤhrung und ſelbſt die Verzierung, muß nach dem mehr oder weniger Wichtigen, nach den Regeln der Schicklichkeit, und nach der beſondern Art und Be - ſtimmung des Werks genau beurtheilt und abgemeſſen werden. Die ganze aͤußere Geſtalt muß auf eine gefaͤllige Weiſe das Auge an ſich ziehen. Es muß einen deut - lich ausgedruckten Charakter haben, der den Anſchauer nicht lange uͤber die Bedeutung zweifelhaft laͤßt; und dieſer Charakter muß ſchon begriffen werden koͤnnen, ehe noch die Leſung einer Inſchrift die Aufklaͤrung vollendet. Eine Urne, ein Grabmal iſt ſchondurchIII Band. T146Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,durch ſich verſtaͤndlich; allein eine bloße Saͤule, die einer Verſchiedenheit der Bezeich - nung faͤhig iſt, bedarf ſchon eines kleinen aufklaͤrenden Zuſatzes, einer Aufſchrift oder eines Sinnbildes. Ein Schmetterling, worunter ſchon die Alten die Unſterblichkeit der Seele ſehr richtig vorſtellten, Pſyche, die mit geſtuͤtztem Haupte ſich an den Fuß einer Saͤule lehnt, eine ſitzende Figur, die mit beyden Haͤnden ihre Knie umfaſſet, ein Genius, der eine Fackel ausloͤſcht, u. a. ſind weit anſtaͤndigere Sinnbilder bey Trauermonumenten, als ein ekelhafter Todtenkopf. Ein bloßer Blumenkranz iſt zu - weilen ſchon eine hinlaͤngliche Bezeichnung auf einer Saͤule, die einer frohen Erinne - rung gewidmet iſt. Bey keinem Kunſtwerke iſt alles Ueberfluͤßige in der Verzierung ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als bey Monumenten. Nichts ſchadet mehr der ſtillen Groͤße und der ernſthaften Einfalt, die das Weſentliche ihres Charakters ausmachen. Ein Trauerdenkmal ſcheint faſt gar keine Verzierung zu vertragen. Je einfacher ein Monument iſt, deſto weniger kann es das Auge zerſtreuen, deſto ſicherer und ſchneller iſt ſein Eindruck. Das Auge muß es auf einmal umfaſſen koͤnnen, nichts haben zum Aufſuchen, noch zum Herumirren. Zwo Inſchriften widerſprechen ſchon dem Ge - ſetze der Einfachheit, und eine ganz vollſtaͤndige Saͤule, die auf ihrer Spitze noch eine Urne traͤgt, iſt beynahe ſchon eine uͤberfluͤßige Zuſammenſetzung.

3.

Nachdem in der neuen Manier der Kunſt die Bewegungen, die Gaͤrten zu er - regen faͤhig ſind, vervielfaͤltigt worden, hat man auch edle Monumente einzufuͤhren angefangen. Schon lange haben die Britten ihren Dichtern und andern verdienten Maͤnnern der Nation Urnen, Saͤulen und, wie ſchon bemerkt iſt, Gebaͤude zu Denk - maͤlern in ihren Parks gewidmet. Man trifft davon jetzt faſt uͤberall Beyſpiele an. Angenehm iſt die Erinnerung, daß eines der erſten davon eine Denkſaͤule der kindli - chen Liebe war, die Pope ſeiner Mutter in ſeinem bekannten Garten in Twickenham ſetzte, und die noch ſteht. Es iſt eine vierſeitige abgeſtutzte Saͤule; ſie haͤlt funfzehn Fuß in die Hoͤhe, außer dem Poſtament von fuͤnf Fuß, und iſt mit dieſer Inſchrift geziert:

Ah Editha, matrum optuma, mulierum amantiſſima, vale! ()

Das Monument ſteht auf einer kleinen Erhoͤhung von Raſen, und iſt ringsumher mit Fichten, Ulmen und Cypreſſen umſchloſſen; der Eingang iſt ein mit Moos bekleideter und von hohen Baͤumen uͤberſchatteter Platz.

Deutſch -
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147Monumenten und Inſchriften.

Deutſchland hat in verſchiedenen Gaͤrten ſehr anſtaͤndige Denkmaͤler in einem aͤchten Geſchmack. *)Ein ſolches neulich geſetztes Monu - ment befindet ſich in dem Garten des adeli - chen Gutes Raſtorf, zwo Meilen von Kiel, wovon Herr Magiſter und Prediger Mielck zu Preetz 1779 in 8 eine Beſchreibung gege - ben hat. Es bedarf indeſſen wohl kei - ner Erinnerung, daß man hier keine Be -ſchreibung der vornehmſten Denkmaͤler, ſondern vielmehr nur einige wenige Bey - ſpiele erwarten kann.Doch unter unſern Dichtern iſt Gellert noch der erſte, dem Oeſer in einem Garten bey Leipzig**)Gellerts Monument. 8. Leipzig 1774. woraus die folgende Beſchreibung gezo - gen iſt. ein Monument errichtet hat, das dieſes vor - trefflichen Kuͤnſtlers ſo wuͤrdig, als des Mannes iſt, deſſen Aſche die ganze Nation verehrt. Gellert gab zuerſt der deutſchen Poeſie Leichtigkeit, Feinheit, Gefaͤlligkeit, verbunden mit Einfalt und Unſchuld, das, was man Grazie nennt. Man kann ihn daher mit Recht als den Vater der deutſchen Grazien anſehen; aber er ſtarb ihnen ab, da ſie noch Kinder waren, und hinterließ ihre voͤllige Ausbildung andern Haͤnden. Dieſe Idee, die ein ſo wahres und gemaͤßigtes Lob auf Gellert und den weſentlichen Hauptzug aus ſeinem ſchriftſtelleriſchen Charakter enthaͤlt, leitete den Kuͤnſtler. Er verſammlet um die Urne des Dichters die drey Grazien; aber ſie ſind noch Kinder, kleine holdſelige Kinder, die auf die Zukunft, wenn ſie ihre Reize erſt ganz entwickelt haben, die liebenswuͤrdigſten Geſchoͤpfe verſprechen. Sie betrau - ren ihren Vater und ehren ſein Andenken. Zwo der kleinen Goͤttinnen haben ſich wehmuͤthig uͤber ſeine offene Urne hingeworfen, die auf einer unvollendeten Saͤule ſteht. Unter ihnen beugt ſich die dritte, am Fuße der Urne knieend, zu ſeinem medaillenfoͤr - migen Bildniſſe nieder, das, in Lorbeerlaube angeknuͤpft, an der Saͤule herabhaͤngt, und giebt ihm durch ihr Attribut, die Roſe, ſeine letzte Zierde. Der Ausdruck des Schmerzes iſt der Wuͤrde ſolcher Kinder gemaͤß, die uͤber gemeine Kinder erhaben ſind. Kein wilder Ausbruch der Thraͤnen entſtellt ihr Antlitz, und ihre Traurigkeit ſcheint ihre Reizungen zu erheben. Das ganze Werk iſt von vortrefflichem ſaͤch - ſiſchen Marmor, der dem von Paros voͤllig gleich iſt, und das Saͤulenſtuͤck kanelirt; der Ring am Schaftgeſimſe hat, wie an der Saͤule des Antonin und Trajan zu Rom, die Geſtalt eines Lorbeerkranzes, und dieſes Stuͤck von unverjuͤngter Dicke ru - het mit ſeinem Unterſatze auf der Mitte einer viereckigten Stufe. An der dem Bild - niſſe entgegengeſetzten Seite lieſet man auf einer ihm an Groͤße, Form und Verzierung gleichen Tafel: Gellerts Andenken. Die Figuren ſind etwas uͤber Lebensgroͤße von Kindern; die drey Fuß und ſechs Zoll hohe Urne iſt, wie der Saͤulenſtamm, drey Fuß und drey Zoll im Diameter; mit den Figuren iſt die Urne fuͤnf, das Saͤulenſtuͤck mit der Stufe acht, und alſo der ganze Bau dreyzehn Fuß hoch. ***)Siehe Tab. I.

T 2Wir148Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

Wir haben keine Weſtmuͤnſter-Abtey, wo die Aſche der erſten Maͤnner der Nation neben der Aſche ihrer Koͤnige ruht. Wir haben nicht einmal, wie Frank - reich, eine Akademie, die den Genies vom hoͤchſten Range eine Statuͤe zu bewirken weiß. Die Verdienſte der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte ſehen noch unter uns keine An - ſtalt zu ihrer oͤffentlichen Verehrung; manche große Gelehrte und Dichter, deren Werke die benachbarten Nationen mit Bewunderung leſen, haben kaum einen Grab - ſtein mit ihrem Namen. Aber in unſern Gartenrevieren iſt Raum und Macht, uns ſelbſt zu ehren, indem wir zur Ehre unſerer verdienteſten Maͤnner Denkmaͤler ſetzen. Welcher Fuͤrſt, welcher Große, oder welcher Privatmann will den Anfang machen?

Haller, der uns zuerſt die großen Schauſpiele der Natur ſchilderte, die ſein Vaterland enthaͤlt, verdient ſchon als Dichter eines der erſten Monumente in Scenen, die dem erhabenen Charakter ſeiner maleriſchen Poeſie zuſtimmen. Ihm,

aus deſſen ewigen Liedern
Der Aare Ufer uns duften und vor dem Angeſicht prangen;
Der ſich die Pfeiler des Himmels, die Alpen, die er beſungen,
Zu Ehrenſaͤulen gemacht;
*)Kleiſt im Fruͤhling.
*)

ihm ſey dieſes Denkmal gewidmet, das auf einem hohen Felſen ſteht, in einer ſchwei - zer Landſchaft mit Viehweiden und Doͤrfern, und den Alpen in der Ferne. **)Siehe Tab. II.

Ihm folge hier Hagedorn, der uns ſo oft zu den Freuden des Landlebens lockte, und deſſen Lied rein und heiter dahin floß, wie der Quell, der ſich unter ſeinem Denk - mal hervorgießt, das in einem luftigen Waͤldchen auf einer Wieſe ruht. ***)Siehe Tab. III.

Hier iſt ein Monument fuͤr einen andern Dichter, der uns die Schoͤnheit der Natur beſang, fuͤr einen Mann, der als Menſchenfreund lebte, und als Held fuͤr das Vaterland fiel. †)Siehe Tab. IV.

Wer ſetzt es unſerm Kleiſt, dem Saͤnger des Fruͤhlings? Ihm, der ſich im Leben begluͤckter fuͤhlte, als Achill und Hannibal; denn

Er ſah auf blumigter Flur das Winken ſchattigter Erlen,
Den Schmuck des lachenden Hains, die weißen Birken voll Laub,
Den Thaldurchirrenden Bach.
††)Eine Stelle des Dichters von ſich ſelbſt.
††)
Traurend
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149Monumenten und Inſchriften.

Traurend legt ſich hier Herkules auf ſeine Urne, um welche dieſe Worte ſtehen:

Ihr Winde, wehet ſanft! die heilge Aſche ruht. *)Worte des Dichters.

Ein kleiner Liebesgott bekraͤnzt ſeine Leyer. Das Denkmal ſteht unter duͤſter herab - hangenden Baͤumen, an einem etwas erhabenen Orte, wovon man die weite Land - ſchaft uͤberſieht.

Nicht weniger erhebe ſich in unſern Gaͤrten ein Monument fuͤr Hagedorn, den Bruder des Dichters, den ſcharfſinnigen Kunſtgelehrten und den gluͤcklichen Kuͤnſtler, der die Schoͤnheit der Natur und der Landſchaftgemaͤlde ſo gruͤndlich zu entwickeln wuß - te. Er verſtand das große Geheimniß, die Kunſt in der Natur zu finden. Bald fuͤhlte er,**)S. ſeine Betrachtungen uͤber die Ma - lerey. 8. 2 Th. Leipzig 1762. S. 5. von Horaz und Chaulieu begleitet, das unſchuldige Vergnuͤgen des Landlebens, bald betrachtete er mit mehrerer Ruͤckſicht auf den liebenswuͤrdigen Schoͤ - pfer, mit den angenehmen Beſchreibungen eines Thomſons und Sulzers, die Schoͤnheit der Natur, und fand ſie darauf zu Hauſe in den Gemaͤlden des Swane - velts und Thomans wieder. In ſeinen Betrachtungen durchwandert der Kenner mit Vergnuͤgen die Mannigfaltigkeit der Scenen, die uns in der Natur entzuͤcken, und der reizenden Nachbildungen, die uns die Landſchaftmaler davon darſtellten. Sein Denkmal ſteht hier vor einem duͤſtern Walde auf einem freyen Platze, wovon man eine große Landſchaft und in der Ferne Dresden erblickt. ***)Siehe Tab. V.

Doch duͤrfen wir mit Monumenten fuͤr unſere verdienten Maͤnner nicht immer erſt warten, bis wir ſie beweinen; wir koͤnnen ſie ihnen, wenn ihr Ruhm entſchieden iſt, ſchon bey ihrem Leben widmen. Denkmaͤler fuͤr das noch lebende Verdienſt haben außerdem noch eine Heiterkeit, die den Trauermonumenten abgeht, und ſind dadurch den Bewegungen eines anmuthigen Gartens vorzuͤglich angemeſſen. Keine Idee kann wohl natuͤrlicher ſeyn, als dem groͤßten Idyllendichter der neuern Zeit, der uns mit ſo vieler Einfalt und Naivitaͤt die Unſchuld und ſuͤßen Freuden des arkadiſchen Weltalters empfinden lehrte, der die kunſtloſen Reize der Natur nicht blos in ſeinen Gedichten, ſondern auch durch ſeine Radiernadel vor uns hinzuzaubern wußte, unſerm Geßner, ein Monument zu weihen. Hier iſt ein Entwurf dazu, der eine Ausfuͤh - rung erwartet. ****)Siehe Tab. VI.

T 3Das150Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

Das Denkmal iſt in einer Felſenhoͤhle an einem Bache errichtet. Einige we - nige Baͤume ſtehen davor, Epheu ſchlingt ſich um ſie herum, und an den Felſen waͤchſt die Weinrebe empor. Die Hirtenmuſe an einem Altar, auf welchem eine Floͤte und eine Radiernadel mit Blumen umwunden liegt, lehrt einen Genius die Em - pfindungen der reinen Liebe, indem ſie auf die vor ihm ſitzenden Tauben zeigt; ein Satyr und ein junger Faun hoͤren aufmerkſam zu.

Trauerdenkmaͤler ſind ein Eigenthum der melancholiſchen Scene; außerdem finden ſie in Gaͤrten bey Kloͤſtern und Begraͤbnißplaͤtzen eine ſchickliche Anwendung. Wenn es die Abſicht des Gartenkuͤnſtlers fordert, den Schauer einer ſolchen Scene zu verſtaͤrken; ſo koͤnnen Monumente dieſer Art in einer dunkeln Felshoͤhle, die ſelbſt in beſondern Faͤllen zu Begraͤbnißoͤrtern dienen kann, mit einer guten Wirkung errichtet werden.

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4. Man151Monumenten und Inſchriften.

4.

Man wird leicht empfinden, wie viel alle die bisher angefuͤhrten Werke der Kunſt und der Nachahmung in Gaͤrten, wenn ſie in den ihnen angemeſſenen Plaͤtzen mit Ueberlegung, Geſchmack, und beſonders einer weiſen Sparſamkeit angebracht werden, nicht allein zur Verſtaͤrkung der Wirkungen der Naturſcenen, ſondern auch zur Hervorbringung neuer Bewegungen beytragen koͤnnen. Die noͤthigſte Vorſich - tigkeit aber bey ihrer Anwendung beſtehet darinn, daß man ſie nie zu Hauptwerken in den Gaͤrten mache, ſondern ſie allemal den Naturrevieren unterordne, daß man ſie nie ohne Unterſchied zuſammenhaͤufe, und daß man nie ein einzelnes Werk zugleich mit allen Nebenumſtaͤnden, die ſich bey der Gattung zufaͤllig befinden koͤnnen, erſcheinen laſſe. Selbſt die anſtaͤndigſten und ſchaͤtzbarſten Werke der Kunſt koͤnnen zuweilen in beſondern Faͤllen ganz verwerflich werden; und was einen Garten von einem ge - wiſſen Charakter ziert, kann fuͤr einen andern Verunſtaltung ſeyn. Nirgends findet der Gartenkuͤnſtler mehr, ſelbſt zu ſehen, ſelbſt zu beurtheilen, zu vergleichen, auszu - waͤhlen, oder zu verwerfen, als wo es auf den Gebrauch der Werke der Kunſt an - kommt.

Auch bedarf es wohl keines Beweiſes, wie weit die angezeigten Gegenſtaͤnde der Kunſt und der Nachahmung, die wichtige Vorſtellungen und Empfindungen zu erwe - cken Kraft haben, uͤber die leeren und kleinen Verzierungen erhaben ſind, die der alten Manier eigen waren. Unter allen ſchoͤnen Kuͤnſten vertragen die Gaͤrten, ihrer Na - tur nach, am wenigſten kuͤnſtliche Verzierungen, und doch ſind ſie gerade die, welche der vormals herrſchende Geſchmack damit am meiſten gemißhandelt hat. Es iſt faſt kein Spielwerk des kleinen Witzes, kein Auswurf eines phantaſtiſchen Kopfs, den man nicht in die Gaͤrten aufgenommen, und als wenn er da recht an ſeiner Stelle waͤre, hartnaͤckig zu beſchuͤtzen geſucht haͤtte. Die Natur hat oft dieſen Tyranneyen ſo ſehr weichen muͤſſen, daß kaum eine Spur von ihr uͤbrig blieb. Einige Spielwerke vom kleinen Kram waren ſo abgeſchmackt, daß der verſtaͤndige Mann davon ſein Auge mit Verdruß wegwenden mußte, daß ſie hoͤchſtens nur eine Beluſtigung fuͤr Kinder abge - ben konnten. Dahin gehoͤren z. B. die Parterre von bunt gefaͤrbten Steinchen, Por - zellanſtuͤcken, Glasſcheiben, Marmortaͤfelchen, Muſcheln, woraus man auf dem Sandboden allerley Figuren zuſammenſetzte; das Pflaſter der Gaͤnge mit ſchwarzen und weißen Kieſeln, die Bildungen von Laubwerk oder Thieren vorſtellen ſollten; die Vexierwaſſer; die Maſchinen, welche den Schall der Poſaunen, oder den Knall der Raketen nachahmten; die Waſſerorgeln und andere kuͤnſtliche Poſſen mehr. Man kann nicht behaupten, daß dieſer Geſchmack jetzt uͤberall verdraͤngt iſt. Noch jetztſehen152Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,ſehen wir in Deutſchland, in ſo manchen Gaͤrten der Fuͤrſten, eine Menge von leeren Vaſen aufgeſtellt, die nichts bedeuten; und noch jetzt ſind beſonders die Gaͤrten Ita - liens mit phantaſtiſchen Spielwerken und ſeltſamen Spitzfindigkeiten angefuͤllt. Hier ſind nur einige Beyſpiele dieſer Art aus dem beruͤhmten Garten des großherzoglichen Luſtſchloſſes Pratolino bey Florenz,*)Aus Jagemanns Briefen uͤber Italien. 2ter Band. 8. 1780. 18ter Br. einem Garten, wovon die Italiaͤner mit Entzuͤcken reden. Man leſe und urtheile ſelbſt.

Ohne des Rieſen zu gedenken, in deſſen Bauch ſich eine Grotte befindet, noch des Jupiters, deſſen glaͤnzender Donnerkeil Waſſer ſpritzt, verweilen wir zuerſt bey den Kuͤnſten der langen Grotten, an der Seite des Schloſſes. Eine davon, mit dem Namen Galatea bezeichnet, hat in der Mitte ein ſogenanntes Meer von hellem Waſſer, aus welchem ſich Felſen erheben, die mit Corallen und Meerſchnecken bedeckt ſind. Unvermuthet erſcheint ein Triton, der auf einer Seemuſchel blaͤſet. Sogleich eroͤff - net ſich ein Fels, und Galatea kommt hervor, auf einer vergoldeten Muſchel ſitzend, von zween Delphinen gezogen, die aus ihren Rachen Waſſer ausſpeyen. Zwo an - dere Muſcheln, aus deren Mitte hohe Waſſerſtrahlen hervorſpritzen, begleiten ſie auf beyden Seiten bis ans Ufer. In einer andern Grotte ſiehet man auf großen Waſſer - ſchalen zwo erzene Harpyen, die Waſſer ausſpeyen, noch zwo andere, die mit moſai - ſcher Arbeit bekleidet ſind, und einen Knaben mit einer Weltkugel, die vom Waſſer umgedrehet wird; zu ſeinen Fuͤßen ſind in einem kleinen Teiche Enten, die ſich ins Waſſer tauchen und trinken. Eine andere Grotte ſtellt eine Badſtube vor, die rings - um mit Spiegeln bedeckt iſt. Indeß man ſich auf allen Seiten erblickt, weicht der Boden unter den Fuͤßen, und man wird ganz naß. Faſt in allen Grotten ſind be - triegeriſche Sitze an den Waͤnden angebracht; ſetzt man ſich nieder, ſo ſpritzt ein Waſſerſtrahl unter den Fuͤßen gerade empor. Weiter ſieht man in den Grotten Schaͤ - fer mit ihren Heerden, Waſſermuͤhlen im vollen Gange, kleine Bildſaͤulen, die hin und her gehen, ſingende Voͤgel, ein Frauenzimmer, das, mit einem Eimer in der Hand, aus einer ſich oͤffnenden Thuͤr hervorkommt, und unter dem Schall eines Du - delſacks, den ein naher Hirte blaͤſt, eine Strecke bis zu einem Brunnen fortgeht, wo ſie Waſſer ſchoͤpft, worauf ſie ihren Weg zuruͤckkehrt. Man nennt dieſe Dame Sa - maritana. Dieſem Kunſtſtuͤcke gegenuͤber iſt eine Feſtung, die von einer großen Menge Soldaten von außen beſtuͤrmt und von innen vertheidigt wird. Kanonen und Flinten ſpritzen Waſſer aus. Man hoͤrt die Trommel ſchlagen und ein gewaltiges Geraͤuſch, alles wird durchs Waſſer in dieſe Bewegung geſetzt. Unter der Treppe, wo man in den Garten von Seiten des Schloſſes hinabſteigt, ſteht in einer Grotte dieBild -153Monumenten und Inſchriften. Bildſaͤule der Fama mit einer vergoldeten Poſaune, ein trinkender Drache, ein Bauer, der eine Schale darreicht. Wenn das Waſſer zu ſpielen anfaͤngt, ſo blaͤſt die Fama die Poſaune, und ſchwingt die Fluͤgel; die Schale wird mit Waſſer angefuͤllt, der Bauer reicht ſie dar, und die Schlange taucht ihren Kopf hinein und trinkt. In einer der Fama gegenuͤberſtehenden Grotte ſitzt Pan, der durch die Bewegung des Waſſers aufſteht, auf der Floͤte blaͤſt, den Kopf bewegt, und ſich wieder niederſetzt. Orgeln, Stockuhren, Glockenſpiele, alles vom Waſſer getrieben, Bildſaͤulen, die ſich unvermuthet umdrehen und den Zuſchauer beſpritzen, Theater, in deren Mitte ſich Waſſerbecken erheben, und aͤhnliche Erfindungen in dieſem Geſchmack wechſeln in die - ſem Garten zur Verſchwendung ab. Nach dieſen kleinen Kuͤnſten von ſeltſamen Waſſerſpielen erhole man ſich wieder an der edlen Naturſcene in dieſer Vorſtellung.

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III Band. UIII. In -154Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

III. Inſchriften.

1.

Inſchriften (Aufſchriften) machen Zuſaͤtze bey Gebaͤuden oder Denkmaͤlern aus, die ihren Urſprung oder ihre Beſtimmung erklaͤren. Sie dienen demnach, die Un - gewißheit der Bedeutung aufzuheben, und die Wißbegierde, die bey der Annaͤherung gereizt wird, auf einmal zu befriedigen.

Ihre weſentlichen Eigenſchaften ſind, daß ſie kurz und deutlich, dem Gegen - ſtande angemeſſen, und aus ſeiner Natur und Beſtimmung von ſelbſt entſprungen zu ſeyn ſcheinen muͤſſen. Man kann ſich kurzer Saͤtze in Proſe, oder noch beſſer kurzer Verſe, die ſich leichter dem Gedaͤchtniß einpraͤgen, bedienen. Die Ausdruͤcke muͤſſen kurz, ſtark und ungeſchmuͤckt ſeyn. Nichts empfiehlt ſich mehr zu Inſchriften, als Einfalt und Nachdruck.

Einige Werke der Baukunſt, Saͤulen und andere Monumente wuͤrden oft ohne eine Aufſchrift unverſtaͤndlich ſeyn. Allein hier, wo die Nothwendigkeit ſie zuerſt ein - gefuͤhrt hat und noch oft erfordert, muͤſſen ſie auch am meiſten ſich der Kuͤrze befleißi - gen; zuweilen ſind einige Worte oder ein paar Verſe ſchon hinreichend, die Beſtim - mung des Gegenſtandes, worauf ſie ſich geſchrieben oder eingegraben befinden, deut - lich zu machen.

Ein Gebaͤude oder ein Denkmal vertraͤgt nicht mehr, als Eine Inſchrift, weil ſeine Beſtimmung nur einfach iſt, und zu ihrer Andeutung ſchon Eine zureicht. Das Werk iſt nicht fuͤr die Aufſchrift, ſondern die Aufſchrift fuͤr das Werk da; und meh - rere Inſchriften an einem Denkmal, ſo ſchoͤn auch jede ſeyn mag, geben eine uͤppige Verzierung, die mehr zur Verwirrung, als zur Deutlichkeit wirkt.

Indeſſen koͤnnen zuweilen, auch außer Gebaͤuden und Monumenten, Inſchrif - ten hin und wieder in einem Garten an Ruheſitzen, an Baͤnken, an Portalen u. ſ. w. hingeſtreut werden. Sie hoͤren alsdann auf, nothwendige Erklaͤrungen zu ſeyn, und entfernen ſich alſo etwas von ihrer erſten Beſtimmung. Sie koͤnnen in dieſem Fall, da ſie keine Bezeichnung mehr abgeben, ſchon etwas laͤnger oder ausfuͤhrlicher ſeyn; doch duͤrfen ſie weder in weitlaͤuftige Beſchreibungen, noch in trockene Erzaͤhlungen, zwey ſehr gewoͤhnliche Fehler, ausarten. Sie koͤnnen bald auf die beſondern Schoͤn - heiten der Scenen hinwinken, bald eine nuͤtzliche Lehre ins Gedaͤchtniß zuruͤckrufen, oder eine Empfindung ausdruͤcken, die dem eigenthuͤmlichen Charakter des Ortes an - gemeſſen und durch ihn ſelbſt veranlaßt iſt. Sie duͤrfen daher nicht muͤhſam geſuchtſcheinen,155Monumenten und Inſchriften. ſcheinen, noch ſich im Ganzen durch eine Vermiſchung der Zeiten und Sprachen, woraus ſie entlehnt ſind, widerſprechen. Vornehmlich muͤſſen ſie, wenn ſie moraliſch ſind, einen wichtigen Gedanken oder eine wahre und edle Empfindung ausdruͤcken; wenn ſie auf den Charakter des Auftritts weiſen, treffend und ſtark ſeyn.

Wenn die Inſchriften gluͤcklich erfunden und an ihren Plaͤtzen ſchicklich ange - bracht ſind, ſo beweiſen ſie immer eine gute Wirkung. Sie ſind freylich entbehrlich, indem die Eindruͤcke eines Gartens ſehr ſchwach ſeyn muͤßten, wenn ſie erſt einer ſol - chen Unterſtuͤtzung beduͤrftig waͤren. Allein ſie halten doch oft den fluͤchtigen Luſt - wandler an; ſie reizen das Nachdenken zu einer Zeit, da man ſich blos den ſinnlichen Bewegungen uͤberlaͤßt, ſie unterhalten in der Einſamkeit, beleben die Einbildungskraft, wecken die Empfindlichkeit, oder ſtreuen nuͤtzliche Erinnerungen uͤber den Pfad des Vergnuͤgens oder uͤber den Sitz der Ruhe aus; und faſt immer ſind ſie doch wichtig als Veranlaſſung zu einer Folge von Ideen und Empfindungen, welchen ſich die Seele vielleicht ohne ſie nicht ſo leicht uͤberlaſſen haͤtte.

Zum klugen Gebrauch der Inſchriften gehoͤrt, daß ſie uͤberhaupt in einem Gar - ten nur uͤberaus ſparſam angebracht werden. Nicht jede Scene verlangt ſo wenig, als jedes Gebaͤude, eine Inſchrift; und wenn ſich ihre Zahl zu ſehr vermehrt, ſo ver - lieren ſie zuletzt ihre Wirkung, weil ſich die Aufmerkſamkeit auf ſie vermindert. Es iſt angenehm, an dieſem oder jenem Orte eine hingeſtreute Inſchrift zu finden; aber es wird beſchwerlich, wenn ſich eine Menge dem Auge zudraͤngt. Ein Gartenkuͤnſtler, der uͤberall, wo man ruhen will, zum Leſen auffordert, der jede Bank, jedes Bret mit einer Inſchrift bekleckt, iſt eben ſo unertraͤglich, als ein dreiſter Schwaͤtzer, der uns ſeine Einfaͤlle oder ſeine Beleſenheit unaufhoͤrlich aufdringen will.

Man kann Inſchriften aus verſchiedenen Quellen, beſonders aus den Dichtern des Alterthums oder ſeiner Nation, oder aus eigener Erfindungskraft ſchoͤpfen. Es iſt bekannt, wie vortrefflich ſich die Sprache der Alten zu Inſchriften ſchickt, und wie oft ihre Schaͤtze in dieſer Abſicht genutzt ſind. Indeſſen ſollten doch, in den meiſten Faͤllen, die Inſchriften in der bekannten Sprache des Landes abgefaßt ſeyn, weil in einer alten oder auslaͤndiſchen Sprache ihre Wirkung fuͤr den groͤßern Haufen verloren geht. Es iſt ſonderbar, wenn man in einem Garten ein Gemenge von lateiniſchen, engliſchen, franzoͤſiſchen und deutſchen Aufſchriften zuſammenwirft. Der ver - nuͤnftige Britte ſchreibt ſie in ſeiner Sprache, wenn er nicht aus Roms Dichtern ſchoͤpft. Nur der Deutſche kann ſeine eigene Sprache, ſeine eigene Dichter uͤberſe - hen; und ſcheint mit ſich zufriedener, wenn er englaͤndiſche oder franzoͤſiſche In - ſchriften ausſtellt.

U 22. Weil156Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,

2.

Weil Beyſpiele ſowohl unterrichten, als auch unterhalten, ſo wollen wir hier zuvoͤrderſt einige lateiniſche Inſchriften ſehen, die ſich in verſchiedenen brittiſchen Parks befinden, und wovon die meiſten bekannte Stellen aus roͤmiſchen Dichtern ſind.

Die Inſchriften in den Leaſowes oder Hirtenfeldern ſind ſchon lange, ſowohl der Schoͤnheit ihrer Poeſie, als der gluͤcklichen Anwendung wegen, geſchaͤtzt, die das Genie des vortrefflichen Schenſtone von ihnen zu machen wußte, obgleich darunter einige in englaͤndiſcher Sprache zu weitlaͤuftig ſind. Auf einer Urne, die er dem Andenken einer jungen Verwandtinn weihete, ſteht dieſe ruͤhrende Inſchrift:

Peramabili ſuae conſobrinae, M. D. Ah Maria! puellarum elegantiſſima. Ah flore venuſtatis abrepta! Vale! Heu quanto minus eſt cum reliquis verſari, quam Tui meminiſſe. ()

In einem einſamen und waldigten Thale, wo ſich eine ſchoͤne Caſcade zeigt, findet man im Ruͤcken einer Bank dieſe Stelle:

lucis habitamus opacis Riparumque toros et prata recentia rivis Incolimus. ()

An einem Orte, wo man ein ſchoͤnes Thal ganz uͤberſieht:

Huc ades, o Meliboee! caper tibi ſalvus et hoedi, Et ſi quid ceſſare potes, requieſce ſub umbra. ()

Indem man durch ein laͤndliches Thal, unter dem Schatten dicker Birken, zu einem finſtern Winkel hinaufkommt, trifft man an einer Bank dieſe Worte an:

me gelidum nemus Nympharumque leves cum Satyris chori Secernunt populo. ()In157Monumenten und Inſchriften.

In einem verborgenen Aufenthalt, der angenehme Schatten, große Baͤume und kla - res Waſſer hat, wo das Ohr durch das Saͤuſeln eines benachbarten Hains und das entfernte Geraͤuſch eines fallenden Bachs gereizt wird, findet man dieſe zaͤrtliche Ein - ladung:

Nerine Galatea! thymo mihi dulcior Hyblae, Candidior cygnis, hedera formoſior alba! Cum primum paſti repetent praeſepia tauri, Si qua Tui Corydonis habet te cura, venito. ()

In einer andern Gegend kommt man an einen reizenden Sitz, unter Schatten auf ei - nem Felſen, wo man aus der Finſterniß einen angenehmen Proſpect uͤber die abwech - ſelnde Landſchaft hat; man ſieht auf die Leaſowes, auf das Wohnhaus, auf die mit Wald umgebenen Raſen und auf ſchimmerndes Waſſer hinab; die Hauptzierde dieſer Ausſicht iſt Grange, ein Landſitz zwiſchen Pflanzungen. An dieſem Sitze lieſet man:

Hic latis otia fundis Speluncae, vivique lacus, hic frigida Tempe, Mugitusque boum, mollesque ſub arbore ſomni. ()

An einem Tempel des Pan, der mit einer Schalmey und der ſiebenroͤhrigten Pfeife der Alten geziert iſt:

Pan primus calamos cera conjungere plures Edocuit; Pan curat oves, oviumque magiſtros. ()

Bey einem Sitz, der Thomſons Andenken gewidmet iſt:

Quae tibi, quae tali reddam pro carmine dona? Nam neque me tantum venientis ſibilus auſtri, Nec percuſſa juvant fluctu tam littora, nec quae Saxoſas inter decurrunt flumina valles. ()

Auch der beruͤhmte Park zu Hagley hat einige aus den roͤmiſchen Dichtern gluͤcklich entlehnte Inſchriften, wovon dieſe zum Beyſpiel dienen moͤgen.

In einem einſamen Eichenwald lieſet man, bey einem rauſchenden Bach, dieſe philoſophiſche Lehre des Dichters:

Inter cuncta leges et percunctabere doctos, Qua ratione queas traducere leniter aevum, Quid minuat curas, quid te tibi reddat amicum,U 3Quid158Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,Quid pure tranquillet, honos an dulce lucellum, An ſecretum iter, et fallentis ſemita vitae.

In einer anmuthigen Vertiefung, die gleichſam mit Baͤumen gewoͤlbt iſt, geht man dicht bey einer Quelle vorbey, die zwiſchen Steinen hervordringt und in den Fluß faͤllt; etwas weiter hin rieſelt ein Bach mit angenehmem Geraͤuſch uͤber Felſen fort, vereinigt ſich mit dem Fluſſe, gewinnt noch einen Fall und verliert ſich ins Gebuͤſche. Hier lieſet man:

Hic gelidi fontes, hic mollia prata Lycori, Hic nemus, hic ipſo tecum conſumere in aevo. ()

Ein Sitz von Moos in einem Hain iſt mit hohen, weit ausgebreiteten Baͤumen uͤber - woͤlbt. Die Baͤnke haben im Ruͤcken Gebuͤſche, Epheu und Moos. Gegenuͤber hat man einen zwiſchen Epheu ſenkrecht hinabſtuͤrzenden Wafſerfall, der unten uͤber Steine wegrauſcht, und ſich in das Geſtraͤuch verliert. Dieſer ſchoͤne Sitz hat die Ueberſchrift:

Ego laudo ruris amoeni Rivos et moſco circumlita ſaxa nemusque. ()

An einem andern Orte hat man den Anblick einer ſchoͤnen Caſcade vor ſich, die durch einen Felſen in zween Abſaͤtze getheilt wird, und in einen Strom faͤllt, woruͤber eine Bruͤcke geſchlagen iſt. Hoͤher hinauf iſt eine wilde Gegend, weiter hin eine offene Wildbahn, und zuletzt ein gruͤner Huͤgel, worauf ein runder Tempel ſteht. Alle dieſe Gegenſtaͤnde ſieht man durch einen dicken Wald, welcher der ganzen Scene ein feyerliches finſteres Anſehen giebt. Hier lieſet man die uͤberaus anpaſſende Inſchrift:

Viridantia Tempe, Tempe, quae ſilvae cingunt ſuperimpendentes.

Weiter hin umgiebt eine Bank die Haͤlfte einer ehrwuͤrdigen Eiche, die in einem tie - fen einſamen Thale ſteht. Es iſt mit allerley Baͤumen, Eichen, Buchen, Eſchen, durch einander angefuͤllt; einige ſind ſehr alt, und ihre nackenden Wurzeln ganz in einander gewachſen; andere hoch, ſchmal und gerade; zwiſchen ihnen ſchlaͤngeln ſich Baͤche in ſteilen Gaͤngen fort. Das Geraͤuſch derſelben, das Girren der Holztauben, welches ſich mit den durchdringenden Toͤnen der kleinen Voͤgel vermiſchet, die feyerliche Einſamkeit und Dunkelheit des Platzes, machen einen ſo angenehmen Eindruck auf das Gemuͤth, daß es alle Sorgen vergißt, und ſich der Ruhe und dem Vergnuͤgen uͤberlaͤßt. Die Bank fuͤhrt dieſe Inſchrift:

Libet159Monumenten und Inſchriften. Libet jacere modo ſub antiqua ilice, Modo in tenaci gramine; Labuntur altis interim rivis aquae, Queruntur in ſilvis aves. Fontesque lymphis obſtrepunt manantibus, Somnos quod invitet leves. ()

Der Tempel der Venus zu Stowe iſt mit dieſer Inſchrift aus dem Catull geziert:

Nunc amet, q́ui nondum amavit; Quique amavit, nunc amet. ()

Eine Menge von aͤhnlichen gluͤcklichen Aufſchriften, aus den alten Dichtern ent - lehnt, trifft man in andern Parks von England an.

3.

