PRIMS Full-text transcription (HTML)
Eroͤffneter Schauplatz Des Menſchlichen Lebens /
in der Abdanckungs-Handlung / Bey der / den 18. Novembris Anno 1671. in Friedersdorff geſchehenen Beerdigung / Der Weiland / Hoch - und Wohl-Edelgebohrnen Frauen / Frauen Anna Helena von Feſtenbergin Pakiſchin genant / gebohrner von Schweinitz / Frauen auf Wieſenthal / Friedersdorff / Johnsdorff / Ludwigsdorff / auch Guͤßhuͤbel / Vogelsdorff / und Neu-Warnsdorff
vorgeſtellet / Pflicht-ſchuldigſt / durch George Herman von Schweinitz / auf Crain ꝛc.
Zittau in Ober-Laußitz/ Gedruckt beyJohann Caſpar Dehnen.

ORimur, Morimur: Unſer Leben iſt ein Anfang des Todes: Kaum gehets auf / ſo gehets wieder aus: Es iſt ein Schatten; Es wil was ſeyn und iſt doch nichts; Es iſt ein Augenblick / itzt geſe[-]hen / bald geſchehen; Es iſt ein Ball / den Veraͤnde - rung hin und herſchlaͤgt und beweget: Ja / es iſt ein Nichts / auf nichts beſtaͤndigem gegruͤndet. Gehen nicht uns armſeeligen Menſchen wegen unſerer gar zu vergaͤnglichen Zerbrechligkeit / faſt noch wohl vor / die gegen uns gering-ſchaͤtzbahre Gewaͤchſe der Zeu - geMutter aller Dinge? Nehmen uns nicht dieſes - falls ſchier den Preiß / die erqvickenden Gaben der lieblichen Gaͤrte / die ernaͤhrende Fruͤchte der frucht - baren Felder / die vielfarbigte Kinder der bunten Wie - ſen / und andere hervorgebrachte Gebuhrten der ſchwangeren Natur? Denn gelangen Sie nicht meh - rentheils zu gleichem Alter / prangen Sie nicht die meiſten nach ihren Arten / und in ihrem Genere und Geſchlechte in gleichem Flohr und einerley Schmu - cke / im Fall nur einerley Bodem und Erdreich Sie hervor bringet und beguͤnſtiget? Der groͤſten Part unter ihnen giebet ohne Unterſcheid auf eine Weiſe / der anmuthige Fruͤhling / die lebhafte Geburth / der erwaͤrmende Sommer / das wachſende Zunehmen /A ijderAbdanckung. der wohl-temperirte Herbſt / die reiffe Vollkommen - heit / und endlich der kalte Winter den anſtaͤndigen Sarg im Soͤller oder Keller / und das behoͤrige Grab in Leibern / theils der Menſchen / theils des Viehes. Hergegen / wir elende Menſchen / wie iſt die Beſchaf - fenheit unſers Geluͤcks und Gemuͤths ſo mancherley / wie wunderlich differiren die Complexionen des menſchlichen Leibes / und was vor mixtionen und Vermiſchungen entſtehen aus denſelben: Wie hat die Natur ſo ungleiche ausgetheilet ihre Freygebig - keit und Kargheit / in dieſem oder jenem Subjectô; Wie wenig ſind einander im Gluͤcke und Ungluͤcke gleich; Wie wenig haben ebenmaͤßige Geſundheit und Wohl - ſtand; Wie wenig haben einerley Neigung; Wie we - nig haben ohne geſchminckte Gleißnerey vereinbahr - te deutſche Aufrichtigkeit und Treue / und ſo ferner. Wie unterſchieden / ſind die Menſchen den Tugenden ergeben / oder mit dem Wuſt der Laſter beflecket? Gleichfals / wer erreicht ein ebenmaͤßiges hohes Al - ter wie Etliche / und wer erlanget dieſes was die mei - ſten euſerſt wuͤntſchen / nehmlich die grauen Haare / welche doch ſelten ohne Beſchwerligkeiten und Unge - legenheiten getragen werden? Traun Wenige. Wie viel werden abgeriſſen in der aufgehenden Knoſpe ihrer zarten Kindheit? Wie viel muͤſſen von hinnen in der Hoffnungs-vollen Bluͤthe der Jugend? Wie viel genieſſen kaum der vollſtaͤndigen Frucht des Maͤnnlichen Alters? daß alſo freylich die Anzahl de - rer / welche in das gar graue und hohe Alter kommen / geringe / darnebenſt / ſo der Zuſtand / als die Eigen - ſchafft der Menſchen ungleiche / unbeſtaͤndig und viel -faͤltigAbdanckung. faͤltig iſt. Nur eines machet uns gleich / der unſaͤt - tige Menſchen-Fraß / der Todt / und dieſer iſts alleine / Welcher durch Gottes gerechten Schluß verurſachet / daß unſere Beſchaffenheit ſtandhafft und einerley werde; Doch nach dem einigen Unterſcheide / ob einer Gott oder dem Mammon gedienet. Daher gehet ſei - ne Gewalt uͤber alles Fleiſch / Hier wird nichts ausge - nommen / weder Jung noch Alt / weder was maͤchtig / noch was niedrig.