Allein deutſche Inſchriften ſind fuͤr deutſche Gaͤrten doch vorzuͤglich zu em - pfehlen, zumal wenn ſie nicht eben bey Gebaͤuden und Monumenten, denen oft latei - niſche beſſer zu ſtehen ſcheinen, angebracht, ſondern nur an Sitzen, Portalen, oder anderswo zur angenehmen Beſchaͤftigung des Geiſtes oder des Herzens hingeſtreuet werden. Wer ſie nicht aus ſich ſelbſt zu ſchoͤpfen weiß, der kann ſeine Zuflucht zu unſern beſten Dichtern nehmen, bey welchen hin und wieder Stellen vorkommen, die ſich mit Gluͤck als Inſchriften gebrauchen ließen. Hier ſind einige Beyſpiele davon, die man leicht mit aͤhnlichen vermehren kann, und deren Anfuͤhrung an dieſem Ort eine Veranlaſſung zur Aufmerkſamkeit auf unſere eigene Schaͤtze ſeyn mag. Es gehoͤrt nur eine ſehr maͤßige Beurtheilung dazu, um einzuſehen, bey welchen Scenen und Plaͤtzen ſie eine Anwendung finden koͤnnten.

Das Vergnuͤgen folget nur
Sanften Trieben der Natur.
Stille Lanben ſind ſein Haus,
Seine Pracht ein friſcher Strauß;
Einfalt und Gemaͤchlichkeit
Sein gewoͤhnliches Geleit.
O! wie ſchoͤn iſt alles hier!
Dorimene kam zu mir
In der Laube Schatten;
Wo die Geißblattranken bluͤhu,
Und mit duftendem Jasmin
Sich begatten.
Immer160Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Immer rinnet dieſe Quelle,
Niemals plaudert ihre Welle.
Komm, Wandrer, hier zu ruhn!
Komm, lern an dieſer Quelle
Stillſchweigend Gutes thun!
Weil ich nicht praͤchtig ſchmauſen kann,
Sollt ich nicht froͤhlich ſchmauſen koͤn -
nen?
Will Flora fuͤr mein Haar mir holde
Roſen goͤnnen,
Was geht der Fuͤrſten Pracht mich an?
Wie ſanft, wie ruhig fuͤhl ich hier
Des Lebens Gluͤck, nicht ſeine Sorgen!
Und ſonder Ahndung leuchtet mir
Willkommen jeder Morgen.
Hier ſeh ich, was ich nimmer ſahe,
Die Hoͤlle fern, den Himmel nahe,
Hier trotz ich ihr, hier preiß ich ihn;
Hier, wo wir nur in Huͤtten wohnen,
Seh ich nicht Perlen und nicht Kronen,
Doch ſeh ich Veilchen und Jasmin.
Um Reichthum thu ich keine Bitte,
Wenn auf mein Land und meine Huͤtte
Nur Regen trieft und Sonne ſcheint;
Was noͤthig iſt, hab ich zum Leben,
Will mir der Himmel mehr noch geben,
So geb er mir noch einen Freund.
Laß andre nur nach Reichthum ſtreben,
Ihn nimmt und giebt der Zufall nur;
Mir iſt ein Baum und Bach gegeben,
Und dieſe gab mir die Natur.
Laß andre weit und praͤchtig wohnen,
Ich habe doch noch groͤßern Raum;
Sie liegen auf erhabnen Thronen,
Ich unter einem hohen Baum!
Mich entzuͤcket der Wald, mich der ent -
bluͤhte Baum,
Mich der tanzende Wieſenquell,
Mich der Morgengeſang oder das Abend -
lied
Meiner Freundinn, der Nachtigall.
Wann der bethaute Morgen lacht,
Wann von den Fittigen der Nacht
Die Stunden kuͤhler ſind;
Spricht mir die Weisheit liebreich zu;
O! Sterblicher, was ſorgeſt du,
Und wuͤnſcheſt in den Wind?
Der dich gemacht, ſorgt auch fuͤr dich!
Nicht auf die Erde ſchraͤnket ſich
Der Plan des Himmels ein.
Dieß Leben iſt ein Augenblick,
Ein Fruͤhlingstraum das laͤngſte Gluͤck;
Du ſollſt unſterblich ſeyn!
O! Wald, o! Schatten gruͤner Gaͤnge!
Geliebte Flur voll Fruͤhlingspracht!
Mich161Monumenten und Inſchriften.
Mich hat vom ſtaͤdtiſchen Gedraͤnge
Mein guͤnſtig Gluͤck zu euch gebracht;
Wo ich, nach unruhvollen Stunden,
Die Ruhe, die dem Weiſen lacht,
Im Schooße der Natur gefunden.
Die Anmuth praͤchtiger Natur
Vergnuͤgt mich auf beblumter Flur,
Auf Huͤgeln und im dunkeln Haine.
Ich jauchz an ſtiller Muſen Bruſt
So froͤhlich, als bey Cyperns Weine;
Ja, wenn ich Thoren einſam ſcheine,
Vertraut ſich mir die reinſte Luſt.
Du haſt mit Schoͤnheit, die entzuͤckt,
Das Antlitz der Natur geſchmuͤckt,
O! aller Schoͤnheit reiche Quelle!
Dir geht kein Weſen vor!
Die reinſte Liebe ſchwelle
Mein ganzes Herz zu dir empor!
Die guͤtige Natur verlangt nicht unſre
Plage.
O! ruhten wir an ihrer Bruſt,
Und ließen ihr die Wahl der beſſern
Luſt,
Wie heiter floͤſſen unſre Tage!
Die Freude, welche ſie mit milder Hand
bereitet,
Reizt ungekauft, ermuͤdet nicht,
Iſt ruhig, rein, ſanft wie das Mor -
genlicht,
Das uͤber friſche Roſen gleitet.
O! wie begluͤckt iſt der, den nie ſein
Herz verdammt,
Und den kein leerer Stolz, kein Durſt
nach Gold entflammt!
Der, wenn die ganze Welt in Laſtern
um ihn brennet,
Sich kalt erhaͤlt, nach keinen Wuͤrden
rennet;
Und, fern vom Laͤrm der Falſchheits -
vollen Stadt,
Frey unter Linden ruht, die er gepflanzet
hat!
Noch rinnt und rauſcht die Wieſen -
quelle,
Noch iſt die Laube kuͤhl und gruͤn;
Noch ſcheint der liebe Mond ſo
helle,
Wie er durch Adams Baͤume ſchien
O! wunderſchoͤn iſt Gottes Erde,
Und werth, darauf vergnuͤgt zu
ſeyn!
Drum will ich, bis ich Aſche werde,
Mich dieſer ſchoͤnen Erde freun.
III Band. XSchoͤn162Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Schoͤn iſt, Mutter Natur, deiner Erfin -
dung Pracht
Auf die Fluren verſtreut, ſchoͤner ein
froh Geſicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schoͤpfung noch einmal
denkt.
Die gruͤne Nacht belaubter Baͤume
Lockt uns in anmuthsvolle Traͤume,
Worinn der Geiſt ſich ſelber wiegt;
Er zieht die ſchweifenden Gedanken
In angenehm verengte Schranken,
Und lebt mit ſich allein vergnuͤgt.
Freund, lege deinen Unmuth ab,
Der macht ſich aus der Welt ein Grab,
Der ihre Luſt nicht will genießen;
Waͤr unſer Herz von Ekel leer,
So wuͤrde bald ein Wolluſtmeer
Von jedem Huͤgel in uns fließen.
O! Land, der Tugend Sitz, wo zwiſchen
Trift und Auen
Uns weder Stolz noch Neid der Sonne
Licht verbauen;
Und Freude Raum erblickt; wo Ehrgeiz
und Betrug
Sich nicht dem Strohdach naht, noch
Gift dem irdnen Krug;
Wo Redlichkeit ein Ruhm, und Treu
ein Erbtheil iſt,
Wie in Arcadien!
Wunderſeliger Mann, welcher der Stadt
entfloh!
Jedes Saͤuſeln des Baums, jedes Ge -
raͤuſch des Bachs,
Jeder blinkende Kieſel
Predigt Tugend und Weisheit ihm.
Jedes Schattengeſtraͤuch iſt ihm ein hei -
liger
Tempel, wo ihm ſein Gott naͤher
voruͤberwallt;
Jeder Raſen ein Altar,
Wo er vor dem Erhabenen kniet.
Nur der iſt ein Liebling des Himmels, der,
fern vom Geraͤuſche der Thoren,
Am Bache ſchlummert, erwachet und
ſingt. Ihm malet die Sonne
Den Oſt mit Purpur, ihm haucht die Wie -
ſe, die Nachtigall ſingt ihm;
Ihm folget die Reue nicht nach, nicht
durch die wallenden Saaten,
Nicht unter die Heerden im Thal, nicht
an ſein Traubengelaͤnder.
Mit Arbeit wuͤrzt er die Koſt, ſein Blut
iſt leicht, wie der Aether;
Sein Schlaf verfliegt mit der Daͤmmrung,
ein Morgenluͤftchen verweht ihn.
Wir163Monumenten und Inſchriften.
Wir wollen unſer Lebenlang
Uns ſanften Freuden weihen!
Der Wieſe Duft, der Waldgeſang
Soll immer uns erfreuen!
Uns gruͤnen Saaten, Trift und Hain,
Uns rauſchen Waſſerfaͤlle;
Uns malt des Himmels Widerſchein
Roth, weiß und blau die Quelle.
Aus Blumenkelchen laͤchelt uns
Der ſuͤße Blick der Freude;
Wir ſehen ihn, und freuen uns,
Wie Laͤmmer auf der Weide.
Es danket unſer frohe Blick
Dem Gott, der uns ins Leben
Gerufen, und ſo manches Gluͤck
Aus Vaterhuld gegeben.
Des Mondes ſilbern Bild
Iſt ruhig, lieblich, mild;
Er laͤchelt jedem Ruh
Und ſuͤße Stille zu.
Die Weisheit gleichet ihm,
Nie wild und ungeſtuͤm,
Die jedem, der ſie liebt,
Auch gleiche Sanftmuth giebt.
Wie Gottes Sonne ſich zum Untergan -
ge neigt,
So neige ſich dereinſt mein Leben!
Mein Gang durch dieſe Welt iſt blu -
micht, ſtill und eben;
O! moͤchte Gott es geben,
Daß ſich am Ziel kein rauher Abweg
zeigt!
Gern ſenket ſich mit ſchweigendem Ge -
fieder
Der Schlaf zur ſtillen Huͤtte nieder;
Er liebt ein ſchattigt Thal, wo Zephyr
lauſcht,
Und ſanft die Silberquelle rauſcht.
Froh iſt mein Abend, froh mein Mor -
gen!
Der Fuͤrſten ſchwere Sorgen
Und Tyranney,
Die Hoffart mit dem duͤrren Neide,
Des Laſters wilde Freude,
Gehn fern von mir vorbey.
Komm in die kuͤhle Nacht der Sommer -
laube,
Wo lieblicher Jasmin bey Roſen
bluͤht,
Und feuriger der Saft der rheinſchen
Traube
Im Deckelglaſe gluͤht!
X 2Manch164Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Manch Roſenblaͤttchen ſchwimmt herab -
geriſſen
Im edlen Wein, und ruft uns war -
nend zu;
Eil, Juͤngling, deine Tage zu genießen!
Denn ſterblich biſt auch du.
Still iſt dieſe Gegend; Ruhe wohnet
Ringsumher; der Liebe Goͤttinn thronet
Hier am liebſten. Eine Schaͤferinn,
Die an Liebreiz nicht der Goͤttinn weichet,
Daphne mit den blauen Augen ſchlei -
chet
Oft in dieſe ſtille Schatten hin.
Und der Friede wallt auf allen Wegen
Der geliebten Schaͤferinn entgegen,
Unſchuld folget ihren Schritten nach;
Zephyr haucht durchs junge Laub gelin -
der,
Laute Waſſerguͤſſe rauſchen minder,
Und das Lied der Nachtigall wird wach.
An Phillis.
Erkenne dich im Bilde
Von dieſer Flur:
Sey ſtets, wie dies Gefilde,
Schoͤn durch Natur!
Erwuͤnſchter, als der Morgen,
Hold, wie ſein Strahl;
So frey von Stolz und Sorgen,
Wie dieſes Thal!
Ich will mich ſtets, bey jeder kleinen
Gabe,
Die mir der Himmel giebt, erfreun;
Ich will den Weg, den ich zu laufen
habe,
Mit Blumen mir beſtreun.
Sollt ich mich nicht des Lebens freun?
Ich athme hier im Klee
Der Kraͤuter Suͤßigkeiten ein,
Bevor ich ſie noch ſeh.
Euch Thaͤler, und euch Hoͤhen,
Die jetzt der Sommer ſchmuͤckt,
In ſtiller Ruh zu ſehen,
Iſt, was mein Herz entzuͤckt.
Schoͤn ſeyd ihr, Wald und Weiden!
Und die bethaute Flur!
Wie groß ſind deine Freuden,
O! reizende Natur!
Willſt du frey und luſtig gehen,
Durch dieß Weltgetuͤmmel;
Mußt du auf die Voͤgel ſehn
Wohnend unterm Himmel;
Jedes165Monumenten und Inſchriften.
Jedes huͤpft, und ſingt, und heckt
Ohne Gram und Sorgen,
Schlaͤft, vom gruͤnen Zweig bedeckt,
Sicher bis zum Morgen.
Keines bebt im Sonnenſtrahl
Vor den fernen Stuͤrmen;
Koͤmmt ein Sturm, ſo wirds im Thal
Baum und Fels beſchirmen.
Taͤglich bringt es ſeinen Dank
Gott fuͤr jede Gabe,
Flattert einſtens mit Geſang
Still und leicht zu Grabe.
Geliebtes Land, dein aufgeklaͤrter Him -
mel,
Der ſanft und rein um ſtille Fluren
fließt,
Empfange mich vom Laͤrm und vom
Getuͤmmel
Der weiten Stadt, wo Unmuth mich
umſchließt!
Rund herum iſt Freude,
Freude dort am Huͤgel,
Und im Thale Freude,
Freude in Gebuͤſchen,
Freude auf den Baͤumen,
Alles lebt und fuͤhlet;
O! wie ſchoͤn, o! wie ſchoͤn
Iſt der May!
Hier, Freund, verſtummt der letzte
Laut
Vom tollen, ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel;
Wohin dein Fuß ſich lenkt, wohin dein
Auge ſchaut,
Liegt ſchoͤnre Bahn vor dir, glaͤnzt dir
ein heitrer Himmel.
Die reine Luft, die deinem Kinn
Liebkoſend hier entgegen ſchwebet,
Wie ſtill iſt ſie! Kein Laut von Unſinn
iſt darinn,
Kein Dampf, der auf dem Haupt ge -
draͤngter Staͤdte ſchwebet.
Wann von der Flur die ſatten Heerden
ziehen,
Und keines Schaͤfers Rohr im Thale
mehr erklingt,
Und nun im Hain dein Lied, in ſanften
Melodien,
Den Tag hinab zur Ruhe ſingt;
Und eine Schaar bewundernder Geſpie -
len,
Von deiner Kunſt entzuͤckt, auf nahen
Aeſten lauſcht;
X 3Wann166Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Wann alles ſchweigt, und ſelbſt das Laub,
dein Lied zu fuͤhlen,
In jedem Wipfel leiſer rauſcht;
Wann ſie dann kommt, die meine Seele
liebet,
Wann ſie dann kommt und auch auf
deine Lieder hoͤrt,
Bey jedem Wechſellaut dir frohen Bey -
fall giebet,
Mit Laͤcheln jeden Schlag beehrt:
Dann, Nachtigall, o! dann laß deine
Toͤne
Entzuͤckender, als ſonſt, und wolluſt -
voller ſeyn.
Es floͤße dein Geſang der muntern Do -
rimene
Die angenehmſte Schwermuth ein!
Einwohnerinn in dieſen Straͤuchen,
An dieſem kuͤhlen Waſſerfall,
Du mußt noch nicht von dannen wei -
chen,
Du kleine, ſuͤße Nachtigall.
Bald kommt Philinde aus der Ferne:
Wie ſuͤß die ſinget, ſingſt du nicht.
Lern von ihr ſingen; von dir lerne
Sie lieben; denn dieß kann ſie nicht.
Ja! alles, was ich ſeh, ſind Gaben vom
Geſchicke,
Die Welt iſt ſelbſt gemacht zu ihrer Buͤr -
ger Gluͤcke;
Ein allgemeines Wohl beſeelet die Natur,
Und alles traͤgt des hoͤchſten Gutes
Spur.
O! ſelig, wer in Ruh, mit ſelbſt ge -
zognen Stieren,
Den angeſtorbnen Grund von eignen
Aeckern pfluͤgt,
Wen reine Wolle deckt, belaubte Kraͤnze
zieren,
Und ungewuͤrzte Speis aus ſuͤßer Milch
vergnuͤgt;
Wer ſich bey Zephyrs Hauch, an kuͤhlen
Waſſerfaͤllen,
Zum unbeſorgten Schlaf auf weiche Ra -
ſen ſtreckt;
Wen nie in hoher See das Brauſen wil -
der Wellen,
Noch der Trompeten Schall in bangen
Zelten weckt;
Wer ſeinen Zuſtand liebt, und niemals
wuͤnſcht zu beſſern,
Gewiß! der Himmel kann ſein Gluͤcke
nicht vergroͤſſern.
Gott zeigt in ſeiner Schoͤpfung Werke
Sich uͤber unſerm Haupt, ſich auf der
Erde groß;
Er167Monumenten und Inſchriften.
Er gab der Sonne Glut, den Elephan -
ten Staͤrke,
Den Blumen Duft, und Sammt dem
Moos.
Was nuͤtzt die Roſe, wenn man ſie nicht
bricht?
Man geht unfuͤhlend vorbey,
Fragt nicht, wie ſchoͤn ſie ſey;
Sie ſtirbt, der Juͤngling beklaget ſie
nicht!
O! Chloe, in dem Schatten hier
Genieß mit mir dein Leben!
Die Goͤtter koͤnnen dir und mir
Kein groͤßer Gluͤcke geben.
Der Baum, der uns jetzt Schatten
giebt,
Wird bald den Lenz betrauern;
Doch ſoll auch unſre Zaͤrtlichkeit
Des Lebens Winter dauern.
Was brauchen wir des Gluͤckes
Gunſt
Mit ſeinen Guͤtern allen?
Die Liebe lehrt uns ja die Kunſt,
Uns ewig zu gefallen.
Willkommen ſchoͤner Morgen!
Waͤr ich nicht fruͤh erwacht,
So bliebſt du mir verborgen
Mit deiner ganzen Pracht.
Rings um mich her iſt Freude,
Im Feld und auf der Weide;
Schoͤn iſts, wohin ich ſeh,
Im Thal und auf der Hoͤh!
Unmuth iſt oft bloßer Wahn;
Laßt uns ewig ihm entfliehn!
Selbſt auf unbeſuchter Bahn
Findet man ein Beilchen bluͤhn;
Gluͤcklich, wer es dankbar pfluͤckt,
Und nicht achtlos niederdruͤckt.
O! Freund! dem unterm niedern
Dach
Die ſelge Zeit verfließt,
So wie der ſanfte Silberbach
Sich durch die Au ergießt!
Du ſiehſt die Flur ſich ihre Bruſt
Mit Perlen uͤberziehn,
Du ſiehſt voll jugendlicher Luſt
Des Himmels Wange gluͤhn.
Du fuͤhlſt, wie Zephyrs linder Hauch
Den ſchwuͤlen Mittag kuͤhlt,
Indem er hier mit Baum und Strauch,
Und dort mit Aehren ſpielt.
Du trinkſt den ſuͤßen Traubenmoſt
Und ſchoͤpfeſt friſchen Muth;
Dein168Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Dein Feldbau wuͤrzet dir die Koſt,
Und ſchafft dir leichtes Blut.
Du ſchlaͤfſt, wo dir ein Platz gefaͤllt,
Zufriednes Herzens ein.
Dein iſt die ganze ſchoͤne Welt,
Der ganze Himmel dein!
O! Schoͤpfer! was ich ſeh, ſind deiner
Allmacht Werke,
Du biſt die Seele der Natur!
Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne
Glanz und Staͤrke
Sind deiner Hand Geſchoͤpf und
Spur.
Blumen, holde Fruͤhlingskinder,
Kommet dieſes Jahr geſchwinder!
Meine Chloe faͤnget dann
Ganz gewiß zu lieben an.
Wer deine Freuden kennt, einfaͤltige
Natur!
Wuͤnſcht keine Schaͤtze, wuͤnſcht ſich eine
Huͤtte nur,
Und einen kuͤhlen Quell, und einen klei -
nen Wald,
Worinn das Abendlied der Nachtigall
erſchallt.
Die Luft iſt blau, das Thal iſt gruͤn,
Die kleinen Mayenglocken bluͤhn,
Und Schluͤſſelblumen drunter;
Der Wieſengrund
Iſt ſchon ſo bunt,
Und malt ſich taͤglich bunter.
Drum komme, wem der May ge -
faͤllt,
Und freue ſich der ſchoͤnen Welt,
Und Gottes Vaterguͤte,
Der dieſe Pracht
Hervorgebracht,
Den Baum und ſeine Bluͤte!
Der Hirte zu dem Hoͤfling.
Du ſchlaͤfſt auf weichen Betten, ich ſchlaf
auf weichem Klee;
Du ſieheſt dich im Spiegel, ich mich in
ſtiller See;
Du trittſt auf Fußtapeten, ich tret auf
ſanftes Gras;
Dich traͤnken theure Weine, mich traͤnkt
ein wohlfeil Naß;
Du wohnſt in bangen Mauern, ich wohn
auf freyer Flur;
Dir malt die Kunſt den Fruͤhling, mir
malt ihn die Natur;
Du169Monumenten und Inſchriften.
Du biſt oft ſiech vor Wolluſt, ich bleibe
ſtets geſund;
Dich ſchuͤtzt vor Geld ein Schweizer, mich
ſchuͤtzt mein treuer Hund;
Du ſchlummerſt ein bey Saiten, ich bey
dem Waſſerfall;
Du hoͤrſt Caſtrat und Geiger, ich Lerch
und Nachtigall;
Dich ſieht der heiße Mittag, mich ſieht
der Morgen wach;
Dein Maͤdchen glaͤnzt von Schminke,
mein Maͤdchen glaͤnzt vom Bach.
Kommt, des ſchoͤnen Mayen,
Schweſtern, euch zu freuen,
Mit Geſang und Tanz!
Durch das Gruͤn der Linde
Liſpeln laue Winde,
Schimmert Mondenglanz.
O! genießt des Lebens!
Sollen euch vergebens
So viel Freuden bluͤhn!
Laßt das Haar uns kraͤnzen,
Und in raſchen Taͤnzen
Unſre Wangen gluͤhn!
In Wieſen und Flur
Giebt uns die Natur
Die ſchoͤnſten Blumen zu pfluͤcken;
Drum will ich zum Tanz
Mit einem Kranz
Die blonden Haare mir ſchmuͤcken.
Doch ſollt ich nicht den,
Der alles ſo ſchoͤn
Erſchuf, erſt bruͤnſtig erheben?
Durch Jubelgeſang
Preiß ihn mein Dank,
Doch mehr mein kuͤnftiges Leben!
O! du biſt ſelig, o! du Weiſer,
In deiner ungeſtoͤrten Ruh!
Viel ſeliger, als alle Kaiſer,
Und alle Koͤnige biſt du!
Am Morgen meiner Lebenszeit
Bluͤh ich der Roſe gleich;
Noch iſt mein Herz von Froͤhlich -
keit
Und ſuͤßen Wuͤnſchen reich.
Doch oͤffn ich dieſes der Begier,
Der Wolluſt falſchen Scherz:
So trifft mich ihre Glut, in ihr
Verwelkt ein edles Herz.
Wie ſelig iſt, wer ohne Sorgen
Sein vaͤterliches Erbe pfluͤgt!
III Band. YDie170Fuͤnfter Abſchn. Von Statuͤen, Monumenten und Inſchr.
Die Sonne laͤchelt jeden Morgen
Den Raſen an, auf dem er liegt,
Sie laͤchelt ihm, ſie geht ihm unter;
Und nun willkommen, ſuͤße Nacht!
Er ſingt ſich in den Schlaf, und munter
Erwacht er, wenn die Sonn erwacht.
O! laßt, beym Klange ſuͤßer Lieder,
Uns laͤchelnd durch dies Leben gehn;
Und, ſinkt der letzte Tag hernie -
der,
Mit dieſem Laͤcheln ſtille ſtehn!
[figure]
Anhang.

Anhang. Beſchreibungen von Gaͤrten.

I. Beſchreibung von Friedensburg. II. Beſchreibung von Jaͤgerspreis. III. Beſchreibung von Marienluſt. IV. Beſchreibung von Sophienberg. V. Beſchreibung von Friedrichsberg. VI. Beſchreibung einiger Landſitze in Seeland; beſonders von Bernstorf. VII. Beſchreibung von Schwanſee. VIII. Beſchreibung von Breſe. IX. Beſchreibung des fuͤrſtlichen Gartens vor Zelle.

171

I. Friedensburg. *)Dieſes Koͤnigl. Luſtſchloß gehoͤrt Ih - ro Majeſtaͤt der verwitweten KoͤniginnJuliana Maria, und liegt fuͤnf Meilen von Copenhagen.

Die Ehrfurcht, womit man ſich den Wohnungen der Koͤnige naͤhert, hat zu Frie - densburg ein ſeltenes Vorrecht; ſie darf mit der natuͤrlichen Freyheit des Le - bens vereinigt bleiben. Kein ſteifes Ceremoniel, kein ſclaviſcher Zwang fordert hier Verſtellung oder Verlaͤugnung. Die Ehrerbietung und der Anſtand folgen blos den Geſetzen der Natur, und die Feinheit der Sitten wird von dem guten Geſchmack gelei - tet. Man iſt hier frey und heiter, wie die ſchoͤne Landſchaft, die ringsumher reizt. Der Hof hat nur Wuͤrde, kein leeres Gepraͤnge. Er hat keine Leibwache, aber die Liebe des Volks, das ihn mit vergnuͤgten Blicken umringt. Der Unterthan aus den entfernteſten Gegenden glaubt hier noch in ſeiner Heimath zu verweilen; und der Frem - de faͤngt an, ſein Vaterland nicht mehr zu vermiſſen. Die Heiterkeit des Geiſtes und die anſtaͤndige Freyheit der Sitten, die hier uͤberall herrſchen, ſind natuͤrlich; denn ſie ſind Wirkungen der mildeſten Monarchie und der perſoͤnlichen Leutſeligkeit der Koͤniglichen Herrſchaften.

Friedensburg iſt ſowohl des Sommeraufenthalts des Hofes, als auch der mannichfaltigen Schoͤnheiten der Natur, und der Anlagen des ausgebreiteten Gartens wegen, das erſte der Koͤnigl. Luſtſchloͤſſer. Zwar genießt es nach ſeiner Lage nicht, wie Marienluſt, Sophienberg, Charlottenlund, Friedrichsberg, der herrli - chen Ausſichten auf das Meer; allein es hat dafuͤr einen Reichthum von abwechſeln - den Annehmlichkeiten der laͤndlichen Natur. Die Gegend umher traͤgt das reizende Gepraͤge der Fruchtbarkeit und der Cultur; die ſchoͤnſten Waͤlder, in deren weiten Zwiſchenraͤumen Kornfluren und Wieſen ruhen, erheben von allen Seiten ihre ſtolzen Haͤupter; und von Norden nach Weſten wallet in der Tiefe zwiſchen gruͤnen Anhoͤhen und Waldungen der ausgebreitete Eſſomerſee.

Dieſe Gegend verdiente es, von Friedrich dem Vierten zuerſt zum Auf - enthalt gewaͤhlt zu werden. Er vollendete den Bau des Schloſſes in dem Jahre 1720, als hier der Friede mit Schweden unterſchrieben ward, und gab ihm den Namen von einer Begebenheit, die fuͤr das Herz eines Koͤnigs, der Vater ſeiner Voͤlker iſt, mehr als hundert Eroberungen gilt. Das Monument auf dem Schloßplatze iſt zu - gleich ein Ehrendenkmal fuͤr Koͤnige, die den Frieden lieben. An einer mit KraͤnzenY 2gezierten172Anhang. Beſchreibungengezierten Saͤule, die ſich in der Mitte des Platzes erhebt, erſcheint unten auf der Vor - derſeite die Goͤttinn des Friedens in weißem Marmor. Man lieſet unter der Statuͤe an dem weißen marmornen Fußgeſtell der Saͤule dieſe Inſchrift mit goldenen Buch - ſtaben:

Paci ſtatuam arcem quodque reliquum fuit vitae dedicavit Fridericus quartus Anno MDCCXX. ()

und auf der Seite nach dem Schloſſe:

Pacis huc usque continuae Regis Chriſtiani ſeptimi moderamine firmatae ſtatori et conſervatori DOM. dicat Iuliana Mar a Anno MDCCLXXV. ()

Das Schloß, das vor einigen Jahren erweitert worden, erhebt ſeine Kupel zwiſchen den umherlaufenden Fluͤgeln mit einem freyen und edlen Anſehen. *)Eine Vorſtellung des Hauptgebaͤudes ſ. im 2ten Band der Theorie der Garten - kunſt, S. 4.Es hat eine Menge von ſchoͤnen Gemaͤchern, die praͤchtig ausgeziert und mit Gemaͤlden von den groͤßten Meiſtern bereichert ſind. Die ſchoͤnern Ausſichten verbreiten ſich in den Garten, und verlieren ſich zwiſchen den weiten Alleen, die des Proſpects wegen in gerader Linie ablaufen, bald uͤber den Eſſomerſee, bald uͤber die Feldgegenden, unter abwechſelnden Reizen in die Ferne hinaus.

Hier ruhete Friedrich der Fuͤnfte in den unvergeßlichen Jahren ſeiner gluͤck - lichen Regierung, und machte dieſes Luſtſchloß zur gewoͤhnlichen Sommerwohnung des koͤniglichen Hauſes. Seine ſanfte Seele ergoͤtzte ſich hier an den Freuden der Natur und an dem hoͤchſten Gluͤcke eines Koͤnigs, den ſuͤßen Empfindungen, die ihm diereinſte173von Luſtſchloͤſſern. reinſte Liebe ſeiner Voͤlker erregte. Ihm, der tauſend nuͤtzliche Anſtalten aufleben, und alle Kuͤnſte ſeines Vaterlandes bluͤhen hieß, Ihm verdankt der Garten ſeine Er - weiterungen und Verſchoͤnerungen. Noch ſcheint Sein Geiſt, wenn Seine Koͤni - ginn hier wandelt, in heiliger Stille uͤber dieſe ehrwuͤrdige Eichen zu ſchweben, die Er liebte, die Seine Juliana liebt. Sie wohnt hier gerne, und gerne wohnt der Friede und die Gluͤckſeligkeit bey Ihr. An jedem Tage erfreut Sie dieſe reizenden Spaziergaͤnge mit Blicken, die alles um Sie her erheitern, und mit einem Geſchmack, welcher der Guͤte Ihres Herzens gleicht, faͤhrt Sie fort, die Natur mit neuen Ver - ſchoͤnerungen zu beleben, die noch in den weitlaͤuftigen Revieren dieſes Parks Raum haben.

Das Luſtſchloß hat die vortheilhafte Lage, daß es gleich an einem ſehr anſehnli - chen Wald liegt, der aus allen Arten von den ſchoͤnſten Baͤumen beſteht, welche die Natur unter dieſem Himmelsſtrich wild wachſen laͤßt, beſonders aus ehrwuͤrdigen Ei - chen und Buchen. Der Wald iſt ſo ausgedehnt, daß man ihn mit mehrerem Rechte eine Sammlung von Waͤldern, die an einander haͤngen, nennen koͤnnte. Durch dieſen Wald, der ſchon von der Hand der Natur mit allen Mannigfaltigkeiten von waldigten Scenen bereichert, der mit freyen und heitern Raſenplaͤtzen geziert iſt, der hin und wieder ſanfte Erhoͤhungen und Senkungen des Bodens, an der Seite nach dem Eſſomerſee aber tiefe Abhaͤnge hat, ſind die Verſchoͤnerungen ausgebreitet. Und durch dieſe Vorzuͤge der urſpruͤnglichen Bildung hat nicht nur das Ganze ein un - gezwungenes und laͤndliches Anſehen, ſondern auch eine gewiſſe Pracht der Natur und eine Wuͤrde erhalten, die den Parks der Koͤnige gehoͤrt, und die keine Kunſt hervor - zwingt. Auch ſind hier keine Verſuche gewagt, denen das Clima widerſpricht, noch taͤndelnde Anlagen, welche die Wirkung der natuͤrlichen Groͤße, die hier herrſchen ſoll, nur ſtoͤren wuͤrden. Das Ganze iſt frey und edel, wie die Natur, oder wie eine Koͤ - niginn, die ihre Wuͤrde kennt.

Der ganze Wald iſt ringsumher mit einer großen Einhegungsallee, deren frey wachſende Baͤume aus Roßkaſtanien und Linden abwechſelnd beſtehen, umgeben. Aus der Einhegungsallee auf der weſtlichen Seite erhebt ſich eine Kaſtanienallee, die mitten durch den Park nach Oſten gehet; ſie hebt ſich und ſenkt ſich, hat frey wach - ſende Baͤume mit ſchoͤnen Laubdecken, bildet anmuthige Proſpecte, die auf dunkle Hintergruͤnde fallen, vereinigt Licht und Schatten in wechſelnden Spielen, die Nacht und den Tag in ſanfter Harmonie. Von der Gartenſeite des Schloſſes laufen ſechs große gerade Hauptalleen mit weiten Proſpecten den Wald hinab, und verlieren ſich unten in die Einhegungsallee. Und zwiſchen dieſen Hauptalleen ſtreckt ſich gerade vom Schloß ab eine breite Schloßallee. Dieß ſind die Abtheilungen des Ganzen, zwi -Y 3ſchen174Anhang. Beſchreibungenſchen welchen die Haine, Luſtgebuͤſche, Wildniſſe, Spaziergaͤnge, alle Anpflanzungen und Scenen, mit Waldſtuͤcken abwechſelnd, liegen.

Die Schloßallee geht nach Norden, und theilt den Wald und den ganzen Park in zwey große Reviere, in das Oſtrevier, das ſich von Norden nach Oſten zur Rech - ten erſtreckt, und in das Weſtrevier, das ſich von Norden nach Weſten zur Linken verbreitet.

Zwiſchen dem Schloſſe und dem Anfange des Waldes, wo die Schloßallee mit allen Hauptalleen anfaͤngt, außer daß die aͤußerſte Allee zur Rechten, oder die ſoge - nannte Reitallee ſchon unmittelbar bey dem Schloßgebaͤude anhebt, verbreitet ſich ein uͤberaus anſehnlicher Vorplatz. Er iſt nahe an dem Schloſſe mit zwey Vaſen und vier ſchoͤnen Statuͤen, welche die Jahreszeiten vorſtellen, von Wiedewelt gezieret. Die beyden Vaſen*)Dieſe und die folgenden Werke der Bildhauerkunſt, die hier genauer angezeigt werden, ſind von dem beruͤhmten Bild - hauer, dem Juſtizrath und Profeſſor, auch Director der Academie der Kuͤnſte zu Co - penhagen, Herrn Wiedewelt. Man hat von dem groͤßten Theil Abbildungen in Fol. geſtochen, unter dem Titel: Monumenta Fredensburgica juſſu Friderici V. erecta, ohne Beſchreibung. Allein dieſe Werke verdienten durch einen gluͤcklichern Grab - ſtichel zum Ruhm der nordiſchen Kunſt den Auslaͤndern bekannt gemacht zu werden.ſind von weißem italiaͤniſchen Marmor, und ſtehen auf Fuß - geſtellen von nordiſchem Marmor. Sie ſind mit Blumen umkraͤnzt und behangen; und auf der einen ſind die Bildniſſe des Socrates und des Diogenes, auf der an - dern die vom Anacreon und der Sappho medaillenfoͤrmig vorgeſtellt. Die Figuren der Jahreszeiten ſind in voͤlliger Lebensgroͤße: Flora mit einem Blumenkranz; Ce - res mit Kornaͤhren und Sommerfruͤchten; ein junger Bacchus mit Trauben; ein Greis im Gewand eingehuͤllt, bey einem Feuertopf. Der Vorplatz iſt darauf mit zwey großen Raſen bekleidet, die ringsumher mit Blumenſtuͤcken umkraͤnzt ſind. In gerader Linie von dieſem Vorplatze hat man eine praͤchtige Ausſicht in die große Schloß - allee hin.

Auf den beyden Ecken des Waldes, wo ſie anfaͤngt, wird das Auge von zwey großen Werken der Bildhauerkunſt gereizt, welche die beyden Koͤnigreiche, zur Rech - ten Norwegen, zur Linken Daͤnnemark abbilden. Sie ſind in ſitzenden weiblichen Figuren von weißem italiaͤniſchen Marmor, das Geſicht nach dem Schloſſe gekehrt, vorgeſtellet, und ruhen auf erhabenen Sitzen, mit einem auf den Seiten fortlaufenden Dockengelaͤnder von roͤthlichem nordiſchen Marmor. Das ganze laͤngliche Fußge - ſtell mit den Gelaͤndern und den Sitzen in der Mitte iſt zwey und ſechzig Fuß lang. Der obere Theil des Gelaͤnders iſt mit den Wappen des Koͤnigs, mit Blumenkraͤn -zen,175von Luſtſchloͤſſern. zen, Fruchthoͤrnern und andern Sinnbildern, alle ebenfalls von weißem italiaͤniſchen Marmor, geziert. Der Anfang des Parks, ſo nahe im Angeſichte des Schloſſes, konnte nicht anſtaͤndiger und praͤchtiger verziert werden. Die Figuren, die acht Fuß halten, haben mit den erhabenen Sitzen ein gutes Verhaͤltniß gegen die Hoͤhe des Waldes, und der weiße Marmor macht gegen das dunkle Gruͤn der feyerlich empor - ragenden Baͤume einen herrlichen Contraſt.

Bey dieſen Monumenten der Meiſterhand eines Wiedewelt faͤngt die Schloß - allee an ſich zu verbreiten. Sie beſteht eigentlich aus zwo breiten Alleen, mit erwach - ſenen Linden und jungen Tannen abwechſelnd. Dieſe beyden Alleen laſſen in der Mitte einen ſehr breiten und langen Platz liegen, der mit verſchiedenen großen Raſen von abwechſelnden Formen geſchmuͤckt iſt, und auf welchen ſich vier anſehnliche Gruppen mit Vorſtellungen aus der alten Dichterfabel und andre Zierden der Bildhauerkunſt von Wiedewelts Erfindung erheben. Das Auge hat einen praͤchtigen Proſpect uͤber dieſe verzierten Raſenplaͤtze hin, und wo ſie ſich endigen, uͤberſieht es in der Feldgegend einen huͤgelichten Vorgrund von Kornfeldern, zur Linken eine breite Strecke des Eſſo - merſees, und uͤber ihn hinaus Waͤlder, die ſich in ihren dunkeln Schatten huͤllen, zur Rechten heitre Landſchaften in der Ferne, die dagegen eine reizende Abwechſelung bilden. Zwiſchen der Außenlinie der beyden Alleen und einer Hecke, welche die Ein - faſſung des Waldes macht, geht auf jeder Seite noch ein Weg mit abaͤndernden Pro - ſpecten hinab. Und auf beyden Seiten dieſes Reviers hinab bilden die emporſteigen - den Gipfel der Waldbaͤume einen erhabenen Anblick.

Die Schloßallee macht, wie bemerkt iſt, eine natuͤrliche Abtheilung dieſes koͤ - niglichen Parks. Zuerſt

Das Oſtrevier.

1. Die Gegenden von der rechten Seite des Vorplatzes vor dem Schloß bis an den Wald.

Unmittelbar vom Schloſſe verbreitet ſich auf der Rechten des Vorplatzes ein Luſtſtuͤck mit niedrigen Hecken, uͤber welche die Ausſicht aus dem Schloſſe bequem hinſtreicht; in ſeinem Bezirk laufen Gaͤnge umher, und in den Zwiſchenraͤumen ſieht man bald Plaͤtze mit Erdbeeren, bald Gruppen von kleinen Statuͤen. Ein breitet Gang zur Rechten, der in eine gerade Hauptallee fuͤhrt, iſt mit Lorbeerbaͤumen beſetzt. Um176Anhang. BeſchreibungenUm den untern Theil des Luſtſtuͤckes windet ſich eine Allee von Linden in einem halben Zirkel, und ſtoͤßt auf die linke Seite der aͤußerſten Hauptallee dieſes Oſtreviers, oder der Reitallee, die weiter oben bey der Kirche des Schloſſes anfaͤngt, und ſich nach un - ten hinab mit einer ſehr maleriſchen Durchſicht fortzieht.

An die Lindenallee, welche den halben Zirkel unten an den Hecken umſchreibt, ſtoßen zwo andere Partien.

Die zur Rechten beſteht aus vier Raſenſtuͤcken, die mit niedrigen Hecken, zwi - ſchen welchen Gaͤnge laufen, eingefaßt ſind. Zwo kurze Alleen von Linden kommen von der Gegend des Schloſſes durch dieſe Partie. Das obere Ende nach dem Schloſſe iſt mit einer Reihe Statuͤen in lebhaften und fliegenden Stellungen geziert, die auf Fußgeſtellen vor einem kleinen Raſenrand ſtehen, an welchen ſich ein Gang herum - windet. Die untere Seite draͤngt ſich an den Wald, hat auf jeder Ecke eine Saͤule, und in der Mitte ein treffliches Werk der Bildhauerkunſt von Wiedewelts Erfin - dung, das auf einem kleinen runden erhoͤheten mit Linden umkraͤnzten Raſenplatz ſtehet. Es ſtellet in einer Gruppe von ſechs halb erhobenen Figuren, auf einer weißen Mar - mortafel, mit beyſtimmenden Verzierungen, das Feſt der Weinleſe im antiken Ge - ſchmack vor. Die Tafel iſt an einem aus rohen nordiſchen Marmorbloͤcken zuſam - mengeſetzten Werk, das mit einer weißen marmornen Vaſe gekroͤnt iſt, befeſtigt. Beyde Lindenalleen laufen auf dieſes Monument hin. Hinter dieſer Partie erſcheint eine anmuthige waldigte Scene mit offenen Grasplaͤtzen.

Die andere Partie liegt zur Linken, und wird von dieſer durch eine hinablaufen - de Hauptallee, die hier anfaͤngt, getrennt. Sie iſt ein ſchoͤner runder Platz mit einer niedrigen Hecke umzogen. In der Mitte liegt eine Erhoͤhung, worauf ſich eine hohe marmorne Saͤule (columna roſtrata) erhebt, die unten nahe am Saͤulenfuß auf zwo Seiten in einer runden mit Lorbeerblaͤttern umkraͤnzten Tafel Inſchriften mit goldenen Buchſtaben zeigt. Auf der Seite nach dem Schloſſe:

Fortiſſima Conſilia Tutiſſima ()

Auf der andern Seite:

Anno MDCCLXII. ()

Unten an dieſer Erhoͤhung laufen zwey niedrige Abſaͤtze herum, die mit einer einfa - chen Reihe von Linden, zwiſchen welchen kleine Roſengebuͤſche bluͤhen, umgeben ſind. Auf177von Luſtſchloͤſſern. Auf dem obern Abſatz dienen zwey mit allegoriſchen Sinnbildern, als dem Hintertheil eines Schiffs und einem Eichenkranz, geſchmuͤckte Bildhauerwerke von Marmor den Seiten der Denkſaͤule, wo ſie keine Inſchrift hat, zur Zierde. Kleine Raſenſtuͤcke verzieren den Platz umher. Hinter der Saͤule, faſt unter dem Schatten des anlie - genden Waldes, ruhen zwey Luſthaͤuſer, die vorne offen ſind, mit der Durchſicht zwi - ſchen den Baͤumen nach dem Schloſſe hin, und wo zuweilen der Hof Tafel haͤlt. In dem Durchgang zwiſchen den Luſthaͤuſern nach dem Walde ſieht man eine andre Saͤule (columna miliaria) von nordiſchem Marmor, oben mit einer Kugel geziert. Alle dieſe Werke der Kunſt ſind von Wiedewelt. Der Waldplatz hinter dieſer Partie iſt voll Anmuth. Von den ſchoͤnſten Grasplaͤtzen, auf welchen einige Zelte liegen, er - heben ſich hohe und dickbelaubte Buchen, bald einzeln, bald in Gruppen, mit maleri - ſchen Durchſichten zwiſchen den Staͤmmen, und mit reizenden Schauſpielen der um - herſchwebenden Lichter und Schatten. Hundert Waldſaͤnger in der Hoͤhe ſtimmen ein frohes Concert an; die abwechſelnden Geſaͤnge ertoͤnen von Gipfel zu Gipfel, und wer - den aus den niedrigen Gebuͤſchen mit neuen Melodien beantwortet.

2. Die Gegenden von dem oberſten Waldſtuͤck an zwiſchen der aͤußerſten Hauptallee (Reitallee) und der Einhegungsallee hinunter.

Wendet man ſich aus der beſchriebenen Partie weiter nach Oſten, ſo kommt man bald in die aͤußerſte Hauptallee dieſes Reviers, oder die Reitallee. Sie faͤngt von der Ecke des Schloſſes, der Kirche zur Rechten, an, hat drey Wege, wovon der in der Mitte mit freywachſenden ſchattenreichen Linden beſetzt iſt, und die beyden auf der Seite mit einer niedrigen Hecke eingefaßt ſind, die ſie von dem anliegenden Wald abſondert. Dieſe Allee verwildert, wie die uͤbrigen Hauptalleen, gegen ihren Aus - lauf in die Waldgegend, und endigt ſich in die untere Einhegungsallee.

An dieſer Reitallee verbreitet ſich nach Oſten hin das oberſte Waldſtuͤck in ſeiner natuͤrlichen Schoͤnheit. Es iſt ſehr anſehnlich; hohe Buchen erheben ihre reichbe - laubten Gipfel, und zwiſchen ihnen liegen Grasplaͤtze, Teiche, eine Reitbahn, und eine junge Eichenpflanzung. Das Ende dieſes Waldſtuͤcks hat einen vorzuͤglichen Reiz. Man erblickt eine große Gruppe von hohen, geraden, ſchlanken Buchen, die mit den ſchoͤnſten Raſenplaͤtzen umgeben iſt. Einige dieſer Raſen zur Rechten nach den Schloßgebaͤuden ſind mit Blumen umkraͤnzt; die aͤußerſten nach der Einhegungs - allee ſchmiegen ſich mit ihrem ungeſchmuͤckten Gruͤn in ſanften Abhaͤngen dahin.

III Band. ZAn178Anhang. Beſchreibungen

An dem untern Rande dieſes Waldſtuͤckes windet ſich ein langer ſehr anmuthiger Gang herum, der zur Rechten mit einer einfachen Reihe von jungen Tannen beſetzt iſt. Man hat, indem man dieſen reizenden Spaziergang verfolgt, zur Linken ſehr abwech - ſelnde Auftritte. Man ſieht gleich eine Allee von Tannen hinablaufen, in deren Mit - te ſich eine ſchoͤne ſehr gerade freyſtehende Eiche erhebt. Hierauf folgt ein dunkler un - durchſichtbarer Dickigt von Tannen. Eine zwote Allee mit Linden und Tannen ab - wechſelnd geht wieder hinab, und eroͤffnet den Anblick einer Statuͤe. Es folgt ein finſtrer Dickigt von Tannen. Eine dritte Allee von Roßkaſtanien und Tannen ſenkt ſich hin; und ein neuer Dickigt von Tannen erſcheint. Eine vierte Allee von Linden und Tannen zeigt ſich. Und ein ſchoͤner freyer Grasplatz mit einigen hohen Buchen und einer kleinen jungen Pflanzung von Eichen folgt. Eine fuͤnfte Allee wechſelt mit Linden und Tannen; und nun bricht ein junger uͤberaus anmuthiger Eichenhain mit ſchlaͤngelnden Gaͤngen, und untermiſcht mit einigen hohen Buchen und alten Eichen von Raſenſitzen umgeben, hervor. Alle dieſe fuͤnf kurze Alleen oder kleine Baum - gaͤnge, die zur Linken ablaufen, fuͤhren in die ſogenannte Pleßiſche Plantage. Sie geben eben ſo viele reizende Abwechſelungen des Offenen mit dem Verſchloſſenen, des Heitern mit dem Dunkeln. Die Dickigte ſind wohl angelegt und von einer gluͤckli - chen Wirkung. Aus der Heiterkeit der Oeffnung und der Gebuͤſche in der Pleßiſchen Plantage kehrt das Auge auf dieſe finſtre Gruppen, die keinen Eingang verſtatten, und ſelbſt dem Licht des Tages das Einſchauen verſagen, zuruͤck, und bemuͤhet ſich ver - gebens, eine Durchſicht zu erſchleichen.

Eine neue Abaͤnderung der Anſichten erſcheint, wenn man durch dieſe fuͤnf kurze Alleen hinabwandelt. Die erſte hat zur Rechten den Tannendickigt, der in der Mitte ſich zu einem freyen Grasplatz mit einer Gruppe von Buchen oͤffnet; zur Linken geht durch die einfache Reihe der Tannen die Durchſicht auf die Staͤmme der Waldbaͤume, deren hohe Belaubung herabſchattet. Bey dem Eingange in die zwote Allee daͤmmern die Dickigte der Tannen auf beyden Seiten; zur Rechten laͤuft zwiſchen den Dickigten ein Nebenweg, mit ſchoͤnen Roßkaſtanien und Tannen eingefaßt, hinab; zur Linken winkt eine einſame Linde in einer Grasvertiefung. In der dritten Allee ſchwebt auf beyden Seiten das ewige Dunkel der Dickigte. Die vierte hat zur Rechten eine Gruppe von Tannen, zur Linken dunkelt der Dickigt; gegen das Ende laufen zwey Se itenwege in die Pleßiſche Plantage, der zur Rechten mit Tannen und der Ausſicht auf eine große Vaſe, der zur Linken mit Tannen und Roßkaſtanien und dem Anblick einer Statuͤe. In der fuͤnften ſieht man auf beyden Seiten junge Eichen gruͤnen; ein ſchlaͤngelnder Gang leitet zur Rechten in einen Hain von dieſen Baͤumen; zur Lin - ken erſcheint ein langer Gang, der vor dem Eingange in die Pleßplantage, wodurch erfuͤhrt,179von Luſtſchloͤſſern. fuͤhrt, eine Gruppe von Eichen zur Seite hat. Dieſe letzte Allee geht, dem Eichen - hain zur Rechten, fort, an der obern Ecke der Pleßplantage weg, die zur Linken bleibt, rechts der Statuͤe der Flora vorbey, und faͤllt in die Einhegungsallee.

Gegen das Ende des oberſten Waldſtuͤckes biegt man zur Linken an der Seite einer jungen Eichenpflanzung zwiſchen zwo kleinen Erderhoͤhungen, worauf bejahrte Baͤume ſtehen, ein, hat zur Rechten einen kleinen Raſen, und kommt in die Planta - ge des Kronprinzen. Sie beſteht aus einer jungen Anpflanzung von verſchiede - nen Baͤumen, Straͤuchern, Pflanzen, Kuͤchengewaͤchſen und Blumen. Hier ſam - melt der hoffnungsreiche Prinz, ſelbſt in den Stunden Seiner Erholung, noch im - mer Kenntniſſe, die vergnuͤgen, und Vergnuͤgungen, die unterrichten; hier lernt Er einen Geſchmack an der reinen Einfalt der Natur empfinden, der auch Koͤnigen wich - tig iſt, weil er die Ruhe der Seele unterhaͤlt. Er ſieht hier, auch in dem kleinen Bezirk, die unablaͤſſig fortſchreitende Wirkſamkeit der Natur, wie alle Kraͤfte nach unveraͤnderlichen Geſetzen fortſtreben, wie ſie alle auf Zwecke hineilen, worinn ſich Weisheit und Guͤte begegnen; Er ſiehts und fuͤhlt es, daß in der hoͤhern Sphaͤre der Ordnung es Fuͤrſten am wenigſten verſtattet ſeyn kann, ihren Platz zu fuͤllen, ohne einen wohlthaͤtigen Gebrauch ihrer Kraͤfte.

Weiter unten, ganz am Ende des oberſten Waldſtuͤckes, wo die ſchoͤnen Raſen ſich ſenken, tritt man in einen uͤberaus anmuthigen jungen Eichenhain, durch welchen der Weg ſchlaͤngelt, und ebenfalls in die Plantage des Kronprinzen leitet.

Wenn man ſie durchgeht, ſo kommt man wieder in einen angraͤnzenden Hain von Eichen, der an eine juͤngere Pflanzung von dieſen Baͤumen ſtoͤßt, die man auf dem Spaziergang an dem Rande des obern Waldſtuͤckes ſah. Er iſt viel groͤßer, als alle, die bisher auf unſerm Wege erſchienen ſind. Sein Anblick erfreuet, und haͤlt auf. Die geraden Staͤmme ſteigen mit einem friſchen Wachsthum empor. Man ſieht die ſich zuſammenwoͤlbenden Gipfel eine liebliche Daͤmmerung bilden, wodurch hie und da ein Sonnenblick faͤllt, um das lebhafte Gruͤn des Bodens noch mehr zu verſchoͤnern. Der lange fortſchlaͤngelnde Gang fuͤhrt nach einer Laube, einem gelieb - ten Sitz der Koͤniginn; ſie iſt aus einem natuͤrlichen Gewebe der Zweige und des Laubwerks junger Baͤume gebildet, und hat vor ſich einen geraden breiten Gang, der aus dem Haine fuͤhrt. Zur Rechten geht der windende Gang fort, und geht aus die - ſem reizenden Hain, oben in der Hoͤhe der Pleßplantage, bey der Statuͤe der Flora heraus.

Man uͤberſchaut von der Hoͤhe die Mitte dieſer Plantage mit ihren Verzierun - gen, die hier oben in der eben erwaͤhnten Statuͤe der Flora, unten in der Statuͤe derZ 2Diana,180Anhang. BeſchreibungenDiana, und in einer großen Vaſe zwiſchen beyden beſtehen, die mit Genien geſchmuͤckt iſt, die Blumenkraͤnze und Fruͤchte halten.

Die Pleßplantage iſt ein weit ausgedehntes Revier, von den hohen Baͤumen des Waldes und der Alleen umgeben. Es iſt in niedrige Heckengebuͤſche von Haſeln und Ellern vertheilt, zwiſchen welchen auf allen Seiten laͤngere und kuͤrzere gerade We - ge gehen, die mit vielen Ausgaͤngen in die anliegenden Gegenden fuͤhren. Die Zwi - ſchenraͤume in den Hecken ſind Dickigte, von allen Arten einheimiſcher Baͤume, als Birken, Ellern, Quitſchern, Eſchen, Weiden, Tannen, Haſeln und andern zuſam - mengepflanzt, wodurch das ganze Stuͤck ein waldigtes Anſehen erhaͤlt, und die ver - ſchiedenen durch einander ſpielenden Farben des Gruͤns dem Auge eine angenehme Sce - ne vorbilden. Das Wild und die Voͤgel finden in den verſchloſſenen Zwiſchenraͤumen einen ſichern Aufenthalt.

Die laͤngſte Allee, die aus dieſer Plantage fuͤhrt, liegt zur Rechten, wenn man von der Statuͤe der Flora herabkommt, und ſtellt eine reizende Ausſicht dar. Sie wechſelt mit Linden und Tannen, geht queer uͤber die Kaſtanienallee, welche die Mitte des ganzen Parks durchlaͤuft, und faͤngt hier an mit Roßkaſtanien von einem ſchoͤnen ſchlanken Wuchs und mit jungen Tannen abzuaͤndern, zieht ſich zwiſchen der Wildniß des Waldes fort, und faͤllt auf einen großen runden Platz, uͤber welchen ſie weiter fort - geht, und ſich unten in die Einhegungsallee verliert. Der eben gedachte runde Platz in dieſer Allee hat eine erhoͤhete Lage mit vier Aufgaͤngen, und iſt zu einem Gebaͤude beſtimmt, das hier einen treflichen Proſpect geben, und zugleich ſelbſt genießen wird. Zwo kleine Alleen von ſchoͤnen Ahorn laufen auf beyden Seiten hin. Die zur Rech - ten, indem man von der Pleßplantage kommt, geht zwiſchen dem Wald in die Einhe - gungsallee. Und die zur Linken hat um ihre Mitte zwey Tannenhaine zur Seiten, und faͤllt in die aͤußerſte Hauptallee oder Reitallee. Die Winkel, die man von dieſem runden Platz zwiſchen den vier Zugaͤngen uͤberſieht, ſind mit jungen Hainen von Ei - chen bepflanzt, und hinter ihnen macht rings umher der Wald einen trefflichen Umzug.

Von der Statuͤe der Flora in der Pleßplantage an erſtrecken ſich zwiſchen der beſchriebenen Allee, die aus dieſem Revier abgeht, und zwiſchen der Einhegungsallee noch drey Gegenden in der Laͤnge hinab. Die erſte geht bis an die Kaſtanienallee, welche die Mitte des Parks durchſtreicht, und iſt ein wildes Waldſtuͤck, beſonders mit jungen Eichen und vielem Untergebuͤſch untermiſcht. Die zwote erſtreckt ſich bis an die Ahornallee, und iſt ebenfalls eine Wildniß ohne Gaͤnge. Auch die dritte iſt ein waldigtes Stuͤck, das vornehmlich aus jungen dicht an einander gedraͤngten friſchen Buchen beſteht, und unten nach der Ecke der Einhegungsallee, wohin es ſich zieht,in181von Luſtſchloͤſſern. in eine freye Grasvertiefung uͤbergeht, um welche ſchoͤne Tannen mit dem vollen aus - gebreiteten Unterwuchs ihrer Zweige ſtehen. Auf der andern Außenſeite, nach dem Ausgang der aus der Pleßplantage ablaufenden Allee hin, iſt dieſes Stuͤck mit einem jungen Eichenhain umgeben, der ſich nach dem runden Platz zwiſchen den beyden Ahornalleen, wie ſchon bemerkt iſt, hinauf verbreitet. Dieſe Gegend hat noch einen Raſenſitz, der auf den Seiten verſchloſſen iſt, vorne die Ausſicht auf die umliegenden Gebuͤſche und die erſten Staͤmme des anſtoßenden Eichenhains, und hinter ſich einen natuͤrlichen Bogengang hat, den die jungen Waldbaͤume woͤlben.

Schlaͤgt man aus dieſer Gegend unten in die Einhegungsallee ein, ſo kommt man bald neben einem ſteinernen, viereckigten hohen Gebaͤude vorbey, das ſeine Spitze in die dichten Gipfel emporragender Buchen erhebt. Dieß iſt eine Waſſermuͤhle, die das Waſſer nach dem Schloſſe durch Roͤhren hinauftreibt. Das Gebaͤude macht we - gen ſeines rohen gothiſchen Anſehens und in dieſer einſamen Lage, wo es ein ganz un - erwarteter Gegenſtand iſt, eine der Gegend ſo ſehr zuſtimmende Wirkung, daß es an - faͤnglich ſcheint, als wenn es blos dieſer Abſicht wegen angelegt waͤre. Man kommt von hier in ein ſchoͤnes Waldſtuͤck, das aus ſehr hohen und vortrefflichen Buchen be - ſteht, worunter freye Grasplaͤtze gruͤnen und windende Wege umhergehen; man ſieht hier zugleich zur Rechten den Ausgang der Reitallee verwildern. Ein ſchlaͤngelnder Pfad leitet in die dieſſeitigen Gegenden hinauf, die zwiſchen der langen von der Pleß - plantage ablaufenden Allee und der Reitallee liegen. Man gelangt bald an den klei - nen Tannenhain, der an der linken Ahornallee daͤmmert, und hat zur Rechten das er - freuende helle Gruͤn junger Wallnußbaͤume, zwiſchen welchen einige hohe und ſchlanke Birken ihre leichten Blaͤtter dem Spiel der Luft uͤberlaſſen. Man geht uͤber die Ahornallee in den andern groͤßern Tannenhain, an deſſen Rande der Pfad wegſchlaͤn - gelt, und in eine gemiſchte Pflanzung von Eichen, Wallnußbaͤumen und Haſelgebuͤ - ſchen bringt. Zur Rechten dieſer Pflanzung liegt wieder ein kleiner Hain von Tan - nen, eine andre vermiſchte Baumpflanzung und daran ein wildes Waldſtuͤck mit Gras - plaͤtzen. Der ſchlaͤngelnde Gang faͤllt auf zwey Ausgaͤnge in die große Kaſtanienallee, die den Park durchſtreicht.

Queer uͤber dieſe Allee kommt man in einen kurzen Weg von Linden und uͤber ſie hinaus ſirebenden Tannen. Auf beyden Seiten liegen anſehnliche Waldſtuͤcke mit ho - hen und niedrigen Baͤumen, Buſchwerk und kleinen Zwiſchenpflanzungen. Zur Lin - ken, indem man den geraden Weg verfolgt, ſenkt ſich eine Vertiefung mit Raſenſitzen in einem halben Zirkel, umgeben von Linden und Tannen, und hinten von Eichen aus der Vorwelt uͤberſchattet. Man ſchaut von dieſem Sitz gerade vor ſich zwiſchen vor - ſtehenden hohen Buchen in eine waldigte Verdunkelung.

Z 3Man182Anhang. Beſchreibungen

Man kommt in die untere Gegend der Pleßplantage zuruͤck, und ſieht, daß die in der Ferne ſchimmernde Statuͤe die Diana in dieſem Revier iſt. Aus der Pleß - plantage, die von dieſer Seite offen an der Reitallee liegt, kann man entweder durch dieſe zum Schloß zuruͤckkehren, oder durch eine der fuͤnf kleinen Alleen ſich wenden, die, wie oben beſchrieben iſt, aus dem oberſten Waldſtuͤcke hier hinab laufen.

3. Die Gegenden zwiſchen der Reitallee und der naͤchſten Hauptallee zur Linken.

Die Hauptallee, die zur Linken hin auf die aͤußere Hauptallee oder Reitallee folgt, iſt von Linden, hat einen Raſen in der Mitte, und die Ausſicht in die gruͤnende Land - ſchaft hinaus. Sie iſt unter den Hauptalleen des Oſtreviers die mittlere.

Hinter der Partie mit dem Monumente des Feſtes der Weinleſe liegt, wie ſchon bemerkt iſt, ein vortrefflicher Waldplatz mit hohen Buchen und natuͤrlichen Raſen.

Aus der Reitallee biegt links eine Allee, mit Linden und Tannen beſetzt, in die Gegend ein, die wir jetzt beſuchen. Man ſieht in der Mitte dieſer Allee ein Werk der Bildhauerkunſt ſchimmern; zu beyden Seiten des Weges erſcheint der Wald in ſeiner Wildniß.

Man kommt bald auf einen runden Platz mit Linden und Tannen umkraͤnzt. Von dieſem Platz laufen zwo kurze Alleen, ebenfalls von Linden und Tannen, zwiſchen der Waldung ab. Die zur Linken geht in die naͤchſte Hauptallee. Die zur Rechten laͤuft in die Reitallee und eroͤffnet zugleich eine reizende Durchſicht zwiſchen zwo Ellern - hecken, deren Zwiſchenraͤume mit Baͤumen von dieſer Art und mit Quitſchern ange - fuͤllt ſind, in die Mitte der Pleßplantage hin, wo die Statuͤe der Diana im Vor - grunde, und im dunkeln Hintergrunde die Flora erſcheint. Die beyden Ellernge - buͤſche, die noch vor der Reitallee liegen, machen einen halben Zirkel. Indem man darinn herumſchleicht, erblickt man oben einen Eingang zu einem halbrunden heiter liegenden Raſenſitz, in deſſen Mitte eine einſame Linde ihre Zweige herabhaͤngen laͤßt; wozu man durch eine kleine Pflanzung von Tannen, und demnaͤchſt neben einer ſchoͤ - nen Buche tritt, die ebenfalls einen Grasſitz an ihrem Fuß anbietet. Unten im Ge - buͤſch iſt ein Eingang zu einem aͤhnlichen Raſenſitz; in dem Mittelpunkt erblickt man eine Linde; allein zwey nahe ſtehende junge Quitſchern unterbrechen die Uebereinſtim - mung mit dem obern Sitz; große Buchen werfen von ihrem dichten Gipfel kuͤhlende Schatten herab.

Ueber183von Luſtſchloͤſſern.

Ueber den runden Platz, woran wir einen Seitenſpaziergang machten, geht die Allee weiter hinaus. Zur Linken hat man einen angenehmen, dichten, duͤſternden Hain, beſonders von Tannen. Man kommt uͤber die große durch den Park hinuͤber - ſtreichende Kaſtanienallee, und blickt zu beyden Seiten auf dicke Wildniſſe, von ver - ſchiedenen Baumarten, vornehmlich Tannen, zuſammengepflanzt. Ein runder er - hoͤheter Platz erſcheint, worauf ſich die coloſſaliſche Gruppe der Bildhauerkunſt, die ſchon in der Ferne den Proſpect belebte, erhebt. Die obere Erhoͤhung des Platzes iſt mit einer einfachen Reihe von Linden beſetzt; und unten wechſeln ſie mit Tannen ab, mit welchen ſie die Rundung umlaufen.

Weiter uͤber dieſen Platz hinaus hat das Auge, in dieſer noch immer fortlaufen - den und ſich allmaͤhlig ſenkenden Allee, die ſich in die einhegende Graͤnzallee verliert, zur Linken eine dicke Wildniß von mancherley Baͤumen, beſonders jungen Eichen, mit vielem Untergebuͤſch; darauf erſcheint eine heitere Oeffnung uͤber einen kleinen niedrig liegenden Raſen; allein unmittelbar darauf ſtoͤßt ein ſo verſchloſſener, in ſich verwickel - ter, naͤchtlicher Dickigt, von Tannen geſchwaͤrzt, daß alle Schaͤrfe des Sonnenblicks ihn nicht durchdringt.

Zur Rechten wird der Spazierende von einem angenehmen jungen Eichenhain, und bald darauf von einem finſtern Dickigt von Tannen, uͤber welchen emporſteigende Birken ihre Zweige maleriſch hangen laſſen, ergoͤtzt.

Oben in dieſen jungen Eichenhain ladet bald ein Seitenpfad ein, der gerade hin - durchfuͤhrt, und neben einem angenehmen mit Baͤumen verzierten Grasplatz, der zur Rechten liegt, ſich links in eine reizende Wildniß von Tannen, Eichen, Haſeln und andern Baͤumen, zwiſchen welchen erhabene Eichen und Buchen und Birken den Wol - ken entgegenſteigen, einſchmiegt, ſich zwiſchen nahe andraͤngenden Gebuͤſchen von Jas - min und Syringen, die den Spazierenden mit ihren Wohlgeruͤchen begruͤßen, herum - windet, lange zur Irre verfuͤhrt, und lange ergoͤtzt. Man ermuͤdet nicht, mit ihm fortzulaufen, und verweilt kaum auf dem kleinen Ruheſitz, der ſich hinter einer Tanne und jungen ſchweſterlich vertrauten Eichen zu verſtecken ſcheint; ſo anziehend iſt dieſe Wildniß, die ſich weit verbreitet, ſelbſt oben bis an die große Kaſtanienallee zuruͤck, und da, wo dieſe uͤber die Reitallee ſtreicht, einen Ausgang hat.

Ganz unten in der Allee, die wir bisher verfolgten, laͤuft in dieſe Wildniß noch ein andrer ſchlaͤngelnder Gang hinein. Beyde Gaͤnge ſtreichen uͤber einen breiten Weg, der von der Reitallee abgeht, dieſe Wildniß durchlaͤuft, und ſich unten durch ein freyes Waldſtuͤck in die Einhegungsallee verliert.

Von der untern Gegend der Reitallee bis zu dem Auslauf jener Hauptallee, zwiſchen welchen beyden wir bisher herumwandeln, verbreitet ſich ein ſehr großes undſchoͤnes184Anhang. Beſchreibungenſchoͤnes Waldſtuͤck in natuͤrlicher Wildniß. Die Hauptallee ſelbſt laͤuft blos zwiſchen der Waldung fort, und bald fangen ihre beyden Gaͤnge an, in einen ungebahnten Grasplatz zu verwildern.

4. Die Gegenden zwiſchen der mittlern Hauptallee und der aͤußern Hauptallee.

Die Ausſicht durch dieſe aͤußere Hauptallee, die von Linden mit einem Raſen in der Mitte iſt, geht in die gruͤnende Landſchaft hinaus. Indem man die mittlere Hauptallee hinabwandelt, hat man zuerſt auf beyden Seiten die ſchoͤnen Waldſtuͤcke, die in dieſer Gegend hinter den beyden Partien, die oben beſchrieben ſind, liegen.

Man erblickt zur Rechten eine kleine Seitenallee nach der Reitallee hinuͤber, mit der weiten perſpectiviſchen Ausſicht auf die Mitte der Pleßplantage und ihre Verzie - rungen.

In dieſer Gegend gleich zur Linken erſcheint ein breiter Gang zwiſchen zwey dun - keln Tannenhainen hin. Queer durch ſtreicht eine kleine Allee, die oben von der Par - tie mit der Denkſaͤule ablaͤuft, mit Tannen und Linden, die ſich bald nachher zu beyden Seiten an den Tannenhain draͤngen; ſie faͤllt gleich darauf in die mittlere große Kaſta - nienallee. Der erwaͤhnte breite Gang laͤuft weiter zwiſchen zwey andern finſtern Tan - nenhainen in die aͤußere Hauptallee ab.

Verfolgt man ferner die mittlere Hauptallee, ſo tritt man in die große Kaſta - nienallee, die hier zu beyden Seiten ſehr reizende Perſpective bildet, beſonders zur Lin - ken ſeitwaͤrts ſich in eine liebliche Daͤmmerung verliert, mittelſt einer Wendung, die ſie dort in der Tiefe macht.

Geht man ganz dieſe mittlere Hauptallee hinunter, ſo hat man auf beyden Sei - ten ſehr angenehme dichtbewachſene Waldſtuͤcke von allerley Baͤumen, zur Rechten noch beſonders mit jungen Eichen und zur Linken mit Tannen zugepflanzt.

Man kommt von hier in die Einhegungsallee, und biegt gleich links in einen anmuthigen ſchlaͤngelnden Pfad ein. Immer ſich windend, mit Jasmingebuͤſchen beſetzt, fuͤhrt er durch eine reizende Wildniß von allerley Baͤumen. Er bringt auf den ſogenannten Schneckenberg.

Dieß iſt ein ſchoͤner runder Berg, mit ſanften Abhaͤngen umgeben, und mit eini - gen ſehr hohen Buchen bekroͤnt. Er iſt ringsumher von den herrlichſten Baͤumen und Gebuͤſchen des Waldes umſchloſſen. Man kann ſich keinen ſchoͤnern Umzug vonWaldung,185von Luſtſchloͤſſern. Waldung, keine mehr maleriſche Woͤlbungen der Gebuͤſche vorſtellen. Alles iſt dicht und verſchloſſen, und doch dabey frey und anmuthig. Nur eine einzige geringe Oeff - nung verſtattet die Ausſicht auf einen huͤgelichten Vorgrund der Feldgegend hinaus. Nach der nordlichen Seite, wo unten zur Linken ein kleines heiteres Raſenſtuͤck hervor - bricht, iſt der Berg ſteil abfallend; man ſieht in eine buͤſchigte Tiefe hinab. Dieſe Tiefe, die Hoͤhe der Baͤume auf dem Berge, der ſchattenvolle waldigte Umzug, und die feyerliche Einſamkeit die hier herrſcht, vereinigen ſich, einen Sitz der ernſten Be - trachtung zu bilden.

Unten am Berge auf der ſuͤdlichen Seite fuͤhrt der ſchlaͤngelnde Gang am Ge - buͤſche weiter durch ein Waldſtuͤck, und biegt zur Linken in eine große angenehme Wild - niß, beſonders von Tannen. Ueberall tiefe Schatten und Kuͤhlung; uͤberall Geſaͤnge von tauſend Waldbewohnern, die das Gluͤck der Freyheit in dieſer ungeſtoͤrten Ruhe beſingen. Verſchiedene Gaͤnge winden ſich in dieſer Wildniß herum; einige laufen in die aͤußere Hauptallee hinein; ein gerader Weg fuͤhrt oben hinauf, und bringt un - vermuthet mit einer Ueberraſchung in die große mittlere Kaſtanienallee.

Ein andrer Weg fuͤhrt oben vom Berge ab, und laͤuft auf dem Rande andrer anliegenden Hoͤhen in der Waldung fort; man ſieht uͤber ſich dickbelaubte Baͤume den Wolken entgegen ſteigen, und an den Abhaͤngen zur Rechten blickt man in eine waldig - te Tiefe hinab. Dieſer Weg bringt in die vorher erwaͤhnte Wildniß, oder, wenn man will, in die aͤußere Hauptallee, oder daruͤber in die reizenden Spaziergaͤnge, die in dem Waldſtuͤck an der Schloßallee herumleiten.

5. Die Gegenden zwiſchen der aͤußern Hauptallee und der Schloßallee.

Dieſe aͤußere Hauptallee hat zur Linken noch beſondere Gegenden, die an die Schloßallee angraͤnzen, und ſich nach unten hinabziehen.

Gleich oben liegt zur Linken ein durchgepflanztes Waldſtuͤck, worinn ein Teich erſcheint. Von da laͤuft ein windender Weg durch dieſes anſehnliche Waldſtuͤck, geht ſchraͤg uͤber die mittlere große Kaſtanienallee, und nachdem er eine ſehr angenehme Un - terhaltung zwiſchen abwechſelnden Waldſcenen gegeben, ſo biegt er ganz unten in den Grasplatz ein, der in der Schloßallee am Ende liegt; und geht, indem er hier die rei - zende Ausſicht auf einen Theil des Eſſomerſees und die hinter ihm ſich verduͤſternden Waͤlder eroͤffnet, in das Weſtrevier uͤber. Von dieſem langen Weg laufen zurIII Band. A aRechten186Anhang. BeſchreibungenRechten ſich fortſchlaͤngelnde Nebengaͤnge nach den uͤbrigen Gegenden dieſes ausgebrei - teten Waldſtuͤcks hin, das unten nach Norden mit dem Berge eine ſtarke Senkung gewinnet.

Mannigfaltiger und reizender koͤnnen nicht leicht Waldgaͤnge ſeyn, als dieſe; heitre Gebuͤſche erfriſchen das Auge, und junge Buchen, die in der erſten Schoͤnheit ihres Wuchſes bluͤhen, ſpielen in den blinkenden Lichtern, die ſich zwiſchen der zarten Belaubung ihrer Haͤupter herabſtreuen.

Weſtrevier.

Das Luſtſtuͤck mit den niedrigen Hecken auf dieſer Seite des Vorplatzes iſt dem zur Rechten gleich; es hat inwendig faſt eben die Auszierung, und unten windet ſich um dieſes Stuͤck eine Lindenallee, die an die aͤußerſte Hauptallee in dem Weſtrevier ſtoͤßt.

In dieſem Weſtrevier laufen drey Hauptalleen vom Schloſſe herunter, die ſich unten tief ſenken. Die Ausſicht faͤllt auf den tiefen Eſſomerſee; das Auge ſteigt von dem Waſſer zu den hinten anliegenden dunkeln Waͤldern wieder herauf. Die Helle des Waſſers, die Dunkelheit der Waͤlder, die blaue Reinigkeit des Himmels uͤber ihnen, geben praͤchtige Gegenſtellungen. Die Veraͤnderung der Luft, die Be - weglichkeit der umherziehenden Wolken, ihre Verdunkelungen oder ploͤtzliche Aufhellun - gen erfriſchen dieſe Proſpecte mit dem Reiz der Abwechſelung.

1. Die Gegenden zwiſchen der Schloßallee und der naͤchſten aͤußern Hauptallee.

Die Ausſicht dieſer aͤußern Hauptallee iſt praͤchtig; ſie faͤllt auf den Eſſomer - ſee, und erhebt ſich aus ſeiner Tiefe zu der Waldung empor, die ſein Ufer kroͤnt. Dieſe Allee, die aus Roßkaſtanien und Linden mit einem Raſen in der Mitte beſteht, hat bald ſeitwaͤrts ſchoͤne Buchen. Der breite Weg, der dahin einſchlaͤget, iſt mit Linden beſetzt, die in natuͤrlicher Freyheit neben den Waldſtaͤmmen und Gebuͤſchen wachſen; er ſtreicht eine anſehnliche gerade Laͤnge fort. Der Spaziergang iſt reizend, und von allen, die wir bisher betraten, verſchieden. Zur Linken laͤuft ein mit jungen Tannen auf einer Graserhoͤhung beſetzter Weg ſchlaͤngelnd zwiſchen anliegenden Wild - niſſen, von welchen einige aufſteigende Lerchenbaͤume den Blick erfreuen; er geht uͤber die Hauptallee weiter fort.

Indem187von Luſtſchloͤſſern.

Indem der angefangene Weg auf der rechten Seite fortſchreitet, wechſelt er mit jungen Tannen ab, die ſich an die Wildniß des Waldes draͤngen. Er fuͤhrt auf eine mit Linden und Syringen umkraͤnzte Rundung, von da uͤber die mittlere große Kaſta - nlenallee, weiter uͤber einen andern mit Raſenſitzen und Linden eingefaßten Platz, und geht darauf gerade zwiſchen Baͤumen dieſer Gattung, die auf der gruͤnen Grasein - faſſung der anliegenden Waldſtuͤcke ſtehen, lange fort. Er kommt unten uͤber eine neue mit jungen Roßkaſtanien bepflanzte Allee, die aus dem unterſten Grasplatze der Schloßallee anfaͤngt, und laͤuft auf einen entfernten Irrgarten zu, in deſſen Mitte ſich ein offenes Luſthaus von Gitterwerk auf einem Huͤgel erhebt, der mit Statuͤen be - ſetzt iſt.