Pallida Mors æqvo pulſat pede pauperum tabernas, Regumq́ turres. ()
Der blaſſe Todt klopft an / ſo wohl aus Koͤnigs -
Pforte /
Als bey des armen Manns gering-geſchaͤtztem
Orte.

Und heiſt es auch wie der Poet ferner ſaget:

Miſta ſenum ac juvenum denſantur funera, nullum Sæva caput Proſerpina fugit. ()
Kein Alter kan des Grim̃s / des Todes ſich ent -
ſchlagen /
Der Menſch wird Jung und Alt zum Grabe
hin getragen.
A iijDennAbdanckung.

Denn / der Stab iſt nur uͤber alle Menſchen gebro - chen / wir werden alleſambt wegen unſerer Suͤnden - zu Staub und Aſche; Die allgemeine Regel: Menſch Du muſt ſterben / leydet keine exception, Wir muͤſſen alle vor hierdurch: Die Seeligen und Gott-ergebe - nen koͤnnen nicht anders / als hierdurch ihrer Muͤhe und Arbeit abkommen / und in dem ſicheren Hafen der ewigen Ruhe und Seeligkeit gluͤcklich anlenden. Die verruchten und verharteten Welt-Kinder wer - den durch kein anderes / als ſo thanes Mittel / von der ſtrengen Gerechtigkeit Gottes zu gebuͤhrender Straf - fe gezogen / in deme Sie endlich hierdurch mit ihrem ſteten Ach und Heulen zu ihrem immerwehrenden Schaden und Verderben erfahren muͤſſen / daß / das ſchwanckende Schiff zeitlichen Hochmuths und Wol - lebens / nicht immer ſchweben kan / auf dem unreinen Meer der ſchaͤndlichen Luͤſte / ſondern daß ſolches ploͤtz - lich / ehe Sie es leyder ſelbſten im wenigſten gedacht oder vermuthet / mit Schrecken zu ſcheitern gehen / und dergleichen weltliches Gluͤcke in einem kurtzen Au - genblick / ein verzweifelt Ende nehmen muß / weil es hierauf auf aller Zeiten Zeiten in dem abſcheulichen Grund und erſchauerden Schlund ewiger Qvaal und Pein verſencket wird. Zwar werden freylich die Leiber der Menſchen noch eine Zeitlang im Grabe aufbe - halten / bis zu jenem groſſen Tage / ehe Sie zugleich mit der Seelen / entweder genieſſen eine ſtandhafte unauf - boͤrliche Freude / oder leyden muͤſſen / die unablaͤßliche Folter und Marter. Denn dieſes iſt des Allerhoͤchſten Allerweiſeſte Chymie, wordurch der Frommen ſterb - liche Coͤrper dergeſtalt pulveriſiret werden / damiteinAbdanckung. ein rein gelaͤutert Gold hervor gebracht werde / und damit Sie alsdenn hell-verklaͤhret / und wie die Ster - nen leuchtende / mit der Seelen vereiniget werden / umb gleicher maſſen der unendlichen Freuden mit theilhaftig zu ſeyn: Der Gottloſen aber verdam̃te Coͤrper werden hingegen in der Zerſteubung gleich - ſam als verwerfflicher Schaum und nichts werthe Schlacken erfunden / und deßwegen am letzten Ge - richt mit ihren verfluchten Seelen zugleich verworf - fen in das Feuer / das nicht verliſchet / und in die Gluth / die nicht aufhoͤret zu brennen. Was iſt nun der Menſch / was iſt er im Leben / was iſt er im Ableben / was iſt er nach dem Leben / was iſt die Welt worinnen er lebet? Nechſt dem was allbereit ange - fuͤhret worden / koͤnten wir mit vielerley Hierogly - phicis, Emblematibus und Sinnbildern aus den Au - thoren des Alterthumbs dieſem antwortlich begeg - nen. Doch unter allen iſt kein eigentlicheres / und welches alles ſo gar genau vorbildet / als wenn wir ſagen: Die Welt ſey ein ungeheuer Schauplatz / auf welchem eine immerwehrende Tragico-Comœ dia und Comico-Tragœdia, das iſt: ein ſtetes mit Trauren und Freuden oder Freuden und Trauren vermiſchtes Spiel vorgeſtellet werde / von den Men - ſchen / als Actoren und Perſonen auf dieſem Orte / da einige ruͤhmlich und loͤblich das ihrige thue / an - dere hingegen ſchimpflich und ſchaͤndlich ihre Per - ſonen ſouſteniren / Etliche von ihnen weggehen / ande - re an die Stelle treten: Die Materie aber oder Sa - che / welche daſelbſten abgehandelt wird / iſt das Thun oder Weſen der Menſchen / nebenſt denen mancher -leyAbdanckung. ley Zufaͤllen / welchen Sie unterworffen leben.