Von dieſem Irrgarten ſchleicht unten rechts ein Pfad durch eine anmuthige Wildniß der Natur von mancherley Baͤumen ab, ſenkt ſich und wendet ſich wieder zwi - ſchen ehrwuͤrdigen Eichen und Grasplaͤtzen hinauf in die junge Kaſtanienallee, die bey dem Ende der Schloßallee abgieng.

Auf der weſtlichen Seite des Irrgartens geht aus einer Lindenallee, die ihn um - laͤuft, ein Weg in einen großen dunkeln Tannenhain, der ſich am Anhang des Berges herabſenkt. Der Weg bringt in das untere Ende der aͤußern Hauptallee dieſes Re - viers. Will man ſie von hier hinaufgehen, ſo hat man zur Linken bald das Luſthaus in der Hoͤhe des Irrgartens, bald ſchoͤne Seiten des Waldes im Geſicht, vornehmlich Buchengebuͤſche in ihrer heitern Jugend.

2. Die Gegenden zwiſchen der aͤußern Hauptallee nach der Seite der Schloß - allee und zwiſchen der mittlern Hauptallee hinab.

Indem man dieſe mittlere Hauptallee betritt, ſo erblickt man gleich oben die Partie mit dem Obelisk, der Friedrichs V. Andenken geheiligt iſt. Der Eingang iſt von Wiedewelt, deſſen Meißel dieſe ganze Scene verſchoͤnert hat, mit einem Wer - ke der Bildhauerkunſt von weißem Marmor geziert, das auf der einen Seite den Tem - pel der Tugend, auf der andern den Tempel der Ehre halb erhoben darſtellt. Der Platz hat eine runde Form, und liegt etwas in der Tiefe. Rings umher zieht ſich ein gemauerter Graben mit Waſſer, woruͤber eine Bruͤcke geht; um den Rand des Grabens glaͤnzt ein Kranz von Blumenſtuͤcken; zwiſchen ihnen und einer kleinen Ra - ſenerhoͤhung lauft ein Gang herum; auf der Raſenerhoͤhung windet ſich wieder ein ſchmaler Pfad herum, mit einer einfachen Reihe von Linden mit Malven verbunden,A a 2zwiſchen188Anhang. Beſchreibungenzwiſchen welchen marmorne Dockengelaͤnder angebracht ſind; in dem obern Winkel liegt eine Laube. In der Mitte des Platzes iſt eine Erhoͤhung, zu welcher Raſenſtufen gehen. Hier erhebt ſich der Obelisk von nordiſchem Marmor mit dem Bildniß Friedrichs V. auf einer runden weißen italiaͤniſchen Marmortafel. Auf der an - dern Seite des Obelisk lieſet man die Inſchrift:

Prudentia et Conſtantia ()

und dieſe:

Anno MDCCLXIII. ()

Hinter dieſer Partie windet ſich unten ein trefflicher Tannenhain herum; und durch ihn geht ein breiter Gang, der den Anblick einer andern den Grazien gewidmeten Saͤule in einer unmittelbar anliegenden Partie eroͤffnet. Dieſe Partie iſt von einem Teiche umgeben; hieruͤber fuͤhrt eine Bruͤcke, deren Gelaͤnder ſich um den ganzen innern Platz fortlaufend verbreiten; rings um den Teich ſtehen Tannen. In der Mitte dieſer Par - tie erhebt ſich die Saͤule. Der Schaft iſt von blaͤulichem nordiſchen Marmor, und mit Kraͤnzen von Roſen und Myrten behangen. Das korinthiſche Capital iſt von weißem Marmor, und daruͤber erhebt ſich eine vergoldete Vaſe. Unten am Saͤulen - fuß erſcheint eine runde Tafel von weißem italiaͤniſchen Marmor, mit den drey ſich umarmenden Grazien in halb erhobener Bildung. Dieſes Wiedeweltiſche Werk wird auf beyden Seiten von zwey kleinen mit den Bildniſſen des Mercur und der Ve - nus geſchmuͤckten Monumenten zur Verzierung begleitet.

Man ſieht, wenn man die mittlere Hauptallee hinuntergeht, dieſe beyden Par - tien zur Rechten glaͤnzen, und dagegen den dunkeln Tannenhain contraſtiren. Ein Weg zur Rechten, mit einer einfachen Reihe von Tannen beſetzt, ſondert die untere Partie von dem Walde, und kehrt auf der andern Seite oben in den Tannenhain wie - der hinauf. Ein großes mannigfaltig bewachſenes Waldſtuͤck erſcheint beym Fortgang in der mittlern Hauptallee. Man erblickt weiter zur Rechten einen kleinen runden Platz, aus welchem ein Weg zwiſchen jungen Tannen, hinter welchen Linden ſich an die Gebuͤſche anſchließen, neben der ſchattenvollen Wildniß des Waldes ſich fortſchlaͤn - gelt und auf die aͤußere Hauptallee auslauft. Zur Linken ſieht man zwey Gaͤnge in die jenſeitigen Gegenden hinlaufen.

Vor ſich hat man die ſich immer mehr verſchoͤnernde Scene des Eſſomerſees in der Tiefe; man erblickt ein freyes Stuͤck Kornland, das nahe vom Ufer an ſich indie189von Luſtſchloͤſſern. die umſchließende Waldung hinauf erhebt, und deſſen Helle mit den dunkeln Maſſen der Waͤlder einen ſchoͤnen Contraſt bildet. Man kommt uͤber die große mittlere Ka - ſtanienallee, und hat zur Rechten einen jungen Eichenhain auf hellem Grasboden; zur Linken contraſtirt ein dunkler raſenleerer Tannenhain, der indeſſen eine breite Oeff - nung zum Anblick eines hohen Luſthauſes macht.

Unten in den Eichenhain ſchlaͤngelt ſich ein Gang, fuͤhrt durch, und kommt gleich wieder in einen andern Hain von Eichen, der von umliegenden Gebuͤſchen, Tau - nenklumpen und den hohen Baͤumen der Waldung ein dunkles und einſames Anſehen gewinnt. Er geht heraus und fuͤhrt uͤber die untere aus der Schloßallee ablaufende Kaſtanienallee, die hier zur Linken in der Tiefe die Anſicht des Sees unter einer Woͤl - bung der Baͤume gewaͤhrt, in ein wildes Gebuͤſch hin, woraus er gleich in einen gro - ßen ſchoͤnen Tannenhain bringt, der ſich an dem Abhange des Berges hinabzieht. Indem man an ſeiner dieſſeitigen Graͤnze hinabgehen will, macht ein Theil des Sees, der hinter dem buſchigten Vorgrund auf dieſer Seite heraufſchimmert, mit ſeinen hin - ter ihm ſich erhebenden Waldungen eine praͤchtige Scene. Zur Rechten laufen aus dieſem Hain verſchiedene Wege in die angraͤnzenden obern Gegenden hin. Auf dem geraden Wege an dem dieſſeitigen Rande des Hains hinab, hat man in der Tiefe vor ſich am Gebuͤſche eine rohe ſteinerne Saͤule mit einer Buͤſte, und vor ihr einen Stuhl von wilden Feldſteinen. Nahe vor der Saͤule geht links ein Pfad ab, und man hat gleich wieder zur Rechten einen kleinern Tannenhain, der ſich auf die Anhoͤhe hinauf - hebt. Bey der Saͤule laͤuft unten ein Pfad hieher. Man hat bald zur Rechten wie - der den Anblick einer rohen Felſenſaͤule, die ſich von einem nachlaͤßig zuſammengeſetzten Unterwerk erhebt. Hier winkt dem Spazierenden ein herrlicher Ruheſitz. Man hat ganz nahe das Ufer des Sees, mit einer reizenden Ueberſicht auf die jenſeitigen Wal - dungen. Die Wellen erheben aus der Tiefe ihr Geraͤuſch, und aus den Wolken ſtim - men die Gipfel der Buchen ein, um ein majeſtaͤtiſches Concert zu beginnen. Von hier ſchlaͤngelt ſich ein Gang am Rande des Berges weg, und wendet ſich links wieder in den letzten Tannenhain hinauf, worauf man in die untere Kaſtanienallee zuruͤckkeh - ren kann. Geht man ganz unten am Rande des großen Tannenhains fort, ſo hat man zur Linken eine Wildniß von allerley Gebuͤſchen und das Geraͤuſche des Sees, der zuweilen an eroͤffneten Stellen hervorſchimmert. Der Weg verwildert an der Ecke des Tannenhains zur Linken in die rohen Waldgegenden hinab. Geht man wieder herauf, zur Rechten dem Tannenhain vorbey, ſo hat man auf der andern Seite wie - der eine dicke Wildniß von Gebuͤſchen. Auf der obern Ecke des Hains daͤmmert ein ſehr dunkler Weg hinab, mit jungen Tannen bepflanzt, zwiſchen hohen ſchattenvollen Baͤumen, ſchlaͤngelt am Fuß des Berges hinab, und ſinkt in den Ausgang der aͤußernA a 3Haupt -190Anhang. BeſchreibungenHauptallee. Aus dieſer ſteigt man wieder hinauf, und kommt zunaͤchſt in die untere Kaſtanienallee, die aus dem Ende der Schloßallee ablaͤuft; man biegt rechts in ſie hinein. Sie geht zwiſchen ſehr anmuthigen Gegenden fort, und ſenkt ſich da, wo ſie die vorhin bemerkte gewoͤlbte Durchſicht nach dem See bildet, in die Einhegungs - allee hinab.

3. Die Gegenden zwiſchen der mittlern Hauptallee und zwiſchen der aͤußern und letzten (weſtlichen) Hauptallee.

Der Rand des Waldes bis zu der Partie mit dem Obelisk iſt mit einer Reihe von Statuͤen beſetzt, die unter dem Schatten der Baͤume ſtehen.

Die aͤußere Hauptallee, die aus Linden beſteht, giebt bey ihrem Eintritt einen taͤuſchenden Proſpect: ihr langer Raſen, der im Entfernen ſich ſchmaͤlert, ſcheint mit ſeiner Spitze gerade auf das Waſſer des Sees zu fallen. Jenſeits glaͤnzen heitere Gefilde, und hinter ihnen erhebt ſich die Finſterniß der Waldung, woruͤber ſich der blaue Himmel faͤrbt.

Gleich zur Rechten nach dem Eingang in die aͤußere Hauptallee verbirgt ſich der Faſanenhof, ein von allerley Gefluͤgel belebtes Revier, unter dem Schatten alter Baͤu - me; eine dichte Lindenallee liegt vor ihm auf dieſer Seite.

Ein windender Gang, mit jungen Tannen beſetzt, laͤuft zur Rechten in den Wald hinein. Er erhebt ſich und ſenkt ſich, fuͤhrt uͤber einen geraden Weg, der zu beyden Seiten fortgeht, und rechts uͤber einen kleinen runden Platz ſtreicht, tritt hier in einen hinabſchlaͤngelnden breitern Weg mit Linden und kleinen Tannen beſetzt, und bringt in das Normannsthal.

Dieß iſt eine der intereſſanteſten Scenen des ganzen Parks. Eine kleine Lin - denallee fuͤhrt in ein Thal herunter, das rund, und in vier Raſenſtuͤcken vertheilt iſt. Zwiſchen ihnen liegt in der Mitte eine Raſenerhoͤhung, worauf ſich eine Saͤule von nordiſchem Marmor, mit Kraͤnzen umwunden und oben mit einer vergoldeten Ku - gel geziert, erhebt. Um das Thal laufen drey erhoͤhte Abſaͤtze uͤber einander in der Runde herum; ihre Abhaͤnge ſind ſchoͤne Raſen. Jeder Abſatz hat einen bequemen breiten Gang, auf beyden Seiten mit Linden beſetzt. Auf dem unterſten ſtehen zwey offene Luſthaͤuſer der Saͤule gegenuͤber. Ringsumher iſt ein ſchoͤner woͤlbender Umzug der Waldbaͤume, die hoch uͤber die jungen Linden emporſteigen. Die oberſte Hoͤhe iſt zur Rechten durch einen Tannendickigt verſchloſſen; zur Linken ſtoͤßt an ſie einWald -191von Luſtſchloͤſſern. Waldſtuͤck von alten und jungen Buchen, mehr frey und heiter. Allein was dieſe Scene intereſſant macht, das iſt ihre Ausſtaffirung. Sie iſt mit einer Menge Sta - tuͤen*)Die Statuͤen ſind von dem Koͤnigl. Hofbildhauer, Herrn Grund, gearbeitet. Man hat ſie in Kupfer geſtochen, unter dem Titel: Abbildung des Normannsthals in dem Koͤnigl. Luſtgarten zu Friedensburg. Herausgegeben von Joh. Gottfr. Grund, Koͤnigl. Hof-Bild - und Steinhauer. Fol. Kopenhagen, 1773. mit einer kurzen Be -ſchreibung, daͤniſch und deutſch. Die Fi - guren ſind von Heckel gut geſtochen. Allein das Ganze muß man in keiner Kunſtvor - ſtellung, worinn es immer verliert, ſon - dern auf dem Platze ſelbſt ſchen. Seit der Ausgabe dieſer Abbildung hat ſich die Zahl der Statuͤen ſchon merklich ver - mehrt.in natuͤrlicher Lebensgroͤße angefuͤllt, die rings umher auf den drey Abſaͤtzen zwiſchen den Linden ſtehen, das Geſicht nach der Saͤule in der Mitte des Thals ge - richtet. Die Statuͤen ſind von weißem Sandſtein gearbeitet, und ſtehen auf kleinen Fußgeſtellen. Sie machen eine wichtige Nationalgruppe; denn ſie ſtellen Untertha - nen des Koͤnigs, Einwohner beyderley Geſchlechts, aus allen Stiften und Inſeln von Norwegen in ihren verſchiedenen Trachten, Beſchaͤftigungen und Luſtbarkeiten vor. Man ſieht hier Arbeiter des Feldes und des Waldes, Fiſcher, Jaͤger, See - fahrer, Muſicanten, Taͤnzer, Anwerber, Braͤute, Hausfrauen, Maͤtter, alle mit wahrem Ausdruck der Geſichtsbildung, mit ihren Werkzeugen und Putzzierrathen. Die Geſellſchaft beſteht ſchon aus vier und ſechszig Perſonen, und wird noch jaͤhrlich vermehrt; man faͤngt ſchon an die oberſte Gallerie zu beſetzen. Gleich der Eingang kuͤndiget Froͤhlichkeit an; man ſieht zur Rechten zwo tanzende Figuren, und zur Lin - ken zwey Muſicanten mit einer Trommel und einer Violin. Dieſe Scene iſt uͤberaus reizend. Der weiße Schimmer der vielen Statuͤen iſt zwiſchen dem heitern Gruͤn der Raſen und der Linden, um welche ſich rings umher die hohen dunkeln Laubdecken der Waldung ziehen, von einer trefflichen Wirkung, zumal wenn man hereintritt, oder bey der Annaͤherung von der linken Seite den Schein der Scene durch die leichte Daͤmmerung der Baͤume brechen ſieht. Die Anlage hat Neuheit und zugleich eine große Mannigfaltigkeit; ſie hat Wahrheit mit Nationalintereſſe vereinigt. Das Thal liegt einſam und verſchloſſen; und iſt doch ſo geſellig. Man geht von einer Perſon zur andern, glaubt ſich mit ihr in eine Unterredung einzulaſſen, zu fragen, woher ſie kommt, und wer ſie iſt, was ſie daheim macht, was dieſes Werkzeug, die - ſer Zierrath bedeutet; man ſieht auf die Inſchriften am Fußgeſtell, die das Vater - land angeben. Man macht eine angenehme Bekanntſchaft, und unterhaͤlt ſich mit einer Geſellſchaft aus einer der ſchaͤtzbarſten Nationen in Europa, beruͤhmt durch die Einfalt ihrer Sitten und durch die Liebe und Treue gegen ihren Koͤnig. Und ſiefand192Anhang. Beſchreibungenfand einen Koͤnig, der ſie belohnte! Welcher Triumph fuͤr eine Nation, wenn ein Monarch, wie Friedrich V. war, die Bildniſſe ſeiner geliebten Unterthanen vor Seinem taͤglichen Anblick, und ſelbſt mitten in den Scenen Seines Vergnuͤgens auf - zuſtellen wuͤrdigt, wenn Er die Pracht Seines Palaſtes verlaͤßt, um ſich im Thal mit der Vorſtellung ihrer Beſchaͤftigungen und Luſtbarkeiten zu ergoͤtzen, wenn Seine wuͤrdige Koͤniginn Seinen menſchenfreundlichen Schritten folgt, noch jetzt dieſen Schauplatz nordiſcher Tugenden liebt, noch jetzt die ſchaͤtzbare Nationalgeſellſchaft ſich mit neuen Ankoͤmmlingen vermehren laͤßt!

Aus dem Normannsthal laͤuft unten eine Lindenallee, hinter welcher allerley einheimiſche Straͤucher mit wohlriechenden Blumen gepflanzt ſind, in die Einhegungs - allee hinab.

Vor dem Eingang in das Normannsthal geht die große mittlere Kaſtanien - allee mit ihren ſchoͤnen Staͤmmen und ſich verbreitenden Zweigen queer voruͤber, und laͤuft zur Linken uͤber die ganz nahe aͤußere Hauptallee an dem Abhange des Berges hinab, in die Einhegungsallee.

Wendet man ſich rechts in dieſe Kaſtanienallee, ſo kommt man bald zur Linken in einen ſchmalen Pfad. Er iſt windend, abwechſelnd, reizend, und fuͤhrt neben ei - nem Sitze unter einer Eiche in die Partie, in deren Mitte ſich ein ſchoͤnes Luſthaus, in Form eines runden Tempels, von offenem Gitterwerk, erhebt. Die Lage dieſes Gebaͤudes iſt entzuͤckend. Auf beyden Seiten laufen zwo kleine Alleen ab, mit Linden und Lerchenbaͤumen abwechſelnd, wovon die zur Rechten in die mittlere Hauptallee geht. Hinter ſich hat man eine Allee von Linden und Tannen, mit einer Durchſicht bey dem oben liegenden Faſanenhof hinauf; und vorne gerade aus eine herrliche Ausſicht auf den See, in welchen die von oben herablaufende Allee von Linden und Tannen ſich un - mittelbar hineinzuſtuͤrzen ſcheint; und hinter dem hellen Waſſer ſchwaͤrzen ſich die gro - ßen Maſſen der Waldung. Von dieſem Platz ſieht man auf allen vier Seiten zwi - ſchen den Zugaͤngen dunkle Tannenhaine ruhen.

Verfolgt man die Allee zum Waſſer hinab, ſo kommt man gleich zur Rechten in einen Weg, an dem aͤußern Rande eines von dieſen Tannenhainen hin. Man er - blickt die Buͤſte Friedrichs IV. in weißem italiaͤniſchen Marmor, auf einem ho - hen Fußgeſtell von nordiſchem Marmor. Von dieſer Buͤſte, deren weiße Farbe eine gute Wirkung vor dem Dunkeln der Baͤume macht, fuͤhrt ein gerader Weg hinab in eine Wildniß von Tannen, zwiſchen welchen die heitern Blaͤtter junger Ahorne trefflich contraſtiren. Der lange, gerade, dunkle, immer naͤchtliche Weg faͤllt unerwartet auf eine Partie voll Glanz und Schoͤnheit. Es eroͤffnet ſich ein großer Platz, der ſich von dem Walde nach dem See hinabſenkt, deſſen helle Maſſen aus der Tiefe heraufſtrahlen. Der193von Luſtſchloͤſſern. Der Platz iſt oben mit Raſen, Blumen und heitern Lindengaͤngen geziert. Unten liegen zwey Luſthaͤuſer. Sie ſtehen auf dem Rande der Anhoͤhe, ehe der Berg ſich voͤllig ſenkt. Durch die Oeffnung der Einhegungsallee bricht hier eine uͤberaus erfri - ſchende Ausſicht hervor. Das Auge uͤberſchauet die ganze Breite des Sees, ſeine Waͤlder mit den heitern Grasplaͤtzen und Kornfluren, die in den Zwiſchenraͤumen aus der Finſterniß der Waldung hervorlachen, die weiten Felder, die ſich zur Linken hin - ſtrecken; eine Ausſicht, welche die Seele mit neuen Empfindungen belebt, indem ſie ihr das Vergnuͤgen der Freyheit und der Ausdehnung gewaͤhrt.

Dieß iſt in der That der Ruhm von Friedensburg, daß es alle Annehmlich - keiten des Landlebens in ſich vereinigt. Die vielen Scenen ſind in beſtaͤndiger Abwech - ſelung; die wilden und die bepflanzten Plaͤtze, das Offene und das Verſchloſſene, das Heitere und das Dunkle, die geraden Alleen und die ſchlaͤngelnden Gaͤnge, die Haine und die Waldſtuͤcke, die Raſen und die Dickigte, alles aͤndert ab, und aͤhnliche Auf - tritte erſcheinen immer unter neuen Geſtalten. Alle Arten von Waldſaͤngern wohnen in dieſen ſichern Revieren, und beleben faſt jeden Baum und jeden Buſch mit ihren Liedern; wilde Tauben flattern uͤberall umher oder girren von den hohen Aeſten; und das junge Wild ſtreicht ſorglos uͤber die beſchatteten Wege dahin. Die Freyheit um - armt hier die Liebe der Natur. Eine reine und geſunde Luft weht uͤber ihren Haͤu - ptern; Waſſer, Waͤlder, weitlaͤuftige Spaziergaͤnge locken; Schatten und Kuͤhlung ſchweben aus den Gipfeln der Eichen herab; die friſchen Duͤfte der gemaͤheten Gras - plaͤtze durchwallen die labyrinthiſchen Gaͤnge; und die ſpaͤte Helle der Sommerabende, die dieſer Himmelsgegend eigen iſt, verlaͤngert jeden Genuß der ſtillen Freuden der Natur.

4. Die Gegenden zwiſchen der aͤußerſten (weſtlichen) Hauptallee und zwiſchen der Einhegungsallee.

Oben unmittelbar am Schloſſe bey dem Cabinet der Koͤniginn auf der weſt - lichen Seite liegt ein kleiner Garten, der einer ſtillen Ruhe gewidmet iſt. Er beſteht aus Blumen, kleinen Raſen und Baͤumchen, und iſt mit vielen trefflichen Werken der Bildhauerkunſt von italiaͤniſchem und nordiſchem Marmor geziert. Er hat liegende Figuren, ſchlafende Kinder, feine Gruppen von Bildern, Vaſen von man - cherley Formen und Verzierungen, Sitze von Marmor, Saͤulen, eine Caſcade. Man ſieht hier wieder vortreffliche Denkmaͤler von Wiedewelt, einem Kuͤnſtler, denIII Band. B bNorden194Anhang. BeſchreibungenNorden gegen die groͤßten neuen Meiſter der ſuͤdlichen Laͤnder, wo die Kuͤnſte zuerſt aufbluͤheten, aufſtellen darf. *)Das herrlichſte Werk dieſes Kuͤnſt - lers und der nordiſchen Kunſt uͤberhaupt iſt noch nicht vollendet, das Trauermonu -ment Friedrichs V. das unter den koͤnigli - chen Begraͤbniſſen der Kirche zu Rothſchild errichtet werden ſoll.Von ihm find vornehmlich folgende Stuͤcke ſchaͤtzbar. Unten bey der Treppe zwey liegende Sphynxe; vier brennende Vaſen auf den Ecken des Gelaͤnders; vier Vaſen mit den Fruͤchten der Jahreszeiten belegt; eine Vaſe mit ei - nem Satyrkopfe; und außer dieſen noch vier Vaſen, welche den verſchiedenen Styl der Kunſt unter den Voͤlkern zeigen, bey welchen ſie im Alterthum am meiſten bluͤhe - ten. Die aͤgyptiſche Vaſe iſt von ſchwarzem Marmor mit dem Kopf der Iſis und einem Siſtrum; das Fußgeſtell von nordiſchem Marmor ſtellet einen Altar vor, der mit Hieroglyphen bezeichnet iſt. Die hetruriſche Vaſe zeigt vorne den Kopf des he - truriſchen Koͤnigs Arminus; ſie iſt von ſchwarzem Marmor, das Fußgeſtell aber von nordiſchem in Form eines Altars. Die griechiſche Vaſe iſt mit ihrem Fußge - ſtell von weißem Marmor; ſie iſt mit den Bildniſſen des Jupiters und der Juno in halb erhobener Arbeit geziert; das Fußgeſtell iſt ein runder Altar. Die roͤmiſche von weißem Marmor iſt eine Zuſammenſetzung von dem ſpaͤtern Styl in der Kunſt, um die Abweichung der ſchoͤnen Formen zu zeigen; das Fußgeſtell iſt ein Altar, mit der Inſchrift: Marti ſacrum, Patriae cuſtodi. Auf den beyden Enden eines mar - mornen Dockengelaͤnders mitten in dieſem kleinen Garten liegen zwey ſchlafende Kinder von weißem Marmor; die Unſchuld kann nicht ruhiger ſchlummern. Am Ende des Gartens liegt die kleine Caſcade von nordiſchem Marmor, felſenfoͤrmig gemacht. Das Waſſer breitet ſich uͤber einen Felſen und gießt ſich uͤber einige ausgehauene Tritte hinunter in ein Baßin; in dem Geſtein ſind Waſſergewaͤchſe, Fiſche, Froͤſche auf eine maleriſche Art gruppirt; an den Seiten des Baßins ſtehen Vaſen mit Schlangen gedeckt.

Hinter dieſem Garten liegt unten in der Tiefe ein andrer kleiner Garten, wohin eine Treppe mit zwey Gaͤngen hinabfuͤhrt, in deren Mitte ſich eine Niſche mit einem Grottenwerk eroͤffnet. In dieſem Garten erhebt ſich ein gemauerter Berg mit vielen Abſaͤtzen und Aufgaͤngen, zwiſchen welchen ſich Oeffnungen zeigen; er iſt oben mit ei - ner Gruppe Bildhauerarbeit und gruͤnenden Buͤſchen geziert, unten iſt er von einem Waſſergraben umgeben, den eine niedrige Hecke umzaͤunt, und woruͤber eine Bruͤcke fuͤhrt. Der Berg wird von einer zahlreichen Colonie von Enten bewohnt. Die Seiten des Gartens ſind mit Obſtbaͤumen beſetzt.

An dieſen Garten ſtoͤßt noch ein Platz mit Fruchtbaͤumen und Erdbeerbeten be - reichert.

Ein195von Luſtſchloͤſſern.

Ein Gelaͤnder von Gitterwerk, woran ſich die Zweige der Obſtbaͤume verbreiten, dient dieſen drey Plaͤtzen auf der Seite des Parks zu einer beſondern Abzaͤunung. Und auf eben dieſer Seite laͤuft oben vom Schloſſe an neben ihnen eine Allee von Lin - den herunter, die der Anfang der aͤußerſten Hauptallee dieſes Weſtreviers iſt.

Oben aus dieſer aͤußern Hauptallee laͤuft, in der Gegend des Faſanenhofes, zur Linken ein Weg ab, und windet ſich rechts zwiſchen Waldſtuͤcken fort. Er fuͤhrt auf einen großen Platz, von welchem zur Rechten ein Weg in die aͤußerſte Hauptallee wei - ſet, und ein andrer zur Linken in den Ausgang des Parks auf der Suͤdſeite faͤllt. Der Platz iſt mit Lindengaͤngen und einigen bejahrten Waldbaͤumen geziert, und hat zur Linken einen Teich. Man geht gerade durch, zur Linken neben einem kleinen Luſtſtuͤck vorbey, woraus ſchoͤne Lerchenbaͤume emporſteigen, laͤßt auf dieſer Seite noch eine Lau - be liegen, und kommt zum Berge der Koͤniginn.

Unten an dem Sitze auf dieſer Hoͤhe laͤuft gerade ein Weg in die waldigten Ab - haͤnge hinab. Er fuͤhrt zunaͤchſt durch einen Hain von Tannen, der ſich in die Ein - hegungsallee endigt. Man geht unten in dieſer fort, uͤber die Stelle, wo die große mittlere Kaſtanienallee anfaͤngt, und ſich zur Rechten hinaufzieht, verfolgt den Weg am Fuß des waldigten Berges, und genießt, indem man ſich dem Schiffhauſe naͤhert, den Anblick einer ſchoͤnen Wieſe, an deren Graͤnze die blinkenden Wellen des Sees ſpielen, mit dem man hier in der Tiefe iſt. Das Schiffhaus iſt zum bequemen Ein - ſteigen in das große Luſtſchiff und die kleineren Boͤte erbauet, die hier zum Vergnuͤgen der Waſſerfahrten liegen. Man uͤberſchaut hier die ganze praͤchtige Strecke des Sees, der faſt immer wallet, und eine belebte Scene darſtellet, mit ſeinen weiten Ufern und den jenſeitigen Waldungen und Landſchaften.

Von dem Schiffhauſe geht man weiter durch die Einhegungsallee, und kehrt rechts in einen ſchlaͤngelnden Weg den Berg hinauf. Er fuͤhrt, lange herumirrend, immer ſchattigt und kuͤhl, unter dem Geraͤuſch der hier unſichtbaren See, durch die waldigte Wildniß, faſt immer durch junge Buchengebuͤſche mit alten Baͤumen unter - miſcht, ſteigt allmaͤhlig und leitet oben etwas ſeitwaͤrts zur Rechten in einen verborge - nen Winkel, wo eine gruͤne Laube zum Ruhen einladet. Der Winkel liegt auf einem ſteilen Abſatz des Berges, wovon man eine anmuthige Ausſicht in die Einhegungsallee hinab hat. Indem man in den vorigen Weg zuruͤckkehrt, ſieht man zur Linken einen Pfad zu dem Normannsthal hinlaufen. Der angefangene Weg ſteigt hoͤher fort, geht uͤber die große mittlere Kaſtanienallee nach dem gegenuͤber liegenden Waldſtuͤck, und windet ſich hier fort, nach der Hoͤhe von dem Berge der Koͤniginn wieder hinaus.

B b 2Hier196Anhang. Beſchreibungen

Hier laß uns ruhen, laͤndliche Gartenmuſe, und die letzte Scene voll neuer Schoͤnheiten betrachten. Schau, welch ein erhabener und feyerlicher Sitz auf dieſer Hoͤhe! Unter einer Buche, die Jahrhunderte ihres Lebens zaͤhlt, die mit ihren ausge - breiteten ſtarken Aeſten ſich faſt in der Hoͤhe dem Blick entzieht, der ihr nachſtrebt, ru - het eine von Linden geflochtene Laube. Ringsumher hat ſie eine Umkraͤnzung des klei - nen runden Vorplatzes mit einem niedrigen Gebuͤſch von Liguſtrum. Hinter dem Ge - buͤſch ſind die Abhaͤnge dieſer Hoͤhe in drey Abſaͤtze getheilt, die herumlaufen; der ober - ſte und mittlere ſind mit Malven geſchmuͤckt; und aus dem unterſten erheben ſich Ler - chenbaͤume herauf.

Praͤchtiger kann keine Ausſicht uͤber die Kronen hinwallender Waldungen ſeyn, als hier. Das Auge ſtuͤrzt gleich in den waldigten Vorgrund hinab, woraus ſich die Haͤupter von mancherley Baͤumen mit mannigfaltigem Gruͤn und Geſtalten erheben. Ein ſeltſames, uͤberraſchendes Gemiſch von Formen und Farben; die Spitzen der Tannen mit den breiten Woͤlbungen der Buchen, das flatternde Laub der Birken mit den feſten Blaͤttern der Eichen. Das Auge erhebt ſich wieder aus dem Vorgrunde, um bald uͤber ſteile Spitzen, bald uͤber wellenfoͤrmige Erhebungen des obern Laubwerks dahin zu ſchweben. Ein Strich von dem Ende des Sees ſchimmert hinter den un - geheuern Maſſen der waldigten Scenen herauf, um ſie zu erfriſchen, und in dieß große Waldgemaͤlde eine milde Erheiterung einzuſtreuen. Gleich hinter dem Strich vom Waſſer ſteigen wieder die jenſeitigen Waldungen empor, und verbreiten ihren naͤchtlichen Schatten in langen Strecken fort.

Und welche neue Feyer fuͤr dieſe Scene, wenn die Koͤniginn hier in den mil - den Augenblicken ruhet, wo das untergehende Licht des Tages uͤber die Waͤlder dahin - gleitet, und die goldenen Strahlen ſich zwiſchen den dunklen Maſſen der belaubten Spitzen brechen. Die ſtolzen Gipfel der Waͤlder wallen uͤber einander dahin; ein lautes Geraͤuſch ſcheint ihre Belebung anzukuͤndigen; ſie ſcheinen ſich zu neigen, ſich von dem Blicke der Koͤniginn begruͤßt zu fuͤhlen. Indeſſen ſchaut Ihr erhabenes Auge mit ruhiger Behagung uͤber die Waͤlder hin, zu fernen Landſchaften, die hinter ihrem Schatten bluͤhen, hinaus, zu den gluͤcklichen Landſchaften, wo jede Huͤtte ſich allmaͤhlig bereitet, Ihr das Abendopfer zu weihen.

II. Jaͤ -197von Luſtſchloͤſſern.

II. Jaͤgerspreis. *)Dieſes Luſtſchloß gehoͤrt Sr. Koͤnigl. Hoheit dem Erbprinzen Friedrich; und liegt ſechs Meilen von Kopenhagen.

Jaͤgerspreis liegt in einer uͤberaus angenehmen, fruchtbaren und waldigten Land - ſchaft. Sie iſt von dem großen Meerbuſen Iſefioͤrd umgeben, der ſie bis auf die ſuͤdliche Seite, wo ſich das Land mit ſeinen Fluren und Waͤldern verbreitet, ganz mit Waſſer umſchließet. Dieſer Meerbuſen theilet ſich um dieſe Landſchaft her in ſeine beyden Hauptarme; der kleine oder Rothſchilder liegt auf der oͤſtlichen Seite, und erſtreckt ſich bis Rothſchild; der große verbreitet ſich auf der Weſtſeite in ein anſehn - liches Gewaͤſſer, das eine Breite von mehr als einer Meile hat, und geht bis Holbek und andere Gegenden, wo er einige andre Namen erhaͤlt. Man darf dieſe Lage nur beruͤhren, um die Phantaſie zur Vorſtellung der praͤchtigen Ausſichten zu wecken, die ſich um Jaͤgerspreis eroͤffnen.

Das Schloß iſt alt, aber geraͤumig, mit einer Menge von Zimmern, die zum Theil mit Gemaͤlden geziert und ſehr praͤchtig meublirt ſind. Aus den obern Stock - werken genießt das Auge die vortrefflichſten Proſpecte auf die Gewaͤſſer des oͤſtlichen und des weiten weſtlichen Meerbuſens und auf die Reichthuͤmer der Landſchaft umher.

Unmittelbar vom Schloſſe verbreiten ſich zunaͤchſt ſowohl auf der oͤſtlichen als auf der nordlichen Seite große und freye Raſenplaͤtze, die mit mancherley Blumen umkraͤnzt ſind. Die Raſen auf der Oſtſeite laufen auf gruͤne Lauben, die mit Linden umgeben ſind, zwiſchen welchen Blumen bluͤhen; zur Linken zieht ſich ein ſchattenrei - cher anmuthiger Bogengang von Ypern und Linden, hinter welchem ein Teich ruhet. Die Raſen auf der nordlichen Seite haben, außer ihrer Umkraͤnzung mit Blumen, eine Blumengruppe auf einer Erhoͤhung; ſie ſind außerdem mit vier ſchoͤnen Vaſen mit den Sinnbildern der Jahreszeiten auf Fußgeſtellen ruhend, und mit einer feinen marmornen Saͤule verziert, deren Schimmer auf dem friſchen Gruͤn eine ſehr anmu - thige Wirkung macht. Der ganze Platz iſt mit ſchoͤnen Linden umgeben, zwiſchen welchen die ſtolzen Malven ihre farbigten Haͤupter erheben.

B b 3In198Anhang. Beſchreibungen

In beyde Gegenden, gegen Oſten ſowohl als gegen Norden, laufen von dieſen Raſenplaͤtzen gerade Alleen ab, welche in die freyeren Anlagen, in die Spaziergaͤnge und in die Waͤlder fuͤhren.

Auf der oͤſtlichen Seite ſtreicht das Auge in die Landſchaft durch eine hohe wal - digte Allee, die ſich zwiſchen anliegenden Waͤldern erhebt, und von Eſchen, Weiden, Ellern, Linden, Haſeln und andern Geſchlechtern dicht bepflanzt iſt. Auf der rechten Seite liegt ein junger Hain von Eichen, auf der linken ein anderer von Tannen mit geraden Alleen und ſchlaͤngelnden Gaͤngen abwechſelnd; und ganz nahe an ſie graͤnzen noch andre Waͤlder, die durch eine Ahornallee mit den nordlichen Waͤldern, die aus alten ehrwuͤrdigen Eichen mit Buchen und Untergebuͤſch untermiſcht beſtehen, verbun - den werden. Die auf der Nordſeite liegenden Waͤlder ſind groß, frey, voll natuͤrlicher Schoͤnheit, hie und da mit Grasplaͤtzen und Ausſichten erheitert, und mit windenden Gaͤngen durchſchnitten, worinn angenehme Raſenſitze liegen. Und zwiſchen dieſen Waͤldern ſind Alleen von Ahorn, von Linden, und von Eichen gepflanzt, die ſich an die Waldbaͤume ſchließen, ein veraͤndertes Gruͤn und reizende Spaziergaͤnge geben. Die angepflanzten Baͤume ſtehen auf natuͤrlichen Raſen, und wachſen in ihrer gluͤckli - chen Freyheit. Man findet uͤberall eine ſchoͤne, ſich ſelbſt uͤberlaſſene Natur; alles iſt ausgedehnt, frey und unverſtellt. Ein Schein von Wildniß, der uͤber das Ganze herrſcht, iſt an einem Orte von einer ſolchen Beſtimmung, wie dieſer hat, uͤberaus ſchicklich. Er verlangt Groͤße und keine kuͤnſtliche Verzierungen; die Verwilderung in Dickigte, die Dunkelheit und die Einſamkeit der Waͤlder vereinigen ſich zur Ver - ſtaͤrkung der Eindruͤcke, die hier die Seele empfangen ſoll.