Eadem enim, ut non incongruè ait ille, in mun - agitur fabula, mutatis duntaxat perſonis. ()

Denn / wie jener nicht unrecht ſaget / ſo wird in der Welt immer einerley Ding oder Comœdie geſpielet. nur die Perſonen werden veraͤndert. Daher auch nichts geſaget werden kan / was nicht etwan allbe - reit ehmals von ſonſten iemanden waͤre gedacht worden: Gleichfals auch nichts zu geſchehen pfleget / daß nicht vorlaͤngſt auch vorgegangen. Derowe - gen hafftet vermeſſene Unwiſſenheit bey etlichen Leu - then / welche / mag leichte was ungemeines oder ſel - tzames vorkommen / auszuſchreyen / ſich nicht ſcheu - en: das ſey unerhoͤrt / das ſey nicht geſchehen / ſeither die Welt geſtanden / Denn dieſer Schauplatz iſt ja der Ort / wozu allen vergangenen / gegenwaͤrtigen und zukuͤnftigen Zeiten / Tugend und Laſter kaͤmpfet / Warheit und Luͤgen ſtreitet / wo Freude mit Leyd vergeſellet / wo nichts ſo ruͤhmlich / das nicht geſchicht / hergegen auch nichts ſo ſcheltens wuͤrdig / daß nicht ebenfalls vorlaͤuffet / und wo ſo bald ein unſeeliger Todt / als ein ruͤhmliches Abſterben in des Menſchen letzten Handlung geſchauet wird; Nur mit dem Be - wandnuͤs / daß auch hier auf der Welt / an ſtat des auf Schauplaͤtzen gewoͤhnlichen applaudirens / oder im Wiederſpiel Verlachens / einem Theile nach dem Tode ein ewiges Stygma Brand - und Schandmahl verbleibet / dem anderen ab er ein unſterblicher Nach - ruhm gruͤnet. Solten wir dieſes mit Exempeln aus den Geſchichten darthun / ſo wuͤrde uns eher die Zeit /alsAbdanckung. als die Materii ermangeln. Denn nicht nur Ale - xander. Julius Cæſar, ſind gluͤckliche und geſchwinde Land-Bezwinger geweſen / ſondern gleichfals nach ihnen Attila, Tamburlan, und zu unſeren Zeiten Taffileta und der Aſiatiſche Cham, derer ſieghaffter Waffen-Glantz / wie der Blitz / ſo viel Reiche und Lan - de Aſiens und Africens durchgangen. Nicht nur Hector, Achylles, Hannibal, Scipio haben unſterbli - ches Lob im Kriege erworben / ſondern nicht weni - ger haben ausgerichtet / die Caroli, Otthones, Hun - niades, Mauritii, Rederi, Pappenheymii, Strozii, und Andere. Nicht nur Porſenna hat vor Rom ſeinen Mucium mit Verwunderung geſehen; Sondern auch der erſchreckliche Soliman hat vor Wien mit gleicher Erſtaunung Unſeren Zedlitz geſchauet. Nicht nur Rom hat ſeinen Catilinam gehabt / ſondern auch Schleſien ſeinen unruhigen Hertzog Hanß von Sa - gan. Nicht allein der neuliche grauſame Rebell Stenko Razin / wird ſeinem Zar Treuloß / ſondern auch vorhin hat der Moͤrderiſche Phocas die ſchaͤnd - lichſte Untreu an ſeinem frommen Mauritiô, veruͤbet. Jn Warheit / es ſind nicht nur zu vorigen Zeiten Weibiſche und Wolluͤſtige Sardanapali und Mecœnates geweſen / es haben nicht nur ehmals gelebet delicate, leckerhafte und verſchwenderiſche Luculli, Apitii und Vitellii, und es hat nicht allein vor dieſem gegeben ſtoltze und uͤbermuͤthige / ſo durchs Geluͤcke kaum er - hobene / als ploͤtzlich von demſelbten geſtuͤrtzte Ha - mannos und Sejanos; Sondern auch unſere Zeiten ſind leyder nicht arm von ſolchen ſcheltbahren Zeug - nuͤßen; Ja vielmehr giebt es Derer mehr / als vor -Bhin /Abdanckung. hin / weil bey dieſer letzten erkalteten Welt die Laſter vor den Tugenden Platz behalten wollen. Fuͤhren wir denn ferner auf dieſes Theatrum auch einige Exempel aus dem Frauen-Zimmer auf / hat es glei - che Bewandnuͤs. Wir wollen mit den Laſterhaf - ten hier nichts zu handeln haben / und nur Etliche mit Erlaubnuͤs / als herrliche Tugend-Muſter vor - ſtellen. Wie es nun nicht wenigen / aus Weibli - chem Geſchlechte weder an Verſtand / noch Tugend gefehlet / ſo ſind auch gar viel aus denſelben ſo weit kommen / daß Sie hoͤchlich geziehret / den Zepter und Kron / welche nicht wenige Monſtra maͤnnlichen Ge - ſchlechtes liederlich verunehret und beflecket.

Wir haben nicht von noͤthen herkommen zu laſ - ſen die kriegeriſchen Amazonen, oder Andere / von welchen uns die Geſchichte dunckele Nachricht geben.

Der Großmuͤthigen Zenobie, der weiſen Pul - cherie, der gluͤcklichen Frantzoͤſiſchen Koͤnigin Blan - che de Caſtille, mit Hertz und Witz gefuͤhrte Herr - ſchafft / geben viel hellern Glantz. Aber wir beduͤrf - fen noch nicht ſo ferne zu gehen / es hat derer ſatſam / welcher Gedaͤchtnuͤs noch gar friſch / und welche kaum abgetreten ſind aus dem Schauplatz der Welt: die unerſchrockene Iſabelle in Niederland / die kluge Eli - ſabethe in Engeland / ſambt vielen andern ſind bey uns nicht erſtorben.

Wir koͤnten weiter fortfahren und beweiſen / wie es zu keiner Zeit gemangelt / an der gleichen tapfe - ren Weibern / deren vernuͤnftiges Einrathen / ihren Maͤnnern wohl und nuͤtzlich zu ſtatten kommen.

Wir koͤnten ſagen: Wie des gluͤcklichen Auguſts ſeine Livie nicht wenigen Theil gehabt in debatti -rungAbdanckung. rung der Regiments-Sachen / und wie ſie gleichſam geweſen / ſeyn mit Genoß im Reiche / und ſeyn Colle - gue domeſtique.