Jaͤgerspreis iſt ein Park von einem feyerlichen Charakter, den großen und hei - ligen Bewegungen gewidmet, die aus der Gegenwart der Denkmaͤler ſowohl des ho - hen Alterthums, als auch der ehrwuͤrdigen Maͤnner dieſer Reiche, nur entſpringen koͤnnen.

Man ſieht hier Grabmaͤler, wo die Gebeine der alten Helden Nordens ruhen, in Kammern von Steinen, die der Zeit eben ſo unbezwingbar waren, als ihr Muth ihren Feinden war. Indem man dieſe Oerter betritt, ſo empfindet die Seele das Ehrwuͤrdige jener Zeiten, wo edle Einfalt des Herzens und feſte Maͤnnlichkeit der Tu - gend bey rohen Sitten wohnte. Eines von dieſen Grabmaͤlern ruhet in einem Walde auf der Nordſeite. Es beſtehet aus Feldſteinen, in der Hoͤhlung eines Huͤgels, wel - che fuͤr zwanzig ſtehende Perſonen Raum hat; uͤber dem Huͤgel breiten zwey alte krum -me199von Luſtſchloͤſſern. me Eichen, deren Anſehen ſich ſo wohl zu dieſer Scene ſchickt, ihre unfoͤrmlichen Aeſte aus; und rings umher bilden Eichen, Buchen, Ellern und Haſelgebuͤſche mit dichten Laubdecken eine ſchattenvolle Verſchließung. Eine Marmortafel, die zwiſchen den beyden Eichen ſteht, ſagt in einer lateiniſchen Inſchrift, daß dieſer Begraͤbnißplatz, der die Gebeine von vier Sterblichen ſeit acht Jahrhunderten verwahrte, von Frie - drich dem V. im Julius 1744 zuerſt eroͤffnet worden. Man hat dieſen Huͤgel zugleich zu einem Ruheplatz uͤber dem Begraͤbniſſe eingerichtet; er iſt mit einer Be - kleidung von Raſen mit Aufgaͤngen und Sitzen verſehen, und durch eine ausgehauene Oeffnung der Hoͤlzung hat das Auge die Ausſicht auf Wieſen, auf einen Theil des oͤſt - lichen Meerbuſens und in die weite Landſchaft hinaus.

Ein andres altes Begraͤbniß iſt mit dem Namen von Julianenshuͤgel ausge - zeichnet, und liegt frey auf der Weſtſeite, wohin vom Schloſſe eine Lindenallee fuͤhrt. Der ganze Platz iſt mit einem Gelaͤnder und mit Baͤumen umgeben. In dieſen Huͤ - gel geht eine mit rohen Feldſteinen gebildete Hoͤhle, die ſich etwas kruͤmmt; ſie iſt ſie - ben und zwanzig Fuß lang, und ſo hoch, daß eine Perſon darinn ſtehen kann. Im Hintergrunde der Hoͤhle brennt eine Lampe, die einen feyerlichen Schein durch die Dun - kelheit dieſes Gewoͤlbes ſtreut. Ueber dem Eingang lieſet man die Inſchrift:

Dem Andenken der beſten Mutter iſt dieſes uralte Denkmal (gefunden im Jahr 1775) geheiligt vom Erbprinz Friedrich.

Der Huͤgel beſteht aus zwey Abſaͤtzen oder Abtheilungen. Man ſteigt beym Eingan - ge der Hoͤhle zu beyden Seiten auf eine Raſentreppe zu der erſten Hoͤhe, auf welcher ein runder Gang herumfuͤhrt. Hier ſtehen um den aͤußern Rand des Ganges zwiſchen Malven ſieben runde und einfache Saͤulen, die, wie die Inſchriften der Namen zeigen, alten daͤniſchen und norwegiſchen Koͤnigen, Skiold, Frode den Fredegode (Friedliebenden), Dan Mykillati (Praͤchtigen), Harald Haarfager (Schoͤn - haar), Gorm den Gamle (Alten), Harald Hyldetand, und dem Stammvater des oldenburgiſchen Hauſes, Wittekind, gewidmet ſind. Dieſe Saͤulen geben durch die Inſchriften, die ſie zu Denkmaͤlern beſtimmen, und durch die Einfachheit ihrer Form, die ihnen an dieſem Orte zukommt, eine ſehr gluͤckliche und anſtaͤndige Verzierung. Die obere Haͤlfte des Huͤgels iſt mit Baͤumen bepflanzt, und ebenfalls am Rande mit Blumen umkraͤnzt. Auf der Spitze liegt ein runder Platz, inwendig mit Sitzen, und rings umher von einer Raſenerhoͤhung eingeſchloſſen. Man genießt von dieſer Hoͤhe eine weite herrliche Ausſicht. Zunaͤchſt wird das Auge rings umher von einer ſehr angebaueten, fruchtbaren, bluͤhenden Landſchaft, die mit allen abwech - ſelnden Schoͤnheiten der Natur angefuͤllt iſt, entzuͤckt. Auf der Weſtſeite erſcheintder200Anhang. Beſchreibungender lange und weite Meerbuſen, Iſefioͤrd, der, indem der Blick auf die jenſeitigen Ufer hinreicht, in der Ausſicht einen großen glaͤnzenden Kranz von Waſſer bildet. Zur Linken auf der ſuͤdlichen Seite ruhen Waldungen in der Landſchaft; weiter zuruͤck zeigt ſich das Schloß mit den Gebaͤuden von Jaͤgerspreis und mit den woͤlbenden Gi - pfeln der Waͤlder von Eichen und Buchen, zwiſchen welchen die hohen Spitzen des Tannenhains hervorſtechen. Nach Oſten verbreitet ſich der Blick uͤber Waͤlder, ſtreicht durch eine eroͤffnete Durchſicht auf den rothſchilder Meerbuſen hin, und von da verliert er ſich in die dahin daͤmmernde Ferne der Landſchaft. Auf der noͤrdlichen Seite ſtre - cken ſich die weiten Flaͤchen der Landgegenden mit einzelnen Haͤuſern, Einzaͤunungen, Gebuͤſchen und Baͤumen hin. Die Ausſicht iſt zu reich fuͤr eine Beſchreibung ſowohl, als fuͤr ein Gemaͤlde.

Von dieſem Huͤgel kann man auf verſchiedenen Wegen in die ſtille Dunkelheit der Waͤlder kehren. Hier eroͤffnen ſich Scenen, die das Auge reizen, und die Seele mit einer feyerlichen Ehrfurcht erfuͤllen. Man glaubt auf einmal in die geheiligten Haine Griechenlands verſetzt zu ſeyn. Das Innere der Waͤlder und die freyen Alleen ſind mit ſchimmernden Monumenten erfuͤllt, die der Koͤnigliche Prinz, deſſen ed - ler Geiſt hier wirkt, den verdienteſten Maͤnnern Seines Vaterlandes in nordiſchem Marmor von der Erfindung Seines Wiedewelt errichten laͤßt. Welche neue und ehrwuͤrdige Scene! Ein Prinz in Norden ſchafft hier ein Werk, das Griechenland in den heiterſten Zeiten der Vernunft und der Kuͤnſte nicht auf die Art hatte; denn Er ehrt alle Gattungen von Verdienſten, nicht blos die Helden und die Sieger, die vornehmlich in dem Marmor der Griechen wieder auflebten, ſondern auch den weiſen Staatsmann, den Erfinder, den Aufklaͤrer der Wiſſenſchaften, den Lehrer des Volks, den Retter ſeiner Mitbuͤrger, den Befoͤrderer jeder gemeinnuͤtzigen Anſtalt, die ohne Schimmer in ſich ſelbſt gehuͤllt, oft unbemerkt vor dem Auge der Fuͤrſten voruͤber - ſchwindet, und ſelbſt die, welche durch maͤnnliche Tugend in weiblicher Bruſt den Ruhm ihres Geſchlechts erhoͤheten. Auch bey allem Eifer Britanniens, ſeine Parks zu veredeln, hat es noch keine Unternehmung dieſer Art; die einzelnen Tempel oder Monumente zum Andenken verdienter Britten, die hie und da errichtet ſind, ſelbſt die bekannten elyſaͤiſchen Felder zu Stowe, ſind nicht das, was Jaͤgerspreis zeigt. Der Kenner findet hier die erſte Ausfuͤhrung eines Werks, das vielleicht kaum in dieſem Geſchmack gedacht ward, und das den Gaͤrten einen Adel giebt, den ihnen das ganze Goͤtterchor, das Ludewig XIV. aus dem mythologiſchen Himmel herab - rief, nicht geben konnte.

Allein201von Luſtſchloͤſſern.

Allein nicht blos den Werth der Neuheit, auch das Verdienſt des Na - tionalen hat die Errichtung der Monumente zu Jaͤgerspreis. Man ſieht hier das Andenken der verdienteſten Perſonen aus der Nation, von entfernten Jahrhunderten bis auf das gegenwaͤrtige, erneuert. Man hat eine ſtrenge Wahl beobachtet. Es ſind Verdienſte von der erſten Groͤße, und von einem ſo bekannten und entſchiedenen Werthe, daß ſelbſt der Neid, indem er hin - ſchielt, ſtumm voruͤbergeht. Seit drey Jahren, da dieſes Werk ſeinen An - fang nahm, deſſen Fortſetzung noch von der gluͤcklichſten Begeiſterung beguͤn - ſtigt wird, ſind hier nun dreyßig Denkmaͤler errichtet, und ihre Anzahl wird noch wohl auf eben ſo viel vermehrt werden. Welcher Ruhm fuͤr die Na - tion, die ihre Verdienſte von allen Claſſen und aus allen Staͤnden hier vere - wigt ſieht, von einem Prinzen, deſſen Geiſt ſie alle kennt, und deſſen Edelmuth ſie alle ſchaͤtzt! Und welche Begeiſterung fuͤr die Nachkommen, die hier die Denkmaͤler ihrer wuͤrdigen Vorfahren erblicken, vor ihnen mit ſtum - mer Ruͤhrung ſtehen bleiben, das Feuer der Nacheiferung bey ſich auflodern fuͤhlen, und mit dem edlen Entſchluß, auch einſt zu ſeyn, was ſie waren, zuruͤckkehren! Auch der Patriot, der mit den verewigten Namen in keiner andern Verbindung ſteht, als durch das Intereſſe ſeiner Nation, der ſie an - gehoͤren, wird bey dem Anſchauen ihrer Monumente erwaͤrmt. Man hat hier dieſe Wirkungen in der That bemerkt. Man hat oft geſehen, wie ſelbſt in den Augen der Damen eine ſanfte Ruͤhrung hervorbrach, wie ſie das Edle in dieſen Anſtalten empfanden, und ſich mit Wehmuth an die Perſo - nen oder an ihre Verdienſte erinnerten. Die vaterlaͤndiſche Geſchichte wird ein Lieblingsſtudium; man wuͤrde vor ſich ſelbſt erroͤthen, die Perſonen, de - ren Ehrenmaͤler hier ſtehen, nicht zu kennen, oder ſie vergeſſen zu haben. Und ſelbſt der Fremde giebt ſeinen Beyfall, und geſteht, daß ein Prinz, der große Maͤnner ſeiner Nation zu ehren weiß, das Vorrecht hat, ſie zu beſitzen.

Gewiß konnte der Prinz, der alle ſchoͤnen Kuͤnſte Seines Vater - landes begeiſtert, ihnen keine wuͤrdigere Beſtimmung geben, als da Er ſie zur Verewigung der Nationalverdienſte rief. Die Monumente ſind Saͤulen von einer edlen Einfalt, die der Schoͤnheit bey Werken des Geſchmacks zu - gehoͤrt. Die Formen ſind richtig, frey und in jedem Denkmal abwechſelnd; einige haben eine charakteriſtiſche Bezeichnung, die auf das Perſoͤnliche desIII Band. C cVerdien -202Anhang. Beſchreibungen von Luſtſchloͤſſern. Verdienſtes hinwinkt. Die Saͤulen ſind mit den Namen der Perſonen, und nach den Geſetzen des Geſchmacks, mit wenigen, aber richtig gewaͤhlten Sinn - bildern, die bey Werken dieſer Art von einer großen Kraft ſind, bezeichnet. Bey aller Mannigfaltigkeit der Formen und der Sinnbilder iſt die Simplicitaͤt ſorgfaͤltig beybehalten.

Hier ſind einige Monumente*)Alle Monumente werden von Cle - mens jetzt in Kupfer geſtochen, und kuͤnftig mit hiſtoriſchen Erlaͤuterungen, welche die Thaten und Verdienſte der Perſonen betreffen, in einem beſondern Werke herauskommen.als Beyſpiele: Abſalon, der beruͤhmte Biſchof und Feldherr; Tycho Brahe, der große Aſtronom; Peter Colbioͤ - renſen,**)Dieſe Maͤnner ſind aus der daͤ - niſchen Geſchichte bekannt genug; Peter Colbioͤrenſen moͤchte es vielleicht weniger ſeyn. Dieſer patriotiſche Normann that ſich bey der Belagerung von Friedrichs - hall unter Karl XII. nicht nur durch außerordentlichen Eifer und Muth her -vor, ſondern er munterte auch, um die Feſtung zu retten, ſeine Mitbuͤrger zur Anzuͤndung der Stadt auf, und ſteckte zuerſt ſein eigenes Haus in Brand. Der nordiſche Alexander ward dadurch genoͤthigt, noch vor dem Abend die Stadt mit großem Verluſt zu verlaſſen. Col - bioͤrenſen war Kaufmann, und ſtarb als Obriſter. Der Kuͤnſtler hat den Mar - mor ſo taͤuſchend zu bearbeiten gewußt, daß man bey der Annaͤherung in der That verbranntes Holz und zerbrochene Mauerſteine zu ſehen glaubt. der edelmuͤthige Patriot; Ulrich Friederich Gyldenloͤve, der mu - thige Eroberer von Marſtrand; Friedrich Danneſkiold Samſoe, General - admiral und Verbeſſerer des Seeweſens; Johann Hartwig Ernſt Bernſtorf, der unvergeßliche Staatsminiſter, deſſen kluge Unterhandlungen Holſtein das Gluͤck vorbereiteten, unter der daͤniſchen Regierung aufzubluͤhen.

Die203Anhang. Beſchreibungen von Luſtſchloͤſſern.
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[204]205Anhang. Beſchreibungen von Luſtſchloͤſſern.
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[206]207Anhang. Beſchreibungen von Luſtſchloͤſſern.
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[208]209Anhang. Beſchreibungen von Luſtſchloͤſſern.

Die Saͤulen ſind in dem jungen Eichenhain und in dem Tannenwald auf der Oſtſeite des Schloſſes, in dem großen Walde voll alter Eichen gegen Norden, und in den Alleen und Spaziergaͤngen bis an das Ende des Parks in den Faſanengarten hinab, uͤberall zerſtreut. Sie ſtehen einzeln und abge - ſondert, damit jede ihre Wirkung vollenden koͤnne, ehe eine andre erſcheint. Man erblickt ſie faſt immer an ſchattigten Plaͤtzen, auf kleinen Erderhoͤhungen, unter der Daͤmmerung bejahrter Eichen oder Buchen. Der Schimmer des Marmors, der durch die Belaubung bricht, und das heilige Dunkel, worinn ſich zuweilen die Monumente verbergen, bis das Auge ſie ploͤtzlich erblickt, laſſen abwechſelnd ihre Eindruͤcke zur Seele dringen. Alles iſt ſtill, einſam, feyerlich. Die Wirkungen dieſer Scenen ſind groß und immer zutreffend; aber nur eigene Empfindung faßt ſie, keine Beſchreibung kann ſie uͤberliefern. Das Gefuͤhl der Kenner iſt hier Richter und Lobredner zugleich; alle ſind hier zur warmen Verehrung des Prinzen vereinigt, der ſelbſt an dem Orte Seines laͤndlichen Vergnuͤgens die Tugenden und die ſchoͤnen Kuͤnſte zu Be - gleiterinnen hat, und der Seine Haine und Spaziergaͤnge nur liebt, wenn ſie von den Ehrenſaͤulen der Verdienſte Seines Vaterlandes glaͤnzen.

III Band. D dIII. Ma -210Anhang. Beſchreibungen

III. Marienluſt. *)Dieſes koͤnigliche Luſthaus gehoͤrte Ihrer Koͤnigl. Majeſtaͤt, der verwittweten Koͤniginn, Juliana Maria, und iſt von Ihr Sr. Koͤnigl. Hoheit, dem jetzigen Kronprin - zen, Friedrich, geſchenkt. Es liegt ganz nahe bey der Stadt Helſingoͤr und dem SchloſſeKronenburg, fuͤnf Meilen von Kopenhagen. Man hat von Marienluſt zwey Kupferſtiche, einen kleinen von Quiſt, der blos das Ge - baͤude zeigt, und einen groͤſſern von W. A. Muͤller (1767), der außer dem Luſthauſe den Huͤgel und den Garten vorſtellt.

Eine vortrefflichere Lage, als dieſes koͤnigliche Luſthaus in der weſtlichen Gegend der Stadt Helſingoͤr genießt, dichtet kaum ein Thomſon aus der reichſten Phan - taſie hervor, findet kaum ein Tavernier, der die herrlichſten Luſtplaͤtze aller Welt - theile durchwanderte.

Das Gebaͤude iſt ſchoͤn und erſt vor zwanzig Jahren erbauet. Es ruhet an ei - nem Huͤgel, und beſteht aus zwey Stockwerken zur Bewohnung; denn das Erdge - ſchoß, das nur auf der Vorderſeite ganz ſichtbar und mit einem Ausgang unter einer Arcade verſehen iſt, dient zu den Beduͤrfniſſen der Tafel in geraͤumigen und hellen Ab - theilungen. An der Vorderſeite des zweyten Stockwerks befindet ſich unter einer zwo - ten Arcade ein anmuthiger Sitz, beſonders zum Genuß der Ausſicht uͤber den Garten oder den Vorplatz. Auf der Hinterſeite des Gebaͤudes iſt die Anlage ſo gebildet, daß man zu dem oberſten Stockwerk faͤhrt. Das Dach iſt flach und mit einer Gallerie umgeben, deren Vorderſeite vier ſchoͤne Vaſen zieren. Das ganze Gebaͤude iſt von Stein aufgefuͤhrt und mit einem grauen Anwurf uͤberkleidet.

Die Zimmer dieſes Luſthauſes ſind nach richtigen Verhaͤltniſſen vertheilt und eingerichtet; in dem untern Stockwerke befinden ſich vier, außer einigen Cabinetten; allein die ſchoͤnſten ſieht man in dem oberſten Stockwerk, mit Geſchmack verziert und mit Gemaͤlden uͤber den Thuͤren von Mandelbergs Pinſel geſchmuͤckt. In der Mitte dieſes Stockwerks liegt ein großer, viereckigter, heitrer, ſchoͤner Saal, der die herr - lichſten Proſpecte eroͤffnet und ſie in zwey hohen Wandſpiegeln wiederſcheinen laͤßt, die oben mit den Bildniſſen Friedrichs des Fuͤnften und Julianens, wie halb erhobene Arbeit medaillenfoͤrmig von Pilo gemalt, bekroͤnt ſind. Das Auge vergißt bald die reizenden Wiederſcheine von Meer und Landſchaft, und bleibt verweilend an den geliebten Bildniſſen mit ſtummer Entzuͤckung hangen. Zur Linken ſtoͤßt an die - ſen Saal ein laͤnglicher Speiſeſaal; zur Rechten liegen zwey Zimmer.

Der211von Luſtſchloͤſſern.

Der Huͤgel, woran ſich das Gebaͤude lehnt, iſt in verſchiedene Abſaͤtze zertheilt, mit Aufgaͤngen verſehen, und mit Statuͤen und Vaſen verziert. Ihn kleiden einige Baͤume, die ſchon die Vorwelt wachſen ſah, andre, beſonders Linden, ſind vor eini - ger Zeit angepflanzt, und davon uͤberall beſchattete Spaziergaͤnge gebildet, die mit angenehmen Ruheplaͤtzen abwechſeln. Das Gebaͤude ſteigt mit dem Huͤgel zu einer gleichen Hoͤhe; aber die Baͤume ragen noch uͤber das flache Dach empor, und bilden einen ſchattigten Hintergrund, der von den Geſaͤngen der Voͤgel wiederhallt.

Vor dem Angeſichte des Luſthauſes verbreitet ſich der Garten oder vielmehr der Vorplatz, deſſen Heiterkeit die angenehmen Eindruͤcke des Huͤgels und des Gebaͤudes unterſtuͤtzt. Er iſt ein Luſtſtuͤck von gruͤnen Raſen und Blumen, mit Statuͤen und Vaſen unterbrochen; rings umher laufen kuͤhle Spaziergaͤnge unter Linden. Die ſymmetriſche Vertheilung und Verzierung dieſes Vorplatzes iſt hier in einer ſo unmit - telbaren Verbindung mit dem Gebaͤude ſelbſt ſchicklich; der Raum verſtattet keine freyen Anlagen, und man ſucht ſie ohnedies nicht an einem Ort, wo man die praͤch - tigſten Gegenſtaͤnde der Natur und der menſchlichen Kunſt, die ſich uͤber jede Ver - ſchoͤnerung von Anpflanzung erheben, in der Ausſicht genießen ſoll.

Dieſe großen Gegenſtaͤnde der Natur und der Kunſt ſind es, welche die Herr - lichkeit von Marienluſt ausmachen. Erhabener und feyerlicher mag die allmaͤchtige Natur Scenen bilden koͤnnen; aber an Einem Platz hat ſie nicht Scenen in der Aus - ſicht vereinigt, die dieſen gleichen. Beſteige den Huͤgel oder das flache Dach, und erwarte ein Entzuͤcken, das die ganze Seele erweitert und dich uͤber dich ſelbſt erhebt. Zur Rechten verbreitet ſich der Blick uͤber die Oſtſee; die Inſel Hween, die ſich aus ihren blauen Wellen erhebt; die anſehnliche Stadt Helſingoͤr; hinter ihr unzaͤhlbare Maſten von Schiffen aller Nationen, die durch den Sund gehen; das praͤchtiggothi - ſche Schloß Kronenburg, das auf ſeiner Anhoͤhe, wovon es uͤber die Meerenge ge - bietet, mit ſeinen Thuͤrmen, ſtarken Mauern und unbezwingbaren Bollwerken, wo tau - ſend Donner auf den erſten Wink ausbrechen, in einer ſolchen heroiſchen Landſchaft von einer weit groͤſſern Wirkung iſt, als der zierlichſte Palaſt, das an die Helden der Vor - welt zuruͤck erinnert, und noch jetzt durch die Vorſtellung von Staͤrke und Herrſchaft erhebt. Weiter herauf nach der Mitte uͤberſchauet das Auge den ganzen Oereſund, der das baltiſche Meer dem Ocean uͤbergiebt; die langen Strecken der Kuͤſte von Schweden; und auf ihr die Stadt Helſingburg mit ihren Haͤuſern und dem Thurm uͤber ſie hinaus, der, als der Ueberreſt der verwuͤſteten Feſtung, einſam auf dem Ber - ge trauert. Zur Linken hin erſcheinen auf der Spitze der jenſeitigen Kuͤſte von Scho - nen die Kulla-Berge; man uͤberſieht ferner auf dieſer Seite den Codanſchen Meer -D d 2buſen,212Anhang. Beſchreibungenbuſen, den Eingang in den Ocean; und tiefer links die dieſſeitigen fruchtbaren und mit ſchoͤner Waldung bekleideten Ufer von Seeland. Doch dieſe Ausſichten, die einzigen von dieſer Art in Europa, uͤberſteigen alle Beſchreibung; man muß ſie ſchauen, um ihre Groͤße zu fuͤhlen. Man vergißt in ihrem Genuß Schoͤnheiten, die ſonſt bezaubern und hier verſchwinden; man vergißt den anmuthigen Vorgrund, wo umhergraſende Heerden zwiſchen den gruͤnen Abhaͤngen ein ſanftes Landſchaftgemaͤl - de vollenden, die Wieſen und die zerſtreueten Gaͤrten und Haͤuſer in der Tiefe, die frohen Lieder der Voͤgel in den Baͤumen, welche die Spitze des Huͤgels kroͤnen. Das Auge ſchweift uͤber Meere und Landſchaften hinaus, und die Einbildungskraft ſchwelgt in der unermeßlichen Groͤße dieſer Scenen.

Bey aller ihrer Ausdehnung ſind ſie doch dem Auge nahe, das ſie gleich ſieht, ohne ſie muͤhſam in der Ferne ſuchen zu duͤrfen; und auf der Hoͤhe, wovon man ſie genießt, erkauft man ſie weder durch Ermuͤdung, noch durch Schwindel. Sie ſind groß, ohne ſchrecklich zu ſeyn; praͤchtig, und doch immer unterhaltend. Die wech - ſelnden Lichter des Himmels, ſein heiteres Blau oder die abaͤndernden Gemaͤlde der Wolken, der Schlaf des Meeres oder ſein brauſendes Erwachen, ſeine aufſchaͤumen - den, ſich aufthuͤrmenden, ſich gewaltſam fortſchlagenden Wellen, das Getoͤſe der Winde, das Geſchrey der ſich umherwaͤlzenden Seevoͤgel, die unaufhoͤrlichen Bewe - gungen von Schiffen, deren in jedem Jahre ſieben bis achttauſend, und zuweilen an einem Tage drey bis vierhundert dieſe Straße durchſegeln alle dieſe Zufaͤlligkeiten geben dieſen Scenen Leben und Abwechſelung, und begleiten ihre Groͤße mit neuen Wirkungen.

Keine Meerenge in allen entdeckten Weltgegenden erfreuet ſich ſolcher praͤchti - gen Durchzuͤge von Schiffen, als dieſe nicht ſelten auf einmal hat. Oft verſammeln ſich an vierhundert Segel, die auf einen guͤnſtigen Wind zum Durchgang warten, und deren ruhende Maſten einen meilenlangen Wald zu bilden ſcheinen. Der Wind erhebt ſich, die Segel ſchwellen in die Luft, die Flaggen aller Nationen flattern, eine ſchwimmende Stadt naͤhert ſich mit majeſtaͤtiſcher Pracht, die Begruͤßungen ihrer Kanonen, die dem Schloſſe Kronenburg huldigen, erſchallen von allen Seiten, der Donner hallt von beyden Ufern wieder, die maͤchtigſten Elemente, das Waſſer und das Feuer, ſcheinen in einen Kampf zu gerathen, der dicke Dampf ſteigt aus den weißſchaͤumenden Wellen empor, und zerfliegt von den Spitzen der Maſten den Wol - ken zu; das ſtolze Gefuͤhl der daͤniſchen Herrſchaft uͤber den Sund erhebt die Bruſt des Patrioten.

Von213von Luſtſchloͤſſern.

Von einer ſanftern Feyerlichkeit iſt in den heitern und ſtillen Abenden der Som - mermonate der Untergang der Sonne, von Marienluſt betrachtet. Indem ſie zur Linken uͤber die Waldungen des Ufers von Seeland dahin ſank, und den Weſt mit gluͤhendem Golde uͤberſtroͤmte; ſo ſtreute ſie ihren Abglanz uͤber die weiten Flaͤchen des Codanſchen Meerbuſens. Das Meer ruhete, um die feyerliche Pracht dieſer Scene vollenden zu helfen. Ein Strom von Purpur, der von dem Rande der Son - nenbahn abfloß, verbreitete ſich in der ganzen Strecke zwiſchen den Kuͤſten beyder Koͤnigreiche, wo das Meer in die Unendlichkeit hinwallet; die hoͤhere Gegend des Himmels ließ ihre blaͤuliche Farbe allmaͤhlig in ein ſanftes Grau hinuͤberſchmelzen; und auf dem Waſſer erſchienen wechſelnde Gemaͤlde, worinn das Gelbe mit dem Ro - ſenfarbigen ſpielte. In dem Purpur am Horizont ſtanden unbeweglich die ſtolzen Segel einiger großen Schiffe; andre, mehr entfernt, waren halb in den Duft ver - ſchwunden. Das Abendgelaͤute in Helſingoͤr fieng an, durch die ſchweigende Ge - gend zu ertoͤnen. Feyerlicher war nie die Natur zur Ruhe gegangen.

Unter den Eindruͤcken ſolcher Scenen ſucht der liebenswuͤrdige Prinz, der jetzt die Hoffnung und einſt das Gluͤck dieſer Reiche iſt, Seine Empfindungen zu bilden, und die beyden erſten Gefuͤhle, welche die Seele der Koͤnige adeln, das Gefuͤhl der Groͤße und das Gefuͤhl der Milde, in Seiner jungen Bruſt zu beleben. Juliana an Seiner Seite winkt auf dieſe Scenen voll Bedeutung hin; und der kuͤnftige Herr - ſcher gelobt Ihrem Wink, gelobt, einſt groß und milde durch ſich ſelbſt zu ſeyn, wie Sie ſeyn wollte und ward, die zu ſeyn berechtigt iſt, Lehrerinn der Koͤnige durch Geiſt und Beyſpiel.

D d 3IV. So -214Anhang. Beſchreibungen

IV. Sophienberg. *)Ein koͤnigliches Luſtſchloß am Ufer der Oſtſee, zwo Meilen von Kopenhagen.

Sophienberg hat eine Lage, als einem koͤniglichen Luſtſchloß zukoͤmmt. Es ſteht frey auf einer Anhoͤhe, deren Fuß von den Wellen der Oſtſee beſpuͤlt wird; die Abhaͤnge des Huͤgels nach dem Waſſer hinab ſind in verſchiedene Abſaͤtze zertheilt und mit Raſenſtuͤcken verziert. Die weite Ausſicht uͤber das Meer und die Menge der hin und her ſegelnden Schiffe, das Geraͤuſch der Wellen, die langen Strecken der fruchtbaren und bebaueten Kuͤſten, die ſich auf beyden Seiten des Schloſſes verbreiten, zur Linken mit einer anſehnlichen Bucht der See, mit Waldungen und Fiſcher - wohnungen, fuͤllen die Seele mit den Empfindungen der Groͤße und einer hohen Wonne.

Der Meerproſpect von dieſem Luſtſchloß hat etwas Eigenthuͤmliches. Die Oſtſee erſcheint in ihrer ganzen graͤnzenloſen Ausdehnung. Denn die benachbarte Meerenge des Oereſunds verbirgt ſich in dieſer Ausſicht ganz zur Seite; und die gegenuͤber liegenden Kuͤſten von Schonen kruͤmmen ſich ſo ſehr, daß ſie in der Ferne einem Meerbuſen aͤhnlich ſcheinen. Die Schiffe, die aus der Nordſee oder dem Codanſchen Meerbuſen (Cattegat) ſich herum wenden, ſcheinen in der That wie durch eine Zauberkunſt ſichtbar zu werden. Man ſieht ſie heraufkommen, als wenn ſie ſelbſt aus der Tiefe des Meeres aufſtiegen.

Die Menge von Schiffen aller Nationen, die aus dem Oereſund kommen und dahin gehen, macht dieſe Gegend des Meeres ungemein belebt. Man ſieht die Segel auf allen Seiten den Wolken entgegenflattern; ſchwimmende Palaͤſte waͤlzen ſich auf den blauen Wellen daher und verſchwinden; jeder Augenblick ſtellt durch die Verſchiedenheit der Groͤße und der Bauart der Schiffe, durch ihre Annaͤherung und Entfernung, durch die Abwechſelung der Fahrt, die bald ſanft dahingleitend, bald fortfliegend iſt, ein immer veraͤndertes Schauſpiel vor Augen. Das Schloß genießt dieſer erfreuenden Proſpecte, deren Europa nur wenige hat, in der Naͤhe, indem die meiſten Schiffe, zur Sicherheit der Fahrt, dieſſeits der Inſel Hween voruͤ - berſegeln.

Das Luſtſchloß liegt gegen Morgen, und hat durch dieſe Lage zugleich alle die großen Schauſpiele vor Augen, welche die aus dem Meere aufgehende Sonne bildet. Welche215von Luſtſchloͤſſern. Welche Schauſpiele! Allmaͤchtige Natur! Sie erhebt ſich, deine Koͤniginn, und ein vorlaufender Schimmer, der ihre Annaͤherung verkuͤndigt, erheitert den oͤſtlichen Himmel und die um ihn wallenden Wellen, die ihn zu beſpuͤlen ſcheinen. Flim - mernde Lichter zuͤnden ſich immer mehr und immer heller am Horizont an, und wer - fen uͤber die weißen Flaͤchen hin lange Streifen. Die wechſelnden Gemaͤlde, die das ſteigende Licht in den kleinen Gewoͤlken bildet, die hin und wieder noch am Himmel zu ſchlummern ſcheinen, ſpiegeln ſich in der klaren Fluth; und allmaͤhlig ſich erhebende Luͤfte fangen an, ihren Stand und ihre Geſtalten zu veraͤndern. Und nun ſteigt ſie empor, die Sonne, in der ganzen Herrlichkeit ihres Lichts. Ein blendendes Feuer ſchießt uͤber das Meer heruͤber; die Wellen dieſes Bezirks fangen an zu gluͤhen; Glanz und Schimmer zerſtreuen ſich ſeitwaͤrts uͤber die ungeheuern Flaͤchen dahin; uͤberall empfangen die weißen Segel die Begruͤßungen des Lichts; und in der Ferne am Horizont werden ungeſehene Maſten wieder ſichtbar. Von der erleuchteten Hoͤhe der umliegenden Ufer erſchallt das Gebruͤll der Heerden, und in ihrer Tiefe erneuern ſich wieder die Geſchaͤfte zufriedener Fiſcher. Man wird gereizt, nicht blos die erha - bene Schoͤnheit, ſondern auch die Gluͤckſeligkeit zu empfinden, die dem Auge in dieſen Ausſichten begegnet.

Tutus bos etenim rura perambulat; Nutrit rura Ceres, almaque Fauſtitas; Pacatum volitant per mare navitae; Culpari metuit fides. *)Hora#. Lib. IV. Od. V.

Das Luſtſchloß iſt**)Im Jahr 1744. Eine Abbildung davon iſt im 2ten B. dieſes Werks S. 11. in einem ſehr edlen Geſchmack gebauet, und hat ein großes und praͤchtiges Anſehen. Es macht ein laͤngliches Viereck von zwey Stock - werken und mit zwey Fluͤgeln; das mittlere Hauptgebaͤude iſt mit einer Kupel ge - kroͤnt. Der weiße Anwurf des Gebaͤudes und das blaue Dach machen es nicht we - niger, wie die Lage, zu einem vortrefflichen Gegenſtande im Proſpect, beſonders fuͤr das Auge der Voruͤberſegelnden.

Die Vorderſeite des Schloſſes hat drey Thuͤren, wovon die mittlere, als der Haupteingang, in einen ſchoͤnen Saal fuͤhrt. Ueber ihm, in der Mitte des obern Stockwerks, liegt ein anderer praͤchtiger Saal, mit Blumenmalereyen geſchmuͤckt, vorne mit der freyen Ausſicht auf das Meer und hinten auf den Garten, den angraͤn - zenden Luſtwald und die benachbarten Waldungen, aus welchen das weiße Landhausvon216Anhang. Beſchreibungenvon Kokkedahl anmuthig hervorſchimmert. Die Zimmer des Schloſſes haben eine gute Vertheilung; ſie ſind geraͤumig, heiter und mit Geſchmack verziert. Aus dem obern Stockwerk, das zur Bewohnung der Herrſchaft dient, ſteigt man auf zwey Altane, die auf beyden Seiten der Kupel liegen, einer entzuͤckenden Ausſicht entgegen.

Gleich hinter dem Schloſſe liegt ein kleines Luſtſtuͤck von Blumen, mit Obſt - baͤumen abwechſelnd, welche die ſchoͤnſten Fruͤchte liefern; zur Rechten und zur Lin - ken machen ſchattigte Lindengaͤnge die Graͤnze. Unmittelbar aus dieſer Partie fuͤhrt eine Thuͤr in einen kuͤhlen und reizenden Luſtwald, meiſtens von Buchen, zwiſchen welchen Eſchen und andere Baͤume angepflanzt ſind. Man ſieht hier beſonders vor - treffliche Buchen, von einer mehr als gewoͤhnlichen Hoͤhe und mit einem Reichthum uͤberſchattender Zweige. Auf beyden Seiten des Waldes, der uͤber vier Morgen Landes enthaͤlt, ruhen Wieſen mit Ellerngebuͤſchen. Durch den Wald gehen kruͤm - mende Wege; eine Allee von Roßkaſtanien fuͤhrt durch ihn nach Kokkedahl, und aus ihr laͤuft eine kurze Nebenallee nach Hirſchholm ab. Der Boden hat einige Erhoͤhungen und freye Grasplaͤtze; er hat viel Quellwaſſer, das zu fließenden Baͤ - chen genutzt werden kann. Die Schoͤnheiten dieſes Orts gehoͤren der Natur; ſie ſind etwas wild, aber unverſtellt, und erwarten noch ihre Ausbildung und Erweite - rung von der Hand des Geſchmacks, wenn das Luſtſchloß, das jetzt nur beſucht und nicht bewohnt wird, einſt zu einem ordentlichen Aufenthalt fuͤr eine Perſon von der Koͤniglichen Familie geweihet werden ſollte.

V. Frie -217von Luſtſchloͤſſern.

V. Friedrichsberg. *)Ein koͤnigl. Luſtſchloß, eine Viertel - meile von Kopenhagen. Im 2ten Th. des daͤniſchen Vitruv findet man ſowohl einenGrundriß des Gartens, als auch Abbil - dungen des Schloſſes.

Der Garten bey dieſem Schloſſe ward zu einer Zeit angelegt, als die Symmetrie noch uͤber alle Gaͤrten in Europa herrſchte. Allein die Symmetrie, die auch hier die Anlagen vorſchrieb, wird doch etwas wieder durch die hohen Baͤume gemil - dert, die in den Zwiſchenraͤumen der Hecken ſich erheben, und aus Tannen und eini - gen ſehr bejahrten und aſtreichen Roßkaſtanien beſtehen, die ſchattigte Lauben bilden, welche hin und wieder von kleinen Grasplaͤtzen umgeben ſind. Der Garten beſteht aus einer Ebene, aus lauter geraden Alleen von Linden, aus Hecken, Teichen und runden Raſenſtuͤcken, alles dem ſtrengen Gebot der Regelmaͤßigkeit unterworfen. Von der Nordſeite des Schloſſes geht eine Terraſſe mit ſechs Abſaͤtzen, an welchen auf beyden Seiten ſechs ſchattenreiche Lindenalleen mit Raſenſtuͤcken liegen, die ſich von der Anhoͤhe mit hinabſenken, nach dem Garten in die Tiefe hinunter.