Wir koͤnten anziehen / daß ſo wohl der heiligſte Frantzoͤſiſche Koͤnig Saint Louis, in den importan - ten affairen / ſeine Entledigung aus der Saracenen Haͤnden betreffende / nichts / ohne Einſtimmung der Koͤnigin / ſchlieſſen wollen; Als / daß ebenfals des groſ - ſen Beherrſchers Spaniens Ferdinands, ſo zu deſ - ſelben Reiches / groͤſtem Aufnehmen den erſten Grund geleget / ſein Regiment nicht ohne geleyſteten treuen Beyſtand / ſo Er von der Klugheit und Courage ſei - nes Gemahls genoſſen / Gluͤck - und Sieghafft gewe - ſen. Und was koͤnten wir endlich vor eine fuͤr - treffliche Menge dergleichen weiſer und treuer Eh - gatten hier ſehen. Aber wegen groſſer und unge - meiner Weitlaͤuftigkeit / wollen wir die andern bey Seite ſetzen / auch nicht nechſt dem / was bereit beruͤh - ret / was mehrers herbringen / welcher geſtalt Sie in dieſen und andern Tugenden und Geſchickligkeiten / viel Lobwuͤrdiges von ſich blicken laſſen / ausgenom - men noch was Weniges aus einem beruͤhmten Au - thore. Maſſen der unvergleichlich gelehrte und be - redte Scribent Pere Le Moyne dieſes alles gar uͤber - fluͤßig erlaͤutert in ſeiner Gallerie des femmes fortes,*Dieſer Autor hat ſeinen Nahmen in Franckreich durch unterſchiedene Schrifften bekant gemacht / als da ſind un - ter andern Leſ-Peintures morales; De la Doctrine des Pasſions zwey Theile in qvarto ſo zu Pariß An -B ijJaAbdanckung. * 1643. gedruckt / und Anno 1645. wieder aufgeleget worden. Item: Ein Buch in qvarto, de la mode - ſtie. Ou de la Bienseance Chreſtienne, Anno 1656. gedruckt; und andere Sachen mehr / worinnen Er ſeine Beredſamkeit und Verſtand gnugſam an Tag ge - geben.Ja er unterſtehet ſich theils aus den Geſchichten / theils aus nicht unſcheinbahren Gruͤnden / ſo aus der Sitten-Lehre / als aus dem Trieb der Natur ge - nommen / zu erweiſen / daß in einem das Weibliche Geſchlechte / das maͤnnliche uͤbertreffe / und daß die Ehliche Liebe bey dem Tugendhafften Frauen-Zim - mer ſtaͤrcker waͤre auf ihrer / als auf der Maͤnner - Seiten. Die Geſchichte fuͤhret Er an / aus den Grichiſchen und Roͤmiſchen Hiſtorien: Er zeiget uns in GrichenLand; die Aſche der Evadne, welche ſich auf dem Scheiter-Hauffen mit dem Coͤrper ihres Ehgattens verbrennen ließ. Das Gewebe / in wel - chem ſich Penelopens Treu ihrem Ulyſſes unverletzt erhielt. Die Schale / in welcher Camme tranck den Todt und die Rache. Und ein ander Gefaͤße / in welchem die Artemiſe zu ſich nahm / die Aſche ihres Mauſole. Er laͤſt uns ſehen zu Rom: die feurigen Kohlen / welche die Porcie verſchlung. Den ent - bloͤßten Dolch und Hertzhaftes Geſichte der Arrie, mit welchem ſie ihrem zaghaften Petus ein Hertze machte / und ihren Ruhm verewigte. Die Lancet - te, welche der Pauline ihre Adern oͤffnete / umb mit ihrem Seneca zu ſterben. Ob nun gleich dieſes an -gefuͤh -Abdanckung. ge fuͤhrete in allem nicht bey uns Chriſten ein recht - maͤßiges Lob verdienen kan / ſo erhellen doch nichts deſto weniger hieraus ungemeine Spur-Zeichen eh - licher Liebe. Er bekraͤftiget ferner dieſes / wie ge - meldet / mit noch maͤchtigern Rationen. Er ſaget / daß die Weiber von Natur viel weichmuͤthiger / als wir ſind / und daher / weil die Tendreſſe ein ernaͤhren - des Oehle des Liebes-Feuers / viel feſter pflegen zu ſeyn im Lieben: Er ſpricht: daß ihre Liebe gegruͤndet waͤre auf den Beyſtand und Huͤlffe / welche Sie von ihren Ehemaͤnnern empfingen: Warumb ſolten Sie denn weniger naturel haben / als das Wintergruͤn / welches ſich unaufloͤßlich umb den Baum windet / ohne deſſen Beſtehen es nicht floriren kan. War - umb ſolten Sie ſchlechter lieben / als die Palme oder Palmbaum / welche nicht gruͤnet / nach dem Verluſt ihres Palmiers. Er mißet weiter dieſe der Weiber Treu nicht einzig bey der ſchuldigen Pflicht der Danckbarkeit / ſondern ſchreibet auch ſelbte dem Schmucke ihrer Ehre zu; Jn deme die Maͤnner in vielem ihre Ehre ſuchen koͤnnen / als in der Tapfer - keit / Wiſſenſchafft / Gerechtigkeit und anderen Qva - litaͤten / Hergegen die Weiber vornehmlich dieſes ein - zige haben ihren Ruhm bluͤhend zu machen. Uber dies nebenſt noch vielen andern anfuͤhrenden Urſa - chen bricht er mit dieſen Worten heraus:

C'eſt la principale ambition des honneſtes fem - mes, d’eſtre aymé es de leurs marys uniqve - ment, et avec perſeverance. Cela fait au lo -B iijgisAbdanckung. gis leur repos & leur ſatisfaction: Cela fait au dehors leur bon bruit, & la bonne odeur de leur renommèe.

Es iſt die vornehm - ſte Ambition oder Ehrſucht der ehrlichen Weiber einzig und mit Beſtand von ihren Maͤnnern geliebet zu werden. Dieſes ſtiftet im Hauſe ihnen Ruhe und Vergnuͤgung: Dieſes erwecket auſſerhalb aller Orthen ihnen ein guttes Gerichte / und den ange - nehmſten Geruch eines ehrlichen Nahmens. Weß - wegen Sie ſo thane Gunſt von ihren Maͤnnern zu erlangen ſich deſto mehr darumb mit treueſter Lie - be euſerſt bemuͤhen. Heute an dieſem Trauer - Begaͤngnuͤs-Tage iſt nicht noͤthig zu erforſchen / auf welcher Seiten die ehliche Liebe am ſtaͤrckeſten ſey; Wir finden hier ein Amour mutuelle & reciproqve Eine ſtandhaffte Gegen-Liebe auf beyden Theilen. Die verblaſte Hoch-Adeliche Leiche der Seeligen Frauen von Packiſchin iſt ein unwiederſprech - lich Zeugnuͤs / das bis in den Todt die bruͤnſtige ſtand - haffte Liebe gegen Jhrem Eh-Liebſten tauerhafft verblieben. Die tieffſte Betruͤbnuͤs gegenwaͤrtigens ſchmertzlichſt-bekuͤm̃ernden Herren Wittibers / iſt ein unausleſchliches Merckmal / wie auch nach dem Tode des aufrecht Hertzlich-geliebeten Ehegattens / die Pflicht rechter und wahrer Liebe / in Tugendhaf - ten Gemuͤthern tauren koͤnnen. Ach dieſer Her - tzens-Stoß entkraͤfftet Jhn faſt gantz / es ſcheinet / als wenn ſein graues Alter / welches ohne dies / einpaarAbdanckung. paar Jahre hero / mit vielen Unpaͤßligkeiten befallen geweſen / faſt aller Kraͤffte vollends gar benommen wuͤrde. Aber hier duͤncket mich gleichſam / als wann Unſere Seelige Frau von Packiſchin ſelbſten aus dem Grabe Jhrem traurigen Ehgemahl Troſt zuſpraͤche / und dieſe Worte zu - ruffte: Getroſt! Liebſter Hertzens-Schatz / gedenckt / daß / ob ich gleich geſtorben / doch Gott noch lebet / Der / was Er verletzet / kraͤftig heilen kan. Gedencket / daß ich meines gleichen hinterlaſſen / in den angenehmſten Liebes-Pfaͤndern meinen Tugen - den ruͤhmlichſt nach-arthenden Toͤchtern / Welche meine Stelle in Treue und Vorſorge gnugſam ver - treten werden. Gedenckt / daß unſerem Hauſe ein ſolcher Sohn eingepfropfft / der an aufrechter kindlicher Pflicht nie nichts wird erwinden laſſen.