Sollte dieſer Garten, der wegen ſeiner niedrigen Lage wenig erfriſchende Aus - ſichten verſtattet, keine neue Umbildung von dem reinern Geſchmack zu erwarten ha - ben; ſo koͤnnte doch das große Stuͤck auf der gegenuͤber liegenden Mittagsſeite des Schloſſes vortreffliche Anlagen mit geringen Koſten annehmen. Dieſes Stuͤck hat etwa eine kleine halbe Meile im Umkreis. Es liegt hoch und hat ſanfte Abhaͤnge und einen ſehr fruchtbaren Boden, wie man an den ſchon angebrachten Pflanzungen von Linden und andern Baͤumen, und den ſchoͤnen Grasplaͤtzen ſieht. Man genießet hier die herrlichſten Ausſichten auf die Landſchaften umher, auf die Oſtſee, die Inſel Amak, das jenſeitige Meer und die dort ſegelnden Schiffe, die Stadt Kopenhagen und beſonders das praͤchtige Reſidenzſchloß Chriſtiansburg. Hier koͤnnten durch neue Anpflanzungen und einige edle Gebaͤude bald ſehr intereſſante Scenen von dem Geſchmack gebildet werden.

Das Schloß, ein laͤngliches Viereck mit zwey auf beyden Seiten hervortreten - den Fluͤgeln, iſt ein ſchoͤnes Werk der Architectur; die Zimmer ſind mit Vergoldun -genIII Band. E e218Anhang. Beſchreibungengen und Gemaͤlden geziert; und der Hof iſt von niedrigen Gebaͤuden mit offenen Ar - caden in der Runde umſchloſſen. Das Hauptgebaͤude hat einen Altan, wovon man die weiteſten und erhabenſten Ausſichten genießt. Auf der Mittagsſeite erblickt man die See zwiſchen Seeland und Amak, und uͤber dieſe Inſel hinaus das Meer; die Landzunge Stevensklint; einen Theil der Landſchaft, bis nach der Stadt Koͤge, die vier Meilen entfernt iſt; und nahe im Vorgrunde das Dorf Walby. Gegen Abend durchſchauet das Auge die weiten Ebenen der Landſchaften, bis zu den Kirch - thuͤrmen von Rothſchild, eine Entfernung von vier Meilen. Gegen Mitternacht erſcheinen uͤber den Garten hin die Flaͤchen der bebauten und belebten Landſchaft, das edle Landhaus Bernstorf auf ſeiner Hoͤhe, hinter ihm die weiten und ſchoͤnen Wal - dungen des großen Thiergartens, naͤher nach Oſten das koͤnigliche Luſtſchloß Char - lottenlund aus dem Walde hervorragend, und ein Theil der Villen, welche die Ufer der See verſchoͤnern. Auf der Morgenſeite ſtreift der Blick uͤber die Stadt Kopen - hagen, ihre ſchiffvolle Rhede und uͤber die Inſel Salzholm; weiter hinaus nach der Kuͤſte von Schweden die Staͤdte Landskrone und Malmoͤe, fuͤnf Meilen entfernt, und verſchiedene Kirchthuͤrme. Alle dieſe herrliche Ausſichten, die ſo viel Groͤße und ſo viel Leben haben, ſtellen ſich frey und deutlich dem unbewaffneten Auge auf dieſer Hoͤhe dar. Allein Friedrichsberg iſt auch ſelbſt auf ſeiner erhabenen Lage ein vor - trefflicher Proſpect, indem man das Schloß ſowohl auf der Landreiſe, als auch be - ſonders von der See aus, weit in der Ferne mit einer großen Wirkung ſich erhe - ben ſieht.

VI. Be -219von Landhaͤuſern.

VI. Beſchreibung einiger Landſitze in Seeland; beſonders von Bernstorf.

Man kann keine ſchoͤnere Natur ſehen, als in Seeland. Das Auge wird von Gegenden und Ausſichten entzuͤckt, die jedes Landſchaftgemaͤlde vollenden, und nach den Vergnuͤgungen des Landlebens eine heiße Sehnſucht entzuͤnden. Fruchtbare Felder, Wieſen, Anhoͤhen, Seen und Doͤrfer liegen mit Waͤldern, die voll maleri - ſcher Schoͤnheiten ſind, mit den herrlichſten Ausſichten auf das ſchiffvolle Meer und mit den Fiſcherwohnungen am Ufer, in einer reizenden Abwechſelung vor Augen.

Die Natur hat hier Anlagen zu Gaͤrten gebildet, die keine Kunſt hervorbringt. Die Ufer des Meeres bieten auf ihren Anhoͤhen, und in den Waldungen, womit ſie bekleidet ſind, die trefflichſten Lagen an. Man ſieht leicht Waͤlder von einem groͤßern Umfang, aber ſelten von der Schoͤnheit, die den ſeelaͤndiſchen eigen iſt. Die Ei - chen und Buchen, woraus ſie beſtehen, ſind von dem ſchoͤnſten Wuchs; das Laub - werk hat eine vorzuͤgliche Lebhaftigkeit und Dauer des Gruͤns. Die Waͤlder haben reiche Grasplaͤtze und eine unglaubliche Menge von Wild und mancherley Gefluͤgel; ſie ſteigen auf Anhoͤhen, ſenken ſich in Tiefen hinab, und enthuͤllen oft mitten in ih - rem Schoos die anmuthigſten Seen und Teiche, in deren friſchem Waſſer alle Arten von Fiſchen ſpielen. Auch aus den Ebenen glaͤnzen dem Auge ſchoͤne Landſeen entge - gen. Dieſe natuͤrlichen Vorzuͤge werden noch durch die geſunde, von den Winden des Meers gereinigte, Luft erhoͤhet.

Wo die Natur ſchon ſolche Gaͤrten oder ſolche gartenmaͤßige Anlagen ſchafft, da erwacht bald der Trieb zum Genuß der Annehmlichkeiten des Landlebens. In der That hat Seeland viele Gegenden mit Landhaͤuſern bebauet, und dieſe Lagen ſind uͤberaus gluͤcklich gewaͤhlt. Der groͤßte Theil der Landhaͤuſer liegt am Meer. Man kann ſich keine Luſtreiſe gedenken, die mehr heiter, mehr abwechſelnd an reizenden Auftritten waͤre, als die Fahrt von Kopenhagen an dem Ufer der Oſtſee hin nach Helſingoͤr; und ich wuͤßte keine andere, die hier um den Vorzug ſtreiten duͤrfte, als die entzuͤckenden Ufer des Genferſees, wiewohl dieſe von einem andern Charakter ſind. Außer den Ausſichten, welche das ſegelvolle Meer darſtellt, hat man zur Linken dieſe Menge von anmuthigen Landhaͤuſern, bey welchen der Weg voruͤber laͤuft. Sie ſind faſt alle in einem guten, zum Theil angenehmen Geſchmack gebauet, und ruhen zer - ſtreut an den Anhoͤhen umher, zwiſchen kleinen Gaͤrten mit Blumen und Fruchtbaͤu -E e 2men,220Anhang. Beſchreibungenmen, und zwiſchen umliegenden Gebuͤſchen; ein uͤberaus maleriſcher Anblick, der das Auge des Reiſenden auf viele Stunden lang ergoͤtzt. Sie liegen nicht ſo gedraͤngt, wie die Gartenhaͤuſer vor Hamburg und an andern Orten, wo ſie gleichſam eine fort - laufende Stadt bilden, ſondern abgeſondert, wodurch die Vorſtellung von laͤndlicher Einſamkeit mehr unterhalten wird. Je weiter man ſich von Kopenhagen entfernt, deſto weniger haͤufig erblickt man dieſe artigen Landhaͤuſer; doch verſchwinden ſie nicht ganz, und wo ſie auch ſeltener erſcheinen, da unterhaͤlt der Reiz der Landſchaft das Auge auf die angenehmſte Art. Der Weg geht bald nahe am Strande fort, bald erhebt er ſich auf die Hoͤhen, laͤuft zwiſchen fruchtbaren Kornfeldern, Weiden, Gebuͤ - ſchen, oft im Schatten angraͤnzender Waͤlder dahin; keine Beſchreibung faßt alle die reichen Abwechſelungen der Ausſichten, alle die feinen Nuͤancen, die dem aufmerkſa - men Blick in der Schoͤnheit dieſer Landſchaft begegnen. So ſtellt ſich z. B. bey der Papiermuͤhle zwiſchen Charlottenlund und Sophienberg das lange Ufer, das man vor ſich ſieht, mit ſeinen heitern Huͤgeln, mit ſeinen Erhebungen und Senkungen, mit den anmuthigen Waͤldern, die ſich an ſeine linke Seite hinſchmiegen, in einer Schoͤnheit dar, die ſelbſt der gluͤcklichſte Landſchaftmaler nur ſchwach nachbilden wuͤrde. Man hat den vollen Genuß dieſer Ausſicht unten am Waſſer bey der Bruͤcke. Et - was weiter auf der Hoͤhe ſieht man zur Linken die Aue des koͤniglichen Thiergartens, deren Waſſer die Muͤhle treibt, in einer tiefen und großen Wieſe von einem uͤberaus friſchen Gruͤn, und mit herrlichen Waldungen umkraͤnzt, ſich glaͤnzend daherwaͤlzen; eine Scene, die mit einer hohen Wonne uͤberraſcht. Bald geht der Weg wieder in der Tiefe am Meere fort, und auf der andern Seite am Fuße von einer Reihe gruͤner Huͤgel, die wellenfoͤrmig fortlaufen, und ſich nachher allmaͤhlig herumwenden, mit ihrem Gipfel aber an die Waldung des Thiergartens ſtoßen. Indem man weiter auf der Hoͤhe des Ufers faͤhrt, zwiſchen reichen Kornfluren und Weideplaͤtzen, die von Waͤldern begraͤnzt werden; ſo ſchauet man mit einer erhabenen Wolluſt hier auf das im Grunde wallende Meer hinab, und jenſeits zu den Kuͤſten von Schonen hinuͤber. Je mehr man ſich dem Sunde naͤhert, deſtomehr wird das Auge ſowohl von den un - zaͤhligen Segeln, die ſich dort verſammeln, als auch von den anmuthigen Fiſcherdoͤr - fern am Strande unterhalten, durch welche der Weg laͤuft. Man erblickt hier mit Vergnuͤgen ein muthiges und fleißiges Volk, das uͤberall ſeine Netze fuͤr den Reich - thum des Fiſchfangs ausbreitet; man ſieht das Ufer voll Kaͤhne und Fiſchergeraͤth - ſchaft, und in den blinkenden Wellen umher die kuͤhne Jugend ſich mit Schwimmen beluſtigen.

Von den Landhaͤuſern, die dieſe reizende Lage am Meer haben, ſind einige noch mit beſonderm Vortheil in Waͤldern auf den Anhoͤhen des Strandes angelegt. So221von Landhaͤuſern. So ruhet das koͤnigliche Luſthaus Charlottenlund in der kuͤhlen Nacht eines Waldes von Eichen und Buchen, mit Ellern, Zittereſpen und Haſeln durchpflanzt. Man ſieht hier zuweilen in den Morgenſtunden das Meer ein romantiſches Schauſpiel bil - den. Indem es unten aus der Tiefe zwiſchen einer Oeffnung der hinablaufenden Alleen und Waldbaͤume hervorbricht, ſo vermiſcht ſich die ungeheure Maſſe des ent - fernten Hintergrundes mit der weißen Luftfarbe ſo taͤuſchend, daß das Meer ſich an den Himmel hinaufzuheben ſcheint. Allein der Wald ſelbſt liegt, einige wenige Gaͤn - ge ausgenommen, noch ganz in ſeiner natuͤrlichen Wildniß, und erwartet von der Nachhuͤlfe des reinern Geſchmacks noch Scenen, die wegen ſeiner reichen Beſchattun - gen, der einſamen und ruhigen Lage, der ſchoͤnen Wieſen von abwechſelnder Form und Groͤße, die in ſeinem Bezirke ruhen, der ſanften wellenfoͤrmig aufſchwellenden Gras - plaͤtze mit anmuthigen Gruppen von Gebuͤſchen verziert, der kleinen Teiche, und der voͤrtrefflichen Ausſichten, welche ringsumher die Landſchaft verſtattet, ſich hier leicht bilden ließen. Denn noch iſt hier eine unverſtellte Natur; und wenn das ſich ver - ſammelnde Waſſer gereinigt und erweitert, wenn Plaͤtze zu beſtimmten Scenen abge - ſondert, wenn ihre Charaktere durch neue Anpflanzung und durch beyſtimmende Werke der Kunſt erhoͤhet wuͤrden, mit welchen ſchoͤnern Wirkungen wuͤrde nicht dieſer Sitz ſich aus den rohen Wildniſſen erheben! Eine aͤhnliche Lage im Walde auf einem Berge mit der Ausſicht auf das Meer haben zwiſchen Sophienberg und Hel - fingoͤr beſonders die edlen Landhaͤuſer Kokkedahl und Eenrom. Man kann ſich keine angenehmere Waldſitze gedenken, nach den Anlagen der Natur. Kokkedahl hat ein ſchoͤnes Gebaͤude, ein laͤngliches Viereck von Einem Stockwerk, mit einem weißen Anſtrich und einem blauen Dach; es genießt von ſeiner Hoͤhe die heiterſten Ausſichten uͤber fruchtbare Landſchaften, uͤber eine lange Reihe von Waldungen, die das Ufer bekraͤnzen, und eine große Bucht hinab, welche die See hier macht. Die Lage iſt hoch, die Abhaͤnge ſind Viehtriften, Kornfelder und Wald; allein der Gar - ten ſelbſt iſt noch ein Heckenſtuͤck in der alten Manier; doch hat er reizende Durchſich - ten auf das Meer. Ein uͤberaus anſehnlicher und reizender Wald iſt es, der zwi - ſchen Freudenlund und Eenrom liegt, man mag auf den hohen und ſchlanken Wuchs der Baͤume, oder auf den Kranz von waldigten Bergen, die gegen einander aufſtei - gen, oder auf das breite und tiefe Thal, das zwiſchen ihnen bluͤhet, oder auf das an - ſehnliche Gewaͤſſer, das ſich auf der andern Seite zwiſchen den bewachſenen Hoͤhen herumwindet, oder auf die anmuthig verzierten Abhaͤnge nach dem Meere hinunter - ſehen. Die Waͤlder haben eine ſo reiche Woͤlbung von Laubdecken, ſie ſteigen mit ei - nem ſolchen Reiz gegen einander auf, und bilden mit dem Thale und mit dem Waſſer ein ſo praͤchtiges Ganze, daß die Einbildungskraft ſich keinen ſchoͤnern Waldſitz ge -E e 3denken222Anhang. Beſchreibungendenken kann. Und doch iſt dies alles blos ein Werk der ſich uͤberlaſſenen Natur, das ſie in ihrer heiterſten Laune gebildet zu haben ſcheint, und woran keine Kunſt Antheil hat. Das Gebaͤude von Eenrom iſt ein einfaches, laͤndliches Landhaus. Es liegt in den Umſchattungen des Waldes. Auf der weſtlichen Seite hat es in einer großen Vertiefung einen Fiſchteich, in der Mitte mit einem offenen Pavillon zum fiſchen. Die Vorderſeite hat die Ausſicht auf das Meer, auf die nahe Inſel Hween, und auf die Kuͤſte von Schweden, wo Landskrone mit den Gebaͤuden ſich hell dem unbe - waffneten Auge zeigt. Unmittelbar vor dem Gebaͤude bluͤhet ein Blumengarten mit Obſtbaͤumen; und darauf folgt eine Terraſſe mit bluͤhenden Straͤuchern geziert, und mit freyen Raſenſitzen und ſchattigten Lauben verſehen, wo man unter dem Rauſchen der nahen Wellen ſich an den Meerproſpecten ergoͤtzt; am Fuß der Abhaͤnge ruhet ein Dorf in den Umhuͤllungen ſeiner Fruchtbaͤume.

Andre Landhaͤuſer, die vom Meer entfernt ſind, haben doch eben dieſe reizende Lage auf waldigten Hoͤhen. Schatten, Ruhe und Ausſichten, dieſe angenehmen Vortheile des Landlebens, ſind beſonders das Eigenthum einer ſolchen Lage. So er - hebt ſich das koͤnigliche Luſtſchloß Selleroͤd in der nordlichen Gegend von Kopenha - gen auf ſeiner weit umher ſehenden Anhoͤhe. Man ſchaut auf eine praͤchtige Samm - lung von Waͤldern herab, und hinter ihnen verbreiten ſich die fruchtbaren Landſchaften, deren Graͤnze ſich in den dunklern Schatten ferner Waldungen am Horizont verliert. Die naͤhern Waͤlder, die das Auge alle uͤberſieht, heben und ſenken ſich an kleinen an - muthigen Bergen. Zwiſchen den Waͤldern liegen Kornfelder und Weiden, von Heerden belebt, Plaͤtze von mannigfaltigem Gruͤn und Geſtalten, die ſich hier in einen ſchattigten Winkel hinein ſchmiegen, dort wieder frey hervorlaufen, und deren hellere Farbe gegen die Daͤmmerung der Eichen und Buchen anmuthig contraſtirt. Nicht leicht wird man eine praͤchtigere Gruppe von Waͤldern antreffen, die alle in Einem Proſpect vereinigt liegen.

Eine aͤhnliche ſchoͤne Lage hat in der weſtlichen Gegend von Kopenhagen auf der waldigten Hoͤhe zu Friedrichsthal das edle Landhaus, das ſich zugleich durch ſeine Architectur dem Auge empfiehlt. Von ſeiner Anhoͤhe ſenkt ſich ein Garten in Terraſſen mit Raſen und Alleen zu den Seiten herab. Ringsumher liegen reizende Waͤlder und Huͤgel, und hinter ihnen ſchlaͤngelt ſich ein anſehnlicher fiſchreicher Land - ſee herum. Gegen das Gebaͤude ſteigt aus der Tiefe, die von dem Geraͤuſch eines Bachs und von der Bewegung einer Muͤhle belebt wird, ein ſchoͤner Huͤgel empor, der eine uͤberaus anmuthige Verzierung verſtattet. Die Buchenwaͤlder haͤngen umher von den Bergen zum Thal hinab, und die Landſchaft hat einen ſo zauberiſchen Reiz, daß man ſich in eine ſchweizer Landſchaft verſetzt zu ſeyn glaubt. An dem niedrigenUfer223von Landhaͤuſern. Ufer des Sees ruhen noch verſchiedene artige Landhaͤuſer, die auf der einen Seite den friſchen Anblick des Waſſers, und auf der andern die kuͤhlen Ueberſchattungen der auf - ſteigenden Waͤlder genießen. Nicht weit von Friedrichsthal liegt das reizende Dorf Lyngbye, ebenfalls an einem fiſchreichen See und an einem niedrigen Walde, wo das Auge wieder von verſchiedenen feinen Landhaͤuſern, die anſehnlichen Familien zugehoͤren, ergoͤtzt wird.

In Landſchaften, die mit allen Schoͤnheiten der Natur ſo ſehr bereichert ſind, duͤrfte die Kunſt nur wenig beytragen, um dieſe Schoͤnheiten zu erhoͤhen und zu ver - vielfaͤltigen, um durch Mannigfaltigkeit der Anpflanzungen und durch Feinheit der Anlagen, durch ausgewaͤhlte und beſtimmte Scenen, durch ihre Veredelung mit zu - ſtimmenden Gebaͤuden und andern Gegenſtaͤnden, neue Schauſpiele zur Unterhaltung des Geſchmacks, zur Ergoͤtzung der Einbildungskraft, und zur Erweckung einer Folge von ſtaͤrkern und intereſſanten Empfindungen zu bilden; denn dieß iſt das Geſchaͤfte der ſchoͤnen Gartenkunſt. Man ſieht in den Gaͤrten noch hin und wieder die Spuren der alten ſymmetriſchen Manier; doch hebt ſich der beſſere Geſchmack uͤber ſie empor. Zu Seeluſt, eine Stunde von Kopenhagen am Strande, iſt eine neue Anlage an - gefangen, die viel verſpricht, weil ſie mit Geſchmack entworfen iſt. Allein eine ſchon vollendete Pflanzung ſieht man zu Bernstorf,*)Der bekannte Landſitz des Koͤniglichen Staatsminiſters, geheimen Raths, Mini - ſters der auslaͤndiſchen Affairen, Directeurs der deutſchen Kanzeley, Ritters vom Ele -phantenorden, ꝛc. ꝛc. Herrn Grafen von Bernſtorf.weiter in der Hoͤhe hinauf, in der nordlichen Gegend der Stadt, eine halbe Meile von ihr entfernt.

Dieſes praͤchtige Landhaus**)Eine Abbildung davon ſ. im 2ten Bande dieſes Werks, S. 129. vereinigt mit der gluͤcklichſten Lage zugleich die ganze Schoͤnheit der Architectur, und gehoͤrt ſchon von dieſer Seite zu den beſten Ge - baͤuden dieſer Art. Es ſteht da auf ſeiner Anhoͤhe, mit einer Ausſicht, erhaben und frey, wie der weit umherſchauende Blick des Miniſters, der hier ſeine großen Geſchaͤfte ausfuͤhrt. Auf der Nordſeite des Gebaͤudes, das am Eingang mit der edlen Inſchrift:

Honeſto inter labores otio ſacrum ()

bezeichnet iſt, verbreitet ſich der Proſpect uͤber fruchtbare Gefilde hinab zu den herrli - chen Waldungen des koͤniglichen Thiergartens. Gegen Suͤden erſcheint die Stadt Kopenhagen mit ihren ſtolzen Thuͤrmen, mit ihrer Rhede, die mit den Schiffen aller Nationen angefuͤllt iſt, und mit der weiten Ausſicht in das Meer hinaus, das durch kommende und ſich entfernende Segel eine erhabene und immer belebte Scene darſtellt. An die weſtliche Seite graͤnzt ein kuͤhler Wald; und auf der oͤſtlichen liegt unmittelbaran224Anhang. Beſchreibungenan dem Gebaͤude der Garten, der ſich in ſanften Abhaͤngen hinabzieht. Die Vor - derſeite gegen Norden iſt frey von der gewoͤhnlichen Verſperrung mit Baumpflanzung; Grasplaͤtze, die hier mit ihrem friſchen Gruͤn ergoͤtzen, vereinigen ſich bald mit nahen Kornfluren, um ein laͤndliches Gemaͤlde darzuſtellen, das um ſo viel heitrer iſt, da die wirthſchaftlichen Gebaͤude mit einer gluͤcklichen Anordnung, die noch wenige Landſitze kennen, in einer Entfernung angelegt ſind. Dieſes Landhaus iſt zugleich ein ſehr in - tereſſanter Proſpect in der Landſchaft; man ſieht es frey von allen Seiten, und in einer weiten Ferne. Die erwaͤhnte Pflanzung des Gartens beſteht aus einer großen Man - nigfaltigkeit von einheimiſchen und auslaͤndiſchen, beſonders nordamerikaniſchen Baͤumen und Straͤuchern,*)Hier iſt ein Verzeichniß von den Baͤu - men und Straͤuchern, die ich dort fand, und die noch vermehrt werden. Dieſe Sammlung iſt, ſo viel ich weiß, die erſte und noch bis jetzt die vollſtaͤndigſte in Daͤn - nemark. Man ſteht daraus zugleich, was unter dieſem Klima ſehr gluͤcklich fortkommt, und Kenner werden bald die weichlichern Geſchlechter von den haͤrtern unterſcheiden. Acer Pſeudo-Platanus. Platanoides. Aeſculus Hippocaſtanum. Pavia. Amorpha fruticoſa. Annona glabra. triloba. Azalea viſcoſa fl. rubro albo. Berberis vulgaris. Bignonia Catalpa. radicans. Chionanthus Virginica. Clethra alnifolia. Cercis Siliquaſtrum. Canadenſis. Cytiſus Laburnum. Calycanthus floridus. Colutea arboreſcens. Crataegus aria. torminalis. oxyacantha fl. ſimpl. fl. pleno. fl. pleno rubro. crus galli. coccinea. viridis. Cornus alba. mas. Ceanothus americanus. Cephalanthus occidentalis. Celtis auſtralis. Celaſtrus ſcandens. Elaeagnus anguſtifolia. Evonymus latifolius. europaeus. Gleditſia triacanthos. acanthos. Hamamelis Virginiana. Hydrangaea arboreſcens. Hibiſcus. Ilex aquifolium. Itea Virginiana. Lirio -die zu reizenden Luſtgebuͤſchen mit Spaziergaͤngen ſchonvor225von Landhaͤuſern. vor mehrern Jahren angepflanzet ſind, und durch einen uͤberaus gluͤcklichen Wachs - thum ſich zu reichen Beſchattungen ausgebildet haben. Man ſieht Baͤume und Straͤucher, die man fuͤr das ſeelaͤndiſche Clima zu weichlich halten ſollte, und die hier im Freyen, auf einer Hoͤhe, eine halbe Meile vom Meer, ſchon viele Winter ausgedauert haben. *)Ein anderer Beweis von der Guͤte des hieſigen Clima, das man auswaͤrts fuͤr ſo rauh haͤlt, iſt dieſer, daß zu Char - lottenlund nahe am Strande die aͤchten Kaſtanien zur vollkommenen Reife kommen. In dem Fruchtgarten auf Bernſtorf wer - den ſchon lange die feinſten franzoͤſiſchen Obſtſorten zu einer ſolchen Vollkommenheit gezogen, daß ſie von denen, die aus Frank - reich kommen, nicht zu unterſcheiden ſind; dieſer Garten hat zuerſt in Seeland erheb - liche Verſuche dieſer Art mit Gluͤck gemacht. Auf Falſter, dieſer fruchtbaren mit allen Arten von Getraide und Obſt ſo ſehr ge - ſegneten Inſel, die man nicht ohne die leb -hafteſteDie Anlage iſt mit einem feinen Geſchmack gemacht. DieBaͤume*)Liriodendron tulipifera. Liquidamber ſtyraciflua. Liguſtrum vulgare. Lonicera caprifolium. alpigena. Diervilla. ſymphoricarpos. Lycium barbarum. Myrica cerifera Meſpilus Pyracantha. cotoneaſter. arbutifolia. amelanchier. Prunus Virginiana. Padus. Ceraſus. fl. pleno. Lauro-Ceraſus. Potentilla fruticoſa. Platanus occidentalis. Philadelphus coronarius. inodorus. Pyrus Cidonia. Ptelea trifoliata. Robinia caraganna. hiſpida. pſeudo-acacia. Rhus Cotinus. Rubus odoratus. Rhamnus catharticus. Rhamnus frangula. paliurus. Roſa; viele Arten und Varietaͤten. Staphylea pinnata. trifolia. Spiraea hypericifolia. ſalicifolia. opulifolia. Syringa vulgaris fl. caerul. fl. albo. Perſica. Salix Babylonica. Sorbus aucuparia. Viburnum opulus. Zanthoxylum, clava Herculis. III Band. F f226Anhang. BeſchreibungenBaͤume und Straͤucher ſind ſo geordnet, daß ſie ein angenehmes Ganze bilden. Bald erſcheinen ſie in einem mannigfaltigen Gemiſch von Blaͤttern und Bluͤten; bald ſtellen ſie einzelne Scenen dar, als eine glaͤnzende Gruppe von allen Arten von Roſen, oder eine Sammlung von Gebuͤſchen mit lauter weißen nach und nach hervorbrechenden Blumen, die einen kleinen Raſen umkraͤnzen, den niedrige Bluͤmchen von eben dieſer Farbe zieren. Man erblickt hier vom Fruͤhling bis in den Herbſt bluͤhende Straͤu - cher, die beſonders in den angenehmen Monaten die Gegend umher mit ihren Wohl - geruͤchen fuͤllen. Die ganze Anlage iſt ſo heiter, daß ſie bald die Einbildungskraft reizt, in lieblichen Bildern umher zu irren, und die beſondere Pflege eines unſerer lie - benswuͤrdigſten Dichter*)Herr Friedrich Leopold, Reichsgraf von Stolberg, Herzoglicher Holſteini - ſcher Oldenburgiſcher Oberſchenk und Miniſter.verdient, der uns die Schoͤnheit der Natur mit ſo feuriger Empfindung vorſang, und der hier zur Freude der Natur den Gaͤrtner mit dem Dich - ter vereinigt.

VII. Schwanſee. **)Ein Park in dem adelichen Gute die - ſes Namens im Herzogthum Mecklenburg an der Oſtſee, nicht weit von Travemuͤnde, dem Herrn Grafen von Brockdorff, koͤnig - lichen daͤniſchen geheimen Rath und Kam - merherrn, Verbittern des adelichen Kloſters zu Itzehoe, Rittern vom Dannebrogorden, Erbherrn auf Kletkamp, Roluͤbbe u. ſ. w. zugehoͤrig.

Das herrſchaftliche Wohngebaͤude dieſes angenehmen Landſitzes, das erſt vor eini - gen dreyßig Jahren neu aufgefuͤhrt worden, iſt ein dauerhaftes, in einem ein - fachen, aber ſehr reinen Geſchmack der Architectur vollendetes Werk. Es macht ein ins Laͤngliche gezogenes Viereck, und beſteht aus drey Stockwerken, wovon das nie - drige Erdgeſchoß zur Wohnung der Bedienten, zur Kuͤche, Keller und andern haͤus - lichen Einrichtungen vortheilhaft eingerichtet iſt. In dem zweyten und dritten Stock - werk ſind die Wohnzimmer der Herrſchaft und der Fremden. In dem zweyten liegen zwey große und ſchoͤne Saͤle, die durch eine Thuͤre, welche den Mittelpunkt des Ge - baͤudes ausmacht, mit einander verbunden ſind. An jedem dieſer Saͤle liegen auf je -der*)hafteſte Freude durchreiſet, ſah ich nach einem kalten und regenvollen Fruͤhling am Ende des Julius nahe am Strande den ſchwarzen Maulbeerbaum ſchon mit reifen - den Fruͤchten bedeckt.227von Landhaͤuſern. der Seite zwey Zimmer. Die Gemaͤcher ſind in beyden Stockwerken hoch, hell, ge - raͤumig, und zum Theil von dem jetzigen Beſitzer mit Geſchmack noch mehr verziert. Eine große und ſchoͤne Windeltreppe fuͤhrt aus dem Erdgeſchoß zu den uͤbrigen Stock - werken; eine geheime Nebentreppe dient zur Bequemlichkeit. Außer der vortheil - haften Einrichtung des ganzen Gebaͤudes hat man auf allen Seiten eine reizende Ausſicht.

Seine Lage kann in Anſehung der reinen Luft ſowohl, als auch der Proſpecte, nicht gluͤcklicher ſeyn. Es ſteht frey auf einer Anhoͤhe, am Ufer der Oſtſee, wovon es jedoch uͤber ſiebenhundert Schritte noch entfernt iſt; und es wird zugleich fuͤr die Voruͤberſegelnden ein noch wichtigerer Gegenſtand im Proſpect ſeyn, wenn es einſt einen lebhaftern Anſtrich erhaͤlt.

Die See bildet hier zwiſchen den holſteiniſchen und mecklenburgiſchen Kuͤſten einen Meerbuſen, der etwa eine Breite von drey Meilen hat. Die ganze Seeaus - ſicht in der Laͤnge beſchreibt einen großen und praͤchtigen Zirkel von Waſſer, und uͤber das Meer hinaus verlieren ſich die Landſchaften in eine dunkelblaue Ferne, die uns von Anhoͤhen geſchaut ſo ſehr gefaͤllt, weil ſie das Gefuͤhl von Ausdehnung lebhaft verſtaͤrkt, und zugleich der Phantaſie Veranlaſſung giebt, ſich uͤber das Unabſehbare zu beſchaͤfti - gen. Der Blick reicht gemaͤchlich zu dem holſteiniſchen Ufer hinuͤber. Man er - blickt zur Rechten hin einige ſchoͤne Waldungen, Landguͤter und Doͤrfer, Neuſtadt und weiter hinauf die Inſel Fehmern. Zur Linken erſcheint Travemuͤnde. Alle Schiffe, die aus der Oſtſee nach Luͤbeck fahren und wieder zuruͤckgehen, ſind ganz in dieſem Proſpecte ſichtbar, und man genießt aus den Gemaͤchern, beſonders aus dem hintern Saale, den reizenden Anblick der ſtolzen Segel, die zwiſchen den blauen Wellen und der hellen Luft emporflattern. Eine Lindenallee mit weit von einander gepflanzten Baͤumen, die durch dieſe Stellung eine freyere Ausſicht verſtatten, laͤuft auf vierhundert und funfzig Schritte zu dem Waſſer hinab. An den Seiten dieſer Allee liegen Weideplaͤtze; zur Linken erſcheint ein Dorf, und auf einer Anhoͤhe ein kleiner Tannenwald; zur Rechten iſt das Feld von zerſtreutem Gehoͤlz und Gebuͤſchen begraͤnzt. An dem Ausgange der Allee uͤberraſcht zuweilen bey einer Windſtille eine angenehme Zufaͤlligkeit das Auge, indem ſich das niedrige Ufer ganz verbirgt, und die Schiffe, wie durch einen Zauber herbey gefuͤhrt, zwiſchen den Baͤumen zu liegen ſcheinen. Allein ein hoͤheres Schauſpiel ergoͤtzt hier noch oͤfter, wenn in den ſtillen Sommerabenden die uͤber das Meer hin untergehende Sonne ihre Pracht verbreitet, wenn ihre mildern Strahlen in den umherſchwebenden Gewoͤlken am Himmel immer abaͤndernde Gemaͤlde bilden, deren Wiederſcheine auf den klaren Flaͤchen aufglimmen, entzuͤcken, und verloͤſchen, wenn ſie, indem die weißen Segel in den geroͤtheten FluthenF f 2dahin228Anhang. Beſchreibungendahin gleiten, allmaͤhlig uͤber das jenſeitige Ufer, das ſie mit einem falben von dem aufſteigenden Duft ſanft gebrochenen Schimmer uͤbergießt, in Holſteins gluͤcklichen Gefilden niederzuſinken ſcheint; ein Schauſpiel, das in den Gemaͤchern auf der Abend - ſeite nicht vergebens zur Empfindung ſeiner Wonne ruft. Man hoͤrt indeſſen das Ge - murmel des Meeres, auch bey geringer Luſt, vom Ufer heraufſteigen, und die Seele zur ruhigen Behagung in der Abendfeyer einladen.

Auf der Weſtſeite des Wohngebaͤudes liegen Raſenſtuͤcke mit Blumen um - kraͤnzt; und gegen Norden verbreitet ſich der Park. Er eroͤffnet ſich mit drey ſchoͤ - nen Pflanzungen von Linden in der Ordnung des Quincunx, neben welchen Eingaͤnge von den Blumenſtuͤcken, von der Seite des Wohngebaͤudes und von dem Hofplatz hineinfuͤhren.

Die Natur hat zuerſt fuͤr die Anlage durch einen Wald geſorgt, der zwar in der Ebene liegt, aber aus vortrefflichen Eichen, Buchen und Eſchen, mit vielem di - cken Untergebuͤſch, beſteht, zwiſchen welchen Linden und Roßkaſtanien angepflanzt ſind. Durch dieſe Grundlage hat das Ganze nicht allein viel Schatten und angeneh - me Wildniſſe erhalten, aus welchen einheimiſche bluͤhende Geſtraͤucher ihre Wohlge - ruͤche verbreiten; ſondern man hoͤrt auch uͤberall die frohen Geſaͤnge der Waldvoͤgel, die ihren Aufenthalt preiſen.

Beym Eingange von dem Hofplatz tritt man in eine lange natuͤrliche Allee, die zwiſchen den Waldbaͤumen, mit einem Raſen in der Mitte, deſſen regulaͤre Laͤnge hie und da durch kleine bluͤhende Straͤucher anmuthig wird unterbrochen werden, hinauf laͤuft, und oben von einem offenen Pavillon begraͤnzt wird. Aus dieſem Gange, welcher der laͤngſte in dem Park iſt, biegt man bald zur Rechten zwiſchen Obſtbaͤu - men in einen dunklen Weg, aus welchem auf beyden Seiten andre Pfade unter einer angenehmen Daͤmmerung der umherhangenden Laubdecken ablaufen, und verfolgt ihn, bis er ſich oben aus einem ſchattenvollen Winkel in einen geraden Gang mit einer freyern Ausſicht wendet. Nicht weit nach der Wendung fuͤhrt er uͤber einen kleinen Bach, und von hier zur Rechten nach einem herrlichen Sitz in einer Laube hin.

Man hat in dieſem Schattenſitz gerade vor ſich einen kleinen Teich, in welchem das abfließende Waſſer rauſchet, zur Rechten ein Fortunaſpiel und zur Linken eine Kegelbahn. Gerade uͤber den Teich hin eroͤffnet ſich zwiſchen den Baͤumen eine lange weite Ausſicht, die jenſeits der Graͤnzlinie des Parks uͤber eine Wieſe ſtreicht, und ſich, durch eine in einem entfernten Gebuͤſch gemachte runde Oeffnung, auf das Meer hin verliert. Man wird hier in einer gewiſſen Zeit des Sommers von einem zaube - riſchen Schauſpiel uͤberraſcht. Indem die Sonne untergeht, ſo erſcheint ihre feurige Kugel gerade in dieſer Oeffnung des Gebuͤſches mit einer Wirkung, die jedes Augeentzuͤckt.229von Landhaͤuſern. entzuͤckt. Der Anblick des Meeres verſchwindet, und das Feuer nimmt ganz die Stelle ein, die eben vorher das Waſſer fuͤllte. Wenn in einem ſolchen Augenblick zugleich ein Schiff dieſe Oeffnung voruͤber ſegelt, und unmittelbar in der brennenden Scheibe zu ſtehen ſcheint, ſo iſt dies ein Zauber, der zur lebhafteſten Verwunderung hinreißt. Zufaͤlligkeiten dieſer Art ſind ſelten; man darf ſie aber bemerken, weil Zu - faͤlligkeiten, ſo ſchnell ſie auch voruͤberfliehen, einen uͤberaus wichtigen, bald reizenden, bald romantiſchen, bald majeſtaͤtiſchen Theil in landſchaftlichen Schoͤnheiten aus - machen. *)S. 1ſter Band, S. 207. 208.

Von dieſem Sitze wandelt man, unter den Ueberſchattungen der hohen und ſchoͤnen Waldbaͤume, die immer Kuͤhlung herabſaͤuſeln, nach der Gegend des offenen Pavillon weiter, und findet vorher unter einer Buche eine Bank, wovon man vor ſich in drey ſchattigte Gaͤnge von einander verſchiedene Proſpecte hat. Nahe vor dem Pavillon laufen ſchlaͤngelnde Gaͤnge, die von dem jetzigen Beſitzer angeleget worden, in einen anliegenden wilden Wald, der ſich zwiſchen Kornfluren fortzieht; er hat ſanfte Erhebungen und Senkungen des Bodens, treffliche Baͤume und Gebuͤſche, und aus dem Schatten anmuthige Durchſichten, bald auf die Feldgegenden, bald auf das Meer hinaus; man wird durch die Abwechſelung der innern und aͤußern Proſpecte, und durch das Geraͤuſch der See ergoͤtzt, die faſt immer dem Blicke entzogen iſt, und nur in einigen wohl gewaͤhlten Durchſchnitten der dunklen Buͤſche mit einem unerwarte - ten Lichte hervorbricht; man wird nicht muͤde, dieſe reizenden Spaziergaͤnge zu verfolgen.

Der Pavillon, zu dem wir zuruͤckkehren, ſteht auf einer Raſenerhoͤhung, und macht hier die Graͤnze des Parks. Er hat hinter ſich eine Sammlung von Feldern, die mit Getraide und mit Klee beſaͤet ſind, oder zu Weiden dienen, und auf der oͤſtli - chen Seite einen Kranz von Waͤldern, worinn die gedachten ſchlaͤngelnden Spazier - gaͤnge laufen; und vor ſich die lange Waldallee mit dem Raſen nach dem Hofplatze zuruͤck. Etwa in der Mitte hat der Raſen eine Erweiterung in der Runde, und von dieſem Platz blickt das Auge in acht verſchiedene Spaziergaͤnge hinein, die bald kuͤr - zer, bald laͤnger, bald heiter, bald dunkel ſind, bald am Ausgange freye Durchſich - ten eroͤffnen, bald ſich verſchließen. Dieſe Abwechſelung des Hellen und des Finſtern, des Offenen und des Verſperrten ſowohl, als auch die Verſchiedenheit der Ruhepunkte, worauf das Auge geleitet wird, und wozu zuweilen eine Statuͤe dient, die aus dem dunklen Hintergrunde hervorſcheint, mildert wieder auf gewiſſe Weiſe das Einfoͤrmige der geraden Linie, welche die Gaͤnge halten. An dem Raſen ſieht man im Fortgange noch verſchiedene angenehme Durchſchnitte und Gaͤnge, die ſeitwaͤrts in die Schatten des Parks einladen.

F f 3Von230Anhang. Beſchreibungen

Von der rechten Seite des Pavillon leitet ein Lindengang an der Graͤnze des Parks herum. Man laͤßt zur Rechten einen ſchoͤnen Raſenplatz liegen, und hat zur Linken eine Pflanzung von Quitſchern, Tannen, Ellern und Birken, woruͤber die hoͤhern Gipfel der Eichen und Buchen emporragen; anmuthige Ausſichten in die ſeitwaͤrts hineinlaufenden Gaͤnge beſchaͤftigen das Auge. Dieſer Weg geht nachher in eine na - tuͤrliche Waldallee, uͤber eine leicht gebauete weiße Bruͤcke, worunter ein kleiner Bach mit einem Guß voruͤber rauſcht.

Baͤche ſind in einem Park von einem ſanften laͤndlichen Charakter ſo anmuthig, daß ſie immer genutzt und vergroͤßert zu werden verdienen. Sie beleben und erfri - ſchen, und ſind weit mehr werth, als ſtehende Teiche, die man in Luſtwaͤldern noch ſo haͤufig ſieht, die in ihrem Schlamm das Ungeziefer naͤhren, und kein Spiegel der Baͤume mehr ſind. Sie ſind mehr werth, als Waſſerkuͤnſte, die dem Freyen und Edlen eines Waldes widerſprechen, und die man doch mit der widerſinnigſten Wir - kung hie und da noch in Waͤldern, und oft ganz wider die Natur zu verungluͤckten Waſſerfaͤllen verunſtaltet, auf ebenen Plaͤtzen anzulegen wagt. Was kann ſchoͤner ſeyn, als ein Bach, der mit ſeinem reinen Waſſer ſich durch die Gebuͤſche hinwindet, hier fortrauſcht, dort ſanft dahinſchleicht? Der Bach bleibt uͤberall eine ſchoͤne Natur; man wird nirgends von ihm beleidigt; er gefaͤllt beſonders in Scenen, wo das Auge gerne verweilt, und ſeine Annehmlichkeit mit Muße genießen kann. Allein Waſſer - kuͤnſte werden in der Naͤhe des Meers, wo ſein Geraͤuſch die Empfindung des Erha - benen erregt, noch unertraͤglicher. Was ſind die kleinen Kuͤnſteleyen gegen das große Schauſpiel des wallenden Meers? das duͤrftige Geplaͤtſcher gegen das majeſtaͤtiſche Getoͤſe der aufbrauſenden und niederſtuͤrzenden Wellen? Die ſtaͤrkere Wirkung ver - ſchlingt die ſchwaͤchere; und die verſchiedenen Modificationen der Bewegung des Waſſers fallen in einen Widerſpruch. Hier aber ergoͤtzt uns ein Bach mit ſeinem natuͤrlichen Lauf.

Man ſieht in der erwaͤhnten Waldallee, bald ſeitwaͤrts zur Linken, auf einen runden von Roßkaſtanien eingefaßten Luſtplatz hin, der ringsumher von den Wald - baͤumen umſchloſſen iſt. Weiter hinauf erſcheint auf eben dieſer Seite noch ein dunk - ler Gang, in deſſen Mitte der bejahrte Stamm einer hohen Eiche, deren Aeſte ſich oben in der allgemeinen Laubmaſſe der umſtehenden Baͤume verbergen, die Durchſicht anmuthig unterbricht. Die Waldallee fuͤhrt zu den Blumenſtuͤcken auf der Abendſeite des Wohngebaͤudes zuruͤck, das durch ſeinen Park noch mehr gewinnt, um die Som - mertage einer durch die gegenſeitigen Empfindungen der Zaͤrtlichkeit und durch eine ru - hige Weisheit des Lebens begluͤckten Familie zu erheitern.

VIII. Bre -231von Landhaͤuſern.

VIII. Breſe. *)Ein Park in dem Freyherrlichen Gute Breſe, im Fuͤrſtenthum Luͤneburg, eine Meile von der Stadt Dannenberg, dem Herrn Baron von Grote, Churcoͤllniſchen wirklichen geheimen Rath und Miniſter beym Niederſaͤchſiſchen Kreiſe, Ritter vomStanislausorden, u. ſ. w. zugehoͤrig. Ver - ſchiedene Anlagen, die in dieſer Beſchreibung als vollendet vorkommen, wurden im May dieſes Jahres, als ich das Vergnuͤgen hatte, zu Breſe zu ſeyn, verabredet, und werden naͤchſtens ihre Ausfuͤhrung erhalten.

Von dem herrſchaftlichen Wohngebaͤude geht der Eingang in den Garten, durch eine Colonnade von ioniſcher Ordnung, uͤber eine Bruͤcke hin, die von nahe um - herſtehenden Eichen, Eſchen, Linden und Ruͤſtern beſchattet wird, die von der Hand lange vermoderter Vorfahren gepflanzt wurden.

Gleich beym Eintritt erblickt man vor ſich eine lange gerade Allee von Linden; ſie durchſchneidet oben eine dunkle Tannenallee, und laͤuft darauf durch einen Ellern - wald, und von da in eine juͤngere Lindenallee eine ſehr weite Strecke fort. Zur Rech - ten graͤnzt an dieſe Lindenallee zuerſt ein Theil der neuen Anlage, wohin eine artige Bruͤcke uͤber einen dazwiſchen fließenden Bach fuͤhrt, der mit verſchiedenen lauten Waſſerguͤſſen belebt iſt. In der Mitte wird die Allee von einer andern, die aus dem Kuͤchengarten zur Linken queer herauflaͤuft, durchſchnitten; von dieſer Mitte an wird das Auge von zwey großen ſchoͤnen Raſenſtuͤcken ergoͤtzt, die ſich bis an den Schatten der Tannenallee hinaufziehen, gegen welche ihr helles Gruͤn anmuthig contraſtirt; dieſe Raſenſtuͤcke ſind auf allen Seiten von Baͤchen mit Waſſerguͤſſen umfloſſen.

Außer dieſer Lindenallee, die vor dem geraden Blick des Eintretenden liegt, er - oͤffnen ſich beym Eingange zur Linken und zur Rechten zwey Gaͤnge. Auf dieſem, der in die neue Anlage fuͤhrt, blickt man zwiſchen einer breiten Oeffnung von hohen ſchattenreichen Baͤumen uͤber den Fluß hin, der doch ſelbſt in dieſem Proſpect nicht ſichtbar iſt, auf eine Gruppe von Roßkaſtanien, die ſein jenſeitiges Ufer ziert, und hinter den Baͤumen ſchimmert ein ſchoͤner Raſenplatz hervor.

Zur Linken wendet ſich ein Gang unter hohen bejahrten Eichen und Ulmen, dem Kuͤchengarten zur Linken, und zur Rechten einem uͤbrig gebliebenen Heckenſtuͤck der al - ten Manier vorbey, in eine junge Allee von Wallnußbaͤumen, die nach einigen Ein - biegungen oben in den Eingang der dunklen Tannenallee einſchlaͤgt. Indem man zwi - ſchen den Wallnußbaͤumen hinaufwandelt, hat man zur Linken einen Obſtgarten, undzur232Anhang. Beſchreibungenzur Rechten eines von den beyden erwaͤhnten Raſenſtuͤcken; das andere winket zwiſchen den Staͤmmen der Lindenallee freundlich hervor.

Bey dem Eintritt in die Tannenallee ſchleicht zur Linken ein Pfad nach dem Nachtigallenwinkel hin. Zur Rechten eroͤffnet ſich ein breiter langer Gang, auf den das ſchwarze Gruͤn der hohen Tannen, die hin und wieder mit Roßkaſtanien unter - miſcht ſind, eine feyerliche Dunkelheit herabwirft. Die Seele ſinkt in Ruhe und eine ernſthafte Verfaſſung dahin. Nur ſparſam durch die finſtere Ueberwoͤlkung einfallen - de Lichter unterbrechen hie und da die Nacht, worinn ſich der Blick verliert, bis er im entfernten Hintergrunde auf einem freyen Gebuͤſch in einer erquickenden Heiterkeit wieder ruhet. Zur Linken dieſes erhabenen Ganges vermehrt ſeinen Ernſt ein naher Teich, der ſich bis an ſeine Mitte hin unter dicken Ueberſchattungen eines angraͤnzen - den Ellernwaldes, der ſich weiter hinauf mit Eichen vermiſcht, erſtreckt, und zur Rechten iſt durch ein hinter den Baͤumen angepflanztes Gebuͤſch die Durchſicht auf den anliegenden Raſen, deſſen freyer Anblick hier die Wirkung dieſer Scene nur unter - brechen wuͤrde, faſt ganz verſchloſſen. Gegen das Ende der Tannenallee, wo eine Bank zum Ruhen einladet, erblickt man uͤber ihr an einem Baum eine Tafel mit dieſer Inſchrift:

Mit meiner Mutter iſt mein Vater hier geſeſſen:
Hier will ich ruhig auch des Lebens Muͤh vergeſſen,
Stets euer eingedenk, ſtets dankbar euch noch ſeyn,
Und euch, ihr Liebſten, oft hier ſtille Thraͤnen weihn.

Dieſe ſimple Poeſie ruͤhrt, weil ſie eine edle Geſinnung ausdruͤckt, die jedes wohlge - ſtimmte Herz nachempfinden kann; ſie ruͤhrt beſonders an dieſem Orte, wo Ver - ſchloſſenheit und Schatten die Seele zum Gefuͤhl rufen. Nach einer Zuruͤckerinne - rung an die Vorfahren, die dieſe Baͤume pflanzten, die unter dieſen Baͤumen ruhten, kommt man immer mehr der neuen Anlage naͤher.

Verſchiedene Wege laufen hier ſeitwaͤrts nach verſchiedenen Gegenden ab, die, obgleich ſie außerhalb der Linie der neuen Anlage liegen, doch mit abwechſelnden Auf - tritten und Spaziergaͤngen bereichert ſind.

Ein Blick in die dunkle Tannenallee zuruͤck erneuert die ernſthafte Empfindung, die der Eingang erweckte; und gleich darauf tritt man zur Rechten in die neue Anlage, und wird von dem Geraͤuſch eines lebhaften Waſſerfalls empfangen, der ſich zur Seite des Weges hervorſtuͤrzt, ohne daß man ſeinen Urſprung errathen kann.

Man ſchaut in eine lange Pflanzung von lauter jungen edlen Obſtbaͤumen hin; der Blick geht von da weiter uͤber einen Raſen, zwiſchen den weißen Bogen, woraufein233von Landhaͤuſern. ein erhabenes Architecturwerk ruhet, hindurch, und verliert ſich in die Dunkelheit ei - nes fernen Waldes, der jenſeits der Gartenlinie liegt.

An beyden Seiten dieſer Obſtallee verbreiten ſich in einen weiten Umfang die neu angelegten reizenden Gebuͤſche mit mannigfaltigen Straͤuchern und Baͤumen, zwi - ſchen welchen ſchlaͤngelnde Gaͤnge laufen.

Nahe am Eingange fuͤhrt eine Bruͤcke zur Rechten in dieſe Gebuͤſche, wo bald ein ſchmaler Gang ſich ſeitwaͤrts nach einer Bank unter einer Eiche windet, worauf man dem Waſſerfall gerade gegenuͤber ſitzt, ihn ſieht, wie er zwiſchen bluͤhenden her - uͤberhaͤngenden Straͤuchern hervorſchaͤumt, und von ſeinem hellen Geraͤuſch, worein die Waldvoͤgel ihren Geſang miſchen, unterhalten wird. Rings umher iſt die Aus - ſicht verſchloſſen; das Auge ruhet uͤberall zwiſchen den gruͤnen Vorhaͤngen der Gebuͤſche, deren leichte Spitzen unter dem ſanften Hauch der Winde auf und nieder wallen. Man hoͤrt durch den angraͤnzenden Ellernwald die Nachtigallen lauter ſchlagen; man verweilt, ohne es zu wiſſen, und vergißt beynahe ganz, von der Schwelgerey an dieſer lieblichen Scene aufzuſtehen.

Das Waſſer theilt ſich hier nach ſeinem Fall in zwey Baͤche, wovon der linke an der Obſtpflanzung hinunterlaͤuft, der rechte die neue Anlage auf dieſer Seite um - ſchlaͤngelt, ſich aber ungefaͤhr in der Mitte ſeines Laufs wieder theilt, und einen Bach bildet, der durch den innern Bezirk der Gebuͤſche rauſcht; dieſer Bach ſowohl, als je - ner an der Obſtallee, ergießen ſich beyde nachher in den Canal.

Von dieſem Sitz am Waſſerfall irrt man zur Rechten in den Gebuͤſchen umher. Sie ſind von allen Arten von einheimiſchen Straͤuchern, mit Baͤumen untermiſcht, angepflanzt; und hie und da vermehren auslaͤndiſche Hoͤlzer die Mannigfaltigkeit des Gruͤns und der Bluͤthen. Kleine Raſenſtuͤcke, mit Erdbeeren bepflanzte Plaͤtze, Grasſitze liegen in dem Innern der Gebuͤſche zerſtreut.

Indem man hier umfloſſen vom Wohlgeruch des Laubes und der Bluͤthen, und bald von einem auffliegenden Vogel geweckt, bald von den Liebesliedern der Waldſaͤn - gerinnen wieder eingewiegt, in ſuͤßen Traͤumen dahin ſchwaͤrmt, wird man zur Linken auf einen runden Platz geleitet, wo aus einer Raſenvertiefung, von Linden umkraͤnzt, ein ſchoͤner Meleager, auf einem Fußgeſtell ſtehend, den Ankommenden entgegenblickt, das Geſicht nach der Waldung hinter der Tannenallee hin gerichtet. Die gute Wir - kung dieſer Statuͤe, die voͤllig nach der bekannten Antike in Rom gearbeitet iſt, beru - het nicht blos auf ihrer eigenen Schoͤnheit, ſondern auch auf ihrer Stellung; ſie ſteht hier einſam, und beſchaͤftigt um deſto mehr die Aufmerkſamkeit des Spazierenden; und aus hoͤhern Standpunkten ſieht man ſie zwiſchen den Gebuͤſchen mit einem anlo - ckenden Reiz durchſchimmern. Unmittelbar an dieſem Platz, den noch zwo natuͤrlicheIII Band. G gLauben234Anhang. BeſchreibungenLauben zieren, liegt halb im Gebuͤſche verhuͤllt ein kleiner Pavillon, offen gebaut, und mit einer weißen Kupel bekroͤnt, die aus verſchiedenen Geſichtspunkten geſehen zwiſchen den gruͤnen Umwoͤlkungen des Laubwerks mit einer angenehmen Wirkung emporragt. Man ſieht aus dem Pavillon uͤber die Gebuͤſche hinweg, durch eine eroͤffnete Gruppe von Ellern, die Thuͤrme der Stadt Dannenberg, eine Meile entfernt.

Aus dieſer verſchloſſenen Partie kehrt man zuruͤck, und ſieht indeſſen die Spitze der finſtern Tannenallee einen trefflichen Contraſt gegen die dieſſeits liegenden heitern Luſtgebuͤſche bilden.

Zur Rechten ſchlaͤngelt ſich ein Weg bis zu einer Bruͤcke, die uͤber den kruͤm - menden Bach, der von dem oben die Luſtgebuͤſche umfließenden Waſſer ablaͤuft, zu ei - ner der lieblichſten Scenen fuͤhrt, die nur die Phantaſie ſchaffen kann. Der Bach iſt in beſtaͤndiger Bewegung durch drey Waſſerguͤſſe und durch aufſprudelnde Quellen, die ihn beleben. Die kleine weiße Bruͤcke, worunter der Bach in ihrem ſpielenden Wiederſchein dahinhuͤpft, ſtoͤßt unmittelbar auf eine Raſenerhoͤhung. Auf dieſer la - det ſogleich eine von bluͤhenden Straͤuchern umgebene Bank ein, zu ruhen, und auf die Spiele des Baches, auf die Bruͤcke und die uͤbrigen Gebuͤſche herabzuſchauen. Nach dem Uebergang uͤber die Bruͤcke leitet zu beyden Seiten ein Gang in ein Revier von meiſtens auslaͤndiſchen Baͤumen und Straͤuchern und den ſchoͤnſten Blumen, die in angenehmer Vermiſchung umher auf kleinen mit Gras eingefaßten Erhoͤhungen dicht gepflanzt ſtehen. Um dieſe mit einem Zauberreiz bluͤhenden Huͤgel winden ſich ſchlaͤngelnde Gaͤnge; in der Mitte ein runder Raſenplatz, worauf die mediceiſche Ve - nus in liebenswuͤrdiger Schuͤchternheit ſteht; ſie, die, indem ſie jetzt den May mit den ſuͤßeſten Empfindungen begleitet, nie mehr begluͤckt, als wenn ſie die Beſcheiden - heit mit der Schoͤnheit verſchwiſtert. Alle Geſchoͤpfe umher ſcheinen die Gegenwart der Goͤttinn zu empfinden; aus zwey Vogelhaͤuſern von Gitterwerk, in deren einem ein Springbrunn plaͤtſchert, und deren weiße Spitzen uͤber die Gebuͤſche ſich reizend erheben, ertoͤnt ein Concert von wetteifernden Liedern der Liebe; und, gluͤcklicher durch Freyheit und muthiger im Geſang, flattern andre Voͤgel umher, wiegen ſich auf den bluͤthenvollen Straͤuchern oder ſchwaͤrmen neugierig um das Gitterwerk, das, wie ein feindſeliges Kloſter, vielleicht eine noch unbegluͤckte Braut des letzten Fruͤhlings ver - ſchließt; alles lockt, alles iſt Freude und Selbſtgenuß.

Es webet, wallt und ſpielet
Das Laub um jeden Strauch,
Und jede Staude fuͤhlet
Des lauen Zephyrs Hauch.
Was235von Landhaͤuſern.
Was hier vor Augen ſchwebet,
Gefaͤllt und huͤpft und ſingt;
Und alles, alles lebet,
Und alles ſcheint verjuͤngt. *)v. Hagedorn.

Ein tauſendfaͤltig gemiſchter Duft verbreitet ſich aus dieſem Luſtrevier uͤber die benach - barten Gegenden hinaus, und kuͤndigt den Sitz einer Goͤttinn an. Dieſer zauberi - ſche Platz iſt rings umher von den uͤbrigen Luſtgebuͤſchen umſchloſſen; um ſeinen run - den Umkreis ſchlaͤngelt ſich ein Gang. Er hat, außer dem Sitz nahe bey der Bruͤcke, noch einen andern auf einer Erhoͤhung, wo man gerne ruhet und ſich mit der Wolluſt dieſer Scene traͤnkt. Die große Mannigfaltigkeit der auslaͤndiſchen, beſonders nord - amerikaniſchen Gewaͤchſe, bezaubert, und ihr gluͤcklicher Wachsthum geht bis zum Erſtaunen.

Hinter dieſer reizenden Scene hinauf liegen noch zwey kleine Raſenplaͤtze; auf einem ſteht auf einer gruͤnen Erderhoͤhung ein glaͤſerner Bienenkorb, worinn man die Aemſigkeit der nuͤtzlichſten Republik nicht ohne Vergnuͤgen belauſcht.

Aus dieſen ſchoͤnen Luſtgebuͤſchen kann man ſich dem Canal auf verſchiedenen Gaͤngen naͤhern; der angenehmſte laͤuft an dem ſchlaͤngelnden Bach hinab, der auf beyden Seiten mit einem kleinen Raſenufer verziert iſt. Wo er in den Canal faͤllt, hat er noch eine kleine flache Bruͤcke, ohne Lehne, mit vier Vaſen beſetzt. Er durch - ſchneidet den Canal, und geht aus dieſem mit verſtaͤrktem Waſſer in einen Fluß uͤber, der auf der noͤrdlichen Seite durch eine andre große Gegend des Gartens fließt.

Man wird dieſem Canal gerne vergeben, daß er Canal iſt, ein regulaͤres Waſſer - behaͤltniß, das ſich in einer langen Strecke hinaufzieht. Ein vorhandener waſſerrei - cher Graben, der nicht verlegt werden konnte, und die Beſchaffenheit des Platzes, der hier nicht wohl einen ſchlaͤngelnden Bach zu verſtatten ſchien, machten ihn nothwendig; und ſeine Anlage iſt von den gewoͤhnlichen Fehlern der Canaͤle frey. Er hat ein rei - nes und helles Waſſer, worinn Fiſche gehen; er wird, außer daß zwey Baͤche, wo - von einer durch ihn hindurch in einen Fluß uͤbergeht, ſich in ihn ergießen, von kleinen Waſſerguͤſſen und ſprudelnden Quellen belebt. Seine Ufer ſind mit Raſen bekleidet; zu beyden Seiten laufen bequeme Gaͤnge; ihre Außenlinien ſind mit einer einfachen Reihe von ſchoͤnen ſchwarzen Pappeln beſetzt, deren immer ſchwankende Zweige und Blaͤtter das rege Waſſer durch Wiederſcheine beleben, und die Erfriſchung der Scene vermehren helfen.

G g 2An236Anhang. Beſchreibungen

An dem untern Ende des Canals erhebt ſich ein hoher Obelisk, der, wie eine Inſchrift lehrt, dem Andenken des churhannoͤveriſchen unſterblichen Miniſters, von Muͤnchhauſen, gewidmet iſt. Bey dieſem Obelisk, an deſſen Fuß ein kleiner Waſſer - guß aus einer ſteinernen Vorlage hervorrauſcht, uͤberſchaut man den ganzen Canal ſeiner Laͤnge nach; man ſieht uͤber den linken Gang hin zwo Bruͤcken, die uͤber die beyden Baͤche gehen, die ſich in den Canal ergießen. Die Ausſicht endigt ſich auf einen großen Pavillon, der in einer maleriſchen Lage vor einem Ellernwalde ruht.

Nachdem man auf dem linken Gang uͤber die zwote Bruͤcke, die am Canal liegt, gekommen iſt, ſieht man zur Linken wieder in die beym Eingange erwaͤhnte Obſtallee hinauf. Die Baͤume ſind auf einer Erderhoͤhung, deren Rand mit Gras eingefaßt iſt, gepflanzt, und zwiſchen ihnen zeigen ſich Roſen, Malven und andre Stauden, die, indem die Fruͤchte ihrer Suͤßigkeit entgegen reifen, das Auge mit der Mannigfaltigkeit der Blumenfarben wieder ergoͤtzen.

Auf dieſem Wege fuͤhrt bald ein andrer Gang in das große Luſtſtuͤck hinein, das an dieſer Seite der Obſtallee liegt, und aus einem anſehnlichen Raſen beſteht, umkraͤnzt mit anmuthigen Gebuͤſchen, worinn gebogene Gaͤnge umherlaufen.

An dem obern Ende des Canals ſprudelt eine Quelle und veranlaßt einen kleinen Waſſerguß. Von dieſem Standpunkt, wo man den ganzen Canal hinabſieht, macht der Obelisk eine gute Wirkung, indem ſich im Hintergrunde dunkle, hohe, uͤber ihn emporragende Baͤume zeigen, und er ſelbſt im Waſſer ſeine laͤngliche Geſtalt herauf - ſpiegelt.

An dieſe obere Graͤnze des Canals ſtoͤßt ein ziemlich großer Raſen, um welchen die Gaͤnge mit der einfachen Beſetzung der Pappelbaͤume auf beyden Seiten in einem halben Zirkel auslaufen, und ſich wieder nach dem großen Pavillon hinwenden, der vor dem Ellernwald liegt. Von dieſem Platze hat man den Proſpect uͤber den Canal auf den Obelisk zuruͤck, und hinter dem Pavillon ein Raſenſtuͤck in einem halben Zir - kel, mit Baͤumen bekraͤnzt.

Zur Rechten dieſes Pavillons verbreitet ſich wieder ein ſchoͤner Raſen, worauf eine artige Baumgruppe, die zugleich mit Blumen verziert iſt, das Auge an ſich lockt. Der Raſen laͤuft zur linken Hand an ein Luſtgebuͤſch hin, zur Rechten an eine junge ſchlaͤngelnde Tannenallee, die nach dem Eingange am Waſſerfall fuͤhrt, und oben an eine dichte Gruppe von Eichen. In dem obern Winkel erhebt ſich zwiſchen dem Ge - buͤſch die Buͤſte einer Waldgottheit. Naͤher nach dem Pavillon herauf eroͤffnet ſich, zur Rechten der eben erwaͤhnten jungen Tannenallee, ein Raſenplatz in einer ſehr an - muthigen Lage mit dem ſchoͤnſten Gruͤn; er ſchmiegt ſich an ein vortreffliches Ellern - gebuͤſch, das bald mit maleriſchen Gruppen vorſpringt, bald wieder in die dunklereMaſſe237von Landhaͤuſern. Maſſe des Gehoͤlzes zuruͤckweicht; tiefer im Hintergrunde hinauf woͤlben Eichen, El - lern, Birken und andere Baͤume einen herrlichen waldigten Umzug. An der jenſei - tigen Graͤnze dieſes Raſens, zwiſchen den Ellerngebuͤſchen, erſcheint eine laͤndliche Huͤtte mit einem ſtrohernen Dach und einem weißen Anwurf der Waͤnde, die Woh - nung des Thierwaͤrters; denn dieſer Raſen iſt der Anfang des Thiergartens, und man genießt oft den erfreuenden Anblick, hier das Wild weiden zu ſehen.

Hinter dem Pavillon windet ſich durch den anliegenden Ellernwald links ein Weg nach dem Thiergarten, und rechts ein andrer nach dem Ottonisberge.

Nach verſchiedenen Kruͤmmungen des Weges ſteigt man unmittelbar aus dem Ellernwald auf den Berg hinauf, der auf dieſer Seite die Graͤnze des Gartens macht, und durch Fleiß und Kunſt aus der Ebene erhoͤhet iſt. Wo er in windenden Gaͤngen beſtiegen wird, iſt er mit einheimiſchen und auslaͤndiſchen Baͤumen und Straͤuchern dicht bepflanzt, die nicht allein ſein Anſehen vergroͤßern, ſondern auch beſonders dazu dienen, die Ausſicht auf eine Weile zu verſchließen. Man ſteigt in den Umhuͤllun - gen der Gebuͤſche fort, bis man die Spitze erreicht, ſich auf einmal unter den Ruinen eines Tempels befindet, und zugleich von einem faſt unermeßlichen Proſpect in die Landſchaft hinaus uͤberraſcht wird. Die Ausſicht ſtreicht zuerſt uͤber eine ausgebrei - tete Maſſe von Wieſen, die zur Rechten in niedrige Gebuͤſche verwildern; uͤber ihnen hin die Stadt Dannenberg mit dem Schloſſe, der Kirche und dem Thurm der Ca - pelle; weiter hinaus auf der unſichtbaren Elbe die Maſten der Schiffe, die durch die Landſchaft zu ſchwimmen ſcheinen; und hoͤher rechts am Horizont die mecklenburgi - ſchen Berge, die von dieſer Seite den Geſichtskreis begraͤnzen. Außer einzelnen Landhuͤtten unterſcheidet man in dieſem Proſpect mit bloßem Auge ſieben Doͤrfer. Nach der Mitte hin erblickt man bey Hitzacker zwey hohe Berge, und auf dem einen Ruinen; und ganz zur Linken erſcheint ein Strich der luͤneburger Heyde, welche die traurige Vorſtellung von Unfruchtbarkeit gegen den heitern Anblick der angraͤnzenden großen Wieſenmaſſe contraſtiren laͤßt. Tief im Vorgrunde, links an der Seite des Ellernwaldes, ſieht man unter ſich ein niedriges Gebuͤſch, das ſich hier an den Fuß des Berges ſchließt; unmittelbar daran liegt ein See, der beynahe die Haͤlfte des Berges umſpuͤlt, indem er hier in ſeine groͤßte Breite ausfließt. Die Seite des Berges nach dem See hinab iſt ſteil, mit Einſchnitten abwechſelnd, mit Gras und niedrigem Geſtraͤuch bewachſen. Der See iſt, ſo wie der Berg, eine Anlage der Kunſt, und dennoch hat er ein natuͤrliches und großes Anſehen. Er iſt durch Enten, Schwaͤne und ein Fahrzeug belebt, zu welchem man, auf der Seite des Gartens hin, auf einem bequemen Gange hinabſteigt, wenn man nicht auf dem Wege, den man aus dem Ellernwald gekommen iſt, zuruͤckkehren will. Zwo Infeln verſchoͤnern den See. G g 3Die238Anhang. BeſchreibungenDie kleinſte erhebt ſich nahe am Fuß des Berges mit einer artigen Gruppe von Ellern. Die groͤßere erſcheinet weiter hin, und iſt mit niedrigen Straͤuchern und Blumen ge - ziert, die ihre Geſtalten im Waſſer ſpiegeln. Sieht man von dem Berge gerade uͤber den See hin, ſo erblickt man links eine Reihe von Ellern und Buſchwerk, die ſeine Ufer beſchatten; gerade uͤber ihn hinaus, nachdem ſeine Begraͤnzung durch ein Am - phitheater von Baͤumen verdeckt iſt, unter welchen er noch fortzugehen ſcheint, eine Reihe von Eichen, die ſich rechts nach dem Wohngebaͤude hinaufziehen, und da, mit andern Klumpen vereinigt, eine dunkle Verſchließung bilden; zwiſchen den Staͤmmen dieſer Eichen bricht ein weites helles Kornfeld hervor, das links von einem dunkeln Walde begraͤnzt wird, der ſich gegen die Mitte des Feldes zu in duͤnnere Gebuͤſche und Baumgruppen ausſpreitet, und die Ausſicht auf ein entferntes Dorf verſtattet. Von dem Berge uͤberſieht man zugleich den Fluß mit ſeiner Bruͤcke, die Weide nebſt der Meyerey, die Menagerie, und einen Theil des herrſchaftlichen Wohnhauſes zwiſchen den Baͤumen, den Obelisk, einige Haͤuſer von dem Dorfe Breſe, hinter welchem hohe Eichen emporſteigen, und den Geſichtskreis maleriſch verſchließen; und naͤher her einige Partien von den Luſtgebuͤſchen. Auf dem Berge ſelbſt, von welchem man alle dieſe herrlichen Ausſichten genießt, iſt ein Tempel, ein Monument der kind - lichen Ehrfurcht, von dem jetzigen Beſitzer dem Andenken ſeiner Aeltern gewidmet. Und von dieſer Beſtimmung fuͤhrt der Berg den Namen des Ottonisbergs, und der See den von Wilhelminenſee. Allein dieſer Tempel liegt halb in Ruinen, welche die Form des beruͤhmten Tempels bey Tivoli zeigen, und von Geſtraͤuchen, die in den traurigen Reſten verwildern, hier an den Saͤulen herabhaͤngen, da an einem halb zer - ſtoͤrten Gebaͤlke herauf klettern, ein natuͤrliches und ſanft melancholiſches Anſehen ge - winnen. Ueber dem Eingange lieſt man die Inſchrift: Pietati! Das Ganze macht einen ruͤhrenden Eindruck, und ſelbſt in der Fern ſind die Ruinen dieſes Tempels ein intereſſanter Gegenſtand im Proſpect, zumal wenn die Strahlen der entweichenden Sonne an die Saͤulen eine ſanfte Uebergoldung hinſtreuen und die wechſelnden Lichter in den Geſtraͤuchen ſpielen.

Man ſteigt, wie erwaͤhnt iſt, von dem Berge in ein Fahrzeug, und rudert uͤber den See; oder man kehrt den Weg zuruͤck, nach dem Pavillon, der vor dem Ellern - walde liegt. Von der linken Seite dieſes Gebaͤudes ſchlaͤngelt ſich ein Gang, zwiſchen den angepflanzten Luſtgebuͤſchen, auf eine runde Erhoͤhung, worauf ſich eine Gruppe von ſchoͤnen Fruchtbaͤumen erhebt. An den aͤußern Baͤumen, die einen runden Kreis beſchreiben, ſchlingen ſich von Baum zu Baum ſchoͤn bluͤhende Geisblaͤtter, und bil - den anmuthig herabhaͤngende Feſtonen; und in der Mitte hat jeder Fruchtbaum einen Roſenſtrauch, der ſeinen untern Stamm umarmt.

Auf239von Landhaͤuſern.

Auf dieſem Wege laͤßt man den Berg zur linken Hand liegen, und tritt, an dem Ufer des Sees, in eine Reihe von Gruppen von Straͤuchern und Blumen ge - pflanzt, zwiſchen welchen der Spaziergang ſich hinwindet, bis dahin, wo der Fluß ſich in den See gießt. Man ſchleicht bald am Waſſer, bald entfernt man ſich wieder davon, nach dem verſchiedenen Abſtande der Gruppen, nach deren Richtungen ſich der Weg bequemt. Zur Rechten bleibt ein anſehnlicher Raſen liegen, der mit verſchie - denen Baumgruppen auf kleinen Erderhoͤhungen verziert iſt.

Von dem See wendet ſich der Weg, an dem Fluß hinauf, zu einer mit Roß - kaſtanien bepflanzten Anhoͤhe, von welcher eine Bruͤcke uͤber den Fluß geht, und un - mittelbar auf einen von der Kunſt gebildeten Huͤgel ſtoͤßt, der mit einigen Tannen be - ſetzt und mit einem Sitze verſehen iſt. Will man nicht hinuͤber gehen, ſo kann man rechts in einen ſchlaͤngelnden Weg einſchlagen, der mit einheimiſchen und nordameri - kaniſchen Straͤuchern zu beyden Seiten auf Erhoͤhungen umpflanzt iſt. Man ſtoͤßt auf kleine Huͤgel, die mit Gras geſchmuͤckt ſind, oder mit Steinen natuͤrlich beworfen ein verwilderndes Anſehen haben. Der Weg faͤllt auf den Raſenplatz vor dem großen Pavillon. Von hier geht man an dem linken Ufer des Canals hin, und biegt bald wieder in einen Gang zwiſchen einigen Obſtbaͤumen ein, die das Ende der großen Obſt - allee machen, die ſich beym Eingang am Waſſerfall anfieng.

Man kommt nun auf den großen Raſen, den man ebenfalls ſchon beym Eintritt erblickte, und ſieht nun naͤher den Gegenſtand, der aus entfernten Geſichtspunkten zu - weilen unkenntlich reizte, ein Mauſoleum, das der jetzige Beſitzer zu ſeinem Begraͤb - niß beſtimmt hat. Es iſt ein erhobenes Werk von ſchoͤner und einfacher Architectur, auf Bogen ruhend, unter welchen die Ausſicht aus entferntern Standpunkten hindurch - geht, und mit einem Aufgang verſehen. Die Lage auf einem großen Raſenplatz iſt frey und heiter, und die ganze Anordnung den gemeinen finſtern Vorſtellungen entge - gen, die man in den neuern Zeiten zu unterhalten gewohnt iſt. Man weiß, wie ſehr die Griechen den Gedanken des Todes mit anmuthigen Bildern aufzuheitern wußten. Dieſe Anlage hat einen Theil von jener Heiterkeit, worinn die weiſeſten Maͤnner die unvermeidliche Aufloͤſung der Huͤtte des Menſchen darſtellten, und fuͤhrt den Geiſt leichter zu der Vorſtellung von Elyſium hinuͤber. So heiter auch an ſich dieſe Scene iſt, ſo iſt ſie doch von den angraͤnzenden durch ein Gebuͤſch, das ſie umkraͤnzt, ab - geſondert.

Will man vor dieſem Revier voruͤbergehen, ſo verfolgt man rechts einen ſchma - len ſich kruͤmmenden Pfad, der durch eine ziemlich anſehnliche Pflanzung von weißen Maulbeerbaͤumen leitet, die auf den Seiten mit einem Luſtgebuͤſch von mancherley einheimiſchen Straͤuchern umſchloſſen iſt, und ſich mit einer kleinen Gruppe von Obſt -baͤumen240Anhang. Beſchreibungenbaͤumen endigt. Beym Ausgang befindet man ſich an dem Fluß, wo er aus dem Canal hervorgeht, und ſieht gerade uͤber ihn hin einen Platz mit einer aͤhnlichen Grup - pe von Obſtbaͤumen bepflanzt.

Man wandelt mit der Wendung des Fluſſes hinauf, und ſieht ihn mit Vergnuͤ - gen zwiſchen ſeinen Raſenufern dahin fließen. An beyden Seiten erſcheinen Baum - gruppen bald von Roßkaſtanien, bald von Ahorn, bald von Pappeln; und hin und wieder ſpiegeln naͤher gepflanzte Blumen ihre Farben in dem klaren Waſſer.