GOTT ſey Danck! Der Euch ſolchen treuen Dreyfachen Troſt giebet / Der troͤſte Euch mit itzt-erwehnten Hoͤchſtbetruͤbteſten Meini - gen ferner / und laſſe EUCH / und dieſe meine Liebſte Nachkommen reichlich geſegnet / und begluͤcket lange auf Erden verbleiben / bis Jhr ſee - ligſt / doch langſam / Saͤm̃tlichen nach des Hoͤchſten Willen mir dermahleins nachfolgen moͤget / da wir denn mit Freuden einander wieder ſehen und umb - armen werden. Getroſt! Aller-wehrteſteFrauAbdanckung. Frau Schweſter / und Alle / die Jhr uͤber mein Abſterben betruͤbt ſeyd / gedenckt / daß ich das Zeitli - che mit dem Ewigen / das Unbeſtaͤndige mit dem Be - ſtaͤndigen ſeeligſt verwechſelt habe / gedenckt / daß ich die vermiſchte Comœdie meines Lebens Chriſtlich und Adelich geendiget.

Der Prologus oder meine Ankunfft mei - ner Illuſtren Geburth / aus dem bekanten Uhralten Geſchlechte derer von Schweinitz / und Hohen Hauſe der Frey Herren von Schaffgotſch kunte nicht glorieuſer ſeyn; Worauf

Der Erſte Actus oder erſte Handlung meines Alters die ſchwache Kindheit auch ſchon wies / daß meiner lieben Eltern loͤbliche Kinderzucht nicht vergebens angewendet wuͤrde / und daß von Edlen Roſen nicht unarthige Diſteln zu entſprieſſen pflegen.

Der Andere Actus der reifferen Kind - heit / ließ mit wachſenden Jahren auch meine zuneh - menden Tugenden erkennen.

Der Dritte: die bluͤhende Jugend / erhob meinen Glantz durch wohl-anſtaͤndige Heyrath / in Eines der Edelſten Geſchlechter / welches dem Meinigen gleichſam durch verborgene Sympathie von vielen Zeiten an zugethan geweſen.

Der Vierdte: Welches Alter / wegen Voll - kommenheit / das maͤnnliche genennet wird / ließ auchdeſtoAbdanckung. deſto vollkommener in meiner Perſon die guͤldene Strahlen meiner Tugenden hervor ſcheinen: Kein Finſternuͤs des betruͤbten Krieges-Feuer / keine duͤſte - re Wolcke einigen Ungluͤcks / Wiederwertigkeit oder Bekuͤmmernuͤs vermochte ſolche zuverdunckeln.

Der Fuͤnfte und Letztere / das angehende graue Alter / ließ mich mit Freuden mein Anders Jch in meinen Allerliebſten Toͤchtern ſehen / ließ mich mit nicht weniger Vergnuͤgung die Alliance meines Hauſes mit einer ſolchen Casata ſchauen / wormit ich und die Meinen allezeit in unaufloͤßli - cher alten deutſchen und ungefaͤrbten Freundſchaft gelebet. Jch leuchtete nun als eine helle Tugend - Fackel / in - und auſſerhalb des Hauſes / als ein Muſter ehlicher und haͤuslicher Tugend / als ein Exempel Muͤtterlicher Vorſorge und Treue / als ein Gleich - nuͤs aufrechten und guttmeinenden Gemuͤthes / und als ein Ebenbild Chriſtlichen und Gott ergebenen Hertzens: Jtzt hoͤre ich auf zu brennen / nachdem ich meinen Epilogum und Beſchluß in wahrem Vertrau - en auf meinen eintzigen Heyland und Seeligmacher Chriſtum Jeſum ſeeligſt abgeleget. Die Tapeten und Verdeckungen ſind hinweg / ihr ſehet alle wie ich gelebet / GottLob ich darf mich deſſen nicht ſcheuen / der Edele Geruch meines Chriſtlichen Nachruhms wird bey ehrlichen Gemuͤthern / und in der loͤblichen Nachfolge meiner Nachkommen nicht vergehen. Adieu, gehabt euch wohl / bis daß euch auch Gott helffe zu ſeiner Zeit die letzte SceneCeuresAbdanckung. eures Lebens gleicher geſtalt Chriſtlichen und ruͤhm - lichen beſchlieſſen. Adieu, zu Tauſendmahlen gutte Nacht! Wir applaudiren demnach der ſeeligen Frauen von Packiſchin mit unſerem Jubel - und Triumpf-Geſchrey:

Triumpf / Triumpf / Triumpf! Wer alſo
kan beſchlieſſen /
Kan nach vollbrachtem Lauff des Sieges Lob
genieſſen.

Daß aber dieſe Hoch-anſehnliche Aſſembleê von der Hohen und vornehmen Freundſchafft und Nachbarſchafft / auch die Chriſtliche Beglei - tung der Ehrwuͤrdigen Prieſterſchafft / und die angenehme Gegenwart des Wohlweiſen Rathes der Loͤblichen Stadt Greiffenberg / und ſaͤmbtli - che hierzu erbethene wehrteſte Verſamlung / dem entſeelten Hoch-Adelichen Coͤrper aus rechter Freundſchafft den letzten Ehrendienſt erweiſen wollen; Hiergegen bedancket ſich der Hochbe - truͤbte Herr Wittiber / Der Hoch - und Wohl - Edelgebohrne Herr / Herr Hanß Siegmund von Feſtenberg / Packiſch genant / Herr auf Friedersdorff / Wieſenthal / Jonßdorff und Lud - wigsdorff / auch Gießhuͤbel / Vogelsdorff undNeu -Abdanckung. Neu-Warnsdorff / gehorſambſt / unterdienſtlich und Dienſt-freundlich / Hinwieder verſichernde / bey allen eroͤfnenden Begebenheiten / worzu Er doch erfreuerlicher Faͤlle treulichſt wuͤnſchet / es moͤglichſt zu verſchulden;

Erſuchet darnebenſt ferner / Sie wollen Jhm die nochmahlige Gnade und Ehre wiederfahren laſſen / und ſeinem Trauer-Haus / zu ſonderbah - rer gereichenden Conſolation weiter dero troͤſtli - chen Gegenwart hochgeneigt vergoͤnnen / und mit Zeit und Gelegenheit nach ereignender Be - dienung und Bewirthung Jhme einige ange - hende Occaſion ſeine ſchuldigſte Dienſtfertigkeit zu erweiſen / guͤnſtig verſtatten.

Zum Beſchluß ſetze ich aus verbundenſter Pflicht auf das Grabmahl der Seeligſten Frauen / meiner im Leben geweſenen Hochwehr - teſten Frauen Muhmen / Hochgeehrtiſten Frau - en Mutter / und Aller-treueſten Freundin / dieſe nachfolgende Grabſchrifft / genommen aus De - roſelbten Chriſt-Adelichen Tugend-Wandel:

C ijDenGrabſchrifft.

DEn Schauplatz dieſer Welt hab ich alſo geziehret:

Daß ſich mein Sinn auf Gott im Glauben hat
gericht /
Und aller Suͤnden Zahl durch Chriſtus Todt
vernicht:
Daß Toͤchter / Mann und Sohn aufrechte Treu verſpuͤret /
Und wahre LiebesGunſt: daß ich / wie ſichs gebuͤhret
Auch gegen Freunden nie vergeſſen meiner Pflicht.
Daß ich vor iederman geleuchtet wie ein Licht /
Und nach der Tugend Schnur des Lebens Zweck gefuͤhret.
Druͤmb mein Gedaͤchtnuͤs bleibt beym Sterben auch im Seegen /
Wer Tugend ehrt und liebt / wird ſolches treulich hegen /
Haus / Kirche / Dorff und Feld / der Wirthſchafft Thun
und Krafft /
Wird zeugen uͤberall / was nuͤtzlich ich geſchafft.
Und weil Mein Ebenbild / in meiner Nach-Welt lebet.
So darff ich ſorgen nicht was meinen Ruhm erhebet.

About this transcription

TextEröffneter Schauplatz Des Menschlichen Lebens
Author George Herman von Schweinitz
Extent20 images; 3382 tokens; 1643 types; 25162 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationEröffneter Schauplatz Des Menschlichen Lebens in der Abdanckungs-Handlung/ Bey der/ den 18. Novembris Anno 1671. in Friedersdorff geschehenen Beerdigung/ Der Weiland/ Hoch- und Wohl-Edelgebohrnen Frauen/ Frauen Anna Helena von Festenbergin Pakischin genant/ gebohrner von Schweinitz/ George Herman von Schweinitz. . 20 Johann Caspar DehnenZittau1671.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 E 291/24 / 354512

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:35:29Z
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Holding LibraryUniversitätsbibliothek Breslau
ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 E 291/24 / 354512
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