Man kommt wieder an die Bruͤcke, die uͤber den Fluß fuͤhrt, und kann entwe - der auf den Sitzen, die darauf angelegt ſind, oder auf dem Huͤgel, wohin ſie bringt, ruhen, von allen Seiten eine ſchoͤne Ausſicht genießen, den Fluß, den See, die um - liegenden Luſtgebuͤſche und Raſen uͤberſchauen, den Blick ſich ringsumher uͤber das Ganze verſpreiten, oder an der Schoͤnheit einer einzelnen Scene ſchwelgend haͤngen laſſen. Faſt um die Mitte des Huͤgels windet ſich ein Gang; und ein niedriger Weg geht an ſeinem Fuß unter der Bruͤcke hindurch, am Ufer des Fluſſes, nach dem See hin.

Von dem Huͤgel uͤberſieht man ein großes Stuͤck Landes, das der Fluß dieſſeits der Laͤnge nach von den bisher beſchriebenen Luſtgebuͤſchen abſondert, und das noch in dem Bezirk des Parks liegt. Es wird, in der Laͤnge hin, wieder von einem mit Gras uͤberwachſenen Graben getheilt, deſſen fließendes Waſſer ſich in den See ergießt, wohin ſich dieſes Revier von dem herrſchaftlichen Landhauſe an erſtreckt. Die nord - liche Seite iſt mit der, oben bey der Ausſicht vom Berge bemerkten, Reihe von Ei - chen beſetzt, die hier die Graͤnze des Gartens machen, und unter welchen vom Land - hauſe an ein Weg, neben drey Fiſchbehaͤltniſſen vorbey, mit Schattenſitzen abwech - ſelnd, herumlaͤuft, ſich um den See und den Berg wendet, und oben, in dem daran ſtoßenden Ellernwald, ſich in den Thiergarten verliert. Das dieſſeits zwiſchen dem Fluß und dem Graben liegende Stuͤck iſt mit Baumgruppen und niedrigen Gebuͤſchen, zwiſchen welchen ſich Gaͤnge ſchlaͤngeln, bepflanzt; die jenſeitige Haͤlfte aber iſt eine anſehnliche fruchtbare Weide in zwey Abtheilungen, worauf man weiße Kuͤhe und Schafe frey herumirren ſieht: einer der angenehmſten laͤndlichen Auftritte, der in dem Bezirk eines Gartens, wie dieſer iſt, mit ſeiner Beſtimmung ſo gluͤcklich zuſammen - trifft. Ueber die Weide hin, nach der Seite des herrſchaftlichen Wohnhauſes zu, das in dieſem Proſpect faſt ganz von hohen Baͤumen umhuͤllt iſt, erblickt man unter dem Schatten bejahrter Eichen die Meyerey, ein faſt mehr der Schoͤnheit der An - ſicht, als der Nothwendigkeit wegen angelegtes Gebaͤude von einem ſehr einfachen laͤndlichen Anſehen, in einer anmuthigen Lage. Von dem Huͤgel am Fluß fuͤhrt da - hin eine uͤber den Graben gehende Drehbruͤcke, und ein Weg mit einem niedrigen weißen Gelaͤnder verſehen, der zugleich die Abtheilung der Weide macht.

Dieß241von Landhaͤuſern.

Dieß ſind die vornehmſten Gegenden und Scenen auf dieſem ausgebreiteten Gartenplatz, der, ohne die umherlaufenden Alleen und wilden Spaziergaͤnge, an ſich uͤber drey und funfzig Morgen Landes enthaͤlt, und nicht blos ein Werk des feinen Ge - ſchmacks und der erfindungsreichen Einbildungskraft des Beſitzers, ſondern auch einer muͤhſamen und ſtandhaften Arbeitſamkeit iſt. Denn da, wo jetzt alle dieſe Anlagen reizen, ſah man vorher nichts als Moraͤſte, von Ungeziefer bewohnt; ſelbſt die Erde war den Gewaͤchſen unguͤnſtig, und mußte erſt zur Fruchtbarkeit bereitet werden. Das ganze Werk iſt erſt ſeit drey Jahren mit einem Eifer angefangen, der noͤthig war, um einen ſo gluͤcklichen Erfolg zu beſchleunigen. Und da ſchon die Jugend die - ſes Gartens ſo bluͤhend iſt, ſo kann man mit Zuverſicht nach einigen Jahren weit ſchoͤnere Wirkungen erwarten, wenn alle Anlagen vollendet und die neuen Anpflan - zungen zu ihrer ganzen Ausbildung angewachſen ſind.

In der That erſtaunt man, hier nicht blos ein treffliches Werk von ſo wenigen Jahren zu finden, ſondern auch eine ſolche reiche Sammlung von den herrlichſten Waͤldern, Wieſen und Kornfeldern, die man um dieſen Sitz ſich verbreiten ſieht, nachdem man aus den oͤden Sandwuͤſten der luͤneburger Heide hergekommen iſt. Welch ein auffallender Contraſt! dieſer Luſtort, und dagegen die angraͤnzende mei - lenlange Strecke, wo das Auge vergebens nach einer Huͤtte des Menſchen in der Fer - ne umherſucht, wo es faſt immer mit truͤbern Vorſtellungen von Unfruchtbarkeit und Mangel zuruͤckkehrt!

Obgleich der Garten nur aus einer Ebene beſteht, und nur den einzigen ange - legten Berg am See hat, ſo iſt doch durch die Mannigfaltigkeit der Anpflanzung und hie und da durch kleine Erhoͤhungen, beſonders den Huͤgel am Fluß, ihre natuͤrliche Einfoͤrmigkeit faſt ganz verdraͤngt. Die Baͤche, die ein helles und trinkbares Waſſer haben, und worinn Fiſche ſpielen, die kleinen Waſſerguͤſſe und ſprudelnden Quellen, die weißen Bruͤcken, die im guten Geſchmack leicht und anmuthig gebauet ſind, die Menge von ſchoͤnen Raſen, und die unzaͤhlbaren Geſchlechte von Sangvoͤgeln, fuͤr welche die ganze Landſchaft einen erwuͤnſchten Aufenthalt anbietet, alles dieſes vereinigt ſich, die Empfindung von Leben und Bewegung zu verbreiten. Dennoch hat alles eine ſanfte Laͤndlichkeit und den einnehmenden Reiz der Natur. Nach dem Eingange iſt die Graͤnze des Gartens nirgends ſichtbar; die Ausſichten laufen in Kornfluren, Wieſen und Waͤlder hinaus, oder die Gaͤnge verlieren ſich in die anmuthigſten wilden Spazierwege, die auf manche Stunden weit in den anliegenden Gegenden um - herfuͤhren.

III Band. H hMit242Anhang. Beſchreibungen

Mit Vergnuͤgen bemerkt man in den Anlagen die Anpflanzungen von ſchoͤnen Obſtbaͤumen, die in manchen Gaͤrten dieſer Art aus einem ſeltſamen Vorurtheil ver - draͤngt werden. Schon deswegen, weil ſie durch die Blaͤtter die Mannigfaltigkeit vermehren helfen, verdienen ſie mit Recht ihre Stelle, und ſie machen ſich faſt unent - behrlich durch die Schoͤnheit der Bluͤte und durch die angenehmen Erwartungen ihrer Fruͤchte, die mit der allmaͤhligen Reifung ſo lange den Baum zieren, bis er als ein geliebter Wohlthaͤter ſeine Geſchenke giebt.

Auf verſchiedenen Grasplaͤtzen trifft man laͤndliche Spiele an, womit ſich der Liebhaber beluſtigen kann, als Carouſſel, Schaukel, Wurfſpiel, Wippen; ſie veran - laſſen Leibesuͤbungen, die ſchon die Roͤmer in ihren Gaͤrten liebten. Außerdem hat man Beluſtigungen mit Waſſerfahrten, mit Fiſchen und mit Jagen in der umliegen - den Landſchaft, die eine Menge von mancherley Wild naͤhrt.

Indeſſen, wer an Ergoͤtzungen dieſer Art keinen Geſchmack findet, der hat noch außer der eigentlichen Graͤnze des Gartens eine Menge von weiten Spaziergaͤngen, auf welchen er zur Bewegung und zum Genuß eines mannigfaltigen Vergnuͤgens um - herſchweifen kann. Schon ſind die umliegenden ausgedehnten Gegenden auf der ſuͤd - lichen Seite des Gartens mit ihm durch Spaziergaͤnge verbunden, die eine Folge von anmuthigen immer abwechſelnden Naturſcenen, mit beſcheidenem Geſchmack unter - ſtuͤtzt, erſcheinen laſſen; und die Verſchoͤnerungslinie wird ſich noch durch manches un - gebahnte Revier erſtrecken. Wir wollen aus der Menge dieſer Spaziergaͤnge nur ei - nige verfolgen.

Geht man vom herrſchaftlichen Wohnhauſe weg queer durch die dunkle Tannen - allee, ſo kommt man uͤber eine Bruͤcke in eine gerade ſehr lange Allee von Linden, die durch die Wegnehmung eines Raſens, der in der Mitte hinauflief, ein viel groͤßeres Anſehen gewonnen hat, und ſich mit Quitſchern endigt. Zu beyden Seiten erblickt man abwechſelnd Feld und Wieſen, die von Waldungen begraͤnzt werden. Bald zur Rechten wird man von einer unerwarteten Durchſicht auf ein ſehr langes ſchmales Wieſenſtuͤck, das ſich zwiſchen Ellern und Birken hinſtrecket, und wo oft Rehe wei - den, uͤberraſcht. Auf dieſer Seite folgen noch zwo andre ſolcher anmuthigen Oeffnun - gen von Wildbahnen. Man wandelt nachher unter dem Schatten, womit zu beyden Seiten anſtoßende hohe und dichte Gehoͤlze den Lindengang uͤberdaͤmmern. Die Laͤn - ge dieſer Allee verurſacht, daß die Ausſicht nach beyden Enden zu in eine tiefe Dun - kelheit dahin ſinkt. Sie laͤuft uͤber den Fahrweg von Dannenberg, der ſich links zwiſchen Eichen nach Breſe ſchlaͤngelt. Indem man den Fahrweg uͤberſchreitet, kommt man uͤber eine Bruͤcke in einen Gang zwiſchen Quitſchern; zur Linken eine rei -zende243von Landhaͤuſern. zende Wieſe von weitem Umfang, von ſchoͤnen Gehoͤlzen bekraͤnzt, mit einzelnen Baͤu - men und Gruppen unterbrochen, zur Rechten ein anmuthiger Wald von Ellern und Eichen; weiter hinauf, wo die Wieſe aufhoͤrt, tritt an ihre Stelle ein Wald, der mit dem zur Rechten den Weg uͤberſchatten hilft. Dieſe lange Allee endigt ſich auf das Feld. Am Ausgang zur Rechten laͤuft ein Weg ins Gebuͤſch, der wieder auf den Eingang des dannenberger Weges fuͤhrt. Zur Linken irrt ein Gang durch die Auſ - ſenlinien des Gehoͤlzes fort, mit einer ſchoͤnen Ausſicht auf die ſich rechts erhebenden Kornfelder, von Klumpen und einzelnen Baͤumen verziert, und dem Anblick des Dorfs Yameln. Nach langem Umherirren kommt man wieder auf die Fahrſtraße von der Stadt Luͤcho, die mit alten ehrwuͤrdigen Eichen, die ſchoͤne perſpectiviſche Durch - ſichten bilden, beſetzt iſt, und zur Linken nach Breſe geht.

Aus dem Rehwinkel, einem buſchigten Revier auf der ſuͤdlichen Seite des Gar - tens, der ſeinen Namen von dem haͤufigen Aufenthalt des Wildes fuͤhrt, leitet einer der Gaͤnge nach dem Kaninchenhuͤgel. Dieſer liegt in dem bebuſchten Winkel einer Wieſe, an einem Teiche, deſſen Waſſer ihn ringsumher umfließt. Er iſt außerdem mit einem, in ſehr artigem laͤndlichen Geſchmack gebaueten, Knoͤppelgelaͤnder von un - geſchaͤlten Birkenholz umſchloſſen, das in der Ferne ſo weiß ſcheint, als wenn es ei - nen Anſtrich erhalten haͤtte. Die Bruͤcke, die nach der Wieſe fuͤhrt, und gerade vor dem Eingang ein Sitz unter einer Eiche, ſind von eben dieſer anmuthigen Bauart.

Verſchiedene Wege fuͤhren nach dem Thiergarten, wovon, wie ſchon angezeigt iſt, ein ſchoͤner Theil von Raſenſtuͤck mit dem Ellerngehoͤlz im Bezirk des Gartens liegt. Der Thiergarten enthaͤlt uͤber neun Morgen Landes, und bietet an ſeinem Rande ſehr anmuthige Spaziergaͤnge an, die ſich zwiſchen ſchoͤnen Alleen von Eichen und Ellern hinwinden. Er beſteht aus dicken Waldungen und Gebuͤſchen, zwiſchen welchen ſich reiche Grasplaͤtze verbreiten. Man hat auf dem Spaziergange bald ei - nige weite Durchſchnitte durch die Waldung, beſonders die drey angenehmen Durch - ſichten wieder, die man von der langen Lindenallee aus ſah, bald ein breites Stuͤck Feld, umſchloſſen von hohen Ellern, deren Gipfel von emporragenden Tannen noch mehr verduͤſtert werden, bald gerade vor ſich die Ausſicht auf gruͤnende Fluren. Am Ausgang dieſes reizenden Spazierganges, wobey man oft durch ein aufſpringendes Reh uͤberraſcht wird, erblickt man vor ſich den Eiskeller auf einem bepflanzten Berg, wovon man wieder eine ſchoͤne Ausſicht zuruͤck auf die Waͤlder der Spaziergaͤn - ge genießt.

Bey dem Eingange in die dunkle Tannenallee, wenn man aus der Wallnuß - allee koͤmmt, ſchleichen windende Gaͤnge nach dem Nachtigallenwinkel, der aus ei -H h 2nem244Anhang. Beſchreibungennem Wald von Eichen, Ellern, Haſelgeſtraͤuchen und anderm dicken Untergebuͤſch beſteht,

Wo Philomel auf jedem Zweige ſcherzt. v. Haller.

Man hat in dieſem dickbuſchigten Revier, das uͤberall von den ſuͤßeſten Geſaͤngen wi - derhallt, zur Seite ſehr weite perſpectiviſche Durchſchnitte, zwiſchen den naͤhern hel - lern Baͤumen und den entfernten dunklen Gebuͤſchen, uͤber glaͤnzende Wieſen und Kornfelder hin, dann wieder auf einen daͤmmernden Hintergrund, wo das Auge aus - ruhet. Die Abwechſelungen von finſtern und heitern Stellen, von Oeffnungen und Verſchließungen, von vorſpringenden und zuruͤckweichenden Baͤumen, die mannig - faltigen Spiele der Lichter und der Schatten, die ungewiſſen taͤuſchenden Erſcheinun - gen in der Ferne, bilden ein Schauſpiel, das man ſehen, aber nicht beſchreiben kann. Noch unbeſchreiblicher iſt dieſe Scene bey der ſtillen Abendfeyer, wenn der Mond durch die dunklen Gipfel der hohen Ellern ſtrahlt, und auf die niedrigen Laubdecken der Gebuͤſche umherſchwebende Schimmer eines mildern Lichtes verſtreut; wenn alles ruht, ſelbſt die obern Blaͤtter kaum wanken; wenn die lauten Jubel der Nachti - gallen in ſteigenden Accenten frohlocken, dann in ſanftere Toͤne herabſchmelzen, wie - der in ein ſchmetterndes Gewirbel ausbrechen, und darauf in ſchmachtenden Seufzern ſinken und verſtummen; wenn bey dieſem gemiſchten Concert das Herz bald mit der Wonne der begluͤckten Zaͤrtlichkeit, bald mit den Unruhen der Liebe, bald mit der ſuͤ - ßen Schwermuth ungewiſſer Hoffnungen ſympathiſirt.

Man kann aus dieſem ziemlich weiten Revier in verſchiedene Alleen und Spa - ziergaͤnge einſchlagen; einer der angenehmſten fuͤhrt nach dem Borkhauſe. Faſt alle dieſe Spaziergaͤnge laufen uͤber Daͤmme, denen die Zeit ſchon lange das Anſehen der kuͤnſtlichen Erhoͤhung genommen hat, und die mit bejahrten Eichen, Ellern und ver - ſchiedenen Arten von Gebuͤſchen, beſonders Haſeln, bekleidet ſind. Der Gang nach dem Borkhauſe wechſelt beſtaͤndig in angenehmen Wendungen ab. Gleich anfangs zur Rechten hat man eine weite herrliche Wieſe, rund umher von Eichenwaͤldern be - kraͤnzt, und mit einzelnen Eichen und kleinen Ellerngebuͤſchen unterbrochen; zur Lin - ken ein anſchließender Wald von Buchen und Eichen. Man kommt ganz nahe an einem aufgeſetzten Faden Holze vorbey; und indem man ſorglos weiter ſchreiten will, oͤffnet ſich darinn eine Thuͤre, und man ſieht wie vom Zauber auf einmal eine Huͤtte entſtehen, aus welcher ein voͤllig gekleideter Einſiedler hervortritt und gaſtfreundſchaft - lich bittet, auf eine Weile bey ihm einzukehren. Seine Huͤtte iſt, wie ſchon der Name Borkhaus anzeigt, voll Einfalt und Duͤrftigkeit; ein Tiſch, ein paar Stuͤhle,ein245von Landhaͤuſern. ein Ruhebett, alles von Holz ohne einen Polſter fuͤr den weichlichen Gaſt, macht die ganze Ausmeublirung. Hinten hinaus geben zwo rohe Lucken die Ausſicht auf eine uͤberaus große Plaͤne von Kornfeldern, die ringsumher von lauter Eichenwaͤldern um - geben iſt; aus der Thuͤre ſieht man auf einen Fiſchteich und nahe ſtehende Gebuͤſche, die den Anblick der oben erwaͤhnten weiten Wieſe verbergen.

Von dem Borkhauſe hat man auf ſeinem weitern Gang lange dieſe Wieſe auf der rechten Seite, und auf der linken jene faſt unermeßliche Ebene von Kornfluren, umkraͤnzt von entfernten dunkeln Waͤldern, eine herrliche Ausſicht, die man zuerſt aus dem Borkhauſe genoß, und wodurch die ganze Seele zur Freude ſich erweitert fuͤhlt. Der Weg laͤuft auf einer Erhoͤhung, immer ſchlaͤngelnd, immer bald von hohen Baͤu - men, bald von niedrigen Gebuͤſchen uͤberſchattet. Bald zur Rechten, wo jene Wieſe aufhoͤrt, erſcheint eine Pflanzung von weißen Maulbeerbaͤumen. Unter den immer abwechſelnden Anſichten der Waͤlder, die ſich bey dem Fortgang zu bewegen, ſich hinterwaͤrts tiefer in ihre eigene Nacht hineinzuziehen ſcheinen, kommt man an das Mooshaus.

Dieß iſt ein ganz rohes, hoͤchſt einfaches Werk, das anſtatt der Thuͤre nur eine Oeffnung, anſtatt der Fenſter nur Lucken hat; mit einem Dach vor Regen und Son - ne beſchirmt, und mit einer Bank zum Sitzen verſehen. Vor ſich hat man die Aus - ſicht auf die oft erwaͤhnte weite Ebene der Kornfelder, deren Helle von den umſchlieſ - ſenden Waͤldern gebrochen wird; zur Rechten waͤlzt ſich ein Waldbach vorbey, und uͤber ihn hin erblickt man eine ſchoͤne Wieſe mit einzelnen Baͤumen und Gebuͤſchen um - zingelt. Der groͤßte Theil der Wieſe erſcheint ſehr anmuthig durch eine Gruppe von Baͤumen, die auf dem jenſeitigen Ufer am Bache ſtehen. Ueber dem Eingang der Huͤtte werfen einige ſehr alte Eichen eine wohlthaͤtige Ueberſchattung herab. Zur Lin - ken liegt jene Maulbeerpflanzung, mit wilden Klumpen von Eichen; und hinter dem Mooshauſe ein dichtes Buſchwerk, woraus der Waldbach hervorbricht. Dieſe Huͤtte bietet dem Spazierenden nicht allein eine erwuͤnſchte Ruhe an, ſondern iſt auch in die - ſer Gegend ein ſehr angemeſſener Gegenſtand. Die Inſchrift am Eingange:

Felix, qui potuit rerum cognoſcere cauſas; Fortunatus et ille, deos qui novit agreſtes! ()

ſcheint nirgends mehr, als fuͤr dieſe Lage zu gelten, welche den Werth der Ruhe des Landlebens und der philoſophiſchen Betrachtungen, wozu ſie den Weiſen leitet, ganz empfinden laͤßt.

Man wird nicht ohne einige Betrachtungen dieſer Art den Sitz im Mooshauſe verlaſſen, und indem man weiter den anmuthigen Spaziergang unter ſchattenreichenH h 3Baͤumen246Anhang. BeſchreibungenBaͤumen verfolgt, hat man lange zur Linken jenes Kornfeld, zur Rechten den ſchoͤnen Waldbach, der bald nahe fließt, bald ſeitwaͤrts umirret, bald von uͤberhaͤngenden Straͤuchen ganz verdunkelt iſt, bald im gebrochenen Sonnenſchein dahin wallt. Ue - ber den Bach erblickt man, in abwechſelnden Durchſichten durch die Gebuͤſche, ein - zelne Theile der Wieſe, die man zuerſt im Mooshauſe entdeckte. Endlich hoͤrt die angenehme Begleitung des Bachs auf, indem er ſich rechts in die Gebuͤſche ganz ver - liert. Noch immer bleibt zur Linken das Kornfeld, und auf der rechten Hand tritt wieder eine reizende Wieſe hervor, die mit Waldung umſchattet, und in ihrem Um - fange hier mit einzelnen Eichen, dort mit kleinen Gruppen dieſer Baͤume maleriſch geziert iſt.

Indem die Seele ſich den angenehmen Empfindungen uͤber die Schoͤnheit dieſer laͤndlichen Auftritte uͤberlaͤßt, ſo wird ſie aus ihrer ſanften Behagung auf einmal durch das ſtarke Geraͤuſch eines angelegten Waſſerfalls geweckt, den das Auge nirgends fin - det. Man hoͤrt ihn mehr, je weiter man wandelt; man glaubt ihn jetzt ſehen zu muͤſſen, und doch verbirgt er ſich; man tritt in ſeine Naͤhe auf einen runden erhoͤheten Platz, unter emporſteigenden ehrwuͤrdigen Eichen, und noch immer iſt er blos dem Ohr durch ſein Getoͤſe gegenwaͤrtig. Indem man in den einfachlaͤndlichen der Natur gewidme - ten Tempel, der auf dieſem Platze ſteht, eintritt; ſo ſieht man auf einmal den ſchoͤnen Waſſerfall von der gegenuͤber liegenden Anhoͤhe aus der waldigten Verdunkelung in eine nahe Tiefe uͤber fuͤnf Abſaͤtze hinabſchaͤumen, eine Scene, deren Schoͤnheit durch die Ueberraſchung des Auges noch empfindbarer wird. Der Urſprung des Waſſerfalls iſt hier noch immer unſichtbar, denn er ſtuͤrzt ſich unter einem Buſchwerk aus einem anſehnlichen Waldbach hervor, der von jenem obern Bach beym Mooshauſe abfließt, und von dem Tempel aus nicht geſehen wird. Ringsumher iſt dieſes Revier von ho - hen Baͤumen und dicken Gebuͤſchen umſchloſſen; nur zur rechten Seite eine Ausſicht auf die zuletzt erwaͤhnte Wieſe und ihren dunkeln waldigten Hintergrund. Das Waſſer eilt ſeitwaͤrts unter der Dunkelheit der Gebuͤſche fort, um eine nahe Muͤhle in Bewe - gung zu bringen, die dieſer anmuthigen Einoͤde ein neues Leben giebt. Der Eindruck dieſer Scene, als ich ſie zum erſtenmal ſah, verſetzte mich in eine ſchwermuͤthige Be - geiſterung. Es athmete eben der ſuͤßeſte Abend des May; das friſche Laub und die Kraͤuter goſſen einen Reichthum von Wohlgeruͤchen aus; der Himmel war milde, ru - hig, und noch von dem letzten Lichte der Abendroͤthe uͤbergoldet; wir wurden von der holden Muſik einiger Waldhoͤrner in der Ferne empfangen, deren Kraft in einer ſol - chen Gegend und an einem ſolchen Abend uͤber allen Ausdruck bezaubernd iſt; der Waſſerfall rauſchte, und die jungen Braͤutigams der Nachtigallen floͤteten in das rauhe Concert wetteifernd ihre verliebten Melodien.

Von247von Landhaͤuſern.

Von der Scene des Waſſerfalls leitet ein weiter anmuthiger Weg, an einem Waldbach zur Linken, und zur Rechten an einer Wieſe, durch einen Wald von Eichen und Ellern, und von da weiter nach verſchiedenen Kruͤmmungen durch Gebuͤſche zu der Einſiedeley hin. Verſchloſſener, einſamer und angemeſſener kann fuͤr ein Gebaͤu - de von dieſem Charakter keine Lage von der Natur beſtimmt ſeyn. Sie iſt auf allen Seiten von Waldung und nahen Gebuͤſchen umſchloſſen, die ſich heranzudraͤngen ſchei - nen, um dieſen Ort vor jedem Anblick zu verbergen; die wenigen ſchmalen daͤmmern - den Durchſichten endigen ſich immer wieder auf andere Verdunkelungen; und die Gruppen, die bald vorſpringen, bald ſich zuruͤckziehen, machen nur Oeffnungen, um die Finſterniß der hintern Vorhaͤnge deſto mehr zeigen zu koͤnnen. An dieſem Platze ruhet die von Wurzeln und Moos erbaute und in dem wahren Charakter ausgefuͤhrte Einſiedeley, in einer kleinen Niedrigung zwiſchen Eichen, die ihre Zweige herabhaͤn - gen laſſen, und ſelbſt ihre bejahrten Staͤmme uͤber ſie hinbeugen. Zehn Fuß von ih - rem Eingang fließt jener Waldbach, der hier ſtille, ohne alles Geraͤuſch, voruͤber - ſchleicht; nichts als die Klage eines verirrten Vogels und das melancholiſche Geſaͤuſel der Winde in den Gipfeln und in den Gebuͤſchen; uͤberall tiefe Ueberſchattungen des vorhaͤngenden Laubwerks. Die Seele empfindet hier ganz den Eindruck der Stille und der ruhigen Abgezogenheit von der Welt; ſelbſt alle lachenden Scenen der Natur ſind zuruͤckgeſchwunden, um ihr Nachdenken nicht zu unterbrechen. Sie muß hier mit ſich allein ſeyn, ſich ganz mit einem ernſten Nachſinnen beſchaͤftigen; fuͤhlen, daß ſie ein geiſtiges, uͤber die Koͤrperwelt erhabenes Weſen iſt, ſich gewoͤhnen, zu den rei - nen Betrachtungen emporzuſteigen, die einſt auf einem andern Platz ihre laͤngere Gluͤckſeligkeit beſtimmen ſollen. Die Duͤrftigkeit der Einſiedeley iſt nur ein Spiegel von der gluͤcklichen Entbehrlichkeit, die allein der Weiſe kennt, der nicht traͤumt, hier immer wohnen zu wollen; der Altar, die Buͤcher der Andacht, das Kreuz, das aus dem bemooſten Dach ſich im Eichenlaube verbirgt, ſind nur Veranlaſſungen zu Ge - danken, welche die Seele heben und zugleich ſtaͤrken; und die Daͤmmerung der Ge - buͤſche, unter welchen der Bach, ein Bild von dem Frieden des Lebens, dahinſchleicht, laͤßt doch jenſeits Ausſichten erwarten, die mit allem ihren Reiz nicht denen gleich kom - men, welche die kuͤnftige Welt der Tugend durchſtrahlen.

IX. Der248Anhang. Beſchreibung des fuͤrſtlichen

IX. Der fuͤrſtliche Garten vor Zelle. *)Dem Durchl. Prinzen Ernſt von Meck - lenburg-Strelitz, Koͤnigl. Großbritanni - ſchen und Churbraunſchweigiſchen Gene -rallieutenant und Gouverneur zu Zelle zu - gehoͤrig. Er liegt ganz nahe vor der Stadt.

Beym Eingang des Gartens hat man gleich das laͤndliche Luſtſchloß vor ſich, zu welchem auf der rechten Seite die Zufahrt zwiſchen einer niedrigen Pflanzung geſchieht. Zur Linken des Gebaͤudes tritt man in einen uͤberaus anmuthigen, langen, ſchlaͤngelnden Gang, zu beyden Seiten mit einheimiſchen und auslaͤndiſchen Baͤumen, Straͤuchern und Blumen, auf einem mit Gras bekleideten Boden, bepflanzt. Die Baͤume zeigen ſich bald einzeln in der Schoͤnheit ihres Wuchſes und ihres Laubes; bald ſammeln ſie ſich zu dichten Gruppen, und reizen das Auge durch eine mannigfal - tige Miſchung des Gruͤns.

Auf dieſem Gange ſieht man zur Rechten einen ſehr großen laͤnglichen Weide - platz bald durch die Gebuͤſche hindurch ſchimmern, bald in ihren Oeffnungen ſich freyer verbreiten.

Dieſes anſehnliche ringsumher mit einem niedrigen Gelaͤnder umgebene Raſen - ſtuͤck, das unmittelbar vor dem Gebaͤude anfaͤngt, macht den Mittelpunkt des Gartens, um welchen die uͤbrigen Anlagen ſich herumwinden. Das Auge wird von dem laͤnd - lichen Anblick einiger Kuͤhe ergoͤtzt, die hier umherweiden oder im Graſe hingeſtreckt ruhen. Naͤher nach dem Luſtſchloß hin erhebt ſich ein von der Kunſt gebildeter Berg, und außerdem ſieht man von dieſer Seite die Flaͤche noch von zwo Gruppen, einer groͤſ - ſern von Baͤumen, die etwa in der Mitte des Platzes liegt, und einer kleinern von Straͤuchern verziert.

Zur Linken des Ganges blickt man zuweilen, zwiſchen den Gebuͤſchen und Grup - pen hindurch, auf angraͤnzende Felder und Weiden, die faſt die Haͤlfte des Gartens umgeben, und von ihm nur durch eine niedrige Hecke abgeſondert ſind.

Gegen das Ende der großen Grasweide wenden ſich allmaͤhlig die Luſtgebuͤſche, und der Weg erhebt ſich zu einer kleinen anmuthig bepflanzten Erhoͤhung, wovon man, gerade uͤber die ganze Laͤnge des Weideplatzes, nach dem Luſtſchloß hinaufblickt. Von hier aus umgeben faſt lauter anſtoßende Gaͤrten die Graͤnze der Anlage, nur durch diefort -249Gartens bey Zelle. fortlaufende niedrige Hecke von ihr getrennt; und ein bedeckter Gang leitet links zu ei - nem chineſiſchen Pavillon im Gebuͤſch. Er hat eine einſame und angenehme Lage; die Ausſicht, die ringsumher durch die vorhaͤngenden Laubdecken begraͤnzt iſt, faͤllt ge - rade aus auf einen kleinen Raſen und einen wohl angelegten ruhenden Teich, mit bun - tem Gras an den Ufern umwachſen, und von heruͤberneigenden dick beſchattenden Baͤu - men umzingelt; ein anmuthiges Revier voll Schatten und Kuͤhlung, deſſen ſtille Ein - falt die Seele vermuthlich noch mehr ruͤhrte, wenn einer blos laͤndlichen Huͤtte vergoͤnnt waͤre, den Platz des chineſiſchen Pavillon einzunehmen. Zur Linken trifft man bald wieder einen Sitz mit der Ausſicht, zwiſchen umherhaͤngenden Schatten, auf das nahe Waſſer; und dem Pavillon gegenuͤber ſteht an dem dieſſeitigen Ufer unter Gebuͤſchen eine laͤndliche Bank von unbeſchaͤlten Birken, deren Einfachheit ſich hier ſo wohl zu der Scene ſchickt. In dem Revier um den Teich ſchlaͤngeln ſich verſchiedene Gaͤnge unter hohen Ellern und andern Baͤumen mit Strauchwerk untermiſcht; und zur Rechten ſchimmert in die Außenlinie dieſer Partie, die eine der ſchoͤnſten des Gartens iſt, ein Theil des großen Weideplatzes hinein.

Man uͤberſieht ſeine dieſſeitige Flaͤche ganz, indem man aus den Gebuͤſchen ſich rechts herauswindet; und nach dem Berge fuͤhrt zwiſchen Baͤumen ein ſchlaͤngelnder Weg, der, umgeben von einem Gelaͤnder, zugleich eine Weide fuͤr Pferde von jener, die fuͤr Kuͤhe gruͤnt, abſondert. Auf der linken Seite des Weges ſieht man hier wie - der eine artige Gruppe uͤber den Raſen aufſteigen. Der Berg hat eine ſanfte Erhoͤ - hung. Der Pfad ſchlaͤngelt ſich herum, hebt ſich links allmaͤhlig, und laͤuft auf dem andern Abhange nach dem Gebaͤude wieder hinab. Man genießt eine herrliche Aus - ſicht auf der Hoͤhe, die uͤber die ganze Anlage und die angraͤnzende Landſchaft gebietet; das Auge uͤberſieht in der Naͤhe ringsumher den ausgebreiteten Weideplatz, der fuͤr das Ganze des Gartens hier faſt zu groß ſcheint, die Gruppen von Baͤumen und Straͤuchern, die kleine Heerde, und an dem Rand hin die obern Woͤlbungen der umliegenden Luſt - gebuͤſche; und weiter hinaus erſtreckt ſich der Proſpect uͤber die Stadt Zelle, die wei - ten Landſchaften umher, worinn die Aller ſtroͤmt, und ſelbſt bey heiterm Wetter zu den ehrwuͤrdigen Tannengebirgen des Brocken hinauf. Man erwartet zum ruhigen Ge - nuß dieſer ſchoͤnen Ausſichten noch einen im laͤndlichen Styl gebaueten Tempel, der dieſe Anhoͤhe zieren wird, die ein ſehr geliebter Platz iſt, zu welchem gleich aus dem Luſt - ſchloſſe ein kurzer Pfad hinauf fuͤhrt. Der Berg iſt gruͤn bewachſen, und nur mit ſehr niedrigen Straͤuchern hie und da verziert. Indem man an ſeinen Fuß hinabſteigt, bemerkt man in ſeiner Mitte einen hohen, gewoͤlbten, von Backſteinen gemauerten Durchgang, der den Vortheil einer angenehmen Durchſicht auf die gegenuͤber liegen -III Band. J iden250Anhang. Beſchreibung des fuͤrſtlichenden Gebuͤſche, die er von dem Gebaͤude aus gewaͤhrt, durch einen verraͤtheriſchen Wink von der kuͤnſtlichen Anlage des Berges, etwas mindert.

Will man nicht in den Weg, der in die Weide zu dem Berg hinauf fuͤhrt, ein - biegen, ſo locken auf der andern Seite drey ſchlaͤngelnde Gaͤnge, mit ſchoͤnen Baͤumen, bluͤhenden Straͤuchern, Stauden und Blumen untermiſcht umgeben, mit einem wett - eifernden Reiz, in ihnen weiter hinauf zu irren. Mit Vergnuͤgen ſahen wir, wie das Geisblatt und andre kletternde Pflanzen von ſchoͤner Bluͤthe hie und da die Staͤmme der Kaſtanien, Linden und andrer groͤßern Baͤume freundlich umarmten, wie die blauen und weißen Syringen ihre Buͤſche uͤberdeckten, und unter dem dunkeln zum Boden herabſtroͤmenden Laubwerk Iris und Narciſſen ſich beſcheiden zu verbergen ſchienen, indeſſen die Tulpe mit ihrer ſtolzen Pracht ſich freyer zum Anblick hervordraͤngte. Dieſe drey Gaͤnge irren oben nach einem ſchoͤnen Raſen hinauf, und ehe ſie dahin aus - laufen, wird man noch in den Luſtgebuͤſchen von einem kleinen, runden, gruͤnen Platz angelockt, um hier in einer uͤberaus lieblichen Scene zu ruhen. Man ſieht um ſich her ein angenehmes Gemiſch von Baͤumen, die ſich noch ihrer ſchoͤnen Jugend freuen; blinkende Lichter und halbe Schatten ſpielten umher auf den wankenden Blaͤttern, und mit matten Seufzern entſchlummerten allmaͤhlig die Nachtigallen in den Traum der Liebe.

In dieſem Zauber genoſſen wir den ſanften Eindruck dieſer Scene, die noch eine ihrem Charakter zuſtimmende Statuͤe aufzunehmen faͤhig ſchien, und ſchlichen mit Unterhaltungen von ihrem ſuͤßen Reiz ins Freye hinaus, dem erwaͤhnten Raſen zu. Er iſt von einer angenehmen laͤnglichen Form, mit einzelnen Baͤumen und Strauch - gruppen verſchoͤnert. Die Gaͤnge um ſeinen Umkreis ſind von Luſtgebuͤſchen umkraͤnzt. Oben an dem Raſen liegt ein Haus von einfacher Bauart, mit einem weißen Anſtrich der Waͤnde und einem ſtrohernen Dache; es beſteht faſt nur aus einem einzigen großen Zimmer, das zur Aufnahme einer Bibliothek beſtimmt iſt. Die einſame Lage dieſes Gebaͤudes macht es ſeinem Gebrauch ſehr angemeſſen. Hinten liegt eine kleine Me - nagerie und ein Taubenhaus; zur Linken ſchleicht ein verdeckter Pfad nach einem ein - geſchloſſenen Blumengarten und einem Glashauſe; und von da ſchlaͤngelt ſich, an dem obern Rande des Weideplatzes weg, nach dem Luſtſchloſſe zu ein umpflanzter Gang, an welchem ein anmuthiger Sitz unter Schatten nicht vergebens einladet.

Die Baͤume dieſes Gartens, worunter uͤberaus viele auslaͤndiſche ſich erheben, ſind von einer beſondern Schoͤnheit der Form; und alle Plaͤtze, wo ſie entweder einzeln, oder in Gruppen, oder in Verbindung mit Straͤuchern bluͤhen, ſind ein reich mitGruͤn251Gartens bey Zelle. Gruͤn bekleideter Boden. Die kieſichten Gaͤnge ſind feſt, bequem, und in der Mitte etwas erhoben; und ihnen zur Seite bieten Baͤnke, einige von unbeſchaͤlten Birken geflochten, die ein laͤndliches Anſehen haben, angenehme Ruheſitze an.

Der Garten iſt ſeit zehn Jahren angepflanzt, und ſcheint jetzt ſeine ſchoͤnſten Tage erreicht zu haben. Die ganze Anlage iſt in einem ſehr reinen und anmuthigen Geſchmacke. Sie hat keine große Mannigfaltigkeit; allein das Einfache und Laͤndliche, das ihren Charakter ausmacht, und woruͤber ſic